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A
5
I f
4.
JAHRBÜCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
/ ./ .
RHEINLANDE.
HEFT LXX.
■^
MIT 4 TAFELN UND 3 HOLZSCHNITTEN.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BONN, BEI ADOLPH MARCUS.
1881.
ri^T-^', ^c, . ^«ii
■^ *
L Oescliiclite und Denkmäler.
I. Römische Funde in Mainz.
Hierzu Taf. I.
Die im Laufe des Sommers 1880 sehr eifrig geforderten Kanal-
bauten haben aus dem an Resten römischer Kultur so reichen Boden
von Mainz mannigfache Dinge von historischem und archäologischem
Interesse zu Tage gebracht: Thonscherben, Stücke von Gefässen in
terra sigillata; auch sind Fundirungen von Gebäuden und Hypokausten-
anlagen aufgefunden worden.
Am 4. August aber kamen an der Stelle der Stadthausstrasse,
wo die Franziskanerstrasse mündet, dem für die Geschichte der Buch*
druckerkunst so bedeutsamen Brauhause «Zum Gutenberg« gegenüber,
höchst interessante Steinskulpturen zum Vorschein:
1) Eine kleine Ära von 51 cm Höhe und 18 cm Breite. Sie zeigt
die so vielfältig bekannte Form der Hausaltäre mit dem schalenförmi-
gen flachen Aufsatz auf der oberen Fläche und trägt keine Inschrift
Dagegen ist von weit grösserer Bedeutung:
2) Ein Votivaltar des Jupiter optumus maxumus (Fig. 1), der
jedenfalls in einem privaten Lararium gestanden hat. Die Ära hat
bei 52 cm Höhe, 32 cm Breite; der Sockel und die Randleisten sind
einfach profilirt. Was, ausser der Inschrift, diesem Skulpturwerke Be-
deutung verleiht, ist die auf der oberen Fläche auf einem Sessel
thronende 37 cm hohe Rundfigur des Jupiter. Ohne Zweifel hat zu
den Füssen des Gottes der Adler gesessen; noch ist zur Seite des bis
über den Knöchel hinaus abgebrochenen linken Fusses (das rechte
1
■>» i
2 Römische Funde in Mainz.
Bein ist noch äi^er verstümmelt) die in den Stein eingelassene Eisen-
klammer erhalten, mit der der heilige Vogel des Göttervaters befestigt
war und die zugleich zum Festhalten der Statue diente; (bei der 1878
bei Igstadt gefundenen sitzenden Jupiterstatuette, die jetzt im Wies-
badener Museum aufgestellt ist, ist der Adlerleib gefunden worden,
vgl. A. Duncker: Historisch-archäologische Analekten aus der römi-
schen Kaiserzeit I. Zwei neue Jupiterstatuen aus den Rheinlanden.
Wiesbaden 1879). Das in energischem Faltenwurfe geordnete Ge-
wand hüllt die unteren Partieen unserer sitzenden Statue ein ; von der
linken Schulter fällt das Ende des Gewandes über die Brust herab. An
dieser Stelle fehlt der Arm; der Einsatzzapfen ist mitsammt dem
Arme aus dem Loche gewichen, und dieser nicht aufgefunden worden.
Wie bei allen sitzenden Jupiterstatuen war der linke Arm erhoben,
und die Hand hielt, hochoben fassend, das Scepter. So muss die Ig-
städter Figur ergänzt werden ; so ist die Haltung des linken Armes an
dem gleichfalls 1878 zu Trier gefundenen Jupiterbilde. Der rechte Arm
ruht auf dem seitlich geneigten rechten Beine; die Hand wird wohl kein
Attribut gehabt haben, wie dies von Jupiterbildern nachphidiasischer
Zeit mehrfach bezeugt ist. Die ganze künstlerische Behandlung der
Götterfigur ist in ihrer Weise vortrefflich und für die Feststellung des
Jupitertypus höchst bemerkenswerth. Bei aller handwerksmässigen
Starrheit in der technischen Ausführung gibt sich in dem Bilde eine
hohe und wahrhaft künstlermässige Intuition und eine verständnissvolle
Auffassung des pathetischen Jupiterideales der späthellenischen Zeit
kund, so dass man vermeinen sollte, der Künstler habe ein bekanntes
Bild des Gottes als Muster vor sich gehabt Die Behandlung des
Barthaares, die überaus voll und kräftig gebildeten Muskeln, die zu
mächtigen Ringeln geballten Locken des Hauptes, die eine hohe Stim-
locke krönt, die tiefe Falte in der Stirn erinnern augenfällig an den
theatralisch bewegten Typus des Jupiter, dessen landläufiger Kanon
der Zeus von Otricoli ist Der Thronsessel, dessen Rückenlehne giebel-
förmig zuläuft, ist an den Seiten und im Rücken mit einem Tuch-
faltenwurfe drapirt, wie der Sessel der trierer Jupiterstatuette.
Die Ära trägt die schwer zu lösende, man könnte sagen räthsel-
hafte Inschrift:
10 • M .
M • P • P •
V- S- L • L- M •
Römische Funde in Mainz. 8
Vollkommen klar ist die erste Zeile als Widmung an den Jupiter
optumos maxumas. Auch die dritte bietet keine Schwierigkeiten. Sie
ist zu lesen : votum solvit (je nach der Deutung der zweiten Textzeile
vielleicht auch: solvens) laetus lubens merito, die gewöhnliche Votiv-
formel auf einer Unzahl von Altären.
Die zweite Zeile jedoch bietet in ihrer räthselvoUen Kürze nicht
geringe Schwierigkeiten. So viel indessen steht unbestreitbar fest, dass
wir in der Ära unmöglich eine öffentliche Stiftung, sei es einer Ge-
nossenschaft Qder einer Gemeinde oder eines Truppentheils, erblicken
dürfen und dass demgemäss Erklärungen wie: municipium pecunia
publica oder publice posuit und ähnliche unbedingt ausgeschlossen
sind. Von anderen Gründen abgesehen, gestattet die geringe Grösse
des Votivaltars es nicht, an eine öffentliche Schenkung zu denken;
vielmehr haben wir es hier mit einer Privatstiftung zu thun, die, auf
privatem Grund und Boden, in der Hauskapelle, dem Lararium oder
Sacrarium^ aufgestellt, den Namen des Stifters und Besitzers in knapp-
ster Kürze tragen konnte. In diesem Sinne spricht sich Herr Pro-
fessor Dr. E. Hübner in Berlin aus, dessen Begutachtung wir die In-
schrift alsbald nach ihrer Auffindung unterbreitet haben, und sein
Vorschlag, in den Buchstaben M-P-P die Anfangsbuchstaben des
Namens des Besitzers und Stifters des Altärchens (also etwa: Marcus
Pomponius Pius oder sonst irgend einen Namen mit den entsprechen-
den Anfangsbuchstaben) zu erkennen, dürfte sich unbedingten und all-
gemeinsten Beifalls erfreuen^).
3) Das dritte Skulpturfundstück (Fig. 2 u. 8), das an jener Stelle
dem Boden enthoben wurde, ist eine prächtige geschuppte Säule, die in
drei, zum Theil leicht sich zusammenlügenden, grösseren und mehreren
kleineren Bruchstücken erhalten ist. Die Säule hat eine Basis, aus
Tonis, Plättchen und Hohlkehle gebildet, und war offenbar von dem
Akanthuskapitäle gekrönt, das, an derselben Stelle gefunden, in seinen
Ma&en zur Säule völlig stimmt. In der Mitte des Schaftes sind die
Schuppen durch ein flaches Querband unterbrochen. Besonders an-
ziehend aber ist dieses dritte Bildwerk durch drei Götterfiguren, die
in hohem Relief, vom Grunde sich ablösend, aus dem Schafte der
Säule heraustreten: Juno, Minerva und Mercurius. Die Figuren
1) Herrn Prof. Dr. J. Beoker in Frankfurt a. M. haben wir gleichfalls am
sein Gntachten ersucht; aber bis jetzt haben wir leider noch keine Gelegenheit
gehabt, die Antwort dieses Kenners einzuholen.
4 Bömiache Faade in Mainz.
zeigen in soi^ältiger, etwas steifer Behandlung die Oötter in der
so oft wiederkehrenden typischen Darstellnng; Juno (Fig. 2) trägt
den Schleier; in der Linken eine Cista haltend, giesst sie mit der
Rechten den Inhalt der Opferschale aber den Altar ans, anf dem
die Flamme des Brandopfers lodert; Minerva (die oberen Partieen
fehlen) (Fig. 3) ist mit der Lanze dargestellt, den Schild auf den
Boden stützend; Mercurius (Fig. 3] trägt die Flügelklappe, in der
ßechtai den Cadacens, in der Linken den Beutel.
Die sämmtlichen erwähnten Funde tragen starke Brandspuren;
sie lagen in Brandschutt eingebettet, umgehen von grossen Stücken
verkohlten Eichenholzes. Ohne Zweifel hat an dem Fundiirte ein
grosses rCmischea Gebäude mit mächtiger Balkendecke gestanden, das
hei irgend einer Katastrophe in Feoersgluth unterging.
4) Zu Anfang des Oktobers hatte Herr Lieutenant Wagner
Tom 117. Infanterieregimente die Freundlichkeit, dem Direktor des
Vereins zur Erforachung der rheinischen Geschichte und Alterthümer,
Herrn Dr. L. Lindenschmit, mitzutheilen, dass in dem Heumagazin
der Mansterkaseme ein römischer Inschriftstein Uege, und es wurde
dieser alsbald dem städtischen Museum einverleibt Jedenfalls war der
Stein in alterer Zeit als Baustein verwandt und dem Bedflrfniss ent-
sprechend zugehauen worden. Vielleicht aber war er schon in seiner
ursprünglichen Aufstellung in ein Bauwerk eingefügt und hatte die
Bedeutung einer Votivplatte, um darauf zum zweiten Male, diesmal
iiber seiner sakralen Bestimmung entfremdet, als Werhitein zu dienen
und eine Verstammelung zu erleiden. Das vorhandene Stück ist 75 cm
hoch, 44 cm breit, 45cm dick; drei Seiten sind rauh, die vierte trägt
die Inschrift, darunter eine Querleiste. Die Fläche links vom Be-
schauer ist von oben bis unten fast gradlinig abgehauen, so dass die
Verükalleiste und einige Buchstaben der Inschrift weggefallen sind.
Auch auf der andern Seite muss ein, freilich nur sehr schmaler, Streifen
al^enommen worden sein, da die Leiste noch zu erkennen ist und die
vorhandenen Inschriftzeilen am Schlüsse keine Buchstaben vermissen
lassen. Der obere Theil der Inschrift ist, Über einen Raum von
15 cm, mit Absicht ausgetilgt, so dass noch einielne, allerdings ganz
nnbrauchbare Striche das einstige Vorhandensein von Inschriftworten
kundgeben. So wenig ein Zweifel darüber bestehen kann, dass der
oberste Theil der Inschrift absichtlich ausgelöscht worden ist, so un-
möglich erscheint es, über Grund und Zweck dieser Tilgung auch nur
eine Vermuthung zu äussern.
Römische Funde in Mainz. 5
Die vorhandenen Inschriften lauten wie folgt:
lllllllllllllllllllll
ORE • SAG R
AI G-SEXTiVS
ELIX • IN • SVO
L M
ORE kann nur ein Dativus Singularis femini Generis sein, wie so häufig
die Dativendung AE in der Form E auf Inschriften vorkommt. In
Mainz findet sich BELLONE (vgl. Becker, die röm. Inschriften und
Steinsculptur., Mainz, V. v. Zabem. 1875, No. 82), LVNE (a. a. 0. No. 80),
DVLCISSIME (a. a. 0. No. 237), ROSMERTE (a. a. 0. No.32) u. a.; ausser-
dem ABNOBE (Corp. Inss.ßhenn. No.1690), BVRORINE(a.a.O.No.46)
DIANE (a. a. 0. No. 1134), FORTVNE (a. a. 0. No. 70) u. s. w. Damach
sind wir berechtigt^ den Rest =ORE zu FLORE =FLORAE zu ergän-
zen. Diese Ergänzung wird durch die Beobachtung gestützt, dass vom
nur ein geringer Theil der Inschrift weggefallen sein kann: in der
zweiten erhaltenen Zeile ein V und ein Strich des M, in der dritten
ein F. Demnach ist der vorhandene Theil der Inschrift zu lesen:
FLORE SACR
VM • G • SEXTiVS
FELIX . IN SVO
L • M •
( ... der Flora geweiht ; Gajus Sextius Felix [liess die Ära errichten]
auf seinem Grund und Boden geme, nach Gebühr). Die vor FLORE
getilgten Buchstaben sind vielleicht zu ergänzen: lO-M oder MERCVRIO
(vgl Galendarium Farnesinum, wo Mercurius und Flora zusammen
aufgeführt werden). Dass Flora eine im römischen Kultus verehrte
Gottheit war, ist vielfach bezeugt; ihren Tempel nahe am Gircus ma-
xumus erwähnt Tac. Ann. II, 49. Die Actt. fratr. Arv. führen sie
öfters auf. Als Votivgöttin kommt sie inschriftlich vor (Orell. 1620).
(Zweifelhaft ist ihr Name, sowie die Aechtheit der ganzen Inschrift
Orell. 1318). Nach allem glauben wir kein Bedenken tragen zu dürfen,
den Rest ORE auf der besprochenen Inschrift zu FLORE zu ergänzen
und den Votivstein als der Flora, vielleicht in Verbindung mit einer
anderen Gottheit, errichtet anzusehen.
Dr. Jakob Keller.
t
6 Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrheiu.
2. Die Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrhein.
(Hierzu Tafel II.)
Mone hat in seiner verdienstvollen Urgeschichte des badischen
Landes den römischen Flussbau und die Wasserbauten am Oberrhein
mit jener Vorliebe behandelt, welche ihn veranlasste, wie auch in
seinen Ansichten über den römischen Ursprung der meisten alten Bur-
gen unseres Landes, etwas zu weit zu gehen.
Vor Allem ist festzustellen, wie die Gestaltung des Rheinlaufes
und der in das Rheinthal einmündenden Flüsse in der Zeitepoche war,
als die Römer die ZehnÜande besetzten, und welche Arbeiten sie zur
Gultur der Rheinebene vorgenommen haben dürften. Es ist auch hier
die Behauptung Mone*s zu berichtigen, dass die Flüsse in alter Zeit
eine grössere Wassermenge, als jetzt gehabt hätten. Der Regennieder-
schlag, der von dem heutigen wenig abweichend gewesen sein dürfte,
wurde zur Römerzeit durch die fast ganz mit Wald bedeckten Fluss-
gebiete mehr als heutzutage zurückgehalten, wo durch die Ausholzun-
gen und Bodenkulturen die Wassermengen rascher abfliessen und da-
durch die Wasserläufe schneller anwachsen. Bei Flüssen ohne geregel-
ten Lauf und ohne entsprechende Eindrumungen sind die Aufstauun-
gen in Folge unregelmässiger Geschiebeanhäufungen und die Uferan-
griffe, welche durch das Serpentiren des Thalweges erzeugt werden,
oft so verheerender Art, dass man die Hochwassermassen gerne zu
überschätzen geneigt ist
Urkundlich ist über den römischen Flussbau am Oberrhein nichts
bekannt, und das Zurückführen einzelner arbeiten auf römischen Ur-
sprung beniht nur auf Vermuthungen.
Es liess jedoch Kaiser Valentinian zur Sicherung seines munimen-
tum (Gastell) gegen die Angriffe des Neckar einen Wasserbau am Rhein
ausführen, den sein Geschichtschreiber Ammian Marcellin beschreibt,
und auf welchen wir unten zurückkommen. Gewiss ist, dass die Römer,
die unter Drusus schon in den Niederlanden grossartige Kanalbauten
unternahmen, auch am Oberrhein thätig waren, und manche nützliche
Ableitung der Flüsse in's Werk setzten.
Um ein kleines Bild zu geben, wie unser badisches Rheinthal
zur Römerzeit ausgesehen haben mag, und wie es sich mit dem Ost-
rhein oder dem sogenannten deutschen Rhein, der am Gebirge entlang
Wasserbauten der Römer in den ZehnUanden am Oberrhein. 7
vom Breisgau bis zur angeblichen Einmündung in den Rhein bei
Mainz (Trebur), welchen so viele ältere und bewährte Alterthumsfor-
scher befürwortet haben, verhalten hat, müssen wir auf die vorge-
schichtliche Zeit zurückgehen, als sich der See oder das sogenannte
Mainzer Becken bei Bingen entleerte.
Nach diesem grossen Ereigniss lag auf der starken Kiesanschüt-
tung des Rheinthaies zwischen dem Schwarzwald und Odenwald einer-
seits und den Vogesen anderseits eine Schlamm- und Sandmasse, in
die sich der Rhein von Basel her einzugraben anfing und zwar ser-
pentirend, wie jeder Fluss, dem es in der Ebene am nöthigen Gefälle
zur rascheren Fortbewegung mangelt.
Diese Sand- und Schlammmassen warf er dann zu beiden Seiten
auf und gestaltete auf diese Weise die Hochgestade, in die er theil-
weise seine Serpentinen auf eine Ausdehnung von durchschnittlich
6 km eingrub, wie diess am Oberrhein überall deutlich ersichtlich ist.
^ Den zahlreichen 'Seitenflüssen, die dem Rheinthal vom Schwarz-
wald und denVogesen aus zuströmten, verspeiTte dieser aufgeworfene
Rücken des Hochgestades den Ausgang und sie suchlen ihren Weg
längs des Gebirges, Giessen und Seen bildend.
Es ist eine falsche Ansicht wenn man glaubt, ein mit stärkerem
Gefäll in einen Hauptfluss einmündender Seitenfluss suche diess im
spitzen Winkel oder abwärts zu bewerkstelligen. Erfahrungsgemäss
wird die Einmündung eines solchen Seitenflusses immer mehr aufwärts
gedrängt, bis auch dort das Gefälle unfähig wird das Geschiebe fort-
zuführen, in welchem Fall er sich in den vorliegenden Schuttkegel
eingräbt
Bei allen Einmündungen der Seitenthäler des Schwarzwaldes in
die grosse Rheinebene sehen wir den Seitenfluss durch den Schuttkegel
nach aufwärts gedrückt, dann umgeht er denselben und sucht, dem
Crefall des Hauptthaies, hier der Rheinebene, folgend einen Ausweg
dem Hochgestade zur Seite bleibend. Da diesen Ausflüssen jedoch der
Weg zur Niederung des Mittelrheines versperrt war, verschlammten
und versumpften sie die Fläche zwischen dem Gebirge und dem Hoch-
gestade, bis an einigen Stellen gewaltsame oder künstliche Durchbrüche
durch dasselbe statt fanden.
In ähnlicher Weise waren die Verhältnisse des jenseitigen Rhein-
thales, nur dass dort die Seitenflüsse weniger geschiebeführend und
mächtig sind und nicht so ungestüm der Rheinebene zufliessen. — Noch
heute nimmt dort der Hauptseiteufluss (die Hl) bis zu seiner Einmün-
8 Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberriiein.
dttngin den Rhein unterhalb Strassburg sämmtliche den Vogesen
entströmenden Seitenflüsse auf.
Auch bei uns hatte noch im Mittelalters die Elz ihre Einmündung
in den mittleren Rhein unterhalb Altenheim (von Riegel 8 Stunden
entfernt), wo jetzt noch ein Giessen die alte Elz heisst.
Ebenso in die Länge des Rheinthaies abwärts gestreckt wie die
Elz waren auch die übrigen bedeutenderen Schwarzwaldzuflüsse:
Die Kmzig, die zur Römerzeit einen grossen Theil ihrer Fluthen
in die Niederung zwischen Urleffen und Legelshurst, in den sogenann-
ten Holchengraben ergoss, die Rench aufnahm, aber schon in vorge-
schichtlicher Zeit einen gewaltsamen Durchbruch durch das Hochgestade
bei Memprechtshofen in die Mittekheinniederung bewerkstelligte.
Die Murg sandte zur Zeit der Römerherrschaft einen mächtigen
Giessen ihrer Hochgewässer in die Niederung längs des Gebirges ab-
wärts bis in die Gegend von Wisloch und es ist wohl anzunehmen,
dass diese Wasserläufe schiff- und flossbar waren, wie bei Ettlingen
an dem jetzt noch gekennzeichneten Altwasser eine Schifferstation und
ein römisches Lagerhaus nachgewiesen ist.
Am meisten ausgesprochen ist diese Niederung mit den Giessen
jetzt noch von Durlach abwärts bis zum Wersauer Hof, wo eine Ent-
leerung in den Mittelrhein schon lange vor der Römerzeit stattgefun-
den hat.
Aehnlich war es auch vom Neckar abwärts, der. nicht in der
Weise, wie die älteren Alterthumsforscher (siehe Eonrad Dahl, Lauf
des Neckars) glaubten, der Bergstrasse folgte, sondern lange vor
der geschichtlichen Zeit und namentlich zur Römerzeit den senkrechten
Einfluss in den Mittelrhein oberhalb Mannheim gefunden hat.
In der Starkenburger Niederung sammelten sich von der Wesch-
nitz abwärts nur die aus dem Odenwald zuströmenden Seitenflüsse und
ianden thalabwärts bei Trebur die Vereinigung mit dem Mittelrhein.
Dahl behauptet, dass auch der Main in dieser Zeit hier einge-
mündet habe, was aber seitdem von vielen späteren Lokalforschern
gründlich widerlegt worden ist^.
Um uns kurz zu fassen, dürfen wir als sicher annehmen, dass
zur Römerzeit längs des Schwarzwaldgebirges und Odenwaldes bis
Trebur ein durch die Binnenflüsse gespeister Wasserlauf, der stag-
1) S. das Munimentum Traiani (Qastafsburg) von Karl Christ, Gorre-
spondenzblatt des deutschen Alterthamsvereins. 1880. No. 9.
Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrhein. 9
nirend zwischen SandhQgeln sich oft auf eine Breite von 2—3 km aus-
dehnte, und theilweise schiffbar war, erstreckte.
Vom Rhein her sind in diese Niederung keine Zuflüsse bekannt,
obgleich bei Hochwasser sich seine Fluthen in dieselbe ergossen haben
dürften. Die Trockenlegung des Wasenweiler Riedes, durch welchen
einst ein Rheinarm floss, fällt in vorgeschichtliche Zeit Bekannt ist
jedoch, dass zur Romerzeit Breisach mit seinen beiden vulkanischen
Felsen von den Fluthen des Rheines umspült war.
Im Elsass ist die ältere Gestaltung der Landniederung besser
erhalten, als in Baden, dort nimmt die 111, der Hauptseitenfluss, in
paralleler Richtung dem Mittelrhein, dem Gebirge entlang folgend,
sämmtliche kleinere Zuflüsse auf, die jedoch den wasserreichen, wilden
und geschiebefiihrenden Charakter nicht haben, der unsere Schwarz-
waldflüsse kennzeichnet
Diesem Umstand ist es zuzuschreiben, dass das diesseitige Hoch-
gestade schon früher, also vor der Römerzeit gewaltsame Durchbrüche
erlitt, durch die die seeartigen Anstauungen sich in den Mittelrhein
entleeren konnten.
Dieser bewegte sich schon zur Römerzeit in einer durchschnitt-
lich ca. 6 km breiten Niederung zwischen den Hochgestaden, in der
Weise, wie wir es in den alten Karten vor der Rheincorrection aufge-
zeichnet finden (s. Taf. II, oben). Die Serpentmenläufe sind in con-
caven Formen von 1 bis 2 km Sehne in die Hochgestade eingeschnitten,
wo meist an dem spitzen Zusammentreffen oder auf den Landzungen,
den diese Bogeneinschnitte bilden, die germanischen Ortschaften hegen,
deren Bewohner später den Angriff der Fluthen durch Deckungen
sicherten, so bei Jockgrimm, wo diese Landzunge bei ca. 1,5 km Länge
nur 40—50 m Breite hat.
Die Bezeichnung der Wasserläufe längs des Gebirges als 0 strhein
oder als deutschen Rhein und jenseits als gallischer Rhein ist um
so weniger richtig, als sie nur von den Seitenzuflüssen gespeist wurden
und die Trennung des Rheines unterhalb Basel in drei Arme eine
Fabel ist
Mone führt nun in seiner Urgeschichte eine Anzahl bestimmter
Flussbauten an, welche die Römer zur Cultivirung des badischen Rhein-
thales ausgeführt haben sollen.
So gross waren die Versumpfungen nicht, welche die Flüsse Elz
und Dreisam von Riegel abwärts bis zur Einzig erzeugten, denn wir
finden auf dem Hochgestade bei Eappel Rust bis Altenheim allent-
halben Spuren keltischer Niederlassungen.
10 Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrhein.
Dass die Römer den Durchstich der Einzig duixh das Hochgestade
bei Griesheim bewerkstelligten, ist kaum denkbar, da dieselben keine
Ursache hatten, solche Arbeiten auszuführen.
Die Heerstrasse von Strassburg nach Gannstadt lag von Kehl
abwärts bis Schwarzach, wo auch keltische Niederlassungen nachge^
wiesen sind, auf dem gesicherten Hochgestade.
Den Schwerpunkt der römischen Flussbauten legt Mone auf die
Erhaltung der strategischen Verschanzungslinie zwischen Büppurr und
dem Wersauer Hof.
Da diese aber durch gar nichts nachzuweisen sind, auch die Noth-
wendigkeit^ eine solche unmittelbar vor der grossen Rheinverschanzungs-
linie zu besitzen, nicht ersichtlich ist, so sind Mone 's Gründe (S. 236)
fftr die Durchführung der Flusscorrectionen von Seiten der Römer
hinfäUig.
Die künstlichen Ableitungen der Flüsse direct durch das Hoch-
gestade in den Mittelrhein dürften vielmehr in die Zeit des frühen
Mittelalters zu setzen sein, wo die zahlreichen Niederlassungen eine
Entsumpfung der Niederung längs des Gebirges erheischten, und wo
es weder an der Energie und dem richtigen Verständniss für solche
Culturarbeiten, noch an den nöthigen Arbeitskräften fehlte.
Die Durchstiche der Elz bei Rust, der Einzig bei Griesheim, der
Murg bei Rastatt, der Federbach und Alb bei Bulach, der Pfinz bei
Graben etc. mögen in die nachrömische Zeit der fränkischen Statt-
halter Alemanniens gefallen sein.
Alle diese Arbeiten wurden doch nur unternommen, um grosse
Missstände für die Bevölkerung zu heben; da nun aber zur Römerzeit
das obere Rheinthal keine wesentlichen Niederlassungen nachweist,
denen diese Culturarbeiten zu gut gekommen wären, so hatten die
Römer auch keine Veranlassung solche auszuführen.
Eine urkundliche Bestätigung hat ein grösserer Wasserbau, den
Kaiser Valentinian (364 — 376) am Neckar mit seinen Soldaten zum
Schutz eines Gastells (munimentum) ausführen Hess, und welchen
Ammian Marcellin in seiner Geschichte 28. Buch, 2. Kapitel beschreibt.
Es ist allgemein angenommen und nachgewiesen, dass mit diesem
munimentum nicht Ladenburg, was damals eine befestigte Stadt war,
sondern das Castell bei Altrip (Alta ripa) gemeint ist Es ist nun die
Frage, wo diese Schutzbauten angel^ worden. Es heisst in Marcellin:
Der Kaiser fand, dass eine grosse Schanze, die er selbst anlegte, von
dem vorüberfliessenden Nicer allmähUg unterwaschen. und eben dadurch
Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrhein. II
ZU Omnde gerichtet werden könne. Er kam daher auf den Gedanken
den FIuss abzuleiten etc.
Wenn das besagte munimentum bei Altrip zu suchen ist, so
können diese Arbeiten nur an der Ausmündung des Neckar in den
Bhein, die sich zur Römerzeit Altrip gegenüber befand, gesucht und
auf folgende Weise erklärt werden, Taf. 11 unten.
Der Neckar schob sein Delta von Geschieben weiter in die Nie-
derung des Mittelrheins hinein, er drängte dasselbe oberhalb Mannheim
in einen Sack, der den unschönen Lauf des Rheines bedmgte, welcher
sogar für die Gorrection des Stromes beibehalten wurde.
Auch hier sehen wir, wie nach und nach, dem hydrotechnischen
Lehrsatz gemäss, die Mündung des Neckar als des stärker fallenden
Seitenflusses immer mehr rheinaufwärts' geschoben wurde, so dass sie
zur Römerzeit beim jetzigen Relaishaus, wo die letzte Goncave der Aus-
waschung im Hochgestade sichtbar ist, stattgefunden hat. Bei den
Correctionsarbeiten des Rheines im Jahr 1867, welche der jetzige
badische Baurath Honseil leitete, kam dasCastell, welches zum grossen
Theil in das neu ausgehobene Rheinbett fiel, zum Vorschein und
mussten die Mauerstücke abgesprengt werden. (Bruchstücke hiervon
zeigten die Verwendung von Trasssteinen von dem Niederrhein, die
also per Schiff hierher verbracht wurden, femer Schichtsteine von
Sandsteinen, auch Ziegelstücke, so dass anzunehmen ist, dass das Mu-
nimentum rasch aufgebaut wurde.)
Durch den Fundort dieses Gemäuers ist bestätigt, dass das Muni-
mentum auf dem Hochgestade des gallischen Ufers lag, und dass der
mächtige Anprall des gegenüber ausmündenden Neckar, im Verein mit
dem Aufstau des Rheines jene bedenklichen Zustände für den Bestand
des Castells erzeugte, die Valentinian mit seinen Soldaten durch einen
Einbau, sogenannten Streichbau in den Neckar heben wollte.
Beim Relaishaus an der Zunge, den das ausgewaschene Hochge-
stade beim Zusammentreffen mit der Rheinniederung bildet, hat man
stromabwärts sehr alte Deckungen und Einbauten aufgefunden. Es
wäre nun denkbar, dass Valentinian hier den Neckar abbaute, um den
Andrang seiner Fluthen von dem Castell abzulenken, d. h. denselben
zu nöthigen, unterhalb der Verschanzung seine Vereinigung mit dem
Rhein aufzusuchen. Die Ausbaggerungsarbeiten im neuen Rheindurch-
stich, der ziemlich nahe am Ort Altrip anliegt, zeigten ein festes und
grobes Sandsteingeschiebe aus dem obem Neckarthal, vermischt mit
dem feinen Rheinkies, ein Beweis, dass auch später noch der Neckar
12 Wasterbanten der Römer in deo ZehnUanden am Oberrhein.
hier aasmündete und nach der Bömerzeit seine Aasschwemmong^
versenkte.
Der Durchbrach des Neckar von Uvesheim abwärts gegen Feu-
denheun, gehört in fränkische Zeit; die mächtigen Serpentinen des
Flusslaufes von da bis Mannheim Hess sodann der Churfürst Carl
Theodor von der Pfalz durchstechen und unter Grossherzog Friedrich
von Baden wurde 1867 der neue Einmündungskanal des Neckar in
den Bhein mit den grossartigen Hafenanlagen unterhalb Mannheim
beendigt.
Der Ort Neckarau^ der jetzt ca. 3 Stunden oberhalb der vor-
letzten Neckarmündung liegt, ist ein bleibender Beweis dieses firüheren
Flusslaufes, und der Wandlungen, welche derselbe in der geschicht-
lichen Zeit erfeüiren hat
Um die Oertlichkeit zu bestimmen, wo die Römer diesen Streich-
bau in den Neckar legten, und um die Bauweise desselben zu erkennen,
müssen wir an den letzten Angriffspunkt des Hochgestades bei A der
zweiten Situationsskizze auf Taf. H zurückkommen. Die Ableitung wäre
freilich besser bei B in der Richtung nach G geschehen, hätte aber einen
mühevollen Durchstich durch das harte Neckargeschiebe erfordert.
Eb ist anzunehmen, dass Valentinian, durch die ungestümen Einfälle
der Alemannen bedroht, einen schnellen Erfolg erzielen wollte, und
daher von dem festen Punkt des Hocbgestades bei A ausging. Wenn
in der DabPschen Schrift nach Wenk angeführt ist, die Römer hätten
viele Tage dazu gebraucht, um Rinnen aus Eichenstämmen auszuhöhlen,
so dürfte dies so zu verstehen sein, dass diese von Strecke zu Strecke
ausgelocht wurden, um die eingeschlagenen grossen Pfähle aufzunehmen,
mit denen die ersten in den Untergrund befestigt worden sind. Die
Stelle im Ammian heisst: Per multos enim dies compaginatae formae
e roboribus, was Dahl auf grosse mit Klammem verbundene Faschinen
von Eichenbuschholz bezieht. — Wir bezweifeln, dass die Römer den
Faschinenbau, in der Weise wie er in der neuesten Zeit zu den Fluss-
einbauten verwendet wird, kannten, glauben vielmehr, dass sie mit
langen Bäumen, die sie mit sogenannten Nadeln im Untergrund be-
festigten, und Steindeckungen den Streichbau von A abwärts durch-
führten, und so den Flusslauf abwärts drängten.
Zur Erläuterung des beigegebenen Plänchens über das Rheinthal
zur Römerzeit von Karlsruhe bis Bruchsal wird noch folgendes beigefügt.
Die östliche Niederung des Rheinthaies, das Hochgestade und
die Thalniederung des Mittelrheines mit den concaven Auswaschungen
Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden am Oberrhein. 18
sind auf dieser Strecke noch heute auffallend erhalten, während das
jenseitige Land zwischen Hochgestade und den Vogesen durch hügel-
artige Yorsprünge, die schon bei Mundolsheim beginnen und bei Selz
bis an den Rand des Hochgestades sich ausdehnen^ und wo nur theil-
weise grössere Becken wie der Hagenauer und Benwald zwischen den-
selben eingeschoben sind, nicht mehr die dem Hauptgebirge folgende
Niederung zeigt. Wir betrachten daher nur die Wasserläufe auf badi-
scher Seite. Bei Karlsruhe kam ein starker Giessen von Bruchhausen
her, der jetzt noch in der sogenannten Schiesswiese ausgeprägt ist.
Zwischen Rintheim und Durlach vereinigte sich derselbe mit dem von
Ettlingen zwischen Au und dem Gebirge fliessenden Gewässer, das
hier den Zufluss der Pfinz aufnahm. Längs dem rechtseitigen Rand
des Hochgestades erkennen wir heute noch an den versumpften Wiesen
den alten Wasserlauf bei den Orten Hagsfeld, Blankenloch, Staffort
(Insel) und Spöck. Sehr stark ist heute noch dieses erhöhte Gestade
und der Giessen von Forst abwärts gegen St. Leon bis zum grossen
Durchbruch beim Wersauer Hof ausgeprägt. Dass schon zur Römer-
zeit künstliche Ableitungen der Alb, Pünz und Saalbach ausgeführt
wurden, wie Mone annimmt, mit weiteren künstlichen Zuleitungen
zum Mühlenbetrieb, ist nicht aufgeklärt, aber soviel ist als sicher an-
zunehmen, dass sich die Römer zur Erzeugung des Mehles nur der
Handmühlen bedienten, und bei uns keine Wasserwerke hierzu benutzten.
Die Ableitungen dieser Flüsse in den Mittelrhein dürften, soweit Natur-
ereignisse nicht schon das Nöthige vorbereitet hatten, in späterer Zeit
zu suchen sein.
Karlsruhe. Naeher.
14 Ein Münzfund von der Nahe.
3. Ein MQnzfund von der Nahe.
Im Herbst 1880 erwarb ein kölner Händler in Kreuznach ein
Kästchen mit römischen Münzen, von welchen viele durch die ganz
eigenthümliche Oxydation und durch die vorzügliche Erhaltung als zu-
sammengehörige Bestandtheilc eines grösseren Münzfundes erkenntlich
waren. Etwa 180 Stück dieser Münzen gelangten in die Hände des
Herrn Fr. Merkens in Köln, der Rest wurde von mehreren Bonner
Sammlern erworben. Durch diese Zersplitterung ist eine genaue nu-
merische Beschreibung des Fundes nicht mehr möglich, es scheint mir
aber doch angezeigt, die einzelnen Reversdarstellungen zu erwähnen
und auf einige Eigenthümlichkeiten in der Zusammenstellung hinzuweisen.
Es finden sich in dem Funde Kleinerze von:
Helena
Licinus sen.
Ck>nstantin d. Gr.
Gonstantinopolis
Urbs Roma
Fausta
Crispus
Constantinus jun.
«
Constantius II
Die meisten Stücke sind in Trier geschlagen und ist die erste und
zweite dortige Prägestätte ziemlich gleichmässig vorhanden.
1. Helena Gonstantii Ghlori uxör. Von ihr ist nur das grössere
Kleinerz mit dem R. Securitas reipublice Coh. 7 vertreten, jedoch in
verhältnissmässig vielen Exemplaren, welche besonders im Bezug auf
die Haartracht interessante Abweichungen zeigen.
2. Licinius sen. wenige Exemplare mit demR. VOTXX- D. n.
Licini Augusti. Coh. 41.
3. Gonstantin d. Gr. ist in verschiedenen Reversen vorhanden,
jedoch ist die Zahl derselben im Verhältniss zu der grossen Menge der
Münzen dieses Kaisers nur eine beschränkte, dagegen sind die kleinen
Stempelverschiedenheiten bei demselben Reverse überaus zahlreich.
Wir finden:
a) Beata Tranquillitas als Umschrift um einen Altar mit VOT - XX •
Coh. 194.
b) D. n. Constantini Max. aug. Lagerthor. Coh. 244.
Ein Münzfiind von der Nahe. 15
c) D. n. Gonstantini Max. aug. um einen Kranz, in welchem
VOT . XX - steht. Cohen 246.
d) Gloria exercitus. Zwei Soldaten, zwischen beiden zwei Feld-
zeichen Coh. 317. Es sei hierbei ausdrücklich bemerkt, dass
der andere Revers mit derselben Umschrift, auf welchem zwi-
schen den beiden Soldaten ein Feldzeichen mit dem Labarum
steht, gänzlich fehlt.
e) Providentiae augg. Ein Lagerthor Coh. 433.
f) Sarmatia devicta. Nach rechts schreitende Victoria. Coh. 451.
g) Virtus exercit. Trophäe mit der Inschrift VOT • XX - zwischen
zwei sitzenden Gefangenen. Coh. 593.
h) als Variante von Coh. 233 und 246 ist der R. Constantiai
max. c. (oder g) um einen Kranz in welchem VOT • XX • steht,
zu verzeichnen. Im Abschnitt die Buchstaben P\^A. (Jetzt
in meiner Sammlung).
4. Constantinopolis, Coh. 15. Diese Münze war am zahl-
reichsten vertreten; ich besitze aus diesem Funde nach den Prägever-
merken geordnet: TRP- 18 Exemplare, TR-P 9 Expl., TRS- 9 Expl,,
TR - S 5 Expl., PLG 3 Expl., PCONST 1 Expl. und einige mit undeut-
licher Abschnitt - Legende. Bei näherem Betrachten der Kopfseiten
dieser Münzen stellte sich die interessante Thatsache heraus, dass
unter den 41 Stücken, welche den Trierer Münzstätten entstammen,
nur zwei einander so gleichen, dass die Annahme, beide seien mit
demselben Stempel geschlagen, berechtigt erscheint. Da ich bei der
Auswahl dieser Münzen auf die kleinen Verschiedenheiten keine Rück-
sicht nahm, sondern nur die gute Erhaltung im Auge hatte, so kann
man aus diesem Umstände auf die allerdings längst anerkannte, fast
anbegrenzte Mannigfaltigkeit der römischen Münzstempel in der letzten
Eaiserzeit schliessen.
5. Urbs Roma Coh. 13 war auch sehr häufig vertreten, und
würde eine genaue Betrachtung in Bezug auf die kleinen Verschieden-
heiten zu ähnlichen Resultaten führen, wie bei Constantinopolis.
6. Von Fausta sind mehrere Exemplare mit R. Spes rei publicac
Coh. 12 zu verzeichnen und ein Expl. mit Salus rei publicae Coh. 7.
7. Von Grispus finden sich verhältnissmässig nur wenige Mün-
zen mit den Reversen:
a) Beata tranquillitas Coh. 32.
b) Vot. X Caesarum nostrorum Coh. 65.
c) D. n. Constantini MARC (der vorletzte Buchstabe A oder R)
16 Ein Münzfund von der Nahe.
als Umschrift um einen Kranz, in welchem Vot. XX steht; eine
Variante von C!oh. 73 und 75. Der. Av. hat Crispus nob. Cae.
ohne S (meine Sammlung).
d) Providentiae Caess. Lagerthor; Coh. 99.
e) Virtus augg. Thor mit 4 Thürmen, darüber ein Stern ; Variante
von Coh. 127. Sammlung Merkens.
8. Gonstantinus II.
a) Beata tranquillitas Coh. 81.
b) Caesarum nostrorum um einen Kranz, in welchem Vot.X. C!oh. 99.
c) Gloria exercitus. Coh. 136; auch hier mit zwei Feldzeichen.
• d) Providentiae Caess. Coh. 150 und 152.
e) Sarmatia devicta. Coh. 158. Sammlung Merkens.
f) Virtus Caess. Lagerthor. Coh. 183.
9. Constantius II.
a) Gloria exercitus, Coh. 246 mit zwei Feldzeichen.
b) Providentiae Caess. 253 und 257. Letztere mit dem Vornamen
• FL - VAL; dieselbe ist Cohen nur nach Banduri bekannt
Sammlung Merkens.
Für die Bestimmung der chronologischen Aufeinanderfolge der
einzelnen Münztypen in der hier in Frage kommenden Epoche hat
Herr A. Senkler in Heft XVII dieser Jahrb. auf S. 73 ff. sehr schätzens-
werthes Material geliefert, welches leider in der numismatischen Littera-
tur noch zu wenig Beachtung gefunden. Derselbe theilt die Zeit von
312 bis 364 in 18 Perioden ein, und giebt für jede derselben die in
Anwendung gekommenen Münzstempel an.
Nach Senkler würde der R.Gloria exercitus in die VII. Periode
zu setzen sein, welche von ihm wie folgt bezeichnet wird: »Gonstan-
tinus aug., Gonstantinus jun., Constantius, Constans caess. 333—335.«
Hier würden wir nun die Aenderung vorschlagen, diesen R,
wenigstens die Varietät mit den zwei Feldzeichen, welche auch
Senkler schon als die ältere erkannte, der VL Periode zuzuschreiben,
von welcher S. schreibt: »Gonstantinus aug., Gonstantinus jun., Con-
stantius Caess. 326—333. Tod der Fausta 326 und Helena? Verle-
gung des Regierungssitzes nach Constantinopel 330. Krieg gegen die
Gothen 332.«
Ein Münzfund von der Nahe. 17
Zu dieser Aenderimg veranlasst uns das gänzliche Fehlen der
Münzen des Constans, welcher 333 den Titel Caesar und somit das
Münzrecht erhalten hat. Wir müssen also annehmen, dass die be-
sprochenen Münzen vor dem Jahre 333 geprägt und vergraben wurden.
Freilich muss besagter R. auch noch in der VIII. Periode nach S.
335—337 im Gebrauch gewesen sein, denn Delmatius, dessen Münz-
thätigkeit in diese Zeit fällt, wendet ihn beim Kupfer ausschliesslich
an <)• Bei der Unmasse Münzen mit dem R. Gloria exercitus, welche
auf uns gekommen sind, hat aber die Annahme einer etwas längeren
Benutzungszeit durchaus nichts befremdendes.
Der Vergrabungszeitpunkt unseres kleinen Eupferschatzes würde
demnach in das Jahr 332 oder 331 zu setzen sein, eine Zeitbestimmung,
zu welcher das sehr häufige Vorkommen der Münzen mit Gonstantino-
polis und Urbs Roma vorzüglich passt.
Die Annahme Senklers, dass die grösseren Eleinerze Helena's,
gleichzeitig mit den Münzen Fäusta's etwa dem Jahre 325 ihren Ur-
sprung verdanken, gewinnt durch den heute besprochenen Fund an
Wahrscheinlichkeit
Das wichtigste Ergebniss dieses Fundes ist nach meiner Meinung
die Richtigstellung der Datirung des Reverses Gloria exercitus, den
.F. Soret in seinem Briefe an de la Saussaye (s. Senkler S. 93) erst
dem Jahre 335 zuschreibt; sodann d^r Beweis, dass die Münzen dieser
Art mit zwei Feldzeichen unzweifelhaft die älteren sind, ein Umstand,
der übrigens auch durch das grössere Gewicht derselben schon sehr
wahrscheinlich wird. Eine interessante Uebergangsform bietet eine
Münze meiner Sammlung von Constans, bei welcher die zwei Feld-
zeichen einander sehr nahe gerückt und durch Querstriche leiterartig
verbunden sind.
Obgleich genaue Nachrichten über den Fundort fehlen, so glaube
ich nach eingezogenen Erkundigungen nicht zu irren, wenn ich den-
selben im Kreise St. Wendel vermuthe.
van Vleuten.
1) Die Anwendung desR. Gloria exercitus mit einem Feldzeichen hat den
Tod Constantin des Grossen 337 sogar überdauert, denn wir finden ihn auf
Münzen seiner Söhne, welche auf dem Av. den Titel Augustus haben.
18 Römisohe Falsohmünzerformen, gefnnden in Trier.
4. Römische FalschmOnzerformen, gefunden in Trier.
unweit der im Südosten Triers gelegenen Buine des römischen
Kaiserpalastes wurde im Jahre 1879 eine grosse Anzahl von Guss-
formen zur Herstellung römischer Münzen aufgefunden. Dieselben
kamen an zwei getrennten, aber dicht nebeneinander liegenden Stellen
zum Vorschein. Im Frühjahr stiess man auf diese Formen bei der
Anlage der tiefen Keller, welche der Herr Bierbrauer Ueberl6 in
einer Entfernung von hundert Schritt von der östlichen Apsis des be-
zeichneten Gebäudes erbauen Hess; im Sommer wurden die Funde
fortgesetzt bei Gelegenheit der Anlage des zweiten Geleises für die
Moselbahn, als man den zwischen den Ueberlöschen Kellern und der
bezeichneten Apsis liegenden Theil des Eisenbahneinschnittes verbreiterte.
Die Formen lagen meist in grösseren Haufen zusammen, mitten
unter allem möglichen Schutt, namentlich neben Holzasche, Lederresten,
Homgriffeln, Besten von Thon- und Glasgefässen und Bronzefragmen-
ten. Es befand sich hier in römischer Zeit ofifenbar ein Schuttab-
lagerungsplatz, wohin die Formen, als nicht mehr brauchbares Material
geworfen worden waren*).
Die Formen bieten die Matrizen zu Münzen des kaiserlichen
Hauses in den Jahren 193—235, nämlich des Septimius Severus, der
Julia Domna, des Garacalla, Geta, Macrinus, Elagabal, der Julia Paula,
Julia Maesa, des Alexander Severus und der Mamaea.
Sämmtliche Formen bestehen aus einem röthlichen, im Feuer ge-
härteten Thon; es sind runde, dünne Scheiben. Sie theilen sich der
Grösse nach in zwei Arten; die eine hat durchschnittlich einen Durch-
messer von 0,03 m und eine ungleiche Dicke, welche an einem und
demselben Stück zwischen 0,0035—0,006 wechselt. — Die zweite Art
ist kleiner, aber regelmässiger gearbeitet; sie hat einen Durchmesser
von 0,025 m, eine Dicke von 0,004. Die erste Art fand sich grössten-
theils bei der Verbreiterung der Moselbahn, die zweite auf dem üeber-
16schen Grundstück.
Diese Scheiben enthalten meist auf beiden Seiten, bisweilen je-
doch nur auf einer Seite Münzmatrizen; diese haben mit nur wenigen
1) Vgl. Picks MonatsBchrifl für Westdeutschland 1878, S.234; Jahrbücher
der Alterthamsfreande 69, S. 12.
RömlMba FftlBehmünierfonneD, {
a Trier.
10
Aosnabmen einen DurchmesBer von 0,017—0,02 m, so dasB also rings nm
dieselben noch ein breiter, um einen Millimeter höher liegender Rand
bleibt
Zar Herstellung der Mflnzen wurde eine Anzahl dieser ThoD-
scheiben zu einer Rolle scharf nebeneinander gelegt, wobei natürlich
darauf zu achten war, dass immer eine einen Avera und eine einen
Revers enthaltende Matrize nebeneinander zu li^ett kamen und zwar
so, dass sie einem offiziellen MQnztypus entsprachen.
Um den Giiss zu ermöglichen musate dafür gesorgt werden,
1) dass die einzelnen Scheiben fest aneinander haften blieben und
2) dass das flüssige Metall bequem zwischen Je zwei Scheiben eindrin-
gen konnte.
Das erste wurde erreicht, indem man die ganze ßeihe fest mit
Lehm umschmierte; nur der Obertheil der Reihe blieb frei. — Zahl-
reiche Spuren von Lehm, welche an den Formen haften, bieten dafflr
den Beweis.
Das zweite wurde durch folgende Vorkehrungen ermöglicht Am
Raode dner jeden Thonscheibe befindet sich ein dreieckiger Einschnitt,
welcher bis zur Peripherie der Matrize reicht; waren also eine Anzahl
dieser Formen nebeneinander gelegt, so entstand eine gradlinige Kerbe,
in welche das Metall gegossen werden konnte, ohne dass es daneben
lief. • Damit aber das Metall zwischen je zwei Scheiben eindringen
konnte, sind die dreieckigen Einschnitte der Scheiben auf beiden Seiten
nach aussen zu etwas abge-
feilt, so dass zwischen je zwei
Scheiben in der Kerbe ein
etwa 0,002 m grosses Ein-
gnssloch entsteht.
Deutlicher als diese
Beschreibung, wird der bei-
stehende Holzschnitt über
die Gestalt einer solchen
aus Manzformen bestehen-
den Rolle Klarheit geben.
Die Zeichnung zeigt den
oberen Theil der Rolle in
seiner Lehmnmhällung; der
untere ist voo derselben
entblSast und laut die ein-
20 Römische FalflchmfinzerformeD, gefunden in Trier.
zelDenMQnzscheiben sehen, um zugleich eine Vorstellung zu ermöglichen^
wie die Matrize auf der Scheibe liegt, ist die Schlussscheibe wegge-
lassen. Die Schlussscheibe enthält natürlich, wie auch die Anfangs-
scheibe der Rolle nicht zwei Matrizen, sondern nur eine. Hier also,
am Anfange und am Schluss der Rolle finden die nur eine Matrize
enthaltenden Scheiben, deren Auffindung oben Erwähnung gethan ist,
ihre Verwendung.
Die Matrizen sind hergestellt, indem man Mänzen in den noch
weichen Thon drückte. Hierbei war man bei der Auswahl der Münzen
nicht sorgfältig, sondern benutzte vielfach Münzen mit schlechtem
Gepräge und nicht voll umlaufendem Perlrande.
In den aufgefundenen Matrizen goss man Silberdenare von der
gewöhnlichen Grösse von 0,017— 0,02 m, nur drei Matrizen haben einen
Durchmesser von 0,021 m *). Dass man Silber- und nicht Kupfermün-
zen erzielte, ergibt sich aus den Reversbildern; auch haftete in einer
Form noch ein Münzrest silbernen Aussehens. Ob in den Formen bis-
weilen auch Goldmünzen fabricirt worden sind, muss zweifelhaft bleiben ;
Typen, die ausschliesslich Goldmünzen eigen sind, fanden sich unter
den aufgefundenen Matrizen nicht
Mommsen stellt es in seiner Geschichte des Münzwesens S. 748
als wahrscheinlich hin, dass in den Provinzen die Münzen theilweise
auch offiziell gegossen wurden. — Die aufgefundenen, hier zu be-
sprechenden Formen entstammen indess keinesfalls einer solchen legi-
timen Münzstätte, sondern sie gehören einer Falschmünzerbande an.
Für diese Ansicht sind folgende drei Gründe entscheidend:
1) enthielt der Rest einer noch in einer der Formen haftenden
Münze nach einer Analyse, welche ich der Gefälligkeit des Herrn Dr.
Steeg in Trier verdanke, überhaupt kein Silber. Allerdings haben
auch die offiziellen Prägungen des ausgehenden ^weiten Jahrhunderts
und besonders die des dritten nur einen sehr geringen Silbergehalt| aber
ein gänzliches Fehlen desselben dürfte doch nicht nachzuweisen sein.
2) Unter den aufgefundenen Thonscheiben bieten eine grosse An-
zahl auf der einen Seite Matrizen, welche zu Münzen eines andern Kaiser-
hauses gehören, als die Matrizen der Rückseite. Wir finden z. B.
1) Sie gehören zn einer Münze Caraoallas als C^manicus im Strahlen-
kranz, deren Revers Serapis zeigt. Vgl. unter den im Eisenbabneinsohnitte
aofgefdndenen Formen 1816, 1881, 1838.
Römiflohe FalschmÜDzerformeD, gefanden in Trier. 21
vielfach, dass ein und dieselbe Thonscheibe einen Avers desSeptimius
und einen Revers von Alexander enthält. — Es ist aber vollkommen
undenkbar, dass man unter Alexander noch Münzen von Septimius ge-
prägt habe.
8) Die Matrizen sind, wie schon erwähnt, meist durch Abdruck
schlecht geprägter Münzen hergestellt. Wären die Formen officielle,
so würde man zweifellos für die Hersteilung guter Formen Sorge
getragen habe, hingegen für Falschmünzer war die Benutzung schlecht
geprägter Münzen als Patrizen deswegen zu empfehlen, weil ein Nach-
guss derselben dem Aussehen der geprägten Münzen, bei denen un-
vollkommene Prägung vorherrschte, entsprach.
Es liegt nicht in meiner Absicht, das Material über derartige
Thonformenfunde aufs neue zu sammeln und zu bearbeiten; ich be-
gnüge mich mit einem Hinweis auf Schneemanns schöne Abhandlung:
Beitrag zur Geschichte des Falschmünzerwesens unter den Römern in
den Berichten der Gesellschaft für nützliche Forschungen zu Trier für
1861 und 1862, S. 27 ff., in der sich wenigstens das damals Bekannte
vereinigt findet. -- Im folgenden soll nur ein Yerzeishniss der sämmt-
licheu neuerdings in Trier aufgefundenen Formen gegeben werden,
soweit solche zu meiner Kenntniss gekommen sind. Dass eine grosse
Anzahl dieser Formen, bevor ich sie gesehen, nach auswärts verschleppt
worden sind, weiss ich; sollten sich unter diesen neue Typen finden,
so wäre eine Veröffentlichung derselben seitens der jetzigen Besitzer
sehr erwünscht.
In dem folgenden Verzeichniss sind die Formen in drei Rubriken
aufgeführt. Die erste derselben enthält die beim Bau der Ueberl^schen
Brauerei, die zweite die bei der Verbreiterung der Moselbahn aufge-
fundenen, die dritte diejenigen, von denen es nicht festgestellt werden
konnte, ob sie dem einen oder dem anderen Fundorte entstammen.
In der Aufführung sind die Inventarnummern des Provinzial-Museums
beibehalten worden ; in der ersten Rubrik ist diesen Nummern ein PM
vorgesetzt worden, weil in dieser zugleich eine Collection behandelt ist,
welche sich noch im Besitze des Herrn Ucberl^ befindet; dieselbe trägt
die Bezeichnung Ueb. a-n, 100-134, 150—193, 200—232, 240—268.
In jeder Rubrik sind zuerst die Averse, alsdann die Reverse an-
gegeben; jedesmal aber hinzugefügt, welches Bild die Rückseite der
Thonscheibe trägt. — Den Reversen sind Verweise auf Cohen und
einige Bemerkungen hinzugefügt, welche zur Entscheidung der Frage,
welche Averse zu den Reversen gehören, behülflich sind.
82 Römiscbe Falachmänserformen, gefunden in Trier.
Es bleibt noch zu bemerken, dass sämmtliche Formen im Spi^el
gelesen sind, dass also die Angaben Ober rechts und links nicht dem
Bilde der Mflnzform, sondern einer aus der Form gegossenen Münze
entsprechen.
I. Gefunden beim Bau der Ueberlä 'sehen Keller.
Arers Ton Septimlns SeTeros.
SEVERVS • PIVS • AVG. . Kaiserkopf nach rechts profilirt, mit
Backen- und Kinnbart. um. den Kopf eine Tänie.
PM. 2559; E. Caracalla 1.
PM. 1419, 2466; B. CaracaUa 2.
Ueb. 186, 261; PM. 2488, 2517, 8765; R. CaracalU 3.
üeb. 190, 210; PM. 2505; R. Geta 1.
PM. 1663; R. Geta 2.
PM. 1669; R. Elagabal 1.
Ueb. 160, 171, 187; PM. 1625, 1629, 1636, 1675, 2461, 2542,
2550; R. Alexander 1.
Ueb. 227; PM. 2497, 3768; R. Alexander 2.
PM. 1680; R. Fdicitas [Augg?].
PM. 1401, 1664, 2516, 2519; R. Felicitas publica.
PM. 1433, 1635, 1643, 1677, 2472, 2521, 3791, 3793; R. Fides
militum sitzend.
Ueb. 181; R. Fides militum sitzend,
üeb. 172, 175; PM. 1661, 2529; R. Fortunae reduci.
Ueb. 115; PM. 1422; R. Liberalitas Augg. V.
Ueb. 266; PM. 1638, 2474; R. Victoria Aug.
PM. 1406, 2493; R. Victoriae Brit.
Ueb. 200; R. von Sever. Tr. p.XVII cos. III Neptun. •
PM. 2468; R. von CaracaUa. Prof. — Tr. p. XL cos. III.
PM. 1446, 1671 ; R. von Geta. Tr. p. U. cos. U Frau mit Püllhom.
Ueb. 112, 169, 228, 230; PM. 1509, 2481, 2486, 3777; R. frei.
Averse von Caracalla.
1) IMP • ANTONTNVS • AVG. Brustbild des jugendl. unbärtigen
Caracalla nach rechts, mit Lorbeerkranz, im Paludamentum.
PM. 2559; R Severus 1.
Ueb. 162; R. Geta 1.
Römische FalsobmüDzerformen, gefunden in Trier. 28
üeb. 154, 163; PM. 2533; R Elagabal 1.
PM. 1425 ; R. Elagabal 2.
Ueb. 129, 157, 166; R. Alexander 1.
PM. 2534, 2563; R. Fides militum sitzenS.
PM. 1407; R. Fides militum stehend,
üeb. 113, 246; R. Liberalitas Augg. V.
Ueb. 161; R. Victoria Aug.
Ueb. 124, 244; PM. 1426; R. von Alexander. Tr.p. Villi cos-III.
PP. Sol mit Peitsche. •
2) ANTONINVS PIVS- AVG. Kopf im Profil nach rechts, mit
schmalem Backenbart, mit Lorbeerkranz.
PM. 1419, 2466; R. Severus 1.
Ueb. 180; PM. 2549; R. Caracalla 3.
Ueb. 134; R. Elagabal 2.
PM. 1445, 3795; R. Alexander 1.
Ueb. 164; R. Felicitas publica.
Ueb. 158, 193; R. Fides militum sitzend.
PM. 1416; R. Fortunae reduci.
PM. 1432; R. Spei perpetuae.
PM. 1645, 1668; R. Victoria Aug.
PM. 1662, 1681; R.vonGeta. Tr.p. II. cos. II. Frau mit Füllhorn.
PM. 1665; R. frei.
3) ANTONINVS • PIVS • AVG - BRIT. Kopf mit Vollbart im
Profil nach rechts; ein Lorbeerkranz im Haar. •
Ueb. 186, 261; PM. 2488, 2517, 3765; R. Severus 1.
Ueb. 180; PM. 2549; R. Caracalla 2.
Ueb. g,!l28; PM. 249: R. Geta 1.
PM. 1427, 2526; R. Elagabal 1.
PM. 2555; R. Alexander 1.
PM. 3767 ; R. Alexander 2.
PM. 1464; R. Felicitas Augg.
PM. 3771; R. Felicitas publica.
Ueb. 170; PM. 1510, 1631, 2540, 3792; R. Fides militum sitzend.
PM. 2500, 2527; R. Liberalitas Augg. V.
Ueb. 101; R. Victoria Aug.
Ueb. 168, 265; R. von Sever. Tr. p. XVII, cos. III, Neptun.
Ueb. 120; PM. 1642, 2463, 2532'; R. von Caracalla. Prof. — Tr.
p. XI. COS. III.
24 Römische Falsohmünzerformen, gefunden in Trier.
PM. 3772; R. von Alexander Tr.p. Villi, cos. III. Sol mit Peitsche.
Ueb. 219: R. frei.
Arerse yon Oejta«
1) P-SEPTGETACAES-PONT. Knabenbrustbild nach rechts
profilirt im Paludamentum.
Ueb. 190, 210; PM. 2505; R. Severus 1.
üeb. 162; R. Caracalla 1.
tJeb. g, 128; PM. 249; R. Caracalla 3.
PM. 1522; R. Caracalla oder Elagabal.
üeb. 189, 252; PM. 1418, 1424, 1634, 3770, 3798; R. Alexander 1.
PM. 2518; R. Alexander 2.
PM. 1678 ; R. Felicitas Augg.
üeb. 111 ; PM. 1630; R. Liberalitas Augg. V.
üeb. 253; PM. 2560, 3769; R. Temporum felicitas.
PM. 3779; R. Victoria Aug.
üeb. 222; PM. 1648(?); R. Victoriae ßri't.
PM. 1626; R. von Severus. Tr. p. XVII, Neptun.
üeb. m; PM. 1511, 1641, 2504; R. von Caracalla. Prof. — Tr.
p. XI, COS. IIL
PM. 2478, 2520; R. von Geta. Tr. p. II, cos. II mit Frau,
üeb. 1, 258; R. frei.
2) IMP . CAES . P - SEPT - GETA • PI VS • AVG. Kopf mit Backen-
bart nach rechts, im Haar ein Lorbeerkranz.
PM. 1663; R. Severus 1.
üeb. 120a; R. Elagabal 1.
üeb. 257; R. Elagabal 2.
PM. 1666; R. Alexander 1.
PM. 1461; R. Felicitas Augg.
üeb. 231; PM. 1516, 2523; R. Felicitas publ.
üeb. a; PM. 1627, 2503; R. Fortunae reduci.
üeb. 109; R. Liberalitas Augg. V.
PM. 1404; R. Victoria Aug.
PM. 1521 ; R. Victoriae Brit.
PM. 2546; R. von Caracalla Prof. - Tr. p. XI, .cos. IIL
üeb. f, 107, 216; PM. 1515, 1674, 2515: R. frei.
Römische FalsohmüDzerformeD, gefundeD in Trier. 26
Ayerse ypn £la§^abal.
1) ANTONINVS - PIVS • AVG. Brustbild des jugendlichen Kaisers
nach rechts im Profil; Lorbeerkranz im Haar, um die Schultern das
Paludamentum.
PM. 1669; R. Severus: 1.
Ueb. 154, 163, 2533; R. Caracalla 1.
PM. 1427, 2526; R. Caracalla 3.
Ueb. 120a; R. Geta 2.
PM. 2464, 3787; R. Alexander 1.
PM. 3760: R. Alexander 2.
PM. 1647; R. Felicitas Augg,
PM. 2501, 3781; R. Fides militum sitzend.
PM. 2525, 2530, 3775; R. Fortunae reduci.
PM. 1432; R. Spei perpetuae.
Ueb. 262; R. Victoria Aug.
Ueb. 130; PM. 2490; R. Victoriae Brit.
PM. 1436, 2499, 2522; R. von Severus. Tr. p. XVII. cos. III. Neptun.
PM. 1644; R. von Caracalla Prof. — tr. p. XI, cos. III.
Ueb. 125, 2506; R. von Geta. Tr. p. IL cos. II, Frau mit Füllhorn.
PM. 2491, 2513, 2535, 2543, 2558; R. frei.
2) IMP. ANTONINVS. AVG. Brustbild des jugendlichen Elaga-
bal im Paludamentum nach rechts.
PM. 1425; R. Caracalla 1.
Ueb. 134; R. Caracalla 2.
Ueb. 257; R. Geta 2.
Ueb. 103, 242; R. Alexander 2.
PM. 1402; R. Felicitas publ.
Ueb. 178; R. Fides militum sitzend.
Ueb. 118; R. Fortunae reduci.
PM. 2492; R. Invictus sacerdos.
Ueb. 132, 213, 232; R. Liberalitas Augg.V.
Ueb. 225 ; R. von Sever. Tr. p. XVII. cos. III, Neptun.
PM. 2507; R. frei.
PM. 3800; R. undeutlich.
Römiwlie FkladiniGDierfonneii, gafanden In Trier.
■Inefonneiirrafmeiite, bei denen «■ ft-a^llch bleibt, ib'sie in Formen tub
CftraoftlU oder EUgabal gehBren.
1) ANTONINVS ■ PIVS ■ AVG.
1522 R. Jugendlicher Geta.
1683 R. von Sevenis Tr. p. XVII — Neptun.
8) IMP ■ ANTONINVS -PIVS ■ AVG.
3778 B. Fortunae reduci.
8784 B. lori Statori.
2547 B. Victoria Aug.
ÄTeree ron Alexander SeTerns,
1) IMP ■ SEV ■ ALEXAND ■ AVG. Kopf im Profil nach rechts, ,
arit Bcbmalem Backenbart
Ueb. 160, 171, 187; PM. 1625, 1629, 1636, 1675, 24Ö1, 2542,
2550; B. SeveruB 1.
Ueb. 129, 157, 166; R Caracalla 1.
PM. 1445, 3795; R. Caracalla 2.
PM. 2555; R. Caracalla 3.
Üeb. 189, 252; PM. 1418, 1424, 1634, 3770, 3798; R Geta 1.
I'M. 1666; R Qets 2.
tabal 1.
".itas publica.
. '.end.
^95, 2552, 3790;
ia Aug.
Serer. Tr.
RömiBdie FaliohinüBserformeD, gefdnden in Trier. 27
PM. 1413, 3764, 3783; R. von Geta. Tr. p. Ü. cos. II, Frau mit
Füllhorn.
PM. 2502; R. vop Alexander. Tr. p. VIII. cos. III, Frau mit
spitzem Hut in der Hand.
Ueb. 131 ; R. von Alexander. Tr. p. Villi, cos. HI, Sol mit Peitsche,
üeb. e, 127, 156, 207; PM. 1410, 1441, 1523, 1667, 1676, 1682,
2458, 2531, 3782, 3788; R. frei.
2) IMP . ALEX ANDER. PI VS • AVG. Kopf nach rechts profiUrt,
schmaler Backenbart, im Haar ein Kranz.
Ueb. 227; PM. 2497, 3768; R. Severus 1.
PM. 3767; R. Caracalla 3.
PM. 2518; R. Geta 1.
PM. 3760; R. Elagabal 1.
Ueb. 103, 242; R. Elagabal 2.
PM. 1649, 2496; R. Alexander 1.
PM. 2485 ; R. Felicitas Augg.
Ueb. 117; PM. 3789?; R. Felicitas publ.
PM. 1421, 1670, 2484; R. Fides militum sitzend.
PM. 3794; R. lovi Statori.
Ueb. b, 229; R. Victoria Aug.
Ueb. d, 208; R. Victoriae Brit.
üeb. 256; PM. 2489; R. von Sever. Tr.p.XVU. cos. III, Neptun.
Ueb. 268; 1431, 2498; R. von Caracalla, Prof. — Tr, p. XL cos. HI.
PM. 2470; R. von Geta. Tr. p. IL cos. II, Frau mit Füllhorn.
PM. 1400, 1439, 3786; R. frei.
3) IMP . C • M • AVR • SEV - ALEXAND [AVG. Kopf nach rechts
profilirt, mit schmalem Backenbart, im Haar ein Kranz.
PM. 2467; R. Invictus sacerdos Aug.
PM. 2541: R. Liberalitas Augg. V.
Beyers von Septimliis Seyems«
P . M • TR P • XVH . COS in - PP. Neptun im Profil nach links
stehend, den rechten Fuss auf einen Fels aufstemmend, mit der linken
erhobenen Hand einen Dreizack haltend. Cohen, Severus 324. Der
Avers dieser Münze trägt die Legende: SEVERVS • PIVS • AVG.
Ueb. 200; R. Severus 1. %
Ueb. 168, 265 ; R. Caracalla 3.
28 Römische FalMhmünMrformen, gefanden in Trier.
PM. 1626; R. Geta 1.
PM. 1436, 2499, 2522; R. Elagabal 1.
üeb. 225; R. Elagabal 2.
PM. 1683; R. Elagabal oder Caracalla.
üeb. 218, 247, 251; PM. 1397, 1520, 2562; R. Alexander 1.
Ueb. 256; PM. 2489; R. Alexander 2.
üeb. 224,267; PM. 1399; Felicitas publica.
PM. 2462; R. Fides militum stehend.
PM. 3773; R. Fortunae reduci.
üeb. 104; PM. 1646; R. Llberalitas Augg. V.
üeb. 192; PM. 1428, 2538; R. Teinporum felicitas.
üeb. 150; PM. 3796; R. Victoria Aug.
üeb. 215; R. Victoriae Brit.
üeb. 211; PM. 2561: R. von Caracalla, Prof. — Tr. p. XI. cos. III.
üeb. h, 165, 245; PM. 1442, 1463, 1639, 2479; R. frei.
BeTen« tos Caraealla.
1) PROF(ectio unter dem Bild. Am Rande:) POKTIF • TR • P • XI •
COS III. Caracalla zu Pferd nach rechts reitend, vor seinem Pferd
ein hingesunkener Barbar. Cohen, Caracalla 295. Der Avers dieser
Münze trägt die Legende: ANTONINVS • PIVS • AVG.
PM. 2468; R. Severus 1.
üeb. 120; PM. 1642, 2463,. 2532; R. CaracaUa3.
üeb. .m; PM. 1511, 1641, 2504; R. Geta 1.
PM. 2546; R. Geta 2.
PM. 1644; R. Elagabal 1.
PM. 2553; K Alexander 1.
Ueb. 268; PM. 1431, 2498; R. Alexander 2.
Ueb. 259; R. Felicitas Augg.
Ueb. 152; PM. 1437; R Felicitas publica.
PM. 2460, 2483; R. Fides militum sitzend.
PM. 1429; R. Liberalitas Augg. V.
PM. 1679; R Victoriae Brit.
üeb. 211; PM. 2561; R. von Severus. Tr. p. XVII, Neptun.
PM. 1518; R. von Geta. Tr. p. II. cos. II, Frau mit Füllhorn.
Ueb. 205 ; R. firei.
Bömische Falsohmünzerformen, gefunden in Trier. 29
2) FIDES • MILITVM. Die Göttin steht nach Knkß profilirt, sie
hält in der Rechten eine Fahne, in der Linken ein Feldzeichen. Vgl.
Cohen, GaracaJla 53. Der Avers dieser Münze trSgt die Legende:
IMP . ANTONINVS • AVG.
üeb. 181; R. Severus 1.
PM. 1407; R. Caracalla 1.
Ueb. 133; R. Alexander 1.
Ueb. 121, 183; R. Felicitas publica.
PM. 1517; R. Temporum felicitas.
üeb. 167; PM. 1412; R.. Victoria Aug.
PM. 2462; R. von Sever. Tr. p. XVII, Neptun.
Ueb. 126, 201, 221, 226, 263; PM. 2554; R. frei.
3) VICTORIA E • BRIT. Victoria im langen Gewand nach rechts
laufend, hält mit beiden Händen em Tropäon. Cohen, Caracalla 349.
Der Avers dieser Münze trägt die Legende: ANTONINVS PIVS- AVG.
PM. 1406, 2493; R. Severus 1.
Ueb. 222, 1648(?); R. Geta 1.
PM. 1521; R. Geta 2.
Ueb. 130; PM. 2490; R. Elagabal 1.
Ueb. 202; PM. 2524, 2551; R. Alexander 1.
Ueb. d, 208; R. Alexander 2.
Ueb. 106; R. Felicitas Augg.
PM. 1411, 1512, 1513; R. FeUcitas publica.
Ueb. 188; R. Fides militum, sitzend.
PM. 2477 ; Liberalitas Augg. V.
PM. 3774; R Victoria Augg.
Ueb. 215 ; R. von Severus. Tr. p. XVn, Neptun.
PM. 1679; R. von Caracalla. Prof. — Tr. p. XI.
PM. 1408; R. von Geta. Tr. p. II. cos. II, Frau.
Ueb. 102, 120b, 159; PM. 1415; R. frei.
Revers von Ctota.
PONTIF • TR • P . II . COS • n. Frau in langer Gewandung steht
nach links profilirt, in der rechten Hand ein Füllhorn, in der linken
Hand einen langgestielten Caduceus haltend. Vgl. Cohen, Geta n. 69
Der Avers dieser Münze trägt die Legende: IMP -CAES -P • SEPT •
GETA - PIVS - AVG.
so BöinUolie FtlHbmQDierfonneit, getaaiea in IMer.
PM. 1446, 1671 i R, SeveruB 1.
PM. 1662, 1681 i K. draoUla 2.
PM. 2478, 8520; K. Geta 1.
Ueb. 126; PM. 2506; K EUgabal 1.
PM. 1413, 3764, 3783; B. Alexandar 1.
PM. 2470; R. Alexander 2.
PM. 1514, 2511; B. Felicitas Angg.
PM. 1409, 1519; R. Felicitas pubUca.
PM. 1684; R. Fides militum sitzend.
FM. I4SS; R. LiberaUtas Aogg. T.
PM. 1637, 1685, 2482; R. Victoria Aug.
PM. 1408; B. Victoriae Brit
PM. 1518; B. von Canicall«. Prof. — Tr. p. XI.
Ueb. 254; R. Ton Elagabal. Tr. p. IIU. cos. m, Genius.
Ceb. 223, 241, 2471; R. frei.
Henne toi ElagabaL
1) P • M ■ TB ■ P ■ IUI ■ COS in ■ P ■ P. Elagabal steht nach linlss
profilirt Tor einem angezündeten Altar mit Patera Inder rechten Hand,
einer Keule im linken Arm, im Feld ein Stern. Vgl. Cohen, Elagabal
98. Der'ATers dieser Münze trägt die Legende; IMP-ANTONINVS-
PIVS ■ AVG.
Ueb. 254; R tob Geta. Tr. p. IL cos. U, Frau.
2) INVIOTVS • SACERDOS • AVG. Elagabal nach links prohlirt,
eme Patera in der rechten Hand, eine Keule in der linken haltend
steht vor einem Altar. Dahinter liegt ein Stier, im Felde ein Stern.
Vgl. Cohen, Elagabal 38. Der Aveis dieser Münze trägt die Ijegende
IMP • ANTONINVS • PIVS ■ AVG.
PM. 2492; R. Elagabal.
PM. 2557; R. Alexander 1.
PM. 2467; R. Alexander 3.
3) TEMPORVM FELICITAS. Göttin steht nach links profiUrt, mit
der rechten Hand hält sie einen langgestielten Caduceos, in der linken
ein Fflllhom. Cohen, Elagabal 136. Der Avers dieser MOnze trftgt
die Legende: IMP ■ ANTONINVS ■ AVG.
Ueh. 253; PM. 3769; R. Geta 1.
FM. 2560; R. Geta 2.
Bömisobe Falsohmüiiserformeii, gefunden in Trier. 81
üeb. 209; R. Alexander 1.
üeb. 151; PiM. 1414; R. Felicitas publica.
Ueb. i; R. Fides militum sitzend.
PM. 1517; R Fides militum stehend.
üeb. 204; R. Victoria Aug.
Ueb. 192; PM. 1428, 2538; R. von Severus. Tr.p. XVII, Neptun.
PM. 2544; R. von Alexander. Tr. p. Villi, Sol mit Peitsche.
Ueb. 110, 264; PM. 1423; R frei.
Reverse von Alexander«
1) P • M - TR • P . Vni COS III PP. Frau in langer Gewandung
nach links stehend, hält in der rechten gesenkten Hand eine Haube,
in der linken ein Scepter. Vgl. Cohen 164. Der Avers dieser Münze
trägt die Legende : IMP • SEV • ALEXAND - AVG.
PM. 2502; R Alexander 1.
PM. 3785; R. Spei perpetuae.
PM. 2512; R. frei.
2) P M . TR - P . VUn COS III P • P. Sol steht nach links profilirt
mit erhobener rechten Hand, in der linken Hand eine Peitsche haltend.
Vgl. Cohen, Alexander 168. Der Avers dieser Münze trägt den Stem-
pel: IMP • SEV - ALEXAND • AVG.
üeb. 124, 244; PM. 1426; R Caracalla 1.
PM. 3772; R Caracalla 3.
üeb. 131; R Alexander 1.
PM. 2537; R. Felicitas publica,
üeb. 114; R Fides militum sitzend.
PM. 2544; R Temporum felicitas.
üeb. 174, 328, 3766; R frei.
3) P • M • TR • P . Vlin - COS HI • P - P. Dem vorhergehenden voll-
kommen entsprechend, aber Sol hält eine Kugel anstatt der Peitsche.
Vgl. Cohen, Alexander n, 169. — Avers wie bei der vorigen Form.
PM. 2459; R Victor. Antonini.
4) FIDES • MILITVM. Die Göttin sitzt nach links im Profil, hält
ein Tropäon mit der rechten Hand und stützt sich mit der Linken
auf ein zweites. Vgl. Cohen, Alexander 26. Der Avers dieser Münze
trägt die Legende: IMP - SEV • ALEXAND • AVG.
82 Römische FalsohmünEerformen, gefunden in Trier.
PM. 1433, 1635, 1643, 1677, 2472, 2521, 3791, 3793; R Severus 1.
PM. 2534, 2563; R. Caracalla 1.
Ueb. 158, 193; R. Caracalla 2.
üeb. 170; PM. 1510, 1631, 2540, 3792; R Caracalla 3.
PM. 2501, 3781; R. Elagäbal 1.
PM. 178; R. Elagäbal 2.
Ueb. 214; PM. 1460; R. Alexander 1.
PM. 1421, 1670, 2484; R. Alexander 2.
Ueb. 123; PM. 2494; R. Felicitas Augg.
Ueb. 108; R. Felicitas publica.
PM. 2510, 2548; R. Fortunae reduci.
PM. 3762; R. Spei perpetuae.
Ueb. i; R, Temporam felicitas.
Ueb: 217; PM. 1417, 2528, 3776; R. Victoria Aug.
Ueb. 188; R. Victoriae Brit.
PM. 2460, 2483; R. von Caracalla. Prof.— Tr. p. XI.
PM. 1684; R. von Geta. Tr. p. II, Frau.
Ueb. 185, 255; PM. 1435; R. frei.
5) FORTVNAE • REDVCI. Fortuna langgewandet steht nach links
profilirt, in der rechten gesenkten Hand hält sie ein Steuerruder^
welches auf einen Globus gestellt ist, im linken Arm ein Fflllhom.
Vgl. Cohen, Alexander 32. Der Avers dieser Münze trägt die Legende:
IMP . ALEXANDER - PIVS • A VG. (Es ist kein Revers von Severus,
da die Fortuna auf dessen Münzen einen Modius auf dem Kopfe trägt,
vgl. Cohen Severus 105, auch keiner von Elagäbal, da die Münzen
dieses Kaisers, welche denselben Revers haben, als Avers den Kaiser
im Paludamentum mit der Umschrift Imp. Antoninus Plus Aug. zeigeOi
vgl. Cohen, Elagäbal 33; derartige Averse aber nicht aufgefunden
worden sind).
Ueb. 172, 175; PM. 1661, 2529; R. Severus 1.
PM. 1416; R Caracalla 2.
Ueb. a; PM. 1627, 2503; R. Geta 2.
PM. 2525, 2530, 3775; R. Elagäbal 1.
Ueb. 118; R. Elagäbal 2.
PM. 3778; K Elagäbal oder Caracalla.
Ueb. 153, 203; PM. 1396, 1434, 1650, 2473, 2495, 2552, 3790;
R. Alexander 1.
PM. 1672; R. Felicitas Augg.
\
\
R5mi8ohe FalBohmünserformen, gefunden in Trier. 83
PM. 1420; R. Felicitas publica.
PM. 2510, 2548 ; R. Fides miKtum sitzend.
Ueb. c; R. Victoria Aug.
PM. 3773; R. von Severus. Tr. p.XVII, Neptun.
Ueb. 250; PM. 1403, 1508, 2508, 2514, 2545, 3799; R. frei.
6) lOVI - STATORI. luppiter nackt, steht nach links profilirt, nach
rechts zurückblickend, in der rechten Hand ein Scepter, in der linken
einen Blitz haltend. Cohen, Alexander 44. Der Avers dieser Münze
trägt die Legende: IMP • C M • AVR SEV ALEX AND • AVG.
PM. 3794; R. Alexander 2.
PM. 3784; R. Caracalla oder Elagabal 2.
PM. 2469; R. frei.
7) PAX • AVG. Pax nach links laufend in der rechten Hand einen
Oelzweig haltend, in der linken ein Scepter. Vgl. Cohen, Alexander
77. Der Avers dieser Münze trägt die Legende: IMP -CM- AVR •
SEV - ALEXAND • AVG.
PM. 2465; R. Victor. Anton.
Revers von Septimins oder Caracalla«
LIBERALITAS • AVGG • V. Langgekleidete Göttin steht nach
links im Profil, im linken Arm ein Füllhorn, in der rechten Hand eine
Tessera haltend. Vgl. Cohen, Septimius 187 und Caracalla 87.
(Cohen, Alexander 58 kann nicht in Betracht kommen).
Ueb. 115; PM. 1422; R. Sevei-us l.
Ueb. 113, 246; R. Caracalla 1.
PM. 2500, 2527; R. Caracalla 3.
Ueb. 111; PM. 1630; R. Geta 1.
üeb. 109; R. Geta 2.
Ueb. 132, 213, 232; R. Elagabal 2.
Ueb. 105; PM. 1398, 2536; R. Alexander 1.
PM. 2541 ; R. Alexander 3.
PM. 1444, 2556 (?); R. Felicitas Augg.
üeb. 191; PM. 1640; R. Victoria Aug.
üeb. 116; PM. 2477; R. Victoriae Brit.
üeb. 104; PM. 1646; R. von Sever. Tr. p. XVII, Neptun.
PM. 1429; R. vonlCaracalla. Prof. — Tr. p. XI.
PM. 1438; R. von Geta. Tr. p. II, Frau.
8
84 Römische FalsohmunzerformeD, gefunden in Trier.
üeb. 116; PM. 1443, 1628, 1632, 2475, 2539; R. frei.
Eine Form bietet die fehlerhafte Legende : LIBERALITAS • SVGG
V-V. PM. 1562; R. frei.
Bererse Ton Septimiiig und Geta.
1) FELICITAS . AVGG. Göttin in langem Gewände, steht im Profil
nach hnks, den Caduceus in der rechten Hand, das Füllhorn auf dem
linken Arm haltend. Vgl. Cohen, Septimius 78 und Geta 15. (Ob-
gleich sich dieser Revers auch auf den Münzen Caracallas findet, wie
C!ohen, Garacalla 38 und 39 zeigt, so können doch die aufgefundenen
Formen nicht 2u Münzen dieses Kaisers gehören, weil keine ent-
spredienden Averse vorhanden sind).
PM. 1680; R. Severus 1.
PM. 1464; R. Garacalla 3,
PM. 1678; R. Geta 1.
- PM. 1461; R. Geta 2.
PM. 1647; R. Elagabal 1.
PM. 3763; R. Alexander 1.
PM. 2485; R. Alexander 2.
üeb. 123; PM. 2494; R. Fides militum sitzend.
PM. 1672; R. Fortunae reduci.
PM. 1444; R. Liberalitas Augg. V.
Ueb. 119; R. Victoria Aug.
Ueb. 106; R. Victoriae Brit.
üeb. 259; R. von Garacalla. Prof. — Tr. p. XL
PM. 1514, 2511; R. von Geta. Tr. p. II, Frau,
üeb. 320; PM. 2476, 3780; R. frei.
2) FELICITAS • PVBLICA. Frau im langen Gewand steht im Pro-
fil nach links, den Caduceus in der rechten Hand, das Füllhorn auf
dem linken Arm haltend. Cohen, Septimius 79, Geta 17.
PM. 1401, 1664, 2516, 2519; R Severus 1.
üeb. 164; R. Garacalla 2.
PM. 3771; R. Garacalla 3.
üeb. 231; PM. 1516, 2523; R. Geta 2.
PM. 1402; R. Elagabal 2.
üeb. 179, 184; PM. 1405, 1673; R. Alexander 1.
Ueb. 117; PM. 3789; R. Alexander 2.
Bomisohe FalsohmÜBJEerformen, gefunden in Trier. 35
Ueb. 108; B. Fides militum sitzend.
üeb. 121, 183, 263; B. Fides militum stehend.
PM. 1420; R. Fortunae reduci.
PM. 2556 (?); Liberalitas Augg. V.
üeb. 151; PM. 1414; R. Temporam felicitas.
PM. 1411, 1512 1513; R. Victoriae Brit.
üeb. 224, 267; PM. 1399; R. von Severus. Tr. p.XVII, Neptun.
üeb. 152; PM. 1437; R. von Caracalla — Prof.
PM. 1409, 1519; R. von Geta tr. p. II, Frau.
PM. 2537; R. von Alexander, tr. p. Villi, Sol. mit Peitsche.
üeb. 240; PM. 1633, 2487; R. frei.
Revers von Caracalla^ Cfeta and Elagabal.
SPEI • PERPETVAE. Spes ist steif im archaistischen Stil dar-
gestellt; sie schreitet in langer Oewandung nach links, in der rechten
Hand eine Blüthe haltend, mit der Hnken ihr Kleid aufnehmend. Cohen,
Caracalla 330, Geta 92, Elagabal 132.
PM. 1432; R. Elagabal 1.
PM. 3762; R. Fides militum sitzend.
PM. 3785; R. von Alexander. Tr. p. VIII. cos. III, Frau mit Haube.
Revers von Elagabal und Alexander.
VICTORIA • AVG. Victoria steht nach links profilirt, in der er-
hobenen rechten Hand einen Kranz, in der linken Hand eine Palme
haltend. — Vgl. Cohen, Elagabal n. 153 und Alexander 204,
üeb. 266; PM. 1638, 2474; R. Severus 1.
üeb. 161; R. Caracalla 1.
PM. 1645, 1668; R. Caracalla 2.
Ueb. 101; B. Caracalla 3.
PM. 3779; B. Geta 1.
PM. 1404; B. Geta 2.
üeb. 262; B. Elagabal 1.
PM. 2547; B. Elagabal oder Caracalla.
üeb. 122, 155, 182, 260; PM. 2480, 2509; R. Alexander 1.
üeb. b, 229; B. Alexander 2.
üeb. 119; B. Felicitas Augg.
üeb. 217; PM. 1417, 2528, 3776; B. Fides mUitum sitzend.
86 RömiBche Falaohmfinserformen, gefunden in Trier.
Ueb. 167; PM. 1412; R. Fides milttnm stehend.
Ueb. c; R. Fortunae reduci.
Ueb. 191; PM. 1640; R. Liberalitas Augg. V.
Ueb. 204; R. Temporum felicitas.
PM. 3774; R. Victoriae Brit.
Ueb. 150; PM. 3796; R. von Severus. Tr. p.XVII, Neptun.
PM. 1637, 1685, 2482; R. von Geta. Tr. p. II, mit Frau.
Ueb. 206, 212; PM. 2457, 3797; R. frei.
II. Gefunden bei der Verbreiterung der Moselbahn.
Arerse von Septimiiu.
1) L-SEPT-SEV-PERT-AVGIMP D. 1814; R. frei.
IMP III 1789; R. frei.
IMP VII 1800, 1801, 1847; R.frei.
1783 R. Concordia.
IMP VIII 1808 R. frei.
IMP Vim 1745 R. Julia Aug.
1784 R. von Elaga-
bal. Tr. p. II. cos. II
Roma.
1750, 1821, 1826 R.
frei.
? ? 1764 R. frei.
2) L - SEPT • SEV • AVG • IMP XI • PART • MAX.
1923 R. Fortunae reduci.
1928 R. Salus Anton. Aug.
1747 R. Virtus Augg.
1844 R. frei.
3) IMP • CAE • L - SEP . SEV • PERT • AVG • COS II.
1915 R. Geta 2.
1811 R. frei.
Aren von Julia Domaa.
IVLIA ■ AVGVSTA 1745 R. Severus 1, imp. VHH.
1807 R. lulia Paula.
1746 R. Princ. iuventutis.
1812 R frei.
Römisohe FalBchmünzerformen, gefvnden in Trier. 87
▲yerse Ton Caraoalla«
1) ANTONIN VS - AVGVSTVS. Brustbild des jugendlichen Kaisers
mit Kranz im Haar und Paludamentum.
1922 R. Victoria Aug. Fei.
2) ANTONINVS - PIVS • AVG. Jugendliches Kaiserbrustbild im
Paludament nach rechts.
1765 R. . . ? . . publica.
3) ANTONIN\g - PIVS - AVG. Kaiserkopf mit schmalem Backen-
bart im Profil nach rechts.
1770 R. Liberalitas Aug. V.
4) M . AVR [ANTON] CAES • PONTIF. Jugendlicher Caracalla
im Paludament. %
1761 R. Geta 1.
5) ANTONINVS • PIVS • AVG - BRIT. Kopf im Vollbart
1916 R. Geta Brit.
1920 R. von Septimius. Tr. p. V. cos. IIL Genius
6) ANTONINVS - PIVS - AVG • GERM. Kopf im Vollbart.
1831, 1833 Durchmesser der Matrize 0,021. Kopf mit Strahlen-
krone R. lulia Mamaea.
1926 R. von Caracalla. Tr. p. XVI. Serapis.
1802 R. frei.
Averse von Geta«
1) P - SEPT • GETA CAES - PONT. Jugendliches Kaiserbrust-
bild im Paludament nach rechts.
1761 R. Caracalla 4.
1918 R. von Geta. Tr. p. III, cos. II. Frau.
1777 R. frei.
2) P • SEPT . GETA • PIVS • AVG • BRIT. Geta im Vollbart
nach rechts.
1915 R. Sever. 3.
1916 R. Caracalla 5.
1917 R. Nobilitas.
1744, 1825 R. frei.
Kdmiaobe PslacbmänEerformen, gefunden b Trier.
ATene Ton Hacrlnii.
IMP • 0 ■ M • OPEL • SEV ■ MACRINVS ■ A.VG. KaiserteastbM
im Paludamcnt nach rechts.
1779, 1793, 1815, 1845 R. Mamaea.
Arene Ton Elafabnl.
1) IMP - ANTONIUVS ■ PIVS ■ AVG. Kopt^ des Kaisers nach
rechts. *
1819 R. Elagabal 2.
1794 R. Alexander 1.
1781 R. Mars Uljor.
1795 R. Providentia Aug.
1792, 1806 H. Teneri felici.
2) IMP ■ ANTONINVS ■ PIVS - AVG. Brustbild im Paludanient
1819 R. Elagabal 1.
1788, 1820 R Mars Ultor.
1822 R. Ton Elagabal. Tr. p. nu, cos. III, Victoria.
1880 R. frei.
3) IMP • CAES ■ M • AVR • ANTONINVS ■ AVG. Brustbild im
Faludament.
1924 R. von Septimius. Tr. p. III, cos. II, Minerva.
Averse TOn Jnlla Panln.
IVLIA ■ PAVLA ■ AVG.
1807 B. Inlia Augusta.
1767 R. Invicto imp.
1785 R. frei.
Averse von Alexander.
1) IMP ■ ALEXANDER ■ PIVS ■ AVG.
1794 R. Elagabal 1.
1829 R Alexander 1.
1810 R. Inlia Mamaea.
1808 R. Providentia Aug.
1818 R. von Elagabal. Tr. p. In, cos. ni, Sol.
1828 R. frei.
Römische Falschmfinzerformen, gefunden in Trier. 89
2) IMP • SEV - ALEXAND - AVG.
1772 R. Annona Aug.
1759 B. Pax Aug.
1771 K. frei.
3) IMP • C M • AVK • SEV • ALEXAND • AVG.
1773 B. Alexander 3.
1753 B.l.von Alexander. Tr. p. vmi, cos. III.
1758 B. frei.
Arers Ton Jalla Mamaea.
IVLIA • MAMAEA • AVG.
1831, 1833 B. Caracalla 6.
1779, 1793, 1815, 1845 B. Macrinus.
1810 B. Alexander 1.
1780, 1790 B. frei.
Berene ron SepUmiiu.
1) P • M • TB • P • 811 ■ COS n • P • P. Fortuna nach links stehend,
ein Steuerruder und ein Füllborn haltend. Cohen, Septimius 251 und
260. Der Avers zu dieser Münze trägt die Legende : L • SEPT • SEV •
PEBT • AVG • IMP m oder VIL
1751 B. Paci Aug.
1755 B. von Elagabal. Tr. p. Uli, Sol.
2) P • M • TB - P • III - COS II P ■ P. Eine behelmte Minerva steht
nach links im Profil, in der rechten Hand eine Lanze, im linken Arm
ein Schild. Cohen, Septimius 255 und 256. Der Avers zu dieser
Münze trägt die Legende: L - SEPT • SEV • PEBT • AVG • IMP • V.
1924 B. Elagabal 3.
1782, 1798 B. frei. '
3) P • M • TB • P . V • COS II • P • P. Genius vor einem Altar
stehend, in der vorgestreckten rechten Iland eine Patera, in der ge-
senkten linken Hand Aehren haltend. Cohen, Septimius 272. Der
Avers dieser Münze trägt die Legende: L • SEPT • SEV • PEBT - ÄVG •
IMP vmi.
1920 B. Caracalla 5.
1927 B. von Geta. Tr. p. HI, cos. IL
4) FOBTVN • BEDVC. Fortuna mit Modius steht nach links,
eine lange Palme in der rechten Hand haltend, ein Füllhorn im linken
40 BömiBche Falsohmünzerformen, gefanden in Trier.
Arm. Cohen, Septimius 101. Der Avers dieser Münze trägt die Le-
gende: IMP . GAE - L . SEP - SEV PEET • AVG COS IL
1923 E. Severus 2.
5) INVICTO • IMP. Ein Tropäon, zu Füssen desselben Unks ein
Helm und ein Wurfspiess, rechts, wie es scheint, ein Schild und zwei
Wurfspiesse. Cohen, Septimius 137. Der Avers dieser Münze trägt
die Legende: IMP - CAE - L - SEP • SEV • PEET • AVG • COS - IL
1767 E. Julia Paula.
1778 B. frei.
6) IVSTITIA. lustitia sitzt im Profil nach links, einen Stab in
der linken Hand, eine Schale in der vorgestreckten rechten haltend.
Cohen, Septimius 152. (Derselbe Severe findet sich auch bei Caracalla,
Cohen 74, aber der dazu gehörige Avers ist nicht aufgefunden.) Der
Avers dieser Münze führt die Legende: L • SEPT • SEV AVG • IMP
XI . PAET • MAX.
1914 E. von Caracalla. Tr. p. XVI, Frau.
7) PACI . AVGVSTI. Die Pax sitzt nach links einen Oelzweig
in der vorgestreckten Eechten haltend, ein Füllhorn im linken Arm.
Cohen, Septimius 230. Der Avers dieser Münze trägt die Legende:
L . SEPT . SEV - PEET - AVG - IMP - IH.
1751 E. von Septimius Tr. p. 31 cos. II Fortuna.
8) SECVEITAS • PVBLICA. Frau sitzt nach links im Profil, in
der Hand eine Kugel haltend. Cohen, Septimius 375 und 376. (Der-
selbe Eevers findet sich auch bei Caracalla, Cohen 317, aber der dazu
gehörige Avers ist nicht aufgefunden). Der Avers dieser Münze trägt
die Legende: L • SEPT • SEV - PEET • AVG • IMP Uli oder VIU.
1786 E. Victoriae Augg. fei.
9) VICTOEIAE • AVGG • FEL. Victoria nach links laufend, eine
Tänie in beiden Händen haltend, auf einem Cippus ein Schild. Cohen,
Septimius 416. Der Avers dieser Münze trägt die Legende : L • SEPT •
SEV . AVG . IMP • XI PAET • MAX.
Revers von Julia.
CONCOEDIA. Frau sitzend nach links, mit Patera in vorge-
streckter Eechten, ein Doppelfüllhorn im linken Arm. Cohen, lulia 13
(derselbe Eevers findet sich auch bei Alexander, Cohen 19, aber der
zu dieser Münze gehörige Avers, welcher Alexander in Eüstung zeigt,
Römische Falsohmünzerfonnen, gefundon in Trier. 41
ist nicht aufgefunden). Der Avers dieser Münze trägt die Legende:
IVLIA ' AVGVSTA.
1783 R. Severus 1, imp. VII.
Beyerse Ton Caracalla.
1) PART • MAX • PONT • TR • P • IUI. Tropäon zwischen zwei
kauernden Gefangenen. Cohen, Garacalla 116 und 118. Der Avers
zu dieser Münze trägt die Legende: ANTONINVS • PIVS • AV6.
1763 R. von Garacalla. Tr. p. XVII, cos. IUI, Juppiter.
2) PONTIF . TR P • XII . GOS ÜI. Behelmte Frau im Profil
nach rechts, den linken Fuss auf einen Helm setzend, im linken Arm
ein Parazonium, in der rechten Hand eine Lanze. Gohen, Garacalla
272, der Avers zu dieser Münze trägt die Legende : ANTONINVS •
PIVS - AVG.
1762 R. frei.
3) P - M . TR P - XVI . GOS IUI • P - P. Serapis steht im Profil
nach links, mit erhobener Rechten, eine Lanze in der linken Hand.
Cohen, Garacalla 141. Der Avers zu dieser Münze trägt die Legende:
ANTONINVS PIVS • AVG • BRIT.
1914 R. lustitia.
1926 R. Garacalla 5.
4) P - M • TR • P • XVU - GOS IIU P - P. Juppiter stehend nach
links, einen Blitz in der rechten Hand, ein Scepter in der linken Hand
haltend; zu seinen Füssen ein Adler. Cohen, Garacalla 154. Der
Avers zu dieser Münze trägt die Legende : ANTONINVS • PIVS • AVG •
GERM.
1763 R. von Garacalla. Tr. p. IUI, Tropäon.
1817 R. Fort, reduci, liegende Figur.
1797 R. Victoria mit unleserlicher Umschrift.
5) P M . TR . P . XVIU - GOS IUI P • P. Serapis auf einem Thron
sitzend nach links profilirt, neben ihm Gerberus. Cohen, Garacalla 184.
Der Avers zu dieser Münze: ANTONINVS - PIVS • AVG • GERM. Kopf
mit Strahlenkrone im Paludament.
1921 R. Destinato imp.
1816 Durchm. der Matrize 0,021 R. frei.
6) P - M • TR . P • XX . COS IUI P • P. Juppiter nackt, mit Mantel
auf linker Schulter, steht nach links mit Blitz in der rechten, Scepter
42 Römische Falschmünzerformeii, gefunden in Trier.
in der ÜDken Hand. Cohen, Garacalla 219. Der Avers dieser Münze
hat die Legende: ANTONINVS • PIVS • AVG - GERM.
1824 E. Paci Augusti.
7) DESTINATO [imperat]. Augurstab, Flammenmütze, Bucranion,
Simpulum. Cohen, Caracalla 32. Der Avers dieser Münze hat die
Legende: M AVK - ANTON • CAES • PONTIF.
1921 R. von Caracalla. Tr. p. XVIII, Serapis.
Reverse von Qettu
1) TR • P • III - COS - II • P P. Frau nach links stehend, mit
einem Füllhorn in der rechten, einen Caduceus in der linken Hand.
Cohen, Geta 98. Der Avers der dazu gehörigen Münze lautet: P -SEPT -
GETA - PIVS - AVG - BRIT.
1925 R. Septimius 2. imp. XI.
1918 R. Geta 1.
1927 R von Septimius. Tr. p. V cos. II, Genius.
2) FORT . RED • TR - P • III COS - II • P • P. Fortuna nach rechts
liegend, angelehnt an ein Rad, in der linken Hand ein Füllhorn haltend.
Cohen, Geta 27. Der Avers der dazu gehörigen Münze lautet : P • SEPT •
GETA PIVS . AVG • BRIT.
1817 R. von Caracalla. Tr. p. XVII, cos. III, Juppiter.
1919 R. frei.
3) princ] IVVENTVTBl Geta in Rüstung steht nach links im
Profil, hinter ihm ein Tropäon. Cohen, Geta 77. Der Avers der da-
zu gehörigen Münze lautet: P • SEPT • GETA • CAES PONT.
1746 R. lulia Aug.
Bevers von Macrin.
P . M TR - P II COS - II • P • P. Frau nach links stehend, Aehren
in den Händen, ein Füllhorn im linken Arm. Zu den Füssen ein Ge-
fäss mit Aehren. Cohen, Macrin 24. Der Avers der dazu gehörigen
Münze lautet: IMP • C M • OPEL • SEV • MACRIN VS AVG.
1804 R. Mars Ultor.
1787, 1846 R. Veneri felici.
Reverse von Elagabal.
1) P • M . TR • P • II • COS II • P • P. Roma nach links sitzend,
auf der rechten Hand eine Victoria, mit der linken sich auf ein Scepter
Römische Falscbmünzerformen, gefanden in Trier. 43
•
Stützend. Zu ihren Füssen ein Schild. Cohen, Elagabal 69. Der
Avers der dazu gehörigen Münze lautet: IMP • CAES • M • AVK •
ANTONINVS • AVG.
1784 R. Septimius imp. Villi.
2) P . M ■ TR . P - m COS III . P . P. Sol nach links laufend,
mit erhobener Rechten, in der linken Hand eine Peitsche haltend.
Cohen, Elagabal 81. — Der Avers der dazu gehörigen Münze lautet:
IMP • ANTONINVS - PIVS • AVG.
1818 R. Alexander 1.
1813, 1834 R. frei.
3) P • M • TR . P . IUI COS III . P • P. Sol nach links laufend,
mit erhobener rechten Hand, in der linken Hand eine Peitsche hal-
tend, im Felde ein Stern. Cohen, Elagabal 91. Der Avers dieser
Münze trägt die Legende: IMP • ANTONINVS • PIVS • AVG.
1755 R. von Septimius. Tr. p. H, cos. U, Fortuna.
1768 R. frei.
4) P . M . TR - P • im COS HI . P . P. Victoria nach links laufend,
eine Tänie in beiden Händen haltend, im Felde zwei Schilde und ein
Stern. Cohen, Elagabal 95. — Der Avers dieser Münze trägt die Le-
gende: IMP - ANTONINVS PIVS • AVG.
1822 R. Elagabal 2.
1791 R. Providentia Aug.
5) SALVS-ANTONINI-AVG. Frau im Profil nach rechts stehend,
eine Schlange, welche sie in den Armen hält fütternd. Cohen, Ela-
gabal 121. — Der Avers zu dieser Münze trägt die Legende: IMP •
CAES • M • AVR . ANTONINVS - AVG. [Ueber denselben Revers bei
Caracalla vgl. Cohen, Caracalla 312 und 313 und die Anmerkung].
1928 R. Septimius 2.
6) VICTORIA • AVG. Victoria nach links fliegend, in den Hän-
den eine Tänie haltend, im Felde zwei Schilde und ein Stern. Cohen,
Elagabal 149 und 152. Der Avers dieser Münze trägt die Legende:
IMP . CAES . ANTONINVS • AVG oder IMP • ANTONINVS • PIVS • AVG.
1766 R. frei.
Reverse von Alexander.
1) P M • TR - P - COS • P • P. Mars in Rüstung nach links im
Profil stehend, hält einen Zweig in der Linken, ein Scepter in der
44 Komische Falsclimünzerformen, gefunden in Trier.
Bechten. Cohen, Alexander 90. Der Avers der Münze trägt die Le-
gende: IMP CM AVß SEV - ALEXAND - AVG.
1752 R. von Alexander. Tr. p. Villi, cos. HI'
1774 R. frei.
2) P . M . TR . P . VI COS II • P - P. Alexander steht nach links
auf einem vor ihm stehenden Altar opfernd. Cohen, Alexander 143.
Der Avers der Münze trägt die Legende: IMP • C - M • AVR SEV-
ALEXAND . AVG.
1748 R. frei.
3) P . M . TR . P . Vmi COS III • P . P. Kaiser in Rüstung nach
rechts schreitend, in der linken Hand eine Kugel, in der rechten eine
Lanze haltend. Cohen, Alexander 172. Der Avers der Münze trägt
die Legende: IMP • C • M • AVR • SEV ALEXAND • AVG.
1753 R. Alexander 3.
1752 R. von Alexander. Tr. p. cos. Mars.
1749 R. Annona Aug.
4) ANNONA . AVG. Frau steht im Profil nach links, mit Aehren
in der rechten Hand, Füllhorn im linken Arm. Zu Füssen ein Gefäss
voller Aehren. Cohen, Alexander 9 und 12. Der Avers zu dieser
Münze führt die Legende: IMP - C - M • AVR • SEV - ALEXAND • AVG •
oder IMP - ALEXANDER • PIVS • AVG.
1772 R. Alexander 2.
1749 R. von Alexander. Tr. p. VHU cos. HL
1769 R. dgl. Annona Aug.
1754, 1760 R. frei.
5) MARS • VLTOR in Rüstung nach rechts schreitend, Schild
am linken Arm, Lanze in rechter Hand. Cohen, Alexander 65 und 66.
Der Avers dieser Münze trägt die Legende : IMP • SEV • ALEXAND -
AVG oder IMP • ALEXANDER PIVS AVG.
1781 R. Elagabal 1.
1788, 1820 R. Elagabal 2.
1804 R. von Macrin. Tr. p. H.
1809 R. Veneri felici.
1805 R. frei.
6) PAX - AVG. Frau nach links laufend, einen Oelzweig in der
rechten, ein Scepter in der linken Hand haltend. Cohen, Alexander
78. Der Avers dieser Münze trägt die Legende: IMP CM- AVR •
SEV ALEXAND • AVG.
1759 R. Alexander 2.
Römische Falsohmünzerformen, gefanden in Trier. 45
7) PROVIDENTIA AVG. Frau stehend nach links profilirt, in
der Rechten Aehren, im linken Arm ein Füllhorn haltend. Neben ihr
ein Korb mit Aehren. Cohen, Alexander 192. Der Avers der Münze
trägt die Legende: IMP • ALEXANDER • PIVS • AVG.
1795 R. Elagabal 1.
1808 R. Alexander 1.
1791 R. von Elagabal. Tr. p. IIII, cos. III, Victoria.
1796. 1799 R. Veneri felici.
BeTers der Mamaea.
VENERI • FELICI. Venus steht im Profil nach rechts, auf der
linken vorgestreckten Hand ein Knäbchen haltend, die rechte auf ein
Scepter stützend. Cohen, Mamaea 19. Der Avers der Münze trägt
die Legende: IVLIA • MAMAEA - AVG.
1792, 1806 R. Elagabal 1.
1787, 1846 R. von Macrin. Tr. p. 11.
1809 R. Mars Ultor.
1796, 1799 R. Providentia Aug.
1827 R. frei.
Revers von Septimius, Caraealla oder Oeta.
NOBILITAS. Göttin steht nach rechts profilirt, mit einer Vic-
toria auf der vorgestreckten Linken. Cohen, Severus 226, Caraealla
112, Geta 48.
1917 R. Geta 2.
Beven von SeptiminB oder £Mtu
FELICITAS • PVBLICA. Frau in langem Gewand stehend, nach
links profilirt, mit Caduceus in rechter Hand, Füllhorn auf linkem Arm.
Cohen, Septimius 79, Geta 17.
1765 R Caraealla 2.
1823 R frei.
Revers von Caraealla, Geta oder ilexander.
LIBERALITAS • AVG • V. Frau mit Tessera und Füllhorn. Vgl.
Cohen, Caraealla 87, Geta 34, Alexander 56.
1770 R. Caraealla 3.
46 Römische Falschmünzerformen, gefanden in Trier.
Reyerse ron Elagabal oder üexander.
FORT VNAE • RED VGL Fortuna steht nach links, ein Steuer-
ruder, welches auf einen Globus gestellt ist und ein Füllhorn haltend.
Cohen, Elagabal 33, Alexander 32.
1923 R. Severus 2, imp. XL
ni. Zweifelhaft, ob beim Bau der Ueberl6'schen Keller oder
bei der Verbreiterung der Moselbahn gefunden.
Ayerse ton Septlmiiu.
1) SEVERVS-PIYS-AVa
3190 R. dgl. Severus pius Aug.
3191 R. Geta 1.
3209 R. frei.
2) IMP GAE . L . SEP • SEV • PERT • AVG - GOS H.
3219 R. Geta 2.
3216 R. frei.
3) L . SEPT . SEV PERT - AVG • IMP - Vmi.
3220 R. frei.
4) L . SEPT SEV . AVG - IMP • XI • PART • MAX.
3225 R. von Caracalla. Tr. p. XVIII, Serapis.
Averse von Caracalla.
1) M . AVR . ANTON • GAES • PONTIF. Jugendlicher Garacalla
im Paludament.
3217 R. frei.
2) ANTONINVS • PIVS • AVG - BRIT.
3210 R. Alexander.
3203 R. frei.
Averse von Geta.
1) IMP - GAES - P . SEPT - GETA PIVS • AVG.
3191 R. Septimius 1.
3196 R. von Septimius. Tr. p. XVU, Neptun.
2) P - SEPT GETA • PIVS • AVG • BRIT.
3208, 3219 R. frei.
Römische Falschmünzerformen, gefunden in Trier. 47
Ayerse Ton Elagabal.
1) ANTONINVS . PIVS - AVG.
3205 R. Victoria Aag.
2) IMP . CAES - M . AVK ANTONINVS AVG.
3212 R. frei.
Avers von Jalia Maesa.
IVLIA • MAESA • AVG.
1480 R. Providentia Aug.
1483 R. frei.
Averse von Alexander.
1) IMP . ALEXANDER • PIVS • AVG.
3210 R. Caracalla 2.
3199 R. Fides militum sitzend.
3213 R. frei.
2) IMP . SEV • ALEXAND - AVG.
3188 R. von Septjmius. Tr. p. XVII, Neptun.
3187 R. Fortunae reduci.
1486 R. Liberalitas Augg.
3202 R frei.
3) IMP . C - M . AVR . SEV - ALEXAND AVG.
1490 R. Tr. p. II, cos. Juppiter.
1484 R. Liberalitas Aug.
1491 R. Victor. Antonini Aug.
Beverse von Septimins.
1) P . M ■ TR . P . III . COS n . P . P. Behelmte Minerva. Vgl.
oben S. 39 Septimius 2.
3218 R. frei.
2) P.MTRPV-COSIIP-P. Genius. Vgl. oben S. 39
Septimius 3.
3194 R. Salus Antonini.
3193, 3207 R. frei.
3) P . M . TR • P • X VII • COS • m . P - P. Vgl. oben S. 27 Septimius.
3196 R Geta 1.
3188 R. Alexander 2.
3206 R. frei.
48 R&misohe Falschmfinzerforaieo, gefanden in Trier.
4) FORTVN - RED VC. Vgl. oben S. 39 Septimius 4.
3215 R. von Geta. Tr. p. III, Frftu.
Sererae ron Caracalla.
1) PROF • PONTIF • TR • P • XI • COS ni. Caracalla zu Pferd.
Vgl. oben S. 28 Caracalla;
3197 R. Victoriae Brit.
3200 R. von Geta. Tr. p. II, cos. II, Frau.
2) P . M • TR • P • XVI • COS • im • P • P. Serapis. Vgl. oben
S. 41 Caracalla 1.
3192, 3195, 3207 R. frei.
3) PMTRP-XVm-COSmiPP. Aesculap in der ge-
senkten rechten Hand einen Staß haltend, um welchen sich eine Schlange
windet. Neben dem linken Fuss eine Kugel. Cohen, Caracalla 186.
Der Avers dieser Münze trägt dlfe Legende : ANTONINVS • PIVS -
AVG • GERM.
3225 R. Severus 4.
3186 K frei.
4) DESTINATO [imperatore] Vgl. oben S. 42 Caracalla 7.
3211 R. frei.
5) VICTORIAE • BRIT. Vgl. oben S. 29 Caracalla 3.
3197 R. von Caracalla. Prof. — Tr, p. XI cos. III.
3198 R. frei.
BeTerse ton Cfeta.
1) PONTIF . TR . P . II • COS IL Vgl. oben S. 29 Geta.
3201 R. Liberalitas Augg.
3200 R. von Caracalla — Prof.
3189, 3214 11. frei.
2) TR.PinCOSII.p.P. Vgl. oben S. 42 Geta 1.
3215 R. Fortanae reduci.
3224 R frei.
Reyerse ton EUgabal.
1) SALVS . ANTONINI • AVG. Vgl. oben S. 43 Elagabal 5.
3194 R. von Geta. Tr. p. H, Frau.
Römische Falsohmünzerformen, gefunden in Trier. 49
2) VICTOR • ANTONINI - AVG. Victoria nach rechts laufend mit
Kranz und Palme. Cohen, Elagabal 144. Der Avers zu dieser Münze
trägt die Legende: IMP • CAES - M • AVR • ANTONIN VS AVG.
1491 R. Alexander 3.
1485 R. von Alexander. Tr. p. Vmi, Sol.
Reverse von Alexander.
1) P • M . TR • P - n - COS - P - P. Juppiter nach links profilirt
mit Blitz und Scepter. Cohen, Alexander 100. Der Avers dieser
Münze lautet: IMP • C - M • AVR • SEV ALEXAND • AVG.
1490 R. Alexander 3.
2) P . M TR . P . Vini • COS • in • P • P. Sol mit Weltkugel. Vgl.
oben S. 31 Alexander 2.
1485 R. Victoria Anton.
3) FIDES MILITVM sitzend.
3199 R. Alexander 1.
4) LIBERTAS • AVG. Frau steht im Profil nach links, ein Füll-
horn auf dem linken Arm, einen spitzen Hut in der R. haltend. Cohen,
Alexander 63. Der zu dieser Münze gehörige Avers trägt die Legende:
IMP . C . M . AVR • SEV • ALEXAND • AVG.
1484, 1486 R. Alexander 3.
5) PROVIDENTIA • AVG. Vgl. oben S. 45 Alexander 7.
1489 R. Julia Maesa Aug.
Reverse von Septimins oder Caracalla.
LIBERALITAS • AVGG • V. Vgl. oben S. 33.
3201 R. von Geta. Tr. p. II, cos. II, Frau.
Reverse von Elagabal oder ilexander.
FORTVNAE • REDVCL Vgl. oben S. 32.
3187 R. Alexander 2.
3204 R. frei.
VICTORLA. • AVG. Vgl. oben S. 35.
3205 R. Elagabal 1.
Trier im April. Felix Hettner.
so Zu dem Grabstein des Yoloiot Mercator.
5. Zu dem Grabstein de$ Volcius Mercator.
(Heft LXni, Tafel lU.)
In dem 63. Heft dieser Jahrbücher findet sich auf Tafel III die
photographjsche Abbildung eines römischen Grabsteins aus Heidelberg
und unter der Aufschrift: Inschriftliches aus Heidelberg unter beson*
derer Berücksichtigung keltischer Namen auf rheinischen Inschriften
von Herrn Carl Christ, auch eine Besprechung der auf dem Grab-
stein befindlichen Reliefdarstellung eines geflügelten Genius, welche viel
Belehrendes und Anregendes enthält Ganz besonders aber interessirte
mich die Deutung, welche am Schlüsse jenes Aufsatzes der leider der
Wissenschaft so früh entrissene Professor Stark in Heidelberg in einem
an Herrn Carl Christ gerichteten Schreiben diesem Genius gibt und
die über die bildliche und plastische Darstellung geflügelter Eroten des
Alterthums mir und wohl auch anderen Lesern der Jahrbücher ein
völlig neues Licht gewährte. Stark sieht nämlich in dem en face
dargestellten nackten, geflügelten Knaben in sitzender Stellung, welcher
mit ausgebreiteten Armen die Inschrifttafel des Grabsteins trägt, eine
Reliefdarstellung des Anteros und schliesst dieses aus den eigenthüm-
lich geformten, aufwärts und in sich selbst zurückgebogenen Flügeln
des Genius, wodurch er sich von dem Eros unterscheide. Die ausser-
ordentlich einleuchtende sachliche Begründung dieser Ansicht, sowie der
Reiz der Neuheit, den sie für mich hatte, veranlasste mich, weiter über
Stark 's Mittheilungen nachzuforschen, und als Ergebniss theils zur
Bestätigung, theils zur Ergänzung das Nachfolgende mitzutheilen.
Die sicherste Auskunft über Eros und Anteros finden wir bei
Plato und Pausanias, wozu wir noch eine Stelle bei Plinius ziehen
können. Plato (Phaedrus 255, C und D) schildert die Liebe als eine
Art magischen Fluidums, das von dem geliebten Gegenstand auf den
Liebenden übergeht und umgekehrt. Es würde zu weit führen, die an-
geführte Stelle ganz mitzutheilen ui^d zu erläutern ; unzweifelhaft aber
ist bei Plato der Anteros die Gegenliebe und zwar, wie der Scholiast
Hermias treffend zu den Worten eldcoXov egcoTog bemerkt, sieht Plato
in dem Eros den zuerst wirkenden Liebesgott ; ra devtega di ngoaaTC'
ret T(p avriQiOTt; die zweite Stelle weist er dem Anteros an, welcher
die unter der Einwirkung des Eros erwachende Gegenliebe bedeutet,
die ihrer Entstehung und der Initiative nach thatsächlich die zweite
r
Za dem Grabttein des Yoloins Mereator. 61
Stelle eiDnimmt, aber unzertrennlich mit dem Eros verbunden se'in
mnss. Nicht im Mindesten darf man hier an eine feindliche Deutung
der Präposition dvri denken, als ob Anteros ein Gegner des Eros
wäre und die glückliche Liebe zu zerstören suchte. Im Gegentheil, da
wo das unzertrennliche Band zwischen Eros und Anteros gelöst, die
Liebe also nicht erwiedert, die Gegenliebe in ihrem göttlichen Recht
geschädigt wird, da tritt die Strafe der Götter ein.
So erzählt Pausanias (1, 30, 1) an einer Stelle, welche Stark
in seinen trefflichen Bemerkungen über den Anteros nicht angeführt
hat, dass die athenischen Metöken dem Anteros einen Altar er-
richteten, weil Einer der Ihrigen, Timagoras die höhnischen Worte
eines schönen athenischen Jünglings, der die Liebe des Timagoras ver-
schmähte, )>er solle sich vom Felsen stürzen«, buchstäblich nahm und
ausführte. Aus Reue darüber stürzt sich hernach der Jüngling von
demselben Felsen. Darum wird also hier Anteros göttlich verehrt und
ihm ein Altar errichtet, weil er nicht ungestraft sich verachten lässt
und weil er die Missachtung seiner selbst an dem Spröden heimsucht.
Auch hier ist also Anteros nicht der Zerstörer der Liebe oder ein Feind
des Glückes der Liebe, der wieder trennt, was Eros geeinigt hat, son-
dern die in ihrem göttlichen Recht missachtete und geschädigte Gegen-
liebe. Auf die charakteristische Darstellung des Anteros mit den in
sich zurückgeschweiften Flügeln hat zuerst Emil Braun in seiner
trefflichen Publication eines Reliefs im Palazzo Golonna in Rom mit
zwei im Fackelrennen wetteifernden Eroten und des Reliefs ausischia,
jetzt in Neapel mit zwei um eine Palme ringenden Eroten (Antike
Marmorwerke, 2. Dekade, Tafel V, a, b) aufmerksam gemacht und die
Richtigkeit der von Braun gemachten Beobachtung hat mir kürzlich
Prof. Dr. W. Hoff mann in Berlin, der im vorigen Jahr Rom und
Neapel besuchte und beide Reliefs dort gesehen hat, bestätigt. Auf
beiden Reliefs zeigt Anteros diese Eigenthünilichkeit ausgeschweifter
Flügel, die uns auf dem Grabstein des Volcius Mereator in Heidelberg
so auffällig entgegentreten und wodurch Anteros von Eros unterschieden
wird. Wenn nun auf dem erstgenannten Relief in dem Palazzo Colonna
in Rom Eros und Anteros mit Fackeln wettrennend dargestellt werden,
80 ist darunter die den Freuden Hymens entgegenstrebende Liebe und -
Gegenliebe zu verstehen und wenn Anteros hinter dem Eros dabei etwas
zarUdcbleibt, so ist dadurch höchst sinnig angedeutet, wie Eros in
diesem FaUe die Initiative ergreift, Anteros aber ihm, wohl wider-
strebend und doch nachgebend folgt. Wir wüssten nicht, wie der Wett-
52 Zu dem Grabstein des Voloius Mercator.
effer zweier Liebenden wahrer und treffender dargestellt werden könnte.
Dagegen können wir auch hier keine Spur davon entdecken, dass An-
teros der Dämon unglücklicher Liebe sei, welcher das Ziel der Liebe
nicht erreicht oder das Glück der Liebe zeratört
Ganz ähnlich verhält es sich mit der Stelle, welche Emil Braun
in seiner oben erwähnten Publikation der beiden Reliefs ausPausanias
angeführt hat. Pausanias erzählt, (Paus. 6, 23, 4), dass in einem
Theile des Gymnasion zu Elis ein Altar stehe, dem Eros und der
Gottheit geweiht, welche die Athener und Elier Anteros nennen
ferner seien dort auf der Kampfbinde, die eine Büste des Herakles
schmückt, Eros und Anteros dargestellt und zwar Eros einen Palm-
zweig haltend, den ihm Anteros entreissen will. Es ist aber dieses
Entreissen des Palmzweigs nicht in feindseligem Sinne aufzufassen, so
dass hier Anteros als Gegner des Eros erschiene, sondern es ist der
Wettkampf zweier Liebenden um den Siegespreis der Liebe bildlich
dargestellt, so dass die Gegenliebe sich bemüht, obwohl sie ihrer Ent-
stehung nach die zweite ist, die erste noch zu Übertreffen sucht. Darum
hält Eros den Palmzweig und Anteros will ihn nehmen, d. h. hinter
der Liebe des Eros nicht zurückbleiben. Auch hier beruht die bild-
liche Darstellung zweier Liebenden auf tiefster Lebenswahrheit, die
uns überhaupt in der Antike so unvergleichlich gegenübertritt, aber
man findet keine Spur davon, dass Anteros der Dämon der unglück-
lichen Liebe sei, die ihr Ziel nicht erreicht. Auch bei den von Stark
erwähnten nicht eben zahlreichen Darstellungen des Aoteros, wie sie
bei Müller (Wieseler, Denkmäler der alten Kunst 11. Tafel 51 ff.)
unter andere Erotendarstellungen gemischt sind, gibt unsere auf Grund
der besprochenen Stellen gewonnene Auffassung die rechte Deutung,
denn wenn Anteros bisweilen um den Geliebten trauernd dargestellt
ist, so ist es doch nach der Natur der Liebe selbstverständlich, dass
sowohl Eros, als auch Anteros trauern bei ihrem gegenseitigen Verlust,
oder mit anderen Worten, dass die Trennung zweier Liebenden auf
beiden Seiten Schmerzen verursacht.
Gehen wir in dieser Anschauung des Mythus vom Eros und An-
teros consequent weiter fort, so finden wir in dem Eros den Repräsen-
tauten der entgegenkommenden, um die Liebe des Weibes werbenden,
die Initiative ergreifenden Liebe des Mannes und in dem Anteros den
Repräsentanten der sich hingebenden Liebe des Weibes, die, wenn sie
schon später entstanden und die Liebe des schwächeren Theiles ist,
doch mit dem Eros um den Liebespreis wetteifert Wenn wir daher
Zu dem Orabstein des Yolcius Mercator. 63
in dem besprochencD Grabstein ein Grabdenkmal hätten, welches ein
trauernder Gatte dem geließten Weib, das der Tod ihm entrissen, er-
richtet hätte, und es wäre auf demselben seine Liebe, die um das
verlorene Glück trauert, dargestellt, so müssten wir auf einem solchen
Denkmal die Darstellung des älteren, kräftigern der beiden Brüder,
des Eros ohne zurückgebogenes Gefieder erwarten. Aber in dem ge-
gebenen Fall ist es ja ein treues Weib, welches den gellebten Gatten
durch den Tod verloren hat und welches um seinen Verlust trauert,
die, um ihn zu ehren und um ihrer fortdauernden Liebe einen Aus-
druck zu geben, ihm ein Denkmal errichtet. Da begegnen wir noth-
wendiger Weise, um den Charakter des Denkmals zu bezeichnen und
sofort über die Motive, aus denen es errichtet wurde, zu orientiren, der
Darstellung des Anteros als Repräsentanten der weiblichen Gegenliebe
und es sagt uns auf diesem Grabstein der Genius mit den zurückge-
bogenen Schwingen nichts Anderes, als dass die weibliche Gegenliebe,
in diesem Falle trauernd, dem verstorbenen Gatten das Grabdenkmal
aus Liebe errichtet hat. Sehr sinnig angewendet ist hier die Relief-
darstellung des Anteros auch aus dem Grunde, weil Anteros die In-
schrifttafel trägt und dadurch die treue Gegenliebe des Weibes als die
Seele bezeichnet ist, aus welcher die Inschriftsworte geflossen sind^
während durch den geflügelten Genius zugleich die Inschrifttafel den
Charakter des Freischwebenden erhält, wie denn das in der Inschrift
bezeichnete Objekt der Gegenliebe der Erde entrückt ist und in seligen
Räumen schwebt. Nehmen wir nun noch, um über den Mythus vom
Eros und Anteros, besonders des letzteren, völlig ins Klare zu kommen,
eine Stelle des Plinius zu Hülfe, welche wir in seiner Nat. Hist.
XXXin, 123 finden. Dort spricht Plinius von einer Gattung von Ame-
thysten und schildert diesen Stein in folgenden Worten: Tales aliqui
malunt praederotas {naidegcDTag) vocare, alii anterotas, multi Veneris
genam {Venuswange), quod maxime videtur decere et specie et colore
gemmae. Wenn hier derselbe Stein wegen seiner schönen, rosenroth
angehauchten Farbe Liebesstein und Anteros heisst, kann Anteros nichts
anderes sein als der Gott der weiblichen Gegenliebe, an deren Stelle
in unnatürlicher Verirrung bisweilen die Knabenliebe trat: wesshalb
Plinius sagt: Aliqui paederotas, alii anterotas tales (lapides) dicere
malunt, während ihm selbst wegen Glanz und Farbe des Amethysten
die Bezeichnung Venuswange am passendsten erscheint. Was dagegen
die bei Plato vorkommenden dvreQaaTai bedeuten, ist aus der Etymo-
logie des Wortes leicht zu erklären. Wir haben hier keine Person-
54 Gegenst&nde der Ausstellung kanstgewerbliohcr Alterthümer in Düsseldorf.
lichkeiten eines Mythus, sondern die Bezeichnung eines ethischen Ver-
hältnisses vor uns. IdtvzeQaazai sind sol(!he, die ihre Liebe auf einen
und denselben Gegenstand concentriren und die unter sich in dem Ver«
hältniss von Nebenbuhlern stehen. Und in diesem Sinne ist der Aus-
druck durchweg bei Piato gebraucht.
% Seckmauem i. 0. Seeger, Pfarrer.
6. Gegenstände der Ausstellung kunstgewerblicher Alterthamer in
Dilsseldorf.
Nachdem Hindernisse vielfacher Art der Herstellung von Photo-
graphien der hervorragendsten Werke der Düsseldorfer Ausstellung
während derselben fortwährend entgegenstanden, ist es unserm Vereine
endlich noch in letzter Stunde gelungen, eine grössere Anzahl von Auf-
nahmen zu erlangen, welche demnächst durch die Sch^ningh'sche
Buchhandlung in Münster zur Veröffentlichung kommen'). — Mehr
noch als diese lag es uns jedoch am Herzen, für die wissenschaftliche
Verwerthung des in Düsseldorf dargebotenen Materials Mittel und
Kräfte zu gewinnen. Nachdem für den letztern Zweck freiwillige Bei-
träge in reichem Masse uns zuflössen, für welche wir auch an dieser
Stelle den Gebern gebührenden Dank aussprechen^), sind wir nunmehr
auch in der glücklichen Lage in diesem und den nächsten Jahrbüchern
eine stattliche Reihe von Veröffentlichungen über die Schätze der
Düsseldorfer Ausstellung folgen zu lassen. Dieselben beginnen im
gegenwärtigen Hefte mit 8 Tafeln aus jener herrlichen Evangelien-
handschrift des X. Jahrhunderts der Herzogl. Bibliothek in Gotha,
welche wahrscheinlich Kaiser Otto HI. dem Kloster Echternach
schenkte^), und 3 weitere Abbildungen des in Silber getriebenen
1) Man sehe die Ankündigung auf der Rückseite des Umschlages.
2) Im nächsten Jahresberichte werden wir darauf zurück zu kommen nicht
unterlassen.
3) No. 959 a der IL Aufl. des Düsseldorfer Gatalogs der Ausst. kunstgew.
Alterthümer.
Oegenstinde der Atisatelluiig kunstgewerblidier Alierthümer in DüBseldorf. 55
Altarkreuzes aus der Patroclikirche in Soest^^ das unzweifel-
baft aus der Werkstatt des Meisters Anton Eisenhuth hervorge-
gangen ist, und gewiss unter seinem Einfluss entstand. — Die Euss-
tafel des grossen Warburger Meisters (736b); der Osnabrücker
Kelch (475) des zum ersten Male bekannt werdenden Goldschmiedes
Engelbert Hofschleger; die Bronce-Statuette eines römischen
Kaisers von der Burg Rheinstein (94) werden im nächsten Hefte
sich anreihen.
Es ^bleibt der dringende Wunsch, dass diejenigen hervorragenden
Kenner einzelner Partieen der Rheinischen Kunstentwicklung, welche
deren Darstellnng auf der Düsseldorfer Ausstellung hauptsächlich in
die Hand genommen haben, namentlich Herr Bürgermeister Thewalt
seine Beurtheilungen der Krugwerkstätten von Sieg bürg, Raeren
undFrechenin ihren vorzüglichsten Werken ; Herr Dom vikar S c h n ü t-
gen seine Beobachtungen über Stoffe und Gewänder des Mittel-
alters; Herr Caplan Schulz in Aachen seine Studien einer besonderen
Gattung der mittelalterlichen Emaille-Technik; Herr Rector Al-
denkirchen seine Veröfientlichungen seltener kirchlicher Geräthe bald
in den Jahrbüchern folgen lassen möchten.
Eine Würdigung der Düsseldorfer Ausstellung kunstgewerblicher
Alterthümer in ihrer Besonderheit gegenüber den frühern Ausstellungen
ist bisher von berufener Feder meines Wissens überhaupt nicht unter-
nommen worden ^), und wenngleich das Grundsätzliche, woraus sie her-
vorgegangen, meinerseits in der Einleitung zumCatalog ausgesprochen
wurde, so bleibt es verlockend und vorbehalten auf ihre Geschichte
und ihre Leistungen zurückzukommen: sei es auch nur, um mannig-
fachen Verdiensten Lob und Dank gebührend zu spenden.
E. aus'm Weerth.
1) No. 651 d des Catalogs.
2) Die eingehendste Besprechung dürfte das eben erschienene Buch von
Charles Linas darbieten: Emaillerie, Metallurgie, Toreutique, Ge-
ra mique. Les £zpositions retrospectives Bruxelles, Düsseldorf, Paris en 1880.
Paris 1881.
56 Der Bildenchmuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Eptemacensis zu Gotha.
A. Der Bilderschmuck des Cod. Egbert! zu Trier und dee Cod.
Epternaceneie zu Gotlia.
Hierzu Tafel UI—X.
Vom J. 977—993 Decbr. 9. war Egbert, ein Sohn des Grafen
Theoderich von Holland und der Hildegardis, Erzbischof zu Trier*).
Beim Antritt seines Amtes fand er die Diöcese in der grössten Noth;
die erzbischöflichen Güter waren an dieMilites ausgethan, Klöster und
Kirchen aber waren, wie Egbert selbst in mehreren Urkunden be-
merkt (Beyer MR. ÜB. I, No. 254, S. 310, z. J. 980 u. öfter) von den
Zeiten seiner Vorgänger her so elendiglich ihres Unterhalts beraubt,
dass man kaum noch Hoffnung auf Besserung der Verhältnisse schöpfen
konnte.
In dieser Zwangslage suchte Egbert wenigstens einige Klöster
wieder zur alten Höhe emporzuheben; so namentlich das Marienkloster
zu Trier (Beyer a. a. 0. No. 256, S. 313, 981; vgl. No. 266, S. 331,
1) Der Name lautet in den besten Quellen Egbertus, Egbrecht; so im Epi-
taphium (M6SS. YIII. 171, Note 87), in der wenig später geschriebenen Transl.
S. Celsi (SS. VIII, 204 f.), im Codex Egberti, im Psalter von Gividalc, in den
meisten ürkk. Daneben kommen Ekbertus, Ekebertos, Eckebertus, Egilbertus
vor (vgl. das Register des MR. ÜB. I. S. 725 und der SS. VIII), vereinzelt auch
Hecebertus (Ann. Bland. 979, SS. Y, 25). Die Namen der Eltern Egberts über-
liefern die Codd. B. C, der Gest. Trevir. SS. VIII, S. 169 in einer sagenhaft ge-
stalteten Geschichte, wozu indess die Note 22 ebd. zu vergleichen ist. Jedenfalls
ist mindestens die edle Abkunft Egberts sicher bezeugt durch Transl. S. Celsi
Cap. 2 (a. a. 0. S. 205), wo Egbert darus parentelae generositate genannt wird.
— Die Sedenzzeit Egberts lässt sich in Folge des sicher überlieferten Todestages
von ihm, Dec. 9 993, und seinem Vorgänger, Juni 5 977 (vgl. Goerz. Reg. der
Erzb. zu Trier, S. 6 u. 7) genau auf 16 Jahre 109 Tage feststellen. Demgemäss
wird in dem Epitaphium die Lücke der Verse:
rexit et ecclesiam senos denosque per annos
novenis atque diebus
etwa durch „nee non centenis^ auszufüllen sein.
In dem Aufsatze „Der Bilderschmuck des Cod. Egberti etc."
ersuchen wir im Text die Tafelbczeichnung I — VIII in Tafelbezeich-
nuDg III— X umändern zu wollen.
fenestras ponant, casulis dalmaticis cappis vetustate consumplis meliores
restituant, preposito ipsius monasterii cetera in edificiis procurante,
cnstode vero lineas vestes in ecclesia utendas reparante. Egberts Rich-
tung ging also zunächst auf den äusseren Schmuck des Gottesdienstes ;
seine Interessen waren künstlerische, oder der Paramentik gegenüber
genauer gesagt kunstgewerbliche.
Diese Richtung, wie sie sich aus Egberts Urkunden ergiebt,
spiegelt sich auch in den chronikalischen Notizen über seine Amtszeit
wieder. Die umfangreichste derselben findet sich in den Gest. Trevir.
SS. VIII, 169: (Egbertus) ecclesiam suam . . largissima liberalitate
donavit, aureis et argenteis crucibus, plenariis, casulis, dalmaticis,
tnnicis, palUis, cappis, velis cortinisque et possessionibus auxit. Eine
indirecte Bestätigung für die Richtigkeit dieser Notiz ergiebt sich aus
Gest. Alberonis metr. V. 251 f. (SS. VIII. S. 241):
. . . corraso, quod in ecclesiis fuit auro
Preterea quicquid tunc reperit in cruce magna,
Quam quondam felix Ekebertus contulit illuc.
Vom Gebrauch dieser prachtvollen paramentalen Geschenke zur
Egbertschen Zeit giebt endlich Transl. S. Celsi Gap. 11 (a. a. 0. S. 207)
eine Vorstellung : processionem . . . construxit [Egbertus] cum crucibus
et cereis, thuribulis quoque textibusque evangelii gemmatis omnique
ecclesiastico apparatu [für S. Mattheis bei Trier].
Leider erhält man bei allen diesen Angaben von dem näheren
Aussehen der Kunstgegenstände keine Schilderung, nur ein Ausdruck
.textus evangelii gemmati" kann als beschreibend gelten. Und er
führt allerdings grade mitten in die Doppelstellung ein, welche Egbert
als kirchlicher Eunstmäcen besonders gern einnahm; er zeigt den Erz-
bischof als Liebhaber von kostbaren Handschriften und Emailleeinbänden
58 Der Bildertohmuok des Ck)d. Egberti zu Trier a. d. Cod. Epiemaoenns la GoUia.
far dieselben; eine Verbindung, an welche man auch bei dem Amh
druck „plenaria'* der Gesta Trevir. zu denken haben wird.
Es fragt sich nun, in wiefern die erhaltenen Denkmäler diesen
Notizen der historischen Quellen entsprechen. Aus*m Werth hat zu-
nächst die hohe Bedeutung Triers als vorzüglichsten Platzes der
Emailletechnik im 10. Jahrh. präcisirt (vgl. Siegeskreuz Gonstantins VII.
etc.; Kunstdenkm. des christl. M. i. d. Rheinldn. Text III, 77 f. und
Verhandlungen d. Bonner Internat. Congresses 1870, S.88f.) und be-
wiesen, wie sich die Entstehung und der Glanz dieser Technik speciell
an den Namen Egberts knüpft. Aus der grossen Anzahl der unter
diesem Erzbischof geschaffenen Werke der Goldschmiede- und Schmelz-
kunst sind vor Allem die Hülse für den Stab des h. Petiois im Dom
zu Limburg a. d. Lahn, der Tragaltar und zugleich Reliquienschrein
des h. Andreas im Dom zu Trier, endlich der Deckel des Echtemacher
Evangeliars zu Gotha zu erwähnen. Nicht minder kostbar, als dieser
Deckel, wird der Einband des sog. Codex Egberti in der Stadtbibliothek
zu Trier gewesen sein; er ist aber im vorigen Jahrhundert schon vor
der Revolution eingeschmolzen worden. Auch für den Psalter von
Cividale, ein Geschenk an den Trierer Dom, bestimmte Egbert einen
solchen kostbaren Deckel, denn auf der ersten Miniatur dieses Codex
überreicht der Fertiger desselben die US. in Gold gefasst dem Erz-
bischof I). Wie nun die oben aus Transl. S. Celsi Cap. 11 angef. Stelle
beweist, wurden alle diese Prunkdeckel besonders bei Processionen
verwandt; es i$t indess begreiflich, dass man das Innere der von ihnen
geborgenen Handschriften gleich kostbar zu gestalten suchte, und
namentlich auf einen gediegenen bildlichen Schmuck ausging.
So erklärt es sich, wie Egbert bei seiner Vorliebe für prächtige
Paramente auch die künstlerische Ausstattung der Handschriften sich
zum Ziele setzte und auf diesem Gebiete Werke hervorrief oder be-
einflußte, welche zu den hervorragendsten des 10. Jahrhunderts Ober-
haupt gebühren. Es sind namentlich zwei Codd., welche direct auf Eg-
bert hinweisen, der Psalter von Cividale und der Cod. Egberti zu Trior.
Der Psalter von Cividale, früher von Laur. a Turre und Gori ober-
flächlich, dann von Eitelberger (Jahrbb. der k.k. Centralcommission
U, 824 O gründlich beschrieben, enthält 19 Miniatnren, von denen 15
P Nadi Schmitt. KmV de« b. Pftulin. S. 106 hSU« auc^ das Egbcrtsoke
Ktyrtmm Givi|poirü L yy^ux ia d«r Ttmkt SiadibibL) «tuen PrackÜMod yakibi.
• •
Der IKldendhmaok des Cod. Egberti za Trier u. d. Cod. EpternacensiB za Gotha. 59
Trierer Localheilige und David darstelleD, 4 die Ueberreichung der HS.
an Egbert und Dedication derselben durch Egbert an St. Peter schil-
dern. Letztere tragen die Ueberschriften:
Donum fert Ruodprecht, quod presul suscipit Egbrecht,
Qui tibi dat munus, dele sibi, Petre, reatus.
Der hier genannte Verfertiger der HS. Ruodprecht kann kaum
ein anderer sein, als der ca. 970—981 am Trierer Domstift nachweis-
bare Baotbert, der, der Einzige dieses Namens im 10. Jahrb., zuerst
Ghorbischof, und seit 973 Archidiacon der Trierer Diöcese war^- Der
Psalter fällt mithin ungefähr in die Jahre 977-^981. Während so bei
dem Psalter von Cividale Herkunft und Abfassungszeit wenig zweifel-
haft erscheinen, wird dieselbe beim Codex Egberti einer genaueren
Untersuchung bedüi-fen, welche unten gegeben werden soll.
Neben diesen beiden Prachtwerken ist als sichtbare Spur von Eg-
berts Eifer für schöne Ausstattung von Handschriften noch eine Ab-
schrift des Registrum Gregorii I. auf der Stadtbibliothek zu Trier er-
balten (vgl. Schmitt, Kirche des h. Paulin S. 108 und Wattenbach
DGQu. II, III, § 6). Grade diese HS., nach der ästhetischen Seite hin
weniger bedeutend, ist für den kuustgeschichtlichen Zusammenhang
wichtig. Sie enthält nämlich Verse zum Preise Ottos II. und stellt
somit die enge Verbindung Erzbischof Egberts mit dem Kaiser, wie sie
für das politische Gebiet bekannt ist, auch für das küustlerische fest.
Und grade dieser Einblick erlaubt erst die Unterbringung des einst
Eptemacher jetzt Gothaer Codex, der ausgedehntesten Bilderhandschrift
und des kostbarsten Einbandes der Egbertschen Epoche. Geht man
bei der historischen Classificirung dieser HS. von dem Einband aus, so
zeigt sich eine merkwürdige Doppelstellung : das hier verwendete Gold-
blech zeigt die getriebenen Gestalten der Kaiserin Theophanu und eines
Otto rex; die aufgesetzten Emailletheile aber zeigen theilweise mit den
Emaillen des St. Andreas- Altares zu Trier identische Ornamente. Es
kann daher zunächst kein Zweifel sein, dass dieser Einband in Trier
entstand; und wenigstens wahrscheinlich ist es, dass er, wie auch die
1) Vgl. MR. ÜB. 1.266, No. 230,965-975: s. Buodberti corepiso.; 800 No.
244, 978: BobertuB archidiaconus; 306, No. 249, 976: S. Rfttberti archidiaconi;
814, No. 266, 981: (S.) Bftberti arohidiaooni. Dass die 4 hier genannten Ruot-
berte identisch sind, beweist das Avancement vom Ghorblschof zum Archidiacon;
dies war die hierarchische Stufenleiter der Aemter, wie sich aus den Zeugen-
reihen der beiden zuletzt angefahrten Urkk. erweist.
60 Der Bildemcbmuck des Cod. Egbert! zn Trier u. d. Cod. Epiemacensis sa Gotha*
alte Tradition besagt, auf Bestellung der beiden auf dem Deckel dar-
gestellten Personen angefertigt wurde. Man erkennt also grade an
dieser Handschrift die eigenthümliche Lage der Trierer Kunst unter
Egbert; man sieht, wie sie hervorgerufen durch den machtvollen Willen
des Erzbischofs, sich rasch zu hoher Blüte aufschwingt und mit kaiser-
lichen Aufträgen beehrt wird.
Hier fragt es sieb nun, ob denn diese verschiedenen Einflüsse
localer und universeller Natur sich nicht auch in der Kunstrichtung
der Schule wiederspiegelten? Ob nicht neben den von Egbert — wie,
werden wir später sehen — gehegten Traditionen sich der Geschmack
der griechischen Theophanu und damit byzantinische Auffassung und
Technik geltend machten?
Für die Emailletechnik sind diese Fragen erledigt: in diesem
Puncte waren die Byzantiner die ersten Meister ; die Deutschen konnten
nur von ihnen lernen, und grade die Trierer Denkmale zeigen, wie
energisch sie die ihnen gebotene Schule durchmachten. Ganz anders
stellen sich die Dinge für die innere Ausstattung der Manuscripte;
hierfür bestanden in Deutschland bedeutende Traditionen, und die Frage,
in wie weit das byzantinische System der KunstObung und ästhetischen
Auffassung ihnen gegenüber durchdrang, gehört zu den schon lange
umstrittenen.
Ich will mich nun der Lösung dieser Frage speciell für Trier
und die Rheinlande durch einen genauen Vergleich des Codex Egberti
und der Eptemacher Handschrift zu Gotha zu nahem suchen. Die
Gründe, warum ich gerade diese beiden HSS. zum Vergleich wähle,
sind doppelter, chronologischer und sachlicher Natur*). Beide HSS.
nämlich weisen einen Bildercyclus zum Leben Christi, also denselben
Stoff auf, und bieten betreffs der Chronologie den grossen Vortheil,
dass die eine unmittelbar vor die einfiussreiche Zeit der Theophanu,
die andere in diese Zeit selbst zu setzen ist.
Endlich aber hat der reiche kulturhistorische Gehalt beider Hand-
1) Man kann zweifelhaft sein, ob neben diesen beiden HSS. nicht das Prümer
Antiphonar (Bibl. nat. zu Paris Supplöm. lat. 641; vgl. Schnaase IV. 2, 638,
Labarte Hist. des arts ^ II, 451, wo auch eine farbige Copie) heranzuziehen war,
da es auf Bl. 1 und Bl. 48b Einzeichnungen trägt, welche seine Entstehung um
989 zu beweisen scheinen. Für mich waren es zunächst rein praktische Beweg-
gründe, welche ein Hinzuziehen dieses Antiphonars in den vorliegenden Aufsatz
verboten; vielleicht vermag ich später Mittheilungen über dasselbe zu geben.
Der Büdenehmaok des Cod. Egberti za Trier u. d. Cod. Eptemaoensis zu Gk)tha. 61
Schriften speciell diese Wahl veranlasst. Bisher ist der kulturhistori-
sche Theil nnsrer mittelalterlichen Miniaturen von der Kunstgeschichte
so gut wie ganz übersehen worden; sehr zum Nachtheil ebenso sehr
der Kunstgeschichte selbst, wie vor Allem unsrer realen Anschauung
vom Leben des Mittelalters. Um so dringender ist daher die Pflicht,
bei Publicationen von Umrissen, wie sie diesem Aufsatz beigegeben
sind, neben der kunstgeschichtlichen Beurtheilung das Yerständniss
aujch der kulturhistorischen Bedeutung durch herzugezogene Analogien
aus Bildern und Schriftstellern zu fördern.
I. Beschreibung der Handschriften.
A. Codex Egberti.
Der Codex Egberti, in Reichenau gefertigt, jetzt in der Trierer
Stadtbibliothek aufbewahrt, ist eine Pergamenthandschrift von 165 Bll.
in 49. Der ursprüngliche Einband bestand — wohl nur im obern
Deckel — aus Gold und Gemmen, wie die unten gegebene Notiz, aus
einem in den Cod. eingelegten Blatte besagt. Wahrscheinlich hat man
bei den dort erwähnten Gemmae gemäss dem Ensemble der sonstigen
Goldarbeiten aus der EgberVschen Zeit auch an Emaillen zu denken.
Dieser kostbare Deckel wurde 1772 verkauft, um die Sakristei von
St. Paulin, dem Stifte, an welches Egbert den Codex vererbt hatte, zu
erweitem und neu einzurichten 0. Die offizielle Notiz im Codex Eg-
berti selbst giebt die attrita compactura als Grund für die Neubindung
an, die 1773 immer noch kostbar genug, in Silber, Gold und Edel-
steinen erfolgte. Dieser neue Band kostete 390 Ti-ierische Thaler*) ;
er hat bald einem gewöhnlichen Lederband aus dem Ende vorigen
Jahrhunderts weichen müssen, und über seinen Verbleib ist Nichts
bekannt. An die Stadtbibliothek zu Trier kam die HS. durch den
letzten Canonicus von St. Paulin J. W. Goetten i. J. 1810.
Die 165 Blätter, fast durchweg gut erhalten — nur wenige Mi-
niaturen haben durch aufgesprengtes Wasser gelitten — messen
27:21cm; die Schrift lässt einen Rand von innen ca. 3 cm, aussen ca.
1) Schmitt, Kirche des h. Paulinus S. 262.
2) Protocolla capituli ad StPaolinom anni 1778, Stadtbibl. zu Trier; vgl.
anoh a. a. 0. 8. i68, No. 27.
62 Dar Büderaohmnok des C!od. E^beiü za Trier a. d. Cod. Eptemaoeneie eq Qoths.
5 cm, oben ca. 3—4 cm, unten ca. 6cm. Der ganze C!od. ist von einer
einheitlichen festen Hand geschrieben; in den Ueberschriften der Ab-
schnitte ist meist Oold als Schreibstoff verwendet.
In dem Cod. findet sich vom ein eingelegtes Pergamentblatt mit
folgenden Notizen:
Bl. la: Evangeliorum textus Egberti iuxta Browernm ab initio Anni
978 ad mensem Decembr. 993 sedentis Insignis GoUegiatae ad
St. Paulinum prope Treviros Benefactoris singularis etalterios
quasi Fundatoris etc., Auro gemmisque fulgens praetactae Ec-
clesiae dono relictus, post primam per 780 et plures annos
attritam compacturam noviter compactus argento auro et la-
pidibus omatus Anno 1773, eiusdem Ecclesiae
Decano
Flur. Rdo. Ampi. Glariss. D. Michaele Josepho de Pidoll I.
ü. D. et Consistorii Trevir. Assessore
Capitularibus
Adm. Rdis, Eximiis, Glariss. Dominis D. Joan. Ghristophoro
Hermano Seniore Jubilario et Gantore
BI. 2a: D. Joanne Adolpho Hahn.
D. Philippo Henrico Scheuerer Scholastico.
D. Ghristophoro Antonio Ruth Geller.
D. Lothario Friderico Rodt. I. ü. D. Protonotario AposL
D. Joanne Josepho Fertius.
D. Godefrido Schmidt.
D. Valentino Josepho Hitzler.
D. Nicoiao Neil I. U. D. Gonsistorii Trevirens. Assessore et
Gapit. Secret.
D. Joan. Garolo Georg. Joseph, de Baring.
D. Antonio Oehmbs SS. Theol. Doct. et SS. Litterar. Pro-
fessore publico ac ordinario, Examinatore Synodali.
D. Garolo Josepho BerghoflF, etiam Altarista in Garden.
D. Ignatio Xaverio de Pidoll.
Der Codex selbst hat folgenden näheren Inhalt:
Bl. la: Von einer Hand des 12 Jhs.: Privilegium primatis Agricii et
archiepiscopi etc.: Bestätigung des trierischen Primats durch
Papst Silvester, vgl. MR. ÜB. I, No. 1, schliesst: Exemplar,
quod Volusianus archiepiscopus rescribi fecit. — Darunter von
Wyttenbachs Hand: Bibliothecae pubUcae Givit Trevir. dono
dedit vir doctissimus, monumentorum patriae veterum aman-
/
Der Bildersehmaok des Cod. Egberti za Trier u. d. Cod. EpiernaoenBis zu Gotha. 68
tissimus, Joa. Wilhelmus Goetten, Eccles. coUog. adStPaa-
linum quondam Canonicus. Recepi ad eandem, die 14a mensis
Martii 1810. Bibliothecae huius coDservator J. H. Wyttenbacb.
BI. Ib: Randbordüre 18:13 cm, Drachen in goldenen Gontouren auf
purpurnem Grande, in der Mitte die Verse:
Hunc Egberte librum divino dogmata plenum
Suscipiendo valel nee non in saecula gaude,
Augia fausta tibi, quem defert, praesul, honori.
EL 2a : Randbordüre in den Dimensionen, wie Bl. Ib, mit zoomorpben
Pflanzenomamenten geschmiickt; in der Mitte auf erzbischöf-
lichem Stuhle Egbert US Trevcrorum archiepiscopus, zu seinen
Seiten je ein Mönch, welcher ein Buch darreicht: Keraldus,
Heribertus Augigenses.
Bl. 3b: Evangelist Matthäus am Schreibpult auf goldig gemustertem
Purpurgrund, umfasst von einer einfachen Linearbordtire in
Mattblau und Gold; 18:14cm.
Bl. 4as St. Marcus in gleicher Weise, ] ^e Musterungen des Hinter-
Bl. 5b: St. Lucas in derselben Weise, [g">ndes «nd ohne Cöntun-
m Ä- C4 T^u ^ • 11. w- irung als Gewebeimitation aus-
Bl. 6a: St. Johannes m gleicherweise,! ^\ ^ , .^ .,, ., ..
I geführt; ebenso bei Matthaus.
BL 7a: In sehr einfacher Randbordüre, 18:14 cm, IN NOMING | DNI
INCIPITLIBeReU|ANQeLI05l.peRCIR I CULUCO ANNISUCO
PTV lex LI B R 0 CGI OTITIS • IN UIGILIA NA | TAUS DNI •
STATITIO I AD • S • COARIACO • HORA Villi - | SGQ U ENTI A j
SCIGV. SeC • COATHGVCO I .
BL 8a: Randbordüre wie BL 7a, enthält: GLORIA TIBI DNG | CDM
(Initialen) lAPPROPINQUAS | SGNT HIGROSOLIMIS • |
— benedictus qui venit in nomine Domini*).
BL 8b: Dom. II de adv. Domini sec. Luc: (In illo tempore)*) dixit
Jhesos — mea non transibunt.
BL 9a: Dom. HI de adv. Domini sec. Matth.: Cum audisset Johannes
in vinculis — viam tuam ante te.
BL 9b: Verkündigung, Miniatur von 10:13cm.
BL 10a: Fer. Dil ad S. Mariam sec. Luc: Missus est angelus — ver-
bum tuum.
1) ss'Erang. Dom. I, de adv. Domini.
2) Den einzelnen Abschnitten ist regelmässig In illo tempore vorgesetzt,
daher sioh stets der sehr einfache Initial I wiederholt.
64 Der Bilderfchmuok des Cod. Egberti za Trier u. d. Cod. EptemaoenBis sa Gotha.
Bl. 10b: Heimsachang, 10:13 cm.
Bl. 10b: Fer. VI sec. Luc: Exurgens Maria — salutari meo.
BI. IIa: Sabb. in Xlla legitur(?) ad S. Petrum sec. Luc. Anno quinto
decimo imp. Tib. — salutare dei.
BI. IIb: Dom. IV de adv. dorn. sec. Job.: Miserunt Judaei -- Johannes
baptizans.
Bl. 12a: Der Engel erscheint Joseph, 9V«:13cm.
BI. 12a: Vigil. nat. Domini sec. Matth.: Cum esset desponsata— peccatis
eorum; vgl. Comes (ed. Baluze, Capp. reg. Fr.) Sp. 1309, Dec.24.
Bl. 12b: In nocte statio ad S. Mariam. sec. Luc: Exiit edictum — circum
fulsit iUos — (B1.13b) et pastores — bonae voluntatis. Comes
Sp. 1310 Dec 25.
Bl. 13b: Christi Geburt, die Hirten auf dem Felde, 17:13cm.
Bl. 14a : Primo mane statio ad S. Anastasium ^) sec Luc : Pastores
loquebantur — ad illos. Comes Sp. 1310 Dec 25.
In die ad missam statio ad S. Petrum (in Goldbuchstaben:
Inicium sancti evangelii secundum Johannem): In principio —
veritatis. Comes Sp. 1311 Cap. 1. Dec 25.
BL 14b: In natali S. Stephani. sec Job.: Dicebat Jhesus — in nomine
domini. Comes Sp. 1311, Cap. 1. Dec 26.
Bl. 15a: In natali S. Johannis evang. sec. Job.: Dixit Jhesus: Petrus
sequere me — testimonium eins. Comes Sp. 1311, Cap. 1.
Dec. 27.
Bl. 15b: Bethlehemitischer Kindermord, 10:13 cm.
Bl. 15b: In natali Innocent. sec Matth.: Angelus domini apparuit —
quia non sunt. Comes Sp. 1311, Cap. 1. Dec 28.
Bl. 16a: In octavis domini de circumcisione sec Luc: Postquam —
conciperetur. Comes Sp. 1311 Cap. 3. Jan. 1.
In epiphania domini ad S. Petrum. Sequentia s. eu. sec
Mattheum.
Bl. 16b: C(Init.)um natus esset — in regionem suam. Comeg Sp. 1312
Cap. 6, Jan. 6.
BL 17a: Die Weisen sehen den Stern; Anbetung der h. Drei
Könige, 9V« :13 cm.
BL 17b: Sequentia s. eü. sec Luc: (ohne Angabe des Tages) Postquam
impleti — tuae Israhel. Comes Sp. 1311, Cap. 3, Jan. 1.
BL 18a: Darbringung im Tempel, 10V9:13cm; gleich darunter:
1) Lib. Gomos Sp. 1310: Anastaaiam.
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Der Büdenehmuck des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Eptemacensis zu Qotba. 65
Bl. 18a: Dom. I post Nat domini sec. Luc: Erat Joseph et Maria —
erat in illo, Comes Sp. 1311, Gap. 4 Jan. 1; gleich darunter:
BL 18b: Christus im Tempel; 9:13cm.
BI. 19a: Dom. I post Theoph. sec. Luc: Cum factus esset Jhesus —
apud Deum et homines. Comes Sp. 1313 Gap. 12.
BL 19b: Taufe; 11:13cm.
BL 19b: Fer. IV sec. Joh.: Vicit Johannes Jhesum — - quia hie est
filius dei. Comes Sp. 1313, Cap. 12, Jan. 13.
BL 20a: In octavis epiph. domini sec. Matth.: Venit Jhesus a Qalilea
— mihi complacui. Comes Sp. 1311, Cap. 1.
In Dom. II post Theoph. sec. Joh. : Nuptiae factae — discipuli
eins. Comes Sp. 1314, Cap. 21; dazwischen:
BL 20b: Hochzeit zu Cana; 10Vs:13cm.
BL 21a: Fer. VI sec. Marc; Egressus Jhesus — manibus curavit,
Comes Sp. 1314, Cap. 24, Jan. 25; darunter:
BL 21b: Heilung des Aussätzigen; 11:13cm.
BL 21b: Dom. III post Theoph. sec Math.: Cum descendisset Jhesus —
in illa hora, Comes Sp. 1314, Cap. 27; dazwischen:
BL 22a: Hauptmann von Capernaum und Christus; 9V8:13cm,
und darunter:
BL 22b: Heilung des Knaben; 9V8:13cm.
BL 23a: Fer. IV sec. Luc: Surgens Jhesus de synagoga — regnum
dei, Comes Sp. 1314, Cap. 25, Jan. 26.
Fer. VI sec Marc: Introivit iterum Jhesus — manus illius,
Comes Sp. 1314, Cap. 26, Jan. 27; dazwischen:
BL 23b: Heilung der verdorrten Hand; 9V9:13cm.
BL 23b: Dom. IV post Theoph. sec. Matth.: Ascendente Jhesu in navi-
culam — obediunt ei, Comes Sp. 1315, Cap. 36; dazwischen:
BL 24a: Christus auf dem Meere; 978:13 cm.
BL 24b: Christus und die Blutf lassige; 1078:13 cm.
BL 24b: Fer. IIH. sec Matth.: Loquente Jhesu — terram illam, Comes
Sp. 1315, Cap. 30, Jan. 30; dazwischen:
BL 25a: Jairi Tochter; 9:13 cm.
BL 25a: Fer. VI. sec Marc: dixit Jhesus discipulis: videte quod au-
diatis — disserebat omnia, Comes Sp. 1315, Cap. 33, Febr. 3.
BL 26a: Dom.V, post Theoph. sec Math.: dixit etc. simile factum est
regnum — horreum meum.
Fer. Uli, sec. Marc : Venit Jhesus trans fretum — et miseritus
Sit tui; dazwischen:
5
66 Der Bilderschmuck des Cod. Egberti za Trier u. d. Cod. Eptemaoensis za Gotha.
Bl. 26b: Jesus treibt den Teufel des Gergeseners aus^ da-
rüber die meldenden Hirten; 14:13cm.
BL 27b: Petrus auf dem Meere; 11:13cm.
Bl. 28a: Dom. VI post Theoph. sec. Matth.: Jussit Jbesus discipulos
suos ascendere — filius dei est; darunter:
BL 28b: Christus beruft Levi; 11:13 cm.
BL 28b: Fer. VI, sec. Marc: Egressus est Jhesus — sed peccatores;
dazwischen :
BL 29a: Christus isst mit den Sündern; 10Va:13cm.
BL 29b: Dom. Septuag. sec. Matth.: Dixit etc.: Simile est regnum
caelorum homini patrifamilias — pauci autem electi. Comes
Sp. 1317, Cap. 48.
BL 30a: Dom. Sexag. sec. Luc: Cum turba plurima conveniret — in
pacientia, Comes Sp. 1318, Cap. 57.
BL 30b: Dom. quinquag. sec Luc: Assumpsit Jhesus duodecim — laudem
deo, Comes Sp. 1319, Cap. 65; dazwischen:
BL 31a: Christus beilt den Blinden; 12:13cm.
Bl. 31b: Fer. IUI in Cap. Jejunii, sec. Matth.: Dixit Jhesus etc.: Cum
ieiunatis — cor tuum, Comes Sp. 1319, Cap. 67.
Bl. 32a: Fer. V, sec Matth.: Cum introisset Jhesus Gaphamaum;
Require superius. Comes Sp. 1319. Cap. 67.
Fer. VI, sec. Matth.: Dixit etc.: Audistis quia dictum erat —
reddet tibi, Comes Sp. 1319, Cap. 67.
Bl. 32b: Dom. quadrag. sec. Matth.: Ductus est Jhesus in desertum --
ministrabant ei; Comes Sp. 1319, Cap. 67.
Bl. 33a: Fer. 11, sec. Matth.: Dixit etc.: Cum venerit filius hominis —
vitam aetemam; ebd.
Bl. 34a: Fer. VII, sec Matth.: Cum intrasset Jhesus Hierosolymam —
de regno dei, ebd.; darüber:
BL 34a: Christus säubert den Tempel; 12:13cm.
BL 34b: Fer. IIII, sec. Matth.: Accesserunt ad Jhesum — soror et
mater est; ebd. Sp. 1320.
Bl. 35a: Fer. V, sec Matth.: Egressus Jhesus secessit — ex illa hora.
darüber :
BL 35b: Christus und das Eananäische Weib L; 11:13 cm;
dazwischen:
BL 36a: Christus und das Eananäische Weib II; 12:13cm.
Bl. 36b: Fer. VI, sec Job.: Erat dies festus Judeorum — qui fecit
eum Sanum, Comes Sp. 1320, Cap. 67; dazwischen:
Der Bildenchmuok des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Epternacensis za Gotha. 67
BL 36b: Das Wunder am Teiche zu Bethsaida; 1272:13 cm.
El. 37b : Sabbato sec. Matth. : Assumpsit Jhesus Petrum et Jacobum et
Johannem — resurget, ebd.
Bl. 38a: Dom. II in quadrag. sec. Matth.: Egressus Jhesus secessit in
partes Tyri etc.; Require superius; ebd.
Bl. 38a: Fer. II, sec. Joh.: Dixit Jhesus turbis Judeorum: Ego vado
-^ facio semper; ebd.
BL 38b: Fer. III, sec. Matth.: Locutus est Jhesus ad turbas etc.:
Super cathedra — exaltabitur; ebd. Sp. 1320—21.
Bl. 39a. Fer. IV, sec. Matth.: Ascendens Jhesus Hierosolymam — pro
multis; ebd. Sp. 1321.
Bl. 39b: Fer. V, sec. Joh.: Dixit etc.: non possum a nie ipso — ver-
bis meis creditis? ebd.
Bl. 40a: Fer. VI, sec. Matth.: Dixit etc.: Homo erat pater familias —
prophetam eum habebant; ebd.
Bl. 41ä: Sabbato, sec Luc: Dixit etc.: Homo quidam habuit duos
filios — perierat et inventus est; ebd.
Bl. 42a: Dom. III in Quadrag. sec. Luc: Erat Jhesus eüciens demo-
nium — custodiunt illud; ebd.
Bl. 42b: Fer. II, sec. Luc: Dixerunt Pharisaei — per medium illorum
ibat; ebd.
Bl. 43a: Fer. lU, sec Matth.: Respiciens Jhesus discipulos — septu-
agies septies; ebd.
Bl. 43b: Fer. IV, sec. Matth.: Accesserunt ad Jhesum abhinc — non
coinquinant hominem ebd., darunter:
BL 44b: Christus und die Samariterin; llVs:13cm.
BL 45a: Fer. VI, sec Joh.: Venit Jhesus in civitatem Samariae —
salvator mundi, ebd. Sp. 1321—22; darunter:
BL 46b: Christus und die Ehebrecherin; 1072:13 cm.
Bl. 47a: Sabbato, sec Joh.: Perrexit Jhesus in montem — noli pec-
care; ebd. Sp. 1322.
BL 47a: Speisung der 5000; 12:13cm.
BL 47a: Dom. IV in Quadrag. sec Joh.: Abiit Jhesus trans mare —
in mundum; ebd.
BL 48b: Christus und die Juden discutirend; 12:13cm.
BL 48b: Fer. II, sec. Joh.: Prope erat Pascha — quid esset in ho-
mine; ebd.
BL 49a: Fer. III, sec Joh.: Jam die feste mediante — crediderunt
in eum, ebd.; darunter:
68 Der Bildersclimuck des Ck)d. figberti zu Trier u. d. Ck>d. Epiemacentis eü Oothik.
Bl. 50a: Christus heilt den Blinden am Wasser von Siloah;
10:13 cm.
Bl. 50b: Fer. IV, sec Joh.: Praeteriens Jhesus vidit — et procidens
adoravit eum ; ebd.
Bl. 52a: Fer. V, sec. Joh.: Dizit etc.: Pater mens usque modo opera-
tur — iuditii, ebd.; darunter:
Bl. 52b: Christus erweckt Lazarus; 12V8:13cm.
Bl. 53a: Fer. VI, sec. Joh.: Erat quidam langucns — crediderunt in
eum; ebd.
Bl. 54b: Sabbato, sec- Joh.: Dicebat etc.: Ego sum lux mundi —
hora eius; ebd.
Bl. 55a: Dom. V, in Quadrag. dePass. domini, sec Joh.: Dicebat etc.:
Quis ex vobis arguet — de templo; ebd.
Bl. 55b: Fer. II, sec. Joh.: Miserunt principes — credentes in eum;
ebd.
Bl. S6a: Fer. m, isec. Joh.: Ambulabat Jhesus — propter metum
Judaeorum; ebd.
Bl. 56b ; Fer. IV, sec. Joh. : Facta sunt encenia — credatis ; ebd.
Bl. 57b: Fer. V, sec. Joh.: Cum audissent quidam de turba •— in
domnm suam; ebd.
Bl. 58a: Fer. VI, sec. Joh.: Collegerunt pontifices — cum discipulis
suis; ebd.
Sabbato, sec. Joh.: Dixit etc.: Amen amen dicö vobis — ex
duodecim; ebd.
Bl. 59a: Dom. inPalmis. Passio domini nostri Jhesu Christi, sec. Matth.:
Dixit Jhesus: Scitis quia post biduum — pulchrnm —
Bl. 65a: Altera die autem, que est post parasceuen — custodibus; ebd.,
dann:
Bl. 65a: Maria wäscht Christus die Fasse; 10Vt:13cm.
Bl. 65b: Fer. II, sec. Joh,: Ante sex dies Paschae — credebant in
Jhesum, ebd.; dann:
Bl. 66a: Einzug Christi in Jerusalem; 11:13cm; und weiter: In
crastinum autem — quam gloriam dei; ebd.
Bl. 67b: Fer. III, Passio domini nostri Jhesu Christi, sec. Marc: Erat
Pascha et azima — cum eo ascenderunt Hierosolymam, ebd.
Bl. 72b: weiter — ad ostium monumenti.
Bl. 72b: Feria IV, sec Luc: Appropinquabat dies azimorum — quis-
quam positus fuerat; ebd. Sp. 1322.
Bl. 78a: Fusswaschung, 177^:13 cm (Vollbild).
Der Bildersohmaok des Cod. £gberti zu Trier u. d. Cod. Eptemacensis zu Gotha. 69
Bl. 78b: FeriaV, In caena domini, sec. Job.: Ante diem festum Pascbae
— facialis; ebd.
Bl. 79a: Feria VI, In parasceuen Passio etc. sec. Job.: Egressus est
Jbesus — Dielt et Jbesus: ego sum; dann:
Bl. 79b: Christi 6efangennabme;llV8:13cm. — dixit ergoPetro
ancilla ostiaria, dann:
BL 80b: Vollbild 18:1378 cm, enthält 3 Darstellungen von .6, 4 und
6:13 cm.
a. AnnaS; quem damnat (Christus)
b. Petrus hie negat,
c. Isteflagellat [ein Hexameter]. Hierauf wird der Text
weiter geführt — et flagellavit; worauf:
Bl. 82a: Pilatus zeigt Christus; lOVi :13cm; hierauf der Text —
ecce homo; dann:
Bl. 82b: Christus und Pilatus; 10:13cm. Folgt der Text — ut
crucifigeretur ; dann:
Bl. 83b: Vollbild: 17V« :13 cm.
a. 7Vt :13cm, Simon trägt Christus das Kreuz,
b. 10:13cm, Christus am Kreuz, s. Bonner Jahrb. XL V,
Tafel XII, 1; Text — tradidit spiritum; dann:
BL 84b: Christus am Kreuz; 12:13 cm. Das Crucifix auf einem
Hügel, zu seiner Rechten Longinus, dann rechts und links
die Schacher, je von einem Tortor geschlagen.
Bl. 85a: Text — quasi libras centum; dann:
BL 85b: Vollbild; 18:13 cm.
a. 9:13cm, Kreuzabnahme durch Joseph und Nicodemus.
b. 9:13cm. Grablegung durch Joseph und Nicodemus.
BL 86a: Text — posuerunt Jhesum; ebd. Dann:
Sabbato sancti Paschae, sec. Matth.: Vespere autem sabbati
— praedixi vobis, ebd. Sp. 1825; hierauf:
BL 86b: Der Engel erscheint den Weibern; 12:13 cm.
Dom. sancti Paschae, sec. Marc: Maria Magdalena — dixi
vobis; ebd.
BL 87a: Fer.II, sec. Luc: Exeuntes duo ex discipulis — que de ipso
erant, ebd.; dann:
BL 88a: Vollbild; 18:13cm.
a. 9:13cm, Christus, Cleophas und Lucas auf dem
Wege nach Emmaus.
b. 9:13 cm, Christus mit den Beiden in Emmaus.
70 Der Bildersohmuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. EptemacensiB eu Gotha.
Bl. 88b: Text — in fractione panis.
Fer. III, sec. Luc: Stetit Jhesus in medio — in omnes gen-
tes, ebd. ; dazwischen :
BL 89a: Christus überreicht den Jüngern die Reste von
Fisch und Honig; IIV2 :13cm.
Bl. 89b: Fer. IV. sec. Joh.: Manifestavit se Jhesus — resurrexisset a
mortuis, ebd.; dazwischen:
BL 90a: Christi Offenbarung am See Tiberias, 12:13cm.
BL 90b: Fer. V, sec. Joh.: Maria stabat — haec dixit mihi, ebd.;
dazwischen :
BL 91a: Christus erscheint Maria; 14: 13 cm.
BL 91b: Fer. VI, sec. Matth.: Vndecim discipuli abierunt — consum-
mationem seculi; ebd.
BL 92a: Sabbato, sec. Joh.: Vna sabbati Maria — a mortuis resurgere.
BL 92b: Dom, octavis Paschae, sec. Joh: Cum esset sero die — in
nomine eins, ebd. Sp. 1325—26, dazwischen:
BL 93a: Thomas und Christus; llV2:12V«cm.
BL 93b: Fer. IV, sec. Marc: Surgentibus mane — ceteris.
Fer. VI, sec. Matth.: Exierunt mulieres — hodiernum diem;
Comes Sp. 1326, Cap. 71.
BL 94a : Dom. post octab. Paschae, sec. Joh. : Ego sum pastor — unus
pastor; Comes Sp. 1326—27, Cap. 72.
BL 94b: Fer. IUI, sec Luc: Vna sabbati valde diluculo — [fehlt ein
Blatt] fuerat factum; Comes Sp. 1327, Cap. 77.
BL 95a: Fer. VI, sec. Matth.: Accesserunt ad Jhesum — conservantur;
Comes Sp. 1307, Cap. 79.
BL 95b: Dom. II post octab., sec Job.: Dixit Jhesus discip.: Modicum
etiam — a vobis; Comes Sp. 1327, Cap. 80.
BL 96a: Fer. IV, sec. Joh.: Facta est questio — ira dei manet super
eum.
BL 96b: Fer. VI, sec. Joh.: Dixit etc.: Ego lux — pater, sie loquor.
In nat. apost. PhiL et Jacobi, sec. Joh. : Dixit etc. : Non tur-
betur — hoc faciam; Comes Sp. 1328, Cap. 80.
BL 97b: Dom. III post octab., sec Job.: Dixit etc.: Vado ad eum —
adnuntiabit vobis; Comes Sp. 1328, Cap. 86.
Fer. IUI, sec. Job.: Respiciens Jhesus dixit: Pater sancte,
serva — ego in ipsis.
Bl. 98b: Fer. VI, sec. Joh.: Dixit etc: Filioli adhuc modicum — autem
postea; Coiges Sp. 1328, Cap. 84.
Der Bildersohmuok des Cod. Egberti zu Trier a. d. Cod. Eptemacensis zu Qotha. 71
Bl. 98b: Dom. Uli post oct., sec. Job.: Dixitetc: Amen amen dico —
quia a deo existi; üomes Sp. 1329, Gap. 92.
Bl. 99a: In laetania maiore, sec. Luc: Dixit etc.: Quis vestrum ha-
bebit — bonum patentibus se; ebd.
Bl. 99b: Vigil. Ascens. domini, sec. Job.: Sublevatis Jhesus oculis —
ego ad te venio; ebd.
Bl. 100a: Ascensio domini, sec. Marc: Recumbentibus undecim discip.
— signis, ebd.; dazwischen:
Bl. 100b: Christus erscheint den Elfen und tadelt sie,
10:13 cm; und:
Bl. 101a: Christi Himmelfahrt, 177« :13cm.
Bl. 101b: Dom. post ascens. sec. Joh.: Dixit etc.: cum venerit paracli-
clitus — dixi vobis; ebd.
Fer. im, sec Job.: Dixit etc.: Si manseritis in me — gaudium
Yestrum impleatur; Comes Sp. 1330, Cap. 97.
Bl. 102a: Fer. VI, sec. Luc: Dixit etc: Ego mittam promissum —
benedicentes dominum.
Sabbato, sec. Job.: Dixitetc: Si diligitis me — manifestabo
ei me ipsum; Comes Sp. 1330, Cap. 98.
Bl. 102b: Dom. sancta Pentecostes, sec Job.: Dixit etc.: Si quis diligit
-— sie facio, ebd.; dazwischen:
Bl. 103a: Ausgiessung des h. Geistes, 17V8 :13 cm; Vollbild in
2 Theilen, oben in 7 Arcaturen 7 Apostel, in deren mittel-
ster Petrus, 5 andre Apostel schauen hinter den 7 durch
diese Arcaturen hindurch, der h. Geist ergiesst sich in
Strahlen über Petrus. Ueber den Arcaturen:
Spiritus hoc edocens' linguis hie ardet et igne.
Zweiter Theil: 9 bewegt nach oben schauende Männer, die
„communis vita'* mit der Ueberschrift :
Qua causa tremuli conveniunt populi?
Bl. 103b: leer. Folgt: Bl. 104a: Fer. II, Joh.: Sic deus dilexit —
sunt facta; 104b: Fer. III, Job.: Dixit etc: amen amen — habun-
danda habebit; 105a: Fer. IUI, Joh.: Dixit etc: nemo potest — pro
mundi vita; 105a: Fer. V, Job.: Gonvocatis Jhesus — curantes ubique;
105b: Fer. VI, Luc: Factum est in una dierum — vidimus mirabilia
hodie; 106a: Sabbat Luc: Surgens Jhesus — evangelizare regnum dei;
106b: Dom. octab. Pentec, Job.; 107b: Fer. IUI, Luc; 108a: Fer.
VI, Luc; 108b: Dom. II post Pentec, Luc; 109a: Fer. IIII,
Matth.; 109b: Fer. VI, Luc; 110a: Dom. III post Pentec Luc;
72 Der Bilderschmuck des Cod. £gberti za Trier a. d. Cod. Eptemacensis zu Gbtha.
110b: Fer. IUI, Luc; 110b: Fer. VI, Luc; 111b: Sabb. Matth.;
112a: Dom. IV p. Pent. Luc; 112b: Fer. IlII, Matth., Dom. V p.
Pent. Luc; 113a: Fer. IV, Matth.; 118b: Vig. St. Joh. Bapt
Luc [Initial F.]; I14b: mane ad missamLuc, die ad missam publ.
Luc; 115a: Dom. VI p. Pent. Luc; 116a: Fer. IUI, Matth., Fer.
VI, Marc; 116b: Vigil. Apost. Petr. et Paul., Joh.; Natal. Petr.
et Paul. Matth.; 117a: nat. Paul. apL, Matth.; 117b: Dom. VII
p. Pent. Matth., Fer. IUI; 118a: Fer. VI, Marc; 119a: Octab.
Apostolor., Matth.; 119b: Dom. VIII p. Pent, Marc; 120a: Fer.
im, Matth.; 120b: Fer. VI, Matth.; 121a: Dom. Vlffl p. PenL
Matth., Fer. IUI, Marc; 121b: Fer. VI, Matth.; 121b: Dom. X p.
Pent., Luc; 122a: Fer. Uli, Luc, Fer. VI, Luc; 122b: NataL
St. Quiriaci, Matth.; 123a: Dom. XI p. Pent., Luc; 123b: Fer.
IUI, Luc, Fer. VI, Luc; 124a: Nat St Vitalis, Matth., Dom. XII
p. Pent, Luc; 124b: Fer. Dil, Matth.; 125a: Fer. VI, Luc, re-
quire superius; 125a: Vigil. St Laurentii, Matth.; 125b: Nat St.
Laurentii — Vigil. Assumpt Mar., Luc; 126a: Assumpt, Luc —
Dom. XIII post Pent, Marc; 126b: Fer. DI. Matth.; 127a: Fer. VI,
Matth. —Nat St Barthol., Luc; 127b: Decollat St Joh., Marc;
128a: Dom. XIII p. Pent, Luc; 129a: Fer. IV, Matth., Fer. VI, Luc;
129b: Dom. XV post Pent, Luc; 130a: Fer. IV, Marc — Nat ivit St
Mariae [Init LJ: Liber generationis etc (Matth.); 131a: Dom. XVI
p. Pent, Matth.; 131b: Fer. IV, Matth., Fer. VI, Luc; 132a: Dom.
XVn p. Pent., Luc; 132b: Fer. IV, Matth., Fer. VI, Marc; 133a:
Dom. XVIII p. Pent, Luc; 133b: Vigil. St Matth., Matth., —
Nat St Matth., Matth.; 134a: Fer. IV, Marc; 134b: Fer. VI, Luc;
135b: Sabb. in XII Lection., Luc-, 136a: Dom. XVIIII p. Pent
Matth.; 137a: Fer. IV, Matth., Fer. VI, Matth.; 137b: SS. Angel;
Matth.; 138a: Dom. XX p. Pent, Matth.; 138b: Fer. IV, Matth.;
139a: Fer. VI, Matth.; 139b: Dom. XXI p. Pent, Matth.; 140a:
Fer. IV, Luc — Fer. VI, Luc; 141a: Dom. XXII p. Pent, Joh.;
141b: Fer. IV, Luc — Fer. VI, Matth.; 142a: Omnium sanctorum,
Matth. — Dom. XXIII p. Pent, Matth.; 143a: Fer. IV, Matth. —
Fer. VI, Marc; 148b: Dom, XXIV p. Pent, Matth. — Fer. IV,
Matth.; 144a: Fer. VI, Marc; 144b: Dom. XXV p. Pent, Matth.;
145a: Fer. IV, Marc -Fer. VI, Matth.; 145b: Dom. V ante Nativ.
Domini, Joh.; 146a: Fer. IV, Luc; 146b: Vig. St Andreae, Joh.;
147a: St Andreas, Matth.; 147b: Dom. IUI a. nat Dom., Matth.;
148a: Fer. Uli, Matth. - Fer. VI, Luc; 149a: Dom. III a. Nat
Der Bildenchmnck des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Epiemacensis zu Gotha. 78
Dom., Luc — Fer. IUI, Matth.; 149b: Fer. VI, Job. — Dom. II
a. Nat Dom., Matth.; 150a: Fer. IV, Luc; 150b: Fer. VI, Luc;
151a: Sabb., Joh. — Dom. I a. Nat. Dom.^) Job.; 151b: Incipiunt
euangelia de sanctis; 152a: Nat. Apost, Joh. — Item Apost.
Joh.; 152b: Item Job.; 153a': Item Luc. — Natal. unius mar-
tyrum, Matth.; 153b: Item Joh. — Item Matth.; 154a: Item Luc;
154b: Item Luc •— In nat. plurimor. mart, Matth.; 155a: Item
Luc; 155b: Item Matth.; 156a: Item Luc, Matth.; 156b: In nat.
Tel vigil. unius sacerdotis, Matth.; 157a: Item Matth.; 157b: De
uno confessore, Luc — Luc; 158b: In sanctarum virginum,
Matth.; 159a: Matth.; 159b: In dedicatione ecciesiarum, Luc —
Luc; 160a: Contra judices'), Marc; 160b: Luc; 161a: In agenda
mortuorum Joh. — Joh. — Schliesslich ein späterer Zusatz auf Bl.
162a: See Marc.: Dum adpropinquarent Hierosolim^ etc.
Der Inhalt des Cod., wie er eben näher angegeben ist, cha-
rakterisirt sich zunächst mit den Worten Bl. 7a: Liber euangeliorum
per circulum anni sumptus ex libro Gomitis ; als ein Auszug der Evan-
gelienpartie aus dem Comes*), dem seit der Karolingerzeit für die
fränkische Kirche officiell gebotenen Lectionarium. In der grössten
Vollständigkeit ist dieses Lectionar bei Baluze Capp. reg. Franc II,
Sp. 1309—1351 abgedruckt; der Cod. Egb. hat eine andre weniger
vollständige und theilweise auch abweichende Redaktion desGomes be-
nutzt. Am deutlichsten zeigt sich das in den euangelia de sanctis des
Cod. Egeb. Bl. 152a f., verglichen mit Sp. 1349 f. des Comes Balu-
zianus; Abweichungen machen sich theilweise auch in den Abschnitten
für die Wochentage geltend, während die evangelischen Sonntagspericopen
für beide Redaktionen — die dem Cod. Egb. zu Grunde liegende und die
Baluzianische — mit Ausnahme eines Falles identisch sind. Welche
Redaktion des Comes dem Auszuge im Cod. Egb. zu Grunde lag, lässt
sich Jetzt bei der grossen Anzahl vorhandener, aber nur zum gering-
sten Theile edirter Redaktionen nicht ersehen; schon die Bibliothek
von Reichenau im 10. Jahrb. bot eine genügende Auswahl, wie der
bei Neugart Episcop. Const. I, 532 ff. abgedruckte Bibliothekskatalog
a. d. Jahren 821 ff. zeigt. Hier finden sich schon als ursprünglich 12
1) Dom. lY, III und II a. nat. Dom. wie Fer. IUI, YI, Sabb. des Dom. II
und Dom. I a. Nat. Dom. finden sich schon Bl. 8 — 11; s. oben.
2) Ck)meB Sp. 1850 heisst die^Ueberschrift: In adventu Judicum.
8) Die dem Cod. Egberti correspondirenden SteUen des Ck>me8 sind oben
in der Besohreibong des Cod. jedesmal zogesetzt.
74 Der BilderBohmuck des Cod. Egberti zu Trier a. d« Cod. EpternaccnBis zu Qotha.
Lectionare (S. 540) ; bald kamen aus der Bibliothek des Abtes Erlebald
(823—838) hinzu: ein Über Evangelii ad legendum, und Lectionarium
unum similiter ad legendum (S. 545); und diesen Schenkungen folgten
eine ganze Reihe ähnlicher von Seiten einzelner Priester.
Der Cod. £gb. zeigt nun einen Auszug des als Liber Gomitis be-
zeichneten Lectionars in der Weise, dass für den grössten Theil des
Kirchenjahres die evangelischen Lectionen für die Sonntage und die
Feriae lYtae und Vltae (Mittwoch und Freitag) zusammengeschrieben
sind; nur für die Zeit vom Caput jejunii bis octavae Paschae ist der
ordo plenarius gebracht, d. h. die volle Ordnung des Gomes, abgesehen
von einigen wenigen Versehen beibehalten.
Die generelle Anordnung ist also ganz die desGomes und so-
mit des Kirchenjahres; nur eine sehr bedeutende Abweichung findet
sich : das Lectionarium beginnt mit der Weihnachtsvigilie und schliesst
mit Advent; der Cod. Egb. dagegen bringt die Adventstücke auf Bl.
8a— IIb an den Beginn des Ganzen und wiederholt sie dann, diesmal
gemäss der gewöhnlichen Anordnung, in grösserer Ausführlichkeit am
Schluss (Bl. 147b— 151a). Diese Abweichung ging speziell von den
Verfassern des Cod. Egb. aus, wie sich aus der Zusammenstellung des
Schlusses von Bl. 7a und Bl. 12a und ihrer Vergleichung mit dem Comes
Baluzes ergiebt.
Cod. Egb. Baluze Sp. 1309—1310.
[Bl. 7a Schluss] sumptus ex libro
comitis. In vigilia natalis domini In vigilia na-
statitio (!) ad s. Mariam hora talis domini VIII Kai. Januar, ad
Villi: Sequentia s. ev. secundum s. Mariam de nona . . . Evangelium
Matheum, secundum Matthaeum:
[Bl. 12a Anfang] Vigil. nat. domini In
secundum Matheum: Cum esset illo tempore, um esset despon-
desponsata — peccatis eorum. sata — peccatis eorum.
Die Zusammenstellung zeigt, dass Bl. 7a und Bl. 12 des Cod.
Egb. aufs Engste zusammengehöi'en und durch die Bl. 8 — 11, welche
die Adventsstücke enthalten, nur ganz mechanisch getrennt sind, so
mechanisch, dass Bl. 8a sogar von Neuem, ähnlich wie der Beginn des
Ganzen, mit einem „Gloria tibi Domine^* beginnt.
Diese Umstellung des Textes kann nur zu Gunsten des Bilder-
cyclus erfolgt sein, bei dem die Kindheit Jesu und die diese vorbe-
reitenden Thatsachen zuerst zur Darstellung gelangen mussten; sie
war nur eine Accomodation an den Gedanken dieses Bildercyclus. Es
Der Bildenohmack des Cod. Egberti zu Trier a. d. Cod. EptemacenaiB zu Gotha. 76
folgt hieraas, dass im Cod. Egb. zwei bislang ausser Berührung
stehende Elemente, das Lectionar der Evangelien und der evangelische
Bildercyclus verschmolzen wurden; dass mithin eine Einwirkung der
speciellen aus einem bestimmten Evangelisten ausgewählten Texte des
Lectionars auf die Bilder, oder gar eine Gomposition dieser letzteren
nach dem Lectionar nicht wahrscheinlich ist.
Die Abfassungszeit des Cod. Egb. ist imTerm. ad quem durch
die Verse des Dedicationsblattes auf Bl. Ib bestimmt : die HS. ist ein
Geschenk des Klosters Reichenau an den Erzbischof Egbert (977— 993).
Weitere directe Notizen über die Abfassungszeit sind nicht überliefert;
wie wir denn überhaupt über die Beziehungen des Erzbischofs Egbert
zu Reichenau wenig unterrichtet sind und nur Yermuthungen auf-
stellen können. Nach den Codd. B. C. der Gesta Trev. SS. VIII, S. 170
verbrachte Egbert die Jahre 970—973 ca. in Italien in Begleitung des
Bischofs Dietrich von Metz, mit Reliquiensammeln beschäftigt. Was
an dieser Erzählung wahr ist, lässt sich bei dem Charakter der Gesta
schwer angeben. Indess gibt es kein Moment, welches dem hier Er-
suhlten gradezu widerspräche; dagegen lässt sich für die Glaubwürdig-
keit desselben zweierlei anführen; einmal die Thatsache, dass Dietrich
von Metz und Egbert von Trier in den 80er und 90er Jahren des
10. Jahrhunderts nahe befreundet erscheinen, und gegenüber dem Reich
genau dieselbe Politik verfolgen ^ dann die Vermuthung, dass die Codd.
B. C. die Nachricht von der Ueberbringung der hh. Felix und Regina
aas Zürich, welche sie der sonst nach der Vit. Deod. I Mett. (SS. IV, 473)
verfassten Erzählung zusetzen, doch unmöglich ganz aus der Luft ge-
griffen haben können. Grade diese Nachricht aber würde den Hinweg
oder die Rückkehr Egberts aus Italien auf einen Weg verlegen, der
über Reichenau führt, also die Anknüpfung persönlicher Bekanntschaft
ermöglichte. Hierzu kommt noch ein Umstand : Dietrich von Metz war
in St. Gallen erzogen (Neugart, Ep. Constant. I, 318), konnte also für
Egbert leicht die Verbindung nach der Schweiz hin vermitteln.
Lassen nun alle diese Erwägungen die Nachricht der Gesta Trevir.
in ihren grossen Zügen als annehmbar erscheinen, so würde Egbert
wahrscheinlich mindestens zweimal in Reichenau gewesen sein, in der
Zeit von 970—973 ca., und als Erzbischof nach 977. Beim letzten Be-
such wäre ihm dann der Cod. als Gastgeschenk überreicht worden.
Indess wird man sich hüten müssen, von der Zeit der Sedenz Eg-
berts und der Ueberreichung der HS. einen directen Rückschluss auf die
Entstebungsjahre der letzteren zu machen, da eine Reihe von Anzeichen
76 Der Bildersohmnck des Cod. Egborti zu Trier a. d. Cod. EptemRcensis zu Gotha.
dafür sprechen, dass man die Handschrift erst nachträglich zam
Geschenk für Egbert zurecht gemacht hat. Es bestehen nämlich aUe
Lagen des Cod. aus 4+4 Bll. (abgesehen von Lage 13, wo ein Bl., das
Vollbild der Pfingstereignisse, hinzugeklebt ist) und sind vollständig
intact ; nur die 1. Lage, und von ihr berührt die 2. Lage, zeigen Ver-
änderungen. Von Lage 2 ist Bl. 1 weggeschnitten ; Lage 1 aber besteht
jetzt nur noch aus 3+4 Bl, doch ergiebt sich für sie als ursprünglich
folgende Anordnung:
»•'^^
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
fehlte Egbert. Matth. Marc. Luc Joh. fehlte s.o.Bl.7
Jetzige In nomine dom. etc.
No.: BLL B1.2. B1.3. B1.4. BL5. B1.6. Bl. 7.
Das fehlende Bl. 7 ist gar nicht ersetzt, dagegen ist an den
Stumpf des ursprünglichen Bl. 1 das jetzige Bl. 1 angeklebt. Diese
Veränderungen sind nun aller Wahrscheinlichkeit nach so zu erklärenii
dass man, um die Dedication an Egbert dem Codex einzuverleiben,
einerseits die correspondirenden Bl. 2 und 7 der ursprünglichen Lage
ganz herausnahm und an ihre Stelle ein einziges Bl. (jetzt No. 2) mit
dem Bilde Egberts einheftete, andrerseits von dem die Bl. 1 und 8
bildenden Pergament Bl. 1 abschnitt und an seine Stelle das jetzige
Bl. 1 mit der Dedication an Egbert anklebte.
Hält man an dieser kaum abzuweisenden Auffassung fest, so wird
man von den Dedikationsblättern für die Bestimmung der Abfassungs-
zeit gänzlich abseben und vielmehr den Text der HS. selbst auf sichere
Indicien untersuchen müssen. Solche finden sich nun an zwei Stellen :
1. Bl. 20a ist die Epiphanienoctave (= Jan. 13) mit Feria IV
postDom. I postTheoph. bezeichnet; es fiel mithin Dom. I post Theoph.
auf Jan. 10, was in den Jahren 969, 975, 986 der Fall war.
2. Bl. 96b steht Nat. Apost. Philippi et Jacobi (Mai 1) zwischen
Dom. II post Pascha Fer. VI und Dom. IH post Pascha, fiel mithin
bei Aufstellung des Lectionars für den Cod. Egb. auf Samstag: dies ist
von den drei genannten Jahren nur 969 der Fall.
Demnach ist der Plan zum Texte des Cod. auf 969 oder etwas
früher zu setzen.
Es ist nun unzweifelhaft, dass vor der Ausführung der Miniaturen
zunächst der Text geschrieben wurde; das ergiebt sich schon aus den
Schriftlinien, welche auch über diejenigen Räume hinweggefübrt sind,
/
f
\
Der Bilderichmack des Cod. Egberti za Trier a. d. Cod. Epiernacensis za Gotha. 77
•
welche später Bilder einnehmen sollten. Noch bezeichnender in dieser
Richtung ist aber die Bemerkung, dass die später hinzugefügten Bilder
keineswegs immer die für sie gelassenen Raumdimensionen ausfüllen,
wenn auph die umgebende Randbordüre dementsprechend gezeichnet
ist. Es bleibt daher oft innerhalb dieser Bordüre über den Bildern
noch ein grösserer freier Raum, den nun höchst unsymmetrisch der
Himmel einnimmt. Am aufiallendsten tritt das Bl. 91 hervor, wo
die Bordüre 14 : 13 cm misst, das Bild aber nur den unteren Raum
10:13 cm ausfüllt.
Das Alles beweist die Anfertigung der Bilder nach der des Textes ;
setzt man nun den letzteren ca. 969, so wird man mit der Ansetzung
der Miniaturen auf ca. 975 wohl nur um wenige Jahre fehlgehen können.
Ihre Herstellung fällt also jedenfalls in die Sedenzzeit der Reichenauer
Aebte Eggehard und Ruodmann, wahrscheinlich in die des letzteren
(972 — 985 s. Herim. Aug. s. h. a.), welcher das Kloster aus dem unter
Eggehard drohenden Verfall zu neuem Glänze erhob. In der Dedi-
cation des Cod. ist keiner dieser Aebte genannt: ein Grund mehr, in
den dort genannten Heribertus und Keraldus wirklich die Illuminatoren
der HS. zu sehen. In der That wird man in den Bildern am besten
zwei Hände unterscheiden können, eine rohere unfertigere, und eine
feiner durchgebildete i); indess ist es doch sehr fraglich, ob diese Unter-
schiede nicht vielmehr in der verschiedenen beiderseits benutzten Tra*
dition ihren Grund haben. Ich neige der letzteren Ansicht, welche ich
weiter unten begründen werde, zu: sicher ist das eine, dass in der HS.
das Zeugniss einer ungemein hohen, ausserordentlich gleichmässig be-
triebenen Technik vorliegt, welche eine alte und feste Schulung verräth
und der Individualität des Einzelnen nur sehr geringen Spielraum
übrig Hess*
Ausser den Miniaturbildem finden sich im Cod. Egb. uur sehr
wenige Initialen. Schon der gewöhnliche Anfang der Abschnitte
,In illo tempore** verbot einen grösseren, vielfach variirenden Initialen-
schmuck. Bedeutend sind fast nur das Q^ auf Bl. 7a und ein C auf
Bl. 16b. Beide, roth contourirt mit goldener und silberner Füllung,
ruhen auf einem hellblauen oder schmutzig-grünen Untergrunde und
zeigen gegenüber der Initialentechnik des Nachbarklosters St. Gallen
aus dem Anfang des 10. Jahrhunderts einen Fortschritt der pflanzlichen
Omamentation nach der Seite der rein naturalistischen Auffassung.
1) Es ist das die gewöhnliche Ansicht, offenbar in Anlehnung an die beiden,
B). Ib genannten Namen. Lotz, Esttopogr. I, 696 nimmt noch mehrere Namen an.
78 Der Bildenohmack des Cod. Egbert! tu Trier n. d. Cod. Eptern uensi* xa Ootba.
B. Codex Epternioeniig.
Der Epternacher ') Codex, von Herzog Ernst II von Sachsen-Gotha
1799 nebst aDderen Epternacher HSS. für die Gothaer SaiuipliiDg um
100 Carolin angekauft und jetzt dort aufbewahrt'), ist einePergament-
handscbrift ioFolio von 134B1. DieGrösse der Bl. beträgt 44:31,5 cm.
Die HS. ist noch jetzt in den ursprünglichen Einband gefasst, dessen
voD Gold, Emaillen und Edelsteinen strotzender oberer Deckel zu den
schönsten Hinterlassenschaften der Egbert'schen Kunstepoche gehört *).
Der Text der HS. ist in Gold zweispaltig geschrieben ; wohl nach dem
Vorbilde d«s dem Schreiber leicht erreichbaren Karolingischen Codex
aureus der Ada zu St. Maximin b. Trier (ca. 800), jetzt in der Trierer
Stadtbibliothek. Die Lftnge der einzelnen Spalten beträgt 32 cm, die
Breite 8,5 cm, der Zwischenraum zwischen ihnen 4 cm, die Breite des
1 Randes 7 cm, des inneren 4,5 cm.
Der genauere Inhalt der HS. ist folgender;
Bl. 1: frei, purpargefärbt — Bl. 2b: Rechteckige Bordüre von
"^3l:ä3eia; io deren Mitte Christus in derMandorla segnend, jugendlich
und bartlos, in iar Mitte der 4 Seiten Medaillons mit den Symbolen
der 4 Evangelisten; aal den 4 Ecken in kreisförmigen Ausladungen
nach Innen zu die 4 grosBen Propheten an Pulten. ~~ Bl. 3a: Recht-
eckige BordUre von 31 : 23 cm, iit der Mitte der 4 Seiten Medaillons
mit Darstellung der Temperaotia (Unks), Justicia (oben), Fortitudo
(rechts), Pnidentia (unten), in der Mitto 2 Erzengel, welche eine Tafel
mit folgenden Hexametern in 13 Zeiten haiiien:
1) Eptcrnuh ist die im HH. gebrftuohliche nnTsradiobene oiederfrinkiiobe
Wortform, der Ort heisst jetzt EchteroBch.
2) S, B»thgaber, Heriogl. Museum su Gotha I, 3. 6—21-, Jeoobi und Dkert
Beilrl«e«ir «tem Literatur (Gotha), II, S.27-M- Die lrfiB*.hgeber 8.21-27
«Dgef., wfthraoheiDlIcb gleichzeitig erworbeneD HSS. ras Epteroach sind: a) Cod.
Qoth. 70 (theilweise Abecbrift davon ist Cod. Trevir. 137B), vgl. Weiland,
MQSS. XXIII in der Einleitung zu den Mod. Ept^roacensia; li) Cedei aureus
(Cod. Goth. 71) vgl. Wftiti im Archiv XI, 888-343 und Wurth-PaqueV Publ. de
la Soc. de Lnxembourg XVI, 1—29; c) die von Rathgeber an dritter^l^le er-
wUiuta Arithmetik de« Boethius. Die im Cod. a befindlichen Flores Ej^tapbii
des AbtM Tbiofrid sind 1609 aum arrten Haie von Joe. Roberti (V. Lufcemb.)
horauigegeben. j
8) Abgebildet und besobrieben von Book und v. Quast in v. Quasts ZtsAbr. n.
Der Bildenohmuok des Cod. Egbert! sa Trier a. d. Cod. Epternaoensis zu Gotha. 79
Prima fronte libri ^) residet regnator Olympi
Hioc positus primus, quia non precesserat uUus:
Guactorum regum rex est deus atque deorum.
Ut c^li doDiinOy cui servit c^licus ordo,
Quisqnis coniungi sibi vult et consociari,
Quod iubet iste über, agat, ut sit crimine über,
Et sie perveniat, ubi saecla per omnia vivat.
Bl. 3b: In Randbordüre: INCIPIT | PRAEFATIO | sei HIERONIMI
1 PRAESBITERI | IN LIBRVM | EVANQELIORV(sic!). — B]. 4a: In Rand-
bordüre: BEATO PAPAE DA/V\ASO | HIERONIMVS; B grosser Init.
Bl. 6a: Unke Spalte: ITEM | INCI | PIT PRAE | FATIO | S€l
HIE I RONIMI I PR-R-RI | IN GVAN | GtlUM. — Bl. 6a: rechte Spalte:
Pb I RES I FVIS I SE in Initialen.
Bl. 7b: rechte Spalte : INCIPIT | EPISTOjA | GVSEBII | GPlSCoPI |
AD CARPI I ANVM DE | DOCTRI | NA INVE | NIGNDO | RV CANO |
NV eUAGtil I - Bl. 8a: linke Spalte: GV | SE | Bl | VS in Initialen.
— Bl. 9a: Linearbordüre von 32:22 cm, darin auf 10 Zeilen:
Quot domini verbis constat perfectio legis,
Tot canones operis illustrant scripta sequentis:
Quatuor in primo concordant tresque secundo,
Tercius atque tribus constat totidemque tetrardns,
Elucet quintus binis, sextusque duobus,
Septimus octavus nonus gaudetque duobus,
In decimo proprio sua scribit dogmata quisque:
Istis instructus seiet omnia competa (I) sensus.
Qua propter canonis callem discurre fidelis,
Ut te perducat, quo nullus devius intrat.
Folgen Bl. 9b— 14a die Canones in schönen Arkaturen, welche am
oberen Rande von naturalistisch aufgefassten Thieren, zweimal auch
von Menschen (einem Zimmermann, einem grabenden Bauer, einem
Wein lesenden und einem kelternden Winzer) flankirt sind.
Bl. 14b: linke Spalte: INCIPIT | PROLO | GVS IN | GVAN |
GELI I VM MA I THEI | , rechte Spalte: >)>M jfe I ^ I in Initialen.
Bl. 15b: linke Spalte: INCIPI | VNT | CAPI | TVLA | SEQlEN |
TIS I OPERIS I , rechte Spalte: fi | ^€RA | TIC | NU | .
Bl. 17b und 18a eigenthümliche Imitation von teztilen Mustern
in Pergamentmalerei, welche sich in andern Mustern auf zwei Seiten
1) Bl. 2b.
I *m.
80 Der Bildersohmuok des Cod. Egberti la Trier u. d. Cod. Eptemaoeiiaii la Gothtt.
vor jedem Bildercyclus wiederholt — BL 18b— 20a erster Bildercyclus,
s. unten. — Bl. 20b: Der Evangelist Matthaeos in der b&ufig vor-
kommenden Stellung am Schreibpulte; auf der Arcatur über ihm der Vers:
Game deum voce Matheus signat et ore.
Bl. 21a: rechteckige Randbordüre, innerhalb derselben ein Engel,
der ein Buch hält mit folgenden Hexametern:
Yos homines hominis Mathei credite scriptis,
Ut, de quo narrat, homo Jhesus premia reddat
Bl. 21b: InRandbordare:INCIPIT|LIBER|EVANGEUI|SECVNDV
I /V\ATHEVM I . — Bl. 22a: In Randbordüre: [L, L Initial. — Folgt
Bl. 22b— 48a: der Text des Evangeliums Matthaei. — Bl. 48b: rechte
Spalte: EXPLICIT | EVANGfcCO | SCBM /V\A | THEVM HAB | LEK •
llrDCCI .
Bl 49a: linke Spalte: INCIPIT | ARGVMEN | TVMIN 1 EVANQtM
I MARCI I; — Bl. 49b: in Randbordüre: M | AROiS | in Initialen.
Bl. 50a: rechte Spalte: INCIPI | VNT CA | PITVLA | IN GVAN |
GELIVCO I MARCI | .
Bl. 51b und 52a : Imitationsmalerei von textilen Stoffen, vgl. oben
Bl. 17b und 18a; hierauf folgt Bl. 52b — 54a: der zweite Bildercyclus
s. unten, und Bl 54b: Der Evangelist Marcus, auf dem Stuhl als Bi-
schof sitzend, rechts von ihm das Schreibpult, unter einer Arkatur,
deren Horizontalbalken den V^s trägt:
Fortior est omni, quam signas Marce, leoni (sie!),
Bl 55a: rechteckige Randbordüre, aus deren vier Ecken nach
Innen zu Engel fliegen, welche eine Tafel mit folgenden Hexametern
in sechs Zeilen halten:
Portes estote vos atque cavete leone (siel),
Ut sacietur ove, Christi qui lustrat ovile,
Christum contra quem fac surgere, Marce, leonem.
Bl 55b: Randbordüre: INCIPIT | GVAN | GELIUM | SCBM |
INI
MARCVMI. — Bl 56b: Randbordüre: |im in Initialen. — Folgt
Bl. 56b — 72a: der Text des Evangelium Marci.
Bl 72b: Randbordüre: INCIPIT | ARGVhCN | TVMIN | EUANQttM
I LVCAE I . — Bl 73a: In Randbordüre: L^ | CAS in Initialen.
Bl 74a: rechte Spalte: INERVNT | CAPITV | LA IN | EVANQtV
I LVCAE I .
Bl 75b— 76a: Imitationsmalerei von textilen Stoffen, darauf
Der Bilderaohmuok des (3od. Bigberti za "frier u. d. Cod. fipternacensis zu Gotha. 8l
Bl. 76b— 78a: der dritte Bildercyclus s. unten undBL 78b: der Evan-
gelist Lucas am Schreibpult, in der Arcatur der Hexameter:
Ob mortem Christi Lucas tenet ora juvenci.
Bl. 79a: rechteckige Randbordüre, die in ihrem Schmuck aufs
Lebhafteste an die Emailletechnik erinnert: auf die Stäbe der Bordüre
sind einzelne kleine Rechtecke gemalt, welche Thiere in Gold auf
blauer Füllung enthalten. Innerhalb der Bordüre in den vier Ecken
Medaillons mit der Darstellung der 4 Elemente; inmitten dieser eine
Tafel mit folgenden Versen in 6 Zeilen:
Es factus primis homo quatuor ex elementis:
His natus lucis ni sis, moriendo peribis.
Hinc prece fac Lucae vivas cum perpete luce.
Bl. 79b: rechteckige Randbordüre ; auf den Ecken der Leisten vier
diesen parallel gestellte Quadrate mit posaunenden Engeln, in der
Mitte der Leisten Medaillons in Gold mit weisser Zeichnung, ebenfalls
aufs Lebhafteste an Emailtechnik erinnernd. In der Mitte: INCIPIT |
eVGtIVM I SC-DM I LVCAM | . - Bl. 80a: Randbordüre, worin: Q^ |
NIAM QIBGB | , Q Initial. Folgt Bl. 80b— 107a der Text des Evan-
geliums Lucae.
Bl. 107b: Bordüre in der Form: %. In^ mittleren Räume:
INCIPIT ARGVh€N\M | IN EXANQEIlVNA IOMNIJ | ; darüber iTLt (=r
hie est), hie in Initialen; darunter: IGHANNGS E\^NQ6 1 LISTA VNVS GX
DISGßlL I .
Bl. 108b: linke Spalte: INGPUT | CAPI17LA | IN GVAN | GGLI j
UCO 10 I HAN I NIS I
BL 109b— 1 10a: Imitationsmalerei von textilen Stoffen, darauf
Bl. 110b — 112a: der vierte Bildercyclus, s. unten; schliesslich Bl. I12b:
der Evangelist Johannes am Schreibpulte^ in der Arkatur über ihm
der Vers:
Est aquilae similis de verbo sermo Johannis.
Bl. 113a: rechteckige, besonders schöne Randbordüre, innerhalb
derselben an die Mitte der Leisten anstossend Medaillons mit der Dar-
stellung der 4 Himmelsgegenden. Innerhalb der Medaillons eine der
äusseren parallel eingetragene Bordüre, welche in 6 Zeilen die Verse fasst:
Quadrifidas partes habitantes quique fideles,
Devota mente transcendant terrea quique,
Üt cum Johanne Christum mereantur adire.
Bl. 113b: rechteckige Randbordüre, in den 4 Ecken quadratische
6
82 Der Bilderschmuck des Cod. Egberti sa Trier xu d. Ck>d« Eptemaoenais ta Goiht.
parallel gestellte Medaillons mit der PersoDification von 4 Tagenden;
in der Mitte IN NOMINE DNI j IN Ol PIT | EVANQGLIVM | SE 0- DM
I lOHANNEM 1 . — Bl. 114a: Randbordüre, wie 113b, in der Mitte
PRInIüPO, in Initialen. Hierauf folgt BL 114b— 134b der Text des
Evangelium Johannis, womit die Handschrift abschliesst
Der textliche Inhalt^) des Codex lässt keinen genaueren Schluss
auf seine Entstehungszeit zu. Dagegen bietet der Deckel mit der Dar-
stellung der Theophanu imperatrix und des Otto rex einen chronologi-
schen Anhalt, der schon in dem Aufsatz der v. Quast'schen Zeitschrift
zur Eruirung der Abfassungszeit 983 Dec. 7. bis 992 Juni 15. benutzt ist.
In wiefern die kaiserliche Familie zur Anfertigung der HS. Anlass
gegeben hat, ist mit Sicherheit nicht zu ermitteln. Eine alte Tradition
des 16. Jahrhunderts bei Bertelius (s. Rathgeber a. a. 0., S. lOj
spricht von einer Schenkung der HS. an Eptemach durch König
Otto[ni]; ihre Richtigkeit wird durch einen Magdeburger AnalogiefalP)
und die Stellung grade Ottos III zu Eptemach sehr wahrscheinlich.
Schon Otto I. hatte sich Epternachs besonders angenommen; unter
ihm waren auf Anregung des letzten Laienabtes, des Grafen Siegfirid
von Luxemburg, die Canonici, welche seit den Zeiten des 9. Jahrhun-
derts das Kloster inne hatten, wieder mit Mönchen unter der Leitung
eines neuen Abtes Bavanger vertauscht worden. Zugleich hatte Otto L
das Kloster in seinen besonderen Schutz genommen und ihm das Recht
der freien Abtswahl garantirt, seine bisherigen Besitzungen bestätigt,
sowie neue hinzugeschenkt (MR. ÜB. 292—293, No, 236 u. 237, 973
März 15; vgl. SS. XXIH 32, 16). Diese Gunst des Kaisers übertrug
sich nun, wie es scheint durch den fortdauernden Einfluss des Grafen
Siegfried (s. MR. ÜB. 320, No. 264, 992 Apr. 3.; 322, No. 267, 993
Mai 25) und des langjährigen Klosterabtes Ravanger, auch auf sdne
Nachfolger. 980 am 1. Juni bestätigte Otto IL ob amorem dei et
rcverentiam loci die Epternacher Anordnungen seines Vaters (MR. ÜB.
309, No. 254). In noch viel näherer Beziehung aber zum Kloster finden
wir Otto III; er verlieh an Eptemach das für ein Kloster nicht häufige
Privüeg eigenen Münzrechtes (MRUB. 320—321, No.264, 992 Apr. 3),
wie die Urkunde besagt, ut (monachos) pro nostra salute et pro re-
medio animarum beate memorie avi nostri Ottonis et eins aequivoci
1) Vgl. über ihn Jacobs u. ükert a. a. 0. S. 82 u. 88.
2) Hierher schenkte nämlich Otto U. einen viel bewanderten Codex mit
seinem und seiner Gemahlin Theophanu Bilde, s. JEUthgeber a. a. 0. S. 9.
Der Bildartohmuck des Cod. Egberti sa Trier u. d. Cod. EpternaoeDBis zu Gotha. 83
genitoris nostri imperatorum aagostoram ac pro genetrice nostra Theo-
phana imperatrice augusta omniumque fidelium defunctorum deum
amplias delectet exorare. Mit der Aufzählung der hier bezeichneten
Personen recapitulirt die Urk., so zu sagän, die Geschichte der persön-
lichen Beziehungen der Ottonen zu Epternach ; und die Aufzählung der
Theophanu unter diesen, wie die Gunstbeweisung Ottos III. selbst geben
der Tradition über die Schenkung des Cod. Eptem. durch diese beiden
einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit.
Ich gehe nun zur Schilderung des bildlichen Schmuckes des Cod.
Eptem. über und spreche hier zunächst von der ungemein reichen Aus-
stattung der HS. mit Initialen und sonstigem ornamentalen Bei-
werk. Die TextspalteUy wie öfters ganze Blattseiten, sind namentlich mit
den schönsten Initialen frühromanischen Charakters geschmückt, bei denen /
neben dem Ueberwiegen pflanzlicher Bildungen doch schon zoomorphe,
ja sogar anthropomorphe Ornamente vorkommen. Diese letztere hier
ungemein früh auftretende Eigenthümlichkeit wirft ein bedeutsames
Schlaglicht auf Vergangenheit und Zukunft der Ornamentirung des
10. Jahrhunderts: zwar waren die klassisch-karolingischen Formen ' rein
pflanzlicher Initialenbildung besonders von St. Gallen und Reichenau
her in Deutschland durchgedrungen, allein überall scheint durch diese
künstliche Blüthe der alte nationale Geschmack, die germanische Vor-
liebe für groteske Thierbildungen, wie wir sie aus fränkischen Grab-
funden kennen, durch; ein Geschmack, der dann seit der Mitte etwa
des 11. Jahrhunderts gegenüber der Pflanzenornamentik erst schüchtern
und vereinzelt, dann immer massenhafter und dreister wieder auftrat.
Eigenthümlich sind der Echtemacher Handschrift noch die ausserordent-
lich häufigen Ligaturen der Initialen, durch welche dem Zeichner ganz
neue Grundlagen für die Ornamentirung gewährt wurden. So finden
sich A und M[B1. 14b], E und B [Bl. 24b], EE und E[B1. 57a], HJ
und C [Bl. 107b], J und N [BL 114a], N und A [Bl. 25a], N und E
[BL 15b], T und E [Bl. 24a], TK und L [Bl. 14b], ü und M [Bl. 5b,
56a], U und S [Bl. 49b], V und S [Bl. 14b] als omamentirte Ligaturen.
In der Ornamentirung der Initialen tritt im ganzen Verfolg der
Handschrift kaum eine Aenderung ein; es werden für dieselbe gleich
von vornherein als Grundlage unciale und capitale Formen unterschieds-
los angewandt. Es drückt sich damit auch in den omamentirten Buch-
staben ganz die Formenunsicherheit der Maiuskel aus, welche das
10., 11. und theilweise noch 12. Jahrhundert im Rheinlande characte-
risirt. Es finden sich neben A auch A [BL 25a] A [Bl. 32a] und häufig
84 Der ßilderschmuck des Cod. £gberti zu Trier a. d. Cod. Eptemacenns zu Gotha.
A, neben B einmal die aussergewöhnliche, aus angelsächsischer Ver-
zierungsweise geflossene Form 6 [Bl. 65a], neben D 5, neben EG u.s.w.,
insbesondere auch h und K, CO und Tl) endlich 5.
Die Consequenz in Verzierung wie Form der Initialen bei allem
Wechsel im Einzelnen stimmt wohl überein mit dem Schriftcharakter
des Textes, welcher durch die ganze Handschrift hindurch eine einzige,
gleichmässig schreibende Hand aufweist. Merkwürdig schwankend da-
gegen zeigt sich die Ausmalung der Initialen. Bis zum Bl. 42 ist die
Färbung die althergebrachte; die Conturen in Mennig, die Fülhmg in
Gold;'vonBl. 42b aber tritt für die Füllung in immer mehr zunehmen-
dem Maasse Silber hinzu. Mit Bl. 65b erfolgt eine neue Aenderung;
schon Bl. 44b, wie 48a und 49a waren die freien Räume zwischen den
Ornamenten mit schmutzig Mineralgrün und Pariserblau, mit einem
matten Lila und Karmin gefärbt worden: jetzt nun, von Bl. 65b ab,
wird die Ausfüllung dieser Zwischenräume mit einem stumpfen Purpur-
tone regelmässig, und beginnt seit Bl. 69a mit blaugrün und Lila zu
wechseln. Diese farbigen Flächen werden dann späterhin noch mit
kleinen weissen Tupfen versehen. Auch tritt seit Bl. 74a weiss als
Füllungsfarbe für einzelne Bänder und Striche in den Initialen selbst
auf; womit dann etwa seit Bl. 100 Scharlach zu wechseln beginnt.
Eine ganz neue Wahl der Farben endlich findet sich seit Bl. 128b, alle
bisher gebrauchten Füllungen werden lebhafter; Purpur wandelt sich
in Mennig, statt schmutzig Pariserblau tritt Kobaltblau ein, ebenso
lichtet sich das bisherige Grün. Eine reichliche Besetzung dieser neuen
Farben mit grossen weissen Tupfen trägt noch mehr dazu bei, die nun
folgenden Initialen als neu und fremdartig erscheinen zn lassen.
Aus diesem Gegensatze zwischen einer sich gleichbleibenden Schrift
und Ornaraentirung der Initialen und einer wandelnden, in ganz be-
stimmtem Progress sich entwickelnden Colorirung wird der Schluss zu
ziehen sein, dass Text und Initialcontouren gleichzeitig entstanden sind,
und wahrscheinlich auch von einer Hand herstammen, während die Be-
malung erst später, nach dem Abscliluss des Textes, stattfand. Dieser
Vorgang darf überhaupt für das Rheinland als Regel gelten. So findet
sich in einer Evangelienhandschrift des Kölner Diöcesanmuseums aus
dem Ende des 11. Jahrhunderts (angeblich aus Altenberg) neben einer
Reihe von Initialen, welche in Gold und Silber gefüllt sind noch ein M
in blossen rothen Contouren und ein kleines Evangeliar in 8^ desselben
Museums (11.-12. Jahrh.) zeigt ein ornamentirtes ÜBER, Q und M,
dessen rothen Contouren überhaupt noch jede farbige Füllung fehlt.
Der Bilderschmuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod fipternacensis zu Gotha. 85
Auch für die Vermuthung, dass dem Schreiber des Textes zu-
gleich die OmamentiruDg der Anfangsbuchstaben zugefallen sein wird,
spricht die sonstige Praxis; vor Allem der Gebrauch, das Ornamentiren
überhaupt als scribere zu bezeichnen, wofür besonders ein Codex der
Trierer Dombibliothek a. d. 9. Jahrh. (Düsseid. Ausstellungscatalog 412)
auf Bl. 4b und 61. 128b mit der Unterschrift Thomas scribsit die Be-
lege giebt»).
Man wird also annehmen dürfen, dass Text und Ornamentirung
der Echternacher HS. miteinander entstanden seien; die Farben sind
yielleicht von einer der an den Malereien der HS. beschäftigten Hände
eingetragen worden, wenigstens finden sich hier dieselben Farbentöne vor.
Ich komme nun von den Initialen auf die eigentlichen Minia-
turen der HS. Es sind in der Handschrift zunächst zwei Arten von
Bildern zu scheiden; einmal die vier Evangelistenbilder und das Titel- ,
blatt mit dem segnenden Christus in der Mandorla, dann die Bilder
zur Illustration des Lebens und Wirkens Christi. Die ersteren bedecken
die ganze Blattseite und haben sog. byzantinischen Charakter, nament-
lich die weissen Haupt- und Barthaare, wie den traurig-mürrischen Ge-
sichtstypus dieses Stils. Indess ist diese Auffassungsweise nicht durch-
aus maassgebend, schon der bartlose segnende Christus fällt aus ihr
heraus, noch mehr — ebenfalls auf Bl. 2b — der Prophet Daniel in
der unteren Ecke rechts, welcher durchaus römische Züge trägt. Zu
den hieraus sich ergebenden Vermuthungen stimmen durchaus die auf
dieses Bl. 2b bezüglichen Verse Bl. 3a, wo Christus als regnator
Olympi, als deus deorum erscheint. Das alles scheint auf römische
Tradition, unter späterer Umwandlung gemäss der jeweilig modernen
Anschauungsweise hinzudeuten.
Die zweite Gruppe der Bilder ist viel zahlreicher; sie umfasst
Bl. 18b— 20a; 52b— 54a; 76b— 78a; 110b— 112a (s. oben). Jede Seite
enthält hier zunächst eine rechteckige Linearbordüre in Gold von
31:23 cm; innerhalb derselben sind durch zwei goldene Querbalken 3
horizotale Räume von durchschnittlich 21,5 cm Länge, 8 cm Höhe ge-
bildet, welche meist 1, bisweilen 2 Bilder enthalten. Die Balken ober-
halb der Bilder tragen je 1—2 Hexameter, welche sich auf den Inhalt
der Darstellungen beziehen. An den Bildern selbst haben zwei ver-
schiedene, sehr genau von einander unterscheidbare Hände gearbeitet;
die geübtere Hand bemalte Bl. 18b, 19a, 52b— 54a, 110b— 112a, die
1) Ygl Schnaase > UI, 616.
86 Der Bilderschinuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Eptemaoensis za Gotha.
weniger geübte, sich später bessernde Hand bemalte Bl. 19b, 20a,
76b— 78a.
Ich gebe im Folgenden die den Bildern übergeschriebenen Verse
und bemerke hierzu : die Ziffern links geben die laufende No. der dar-
gestellten Scenen an (vgl. unten), wobei die auf Hand A zurOckfbhr-
baren Nummern fett gedruckt sind; die eingeklammerten Ziffern rechts
geben die Seitenzahl und. die No. des horizontalen Streifens innerhalb
derselben an. Cursiv gedruckte Wörter im Text waren theilweis oder
ganz unleserlich und sind durch Coniectur erschlossen.
I. Theil Bl. 18b— 20a i).
1. Plasmavit qui te, nascetur conditor ex te. [Bl. 18b 1.] 1
2. Spiritus inflammat sterilem, dum virgo salutat.
3. 4. Quem sine matre pater genuit, sine semine mater. [2.]
5. Virginis in partu nova Stella refulsit in ortu: [8.]
Pectoribus verum lumen, mors transitoriorum. 5
6. Munera carne deum tria sunt testata magorum. [Bl. 19a 1.]
7. 8. Gelitus ammoniti sunt recto calle reversi. [2.]
9. Hie Symeon vetulis Jhesum suscepit in ulnis. [3.]
10. 11. Angelus ut iussit, Joseph surrexit et ivit. [Bl. 19b. 1.]
12. Rex quia turbatur infantum turba necatur. [2.] 10
13. Ut discens audit doctores, omnia qui seit. [3.]
14. Nos lavat a culpa Christus Jordanis in unda.
15. Temptatur Christus, hostis fit ter superatus. [Bl. 20a. 1.]
16. Hie duo germani capiuntur famine Christi; [2.]
17. Hie duo cum navi patrem liquere vocati. 15
18. Ardor lucrandi frigescit voce sequendi. [3.]
19. Spem peccatdri dant haec exempla Mathei.
n. Theil Bl. 52b-54a.
20. Fecit aqua vinum deus inter fercula primum. [Bl. 52b. 1.]
21* 22. Leprosum mundat, hie servum famine curat. [2.]
23. 24. Condonat luce, natam sanat Chananeae. [3.] 20
25. 26. Expulit hos templo deus, hunc dat surgere lecto. [Bl. 53a. 1.]
27. Panibus hie quinque saciavit milia quinque. [2.]
1) Vgl. die unvollständige und nicht correcte Ausgabe bei Rathgeber,
Beschreibung des herzogl. Museums zu Gotha I, 147. Auch die Angaben bei
Jacobs und Ukert, Beitr. II, a. a. 0. sind nicht vollständig und correct.
■■■ 1*1
Der Bilderschmuck des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Eptemacensis zu Qotha. 87
28. Daemonibus pulsis fit dira vesania porcis. [3.]
29. 30. Poscit ab hac potum, necis hac pellendo reatum. [Bl. 53b. 1.]
31. 32. Iste lavans vidit, Lazarus de morte resurgit [2.] 25
33. 34. Hie sanatus abit, plebs hie pro febre rogavit. [3.]
35. 36. Sanguinis hanc iluxu soivit, hune mortis ab ietu. [Bl. 54a. 1.]
37. 38. Curans ydropieum eompescit famine ventum. [2.]
39. Denos mundabat, grates ast unus agebat [3.]
III. Theil Bl. 76b— 78a.
40. Bic homo [?] ^) eonducit, quos mundi vinea poseit. [Bl. 76b. 1.] 30
Diversis horis hominis aetatibus aptis;
Aetas qnaeque viri eondueitur hane operari, [2.]
Nummum quo eapiat promissum, valde laborat
Hie opus iniungit, cum vesper lumina fundit; [3.]
His dat cum primis in primis iura laboris. 35
41. Vinea plantatur eultoribus atque locatur. [Bl. 77a. 1.]
Servi mittuntur pro fructibus: heu! perimuntur. [2.]
Mittitur et natns, sine culpa fitque necatus. [3.] —
42. Ad caenam magnam multos vocat hie homo quidam; [Bl. 77b. 1.]
Hanc inopes intrant, fortes et adesse reeusant. 40
DExcusa Togo, me retinent commertla villaea; — [2.]
»Ne cogas ire> quoniam iuga vado probare«; —
»Propter coniugium non illnc pergere possum«. [3.] —
43. Divitis in foribus Lazarus iacet ulcere plenus. [Bl. 78a. 1.]
Hie pauper moritur, Abrahae gremioque locatur. [2.] 45
Dives obit mundo diro cruciandus Averno. [3].
IV. Theil, Bl. 110b-112a.
44« Regnator caeli fit vilis sessor aselli, [Bl. 110b. 1.]
Stemendo vestes eui dant pia cantica plebes.
45. Cum signo pacis hune, Juda, pessime tradis ; [2.]
46. Captus tunc duei, dux, ad Cayphan voluisti. 50
47. Ad cantum galli reminiscere te, Petre falli. [3.]
48. Virgarum Christus patienter sustulit ictus.
49. Spinis contextam ponunt tibi, Christe, coronam; [Bl. lila. 1.]
50. Compulsus valde fit ligni partitor iste.
51. Mundi salvator moritur hie ut malefactor. [2.] 55
1) Ratbgeber and Jacobe uad Ukert: Quidam,
88 Der Bildergcbmuck des Cod. Egberti zn Trier u. d. Cod. Eptemaoensis zu Gotha.
Qui solus iustus, est cum reprobis crucifixus.
52. 53. Granum depositum de ligno mortificatum [3.]
Obsequiis horum sepelitur fnicüficandum.
54. J)0 vos, Christicolae, nimium nolite timere, [Bl. 11 Ib, 1.]
Quem mors extinxit, Jhesus surgendo revixita. 60
55. Discipulis visus est binis ut peregrinus, [2.]
Cognitus est illis in primo fragmine panis.
56. Quem flet querendo, gaudet Maria videndo; [3.]
57. Tunc dominum pangit Thomas dum wlnera tangit.
58. Transmigratores, quid statis suspicientes ; [Bl. 112a. 1.] 65
Hunc deus assumpsit hominem, quem virgine sumpsit.
59. Discipuli tristes temp'lo pariter residentes [2.]
Sumunt omnigenas subito de pneumate linguas;
Centum viginti fuerant bis consociati, [3.]
Qui fiunt pleni de munere pneumatis almi. 70
IL Die Bildercyclen der Handschriften.
Als Material für die folgende Besprechung stelle ich zunächst
eine Synopse der beiden Bildercyclen auf; ich füge denselben noch den
aus der Beschreibung der karolingischen Schlosskapelle zu Ingelheim
durch Ermoldus Nigellus (IV, 219-244, MGSS. II, 505-6) sich ergeben-
den Cyclus bei: den einzigen grösseren — übrigens wahrscheinlich
nicht vollständig geschilderten — evangelischen Bildercyclus aus deutsch-
karolingischer Zeit, dessen Composition wir meines Wissens kennen.
Als leitend für die folgende Zusammenstellung sehe ich den Cyclus
des Cod. Epternac. an, weil er derjenige ist, welcher dem Maler die
jreie Composition, resp. die volle Benutzung der bestehenden Tradition
unabhängig von jedem Texte gestattete. Den Bildern des Cod. Egb.
dagegen füge ich die Angabe der betr. dem einzelnen Bilde zugeschrie-
benen Textstelle, sowie die laufende Nummer der Bilder zu. Letzteres
geschieht auch für Erm. Nigellus und den Cod. Epternac.
Schlosskapelle zu In- Cod. Egberti. Cod. Epternac.
gelheim ca. 800. ca. 975. ca. 990.
V. 221-222. (1) B1.9b. Luc. 1,26-38.(1) Bl. 8b. Verkündig. (1)
Bl. 10b. Luc. 1,39-56.(2) Heimsuchung. (2)
Bl. 12a. Verkündigung
an Joseph. Matth. 1,
20. (3)
Der Bildendimnck des Cod. Egberti 1bu Trier a. d. Cod. Eptomacentis eu Gotha. 89
V. 223—224. (2)
V. 225. (3)
V. 226. (4)
V. 229. (6)
V. 227—228. (5)
V. 230. (6).
V. 231-232. (7)
V. 233—234. (8)
Bl. 13a. Luc. 2, 1—14.
(4) »).
BL 13a. Luc. 2, 15
—17. (5) S. Tafl.I.
Bl. 17a. Matth. 2, 1
-12. (7)
Bl.' 18a. Luc. 2, 21
-32. (8) Tafl. V.
Bl. 16b. Matth. 2, 16
-18. (6) Tafl. L
Bl. .18b. Luc. 2, 42
—52. (9)
Bl. 19b. Job. 1, 29
—34. (10)
Bl. 28b. Marc. 2, 13.
u. 14. (20). Tafl. n.
Bl. 29a. Marc. 2, 15
—17. (21)
Geburt Christi. (3)
Die Hirten auf
dem Felde. (4)
Tafl. L
Die Magier bei Hero-
des. (5)
Bl. 19a. Anbetung der
Magier. (6)
Den - Magiern er*
scheint d.Engel. (7)
Heimkehr der-Ma*
gier. (8) Tafl. VHL
Darbringung i. Tem-
pel. (9)
Bl. 19b. Der Engel er-
scheint Joseph. (10)
Flucht nach Aegyp-
ten. (11)
Betblehemitisch.
Kindermord. (12)
Tafl. I.
Jesus lehrt im Tem-
pel. (13)
Taufe. (14)
Bl. 20a. Christi Ver-
* suchung. (15)
Petrus und An-
dreas gewonnen
(16) Tafl. Vm.
Jacobus u. Johanna
gewonnen. (17)
Mathaeusgewon-
nen. (18) Tafl. IL
Christus isst mit den
Sündern. (29)
1) Theilw. publicirt. Kugler, kl. Sehr. II, SiO, und hiomaoh Waagen,
Handb. I, S. 12.
90 Der Bilderscbmuok des Cod. Egbert! za Trier u. d. Cod. Epiemaoeiui is la Gotha.
Erm. Nigellus schil-
dert die Thaten Christi
V. 235-238 nur mit
allgemeineren Worten :
Ut pia per mundum
docuit mox munia
patris,
Reddidit infirmis munia
prisca pius
Mortua quin etiam ut
reparayit corpora
vitae,
Daemonis arma tulit
expulit atque procul.
BL 20b. Joh. 2, 1-11.
(11) Tafl. V.
fiL 21b. Matth. 8, 1
-4. (12) Tafl. n.
BL 22a— b. Matth. 8,
13-15. (13)
BL 23b. Heilung der
verdorrten Hand.
Marc. 3, 1-5. (14)
BL 31a. Luc. 18, 31
-41. (22) Tafl. II.
BL 35b u. 36a. Matth.
15, 21—29. (24)
BL 34a. Matth. 21, •
12. und 13, (23)
Tafl. V.
BL 36b. Joh. 5, 1
—15. (25)
BL 47b. Joh. 6, 1
-14. (28)
BL 48b. Christus und
die Juden im Tempel
Joh. 6, 14-31. (29)
BL 26b. Marc. 5, 1
—19. (18) Tafl. n.
BL 27b. Petrus auf d.
Meere, Matth. 14,
22-23. (19)
BL 44b. Joh. 4, 5
-22. (26) Tafl. IV.
BL 46b. Joh. 8, 1
—11. (27) Tafl. IV.
BL 50a. Joh. 9, 1
—39. (30)
BL 52b. Hochzeit zu
Cana. (20)
Heilung desAus-
sätzigen. (21)
Tafl. U. /
Hauptmann von Ka-
pemaum. (22)
Heilung des Blin-
den. (23) Tafl. II.
Heilung der Tochter
des Eanan. Weibes.
(24)
BL 53a. Säuberung d
Tempels. (25)
Wunder am Teiche
Bethsaida. (26)
Speisung der 5000
(27)
Der besessene
Gergesener. (28)
Tafl. H.
BL 53b. Christus u.d.
Samariterin.(29)
Tafl. IV.
Christus u.d. Ehe-
brecherin. (30)
Tafl. IV.
Christus u. d. Bligde
zu SUoah. (31)
Dar Bildersohmnck dw Cod. Egbert! zu Trier n. d. Cod. Eptemaoeniis su Gotha. 91
Bl. 52a. Job. 11, 1
-46. (31) Tafl. III.
K. 65a. Mariae Dienst
Job. 12, 1—8. (32)
Bl. 24b. Mattb. 9, 20
-23. (16)
Bl. 25a. Jairi Töchter-
lein. Matth. 9, 23
-26. (17)
Bl. 24a. Matth. 8, 23
—27. (15)
Lazarus Aufer-
weckung. (32)
Tafl. III.
Der Gichtbrüchige
im Hause. (33)
Petri Schwieger-
mutter geheilt. (34)
Bl. 54a. Der Blut-
flüssigen Heilung.
(35)
Der Jüngling zu
Nain. (36)
Der Wassersüchtige
(37)
Christus auf dem
Meere. (38)
Die zehn Aussätzi-
gen. (39)
Bl. 76b. Gleichniss
vom Weinberg.
Matth. 20, 1—17.
(40) Tafl. VI.
Bl. 77a. Gleichniss
vom Weinberg.
Tafl. Vn.
Marc.l2,l-8.(41)
Bl. 77b. Gleichniss
V. Gastmale. (42)
Tafl. Vm.
Bl. 78a. Gleichniss v.
reichen Manne. (43)
/
I Der Bilderiohmaok dM Cod. Ggbarti so Trier u. d. Cod. EpUri
V. 239r (1)
V. 240. (2)
V. 241. (3)
Bl. 66a. Job. 19, 1
-31. (33)
Bl. 78a. Fusswascbung
Job. 13, 1—31. (34)
Bl. 71)b. Job. 18, 1
—12. (35)
Bl. 80b. (Job. 18, 12
—14, 19-23.) (36)
Job. 18, 15—18, 25
—27. (37)
Job. 19, 1. (38)
Bl. 82a. Job. 19, 4.
5. (39) Tal IV.
Bl. 82b. Gbriatua vor
Pilatus. Job 19, 9
-11. (40)
Bl. 83b. Job. 19, 18
—37. (40.42)')
Bl. 84b. Longinus am
Kreuz. (43)
B1.85b.Job 19,40. (44)
Job. 19, 41. 42. (45)
BL 86b. Marc. 16, 1
-7. (46)
Bl. 88a. Luc. 24, 13
—31. (47. 48)
Bl. 89a. Besuch bei
verscblThüren. Luc.
24, 36-47. (49)
Bl. 90a. Cbristusam
SeeTiberias. Job.
21, 1—24. (50)
Tau. V.
Bl 110b Einzug in
Jerusalem. (44)
Gefangennahm. Jesu
(45)
Gang z.Caiphas. (46)
Petrus läugnet. (47)
Geisselung Christi
(48)
Bl. lila. Krönung
Christi. (49)
Tafi. IV.
Simon trägt das
Kreuz. (50)
Kreuzigung. (51)')
Kreuzabnahm.(52)')
Grablegung. (53)-)
Bl. 111b. Die drei Ma-
rien am Grabe. (54)
Der Gang nach
Emmaus. (55)
1) Publiciert Bonner Jehrb. Heft 44 o. 46. Tafl. XII, 1 Tgl. S. 199 f.
2) Publiciert Bonner Jehrb. Heft 47. Tafl. XV, vgl. S. 146 f.
Der Bildersohmaok des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Epternacensis za Gotha. 98
BI. 91a. Job. 20, 11 Christus and Maria.
-17. (51) (56)
Bl. 93a. Job. 20, 24 Christus und Tho-
-29. (52) mas. (57)
Bl. 100b. Christus und
die Zwölfe. Marc.
16, 14—18. (53)
V. 242. (4) Bl. 101b. Marc. 16, Bl. 112a. Himmelfahrt.
18-20. (54) (58)
Bl. 103a.(55)Tafl.III. Ausgiessung d. b.
Geistes. (59)
Tafl. m.
Aus der gegebenen Uebersicbt erhellt zunächst, dass der am
einheitlichsten componirte Cyclus der des Cod. Eptemac. ist. Man
kann hier 4 Tbeile genau unterscheiden : der erste derselben behandelt
die Kindheit Jesu und seine Vorbereitung zum öffentlichen Auftreten,
der zweite seine Wunder, der dritte seine Lehrthätigkeit im Gleichniss,
der vierte sein Leiden und seine Vollendung. Wie mit dieser Dispo-
sition das Leben Jesu voll und chronologisch gut umfasst wird, so
lehnen sich auch die Theile aufs Beste an den Charakter der einzelnen
Evangelien, denen sie vorangestellt sind, an : grade Matthäus behandelt
die Jugendjahre Christi besonders ausführlich, und während Marcus
mehr die Wunder betont, enthält Lucas die schönsten Gleichnisse;
Johannes endlich ist der eigentliche Evangelist der Passionszeit. Nach
alle diesem wird man der Composition des Epternacher Cyclus eine
Vollendung zugestehen müssen, wie sie nur nach mannigfachen früheren,
weniger gelungenen Anläufen auftreten konnte. Ein solcher früherer
Versuch scheint mir nun, wenn man von dem nach ganz anderem
Prindp, nämlich dem perikopischen, geordneten Cod. Egb. absieht, in
den Cyclus der Ingelheimer Kapelle vorzuliegen. Zunächst ist es über-
raschend, dass die von Erm. Nig. erwähnten Bilder mit einer sehr ge-
ringfügigen Ausnahme ganz in der Reihenfolge des Cod. Eptemac.
verlaufen; und noch merkwürdiger erscheint es, dass sich in der Schil-
derung des Erm. Nig. sofort eine dem Cod. Eptemac. ähnliche Ge-
sammtdisposition ergiebt. Auch hier scheidet sich sofort als erster und
letzter Theil die Jugend und die Passion Christi aus ; das Dazwischen-
liegende — leider nur in 4 Versen geschildert — umfasst dagegen
wohl noch die Lehr- und Wunderthätigkeit Christi, also die beiden im
Cod. Eptemac. schon gesonderten mittleren Theile. Nicht minder be-
k.^
94 Der Bildersohmuok des Cod. Egbert! sa Trier u. d. Cod. Epiemaoeiicis la Gotka.
merkenswerth ist die Vertheilung der Darstellungen im Erm. Nig.;
auf die Jugend Christi sind 8 Bilder, auf sein Leiden nur die Hälfte
derselben gerechnet: offenbar noch im Nachgefähl jener altchristlichen,
vor den Leidensdarstellungen zurücksdireckenden Empfindungen, über
welche neuerdings der Cod. Bossanensis so charakteristische Auskunft
giebt. Das Alles hat sich im Cod. Epternac. geändert, hier nimmt die
Darstellung der Passion schon einen bedeutenden, der Schilderung der
Jugend Christi gleichkommenden Raum ein. Der zwischen Cod.
Epternac. und Erm. Nig. liegende Cod. Egb. giebt mit seinen noch
ausführlicheren Passionsdarstellungen den deutlichen Hinweis, wie man
allmählich zur genaueren Darstellung grade der Leidensgeschichte
Christi veranlasst sein wird. Es war die Auswahl der Fericopen, und
noch mehr des Lectionars, welches hier den stärksten Einfluss üben
musste, denn grade nach ihnen bildete sich überhaupt die zeitgenösü-
sehe Vorstellung vom Leben Christi. Nun musste aber grade der Comes,
das karolingische officielle Lectionar, bei seiner Vorliebe für Johannes
besonders die Leidensgeschichte betonen; es begreift sich also, wie
auch von dieser Seite aus speziell seit den Tagen der Karolinger eine
rasch zunehmende Beception der Passionsdarstellungen stattfand.
Sieht man nun von diesem Gesichtspunkte aus die beiden uns
hier beschäftigenden HSS. an, so erscheinen sie hinsichtlich der Com-
Position ihrer Cyclen als zwei Glieder in ein und derselben Entwick-
lungsreihe einheimischer Eunstübung, und von einem auswärtigen Ein-
fluss auf die Umschreibung des ganzen Cyclus und die Gruppirung der
einzelnen Theile desselben scheint keine Rede sein zu können.
Allein mit dieser Bemerkung würde eine fremde Inspiration für
die Composition der Scenen, wie für die Darstellungsweise der einzelnen
Figuren noch keineswegs ausgeschlossen sein: das Materielle der ein-
zelnen Darstellung, wie ihre Gruppirung könnte immerhin noch Ein-
flüsse von aussen her zeigen. Man würde also gerade diese Seiten
noch einer besonderen Untersuchung unterwerfen müssen. Ich thue
das im Folgenden unter doppelten Gesichtspuncten, kulturgeschicht-
lichen und kunstgeschichtlichen, und zwar in der Weise, dass ich mit
der Hervorhebung dieser Kriterien die Beschreibung der auf Tafl. I— VUI
am Schlüsse dieses Hefts gegebenen Umrisszeichnungen verbinde.
Diese Umrisszeichnungen sind nach Pausen, welche ich im Herbst
1880 aus beiden HSS. genommen habe, gefertigt, und gruppiren sich
auf 8 Tafeln in der Weise, dass Tafel I— IV Gegenüberstellungen
gleicher Scenen aus Cod. Egb. und Cod. Epternac. enthält, Tafel V
Der Bildenohmook des Cod. Egberti za Trier n. d. Cod. BpiemaceiiBifl en Gotha. 95
Einzelbilder aus Cod. Egb., Tafel VI— VIII solche ans Cod. Epteraac.
gibt.
Tafel I enthält: a) Eine Reihe von Köpfen aus beiden HSS.,
welche den Charakter der beiderseitigen Zeichnungen und besonders
die in grösserem oder geringerem Maasse vorhandene Fähigkeit, Typen
za gestalten und Gefühle wieder zu geben, zum Ausdruck bringen
sollen. Für Cgd. Eptemac. waren hier die beiden sehr von einander
difiierirenden Hände zu scheiden, jede von beiden musste mit einem
besonderen Cyclus von Köpfen bedacht werden. Den Unterschied der
Darstellungsweisen wird man am besten durch Vergleich der Köpfe
St. Peters kennen lernen, weil grade hier bei allen Händen derselbe,
nur verschieden gestaltete Typus vorlag.
b) Die Hirten auf dem Felde; im Cod. Egb. vielen italieni-
schen Einfluss verrathend; die sonst aus vielfachen Darstellungen
dieser Zeit bekannten deutschen Hirten ähneln bedeutend mehr denen
des Cod. Eptemac. Was die »turris gregisa bedeutet, ist mir unbe-
kannt ^). Im Cod. Eptemac. tragen die Hirten die auch sonst im Cod.
1) Ein genauerer Vergleich dieses Bildes No. 6 des Cod. Egb. mit den ihm nahe-
stehenden Scencn 1 — 20 läset für die Bilder 1—5 13 und 14 eine besondere von der
sonstigen abweichende Tradition erkennen. Diese Tradition steht künstlerisch höher
als die sonst vorhandene, besonders zeigt sie einen vorzüglich verstandenen Fal-
tenwarf. Die Contaren der gegenüber den übrigen um etwa Vs <3™ kleineren
Figuren sind kr&ftig gehalten, häufig macht sich bei ihnen eine statuarische Auf-
üassung geltend. Die Farben entsprechen den sonst vorkommenden, sind aber
in besonders lichten 19 uancen gewählt, die Gesichter sind lebhaft roth von Farbe.
Yon Deutschland weg weist in dieser Trad. schon die gute Proportion der Hände,
welche nicht su gross, eher klein gerathen sind, dann vor Allem die Bemerkung,
dass in diesen Bildern statt der Hosen nur weisse Wadenstrümpfe auftreten,
während die Beine sonst nackt erscheinen. Endlich erscheint nur in den Bildern
18 und 14 der erwachsene Chri9tu8 im Bart, — während sonst stets der bart-
lose jugendliche Christus sich findet — , und mit einem Nimbus, bei welchem
die Ereusbalken über die Peripherie des Kreises hinausragen. Das findet sich
nun freilich früher wie später in origrinalen deutschen Miniaturen (vgl. Cod.
Dosield. bibl. D. 2 Bl. 27b; D. 3 BL 20a; 9.— 10. Jahrb.; Cod. Monac lat 18067,
BL 14b, 11.— 12. Jahrb.), allein alle übrigen Anzeichen beweisen für eine Zusammen-
ttellong dieser Tradition mit den Bildern des jüngst gefundenen Cod. Rossanen-
»iB^ all deren jüngere Fortsetzung sie erscheint. Es sind mithin die Bilder 1 — 6,
18 und 14 unter italienischem Einfluss entstanden. — Diesen Bildern gegenüber
oharakterisiren sich nun alle übrigen Miniaturen des Cod. Egb. durch einen tbeil-
wais schon nnventändlichen Faltenwurf, der namentlich bei den Mänteln der
Apostel leicht Knäuel bildet, durch grobe und dicklinige Contonrirnng und
*nt«
96 Der BilderBohmaok des Cod. Egbert! su Trier u. d. Cod. Eptemaoenrns zu Gotha.
vorkommenden schwarzen Schnürschuhe mit rothen weiss getupften
Schnüren, welche in deutschen HSS. dieser Zeit sporadisch auftreten,
z. B. Cod. Monac. lat. 935, Bl. 9b. Die bewegten, lebhaft gesticuliren-
den Hände der Hirten sind eine stehende Ueberlieferung der karolin-
gischen Epoche, vgl. z. B. Cod. SGallensis No. 402; Cod. Mon. lat.
935, BI. 14b (12. Jahrb.). Eigenthümlich und auffallend ist die
schlechte Pe^pective in der Gruppirung des Cod. Eptemac.
c. Bruchstücke aus dem bethlehemitischen Eindermord.
Es fehlt im Cod. Egb. links im Bilde Herodes auf seinen Eönigsstab
gelehnt, wie er mit dem ausgestreckten Zeigefinger der rechten Hand
den Mord befiehlt, hinter ihm Söldner mit Framen in der Weise der
Mörder. Diese Darstellung des Königs ist durchaus deutsch, sie har-
monirt mit der (ebenfalls weggelassenen) des Cod. Eptemac., wo hinter
dem Könige, auch nach deutscher Sitte, ein armiger steht. Die sym-
bolische Bedeutung des erhobenen rechten Zeigefingers im deutschen
Recht als Ausdruck des Befehls oder Auftrags findet sich u. A. wieder
im Heidelberger Sachsenspiegel [Aug. v. Batt v. Babo etc. (Teutsche
Denkmäler I) 1820] Tafl. HI, 1 ; VIT, 4 u. oft. Die ümrisszeichnung
enthält nun die eigentliche Mordscene; welche kulturhistorisch beson-
ders durch den ungemein energischen Ausdruck des Tödtens als das
Denkmal einer grausamen, daher gegenüber dem Mord in seiner
schlimmsten Form ästhetisch wenig gefühlvollen Zeit von Bedeutung
ist Die Gruppe der Frauen des Cod. Egb. ist in Zeichnung und Färbung
der nackten Partieen im Vergleich zu Cod. Mon. lat. 935, Bl. 4a, 12.
Jahrhh. und Cod. Mon. lat. 11068, Bl. 5a, 13. Jahrh. vorzüglich ge-
lungen, es liegt hier noch die beste karolingische Ueberlieferung vor.
Charakteristisch für diese, wie die Epternachsche Darstellung sind die
langen weissen Schleier: die beliebte Tracht deutscher Frauen im
früheren Mittelalter, vgl. Cod. Mon. lat. 15093, Bl. 49b, 11. Jahrb.;
wenige lichte Farben. Die Zeichnung der Physiognomien ist etwas gröber,
zeichnet sich dagegen durch eine ungemein lebhafte Wiedergabe der Empfindun-
gen und durch eine zu grosse und tiefliegende Darstellung der Augenpartie aus.
Zur Verdeutlichung der Empfindungen werden die Hände stark benutzt und
fallen deshalb meist zu gross und ungelenk aus. Ungeschickt sind überhaupt
eine Anzahl von Bewegungen, namentlich die der Füsso, welche eine Reihe von
Personen (z. B. Maria auf Bild 9) beim Gehen nicht heben. Alle diese Merk-
male führen zu dem Schluss auf eine deutsche, unyerfölscht karolingische Tra-
dition, welche übrigens trotz der angedeuteten doch meist sehr versteckten Män-
gel eine recht gute genannt werden mnss.
Der Bilderscbmuok des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Epternacensis zu Gotha. 97
8271, Bl. 6b, 12. Jahrb.; 13074, Bl. 90b, 12. Jahrb., und Herads v.
Landsperg Hortus deliciarum passim. Von den Farben des Cod.
Eptemac. sind von näherem Interesse: die Röcke der Mörder kobalt-
grün und mumienfarben, der Beinbckleidung berliner blau und kobalt-
grün; die Frauen tragen Kleider in Berlinerblau, Ziegelroth und Schar-
lach, die weissen Schleier haben stahlblaue Schatten. In den Kleidern
des Cod. Egb. überwiegen die Okerfarben.
Tafel IL a) Der Aussätzige aus der Heilungsscene Math. 8, 1—4;
nach den Worten des V. 2 : leprosus veniens adorabat (Jesum). Der
Gestus der Adoration ist im Cod. Epternäc. vorzüglich ausgedrückt,
er findet sich häufig ganz identisch in deutschen HSS., aus den publi-
cirten Bildern vergleicht sich z. B. Herrad v. Landsperg (ed. Engel-
hardt) Tafl. n., s. auch No. 174 der Gemäldegalerie des Walrafianums
(Köln). In beiden HSS. ist der Leprose fast nackend, nur von einem
weissen Gewand mit schmutzrothen Schatten (Cod. Egb.) oder einem
rothen Stück Tuch bedeckt (Cod. Eptemac). An einem Riemen führt
er ein Hörn (die Tuba: Herrad, Tafl. V), wie es auch Jäger, Hirten und
Wächter haben, um vor seiner ansteckenden Nähe durch Blasen zu
warnen. Ausserdem trägt er im Cod. Eptemac. noch den langen Stab,
das charakteristische Zeichen fahrender Leute^ das auf Tafl. II sich auch
bei dem Blinden, wie Tafl. VE und VHI bei den wandernden Boten
vorfindet. Zu diesen Attributen des Bettlers gehört eigentlich noch
eine Ledertasche zum Umhängen, wie sie der unsern Darstellungen
sonst ausserordentlich ähnliche Bettler Cod. Mon. lat. 15093, Bl. 99a,
11. Jahrb. trägt; vgl. auch Gottfr. v. Strassb. Tristan 3994—4011.
Die Centren der Leprosenpflege im innern Lothringen waisn sehr früh
schon Metz und das Kloster St. Vannes-Verdun (s. MR. ÜB. I, 6 u. 7,
No. 6. 636), am Rhein war das Hauptleprosenhaus die Domus St. La-
zari (Melaten) b. Köln, s. die bei Ennens Qu. z. G. der Stadt Köln
Register citirten Stellen, namentlich aus der Zeit Konrads von Hoch-
staden. — b. Aus der Darstellung zu Marc. 2, 13 u. 14: Levi, Al-
phaeosSohn sitzt am Zoll (sedentem ad teloneum). Zur Darstellung
des Zöllners vgl. man die des Judas mercator mit der libra im Hortus
delic Tafl. L Die Farben sind im Cod. Egb. : Untergewand und Fuss-
bekleidung weiss, Mantel indigoblau, die Waage golden; im Cod. Ep-
temac: Untergewand weiss, Mantel dunkelkarmin, Waage und Gefässe
golden. Die Gefässe zeigen den Stil deutscher Arbeit des 8.— 10. Jahrh.
und erinnern u. A. an den Ludgerkelch zu Werden und Cod. SGallens.
432|8, 287, 10. Jahrh. — c. Der Gergesener aus der Scene zu
7
98 Der Bildersohmuok des Cod. Egbert! za Trier a. d. Cod. Epternaoenns zn Gotha.
Marc. 5, 1—19: homo in spirita immundo, welchen catenae und com-
pedes nicht zu fesseln vermochten. Die Darstellung des Cod. Egb.
hat sich hier an die Ketten gehalten^ die des Cod. Epternac. an die
Seile. Mit der Darstellung des Cod. Egb. harmoniren fast ganz Ueidelb.
Ssp. XX, 5; XXI, 2; eine gleiche Fussfessel, wie hier, sieht man auf
Bl. 87a des Cod. Trevir. bibl. 1378 (Flores epitaphii des Abts Theofrid
von Echternach). Endlich lässt sich auch die Tracht des Cod. Egb.
für später belegen; wie hier der Wahnsinnige einen weissen bruoch
(mit grau-grünen Schatten) trägt, so ist der Demoniacus des Hortus
delic. Tafl. I mit blossen Hosen bekleidet. Cod. Epternac. dagegen stellt
den Gergesener in der gewöhnlichen Tracht niedriger Leute des 10.
Jahrh. in Deutschland dar; in okerfarbnem Rock, kirschrothen Hosen^
und sepiabraunen Stiefeln. Gebunden ist er mit Strohseilen, wie der
Dieb Heidelb. Ssp. XI, 6; XV, 7, Dresdener Ssp. (Cod. Dresd. 32)
Bl. 31b, und wie Isaak bei der Opferung durch Abraham im Cod. Mon.
lat. 14159, Bl. Ib 12. Jahrh. Die beiden Besessenen entfliegenden bösen
Geister sind sehr charakteristisch als Schattenexistenzen ohne Con-
turen blos in tiefem Violet gegeben. Wenig später dagegen treten Teufel
wie Seelen conturirt auf, vgl. Cod. Mon. lat. 13074, Bl. 28b, 12 Jahrh.,
Cod. Trev. 1378, Bl. 135b, 13. Jahrb.; Heidelb. Ssp. XXIV, 8, 13. Jahrh.
— c. Der Blinde aus der Scene zu Luc. 18, 31—41, speciell V. 35:
»caecus quidam sedebat . . . mendicans«. Es gilt für den Habitus
dieser Figur ein Theil der sub a) zum Leprosen gemachten Bemer-
kungen; namentlich betreffs des Costüms, das auch hier nur aus
einem in Cod. Egb. dunkelvioletten, in Cod. Epternac. ähnlich dunklem
Gewand besteht. Der Blinde im Cod. Egb. trägt ausserdem noch eine
weisse Kopfbinde. Die Gesticulation der Fig. drückt in wünschens-
werthester Deutlichkeit den citirten V. 25 aus. Merkwürdig ist die
analoge Anordnung der beiderseitigen Scenen im Cod. Epternac. undi
Cod. Egb., nur in umgekehrter Folge der Darstellung. Diese Anord-
nung findet sich so auch Tafl. lY a; ich vcrmuthe, dass sie auf eine im
Laufe der vor unsrer HS. liegenden Tradition vorgekommene Durch-
zeichnung der Vorlage zurückgeht. Charakteristisch für die karolin-
gische Ueberlieferung ist der Baum, unter dem sich auf beiden Seiten
der Blinde befindet; seine ornamentale Auflassung weist hin auf die
Schulung durch antike Reliefs einerseits und auf das geringe Natur-
verständniss und die ornamentale Beanlagung des Deutschen andrerseits.
Diese oinamentaleu Bäume erhalten sich traditionell bis in die zweite
Hälfte des Mittelalters, werden aber immer zierlicher und dadurch
\'
Der Bildenehmaek des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Eptemaoensis zu Gotha. 99
naturalistischer, vgl. Cod. Mon. lat. 13074, Bl. lOlb, 12. Jahrb., und
Ckxl. Mon. lat. 4660 BI. 64h, 13. Jahrh. Neben dieser omamentalen
Richtong läaft aber von jeher eine mehr auf die natürliche Darstellung
gerichtete Auffassung her (vgl. Cod. Trevir. bibl. 136, Bl. 6b, 8. Jahrh.
2. H.)) welche endlich ganz siegt. Doch brachte es schon die erste
Richtung zu einer freilich ganz omamentalen Landschaft, vgl. Cod.
Mon. lat 935, Bl. Ib, 12. Jahrh. ; Cod. Mon. lat. 4660, Bl. 64b (die
Weingartoer liederhs.: die schönste Landschaft in dieser Auffassung)
13. Jahrh.; und das Graduale des Johann v. Falkenburg von 1299 im
Kölner Erzb. Museum.
Tafel, in. a) Aufer weckung des Lazarus, vgl. Job. 11, 1—46.
Wie die eigenthümliche Composition der Scene des Cod. Egb. ent-
standen ist und sich nur unter Annahme einer langen Tradition er-
klären lässt, ergiebt sich aus meinen Bonner Jahrb. Heft 69, S. 94 ge-
machten Bemerkungen. Ich habe diese Scene hier ganz wiedergegeben,
weil sie eine der figurenreichsten und stimmungsvollsten ist und zu-
gleich in die Perspective der Bilder in lehrreicher Weise einfährt. Im
Cod. Eptemac. hat wieder eine Vereinfachung der Scene des Cod. Egb.
stattgefunden : Christus tritt als Wunder wirkend ganz in den Vorder-
grund, alle übrigen Figg., die Juden, Frauen und Apostel verschmelzen
zu einer zuschauenden Masse. Im Einzelnen bemerke ich zn Cod. Egb.:
die Apostel tragen weisses Untergewand und dunkelvioletten Mantel,
Christus weisses Untergewand und indigoblauen Mantel ; Maria ist mit
weissem Schleier und Unterkleid, wie dunkelgrünem Mantel bekleidet;
Martha und Lazarus erscheinen weiss. Die Bordüre des Randes ist
dunkel-kirschroth mit goldenen Verzierungen, wie alle Bordüren des
Cod. Egb. Innerhalb der Scene sind die Affecte der einzelnen Gruppen
besonders lebhaft wiedergegeben, von Petrus an, der erstaunt die Hände
ausbreitet, über den Diener, welcher die Nase gegen den Todesgeruch
yerschliesst, hin bis zu Martha, deren Hände derKikistler zum kräftigen
Ausdrack des Erstaunens über kopfesgross gebildet hat. Von den ein-
xelnen Gestalten sei besonders Maria erwähnt (cecidit ad pedes eins
[Jesu]: V.32) in der Stellung höchster, bittender Unterwürfigkeit (vgl.
eine Miniatur des Cod. Gladebac. Archiv d. St. Köln VIII, 24, 12. Jahrb.);
und Lazarus in der Linnenumhüllung des Todten, welche gerade so in
Cod. Trevir. bibL 1708, Bl. 3a, in Joh. v. Falkenburgs Graduale sub
Agenda defunctorum und auf No. 1746 des Mus. Walraf-Richartz be-
gegnet. — Im Cod. Eptemac. schliesst die analoge Scene nach links
mit einem Springbrunnen ab: es ist dies die Kokv^ßij&Qa von Siloah,
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100 Der Bildenohmuck des Cod. Egbert! zu Trier vu d. Cod. Eptemaoenflis zu Gotha«
welche zur vorhergehenden Scene gehört. Der Todte ist im Cod.
Eptemac. fest in Tücher gewickelt, wie sich das im Heidelb. Ssp. X, 3;
XII, 3 wiederfindet; auch die Kopfbedeckung mit den Knöpfchen beruht
auf deutscher Sitte, s. Cod. SGallensis 135, S. 429, 10.— 11. Jahrh.»).
Maria und Martha erscheinen in langen ziegelrothen und stahlblauen
Schleiern — unser schwarz als Trauerfarbe ist also noch nicht allge-
mein giltig — während die letztere sich wundert, adorirt Maria mit
zusammengelegten Handflächen (vgl. Tafl. IIa) zugleich mit dem Aus-
druck der Bitte (s. den Capellar auf der Urk. der St. Lupusbrüder-
schaft, 1246 Novbr. im Dflsseld. Prov. Archiv).
b) Gruppe aus der Laienwelt beim Pfingstfest (vgl. Marc.
16, 18—20), zeigt aufs Deutlichste den engen Zusammenhang der dem
Cod. Egb. und Ck)d. Eptemac. unabhängig von einander vorliegenden
Tradition und giebt zugleich eine Vorstellung von der höchsten Lei-
stungsfähigkeit der beiderseitigen Miniaturen in der Wiedergabe von
Körperbewegungen.
Tafel IV. a) Die Ehebrecherin aus der Scene Joh. 8,
1—11, speciell V. 9—10: unus post unum exibant [calumniatores],
incipientes a senioribus, et remansit solus Jesus et mulier in medio
stans. Was die Geste der Adultera bedeutet, vermag ich nicht zu
sagen; dieselbe Stellung der Hände habe ich Cod. SGallensis 402 bei
einem Gottes Macht anerkennenden Engel gefunden, etwas Aehnlichcs
bietet als Geste des Staunens auch No. 172 der Gemälde des Wallraf-
Richartz-Mus. Köln. Die Ehebrecherin trägt schwarze Schuhe und ein
weisses Gewand, das mit schweren Borten von Scharlach mit aufge-
nähtem Goldzierrat besetzt ist ; ihre Kleidung erinnert an die im Hortus
delic. Tafl. II abgebildete ancilla; als adultera speziell charakterisirt sie
das aufgelöst über die Brüste fallende Haar. Dieselben Merkmale gelten
im Wesentlichen auch für die Ehebrecherin des Cod. Eptemac, welche
schwarze Schuhe, purpurnes Kleid mit goldenen Borten und schar-
lachnen Mantel trägt; ihre Gcsticulation ist genau die des fahrenden
Weibes im Heidelb. Ssp. XXII, 9. b) Die Samariterin repräsentirt
eine vornehme Frau aus dem Ende des 10. Jahrb., deren Kleidung den
vollen luxuriösen Bortenschmuck der Zeit zeigt. Eigenthümlich sind
1) Es findet sich also die feste Schnürung des Cod. Eptemac. neben der
losen des Cod. Egb. Grade so existirten diese beiden Gepflogenheiten för die
Windeln der Kinder promiscue, vgl. Cod. Mon. lat. 8271, Bl. 62b, 12. Jahrb.;
Heidelb. Ssp. X, 2; d. Gradaale des Joh. y. Falkenbarg.
Der Bilderichmuck des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Eptemacensis zu Gotha. 101
die blousenarügen Aermel der Samariterin des Ck)d. Egb. Den Schöpf-
eimer im Cod. Egb. vermag ich aus deutschen Denkmälern nicht zu
belegen, wohl aber den des Cod. Eptemac. ; vgl. Cod. Mon. lat. 14159
BL 5a u. b, 12. Jahrh. und Joh. v. Falkenburgs Graduale sub Dedi-
catio ecclesiae. c) Zu Joh. 19, 4 u. 5: Exivit ergo iterum Pilatus
foras et dicit eis: Ecce adduco vobis eum foras, ut cognoscatis, quia
nuUam invenio in eo causam. Exivit ergo Jesus portans coronam
spineam et purpureum vestiraentum. Diesen Worten entspricht zu-
nächst in beiden Darstellungen der dunkelpurpume Mantel Christi.
Eigenthümlich ist die Lage der rechten Hand Christi auf beiden Bil-
dern; sie ist nur aus der symbolischen Vorstellung des deutschen
Rechts zu erklären, dem das Verstecken der Hand als Zeichen des
Versagens, Verzichtens, Duldens gilt; vgl. Heidelb. Ssp. VI, 3; XVI,
6y 8. Ebenfalls der deutschen Rechtssymbolik gehört die Bewegung
der linken Hand bei Pilatus an, sie ist ein Charakteristicum des Richters
und der richterlichen Gewalt des Bannes, s. Cod. Mon. lat. 13074,
Bl. 55b, 12. Jahrb.; Ileidelb. Ssp. XX, 8. Im Costüm von Christus
und Pilatus zeigt der lang herabwallende, auf der rechten Schulter
befestigte Mantel den vornehmen Mann an.
Tafel V. a) Darbringung im]j.Tempel, s. Luc 2, 21—32;
vorzügliche Scene nach Composition und Farbenwirkung. Die Farben
sind folgende: 1) Joseph: Untergewand weiss mit bläulichem Schatten,
Mantel rothbraun mit Lichtern in hellerem Roth, besonders hervor-
tretende Stellen, wie auch sonst, mit Gold aufgehöht; 2) Maria: weisses
Untergewand, olivengrüner Mantel, langer graugrüner Schleier; 3)
Christus: indigoblauer Rock; 4) Altar: die Seiten dunkelviolett, die
Decke ziegelroth; 5) Simeon: Untergewand weiss, Mantel dunkelviolett
mit helleren bis weissen Lichtern, das Tuch in den Händen olivengrün ;
6) Anna: Untergewand weiss, Mantel mineralblau, Schleier olivengrün.
Zu dem Typischen der deutschen Darstellungsweise in dieser Scene
vgl die No. 34. 36. 133 des Mus. Wallraf-Richartz. Das Tuch erinnert
vielleicht an eine recht symbolische Vorstellung, welche sich bei der
Traditio eines Novizen an den Patron des Klosters findet; ich habe
hierüber Staats- und socialw. Forschungen I, 3, S. 73 gesprochen. —
b) Die Diener aus der Hochzeit zu Cana, s. Joh. 2, 1—11; sie
tragen schwarze, resp. schmutzig-gelbe Halbstiefel, braunviolette und
gelbe Hosen und Röcke')* In Tracht und Aussehen erinnern sie durch-
1) Die GeBiohtsfarbe bat auf dieser Miniatur einen eigenthümlioben Schimmer
102 Der Bilderschmuok des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Eptemaoensis xn Gotha.
aus an die als »militesa bezeichneten Leute auf Bl. 82a, an die wür-
felnden Landsknechte auf BL 83b und die Tortores der Schacher auf
BL 84b. Diese Analogien weisen alle Dargestellten dem Stande der
Ministerialen zu, und qualifizieren die ministri der Hochzeit zu Cana
als Schenken. Vgl. mit ihnen den Tafl. Villa dargestellten Truchsess.
— c) Ein Wechsler im Tempel (vgl. Matth. 21, 12 u. 13) mit
weisser Fussbekleidung und weisser Tunica, in dunkelviolettem ManteL
Diese im Cod. Egb. meist nur öffentlichen Autoritäten zustehende Tracht
zeigt den .Wechsler als vornehmen Herrn ; wie denn in der That die
Wechsler zu den vornehmen und reichen Bürgern der Städte gehörten.
— d; Einzug in Jerusalem. Die Apostel erscheinen in weissen
Untergewändern, dunkelblauen und scharlachnen Mänteln; Christus in
ebenfalls weissem Untergewand und dunkelviolettem Mantel; der Sattel
ist scharlachroth. Die vor dem Herrn ausgebreiteten Mäntel haben
scharlachne dunkelblaue und sattgrttne Farbe ; da die Juden sie abge*
nommen haben, so erscheinen sie nur in weissen, scharlachnen und
dunkelvioletten Untergewändern mit reichen purpur-goldnen Borten.
Die Palme ist verhältnissmässig naturalistisch aufgefasst, freilich hat
ihr Zeichner offenbar nie eine wirkliche Palme gesehen, sondern richtet
sich nach seinen Vorbildern, wie ein Vergleich mit Cod. Rossan. Tafl. V
zeigt. Die Farbe der Palme, die ohne Conturen gemalt ist, zeigt ein
mattes grünliches Grau; ebenso ist der Esel gemalt. Die ganze Scene
zeigt eine grosse Aehnlichkeit mit der des Cod. Epternac, namentlich
kehrt der charakteristische Zug wieder, dass die Palmblätter dem Esel
direct gleichsam zum Fressen vorgehalten werden. Auch finden sich
am Boden zwei Mäntel, über welche beide Christus schon reitet, und
ein dritter wird ihm entgegengestreckt. Die Gruppe links im Bilde
setzt sich im Cod. Epternac. ebenfalls aus 6 Personen zusammen, sie
wird als »turbae« bezeichnet, und nur die beiden vordersten Figg. cha-
rakterisiren sich als Apostel. Der grösste Unterschied zwischen Cod.
Egb. und Cod. Epternac. besteht darin, dass im letzteren die Palme
von dunkelgrün, dieser findet sich anoh noch No. 7 und 10. Da nun auf den
abgeblätterten Stellen von No. 5 die Gesichter ebenfalls grüne Untermalung
zeigen, so lässt dieser Umstand darauf schliessen, dass diese Bilder nicht ganz
vollendet sind. Es zeigt sich das am Meisten auf Bl. 10» wo fast überaU, auch
ausserhalb der Fleischpartie, eine grüne Untermalung durchschimmert. Mög-
licherweise erklärt sich durch diese grüne Untermalung der Miniaturen auch die
befremdende Thatsache, dass die zu Beichenau zuerst aufgedeckten Wandmalereien
aus der 1. Hälfte des Ma,8 in den Fleischpartien fast schwarz erscheinen,
Der Bilderschmnok des Cod. Egberii zu Trier u. d. Cod. Eptemacenris zu Gotha. 108
nebst dem Zweige brechenden Manne fehlt; hierfür trägt die Gruppe
rechts durchweg Palmzweige in den Händen. — e) Petrus alsFischer,
ZQ Joh. 21, 7 : Simon Petrus . . tunica succinxit se (erat enim nudus) . .
und V. 11: ascendit Simon Petrus et traxit rete in terram. Demge-
mäss ist Petrus nackt bis auf ein weisses umgeschlungenes Laken.
Die geringe, fast kaum vorhandene Kleidung der Fischer bei Ausübung
ihres Berufs, wie ^ie hier der Text vorschreibt, ist indess auch allge-
meine deutsche Sitte, vgl. Dresdner MS. 32 (Ssp.) Bl. 29a und aus
noch viel späterer Zeit das Breviar. Grimani (Bibl. St. Marcus- Venedig)
Tabb. photc^r. 6 und 12.
Tafel VI. Das Gleichniss von den Arbeitern im Wein-
berge, Matth. 20. 1—17. Es ist in 5 Scenen dargestellt, welche sich
folgender Maassen vertheilen: a) der Pater familias tritt aus seinem
Hanse heraus auf das Forum primo mane conducere operarios in vi-
neam süam. Conventione autem facta cum operariis ex denario diumo
mißit eos in vineam suam (V. 1 u. 2). — b) Der Pater familias tritt
zum zweiten Male heraus, »vidit alios stantes in foro otiosos, et dixit
illis: Ite et vos etc.«, ohne eine conventio zu machen (V. 4u. 5). Er
thnt dies dann zum zweiten und dritten Male: eine doppelte Wieder-
holung, welche der Cod. Eptemac. mit Recht vermeidet noch einmal dar-
zustellen. Dagegen gicbt der Cod. : c) eine lebendige Scene voller Wein-
bergsarbeit, welche im Texte des N. T. durch nichts ausgedrückt ist.
Sie soll den Beschauer in die Mühen des heissen Tages einführen,
welche die Arbeiter zu ertragen haben. Mittlerweile wird es Abend,
und es entwickelt sich Scene d). Um die elfte Stunde geht der Pater
familias noch einmal heraus und findet noch feiernde Arbeiter auf dem
Forum, «dicit illis: Ite et vos in vineam meama (V. 5 u. 6). e) Es
ist spät geworden, die Arbeiter kehren vor das Haus des Pater fami-
lias zurück und heischen den Lohn, welchen der Herr durch seinen
Procurator für Alle gleich ertheilen lässt. Es zeigt sich nun die Un-
zufriedenheit der fünf zu verschiedener Zeit gedungenen Arbeiterparteien,
deren vier im Cod. Epternac. durch je einen Vertreter dargestellt sind.
Namenth'ch die erste Partei, mit welcher die Conventio gemacht ist,
murrt wider den Herrn; es ist der bartlose Arbeiter der Scene a),
der zuvorderst mit dem lebhaften Ausdruck des Aergers gegen den
Procurator remonstrirt, welcher eben an die zuletzt gekommene vierte
Partei den Denar austheilt Während dessen spricht der Pater familias
zum Vordersten: i>Amice, non facio tibi iniuriam; nonne ex denario
convenisti mecum? Tolle, quod tuum est, et vade; volo autem ethuic
104 Der Bildenohmuck des Cod. Egberti zu Trier u. d. Cod. Epiemaoenns sa Gotha.
novissimo dare sicut et tibia (Y. 13u. 14). — Zu den einzelnen Scen^n
bemerke ich Folgendes: In Scene a) sind die operarii als mercennarii
bezeichnet, was ohne Anhalt im N. T. ist. Wahrscheinlich sollen sie
den späteren Stundenarbeitern als volle Lohnarbeiter gegenüber gestellt
werden; denn auch unter den später eintretenden Arbeitern ist wieder
der Unterschied gemacht, dass diejenigen der dritten, sechsten und
neunten Stunde unter Scene b) noch als operarii bezeichnet werden,
während diejenigen der elften Stunde (Scene d) einen Namen über-
haupt nicht erhalten. Von Bedeutung sind in Scene a) die Gesten
des Pater familias, die rechte Hand drückt überzeugend das Wegsen-
den, Beauftragen der Arbeiter aus; vgl. das zu Tafl. IV c) Bemerkte;
die linke dagegen muss sich auf die Worte Dconventione facta« be-
ziehen. Es ist nun fraglich, ob man in dem vorgestreckten Zeigefinger
dieser Hand eine Hindeutung nur auf den einen Denar erblicken soll,
oder ob hier eine für Vertragsrecht allgemein giltige symbolische Hand-
bewegung vorliege. Zu letzterer Annahme könnte man unter Vergleich
von Heidelb. Ssp. III, 8 vielleicht eher geneigt sein. Dass jedenfalls
der Darstellung grade dieser Geste vom Zeichner eine grosse Wichtig-
keit beigelegt wurde, lässt sich daraus ersehen, dass er, um sie an-
bringen zu können, den Stab des Pater familias gradezu isoUrt
zeichnet. Die Mercennarii der Scene a) sind nach zwei verschiedenen
Motiven gruppirt; während die einen (die beiden äussersten) noch den
Befehl des Pater familias anhören, sind die beiden anderen schon bei
der Ausführung desselben und wollen weggehen. Diese Anordnung
kehrt in Scene b) und bedingungsweise auch in Scene d) wieder. In
Scene b) sind die Handbewegungen des Pater familias einfacher, da
bei diesen Arbeitern der Vertrag wegfällt, sie geben nur den einfachen
Ausdruck des Befehles. Von hohem wirthschaftsgeschichtlichem Interesse
ist Scene c), die Arbeiter im Weinberge in den verschiedensten Beschäf-
tigungen, von denen ich die des Arbeiters in der Ecke rechts — er
bückt sich zu einem in Stein gefassten Quell — nicht recht verstehe.
Es sind im Ganzen 11 Arbeiter, entsprechend den 11 Stunden des Tages,
welche bis zum Engagement der letzten Partei in Scene d) im Wein-
berge vertreten erscheinen. Die einzigen Werkzeuge, welchen man
bei den Arbeitern begegnet, sind die Hacke, welche sich ähnlich in
Cod. Mon. lat. 8713 (Adam) 13. Jahrh. findet, und die Hippe, noch
jetzt in analoger Form gebräuchlich und mir auch aus der zweiten
Hälfte des MAs. (Cod. Mon. germ. 32. Bl. 7b) bekannt. Zur Dar-
stellung der Weinstöcke vgl. oben TU. II d und speziell Heidelb. Ssp.
Der Bildenchmaok des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. Epternaoensis za Gotha. 105
n, 5, 7 ; die Wiedergabe der jungen Weinsprossen erinnert sehr leb-
haft an die sonst gebräuchliche Zeichnung der Blumen, vgl. z. B. Cod.
Mob. lat. 12201 e, Bl. 19b, 106b und 14159, Bl. 2b, 12. Jahrb., und
die nebenherlaufende schon naturalistischere Auffassung im selben C!od.
Bl. Ib. Die Handbewegungen der Scene d) erklären sich wohl aus
dem Bestreben des Zeichners, die Zeit der Anfrage durch den Pater
familias zu bezeichnen, worauf auch der übergeschriebene Vers Bezug
nimmt; daher zeigt der Hausvater und ein Arbeiter nach dem Himmel.
In Scene a) ist die mittlere Figur des Procurators, weil selten darge-
stellt, von grösserer Wichtigkeit. Durch die Besetzung der Kleider
mit Borten wird der Procurator als zu den höheren Ständen gehörig
bezeichnet, er wird also nicht mit dem Villicus des 10. Jahrb., dem
Meier oder Vorsteher eines grösseren herrschaftlichen Wirthschafts-
hofes, sondern mit dem Hofbeamten für die Führung des Haushaltes,
dem Kämmerer zusammenzustellen sein^). Sehr bezeichnend ist es,
wie er die Denare hält, wohl in der Absicht sie vor den dringenden
Forderungen der Arbeiter zu schützen; gewöhnlich trug man grössere
Summen im aufgehobenen Vorderzipfel des Rockes (vgl. Heidelb. Ssp.
passim). — Ich gebe schliesslich noch einige Notizen über die Costü-
mirung und ähnliche Aeusserlichkeiten, welche sich zugleich mit auf
Tfl. VTI beziehen. Der Pater familias trägt weisse oder schwarze
weiss geschnürte Fussbekleidung, mineralblaue Hosen, kirschrothen
oder dunkelgrünen Rock mit goldenen und scharlachnen Borten,
weissen oder kirschrothen Mantel mit goldenen Borten. Sein Haar und
sein Bart ist weiss, zum Zeichen der ihm iune wohnenden Autorität
führt er den Stab (baculus) von goldner Farbe und gleicher Beschaffen-
heit, wie die Stäbe, welche später vom Könige mit dem Ring zu-
sammen den Bischöfen bei der Investitur verliehen wurden; vgl. die
Abbildung der letzteren Cod. Mon. lat. 14159, Bl. 2a. Das hier dem
Pater familias gegebene Ensemble bildet stehend das Kennzeichen des
vornehmen Deutschen im 10.— 12. Jahrb., vgl. u. A. Cod. Mon. lat.
13074, Bl. 15b, 12. Jahrb. Dem Herrn gegenüber erscheint der Pro-
curator ohne Mantel, aber doch noch in weissem bebortetem Rock, wozu
kirschrothe Hosen und dunkelbraune Stiefel kommen. Eine dritte, noch
tiefere Kostümkategorie bilden die Arbeiter (und Unfreien auf Bl. VHI),
1) YgL Kölner Ministerialenrecht, Ennen Qu. I, 218: Item advocatus Co-
loniensiB has XII Gurtes . . sna habebit potestate ei procnratione, ut viUico«
in eis ponat et deponat eto.
106 Der Bilderflchmaok des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. EptemaoenBis tu Qotha.
sie tragen nur einfache Böcke in Gelbbraun, Fuchsbraun, Berlinerblau,
Dunkelgrün, Braunroth und Ziegelroth; ausserdem Hosen in Weiss,
Blaugrau, BerlinerblaU; Dunkelgrün, Ziegelroth und Braunroth, Und
weisse, schwarze, hellbraune oder dunkelbraune Halbstiefel. Ganz ähn-
liche Darstellungen gewöhnlicher Leute (operarii) finden sich auch
sonst in deutschen HSS., z. B. eines Steinmetzen Cod. Mon. lat. 13074,
Bl. 90b ; für die Jahrhunderte lange Dauer dieser Tracht mit geringen
Veränderungen legen Zeugniss ab Cod. Trev. bibl. 136, Bl. 37a, 63a,
8. Jahrb., 2. Hälfte und Cod. c. pict. Monac. 63a, 13. Jahrb., wie auch die
Gemälde des Kapitelsaals zu Brauweiler (Aus'm Weerth Wandmalereien
des Christi. Mittelalters, Tfl. IV, V).
Tafel Vn. Das Gleichniss von den Arbeitern im Wein-
berge, Marc. 19, 1—8. Die Darstellung zerföllt in 5 Scenen: a)Vi-
neam pastinavit bomo, et circumdedit sepem, et fodit lacum, et aedi-
ficavit turrim et locavit eam agricolis, et peregre profectus est(V. 1);
b c) 2 Scenen, welche in collectiver Darstellungsart die Erzählung der
Verse 2—6 wiedergeben. Der Herr sendet »in tempore servum, ut ab
agricolis acciperet de fructu vineaea, dieser wird geschlagen; er schickt
einen zweiten, der am Kopfe verwundet wird, einen dritten, der ge-
tödtet wird, und mehrere andere, denen es ähnlich wie dem ersten und
dritten ergeht. Beide Scenen sind nun so angeordnet, dass Scene b)
den Pater familias darstellt, wie er vier Servi, welche mit Botenstäben
ausgerüstet sind, beauftragt, entsprechend der viermaligen Sendung
des primus, secundus, tertius und der plures alii; während Scene c)
den Empfang der 3 Kategorien — denn den zu viert gesandten Boten
erging es wie den ersten und dritten — im Weinberge schildert. In
ähnlicher, nur dem Gegenstand entsprechend einfacherer Weise sind
die Scenen d) und e) angeordnet; von ihnen enthält d) die schliess-
liche Absendung des Sohnes zu den Arbeitern »quia reverebuntur
filium meumu (V. 6) und e) das unglückliche Schicksal dieses Sohnes
im Weinberg (V. 7 u. 8). Den kulturgeschichtlich wichtigsten Inhalt
bietet von diesen Darstellungen die Scene a). Ein Zaun umschliesst
hier den eben angelegten Weinberg, in dessen Mitte sich der Thurm
— von dem Zeichner offenbar im Sinne des 10. Jahrb. als festes Haus
gefasst — erhebt. Dieser Zaun ist der gewöhnliche des Mittelalters,
der sich schon in den Volksrechten, dann viel später in allen Bilderhss.
des Ssp. (vgl. z. B. Heidelb. Ssp. VIH, 2, 4) findet, und auch im 15.
Jahrb. mit einer Modification noch das gewöhnliche ist (vgl. No. 172a
der GemäldegaUerie des Mus. Wallraf-Richartz). Auch die Darstellung
Der Bildenobmuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. EpteraAcensis zu Gotha. 107
des Weinbergs durch einen Zaun mit einigen oder auch nur einem
darin befindlichen Weinstock ist die in Deutschland gewöhnliche, vgl.
das Grundpuech ULF. zu Fürstenzell (1475): Cod. Mon. lat. 7201, Bl. 18a.
Links vom Thurm innerhalb des Zaunes befindet sich die neu ange-
legte Kelter (Torculare — ein zweites Exempl. in Cod. Eptemac. Bl. 16a),
noch ohne das zugehörige Haus (domus torcularis), welches die rheini-
schen Urkk. fast stets selbständig nebenher erwähnen. Rechts vom
Thurm aber ist der Act der locatio des Weinbergs dargestellt: d. h.
nach deutschrechtlicher hier genau vertretener Anschauung die In-
vestitur der Agricolae abgebildet. Der Pater familias vollzieht diese
loTestitur, indem er unter Hinweisung auf sein Eigcnthum mit der
linken Hand, dem vordersten Agricola seinen Stab als Zeichen der
Gewere darreicht. Dieser erfasst den Stab mit der Rechten, mit der
Linken ergreift er vom Weinberge Besitz. Die hier zu Grunde liegen-
den symbolischen Rechtsanschauungen sind identisch mit den Heidelb.
Ssp. II, 7 ; IV, 7 ; VII, 5 vertretenen. Scene b) erscheinen Servi als
Boten, die erste mir bekannte sichere Darstellung des Standes der Un-
freien. Scene c): Der Weinberg ist mittlerweile herangewachsen, die
einzelnen Stöcke ruhen auf Spalieren, was sich in einem Münchener
Kalender des 13. Jahrh. (Cod. Mon. Germ. 32, Bl. 10b) und in den
Gemälden des Eapitelsaales von Brauweiler (Aus'm Wecrth, Tafl. XIII,
XIV) wiederfindet. Die Weinbauern aber sind zu streitbaren Männern
auf ihrem festen Thurm geworden : zu latrones, wie diese Klasse in
den rheinischen Quellen des 10. Jahrhs. bezeichnet wird. Als solche
fahren sie nicht den runden Schild und die Frame wirklicher Krieger
(vgl. Cod. Mon. lat. 15093, Bl. 39b, 11. Jahrb.), sondern die uralten
germanischen Wafien, Steine als Wurfgeschosse, Knüttel und schwarze
Enebelspiesse als Nahwaffe, den menniggefärbten Lindenschild zum
Schutze. Das Werfen mit Steinen findet sich noch Cod. Mon. lat.
15098, Bl. IIb, 11. Jahrb., auch hier mit dem eigen thümlichen steifen
Emporrecken der Hände zum Wurf. Ueber den Knüttel (Kolben, Keule)
als urdeutsche Waffe, vgl Lindenschmit, Handb. d. d. Alterthumskde.
I. S. 184f.; er schied erst durch Capitular von 813 aus den regulären
Kriegswaffen. Im Cod. Epternac. erscheint er noch künstlich gekerbt,
das ist auch Cod. Mon. lat. 935, Bl. Ib, 12. Jahrh. und Heidelb. Ssp.
XI, 2 noch der Fall; Keulen finden sich auch im Hortus delic. I in
Händen der Latrones. Später, als erst der Knüttel, dann auch der
Knebelspiess und der Langschild aus der regulären Bewafihung völlig
ausschieden, finden sie sich noch zur Charakterisirung von Ungeheuern
108 Der BilderBchmaok des Cod. Egberti zu Trier a. d. Cod. Eptemacensis zu Gotha.
der Vorzeit verwandt, namentlich der Riesen, vgl. z. B. den Goliath
Cod. Mon. lat. 14159, Bl. 3b, 12. Jahrb. Scene d und e) bieten gegeo*
über den vorhergehenden Darstellungen kulturgeschichtlich Neues fast
nur in der äusserst prächtigen Kleidung des Sohnes, welche diesem
offenbar mehr Nachdruck gegenüber den Agricolae verleihen sollte.
Er trägt einen rehfarbenen Rock mit vielen kostbaren Borten und eben-
falls reich mit Borten besetzte Schuhe. Die Darstellung seiner Todes-
art kann auf unser Gefühl nur abschreckend wirken, begreift sich aber
sehr wohl aus dem moralischen Niveau des 10. Jahrhs., vgl. die Be-
merkung zu Tafl. Ic.
Tafel VIII, a). Bild 1 und 3 und 2 Figuren aus dem Bilde 2 zum
Gleichniss vom Gastmahl; Luc' 14, 16—24. Die 3 Bilder zu
diesem Gleichniss stehen im Cod. Epternac. nicht mehr in derjenigen
Aufeinanderfolge, welche sie ursprünglich gehabt haben müssen; um
dem Texte des N. T. zu entsprechen, wird Bild 1 hinter Bild 3 des
Cod. Epternac. zu setzen sein. Ich beginne in der Erklärung daher
mit Bild 2, welches V. 17— 19 schildert; von ihm enthält Tafl.Vin nur
die beiden Servi, welche als Boten verwandt werden, in der charakteri-
stischen Stellung des Einladens. Aehnlich sind die Gesten der Boten
in Bild 3, zu welchen V. 20—22 den Text bietet: Et alius dixit:
Uxorem duxi, et ideo non possum venire. Et re versus servus nuntia-
vit haec domino suo. Tunc iratus pater familias dixit servo suo: Exi
cito in plateas et vicos civitatis et pauperes ac debiles et caecos et
claudos introduc huc. Man sieht aus diesem Text, dass die beiden
Scenen des Bildes 3 wieder in der Inversion stehen. Die Mahnscene
des jung Verheiratheten musste der Einladescene der Armen voran-
stehen. Merkwürdig ist in Bild 3 vor Allem die Mahnscene mit dem
jungen Ehepaare zu Ross, doch fehlen Analogieen nicht, z. B. Cod.
Mon. lat. 13074, Bl. 120b, 12. Jahrb., für den Reiter vgl auch Hortus
delic. II, für das Pferd (Apfelschimmel) Hortus delic. VII. In der
andern Scene des Bildes 3 findet sich eine der frühesten Gruppen von
Armen und Heilsbedürftigen; die Anordnung folgt den Worten des N. T.
in der Weise, dass unter dem Collectivbegriff pauperes ein debilis, ein
caecus und zwei claudi dargestellt sind. Für den letzten Lahmen fin-
det sich eine ganz analoge Gestalt in der Heiligthumstracht des Joh.
V. Falkenburg'schen Graduale (1299); die ganze Gruppe fordert zu
einem Vergleich mit den gothischen Wandmalereien an der Nordseite
der Martinskirche zu Linz auf. Bild 1 illustrirt V. 22: Et ait Servus:
„Domine, factum est, ut imperasti, et ad huc locus est«. An einer
Der Bildenchmuck des Cüod. Egbert! zn Trier n. d. Cod. Eptemacentis su Gotha. 109
reichbesetzten Tafel hat der Pater familias (hier nach V. 16 »homo
quidaiDf genannt) Platz genommen und empfängt die Armen, indem
er »sie bei der Hand fängt«. Die Entstehung dieser Geste erklärt sich
aus der deutschen Symbolik des Sich-Verbindens, des Fesseins an sich,
Ygl.z.B.Heidelb.Ssp. 1,6; XIII, 7; XXVn,3; die Demuth wird in einer
HS. des Kölner Stadtarchivs VIII. 25, 13. Jahrh. 1. Hälfte, als Weib
mit ineinander gefalteten Händen dargestellt. Die Tafel ist reich be-
setzt, die Gefässe entsprechen ganz dem frühromanischen Stil des
10. Jahrhs.; erst später, im 11. Jahrb., beginnen die etwas einge-
krümmten Bodenflächen derselben, vgl. Cod. Mon. lat. 13074 Bl. 81b
12. Jahrh. Für Tafeln späterer Zeit vgl. Hort delic. Tafl. IV; Cod.
Mon. lat 2740 Bl. 17b, 12. Jahrb.; Cod. Mon. lat. 11038, Bl. 8a,
13. Jahrh. Rechts von der Tafel sollte dem Herrn der Unfreie nahen
mit der V. 22 gegebenen Meldung. Indess weicht auch hier der
Zeichner vom N. T. ab. Statt des Nuntius finden wir auf dem Bilde
einen andern Unfreien oder Ministerialen, der zugleich Marschalls- und
Tmchsessendienste versieht, wie eine Vergleichung mit Heidelb. Ssp.
XXin, 5 und Hortus delic. IV ergiebt, s. auch Erm. Nigell. IV, 414
—416. b) Heimkehr der Weisen, s. Matth. 2, 12; eine Darstellung
welche besonders deshalb wichtig ist, weil die lebhaft bewegten Fi-
guren, namentiich die des äussersten Weisen rechts, aufs stärkste an
die besondere karolingische Auifassungsweise erinnern und in Cod. St
Gall. 135. S. 399, 10. u. 11. Jahrh. eine ebenfalls auf karolingischer
Tradition beruhende Analogie finden. Dass sich die Darstellung der
Gewandung in flatternder Bewegung bis ins 10. Jahrh. hinein erhielt,
beweist auch noch Cod. Dässeld. Bibl. D 3, Bl. 18a [Essen]. In der
Gruppe kommen folgende Farben vor: Der König links trägt grau-
grüne Hosen und ziegelrothen Mantel, der mittlere kirschrothen Mantel,
der König rechts ziegelrothe Hosen und hellbraunen Mantel, die Röcke
sind für alle carminroth. Die Pferde sind weiss und hellbraun, ihr
G^eschirr schwarz mit grossen goldenen und rothen Zierscheiben.
c) Petrus undAndreas vonChristus gewonnen; s. Marc. 1,16:
»Simonem et Andream fratrem eins äiittentes retia in mare (erant
enim piscatores)«. Petrus und Andreas in blauem und rothem Mantel
und grauem Untergewand sitzen im Schilf, das durch ein Ruder ge-
lenkt wird. Ein ganz analog gebauter Kahn findet sich Cod. Trevir.
Bibl. 136, B1.59a, 8. Jahrh. 2. Hälfte, abgesehen von dem geschnitzten
Vordertheil, ein solches aber zeigt noch eine deutsche Miniatur des
12. Jahrh. im Ck>d. Mon. lat 13074, BL 100b.
1 10 Der BilderBchmaok de« Cod. Egberti zu Trier n. d. Cod. Eptemacentia zu Gotha.
Ich beendige hiermit die Erklärung des materiellen Gehaltes der
von mir copirten Bilder beider Codices: es sind mit dieser Erklärung
genug der Beweise für den im Wesentlichen deutschen Charakter der
Miniaturen gegeben. Dieser grossen Anzahl von Indicien, welche na-
mentlich auch den Epternacher Cyclus von deutschem Geist getragen
und gesättigt erscheinen lassen, sind bisher nur wenige Bemerkungen
gegenüber gestellt worden, welche die byzantinische Tradition in ihm
nachweisen sollen. Sie gehen fast alle von Rathgeber (Herzogl. Gem.
Galerie zu Gotha, S. 18—20) aus; die scheinbar schlagendsten von
ihnen sind neuerdings namentlich von Schnaase G. d.bild. E.* IV, 628
wieder aufgenommen worden. Danach sollen schon die Beischriften,
welche theilweis ovoixrjdov laufen, auf byzantinischen Einfluss hinweisen
(vgl. Tafl. n, 20a 3: VIII 20a2; anderes Beispiel Rathgeber 8. 20).
Allein derartige Beischriften finden sich auch sonst in Deutschland sehr
häufig. Weiterhin wird als Beweis besonders Bl. 79b herangezogen;
wie sehr ohne Recht, glaube ich oben schon gezeigt zu haben. Auch
sonst kann man sich nur auf Einzelheiten berufen; Schnaase a. a. O.
führt deren noch zwei an: einmal den Umstand, dass den Krügen in
der Hochzeit bei Gana das griechische, aber mit lateinischen Buchstaben
geschriebene Wort Hydri^ie (nicht, wie er schreibt, Hygriae) zuge-
schrieben sei, dann, dass der Ausdruck Regnator Olympi für Christus
auf Bl. 3a auf Byzänz hinweise. Dem ersten Einwurf gegenüber ist
zu erwidern, dass die Krüge in der Vulgata Ev. Joh. 2, 6 lapideae
hydriäe heissen, das mit lateinischen Buchstaben geschriebene Wort
Hydriae also grade auf den lateinischen Text des N. T., nicht auf den
griechischen Urtext hinweist; betreffs des zweiten Einwurfs aber ist
nicht abzusehen, warum die Bezeichnung Christi als Regnator Olympi
nicht vielmehr auf lateinische, als auf griechische Tradition zurück-
gehen solle.
So wird es denn keinem Zweifel mehr unterliegen können: nach
Gehalt wie Composition der Scene, nach Disposition und cyclischem
Abschluss der Bilder stehen die beiden HSS. im Flusse der karolin-
gisch-deutschen Entwickelung, welche höchstens für einige Scenen des
Cod. Egb. durch italisch-römische Einflüsse, für einzelne Kleinigkeiten
und ornamentale Theile des Cod. Epternac. durch byzantinische Ein-
wirkung alterirt wurde. Hält man an diesem Resultate fest^ so wird
man von so vollendeten Cyclen, wie es namentlich der Epternacher ist,
auf eine längere vor unsern HSS. liegende, aber freilich für uns ver-
lorene Entwicklungsreihe schliesscn dürfen. Wir sahen spärliche
Der Bildersohmuck des Cod. Egbert! zu Trier u. d. Cod. EpternaoensiB zu Gotha. 11 1
Trümmer aus dieser Entwicklungsreihe schon in der Schilderung der
Ingelheimer Kapelle durch Ermoldus Nigellus; einen noch früheren,
vielleicht zu frühen Ausgangspunct würden die Miniaturen des jüngst
gefundenen Cod. Rossanensis gewähren. Hier Tragt es sich nun, ob
unsere HSS. in ihren Miniaturen und speziell in den copirten Bildern
ein Verfolgen dieser älteren Tradition wenigstens in gewissen Aeusser-
lichkeiten gestatten.
Es ist charakteristisch für die ganze Entfaltungsweise der mittel-
alterlichen Malerei, dass die Bilder eine solche Untersuchung in grösse-
rem Stile nicht ermöglichen. Zwar kann man aus einer Reihe von
Anzeichen nachweisen, dass die vorliegenden Cyclen nichts durchaus
Originales, frei Erfundenes sind. So trägt Christus z. B. bei der Auf-
erweckung des Lazarus (Tafl. III) im Cod. Eptemac. eine Rolle in der
Hand, im Cod. Egb. dagegen ist die Rolle verschwunden, gleichwohl
aber zeigt die Hand noch den frühern festhaltenden Gestus. Hier hat
offenbar der Zeichner die Rolle nicht mehr verstanden und sie deshalb
in seiner Darstellung ganz weggelassen. An anderer Stelle erkannte
er die Rolle noch, fand sie aber antiquirt und ersetzte sie durch ein
Buch, 80 auf dem Bilde zum Palmsonntag (Tafl. V, Bl. 66a). Es wäre
nicht schwer, Fälle welche diesem analog sind, bis zur Höhe eines
halben Dutzends aufzuführen; auch finden sich noch sonst vereinzelte
Beweise für die Existenz früherer Traditionen. Allein das Alles genügt
doch nicht, um sich ein klares Bild von der früheren Gestaltung der
Ueberlieferung zu verschaffen. Ebenso radical wie ein Heinrich von
.Yeldeke die Aeneide Vergils in einen mittelalterlichen Ritterroman
unter totaler Verwischung römischer Zustände umschafft, verfahren
auch unsre Zeichner und die Malerschulen jener Jahrhunderte über-
haupt. Ohne es ausgesprochen zu wollen, ersetzen sie die ihnen vor-
liegende Tradition rücksichtslos in allen Aeusserlichkeiten durch die
Gestaltung^ der Gegenwart, ändern ^sie Costüm und Waffen, Geräth
und Werkzeuge nach den Eindrücken ihrer Zeit. Nirgends kann man
diese Entwickelung deutlicher verfolgen, wie an den vier illustrirten
Sachsenspiegeln der Jahre 1250—1350 ca. : fast keine Aeusserlichkeit
der Darstellungen bleibt hier während eines Jahrhunderts ungeändert;
alle wechseln aufs Energischste und Einheitlichste.
Es ist dieses Princip von dem erbarmungslosen Wandel aller
äusseren Zuthaten für die Erforschung von einzelnen Entwicklungs-
reihen innerhalb der mittelalterlichen Miniaturmalerei um so mehr zu
beachten, als man von der wörtlichen Copie früherer Vorlagen auf den
112 Der Bilderscbmnck des Cod. Kgberti zu Trier o. d. Cod. Eptemacensis sa Gotha.
sonstigen Gebieten geschichtlicher Ueberlieferung vielmehr anf ein
gleich genaues Uebertragen auch dieser Zuthaten zu schliessen ver-
sucht ist. Indess fehlt der einheitliche Gesichtspunct nicht, welcher
beide scheinbar so verschiedene Verfahrungsarten verstehen ISfest: es
ist in beiden Fällen der Mangel einer scharf ausgebildeten Individuali-
tät, welche jene Resultate herbeiführt. Im ersteren Falle vermag die
Individualität des Künstlers sich gegenüber dem Gesammtgeschmack
und der Gesammtanschauung seiner Zeit nicht zu halten, im zweiten
aber unterliegt die Individualität des Schriftstellers der Uebermacht
des fremden ihm aus der Ueberlieferung entgegenwehenden Geistes,
der einst vor ihm auf höherer Stufe des persönlichen Bewusstseins und
Schaffens gestanden hat.
Erst nach vollendetem Druck des Aufsatzes über den Bilder-
schmuck des Codex Egberti und Codex Eptemacensis wurde ich auf
eine im Jahre 1871 von F. Schneider edierte typologische Dichtung
Ekkehards IV (11036) aufmerksam^). Diese Dichtung umfasst eine
grosse Reihe von epigrammatisch gefassten Versen, welche zur Aus-
wahl für die Unterschriften der Wandmalereien im Mainzer Dome dienen
sollten. Die Wandmalereien sind allerdings nicht zur Ausführung ge-
kommeui dagegen ist uns in den Inschriften Ekkehards die Beschrei-
bung eines freilich ideal angelegten, aber grade darum ausserordentlich
ausführlichem biblischen Cyclus erhalten. Dieser Cyclus schliesst sich
für das neue Testament nicht unwesentlich an die Auffassungsweise und
Disposition des Cod. Egberti an: ihm wird also auch die biographische'
Eintheilung des Lectionars für das Wirken Christi zu Grunde gelegen
haben. Oder sollte an eine local verwandte Auffassung bei dem St.
Gallner Mönch Ekkehard und dem Reichenauer Cod. Egberti zu
denken sein?
Es gereicht mir zur Freude, diese Notizen meinen obenstehenden
Bemerkungen hinzufügen zu können ; um so mehr, als ich damit einem
unter den Kriegswirren des Jahres 1871 erschienenen und darum wider
Erwarten wenig bekannten Buche gerecht zu werden vermag.
Bonn, Novbr. 1880. K. Lamprecht.
1) F. Schneider (Domprabendar in Mainz): Der h. Bardo Erzb. y. Mainz
von 1031 — 1051. Nebst Anhang: Der dichterische Inschriftenkreis Ekkehards lY
des Jüngern. Mainz 1871.
\
Meister Eisenhuth. 113
B. Meister Eisenhuth.
IL
Hierzu Taf. XI a. XII.
/
Seitdem ich 1879 im Hefte LXVII dieser Jahrbücher über den
grossen Künstler und Goldschmied Anton Eisenhuth aus Warburg ^
einen Aufsatz geliefert habe, welcher seine Thätigkeit und Stellung in
der Kunstgeschichte näher beleuchtete, hat sich die Aufmerksamkeit
der Kunstschriftsteller wie des Publikums dem Meister und dessen
Werken mit einer Lebhaftigkeit zugewandt, welche in der Geschichte
der Kunstforschung wohl kaum oder nur selten ihres Gleichen gehabt
hat. Auch die Erforschung weiterer Werke und Lebensnachrichten
ruhte nicht. Was an Abhandlungen, Referaten und Besprechungen
allein im Jahre 1880 erschienen, ist geradezu staunenswerth. Frisch
und L es sing, welcher schon im Januar in Westermann's Monatsheften
den Meister behandelt hatte, veranstalteten bei P. Bette in Berlin
eine Publication seiner Metallwerke, welche zu Herdringen in der
Schatzkammer des Grafen von Fürstenberg vorhanden und durch die
Ausstellung des Alterthumsvereins zu Münster zuerst weiter bej^annt
geworden sind. Mein Aufsatz wurde in Prüfer's (Berliner) Archiv für
christliche Kunst No. 3 und 4 wieder abgedruckt. Roderich Irmer
gab in der Gartenlaube No. 44 eine Uebersicht über des Meisters
Leben und Werke mit neuen Nachrichten und stetem Hinblicke auf
anverwandte Arbeiten; zu Warburg erschien von W. E. Giefers:
die SUberarbeiten des Warburger Meisters A. Eisenhoit — eine Bro-
schüre, welche in trockner Art kaum das damals über ihn errungene
Material wiedergibt. Th(ewalt) erörtete in der Zeitschrift für bildende
1) Der Warbarger Geschichtsforscher, welchem wir eine wichtige Notiz
über den Meister im Mindener Sonatagsblatte entlehnten, nennt ihn im War-
bnrger Kreublatte 1846, No. 12 einen Sohn des begüterten Warbarger Bürgers
Casper Iseinhod and gibt an, Eisenhath habe nach vollendetem Schalbesuche
das Kapferstechen in Cassel erlernt. Da ans in den Schriften kein Casper, wohl
aber ein Jasper Isernhod vorkömmt, dürfte hier leicht ein Druck- oder Schreib-
fehler vorliegen, and Jasper, wie ich im ersten Aufsätze annahm, der Name seines
Vaters sein. In einem alten Warbarger Stammbaum fand Herr Ahlemeyer
noch gNN. uxor Antonii Eisenhuets^.
8
114 Meister Eitenhuth.
Kunst XV, 142 ff. die Technik des Meisters und verglich sie mit jener
seines ausgezeichneten Zeit* und EunstgenosBen Paul van Viannen aus
Utrecht 0- unter den Recensionen nenne ich jene von R. Bergau im
Repertorium für Kunstwissenschaft III, 848 f., jene von Lübke in der
Allgem. Zeitung*) Beilage No. 60; der letzte bahnte in der neuesten
Auflage seiner Geschichte aer Plastik die Würdigung des Meisters in
weitem Kreisen an. Selbstverständlich kommen noch manche Artikel
in den Tagesblättern hinzu, zumal anlässlich der Ausstellung der kunst-
gewerklichen AlterthUmer zu Düsseldorf; denn auch hier prangten
wieder sichere und unbestimmte Werke von Eisenhuth in den Glas-
schränken.
Die Theilnahme f&r die Eisenhuthsche Kunstthätigkeit hat sich
also von Tag zu Tag gesteigert; diese Thatsache und die am Epde
meines Aufsatzes gegebene Verheissung bestimmen mich, noch einmal
auf den Meister und seine Werke zurück zu kommen. Meine Erörterung
dürfte um so willkommener sein, als sie fragliche und verschwundene
Werke in Betracht ziehen und einzelne Nachrichten über den Meister und
das Schicksal seiner anerkannten Schöpfungen bringen wird. Sie braucht
nicht mehr die durch die Ausstellungen bekannt gewordenen Stücke
des Herdringer Schatzes zu betreffen^ weil diese inzwischen in den ge-
nannten Schriften kürzer oder breiter und theilweise mit Abbildungen
behandelt sind; sie richtet sich wesentlich auf jene Kunstwerke, deren
Herkunft vom Meister fraglich und unbestimmt, und deren Unter-
suchung bisher wenig fortgeschritten ist, obgleich ich am Schlüsse
1) Seiner Andeutung, als habe ein Maler den beiden Goldschmieden die
Vorlagen für ihre Metallbildnereien geliefert, kann ich auch jetzt noch nicht bei-
pflichten ; von Viannen gibt es noch Zeichnungen für Pokale mit Figurenschmuck,
wie ich an anderer Stelle darthun werde; und Eiaenhuth hat doch gewiss auf
dem Vorlegeblatte des Pontificale Romanum, welches er mit einem Silberdeckel
eierte, das fürstbischöflich-Paderbornische Wappen, gehalten von zwei Engeln,
selbst in Tusche gpezeichnet; rühmt doch Mercati zu Rom seine „ars cum in pin-
gendo tum in sculpendo''.
2) Die hier aufgestellte und ander^rts wiederholte Vermutung, Eisen-
huth sei in seinen Wanderjahren nach Nürnberg gekommen, weil dort noch
immer die Schule für künstlerische Metallarbeiten gewesen sei, zerfUlt angesichts
der ganz abweichenden Technik und der Verschiedenheit des Metallstiles. Nürn-
berg und Oberdeutschland pflegten noch einen ganz reichen Goldschmiedestil
mittelst mancherlei Materialien und demgemäss mittelst einer complicirten Technik;
Eisenhuth dagegen kommt es, wie ich früher gleich betonte, wesentlich auf eine
malerische MetaUbildnerei an.
' • -
Meister Eisenhuth. 115
meines Aufeatzes schon angedeutet hatte, dass sich die Reihe seiner
Werke voraussichtlich noch um drei oder vier erweitem liesse. Ich
drückte mich absichtlieh nicht bestimmter aus, weil ich damals von
ihrem Zustande und Kunstwerthe nur durch briefliche oder mündliche
Mittheilungen oder durch schwache Abbildungen Kunde hatte.
Als vierte, als unsicherste, Arbeit galt mir ein Kreuz der Alt-
stidter Kirche zu Warburg, am Wohnorte des Meisters, und thatsäch-
lich ergeben Stil und Ausführung, dass Eisenhuth daran keinen Theil
hat; es wird gar für hundert Jahre älter gehalten, als sein Kreuz
zu Herdringen. Die drei andern Werke, welche ich im Auge hatte,
waren eine schon 1868 im Organ fdr christl. Kunst in Lithographie
verbreitete Kusstafel desFreiherm von Fürstenberg zuLörsfeld, ein
grosses Kreuz mit dem Crucifixbilde im Patroklidome zu Soest, und
endlich ein kleiner goldener Kelch zu Herdringen. Ob und wie weit
jene Kusstafel, welche ohne Frage bis zur Abzweigung der Lörsfelder
Linie in unserm Jahrhunderte^) der gemeinsamen Schatzkammer des
FOrstenberger Stammhauses angehörte, als Arbeit Eisenhuth's anzu-
sehen ist, wird hier von anderer Feder beschrieben werden.
Mir liegt es also zunächst an der Untersuchung, wie es sich mit
dem Soester Kreuze und dem Herdringer Kelche verhält; da keine
Zeichen, Inschriften oder sonstweiche Haltepunkte über ihren Meister
Anskonft ertheilen, müssen die Stilverhältnisse und anderweitige Um-
stknde die Entscheidung geben. Der Kelch') zu Herdringen, welcher
noch jetzt bei feierlichen Gelegenheiten in der Schlosskapelle gebraucht
wird, theilt mit den Eisenhuth'schen Arbeiten ausser dem Fundorte
die Stilzeit und figuralen Bildwerke, und übertrifift sie noch an Kost-
barkeit des Stoffes.
Er ist von Gold, 19 cm hoch, in der Mündung der Kuppe 9 cm,
in den gegenüber liegenden Blättern des Fusses 12,2 cm weit, es
ist also ein kleines Gefäss, und da es sich in Fuss, Ständer und
Kvppe zerlegen lasst, offenbar als Reisekelch angefertigt und be-
nutzt Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass er als Reisekelch
ursprünglich dem Paderbomer Fürstbischof Dietrich von Fflrsten-
berg gedient hat, demselben, welcher ja die herrlichsten Cimelien
des Hauses durch Eisenhuth fertigen liess, andere kirchliche Kunst-
1) Vgl« die Stammtafel der Familie von Füntenberg bei Pieler, „Leben
imd Wirken Caspar^s von Fürsienberg, nach dessen Tagebüchern^. Paderborn 1873.
2) Vgl meinen Aufsatz in der Allgem. Zeitung 1880, No. 234.
116 Meifter EiBeohutli.
werke für sein Stammhaus stittete und ihm endlich die Schätze seines
Privatbesitzes vermachte. Dafür sprechen die Kostbarkeit des Materials,
die Form und die Schönheit der Arbeit Die Kuppe erscheint noch
länglich-eiförmig, 8 cm hoch, unten umfasst von einem durchbrochenen
Netze klarer, jedoch einförmiger Renaissance-Ornamente; den kurzen
Ständer unterbricht ein runder, oben und unten abgeflachter, mit vier
Steinen besetzter Knoten. Der 6 cm hohe Fuss zerfällt in einen vier-
seitig pyramidalen Obertheil, welcher sich nach dem Ständer hin ellip-
tisch verjüngt, und in eine Base von vier Halbkreisblättem. Die vier
Stellen, wo die Blätter an einander stossen, schmückt wieder Steinbesatz;
an ihren äussersten Peripheriepunkten und an den pyramidalen Seiten
des Fusses befanden sich Höhlungen und eingebohrte Löcherpaare,
ofifenbar dazu bestimmt, Steine oder die Base einer Steinfassung auf-
zunehmen. Die Steine sind entweder verloren gegangen oder die Stein-
fassung ist hier gar nicht zur Ausführung gekommen. Die Flächen
der Fussblätter belebt Bildwerk, und zwar zeigen drei in getriebener
und nachciselirter Arbeit, wie Moses das Wasser aus dem Felsen
schlägt, den Mannaregen — beides mit vier Figuren — und Christas
mit der Samariterin am Brunnen — also Darstellungen, welche die
Zweckbestimmung des Messgefässes tief und schön versinnbilden. Das
vierte Blatt trägt ein Medaillon mit den Wappen Fürstenberg and
Spiegel in Email und darüber die Jahreszahl 1604. Rings laufen um
dieselben drei conccntrische Spruchkreise in Capitalschrift, deren Worte
blau emaillirte Zeichen und Punkte trennen: Pro sapientia non com-
mutabuntur vasa | Auri Job. 28. Honora Dominum de tua | Substantia.
Proverb. 3 | 1604. Die Wappen können wohl nur die Stifter des
Werkes bezeichnen, und zwar entweder den Paderbomer Erbmarschall
Rabe Spiegel zu Peckelsheim und dessen Frau Ursula von Fürstenberg
oder den Bruder der letzteren, den thätigen Urahn des Hauses, den
Caspar von Fürstenberg und dessen erste Gattin Elisabeth von
Spiegel; allein da Rabe Spiegel nach Caspars Tagebüchern schon 1603
12./1. verstorben ist, seine Beziehungen zum Hofe des Paderbomer
Bischofs auch gewiss nicht so enge waren, wie jene Caspar's von Für-
stenberg, so möchten wir lieber das Wappen auf diesen und seine Frau
Elisabeth beziehen, und thatsächlich hat der Beschauer das Spiegei-
sche Wappen rechts, das Fürstenberger links. Caspar wird dem Bruder,
dem erwähnten Bischof von Paderborn, der dem Stammhause so viele
Beweise der Anhänglichkeit und des Wohlwollens gab, das kostbare
Gefäss als Reisekelch geschenkt, dieser wird es, wie andere Cimelien,
Meister Eisenhath. 117
seiner Familie^) wieder vererbt haben. Dieser Annahme liegt noch
eine anscheinend erhebliche Schwierigkeit im Wege. 1604 nämlich
lebte die Elisabeth v. Spiegel nicht mehr, Kaspar v. Fürstenberg
hatte schon 1590 seine zweite Frau aus bürgerlichem Stande. Da je-
doch eine andere eheliche Verbindung unter Gliedern der Familien
F&rstenberg und Spiegel nicht bestand, der Werth des Stückes, sowie
die Worte der Inschrift: Honora Dominum de tua substantia, kurzum
alle Umstände einen Stifter errathen lassen, welcher reich bemittelt
war, so wird man nicht irre gehen, wenn man Caspar von Fürstenberg
fOr den Donator ausgibt; er hat dann seinem Wappen jenes seiner er-
sten längst verstorbenen Gemahlin und vielleicht zum besonderen
pietätsvollen Andenken beigefügt.
Wer ist der Künstler des schönen Werkes? Auf Eisenhuth deuten
allerhand äussere Umstände, wie dass er ja seine besten Dienste dem
Fürstbischof und dessen Bruder Caspar geliehen hat, dass dieser ein-
mal laut seinen Tagebüchern dem Meister »unterschiedliche Arbeit von
Silber, Goldt und Edelngestein zu machen mitgibt«; sodann stimmen
die spärlichen Steinzierden, die reiche Anwendung von Metallbildwerk
und in demselben die Vorliebe für allegorische Figuren, nackte und
lange Gestalten ganz zu der Art, welche Eisenhuth an seinen Werken
bethätigte, wie denn auf seinem Kelch und Weihkessel die drei gleich-
artigen Darstellungen vorkommen, die wir am Fusse des Kelches wahr-
nehmen. Der letztere hat auch, den Gesammtaufsatz abgerechnet, jede
Spur des gothischen Styls abgestreift, um namentlich im Ornament
die herrschenden Formen der Renaissance anzunehmen, gleichwie der
Herdringer Weihkessel. Dennoch erheben sich bei genauerem Betrach-
ten mancherlei und sehr schwerwiegende Bedenken gegen seine Ur-
heberschaft. Email, wie hier in dem Wappenschilde, hat er sonst nicht
angewandt, "^die Bildung der Gestalten zeigt Unebenheiten, Härten und
Fehler, die eine ungeschickte Hand ankündigen; denn wir bemerken
ungelenke Gliedmassen, unrichtige Perspectiven im Relief, wunderliche
Antlitze und namentlich Augen, die mehr gestochen als sicher gebildet
aussehen. Die Ornamente, welche den Knoten und den Obertheil des
1) Nach einer Notiz des 18. Jahrhanderts im Herdringer Archive rührte
der Kelch von Caspar von Fürstenberg; sie wird so verstanden, als habe er ihn
auch im Namen seiner verstorbenen Frau als Weihegeschenk für die Haaskapelle
auf dem Schnellenberge bei Attendorn machen lassen. Damit stimmt freilich
nicht die Theilbarkeit des Gefasses,
118 Meister Eisenhath.
Fusses reichlich bedecken, ergehen sich in den zeitigen Mustern des
Styls, und darunter fallen Engelköpfe, Fruchtzweige, wie sie in den
Musterbüchern damaliger Zeit vorlagen, und eine Art von langgezoge*
nem Halbkreis, der oben mit einer Nase besetzt ist, von so ungelenker
Form oder Arbeit auf, dass man sagen muss, ein Meister wie Eisenhuth
kann derlei nicht gemacht haben. Es muss also ein anderer von
jenen Goldschmieden, die Caspar von Fürstenberg nach seinen Tage-
büchern beschäftigte, in Frage kommen, und zwar entweder der Meister
Andres aus Paderborn oder einer von den Goldschmieden aus Meschede,
Frankfurt oder Köln, welche von ihm Aufträge erhielten ; oder sollte
der Kelch in Regensburg bestellt sein, wo Caspar sich nach seinen
Tagebüchern 1603 mehrere Monate, oder in Mainz, wo er sich 1604
aufhielt? Ich möchte mich für einen Kölner Goldschmied entscheiden,
und zwar aus dem Grunde, weil in seiner Vaterstadt noch Email ge-
macht wurde, was in Westfalen damals wohl keinem Meister mehr
gelang. Dieser hat dann daä Bildliche im Hinblick auf die fertigen
Werke Eisenhuths entworfen und so gut ausgeführt, als er es vermochte.
Das früher von mir unter allem Vorbehalte aufgestellte Todes-
datum Eisenhuths von 1604 stützte sich auf die Inschrift dieses zweiten
Herdringer Kelches und verliert nun jeden Werth. Die Herdringer
Silberkammer birgt, wie ich zugleich bei Untersuchung des Kelches
feststellte, übrigens kein Stück mehr, was dem grossen Warburger
Meister oder auch nur seinen Einwirkungen mit Sicherheit oder Wahr-
scheinlichkeit zugeschrieben werden könnte ^).
Und nun das Soester Kreuz. Es ist eine Arbeit aus theil weise
vergoldetem Silber von 77 cm Höhe und 39 cm LÄnge in dem Quer-
balken, in der Mitte mit dem Crucifixus behangen, in den Dreiblattenden
dreier Balken mit ebenso vielen Evangelistenzeichen, an den Bändern
profilirt und mit gothisirenden Blumenkämmen besetzt, — ganz ver-
gleichbar dem Eisenhuthschen Kreuze zu Herdringen. Im untern Vier-
blatte figurirt von späterer Hand eine Rose von Steinchen, als Ersatz
des vierten Evangelistensymbols, welches ursprünglich gewiss nicht ge-
fehlt hat. Den Untersatz macht ein dreiseitiger Ständer von zwei Ge-
1) Der frühere Gymnasiallehrer Brand za Paderborn hatte Herrn Ahle-
meyer daselbst erzählt, dass sich zu Herdringen ein Kelch eingemauert gefun-
den habe, worin eine Münze des Bischofs Theodor eingelassen gewesen. Das war
entweder der fiisenhuth'sche oder, da die Münze dem Goldkelche fehlt, ein dritter,
wovon mir indess nichts bekannt geworden. Nach einem Schreiben des Herrn
Yicars Wol ff weiss man zu Herdringen von einem eingemauerten Kelche Nichte.
V
Meister Ebenhuth. 119
schössen, Jederseits mit zwei Nischen für Figuren, ganz architektonisch,
fast schwer entworfen, und ruht auf drei mit einer profilirten Platte
unterlegten Volutenfüssen, deren eingebogene Mitte allegonsche Dar-
stellungen im Stile Eisenhutbs beleben. Wir erblicken darin an der
Vorderseite zwei lange nackte, auf Fttllhömem gelagerte Weibsgestalten,
in ihren Körperlagen ganz den Biegungen der Voluten angepasst, in
ihrer Mitte einen betlOgelten Genius^ welcher mit dem Finger nach
oben, nach dem Gekreuzigten deutet, und mit der andern Hand
Blumen, FrOchte^ Rosen und Aehren austheilt; an einer andern Seite,
ganz ähnlich angeordnet, nur etwas gespreizter, wieder zwei unver-
baute Weibsgestalten. Die Linke der einen ruht in den Händen eines
zu Boden liegenden Genius, die Rechte hält einen im Mittelfelde
stehenden Schild mit dem Pelikan, die andere Gestalt sitzt auf einem
Füllhorn und reicht, indess ein Genius ihr den Kranz aufeetzen will,
mit der Linken einen Blumenkorb mit zwei herabhängenden (Lorbeer?)
Zweigen nach der andern herüber. Im Bilde der dritten Seite ruhen
zwei grosse Mannsgestalten, auch ganz nackt und ähnlich entworfen,
wie die Weibsbilder der andern Seiten; Blumen und Fruchtschnttre
bilden ihre Lager und beschäftigen ihre Hände. In ihrer Mitte sitzt
auf einer muschelartigen Erhebung der Phönix mit dem Ringe im
Schnabel und mit zwei vollen Aehren behangen. Den obern Zwickel
über den Einbeugungen der Fussvoluten ziert ein Blumenkorb in der
Form einer Sonnenblume. Die drei Darstellungen haben Bezug auf
das Werk der Kreuzigung und Erlösung, ebenso wie jene des Ständers:
die letztere versinnlicht in den beiden Männern, von welchen einer
noch zu schlafen scheint, die Welt und durch den Phönix ihre Wieder«
belebung, die zweite die Wiederkehr der Liebe in den Weibsgestalten
und dem Pelikan des Schildes, und die dritte das Glück und die durch
den Tod des Herrn erworbene Beseligung; denn der Genius weist die
auf Blumen gebetteten Gestalten nach oben. Die Zweizahl der Figuren,
jedesmal mit einem bedeutsamen Mittelbilde, passte sich dem Räume
am besten an, und ihre einförmige Wiederkehr ist nur gebrochen
durch den Wechsel der Handlungen und die Haltung der Extremitäten.
Die Verwendung von Fruchtschnüren und Füllhörnern, die flachen
ReUef8> die Länge und Nacktheit der Figuren, die symmetrische An-
ordnung sind auch Eisenhuth namentlich auf den Buchdeckeln ge-
läufig, ebenso die antikisirende Gewandung, welche durch Michel Angelo
in die Kunst gedrungen war, und die Allegorien und Personificationen,
wie letztere denn damals durch Theaterstücke und die neulateinischen
120 Meister EUenhath.
Dichtungen immer mehr in den Gedankenkreis der gebildeten Welt
Überflossen und hier eine etwas gesuchte Verwendung fanden. Selbst
der Ständer lässt sich in seinem architektonischen Baue mit dem
Rahmenwerke eines Buchdeckels von Eisenhuth vergleichen. An seine
Werke erinnert also deutlich der erste Eindruck des Ganzen — eine
genauere Betrachtung aber lässt nur seinen Einfluss, nicht seinen werk-
thätigen Antheil erkennen. Die Arbeit ist fOr ihn zu stumpf, die Aus-
führung zu schwach und passt nur für einen Nachahmer, der sich mit
Ernst und Liebe in den Stil und in die Formenwelt des Meisters hin-
einzuarbeiten bemühte. Am Kreuze zunächst sind die aus den Blumen-
kämmen der Vierpässe vorspringenden Knoten nur ungeschickt ausge-
arbeitet, die Vierpässe nicht durchbrochen und mit gekräuseltem Laub-
werk gefüllt, sondern solide, also einfach hergestellt. Das Corpus
entbehrt im Antlitze und in den Muskellagen des Lebens und der
Weichheit, welches dem Warburger Meister eigen ist; der Ständer
und Fuss verlassen die gothisirende Art des Kreuzes, um dafür ganz
den Stil der spätem Renaissance anzunehmen, ja das Gerüste des
Ständers offenbart die Strenge der buchmässigen Architektonik bis auf
das Giebelchen der obem Nischen, und der reichere Ausdruck einer
Metallarbeit wird kaum wiedergewonnen durch die Büsten, phantasti-
schen Weibsbildchen, die wunderlich gestalteten Schnecken, welche auf-
und angesetzt sind und die Vergoldung betonter Theile. Was ihre
Darstellungen betrifft, so weisen in den obern Nischen drei Genien,
vielleicht die Gardinaltugcnden, mit brennender Fackel nach dem Er-
löser, während sie in der Rechten einen einfachen Schild auf den rechten
Fuss stützen, und die untern Nischen beleben die Bilder der Ver-
kündigung, Heimsuchung und der Flucht nach Egypten. Der Fuss
verzichtet vollends auf reichere Metallformen und paradirt allein durch
die Metallbildnerei. Diese macht ja die Hauptstärke Eisenhuths, und
die antikisirende Gewandung in den untern Bildern des Ständers war
ihm nicht fremd. Genauer verglichen erwiesen sich die Reliefs des
Fusses wieder schwach in der Ausführung, gesucht in der symmetri-
schen Anlage und kalt in der Einförmigkeit.
Die Stilverschiedenheit des Kreuzes und des Sockels deutet viel-
leicht gar auf verschiedene Meister und 2^iten der Entstehung. Beim
Warburger Meister sind die verschiedenen Stile ganz meisterhaft mit
einander verschmolzen und versöhnt, hier treten sie von einander ge-
trennt, der eine oben, der andere unten auf. Am Kreuze spiegelt
sich Eisenhuths Vorbild klar wieder, am Sockel nur in allgemeinen
Meister Eisenhatb. 121
Zfigen. Der letztere erreicht auch mit dem Ständer eine Höbe von
über SO cm, welche das Ebenmass überschreitet und, sofern von Regeln
die Rede sein kann, dem Gesetze des goldenen Schnittes widerspricht
Das ganze Werk entsprang also keinem einheitlichen Entwürfe, der
Sockel ist später gemacht, für sich gar mächtig entwickelt und mit
der Kreuzigung nur durch die Bildwerke in einen Einklang gebracht
und durch die Farbe des Metalls, insofern der gothische Randbesatz
des Kreuzes, die Corona, die Haupthaare, das Schamtuch des Erlösers
und die Evangelistenzeichen sich durch Vergoldung vom silberfarbigen
Ganzen abheben. Das Kreuz mag schon bald nach Vollendung des
Herdringer Kreuzes (1589), der Sockel wird erst im Anfange des 16.
Jahrhunderts gefertigt sein, zumal da die undurchbrochenen Voluten-
füsse wesentlich den Metallwerken der Barockzeit zukommen. Die
beiden Künstler ausserhalb des Landes zu suchen, nöthigt uns kein
einziger Umstand; Eisenhuth, welcher sogar den grössten Bildhauer
seiner Gegend beeinflusste, hat gewiss auch Schüler gehabt und unter
seinen Landsleuten Goldschmiede gefunden^ welche seine herrlichen
Werke nachbildeten, überhaupt ihm so weit nachstrebten, als es in
ihren Kräften lag.
Wir haben zwei Kunstwerke der Goldschmiede näher betrachtet,
welche zwar nicht aus der Hand des Meisters, aber mehr oder weniger
aus dem Geiste hervorgegangen sind, welchen er seinen Prachtwerken
einhauchte. Diese müssen unter den Goldschmieden in der Nähe und
Feme überrascht und zum Wetteifer angespornt, den Stil namentlich
in das Geleise malerischer Metallbildnerei hinübergeleitet haben. Das
beweisen unsere beiden Kunstwerke. Während das Kreuz in Westfalen
entstand, muss der goldene Kelch seinen Künstler anderwärts, etwa in
Köln gefunden haben. Meistemamen finden sich — aber sie mit eini-
ger Berechtigung auf die Werke zu beziehen, dafür gibt es keinen Halt.
Wer auch unter den anerkannten Werken des Meisters die Echtheit
des einen oder andern anzweifelt, denke an den engen Verband, wel-
cher einst die Vertreter desselben Kunsthandwerks, den Meister und
die Schüler umschlang. Zweifelhafte Werke brauchen nicht jedesmal
nach dem Tode des Meisters entstanden zu sein; — die berühmtesten
Goldschmiede^ welche ihrer Aufträge nicht allein Herr wurden, haben
gewiss, wie die Häupter der alten Malerschulen, sich wiederholt damit
begnügt, den Entwurf anzugeben oder zu skizziren, auch einen Theil
eines Werkes selbst auszuführen und das Weitere den Händen ihrer
Kunst- and Zunftgenossen zu überlassen. Das Hofkünstlerthum, wel-
1S2 Meister Eisenhath.
ches einen Meister von der Zunft trennte und oft zu ihr in eine schiefe
Stellung brachte, war damals in Westfalen noch nicht eingedrungen,
jedenfalls hatte Warburg keine Eunstzünfte und waren die Meister dort
freie Leute, — aber es lag den freien Meistern dort ebenso nahe, wie
den Zunftmeistern der grossen Städte, sich gleichsam wie Glieder
einer Familie aneinanderzuschliessen, sich gegenseitig Arbeit und Brod
zu Terschafifen und in die Hände zu arbeiten, um nur auswärtige C!on-
currenz oder den Zufluss anderer Meister abzuwehren. Und selbst die
grössern Künstler scheinen, wie das die alten Gemälde zeigen, oft ein
Auge zugedrückt zu haben, wenn sie die Ausführung ihrer Werke
heimischen Meistern anvertrauten ; so tief steht oft der Antheil der letz«
tem unter der Arbeit jener. Fremde Meister und Goncurrenz waren
Schreckensworte fUr die Kunsthandwerker. Diese hingen nicht nur
durch die Beschäftigung, sie hingen auch, wie es die ständische Glie-
derung mit sich brachte, durch mannigfaltige Familienverbindungen
wie durch die gemeinsamen Interessen mit einander zusammen; der
eine theilte dem andern durch Wort und Beispiel gern und leicht seine
Erfahrungen und Fortschritte in Form und Technik mit. Das versteht
sich von den grösseren Zunftstädten von selbst, aber diese waren stete
das Muster und das Augenmerk der kleinem Landstädte.
Dies in Betraebt gezogen, darf man, wenn nicht bestimmte Nach-
richten oder anderweitige Umstände das Gegentheil darthun, einen An-
theil des Meisters an stilverwandten Werken nur mit Vorsicht weg-
läugnen, und namentlich möchte ich denselben nicht aufgeben für das
silberne Rauchfass des Herdringer Schatzes, welches mit den sichern
Arbeiten Eisenhuths den Fundort und daher wahrscheinlich auch die Her-
kunft theilt, nämlich aus dem Vermächtnisse des Paderbomer Bischofs.
Einen mittelbaren Antheil gestanden wir auch für das Soester Kreuz
zu, läugneten ihn auch, weil die Technik und Stilverhältnisse es so
wollten, für den kleinen Goldkelch zu Herdringen nicht ganz ab.
Wir können mit höchster Wahrscheinlichkeit noch eine Pracht-
arbeit des Meisters nennen, leider nur ihren Verbleib nicht angeben«
Einige Stunden westlich von Warburg, schon im sauerländischen Ge*
birge, lag das grosse Gistercienserkloster Bredel ar: dort regierte von
1593 bis 1611 ein pracht- und kunstliebender Abt, Namens Ulrich
Iserenhoit; er baute einen neuen Hochaltar, beschaffte allerhand kost-
bare Kirchenutensilien und Geräthe, und darunter leuchtete hervor
»ein wegen seiner künstlichen Arbeit lange aufbewahrter goldener
^
Meister Sisenhuth. 128
Kelch« ^). Dieser Abt stammte jedenfalls aus dem anfernen Warbarg,
wo die Iserenhoits zu Hause waren, and hatte gewiss zum Vater oder
Grossvater jenen Ulrich Isemhod, aus dessen Hause 1540. 7./1. ur-
kundlich ') sechs Malter Korns verschrieben wurden. Der Abt ist 1560
geboren, und die Eisenhuthsche Familie hing ohne Frage, auch in den
Verzweigungen, wenn solche eingetreten waren, noch später um so
enger zusammen, als sie erst vor hundert Jahren dort eingebürgert
war; denn bis gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts verlautet von ihr
in Warburg Nichts. Jenen Prachtkelch hat also gewiss der Abt Ul-
rich Iserenhoit bei seinem Stamm- und Namensverwandten Goldschmiede
Anton, welcher damals ja auch für den Bischof von Paderborn ar-
beitete, bestellt und ausführen lassen. Wo das bewunderte Kleinod
geblieben, darüber kann ich nicht urtheilen; vielleicht ging es, und
dafür scheint die betreffende Nachricht zu sprechen, während des
Klosterbestandes unter, vielleicht ist es bei der Säcularisation veräussert
oder in den Jahren 1805— 1816 >) nach Darmstadt gekommen — wo
mir gleichwohl im Museum Nichts aufgestossen ist, was einem Eisen-
hathscben Kelche oder Werke ähnlich sähe.
Welchem Schicksale die übrigen Gimelien Eisenhuths, sofern sie
der Paderborner Bischof Dietrich von Fürstenberg angeschafft und be*
sessen hatte, anheimgefallen sind, »lässt sich nicht schwer errathen nach
einem handschriftlichen Memorial, welches ich 1878 publicirt und er-
läutert habe^)«; danach hatten Caspar von Fürstenberg und seine
Schwester Ottilie von Fürstenberg, Aebtissin von Oelinghausen, von
ihrem Bruder, dem 1618 verstorbenen Bischof Dietrich geerbt fünfzig
Gentner Silbers bloss an Reichsthalern, drei und sechszig Säcke mit
Gold, einen jeden mit fünfhundert Reichsthalern, »ein schoen vergulden
Kruetze, zwei verguldenen Degens, item so viele sulvergeschires, so zu
1) J. S. Seibertzy in C. W. Grotes Historisch. Jahrbache för Westfalen
und den Niederrhein (1817) I, 121.
3) Fahne, Geschichte der Dynasten . . . von Bocholts I, I. 183 No. 64.
S) Dabin kam auch 1808 von Arnsberg der den Ständen des Hersogthuma
Westfolen vom Gharfursten Maximilian Heinrich von Baiem (1650—1688) ver-
ehrte Landesbecher, „ein silbern verguldtes Trinkgeschirr mit KrystaU und an«
dem ans sonderbarer Kunst und selbsteigener Invention gefertigten Steinen
besetzt.'' Die churf&rstliche Schenkungsurkunde von 1667 22./1. beiWormstall
in Piok's Monatsschrift für Rheinisch-westfalsiche Geschichtsforschung und Alter-
thnaiakonde (1875) I, 890. — Vgl. die Anlagt
4) In der Zeitschrift für Preossiscbe Geschichte und Landeskunde XY, 09 ff.
1
124 Meister EUenlratli.
^ner fürstlichen TaefFelen gehoereta — im gesammten geschätzt auf
7 Tonnen Goldes. Dieser gewaltige Schatz wurde im dreissigjäbrigen
Kriege zu Soest im Hofe des Klosters Oelinghausen geborgen, jedoch
nur, um das Schicksal des hierher geflüchteten Domschatzes von Pader-
born im Werthe von 330,000 Reichsthalem zu theilen, welchen der
Propst des Patroklistiftes in Verwahr genommen hatte, bis er am 27.
Januar 1622 auf die ungestümen Drohungen des tollen Christian von
Braunschweig aus dem Verstecke hervorgelangt werden musste; auch
der Fürstenberger Familienschatz wurde am 5. April von Braunschweig
entdeckt und entführt — dazu noch »eine Zethull, so da meldet aoff
zwey Koffers mit golde, aber noch nicht gefunden worden, item
noch eine schoene goldene Kethen, so ein Gewehrde sein soll.«
Die früheren Requisitionen in der Stadt Soest beliefen sich an
Geld, Kostbarkeiten und Schätzen mit Einschluss des genannten Dom-
schatzes auf einen Werth von anderhalbhunderttausend Reichsthalern,
und dazu war noch eine Nachlese des Obersten Frank gekommen; er
lieferte einen der Aebtissin zu Heerse gehörigen Schatz von 80,000
Thalern an Christian aus. Diese Aebtissin von Heerse war wohl keine
andere, als Ottilie von Fürstenberg, welche wir schon als Aebtissin von
Oelinghausen kennen lernten, und der Heerser Schatz sicher ein an-
derer, als der Fürstenberger.
Welch' unermessliche, orientalischen Reichthümern vergleichbare,
Schätze an Gold und Silber, an Geräthen und Kunstwerken der edel-
sten Stoffe müssen damals in den Schatzkammern der Städte, der Für-
sten, der Stifts- und Klosterkirchen, sogar des Adels aufgehäuft ge-
wesen, und welche Massen davon im dreissigjäbrigen Kriege geraubt,
durch Unkenntniss, sog. Restaurationen, neuen Ersatz und Verkäufe
verschwunden und untergegangen sein. Es ist, als hätten die Brauu-
schweiger gerade Westfalen als die Schatzkammer von Gold und Gold-
sachen angesehen und ausgebeutet; denn schon 1553 und 1563 machten
sie hier ähnliche Raubzüge und Beuten, wie später der tolle Christian.
Der Fürstenberger Schatz, welcher im Oelinghauser Hofe zu Soest
in die Hände der Krieger fiel, umfasste gewiss auch die Werthstücke
des Stammhauses und des Klosters Oelinghausen; sie mochten für sich
an Reichhaltigkeit, Kostbarkeit und Kunstwerth den Erbstücken des
bischöflichen Bruders bei Weitem nicht gleichkommen, waren aber
sicher theuer genug, um mit diesen geborgen und geschützt zu wer-
den. Die Reichhaltigkeit uvd der Werth des bischöflichen Schatzes
können uns zeigen, dass Dietrich von Fürstenberg ein Haushalter war,
Meiflier Eisenliath. 126
dass Beine Kanstliebe namentlich goldenen und silbernen Werken zu
Gute kam, zumal da ein so bedeutender Meister wie Eisenhuth ihm
so einzige Kunstwerke zu schaffen im Stande war. Thatsächlich hat
Eisenhuth ja auch wesentlich seine Kunst dem Bischöfe von Paderborn,
vereinzelt nur dessen Bruder Caspar oder dem verwandten Abte von
Bredelar geliehen.
Unter jenen Herrlichkeiten des bischöflichen Erbschatzes — wir
haben doch nun die Herkunft der Eisenhuthschen Werke zu Herdringen
erfahren — welcher zu Soest geraubt wurde, waren vielleicht das vergol-
dete Kreuz, die beiden vergoldeten Degen, die schöne Goldkette von
grossem DGewehrde«, das silberne Tafelgeschirr, eben weil sie beson-
ders hervorgehoben werden, einzige Werke, und Prachtwerke Eisen-
huths. Sie sind geraubt und vielleicht mit dem Paderbomer Dom-
schatze eingeschmolzen. »Vielleicht also, dass wir in jenen berühmten
Thalem des tollen Christian mit der Aufschrift: »Gottes Freund, der
Pfaffen Feind« Reste der berühmtesten Kunstwerke der Renaissancezeit
und darunter auch manche Arbeit Anton Eisenhuths zu erkennen
habeutf. Die beiden Koffer mit Gold, welche den Händen des Braun-
schweigers entgingen, mögen die grössten Kostbarkeiten umschlossen
haben, also jedenfalls auch die kirchlichen Metallgeräthe des Klosters
Oelinghausen und der Fürstenberger Hauskapelle. Wären auch sie
entdeckt, so wäre auch der Herdringer Schatz mit dem kleinen Gold-
kelche und den noch übrigen Werken verschwunden, welche uns den
grössten Respect vor ihrem Meister eingeflösst haben. Machen diese
hiemach auch nur einen kleinen, gleichwohl den edelsten Theil seiner
Thätigkeit aus, so würden wir dann vom Meister und seiner Eunst-
thätigkeit nur eine sehr unklare und mangelhafte Vorstellung erlangt
haben, weil sie sich lediglich stützte auf seine Kupferstiche und auf
schriftliche Nachrichten. Man sieht daraus, wie leicht die schönsten
Werke und der verdiente Ruhm eines Künstlers der Wissenschaft so
gut wie vöUig entschwinden können.
In Westfalen trieben die Kleinkünste ihre höchste Blüthe in der
Stickerei, in der decorativen Holzschnitzerei, in den Metallkünsten ^)
1) Ao8 der Fürstenberger Familie selbst ging ein bedeutender Künstler
hervor. Aaf der Kehrseite des zweiten Titels der Monnmenta Paderbomensia,
Amstelodami, ap. Dan. Elsevirium 1672 steht bezüglich des grossen von A.Bloe-
telingh in Kupfer ausgeführten Portraits des Verfassers: In effig^em reveren-
dissimi et celsissimi prinoipis Ferdinandi episcopi et prinoipis . . . libeH baronis
126 Maieter BUenhnth.
mit EinschluBs des Gelb- und Rothgusses. Dafür liegen aus alter Zeit,
ja bis zum Lebensende Eisenhuths der thatsächlichen Beweise noch
genug vor; und wenn diese auch nur in wenigen Resten mehr flbrig
sind, dies Wenige lä^st uns in eine herrliche künstlerische Vorzeit
blicken. Auch im 17. Jahrhunderte, als mit den Kriegen der Spanier
und Holländer immer mehr ünglückswolken über das Land zusammen-
zogen, als es durch die LoslOsung Hollands ein Grenzland Deutsch-
lands wurde, auch als der dreissigjährige Krieg hier die Volkscultar
und kunst, Hofkünstler- und Architektenthum den Verband und
die Wurzeln des frühern Kunstlebens zerstörte, bringt es die Gold-
schmiede noch zu Werken, die von ihrer festen Begründung im Hand-
werke zeugen und den Nürnberger und Augsburger und dann den
Pariser Waaren, welche mehr und mehr in die Klöster und Schlösser
kamen, oft noch glücklich die Spitze boten. Ich will nur einzelne
Thatsachen heryorheben, welche beweisen können, dass Eisenhuth's
Landsleute seiner Künstlerbahn noch lange und so viel Ehre machten,
als man unter den Zeitumständen nur erwarten konnte. Früher schon
wies ich hin auf den leider nur mehr im Abgüsse voAandenen Schild
der Mttnsterischen Goldschmiede aus dem Jahre 1613, um zu zeigen,
wie das edelste Formengefühl der Renaissance hier bis ins 17. Jahr-
hundert nachleuchtete. Er zeigt bei 15Vt cm Höhe einen Schild mit
drei Pokalen, ringsher elf Schildchen mit den Marken der Meister, den
untersten mit dem Namen: Herman Pothof, welcher wohl der Gilde-
meister und der Urheber des Werkes war. D urch schöne Gruppirung,
Reinheit der Linien und meisterhafte Ausführung überraschen dann
an den Rändern unten Genien mit den Werkzeugen und an den Seiten
de Fürstenberg penioillo Theodor! Gaspari liberi baronis de Fursten-
berg, canonici Moguntini et Spirensts, fratris, affabre depictam et in aes
incisam. Dietrich Caspar, Domherr zu Maine und Speier, geb. 1615, gest. 1675,
war ein Bruder des gelehrten Fürstbischofs Ferdinand von Fürstenberg zu Pader-
born, machte sich namentlich durch die jetzt so kostbaren Blätter in Schab-
manier bekannt. Nachdem n&mlich Prinz Rupert von der Pfalz das Geheivnita
von Ludwig von Siegen erfahren und dem Kupferstecher Vaillant unter tiefster
Verschwiegenheit mitgetheilt hatte, wurde es 1656 von Vaillant's Sohn verrathen;
gewiss ist, dass Fürstenberg 1656 bereits das Geheimniss kannte, und mit seinem
Namen Vorzügliches darin leistete. In der Reihe der Schabkünstler folgt er auf
Vaillant und seine Schüler Joh. Friedr. v. Eltz und J. J. Krämer traten in seine
Fussstapfen. G. K. Nagler, Die Monogrammisten II, No. 2027. Meine Skizze
seines Lebens in der Allg. deutschen Biographie VIII, 232.
V
Meister Eisenlinth. 127
zwei allegorische Gestalten mit Pokalen und oben die Gloria mit der
Posaune.
Mitten im dreissigjährigen Kriege 1627 wurde der Liboriusscbrein
des Domes zu Paderborn, einer der grössten in seiner Art, im
Heimatslaode Eisenhutbs, und zwar im Städtchen Dringenberg herge-
stellt — eine Stiftung des Landdrosten Wilhelm Westphalen und seiner
Gemahlin Elisabeth Ton Loe. Der frühere aus vergoldetem Silber und
im Schmucke von edlen Steinen war auch vom tollen Christian geraubt.
Er hat die Form eines Sarges, 1,33 m Länge, 52 cm Breite und 62 cm
Höhe 0. An jeder Langseite befinden sich 6 Nischen mit den gegosse-
nen Statuen der Apostel, welche alle verschieden an Gestalt, Stellung
und Gewändern die Meisterschaft des Künstlers darthuen. Zwischen den
Nischen tragen sieben verzierte korinthische Säulen das herumlaufende
Hauptgesims. An der Vorder- und Rückseite sind sodann gleichartige
Säulen angebracht, so dass das Dach von 18 Säulen getragen wird.
Auf diesem Dache ruhen in länglicji runden Nischen die 62 cm langen
Bilder des h. Liborius und des h. Kilian. Die vier Räume über den
Köpfen und unter den Füssen dieser Heiligen enthalten die hochge-
triebenen Figuren der vier grössten Kirchenväter.
Die vordere, die .Hauptfront, zeigt eine grossartige Darstellung der
Kreuzigung mit vielen Figuren in trefiflicher Gruppirung, das Giebel-
feld das Bildniss der h. Jungfrau. Unten am Fusse haften zwei Braun^
Schweiger Thaler mit der bekannten Aufschrift: Gottes Freund, der
Pfaflfen Feind. Auf der Rückseite erzählt eine lateinische Inschrift von dem
Raube des vorigen, und der Stiftung und dem Stifter des gegenwärtigen
Schreines. Am Fusse sind 4 Thalerstücke (sächsische Zweigulden) be-
festigt unter der Schrift: Dise • arbeit • habe - ich • Hans • Krako -
zum -Dringenberg -gemagh- von- solgen-daler- als- hir-unden-
bigelacht- sind • A. 1627. Die 24 Wappen der damals lebenden Dom-
herren vertheilen sich paarweise unter den Figuren der Apostel und
lassen einen Zwischenraum für deren Namen. Auf den vier Ecken des
Daches ruhen die vier Evangelisten. Die beiden Giebelspitzen tragen
ein einfaches Kreuz und der First noch 5 kleinere Statuen, welche mit
6 Lilien in gleichen Räumen abwechseln. Auch über jeder Säule steht
auf dem Hauptgesimse eine 8 cm hohe Statue. Den Schrein schmücken
85 gegossene Standbilder ausser dem Kreuze Christi und denen der
1) Ygl C. Mertens, der h. Liborius, 1873, S. 104 f. nnd die Abbildung
vor dem Titel.
128 Meister Eiaenhnth.
Mitgekrettzigten. Alles übrige Bildwerk besteht aus hochgetriebener
Arbeit, ebenso die geschmackvollen Ornamente der Zwischenräume;
das ganze Kunstwerk besteht aus stark vergoldeten Silberplatten,
welche auf einen eichenen in den Wandungen 8 cm starken E[asten
mit silbernen Nägeln befestigt sind. Im Ganzen enthält der Schrein
246 einzelne Silbertheile, die zusammen 55 Kilogramm, 641 Vt Gramm
(111 Pfund SVaLoth) wiegen. Eine Pergamentrolle im Innern nennt
die Zeugen der feierlichen Beisetzung von 1627 und unter ihnen auch
den Magister Johannes Kracho et socius eins.
Form und Ausfuhrung bekunden den Geist der trockenen Spät-
renaissance, die Arbeit verräth einen Meister, welchem noch eine
Technik von vieler Breite zu Gebote stand. Das Reliquiar desPader-
bomer Domes ist sein Hauptwerk, wie es in solcher Grösse wohl nicht
mehr entstanden ist. Dass es ihm übertragen wurde, zeugt schon von
dem Rufe, den er als Gold- und Metallkflnstler besass. Ausserdem nennt
man als sein Werk eine messingene Hängelampe in der Kirche seiner
Vaterstadt; die Zahl seiner Arbeiten wird sich aber ohne Frage noch
vergrössern, wenn erst die Orts- und Kunstforschung sich den Wer-
ken der letzten Jahrhunderte einmal mit der Liebe und dem Ver-
ständniss zuwendet, die ihnen gebührt. Hans Krako wurde 1587 zu
Brakel nach dem dortigen Bürgerbuche Bürger, verzog dann auf Ver-
anlassung des Landdrosten Westpbalen nach dem Sitze der Drosten,
nach Dringenberg, um den Liboriusschrein anzufertigen i), und soll
darauf zu Neuhaus bei Paderborn gewohnt haben'). Wer sein socius
war, den die Pergamentrolle des Schreines nennt, wissen wir nicht.
Dringenberg wie Brakel war eine kleine Landstadt, Neuhaus
eigentlich nur die kleine Residenz der Landesfürsten. Sie theilen also
mit Warburg den Ruhm, einen bedeutenden Goldschmied ihren Mit-
bürger zu nennen, und das noch in so später und unruhiger Zeit.
Der alten Stiftskirche zu Freckenhorst überkam seit dem
Jahre 1669, als der katholische Gultus hier wiederbelebt und die Ge-
beine der h. Thiatildis mit grossem Gepränge erhoben^) wurden, vom
Landesfürsten und Stiftsdamen allmählig ein Schatz silberner Geräthe
und Bildwerke, ganz beträchtlich an Zahl, tüchtig an Arbeit, und der-
1) Mittheüung des Herrn Kendanten Ahlemeyer.
2) Mertens a. a. 0. S. 104.
8) Vgl. die inhaltreiche Urkunde bei Dorow, Denkmäler deatsoher Sprache
und Kunst (1827) II, 11—18.
Meister Eisenhuth. 129
selbe ist ihr ziemlich unverkürzt bis auf den heutigen Tag erhalten.
Ihren Werth erhöht noch, dass sämmtliche Stücke, ausgenommen zwei
grosse in Silber getriebene Bildnisse der heiligen Maria und Joseph
mit den Marken der Stadt Augsburg und der Meister G und CxS,
im Lande ausgeführt sind. Das grösste davon, wiederum einReliquiar
mit einer historischen Inschrift und dem Datum 1669 3./5. zeigt keine
Marken, aber ganz den landesüblichen Stil. In Form eines von zehn
korinthisirenden Säulen umstandenen Hauses mit stumpfen Dachspitzen
misst es an den Langseiten 81 cm, an den Schmalseiten und in der
Höhe 53 cm. Silber überzieht das Ganze und zwar die Säulenschafte
glatt, sonst durchgehends getrieben oder beschrieben. Getrieben sind
flach doch dicht die Ornamente von Linienwerk, Blätteni und Ranken
und die den Dachflächen aufgenieteten Medaillonbilder der Heiligen
Katharina, Walburgis, Anna und Elisabeth. Ueber den Rändern des
Daches ziehen sich Krönchen, über dem Firste Engelköpfchen hin. Auf
den beiden stumpfen Dachflächen liegt hier die erwähnte Inschrift, dort
das Wappen des Stifters, nämlich des Fürstbischofs Bernard von Galen.
Bildwerk ist nur massig und nur in Relief angebracht, Technik
und Zierden lassen das Mannigfaltige der älteren Goldschmiedekunst
vermissen — und doch beansprucht das Gefäss als Spätling seiner Art
und als tüchtige Arbeit einen eigenartigen Werth.
Das Bischofswappen bezeichnet weiter zwei 60 cm hohe Stand-
leuchter, deren Füsse, wie am Soester Kreuze, als Voluten gebildet
und lebensvoller gehalten sind, als die oberen Theile, sodann die Chor-
lampe — ein 34 cm hohes, kostbares Gefäss. Sie wächst nach oben
hin mittelst Pfühlen und Kehlen, besteht aus durchbrochenen Blatt-
mustern und aufgenieteten Zierplatten und trägt als Marke einen
schräg stehenden Anker. Reliquiar und Leuchter haben keine Marken
und jedenfalls keinen andern Meister — welchen ? Da keine bestimmten
Nachweise über ihn vorhanden sind, darf man wohl auf Heinrich
Hertlief rathen; diesen ernannte der Stifter, der Fürstbischof von
Galen, welcher zuerst in Westfalen das Hofkünstlerthum einführte,
1660 zu seinem Hofgoldschmiede 0*
Dazu kommen, eine reiche 79 cm hohe Monstranz aus vergol-
detem Silber, inschriftlich ein Geschenk der Stiftsdame Anna vonWrede
aus dem Jahre 1681, und eine Silberbüste des h. Bonifacius, inschrift-
lich eine Gabe der Seniorin A(nna) C(atharina) von Nehem aus dem
1) Königl. Staats-Archiy zu Münster, Landes-Archiv 61, 15.
9
180 Meister Eisenhaih.
Jahre 1693 — beide nach der etwas unbehülflichen Hand, zumal im
Figürlichen, unzweifelhaft heimische Arbeiten, wahrscheinlich eines
Meisters aus der kleinen Nachbarstadt Warendorf.
Denn trotzdem die Kunst immer mehr in akademische Bahnen
einlenkte, die Volkskunst der buchmässigen wich, der Kunsthandwerker
Zeichnungen Anderer ausführen musste^), wurzelte sie doch in so
guten Ueberlieferungen und in so sicherer Technik, dass heimische
Meister in einfachen Metallwerken immer noch Tüchtiges leisteten.
Dass eine Stadt wie Warendorf ihre alte Kunstfertigkeit nicht einge-
büsst hatte, zeigen wieder andere silberne Kirchengeräthe, welche in-
schriftlich die Aebtissin Hedwig Christina Gertrudis Korf (1688—1721)
beschafft hat. Die Marken der Stadt Warendorf und eines Meisters B. K.,
dessen Initialen sich wohl noch nach Acten oder Btirgerbüchem wer-
den deuten lassen, finden sich an sechs silbernen Altarleuchtem, welche
eine zweiseitige Stufenreihe von je 63— 69 cm Höhe bilden, auf voluten-
artigen Füssen mit abgeflachten Kugeln stehen, geschmackvoll ge-
zeichnete Stander und Teller, getriebene Blattornamente, Engeiköpfe,
das Wappen der Stifterin zeigen und durch eleganten Aufbau imponi-
ren. Dazu kommen, um kurz zu sein, zwei knieende lang beschwingte
Engel, welche Kandelaber tragen, zwei Schalen und ein grosses silbernes
Kreuz von reicher Gestalt, — ferner ein grosses Weihrauchfass
mit dem Schiffchen, zwei Kandelaber und zwei Messkännchen mit
Teller. Alle diese schönen Geräthe hat der Goldschmied aus Waren-
dorf in Silber ausgeführt Und unter den Jüngern Schätzen der Frecken-
horster Silberkammer figuriren einige von Münsterischen, andere wieder
von Warendorfer Meistern. Also bis ins 18. Jahrhundert hinein brauchte
man nur einmal für grosse plastische Statuen die Hülfe Augsburger
Goldschmiede in Anspruch zu nehmen — alle andern Metallsachen
fertigten heimische Künstlerhände.
Und noch jüngsthin fand ich in der einsamen Dorfkirche zu
Milte, nördlich von Warendorf, einen Silberschatz von beträchtlicher
Reichhaltigkeit und unerwartet tüchtiger Arbeit, — er ist meistentheils
übernommen aus dem benachbarten Benedi ctinessen-Kloster Vinnen-
berg oder inschriftlich 1822 und 1825 gestiftet vom letzten Kloster-
Confessar Wolfgang van Nuys aus dem Kloster Liesborn. Unter den-
1) Vgl. R. V. Eitelberger in der Zeitschrift für bildende Kunst XI, 107 f.
Dohme daselbst XIII, 291 ff., meine „Rückblicke auf die Brüsseler Ausstellong"
in der Allgem. Zeitung 1881, No. 44, 46, 46.
Meister Eisenliath. 181
Geräthen, Gef&ssen und Schmucksachen zeigen jene, womit man an
hohen Festtagen den Hochaltar ausziert, nämlich ein Crucifix, zwei
Wandleuchter, vier Reliquientafeln, zwei Pyramiden, zwei Paare von
Altartabellen und ein triumphbogenförmiger vKranz« grosse blattartige
und architektonische Ornamente, Aehren, Weintrauben und figürliches
Bildwerk von getriebener Arbeit in naturfarbigem oder vergoldetem
Silber, stilistisch den Geschmack des classischen Zopfes, in welchen
sich schon neugothische Elemente mischen, sowie die Marken Waren-
dorf und F. H (ei sing) — ebenso auch die Silberornamente der Altar-
tabellen, welche zu Vinnenberg geblieben sind.
Neben der Goldschmiede erregen unter den Künsten seit dem
Ende des 16. Jahrhunderts immer noch unsere Aufmerksamkeit und
oft unsere Bewunderung die Stickerei und die Holzschnitzerei — ; die
Plastik brachte es hier seit dem Ende des 16. Jahrhunderts zu so
grossen Werken (namentlich durch Gruniger zu Paderborn und die
Gröninger zu Münster), wie sie derzeit in Deutschland selten mehr
vorkommen ; auch der Kloster- und Schlossbau blühte, aber die grossen,
geradwandigen, symmetrischen Gebäude verrathen sich als Abkömmlinge
französischen Kunstgeistes und akademischer (Architekten-) Zeichnung.
Anlage.
Den Seite 117 in der Note 3 erwähnten Pokal der Heimat
wieder zu gewinnen, hat es der Westfälische Provinzial-Landtag an
wiederholten Bemühungen und Anträgen nicht fehlen lassen. In seinen
Verhandlungen von 1833 und den folgenden Jahren befindet sich, wie
mir der Herr Director Plassmann bereitwilligst mittheilt, das folgende
wichtige Aktenstück; es trägt die Unterschrift von Seibertz, dem
thätigsten und allseitigsten Geschichtsforscher des Herzogthums West-
falen und gibt nicht nur nähere Auskunft über die Beschaffenheit des
Landesbechers, sondern auch über die grössten Werthstücke anderer
Art, welche aus Westfalen nach Darmstadt gebracht sind:
i»Das Herzogthum Westfalen hat zfu beklagen, dass ihm urkund-
liche und bibliographische Schätze, sowie andere geschichtliche Merk-
würdigkeiten entzogen worden sind. Das Entbehren dieser kostbaren
Reliquien ist um so schmerzlicher, well sich nationale Erinnerungen
daran knüpfen, welche sie dem Herzen des Westfalen theuer machen,
während sie für den Besitzer der Sammlungen, worin sie jetzt aufbe-
182 Meiflter Eisenhath.
wahrt werden, höchsteDs einen Kuriositätswerth haben können. Ich
rechne dahin:
1) den alten grossen Pokal, der Willkomm genannt, mit der
Inschrift: Dux et Ducatus, der aus westfälischem Bergkristall und
westfälischem Silber gearbeitet und mit schönen westfälischen Steinen
geziert, von den Ständen (siel) für die Landschaft angeschafft war.
Er steht jetzt im Museum zu Darmstadt.
2) eine französische Kanone und
3) eine französische Fahne, welche die churkölnischen Grenadiere,
grösstentheils aus Westfälingem bestehend, im ersten französischen
Kriege — 1794 -— bei Gelegenheit, wo sie in Verbindung mit den
Oesterreichern, einen Rheinübergang machten und die Franzosen in
Boppard überfielen, mit anderen Trophäen und Gefangenen erbeuteten.
Der österreichische Befehlshaber, zur Anerkennung der von den Gi-e-
nadieren geleisteten wichtigen Dienste, schenkte ihnen nämlich jene
Fahne und jene Kanone, um sie als Siegeszeichen in ihrem Vaterlande
aufzustellen. Beide wurden auch nach Arnsberg gebracht und dort
bis 1814 oder 1815 aufbewahrt, wo man sie, vor dem Uebergange des
Landes an die Krone Preussen, heimlich nach Darmstadt schickte.
4) Mehrere der ältesten Urkunden über die Geschichte des Lan-
des, so wie
5) verschiedene kostbare Manuskripte und Codices aus den Ar-
chiven und Bibliotheken des Herzogthums, welche ebenfalls als Rari-
täten nach Darmstadt gebracht sind und dort noch aufbewahrt werden.«
Genug, der Pokal steht noch jetzt zu Darmstadt, fern vom Orte
und Lande seiner Bestimmung. Aus den Verhandlungen, welche seinet-
wegen gepflogen wurden, hebe ich mit Wormstall nur hervor, dass die
Darmstädtische Regierung keinen absolut verweigernden Bescheid er-
theilt hat, doch müsste sie erst von der Original-Urkunde, wodurch
der Churfürst von Köln das Gefäss den Landständen des Herzogthums
Westfalen vermacht habe, sichere Kenntniss erlangt haben. Die Ori-
ginal-Urkunde nun, welche Seibertz entgangen war, enthält die aus-
drückliche Erklärung des Churfürsten »dass berürtes Trinkgeschirr so
wenig von dero successoribus am Erzstift, als auch bemeldeten Land-
ständen von dannen verbracht weerden, sondern jederzeit allda (zu
Arnsberg) verbleiben solle«. Hätte Seibertz sie eingesehen, so hätte
sich in seinem Aktenstück nicht die ihr widersprechende Angabe ein-
schleichen können, der »Willkomm« sei von den Ständen angeschafft.
J. B. Nordhoff.
.'j
n. Litteratnr.
1. Die heidnische Weiheformel D-M (Diis Manibus sc. Sacmm)
auf altchrifitlichen Grabsteinen. Ein Beitrag zur Eenntniss des
christlichen Alterthums von Ferdinand Becker. Mit vielen Ab-
bildungen in Holzschnitt. Gera, A. Reisewitz 1881. 67 S. 8.
Die neueste Abhandlung des durch seine Arbeiten über das Spott-
cruciEx und die Ichthysdarstellungen bekannten Verfassers hat den Zweck
nachstehende Sätze zu erweisen :
1. Die Siegel D-M oder D-M-S dürfen nie anders alsDiis Manibus
sc. Sacrum gedeutet werden. Es ist also nach Becker die in einigen
Fällen von de Rossi wieder aufgenommene ältere Deutung Deo Magno
(Maxim o) entschieden abzulehnen.
2. Der Grund, die Siegel D • M auch auf christl. Grabsteine zu
setzen, war die allgemeine herrschende Sitte, jede Grabschrift so zu
beginnen. Es muss sich wohl die Bedeutung dieser Weiheformel im
allgemeinen Gebrauch zur Bedeutungslosigkeit abgeschwächt haben.
3. Die Anschauung, dass man in den Werkstätten die schon mit
den Siegeln D • M versehenen Grabsteine kaufte, ist nicht haltbar.
4. Die Zahl der mit den Siegeln D • M versehenen altchristlichen
Steine ist grösser als man behauptet hat (Becker zählt etwa 100 Bei-
spiele davon auf).
5. Der Ze^t nach gehören diese altchristlichen Epitaphien mit
D • M meist nicht der ältesten, sondern der Zeit des 3. Jahrhunderts
und deijenigen Constantins an, später werden sie seltner, um bald gänz-
lich zu verschwinden. "^
Ich habe zu diesen Resultaten nur zu wiederholen, was ich bereits
in meiner ' Real-Encyclopädie der christlichen Alterthümer' S. 373 ge-
sagt habe. Zu 1. ist zu bemerken, dass die Beckersche Behauptung
134 Fried. Nettesbeira: Geschichte der Schulen im alten Herzogthum Qeldem.
in ihrer Allgemeinheit nicht haltbar ist nnd z. B. durch die Inschriften
allein schon widerlegt wird, wo D-M = dolo malo oder =deam
magna (D-M - ID = [mater] deum magna Idaea (Wilmans Exempla
n, 718) ist. Im Uebrigen stimme ich der Interpretation D-M die
manibas, nicht deo magno, bei.
Gegen 2, 4 nnd 5 ist nichts Wesentliches einzuwenden. Die
dritte Behauptung ist unhaltbar. Der für sie beigebrachte Grund, es
zeigten die Inschriften durchweg dieselbe Hand für das D • M wie für
den christlichen Text schlägt nicht durch. Gerade der zweite Satz
hätte Hrn. Becker vor der Aufstellung dieser Ansicht schützen sollen.
Ich bleibe dabei, dass ein beträchtlicher Theil der in Frage stehenden
Steine mit der ihrer ursprünglichen Bedeutung gänzlich im Bewusstsein
der Menge beraubten Weiheformel versehen, in den Magazinen feil ge-
halten wurde, und dass die sie ankaufenden Christen von dem Stein-
metzen das ihnen passende Epitaph einfach zusetzen Hessen. Dass dazu
immer nar christliche Hände verwendet wurden, scheint mir bei den
gesellschaftlichen Zuständen des 3. Jahrb. und namentlich des con-
stantinischen Zeitalters ebenso unwahrscheinlich, als die Unterstellung,
dass es immer nur heidnische Lapiciden gewesen sein sollen, welche
solche mit dem D • M versehenen Titel in ihren Werkstätten zum Ver-
kauf ausboten.
Freiburg i. Br. F. X. Kraus.
2. Geschichte der Schulen im alten Herzogthum Geldern.
Ein Beitrag zur Geschichte des Unterrich tswesens Deutsch-
lands und der Niederlande. Aus den Quellen bearbeitet von
Friedrich Nettesheim. In Commission bei A. Bagel in Düssel-
dorf. 8.
Der durch seine Forschungen auf dem Gebiete der niederrheini-
schen Geschichte rühmlichst bekannte Verfasser hat sich der dankens-
werthen Aufgabe unterzogen, die Geschichte des niederrheinischen Schul-
wesens streng nach den Quellen, darunter manche bisher nicht er-
schlossene, zu bearbeiten. Nach der planmässigen Anordnung und
dem reichen Inhalte des im November 1879 verausgabten Probe-
heftes zu schliessen, dürfte das auf etwa fünf Lieferungen berechnete
Werk dem ihm gegebenen Titel mehr wie gerecht und wohl muster-
gültig werden für die Erforschung der Schulgeschichte in andern deut-
schen Landestheilen.
Der „Allgemeine Theil" führt die Geschichte der Geldem^schen
Schulen in drei Perioden vor. In den zwei ersten wird das Schalwesen
von der ältesten Zeit an bis zur spanischen Herrschaft ( — 1555) und
Fried. Nettesbeim: Geiohicbte derSchalen im alten Heraogthum Geldero. 186
wfthrend deraelben (1555 — 1703) behsiidelt; die dritte Periode nm-
fasBt daB Schulwesen während der prenMiachen Herrachaft (1703 — 1794).
In dem HSpeciellen Theile" wird die Oescbicbte der Schulen in den
Städten Geldern, Straelea und Wacbtendonk, in der Vogtei Gelderland,
im Niederamt Geldern, in den Aemtem Eriekenbeck, EeaBel nnd mehrem
Herrlichkeiten, im Ganzen die Geschichte von 42 Schulen znr Uit-
theilung gelangen.
Die erats Periode be^nnt mit der Einfflhmng des Christenthnma.
Ihm verdankt das geistige Leben eine höher« Entwicklnng: die Miasio-
nfire bilden eingeborene Oeiatlicbe heran, nm dnroh diese das Erange-
linm in der Landessprache verkündigen zu lassen. Der h. Bonifazina
gründet bei den von ihm errichteten Kirchen und Klöstern Schnlen,
so n. a. die zu Fntda. Am Niederrhein, wo über die ersten Schalen
dieser Zeit die Quellen sehr dürftig sind, lässt sich eine solche zuerst
in Utrecht nachweisen, gegründet durch den h. Willibrord zur Er-
ziehung junger Geistlichen. Unter dem h. Gregor, dem Nachfolger
Willibrords im dortigen Bischofsamte, entfaltet sich diese Schule zu
hoher Blüthe, Jünglinge aus allen Stämmen gehen ans ihr als Lehrer
und Bischöfe für die deutsche Kirche hervor, so auch der h. Ludgems,
der Friesen- und Sachsenbekehrer und erster Bischof von Uünster.
Bis ins achte Jahrhundert lebt, nach allen Nachrichten, das Volk
in tiefster Unwissenheit nnd Barbarei. Dann tritt vor Allen Karl der
Grosse als Beförderer der Schule und Volksbildung auf. Die wissen-
schaftliche Bildung der Geistlichkeit, die Errichtung von Dom- and
Elosterschnlen, die Bildung des Volkes in seiner Gesammtheit durch
allgemeinen Volksunterricht, liegt ihm beständig am Herzen. Jeder soll
seine Kinder zur Schule schicken, bis sie genügend unterrichtet
sind (Bestimmung des Cartulare v. J. 802, Cap. 12). Er beruft ge-
lehrte Männer aus fremden Ländern an die Kirchen nnd Schalen seines
Reiches, legt zu Aachen eine grosse Bftcbersammlung an nnd befiehlt
den Geistlichen das Predigen in der Landessprache. Nicht minder wen-
det auch Karls Sohn, Ludwig der Fromme, seine Aufmerksamkeit der
Schule zu; aber das Hauptverdienst um Gründung und Vermehrung der
Schnlen gebührt doch der Kirche: Päpste und Bischöfe nehmen sich
stet« des Jugendunterrichts warm an, und zahlreiche Beschlüsse der
Concilien des 9. Jahrhunderts und später sind fdr das Volksschulwesen
von höchster Bedeutung. Aus diesem durch die Vorschriften erleuchteter
Männer gelegten Fundamente erwachsen im Laufe der Zeit an den
bischöflichen Kirchen Schulen als Pfianzstätteu der Geistlichen in den
einzelnen Diöcesen. Es sind die Dom- und Stiftsechulen, deren innere
Einrichtnng, zumal die der niederländischen, westfälischen und nieder-
rheinischen, in höchst anschaulicher Weise dargestellt wird. An der
186 A. 6. Stein: Die Pfarre zur h. Ursula in Köln, etc.
berüHmten Stiftsscliale in Lüttich hört schon 1115 Wibald, später Abt
zu Stavelot nnd Corvey, Vorlesungen über ,, Medizin und Ackerbau".
Ihnen schliessen sich im Mittelalter die Klosterschulen an, vor Allem
die der Benedictiner, eines Ordens, der sich neben der Cultur des
Geistes auch um jene des Bodens unsterbliche Verdienste erwirbt. Das
Interesse an den lebhaft und anregend dargestellten Nachrichten über
die innere Einrichtung dieser Klosterschulen, über ihre Lehrgegenst&nde,
Lehrbücher, Bibliotheken, Zucht und t&gliches Leben wird noch ge-
steigert durch Mittheilungen aus dem Tagebuche eines Schülers der
Benedictiner- Abtei Reichenau am Bodensee, des Walafried Strabo, später
Abt daselbst. Er trat 815 in die Klosterschule ein und besuchte sie
10 Jahre lang. Dieses Tagebuch bildet die einzige Quelle für das
damalige Leben in den Schulen Deutschlands und ist daher selbstredend
von . höchster Wichtigkeit.
Mit dem Beginn von Nachrichten über Schulen in niederrheinischen
Damenstiften und Nonnenklöstern schliesst das Probeheft ab. Möge
dem Verfasser, der stets eine Fülle von Belesenheit und ernstes Quellen-
studium bekundet, die verdiente Anerkennung in vollem Maasse zu
Theil werden.
Bonn. Eberhard de Ciaer.
3. Die Pfarre zur h. Ursula in Köln, vormals Pfarre von
Maria Ablass. Nebst zwei Beilagen: I. Die Kirche der h. Ursula,
n. Das Kloster und adelige Damenstift an der Kirche der h. elf-
tausend Jungfrauen. Von Alb. Gereon Stein, Pfarrer z. h. Ur-
sula in Köln. Köln 1880. J. P. Bachern.
Da die vorliegende Schrift auch die Geschichte des schon im J.
922 von Gerresbein aus gegründeten Klosters behandelt, so ist dem
Verfasser Gelegenheit geboten, uns mit einem interessanten Theile der
älteren Geschichte Kölns bekannt zu machen. Schon im Jahrb. LXIV
S. 184 haben wir bei der Besprechung eines ähnlichen Buches über
die Pfarre St. Mauritius auf den wohlthätigen Einfluss hingewiesen,
welchen solche Arbeiten durch ihre grosse Verbreitung auf das ge-
schichtliche und knnstgeschichtliche Interesse und Verständniss einer
grossen Menge von Lesern ausüben; indem wir auf das dort gesagte
verweisen, heben wir die auf S. 108 beginnende Beilage 1. als be-
sonders für diese Zwecke dienlich hervor. An dieser Stelle werden
die einzelnen Theile der jetzt bestehenden St. Ursulakirche auf ihr Alter
geprüft und wird das Bild der ursprünglichen Anlage aus den dieselbe
so vielfach umgestaltenden Kunst- und Bedürfniss-Bauten so zu sagen
herausgeschält. Aber auch in den andern Abtheilungen des Buches
Wer war Heiarich von Ofterdingeu? 187
finden wir manches Wieaenewertha Über die Ausdehnung der alten Stadt,
aber dai VerbftltmBs der alten Pfarreien tof der Stadt zu den ElÖBtem,
aber das Leben in diesen ElöBtem selbst n. dgl. mehr.
Unter den Namen der Abtissianen des Elostera and Stiftes sind
Tiele, welche ans zeigen, in wie naher Beziehung diese Wfirde häufig
zum erzbischöäichen Stuhle stand, denn mebrfacb finden wir die Schwester
des regierendeu Erzbiechofs im Besitze derselben; so zuerst Gepa ü.,
Gr&fin Ton Dassel, die Schwester des Erzbischofs Reinald, dann später
Ljsa Ton Westerbnrg, wahrscheinlich Schwester des Erzbisohofs Si&id,
Elisabeth von Vimebnrg und viele andere.
Wir möchten au dieser Stelle noch darauf hinweisen, dass der zur
Zeit des Klosters nicht mehr benutzte uralte Kirchhof neben der St.
XJrsalakirohe (an SteHe der jetzigen Ursula- Oartengasse) durch den in
Jahrb. XLU, S. 168 beschriebenen Fund als rdmisoh-christliche Begräb-
niesstfttte gekennzeichnet wird.
Bonn. van Ylenten.
4. Nachtrag zur Anzeige der in der Hermes'schen Schrift
'Die Neuerburg an der Wied' angeregten Frage: Wer war
Heinrich von Ofterdingeu? (s. Jahrbuch 69 S. 99ff.)
Pfarrer J. H. Hermes hat die F*ge nach der Person und Her-
kunft Heinrichs von Ofterdingeu wieder anfgeuommen und die muth-
massUche Abstammung des Wartburgaängers von dem mittelrbeinischen
Geschlecht Rospe nahe gelegt, indem er den Nachweis liefert, dass
dieses Geschlecht im 12. und 13. Jahrhundert nicht nur in Diensten
des am Kheine begüterten thilringiBchen Landgrafenhanses bzw. der
Erbin dieser Guter, Oräöu Mechtildis von Sayn, stand, sondern auch
dass ein Hitglied mitNamen Heinrich, Sohn des Heinrich von Bospe,
sich von Oftinding {Ochtenduug) nennt. Im Ganzen weist Hermes
fttr die Zeit des Sängerkrieges und der mathmasslicben Abfassung der
Dichtung des Wartburgsänge rs vier des Namens Heinrich von Rospe
nach: 1213 jenen, der vordem Güter in Kraft bei Ochtenduug bessss,
1 246 den frater Henricus, Testamentszeuge des Grafen Heinrich v. Sayn,
□ud 1257 Henricus dictue de Oftindinch, filius Henrici de Rospe, der
im Kloster Roaenthal bei Cochem eine Schenkung macht. Ich bin
nunmehr im Stande, denselben noch zwei gleichnamige Personen binzu-
zufdgen : 1216 erscheint ein Heinrich von Rospe, Kanonich zu Bonn,
als Zeuge des Grafen Heinrich v. Sayn bei Genehmigung der Schlichtung
eines Streites über Güter in Flerzheim und Bomheim') 'sub presentia
1) Die ürkande ist mitgetheilt in den Ann. d. bist Ver. f. d. Niederrh.
Hefl U 3. 76.
188 Wer irsr Heinrioh voa Ofterdingen?
Theodorici Bertolet de Herler, Christiani de Blanckenberz, Hesrioi de
Rospe, BonnensiB Canonici, Ladolphi prioria de Valle sancti Petri, Hen-
rici Bacerdotis in Blanckenberz und mehrerer Laien. 1253 endlich ist
ein Heinrich von Rospe Zeuge des Verzichts Heinrichs und Thsoderichs,
der Söhne Eonrads t. Polch, auf eine wider die Abtei Himmerode er-
hobene Beschwerde').
Selbstverständlich konnten bisher bei so dürftigen Nachrichten
sichere Schlüsse anf die IdontitSt oder auf den nähern oder entfemtera
Terwandtachaftsgrad der genannten Mitglieder des Oescblechta Rospe
nicht gezogen werden. Hermes nnterstellt die Möglichkeit, d&es der
1215 lebende Heinrich von Rospe mit dem von 1246, den er aof
Grund der Testamentsurkande als Klosterbruder in Heisterbach oder
Marienstatt erkennen will, identisch sei, nnd möchte dann den Sänger
von der Wartburg in einem dieser Klöster finden. Ich habe bereita
früher meine Bedenken gegen die Interpretirung der betreffenden Stelle
praesentibus abbate de Heisterbacii, abbate loci s. Mariae, fratre Hein-
rico de Rospe, fratre Gerhardo de ordine fratrum minorum etc. dahin
ausgesprocben, dass kein HlndemiBS vorliege, den Bruder Heinrich eben-
sowohl anm Orden der Mindorbrüder zu rechnen, obwohl ich jetzt auch
diese Erklärung verwerfe, wie sich später zeigen wird.
Nunmehr aber, indem wü in der oben gemeldeten Urknude von
1216 einen Heinrich von Rospe als Kanonich beim Cassiusstifte in Bonn
kennen lernen, dürfte zum wenigsten die Frage nach der Identität eini~
ger der genannten Personen, und zwar derjenigen geistlichen Standes,
mehr Boden gewinnen, und ich meine den Beweis erbringen zu können,
dass der in dem Testamente von 1246 genannte frater Heinricns mit
dem Bonner Eanonicb ein und dieselbe Person ist.
Wir kennen bereits die Stellung des erstem zwischen den beiden
Aebten und dem Minderbrader. Ist er Ciatercienser oder Franziskaner ?
Keines von Beiden, sondern er gehört einer dritten, ungenannten Cor-
poration an. Dass derartige Unterlassungen vorkommen, zeigt sich
schon gleich bei den in der Urkunde von 1216 vor dem Bonner Ka-
nonich genannten Zeugen, die also doch nur geistlichen Standes sein
können. Vor Allem aber entscheidet hier die Anführung des frater
Ileinricus mit seinem vollen Familiennamen. Wfire er Cistercienser
oder Franziskaner, so würde er nicht seinen weltlichen Namen — denn
diesen legen sie beim. Eintritte ab — sondern seinen Klosternamen
führen, wie ja auch dei^'^'ame des nach(olgenden Minoriten nur ein
solcher ist. Es würde also miSSiJfssig sein, ihn zu einem der genann-
ten Orden zu rechnen. Anders lieSt* ^*'' ^*" '**' Mitgliedern geist-
1) Güntlier Cod. diplomat. II, 261.
Wer 7
r Heinrich von OrterdingsD?
189
lieber Stifter : aie behalten ihren Tollen weltlichen Kamen, und man ist
daher berechtigt, in dem frater HeiDricus de tioape einen Stiftsgeiat-
lichen zn erkennen. Allerdings bezeichnet 'frater' gemeinhin einen
Klosterbruder, besonders einen Minoriten, doch ist die Bedentang des
"Wortes so allgemeiner Art, dass sie auch anf jeden Geistlichen, zumal
den Stiftgeiatlichen Anwendung findet. Diesem Range wQrde aach die
in der Tests mentsurkunde ihm zugewiesene Stellung nach den Aebten
und vor dem Eloaterbruder entsprechen; ebenm&SBig ist in der Urkunde
von 1216 der Bonner Stiftskanonich vor dem Prior von Heisterbach
aufgeführt. Die Annahme, der Kanonich vom Jahre 1216 sei später
in den Orden getreten und habe man in der Urkunde von 1246 die
frühere Benennung mit dem Familiennamen der Deutlichkeit halber bei'
behalten, ist zwar nicht ansgeschlospen, doch aber auch nicht wahr-
scheinlich.
Wir würden also den frater Heinricns in einem Stift, nnd dann
nur in einem rheinischen aufznsnchen haben. Sollte dieses nicht das
Bonner Stift, mithin der frater mit dem Canonicus identisch sein ? Beide
führen denselben Namen, Beide dienen 1216 und 1246 demselben
Grafen Heinrich Ton Sayn als Zeugen, und der Zwischenraum von 30
Jahren ist nicht allzu gross. Aber selbst in dem Falle, dass wir es
hier mit Terschiedenen Personen zu thun hätten, ist durch die urkund*
lioh belegte Thatsache, dass 1216 ein Heinrich Ton Rospe als Eano-
nich im Gasdusstift zu Bonn lebt, ein neuer Weg zum NachfoncbeD
nach der Person des Wartburgsängers geöffnet, entsprechend der Her-
mes'scheu Hypothese, dass Heinrich von Ofterdingen, aus dem Geschlecht
Rospe, hinter rheinischen Klostermauern zu snchen sei.
Sollte Jemand hierzu fernere Belege zu erbringen im Stande sein,
80 wird er um freundliche Mittheilnng an dieser Stelle gebeten.
Bonn. Eberhard de Ciaer.
III. Uiflcellen.
1. Mainz. Ein nener römiecher AagenarEtetempel'). Im
Jali 1880 ward *or dem Gaathore zn Mainz, zur Linken des Anfangs
der schönen Landstrasse (oberer Zahlbacber Weg), die nach dem Dorfa
Zablbach ffibrt, woeelbet die berühmten Pfeilerreate des groBsen rämi-
Bchen Aqaaeduktes stehen, wenn ich mich recht entsinne, bei der Anf-
lockernng und Neubereitung des Bodens eines Turnplatzes, ein römi-
scher Okubeten Stempel gefunden. Herr Dompräbendat Friedrich Schneider,
der von dem £'unde Kenntnise erhielt und den Stempel für die Samm-
lung des „Vereins zur Erforschung der rheinischen Geschichte und Alter-
thüroer" erwarb, hatte die Güte, mir von der Erwerbung des kleinen
epigraphischeu Denkmals sofort Kunde zu geben und mir einen Siegel-
lackabdruck zuzustellen, und Herr Direktor Dr. Lindenschmit war so
freundlich, mir den Stempel, zum Behufe genauerer Untersuchung, für
längere Zeit zu überlassen.
Unser Stein, der die bekannte blassblaugrüne Färbung der römi-
schen Augenarztatempe! hat, ist von ku weicher Masse, als daas wir
ihn für Nephrit oder Serpentin halten könnten. Eher ist es Speckstein.
Ein nicht ganz regelmässiges Rechteck von 34 mm Länge, 29 mm
Breite, 6 mm Dicke, trägt er auf der einen breiten Fläche nach der
unteren linken Ecke zu die Buchstaben Q D, die ohne erkennbare
Regel mässigkeit der Anordnung und ohne erkennbaren Zweck planlos
auf die Fläche gravirt sind. Im Gegensatze zu manchen anderen
Fläcbengravirnngen römischer Okulistenstempel sind diese Buchstaben
nicht recbtläaüg, sondern, wie die Inschriften der Schmalseiten, ver-
kehrt eingegraben und erhalten erst durch den Abdruck die rechte
lesbare Form.
Jede der vier Schmalseiten enthält eine zweizeilige Inschrift, nämlich:
n Siegel abdruck) auf der vorhergehen
Miscellen. 141
1) QP-DIODOTI DIA
SMYRNES (den leeren Banm am Schlnsse füllt
ein nach rechts geneigtes baumzweigartiges Zeichen ans).
2) Q P DIODOTI DIA
SMYRNEa
3) QP- DIODOTI
ISOC~IYSN^ (dahinter ein Zeichen wie bei 1, nnr nach
links geneigt).
4) QPOMDIODO
TIADEPtOSV
Am sorgfältigsten und schönsten ist die Schrift auf Seite 1. In
beiden Wortzeilen sind die Buchstaben zwischen vorgezogenen Linien
gerade und gleichmässig gerichtet. In der unteren Zeile, wo breitere
und in der Form mannigfaltigere Buchstaben stehen, finden sich sogar,
senkrechte Linien, die den Raum und die Yertikalrichtung der Lettern
regeln sollen.
Plumper und unbeholfener ist die Schrift auf Seite 2. Nur am
oberen Rande der ersten Buchstabenreihe ist die Höhe durch eine Quer-
linie begrenzt. Die zweite Zeile ist ganz dicht an die erste herange-
rückt, und der Fuss der Buchstaben reicht bis zum unteren Rande der
Schmalseite. Auch auf dieser Seite sind in der unteren Zeile vertikale
Trennungslinien zu erkennen. Die Buchstaben sind gross und plump;
das S am Schlüsse verkehrt und gänzlich missglüokt.
Wiederum anders ist es auf Seite 3. Der obere Rand der Buch-
staben der ersten Zeile ist nicht durch eine vorgezeichnete Linie ge-
richtet, dagegen der untere. Von diesen durch einen (aber nicht durch-
gängig beobachteten) Zwischenraum getrennt, ist die zweite Zeile so-
wohl oben wie unten durch je eine feine Linie begrenzt, die aber,
selbst nicht gerade laufend, von dem Graveur auch nicht überall ein-
gehalten worden ist.
Die vierte Seite trägt mehr Richtungslinien, als nöthig gewesen
wäre. Diese sind offenbar jius freier Hand gezogen und manche des-
wegen verunglückt und unbrauchbar.
Die untere Zeile ist von der oberen durch einen verhältnissmässig
breiten Zwischenraam geschieden, sitzt aber unmittelbar auf dem Rande
des Steines auf. Die Intervalle der Buchstaben sind sehr ungleich; der
zweitletzte Buchstabe der unteren Zeile ist, bis auf den kleinen Rest
des oberen Bogens eines R, ausgesprungen.
Höchst eigenthümlich ist die Verschiedenheit der Interpunktion
auf unserem Stein. Während sie auf Seite 4 gänzlich fehlt, sind die
Seiten 1 und 2 durch runde Trennungszeichen interpungirt (auf Seite
2 steht sogar ein Punkt vor dem Anfange der Legende), während die
142 Mitcellen.
Seite 3 die dreispitzig ausgezogene Interpanksion aufweist (Zell, Hand-
baeh der römischen Epigraphik. IL § 16, S. 47). Ausserdem ist am
Schlüsse der zweiten Zeile der Seiten 1 und 3 der leere Endraam
durch ein blatt- oder baumförmiges Zeichen ausgefüllt. Solche und
ähnliche Schluss zeichen finden sich mehrfach auf römischen Augenarzt-
stempeln (Grotefend, die Stempel der römischen Augenärzte, n. 97;
Desjardins, Deux nouveaux cachets d^oculistes Romains. Revue Arch6o-
logique XXY, S. 257i Marquis de Rochambeau, ün nouvean
cachet d'oculiste Romain. R. A. Nouv. S6r. 21. ann^e, III. [Mars 1880J,
S. 180), Ich unterlasse es, aus diesen Unterschieden im Schriftcha-
rakter einen Schluss darauf zu ziehen, dass etwa verschiedene Hände
an den vier Seiten unseres Stempels gearbeitet haben könnten, oder
dass etwa anfangs nur eine Seite und später, als der Händler neue
»Mittel in Vertrieb nahm, andere Seiten beschrieben worden seien
(Grotefend, n. 32, 40, 47). Auf Seite 1 und 2 werde ich noch ein-
mal zurückkommen.
Jedoch über die auf der breiten Fläche eingegrabenen Buchstaben
Q D sei mir gestattet, einiges zu erörtern und eine Yermuthung zu
äussern.
Manche römische Okulistenstempel tragen nämlich, ausser auf den
Schmalseitep, auch auf den breiten Flächen eingravirte Buchstaben,
deren Bedeutung und Zweck sehr verschieden ist. Ich stelle hier
einige dieser Flächengravirungen zusammen:
1) Der Stempel Grotefend n. 11 enthält vier Mittel: ein Authe-
merum, ein Stacton, ein Crocodes und ein Chelidonium. Die Anfangs-
buchstaben dieser Mittel AV, ST, CR, CH sind auf der Oberfläche so
angebracht, dass sie beim Gebrauche das Auffinden der entsprechenden
Seite erleichterten.
2) Der Stempel Grotefend n. 71 zeigt auf der unteren Fläche
ein Seepferd, auf der oberen eine zweihenkelige Yase, darüber den
Namen GAI, darunter zwei Menschenaugen, so dass Grotefend in diesen
Gravirungen mit Recht den Firmenstempel des Verkäufers erkennt. I
3) Der Stempel Grotefend n. 90 trägt auf den Flächen einer-
seits die Anfangsbuchstaben des Erfindernameus L ' S * M (L. Sextii
Marciani), anderseits die Buchstaben S • P • E, die vielleicht den Ver-
käufer nennen sollen.
4) Der Graveur nennt sich in freilich nicht zu entziffernden Buch-
staben auf der Oberfläche des Stempels Grotefend n. 98:
SCRIPSIT
M A////////E
D OL
5) Der Anfangsbuchstabe des Namens des Augenarztes Censorinus
Miaoellen. 148
ist in der Eoke der einen breiten Fläche des sechseckigen von Des-
jardins (R. A. XXV, S. 260 nnd 261) veröffentlichten Steines eingegraben,
jedenfalls za demselben Zwecke, wie auf dem oben unter 1 angeführten
StempeL Auf der anderen Fläche ist der ontere Theil eines Pflanzen-
schaftes mit der Wurzel eingravirt, „dont la forme rappeile assez celle
du safran, plante bulbeuse, comme on sait, mais dont les divisions öu
bulbes s^par^s offrent pr^cis^ment cet aspect."
6) Auf dem Stempel Grotefend n. 101 ist an der einen Seite
das Zeichen Vy^, an der andern das Wort SOLI eingeritzt. Dass
diese Gravirungen einen bestimmten Zweck haben, leuchtet ein, obwohl
es schwer sein wird, nachzuweisen, welchen.
Die angeführten Beispiele zeigen uns solche Gravirungen auf der
Oberfläche der Stempelplatten, die eine bestimmte Bedeutung haben und
in thatsächlichem Gebrauche verwandt wurden.
Anders verhält es sich mit den folgenden Flächengravirungen :
1) Der Stempel Grotefend n. 44 trägt auf den breiten Flächen
mehrere schlecht gravirte, rechtläuflg eingegrabene Buchstaben. Auf
der einen Seite ist der Name des Augenarztes LlOOCiLAE zu er-
kennen, der auf den in Gebrauch kommenden Seiten, des Abdrucks
halber natürUch verkehrt eingegraben, genau interpungirt ist:
LI DOCILAE
2) Auf der Oberfläche des von Th^denat (Sur un cachet d'oculiste
d^couvert ä Reims. R. A. Nouv. S^r. 20. ann^e, IX [Septembre 1879]
S. 154 ff.) veröffentlichten Stempels sind in drei Zeilen leicht ange-
deutet die Buchstaben:
M
C
CN
eingeritzt.
3) In der Erklärung zu dem Wiesbadener Stempel (n. 63) sagt
Grotefend, dass die beiden grösseren Flächen zu allerlei Schnörkeln
und Buchstaben proben benutzt worden sind.
Darin haben wir die Bedeutung dieser letzterwähnten Flächen-
gravirungen zu erkennen, die zur eigentlichen Stempelinschrift in keiner
Beziehung stehen.
Nicht anders verhält es sich mit den auf der breiten Fläche
unseres Stempels eingegrabenen Buchstaben Q 0. Vielfältige Beispiele
lehren uns, dass die alten Steinmetzen und Stempelschneider Buchstaben,
Ornamente und Figuren sich erst vorzuhauen und vorzugraviren pflegten,
um Auge und Hand zu prüfen, ehe sie ihre eigentliche Aufgabe, bei
der doch immer kostbares Material, Zeit und Mühe und Ehre auf dem
Spiele stand, auszuführen begannen. Solche Yorproben ersetzten dem
144 MiKselleD.
alten Künstler die Zeichaangen, Risse, die Schablonen nnd die mannig-
fachen anderen technischen HQlfsmittel nnserer Zeit. Ein merkwürdiges
Beispiel dieser Umsicht eines antiken Künstlers der ftnasersten Frflhveit
bietet eine von Schliemann ausgegrabene mykeniscbe Grabatele (Schlie-
maon: Mykene, S. 156 der frans ösischen Ausgabe). Za solchen Proben
werden die Flüchen des Materials benntüt, die sonst nicht in Verwen-
dnng kamen ; der mykenische Bildhauer benutzte dazu den Raum der
Stele, der in die Erde gesenkt ward, die Graveure der römischen
Oknlistenstempel die Oberfläche des Stempelsteines.
Wir werden demnach nicht irren, wenn wir die auf der Oberfl&ch«
unseres Stempels eingegrabenen Buchstaben Q D für Gravirproben halten,
durch die der Stempel Schneider die Sicherheit seiner Hand and seines
Auges, die ffir den zu Gebote stehenden Raum erforderliche Grösse der
Buchstaben, die H&rte des Materials nnd die GQte seines Stichels Ter-
sncben wollte.
Auf drei Seiten unseres Inschriftsteines ist der Name Q-P'DIOOOXI
enthalten. Wenn nicht die vierte Seite jeden Zweifel unmöglich machte,
könnte man veranlasst werden, in den Anfangsbuchstaben Q nnd P die
Praenoroina Quintus und Puhlius zu erkennen und zu erklären : Q. Dio-
doti und P. Diodoti, wobei zu bemerken würe, dass Diodoti für Dio-
dotorum stünde. So liat Desjardins nichts dagegen einzuwenden, wenn
man auf dem von ihm 1873 publizirten Augenarztstempel den Namen
ML'MARITVMl Marci (et) Lucü Maritumi (= Maritnmorum) liest.
(On serait presque tente de voir daus les deux lettres M L deux pre-
noms et de lire M[arci et] Ltudi] MARITVMI pour MAWTVMorum;
comme s'il y avait Marci Maritumi et Lucü Maritumi [on n des exemples
de lectures analogues] ; il E'agirait en ce cas de deux freres. R. A. XXV.
S. 257). Gegen diese von Desjardins zum mindesten zugelassene Erklä-
rung seien mir einige Bemerkungen erlaubt. Abgesehen von der Ge-
wohnheit, bei der Aufzählung von Brüdern den gemeinsamen Namen in
den Plural zu setzen (worüber im C. I. L., bei OreUi-Henzen, Wil-
manns, im C. I. Rhenn., bei Becker, Die Inschriften und Stein-
skulpturen des Museums der Stadt Mainz, eine Menge von Beispielen zu
finden), zwingen uns folgende Gründe, in den Worten M. L. Maritumi
den Namen eines einzigen Arztes zu erkennen.
Die römischen Augenärzte waren ausscliliesslich Freigelassene oder
Nachkommen von Liberten, die wohl auch die römische Civität erwor-
ben haben mochten. Als solclie setzten sie ihrem meist peregrinen
Namen römische Praenomina und Gentilia vor, Namen, die in ihrer ver-
hältnissmäsaig geringen Aozalil vielen Trägem zukamen, also an sich
wenig unterscheidendes boten. So haben wir unter den insohriftlich
auf uns gekommenen ÄagenarztDamen die Nomina Aelius, einen Anto*
Misoellen. 1|6
mos, einen Atticus, einen Caelius (Grotefend n. 10), Claudii, Flavii,
einen MonatioB, Pomponii, Terentii, Yalerii u. a. m. ; von Praenominibus :
Marcus, Publius, Lucius, Gaius, Titus, Tiberius, Decimus, Quintus, Sex-
tuB, Spurius. Darum konnte, um das Mittel durcb den Namen des Er*
finders zu empfehlen, Praenomen und Gentile, weil wenig unterscheidend,
nicht in Betracht kommen, sondern das Cognomen, wodurch das Indi-
viduum unzweideutig unterschieden ward. So nennen sich viele Oku-
listen nur mit ihrem Cognomen, ein Entimus, ein Euelpistus, ein Ferox,
ein Florus, ein Glyptus, ein Heliodorus, ein luvenalis, ein Latinus, ein
Minervaiis, ein Paulinus, ein Phronimus, ein Reginus, ein Quintilianus,
ein Theophiles.
Was sollen wir ferner mit Namen wie M. G. Celsinus (Grotefend
n. 8), T. C. Philumenus (n. 9), L. P. Yillanus (n, 76) anfangen?
Ghrotefend hält es für unmöglich, den Familiennamen des Celsinus zu
erweisen, und erklärt auch, das Nomen des Philumenus ebensowenig wie
das des Yillanus ergänzen zu können. Sollen wir etwa an Brüder
denken oder sollen wir uns die Freiheit gestatten, aus den mit den
entsprechenden Buchstaben anlautenden Gentilnamen denjenigen heraus-
zusuchen, der uns zusagt?
Gerade die Yerschiedenheit der beiden ersten Namen und die Ge-
meinsamkeit des dritten verbietet uns, an Brüder zu denken, da es in
der Kaiserzeit Sitte war, dass Brüder das gleiche Praenomen führten,
sich aber durch das Cognomen unterschieden.
Aber auch die Freiheit, uns irgend ein Nomen zu wählen, schwin-
det vor der Beobachtung, dass die Regellosigkeit im Namensystem, be-
sonders seit den Antoninen, soweit ging, dass sich zwei Praenomina
neben einander finden, wodurch der Irrthum veranlasst wurde, mehrere
Personen anzunehmen, wo nur von einer die Rede ist (Marquardt,
Römische Privatalterthümer. S. 25 ff.; Zell, a. a. 0. § 35, S. 104;
Orelli-Henzen, Inscriptt. I, p. 477, zu n. 2729).
Diese Erklärung, dass wir in den beiden abbreviirten Namen der
erwähnten Stempel, der Sitte der Zeit gemäss, neben einander stehende
Praenomina zu erkennen haben, dürfen wir um so eher festhalten, als
wir alle Ursache haben, diese Monumente der späteren Kaiserzeit zuzu-
weisen, und ich sehe deshalb nicht ein, warum Sichel's Erklärung
T.C(ai) Philumeni in der Revue de Philologie „mit Recht'' getadelt
worden ist.
Aber noch ein anderer glücklicher Umstand beweist, dass wir in
M'L'MARITVMI keinenfalls an Brüder zu denken haben. Wir
haben nämlich einen Okulistenstempel (Grotefend n. 70), auf dem sich
der Arzt einfach mit dem Cognomen Maritumus nennt. Und ich finde
nichts, das uns hindern könnte, diesen Maritumus für denselben Arzt
10
14$ Miscollen.
zu halten, der auf dem anderen Stempel vollständig M. L. Maritumns
genannt ist; nichts, das uns hindern könnte, anzunehmen, dass yon dem-
selben Arzte sowohl ein Paccianum ad aspritudines und ein Dialepidos,
als auch ein Collyrium Aegyptiacum opobalsamatum ad claritatem und
ein Crocodes ad opobalsamatum aspritudines der augenleidenden Menschheit
empfohlen ward, von dem Umstände ganz zu geschweigen, dass wir
in diesem Falle eine Bestätigung der Bemerkung sehen dürfen, die
ich über die vorwiegende Bedeutung der Gognomina für die in Rede
stehenden epigraphischen Denkmäler geäussert habe.
In unserer Inschrift aber liegt die Frage viel einfacher. Die
vierte Seite nämlich gibt uns das Gentile unseres Okulisten in aus-
reichender Vollständigkeit: Q-POM • DIODOTI. Ich lese Q. Pomponii
Diodoti, weil einerseits der Name der gens Pomponia äusserst 'geläufig
und inschriftlich durch viele Beispiele belegt ist, anderseits aber Pom-
ponii, ein Q. Pomponius Graecinus und L. Pomponius Nigrinus (Grote-
fend 81 und 82) in ihrer Eigenschaft als Erfinder von Gollyrien
durch Stempelinschriften bekannt sind.
Wir haben demnach hier ein Beispiel der jedenfalls durch die
Enge des Inschriftraumes gebotenen Sitte, den Namen des Arztes, wenn
er auf einer Seite vollständig gegeben war, auf der andern möglichst
abzukürzen. Dem von Desjardins angeführten Beispiele L. luli. Amandi
und L * I * AMandi (Grotefend n. 39) füge ich noch bei Grotefend n. 10,
13, 15, 40, 47, 55, 64, 71, 72, 91, 100.
Was den griechischen Namen Diodoti betrifft, so brauche ich nur
auf das hinzuweisen, was Grotefend S. 5 dargelegt hat.
Betrachten wir nun die auf unserem Stempel aufgeführten Mittel,
so kommt das Diasmyrnes doppelt vor (S. 1 und 2) und zwar jedesmal
mit der gleichen kurzen Namenbezeichnung Q. P. Diodoti. Diese Eigen-
thümHchkeit, dass dasselbe Heilmittel doppelt vorkommt, ist durch
einige Beispiele bestätigt, z. B. Grotefend n. 75, n. 26 (der Hinweis
auf n. 69 als auf ein weiteres Beispiel muss einen Irrthum oder einen
Druckfehler enthalten); vielleicht findet sich dieselbe Eigenthümlichkeit
auf n. 33, ganz gewiss aber auf n. 34, obwohl Grotefend SicheFs An-
nahme einer Doppelsetzung des Heilmittels nicht gelten lässt. Unser
Stempel fügt den bis jetzt bekannten Stempeln, auf denen ein und
dasselbe Heilmittel doppelt vorkommt, einen neuen bei. Wenn ich nun
einen Versuch wage, diese Eigenthümlichkeit zu erklären, so kann dieser
Versuch natürlich nur für unseren Stempel gelten, dessen ursprüngliche
Legende mir vorliegt. Und gerade für unseren Stempel rechtfertigt
manches den Versuch einer Erklärung. Trotzdem nämlich die gleichen
Seiten 1 und 2 in der Buchstabenform, wie in der Interpunktion den
völlig gleichen Schreibecharakter aufweisen, einen Schreibecharakter, der
Miscellen. 147
sowohl von der Inschrift auf S. 3, wie der auf S. 4 grandverschieden
ist, zeichnet sich die Legende auf Seite 1 vor der auf Seite 2 durch
Schönheit und Zierlichkeit der Buchstahen augenfällig aus und hekundet
einen wesentlichen Fortschritt oder angelegentlichere Sorgfalt. Sollte
vielleicht die doppelte Inschrift und die erwähnte Verschiedenheit sich
daraus erklären lassen, dass dem Stempelschneider oder dem Auftrag-
geher die erste GraTirung nicht genügte und demgemäss die gleichen
Worte nochmals, aher diesmal zierlicher und schöner, auf einer andern
Seite eingeschnitten wurden?
Das auf den heiden erwähnten Inschriftseiten genannte ophthalmische
Mittel ist das Collyrium Diasmyrnes. Wie die Namen der Collyrien Dialepides,
Dialihanu, Diamisyos, Diaglauceu durch die Yerhindung der Präposition mit
dem Namen des Herstellungsstofifes gebildet (did ajtivQvrj<j:, dia Xamdng^ dia
Itßavov, diä i^dovoQy dia ylavxeiov) und von den alten Medizinern oft
erwähnt, ist es wohl das auf den römischen Okulistenstempeln am häufig-
sten vertretene Mittel. Ohne weitere Angabe, weder des Uebels, gegen
das es helfen soll, noch der Auflösungssubstanz, findet es sich auf den
Stempeln Grotefend n. 12, 15, 16, 30, 60 (in der Form Diazmyrnes),
92 (wo es Diasmyrnen geschrieben ist), 107; der Gollyrienstempel
n. 41 enthält ein Diasmyrnes ad epiphoras; n. 79 ad sedatus lippitu-
dinis; n. 7, 19, 24, 29, 49, 56, 59, 60, 76, 87, 90 post impetum lippi-
tudinis; oh auf n. 16 ein Diasmyrnes contra cicatrices gelesen werden darf,
ist nicht klar; n. 37 enthält ein Diasmyrnes aromaticum (oder: ex ovo?);
nach den Stempeln n. 20, 47, 78 ist es mit Eiweiss aufzulösen (ex ovo) ;
auf n. 84 ist dem Diasmyrnes ex ovo ein primum zugefügt, entweder
in der Bedeutung „ zuvor ^ (Sichel: „d^abord d^laye dans du blanc
d'oeuf**) oder in der Bedeutung von „semel'' (entsprechend dem „bis"
auf Stempel n. 47 und dem „ter" auf n. 26), wie Grotefend anzu-
nehmen geneigt ist.
Die dritte Seite enthält die Worte:
Q • P • DIODOTI
ISOCHYSVNA (als Schluss ein baumzweig-
artiges Zeichen).
Dass man in diesem Mittel nichts anderes zu erkennen hat, als
das Isochrysum, liegt auf der Hand, man mag das Zeichen nach dem
C für eine Ligatur von HR oder für ein umgedrehtes und missglücktes
R halten (von der Umkehrung des R gibt es Beispiele). Im letzteren
Falle stünde C^=CH. Diese Schreibung findet sich auf den Denk-
mälern unserer Art häufig, z. B. Celido = Chelidonium (Grotefend n. 99),
Gloron = Chloron (n. 97), Crsmaelinm = Ghrysomelinum (n. 53), Diacyl
ssDiachylon (n, 40). Das Collyrium Isochrysum selbst findet sich
148 Misoellen.
häufig auf Okalistenstempeln. Ohno weitere Bezeichnung, wie auf dem
unsrigen, steht es bei Grotefend n. 1, wo gleichfalls C = CH steht; mit
dem Zusätze: „ad claritatem" auf n. 41, 62, 72 (wo esYsochrysum lautet),
„ad ßcabrities et claritatem" mit dem Zusätze „opobalsamatum" auf n. 55.
Näheres über das Zeichen *1 anzugeben vermag ich nichts da die Entschei-
dung nur auf Grund einer Einsichtnahme in die ursprünglichen Charaktere
sämmtlicher Stempel gefällt werden kann, eine Autopsie, die mir bis jetzt
versagt war.
Die vierte Seite enthält die Inschrift:
QPOMDIODO
TIADEP^O///V
Dass an der zweitletzten Stelle der zweiten Zeile ein R gestanden
hat, ist ebenso klar, wie es einleuchtet, dass die Buchstaben ADEPt'OS
gelesen werden müssen: „ad epiphorus". Dieses auf unsern Okulistenstem-
peln Öfters erwähnte Uebel findet sich nirgends völlig ausgeschrieben.
In der gleichen Vollständigkeit wie auf unserem Steine, nur mit PH
geschrteben, findet es sich auf dem Stempel bei Grotefend n. 59:
IVNI • TAVRI • AVTHEMERVM • AD
EPIPHOR • ET • OMNEM LIPPITVD •
Genau wie auf unserem Stempel findet es sich auf n. 60:
IVENAUS • BIS PVNC
TVM- AD -EPIFOR (wo vielleicht am Schlüsse
einige Buchstaben fehlen.)
(Dass auf römischen Augenarztstempeln häufig F = PH steht, zeigen
Beispiele wie Fronimi, Faeon, Symfori, Flogiuro, Sarcofagum.)
Der Stempel n. 26 enthält:
C • DEDEMONIS • THEOCH
IST • AD • EPIPHORA • EX • OVO • TER,
n. 57:
IVNI TAVRI • CROCOD • DIA
MISVS • AD DIATHESIS • ET • R • E,
was Grotefend mit Berufung auf Galenus erklärt:
„ — et rheumatis epiphoras."
n. 41 enthält:
MIVLCHARITONIS
DIASMYRN//////A-E,
ohne Zweifel ein Diasmyrnes ad epiphoras.
Während die Epiphora an sich, ohne Beziehung auf die Augen, im
Singular vorkommt (Cic. ad fam. XVI, 23: Verumtamen Baibus ad me
scripsit, tanta se epiphora opprAsum, ut loqui non possit), kommt sie als
Augenübel nur im Plural vor, sowohl bei den Griechen wie bei den Römern,
■^M
Miscellen. 149
Demnach müssen wir lesen: „ad epiphoras^. Dass aaf unserer In-
schrift nicht der Name desMittels, sondern das durch es zu heilende Uebel
genannt ist, darf nicht befremden. Folgende Bebpiele mögen diesen Ge-
brauch belegen: Grotefend n. 33, 65, 84b, 104.
Es erübrigt^ den Buchstaben Y am Schlüsse der zweiten Zeile zu er-
klären.
Man könnte an volneris, volnernm denken und sich dabei auf den
Stempel bei Grotefend n. 83 stützen:
PROCVLI • EVO
DES • AD ' VOLCE (vielleicht soviel wie: ad
volnera ceranda.) ^^
Auch könnte man auf „ulcus'' verfallen mit Beziehung auf die Er-
klärung Grotefend*s zu n. 23.
Doch nach solchen ganz vereinzelten und durchaus unsicheren Ana-
logieen halte ich es nicht für gestattet, unseren Buchstaben Y zu erklären.
Behalten wir vielmehr die Thatsache im Auge, dass die vorliegende
Inschriftseite nur das Augenübel angibt; und sehen wir, auf welche Attri-
bute der Krankheitserscheinung bei der Empfehlung von CoUyrien vornehm-
lich Rücksicht genommen wird, so kehrt keines häufiger wieder, als das
Attribut: veteres, z. B.:
1) Grotefend n. 24: C • IVLI ' LIBYCI ' DIACIO
/// 1 E S • AD • SVPPVRAT ET
CCI
VETE • lÄR
2) Grotefend n. 26: COR DIALEPIDOS • AD • V///
3) Grotefend n. 79: SE • PO CALENI • DIALEPIDOS
AD VETERES • CICATRICES •
auf demselben Stempel ein (DIAM)ISVM • AD • VETERES'
CICATRCIES-
4) Grotefend n. 7: T ATI • DIVIXTI • DIAMI
SVS AD • VETERES • CIC
5)-Grotefend n. 19: L • FIDI • IS///
MISVS-ADVE///
6) Grotefend n. 39: L • IVL • AMANDI
DIAM AD • VET///
7) Grotefend n. 43 : C • I VLI • DIONYSODORI
DIAMISVS AD • VET • CIC
II
8) Grotefend n. 53: T- IVNIANI • DAASVM
AD VETERES • CICATRICES
9) Grotefend n. 6i. M • IVVENT • TVTIANI
DIAMYSVS- AD • VET- CIC
150 Miflcellen.
Nur mit dem ÄDfaDgabnchstaben V bezeichnet, findet sich „ve-
teres" auf:
10) Grotefend n. 8: M • C • CELSINI
DIAMISVSAVCIC
11) Grotefend d. 42 TIB " IVL • CLARI
DIAMIS ADVC
Da es BODBcb feststeht, dass „veteres^ als Attribut des Augenübels
häufig dem Namen der Krankheit beigefügt wird, da ferner dieses gebräuch-
liche und bekannte Attribut auch mit dem kürzesten Kompendium V ge-
schrieben sich findet, nehme ich keinen Anstand, die vierte Seite unseres
Stempels zu erklären:
Q. Pomponii Diode-
ti ad epiphoras veteres.
Das ist es, was ich zur Erklärung des neuen Mainzer Okulistenstem-
pels erörtern zu müssen geglaubt, eines Fundes, der auch um deswillen
der Beachtung gewiss sein darf, weil er die, im Verhältniss zu den galli-
schen Landen, spärliche Zahl der in Germanien gefundenen römischen Augen-
arztstempel vermehrt. Bedauern und als einen Mangel meiner Unter-
suchung muss ich, es empfinden, dass mir bis jetzt nicht möglich war, mich
durch die Kenntniss der authentischen Legenden über die Schreibweise der
Okulistenstempel genau zu unterrichten. Es ist für die Epigraphik gerade-
zu ein Bedürfniss, dass eine neue, vollständige Zusammenstellung aller be-
kannten römischen Augenarztstempel mit genauer Nachbildung des ur-
sprünglichen Textes erfolge. Denn die meist angewandte' Umschrift gibt
dem Betrachter keine Gewähr für die sichere Kenntniss dieser Inschriften
und macht eine Kritik des Textes unmöglich. Dass aber manche der bis
jetzt geltenden Lesungen unsicher, manche vielleicht auch unrichtig sind,
zeigt Desjardins^ Eraendirung der Grotefend^schen Erklärung des Stempels
des L. Julius Amandus. Darum darf eiue erneute umfassende und für den
heutigen Stand der Forschung abschliessende Arbeit die Mühe nicht scheuen,
alle in den verschiedeneu Ländern, in Museen, wie im Privatbesitz, zer-
streuten Stempel in zuverlässigen Kopieen zusammenzustellen und so einen
sicheren Text zu bieten, der die Grundlage der Untersuchung dieser so
merkwürdigen kleinen epigraphischen Denkmäler ist.
Dr. Jakob Keller.
2. Bertri eh. Aus einem Schreiben des Herrn Hotelbesitzer Kleriug in
Bertrich v. Oct. 1880 entnehmen wir, dass derselbe bei Vergrösserungs-
bauten auf seinem Terrain auf mehrfache römische Mauerreste stiess. Bei
dieser Gelegenheit wurden viele Thonscherben, hierunter auch terra sigillata-
Scherben, verziert und glatt (ein Stempel VRIK))» Eberzähne, ein Stück
einer anscheinend goldenen Fibel, sowie 65 silberne und 5 Erzmünzen gefunden.
Die silbernen Münzen gehören folgenden Kaisern an: 1 Galba, 1 Yi-
ÜÜBoellen. 161
tellius, 5 Vespasian, 2 Titus, 3 Nerva, 19 Trajan, 15 Hadrian, 3 Sabina,
1 Antonin.
Die kupfernen zeigen 1 Gallien, 1 Postamua, 1 Urbs Roma, 2 sind
nicht zu entziffern.
3. Bonn. Römerfunde nördlich vomBonner castrum. 1) Im
Monat März dieses Jahres wurden an der Bonn-Kölner Chaussee nördlich
vom Rheindorfer Bach, dem Josephshof gegenüber römische Gräber gemn-
den. Zwischen den Metersteinen 24,3 und 24,4 zog sich 9 m östlich und
parallel der Chaussee eine Reihe von Graburnen hin, die mit 1 m Zwischen-
raum 1 m tief im Lehmboden standen, und beim Ausziegeln für die dortige
Röttgen'sche Ziegelei in einer Ausdehnung von 60 m blossgelegt wurden.
Ein Querprofil durch den Boden, der dort 2 m höher Hegt als die Chaussee,
zeigte diese Urnenreihe 2 m von den Fundamenten einer Mauer entfernt,
die 1 m breit 0,30 m hoch, aus Feld- und Bruchsteinen bestand, durch
römischen Mörtel verbunden, daneben zahlreiche Tuffstücke und römische
Dachziegel.
Die Urnen wurden theilweiso zerschlagen und zeigten die bekannte
Form des kleinen Fusses mit weiter Ausbauchung und engem Kopf, weiss-
gelblichen Thon, und eine kleinere Urne von rothem Thon, endlich eine
Schüssel, ähnlich den heutigen Untersätzen zu Blumentöpfen. In den Ur-
nen war Kohle und Erde, und nur ein Mittelerz des Kaiser Domitian
wurde gefunden.
Vor einigen Jahren wurde beim Bau der Irrenanstalt am rechten Ufer
des Rheindorfer Bach das grosse Gräberfeld des Bonner castrum, und die
schöne Inschrift des custos armorum gefunden. Es scheint, als habe ein
Zweig dieses Gräberfeldes 400 m weit, vielleicht einen Weg begleitet, der
sich in der Richtung der jetzigen Chaussee auf die dortige Höhe zog.
2) Den Rheindorfer Bach überschritt 400 m oberhalb der jetzigen
Chansseebrticke eine Römerstrasse, welche von Roisdorf her die Bonn-Kölner
Chaussee kreuzte, und als 6 m breiter 1 m hoher Dammweg durch die porta
sioistra des Lagers auf Wicheishof führte. Ein Zweig dieser Strasse, der
jetzige Liefelingsweg, überschritt den Rheindorfer Bach etwas unterhalb
der Chausseebrücke, und führte durch die jetzige Irrenanstalt nördlich am
Graben des castrum entlang, gerade auf den Jesuit euhof, in dessen Garten
Herr Prof. au8*m Weerth in diesem Winter das Grabenprofil und die
Elscarpe des castrum klarlegte. Nördlich am Judenkirchhof wird dort
seit einigen Jahren beim Lehmstechen für die Streng* sehe Ziegelei das
Profil jener Römerstrasse aufgedeckt, eine höchstens 0,30 m starke Kies-
schicht in 0,50 m Tiefe unter der ^Erdoberfläche, 6 m breit, ca. 60 m
nördlich von der Escarpe des castrum. An dieser Strasse sind römi-
sche Steinsärge und Münzen gefunden, stellenweise neben der Strasse Fun-
152 Misoellen.
damente von Gebäuden, in 1 Vs na Tiefe, nur 6 m breit, mit aahlreichen
Knochenresten.
3) Der sogenannte Bonner Berg, der bei den Belagerangen Bonn's
im 17. Jahrhundert eine Rolle spielte, liegt 500 m vor der porta praetoria
des castrum, an der römischen Staatsstrasse Mainz-Köln, überhöht die
Strasse an jenem Thor um 6 m, uud blickt weithin in die Mündung der
Sieg, welche zur Römerzeit am nördlichen Fuss der Schwarz-Rheindorfer
Höhe in den Rhein mündete. Der Bonner Berg zeigt seine Grabenreste
nicht nach der Bonner Seite, sondern nach Grau-Rheindorf hin, und war
wohl unzweifelhaft ein römischer Wacht- und Lagerposten für einige 20
Mann Besatzung, da die Kuppe höchstens 20 m Seiteiilänge bot. Wahr-
scheinlich lag ein ähnlicher Wachtposten 450 m vor der porta sinistra, da
wo die Römerstrasse die jetzige Kölner Chaussee an einer Terrainerhebung
durchschneidet. Zahlreiche römische Gefässscherben und Graburnen wer-
den am Bonner Berg gefunden, in neuester Zeit römische Silbermünzen.
In meinen Besitz kam von dorther ein sehr gut erhaltener Domitian und
ein Fingerring von Brouce mit kleinem Schlüssel, der flachliegend die Ober-
fläche des Fingers deckt. von Veith.
4. Harzheim. Aus einem Briefe des Herrn Ä. Eich in Mechernich
V. 16. Oct. 1880 entnehmen wir Folgendes: Vor einigen Tagen empfing ich
die Nachricht, dass man in der Nähe von Harzheim beim Beackern eines
Feldes auf grosse behauene Sandsteinplatten gestossen sei und mehrere
derselben ausgehoben habe. Nach näherer Erkundigung heisst die Feldflur
„am Weilerberg", und finde ich, dass die Stelle meinem sei. Papa als
„römische" bekannt war (römische Wasserleitung, Seite 70). Sobald mir
einige freie Zeit erübrigt, werde ich mich dorthin begeben, um Genaueres
einzusehen und zu erfahren.
5. Hunsfück. Das Dorf Bell bei Castellaun ist 1877 aus der Reihe
der muthmasslicheh in die der erwiesenen römischen Niederlassungen auf
dem Hunsrück getreten, da ein Theil der Fundamente einer Villa (ähnlich
dem mit III, IV, V und VI bezeichneten Theile der Villa von Altenkülz,
S. 81, Heft 55) aufgedeckt und zur Gewinnung der das unterste Funda-
ment bildenden Quarzblöcke ausgeräumt wurde. Man sieht, dass die Fun-
damente sich in der vermuthlichen Richtung und Weise in die benach-
barten Aecker fortsetzen. Wenn nicht schon die Fundamente durch die
grobe Unterlage von Quarz mit darauf von Thonschiefer- Bruchstein und
Mörtel gehörig gesetzter Mauer den römischen Bau (im Hunsrücker Lande)
verriethen, so würde ein Estrichboden von opus signinum mit runden
Bessalen darunter, wie auch der Grundriss den Beweis liefern. Die
Stelle befindet sich dicht oberhalb des Dorfes südlich neben der Strasse
nach Castellaun, etwa 100 Schritte von dieser entfernt in einer von
da ab geneigten Ackerflur, daher der aufwärts gelegene Theil, wohl
MiMwUen. 163
sobon bei der ADrodung uod durch den Pflng, muiche Zertrümmerang der
FuDdamente erfabrcD hat. Längst konnte man im Getreide der Äecker
etwas, wie den GruudrJBB eines grOBsen Gebäudes mit eckigen Voraprüngon
erkeonen, da der Theil, unter welchem Mauern lagen, verkümmerte, daher
leb daseibat eine röinieche Behausung vermuthete, die nun erwiesen ist.
Das Dorf liegt an einer zu BefestiguDgen sehr geeignetun Anhöhe, worauf
anch wohl der Name hindeutet. Daselbst würde wohl noch Maoches zu
finden sein, wäre es nicht längst bei Erbauung dea Dorfes ausgeräumt.
Von Gefäaaen hat sich nichts gefunden. Ein Asclituliaufen lag so, dass
man ihn aua der Bodenheizung erklären konnte. Eine bleierne Röhre kann
man auf eine Badekammer deuten, denn obwohl die beiden Brunnen der
jetzigen Wasserleitung für das Dorf anscheinend etwas an tief liegen, könnten
bei der rieseligen Natur des Bodens dieselben früher weiter oben gefasst
gewesen aein. Werilea doch auch Jeet noch Quell en-Ausg&nge an Abh&ngeu
vertieftl Jedesfalla wurden beide Quellen, obwohl etwas fern, auch von
dar Villa benutzt, wie auch das Borf sie nicht entbehren k&nnte.
Im Thale bei Cbümbdchen, nahe bei Simmem, ist eine grosse Villa
in Aeckei-n ebenso aufgedeckt worden, -deren Grandrias Herr Baiuneistar
Bientann, welcher die bei Aliens entdeckte Villa genau kennt, gern voH-
stftndig aufgenommen bftlte. Dazn aber fehlten leider die Mittel, indem
die Königl. Regierung erklärte, deren keine 2U besitzen, was um so mehr
sa beklagen ist, da hier anscheinend ein ausgedehnter Bau vorlag, der auch
schdne Backsteinplatten zeigte.
Bei Hasselbaoh, wo am Unterdorfe bei dem Scbulhansban sich die
Spuren einer Villa gezeigt hatten, ist in der Flur, welche vom obern Theile
des Dorfes nach dem Gimmbach sich herabzieht, ein Fnudament zum Theil
anberaumt worden, das zunächst mehr AebnUchkeit mit dem auf dem Berge
bei Neuerkirch zeigte, das fQr ein Wachthaus gebalten wurde, wozu auch
die Lage passt. Doch könnten auch für Oekonomie bestimmte Gebäude
dabei gewesen sein, die ja auch dort (zu Stein-Gülz) nahe dabei waren.
So zeigt das Cülz-Thal auf einem Wege ron 2 Stunden bei Häsaelbacb,
Alt«r-Calz und Nenerkirch je zwei Fandamente und bei Chümbdohen ein
grosses. Bartels, Pforrer.
6. Mechernich. Ans brieflicher Mittheilnng des Herrn A. Eick ent-
nehmen wir Folgendes:
Vor kurzem wurde ein mittelalterlicher kupferner Siegelstempel ge-
funden, welcher bei der Umschrift S-QODEFRIOI MILITIS D* SCh€VORD
(SigilluraGodefridiMilitis (fikr Ritter) dictus (genannt) Sehe vord), ein Wappen
zeigt, in welchem auf einem Qnerbalken in der linken Ecke eine Ente oder
sonst ein Vogel dargestellt ist. Fundort ist der sogenannte Ginaterberg
dem Dorfs Sobaven bei Commern gegenüber und wurde er beim Kiesgraben
an's Licht gefördert. Die Stelle ist als altdeutsche Begrähnisastätte aehr
154 Misoellen.
bekannt, worüber Sie Näheres in der yon meinem sei. Vater Terfassten
Schrift: „Die röm. Wasserleitung aus der Eifel nach Köln" (Bonn bei H.
Cohen & Sohn) p. 11 1 gütigst nachlesen wollen. Ob das Siegel mit den
dort yerzeichneten Fanden in Beziehung gebracht werden kann, vermag ich
nicht zu beortheilen. Eine genaue Besichtigung desselben ergibt, dass das
Wort dictus durch die Buchstaben Ds wiedergegeben ist und an der Lesang
nicht g^weifelt werden kann.
Fortwährend noch werden in hiesiger Nähe römische Alterthümer ge-
' funden. Vor ca. zwei Jahren stiess man beim Beackern eines Feldes 5 Mi-
nuten oberhalb des Dorfes Strempt und in sechs Schritten Entfernung Ton
der über t)ottel herunterziehenden Römerstrasse auf grosse uuregelmässige
Steinplatten, die sich bei näherer Untersuchung als Deckplatten eines Steia-
sarges ergaben. In diesem befanden sich jedoch nur Scherben vonThon-
gefässen und Olasschaleh nebst fettiger Kohlenerde und Knochenreste.
Münzen wurden keine gefunden. Der Sarg ist aus dem Knottensandsteine
der hiesigen Erzlagerstätten ausgehauen und noch an der Fundstelle einzQ-
sehen. An einem der Kopfende ist ein Stück ausgebrochen. Im Sommer
Torigen Jahres wurde in der Nähe des Dorfes Gallmnth ebenfalls ein solcher
Steinsarg ausgehoben worin sich ein niedriges Töpfchen (Urne) befand.
Bemerkenswerth an demselben ist die braunschwarze glänzende Glasur.
Dieser Sarg dient jetzt als Futtertrog. Die Funde mehren sich beim Dorfe
Keldenich. Beim Auswaschen des bleierzhaltigen Sandes auf den nahe ge-
legenen Gruben daselbst finden sich nicht selten auf den Setzsieben römi-
sche Münzen von meist bester Erhaltung. Die älteste der neuerdings ge-
fundenen ist von Domitian, die jüngsten von Gonstantinus. Vorigen Herbst
fand man dort beim Roden einer Landparzelle 7 Urnen nebeneinanderstehend
und mit Asche angefüllt. Durch Unvorsichtigkeit des Arbeiters wurden
leider sechs davon zertrümmert, die siebente, etwa fünf Zoll hoch, befindet
sich in meinem Besitz. Es will mir scheinen als ob man sich zur Her-
stellung derselben des erzhaltigen Sandes bediente, indem am Fusse des
Töpfchens einige Glasur aufliegt, die von dem leichtflüssigen Weissbleierz
herzurühren scheint und beim Brennen der Geschirre als Glasur heraustrat.
Eine Seite desselben ist vom Ofenrauch gebräunt. Aussenfläche und Inneres
erscheinen wie mit Sand bestreut.
In Mechernich selbst stiess Herr Jos. Kier bei Grundarbeiten zur Tiefer-
legung eines Uofraumes auf eine stellenweise 1 Meter hohe Schicht schwar-
zer fettiger Erde, die mit Knochenresten von Schädeln etc. stark durch-
setzt war und sich in einer Ausdehnung von 10 bis 15 qm erstreckte.
Dieselbe wurde als Dungstoff im Garten verwandt. Es liegt die Ver-
mnthung nahe, dass dieser Ort zur Verbrennung von Leichen benutzt
wurde, da sich Holzkohlen reste in Menge vorfanden. Diese Erde nahm beim
Trocknen an der Luft eine bläulich-graue Färbung an. Münzen fanden
Mifloellen. 165
sich keine vor, wohl aher Thonscherhen vod Gefössen mit änsserlich roth-
braoneD Flecken als Yerzieriuig, resp. Glasnr. Ausserdem ein nach oben
sich TerjfingeDdes yiereckiges aus Thon und feinsten Stückchen rother
Ziegelerde hergestelltes sog. Webergewicht.
Ueber den Sarg bei Callmuth schreibt dann Herr Betriebsfdhrer
Zimmermann:
Derselbe war aus hiesigem, etwas röthlich aussehendem, vollständig
taubem Sandstein verferiigt. Beim Auffinden war derselbe bedeckt mit
einer 0,20 m dicken, 1,40 m langen und 0,7dm breiten Platte desselben
Materials. In der ausgehauenen Vertiefung befand sich nur eine kleine
Urne, und in derselben noch ein Ansatz von Asche. Au der frischen Ar-
beit konnte man ersehen, dass der Sarg nie einem anderen Zwecke gedient
hat. — Sodann wurde vor Kurzem auf demselben Grundstück eine ca.
0,20 m hohe und ebenso breite Urne gefunden, welche sieb in dem Besitze
des Herrn Martin Meyer von hier befindet.
7. Seckmauern i. 0. Ausgrabungen römischer Alterthömer.
An der bei Obernburg a. M. anfangenden und sich bis zum Neckar fort-
setzenden befestigten Römerstrasse liegt auf der Strecke zwischen Obern-
burg und Seckmauern etwa 2 Kilometer von letzterem Ort in nördlicher
Richtung im Wörther Stadtwalde ein grosser Trümmerhaufen, der „Feuchte
Mauer'' heisst und den ich in meinen Mittheilungen über römische Alter-
thümer i. 0. bereits mehrfach erwähnt habe ^). Schon vor mehreren Jahren
habe ich mich durch kleinere Funde römischer Gefössscherben bei Gelegen-
heit kleinerer daselbst geraachter Nachgrabungen von dem römischen Ursprung
dieser Trümmer überzeugt und darauf hingewiesen, dass dieses römische
Gebftnde ehemals die Bestimmung gehabt haben müsse, die Römerstrasse,
an der es liegt, gegen eine von Eisenbach heraufziehende Thalranlde zu
schützen. Aber welcher Art das Gebäude gewesen sei, über seine Grösse
und Bedeutung konnte man nichts Bestimmtes wissen, weil eben die ur-
sprüngliche Anlage durch massenhafte, halbkreisförmig umherliegende, hoch-
aufgeschichteto Steintrümmer verdeckt war. Nur so viel Hess sich aus der
Beschaffenheit des Trümmerhaufens und der Masse von grösseren Steinen
Bchliessen, dass das Gebäude zwar kein römisches Gasteil gewesen sei, weil
keine Spur von einem Wall und Graben vorhanden ist, aber doch für Yer-
theidignngpszwecke besonders fest gebaut und mit dicken und hohen Mauern
versehen war, denn woher wäre sonst bei seiner Zerstörung diese bedeutende
Stein- und Trümmermasse entstanden, wie sie sich nach dem Zeugniss von
Alterthumsforschern, die mit mir die Stelle besichtigten, in gleicher Grösse
und Ausdehnung an dem ganzen- römischen Grenzwall nicht mehr vorfindet.
Schon lange hegte ich desshalb den Wunsch, durch Nachforschung mit
1) Vgl. Heft LXII und LXIX dieser Jahrbücher.
156 MiscelleD.
Hülfe grösserer Arbeitskräfte die Grundmauem des Gebäudes aofsufinden,
sie bloszulegeD and so die BestimmuDg dieser röraischen Bsaanlage zu er*
mittein. Dieser Wunsch ging theilweise in Erfüllung, indem der historische
Verein für das Grossh. Hessen einige Mittel ver willigte und am 28. Juli
dieses Jahres begab ich mich in Gemeinschaft mit Herrn ßezirksfeldwebel
in Höchst i. 0., der schon mehrere Gebäude römischen Ursprungs aufgedeckt
hat, über welche ich später zu berichten Gelegenheit finden werde und der
auch bei dieser Gelegenheit als sachkundiger Leiter der Arbeiten fungirte,
mit sieben gut geschulten Arbeitern an die Aufgrabung der ,,FenchteD
Mauer^. Zunächst wurde an einer baumfreien Stelle ein Durchschnitt von
Aussen nach Innen gezogen um die Umfangsmauern des Gebäudes zu finden
und im Innern Nichts zu zerstören. Mit grosser Vorsicht, um ja kein
Mauerwerk zu durchbrechen, wurde vorgegangen und stiess man nach drei-
stündiger Arbeit zunächst auf die südliche Umfassungsmauer des Gebäudes.
Die hier 0,90 m dicke Fnndamentmauer war etwa noch 1 ,90 m hoch un-
yersehrt erhalten und unter dem Fundament zeigt sich die dem römischen
Fundament stets als Grundlage und zum Abzug etwaiger Feuchtigkeit
dienende Rollschichte. Von Aussen und Innen wurde nun der Zug der
Mauer zwar nicht ganz biosgelegt, weil dieses zu bedeutende Grundarbeiten
erfordert hätte, aber doch an verschiedenen Stellen unzweifelhaft constatirt,
bis man die Ecke des Gebäudes fand und nun der Schmalseite nachgraben
konnte. Hierbei ergab sich nun, dass das Gebäude, im Verhältniss zu
seiner Länge aufiPallend schmal war. Denn die Länge des Gebäudes betrug
14,70 m und die Breite nur 7,40 m; eine Anlage, welche, da man sich das
Gebäude nach der Menge der noch hier befindlichen Steine zweistöckig
vorstellen niuss,. die Festigkeit beeinträchtigt haben würde, wenn nicht für
diese wieder durch Verwendung ansehnlicher Quadersteine hinlänglich ge-
sorgt worden wäre. An der südöstlichen Schmalseite nun zeigte sich 0,50 m
von der Ecke ein grosser Sandsteinmonolith mit sorgfältiger Bearbeitung
eingelassen, der sofort die aufgefundene Thoreinfahrt indicirte. Dieser
Stein bot auf seiner oberen horizontalen Seite die Standfläche für einen
Thorpfosten dar, der auf ihm sicher und unverrückbar ruhte. Dieser Theil
des Steines bildet einen Kubus von 0,54 m dann setzt er sich zu 0,30 m
verschmälernd fort in zwei halbkreisförmig gebogenen Absätzen, deren un-
terer augenscheinlich die Bestimmung eines Thorabweisesteins bei dem Ein-
fahren hatte. Bei weiterer Aufgrabuug dieser Thoreinfahrt ergab sich die
interessanteste Bauanlage, wie sie in dieser Integrität selten vorhanden
sein dürfte. Es fanden sich die im Grundriss ersichtlichen vier horizontalen
in ihrer ursprünglichen Lage noch beGndlichen Steinplatten, an denen
man die Breite der ThorÖflnung erkennt. Dieselben haben, wie man an
dem Profil der Steinplatten ersieht, vorn eine Erhöhung, welche offenbar
als Thoranschlag diente, liier ersah ich nun deutlich, dass man ganz ähnliche
Misoellen. 167
Steinplatten, die am Castell in Lutzelbach früher gefanden worden, irr-
thümlich für Theile einer römischen Feuerleitnng erklärte. In der Mitte
dieser Steinplatten finden sich zwei Rinnen, entweder zum Ablanfen des
Wassers oder zur Erleichterung der Einfahrt. Der bei der Ausgrabung
anwesende Bautechniker Herr Gommunalbaumeister Heusei yon Höchst i. 0.
forderte nun einen Arbeiter auf, von der ersten Platte den Schutt zu ent-
fernen, sie ganz zu reinigen, indem sich in der Ecke neben dem Abweise-
stein die Pfanne finden müsse, in welcher sich die Thorangel drehte; als-
bald kam dieselbe in einer kreisrnnden, eingehauenen Vertiefung der Sand-
steinplatte, zum Vorschein. Die Breite der Steinplatten betrug 0,67 m,
0,52 m, 0,87 m, woraus sich eine Thoi'weite von etwa 2 m ergibt. Bei
weiterer Reinigung der Steinplatten ergaben sich in denselben mehrere
Rinnen, in denen sich vorstehende Theile des Thores beim OefiFhen und
Schliessen bewegt haben mögen. Auf der anderen Seite fand sich keine
korrespondirende Vertiefung für die Thorangel, so dass das Thor ein ein-
flügeliges gewesen sein muss. Eine mehr auf der Seite befindliche, kreis-
runde Vertiefung, die mit den Rinnen in Verbindung steht, diente offenbar
zum Verschluss des Thores und dürfte es bei näherer Untersuchung nicht
unmöglich sein, die Art dieses Verschlusses sich vollständig zu reconstruiren.
Die Thoreinfahrt dieses Gebäudes war ohne Zweifel desshalb auf der
Seite und nicht in der Mitte, um den ohnehin schmalen Innenranm nicht
durch einen Durchgang in der Mitte zu verstümmeln. Vielmehr waren die
inneren Gelasse durch Quermauern von' der einen Schmalseite zur anderen
abgetheilt. Doch konnten die Innenräume nicht aufgegraben werden, da
nach zweitägiger Arbeit die Mittel erschöpft waren. Nur eine Scheide-
mauer im Innern wurde gesucht und gefunden und bei dieser Gelegenheit
das schön gearbeitete Thorkapitäl mit zierlichen Profilirungen aufgefunden.
Es wurde bei dem Einsturz des Thores wohl an diese Stelle geschleudert,
wo es, etwas entfernt vom Thoreingang gefanden wurde.
ausserdem wurden Bruchstücke von Lavasteinen mit schönen Riefen
gefunden, Ueberreste einer römischen Handmühle, dann ein römisches
Messer, ein grosses Stück Glasfluss, woraus hervorgeht, dass wenigstens
der Theil des Gebäudes, in dem sich Glasgeräthe befanden, durch Feuer
zerstört wurde (die vorhandenen Steine tragen keine Brandspuren), viel
Thonscherben, Terrasigillatastücke, Nägel etc. Eine nähere Untersuchung des
etwa 30 Schritte davon entfernt liegenden, kleineren Trümmerhügels konnte
nicht mehr vorgenommen werden, doch ergab sich, dass es ein kleineres
Nebengebäude war. Bemerkenswerth ist, dass um das Ganze sich ein voll-
kommen steinfreies Bodenareal herumzieht, auf welchem sich noch an der
Bodenerhöhnng der ehemalige Lauf der Einfriedigungsmaner erkennen lässt.
Dieses Areal war offenbar früher das um das Gebäude liegende Gelände,
auf welchem die Garten- und Eüoheng'ewächse gepflanzt wurden. So haben
156 Miscellen.
wir denn wohl die ursprüngliche Bestimmung dieses Gebäudes als eine
doppelte anzusehen. £s hatte einen militärischen Zweck, dafür spricht die
Wahl des Ortes am Ende der Eisenbacher Thalmulde, die Lage unmittel-
bar an der alten Romerstrasse, welche südlich davon vorüberzieht und noch
den Namen „die alte Strasse ** führt. Dann war das Gebäude auch für
ökonomische Zwecke eingerichtet. Dafür spricht das kleinere Nebengebäude,
das cultivirte Land, welches das Gebäude rings umgab und so dürfen wir
nach der opulenten Ausstattung des Ganzen uns hier den früheren Sitz
eines verdienteren römischen Militärs denken, in dessen Räumlichkeiten sich
in Friedenszeiten das Thun und Treiben eines römischen Meierhofes • ent-
faltete. Dagegen ist es nunmehr erwiesen, dass die beiden Trümmerhügel
keine römischen Wachtthürme waren.
Gleich nach Beendigung obiger Ausgrabungen erhielt ich vom König-
lichen Bezirksamt in Obernburg nachstehendes Schreiben:
„Aus Anlass einer hierher gelangten Rcgierungsentschliessung, welche
lautet: »Um historisch und artistisch hervorragende Gebäude und Bau-
denkmäler vor Verfall und Verunstaltung zu schützen, wurden vom Land-
rathe Mittel verwilligt, welche von der Regierung -nach Massgabe der
Wichtigkeit des Objektes verfügbar gestellt werden können. Es ergeht
daher der Auftrag, solche in kunstgeschichtlicher Beziehung im Bezirk vor-
handene, wiclitige Baudenkmale in Benehmen mit Sachverständigen zu er-
forschen und die veranlassten Anträge zu stellen« —
und nachdem §ie auch in dem Bezirksarote Obernburg erfolgreiche Stadien
und Nachforschungen gepflogen haben, erlaube ich mir, Sie um Ihren sach-
kundigen Beirath ergebenst zu bitten.
Der Königliche Bezirksamtmann Weber."
Unter Mittheilung obiger Resultate, eines Bauplanes und eines weitern
Ausgrabungsplanes für das Innere habe ich die Königliche Regierung in
Baiern ersucht, die weitern erforderlichen Mittel bewilligen zu wollen und
hoffe ich, demnächst das begonnene Werk fortsetzen und vollenden zu können.
Seckmauern i. 0. Seeger, Pfarrer.
8. Auf die Bemerkung eines Sz. in Heft LXIX, S. 107 habe ich zu
erwiedem, dass an den Angaben und Schlüssen meines betreff*enden Auf-
satzes nur Eins zu corrigiren ist, nämlich der Pergament-Codex Eigen-
thum des Königlichen Provincial-ScbulcoUegiums ist und im Staats- Archiv
zu Münster aufbewahrt wird. Nordhoff.
ta^
Miflcellen.
169
9. Nachtrag.
10
Die beiden neu aufgefundenen Bruchstücke der im Heft LXVII,
S. 47 besprochenen und daselbst abgebildeten Bronzetafeln schliessen zu-
sammen und gehören dem zweiten daselbst mit III. IV bezeichneten
£xemplar an. Wir geben auf der Vorderseite (III) die Anfänge von
Z. 2 — 10, auf der Rückseite (IV) die Schlussbuchstaben von Z. 2—11.
Neues lehren sie gar nicht, da eben diese anfangenden und schliessenden
Buchstaben sämmtlich schon in dem ersten Exemplar (I. II) vorhanden
sind. Vielleicht aber darf man hoffen, dass auch die übrigen Reste der
vermuthlich vollständig gefundenen und erst nach der Auffindung zer-
trümmerten Tafel allmählich ihren Weg in das Bonner Museum finden
und das merkwürdige Dokument vervollständigen werden.
Als Kaiser Aurelianus im J. 270 die Gesandten . der Juthungen in
seinem Hauptquartier unter Entfaltung d«s vollen militärischen Pompes
empfing, werden von dem Zeitgenossen Dexippos (fr. 24 Müll.) als die
aij^aja Ttjg iniXixTOv (nganäg namhaft gemacht (ra di slaiv) ueioi xgvoot
xai iixovBq ßaaiXstoi xai tngaionidwv xaidXayoi ygaf^t/uaai /^gvooig irjXovfUvoiy
alle getragen an versilberten Stangen. Die Adler der aquiliferi und die
Kaiserbüste der imaginiferi sind hinreichend bekannt. * Verzeichnisse der
Soldaten in Goldschrift* begegnen weiter nicht. Ich halte es für sehr
wahrscheinlich, dass die oben besprochenen Bronzetafeln mit denselben
Soldatennamen auf beiden Seiten, welche kürzlich in das Bonner Museum
gelangt sind, dieser Art sind; dass sie von beiden Seiten gleiphmässig
gesehen werden sollen, passt für ein Feldzeichen gut. Spuren von Ver-
goldung habe ich allerdings nicht bemerkt. Th. M.
Druckfehlerberichtigung.
In Hefl LXIX, S. 142, Zeile 6 von unten soll es heisssen statt: (gegen
acht Alemannen), „gegen die Alemannen".
Inhalt
Seite
I. Geschichte und Denkmäler.
1. Römische Funde in Mainz. Von J. Keller. (Hierzu Taf. I.) . . . 1
2. Die Wasserbauten der Römer in den Zehntlanden. Von Na eh er.
(Hierzu Taf. H.) 6
3. Ein Münzfund von der Nahe. Von van Vleuten 14
4. Römische Falschmünzerformen, gefunden in Trier. Von F. Hettner. 18
5. Zu dem Gräbstein des Volcius M^ercator. Von Seeger. . . , . . 60
6. Gegenstände der Ausstellung kunstgewerblicher Alterthümer in Düssel-
dorf. Von aus'm Weerth 54
A. Der Bilderschmuck des Cod. Egberti und des Cod. Eptemaoensis.
Von Lamprecht. (Hierzu Taf. III — X.) 56
Irrthümlich sind im Text statt der Tafel-Bezeichnungen III — X die
Bezeichnungen I — VIII stehefn geblieben, wir bitten den Leser,
dies berichtigen zu wollen. D. R. .
B. Meister Eisenhuth. Von Nordhoff. (Hierzu Taf. XI ani Xllfj 113
II. Litteratur.
1. Die heidnische Weiheformel D-M von Becker. Angez. von Kraus. . 133
2. Geschichte der Schulen im alten Herzogthum Geldern, von Nettesheim.
Angez. von de Ciaer. 135
3. Die Pfarre zur h. Ursula von Stein. Angez. von van Vleuten. . . 135
4. Nachtrag von de Ciaer 137
III. Miscellen.
1. Mainz. Neuer römischer Augenarztstempel. Von Keller. Hierzu 1
Holzschnitt MO
2. Bertrich. Funde. Von Klering 160
3. Bonn. Römische Funde vor dem Cölnthor. Von v. Veith 151
4. Harzheim. Sandsteinplatten. Von Eich 152
5. Hunsrück. Römische Villa. Von Bartels 152
6. Mechemich. Verschiedene Funde. Von Eich und Zimmermann. . 133
7. Seckmauern i. 0. Ausgrabung. Von Seeger 155
8. Berichtigung. Von Nordhoff. 158
9. Nachtrag. Von Mommsen 159
DnlTersitäto-Bnchdrackerel von Oul Georgl in Bonn.
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Ein Theil des Oberrhein^ zur Römerzeil.
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JAHRBÜCHER
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VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
RHEINLANDE.
HEFT LXXI.
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BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BOin, BEI ADOIf H MARCDS.
isai.
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Inhaltsverzeichniss.
Seite
I. Geschichte und Denkmäler.
1. Das römische Strassennetz in den Zehntlanden, besonders in dem badi-
schen Landestheil desselben. Von J. Naeher. Hierzu Taf. I . . . 1
2. Classis germanica pia fidelis. Von Bone 107
8. üeber ein Barbotingefass der ehemaligen Sammlung Discb. Von Jonas
Paul Meier. Hierzu Taf. HI. Fig. 1 110
4. Einige weitere Gef&sse mit Inschriften. Von E. aus'm Weerth. Hierzu
Taf. III. Figg. 2 u. 8 112
5. Kleinere Mittheilungen aus dem Prov.-Museum zu Bonn. Von. E. aus'm
Weerth. Hierzu Taf. II 114
1. Blumenvase und Spiegel aus Köln 114
2. Geräthschaften Römischer Aerzte 117
6. Zur Erinnerung an die Disch'sche Sammlung röm. Glaser. Von E. aus'm
Weerth. Hierzu Taf. V, VI und VII 119
7. Pontifical-Eelch aus dem Dome zu Osnabrück. Von E. aus'm Weerth.
Hierzu Taf. IV , 138
II. Litteratur.
1. Die Baudenkmäler des Begierungs-Bezirks Wiesbaden von Lotz-Schnei-
der, angez. von Nordhoff 187
2. Wandmalereien des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden. Von
E. ans'm Weerth, angezeigt v. Otte 151
III. Miscellen.
1. Bonn: Lesung des Deutzer Steines. Von Meyer und aus'm Weerth. 154
2. Berg bei Nideggen: Fränkische Grabstätte. Von Koenen 154
3. Düsseldorf: Entdeckung einer alten Töpferei. Von demselben . . . 155
4. Dusseldorf: Grabfund bei Gerresheim. Von demselben 156
5. Johannisberg bei Kirn. Von Lehfeldt 157
6. Jünkerath: Vicus Icorigium. Von Heydinger . 157
7. Walderbach: Sandsteinfiguren. Von Lehfeldt 160
8. Werlau: Grabstein. Von Lehfeldt 160
I. Gesehielite und Denkmäler.
Das römische Strassennetz In den Zehntlanden,
besonders in dem badischen Landestheil desselben.
Hierzu Taf. I.
Vorwort
In der Erforschung der römischen Zeitepoche der Zehntlande
sind wir auf Orund der neuesten Untersuchungen soweit angelangt,
dass wir nunmehr ein Bild des damaligen Verkehrslebens und nament-
lich des Strassennetzes im Grossherzogthum Baden zu entwerfen ver-
mögen, das im wesentlichen als eine Ergänzung desjenigen zu betrach-
ten ist, welches s. Z. der hochverehrte und als gründlicher Forscher
bewährte Gonservator von Paulus für den württembergischen Theil
der Zehntlande festgestellt hat.
Es ist ganz natürUch und auch für die Leser wünschenswerth,
dass hierbei das ganze übrige Bauwesen mit den Vertheidigungsanstalten,
welches zur Beurtheilung der römischen Kulturzustände im Zehntlande
nöthig ist, beigezogen werden musste.
Die Frage, „welche Bauten sind römischen Ursprungs'^
bedurfte seit den romanistischen Anschauungen von Mone, Krieg von
Hochfelden, Vetter und Baier bezüglich der Burgbauten einer wie-
derholten Klärung, welche schon in der Abhandlung des Staatsraths
von Becker angebahnt ist, und welche hier durch die Beschreibung
der römischen Bauten auf Grund langjähriger Beobachtungen und Auf-
nahmen zum Abschluss gekommen sein dürfte. Die moralischen Unter-
stützungen, welche mir hierbei in erster Reihe von Seiten des Herrn Dr.
Brambach, Vorstand der hiesigen Landesbibliothek und von einigen
meiner Herren Coilegen zu Theil wurden, und welche viel zur Förde-
rung der vorliegenden beschwerlichen Arbeit beitrugen, erkenne ich
mit tief gefühltem Dank an.
1
2 Das römische Strassenneiz in den ZehnÜanden.
Die beigefügte Karte ist vielleicht in zu kleinem Massstab aus-
geführt, aber mit Beihilfe der Beschreibung und der neuen Spezialkarten
für die allgemeine Uebersicht genügend.
Sind einmal für jeden Landestheil der Zehntlande ähnliche Be-
schreibungen; wie die vorliegende, vorhanden, so lassen sich die ein-
zelnen Arbeiten leicht zum grossen Ganzen vereinigen, welches zur
Beurtheilung des römischen Gulturiebens der Zehntlande nöthig ist.
Mit grosser Genugthuung erwähne ich hier das vortreffliche Werk
des Geh.-R. Baer, Chef der Grossherzogl. badischen Wasser- und Strassen-
baudirection („Chronik des Strassenbaues in Baden, Berlin bei Springer
1878"), worin ein reiches Material an geschichtlichen Anmerkungen
über den Ursprung der jetzigen Landstrassen und die älteste Ge-
schichte unseres Landes enthalten ist.
In demselben fand ich, gestützt auf meine ausgebreitete Lokal-
kenntniss und meine langjährigen Erfahrungen im Strassenbau, die
erste Aufmunterung zur Ermittelung des römischen Strassennetzes
im Grossherzogthum Baden.
Ist auch hierin noch manches im einzelnen zu berichtigen und
zu ergänzen, so ist durch vorliegende Arbeit doch ein wesentlicher
Anfang gemacht, der sich den Untersuchungen über die römischen
Strassen Verbindungen in Württemberg von Paulus und am Nieder-
rhein den bewährten Forschungen von Schneider und aus'm Weerth
in dieser Beziehung anschliesst.
Karlsruhe im Februar 188L Naeher.
Inhalts-Verzeichniss.
I. Der römische Strassenbau im Allgemeinen.
a) Die Einleitung.
b) Die Tra^irung und Bauweise der Strassen.
n. Das römische Strassennetz (in den Zehntlanden, be-
sonders im badischen Landestheil derselben).
a) Die Consular- oder Militär-Strassen mit einigen Hauptverbin-
dungsstrassen.
b) Die römisch-keltischen Verbindungswege.
c) Die muthmasslichen Wege keltischen Ursprunges.
Das römiiche Strassennets in den Zebntlanden. 8
I. Der rSmische Strassenban im Allgemeinen.
a) Einleitung.
Die Strassen- und Wegverbin düngen, welcbe zur Zeit der
Römerherrschaft in den Zehntlanden bestanden, lassen sich im Allge-
meinen in zwei Klassen elntheilen. 1) in solche, welche die Römer bei
der Besitznahme für ihre Kriegsoperationen, namentlich zur Unter-
stützung der Vertheidigung ihrer Grenzbefestigungen, neu anlegten
und mit Stationen (maosiones) versahen, und 2) in solche, welche die
Römer als schon zwischen den Niederlassungen der Kelten bestehende
Wegyerbindungen übernahmen, und (je nach der Bedeutung, die sie
unter der Römerherrschaft erhielten) theils verbesserten, theils
nur unterhielten. Das schnelle Vorrücken der Römer im Zehntland
lässt sich nur dadurch erklären, dass ihnen die schon vorhandenen
Saumpfade behilflich waren.
Erstere Strassen sind die sog. Gonsularstrassen, welche mit
den Stationen in der römischen Vermessungstafel und in dem Itinerar
aufgezeichnet sind. Man konnte nicht umhin diesen auch noch die
bedeutenderen Verkehrsstrassen, welche später als die erstgenann-
ten von den Römern zur Verbindung ihrer Colonien angelegt wurden,
und sowohl in militärischer als merkantilischer Beziehung von
Wichtigkeit waren, anzureihen.
In die Kategorie der römisch-keltischen Verbindungswege gehören
solche, welche den Verkehr zwischen den damaligen Niederlassungen
vermittelten, deren Existenz urkundlich oder durch Aufdeckungen und
Funde von Denkmälern, Votivtafeln, Fragmenten etc. nachgewiesen ist
Wie jene der römischen Gebäudesubstructionen, so sind auch d i e
Spuren der römischen Heerstrassen, insbesondere der Oberbau der-
selben im Boden vergraben und nur bei Strassenverlegungen gelingt
es nianchmal denselben blosszulegen, und sich von der Bauweise
der versteinten Fahrbahn derselben zu überzeugen.
Stützte römische Strassenpflaster wie in Italien gibt es bei uns
nicht mehr. Die Herstellung derselben trägt das Gepräge der Flttch-
tigkeity wie es gegenüber der Solidität der dortigen Bauten auch bei
den Gebäuden in den Zehntlanden beobachtet wird.
Es ist ein Irrthum, wenn man glaubt, dass die Römer auf den
Graten der Berge ihre Fahrbahnen durchweg mit einem Pflaster ver-
sahen, und dass überhaupt dasselbe das alleinige Kennzeichen einer
4 Dat römische Strassennetz in den Zehntlanden.
römischen Strasse sei und wo dasselbe nicht zu finden ist, auch keinff
vorhanden war. Die Römer hatten häufiger Kiesstrassen als mit
Pflastersteinen versehene, welche letztere man überhaupt nur da trifft,
wo das Material in der Nähe gewonnen werden konnte.
Die römischen Pflasterungen, wo solche vorhanden waren, sind
jetzt entweder bis 0,6 m tief in den Acker- oder Waldboden versunken,
oder es sind Landstrassen auf sie gelegt worden, meist aber sind
die Pflastersteine herausgebrochen und zu Schottersteinen zerschlagen
worden. '
Wie wenig von einer solchen römischen Pflasterung heute noch
zu sehen ist, zeigt die römische Strasse VII von Ettlingen nach Gann-
statt (siehe unten).
FQr die Wahl eines römischen Strassenzuges, wo solcher noch
sicher gestellt werden muss, ist neben der Erkenntniss des Bedürf-
nisses der Strassenverbindung überhaupt auch noch das Yerständniss
der römischen Tra^irungsweise nöthig, dann wird man auch ohne das
Vorhandensein von Spuren der römischen Pflasterung zum Ziel kommen.
In dem topographischen Atlas für das Grossherzogthum Baden
1 : 50,000 sind viele solche verlassene römische Strassenzttge über die
Höhen mit punktirten Linien angegeben.
Den Topographen, welche diese Karte in den Jahren 1832—40
aufnahmen, waren Weisungen von Seiten ihrer Oberbehörden zur Be-
achtung solcher römischen Baureste zugegangen und wir verdanken
denselben manchen jetzt sehr werthvollen Eintrag in die Karten.
InK. von Beckers Geschichte des badischen Landes I. Heft
ist die Wichtigkeit und Nothwendigkeit eines römischen Wegnetzes für
die Zehntlande weit unterschätzt Die Peutinger^sche Tafel und das
Itin. Ant. sind zur Beurtheilung der Ausdehnung eines solchen Netzes
und der römischen Ansied lungen nicht massgebend, was schon daraus
hervorgeht, dass darin nicht einmal die sehr wichtige Verkehrsstrasse
VII von Strassburg nach Gannstatt oder von Heidelberg nach Speier
und andere aufgenommen sind.
Viele der weniger wichtigen Verbindungen, wie im römischen
Strassenbezirk des Odenwaldes, hatten in späteren Zeiten, namentlich
am Ende des 3. Jahrhunderts, wo die Alemannen ihre Einfälle be-
gannen, auch mehr oder weniger militärische Bedeutung.
Viele von Mone in seiner Urgeschichte des bad. Landes hervor-
gehobenen Schlüsse zur Ermittelung des römischen Ursprungs der
Strassenzüge haben ihre vollständige Berechtigung. Sowohl die aus
Das römische Sirassenneiz in den Zehntlanden. 6
den ältesten Zeiten henührenden Flurbenennungen, wie sie derselbe
Forscher aufgeführt hat, (S. 151—158) namentlich, wo solche wie:
Steinstrasse, Stein weg, Heerstrasse, Hochstrasse etc. vorkommen,
weisen immer auf das Vorhandensein einer früheren römischen Ver-
kehrsstrasse hin, wenn sie überhaupt in der Richtung einer solchen
liegen.
Noch jetzt heissen viele verlassene oder als Feldwege fortbe-
stehende Wege „Römerstrassen", so wie wir auch noch einen Römer-
berg bei Dietlingen und einen Sennfeld haben.
Bezüglich der Bestimmung von römischen Niederlassungen soll
man sich übrigens nur an wirklich vorhandene Spuren von Bauresten
aus der Römerzeit oder an Funde von Altären und Denkmälern halten.
Letztere selbst, da sie sehr oft verschleppt wurden, sind nicht so mass-
gebend wie erstere.
Wie viel das Zehntland noch an römischen Bauresten und Denk-
mälern birgt, zeigen die letzten Jahre, in welchen z. B. die grosse rö-
mische Militärstation bei Heidelberg gelegentlich der Ausgrabung der
Fundamente für das neue Spital aufgedeckt wurde; ebenso vermehren
sich die Funde an Denkmälern und von Bauresten aus der Römerzeit
noch immer und hierüber dürften die Akten noch lange nicht ge-
schlossen sein, während man bei der Bestimmung des römischen Weg-
und Strassennetzes, nicht das „Zu frühe^' ausrufen kann, und das
nachfolgende von uns bestimmte als massgebend betrachtet wer-
den darf.
Zunächst betrachten wir hier die Trafirung und Bauweise der
römischen Heerstrassen.
b) Die Tra^irung und die Bauweise der römischen
Heerstrassen.
Als die Römer in den Besitz der Zehntlande kamen, waren sie
vollständig Meister in der Kunst des Strassenbaues.
Wenn man aber bedenkt, dass diese Strassenanlagen den Kriegs-
operationen entsprechende rasch ausgeführte Vertheidigungsmittel waren,
so darf man hier nicht Kunstbauten suchen, wie in der Nähe Roms die
Appi^sche und Flamini 'sehe Strasse.
Die Römer suchten im Zehntlande die Tragirung ihrer Strassen
auf den Höhenrücken, welche nicht allein den besten Untergrund
und die trockenste Lage, also auch die leichteste Bauweise ge-
r .
6 Das römische Strassennetz in den Zebntlanden.
Währten, sondern auch durch die freie und beherrschende Lage
miteist der Warten so situirt waren, dass die feindlichen Einfälle rasch
den einzelnen Stationen und den herbeieilenden Truppentheilen mitge-
theilt werden konnten.
In der Wahl der Höhenrücken fQr die Anlage der Heerstrassen
waren die Römer sehr vorsichtig und man sieht bei weiten Strassen-
zügen sogar ein kurzes Verlassen der Wasserscheiden, wenn
dabei die Sicherheit der militärischen Rücksichten bewahrt blieb. —
(Beispiel: Zug von Tenedone durch den Klettgau über Siblingen zum
Randen).
Die römischen Strassen zogen oft mit 15— 207o von einer
Anhöhe zur Thalsohle hinab, und suchten mit derselben Steigung die
jenseitige Thalwand zu erklimmen, so dass ein Verbleiben im Thal so-
viel als möglich vermieden wurde.
Wo es die Gestaltung der Höhenrücken erlaubte hielten die rö-
mischen Strassenzüge so lange als möglich gerade Linie ein, so
dass sie zu beiden Seiten die höchsten Erhebungen umgingen, wie
z. B. der Zug von Schönbähl nach Pforzheim, wo rechts die Anhöhe
des Wallberg bei Brötzingen liegen blieb.
Wir finden bei den römischen Strassenzügen der Zehntlande weder
ein Anschmiegen derselben an die Bergwände behufs Ausgleichung
von Auf- und Abtrag, noch die Durchführung eines gleichmässigen
Gefälls, wie sie der Bau unsrer neuen Strassen zeigt; sie folgten
den Unebenheiten der Höhenrücken und Thalgründe, mit Beibehaltung
des Dammprofiles, das ihnen nach beiden Seiten freie Umsicht und
grosse Sicherheit gewährte.
Der höchste Gebirgsstock, den die Römer in den Zehntlan-
den mit einer ihrer wichtigsten Heerstrassen erstiegen, war der Ran-
den; (siehe Str. IH). Sie erreichten denselben mittelst eines zur
Höhe ziehenden Thaleinschnittes, des Langenthals bei Siblingen.
Im übrigen gewährten die flacheren Thaleinsattlungen des Oden-
waldes und des Landestheiles zwischen demselben und dem Schwarz-
wald massige Ansteigungen.
Bei dem schweren Tross an Wagen, den die Truppen zu jener
Zeit mit sich führten, erforderten solche Auffahrten aussergewöhnliche
Kraftanstreugungen. Das Wagengestell war fest, die Lang-
wiede ohne Drehvorrichtung und die Räder stark mit Eisen beschlagen.
Die Zugthiere waren meist Mault hier e, die die Römer aus
Italien brachten und das Vorfinden solcher Hufe an alten Steigen
>
Das römisohe Strassennetz in den Zehntlanden. 7
dient vielfach als Beleg, dass hier der römische Stras8eD2Ug zu
suchen sei.
Was den Oberbau der römischen Eunsstrassen im Zehntlande
anbelangt, so \var derselbe dem Verkehr und den Bedürfnissen ent-
sprechend, überall ordnete sich die Technik dem Zweck der Bauan-
lage unter.
Im Zehntlande waren die Römer gleichsam im Feindesland, oder
wenigstens beständig auf Vorposten.
E. Hübner, Heft LXIII S. 41 dieser Jahrb. bemerkt richtig, dass
die beiden Germanien nur militärisch organisirte Grenzbezirke waren,
die erst seit Hadrian selbstständige Statthalter und zwar für Ober-
germanien in Mainz, für Untergermanien in Köln hatten.
Demgemäss mussten auch die daselbst von den Römern angelegten
Strassen und Militärbauten mehr den Charakter der passageren Ver-
theidigung haben, und man darf hier in der Technik die Sorgfalt der
Ausführung nicht suchen, wie bei den epochemachenden Musterbaüten
in Italien und Südfrankreich.
Die Fahrbahnen der römischen Heerstrassen erweisen sich den
Aufdeckungen und Ausgrabungen von anerkannt römischen Strassen
in dem Zehntlande und der Schweiz zu Folge als sehr schmal.
y Wir müssen hier durchaus Umgang nehmen von solchen Auf-
deckungen, wie sie im Werk des Alterthumforscher vonGock für
eine Römerstrasse bei Bothnang im württembergischen beschMeben
sind. Die 30 Fuss breite Unterlage von grossen Sandsteinen, darauf
gestampften Sand mit kleinen Steinen vermischt, als Unterlage für
eine festgefügte Pflasterung, welche wiederum mit einer verwitterten
und zusammengefahrenen Schottermasse bedeckt war, das ist für den
Oberbau einer römischen Militärstrasse in einefai Grenzbezirk wie das
Zehntland zu viel.
In diesem Fall haben sich allmählig Verbesserungen und Aus-
gleichungsarbeiten, die in das Mittelalter und die Neuzeit fallen, ge-
deckt, und diesen complicirten Oberbau der Fahrbahn hervorgerufen.
Die Ausgrabung dieser Strasse fällt zudem in jene Zeit, wo man
ohne weiter nachzudenken, alles einigermassen künstlich hergestellte
unter dem natürlichen Boden befindliche, für römisch hielt.
Der noch erhaltene Oberbau der römischen Militärstrassen in
unsem schönen hochstämmigen Tannenwaldungen dient vollständig als
Grundlage zur Aufklärung dieser Technik.
Auf ebenem y namentlich feuchtem Terrain wurden zu beiden
• *
8 Das römische Strassenoetz in den Zehntlanden.
Seiten der Strassenbahn Gräben aufgeworfen und mit diesem Aushub
ein erhöhter Strassendamm hergestellt, auf welchen das Strassen-
fundament und die Yersteinung zu liegen kam. Auf diese Weise
wurde nicht nur eine etwas erhöhte und beherrschende Lage der
Strasse über das anstossende Gelände und ein durch die Seitengräben
geschützter und vertheidigungsfäbiger Fahrdamm erzeugt, sondern
auch die Bedingungen einer zweckmässigen Entwässerung der Fahr-
bahn erfüllt. Wir finden im flachen Gelände noch jetzt für die
Römerstrassen eine Benennung, die vorzugsweise von der Art der
Aufdämmung derselben herrührt und sichdesshalb als „Hochstrasse"
erhalten hat
In äusserst seltenen Fällen, man kann sagen in unserm Lande
fast nirgends, sehen wir die Fahrbahn einer römischen Strasse in d a s
Terrain eingeschnitten. Wo sich die Spuren einer solchen durch
einen Hohlweg verfolgen lassen^ entstand derselbe jedenfalls erst im
Lauf der folgenden Jahrhunderte. Die Bömerstrassen bleiben erhöht
bis zu dem Bergvorsprung, der sie schnell und jähe in das Thal da
hinunter führte, wo der Thalübergang so kurz als möglich bewerk-
stelligt werden konnte.
Uebrigens kannten die Römer doch auch das Kehren einer Strasse
an hohen und steilen Gebirgsabhängen. Ober-Ingenieur v. Bavier be-
handelt in seiner bekannten Abhandlung (s. dessen Chronik der Strassen
der Skchweizer, Zürich 1878) auch die römischen Alpen Strassen der
Schweiz und sagt: „Die Kehren der Septimerstrasse seien
von den Römern bequem, schön und solid angelegt worden, uqd
man habe für Wasserableitung gut gesorgt. (Es finden sich am St.
Bemhardin noch Spuren dieser römischen Anlagen.)
Die Breite dieser Alpenstrassen war sehr verschieden, im
Allgemeinen sehr schmal und betrug 1,35 bis 2,5 m, eine Breite, die
auch bei uns im Zehntlande, wo die Terrainverhältnisse günstiger
waren, wenig überschritten wurde.
Im Seekreis fand man bei den Aufdeckungen der römischen
Strassen Fahrbahnen von 3,5 bis 4 m Breite, so von Langenhard
nach Gutenstein an der Donau, wo eine römische Strasse von Vilsingen
durch Kreenheinstetten und Leibertingen nach Buchheim und Tuttlingen
zog. Die 3,5 m breite Fahrbahn bestand hier aus rauh aneinander ge-
legten grösseren Kalksteinplatten, welche ungleich stark waren, oben
aber eine ebene Fläche bildeten; ferner fand man im Garten des
Wirthshauses in Vilsingen in der Richtung nach Sigmaringen und als
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 9
Fortsetzung der erst genannten Strasse die Pflasterung einer Römer-
strasse etwa 1.4 m unter dem Boden dadurch, dass hier nichts ge-
deihen wollte. Diese Pflasterung wurde herausgebrochen und zeigte
bdi 4 m Breite dieselbe Construction wie die oben erwähnte. Theile der
römischen Donauthalstrasse von Tuttlingen nach Müsskirch wur-
den durch das Ausbleiben der jungen Saat in den Fruchtfeldem
nachgewiesen und aufgedeckt, es waren meist Kiesstrassen mit 3,5 m
breiter Fahrbahn.
Bei Liptingen, dem Knotenpunkt zweier römischen Strassenzüge,
stiess man beim Edenstetter Hof an der Strasse gegen Oberschwandorf
auf eine gepflasterte Fahrbahn von 3—3,5 m Breite. Die ungleich
starken Kalksteinplatten waren auch hier so gebettet, dass sie oben eine
ebene Fläche bildeten ^).
Diese kleine Römerstrasse lässt sich jetzt noch stackweise ver-
folgen, indem die noch bemerkbare Strassendammerhöhung sich theilweise
dem Bergabhan g anschmiegt. In den Thalniederungen und Feldern sehen
wir die zu der Römerzeit über das Gelände erhöhte und mit Seiten-
giüben versehene Strassenbahn und Versteinung jetzt, also nach 17
Jahrhunderten 0,6--0,7 m tief in den Boden eingesunken.
Die Aufdeckungen der Römerstrasse im Hagenschiess, wo man
etwa 0,3—0,4 m unter der Oberfläche des jetzigen Waldbodens die Tra^e
noch ziemlich gut verfolgen kann, indem dieselbe durchgehends ge-
pflastert war, ergaben ebenfalls eine Breite der Strasse von 3,5—3,6 m
(12 Fuss) sammt den Banketten. Die einzelnen Sandsteinplatten oder*
Findlingsteine, wie sie der Waldboden ergibt, sind ungleich stark
(0,2 bis 0,4 m, und so schwer, dass sie ein Mann noch leicht hand-
haben kann, an den Seiten gut gefugt, und so in den gewöhnlichen
Boden gebettet, dass sie oben eine ebene Fläche bilden. Bei Unter-
kemach hat die Pflasterung im Salvester wald, welche allgemein
für römischen Ursprunges gehalten wird, bei 3 m Breite eine ähnliche
Construction.
Man bemerkt hier noch die Geleisspuren der Wagenräder, die
bei 1,4m Breite durchschnittlich 4cm tief sind. Jedenfalls haben
wir es. hier mit einem alten Strassenbau zu thun, der bis in das frühe
Mittelalter zurückgeht. Da aber die Verbindung von Vilingen nach Tri-
berg, zu welcher dieses Stück der angeblich römischen Strasse im Sal-
vest gehört, erst im Mittelalter zu einer merkantilischen Bedeutung kam.
1) Naoh Mittheilongen des Herrn Oberingenieur Beger, damals in Stookacfa.
10 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
und den Verkehr aus der Baar in das Kinzigthal vermittelte, so dürfte
die Abpflasterung der Steige im Salvestwald in diese Zeit fallen. Wir
finden solche gepfasterte Abfahrten noch allenthalben im
Schwarzwald, z. B. über den Löcherberg bei Harmersbach in den
Thälem der Alb, Nagold, Wurm u. s. w. zu den auf den Höhen liegen-
den Dorfschaften führend, und es fallt Niemanden ein sie auf die Bö-
merzeiten zurückzuführen.
Die früheren bedeutendem Greschichtsforscher haben in ihren
Abhandlungen oft den Bau der römischen Verkehrswege berührt,
aber ihre Resultate lassen den Techniker sehr unbefriedigt, da sie
nur selten auf den wirklichen Thatbestand und den Aufdeckungen
fussten. Man fühlt es, es fehlte in solchen Fällen oft an der eigent-
lichen Fachkenntniss, die zur Prüfung von baulichen Resten durchaus
nöthig ist.
Neben allen auf die ältesten Verkehrswege und Ansiedlungen
aus der Römerzeit hindeutenden Flurbenennungen, die Mone in seiner
Urgeschichte Badens Bd. I und II sehr ausführlich behandelt, ist eine
Lokalkenntniss doch nothwendig^ um da, wo sichere Anhaltspunkte
fehlen, die Trage Aei römischen Weges herauszufinden. Mit einiger
Sachkenntniss über die Vorbedingungen der römischen Strassenanlagen
ist dies, selbst bei dem ^elfach coupirten Terrain unsres Landes,
nicht schwer.
Am wenigsten darf man sich hierbei durch das Vorkommen rö-
mischer Gebäudereste verleiten lassen, denn es ist eine unbestrittene
Thatsache, dass die friedlichen Gehöfte (Villae rusticae) der Römer
stets an quellenreichen Thalwaudungen, abgelegen von den Verkehrs-
wegen erbaut waren. — Man darf also nicht behaupten, wo eine solche
gefunden wird, muss auch die Strasse vorbeigegangen sein.
Oberstlieutnant Schmidt hat (Heft XXXI dieser Jahrb.) eine ge-
naue Beschreibung der auf dem linken Rheinufer aufgedeckten Römer-
strassen gegeben, wonach die Fahrbahnbreite derselben sich zu 5,4 m
herausstellte. Oberamtmann von Lüder zu Castellaun führt in sei-
nem Werk über Strassenbau (Frankfurt a. M. 1779) an, dass die Rö-
mer 60 Fuss breite Strassen, oft aber auch zwei schmale Strassen von
nur 12 Fuss Breite neben einander laufend gehabt hätten.
In Schöpflin's Alsatia ill: ist die Breite der Fahrbahn der ge-
wöhnlichen römischen Heerstrassen zu 12 Fuss = 3,6m angegeben,
Halter von Königsfelden spricht sich in seiner Abhandlung „Helve-
tien unter den Römern*', dahin aus, dass die römischen Heerstras-
Dm römiflohe Strassennetz in den Zehntlanden. 11
sen daselbst nur 4,8 m und die gewöhnlichen Verbindungswege jener
Zeit nur 2,4—3 m breit gewesen seien.
Ritter von Gock nimmt für die römischen Strassen über die
rauhe Alp eine Breite von 3,6 m und Eitenbenz für die bei Mess-
kirch aufgedeckten und in den Fluren noch erkenntlichen Römer-
wege eine Breite von 3 m an.
Bei Fundamentgrabungen zunächst Neuenheim wurde im Jahr
1879 unter einer 0,5—0,8 m hohen Humusschichte die Fahrbahn der
römischen Heerstrasse von Ladenburg nach Heidelberg aufgedeckt
und uns hierüber von Architect Wu nd mitgetheilt, dass die untere Roll-
schichte der Yersteinung aus grossen Wackensteinen oder Sand-
steinen von 25—30 cm bestand, und die obere 6—8 cm starke Kies-
schichte satt in Kalkbrei eingelegt gewesen soi ^).
Die festgestampften Kies decken im Seekreis, wozu die Römer
den aus der Gletscherzeit heriilhrenden nur sporadisch in kleinen Gru-
ben vorkommenden Alpenkalk verwendeten, zeigen ebenfalls jetzt noch
eine Härte, als ob sie mit Cement verkittet wären. Es ist aber in
beiden Fällen nur anzunehmen, dass diese Festigkeit mit der Zeit und
durch den Gebrauch erzielt wurde, wie dies bei unsern jetzigen Kies-
strassen der Fall ist, wo die Kiesdecke oft nur mit Pulver gelöst
werden kann. Eine ähnliche Härte der römischen Fahrbahndecken aus
Kies bestätigt Pfarrer Keller in Siblingen für die Heerstrasse zum
Banden. Bei Ettlingen wurde diesen Sommer das Pflaster der
römischen Strasse nach Pforzheim ca. 0,7 m unter dem Boden gele-
gentlich einer Strassencorrection blossgelegt. Die Sandsteinplatten
waren unregelmässig zusammengefügt und zeigten Geleisspuren. Die
Breite von 2,5 m der Pflasterung zeigt, dass sie nur für ein Fuhrwerk
angelegt war. Der Verkehr war damals gering und es kam die Be-
gegnung zweier Fuhrwerke nur selten vor, wobei man sich schon
durchhelfen konnte, da die römischen Wagen nicht über 1,4 m breit
waren.
Weitere in Aussicht stehende Ausgrabungen von römischen Stras-
1) Nach GhrisVs Aufnahme, s. Monatsheft VI. der deutschen Alterthums-
▼ereine S. 242, hatte die Heei-strasse von der Brücke in Heidelberg ab gegen
Speier eine Breite von 8,7 m und eine V\rölbiiiig von 0,25 m und bestand deren
Bau in einer 0,4 m dicken Rollschichte von grösseren Sandsteinfindlingen und
einer Auflage von grobem Neckarkies mit fünf Auftragssohichten. Der Seiten-
weg hatte eine Breite von 8 m mit 0,25 m starker Roll- und 0,15 m starker
feinen Kiesschichte.
12 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
senbahnen im Zehntlande dQrften mit den eben angeführten Daten u n-
sere Annahme bestätigen, dass der römische Strassendamm, wel-
cher durch Ausheben beidseitiger Gräben gewonnen wurde, und wie er
noch im Hagenschieswald ersichtlich ist, nicht über 3,5— 4 m und das
eigentliche Pflaster oder die Fahrbahndecke nicht über 2,5— 3 m
breit war *).
lieber die Organisation des Strassenbaudienstes unter denBö-
mem haben wir in Inschriften Nachweise, die bestätigen, dass auch
hiefQr' Sorge getragen war.
Geheimrath Baer sagt S. 12 in seiner Strassenchronik : „Es ist
als gewiss anzunehmen, dass zur Bömerzeit die Einwohner des Landes
die Strassen unterhaltei^ mussten und wahrscheinlich, dass römische
Strassenmeister die Aufsicht führten/'
Die letzteren Worte sind bekräftigt durch einen bei Gannstatt auf-
gefundenen römischen Votivstein, den ein Strassenmeister (Curator
reficiendarum viarum) mit der Inschrift setzen liess: „Den Göttern der
Doppelwege, Dreiwege und Kreuzwege hat S. T. diesen Altar für sein
und der Seinen Heil gesetzt.'^
Auch bei Sandweier, 2 Stunde von Baden, wurde ein Votivstein
gefunden, der auf die Wichtigkeit der Wege hinweist Die Inschrift
lautet :
Diis quadrivialibus vicani
Bibienses de suo possuunt.
Es ist zu vermutheu, dass dieser St^in bei Oos stand, wo solche
Wege sich schon zur Bömerzeit kreuzten.
Auch Dr. Christ weist bei dem Fund, der an der Stelle der
römischen Ueberbrückung über den Neckar bei Heidelberg gemacht
wurde, darauf hin, dass auch für Brückenbauten Architecten Ihätig
waren, die als besondere Beamte direct unter der Provincialregierung
gestanden haben dürften.
Die Strassen waren bei den Bömern geheiligte Bauten, die nicht
allein dem Verkehr dienten, sondern auch mit allen Werken der Kunst,
namentlich mit Grabmonumenten geziert waren.
In der Nähe von Bom erregen jetzt noch die Monumente an
1) Eine gut erhaltene Römerstrasse war bis in die neueste Zeit zwischen
Marbch nnd Murhardt in Württemberg, sie besteht aus einem mit Pflaster
versehenen Damm. (Siehe Baer's Strassenchronik.)
Das römische Strassennetz in den Zehnt landen. 18
den Flamin Ischen und Appischen Strassen aus der römischen
Eaiserzeit die Be^vunderung der Beschauer. In der Nähe der Haupt-
colonien der Zehntlande dürften in sehr bescheidener Weise ebenfalls
solche Grabmonumente gestanden haben. In Baden wenigstens deuten
zwei solcher Steine, welche bei Erbauung des früheren Kapuzinerklosters
Qetzt badischer Hof gefunden wurden, darauf hin, dass sie an der
Strasse nach Oos errichtet waren. (Siehe Fröhners 1. Heft: Die
Denkmäler der Karlsruher Alterthumssammlung für das Jahr 1866.
No. 65 und 66.)
In Flandern und den angrenzenden französischen Departements
sind die Römerstrassen in den bestehenden oft Stunden lang in gera-
der Linie geführten Laudstrassen noch erhalten, sie heissen dort im
Volksmund: „Brunehildenstrassen**, indem der Herzogin Brune-
hilde von Flandern die Wiederherstellung dieser alten römischen Heer-
strassen zugeschrieben wird.
II. Das romisehe Strassennetz mit der Beschreibung der im
badlsehen Antheil der Zehntlande liegenden Strassenzflge.
»
a. Die sog. Consularstrassen mit den bedeutenderen
Verkehrsstrassen.
I.
Die Consolarstrasse Ton Angusta Ranracomm (August) auf dem Hoeh-
gestade des linken Rheinofers Aber Strassbnrg nach Worms.
Obgleich diese Strasse eigentlich nicht mehr zum Zehntlande ge-
hört, da sie auf dem gallischen Ufer des Rheines liegt, so ist deren
Eenntniss zurKIarlegung des Strassennetzes im Zehntlande und
ebenso zum Verständniss der militärischen Bedeutung der einzelnen
Strassenzüge sehr nöthig.
In der sog. Peutingerschen TafeP) ist dieselbe von Augusta
1) Eine Strassenkarte ans der Zeit des Kaiser Alex. Sevems stammend,
yon welcher eine Gopie in dem Nachlass des Aagsb arger Patrizier Peutinger
gefanden worde, and die sieh jetzt in der Wiener Hofbibliotheck befindet.
14 Das römisohe Strassennetz io den Zehntlanden.
Rauracorum beginnend mit stets abwärts gehenden Abstufungen dem
Rheinufer entlang aufgezeichnet.
Die einzehien Stationen sind:
Arialbinum VI Leugen
Cambete VII „
Argentouaria XII „
Helellum XII „
Argentorate (Strassburg) XII Leugen
zusammen von Augusta Sauracorum 49 Leu gen ^).
Links dieses Strassenzuges sind in der erwähnten Karte die Vo-
gesen als: Silva Vosagus aufgezeichnet.
Diese Heerstrasse folgte der jetzt noch bestehenden Bheinstrasse,
welche von Kembs an auf dem Hochgestade zwischen dem Bheinkanal
und dem Sheinstrom liegt und schon zur Bömerzeit als Verbindungs-
weg zwischen den daselbst befindlichen Niederlassungen der Kelten
bestanden hat. Sie wurde von den Bömem als Militärstrasse verbes-
sert, und mit Logirhäusem (mansiones) versehen.
Die 13 Leugen Entfernung von Augusta B. bis Garn bete treffen
nicht ganz mit Grosskembs zusammen, da es nur 12 Leugen sind;
auch bis Strassburg stimmt die oben angegebene Entfernung von 49
Leugen mit der wirklichen Distanz nicht überein, welche 55 Leugen
beträgt, aber man darf hier nicht eine allzugrosse Genauigkeit vor-
aussetzen, da diese Entfernungen höchstens abgeschritten wurden und
dabei vielfach Ungenauigkeiten in der Zählung eingeschlichen sind.
Arialbinum dürfte in der Nähe von St. Louis, Argentovaria
bei Nambsheim ^) und Helellum bei Sassenheim zu suchen sein.
In den neueren Karten (siehe die grosse Bheinkarte der Gr. bad.
Oberdirection des Wasser- und Strassenbaus) sind die Bömerstrassen,
welche von Grosskembs ausgehen eingetragen, worunter namentlich
auch diejenige nach Befort und Besangon punktirt angegeben ist. —
Von Grosskembs abwärts besteht diese Bömerstrasse noch als
nächster Verbindungsweg bis vor den Ort Homburg, während die
1) Eine Leuge = 2220 mir. = IVs römische Milie. Zwei Leugen =s 1
Wegsid. = 4440 mir.
2) Mone Bd. II. S. 386 verlegt Argentovaria in die Gegend von Horburg
bei CoUmar, wo die Alemannen im Jahr 378 n. Chr. unter ihrem König Priari
eine groise Niederlage erlitten und über den Rhein zuruckgedr&ngt wurden.
Dm römische Strassonnets in den Zehntlanden. 15
Jetsige Landstrasse die näher am Bhein liegenden Orte NiiFem und
Elein-Landau berührt.
Von Äugst nach Grosskembs (Cambete) fielen die Bheinstrasse
nach Strassburg und die Heerstrasse nach Gallien zusammen. Auf
der Peutingerschen Tafel sind beide Wege besonders eingezeichnet, aber
bis dahin dieselben Stationen und Entfernungen angegeben^ so dass die
Hauptroute nach Gallien vom Abgangsort Äugst als ein Ganzes er-
scheint, was der damaligen Anschauungsweise über die Marschlinien
und deren Ausdehnung vollständig entspricht ').
Die linke Rheinseite von Äugst abwärts bis Mainz erhielt nach
den erfolgreichen Einfällen der Alemannen in die Zehntlande im dritten
Jahrhundert eine hohe strategische Bedeutung, und es soll schon Kai-
ser Gallienus (259—268) längs dieses Ufers Castelle angelegt haben.
Durch den Geschichtsschreiber Ammian wissen wir, dass der Kaiser
Constantin (306—322) und Valentinian I. an dem gallischen Ufer Ver-
theidigunswerke anlegten.
Namentlich waren es die Castelle Robur und Basilia (das
später schnell zur Stadt heranwuchs und in der Notit: Civit^t. Gal-
lige schon Civitas Basiliensium hiess), welche der Kaiser Valentinian
zur Deckung des Rheinüberganges bei Basel errichten liess.
Von hier abwärts bis Strassburg hinderte das damals unwegsame
mit dichten Wäldern bedeckte Schwarzwaldgebirge und die aus Wasser-
giessen und versumpften Flächen bestehende Rheinebene einen Durch-
bruch der^ deutschen Stämme gegen Gallien, und wir finden daher
auch längs dieser Strecke keine besondern Vertheidigungsanlagen,
ausser dem von der Natur befestigten Mons Brisiacus, den die Kaiser
Valentinian und Valens wohl nur der schönen Lage halber vorüberge-
hend zum Aufenthalt wählten.
Strassburg ( Argentoratum) war einer der ersten Waffenplätze der
Romer.
Im Jahre 1873 (s. Silbermann Lokalgeschichte von Strassburg
V. J. 1775) wurde bei Gelegenheit der Anlage von Bauten, die römi-
sche Ringmauer an zahlreichen Stellen aufgedeckt und der Umfang
des alten Argentoratum festgestellt. — Sie war das Standquartier der
Vni. Legion, deren Stempel wir vielfach bei Ziegelfragmenten in Baden
treffen, und der Sitz eines Comes Militiae. — Keine römische Nieder-
1) S. Weick römische Niederlassungen von Vindonissa bis Mainz vom
J. 1822. Abschn. L
16 Das römische Strassennetz in den Zebnilanden.
lassuDg von der Bedeutung wie Strassburg weist sp wenig Inschriften
und Denkmälerfunde nach als diese Stadt.
Von Argentoratum führten zur Römerzeit zwei Strassen nach
Mainz, die eine längs des Rheines, die wir unten genauer be-
schreiben werden, und die zweite aber Brumat (Brocomagus) ^) am
Fusse der Vogesen hin nach Weissenburg (Concordia) und von da
über Bergzabern (Tabernae mont.), Neustadt und Alzey (Alsaia vicus)
nach Mainz. Bei Neustadt durchschnitt sie die Heerstrasse von Speier
(Novio Magus) nach Metz^ und traf in Alzey mit der Herrstrasse von
Kaiserslautern nach Mainz zusammen (s. Karte).
Die Stationen der römischen Heerstrasse längs des Rheines, welche
Schoepflin die via rhenensis heisst, sind dem Itin. Antonin. gemäss
von Strassburg aus
bis Saletio (Selz) .
von da bis Tabernae rhen. .
„ „ „ Novio Magus .
,9 n ,» Borbeto Magus .
„ „ „ Bonconica . .
„ ,f „ Moguntiacum
zusammen 66 Leugen.
Die nächste Station Saletio von Strassburg aus nennt Ammian
zuerst Saliso (Selz am Flüsschen Selz am Rheinhochgestade); *es
war dies nach Weick der letzte Ort im Land der Tribokken, und
die Grenze des Bezirkes der Nemeter. Von hier zieht sich die Heer-
strasse durch den Ort Lauterburg, wo gegenüber auf dem rechtseiti-
gen Hochgestade der Ort Au liegt, bekannt als Fundort mehrerer rö-
mischen Altäre und einer Rastsäule (siehe Str. VH).
Hier war der Rheinübergang zur Verbindung der linksseitigen
Heerstrasse und der römischen Niederlassung (Concordia). — Von Selz
bis zur nächsten Station Tabernae Rhen. ist die römische Heerstrasse
meist die Grundlage der jetzigen Landstrasse.
Der Name des auf dieser Strecke am Hochgestade liegenden
Ortes Pforz soll wie auch Pforzheim, nach Chr ist's Mittlieilung, von
Portus kommen, und ersterer Ort ein Hafen für die Flotte gewesen
sein, welche bei Vertheidigung des gallischen Ufers gegen die feind-
lichen Einfälle mitwirkte. Das Städtchen Tabernae Rhen. ist bekannt
7 Leugen
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11
1}
1) Schoepflin Alsatia iU. L 233-471, 528—560.
Bm römische Strassennetz in den Zehtitlanden. i1
durch die zahlreichen römischen Geschirr- und Münzenfande, sowie
auch durch die Aufdeckungen von mehreren römischen Gebäuderesten.
An der Osterbach 2 km von Rheinzabern wurde ein grösseres Bad
(babeum) aufgedeckt, aber wieder zugeworfen (die Stelle ist jetzt
durch einen Gedenkstein bezeichnet).
Den vielen Geschirrfragmenten und Resten von Brennöfen nach
war Tabemae eine der bedeutendsten römischen Töpferkolonien der
Rheinlande, die mit der von Riegel das ganze Zehntland mit den
feineren Thonwaaren (terra sigill.) versah.
Nach Weik war hier der Sitz eines Praefectus militum Mena-
ptorum^ der unter dem Dux von Mainz stand. In der Nähe von Rhein-
zabern hegt auf einer landzungenartig durch die Serpentinen des Rhein-
laufes ausgewaschenen Stelle des Hocbgestades der Ort Jockrim.
Der in die Rheinniederung ragende vorderste etwa 200 m lange,
50 m breite Theil dieses Ortes hat einen ca. 10 m hohen aus grossen
Backsteinplatten hergestellten Unterbau, der oben eine auf einem Bogen-
gesims ruhende Brustwehr, an die die Bauernhöfe angebaut sind, trägt.
Mit Ausnahme eines Flankirungsthurmes, der vor 15 Jahren abge-
trageü wurde, ist die ganze Anlage noch gut erhalten und gewährt
dem Beschauer namentlich bei der Abendbeleuchtung, wo die rothen
Backsteinmassen mächtig wirken, einen prächtigen Anblick. Da über
den Ursprung dieses Baues urkundlich nichts bekannt ist, so wurde er
beim Volk als ein römisches Castell bezeichnet, was jedoch nicht der
Fall ist, da das römische Castell Tabemae südlich der jetzigen Stadt
Rheinzabern nachgewiesen ist; und die ganze Anlage in Jockrim die
Bauweise einer mittelalterlichen Befestigung trägt.
Durch die Notit. Imper. ist uns der Ort Vicus lulius zwischen
Tabemae und Novio Magus mitgetheilt. Schöpflin (s. Alsatia illust.
I. 230) glaubt diesen Ort in Germersheim wieder zu finden, dessen
ausgezeichnete auf dem Hochgestade am Ausfluss des Queichbach
befindliche Lage die Römer zur Anlage eines Gasteils benutzt haben
dürften.
Die nächste Militärstation ist Noviomagus (Itiner.), Nocomagus
(Ptolem.), Nemetes, Nemetae (Ammian und die Notitia nannten diese
Stadt nach dem Namen des hier lebenden Volkes), auch als Colonia
Nemetum bekannt (die jetzige Stadt Speier). In der Nähe von Novio-
magus nennt die Notitia Imp. das Castell Alta ripa, es wohnte hier
der Präfect Militum Martensium (s. Weick S. 63).
Die Ableitung des Neckars, welche nach der Erzählung Ammian's
2
18 Das römiflohe StraBsennetz in den Zehntlanden.
Kaiser Valentinian zum Schutz seines Castells (Munimentum) vornehmen
Hess, bezieht sich nach den neuesten Forschungen, namentlich von
Christ, auf das Castell in Altrip. Als sicher ist anzunehmen, dass
der Neckar bei' seinem Zusammentreffen mit dem Rhein durch die Ab-
lagerungen seiner Geschiebsmassen immer mehr aufwärts gedrängt wurde
und zur Bömerzeit Altrip gegenüber einmündete. (Mannheim und
Neckarau liegen auf diesem Geschiebsdelta.) Das auf dem linksei tigen
Hochgestade liegende Castell war durch den directen Stoss der Neckar-
fluthen gefährdet, und es ist allem Anschein nach hier der Einbau
und die Neckarcorrection zu suchen, den Valentinian zum Schutz seines
Castells vornehmen liess — (s. Abhandlung des Verfassers Bonner
Jahrbttcher Heft LXX).
Die nächste römische Militärstation an der Heerstrasse nach
Mainz war Borbeto magus (Worms) auch Givitas Vangionum, ferner
Bonconica (Oppenheim) nach dem Itin. Ant. 9 Leugen, nach der Peut
Tafel 11 Leugen von Mainz (Moguntiacum), der Hauptstadt der Provinz
Germania superior, zu dem die Zehntlande gehörten.
Mone bespricht in seiner Urgeschichte Bd. I S. 247 ebenfalls
die Bauten am Rhein, d. h. die zur Vertheidigung desselben angelegten
Gastelle, welche er am rechtsseitigen Hochgestade sucht und bestimmt.
Dass Mainz als die wichtigste Hauptstadt am Mittelrhein jenseits
durch den Brückenkopf in Castell und die Trajansburg am Ausfluss
des Mains in den Rhein gedeckt wurde, ist vollständig begründet; ob
aber die übrigen Castelle aufwärts auf dieser Seite des Rheines zu
suchen sind, wie solches Mone an der Mündung der Weschnitz (jetzt
Hof Stein), femer beim Rennerhof unweit Mannheim, bei Altrip (das
früher auf der rechten Rheinseite gelegen haben soll), bei Philippsburg,
Graben, Mühlburg etc. annimmt, ist sehr fraglich, da diese nicht wie
Castell bei Mainz als Brückenköpfe dienen konnten, und bei diesen mit
Ausnahme von Altrip, das wir auf die linke Seite des Rheinhochge-
stades verlegen, auch keine Baureste aus römischer Zeit nachge-
wiesen sind.
n.
Die Heerstrasse von Augnsta Banracomm nach Yindonissa.
Die Verbindung der zwei grossen im Lande der Helveter ge-
legenen befestigten Städte Augusta und Vindonissa war für die
Römer zur Entwicklung ihrer Streitkräfte und als Stütze für ihre zur
Vertheidigung der Zehntlande nöthigen strategischen Dispositionen von
.^
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 19
der grössten Bedeutung und wird eine solche in der Kriegskunst auch
mit dem Namen Operationsbasis bezeichnet, weil sich die militäri-
schen Vorm&rsche auf sie stützen.
In der Peutlngerschen Tafel ist sie als eine Militärstrasse aufge-
zeichnet, mit der Entfernung XXII d. h. Leugen, die zu Vs Wegstunde
gerechnet, mit der wirklichen Entfernung nahezu zusammentreffen.
Die Strasse folgte über Rheinfelden und Stein (Säckingen gegen-
über) dem rechten Rheinufer und von da durch das Frickthal über den
Bötzberg (Mons vocetius) nach Brugg und Windisch der noch bestehen-
den alten Landstrasse. In Brugg war der Uebergang über die Aar,
woselbst ein aus dem früheren Mittelalter stammender Brückenthurm.
Bei Nieder-Mumpf (Säckingen gegenüber) wurde an der Strasse
ein Säulenfragment gefunden, das von einem Leugenzeiger herrührt.
Da diese Strasse vollständig auf dem Schweizer Gebiet liegt, so
unterbleibt eine nähere Beschreibung ihres Zuges, sie ist hier wie die
Strasse No. I nur aufgeführt, um den Rahmen des Strassennetzes an
den Grenzen der Zehntlande zu ergänzen.
m.
IHe Heerstrasse von Tindonissa (Windlsoh) über Bottenburg (Samvloceimis)
und Gannstatt (Clarenna) naeh Begimim (Regensburg).
Diese Strasse gilt als die wichtigste Operationslinie von dem sehr
befestigten Windisch aus (Standlager der XL und XXI. Legion) nach
dem Innern Deutschlands d.h. nach dem die Zehntlande abschliessen-
den Grenzwall.
Es ist bekannt, dass die Eroberung Deutschlands vom Unterrhein
ausging, und dass auch die Ausdehnung des Grenzwalles damit zu-
sammenhängt. Sobald derselbe bis in das Herz des jetzigen Schwaben-
landes und von da nach Regensburg festgestellt war, musste auch die
Verbindung dieser grossen Vertheidigungsanlage mit der grossen Ope-
rationsbasis Vindonissa — Augusta R. gesucht werden, und man kann
annehmen, dass der Bau dieser wichtigen Heerstrasse in die Zeiten
der Kaiser Trajan und Hadrian (93— 122) fällt, welche bekanntlich
auch den schon von Drusus am Mittelrhein begonnenen Grenzwall be-
endigten.
In der Peutingerschen Tafel ist dieser Strassenzug mit sämmt-
lichen Stationen bis Regensburg eingetragen.
Die sehr mangelhafte topographische Darstellung dieser Strasse
hatte die Feststellung derselben sehr erschwert^ ehe in der Hauptko-
20 Dm römisohe Straneonetz in den Zehntlanden.
looie Samulocennis die Stadt Rottenburg a. N. sicher gestellt war (s.
von JaumaD; Bottenburg unter den Römern).
Der frühere Conservator der württembergischen Alterthümer von
Paulus^) hat sich um die Aufsuchung dieser Strasse ein grosses Ver-
dienst erworben, obgleich die erlangten Resultate noch nicht allgemein
anerkannt sind.
Die Strassenstrecke von Windisch über Degerfelden nach Zurzach,
wo ein Gastell (jetzt Burg) stand, und eine stehende Jochbrücke v8n
den Römern angelegt war, ist übereinstimmend mit Paulus auch in
der archäologischen Karte der Nordostschweiz des bewährten Alter-
thumsforschers Dr. Ferd. Keller eingetragen.
Bef sehr niedrigem Wasserstand sind die Reste der Jochpfähle
dieser römischen Brücke noch sichtbar.
Von Rheinheim, Zurzach gegenüber, zog die Heerstrasse über
Bechtersbohl am Fuss des Küssenberges vorbei, in das offene Thal der
Schwarzbach, deren oberes Gebiet jetzt im Scha£fhauser Klettgau liegt.
Näheres über diesen Strassenzug siehe Baer, Strassenchronik S. 260.
Den nächsten Anhaltspunkt für die Bestimmung der Fortsetzung
dieser römischen Heerstrasse gaben die Aufdeckungen einer grösseren
römischen Niederlassung an dem gegen Süden gekehrten sanft an-
steigenden Yorhttgel des Schwarzbachthaies, wo jetzt der s. g. Hei-
degger Hof steht.
Früher waren die alten Gebäudereste unter dem Namen „Heiden-
schlösschen^' bekannt, jetzt heisst das Gewann „in der Steinmur^'.
Schon im Jahr 1795 liess der Vogt der Klettgauer Regentschaft, von
Weinzierl, eine Untersuchung der Hauptruine vornehmen. (S. Schrei-
bers Taschenbuch für Geschichte und Alterthum IV S. 236.) Hier-
nach gehörte das mit pavillonartig vorspringenden Flügeln angelegte
Hauptgebäude von ca. 40 m Seitenlänge zu einer bedeutenden Mili-
tärstation, deren Gründung in die erste Zeit der römischen Besitz-
nahme des Zehntlandes fällt. (Die gefundenen Ziegel trugen die
Stempel der XI. und XXI. Legion und der 26. Cohorte derselben, jene
meist auf den Ziegelplatten der Heitzböden, die letztem mehr auf den
Leistenziegeln, die von der Dachdeckung herrühren.)
So viel ist gewiss, dass hier bei der Gesammtanlage dieser Station
die Legionäre mitwirkten und die Bestimmung derselben eine militä-
1) Siehe Archäologische Karte und Erklärung des Strassensuges von Vin-
donissa nach Reginum.
Das römische Strassenneiz in den Zefantlanden. 21
rische war. Jenseits des Tbales stand auf dem durch seine beherr-
schende Umsicht bekannten Küssenberg, welchen jetzt die Ruinen der
Küssenburg zieren, die zur Station gehörige specula (Hochwacht).
Die ¥on Yindonissa bis zu der nächsten Station Tenedone in der
Peutinger'schen Tafel angegebenen 8 Leugen stimmen nahezu mit der
Lage des Heidegger Hofes überein, und man kann sich der Annahme
von Paulus anschliessen, dass diese Station hier zu suchen ist.
Die Niederung des Klettgaues über die jetzigen Orte Rechberg-
Trasadingen nach Gächlingen und von da auf einer langgestreckten
Bodenerhebung nach Siblingen, wo der bestehende Weg heute noch
Hochstrasse heisst, bot den Römern das geeignetste Terrain zur
Führung ihrer Heerstrasse.
Wie der Heidegger Hof, so haben auch die Ausgrabungen auf
dem s. g. Tuelwasen bei Siblingen, welche der dortige Pfarrer
.Keller im Auftrag des schweizerischen Alterthumsvereins leitete, er-i
geben, dass auch hier am Fuss des Randen eine römische Station
(mansio) war (s. Anzeiger des Züricher Alterthumsvereins 5. Jahrg.
No. I vom Jahre 1872).
Das eine Gebäude hat 40 auf 30 m Seite mit einem grossem
Heizraum, das andere bei 36 m auf 25 m Seite scheint der Anlage
nach für den Tross bestimmt gewesen zu sein.
Am Fuss dieser auf einer Vorderterrasse des Randengebirges lie-
genden Oertlichkeit schneidet sich ein Thälchen in dasselbe ein, und
bietet daher einen sehr geeigneten Aufgang zu demselben.
Keller fand hier bei Gelegenheit der Anlage einer in diesem
Thal, gen. Langenthai, vorgenommenen Strassencorrection eine grosse
Anzahl von Maulthierhufeisen, die aus der Zeit der Römer herrühren.
Maulthiere wurden zum Transport der Wagen aus Italien mitgebracht.
Es ist daher keine Frage, dass die Richtung der römischen Heer-
strasse Siblingen berührte, woselbst eine mansio auch mutatio der
Römer war, und dass der Aufgang auf das Randengebirge durch das
Langenthai statt fand, worin Pfarrer Keller mit Paulus vollständig
übereinstimmt.
Der Klettgau ist sehr reich an geschichtlichen fiauüberresten,
nicht nur aus der Epoche der Römerherrschaft, sondern auch aus der
vorrömischen und alemannischen Zeit.
Vor Allem ist es Schieitheim, 4 km westlich von Siblingen in einem
Seitenthal der Wutach, das durch seine reichen Funde an römischen
Münzen^ durch Ausgrabung einer römischen Niederlassung und durch
22 Das römische Strasteonetz in den ZehnÜanden.
ein s. g. alemannisches Todtenfeld bekannt ist (s. Wanner Ge-
schichte des Elettgaues 1851).
Nur 2 Standen von da liegt Stühlingen an der Wutach, über-
ragt von dem mächtigen Gcbirgsvorsprung des Hohenlupfen, den jetzt
ein fürstenberg. Schloss ziert, wo zur Bömerzeit eine Hochwarte ge-
standen haben dürfte. Auch Stühlingen war römische Niederlassung.
Der hier aufgedeckte schöne und gut erhaltene Mosaikboden wurde
1848 entdeckt und 1851 zum Theil für das Gr. Antiquarium erworben;
(jetzt in der Karlsruher Alterthumshalle).
Ebenso wurden in dem Seitenthal aufwärts von Schieitheim in
Beggingen und am Schlotterhof noch römische Mauerreste und Münzen
ausgegraben (s. Schreibers Taschenbuch S. 259), so dass es uns
nicht wundern darf, wenn bewährte ältere Forscher wie Mann er t, v.
Stichaner, Schreiber, Leichtlen, Buchner, Graf Beisach
und andere, selbst Keller in seiner archäologischen Karte der Nord-
ostschweiz, die 2. Station Julio Mago dieser Heerstrasse nach Stüh-
lingen verlegen und die Fortsetzung derselben über Beggingen und
Fuetzen annehmen.
Letzterer Ort hat seinen Namen übrigens vonVitus, dem Orts-
heiligen also nicht von Fauces (Schluchten) wie man Füessen am Lech
herleitet (siehe Leichtlen Forschungen v. J. 1825 S. 89). Auch Mone
sagt Bd. I S. 161 der Urgeschichte: „Fützen hat raan richtig aus dem
lateinischen fauces erklärt", was damit ebenfalls berichtigt wird ^).
Es hiess noch in den Urkunden des 16. Jahrhunderts Füetzheim,
(d. h. Vitusheim).
Namentlich ist die Beschaffenheit dieses Thalgehänges, das durch
die Abrutschung eines Theiles des Randenstockes entstanden und viel-
fach durchschnitten ist, für die Anlage einer Strasse nicht günstig und
es dürfte nach unsern Lokalforschungen die römische Heerstrasse nicht
hieher geführt haben; es fehlen hiezu alle die Grundbedingungen,
welche die Römer bei der Anlage und militärischen Bedeutung einer
solchen leiten mussten; nämlich: trockene, nach allen Seiten hin
beherrschende Lage und die Noth wendigkeit mit den Hochwarten
in Verbindung zu sein.
Von Siblingen aus war allerdings der Aufgang von 510 in auf
1) Fauces hiess bekanntlich im römischen Wohnhaas der enge Gang, der
seitlich neben dem Tablinum aus dem Atrium zum Peristylum fahrte.
(S. Pompeji von Dr. J, Overbeck Cap. IV.)
Das römiBche Strassennetz in den Zehntlanden. 28*
900 m zum Höhenrücken des Randenberges für Mannschaft und Tross
keine kleine Arbeit, aber einmal überwunden, bot der lang gestreckte
und flache Rücken bis vor das Zollhaus, wo er ca. 120 m steil abfällt,
eine von allen Temperatureinflüssen gesicherte, trockne und nach allen
Seiten hin beherrschende Lage für die Heerstrasse ^).
Es ist daher der schon früher durch Paulus bestätigten Annahme,
dass die Consularstrasse Windisch-Regensburg bei Siblingen den Höhen-
rand erstieg, durchaus Glauben zu schenken.
Es ist kein Zweifel, dass die Römerstrasse vom Zollhaus bis
Hüfingenim wesentlichen die Unterlage der jetzt bestehenden Land-
strasse über Riedb Öhringen und Behla bildet. Von hier aus führte
zur Römerzeit ein Saumpfad über Hausen vor Wald auf dem Höhen-
rücken bei Döggingen vorüber nach Löffingen, und sind in der topo-
graphischen Karte die Ueberreste einer Römerstrasse eingetragen, die
jedoch auch mittelalterlichen Ursprungs sein dürften. Durch zahlreiche
Ausgrabungen keltischer Gräber mit Waffen, Schmuck und Gefässen
von Thon in Hausen vor Wald, Unadingen, Bräunungen und
Wald hausen, wo der frühere fürstenbergische Strassenmeister Maier
mit grossem Erfolg die Ausgrabungen leitete, ist nachgewiesen, dass
diese Gegend zur Keltenzeit schon bewohnt war.
Ebenso lässt sich der von Stühlingen über Manchen, Ober-
mettingen, Uehlingen, Hürrlingen, Buggenried nach Grafenhausen für
römischen Ursprungs gehaltene Verbindungsweg auf einen einfachen
Saumpfad aus der Keltenzeit zurückführen, der wie noch viele andere
die keltischen Wohnsitze mit einander verband, aber durchaus nicht
in ein Strassennetz der römischen Zeit eingereiht werden kann.
Die Ausgrabungen des schönen Römerbades in dem Seitenthälchen
der Breg unweit von Hüfingen, die Ueberreste zahlreicher römischer
Gebäude auf dem nahen Lorettoberg und in der Thalfläche jenseits
der Breg im s. g. Mühlöschle bestätigen, dass hier eine Hauptnieder-
lassung der Römer und vom Heidegger Hof aus die zweite Station
der Consularstrasse demnach in Julio mago zu suchen ist.
Mit dem Leugenmaass 14 der Peutingerschen Tafel reichen wir
freilich nicht aus, denn wir bringen in derselben Weise wie die 8
Leugen von Windisch nach Tenedone gemessen, statt 14 stark 19
heraus, und es fehlen also 5 Leugen.
Messen wir weiter bis Rottenburg, so fällt die nächste Station
1) Hier Abgang des Weges 42 nach Meiskirch.
f 24 Das römische Strassennetx in den Zehntlanden.
Brigobanne mit 11 Leugen Dicht nach Rottweil (Altstadt), sondern
3 Leugen rückwärts, so dass von Windisch bis dahin im ganzen 8
Leugen fehlen. Von Aris flavis bis Bottenburg über Unterifflingen
fehlen im ganzen nur 2 Leugen. Der letztere Ort ist durch Paulus
als eine sehr wichtige römische Niederlassung bestätigt^ auch sollen
die Flurnamen „Hinter- und Vorder-Alt-Ara" vorkommen.
Die römischen Ueberreste der Altstadt bei Rottweil bestehend in
einer noch ca. 1 m hohen Ringmauer mit gepflastertem Raum, sind sehr
beachtenswerth, und da von hier 4 Römerwege ausgehen, so ist die
Bezeichnung dieses Ortes als die Station Arae Flaviae sehr be-
gründet. Um den badischen Strassenzug genauer zu verfolgen, kehren
wir nach Hüfingen zurück, in dessen Nähe (1 Stunde entfernt) das
Städtchen Bräunungen liegt.
Mau hat vielfach die Station Brigobanne der Peutingerschen Tafel
mit dem Namen Bräunungen in Verbindung gebracht, insbesondere da
der Ort im Mittelalter noch Bregolingen hiess.
Dieser Ort war den Ausgrabungen nach, welche hier .vorgenommen
wurden, eine alte keltische Niederlassung, wie überhaupt diese Gegend
von Kelten stark bewohnt war. Die Römerstation Hüfingen, (denn als
solche müssen wir sie annehmen, sei sie nun Julioroago oder Brigo-
banne), liegt der von uns bezeichneten Richtung nach auf der topo-
graphischen Karte gemessen von Vindonissa 28 Leugen entfernt.
Nach der Peutingerschen Tafel beträgt diese Distanz von Vindo-
nissa nach Julio mago 22 Leugen, nach Brigobanne 33 Leugen. Es
entspräche daher der letztere Ort um 1 Leuge weniger der wirklichen
Lage von Hüfingen, als der erstere. Da nun aber von da, als Brigo-
banne angenommen, bis Rottenburg noch 27 Leugen zu messen wären,
so käme man damit kaum nach Unterifflingen, und verlöre somit die
14 Leugen von da nach Rottenburg.
Selbst auf dem directen Weg von der Altstadt in Rottweil auf
der rechten Seite der Donau gegen Rottenburg gemessen, käme man
mit 27 Leügen nur bis in die Gegend von Ovingen.
Dr. Keller bestimmt (in seiner oben genannten Karte) Zur zach
als Tenedone und Schieitheim als Julio Mago; von da sind es über
Fützen gemessen bis Hüfingen 9 Leugen (die Tafel zeigt 11), und hat
von da die Weitermessung wieder den oben bezeichneten Anstand.
Wenn nun aber auch die Gelehrten über die Benennung der
Stationen und über die Distanzangaben in der Peutingerschen Tafel
noch nicht einig sind, welches Dunkel durch genauere Untersuchungen
Das römische Strassenneiz in den Zehntlanden. 25
and Aafdeckungen der Stationen selbst, durch Auffindung von Votivtafeln
und Inschriften gelichtet werden könnte, so ist man im allgemeinen
doch mit der Lage der Römerstrasse einverstanden, wie sie Paulus
schon früher in seiner Erklärung der Peutingerschen Tafel skizzirt bat.
Das bekannte Uömerbad in einer Thaleinsenkung etwa 1 km von
der jetzigen Stadt Hüfingen entfernt, wurde schon 1820 von Buchner 0
aufgedeckt, welcher ebenso auf dem nahen Galgenberg die Grund-
mauern eines andern Gebäudes und auf dem jenseits der Breg liegen-
den Feld Mühlöscble genannt, Gemäuer von römischen Wohnstätten
nachwies; Letztere gehörten wahrscheinlich zu dem Yicus der sehr
wichtigen Militärstation Julio Mago.
Was das Hauptgebäude dieser Station anbelangt (es ist seit der
Aufdeckung durch die Munificenz des Fürsten von Fürstenberg unter
«
einem schützenden Dach), so habe ich dasselbe voriges Jahr einer noch-
maligen genauen Untersuchung unterzogen und gefunden, dass es ein
wirkliches Bad (Balneum) war.
Es sind hinter dem Vestibül von 19 m Breite nur 5 besondere
Räume, wovon das grösste mit Halbkreisnische (in der jetzt noch das
Labrum steht) das Galdarium enthielt, das 2. neben an war das
warme Bad (beide mit den Suspensuris versehen). Das Auskleidezimmer
ist erhöht und neben an noch ein vertiefter Raum für das Kaltbad.
— Die Zuleitungsröhren durch die Mauern und die Abzugsdohlen zum
Zu- und Ablassen des Wassers sind noch sichtbar. Die Wandungen
sind Im stark von Schichtsteinen aus Kalkstein, dem in nächster
Nähe vorkommenden Gestein, während im Praefumium die Feuer
besser widerstehenden KalktuflFsteine verwendet wurden, die aus 3—4
Stunden entfernten Brüchen bezogen werden mussten. Weit entfernt
jede mit Hypocausten versehene römische Ruine auf ein Bad zurück-
führen zu wollen, so ist doch durch die Auffindung einer Inschrift bei
einem in der Anlage ziemlich gleichen Gebäude zu Eschenz bei Stein
am Rhein, wonach die Bewohner von Tasgetium dieses Balneum wie-
derherstellten, der Beweis geliefert, däss man bei grösseren Stationen
besondere Badegebäude hatte, und dass dasjenige in Hüfingen vor-
zugsweise ein solches war.
Die Benennung Julio Mago, welche den Untersuchungen von
Paulus gemäss der Station Hüfingen zufällt, widerspricht den Be-
hauptungen der meisten unserer älteren Forscher, die Breg und Bräun-
1) S. Leichtlen, Forschungen Bd. 1.
26 Das römisohe Straasennetz in den Zehntlanden.
lingen, ein Städtchen 4 km oberhalb HüfingeD, das noch im Mittelalter
Bregolingen hiess, von der Oertlichkeit der Station Brigobanne nicht
trennen können. Es wäre zu wünschen, dass ein Inschriftenfund an
einer der TrQmmerstätten oder Stationen in Hüfingen, Rottweil oder
Unter-Iflingen alle Zweifel über die Lage von Brigobanne und Arae
Flaviae beseitigte.
Von Häfingen bis zum Neckargebiet bei Bottweil heisst das Land
„die Baar^' ; (in Hüfingen Abgang der Str. YIII).
Es ist ein wasserreiches von flachen Hügeln begrenztes Hochland,
wo schon vor den Römern zahlreiche keltische Niederlassungen waren.
Bei Waldhausen, unweit Bräunungen deckte der frühere fürstenbergische
Strassenmeister Maier keltische Gräber auf und fand das gut erhaltene
Skelet eines Mädchens mit prachtvollem Goldschmuck.
In Aasen und Heidenhofen bei Donaueschingen sind ebenfalls
alte Gräber nachgewiesen.
Bei Oeflingen ca. 10 km seitwärts der Heerstrasse nach Rottweil
wurden die Fundamente einer römischen Villa mit Hypocaustenräumen
ausgegraben; ebenso bei Hausen vor Wald, eine kleinere römische Be-
hausung mit römischen Geschirrfragmenten und Ziegeln.
Die bei dem Hauptgebäude in Hüfingen aufgefundenen Ziegel
zeigen die Stempel der XI. Legion, welche lange Zeit ihr Haupstand-
quartier zu Vindonissa hatte.
Von Häfingen aus zog die Heerstrasse jenseits der Breg über das
genannte Mühlöschle nach der jetzt noch an der Landstrasse nach
Donaueschingen stehenden Kapelle, und überschritt bei Donaueschingen
die Brigach. — Hier folgen wir dem Weg auf dem fiachen Bergrücken
im Osten dieses Thaies bis in die Gegend von Villingen, der heute
noch Hochstrass genannt wird *). Beim Zollhaus, der Wasserscheide
des Donau- und Neckargebietes, heisst der Höhenpunkt „hohe Strasse*'
und es lässt sich die Römerstrasse in einem Feldweg bis Schwenningen
verfolgen; unterhalb dieses Ortes zieht sich der älteste Weg bei der
Altenbruck über den Neckar, in dessen Gebiet man sich befindet und
zieht nun auf dem rechten Ufer am Abhang niedriger Bergvorsprünge
bis zur Altstadt bei Rottweil fort.
Beim Zollhaus Hessen wir den Verbindungsweg 35 von Freiburg
über den Turner und über Vöhrenbach einmünden.
1) Auf dieser Strecke Einmündung des Saumpfades, der von dem römischen
Geböfle bei Oe fingen über Heidenhofen führte.
Dfts römische Strassennetz in den Zehntlanden. 27
Villingen wird schon in den Urkunden Kaiser Ludwigs des Frommen
817 genannt ; es war damals ein Dorf 2 km südöstlich von der jetzigen
Stadt, das Schuars (Schwarzwaldführer v. J. 1872 S. 204) auf römi-
schen Ursprung zurückführte. Im Mittelalter war es der Haupthan-
delsplatz der Baar.
Die Lage der Altstadt bei Rottweil, mit dem auf einer kleinen
Anhöhe nicht weit vom Einfluss der Prim in den Neckar angeblichen
römischen Gasten, ist sehr bezeichnend ; man sieht hier am deutlichsten,
dass die Römer bei der Anlage ihrer Stationen und Oasteile von ganz
andern Rücksichten geleitet wurden, als die Herrscher der Feudalzeit;
indem jene dazu nur massig über die Thalfläche sich erhebende Vor-
sprünge wählten, während diese die höchsten Bergkuppen mit gewal-
tigen Ringmauern und mächtigenThürmen versahen, um sich hier nach
allen Seiten hin vertbeidigen zu können.
Es ist auffallend, dass auch in der Altstadt in Rottweil, wo so
viele Spuren der zerstörten römischen Niederlassung nachgewiesen sind,
keine einzige Inschrift aufgefunden wurde, welche den Namen dieser
Station sicher gestellt hätte.
In der Nähe der Altstadt bei Hochmauem entdeckte man be-
deutende Mauerreste mit Hypocausten ; von hier stammt auch der jetzt
in der Lorenzkapelle zu Rottweil aufbewahrte Orpheus-Mosaikboden,
ein Meisterwerk römischer Kunst.
Die hohe Lage der jetzigen Stadt Rottweil, 2 Vs km von der Alt-
stadt entfernt, ist bewunderungswürdig und übersieht man auf der
Plattform des 45 m hohen Wartthurmes am oberen Ende der Stadt
einen Theil der rauhen Alp und einen grossen Theil des obern Neckar-
thaies; man verfolgt hier am besten die römischen Heerstrassen, welche
in die Altstadt zusammen liefen.
Wir verfolgen hier diejenige nach Rottenburg, die jetzt noch
unter dem Namen Hochstrass bekannt, über Zimmern auf den Höhen-
rücken westlich des tief eingeschnittenen Neckarlaufes zieht, und zwar
über die Orte Duningen, Waldmössingen nach Domhahn. Von hier
führt die älteste Strasse bei Leinstetten über das Glattthal nach der
Altstadt bei Unter-Iflingen, die Paulus als die Station Arae
Flaviae bestimmt Der Name ist noch durch die Flurnamen Vorder-
und Hinter -Alt- Ära erhalten (s. Paulus S. 23).
Von hier ist die römische Heerstrasse auf dem Höhenrücken zwi-
schen dem Neckarthal und den oberen Zuflüssen der Nagold über Hoch-
dorf scharf ausgeprägt und in den bestehenden Wegen leicht zu verfolgen.
28 Das römiiohe SiraBsennetz in den Zehntlanden.
Von der Altstadt in Rottweil lässt Paulus noch mehrere an-
dere römische Wegverbindungen ausgehen z. B. eine directe, sog.
Sehnenstrasse nach Rottenburg, welche den grossen über die Höhen-
rücken ziehenden Bogen der grossen Heerstrasse abschnitt, und jeden-
falls nach dieser mehr als Handelsstrasse angelegt wurde.
Ferner ist ein Weg nach Tuttlingen, ein anderer auf den Heuberg,
ein 4. nach Sulz am Neckar in der Karte von Paulus eingetragen.
Durch das Kinzigthal mündet der Weg 33 bei Waldmössingen
und durch das Renchthal der Weg 32 bei Unteriflingen in die grosse
Heerstrasse ein.
Rottenburg am Neckar, die Hauptstation Samulocennae der
römischen Heerstrasse und gewiss auch der Zehntlande, ist schon im
Jahre 1825 von Leichtlen^ als solche erkannt worden, später sind
die Aufdeckungen dieser Römerstadt durch Jaumann mit grossem
Erfolg fortgesetzt worden^).
Von der Hauptstadt Rottenburg an rechnet Paulus die weiteren
Distanzen der Stationen bis nach Reginnm nach Milien. (1 Milie = 1000
Doppelschritte k 1,5 m = 1500 m).
Auf diese Weise nähern sich die Angaben der P. Tafel am
meisten der Wirklichkeit und ist diese Annahme darin bestätigt, dass
von der Hauptstadt an in das rätische Gebiet nicht die Leuge, sondern
die Milie maassgebend ist.
Auch von Rottenburg aus ziehen wieder mehrere römische Ver-
bindungswege auf die rauhe Alp und in das Neckarthal, die in der
Karte von Paulus eingetragen sind.
Die Hauptheerstrasse, die wir verfolgen, gewinnt in der Richtung
nach Herrenberg den dominirenden Höhenzug der Wasserscheide zwi-
schen dem Neckar- und Nagoldgebiet. Von der Schönbuchshöhe ober-
halb Herrenberg führt die Strasse an Altdorf und Holzgerlingen vorbei
nach Böblingen und von da auf das Altinger Feld südlich von Sin-
delfingen, wo sich 5 Römerstrassen vereinigen, und Grundreste von
römischen Gebäuden, Fragmente von römischem Ziegel etc. sowie
einige römische Bildwerke aufgedeckt worden sind.
Diese wichtige römische Niederlassung stimmt mit der Distanz
von 22 Milien von Rottenburg gemessen überein und trifft also mit
Grinarione der P. Tafel zusammen.
1) S. Schwaben unter den Römern 1825 S. 107.
2) S. V. Jaumann, C!oL Sumlocennis 1840 und 56.
Das römisohe StraMenneiz io den Zehntlanden. 29
Von hier aus liegt die jetzige Landstrasse bis in die Nähe von
Vaihinfi;eD auf römischer Grundlage, dann wendet sich die Trage der
römischen Heerstrasse dem k. Wildpark zu, wo die Strasse VII von
Leonberg kommend mit ihr zusammentrifft. — Von der Hohenwart aus,
wo eine Specula gestanden haben mag, zieht sich die römische Heer-
strasse durch Feuerbach, überschreitet den Neckar und betritt das
Altenburger Feld bei Cannstatt, das durch die reichen Funde von rö-
mischen Gebäudesubstructionen, Münzen, Denksteine u. s. w. als die
Stelle der Station Clarenna 12 Milien von Grinarione nachgewiessen ist
(8. Paulus Erklärung d. Peut. Tafel S. 27).
Auch in Cannstatt laufen noch mehrere andere Römerstrassen
zusammen, von denen eine der wichtigeren die unten beschriebene VI.
von Speier an die Donau ist. Eine andere, die jetzt noch in der be-
stehenden Landstrasse erhalten, ging über Waiblingen, Winnenden und
Backnang nach den Gastellen Murhart und Mainhardt am Grenzwall.
Von Waiblingen, nach Ueberschreitung der Bems, gewann die grosse
Heerstrasse nach Begensburg den Höhenrücken des rechtseitigen Thal-
gehänges bei Buoch und zog sich bei Aspergelg, die Wieslauf über-
schreitend, nach Pfahlbronn, einem Ort, der auf der Wasserscheide
zwischen dem Bems- und dem Leinthal liegt
Hierhin verlegt Paulus die 22 Milien von Clarenna entfernte
Station Ad Lunam, die noch besonders dadurch wichtig ist, dass von
hier in einem kleinen Bogen bis zu dem 5 km nahen Welzheim und
von da in schnurgerader Linie der rheinische Grenzwall (Limes trans-
rhenanus) über Murrhardt Mainhardt, Oehringen, Jagsthassen, Oster-
bnrkerken bis zum Castell bei Walldüren abgeht.
Die Untersuchungen des früheren Conservators von Paulus in
Stuttgart, welcher zuerst die schnurgerade Linie dieses Grenzwalles
nachwies, wurden neuerdings in Folge einer Lokalbesichtigung von
Seiten einer aus württembergischen Forschem bestehenden Commission
bestätigt.
Die Heerstrasse, welche wir weiter verfolgen, zieht von Pfahl-
bronn auf der schmalen Wasserscheide zwischen der östlich fliessenden
Lein und westlich laufenden Bems, die ein von der Natur aus so be-
günstigtes Vertheidigungsterrain beherrscht, dass die Bömer hier
zur Sicherung ihrer Strasse keinen vorgeschobenen Wall nöthig hatten.
Dieser unter dem Namen „römischer GrenzwalP* (Limes rae-
ticus, oder Limes transdanubianus) bekannt, umfasste einen Theil des
Donaugebietes und deckte die grosse Heerstrasse, die vom Sixenhof
30 Da« römisohe StrassennetE in den Zehntlanden.
nach Aalen und Bopfingen zog. Der rätische Grenzwall war eine
solid mit grossen Mauersteinen oder starken Platten gepflasterte Hoch-
strasse mit vorliegendem Graben, welche in Verbindung mit Wacht-
gebättden und Signalthürmen genügende Sicherheit vor Ueberrumpe-
lungen gewährte.
Von dem Abgangspunkt der Strasse nach Aalen zog dieser Grenz-
wall über Schwabsberg, Pfahlheim (hier Spuren römischer Wachtge-
bäude) in nordöstlicher Richtung bis in die Gegend von Gunzenhau-
sen, von wo er sich, mit einem grossen Bogen, den oberen Theil der
Regnitz umschliessend (hier die Wülzburg bei Weissenburg als Warte)
nach Südost wandte, bei Pfahldorf und Küpfenberg das Thal der Alt-
mühl überschritt und endlich bei dem grossen befestigten Lager von
Kehlheim (Celeusum) an der Donau seinen Abschluss fand.
Es war diess ein mächtiges Vertheidigungwerk nicht nur zur
Deckung der Heerstrasse nach Regensburg, sondern auch zur Sicherung
der Donauwasserstrasse.
Von Ad Lunam ist die nächste Sation d. P. Tafel Aquileia,
(20 Milien Entfernung) die jetzige Stadt Aalen. Von hier geht die
HanptstrasseV über Heidenheim (Fundort römischer und keltischer
Denkmäler) nach Fomone (Lauingen) an der Donau. In der Peut.
Tafel ist Ad Lunam als eine der wichtigeren Stationen dieser Heer-
strasse bezeichnet. Die Mitbenutzung mit einer andern Heerstrasse
sehen wir in der Peut. Tafel oft ausgeschlossen, wie es bei Str. I von
Basel nach Cambete u. s. w. erläutert ist. Auch sei hier bemerkt,
dass man der Richtung der Haken, welche In d. Peut. Tafel zwischen
den Stationen vorkommen, nicht die Bedeutung beilegen kann, die Pau-
lus in der Erklärung der Darstellung dieser Heerstrasse voraussetzt.
Bei den auffallend grossen kartographischen Mängeln, welche
diese grosse römische Strassenvermessungskarte, namentlich das hier in
Frage stehende Segment HI der Peut Tafel zeigt, wo z. B. der Neckar
ganz vergessen ist, Rottenburg, das Samulocenis der Heerstrasse,
rechts der Donau liegt u. s. w., darf man nicht annehmen, dass sich
die Haken auf Terrainschwierigkeiten, Fluss- oder Gebirgsüberschreituu-
gen, überhaupt auf solche Vorkommnisse beziehen, die eine genaue
Lokalkenntniss voraussetzen.
Die Haken scheinen vielmehr nicht allein zur Belebung des Bil-
des und zur besseren Ausnützung der Tafel, sondern hauptsächlich zur
Sicherstellung der Stationsbenennungen und Distanzen gewählt worden
zu sein.
Dai rdmiflobe Straasennetz in den 2iehntlanden. 81
Von Aalen an ging die römische Heerstrasse nach Opie (Bopfin-
gen) (18 Mih). Auf dem nahen Ipfberg sind die Spuren römischer
Gebäulichkeiten nachgewiesen.
Eine sehr alte Strasse, die auf römischen Ursprung zurückgeführt
werden inuss und heute noch unter dem Namen „Steinstrasse'' und
„Frankenstrasse'' bekannt ist, zieht über Wittislingen direct nach
Lauingen.
Die nächsten Stationen sind:
Septemiaci (Maihingen)
7 Milien
Losodica (Oettingen)
7
t>
Medianis (Markbof)
11
t»
Iciniaco (Itzing)
8
»
Biricianis (Burkmarshofen)
7
»
Vetonianis (Nassenfeis)
18
V
Germanico (Kösching)
12
t>
Celeuso (Kels bei Ettling)
9
n
Abusena (Abensberg)'
3
V
Regino (Begensburg)
22
n
Wir haben also für diese Heerstrasse eine Länge von 63 Leugen
bis Rottenburg und von da bis Regensburg 198 Milien, zusammen
97V8 Stunden, welche Entfernung der wirklichen Entfernung nahezu
entspricht.
Man bemerkt bei den Abmessungen, dass die wirklichen Distanzen
im Hochgebirge des Schwarzwaldes eine grössere Verschiedenheit zwi-
schen den Angaben der Peutinger'schen Tafel zeigen, als im Hügel-
land des Donaugebietes, wo die Abschreitungen leichter und genauer
bewerkstelligt werden konnten.
IV.
Die ConsnlarstrasM yon Yindonissa oder Ad flnes (Pf^n) über Bregens
naeh Aognsta Yindelieomm (Augsburg).
Diesen Strassenzug, der in der Peutinger'schen Tafel von Ad
fines aus mit den Stationen und Entfernungszahlen bis Augsburg ein-
getragen ist, hat von Paulus in seiner Abhandlung S. 36 genauer
erläutert, und wird es genügen hier nur die einzelnen Stationen an-
zugeben.
82 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
Hiernach ist:
Ad fines von Arbor felix (Arbon) 21 Leugen
von da bis Brigantio (Bregenz) 10 „
„ •„ „ Ad Renum (Wangen) 9 „
„ „ „ Vemania (Ferthofen) 15 „
„ „ „ Viaca (Krummbach?) 237« „
„ „ „ Augusta V. (Augsburg) 10 „
Von da führte eine Römerstrasse nach Isny und Kempten
(Campodunura), eine weitere nach Lindau, eine nach Ravensburg
und endlich noch eine nach Langenargen an den Bodensee.
Von Ferthofen, wo zahlreiche römische und keltische Funde
^macht wurden, führte eine Strasse nach Kellmünz (Coelius Mons)
und von da zur Strasse VIII an die Donau bei Ulm, das zur Römer-
zeit schon ein Hafenplatz gewesen sein dürfte. In der archäolo-
gischen Karte der Ostschweiz von Dr. Keller ist dieser Strassenzug
von Windisch bis Bregenz genau eingetragen, und wird nur kurz be-
merkt, dass hiernach von Aquae (Baden) aus die Richtung über Kloten,
wo südlich eine Strasse nach Zürich (Turicum) und nördlich eine
andre nach Eglisau abzweigte, über Winterthur fVitudurum) und
Frauenfeld nach Pfyn (Station Ad fines) nachgewiesen ist.
Von hier nach Arbon (Arbor felix) berührt die grosse Heerstrasse
die Orte Weinfelden, Bürglen, Erlen, Arariswil, Neukirch.
Brigantium ist bekanntlich Bregenz.
Die nächste Station Ad Renum der Peutinger'schen Tafel ver-
legt Paulus nach Wangen in üebereinstimmung mit dem Längen-
maass von 9 Leugen. — Keller bezeichnet mit Ad Renum einen
Ort in der Nähe von Rheineck, was allerdings dem Sinn des Namens
besser entspricht als Wangen, welches etwa 11 Leugen vom Rhein
entfernt liegt; wobei freilich bemerkt wird, dass die Station der Peu-
tinger'schen Tafel Ad Renum und nicht Ad Rhenuni heisst; und
dass die Entfernungsmaasse mit der Auffassung von Paulus über-
einstimmen.
Augsburg war für die Römer ein sehr wichtiger Waffenplatz, wo
sich ihre Streitkräfte, die von der untern Donau und Italien kamen,
sammelten. Die Consularstrassen über die Alpen nach Verona und
über Salzburg nach Dacien, welche sich hier vereinigten, vermittelten
den Hauptverkehr mit den älteren Provinzen. Ebenso gingen von
Augsburg noch Verbindungswege an die Donau, der eine nach Sub-
montorium und von da über Vallatum zur Heerstrasse HI bei Abu-
Das römiflohe Stnuraennetz in den Zehntlanden. 89
V
sena; der andre auf dem Höhenrücken zwischen Lech und Schmutter
nach Donauwerth. '
Der römische Kaiser Gratian benutzte noch 379 diese Heerstrasse
IV über Bregenz und Augsburg, um seine Legionen nach der untern
Donau zu führen, da die nördliche Donaustrasse über Messkirch schon
seit dem Tode Gonstantin L, 337 n. Chr., im Besitz der Alemannen
war (siehe Mone Bd. n. 338).
V.
Die Consnlarstrasse yon Ad Lnnam (Pfahlbromi) naeh Pomoiie (Lauln^en)
und Augsburg.
Dieser Strassenzug ist in der römischen Strassenvermessungskarte
von Ad Lunam angedeutet mit der Enibrnungszahl 11, und man hat
daher alle Ursache denselben zu * den wichtigeren römischen Heer-
strassen zu zählen, obgleich hier nur eine Diagonal- oder Querver-
bindung gemeint ist. Das Wort Po mone scheint nur, anzudeuten,
dass nach dieser Richtung eine Strasse dahin abgeht, denn XI Milien
oder Leugen reichen nicht bis Pomone.
Als Hauptheer- und Verbindungsstrasse vom Grenzwall aus nach
Augusta Vindelicorum der Hauptstadt von Raetien über Pomone,
dürfte man an dem Abgangsort Ad Lunam zweifeln, und der Lage und
Zweckmässigkeit nach denselben zwischen dieser Station und Aalen
oder in letzterem Ort selbst suchen. Von hier aus stimmen 11 Milien
mit der Entfernung bis Heidenheim, einer bedeutenden römischen Nie-
derlassungy überein.
Vielleicht wird dieser Strassenzug, dessen Wichtigkeit selbst in
militärischer Beziehung anerkannt werden muss, da er von dem Haupt-
waffenplatz Augsburg die nöthigen Unterstützungen zum Grenzwall
vermittelte, von unsem Kollegen in Bayern und Württemberg aufge-
klärt Von Pomone ging auch ein römischer Verbindungsweg nach
Itzing und von da nach der Wülzburg zum Grenzwall.
VI.
Die Strasse von Colonia Nemetnm (Speier) naeh Clarenna (Oanstatt) and
an die Donau.
Die Wichtigkeit der Verbindung von der Hauptstadt Speier zum
Herzen des Zehntlandes, an den Pfahlhag^ mit der Fortsetzung an die
Donau und nach Augsburg ist leichter zu begründen, als ihre Tra-
9 irung. Bleibt aber auch noch manche Frage der militärischen Be-
8
■<
84 Das römisohe StrassenneU in den Zehntlanden.
deutung dieser Strasse offen (wir neDDen'' sie desshalb nicht wie die
vorhergehenden Consularstrasse), so fehlen im Allgemeinen die An-
haltspunkte, welche diese Strasse als eine Hauptverbindung zur
Römerzeit dokumentiren, nicht
Von Ganstatt bis zur badischen Grenze bei Sternenfels ist sie in
der Paulus*schen Karte als eine der Hauptverkehrsstrasscn im
Zehntland eingezeichnet. Wir ergänzen das fehlende Stück, indem wir
von Speier aus beginnen. Diesem gegenüber la^ am rechtsseitigen
Ufer der Kriegbach Alt lusheim und nicht weit davon an der Kraich-
bach, auf erhöhtem Gelände der j. Wersauer Hof (Reilingen) und
der Ort Hockenheim.
Hier vorgefundenes altes Gemäuer von einem Castell herrührend,
und ein an letzterem Ort aufgefundener dem Merkur geweihter Altar-
stein unterstützen die Annahme der Wichtigkeit dieser römischen Nie-
derlassung. Von hier aus zogen römische Verbindungswege
1) über Altwisloch nach Sinsheim (Weg 17),
2) die Hauptstrasse nach Heidelberg (Str. IX),
3) die Hauptstrasse über St. Leon und Kronau nachStett-
feld etc.,
die hier in Frage stehende.
Vom Wersauer Hof oder dem dort angenommenen Castell aus,
sucht Mone^) längs der Kraichbach und des linksseitigen Ufers der
Landniederung eine fortlaufende römische Vertheidigungslinie mit Castel-
len in Kisslau, Weyer, Staffort, Hagsfeld und Rüppur zu begründen,
die aber keine strategische Wichtigkeit haben konnte, weil dicht
hinter ihr die urkundlich bestätigte grosse Rheinverschanzungs-
linie lag, deren Erhaltung den Römern allein die nöthige Sicherheit
gewähren konnte.
An unserer Hauptstrasse liegt zunächst der Ort St. Leon, be-
kannt durch den Fund eines römischen Votivsteines (jetzt in der Alter-
thumshalle in Karlsruhe)*).
Eine Stunde weiter längs des Ufers liegt der j. Ort Kronau
mit der Tiefburg Kisslau, die nach Mone zum Schutz der Zehnt-
lande von den Römern angelegt worden sein soll. Die quadratischen
ümfangsseiten des noch bis zu einer Höhe von ca. 20 m erhaltenen
aus den mächtigsten Quaderblöcken errichteten Thurmes, in den das
1) S. Urgeschichte des bad. Landes Bd. 1 von Mone.
2) Inschrift s. Brambach G. I. Rh. No. 1700.
Dm römische StrasseDiiets in den Zehntlfenden. 85
spätere Jagdschloss der früheren Bischöfe von Speyer eingebaut ist,
haben 15 m, während diese Dimensionen bei allen unsern Bergfrieden
zwischen 8 und 9 m betragen.
lieber die Geschichte dieser interessanten Burg fehlen die An-
haltspunkte, aber so viel ist gewiss, dass sie kein römisches Bauwerk
ist, da die Römer im Zehntland überhaupt keine Defensivwerke dieser
Art bauten. Uebereinstimmend mit unsern andern ältesten Bergfrieden
ist die Anlage der Eingangsthüre im Rundhogenstil und die Bauweise
der Mauern des Thurmes, dessen Bauzeit in das 12. Jahrhundert
fallen dürfte.
Wir suchen daher auch nicht hier, sondern in dem 2 km ent-
fernten Langenbrücken, wo sich die Ufer der Landgiessen am
meisten nähern, den Uebergangspunkt unserer Römerstrasse, der
dem Namen des Ortes nach, noch lange erhalten blieb. Die Richtung
nach Gannstatt bedingt den Aufgang der Strasse zwischen der Katz*
bach und Kraichbach bei Stettfeld*), wo, wie bei jeder grösseren
römischen Strassenanlage, ein Rasthaus mit Poststation errichtet war.
Die Wichtigkeit dieses Ortes als römische Niederlassung ist durch
mehrere Funde bekundet. Ausser einem Wohnhaus mit hypocaustum,
wurde ein Yotivstein mit Reliefbildem des Apollo, der Minerva und
des Merkur, ferner ein Yotivstein mit gut erhaltener Inschrift ausge-
graben^. Derselbe stand an einem Kreuzweg (quadrivium) von zwei
Strassen, von denen die eine von Süd nach Nord, die andre nach Osten,
dem Grenzwall zu^ zog. Es ist als sicher anzunehmen, dass auch hier
Rastsäulen errichtet waren. Die Münzen, welche in Stettfeld aufge-
funden wurden, sind von den Kaisern Vespasian und seinen Nachfolgern
bis Alex. Severus und Gordian (244). Ebenso zahlreich sind die hier
zu verschiedenen Zeiten beim Ausgraben von Fundamenten zum Vor-
schein gekommenen Fragmente von römischen Gefässen.
Von Stettfeld aufwärts auf den Kamm des Gebirges zwischen dem
Katzbach- und Kraichbachthal ziehend, wo der Weg die Heiligen-
strasse heisst^ finden wir die Tra^e der römischen Strasse ganz den
Grundsätzen jener Zeitperiode entsprechend angelegt und als Feldweg
erhalten. Ei* bildet die Banngrenzen der in den beiden Thälem
liegenden Orte, heisst heute noch im Volksmund Galgen- und
1) Dass der Name Stettfeld von der römischen Benennung Statio romana
kommt, ist bloss eine Yermuthung.
2) S. Mone; Zeitschrift zur Geschichte des Oberrheins Bd. 20. S. 406.
d6 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
Seestrasse, and diente früher als Poststrasse zwischen Heilbronn
und Bruchsal.
Oberhalb Neuenbürg fahrte der Römerweg am sog. Galgenberg
,in die Gemarkung Menzingen, welcher Ort schon im Jahr 770 n. Chr.
urkundlich erwähnt ist, und zu den ältesten germanischen Nieder-
lassungen, unsres Landes gehört. Hier finden wir zahlreiche Flurbe-
nennungen; als: Heidempfle, Steingebiss, Heiligenstrasse,
Stein weg etc., die die Annahme begründen, dass die Römerstrasse
hier das Thälchen überschritt und am Hamberg wieder die Höhe ge-
wann, wo ein Weg nach Eppingen abzweigte (Weg 23).
Den im tiefen Loch (Teufelsgrund) liegenden Ort Bahnbrücken
umgeht der Römerweg auf dem Kamm des Gebirges bleibend, zieht sich
dem I^rchenberg und Neusickingen zu, von wo er dem Bergrücken
bis gegen Flehingen zu folgt. Der in der Älterthumshalle in Karls-
ruhe befindliche Votivstein von Bahnbrücken wurde in dem Thalgrund
in Mitte umfangreicher römischer Gebäude- Substructionen aufgefunden*).
Ein Gewann in nächster Nähe heisst Eselschinder, woraus
der um die Geschichte der Gegend sehr verdiente Hauptlehrer Feigen-
butz in Flehingen schliesst, dass hier viel Esel zum Transport der
Lasten benützt worden seien, welche Verwendung bei den Römem
gebräuchlich war, und also hier eine römische Strasse gewesen sein
müsse. Auch das Auffinden kleiner Hufeisen, von Maulthieren und
Eseln hier und in der Umgegend, stimme für diese Annahme. Wir
können diese Ansicht nicht theilen, denn der römische Verkehrsweg
ging nicht durch den Eselschinder, und die kleinen Hufeisen sowohl
als auch diese Benennung sind auf neuere Zeit zurückzuführen, wo
man aus den Thalmühlen die Mehlsäcke auf Eseln zu den Hoch-
strassen brachte. Es lässt sich nicht läugnen, dass zur Zeit der Römer
die Gegend zu beiden Seiten unsrer Strasse von Römern und Kelten
sehr bewohnt war, und von derselben mehrere Verbindungswege auf
die Höhen und in die Thalgründe abgingen. Die Ravensburg und
der Sternenfels waren schon zu Römerzeiten vortreflFlich gelegene
Warten, namentlich Stemenfels, die östlich bis zum Pfahlhag und
westlich bis zum Rhein signalisiren konnten*).
Flehingen liegt in einer Erweiterung des Kraichthales, wo die
1) S. Fröbner's Katalog d. Karlsr. Antiquariums v. J. 1860. I. 21.
2) Von der Ravensburg bis über den Ottilienberg bestand eine alt-germa-
nische Bergverschanzung.
Das römieohe StraBsennetz in den Zehntlandeu. 87
Koblbach in die Kraichbacli einmündet. Die römische Strasse folgte
von hier aus dem jetzt noch bestehenden Weg auf dem Bergrücken
nach ÜDterdertingen, den Galgenberg links lassend und von da nach
Sternenfels, wo die württembergische Grenze erreicht. und uns die
Faulus'sche Karte weiteren Aufschluss gibt.
Von Sternenfels führten zur Römerzeit Saumpfade nach Kürn-
bach, und von da über den Heuchelberg nach Böckingen, ein andrer
über den Stromberg nach Bönigheim.
Von Unterdertingen ist ein eben solcher über Grossvillars und
Knittlingen südlich zu vermuthen.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die von Drusus hergestellte
und von Claudius verbesserte Via Claudia von Günzburg über die
rauhe Alp nach Cannstatt und von da nach Speier geführte Heer-
strasse im wesentlichen die Grundlage des späteren Strassenzuges von
Cannstatt bis Kürnbach bildete^).
Von Sternenfels bis Lienzingen ist die römische Strassenverbin-
dung in dem bestehenden Gemeindeweg über die Orte Diefenbach und
Zaisersweier erhalten, weiter über Illingen und Vaihingen nach Cann-
statt bildet sie die Grundlage der jetzigen früher sehr besuchten Land-
strasse; sie hat von der Stadt Vaihingen an der Enz über Schwieber-
dingen, bei einem vielfach von Seitenthälern der Enz eingeschnittenen
Terrain, eine ziemlich gerade Richtung.
Von Cannstatt aus muss man den Ausgrabungen und Funden nach
den Ort Köngen am Neckar festhalten, wo der Thalübergang der Heer-
strasse nach Pomone an der Donau zu suchen ist. Die Verbindung von
Cannstadt aus nach Köngen hat den römischen Grundsätzen zufolge auf
den Höhenrücken der beidseitigen Thalwandungen des Neckar statt-
gefunden ; linksseitig über Denkendorf und Ruith nach dem Ort Vai-
hingen (nicht zu verwechseln mit Stadt Vaihingen an der Enz), wo
die Heerstrasse HI erreicht wurde. Auf der rechten Thalseite, wo
die römische Niederlassung bei Cannstatt lag, zog zur Römerzeit ein
Verbindungsweg (Paulus führt ihn auch noch von Plochingen an in
das Seitenthal der Fils bis Grosssüssen hinein, siehe s. Karte) bis Ess-
lingen und Plochingen, der hier den Neckar übei-schritt und den Höhen-
rücken, auf dem Köngen liegt, erreichte. Welche von diesen Strassen
zur Römerzeit als Haupt Verkehrsmittel diente, ist schwer zu ent-
scheiden, und dürfte diese Frage von den württembergischen Alter-
1) Siehe Baer, Strassenchronik S. 127.
88 Das römische Strassennetz in den. ZehntlandeD.
•
thumsforschern gelöst werden. Von Köngen aus führte auch zur Rö-
merzeit ein Hölienweg auf der linken Thalseite nach Nürtingen und
von da über Grötzingen nach Tübingen und Rottenburg.
Die Hauptstrasse, die wir hier betrachten, geht nun von Köngen,
nachdem der Neckar überschritten ist, in das hier einmündende Lauter-
thal nach Kirch heim, einer Stadt, wo eine römische Niederlassung
nachgewiesen ist. Die römischen Heei-strassen und Alterthümer der
schwäbischen Alp sind schon im Jähre 1846 von Domänenrath von
Gock (s. dessen Abhandlung, Stuttgart 1846 bei F. H. Kohler) unter-
sucht und beschrieben worden, und obgleich auch dort weniger auf
ein zusammenhängendes Bild des römischen Strassennetzes und der
Zusammengehörigkeit mit andern Strassen Rücksicht genommen ist,
so will ich doch versuchen die Fortsetzung der fraglichen Heerstrasse,
der kaum in Frage stehenden Hauptverbindung mit dem Donauthal,
zu bestimmen.
Es handelt sich vorerst am die Hauptfrage, wo wurde die rauhe
Alp zur Römerzeit in der bezeichneten Richtung erstiegen?
lieber Geislingen, wo jetzt' die Landstrasse und die Eisenbahn
die rauhe Alp gewinnt, lässt sich zur Römerzeit kein Aufgang nach-
weisen.
Von Kirchheim über Owen und Donstetten, wo die Hochebene
erreicht ist, besteht eine alte Landstrasse nach Blaubeuren. Von Don-
stetten aus ist nun die Fortsetzung der Heerstrasse nach Nellingen
zu suchen, wo sich vier Römerwege kreuzen.
Zwischen diesen beiden Thalaufgängen zur Alp liegt auf dem
obern Kamm derselben der Ort Oberdrackenstein, dem auch Gock
eine besondere Bedeutung durch seine Lage und Geschichte beimisst.
Die Oberamtsbeschreibung von Geislingen (s. Gock S. 61) sagt: „bei
Nellingen durchkreuzt eine zweite römische Heerstrasse die iu der
Richtung von Lauingen kommende und zieht in der Verlängerung
dieser Linie unter dem Namen Zigeuner-Hochsträss gegen Dracken-
stein". Wir nehmen also au, dass von Kirchheim aus über Weilheim
bei Wiesensteig oder Gosbach die rauhe Alp zur Römerzeit erstiegen
wurde, um auf dem kürzesten und damals practikabelsten Weg an
die Donau zu gelangen. — Durch Ausgrabungen aus der Römerzeit
sind an dem ferneren Wege : Hausen an der Lon, das mit Heidenheim
in Verbindung stand, sowie Lonsee und Lonthal erwähnenswerth.
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 89
VII.
Die Strasse Ton Argentoratnm (Strassbnrg) ttber Ettlingen und Pfonheim
nach Clarenna (Cannstatt).
Eine Verbindung des Oberrheins^ von Strassburg aus, als dem
wichtigsten Waffenplatz des linksseitigen Rheinufers mit dem Grenz-
wall und der Heerstrasse nach Regensburg, stellten die Römer mit
Umgehung des in jener Zeit unwirthlichen, mit undurchdringlichen
Wäldern und tief eingeschnittenen Felsschluchten bedeckten hohen
Schwarzwaldgebirges, von Ettlingen aus her, wo sich demselben
gegen Norden ein von flachen Thälem durchschnittenes Vorgebirge
anschliesst.
Obgleich diese Strasse in keiner römischen Urkunde erscheint,
so war sie doch für die Römer in volkswirthschaftlicher und auch
militärischer Beziehung von grosser Bedeutung, wie diess ihre Anlage
als gepflasterte Kunststrasse, die zahlreichen Funde von wichtigen
Denkmälern und die Aufdeckungen interessanter Niederlassungen be-
stätigen. Verfolgen wir die Richtung dieses Strassenzuges von Kehl
aus, wo der Uebergang über den Rhein stattfand, so bildet er die
Grundlage der jetzigen Landstrasse auf dem zwischen dem mittleren
Rheinlaufund der Landniederung liegenden Hoch ge st ade bis Schwarz-
ach, auf welchem Boden bereits vor dem Einmarsch der Römer kel-
tische Niederlassungen, aus denen die jetzigen Orte entstanden sind,
vorhanden waren. Auf der ganzen Strecke finden wir auch in den be-
kannten Flurbeq^nnungen sowohl Beziehungen zur keltischen Sprache,
als auch solche, die sich auf vorgermanische Zelt zurückführen lassen.
(Zwischen SöUingen und Hügelheim Hess Conservator Wagner im
Herbst 1880 ein Hügelgrab [den sog. Heiligenbuck] öffnen, in welchem
eine roh gemauerte Grabkammer aufgedeckt wurde, in welcher sich
Schmucksachen und Bruchstücke eines mit Bronzeblech beschlagenen
Wagens vorfanden.) /
Von Schwarzach aus bog die römische Strasse rechts ab, um mit
Benützung einiger Eilande, auf denen jetzt die Orte Leiberstung
und Weitenung liegen, die Giessen des sog. deutschen Rheines
(eine Niederung gespeist durch die Binnenwasser, denen damals noch
durch das Hochgestade der Ausgang in den mittleren Rhein versperrt
war) zu überschreiten und die jenseitige Bergstrasse zwischen Stein-
bach und Sinzheim zu gewinnen. Hier ist auch der Fundort zweier
Wegsäulen (jetzt in der Karlsruher Alterth.-H.) deren Zahl L Uli
40 Das römische StrassenDeU in den Zehntlanden.
ab aquis, genau mit der Entfernung von Baden übereinstimmt, zu
suchen.
Der jetzigen Landstrasse folgend finden wir den ältesten Ueber-
gang über die Oos bei der sog. Schweigerrother Mühle, in der
Nähe des sog. Blutfeldes, eine Bezeichnung, die von der grossen
und blutigen Schlacht herrührt, die hier zwischen den Franken und
Alemannen stattfand. Vor 3 Jahren wurde hier ein Skelett sammt
einem reich mit Goldblech verzierten Waffengehänge ausgegraben. —
Wir sind vom Oosübergang aus in 2 km in Baden, der berühmten Gi-
vitas Aurelia aquensis.
Die Topographie dieser Stadt von Elüber (1811) ist alt, es man-
gelt eine neuere ausführliche Beschreibung dieser Römerstadt. Zahl-
reiche dort gefundene römische Denkmäler haben endlich in der Karls-
ruher Alterthumshalle eine bleibende Ruhestätte gefunden ^).
Auf dem Mercur allein steht noch die römische diesem Gott ge-
weihte Inschrift. (Ein Abguss hievon ist in der Karlsruher Alter-
thumshalle.) Von dem berühmten Bad des Caracalla ist nur noch
ein kleiner Theil des Hypocaustum erhalten, zu welchem man mittelst
eines Schachtes auf dem freien Platz zwischen dem jetzigen Friedrichs-
bad und dem Kloster gelangen kann*). — Von den im Jahr 1851 hier
stattgehabten Ausgrabungen her sind uns über den damaligen Be-
stand des Römerbades sehr interessante Aufzeichnungen und Aufnah-
men erhalten, die von dem damaligen bauleiteaden Ingenieur Freiherr
von Kageneck angefertigt wurden^).
Die nächste Umgebung Badens *), insbesondere dem Rheinthal zu,
hatte zur Römerzeit einige Niederlassungen, so bei Sandweier und
Iffezheim, von wo ein Votivstein mit der Aufschrift:
Diis Quadrvbs. Vica
ni Bibienses
D. S. P.
gefunden wurde, (jetzt in d. K. Alterthums-Halle) ; auch wurden in Balg
bei Oos und bei Iffezheim am Rhein Votivsteine ausgegraben^). (Sämmt-
liche 3 Steine in d. K. Antiquarium.) Die Römerstrasse von Oos bis
1) Siehe Generalbericht des bad. Alterthumsvereins v. Jahr 1858.
2) Generalbericht d. b. Alterthumsvereins S. 9.
3) S. Schriften des bad. Alterthamsyereins v. J. 1861.
4) S. Wielandts Beiträge zur Geschichte Badens v. J. 1811.
5) a in Fröhner's Katalog No. 58. 52 und 50.
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 41
Euppenheim fällt im weseutlicbeu mit der jetzt bestehenden Land-
strasse zusammen und heissen die hier sie berührenden Gewanne:
„Götzenberg'' und „Galgenacker''.
Der Uebergang über die Murg war bei Bischweier, wo der
Fluss noch einen geschlosseneren Lauf hatte, als bei Kuppenheim.
Hier ergoss sich die Murg noch zum grössten Theil in die Nie-
derung bei Muggensturm und lag dicht am Gebirge, so dass hier
keine Strasse angelegt werden konnte. Da hier die Feldgewanne noch
heute die Namen oberer, mittlerer und unterer Flötzerweg haben,
so mag hier die Stätte, am sog. deutschen Rhein, zu suchen sein, wo
schon zur Römerzeit die aus dem Murgthal kommenden Hölzer zu
Flössen zusammengebunden wurden. 0
Muggensturm hatte im Mittelalter eine Tiefburg an dem Wiesen-
grund, der jetzt noch Burgwiese heisst. Von Bischweier aus gewann
die Römerstrasse im sog. Brettweg den HöhenrUcken bei Oberweier,
und folgt da dem Gemeindeweg bis Maisch, der heute noch von den
Landleuten der He er weg genannt wird.
Von Maisch bis unterhalb Sulzbach folgen wir dem jetzigen
Gemeindeweg, finden aber den weiteren Zug der Römerstrasse in dem
Feldweg erhalten, der heute noch die alte Strasse heisst.
Oben im Ort Sulzbach, ca. IVs km von der römischen Heer-
strasse ab, sind uns die Bezdichnungen zweier Gewanne: „Heiden-
äcker und Stein äcker erhalten. Ein römischer Votivstein (jetzt in
der Earlsr. A. H.) datirt daherO* Uebersetzt: „Zur Ehre des kais.
Hauses: Der heilig geldsorgenden Göttin und dem reichen
Vater haben Veterius Paternus und Adjectia Paterna ihr
Gelübde erfüllt". — Wir dürfen daher am Fundort dieses Altars
eine jener römischen friedlichen kleinen Niederlassungen suchen,
denen wir noch oft in der Umgebung dieser Strasse begegnen und die
römischen Zehntleuten mit ihren Familien als Wohnort gedient haben,
die sich mit der Landwirthschaft beschäftigten. — Von Ettlingenweier
bis Ettlingen am Ausgang des Albthaies folgt die Römerstrasse wieder
dem Gemeindeweg.
Wie die sehr wichtige römische Station Ettlingen, wo die
Heerstrasse das Rheinthal verlässt, zur Zeit der Römer hiess, ist durch
keinen Inschriftenfund bekannt; wohl aber ist uns in der Richtung
gegen Durlach, an dem früheren Gestade des deutschen Rheins die
1) Inschrift siehe Brambach C. I. Rh. No. 1679.
42 Das römische StrassennetB in den Zehntlanden.
Trümmerstätte eines römischen Gebäudes erhalten, das im Jahr
1802 aufgedeckt wurde, und das man damals, in Folge der aufgefun-
denen schiefen mit Quadern hergestellten Pritschen für eine Auslade-
und Einladestätte, oder ein an dem Flussufer liegendes Lagerhaus hielt.
— Zahlreiche Fragmente von Ziegeln aller Art, Cementstücken und
Mauersteinen, die auf den Feldern und in Hecken verborgen herum-
liegen, bezeichnen heute noch diesen Ort, den die Leute unter dem
Namen Schatz wäldle kennen.
Ein sehr schöner Votivstein, jetzt am Stadtthor von Ettlingen einge-
mauert, bestätigt, dass in Ettlingen ein contubernium nautarum war^).
Nach Dr. Schreib er's Topographie vom J. 1818 wurde das oben
erwähnte Deskmal des Neptun, dessen Widmung heisst: „Dem gött-
lichen Hause zu Ehren weiht dem Gott Neptun dies im Na-
men der Schiffergesellschaft Cornelius Aliquantus aus eig-
nen Mitteln'', bei einer Ueberschwemmung im Jahr 1480 ausge-
graben, und erregte die Aufmerksamkeit des damals durch Ettlingen
ziehenden Kaisers Maximilian I. Dieser übergab diesen Stein sodann
dem Teutsch-Ordensmeister von Kronberg, der ihn auf seiner Burg
Horneck einmauern liess.
Erst 1554 erhielten die Ettlinger durch Verwendung zuerst des
Markgrafen Christof, dann des Markgrafen Philibert ihr Neptunbild
wieder. Nochmals verschenkte der Statthalter der Baden-Baden'schen
Lande, Herzog von Schwarzenberg dasselbe dem Herzog Albrecht in
Baiern, der es nach München überführen liess (1569), bis es dem
Markgrafen Philipp IL von Baden-Baden in Folge vieler schriftlicher
Bitten der Ettlinger um Rückgabe ihres Abgottes (wie sie ihn nannten)
gelang, den Neptunstein wieder zurückzustellen.
Von Ettlingen gingen 2 Strassen aus, die eine zu dem oben
beschriebenen Lagerhaus, und von da wahrscheinlich am Gestade
des Wasserlaufes entlang nach Durlach*). Da, wo dieser Weg die
Landstrasse bei Ettlingen verlässt, steht ein alter Wegstein mit
einer Hand, die nach der neuen Strasse zeigt und die Jahreszahl 1604
Durlach trägt; ein Beweis, dass bis zu dieser Zeit der untere Weg
am Schatz wäldle vorbei der Hauptfahrweg war, und die jetzige
Strasse durch Wolfartsweier erst im Jahr 1604 angelegt wurde.
— Ferner führte von Ettlingen über den jetzigen Landgrabengiessen,
1) Schon in Schöpflin's Alsatia illastrata I. S. 489 beschrieben.
2) Dieser von Marg und Alb gespeiste Wasserarm war zur Römerzeit schiffbar.
Das römische Strassen netz in den Zehntlanden. 48
ein damals grösserer Wasserlauf, beim Ort Bruchbausen, eine Strasse
durcb den sog. Uartwald nacb dem Bheinhocbgestade bei Bickes-
heim und Yon^da durch die Rheinniederung, wo das Feld jetzt noch
„an der grossen Heerstrasse'' heisst nach dem mittleren Rhein bei Au,
wo der Uebergang zur Verbindung mit dem Gastellum in Lauter-
burg und der römischen Niederlassung Goncordia (Weissenburg) zu
suchen ist. — Der Ort Au ist bekannt als Fundort einer Wegsäule
und mehrerer Altäre (jetzt in der Earlsr. Alterthumshalle). Die Leugen-
zahl der ersteren ab Aquis ist nicht mehr lesbar ; wahrscheinlich stand
dieselbe bei Bickesheim am Hochgestade und wenn der Weg über
Rastatt ging, was angenommen werden muss, so passt die Zahl UH
ab Aquis. — Ettlingen hiess in den ältesten Urkunden Eteniningen ;
ob es bei den Römern Atiniacum hiess, ist nicht bestätigt — Von
Ettlingen finden wir die Römerstrasse ca. 3 km lang im Thal bis zur
heutigen sog. Wattsteige. Gelegentlich einer im Jahr 1880 vorgenom-
menen Strassencorrection in der Nähe der grossen Spinnerei, wurde
etwa 1 m tief unter dem jetzigen Boden das römische Pflaster
aufgedeckt; es war ca. 272 m breit und bestand aus aneinander ge-
fugten grösseren Plattenstücken, oben eben und theilweise mit Spuren
von Geleiseeindrücken. Auch im Walddistrict Rehscblag, wo der Auf-
gang der Römerstrasse auf dem Höhenrücken bei Reichenbach zu
suchen ist, liegt noch in einem verlassenen Hohlweg eine grosse
Platte des römischen Pflasters mit einem tiefen Geleiseinschnitt. Noch
zu Anfang dieses Jahrhunderts war die gepflasterte Fahrbahn auf eine
Strecke weit sichtbar, wie uns Schneider in seiner Topographie von
Ettlingen (Karlsruhe 1818) angibt; seitdem sind jedoch diese Steine
mit Ausnahme der oben beschriebenen Platte, die für den Transport
zu schwer war, herausgenommen, zerschlagen und zur Unterhaltung
der nahe liegenden Wattsteige verwendet worden.
Auf der Höhe rechts vom Orte Reichenbach zieht ein Feldweg,
Rückweg genannt, in der Richtung gegen den Ort Langenstein-
bach, der ebenfalls noch einzelne grössere abgeriebene gut gebettete
Steinplatten an seiner Oberfläche zeigt, die vom römischen Pflaster
herrühren dürften.
Von hier soll ein Weg links ab über den sog. Steinigwald nach
Unter-Mutschelbaeh, wo ein alter Bachübergang ist, und von da nach
dem Hof Remchingen in das Pfinzthal geführt haben, in dessen Nähe
im Gewann Welschenthal im Jahr 1843 eine sehr interessante Votiv-
-. .r-",^^"
44 Das römische Strassennetz in den Zelmtlanden.
tafel entdeckt wurde, deren Aufschrift Mone jn seiner Urgeschichte
IL 152 wie folgt liest:
In honorem divinae domus lovi optimo maximo luvenalius Macri-
nus vicanus Senotensis. Macer de suo dedit.
Unter dem Stein wurden Münzen von Trajan und Hadrian ge-
funden.
Der Vicus Senotensis ist übrigens nicht an diesem Fundort zu
suchen, sondern 1 km entfernt an der Vereinigung des Pfinzthales mit
dem Thal von Eönigsbach, wo man bei Gelegenheit der Bahnhofanlage
auf verschiedene ältere Mauerreste stiess und einen römischen Altar
mit Darstellungen aus der Odyssee herausgrub ^). Diese beiden Steine
sind jetzt in der Karlsr. Alterthumshalle. Weitere römische Stein-
denkmäler sind in den Kirchthürmen der nahen Orte Königsbach,
Kleinsteinbach und Pfeiler eingemauert, die alle von dieser Nieder-
lassung herkommen dürften, die 4 km von der Heerstrasse bei Dieten-
hausen entfernt in dem damals abgelegenen Piinzthal lag, das hier sich
erweitert und einen wiesenreichen Thalgrund bildet.
Mone bringt diesen Vicus mit dem Dorf Singen, das in der Nähe
des Remchinger Hofes liegt, in Verbindung (IL 153) und hält diese
Niederlassung für eine gallische.
Was die Fortsetzung der Heerstrasse vom Rückweg bei Langen-
steinbach anbelangt, so zog dieselbe unterhalb dieses Ortes durch das
Boxthal, von wo der Aufgang auf den nächsten Bergrücken noch in
einem verlassenen im Wald liegenden Hohlweg erhalten ist. Auf der
Hohe sind Felder und haben die Gewanne die bezeichnenden Namen
„in den Welschenäckei' uad in der Steinmauer*. Die Landleute kennen
hier ganz genau die Lage d» versunkenen Pflasters, und behaupten:
man spüre dasselbe heute noch bei« Pflügen der Aecker.
Wieder senkte sich die Römersu^yge von diesem Bergrücken
hinunter in das Auerbachthal und übersctiMtt dasselbe unterhalb des
Ortes. Hier heisst ein auf feinem Schutthaufen on Steinen nächst der
Bach stehender Heckenbusch; „Das Schlössle^ i^ 3usch"2j _ Es ist
aber kaum zu vermuthen, dass hier ein römisches Wachthaus stand,
indem die Untersuchung der übrigens unbedeutendem Anhäufung von
Steinen und Schutt nichts darauf bezügliches erg»^*
1) Siehe Näheres Urgeschichte von Mone Bd. H 1^'
2) In dieser Gegend heisst das aus der Römerzeit her^^ 'mde Gemäuer:
Schiössle, während im Odenwald hierfür die Bezeichnung: fl^^'^Siaus, Hüne-
haus, Hainhaus üblich ist.
Dafl römitche StrassenDetz in den Zehntlanden. 45
Das nahe Dietenhausen, wo der Uebergang über das Haaptthal
der Pfinz war, welchem die beiden vorhergenannten Bäche zufliessen,
ist die wichtigste römische Raststation an der Heerstrasse zwischen
Ettlingen und Pforzheim gewesen; dies bezeugen seine Lage, sowie die
Funde von Wegsäulen.
Von Auerbach aus ist die Tra^e der Römerstrasse in einem Feld-
weg, der über den Bergrücken zieht, theilweise noch erhalten, und ist
dieselbe als Spur der Römerstrasse vom Boxthal an bis Pforzheim in
den Blättern 21 und 22 des topogr. Atlasses von Baden eingetragen.
Heutzutage sind jedoch von der gepflasterten Fahrbahn längs dieser
Strecke keine Reste mehr sichtbar. Was von den Steinen nicht heraus-
genommen und zerschlagen wurde, liegt, wie oben bemerkt, an den
Stellen, wo der Lehmboden eine genügende Tiefe hat, ca, 0,6— 0,8 m
unter der jetzigen Erdoberfläche.
Dietenhausen bietet durch seine erhöhte und vorgeschobene
Lage im Thalgrund der Pfinz und durch die ebenfalls hier nahe ge-
rückte jenseitige Thalwand den sichersten Thalübergang, und es haben
hier die Truppen nach dem 8V2Stündigen Marsch von der Hauptstadt
Baden an gerechnet, einer Erholung und Rast bedurft, ehe sie den
beschwerlichen Aufgang auf den Höhenrücken zwischen hier und Pforz-
heim antraten.
Hier standen die 3 Leugenzeiger mit der Zahl XVII ab Aquis,
eine Entfernung die ganz genau passt. Wenn 2 dieser Säulen von
Nöttingen, die 3. von Ellmendingen, herstammen sollen (s. Fröhners
Almanach No. 71, 72 und 76) i), so kommt dies daher, dass der wirk-
liche Fundort Dietenhausen in früheren Zeiten die Banngrenze beider
Gemeinden waren, die solche Denkmäler theilten und in ihre Orte
brachten.
In Dietenhausen dürften römische Unterkunftsgebäude gestanden
haben, deren Gemäuer durch die Anlage der späteren germanischen
Höfe verschwunden sind.
Was die Leugensäulen im Allgemeinen anbelangt, so zeigt ihr
örtliches Vorkommen und der Zweck ihrer Errichtung in den Zehnt-
landen^ dass sie weniger Vermessungssteine waren, wie wir solche jetzt
in Frankreich und Deutschland an den Landstrassen treffen^ sondern
dass sie stets an Flussübergängen oder an Kreuzungen von Heer-
strassen errichtet wurden, dass sie dem Andenken der regierenden
1) Die ErriohtuDg der Säulen datirt von den Jahren 218, 218 and 222.
46 Das römiflohe Stramenneiz in den Zehntlanden.
Kaiser gewidmet waren und zugleich auch als Grenzsteine des Verwal-
tungsbezirkes, von dessen Hauptstadt die Entfernung lautet, zu be-
trachten sind. Wären diese Leugen- oder Meilenzeiger jede Leuge und
Milie errichtet worden» so müssten solche auch noch an andern Orten
gefunden worden sein. Wir haben solcher Wegsäulen oder Rastsäulen
15 in der hiesigen Alterthumshalle, deren Fundorte auf das oben ge-
sagte hinweisen.
Von Dietenhausen folgt die römische Heerstrasse dem erhöhten
rechtsseitigen Thalgelände in dem Gewann „Steinäcker'^ (eine Benennung
die meist auf das frühere Vorhandensein einer römischen gepflasterten
Fahrbahn zurückzuführen ist) und gewinnt hinter der Kelter, sanft auf
einem Vorberg ansteigend, die beherrschende Höhe, die sich bis zum
Pforzheimer Wartberg erstreckt In der Gem. Ellmendingen heisst
der Weg heute noch Römerweg und in der Gem. Dietlingen „in
der Hochstrasse''. Hier sind wir in der Muschelkalksteinformation
und die sehr hoch und trockengelegene Strasse dürfte ungepflastert
gewesen sein.
Sie gewährte hier nach dem Rhein thal hin eine beherrschende
Femsicht und stand mit den Warten auf dem Thurmberg bei Durlach,
dem Michaelisberg bei Grombach und der Warte bei Pforzheim in Ver-
bindung.
Von dem genannten Ort Ellmendingen datirt auch ein Altar des
Aesculap*); während in dem Kirchthurm des benachbarten Ortes
Dietlingen heute noch 2 sehr interessante römische Denkmäler einge-
mauert sind, von welchen das eine eine weibliche nackte Figur mit
reichem Kopfputz darstellt, gegen welche ein ebenfalls nackter Mann
seine schlechte Abeicht zeigt. Das andere Denkmal stellt einen Mercur
dar mit faltenreichem Gewand, die linke Hand auf der Brust, in der
rechten einen Beutel. Man verrauthet, dass diese Steine zu einem Altar,
der Venus geweiht, gehörten, der auf dem hinter dem Ort stark in das
Thal hervorspringenden Berge, heute noch Römerberg genannt, stand,
wo sich auch Reste römischen Gemäuers vorfinden 2). Beim nahen Schön-
bühlwald erreicht die Strasse die Wasserscheide des Neckar, hier
stossen wir ca. 200 m seitwärts derselben an der flachen Thalwand des
sog. Stockbrunnenthaies, durch welches jetzt die neue Land-
1) Siehe Leichtlen Forflcbungen v. J. 1818 S. 78 u. 74.
2) In dem Thalgrund beim Gräfenhausen 2 km von da, sind ebenfalls Bau-
reste von römischen Gehöften.
Das römische Strassennetz in den ZehnÜanden. 47
Strasse führt, auf eine römische Niederlassung, die in zwei
ca. 50 m von einander entfernten Gebäulichkeiten besteht, deren 18 m
lange und breite Umfassungsmauem von ca. 0;7 m Stärke noch sehr
gut zu erkennen sind.
Weiter unten wurden die Reste eines Brennofens und Haufen von
Ziegeln aller Art, ebenso Lehm in den verschiedensten Stadien der Ver-
brennung entdeckt, so dass hier der Bestand einer Ziegelei mit Wohn-
gebäuden des Fabrikanten anzunehmen ist; auch dürften die schönen
2 Viergötteraltäre und ein Votivstein (s. in d. Karlsr. A.-H.), welche von
dem ca. 2 km entfernten Ort Brötzingen datiren, hier gestanden haben.
Vom Schönbühl aus zieht die Römerstrasse in ziemlich gerader
Richtung durch Ackerfeld bis zu dem Ispringer Weg 0 und hält diesen
bis Pforzheim ein.
Das sog. Zigeunergässchen, das sich auf der Höhe um die
Stadt herum zur Altstadt zieht, ist als die Fortsetzung dieses ältesten
Weges zu betrachten.
Weder durch Urkunden noch durch Inschriften funde ist der rö-
mische Name der Station Pforzheim gesichert.
Christ führt den Ursprung des Namens auf Portus zurück, da
anzunehmen ist, dass die Römer hier ihre Flösse zusammenbanden und
die Wass6rstrasse der Enz zum Neckar benützten. — Früher hat man
mit Porta und Porta Hercyniae das Pforzheim der Römerzeit bezeichnet.
Die Altstadt in Pforzheim, wo der Uebergang der Heerstrasse
über die Enz war, ergab weder Funde noch Aufdeckungen aus der
römischen Culturepoche.
Jenseits der Enz jedoch stiess man im Jahre 1868 beim Graben
der Fundamente für das neue Spital auf die Mauerreste eines römi-
schen Gebäudes mit Heizraum. In dem Einschnitt, der demselben aus
einem benachbarten Thälchen das Wasser zuführte, lagen in dem losen
Schutt verschiedene Steindenkmäler, unter andern ein 1 m hoher Al-
taraufsatz, der einen römischen Reiter darstellt, wie er einen knieen-
den Mann niederreitet. Eine Votivtafel, Diana mit dem Dreigespann
darstellend, wurde bei diesen Grabarbeiten verschleudert und kam
bis jetzt nicht mehr zum Vorschein. Hingegen gelang es mir ein
zweites Reiterdenkmal, welches ebenfalls daher rührt, im März d. J.
von einem Pforzheimer Herrn zu erwerben, in dessen Garten es seit
1) Aach hier werden beim Pflügen immer noch Steine der etwa 0,5 —0,6m
tief in den Boden eingesnnkenen Pflaetemng* herausgepflfigt.
48 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
1868 verborgen lag. Bei dem einen Reiter ist der in die Knie gesunkene
Sklave in den Bock gespannt, während bei dem andern die vordem
Hufe des Pferdes auf den Händen des Mannes ruhen. Die Füsse der
Männer zeigen das charakteristische mythologische fischschwanzartige
Ende, lieber das Motiv der Darstellung dieser Denkmäler, welche
durch Funde in Ladenburg, Altrip und andern römischen Nieder-
lassungen der Zehntlande nachgewiesen sind, s. Ladenburg von Stark.
(Karlsruhe 1866).
Auch die Wasserleitung zu dem Hypocaustum war sichtbar;
es ist aber bei der kleinen Fläche des Doppelbodens (es waren im
Ganzen nur 28 Pfeilerchen) anzunehmen, dass das Gebäude kein öffent-
liches Bad, sondern nur ein mit Heizvorrichtung versehenes Wohn-
haus war.
Die Römerstrasse zog hier auf die Anhöhe des Hagenschiesswal-
des dem Hof-Thiergarten genannt zu, von wo sie noch in der ca. 1 m
hohen dammartigen, verwachsenen und bewaldeten Erhöhung von
3 --4 m Breite zu erkennen ist. Die Pflastersteine sind meist ausge-
brochen und in früheren Jahren zu Wegbauten verwendet worden.
Ehe wir den Strassenzug weiter verfolgen, wollen wir in Kürze
die in diesem ca. IDMeile grossen sog. Hagenschiesswald zer-
streut liegenden zahlreichen römischen Ruinen einer Betrachtung unter-
ziehen. Es sind in der topographischen Karte (Blatt Pforzheim) deren
soviele mit R. R. und Römische Ruinen bezeichnet, dass man glauben
sollte, es habe hier eine grosse Römerstadt gestanden.
Die ersten bekannt gewordenen Ausgrabungen eines Theiles dieser
Ruinen geschahen im Jahre 1832 unter Leitung des damaligen Ober-
jägers, späteren Oberforstrathes Arnsperger, welcher auch 8. Z. indem
„Pforzheimer Beobachter" das Ergebniss seiner Forschungen veröffent-
licht hat. Die erste Frage: „Wie kamen die Römer mit diesen
umfangreichen Bauanlagen in den Hagenschiesswald? veran-
lasste den Verfasser zu einer sehr interessanten Abhandlung über den
früheren Culturzustand dieses grossen Tannenforstes.
Er liefert mit grossem Scharfsinn den Nachweis, dass derselbe
zur Römerzeit nicht in dem Masse bewaldet war, wie jetzt und dass
die Oertlichkeiten der römischen Ruinen damals ein freies und offenes
Feld beherrschten.
In technisch-wissenschaftlicher Beziehung ist die Beschreibung
der Gebäulichkeiten und der innern Einrichtung von Herrn Arns-
perger sehr mangelhaft geschähen und damals nicht einmal ein Grund-
Das romische Strassennetz in den Zehntlanden. 49
plan der Anlagen angefertigt worden, so dass wir diesen Sommer ge-
nOthigt waren, um zu einem Resultat aber die Ausdehnung und den
Zweck derselben zu kommen, sämmtliche Ruinen nochmals einer Unter-
suchung zu unterziehen und die nöthigen Grundpläne aufzuzeichDcn,
die jetzt in der Karlsruher Alterthumshalle angebracht sind. Auf Grund
dieser Arbeit kann als bestimmt angenommen werden, dass man es
hier durchaus mit keinen Befestigungsanlageo, sondern mit Nieder-
Jassungen friedlichen Gepräges zu thun hat, wo wahrscheinlich
Veteranen ihrer Ruhe pflegten und dabei Landwirthschaft,
ebenso wahrscheiulich auch Bergbau trieben.
Die Ruinen der einzelnen Anlagen bestehen:
1) in einer grossem Niederlassung ca. 2 km von der Heerstrasse
ab im sog. Eanzlerwald.
Die Umfassungsmauern schliessen ein unregelmässiges Viereck
90 bis 110 m Seiten ab.
Im Innern bemerken wir 4 abgesonderte Gebäulichkeiten :
a) das Bad mit Hypocaustum und Vorhalle 26 m lang und 19 m breit.
b) ein kleineres Bad mit Hypocaustum für Frauen und Kinder.
c) ein Wohngebäude mit Schlafräumen und den Hof in deV Mitte.
— 23 m lang, 17 m breit;
d) ein anderes kleineres Gebäude ohne innere Eintheilung hat
9 m auf 9 m Seite (wahrscheinlich der Tempel).
e) an den Umfassungsmauern sind noch Einzelräume, wahrschein-
lich als Stallungen und Remisen von 10 m Länge und Breite
angebaut.
Sämmtliche Mauern sind ca. 0,6— 0,7 m stark und bestehen aus
kleineren, mit dem Hammer zugerichteten, satt in Mörtel versetzten
Schichtsteinen des Sandsteines, der sich in der Nähe vorfindet.
Sehr bewährte Forscher, wie Professor Bahr in Heidelberg und
Dekan Wilhelmi in "Sinsheim, haben diesen Gebäudecomplex für
eines der sog. Somraerstandlager (castra aestiva) erklärt, wohin die
Römer im Sommer einen Theil ihrer Truppen (hier etwa einen Cen-
turio mit seiner Mannschaft) verlegten.
Es deutet jedoch nichts darauf bin z. B. kein Fund, kein «Denk-
mal etc., dass diese Bauten fUr Militär bestimmt waren.
Pflüjger erwähnt in seiner Chronik der Stadt Pforzheim S, 14
den Grabstein eines Soldaten der 4. Coh. der XXII. Legion, welcher
bei Pforzheim ausgegraben wurde, während den Ziegeln sämmtlicher
Niederlassungen im Hagenschiess Legionsziegel mangeln.
4
50 Das römiBohe Strassennetz in den Zehntlanden.
Eine zweite nicht so umfangreiche und weniger gut erhaltene
Ruine, die unter dem Namen Fohlenwaldschlössohen bekannt ist,
liegt im sog. Schlosswald 2 km von der ersteren entfernt.
Auch hier ist ein Hypocaustum (ohne Bad) mit Wohnhaus und
ein von einer Umfassungsmauer eingeschlossenes Gehöfte z. Z. der
Ausgrabung im Jahr 1832 nachgewiesen.
Noch mehr im Wald in der Nähe des sog. Seehauses liegt die
Ruine im sog. Lettengefäll, wo die ca. 18m langen ein Viereck
bildenden Umfassungsmauern mit Fragmenten von Leisten und andern
Ziegeln noch zu erkennen sind.
Mehr an der württemb. Grenze belGuidet sich die 4. Ruine, im
sog. Schlossteich, auch Hardheimer Schlössle genannt, mit einer Aus-
dehnung von ca. 23 m Länge und 18m Breite; in der Mitte sind die
Spuren eines Wohngebäudes zu erkennen. Die vorgefundenen ein-
fachen Hohlzi^el mit Nasen deuten darauf hin, dass dieses Gehöfte
im Mittelalter noch bewohnt war, und dass es fraglich ist, ob dasselbe
aus der römischen Zeitepoche stammt.
An der römischen Heerstrasse selbst sind von dem Seehaus noch
die Spuren (in grösseren Mauersteinen bestehend) eines Gebäudes und
ca. 1 km von da entfernt, die Umfassungsmauern ca 8 m lang, 6 m breit
eines andern, das vielleicht als Wachthaus an der Strasse diente, sichtbar.
Nach dem Arnsp erger 'sehen Bericht waren im Jahre 1832 noch
an 30 Stellen des Hagenschiesswaldes Spuren römischer Baureste
zu erkennen.
Das Auffinden von römischem Mauerwerk, mit Haufen von Eisenerz
in verschiedenstem Zustande der Verarbeitung durch Feuer hat zur Ver-
muthung Veranlassung gegeben, dass die Römer schon den Brauneisen-
stein in den Schwerspathgängen des angrenzenden Würmthaies kannten
und sich auch mit Bergbau und Eisenbereitung beschäftigten.
Die Fortsetzung der römischen Heers trasse, welche östlich
von TiefTenbronn in das württembergische Gebiet eintritt, sich über
den Höhenrücken bei Freiolzheim gegen Leonberg zieht, von da die
Höhe des Wildparkes gewinnt, wo sie sich mit der grossen Heer-
strasse HI von Rottenburg nach Cannstatt verbindet, wurde von Con-
servator von Paulus nachgewiesen und in dessen Karte eingetragen.
Bei Bothnang fanden auch Aufdeckungen des Oberbaues dieser
Strasse statt, welche in dem Werk des Finanzrath vonGock be-
schrieben sind.
Das römitche SirassenDetz in den Zehnilanden. 61
Die anderen römischen Wege, welche von Pforzheim ausgegangen,
sind unter 27 a b c beschrieben.
In den Topographien von Klüber über Baden und Schneider
über Ettlingen werden die Kaiser Marcus Aurelius und Alexander
Sererus als die Erbauer dieser Strasse, welche sie als die Via Aurelia
beseichnen, genannt
Um die bekannten römischen Niederlassungen hier zu ergänzen,
erwilhnen wir noch schliesslich die beiden zu einander gehörigen
Rqinen in einem stillen abgelegenen Seitenthälchen auf der Höhe
des sog. Nieferner Berges, Vt Std. von der Station Enzberg.
Beide haben einen quadratischen Umfang von ca. 16 m Seite ; die
Umfassungsmauern der einen Ruine (im Wald liegend), mit den im
Innern liegenden römischen Ziegeln, sind noch zu erkennen ; die andere
ca. 60 m entfernte, bildet ein mit Hecken bewachsener Trümmerhaufen
mitten im bebauten Felde, scharf von demselben begrenzt; es ist an-
zunehmen, dass dieses Gebäude die Wohnräume enthielt, und seit
der Zerstörung nicht weiter ausgebeutet wurde. Es würde also hier
eine Aufdeckung Erfolg versprechen.
vm.
Die Donauthalstrasse. Von Hllflngen über Messkircli der Donau entlang
nach Pomone (Laningen).
Während die Gonsularstrasse III bei der Besitznahme der Zehnt-
lande durch die Römer die zuerst angelegte Marschlinie nach dem
Grenzwall und von da nach Regensburg war, also damals als Opera-
tionslinie gestützt auf das befestigte Lager von Windisch die grösste
militärische Bedeutung hatte, so ist die Donauthalstrasse die grosse
Sehnenstrasse der oben genannten, welche die Römer wohl erst zur
Zeit des friedlicheren Besitzes der Zehntlande, als directe Verbin-
dung mit den rätischen Colonien an der Donau anlegten.
Die älteste Verbindung mit Messkirch war vermuthlich vom Hohen-
randen aus (s. Weg 42) und ist die Strecke der Donauthalstrasse bis
Messkirch eigentlich als ein späterer Bau zu betrachten.
Von Hüfingen, der Römerstation Julio Mago, geht heute noch
oberhalb Neidingen ein alter Weg nach Pfohren und über die Donau.
Dass hier in den ältesten Zeiten die Ueberfahrt war, zeigt das sog.
Entenschloss, welches (ein mittelalterlicher Bau mit 4 runden Flau-
kiruBgsthürmen) im Mittelalter eine Zollstätte für die hier durchgehen-
52 Dm römiiohe StratHanoU in den Zehntluidcn.
den Frachten war. Kaiser Karl der Dicke soll der Sage nacb schon
hier gejagt haben, und dabei umgekommen sein.
Von hier zog die älteste Verbindung (jetzt noch Strasse), nördlich
um den W&rtenberg herum, nacb Geisingen und über Zimmern nach
Immendingen. In einem am vorletzten Ort auamandenden Seitentbal
der Donau bei Oefingen befinden sich die Rainen einer römiadten
NiederlassoDg mit Hypocanstum. Sie gehörten zu einem der im Zehnt-
land ziemlich zahlreich verbreiteten friedlichen Gebdfte (Villa rustica),
die sieb stets etwas abgelegen von den Heerstraasen vorfinden. —
Oefingen stand auch durch einen Weg, der über Biesingen, Heidenhofen
und Aasen führte, mit der Heerstrasse m bei Donaaeschingen in Ver-
bindang.
lieber den Bergvorspmng zwischen Immendingen und Höhringen
zog eine alte gepflasterte Strasse, die bew&brte Forscher auf
romischen Ursprung zurückführen, besonders weil in den beiden Orten
Spuren römischer Wohostätten mit Ziegeln der XI. Legton und Anti-
kaglien aller Art entdeckt wurden.
In der Nfthe des Donauufers stiess man bei Abgrabungeo auf sehr
alte Pfahlfundamentirangen, welche auf das Vorhandensein einer römi-
schen Jochbrücke schliessen lassen.
Jedenfalls war hier der DonauObei^ang zur Römerzeit und die
Laudstrasse nach Tuttlingen ruht auf römischer Grundlage.
Von hier aus zieht die Strasse steil hinauf nach der Hochebene
beim Altenthal und bei Neuhausen ob Eck aber Worudurf nacb der
sog. Altstadt bei Messkirch.
Diese grosse römische Niederlassung, jetzt abgelegen in einem
Wald, hat Pfarrer Eitenbenz aus dem Dunkel der Vergessenheit ge-
zogen and das Ergebniss seiner übrigens flüchtigen Ausgrabangen in
einer Abhandlung (Römische Niederlassung bei Messkirch, Konstanz
1836) veröffentlicht
Er fand auf einem Ii1&chenraum von 1 ha — 18 Ruinen von Ge-
bänlichkeitep, die er als Theile eines grossen römischen Castelis er-
kant, tmd glaubt es sei hier die Besatzung einer ganzen Legion,
den Gohorten der Hül&völker, gewesen, welche letztere den
dar Ziegel nach zu den deutschen Völkerstämmen des Nieder-
gAStt haben Bolleo (Batavi, Sali!, Amsivarii, Matiaci).
st Eitenbenz aus den vorhaadenen Spuren in der
AUatadt noch mebrere kleinere Castelle, namentlich
WartUtorm auf einem Höhenpunkt unterhalb .Messkirch,
Das römische Sirassennetz in den Zehntlanden. 53
Bach, der durch seine Aussicht den untern Theil des Ablachthales bis
zum Donauthal beherrschte. Diese Bauten gehörten zu den Verthei*
digungsanlagen dieses zu allen Zeiten für die Kriegführung wichtigen
Passes. Hier wollte auch Morcau mit den Franzosen in den 90er
Jahren nach Württemberg und Baiem durchbrechen, wurde aber von
Erzherzog Karl von Oestreith, welcher diese strategische Position schon
inne hatte, zurückgeschlagen, worauf er seinen berühmten Rückzug
durch den Schwarzwald (das Höllen thal) bewerkstelligte 0.
Die Wichtigkeit dieses von der Natur so sehr begünstigten
Vertheidigungsterrains mussten die Römer alsbald erkannt haben, in-
dem sie hier das Castell, jetzt Altstadt genannt, anlegten und die
beherrschenden Höhen befestigten.
Ersteres bildet ein Viereck von 300 m auf 250 m Seitenlänge mit
abgerundeten Ecken. Im Innern sind die Spuren verschiedener Gebäu-
lichkeiten, ähnlich wie bei der Saalburg im Taunus aufgedeckt worden.
Die Nachgrabungen, welche Pfarrer Eitenbenz aus eigenen
Mitteln bestritt, sind zur Beurtheilung des Urofanges und der Bedeu-
tung dieses Baues ungenügend, und wäre eine Wiederaufnahme der
Aufdeckung desselben sehr wünschenswerth. Zum Glück befindet sich
die Ruine in einem fürstl. fürstenbergischen Hochwald, wo sie vor wei-
teren Zerstörungen geschützt ist.
Von dieser Altstadt zog sich die römische Donauthalstrasse in
das Abiachthal, so ziemlich die jetzige Landstrasse einhaltend, über
Oöggingen nach Krauchewies, wo der Weg 41 nach Pfullendorf und
dem Gasten bei Sigmaringendorf abging. Von da über Ruolfingen
bis Mengen (Bragodorum), im offenen Donauthal, ist der Römerweg
der Lage nach ebenfalls in der Landstrasse zu suchen, die heute noch
den Namen ^eerstrasse trägt. Weiter gegen Ristissen zu ist sie unter
dem Namen Heidenstrasse bekannt, und diente bei Unterstadion
der Bussen, ein 757 m hoher kegelförmiger Berg, als Hochwarte").
Auf den ebenfalls linksseitigen Anhöhen des Donauthales bei Zwiefalten
im sog. Teutschbuch sind durch Paulus zwei römische Niederlas-
sungen nachgewiesen und weiter abwärts trägt der linksseitige Gebirgs-
rücken den Namen „Hochstrass^^
1) Nach Mone Urgeschichte Bd. II S. 815 hielten die Römer diese Position
noeh bis zu Kaiser Gonstantin I. Tod 837 n. Chr.
2) Gregenüber in einem Seitenthal der Donau bei Riedlingen liegt die
jQeu nebarg, ein mächtiger Bingwall aus der ältesten germanischen Zeit«
54 Das römisobe StraBsenneis in den Zehntlanden.
Die Donauthalstrasse zieht, stets rechtsseitig, von Mengen über
Ristissen (Dracuina) nach Guntiam (Günzburg) und von Lauingen über
Submonturium, undValtatum nach Abusena (Abensberg), der vorletzten
Station an der Consnlarstrasse III. Liegt einmal ein vollendetes Ma-
terial über die Richtung dieser Strasse und der andern innerhalb des
baierischen Landes vor, so lässt sich hiemach die Beschreibung des
Strassennetzes ergänzen.
Nach Mone, Urgeschichte Bd. II S. 310 zog 359 n. Chr. Kaiser
Julian mit seinem Heere von Äugst aus der Donau entlang nach
Pannonien und Gonstantinopel, wobei er wahrscheinlich bei Sanctio
(Säckingen) über den Rhein setzte und den Wegen 37 und 88 folgend,
das Donauthal bei Messkirch gewann.
IX.
Die Strasse yon Worms (Borbetomagns) über Ladesburg (Lupodunum) nach
Heidelberg (Septiaila Nemetum) und von da über Sehwetiingen nach Speler
(Colonla Nemetum).
Die Oertlichkeit der Stadt Worms fällt mit der in die römische
Strassenkarte eingetragenen Station Borbetomagus an der grossen
linksrheinischen Heerstrasse von Strassburg nach Mainz zusammen.
Hier war der Rheinübergang zu den Niederlassungen bei Wein heim
und Ladenburg. Die Strasse zog an dem rechtsseitigen Hochgestade
hinauf nach Lampertheim und ruht der jetzige Gemeindeweg durch
die Vimheimer Haide nach dem Orte Virnheim auf römischer Grundlage.
In dem nahen Strassenheim zweigten sich wohl schon damals
mehrere Seitenwege ab, einer westlich nach Käferthal, ein anderer
nach Weinheim, während in der Mitte der jetzt noch bestehende Weg
als Hauptstrasse der Römer nach dem befestigten Ladenburg zog, das den
neuesten Funden von Inschriften gemäss als das römische Lupodonum
zu betrachten ist. Diese Colonie war sehr bedeutend und schon vor
der römischen Besitznahme von Kelten und Galliern bewohnt. (Stark
behandelt im 44. Band der Jahrbücher für Alterthumskunde im Rhein-
lande die Vorgeschichichte dieser Stadt.)
Ebenso hat Christ in den Heidelberger Blättern vom Jahre 1866
das römische Bad beim Rosenhof und das sog. Columbarium zwi-
schen Schriesheim und Heddesheim wieder der Vergessenheit entzogen,
und nachgewiesen, dass das letztere eine villa rustica (Oeconomiehof)
war (siehe Stark S. 14).
Das rdmisohe Strassenuetz in den Zehntlanden. 55
Die römischen Strassenznge um Ladenburg herum sind schon in
Mone's Urgeschichte enthalten.
Die reichen Funde aus Ladenburgs Vorzeit an Altären, Grab-
steinen,.Yotivtafeln, Inschriften, Antikaglien und Münzen sind seit 1830,
wo man mit den Ausgrabungen systematisch vorging, theils in Mann-
heim, Heidelberg und Karlsruhe untergebracht.
Die grossen Quadersteine mit den Inschriften, die den Namen
der Stadt als Lupodunum bestätigten und auch Vic. Lop. ergaben,
sollen zu einem militärischen Bau gehört haben.
Nach Stark war Lupodunum eine alt-keltische Ansiedlung mit
stark romanisirter, gallischer Bevölkerung unter römischem Waffen-
schut2 (siehe dessen Werk über Ladenburg unter den Römern).
Die in Heidelberg in einer Grube gefundenen 8 Wegsäulen ent-
halten alle Ab Lup. RH Leugen, was beweist, dass diese römische Co-
lonie eine Provinzialhauptstadt war, da die Entfemungszahlen nur von
solchen berechnet wurden.
Von hier zog die römische Strasse auf dem hohen rechtsseitigen
Ufergelände in gerader Richtung nach Neuenheim bei Heidelberg.
Theile des Oberbaues dieser schönen Römerstrasse wurden noch in letz-
terer Zeit bei Abgrabungen durch Herrn Architect Wund biosgelegt.
Auf einer Unterlage von groben Wackensteinen lagerte eine in Mörtel
eingelegte Decke von Kies, 6—8 cm stark, wie wir diese Bauweise auch
bei den römischen Kiesstrassen in der Umgegend von Messkirch vor-
finden.
Der Oberbau dieser Strasse liegt jetzt schon 60—90 cm unter dem
jetzigen Boden; die Richtung des Weges ist durch die in den letzten
Jahren ausgeführten Culturarbeiten schwer zu erkennen.
Es dürfte kaum ein Zufall sein, dass die jenseits des Neckar nach
Speier ziehende Römerstrasse, die noch in dem jetzigen mit Obst-
bäumen gezierten Feldweg gegen die Pleickartsförsterhöfe zu erhalten
ist, die römische Ueberbrückung unter demselben Winkel schneidet wie die
erstere Strasse, wie dies in überraschender Weise vom Heiligenberg aus
überschaut werden kann.
Die Fundamente der Römerbrücke, welche Neuenheim mit der
Militärstation Heidelberg verband, wurden im Jahre 1877 blossgelegb
nachdem im vorhergehenden Jahr, gelegentlich des Ausbaggerns des
Schifffahrtsweges, ein mit einer Inschrift versehener römischer Neptuns-
altai*stcin (jetzt im Heidelberger Antiquarium) aufgefunden wurde.
Aus den vorgefundenen hölzernen Pfeilerüberresten lässt sich nach
jS6 Das römische Strassennetz in den Zehntlanden.
den Berichten des Ingenieur Baer and des Archäologen C. Christ
(siehe bad. Landeszeitung Oct. 1877) ersehen, dass diese römische
Ueberbrückung 5 Pfeiler hatte, welche in Abständen von 34,5 m ange-
legt waren.
Die Hölzer der Pfeiler liegen meist wagerecht und wurden dabei
nur wenige senkrecht eingerammte Pfähle vorgefunden.
Der dritte Strompfeiler von dem Neuenheimer Ufer aus ist als
der Mittelpfeiler, der in der Hauptströmung des Neckars stand, anzusehen.
Hier zeigten die Fundamentirungsreste eine umgelegte Wand, die
aus eichenen Pfählen von ca. 0,3 m Stärke bestand. Ein Pfeilerunter-
satz bei Neuenheim hatte vom die Eisbrecherform und bestand die
Einwandung aus wagerechten Balken.
Christ gibt auch an, dass in den Zwischenräumen der Balken-
lagen blauer Letten vorgefunden worden sei, wovon wir uns bei der
Besichtigung der Ausgrabungen ebenfalls überzeugten.
Die Anlage dieser Fundamentirungsreste lässt auf massivere
Pfeiler und Anwendung von sog. Senkkasten schliessen, auch darf man
wohl annehmen, dass ausser dem Oberbau auch die Brückenpfeiler
von Holz konstruirt waren, wozu das Material auf dem Neckar leicht
beigeflösst werden konnte.
Nicht erklärt ist die Bauweise des Oberbaues, denn die Entfernung
von ca. 30 m der Pfeiler setzt voraus, dass die Strassenbalken noch
von wenigstens 2 Zwischenjochen getragen wurden, oder dass Bogen-
häng- und Sprengwerke (wie bei der Trajansbrücke über die Donau)
die 30 m grosse Spannweite überbrückten.
Christ hat die Ansicht ausgesprochen, dass bei Neuenheim ein
römisches Castell war, das nicht allein den Neckarübergang, sondern
auch das Defile des Neckarthaies zu decken und zu vertheidigen be-
stimmt war.
Die hier gefundene Mythrastafel ist bekannt, und mit der von
Osterburken im 1. Hefte des bad. Alterthumsvereins v, Jahre 1865 von
Hofrath Stark beschrieben.
Von den hohen Ausläufern des Odenwaldes in das Rheinthal heisst
der am Neckar rechtsseitig anstehende der Heiligenberg, der mit
seiner langgestreckten Kuppe und seiner umfassenden Rundsicht eine
wichtige militärische Position bietet.
Die hier noch ziemlich gut erhaltene doppelte Ringwallumfassung
von ca 2 Stunden umfang, deren Anlage in die erste alemannische Zeit
fallen dürfte, ermöglichte die Zuflucht eines ganzen Stammes.
Pas römische SirasseDnetz in den Zehntlanden. 57
Christ in Heidelberg hat diese interessante Anlage in No. 10
fflr 1881 der literar. Beilage der Earlsr. Zeitung beschrieben und aus-
gesprochen, dass dieser Steinring schon von Ammian Marcellinu lib. 28,
c 2 im Jahre 369 n. Chr. als Mons Piri d. h. als Berg oder als Burg
eines Alemannenkönigs Pirus (Biro) erwähnt wird, und dass die Arbeiter
des Kaisers Yalentinian, welche hier, d. h. auf dem vorderen Gipfel des
Berges ein Castell anlegen wollten, von den Alemannen, welche den
hintern hohem Gipfel inne hatten, verjagt und theilweise erschlagen
wurden.
Die römische Militärstation bei Heidelberg ist ganz ausführlich
von Christ in Picks Monatsheft VI S. 239 beschrieben.
Die Situationspläne und Zeichnungen der Fundstätte, die meist
bei der Fundamentirung der Spitalbauten zu Tag gefördert wurden,
sind von Bauinspector Schäfer in Heidelberg aufgenommen und befin-
den sich in der Earlsr. Alterthumshalle.
Die Ausgrabungen der römischen Strassenbahn ergaben eine
Breite von 8,7 m und eine Wölbung von 0,25 m. Die Fahrbahndecke
derselben bestand aus einer 0,4 m dicken Rollschicht von grösseren
Sandsteinfindlingen und einer etwa 0,3 m starken Ueberschotterung von
Neckarkies.
Ebenso wurden Seitenwege von 3 m Breite mit Kiesfundamentirung
nachgewiesen.
Die Anlage dieser Strasse, an deren Seite viele Häuserfundamente
aufgedeckt wurden, lässt auf die Ausdehnung und Wichtigkeit der rö-
mischen Niederlassung, deren Name Septimia Nemetum jedoch nicht
erwiesen ist, schliessen.
Von grossem Interesse war bei den genannten Ausgrabungen der
Fund von 8 Wegsäulen verschiedener Kaiser, in einer Grube. Sie
sind noch gut erhalten und tragen sämmtlich die Fintfemung Ab
Lupodunum IIH. (Jetzt in der Karlsruher Alterthumshalle aufge-
stellt.)
Von dieser Militärstation aus zog die Heerstrasse in gerader Rich-
tung aber das Feld im Bruch westlich von Kirchheim gegen Bruch-
hausen and von da durch den Wald gegen Reilingen und Hockenheim
an das Hochgestade.
Hier fand der Durchbruch der längs dem Vorgebirge in die
Rheinthalniederung sich ergiessenden Binnengewässer durch das Hoch-
gestade statt und ist derselbe jetzt noch in dem Lauf der Kraichbach
erbalten. Die Heerstrasse überschritt diesen engen Wasserlauf und
68 Das römiiohe SiraBsennets in den Zehnilanden.
zog sieh auf dem Uochgestade über den jetzigen Ort Altlussheim, wo
jetzt noch der an den Rhein ziehende Weg die Eaiserstrasse heisBt,
nach dem Rhein, der zur Römerzeit hart an der Erhebung des jensei-
tigen Hochgestades lag, auf dem die Colonia Nemetum lag.
X.
Die Strasse yom Castell Osterburken ttber Bödigheim und Sohlossau naeh
desselbach und yon da nach Obernburg am Main.
Diese Strasse war zur Sicherung des verschanzten Ijagers auf der
Hochebene bei Schlossau von grosser Wichtigkeit, ihre Spuren lassen
sich heute noch mit Sicherheit verfolgen.
Von Hesselbach an liegt sie auf dem Höhenrücken zwischen dem
Mainthal und dem Thal der Mümmling, die bei Obernburg in den Main
einmündet, sie ist auf dieser Strecke durch Castelle gesichert und
als fortificirte Strasse unter dem Namen Mümmlinglinie bekannt.
Diese in Osterburken beginnende Strasse übersteigt den schmalen
Bergrücken zwischen dem Kimau- und Rinschbachthale, und erreicht
sodann den Höhenzug bei Schlierstadt an der sog. Helmliskehl,
von wo sie jetzt noch bis zum sog. Hunnenberg (Heuneberg nach Con-
radi) in einem Feldweg gekennzeichnet ist. Bei £berstadt wurde an
dieser Linie ein sog. Heunehaus von Herrn Pfarrer Maier (jetzt in
Sindolsheim) aufgedeckt, worüber in dem Archiv des bad. Conservato-
riums eine Mittheilung vorliegt. Bei sehr coupirtem Terrain bis Bö-
d ig heim (Schloss der Grafen Rüdt von Kollenberg) ersteigt die
Römerstrasse von da die Hochebene bei Oberneudorf und ist deren
Fortsetzung bis zur Höhe zwischen Mudau und Oberscheidenthal, wo
sie die jetzige Landstrasse von Mudau nach Eberbach bei km Stein 2
durchschneidet, und weiter nach Schlossau noch in einem Wald- und
Feldweg erhalten.
Von letzterem Ort bis zum Schlossauer Parkthor bildet sie die
Unterlage der jetzigen Strasse.
Schlossau war der Anfang der Höheustrasse, die über Hesselbach
auf dem von der Natur so sehr begünstigten Bergrücken zwischen dem
Mudau- und Mümmlingthal bis Obernburg hinzieht.
Bei Schlossau lag das erste zur Deckung dieser verschanzten
Linie von den Römern erbaute Castell, dessen Seiten in dem Werk
von Knapp (Römische Denkmale des Odenwaldes 1813) zu 150 m
angegeben sind.
Dan römische Strassennetz in den Zehntlanden. 59
erfindliche Ausgrabungen wurden zu jener Zeit nicht vorgenom-
men, wohl aber sind von hier einige Inschriftenfunde und in dem be*
zeichneten Werk angeführt.
In den 60er Jahren hat der Alterthumverein in Buchen nochmals
hier Ausgrabungen vornehmen lassen und die Grundmauern eines
Wohngebäudes blossgelegt, wobei eine grosse Anzahl schöner Gold-
mQnzen von den Kaisern des 2. und 3. Jahrhunderts gefunden wur-
den. Leider sind von diesen Mauerresten keine genügenden techni-
schen Aufnahmen genommen worden. Jetzt ist die ganze Stätte ein
durch den Pflug eingeebnetes Ackerfeld.
Das Castell bei Schlossau stand auf einer kleinen Erhebung der
Thaleinsenkung, die gegen Ernstthal zu der Mudau einen Seiten-
bach zuführt. Es stand also etwas von der Heerstrasse entfernt, die
genau die Wasserscheide zwischen Main und Neckar einhält. Von
Schlossau bis zum Thor des Leininger Parkes fällt die jetzige Land-
strasse mit diesem Bömerweg zusammen.
Hier sind im Wald noch zwei Trümmerstätten, die den Resten
nach (es sind die Umfassungsmauern von 4,5 m Quadratseite noch zu
erkennen) einer Wachtstation angehört haben. Bei Hesselbach, dem
nächsten Hauptpunkt dieses Höhenzuges zu, liegt eine Einsattlung, die
Zwing genannt wird, welcher sich die beiden dem Main- und Neckar-
gebiet angehörigen Thalbuchten des Itterbaches und eines Seitenbaches
der Mudau so nähern, dass hier ein gefährlicher Engpass entsteht^
bei welchem die Yerschanzungslinie der Römer leicht durchbrochen
werden konnte.
Man findet daher auch hier Spuren von Verschanzungen, nament-
lich auch von Gräben, welche den Zugang zum Engpass zu verhindern
bestimmt waren (s. Knapp S. 36— 41).
Eine Viertelstunde von der Zwing liegt der Ort Hesselbach und
am Ende desselben stand das römische CasteU, von welchem in frühe-
ren Jahren noch Spuren vorhanden waren. Nach Knapp war das-
selbe ein Rechteck von 75 m Länge und 60 m Breite.
Das von hier an der Höhenstrasse ca. 7 km entfernte nächste
CasteU war bei Würzberg, dessen Spuren ein Rechteck von ca. 200
auf 180 m nachweisen. Man fand hier eine grosse Anzahl Gesims-
und Deckelsteine, welche zu der Umfassungsmauer gehörten, auch
die in denselben angebrachten Thore von 3V2 ni Weite waren noch zu
erkennen.
60 Das römiBohe Stratsennetz in den Zehntlanden.
Von der Höhenstrasse zwischen Würzbarg und Ealbach ging
der Verbindungsweg 12 über Beerfelden nach Weinheim.
Das nächste Gasten dieser Linie ist das bei Eulbach; es zeigte
bei der Ausgrabung ca. 45 auf 40 m Seitenlänge mit abgerundeten
Ecken und es wurde das Hauptthor von 2,7 m Weite desselben später
in dem grafl. Erbach'schen Garten zu Erbach aufgestellt.
Das nächste Gastell ist 4 km entfernt von hier unter dem Namen
Hainhaus bei Vielbrunn bekannt, es hatte ca. 75 m auf 70 m Seiten-
längen.
Zwischen Lützelbach und Seckmauern war auf der Höhe wieder
ein GasteU, nach den Ausgrabungen von ca. 72 m Länge und 55 m
Breite. Bei Seckmauern sind römische Gebäudereste mit Hypocausten
nachgewiesen.
Nach diesem Castell folgen noch auf der Höhe, ehe sich die Land-
strasse in die Tiefe zieht, die Spuren eines römischen Wachtgebäudes
Der Ausgang des Mümmlingthales war durch 2 Castelle gedeckt. Die
Stätte des linksseitigen heisst jetzt noch der Römergrund und die in
der Nähe befindliche Quelle der Römerbrunnen.
Auch im Mümmlingthal selbst hatten sich die Römer noch auf
dem Breuberg befestigt, wo man nebst Ziegeln mit den Stempeln der
XXII. Legion auch noch einen Altar- und Votivstein fand.
Das Castell auf der linken Seite bei Obernburg bildet den Ab-
schluss dieser grossartigen Verschanzungslinie, welche die Römer zur
Vertheidigung der Zehntlande und zur Deckung ihrer Rückzugslinie
nach dem Rheinthal anlegten.
XL
Die Strasse zar Yerbindung der Castelle längs des Grenzwalles.
Da diese Strasse im wesentlichen eine militärische Bedeutung
hatte, so ist sie den wichtigeren römischen Strassen angereiht.
Ihr Wesen und ihre Richtung ist von Paulus (Grenzwall 1863)
klar gelegt, und in die der Schrift beigegebene Karte roth einge-
tragen.
Bekanntlich war der Grenzwall (limes trans rhenanus) vom Hohen-
stauffen an bis zum Main eine Allarmlinie, zu welchem Zweck die ge-
radlinige Führung des Erdwalles mit dem vorliegenden Graben nöthig
war, wie sie Paulus in Folge der vorhandenen Baureste und Spuren
des Walles richtig bestimmt bat. Auch die neuesten Forschungen
Das rdmieohe Strassenneiz in den Zehntlanden. 61
und Lokalimtersachungen bestätigen die gerade Richtung dieser Grenz-
marke (wenigstens bis Walldürm).
In Entfernungen von 4—5 Stunden lagen längs dieses Grenz-
walles Gastelle an geeigneten Punkten, meist auf Vorsprüngen von
Thalöfifhungen, von welchen das umliegende Terrain übersehen werden
konnte.
Eine Wegverbindung unter diesen Castellen, welche ihrer Grösse
nach (durcbschn. von 80 auf 100 m Seitenlange) ca. 1 Gohorte Be-
satzung gehabt haben dürften, war durchaus nöthig. Da sie aber
längs des Grenzwalles, welcher unbeachtet des Terrains, sich oft steil
in die Thaleinschnitte einsenkte, nicht geführt werden konnte, so wähl-
ten die Rönjer desshalb die nahe liegenden Bergrücken zur Anlage dieser
Strasse.
Von Pfahlbronn aus war das erste Castell bei Welzheim, dann
folgt das bei Murrhart, und weiter bei Mainhart, Oehringen, Jagst-
hausen, Osterburken und bei Walldürm; mit demjenigen bei Milten-
berg, hatte also der Limes transrhenanus 8 Hauptcastelle; bekannt-
lich standen ausserdem längs des Walles, je eine Milie von einander
entfernt, kleine Wachthäuser, wovon eines in seinem Grundriss von 3 m
zu 3 m Quadratseite mit 0,6 m starken Wänden im freih. Adelsheim'-
schen Wald bei Hergenstadt, mit einem ca. 100 m langen Stück des
Walles gut erhalten ist.
Den fraglichen Verbindungsweg haben die Römer (nach Paulus)
längs des Grenzwalles so auf dem beherrschenden Bergrücken gewählt,
dass er an mehreren Stellen den Grenzwall überschreitet, je nachdem
das hier befindliche Terrain eine bessere Lage gestattete, als diesseits.
Vor Osterburken im Badischen zieht diese Strasse bei Hopfen-
garten jenseits des Walles zur sog. Marienhöhe, wo eine römische Ver-
schanzung, wahrscheinlich ein Vorwerk des nahen Osterburker Castells,
nachgewiesen ist
Von Osterburken bis Walldürrn geht dieser Weg über Bofsheim,
von da in einem grossen Bogen über den Hunnenberg bei Eberstadt
and den Hochkopf bei Götzingen nach Hettingen, und von da über den
Rehberg nach Walldürm,
An dieser Strasse, die sich stets nach den römischen Grundsätzen
auf den dominirenden Höhenrücken bewegte, waren auch noch beson-
dere Wachtgebäude erbaut, die mit den Warten und unter sich durch
Signale in Verbindung standen.
Diese Wachthäuser, welche etwa 4,5 m Quadratseite und 0,7— 0,8 m
62 Das römische SiraaseiiDeiz in den Zehntlanden.
Starke Wände zeigen (auch Ziegeldeckung ist nachgewiesen), nennt
das Volk Heunehäuser. Man trifft die Beste derselben auch an der
Heerstasse bei Oberscheidentbal an.
Die Verbindung von WalldOrm zum Castell bei Miltenberg dürfte
dem über Wenschdorf gehenden Grenzwall, gefolgt sein.
b) Die römisch-keltischen Verbindungswege.
12.
Weg Ton Worms oder Weinheim durch den Odenwald in der yerschaniten
HSlienstrasge (sog. Mttmmlinglinie) beim Castell Enlbach.
Es ist als gewiss anzunehmen, dass sich die Römer von der ver-
schanzten HOhenstrasse zwischen Schlossau und Obernburg aus, die
eine ihrer wichtigsten militärischen Positionen am Grenzwall bildete,
auch eine Rückzugslinie direct durch den Odenwald sicherten, für
welche man die Richtung nach Ladenburg oder Worms und nament-
lich Weinheim^ wo eine römische Niederlassung nachgewiesen ist, als
Ausgangspunkt feststellen kann.
Von hier aus dürfte der Höhenrücken beim Wagenberg erstiegen
worden sein, wo sich heute noch über Buchklingen nach Obepabateinach
ein Weg hinzieht, der vollständig das Gepräge eines keltisch-römischen
Verbindungsweges hat.
Von hier über Siedeisbrunn nach Waldmichelbach und von da
über Affolterbach und Olfen nach Beerfelden hält derselbe eine domi-
nirende Höhenlage zwischen den nach Süden dem Neckar und nach
Norden in das Weschnitzgebiet zuströmenden Bäche ein. Dasselbe ist
für die Fortsetzung dieses Weges von Beerfeld über den Krähberg bis
Eulbach der Fall, indem die Niederschläge nördlich der Mümmling
(Main) und südlich der Itterbach (Neckar) zufliessen.
Bei einem Masseneinfall der Alemannen in die Zehntlande, wo
der Rückzug auf den Wasserstrassen des Main und Neckar nicht mehr
die nöthige Sicherheit gewährte, mag diese Verbindungslinie zwischen
den Castellen der sog. Mümmlinglinie und den Niederlassungen am
Ausfluss des Neckar und den linksrheinischen Stationen von grosser
Bedeutung gewesen sein.
Bei Bullau und auf dem Krähberg sollen die Römer Wacht-
thürme zur Deckung dieser Rückzugslinie angelegt haben (s. Knapp
Rom. Denkmale des Odenwaldes §. 32).
Das römisohe Strassennetz in den Zehntlanden. 68
AuffaUend ist, dass bei einer hier gefundenen Inschrift die VIII.
L^ion erwähnt ist, die in Strassburg ihr Standquartier hatte.
13.
Die Strasse von Heidelberg (Septlinia Nemetnm?) oach Neokarelz zum Castell
bei Neckarbnrken nnd von da oach dem Greniwall bei Osterburken.
Die Wasserstrasse des Neckar war von Gannstadt an, besonders
von Neckarelz ab für die Römer von grosser Bedeutung als Rückzugs-
linie; die Bergfahrt war damals, wo es noch keine Leinpfade gab, sehr
beschwerlich und zeitraubend.
Es musste daher schon in jener Zeit für eine gute Strasse n-
verbindung zwischen den wichtigen Niederlassungen am Ausfluss des
Neckar in das Rheinthal und den Grenzwallcastellen des Odenwaldes
gesorgt werden.
Da in dem theilweise von steilen Bergwänden eingeschlossenen,
grosse Bogen bildenden Neckarthal die Anlage einer Strasse nicht
leicht durchzuführen war, so suchten die Römer über das Gebirge
eine directe Verbindung mit Neckarelz herzustellen.
Dies geschah von der Niederlassung bei Heidelberg aus mit Um-
gehung des Eönigsstuhles über den Kohlhof und Waldhilsbach, wo das
Thal der Elsenz überschritten wurde. Jenseits des Thaies zieht sicli
diese Römerstrasse auf den Höhenrücken beim Lerchenbuckel zum
Dreilingstein (ein Markstein von drei Banngrenzen) und von da gegen
Waldwimmersbach; diese Richtung ist im topographischen bad. Atlas
Bl. 7 mit den Spuren einer römischen Strasse eingetragen.
Vom Dreilingstein senkte sich dieselbe zum Biddersbacher Hof
hinunter und erstieg den Bergrücken zwischen diesem Thälchen und
dem Mannbachthal.
Hier scheint eine Villa gestanden zu haben, denn es wurde hier
im Jahre 1844 ein Votivaltar ausgegraben, der jetzt in der Karlsr.
AI terth. -Halle steht, und 2 Votivsteine (jetzt in der Heidelberger Alter-
thumshalle. Inschrift s. Brambach 1719 u. 20). (S.Schriften des bad.
Alterth.-I. p. 185 oder Fröhners Katalog No. 49.)
Von Lobenfeld aus bis zur Höhe von Reichartshausen sind die
Spuren der Römerstrasse wiederum im Blatt 12 d. t. A. eingetragen
und es ist anzunehmen, dass von da bis Obrigheim an den Neckar die
Fortsetzung derselben mit der jetzigen Landstrasse über Aglasterhausen
1
64 Das römitcbe Strassenneis in den Zehntlanden.
zasammeDfäUt 0- Obrigheim und das etwas aufwärts gegenüber-
liegende Neckarelz, wo das Thal der Elzbach in den Neckar einmündet,
sind bekannt als Fundorte römischer Denkmäler, Ziegelfragmente und
Münzen *).
Es war hier von allen Zeiten her der wichtigste Flussübergang
in das Odenwaldgebirge, und es dürften hier die Römer eine Wacht-
Station unterhalten haben.
Von Neckarelz bis Mosbach blieben die Römer im Thal der Elsenz,
und folgten von hier über Oberschefflenz bis Adelsheim, wo der Ueber-
gang über das Seckachthal zu suchen ist, der jetzigen Landstrasse.
Die Strasseuverbindung mit dem Castell bei Neckarburken
im Elzthal etwa 1 Std. oberhalb Mosbach, dürfte von da längs der
linken Thalwand, oder von der Höhe der Römerstrasse aus zu
suchen sein.
Die Wichtigkeit dieses Castells, welches auf einem Vorsprung der
linksseitigen Thaleinfassung lag, als ein Glied des grossen römischen
verschanzten Lagers und der wichtigsten strategischen Position
zwischen Main und Neckar, namentlich zur Sicherung der Wasserstrassen
als Haupt-Rückzugslinien, hat schon Christ erkannt und in der literar.
Beilage d. Earlsr. Zeitung No. 32 Jahrg. 1880 besprochen.
Die römische Garnison in Neckarburken yersah die Wachtposten
am Neckar bei Gundelsheim, Neckarmühlbach und auf den Warten,
beim Michelberg und Hornberg. Es erübrigt uns nur noch den Weg
von Adelsheim zum Castell bei Osterburken anzugeben, der in einem
Feldweg auf die sog. Wingersteig und von da auf den sog. Huuds-
rücken erhalten ist, von wo er sich zum Castell wieder herabsenkt,
das auf einer Erhöhung des Kirnauthales lag.
Den Namen Osterburken leitet Christ von Burg im Osten, im
Gegensatz zu Neckarburken, der westlichen Burg her, welche mit den
Castellen Schlossau und Walldürrn ein sog. Festungsviereck oder
die Stützpunkte des verschanzten Lagers auf der Hochplatte des badi-
schen Odenwaldes bildete.
Neckarburken ist der Fundort einer Ära der Minerva, einer
1) Bei Lobenetein im Schwarzbachthal liegt Neidenstein, in der Kirche dieses
Ortes ist ein Votivstein eingemauert (s. Brambach 1722), der wohl von der Villa
beim Biddersbacher Hof herrühren wird.
2) Von Obrigheim datirt ein Altar (Brambach 1724) jetzt im Mannheimer
Museum.
Das römische Sirasseniietz in den Zebnilanden. 66
Votivtafel der III. Coh. der aquit. Reiter (s. Brambach C. I. Rh.
1727 u. 28) und von Ziegeln mit Stempel der XXII. Legion, auch stösst
man beim Graben von Löchern auf der dortigen Römerstätte „Bürk"
genannt, häufig auf römisches Gemäuer*). Osterburken ist als rö-
mische Niederlassung bekannter als Neckarburken.
Das Gasteil in Osterburken, welches auf einer sanften Erhebung
der linksseitigen Thalwand der Kirnaubach lag, ist in seinen Umrissen
noch zu erkennen. Von der Aufdeckung, die im Jahre 1854 von dem
Mannheimer Alterthumsverein vorgenommen wurde, ist noch ein Grund-
plan (jetzt in der Karlsr. Alterth.-Halle) vorhanden. Das Castell bildet
ein 180m langes und Ulm breites Rechteck mit abgerundeten Ecken,
1,2 m starken, ca. 2 m hohen Mauern, die aus kleinen Schichtsteinen
von Kalkstein hergestellt sind; es stand mit der kleinere» Front dem
Grenzwall zugewendet.
Interessant ist ein Anbau von unregelmässiger viereckiger Form,
ebenfalls mit abgerundeten Ecken auf der Bergseite. Die Umfassungs-
mauern sind etwa 1 m stark und zeigen mehrere kleinere thurmartige,
Aber die Mauerfiucht hervorspringende oder rückwärts angebaute Ge-
lasse; das Hauptcastell hat an der Eskarpe der Thalseite 3 massive
ThQrmchen, von denen 2 über dieselbe hervorragen. Die hohlen Thttrme
haben 4,5 m Seitenlänge und 1 m starke Wände und es beträgt der
etwaige Vorsprung über die Frontmauer lV»m. Der Haupteingang in
das Castell ist durch 2 grössere etwa 2 m hervorspringende hohle
Thürme flankirt. Im Innern des Gastells sind keine Gebäudereste nach-
gewiesen.
■
Mit dem Castell in Osterburken war ein bedeutender Vicus ver-
bunden, wie dies die zahlreichen Spuren römischer Wohnstätten im
Thalgrunde beweisen.
Hier wurde auch im Jahre 1861, bei Anlage einer Scheuer, die
schöne Mythras-Tafel gefunden, welche Herr Hofrath Stark in „Heft
des badischen Alterthumsvereins v. J. 1865'' beschrieben hat.
Zahlreiche Münzfunde, Fragmente von Ziegeln mit den Stempeln
der XXn. Legion und das Vorhandensein mehrerer unter dem Boden
versteckter Gebäudereste, die noch der Aufdeckung harren, aber
vom Bürgermeister des Ortes genau angegeben werden können, bestä-
tigen die Bedeutung der römischen Niederlassung Osterburken am
Grenzwall. Auflfallenderweise erscheint hier sowohl die XXU. als die
1) Weitere Aasgrabungen von einem Gebäude sind im Gang.
6
86 Das römisclie Straawnnfti in den Zehntlftnaon.
Vni. Legion (erstere mit dem Hauptstandqimrtier MainK, letztere mit
dem in Strasaburg auf Inschrirteii von Votivsteinen, a. Rmmbach C.
I. Bh. 1729 u. 1731).
Diese Strasse dürfte ihrer Wichtigkeit halber und auf Grund
der von ihr noch vorhandenen Spuren unter die erste Abtheitung a,
ata eine der bedeutenderen Verkehrsstrassen eingereiht werden, in der
Karte ist sie desshalb mit Doppelstrichcn eingetragen.
14.
Yteg von Neckarborken in nordSatlichor Richtnn^ zum Castcll bei WalldUrrn.
Von grosser Bedeutung wur diese Verbindung nicht, da Oster-
burken in der Nahe des Grenzwalles durch eine Strasse mit Walldilrrn
verbunden war, und die wichtigere militärische Verbindung mit der
Hochebene bei Schlüssau, über Wagenschwend ging. (s. Wege 15 u. 15b).
Zur Römerzeit dürfte ein Weg von Dallau (bei Neckarburken) aus,
auf den Höhenrücken .zwischen dem El^- und Tnnitbachthal über
Mnckenthal und Limbach nach Mudau geführt haben, ebenso trägt
die Vorbindung von OberschefHonz aus über Seckach auf dem Hö-
henrücken über den Glasberg nach Buchcu und von da auf der Land-
Btrasse nach WalldUrrn die Kennzeichen keltisch-römischen Ursprunges.
15.
Weg Ton Eberbach tun Reckar auf dem HSbearOcken bei StrBmpfelbronn
nnd von ^ Aber Madan nach Walldflmi am Greniwall.
Die durch Aufdeckungen von römischen Gebäuderesten und Funde
von Denkmälern bestätigten römischen Niederlassungen am Neckar
sind Obrigheim und Neckarelz, an der Äasmündung des Elsenzthalea,
ferner Keck armühlbach, bei Qundelaheim. Der in der Nähe am rechten
Neckarufer sich erhebende Michelaberg in Verbindung mit dem Hfl-
hcnzug über den Stockbrunner Hof nach Neckarbnrken im Elsenzthal,
wo durch Ausgrabungen ein römisches Castell nachgewiesen ist, war
die südlichste zu dem verschanzten Odenwaldlager gehörige Verthei-
digungslinie, welche die zwischen dem Neckar- und Mainthal liegende
Hochebene mit den Castelleii bei Osterburken, WaJidttrm und bei
Schlossau umfasste.
Von Eberbach selbst sind keine Funde aas der RSmcndt bekannt,
/
Das römische Strassennetz in den ZehnÜanden. 67
aber es ist doch als sicher anzunehmen, dass die Römer diesen, am
Fuss des Katzenbuckels und am Ausgang des Itterbachthales am Neckar
liegenden Uferplatz zur Einschiffung benutzten.
Der Aufgang zur Höhe bei Eatzenbach, am Fuss der eigentlichen
Basaltkuppe des Katzenbuckels, ging in den ältesten Zeiten, nicht
wie jetzti durch das Thälchen von Dielbach, sondern steil ansteigend
über die jetzige Heldenburg nach Katzenbach, von da fällt der auf
dem Höhenrücken führende römische Weg über Strumpfelbronn-Wa-
genschwend, wo die Hauptstrasse vom Castell Neckarburken einmün-
dete, bis Mudau mit der jetzigen Landstrasse zusammen. Etwa 2 km
vor letzterem Ort wird dieser Weg von der Heerstrasse X, die von
Osterburken zur Mümmlingsverschanzungslinie zieht, durchschnitten. — -
Die Höhenlage des Bergrückens vom Katzenbuckel bis Mudau und
Schlossau haben die Römer als Abschlusslinie der grossen Odenwald-
verschanzung gegen Westen sehr gut benutzt. Der hier befindliche
Weg stellt die gesichertste Verbindung zwischen den damals wichtigen
Wasserstrassen des Neckar und Main her, die sich hier auffallend nä-
hern. — Rückwärts gegen Westen durch das tief eingeschnittene, da-
mals undurchdringliche Itterbachthal gedeckt, war dieser Höhenrücken
gegen Osten oder gegen 'die Angriffseite durch den, das ganze Neckar-
gebiet bis Cannstatt und Pforzheim durch Umschau beherrschenden
Katzenbuckel gesichert, und gewährte den Römern eine der wichtigsten
militärischen Positionen zum Sammeln ihrer Streitkräfte und zur Ver-
theidigung der Zehntlande.
Man findet auf dem bezeichneten W^e die Ueberreste mehrerer
interessanten Yerschanzungen. Sie bestehen in einem Wall und beid-
seitigen 5 m breiten, IVs m tiefen Gräben und sind als eigentliche
Thalsperren z¥rischen den beiden Wassergebieten zu betrachten. Sie
sind jetzt noch unter dem Namen „Römischer Graben, Römerschan-
zen, Heerhag'' etc. beim Volk bekannt; dürften aber auch späteren
Völkern, die auf dieser Höhe Schutz suchten, als Zufluchtsorte ge-
dient haben.
15a.
Weg von Mudau Ober Beuchen nach Amorbach und nach Miltenberg.
Von Mudau, das auf der Höhe der Wasserscheide zwischen dem
Main und Neckargebiet liegt, zieht der älteste Weg nach Buchen und
von da nach Walldürn).
68 Du römiadie StraaKtmati ia <l«n ZehntUadm.
Eine sehr alte Strasse, deren Spuren in dem Bad. topogr. Atlas
Bl. III als Römerstrasse eingetragen sind, zog von Steinbach 3 km
von Miidau auf dem Bergrücken zwisclicn dem Mudanthal und dem
Tlialeinschnitt der Morre nach Amorbach').
Dei* Ort Steinbach ist bekannt durch den Fund eines gut erhal-
tenen Altarsteines, den das Trorapetercorps der 1. Reitercohorte der
Sequaner und Bauracer setzen liess*). Er war in der Kirche eiuge-
mauert und kam 1850 in die Karlsr. Alterthumshalle. Auch hier fin-
den wir auf den Höhen der gegen den Main sich öffnenden Thalklin-
gen Reste von ähnlichen Querverschanzuiigen, wie zwischen Wagen-
schwend und Oberscheidenthal. Die Spuren derselben sind ebenfalls
in dem gen. Blatt des top. Atlas angegeben. Sie waren jedenfalls zum
Schutz der Hochebene bei Mudau, gegen einen Einfall von Miltenberg
und Amorbach, also von der Mainseite her, angelegt.
Was das Castell in Walldiirrn und den Grenzwall bis Osterburken
anbelangt, so sind dieselben in letzterer Zeit der Gegenstand einer
gründlichen Lokaluntersuchung gewesen, welche Christ und Con-
rad! im Auftrage des Gesammtvereins der deutschen Geschichts- und
Alterthumsvereine unternahmen. Der letztere Forscher hat schon früher
nachgewiesen, dass der Grenzwall von MiltenT)erg (Altstadt) aus, wo
ein grösseres Gaatell stand, über den Greinberg (Fundort des Tento-
nensteines) auf die Hochebene bei Wenschdorf in die Nähe des Ortes
Remhardhaussen zog, wo im Gewann Hasselburgmauer ein kleines
Castell von 43 m Seitenlänge bloss gelegt wurde. Von da sog der
Grenzwall dem Höhenracken bei Neusass folgend, in die Nähe von
WalldUrm, wo einst ebenfalls im Gewann Altenburg die Spuren eines
grösseren Castells aufgedeckt wurden. Der in der Nähe befindliche
Brunnen heisst beute noch der Marebrunnen and der hier beginnende
Bach, welcher dem Main zafliesst, die Marsch. — Es wurde hier ein
dem Mars und der Victoria von C. Cominus gesetzter Altar aufgefunden
(s. Paulus Grenzwall v. J. 1863. S. 43).
Durch diese Untersuchung ist die Annahme von Paulus, dass
der Grenzwall in gerader Forlsetzung von Walldarrn bei Burgstadt
bis zum Main ging, in Frage gestellt, namentlich nachdem von den
neueren Forschem wie: Dunker, Schneider, Christ festgestellt ist,
dass der von Miltenberg bis Grosskrotzenburg in nördlicher Richtung,
1) Inschriftenfund, Bramlwoh C. I. Eh. 1715.
2) S. Bntmbach C. 1. Rh. 1738.
Das romisohe Strassenuetz in den Zehntlanden. 69
t
also gleichsam parallel mit der Rheinvertheidigungslinie, laufende Main
die Grenzwehr bildete, die durch Castelle bei Oberburg, Aschafienburg,
Stockstadt und Seeligenstadt gedeckt war.
Was die Spuren dieser, den Höhenrücken zwischen dem Mudau
und einem Seitenthal derselben quer absperrenden Verschanzungen
anbelangt, so finden wir hierüber eine Beschreibung in den Veröffent-
lichungen des Buchener Alterthumsvereins vom Jahre 1866, welcher
damals unter der umsichtigen Leitung d^s Oberamtmann Lumpp von
Buchen stand, dem die Wissenschaft manche interessante Forschung
verdankt.
Der Wall zieht quer über den Bergrücken in das Mudauthal;
derselbe ist noch eine Viertelstunde lang und besteht auf der Nord-
seite, also dem Mainthal zu, in einer aus Sandsteinfelsstücken aufge-
führten Mauer, die an manchen Stellen jetzt noch über IV2 m hoch
ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieses nicht römische Verthei-
digungswerk, in die Zeit der ersten Besitznahme durch die Alemannen
fällt, und zu ihren ersten Ringwallanlagen gehörte.
15b.
Der Yerblndiuigsweg toq dein Castell in Neckarbnrken ttber Sattelbaeli
und Fabrenbach nach Wagenschwend zur Hochstrasse 15 und nach
Schlossan.
Dieser Weg hatte einen rein militärischen Charakter, er stellte
die Verbindung der Neckarposition bei Gundclsheim und Neckarelz in
directer Linie mit der sog. Mümmlingslinie oder den Verschanzungen
zur Deckung des Mains her. — Er war ein Glied der westlichen oder
zweiten Vertheidigungslinie, die in einer durchschnittlichen Entfernung
von ca. 4 Stdn. hinter dem Grenzwalle lag, und mit der Mümm-
lingverschanzung von Schlossau bis Obemburg als die Hauptdefen-
sivstellung zur Deckung der Rückzugslinien auf den Main und
Neckar angesehen werden muss. Vom Castell in Neckarburken, in
neuester Zeit wieder durch die Ausgrabungen eines Neptuntempels
als eine wichtige römische Niederlassung bestätigt, zog ein Höhen weg,
der noch in einem Feldweg erhalten ist, über Gewann Leimenfeld zum
sog. Stockbrunnerhof, bekannt durch seine dominirende Höhenlage
und von da nach dem Michaelberg bei Gundelsheim am* Neckar, wo
eine Warte stand.
Hier war ein Flussübergang zu dem gegenüberUegenden, als rö-
70 Du römüdM SttuieatiotB in dca ZelmUMidaQ.
mische Wachstation nachgewiesenen Neckarmtlhlbacb, welches durch
den Höhenweg über Hohenstadt mit Wimpfen in Verbindung stand.
Der hier in Frage stehende römische Weg gewinnt von Neckar-
burken (im Elzthal 2 Stdn. vom Neckar entfernt) aus, rasch die Höhe
bei Sattelbach, den tiefen Thaleinschnitt der Trienz zur rechten lassend,
und ist weiter über Fahrenbach und Robern bis nach Wagenschwend
die Grundlage der älteren Landstrasse. Hier befinden sich auf der Rühe,
(der Ort heisst Gickelsberg) Spuren von einem rümischen Wachthause,
ca. 5 m im Geviert, mit 1 m starken Wandungen. Solche Mauer-
reste werden im Odenwald als Henne, Hünen und Höuenhiiu&er be-
zeichnet, HOaen = Riesen (siehe Christ, literar. Beilage der Karlsr.
Ztg. Nr. 32 Jahrg. 1880).
Von Darmstadt UngH des Gebli^oH hU Heidelberg nnd ttnt da VMr
Broolisal nach Ettlingen zam Anecblnss an die Strute vn.
Am Ausgang der Thäler des Odenwaldes und des hltgeligeQ Ge-
birges bis zum Schwamwalde bestanden schon vor der Besitzergreifui^
darch die Römer zahlreiche keltische Niederlassungen, die duKh
Wege unter sich verbunden waren. Diese hatten meist eine höhere
Lage, als die jetzt bestehende grosse Handelsstrasse von Frankfurt
nach Basel, die erst im Mittelalter als solche eine Bedeutung gewann.
Von den Römern sind diese Keltenwege benutzt, und theilweise
verbessert worden.
Zahlreiche Funde und Ausgrabungen bei den an dieser Berg-
strasse liegenden Orten bestätigen römische Niederlassungen, wie in
Schriesheim, wo ein Columbariam mit Heizräumen aufgedeckt wurde,
Weinhetm, Neuenheim, Heidelberg, Wisloch, Mingolsheim, Stettfeld etc.,
deren Funde anderwärts erwähnt sind.
Ebenso häufig worden keltische Geräthschaften und Gräber bei
diesen Orten ausgegraben ; (namentlich beim Strassenheimer Hof).
Von Weinheim bis gegen Handschuchsheim war der die Orte
Lützelsachsen, Hobensachsen, Leutershaussen, Schriesheim und Dossen-
heim direct verbindende Uöhenw^ von den Kelten zuerst benutzt;
ebenso zog -sich auch von Heidelberg oder Leimen aus der älteste
1) S. Stark, Lftdenbnrg nnter den ßorneru.
Das röroischo Sirassennotz in den Zehntlanden. 71
Weg (mit Umgehung der Stadt Wisloch) über Nusloch, auf dem noch
bestehenden Feldweg, in gerader Richtung dicht unterhalb der jetzi-
gen Postmühlei in das Leimbachthal, und von da auf dem Höhenrücken
fort bis an die Schwefelquelle, wo die Vereinigung mit der jetzigen
Landstrasse stattfand.
Die Orte Mingolsheim, Langenbrucken, Stetfeld, (wo eine rö-
mische Niederlassung aufgedeckt wurde), ebenso Ubstadt, Bruchsal und
Weingarten sind alte von den Kelten bewohnte Orte, die schon zur
Bömerzeit unter sich durch Wege verbunden waren.
Im Bann Mingolsheim liegt dieser römische Strasscnzug in den
Gewannen: „Römerbündel, Hühnerberg und Steinig".
Von Weingarten führte die Strasse in der frühesten Zeit über
Grözingen nach Durlach. Von hier aus ist der Rest dieses Strassen-
zuges bis zur römischen Landungsstätte bei Ettlingen und zur Strasse
Vn als eine Abzweigung derselben beschrieben worden. Der noch gut
erhalteae Durlacher Wartthurm, der noch von Vielen für ein Römer-
werk gehalten wird, ist der Bergfried des früheren Grözinger Schlosses,
das der Urkunde nach Kaiser Rudolf von Habsburg Ende des 13. Jahr-
hunderts brechen liess.
Die Ein Wölbung des etwa 12 m vom Boden entfernten Haupt-
einganges ist gothisch geformt, was mit der Zeit der Wiederherstellung
(nach oben genannter Zerstörung) übereinstimmt. Auf dem Michels-
berg bei Untergrombach war wahrscheinlich eine den Göttern geweihte
römische Stätte, sowie eine römische Warte, denn man sieht hier
rückwärts gegen Osten den Steinsberg, den Sternfels und den Wart-
thurm bei Pforzheim.
17.
Der Weg von Speier d. h. Ton Hockenbelm über Sinsheim nacli Wimpfen.
Nahe bei Hockenheim, wo der Durchbruch der Binnengewässer
durch das Hochgestade stattfand, (siehe Strasse IX), liegt der Wer-
sauer Hof, den Mone in seiner Urgeschichte des bad. Landes Bd. I
als den Anfangspunkt einer starken römischen Verschanzung, die über
die Orte St. Leon, Kisslau, Weiher, Altenbürg (jetzt Karlsdorf), Staf-
fort, Hagsfeld nach Rüppur zog, annimmt. — Diese Ansicht ist sehr
verführerisch, da diese Punkte dem Hochgestade entlang liegen, und
durch die Landniederung, die damals die Binnengewässer aufnahm, ge-
deckt waren.
72 Du römiiohe StranemiBta in den ZehnUandeo.
Es fehlen aber zu dieser Annahme alle Anhaltspunkte, intlciu
an keinem dieser Orte römisches Gemäuer oder Funde von römischeu
Frafumenten nachgewiesen sind; auch genügte die nahe Rheinvcr-
schanzungslinie zur Vertheidigung der gallischen ßesitzungen. Die
Ansicht Moue's, der die Flussregulirungen auf jene Zeit zunick-
führt, indem er annahm, dieselben seien zur Anlage von Wassermühlen
für die Römer uneutbehrhch gewesen, ist auch unbegründet; denn
die Gegend war von den Römern sehr spärlich bewohnt und in den
Niederlassungen derselben wurden zur Berekaog des nöthigen Mehles
HandmUhlen verwendet.
Es ist als bestimmt anzunebmon, dass die künsUichen Ableitungen
der meisten unserer Flüsse, wie der Elz bei Rust, der Kinzig bei Gries-
heim, der Murg bei Rastatt, der Alb bei Beiertheim und der Pfinz bei
Graben in die karolingische Zeit fallen, wo diese Kulturarbeilen zur
Sicherung der zahlreichen Niederlassungen nöthig waren.
Vom Wersauer Hof ging der Verbindungsweg 17 über -Walldorf
durch das Thal der Leimbach nach Altwiesloch, erstieg hier die An-
höhe des Bergrückens, Rohrbuckel genannt, senkte sich bei der sog.
Diebsbrücke wieder in das Leimbachthal und führte von dem nahen
Ilorreuberg an über die linkseitige Tlmlwand der Elsenz nach Hoffen-
heim 4 km von Sinsheim entfernt.
Die letztere Strassenstrecke ist In dem topographischen Atlas
Blatt II als alte römische Strasse eingetragen. Big in das spätere
Mittelalter erhielt sich der beschriebene Weg bis Wisloch als die
Hauptverbindung zwischen den Städten Heilbronu und Heidelberg.
Kaiser Karl V. zog im Jahre 1525 auf diesem Wege von Regensbarg
zu dem Reichstag nach Speier. Die Umgegend von Sinsheim hat viele
Fuudc aus der Römerzeit auüuweisen.
iDsbesoodere sind es die Ueberreste zweier ländlichen Gehöfte,
die hier in den Jahren 1834 ausgegraben wurden und sehr ausführlich
in der Sinsheimer Alterthomsschrift der Jahre 1833 und 34 beschrie-
ben sind.
Sie liefern wie überall im Zehntland den Beweis, dass die Römer
diese Villen stets in höher gelegenen Thälcben anlegten, die von den
allgemeinen Verkehrswegen abgelegen waren.
Die Nonnalgrundform dieser Gehöfte war das Rechteck 25—30 m
lang, 15 — 19 m breit, an der vorderen Seite 2 pavillonarüg vorsprin-
gende Flügel von 6—7 m Br. zeigend, von welchen der rechte die
Herrschaftwobnung, woriuiter 2 beizbare 2immer, der Unke die Diener-
Das römische Strassen netz iu den Zehntlanden. 73
Wohnung enthielt. In der Mitte war der 12—15 m lange ca. 10 m
breite Hof. Die beiden Flügel verband ein gedecktes Vestibül, in
dessen Mitte sich die einzige Eingangsthüre in die Wohnung befand.
Die Umfassungsmauern und Hauptwände der einzelnen Wohnr&ume
sind 0,7—0,8 m bezw. 0,5 m stark und bestehen in einem aus kleinen
Schichtsteinen hergestellten satt in Mörtel versetzten Mauerwerk.
Diese Bauweise charakterisirt vorzugsweise das römische Wohn-
haus in den Zehntlanden und bleibt auch die Anordnung der Wohn-
■
räume, sowie die Heizungsvorrichtung mit dem Praefurnium und den
Doppelböden mit Kacheln in den Wänden, überall dieselbe.
In Sinsheim bestand in den Jahren 1832 bis 1848 unter der Lei-
tung des verdienstvollen Dekan Wilhelm i ein Alterthumsverein, der
durch seine gediegenen Leistungen weit übei* die Grenzen unseres Lan-
des hinaus rühmlichst bekannt war, und dessen Veröffentlichungen
(siehe Sinsheimer Alterthurasschriften v. Jahre 1833—1848) von gros-
sem wissenschaftlichen Werthe sind, indem man hierin die älteren Aus-
grabungen und Aufdeckungen, welche der Verein auf seine Kosten
vollzogen hat, und deren Spuren jetzt verschwunden sind, genau be-
schrieben und abgebildet findet.
Die römische Strassenverbindung, von Sinsheim nach Wimpfen
folgt bis Steinsfurth dem Fuss der rechtsseitigen Thalwand und ge-
winnt, von da aus steil aufsteigend, den Höhenrücken rechts vom
Insenbachthal. Die Spuren dieser Römerstrasse sind in dem Blatt
XII des bad. topographischen Atlas bis zum Eulenhof eingetragen.
Von da über Ehrstädt und den Oberbiegerhof nach Babstadt ist der-
selbe in dem bestehenden Gemeindeweg erhalten.
Nach Ufeberschreitung des Insenbach zog' er sich auf die links-
seitige Höhe der Thalwand (hier Feldweg) und traf an der bad.-hes-
sischen Landesgrenze die Landstrasse von Rappenau nach Wimpfen,
die bis dahin auf römischer Grundlage ruht.
Die Stadt Wimpfen (hessisches Gebiet) auf dem Berg ist bekannt
durch ihre herrliche die ganze Umgebung des Ncckarthales dominirende
Lage; sie gestattet eine freie Aussicht gegen Osten bis zu den Hohenloher
Bergen namentlich der Waidenburg und den Höhenpunkten am Grenz-
wall; thalabwärts ist der Michelsberg bei Gundclsheim und der Stock-
brunner Hof sichtbar (s. Weg 15b), während thalaufwärts leicht nach
dem Weinsberg und der Warte bei Heilbronn signalisirt werden konnte.
Die römische Station, welche hier gestanden^ soll nach der Gemahlin
H Du rfinuNb« Struwnncto in den ZahatUndeii.
des Kaisers Gallienus, die Cornelia Salooina liiess, Cornelia genannt
worden sein'}.
In der obern Stadt wurden 3 römische Volivsteine gefunden, die
in dem Werke über die wUrtteinbergische Geschichte vonSt&lin genau
beschrieben sind. Am Fuase der Stadt wurden neben Spuren römischen
Gemäuers auch I-'ragmeute von römischen Ziegeln, Geschirren, Wasser-
leituDgsröhren etc. sowie Münzenfunde vorzugsweise mit dem Bitdniss
des Kaisers Antoninus Plus, nachgewiesen. Den Unterbau des sog.
rothen Thurmes an der Südseite der Hochplatte von VVimpfon hält
Schwab für römisch. Da hier aber nur eine specula zu erwarten, so
passen hierzu nicht die unsern mitteliilterüchen Bergfrieden zukommen-
den starken Dimensionen in Bezug auf Umfang und Mauerstärke.
Sonst sind in Wimpfen von den ältesten deutschen Zeiten her
Baureste aller Culturepochen vorhanden, worunter die an der Bing-
niauer gegen das Neckarthal befindliche Bogenstellung mit gekuppelten
Säulchen aus der romanischen Zettepoche der Hohenstaufscben Kaiser
durch gute Erhaltung ausgezeichnet ist.
Nach Mone'a Urgeschichte Bd. II S. 306 ißt die genannte Strasse
mit der Fortsetzung 20 dieselbe, welche Julian im Jahre 359 zu sei-
nem Vormarsch in das Grcnzland bis zu der Stelle benutzte, die man
Paks oder Capellatium hiess, deren Lage bei Oehringeu oder Schwä-
bisch-Hall angenommen wird.
18.
Veg TOu Stelusfnrt (Süulielin) naeb BSoklngen an du Ifeokar bei
HeilbroDD.
YoD Steinfurt aus ging auch noch ein anderer Bömerweg über
Kirchart, Fürfelden, Kircbeuhaussen und Frankenbach nach der römi-
schen Niederlassung Böckingeo. Sie bildete die Grundlage der spä-
teren Landstrasse von Heilbronn nach Sinsheim, welche im Mittelalter
dcD Hanptverkebr der schon oben genannten Städte vermittelte.
Böckingen in der Mähe von Heilbronn liegt an dem linken Ufer
des Neckars uod war nach den hier aufgefundenen, im Werke von
Stalin S. 46 aufgeführten, Totivsteioea eine bedeutende römische
Station.
1} Siehe Schwkben, tos QuiUt 3ohwab S. 48.
Das römisohe Sirassenneiz in den Zehntlanden. 76
19.
Der W^ Yon Wimpfen über den Höhenrflcken zwischen dem Kocher- nnd
Jagstlhal Bach Mdckmlihl nnd tob da zum Castell Osterburken.
Wimpfen liegt auf einem steil ansteigenden, hohen Bergrücken am
Neckar. Diesem gegenüber, von dem Orte Jagstfeid aus zieht sich dieser
alte Weg auf dem schmalen Höhenrücken zwischen den ziemlich tief
eingeschnittenen Thälern der Jagst und Kocher bis in die Nähe von
Möckmühl hin, wo er sich in das erstere Thal hinuntersenkt, dieses
überschreitet und jenseits steil ansteigend die Höhe der Wasserscheide
zwischen dem Seckachthal und dem Hergstgraben gewinnt.
Diese römische Strassenverbindung ist von Jagstfeid bis Möck-
mühl in dem bestehenden Feldweg und von da in dem Gemeindeweg
nach Hergenstadt erhalten.
Die höchste Stelle des Bergrückens heisst heute noch der Bö-
merberg, der durch seine beherrschende Aussicht gegen Osten bis zu
den Hohenloher Bergen bekannt ist. Der Höhenweg zieht sich bis
zur Marienhöhe bei Osterburken fort, wo im topogr. Atlas von Baden
Bl. IX die Spuren einer Römerschanze eingetragen sind. Bis zu dem
ca. 3 km entfernten Castell Osterburken, das auf einem sich nur wenig
über den Thalgrund erhebenden Vorsprunge des Kirnauthales liegt, fällt
der bestehende Weg stark ab.
20.
Weg von Wimpfen nach Nenenstadt nnd von da nach Oehringen am
Grenzwall.
Dieser Weg ging Wimpfen gegenüber nach Kochers dorf, und
folgte von da der Richtung der jetzigen Landstrasse auf dem Höhen-
rücken, an der Kapelle bei Oedheim vorbei, bis Neuenstadt an der
Kocher, wo sich der Weg 21 abzweigt. Die weitere Verbindung führt
auf der Wasserscheide zwischen dem Brettachthal und der Kocher
sowie der Ohm bis 0 eh ringen. Daselbst ist eine bedeutende zum
Castell gehörige Niederlassung, die einem Inschriftenfund nach „Vicus
Aurelii' hiess, nachgewiesen. Das Castell bildete ein Rechteck von
140 m Länge und 65 m Breite mit abgerundeten Ecken und einem
Praetorium in der Mitte. Der fürstl. Hohenlohe'sche Rath Hansel-
mann hat im Jahr 1768 durch Ausgrabungen, wobei Thonplatten der
XXIL Legion zum Vorschein kamen, die Wichtigkeit dieser römischen
Station aufgeklärt S. auch Winkelm.-Pr. 1871.
w
n Du römischa fltruMnneti in den Zthotluiden.
21.
Weg Yon NpQCDbtadt nacli ObcrscberSeni (Weg 14).
Der Hölicnriickeii zwischeu dem Secknch- und ScliefÜeazthal, ilon
beiden Scitcutliiileni der Jagst, von Neudenau üler Wakiinlihlbacli nacli
üuterschefflenz, trägt den älteste» Verbindungsweg, der sich bis zur
Verlegung der neuen Strasse in das Sclieffleiizthal erhalten hat.
Alle die geimunten Orte siud bekannt durch Funde aus der Kel-
ten- und llöinerzeit, uud man kann diesen Weg bis OberechefÖenz in
das vorliegende Wegnetz einreihen.
An der Südseite der Kirche zu Waldmühlbach sind 2 bemerkens-
werthc römisclie Gedenksteine, der eine einen Krieger, der andere
eine Insclirift eutlialtend, eingemauert'); letztere lautet:
VI VIC
I ETOFILUS . E. .
COL'VBIETO.
22 und 23.
Die We^ You Heldelsholm Bkor MDiiiteshelm, Henxlngen nmd Hilsbaoli nach
SioEhMm uud vou HeiiKin^ou über E]>pliigcii nach Bleehcu.
Diese Wege hatten zur Römerzeit kaum mehr als die Bedeutung
von Saumpfaden, ni:in hat sie aber hier dennoch in das römische
Strassennetz hereingezogen, da sie melirere Ueberreste von keltischen
und' römischen Culturstätteu berühren.
Auf dem Höhenrüclien zwischen Heideisheim (Saalbachgebiet)
uud Münzesheim (Kraichbach) birgt der Wald mehrere Hünengräber,
TOD denen schon 2 aufgedeckt worden sind.
Auf der andern Seite der Kraichbach steigt der Weg steil hinauf
nach Menzingen, wo die Strasse VI von Speier nach Cannstatt durchzog.
Von hier wird eine Abzweigung (23) dieses Weges über Eppingen nach
Kiechen zur Verbindung mit der Strasse 18 angenommen.
Der Hanptweg 22 nach Sinsheim setzte sich über Landsbauscn,
am Fuss des Eichelberges, der durch einen römischen Altarfund be-
kannt ist und wo jm Jahr 1834 in der Nähe bei Angelloch die Funda-
mente einer grösseren Villa aufgedeckt wurden, über Elsenz nach Hils-
bach fort, in dessen Mähe sieb die Basaltkuppe des Steinberges erhebt.
1) S. hierüber Letcbtlan, I. Hoft S. 96.
Das römische Strassenneiz in den Zebnilanden. 77
Von da senkt sich der Weg langsam in das Elsenzthal nach
Sinsheim hinab.
Der Steinsberg ist einer der interessantesten Aussichtspunkte des
Hügellandes zwischen dem Schwarzwald und dem Odenwald; er ge-
währt eine vollständige Rundsicht Östlich bis zu der Vogesenkette.
Es ist daher ganz natürlich, dass die Römer hier einen sehr wichtigen
Signalpunkt errichtet hatten.
Die jetzige Burg, welche diesen isolirt stehenden Bergkegel krönt,
ist eine der schönsten unseres Landes. Der massiv aus grossen Buckel-
quadem erbaute achteckige Bergfried und die kolossalen Ringmauern
derselben erregten schon lange die Bewunderung aller Alterthums-
freunde. Unsere älteren Altertliumsforscher erklärten ihn für römischen
Ursprunges und als ein Beleg der genialen römischen Bauweise.
Nur der Vorstand des Sinsheimer Alterthumsvereins, Dekan Wil-
helmi wagte diese Annahme zu bestreiten und hat in seinen Schriften (12.
Jahresbericht i. d. Sinsheimer Jahresbüchern v. J. 1848) klar dargelegt,
dass die Bauweise dieser Burg nicht auf die römische Zeit zurückgeführt
werden darf, und dass dieselbe ein Bauwerk der deutschen Fcudal-
zeit ist Bei der Frage des Ursprunges derselben „Ob römisch oder
deutsch?*' kommt so recht der Grundsatz zur Geltung, den Geheim-
rath Baer in Abth. I seines Werkes über die badische Strassenchronik
aufgestellt hat, nämlich: „Dass sich die Bauwerke der Menschen aller
Culturstufen stets und überall zunächst nach den Bedürfhissen ihrer
mehr oder weniger ausgebildeten niateriellen und geistigen Interessen
gestalten.^' —
Mit Rücksicht darauf ist die Frage über die Bauzeit nnsrer Berg-
friede und Burgställe, deren Anlage und Bau namentlich Krieg von
Hochfelden in seinem Werk über die MUitärarchitektur des Mittel-
alters auf römischen Ursprung zurückführt, schnell gelöst
Wer die Lebensgewohnheiten der Römer, ihre Vertheidigungs-
wdse und die Ueberreste der von ihnen in den Zehntlanden wirklich
ausgeführten Bauten studirt, bei dem wird über diese Frage kein
Zweifel mehr sein. (S. K. von Becker, Geschichte des bad. Landes
zur Zeit der Römer.)
Unsere alten Butten bes tanden in der Hauptgnindlage aus 8chiM<-
mauer mit und ohne Bergfried gegen die Angriffseite nnd dem thal-
wärts gelegenen Mantel; diesen wurde später der Zwinger (Ringwall)
an der Aussenseite angefügt
Die Bergfriede derselben mit ihren oft 3m starken Maum^
r
76 Du rSrnbohfl StruMnneti in dm ZdmtiBndM.
Ton grossen Buckelquadern aufgeführt, waren also keine römischen
Warten; sie mögen aber hie und da an derselljcn Stelle gestanden
haben. Sie haben aber nach Bavier's Strassenchronik der Schweiz,
wo solche in der Grundanlage noch vorhanden sind, nur etwa 4,5 m
Quadratseite und Wände von 1 m Dicke. Die mittelalterlichen Berg-
friede Schwabens haben meist il m Quadratseite und 2,5 — 3 m
starke Seitenwände, und stehen frei hinter (ier Schildmauer,
Befestigungen, d. h. Castelle hatten die Römer im Zehntlande
Überhaupt nur an dem Crenzwall und bei Measkirch, da hier der Durch-
gang vom Donauthai in die Nordschweiz gedeckt werden musste.
Alle Bauwerke der Römer im Zehntlande zeigen ein aus kleineren,
mit dem Hammer zugerichteten 8chich(steinen hergestelltes, satt in
Mörtel versetztes Gemäuer, das nur massig stark war (bei den Gebäu-
den 0,6— 0,7 m, bei den Thdrmen der Castclle bis Im).
24.
Vfeg von Str. TI bei Ktlrnbach n&ch BSckin^n und Castell OehrloKen.
Dieser Weg auf dem Höhetnlcken zwischen dem Leimhach- und
dem Zaber-Thal über Ochsenberg und Michelbach oberhalb Haber-
sdilacht und Neipperg vorbei nach Böckiagen, ist m der Paulns'-
schen Karte eingetragen. Der letztere Ort, V( Stunde oberhalb Heil-
bronn am linken Ufer des Neckar liegend, war eine römische Nieder-
lassung von grosser Bedeutung. Stalin fübrt S. 44 Q Inschriflenfunile
auf; ebeoso Gebäudetrüramer mit äypocausten ; die Stempel der Ziegel
sind TOD der VHI. Legion and der ersten Coborte der Helvetier (s.
auch Brambach C. L Kh. 1583—1592).
Der Wartberg bei Heilbronn war für die Römer ein wichtiger
Signalpunkt
Die Verbindung von Böckingen mit dem Gastell und Vicus
bei Oehringen ist meist in der jetzigen Landstrasse über Weinsberg
und Schwabboch erhalten.
Wer T*> Strawe TI ImI 8t«n«iifels durch das Zabergta bi«I> I^ifi« n>d
TM da ai den fircuwall amiA Caitell ICalakart.
Ebenso ist der bestehende Weg von Stemenfels auf dem rechts-
Bätigen Höhenrücken der Zaber über Eleebronn, in dessen nächster
ViSib (Ach der Hichaelsbcrg mit ausgebreiteter Bundscban imd die alte
Das römiscbe StraseeDiielB in den Zebntlaiideii. 79
Burg Magenheim befindet, deren Thnrm Mene als gldielibedeatend
mit dem vom Steinsberg bezeichnet, (der aber nicht n^ehr zn fiehen ist),
ein anf alter Grundlage ruhender Weg, der schon 20 Romerseiteii be-
nutzt wurde. Dieser Weg hatte von Lauffen aus, wo der Meckarüber^
gang war, Abzweigungen nach dem Grenzwall bei Maiobart ^«iehe
Paulus 'sehe Karte)*).
26.
Der Weg von Bruehgal durch das Saalbachtluü nach Bretten und Knitt«
lingen und von da nach LIeniingen lur Strasse YI»
Zahlreiche Funde aus der keltischen Vorzeit und der Zeit der Rö-
merherrschaft in den zu dem Saalbachgebiet gehörigen Oertlichkeiten
beweisen, dass diese Gegend von Kelten und Römern bewohnt war.
Der älteste Weg von Bretten nach Heideisheim scheint auf der
Neibshcimer Höhe am sog. Schanzenberg vorbei geführt zu haben, wäh-
rend die alte I^andstrasse die von Bretten nach Knittlingen über den
Berg zieht, mit dem römisch-keltischen Verbindungsweg zusammenfällt.
Die Fortsetzung dieses Weges nach Maulbronn ist ebenfalls noch in
dem über den Bergrücken ziehenden Feldweg erhalten, der heute
noch Rennweg und alter Postweg heisst.
Bei dem von Maulbronn noch ca. 4 km entfernten Lfenzingen er-
reicht dieser Verbindungsweg die Strasse VI von Cannstatt nach Speier.
27 a und b.
Die Yerbindungswege bei Pforzheim«
Nur zwei dieser Wege verdienen ihrer Bedeutung wegen Beach-
tung; der eine führte von Pforzheim über die Kieselbronner Höhe
nach Dürrn und bei Lienzingen zur Heerstrasse VI. Bei Kieselbronn
Einmündung des Saumpfades von dem röm. Gehöfte im Kieselbronner
Wald in einem Thälchen, das in Enzberg ausmündet
Der andere Weg folgte von Pforzheim aus dem rechtsseitigen
Enzufer bis gegenüber Eutingen, er durchzieht von da einen Theil des
HagenschiesswaldeSy wo er unter dem Namen „alter Postweg'' als
eine alte Verbmdung bekannt ist, die über Oeschelbronn nach Vaihingen
zieht, und welche noch im vorigen Jahrhundert als Hauptverkehrsweg
benutzt wurde.
1) Du röm. Castell ist in seiner Onmdform von 160 m Liage und 66 m
Breite noch zu erkennen.
80 Daa römiache StrutenoeU in dan Zchnttanden.
Bei Anlage eines Waldweges fand man hier in der Gemarkung
Nieffern die etwas verstümmelte Statue eioes Aesculap '), Über dessen
Achael eine Schlange hängt; die Schale, aus dt'r dieselbe frisst, ist zer-
brocben; aber sehr deutlich ist der Schluiigenstab zu erkennen, auf
den sich Aesculap stützt.
28.
Ton Hockenlicini auf dem IlochiiceBtade nach Schwarsach.
Ea ist dies die olte sog. Rheiiistrasac, welche die alten Ort« be-
rührte, die, wall rsclieiul ich aus keltischen Niederlassungen entätanden,
schon zur Römerzeit eine Verbindung hatten. In Schwarzach vereioigt
sich diese Stra.sse mit der Consularstrasse VII. Die an derselben liegende
Stadt MUhlburg gilt als römische Niederlassung (in der Nähe Altar-
fund im Jabr 1880). Der kleine dem Gestein nach von Mainz stam-
mende 0,1) ni hohe Altarstein mit der Aufschrift I, 0. M. P. Veratus
Fiorus. V. S. L. L. M *) wurde im freien Ackerfeld durch das Pdiigen
angeschiirft und sodann ausgegraben.
DIo obere Bcrgstraiwe von SinEheim läu§;B <Ies (iebirfee über OfTenbnrg;,
JfaJterdiugoitf Freihnrgf Schlleu^eu aach B»s«I.
Es bildet dieselbe eigentlich die Fortsetzung der Strasse 16 von
Weinheim bis Ettlingen, von wo sie bis Sinzheim mit der Strasse VIT
zusammenfällt.
Es ist kein Zweifel, dass diese Strasse sehr alt ist and sidi meist
auf keltischen Ursprung zurOckfDhren lässt, denn allenthalben sind an
deti Thalansgängcn und auf den niederen VorhUgeln keltische und rö-
mische Niederlassungen nachgewiesen. Gelegentlich des Eisenbahn-
baues wurden bei Appenweier keltische Geräthe ausgegraben.
Die bei Offenburg aufgefundene Leugensäule, mit der Zahl XMII,
ohne Angabe der Stadt, passt der Entfernung gemäss ab Baden ■) (jetzt
in der Karlsr. Alterth.-H.). Wahrscheinlich bezeichnete dieselbe zu-
gleich den Abgang des Weges in das Kinzlgthal oder de^enigen Aber
Griessbeim und Willstett nach Strassburg.
1) In der Karlir. Altertbnmahalle.
9] Flonu bieM »tuh einer der rCmitohoi Qeiohiehtielireiber.
8) Siehe Hone, Urgesch. I. 171.
Das römische Strassennets in den Zehntlanden. 61
In Offenburg wurde auch ein Grabstein eines römischen Kriegers^)
ausgegraben.
Bei Niederschopf heim wurde vor 2 Jahren beim Graben eines
Fundamentes ca. Im unter dem jetzigen Boden ein Denar (Titus) ge-
funden.
Der römisch-keltische Verbindungsweg dürfte, in das Friesenheimer
Thälchen einmündend, den Schutterlindenberg auf der Bergseite um-
gangen und oberhalb Dinglingen den Fluss überschritten haben.
Im Wald der Gemeinde Sulz bei Lahr stiess man bei der Anlage
eines Waldweges auf altes Gemäuer, das römischen Urspnings war
und zu einem Wohngebäude gehörte. Die Ueberreste von Rebge-
wächsen und einer Wurzel, welche die Römer als Wundbalsam ver-
wendeten und welche sie stets in der Nähe ihrer Niederlassungen an-
pflanzten, bestätigen noch mehr, dass dieser Ort zur Römerzeit be-
wohnt war.
Diese Entdeckung verdanken wir der Sorgfalt und dem Verständ-
niss des Herrn Oberforstrath von Kageneck, welcher den Ausgra-
bungen anwohnte. Sie liefert den Beweis, dass die sonnigen Verberge
des Schwarzwaldes auch am badischen Oberrhein von den Römern be-
sucht und gekannt, sowie zu Ansiedlungen benutzt wurden.
Von Lahr aus, wo der Schutterübergang statt fand, zog sich der
älteste Weg auf dem noch bestehenden Feldweg über den Bergrücken
zwischen Mietersheim und dem Sulzbachthal.
Am Galgenberg ging derselbe wieder in die Ebene hinunter
und bildet von da bis zum Ort Kippenheim die Grundlage der jetzigen
Landstrasse, die hier im Gewann Herrenstrasse liegt, was jeden-
falls eine Verschlechterung des Namens Heerstrasse ist. Von Kippen-
heim finden wir den ältesten Weg in der Landstrasse über Mahlberg
nach Altdorf und von da im Gemeindeweg nach Ettenheim').
Altdorf ist bekannt als einer der ältesten Orte des Landes, in
dessen Nähe keltische und römische Geräthe etc. gefunden wurden >).
Bei Ettenheim zwischen dem Unditz- und Bleichbachthal, liegt
der sonnige Vorberg des Kaienberges, auf dem jetzt noch ein Feldweg
bis zur Rohmflhle an der Bleichbach zieht
In der Gemarkung Herbolzheim heisst dieser Weg Dietweg und
1) S. Wielands Beiträge zur ältesten bad. Geschichte. 1881 pag. 145.
2) Angeblich Reste von Römerwerken beim sog. Heidenkeller.
8) 8. Woioky Rom. Niederlassungen ffir d. Jahr 1822 8. 81.
6
82 Das römische StraeBOnnetz in den Zehntlanden.
Schleitwcg uncJ trügt das vollendL'tste Grprägc eines kcltisch-rönii-
sclien Ilöhcnwcgcs.
Vom Kalcnberg aus zieht gegen das Gebivge ablenkend ein Weg,
der jetzt noch Saunierwcg, auclt Kiinigsncg lieisst, und in den frühe-
sten Zeiten eine gewisse Bedeutung gehabt huben muss.
Er soll jetzt noch auf weile Strecken im Wahl als ein eignes
Gelände eingehagt und cingcsteint sein; er zieht sich auf der Höhe
zwischen dem ündit- und Blcichbachthal bis zum Streitberg fort, stets
die Gemarkungsgrenze bildend.
In der Gemarkung Broggingen heisst das an diesen Weg anstos-
scnde Gewann im Galgenacker.
Manche glauben, es gehöre dieser Weg zu einer im Mittelalter
wichtigeren Verbindung vom Streitberg Aber den Hünersedel und die
Heidburg nach Hornberg im Gutachthal ').
Er lässt sich auf einem jetzt noch bestehenden Waldweg von der
Heidburg aus über die Rehhaldc und die Hirschlache fast ganz ver-
folgen. Vom Hünersedel bis zu letzterem Ort oberhalb Ilnruberg hält
dieser Weg die Wasserscheide zwischeu dem Kinzig- und Elugcbiet
ein; dies war für die damaligen Verhältnisse die bestgcwilhlte Tra^je.
In unser Strassennetz können wir diesen, wenn auch der früheren
Zeit angehörigen Weg nicht einreihen.
Von Wagenstadt aua nach Malterdingen zog zu den Römerzeiten
der Weg ebenfalls über die Verberge der Gemarkungen Nordweil und
Bombach.
Wir ändeo von Wagenstadt aufwärts steigend einen Steinacker
am Lerchenberg, wo der Aufgang des ältesten Weges war, der sodann
am Benfelbcrg die Gemarkungsgrenze von Nordweil und Eenzingen
und theilweise Bombach bildete und als Feldweg erbalten ist. Auf der
Höhe im Oberfeld zweigt sich auch hier dem Gebilde zu em Weg anter
dem jetzt noch gebräuchlichen Namen Königsstrasse ab, wie wir es
oben in Gemarkung Herbolzheim getroffen haben.
Es wäre sehr wünschcnswerth, wenn über den Ursprung und über
die Namensbezichungen dieser sog. KÖnigsstrasden genaue Nachfor-
schungen angestellt würden. In die Römerzeit lassen sich dieselben
nicht zurückführen, wohl aber in eine gewisse Zeit des Mittelalters,
wo Handel und Verkehr aufblühte.
Von der Höhe bei Bombach senkte sich ein Weg nach Malter-
1) Auf diesen Höhen Spuren von altgerman lachen Ringnätlen
Das romisclie Strassennetz in den Zehnilanden. 8d
dingen and Riegel hinab, auch muss der nahe Lichtenberg bei Heck-
Itegcn als eine römische specula hier in Betracht gezogen werden.
Malterdingen und Riegel sind durch Ausgrabungen und Funde
als römische Niederlassungen nachgewiesen i).
Zur Römerzeit war das von Ettenheim aufwärts liegende Thal-
gelände bei Ecnzingen, Hecklingen, Eöndringen und Emmendingen ein
nasses und unsicheres Terrain. Die Verbindung mit dem Mauracher
Hofy einer keltisch - römischen Niederlassung, hielt sich daher auch
bis hieher über Landeck auf dem Vorgebirge der Gemarkungen Mun-
dingen und Maleck bis zur Hochburg, dem späteren Stammschloss der
markgräflichen Linie Baden-Hochberg. Von dorten zog sich der Weg
bei Buehholz den Flussfibergang suchend, zum Mauracher Hof. Von
da fällt die jetzige Landstrasse über Gundelfingen zur Wiehre mit dem
ältesten hier bekannten Weg zusammen.
Der letztere Ort liegt am Ausgang des Dreisamthaies, und ist
als alte keltische Niederlassung bekannt. Die Stadt Freiburg auf der
andern Seite des Thaies wurde von den Herzogen von Zähringen an-
gelegt; auf dem Schlossberg jedoch stand schon zu Römerzeiten eine
Warte und ein Tempel.
Die sonnigen Vorhügel des Schwarzwaldes von Freiburg bis Basel
waren durch Kelten und gallische Ansiedler bewohnt. Bei Ebringen,
oberhalb Freiburg, stiess man auf Eeltengräber.
Die Orte Erotzingen, Heitersheim, Httgelsheim, Schliengen etc.
sind durch Funde aus den Römerzeiten bekannt. Bis Müllheim ruht
die jetzige Landstrasse meist auf dem keltisch - römischen Verbin-
dungswege.
Die Mauerreste des Castellberges bei Sulzburg weisen auf römische
Bauweise hin, (gut gefugtes, satt in Mörtel versetztes Schichtmauer-
werk aus kleineren, mit dem Hammer zugerichteten Steinen), doch sind
Grundriss und Mauerstärken für eine römische Warte zu gross und ent-
sprechen mehr dem altgermanischen Burgenbau. — Wir haben am
Ausgang unserer Schwarzwaldthäler 5 Eastelberge und sogar im hintern
Wiesenthal bei Schönau einen Ort mit Namen Gastel, wo zur Römer-
zeit der Thalweg verschlossen war, und wohin wohl nie ein Römer vor-
gedrungen ist.
Die meisten dieser Castelberge tragen jetzt mittelalterliche Ruinen,
sie sind schön gelegene mit umfassender Aussicht in die Schwarzwald-
1) S. Sebreiber, Zeitschrift des Alterthamsvereins in Freibarg Bd. L
U Dair
thäler und in das Rheinthal ansgostattete Kuppen und Bergvorsprüngc,
welche den Römern wohl bekannt sein durften. Man kann es jedoch
nicht wagen, deren Namen auf ein römisches Castellum zurückzuführen,
da CR nicht im Kriegsplan der Römer lag, hier Befestigungen anzulegen,
oder den Ausgang der Schwarzwaldthäler zu vertheidigen, durch welche
damals kein Durchbrach der Feinde möglich war.
Von Sulzburg geht über die Vorhüge! ein alter W^ nach Müll-
heim, der hier nur genannt wird. Jedenfalls brachte schon das grosse
Itöracrbad in Badenweiler einen lebhaften Verkehr in die nächste Um-
gebung, und mögen hier manche kleinere Saumpfad Verbindungen be-
standen haben.
Indem wir die jetzige Bergstrasse als Richtung des kel tisch- römi-
Bcben Verbindungsweges bis Scbliengen festhalten, führen wir eine sehr
alte Strasse an, die von Seefelden nach Neuenbürg und von da nach
Sfeincnstatt zieht, wo der Rheinübergang zur grossen linksseitigen
RheiDstrassc bewerkstelligt wurde (siehe Weg 31).
Von Schliengen aus zog die älteste Strasse auf die [Iflgelkette,
welche sich rQckwärta an die hohen Schwarzwaldherge anlehnt und
westlich mit schroffen Felswänden abscblie^st, die damals von Rhein-
giessen bespült waren.
Wir finden den Rflmerweg von Schliengen steil aufsteigend am
sog. Galgenberg, von wo er den Höhenrücken östlich von Bahlingen,
Bamlach und Rheinweiler einhält; hier berührt er den Galgenbuck
und zieht sich Ober Blansingen und Hattingen bis zum sog. Üardtbcrg
oberhalb Efringen fort.
Noch jetzt ist dieser durch seine Höhenlage und schöne Femsicht
in ficht römischer Weise tra^rt«Weg streckenweise als Feld- und Ge-
meindeweg benutzt and als Römerweg bekannt
Von Mringen aus ging die Römerstrasse Über Kirchen, Eimel-
dingen und Haltingen westlich am fHlheren Friedlinger Schloss (jetzt
Leopoldshöhe) vorbei nach Eleinbasel, wo wahrscheinlich schon zu
Römerzeiten eine Rheinüberfahrt war.
Von Haltingen mag auch schon zu jener Zeit ein Weg über Weil
um den TQlIinger Berg in dos Wiesentbai und über den Dünkelberg
nach Rheinfelden geführt haben (siehe Fecht der Amtsbezirk von Lör-
rach), wo die Römer sowohl eine Niederlassung, als auch eine feste
Ueberbrücknng Aber den Rhein hatten.
Die topographische Karte von Baden und die Rheinkarte der
Qrossherzogl. badischen Oberdirection des Wasser- und Strassenbaues
Das römische StrasBenneiz in den Zebntlanden. 86
enthält die EinzeichnuDgen der alten Strassen, welche jetzt noch als
Gemeindewege benützt werden. Z. B. die alte Frankfurter Strasse bei
Hüningen.
Die Angabe des alten Schlosses Friedlingen, die Spuren der Rö-
merstrasse von Schliengen aus in dem sog. Jansenberggraben auf die
Höhe der Markung Bellingen. Hier befindet sich der sog. Galgen-
berg, bei Huttingen der Galgenbuck.
Das Strässchen von Eimeldingen über Haltiugen nach Weill hat
die Benennung „hohe Strasse'^ Ebenso kommt beim Uebergang von
Lörrach über den Dünkelsberg der Hühnerberg und eine Flurbenennung
im „Steinenweg" vor.
Bei Warmbach, Rheinfelden gegenüber, wurden Reste eines römi-
schen Tempels aufgedeckt.
30.
Wegr von Malterdingen Str. 29 Aber Riegel nach Brelsach.
Die massenhafte Verwendung von gebrannten Ziegeln bei den
Römern zu Bauzwecken aller Art ist bekannt, ebenso der häufige Ge-
brauch von 6efä.ssen und Töpfen, in deren Darstellung dieselben un-
übertrefflich waren.
Es ist von grossem Interesse, dass eine solche Ziegel- und Gefäss-
fabrik in dem Ort Riegel am nördlichen Ende des Eaiserstuhlgebirgcs
nachgewiesen ist ^). (Siehe Beschreibung von S c h af f n e r, Freiburg 1843.)
Die Bruchstücke der hier aufgefundenen Thongefässe, die aus der
rothen, harten und gut glasirten sog. Terra sigillata bestehen, sind
für 30 Töpfer bestimmbar, welche im Besitz von Geschirroffizinen
(Fabriken) waren.
Die Ziegeleien waren ebenso zahlreich und wurden die Spuren
derselben auf der Brühlmatte an der Elz entdeckt, wo jetzt noch die
ausgezeichnete* Thonerde zum Ziegelbrennen benützt wird.
Die höchste Blüthe erreichten diese Offizinen unter den Kaisern
Hadrian, Antoninus Pins und Marc Aurel 117—180, da aus dieser Zeit
die meisten hier gefundenen Münzen herrühren.
Die gefundenen noch gut erhaltenen Ziegelplatten waren 46 cm im
Geviert und 3 cm stark.
Schreiber, Bd. I S. 13, der zuerst diese römische Niederlassung
1) Siehe Schreiber, Die römische Töpferei su Riegel im Breisgau. Zeit-
Bchrift des Freibarger biBtoriscben Vereins Bd I. 1.
86 Das römiscbo StraaeeDiiotz in deu Zchntlaudoa,
bekannt machte, glaubt, dass von hier drei Ilcerwege, Viae inilitares,
abgingen und zwar einer nach Breisach, dei" heute noch eine Strecke
weit Hochfitrasse heisst, derselbe ist hier aufgezeichnet und nach un-
serer Ansicht auch der einzige von Bedeutung.
Eine andere Strasse ist die Gestadestrasse nach Nimburg, deren
Spuren noch in den Wiesen nachzuweisen sind.
Eine so wichtige Fabrikstadt erforderte fiir ilire Erzeugnisse Ab-
aatzquellen und Verbindungswege, für die jedoch diejenigen in der
, Richtung nach Malterdiugen und Breisach genügen durften.
Man weiss, dass die grossen Töpfereien in Rheinzabern mit ihren
Fabrikaten ganz Untergerraanien versahen '), ebenso dürfte Riegel die-
selben bis in die Schweiz und in das rätische Gebiet hinein versandt
haben.
Unser Weg nach Breisach führte über Endingen, Königschaf-
hausen über Bischoflingeu, wo eine Abzweigung nach Burkheini statt
fand, nacli Oberrothweil, von da über den Vorberg nach Achkarren,
und in der Nähe des Bazenhäusle über die faule Waag, welche da-
mals den Hauptstrom des Rheinlaufes anfnabm.
Die genaue Lage des Römerweges ist hier nicht sicher genug
nachzuweisen, um den Rheinübergang festzustellen.
Wir zweifeln, ob damals das zwischen der faulen Waag und dem
jetzigen Rheinlauf liegende höhere Gestade fQr die Anlage einer Ver-
bindung von Burkheim nach Breisacb benützt werden konnte.
31.
Weg TOD türoBskMibB (Cambete) Heerstr. I Aber Neuenbnrgr naeli Baden*
wetler (AqnM).
Ein so bedeutender Erholungsort, wie das römische Bad zu Ba-
dcDweiler*), bedingt daselbst eine ansehnliche römische Bevölkerung
von Handwerksleuten und Gewerbetreibenden, deren Wohnungen aller-
dings nur leicht gebaut zu sein brauchten. Wahrscheinlich standen nur
nir deu Sommeraufenthalt bestimmte leichte Barracken hier, da sowohl
In Badenweiler als in dem nahen Oberweiler keine Mauerreste bekannt
sind, die auf römische Villen schliessen lassen.
1) Id Bonn nnd Jülich wurden auch röm. Töpferöfen Dachgewieaeo. D. R.
3) Die Badeorte mit Thermen, woeu Badeaweiler gehört, hieaKD bei den
Römern Aquae, TAbrend mtn unter Balneum daa lum Baden eingerichtete Ge-
büude Teratand.
Das römische Strasscnuotz in den Zebntlanden. 87
Dr. Leibnitz, Leipzig 1856, gibt ein klares Bild dieses römischen
in seinem Grandriss noch gut erhaltenen Bades, dessen Gebäude 67 m
lang und 30 m breit war. Wie solche Bauten seit der Zci'störung im
4. Jahrhundert in Schutt und Vegetation versanken und dem Auge
entzogen wurden, zeigt das Höinerbad in Badenweiler, das erst 1784
entdeckt und ausgegraben wurde.
Wo die Burg steht, war eine römische Warte. Von Grosskerabs
zog die römische Heeretrasse bis gegen Homburg, wo Budeuheim auf
ein hohes Alter schliessen liisst, und wo die beiderseitigen Ilochgestade
einen guten Rheinübergang gestatteten. Das Budenheim gegenüber-
liegende Steinenstadt ist sehr alt und der hochliegende Weg gegen
Neuenburg zu wird heute noch als Römerweg bezeichnet. Das Bad
in Badenweiler erreichte man damals vom Thal aus, in welchem Mühl-
heim liegt. Auch hier ist die Erforschung der Römerpfude noch nicht
als abgeschlossen zu betrachten i).
32.
Weg von Argentoratnm fiber Oberkirch durch das Renchthal über Freuden-
Stadt nach der Station Aris flavis der Consnlarstrassc III.
Freudenstadt und der Kniebis waren jedenfalls ihrer Lage nach
den frühesten Einwohnern des Landes bekannte Orte, auch führt
Paulus von der Consularstrasse bei Aris tlavis aus eine römische Weg-
verbindung zu dieser Uöhenplatte. Es ist den Umständen nach als
sicher anzunehmen, dass die Römer von hier aus einen Saumpfad in
das Renchthal hinunter nach Oppeuau und von da nach dem grossen
verschanzten Lager in Strassburg unterhielten, der früher auch schon
von den Kelten benützt wurde.
Derselbe ging von Freudenstadt über den Finkenberg, auf der
höchsten Höhe bis zum Kniebis und dem Rossbühl, und folgte
von hier dem jetzt noch bestehenden, steil abfallenden alten Wege bis
Oppenau, von wo der Saumpfad bis Oberkirch und Appenweier in der
Thalsohle lag.
Diese Verbindung mit Strassburg hatte dieselbe Bedeutung wie
jene von Waldmössingen über das sog. Schäuzle in das Kinzigthal oder
die folgende von Villingcn über den Turner nach Zarten im Dreisam-
thal. Es waren alte von den ersten Bewohnern dieser Gegend begangene
1) Auf dorn Stockberg, uebeu dorn Blauen, siud Spureu eines altgerm,
Bingwalles.
t
m
es Das römische StruMnoeti in den Zehntluiden.
Saumpfade, welche die Römer ebenfalls zum directen Verkehr von den
Stationen der grossen Consularstrasse zu den befestigten Lagern an
dem Obern gallischen Kheinnfers benutzten.
Immerhin müssen solche, das Strassennetz ergänzende Communi-
kationen erwähnt werden, und sind dieselben auch in der ange-
schlossenen Karte als von den Römern gebrauchte Wege eingetragen.
Eine Abzweigung dieser Strasse ging von Freudenstadt über
Besenfeld, Urnagold am Hohlo vorbei nach Gernsbach, sie ist bekannt
unter dem Namen „alte Weinstrasse" und ebenfalls in der Karte vüq
Paulus angedeutet. Bei Urnagold vereinigte sieb diese mit der auf
dem Höhenrücken zwischen denr.Euz- und Nagoldthal von Pforzheim
führenden Strasse.
Diese hochgelegenen Kulturflächen mit den Äualänfern in das
Nagoldthal waren später die ersten Ansiedlungsstätten der Gaugrafen
von Calw, dereu flerrschaft sich bis zum Rhein ausdehnte.
33.
Vieg von Argentorntnni (Strassbnrg) ilarcb Aas KJnxl^thal inm sog.
ScIiBntilo nach WRldmössin^en au dor ConäularstraHse I.
Der Anfang des Kinzigthales zeichnet eich durch einige sehr be-
acbtcnswcrtbc llömcrfundc aus; man fand bei Offenburg eiiftn römi-
schen Grabstein und einen Meilenzeiger, in Gengenbach und Htthlen*
bach (Seitenthal der Kinzjg) römische Altäre'), der Diana Abnoba
geweiht. Belege genug, daas auch dieses grosse Schwarzwaldthal der
römischen Kultur zugänglich gemacht war*}.
Auf der entgegengesetzten Seite von Osten her hat Herr von
Paulus eine Römerstrasse bis zum sog. Schänzle auf der Hochebene
bei Schiltach in der Karte eingetragen; hier wurde ein der Göttin
Abnoba geweihter Altar aufgefunden (siehe Geschichte von Stalin
No. 48).
Dieser Weg zum Schänzle schliesst sich weiter rückwärts in Wald-
mössingen an die grosse Consularstrasse Windisch-Regensburg an, wo
mehrere römische Niederlassungen durch Ausgrabungen nachge-
wiesen sind.
1) Siehe über diese Funde Wieland's Beiträge cor Geschichte Badens
S. 145 u. 168.
3} Id PrioilBRch bei Biberach führt Trenkle (siebe Qeechichte der Schwan-
wäliier Industrie 8. 905) den Bergbau bis is .die Römerteit bioauf.
Das römisobe Strassennelz in don Zehntlanden. 89
Es UDterlicgt keinem Zweifel, dass während einer 200jährigen
Kulturepoche die Römer von hier aus eine Verbindung durch das
Kinzigthal mit dem Hauptwaffenplatz Strassburg unterhielten.
In der Nähe von Strassburg wird der Ort Marien (Marls legio)
als ein Hauptübergang über den Rhein für die Gonsularstrasse nach
Steinbach und Baden bezeichnet (s. Mone Zeitschrift IV).
Die jetzige gerade Strasse von Goldscheuer oder Marien durch
den sog. Gottswald ist 1793 erbaut, es mag aber zur Römerzeit ein
Weg über Weier und Bühl nach Offenburg und in das Kinzigthal ge-
fuhrt haben.
Nach Herrn Director Baer's Erläuterungen (S. 172 seines Werkes),
wurde der Meilenzeiger vor dem Schwabenthor in Offenburg an der
Strasse nach Gengenbach gefunden. Hicher passt aber die Leugen-
anzahl XXII nicht ganz, indem ca. 3 Leugen fehlen.
Uebrigens ist der Fundort eines Denkmals nicht immer der an-
fängliche Standort, wie wir dies bei den Leugensäulen in Baden, und
bei jenen, welche von Ellmendingen und Nöttingen nach Karlsruhe ge-
bracht worden sind, gesehen haben.
G engen bach ist der nächste Ort an der Kinzlgthalerstrasse, wo
eine Jupitersäule mit der Postamentaufschrift
I.O.M.
BAIBIVS.BABIIQ.
FILII SUI.
aufgefunden wurde.
Dem Kinzigthal folgend treffen wir bei Haslach in einem kleinen
Seitenthal den Ort Mühlenbach, der durch die Auffindung eines, der
Göttin Diana Abnoba geweihten Gedenksteines bekannt ist.
Er kam 1786 bei einer üeberschwemmung zu Tag und rührt
vom Jahr 159. Es ist sehr zweifelhaft ob er auch hier errichtet wurde,
oder vielmehr später vielleicht von Haslach aus .'Wehin verschleppt
wurde. Schnars (Schwarzwaldführer) glaubt, es habe eine Römer-
strasse aus dem Breisgau durch dieses Thal geführt.
Haslach an der Oeffnung zweier Seitenthäler in das Kinzig-
thal ist eine altzähringische Besitzung und dürfte hier eine römische
Niederlassung gewesen sein.
Von hier nach Hausach, wo das Gutachthal einmündet, lag der
Römerweg in der Thalebene bis Schiltach, da die Führung eines
Weges auf die steil abfallenden Höhenrücken sehr erschwert war.
90 Du römiwlie SlnwcnnetE in den Zebotlendeii.
Uebcr den Bestand dieser Wegstrecke fehlen aus jcucr Zeit die
Anhaltspunkte.
Schiltatli hingegen müssen wir als den Punkt aunehmen, wo
sich die römische Wegvorhindiiiig von dem Castnim auf dem Schiinzle,
welches durch Ausgrabungen von Paulus als solches uachgewiesen ist,
wieder in die Tlialebene zog.
Die Steige aufwärts zum früheren sog. Zollhaus zeigt noch eine
alt« SteinpHosterung nach rOniischer Art und veriuittclte im Mittel-
alter den Ilauiitverkehr von der Hochebene bei Aichhalden und Wald-
inOssingen in das Kiuziglhal.
84.
Der Woj; im «bcru Itbclntbnl läiigg dem Hocligestade rou Marien Sber
Vijhl nHch Burkhclm.
Auf dem Hochgestade des rechten Rheinufers sind auch von Kehl
aufwärts zahlreiche keltische Niederlassungen nachgewiesen, die unter
sich Verbindungswege hatten, welche später von den Römern benutzt
wurden.
Ein Hiui|itü bergan^ über den Rhein war bei Marien, von da aus
berührte der fragliche Weg die jetzigen Ortschaften Altenbcini, Dun-
denheim, Ichcnheim, Nonnenwcier, Wittenweier, Kappel, Rust, Weiss-
weil, Wyhl, Sasbach und zog nach Burkheim.
Nach den ersten Einfällen der Römer zog sich die keltische
Bevölkerung gerne auf dieses Ilochgestade zurück, welches von den
Armen des Rheines oft eingeschlossen einen sichern Zufluchtsort ge-
währte.
Später als diese Einwohner mit den Römern friedlich verkehrten
und ihren Arbeiten beistanden, wurden auch die vorhandenen Vcrbiu-
dungswege von den Römern benutzt und verbessert.
35.
Weg von Brelsaeli (Moos Brlsiacns) nacb Znrten (Tarodaanm) und tob da
Ober Uecbgtrus zur Heeritnsse III bei Villlagen, oder von Hoclutrass Bber
den Höchst uacb HDHngeii.
Die gesicherte Lage der eine Stunde vom Eaiserstublgebirgc in
die fruchtbare und breite Thalebeue des Oberrheins vorgeschobenen
FelserhehuDg toq Breisacb lässt mit Sicherheit aDoehmen, dass dieser
Das römische Strassennotz in den Zebnilauden. 91
Ort schon vor der Besitznahme durch die Römer von Kelten und
Galliern bewohnt war.
FQr die Römer war der Mons Brisiacus, wie sie tlen Berg
nannten, von grosser strategischer Bedeutung und sie befestigten den-
selben, und legten daselbst eine Niederlassung an.
Es ist bekannt, dass Kaiser Yalentiniau und seine Nachfolger
Valens und Gratian daselbst wohnten und dass ei*äterer von hier aus
(368) Befehle und Gesetze ergehen liess, die im Theodos. Codex ent-
halten sind.
Bald nachher fiel diese Feste in die Hände der Alemannen, welche
hier die römische Kultur von Grund aus zerstörten.
NachMone, Bd. I S. 196 seiuer Urgeschichte des Landes, stammt
der Radbninnen, der von der Höhe des Berges bis zur Tiefe des
Rheinniveaus abgeteuft ist, von den Römern.
Die Felsen von Breisach mit Ekartsberg und Usenberg lagen
zur Römerzeit auf der linken Seite des Rheines, der unterhalb Hoch-
stetten der westlichen Seite des Kaiscrstuhles zufloss und bei Burkheim
den mittleren Rheinlauf wieder gewann.
Die Verbindung einer so wichtigen Colonic wie Breisach mit den
benachbarten römischen Niederlassungen niusste durch Strassenverbin-
duDgen gesichert werden.
Rückwärts lag in nächster Nähe die grosse römische Heerstrasse
I von Basel nach Strassburg.
Im Zebntland lagen am Nordende des Kaiserstuhlgebirges die
grossen Ziegeleien und Töpfereien von Riegel, am Ausgang des £lz-
und Dreisamthaies die römischen Niederlassungen jetzt Mauracher
Hof und Wiehre bei Freiburg, auch die sonnigen Schwarzwald- Vor-
hfigel von da aufwäits bis Basel waren von den Ureinwohnern und
theilweise auch von Römern bewohnt.
Die schönen Bäder von Baden weiler waren schon damals der
Mittelpunkt der körperlichen und geistigen Erholung für die in den
benachbarten Niederlassungen wohnenden Römer.
Man muss von Breisach aus 3 römische Verbindungswege an den
Oberrhein annehmen. Der eine nach Riegel, der zweite aufwärts am
Hochgestade hin nach Neuenburg und der fragliche zunächst über den
Tuniberg nach der Wiehre bei Freiburg führende.
Ob die Römer den Verkehr über den Rhein zum Hochgestade
bei Hochstetten mittelst einer stehenden Brücke oder mittelst Kähnen
vermittelten, ist nicht zu entscheiden.
92 Du römiiohe Strwaenneti iu den Zebntluideii.
Von da lässt sich die weitere Verbindung über die Giindlingcr
Gemarkung zum Tuuiberg nicht ganz sicher bestimmen. Es ist zu
vermuthen, dass dieser Berg zur Römerzeit zwischen den Orten Mtir-
dingen und Opfingen überschritten wurde; da von dort der älteste Weg
nach Freiburg durch den Romanswald, am Hunnenbuck vorbei,
längs des Landwassergi'abeiis, llaslach zu zog.
Von Wiebrc fehlen römische Funde, aber soviel ist gewiss, dass
hier der Verbindungsweg nach Zarten, dem kelträch-römischen Taro-
dunum, zu suchen ist ').
Den Schlossberg in Freiburg zierte schon zu llömerzeiten eine
Hochwarte, die mit dem KaiserstuW, Breisach und Heckltngen siguali-
sirte. Nach Schreiber's Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau
I. 10, sind im Jahr 1819 bei Abgrabungen, auf der sog. Ludwigshöhe
des Freiburger Schlossborges, Theile eines römischen Mosaikbodens zu
Tage gefördert worden, welche schlieasen lassen, dass mit der Warte
auch sonstige Gebäude verbunden waren.
Von Wiehre aus blieb der römische Weg auf der linken Seite
der Dreisam in der Richtong der jetzigen directen Strassenvcrbindung
nach dem Bad von Littenweiler, und von da über die Bruggamilhle
nach Kirchzarten und der Post von Burg.
Hier liegt der aus der Diluvialzeit anstehende breite und ebene
Trttmmerhügel, der durch die GerSllanschwemmungen aus den hier
mündcndeu Schwarzwaldthälcrn entstanden ist.
Dieser Schutthügel ist mit fruchtbarem Boden bedeckt. Seine
Lage dominirt den Eingang in die Seitenthäler und bildet, der weiten
ThalmÜnduDg in die Rheinebene zu, eine natürliche Feste, die von den
tief eingeschnittenen Niederungen des HöUeubaches und Wagensteig-
bftches begrenzt ist.
Es wird allgemein angenommen, dass hier schon Kelten und
Gallier eine Ansiedlung hatten, uud die Römer bei der Besitznahme
eine ansehnliche Einwohnerschaft vorfanden.
Dies wird schon in dem aus dem keltischen stammenden Namen
Tarodunnm dieser Colonie bestätigt, welchen die Römer beibehalten
haben, und aus welchem später das Wort Zarten entstand.
Bei der, schon auf der Höbe des Schuttwalles liegenden Post
1} Nach dem röm. Oeogrsphen FtoUmäua liegt Tarodanutn auf L. Grad
48 und Lg. 30 Grad 40 Mtnj was nahezu mit der riohtigen Lage Sbereiu-
(timmt
Das römische Strassennetz in den 2^bntlanden. 93
(Brandenburg) sind noch Reste von alten Umfassungsmauern sichtbar.
Die Benennung Burgfeld dürfte auf die Oertlichkeit von Taradonum
hinweisen. Im übrigen fehlen hier ganz und gar Nachweise von Denk«-
mälem aus der Bömerzeit, und man kann wohl beliaupten, dass dieses
Taradonum fQr die Römer von keiner militärischen Bedeutung war.
Von Burg aus verfolgte der älteste bekannte Handelsweg nach
derBaar das Wagensteigthal bis zum sog. Herren dobel, und erstieg
hier hinter dem Schulhaus und bei der Kapelle von Wagensteig den
hohen Gebirgsrücken beim sog. Turner.
Hier hält er sich auf dieser Hochebene, die durch eine pracht-
volle Rundschau, namentlich in der Richtung des Rheinthaies, bekannt
ist und folgt in der Gemarkung Hochstrass der Wasserscheide des
Elz und Wutachgebietes. Die nicht ferne sog. Kalte Herberge ist
eine alte Poststation an dieser Handelsstrasse, die nun bald den
GebifiBikamm verlässt und sich sodann durch das Urachthal nach Ham-
mereisenbach und Bregenbach im Donaugebiet zieht.
Bis nach der Kalten Herberge fallt der keltische Weg mit dieser
alten Handelsstrasse zusammen, die in ihrer ganzen Ausdehnung den
Grundsätzen der Führung eines Weges jener Zeit entspricht. Nicht
aus Furcht vor Ueberfällen bleiben sich die Kelten und Römer mit
ihrer Strassentra^e auf den hohen Bergrücken gehalten, sondern weil
die Passage durch die Thäler damals nicht durchzuführen war und die
Verbindungswege auf den Höhen durch Elementarereignisse am we-
nigsten beschädigt werden konnten. Für den keltisch-römischen Saum-
pfad verfolgen wir daher von der Kalten Herberge an noch eine Strecke
weit die Wasserscheide von Rhein und Donau, und lenken rechts auf
den Höhenrücken zwischen dem Urach- und Linachthal ein, da zur
Römerzeit ein Durchgang durch die bewaldeten von reissenden Bächen
durchströmten Thalgründe nicht denkbar ist.
Vom sog. Kohlwasen an sind in der Banngrenze der beiden
Thalgemeinden noch die Spuren eines alten Weges in dem bestehen-
den Waldpfad erhalten. Im Mittelalter wurde der Handelsweg nach
Hammereisenbach dem Urachthal entlang geführt. Vor der Ruine
FOrstenberg senkt sich dieser Weg rasch von der sog. Streiche hin-
unter zum Yereinigungspujikt der Urach mit der Breg, bei der jetzigen
Ruine Neufürstenberg.
Von hier aus zog sich der Weg wieder steil hinauf zur sog^ Warte
bei Herzogenweiler, und finden wir dort, dem Höhenzug bis zur alten
Strasse von Yöhrenbach her folgend, bis Villingen wieder Anhaltspunkte
l
w
94 Das römitche StrawenDOtE in den ZebntluideD.
genug, dass diese Strasse auf keltisch -römischer Grundiage ruht, wie
die Gewannhenenniingen Hüncrbiähl, Haidcnbilhl, Geistmoos etc. in der
Nälie von Villingen. ~ Der nahe Wartenberg dürfte eine romische
Rpecula getragen haben. In der Nähe ist ein künstlicher Hügel, dessen
Abgrabung keltische Grabstätten ergeben dürfte. Jenseits der Breg,
eine Stunde von hier entfernt, vor Schwenningcn sind wir an der sog.
Hohen Strasse oder an der römischen Consularstrasse von Win-
disch nach Regensburg angelangt.
Vöhrenbach war eine keltische Niederlassung, die jedenfalls
auch in Verbindung mit Villingen stand, das vielleicht schon damals
einen Hof hatte, aber eret im XII. Jahrhundert von den Herzögen
von Zähringen die Stadtbefestigung erhielt.
F.ine andere Abzweigung dieses sehr alten Verbindungsweges
vom Breisgau in die Baar dürfen wir hier nicht vergessen, weil sie
zu sehr den Charakter jener ältesten Tracirung trägt, die sich auf kel-
tischen Ursprung zurückfuhren lasst, und jetzt noch grossentheils als
Wald- und Feldweg erhalten ist. Beim Fernhof verlassen wir die
Richtung nach Villingen und verfolgen bis zum sog. Höchst die son-
nige und offene Wasserscheide des Donau- und Rheingebietes auf dem
noch benutzten Wege; dieser durchschneidet oberhalb Eisenbach die
jetzige Landstrasse, und zieht sich nun auf dem Rücken zwischen dem
Brändbach- und Bruderbach-Thal, bis zur Vereinigung derselben, ober-
halb Bräunlingcn, in oft sehr langen geraden Richtungen fort. Von
Bräunungen ging der W^ nach der römischen Station Hflfingen.
Zwischen Ober- und Unterbränd finden wir einen Hof, der Hei-
denloch heisst. — Bei Waldhausen im Brändbachthälchen fand der
frühere fürstlich farstenbergische Strassenmeister Maier Keltengräber
und« Reste von Wohnstätten aas der vorrömischen Zeit.
Ton dem Veg 88 du-ch das Elnilgthal bei Haalach oder ßiiUeh ttber
Bonibeiv, Trlber^ nnd das MSssle nacb der HeeratrasBe III bei TlUlBgen.
Paulus hat diese Wegverblndung in seiner römischen Strassen-
karte angedeutet. Wir dürfen wohl annehmen, dass schon die in der
fruchtbaren und gonnigen Thalerweiterung der Donauzuflüsse bei Vil-
lingen und HöÜDgen wohnenden Kelten über die beherrschenden Hö-
henpnnkte des Schwarzwaldes eine directe Verbindung durch das Gut-
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 95
achthal mit dem Rheinthal suchten, und dass auch die Römer diesen
Verbindungsweg von ihrer Station in Rottweill nach dem befestigten
Lager in Strassburg benutzten. Von Gutach her fehlen allerdings die
Anhaltungspunkte zur Annahme eines römischen Weges; mit Ausnahme
des in Mühlenbach bei Haslach gefundenen Altarsteines, haben wir
bis Triberg weder Funde noch Mauerreste von den Römerzeiten her
zu verzeichnen.
Wenn wir Althornberg im Auge behalten und Mühlenbach als eine
rumische Niederlassung constatirt ist, so ist die Verbindung von hier
über die Grub und die Hirschlache eher anzunehmen, als durch das
Gutachthal.
Der Kesselberg mit den vielen aus den Heidenzeiten Übernommenen
Benennungen seiner Umgebung, bleibt der Durchgangspunkt dieser
Wegverbindung. Derselbe kann auch von der Ilirschlache aus, auf der
dominirenden Höhe zwischen dem Prechthal und Gutachthal über das
schöne Bühl und Hintergrub über Triberg erreicht worden sein, wo
jetzt noch Verbindungswege bestehen, die auf alt(?n Ursprung schlies-
sen lassen.
. In diesem Fall müssten wir Alt-Hornberg, als zu dieser Wegver-
bindung gehörig, fallen lassen.
Von Triberg zieht ein alter Weg über den Mosenberg zum Hoch-
gericht beim Kesselberg. Dieser Ort ist durch seine Lage und die
sich an ihn knüpfenden Erinnerungen bekannt.
In nächster Nähe finden wir einen „Galgenhof ', einen „Heiden-
stein" etc., -Namensbeziehungen der urältesten Zeit.
Der Weg vom Kesselberg nach dem Mööslewirthshaus und von
da auf dem Höhenrücken zwischen dem Kirnachthal und dem Stock-
waldthal nach dem Salvest, bei der jetzigen Burg Kiiiieck, wo die
Spuren einer regelrecht gepflasterten Steige in das Brigachthal noch
sichtbar sind, ist bekannt.
In dem Kapitel über den Oberbau der römischen Strassen ist
diese Pflasterung genauer beschrieben.
Noch im Mittelalter war dieser auf keltisch-römischer Grundlage
ruhende Höhenweg von Villingen bis Triberg und von da in das Kin-
zigthal von grosser Bedeutung und hat sich derselbe jetzt noch als
Wald* und Feldweg an den meisten Stellen, namentlich in den höchsten
Lagen, erhalten.
I
4fl Doa römiKhc Struaenneta in den Zehntlanden.
tl'i>n|lt «•■«Hill •l|l. U%Ht >«).'
., „" -,,.,.. , . .,.,,. 37.
Der Weg Ton ilpr rechten Rheinseite hei Basel Uher Silcklngen, Waldshnt
elc. Knr Station Teuedoue der Ilecrslrosse III.
Die Kaiaeraiigst gegenüber liegende , dem Süden zugekehrt«,
fruchtbare Thiilseite des Rheines bcniit/ten die Riimer zur Anlage von
Gehöften und kleineren Niederlassungen. — Das Volk spricht hier häu-
fig von einer untergegangenen Stadt, die sich von Ilertchcn bis Warm-
bach, der Stadt Rheinfelden gegenüber, erstreckt haben soll. In der
That sind es Fundamente zahlreicher römischer Gebänlichkeiten, welche
die Veranlassung zu diesem Gerücht gegeben haben.
Beim Eisenbahnbau von Basel nach Waldshut wurden bei Warm-
bach die Fundamente eines Tempdts aufgedeckt und dabei Stücke eines
Bronzefriesses aufgefunden, die wahrscheinlich zu den Eingangsthüren
gehörten. Kine genaue Untersuchung dieser reichen Fundstätte von Seiten
des Groash. Conservators in Karlsruhe steht in Aussicht. Bei Nieder-
schwörstadt, 14 km aufwärts von Hertlien, heisst die Stelle am Ab-
hang eines Berges Ileidentempel, und findet sich hier noch die ca.
3 m breite 2,7 m hohe mit einem Loch versehene Vorderwand (eine
grosse Kalksteinplatte) vor. Auch bei Obersäckingen ca. l'/»km rhein-
aufwärts der Stadt Säckingen (Sanctio der Römer), ist durch das Auf-
finden von Ziegelfragmcnten eine römische Niederlassung nachgewiesen').
Schreiber führt S. 266 seines Taschenbuches in dieser Gegend
noch mehrere Oertlichkeiten, wie Heidenschmiede, Heidenwuhr, Hei-
dentritt etc. an, die er auf vorröraische Zeit zurückführt*).
Bei Waldshut auf dem Wege nach Gurtweil hinter dem Kalva-
rienberg ist in den 40er Jahren das, in den Wiesen des Thälchens her-
vortretende, mit Gebflsch bewachsene, Gemäuer untersucht worden, und
haben sich dabei die Fundamente mit Hypocaustum einer römischen
Villa vorgefunden. Ebenso bringt die Umgegend der Orte Gurtweil
und Tbiengen an einzelnen Stellen Reste von römischem Gemäuer, und
Ziegelfragmenten.
1) Der Alemann enfaret Vadomar Khlag hier eine römigche Heereaabthei-
Inng aoter Anfllbrang de« Libino, die in den Orient ziehen tollte, er wurde
ip&ter von Kaiaer Jalian in Angat gefangen genommen. (Siehe lieft IV Jahrg.
III S 243 der wQrtt. Hefte für Landeageachiohte.)
2) Aucb lehrte von der Wehra oberhalb Säckingen eine YerBOhancung gen.
Lkudhag aaf den Höhen fort bis in die Gegund des hochgelegonen Berau.
Das römisohe Strassennetz in den Zehntlanden. 97
Auch hier liegen diese Trümmer, die wohl zu friedlichen römi-
schen Gehöften gehörten, in stillen abgelegenen Seitenthälchen, entfernt
von dem römischen Verbindungsweg, der in der Hauptsache mit der
jetzigen Landstrasse zusammentrifft.
Die zahlreichen, aus den ältesten Zeiten stammenden Orts- und
Flnrbenennungen, welche allenthalben in dieser Gegend vorkommen, be-
weisen, dass dieselbe schon vor der Eömerzeit von den Kelten bewohnt
war. Von Thiengen ging dieser Verbindungsweg über das Zeigried,
wo ein alter Weg noch Landsvogtweg heisst, nach der Wutach ober-
halb Oberlauchringen und zog sich nach deren Ueberschreitung auf
den Galgenbuck, in der Nähe der Station Tenedone (Heidegger Hof).
38.
Weg von Tenedone (Heidegger Hof) Aber Instetteo^ Thaingen, Hilzingeui
Hohenhöwen, Aach, Stockach naeh dem befestigten Lager bei MessUrch*
Der Küssenberg, dem Heidegger Hof gegenüber (zwischen bei-
den liegt das Schwarzbachthal), hatte eine römische Warte, die das
ganze obere Khein- und untere Aarthal bis Vindonissa beherrschte;
in nächster Nähe heisst die gegen Norden zu gekehrte Halde der Berg-
wand Heidenstadt. Diese Stätte soll übrigens den Namen von der
dort befindlichen alten Waldlichtung haben, die ihren Grund in einer
Steinschuttablagerung hat.
Mit einer römischen Wohnstättc lässt sich diese Oertlichkeit nicht
vereinbaren; hingegen zog in uralten Zeiten auf dem Höhenrücken von
dem Küssenberg ein Weg bis Instetten, welcher Ort noch 1059 Hei-
denstadt genannt wurde.
Eine kleine Stunde davon, am Eingang einer Halbinsel, die der
tief eingeschnittene Bhein bildet, finden wir den Ort Altenburg, wo
die Römer unter Julian die Verschanzungen der Alemannen durch-
brachen und sie zurücktrieben.
Ammian Marcellin beschreibt dieses Treffen.
Die Verschanzungen sind noch als verwachsene Erderhöhungen
sichtbar, und wurden auf den Feldern eine Menge römische Pfeile,
Münzen etc. aufgefunden. In Schaff hausen, wohin sich der Weg von
Altenburg aus zog, war der Munot eine römische Specula.
Von hier aus gewann der keltisch -römische Verbindungsweg die
sog. hohe Wacht bei Gönnersbrunn, wo keltische Gräber aufgedeckt
wurden, und führte von da über den Roggenbuck nach Thaingen, so-
7
BS Dm rönÜMhe Sb-useunetz in d«n ZahntUnden.
dann Ober den Buchberg, am Hohenatoffeln vorbei, Aber Weiterdingen
zur DietiUrter Mahle, wo die Aach Übergangen wurde. Von hier ans
zieht sich der älteste Weg über Aach und Eigettingen, letzteres
bekannt als Fundort eines sehr schönen und gut erhaltenen Altars
fjetzt in der Karlsruher Alterthumstuüle), nach Nenzingen und Stock-
ach. Eine Anzahl von Flurbenennangen wie der Bömerberg bei Hitzin-
gen, ebenso die Namen Hocbgesträss, Heerweg etc. bestätigen das
Vorbandensein froherer keltisch,- romischer Wegverbindongen in der
G^;end um Tbaingen und Hitzingen.
Bei Oraingen, 1 Std. von Eigeltingen, sUess man auf römische
Maaem und fand rdmische Waffen.
Auch die Gegend bei der Homburg ist bekannt durch Funde von
römischen Antikagüeii. itie Hteileuburc bei Stockadi ddrfli.' eine
römische Warte getragen haben, die inii den Signalpunliteu der He-
gauer Kuppen in Verbindung stand, und nach rüiikwärts die Sicherheit
der im Thal sich kreuzenden Verkehrswej^e deckte.
Die alte Landätrasse von da zum Galgenesch, an Ursaul und Burg-
thal vorbei, über Zoznegg nach Krumbach, ruht auf keltisch- römischer
Grundlage. Am sog. Hölzic vorbei zog sie uach dem befestigten Lager
bei Messkirch.
Der W^ von i.d Pinea (Pffn) nach Burg (Tugetlnn) und von d« nach
8tns«ii.
Burg gegenüber Stein am Rhein (jetzt schweizerisch) hat sich
den neuem Ausgrabungen gemäss (siehe deren Beschreibung im Ö.
Jahrgang der Züricher Alterthumsvereinsschrift v. Jahr 1876 von Prof,
Mililer) als eine ausgedehnte römische Niederlassung, die sich bis
Eschenz ausdehnte, erwiesen. Ein Stein, nach dessen Inschrift die
Vicani der Gemeinde Tasgetium das Bad (Balneum) wieder herstellen,
wurde hei den Aufdeckungen dieses Gebäudes bei Eschenz aufgefunden.
— Auch stand bei Burg ein römisches Castell, das den Rheindurchgang
und den Uebergang zu decken bestimmt war.
Oberhalb Burg soll eine stehende römische Jochbrücke, deren Pfähle
bei kleinem Wasserstand noch sichtbar sind, auf die Insel Wörtb und
von da nach dem jenseitigen Dfer geführt haben. Auf dem nahen
Hohenklingenstanddiezur Bewachung derNiederlassung gehörige Specula.
Von Stein führte wohl ein Verbindungsweg nach Singen und
weiter zum Weg 38, nach Stockach über Steislingea und Orsingen.
Das römische Strassennetz in den Zehntlanden. 99
Dass das Gastell in Constantia durch einen direkten Weg mit
Pfyn verbunden war, unterliegt keinem Zweifel.
40.
Weg Yon Stoekach nach Tuttlingen*
Die jetzige Landstrasse über die Anhöhen bei Mahlspüren nach
Liptingen und Tuttlingen ruht ganz auf keltisch -römischer Grundlage
und trägt vollständig das Gepräge einer Weganlage dieser Culturepoche.
Auch weisen namentlich bei Liptingen die Flurbenennungen wie Hoch-
strass etc. auf römische Strassenanlagen und Niederlassungen hin. Lip-
tingen ist bei Weg 42 erwähnt. Hier warf die österr. Armee un-
ter Erzherzog Karl die Franzosen unter Moreau zurttck, der durch das
Einfallthor bei Messkirch nach dem Süden Deutschlands vordringen
wollte.
41.
Ton der DonaithalttraMe YUI bei Kranehenwies nach PfUlendorf.
Die beherrschenden Höhen von PfuUendorl bis Heiligenberg waren
zu den Römerzeiten von Kelten bewohnt und zog der damalige Ver-
bindungsweg über den Stelnert und die kleine Esch nach Pfullendorf.
Eine Sage führt die Gründung der Stadt auf Julius Caesar zurück.
Die Umgegend zeigt auch hier manche Spuren der Bömerherrschaft
in Strassenüberresten und bei Ausgrabungen. Das schöne Cohortenzeichen,
jetzt in der Karlsruher Alterthumshalle^ wurde in den 50er Jahren
hier aufgefunden (Abbildung v. Baier, siehe Doppelheft des bad. Alter-
thumsvereins für 1854 u. 55).
42.
Tom Uohenranden an der Heerstrasse III Aber Liptingen nach Messkirch,
Paulus hat diesen Weg in sein römisches Strassennetz ebenfalls
aufgenommen. Diese Verbindung hält die ziemlich hohe Wasserscheide
zwischen dem Donau- und Bheingebiet ein und durchzieht den kür-
zesten und nach allen Richtungen freiesten Weg zwischen der Heer-
strasse in und dem befestigten Standlager bei Messkirch an der
Donauthalstrasse, die wir in Hüfingen beginnen Hessen, und unter VIII
beschrieben liaben.
Der vorliegende von den Römern in der Richtung nach Messkirch
100 Das römische Straasennetz in den Zehntlanden.
zuerst aufgeschlossene und unterhaltene Verbindungsweg begann auf
dem Hohenranden beim RubLs, wo jetzt noch ein Weg nach Kom-
mingen abgeht, dem er folgte. Von da hielt er die Höhe über das
sog. hohe Eck zwischen den Orten Leipferdingen und Wotterdingen
ein und folgte über die sog. Tafel, an dem Orte Stetten (am Fusse
des Neuhewen) vorbei, bis zur Engener Höhe, dem jetzt noch beste-
henden Feldwege. Auch von der Engener Höhe über Mauenheim bis
Hattingen ruht der bestehende Verbindungsweg auf römisch-keltischer
Grundlage. Von hier aus deckt dieselbe die Landstrasse bis zum
Wirthshaus oberhalb Emmingen ab Egg und geht von da über Lip-
tingen und den sog. Edenstetter Hof bei Oberschwandorf zur Strasse
Vni, in der Nähe des befestigten Lagers bei Mosskirch.
Der Ort Liptingen war der Knotenpunkt für den Verbindungs-
weg 40 von Stockach nach Tuttlingen, und einer Strasse nach Müll-
heim an der Donau. (Siehe Karte von Paulus.) Als römische Nieder-
lassung ist der erstere Ort durch Ausgrabungen und Funde bestätigt.
Eine Stunde abseits, südlich der Strasse, liegt der Venushof;
man kann annehmen, dass an diesem) hochgelegenen schönen Aussichts-
punkte zur Bömerzeit ein der Venus geweihter Tempel stand, wie auf
dem Römerberg bei Dietlingen, abseits der Strasse VU. Vom Hohen-
randen ans weisen zahlreiche eigenthümliche Flurbenennungen, neben
diesem Wege, auf den vorchristlichen Bestand desselben hin.
AmFuss des Neuhewener oder sog. Stettener Schlosses wurde
vor einiger Zeit ein noch gut erhaltenes römisches Klappmesser ge-
funden, das sich jetzt im Besitz des Bürgermeister Maier von Walds-
httt befindet Die Wichtigkeit dieser Wegverbmdung wird durch die
theilweisen Aufdeckungen der gepflasterten römischen Fahrbahn und
einzelne Funde bekundet. Die Gonstruktion dieser 3—3,5 m breiten
Pflasterung ist dieselbe wie bei dem römischen Strässchen bei Langen-
hard an der Strasse die von Dietfurt, Vilsingen über Kreenheinstetten
und Leibertingen nach Tuttlingen zog, also den rechtsseitigen Höhen-
rücken neben der Donau einhielt.
Den vielen Aufdeckungen von römischen Kunststrassen in dieser
Gegend zu Folge, muss in dem Castell von Messkirch ein reges Leben
geherrscht haben, und wird die Besatzung desselben ausser zu Schanz-
arbeiten auch zur Verbesserung der Wegverbindungen in der Umgegend
herangezogen worden sein.
s
:*
Dm römiiohe Sirasseniieiz in den Zehntlanden. 101
43.
^
Die Wege Yon Meersbnrg naeh Rarensbnrgr «nd ▼on Messktreli naeli
Pfullendorf
sind in der Karte von Paulus als römische Strassenanlagen eingetragen.
Die Erstere geht Ober Ittendorf, Bergheim (Markdorf zur Seite
lassend) nach Stadel und von da Über Bavendorf nach Ravensburg.
Wir fdhren dieselbe nur hier an, ohne nachweisen zu können, dass sie
schon zu den Römerzeiten eine Strasse von Bedeutung war. Die sehr
alten Orte Meersburg, Ittendorf etc., sowie darauf bezügliche Flurbe-
nennungen lassen diess allerdings vermuthen.
Die Strasse von Messkirch nach Pfullendorf über Wald hat
die Merkmale einer sehr alten Strasse, und waren die schönen Höhen-
punkte beim jetzigen Heiligenberg den Römern gewiss bekannt.
Bei Otterswang fand ein Pfullendorfer Bürger das schöne Legi-
ouszeichen, jetzt eine der schönsten Zierden der Karlsruher Alterthums-
halle, im freien Felde.
••*.
c) Muthmassliche Saumpfade keltischen Ursprunges.
•
In der Seegegend und auf dem südlichen Abhang des Schwarz-
waldes finden wir manche Wege, welche sich auf sehr alten Ursprung
zurückführen lassen, aber trotzdem in das obenangeführte Strassennetz
nicht eingereiht werden dürfen, weil sie zur Römerzeit kaum die Be-
deutung von Saumpfaden erreichten, z. B. der Weg von Stühlingen über
Manchen, Uehtingen und Hürrlingen nach Grafenhausen, wo eine
keltische Niederlassung nachgewiesen ist. Auch von Behla an der
Heerstrasse HI wird die Verbindung über Haussen an Döggingen vor-
bei nach Löffingen sogar bis Neustadt auf keltischen Ursprung zu-
rückgeführt.
Bei Döggingen finden wir in der Richtung nach der Kapelle bei der
Eulenmühle die Spuren einer Römerstrasse im topographischen Atlas
eingezeichnet; diese müsste über Dittishaussen nach Röthenbach ge-
führt haben, wenn sie nicht der jetzt bestehenden alten Landstrasse
an der ehemaligen Post vorbei nach Löffingen und von da über Rö-
thenbach nach Neustadt folgte.
Das Auffinden einer gepflasterten Steige wie bei Döggingen be-
102 Dai römiiche Ettratsenuetz in den Zehntlnadoo.
rechtigt noch keineswegs zur Annahme des römischen Ursprunges, da
man auch im Mittelalter solche, fortwährenden Auswaschungen unter-
worfene Abfahrten im lehmigen Boden mit Steinplatten belegte.
Dieser Verbindungsweg hat im Mittelalter von Hüfingen (Iber
Neustadt uud von da ilber Breitenau und den Turner nach Freiburg
einen ansehnlichen Verkehr vermittelt, und wird die fragliche Abpflas-
terung in diese Zeit zurückgeführt werden müssen.
Vom Mauracher Hof aus wird ein Verbindungsweg durch das
Glotterthal, Ober St. Peter und St. Märgen, nach dem Turner und
Hochstrasse an der Strasse 35 auf keltischen Ursprung zurflckgeführt.
Ebenso hatte der Dünkelsberg am Oberrhein bei Basel von Rheinfelden
aus seine Saumpfade zu den keltischen Niederlassungen.
Die günstige Lage dieses Berges berechtigt zur Annahme, dass
hier einige keltische Niederlassungen') bestanden haben, welche durch
Saumpfade verbunden waren.
Im Unterland sind ebenso zahlreiche Saumpfade in die früheste
Zeit zurückzuführen, von welchen ich noch anführe: den Weg von
Freiersbach im Kenchthal, am Gauschberg vorbei, in das Wildschappach-
thal, an dessen Ausgang in das Wolfachthal ein Castell gestanden
haben soll; eine Annahme, welche der dort in das Thal hineinragende
Bergvorsprung mit altem Gemäuer zu rechtfertigen scheint. Von hier "
soll sich dieser Weg nach dem Ort Sulz uod durch eine Einsattlung,
die heute Doch das Thor heisst, über Kaltbrunn in das Kinzigthal fort-
gesetzt haben, wo die Verbindung mit der Strasse 38 bei Schiltach
bewerkstelligt wurde.
Die Römer werden schwerlich bis in diese Gegend voi^edrungen
sein, aber im frühen Mittelalter war dieselbe namentlich zwischen dem
Kinzigthal und Wolfacb schon sehr bekannt, sowohl durch den hier be-
triebenen Bergbau als durch das alte Kloster Wittichen, so dass auch
hier manche Verbindungswege auf frühe Zeiten zurückgeführt werden
können.
Der sog. Königstrassen vom Kaienberg in der Gemarkung
Herbolzheim und von Nnrdweil bei Kenzingen zum Hünersedel, so be-
merkenswerth durch ihre Benennung und ihre Richtung, haben wir
bei Beschreibung der Strasse 83 gedacht; der Name Königstrasse
muBs damals eine eigene Bedeutung gehabt haben. Im Grossherzogl.
1} Ueber die Spuren der keltiiohen AnnedlungeD in Bkden aiehe Hone
Urgeichiohte Bd. II.
Dal rdmiiehe Strassennetz in den Zehntlanden. 108
Hofdomänenwald bei Karlsruhe sind die Spuren einer alten Strasse,
die wahrscheinlich im Mittelalter von Durlach direct nach Speier zog,
unter dem Namen Königstrasse bekannt; sie durchschneidet den
jetzigen Park in diagonaler Richtung und der erhöhte Strassendamm
derselben ist an einigen Stellen noch zu erkennen.
Von Freudenstadt aus besteht auf dem rechtsseitigen Höhenrücken
des Murgthales ein Saumpfad, der sich bei Gernsbach in die Thalebene
senkt; es ist dies der Höhenweg über den Hohenlohe und die Teufels-
mflhl, jetzt noch unter dem Namen Weinstrasse bekannt.
Diese Bezeichnung führt auch die auf der Wasserscheide zwischen
dem Enz- und Nagoldthal führende Strasse von Pforzheim über Salm-
bach und Schöhberg nach Altensteig, wie noch andre ähnlich liegende
dieser Gegend, weil auf denselben, ehe die Thäler dem Verkehr ge-
öffnet waren, die Weintransporte stattfanden.
Auch bei Pforzheim wären noch manche Wege dieser Art nach-
zuholen, die keltisch-römischen Ursprungs sein dürften.
Es ist nicht zu leugnen und auch durch die Forschungen und
die Ausgrabungen von Paulus bestätigt, dass die Hochebene bei Wald-
mössingen, über welche die grosse Heerstrasse von Windisch nach
Regensburg zog, viele römische Ansiedlungen hatte, und dass von dort
aus schon zur Römerzeit Verbindungspfade den Höhenrücken folgten
und sich in die Thäler des Kinziggebietes fortsetzten.
Zu diesen kann man den alten Weg von Waldmössingen über
Sulgen nach Schramberg und von da über die Benzebene nach der
Sommerau und bis zum Kesselberg rechnen. Zwischen Langenschiltach
und den Seitenthälern der Gutach führt dieser Weg heute noch den
Namen Hochstrasse. Die Althornburg auf einem Ausläufer der
Benzebene, mit weitester Fernsicht in die Rheinebene, ist als eine der
ältesten deutschen Burganlagen zu betrachten, die Besitzer derselben
zogen erst im 13. Jahrhundert in das Gutachthal wo sie das jetzige
Schloss Homberg gründeten.
Von Kesselberg aus, dem höchsten Punkt dieses Theiles des
Schwarzwaldes ist gegen Villingen und durch das Gutachthal der Weg
36 als römisch-keltischer Verbindungsweg vorgezeichnet; es dürften
aber auch schon in den frühesten Zeiten Saumpfade von dem ge-
nannten Berg, 1) westlich in die Rheinebene über die Heidburg nach
dem Hühnersedel und 2) südlich über die Brend nach der Kalten-
herberge zum Anscbluss an die Strasse 35, die nach Zarten führt,
bestanden haben,
•n
104 Du rSmiiohe StrataenneU ia den Zabntlanden.
Nachtt^Uch wird DOch bemerkt, dasB von den rein keltischeo
Wohnstättea keine bemerkenewerthen Banreste mebr vorhanden sein
können, da sie nnr in Holz- oder Lehmhatten bestanden, die nicht ein-
mal einen steinemeD Unterbau hatten. Die vielen Giiberatätten in-
dessen, die den Kelten zugeschrieben werden mflssen, beweisen, dass
ihre Wohnsitze im Zehntlande ziemlich verbreitet waren, und sich na-
mentlich da vorfinden, wo auch die Kömer ihre Stationen und fried-
lichen KiederlasBungen gründeten. Es ist nicht denkbar, dass die Römer
nach dem Abzug der Germanen oder zur Zeit der Besetzung der Zehnt-
lande dasselbe so menschenleer fänden, wie wir es in vielen Geschichts-
büchern auseinander gesetzt finden.
Die keltische Bevölkerung, weiche schui Jahrhonderte vor den
ersten Invasionen der germanischen Stämme anter Ariovist im Zehnt-
lande ansässig war, verliess ihre Wohnsitze nicht während der Besitz-
ergreifung derselben durch die Römer. Es ist als sicher anzunehmen,
dass ein grosser Theil der jetzigen Schvarzwaldbevolkerung, nameat-
lich in den abgelegenen Tiiäiern und Anhöhfin liieses Gebirges, ebenso
in den Dörfern der Rheinebene, die auf den durch die Wasserlfiufo
der Landniederuugen gebildeten Lilandcn liegen, wohin die Alemannen
und Friiuken nicht gedrungen sind, von rein iieltischer Abstammung sind.
Der Unterschied in den Typen und Charakteren dieser Einwohner
von denen in den Städten und den Adeligen unseres Landes, welche
den alemannischen, namentlich suevischen Stämmen angehören, ist
heute noch nicht verwischt, und es liesse sich hierüber noch manches
Interessante anführen, was jedoch jetzt, als nicht hieber gehörig, unter-
bleiben soll.
Die Eigenliebe der Römer ertaubte wohl nicht dies Zugeständniss,
dass ihre Arbeiten, namentlich ihre Lieferungen und Verproviantirungen
von den Kelten, als den früher schon ansässigen Bewohnern der Zehnt-
lande unterstützt und gehoben wurden.
Karlsruhe. J. Naeher.
Das römische Strassenneiz in don Zehntlanden. 105
Inhalts-VerzeicbDiss
der einzelnen Strassenzüge.
Seite
a) Die Milit&rstrassen.
I. Von Äugusta Rauraoorum (Äugst) über Strassburg nach Main/ . . 13
II. Von Äugst nach Vindonissa 18
III. Von Vindonissa nach Regnnsburg 19
IV. Von Vindonissa nach Augsburg 31
V. Von Ad Lunain (Pfahlbronn am Grenzwall) nach Augsburg ... 33
VI. Von Speier nach Canstatt und nach Lauingen an der Donau ... 83
VII. Von Strassburg nach Canstatt 89
VIII. Von Julio Mago (Uüfingen) über Messkirch der Donau entlang nach
Regensburg .*.... 51
IX. Von Worms nach Ladenburg und Heidelberg nach Speier .... 54
X. Vom Castell am Grenzwall bei Osterburken nach Schlossau und von
da nach Odemburg (Mümmlingslinie) 58
XI. Zur Verbindung der Castelle längs des Grenzwalles (Limes trans-
rhenanus) von Pfahlbronn bis zum Main 60
b) Die römisch-keltischen Verbindungswege. 62
12. Von Worms über Weinheim nach dem Castell Eulbach an der Mümm-
lingslinie .' 62
13. Von Heidelberg nach Neckarelz und von da zum Grenzwall bei Ostcr^
burken 63
14. Vom Castell Neckarburken zum Castell Osterburken 66
15. Von Eberbach über Mudau nach dem Grenzwall bei Walldurrn . . 66
15 a. Von Mudau nach Amorbach und Castell Miltenberg 67
15 b. Von Neckarburken über Sattelbach nach Schlossau 69
16. Von Darmstadt längs des Gebirges nach Ettlingen 70
17. Von Speier über Wiesloch und Sinsheim nach Wimpfen 71
18. Von Sinsheim nach Böokingen 74
19. Von Wimpfen über Möckmühl nach dem Grenzwall bei Osterburken . 75
20. Von Wimpfen über Neuenstadt nach Oehringen 75
21. Von Neuenstadt nach Oberschefflenz 76
22 u. 23. Von Heideisheim über Hilsbach nach Sinsheim und von Men-
zingen über Eppingen nach Riechen 76
24. Von Eümbach über Böckingen nach Oehringen 78
25. Von Sternenfels durch das Zabergäu nach Lauffen und von da an den
Grenzwall bei Castell Mainhart . 78
Du römiMhe Struwoiiatc in den ZahDtluideD.
26. Ton BroohMl nach Liensingen 79
37 a and b. Terbindangifroge bei Ffonbeim 79
28. Ton Bockenheim auf dem HochgMUde naoh Sohwarzacb ^0
39. Von Baden Aber Offenburg, Freibnrg nacb Batel (Bergitraase) . . . 80
BO. Ton Malterdinfren über Biegel naeb Breiiaob 85
31. Ton OroMkeroba Utah Badesweilar S6
83. Ton Straaabnrg durch daa Baoohthal nach der Station Aria Flavia
der Conialantr. III 87
33. Tod Straatburg daroh daa Einrigthal nach Waldmöaaingen (ConaoUr-
atraaae II!) 88
U. Tom Hoohgaiiade bei Harlan nacb Burkheim 90
86. Ton Braiaach Ober Zarten cur ConBahntr. III bei Villingen ... 90
86. Ton HMlaoh Aber dat MöMle mr Consukrstr. 111 94
87. Ton Basel [rechtaaeitig daa Rheines) über Säckiogen und Waldahat
naoh der Station Tenedone der Coneularstr. III 96
38. Ton Tenedone nach Heukirdi 87
39. Von Pfjn oHch Singen 98
40. Von Slookach nach Tuttlingen 99
41. Von Krauchenwiea uach Pfulletidorf 99
43. Vom Hohenranden nscb Meeskircb 99
48. Von Meeraborg naoh Ravansburg 101
c) Huthmaesliche Saumpfade koltiiofaen UrBprungi. 101
Claans germuiioa pU fidelis. 107
2. Clatsis germanica pia fidelis.
Zu der Frage über die römischen Flotten auf Maas und Rhein,
welche auch die Jahrbücher schon wiederholt beschäftigte, hat unser ver-
ehrtes Mitglied Herr Schuermans unlängst eine Abhandlung im
Bull, des Ck)mm. roy. d'art et d'archeologie geschrieben, welche durch
die in diesen Jahrbüchern H. LXVI S. 78 f. publicirte Inschrift eine
nicht unwichtige Erweiterung erfahren hat. Ein Hinweis auf den In-
halt der Abhandlung des Herrn Schuermans dürfte manchem Leser
der Jahrbücher, dem die belgischen Publicationen nicht zugänglich
sind, willkommen sein. Herr Schuermans knüpft an eine Ziegel-
platte an, welche zu Rumpst am Ruppel (Scheide) gefunden wurde
und die Stempelinschrift C. G. P. F. trägt ; es wird dann das Vor-
kommen gleicher oder doch ganz ähnlich lautender Stempelinschriften
zu Aachen, Britten (od. Katwyck), Köln, Nymwegen, Voorburg, Weis-
weUer u. s. w. nachgewiesen, von denen manche ausser den genannten
Buchstaben noch EX- GER- INF oder LEG- XXX oder CAT- VALTF u. a.
zeigen; er zeigt weiter, wie die obenerwähnten Buchstaben auch in
Steininschriften vorkommen. Gerade die Fundorte sind es, welche Herrn
Schuermans zu der scharfsinnigen und durchaus annehmbaren Ver-
muthung führen, die sonst geläufige Lesung cohors Germanorum (oder
Germanica) pia fidelis sei aus verschiedenen guten Gründen zu ver-
werfen, und die vier Buchstaben müssten gelesen werden:
C(lassis) G(ermanica) P(ia) F(idelis).
Demnach bezeichnen dieselben die vielgenannte Flotte der Römer
in den Rheingegenden, welche einen Theil des exercitus Germaniae
inferioris bildete und ihre Thätigkeit nicht auf den Rhein allein, son-
dern ebenso auf das Gebiet der Maas und Scheide, ja noch weiter
ausdehnte.
Das einzige Bedenken, welches Herr Schuermans gegen diese
Lesung anführt, dass nämlich als Abkürzung des Wortes classis ein
einfaches C statt des sonst vorkommenden und naturgemässeren CL
angenommen werden muss, hat wenig Gewicht Herr Schuermans
weist zum Ueberflusse auf eine der Flotteninschriften hin, in welcher
ex casse statt ex classe steht (C. I. Rh. 684); aber in dieser Inschrift
möchte ich doch lieber nur einen Fehler des Steinmetzen annehmen,
der freilich seinen Grund in einer dialectiscben EigentbUmlichkeit des*
1
108 duni gamtniw pi> fldeüa.
selben haben mag; ein Einzelfehler bleibt es aber ebenso gut wie das
einmal (Gud. 52, 7) mtommende erassis Ramnnatiam, so sehr aach
dieser Uebergang des 1 in r dialectisch begreiflich ist. Wenn daher
auch immerhin die Natur der Liquida 1 hinter c die Abkttrznng des
Wortes elaasis in ein einfaches c erleichtem mochte, so ist der Grund
fUr diese AbkUrüung doch wohl eher darin za Sachen, dass man die
4 Wörter gleichmässig in je einen Buchstaben abkiirzeu wollte, wie
das in ganz gleicher Weise bei dem so Iiäufig vorkomraendeu V' C
für vir darissimus der Fall iat.
Wenn aber Herr Schuermaus eine EotscUelduDg f(tr seine
Lesung hauptsiicblich darin i^ieht, dass die Flotten die einzigen Theile
des römischen Heeres seien, welche kerne Ordnungsnuniiner bei ihrem
Nameü gehabt hätten, so ist dem gegenüber doch zu erinnern an eine
ala aug, p. f , eine ala coraeltauiL, eine ula illyrician», eine ala parth.,
eine ala picentiana (auch picentina), eine ala Valeriana, ferner an eine
cohors aelia praetor., eine cohors elinonia, eine cohors tarantasia, eine
cohors vigil. Roumn., eine cohoi'a aelanensis, eine cohors Asturum et
gallaecor., eine cohors tiaviana u. s. w., endlich an eine legio claasica,
eine legio hispana, eine legio frctensis, eine legio transrhenana.
Nichtsdestoweniger scheint mir an der Richtigkeit der Lesung des
Herrn Schaermans nicht gezweifelt werden zu können. Die erweiterte
Reihe der Denkmäler, mögen sie sich auf Personen oder auf bauliche
Anlagen beziehen, hilft das Bild von der Bedeutung und der Thatig-
keit der römischen Flotte in Niedergermanien vervollständigen.
Nachdem Herr Schuermaos so 18, vielleicht auch weit mehr
inschriftliche Denkmäler der Flotte neuerdings zugetheilt hat, stellt
er auch die übrigen Inschriften zusammen, welche diesen Truppen-
körper betreffen.
Es sind zunächst vier Inschriften, in denen der Name classis
germanica ohne jeden weiteren Beinamen vorkommt: C. I. Rh. 665
(Andernach); Mommsen III 727 (Burneri in Thracien) ; Ällmer,
Inscr. antiques I. p. 420 (Romagnieus in Frankreich); Renier, Inscr.
rem. de l'Alg. Nro. 4033. (Algier). Der Wortlaut der beiden letzten,
weniger allgemein zugänglichen ist bei Herrn Schuermans:
CLAVD- ALBINAE | TIB- CL- ALBINI' NAVARC- CLAS | GERM- BLIAE |
«■ POMPEIVS I PRISCIANVS | COIVGI OPTIMAE und
DIIS- «CAVjRiCIS II M POMPONIVS- VI i TELLIANVS TRIBVS ) MILITIIS'
PERFVNOTVS 1 P(RO)C- AVG' AD- CVRAM i GENTl(VM) PRAEF-
CLAS I SfS-GER/AANICAE'
Classifl germanica pia fidelis. 109
Dann folgen sechs Inschriften, in welchen die classis germanica
die Beinamen pia fidelis führt: C. I. Rh. 662 (Brohl), 684 (Bonn).
355 (Köln), 522 (Eifelj, OrelU-Henzen 3600 (Arles); Winckelmanns-
progr. 1862 p. 20, Anm. 7 (Köln). —
In einer Inschrift (C. I. Rh. 677) (Andernach) heisst die Flotte
classis augusta germanica pia fidelis.
Gewiss mit Recht theilt Herr Schuermans auch drei zu Cöln
(J.-B. H. V. p. 317), bei Brohl (Winckelm.-Progr. 1862 p. 16) und
bei Andernach (C. I. Rh. 680) gefundene Inschriften der classis ger-
manica zu, wenn schon in den Inschriften das Wort germanica nicht
ausdrücklich beigefügt ist.
Auch die beiden Inschriften (C. I. Rh. 1301 und 1302) aus
Mainz, welche Herr Schuermans aufführt und welche zwar nicht die
Flotte selber, wohl aber einen „signifer leg. XXII pr. p. f. optio nava-
liorum" und einen „signifer leg. XXII pr. optio navaliu(m)" erwähnen,
bringt er mit Recht in Beziehung zur römischen Hecresflotte, während
er die bekannte Blussus-Inschrift der Handelsflotte entschieden zu-
weist. Zur Heeresflotte gehört dann aber wieder die Herrn Schuer-
mans damals noch nicht bekannte, bei der Marienburg (Köln) ge-
fundene und in diesen Jahrbüchern (H. LXVI p. 78) veröffentlichte
Inschrift, welche einen gubemator und einen scriba, beides jedenfalls
Flottenbeamte, erwähnt.
Bei der Frage über den Beinamen germanica entscheidet Herr
Schuermans sich mit vollem Rechte für die Herleitung von Germania
und nicht von Germanicus, wofür die Hinweisung auf andere römische
Flotten völlig genügt. — Die Beinamen pia fidelis scheint er in der
Zeit von Traian bis Marc Aurel hinzugetreten sein lassen zu wollen;
zuletzt hätte sie noch den Beinamen augusta bekommen, wofür mir
jedoch die Stellung des Beinamens nicht zu sprechen scheint.
Die Abhandlung enthält dann noch eine kurze, übersichtliche
Geschichte der classis germanica von den ältesten Zeiten der Römer-
herrschaft bis zu der Zeit, wo das ganze Gebiet der Flotte sich von
den Römern unabhängig gemacht hatte, mit welchem Zeitpunkte dann
das Bestehen der Flotte von selbst sein Ende finden musste.
Zwischen all das Angedeutete eingestreut gibt Herr Schuermans
endlich noch eine Fülle von Einzelheiten, welche nach den ver-
schiedensten Seiten hin hochinteressant sind, und welche bewirken,
dass das Studium der Abhandlung des Herrn Schuermans für Alle,
welche sich in Zukunft mit der classis germanica beschäftigen werden.
110 Deber ein BarbotingaflUa d«r diemtligen Bammlnng Diioh-
nicht bloss nützlich, sondern sogar nothwendig sein wird. Dank wird
er nicht bloss bei diesen finden, sondern bei allen, welche sich fiir
die dassis gennanica pia fidelis interes^ren.
Bone.
3. Uaber ein Barbotlngenu der ehensügm Saanling Dfwta.
Hierta Tafel ni. Fig. 1.
Der beigegebene Holzschnitt stellt in c. 'A der natürlichen Grösse
ein Barbotingefäss aus ten-a sigillata dar, welches sich in der Samm-
lung Disch in Köln befand') und in die Hände des pariser Kunst-
händlers Charvet übergegangen ist. Dasselbe wurde im vorigen Jahre
bei S, Severin in Köln gefunden und ist von vortretfliclier Erhaltung*).
Die Höhe beträgt 32'/a cm, der Durchmesser des oberen Randes
IT/j cm, des unteren 8 cni, des Bauches bis zu 21'/* cm. Letzteren
.schmückt eine Keliefdarstellung von ITU cm Höhe; über derselben
befindet sich, mit weisser Farbe aufgetragen, die Inschrift ESCIPE' ET
TRADE SODALI VTRES^), welche sich, wie meist auf den Gefässen
dieser und ähnlicher Art, auf das Trinken bezieht und den Zweck des
Gefässes erkennen lässt. Dieselbe setzt 3 Zecher voraus, deren Einer
dem zunächst sitzenden Genossen zuruft und ihm die Schläuche zur
Weiterbeförderung an einen dritten übergiebt. Gewöhnlich ist in
diesen Inschriften von dem Gefässe selbst die Rede; so lautet die In-
schrift eines im Bonner Provinzialmuseum befindlichen Barbotinge-
fösses*): copo imple; dort wird dagegen von Schläuchen — der Plural
ist sehr merkwürdig ! — gesprochen, aus denen die Zecher offenbar
sich selbst einschenken sollen. Escipe für excipe weist auf späte
1} Nr. 2171 d«a KtUloge«, der »uoh eina Photo^aphie des Qefäiaes
enthUt.
2) Nur einielae dänne Banken scfaeinen abgestosten eu Beiu. Ich gebe die
Beschreibung n&ch einer Zeichnung, welche Herr Prof. Bus'm Weertb in Datür-
lioher GrÖMO hat anfertigen lassen.
3) Im Katalog lieit man „scipe et trade sodali utri" ; der Verfaster des-
Mlben lieii sich durch Ranken t&nichen, welche an der betreffenden Stelle aber
doD Raod der figürlichen Daretellaog binüberwachMn.
4) Pub). Bonner Jahrbb. XXI (1854) Taf. 1 ; of. S. fi7 ff.
üeber ein Barbotingefass der ehemaligen Sammlang Disch. 111
Zeit. Belege far diese Schwächung finden sich z.B. CIL VIII p. 1111
unter S zusammengetragen; ein Escitatus bei Brambach 825.
Die Figuren der Darstellung sind sehr verunglQckt; bald ist der
Thon zusammengeschrumpft, bald auseinandergeflossen, und es wird
die Vermuthung, welche HeiT Prof. aus'm Wecrth mir gegenüber
aussprach, dass das auf das gebrannte Gefäss aufgetragene Relief aus
zu nassem Thon bestanden habe, richtig sein. — Von links her greift
ein gänzlich unbekleideter, nur mit einer Halskette geschmückter,
bartloser Mann, dessen linker Arm einen gebuckelten Schild zum
Schutze vorhält, wie es scheint mit einem in 2 Aeste gespaltenen und
vielleicht belaubten Zweige einen ruhig von rechts her vorschreitenden
Stier an, dessen Nacken höckerförmig gebildet ist und dessen lang
herabhängender Schweif in einen breiten Büschel ausläuft. Links von
der beschriebenen Scene, auf dem Holzschnitt nicht mehr sichtbar,
eilt ein nicht ganz sicher zu bestimmendes Thier, wahrscheinlich ein
Hand oder ein Wolf 0, in raschem Laufe nach links davon und über
ihm ist ein Mann dargestellt'), in halb horizontaler Stellung — der
Oberkörper ist etwas mehr gesenkt — den RUcken der Erde zuge-
wendet, den rechten (?) Arm etwas erhoben, den anderen oben mit
einer Perlenkette geschmückt. Er war von 4em Stiere in die Luft
geschleudert und wird im nächsten Augenblick auf die Erde fallen. —
Die einzelnen Figuren sind durch besser gelungenes reiches Blätter-
werk, welches den grösseren Raum der Darstellung einnimmt und,
wie man es bei Barbotingefässeu gewöhnt ist, besonders herzförmig
gebildet ist, getrennt.
Man sieht schon aus der Beschreibung, dass die Deutung auf
verschiedene Schwierigkeiten stösst. Besonders aufifallend ist die Waflfe
der angreifenden Figur. Was kann ein dünner Zweig gegen einen
Stier ausrichten? Man könnte auf den Gedanken kommen, dass
auch hier mangelhafte Ausführung vorliegt und dass der fragliche
Gegenstand ein Netz sein soll, mit dem der Stier in ähnlicher Weise
unschädlich gemacht wird, wie der secutor und der murmillo in der
Arena. Ist diese Vermuthung nicht so vage, als es den Anschein hat,
so wird man auch unsere Scene auf amphitheatralische Spiele beziehen
müssen, wofür denn auch der Schild spräche. Ein Netz ab Waflfe
eines bestiarius wäre mir neu; dagegen kommen Schlingen häufiger
1) AUerdings sprieht der Stumpfsohwanz det Thitres dagegfen.
2) Die Füsse sind auf der Publikation noch eu erkennen.
113 üeber ein Barbotlnceftsi der eliemaligeii Samnloiig Ditoh.
vor; Bo auf einem Glase bei Garrncci, vetri omati di figure in oro,
Born 1864 Tfl. 34 und auf dem Diptychon des Areobindus bei Gori,
thesaar. veteram diptych. ITA. 7, jetzt in Zürich (cf. Benndorf, An-
tiken V. Zur. (Mittheilgg. Ö. antiquar. Ges. in Z, XVII [1872]
S. 138 ff.; vergl. auch Wüh. Meyer, 2 ElFenbemtafeln in München).
Die Verwendung eines Netzes, welches wir nur in den Händen des
Gegners des murmillo und des secutor ?.ü sehen gewohnt sind, für
Thierkämpfe wäre nicht wunderbarer, als es die Benutzung eigent-
licher Gladiatoren als bestiarii ist; ein Gladiator samaitischer Armatur
kämpft gegen einen Bären auf dem Mosaik zu Rheims (Loriqoet,
mosaiques d. ß. Id. VII), ein Thracx gegen einen Löwen auf einem
Uonument, welches in den memoires d. 1. Boci^tö d'hist d. Ch&lons s./S.
IV Tfl. 1 publiciert sein soll, ein eques gegen einen Hirsch auf einem
Graftito iGarrucci graff. TU. 14, 5); vielleicht sind auch auf einem
canipanischen Relief (Museo Campana Tfl. 93) — dann freilith unge-
nau — ein Thraex und 2 Samnites im Kampf mit Thieren dar-
gestellt. —
Uebrigens fehlen auf uuserm Gefässe sowohl die Arm- unil Bein-
bandagen, welche die bestiarii meiittena, als das sitbligaculum, welches
dieselben, wie auch alle Gladiatoren, stets tragen, und so müssen wir
gestehen, dass eine sichere Entscheidung, ob ein Thierkampf in der
Arena oder ii> freier Natur dargestellt sei, nicht möglich ist.
Bonn. Jonas Paul Meier.
4. Einige wettere Geftsse mit Insciiriften.
Hierzu Taf. in. Pigg:. 2 u. S.
In der Disch'schen Sammlung befanden sich noch 10 andere rö-
mische Thongefässe mit Inschriften, von denen 2 eingekratzt, 8 auf-
gemalt sind. — Von den erstem beiden war die auf einem kleinen,
20 cm hoben, doppeltgehenkelten weissen Thonkrug (NV 2169d. Cat.):
AD BONOS PROCEsrsOS) offenbar falsch; hingegen die andere auf
einem ähnlichen kleineren, nur 12V« cm hoben weissen Tbongefäss
(Nr. 2170 d. Cat): IVQVNDA acht. Letzteres befindet sich im Pro-
vinzialmuseum hierselbst
Einige weitere Gefasse mit Insohriften. 118
Aus der Categorie der mit reliefartig weiss anfgemalten Inschrif-
ten versehenen, z.uerst in diesen Jahrbüchern von Otto Jahn, später
von Dttntzer und Fiedler besonders besprochenen Trinkgefässe, die
meistens aus einem schwarz überstrichenen, oder besser gefimissten
röthlichen Thon, seltener aus Terra-Sigillata bestehen, ist aus letzter
Gattung durch Grösse, seltene Darstellung und die Eigen thümlich-
keit der Inschrift der vorstehend von Dr. Meier publicirte Krater
das bedeutendste Stflek. Leider ging er wegen seines unerhörten Prei-
ses von 1815 M. ms Ausland, in den Besitz des Kunsthändlers Char-
vet in Paris. Neben diesem hervorragendsten Terra-Sigillata-Gefass
verdient jedoch auch ein anderes (Nr. 2172 d. Cat.) eine Abbildung,
welches für 363 Mark in den Besitz des Herrn Franz Merkens ge-
langte. Es ist, wie Taf. II, 2 zeigt, ein dem vorigen ähnlicher Misch-
krug, dessen Wandung Lotosblätter in aufgelegter Barbotin -Tech-
nik umranken. Die am Bande in weisser Farbe aufgemalte Inschrift
IMPLE 0 LADA gehört zu den seltenern. Düntzer hat dieselbe bereits
besprochen (Jahrb. XLII, S. 88) und mit Recht als eine Mahnung des
Kruges an den Besitzer Ladas, ihn zu füllen, aufgefasst. Die Auf-
schrift: IMPLE 0 LADA wiederholt sich noch einmal auf einem der 7
schwarzen, mit weissen Trinksprachen versehenen Becher der Disch'-
schen Sammlung (Nr. 2165 d. Cat.). Die Aufschriften der andern (Nr.
2159-64 d. Cat.): MERVM, AVE, VIVAS, EME, BIBE sind die ge-
wöhnlichen. Durch die in gelber und weisser Farbe abwechselnd auf-
gelegten Verzierungen verdient der erste, jetzt im Besitz des Herrn
Franz Merkens, hervorgehoben zu werden.
Im Bonner Provinzialmuseum, welches besonders durch den Er-
werb der Herstatt'schen römischen Trinkgefässe wohl die reichste
Sammlung dieser Categorie der Bheinischen Fabrikation vorherrschend
angehöriger Thonwaaren besitzt, befinden sich noch zwei ähnliche mit
Barbotinranken verzierte Misch -Erüge von Terra - Sigillata. Der eine
im^ Jahrb. XXI, Taf. I abgebildete und von Fiedler S. 57 bespro-
chene, hat die gleiche Inschrift COPO IMPLE: Wirth schenk' ein; den
andern, bisher unveröffentlichten, in der Ursulagartenstrasse zu Cöln
gefundenen, 18 cm hohen, zeigt Taf. n, 3. Seine Aufschrift: SITIOS
kommt wiederholt vor. Zur Veranschaulichung dieser Art von Terra-
Sigillata-Mischkrügen mit Barbotin -Verzierung und weiss aufgemalten
Buchstaben bilden die vier hier mitgetheilten eine beachtenswerthe
Gruppe.
In diesem Augenblicke wurden zu Andernach auf dem Martins-
8
^^
114 " Einige weitne QflfiHe mit Iniohriften.
berg h GeßoB mit Inscbrifien gefunden,' die ich nach einmaliger, tlUch-
tiger Ansietat wie folgt yn^cbne:
1. Ein Mischkrag von sdivarz geHlrbtan Thon mit weissen Buch-
staben :
I.N.P.L.E. M.E.t
CO. P.O. V.I.N.l.t
Offenbar ist iNPLE die seltener und Tielleicht ältere Form fllr
IMPLE').
2. Ein Henkelkrug von hellrotfaem Thon mit weissen Bnchfltaben :
A.V.E.T.E.t
F.E.L.I.C.E.S f
3. ^ roUier Henkelkrag mit weissen Bachstabeii':
M.I.S.C.E. M.E
4. Ein kleiner Becher von schwarzüm Thon mit weissen Buchstaben:
V.I.V.A.
5. Ein desgl.:
V.I.V.A. V.S.V.S.
Dass mit diesen Trinkgefässen eine Mittelerz-Münze der ällrrcn
Fftustina gefunden wurde, mag füi' die Datirung nicht unwichtig er-
scheinen.
Aas'm Weerth.
5. Kleinere MItthellungen aus dem Provinzial-Museum zu Bonn,
Erwerbungen und Funde.
HierEQ Taf. IL
1. Blamenvase und Spiegel aus E9ln.
Unter vielen andern römischen und unter diesen besonders christ-
lichen AUerthümern, welche der reichen Begräbnissstätte bei S. Severin
in Köln entstammen, und zu denen ausser der berflbmten im Jahrb.
XXXVI, Taf. in abgebildeten Disch'schen Glaspatene (dieselbe gelangt«
aus der Disch'schen Nacblass -Versteigerung unter Nr. 1357 für 6400
Mk. in das Britische Museum) auch die vorstehend besprochene Ter-
ra-Sigillata- Urne Taf. III, 1 gehört, verdient durch die Eigenthilm-
licbheit seiner Form besonders ein Blamengcfäss aus Thon hervorge-
hoben zu werden. Dsüselbe wurde im Jahr 1862 beim Bau der altem
Kölner OasFabrik in der Rosengassc gefunden, gelangte in den Besitz
1) Einmal aach bei Kamp, Äntieagliea Nr. 164. Man vergl. im folgenden
72. Heft „TrinkgefiMse mit iDtcbriften* unter den „Sleinere Mittheilungen ana
dem Prov.-HuiOBm ta Bonn."
Kleinere Mittheilimgen aus d. Prov.-Mnseom za Bonn, Erwerbungen n. Fonde 116
des Directors dieser Anstalt, unseres verstorbenen Mitgliedes Pepys, und
aus diesem in die Sammlung unseres Yereinsmitgliedes Herrn F. H. Wolflf in
Goln, welcher auf meinen speziellen Wunsch dasOefässdemProv.-Museum
überliess. Wie man aus der Abbildung auf Taf. 11, 1 ersieht, ist dasselbe ein
Ringget'iss. Aus weissem, feinem Thon gebildet, besteht es aus einem 18 cm
im Durchmesser haltenden Hohlringe zur Aufnahme von Wasser, auf
welchem sich drei kleine, 9 cm hohe Blumenvasen erheben. Dieselben
haben die übliche Form der römischen Trinkbecher und waren unter
sich vollständig gleich. Ich sage, sie waren vollständig gleich, denn
leider wurden im Verlauf der Jahre zwei derselben, wahrscheinlich
beim Umzug des früheren Besitzers von Köln nach Boppard, zerbrochen.
Die Wandungen der kleinen Blumenbecher sind auf dem weissen Grunde
des Thones in heller braunrother Farbe mit Bäumchen, Zweigen und
Punkten bemalt. Auf dem Ringe, dessen innere Hälfte gerundet, und
dessen äussere dreiseitig gebildet ist, befinden sich, und zwar auf der
äusseren Hälfte, in gleicher Bemalung zwei rundlaufende Inschriften,
von denen die obere aus irgend einer Laune des Bemalers punktirt
ist. Die unterste der 3 Flächen füllt ein Omamentband liegender
Kreuze. Die obere punktirte Inschrift lautet:
IIX SVPIIRIA DONAVIT IVSTINII
also: ex superia donavit lustine. Durch die aufstehenden kleinen
Vasen ist der für die ganze Inschrift bestimmte Raum in drei gleiche
Theile getrennt, in welchen die darin stehenden Worte durch kleine
gefiederte Zweige begrenzt werden. Die untere Inschrift lautet:
VTI FELIX SALVS TIBI DONAVIT VIVAT QVI FIICIT
Hinter dem Worte FIICIT befinden sich 5 liegende Kreuze gleich denen,
wie sie im untern Räume als Ornament erscheinen, und ein kleiner
Zweig. Eine Abbildung des Oefässes habe ich zur Zeit für das Cor-
pus Inscr. Rhen. hergegeben, in welchem Brambach unter Nr. 422
sie aufgenommen hat. Die Aufmalung der Zierathe in rother Farbe
trägt den Charakter sehr später christlicher Krüge derselben Fund-
stätte, wohingegen das schon in pompejanischen Inschriften vorkom-
mende il für E, und e statt ae auf frühere Zeit weist. Deshalb ist
es nicht unglaubhaft, wenn berichtet wird, dass der unten auf S. 117
zu besprechende Deckel eines Metallspicgels mit diesem Blumen ge-
fäss zusammen gefunden worden.
An ein ähnliches Binggefäss erinnert ein Fragment des Berliner
Antiquariums, das aber zu zerstört ist, um seine ursprüngliche Gestalt
mit Sicherheit feststellen zu können. Es besteht aus einem ziemlich
116 Elein«re Uittheilaagen ans d. PrOT.-HDieum sn Bonn, Erwerbnngeii n. Fonds.
grossen, beinalie 20 cm im Durchmesser haltenden rothbraunen Tbon-
riag, der aof seiner Wandung in weisser aufgemalter Farbe zwischen
zwei OnumentstreifeD folgenden Inschriftrest zeigt:
T//////////')///JVS PLACEBO///nBI .K>
Den Schluss bildet ein Blatt and ein kleiner Vogel. Offenbar haben
wir auch hier eine ähnliche Dedicationslnschrift vor uns, wie sie auf
dem Kölner Gefass steht. Ansätze von kleinen Vasen, wie sie auf
diesem sich beßndcn , sind jedoch nicht erkennbar. Der gesammte
obere Rand des innem Knges zeigt eine durchgehende Bruchääche,
so dass jedenfalls die weitere GefUssbildung nach Innen sich fortsetzte
und hier vielleicht zu einer einzigen Mittelvase gelangte. — Diese
Gelegenheit mdchte passend zur Erwähnung noch einer andern Art
ungenöbnlichcr Thougcfässe seiu, nekbc ich gleichfalls fflr Blumen- .
schmück bestimmt erachte. Fiedler veröffeatlichte aus den rSni--
sehen Funden von Xanten ein 52 cm hohes tburmäbnliches Geffiss
von rotbem Tbou, dessen Wandung von 15 halbrunden Oeffnungen
durchbrochen ist. Rund um dieses Geföss standen 40 kleine Becher*).
Ein ähnliches Geräth soll sich im k. k. Antiken-Cabinet zu Wien be-
findeD. Bezüglich der Zweckbestimmung rietb man auf Laternen oder
kleine Oefen, indem man sich diese durchbrochenen Tbürme schützend
Ober Eohlenfener gestellt dachte. Im Bonner Musetmi ist ein ähnliches
Gefäss von weissem Tbon, welches durch das Vorhandensein eines
festen Bodens das Ueberstellen auf Feuer ausschliesst. Um solches
aber durch die äusseren Oeffnungen einzubringen, dazu sind letztere,
wie eine nachfolgende Abbildung (Heft 72 Taf. 1, 2) zeigt, zu klein. Auch
würde hei einer solchen Verwendung eine Luftzug -Oeffnung in der
Spitze nicht fehlen dürfen. — leb bin der Meinung, dass diese Gefässe
die älteste Form unserer jetzigen Jardini^ren zeigen und bestimmt
waren, in allen gelassenen Oeffnungen eingesteckte Blumen aufzu-
nehmen. Dem Blumenschmuck der Gräber sucht man die möglich längste
Dauer zu geben. Gerade aus dieser Absiebt stellte man in dem Köl-
ner Gefäss von S. Severin die 3 kleinen Vasen auf einen mit Wasser
gefüllten Bing, damit die in erstere eingesteckten Blumen in letzteren
Wurzeln bilden konnten, wie dies z. B. Vergissmeinnicbt zu thun
pflegen. Der Einfluss des Wassers im geschlossenen Ringe schützt
es vor Verflüchtigung. Denkt man sieb die Thurm- Gefässe nun mit
nassem Sande angefüllt und in diesen durch die gelassenen Oeffnungen
1) Banm f&r 4 Baobatebao.
S) Hoiibeni Antiquarinm, heraatg. v. Fiedler, Tef. XXXVI u. f.
Kleinere MiitheiluDgen auB d. Prov. -Museum su BonH) Erwerbungen u. Funde. 117
Blumen eingesteckt, so werden dieselben zum Theil anwachsen, jedenfalls
aber von längerer Dauer sein, da durch seine Einschliessung der nasse
Sand die Feuchtigkeit länger als sonst zu bewahren im Stande ist.
Auf Blumenschmuck deuten auch die in Xanten um das grosse Gefäss
herumstehenden, in die Erde eingestellten 40 Becher, welche sicherlich
Blumens(penden für den Verstorbenen aufnahmen.
Mit dem Kölner Blumengefäss zusammen soll der auf der gleichen
Tafel II Nr. 2 in natürlicher Grösse abgebildete Deckel eines Metallspie-
gels gefunden worden sein, der sich gleichfalls seit Kurzem im Bonner
Provinzial- Museum befindet. Der Deckel bildet gleichsam ein grosses
Medaillon, weshalb er im ersten Augenblick den Eindruck einer Pha-
lere macht, bis der senkrecht nach Innen umgebogene Rand und die
Versilberung der Innenfläche den Zweck des Deckelverschlusses und
den Charakter des Spiegels erkennen lassen. Die Mitte der Metall-
Bcheibe nimmt die nach rechts gewendete, mit einem Lorbeerkranz
geschmückte Profilbüste Nero's ein, um welche als Umfassung drei
wellenförmig erhöhte Ringe laufen. Die Prägung des Kaiserbildes ist
offenbar mit einem guten Münzstempel vollzogen. Es giebt uns den
Avers eines Grosserzes, von dem sich in Ermangelung des Reverses
indessen VTeiteres nicht sagen lässt.
Die Umschrift lautet:
NERO . CLAVD . CAESAR . AVQ . GER . (manicus) PM (pontifex maximus)
TRP (tribuniciae potestatis) IMPPP ^).
2. Geräthschaften Römischer Aerzte.
Zu den in diesen Jahrbüchern bereits publicirten vier Arznei-
kästchen ') gesellt sich ein fünftes, das in der Auction Disch unter Nr.
1828 als ein bis zur Unkenntlichkeit oxydirter Gegenstand für 2 M.
1) Bei Fröhner (Les Medaillons de l'Empire Romain) kommt diese Um-
Schrift des Nero nicht vor, dagegen mehrfach bei Cohen, (Mödailles imperiales,
ed. IL Paris 1880). Genau dieselbe z. B. Nöron (t. I, p. 277), Nr. 1, 2, 3, 9, 14
und öfter; daneben ähnliche in Menge.
Es wäre auch zn bemerken, dass von Trajan ähnliche ümfassangen von
GroBserzen yorkommen, wobei dann aber auch der Beyers sichtbar bleibt; so bei
Cohen, Trajan (t. U, p. 55) Nr. 842, abgebildet auf Taf. ü. Dies ist auch ein
GroBserz, während auf Taf. I Nr. 296 ein Medaillon von Trajan eine ähnliche
Umfassung zeigt, nur sind beide nicht so breit, wie hier Nero. Beide sind ab-
gebildet bei Fröhner, (la oolonne Trajane etc. Paris 1872) t. I, p. 24 a. 26. Das
erstere, Cohen 342, war in der Sammlung Mustier und wurde 1872 von der
Pariser Sammlung for 700 £r. erworben.
2) Jahrbuch XIY und LH.
w
r
118 KleinwB MittheiluDgen aaB d. ProT.-MnMom BUBonn, Enrarbangm n. Fondo.
20 Pf. iUr das Prov.-Huseum erworben worde. Nach geschehener Bei-
njgang ergab sich ein Schieber-Kästchen tod 8 cm Länge, i cm Breite
and 2 cm HOhe, welches im inneni Baom durch 2 senkrechte Hetall-
wände in drei gleiche Fftcher abgetheilt ist. Kleine in Chaniieren
gehende Klappdeckel, w«lche mit zierlichen, in Bingen li^enden Griffen
zum Aufbeben der erstan veraefaen sind, verschliessea die drei AV
Eine Berandung
eingravirter Linien
verziert Deckel und
Boden. Ah eigen-
thilmlicti muss noch
bemerkt werden,
dass die vier Seiten des kleinen Arznei kästchens aus Doppelwänden
von 1 cm Breite bestehen, welche raitThon gefüllt waren, voraussicht-
lich um durch eine Isolirschidit Wärme oder Feuchtigkeit von den
bewahrten Substanzen fern zu halten.
Als ein besonders ansprechen-
des chirurgisches Inatrament daif
die Lanzette anfolgender Abbil-
dung gelten, welche einem Bon-
ner Funde angehört. Die S'/i cm
lange Scheide aus Elfenbein bildet
die Form einer Herme nach. Die
KopfbilduDg entspricht dem tra-
ditionellen Typus des Äesculap.
Ob die Andeutung der Genitalien
lediglich allgemeiner symbolischer
Bedeutung oder eine Hindeutung
auf die specielle Gebrauchsan-
wendung der Lanzette ist, bleibt
dahingestellt Die Klinge schlägt
seitwärts ein und ist am untern
Ende durch ein Metallband in der
Scheide gefestigt.
Ohne kanstlerische Formver-
edlung, aber von seltenem Vor-
kommen erscheint die nebenste*
hende Metallzange von IS'/i cm
Zar Iirinneniog an die Disob'aohe SammloDg römiaoher Qläaer. 119
Länge. Beide Schenkel der Zange enden in gegeneinanderstehende
löffelähnliche Wandungen, deren äusserer Band sägeartig eingeschnitten
ist, offenbar um einen einmal gefassten Gegenstand mit Sicherheit
festhalten und vor dem Zuruckrutschen hüten zu können. Solche Zan-
gen (Tenaculum)i ähnlich den noch jetzt gebräuchlichen Greifzangeu
für Polypen, dienten zum Erfassen warzenförmiger Auswüchse oder
Geschwüre, um dann deren Entfernung mit dem Messer vornehmen
za können. Das Prov.-Museum erwarb dieses Instrument aus der
Garthe'schen Sammlung in Köln.
Aus'm Weertb.
6. Zur Erinnerung an die Disch'sche Sammlung römischer Gläser.
Hierzu Taf. V, VI und VII.
Unstreitig war die Sammlung römischer Gläser, welche der im
vorigen Jahre um diese Zeit verstorbene Herr Carl Disch zu Cöln
zusammengebracht, einerseits eine der bedeutendsten und vielleicht die
bedeutendste, welche überhaupt von Privatpersonen gebildet worden,
denn die bekannten ähnlichen Sammlungen des verstorbenen Herrn
Slade in London und die des Herrn Charvet in Paris übertreffen sie
mindestens nicht, andrerseits gewährt ^ie einen unumstösslichen Beweis
für den Reichthum der Golonia Agrippinensis an Glasgefässen, da
diejenigen der Disch'schen Sammlung mit wenigen Ausnahmen ent-
weder in Cöln selbst oder in Cölns nächster Umgebung gefunden wor-
den sind.
Die Sammlung Disch ist in Folge des im Mai dieses Jahres statt-
gehabten meistbietenden Verkaufs durch die Firma J. M. Heberle (H.
Lempertz Söhne) in Cöln, gleich allen früheren grossen Privat-Samm-
lungen, die sich seit zwei Jahrhunderten dort gebildet, in alle Welt
zerstreut worden. Sie umfasste nach dem Catalog 2586 Nummern,
von denen 432 römische Gläser sind; auf diese kamen aus dem Ge-
sammtbetrag der Versteigerung von 372952,90 M. die Summe von
58121 M. incl. Aufgeld >).
1) Von dem 180 Seiten und 20 Licbtdruckiafeln umfiasBenden Verkanfi-
Catalog ist eine Luxus -Ausgabe in Quart erschienen, welche an hervorragende
Personen und Freunde des Verstorbenen als Geschenk yon der Heberle^sohen
Handlung yertheilt wurde.
1
180 Zur Erinneroiig tn die DiKih'tabs Sunmloiig römioober OUUer.
In dem Angenblicke, wo der Drack dieses Jahrbuches dem Ab-
BchluBB nahe ist, werden ans die beifolgenden drei Tafeln V, VI, Vn
mit Abbildungen von 162 römischen Gläsern der Disch'Schen Samm-
loSK welche im Auftrage der Heberle'schen Handlang die Eunst-
anstalt B. Kohlen in M.-Gladbach angefertigt hatte, für die Yeröffent-
Uehang in dankenswerther Weise znr Verfügung gestellt
So mannigfache Bedenken anch der VerOffentlicliang dieser Ta-
feln iii den Jahrbüchern entgegen standen, weil ünestheils mannig-
fache hervorragende Stücke aus technischen Gründen eine Berücksich-
tigung nicht fanden, so z. B. die beiden Goldgläser Nr. 1357 und 58,
die bildlichen Stempel 1694 u. s. w., anderntheils in dem kurzen Zeit*
räum von kaum einigen Tagen eiue eingehende Besprechung nicht zu
ermöglichen war, hat der Vereins- Vorstand dennoch geglaubt zugrei-
fen zu sollen. Werden dadurch doch eine ganze Beihe der interessan-
testen Forioen und technischer Kunstfertigkeiten der Betrachtung zu-
gänglich gemacht, der Verbleib der bekanntesten Stücke in wflnschens-
wertber Weise regiatrirt und vor allem dem eben so liebenswürdigen
als in seiner Sammeltbätigkeit glücklieben verstorbenen Besitzer ein
Andenken an dieser Stelle gesichert.
Carl Disch's Sammelthätigkeit begann in der Zeit, als der wieder
aufgenommene Cölner Dombau den Sinn und die Begeisterung für die
mittelalterliche Kunst belebte. Sie war deshalb unter dem leitenden
Einfluss jener Zeit und unter ihren Personen, besonders dem des Dombild-
bauers Christian Mohr, in der ersten Periode vorherrschend eine mit-
telalterliche. Die Sammlung Laven, jene erste grössere Kunstsamm-
lung, welche die Firma Heberle im Jahre 1853 zur Versteigerung
brachte, hatte damals durch die Höhe ihrer erzielten Preise am Rhein
dazu beigetragen, Aufmerksamkeit und Interesse auf bisher weniger
beachtete Gattungen des alten Kunstbandwerkes: auf die mittelalter-
lichen Thonkrüge der Bheinischen Werkstätten von Siegburg, Raercn,
Grenzbausen, Frechen, auf Venetianische and deutsche Gläser, geschnitzte
Möbel, besonders kirchliche Geräthscbaften von Elfenbein und Emaille
hinzulenken. Und wenn wir diese so erfolgreiche, grossartige Bewe-
gung auf dem Kunstgebiete lediglich historisch betrachten, so dnrfen
wir nicht verkennen, welch grossen fünfluss darauf Männer wie Ram-
boux, Kreuser und August Reichensperger, unter den Künstlern Statz,
Friedrich Schmit, Mohr, Grass, auf die Sammelthätigkeit als solche
damals besonders Dr. Franz Bock in Cöln aosübteo.
Die Abtbeilang der römischen Antiquit&ten und darunter
Zur Erinnening an die Disoh'sche Sammlang römischer Olftser. 121
besonders die der Gläser entstand in der Discb'schen Sammlung erst
später, etwa am Ende der 50 er Jahre, nachdem durch die Erlangung
eines der hervorragendsten Stücke dazu Veranlassung gegeben worden,
nämlich durch die Auffindung der nachmals so berühmt gewordenen
christlichen Glaspaten e St. Severin, welche nunmehr für 6400 Mark
in das Britische Museum gelangte. Als ich im Jahre 1864, deren hohe
Bedeutung erkennend, zur sofortigen Veröffentlichung im 36. Jahrbuch
schritt, machte dieses Kölner Fundstück besonders dadurch eiii bierech-
tigtes Au&ehen, dass es den bisher unangetasteten Glauben durch-
brach, als seien Gläser dieser Goldtechnik lediglich dem Fundgebiete
der Stadt Bom angehörig. Im 41. Jahrbuch folgten dann das in der
Magnusstrasse zu Göln gefundene Affenglas (Nr, 1368), welches von
den Erben des Verstorbenen der Stadt Göln nunmehr geschenkt
ist, und jene herrliche, dunkelrothe, aussen mit rosettenartigen Ver-
zierungen fa^onirte Schale, die leider nicht in ihrer Heimath blieb,
sondern für 1850 Mrk. an die Handlung BoUin in Paris gelangte.
Damals stand dem Wunsche einer fortgesetzten Veröffentlichung
weiterer Gläser der schon fast die Zahl 100 erreicht habenden
Sammlung Seitens unseres Vereins der Kostenpunkt der Tafeln
entgegen. Sofort liess Carl Disch in entgegenkommendster Weise
bei dem geschickten Lithographen und Farbendrucker Adolf Wall-
raf in Göln die zunächst gewünschten Tafeln auf seine Kosten an-
fertigen. Sie sollten in den Jahrbüchern, und mit den früher er-
schienenen vereinigt zugleich als eine besondere Schrift erscheinen,
welche als Geschenk für die Besucher der Sammlung bestimmt
war. Zwischenzeitlich war — wie man sagt in der Ursulagarten-
strasse — das diatretische doppeltgehenkelte Pokalglas gefunden worden,
das wir Taf. VI unter Nr. 1356 erblicken. In seiner Begeisterung für
dieses vermeintliche Prachtstück liess der erfreute Besitzer auch dieses
sogleich abbilden, um es der beabsichtigten Publication beizufügen. Da
ich mich der Ueberzeugung von der Unechtheit dieses Glases nicht
zu erwehren vermochte, Carl Disch aber der Möglichkeit, getäuscht
zu ^in, keinen Baum geben wollte, so zerschlug dieses gegenseitige
Verhalten die weitere Publication. Es erfüllt mich mit Wehmuth, wenn
ich an die Zeit herzlicher Freundschaft und freundlichen Verkehrs und
deren Wandlung in Folge einer wissenschaftlichen Meinungsverschie-
denheit denke. Wissend, dass dem Verstorbenen die Aechtheit dieses
Glases gleichsam Herzenzsache geworden war, habe ich es jahrelang
gern vermieden, über dasselbe öffentlich ssa sprechen. Jetzt aber, da
US Zur BiiBnenmg an die I>iMhWhe SammloDg romisohar Ql&aer.
dieses Glas keines Menschen Frieden mehr bedroht^ kann ich nicht
umhin, meine im 59. Jahrbuch S. 69 angedeutete Meinung nochmals
auszusprechen. Betrachtet man nämlich nach Hinwegdenkung des
umgebenden Netzwerkes den Pokal, so erblickt man ein Kelchglas von
durchaus mod^ner Form ; ja die beiden Ringe des Fusses und der
zwischen letztern und dem Kelch aufsteigende kurze runde Schaft er-
innern an die landläufigsten Motive unserer Weingläser. Dass der Kelch
gemäss dem oberen Abbruch noch etwas höher war, und dadurch der
Biertulpe ähnlich wird, vermehrt nur seinen modernen Eindruck. Durch-
aus modern erscheinen auch die auf dem äusseren Mantel des Glases
zwischen Blumen befindlichen drei nackten gefifigelten Knaben, von
denen der mittelste auf einem Felsen sitzt, die beiden andern auf
diesen zueilen. Ebenso ist ihre Aufmalung mit Goldschaum alter
Technik keineswegs entsprechend. Das Wesenhafte und Schwierige rö-
mischer Goldmalereien auf Glas besteht darin, dass letztere isum Scbuts
gegen Verwischung mit emem dünnen Glasüberfang versehen sind.
KeiMswegs will ich aber, wie das bereits früher von mir ausgeführt
ist (Jahrb. 64 S. 119), behaupten, dass es nicht auch römische und
selbstverständlich spätere Glasmalereien ohne Glasttberfang gegeben
hat Diese sind aber alsdann so sorgfältig gefestigt, dass sie keines
Ueberfangs bedürfen und ihn vielleicht gerade aus diesem Grunde nicht
besitzen. Das Disch^sche Glas hat nun aber weder den Glasüberfang,
noch sind seine Goldbilder dauerhaft aufgefestigt. Ein von mir mit
Erlaubniss des vorstorbenen Besitzers an nebensächlicher Stelle vor-
genommener Versuch ergab das Resultat, dass das Gold vollständig an
dem wischenden Finger hängen blieb. Wie soll nun das umgebende
Netz an das vorher fertig gestellte und decorirte innere Glas im Feuer
angeblasen sein, ohne dass diese lose Goldmalerei lädirt wurde und ver-
ging ? wie konnte eine so lose Goldauflage überhaupt der Flamme, wie
nur der Beinigung des Glases von der umhüllenden Erde, als es aus
dieser empor geholt wurde, widerstehen? Der Fuss war, wie man
ersieht, vom Kelch abgebrochen und hat dadurch bei mir die Meinung
hervorgerufen, dass der Netzkorb für sich allein gemacht ist und der
Glaskelch in zwei Stücken in der Weise dann damit vereinigt wurde,
dass zuerst die Kuppe von oben in das Netz eingesenkt, der vorher
abgebrochene Fuss aber von aussen daran gefügt ist. Eine Glasver-
bindung von Kelch und Netz vermochte ich nicht zu entdecken. Die-
sen technischen und formalen Bedenken gegenüber erscheint es ganz
gleichgültig, ob man das Gefass in die spät römische oder in die frän-
Zar ErinneruBg an die Disch'sohe Sammlung römischer Gl&ser. 123
lösche Zeit setzt, obgleich in letzterer wohl die Verzierungsweise an-
liegender» aufgeschmolzener, dünner oder dicker Glasfäden vorkommty
nicht aber freistehender Netze.
Aber die Disch*sche Sammlung hat so zahlreiche und darunter
so bedeutende Werke der römischen Olaskunst, dass sich wahrlich
um dieses einen Glases willen ihre Bedeutung nicht verringert. Selbst
die Gruppe der Goldgläser, zu welcher es gehört, bleibt unerreicht durch
die bereits vorstehend erwähnte christliche Patene mit den eingesetz-
ten blauen und grünen Medaillons. Es sei hier noch bemerkt, dass
ein einzelnes lose gefundenes dieser Medaillons, den stehenden jugend-
lichen Heiland mit dem Stab in der Rechten darstellend, welches der
Verstorbene mir im Jahre 1864 schenkte, sich seitdem in der Vereins-
sammlung befindet Es bildet den Beleg für die von mir Jahrb. LXIII,
S. 100 ausgesprochene Ansicht, dass diese unabhängig von den Glas-
gefässen vorher und im Vorrath gefertigten bunten Medaillons in die
Wandungen ersterer beim Ausblasen eingesteckt wurden.
Daraus erklärt es sich auch, wenn irrthümlich, wie hier zweimal,
ein und dieselbe Darstellung mehrfach vorkommt, indem beim Einsetzen
der verschiedenen Medaillons der Glasbläser sich vergriff. Von zwei ähn-
lichen Schalen mit eingesetzten bunten Medaillons, freilich ohne Gold-
figuren, kam die eine Taf. V Nr. 1395 nach Basel, die andere Taf. V Nr.
1455 in das Bonner Provinzial-Museum. Zu dieser ersten Gruppe sind
dann auch zwei zierliche Trinkbecher von weissem Glase Taf. VI Nr.
1389 und Taf. VII 1454 zu rechnen, welche beide in das Bonner Provin-
zial-Museum gelangten und von denen der letztere vier kleine blaue
Pasten, der erstere solche traubenförmig zusammengestellt in rother
und grünlich - blauer Farbe unter kleinen aufgeschmolzenen gleichfar-
bigen Bogenstellungen zeigt. Ein grösseres bei S. Ursula gefundenes
Fragment einer kleinen viereckigen Platte mit der in Gold contourirten
Gestalt des Apostels Marcus, zu dessen Seiten der Löwe und derOber-
theil einer jugendlichen Gestalt erscheint^ Nr. 1358, ist leider nicht zur
Abbildung gelangt und für 490 Mark nach Paris gekommen. Zwei
kleine andre Fragmente, Nr. 1359, die zu der ehemals Herstatt'schen
Schale (Jahrb. XLII, Taf. V) gehören, gelangten zur Vereinigung mit
derselben in das Britische Museum.
Die hervorragendsten Gläser aber umfasst offenbar die zweite
Gruppe, nämlich diejenige, bei denen der figürliche Schmuck durch
Gravur hergestellt ist. Sie ist die am wenigsten zahlreiche und ent-
hält nur 8 Nummerui aber darunter als zweites Prachtstück der gan-
134 Zur Erinnerniifr nu die Diaok'aolie Sammtnug römüolier Oliaer.
MD Sammlang den in einem rSmischen Grabe zu Bonn gefundenen
20Vi cm hohen Becher, Taf. VI Nr. 1361, welcher wegen seines unerhörten
Preises von 8000 Mark in's Ausland, in die Sammlung Basilewaky
gelangte. Das Glas iat in unserer Abbildung anstatt auf den Fass
auf die OefinuDg, also auf den Kopf gestellt. Von deü zwischen zwei
Omamentb&ndem aufgeführten fanf Figoren erblickt man nur zwei
theilweise, zwei sitzende weibliche Wesen, von denen die hintere einem
mit dem Trinkhom hinzueilenden Jüngling den Becher znm Ein-
schenken hinhält. Da wir diese Darstdlung der spätesten römischen
Zeit im zweitfolgenden, dem 73. Hefte dieser Jahrbücher besonders
abbilden lassen und besprechen werden, sehen wir hier davon ab. Auf
nnsem Tafeln finden sich noch, leider in ungenügender Wiedergabe,
jene lO'/t cm hohe kngelftinnige Phiole, Taf. VI Nr. 1360, die bereits im
Ö4~. Jahrbacb S. 128 beiKglich ihrer griechischen zweizeiligen Umschrift
ni€ ZIICAtC A€l
€N AfAeiC
Erwähnung fand. Tiefgeschnittene Omamentbänder trennen und be-
grenzen die Inschrift. Auch dieses Glss gelangte in das Ausland,
der Kunsthändler Rollin kaufte es für den unglaublichen Preis
von 1760 Mark, obgleich der Hals abgebrochen ist und die gleiche
Inschrift anderweitig anf Gla^efässen vorkommt. Die Decoratioo
einer kleinen Schale, Taf. VI Nr. 1364, auf welcher in gestrichelten
Medaillons vier Brustbilder und in den Zwickeln abwechselnd ein Stern
und ein kleiner Tempelbau erscheinen, ist wie gleichfalls die ähnliche
Kuppe Taf. V Nr. 1363 und der konische Becher Taf. V Nr. 1362 bezüg-
lich des figürlichen Schmuckes auf unseren Tafeln nicht hinreichend er-
kennbar, weshalb wir von den beiden letztern besondere Abbildungen im
72. Jahrbuch Taf. VI, 5 u. 6 folgen lassen werden. Ein im Boden von
Nr. 1363 deutlich erkennbares Kreuz (siehe Taf. VI, 5 a) bezeugt den
christlichen Charakter dieses Stackes. Die beiden letztgenannten Glä-
ser sind Eigenthum des Provinzial-Museums geworden und bilden mit
jener im 63. Jahrbuch Taf. V, 4 mitgetheilten gravirteu in Bonn ge-
fiindenen Kuppe eine Gruppe von in Stellung, Gewandung, Haarbc-
handlnng durchau» ähnlichen stets im Profil stehenden Figuren, die in
roher aber sicherer, breiter Strich-Manier mit unvollkommenen Werk-
zeugen in der Zeit des Verfalles der Kunst gearbeitet wurden. Die
gleichen auf dem Bonner Glase zwischen Pinien stehenden Figuren keh-
ren auf den beiden Disch'schen Gläsern wieder: auf dem einen (Nr.
1369) sehen wir, ebenfalls zwischen Bäumen, fünf nach rechts gewen-
Zar Erinnerong an die Disoh'sofae SammluDg römisoher Glftser. 126
dete togirte Gestalten mit ausgestreckter Rechten stehen; auf dem
andern (Nr. 1362) vier geflügelte ebenfalls nach rechts schauende Ge-
wandfiguren, welche Aehren in den Händen halten. Die Körperformen
sind barbarisch: die Fleischparthieen am Halse und an den Händen
sind geradezu durch WiAte wiedergegeben^). Von zwei mit einge*
ritzten Oniamenten verzierten Flaschen Nr. 1365 u. 1366 kam die erstere
gleichfalls in das Provinzial-Museum. Ebenso das Prachtstück tief ge-
schnittener reicher Ornamentik, die in Dormagen gefundene, früher un-
serm Mitgliede Delhoven daselbst angehörige Trinkschale Taf. VI Nr. 1367.
Boten die Gläser der beiden ersten Gruppen vorherrschend ein
archäologisches Interesse dar, so treten diejenigen der drei folgenden
besonders in den Vordergrund durch die augenblicklich herrschende
Richtung, welche die Erzeugnisse alter Kunst nach ihrer technischen
Herstellung, ihrer kunstgewerblichen Seite zu betrachten sich befleissigt.
Es sind dies die geformten Gläser, also solche, die in eine künstlichere
Form hineingeblasen worden; dann diejenigen, welche durch aufge-
schmolzene Verzierungen, theilweise in opaken Farben geschmückt sind,
mid als Barbotin-Gefässe bezeichnet werden können; endlich die far-
bigen Gläser.
Sehen wir unter den geformten Glasgeräthen von den spielenden
Bildungen kleiner Thiere 1372 — 77 ab, so steht im Mittelpunkt dieser
Gattung als Hauptwerk derselben der 1865 in der Magnus-Strasse in
Köln gefundene Krug von hellem Glase, in Form des auf einer Sella
sitzenden Affen, Taf. VI Nr. 1368, welcher mit beiden Händen die sieben-
röhrige Syrinx hält. Das seltene, wenn auch durch hervortretende Cha-
raktcrisirung des Phallus nicht gerade anziehende Stück, welches bereits
im 41. Jahrb. Taf. IV, S. 142 und in einem zweiten Exemplar im 45. Jahrb.
S. 274 ff. abgebildet und besprochen ist, wurde von den Erben Disch für
3000 Mark zurückgekauft und dem Museum der Stadt Köln geschenkt
Auch der kleine Gladiatorenhelm, Taf. VII Nr. 1371, mit blauem auf-
geschmolzenem Visir und ornamentalen Filigranverzierungen und ein
kleines Trinkhom, Nr. 1369, mit zwei aufgeschmolzenen kleinen Delphinen
als Durchlass für eine tragende Schnur, sind bereits im 36. Jahrbuch von
mir bekannt gegeben worden. Ein schöneres und grösseres Trinkhom,
Taf. VI Nr. 1370, das sich durch reifenartig umgelegte blaue Ringe aus-
zeichnete, wurde für 700 Mark Eigenthum des Provinzial-Museums. Aehn-
1) Zwei ähnliche Gläser, das eine ans Mainz, das andere aus Strassbarg,
sind publicirt; das erstere von Fröhner in der GoUeotion Gharvet; das zweite
von Straab: le Cimetidre Gallo-Romain de Strassboarg, 1881, PL n.
'^
i
136 Znr EriDaenmg ftn <tie DiMh'iahe Sammlnng rfimiMlm OUmt.
liehe, mit reifenartigea Ringen amlegte GeflisBe sehen vir nocb 6 itiif
unsren Tafeln. Nr. 1380 Taf. VII, ein auf 4 FOBsen ruhendes Fässchen mit
blauen Reifen und gleichfarbigen Henkeln am Spundloch, gelangte, da
das Prov. -Muäcura schon im Besitz eines ähnlichen St&ckes ist, für
1000 Mark an Herrn Kunsthändler Hofmann in Paris. Ein gldchartigeB
Fässchen, Taf. V Nr. 1381, mit gelben Seifen and Taf. VI Nr. 1382, ein
aufrecht siebendes Fftsschen mit Henkel und weissen Reifen, kamen in
das Britische Museum. Da dieser Abth^lung nur die kunstreich ausgebla-
senen Formen, die aufgeschmolzenen Zierathen aber der folgenden 4.
Gruppe zugewiesen sind, so gehören die zaletzt erwähnten zierlichen
Stücke eigentlich ebenso wie die mit Fäden umlegte kleine Dme, Taf. TI
Nr. 1484, beiden Gruppen an. Als hervorragende Beispiele der Formblä-
serei dürfen dann aber noch die beiden Tranbengläser, Taf. VI Nr. 1378
und 79, angefahrt werden, von denen das erstere, durch seinen Hals-
schmuck reichere, wiederum Hofmann in Paris für 1000 TSaxk erbidt.
Bekanntlich entwickelte sich bei den Rfimem die Mode der Glan-
geräthe zu einem so übertriebenen Luxns, dasB mitunter ihre Kost-
barkeit die Gefässe aU3 edlen Metallen erreichte und überstieg, worüber
ans ja die Litteratur der diatretischen Gläser mannigfachsten AnfscUoBS
gibt. Desshalb begegnen wir aach immer mehr jenen spielenden Ver-
zierungen, welche den altern Gl&sem noch vollständig fremd sind. Als
ein reizendes Specimen dieser Art spielender Verzierungen ist eine
kleine weisse Flasche in Bimenform mit lang aufsteigendem Halse, Taf. V
Nr. 1385, anzusehen, welche sich mit zwei im Provinzial- Museum be-
findlichen kugelförmigen Trinkbechern zu einer selten schönen Garnitur
vereinigt Die aufgeschmolzenen Verzierungen bestehen nämlich in klei-
nen Glasstacheln, die reihenweise und in regelmässigen Abständen auf den
Wandungen vorragen. In ähnlicher Weise ist eine doppeltgehenkelte
kugelförmig Flasche, Taf. VH Nr. 1383, mit zwei Reihen kleiner weisser
Rosetten, und mit bunten Rosetten jene schon im Eingang erwähnte
kostbare Schale, Taf. V Nr. 1395, besetzt. Eines der kunstvollsten Stücke
ist aber ein ebenfalls in das Provinzial-Museum gekommener hoher Becher
auf niedrigem Fuas, Taf. VI Nr. 1388, auf welchem vermittelst gezackter
derber Fäden Blatt-Ornamente in Barbotin-Manier aufgelegt sind. In
opaken gelbweissen Farben erscheinen dann die Ringe, welche am die
Mitte der schmalen cylinderörmigen blauen Phiole, Taf. VI Nr. 1387, ge-
schlungen sind, sowie Henkel and Ringe der klemen nur 8 Cm. hohen
Henkelkanne, Taf. V Nr. 1386, die in Alex. Gastellanis Besitz nach Rom
kam. Keck ans den Gefässwänden heraustretende Nasen und Rippen
Zur Erinnerang an die Diseh'sohe Sammlung römisober Gl&ser. 137
zeigen die Becher Nr. 1391, 1394 und 1397; die beiden letztem im nun-
mehrigen Besitz des Prov.-Museums. Der mit aufgeschmolzenen bunten
Bogen und Beeren geschmückte Becher, Nr. 1389, fand bereits in der
ersten Gruppe seine Erwähnung; ihm schliesst sich ein Becher mit
aufgeschmolzenen wellenförmigen Fäden, Taf. VII Nr. 1390, an, den
Rollin in Paris mit 235 Mark ansteigerte. Alle diese unter sich man-
nigfach verschiedenartigen Motive der Ausschmückung bewegen sich
durchgängig im Bereiche des antiken Stils. Aus demselben heraus tritt
aber die Dekoration einer kleinen doppeltgehenkelten Flasche, Taf. Y
Nr. 1400, welche in regelloser Weise mit einigen Fäden im Zickzack
vollständig naturalistisch umschlungen ist, und dadurch in den Ver-
&11 der fränkischen Zeit hinObertritt.
Von den 60 bunten Gläsern erwarb das Prov.-Museum in Trier
fiär 710 Mark eines der hervorragendsten StQcke, jene aus der Samm-
lung Bamboux und angeblich aus einem TriererFunde stammende Mille*
fiori-Schale mit heraustretenden Rippen in weiss gefleckter rother Porphyr-
Farbe, Taf. V Nr. 1402. Der runden Henkelschalemitgespresster Musterung,
Taf. VI Nr. 1403, haben wir, als im Heft41 Taf. IV publicirt, schon gedacht;
sie wurde für 1800 Mk. verkauft. In ein Rheinisches Museum und zwar in
dasjenige von Aachen gelangten die bereits in zwei heimathlichen Samm*
lungen gewesenen kostbaren bunten Glasflüsse Nr. 1401. Diese, von Frau
Mertens-Schaafifhausen, der in unsrem Vereine noch unvergessenen hoch-
herzigen Förderin desselben, in Rom gesammelten Fragmente von Ge-
* fassen, Wandbekleidungen, Zier-Einlagen, kamen aus ihrem Nachlass
in die Sammlung Ramboux. Es ist nicht uninteressant, die Preisstei-
gerung wahrzunehmen, welche ein und derselbe Gegenstand bei drei-
maligem Verkauf innerhalb 25 Jahren erzielte. Aus der Mertens'schen
Auction gelangten nämlich diese Glasflüsse für 213 Mk. 50 an Ram-
boux; in dessen Nachlassversteigerung erreichten sie schon den Preis
von 333 Mark, wofür Carl Disch sie erwarb, und das Aachener Mu-
seum bezahlte nun 900 Mark dafür. Die Rheinischen Provinzial-Museen
verzichteten auf diesen Erwerb, weil die Fundstätte der Gegenstände
ausserhalb ihrer Gebiete lag. Welchen unglaublichen Werth die
Augenblicksrichtung auf den Effect der Farbe und Verzierungen legt,
mag aus den Preisen von 390 M. (für Nr. 1440) und 750 M. (für Nr. 1439)
erhellen, die man für kleine, IOV2 cm breite, 13Vi cm hohe, glatte
Henkelfläschchen bezahlte, weil ihre Farbe bunt — blau und grün — und
Fuss wie Henkel von andersfarbigem weissgelbem opakem Glas berge*
stellt sind, endlicHnoch ein Faden von gleichem Glas den Hals umschlingt
-J'
128 Zor Erümarong tn die Diioh'sohe Sammlung römisohttr Gläser.
Wir sehen diese beiden kleinen Flfischchen auf fiL YII in der
8« Reihe von oben. Kleine niedliche Flacons bunten Glases, bald mit
Einbauchangenf bald mit opaken weissen Fadaiverzierungen um den
Hals, Nr. 1404—10, eine doppdtgehenkelte kleine Yasette von Opal-
glas mit Fäden umsponnen, Taf. V Nr. 1445, eine traubenförmige Ben-
kelkanne von blauem Olas, Tat V Nr. 1406, wurden gleichmassig hoch
bezahlt Von zwei Tellern grünen Glases, Taf. VI Nr. 1441 und 42,
kam der eine in das Trierer, der andere in das Bonner Prov^-Mu-
seum. Von ganz besonderer Schönheit ist auch ein nicht unter den
Abbildungen und auch nicht im Catalog. befindlicher vom Provinzial-
Museum angekaufter opah'sirter hoher Becher, der in zwei Farben die
Figurationen des Achat in derselben, Weise imitirt wie die Schale auf
Taf. V, Nr. 1402 den Porphyr.
Aus der grossen Zahl ungefiLrbter Gläser verschiedenster Art, deren
im Catalog von Nr. 1462—1787 noch 325 angeführt werden, wäre bei
der Absicht einer eingehenderen Besprechung noch manches eigenartige
Stflek auszuwählen. Wir verweisen ausser auf eine elegante bimfOrmige
Flasche mit schönem eingekniffenem Henkel, Taf. V Nr. 1541, welche fUr
drei Flüssigkeiten bestimmt im Innern dafür dreifach getheilt und mit
drei Ausgüssen versehen ist, besonders auf ein kugelförmiges Glas, Taf. Y
Nr. 1603, mit zwei enganliegenden Henkelösen. Diese kurzgedrungenen
Flaschen kommen zahlreich in allen Museen vor und würde das be-
zeichnete Exemplar zu keiner Erwähnung auffordern, wenn es nicht
durch seine Melallmontirung die Zweckbestimmung der ganzen Cate-
gorie dieser Gläser klarstellte. Wir sehen nämlich in jeder der beiden
Glasösen einen kleinem Metallring und in diesen einen grössern halb-
runden Metallgriff eingehängt, an welchem das Glas aufgehängt oder
getragen werden konnte.
In der metallgefütterten, verhältnissmässig engen Oeffnung des
weit auskragenden Halses befindet sich dann ein hohler Metall-
stöpsel mit aufstehendem Handgriff zum Abnehmen. Die ganze Ein-
richtung sowohl des Hängewerkes wie des Verschlusses macht den
Eindruck der Oel-Lampe, deren Docht beim Nichtbrennen durch den
hohlen Stöpsel geschützt wurde.
Im Verhältniss zu den fast zahllosen Stempeln von Thongefässen
sind die Glas-Stempel selten. In der Disch'schen Sammlung befanden
sich ihrer ungefähr ein Dutzend, nämlich im Boden einer viereckigen
Flasche, Nr. 1448, in den vier Ecken um eine Rosette die Buchstaben
C.P.C.C; ähnlich im Boden des Gefässes Nr. 1449, jetzt im Prov.-
Zur Erinnerung an die Disoh'sche Sammlung römiBcher Gläser. 129
Museum: C.C.P.C und 1563 V L; auf dem Boden zweier runder
zweihenkliger Flaschen, Nr. 1554 u. 1550 in der Rundung geschrieben:
FRONTINO 0 u. NERO *). Mehrere Flaschen in schmaler, verlängerter
Würfelform mit hohem Halse haben Monogramme im Boden, nämlich:
Nr. 1562 um eine reliefirte Figur H . B . S ; Nr. 1566: stehender Merkur
mit den Buchstaben M . 0. H . R «). Undeutliche Stempel befanden sich auf
den Böden einer vier- und einer sechsseitigen Flasche, Nr. 1565 und 1567 ;
auf einem kleinen sechsseitigen Fläschchen, Nr. 1569, der Stempel 0.
Endlich, ähnlich dem Stempel von Nr. 1566 erblickt man auf der
Bodenfläche einer hohen vierseitigen Flasche mit hochaufsteigendem
cylindrischem Halse, Nr. 1694, um eine männliche, stehende Relieffigur
die häufige Beischrift 0. F . H . M).
Auf einzelne hervorragende Stücke werden wir, wie schon bemerkt,
demnächst ausführlicher zurückkommen, indem wir zum Schlüsse ein
Verzeichniss der Ankäufer der Disch'schen Gläser mit den dafür ge-
zahlten Preisen folgen lassen.
Unwillkommen dürfte auch die Mittheilung nicht sein, dass die
Rheinische Glashütten-Atien-Gesellschaft in Ehrenfeld bei Köln unter
der rühmenswerthen Leitung ihres Directors Hrn. Oskar Rauter sich
der Nachbildung kunstreicher römischer Gläser zugewendet, und eine
Anzahl derselben, worunter auch solche der Disch'schen Sanmilung
sich befinden, in vorzüglicher Technik hergestellt hat. ^)
Verzeichniss der Ankäufer der Disch'schen Gläser.
Nr. ^
1856 HofPmann, Paris. 5800
1857 Franks, London. Brit. Mus. 6400
1858 Hoffmann. 490
1359 Franks. Brit. Mos. 70
1360 Rollin, Paris. 1760
1361 Hoffmann, Paris. 8000
1362 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus. 630
1863 Derselbe. B. Frov.-Mus. 310
Nr. JL
1364 Hoffmann, Paris. 310
1365 Aus m Weerth. B. Pr.-Mus. 280
1366 Charvet. 320
1367 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus. 610
1368 Stadt Köln. 3000
1369 Rollin. Paris. 460
1370 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus. 700
1371 Franks, London. Br. Mus. 570
1) Kamp, Epigr. Antioaglien Nr. 145. Fröhner, La yerrerie antique,
Paris 1879, Nr. 58 ff.
2) Ein zweites Exemplar mit gleichem Stempel besitzt das Prov. -Museum
aus Andernach; vergl. Fröhner, Nr 82.
3) Kamp, Nr. 144; Fröhner Nr. 108.
4) Kamp, Nr. 142; Fröhner Nr. 104. Ausserdem im ProY.-Museum.
5) Die in. Abtheilung des Preis -Gourants der Rheinischen Glashütten-
Actien -Gesellschaft in Ehrenfeld bei Köln, 6. Nov. 1881 enthält die Nachbildun-
gen römischer Gläser.
9
'^^m
Zar £riiia«nuig an die Diaoh'Mhe Sknunlmiff r&miMliar OUmt.
130
Nr. -^
1372 Hoffmann, Paria. 36
1373 AüB'm Weerth. B. Pr.-MuB. 55
1374 Hoffmann. 305
1375 Derselbe. 65
1376 BoErgignon, Neapel. 41
1377 RoltiD. 275
1378 Hoffmann. 1750
1379 Thewalt. 210
1380 Hoffmann. 1000
1381 Franks. Bnt. Mna. 420
1382 Derselbe. Brit. Mna. 290
1383 Meyer, Berlin. 30n
1384 HerBtatt. 32
1385 ÄuB>Weertb.B. Pr.-MuB. 320
310
.-Mna. 3
1386 CaatelTani
1887 Meyer.
1388 Aua'm Weerth. B.Pi
1389 Deraelbe. HO
1390 Rollio. 235
1391 Einondta. 45
1392 Bonrgignon. 16
1393 Hoffinann. 4
1394 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus, 21
1395 Dr. Bachofen, Basel. 570
1396 Hoffmann. 75
1397 Aua'm Weerth. B. Pr.-Mus. Bl
1398 Rollin, Paris. 51
13'J9 Hoffmann. 125
1400 AuÄ'm Weerth. B. Pr.-Mns. 110
1401 Bernt (Aachener Mns.). 900
1402 Hettner. Trier. Tr.Pr.-Maa. 71u
1403 Rollin. 18ÜU
1404 Brinkmann. Mus. in'Hamb. 38
1405 Hoffmann.
1406 Deraelbe.
1407 Derselbe.
1408 Derselbe.
1409 Aua'm Weerth. B. Pr.-Mus
1410 Derselbe. B. Prov.-Mua.
1411 Hettner. Tr. Prov.-Mua.
1412 Hoffmann.
1413 Derselbe.
1414 Raoul Stein.
1415—1420 Prümra, Berlin.
1421 Merkens.
1422 Hoffmnnn.
1423 Aus'm Weerth, B. Pr.-Mua,
1424 H. Lerapertz sen.
1425 Hoffinann.
1426 Prümm.
1427
1428
14291
1430 1
1431-
1435
1436,
14371
1438j
1439
1440
1441
1442
1443
1444
1445
1446
1447
1448
1449
1450
Rhei
, Nei;
R. Stein.
\ Derselbe.
-1434 Priimm.
[ Hoffmann.
^ Derselbe.
Castellani.
Hoffmann.
Aua'm Weerth. B. Pr.-MuB.
Hettner. Tr. Prov.-Mua.
Heberle.
Hoffmann.
Hoffmann.
Aus'm Weerth. B.Pr.-MuB.
Herstatt.
Merkens.
Aus'm Weeith. B. Pr-Mue.
Hoffmann.
Merkens.
Hoffmann,
Derselbe.
16
100
82
n Weerth. B. Pr.-Mua. 70
Deraelbe.
Hoffmann.
Rollin.
Hoffmann.
Derselbe.
Derselbe.
Herstatt.
Heberle.
Emundts.
\ Franks. Brit. Mus.
Deraelbe. Brit. Mus.
Aus'm Weerth. B. Pr.-Mns.
Hoffmann.
Derselbe.
Merkens.
Frnnka. Brit. Mus.
Lerapertz sen.
Rollin.
Lempertz sen.
Hoffmann.
RoUin.
Hoffinann.
Bollin.
140
105
320
Zur Erinoeruiig ti
die Disuh'iohe Samnlnng römigcher Gläser. 131
Nr.
JC
Nr.
M
1480 Ihsch.
12
1545
1481 UoaTgignoD.
26
1546
Ans'm Weerth. B. Pr.-Mns. 90
1492 HofiiDann.
41
1547
Briukmann. Mus. in Hamb. 80
1483 HersUtt.
26
ir>48
Lempertz een. 110
14S4 Aae'm Weerth. B. Pr
-Hus.
75
1549
1485 HoffmaDn.
40
1550
Derselbe. 460
1486 Domlbe.
12
1551
Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus. 125
1487 BoargigDon.
31
1552
Herstatt. 66
1488 RolliD.
SO
1553
Aus'm Weeith. B. Pr.-Mus. 8
1489 Steffena.
20
1554
Derselbe. B. Prov.-Mus. 3
20
1555
HoSmann. 6
1491 Emundts.
39
1556
Emundts. 125
1492 Steffens.
25
1557
Brinkmann. Mus. in Hamb. 60
1493 Ibach.
25
1558
Franke. 65
1494 Herstatt.
26
1559
Aus'm Weerth. B. Pr.-Mus. 5fi
1495 Wolff.
42
1560 Hoffmaon. 80
1496 Herkeus.
16
1561
Aus'm Weerth. B. Pr.-Mns. 17
1497 Hettaer. Tr. Prov.-
UUB.
6
15f:2
Derselhe. 32
1498 BriDkmann.
13
1563
Hoffmann. 80
1499 Heratatt.
32
1564
Wolff 32
1500 RolliD.
135
1665
Hoffmann. 16
1601 Steffens.
18
1566
Aus'm Weertb. B. Pr.-Mns. 160
1602 Äua'm Weertb. B. Pr.-Mua
4
1567
Hoffmann. 20
1503 Lempertz eea.
30
1 568 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mas. 3
1504 Steffens.
11
1569
Wolff. 10
1605 Hettner. Tr. Pro?.-MuH. 12,50
1570 Emundts. 100
1506—1511 Steffens.
17
1571
Hettner. Tr. Prov.-Mus. 92
1512 Heberle.
9
1572
Brinkmann. 18
1613 Emundts.
23
1573 Wolff. 30
1514 Heberle.
16,
1574
Hoffmann. 36
1515 Hoffmann.
6
1575
Brinkmann. 10
1516 Ans'm Weerth. B. Pr.-Uns
12
1576
Hassel. 6,50
1517 Dersslbe. B. Prov.-Mns.
11
1677
Hettner. Tr. Prov.-Mus. 30
1618 Heberle.
15
1578
Derselbe. Tr. Prov.-Mus. 30
1519 Hassel, Trier.
6
1579 Hoffmann. 2
1530 Emundts.
10
1580 Derselbe. 41
1521 Hassel.
4
1581
Brinkmann. Mus. in Hamb. 2
1522 Derselbe.
3,50
1582
Steffens. 3
1523 Herstatt.
41
1583 Hoffmann. 15
1624 BriDckmann.
11
1684
Hassel. 6,50
1525 Wolff.
25
1585
Brinkmann. Mns. in Hamb. 30
1526 AoB'm Weertb. B.Pr
-Mus
23
1586 Steffens. 2
1527-1637 Steffens ÄLehmann 37,50
1587 Hassel. 1,50
!?S}w.».
26
1568 Metzler. 3
1589
-1594 Derselbe. 19
1540 Herstatt
28
1596
-1601 Derselbe. 26
1541 Hoffmann.
466
1602
Caetellani. 75
1642 Äns'm Weerth. B. Pr
-Mus
90
1603 Derselbe. 450
1543 Hoflinann.
320
1 604 Ans'm Weerth. B. Pr.-Mus. 7
1644 Emundts.
240
1605
Derselbe. B. Pruv.-Mns. 8
t
\''
Kr. ^
1606 DerBolbo. B. ProT.-Mus. 41
1607 Franks. Brit. Mus. 110
1608 Brinkmann. Mus. in Hamli. 125
1609 Aua'ni Weerth. B. Pr.-Mua. 36
16iO Hassel. 7,50
1611 Wolff. 3,50
1612 Hettner. Tr. Prov.-Moa. 97
1613 Aus'in Weerth. B.Pr .-Mus. 29
1614 UerBtfttt. IT.
1615 Steffens. 2
ICir. Hassel- 1,50
1617 Brinkmann. Mus. in Hamb. 10
1618 Aus'm Weei-tb.
1619 Neumark.
1620 Metzler.
1621 Brinkmana. Mos. I
ISl^ »••'■>"■
1624 Neumark.
163Ö Deichmann.
1626 Metzler.
1627 Bock.
1628 Metzler.
162» Krauth.
1630 Brinkmann. Mus. i
1631 Oelbermanii.
1684 Steffens.
1635 .
1636) Hetzler.
1637 1
1638 Hetzler.
1639 Heberle.
1640 Steffens.
1641—1647 MeUler.
1648—1657 Derselbe.
1658—1668 Derselbe.
1669 Dr. Bacliüfeu,
1670 KaBel.
1671 Deraelbe.
1672 Merkens.
1673 Metzler.
1674 Derselbe.
1675 Derselbe.
1676 Beberle.
1677 Metzler.
1678 Derselbe.
1679—1681 Berthold.
1682 Wingen.
1,50
13,50
11
1,50
1,50
13,50
8,50
9
8,50
Sammlung römiiclier Olttaar.
Nr.
M
1683 Ranter.
fi
1GB4 Merkena.
40
1RB5 Charvet.
70
1086 Metzler.
ilO
1687 Derselbe.
6,50
168B Krautli.
«
1689 Berthold.
4
16»0 lleberle.
4
1691 Metzler.
3
1692 Derselbe,
(!
1693 Atts'm Weerth. B. Pr.-Mus. 9
1694 Derselbe. B, Pr.-Mns.
155
1U95 Motzler.
9,50
169(1 Wingen.
18
161*7 Merkens.
20
1698 Metzler.
5,.^0
1699 Rollin.
12
1700 Derselbe.
45
IT Ol Bachofcn.
9
1702 Heberle.
18
1703 Wingen.
IK
17U4 Metzler.
5,50
1705 Hoffmann.
7
1700 Metzler.
3,50
1707 Berthold.
10
1708 Derselbe.
1,50
;™»}D.™,b..
6
1711 Char^et.
20
1712 Wingen.
2,50
1713 Metzler.
1
1714 Aus'm Weerth. B. Pr.-Mu
s. 9
1715 Rollin.
21
1716 Steffens, Trier.
9
1717 Kasel.
7,50
1718 Rollin.
16
1719 Metzler.
2
1720 Berthold.
1,50
1721 Lehmann.
2
1722 Hoffmaon.
21
1723 Metzler.
4,50
1,50
1725 Charvet.
9
1726 Metzler.
2,50
1727 Berthold.
1,50
1728 Heberle.
4,50
1729 Charvet.
6
1730 Merkens.
7
1731 Charvet.
6
1732 Derselbe.
6
Pontifical-Kelch aus dem Dome zu Osnabrück.
138
Nr. JU
1 7 Si f ^®^2^®^* 2,50
1735 Berthold. 3,50
1736 Metzler. 4
1737 Derselbe. 1,60
1738—1748 Metzler, Wingen. 26,50
1749—1758 Bachofen, Wingen. 15,50
} J^2} Kasel. 1,60
1761 Berthold. 0,70
17631^^^^^* ^'^^
Nr.
*Ma
1764—1768 Berthold.
8,50
1769—1773 Metzler.
15,50
1774 Heberle.
1,60
1775—1780 Rauter u.
Anfi*m
Weerth.
54,80
1781 Wingen.
1,10
1782 Rauter.
0,60
1783\ T^ ,
1784? •N®'^"^*'^^?
2,50
1785 Nettstraeter.
0,60
1785 Steffens,
10
1786 Derselbe.
10
E. aus'm Weerth.
7. Pontiflcal- Kelch aus dem Dome zu OenabrOck.
Hierzu Tal IV«
Oleichwie durch die Ausstellung zu Münster im Jahre 1879
die Meisterwerke Anton Eisenhuth's und dadurch dieser Meister selbst
der Welt erst als Goldschmied bekannt wurde, so ist durch die Düs-
seldorfer Ausstellung ein ebenfalls bisher gänzlich unbekanntes und
hervorragendes Goldschmiedewerk und sein bis dahin noch nicht ge-
nannter Verfertiger an die Oeffentlichkeit getreten.
Ich verdanke es der gütigen Vermittlung des Herrn Dombau-
meisters B ebnes in Osnabrück, auf den im vorigjährigen Frühjahr beim
Aufräumen der Begistratur des dortigen General- Vicariates gefundenen
prachtvollen Kelch der beifolgenden Abbildung (Taf. IV) aufmerksam
gemacht worden zu sein, ebenso dem Entgegenkommen des Herrn
Capitular-Vicars Dr. Hoeting, denselben für die Düsseldorfer Ausstel-
lung, deren besondere Zierde er war, bereitwilligst erhalten zu haben.
Der grosse, überaus reich ausgestattete Kelch von im Feuer ver-
goldetem Silber misst 0,32 cm in der Höhe, 0,27 cm Durchmesser im
Fuss und 0,24 cm Durchmesser in der Peripherie der Kuppe. In allen
Theilen ist er mit getriebenen Verzierungen vollständig überdeckt.
134 Pontificäl-Eelch aup dem Dome zu Osnabrück.
Auf den Flächen lies im Sechsblatt angelegten breiten Fusses befindCD
sich in gedrängten Figuren sechs bi blische Keliefs, welche von Laubwerk
rings umschlungen sind. Christus am Oelberg, dieGeisselung, die Kreuz-
tragung, die Kreuzanheftung, eine drastische Scenerie sehr materieller
Natürlichkeit, lienn vier Personen sind tbätig, den Heiland anzubinden
und anzunageln, endlich die Kreuzigung und Himmelfahrt, üeber dem
Fuss erhebt sich, als gothiscbe Fenster- Architectur behandelt, mit frei
vorstehenden Pfeilern und Bogen der schlanke Schaft; darüber der
»uf Blattconsolen ruhende milchtig ausladende Knauf in überreichen
zierlichen Formen. Von einer ähnlichen Fenster-Architectur der Rück-
wand wie am unteren Schaft bauen sich an allen (3 Seiten des Nodus
ebenso üppige wie zierliche Baldachine auf, unter deren Bogenstellun-
gen in freistehenden kleinen Figuren, welche an künstlerischer Schön-
heit die Reliefs des Fusses weit übertreffen, wir vorne den segnenden
Heiland mit der Weltkugel, rechts von ihm Paulus, hnks Petrus, dann
Johannes und zwei andre Heilige erblicken. Sogar die Kuppe des
Kelches, die meistens sonst in Berücksichtigung der beim Gebrauch
liturgisch vorgeschriebenen sorgfältigen Abtrocknung durch den cele-
hrirenden Geistlichen glatt gehalten wird, mit der reichsten Omamen-
tation in stilisirtem Blattwerk zu belegen, hat sich die in üppigen
Formhiiäaugea überschwängticbe Spät-Gothik nicht versagt. Nur das
Mundstück ist aus praktischem Beweggrunde glatt geblieben. Zur weitem
Erhöhung des malerischen Effectes sind dann noch alle nackten Theile
der Figuren, also Köpfe, Hände und Fasse, in der Silberfarbe verblie*
ben, die gothiachen Fensteröffnungen des Knaufes blau emaillirt.
Wenn dieser Kelch durch seine effectvoUe, decorative Behandlung
des Edelmetalls an und für sich schon als ein Meisterstück der deut-
schen Goldschmiedekunst des 15. Jahrhunderts dasteht, so gewinnt
er dadurch noch ein erhöhtes Interesse, dass er dem suchenden Be-
trachter auch noch gestattet, in bescheidenem Versteck den Namen
des Meisters, von eigener Hand geschrieben, zu lesen. Der nach seiner
Herkunft, seiner Werkstatt und seinen sonstigen Werken fragenden
Wissenschaft ist dadurch Gelegenheit gegeben, seiner Spur weiter su-
chend zu folgen. Die 6 Reliefplatten des Fusses sind durch Nieten
auf diesem befestigt. Löst man die Nieten und nimmt die Platten
ab, so findet man unter einer derselben in zarten flüchtig eingeritzten
Buchstaben, wie sie das nachstehende Facsimile wiedergibt, folgende
Inschrift: fecit mychy engelbertOB Hofslegers auryfaber de
Coevldyge afio MCCCCLXVIIL
Pontifical -Kelch aus dem Dome su Osnabrück.
135
Der Goldschmied un-
seres Kelches heisst dem-
nach Engelbert Hof-
slegers, obgleich man
versucht sein könnte, Hof-
stegers zu lesen, weil
der Strich des s durch
das 1 geht. Aber dies ist
offenbar zufällig und nicht
in soweit von der Absicht
des Schreibers herbeige-
führt, um dadurch ein t
zu bilden. Für 1 entschei-
det, dass dessen Strich
über den vertikalen Theil
des s hinausgeht. Der
hinter dem Familiennamen
des Goldschmiedes ge-
nannte Heimathsort des-
selben; anscheinend Cos-
vldyge, kann auchCos-
vleyge gelesen wer-
den, indem ein umge-
kehrtes d = e urkund-
lich wohl vorkommt. Cosvleyge würde dann dem jetzigen Orte
Coesfeld im Reg.-Bez. Münster in Westfalen näher kommen als Cos vl-
dyge. In den gleichzeitigen Urkunden finden wir Cosvelde, Cosfelde,
Coesuelde; auf Münzen i) und Urkunden aber auch Cosvelia und Cos-
veldia. Bei der corrupten Schreibart unseres Goldschmiedes ist aber
auch die Weglassung eines e nicht ausgeschlossen. Setzen wir dasselbe
bei unsrer Inschrift Cosvleyge hinzu, so erhalten wir den Namen
Cosveleyge, der schon den urkundlichen Schreibungen verwandter ist.
Jedenfalls wird man bis auf Weiteres an Coesfeld festhalten müssen.
Dass der Strich zwischen anno und MCCCCLXVIII ein vernachlässigtes
d ist und mit dem vorstehenden anno demnach Anno Domini heissen
soll, bleibt wahrscheinlich.
Im Jahre 1492 begegnen wir urkundlich in Osnabrück einem En-
gelbert Goldsmet, der als angesehener Geldwechsler auftritt, aber er
1} W. Cappe'B, Urkundliche Manzgesohichte der Stadt Coesfeld. 1870.
186 l' 011 titicDl- Kelch Htia iloni Domo zu Osnabrück.
führt nicht den kennzeichnenden Beinamen de Cosuleyge ')■ De Zeit-
stellung nach — nur 4 Jahre später als das Entstehungsjahr des Kel-
ches — kann er sehr wohl dessen Verfertiger sein.
Auch das Andenken an den frommen Geber dieses Prachtge-
scbenkes ist uns aufzufrischen vergönnt. In der Darstellung des Oel-
berges am Kelchfusse nämlich erblicken wir ausser deu drei typisch bei
dieser Darstellung vorkommenden schlafenden Jüngern in bescheidener
Seitenstellung die kleine knieende Gestalt eines Mönches: Dass er der
Donator ist, lässt sein bei dieser Scene zu sonstiger Function nicht
zulässiges Erscheinen, lassen auch die vielfachen Analogien ähnlicher
Donatoren ■ Vorstellungen kaum verkennen =).
Aus'ra Weerth.
1) Stüve, GoBchichtö des Hochatifts Osnabrück I, S. 434.
2J Eine eebr schono photogr. Abbildung dieses Kelchei befindet. Hieb unter
Nr. 83 in den vom Verein bei ScbÖoingb in Paderborn berauBgegobeDen Aub-
ataUungspbotogriipiiioti.
II. Litteratur.
1. Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. Im
Auftrage des Königlichen Ministeriums für geistliche, Unterrichts- und
Medicinal- Angelegenheiten bearbeitet von Prof. Dr. W. Lotz, heraus-
gegeben von Friedrich Schneider. Berlin, Verlag von Ernst und
Korn 1880. 567 SS. 8o.
Ein verdienstlicher Zug der gegenwärtigen Geschichts- und Alter-
thömsforschung ist es, die Denkmäler der vaterländischen Vorzeit von
Ort zu Ort und nicht bloss die kirchlichen, sondern auch die öffent-
lichen und bürgerlichen, nicht bloss jene des Mittelalters, sondern auch
die früheren und späteren, nicht nur jene der Baukunst und der drei
„hohen Künste** überhaupt, sondern auch die kunsthandwerklichen von
den einfachen bis zu den reichsten Ueberresten möglichst vollzählig zu
verzeichnen, verbildlichen, beschreiben, kurzum in das richtige geschicht-
liche Licht zu stellen. Gilt es einmal der Monumentenkunde eines Or-
tes, so haben die rein archäologischen und sogen, kunsthand-
werklichen Denkmäler ebenso Anspruch auf Beachtung, wie
die „Kunstwerke**, mag die Beachtung, je nach dem Werthe des
Monumentes, auch hier eine eingehendere werden, als dort. Beide Gat-
tungen, welohe wir jetzt leider scheiden, hangen eng mit einander zu-
sammen, oft gar wie der Blüthenzweig mit dem Stamme, und nur eine Ar-
beit, welche sämmt liehe Denkmäler eines Reviers umfasst, gewährt
der Wissenschaft die erwünschte Bereicherung und Ausbeute ; als Quel-
lenwerk ersten Ranges gewährt sie der Ortsgeschichte Fuss und Leben,
weil diese sich am klarsten in den Denkmälern abgespiegelt hat, und
wirft sie willkommene Lichter in jene Zeiten, worüber die schriftge-
schichtliqhen Quellen schweigen; sie führt der Archäologie, der Stilkunde,
der Geschichte der Technik, der Entwicklungsgeschichte einzelner Kunst-
zweige die wesentlichsten Beiträge zu.
Soll die allgemeine Archäologie und Kunstgeschichte mehr und
mehr dem Aphoristischen und Blüthensammeln entwachsen, sollen die
n
m"'
m
Die Biadanknllci
r dee Regier ungBbezirks Wiesbaden.
,
gegenBeitigen Kaustströmuiigon nach Landschaften and Kunatzweigeu
aufgehellt, ibre culturgeBchiclitlicheD Gmadlngen blose gelegt werdeo,
die BO lange verkannten Kleinkünste den gebührenden Platz neben den
„hohen Künsten" einnehmen, 80 müsaen erst die Denkmäler der Ort-
und Landschaften in Schrift oder zugleich im Bilde vorliegen, nnd
zwar HD vollständig, als es zur Zeit möglich ist. Der Weg dahin iet
kein anderer, als die umfassendste Orte- und Quellenforschung.
Soweit diese angestellt ist, ergibt sie überall massenhafte Fände,
und der Stoö' wachet in ungeahnter Weitschichtigkeit an. Wollen wir
Herr des Stoffes werden, wie ihn eine Landschaft oder eine Nation
in den verschiedenen Zweigen and Zeitaltern hinterlassen hat, so tat die
Arbeit za theilen, nicht nach zeitlichen oder sachlichen Gesichtspunkten,
wie unschwer einzusehen, sondern nach örtlichen Umgrenzungen von
solchem Umfange, dass die Kräfte der Forschung gewachsen sind. Dies
Verfahren allein ist zweckmässig, handlich, praktisch, erfordert den ge-
ringsten Aufwand von Zeit und hendthigt keine Wiederholung
der üntersuchungsreisen nach ein and demselben Orte, wie
sie eintreten müsste, wenn nach bestimmten Zeiträumen oder nach Ge-
genständen die Arbeit in Angriff genommen würde. Li den Monumfti-
ten eines Ortes steckt seine Geschichte, in den altem oft ein Lickt-
strabl, welcher die spätere Geschichte beleuchtet.
Solch' ein Unternehmen ist schwerer, als der Femstehende allst.
Welch' eines Aufwandes von Reisen, von schriftlichen und mandlichan
Nachforschungen, von Vergleich ungen der etwa einschlägigen Literatur
bedarf es schon, eine (statistische) Vollständigkeit herauszubringen, und
welche wissenschaftlichen Operationen setzt die Verarbeitung voraus, falU
die Örtliche Denkmälerknnde oder auch ihre hervorragendsten Bestand-
theile aus dem Banne des Localgeschichtiichen gelöst und an die all-
gemeine Geschichte geschlossen werden sollen! Analyse und Synthese
müssen da vorzugsweise Hand in Hand gehen. £ine Arbeit örtlichen
Umfanges, welche neben den vorhandenen Denkmälern auch die ver-
sohwundenen, veräasserten und zerstörten, nicht bloss nach den Erinne-
rungen der Ortsangehörigen und nach sonstigen naheliegenden Hülfsmitteln,
sondern auch — und das namentlich in Bezug auf die altern Werke
— nach den Geschichtsquellen mögliahst vollständig wieder vor-
führte, würde auch einen Ersatz bieten für einen Codex kunstgeschicht-
licher Quellen, welcher bis jetzt noch ein frommer Wunsch gebliehen ist.
Wenn die Denkmälerknnde im örtlichen Rahmen auf breitester
Grundlage im Zusammenhange mit der Cnlturgeschichte durchgeführt
ist, lassen sich die Eunstdichtigkeit und die Eunstverdienste der Land-
schaften gegeneinander abwägen, der letzteren Antheil an der Entwich'
lang der Stile and der Arbeitweise überaehen ; die allgemeinere Kunst-
Die Baudenkmäler des Regieran^bezirks Wiesbaden. 139
gescbichie kann dann die örtlichen Resultate je nach ihrem Werth be-
nutzen und die Strömungen der Kunst nach den verschiedenen Richtun«
gen der Zeiten und Landschaften verfolgen .
Arbeiten dieser Art liegen bereits vor und als die jüngste das
oben angezeigte Buch. Es macht bei kleiner Antiqua - Schrift einen
starken Octavband aus, begreift auch den ganzen Raum eines Regie-
rungsbezirks und bietet eine grosse Fülle von seither bekannten und
unbekannten Denkmälern. „£in grosses Stück Geschichte hat sich da-
selbst abgespielt und zahlreiche Denkmäler aus allen Gebieten sind
beredte Zeugen für das angeregte Leben, das einst hier pulsirte." Den
Arten nach fesseln unsere Aufmerksamkeit neben den alten Email- und
Goldschmiedewerken des Domes zu Limburg, die vielen Burgen und
Burgenreste, die mit Mauern bewehrten Kirchhöfe, die profanen Ar-
chitekturen, (S. 91) sogar eine steinerne Schleuse des Uebergangsstiles,
alte Glasmalereien, Bodenfliesse u. s. w., und auf der andern Seite über-
raschen uns wieder kirchliche Bedürfnissbauten in einer Zahl, welche
man sich in so einem verkehrsreichen Gebiete geringer gedacht hätte.
Auch hier kommen die Denkmäler der Römer und der Neuzeit
neben jenen des Mittelalters in Betracht; einzelne Stücke unseres Jahr-
hunderts sind verzeichnet, die früheren planmässig weiter beschrieben.
Die Literatur, die Berichte der Ortsangehörigen, die allerdings seltenen
Archivalien finden sich theils am Ende der Abschnitte, theils im Texte;
weniger störend und ebenso übersichtlich hätten diese Nachweise als
Anmerkungen unter dem Texte einen Platz erhalten. Den Schluss bil-
det eine üebersicht des Inhalts nach zeitlichen, örtlichen und stilisti-
schen Gesichtspunkten, — meines Erachteus der gelungenste Theil
der ganzen Arbeit, denn sie orientuii sofort über die Gattungen wie
über das Einzelne. Die Denkmäler sind nach den Ortschaften, diese
jedoch nicht nach älteren politischen oder kirchlichen Umgrenzungen,
sondern künstlich nach alphabetischer Folge aufgeführt, so zwar, dass
selbst sachliche Theile wie „ Pfahlgraben ^ unter P, Gebück unter G,
also nicht unter den betreffenden Ortsnamen gesucht werden müssen.
Nach Diekamps Recension im „literarischen Handweiser ^ sind
leider verschiedene Orte des Regierungsbezirks ohne Beachtung und
ohne Untersuchung geblieben, so allein von den 46 Dörfern des
Landkreises Wiesbaden 13. Das macht keinen guten Eindruck und
erregt in uns Zweifel, ob auch von jenen Orten, welche genannt wer-
den, die Denkmäler vollständig vorgeführt und ob die vorgeführten
Denkmäler ausreichend beschrieben sind. Schon beim flüchtigen Durch-
blättern fällt uns auf, dass so wenig profane Denkmäler der Klein-
kunst, so wenig Metallwerke, so wenig Möbel, so wenig Denkmäler
des Privatbesitzes, so wenig Erbtheile der fränkischen Zeit, dass keine
I
^
140 Die Baudunkoi&ler des Regie ruiif^bozirks Wieaboden,
Münzen, keine Sieget von Fürsten und Rittern, von Bischöfen, Äebten tiad
Stiftern, keine von Städten und Corporationen in dem BucLe Erwähaung
findon. Mnn fragt aich, ob denn da» Frankfurter Stadt-Arcbiv so arm
sei an vaterländischen Denkmälern, dass es als Fundort bloss (S. 163)
für drei architektonische Skizzen aufgeführt wird, ob denn das Staats-
Archiv zu Idstein, deseen Urkundenschatz doch aus dem behandelten
Bezirke herBtanimt, Niclita, gar Nichts für dessen Denkmälerkunde be-
sitzt, etwa Bücher mit Miniaturen oder kunstreichen Kinbänden, etwa
Siegel oder Münzstempel. Wenn die eine Sammlung als Fundstätte
genannt ist, muss auch die andere als solche gelten, wenn ein ein-
schlägiges Stück beachtet ist, will auch dos gleichartige beachtet sein.
und als einschlägige Stücke haben jene zu gelten, welche mit der
Cultar- Geschichte des Landes verwachsen, dort oder auswärts zq
finden sind. Man begreift, warum das städtische Museum zu Frank-
furt z. B. 138, 139 anlässlich eines Holbein -Bildes und einer Hand-
schrift mit Miniaturen besucht ist, aber man sieht nicht ein, wa-
rum es nicht wie S. 163 das Stadtarchiv und die Stadtbibliothek
eine Rubrik bildet und, nachdem der üolhein erwähnt ist, mit keiner
Silbe des lieblichen Paradies -Bildchens aus der altkölnischen Maler-
schule gedacht wird, wovon doch Weltmann in seiner Geschichte der
Malerei I, 403 einen Holzschnitt beigebracht hat.
In dem Falle konnte es doch verzeichnet werden und waren con-
sequent auch die einschlägigen Denkmäler, welche zur Zeit ihren na-
türlichen Fundort mit einem andern oder gar mit einem ausländischen
verwechselt haben, näher zu untersuchen und zu berücksichtigen, ge-
rade wie die noch vorfindlichen. Das ist höchstens bei einzelnen Stü-
cken und dann, wenn sie dem Regierungsbezirke verblieben, sonst nicht
einmal bei dem Theile der teerlhvoUen Glasmalereien (S. 65, 66) ge-
schehen, welche von Dausenaa an die St. Florins- Kirche za Coblenz
gekommen sind. Wenn aber einst der Bearbeiter der £unstdenkmäler
von Coblenz nach den Grundsätzen, welche für die „Baudenkmäler des
Regierungsbezirks Wiesbaden" massgebend wurden, die fremdartigen Deak-
m&ler, also jene, die nicht der Cultur seines Forschungsgebietes erwuch-
sen, ausscheiden sollte, so werden die wertkvoUen Glasmalereien keinen
Raum in der örtlichen Denkmälerkunde finden und dann leicht für die
allgemeine wie für die spezielle Geschichte und Kunstgeschichte verloren
gehen; und um wie viel mehr wird dies Geschick dann jenen Denkmä-
lern drohen, die jetzt in private oder öffentliche Sammlungen an-
derer Nationen verbannt sind! Sollen die entfernten Denkmäler nicht
unter dem natürlichen Fundorte betrachtet werden, so wird ihre Be-
deutung schwerer begriffen, das Bild der Kunstdichtigkeit eines Landes
lückenhaft. Wer die Denkmäler OriechonlandB und Baierns zn bear-
Die Bandcnkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. 141
beiten bätte, der würde die Giebelgmppen des Atbenetempels Yon Ae-
gina anter Müncben böcbsteDS erwäbnen, unter Griecbenland aber be-
Bcbreiben. Noch mebr: Wie viele Gegeoetände figuriren in den Museen
und andern Sammlungen, deren Fundort im Dunkeln liegt; und doch ist
die Kunde des Fundorts in den meisten Fällen genau so wichtig für die
Wissenschaft, wie jene des Fundes. Ihn wieder aufzudecken, oder der
Aufdeckung yorzuar beiten, gibt es oft keinen bessern Weg als den der
Ortsforschung selbst; ihr unverrückbares Augenmerk muss also
auch auf die verschwundenen Sachen gerichtet sein, und
sofern diese noch vorhanden sind, auch auf deren volle Werthschätzang,
sofern Mittel und Zeit es eben gestatten. Was soll man nun zu einer
Auslassung, wie folgende, S. 414 unter Strinztrinitatis sagen: Eisen-
gitter zwischen Chor und Schiffy kunstvoll gearbeitet mit Crucifix (!)y soU
sich im Museum zu Wiesbaden befinden. Also eine so kunstvolle Ar-
beit ist nicht einmal in einer Sammlung constatirt und näher für die
Beschreibung besichtigt, in einer Sammlung, welche mitten im For-
schungsgebiete liegt. — Dass von der alten rühmlichen Topffabrication ^)
keine Geschichte, keine geschichtliche Skizze gegeben ist, erklärt sich
vielleicht aus der Anordnung des Stoffes, dass aber kein Exemplar davon
mehr sollte zu finden sein, wie es nach der Inhalts-Üebersicht scheint,
kann man kaum glauböli.
Wir vermissen die Bestätigung des Vorhandenseins oder die Charakteri-
Btik von gewissen Denkmälern des Regierungsbezirkes, worüber dem Bear-
beiter nur eine unsichere Kunde vorlag. S. 2 2 heisst es von den Glocken
EU Beilstein: die grösste soU von 1614, die zweite von 1597, die vierte
von 1798 sein, die dritte und fünfte — letztere jetzt im Schulhause hän-
gend — SOllefl gothische Inschriften haben, S. 83 von jenen zu Dill-
hausen : die grössere tx/ngeblich 1451, die kleinere von Meister Stephan
1517 gegossen, S. 1 1 5 unter Flörsheim : Monstranz von Silber, gothisch,
SOU . . . kunsthistorischen Werth besitzen, S. 308 von den drei Glo-
cken zu Marienfels: die mittlere soU 1438, die grösste tmd die kleinste
von Jaen bruwüre gegossen sein,'* ^.351 von den Glocken zu Ober-
lahnstein: „Unter den 4 Glocken soU eine 1583 durch Hieronymus
Hack von Aschaffenburg gegossen, eine Mter sein" S. 359 von den
Glocken zu Panrod: „die kleinste d/ngehlich von 1321 oder 1325'',
8. 428 unter Wechel: 3 Glocken sollen von 1553, 1661 und äUerer
Zeit (der nicht entzifferten gothischen Inschrift nach) stammen» Lauter
Ungefähres und Unsicheres sogar über Gegenstände von kunstbisto-
1) Und welch' wichtige* und interessante Funde für die Geschichte dersel-
ben sind noch 1876 in einigen Dörfern des Kannenbäcker-Ländchens namentlich
in Grenzbausen und Grenzau gemacht! Vgl. Kunst-Ghronik 1876 S. 369.
t
w
3
149 Die Bnudenkmtiler des Regiariingsliezirka Wioabtideii.
riBchem Werthe. Die Notiz S. 354 unter Oberseltere : KapeOe 144B
erhaiä löBst uiu im Zweifel ob hier, wie anderswo, bloss ein FimdationB-
datum beigebracht, oder ob das Bauwerk Doch vorhanden und dann, wie
ee beschafFen iat. Solche Angaben mögen für Gegenflt&nde neuesten
Datums genügen, weil sie bloss erw&bnt, nicht ihrem Stilwertlie nach
abgeschätzt werden; daher ich Notizen, wie S. 74 unter Dienethal: (3
Glocken 18-14 und 1873) gern gelten lasse; sie mögeu auch am Platze
und besser als gar keine sein, wenn der Erforschung der fraglichen
Denkmäler beträchtliche Schwierigkeiten entgegenstehen, wenn die Denk-
mäler unzugänglich oder in solche Fernen zerstreut oder voraussichtlich
Bo unbedeutend sind, dass die Untersuchung den Aufwand nicht lohnt,
obgleich auch dann auf schriftlichem Wege sich noch Manches näher
feststulIeD lasst. Wenn die Gegenstände sich aber an einem Orte be-
finden, dessen Baudenkmäler eine besondere Besichtigung erfuhren, des-
sen Angehörige messen , schreiben, zeichnen, einen Abdruck nehmen
kfinnen, so darf meines Erachtens eine zweifelhafte Angabe nicht ver-
ä£Fentlicht werden.
Was die Boachreibungon betrifft, so bleibt hier unklar die Form
des Gegenstandes, dort die Entstehungazeit, anderwärts der Inhalt, oder
gar das Material, woraus es gefertigt ist. Zum Beiego einige Stellen.
Frankfurt, Barfüsaerku-che, S. 121: LeUncr 1486. Kaneel mit der
Jahrcsxalil liS'J, erneuert un<l mil neuem Deckel vcraehen. Daselbst,
Dominicauerkirche: Bibel ha ndscbrift . . . mit ca. 130 MintatureH (wel-
chen?) und eahUosen Initialen pracMvoO geadimäcJct, 1514 . . . verehrt.
das. S. 122; „ MarienbÜd am nördUchen Eingänge der Kirche, mit dem
Wappen des Sl^era, eines Weiss von Limburg'^. Dos. Weiss, Frauen-
klosterkirche, S. 15 6: Tafelgemälde ; Kreuzigung Chrüti von einem guten
oberdeutschen Meister." Gonzenheim: S. 194, Kelch mit der Jahreseähi
1575 sSbervergoldet Hofheim, S. 234 : Taufstein im Pfarrgarten, von Sand'
siein, golhisch, gross. Uolzhanaen, S. 237: Piscina im Chor. Blaaiua-
kirche S. 35: Taufdein von Basalt, aussen nahe dem Chore, ohne Be-
deutung, defect. Limburg, Dom S. 292: 3 Casdn mit spätgothischen
Stickereien. Marienthal S. 316: Altdeutsches Tafelgemälde ; Die Kreue-
erfindung in 4 Abtheüungen. WerthvoU (!) S. 379 Rödelheim: Kirche,
Qralisteine der Herren von Sohns. Nochem S. 345; 3 Glocken. Ober-
breohen S. 349; 3 Glocken 1700 und später. Schupbach, S. 404: Glo-
ken, die grösste 1585 eu Maine von Ckrn. Klapperbach gegossen, die
mittlere angeblich mit alter unleserlicher Inschr^. S. 413 Strasseber»-
bach: .Glocke mit gothischer Inschrift. S. 43 8, Wiesbaden: Grabsteine aus
der alten Kirche, jetzt im'Museum. S. 443 genügt gar für Witdsachsen
die Bauheschreibnng der Kirche und die lakonische Bemerkung: GlocJcen
hängen.
Die Baudenkmäler des Regierangsbezirks Wiesbaden. 148
Notizen dieser Art sind brauchbar als Winke bei den Local*
Untersuchungen und jede Zeile einer örtlichen Denkmälerkunde soll
auf Localnntersuchungen beruhen. Diese Untersuchungen sind
Yon Fachkundigen anzustellen und nicht auf jene Punkte zu
beschränken, wo sich „yoraussichtlich^* oder „angeblich^'
Etwas findet, sondern mindestens auf alle Dorf- und Kirch-
stätten auszubreiten, einmal, weil sie Denkmäler besitzen
können, deren Werth den örtlichen Berichterstattern nicht
in die Augen springt, sodann damit überhaupt das Contin-
gent der Denkmäler, gebe es viel, wenig, oder gar Nichts,
zur Zeit von Ort zu Ort (statistisch) constatirt werde.
Die Beschreibungen selbst zeigen einen ungleichen Maasstab. So
wechseln mit den angeführten Notizen wieder Schilderungen von auf-
fallender Breite wie S. 147 Frankfurt, St. Leonhard: Crudfix auf
einem AUare. 16. Jahrhundert, Am Fusse des Kreuzes windet sich eine
SMange mit einem Apfd im Munde, zur Erinnerung an den Sündern
fa% dessen Folgen der Kreuzestod des Erlösers aufhebt Solch eine
wortreiche Exegese überrascht um so mehr, als über das Material des
Bildwerks Nichts verlautet, und, abgesehen von den Kleinkünsten, sonst
die Werke der Malerei und Plastik meistens unsorglicher fortkommen.
Die meisten Gegenstände werden uns ohne Maasse, auffallend viele
Artikel der Kleinkunst ohne Marken und Musterzeichen, die Inschriften
in verwirrender Orthographie vorgeführt. — Fehler welche gegen den
Schluss, wo man die selbständigen Zuthaten des Herausgebers merkt,
Yermieden oder nicht mehr so fühlbar werden.
Da selbst den Baudenkmälern, welche doch stets im Vordergründe
stehen, zum grössten Theile die Maasse fehlen, traut man kaum dem
Auge, wenn man S. 316 und 317 solche gar von einer Festungs-
mauer und -Thüre findet. Und von den Glocken erfahren wir im All-
gemeinen nicht zu viel, doch hie und da noch das Gewicht.
Facsimile's sind von Zahlen gegeben, wo deren Charakter und
Werth sich ganz gut mittelst einer blossen Beschreibung und einfachen
Wiedergabe verdeutlicht hätte, uäd fehlen dort, wo sie am Platze ge-
wesen wären, wie S. 343, 345, 404; die unleserliche Inschrift^ wo-
rüber da geklagt wird, würde, falls sie dem Bearbeiter ernstlich Schwie-
rigkeiten machte, im Facsimile veröffentlicht doch wohl eher oder später
ihren Leser gefunden haben. S. 244 ist eine mangelhafte Glockenin-
schrift ergänzt — warum das nicht an andern Stellen geschehen, be-
greift man nicht. Was kann uns daran liegen, die fehlerhaften Laute
zu hören, da wir wissen, dass Glockengiesser und Kunsthandwerker,
welche Inschriften auszuführen hatten, gar keine oder nur eine dürf-
tige Kenntniss der Schrift besassen und daher eine Inschrift nach dem
§■
'M4 Die BaadenkmBlur des Rogicrungsbtiirks WieBliadon.
OedJlcbtnisse oder nach mündlichen, vielleicht gar arhriftlicben Angaben
nicht coirect herstellten, die ßucliBtRben und Abkürzungen leicht ver-
setzten, so dpiBs oft die wunderlichsten Worte und Legenden herauB-
kamen. Und wenn der Bearbeiter auch darauf Wertb legt, — und
das möchte ich vom culturgeechichtlichen Staudpankte nicht misabilli-
gon — dies der Leserwelt zu zeigen, so konnte er doch erst einen
richtigen Text herateilen, dann die Fehler in Noten geben, wie solche
ja z. B. S. 275 allerdiiiga zu anderm Behufe angehrnoht worden sind.
Warum daher nicht S. 184 stntt sanctu seriaiziw sanctus zer(u)atiu8 , . .
warum nicht S. 84 auo Maria . . . statt vae UTaria . . .?
Unnütz und verwirrend ist die verschiedene Schrift, womit die
Sentenzen und Schriften der Denkmäler reproducirt erscheinen. Je
nach den Zeiten und Stilcharafcteren verschiedene Schriften anzuwenden,
hat dorh nur für denjenigen einen Wertb, welcher nicht weiss, dass
die Schrift — und hier kommt wesentlich die Monuuientalschrift in
Frage — je nnoh den Zeiten auch ihre bestimmten Wandlungen and
Aenderungen gesehen hat ; nur in den Feilen könnte eine nähere Cta-
rakteriairung der Schrift von Belang sein, wo sie wie S. 498 der Form
oder dem Inhalte nach verdächtiger Natur ist, oder wo eine alte Form
sich verspätet, eine neue sich verfrüht wie S. 254, wo eine Majuakel-
schrift von 13 89 erwähnt wird, also aus einer Zeit, in welcher schou
die Minuskelsobrift ihren Einzug hielt; dagegen muss man den Zeit-
und Eostennufwnnd hehufs Copie, Schnitt und Giias der Jahreszahl
1478 bedauern, ■ — ist doch die Zeit der Herrschaft und die Form
der arabischen Ziffern weidlich bekannt.
Verwirrend ist, wie gesagt, die Art, wie die Schrift reproducirt
wird. S. 29 begegnen wir zwei Inschriften des 15. Jahrhunderts in
gothischen Minuskeln, einer des 13. Jahrhunderts in römischen Cspi-
talen. Wer nun hofft, es werde fortab die Majuskel- und die Miuns-
kelscbrift durch besondere Buchataben consequent unterschieden, täuscht
rieh. Kr findet S. 37 eine Inschrift von 1309 (?), S. 104 eine an-
dere mit gothischen Majuskeln nicht in römischen Capitalen, sondern in
Minuskeln beigebracht. Ergeht sich jene Inschrift von 1309 wirklich
in Minuskeln, so ist das Datum sicher ein späteres ; denn derma-
len bestand die Denkmalschrift im Regierungsbezirke Wiesbaden wohl
noch aus gothischen Majuskeln. S. 307 treffen wir eine chronistische
Notiz vom Jahre 1243 in gothiacher Schrift, des ungeachtet S. 310
eine urkundliche von 1324 in einfacher Antiqua. FQr die neuere
Zeit kommt hier (8. 206, 232) (und zwar in gefälligerer Form S. 498,
505) nchtig die römische Capiiale zur Anwendung, dort, man traut
kaum dem Auge, wieder die spitze Mönchschrift, und das nicht bloss
wie S. 418 bei einer Inschrift des 17. Jahrhunderts, sondern wie
Die Baadenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. 146
S. 335, 46, 510 auch bei Inschriften des 18. Jahrhunderts, S. 99
sogar bei einer des Jahres 1819. Die wiederholt gebrauchte Bezeich-
nung neurömische Majuskel-Inschrift ist selbst neu und historisch falsch.
S. 232 steht eine lückenhafte Inschrift von 1681 sogar mit Quer-
strichen nach den Zeilenenden abgetheilt — eine Akribie, welche hier
wieder vereinzelt vorkommt, auch hingehen mag, weil sie, wie es
scheint, die Ergänzung der Sohrift erleichtern soll.
Wäre eine ähnliche Genauigkeit nur auch an andern Stellen ein-
getreten ! Die meisten altern Glockeninschriften laufen ununterbrochen
fort, auch wenn es Verse sind. Mit Recht steigen die Glocken als
Denkmäler der Kunst immer höher in unserer Achtung — diese Ach-
tung gebührt aber auch ihren Inschriften. Sie haben frommen, histo-
rischen, oft gar poetischen Gehalt und werden, um nur Eins hervor-
zuheben, oft unsere Hoffnung, wenn es gilt, die frühern Heiligen -Pa-
tronate der Kirchen wieder aufzusuchen. Die mancherlei Sprüche und
Dichtungen, zumal jene in der Landessprache, müssten auch als Sprüche
in Versform auftreten, die Inschriften überhaupt nicht nach der ur-
sprünglichen Schreibweise, sondern nach den heutigen Grundsätzen der
Orthographie gedruckt werden.
Und nun noch eine sachliche Correctur in Bezug auf die Glocken-
Sentenzen. S. 252 und nicht S. 352, wie dasteht, ist eine Glocke
wohl auf Grund der Majuskel - Inschrift : 0 rex glorie veni cum pace
ins 13. oder 14. Jahrhundert versetzt; warum nicht auch die gleich-
artigen S. 201 und S. 221 aus dem 14, Jahrhtmdert? Warum solche
Ungleichmässigkeiten bei gleichartigen Prämissen? dass übrigens die
Sentenz: 0 rex glorie . . . auch dem 15. Jahrhundert noch geläufig
ist, können die Inschriften von 1436 (S. 261) und 1440 (S. 29)
lehren.
Ueber die Form der Darstellung noch einige Bemerkungen. Hier
fliesst der Text leicht und klar dahin, dort wird er wortkarger, so dass
das Verbum finitum fehlt, wie in einem Kataloge. S. 351 unter Ober-
labnstein lesen wir: ^jÄmtsgerichtsgehäude (nördlich von der Kirche).
Goihisch atis dem Anfange des 14, Jahrhunderts*^ als ob der Bau von
jeher diese Bestimmung gehabt habe: denn von der älteren erfahren wir
Nichts. S. 346 wird eihe Burgruine zu Nollicht zweifelhaft ausgegeben
als fJStammburg der Adeligen von Lorch**. Klingt das nicht unsachlich,
nicht modern? S. 503 folgt auf Frankfurt, Dom, Domkreuzgang: Plu-
vialschlosSi und man würde auch aus der Beschreibung die Bedeutung
des Gegenstandes schwer errathen, wenn nicht gleich darauf eine Gasel
in Rede stände.
Bezüglich der technischen Ausdrücke hapert es überhaupt, nament-
lich wenn Gegenstände der beiden letzten Jahrhunderte zur Sprache
10
I
146 Die Baodenkm&Ier det RegierungabecirkB Wieabaden.
kommen ; ddcI da tbeUen sogar die Architekturen dasiielbe Geecbick mit den
übrigen Werken. S. 17 begegnet hdb eine ,^opfige TodUnkapeUe" %. 149
ein ,^osser Zopfältar", S. 213 ein „Kdck mit zopfigem Fusse", S. 108
eiu „Kelch von 1728 räclt zopfig", S. 318 ein „zopfiger Dachrätfr",
.S 388 eine „topfige Kirche", 8. 337 wieder ein „zopfiger AUar", S. 384
ein romaniBchor Tburm „mä zopfigem Oberthale von 1766" nnd S. 428
ein ,^opfigcr BaehreUer."
Waa Holi <Us heisaen ? dto Benennung „zopfig" ist eine dilettan-
tiscbe, welche wohl meistens die Werke der beiden letzten Jahrhunderte
trifft, wie eliedera „gothisch" jene des Mittelalters — nnd zwar in
verächtlichem Sinne. Daher stellt sie sich leicht denen znr Verfflgung,
welche über die Werke jener Zeit den Stob brechen, ohne ihren ge-
schichtlichen nnd ästhetischen Wertb, ohne ihren Stil zu kennen. In
einer Benkm äl erkunde aber ist ein Drtbeil Qber den Stil,
and wo er thatsäcblich schwer za bestimmen ist, wenigstens
eine Zeitangabe nnerlÜBsLich.* Haben doch die Forsch nngen solche
Fortaehritte gemacht, dass man die Stile der letzten Jahrhnnderte in
ihrer Reinheit oder Geniiachtheit zu bezeiohnen in der Lage ist. Waa
als zopfig dargestellt wird, hat selten ein Datum ; alles Uebrige wird sich
wohl auf die Stilzoiten des Barocks, Rococco und des classischen
Zopfes vertheilen lassen, — Bezeichnungen, welche dem Bearbeiter
nicht geläufig, nicht klar gewesen zu sein scheinen. So viel ich sehe,
benennt er einmal S. 3 52 eine Architektur „modern von 1713", ein-
mal 8. 345 begegnet uns ein schöner schlanker oben achteckiger Helm
von 1737 - da ist doch wenigstens das Jahr angegeben und
anerkannt, daas nicht Alles ,, zopfig" ist, waa damals gemacht wurde. Ein-
mal S. 100 begegnet uns an alten Choratühlen sogar eine Brüstung im
zierlichen Bococcoslil des 18. Jahrhunderts. Warum fehlt sonst die Stil-
bezeichnang oder die Zeitangabe, waa docli eine klarere Vorstellung des
Gegenstandes ermöglicht oder erleichtert hätte ? Gleichwohl kann man
zweifeln, ob jene Stilbezeichnungen, wenn sie vorkommen, richtig aind,
wenn S. 19 ein Taufstein von 1608 mit Schneckenfüasen als barock,
S. 344 Glocken einfach als nachmittclalterlich, S. 180 unter Frank-
furt der vom ItaUener dell' Opera 1730 erbaute Palast des Für-
sten Thum und Taxia bloss als Beispiel der Bauart des 18. Jahrhun-
derts charakterisirt wird, ohne daas man vernimmt, oh der Bau ita-
lienische Einflüsse, oder noch die Charaktere dea Barocks oder jene
des Rococco, oder Mischformen verachiedener Stile zeigt. Warum fehlt
denn das Eschenheimer Palais in Frankfurt, eins der wenigen Beiapiele
des reinen R^encestiles in Deutachland')? In der That gibt es in der
1) R. Dohme in der Zeitsohrift für bildende Kunst (1878) Xni, 296.
Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. 147
allgemeinen Uebersicht S. 519 neben Renaissance und Rococco kein
Stichwort für das Barock and den cl assischen Zopf. Der Heraus-
geber sucht für die nicht architektonischen Gegenstände diese Fehler
in der Uebersicht wieder gut zu machen — es gelingt ihm nur halb-
wegs; denn die Charakteristik „Barock" fehlt auch hier, die Charak-
teristik Rococco ist zu bestimmt und jedenfalls nicht ganz richtig an-
gewandt: zu bestimmt, weil eben die Beschreibungen im Texte selten
mehr als ungefähr die Zeitstellung der Werke ofiPenbaren , selten
sich auf den Stil einlassen; und im 18. Jahrhundert kreuzten und
mischten sich lebendige und todte Stile und besonders französische und
italienische Formen, sogar gothisirende Formen leben darin auf; und
darum ist die Charakteristik Rococco wohl auch nicht ganz richtig,
weil der Herausgeber S. 542 ganz offen mit „Roccoco" das ganze 18.
Jahrhundert begreift, so dass ihm S. 3 29 sogar Stuckaturen von 1702
and S. 410 sogar Glocken von 1792 zugetheilt werden ; die Stucka-
turen S. 179 sind ihm wohl durch ein Versehen untergeordnet, weil
sie der Darstellung nach dem 17. Jahrhundert angehören. Nehme
man das Rococco als culturgeschichtlichen oder stilistischen Begriff, es
passt keinenfalls auf das ganze 18. Jahrhundert.
Ich will Ausdrücke, wie spätromanische Thürme aus dem 12, Jahr-
hundert S. 360 und spätestgothiscJi, 16. Jahrhundert S. 255 bloss re-
glstriren, muss dagegen die Bezeichnungen gothisch oder spätgothisch
für Denkmäler der Sculptur und Malerei, wie sie z. B. S. 34 (zwei
Mal) 135, 149, 328, 367 zu lesen, als unzutreffende und anpas-
sende entschieden bekämpfen. Sie entfliessen noch der yerderblichen
Anschaaung, als wäre die Architektur stets der Ausgangspunkt and
die Yorläuferin der übrigen Künste gewesen und als wären diese nach
den Stil Wandlungen jener zu beurtheilen.
Das ist falsch, und trifft, wie wir allgemach immer klarer ein-
sehen, für die Malerei und Bildnerei nicht zu. Es deckt sich der
Zeit nach ihr Gang nur unvollständig mit der Entwicklang der Bau-
kunst ^). Beide oft eng mit einander verbunden suchen sich gerade
in gothischer Zeit dem Stilzwange zu entziehen und Weltmann hatte
daher schon in „seiner Geschichte der mittelalterlichen Malerei^* die zu
keinen Trugschlüssen verleitende Eintheilung in ein hohes und spätes
Mittelalter angenommen.
Wie wiederholt angedeutet, erfreuen sich die Architekturen einer
weit sorglicheren Berücksichtigung, als die andern Kunstwerke und
Alterthümer. Von den verschwandenen Bauten hört man wenig, und
man fragt sich, ob sich nicht der eine oder andere nach älteren Ab-
1) Vgl. A. Springer in der Zeitschrift für bild. Kunst (1880) XV, 846.
I
1
146 Die Bandenkmäler dos HegiaruEigBbezirlo WiesbE^D.
lildungen, Besclireibungeo oder Grundriaaen, wie eie Bioh oft in öffent-
bichen oder privaten SainmluDgeii erhalten haben, hdtte genaaer skiz-
ziron oder gar schildern Inseen. Die Syateniatik der BurganUgen er-
fahroQ oder erschliessen wir auB den Beschreibungen der vorhandenen
Reete, und oft ganz sicher; Gewicht ist nicht darauf gelegt, am we-
nigsten wo Ruinen bQS)jrocUeu werden; die Bürgen sind meistens Berg-
festen und konnten als solche schon des Terrains wegen nicht jene
Regeluiilasigkeit in den einzelnen Abtbeilungen befolgen, wie die Bur-
gen der Ebene, die Wasserburgen. Um ao mehr war darauf zu sehen,
ob aiob unter den complicirteo Aulugen nicht gewisse Geaetzc geltend
machen in Bezug auf die Eintbeilung, die Lage der Bcrgpfadu und
Mauertbürme, der Vorwerke und Ziugel, ob die Zeiten nicht unige-
(j^ fltaltend auf die Burganlagen eingewirkt haben. Diese RücltBicbt wni-
U am so weniger zu umgehen, als die Burgen in der Literatur, sogar in
Special arbeiten, oft mehr romantisch als systematisch behandelt
werden, als ob nur im alten Kirchen-, Kloster-, und Hausbau, was Grund-
formen und Aufbau betrifft, ein System gewaltet hätte.
Am meisten leiden unter dem ungleichen Maasse der Werthschäizung
die Gemälde. Sie sind aus altdeutscbei' Zeit in massiger Zahl vor-
banden - — und viel mehr, als ihr Vorhandensein bietet uns das Buch
nicht, • — keine Beschreibung des Inbalta, der Technik, der Stifter und
meistenB keine Angaben oder Vermuthungen über ibrn Meister, ihre
Huiutstätten und ihren Zusammenhang mit der Schule.
Manche Fehler und Ungleich mänaigkeiten wären vermieden, wenn
die Aufgabe klarer und richtiger erfasst wäre. Sie ist eine andere für
eine allgemeine Kunsttopographie, eine andere für eine locale
Denk mäler künde. Jene kann acbon dem örtlichen und sachlichen
Umfange nach nur zu einem geringen Theile auf eigener Forachung, sie
muaa wesentlich auf Vorarbeiten beruhen, kann, was in diesen nicht
enthalten iat, auch nicht bieten, und liebt, da sie das Facit derselben
auBmncbt, einen kurzen und prägnanten Ausdruck und daher eine mög-
lichst knappe Form der Veröffentlichung. Das hat Lotz selbst mit
seiner Eunattopographie Deutschlands uns gelehrt, fUr sie war er der
richtige Mann.
Die locale Denkmälerkunde darf Vorarbeiten und anderwei-
tige Vorlagen, nach Umständen sogar die Copien von Inschriften nur
als Eülfsmittel, nur als Handweiser gebrauchen, sie muss auf den per-
sönlichen Untersuchungen des Bearbeiters beruhen, sie muss demge-
mäss die Denkmäler nnd Gegenstände des ausgewählten Ortes oder
Re vi eres sftmmtlicb und im Ganzen gleich massig und so ausführlich
bebandeln, daas die Darstellungen als Quellen für die allgemeinere Ge-
schichte dienen können. Diese Gesichtspunkte, jener der Volbtändigkeit
Die Baadeukmäler des Regierangsbezirks Wiesbaden. 149
unbedingt, müssen festgehalten werden, wenn die Arbeit auch den Cha-
rakter eines Inventars hat. Alsdann findet sich darin vielleicht noch
Raum für die eigenartigsten Kunsterzeugnisse des behandelten Gebietes
und im vorliegenden Falle wären die Kunsttöpfereien wohl nicht gänz-
lich ausgeschlossen. Wenn der Localforscher von der einen Art Denk-
mäler hinlängliche, von der andern nur dürftige Mittheilungen macht,
so ist kein Ende abzusehen von den Untersuchungsreihen und Special-
arbeiten in Bezug auf ein Denkmälergebiet, wofür eine specielle Denk-
mälerkunde ausgearbeitet und gedruckt ist. Die Forscher bestimmter
Denkmäler und Alterthümer, bestimmter Kunstzweige und Stilzeiten,
müssen dann das behandelte Revier noch einmal besuchen, die Un-
tersuchungsreisen müssen in demselben Lande und oft nach denselben
Orten wieder und wieder unternommen werden. Und wie, wenn der
Verdacht vorliegt, in der Denkmälerkunde seien nicht alle Orte berück-
sichtigt, nicht alle Schätze und Funde mit Namen genannt? Lotz hat
zu häufig die kürzern oder weiteren Angaben der Bücher oder die Ant-
worten der Fragebogen*) an die Stelle persönlicher Untersuchungen tre-
ten lassen, obwohl durch die Erfahrung ausgemacht ist, dass nament-
lich die Berichte der Ortsangehörigen nur zu einem geringen Procent-
satze als solche für die Publication sich eignen, zum weitaus grössten
Theile mangelhaft, unsachlich oder unrichtig sind. Soll die Denkmäler-
kunde bloss als Inventar dienen, dann müssen doch auch die Gegen-
stände mit gleichem Maasse gemessen, die einen nicht als unsichere und
zweifelhafte hingestellt, die anderen flüchtig abgethan und die dritten
dagegen mit ausgiebigerem Maasse gemessen werden. Ausführliche und
breite Schilderungen auf der einen, vertragen sich nicht mit katalogartigen
Notizen auf der andern Seite. Und darin liegt wieder eine Haupt-
schwäche des Buches. Die Bauwerke spielen, wie erwähnt, die erste
und vornehmste Rolle, seltener die übrigen Kunstgattungen.
Jene sollen deir Anforderungen an eine örtliche Denkmälerkunde
genügen, diese folgen als Nebensachen, oft im Gewände einfacher No-
tizen, nach, welche sogar einem Kataloge schlecht anstehen würden.
Wäre ihnen oder doch den Hauptblüthen unter ihnen von Anfang an
dasselbe Augenmerk zugewandt, wie den Bauten, so würden sie diesen
ebenbürtig, würden vollständiger, präciser behandelt sein. Das war um
so mehr zu wünschen, als die Publication auf Abbildungen gänzlich
Verzicht leistet, die dem Leser einigermaassen das ersetzen könnten,
was er bei den Beschreibungen vermisst. Abbildungen sind streng ge-
nommen keine nothwendige, jedoch willkommene Beigaben, sie brauchen
ja nicht, wie man das in gewissen Kreisen hört, von einer Grösse und
1) Vgl. Kunst-Chronik 1873 S. 807.
ISO Die BaiideDkm&ler dea RegierungabezirkB Wieabaden.
Beschaffenlieit eq seia, dase ausere Eünetler sie für none Werke be-
nutzen d. h. einfach capiren könnea. Solch' ein Zweck bedingt eioe
ganz andere Anfgabe und beruht auf einem ganz verschiedenen Ge-
sichtspankte, — and er leistet, beiläufig gesagt, nneerm Knnstleben
Dur eineo zweifelliaften Dienst, Die bildlichen Kunstverlagen der altem
Zeit haben nur bescheidene Maassverbältiiiase, gaben den Künstlern nur
eine nldee" und daher konnten liaumeister, Mäbeltiacbler, Goldscluniede,
Sticker ein und dasselbe Muster ausbeuten und je nach ihren Zwecken
und Materialien ao sinnig verwertben, wenn es galt eine selbitändige
(Kunst) arbeit zu schalTen, Haben denn die Meister der nonaiasance
mittelst Copiren der antiken Ueberreste den Kunststil entwickelt, ihre
Werke hervorgebracht? Abbildungen in einer DenkmÜlerkunde gen&gen
vollkommen, wenn sie das Wort unterstützen und das historische Ter-
stündnisH der Denkmäler fördern. Sie sind hier als historiBcbe
Hülfemittel, nicht als praktische Vorlagen aufzufassen.
Es ist kein angenehmes Geschäft, in einem Werke dann hier, dann
dort Mängel, Lückeu, Unrichtigkeiten, Unebenheiten in der Aoswabl
und Behandlung des Stoffes, schiefe AufFafisungen anstreichen ssn müi-
een ; ich habe es im vorliegenden Falle in eingebender Weisa gethan,
weil dna Werk anch seine Verdienste und eine Bedeutung hat, welche
es einer weitern Beurtheilung werth erscheinen Hess ; ich habe es auoh
gethan, damit es wohl mit seinen Vorzügen, nicht auch mit seinen
Scbwiichea ein Beispiel der Nachahmung gebe. Ich habe dabei die
Anforderungen nicht zu hoch gestellt, und habe gewiss keinen Mass-
stah angelegt, wie ich ihn im Anfange der Eecen^on fdr ein lokales
Denkmälerwerk hinstellte. Ich habe Vollständigkeit und Consequenz in der
Wahl und Behandlung der Stoffe, wie in der Berücksichtigung der
Fundorte verlangt. Gleichwohl würde das Buch, falls unsere Wünsche
daran in Erfüllung gegangen waren, einen doppelt so grossen Umfang
genommen und die Herstellung vielleicht einen doppelt so grossen Auf-
wand an Zeit and Arbeit gekostet haben. Der Bearbeiter war Archi-
tekt und seinen Studien nach wesentlich Banforscher. Wurde ihm eine
ausreichende Bearbeitung der gesammten Denkmäler nach den Ortschaf-
ten, Materialien, Zeiten und Kunstzweigen zu schwer oder zu umfas'
send, so war entweder das Arbeitsfeld behufs einer allmählichen Beherr-
schung zu theilen, oder es mussten andere Kräfte zur Hülfe oder Theil-
nahme herangezogen werden, wie es ja auch für gewisse Denkmäler
des Alterthams geschehen ist. Gegenüber den „ Baudenkmälern des
Regierungsbezirks Cassel", welche Lotz bekanntlich 1870 als zweiter
heransgegeben hat, bezeichnen die Baudenkmäler des Regierungsbezirks
Wiesbaden in mancher Hinsicht einen erheblichen Fortschritt, und jeden-
falls w&re an diesen noch Mancherlei geändert and verbessert, wenn es
Die Baudenkmäler des Regierungsbezirks Wiesbaden. 151
dem Verfasser vergönnt gewesen wäre, die letzte Hand anzulegen und
das Werk bis zum Erscheinen durchzuführen. Auch das wollen wir
laut hervorheben.
Wir dürfen aber auch nicht verschweigen, dass der Herausgeber,
Herr Schneider, soweit es nur das vorfindliche Material und Programm
gestatteten, sein Möglichstes gethan hat, das Buch dem gesteckten Ziele
zuzuführen.
• Noch Eins muss berührt werden. Nachdem die römischen Denk-
mäler und das Gebück bereits im Texte Platz gefunden haben, werden
in zwei Anlagen der Pfahlgraben von der üse bis zur Sayn, die Wall-
burgen, Gebücke, Landwehren und alten Schanzen noch besonders be-
sprochen. Wir wollen über diese Repetition und Sonderung kein Wort
mehr verlieren unol nur der Genugthuung Ausdruck geben, dass diese
Anlagen vorhanden und aus so kundiger Feder geflossen sind, wie
jener des Herrn Gonservator^s von Cohausen.
J. B. Nordhoff.
2. Wandmalereien des christlichen Mittelalters in den
'Rheinlanden. Herausgegeb. von Ernst aus^m Weerth. Zu-
gleich als II. Abtheilung, Band 4 und 5 der Eunstdenkmäler des
christlichen Mittelalters in den Rheinlanden. Leipzig 1879. T. 0.
Weigel. Imp. Fol. 46 Tafeln und 21 S.
Der Herausgeber des hier zur Anzeige gebrachten Prachtwerkes
darf mit Genugthuung auf eine erfolgreiche 25jährige Thätigkeit für
die Interessen der Denkmälerkunde und Kunstgeschichte seiner engeren
Heimath, des schönen preussischen Rheinlandes zurückblicken. Wohl
ausgerüstet von seiner ersten italienischen Studienreise, wo er sich bei
längerem Aufenthalte in Rom des näheren Umgangs mit Cornelius
zu erfreuen gehabt hatte, in das Heimathland zurückgekehrt, begann
er mit enthusiastischem Eifer ein grossartig angelegtes Werk über die
Kunstdenkmäler des christlichen Mittelalters in den Rheinlanden, dessen
erste die Bildnerei umfassende Abtheilung in den Jahren von 1857
bis 1868 in 3 Bänden des grössten Formates und zum Theil in
Farbendruck ausgeführt, mit historischem und beschreibendem Texte
erschienen ist und die vollste Anerkennung der Kritik gefunden hat.
Die Zwischenzeit wurde durch andere verwandte Arbeiten ausgefüllt,
von denen wir nur die Herausgabe des Limburger Siegeskreuzes her-
vorheben wollen, durch welche die Emailfrage zur endgiltigen Ent-
scheidung gebracht wurde und die Herausgabe der Mosaikfnssböden
von S. Gereon in Cöln, die dem Verfasser zu wiederholten Reisen
1S3 WundiDftlereioa äe» christlicLeii Uitlelaltere in den miünlanden.
□ach Italien Vertinlassnng gab. Ausserdem wnr seiue Zeit dttrch seine
Mitwirkung für das Zustande kommen des internationalen Archäologen-
Congresses in Bonn lu Änaprach genünmieu, so wie doi'ch die Redaction
dieser Jahrbücher, die auf seine Veranlassung eine in artiatischer Dezie-
bnng sehr zweclt massige ftusaere Umgestaltung erfahren liaben. Gegen-
wärtig iat nun als zweite Abtiieilung eeines Hauptwerkes die Publics-
tion rheinländiacher Wandmalereien an das Licht getreten und zwar
in ebenso vollendeter, monumental an nennender Weise, wie die ge-
nannten früheren Veröffentlichungen. Solchen und anderen Erfolgen
gegenüber Bollte der Uerausgeber im Vorworte wahrlich nicht darüber
klagen, dase er das angestrebte Ideal nicht habe erreichen können;
denn welcher Sterbliche könnte sich überhanpt dessen rühmen!
Die 46 grösstentheila in Farbendruck ausgeführten Tafeln veran-
schaulichen in genügend grossem Maasastabe und in den Originatfarbeu
Wandmalereien, welche die Zeit von der Mitte des 12. bis zum
Schlüsse des 14. Jahrhunderts umfassen und bisher in wetteren Kreisen
nur durch Beschreibungen und kleine fragmentarische UmrissskizzeD
ungenügend, zum Thcil noch gar nicht bekannt woi'en. Auf Anregen
des um die Förderung der Kunstinter essen hochverdienten Wirkl. Ge-
heimen Rathes von Möller Exe. als damaligen (1850—1866) Prä-
sidenten der Regierung zu Köln war der seitdem verstorbene Hofmaler
C. Hoho in Bonn beauftragt worden, die in rheinischen Kirchen vor-
findlichen Wandmalereien aufzudecken, abzuzeichnen und zu reatauriren
(d. h. neu zu übermalen), and Prof. aaa'm Weerth traf mit dem-
selben im Jahre 1867 ein Abkommen zur Lieferung aämmtlicher
Zeichnungen für das vorliegende Werk. Ala Hohe im Jahre 1868
mit Tode abging, waren diese nicht mehr von ihm selbst hergeatellten
Zeichnungen noch nicht vollendet, and die durch den Architekten
Lambria vorgenommene Vergleichung mit den Originalen ergab leider
■o mannigfache und so wesentliche Abweichungen von den letzteren,
dass für die meisten Bl&tter eine Neuzeichnung nnumgSnglich erschien.
Die Herausgabe ist wesentlich und absichtlich auf die drei grossen,
zeitlich auf einander folgenden Cyklen in Brauweiler, Schwarzrheindorf
and Rameradorf beschränkt worden. Die Malereien des Capitelsaales
ZD Brouweiler sind die ältesten and geben eine höchst anziehende
niustration zu dem in Cap. XI des Briefes an die Ebräer von den
Glaubenshelden und Märtyrern handelnden Abschnitte. Auf diese
folgen die Wandgemälde der Unterkirche von Schwarzrhetndorf, welche
den Gesichten des Propheten Ezecbiel entnommen sind and ihnen
schliesaen sich die apokalyptisehen Darstellungen der Oberkircbe an,
die erst nach Hohe's Tode aufgedeckt worden sind. Die folgenden
Tafeln geben die WaDdmalereien aus der ehemaligen Deutsch ordens-
Wandmalereien des ohristlichon Mittelalters in den Rheinlauden. 153
kapelle zu Ramersdorf wieder, die darch den Abbrach der letzteren
zu Grunde gegangen upf bei dem Wiederaufbau auf dem Friedhofe in
Bonn nicht neu gemalt worden sind ; sie gehörten bereits der gothischen
Periode an und waren von ausserordentlicher Schönheit. Den Schlass
bilden die erst neuerlich entdeckten, doch ebenfalls nicht mehr existiren-
den Gemälde der abgetragenen Kirche zu Bergheim a. d. Sieg.
Der Text ist mit eingehender Berücksichtigung der Localge-
schichte und mit sorgsamer Beachtung der vorhandenen Literatur, in
zweifelhaften Dingen aber mit grosser Vorsicht bearbeitet. So ist es
nur zu billigen, dass, wo es sich bei den zahlreich vorhandenen In-
schriftfragmenten nicht um Citate aus der Vulgata, sondern um leoni-
nische Verse handelte, die immerhin unsichere Ergänzung lieber unter-
blieben ist. Vielleicht führt hie und da ein glücklicher Zufall einen
oder den anderen sachkundigen Leser auf richtige Ausfüllung der ge-
lassenen Lücken.
Wie die erste Abtheilung des gediegenen Werkes dem Könige
Friedrich Wilhelm IV. dedicirt war, so hat Se. Maj. der Kaiser Wil-
helm die Widmung dieser zweiten huldvoll angenommen, deren hand-
licheres Format, wie es den technischen Bedingungen des Farbendrucks
besser entspricht, gewiss allgemein willkommen sein wird. — Wenn
der Herausgebor die Güte gehabt hat, auch den unterzeichneten Ref.
unter denen zu nennen, die sein Werk durch Rath und That gefördert
haben, so kann sich dies nur auf die lebhafte und dankbare Theil-
nahme beziehen, die derselbe dem ihm freundlichst gewährten Einblicke
in das allmähliche glückliche Fortschreiten des schwierigen Unter-
nehmens hat widmen dürfen.
Merseburg. Dr. theol. Heinr. Otte.
III. Miscullen.
1. Bonn. Die Lesung der in Heft LXVril (S. 22; vgl. 8. 47f.)
dieBer Jahrbücher beaprochenen Inschrift aus dem Deutzer Castrum steht
für die ersti^n fünf Zeilen uuzweifelhaft fest Ebenso ist als sicher zu be-
trachten, doBB zu AufiLüg der Hechsteu Zeile V erus etand, denn von dem S ist
noch der- obere Bogen sichtbar und der Raum vorher reicht für die übrigen
vier Buchstaben gerade aus. In den nachher noch folgenden Sporen von
zwei oder drei Buchstaben hat Herr Dr. Bone COM gesehen und daher
Commodns gelesen; aber diesen Beinamen führte Verus als Kaiser nie.
Es stand aber auch entschieden etwas anderes da: erst ist ein Punkt zu
bemerken, der oberste Theii einer Hasta oder eiuea in eine Spitze auslaufeu-
den Buchstabens; sodann ein stark ovaler Bogen, der nur der obere Theil
eines P, R oder D (absolut kein 0) sein kann; dahinter glaube ich allerdings
euch noch die Spuren eines M erkennen zu können. Da nun die beiden Kaiser
ausdrücklich als Iinperatores II. bezeichnet sind und als solche in Folge der
Uaterwerfnng Armeniens im Jahr 16.S begrüsst wurden, Verus aber seit
demselben Jahr und aus demselben Grunde den Beinamen Armeniacus führte,
so wird wohl hinter Venifl nach ARMENIACVS auf dem Stein gestanden
haben. Dr. Paul Meyer.
Zu dem gleichen Steine bemerke ich iu Bezug auf das als dazu ge-
hörig betraobtete Fragment mit 0 P E, dase unter und über diesem
Wortreste noch je die Reste viAi zwei Buchstaben erkennbar Bind. Ueber
dem P hat jedenfalls ein R gestanden, dessen untere Hälfte vorhanden ist;
daneben sieht man noch eineu vertikalen Strich, vielleicht eines E . Unter
OPE erkenne ich die ohern Reste eines D und R, also lese ich:
Hl
OPE
DR
In dem 0 befindet sich der vermerkte Ligaturstrich.
Aus'm Werth.
2. Berg bei Nideggen. Fränkische Grabstätte. Am west-
lichen Abhänge des südästlich von Berg bei Nideggen gelegenen langge-
streckten Bergrückens, Breitel genannt, stieBseu im Februar vorigen Jahres
Arbeiter, welche mit der Instandsetzung des dortigen Gemeindeweges be-
schäftigt waren, in einer Tiefe von einem Meter auf fränkische Gräber.
Man legte zunächst einen Sarg bloa, der im Innern eine Länge von 1,60 m,
eine Breite von 1 m und eine Höhe von 0,60 m hatt«. Er war aus roh
Miscellen. 156
behauenen, 0,24 m dicken rothen Sandsieinplatten zusammeDgestellt und
um den Lnftzudrang gänzlich zu verhüten^ hatte man die Fugen der
verschiedenen Steinplatten mit Thon verkittet. In dem Sarge lagen ein
Skelet, die Reste einer 0,50 m langen Spatha aus Eisen, die zu der
Scheide derselben gehörigen Ueberbleibsel eines Metallbescblages, Stücke
von einer messingenen und eisernen Gürtelschnalle, eine gläserne Trinkschale
von 0,11 m Durchmesser, 0,6 m Höhe, sowie ein beinerner Kamm mit dop-
pelter Zahnreihe.
Gleich neben diesem Grabe kam ein zweites zum Yorscheiu. £s
zeigte abermals einen Sarg aus rothen Sandsteinplatten. Die innere Länge
desselben betrug 2,26, die Kopfbreite 0,87, die Fussbreite 0,82 und die
Höhe endlich 0,86 m. Diesmal hatte man den Steinplattenfugen einen
Verschluss von Mörtel gegeben. Im Innern des Sarges zeigte sich ein
Stück des Steindeckels und unregelmässig liegende Gebeine eines kräftigen
Menschen. Es hatte darnach den Anschein, als ob das Grab in früherer
Zeit geöffnet und der Todte seiner Beigaben beraubt worden wäre. Die
zu diesem, vielleicht auch die zum andern Sarge benutzten Steinplatten
scheinen übrigens römischen Monumenten entnommen zu sein, wie dies das
in dem Sarge gefundene Bruchstück der Deckplatte aus gelblichem Sand-
stein angiebt. Es trägt dasselbe nämlich die Reste einer römischen In-
schrift, deren 0,055 m grosse Buchstaben wir hier wiedergeben :
AZL I IVS
IMPv I PS^SL-
Von der ersten Zeile ist der obere Theil abgebrochen, so dass die
hier angegebenen Buchstaben Z L I I möglicherweise durch andere ersetzt
werden könnten.
Manche weitere fränkische Gräber, welche hier zum Vorschein kamen,
zeigten bald den mit, bald den ohne Beigaben der Erde übergebenen
Todten. Die Beigaben sind gewöhnlich vorkommender Art, Gestalt, Form
und Verzierung. Es waren einige Gefässchen aus blauem, schwarz ge-
dämpftem Thon, ein scramasaxus, ein Ger, Reste von Gürteln und Scheiden-
beschläge aus Eisen sowie aus Messing.
Gonstantin Eoenen.
3. Düsseldorf. Entdeckung einer alten Eunsttöpferei
daselbst. Im Juli des Jahres 1878 nahm man auf dem Hofe des Herrn
Dierdorf in der Mühlenstrasse zu Düsseldorf, in nächster Nähe des linken
Ufers des Düsselbaches, Ausgrabungen vor. Es sollte hier ein Neubau er-
richtet werden. Bei dieser Gelegenheit stiess man auf eine grosse Anzahl
von Gefässscherben. Dieselben sind zum Theil glasirt und zeigen in Relief
ausgeführte Darstellungen von alttestamentarischen Vorgängen, schwung-
volle Wappenschilder und mustergültige Renaissance - Ornamente, lassen
überhaupt das rege Leben aus dem 16. und 17. Jahrhundert erkennen.
t
F'
IB6
Wenn du» nuch eine groue VerwaadUobaft, man roficbte fast sagen,
eiDo Identität iliuiier Töpferwoare mit der der Eansttöpferei in Siegbnrs
watimebniliar, so entfremdet nns doch der Gedanke, diese Scherben einer
einfscheu AblagorangsstAtt« von zerbrocbenen Hansgerütben snzu schreiben
und demnächst ilire Herkunft naob Siegbnrg zu Terlegen, bei einer näheren
Betraclitnng dersDlben. Es fallen nämliob sofort allerlei Ünvollkommen-
boiten auf, welche im Töpferofen entstanden nnd sieb mit einer in den
Handel gelangen Waare nicht vereinbaren lassen. So bat eines der Qe-
fasse einen schiefen Pubs, ein zweites zeigt eine etwas nach der Seite ge-
richtete Bauchung, die B&ncbnnf; eines dritten GefäsBes ist etwas einge-
drückt, bei einem vierten Gef^isse ist die Glasur an einzelnen Stellen dick
zusammengelaufen, ein fünftes Gefiiss, von ziemlicher Grdsse, ist sogar vor
dem Brande im Täpferofen vollstnndig zuBanimeiigedrCkckt, so dass es sich
uns als origineller Steingutklumpen vorEtellt.
Offenbar wird durch diese AusachuBswaarp, welche nie in den Handel
gelangen konnte, die Annahme des Vorhamienaeiae der Tbitigkeit einer am
Fundort thütig gewesenen Kunattüpferci nllber begründet. Der die Banten
leitende Architekt, Herr Clemens Miilier, gab mir noob an, «r habe dort
auch plastischen Thon und, was fiir meine Annahme am wichtigsten sei,
die Fundamente eines Gebäudes gefunden, das rann recht wohl ßr eine
Töpferei halten könne. Die grosse V,-rwancitschftft der hier gefundenen
Töpferwaare im Vergleiche zu der Siegbnrger tritt daher für unsere Fol-
gäruiig in den Hintergrund. Sie findet eine Erklärung in der historisch
dokumenttrten Thatsache, dass die für die Formen der Töpfer-
waare bestimmten Holzmodelle vorzüglich tu Coln angefertigt
worden sind. Hau vermochte so in räumlich getrennten Oiien
gleichartige Modelle zu bezieben, ein und dieselbe Orna-
mentik anzufertigen.
Einen Tbeil der Düsseldorfer Knnsttöpf er waare, welcher in den Besitz
des Herrn Müller Überging, hat dieser durch den „Verein für Geschichts-
nnd Alterthumshande von Düsseldorf und Umgegend" dem historischen
Museum des Fundortes geschenkt.
CoQstantin Koenen.
4. Düsseldorf. RSmisch -germanisches Grab in der
Nähe von Gerresheim. Von Neuss aus leitet eine Röraerstrasse über
die rechte Rheinseite in der Richtung Hamm , Unterbilk , Oberbilk ,
Lierenfeld nach Gerresheim. (Vergl. Schneiders „Beiträge zur alten Ge-
schichte und Geographie im Rheinlande, 6. Folge.) Vor Gerreeheim wird
dieselbe als n^'^'^^trasse'' bezeichnet. In der Nähe derselben, „auf dem
Torfbroich", machte ein Herr W. Spicker ein Feld urbar und stiess dabei
auf eine Urne von röthlicb-brauoer Farbe, deren Material so lose gebraont
ist, dasB ein Anschlag wie der gegen Leder hörbar wird. Dieselbe bat
Misccllen. 157
eine Ilöhe von ca. 0,26 m und ca. 0,35 m Durchmesser. Die Form
derselben wird gebildet durch einen schmalen, aufwärtssteigenden Rand,
von dem ziemlich plötzlich die nach der Mitte der Urne am weitesten aus-
ladende, sich Yon hier ab wieder verengende und nach der unten ziemlich
schmalen Standflache zu verlaufenden Bauchung ausgeht. Als Verzierung
siebt man auf dem obern Theilo der Bauchung einige Gruppen von je drei
Fingereindrücken angebracht. Das Alter der Urne lässt sich durch einen
Vergleich derselben mit anderen bestimmen, bei denen man römische Ge-
lasse von zeitbestimmendem Charakter gefunden hat. Sie wird darnach ca.
in das Ende des 2. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung zu setzen sein. Weil
wir nun wissen, dass damals ein gewisser Theil des rechten Rheinufers,
wozu auch unsere Fundsteile gehört, unter römischer Herrschaft
stand, scheint die Bezeichnung der Urne als , römisch-germanisch^ ange-
bracht zu sein.
Constantin Koenen.
5. Johannisberg bei Kirn. In der evangelischen Kirche sind die
Grabmäler der Wild- und Rheingrafen, sowie Theile von Sacramentshäuschen
bester Arbeit, willkürlich und geschmacklos aufgestellt, nicht zusammen-
gehörende Stücke aneinandergefügt, treffliche Werke (z. B. Epitaph zweier
1597 und 1599 gestorbener Kinder) so hoch in die Wand eingelassen, dass
ein Beschauen fast unmöglich ist, und Alles dick mit weisser Farbe über-
scbmiert, dass eine bessere Aufstellung und gründliche Reinigung noth-
wendig ist. Lehfeldt.
6. Jünkerath. Wo lag der Vicus Icorigium (Egorigium)?
Ueber den Standort der Mansio Icorigium an der Strasse Trier-Köln gehen
die Meinungen der Gelehrten auseinander. — Cluver und Bertholet geben
Rütt resp. Ruith dafür aus. — ßaudrand, Alex. Wiltheim, Schannat, Hont-
heim, d'Anville, Minola, Barsch, Brewer, Schmidt und Steininger kommen,
„durch die Aehnlichkeit des Namens geleitet", wie Hetzrodt ^) sagt, auf
Jünkerath. — Hetzrodt vermuthet die statio in der Gegend des „Heiden-
kopf**. »
Aus guten Gründen hat man längst Rütt oder Ruith aufgegeben; in
Frage stehen nur Jünkerath Und Heidenkopf. — Von den genannten Schrift-
stellern wollen wir diejenigen, die nachweislich Jünkerath und Heidenkopf
besucht haben, ihre Gründe vorführen lassen.
Wiltheim ^) bemerkte zu Jünkerath nur eine „ara pervetus**.
Schannat ^) „sieht noch am andern Ufer der Kyll nicht unbedeutende
Trümmer, aus welchen man vormals viele Denkmale des Alterthums aus-
gegraben hat. Ueberdies ist noch eine von den Römern erbaute steinerne
1) Nachrichten über die alten Trierer. Trier, 1821. S. 149.
2) Lucilibargensia, p. 104.
8) Eiflia iU. I. 1. p. 9.
16S HüceUen.
Brfloke Aber dieseEi Flosa Torhanden, von welcher die IfüiUrstraBse gerade
auf Mnrcomngura fülirtc ')".
Bäi'Hul) *) und Schmidt ^) liringen röm. Anticnglien bei uud torquiren
Rftu'R Monoment, gegen Beachreibutig und Zeichniicig, zit einem Castell,
und BllrBvh läsHt das CastclI <;]eicb2'-itig auch noch Denknia) saiD. Der
von Schmidt im 31. Jahrbuch Taf. III wiedergegehene Ring ist ein Elrd-
wall mit eiiiem Kern buh l'ünliB(.^be^l GuxHmaQerwerk, lediglich kudi Schntae
des darin erriuhteten DenkmalB gegen Tnundntion des ni-Bprünglich an der
Ostseite, jetzt au der Westseite vorbei fli essenden KyllHussas.
Stein i 11 ger *J bringt Neues nicht vor und läest ein sichtiger weise das
Castell fallen.
Hützrodt') schreibt: „Icorigium mnss, nach den in den beiden Reise-
karten ange^eeigten Eutfeniungen, von Ausav» wfeiter als Jünkerftth ent-
legen gewesen sein. Vielleicht ist sein Name von dem griochischon obcoc
Haus, uud (ie^'o; Kälte, herzuleiten; denn zuverlässig massteti es die Römer
hier weit kalt«r finden, als in den mildern Thälem von Trier und Köln;
uud wahrscheinlich stand es in der Gegend, wo seitwürts zur Linken ein
Hügel sich erhebt, welcher noch unter dem Namen Heidenkopf bekannt ist".
Summiren wir die standhaltenden Beweisstücke för einen vicns eu
Jilnkerath, so haben wir röm. Antiquitäten, eine R-im erat ein brücke, ein r5m.
Denkmal und eine sehr alte ara (die beiden letzt-eren wahrscheinlich iden-
tisch, denn Rau und Schannat besuchten äemlich gleichzeitig Jünkerath).
Solche Antiquitäten *) kommen an den Römerstrasseu überhaupt vor
nnd beweisen hier nur, dass man die Trace der Strasse nicht verfehlt.
Auch der Name Jünkerath hat keinerlei Verwände chaft mit Icorigium,
sondern bezeichnet ein zur Cultnr übergcleitetea Jinken (- Bispein, Bin-
t) Zum TerstäDdoiss dieser Angaben wie auch der Zeichnung in Jo. Ebcr-
hardi Rau „MonumeDtnTetustatis Germanicae. Trajecti ad Rhenum 1736", füge
ich bei: Schannat verfasste sein opus über diu Eifel za Blankenheim (1739 sollte
OB in die Presse gehen) und damals (Rau fertigte seine Zsichnuug 1738 an) lag
der Ringwatl auf dem r. ü, der Kyll. Nach den wiederholten Ueberfluthun^eii
des Hüttenwerkes Jünkerath ia den Jahren 1764 and 1804 wurde die Kyll auf
die andere Seite des Ringes gelegt, so das« er jetzt auf dem I. U. des
Flusses sich befindet. Das alte Kjllbett behielt den Namen ,alte Kyll'-. Die
s. g. „alte Kyll' mit einer Sleinbrüoke sah ich noch, beide sind jetst spurlos
beseitigt. Das von Rau geteicbuete schöne Schloss ohne Dachwerk gibt das in
la Jahren neu aufgeführte Schloss Jünkerath, wie es am 23. Juli 1737 ausgehrannL
3) Eifl. ill. 1. 1. p. 34 und 66a Kreis Daun. S. 126
3) Rhein. Prov. Bl. 1834. I. S. 163 und Bonn. Jahrb XXXI. S. 38.
4) Geschichte der Trevirer I. S. 142.
6) Nachrichten u. s. w. S. 150.
6) Hier forderte die Lage des Orabdenkmalt einen Wall gegen Iiiuitdation,
und dass er nicht mehr sein wollte, bezeugt die Constroktion.
Miscellen. 159
sen) ^) - Terrain, ein Jinken (Janken -)- Rodt. Eine Stütze hat diese Her-
leitnng an dem Jünkerath vorbeifliessenden Bisselbach (Bispeinbach).
Entscheidend gegen Jünkerath fällt in^s Gewicht der Mangel von
Substractioneu röm. Wohngebäude, deren Niemand erwähnt, und von denen
beim Chaussee- und Eisenbahnbau, Kunstwiesenanlagen und sonstigen Aus-
schachtungen mir nichts bekannt geworden.
Gegen Jünkerath spricht auch die Lage im Thal zwischen hohen
Bergen (abweichend von der Lage der andern Stationen zwischen Trier
und Köln, die alle auf Hochebeuen eingerichtet), wodurch die telegraphische
Verbindung mit den Nachbarstationen abgeschnitten und Ueberraschungen
nahegelegt waren.
Wir verlassen Jünkerath auf dem Wege nach Feusdorf, der nach dem
Schmidt'schen Texte: „Die Römerstrasse geht oberhalb Jünkerath von dem
Wege nach Feusdorf links ab und trifft auf der Höhe, nördlich von diesem
Orte, in die Strasse von Hillesheim nach Blankenheim 2)", ein Römerweg
ist, und folgen Hetzrodt auf die Höbe, jedoch nicht bis Heidenkopf, son-
dern machen nahe hinter Feusdorf nördlich Halt — auf „BeckamerSuhr"
(od. „auf den Hülsen'* genannt) und behaupten, hier lag wahrschein-
lich Icorigium. Unsere Gründe sind folgende:
1. Der Weg von Feusdorf nach Heidenkopf heisst ,,Zoll- oder
Weinstrass e". 2. Nördlich von Feusdorf, wo von vorgenanntem
Wege der Weg nach Esch rechts abzweigt, nennt man^s „am Landgraben''
und vor Jahrhunderten urkundlich „am Landtwehr*\ An eine Landes-
1) Jönck, Lnxemb., die Binse; Franz. le jonc; Lat. juncus; Span, junco;
Ital. giunco. Yergl. die Dorfnamen Binsfeld und alten Biesten (ad veteres juncos),
Marx, Erzfltift Trier H. S. 630.
2) R. P. B. 1834, I. S. 164. u. Bonn. Jahrb. XXXI. S. 39. Die Zeichnung
Taf. ni. lässt vom Text abweichend die Römerstrasse unmittelbar bei der Hütte
Jünkerath auf das r. U. des Bisselbaches treten in den Thiergarten hinein. Im
Thiergarten heisst zwar eine Stelle „an der Römers trasse'^ und weiter fort
in der Richtung zum Heidenkopf ein Diatrict „auf der Adorf ft" beim „Sil-
born". (Hier „auf der Adorfft** wurde gefunden ein röm. perpendiculum aus
Bronce, welches ich im Jahre 1866 dem Museam zu Trier schenkte. Damals
kannte ich die Bestimmung des Fundstückes nicht und der Verfasser des Trier-
sehen Jahresberichtes 1866—1868, S. 100, machte ein Gewicht daraus. Sp&ter
kamen mir die Luxemb. Public. 1861 in die Hände und dort traf ich p. 179 u.
Taf. X. No. 6 auf ein durchaus gleiches Seitenstück: „Le plomb d'un iil k plomb
en bronze, de la forme d'un cöne renverse. Au milieu de la base est fixe un
bouton rond perce de 3 trous destines ä attacher le fil." Dieser fil ä plomb
diente doch mehr bei einem Hausbau. Auch die Bodenbestandtheile und der
anliegende „Silbern" indiciren hier eine Römerwohnung.) Diese Richtung trifft
aber nordwestlich von Feusdorf bei dem sehr hohen tumulus „Hufuss" (ur-
kundlich „Verdorffen He übel)", bei Leutherath in die Strasse von Hillesheim
nach Blankenheim.
IM Misoellan.
grenze ist hier nicht zu denken, weil diese Stelle mitten im Lande Jünke-
rath lie^, wozu Feusdorf und Each gehörten. 3. Auf „B e c k a m e r
Sulir" (IibIIos cnmpna?), links nn der ZollBtrnsBe, enthält der RodoD ana-
gedehiite Grundmauern röm. Wohngeliäude, wie diß Änlicaglien {röm. Ziegel
in Menge etc.) bezeugen, i. Die Flüche reclits ara Zollwege neben ,,Be-
cknmer Suhr" heisst „Ma r s n c h er'' {Martia ager oder agger odpr Caropua
Martina?) 5. Zwischen den genannten PlfttKen Hegt nn der „WeingtrasBe"
ein kleiner tumnlua. 6. Von hier aus Connte man aich vcrEtändigen
direct mit Ausava am Apert (locna apertus?), mit Ernsberg, Atenaberg,
(Spiegelhurg, specula?), Niirnbnrg, Hoehacht, Aremberg und per Heidenkopf
uml Uochkreuz mit MarcomngDS. 7. Zu Feusdorf „im Mmie rpeach" räamte
man altes Mauerwerk aua. Die Sage setzt in den „Mauerpeach" ein Nonnen-
kloster ((iynaeceum?} und lässt eine Nonne mit eimem Stnbc den nusflies-
aenden Dorfpiitz stoasen. 8. Auf „Beckamer Suhr" wie im „Marsaoher"
sind Wasaerquellen. Heydinger.
7. Waiderbach, Kr. Kreuznach. In der Kirche (welche übrigens
eine AuBnahmestellung einnimmt und zu keinem Kirchspiel gehört) stehen
zwei Sands t ein figuren von c. 1,15 m Höhe von trefÜirih er Renaissancearbeit,
welche verdienen, würdiger nufgestellt und durch Gipaabguas oder Photo-
graphie bekannter zti werden. Besonders die eine Figur, die heilige Elisa-
beth mit dem (viel kleineren) hockenden Krüppel darstellend, ist eines der
anmuthigsten und gediegensten Kunstwerke, die ich auf meiner Reise ge-
funden habe. Lehfeldt.
8. Werlan, bei St. Goar. In der evangelischen Kirche befindet
sich ein Grabstein am Fnssboden, der eine Betende in Wittwentracht dar-
stellt. Die Umschrift, in gothischen Majuskeln des vierzehnten Jahrhunderts
abgefasst, beisat DIE EXALTATIONIS CRVCIS - 0 LVCCARDIS
///E ■ MI/// ■ WARLA • VXOR • DNI ■ BREDELI WERLA - CVI ■
A)A - R ■ ) ■ P ■ AMEN. Der Anfang der Inschrift, welcher gerade die
wichtige Jahreszahl enthält, ist leider durch einen Predigerstuhl verdeckt.
Der Pfarrer Günther daselhat, den ich im Herbst 1880 aufsuchte, erklärte
sich gerne bereit, den Stuld gelegentlich wegrücken zu lassen und mir die
Jahreszahl mitzutheiten; auf einen im Winter deshalb an ihn gerichteten
Brief erhielt ich jedoch keine Antwort.
Stramberg erwähnt im Rheiniachen Antiquar. 2,6, 718 die Familie und
sagt unter Hinweis auf Ledderhose : „Werlau hat ehemals einem Junker
Brand gehört . . . Dieser Brand hat mit seiner Gemahlin Lncretia (ver-
muthlicb Lukard) von Werla zween Söhne erzeugt . . . und starb 1337
am Sonntage Misericordiae." Leider verbietet die Verschiedenheit der Todes-
tage and der Mannesnamen (wofern dieser richtig angegeben ist), au eine
Identitiit der beiden Lnccardie zn denken. Lehfeldt.
Jahrl): d. Vereins V:Allerlhumsfr:i.Rheinland flefl LXXI
Taf: 1
phaeolodische Karle
über das römische
V und VERTHEIDIGUNGSAVESEN
in den
Zelintlaiiden
(AgriDecumales)
l)eaTl)eitelvoii Jngenieur Naeher.
1881.
I
irb. des I 'crcins v. Alterthums/r . im Rhcinl. He/t LXXI. Taf. II.
^
'.rb. des Vereins v.Alterihumsfr. im Rhcitil. Heft LXXI.
Taf. III.
. des Vereins ti.Allerllmms/r. im Rheiiil. He/t LXXI.
Taf, IV.
^
irh. d. Vereins i). Altertlmm-Fr. im Meinl. Heft LXXJ.
ird. des Vereins v. Alterthumsfr . im Rhcinl. Heft LXXI.
Taf. IL
Jahrh. des Vereins v. Älter thumsfr. im Rheiiil. HcfiLXXI. Taf. III.
des Vereins v. Alterthumsfr . im Rhciiil. Heß LXXI. Taf. III.
1
ihrb. des Vereins v.AllertImms/r. im Rheinl. Heß LXXI.
Taf. IV.
l VemiHS n. AUerUtum-Ft. im Jüaal. fie/I LXXI.
JAHRBUCHER
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
RHEINLANDE.
HEFT LXXII.
HIT S TAFELN UND 6 HOUSCBNITTBK.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BWK, Sn ADOLPB URCDB.
Inhaltsverzeichniss.
Balte
I. Geschichte und Denkmäler.
1. Die CoDsalarfasten vom Tode Domitians bis zum 8. Consulate Hadrians.
Von Dr. Asbach 1
2. Die römischen Militärstrassen des linken Rheinufers : e. von Xanten bis
Nymwegen. Von Prof. Jac. Schneider. Hierzu Taf. I, 1 ... . 54
3. Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der XX. Legion. Von
Prof. H. Düntzer. Hierzu Taf. H 69
4. Statuette eines röm. Kaisers auf Schloss Bheinstein. Von Dr. H.
Dütsohke. Hierzu Taf. HI 70
6. Zwei Federzeichnungen aus dem X. Jahrh. Von Dr. H. Otte. Hierzu
Tat IV und V 76
6. Eine Münzsammlung aus röm. Zeit. Von F. van Vleuten. Hierzu
Taf. VI, 1-8 82
7. Ein Silber-Medaillon des Crispus. Von demselben. Hierzu Taf. VI, 4. 67
8. Ein römisch -germanisches Hügelgräberfeld bei Rhcindahlen. Von G.
Koenen 88
9. Kleinere Mittheilungen aus dem Provinzial - Museum zu Bonn. Von E.
aus'm Weerth. Hierzu Taf. 1, 2-6 u. Taf. VI, 7—12 91
10. Röm. Befestigungen zwischen Obernburg und Neustadt. Von Sceger 98
11. KuBstafel des Meisters Eisenhuth. Von E. aus'm Weerth. Hierzu
Taf. VU u. VIII 107
IL Litteratur.
1. Mittelalterliche Ordensbauten in Mainz von Fried r. Schneider, an-
gezeigt von H. Otte 118
III. Miscellen.
1. Album der prähistorischen Ausstellung in Berlin. Von Schaaffhausen. 117
2. Alfter: Röm. Grabfunde. Von E. aus'm Weerth 117
8. Bonn: Desgl. desgl 118
4. Alken: Epitaphium in der Kirche v. 1571. Von Lehfeldt .... 119
6. Andernach -Kärlich- Leutesdorf- Mülhoven : Grabfunde. Von E. aus*m
Weerth 120
Münzen daher. Von van Vleuten 121
1
Inhalts verzeichniss.
Seite
6. Bertrich: Rom. Badeaulage. Von E. aus'm Weerth 123
7. Bendorf: Rom. Gräber. Von Seh aaff hausen 123
8. Brohl: Rom. Befestigungen. Von Veith 124
9. Bubenheim; Rom. Bad. Von E. aus'm Weerth 126
10. Der Locheustcin. Von Fraas 126
11. Inden: Rom. Baa- Anlage. Von E. aus'm Weerth 123
12. Kaiserswerth : Inschriften. Von Terwelp 129
13. Kelteuorte im Reg.-Boz. Coblenz. Von Esser 131
14. Köln: Die Thorburgen. Von Seh aaff hausen 132
15. Linz: Römer-Canal. Von Pohl 135
16. Mainz: Römische Funde. Von Keller 135
17. Desgl. Von demselben 138
18. Desgl. Von demselben 139
18a. Desgl 141
19. Malmedy: Burggraben bei Amel. Von Esser 142
20. Befestigungen im Kreise Malmedy. Von demselben 144
21. Metz: Caracalla- Büste. Von Tornow 149
22. Perschoid: Rom. Bauwerk. Von E. aus^m Weerth 153
23. Pfalz: Arehäol. Funde. Von Mehlis 153
24. Regensburg und Salzburg: Anthropologen- Versammlung. VonSohaaff-
hausen 172
26. Rothe Edelsteine an fränkischen Schmucksachen 186
26. Stollberg: Rom. Villa. Von E. aus'm Weerth 187
IV. Jahresbericht für 1879 und 1880 188
und Winkelmannsfeste 195
V. Mitgliederverzeichniss 208
I. GescMclite nnd Denkmäler.
I. Die Consularfasten vom Tode Domitians (96 n. Chr.) bis zum
dritten Consulate Hadrians (119).
Die Consularfasten der J. 96—119 sind ein Theil einer von der
Bonner philosophischen Fakultät 1878 gekrönten Preisarbeit, von der
andere Theile schon veröffentlicht sind. Seitdem habe ich wohl das
eine oder das andere nachgetragen, auch Unsicheres von Sicherem
sorgfältiger geschieden^ aber eine Umarbeitung vorzunehmen mich nicht
entschliessen können.
In die Hauptliste sind nur diejenigen Personen aufgenommen
worden, die sich mit Sicherheit oder doch Wahrscheinlichkeit einem
bestimmten Jahre zuweisen lassen. Die eingeklammerten Nanien
oder Namenstheile sind zweifelhaft.
In dem kritischen Apparat habe ich die Belege mit möglichster
Vollständigkeit gesammelt, nur durchaus unselbständige und verdäch-
tige Zeugnisse sind ausgeschlossen. Voranstehen die Inschriften, auch
wenn sie nach einem Consul datiren, unter mehreren haben die ita-
lischen den ersten Platz, ausser wenn eine provinzialen Ursprungs das
Monatsdatum verzeichnet. Auf die Inschriften, die durchgängig ohne Er-
gänzung mitgetheilt werden, folgen die handschriftlichen Fasten: der
Chronograph, Idatius, die Paschalchronik und Prosper *)• Weiter wird
1) Ueber diese und die andern Qaellen hat j&ngst G. Lacour-Gayet, Fastes
consulaires des dix premi^res annees du regne d'Antonin le pieux p. 68 — 83
gehandelt. Diese ebenso sorgfaltige wie sachkundige Untersuchung findet sich in
2 f Die ConBukrfagteu der Jahre 96-119 n. Chr.
auf beraerkenswerthe Arbeiten, welche über die Laufbahn der einzel-
nen Persönlichkeiten Aufsclilusa geben, hingewiesen. Die fasti consii-
lares inde a Caesaria nece usque ad imperium Diocietiani comp. .T.
Klein. Leipz. 1881, konnten noch zar Coutrole der Cltate benutzt
werden.
In dem Commentar sind nur diejenigen Consulate zusammenhän-
gend behandelt, deren Ansatz entweder neu oder doch als richtig aus
dem kritischen Apparat nicht ohne weiteres ersichtlich ist. In der
Hanptliste sind dieselben durch gesperrte Schrift gekennzeichnet.
Das Verzeichnis3 der Conaulare enthält die Belege für das Con-
sulat möglichst vollständig, auch wenn Bie schon von anderen zusam-
mengestellt waren.
In der Liste der Prätorier schien grossere Kürze gestattet. Waren
die Zeugnisse schon von anderen zusaramengestcUt, so habe ich mich
der Kürze wegen mit einem Hinweis d&rauf begnügt. Zur leichteren
Orientirung ist ein alphabetisch geordnetes Namenverzeichniss zugefügt.
Von dem was wir Borghesi und Mommsen verdanken, wird
die Arbeit selbst reden.
Abkürzungen :
CIL = Corpus inscriptionum Latinarum.
GIG = Corpus inscr. Graec.
IN = Inscr. regni Neapolitani.
IC = de Rossi, inscr. Christianae.
CIBh = Corpus inscr. Rhenan.
Gr. = Orelli-Henzen, coUectio I II.
Henz, = Henzen, coUectio III.
Wilm. = Wilmanns, exempla.
Grat. = Gruter, inseriptiones antiquae.
Mur. = Muratori, novus thesaur. vet, inscr.
Allmer = inscriptions de Vienne.
dea MelangSB d'archeologie et d'histoire pablies par l'^cole rran^aiae de Rome
fatc. I. II. Im Hinblick auf die Gediegenheit ihrer Arbeitun kann man der fran-
zöBischen Schule in Rom zu ihrom ersten Lastrum Glück wünschen. — Zur OrieB-
tirung vgl. auch MommBeu, röm, Chronol. S. 113 und Chronik des Cassio-
dor, Abb. d. Ges. a. W. VIII S.661 fg. Leipzig 1861. Q, Kaufmann, die Fasten
der späteren Kaiserzeit. Philol. 34, 365. 1876. Die einsoblagendon Fragen sind
noch lange nicht erledigt
Die GonsularfftBien der Jahre 96 — 119 n. Chr. 8
Marini, atti = Marini, atti arvali.
Borgh. = Borghesi, Oeuvres 1—8.
a. arv. = acta fratrum arvalium CIL 6.
L. F. = Fasti feriar Lat.
F. A. = Waddingtoü; fastes des provinces Asiatiques.
R. St. R.* = Mommsen, röra. Staatsrecht 2. Aufl.
R. St. V. = Marquardt, röm. Staatsverwaltung.
R. V. G. = 0. Hirschfeld, Untersuchungen auf dem Gebiet d.
röm. Verwaltungsgesch. Berlin 1877.
C 354. == Chronograph von 354, Mommsen (Abh. d. Ges. d. W.
II 572 fg. Leipzig 1850, der Text S. 611 fg.).
Id = Idatius (fasti Hispani) (Ausg. v. Th. Roncalli, vetustorum
Latinorum Script, chron. vol. II Padua 1787 4®).
PC = Paschalchronik (Ausg. v. L. Dindorf. 2 voll. Bonn 1829,
vgl. CIL 1 p. 484).
Pr = Prosper und seine Ausschreiber (s. bei Mommsen, Chro-
nik d. Cass. Abh. d. G. d. W. VIII 661. Leipz. 1861). - C Sc =
Cod. Lugd. Seal. 28.
Plin. ep. = Hauptsammlung der Pliniusbriefe.
ep. Tr. = Correspondenz mit Traianus.
ind. Plin. = Mommsen, index Plinianus.
ind. arv. = Henzen, index actorum fr. arv.
Bruzza = annali dell* inst. arch. 42 (1870) p. 106 fg. iBcrizioni
dei marmi grezzi.
I
Die CongulufMteii der Jahre 96—119 d. Chr
I.
96 n. Chr.
849 d. St
■ 'C. AntiatinB Vetus.
. Manlius Valens.
Januar 1
r * Ti. Catius Caesius Pronto.
^^P^' ' ) M. Calpurnius (Att)iciia.
1 C. Antistio Vetere T. Maiilio Borgk. 6, 159 u. A. 3 \ C. An-
tistio Vetere Manlio Valente cos. Mur. 315, 1 j Veter. et Valen, Mur.
315, 2 = Srmea n. 198 \ et Vale n. 199 \ V ETVA . . .
CIL 2, 3692 1 kni lutnv OutUving (Borgh. a. a. 0.) . . xci hii latov
'Avuaziav Dio 67, 14, 5 | Veteve et Valente cos. Evtrcp- 8, 1 \ Vale-
riano et Vetere C354 \ Valente et Vetere lä \ OCäleycog wrt BsjiQoti
PC I Fulvio et Vetere {im. B) nerva II et rufo CSc 2S iV || a — C.
Ant. Vet. COS. . . . CIL 3, 151 \\ b Tac. ann. 12, 40. hist. 1, 64.
2 a. d. VI idus Octobres Ti. Catio . . . tone M. . alpurn[io] . . ICO
COS. mpL XVHI CIL 3 p.861, vgl. Borgh. 3, 285 \\ a tftpötTwvo toy
iincctnv Dio 68, 1, 3 \ Der volle Name m. arv. 101 105 CIL 6 p.
629. 533, vgl. ind. Plhi. p. 406 \\ b M»mmsf» cph. ep. 4 p. 181 n- 645
'ante CO quae praecedit littera aut I aut T fuit, vix B ; consul itaque
M. Calpurnius non Flaccus fuit sed . . . icus' | P. Calpurnius Atticus
COS. 135. ein Calpurnius Flaccus PUn. ep. 6, 2, Consul unter Hadrian
Borgh. 3, 286.
97 n. Chr.
850 d. St
j 'imp. Nerva Caesar Aug. Germ. HI.
Januar 1 < L. Verginius Rufus IIL
< . . ^Domitius ÄpoUinarig.
1 . . . . rua Caesa . . L. Vergin . . (I)II cos IX k. . CIL 6, 642 =
oMtiali 1860, 449\ . . imp. Nerva III cos. Or. 2782 \ imp. Nerva III
et Verginio Rufo III cos. Frontin. aq. 102 \ Nerva II et nifo III [Nerva
in B ruffo r] C 354 | Nerva III et Rufo III Id | NsQovä Avyovatov
xai Titov 'Potxpov to y PC \ Nerva II et Rufo [*flauio et uetere] om.
B Pr Sabine et Antonino JV, vgl. Borgh. 8, 369, Mommsm Herrn. 3,
Die Gonsolarfasien der Jahre 96—119 n. Chr. 5
46 xL i II a Tov de ^Povq>ov xov Ovegyivwv . . . ovn aiuvrjaev vnccvevaag
ovvaQxovra rtgoalaßelv Bio 68, 2, 4 j Mart 11, 4\\h perfunctus est tertio
consulatu Plin. ep, 2, i, 2 || c Urlichs, de vüa et honorihus TacUi p. 13 fg.
2 . . . . dicit Domitius Apollinaris, cos. des. im J. 97 Plin. ep,
9, 13, 13 I ein dixaiodoTrjg Lyciae d. Namens CIG 4236 \ vgl. ind.
Plifi. u. Giese, de personis Marticdis p. 14.
98 n. Chr.
851 d. St.
{Hrap. Nerva Caesar Aug. Germ. IUI.
l imp. Nerva Traianus Caesar (später Aug.) Germ. IL
f Sex. lulius Frontinus II.
März 1 i "(Corellius Rufus) IL
. ^Cornelius Tacitus.
{
{
*Q. Glitius Agricola.
^L. Neratius Priscus.
M. Annius Verus.
«M. Appuleius Proculus Ti. Caepio Hispo.
. . Rubrius Gallus.
Nov. 1 f . . ''Vettius Proculus.
(Dez. 3) ( P. lulius Lupus.
1 Nerva Uli cos. IIII non. Decembres Mur, 315j 4 \ Nerva III et
traiano II C 354 \ Nerva IV et Traiano II Id \ TQaiavov Avyovatov
^ovov PC I Nerva III et Traiano IM <m. B Pr \\ bc a. d. X k. Mart. imp.
Caesare Traiano Aug. Ger. II Sex. lulio Frontino II cos. D. XIX CIL 3
p. 862 I Tr. zweites Consulat Tac. Germ. 37. Plin. paneg. 67—61 \\ c
Fr. V. Nerva bestellt paneg, 61 \ lagona quae bis Frontino consule prima
fuit Mart. 10, 48, 20, vgl Herrn. 3, 122. ind. Plin. p. 414.
2a... uterque (Traians Collegen im J. 100) nuper consulatum
alterum gesserat a patre tuo . . datum paneg. 61 \ Asbach, Chronol. d.
Pliniusl^. Rh. Mas. 36, 43.
3 laudatus est [Verginius Rufus] a consule Cornelio Tacito Plin.
ep. 2,1,6\ Verg. t im J. 98 paneg. 58 : erat in senatu ter consul, cum
tu tertium consulatum recusabas, vgl. Asbach^ analecta p. 16 fg. ürlichs,
de vita TaciH p. 12 fg,
4 Q. Glitio (s)tel. Atilio Agricolae cos. II ... . leg. propr. [Bei-
6 Die C^niularfasten der Jahrii 96 — 119 n. Chr
ffc]ae divi Nervae . . . CIL 5. 6981, vgl. 6, 6976—6980. 6982 \ cos. II
im J, 103.
5 senatuscoQsultum quoil Neiatio Priacü et Annio Vero cou»u-
libus factum est Big. 48, 8, 6 \ pp| COS Garrttcd, piotnbi antkhi p.
63 tav. III, 17, vgl. Borgh. 5, 351 \ Domitiaas Verbot der Castration
1X067,2,3, vonNerva wiederholt Uio68,2, 1\\b. L. Ncratius I'riscua,
d. Jurist Big. 1, 2, 2, 53 \ l. Neratio L. f. Vol. Prisco praef. aer. Sat.
COS. leg. pr. pr. in prov. Pannonia scribae quaeatori et inmicre functi pa-
trono IN 4932 \ [Prisco suo] . . . esercitum amplissimum regis Plin.
ep. 3, 13, 2 i! b V. seit 74 unter den Patriziern tos. II i. J. 122 III 125.
Arvale 105, vgl. ind. arv. p. 176.
6 senatusconsulto quod factum est teinpuribua djvi Traiani siib
Hubrio Gallo et Cat'lio {lies Caepioiie) Hispone cos. Big. 40, 5, 26, 7
fällt vor das ac. Diisiimianum vom J. 99 (?) u. d. sc. Articulei;uium vom
J. 101 B,\^wn Ztschr. f. geschidill. Sechtaw. 12, 308 fg., vgl. F. A. n.
119 II a Caepii) Hispo Consular im J. 103 Plin. ep. 4, 9, 16 | M. Apulfio
Proculo L. f. Ciaud. Ti. Caepioni Hispoiii cos. pont. procos. provinc. Asiae
etc. Or. 3870 II b C, Rubrio C. f. L. n. Tro. Gallo Proculeiaiio Grut. 464, I.
7 . . . UI HÖH. Dccembr. Vettio Proclo luliu Lupo cm. Grut.
1071, 4 (Rom\ vgl Borgh. 4. 402. Momm.seit Herrn. 3, 85 A. 6 O.
Clason Jahrb. f. cl. PhOol 107, 256 || a dicit . . . Vettius Proculiis, col-
lega Publici Certi Plin. ep. 9, 13, 13 im J. 97. collega Certi consula-
tnm . . accepit das. | Wood, discoveries at Ephesus, inscr. from the greaf
theatre p. 7. p. 27. F. A. n. 118 || b FabrelH p. 51, 288. VUa Pii 1, 6.
99 n. Chr.
852 d. St.
'Ä. Cornelius Palma.
Januar 1
Q. SosiuB Senecio.
( *Q. Fabius Barbarus.
Aug- 1* "j j\_ Caecilius Faustinus.
< "L. DasumiusV
■| «Ti. lulius Ferox.
1 Palma et senetione C 354 | Palma et senecione Id \ flai/iä xai
Stveximvog PC \ Senecione et Palma iV | vgl. Borgh. 1, 469 | h ittd.
I^in. vgl. Bergk Bhein. Jahrb. 68, 144.
Die Consularfasten der Jahre 96—119 d. Chr. 7
2 a. d. XIX k. Sept. Q. Fabio Barbaro A. Caecilio Faustino
COS. B. XX CIL 3 p. 863 || b D. XXII CIL 3 p, 865. Querin, voyage
en Tunis i, 408 n. 180.
3 . . . Negoiia vlov . egfiiavixnv .... ovxiov Jaaov^fxiov . . CI&
2876 = F. A. n, 120 \ senatusconsultum Dasumianum de fideicom-
xnissariis libertatibus Dig. 40, 5, 36; 5, 61 vgl Rudorff a. a. 0. 12 ^
308 fg. testamentum Dasumii vom J. 108 8. das.
4 COS. des. Julius Ferox im J. 99 Plin. ep. 2, 11, 6 \ Ti. lulius
Ferox curator alvei et riparum Tiberis et cloacarum urbis CIL 1 p,
180 n. VII aus d. J. 101 \ Münzen v. Hierocaesarea F, A,n. 122 \ md.Flm.
100 n. Chr.
853 d. St.
März 1
f Mmp. Ne
( Sex. lulii
{
^ Nerva Traianus Caes. Aug. Germ. III.
Januar i <, o_„ j^jj^g pj-ontinus lU.
imp. Nerva Traianus Caes. Aug. Germ. III.
(Corellius Rufus) III.
®Q. Acutius Nerva.
( *C. Plinius Caecilius Secundus.
Sept. 1 ^ Q j^y^g Comutus TertuUus.
Nov. 1.
ML.
( Ti.
Rosclus Aclianus Maecius Celer.
Claudius Sacerdos lulianus.
1 imp. Nerva Traiano Caesare Aug. Ger. III Sex. lulio Frontino
III cos. CIL 6, 2222 \ imp. Nerva Traiano Aug. Germanico III cos.
Or. 1455 I Traiano III et frontino C 354 \ Traiano III et Pontino Id \
Tgaiavov ^vyovaxov ro /?' %ai Ilovaiavov PC \ Traiano Uli [troiano ß\
et Frontone Fr \ b Sosiae Falconillae .... Sex. luli Frontini cos.
III abn. etc. CIL 8, 7066 \\ 2 quid quod duos pariter tertio con-
sulatu, duos collegii tui sanctitate decorasti? ut sit nemini dubium hanc
tibi praecipuam causam fuisse extendendi consulatus tui, ut duorum
consulatus amplecteretur .... Uterque nuper consulatum alterum
gesserat a patre tuo . . . datum paneg. 61. aempe enim hi sunt, quos sena-
tus, cum publicis sumptibus minuendis Optimum quemque praeficeret,
elegit et quidem primos paneg. 62, vgl. Äsbaeh Bh. Mus. 36, 43 fg.
3 secutae sunt diversae sententiae consulum designatorum, Cor-
nutus TertuUus censuit ordine movendum, Acutius Nerva in sortitione
provinciae rationem eins non habendam PUn. ep. 2, 12, 2 im J. 100 |
Q. Acutius Nerva legatus pr. pr. Germaniae inferioris CIRh 660.
662. 680, vgl, Hermes 3, 92 Antn. 1.
••\:^
I
8 Die ConaiilarfastcD der Jabre 96—119 n. Chr.
i (luia tamcn in cousitctudinein vertit, ut cODsuIea publica gra-
tiarum ai'tione perlata suo iiuoque nomine, quantum debcant, prindpi
profiteantiir, eoDceilite mc non pro nie magis inunere isto quam pro
colletia mtio Cornuto Terüillo c. v. fungi pane^. 90. vgl. 92. [Cornu-
tus] mihi . . . collega , . in praefectura aerarii fuit, fuit et in cousu-
latu Ptiti. ep. 5, 14, 5 \\ a C Plinius L. f. Camlius Secundus cos.
etc. Tttschr. aus Comum Hermes 3, 108 fg. {vgl. S. 91) CIL ö, 5262,
5263, 6^64, 6667, 5279 \\ b C. lulio P. f. Hör . . . Cornuto Ter[tullo]
COS. Gr. 3659 = Wilm. 1164 mit Borgh. 4, 117 Ergänz. | Procons. von
Asien 117/118 F. A. ». 123.
5 L. Roacio Aeliano Ti. Claudio Sacerdotae cos dedic. IUI
k. lan. CIL 6. 451 || a L. Roscio M. f. Qui. Aeliano Maecio Celeri
COB. etc. Or. 4952 (Tibur) || b Ti. Claudius Sacerdos lulianus Arvale
101 CIL 6 p. 528.
101 n. Chr.
854 d. St.
( 'imp. Nerva Traianua Caea. Aug. Germ. IV.
Januar 1 j. q. ArticuleiuB Paetua.
(März 25) j ^^^ ^^^^^^ Suburanus.
( "Q. Servaeus Innocens.
^P''" ^ ) M. Maecius Celer.
*L. Maecius Postumus.
. . Vicirius Martialis.
Octob. 1 l *L. ArruntiuB Stella.
(Octob. 19)( L. lulius Marinus Caeciüus Simplex.
1 Nerva Traiano Aug. . . . IUI . . Articuleio Paeto . . IN
1354 ('tabula LigurumBaebiauorum') | anno imp. Caes. NervaeTr[a]iani
Aug. Germanici IUI Q. Articulei Paeti cos. pontif. ex stipe Allmer II
p. 278 n. 182 | imp. Nerva Ir .... Q. Ar .... CIL 5, 8309 \ .
. . a Traian .... n II ... aeto .. C/X tf p. Ö2S (a. arv.) \. . .
p. Nerva [T]ra[tan] — o Ca. ar. Aug. German. . . IUI cos. CIL 3,
691 I imp. Nerva Traiano Caes. Aug. Germ. m[l] . ... CIL 2, 2344
I Caes. Traiano n. Uli cos. ürveta n. 200; 201 \ Tra. IUI cos. CIL 3,
357 I imp. Traiano IUI C03. Sorgk. 6, 212. VermiglioU, iscr. Perug. » II p.
597, 3 1 imp. n. IUI cos. Mein. Jahrb. 61, 63 \ Traiano IUI et peto C 354 |
Traiano IV ot Peto Id \ Teaiovov Avyniaxov %u y xai nitnv JC| Tra-
iano V et Orphito (troiano F et orfino B)Pr \ Traiano quater et Articuleio
consulibns vüa Hadr. 3 || bc Q. Articuleio . . gi . . io Suburauo cos.
Juli 1
Die Gonsalarfasten der Jahre 96 — 119 n. Chr. 9
VIII k. Apr. CIL 6 p, 528 (a. arv.) \ vgl md. Plin. p, 403, ind,
arv. p. 178.
2 Q. Servaeo Innocente M. Maecio Celere cos. VI k. Mai. CIL
6 p. 630 (a. arv,).
3 . aecio ... mo . . . icirio Martiale lat. fuer.III idus Aug.
CIL 6f 2018 {L. F.) \ imp. Nerva Traiano Caes. Aug. Germ. III (lies
IUI) Vicerio Alariano et L. Marcio Postumo coss. CIL 2, 2344. Äs-
back, analectn p, 23 fg. \\ a L. Maecius Postumus Arvale von 69 — 105 ||
b s. Marini, atti p. 140,
4 L. Arruntio Stella L. lulio Marino XIIII k. Nov. CIL 6, 1492 \
ibis. . Romam nunc peregrine Über . . . atria sunt illic consulis alta
mei, laurigeros habitat facundus Stella penates, ille dabit populo pa-
tribus equitique legendura Mart. epigr. 12y 3 \ St. hat schon unter
Domitian Aussicht auf das Consulat: Statius süv. 1, 2, 178. Mart. epigr. 9,
42 I vgl. Mommsen Herrn. 3, 123 fg. Stobbe Philol 26, 77. 27, 631
fg. Friedländer j Sitteng. 3, 389. 667 fg. Giese^ de personis Martialis p. 7\\
b L. lulius Marinus Caecilius Simplex a. arv. 91. 101 \ ^ovxiov */oi}-
hov 0aßi(jc Magsivov KaiKiliov 2i^7iliyta . . . CIG 4238 c, vgl. add. \
L. lulio L. f. Fab. Marin. . . Gaeciho Simplici .... cos. Marim, atti
p. CLXXVII = Wilm, 1169.
102 n. Chr.
855 d. St.
( *L. lulius Ursus Servianus II.
Januar 1 | ^ Licinius Sura IL
J *L. lulius Ursus Servianus IL
) L. Fabius lustus.
( . .^Sulpicius Lucretius Barba.
(Juni Jö) ^ ..Senecio Memmius Afer.
1 Villi k. lunias . . . erviano II L. Licinio Sura II cos. CIL
6, 2186 1 Serviano II et Sura et Traiano V cos. eph. epigr. 4 p. 67 n. 161
I Sura II Serviano II cos. btdl. arch. contun. s. 2 t. VI p. 102, 21 \ sub
Surano bis et Serviano iterum cos. Vita Hadr. 3, 8 \ Servillo II et-
sura II (surano B) C354 \ Severiano et Sirio Id \ Svgiavov nai SvqIov
PC I senecione (senatiane B) II et Sura Pr \\ bc dedicatum k. Mart. . rso
Serviano II L. Fabio lust. cos. CIL 6, 2191 \ act. VI idus M . . . L.
lulio Urso Serviano L. Fabio lust. cos. Maffei Mus. Ver. 319, 6 || vgl. ind.
PUn. p. 410. 415. 417.
10 Die ConaiiWruBteu der Jahre 96—119 ti. Chr.
2 . . alpicio Lucretio Hiivba .... ecionc Memmio Afro lat. fuer.
Uli k. Inl. CIL 6, 2018 {L. F.), Asback, mal. p. 29 ü b Senecioni
MeiDinio Gal, Afro cos. etc. Hern. 6907. Klein, K'mt. VerKolttmgsbeamten
1 8. 107 n. 109.
103 n. Chr.
S56 d. St
J Mmp. Nerva Traiaiiiis Caea. Aug. Germ. Dacicus V.
Jatiuar 1 } ^ , Laberius Miixirims 11. i
(Jan. 19) I Q_ Qjj^j^jg ^jiij^g Agricola ll.i
: =P(onipeius} Sutuminus.
I (P. Autronius M)amilli(anua Rufu3 Autistianus
Funisulanus Veltonianus).
I . . "Baebius Mater.
{ *C. Caeciiiiis Strabo.
I Hl. Conielius Priscus. (?)
1 imp. Caesaie Nerv .... Gemiatiico . . . . M*. l^aberi . . CIL
G, 854 I . . . . rva . . . na . . . re . . . crm ... M'. La II
COS. CIL 5, 5067 j Traiaiio V cos. i-ph. cpiyr. 4 v- 67 n. 161 | imp. Nerva
Traiaiiu V cos. etc. CIL 6, ö2d2 | Traiano V et Maxiiuo U C 364 |
Traiano V et Maximo Id \ T^atavnv ^vyovatov tö S xot Ma^l^iov
FC I Traiano VI et Masimo [troiano B] Senecione ill {II B) et Suva II (II
om. CSc) Fr \\ bc a. d. XIIII k. Febr. M,' Laberio Maximo II Q.
Glitio Atilio A{,'ricola il cos. D. XXI CIL 3 p. 864 = CIL 7, 1193 \
e Q. Glitio P. f. Stel. Atilio Agricolae cos. II etc. CIL 6, 6981 (Turin)
vgl 5, 6974-6984.
2 . . . . p . . . Satanii[no] .... ainilli . . . . er . pr. . 1 . . .
CIL 6, 2018 (L. F.) II a Plinius Pompeio Saturnino suo PUn. ep. 1, 8.
Satumiuo s. epp. 5, 21. 7, 7. 7, 15. 9, 38 vgl. ep. 1, 16. 5, 7, 1 «. 4. 7,
8, i|] b Plinius Mainiliano s. tp. 9, 16. 25. vir gravigsimus, eruditissi-
muB ac super isla verissimus ep. 9, 25, 2 — ... V. Autroni T. f.
Gal. Mamilliani Rufi Antistiani Funisula[ni] Vettoniani leg. Aug. [Bri-
-taDniae] CIL 7, 164, vgl. Äsbach, analecta p. 30 fg.
3 ceDsutt Baebius Macer, codsuI desigDatus PUn. ep. 4, 9, 16.
4 C. Caecilium, consulem designatum Plin. ep. 4, 17, 1. Caecilius
Strabo . . censuit ep. 4, 12, 4. 0. Caecilius Strabo Arvale 101. 105,
vgl, Mommsen Herrn. 3, 45 A. 4.
5 KoQvijXiog IlQsiaxos procos. Aelae 120/1, Wood, a, a. 0. inscr.
Die GoDBularf asten der Jahre 96—119 n. Chr. 11
from the great theatre ». 17, vgl. Hermes 4, 178 \ Cornelius Priscus con-
sularis Flin. ep. ß, 20, 7 im J. 106 (Process des Varenus) | L. Cor-
nelius Priscu(s) in dem Sutriner Vereeichniss der pantifices Orui, 302, 1.
vgl. F. A. n. 125. ind. Plin.
104 n. Chr.
857 d. St.
i ^Sex. Attius Suburanus II.
f M. Asinius Marcellus.
•(C. lulius) Proculus.
vTtajoig 7tq6 rj yiahxvdwv MaQTiMv Wood, inscr. fronh the gr. theatre p, 36
V. 74 = Hermes 3, 132 \ Surano II et marcello C 354 | Suburano
II et Marcello Id | JSvQiavov z6 ^ -mi MaQxilXov PC | Urbano et
Marcello Pr | iv etet nifiTtu^ zijg ßaaiXsiag Tgaiarov Kaiaagog xai
i8vz€Q(i) tt€i IvvjcaTiag lt4trriiiov xal 2ovQßlvov xal 31aQX€XXov ^lyva-
tiog . . . ijct Tfjv ^Pdfitjv . . . Tragen i/iq>&r] Dressel, patr. apost. opp, p.
368, 1 flach cod. Vat. vgl. acta s. Ignatii gr. in codd. 0{a:on,) et V{at.)
serv. ed. Zahn, patr. apost. opp. Leipz. 1876 2, 307.
2 .... 0 ProcuLloJ . . . CIL 6, 2018 (L. F.) \ C. (?) lulio M.
f. Volt. Proculo cos. — qu. Augustorum etc. Or. 2273 (Rom) | C.
luli Proculi £Px I:N 2645 \ luüus Proculus CIL 2, 2349 \ Mart. 1, 70.
11, 36. Giese p. 18.
105 n. Chr.
858 d. St.
Januar 1
^T\. lulius Candidus Marius Celsus IL
C. Autius A. lulius Quadratus IL
(Mai 13) i «C. lulius Bassuß.
(Juni) r Cn. Afranius Dexter.
1 Ti. lulio . . . . io Quadrato II cos. — III k. lun. CIL 6,
875 I . . . ulio Can[d]ido Mario Celso II . . . ntio A. lulio Quadrato II cos.
III non. lanuar . . . CIL 6 p. 532 (a. arv.) \ CIL 6, 156 (Ligoriana) |
Candido II et quadrato C 354 \ Candido II et Quadrato Id \ Kavdidov
xai Kovaöqaxov PC \ Candido et Quadrato Pr \ Candido et Quadrato
iterum cos. vit. Hadr. 3. \\ ind. arv. p. 176. 188.
2 C. lulio Basso .... anio Dextro co . . . [k.] lun . . . isdem
H Die CoDaaUrrn^ten der Jahre 96—119 n. Chr.
*Q. Roscius Coelius Murena Silius Decianus Vi-
bullus Pins Julius Eui'ycles Herclanus Pom-
peius Falco.
1 A. Cornelio PALMATO .... CIL 6, 2186: 'Borghesius in
fastia probäbiiiter statuit T corruptam esse ex II, Q. aiitem easeprae-
nomen Baebii Tulli". | Palma II cos. CIL 3. 356. Bruzea n. 256. vgl.
Le Bas vmjagf. 1713 | Palma II et tiiUo C 354 | Palma II et Tullo Id \
IJalfiä KOI TovXKov P(7[|b Tgaiayov väcnoQ ayrnTCcrcaaia&tyrog vno
Baißiov TovUov dy&vfiäcov CIG 3147 (Smyrna) vffl F. A. n. 131 «.
Borgh. 1, 459.
2 P. Calvisio Tullo L. Annio Largo lat. fuer. III .. . OIL 6,
2016 (L. F.).
3 Q, RoMcio Sex. f. Quir. Coelio Mureaae Silio Deciano Vibullo
Pio lulJo Eurycli Herclano Pompeio Falconi cos. XV vir. s. f. procoa.
provinc. Asiae leg. pr, pr. inip. Cues. Traiani Hadriani Aug. provinc
ßritanniae leg. pr. pr. imp. Caes. Nervae Traiani Aug. Germanici Da-
clci [pjrovinc. Moesiae inferior, curatori [viale Traiauae et leg. Aug. pr.
pr. provinc. [Indaeae] et leg. XFret. leg. pr. pr, prov. Lyciae [et Paroph]
yliae leg. leg. V Macedonic, (in bello Dacico donis] railitaribus donato
Bene. 5451 (Gabii) 1 Volkstrib. Plin. ep. 1, 23 hri ävl&v:i6iov Woft-
ntjtov (Dälxaiv . . . CIG 2963a. F. A. n. 133. Sosiae Falconillae . . .
Q. Pompei Falconis cos. nept(i) CIL 8. 7066.
110 n. Chr.
863 d. St.
I 'Ser, ScipioSaWidienusOrfitus.
' M. Peducaeus Priscinus.
1 a. d. Xni k. Mart. Ser. Scipione Salvidieno Orfito M. Peda-
caeo Priscino cos. D. XX7 CIL 3 ji. 868 \ Orfito et Priscino IV id.
Dec. Fea, fasti p. LXX, 2 | Ser. Salvidieno Orfito M. Paeducaeo Pri-
aciDO COS. Wilm. 285 | Priscino et Orfito Borgh. 6, 68. 209 \ Priscina
et ostito [Pristina et ortito V] C 354 \ Orfito et Prisciano Id | X>eipi-
Tov xai nQiaxiavfiv PC \ Crispino 11 et Bolano [buleno CSc \\ ] [bulino B]
Pr . . . iTTi dv&vnäcov Iledovxaiov Ileetaxeivov CIG 2966 (Ephesos).
F. A. ti. 132.
111 n. Chr.
864 d. St.
( 'C. Calpumiua Piso.
Januar 1 J m. Vettius Bolanus.
Januar 1
l
Die Gonsnlarfasten der Jahre 96—119 o. Chr. 16
1 k. Aprilib. Pisone et Bolano cos. CIL 5, 691 \ C. Calpurnio
Pisone M. Vettio Bolano cos. CIL 6, 222 \ Pis. et Hol. coss. IC p.
7 n. 3 I k. lunii C. Cal . . . one no cos. Or. 1620 (Verona) |
anno (G) Calpurn. Pison. M. Yettii Bolan. cos. AUmer II p. 281 n. 183 1
Pisone et bolano C 354 \ Pisone et luliano Id \ Iliawvog xai *lovhavov
PO I Pisone et Rustico Pr\\a ind. Flin.
112 n. Chr.
865 d. St.
i*imp. Nerva Traianus optimus Caes. Aug. Germ. Dac VI.
T. Sextius Africanus.
1 VI k. Oct .... aiano Aug. Germ. Dacico VI T. Sextio co[s.]
CIL 6, 642 I adToycQOTOQog Tgaiavoi to Vxrov xal Tirov JSe^iov
*A(pQiYjavov Fhleg, mir. 26 K | Traiano VI et africano C 364 \ Traiano
VI et Anfricano Id \ Tgaiavov uivyovatov %6 e xal ^Atpqixavov PC \
Traiano VII et Africano [troiano VII et aflfricano 5] IV || a Traian
führte seit 112 die Bezeichnung optimus : [imp. C]aesar divi [Ne]rvae
f. Nerva [Tr]aianus optimus [Au]g. Germ. Dacic. pont. [ma]x. trib.
pot XVI imp. VI COS. VI p. p. etc. revue crit d'hist. et de liU. 1880
I p, 104 {Inschrift v. Meäjerda nach Kkin^ fasti z. d. /.).
113 n. Chr.
866 d. St.
( »L. Publibus Celsus H.
Januar 1 j ^ ^^^^^^^ Crispinus.
1 L. Publilio Celso II C. Clodio Crispino cos. idibus Aprilib. IN
6828 I Celso II et Crispino Bruisza n. 294 \ C. Clodio Crispino cos. CIL
6, 221 1 Celso et crispino C 354 \ Celso II et Prisciano II Id \ ngio-
Tuavoü xal KeXaov PC \ Celso et crispino Pr \\ eazrjaa [Tgaiavog] xai
Tov JSoalov Tov T€ TlaXfiov xai xov Kelaov elyiovag Dio 68j 16, 2 \ Ein
consular Celsus von Hadrian im J. 117/118 getödtet vit. Hadr. 7, 2 |
CIL 6, 7163, vgl Borgh. 6, 34.
114 n. Chr.
867 d. St.
Januar 1
*Q. Ninnius Hasta.
P. Manilius Vopiscus.
*L. LoUianus Avitus.
(Sept. 1) < L^ Messius Rusticus.
IS Die Conaukrfasten der Jahre 9G— 119 n. Chr.
1 idib. Tunis Q. Ninnio Hngta P. Mauilio Vopiseo cos. dedicatum
k, Aug. isdem cos. IN 6828 | .... et Vopi CIL 6, 2411 \ Hast. Vop,
COS. annali deir inst. 40, 174 | Vopiseo et asta C 354 \ Malsa et Volciso
lä 1 Mä).aov xai Bovkxiaxov PC | Ästa [hasta B] et Pisone [phisone
CÄV] Pr II a !><?. 48, 8, 5.
2 k. Sept. L. LoUiano Avito L. Messio Rustico D. XXVI CIL
3 p. 869 II L. Messiua Rusticus curator alvei Tibcris etc. CIL 6, 1240 \
Klein, fasti e. ä. J.
115 n. Chr.
868 tl. St.
l 'L. Vip8tan(i)us Mesaalla.
Januar 1 j j^, vergilianus Pedo.
1 idibus lanuaris L. Vipstano Messala .... co3, CIL 6, 543 \ V. k,
Febr. L. Vipatauio M. Vergiliaiio Pedone cos. CIL 6, 43. 44 \ dedicata
L. Vipstanio Mess. . . . M. Vergiliauo Pedon. CIL 6, 791 | . . Vip-
stano Mesnlla M. Pedone Vergilian. cos. CIL 6, 1984 j . . . . rgiliano
et MesB . . . CIL 6, 2411 \ Messala et Pedon. cos. Borffb. 7 p. 77 n. 11, vgl.
annali 40, 174 I Messal. et Pedon. cos. bullett. arck. comim. S. 3 t. VII
p. 235 I L. Vipstanio Messalla cos. bull a. comun. S. 2 t. VIp. 164 | Mes-
salla CIL 6, 2404a \ Vergü. das. | Messala et pedone C 354 | Mes-
sala et Podone Id | MsaoäXa xai Uöönjvog PO \ Messala et Pedone
(Podone B) Fr \\Bi ö drjfiog ji. Ovet . . . Meaaal . . OvenfnavoC Mea
. . . vTioTixo . . viöv . . . eph. ep. 1 p. 250 = CIL 3, 621 \ . . 6 IHduip
o vTiatog . . . eii&vg . . dfreäave Bio 68, 25 bald nach dem Erdbä>en
vom 13. Ben. 115, vgl. Bierauer, Traian 8. 167 u. Anm.
116 n. Chr.
869 d. St.
Januar 1
(Sept. 8)
i'C. Lamia Aelianus.
L. Antistius Vetus.
I *Cn. Minicius Faus(tinus).
1 . . . . iani Part{h)ic. L. V. Anlest. C. Ae. AUmer 2 p. 371 n.
233 I Lamia et Vet. annali 40, 174 \ Lamia CIL 6, 2404 \ . . IovmIov
Xafila xat alhayoS overeQns cod. Pal. Fkleg. mir. {11 E.), vgl. Marini.
<ati p. 222 fg. II Aeliano et vetere C 354 \ Eliano et Veterc lä \ AiXiavav
vai BsTigov PC \ Aemiliano [emilio B u. CSc] et Vetere Pr || s. d. J. 96.
2 a. d. VI idua Sep . . . . Cn . Minicio Faus . . . D. XXVII
Die Gonsalarfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 17
CIL 3 p. 870 = CIBh 1512 \ [Sex.] Miiiicio Faustino etc. dem Consul
d. J. 127 CIL 3, 2830 u. add.
117 n. Chr.
870 d. St.
i *T. Aquilius Niger.
Januar 1 { ^ (Caninius) R^bilus AproDianus.
2 Sex. Erucius Clarus.
TL lulius Alexander lulianus.
1 pri. idu8 Augus . . Nigro et Aproniano cos. CIL ff, 1884: \
AOViiiO NIGRO MREBVO APRONIANO Descemet, inscripHons do-
liaires latines . Marques de briques etc. p. 123 n. XXXII (vgl. hüll deU.
inst. 1862, 38) \ Ibilo Apro ... CIL 6 p. 634 (a arv.) \ Nigro et
Aproniano Mur. 319, 3 \ Nigro . . . hüll. arch. comun. 8. 2 tom. YI p.
265 n. 133 \ Nigro et aproniano C 354 \ Aproniano et Nigro Id \
'ArtQMviavov [lArtQmvov B\ Tcai Niygov PC \ Nigrino [nigro B] et
Aproniano iV [ [AnQioviavov xal Niyqov Modal. XI p. 350 B \\h Ma-
rini, atti p. 196 \ ein C. Caninius Rebilus cos. 12 n. Chr.
2 Claro et Alexandro Pr vgl. Norisi ep. cons. 2, 120 \ eaXo) de
xat 7J ^elevxeia TtQog re ^Eqvmov Kkaqov tuxI TtQog ^lovkiov t^le^avÖQOV
vTtoötQcccriycov Bio 68, 30 im J. 116 {Bierauer S. 175) \\ a Sex. Erucius
Clarus quaestor u. trib. pleb. vor 104 Plin. ep. 2, 9, 2, vgl. ep. X 16.
cos. II im J. 146 vgl. Lacour milanges p. 105 \\ b Ti. lulius lulianus
Alexander Arvale 118. 119, vgl. ind. Plin. p. 409 ind. Arv. p. 188.
Juli 1
118 n. Chr.
871 d. St.
( Mmp. Traianus Hadrianus Caes. Aug. II.
Januar 1 | f,^ Pedanius Fuscus Salinator.
( *imp. Traianus Hadrianus Caes. Aug. II.
^P"' ^ I C. ümmidius Quadratus.
*L. Pomponius Bassus.
L. (Lic)inius B(arba)rus.
1 . . . . e Tr . . ano Ha . . ano . . ug. . . II cos. Cn. . . Fusco
. . natore .... am 26. Febr. und 6. März CIL 6 p. 536 (a. arv.) i
avTOKQccTOQi Tgaiavd) l/4dgiay(p Kaiaagt ^eßaartp to ^ rvatq) nedavlip
0ov(Txq) 2aXivaTogi vTtaxoig ngo &' x. Novevßgiwv CIG 1732 \ Ha-
driani Aug. cos. 11 Bruzea n. 221. vgl. Borgh. ß, 75 \ Adriano II et
salinatore C 354 \ Hadriano et Salinatore Id \ Alliov l4dgiavov Av-
§
yoioTov laxl 2ahv(kiogog PC \ Hadriano [adriano B semper] et Salina-
a
IFt Die Conaularfaston der Jahro 96—1 111 n. Cbr.
tore Fr \ (Hadrianua) secando consiil favore Plotinae factus vit. Hadr.
4,4 li^ ve JJ'rp/p tzci ttÜ nac^ixiii .'roXifUji TfQOOtzäx^fj ov lüvznt oi't'
aU.0 XI i^alqtfnv 7(«p' aviöv llaßw ofit-' vtiaiog iv ngtointc: fyiiEJO
Bio 69, 1, 2 I fgt. Hetuen eph. epigr. ?, 195.
2 inip. Caesare Tiaiano Hadriaiio Au(g) , . . C. Ummidio Quadra . . .
VI k. luniaa. isdem cos. IIU k. Fuii . iadem . . . III . . uu. CIL 6
p. 538 (a. arv.) || h vgl. Kaibel, ejiiffr. i/r. add. n. 888 a.
3 L . . . mpoiiio Basso L . . into Ü . . , ro (im folgenden wer-
den August und September erwähnt) CIL 6 p. 536 (a. arv.).
119 n. Chr.
872 d. St.
!Mmp. Traianus Hadrianus Caes. Aug. III.
RusticM.
i'imp. Traianus Hadrianus Caes. Aug. III.
A. Platorius Nepos Aponius Italicus Maniliauus C. Lici-
nius Pollio.
Mai 1 i ■ '
Nov. 1
US Gallus.
*C. Hcren(uius Ool)abena.
1 . . . Rufug.
1 dat. no[i. Üctuüris — imp, Caes. Traiauo Hadriauo Aug. III
COS. CIL 2, 2959 I imp. Caesare Traiano Hadriano Aug. III cos. Or.
3314 I imp. n. III cos. Marini atli p. 407. 408 {Borgh. 5, 75). CIL 6,
2375 a—c 2404 ] XVII kal. Septem briarum (?) se tertio consule collal.
leg. Mos. et Christ, fragm. iur. Antciusi. p. 592 \ Adriano FI et rustico [vor
II ein Zeichen ' In B] C 354 \ Hadriano IV et Rustico Id ] MXiov
'.yfdqtavov t6 ß Kai 'Povazixiov PO | Hadriano II et Rustico Pr || ipsum
autem tertium consulatum et quattuor mensibus tantum (Monimsen:
totum) egit et in eo saepe ins dixit vUa Hadr. 8, 5.
2 . . . . ano Au . . . . A. Platorio Nepote cos. CIL 6 p. 638 (a.
arv. d. J. 118) I sind im Amte vor dem 1. Mai vgl. eph. epigr. 1,196 \ A.
Platorio A. f. Serg. Nepoti Aponio Italico Maniliano C. Licinio Pollioni
COS. etc. CIL 6, 877. ind. arv. | ein Pollio trib. pleb. i. J. 109 CIL
6, 452.
3 0 Gallo cos. VII . . CIL 6 p. 638 (a. arv.) nach dem
l. Mai Hene. o. a. 0. ind. arv. p. 187.
4 0. Heren . . o . . \PELLA L . . . . 1 . . . ufo cos. CIL
6 640 (a. arv.).
Die Gonsularfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 19
Zum Jahre 96.
Nach dem Zeugniss der Inschriften, mit denen Eutrop 8, 1 über-
einstimmt, habe ich im Widerspruch mit den handschriftlichen Fasten
dem C. Antistius Vetus die erste Stelle gegeben. Ueber die Befristung
der Gonsulate unter Domitian wird an anderem Orte gehandelt werden.
Zum Jahre 97.
Am 1. Januar 97 übernahm neben Kaiser Nerva L. Verginius
Bufus das Consulat zum dritten Mal. In Folge eines unglücklichen
Sturzes wurde er der Theilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten
entzogen (Plin. ep. 2, 1. Asbach, analecta p. 17. Urlichs, de vita
et honoribus Taciti p. 12 fg.). In einem der ersten Monate dieses
Jahres, jedenfalls nach dem 9. Januar erfolgte im Senate der Sturm-
lauf gegen den Delator Publicius Certus, worüber Plinius ep. 9, 18
Aufschluss gibt. Bei der fraglichen Verhandlung präsidirte ein Con-
sul (§. 9. 20). Sein Name wird von Plinius nicht genannt Nun meine
ich zwar mit ürlichs a. a. 0. p. 13, dass an Verginius nicht ge-
dacht werden kann: ^Itaque is consul, cuius nomen Plinius reticuit,
in Bufi qui etiamsi valetudine non impediretur, tertio consulalu mo
se erat abdicaturus (cf. Borghesi 8 p. 579) locum successerat'. Doch
kann es sich auch um einen unbekannten Substitut des Nerva handeln,
der um so schleuniger von dem Amte zurückgetreten sein mag, als
es galt, die Ansprüche der von Domitian zurückgesetzten zu befriedigen.
Ausser Apollinaris ist kein Suffectus mit Bestimmtheit zu ermitteln.
Unter den Consularen werden einige sich finden, die allenfalls diesem
Jahre zugewiesen werden können, zumal da das folgende Jahr bis auf
eine Stelle besetzt ist.
Zum Jahre 98.
1) Die Ordinarien des J. 98 waren Nerva Augustus und Traia-
nus Caesar, jener zum vierten, dieser zum zweiten Mal Consul. Am
20. Februar ist nach Diplom XVIII mit Traianus Augustus Sex. lu-
lius Frontinus 11 im Amte, dem Nerva, der am 27. Januar starb,
wahrscheinlich schon im Laufe des Monats Platz machte. Frontinus
ist der eine der beiden Collegen Traians im J. 100, von denen paneg.
61 ausdrücklich gesagt wird, dass sie durch Nerva das Consulat zum
zweiten Mal erhalten hatten (. . . uterque nuper consulatum alterum
gesserat a patre tuo . . . datum). Den andern sah Mommsen Her-
mes 3, 40 A 2 in Vestricius Spurinna (vgl. Plinius ep. 2, 7 u. 3, 1;
I
ao Pio CoDBiilarfaBten der Jahre M— 119 n. Cbr.
10), der ira J. 97/98 als consiilarischer Legat UntergermaDien ver-
waltete und in einem der ersten Monate des J. 98 einen vertriebenen
König der Brukterer in sein Reich ziirücltfülirte. Die Bedeutung die-
ses UntcTnelimeiis kann man am besten daraus crmessen, dass es
Traian, der damals am Niederrheinc stand, die erste Salutation als
Imperator (paneg. 56) und dem siegreichen Legaten selbst die Trium-
ph;ilstatne (ep. 2, 7) eintrug'). Aucb halte ich mit es Mommsen für
beinahe gewiss, dass er heimgekehrt das Consulat abermals empfing.
Doch geschah dies schwerlich noch im J. 98, dessen Consuln von Nerva
designirt worden waren, eher im .1. 99, — Dass aber Plinius paneg. CO u.
Glsii-her an einen andern alsSpurinna dachte, habeich Rhein. Mus.36,43fg.
darzuthun gesucht. Besonders wurde auf die Angabe des Plinius paneg.
62 hingewiesen, dass die Collegen Traians vom Senate an erster Stelle
in eine Commission gewählt wurden, welche 'de publicis sumptibus
minuendis' berathen sollte. Diese Commission, dieselbe, in welche Ver-
ginius Rufus nach ep. 2, 1, 9 eintreten zu müssen fürchtete, sollte der
drückenden Finanznoth abhelfen, die Ncrva zur VerUusserung von Kron-
und Privatgut zwang fPliu. paneg. 51. Dio 68, 2. Dierauer S. 21. Gl).
Spuriuna, der noch Anfang 98 am Rheine commandirte, kann
also nicht Mitglied derselben gewesen sein. Eher könnte man
Corellins Rufus da.s dritte Gonsulat zusprechen. Er gehörte zum in-
timsten Kreise Nervas (cp. 1, 12; 4, 17: observatur oculis ille vir, quo
neminem actas nostra graviorem, sanctiorem., suhüliorem tulit; 5, 1; 7, 11,
3; 31, 4; 9, 13, 6). In dieser Stellung konnte er sehr wohl für die
Adoption Traians etwa im Verein mit Licinius Sura (Dierauer S. 22)
1) Im Rbeitiiecben Jahrbuch 69 S. 1 — 6 habe ich unter ZustimmuDg von
A, Scbaefer, Quellenkiincio II 8. 111 den Beweia versucht, dass Tacitus die
Germania auf die Nachricht von der Vernichtung der liriikterer im Ewcitan Con-
Bulato des Traian herausgab. Ich wage jetzt mit Bestimmtheit zu sagen, dass
die Fristen des J. 98 zweimonatlich waren und dass der Kaiser das Amt nar
ein, nicht wie im J. 100, zwei Nundinien behielt. Tacitus war also designirter
Conaal, ah er «eine Schrift veröffentlichte. — Sollte nicht auch die St«lle, welche
gewöhnlich auf die Germanen kriege des Drueus bezogen wird, c. 1: cetera Ocea-
nus Rmbit latos sinus et iusularum iramcusa «patia compleotcns nuper cognitis
quibusdam geiitibus ac regibns quoB bellum apcruit auf eiuo nähere
VergaEgenhoil gehen? Auch ist noch zu untersuchen, oh nicht, naa c. 42 von
den Markomannen und Quaden erzShlt wird, im Zueammonhang steht mit dem
Suebenkrieg unter Norva (paneg. 12. 16. 56. Mommaen Hermes 3, 116 fg.). -
Oeber die Auszeichnung durch die Triumphalontamcnte vgl. Borgh. 5, 34.
Die Consularfasten der Jahre 96 — 119 n. Chr. 21
wirken. So würde sich die persönliche Verpflichtung erklären, welche
Traian gegen seine Gollegen im Cionsalate hatte (paneg. 60: utri-
usque cura, utriusque vigilantia obstrictus es). Mehr noch spricht
für unsere Yermnthung; dass und wie er von Plinius ep. 5, 1, 5 zu-
sammen mit Frontinus genannt wird: 'adhibui in consilium duos
quos tunc civitas nostra speciaiissmos habuit Corellium et FranHnunt. —
Auch sonst ist die von Plinius paneg. 60. 61 gegebene Schilderung auf
ihn anwendbar (vgl. Bhein. Mus. a. a. 0.). Der 12. Brief des ersten
Buches, in dem Corellius' Tod erzählt wird, ist ohne bestimmtes Datum
(Rh. Mus. a. a. 0.)- Jedenfalls war Bufus im J. 97 noch rüstig ge-
nug, um 'ex liberalitate imperatoris Nefvae' bei Ankauf und Verthei-
lung von Ackerland mitzuwirken (ep. 7, 31, 4, vgl. Dio 68, 2). Dies
hindert nicht anzunehmen, dass er auch Mitglied jener Finanzcommis-
sion war*).
2) Mit Bestimmtheit können gerade dem letzten Nundinium des J.
98 Vettius Froculus und F. Julius Lupus zugewiesen werden, die nach
der stadtrömischen Inschrift Gruter 1071, 4 am 3. Dezember im Amte
sind. — Flinius ep. 9, 13 behandelt den Prozess des Publicius Certus.
Wir erfahren hier, dass dieser und Yettius Froculus im Anfange des
J. 97 praefecti aerarii waren (§ 13 : dicit . . . Vettius Froculus collega
Fublici Gerti, de quo agebatur). Certus selbst wird brevi consul ge-
nannt (§ 11 : lacessis bominem iam praefectum aerarii et brevi con-
sulem). Der Erfolg der Anklage wird § 23 mitgetheilt ^collega Certi
consulatum, successorem Certus accepit'. Selbstverständlich kann sich
' successorem' nur auf die Fräfektur beziehen. 0. Clason, Jahrb.
für cl. Fhilol. 107, 256 verstand die Stelle so, dass Certus einen
Nachfolger in der Fräfektur erhalten habe und das ihm zustehende
Consulat seinem CoUegen in der Fräfektur Yettius Froculus zu theil
geworden sei. Dies zu rechtfertigen, denkt er so gezwungen wie mög-
lich im obigen Citate Terti' zweimal, einmal zu "collega", dann zu ^consu-
latum*. Ueberhaupt beruht diese Erklärung auf gänzlicher ünkenntniss
der staatsrechtlichen Verhältnisse, die richtige hatte schon vor Clason,
Mommsen Hermes 3, 90 Anm. 1 vorgetragen. Die Verwaltung der
Staatskasse, welche Froculus und Certus noch im J. 97 führten, bildete
eine Vorstufe für das Consulat. Beiden stand dies also zu, beide konnten
als brevi consules eingeführt werden. Die Strafe, die den Certus traf,
muss also darin bestanden haben, dass ihm die Anwartschaft auf das
1) vgl. CIL 6, 1648 mit Anm. y. Mommsen.
in
\
33 Die Consularfasten der Jahre 96—119 n. Chr.
Consulat genommen wurde, wahrend seiu College Vettius ProculuB das-
selbe beim Abgänge von der Präfektur im Jan. 98 empfing. Dazu
stimmt auch, dass ihre Nachfolger Plinius und Comutus Ti'rfullus im
J. 100 als Collegen das Consulat bekleideten. Ist es doch unwahr-
acbcinlich, dass man bei iiireu Amts Vorgängern anders verfahren ist
oder verfahren wollte. Nun votirt Proculus nicht ala consul designatiis
wie Domitius Apollinaris, sondern als Prätoricr. Seim; Designatton —
was für ihn gilt, muss auch für Certus gelten — stand also noch be-
vor. Bei der am 9. Januar 98 stattfindenden Designation wurde dieser
übergangen, Vettius Proculus mit P. lulius Lupus für die letzte Frist
des Jahres designirt.
3) Das Consulat des Cornelius Tacitus ist durch den Tod des
L. Verginius Rufus, dem er die Leichenrede hielt (Plin. 2, 1, 7), bestimmt.
Dieser erfolgte, wie ich auf Grund von paneg. 58: erat in seuatu ter
consul, cum tu tertium consulatum recusabas gezeigt habe, im J.98
(analecta p. 17). Dieser Ansatz hat die rückhaltlose Billigung von Ur-
lichs, de vitaTaciti p. 13 und A. Schaefer, Quellenkunde II S. 109
gefunden.
Das erste und letzte Nundiniuni des J. 98 ist besetzt. Zwischen
beide fällt des Tacitus Consulat. Derselbe hatte schon in den J. 00/04
eine prätorische Provinz verwaltet, nach Borghesis 7, 322 Vermu-
thung, welche Urlichs a. a. 0. p. 7>) mit Recht wieder aufgenommen,
die belgische.
1) o tribiia qaae praetoriuB homo perogre explere potnit muneri-
buB UDum quod censibus ordinandta continebatur breviio erat quam quod per
plures antios coDtinuaretur, alterum legatioDem legianariam de qua cum multis
ego quoque aliquaodo cogitabam, imperator cautus prudonsque boraint pncis ar-
tibuB ioaii^i militiae ineKperto non videtur attribiiieBi'. Itaquc Bicnt Nerva, Fli-
niuB, CoruutuB TertulluB Icgioai pORt praoturam nou praefueniQt, sie Tacitu!«
provlDciam togatam nullo ext^rcitu iastructam pro praetore ailminiati-anao pu-
tandua est. Quae cum per temporum condicionem senatoria eaae □on pntncrit,
quippe quam quiDquennio post magiatratum praetorii «ortircntur, nihil reliquiim
eat, nisi ut praetoriam provinciam ab imperatore ci demandatam esse slatuamuB.
luter aeptem autem qaae illa aetate patebaut nullam optius cligi quam Belgioam
ßorgbetiut rectiasime animadvertit eamqne conieoturam duobus argumentis fir-
mavit altero debiliore graviBsimo altero. Nam quod pater in eadem provincia
proourator fuerat, poterat salteni filium ad maiorDa adminiet ratio nam confereii-
dam utpote a regionia cognitiooe non prorsua alicuiim priucipi commendare, sed
noD debebst. Qraviua eat alterum. Tam accuratai» onim Germaiiiae eiua prae-
sertim qaae ad Rhenum rergit coguitionem aeque antiquae tantum i
Die Consularfasten der Jahre 96^119 n. Chr. 23
4) In Belgien scheint auf Tacitus L. Licinius Sura gefolgt zu sein
(CIL 6, 1444. ürlichs a. a. 0. p. 8), auf diesen Q. Glitius Agricola,
der im Jahre 101 die pannonische Legation, im J. 103 das zweite
C!onsulat übernahm. — Des letzteren erstes Consulat hat schon Borg-
hesi 3, 71 fg.; 5, 344 unter Nerva gesetzt und ürlichs a. a. 0.
p. 8 folgt ihm mit dem Hinweise auf Valerius Asiaticus, der im J. 69
legatus Belgicae und cos. des. war. Doch ist das J. 97 ausgeschlossen,
weil eine einjährige Verwaltung unwahrscheinlich und weil es kaum
denkbar ist, dass ihm vor Tacitus, der von Domitian zurückgesetzt
worden war, die Auszeichnung des Gonsulats zu theil wurde. Gegen
das J. 98 lässt sich ein Einwand nicht erheben. Dann wurde er drei
Jahre später — es ist dies das normale Intervall — Legat von Pannonien.
5) Unter den suffecti des J. 98 erscheint auch das Gollegium :
L. Keratins Priscus, M. Annius Verus. Diese treten in den Digesten
48, 8, 6 : is qui servum castrandum tradiderit pro parte dimidia bono-
rum multatur ex senatusconsulto, quod Neratio Prisco et Annio Vero
COS. factum est und in der Aufschrift eines Bleies auf (Garrucci,
piombi antichi p. 53 tav. III, 17, vgl. Borgh. 5, 351). Der erste
der durch censorisches Edikt die Gastration verbot, war Domitian
(Dio 67, 2. Sucton Dom. 7 u. die Dichter). Nach Dio 68, 2 wurde
das Verbot von Nerva wiederholt. Die Frage, ob der Neratianische
Senatsbeschluss mit dem ersteren oder dem zweiten zusammenhängt,
versuchte Borghesi 5, 350 fg. mit Hülfe einer Inschrift von Sae-
pinum IN 4932 zu entscheiden. Diese lautet: L. Neratio L. f. Vol.
Prisco praef. aer. Sat. cos. leg. pr. pr. in prov. Pannonia scribae quae-
stori et munere functi patrono. Die pannonische Legation des Priscus,
der mit dem berühmten Juristen und dem Adressaten von Plin. ep.
2, 13 identisch sei, unter Nerva zu setzen sei bedenklich. Nerva habe
an dem Tage, an dem er Traian adoptirte, Nachrichten von bedeuten-
den Erfolgen in Pannonien erhalten (paneg. 8 und 16) und die Be-
zeichnung imp. II und den Titel Germanicus angenommen. Wäre der
pannonische Sieg unter der Führung des Priscus gewonnen worden, so
hätte der Stein von Saepinum die ihm sicher zu theil gewordene mili-
tärische Auszeichnung erwähnen müssen. Legation und Consulat ge-
hörten wahrscheinlich unter Domitian in das J. 83, wozu sehr wohl
passe, dass Annius Verus von den Eaisercensoren im J. 74 unter
sed recentiBsimarom reram alibi quam in ipsa populi forÜBBimi vicinia vis acqui-
rere f>otuit.
24 Die Consulorfasteo Jer Jabrti 96—119 d. Chr.
die Patrizier auft^enommeo wurde (vita Marci 1). Dieser Atisatz Iforg-
hesis beruht auf einem ar^'umiaitum es silentio und übersieht, daas
die Inschrift vor dem vorausgesetzten Siege des Priscus verfasst sein
kann. Seine Verkehrtheit Labe ich schon Ubein, Mua. 36, 44 fg. dar-
zuthun versucht, und ich erlaube mir den Beweis hier in rfer Haupt-
sache zu wiederholen. Es handelt sich dort um die Datirung von
Plin.ep. 2, 13. Hier bittet Plinius mit der Motivirmig 'regis exerßitam
amplissinium, Itinc tibi benehciorum larga niateria, longum praeterea
tempus quo amicos tuos exornare potuisti' §. 2 den Priscus uiQ ein
Militärtribunat für Voconius Romanms. Dass dies Schreiben nicht unter
Domitian verfaast wurde ist sicher. Denn die Ge2eichuuög optimus
princeps (g 8) passt nur auf Nerva oder Traian. Mommsen hat sie
auf jenen bezogen und ep. 13 dem J, 9S zugewiesen. Dem gegenüber weist
Peter Philol. 32, 705 auf §8 hin 'nuper ab optimo principe trium libe-
rorum ius impetravi, quod quaraquam parce et cum delectu daret mihi
tarnen tanquam eligeret indulsit." Weun hiermit der von Traian selbst
ep. Tr. 95 ausgesprochene Grundsatz das Dreikinderrecht 'parce' zu
ertheilen corabinirt werde, so leuchte ein, dass der optimus prin-
ceps Traian sei. Dies wird eine andere Erwägung bestätigen. Ange-
nommeu Nerva sei der princeps, so wird ep. Tr. 4, wo Plinius für
denselben Voconius die Ausführung einer schon unter Nerva vorberei-
teten Standeserhöhung zum Senator erbittet (§ 2: quibus ex causis et
a divo patre tuo petieram, ut illum in amplissimum ordinem promo-
veret, sed hoc votum meum bonitati tuae reservatum est), die Er-
wähnung dieser hohen Gunst vermisst, während ep. 2, 13, 8 die durch
denCensus bedingte Adlection unter den benehcia verstanden sein kann
Cequidem iuvenis statim iuveni quantum potui per aetatem avidissime
coDtuli'). Auch ist nicht ohne Belang, dass Plinius selbst erst im J.
98 durch die Vermittelung des einflussreichen lulius Servianus das ius
trium liberorum erhielt. Muss es also für ausgemacht gelten, dass
ep. 2, 13 unter Traian geschrieben wurde, so lässt sich die Zeit der
Abfassung mit Wahrscheinlichkeit wenigstens annhhernd bestimmen,
wenn wieBorghesi a.a.O. und Mommsen Herrn. 3, 39 annehmen, der
Adressat dieses Briefes Priscus nicht verschieden ist von dem berühm-
ten Juristen, dem Bruder des Neratius Marcellus, welchem Plin. nach
ep. 3, 8 ebenfalls nahe stand. Neben dem Borghesiscben Ansatz von
Consulat und Legation ist dem oben Gesagten /.ufolge diese Identi-
ficirung nicht haltbar. Dass Neratius Priscus im J. 97,98 auf keinen Fall
Fannonieu verwaltet hat, wird durch ein urkundliches Zeugniss sicher
r*
\
Die Consular fasten der Jahre 96 — 119 n. Chr. 25
gestellt Zur Zeit der Ausstellung des Militardiploms CIL 3 p. 862
D. XIX mit dem Datum vom 20. Febr. 98 fühi-te Cn. Aemilius Cica-
tricula Pompeius Longinus die pannonische Legation. Sein Nachfolger
war L. lulius Ursus Servianus, der nach Plinius ep. 8, 23, 5 unmittelbar
nach einer germanischen Statthalterschaft die von Pannonien über-
nahm (vgl. Borghesi 3, 75 Henzen annali 1862, 147). Dies ist, wie
Mommsen Herm. 3, 117 bemerkt, durchaus anomal, da die erstere
im Ganzen als die höhere galt, auch nicht zwei so wichtige Provinzen
unmittelbar nach einander verwaltet zu werden pflegten. Sehr anspriB-
chend lässt er diese Ausnahme durch die kriegerischen Vorgänge an
der Donau veranlasst sein, die auch Traians Anwesenheit nöthig mach-
ten. Es ist demnach so gut wie sicher, dass Servianus gegen Ende
des J. 98 nach Pannonien hinüberging. Nun wäre es an und für sich
sehr wohl möglich, dass für Longinus im Anfang des J. 98 Priscus
eintrat und bis zur Ankunft des Servianus als Statthalter fungirte.
Indessen ist diese Annahme durch § 2, wo eine länger befristete Le-
gation vorausgesetzt wird, schlechthin ausgeschlossen. Servianus kehrte
spätestens Ende des J. 101 nach Rom zurück, um am 1. Jan. 102
das Consulat zu übernehmen. Yermuthlich aber war sein Ciommando
schon im Anfange des Jahres erloschen mit der Ankunft seines Nach-
folgers Q. Glitius Agricola, der als legatus Pannoniae (Henzen 5449)
an dem im Frühling 101 begonnenen (Acta arv. p. CXL) und 102
beendeten dakischen Kriege theilnahm und heimgekehrt im J. 103
als Ersatzmann des Kaisers zum zweiten Mal Consul wurde (Herm. 3,
127 fg.). In Pannonien war ihm L.Neratius Priscus gefolgt, der letzte
Legat der ungetheilten Provinz. Sein Consulat gehört sicher in eines
der J. 98 oder 99. An das Jahr 97 kann deswegen nicht gedacht
werden, weil sein Vorgänger in der Statthalterschaft Glitius Agricola
nach unserem Ansatz erst im J. 98 zum Consulat gelangte. Wer aber
bedenkt, dass nahe Beziehungen zwischen der Familie der Gocceii und
derjenigen der Neratii bestanden, dass Neratius Priscus einer der nam-
haftesten Juristen seiner Zeit war und dass Annius Verus schon 74
unter die Patrizier aufgenommen wurde, wird sich lieber für das J. 98
als 99 entscheiden, so dass das üollegium noch von Nerva für dieses
Jahr designirt wurde. Das senatusconsultum Neratianum wäre dann
als Ergänzung des kaiserlichen Verbotes der Castration zu fassen.
6) Von Mommsen, Hermes 3, 45 sind Baebius Macer, C. Caeci-
lius Strabo, Caepio Hispo, die alle drei Plinius im 4. Buche der Brief-
Sammlung nennt, unter die Consuin des J. 103 gestellt worden. Der
36 Die CQiiauJarfBBtt-n der Jahro 96—119 n. Clir.
erste wird ep, 4, 9, 16 im Prozess des lulius Bassus auadiücklich als
consul (lesigoatus bezeichuet, ebenso ep. 4, 17, 1 C, Caecilias, der ep.
4, 12 4 Caecilius Slrabo heis^st und dort mit Baebius Macer zusammen
stimmt. Da nicht wohl best'.itten werden liann, dass der Prozess des
luliuä Bassus im J. 103 entschieden wurde (vgl. Eorgh. 7, 358 fgg.),
so haben beide in der Hauptliste ihren Platz gefunden. Anders steht
es um das Consulat des Caepio Hispo: dass auch dieser zu den desig-
nirten Consuln gehörte, hiilt Moranisea für sehr wahi-scheinlich, weil
er ep. 4, 0, 16 unter den zuerst Stimmenden auftrete. In der That
gibt er nach g 16: ceusuit liaebius Macer, consul designatus, lege repe-
tundarum Bassum teneri, Caepio Hispo salva diguitate iudices dandoa
. . . und g 20: fuit et tertia scntentia. Valerius Paulinus adsensus
Caepioni hoc amplius censuit referendum de Theophane . , . unter
den vordersten seine Stimme ab. Weil aber der Beisatz consul desig-
natus seinem Nanieu fehlt, kann er ebenso gut wie Fabricius Veiento
derep. 0, 13, 13 in der Sache des Publicius Certus (im J. 97) nach
dem designirten Consul Domitius Apotlinaris befragt wird') zu den
Gonsularen gezählt wenden. Dies würde mit anderweitig Bekanntem
übereinstimmen. Nach dem Zeugniss der Digesten 40, 5, 26, 7 (ae-
natusconsulto quod factum est temporibus divi Traiani sub Ru-
brio Gallo et Coelio (?) Hispone cos.) hat Caepio mit Rubrias GalluB
die Fasces geführt. Der Versuch, das Jahr derselben zu bestimmen
hat von dem Verhältniss des sog. Kubrianischen Senatsbeschluases zu
dem Dasiimianischen und Articuleianischeo auszugehen, welches schon
von Rudorff im Wesentlichen richtig gewürdigt worden (Ztschr. f.
gesch. Rechtswissensch. 12", 308 fg.): das erstere, welches fflr die
Ahndung dür Fideicommissvergelien ein neues Prinzip aufstellte, habe
(a. a. 0. S. 309) mannichfache Lücken enthalten, auf die übergangenen
Fälle habe sich der nach dem Consul Dasumius benannte Senatsbe-
schluss (Digest. 40, 5, 36) bezogen, der auch von Julian und Marcian
als Ergänzung des Rubrianum betrachtet wurde.
'Es blieb noch ein Mangel', sagt Rudorff S. 310, "beide Be-
schlüsse beschränkten sich auf den Fideicommissprätor in Rom, in
den Provinzen hatten die Statthalter seit Claudius die Fideicommiss-
jurisdiction, aber nur über ilireProvinzialen und nur gegen Anwesende.
]) lam cenacndi tempus. Dicit Domitiua ApoUinariB, conaul daBignntuB,
dicit Fabricius Veiento, Fabins Postuminus (Maximinus), Veltiue ProculuB (oo». im
J 98).
Die Consularfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 27
Die Begünstigung der Freiheit aber verlangte, ihnen auch die Cogni-
tion aus dem senatusconsultum Rubrianum und Dasumianum und
zwar selbst dann beizulegen, wenn der Betheiligte nicht zu den Ein-
gesessenen der Provinz gehörte. Diese Ergänzung beruhte auf einem
senatusconsultum Articuleianum, welches eben deshalb auch bei
Marcian unmittelbar dem Dasumianum angeschlossen wird und ent-
schieden dem J. 101 angehört*. Von Mommsen, der den Rubria-
nischen Beschluss wie das Consulat des Gaepio nach 101 setzt, wird
der Articuleianische dem J. 123 zugesprochen, in dem Q. Articuleius
Paetinus ordentlicher Consul war. Der Dasumianische wurde dann
zwischen 103 und 123 gefasst. Demgegenüber hat Wad ding ton,
indem er mit Budorff betont, dass längere Intervalle durch den
Charakter der einzelnen Beschlüsse ausgeschlossen sind, das in den
Digesten erwähnte CoUegium in das J. 99 gesetzt. Auf dasselbe Jahr
f&hrte ihn die Folge der Proconsuln von Asien. Nach einer Münze
von Hierocaesarea hat der am 14. August des J. 99 auftretende Con-
sul TL Julius Ferox im J. 116/117 Asien verwaltet (fastes A. n. 122);
Comutus TertuUus, der College des Pliuius im J. 100, war 117/118,
Mettius Modestus 118/119 (?) Proconsul. Die Statthalterschaft des Sca-
pula falle nach 114, weil seine Münze von Cotiaeum in Phrygien Traian
zwar aqioToq^ aber noch nicht naQ&txog nenne (s. fastes n. 121 s. u.).
Das in der milesischen Inschrift CIG 2876 bezeugte Proconsulat des
L. Dasumius gehöre jedenfalls unter Traian. Die J. 116/118 seien
besetzt, dann müsse Scapula 114/115, Dasumius 115/116 oder umge-
kehrt im Besitz der proconsularen Fasces gewesen sein. Dem Ti. Cae-
pio Hispo komme somit das J. 113/114 zu (fastes n. 119). Als dessen
Vorgänger erscheint in Waddingtons Liste n. 118 auf Grund einer
Münze von Hyrkanis in Lydieu Vettius Procülus. Doch hat der Ur-
heber dieses Ansatzes später selbst gesehen, dass der Name des Pro-
consuls nicht J3J5T . iZPOÄ. sondern BlT-nPOK- laute (s. Henzen,
ind. arv. p. 187). Es ist derselbe, welcher auf einer ephesischen In-
schrift bei Wood, a. a. 0. inscr. from the teniple of Diana n. 13 (ml
dv&vnarov Bivriov IIqoxIov) auftritt und in den Arvalprotokollen der
J. 101 105 107 118 120 Q. Fulvius Gillo Bittius Procülus genannt
wird. Wenn dem Vettius Procülus auch die lydische Münze abgespro-
chen werden muss, so ist er doch unzweifelhaft Statthalter gewesen.
Denn in der Inschrift vom Grossen Theater bei Wood, a. a. 0. inscr. from
the gr. theatre p. 6 und p. 27 wird an drei Stellen Vettius Procülus
{Ovivviog Tlgoxlog) als Proconsul eingeführt. Neben ihm erscheint
36 Die CoDBularfastea der Jahre 96 — 119 □. Chr.
als ?TQiaßeiTt)s xai m-ctazQäiiffnQ Afranius Flavianiis, der noch am
1. Sept. 114 nach dem Diplom CIL 3 p. 869 als prätorischer Legat
in Niederpannonien steht. Bekanntlich fällt die Verabschiedung der
Soldaten in die letzte Zelt der Statthalterschaft, und es konnte sich
Ende des J. lU Afranius nach Epbesos begeben. Dann GlUt die Ver-
waltung des Vettius Proculus 114/115. Sein Vorgänger war dann
Caepio Hispo (113/114), sein Nachfolger h. Dasumius. Scapula kaoD
sehr gut schon im J. 112 die Statthalterschaft angetreten haben, da
Traian offiziell schon in diesem Jahre optimus hless (a. o. S. 15).
Wenn Ti. Claudius Atttcus Herodes wirklich unter Nerva Consul war (s. u.
S.37fg), so stand er 111/112 in Asien, Eittius Proculus etwa llO/lll').
Den vollständigen Namen des Caepio hat eine Inschrift von Ravenna
Orelli 3670: M. Apuleio Proculo L. f. Claud. Ti. Caepioni Ilisponi cos.
procos. provinc. Asiaa ... Ob der College des Caepio Hispo mit dem
bei Gruter 4G4, 1 auftretenden C. Rubrius C. f. L. n. Troi. Gallus
Proculeianus identisch ist, läs-st sich nicht mit Sicherheit ausmachen.
In eins der J. i)7 und 98 wird gewöhnlich das erste Consulat
des L. Liciaius Sura gesetzt, auf welches Marini atti p. 716 n. 57
eine au der via Nomentana gefundene Inschrift {s. p. 712) bezogen
hat. Doch kann das J. 9S nicht in Frage kommen, weil nach einer
Notiz des Victor cpit. 13, G: bic ob honorem Surae cuius studio im-
perium arripuerat, lavacra condidit, seinem Einflnss Traiau die Herr-
schaft verdankte. Dies nöthigt fast zur Annahme, dass Sura schon
damals der ersten Rangklasse angehörte. Da durch nichts ausge-
schlossen ist, dass er wie L. lulius Ui'sus Servianus, der Ende des
J. 97 als Legat von Obergermanien auftritt und 102 mit ihm
gemeinschaftlich das zweite Consulat führte, unter Domitian zum
erstenmal Consul war, so konnte er in die Liste nicht aufgenommen
werden.
Auch dem aus Suet. Vesp. 13 als Rhetor bekannten C. Salvius
Liberalis Nonius Bassus, dessen cursus bonorum Borghest 3, 177 fg.
und Waddington fastes n. 112 behandelt haben, musste die Aufnahme
versagt werden. In der Inschrift aus Urbisaglia (Orelli 1170) wird er
als legatus Angustorum provinc. Britanniae bezeichnet. Aus diesem
Grunde ist es unter allen Umständen sicher, dass Nerva noch am
Leben war, als jener die Legation von Britannien antrat. Borghesi
1) Der COB, guff. d. J. 76 M. Fulviue Gillo hat aacb Ausweis einer cphe-
siichen Insohrifl, jourual of pbilology 13, US, gleioLfalla Asiea verwaltet.
Die Consularfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 29
Hess ihn unter Domitian verbannt, von Nerva zurückgerufen und durch
Gonsulat und Statthalterschaft für die Leiden des Exils entschädigt
sein. Mit besserem Grunde meint Waddington, dass er das Gonsulat
bekleidet hatte, ehe er Domitians Gunst verscherzte. Nächst der Folge
der asiatischen Proconsuln spricht dafür, dass er schon im Jahre
74/75 von den Kaisercensoren unter die Prätorier aufgenommen wurde
und 81 86 und 87 unter den Arvalen genannt wird, vgl. ind. arv.
p. 196.
Ebenso hat Fabius Postuminus, der nach einer Münze von Thya-
tira in Lydien und einer fragmentirten Inschrift von Aezani bei
Wad dington fastes n. 115, vor dem J. 114, nach der oben vorge-
nommenen Modificirung der Ansätze Waddingtons aber vor 110
Proconsul von Asien war, sehr wahrscheinlich von Domitian das Gon-
sulat erhalten. Wenn derselbe Plin. ep. 9, 13, 13, wo sicher Postuminus
für Maximinus zu lesen ist, im J. 97, vor dem Prätorier Vettius Pro-
culus und nach Fabricius Veiento, der unter Domitian Consul gewesen
war (Vict. epit. 12), seinen Vorschlag macht, so kann er an und für
sich ebenso gut unter den Consularen als unter den Prätoriern gestimmt
haben, vgl. Mommsen ind. Plin. p. 410.
Dem J. 98 konnten also im Ganzen 11 Consuln zugewiesen werden,
von denen des J. 99 sind zwei CoUegien und einzeln L. Dasumius und
Ti. lulius Ferox bekannt. Im J. 100 sind zweimonatliche Nundinien
sicher. Unten wird dargethan werden, dass in die J. 97—100 Ti.
Claudius Atticus Herodes, M'. Laberius Maximus, L. Neratius Mar-
cellus, (lulius) Scapula gehören. Nach all dem scheint es ein sicheres
Ergebniss unserer Untersuchungen, dass in jenen Jahren die Nundinien
mindestens zweimonatlich waren.
Zum Jahre 101.
Bezüglich der Gonsuln der J. 101—104 verweise ich auf meine
Abhandlung 'fragmentum feriarum Latinarum CIL, 6, 2018 restitutum
et illustratum' analecta historica p. 23. Die dort vorgeschlagenen Er-
gänzungen haben bisher keinen Widerspruch erfahren.
Das vielbesprochene Consulpaar L. Arruntius Stella und L. lu-
lius Marinus, nach denen das Ferentinatische Patronatsdekret für den
von Traian mit der cura alimentorum betrauten T. Pomponius Bassus
am 19. October datirt, ist von Mommsen und Henzen dem J. 101,
von Borghesi, Stobbe, Friedländer und Hirschfeld dem J. 102
80 Dil CoDaularfaatäu lier Jahre 96—119 n. Chr.
zugeschrieben worden'). Ein früheres oder späteres Jahr kiinn nicht
in Frage kommen. Die endgültige Fixirung des fraglichen Consulats
hängt bekanntlich von der Chronologie der letzten Bücher des Mar-
tial ab*). Es soll hier noch einmitl wns sicher ist herausgehoben wer-
den. Die Veröffentlichung des 12. Buches, das Martial als brevissimus
libellus bezeichnet und zur Begrüssung seines römischen Freundes Te-
rentius Priacus 'paucissimis diebus' zusammengestellt hat, erfolgte in
Spanien nach dreijährigem otium'). Will man diese Angabe mit Er-
folg verwerthen, so kommt alles an auf die Zeit der Herausgabe der
zweiten Bearbeitung des zehnten Buches, das zum grösseren Theile
aus neuen Uedichten gebildet wurde. Durch diß Erwähnung des zweiten
Consulates des Frontinus ist 10, 48 bestimmt. Die Worte 'lagona qnae
bis Frontino consule prima (Haupt trima) fuit' hält Stobbe mit Recht
für eine blosse Umschreibung von ' nunc' •)■ Aber irrig lässt er das
Epigramm im April geschrieben sein»). Da die Nundinien des J. 98
zweimonatlich waren, fallt das Frontina Consulat erwähnende Gedicht
spEltesteas in den Februar. Ein jüngeres Datum lässt sich im
ganzen Buche nicht nachweisen*). Die einleitenden Gedichte
zeigen den Kaiser bei den Ulieinischen Legionen ; auf den Aufenthalt
an der Donau im Winter 98/f>9 lindct sich uirgeuds eine Anspielung.
Ich kann Mommsen nur beipflichten, dass die Annahme Stobbes,
die Veröffentlichung sei erst im Anfange des J. 99 erfolgt, durch nichts
gerechtfertigt ist. Bringt man die Mitte des J. 98 als Zeit der
Ausgabe in Ansatz, so fällt die Ankunft des Priscus in das J. 101.
}
1) MommBen, Hermes 3, 123 fg. ind. Plin. p. 428. — Stobbe, Phi-
lologuB 2fi, 70 fg. 27, G31 fg und in FriedUndera Sitte ugescUichte 8, 657
fg. — Friedlandür a. a. 0. S. 388 fg. — 0. UirBChfeld, Untersuchungen auf
d. Gebiet röm. Verw. S. 115 Anm. 3.
2) DieBB haben Friedländer in den Königeberger Progr. 1862 1866,
Mommeen a. a. 0., Stobbe a. a. 0. bchaiidcU.
3) praef. Scio me patrocinium debere oontumaoissimae trienni deai-
diae.. ne quid lamcn et advcnienti tibi ab urbe exigenti negarem . . imperavi
mihi quüd indulgero consueram, et studui paucissimis diebus, ut familiaris-
Bimas mihi aurea tuas excipcrero adventoria tua.
4) Stobbe bei FriedUnder a. a. 0. 3, 667.
6) Philo!. 26, 70.
6) Hommson a. a. O. S. 121 fg. n. FriedUnder a. a. 0. S. 390.
Die CoDsularfaaten dor Jahre 96—119 n. Chr. 81
Sie erfolgte, was aus ep. 62 sich unzweifelhaft ergibt^), im Dezem-
ber. Das mit Absicht vorangestellte dritte Epigramm feiert 2) den
Gönner des Dichters L. Arruntius Stella. In demselben gibt Mar-
tial seinem Buche den Rath mit auf den Weg, es solle den Palast
des Consuls Stella aufsuchen; wenn er sagt, der Consul Stella werde
es dem Volke, dem Senate, den Rittern empfehlen^), drückt er
klar genug aus, dass Stella das Consulat wirklich übernommen hat
Dass er noch im Dezember in Funktion war ist, da die Nundinien
des J. 101 dreimonatlich sind, sicher. Darum liegt der Schluss nahe,
dass auch epigr. 3 in den Dezember des J. 101 gehört und in dem zur
Begrttssung des Priscus und zur Sendung nach Rom redigirten Buche
sich fand. Selbst wenn das zehnte Bucfi anfangs 99 ausgegeben wurde,
konnte Martial im Dezember des J. 101 „von dreijähriger Pause" reden,
aber mit nichten im Dez. 102, wenn das vierte Jahr nahezu voll war.
Durch diesen Ansatz wird die zweitmalige Redaction des zwölften Bu-
ches, die St ebbe angenommen hat, entbehrlich aber nicht ausgeschlos-
sen. Der brevis libellus, den Martial dem Priscus überreichte, kann
sehr wohl in einem der nächsten Jahre — der Tod des Dichters trat
sicher vor 105 (Plin. ep. 3, 21, vgl. Rhein. Mus. 36, 49) ein — eine
nachträgliche Erweiterung erfahren haben.
Die neuesten Argumente Stobbes für das J. 102 (bei Friedländer
a. a. 0.) können mit wenigen Worten erledigt werden. Da der Arvale
L. lulius L. f. Fab. Marinus Caecilius Simplex, der mit dem Col-
legen des Stella identisch ist, am 25. März des J. 101 ohne die Be-
zeichnung cos. des. auftritt, zieht er den Schluss, dass er für das J.
101 nicht designirt war. Derselbe stützt sich auf die Beobachtung
(Philol. 31, 277 fg. 284), dass in den ArvalenprotokoUen , welche
mit einer einzigen Lücke die Verhandlungen von Anfang Novem-
ber 57 bis Mitte Januar 60 verzeichnen, den anwesenden Arvalen
die Titel cos. und cos. design. ausnahmelos beigelegt werden. Nur
wird T. Sextius erst in der sechsten Sitzung als cos. des. bezeich-
net, jwas durch die Annahme erklärt wird, dass im J. 59 die Comitien
1) Dies hat S t ob be unter Zustimmung von Fr iedlän der S. 388 fg. aus epig.
12, 62, welches eine Einladung an Saturn enthalt, nachgewiesen Philol. 27, 688.
2) Er hat bereits unter Domitian Anwartschaft a.f das Consulat. Statins
silv. 1, 2, 178. Marl. 9, 42.
3) Yel ai malueris prima gradiere Subura Atria sunt illic consulis alta mei
Laurigeros habitat facundus Stella penates
nie dabit populo patribus equitiqae legend um.
S2 Die Consularfasten der Jahre 96—119 d. Chr.
für die consules suffecti erst zwischen dem 5. und 28. März stattge-
funden haben. Dies mag für die Neronische Zeit richtig sdn. Warn
aber die ordentlichen Consuln des J. 105 unter den Arvaleii dieses
Jahres ohne den Beisatz cos. genannt werden, so ist es methodisdi
zu schliessen, dass in der Traianischen Zeit diese förmliche Proto-
kollirung nicht mehr Brauch war. Bewiesen wird dies durch dK That-
Sache, dass L. Maecius Postumus, nach unserem Ansätze ebmblb
Consu) im J. 101, in den Versammlungen dieses Jahres niemals ab
COS. des. bezeichnet wird.
Auch das andere Argument Stobbes ist nicht geeignet dn en-
steres Bedenken zu erwecken. Auf des Marinus Ehreninschrift (Wilmanns
1159) werden die Lykische Legation und das Proconsulat von Achaia vor
dem Consulat genannt. Da er Lykien als Legat des Traian verwal-
tete, fällt der Beginn der Legation frühestens in das Jahr 98. Im An*
fange des J. 101 war er in Rom zurück. Bringt man, wie Stobbe
es gethan hat, für die Lykische Legation zwei bis drei Jahre in Auf-
satz, dann bleibt allerdings kein Baum für das Proconsulat von
Achaia. Aber Marinus kann sehr wohl Ende des J. 99 nach Achaia
gegangen sein.
Zum Jahre 109.
Ich habe Bedenken getragen, mit Borghesi 4, 126 und Wad-
ding ton fastes n. 133 das Consulat des vielnamigen Q. Pompeius
Falco in das J. 112 zu setzen. Seine politischen und militärischen
Chargen kennen wir aus der gabinischen Inschrift, Henzen 5451:
Q. Eoscio Sex. f. Quir. Coelio Murenae Silio Deciano Vibullo Pio
lulio Eurycli Herclano Pompeio Falconi cos. XV vir s. f. procos.
provinc. Asiae leg. pr. pr. imp. Caes. Traiani Hadriani Aug. provinc.
Britanniae leg. pr. pr. imp. Caes. Nervae Traiani Aug. GermaniciDa-
cici [p]rovinc. Moesiae inferior, curatori [via]e Traianae et leg. Aug, pr.
pr. [provinc. ludaeae] et leg. X Fret. leg. pr. pr. prov. Lyciae [et Pamph]y-
liae leg. leg. V. Macedonic. [in hello dacico donis] militaribus donato.
Dass er als Proconsul Asien verwaltete, wird ausserdem durch
die ephesische Inschrift CIG 2963 c bezeugt. In der Plinianischen Brief-
sammlung erscheint er als Adressat von ep. 1, 23. Da das erste
Buch Briefe aus den Jahren 96—104 enthält, so wird unsere Unter-
suchung durch die Erwähnung seines Volkstribunates nicht gefördert.
Er war Legat des Traianus Germanicus Dacicus in Untermösien, und
zwar muss das Ende seiner StaRhalterschaft spätestens in das Jahr
Die Conanlarfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 88
115 fallen, da Traian gegen Ausgang dieses Jahres den Titel Parthicus
annahm (Dierauer S. 166 A. 6). Der Name optimus, der ebenfalls in der
Titulatur des Kaisers fehlt, findet sich bereits im J. 112 (s. o. S. 15,
vgl. Dierauer S. 162 A.). Sein Vorgänger war P. Calpumius Macer
Caulius Rufus, unter dessen .Statthalterschaft im Jahre 112 dem Tra-
ian eine niedermösische Inschrift dedicirt worden ist : imp. Caes. div[i]
fil. Nervae Traiano Au[g.] Ger. Dacico pont. max. [tr]ib. pot. XVI imp.
VI co[s.] V[I] p. p. P. Calpurnio Macro Caulio Rufo leg. Aug. pro p[r]
CIL 3, 777 (nach Timon, imago ant. et novae Hung. add. p. 20 und
Kantemir, Beschr. der Moldau, S. 58, vgl. Hermes 3, 55). — In der
bithynischen Correspondenz des Plinius wird er mehrmals (ep. 42. 61. 62),
zuletzt ep. 77 als ein gleichzeitig mit Plinius fungirender Statthalter
erwähnt. Das letztgenannte Schreiben (ep. 77) fallt zwischen den 27.
Januar und den 18. September. An jenem Tage ist ep. 52, an diesem
ep. 88 geschrieben (Herm. 3, 57 fg. vgl. Dierauer S. 26). Nehmen wir für
Pompeius Falco eine zwei- bis dreijährige Verwaltungsperiode an, so
wurde Calpurnius Macer Ende 112 oder Anfang 113 abgelöst. Vor diesen
Termin fallen die inschriftlich bezeugten, sammt und sonders nach der
Prätur bekleideten Aemter: das Consulat, die Curatel der Traia-
nischen Strasse, die judäische und lykische Legation und das Com-
mando der fünften makedonischen Legion. Das letztere, das ihm
militärische Ehren eintrug , muss er im ersten dakischen Kriege
geführt haben, weil die Zeit zwischen dem zweiten Dakerkriege und
der mösischen Legation zu knapp ist, als dass alle Chargen in der-
selben Platz finden könnten. Soweit stimme ich mit Waddington
überein, glaube aber, dass sein Consulat von demselben zu spät an-
gesetzt ist. Auf ein früheres Jahr führt die Thatsache, dass die militärisch
wichtigen mösischen Statthalterschaften nicht wie die tarrakonensische,
dalmatische und britannische unmittelbar nach dem Consulat über-
nommen wurden: Ti. Plautius Silvanus Aelianus, Consul im J. 45,
ist Legat von Mösien um d. J. 60 (vgl. Wilm. 1145, Waddington, fastes
n. 85). Fonteius Agrippa, Cons. im J. 58, commandirt die mösische
Militärmacht im Jahre 69 (Tac. bist. 3, 46; loseph. b. 7, 4, 3: ngea-
ßavzfiq vnarinog). Dem entspricht es, dass L. Funisulanus Vetto-
nianus erst Pannonien im J. 85, dann das obere Mösien (Henzen
5432), Q. Pomponius Rufus im J. 93 Dalmatien (D. XVI CIL 3 p. 859),
im J. 99 das untere Mösien (D. XX CIL 3 p. 863) regiert. Die-
selbe Provinz stand im J. 105 unter A. Caecilius Faustinus (D. XXn
CIL 3 p. 865), der im J. 99 Consul gewesen war. Man wird so ge-
8
81 Dio CooaularfBBten der Jahre 96—119 n. Clir.
nöthigt sein, zwischen Faicos Considat iid(1 Statthalterschaft ein Inter-
vall von drei bis vier Jahren anzunehmen, also jenes in das J, 109
zu setzen. Das Consulat seines Vorgängers in der Legation gdiBrt
wohl einem der nächstvorhergehenden Jahre an.
üeber das Jahr 109 darf man nicht zHriickgeheii, Nach dem
ersten dakischen Kriege, etwa 103/105 verwaltete erLykien. In dem
J. lOS/lOr» wurde unter der Leitung des Cornelius Palma der arabische
Krieg geführt, der mit der Eroberung einer neuen Provinz endete.
Da das Gebiet der palästinischen Le^ation unmittülbar an den Kriega-
Bchauplatz angrenzt, so ist eine Betheiligung der in .ludäa stationirtcn
zehnten Legion an dem arabischen Kriege durchaus wahrscheinlich.
So würde es sich prWären, dass wir einen erprobten General, wie Falco
war, mit dem Coiumando derselben betraut finden. Im J. 109 erhielt
Cornelius Palma, der Sieger (iber Arabien, das zweite ordentliche Con-
sulat. Es liegt nahe anzunehmen, dass in eben diesem Jahre sein
WafTengefährte zu derselben Ehre gelangte. Nach dem Consulat führte
er ein Vertrauensamt, die Verwaltung der neuen Strasse von Bene-
vent nach BrundiBium, welche im J. 109 oder wahrscheinlicher im fol-
genden Jahre vollendet wurde (IN 6290, Dierauer S. 128 u. Anm.).
In der Regel wurde allerdings' die cura viae Prätoriem zutbeil (ItSt.
R. 2 1003); indessen zeigt das Beispiel des Comutus TertuUus (Ber*
mes 3, 4 A. 3J, dass sie auch ConsularcD eofallen konnte.
Zum Jahre 116.
Als Ordinarien des J. 116 habe ich C. Lamia Aelianus and L.
Antistius Vetus verzeichnet Auf einer fragmentirten Inschrift bei
Allmer 2, 371 n. 233 wird gelesen . . . . iani Part[h]ic. L. V. An-
lest. C. Ae. Bei Phlegon von Tralles mir. 11 K. ist die Ueber-
lieferung in Unordnung. Dort heisst es Xovxiov hxfiia a'dicevov otl-
hs£os. Wahrscheinlich sind nach Anleitung der Inschrift von Vienne
lafiia und fivhe^og zu transponireu. In den handschriftlichen Fasten
nimmt Aeliano den ersten Platz ein f Aeliano et uetere Cbrön. 354 1
Eliano et Vetere Idatius | ^iltavov wxi Bszigov chron. Paschale [ Ae-
miliano [emilio B u. Sc. 28] et Vetere Prosper).
Zu deo Jahren 118 und 119.
Aus Spartian c. 4: H. secondo consul favore Plotinae factos
und Dio 69, 1 : xg Svßiff ini t^ noQ&ixi^ noKifiifi aQooetäji^ ov
Die Consularfasten der Jahre 96—119 n. Chr. o^
>' t »'-» 1 »*. / % t m» Jf» rä >/
fiivtoi ovT* aXXoTi i^aiQStov Ttagi* aviov slaßev ovd-^ vTtarog ev TtQtazotg
lyivBTo ergibt sich, dassHadrian Doch bei Lebzeiten dcsTraian zum Con-
sul sufifectus für 118 designirt wurde, wofern Die nicht an das erste
Gonsulat gedacht hat. ThatsächHch hat er am 1. Januar dieses Jah-
res das zweite Gonsulat angetreten. Nach den Arvalakten sind am 3.
und 7. Januar, am 26. Februar und am 6. März des J. 118 der Kaiser
und Cn. Pedanius Fuscus Saliuator im Amte, am 27. 29. 30. Mai
der Kaiser und C. Ummidius Quadratus. Weiter treten in den Arval-
akten zur Zeit der Ankunft des Kaisers L. Pomponius Bassus und L.
Licinius Barbarus als Consuln auf. Zwar ist der Monatsnamen ausge-
fallen. Da aber im folgenden August und September erwähnt wer-
den, so kann über die Kichtigkeit der Henzenschen Eri^änzung *isdera
consulibus'' kein Zweifel bestehen. Unter allen Umständen ist sicher,
dass jenes Collegium im August fungirte, sehr wahrscheinlich, dass
es am I.Juli das Gonsulat übernommen hatte 0. Ob Quadratus am 1.
April oder 1. Mai in Funktion trat, ist mit Sicherheit nicht zu ent-
scheiden.
Ueber das 3. Gonsulat vom J. 119 bemerkt der Biograph c. 8:
ipsum autem tertium consulatum et quattuor mensibus tantum egit
et in eo saepe ins dixit. Aus Hcnzen eph. epigr. 1 (1872) p. 196
ersieht man, dass die Nundinien dieses Jahres wenigstens in der ersten
Hälfte zweimonatlich waren. Hadr. blieb wie im J. 118 zwei Nundi-
nien im Amte. Das vonMommsen (a.a.O.) für tantum vorgeschla-
gene totum ist wohl richtig.
Das Gonsulat des Libo, nach dem in der fragmentirten In-
schrift GIL 6, 207 datirt wird, gehört, wie schon Borghesi 7, 596
gezeigt hat, ins J. 128, in welchem Torquatus Aprenas II und M.
Annius Libo die Ordinarien waren. Ilenzen a. a. 0. p. 195 und
ihm folgend Klein haben es dem J. 118, auf Grund einer falschen
Ergänzung der stadtrömischen Inschrift, zugewiesen.
1) Wir haben hier den von Mommsen R. St. R.^ 2, 82, 1 vermissten zwei-
feUosen Beleg des halbjährigen Consulats für die Zeit nach Nero, allerdings nur
eines Kaiserconsulais.
Dfe CiaMkrfWn ihr Jtln» M— 119. n. Ckt.
.' 'Liflte deT GoBBalare.
I l.
ATidins Quietaa.
JBoryft. 1,600 = faaUt A. n. ISO, Mann vm Hytfcudi ia U"
äen: !>^4(w»v$ Keüaad . . äv9v. Kvt^u *F(pxay«r. — Li dtf baohrift
TOD Äenni (b. a.D. 16) ist er später als UettiiiBlIodeBtaBProcoiut. nn
Ariea.~-Fatt.(p.9,]3,lB: dienntOm J. 97) contra ATidiaBQaletiu, Co^
nntns Tertnllas (Cons. im J. 100). — Sein Consolat fUlt etwa 105— 107.
Avidins Qaietns, dessen Tod tp. 8, SS^ t beUagt wird, ist inU
der Vater des Proconauls von Asräa
a. ■' ■ '■
Bellicios Sollers..
lüHifarift von AnttoctaieQ in Fisidien, Baum 6912 . . . P[f] Std. So. . .
Ti. Fetiali leg. Aug. propr. provinc GaL Pisid. Phryg. L;c. Isaür.
Paphlag. Fonti. Cala. Fonti FolemoniaD. Apm. leg; leg. Xm een. donat
don. militarib. expedit. Sueb[)]c. et Sarin, cor. mur. cor. vall. cor. aur.
baat. pur. trib. vezill. trib. curat coloniar. et municipior. prfte[f|. frum.
dand. ex. sc. praet. aed. curul. q. Cret. et G. tiib. leg. XXIIprimigen. III vir a.
B. a. f. f. Thiasus lib. Inschhfteu von Verona emäbnen sein Gonsulat:
Qruter 865, 14 (Claudiae Ti. f. Marcellinae Bellici Sollertis cos.). MaffeiM.
r. 120, 2; vgLEemen 6936. Vgl. Borghesi 6, 411: ind. Bin. p. 104. Min.
ep. 5, 4: vir praetorius Söllers a senatu petiit, ut sibi instituere nundinas
io agria suis permitteretur (Process dea Nominatua im Jahre 105), —
In dem auebisch -sarmatisciien Kriege, der in den letzten Jahren Do-
mitians geführt wurde {Ha-mes 3, 115 fg.) commandirte er die leg.
XUI gemina, war also schon damals Frätorier.
(?) P. Calvisius Tullus Cons. I im J. 109.
vita Marci 1: mater [Marci] Domitia Calvllla Galrisii Tolli bis
consulis ölia. Ffjl. BorgheH 1. ^9. S, 39. 47.
4.
L. Catilins Severus Cons. II im J. 120.
Vit. Badr. 6: (Hadrianofi) praeposito Sfriae Catilio Severo per
Die CoDKuliirraBtoii der Jsbre 96—119 n. Chr. 37
Illyricum Romam veoit. Der Vorgänger des Catilius in der syrischen
Legation war Hailrian cons. I im J. 108. — instif. S, 11: de militam
testamentis divus Traianus Statilio {lies CatUio) Severo rescripsit.
Consiil etwa 109.
5.
P. Calpurnius Macer Caulias Uafus.
6'!/, 3, 777 Inschr. aus Niedcrmösicii aus dem J. 111: imp. Caes.
div[i] fil. Nervae Traiano Au[g.] Gcr. Dacico pont. niax. [trlib. pot.
XVI imp. VI co[s.I VflJ p. p. P. Calpurnio Macro Caulio Rufo leg. Aug.
pro p[r]. — PUn. ep. Tr. 42 {vgl. 61. 62. 77): poteria a Calpurnio
Macro petcre libratorem. C2>. 5, 18 Plinius Calpurnio Macro. — Sein
NacIifol{;cr war Q. Pompetus Falco. Wenn dieser 109 in Funlition war,
so fallt sein Consulat in eines der nächst vorhergehenden Jahre. — Wood
a. a. 0. toml's p. 5 n. 4: M. Calpnmio M. f. Col. Kufo praef. frumeot.
CS s. c. leg. pro. Gypro pr. pr. et Fonto et Bitbyniac et pro Asiae.
6.
T. Claudius Atticus Herodes').
Dass Atticus Herodes zu den wenigen zählte, welche der Ehre
eines zweiten Consulates gewürdigt wurden, wird ?on l'hihstralos ßlm
2, 1, 1: 11 tmtfiOTiq 'HQtööijg iiiXu h. irattQotv eg lotg dig virätorg und
Sttidas 'ffQMdtjS austlfücklich bezeugt. Die Fixirung des zweiten Con-
sulates ist meines Wissens noch nicht versucht, das erste fällt n&cfa
Borghesi 6, 534 und Bittetiberger Hermes 13, 67 fg. vor das J. 106, nach
Wadditigton, fastes n. 126 in das J. 104.
Diese Ansetzungcn beruhen zunächst auf einer martyrolc^ischcn
Notiz des Jkgcsippos- Eusd)\os eccl. kist. 3, 32 und der Paschalchronik
im J. 105. Jener lässt den greisen Syraeon, Bischof von Jerusalem,
i;ri Tgaiarav KaiaoQog xai vnaiixov 'jiiztxot den Märtyrertod er-
Iddcn*); in der Paschalchronik ist derselbe Vorgang mit den Worten
[Tffoiavov] rf vir. Kardiöov xai KoradQätov (i. J. 105) T^atavor xava
X^uniavüv dtfüyftov xtvfoaviog Sifimv . . ifiaQjvgijai . . . hti 'Atitxov
vncetixov verzeichnet.
1) So lautet der vollBt^ndige Name, vgl. CIA 3, 674: Dittenberger llermes
13, G7 fg. „Die Familie des Harodea Atticus". — Von älteren Unterauchiingeii
vgl Heyne in der Ztnehr. f. AlterAumswias. 1839, 977. SifDcrs, Studien S. 313 Anm.
33. — In der Bb^^ekürzton Nomeciolatur iat unter Hcrodea immer der Sohu, unter
AttiouH immer der Vater zu voratetieD.
2} Nncii EusAioa ehron. ean. f- 163 Schöne gehört dieaer Vorgang iu das
10. Jahr Traians,
38 Die Consularfaaten der Jahre 96—119 n. Chr.
Das Bedenken Marquardts, R St. F. 1, 261 Anm, 11, ob der Titel
iiKniT^Oi^ consularis genau verstanden werden könne, da zu Eusebios
Zeit überhaupt ein Legat, auch ein prätorischer inacixog heisse, ist
unbegründet, da es sich, wie Wadding ton unter Zustimmung von
Dittenberger bemerkt hat, um einZeugniss des Ilegesippos handelt,
in dessen Zeit (im 2. Jahrhundert) c/ncn/Mi; nur von consularischen
Statthaltern üblich war. Steht so der consuhirische Rang des Atticus
ausser Zweifel, dann ist es höchst bedenklich, in rtim einen Statthalter
von Judäa erkennen zu wollen. Judäa hatte seit seiner Abzweigung
von Syrien (im J. 70) einen besonderen Statthalter, der den Titel leg.
Aug. pr. pr. rührte und zugleich Commandant der legio X Fretensis
war. Von den Legaten der Flavischcn Epoche sind Sex. Vettulenus
Cerialis, Lucilius Bassus, Flavius Silva, Pompeiiis Longinus nachweis-
lich prätorischen Ranges 0. Noch mehr: falls Atticus thatsächlich
Judäa verwaltet hat, nmss ein Prätorior ihn abgelöst haben, Q. Pom-
peius Falco, der nach der oben erläuterten Inschrift Ilemen 6451 das
Consulat nach der judäischen Legation führte. Dass umd. J. 117*) Lu-
sius Quietus als Consular Judäa in Verwaltung nahm, hängt mit dem
damals ausgebrochenen 3) weitverzweigten Judenaufstande zusammen,
dessen Heerd eben Judäa war, und kann deswegen keine Norm ab-
geben. Die angedeutete Schwierigkeit i.st gehoben, wenn sich nach-
weisen lässt, dass Atticus als leg. Aug. pr. pr. prov. Syriae fungirt
hat. Dass in Judäa nach den Consularen jener Provinz datirt wird,
hat^kaum etwas Auffallendes, wenn auch nicht überliefert ist, dass
der Chef der zehnten Legion in einem Abhängigkeitsverhältniss zu
seinem stärkeren Nachbar stand. Die Statthalterschaft des Atticus
miisste dann zwischen die des C. Antius A. Julius Quadratus und
die des A. Cornelius Palma gestellt werden. Jener, der im J. 93
zum erstenmal Consul war, erscheint auf seiner Inschrift von Perga-
mura CIG 3548 als iiQeoßevtfjq -xctl ävTtatQctct]yoc; avTn/.QuroQo^: Ne-
QOvag TQaiarov KaiaaQo^ ^eßaorov riQuctviKoi Jaxr/.ou e/tagxf^S
SvQiagj hat also die syrische Legation frühestens im Anfange des J. 103,
wo Traian bereits den Titel Dacicus führte, spätestens im Anfange
des folgenden Jahres niedergelegt, weil er im J. 105 am 1. Januar
in Rom das Consulat antrat. Der zweite ist nachweislich im J. 105
1) Marquardt E, St V. 1, 261.
::) Volkmar Rhein. Mus. N. F, 12, 4SI -511 und btv^maers S. 507 „Zur
Chronologie desTraianiscben Fürth "rkrit^ges mit Rücksicht aufdie Ignatiustradition'S
3) Dio 68, 32.
Die CoDBukrfastcD der Jahre 96—119 u. Cbr. 39
Legat {,S\im-halchroKik p. 472 B. a. Dio 68, 14) unil erobert in diesem
und dem imchstfolfjCDdcu Jiiliru AnibieD, dessen Proviuziulära mit dem
22, MÜrz l()ti n. Chr. anhebt O- ^ur BelohnuDg seiner militärisclien
Verdienste erhielt er im J. lOO das zweite ordentliche Consulat und
die Triitm[ihalstatue °).
Diiss Atticus tliatöüchlich lOJ— 105 Statthalter von Syrien war,
wird durch das Ignatiosj - Martyrolo^iuni bewiesen, dessen Anfang im
Valicaims lautet: h tiet nifi.rtif {iwuiiii 0) t^g jiaailtt'as Tgamvod
Kaiüa^oi; xui (Uirtpi;* iitt ivvjiaf!a<i Winjzoi- x«( 2oiQßi.vov (— nig-
.iüvin- (i) xai .l/ttpziAAwr fp-i'cziog i.-ti'axinro^ r^g l^vitoximv . . i)ixi.i,aiag
(t,in 2Vpi'((i; Hii Ti;v 'Poifiaiojv nüXiv 7TaQ€ni[.i<f9i^ {acta s. Ign, gr. in
i:otld. 0(u-on,) et V{at.) servala ed. Zahn, palr. ajiosf. opp. Leipe. 1876
2, 3U7; cgi. Dressel, i>. ap. opp. Leips. 1857 p. 368).
Die hier erwähnten Consuhi sind uhue Zwuifel die Ordinarien des
J. 104 Sex. Attius Suburanus II und M. Äsinius Marccilus. Das
Cognoinen des erstercn ist liier in ^nießivog und ^ovQjiuvos, ander-
wärts in Ui'baiiHs, Suranus, Surianus verdorben und nur von Idatlua
richtig angc|;eben. Auch im übrigen liegen scliwcre, zum Theil hand-
grcitiiche Verderbnisse vor.
Soviel ich sehe, ist mit Tnmsposition von f.v v.caii<f das Da-
tum also licrzustellcn : xai äEi'jtQi't t'tet 'AxitMtv [v^iarnnv] wxi
tv {'xatltf Sni-ßovqavov (?) xot Ma^-AtiXov. Die zweite Hälfte des
J. 104 — der Todestag des Ignatius ist der 20. Dezember — ent-
spricht dem zweiton Jahre der Statthalterschaft des Atticus. Dies passt
tretilich zu uo.'ierer Annahme, dass er von Anfang 103 bis Anfang 105
in Syrien stand. Es kann nicht in unserer Absicht liegen, näher
auf die romanhaften Ignatioslegendun einzugeben'). Die gauze Mär von
1) WaMingtott, mclavgM de numümatiqxK 2° sirie p. 160. Marqtiardl, R.
St. V. J, 371 lg.
2) Borgimi 5, 31 hat CIL C, 13SG auf dio TriumphaUtatue des ralma
3) I^io AculiUioit Aer Lcidciisakteii ist licsondnra iLiigefi^rifreii tou Uhnturn iii
Mrilner ZtilThr. f. hiat. Tlie-l läÜ'.» H. :'5'J ff. Ihre Authonticilät hält für 'uiiie
fi'Btstohfndc- Thatsacho" J. Khxelil, das Todesjalir dos 1i. Ignatiue v. Antiocliion
und dii: oripTiliitiscIioii Fi:ldzü[ri! des KftisiTs Trajati. i'anBau 18G!). Derselbe bat
in dun liiit. pol Itlfittorn für das katliolischu Iteiitachland (da« Marlyrium Aas
Ifjnatius V. AdliouhJoijf Si, iiif—102, 193—206 seine Ansieht von dar Aecht-
iiuit di-H Martyralo){iiim Colbertlniim von ncuum zu bü^fründcn vL>rsucht. Ihm
L-ritßaguot das. S. SU) Hr. Fitnk, der die Aechtheil dur Aciou als Gauzes leug-
net. Vgl diu Li Itcratur bei NirscM S. 1 fg.
40 Die Consularfasten der Jahre 96—119 n. Chr.
der Leidensreise nach Rom — eine Imitation derjenigen des Apostels
Paulas — enthält so viele Unmöglichkeiten, dass man schon deswegen alle
Ignatiosakten billig mit Misstrauen in die Hand nehmen muss. Nach
den Erörterungen von Volkmar, Einleitung in d. Apokr. Judith 5. 51
und Dierauer. Geschichte Traians S. 170 fg. kann es als ausgemacht gelten,
dass Ignatios am 20 Dezember 115 kurz nach dem grossen Erdbeben
(13. Dez.) nicht in Rom, sondern in Antiochicn den Tod erlitten hat.
Der fromme Autor der oben verwertheten Ignatianischen Martyrolo-
gie hat zu Gunsten der Glaubwürdigkeit seiner oder anderer Leute
Fälschung mit dem consularischen und Jahresdatum die provinziale Da-
tirung nach dem gleichzeitig in Syrien fungirenden Statthalter verbunden.
Wir kommen zum Schlüsse, dass Ti. Claudius Atticus Herodes
vor dem J. 103 das Consulat bekleidet hat.
Die Provinz Syrien ist die ganze Kaiserzeit hindurch die ange-
sehenste consulare Legation geblieben, eine Rautzstellung, für welche
TacU. Agric. 40 sehr bezeichnend ist : Igltur triumphalia ornamenta
et illustris statuae honorem et quidquid pro triumpho datur, multo
verbomm honore cumulata decemi in senatu iubet additque insuper
opinionem Syriam provinciam Agric^ae destinari vacuam tum morte
Atili Rufi considaris ci mairfribus rt's»:rvatam.
Dem entsprechen die zahlreichen Beispiele. L. Vitellius scheint
der einzige gewesen zu sein, der ball nach dem Consulate zur syri-
schen Leiiation gelangte. Die nächste An:iloü::e biete: die Carriere des
Antius Quadratus. der im J. 93, und des Coraolius Palma, iler im J.
90 das erste Consulat bekleidete. D;inn war Atticus frihestens unter
Kerva im J. 97 ConsuL Andererseits d.irfte es L:ora:hen sein, nicht
weiter zurückzugehen. iV* '7. ??ra^v< ii:! 2. 1. 3 und ihm Ä>kend Zj-
naras IL 20 berichten, dass Atticus, der Vater des Redners, einen Schatz
fand, der Vermusen und Stellung eines Private:: Ivi we::era überstieg;
Kaiser Xerva, den Atticus selbst von dem Fucde in Kenntiiiss gesetzt
hatte, beanspruchte nicht einmal einen The'1 .1^ ss^I": en. Dies kann füirlich
noch :mJ.9o ceschehen sein. Vielleicht h.\t:e er sein iV sula: seinem
Reichthum zu dacken. Das Prxonsula: von Asien, 's^clches VTailding-
ton dem J. 121 122 zugewesen h^t, kann seh: w:hl iriher fallen
vs, 0. >. 2^ .
Mar: kennte versuch: sein anzunehmen. i:v-s A::.:iis vn der sv-
risirben Lejat c-n heimcekehr: m J. l'V» : :er Iv-T i.^s jweite Consilat
empncg. Weni^rens i::hrt i.iranf mit rler:Iiol:er £es"n:n.:het das
zweite Consnlai des Quadrates uni Pilma
Die Consularf asten der Jahre 96—119 a. Chr. 41
7.
(?) Flavius Aper.
Flin, ep. 6, iS, ß: adsenserunt omnes praeter Flavium Aprum
[lacrum codex Dresd. aus fl. apruni]; is interdicendum ei advocationi-
bas in quinquennium censuit, et quamvis neminem auctoritate
traxisset, constanter in sententia mansit: quin etiam Dextrum,
qui primus diversum censuerat, prolata lege de senatu habende iurare
coegit e re publica esse quod censuisset (Process des Nominatus im J.
105). Flavius Aper votirt klärlich nach Afranius Dexter, aber mit nichten
unter den letzten, wieMommsen glaubt {i?id, Plin,). Vielmehr folgte
ihm noch eine gute Anzahl, da er beharrlich auf seiner Meinung be-
stand, obgleich er auf Niemanden trotz seines Ansehens Eindruck ge-
macht hatte; vielleicht zählte er zu den jüngeren Consularen. Man
kann füglich als parallele Stelle ep. 2, li, 20 herbeiziehen: adsense-
nmt (im J. 100) consules designati ; omnes etiam consulares usque ad
Pompeium CoUegam (Cons. im J. 93).
Der (Konsul des J. 130 M. Flavius Aper (CIL 6, 219) ist wohl
sein Sohn.
. 8.
Q. Fulvius Gillo Bittius Proculus.
Fastes Äs. n. 118 (Münze von Hyrcanis in Lydien) : AY • KAIC •
NGP • T[P]AIAN . . . AAKI - Jl AN0. BIT • nPOK • YPKANQ[N] vgl.
Henzen, ind. Arv. p. 187. TFoodf, a. a. 0., inscr. from the side of the
iample n. 12: avznxQaioQa Kaioaga d^eov Negova vlov Nsgovav Tgaiavov
leßaarov reguariycdv JaY.tmv mi av^v7raxov Birziov IIqo'kXov
. . . — Q. Fulvius Gillo- Bittius Proculus, Arvale 101, 105, 117, 118.
Q. Bittius Proculus 120. Ein M. Fulvius Gillo cos. suf. im J. 76 {CIL
3 p. 853)', Procons. von Asien unter Domitian {Journal of phäology
13, 145).
9.
Herennius PoUio.
Plin. ep, 4, 9,3: egit contra (Bassum) Pomponius Rufus, vir pa-
ratus et vehemens: Rufo successit Theophanes, unus ex legatis, fax
accusationis et origo. respondi ego. — § 13: successit mihi Lucceius
Albinus . • § 14 : respondit Herennius PoUio instanter et graviter,
deinde Theophanes rursus; fecit enim hoc quoque, ut cetera, impuden-
tissime, quod post duos et consulares et disertos tempus sibi et qui-
dem laxius vindicavit (Process des lulius Bassus im J. 103).
Theophanes redete nach zwei Consularen. Der erstere, Pompo-
COS. 93. II 105.
cos, 103.
COS. 06
COS. 100.
cua. 96.?
COS. S6. n 105.
COS. 101.
COS. 101.
COS. unter Tralan.
COS. uiit«r Üomit.
(y) Ti. lulius Cuuiiidus OaeciHus Simplex.
Von den tlreizehn Arvallirürifirn, welche in den Trotokollen der
JJ. 101 und 105 erscheinen, sind nadiweislicb zehn unter Nerva und
Traian, einer unter Üoniitiau zmu Cousulat gelangt:
M. Aunius Verus
C. Antius A. lulius Quadratus
C. Caeciliits Strabo ....
Ti. CatiuB Caesius Fronto . .
Ti. Claudius Saccrdos luliauus
Q. fuWius Gillo Bittius Proculus .
TL lulius Candidus Marius Celsus .
L, lulius Marions Caecilius Simplex
L. Maecius Postumu3
P. Metilius Sabinus Nepos ....
P. Salvius Liberalis Nouius Bassus.
Sollten niflit auch die beiden anderen Ti. lulius Candidus, der
in den J. 105 — i:iO dreimal inagister des Collegiuiiis war (ind. arv. p.
188) und M. Valerius Trebicius Dedanus (s. u. n. 26), beide nur aas
den Arvalakten bekannt, der höchsteD Bangklasse angehört haben!
11.
(lulius) Scapula.'
Das Consulat des Scapula beruht auf der Legende der Münze
von Cbtiaeum (fastes A. n. in) AY ■ NGP • TPAIANOC APICT K • CG •
reP ■ AAK ■ B eil KA ■ OYAPOY APX • KOTIAGON - ■ KARAA ANe.
Die Lesung [C] KATTAA liegt näher als die andere KA ■ TIAA (CI{au-
dius) Plarianus), an die Waddington gedacht hat, weil der Name
Scapula sich in einer consularen Familie der Hadrianischen Z^t nach-
weisen lässt. Auf einer Inschrift von Ancyra (7J<Gr 402i erscheint
ein ''. lovho^ SxänXa vnarog äjtoäedeiyfttvos n^saß, x. avzKnuöxi^o^
auto^^ä^oQog Tp«t«»'[rtti ^^ÖQt]avav 2tßaazov (vgl. Dittenbcrger ephem.
epigr. 1 p. 242 . . . ovXiov l'a . . . SrntiXav etc. auf einer atheni-
sdien fragmentirten Inschrift). Denselben hat Borgltesi und nach ihm
Lacour-Gaget a. a. 0. p. 86 unter die Conauln des J. 138 aufgenommen.
Ich nehme keinen Anstand, auch für drat Procoosul von Asien (s. o.
Die CoBAularfasten der Jahre 96—119 n. Chr. 48
5. 28) der wahrscheinlich unter Nerva Consul war, das gentile lulius
in Anspruch zu nehmen.
12.
P. luventius Gelsus T. Aufidius Hoenius Severianus C!ons. II
im J. 129.
Digesten ß, 3^ 20, 6: . . Baibus et Publius luventius Celsus Tiüus
Aufidius Oenus Severianus consules {vgl, Henzen 7182). — Plin. ep.
6, 5, 4: luventius quidem Celsus praetor (Licinium Nepotem) tanquam
emendatorem senatus et multis et vehementer iucrepuit (Process des
Varenus im J. 106). Münze von Perinth, Mionnet p. 1187 = ind. Plin,
p. 416: legatus imp. Traiani Aug. Germ. Dacici prov. Thraciae vgl,
Borghesid, 275 Bio 67^ 13: ^lovovivrtog ttgKiXaog avvo/iioaag ve dva
7tQ(OTovg fuza ttviav iic' auzip . . . iacii^t], — Unter Traian wurde die
Verwaltung von Thrakien geändert und prätorischen Statthaltern über-
wiesen {Marquardt, St, V, 1, 158 u, Anm, 4), Der perinthischen Münze
zufolge ist es sicher, dass die Legation des Celsus vor das J. 114 fällt
{vgl, Dierauer a, a, 0, 8, 162 Anm. 1),
13.
W. Laberius Maximus Cons. II im J. 103.
Plin. ep. Tr. 74 (Callidromum) . . indicasse servisse aliquando
Laberio Maximo captumque a Susago in Moesia {vgl. Borghesi 3, 70)
Dio68y9,4: Md^t^og iv n^ airip XQ^^V ('^^ ersten dakischen Kriege)
T^v aÖ€Xq>7Jv avcoü {Jsxiov) ycai xiaQiov %i iaxvgov ecke . . . Plin ep.
3, 2: Maximo suo; er steht in einer Provinz mit Militär. Ind. Plin.p, 416.
Die musischen Provinzen wurden in der Kegel jüngeren Consu-
laren, aber nicht den jüngsten überwiesen. Maximus mag in einem
der Jahre 96— 100 fungirt haben. Sex. Attius Suburanus, Cons. U im
J. 104 war im J. 101 zum erstenmale Consul.
14.
Lusius Quietus.
Bio 68^ 32, 5 berichtet seine Theilnahme am Dakerkriege und fährt
dann fort: Tijurjd^etg di e/ri tovcffi noXv itleio} xal fieil^fo ev %fp dsv-
riQfl) noXim^ i^aiQydaavOy aal tiXog ig rooovvov zijg %e Avägaya-
&iag ci/ita '/Mi zfig vvxfjg h TiTiöe r^jT 7Cokiiiict) 7tQOBxo^QT^oev äoTe ig Tovg
iaTQceTrjyrj'/ATag iaygacpTjvai xai vTtarevaac Tijg re IlaXaiauvrjg ag^ai.
vgl. Euseb. eccl. hist, 4, 2 AovTLLOg Kvrjvog; Chron, Can. ScJiöne jiv-
aiag KvvTog, SynMlos p. 657 B, Vita IIadr.7: Palma Tarracenis, Celsus
Bais, Nigrinus Faventiae, Lusius in itinere senatu iubente invito Hadriano,
ut ipse in vita sua dicit, occisi sunt .... quattuor consulares, vgl
44 Die GonsularfastcD der Jahre 96—119 xu Chr.
IL Nigrinus. ThmisHos qraiio XVI ed. Harduin p. 205 Ä OraHus 7, 11;
*N%kephoro8 KaUistos 3^ 22.
Nach dem Vorgange von Fabricius (not. 203 zu Dio 68) wird
das Consulat des Lusios gewöhnlich in das Jahr 115 gesetzt (s. Kletn^
fasU). Die Worte des Dio, womit Themistios übereinstimmt, stellen es
ausser allen Zweifel, dass er im Partherkriege das Consulat empfing. Die
Legation v. Judäa fällt in das J. 117 (THerauer S. 183). Borghesi
(opp. ly 600 fg.) hat des Fabricius Ansatz angefochten, weil Lusius
unmöglich das Consulat abwesend geführt haben könne {vgl. Ävidius
Quktus ind. Plin.): Die endgültige Fixining seines Consulates hängt
von der verwickelten Chronologie des Partherkrieges ab, deren Lösung
hier nicht versucht werden kann. Möglich ist, dass ihm nur die or-
namenta consularia zu theil wurden.
15.
P. Metilius Sabinus Nepos.
Er war Arvale in den JJ. 105 und 118. — Flin. ep. 2, 5. 5,
16. 6, 19 Nepoti suo; ep. 4, 26, 2 (Maecilio Nepoti [cod. Riccard]):
nam cum vir gravissimus, doctissimus, disertissimus super haec occu-
patissimus, maximae provinciae praefuturus tanti putes scripta
nostra circumferre tecum, quanto opere mihi providendum est, ne te
haec pars sarcinarum tanquara supervacua offendat? Monimsen Hermes
3, 44: „Licinius Nepos (Pr'ator im J. 105) ist nicht zu verwechseln
mit dem Nepos, der 4, 26 als «maximae provinciae praefuturus» be-
zeichnet wird, denn die Prätoren übernahmen bekanntlich die Provinz
in dieser Zeit erst eine Reihe von Jahren nach Niedcrlegung der Prae-
tur". Inch Plhh hat Mommsen die Identificirung mit dem Arvalen
vorgesclilafi:en. Wann cp. 4, 26 vcrfasst ist, lässt sich nicht entschei-
den. Der jüngste Brief des vierten lUiches stammt aus dem J. 106,
der älteste aus dem J. 103. Das Consulat des Nepos fällt anscheinend
in die ersten Jahre Traians.
16.
Mettius Modestus.
Dig. llj 4, 1, 2: senatusconsultuni Modesto consule factum. —
Legat von Lykien Inschr. von Caunus fasies Äs. n. l'J4: [t] TTohg MYtzlov
Mndeaiov \^;rQtaßLiTi)v y,al i(VTtGTQait^y]or avioy.QctioQoo, [KaioaQog
.Jn^exicivov 2tj/^aaror reQiani[/.<)v\. — CIG. 4279, 4280 . . . ov^Foi-
(pov . . jicatQct Mfi€iio\i'\ lloötarov t^ytuovo^ ^hr/Aiov lo y.oivöi', — Her-
mes 4, 178 fg. 2y 5 u. 10 . . . Moöearoi; /.QUTioing, Vorgänger des Cor-
nelius Priscus, Procons. von Asien 120/1 (s. o. S. 10). CIGr 3835 = CIL 3,
Die Consalarfasten der Jahre 96 — 119 n. Chr. 46
355 Inschrift aus Aezani in Phrygien — PUn. ep. 1^5,5: aderam Ario-
nillae, Timonis uxori, . . Begulus contra ; nitebamur nos a parte causae
sententia Metti Modesti, optimi viri; is tunc in exilio erat a Domitiano
relegatus. Vgl indi PUn. p. 419.
17.
L. Munatius Gallus.
Nach den Inschriften CIL 8, 2355. 10186. 10210. 10667 war
im J. 100 L. Munatius Gallus legatus Aug. pro pr. der Provinz Nu-
midien. 10210 nach Wilmanns' Lesung: imp. Caesare divi Nervae
f. Nervae Traiano Aug. Germ. pont. max. trib. pot. IV cos. III p. p.
L. Munatio Gallo leg. Aug. pro pr. — L. Minicius Natalis, Legat sicher
nach 103, war Consul im J. 106. — CIL 8 p. 1065 : Nuraidiae lega-
tus praetorius erat sed summo honori proximus, ut . . . saeculo . . se-
cundo tertioque saepe fortasse plerumque in ipsa legatione ad fasces
consulares promotus eos absens gereret;' id quod diserte enuntiat n.
2754y arguunt alii quoque tituli non pauci legatum eundemque con-
sulem commemorantes, item legatorum quorundam tituli ita comparati
ut primo tempore de consulatu taceant, deinceps legatum nominent
consulem designatum, consulem, consularem. Id ipsum, quod legati hi
ibi quoque, ubi non cursum bonorum numerant, sed locum tantum
quem obtinent enuntiant ad legati vocabulum consulis designati vel
consulis vel consularis addunt^ indidem repetendum est; fasces enim
tanquam pars honoris eius sunt.
Er ist identisch mit dem Adressaten von Martialis 10, 33^ vgl.
CIL 5, 1443.
18.
L, Neratius Marcellus Cons. II im J. 129.
Diplom von Malpasium vom 19. Januar 103 CIL 3 864: sunt
in Britannia sub L. Neratio Marcello — M'. Laberio Maximo Q. Glitio
Atilio Agricola. Flin. ep. 5, 8 : Suetonio Tranquillo suo . . . petis ut
tribunatum, quem a Neratio Marcello, clarissimo viro, impetravi tibi,
in Caesennium Silvanum transferam. — Inschrift von Saepinum
Eenzen 5447 {Borghesi ö, 359) : . . . divi Traiani Aug. prov. Britan-
niae curat, aquar. pr. trib. mil. leg. XII fulminat. Salio Palat. quaest.
Aug. curat, actorum senatus adlecto inter patric. ab divo Vespasiano
III vir a. a. a. f. f. ex testamento Vettillae eius. Da die Verabschie-
dung der Soldaten gegen Ende der Statthalterschaft zu erfolgen pflegte,
so war Neratius Marcellus der Nachfolger des C.Salvius Liberalis, der
Ende des J. 97 die britannische Legation antrat. Man möchte gerne
46 Dia ConsjilurfnBteti A-ir Jahro Öß— 119 b. Chr.
Bein Coiiaulat dorn J. 09 ziiscbreiben, da die briUnnische Legation
darchgehomls bald nach dem Coosulate verliehen wurde (Säbner Mem.
Mus. 12, 46). Indess verträgt sich dies nicht mit der inschrifüich
bezengten Thateuche, dass er die curaMaquanim vor derLegation und
nach der Prätur gefuhrt hat. Ich lasse die hierauf bezüglichen Worte
0. Birachfdds, Untersuchungen auf dem Gebiete der rCmt. Verwaltitngs-
ffssck. S. 164 Anm. 4 folgen: „Die sonst in den Inschriften genannten
Curatoren sind stets Cousulare, auch L. Neratius Marcellus, dem die
Inschrift bei Henten 6447 anzugehören scheint, wird die cura aquarum
nicht, wie Mommscn {St. lt. 2, 970 Annt. 2) meint, nach der Prä-
tur, sondern uacli deui in ein unbekanntes Jahr faileuden Consulat
und vor der hntanoischen Lcgati^n belclcidet haben, demnach der an-
mittelbnre Nachfolger Frontins gewesen sein. Dass letzterer bis zu
seinem Tode curator aquarum geblieben sei, ist weder bezeugt noch
wahrscheinlich; vielmehr wird Traian während des dakischen Krieges
für dieaen ansgezeichueten Mann eine bessere Verwendung gehabt ha-
ben. . . . Auch zweifele ich, ob die Cumulation des ordentlichen Con-
sulates, das Frontin im J. 100 mit Traian gemeinsam bekleidete, mit
der cura aquarum zulässig gewesen wäre,"
War Marcellus nicht bereits unter Domitian Consul, was sehr
wohl möglich ist, da er im J. 74 unter die Patricier aufgenommen
wurde, so föllt sein Consulat in die JJ. 97/98. Das letztere ist vaia-
scheinlicher (vgl. Hermes 3, 129).
19.
.... Nigrious.
* Plin. ep. 6, 13, 6: Nigrinus, tribanns plebis, recitavit libeUum
diaertum et gravem (Process des Nominatus im J. 105). — ep.7,6,2:
Magnus Nigrinnm, Optimum virum, pertinacisaime ezercet per huDC
a consulibus postuhibat, ut Varenus eshibere rationes cogeretor (Pro-
cess des VarenuB i. J. 106). Tita Hadr. 7: Palma Tarracenis, Celsns
Bais, Nigrinus Faventiae, Lusius in itinere . . senatu iubente . . . occisi
sunt .... quattuor consularea, vgl. Bio 69, 2: koi ot (dv hv^ a^xv
gtovev9irreg näkftag ts nxti Kihjog, Niyqivöq tc xot Aovaios tflav. —
Ein Aridius Nigrinus war Proconsul unter Domitian : Plm. ep. Tr. 65.
66. Ein C. Avidius Nigrinus war leg. Aug. pr. pr. CIL 3, 567. Der
Ansatz grflndet sich auf die IdentiGcirung des Tribunen Nigrinus mit
dem von Hadrian im J, 117/118 getödteten Conaularen. Ob Avidius
Nl^nas etwa sein Vater ist, bleibt dabin gestellt.
Die CoDsalarfasien der Jahre 96—119 n.'Chr. 47
20.
L. Publilius Gelsus Gons. II im J. 113.
Dio 68, 16: eatfjüs de nai tov 2oaiov tov %b RaXfiov aal tov
Kikaov Biüfjvaq,
21.
D. Terentius Gentianus Scaurianus.
CIL 3 p. 668 D. XXV vom 17 Febr. 110: . . sunt in Dada
sub D. Terentio Scauriano. — CIL 3, 21 u. Add. 21: . . sit nomen
Decimi Gentianni pyramide alta poDtificis comitisque tuis Traiane
triumphis lustra sex intra ceüs(cba)s consul is esse(t). — CIL 3, 1463:
. . . rentio Gentiano trib. militum qu(ae)stori trib. pl. pr. leg. Aug.
consuli ponti . . cens. provinc. Mace . . colonia Ulpia Trai . . Aug.
Daa Sarmizege . . . patrono. Dig, 47^ 21, 1 : Hadrianus Terentio Gen-
tiano XVII k. Sept. se UI cos. rescripsit. — Terentius Scaurus {Plin.
ep. 5j 12) war füglich der Vater des Scaurianus.
22.
? Tuccius Cerialis.
Plin, ep, 2, 19: Tuccius Cerialis consularis im J. 99, vgl. ind, PUn.
23.
P. Tullius Varro.
Henem 6497 Inschrift v. Tarquinii (Gometo) : P. Tullio Varronis
fil. Stel. Varroni cos. auguri procos. provinc. Afrrcae leg. Aug. pro pr.
Moesiae superior. curat, alvei Tiberis et riparum et cloacarum urbis
praef. aerari Saturni procos. prov. Bacticae ulterioris Hispaniae . . eg.
leg. XII fulrainatae et VI victricis p. f. praetor! acdil. ceriali quaestori
urb. tribuno railit. leg. XVI fl. X viro stlitibus iudicand. praetori Etru-
riae quinquennali Tarquinis P. Tullius Callistio posuit. Er gehört zu
den Legataren im Testament des Dasumius vom J. 108 {Wüm. 314).
Sein Vater war Legionschef unter Vespasian: Ghruter 476 j 5,
24.
Valerius Asiaticus Gons. II im J. 125.
Momtsber, d, Bcrl, Ah, 1862 p. 76 = fastes As. n. 127: (In-
schrift von Samos): . . . wv^ Jtycitiov ix[y6]v(p BovXzeivl(f TaiQ[({ji\ Aaia-
riycfi) Oval€Qio[v] l/^aiarinov vltp v/tarov ayd-VTrcctov ^Aoiag. Proconsul
von Asien vor dem zweiten Consulat vom J. 125.
Die Co nsular fasten der Jiilirs 9
C. Valerius Paulinus Cons. II 115.
Mommsen hat dem Jahre 108 das Consulat eines Paulinus zu-
gewiesen, bei dem sich Pünius ep. 9, 37 mit dringlichen Geschäften
entschuldigt, dass er an den nächsten Kalendeu nicht Zeuge seines
Amtsantrittes sein könne, § 1 : ego te constantius amo quam ut ve-
rear ne aliter ac velim accipias nisi te kalendis statim consulem vi-
dero, § 5 : . . vides quam non delicata me causa obire primum con-
sulatus tui diem non sinat. Dass wir ihn als C. Valerius Paulinus
unter die Consulares einreihen, bedarf einer Rechtfertigimg. Plinius
bittet ep. Tr. 104 für die drei Clienten seines verstorbenen Freundes
Valerius Paulinus, die alle das praenomeii Gains führen, um das ius
Quiritium. Nicht verschieden von diesem ist der Adressat von ep.4.}6
und passend wird man in dem Paulinus, an welchen ep. 2, 2. 5, 19
gerichtet sind, dieselbe Persönlichkeit erkennen. Nach e.p. 4, 9, 20
bringt in dem Repetundenprocesse des lulius Bassus vom J. 103 ein
Valerius Paulinus ein Amendement ein. Mommsen Hermes 3, 45 Anm.
4 ist der Ansicht, er könne seinen Vorschlag als Consular gemacht
haben. Indessen uöthigt zu dieser Annahme nichts. Mit demselben
Bechte kann man ihn fdr einen Prätorier halten. Nur soviel ist sicher,
dass von ihm ein Amendement zu dem Vorschlage des Consnlaren
Caepio Hispo (Cons. im J. 98) ausgeht So steht nichts im Wege, ihn
mit dem Consul Paulinus qp. 9, 37 zu identiäciren. Dessen Consulat
iäUt dann zwische^die Jahre 104 und 109.
M. Valerius Trebicius Decianus (s. o. d. 10).
Arvale in den JJ. 101. 105. 117. 118 und 120; magister Arvalium
105 und 120.
27.
(7) Veatricius Spurinna.
Er war vermuthlich im J. 98 oder 99 zum zweitenmal Consul
(8. 0. S. 20).
Die Consularf asten der Jahre 96-- 119 n. Chr. 49
III.
Das nachstehende Verzeichniss bietet eine üebersicht über die viri
praetorii der Traianischen Zeit. Die Personen, deren prätorischer Rang
nicht aasdrUcklich bezeugt wird, aber wahrscheinlich ist, tragen ein Stern-
chen vor ihrem Naraen. Ausgeschlossen sind : 1) die, welche nachweislich
als Prätorier starben, 2) die, welche unter Hadrian zum Consulat gelang*
ten. Waren die Belege schon von anderen zusammengestellt, so schien ein
blosser Hinweis darauf zu genügen. Es braucht wohl kautn bemerkt zu
werden, dass dem einen oder dem anderen das Consulat zu theil gewor*
den sein mag. Auch ist bekannt, dass ein Prätorier eher zum Con-
sulat als zur Statthalterschaft gelangen konnte. Der Schluss von dem
prätorischen Proconsulat auf prätorischen Rang hat nur eine relative
Sicherheit.
1) Accius Sura (?), Plin. ep. Tr. 12 erbittet ihm von Traian
die Prätur, vgl. ind. Plin, Attius.
2) Afranius Flavianus, nach dem Militärdiplom vom 1. Sept 114
CIL 3 p. 869 Legat von ünterpannonien. — l4q)Qaviog (Dlaoviavog 6
ugaziOTog TtQsaßevx^q xai ävTKJTQCcrrffog Wood a. a. 0. inscr, from
the gr. theatre p. 6 u. p. 26 d. h. 114/115 (s. 0. S. 27).
3) Ammius Flaccus votirt im Senate unter den Prätoriem im
J. 97. PUn. cp. 9, 13, 13.
4) Asinius Gallus. Plin, ep. 4, 17 Der ep. I, 7, 4 genannte
Gallus scheint Proconsul von Baetica gewesen zu sein.
5) Asinius Rufus wird von Plinius ep, 4, 6 als Prätorier und
Verwandter von Consularen bezeichnet.
6) Calestrius Tiro, Freund des Plinius {ep, 1 12. 6, 1. 22. 7, 16.
23. 32, 9, 5), Quästor zugleich mit Plinius, Volkstrib. ein Jahr vor
ihm. Praetor mit Plinius im J. 93 ep. 7,16, 2, Proconsul von Baetica:
ep. 6, 22. 9, 5. Vgl. ind. Plin,
7) C. Cassius Interamnanus Pisibanus Priscus CIL ff, 451 : lari-
bus Augustis et genis Caesarum imp. Caesari divi Nervae filio Nervae
Traiano Aug. Germ, pontifici maximo trib. pot. IIII cos. III desi[g. IUI]
permissu C. Cassi Interamnani Pisibani Prisci praetoris aediculam reg.
XIIII vici censori magistri anni CVI vetustate dilapsam inpensa sua
restituerunt idem pr. probabit. L. Roscio Aeliano Ti. Claudio Sacer-
dotae COS. . . . Uli k. lan.
4
I
50 Üic (jouäukrfiutQD der Jahre Üb— 110 n. Chr.
s) . . , roiuiiüuitiiius öecuiuUis P. Ce»tiiiä rrisuus Ducuaiiis
Proculus, Inschrift vun Valcntia CIL5, 7447: . . . mpouiänus Secun-
dus P. Cestiiis Priscus Uuciinius ProLJuIus] .... es Nervae Traiani Aug.
legion .... türm. VI tribuu. inilit. legion. XXI ra . , . Inschrift von
Pfttavium 011. 5, 2824: . . C. i. I-'ab. Sa |Secuii|(io P. Oesti[ol
. . . brio Dextro . . . Duceuiu — | [Hücos] iirovincia[e|. ... — Er scheint
dor Sohn des cos. a. 87 0. üuceuius Proculus zu sein (vgl lleneen,
inil. nrv.).
H) lustantius Uufus, Procons. vou UauticH ln|— io:i, N'achiolt;pi-
ftines Macer Mart. epigr. 12, Ü8.
10) C. luliiis Tim ( jaetulicus, Inschrift von Kbiisus (TarracoJ C'//,
'2, 3661: C. lulio C. f. Gal, Tironi üaetulio) qu[alest. urb, tr. pl.
praetori amico optimo L. Sempronius L. f. Quir. Senecio. — Plin.
ep. 6, 31,7. 8: tertio die inducta cognitio est umltis sermonibus et
vario rumore iactata, luli Tironis Cüdicilli, ([uos ex parte veros essp
constabat, ex parte falsi diccbantur. substituebatur criinini Sempronius
Senecio, eques Itonianus. — Die in der spanischen Inschrift genannten
Personen sind ohne Zweifel identisch mit deu bei Plinius auftretenden.
11) Licinius Nepos. Prätor im J. 105: Plin. ep. 4, 29, 2. 5, 9.
3. 13, 4. 6, 5. Er erscheint unter den Erben des Dasumius. Ein M.
Licinius Nepos, Arvale im J. KW.
*12) Lucceiug Albinus, ein angesehener Redner, Freund des Pli-
nius, vertritt in Gemeinschaft mit diesem die ßätiker gegen Classicus
Plin. ep. 3, 9, 7, vertheidigt im .1. 103 den Julius Bassus ep. 4, 9, 13.
13) Lustricius Bruttianns, verwaltete nach Plin. ep. 6, 22, wie
es scheint, eine kaiserliche Provinz.
14) . . . Maximus Plin. cp. 8, 24: legatus Achaiae, wohl Messius
Maximus ep. 3, 20. 4, 25. Vgl. ind. Plin. p. 418.
15) Minicius Acilianus, etwas junger als Plinius, Prätor: PH».
ep 1, 14, 7.
16) T. Mustius Hostilius Fiibrlcius MeduIIa Augurinus, Inschrift
von Patavium CIL 5, 2822: T. Mustio C. f. Fab. Hostilio Fabricio
MeduUae Augurino allecto inter tribunicios ab [ilnip. Nerva Caesare
August, praet. . . . ur. aer. pontifici d. Plin. ep. 8, 39 Mustio suo.
Ich mochte beide für identisch halten.
17) ?Octavius Avitus, legatus pro praetore proconsulis provinclae
Africae dioecesis Hipponiensis Plin. ep. 9, 33, 9 (vgl. Hmeen 6482),
Plin. n. h. 9, 8, 26.
•18) T. Prifemius Paetus Rosianus Geminus war Quästor des
Die Cüiisularrasteii dor Jahre 96 — 119 n. Chr. 51
Plinius im J. 100. Dieser verwendet sich für ihn ep. Tr, 26 beim
Kaiser, und bezieht sich auf die sttädtischen Aemter, die er unter den
Augen Traians geführt hat. Er scheint der Adressat von ep, 7, 1.
24, 8, 5. 22. 9, IL 30 zu sein. Auf ihn oder seinen Sohn geht Dig.
48, 5, 6, 2. Vffl, it?//. Plhi, p. 423.
19) Satrius llufus, Redner ep, 1, ,>, ü, votirt im J. 97 im Senate
nach (lornutus Tertullus und vor Plinius {ep. ^, /3, 16), Vgl. «;>. o, 21.
r, 35, cV, 38. Legatar im Testam. d. Dasumius.
20) Sertorius Severus, Prätorier: PHn, ep, 5, i, 1,
21) V, Servilius Calvus, Proconsul von Bithynien - Pontus drei
Jahre vor Plinius' Legation ep, Tr, 56. 67. Vgl Hermes 5, 96,
22) Servilius Pudens PUn. ep. Tr, 25: Servilius Pudens legatus. .,
Nicomediam venit. „Da wohl den Proconsuln, aber nicht den Legaten
des Kaisers Legaten zukommen, wird mau annehmen müssen, dass
Pudens nicht in Bithynien, sondern in einer Nachbarprovinz Legat
dieser Prozinz selbst oder auch einer Legion gewesen und durch Nico-
media nur durchpassirt ist" Mommsen Hermes 3, 97 A. 2. — Ein Q.
Servilius Pudens war Consul im J. 166.
23) Sosius Papus mta Hadr, 4: Hadrianus utebatur amicitia
Sosi Papi et Plaetori Nepotis ex senatorio ordine (Plaetorius Nepos
ist der Consul des Jahres 119).
24) Varenus Rufus Proconsul von Bithynien-Pontus. Als Patron
der Bithynier gegen lulius Bassus bestellt im Jahre 103 Plin, ep. 6,
20, 1, Von denselben angeklagt, wird er von Plinius vertheidigt: ep.
5, 20, 6, 5. 13, 29, 11, 7, 6, 10, Es kann dieselbe Persönlichkeit sein
wie der Proconsul CIG 5894. Vgl, ind. PUn.
25) . . . Macer (s. o. n. 9); ein Baebius Macer Cons. 103.
Ausserhalb der Reihe sind aus den Freunden des Dasumius einem
Kreise, der in Plinius und Tacitus seinen geistigen, in Servianus sei-
nen politischen Mittelpunkt finden mochte' zu nennen: Appuleius Ne-
pos, Fabius Rusticus, Minicius Annianus (vgl. ep. 2, 16 Grut. 1097, 4),
Minicius lustus (ep. 7, 11, 4 u. 7, 12), Pontius Laelianus {ep. 6, 14,
6, 28, 7, 4), Remmius Martialis (?), vgl. Btidorff a, a. 0. S.,328 fg.
Wüm. 314 p. 106.
Die Coneulnr/mtoa der Jahre 96—119 n. Chr.
Tabelle der Kaiserconsolate.
Kaiser.
si
Nr.
Jahre
Datum
n
d. Stadt.
n.
des
des
"<3
(Varr.)
Chr.
Antrittes.
Rücktrittes.
Nerv»
2
1
850
97
im Jauu-
(t27.Jaiiiiar98)
2
851
98
Januar 1.
»or (?) d.
27. Januar
Traian
20
1
851
98
28. Februar
(t 7. oder 8.
2
853
100
30. April
August 117)
3
854
101
Januar 1.
13. (?) Ja-
• nuar
4
856
865
103
112
13. Januar
im Janu-
ar ?
Ilatirian
20
1
371
118
> Januar 1.
30. Juni
(t 10. Juli 137)
872
11!)
30 April.
KameuTerzeichiiiss.
Oj.) AciliuB Rufus 106.
Q. Aoutius Nervs 100.
P. Aoliua-Hadrianua IC
Cn. Afranius Dcxt<
L. AnniuB Lar(ii]8 109.
Appius AnniuB Trebonii
M. AnniviB Vom» 98.
C. AntistiuB Votus 96,
L. AntiBtiuB Veti
105.
M. Appuleiua Prooulue Ti. Cftapio Hispo
9B.
T. Aquiliua Niger 117.
L. Arruntiua Stella 101.
Q. ArtioiileiuB Paetus 101,
M. Aainius Marcellus 104..
M, Atiliiis Mctilius Brndun 108,
Sex. Attina Siihuraiine I 101. 11 104.
. Autroniaa Mamillisnua Rufas Anti-
C. Antias A.taliuH QuadrntusI 93.11 105. atianos Funiaulanua Vettoninnua l
Die Consularfasten der Jahre 96 — 119 d. Chr.
58
Avidiue Quietus um 105 — 107.
Baebius Macer 103.
Q. Baebius Tullus 109.
Bellicius Sollers nach 105.
A. Caecilius Faustinus 99.
C. Caecilius Strabo 103.
M. Calpurnius (Ait)icu8 96.
P. Calpurnius Macer Caulius Rufus kurz
vor 109.
C. Calpurnius Piso 111.
P. Calvisius Tullus I 109. II ?
L. Catilius Severus I um 109. II 120.
Ti. Catius Caesius Fronto 96.
L. Ceionius Commodus Aurelius Annius
Verus 106.
.... Cerialis 106.
Ti. Claudius Atticus Qerodes I unter
Nerva (?). II unter Traian.
Ti. Claudius Sacerdos lulianus 100.
C. Clodius Crispinus 113.
? Corellius Rufus U 98. III 100.
A. Cornelius Palma I 99. II 109.
L. Cornelius Priscus 103?
Cornelius Taoitus 98.
L. Dasumius 99?
Domitius ApoUinaris 97.
Sex. Erucius Clarus 117 (?)
Q. Fabius Barbarus 99.
L. Fabius lustus 102.
? Flavius Aper vor 105.
Q. Fulvius Gillo Bitti\is Proculus 96
oder 97.
.... Gallus 119.
Q. Glitius Atilius Agricola I 98. II 103.
C. Herennius Dolabella 119.
Herennius PoUio vor 103.
Ti. lulius Alexander lulianus 117.
C. lulius Bassus 105.
? Ti. lulius Candid US Caecilius Simplex.
L. lulius Marinus Caecilius Simplex 101.
Ti. lulius Candidus Marius Celsus I 86.
n 105.
C. lulius Cornutus Tertullus 100.
Ti. lulius Ferox 99.
Sex. lulius Frontinus I 74. II 98. III 100.
P. lulius Lupus 98.
(C. lulius) Proculus 104.
(lulius^ Scapula unter Nerva (?)
L. luhus Ursus Servianus I unter Do*
mitian II 102. III 184.
P. luventius Celsus T. Aufidius Hoenius
Severianus I ? II 129.
M'. Laberiua Maximus I unter Nerva ?
II 103.
C. Lamia Aelianus 116.
L. LioiniuB Barbarus 118. ^
Q. Licinius Silvanus Granianus Quadro-
nius Proculus 106.
L. liicinius Sura I ? II 102. III 107.
L. LoUianus Avitus 114.
Lusius Quietus um 115.
M. Maecius Celer 101.
L. Maecius Postumus 101.
P. Manilius Yopiscus 114.
T. Manlius Valens 96.
L. MessiuB Rusticus 114.
P. Metilius Sabinus Nepos in d. ersten
Jahren Traians.
Mettius Modestus um 101—103.
Cn. Minicius Faus(tinus) 116.
C. Minicius Fundanus 107.
L. Minicius Natalis 106.
L. Munatius Gallus 100? 101?
L. Neratius Marcellus I unter Nerva ?.
II 129.
L. Neratius Priscus 98.
. . . NigrinuB 110—117.
Q. Ninnius Hasta 114.
Cn. Pedanius Fuscus Salinator 118.
M. Peducaeus Priscinus 110.
A. Platorius Nepos Aponius Italiens
Manilianus C. Licinius PoUio 119.
C. Plinius Caecilius Secundus 100.
Pompeius Saturninus 108.
L. Pomponius Bassus 118.
L. Publilius Celsus I ? II 113.
M. Rebilus Apronianus 117.
L. Roscius Aelianus Maecius Celer 100.
Q. Roscius CoeliuB Murena Silius Deci-
anus Yibullus Pius lulius Eurycles
Herclanus Pompeius Falco 109 ?
Rubrius Gallus 98.
L 1 . . . Rufus 119.
Rusticus 119.
• • •
Senecio Memmius Afer 102,
Ser. Scipio Salvidienus Orfitus 110.
Q. Servaeus Innocens 101.
T. Sextius AfricanuR 112.
Q. Sosius Senecio I 99. II 107.
Sulpicius Lucretius Barba 102.
D. TerentiuB Gentianus Scaurianus um
110.
M. Trebatius Priscus 108.
TucciuB Cerialis vor 99.
P. Tullius Varro unter Traian.
niaclieii MilitarstraeEen dca linkeu Itheiuufi^r
C. UmmidiuB Quadratur 118.
VBleriuN ABJaticug um 1D6.
C, ValeriuB Pmliuui um 101—109,
? M. VaUrius Trebiciua Iteciduus uu-
M. VorgiliBnus Podo 116.
h. Verginin» RufuB I 63, II 69. !H 37.
Vcstriciiiii Spuriuaa I iuiI«t Docait.
'J8? m?
C. VettenniuB Suverua Hfl.
M. VelliiiH Bolwiiis 111.
VeltiuB Troculiia ÜB.
Viciriiia Martialis 101.
L. VipBUn(i)us MesBallu 116.
2. Die römiBChen Militärstrasaen de« linken Rheinuffirs.
e. Von Xanten bis Njmwegen.
Hierzu Taf. 1.
Bei Xantun theilt eich die römische Khciusti'asse in gleicher Art,
wie dies auf ihrem Lauf von Bingen abwärts wiederliolt geschehen,
wiederum in zwei Arme, von denen der eine über Wardt, Vyniien und
Appeldorn den KrHmumngcn des Rheines in geringer Entfernung nach-
foljit, der andere Ijald neben, bald mit der Chaussee über Marienbaum
nach dem Hause Kührum führt. Hier treffen beide Arme ziisamincu,
trennen sich aber sogleich wieder, indem der nördliche am Fusse des
HUgelzuges mit der Chaussee bis in die Nähe von Calcar geht, der
andere sich von Kehrum links die Anhöhe hinan wendet, und, nachdem
er sich mit dem vorigen vereinigt, in der Richtung der alten Post-
strasse über Bedburg durch Berg und Thal nach der Chaussee von
Goch nach Cleve zieht. Nachdem hierauf die Strasse links an Clevc
vorbeigegangen theilt sie sich wiederum in zwei Arme: die Uferstrasse
führt über Ryndern, Dflffelward, Millingen, Kekerdom und Ooy nach
Nymwegen, der andere Arm geht am Cleverberg vorbei durch den
Stadtwald nach Donsbrüggen hinab. Hier theilt sich dieser wieder
in zwei Arme, von denen der eine über Mehr, Niel, Zyfflich und Beck
nach Nymwegen fuhrt, der andere links der Chanssee nach Nlltterden
und, wo diese sich zuletzt krümmt, mit derselben durch Kranenburg
bis Wyler sieht. Von diesem Orte wendet sich die Strasse auf die
Höhe und am Holedorn vorbei über den Hunerberg nach Nymwegen").
Wir sehen hiernach überalt da, wo die Hauptstrasse sich vom
Rheine entfernt, Seitenarme sich abzweigen, welche dem Strom un-
1) Nene Beitrags utc, I.
Die römischen Militärstrassen des linken Rheinufers. 55
mittelbar nachfolgen, wo sich aber jene dem Flusse wiederum nähert,
die Seitenarme mit der Hanptstrasse zusammenfallen, so dass auch
hier die Strasse, wie wir es rheinaufwärts wiederholt nachgewiesen,
grossentheils aus zwei getrennten Armen besteht. Wo aber diese
beiden Arme den Rheinüberschwemmungen ausgesetzt sind, sehen wir
ferner, wie es gleichfalls rheinaufwärts öfters vorkömmt, noch einen
dritten Arm sich abzweigen, der über das höher gelegene Terrain ge-
führt ist, wo er vom Wasser nicht erreicht werden kann. Es ist dies
namentlich in der Strecke zwischen Cleve und Nymwegen der Fall:
hier ist die Hauptstrasse mit grosser Vorsicht an Mehr, Niel und Zyff-
lich vorbei über das höchstgelegene Terrain geführt, wodurch mehrere
zum Theil bedeutende Krümmungen entstehn ; aber für den Fall einer
auch hier nicht selten eintretenden üeberschwemmung sehen wir in
weiterer Entfernung vom Flusse einen dritten Arm über Kranenburg,
Wyler und den Hunerberg gelegt. Da bei sehr hohen Wasserständen
auch dieser in der Gegend von Kranonburg, wo die Chaussee noch jetzt
zuweilen über 1 m tief unter Wasser kömmt, der üebei'schwemmung
ausgesetzt war; so ist von demselben an Frasselt vorbei über Kreuz-
furth nach einer andern von S. nach N. führenden Strasse ein Ver-
bindungsarm angelegt, wodurch man das Ueberschwemmungsterrain
umgehen und bei Wyler wieder auf die anfängliche Strasse gelangen
konnte.
Die Reste der Strasse haben sich an mehreren Stellen, zwischen
Xanten und Marienbaum, zwischen Kehrum und Cleve, zwischen Nüt-
terden und Kranenburg etc. in hinreichendem Masse erhalten, um ihre
Construction beurtheilen zu können: sie bestand im Allgemeinen aus
einem Erddamm, der in seinem obern Theile eine Kiesdecke trug, von
den Seitenwällen haben sich nur Reste bei Nfitterden gefunden ; aber
auf der Höhe zwischen Kehrum und Cleve treffen wir auch die in den
Gebirgen des Mittelrheins übliche Structur wieder, indem hier die
Strasse einen Unterbau aus grösseren Steinen besass, wovon mehrere
Karrenladungen ausgebrochen und zu (ökonomischen Zwecken verfahren
worden sind.
Die Zahl der römischen Alterthümer, welche die Strasse begleiten,
ist sehr gross: vor dem Cleverthor zu Xanten ist sie von zahlreichen römi-
schen Gräbern und andern Alterthumsresten begleitet, jenseits Kehrum,
bei dem Hofe Born, lag eine römische Ansiedlung. Der ganze Hügelzug von
da bis zum Monterberge, wo eine Warte lag, ist mit römischqji Gräbern er-
füllt, und in der Colonie Louisendorf, welche die Strasse auf der Hochfläche
66 Di» rSmiaoheti MiliUntruaen dw linken Rbeinnfen.
durchzieht, wurden häufig ränÜBche Alterthümer gefunden. Wäterhin
bis Bedburg ist der Hagelzug mit vielen rOmischenGrabhüg^ bedeckt,
und auch von Bedbni^ an sind mehrere Gr&ber an der Strasse au^ge-
det^t worden. Bei dem Dorfe Qoalburg, wo viele Alterthflmer geftinden
wurden, Ug eine rOmische Ansiedlung, und auf dem SchloBsberge sa Giere,
wo einige römische Alterth&mer gefunden wurden, sehr wahrschein-
lich dn Wochtfiosten. Dana folgt die noch erhfdtene Warte des Clever-
betges, von wo die Strasse von Gräbern und sonstigen AlterthOmem
begleitet ist bis Donsbrüggen, wo ebenfalls bedeutende Alterthamor
gefunden wurden.' Bdmiache Gräber kamen Im ferneren Verlauf der
Strasse zum Vorsdiein bei Niel, Beek und Zjfflich, bei welchem
letzteren Orte aacb verschiedene andere Alterthüm» gefunden worden.
An dem nj}rdlichen von Qeve an EUiein und Waal entlang ziehenden
Arme befand sich bei Byndem eine römische Niederlassung, and zahl-
reiche AltertbOmer kamen bei DflSTelward und Uillingen zum Vorschein.
Etienso lag an <Iem sQdlichen Anne im Holedom eine römische An-
siedlung (Geveluiii), unil Bädlich von Beek liegt noch ein wohlerhaltener
Warthägel an <ler Strasse; auf dem von da bis Kyrnwegen sich er-
atMckenden Hunorberge wurden zahlreiche römische Alterthümer «lt-
deckt. Auch an deai vierten, dem Verbindungsarme südlich von
Kranenburg, kamen bei Prasselt römische Gräber zum Vorschein ■).
Von Xanten aus findet sich in der Peutinger'schen Tafel, über-
einstimmend mit dem Itinerar, tu der Eotfemung von 5 g- Meilec =
15000 Sehr., der Ort „ Burgina tium" aufgeführt, was genau mit der
Entfernung der römischen Ansiedlung beim Hofe Born stimmt. Die
folgende Station, in der Entfernung von 6 g. Meilen = 18000 Sclic,
ist „Arenatium", über dessen Lage die Meinungen getheilt sind; die
Einen setzen es nach Cleve, die Andern nach Ryndern. Für Cleve
spricht der Umstand, dass seine Entfernung mit derjenigen in den
Reise Verzeichnissen bis auf 2000 Sehr. = 1 r. Meile stimmt, dagegen
aber der Mangel an römischen Altertlmmern, ausser auf dem Schloss-
berge; für Ryndern spricht das Vorhandensein zahlreicher Alterthums-
reste, dr^egeD aber, dass die EntfemuDg von Born um 2 g, Meilen zu
gross ist. Wir lassen den Leser zwischen den beiden Inconvenieuzen
wählen, entweder „Arenatium" nach der Stadt Cleve zu setzen, wo die
Alterthümer fehlen, oder nach Ryndern und eine Unrichtigkeit in den
I) Bonner Jahrbb. &. m. 0. — J. Sahneider, der Monterberpf und s
altcrthüml. Umficbunjr. — N, B. I.
Die römisohen MilitärstrasseD des linken Rheinufers. 57
Zahlenangaben der Itinerarien anzunehmen; für das Letztere haben wir
uns bereits früher ausgesprochen. Wir können uns nicht zu der Höhe
erheben, wie neuerlich geschehen, auf den vier Hügeln, auf welchen
sich die Stadt Cleve ausbreitet, vier Cohortencastelle und zudem eine
mit Mauern umgebene römische Stadt (Quadriburgium) zu erkennen,
indem weder auf dem Heide- oder Hag'schen Berg, noch dem Wind-
mühlenberg, noch dem Kirchberg irgend eine Spür von Befestigungen
oder römischen Gebäuderesten vorhanden, ja nicht einmal der Fund
römischer Anticaglien, und nicht einer einzigen römischen Münze, mit
Sicherheit constatirt ist. Hierauf folgt in der Peutinger'schen Tafel
Noviomagus = Nymwegen, dessen Entfernung, 10 g. Meilen = 30000
Sehr., sowohl von Cleve, auf der Hauptstrasse gemessen, als von Ryn-
dern, auf der Uferstrasse gemessen, mit der Tafel übereinstimmt.
Amm. Marcellinus (XVni, 2) erwähnt, dass eine Stadt Quadri-
burgium (Waterburg?), welche in hiesiger Gegend gelegen haben muss,
von Julian im Jahre 359 wiederhergestellt worden sei. Man hat diesen
Ort seit längerer Zeit, wie uus scheint mit Recht, in der römischen
Ansiedlung zu Qualburg erkannt'. Hiergegen könnte man das Bedenken
erheben, dass dieses Quadriburgium nicht in den römischen Reisever-
zeichnissen, welche die Route von Burginatium an Qualburg vorbei
nach Arenatium angeben, enthalten ist. Wir finden den Grund dieses
Uebergehens darin, dass Qualburg (Quadriburgium) nicht an der Strasse
selbst, sondern 1500 Sehr, davon entfernt liegt und durch eine Seiten-
strasse mit der Hauptstrasse verbunden war. Wir würden Anstand
nehmen, diese Erklärung zu geben, wenn dieselbe nicht durch einen
unzweifelhaften Präcedenzfall bestätigt würde. Auf der Strecke zwi-
schen Neuss und Xanten nämlich enthält die Peutinger'sche Tafel,
weldie die Route auf der Hauptstrasse angibt, den OrtGelduba nicht,
obschon derselbe ebenfalls kaum 1500 Sehr, von der Strasse entfernt
liegt und mit der Hauptstrasse durch Seitenstrassen verbunden ist.
Wir würden Gelduba, ebenso wie Quadriburgium, aus den Reisever-
zeichnissen gar nicht kennen, wenn das Itinerar nicht die Uferstrasse,
an welcher Gellep (Gelduba) liegt, enthielte, wogegen bei Quadribur-
gium die Uferstrasse mit der Hauptstrasse zusammenfällt, und daher
nicht über Qualburg geht*).
Wir gestatten uns noch einige Bemerkungen über die römischen
Reiseverzeichnisse. Die darin aufgeführten Orte sind theils Städte, theils
1) von Veith, Vetera castra. Bonner Jahrbb. XXXI, XXV. N. B. I.
1
58 Diu i'oraiaühou MilitäratraBacn det. linken Rheinufere.
DÖrt'LT, ein Theil lierselben ist mit I-af^erii inul Caslelien verbundco.
Es gibt aber noch eine grORSe Zaiil C'astelle und Lager am Rheiuo,
die nicht in den neiseverzeiclmis^en enthalten sind: das Lager Regcn-
über Neuwied fehlt darin, vnr lictnen es mir aus Ploleniäus; ebenso
fehlt das Bonner Lager (Castra Bonncnsin), wir finden unr die An-
siedlungBonna; das Lager bei Köln (a. d. AUeburg) ist nicht genannt,
und auch nicht das Lager zu Grimhnghausen, hei Neuss. Man hall
nun die Itinerarien für Documente, welche den Anführern der Truppen
zur Ortentining bei den Märschen mitgegeben wunlen. Wäre diese An-
Bicbt richtig, so milsste man erwarten, dass vorzugsweise die militän-
schen Anlagen, die Lager und Castelle, darin enthalten seien. Wir
finden aber das gerade Gegontherl: während die Lager grösstentheils
fehlen, finden wir alle biirgerlichen Anlagen darin aufgefilhrt, and von
den zahlreich vorhandenen Castellen nur diejenigen, welche zugleich
mit Ansiedlungen verbunden waren, alle übrigen fehlen. Wir sehen
in den Itinerarien überall das Bestreben, nur die biirgerlichen Anlagen
namhaft zu machen, nicht aber difi militärischen, woraus es sich auch
erklärt, dass so viele namhafte Strassen, die wir aus ihren Ueber-
resten deutlich erkennen, an denen sich aber keine Ansiedlungen von
Bedeutung befinden, gänzhch übergangen sind, wie z. B. die grosse
Strasse, die über die (iebirge der linken Moselseite von Trier an den
Rhein fuhrt, und die schon der Oberstl. Schmidt wegen ihrer soliden
Bauart hervorhebt, an welcher aber in den öden Gebirgsgegenden keine
römischen Ortschaften vorhanden waren. Es muss sich daher die Ansicht
aufdrängen, dass die beiden uns noch erhaltenen Reiseverzeichnisse
niclit sowohl für Offiziere im Kriege, als vielmehr für Handlungsreisende
im Frieden bestimmt waren, und dass die militärischen Itinerarien, wie
sie z. B. noch dem Ptolemäus vorgelegen haben, für uns verloren ge-
gangen sind.
J. Schneider.
Durch dio rollkommenere Erforschung der verBchiedunon StraBacnarmu hat siiih
crgebou, dasa dio Mausioneu nicht, wiu wir mit Audcru früher glauhl^iD, zu-
weiluu in einiger Ealferoung vou tlou StraüEiOQ, au dsDUU eio genannt worden,
BOnderu diclil an denselben lagen.
Ein bei Köln gef andener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 59
3. Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der
zwanzigsten Legion.
Hierzu Tafel II.
Westlich von der Altenburg, bei welcher in älterer, neuerer und
neuester Zeit manche von den hier einst lagernden Legionen zeugende
luschriftsteine, Bildwerke, Architektur- und Befestigungsreste gefunden
wurden, zu Arnoldshöhc auf einem Grundstücke an der Stelle, wo die
Hagen'sche Villenstrasse in die Köln-Bonner Chaussee ausläuft, wurde
vor ein paar Monaten beim Ausschachten des Bodens zu einem Neubau
des Herrn Maurermeisters Pepes in Köln in der Tiefe von 1,4 m ein
Grabstein aus Jurakalk gefunden, der in mancher Beziehung sehr be-
achtenswerth ist. Der Stein ist 1,68 m hoch, 0,84 m breit, 0,28 m tief.
Oberhalb der Inschrift sind in zwei mit einem Rande umgebenen und
durch einen kleinen Zwischenraum von einander geschiedenen Reihen
je drei Portraite angebracht, von denen die der obersten 0,47, die der
andern 0,40 m hoch sind. Die ohne Umrandung den untern Theil des
Steines einnehmende Inschrift umfasst sechs Zeilen ; die Höhe der Buch-
staben nimmt von Zeile zu Zeile mit einziger Ausnahme der beiden
letzten ab (Z. 1 0,10, Z.2 0,9, Z.3 0,8, Z.4 0,7, Z.5 und 6 0,5 m);
am breitesten sind die Buchstaben der ersten Zeile. Die Fläche der
dritten Zeile ist etwas tiefer als die der übrigen. Der Stein war hier
wohl nicht ursprünglich schadhaft gewesen, sondern der Steinmetz hatte
sich geirrt und deshalb das Eingemeisselte wieder ausgehauen und die
Oberfläche dann gleich gemacht. So bildete sich oberhalb eine durch-
gehende Linie in welche die Spitzen der Buchstaben einmünden oder
die obern Querstriche fallen, was wir im Druck nicht wiedergeben
konnten. Die Buchstaben stehen in dieser Zeile sehr gedrängt. Einen
Entzifferungsversuch der Inschrift brachte die „Kölnische Zeitung"
vom 7. Mai (No. 126) im ersten Blatte („Köln, 6. Mai"), wonach der
Stein an erster Stelle eines legatus Balbius gedenken würde. Das
Irrige ergab sich beim ersten Anblick, und schon Dr. Bon e vermuthete
richtig, dass in dem angeblichen LEGA die Angabe des Vaters und
der Tribus stecke. Nach einem Abklatsch und genauer Ansicht der
Inschrift steht folgende Lesung sicher;
tiO Eid hm KAId gofundanpr Grahstein einne Veteranen der zwftotigft«n Legion.
LBA EBI VS LF GV
VELEIAS'VET- |E QXX
/////ESABIN/SB^BIASRET
////////l'VIVIS.BAI^I AE//
//////////CONIVGIEV/I//I//
///M///EBA^BI A//MW/I/ //
Dcinnacb erklären wir:
L. Baebiu» Luci filius Galeria Veleiaa veteranus legio-
Dts vicesimae (valcriau victricis) et Sabinus Baebiae Sexe
.... (et 8ib)i vivis. Banbiae . . - . (matri?) coniugi ei(a8
pu88i)m(a)e Banbia - . . (filia?) munimentum (posuitJ).
Am schwierigsten und für tias Verständniss der Inschrift am be-
deutendsten ist die Ergänzung von Sexe. Ist es Beiname derBaebia,
oder wird eine besondere Person damit bezeichnet? Für letztere An-
nahme würde entschieden die Sechszahl der Portraite sprechen, wenn
es unzweifelhaft wäre, dass die sänimtlicben portraitirten Personen auf
der Inschrift genannt sein müssen ; denn erwähnt würden dann ausser
der Baebia nur ihr Gatte, ein Sabinus und Banbia Mutter und Tochter.
Aber die Nothwendigkeit, dass siimmtliche Portraite auf der Inschrift
genannte Personen darstellen, bestreiten wir. Bei Montfaucon V, 1,
Fl. 95 a finden wir auf dem Grabmal des L. Cornelius Lamia die Por-
traite des Vaters, des Sohnes, der Tochter und der Mutter, aber von
diesen gadenkt die Inschrift der Tochter gar nicht, Kbcnso wird auf
dem Grabmal des Minutius Aelianus Evocatus (daselbst 95 b) nicht der
kleine Knabe erwähnt, der sich bei der Mutter findet. Auf einer Urne (da-
selbst 58 b) sehen wir Frau und Mann, dazwischen einen jungem Knaben,
aber die Inschrift spricht von zwei Söhnen von 1 7 und 33 Jahren, denen die
Eltern die Urne geweiht. Der hier in der Mitte der ersten Keibe befind-
liche Knabe muss nach stehendem Gebrauch der Sohn des Baebius und
derBaebia sein; dieser aber konnte sehr wohl zwischen bJüde gestellt
werden, wenn die Inschrift seiner auch nicht gedachte, als Sprosse ihres
Ehebuudes. Dies dürfte viel wahrscheinlicher sein als die Annahme
der Auslassung des et, das, würden zwei Personen hier nebeneinander
erwähnt, unmöglich nach Baebiae fehlen könnte. Wie der Name zu
ergänzen sei, venntigen wir nicht zu entscheiden. Dass man nicht etwa
an Sex. filia denke, wie Sex. sich neben S. als Abkürzung des nicht
blos römischen, sondern auch keltischen Namens Sextus (vgl. J. Becker
in Kuhns und Schleichers „Beiträgen" IIX, 343, IV, 168) findet, so be-
merken wir, dass der Stein hier ganz deutheb ein E nacb SEX zeigt
£)in bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 61
und die Annahme einer freilich auf Inschriften nachweisbaren Verwechs-
lung des E und F hier doch zu wenig Halt haben würde. Einen Sexeus,
Sexeius, Sexenus oder Sexerus weiss ich nicht nachzuweisen;
ebenso wenig findet sich ein Sexennis als Beiname, auch kein ähn-
licher von einer Zahl gebildeter Name, wenn man auch auf der Mi-
thrasinschrift vom Jahre 219 bei Henzen 6042 b (Wilmanns 135) in
VISENN • QVINQ . . . Quinquennis ergänzen, und denken könnte,
der Beiname gehe auf das Jahr der Ehe, in welchem die Geburt er-
folgte. Der leere Raum gestattet die Ergänzung Sexeae, Sexeiae,
Sexenae, Sexerae oder Sexenni, so dass die Endung ae oder ni
den Anfang der folgenden Zeile bildete, ja vielleicht könnte man
auch noch am Ende der Zeile ein unmittelbar an I, wie an S in SABINVS
und an B in BAEBIAE, sich anschliessendes A mit E verschlungen an-
nehmen. Steckt aber in dem Schlussworte der dritten Zeile nur ein
Beiname der Baebia, so haben der Veteran L. Baebius undSabinus die
gemeinsame Grabstätte der Baebia und sich selbst bei ihren Lebzeiten
geweiht. Ob der bloss mit einem Namen bezeichnete Sabinus in ver-
wandtschaftlicher Beziehung zu Baebius stand, vielleicht Vater oder
Bruder oder Schwager der Baebia war, oder ob bloss ein freundschaft-
liches Verhältniss zwischen den beiden Familien stattfand, ist nicht zu
sagen. Wir kommen darauf noch zurück.
Den Stein weihte die Tochter des Sabinus (denn eins bezieht
sich, freilich etwas sonderbar, auf den an zweiter Stelle genannten Sa-
binus) ihrer Mutter Banbia. Den Namen Banbia kenne ich sonst
nicht; das n steht statt m oder vielmehr eines Mittellautes zwischen
beiden, wie in Bonbia neben Bombia (Schmitz, „Beiträge zur La-
teinischen Sprache und Literaturkunde'* S. 86). Die Bestimmung der
Grabstätte (locus) ist von dem Denksteine (monumentum) zu unter-
scheiden. Auf dem berühmten Mainzer Grabsteine des Blussus heisst
es zunächst, hier ruhe dessen Asche; dann von der Gattin viva sibi
fecit, was bloss auf die Bestimmung geht, dass hier ein Denkstein
für sie (des Gatten ist gar nicht gedacht) errichtet werde. Auf der
Vorderseite hiess es unmittelbar darauf Satto verna (faciendum
curavit). Primus filius pro(pietate posuit). Also der Haus-
sklave Satto besorgte die Setzung des Steines für den minderjährigen
Sohn. Klein (Abbildungen von Alterthümern des Mainzer Museums I, 6),
will daraus, dass die Zahl der Jahre der Frau zwischen an und
uxsor fehlt, den Schluss ziehen, die Frau habe das Denkmal gegrün-
det, die Zahl der Jahre erst nach ihrem Tode ausgefüllt werden sollen,
12 Kin bi;l Köln gurunilL-iier Ui-abBlein uinea Vetuiauea dur xwmiiii^iit«» I.tgion.
a))er liltii'zu t'ühllu' der gcaligeiide UiLum. Audi Kecker im Kiitiilo^
«les Mainzer Museums S. 77 iiimuiL hier eine Lücke an. Dass die Zahl
fehlt, weil man sie nicht wussle, ergibt sich iliiraus, dass auch der
Sohn, ais er auf tler lliiikTseite des Steines die Weihunt; des Steines
im eigeneu Naincii wiedi^rhultc, sie fileiclifiUls ausliess. Die WeihuiiR
unsere» OraUteiues ist gaiix ähnlich m deukeu. liaebiu^ iiiul Sabinii:^
liatten dieselbe Grabstätte für sich und Ikebia bestimmt. Erst die
Tociitei- des letzteiii lies» das Denkmal errichten, «chlosa aber zugleich
ihre Mutter ein, Dass hier au einen spätem Zusatz auC dem Steine,
wifi solche, sonst wohl vorkoninjen, nicht zu denken sei, zeigen iin-
wideraprechlich die seclis i'ortraite, unter denen auch die beiden
Banbia, da alle diese Portraite oHenbar bei der ursprünglichen Setzung
des Steines beabsichtigt waren.
Unser Veteran L. Uai'bius stammt aus Veleia iuGallia dsalpina,
von dem wir schon langst wussten, dass es zur trtbus Galeria gehörte.
Vgl. Osann in der ,, Zeitschrift für die Alterthumswissenschaft" 1838,
522f. Grotefend, „Imperium Romanuni tribntim divisum" S. 86 kennt
allein die Mainzer Inschrift Brambach 1183, neben der er nur eine
weder die Stadt noch die tribus neunende und eine Stelle des Plinius
anfiihrt. Sicher steht die Zahl der zwanzigsten Legion, da die Inschrift
in dieser Zeile lückenlos bis zum Hände reicht. Dass diese den Ehren-
namen valeria victrix (VV, wie wir nach dem Reste des zweiten V
ergänzt liaben) schon in Germanien gehabt, ist nach der Inschrift bei
Brambach 2028 und dem Lcgionsstempel in Holdeurnt (Jahrb. VII, 61)
unzweifelhaft. Da wir die Legion schon im Jahre 02 in Britannien
finden (Tac. Ann. XIV, ;il, :)7), muss sie unter Claudius, neunzehn
Jahre*früher, dorthin gekommen sein; an ihre Stelle trat die fünf-
zehnte. Vgl. Jahrb. XXV, 86. Nach Germanien kehrte sie nicht mehr
zurück. Zwei in Köln am Baien gefundene Grabsteine von einem Soldaten
dieser Legion aus Ticinum, der sechszehn Dienstjahre hatte (Hramb. 377),
und einem tuhicen(Branib. 378) sind verloren gegangen. AuchzuOrJinm-
linghausen bei Neuss war ein Grabstein eines Soldaten derselben Legion
aus Patavium, der siebzehn Jahre gedient, entdeckt worden ( B r am b. 2Ö8).
Zu Nymwegen wird noch der Stein eines Veteranen derselben Legion aus
Mutina aufbewahrt, der in seinem sechsundsechzigsten Jahre gestorben
(Jahrb. VII, 52. XXV, 87). Da bei Nymwegen auch Ziegel dieser
Legion gefunden worden, so. scheint dieser Veteran an der Stelle, wo-
hin er mit seiner Legion gekommen war, mit seiner Gattin, die ihm
den Stein setzte, geblieben zu sein. So blieb auch unser Veteran L.
I
Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 63
Baebius in der Nähe det> Lagers seiner JjCgiüU; denn dass er erst in
Britannien Veteran geworden und von dort nach Köln zurückgekehrt
sei, ist völlig unglaublich. Seit Moninisen 's Aufsatz: „Die römischen
Lagerstädte" im „Hermes** VII, 299 326 haben wir über das Wesen
der in der Nähe der Lager enl^tehendeu canabae, die nur uneigent-
lich als V ici bezeichnet wurden, genauere Einsicht gewonnen. Den Haupt-
stamm derselben bilden die veteraui. Hiernach werden die Bewohner der-
selben als veterani et cives Romani consistentes ad canabas
legionis .... oder ad legionem .... bezeichnet, wobei keines-
wegs veterani und cives Romani sich einander entgegengesetzt
werden, sondern die veterani sind gleichfalls cives, so dass denn
auch die Bewohner der canabae bloss als cives Romani oder nach
der Mehrzahl als veterani legionis . . . bezeichnet werden können.
Die veterani dieser canabae bildeten eine Körperschaft, die sich
ihren Vorstand, ihren curator, wählte. Einen grossen Theil der Be-
völkerung dieser canabae bildeten der Tross der lixae und die ne-
gotiatores. Neben dem curator finden wir auch einen quaestor,
einen actor und einen decurio in den canabae genannt. Wenn ein-
mal dieStellung eines curator veteranorum als militärische Dienst-
zeit gerechnet wird, so war dies wohl nur eine Ausnahme, weil der
veteranus wieder ins Heer zurücktrat.
Eine ganz sichere Zeitbestimmung unserer Inschrift lässt sich
nicht geben. Die zwanzigste Legion kam nach der Varianischen Nieder-
lage (im Jahre 9) nach Köln; sie hatte sich in Illyrien durch ihre
Tapferkeit ausgezeichnet. Schon damals waren unter ihr viele ältere
Soldaten, die bald nach zwanzigjähriger Dienstzeit entlassen zu werden
fordern konnten, und so wäre es an sich^nicht unmöglich, dass Baebius
schon in der ersten Zeit der Verlegung der Legion entlassen worden
und in den canabae des Lagers seiner Legion geheiratet habe. Wie
lange er gelebt, wissen wir nicht; der Stein aber wurde erst nach
seinem Tode und dem des Sabinus und der altern Banbia errichtet
Doch die Entlassung des Baebius könnte auch erst kurz vor die Zeit
fallen, wo die Legion das Lager bei Köln verliess, und damit die
Setzung des Steines nach der Gründung der Golonia Claudia Augusta
Agrippinensis fallen. Dies würden wir freilich kaum annehmen dürfen,
w6nn Mommsen Recht hätte (S. 302), dass seit dieser Zeit bei Köln
keine Legion mehr gestanden habe, was di.e nothwendige Folge der Er-
hebung der Ubierstadt zu einer Colonie gewesen, da die Kollision der
munidpalen Jurisdiktion der Stadt mit der militärischen des Lagers
114 Kin bei Köln goftm<lenRr (^rah^tein eines Veteraceii der Zwaniigsten Lp^on.
habe vermieden werden müssen. Aber der Grund scheint unB Dicht
stichhnltig, da Lager und Stadt ja räumlich vno einander geschieden
waren und bei Rom selbst die Prätorianer lagen. Auch ist thatsächlich
nicht bewiesen, dass damals alle Legionen Kiiln verlassen, das dortige
Lager ganz geräumt worden, was freilicb, da die canabae in nächster
Beziehung zum Lager standen, deren Auflösung zur Folge gehabt haben
wfirde. Der Denkstein wurde auf der in der Gräberstrasse der canab&e
gelegenen Grabstätte errichtet.
Kehren wir zur Inschrift zurück, so dürfte die Ergänzung eius
piissimae unzweifelhaft sein üeber die zu cöniux tretenden lobenden
Beiwörter vgl. Jahrb. XLI, 110, Wilmanns, n,6P2f. Zur Schreibang
munimentum bemerken wir, dass monimentum neben monumen-
tum (selbst uionementHm) sich schon vor der Augusteischen Zeit
findet. Vgl. Brambach ,,I)ie Neugestaltung der Lateinischen Ortho-
graphie" S. 118. U statt 0 findet sich häufig auch in ülteren Inschriften
(Brambach 81 ff.), unser munimentum auf einer spanischen im Corp.
Inscript. II No. 260. Statt posuit (P) könnte auch ponendum
cnravit (PC), fecit, faciendum curavlt (F, F-C) oder auch
atatuit (S) gestanden haben.
Von den Verschlingungen der Buchstaben ist bemerkenswerth,
dass die von A und £ sich auch hier nur da findet, wo der beschränkte
Raum dazu nöthigte, in der dritten Zeile, wogegen A E in der
vierten und sechsten steht. Vgl. Jahrb. XLVI, 105. Verschlungen
sind ferner E und T (Z. 3), N und B (Z. 4 und 6), V und N (Z. 6),
N und V (Z. 3), A und L mit Benutzung der spitzwinkeligen Form des
L (Z. 1) und E und X (Z. 3). Im letztern Falle ist der Mittelstrich
des E abwärts gezogen, so dass er zugleich als erster Zug des X dient,
der untere Strich geht nur so weit, dass er bis zur ersten untem
Spitze des X reicht. Neben den Verschlingungen ist das Ineinanderrücken
zu bemerken; in dem Namen Gaieria tritt das mit L verschlungene
A in das G (Z. 1), was der Druck nicht wiedergibt, über den untem Strich
des L ist ein kleineres E gesetzt (Z. 2). Unmittelbar an den vorher-
gehenden Buchstaben sind in Z. 3 gerückt A an S und B, das ver-
schlungene A und E an ß. lieber die Buchstabenformen bemerken
wir folgendes. A hat in der zweiten Zeile oberhalb der Spitze noch
einen kleinen senkrechten Strich, in der vierten und sechsten ist der
Apex, ein kleiner Strich nach links, nicht zu verkennen. Vgl. Jahrb.
XLVI, S. 84, 88, Bei B ist der untere Theil, wie gewöhnlich, höher als der
obere, ebenso bei S. E und F haben den Querstrich in der Mitte der
Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 65
Buchstaben nur wenig kürzer als den obern und untern. Vgl. a. a. 0.
S. 89. G hat unten den kleinen gerade aufsteigenden Strich mit einem
horizontalen Apex, oben ist der Apex stark ausgeprägt; das C in con-
iugi ist untevdem G fast gleich, nur setzt sich der Strich nicht ohne
Biegung an und das untere und obere Ende reichen gleich weit, wäh-
rend bei dem G das obere weiter ausläuft. Der senkrechte Strich des
L ist mehr als doppelt so lang wie der horizontale, den Querstrichen
des E und F gleich, und ebenso weit reichen die Arme des T auf bei-
den Seiten über den senkrechten Strich. Im M laufen die Mittelstriche
80 tief herab, wie die nicht gerade, sondern schief herabgehenden
äussern. Der Steinmetz hat keine besondere Sorgfalt auf seine Arbeit
verwandt; die senkrechten Striche weichen oft nach links oder rechts
aus, der Querstrich des A steht häufig schief. Die Funkte nach den
einzelnen Wörtern sind sehr unregelmässig gesetzt, in der zweiten Zeile
nach Veleias und vet, in der vierten nach sibi und vi vis, in der
sehr zusammengedrängten dritten nach Baebiae. Zweifelhaft ist, ob
in der ersten ein Punkt nach L stand.
Wenden wir uns endlich zu den Portraiten. Portraitbüsten finden
sich auf römischen Grabdenkmälern so häufig, dass schon Visconti
(Mus^e Pie-Cl^mentine VI, 26 ff.) davon den Gebrauch von busto zur
Bezeichnung derselben herleitete. Sie erscheinen in Medaillons oder
in Nischen oder in anderer Weise, häufig reihenweise. Oft finden wir
das blosse Bild desjenigen oder derjenigen, denen die Weihe gilt, aber
auch das des Weihenden daneben. Zuweilen stehen sie zweimal auf
demselben Denkmal, oben als Büste, unten als ganze Figuren (Mont-
faucon Suppl. V, PL 12. 12 a). Anderer Art ist es, wenn dieselbe
Person in zwei verschiedenen Trachten erscheint, wie daselbst PI. 90.
Auf einer Urne (Montfaucon V, PL 55) sehen wir die Büsten der
Ehegatten, an der Seite die ganze Figur der Tochter. Am häufigsten
finden sich zwei Portraite, von denen meist die Frau den Ehrenplatz
zur Rechten des Mannes hat. Hierher gehören die vielen Beispiele,
wo die Gatten sich die Hände reichen, wie bei Visconti VH, 25.
Goethe und Herder wurden durch diese Darstellungen, als sie das Mu-
seum von Verona besuchten, wunderbar gerührt. Als Beispiele der
umgekehrten Stellung nennen wir bei Montfaucon in, 10. V, 1. 47,
1. 55. 93 a. b. 94 Suppl. V, PI. 9. 14, 1. 21. 26, im Lateranischen
Museum 464. Sohn und Tochter stehen zur Linken des Vaters bei
Montfaucon IH, PL 9, V, PL 35, 1. 2, ebenso die Tochter zur Lin-
ken der Mutter (daselbst 83), aber auch umgekehrt (daselbst 57).
5
1
66 Ein bei Köln gefundener Orabstc^in uine« Veteranea der Ewaazigsten Legion.
Der Kaiser Severus Alexander findet sich liukB von seiner Mutter (da-
selbst 91). Einmal nimmt der Maun die Mitte ein, links von ihm ist
die Frau, rechts die Tochter (Suppl. V, PI. 22); ein andermal steht
links von der Mutter der Sohn, rechts die Tochter (Museum Wallraf-
Richartz 222), aber auch lechts der Knabe, linka der Vater, in der Mitte
das jüngere Mädchen (daselbst 208). Auf einem Denkmal, Montfauco q
Suppl. V, PI. 12a, 13, finden sich zwei Ehepaare übereinander; unter
Jedem steht die betreffende inscitrift; beidemal bat der Mann die
rechteSeite. Auf einem Relief des Bonner Museums (bei Hettner231)
sind in zwei übereinander liegenden Nischen je zwei Brustbilder zu sehen,
von denen die beiden oberen Manner sind, die Schriftroüen in der Linken
halten, die andern Frauen. Sehr häufig haben die Ehegatten ein Kind
zwischen sich, wie bei Montfaucon V, P1.52. S8b; ein kleiueä und
üher demselben ein grösseres finden wir Suppl. III, PI. 24. Auf einem
der Gattin und zwei Töchtern tjesetzten Denkmal (Suppl. V, PI. 19)
steht die Frau rechts von der älteren Tochter, die jüngere Kwischea
beiden. Zuweilen finden wir in zwei Reihen fünf Portraite vertheilt;
so einmal (Suppl. V, PI. 16, 2) oben die Frau zur Rechten des Mannes,
unten in der Mitte die Tochtei;, zu beiden Seiten ein auf der Inschrift
nicht erwähntes Kind, ein andermal (daselbst 53, 2) unten rechts von
der Frau den Mann, links eine Freigelassene, oben in Blumengewinden
zwei Medaillons, rechts eine Freigelassene, links einen Freigelassenen.
Auf unserm Steine haben wir zwei Reihen von drei Portraiten, oben an
der Ehrenstelle die Frau des ßaebius, die zuerst gestorben, links diesen
selbst, in der Mitte ihren Sohn, unten rechts die Mutter Banbia, links
ihren Gatten Sabinus und in der Mitte deren Tochter, die den Stein ge-
setzt hat. Auch vier Portraite finden wir nebeneinander, so beiMont-
'faucon V, PI. 95a Vater, Sohn, Tochter, Mutter, und auf dem Grab-
denkmal zu Augsburg V, 4 (Mezger S. 37). Von den vier Brustbildern des
Reliefs daselbst XXX (S. 54) scheinen die beiden mittleren Frauen dar-
zustellen ; dazu findet sich an den Mehenseiten je ein Brustbild. Auch
fünf Portraite in einer Reihe fehlen nicht. Hierher gehören bei
Montfaucon V, PL 95 h, Vater, zwei Söhne und Mutter, die noch
einen Knaben vor sich hat, III PI. 36, 4, Frau mit einem Knaben, ein
anderer Knabe und der Vater mit einem dritten, im Lateranischen Mu-
seum 467*, die unverheirathete Tochter, der Mann, die Frau, die ver-
heirathete Tochter und der Schwiegersohn, deren Namen unter den
Portraiten stehen. Sechs Kinder nebeneinander stellt noch ein Augs-
burger Relief dar (Mezger S. 76).
Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 67
Auf unserm Steine sind alle sechs Figuren in römischer Tracht
dargestellt, die Männer mit Tunica und Toga, die Frauen mit Tunica
und Palla; in gewohnter Weise fassen Männer und Frauen, wie der
ruhig Stehend« oder Gehende pflegt, mit der erhobenen Rechten das
obere Gewand. Von ähnlichen Darstellungen führe ich aus dem Mu-
seum Wallraf-Richartz 120, 182, 218, 229, aus dem Bonner 84, 231,
aus dem Augsburger 28 an. Die Rolle in der Linken des Baebius (in
der des Sabinus ist sie wenigstens nicht zu erkennen) ist das gangbare
Zeichen des römischen Bürgers in Portraitdarstellungen (Montfaucon
III, PI. 6—8, 11), wie in den meisten der eben genannten Reliefs.
Selbst Knaben haben sie (Montfaucon III, PI. 5. 37, 1.2). Aber der
Soldat, dessen Abbildung Jahrb. LXVI, Taf. II gegeben ist, kann
keine Rolle in der Linken halten (S. 74). Zwischen der Gewandung
der Männer und Frauen ist kein wesentlicher Unterschied zu erkennen.
Die Linke ist bei den beiden Frauen der zweiten Reihe nicht zu sehen,
da sie durch die rechte Seite der danebenstehenden Person verdeckt
ist, während Baebia und Baebius in voller Breite nebeneinander sich
zeigen. An der Tunica des Baebius findet sich eine schlangenartige
Windung, die ich nicht zu erklären weiss. Die römischen Bürger bis
zu den Kaisern zu tragen auf der Tunica keinerlei Art Schmuck.
Kaum ist an eine Fibula zu denken. Die Frauen haben zu beiden
Seiten lang herabfallende Locken und ungescheiteltes Haar (gescheitel-
tes finden wir z. B. im Museum Wallraf-Richartz 233), während die
Ohren der Männer wie gewöhnlich frei hervortreten. Baebia hält in
der Hand einen runden Gegenstand, den wir uns als Apfel und als
Sinnbild der Ehe denken. Der Apfel als Liebessymbol, dessen Annahme
die Einwilligung in die Ehe bezeichnet, ist bekannt. Vgl. Dilthey de
Callimachi Cydippell3— 116. Annali deir Instituto Archeologico 1869,*
22, 1. So hat denn auch auf dem cippus im Vatikan, welcher die
de^trarum iunctio darstellt, der Bräutigam eine Rolle in der Linken,
wohl die tabulae nuptiales, die Braut einen runden Gegenstand,
den man für einen Apfel erklärt. Vgl. Rossbach „Römische Hochzeits-
und Ehedenkmäler" S. 37, 43 Anm. 79. Auf zwei im Zolfdde in
Kärnten gefundenen Denkmälern^ hat der Mann gleichfalls eine Rolle,
die Frau einen runden, wie es scheint, einen Apfel daratellenden Gegen-
stand. Vgl. Jabornegg-Altenfels „Kärnthens Alterthümer" S. 59.
Dasselbe finden wir auf einem Gratzer Denkmal, auf welchem der Mann,
der in der Linken die Rolle hält, den rechten Zeigefinger erhoben hat.
Vgl. Montfaucon, SuppL V, PL 16, 1, auch HI, P1.XXUL Dagegen
1
68 Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Vetaranen der zwanii^ten Legion.
hat auf dem Denkmal von Celeia (Oi-elU 5265) der Mann, der gleich-
falls den rechten Zeigefinger in die Höhe hält, die Kugel (Montfaucon
Suppl. V, PI. 17), wo er alBo sich selbst gleichsam als Eheherrn be-
zeichnet. Die Kugel, welche die Kaiser und die in dem Charakter der
Venus victrix dargestellten Kaiserinnen in der Hand halten, idt na-
türlich ganz anderer Art; sie deutet auf die Welt. Auf dem schon
angeführten Denkmal desBlussus hat der Mann einen Beutel, die Fraa
in der Linken eine deutlich ausgeführte Spindel, in der Rechten einen
runden Gegenstand. Klein scheint mir letzteren richtig auf einen
Knäuel Wolle gedeutet zu haben; es ist der der Spindel (fusus) ent-
sprechende glomus, lo-lr/r»;, O.Jahn wollte (Berichte der sächsischen
üesellschatt der Wissenschaften zu Leipzig 1867, S.297, Anni.22), mit
Beistimmung J. Beckers, darin auch hier eine Frucht sehen, wobei
er auf etruskische Darstellungen, ja auch auf die Sitte des siebzehnten
und achtzehnten Jahrhunderts verwies, dass Damen sich mit einer
Frucht in der Hand malen liessen. Aber mag die Frau des BIussus
auch mit ihrem Schmucke und dem Schosshtindchen prunken, der
bulga oder crumena des Mannes gegenüber kann das, was sie in
der Hand hält, nur auf die sorgsame Hausfrau sich beziehen. Der
Mann, an dessen Finger auch ein Ring nicht fehlt, thut sich auf seine
bulga etwas za gut; sie deutet auf sein erworbenes Vermtlgeo. £r
trägt sie nicht, wie die Wanderer am Arm, sondern hält sie mit der
Linken so behaglich, dass man fast mit Lucilius ausrufen möchte:
Omnis in nna
Spes hominis bulga: hac devincta est cetera vita.
Wenn die symmetrisch der obern Reihe entsprechenden Personen
der untern kein besonderes Abzeichen haben, so deutet dies eben auf
den Vorrang, den Baebius und Baebia vor ihnen geniessen. Sabinus
tritt einfach mit seinem Namen auf, der eigentlich nur cognomen ist
(nomen ist die abgeleitete Form Sabinius), wie die cognomina Ac-
ceptas, Albinus, Avitus, Ballus, Blandus u. s. w. allein als
cognomina vorkommen, wogegen die mit ius erweiterten als nomina
erscheinen. Auch dessen Gattin Banbia scheint nur den einen Namen
gehabt zn haben, während Baebia mit dem cognomen auftritt. Selbst
die jüngere Banbia, die doch das Denkmal ausführen Hess, gab durch
die Inschrift und die Porträitbildung den Vorrang der Familie des
Baebius vor der ihrigen zu erkennen.
Ein bei Köln gefundener Grabstein eines Veteranen der zwanzigsten Legion. 69
Nachtrag.
Ende September wurden in Amoldshöbe nordwestlich von der
oben S. 6 bezeichneten Stelle, an der andern Seite der Strasse, etwa
ein Meter unter der Erde, beim Ausschachten zu einem Hausbaue eine
Anzahl römischer Altcrthümer gefunden. Das Hauptstück ist ein Kopf
mit einer Art sehr hoher phrygischen Mütze, die aber nicht, wie ge-
wöhnlich, ganz einfach, sondern mit vielen von oben nach unten gehen-
den Streifen geschmückt und etwa beim Beginne des obersten Drittels
mit einem Bande umschlungen ist. Höchst wahrscheinlich gehörte er
zu einem Grabe, ist aber nicht die Abbildung des Verstorbenen, son-
dern einer der Köpfe, welche meist auf den vordem Ecken der Sarko-
phage sich finden, während nur selten ein Kopf allein in der Mitte
steht Diese Köpfe sind sehr verschiedener Art, häufig Faunenmasken,
aber, wie Attis sich oft in ganzer Gestalt an beiden Seiten der Sarko-
phage findet, so werden auch mehrfach Attisköpfe als Schmuck der
Sarkophage verwandt, wie bei Montfaucon I, PL 45, V, 34, 60, 74.
unser Attiskopf wäre freilich eigenthümlich gebildet, aber die Künstler
gestatteten sich eben im Schmuck der Sarkophage grosse Freiheit.
Zu einer bestimmtem Deutung führt die Gestalt des ganzen Kopfes,
welche vollkommen die einer Mondsichel ist. Er stellt ohne Zweifel
einen Dens Lunus dar, wie wir ihn z. B. auf der Hildesheimer ver-
goldeten Schale finden, wo hinter den Schultern Mondsicheln sich zei-
gen. Dort ist freilich auch die Mütze mit Stemen verziert, während
sich hier nur Streifen zeigen, welche auf Strahlen bezogen werden
könnten. Ist aber der Kopf der des Lunus, so dürfte er entweder
mitten auf dem Grabmal gestanden haben oder ihm gegenüber eine
weibliche Gottheit, wie auf der zweiten Hildesheimer Schale, mag diese
nun aufKybele oder auf die Syrische Göttin zu deuten sein. Wir ver-
weisen auf Wieselers Winkelmannsprogramm von 1868 über den
Hildesheimer Silberfund. Der schön ausgearbeitete Kopf, wie alle ge-
fundenen Steinreste von Jurakalk, ist 0,51 m hoch, 0,305 breit, 0,13 tief.
Auf dem Bruchstück einer Steinplatte hat sich ein Jupiterköpfchen er-
halten, 0,125 hoch, 0,10 breit und tief. Die untere Lage des Decksteins
eines Grabmals mit Schuppen von Pinienäpfeln in der von Braun, Jahrb.
XVI, 49 ff. erörterten Weise (vgl. das Verzeichniss der römischen Altcr-
thümer des Museums Wallraf-Richartz II, No. 94) ist unten 0,87, oben
0,405 lang, der Fuss 0,6, der vierseitige, mit schmalem Rande ver-
70 Ein bei Eöln i^efundcaer Orabatein eines Vetor&Den der EwaDzigste» Legion.
sehene geschwungen aufsteigende Körper 0,53 hoch. Das oben sich
zeigende Loch deutet darauf, dass hier die höhere Lage eingefügt war.
Von einem mit Portraitbiisten in Medaillons gescbmäckten Grabstein
hat sich nur der obere Theil mit dem Anfang der Nische, dem Me-
daillon und eitler Büste rechts und ein Slück des zweiten Medaillons
erhalten. Das rechte Stück eines vorn und an der erhaltenen äussern
Seite ornamentirten Steins ist 0,58 hoch, 0,61 breit, 0,29 tief. Unter
den sonstigen Kesten gedenken wir eines starken GeBimssteines, einer
dreilöcherigen Thonlarape mit einer Frauenbüi5te und dem häufig vor-
kommenden Töpferatempel CAPiTO (I steht unter dem linken Balken
des T), eines bronzenen stilus, eines GlasHäschchens und einer Anzahl
Töpfchen, wie sie bei allen Resten romischer Gräber gefunden werden.
Augenblicklich [werden diese Funde theils in einem Hause, theils in
einem Verschlage in der Nähe der Fundstätte aufbewahrt, wo sich auch
noch der oben von uns besprochene Grabstein findet. Daselbst sind acht
von einem frQhern Funde herrührende Deckziegel aufbewahrt (0,48
lang, 0,40 breit), von denen einige in der Mitte einen 0,10 langen,
0,3 breiten Stempel tragen, der in der gangbaren Einfassung die Buch-
staben SAG zeigt. Die in letzter Zeit zu Arnoldsböhe gefundenen Alter-
thüraer deuten auf eine Gräberstrasse hin und erregen die Erwartung,
dass beim beabsichtigten weitem Häuserhaue noch manche Reste des
dort einst waltenden römischen Lebens zu Tage treten werden.
H. Düntzer.
4. Statuette eines römischen Kaisers auf Schloss Rheinstein.
Hierzu Taf. III.
Auf Schloss Rheinstein wird eine, wie es heisst, 1844 bei Xanten
gefundene Bronzestatuette aufbewahrt, welche, nachdem sie bereits auf
der Düsseldorfer Ausstellung des Jahres 1880') die Augen der Kenner
auf sich gezogen hat, zum erstenmale auf Taf. III in leider nicht all-
1) Vgl. Aositcllungakatalog der kuD«tgewerb1. Alterth, in Diiaaeldorf. No.
94; „Rom. Kaiser, Lanze und Weltkugel in den Händen."
Statuette eines römischen Kaisers auf Sobloss Rheinstein. 71
seitig gelungener Nachbildung zu allgemeinerer Eenntniss gelangt
Die Statuette misst, die runde, ziemlich flache Basis mit einbegriffen,
in der Höhe 0,12 cm, hat eine schöne, grüne Patina und ist im ganzen
wohl erhalten. Mehrere Löcher sind mit Metall verschlossen und durch
die Patina hindurch nicht leicht zu erkennen, so drei auf dem Rücken,
in fast gleichmässigen Abständen von einander und nach unten zu
grösser;werdend, eins auf der rechten Schulter und eins auf der Brust
in den Mantelfalten. Der Gedanke an eine moderne Fälschung der
Statuette, die mir im Original vorliegt, scheint unter allen umständen
ausgeschlossen zu sein, so dass eine eingehendere Charakterisirung des
bei seiner Kleinheit doch in die Augen fallenden Kunstwerkes wol am
Platze ist.
Die Last der Figur ruht fast gleichmässig auf beiden Füssen,
das rechte Standbein ist leicht vorgesetzt, aber auch das linke Spiel-
bein ruht mit ziemlich voller Sohle auf dem Boden auf. Die Hand
des vorgestreckten linken Armes hält eine massig grosse Kugel, der
rechte Oberarm ist seitwärts ausgestreckt, der Unterarm nicht ohne
eine gewisse Anmuth erhoben, die durchbohrte Hand wird ehemals
einen Speer gehalten haben, der, etwas nach rechts gewandt, mit der
Spitze in einem neben dem rechten Fusse (nach innen zu) in der Basis
befindlichen Loche festhaftete. Bekleidet ist die Figur mit Stiefeln,
die indessen nur durch den etwas oberhalb der Knöchel besonders am
Originale sichtbaren, faltigen Rand kenntlich sind (caligae?)'), eng
anliegenden Hosen, welche bis über das Knie reichen und sich zunächst
durch ihren gleichfalls leicht gefältelten Rand verrathen, einer kurzen
Tunica von dünnem, in feinen Falten brechendem Stoffe, mit kurzen
Aermeln, die an den Aussenseiten der Oberarme einmal leicht empor-
gerafft sind, einem enganliegenden Brustpanzer und einem auf der lin-
ken Schulter mit Knopffibula befestigten, langen Mantel, der über den
rechten Oberarm zurückgeschlagen ist und hinten in gutem Faltenwurf
bis auf die Erde herabhängt; hier geht er ohne Unterschied in die
kleine zum Halt der Figur angebrachte Stütze über. An dem Panzer
sind Nabel, Brust und Rippenkasten in guter, wenn auch nur leicht
andeutender Modellirung angegeben; unter dem ziemlich tief geschwun-
genen Rande des Panzers ist an Stelle der sonst gewöhnlichen nziQvyeg
eine Reihe von (Metall-) Knöpfen oder Plättchen angebracht, von
denen vorn 12 sichtbare Lederstreifen mit Franzen herabhängen, so dass
1) Vgl. Guhl und Kon er, Leben der Griechen und Römer, 8. 632 and
Fig. 533; Becker, Gaüus, lU, 171.
72 Statuette eines römiBolien Kaiiers anf Schloas Rbeingtein.
nur ein kleines Stück der bis an dieKniee reichenden Tunica vorsieht.
Kürzere, befranzte Lederstreifen fallen unter der linken Achselklappe
auf den Oberarm. Der gerade aufgerichtete Kopf macht eine fast un-
merkliche Wendung nach der linken Schulter. Im Profil geseheu tritt
der Hinterkopf stark hervor. Das dichte, krause Haar, eine fast „freche"
Sturapfnase mit breiter Wurzel, ein leicht geöffneter Mund, dessen
Oberlippe durch den groben Schnauzbart noch hässlicher hervortritt,
endlich der Wangen und Kinn bedeckende, kurze Vollbart, vollenden
ein Portrait, von dessen origineller, fast unheimlicher Hässlichkeit frei-
lich die beiliegende Abbildung leider keinen deutlichen Begriff zu
geben im Stande ist.
Dass es sich bei dieser Figur nicht um eine typische Statuette
eines römischen Feldherrn handle, geschweige denn um die problema-
tische Figur eines „Jupiter Imperator"'), wie seiner Zeit Levezow
von einer Berliner Bronzestatuette eines römischen Imperators meinte»),
das beweisen unzweideutig das nur dem Kaiser zukommende Attribut
des Globus, als des Symbols seiner über den Orbis terrarum sich er-
streckenden Gewalt, wie andererseits die Individualität jener Gesichts-
züge. Auch über die Zeit, in welche die Statuette gehört, kann kaum
ein Zweifel obwalten. Weist der volle Bart auf die nachhadrianische
Epoche hin, so deutet der stilistische Charakter der Bronze gleichfalls
auf die Neige des zweiten Jahrhunderts. Damit stimmen vor allem
zwei Einzelheiten der Tracht durchaus überein. Zunächst verräth sich
der Geschmack der späteren Zeit durch die Art, wie die nTiqvysg des
Panzers gebildet sind, nämlich nicht mehr als halbkreisförmige, mit
einander verbundene, reich verzierte Schuppen, sondern als leblos neben-
einandergesetzte, kreis- oder nageiförmige Plättchen, wie sie mir in
dieser Gestalt bis jetzt nur an einer grösseren Imperatorenfigur be-
gegnet sind, einer Porphyrstatuette des Tnriner Museums'), welche
frühestens in das dritte Jahrhundert n. Chr. zu setzen ist. Weiter
aber zeigt sich in der Darstellung des Beinkleides nicht minder be-
stimmt die spätere Kaiserzeit. Denn mögen immerhin diese „barbara
tegmina crurum" bei Soldaten, welche in kälteren Gegenden Europa's
standen, schon früh in Gebrauch gewesen sein, so dürfte die Darstel-
1) Vgl. Overbeck, Kunstmytho!.. Zeaa, S. 219.
2) Vgl. Levozow, Jupiter Imperator; Friedericbi. Berlins ant, I
n, 2129 a.
3) Vgl. DütBchke, Aut. Bildn. in Oberitalien, IV, 107.
Statnette eines römischen Kaisers auf Sohloss Rheinstein. 73
lang derselben an den doch immerhin einen gewissen idealen Schema-
tismus festhaltenden Imperatorenstatuen kaum vor der Mitte des zweiten
Jahrhunderts angewandt worden sein. Einen statuarischen Terminus
a quo bin ich freilich nicht in der Lage dafür anzugeben ; die mir be-
kannten römischen Imperatorenstatuen entbehren sämmtlich der ,,brac-
cae''; vielleicht spricht aber gerade dieses argumentum ex silentio für
die Richtigkeit jenes Zeitansatzes 0. Offenbar werden wir auch unter
den Kaisem dieser Epoche das Vorbild unserer Statuette zu suchen
haben. Dieselbe gilt, wie ich höre, als ein Portrait des Kaisers An-
toninus Pius, allein eine Yergleichung mit Münztypen zeigt die Hin-
fälligkeit jener Deutung. Es genügt ein Blick auf die langgezogene
Form der Profilköpfe jenes Kaisers, und man wird jeden Gedanken
aufgeben, dieselben mit dem ausladenden Hinterkopfe, wie ihn die Pro-
filstellung unserer Bronze aufweist, vergleichen zu wollen. Vielmehr
ist es der Kopftypus der Söhne des Kaisers Septimius Severus, den
unsere Bronze wiedergibt'), und wenn die Entscheidung zwischen beiden
für Caracalla ausfallen muss, so zwingen dafür mancherlei Gründe.
Der krausere Bart, besonders um Lipppen und Kinn, die breitere Nase
mit ihren gleichsam aufgeblasenen Flügeln, die eigenthümlichen, vom
Nasenrücken nach der Stirn sich emporziehenden Falten — sie fallen
merkwürdiger Weise an der Photographie leichter in die Augen wie
am Original — vor allem aber der teuflisch rohe Blick dieses Unge-
heuers in Menschengestalt sind für unsere Bronze nicht minder wie für die
erhaltenen. Büsten des Kaisers bezeichnend. Zwar hat der Meissel im
Marmor selbst unter so abschreckenden Formen noch eine gewisse
Hoheit zu wahren verstanden »), aber den Bronzewerken der Kleinkunst
lag es naturgemäss nahe, durch das Zusammendrängen der charakte-
ristischen Züge in kleinerem Räume, welche ein so hässli^hes Gesicht,
besonders von vom gesehen, zeigt, dieselben wo möglich noch greller
vortreten zu lassen. Ein recht sprechender Beleg dafür ist das runde
1) Dass die Tracht im gewöhnlichen Leben bei den Kaisern aus dem Ende
des zweiten Jahrhunderts üblich war, unterliegt keinem Zweifel. So fiel es auf,
dass Alexander Severus anstatt mit purpurnen Beinkleidern wie seine Vorgän-
ger, zuerst mit weissen erschien. Vgl. Hieronymus, Epp. LXIV; Lamprid.
Alex. Sev., 40.
2) Man vergleiche z. B. die beiden Köpfe des Caracalla und Geta auf den
Münzen bei Imhoof-Blumer, Portraitköpfe auf röm. Münzen, Taf. II, 54
und 57.
3) Vgl £. Braun, Rainen und Museen, S. 855.
1
74 Statuette eines FÖrniscben EaieerB auf Schloae Rheinsteic.
Erzreltef des Berliner Museums'), welches den Kopf de5 Caracalla in
einer auch stilistisch unserer Bronze nahekommenden Art widergibt,
und, da es denselben von vorn gesehen darstellt, zugleich besser als
die Münztypen die Richtigkeit unserer Deutung controlirt. Man er-
staunt geradezu beim Anblick jenes Reliefs, wenn man sich erinnert,
dass ein Mensch wie Caracalla den Cäsarenwahn so weit treiben konnte,
dass er durch eine änstere Stirn und ein affektirt nach der linken
Schulter geneigtes Haupt — die erhaltenen Büsten bezeugen diese
Ueberlieferung — Alexauder dem Grossen ähnlich zu sehen meinte'),
und seinen Zeitgenossen muss ein solches Gebahren noch weit abge-
schmackter vorgekommen sein^) als das des Königs Pyrrhos von Epeiros,
der von einer ähnlichen Selbsttäuschung nicht frei war*). Die leichte
Neigung freilich, welche der Kopf nach der linken Schulter macht,
wird man kaum als einen Hinweis auf die oben berührte Schwäche des
Kaisers betrachten können, dazu ist sie zu unmerkhch, und es liegt
deshalb die Verrauthung nahe, dass die Statuette aufi den ersten Re-
gierungsjahren des Kaisers stammt, da seine Begeisterung für den
grossen Macedonier erst von der Zeit an datirt, wo er den Leichnam
desselben aufsuchte, abo aus den letzten beiden Jahren seiner Regierung.
Die Art, wie der Kaiser in unserer Bronze dargestellt ist, bietet
demnach nichts besonders Charakteristisches dar, es sei denn, maa
wollte in der Beinbekleidung eiue Anspielung auf die Vorliebe desselben
für barbarische Gewandung erblicken, wie denn in der That die Ein-
führung eines gallischen oder germanischen Umhangs — wahrschein-
lich eines Mantels mit Kapuze ~ seinen ursprünglichen Namen Bas-
sianus vollständig verdrängt hat"). Im übrigen aber erkennt maa nur
den auch aus MUnzdarstellungen geläufigen Typus des Kaisers, dessen
Attribut, der Orbis terraium»), besonders von der Mitte des dritten
1) Abgeb. Arch. Zeit. XXXVI, Taf. 6.
2) Vgl. Dio77,78;9,22; Spart. Carao. 0, und beeonderB Viot. Epit XXI.
9) Vgl. Spanheim, da usa DumiEmatun, Diesert. XII, {Vol. II, p. 388);
Herodian, IV, 8f.
4) Vgl. meine ßeroerkungen zu dem Florentiner Pyrrhoakopfe, Arch. Zeit.
XXXV, 70.
6) Die Archäologen, begonderB die franzöBiachen — vgl. z.B. E. Saglio
im Dictionnaire des antiquitöa, s. v. Caracalla — pflogen dabei an eine speciell
gajliflche Tracht zu denken: daea jedoch mit mehr Recht an ein germaniecbes
Klaidiingestück zu denken sei, versucht zu beweieeo Niile, de bellia ab ADtonino
Caracallo in Germania et Sarmatia geatis, aouia 212—314. Breal. Disa. p. S6.
6) Vgl. Cohen, Med. II, V, 1083 (HadrUn)i XIX, 191 (Fauatina M.); III,
Statuette eines römischen Kaisers auf Sohloss Bheinstein. 75
Jahrhunderts an häufig wiederkehrt*). Diese officielle Tracht des Im-
perators Hess eben eine genauere. Charakteristik des Individuums nicht
zu; nicht einmal bei den grösseren Imperatorenstatuen in Marmor
pflegte das Schema der Figur durch künstlerische Individualisirung be-
lebt zu werden, sondern man überliess dies dem fabrikmässigen Hand-
werksbetriebe, dem Künstler blieb die Darstellung des Kopfes. In
diesem concentrirte der römische Kunstgeschmack hauptsächlich sein
Streben nach Charakteristik, und derselbe Geist lässt sich auch in
unserer Statuette wiedererkennen. Während die Behandlung des Kör-
pers von einer gewissen Gleichgiltigkeit *), die bei den Beinen der Figur
sogar zu einem hohen Grade von Dürftigkeit herabsinkt, nicht frei zu
sprechen ist, zeugt die Wiedergabe des Portraits von einer für diese
Zeit des Verfalls 'immerhin achtungswerthen Fertigkeit. Auf jeden Fall
ist die Art, wie selbst bei so kleinen Proportionen der abschreckende
Charakter des rohen Gesichtes zum Ausdrucke kommt, bewundernswürdig.
Ueber den Zweck der Statuette lässt sich etwas positiv Sicheres
natürlich nicht feststellen; das grössere Loch zwischen den Füssen der
Figur muss aber doch wohl dazu gedient haben, dieselbe auf einer
grösseren Basis zu befestigen, und wenn hieraus ein gewisser selbstän-
diger, nicht blos rein decorativer Werth des kleinen Werkes gefolgert
werden kann, so wirft auch dieser Umstand ein neues Licht auf die
Unverwüstlichkeit des antiken Kunstvermögens. Wie wäre es sonst
möglich gewesen, dass aus der untergeordneten Gattung der Kleinkunst
noch im dritten Jahrhundert eine Figur wie die besprochene hätte her-
vorgehen können, eine Figur, der man bis zu einem gewissen Grade
das Prädikat einer edlen Haltung und charakteristischen Auffassung
doch nicht versagen kanni
Burg b. Magdeburg. Dr. H. Dütschke.
I, 230 (Lucius Verus); V, 78 (Didius fulianus); IV, VII, 198 (Gordianus); XVI,
717 (Gallienus); XV, 179 (Gallienus und Valerianus); XVIII, 225 (Gallienus) etc.
1) Vgl. die Münzproben bei Milan i, II Ripostiglio della Venera, Roma,
1880, Tav. II, lOflf.
2) Die Ciselirung der Bronze ist nur fluchtig ausgeführt; sie beschränkt
sich auf die Nägelspuren der Zehen, der Finger der linken* Hand, der Franzen
an den Lederstreifen, der Gesichtstheile und besonders des krausen Haares und
Bartes.
1
Zwei Federüeiohnun^ea aus dem X. Jahrhundert.
5. Zwei Federzeichnungen aus dem X. Jahrhundert.
Hierzn Taf, IV und V.
Ans der Bibliothek der Abtei Essen ist ein ureprilnglich aus
Coblenz stammender Pergamentcodes des X. Jahrb. in die I^andes-
bibliothek zu Düsseldorf Übergegangen und war wegeu zwfiier in dem-
selben, auf Bl. 5 befindlichen Federzeichnungen in der Abtheilung der
Miniaturen des Mittelalters Nr. 414 (Katalog, 2. Aufl. S. 111) der Aas-
stellung kunstgewerblicher AlterthüiuOT zu Düsseldorf ausgestellt.
Auf dem unteren Rande des 5. Blattes ist der Inhalt der Hand-
schrift in folgenden vier Zeilen angegeben :
RabanuB de Institutione
Clericorum et Quedam deereta
et Canoaes et Unus penitentia-
lis.
Die Zeichnungen stehen mit diesem Inhalte in keinem nachweislichen
Zusammenhange.
Die erste Zeichnung, welche auf der Vorderseite des Blattes Aber
der Inhaltsangabe den ganzen übrigen Raum einnimmt, erklärt sich
selbst durch die den beiden Figuren hinzugefügten Beischriften „ihs xps*
und „Leprosus" als die Luc. 5, 12—14 erzählte Heilung eines Aus-
sätzigen durch den Herrn Jesus, eine Darstellung, die schon dem alt-
christlichen Bilderkreise nicht fremd, gegen Ende des X. und im XI.
Jahrhundert in den Miniaturen der Eviingelienbücher regelmässig vor-
kommt und in den drei wichtigsten derselben (dem Codex des Erzb.
Egbert in Trier, dem Echternacher Evangeliarium zu Gotha und dem
ebenfalls aus Echternach herstammenden Evangelistarium in Bremen)')
vertreten ist. Das Wunder geschah, als Jesus in einer Stadt (in una
civüaium) war. Diese Oertüchkeit hat der Zeichner in ähnlicher Weise,
wie schon die karolingischen Biichermaler die Städte zu veranschau-
lichen pflegten, als ein vieleckiges, von einer gezinnten Mauer umge-
benes, auf den Ecken mit Vertbeidigungsthürraen besetztes Antemu-
1) S. die vergleichende Deberaicht der Bilder dieter drei Codices von H.
A. Müller in den Mitthoil. der k. lt. Central-ComraiBaion (1862) 7, 57 ff.; ebenso
die mit Abbild, begleitete Vergleichnng der Codicea eu Trier u. Gotba von K.
Lamprecbt im LXX. Jahrb. S. 97 u. Taf. IV.
Zwei Federzeichnungen aas dem X. Jahrhundert. 77
rale dargestellt, an dessen dem Thore gegenüber liegenden Seite sich
die Gebäude der eigentlichen Stadt anschliessen. Der Aussätzige, der
Jesum gesehen hat, wagt es seinen Bann zu überschreiten, und wir
sehen ihn mit bittend vorgestreckten Armen das ihm verbotene Stadt-
thor betreten. Wie schon in der ältesten bekannten Darstellung dieses
Wunders auf einem dem Ende des V. Jahrh. zugeschriebenen Sarko-
phagfragmente im Museo Kircheriano"^), erscheint der Aussätzige nur
um die Hüften bekleidet. Sein stark knochiger, buckeliger, hagerer,
langer Körper, vom spärlich behaarten Scheitel bis zur Sohle, ist von
den Aussatzbeulen wie getigert; in den Miniaturen sind diese Flecken
(maculae) röthlich gemalt und kommen in dem Bremer Codex ebenso
an dem Körper des armen Lazarus und sonstiger Krüppel und Bettler
vor. Trotz des geringen Costüms trägt er, wie die Aussätzigen in
den Handschriften zu Trier und Gotha, an einer über die linke Schul-
ter gehängten Schnur ein Hifthorn an der Seite, ohne Zweifel um
Vorübergehende schon aus der Ferne durch Signale vor der Gefahr
der Ansteckung zu warnen. So suchen in Ulrichs von Lichtenstein
,^rauendienst^'') bettelnde Aussätzige dadurch Aufmerksamkeit zu er-
regen, dass sie an ihre hölzernen Näpfe klopfen, und auf Glasgemäl-
den im Dome zu Bourges tragen die Aussätzigen zu gleichem Zwecke
Holzklappern in den Händen. — In derselben Haltung wie am Thore
ist der um Hilfe bittende Elende nochmals im Innern der Stadt dar-
gestellt, wo sich ihm Jesus (doch etwas vorsichtig) entgegenneigt und
sein Kinn mit den Fingerspitzen der Hand des ausgestreckten rechten
Armes berührt, indem er ihn durch das begleitende Wort: Ich will
es thun, sei gereinigt, von dem Aussatze heilt. Beide Figuren stehen
auf hügeligem Boden einander gegenüber und sind sehr lang gehalten.
Denkt man sich den Aussätzigen in aufgerichteter Stellung, so ist er
grösser als der Heiland und Ifbinahe riesenhaft, während in den ge-
nannten Miniaturwerken die Aussätzigen, obgleich sie etwas ausreichen-
der bekleidet sind, als kümmerliche Gestalten erscheinen, und die früh-
romanische Kunst die höhere Natur Jesu sonst gern durch seinen hö-
heren Wuchs anzudeuten liebt. Jesus ist unserem Zeichner nicht der
holde Ephebos der altchristlichen Kunst, wie er zum TheiP) noch in
dem Gothaer Codex erscheint; er ist zwar bartlos, doch noch mehr
1) Yiotor Schnitze, Archäol. Studien (1880) S. 264. 266.
2) Ansg. V. Lachmann 829—885. Yergl. Alw. Schnitz, das höfische
Leben z. Z. der Minnesänger 1, 409.
8} Nach Lamp recht's Bezeichnung „von der Hand a'* (a. a. 0. Taf. III).
Tä-
n Zwei Federteicbnongea aus dem X, Jahrhundert.
ge<ert dargestellt, als in den Miniaturen der andern Hand (b bei
Lamprecht) in demselben Codes, und keineswegs als der schönste
unter den Menschenkindern, sondern fast hässlich und dem Crucifixus
einer aus dem Kloster Turfa stammenden Bibelhandscbrift desX. Jahrh.
in der Vaticana') ähnlich, nur mit grösserem Kopfe. Die Kleidung
ist die gewöhnliche antikisirende; der ganze Habitus aber mit dem
von weit geölTneten Mantel und dem weithin rückwärts äattemden
breiten Leibgürtel erinnert mehr an die typische Darstellungsweise
des triumphirenden Erlösers bei der Höllenfahrt, Auferstehung and
Erhöhung in den Himmel, und ganz besonders durch den ihn hoch
Oberragenden Kreuzstab, den er in der linken Hand hält*). Dieses
spater mit einem Wimpel versehene sog. Triumpbkreuz ist eine frQh-
mittelalterliche Umwandelung des gertenartigen Stabes, der auf alt-
christlichen Darstellungen das stete Symbol der thaumaturgischenThS-
tigkeit Christi bildet und bereits bei verschiedenen Wmiderdarstellun-
gen auf frühmittelalterlichen Elfenbeinreliefs als Kreuzstab erscheint»).
Letzterer ist auf unserem Bilde möglichst unkörperlich als feine, fast
verschwindende Linie gezeichnet, wodurch angedeutet sein könnte,
dass derselbe nicht als Realität, sondern nur als Symbol verstan-
den werden soll. Aehnlich könnte es sich auch mit der Durchsichtig-
keit des Nimbus verhalten, der von einer senkrechten Linie der im
Hintergrande dargestellten Architectur zerschnitten erscheint, was frei-
1) Vei^l. Jiirbacb XLIV. T.f. XII.
2) Mit dem Ereautabe erscheint Jeeug c. B. bei der Himmelfahrt in dem
Bremer Evangelistarium (H. A. Müller a. i. 0. S. G5 Nr. 35j uod in einem
B»mber(ter MiMale aus dem XI. Jahrhundert (Kugler, Kl. Sehr. I, 91).
3) Gori, Tbesaur. vett. dipt. III. Tab VUI. XXHI- XXIV; Hahn, Fünf
Elfenbcingensas dea früh. M.-A. Taf, III. ^und sonst. ^ Indem wir diese Ci-
tate TOD Victor Scholtie (a. a. O. S. 60) entlehnen. Termöyeo wir ddb doch
nicht die daselbst vorgetragene Ansicht aatueignea, dass der Stab in der Hand
des wunderthitigen Jesus eine Uebertra^ng der virgula divina heidoischer Thau-
maturgen oder gar des eaduoeus Hermae in die christliche Kunst sein soll; der
biblische Ursprung erscheint uns ganz nntweifelhaft: denn, wenn Mose« (als
Typus Christi) mit der ..virga domini" das Quellwuuder (Esod. IT) vorrichtet,
nnd die allchristlicbe Kunst statt des Moses hier Christum unter dem Symbol
de» Lammes oder in eigener Person stibstituirt, so erkennen wir in dem Stabe, wo-
mit das Lamm lebendiges Wasser aus dem Felsen schlägt, oder Christus selbst
diese« und ander« Wunder verrichtet, lediglich den Stab Mose. — Beiläufig fallt
hierdurch auch Licht auf das Ereutfäholeia in der Darstellung dra Gotteslammes,
wolohea ebanTalls auf den Stab Mose lurücksuführen sein wird.
Zwei FedeneiobnuDgen aas dem X. jAhrhondert. 79
lieh auch nur zufäUig sein könnte. Das typische Ereuz auf dem Hei-
Ugenschein entspricht in ungewöhnlicher Weise nicht dem Gentrum
des Kreises, sondern der Mitte des Kopfes Christi.
Weniger leicht ist die Erklärung des anderen, auf der Rttckseite
des Blattes befindlichen figurenreichen Bildes, da hier die Namen der
dargestellten Personen nicht hinzugefügt sind. Es handelt sich indess
um Vorgänge aus der evangelischen Geschichte, und zwar um Wunder
Jesu, da derselbe zweimal vorkommt, das eine Mal gekennzeichnet
durch den Kreuznimbus, das andere Mal durch den thaumaturgischen
Kreuzstab. Der Schauplatz ist wiederum eine, und zwar grösser ge-
zeichnete Stadt; es kann aber wohl kein Vorgang auf offener Strasse
gemeint sein, da hiezu die Situation der Hauptpersonen nicht passt,
weder der auf erhöhtem Sitze mit dem Gestus der Anrede lehrende
Christus, noch die ihm gegenüber, ebenfalls erhöht sitzende vornehme
Versammlung. Wenn wir uns dagegen gestatten, die Scene in den
geschlossenen Raum der Synagoge zu verlegen, so erbalten wir eine
der Erzählung im Evangelium Lucae 6, 6 — 12 nicht bloss anzupas-
sende, sondern eine höchst anschauliche Illustration derselben. Der
einfache Bibeltext giebt die beste Erklärung : der Herr lehrte an einem
Sabbath in der Synagoge, und es war daselbst ein Mensch, dessen
rechte Hand war verdorret. Die Schriftgelehrten und Pharisäer aber
beobachteten ihn, ob er am Sabbath heilen würde, um etwas zu finden,
womit sie ihn verklagen könnten. Er aber wusste ihre Gedanken und
sagte zu dem Menschen, der die verdorrte Hand hatte : Stehe auf und
tritt vor (Vulg. : Surge et sta in medium). Und er stand auf und trat
hin {et surgens stetit). Jesus aber sprach zu jenen: Ich frage euch,
ob es erlaubt ist, am Sabbath wohl zu thun oder übel, eine Seele zu
erretten oder zu verderben, und nachdem er sie rings alle angesehen
hatte, sagte er zu dem Menschen : Strecke deine Hand aus. Und er
streckte sie aus, und seine Hand war hergestellt. Sie aber wurden
ganz unsinnig und besprachen sich unter einander, was sie mit Jesu
thun möchten. Nach dem Parallelberichte des Marcus (3, 6} fand diese
Berathschlagung statt, als die Pharisäer hinausgingen, wie dies im
Vordergrunde unseres Bildes in einer zweiten Scene dargestellt ist.
Das einzige Befremdliche könnte sein, dass unter den sitzenden Schrift-
gelehrten sich zwei befinden, die offenbar einen königlichen Stimreifen
tragen und vielleicht dadurch als Hohepriester (vergl. Exod. 29, 6)
bezeichnet werden sollen, oder als Herodianer, die nach Marcus mit
den Pharisäern gemeinschaftlich wider Jesum conspirirten.
80 Zwei Federzeichnungen aus dem X. Jahrhoodert.
Aus altchriatlicher Zeit ist uosere» Wissens keine bildliche Dar-
stellung dieses Wuntiera bekannt, und auch in den genannten, fast
gleichzeitigen drei ßilderhandschriften kommt es nur einmal vor, und
zwar in dem Codex Egbfrti'); wir miissen aber bedauern, dass uns
durch Ungunst der Umstände leider eine Vergleichung nicht möglich
geworden ist. Auf unserem Bilde erscheint der Mann mit der durch
einen schwarzen Fleck auf der Fläche als krank bezeichneten ver-
dorrten Hand in derselben stattlichen Tracht wie die Schriftgelehrten,
und als ob er aus ihrer Mitte auf die Aufforderung Jesu aufgestanden
und vorgetreten wäre. Das spätere Mittelalter folgt bei der Darstel-
lung dieses Wunders den apokryphen Berichten des Evangeliums der
Nazarener und Ebioniten (bei Hieron, Üb. 2 comment. in Matth. 12,
13), wouach der Mann mit der verdorrten Hand seines Zeichens ein
Steinmetz oder Maurer gewesen sein soll'), und z.B. auf einem Holz-
schnitte aus dem SV. Jahrh. ist er demgemäss im Handwerkerkleide
mit der Mauerkelle und der Kalkmulde dargestellt').
unerklärt sind noch geblieben die beiden Figuren im Mittelgrunde
des Bildes; Jesus mit dem Kreuzatabe und ein vornehmer Bittsteller
vor ihm. Letzterer steht auf den Zinnen der Stadtmauer, was zwar
an den apokryphen murarius oder caementarius erinnern, aber auch
zufällig seiu könnte; er gleicht indess in seinem ganzen Habitus und
seiner vornehmen Tracht nicht entfernt einem Handwerksmanne, ent-
schieden dagegen demselben Schriftgelehrten, an welchem Jesus das
Wunder verrichtete, und werden wir also nicht fehl gehen, wenn wir
hier die Darstellung einer Scene aus der apokryphen Vorgeschichte
dieses Mannes zu erkennen meinen. Ob der Zeichner zufällig oder
absichtlich die Hände dieser Figur unkenutlich gelassen hat, lässt sieb
nicht sagen, Jesus, der beiläufig hier in der Hässlichkeit seines kleinen
Gesichtes frappante Aehnlichkeit mit dem Grucifisus aus Farfa hat,
scheint sich dem Anliegen des Bittstellers gegenüber nicht entgegen-
kommend zu verhalten, sein ganzer Gestus deutet vielmehr auf Er-
theilung einer Ermahoung oder gar auf Zurückweisung hin. Hinzu-
fagen wollen wir noch, dass nach apokiyphischen Erzählungen (Ev.
Thom. c. 14. 15; Ev. inf. Arab. c. 49) der Knabe Jesus einen Lehrer,
1) Blatt 23b; vergL Likmprecht a. a. 0. S. 66.
2) Vcrgl, ßud. Hofmann, du Leben Jeau nach den Apokrypheo. Lpzg.
1861. S. 209.
8) Vergl. N. Mittfaeil. des Thüring.- Sachs. AlterthumsTcreiiu XV. 2, 43.
Nr. «7.
Zwei Federzeichnungen aot dem X. Jahrhundert. Sl
der ihn im Zorn geschlagen hatte, durch Verdorrung der Hand be-
strafte, ebenso wie ein anderes Mal einer seiner Spielgefährten, der
Sohn eines Schriftgelehrten, weil er ihn der Sabbathschändung ge-
ziehen hatte, zur Strafe auf Befehl Christi (wie der unfruchtbare Fei-
genbaum) verdorrete. Auf vieles Bitten, so lautet ein Zusatz der Pa-
riser Handschrift des Thomasevangeliums, Hess sich Christus erweichen,
den verdorrten Knaben wieder gesund zu machen bis auf ein Glied,
die Hand, welche zur Nachachtung verdorrt blieb ^). Dieser Zusatz
ist offenbar aus dem Streben hervorgegangen, eine passende Vorge-
schichte zu der evangelischen Erzählung zu erzielen, und der Zeichner
unseres Bildes dürfte nicht unwahrscheinlich alle diese verschiedenen
apokryphen Züge mit einander confundirt haben zur Composition des
Zusammentreffens Christi mit dem Manne auf den Mauerzinnen.
Unserer Erklärung des Gegenständlichen der beiden Bilder fügen
wir noch ein kurzes Wort hinzu über die Technik und den künstleri-
schen Gehalt derselben. Die Zeichnung ist mit der Rohrfeder gemacht,
doch ist zu den consequent richtigen Schattenangaben auch der Pinsel
benutzt. Das Streben nach perspectivischer Anordnung ist ersichtlich.
Die Figuren sind meist langgestreckt und hager, fast buckelig; die
Posen drücken bei aller Mangelhaftigkeit der zum Theil verdrehten
Figuren und ihrer Glieder, der Hände und der überall unbekleideten
Füsse, stets das aus, was der Zeichner hat sagen wollen. Die anti-
kischen Gewänder haben theilweise übertriebenen und zu feinen Fal-
tenwurf. Das Unterkleid ist über den Hüften wulstartig gegürtet ^), und
der flatternd wehende Gürtel der Christusfigur auf dem ersten Bilde
erscheint besonders charakteristisch. Vorzüglich und in jeder Bezie-
hung gelungen ist die reiche Gruppe der sitzenden Schriftgelehrten
auf dem zweiten Bilde. Wer möchte etwas auszusetzen finden an
diesen sinnlichen und dabei individualisirten Gestalten mit den glatten
Gesichtern, wie sie halblaut oder flüsternd mit einander debattiren!
Gleich vortrefflich ist auch die Gruppe unter dem Thore. — Man rauss
diese sicherlich ganz ohne Ansprüche hingeworfene Leistung aus dem
verrufenen X. Jahrhundert in der That nur bewundern, auch ohne
dieselbe genügend erklären zu können.
Merseburg. Dr. theol. H. Otte.
1) Hofmann a. a. 0.
2) Der Ausstellungskatalog weist deshalb auf eine bestimmte Mgde des
X. Jahrh. bin.
6
Eine Münzeammlang ans römucheT Zeit.
6. Eine Münzsammlung aus römischer Zeit.
IViena Tafel VI, Fig. 1—3.
Vor Kurzem erwarb ich hier in Bonn einen Münzfund, über
dessen genauen Fundort leider keine zuverlässigen Notizen zu erlangen
waren. Die MitUidlungen, welche mir wurden, besagen, dass diese
Münzen schon vor langen Jahren beim Bau der Bonn-Kölner Eisenbahn
ganz in der Nähe von Bonn an's Tageslicht kamen; diese Nachricht
erhielt durch das Aussehen der Münzen eine Bestätigung, denn die
grösseren Kupferstücke waren an den erhabenen Stellen alle ganz zer-
krazt, auch war das glänzend gewordene Metall noch zum Theil ab-
gerieben, während die tiefer liegenden Stellen der Münzen eine Oxy-
dationsschicht zeigten. Das Oxyd selbst war auch durch das lange
Trocknen an der Luft weit härter geworden, als dies bei eben der
Erde entnommenen Stücken der Fall zu sein pflegt.
Es fanden sich im Ganzen 46 Münzen.
Das älteste Stück ist ein Quinar von Titus, R. Victoria, jedoch
von so schlechter Erhaltung, dass ich für die richtige Bestimmung
nicht einsteben kann; dann folgen 5 Grosserze: 1 von Hadrian, 2 von
Antonin, 1 von M. Anrel, sowie ein unleserliches, dann ein Mittelerz
von Antonin, alle von schlechter Erhaltung.
Ein gefütterter (fourr^e) Denar von Julia Domna befindet sich
auch leider in sehr schlechtem Zustande; die Münze hat ihren R. dem
Caracalla entlehnt, und ist somit als monströses Gebilde von einigem
Interesse. Der Av. hat das Brustbild nach rechts mit der Umschrift
IVLIA AVGVSTA, der U. Coh. Caracalla 57. FORT RED PM TR P X I M I
COS III PP, nach links stehende Fortuna. Cohen bringt diese Münze
nicht, spricht sich aber, gerade bei Jul. Domna S. 341 dahin ans,
dass er soviel wie möglich vermeide, diese Art Münzen, welche er
Medailles hybrides nennt, zu beschreiben, weil dieselben für die oifi-
cielle Münzprägung ohne Bedeutung wären; die Münze kennzeichnet
sich also in doppelter Weise als FalschmUnze.
Ein Denar von Sev. Alesander Coh. 119 und ein Antoninian
von Philippus I. Coh. 9 sind von guter Erhaltung, aber sonst ohne
Bedentang.
2 Antoniniane resp. Kleinerze von Gallien sind durch ihre Grösse
Eine Münzsammlung aus römischer Zeit. 83
bemerkenswerth ; Coh. 58 hat Gr. 6V2 des Coh. Münzmessers oder
2,65 cm ; die beprägte Fläche ist dabei nicht grösser als sonst, *aber der
Rand ist von seltenem Umfange. Das andere Exemplar, dessen R.
sehr gelitten hat, hat Gr. 6 nach Coh.
Besonders beachtenswerth sind 5 Münzen des Postumus, in
Billon.
1. A. POSTVMVS PIVS FELIX AVQ. Belorbeerte Büste des Kai-
sers nach links, den ebenfalls belorbeerten Eopf des Hercules thcilweise
deckend.
R. CASTOR. Castor, mit der Diosknrenmütze, sonst unbekleidet,
wenn man von einem Mantel absieht, der nur lose umgeschlungen von
einem Bande über der Brust gehalten wird, den sichtbaren Körper
aber nicht bedeckt. Er steht etwas nach rechts gewendet vor seinem
nach rechts schreitenden Pferde, welches er mit der linken Hand am
Zügel fasst, während er in der rechten Hand einen langen Stab oder
eine Hasta hält, Taf. VI, ¥\g. 1.
Cohen giebt unter Nr. 6 auch eine Münze von Postumns mit dem R.
Gastor, jedoch zeigt ein Blick auf die Abbildung bei de Witte (Recherches sur
les empereurs qni ont regn6 dans les Oanles, Lyon 1868) Nr. 14, dass die Auf-
fassung eine ganz andere ist; denn hier steht Pferd und Dioskur nach links,
auch ist Castor in Soldaten-Kleidung dargestellt.
2. A. Dieselbe Umschrift, aber die Köpfe nach rechts.
B. HERCVLI ARGIVO; Hercules nach links im Kampf mit der
Hydra, Coh. 48.
Dieses sehr seltene Stück, de Witte 68, gehört zu dem so gesuchten Cyclus
der Postnmus-Münzen, auf welchen die 12 Tbaten des Hercules dargestellt sind.
Vergl. Heft LIII S. 363 ff.
3. A. Dieselbe Umschrift und Darstellung.
R HERCVLI DEVSONIENSI; nur mit der Löwenhaut bekleidete
Büste des Hercules nach links. Der Kopf der Löwenhaut bedeckt das
Haupt der Büste^ während die Vorderbeine über die Schultern nach*
vorne gezogen sind, wo die Tatzen auf der Brust in einem Knoten
enden ; in der sichtbaren rechten Hand trägt Hercules auf der rechten
Schulter die Keule, deren Ende hinter dem Kopfe sichtbar ist. Taf. VI Fig. 2.
Eine der besprochenen ähnliche Münze hat s. Z. Herr Senckler besessen,
De Witte 74 und Cohen VHI 14 kennen nur dies eine Exemplar; wenn die
Beschreibung bei de Witte von unserer abweicht, so mag dies in der weniger
guten Erhaltung jenes Stückes seinen Grund haben, wie ans der Abbildung bei
de Witte und derjenigen im XV. Heft unserer Jahrb. erhellt, woselbst Herr
Senokler jun. diese Münze bespricht. Der Knoten auf der Brust iet hier nicht
B4 Eine Miiazsanunlung nus römisclier Zeit.
Bichtbar, ebeneo fehlt die Hand; hierdurch verleitet hält de Witte die Liaietj,
welche die Beine der Lövenliaut bilden, für die Keule.
Dasa wir io der BeTieichnuDg „DeueonioDBia" BeKiehungec auf eine Btadl zu
Buchen haben, wird heute kaum nodi ein Numiamatiker bezweifeln; welchen
Ort wir aber annehmen sollen, ist noch immer eine Frage, und schwer wird es
zu entscheiden sein, ob Duisburg oder Deut« die Ehre des Ilerciiles-Tempola
Kiixuscbreibcn sei. (S. Jahrb. XV. S. l&f>.) Im Hinblick Buf die grossartif^en
Reste römischer Zeit, welche Herr Obtrst Wolf in Jahrb. LXVIII S. 13 be-
kannt gemacht hat, möchte ich mich allerdings für Deutis entBcboidcii. (S- auch
Num. Chron. 1865. Part. II S. 84).
Diese Münze war im Funde in zwei recht guten Exemplaren
vertreten, eines befindet sich jetzt in der Sammlung des Herrn Rader-
schatt in Köln.
4. A. Dieselbe Umschrift; die Köpfe nach links.
E, HILARITAS AVG, stehende Frau mit Failhorn und langem
'Palmzweige, zu ihren Füssen an jeder Seite ein Kind,
Das einzige bis jetzt bekannte Buemplar dieser Münze publicirte Herr
Dr. Bonvier im Jahrb. LHl S. 263, woselbst dieselbe auch Taf. XVII. 3 sbge-
bildet ist.
5. Quinargrösse ; A. POSTVMVS AVG, die sich deckenden belor-
beerten Köpfe des Kaisers und des Hercules nach rechts.
R. SALVS AVG, Aesculap nach links sehend, einen Stab haltend,
am welchen sich eine Schlange windet, Coh. 159. S. Jahrb. LIII S. 264.
Ausserdem fand sieb von Postumus ein Kleinerz mit dem R. COS IM!
von sehr schlechter Erhaltung.
Victorin war neben 3 Kleinerzen (2 mit salus, 1 mit Victoria)
durch eine Billon- oder stark versilberte Erz-Münze von schöner Präge
und vorzüglicher Erhaltung vertreten:
A. IMP C VICTORINVS PF AVQ, Büste mit der Strahlenkrone nach
links, einen Schild, und in der sichtbaren rechten Hand ein Scepter haltend.
R. FORT REOVX, nach links sitzende Fortuna, eia Füllhorn und
Ruder haltend; an den Stuhl ist ein Rad angelehnt. Taf. VI, Fig. 3.
Cohen 26 und de Witte 2S kennen eine Münze mit dem üblicbenKopf
des Victorin und dem angeführten B. Die Torzügliche Arbeit des At. macht
aber das besprochene Exemplar zu einem ebenso seltenen wie schätzenswerthen.
Von Claudius II (consecratio) Quintill (securit aug.), Aurelian
{Coh. 200 Abschn. A.) und Severina (Coh. 7 Abachn. BL), ist je eine
Münze zu verzeichnen.
Dagegen hat Tetricus I wieder einige sehr heachtenswerthe Stücke
geliefert.
1. A. IMP TETRICVS PIVS AVG. Belorbeerte Büste nach rechts.
Eine Münzsammlung aas römisober Zeit. 85
^ R. COMES AVG, Victoria nach links stehend, Palme und Kranz
haltend.
Diese anscheinend in reinem Silber geschlagene Münze war in 8 Exem-
plaren Yorhanden. (Eines kam in die Sammlung Raderschatt, das andere er-
warb Herr H. Hofifmann in Paris.) Cohen beschreibt diese Münze unter Nr. 4;
de Witte kennt nur ein Exemplar. In der Auction Moustier, Paris 1872, Nr.
3418, erzielte dieselbe den hohen Preis von 181 fr.
2. Av. Dieselbe Umschrift und Darstellung.
B. SPES PVBLICA. Spes nach links schreitend, eine Blume in
der Hand haltend.
Die Kopfseite dieser Münze ist der vorhergehenden sehr ähnlich; auch
ist dieselbe von reinem Silber oder doch sehr stark silberhaltigem Billon her-
gestellt. Cohen beschreibt dieselbe YII 52 nach de Witte in Billon, während
de Witte ausdrücklich von einer Silbermünze der Berliner Sammlung spricht,
144a. Jul. Friedländer behandelt diese Münze im 8. Heft der „Berliner
Blätter für Münz-, Siegel- und Wappenkunde"^ III. Bd. S. 165, und tritt für ihre
Aeohtheit auch in Bezug auf das Metall ein ; daselbst wird Taf. XXXYIII Fig. 1 1
eine Abbildung gegeben.
Eine Erzmfinze von Tetricus mit der Strahlenkrone und dem R.
HILARITAS AVGQ fand sich auch vor.
Tacitus war siebenmal vorhanden, und zeichnen sich einige Exem-
plare auch durch ihre Grösse aus, ohne indess den Münzen des Gal-
lien hierin gleich zu kommen : 2 Ex. pax publica Coh. 82 ohne Buch-
staben im Abschn.; 1 Ex. Providentia aug. Cioh. 93 desgleichen; 2 Ex.
spes publica Coh. 111 im Abschn. beide CA; 2 Ex. temporum feli-
citas. Cioh. 115 mit einem Stern im Felde und I im Abschn.; endlich
Coh. 116 mit AA im Felde.
Von Florian 1 Ex. mit dem R. Virtus augusti. Coh. 85, im
Abschn. II. Zum Schluss bleiben 6 Münzen des Probus zu erwähnen:
Aequitas aug. Coh. 147 im Abschn. XXI im Felde f, felicit temp.
Coh. 260 im Abschn. II; fides militum Coh. 273 im Abschn. III; Jovi
Conservat. Coh. 295 im Abschn. llXXr (?); laetitia augusti Coh. 312
im Abschn. IUI, und als letzte Av. Virtus Probi aug. Büste nach links
mit Helm (um welchen die Strahlenkrone), Schild und Speer, R. virtus
aug. Coh. 506 im Abschn. IUI. Auch unter diesen Münzen des Pro-
bus zeichnen sich einige durch ihre Grösse aus.
Ausser diesen Münzen wurden mir zwei 5,5 und 6,5 cm lange
Bronzegegenstände, als zu dem Funde gehörig übergeben. Es schei-
nen symboUsche Nachbildungen einer Axt und einer Wegehacke zu
sein; ähnliche Gegenstände kommen als sog. Mithras-Symbole zuwei-
Eine HSnctaminlaiig «ii r&miiobM Zait,
len am Rbdn vor, Jedoch gehören gerade diese za den aeUener ge-
fundenen.
Wenn wir diesen Fund mit dem von Dr. Bouvier im LIII. Jahrb.
besprochenen vergleichen, so wird Jedem die überaus grosse Aehnltch-
keit der Zusammensetzung auffallen, eine Uebereinstimmung die so in
die Augen fallend ist, dass ich mich der Vermutlmng nicht entziehen
kann, dass wir es heute mit einer damals zurückgehaltenen Hälfte
desselben Fundes zu thun haben. Jedenfalls kann man aber an-
nehmen, dass wir einen Grabfund vor uns sehen; ea spricht hierfür
nicht allein die Aehnlichkeit mit dem Bouvier'schen Funde, dessen
Eigenschaft als Grabfund ja nachgewiesen wurde, sondern auch die
Auswahl der Münzen. Grosserze des zweiten Jahrhunderts waren zur
Zeit des Probus ohne Zweifel Seltenheiten, dass die Postumus-Münzen
mit zwei Köpfen auf dem Av. auch schon in römischer Zeit selten
waren, braucht kaum gesagt zu werden, dasselbe gilt von der Billon-
Münze des Victorin und den Silber-Stücken des Tetricus; aber auch
in der Auswahl der häufiger vorkommenden Münzen hat man haupt-
sächlich die durch besondere Grösse ausgezeichneten berücksichtigt.
Meine Ansicht, ihiss mit Grabfunden zu Tage geförderte Münzen, wenn
auch meist von geringer Zahl, doch häufig vorzügliche Stücke ent-
halten, habe ich in dieser Zeitschrift schon mehrfach ausgesprochen;
S. Jahrb. LIX S. 47 u. LXVI S. 165.
Im Hinblick auf die merkwürdige Zusammcusetzung des Fundes
wird man, so hoffe ich, die etwas gewagte Uebei'schrift dieser Bespre-
chung gerechtfertigt finden, und so schliesse ich mit der angenehmen
Ueberzenguug, dass mancher Numismatiker mich dieses letzten Zu-
wachses meiner Sammlung wegen beneiden wird').
Bonn. van Vleuten.
1) Herrn Rektor Schwörbel verdanke ich die MittheÜHOg. dass unter den
neuesten Funden vod Deutz ein Inschrift-Bruchatück mit den Buchstaben HER
beginne; derselbe zeigte mir aoch eine daselbst gefundene HerculeBstatuette in
Erz. Beide Funde sind von Bedeutung für die Erklärung des oben erwälinten
„Deiisoniensi".
Ein Silber-Medaillon des Crispas, 87
7. Ein Silber -Medaillon dee Criepue.
Taf. VI, Fig. 4.
Herr Fr. Merkens in Köln erwarb vor Kurzem eine Münze,
welche, durch Schönheit und Seltenheit gleich ausgezeichnet, wohl ver-
dient hier besprochen und abgebildet zu werden. Es ist ein Medaillon
desCrispus von feinem Silber Gr. 6V2— 7 des Cohen'schen Münzmessers.
A. FL IVL CRIS . . . S NOB CAB. Belorbeertes Brustbild des Cae-
sar nach rechts; in der Rechten eine Lanze, in der Linken eine Ku-
gel mit daraufstehender Victoria haltend. Grispus ist mit dem Pan-
zer, einem in schönen Falten umliegenden Mantel und mit verzierten
Armschienen bekleidet.
R. MONETA AVG . . . T CABS NN. Die drei Münzgöttinnen ste-
hend. Im Abschn. MAQ.
Ueber diese in Aquileia geschlagene Mttnze habe ich nur wenig
hinzuzufügen; Cohen kennt kein Silber-Medaillon des Crispus, also ist
dieses erste bekannt gewordene Exemplar von grösster Seltenheit.
Ueber die Schönheit des Stückes wird sich der Leser durch einen
Blick auf die vorzüglich gelungene Abbildung auf Taf. VI sein Ur-
tbeil selbst zu bilden in der Lage sein. Leider war diese Schaumünze
ehemals gelocht, ein Fehler, den man besser nicht durch Zulöthen
noch verschlimmert hätte. Ich sage mit Bedacht Schaumünze, denn
es verdient bemerkt zu werden, dass die heute besprochene Münze
nichts gemein hat mit den sog. Silbermedaillons der späten Kaiserzeit,
welche nur ihrer Grösse halber zu dieser Classe gerechnet werden, in
Wirklichkeit aber nur als grössere Nominale der Werthmünze ange-
sehen werden dürfen. Wie gesagt, die Münze bekundet durch die vor-
zügliche Arbeit, durch das für die Zeit ausnahmsweise hohe Relief,
sowie durch die Darstellung auf dem Revers unzweifelhaft, dass sie
niemals als Coursmünze gedient haben kann, dass sie vielmehr bei
irgend einer besondern Gelegenheit geschlagen wurde, oder als Schmuck
Verwendung fand; für die letztere A^ffassung spricht auch das über
dem Kopfe des Crispus angebracht gewesene Loch, welches nur zum
Zwecke des Anhängens hergestellt sein kann.
Die Münze ist ein rheinisches Fundstück.
Bonn, F. van Vleuten.
Eio römisoh-gerniaDiicbos Qügelgräborfeld bei Bhcintlahlea.
8. Ein römisch-germanischeB HOgelgräberfeld bei Rheindahlen.
Ueber Dalilen, Koch, Herilt iiach Ilariit, Tillorliöfc und
weiter l'ührtc früher ein Waldweg, den man jetzt zu einer Strasse
umgebaut hat. Zwischen Hcrdt und Hardt durchschneidet diese
Strasse ein hoch gelegenes Tannenwäldchen, das im Munde der dor-
tigen Devülkeruug „Hardter Schlaat" genannt wird.
Aus dem kieshaltigen Sandboden, woraus die Erde des Tanneo-
wälitchens besteht, erheben sich eine grosse Anzahl aus feinem Sande
bestehender Hilgel von 50 cm bis 2'/s m Höhe und 2 bis 32 m Durch-
messer, und zwar in un regelmässigen Gruppen sowie ungleichraässigen
Abständen von einander entfernt. Seitdem diese Hügel vor einigen
Jahren als Gräber erkannt worden sind, hat man ihnen den Namen
„Huoneköp" gegeben.
Als sich vor einigen Jahren die Sage mehr spezialisirte, indem
man wissen wollte, in einem der Hilgel ruhe „der Hunnenkönig"
„mit kostbarem Goldschniuck", da eilte eines schönen Tages
Jung und Alt mit Hacken und Schilppen hinaus, um den Schatz zu
heben, wodurch die meisten Httgel in unverantwortlichster Weise zer-
stört worden sind.
Im Jahre 1876 nahm ich eine genauere Untersuchung einiger dieser
Hügel vor und sammelte die Beobachtungen, welche man bei den Schatz-
gräbereien gemacht hatte. Die Mittheilungen des verstorbenen Sanitats-
rath Herrn Dr. Schmitz aus Viersen sowie diejenigen, welche mir Herr
Elementarlehrer Büschcr aus Dahlen, der kürzlich abermals 10 Erd-
hügel öffnete, gemacht hat, stimmen in Betreff des Charakters der
Hügelgräber mit meinen Beobachtungen öberein, und finden durch die
persönlichen Beobachtungen bei archäologischen Ausgrabungen im wei-
teren Bereiche der Rheinprovinz sowie endhch, durch die bezüg-
liche brauchbare Literatur eine allgemeine Begründung.
Der Inhalt ist höchst einfach : Auf der ui-sprunglichen Waldfläche
ruht eine Lage Eichenhokbrand, in deren Mitte man eine kleine Grube
zur Aufstellung eines mehrfach durch eine umgekehrte Schale zuge-
deckten Napfes mit verbrannten Menscheuknochen angelegt hat'). Je
grösser die Hügel je reicher ihr Inhalt. Das „Reiche" bezieht sich
1) Die Hügelgräber Btlmmen mit der Schilderung übereiu, welche Taci.
tii9 Gerra. c. 37 von germaolschea LeicbeDbegäiigaiaBea giebt.
r
Elin römisch-germanisches Hügelgr&borfeld bei Rheindahlen. 89
jedoch nicht auf Werthgegenstände, sondern lediglich auf eine Ver-
mehrung der Urnen und Beigefässe; denn ausser diesen hat man in
der grossen Anzahl geöffneter Hügel nur ab und zu einmal ein kleines
unförmliches Stückchen Bronze entdeckt.
Die in den Hügeln gefundenen Thongefasse sind zumeist entwe-
der durch die Last des Hügels nur in Bruchstücken auf uns gekom-
men, oder aber in alle Welt verschleppt worden, sodass ich nur 8 zu
Gesicht bekam'), die jedoch zur Charakterisirung der Gesammtzahl
genügen. Sie haben eine Höhe von 14—20 cm und 63—7772 cm Um-
fang. Sie sind nicht dickwandig, dem Anschein nach ohne Benutzung
der Drehscheibe niodellirt worden und ihr Brand ist bis zu einem Grade
gediehen, dass ein Anschlag wie der gegen Leder hörbar wird. Die
Gestalt der Urnen ist die des Napfes. Die Beigefässe sind schalen-
artig gebildet. Die Formen erscheinen mannigfaltig, insoweit als die
regelmässig oben weite, sich nach unten in eine verhältnissmässig
schmale Standfläche verlaufende Bauchung ihre weiteste Ausladung
bald gleich unter dem oberen Randproiil, bald in der Mitte zu erken-
nen gibt. Der Urnenform entspricht auch die Form der Schalen. Die
Grösse der kleineren beträgt 57« cm, der ßanddurchmesser 0,8 cm.
Die grössten sind gewöhnlich etwas breiter als wie der obere Rand
der grössten Urnen. Einer der Schatzgräber sagte mir, er habe auf
einer der Urnen Verzierungen vorgefunden. Die Urnen und Beigefässe,
welche ich sah, waren jedoch alle unverziert. Eine Urne von 20 cm
Höhe und 77 V« cm Umfang*) trägt interessanter Weise auf der Mitte
des Bauches mehrere, vor dem Brande eingedrückte Zeichen, die (wie
die Abbildung in natürlicher Grösse zeigt) eine auffallende Verwandt-
schaft mit L(egio) XXX F(ecit) zeigen; Runen oder griechische Buch-
staben^) darin zu erkennen, ist wohl kaum statthaft.
1) Im Besitze des Herrn Prenten in Dahlen befanden sich im J. 1876
noch 5 Stück, worunter auch die mit Inschrift. Herr Dr. Schmitz in Vier-
sen besass damals ebenrr^is mehrere. Eine ging in meinen Besitz über und
befindet sich mit meiner ganzen Sammlung im historischen Museum der Stadt
Düsseldorf. Bei dem Herrn Elementarlehrer Büscher in Dahlen sah ich eine
ziemlich erhaltene Urne, ein kleines Beigefässchen sowie die Bruchstücke einer
Schale. Uebrigens sind die noch yorhandenen Urnen alle für das Bonner Pro-
vinzial-Museum gesichert.
2) Die Form der Urne gleicht der ziemlich genau, welche sich Jahrb. 62
unter Nr. 11 abgebildet findet.
8) Solche würden an die SteUe in der Germ. d. Tacitus, c. 8 erinnern, wo-
nach man an der Grenze Germaniens Grab-Denkm&ler mit griechischen Inschriften
1
90 Ein römisch- gernaniecbos Hügelgr&barfeld bei Rheindthlen-
I
Was die Frage betrifft, in welche Zeit diese schlichten Hflgd-
gräber zusetzen sind, so kana diese durch den Umstand, dass in den-
selben nicht eine einzige Waffe gefunden worden ist, sowie auch be-
sonders durch den Charakter der Thongefiisse ziemlich annähernd be-
antwortet werden. Das Fehlen der Waffen lässt auf die Zeit der Un-
terwerfung Galliens durch die llijmcT schlicssen. Damit stimmt auch
der Stil der Thongei^ase aberein, welcher zuerst in der Zeit zwischen
der Entstehung der jüngsten Hügelgräber mit etruskischen und galli-
schen Bronzegefässen sowie der römischen Leichenbraudgräber aus der
letzten Zeit der Regierung des Kaisers Augustus zum Durchbnich ge-
langt ist. Thongefässe dieses Stiles finden sich am gauzen Mittel-
und Niederrhein, besonders auf der rechten Seite des letzteren'); hier
vorgefunden haben will, welche Stelle, lo sehr sie angezweifelt worden ist, eben-
Bowenig TOm Boden der strengen Forschung gedrängt werden kann, als daaOrie-
chiechc dos tobalteB jenes Grabhügels, der in Würtemberg vor unseren Augen
(LiDdonschmit III, Heft 12, Tsf. IV— VI), plötzlich auftauchte. Wenn man be-
denkt, daes sich die Geldprägung des Westens in der yorrömiBcben Zeit bub dem
makedoni lohen Goldstal«r entwickelt hat, wenn viele der älteren Erigeräthe aus
uneem Grabhügeln griechischen Ursprungs, wenn endlich unsere ältesten Sagen
auf griechische Helden deuten, welche sich in Gallien und Germanien ansiedelten,
kann dann eine gewisse Verwandtschaft obiger Schriftzeichen mit denjenigen
eines mächtigen Cutturvolkes, das mit unserer Bevölkerung in mannigfaltigster
Berührung stand nicht so sehr auffallen. Man verg]. auch Ann. II, 63, obendas.
88 desgl. Caesar B. G. 1, 29; VI, U, wodurch die Stelle Germ. 19 klarer wird,
1) Das häufige Vorkommen von Urnen dieses Stils auf der linken Rhein-
seito möchte ich mit den von der rechten Ebeinseite aus verpflanzten germani-
Kleinere Mittheilungen aus d. Prov.-Museum zu Bonn, Erwerbungen n. Funde. 91
mehrfach mit römischen Münzen der ersten Kaiserzeit, während sie auf
der linken Bheinseite den Lauf der älteren Römerstrassen verfolgen,
auch auf den älteren Grabstätten frührömischer Niederlassungen mehr-
fach entdeckt worden sind. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn
ich die Grabstätte fi*ühestens in die erste Zeit der Regierung des
Kaisers Augustus setze.
Constantin Koenen.
9. Kleinere Mittbeilungen au8 dem Provinzlal-Mu8eum zu Bonn,
Erwerbungen und Funde.
Hierzu Taf. I, Fig. 6.
1. Ziegel-Stempel.
Im Jahre 1844 wurden im von Droste'schen Garten zu Bonn
römische Baureste aufgedeckt, bei welchen sich Ziegel mit verschie-
denen Stempeln der I. Legion fanden. Einer derselben war rund.
In der Mitte stand LEGIM, von der um diese Buchstaben stehenden
Rundschrift war angeblich nur DIWS mit Sicherheit und . . . GVS . . .
mit grosser Wahrscheinlichkeit zu lesen ^). — Im Museum vaterlän-
discher Alterthümer zu Bonn befindet sich ein am Wicheishof zum
Vorschein gekommener ähnlicher Stempel, um dessen zweizeilige Mit-
telschrift: !^^®p die Rundschrift läuft«): •SRISFELoaVQV///SSI.
Bei den Ausgrabungen des Bonner Castrums fand ich zweimal
LEG
denselben Stempel, einmal mit der zweizeiligen Legende -.^1 und
REö QVSSINVS (Taf. 1, 5) dann, halbirt mit . . . ELC AVGVSS
Alle diese Exemplare sind abgeschliffen oder schlecht ausgedrückt
Der halbirte Stempel wurde vielleicht wegen seiner Beschädigung am
obern Theile durchschnitten und in seiner Verstümmelung weiterge-
scheu Yolksst&mmen in Yerbindungf bringen. Der Stil ist jedenfalls echt ger-
manisch. Man vergleiohe denselben durch die Abbildungen, welche Sohaaffhau-
sen 52, 177 f. d. Jahrb. d. V. gebracht hat.
1) Braun im Jahrb. IV, S. 181, und danach Brambaoh 611, a, 11, y.
2) Hettner, Gatalog S. 60, Nr. 19.
w^
92 Kleinere Mittbeilungen aus d. Prov.-Muaetim zu Bonn, Ernorbungen u. Ftindc.
braucht. Auf allen hat I die Form vou T wie auf den meisten Zie-
geln der I. Legion, aus welchem Grunde man bekanntlich früher Leg.
Tiberiana las. {Dorow, Denkm. S. 33. Jahrb. der Preuss. Rhein.-Univ.
Bd. I, S. 184). — Deutungen sind mir ausser der von Hettner, welche
für 2 zu lesen vorschlägt: nostris fclicibus Augu(stis) cobs')
und einer brieflich mitgetheilten von Mommsen, wonach die von einem
Unkundigen verdorbenen Inschrift ursprünglich wohl heissen sollte:
AVGVSTI5 NOSTRIS FELIC (ITER)^) nicht bekannt. Ich glaube, dass
die Umschrift sich auf den Eigennamen einer Person, des Ziegelmeistera
oder vielleicht des Intendanten der I. Legion bezieht. Die F.rg^nzung,
welche die 3 noch vorhandenen Stempel (der Verbleib des ersten ist
mir unbekannt) nach meinen Abklatschen ergaben, lautet:
AVGVSSINVS RIS FELC.
Es liegt nahe in dem Worte FELC fecit zu suchen ; indessen
bleibt auch dann RIS noch unerklärt.
Zwischen V und SS im Worte Augussinus ist bei allen Stempeln
eine Lücke, die aber niemals von einem Buchstaben ausgefüllt war.
Ein ähnlicher Rundstempel, welcher um ein mittleres Vierblatt
den Namen des Ziegelbrenners enthält: C. MERVLA TOVTiSSAE F
befindet sich in Bordeaux °) nnd führte mich zu meiner Vermutbung.
2. Gewichtsteine von gebranntem Thon.
Die mannigfaltigsten Meinungen sind über die fast an allen Orten
römischer Niederlassungen gefundenen Gewichtsteine von gebranntem
Thon geäussert worden. Sie sind der Form nach abgestumpfte Kegel^
oder Pyramiden und sämmtlich unterhalb der Spitze quer durchbohrt,
um eine Schnur zum Aufhängen durchzulassen. Ritschi hat diesen Ge-
wichten durch ihre Besprechung, besonders eines derselben mit der In-
schrift ES QVRAI im 41. Jahrbuch S. 9 ff. eine grössere Beachtung und
Bedeutung zugeführt. Er weist ihre Zweckbestimmung als Massgewichte
1) Ebendaselbst.
2) Ich halte mich nicht für berechtigt, die brieflichen Mittheilungen dee
Hrn. Prof. Mommsen, dorn ich auf seinen Wunsch die Abklatsche der 3 noch
voi'haodenen Stempel und meine Lesung des bisher nicht erkannten N im Worte
AVGVSSINVS zusandte, ohne Weiteres wörtlich abzudrucken, um so weniger, da
ich annehme, daea Mommsen in den Jahrbüchern selbst darauf zurück zu
kommen die Güte haben wird.
3) Abbildung bei MortiUet im Musee archeologique. Paris 1677 il, S. 44.
t ■
Kleinere Mittheilongen aus d. Prov.-Maeeam zu Bonn, Erwerbungen n. Funde. 93
zurück, indem sie schon desshalb als solche nicht anzusehen seien, weil
Thon durch das Brennen sein Gewicht zu sehr verändere, um im Voraus
dafür eine bestimmte Schwere in Aussicht nehmen zu können, und
erklärt sie dann als Beschwersteine für Webstühle. Als Webegewichte
gelten sie in Folge dieses Vorschlages bisher allgemein. Vollständig
stimme ich meinem verstorbenen Freunde Ritschi nun darin bei, dass
wir es in keiner Weise mit Massgewichten und nur mit Beschwerstei-
nen zu thun haben, indessen glaube ich doch nach weitern Beobach-
tungen an die Stelle des Gebrauchs für Webstühle einen allgemeinern
setzen zu können, der von vorn herein um so mehr anzunehmen war,
als diese Thongcwichte sich zu häufig an Stellen fanden, von denen der
Webstuhl ausgeschlossen war. Bei verschiedenen Ausgrabungen fand ich
neuerdings diese Körper innerhalb der Wohnräume römischer Behausun-
gen und wiederholt und auffällig in der Nähe der Thüreingänge. Ge-
dacht ist bereits des an allen diesen Beschwersteinen befindlichen Durch-
lasses zum Aufhängen an einer Schnur. Mitunter sind um den Kör-
per des Thonsteines auch noch Einkerbungen in Form concentrischer
Kreise angebracht, wie wir solche auf dem Exemplare Taf. 1, 3 sehen,
dazu bestimmt, die Schnur vorher um den Stein zu binden, ehe sie in
den Durchlass gelangte. Man thut dies wohl bei aufzuziehenden
schweren Gewichten, um Schwankungen derselben zu begegnen. Eine
weitere Beobachtung ergiebt aber zudem, dass diese Gewichte mitunter
künstlich beschwert wurden, indem man Blei in sie eingoss. Wir haben
nämlich mehrere dieser Thonkörper vor Augen, deren Böden mit Lö-
chern versehen sind, in denen sich Reste von Blei befanden. Den Bo-
den eines solchen Thongewichtes sehen wir Taf. I, 4. Beide erwähnte
Exemplare fanden sich in einem Hause von Belgica neben den Thüren.
Fassen wir nun diese drei Beobachtungen zusammen, wonach sich die
kleinen Thon-Kegel wiederholt innerhalb römischer Wohnräume und zwar
neben den ThUreingängen fanden, mit Bleieinguss beschwert sind, von
einer Schnur sorgfältig umwunden und an dieser aufgehangen waren,
so wird man meiner Ansicht beipflichten, dass wir es hier mit Thür-
gewichten zu thun haben, dazu bestimmt, eine geöfifbete Thüre sofort
zum Zuschlagen zu bringen. Früherhin sah man noch in Deutsch-
land vielfach diese Vorrichtung eines an den Thüren vermittelst einer
Schnur hängenden Gewichtes, welches durch das OefFnen der Thüre
von selbst in die Höhe gezogen wurde und, sobald man die Thüre los-
liess, herunterfallend dieselbe schloss. Herr Bauinspector Richter in
Köln macht mich darauf aufmerksam, dass er auf einem altern Kupfer-
^
91 Kleinere Miltheilongen aus ä. Pröv.-Mu»eum zu Bonn, Erwerbungen u. Fände.
Btidi eines päpstlichen Zimmers im Vatican den gleichen alten Mecha-
nismus noch beibehalten gesehen habe.
3. Mittelalterlicher Grabstein.
In den Sanddünen bei Wisse!, KreisCleve, (Dederich, Gescb. d.
Römer und der Deutschen am Niederrhein S. 295) fand vor Kurzem
der OekoGOin Peter Verwayen auf Caldenhoven beim Abfahren eines
Sandhügels tief in demselben vergraben einen behauenen weissen Sand-
stein in der Form eines romanischen 13 cm hohen Capitäls. Oben
auf der 18 und 19 cm im Geviert messenden Platte desselben ist die
auf Taf. I, 5 abgebildete Inschrift zu lesen, die wir also auflösen :
t Obiit He(nricus) de Warit Kalendas Maii in Christo.
Die Inschrift gehört spätestens in das 12. Jahrhundert, ist aber wahr-
scheinlich früher zu setzen. Dicht bei Wissel und der Fundstelle liegt
die Ortschaft Wisselward, wesshalb man versucht ist zu interpretiren :
Heinrich aus Wisselward. Die Form Warit für eine der vielen Nieder-
rheinisch-Niederländischen Localitäten Wavth, Werth (insula, Werder)
II, S. 558, findet sieh vom 8,-12, Jahrhundert an mannigfach.
Eine Familie de Insula (Weert) begeguet übrigens im Geldri-
schen früh, z. B. in Ztttphen 'sehen Urkunden bei Sloet, Oorkondenboek,
Nr. 556 unter dem 10. Sept. 1232: Henricus miles de Insula.
Der Stein wurde von unserem Mitgliede Herrn Dr. Terwelp in
Andernach dem Bonner Provinzial-Museum geschenkt.
4. Römische Trinkgeschirre mit Aufschriften.
In demjenigen Theile der Begräbnissstätten bei Andernach, wel-
cher die frührömischen Gräber, besonders aus der ersten Kaiserzeit
enthält {Martinsberg), fanden sich die schwarzen wie rothen Trink-Krflge
und Trink-Becher mit weissen Aufschriften, welche im vorigen Jahrb.
S. 114 mitgetheilt und seitdem in das Provinzialmuseum gelangt sind.
Das Bonner Provinzial-Museum erhielt daher noch folgende zwei,
unter 5 und 6 verzeichnete Trinkbecher, während die übrigen Ge-
fässe: 1—4 an anderer Stelle, und zwar in den fränkischen Gräbern
(am Kirchberg) gefunden wurden.
1) Einhenklige, 29 cm hohe Terra-Slgillata-Kanne mit der weiss
aufgemalten Umschrift: BIBITE; darunter ein umlaufendes gleichfalls
weiss aufgemaltes Ornament.
2) Einhenkliger Krug von rothem Thon, 24 cm hoch, mit dem
weiss aufgemalten Zuruf REPLE ME. Eine punktirte Linie oberwärts
und ein wellenförmiges Band unterwärts, beide weiss, schliessen die
Inschrift zwischen sich ein.
Kleinere Hittheilungen ani d. Prov.-MiisaDm eu Bonn, Erwerbungen □. Funde. 96
3) Aehnlicher einhenkliger Krug von geringerem röthlichem Thon,
18Vt cm hoch, zwischen zwei weiss au^emalten Wellenlinien mit dem
gleichen Ztinif REPLE hC. Die Inechrift ist flott und nachlässig ge-
schrieiien. Zwischen jedem Buchstaben befinden sich als Punkte grosse
Rosetten.
4) Grosser einhenkliger, 22 cm bober glänzend schwarz gestriche«
ner Krug. Zwischen zwei weissen Wellenlinien die gleichfalls weiss
aufgesetzten Worte VT! FRVl. Unterhalb der Aufschrift befinden sich
Arabesken in weisser und gelber Farbe.
5) Kleiner rotfaer Trinkbecher, 11 cm hoch. Zwischen zwei weis-
sen Wellenlinien die Umschrift CENtS.
6) Tasse von röthlichem, schwarz gestrichenem Thon, 9 cm hoch,
11 cm im obem Durchmesser. Zwischen zwei weissen Wellenlinien,
die einzelnen Buchstaben durch Punkte abgetheilt, die Aufschrift:
INPLE. Bereits auf einem grossem Mischkrug gleicher Fundstätte
haben wir im vorigen Jahrbuch 8. 114 derselben Schreibung inple für
imple gedacht
5. Edmisches Schreibgeräth. (Hierzu Taf. Tl. 7—12).
Wenngleich es keineswegs unbekannt ist, dass die Römer zum
Schreiben ausser den Wachatafeln auch des Pergaments und der Papy-
rus-Blätter sich bedienten, und dazu Feder wie Dinte gebrauchten'),
so ist doch kein so grosses Material nach dieser Richtung hin abbild-
lich gesammelt worden, um die Veröffentlichung des nachfolgenden
aberflüssig erscheinen zu lassen.
1) Zwei Dintenfässer aus Metall mit deutlichen Spur«i von
Versilberung und omamentaler Verzierung durch gr&-
^ virte Ringe. Beide Stücke, der Form nach kleine Cylin«
I der, wurden im Jahre 1877 In zwei Steinsärgen am
Rheindorferwege in Bonn (Ziegelei von Fassbender) mit
Aschen - Urnen, einem kleinen Trink-becher von Thon
mit der -Aufschrift OAMI und einem Glase gefunden;
sie sind allem Anschein nach der mittleren Kaiserzeit
angehörig. Der nebenstehende Holzschnitt veranschau-
licht in Vt Grösse eins dieser beiden Dintenfässer.
Besondere Sorgfalt ist auf den Verschluss gelegt Ueber
den untern Geässcjlinder ist nämlich von oben ein
1) Harqnardt, Rom. PriT&talterth. IL Abth. S. 889 ff. Friedrichs,
Berlin! antike Bildwerke II. Nr. 54B ff. n. i. w.
96 Kleinere Mlttliei hingen ans d. Prov.-Muaeiim zu Bonn, Erwerbungfeo q. Fundß.
zweiter mit weit vorkragendem Rande übcrgesuhoben. In letzterm
ruht ein eingelotheter vcrachliessender Deckel. Ein zweiter oberer
Deckel ist mit eraterem durch eine In der Mitte ersichtliche Niete so
verbunden, dass er sich vermöge zweier am Rande aufstehender klei-
ner Knöpfe um sich selbst drehen lässt. Da kleine runde Oeffnungen
sich seitwärts an gleicher Stelle in beiden Deckeln befinden, so ist der
erkenntliche Zweck ihrer Verdoppelung der, den obera Deckel, wenn
man schreiben will, so drehen zu künnen, dass die Oeffnungen beider
Deckel übereinander kommend das Eintauchen der Feder gestatten,
und ebenso heim Aufliören des Schreibens durch eine weitere Drehung
die OefToungen von einander zu bringen, und dadurch das Dintenfass
wieder zu verschliessen.
Jedenfalls deutet die Sorgfalt der Verschlüsse auf die Absicht,
den ttüssigen Inhalt vor dem Hinzutritt der Luft — die bis heute
der verderbende Feind unserer Dinte geblieben ist, — zu schützen.
Das andere der in dem Bonner Steinsarge gefundenen beiden Din-
tenfässer, 4 cm hoch, ist einfacher, und der
kleine Cylinder nur mit einem überkragenden
Deckel verschlossen. Derselbe trägt ebenfülla
Spuren von Versilberung.
Ein drittes Dintenfasa von Metall wurde
nicht weit entfernt von der ersten Fundstelle
in einem Steinsarg an der Ecke der Rosen-
strnssc im Jahre 1877 mit römischen Gläsern
gefunden. Es ist eine unverzierte kleine Büchse,
5 cm hoch, mit vorstehendem Halsring und un-
ver:^chlossener mittlerer Oclfnung zum Eintau-
chen der Feder. Iminnern ersieht man noch einen
vertrockneten Rest der ehemaligen Flüssigkeit.
2) Dintenfässer von Terra-Sigillata
in der Form wie sie auf Taf. VI, 7, 8 und
9 wiedergegeben sind, befinden sich sowohl
im hiesigen Provinzial-Museuni, wie nach ge-
fälliger Mittheilung Lindenschmidt's im
Mainzer Museum. Nr. 7 hat eine Breite von 87
mm, eine Höhe von 63 mm; Nr. 8: Br. 98,
H. 78 mm, Nr. 9: Br. 67, H. 41 mm.
3) Metallbüchac mit Feder und Zieh-
feder darin, aus einem römischen Stoiusargo
Kleinere Mittheilnngen aus d. Prov.-Museam za Bonn, Erwerbungen n. Fände. 97
ZU Frechen (Er. Köln). Ganz ähnlich den Federbüchsen unserer heu-
tigen Schulkinder ist die aus vorstehendem Holzschnitte ersichtliche
Metallbüchse gebildet. Sie ist in Wirklichkeit von doppelter Grösse,
mit gravirten concentrischen Ringen verziert und oben wie unten ver-
schlössen. Als die Büchse in der Garthe'schen Auction vom 6. Novem-
ber 1877 unter Nr. 379 des Gatalogs zum Verkauf gelangte, befanden
sich in derselben die beiden bildlich wiedergegebenen Geräthe, nicht
aber das im Catalog gleichfalls erwähnte Glätte -Instrument. Die Me-
tallfeder besteht aus eiuem Stück, ist vorne gespalten und von den
modernen Stahlfedern nur bezüglich des Metalls und des Um-
Standes verschieden, dass letztere aus dem Grunde nicht ein Gan-
zes mit dem Halter wie unsere römische Feder bilden, um sie
nach ihrer Abnutzung aus dem Halter herausnehmen und wech-
seln zu können. Römische Schreibfedern besitzen auch die
Museen zu Trier und Mainz. Letzterem gehört die Metall-
feder der Abbildung Taf. VI, 10 an, welche eine Länge von
118 mm hat. Die Ausziehfeder von Frechen ist dadurch be-
sonders charakteristisch, dass sie am entgegengesetzten Ende
einen Halter zur Aufnahme von Zeichenstiften bildet. Noch
heute befindet sich darin der Rest eines Rothsteines.
4) Ausziehfedern. Die Ausziehfedern, welche dem obern
und dem hier folgenden Holzschnitt, wie desgl. Nr. 12 auf Taf.
VI entsprechen, werden gleichmässig nach Aufnahme der zeich-
nenden Flüssigkeit durch kleine Ringe geschlossen, die sich
von oben nach unten schieben und nach Massgabe ihrer Stel-
lung die Breite der zu ziehenden Linie bestimmen. Ziehfedem,
welche des regulirenden Ringes entbehren und nur dazu bestimmt
sind, stets Linien von gleicher Stärke z. B. für die Notenschrift auf-
zutragen, bewahrt das Museum zu Mainz in dem auf Taf. VI, 11 ab-
gebildeten Exemplar.
Atts*m Weerth.
08 Dieröm, Befeetig. o. NicderlaBSungen zw iaaheu Obortiburg a.
10. Die rfimischen Befestigungen und Niederlassungen zwischen
Obernburg a. M. und Neustadt i. 0.
Die Ermittelung des römischen Strassennetzes, welches die Ca-
stcllo am Grenzwall mit den Castellen im Innern des Dekumatlandes
verband, ist eine scliwierige Aufgabe; wenn man aber die einzelnen
Niederlassungen zwischen zwei grösseren Castellen auffindet, so wird
durch dieselben, wenn sie auch nicht direct an der Strasse, sondern
bloa in der Nähe auf zur Observation besonders geeigneten HÖliepuuk-
teu lagen, die Richtung der Verbindungsstrasse im Allgemeinen sicher
bestimmt. Dass von Obemburg am Main sich nach dem Breuberger
Castell eine solche Verbindungsstrasse abzweigte, ist am Schlüsse mei-
nes Aufsatzes Ober die vömiachen Befestigungen im Odenwald in die-
sen Jahrbücheru ') auf Grand der aufgefundenen Niederlassungen her-
vorgehoben worden und ist seit jenen Mittheüungen mein besoudcres
Augenmerk darauf gerichtet gewesen, diese Richtung genauer zn er-
mitteln und zu diesem Behuf das meinem Wohnort nahegelegene
Waldterrain sorgfältig zu durchforschen. Den ersten Anhaltspunkt
gerwäbrte der im Obemburger Walde in der Nähe des „Einsiedels-
bruunen" auf dem sogenannten Seidenberg gelegene, römische Wart-
thurm, dessen Trümmer noch gut erhalten sind. Früher ein mit Ge-
strüpp bewachsener Steinhügel, wurde derselbe bei dem Ureroden des
Waldbodens blossgelegt. Man stiess nach Entfernung der oberen Trttm-
merschicht auf wohlerhaltene, noch 1 m über den Boden hervor-
ragende Mauern, die man auf das Sorgfältigste aufgrub. Hierauf wnrde
der Innenraum von dem Trümmerschutt gereinigt, in welchem sich die
gewöhnlichen Reste von römischen Gefässen, Nägeln, Stücke von terra
sigillata vorfanden, bis man auf den, wie es scheint, aus einem mit
grösseren Kieseln untermischteu Mörtelguss bestehenden Boden Icam.
Betritt man die Stelle, so hat mau den Grundriss des Gebäudes genau
vor sich, wie denn die vorsichtige und sachverständige Ausgrabung von
Seiten der Forstbehörde einen wohlthuenden, leider sich selten dar-
bietenden Anblick gewährt. Auf dem Fussboden des Innenraums sind
mehrere grössere mit dem Spitzhammer bearbeitete Sandsteinplatten
neben einander gelegt, in deren einer sich eine Rinne findet, als ob sie
I) Tergleiche Heft LXV, S. 66.
Die röm. Befestig^, u. Niederlassungen zwischen Obernburg a. M. u. Neustadt i. 0. 99
zur Wasserleitung gehört hätte, während in der anderen eine halb-
kugelförmige Vertiefung ist, als ob sich eine schwere Thürangel mit
eiserner Spitze darin bewegt hätte. Besonders auffällig aber ist eine
gerade am Eingange befindliche mit grossen Saodsteinplatten über-
deckte Vertiefung, welche in einen unterirdischen Raum geführt hat,
der aber jetzt theilweise verschüttet, theils mit Wasser angefüllt ist.
In der Nähe dieses Gebäudes, zu welchem der Eingang von der Nord-
seite herführt, sind zwei grössere und umfangreichere Vertiefungen in^
der Erde ohne Mauerreste, wo sich vielleicht die Stallungen oder Was-
serreservoirs befunden haben. Diese römische Befestigung gewährt
eine zur Observation des Feindes treflflich geeignete, umfassende Aus-
sicht über das Mainthal bis nach Aschaffenburg und über die Vorberge
des Spessart in ihrer ganzen Ausdehnung. Führte also die ehemalige
Verbindungsstrasse zwischen dem Obeniburger und Breuberger Gastell
in der Nähe dieser Befestigung vorüber, so bog sie von dem bei
Obernburg auslaufenden Mümlingthal in den bereits beschriebenen
Römergrund ein, stieg alhnählich aufwärts, bis sie die Höhe dieser
Befestigung erreichte und setzte sich dann in der Richtung nach dem
Breuberger Castell in ziemlich gerader Linie weiter fort. Der Römer-
grund theilt sich aber schon vor dem „Einsiedeisbrunnen" in zwei
tiefe Mulden, die durch den Seidenberg, auf dem eben unsere Befesti-
gung liegt, getrennt werden. Steigt man von hier hinab in die andere
Mulde, so trifft man direct auf die römische Niederlassung am „Schwarz-
Kirschbaumbrunnen", wo der von mir beschriebene Britonenstein ge-
funden wurde. An dieser Stelle habe ich blos kleinere Nachsuchungen
gemacht, um mich von dem römischen Ursprung des Gebäudes zu
überzeugen; die sich reichlich ergebenden Fundstücke stellten densel-
ben bald ausser allen Zweifel. Sicher sind auch hier noch die Fun-
damente intact im Boden erhalten. Aber bevor diese blosgelegt sind,
lässt sich weder über Umfang, noch über Bestimmung des Gebäudes
etwas Sicheres sagen. Nur der in der Nähe gefundene Votivstein von
einem cornicularius Britouum lässt auch hier auf eine militärische Be-
satzung schliesseu. Inzwischen wurden von mir theils in der Nähe,
theils in der Seckmaurer Gemarkung einige recht interessante, weitere
Funde gemacht. In der Seckmaurer römischen Niederlassung kam
auf der nördlichen Seite, wo ich schon mehrere, grössere, eiserne Nä-
gel gefunden hatte, zufällig ein kleines, niedliches Vorhängeschloss
zum Vorschein, wie vielleicht noch wenige gefunden wurden. Das
Schlösschen ist ein kleines Dreieck; eine Seite etwa 0,02 m lang; die
100 Die itta. Befestig. u,NiederlaseiiiigeiiEwiectioiiObernbarga.M. ii. Keust&dt i. 0.
Dicke beträgt 0,01 m. Auf diesem kleinen Dreieck sitzt ein halbkreis-
förmiger Henkel, der natürlich ganz eingerostet ist. Wo sich das
Schlüsselloch befand, liegt ein noch etwas erhabenes Eisenplättchen,
um dasselbe zu vfirdecken ; auf der anderen Seite gerade so, um nicht
gleich erkennen zu lassen, no das Schloss zu ötfnen ist. Am Henkel
lässt sich noch erkennen, auf welcher Seite er einklappte. Das Schloss
besteht aus 3 Thcilen; der mittlere ist stärker und enthielt die Me-
chanik; diese war von zwei dünneren, etwas kleineren Eisenplättchen
gedeckt. Dieses Schlösscheu mit seiner noch erkennthchen, zierlichen
Arbeit ist einer meiner interessantesten Funde und hat schon die Auf-
merksamkeit vieler Alterthuinsfreunde erregt, denen ebenfalls ein römi-
Bches Vorhängeschloas von dieser Ges^talt und so en miniature noch
nicht zu Gesicht gekommen war. Der römischen Befestigung inSeck-
mauern gegenüber auf der anderen Seite des Thaies, auf dem „Gais-
berg", wurde kürzlich eine steinerne Kugel, aus einem blaugrauen, ba-
saltShnlichen Stein geformt, ausgeackert, die ich für eine römische
.Schleuderkugel halte; der Umfang der Kugel ist 0,27 m; sie ist
an zwei Stellen etwas abgeplattet, wie zum Auflegen. Ausser-
dem wurden drei Steinmeissel oder Beile gefunden; 0,05 — 0,06 lang;
0,03 breit und 0,01 dick, vom zu einer haarscharfen Schneide zu-
geschliffen; die Farbe ist schwarz. Das grössere von diesen drei
Werkzeugen hat im oberen Theil ein kreisrundes Loch zur Befesti-
gung des Stieles. Eben dieses Loch, das, wie es scheint, nur mit
einem eisernen Instrument gebohrt sein kann, sowie die äusserst
feine Bearbeitung des Stein's läsat mich bezweifeln, dass diese Werk-
zeuge aus der Steinzeit stammen. Sicher setzen sie eine ausgebildete
Technik voraus und darum, sowie auch weil sie in der Nähe römischer
Niederlassungen aufgefunden wurden, wage ich die Vermutbung aus-
zusprechen, die ich später näher zu begründen Gelegenheit finden
werde, dass es römische Opferwerkzeuge waren. Für jetzt erinnere
ich nur daran, dass Hannibal, als er den Römern ewigen Hass schwur,
das Opferthier ebenfalls mit einem silex tödtete')- Doch kehren wir
1) LiviuB XXI, 45: (Hannibal ad Tioinnm) militibus carte praemia pro-
Duntiat, in qiiornm spent pugnarent .... Eaqne ut rate Boireot fore, agaum
laevananu, destera silioom retineas, si falleret, larem ceteroeque precatus deos.
Ha >a maotarent, quem ad modum ipse agnum maotaseet, secundum preoationem
oapnt peoudis saxo elisit. Vor dem Kampf der Horatier und Curiatier wird
in feierlicher Form durch den Fetiatis das Uebe reinkommen über die Bedingun-
gen geschlossen. Der Fetiolis ruft deo Jupiter zum Zeugen an, dass die Römer
Die röm. Befestig, u. Niederlas sangen zwischen Obernbnrga. M. n. Neustadt i. 0. 101
zvL unserem Wachtthurm auf dem Seidenberg in dem Obernburger
Walde zurück und suchen von dort die Richtung der römischen Ver-
bindungsstrasse zwischen dem Obernburger und Breuberger Castell,
den sich vorfindenden Trümmerresten römischer Befestigungen folgend,
weiter auf, so stossen wir^ auf der bewaldeten Höhe weitergehend, in
einer Entfernung von 2 km auf zwei römische Gebäudetrümmer, die
sich gegenüber liegen, ähnlich wie die beiden mächtigen Trümmer-
haufen an der „Feuchten Mauer''. An dieser Stelle, „Steinknorren''
den Eid den Albanm halten würden; dann heisst es (Liv. I, 24): Si prior defe-
zit (popalus Romanus) publioo consilio dolo malo, tum ille Diespiter populum
Bomanum sie ferito» ut ego hunc porcum hie hodie feriam, tantoque magis ferito,
qaanto magis potes pollesque. Id ubi dixit, porcum saxo silice percussit;
femer heisst es beim Friedensschnss mit Carthago (Livins XXX, 43): Fetiales
cum in Africam ad foedus feriendum ire inberentur, ipsis postulantibus senatus
odnsultum factum est in haec verba, ut privos (=s singulos, jeder einen silex)
lapides silices privasque verbenas secum ferrent, etc. Aus diesen Stellen
geht unzweifelhaft hervor, dass die Römer (und Carthager) sich bei besonderen
Gelegenheiten (Eidesopfem) des Steines zum Tödten des Opferthieres bedienten.
Freilioh ist in diesen Stellen von bearbeiteten Steineli nicht die Rede.
Wahrscheinlich aber ist es, dass man später, unter Beibehaltung des MaterieUen
vom ursprünglichen Gebrauch (Liv. I, 24 sagt ausdrücklich, er berichte hier
das erste Beispiel dieser Art: „nee ullius vetustior foederis memoria est") sich
die Sache durch Herrichten des Steins erleichterte. Wozu sollten auch die Fe-
tialen die lapides silices von Rom nach Carthago geschleppt haben, wenn jeder
nicht hergerichtete silex beim Opfer gebräuchlich war? hat man dagegen Stein-
waffen von so feiner Bearbeitung und mit einem kreisrunden Loch zur Ein-
Stockung des Stieles, wie ich sie aufgefunden und oben beschrieben habe, deren
Herstellung mir nar mit eisernen Werkzeugen möglich scheint, auch in Gegenden
gefunden, in welche die Römer nie ihren Fuss gesetzt haben, so wird meine Hypo-
these dadurch wieder natürlich sehr in Frage gestellt.
Anm. zu den Steinwaffen. Der Stein, dessen sich die Fetialen bedienten,
ist nach Prell er Röm. Myth. p. 220 ff. nichts Anderes, als der Donnerkeil als
Symbol des rächenden Schwurgottes und hiess selbst Jnppiter Lapis (oonf. Cicero
ad fam. VII, 12), das entspräche also ganz der germanischen Anschauung. J.
Grimm deutsche Myth. sagt: In den Heidengräbem gefundene Steinhämmer und
Steinmesser führen denselben Namen (nämlich Donnersteine, Donnerkeile u. s. w.)
Saxo Grammaticus äussert sich ganz deutlich darüber so (p. 236) : „inusitati pon-
deris malleos, quos ioviales vocabant . . . prisca virorum religione cultos l . .
cupiens enim antiquitas tonitruorum causas usitata rerum similitudine compre-
hendere, malleos, quibus coeli fragores oieri credebant, ingenti aere complexa
fnerat.'' Sollten die Römer im Odenwald ihren alten Brauch in dem germa-
nischen wiedererkannt haben?
102 DierSm.Befeatip, ii.NiederlaBBunKen zwischen Obernimrg ü.M. o. Neustadt i O.
genannt, wurden gelegentlich bei Waldculturaibeiten schon verschie-
dene, rüraische Alterthdmer gefunden, die sich im Besitz des Ober-
försters Herrn von Kienle in Neustadt i. 0. befinden und die deu rö-
mischen Ursprung dieser Gebäudereste unzweifelliaft documentiren.
Aller Wahrscheinlichkeit nach waren auch hier zur Sicherung der
Strasse zwei Thürme, in deren Nähe oder zwischen welchen die Strasse
hindurchzog. Hier ist der Breubcrg schon in Sicht und nun zog sich
die Verbindungsstrasse bei dein kleinen Dorfe Raibach in das MOm-
hngthal hinab nach dem Breuberg, an dessen Fuss das Städtchen Neu-
stadt liegt. Die ganze beschriebene Verbindungslinie zwischen dem
Obernburger und Breuberger Castell führt gegenwärtig durch Wald.
Will man sich aber eine richtige Vorstellung ?on der Beschaffenheit
der Gegend zur Zeit der Kömerlierrschaft machen, so niuss man sich
die Culturverhältnisse des Bodens etwa umgekehrt denken, als wie
sie gegenwärtig sind. Denn jetzt sind alle diese Höhenzüge des öst-
lichen Odenwaldes mit Wald, vorzugsweise mit Kiefernwaldungen be-
deckt, während die Thäler angebaut und mit fruchtbarem Ackerland
wie mit quellenreichen grdnen Wiesen durchzogen sind. Aber den
Römern hei es ehemals sicherlich nicht im Traume ein, ihre Kastelle
und Wartthürme mitten in die Wälder hiueinzubauen, wo sie bestän-
dig der Gefahr einer unbemerkten Annäherung des Feindes ausgesetzt
gewesen wären. Vielmehr waren zur Bömerzeit die jetzt bewaldeten
Höhen des Odenwaldes waldfrei. Die Castelle, sowie die daran sich
anschliessenden bürgerlichen Niederlassungen waren von Garten- und
Ackergelände umgeben, auf welchem sich die Grenzsoldaten, die nicht
immer unter den Waffen standen, sondern in ruhigen Zeiten sich mit
Ackerbau beschäftigten, ihre Lebensbedürfnisse zogen. Noch jetzt lässt
sich an einigen römischen Niederlassungen, wie z. B. an der „Feuchten
Mauer" erkennen, wie weit sich das umgebende Gartengelände er-
streckt hat. Als aber das Römerreich trotz aller Verschanzungen und
Gastelle in sich zerfiel und der Völkerbund der Alemannen von der
Gegend Besitz nahm, da waren nicht mehr die mihtärischen und stra-
tegischen Gesichtspunkte bei ihren Ansiedelungen massgebend, sondern
man zog als Wohnplätze die milderen und ergiebigem Thalgrande
vor, und so sind die Dörfer auch da, wo eine römische Niederlassung
auf der Hohe der Anlass ihrer Entstehung war, allmählich in der
Alemannenzeit in die Thäler herabgerUckt, während die verlasseneu
Höhen sich mit Wald Überzogen. Diesem Umstand verdankt man im
Odenwald die verhältnissmässig gute Conservirang der römischen AI-
Die röm. Befestig, n. Niederlassungen zwischen Obembarg a. M. u. Neustadt i. 0. 103
terthümer, die im bebauten Ackerland längst verschwunden sein wür-
den. Jenes oben erwähnte kleine Dorf Raibach, bei welchem die Ver-
binduDgsstrasse zwischen dem Obernburger und Breuberger Gastell in
das Mümlingthal einmündete, war nun eine solche alte Ansiedelung,
zu welcher römische Niederlassungen in der Nähe den Anlass gaben.
Die älteste urkundliche Bezeichnung des Dorfes im 8. oder 9. Jahr-
hundert: ,,Reginbach super fluvio Mimelinga" scheint auf römischen
Ursprung hinzuweisen*). In unmittelbarer Nähe liegt jetzt der „Am-
heider Hof* am Saum des Waldes, der sich hier zum Mümlingthal
herabsenkt. Schon im vorigen Jahre hatte der verdienstvolle Forscher
und Kenner römischer Alterthümer im Odenwald und Mainthal, Herr
Carl Christ in Heidelberg, die Güte, mir die interessante Mittheilung
zu machen, dass man in einer Handschrift der Bibliothek zu Leyden
einen Plan der im 16. Jahrhundert gemachten Ausgrabungen bei dem
Breuberge gefunden habe*). Aus demselben gehe hervor, dass der
Fundort der auf dem Breuberg befindlichen Bömersteine nicht der
Breuberg selbst, sondern „die Castelle Arheiden", also der jetzige
„Amheider Hof*, gewesen sei. Diese mich höchlichst interessirende
Notiz veranlasste mich, die Gegend genau zu durchforschen, sowie
ortskundige Lehrer und Förster zu beauftragen, sorgfältige Unter-
suchungen anzustellen, wo etwa diese „Arheider Castelle" gelegen
haben könnten. Man machte mich in Folge dessen auf einen Stein-
haufen auf der Waldkuppe gerade über dem Amheider Hof aufmerksam,
welche den Namen „Seestutz'' führt, während die am Fuss gelegenen
Wiesen die „Seewiesen** heissen, jedenfalls in Folge der ehemaligen
sumpfigen Beschaffenheit des Wiesenthals oder auch eines Sees, den
ehemals hier die Mümling gebildet haben kann. Diese Anhöhe „See-
stutz*' liegt dem Breuberg gerade gegenüber und beherrscht in Gemein-
schaft mit diesem die dasige Passage des Mümlingthales vollständig.
Desshalb hielt ich den erwähnten Steinhaufen auf dem Seestutz, wenn
auch nicht für die Trümmer eines Castells, so doch für die eines
römischen Wachtthurmes, für einen militärischen Posten, um der
Sache auf den Grund zu kommen, liess nun Herr Oberförster von
Kienle in Neustadt bei Gelegenheit einer Weganlage über den See-
stutz die Stelle in Gegenwart einer Anzahl von Alterthumsfreunden
des Odenwaldes aufgraben. Aber man fand nur ein Römergrab mit
1) Yergl. Simon, Geschichte der Dynasten und Grafen von Erbaoh und
ihres Landes. Seite 208.
2) Yergl. Knapp, röQi. Denkmäler des Odenwaldes §. 46.
104 Die röm. Befeatg. u. NiederlaBsungen zwischen Oliembtirg r. M. a. Neustadt i. 0.
aufgeschichteten Steinen bedeckt; im Innern des Grabes eine üme mit
Aschenresten, zwei römische Münzen und ein Steinwerkzeug, ganz wie
ich sie oben beschrieben liabe. Hiermit ist aber nicht ausgeschlossen,
daas die „Arheider Castelle" sich auf einer andern Stelle des See-
stutzes befunden haben ; denn das Plateau des Berges ist umfangreich
und können wohl die üeberreste der Oastelie an einer anderen StPÜe
im Waldgestrüpp verborgen sein. In unmittelbarster Nähe des „Arn-
heider Hofes", der gerade am Fuss des öeestutzes liegt, ist keine für
ein Castrum geeignete Localität oder irgend eine Spur eines Castrums
aufzufinden. Auch ist es unwahrscheinlich, dass die Römer am Ftisa
einer Anhöhe ein Castell anlegten, das von der Anhöhe herab so
leicht zu erstürmen gewesen wäre.
Wenn sich daher auf dem Seestutz kein Castell finden sollte, so
wäre eine andere Möglichkeit, dass die „Arheider Castelle" in Uaibach
eelbst gewesen seien; wenigstens ruht die dasige Capelle auf uralten
Substructionen. Indem die Frage nach der Lage der „Arheider Ca-
stelle" nach dem Gesagten vorerst eine offene bleiben muss, wenden
wir uns zu dem gegenüberliegenden Breuberg; die ältesten urkund-
lichen Benennungen sind um 1200: Bruberc; 1310: Prewberg; 1323:
Bruberg. Dieser imponirende Bergkegel zieht sich mit seinem Fuss
bis an die Mümling, so dass nur ein schmaler Zwischenraum vorhan-
den ist, auf dem das Städtchen Neustadt liegt. Dass die Römer diesen
vorspringenden Bergkegel, der nur nach der Nordseite hin mit dem
andern Gebirge zusammenhängt, zu einer Befestigung benutzt haben,
sei es zu einem Castell, sei es zu einem kleineren Wachtposten, ist
nicht zu bezweifeln. Vor zwanzig Jahren noch sah ich auf dem Breu-
berg auf einem niedrigen Manerreste an der östlichen Seite Ueber-
bleibsel eines römischen Wandgemäldes, das eine nackte Göttin vor-
stellte. Jetzt sind diese Reste verschwunden; dann fand man hier
einen der Fortuna gewidmeten römischen Votivstein von einem Sol-
daten der XXII. Legion errichtet ')i der aber nach der obigen Notiz
des Herrn Carl Christ von den Ausgrabungen hei den „Arheider Ca-
stellen" in der Nähe dahingebracht worden ist. Endlich findet sich
noch dort ein Altar desselben Fundortes, auf welchem in grober Sculp-
turarbeit mehrere Gottheiten dargestellt sind, vermuthlich Mercur
und Juno, die als Opferfrau dargestellt ist, und Mars und Minerva.
Doch fehlen Inschrift und sicher bestimmende Attribute. Der Stein
I) Tergl. Knapp, Bora. Denkmller im Odenwald.
Die rom. Befestig, n. Niederlassungen zwisoben Obernborg a. M. a. Neustadt i. 0. 105
ist 0,80 m hoch, 0,40 m breit, aus dem Sandstein der Oegend gear-
beitet; die Figuren sind verwittert und ziemlich unkenntlich. Auch
die Spuren eines römischen Bades will man auf dem Breuberg ge-
funden haben. Auch unten am Fusse des Breuberg auf der rechten
Seite der Mümling hat man schon vor längerer Zeit Spuren eines
römischen Gebäudes entdeckt. Ich bemerke noch, dass auf der hes-
sischen Generalstabskarte die römischen Alterthümer, Castelle, Wacht-
thürme, Gräber gar nicht, auf der baierischen höchst unzuverlässig
und willkürlich angegeben sind. Auch viele Angaben Walthers, dessen
Verdienste um die Geschichte der AlterthUmer der heidnischen Vor-
zeit im Grossherzogthum Hessen 0 ich sehr hochschätze, beruhen auf
Muthmassungen oder irrthümlichen Angaben incompetenter Bericht-
erstatter. So namentlich bei Unterscheidung römischer und germa-
nischer Gräber, die sehr schwierig ist und bei welcher ein Laie mit
dem besten Willen kein sicheres Urtheil abzugeben vermag. Indessen
ist die seinem Werke beigegebene Karte des Grossherzogthums Hessen
mit Bezeichnung der für Germanisches und Komisches Alterthum be-
deutenden Stellen, obwohl sie ganz auf den wenig zuverlässigen Ar-
beiten Arnd's fusst^) und natürlich die neueren Entdeckungen gar
nicht enthält, immer noch das Beste was man in dieser Beziehung hat.
Auf dieser Karte lässt sich die von mir beschriebene römische Ver-
bindungslinie zwischen dem Obemburger und Breuberger Castell ein-
tragen. Ihre muthmassliche weitere Richtung ging von dem rechten
Mfimlingufer nach Sandbach, wo Herr Pfarrer Bernhard in seinem
Garten in letztem Herbst zufällig in ziemlicher Tiefe auf ein altes
Pflaster stiess, das noch nicht näher untersucht ist, von hier nach
Höchst, Hummethroth nach dem zweiten bedeutenden Odenwaldcastell,
die „Hasselburg'S auf dem Hochplateau zwischen Gersprenz- und Müm-
lingthal an dem Kirchbeerfurter Schlösschen und Schaelbert vorüber,
um sich dann in ihrem weitem Verlauf von der Bergstrasse über
Pfungstadt, Trebur, Mainz zuzuwenden. Doch habe ich hiermit blos
die muthmassliche Bichtung angegeben, in welcher zunächst die aca-
demisch gebildeten und wissenschaftlich befähigten Alterthum sfreunde
des Mümling- und Gersprenzthales, wozu ich besonders meine Herrn
Amtsbrüder in Sandbach, Rimhom, Höchst, Brensbach zähle, weiter
zu forschen haben. Denn so erfreulich es ist, dass in den letzten Jah-
1) Yergl. Waltber, die Alterthümer der beidniscben Vorzeit etc.
2) Yergl. die recbtsmainisohe Limesforscbong von Dr. Albert Dank er,
Annalen für Nassauer Alterthomskonde XV, Seite 206 ff.
1
lOG Dieröm. Befestig. ii.Niederlasaaogen iwischenObernbnrga.M. u. Neustadt i.O.
ren die Erforschung der Altcrthümer des Odeuwaldes eifrige Förderer
und Freunde gewonnen hat, so ist doch ein einheitliches Zusammen-
wirken nach einem bestimmten Plan nicht genug zu empfehlen, weil
sonst der Eifer in ein planloses Herumwühlen der vorhandenen Altcr-
thümer ausartet, ohne, wie bisher, irgend welches andere Resultat, als
höchstens einige sich bald wieder zerstreuende Fundstücke zu ergeben.
Demnächst hoffe ich die Beschreibung der Römerstrasse Obern-
burg-Mudau. resp. des Stückchens Seckmauern - Lützelbach mit einer
Reihe neuer Ergebnisse fortsetzen zu können ').
Seckmauern i. 0. Seeger, Pfarrer.
1) Nach AbBendnog obiger Arbeit fand der Verfusaer im Heft 50 und Bl
S. 290 fF. die Besprechung einer Steiuaxt aus Jado ale rBmiachen Alterthum, von
Herrn Geh.-Rath Schaaffhausen, an deren ScUIubs Stein Werkzeugen dieser
Art derselbe Zweck beigelegt wird, den ich den von mir tbeila in thoils nahe
bei röm. Niederlaaaungen gefandenen SteinwerkEeugen beigelegt und mit dea
betroffenden Stellen aus Livius begründet habe. Ich bemerke auadrücklicb, daM
iah vollatändig unabbäjigig von der böcbat iutereBaanten Besprechung dea Remi
Geb. Rath SohBaffhauBon obige Hypothese aufgeatellt habe und finde ihre
Wahrscheinlichkeit durch die Mittheilungen Schaaffbaiiaona zu meiner Ueber-
raecbung wesentlich veratärkt. Der Uuteracbied iu der Grösse durfte den Zweck
dieser Steinwerkzuuge nicht nlteriren, da ein namentlicfa niitlelet eines ange-
fügttrn Stieta ausgeführter, scbnungbefter Schlag hinreichte, den Schädel eines
Opfertbieroa zu zertrQmmern.
Hierzu bemerkt der Önterzei ebnete, dasa er nicht nur im Jahre 1871 an
der oben bezeichneten Stalle Aber den Oabraucb der alten Steingeräthe zu Cul-
tuBEwecken eine Mittheilung gemacht hat, sondern bei veracbiedenen Gelegen-
heiten auf diesen Gegenstand zurückgekommen ist. so in dem Berichte ober die
Anthropologen-Veraamralung in Stuttgart, 1872, S. 44, im Archiv fSr Anthro-
pologie VHl, 1875, S. 255 und in den Jahrb. dea Tereios von Alterlhuma freun-
den Heft LVn, 1876 S, 152. Hier ist auf zahlreiche Seh rif täte llen der Alten
hingewiesen, auf Livius I 2*, IX. 6, XXI 46, XXXIII 43, Festus 115. Plautua,
Miles 1414. Bericht über die Anthropol.-Veraammlung in ConsUnz 1877. S. HO.
Die Annahme, daas alle Stein Werkzeuge, die in der Nahe römischer Lager ge-
funden werden, eolehem Zwecke gedient haben, ist zu weitgehend, da sie vor
dem Gebrauch der Metalle bei allen Völkern die gewöhnlichen Geräthe für alle
möglichen Verrichtungen des Menschen waren und als solche auch in späterer
Zeit noch lange in Gebrauch blieben. Doch mögen sie, als im gewöhnlichen
Leben das Steinwerkzeug längst verdrängt war, aus alter Verehrung noch zu
religiösen Gebräuoben gedient haben. Das iat für die aas werthvollem Mineral
gefertigten besonders wahrscheinlich.
H. Scbaaffhaueen.
KusBtafel des Meisters Anton Eisenhnth. 107
II. Kusstafel des Meisters Anton Eisenhuth.
Hierzu Taf. VII und VIII.
Wohl selten ist ein alter, plötzlich bekannt gewordener Künstler
so schnell und unbestritten an seinen gebührenden Platz in derKunstr
geschichte gelangt als der 1554 geborene Goldschmied Anton Eisen-
huth aus Warburg. Es war und bleibt das Verdienst der Ausstel-
lung westfälischer Alterthümer und Eunsterzeugnisse zu MUnster vom
Jahre 1879, durch die Hervorsuchung seiner Silberarbeiten aus der
Gräflich Fürstenberg'schen Schatzkammer zu Schloss Herdringen, die-
sen grossen, unbekannt gewordenen deutschen Meister der Welt wieder
gegeben zu haben. Die in Münster ausgestellten 6 Werke: die grossen
Buchdeckel des Pontificale romanum und des Eölner Missale von 1582
und 84; das Krucifix von 1589; der Kelch von 1588; der Weihwasser-
kessel mit Sprengwedel; endlich das Rauchfass — von denen Eelch, Kru-
cifix und Kessel mit dem Namen des Meisters bezeichnet sind — wurden
sofort von Münster aus durch photographische Nachbildungen bekannt
gemacht. Wenige Monate später fanden sie am Winkelmannsfeste 1879
zu Bonn durch mich, und zugleich in diesen Jahrbüchern Heft 67 S. 137
ff. durch J. B. Nordhoff eingehende Besprochung. Julius Lessing's
Monographie: „Die Silberarbeiten von Anton Eisen holt mit 14 Licht-
drucktafeln'' und die in reicherer Zahl wiederholte Vorführung der
Eisenhuth'schen Werke auf der Ausstellung Kunstgewerblicher Alter-
thümer im vorigen Jahre zu Düsseldorf hat ihre Kenntniss fast zum
Gemeingut in Deutschland gemacht und zahlreiche weitere Besprechun-
gen hervorgerufen, die Nord ho ff- in seinem IL Artikel über Meister
Eisenhuth im 70. Jahrbuch S. 113 registrirt.
Die kirchlichen Geräthe Meister Eisenhuth 's aus der Schatz-
kammer zu Herdringen befanden sich ehemals in der Capelle des
Schlosses auf dem Schnellenberge, das Caspar von Fürstenberg erbaute 0.
Sein Bruder Theodor, der Fürstbischof von Paderborn, stattete die
Schlosscapelle mit künstlerischem Schmucke aus. Theodor von Für-
stenberg, 1546 geboren und 1618 gestorben, wurde 1585 zum Bischof
1) Pieler, Leben and^^rken Caapar von Fürstenberg's. Paderborn 1878.
S. 166.
n
lOB Kueatafcl 3cb MetsteiB Anton Eiaenhnth.
von Paderborn gewählt und. iri89 consecrirt. Die Capelle trug die
Inschrift: Theodorus episcopus Paderbornensis hoc Sacellum S. Geor-
gto sacrum in Dei et familiae . . honorem suis impensis conatrui et
ornari liberahtor fecit a. d, 1600 lubilaeo . . .
Ziehen wir nun in Betracht, dags vorgenannte Silberwerke kirch-
licher Zweckbestimmung angehören, dass die meisten durch das Wap-
pen des Fürstbischofs Theodor als Tür diesen bestimmt gekennzeichnet
sind, so wird man der Annahme die Berechtigung nicht abstreiten
können, dasa sie schon von ihrem Stifter für die SchlosscapeDe von
Schnellenberg, in welcher sie späterhin sich befanden, bestimmt waren.
Es ist aber aus den Tagebilcbern Caspar von Fiirsteuberg'a ra^
sichtlicb, dass Meister Eisenhuth für ihn in den Jahren 1595 — 98
noch mannigfache andere kostbare Gold- und Silberarbeiten, Becher,
Schalen, einen Adler-Pokal u. s. w. verfertigte, welche Werke bis da-
hin leider nicht nachweisbar sind, angeblich weil der Fürstenberg'sche
Silberschatz im vorigen Jahrhundert bestohlen wurde. Vielleicht aber
auch theilweise noch aus einem andern Grunde.
Der 1835 gestorbene Keichsfreiherr Friedrich Leopold von Für-
Btenberg hatte 14 Kinder, welche, mit Ausnahme des Erstgeborenen, nach
der Natur des Haupt Vermögens als Majorat mit einer bescheideneren
Lebenslage hätten zufrieden sein müssen. Der für die angemessene
Stelluag seiner Kinder voraorgende Vater bestimmte aber, dass ein
einbringlicher Gflter-Complex für jeden seiner Söhne beschafft wurde,
und so sehen wir diese denn bald, nach letztern benannt, als die Reichs-
freiherren von Füratenberg-Heiligenhoven, von Fürstenberg -Cörtling-
hausen, von Fürstenberg-Eggeringhausen, von Fürstenberg-Borbeck,
von Fürstenberg -Muffendorf, von Pürstenberg zu Liedberg und Lörs-
feld erscheinen. Dass die so reichlich ausgestatteten Söhne nicht auch
das eine oder andere Kleinod aus dem Familienschatz erhalten haben
sollten, wird Niemand an und für sich unwahrscheinlich finden. Es wird
kaum bestreitbar bleiben, wenn wir im Besitz des Reichsfreiherm von
Fiirstenberg-Muffendorf das kostbar gefasste goldene Medaillon mit dem
Brnstbilde des Fürstbischofs Theodor; als Erbgut des Reicbsfreifaerrn
von Fürstenberg-Lörsfeld jene silber-vergoldete Kusstafel unserer Ab-
bildung sehen, die seit ihrer Ausstellung in Düsseldorf als ein weiteres
Prachtstück des Capellenschatzes von Schlosa Schnellenberg gilt. Im
Jahre 1868 hat bereits der Architect Lange davon im Organ für christ-
liche Kunst (Nr. 7) eine Abbildung gegeben, freilich ohne ihren Zu-
sammenhang mit dem Meister Eisenhnth zu kennen. Lessing deutete
Kusstafel des Meisters Anton Eisenhath. 109
diesen an, das Werk selbst blieb aber auch ihm fremd. Freiherr
von Ffirstenberg-Lörsfeld war im Jahre 1879 gestorben. Sein nun-
mehr leider auch schon verblichener Bruder, Freiherr von Fürsten-
berg-Muffendorf unterzog sich auf meinen Wunsch in verbindlichster
Weise der Mühe, das Kleinod in Lörsfeld zu suchen, um es mir für
die Düsseldorfer Ausstellung anzuvertrauen.
Wie die Wiedergabe der Rückseite der Kusstafel auf Taf. V zeigt,
nimmt die Mitte derselben der Bevers einer auf den Fürstbischof Theo-
dor geschlagenen Medaille ein, welcher das Wappenschild und rund
herum die Umschrift trägt: Theodorus d(ei) g(ratia) £lect(us) et con-
firm(atus) Eccles(iae) Paderb(omensi8) *). In ähnlicher Weise trägt
auf seiner Bückseite auch das Altarkreuz (Nr. 651b des Ausst.-Cata-
logs, 2. Aufl.) den Avers dieser Medaille in ovaler Form mit dem Por-
trait des Fürstbischofs und der gleichen Umschrift. In Silber und klei-
ner befindet sich innen am Fusse des Kelches (Nr. 586) als Schluss
der Schraube, welche Kuppe und Fuss verbindet, wiederum mit glei-
cher Umschrift derselbe Bevers. Aber wir besitzen auch diese in Form
und Material variirt^ Medaille in einem einzelnen vollständigen Gold-
Exemplar, das im Av. das Brustbild des Grafen Theodor ohne Abzeichen
geistlicher Tracht und Würde mit der oben angeführten Umschrift :
Theodorus d. g. Elect. et Confirmat Eccle. Pader. zeigt; im Bevers
das Wappen mit den Worten: Concordia insuperabilis 1580. Eine
Abbildung des in zierlich durchbrochener mit kleinen Edelsteinen ge-
schmückten Umrahmung befindlichen Medaillons befindet sich in der
Photographie -Sammlung der Düsseldorfer Ausstellung*). Der Fürst-
bischof erscheint hier als ein bärtiger markiger Herr, eine mächtige
Persönlichkeit in weltlicher Tracht mit breiter Halskrause und goldener
Kette.
Wichtiger und beweisender für die Annahme, dass auch die Kuss-
tafel der Werkstatt Anton Eisenhuth's entstamme, darf die Wahrneh-
mung gelten, wonach wir jenes in vollendeter Weise getriebene Medusen-
haupt, welches auf der ßückseite der Kusstafel als Abschluss über
der Handhabe mächtig hervortritt und hier als Seraphim gedacht sein
mag, in unveränderter gleicher Form als Zierstück an den 4 Ecken
des Deckels des Liber Pontificale wiederfinden.
1) Die MedaiUe ist nur auf einer Seite geprägt oder dorcbechnitten, indem
ihr der Ayers fehlt.
2) Nr. 76 des Yerzeiohnisses dieser Photographien u. Nr. 651c des Gatalogs.
110 KuBstafäl des MeistcrB Anton EiBenhulh.
Das Werk selbst ist eigenartig. Seine am Fuss befiodlicbe In-
schrift charaktei'isirt den Zweck der den Gläubigen zur Verehrung
durch des Kus» hingebaltenen Tafel:
Da pacem domini in diebus nostris.
Raum für die zu verehrende Reliquie gewährt der Itmenrautn,
welcher auf der Rückseite gleichsam als kleine Lade dadurch ausge-
bildet ist, dasa der in schwungvoller Ornamentation giavirte Deckel
an drei Seiten von einer Schragleiste emporgehoben wird. Die Me-
dusa bildet als Wächterin des heiligen Inhaltes den obern Äbschluss.
Eine in mächtiger breiter Haltung etwas nach links gewendete
Dischofsfigur von kräftig vortretendem Relief, auf monumentalem Throne,
bildet den Schmuck der Vorderseite. Die grossen Initialen S. L, auf
den Wangen des Thrones deuten uns an, dass dieser KirchenfUrst der
heilige Libori US, der Patron des Domes von Paderborn, dessen Gebeine
seit 836 dort ruhen, und von welchen wahrscheinlich eine Partikel den
Inhalt der rückseitigen Kapsel bildete, sein soll.
Anstatt den heiligen Pischof nach dorn strengern, altern kirch-
lichen Typus mit seinen Attributen, dem Pfau und einem mit kleiaen
Steinen belegten Buche darzustellen, verläast der vom Triebe freien
Schaffens durchwehte Künstler die alte Tradition, und gibt uns aus
der Prunk-Anschauung des 16. Jahrhunderts einen in monumentaler
Thron-Nische dasitzenden Bischof, der in der Linken den Hirtenstab,
das Abzeichen seiner Würde haltend, die Rechte zum Segnen der unter-
halb gedachten knieenden Menge vorstreckt. Zwei in kecker Haltung
seitlich auf den Wangen des Thrones knieende Knaben tragen Bauner
empor, welche durch geschliffene Edelsteine ausgefüllt werden.
Die reiche Renaisaance-Architectnr des Thrones wird unterhalb
durch eine Console abgeschlossen, welche mit drei kostbaren Edel-
steinen, in der Mitte einen blaueu Saphir, seillich zwei grünen Sma-
ragden geschmückt ist; oberhalb durch gothisirende Fialen bekrönt,
von denen leider mehrere ihrer Spitzen beraubt sind.
Das ganze mit künstlerischer Empfindung entworfene, mit virtuo-
ser Technik ausgeführte Werk spiegelt in seiner Erscheinung jene
l) AU hiatoriBoha Notiz für die Vorekern Meister Aoton'a mag hier an-
gefügt werdet!, dass am Scblusse eines DefenBorium inviolalae virginitatis b.
Mariae Virg. der Herzogl. Bibliothek iu Gotba »ich als Drucker nennt: Johannea
eysauhut irapressor anoo ab incarnaoois dnico M" quadrigeotesimo septnagesimo
P. Vergl. Fr. Jacobs und F. Ä. Dkert, Beiträge /.ur altern Lilteratur, oder Merk-
würdigkeit d. herzogl. offentl. Bibliothek zu Gotha. 3 Bde. 183ö— 43. L S. 103.
KuBstafel des Meisten Anton Eisenhuth. 111
Prachtentfaltung wieder, mit welcher im 16. Jahrhundert die Eirchen-
fürsten bei hohen Festen erscheinen, in der sie auf ihren Bildern und
auf ihren Grabmälern uns entgegentreten. Nicht ohne Berechtigung
lässt sich auch wohl sagen, dass das künstlerische Motiv der Anordnung
dem Darstellungskreise entspringt, den Michel -Angelo's Propheten und
Sibyllen der sixtinischen Gapelle inspirirten und in Schwung brachten.
Die Beibehaltung der noch gothisirenden oberen Architecturtheile
früherer Renaissance neben der freien malerischen Behandlung des Figür-
lichen bilden hier dieselbe Mischung zeitlich verschiedener Formgebung
wie bei dem Crucifix des Meisters, das ebenfalls nach der Stilverschie-
denheit von Fuss und Kreuz in zwei ungleiche Hälften sich zerlegte,
die aber, wie hier, in wohlthueuden Einklang gebracht sind.
Gemeinsam ist allen übrigen Silberarbeiten Eisenhuth*s, und ihr
charakteristisches Merkmal, das wenig hervortretende, flache, an die
Th'ätigkeit des Kupferstechers erinnernde Relief. In vollem Gegen-
satz hierzu steht die Vorderseite der Kusstafel. Markig und flott
treten die Figuren, fast in voller Rundung aus der Bildfläche heraus.
Die Kusstafel kennzeichnet desshalb eine vorgeschrittenere Entwicklungs-
stufe und düiite die späteste der bisher bekannt gewordenen Arbeiten
des im Jahre 1604 noch lebenden Meisters sein.
E. aus'm Weerth.
II. LHteratiir.
1. Mittelalterliche Ordensbauteo in Mainz. Die KiroBen der
Dominikaner uod Kurmeliten. Von Friedrich Schneider. Mainz,
Druck von Joh. Falk III, 1879. i a. 28 S. Imp.-4 nebst 5 Steindrack-
tafeto.
Der für gründliche Erforschung der Mainzer Kuastalterthünier aner-
müdlicli und erfolgreich thätigo Terfnsacr hat die hier angeEeigte Schrift
iu aogetnesaen würdiger Ausstattung vöroffentlicht zur Feier der 50. Ver-
sammlung des geselligen Vereins der Architekten und Ingesieure in Mainz,
um dadurch zwei gothisohe Baudenkmaie, d.is jetzt spurlos Tersch wunderte
Dominikauerkloator und die zwar noch vorhandene, aber tranrig verödete
Karmeliterkirche, wenigstens durch Zeicbnnn;,' und Beschreibung zu erhalten
und zu Ehren zu bringen.
In der Einleitung wird die wunderbar schnelle Verbreitung der bei-
den grossen Bettelorden in den deutschen Städten während des 13. Jahrh.
besprochen und mit Recht aus dem geistlichen Bedürfnisse der damaligen
Zeit genügend erklärt. Wenn es aber S. 2 heisst, die neuen Orden seien
überall von den Bürgerschaften mit offenen Armen empfangen worden, so
ist dies nur mit gewissen Einschr&nkangea zu bestätigen. Von den Frau-
ciskanern ist es bekannt, dass die ersten Versuche, die sie auf deutschem
Boden machten, durch das Ungeschick ihrer Sendlinge gänzlich fehl schlu-
gen (Wadding, Annales Minomm ad a. 1216), und nachher scheinen
es aus erklärlichen Gründen mehr die auf die bischöfliche Macht eifer-
süchtigen Fürsten gewesen zu sein, welche die von derselben eximirten
Minderen Brüder in Schutz nahmen und deren Ansiedlnngen in den Städten
begünstigten. Die Gründungsgeschichte der Klöster ist allerdings nur sel-
ten bekannt; aber z. B. in der thüringischen Reichsstadt Mühlbausen wurde
im J. 123 1 der Orden laut einer monumentalen Urkuiide von König Hein-
rich III. aufgenommen '), und in Berlin waren es die Markgrafen Otto und
Albert, die „erga ordinem specitUi devotione perfytoW 1271 den neben ihrer
1) Inichrift an der Barfüsserkirche zum heil. Kreuz: Anno dni. 1231 ftalteB
bic reoepti sunt a rege Henrioo eto.
Mittelalterliche Ordensbauten in Mainz. 113
Burg belegenen Bauplatz zum Kloster gnädigst verliehen, aber der Bau
kam erst dadurch recht in Gang, dass ein adliger Ritter 1290 den Brü-
dern eine Ziegelei schenkte*); von einer Betheiligung der Bürgerschaft
verlautet nichts. — Die Dominikaner hatten von vom herein einen mehr
aristokratischen Zug, und da das Stadtregiment im 13. Jahrh. noch aus-
schliesslich in der Hand der Geschlechter lag, so waren meist reiche Pa-
tricier Förderer des Ordens ; wie in Mainz selbst, so auch in Erfurt, Mühl-
hausen und anderwärts. In Thüringen gelang es dem 1227 zu Paris in
den Orden getretenen Grafen Elger von Hohnstein durch seine trefiPlichen
Eigenschaften und seine erbarmende Liebe allerdings das Volk zu begei-
stem^ welches zu dem von den Mönchen eigenhändig betriebenen Bau des in
Erfurt 1229 gegründeten Klosters so zahlreich herbeiströmte, dass man keiner
gedungenen Arbeiter weiter bedurfte; andrerseits wusste er aber auch die
Landgrafen Heinrich Raspe und Konrad zu bestimmen, dass sie ihre Stif-
tung in Eisenach dem Orden übergaben*). — Obgleich es nicht zu be-
streiten ist, dass sich die Mendicanten ursprünglich als ein Salz der Erde
erwiesen und sich deshalb die Gunst des Volkes erwarben, so war doch
ihre Stellung als Nebenpastoren für die kirchliche Ordnung von vorn herein
bedenklich und schädlich^).
Femer handelt die Einleitung (S. 3 — 5) von den besonderen Eigen-
thümlichkeiten der Mendicantenbauten, die sich im allgemeinen als Reduc-
tionen des Kirchengrundrisses und als Vereinfachungen der Detailformen
charakterisiren. Frontal thürme, die ein Privilegium der Stifts- und Pfarr-
kirchen waren, mussten sie sich versagen, und die Anlage eines Quer-
schiffes gaben sie als unpraktisch für ihre Volkskircben auf. Unbeküm-
mert schliesslich um den künstlerischen Werth ihrer Bauten, richteten sie
sich ganz nach den ihnen oft nur spärlich zu Gebote stehenden Mitteln.
Kirchen mit nur einem Seitenschiffe, Hallenkirchen, die auf der Kanzelseite
eine hohe fensterlose Mauer haben, entsprachen zwar völlig den Ordens-
bedürfnisseu; vertragen sich aber nicht mit den ästhetischen Anforderungen
der Baukunst. Einschiffige Kirchen, wie die der Franciskaner in Zeitz,
wo (wie oft) der Brüderchor die unmittelbare Fortsetzung des für das
Volk bestimmten Raumes bildet, leiden im Aeusseren an Monotonie der
1) Vergl. Ku gl er, Kl. Schriften I, 103.
2) Vergl. Gebhardt, Thüring. Kirchengeschichto (1880) 1, 17G ff.
3) So kam es z. B. im J. 1319 in der Altstädtischen Pfarrkirche S. Bla-
sien zu Mühlhausen in Tb. bei Gelegenheit eines Begräbnisses an der Leicben-
bahre zu einer argen Schlägerei zwischen der dem Deutschen Orden angehörigen
Pfarrgeistlichkeit und den das Begräbniss beanspruchenden Dominikanern, welche
in dem daraus entstandenen Rechtsstreite mit ihren Ansprüchen von dem geist-
lichen Gerichte abgewiesen wurden. Vergl. Herquet, Kristan von Mühlhansen
(1874) S. 51.
8
114 Mitteialterliohe Ordensbauten in Mains.
langen Seitenansicht und im Inneren an dem MissrerhAltiilss dar goringmi
Breite zar übermässigen Länge (1 : S'/a)* Andrerseits jedooh bei reidi-
lieber fiiessenden Mitteln verstand man anob sebr wobl bfiberen AnsprOdien
gerecbt za werden. Wenn es ancb einigermaassen zweifelhaft er^eheiiiaii
mag, ob der dem Albertus Magnus zugeeobriebene Gbor der aliemal^m
Dominikanerkircbe in Cöln wirkliob dem dortigen Domohor im klainan
nachgebildet, also mit einem sich sonst in den ffirohen der Bettelar3«B
(wenigstens in Deutschland) nicht findenden Umgange Tersehao war, so
bot doch der bei den m&rkiscben Franciskanern beliebte freie weifaftonige^
über die Seitenwände des Langchores hinaustretende Sohluss ana 7 Baten
des Zehnecks (in Berlin, Brandenburg und Salswedel) eisen ebenso ■ehflnen
wie angemessenen Ersatz. Strebepfeiler fehlen allerdings auweileii oder eiei
sind nach innen gezogen, aber andrerseits fanden doch sogar die in DeatMsk-
land seltenen Strebebdgen Anwendung, s. B. bei den Minoriten in Gflio
und an der Katharinenkirche desselben Ordens in Lübeck| die sogar mit
einem zweischiffigen Transsept (ohne vorspringende Arme) und einem in
zwei Etagen getheilten Chor ausgestattet erscheint, obwohl das baaiHkmJe
Schiff (w^en des beschränkten Bauplatzes) ganz unsymmetrisch eutwurfan
ist. — Was endlich die an der Dominikanerkirche in R^gensbnrg nurat
▼on Y. Quast hervorgehobene sogen. Yorwegnahme späterer, d. h. ver-
einfachter Detailformen anbetrifft, do findet sich nach demselben Gewihra*
mann (D. Eunstbl. 1852 S. 217) ähnliches doch auch nicht bloss in dein
dortigen Dome, wo ein Gemisch alterthümlicher, entwickelterer und bereite
den Verfall ankündigender Formen das ganze Bauwerk durchseht» eondem.
auch in dem frühgotbischen Chor des Domes von Magdeburg, wo cBe ver-
schiedenartigsten Bildungen im buntesten Wechsel durobeinandergeworftn
erscheinen, ohne dass dabei eine Art der biBtorischen Ausbildung der For-
men zu erkennen wäre^).
S. 6 — 15 der besprochenen Schrift ist von dem Kloster der Domini-
kaner in Mainz die Rede. Sie sollen zwar schon 1234 daselbst aufgetreten
sein, der Bau des Klosters kam aber erst 1251 durch die thatkräfUge
Unterstützung des reichen Patriciers Arnold Walpod zu Stande, und die
Grundsteinlegung und Weihe der ersten kleinen Kirche fand 1257 statt.
Als es später 1269 den Brüdern gelangen war, unter Begünstigung der
Bürgerschaft von dem Erzbischof eine Erweiterung des Bauplatzes zu er-
langeu; den sie 1275 durch Ankauf eines Grundstückes noch zu vergrds-
Sern genötbigt waren, schritten sie zur Errichtung einer weiträumigeren
Kirche, die zwar 1281 uud 82 schon im Gebrauche, aber noch unvollendet
war. Im J. 1289 handelte es sich anscheinend nur noch um die innere
Ausstattung derselben. Der Bau, dem schon frühzeitig eine neue Kapelle
1) Yergl V. Quast in der Zeitschrift für Archäologie undKanst I, S. 220.
Mittelalterliche Ordensbauten in Mainz. 115
.und später noch eine Marienkapelle hinzugefügt worden war, erlitt 1462 bei
der Niederwerfung der Stadt durch Adolf Yon Nassau beträchtlichen Brand-
schaden: Die Dächer, der Thurm mit den Glocken, die Sacristei, die Sei-
tenschiffe etc. wurden zerstört, und die Herstellung war nach vier Jahren
noch nicht beendigt. Die Zahl der Mönche war schon damals sehr zu-
sammengeschmolzen, und das Kloster ging allmählich seiner Auflösung ent-
gegen, die allerdings erst 1789 ausgesprochen wurde. Die Gebäude wur-
den nun zu kirchlichen Verwaltungszwecken bestimmt, aber die Beschies-
sung der Stadt bei der Belagerung von 1793 verwandelte sie in Ruinen,
welche erst im letzten Jahrzehnt gänzlich beseitigt wurden. Nach der
Aufhebung des Klosters fanden Aufnahmen der Baulichkeiten statt, wel-
chen die der Schrift des Herrn Schneider beigegebenen beiden Grundriss-
tafeln (denen leider ein Maassstab fehlt) entnommen sind, und eine ausser-
dem hinzugefügte Doppeltafel, nach einem im Kupferstichcabinet zu Darm-
stadt befindlichen, nach der Beschiessung gemalten Aquarell, zeigt eine
malerische Ansicht der Kirchenruine. Aus diesen Zeichnungen, die freilich
vollständigen Aufschluss über den architektonischen Aufbau nicht geben,
ersieht man, dass die Kirche, wie viele der Bettelorden, kein symme-
trischer Bau war, wobei es unbestimmt bleibt, inwiefern einzelne der vor-
handenen Unregelmässigkeiten erst späteren Veränderungen und nament-
lich den Herstellungsarbeiten nach dem Brande von 1462 beizumessen wa-
reb. Sie bestand aus einem ziemlich quadratischen basilikalen 5 Joche
langen Schiff und dem älteren 7 Joche langen und fünfseitig geschlossenen
Chor von der Breite des Mittelschiffes, dessen südliches Seitenschiff sich
längs des Chores als eine besondere, anscheinend zweigeschossige') Kapelle
fortsetzte und östlich mit einem Polygonschlusse versehen war. Die breiten
Arkadenpfeiler des Schiffes waren schlicht rechteckig mit abgeschmiegten
Ecken, und die Scheidbögen stellten sich demgemäss als einfache Mauer-
ausschnitte dar. Die Gurte der Kreuzgewölbe setzten im Chore auf Con-
solen auf und hatten im Schiffe herablaufende rechteckige Träger. Sämmt-
liche Fenster waren zweitheilig, nur die Westfront zeichnete sich durch ein
viertheiliges Fenster über dem Hauptportal und zwei dreitheilige Fenster
in den Stirnwänden der Seitenschiffe aus; die Maasswerkfüllung bestand aus
einfachen Rosetten. Der hohe Chor hatte pultförmig abgedeckte Strebe-
pfeiler, das Schiff war nur an der Westseite mit Strebepfeilern besetzt.
Beim Abbruch der Kirche fand sich, dass die Fundamente, die 5 m unter
die jetzige Strassenlage hinabreichten, auf rauh gemauerten Pfeilern mit
Grundbögen in Spitzbogenform aufsetzten und theils auf Grundmauern von
römischer Technik, theils auf älterem mittelalterlichen Gemäuer basirten.
1) Darauf scheint die (jedenfalls später) in dem Polygonschlusse einge-
richtete Treppe von 20 und mehr Stufen hinzudeuten.
116
Mittelalterliche Ordensbaaten in Mains.
Die Elostergebände lagen auf der Nordseite der Kirche, und der groas*
angelegte« aber nicht überwölbte, ans 4 Flügeln bestehende Krensgang
lehnte sich an den Langchor derselben.
Die Kanneliterliterkirche, von welcher der letate Abschnitt dar Schrift
(S. 16 — 23) handelt, ist bereits aus der von Lots, Knnsttopograpliie 2,
159 gegebenen Beschreibong bekannt« Letetere findet in den Ton Bohnei-
der gegebenen 2 Tafeln (Gnindriss and L&ngendnrchsohnitt) dne will-
kommene Erläuterung und wird dahin berichtigt, dass die eigoithflmliolie
Anlage der Altamische keineswegs im Gänsen ein sp&terer Zusats. ist, aoo*
dem im vor. Jahrh. nur in ihren oberen TheUen eine YerSndflmng er-
fahren hat.
Die letsten Seiten (24 — 28) enthalten Anmerknngoi und IiterarfMlie
Belege.
Merseburg. Dr. theol. H. Otte.
IIL Hiscellen.
1. Album der Berliner Prähistorischen Ausstellung. Das
von Herrn Dr. A. Voss herausgegebene Photographische Album der Aus-
stellung prähistorischer und anthropologischer Funde Deutschlands in Ori-
ginal-Aufnahmen von Carl Güntzer, Berlin 1880, ist eine vortreffliche
Ergänzung des von demselben Verfasser schon bei Eröffnung der Ausstel-
lung fertiggestellten umfangreichen Eataloges der Ausstellung, dem später
noch ein Supplement folgte. Das vortrefflich ausgestattete und inhaltreiche
Album erfreute sich des allgemeinen und verdienten Beifalls, indem wohl
noch niemals so viele bedeutende Funde aus den verschiedensten deutschen
Ländern in einem Werice zusammengestellt waren. Wenn aber das Album
auf seinen 168 Tafeln eine Uebersicht der gesammten deutschen Alter-
thumsfunde aus prähistorischer Zeit geben wollte, wie sie thatsächlich in
der Ausstellung selbst dargeboten war, so hätte vielleicht eine gleichmäs-
sigere Berücksichtigung der einzelnen deutschen Länder stattfinden können.
Jedenfalls ist es zu tadeln, wenn zwei preussische Provinzen, in denen die
Alterthumsforschung stets eine ganz besondere Pflege gefunden hat, in dem
Album gänzlich fehlen. Dasselbe umfasst folgende 8 Lectionen: I. Ost-
und Westpreussen, II. und III. Pommern und Rügen, IV. Posen, Schlesien,
Brandenburg, Anhalt, V. Mecklenburg, Lübeck, Schleswig -Holstein, Ham-
burg, Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Waldeck, VI. Provinz Sachsen,
Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen, Sachsen- Weimar, Königreich Sachsen,
Schwarzburg- Rudolstadt, Reuss j. L., VII. Hessen - Nassau, Hessen Darm-
stadt, Baden, Würtemberg, VIII. Bayern. Wo sind Rheinland und West-
falen? Der Katalog der Ausstellung weist auf S. 499 — 508 zahlreiche
Funde aus der Rheinprovinz auf und aufS. 594— 599 solche aus Westfalen,
auch waren viele darunter, welche noch nicht veröffentlicht sind. War
auch eine grosse Zahl bemerkenswerther Funde aus rheinischen Sammlun-
gen damals in Düsseldorf ausgestellt, so gab es deren doch auch in der
Berliner Ausstellung noch genug, um einige Tafeln des Albums damit zu
schmücken. Seh.
2. Alfter (Kr. Bonn). An dem Feldwege von Alfter nach Drans-
dorf wurden im Februar dieses Jahres in der Kiesgrube des Ackererg
Johann Weber in einer Tiefe von 2 Meter ein Bleisarg von 2 m Länge,
tlH
MifedleB.
AO am Ilrdi« und 85 cm Höhe gefonden, in wekbem rieh dia
•liiifff HknUiin, von d«n liekftnntan kleinen Mithnt-Sjmbolaii la
die I#eli«r nnd die Wege, eine 88 cm hohe Glae- Phiole nüft mnk-
lienlier von eoiiwerNgeArbtem Thon, eine kleine Btteheo v«m ir«iffilMPt
und folgewle 10 rAmlMcbe Knpfermünsen fanden:
Aniooinii« IMus. 0. E. R. COS III. Kaieer im Yiergeepaan.
AnlonInttN IMus. G. E. R. JngendL Mai« ÄwetL
M. Aurel M. E.
l*uplonuN, Antonlntan. R. Patree senatna.
flattlemiN. K. K. K. Dianae eoni. ang.
TntrlmiN pater nnd flline, inaammen 6 Stflok.
ViotnrinuN. K. E. R. orlena« ang.
Aurelian. K. K. R. orieni. ang.
B«v«rina. R« Oonoordlae militnm.
Prtaiui. K. K. 4 Stflok» R. Fidee militnm. laetitia ang. S BMnk,
i(^mp. felioit
gntnUUni« K. K«
TavUiMk K. K. R. Spea pnblioal
l>leee QtugtmatAnde gdangtan, mit Anenahne tob 8
da« bieei|[« lVw)naial*Muaeum. Frtther wurden an der
Ahhanf« dte alt«n Kh<^inb•tt•e befindlichen Stella aAon S
HlM^bltK in diMien eich H^m« Limpeben und Ola^^eftaM
A«aVi WMrtlu
lU^nn. IM d^^m Ran «nee nenen Hinaee In
hih) awar an UfNr »ildUob^n GdN» wekbe dieeelbe mit der
»tiv*'^«* ViW«»! vKij:ft»thÄtt>er i*t Herr $*iWnn*L*t.pr EnireleV ftnd
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X> < ■ « ,Vt- v,.t. :kJ\;v<1 j;v:l -WO^jr-i.'IJTS 3t r.-'C i» Urt itfC
TB
MiscelleD. 119
ben waren stets 4 Thongefässe gestellt. Als bemerkenswerth sind 2
Fragmente von Grabsteinen zu erwähnen. Das eine bildet das Mittel-
stuck einer männlichen Figur; das andere den Obertheil eines Grab-
steins. In einem mittleren Medaillon sieht man das Brustbild des ju-
gendlich Verstorbenen, darüber die Buchstaben D(iis) M(anibus), darunter
das Wort VICTORIäl, seitlich eine Hacke.
Aus'm Weerth.
3. Alken, Er. St. Goar. In der alten Kirche befindet sich ein
Epitaph, welches den Aufsatz des linken Seiten-Altars bildete und nicht in
die neue Kirche übertragen wurde. Es ist eine kleinfigurige Steinarbeit in
edlem Renaissancestil, von sauberster Ausführung, und interessant durch die
Nennung des Künstlers. Vor dem von Maria, Johannes, Nicodemus und
zwei Engeln umgebenen Crucifixus knieen links der Ritter von Wiltberg
mit neun Söhnen, rechts seine Gattin mit drei Töchtern. Die scharf ein-
gemeisselte Inschrift darunter ist in folgender Weise angeordnet:
a b
d
a) ANNO DOMINI MDXXXI DEN XXVIII OCTOBRIS VF VNSER
LIEBEN FRAVWEN OPFERVG DAG STARB DER EDEL VND ERENVEST
HENRICH VAIN WILTBERG WELCHES CORPER ZV ENKERICH CHRIST-
LICH ZV DER ERDEN BESTATTET DER SELEN GOT GENEEDIG
VND BARMHERTZIG SEIN WOLL. AMEN.
b) ANNO DOMINI MDLXV DEN XXVII DEZEMBRIS ÜF DER
VNSCHVLDIG KINDLEIN 'TAG STARB DIE EDELLE VND DVGEND-
HAFTIGE FRAW MAGDALENA VON WILTBERG GEBORNE VON DAVN
WELCHER CORPER ZV ALCKEN CHRISTLICH ZV DER ERDEN BE-
STATTET DER SELEN GOT GENEDIG VND BARMHERTZIG SEIN
WOLL. AMEN.
c) HABEN BEEDE EHLIGEN GEHABT NEVN SÖN VND DREI
DOCHTER. Es folgen:
d) die Namen der Kinder: Haugk, geboren 1516, Walper geb. 1517,
t 1557, Henrich geb. 1519, Niclaus geb. 1521, t 1557, Philipp geb. 1522,
t 1523, Katharina geb. 1523, Johann geb. 1524, t 1527, Karola geb.
1526, Wilhelm geb. 1527, t 1556, Adelheid geb. 1529, t 1567, Anton
geb. 1530, Hansfeiten geb. 1531. Darunter:
QVORVM DEFVNCTORVM ANIMAE REQVlESCANT IN SANCTA DEI
PACE. AMEN.
Al-5-7-1
N. PETRVS OSTEN FACIEBAT.
Das Ganze, von einer reizenden Renaissancearchitectur eingefasst, wird
120 Miscellen.
von einem Stichbogen bekrönt, an dessen Pilastern Wappen angearbeitet
sind, und zwar links oben das der Wiltberg, darunter: Milen, genannt
von Dieflicb, Scbönburg, Senbeim, Ton Meiszenbausen, rechts oben Datfü,
darunter Kessel von Nürburg, Saffenberg, Neuenahr. Lehfeld.
4. Andernacb-Eärlich-Leutendorf-Mülhoyen. Seitdem das
Bonner Provinzial-Museum mit systematischen Ausgrabungen in Andernach
begonnen hat, und durch die Erfolge dieser Ausgrabungen eine Anzahl von
Händlern auch zu solchen geschritten sind, schwirren durch die Lokal-Blätter
die unrichtigsten und wunderlichsten Angaben über dortige Funde, welche,
ich durch die nachfolgenden kurzen Mittheilungen des Thatsächlichen
zu berichtigen für Pflicht erachte. Eine eingehende Veröffentlichung
der Ausgrabungen meinerseits folgt zur Zeit selbstverständlich. Dass
auch von anderer Seite eine Broschüre über die Andernacher Funde
bevorstehe, habe ich bereits im Korrespondeuzblatt der Westdeutschen
Zeitschrift II, Nr. 2 dementirt. Ebenso den angeblichen Fund einer
schweren Gürtelschnalle von Topas, welche eine vor 2 Jahren bereits
gefundene kleine Schnalle von Bergcrystall ist, richtig gestellt.
Schon in den Schlussworten meiner Veröffentlichung der römischen
Villa zu AI lenz im 36. Jahrbuch S. 70 wurde auf die so unbe-
achtete centrale Bedeutung des Thalkessels von Neuwied -Ander nach
aufmerksam gemacht, eine Bedeutung, welche besonders darin liegt,
dass hier eine ganze Anzahl Kömerstrassen aus dem Hinterlande der
Trevirer zu den Ufern des Stromes herabsteigen und auf der andern
Seite sich fortsetzen bis nach Westfalen, ja bis zur Nordsee. Die
befestigten Lager zu Weissenthurm, Niederbieber und andere, selbst
das von Aliso standen offenbar in einer strategischen Verbindung zu
einander. — Die spätere fränkische Bedeutung Andernach 's ist
aus den Versen des Ven. Fortunatus (Jahrb. VII, S. 1 1 7), woselbst
wir die fränk. Könige, speisend in ihrem Andernacher Königshof, sich
am Salmenfang erfreuen sehen, wie aus vielen andern urkundlichen
Zeugnissen bis zur Schlacht von 87 6 hinreichend gekennzeichnet.
Die ausserordentlich dichte Bevölkerung zu alter Zeit bekunden
nun die massenhaften Gräber in weitester Ausdehnung an fast allen
Strassen von Andernach: es sind frührömische, spätrömische und
frühfränkische. Die frührömischen Braudgräber finden sich fast
ausschliesslich auf dem Martinsberg. Dieselben sind in die vulcanische
Bimsteinschicht eingegraben und durch selten fehlende Münzen von
Augustus bis Nero zeitlich bestimmt. Durch diese Zeitbestimmung
gewinnen auch die Beigaben, z. B. eine ganze Reihe von Thongeschir-
ren, zum ersten Male eine feste Datirung, und diese Andernacher
Gräber überhaupt eine grosse Bedeutung. — Die fränkische Grab-
stätte bestellt aus Skelettengräbern, welche sich in grossen Steinsärgen,
Miscellen. 121
mitunter auch in Holzsärgen za beiden Seiten der, den Eirchberg
hinauf nach Nichenich und Eich führenden Strasse befinden. Schon
in aller Zeit wird von Eröffnungen dieser Särge berichtet. Vor
ungefähr 40 Jahren veranstaltete Frau Mertens-Schaaff hausen l^achgra-
bungen auf dem Eirchberg, über die wohl desshalb kein Bericht vor-
liegt, weil man fast nur geöffnete und ihrer Beigaben beraubte Särge
antraf. Auch bei den jetzigen Ausgrabungen fanden sich die Mehr-
zahl der Särge spoliirt. Die kostbaren Beigaben dieser Gräber, ver-
zierte Gläser, Perlen, Zierstücke von Metall, Tauschirarbeiten
und besonders goldener Frauenschmuck mit eingelegten, tafelför-
mig geschnittenen rothen Steinen, orientalischen Granaten oder Hya-
cinthen, sind durchaus charakteristisch und eigenartig. Üeber den
Schmuck mit rothen Steinen, seine Herkunft aus dem Orient, seine
Einbürgerung in Europa durch die Westgothen, sein Vorkommen am
Brustharuisch des Odoaker (f 493) in Ravenna, dem Schwert des Eönig
Childerich (f 481) in Tournai u. s. w. habe ich am letzten Winkel-
mannsfeste (vergl. S. 202) ausführlich geredet, und werde in einem der
nächsten Jahrbücher mit Abbildungen darauf zurückkommen. Dieser frän-
kische n Gräbergruppe auf dem Eirchberg, die sich, untermischt
mit einzelnen spätrömischen Skelettengräbern, bis Eich, Eruft und
Niedermendig landeinwärts fortsetzt, liegt eine ähnliche gegenüber
auf der rechten Rheinseite am Nordende von Leutesdorf. Die hier
gefundenen Gräber sind besonders durch ihre Grabsteine interessant,
unter denen sich eine 11 zeilige Inschrift eines Jünglings Rannowaldus
befindet. Zwei Stunden südöstlich von Andernach beim Orte Eehrlich
fand der vom Eaiser Napoleon vor 17 Jahren zu Ausgrabungen nach
Weissenthurm (am guten Mann) gesandte Oberst von Locquessie eine
grosse Zahl von fränkischen Skelettengräbern, die sich durch ledigliche
Beigaben von Eisenwaffen als Begräbnisse fränkischer Soldaten kenn-
zeichneten. Der Händler Jos. Graef von Andernach hat im verflosse-
nen Jahre in Eehrlich den früher gefundenen Grabstätten gegenüber
zahlreiche Gräber-Aufdeckungen vorgenommen, welche an Schmuckstücken
mit rothen Steinen, Perlenketten, Gläsern u. s. w. sehr ergiebig waren.
Ein hervorragender Theil dieser Gegenstände, besonders eine im Vier-
blatt angelegte, mit Edelsteinen und Emaille verzierte goldene Fibula
(wohl die grösste und schönste nächst derjenigen von der Nahe im
neuen Museum zu Worms) sind in das Bonner Provinzialmuseum ge-
langt. Der übrige Theil dieser merkwürdigen Funde ist augenblicklich
im Rheinischen Hof zu Andernach ausgestellt.
Auch dieser Eehrlich er Grabstätte gegenüber sind auf der an-
dern, der rechten Rheinseite erhebliche Grabfunde gemacht worden,
jedoch aus weit früherer Zeit. Bei Mülhoven, wo auch eine be-
122
Misoellen.
kannte ältere fränkische Ghrabatätte siob befindet (Jahrb. 44, S« 118),
worden im Felde 3 germanisohe Gräber Yon Hrn. Fnsibaha m
Neuwied aufgedeckt, nrsprflnglich wohl Tamnli, die allmihlifth dnreh
den Feldbau abgeflacht resp. beigepflügt waren. Der Inhtlt be-
stand im ersten Cb«be ans einem massiyen Halsring, etnen im^
Armring und einigen Scherben; im aweiten Grabe ana iwai dflMMn
Halsringen yon doppelter Windung und einem Armring; im drillm
Grabe ans zwei dflnnen Halsringen ond einem massiyen Armring. DiM
Metall ist Bronze. An einer andern Stelle, zwischen Mttlhoyen loid
Bendorf, wnrden beim Durchstich für den Eisenbahnbau
römischer Gräber biosgelegt, welche dadurch ein beeondarea
gewähren, weil die Ziegelstempel der COH I THRAC(um) auf eiaa fiet*
here militärische Niederlassung an dieser Stelle hinweisen» DsndlMn
I. Thracischen Gehörte begegnen wir nur im. ersten Jahrhundert ab
Auxiliar-Truppe am Bhein (Jahrb. 20, S. 63),^ und es wird flniahalh
yon besonderem Interesse sein zu untersuchen, ob wir es hier mit riaam
Vorwerk des Gastells yon Niederbiber, oder mit einem Posten mam
Schutze eines Brückenüberganges zu thun haben. Ton Töpferstanpaln
yerzeichneten wir Lampen mit FORTIS und ATTIVS, Terra " Bigillrtpp
Schalen mit SVRDILiVS FE und LAGE^- Aus'm Weerth.
5. Andernach. Ohne auf die so interessanten Fundoi webdMi die
Ausgrabungen in Andernach in letzter Zeit geliefert haben, näher eingdum
zu wollen, möchte ich doch auf einige dort gefundene Münzen aufmerksam
machen. Die römische Kaiserzeit ist in fast yoUständiger Beiheafolge Ter^
treten, die Fundstücke reichen aber sowohl in die yorrömisbhe ah . avab
in die fränkische Zeit hinein.
Das Bonner Proviozial- Museum besitzt zwei ans den Andemleher
Leichenbrandstätten stammende Billon- oder gef&tterte SUber^Münsan, wdobe •
dieselbe Präge, wie das von mir in Heft LXVIU S. 61 beschriebene Be-
genbogenschüsselchen von der Sieg zeigen. Mag man nun diese Münzen
keltischen oder germanischen Stämmen zuschreiben, immerhin wird man
eine vorrömische Prilgezeit (natürlich in Bezug auf die Rheinlande) für
dieselben annehmen müssen.
Die nachrömische Zeit ist durch einige schwer entzifferbare Münzen
vertreten ; sehr beachtenswerth ist aber eine in die Sammlung des Herrn
Merkens in Köln übergegangene kleine Silbermünze des Gothenkönigs Theia
552—553. Der R. lautet:
DN
THE
lA
RIX
1) Man vergl. hierzu die Miscelle 7.
«.
Miscellen. 128
Sab. XIX, 10. Mionnet II S. 411, haben REX statt RIX, doch kommt die
letztere Lesart bei manchen anderen Königen jener Zeit vor. Dass dieser
letzte Gotbenkönig seine Münzen mit dem Namen und Brustbilde des schon
35 Jahre früher gestorbenen Kaisers Anastasius (von der Ayerslegende
^nd nur wenige Buchstaben erhalten) versah, ist eine bekannte, aber schwer
zu erklärende Thatsacbe. (s. Pin der und Friedländer: die Münzen
Justinians. Berlin, Nicolai 1843. S. 65).
■ F. van Vleuten.
6. Bertrich (Kr. Cochem). Beim Ausheben der Fundamente
zum neuen Badehause wurde im vergangenen Herbst eine römische
Bau- Anlage aufgedeckt, welche sich mir nach eingehender örtlicher
Untersuchung als Massen-Bad zu erkennen gab. Ich werde im nächsten
Jahrbuch eingehender darüber berichten.
Aus^m Weerth.
7. Bendorf. Römische Gräber. Bei Anlage der von Lim-
burg nach £ngers führenden Westerwaldbahn wurden im Spätherbst
vorigen Jahres nahe bei Bendorf, rechts von der nach Fngers führen-
den Heerstrasse vor der Stelle, wo sie den Saynbach überschreitet,
römische Funde gemacht, die auf ein Grabfeld deuten. Die Herren
Bauinspektor Hövel und Baumeister Dr. Bräuler haben an Prof. Schaafif-
hausen unter dem 21. Dezember ein Verzeichniss der Fundgegenstände
sowie eine Situationskarte eingesendet. Die Gegenstände wurden etwa
1 m unter der Erdoberfläche in der obersten Schicht des dort vor-
kommenden vulkanischen Sandes zerstreut gefunden. Es waren eine
dunkelbraune 0,29 m hohe Aschenurne mit Deckel, Stücke einer roth-
braunen Schale, mit Akanthusblättem, Eierstab und Perlschnüren ver-
ziert und mit Resten von 3 Metallgriffen, ferner Schalenstücke mit
Weinranken, Palmetten, Hund und Vögeln ornamentirt. Ausgüsse von
hellbraunen und gelblichen Thonkrügen mit Henkel, Bruchstücke einer
grossen gelben Urne, Thonplatten, gradlinig und in Kreisen gereif elt,
oberer Theil einer Nadel von Elfenbein, eine einen Apfel haltende
Hand darstellend, ein gut erhaltener bauchiger Henkelkrug, zwei Thon-
lämpchen, einige Thierknochen und Zähne, ein Säulenkapitäl. Zu be-
merken ist, dass ganz nahe der jetzigen Fundstelle bei Mühlhof cn im
Jahre 1856 etwa 5 0 germanische Reihengräber geöffnet wurden, wo-
rüber diese Jahrbücher berichtet haben, vgl. üeber germanische Grab-
stätten am Rhein, Jahrb. XLIV u, XLV 1868, S. 118. Es scheint,
dass auch hier das germanische Todtenfeld sich an die jetzt aufge-
fundene römische Grabstätte anschloss. Vielleicht trennte der Saynbach
beide. Als der Direktor des Provinzial-Museums sich wegen Erwerbung
der jetzt aufgefundenen Alterthümer für das Provinzial-Museum in Bonn
an die rechtsrheinische Eisenbahn-Direktion wandte, wies diese auf eine
iS< HiMallen.
ältere Verordnung hin, wonsch die bei Staats -Eieenbabnbauten gefan-
denen Älterthümer an das Museam in Berlin abzuliefern seien. Seit
der Staat gemeinanm mit der Provinzial- Verwaltung Museen in Bonn und
Trier erricbtot hat, erscheint jene lediglich im Interesse der Museen der
Hauptstadt erlaesone BostiuimuDg. die der Proviaz die wichtigsten Denk-
mäler ihrer GcBcbichte entführen kann, nicht mehr zeitgetnäss nnd
vrird holTentlich die Commission für die Rheiniachcn Provinzial-Mtiaeen
ihre Beseitigung beantragen.
Schaaffliausen.
a. Brabl. Bämiaohe Befestigung auf dem Thalrsnde bei
Brobl. Südlich Ton Brohl, zwischen dem Ehein- ond Brohl-Tbal^ steigt
ein steiler ecbarfer Felaenkamm zu dem plateauartigcu bewaldeten Höhen-
rücken, deeeen gräsate Erhebung „die hohe Buche" einen weiten Fernblick
über das Rbeinthal und dessen Umgebung bietet. Am Fusse jener Höhe
liegt die Oastwlrthsohnift ,zur hohen Buche", der Älverbof mit der Villa
Helene, zu welcher von Tiirnlch her aas dem Rbeinthal ein uralter ge-
wundener Hehlweg, und dann über den Thalrand zum Grohlthal hinführt.
Nur ein sehr schwieriger Fun^ffiid gebt über den erwühnton Fehenkamm
nach Brohl, und ist leicht durch einige Felsen oder Einschnitte zu sperron.
Auf jener Hocbflüche liegt 800 m nördlich vom Alverhof iu der so-
genannten Dicke, einem oft kaum zu durchdringenden Eichengeetrüpp
von 3 bis i m Hfllie, eine Verschanz uiig, deren abgeflacbfe Wälle ond
Gräben auf ein sehr hohes Alter, auf die Römerzeit hinweisen.
Die waldigo, wenig betretene (ieirend entzog diese Wiilie sogar der
KenntnisB der Bewohner am Alverhof, bis in diesem Frühjahr Herr Ger-
hards aus Tönnisstein den Bonner Alterthums-Terein davon benachrich-
tigte, und zur Untersuchung derselben auffordert«. Alle solche Mittheilungen
verdienea den freundlichsten Dank, den der Vorstand auch hierdurch aus-
spricht.
Beide Parallelwätle sind 80 m von einander entfernt, schneiden
130 m weit die nördliche Plateauspitze ab, und scbliesseu sich in einer
Länge von 150 m an die steilen Felshänge des Rhein- und Brohl-Thals
an. Diese Wälle haben die bedeutende Sobibreite von 12 m, eine Höhe
von 2 m, 3 m breite Wallkronsn, so dass die Seiteobäschungen etwa dop-
pelte Anlage zeigen. Auf der Wallkrone liegen zerschlagene Steine, um
einen festen Weg dort herzustellen, an dessen äusserem Räude wahrschein-
lich einst die Pallisadirung stand. Auf den Südseiten beider Wälle liegen
6 m breite, 1 m tiefe Gräben, und erklärt das Verwaschen der Wallränder
die altmälige Ausfüllung der Gräben, so wie die ferne Zeit der Erbauung.
Die Lage der Gräben auf der Südseite deutet darauf hin, dass der Doppel-
wall die Plateanspitze eben abschneiden sollte, so dass wir nicht bloss
zwischen den Wällen, sondern rückwärts derselben ein Caatrnm erhalten,
Miscellen. 125
welches an den beiden Thalrändem höchstens eines Yerhanes zur Ver-
theidigung der Seitenlinien bedurfte. Ein feindlicher Angriff konnte nur
von Süden her erwartet werden, wohin sich die starke doppelte Front der
Yertheidigungswalle richtete, während die Felshänge der Flanken und der
steile Felskamm im Norden, der wie gesagt leicht zu sperren war, jeden
Angriff hier ausschlössen. Wahrscheinlich erleichterten Wartthürme, die
am Anfang und in der Mitte des Felskammes geeignete Plätze fanden, die
Beobachtung des Rhein- und Brohl-Thals.
Wir erhalten so einen durch Natur und Kunst vollständig gesicherten
Lagerraum von 2 ha, für längeren Aufenthalt einer Cohorte geeignet, ver-
theidigungsfllhig durch höchstens 200 Mann, in Bezug auf Wasser-
versorgung allerdings auf Cistemen oder auf das Flusswasser der Niederung
angewiesen.
Der weite Ueberblick galt mehr dem Rheinthal, als dem Brohlthal,
welches aber wohl anderweitig gesichert und besetzt war. Hand in Hand
mit dem nahen, starken Rheineck, welches in mehrfacher Beziehung auf
eine römische Befestigung an dem wichtigen Einschnitt des Vinxt-Baches
hinweist, war dann die Mündung des Brohl-Thals mit seinen zahlreichen
Arbeitern gedeckt, welche dort Jahrhunderte hindurch den Tuff brachen.
Die damalige Wichtigkeit des Brohlthals ergiebt sich aus der grossen Zahl
von römischen Inschriften (einige 20), die bei Brohl gefunden sind.
Diese Befestigungen auf dem hohen linken Thalrande des Rheins
dienten vielleicht auch als Wachtposten und als Stützpunkte für den nahe
gelegenen jenseitigen Limes, der von Hönningen über Rockenfeld, Rengs-
dorf zum Taunus und zum Rhein führt, jener Grenzwehr des Kaisers
Domitian, nach Frontinus Strateg. 80 leugen (24 deutsche Meilen) lang,
dessen Terrain den Chatten abgekauft war. Diese Grenze von 80 leugen
ist wohl *in Prof. Mommsen^s wichtigem Dokument (39. und 40. Heft der
Bonner Jahrbücher) gemeint. Die grossartigen Wallreste Andernach gegen-
über im Westerwald zeigen ein ganzes Befestigongssystem, welches hier
einst mit dem Windhaus des rechten Thalrandes bei Andernach und mit
den mächtigen Thalsperren bei Forsterhof, die das Hammersteiner Thal
deckten, in Verbindung stand. Die Römer mussten auf den gesicherten
Besitz des Neuwieder Beckens grossen Werth legen, und jene Befestigungen
reden deutlich, wo andere Nachrichten darüber fehlen.
Für weitere Verfolgung dieser Sache ist es dabei von einiger Be-
deutung, dass jene so gut erhaltenen Wälle bei Brohl, die durch ihre
isolirte Lage und durch das dichte Gestrüpp so lange gegen Zeritörung
geschützt wurden, den Profilen des limes im Westerwalde im Allgemeinen
entsprechen, als wären sie gleichzeitig mit diesem Itmes von erfahrener,
geübter Hand angelegt. Das Studium solcher Oertlichkeiten durch An-
126 Miscellen.
Behauung, wo andere Urkunden der Gelehrten uns im Stich lasseiif die
Bauart, die ganze Anlage in ihrem weiteren Zusammenhange, verdient
gewiss die Aufmerksamkeit der historischen Forschung, wo der Zahn der
Zeit fast seit zwei Jahrtausenden die letzten Reste jener mächtigen Be-
festigungen, Kanäle und Strassen immer mehr zerstört.
von Veith.
9. Bubenheim (Er. Coblenz). An der Römerstrasse, welche
von Bassenheim herunterkommend in die Rheinstrasse einmündet, wurde
im Frühjahr beim Orte Bubenheim derjenige Theil einer römischen
Villa von mir aufgedeckt, welcher die Baderäume umfasst. Besondere
bemerkenswerth unter denselben war ein vorliegender kreisrunder heiz-
barer Saal, welcher unter den Rheinischen Bade -Anlagen bisher nar
in Nennig vorkam. Das nächste Jahrbuch wird einen Orundriss bringen.
Aus'm Weerth.
10. Der Loche n stein. Die altheidnische Opferstätte auf dem Lochen-
stein. Vortrag des Professors Dr. Fr aas in der Sitzung der anthropolog. Ge-
sellschaft zu Stuttgart am 28. Jan. 1882. Wenn der Besucher des Aussichtsthur*
mesauf dem Hasenberg bei klarem Himmel mittagwärts blickt, so fällt ihm
das Profil eines Berges auf, der, in der Lücke zwischem dem Hundsrück
und Schafberg gelegen, an seiner eigenthümlichen Gestalt mit einem senk-
rechten Abfall gegen Westen nicht übersehen werden kann. Die 963 m
hohe Felsspitze des Lochensteins, die sich weithin sichtbar am Horizont
erhebt, war Jahrhunderte lang ein altgermanisches Völkerheiligthum, eine
Opferstätte auf sonnigem Fels mitten in den düstern Tannenwäldern der
Lochen (Lohe althochd. für Bergwald). Auf dem Lochenst^in hatte der
Vortragende seit mehreren Jahren in der kohligen Schwarzerde unter der
Rasendecke Nachforschungen anstellen lassen und eine reichhaltige Samm-
lung von Gegenständen aller Art, für die k. Staatssammlung zu Stande
gebracht. Den Anlass zu eifriger Nachforschung gab ihm der Fund von
fremdartigen, mit der geologischen Formation der Lochen in keinem Zu-
sammenhang stehenden Gesteinsarten, wie Gneis, Granit, Glimmer, Sand-
stein. Solcherlei Steine, vielfach deutliche Spuren menschlicher Benutzung
an sich tragend, können gar nicht anders als von Menschenhand auf die
Spitze des Berges getragen worden sein. Am aufifälligsten sind die Sand-
steine des schwäbischen Unter- und Oberlandes, deutlich als Mahl-, Schleif-
und Wetzsteine verwendet. Daneben liegt eine Reihe gerundeter harter
Steine, Geschiebe vom Süden der Alb, alpine der Moräne entnommene
Kieselsandsteiue, Hornblcudegneisse, Quarzite, die als Läufer auf den Mahl-
steinen, oder als Kornquetscher angesprochen werden. Geschirrscherben
liegen zu Tausenden unter dem Rasen. Die Mehrzahl der Geschirre ge-
hört jeuer uralten Form von weitbauchigen, aus freier Hand gefertigten
Gefässen, zu deren Herstellung der Thou mit grobem, scharfkantigem Sand
* Miscellen. 127
gemengt warde. Unter den Scherben wurden nur die omamentirten auf-
bewahrt. Es können unterschieden werden ein einfaches Tupfenomament,
das Kerbenornament, das der Reifen, die horizontal um das Gefass gelegt
sind. Die weitest vorgeschrittene Technik ist die der umgebogenen Räu-
der, welche ein Zickzack- oder das sog. Wolfszahnornament tragen. Die
letzteren Oefiisse gehören augenscheinlich der jüngeren, nicht mehr alt-
germanischen, sondern römischen Zeit an, bereits auf der Töpferscheibe
gearbeitet. Römische Arbeit zeigen auch unverkenubar römische Ziegel,
die an einer Stelle der Hochfläche haufenweise bei einander lagen und wohl
einst das Dach einer römischen Mithraskapelle deckten. An die Thonge-
fasse reihen sich die Thonwirtel, bald scheibenförmig, bald konisch, bald
glatt, bald omamentirt, die man auch sonstwo zahlreich findet, die z. B.
in Hissarlik von Schliemann zu Tausenden ausgegraben wurden. Gewöhn-
lich werden sie für Spinnwirtel angesehen, in Wirklichkeit damit zu spinnen
ist aber Niemand im Stande, wegen des engen Lochs, durch das gar keine
Spindel gesteckt werden kann, und der Leichtigkeit des Materials konnten
sie nie Gegenstände der häuslichen Industne sein. Es scheinen vielmehr
nur Thonperlen gewesen zu sein; mehrere fanden sich aus blauem Glas
gefertigt, eine andere aus Blei, eine dritte aus einem fossilen Schwamm.
Metallwaaren bilden neben Glasscherben ein wesentliches Kontingent der
Manufakte. Am zahlreichsten vertreten ist das Eisen in Gestalt von Nä-
geln, sog. Bretternägeln, Stiften, Spitzen^ Ringen, Flachringen, Messerklin-
gen, Meissein, Pfeil- und Lanzenspitzen, gedrehten Eisenzungen, Schlüs-
seln, Schlössern, das Zierlichste aber sind 2 Hämmerchen, deren eines
heute noch in der Werkstätte eines Uhrenmachers oder Ciseleurs benutzt
werden könnte. Aus Bronze gefertigt sind mehrere Fibeln, Armringe,
Sohnallen, Ringe, Ohr- und Halsringe, zierliche Sicherheiten für die Nadeln,
Bronzebleche und Drähte der verschiedensten Art. Von Silber wurde nur
eine Fibel oder AgrafiPe mit einem Eettchen gefunden. Bei der Technik
der Metallwaaren ist der Einfiuss der römischen Kunst, vielfach wohl auch
die römische Arbeit selbst unverkennbar. Andererseits weisen einige Arm-
ringe, Hohlringe sowohl, als gekerbte Yollringe auf die Zeit der vorrömi-
schen Hügelgräber, die nur wenige Kilometer entfernt, z. B. in Hossingen,
Messstetten, in den letzten Jahren ausgegraben wurden. Dass wir aber
eine alte Opferstätte vor uns haben, dafür sprechen die Tausende von
Knochen, welche rings um die eigentliche Felsenspitze herum zerstreut
liegen. Diese selbst ist, wie dies Paulus erkannt hat, nach allen 4 Seiten
hin künstlich abgespalten und zu einer Art von Altar oder Opferstein zu-
gerichtet worden. Auf diesem Altar scheinen die Thiere geschlachtet und
zerstückelt worden zu sein, während in der Bergeinsenkung am Fuss des
Steins die Feuer brannten, an welchen das Fleisch der Opferthiere gebraten
wurde. Diese selbst waren nach der genauen Zählung und Untersuchung
ISB Hitaellen. *
der SkeletirGst.« die Haiiethiere der GermaDCu,, vor Allein Rinder, Schafe
und Z'iegea, Schweine und Pferde. 40 ProKSDt Hämmtlicber Knocfaen ge-
hören dem Riud an and weisen auf die BcbmaDtÖpfige, kleinViörnige Raäse,
welche orstmala in den Torfmooren der Pfahlbauten gcfnndeii und von
Rütiineyer Bob faracliyceros genannt wurde. Ilieaes Riad bildete das alt-
deutsche Kleinvieh, Seit dem Mittelaltur i$t es in Deutauhland verschwun-
deu und einem kräftigeren Schlag gewichen. Nächst dem Bind kam das
Sühaf und die Ziege zur Opferung. Beim Fehiea des Schädels mit dem
Gehörne ist die Unterscheidung beider Thiere [lahe^u unniüglich und eine
Trennung beider nicht wohl thunlicb. Beide eusammen repräsentiren 26
Proxent der Opferthiere, während die Seh weinakno eben 17 und die Pferde-
knochen 8 Proz. repräsentiren. Ausser den genaiinteo 91 Proz. Hsuathie-
reu fallcu auf den Hirsch 4 und anf den Hund 3 Proz. Die fehlenden
2 Proz. vertheilen sich auf den Auerochsen, den Elch, den ßtber, das Reh,
den SingBchwan und — den MenBcheii. Ein fürchterlich Eugerichtetes meDsuli-
liches Schädeldach und ein durch tiefe Hiebe in den Knochen entzweige-
gangenes Scbenkelbein erinnern unwillkürlich an die Stelle des Tacitus
(Qerm. Ü9j, in der er vom ältesten und edelsten Stamm der Schwaben,
den Semnonen, redet. „Zu beatimmten Zeiten kommen in einem Waid, der
durch heilige Bräuche der Väter und alte Scheue geweiht ist, alle Völker
desselben Blutes durch G es ncdtac haften zusammen und feiern durch öfient-
liche Opferung eines Menschen den grauenhaften Beginn ilirea Barbaren-
festes." Zu Ende der Riimerzeit stnud das Heiligtbuiii noch voll in Ehre
und Ausüben, schoinsu doch selbst auch lioamigeninulij Kötner aus Ehr-
furcht Tor den Göttern des Landes Weihgeacbenke und Opfer dem Sonnen-
gott dargebracht zn haben. Mit dem Ende der römischen Macht nnd dem
Anituig der christlichen Zeit horten Allem nach auch die Opfer auf dem
Lochenatein allmäblig atif und chiiatliche Priester waren bemfibt, den Ort,
da der Sonnengott in seiner natürlichen Majeatat verehrt wurde, als den
Sitz des Teufels hinzustellen. Das ist gewiss, schreibt Cmaiaa, ^dass im
Jahr 158d im Herbst etliche Weiber und der fümehmste Rathsherr zu
Schemberg Terbrannt worden, die alle bekennet haben, dass sie gewohnt
gewesen, dea Nachts auf diesem Berg zusammenzukommen, mit den Teu-
feln 2U tantzen und zu thun zu haben, Menschen und Vieh zu beschädi-
gen." Aach sagen die Leute in der Nachbarschaft, wenn sie Einem etwas
Ueblea anwünachen wollen, „ich wollt, dass du auf der Lochen wärst" (Cru-
sius, Schwab. Eronik p. 419). Wenn der Rasen, der jetzt die Opferstätte
deckt, grünt, wenn die blaue Qentiane und das Himmelfahrtsblttmlein oben
blühen, dann versteht mau den Drang unserer Vorfahren, an diesem Ort
der Leben achaffenden Sonne ihre Verehrung darzubringen.
11. Inden (Kr.Aachen). Durah Herrn Pfarrer Demmer worden
Ausgrabungen auf einem Felde bei Liden vorgenommen, welche zur
Miscellen. 129
Aufdeckung einer röm. Bau - Anlage führten. Bisher wurde ein Bade-
raum freigelegt. Viele Fragmente von Marmor, Glas und Mosaik
lassen auf ein reich ausgestattetes Oehäude schliessen.
Aus^m Weerth.
12. Kaisers wer th. Einem im Pfarrhause zu Rheinbrohl heruhen-
den Codex, welcher ausser der vom Rector des Kölner Gymnasium Lauren-
tianum, Gerardus de Hardewick, verfassten lügenhaften „Vita diui Swiberti
Werdensis ecclesiae episcopi'^ ') verschiedene die Kirche und das Kapitel
▼on Kaiserswerth betreffende Urkunden nebst Nachrichten über Besitzungen
des Stifts enthält, entnehme ich nachstehende Kaiserswerther Inschriften :
Templum Diui Georgii in suburbio Kaisers werdensi.
Retro summum altare.
Anno dominicae incarnationis 1078 indictione prima dedicaium est a
Tbeodone Brandenburgensi praesule hoc templum 7 Kai. Maij in honorem
domini nostri Jhesu Christi et saiictae Mariae Martae^) et sanctae crucis
sanctique Michaelis, praecipue autem in honorem sancti Georgij martyris
et apostolorum Andreae, Philippi, Jacobi, Simonis, Judae, Marci Euangelistae,
sanctorum martyrum Stephani, Cosmae et Damiani, Fabiani, Christophori,
Clementis, Nerei, Achillei, Pancratij, Viti, Panthaleonis, Chrisogoni, Dionisij,
Romani, Crispini, Faustini , Seeundini, Sigismundi et sanctorum confessorum
Gregorij, Hilarij, Augustini, Damasi, Eucharij, Valerij, Remigij, Imerij,
Walperti et sanctarum virginum Ciciliae, Barbarae, Gertrudis et beatae
Mariae virgiuis.
Altare dextrum.
Anno dominicae incarnationis 1102 indictione decima nona Augusti
dedicatum est hoc altare a Paderbomensi Episcopo Henrico in honorem
domini nostri Jhesu Christi et salutiferae crucis; continentur autem hie
reliquiae de ligno et sepulcro domini et de vestimento sanctae Mariae et
de sanguine sancti Stephani prothomartyris et de eius vestimento et sanc-
torum apostolorum Joannis Evangelistae et Andreae et sanctorum martyrum
Georgij, Gangolphi, Clementis, Laurontij, Pancratij, Dionisij, Cornelij, Cypriani,
Stephani Diaconi, Eustachij, Ciriaci et sanctorum confessorum Remachi,
Remigij, Nicolai, Arnolphi, Lebuini, Paulini, Alexis, et sanctarum virginum
Walburgis et Drudae.
Altare sinistrum.
Nona Augusti dedicatum est hoc altare in honorem domini nostri
Jhesu Christi et perpetuae virginis Mariae ; continentur autem hie reliquiae
sanctorum martyrum Gereonis, Theodori, Fortunati, Crispiniani, Quirini,
1) Yergl. Bouterweck, Swidbert, der Apostel des bergischen Landes.
Elberfeld 1859.
2) Das Wort Martae ist von späterer Hand.
9
Ifuimi, Ornanli st Hnotornm oonfenonim Uadardi, Serntij, Ddalricu
(Tothalrid) et Muiotamin Tirginnm llwiiiM (Marime), Pinnosne, Airaa,
Agathw ot de Mpolohro domioi.
In taeio templi ad oocid«ntem reperitnr fansga Salvatorit lubai» ad
dextniB dau imigiiiM, ofroiim qoM littarü Minlptnm est ex Podom
84 Benedizirtf :
Miaerioordi« et varitM obniTernot ntn.
Ad sinütaim iüdem doaa imtginM, cinam quas litteris mnlptani
es Bodem PB^mo:
JnrtitU et psx cwoolfttae Riat.
Quae dnM leoteDtüe ooDcInaM bis verbii:
Hu ntn Tirtatw umper
Diiut qniiqne raoolendw.
Item hl latere templi ad meridiem repttritnr fansgo Salvstorls, gireim
quam litterii senlptsm eat: Fiat lazl Lndi origo noTite teneliroso folget
in orbft. — Addo 1140 aexto Idtu Febrnar^ olqjt Folradus Presbyter
fondator praedioti templi.
Templnm montia araoii in •abnrUo Eaiatrswerijcnai. . .
In laters templi mostia orooiB Terau meridiem reperitui
nt aeqmtnr: Anno dominioae ineamationia 1200. Alburo laicna comparavlt
a Gonradö LeTon at filio eina Henrico in Tnrkele vineam, qoae dicitnr
Lincensdal« inxta fontem, qoae aolvit anonatim amam yiai et coTitulit c
Hanctae Walbnrgi pro remedio enimae auae et nxoria Buae Hildegundis et
parenturn suortim ad nocturnnm lumen praeeentiB Eixlesiap. Amen.
In arce Caeaarie Insalae in hjpocauato maiori retro famacem:
AnDO ab incarnatione Domini noatri Jean Christi 1184.
Hoc decuB imperio Caesar Fridericiis adanxit
Juatitiam stabilire voleas et ut undique pax ait.
Extra illnd hypocaaBtum snpra ianaam istina introitas:
Ab anoo Domintcae iocarnationis 1184.
Juatitiaa cnltor malefacti providua ultor
Caesar adorriandam Fridericas condidit aulam.
Ad partem Rheni in turri CltuenBi exterias :
Alcmari de monte rui de rupe Draconia
Ostia pando bonis nautis aimnl atque Colonia.
In tnrri templi a. Swiberti:
Addo domini 1243.
Hanc templi partem, qnam credena afTore Marf«m
Geroaüdus fregit tnrrimqoe iacere coeg^t,
Ne nimium snrgena caatri preaaura ait urgens,
Tempore tranqnillo reparet meliere lapillo.
Terwelp.
MisecUen. 181
13. Zwei verschollene Eeltenorte im Reg.-Bezirk Koblenz.
Dass die Flurnamen in Bezug auf Sprachwissenschaft und Alterthums-
künde von Wichtigkeit sind, ist schon oft hervorgehoben worden ; leider
hat man aber diese Namen bisheran noch sehr wenig nach den bezeich-
neten Richtungen hin ausgebeutet. Es dürfte deshalb für die rheini-
schen Alterthnmsfreunde wohl von Interesse sein, zwei Flurnamen aus
dem Reg.-Bezirk Koblenz kennen zu lernen, die durch ihre Form als
zu der grossen Klasse der gallokeltischen Ortsbezeichnungen auf -jich
bezw. -ach gehörig erscheinen, sodann aber auch in weiterer Folge als
die einzigen übrig gebliebenen lebendigen Zeugen längst verschollener
Keltenorte betrachtet werden müssen.
I. Auf dem Banne von Rübenach (Kr. Koblenz) begegnet uns
ein Flurname „Sendenich" mit den näheren Bestimmungen : „ Sendenicher-
^^S'^t «zwischen Sendenicher- und Bassenheimerweg" und „oben im
Sendenicherboden". Was nun zuvörderst die Endung dieses Namens
angeht, so stimmt dieselbe überein mit dem Ausgange der Ortsnamen
Kendenich (Landkr. Köln) aus kelt. Cantiniacum (von einem Personenn.
Cantinins) und Endenich (Kr. Bonn) aus kelt. Antiniäcum oder Anto-
niacum (von einem Personenn. Antinius oder Antonius), so dass man
in Sendenich wohl ein kelt. Santini&cum, abgeleitet von einem Per-
sonenn. Santinius >) (vgl. Orelli: Inscriptt. Latinae Nr. 4476), mit
ziemlicher Sicherheit anzunehmen berechtigt ist.
Was nun die mit dem Flurnamen Sendenich bezeichneten Reali-
täten anlangt, so theilt mir darüber der Ortsvorsteher von Rübenach,
HeiT Mohrs, ungefähr Folgendes mit: „Auf dem Flurdistikte „Sende-
nich" hat, wie man allgemein in der Gegend von Rübenach erzählen
hört, in alten Zeiten eine Stadt gestanden, hin und wieder trifft man
auch mit dem Pflug auf Fundamentmauern, und es kommen häufig
Ziegelstücke beim Ackern an^s Tageslicht ; vor nicht langer Zeit hat
ein Einwohner aus Rübenach dort nachgegraben und ein Gewölbe
(Hypokaustum?) entdeckt mit einer bedeutenden Masse Holzasche. Die
Bodenart ist Ackerland (Lehm mit vulkanischem Sande gemischt), das
stellenweise schwarz, wie verbrannt erscheint. Sonst jsxistirt in Rüben-
ach auch noch die Sage, dass vor längerer Zeit einmal mehrere Fran-
zosen im Orte erschienen seien, versehen mit einer Karte der „Stadt
Sendenich", auf Grund deren sie Nachforschungen angestellt hätten."
So weit die mit anerkennenswerthester Promptitüde gegebenen Aufschlüsse
des Herrn Mohrs. Vielleicht würden hiernach systematische Nach-
1) Der Personenn. Santinius (latinisirt Sanctinius — mit Anlehnung an
sanctus) ist ein sog. Hypocorieticum und ausgegangen von dem im Gall. nach-
weisbaren Namenelemente Santo-, das etymologisch kongruent ist mit dem in
germanischen Namen erscheinenden santha- (wahr).
193 Misuellen.
grabuDgen auf dem FI nrdi strikte Sendenich eich lohneD, dn dem Tor-
stehenden gemäBs wohl nicht daran za zweifeln sein dürfte, dass der
gen. Distrikt einer im Lnufe des Mittelalters ausgegangenen Ortschaft
koltiscli- römischen ürsprungB seinen Namen verdankt.
n. In der Gemeinde Polch (Kr. Majeü) findet aich ein ehenfalla
gallischen Ursprung verrathender Flurname „GeiaenBCJi" (Äcker „vor
Geiaeoflch ", „ in Geiee na c hersei te " ), da derselbe in Betreff seines Abb-
gapges übereinatimnit mit den allgemein als keltisch bekannten Orts-
namen ; RQbenach ans Rufiniäcnm (von einem Personenn. Rnfiniua),
WaBseaacb aus Vaaaoniäcnm oder Vassiniflcum (von eim.'m Personeon.
VnsEomus oder Vassinlus), Dreckenach ans Draconiäcum (von einem Per-
sonenn. Draconins, der mit dem giiech. Personenn. ^^ukwi; -wyog sicli
deckt]. Hiernach dürfte ^Geisenach" wohl auf ein ursprüngliches 0&-
sioiäcum oder G^soniäcum (von einem Personenn. Gesiniiis oder G£so-
niuB ')) zurftckzu führen sein und so dieselbe Herkunft haben, wie der
belgische Ortsn. Gisignies. So viel in Betreff des Namens der Flnr ;
über diese selbst habe ich leider nar wenig in Erfahmng bringen
können. In einem Felde des Distrikts „Geisenach" finden sich, wie
mir von Polch aus berichtet wird, nahe der Oberfläche Fundomente
eines Mauerwerks von ThonscKiefer'Brucbsteinen. Ausserdem wurden
dort an einer andern Stelle bei einer Drainirung im J. 1858 Ziegel-
Btücke nnd Mörtelreste auegegraben ; ob dieselben aber von früheren
hier errichtet tfewweenen Bauwerken herrührten, oder aber a. Z, als
Mauerschntt zur Trockenlegung des snmpfigen Bodens dorthin aufgefahren
worden, darüber wisaen die Besitzer der betr. GrnndstQcke keine Aog-
kunft zu geben.
Auch auf „Geisenach" möchte also wohl ein Ansgrabnagsversacb
nicht überflüssig sein, zumal der Name auf das Unzweifelhafteste aof
eine alte Niederlassung aus keltisch- römischer Zeit hinweist.
Dr. Easer.
li. Köln. Die Thorburgen. Als in Ausführung eines von dem
Stadtverordneten - Colleginm mit dem Eriegsministerinm abgeschlossenen
Vertrages, der Abbruch des Hahn enburgtho res bevorstand, wRhrend das
Severinsthor, die Ulrichspforte, das Gereunsthor und der Eigelstein er-
halten werden sollten, regte sich, nachdem durch die Niederlegnng der
Stadtmauern der imposante Bau des Thores zur Geltung kam, in allen
I) Einen gall. Personeun. Gesonina oder Geiinius vermag ich zwar fSr
jettt nicbt nachzuweisen, indessen suhheasl aich deraclbo ganz regelrecht an das
gall. Nameneipment Gaeao-, GesO', Identiacli mit germ. gsiaa (Spiess, Ger), an.
Hierzu gehört auch dpr Nsme den Vandalenköniga Gaisericus, der deutlich wieder-
kliogt im römisch- beltiachen Caesar, welchen Namen ich für verkürzt hatte aua
gall. Gaeaarix, Caeaariz.
Miscellen. 183
gebildeten Kreisen der Stadt and Provinz der lebhafteste Wunsch, auch
dieses Thor erhalten zu sehen. Selten möchte für die Erhaltung eines
mittelalterlichen Denkmals eine so allgemeine Theilnahme in den ver-
schiedensten Eingaben an die Behörden sich ausgesprochen haben. Die
Stadt war in ihrem Hechte, wenn sie auf dem Abbruch bestand, und
Hess sich in ihrem Widerstände lediglich durch finanzielle Rücksichten
und das Bedürfniss freien Verkehrs bestimmen. Bei dieser Gelegenheit
wurde in der Presse die Ansicht laut, dass es geradezu ein Mangel
der Gesetzgebung sei, für den wohl Abhülfe geschafft werden müsse,
wenn in einem Falle, wie in dem vorliegenden die Staatsregierung nicht
zu jeder Frist ein aufschiebendes Veto besitze, um die Zerstörung eines
geschichtlichen Bauwerkes zu verhüten. Die Kölnische Yolkszeitung
sagte noch am 28. Nov. 1881, I. Bl. : „Wenn wir auch in einer Zeit
leben, in welcher ein grosses Stück ruhmvollster Geschichte gemacht
worden ist, so darf uns das doch nicht bestimmen, die Geschichte,
welche hinter uns liegt, gering zu achten, denn wir stehen in allem,
was wir wollen und vollbringen, auf den Schultern unserer Vorfahren.
Gerade Köln blickt auf eine glänzende Vergangenheit zurück; es war
eine Stadt, die ihre Freiheit und Selbstständigkeit gegen ihre Bedränger
stets siegreich zu verth eidigen gewusst hat auf ihren Mauern und
Burgen ! Es wird zu allen Zeiten wahr bleiben, dass die Geschichte
die weiseste Lehrerin der Völker ist. Sie spricht aber am lebendigsten
aus ihren Denkmalen zu dem lebenden Geschlecht. Wenn die Mauern
der Stadt haben fallen müssen, so lasse man doch die Hauptthore stehen,
als ehrwürdige Zeugen vergangener Jahrhunderte!" Die Bestrebungen,
das Hahnenburgthor zu erhalten, begannen mit einer unter dem 6.
September 1881 verfassten und in der Kölnischen Zeitung veröffent-
lichten Kundgebung des Architekten- und Ingenieur- Vereins für Nieder-
rbein und Westfalen, die dem Stadtverordneten - Collegium überreicht
worden war. In derselben war in vortrefflicher Weise die Bedürfniss-
frage des Verkehrs erörtert, auf die Pietät anderer Städte für ihre
alten Bauwerke hingewiesen, das durch spätere Restaurationen verun-
staltete Bauwerk als ein solches bezeichnet, welches besonders gut
zwischen dem südlichen und nördlichen Eingang die Linie der alten
Stadtumwallung markire und hervorgehoben, dass der bauliche Zustand
des Thores keineswegs den Abbruch rechtfertige. Am 28. September
richtete der Vorstand des Vereins von Alterthumsfreunden im Rhein-
lande ein Schreiben an das Kölner Stadtverordneten -Collegium, worin
er sagte, dass es die Aufgabe des Vereins sei, für die Erhaltung und
Bekanntmachung der alten Denkmale in dem Stromgebiet des Rheines
Sorge zu tragen, und dass ev in dieser seiner Thätigkeit seit 40 Jah-
ren weit über die Grenzen der Provinz hinaus Anerkennung erworben
134 MiBoelleo.
and Theilnehmer seiner Bestrebungen gefunden habe, der Yorstand ge*
statte sich desshalb, dem Stadtverordneten - Collegium von Köln sein
lebhaftes Interesse an der Erhaltung der alten Thorburgen von Köln, *
die durch den Stadterweiterungsplan bedroht sind, auszusprechen. Die
Kundgebung der Architekten- und Ingenieur-Vereine habe seiner Ueber*
Zeugung in dieser Angelegenheit und wie er glaube den Wünschen der
Bevölkerung des Rheinlands in so vortrefflicher Weise Ausdruck ge-
geben, dass er derselben nach ihrem ganzen Inhalte beitrete und eine
Pflicht zu erfüllen glaube, wenn er die Stadtverordneten -Yersammlang
ersuche, die Frage nach der Erhaltung der Thorburgen und ganz be-
sonders des Hahnen thores einer erneuten Prüfung unterziehen und das
Fortbestehen sowie die nothwendige und stilgemässe Restauration der-
selben beschliessen zu wollen. . So wenig er verkenne, dass den Tages-
Bedürfnissen der Lebenden das erste Recht gebühre, so sicher glanbe
er aber auch, dass das Bewusstsein einer grossen Vergangenheit die
Verpflichtung in sich schliesse, ihre auf uns gekommenen monumentalen
Zeugnisse mit Pietät zu hüten und der Nachwelt unversehrt zu be-
wahren. In der Antwort wurde auf die Unmöglichkeit hingewiesen,
das Hahnenthor neben den durch den Vertrag gesicherten Thorbargen
zu erhalten und dem Vereins -Vorstande anheimgegeben, sich bei dem
Ministerium für einen Tausch desselben gegen das Oereonsthor oder
den Eigelstein zu verwenden. Der Vereins- Vorstand war indessen nicht
geneigt, für diese Lösung der Angelegenheit mitzuwirken. Unterdessen
hatte auch der Verein von Alterthumsfreunden in Köln eine Eingabe
nach Berlin gerichtet und um Erhaltung der Hahnenthorburg gebeten.
Auch die Commission für die rheinischen Provinzial- Museen unterliess
es nicht, sich für die Erhaltung der Uahnenthorburg neben den andern
bei dem Herrn Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal-
Angelegenheiten zu verwenden. Dieser suchte mit allen ihm zu Ge-
bote stehenden Mitteln das Stadtverordneten-Collegiuin zu einem dahin
zielenden Beschlüsse zu bringen und sandte den Herrn Regierungsrath
von Dehn-Ilothfelser nach Cöln zu einer neuen Bericliterstattung über
den Zustand der Hahnenburg, welcher günstig für dieselbe ausfiel.
Selbst die Königl. Akademie für Bauwesen in Berlin bat den Minister
der öffentlichen Arbeiten um Erhaltung dieser Thorburg. Am 3 0. No-
vember war die Frist abgelaufen und das Thor musste fallen, wenn
nicht anders vom Stadtrath beschlossen wurde. Am 25. November
richtete, um auch in letzter Stunde nichts unversucht gelassen zu ha-
ben, der Vorstand des Vereins von Alterthumsfreunden ein Gesuch an
Seine Durchlaucht den Fürsten Reichskanzler, seinen mächtigen Einfluss
für die Erhaltung des Hahnenburgthores» oder doch für ein Hinaus-
schieben des Abbruchs desselben geltend machen zu wollen. In der
Miicelleii. 185
Stadtverordneten -Yersammlung am 7. Dezember wurde jedoch der Ab-
brach des Hahnenthores beschlossen and nur den anaasgesetzt fort-
daaemden BemCihangen Sr. Exe. des Ministers von Gossler ist es za
danken, dass später dennoch die Erhaltung des Hahnenthors and zu-
gleich die Niederlegang des Gereonsthors beschlossen wurde. Am 16.
Februar theilte dar Oberbürgermeister den Stadtverordneten mit, dass
der Vertrag zwischen Stadt und Kriegs -Ministerium wegen Tausches
des Hahnenthores gegen das Gereonsthor vollzogen sei. Beim Winkel-
mannsfeste am 9. Dezember waren die durch den Verein der Archi-
tekten hergestellten Aufnahmen der Kölner Thorburgen auf Wunsch des
Vereins- Vorstandes durch Herrn Baumeister Witehase ausgestellt worden.
Seh.
15. Linz. Römer- Canal. Dasjenige was Eick, die römische
Wasserleitung aus der Eifel nach Köln, S. 70, § 9 letztes Alinea an-
deutet, kann ich durch folgende Angaben etwas näher bestimmen, die
mir auf meiner Ferienreise durch die nördliche Eifel im verflossenen
Herbste gemacht wurden :
„Zwischen Gilsdorf und Pesch, auf der Ostseite des Eschweiler-
und der Südseite des Hornbachs, District „am Heidenpützchen", sind
vor 6 bis 7 Jahren unterirdische Gewölbe, Sandsteinplatten mit ein-
gehauenen Figuren von Götzen (?) und ein theilweise verschütteter
Brunnen entdeckt worden. Die Sandsteinplatten, von Herrn Lehrer
Parsoh zu Noethen geseh'en, haben später als Baumaterial Verwendung
gefunden. Das Ganze lag auf der Spitze des Berges „Heidenpützchen".
An der Westseite desselben kommt ein aus Ziegelsteinen gebauter Ka-
nal zum Vorschein. Der Brunnen und die Euinen waren längst be-
kannt. Alte Leute sagen, in der Christnacht um 12 Uhr läute in
der Tiefe des Brunnens ein Glöcklein."
Desgl. zu Eick, a. a. 0. S. 67 ^und 70: „Mauerwerk findet
sich in der Gemeinde Harzheim „auf der Kuhweide " und „auf Wim-
meis ^. An letzterer Stelle stand wahrscheinlich eine „Hütte*^ (Eisen-
schmelze). Rothe Ziegel besonders „auf der Kuhweide*^
Dr. Pohl.
16. Mainz. BömischeFunde. 1) Eine ausserordentlich reiche
Ausbeute an Inschriften und Sculpturfunden ergeben gegenwärtig
die städtischen Kanalarbeiten in der Rosengasse und zwar in dem Theile der
Strasse, der zwischen der Klarastrasse und Sackgasse liegt. Durch die
Umsicht und das lebhafte Interesse der Herren vom städtischen Bauamte
werden diese Funde mit Sorgfalt gehoben und in das Museum verbracht.
So sind in den letzten Tagen vier grosse Sculpturwerke dem Museum ein-
verleibt worden. Der erste eingelieferte Stein ist der Grabcippus eines
römischen Fahnenträgers der vierzehnten Legion, aus Kalkstein gehauen.
1S8 Mtioell«!!.
Tu einer 1 m 16 om hohen, 06 cm breiteo, ob«n rund ahgeBchloesenea
Niaehe steht die Fignr des Fahnenträger», die merkwürdiger Weise ganz
genau mit dem im UuHeiim befindlichen Bilde des Luccius Faustua feiehe
Becker: Die loBchriften nnd SteinBoulpturen dea MiiseumB der Stadt Mainz,
Nr. 176, und Liodenschm i t: Die Alterthünier nnaerer heidnischen Vor-
aeit, I, IV, fi) übereinatimmt. Jedenfalls hat der Steinmets, der das Bild
des Fahnenträgers Lnccius gehauen, auch das Bild unseres Signifer gear-
beitet, nur daas jener bartlos, dieser bartig ist und die Signumatange dieses
unten ein Quereiien trägt, welcbes das zu tiefe Kinstoseen der Fahne und die
Besohädigung der unten ab Schmuck angehrnohten Quasten verhüten sollte.
Uuter dem Bilde ist da« 60 ein hohe und 60 cm breite InBchriftfeld, desaen
Inechrift nur zum Tliaile lesbar ist. Wir wei-den auf diese demnächst
dea näheren zu sprechen kommen. Ein in dem rechten oberen Theile
des Inschriftfeldes eingehauenea Zapfenloch, sowie die AbBchleifung des
Steines im Kreise am dieses Loch herum lausen darauf schliessen, dasg der
Stein früher in ein Banwerk eingefügt war, und zwar so, dass der Sknlp-
turtheil eingemauert, das InBcbriflfeld aber ale Iiaufstein des Angelbalkena
eines Thores verwandt wurde. Später ward der Stein bei irgend einer Ge-
legenheit hernmgestürxt, so dass er, mit der ekulpirten Seite nach unten
liegend, aufgefunden wurde. Aus den Besten der Ineohrift ersehen wir,
dass wir in der abgebildeten Figur einen PahnentrUger der 14. Legion au
erkennen haben, der 40 Jahre alt wurde und 19 Jahre im Dienste ge-
standen hatte.
Das sweite Monmneat ist ein 1 ni 23 cm hoher und 8Ü cm breiter
Grabstein eines römischen Legionars der 14. Legion. Er trägt keine figür-
liche Darstellung, dafür aber die in sehr grossen prächtigen Buchstaben
voitre£riich gehanene Inschrift:
M . 8ERVIL1V8 . M F
FAB ; SEKECA . DO
MO . BRIXIA . ANN
XXXX . MIL . LEG
Xlin . GEM . 0 . Q . HELVI
BVCC0NI3 . STIP . XIX
H . 8 . E .
Marcus Servilius, Marci filios, Fabia(tribu), Seneoa, domo Brixia,
nnnorum quadraginta, milea legtonis decimae qnartae, geminae, centuriae
Quintii Helvii Bncconis, stipendiornm undeviginti hie sitns est. (Zu deutseh:
Marens Serrilius Seneca, des Marcus Sohn, aus der fabiachen Bürgerclasse,
aUB Brescia, 40 Jahre alt, Soldat der 14. Legion, der doppelten, vom Zuge
des Qnintns Helvius Bucco, 19 Jahre im Dienst, liegt hier begraben.) Die
Tribus Fabia hatte sich seither auf Maiozcr loschrilteu noch nicht ge-
Misoellen. 187
funden, wohl aber in Wiesbaden (Corp. Inscr. Rhenan. n. 1428) anf einer
ebenfalls einem aas Brixia stammenden Soldaten geweihten Inschrift.
Ferner ward der Grabstein eines römischen Reiters gefunden, der
mit eingelegter Lanze dahersprengt. Unter den Vorderfüssen des Rosses
liegt das abgeschnittene Haupt eines Feindes, der durch das lange, in
einen Knoten verschlungene Haar als Germane gekennzeichnet wird. Die
Darstellung ist höchst unbeholfen und zeigt, dass der Bearbeiter von
den Verhältnissen des Menschen- und Thierleibes nichts verstand. Aber
das Bild ist werthvoll durch die Treue in der Behandlung der Einzelheiten,
zumal des Sattels und der Saodalenbekleidung der Füsse. Von der Inschrift
ist nur die obere Zeile erhalten: CANTABER . VIROTI . F, darunter einige
Buchstaben.
Am 26. Juli wurde bei den Kanalbauten in der Rosengasse ein Sculp-
turwerk gefunden und in das Museum verbracht, das den merkwürdigsten
Funden unserer so bedeutsamen und reichen Sammlung beizuzählen ist. Es
ist der Grabstein eines Hirten oder Viehzüchters, der eines gewaltsamen
Todes gestorben ist. Der bearbeitete Theil des Bildwerkes ist 1 m 70 cm
hoch, 72 cm breit, unterhalb ist noch ein dreieckiges Stück, das in die
Erde gesenkt wurde. In dem dreieckigen Giebel ist eine Urne abgebildet,
an deren Henkeln zwei Rosetten hängen und aus deren Halse ein Blatt-
werk hervorwächst. Ausserhalb in den Giebelecken sind die bekannten
schneckenförmigen Stirnziegcl und nach der First zu Blumengewinde ange-
bracht. Unterhalb des Inschriftfeldes ist der Hirte mit der Peitsche in der
Hand und dem Hunde zu Füssen dargestellt, er treibt die Heerde, vier
Schafe mit einem Widder. Statt perspectivischer Anordnung sind je zwei
Thiere über einander gebildet. Die Landschaft ist durch zwei Bäume belebt.
Die Inschrift lautet:
lucundus
M . Terenti L .
Pecuarius
(d.h.: lucundus, Marci Terenti Libertus, Pecuarius; zu deutsch: Jucundus,
der Freigelassene des Marcus Terentius, ein Hirte.) Dann folgt eine längere
metrische Inschrift, die sich, mit Ausnahme eines Verses, in folgenden Di-
stichen zusammenstellen lässt:
Praeteriens, quicumque legis, consiste, viator.
Et vide, quam indigne raptus inane querar.
Vivere non potui plures triginta per annos.
Nam erupuit servos mihi vitam et (erupuit = eripuit; servos = servus;
der Vers ist falsch gebildet und unvollständig.)
Ipse praecipitem sesse dejecit in amnem.
Apstulit huic Moenus, quod domino eripuit.
Deutsch: Vorübergehender Wanderer, wer auch nur immer Du es liesest,
I Grabe tein) eetzen.)
von Soldaten ist liieBer
Ornbstein fiaes Mannea liflrgerlichen Gewerbea hiichat merkwärdig and tritt
dem im Musaum beßtidliciien Grnbmale äee SctiiETera BIubbus ebenbSrtig
zur Seite.
Zugleich mit dem eben bescliriebenen Grabeteioe ward ein PUaBter-
kapilal römiBch-koriDthiaclier Ordnung gefuDden.
Dr. Jacob Keller.
17. Mains. Römische Funde. 2) Wiederum haben die Taucher- and
Hebearbeiten an den Pfeilern der alten Rheinbrücke eine Rtihe von römi-
miaohen Skulptui-' und Inschriftstficken zu Tage gefördert, die die bereita
so reiche Sammlnng des Vereins „zur Erforschung der rheinischen Geschicbte
undÄlterthüBiei-" auf das !■> freuliebste vermehren. Ausser einem Bruchatflcke
Handmühleteines, einer Ziegelplatte mit dem rechteckigen Stempel
der leg. XIIII Gem. und dem InschriflfragmeDto eines VotivaltArs, wurde
' Votivstein aus rolhem Sandsteiu gefunden, wie er in der
bayriaohen Pfalz gebroi^hen wird, von ca. 89 cm Breite, 62 cm Höhe, 54
cm Ilicke. Dia Vorderseite tr»Ht die luachrift in vieicckigem Rahmen;
auf den Nebeiiaeiten iat gleichfalla ein rechteckiges Feld durch Leisten
umrahmt. Demnach atand der Stein wahrscheinlich in der HShe von drei
Seiten frei und diente einem andern SkulpturatGcke ala Lager. Die In-
Bchrift, in ecbönen quadratischen Buchstaben der beaten Zeit gehaaen, aber
vom Wasser stark verwaachen, lautet:
GENIVM-LEGIO
NIXXII-PRPF-HO
N0RIAQVILÄIP{?)
■ AVRELIVS
Das Weitere ist abgebrochen.
Das zweite Stück iat eine Reliefptatte s
Flonheim in Rheinbesaen bricht, ca. 90 cm hoch,
In dem viereckigen, vertieften Felde steht die RetiefSgur eines Jünglings
mit wallendem Lockenbaare; das Gewand fällt von den Schultern den Rücken
hinab; mit der Linken hält der Jflngling ein Roas am Zügel; die hocher-
hobene Rechte faest den auf die Erde gestützten Speer. Ohne Zweifel
atellt die Figur eine Gottheit dar, vielleicht einen der Dioskuren. In der
Rückseite der Platte steckt noch ein Stück des Klamm er eisena, durch das
Sandsteine, der bei
breit, 20 cm dick.
f
Misoellexi. 189
sie einem Oeb&ade eingefügt war. Das Relief macht in der ziemlich qua-
dratischen Gestalt des Skulpturfeldes fast den Eindruck einer Metopenplatte.
18. Mainz. Neue Funde. Am 13. April d. J. wurde bei Ge-
legenheit der Ausführung städtischer Ganalbauten auf dem Schlossplatze,
an der von der Peterskirche nach der Neustadt führenden Strasse, zwi-
schen der Grossen und Mittleren Bleiche ein römischer Inschriftstein
mit einer leider verstümmelten Figur gefunden und mit der gewohnten
dankenswerthen Umsicht von Seiten der Bauleitung sofort dem Alter-
thumsvereine zugestellt. Es ist der aus einem weissen, mit vielen ziem-
lich grossen Quarzstücken durchsetzten Sandsteine gehauene Grabstein
eines römischen Unteroffiziers. Im oberen Felde war die Figur des
Soldaten dargestellt. Leider aber ward in späterer Zeit der Stein als
Bau- oder Mauerstein verwandt und diesem Bedürfnisse entsprechend
verstümmelt. So ist er in der Mitte entzweigehauen. Die obere Hälfte
ist nicht gefunden worden. Von der Figur des Legionärs sind nur
die Füsse und der untere Theil des mit der linken Hand gehaltenen
und auf den linken Fuss aufgestützten grossen Rundschildes erhalten.
Die Oberfläche des Schildes ist beim Behauen zur neuen Verwendung
als Baustein abgesplittert. Ganz auffallend ist die Aehnlichkeit dieses
Figurwerks mit dem Reliefbilde eines Legionssoldaten, das, in Strass-
burg in der Nähe des ehemaligen hessen- darmstädtischen Palais, im
damals Eellermann'schen Hause, 1737 gefunden, 1870 beim Brande
der Festung zu Grunde ging, von dem aber glücklicher Weise im rö-
misch-germanischen Centralmuseum zu Maiuz und vielleicht auch in
Bonn, Paris und sonstwo ein Gypsabguss erhalten ist. Wir haben in
beiden Sculpturwerken die gleiche wenig sorgfältige, sogar rohe Arbeit
der römischen Spätzeit, z. B. ist die Sandalenbekleidung der Füsse
nicht ausgedrückt. Beide Krieger zeigen die gleiche Stellung, die gleiche
Haltung des Rundschildes, nur dass bei dem Strassburger Legionär der
Schild am Rande eine Schildstütze hat. Auf beiden Darstellungen ragt
zur Linken der Figur in der unteren Ecke ein viereckiger Ansatz
unter dem Schilde hervor, der sich auf dem Strassburger Steine un-
zweifelhaft als das Ortband der Schwertscheide kundgibt. Nicht anders
wird der Ansatz auch auf unserem Relief zu deuten sein. Auf dem
unteren Rande des Skulpturfeldes stehen in Räume ausserhalb der
Füsse des Mannes die Buchstaben:
M EM
Darunter folgt das Inschriftfeld, 58 cm breit, 38 cm hoch. Es ist
von einfachen Randleisten umrahmt;- die Seiten sind rauh behauen; ob
von Anfang an oder bei der späteren Bearbeitung, ist nicht klar. Un-
mittelbar unter der unteren Leiste ist der Stein abgehauen und nach
hinten abgeschr>. Die liabe untere Ecke ist weggebrochet
ganze erhaltene Denkmal ist, 72 cm hoch, 70 cm hreit und 14 cm dick.
Die für die EenntniSB der römischen Ärmeeeiutheilung, sowie pa-
Iseographiach im Scbriftcfaaraktor uod in der Latinitfit aehr merkw
dige Insuhrift — die Interpunktion fehlt gänzlich — lautet folgen-
ORIAFLPVSINNIONISOPTI
LEGIIPANNONICEQVIVIXT
ANNOSXXXXSTVPENDI
AXVIIIIVTirJvSERESP
ROPIETATEPOSVIT
MIINÄM
\i. Memoria Fl(avi) PusinniomB, opti(oni9) ]eg(ionis) secnndae Pan-
ic(a)e, qui vix(ijt annos quadraginta, Btnpeiidia duodevigiati Juti-
I (h)ereB pro pietate posuit.
Wie die Buchatahen der letzten Zeile zu lesen seien, kann für
den Augenblick noch nicht gesagt werden ; jedenfalls enthalten sie
mpeudiäre Formel, einen frommen Spruch, wie eich deren auf
römischen GrahsteiDäD viele finden, ohne dasa sie alle gelöat i
Von dieser letzten Zeile abgesehen, lautet der Text der Inachrift
auf deutsch wie folgt:
Grabmal dea Flaviug Pueiunio, Unteroffiziers der zweiten Legion,
der pannoniscben, der vierzig Jahre gelebt, achtzehn Jahre im Dienste
gestanden hat; sein Erbe Jutinius hat ans Liebe (diesen Grabstein)
setzen lassen.
Anf das wissenschaftliche Interesse, das sich an die Erwähnung
der legio II Pannonica knüpft, näher einzugeben, gestattet der Raum
dieses Berichtes nicht, ebenso wenig wie es möglich ist, die paläogra-
phischen und orthographischen Einzelheiten dieser Inschrift hier zu erörtern.
2. Ein zweiter römischer Sculptur- und Inschriftstein ward an
der gleichen Stelle gefunden, wo der eben besprochene zum Vorschein
kam, nnd zwar am 19. April v. J. Er ist gleichfalls aus weissem
Saudstetne gearbeitet, leider aber nur arg verstümmelt erhalten. Das
Ganze war ein Grabstein für wahrscheinlich fünf Personen, eiuea Sol-
daten der legio I Adjutrix nnd seine Angehörigen. Nnr die eine
Hälfte des Steines ist erhalten. Er scbliesst ohen mit einem ver-
tieften Giebel ah, in dem die Büsten der Glieder der Familie ausge-
hanen sind. In der Mitte (unter der Giebelfirst) sitzt ein Adler, wahr-
scheinlich auf dem Haupte einer Person ; wenigstens weisen Stücke, die
der Wange und Schulter ähnlich sehen, anf einen Kopf hin. Zur
Seite dieser Mittelfigur ist ein weiblicher Kopf, erkennbar an der run-
f
V.
[■
Miscellen. 141
den Gestalt des Gesichtes, am Haarpntze und am Schleier; in der
Giebelecke ist die Büste eines Mannes dargestellt. Entsprechend der
Anordnung der Figuren auf dem vorhandenen Stücke waren wohl auf
dem abgebrochenen Theile gleichfalls zwei Köpfe herausgearbeitet. Da
die ganze eine Seite fehlt und die erhaltene Hälfte selbst arg beschä-
digt ist, kann die Inschrift nicht in allen Zeilen sicher gelesen wer-
den. Soviel ist klar, dass der Stein den Dis Manibus (den ^Schatten-
gottheiten) eines Soldaten der legio I Adjutrix und seiner Angehörigen
von dem Erben geweiht worden ist. Wir behalten uns eine einge-
hende Besprechung der Inschrift für das nächste Heft vor. Ob man
aus der Auffindung dieser beiden Grabsteine in gleicher Linie nahe bei
einander auf eine römische Strasse an jener Stelle schliessen darf, ist
schwer zu sagen ; sie können auch dahin verbracht worden sein.
Die neuen Funde, zumal der zuerst besprochene, haben für die
älteste Geschichte der Rheinlande hohes Interesse und tragen ihr
Scherflein dazu bei, dass Theodor Mommsen's Wunsch, den er im Cor-
pus Inscriptionum in Bezug auf die legio II Adjutrix äussert, die viel-
leicht mit unserer legio II Pannonica in Beziehung steht, nämlich es
möge durch genaue Erforschung bisher noch nicht veröffentlichter In-
schriften weitere Aufklärung kommen, nach und nach immer mehr in
Erfüllung gehe. Dr. Jacob Keller.
18a. Römische Inschrift im Odenwald. Im März 1881
wurde beim Wegebau im Distrikt „Gebrannter Wald** bei dem gräfl.
Erbach'schen Försterhause „Acht Buchen", Revier Rehberg, eine vortreff-
lich erhaltene Ära aus gelblichem Sandstein gefunden, die wie gewöhnlich
mit Sockel, Gesims und Wülsten ausgestattet ist. Die Höhe beträgt 0,64 m,
die Breite in der Mitte 0,325 m. Sie enthält folgende Inschrift:
DIANE
VOTVM
VITA<IS
PRO SE
ET SWOS
VSkKM
d. h. Dian(a)e votum Yitalis pro se et suos (statt suis) v(otum) 8(olvit)
l(aetus) l(ubens) m(erito).
Die Buchstaben der drei ersten Zeilen sind etwas höher (DZ. 1 :
0,077) als die übrigen (L Z. 6 : 0,05). Interessant ist, dass sich auf dem
kleinen Raum von bloss 6 Zeilen drei Vulgarismen finden, nämlich ausser
der auch sonst häufigen Yertauschung des ae mit e in Diane, die Gon-
struktion von pro mit dem Accusativ and suvos statt suos. Bemerkens-
werth ist auch noch, dass votum zweimal gesetzt ist. Die Inschrift ge-
hört wahrBcheioIich dem 3. Jahrhundert, t
Bchtift entlohnten K hinweisen.
19. Malraedy. Der „Burggraben" hoi Amel. Ungefähr
40(1 Schritt westlich von der Brücke '), vermittelat welcher die St. Vith-
Ameler Chsusaee das Flüaschcn Ämel hei dem Bärgerm eiste reiorte gleichen
überschreitet, erhebt sich mitten in dem gerade dort sehr
breiten und nach Norden und Süden nur in geinäciilich ansteigenden
Höhenzügen eich verüerenden Thale, unmittelbar gegenüber dem £in-
flasse des Meyeroder Baches in die Amel, nicht mehr wie etwa 1 00
Schritt von letzterer entfernt, eine vollkommen quadratische Form sei-
gende alte Befestigung, die den Namen „ Burggraben " ') führt. Die
ziemlich genau nach den vier Himmelsgegenden zu iiegcuden Seiten
haben eine Länge von 4 6 Schritt und atetlen i Wälle dar, die mit
' Hohe von 2 und einer Breite von etwa 6 Meter eine sumpfige
Fläche von mehr als 1200 Quadratmeter cinschlieBsen. Die 4 Ecken
bilden übrigens selbst nocli in den inneren Raum mit ihrem Fasse
hineinragende Hügel, indem sie ungefähr '/a bis "/* Meter über den
eigentlichen Umfassangs wällen erhaben sind. Das Terrain
Verschanzung herum ist allenthalben sumpfig, besonders aber unmittel-
bar vor den Wällen, wo es auch etwas vertieft erscheint, ao dftss i
wohl wird annehmen dürfen, ursprünglich seien ringsum Gräber ge-
wesen, aus denen das Material zu den Wällen hergenommen worden;
dass jetzt diese Gräben kaum mehr sichtbar sind, ist nicht zu ver-
wundern, da durch Vertorfung und die rcgelmnasig jedes Jahr im Herbste
wiederkehrenden Ueberschwemmungen des Thaies die Ausfüllatig zw&r
langsam, aber sicher geschehen maaste.
Ein Eingang zu nnserer Verschanzung scheint in der veetlichen
Seite vorhanden gewesen zu sein: allerdings ist eine Lücke in der
Umwallnng nirgendwo sichtbar, jedoch erkennt man von dieser Seite
ans nach Nordwesten hin die Spuren einer alten Strasse, die sieb jedoch
bald in den Wiesen verlieren; vor 30 bis 40 Jahren soll man dieselbe
noch auf eine längere Strecke gut haben verfolgen können. Ea wäre
möglich, dass hier eine Verbindung mit der römischen Niederlasanng
am „Eantenbusch" hei Montenau vorläge, wie ich denn den „Barg-
graben" aberhaupt eher für römisch als fränkisch oder gar spätmittel-
alterlich halten möchte; doch davon weiter unten.
Im LXIX. Jahrbuch S. 118 ff. habe ich fiber die Hagel
im Amelthale gesprochen: solcher Hfigel finden sich nun auch einige
1) Dieselbe Rihrt auch den Namen „Engelshröcke" : vgl. Dr. Hcckiog, Ge-
schichte der Stadt und ehemaligen Herrichaft St. Vith S. 163 f.
3) Der ganze Flordistrikt heiiat „Krahevenn" oder „Erähenvenn."
r
MitceUen. . 148
in unmittelbarer N&he unserer Yersclianzung und zwar zu beiden
Seiten des vorhin angedeuteten Strassenrestes. Während diese Hügel
sofort beim ersten Spatenstich den bekannten Inhalt • — Sand, Schiefer
und Gerolle — zeigen, verhält es sich dagegen mit dem Inhalte der
Wälle des „Burggrabens** ganz anders. Bei einer vor Kurzem durch
den Bürgermeister von Amel, Herrn Schulzen, mit freundlicher Er-
laubniss des Besitzers, Herrn Gent en zu St. Yith, veranstalteten Durch-
grabung der westlichen Seite sowie der nordwestlichen Ecke trat sofort
unter der mit Gras bewachsenen Humusdecke eine mehrere Fuss dicke
hellgraue Thonschicht zu Tage ; diese lag auf einer etwa einen Fuss
dicken Torfschicht, und unter der letzteren stiess man wiederum auf
den dort allenthalben den Untergrund bildenden Thon oder Klei. Das
Merkwürdigste bei der vorgenommenen Nachgrabung ist aber, dass man
auch nicht einen einzigen Stein, geschweige denn Fundamentmauem
oder Baureste fand, obschon in ganz systematischer Weise durch- und
bis zu einer Tiefe von beinahe 8 Fuss eingegraben wurde.
Wenn wir hiernach den „Burggraben*' lediglich als ein in rein
militärischem Interesse errichtetes Erdwerk zu betrachten haben, so
fällt damit von selbst die bisheran allgemein herrschende Ansicht, als
wenn hier die IJeberreste der villa regia Amblava, des fränkischen
Eönigshofes an der Amel, zu suchen seien ^), in Nichts zusammen.
Es drängt sich nun aber die Frage auf, welchem Volke bezw.
welcher Zeit denn die Herstellung des „Burggrabens** zuzuschreiben
ist. Oben habe ich schon angedeutet, dass vielleicht die Römer, die
zu ihrer Zeit am „Kautenbusch** bei Montenau eine grosse Niederlas-
sung besassen, die Pioniere der Ameler Yerschanzung gewesen sein
könnten ; bestärkt wird diese Vermuthung einmal dadurch, dass 2 bis
höchstens 3 Kilometer östlich die Rheims-Kölner Heerstrasse ^) vorbei-
1) Vgl. Dr. Heoking, Gesch. u. s. w. S. 182 Anm. 1, dem ich in meinem
Aufsätze über die Ausgrabung von römischen Baufesten bei Montenau in Nr. 9
des Kreisblattcs für den Kreis Malmedy vom 29. Januar 1881 gefolgt war. Wenn
in den Metzer Annalen die Rede ist von der planities in qaa Amblava villa sita
est, so ist darunter jedenfalls die etwa 70 bis 80 Fuss über dem Amelthale ge-
legene Fläche zu verstehen, auf der das Dorf Amel mitsammt dem Königshofe
erbaut war. Das Amelthal selbst war dazumal wohl noch sumpfiger als es heute
ist und eignete sich schon deshalb nicht zur Anlage einer menschlichen Wohnung
oder gar eines Königshofes.
2) Die in streng nordöstlicher Richtung streichende Römersträsse von
Rheims nach Köln trat beim sog. Steinemann, ungeföhr eine halbe Meile süd-
westlich vom Dorfe Espeier, in den Kreis Malmedy, berührte Thommen und St.
Yith, ging von hier, Medell und Meyerode östlich liegen lassend, über die Morsch-
heck nach Büllingen und wandte sich von letzterem Orte auf Rocherath und so-
dann auf Dreiborn und Morsbach im Kreise Schieiden.
zog, dann aber nocb mehr durcli den umstand, dasa ganz ähaliclie
Erdwerke, wie sie beHOndcre aaf der rechten Rheinsette ziemlich zahl-
reich TOrkommen, tou den besten Kennera der rheiniacben Alterthiii
r Etappenlager gehalteo werden: vgl. Schneider
in der Monatsschrift für die Geschichte WeetdeutBchlan da III S. 490 S.
nnd IV 8. 203 £F.
Ben vorliegonden Bericht mächte ich nicht ecblieSBen ohne noch
einen Versuch über den Ursprung und die Bedeutung des Flussnameaa
Amel — alt Amhlava — zn wagen. Da nahezu alle Name« der
luf der linken Rlieinseite von den keltischen
; wohl auch für den Flussuamen Amblava
, werden, a
aviL in giiUokeltiscfaeu Län-
. Massava, Occava, Ornava,
Rotuva, Uruva, Vaaava. Dieses ava nun ist ein selbständiges Wort und
bedeutet Bach, Fluss, überhaupt Wasser; es ist aämlich identisch mit
lat. aqua und germ. shva, welche Formen auf t
mhen; dieses akvä wurde aber im Oalliachen zu apva, und hieraaa
entstand durch Elision des in den keltischen Sprachen nicht beliebten
Der erste Tbeil des Kompositums Amblava — Stamm Arabli,
Nomin. Amblla — ist auf ein älteres Ambris ') zurückzuführen, da
der Lant t stets aas einem ursprünglichen r hervorgegaugen ist ; da
nnn die in Ambl — steckende Wurzel amb so viel wie „schwellen"
bedentet, so darf der gallo- keltische Flussname Amblava im Deutschen
mit „Schwalbach" wiedergegeben werden.
Schon in früher Zeit wurde die alte Form Amblava in Ambla
(worauf die heutige Form Amel *) beruht) verkürzt, nnd hiervon ist
durch Anfügung der gallischen Nachsilbe isa') gebildet worden Amblisa,
jetzt Emmeta, linkes Neb^nflüaacben der Amel, das bei Montenau ein-
fliesfit. Amblisa aber bedeutet, da isa eine sog. Verkleinerungsendung
bt, Atnbla minor oder altera. Dr. Esser.
20. Malmedy. Zwei alte Befestigungen. Ungefähr eine
halbe Stande westlich von Ovifat, eine Viertelstunde südlich von Long-
faye und zugleich ebensoweit Östlich von Xhoffraix fliessen zwei kleine
Bäche, der dicht bei Longfaye entspringende Ru de Rewanais und der
vom Venn zwischen Xhoffraix nnd Longfaye herkommende Ru da m>ia-
1) Tgl. den kambr. Flussuamen Ambyr, alt Ambris.
3) Die französ. Benennung Ambläve beruht auf der urgprüa glichen Form
Amblava.
3) Heber das Flusenamen bildende Suffix isa vgl. Förstenanu, die deutschen
Ortsnamen 8. 241 f.
Miscellen. 145
lin 1) zusammen, um sich bald nachher mit dem Bayhonbache zu ver-
einigen und mit. diesem rechts in die Warche zu treten. In den Winkel
nun, den die beiden zuerst genannten Bäche bei ihrem Zusammenfluss
bilden, schiebt sich eine langgestreckte Bergkuppe hinein, deren beide
durch die Bäche bedingten Abhänge in einer Höhe von etwa 100 M.
ziemlich steil in jene hinabreichen. Der nicht mehr wie durchschnitt-
lich 35 bis 40 M. breite Höhenrücken hat seine bedeutendste Höhe
unmittelbar vor dem Scheitelpunkte des Flusswinkels und dacht von
hier aus auf einer Strecke von ca. 200 M. ab, um jedoch bald wieder
sich zu erheben. Auf diese Weise entsteht eine Einsattelung des Berg-
rückens, die dazu benutzt ist, um einen auf der Rappard'schen Kreis-
karte eingezeichneten Fusspfad zwischen Xhoffraix und Longfaye über
den Berg zu führen. Geht man nun von der höchsten Stelle dieses
Fnsspfades aus nach der Spitze des Berges bezw. nach dem Scheitel-
punkte des Flusswinkels zu, so trifft man nach ungefähr 50 Schritten,
und zwar an einer Stelle, wo der langgezogene Bergrücken ziemlich
stark eingeschnürt ist, so dass von einem Abhang bis zum andern eine
Entfernung von nur 18 M. vorhanden ist, auf zwei parallele Gräben
mit dahinter — also nach der Spitze zu — liegenden Wällen ; Gräben
und Wälle erstrecken sich von einem Abhang zum andern und zwar
ist j^tzt noch der erste Graben 2 M. tief, der dahinter liegende Wall
2,50 M. hoch, der zweite Graben 2,75 M. tief und der zweite Wall
3,25 M. hoch. Dass wir es hier mit einer natürlichen, aber von
Menschenhand vollendeten Befestigung zu thun haben, braucht wohl
kaum angedeutet zu werden; es kann deshalb nicht Wunder nehmen,
wenn die Bewohner der nahe gelegenen Ortschaften erzählen, es habe
auf der Bergkuppe in alten Zeiten ein Schloss „tschestai (d. i. frz.
chäteau) de Magis** ~) gestanden, das jedoch vollständig in den Erd-
boden versunken sei — es findet sich nämlich auf dem ganzen Terrain
keine Spur von Hauerresten oder auch nur von Steinen, die von Mauern
herrühren könnten.
In Uebereinstimmung mit dieser Sage steht eine Notiz in einem
alten Halmedy und Bellevaux betreffenden Manuskript ^), die ich hier
1) Treibt die Mühle von Xhoffraix.
2) Nur eine alte Frau in Choffraix weiss sich heutzutage dieses Namens
noch zu erinnern. Im „tschestai de Magis" sollen, wie man in der Nachbarschaft
erzählt, z. Z. sog. r^otges monnos^ (d. i. frz. moines rouges — Tempelherren)
gehaust haben — eine Sage, die sehr häufig an Römerspuren sich angeknüpft
hat; auch die weitverbreitete Erzählung von den rHeinzclmännchen^ (wall, sotais)
erscheint hier lokalisirt.
S) Abgedruckt in dem hier erscheinenden Blatte La Semaine, Jahrg. 1881,
No. 3 Supplement und No. 5 Sopplement.
10
I
I
MS Miscellan.
wörtlich folgen lasse: „Le cliatettii de Pouasear, que les Francis nofu-
ment des quattre Fils -Aimond, a et« ensuitte denioÜB, te ch&teBQ Magie
lear Couaia ') situe entre les Villagea de Xhoffray, Longfaye et OvifBa,
ooluy de Weismea sur U Uautenr pri-a de Wallt allant vera Robmlle,
le chateau d'Ariiuont an-deaauB du Village de ce Nora oppose ü ceui
de Chande, Gdoumont et Bousaiero, oeluy de 1« Falize jiroche d'Otto-
moDt au detroit ou defaillnut de la Betle-Vallee deasoue Mnlraeudf,
cornme et celay de Warche an peu plua baa sur uu Racbcr deaeeur le
Village et la Kiviero de ce Noin tirant vers Sta»elot, ae trouvent ausai
demoljs. " Da geschieh tliclie Nachrichteti über das „Schlosa Magis"
nicht existiren und ich mir auch nicht getraue, über den Ursprung
der beschriebenea Graben und Wälle oder über die Zeit, wann diese
Befeatigung etwa eat«tanden aein könnte, Veruiuthungen aufiustelien,
so bleibt mir nur nocli übrig au bemerken, daaa die Bergkuppc, auf
welcher dae Schlosa Magis gestanden haben soll, jetzt „ Thiei' ■) de
Tachesaion" heisat: auf dieecn Namen — Taclieasion ~ werde ich eu
Schluaa dieses Aufsatzes noch zurück kommen.
Die andere Befestigung bei Malmedy ist „le chateau de WeismeB
Bur la Hauteur pr^ de Walk nllant vers Robiville", wie aie in dem
vorhin angesogenea alten Mauuskripte ihrer Lage nach gekennzeichnet
ist. Auch dieae achiebt sich in einen von zwei zuaammeuäieaundeii
Oewüaaern gebildeten Winkel hinein. Zwischen Wulk und Bruyires,
im Flurdistrikte „Mortfat", eatapringt nämlich der Poncinbacb und fliesst
in nSrdöstlicher Richtung, bis er aich ziemlich in der Mitte zwiachea
Walk und „Noupont" ^) mit der Warche vereinigt. Der Winkel nun,
welcher hier von der linken Warche und dem rechten Ufer des Pon-
cinbachea gebildet wird, enthält die deutlichsten Spuren einer früheren
starken Befeatigung. Während nämlich die hohen und steilen Felaufer
der beiden Gewäaaer die Scbenkeleeiten der in einen spitzen Winkel
aualaufendea Bergkuppe sichern , ist die WinkelüfFnnng durch zwei
breite und tiefe, parallel laufende Doppelgräben mit den dazu gehörigen
Wällen befeatigt. Der äussere Hauptgraben hat eine Länge von 86 M.
und eine Tiefe, die jetzt noch 2 — 3 M. beträgt; der dahinter liegende
Wall eine Breite von 1 4 H. and eine Hohe von 4 M. ; zwischen dem
äusseren Wall und dem inneren Hauptgraben iat ein freier Platz von
ca. 22 M. Breite; dahinter folgt der innere 2'/t M. tiefe und 45 M.
lange Hauptgraben mit einem die hüchate Erhebung im ganzen Breieck
1) Der Vetter der vier Haimouskinder heisat übrigens in der Sage nicht
Hagia sondern Malagia.
2) tbier iat walionisch und bedeutet „Berg".
K) So heiisl eine steioemc Brücke, din den von Walk nach Robertvillc
, rrihrenilen Fahrweg über die Wnrche setzt.
BlisoeUw. 147
darstellenden 34 M. langen und 24 M. breiten Walle, der jedoch
möglicher Weise durch den Zusammenstui'z von Gebäalichkeiten nnd
Mauern entstanden sein kann, zumal er aus wüst durcheinander liegenden
grösseren und kleineren Bruchsteinen besteht und verschiedene Vertie-
fungen aufweist, als wenn hier etliche Gewölbeabtheilungen eingestürzt
wären. Vor den beiden Hauptgräben sind übrigens noch zwei kleinere
Gräben von je Vs M. Tiefe deutlich zu erkennen, ohne dass jedoch
zwischen Haupt- und Yorgraben Spuren von ehemaligen kleixieren Neben-
wällen sich erhalten hätten.
Hinter dem zweiten, breiten Walle (?) dehnt sich ein ziemlich
grosser freier Platz in der Form eines abgestumpften Dreiecks aus, der
eigenthümlicher Weise bei der abgerundeten Spitze von einem dritten,
durchschnittlich Vs M. tiefen Graben abgeschlossen wird. Auf diese
Art bleibt die äusserste Spitze des Winkels, von wo aus man einen
sehr hübschen Blick auf die in der Tiefe über und zwischen den Felsen
dahinrauschenden Gewässer der Warche und des Poncinbaches hat, von
der künstlichen Befestigung ausgeschlossen. Was nun die Grösse und
Gliederung des an der Winkelöffnuug durch die zwei geschilderten
bogenförmigen Doppelgräben mit Wällen und an der abgerundeten
Winkelspitze durch einen einfachen Graben vertheidigten Terrains an-
langt, so misst die bogenförmige Grundlinie 34 M. und die Höhe 94
M. ; der ganze demnach einen Flächeninhalt von rund 1600 Qu.-M.
darstellende Baum war, wie aus den vorhqjidenen Fundamentresten
deutlich zu erkennen ist, mit einer aus Bruchsteinen und Kalk ange-
führten Mauer umgeben. Parallel mit den beiden das bezeichnete Ter-
rain einschliessenden Schenkeln ist ein Bewässerungsgraben (sog. „Deich")
angebracht, der sein Wasser aus dem Poncinbache beziehend in kurzem
Bogen um den Graben an der Spitze sich herumzieht und dazu dient,
die im Bergabhange bis nach „Noupont" hin zur Warche abdachenden
Wiesen zu bewässern; ob dieser recht künstlich angelegte „Deich''
neueien Ursprunges oder etwa s. Z. mit der Befestigung selbst angelegt
worden ist, um diese mit dem nöthigen Wasser zu versorgen, wage
ich nicht zu entscheiden.
Der ganze ursprünglich von einer Mauer eingeschlossene Baum
gliedert sich nun in 3 Theile: der erste, nächst der 34 M. langen
Orondlinie, bildet ein trapezartiges Viereck mit einer Höhe von 24 M.
und isb bis zu 3V2 M. hoch mit Erde und Steinhaufen bedeckt; der
dritte Theil an der abgerundeten Spitze bildet eine Ellipse mit einer
Breitenachse von 14 M. und besteht aus Steinhaufen; der mittlere
Theil endlich stellt wieder ein trapezartiges Viereck dar mit einer mitt-
leren Breite von 26 M. uid einer Höhe von 56 M. nnd kann als
ebener, freier Platz bezeichnet werden. Zu bemerken bleibt noch, dass
140 Hiacelbn.
sich awUchen den den äatlichea Sclienlcel bildenden Mntien-esten ond
dem BewäsHernngsdeiche deutliclie Spuren eines alten Grabens zeigen.
Ei genth um lieber, aber jodenfallB nicht zufälliger WeiBe Btimmt der
Name dieser zweiten Befestigung zwiacben Wiilk nnd Robertville mit
dem der zuerst beacbriebenen bei Xhoffraii Öbereio; der ganze Flur-
dietrikt, der jetzt zum Theil mit einem Lohschlage bewachsen ist, lieisst
nämlich „TBcbeesion". Hoffentlich wird man es mir nicht verargen,
wenn ich eine Herleitung bezw. Deutung dieses Namens auf spracliwis-
Benscbaftlicher Grundlage im Nachstehenden versuche.
Ausser bei Xboffraix und Walk Sndet sich der Nnme «cbeEsion"
(wbII. gespr. „Tschession") ein drittes Mal im Belgischen : auf der
Reymana'schen Spezialkarte Nr. 159 ist nämlich ein kleines hoch
nuf einer Bergkuppe gelegenes Oertcheu in der Nähe der Unken Am-
bl6ve, Büdöatlicb von Lorce nnd nordwestlich von Rahier ebenfalls mit
dem Namen Cbession eingezeichnet. Der Umstand nun, dass alle drei
Chession's Bergköpfe darstellen, Teraulaast mich, ia diesem der leben-
digen wallonifloben Sprache nicht mehr angehörigen romanischen Worte
die Bedeutung von „ Kuppe " d. i. „ Bergkopf " zu vermuthen. Denn
wie in dem wallon. Verbum tschessi (d. i. frz. chasser) ein mittellateia.
captiare ') steckt, so muas das wallon. Subst-antivum tscheesion auf
einem mittellat. caption-ero beruhen; dieses Subst. captio halte ich dann
für entstanden aus capitio {durch sog. Syncope), das eine romanische
Nebenform zu lat. capu*, gen. capit-is (Kopf, Kuppe, Bergkopf) seiu
wQrde, wie ecution-em (frz. äcnsaon) zu lat. acutum.
In der oben zitirten Stelle aus einem „alten Manuskripte" wird
die Befestigung Cbession bei Walk „le chäteau de Weismes" genannt.
Vielleicht stimmt hierzu eine Notiz, die ich bei Kaltenbach (der Regie-
rungsbezirk Aachen, S. 449) finde; dort heisst es: „Reichard (un-
richtig fDr : Reinhard), Sohn Reinhards, von Weismes, bante auf dem
Banne von Weismes eine Burg, nannte sie Reinhardstcin (d. i. Rein-
hardi rupes seu castellum) und verliess die Burg seiner Väter zu Weis-
mes, von welcher noch Spuren sichtbar sind. Er starb 13&4'). Die
hier erwähnte Burg Reinhardstein (wall. Renastein), wovon jetzt noch
sehenewertbe Kuinen vorhanden sind, liegt auf einem Felsen an der
rechten Warche 5'A Kilom. von dem Bürgormeistereiorte Weismes ent-
fernt und gehört zur Gemeinde Ovifat. So wenig wie Reinhardatein
hat nun aber auch die frühere Bnrg der Herrn von Weismes zu Weis-
mes selber gestanden, wie man etwa aas der obigen Notiz bei Kalten-
1) Vergl. Diez Ktymologischea Wörterbuel^I. S. 97.
2) Vergl. auch B&rsch, die St&dte imd OrUchaften der Elfel u
Umgegend I. Bd., 1. Abth.. S. ■IB f.
Miscellen. 149
bach zu schliessen sich veranlasst sehen könnte: in Weismes selber
sind nämlich gar keine Spuren eines Schlosses vorhanden und auch nie
vorhanden gewesen; höchst wahrscheinlich beziehen sich aber die „noch
sichtbaren Spuren*' der früheren Burg der Herren von Weismes auf
den ca. 5 Kilom. nördlich von Weismes gelegenen Chession bei Walk,
womit denn auch das „alte Manuskript^ übereinstiamen würde. Uebri«
gens dürfte vielleicht schon im Laufe des Sommers Gelegenheit sich
finden, über den Ursprung dieser alten Befestigung Zuverlässigeres zu
erfahren, da alsdann, wie mir Herr Bürgermeister Nemery zu Weismes
mittheilte, die dort vorhandenen Steintrümmer ausgegraben werden sol-
len, um beim Baue der von Walk über „Noupont" nach Robertyille
führenden Chaussee verwendet zu werden.
Auf zwei weitere alte Befestigungen im Er. Malmedy, wovon die
eine unter dem Namen „ Burgknopf ^ ^) nahe bei Lommersweiler und
die andere unter dem Namen „auf der Burg*' dicht bei Recht sich
findet, gedenke ich ein ander Mal zurückzukommen. Vorab sei jedoch
hier schon bemerkt, dass erstens die Lage auch dieser Befestigungen
mit deijenigen der beiden Befestigungen bei Malmedy, wie sie im Vor-
stehenden ausführlich geschildert worden — in*s Flussthal vorspringende
Bergkuppe — übereinstimmt; zweitens keinerlei historische Ueberliefe-
rungen vorhanden sind, die über den Ursprung und die Bedeutung der-
selben Aufklärung geben.
Dr. Esser.
21. Metz. Caracalla-Büste. Seit ungefähr sechszehn Jahren befindet
sich im Besitz des Rentners D. Colchen, St. Georgsbrückenstrasse Nr. 29
hierselbst, eine ihm von einem Mitgliede seiner Familie testamentarisch in
Anerkennung erwiesener Gefälligkeiten vermachte und bisher von ihm,
und, wie es den Anschein hat, auch sonst allgemein irrthümlichorweise
für ein Portrait des Kaisers Nero gehaltene Marmorbüste. Diese inter-
essante Büste stellt aber durchaus die typische Portraitfigur des Kaisers
Caracalla dar und ist ohne jeglichen Zweifel in mehr als einer Bezie-
hung von einer sehr hervorragenden Bedeutung. Leider war es bisher
nicht möglich, über den Ursprung bezw. die Geschichte dieser Büste Nach-
richten von ausreichender Genauigkeit und Umfönglichkeit zu erhalten, und
Alles, was ich über diesen Punkt durch Nachforschung und Erkundigung
bis jetzt authentisch habe festsetzen können, beschränkt sich auf die nach-
folgenden Ermittelungen:
Es ist mit Sicherheit nachzuweisen, dass die Büste bereits während
der letzten Dezennien des vorigen Jahrhunderts, und zwar von dieser Zeit
1) „Knopf bedeutet so viel wie „Kopf' oder „Kuppe'' und erinnert an
den oben als ,JCopr' gedeuteten Namen „chession".
1
ISO Hüconen.
an bis znm Ucbergnug in das Eigenthnni des p. Colctien, im Besitze von
Verwandten des letzten, nümlich m demjenigen der Fnmilie Marens, in
dem nuf der Oiitgrenze des Landkreiees Metz gelegenen Dorfe les-Ktangs
mch befonden bnhe. Auch danialB eohon ht die Büste mit jenem echwäfz-
liohen, bia zur Mooabiidung entwickelten ?atina-Ueherzug liekleidet ge-
wesen, welcher erst vor etlichen Jahren durch den jetzigen Bceitzer zum
grosseren Theile beseitigt worden ist, und von welchem sich gpgenwärtig
Ueberroste nur auf der Oberfläche des Bart- und Haupthttares, sowie au/
der Bückseite der Büste Torfindon. Darüber indessen, auf welche Weise
die Büste in das Eigenthum der Famiüo Marcus gelangt sei, bat sich
mit Sicherheit Nichts feststellen lassen, und gehen in dieser Beziehung be-
sonders die Angabe des jetzigen Eigenthümers einerseits, und diejenige
Vermuthncg andererseits auseinander, welche bei den an Ort und Stelle
bei den ältesten Einwohnern jenes Dorfes vorgenommenen Vernehmnngen
au Tage trat. Während oäraÜch nach der ersten, von p. Colchen Auf-
recht erhaltenen, und von Mitgliedern seiner Familie afGnnirten Tradition
die Bilate bei Gelegenheit der Trockenlegung eines der sumpfigen Teiche
zwischen dem Dorfe les-Etaaga und dem der Familie Jobal gehörigen
Schlosse Luc, nnd zwar gleichzeitig mit noch drei nndern Büsten, aufge-
funden sein soll (von denen die eine nach Angabe des p. Colchen 70r
einigen Jahren nach Rom gesendet wurde, die anderen beiden aber die
noch in seinem Besitz befindlichen, ihrem KanBt#erth naofa jedoch \6\tig
nDbedentenden Büsten eines sterbenden Alexanders nnd eines unbekannten
Portraits darstellen), wird der andern Quelle nach der soeben angegebene
Ursprung als keineswegs erwiesen oder beglaubigt, dagegen die Ver-
muthung als durcbans nicht unwahrscheinlich bezeichnet, dass die qu. Büsten
ans der Besitzung bezw. ans dem Laudhanse herrühren, welches in dem
ganz nahe gelegenen Weiler Pontigny einem der Grafen von Custine ge-
hörte und welches nebst den übrigen Gfitem des Besitzers zu jener Zeit
seqnostrirt worden war. Ob die betreffende Besitzung dem bekannten Ge-
neral de Custine selbst, oder einem andern Mitgliede der Familie ge-
herte, ist noch nicht ermittelt. •) Ebensowenig sind anderweite Notizen
als die vorstehend wiedergegebenen Angaben des p. Colchen nnd einer
Anzahl Dorfbewohner über den Ursprung bezw. die Geschichte der in
Rede stehenden Büste bisher gefanden worden.
Ist es solchergestalt leider nicht gelungen, aber den oder die früheren
1) Der General, am 4. Februar 1473 hier in Metz geboren und am 26.
Äugngt 1793 guillotinirt, hatte noch drei Brüder, während sein Täter, Graf
Philipp Joseph d. C., Qroasjägormeiater des Königs von Polen und mit Anna
Margaretha Maguin, Erbin des SchloBses und der Grafschaft Rüttgen nnd
Tochter des Franjois Maguin, Seigneur de Comte de Roussy (Rüttgen), einer
angesehenen Metzer Adelsfamilie angehörend, verheirathet war.
Mnoellen. 161
Besitzer der Caracalla-Büste einen wünschenswerthen Anfschluss za er-
langen, um danach eventaell auf Omnd von Dokumenten den für wahr-
scheinlich zu haltenden antiken Ursprung der Büste zur Evidenz nach-
weisen zu können, so mag es noch erübrigen, an dieser Stelle mit wenigen
Worten zuuächst eine kurze Charakteristik und artistisch-kritisohe Würdi-
gung dieser Büste folgen zu lassen, um sodann im Anschlnss hieran bezw.
im Zusammenhang damit; die besondere Frage nach dem Alter oder Datum
der Büste zu prüfen, bezw. eine Feststellung ihres kunst-historischen Wer-
thes zu versuchen.
Die 0,535 m hohe, 0,530 m breite Büste ist aus weissem carrarischem
Marmor gefertigt und beinalie gänzlich unversehrt. Etwa zwei der kleinen
das Haupthaar bildendon Locken sind abgestossen und auf der Unterlippe
zeigt sich eine Beschädigung in Gestalt einer unbedeutenden, höchstens
erbsengrosson Narbe oder Höhlung. Für schlimmer als diese Verletzungen
mnss jedenfalls die schon oben erwähnte Reinigung der Gewandoberfläche
und besonders der Fleischtheile der Büste gehalten werden, weil die Ent-
fernung der hier vorhanden gewesenen Patina leider mit vollendeter Ge-
schicklichkeit und dem nothwendigen allergrössten Maasse vorsichtiger
Sorgfalt nicht vor sich gegangen und daher der volle Reis der Ursprüng-
lichkeit der überaus liebevoll und in detaillirter Feinheit durchgearbeiteten
plastischen Behandlung dieser Partieen immerhin bis zu einem gewissen
Grade beeinträchtigt zu sein scheint.
Schliesst sich die Büste im übrigen ziemlich genau, wie schon er-
wähnt, der typischen Auffassung des Caracalla-Portraits aa^), so machen
sich andererseits einige charakteristische Verschiedenheiten, durch welche
sie besonders zu den Büsten zu Rom und Paris in Gegensatz tritt, bei ihr
wahrnehmbar. Während die Behandlung desp Haupt- und Barthaares bei
den genannten beiden andern Büsten noch nicht die gesuchte Zierlichkeit
und pedantische Detaillirung aufweist, welche den römischen Werken aus
der Zeit des bereits eingetretenen Verfalls zu Ende des HI. und sm An-
fang des IV. Jahrhunderts — neben andern Aeusserlichkeiten gewisser-
massen als Ersats für den Mangel an geistvoller Auffassung — eigen ist,
zeigt allerdings die Metzer Büste gerade diese den letzten antik-römischen
Sknlpturperioden eigenthümliche Detailbehandlung. Andrerseits ist aber
der physiognomische Ausdruck des Portraits ein so Überaus gehalt- und
geistvoller und die wirkungsvolle plastische Behandlung in den Details aller
Gesichttmuskeln 6ine so vollendet meisterhafte, dass in dieser Beziehung
1) Bekanntlich bildet unter den Büsten der späteren Kaiser diejenige des
Caracalla noch einen letzten Glanzpunkt vor dem allmähligen Verfall der römi-
schen Portraitbildnerei und ist dieselbe zweifellos das letzte römische Kaiser-
Portrait von Bedeutung.
1
IßS MUoelleii.
der Metzor Büste unbedingt der Vorzug vor den (ibngen eiogeräumt wer-
den darf. Wenn letztere ihren besondem Warth gerade dnriu besiteen, da«B
Bie mit minntiöaer Genauigkeit dus vom paychologif^chen Standpunkt aas im-
morhin interesaanto Verb rech ergericht dieses mit der raffinirtoBlen Grau-
eamkeit ausgetatteten WOthericIiB crbnrmuBgBlos reproduciren, so kann
man bei der hiesigen Büste unschwer die wob Igel ungece Absicht ilirca
Meisters erkennen, durch eiue etwas idealere Auffassung, die sich besondere
auch auf die ganze, echön bewegte und gleichzeitig kraftvolle Haltung des
Kopfes erstreckt, trota alledem noch in den Gesteh taanadruok seines Portraits
einen gewissen Adel hineinzulegen.
Werden diese Vorzüge der Metzer Caracalla -Büste in Verbindung
gebracht mit der vorher erwähnten plastischen DaiBlellang des Bart- und
Haupthaares und mit einigen weiteren ebenfalls mehr üuaaeren Details,
anter welchen in erster Linie die Nichtausböhluog der Augäpfel zu nennen
ist, BO scheint die Datirung der Büste in eine neuere Skulptur- Periode,
wenn auch nicht absolut uomoglich und über jeden Zweifel erhaben, so
doch kaum zuläasig. Vielmehr spricht in der That Alles für die Wahr-
scbeiulichkeit, dass die im Anschluss an bereits vorhandane Vorbilder ge-
fertigte Büste ein Werk voc ganz hervorragender Bedeutung eines ausge-
zeichneten Meisters auB spät römischer Zeit sei. Auch ein anderes etwas
mehr untergeordnetes und bisher noch nicht erwähntes Detail steht dieser
Annahme nicht hinderlich entgegen. Es ist dies die plastische Wiedergabe
des Gewandes, die höchst merkwürdiger Weise in auffallendem Contrast zn
den sonstigen Vorzügen der Metzer Büste steht. Folgt nämlich die An-
ordnung und Detaillimng der Gewandfalten ebenfalls im Allgemeinen der-
jenigen der mehr erwähnten Vorbilder, so erreicht sie jedoch anch nicht
entfernt die bei der Ausführung dieser letzten beobachtete ausserordent-
liche Feinheit und Eleganz. Wenn man aber erwägt, dasa es für einen
Meister, wie denjenigen, welcher den Kopf der Metzer Büste zu meisseln
verstand, doch sicherlich ein Kleines sein musate, in einem so verh<niss-
mäasig nebensächlichen Detail, wie es daa in Rede stehende iat, die bei
den Vorbildern zu Tage tretenden Vorzüge mindestens zu kopiron, um so den
Werth dieser erreichen zu können, so wird man gewiss nicht fehl gehen,
wenn man annimmt, dasa der Meister der Büste diese Partie derselben
überhaupt selbst nicht gemeisselt habe. Sei es nun, dass dies wider seinen
Willen geschah und dass er, gleiohviel durch was, an der Ausarbeitung
dieser Partie verhindert wurde, oder sei es, dass die letztere in seinem Auf-
trage durch andere, minder geübte Krftfte erfolgte, jedenfalls scheint mir,
wie schon bemerkt, die oben aufgestellte Hypothese bezüglich der Oatirnng
dieser Büste durch den artistischen Werth eines Details nicht alterirt,
welches so unweaenttich ist, dass es besonders den übrigen oben geschil-
derten Eigenschaften der Büste gegenüber bei der Frage dieser Datirung
(*
Misoellen. 153
als nicht sonderlich ins Gewicht fallend und vielmehr als ziemlich irrelevant
zu erachten ist. P. Tornow, Eaiserl. Baumeister.
22. Per scheid, IV2 Stunde westlich von Oberwesel, ist be-
kannt durch den im Jahre 1673 gemachten Fund von 568 römischen
Goldmünzen (Nero bis Commodus, Jahrb. YU, S. 166 und XXX YII,
S. 240), welche der Kurfürst Johann Hugo von Trier in die Wan-
dungen einer Anzahl goldener Gefässe, die sich jet^t im Besitz des
Herzogs von Nassau befinden, einsetzen Hess. Es sind 2 fusshohe
grössere Schalen mit Deckeln, jede mit 148 Münzen; zwei kleinere offene
Schalen mit 42 Münzen; zwei Becher mit Deckel, jeder mit 28 Mün-
zen. Im Jahre 1873 waren diese Gefässe auf der Wiener Ausstellung
zu sehen. Eine halbe Stunde südwestlich von Perscheid wurden im vorigen
Jahre Fundamentreste eines römischen Bauwerkes durch Hrn. Karl Al-
berts in Oberwesel biosgelegt, das nach dem sculptirten Stücke einer
Thüreinfassung nicht ohne Bedeutung gewesen sein kann. Dieselbe ist
von Sandstein und zeigt ein Relief aufsteigender Traubenranken.
Aus'm Weerth.
23. Pfalz. Bericht über archäologische Funde in der
Pfalz und in Franken. Diese Mittheilung umfasst : 1) Den Grab-
fund von Kirchheim an der Eck, der als Geschenk der Direktion der Pfäl-
zischen Bahnen in der Sammlung der Pollichia zu Dürkheim unter-
gebracht ist. Er ist beschrieben im Ausland 1880, Nr. 16, im Cor-
respondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft vom August
1881 und ausführlich dargestellt von Mehlis: Studien zur ältesten
Geschichte der Rheinlande, Y. Abth., herausgegeben von der Pollichia,
naturwiss. Yereine der Rheinpfalz, Duncker u. Humblot, Leipzig 1881,
2) Einige neuere Untersuchungen an der Südwestseite der Dürkheimer
Ringmauer, 3) die fortgesetzten Ausgrabungen im Gallisch- Römischen
Rufiana, dem jetzigen Eisenberg, 4) das römische Castell bei Bieber-
mühle an der Thalbahn zwischen Landau und Zweibrücken, 5) Auf-
deckungen auf der mittelalterlichen Ruine Trifels, 6) eine Notiz über ein
in der Sammlung des naturhistorischen Yereins zu Nürnberg befindliches
Steinbild, das als wahres Unicum dasteht und höchst wahrscheinlich
in Beziehung zu der vorgeschichtlichen Ansiedelung „im Hohlenfels^*
auf der Houbirg zu bringen ist.
1. Ein Rheinischer Skelettfund aus der Steinzeit. Das
Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft berichtet
darüber vne folgt: Am Abhang des* Hartgebirges, der für die Prä-
historie bereits eine Reihe wichtiger Objekte geliefert hat, Ringmauern
und Steinwerkzeuge, Grabhügel und Bronzen, ward bei Kirchheim a. d.
Eck, westlich von Worms, vor einigen Monaten im Sommer 1880 auf
dem südlichen Hochufer des Eckbaches ein nicht gewöhnlicher Fund
1S4 Miiocllen.
gemacht, Bti Verlegung ciiic-s Schienenstranges nm dortigou Balinhofe
fand sich etwa in der Tiefe vou '/, m im lehmigen Erdreiche ein fi**t
vollständiges menachlichee Skelett. Dasselbo nahm mit dem Kopfe nach
Süden, den Füssen nach Norden liegend eine halb liegende, halb k»a-
emde Stellnng ein. In den Knochen der beiden Hände stak eine on-
dnrchhohrte wohlerhaltene Steinaxt toh 1 3 cm I-änge und 4'/. em
Schueidebreito. Daa dunkle Gestein besteht ans Melaphyr oder Apha-
nitmaudelstein, welches zunächst bei Wuldböckelheim an der Nahe an-
stehend vorkommt. Das Instrument seihst bildet auf der einen Flficho
fast eine Horizontale, während die andere mit ablaufender Schneide
versehen konves gestaltet erscheint; der Querschnitt des Werkzeuges
bildet demnach eine bogenförmige Gestalt. Nach Lindenschrait's Er*
Untcrungen zu den Monsheimer Steinartefakten (Archiv für Arthropo-
logie, III. Bd., S. 104 — 105) benützten die Menschen der Vorzeit
dort gestielte Steinbeile in der Art, dass die Breitöäehen geschÄftet
wurden und die Schneide in horizontaler, nicht in vertikaler Weisa
wirkte. Noch heute gehrauchen die Einwohner der Samoainseln ähn-
liche in Holz gefasste und mit Bast gefestigte Steinwerkzenge zum
Aufschürfen des Bodens als Haken (der Verfasser besitzt ein dem Kireh-
heirner Funde gans entsprechendes Steinbeil von Samoa ans der Samm-
lung Godeffroy zn Hnmburg, Nr. 2025). Zu den Füssen des Skeletts
staken im Boden GefäsBreste von zwei verscbiedenen Arten. Die ehi»
Scherbe, diok und ungefüg, gehörte zu einer weitbanchigen, scbfissel-
artigen Urne und zeigte auf der gelbrothen Oberfläche das Tupfen-
ornament und eine horizontAle Leiste, sowie mehrere Buckel. Ein an-
deres Stück, dünnwandig, feingebrannt, von schwärzlicher Farbe, gehörte
einem eleganteren Gefasse von topfartiger Gestalt an. Die Verzierun-
gen bestehen ans zu verschiedenen Reihen komponirten, ungleichseitigen
Dreiecken, welche offenbar mit einem Stichel in den weichen Thon vor
der Brennung eingestochen wurden. Die Reihen schmücken das Ge-
fÄEs an seiner horizontalen und vertikalen Ausdehnung und bilden on-
regelmässige Kanten und blattförmige Gestalten. Gefässe und Werk-
zeug haben in Technik nnd Ornamentik die grösste Aehnlichkeit mit
den nur etwa zwei Stunden nordlich unter gleichem Meridian, gleich-
falls am Abhänge des Hartgehirges von Lindenschrait seiner Zeit
entdeckten Grabfunden von Monsheim (die Literatur darüber vergl. bei
Mehlis: „Studien". III. Abth., S. 24); auch jene Gräber waren in
blossem Boden ohne Steinsetzung angebracht, nnd die Todten lagen
mehrfach in der Kichtung von Nordwest nach Südost. In gleicher
Höhe mit dem Leichenbefunde stiess man bei Kirchheim auf zerhauene
Thierknochen; dieselben lagen einige Meter von dem Grabe entfernt
nnd gehören nach der ' Bestimmung von Prof. Dr. Oskar Fraas za
Miscellen. 155
Stattgart dem Urochs, dem gewöhnlioheD Rinde, dem Haushunde, dem
Schaf, dem Wildschweine an. Diese Thiere bildeten aller Wahrschein-
lichkeit nach die Opfer der Leichenmahlzeit, welche die Stammesge-
nossen am Grabe abhielten.
Dem Arch&ologen fftllt bei diesem Fnnde besonders die über-
raschende Konzinnität dieser von Kirchheim a. d. Eck herrührenden Arte-
fakte, welche sich bis in das Detail der Ornamentik erstreckt, mit den
prähistorischen Fanden an Gefössen und Stein Werkzeugen auf, welche
die Ringmauer von Dürkheim, sowie die Wohnstätten auf der Limburg
lieferten (vgl. Mehlis: „Studien", IL Abth, und IV. Abth., S. 101
— 114). Ganz gleiche Steinwerkzeuge und Scherben von identischer
Technik und Ornamentik lieferten ausserdem Einzel- und Kollektivfunde
von folgenden am Rande des Gebirges liegenden Ortschaften : Leisel-
heim a. d. Pfrimm, Albsheim am Eisbach, Dürkheim und zwar am
Fenerberg, Ellerstadt, Forst, Neustadt. Nehmen wir die analogen
Funde von Monsheim, Ingelheim, Dienheim und Herrnsheim in Rhein-
hessen dazu, so erhalten wir eine Reihe von prähistorischen Nieder-
lassungen, welche von Neustadt bis Bingen reichen, am westlichen Rand
des Hartgebirges und der rheinischen Ausläufer des Donnersberges
lagern und ihre Central- und Rückzugspunkte in den grossen prähisto-
rischen Festungen derDürkheimer Ringmauer und des Donnersberges besitzen.
In der Sitzung der Niederrheinischen Gesellschaft in Bonn am
20. Juni 1881 legt Professor Soha äff hausen den ihm von Herrn
Dr. Mehlis in Dürkheim übersendeten Schädel von Kirchheim vor.
Die schmale hohe Form mit stark vorspringenden Scheitelhöckern weicht
von der gewöhnliehen Form des Germanenschädels, die wir aus den
Reihengräbem kennen, ab und nähert sich mehr dem Typus einiger
heutigen rohen Rassen, wenn auch bei diesen die Schmalheit in einem
höheren Maasse vorhanden ist. Auch die Begräbnissweise muss als
eine sehr alte gedeutet werden, sie kommt in den skandinavischen
Steingräbern vor und war die der Guanchen auf Teneriffa, sowie die
der alten Peruaner. Der Schädel erinnert an den Höhlenschädel von
Engis und ist dem von dem Redner im Jahre 1864 beschriebenen von
Nieder-Ingelheim ähnlich, den er als der vorrömischen Zeit angehörig
bezeichnet hatte. Auch bei diesem vmrden nur Steingeräthe als Bei-
gaben des Grabes gefunden. Auch die groben, aus der Hand geform-
ten Thongefässe gleichen denen von Ingelheim. EigenthÜmlich und an
den späteren germanischen Töpfen und Gewissen nie vorkommend, sind
Ornamente, welche Pflanzenformen darstellen. Eine kleine Schale von
letzterem Ort ist mit aufrechtstehenden Blättern reich verziert. An
einigen schwarzen Scherben sind die scharf eingeschnittenen Strichver-
zierungen mit einer weissen Masse ausgefüllt, die aus der in dortiger
156 ^ Miscetlen.
Gegend vorko in inenden und noch heute vielfacb benutzten '
erde besteht. Li ndenschmit hat die gleichen Thongeräthe nuf '.iem
Grabfelde von Monsheini gefunden, das er als einen der iiltesten Fried-
höfe des Rheinlands bezeichnet. Auch hier schienen die stark zerfal-
lenen, mürben, von Pflanzen wurzeln benftgten Skelette, deren Köpfe
meist anf dem Gesichte lagen, in ritzender Stellung bestattet zu sein.
Der Schädel von Kirchheim iat hoch, lang und schmal, die boch-
atehenden Scheitelbeinhöcker springen vor. Die nur wenig zurücklie-
gende Stirn ist kurz und sclininl und über den ziemlich starken Augen-
brannenbogen etwas eingesenkt. Die Hinterhanptschuppe ist ein wenig
vorgewölbt, die 1. nuchae hildet eine massig starke Querleiste. Die
Zitzenforteätze sind klein aber doch durch den sulcus tief eingeschnit-
ten. Die Schlafe ngogeud ist auffallend fiitch. Die Nähte sind wenig
geaackt, die in der Mitte geschlossene s. sagittalis bildet in ihrem
vorderen Theile nur eine gescbl&ngelte Linie, die for. pnrietalia fehlen.
Der Schädel ist prognath, die er. naso-facialia fehlt. Das Gebisa war
vollständig und ist ziemlich abgeschliffen. Der Unterkiefer hat einen
stumpfen Winkel von 50', das Kinn ist schmal und vorspringend, so
dasB der Schädel fast ein Progenaeus ist. Der bereits von Herrn Pro-
fessor Waldeyer in Strasshurg aus seinen Bruchstücken zusamnieTige-
setzto aber uiivollstiindigo Schädel wurde später von Herrn Dr. Melius
nach Bonn gesendet, kam aber zerbrochen an, so dass er aaf das Neue
zusammengefügt und theilweise in Gyps ergänzt wurde. Die Maaase
sind die folgenden; L. 190, B, 138, Index 72,6. Gerade Höhe 141,
Aufrechte Höbe 141, Längen-Höhen Index 74,2, Breiten-Höhen Index
102,1. Untere Stirnbreite 96, geringste Breite des Schädels in den
Schläfen 98, FK. 109, FN. 114, dies Maass ist nur geschätzt, MB.
119, Gg. 87, HU. 522, Qu. U, 325, C=1350 ccm. Dieses Maass
kann, da ganze Theile des Schädels in Gyps ersetzt sind, nur annä-
hernd richtig sein. Der Schädel ist platyrrhin mit einer Breite der
Nasenöffnung von 30 mm, er ist phanerozyg.
Noch unter den Reihengräberschadeln ist diese Form erkennbar,
deutlicher ist sie an älteren Schädeln. Der Engisscbädel hat eine
etwas breitere Stirn und bessere Nähte, auch ist die Schläfengegend
weniger flach. Gross ist die Aehnlichkeit mit dem Schädel von Nie-
der-Ingelheim, wiewohl die Gesichts bildung verschieden ist, Eigen-
thümlich ist beiden Schädeln das tiefatehende Grundbein, dessen Ge-
lenkhöcker liefer stehen als die Zitzenfortsfitze, so dass die basis cranii
nach unten gewölbt erscheint. Bei beiden schneidet die Horizontale
fast den Nasengrund und die Ebene des for. magnum liegt horizontal.
Mit der vorger manischen mongoloiden oder finnisch- lappischen Rasse
haben der Ingelheimer und Kirchheimer Schädel keine Verwandtschaft.
Miscellen. 167
Wir haben eine ältere Form des Germanenschädels vor uns als die,
welche wir aus den Reihengräbern kennen. Vielleicht ist es die kel-
tische, der schon Retzius die schmalen Skandinayenschädel zuschrieb.
Wenn Schliemann in Hissarlik dieselben mit weisem Kitt eingelegten
Thongefässe fand, so spricht das für nahe Kultnrbeziehungen der Kel-
ten und Pelasger. Wiewohl beide Schädel eine ältere Form darstellen,
so fehlt ihnen doch nicht ein gewisser Kulturgrad, der sich beim In-
gelheimer in dem geringen Prognathismus und dem Fehlen starker
Brauenwülste ausspricht, bei dem Kirchheim er in dem vorspringenden
Kinn, das auf den griechischen Yasenbildern so gewöhnlich ist. Auch
sei hier noch bemerkt, dass ein von Virchow untersuchter Trojaner-
schädel schmal, hoch und lang ist, Schliemann, Ilios, S. 568.
2. Zur Dürkheimer Ringmauer, vgl. Mehlis : „Studien zur
ältesten Geschichte der Rheinlande" IL Abth. S. 5 — 11 und I. Tafel;
XXXY. Jahresbericht der PoUichia, S. 114. Ein Räthsel, wie die
Ringmauer von Dürkheim, muss immer wieder vom Forscher neu zu
rathen vei*sucht werden. Einen erneuten Beitrag zur Untersuchung
lieferte die Constatirung einer rohen Thurmanlage mit einer nahen
Befestigungsmauer, welche den Eingang zu dem Thälchen schirmte,
das sich von der Kallstadter Ziegelhütte zum Forsthaus Weilach er-
streckt. Dieses Fort deckte den von der Natur schwachen nordwestlichen
Zugang zur Ringmauer, während die nordöstlichen die erhöhten Etagen
des Peterskopf es, des Heidenfels und des sogenannten „Kreis" schützten.
Allein wer bemerkte, dass die südlichen Spitzen der Ringmauer
an einem Punkte sich treffen, welcher weder von der Natur noch von
der Kunst geschützt ist, indem die Landzunge noch 100 Schritte weiter
nach Südwestsüd bis zum Signalstein reicht, dem musste dies bei der
sonstigen Sorgfalt für die allseitige Sturmfreiheit des Ringmauerplateaus
auffällig werden. Die bis zur Isenach nach Süden und Westen steil
vorspringende Felsennase, deren schmaler Grat mit Recht den Namen
„schöne Aussicht" trägt, denn frei schweift der Blick von hier in das
Labyrinth der einsamen Isenach gen Westen wie zum Rande der Rhein-
ebene bis zu den Bogenlinien des Oden- und Schwarzwaldes, dacht sich
nach Südosten und zum Stadttheil „Hinterberg'^ allmählich und in
sanfterem Abhänge ab, der einen plateauartigen Charakter annimmt.
Diese kleine halbkreisförmige Etage mag ca. 40 m niedriger liegen
als der Signalstein. Hier herauf führt von der genannten Vorstadt
Dürkheims einerseits der sogenannte „Gaisenweg" zum Signalstein, an-
dererseits ein zweiter Fusspfad zum Krummholzer- oder Brunholdisstuhl.
Die Spitze dieser Abdachung trägt einen hübschen Kastanienschlag, wäh-
rend nach Südwesten Weinberganlagen gemacht sind. Bei ihrer An-
lage ward manche rohe Urne mit primitiver Strichomamentirang dem
W Mbeellen.
Boden enthoben, von deuoii eich Bruchiitüclce in der SammlnDg Ate
Dürkheimer AI terth um b Vereines Lefinilen. Diese ganze Terrasse, welche
im VolkBmimde den Namen „Sunncnwende" hnt, umzieht im HalbkreiB
den Südo stabil an g des Ringmauer- oder üästenberges. Wer auf feind-
licher Seite diesej Vorplutenu eingenommen hatte, dem war es um die
Hälfte leichter, die Wallnnluge der Uingmauer selbst zu forcireu.
Es war dieser UmEtand schon lungere Zeit dem Verfasser dieser
Zeilen nahegegangen, und er schloss, dnss die Strtttegen der Vorzeit
einen schweren Fehler gemacht haben müssteii, wenn sie dies natttr-
liche Vorwerk nnbcfestigt gelassen hätten.
Die Voraussetzung traf bei der Uatersachung cinl Don Von'iuid
des Plateaus umziehen noch mehrere ziemlich gut erhaltene Fragmente
eines früher ohne Zweifel kontinuirlichen Vorwallea, der vom Fnas der
FelaennasB bis südlich des Brunholdisatubtes das Vorland der eigent-
lichen Festung deckte. An einzelnen Stellen hat der Weinbauer die
Haudsteine des Walles benützt, um zum Schutze seinei' Anlage eine
senkrechte Weinbergmauer aufzuthürmen. Das von dunklem Moos über-
zogene bandförmige Geröll zeugt dort noch von dem Zuge des ur-
BprüDglichen Wallee. Eb bildet die halbmondförmig gestaltete auf Fel-
sen aufliegende ümwallung eine fortlaufende Linie von über mehr als
100 Schritt Länge. Die Basis hat an diesem Walltbeil eine Breite
von 4 — 6 m, die Krone eine solche von 1 — l'/a m, die llöhe steigt
bis KU 2 m, an einzelnen Steilen. Oestlich von diesem Hiilbmondwalle
liegt ein zweites ebenfalls in der Mitte ausgebe ugtei Wallfregment.
Es scheinen diese beiden Bogen ein stärkeres Reduit für die ganze
Strecke dea Vor wa lies gebildet zu haben. In westlicher Richtung
atösst an diese ehemalige Bastion ein 36 Schritte langer und 3 Schritte
breiter, etwa l'/t m tiefer Graben, aus dem das Felsgestein sichtbar
ausgeschrotet wurde. Ob dieser mit der prähistorischen Walhmlage
oder anderen technischen Zwecken zusammenhangt, könnt« der Verfasser
nicht ermitteln. Das ganze Feldstück liegt übrigeng noch immer na-
kultivirt da; nur einzelne Hasel st rauch er und Kastanien decken dies
Grundstück, von dem man einen hübschen Ausflug auf die OeS'Diuig
des Isenachthalea geniesst.
Es ist somit kein Zweifel, dass die voraichtigen Vertheidiger der
Vorzeit zur Sicherheit das ganze Plateau in das Netz der Wallanlage
mit hereingezogen hatten, Unter solchen Umatänden war eine so wie
so schwer ausführbare Umwallung der Felsennase unnöthig; das Vor-
werk deckte dieselbe vollständig. Vielleicht diente das Plateau als
eingefriedetes TJrnenfeld.
Es muBB uns der Umstand, daas diese ohne Denkmal und Sage
verschwundenen „Ritter von der Ringmauer" an den von der Natur
MiteeUen. 159
stiefmüt-terlich behandelten Punkten des Gesammtplateaus sorgfaltig Yor-
kehrong getroffen hatten, von diesen aus nicht überrumpelt zu werden,
mit Achtung vor deren strategischem Blick erfüllen. Da wo der An-
stieg vom Thal aus am leichtesten auszuführen war, deckte nach un-
serer Untersuchung ein zweites stattliches Vorwerk von 500 — 550 m
Länge den Hauptweg von und zum Isenachthale, der schon des Wasser-
holens halber von besonderer Wichtigkeit war.
So stellt jede neue Untersuchung an den Hängen der Dürkheimer
Ringmauer fest, dass wir in dieser Position keine zufallig eingenommene,
sondern eine mit besonderem Bedachte auserwählte und wohlbefestigte
zu erblicken haben. Mit ihren Vorwerken und Bastionen reiht sich
diese Festung der Vorzeit den Wallanlagen auf dem Altkönig und der
Houbirg, denen bei Hirschhausen und Otzenhausen im Hunsrück, auf
dem Donnersberge und dem Orensberge u. A. nicht nur ebenbürtig an,
sondern übertrifft sie sogar in der Genialität der Anlage und in der
Sorgfalt der für solche Bauernburgen der Vorzeit mustergilt^gen
Detailausführung. Man könnte unter solchen Umständen fast versucht
werden, dem römischen Einfluss Spielraum zu geben.
3. Zu Eisenberg, dem römisch-gallischen Rufiana, einem Orte
3 Meilen westlich von Worms gelegen, der noch jetzt wegen seiner
Eisenhütten (von Gienanth) und seines vortrefflichen Knnst-Thones und
Klebsandes einen guten Ruf in der industriellen Welt geniesst, wurde
jüngst ein bedeutender Fund an römischen Altsachen gemacht. Die-
selben, meist der Keramik angehörig, legen Zeugniss ab von dem hohen
Grad der Vollendung und Mannigfaltigkeit, den die römische Töpferei
selbst in den Stürmen der Völkerwanderung sich bewahrt hatte. Nach
den gemachten Münzfunden von Kaiser Konstantin (Obolus) und Valens
(Mittelerz) wurde diese Ansiedelung *Ende des 4. Jahrhunderts durch
Feuer zerstört und zwar wahrscheinlich von den einbrechenden Ala-
mannen. Eine Reihe von Fundobjekten wie Rotheisenstücke (Röthel),
ein prismatischer Glättestein legen es nahe, dass man in dem speziell
untersuchten Punkte, der östlich des jetzigen Ortes gelegen ist, und
zwar in der Nähe eines römischen Friedhofes, dessen Gräber zum Theil
im germanischen Museum zu Nürnberg aufgestellt sind, das Haus und
die Werkstätte eines römischen Töpfers entdeckt habe. Auch sonst
stammt von Eisenberg eine Reihe an Ort und Stelle verfertigter rö-
misch-gallischer Gefässe aus terra sigillata, aus gelbem, blauem, selbst
aus glasirtem Thon. Das Fragment einer feinen blaugrauen Schüssel
zeigt den Stempel TAIVBA (= Taiuba) auf, ein Cognomen, das im
Rheinlande ein Novum ist. Für den Zoologen sind die, meist zer-
schlagenen Thierknochen von . besonderem Interesse. Ausser den Knochen
eines Ebers mit mächtigen Hauern und vom Bär sind zumeist die
1»
Hörner nod Markknochen eines kleiDgehÖrnten Riniles, einea nahen Ver-
wandten von bog hrachyceroa vertreten. Nach den parallel gehenden
Befunden von Kiaeuberg und der Limburg bildete sonnch diese jetzt
vom Rheinlande verschwundene Binderrace das Gros dea zur Sornmer-
aeit in der Pfalz dominirenden Viebatandea. Von wetteren Funden
sei noch erw&hnt daa Fragment eines gerieften Mahlsteines ans Thon-
porphyr und zwei Haarnadeln aua Knochen.
Zu den Eiaenberger Fnnden sei noch Folgendes bemerkt: Die
letzten Funde wurden auf dem Acker eines gewissen Eidt von Eisen-
berg gemocht, dessen Territorium unmittelbar südlich an die Bahnlinie
grenüt. Die Funde lagen in einer Tiefe von 50 — 70 cm; in der
Mitte des Grundstückes fand aich ein runder, mit Bruchsteinen ansge-
setzter Brunnenschacht — 90 cra Durchmesser im Lichten — , von
dem ein 1 m breiter gerollter Weg bergauf zur Tiefenthaler Strasse
führte. An diese Sirasae stöaat die Gewanne in Hocbstadt, welche voll
von Gewölben und Grundmauern ist. Im Brunnenschacht, den man meh-
rere Meter tief aushob, lag eine Menge von Knochen, Scherben und
Ziegelstficken. Die unmittelbar nördlich anstosscndc Bahnlinie läuft
im Eisthale parallel dem Laufe des genannten Baches, der im Hittel-
alter „Isa" genannt ward. In Zusammenhang damit scheint der mittel-
alterliche Name von Eisenberg zu stehen, der urkundlich Isanburk, Isen-
bnrgk, Tsenburk, Isinhurc lautet. Ein Ritter von Isinburk erscheint
urkundlich hcreita zu Beginn des 9. Jahrlinnderts. Der Name steht
ohne Zweifel in Verbindung mit dem nltdeutjcjien Worte für , .Eisen"
tsan, mittelhochdeutsch isen, von dem auch die nahe Isenach = Eise-
naoh ihren Namen trägt. Und wirklich kommt in der Gegend von
Eisenberg ein stark eisenaehüsaiger Thoneisenatein oder rother Eisen-
ocker vor, dessen in graue Vorzeit lii neinreichende Ausbeute das Sub-
strat des Namens für Eis, laenach, Eisenburg und Eisenberg geliefert
haben wird. Im nahen Stumpfwalde, der in mittelalterlicher Form
„Stamp" genannt wird und an dessen Westende oberhalb Eisenberg die
steinernen Sitze des Malgerichtes oder Volksgedings noch zu eehen
sind, finden aich Beste prähiatoriacher Eisenschm eisen mit aolchen Schla-
ckenhanfen, dass ein einziger genügte, 400 WSgen damit zu beladen.
Den Galliern, die hier ohne Zweifel in Verbindung mit dem nahen
Borbetomagns ^ Wormaze ^ Worms Eisen gruben, schmolzen nnd
verarbeiteten und deren Fabrikate in den massenhaften Grabhügeln in
Gestalt von Schwertern und Lanzen spitzen vorkommen (vgl. Uehlis,
„Studien zur Ältesten Geschichte der Rheiulande", IIL Ahth., S. 26 —
30), folgten die Römer seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. und seit
der Beeiegung der germanischen Invasion d%r Vangionen auf dem Passe.
Die gallische Niederlassung hatte wohl von dem röthlichen Erz und
Miscellen. 161
der stark gefüllten Erde den Namen „Rofiana^, d. h. Rothstadt, er-
halten (vgl. Rothhardgebirge, Rothenborg, den Ort Roth u. s. w.)*
Die Römer behielten ihn bei, legten an dieser wichtigen Passage ein
Kastell auf der südlich der Eis gelegenen Hochstadt an und verlegten
den Ort für die Eisenschmelzen und die Eisenfabrikation in das Thal.
Unmittelbar neben der Stelle der letzten Funde hatte man vor zwei
Jahren bei einer Rodung ein vom Feuer mitgenommenes, einer Feld-
flasche ähnliches Bronzegefäss sowie ein gleichfalls vom Feuer halb zer-
störtes grosses Bronzebecken gefunden. Dabei lagen andere Bronze-
und Eisenreste, Kohlen, Scherben von Terra sigillata und anderen Ru-
dera, die von einer plötzlich zerstörten Ansiedlung Zeugniss ablegen.
Die ganze Gewanne trägt von den häufigen Münzfunden den bezeich-
nenden Namen „in den Geldäckern* ^ Einige Schritte thalab warte, jen-
seits der Bahnlinie, beginnen nun unter einer Ackerkrume von ca.
30 cm Dicke mächtige Schlackenhalden, deren Handstücke starken
Eisengehalt besitzen. Dieselben haben Anfangs eine Dicke von V2 °^)
weiter unten von 4, 5, ja 8 m. Dieselben, offenbar Reste eines frü-
heren rohen Eisenschmelzprozesses, bei welchem es auf ein Paar Klafter
Holz mehr oder weniger nicht ankam, ziehen sich längs des ganzen
Flusstheiles, zu dessen Seiten sich der Ort Eisenberg erhebt. Sie sind
als die noch sieht- und greifbaren Reste einer starken Lokalindustrie
zu betrachten, die nach den massenhaften Aufhäufungen Jahrhunderte
lang bestanden haben mochten, bis das barbarische Geschlecht der Ala-
mannen Ende des 4. Jahrhunderts die Ansiedlung in Flammen aufgehen
Hess, und die Quelle des Wohlstandes, für die ganze Gegend so plötz-
lich versiechte. 7on der Lokalindustrie der Römer geben fernerhin
Zeugniss die massenhaften ganzen und zerbrochenen Thongefässe, als
Schüsseln, Becher, Amphoren, welche hier in den verschiedensten For-
men und in der mannigfaltigsten Art mit und ohne Omamentation,
einfach gebrannt und mit geschmackvollen Pressungen versehen, fast
bei jedem Spatenstiche ganz oder zertrümmert dem Boden entnommen
werden. Nun findet sich in den Nachbarorten Hettenheim, Leidelheim,
Kerzenheim, Wattenheim und fernerhin in der Ebene bei Grünstadt
und Albsheim (von albus abzuleiten) ein fetter, meist weisser, bald
auch gelber, röthlicher und blauer Thon, der in seinen oberen Schich-
ten zur Herstellung gewöhnlicher thönerner Produkte verwendet wird,
dessen feinere untere Sorten aber als Walkerde und Porzellanerde in
der keramischen Kunstindustrie und der Technik ein begehrtes Absatz-
produkt bilden. Unmittelbar nun zwischen der letzterwähnten Fund-
stelle römischer Artefakte und jenem früher angegebenen Friedhofe,
der in seinem Namen „Senderkopf" offenbar das Rudiment eines römi-
schen „incendarium** erhalten hat, haben jüngst vorgenommene Schür-
11
16a MiwelleD,
fuDgen auf dem Terrain der pHikischcu Baliuen das Vorlixiideusein
einer beBonders feiueu weiaaea Thonerde kooetstirt. Dieselbe findet
Btah aacb einem Baugrund von ca. 1,80 m in einer nur 8 — 9 m (itark«t)
Schichtung und liegt am Rande des Hanges in gleicher Linie wie dio
Hochatadt, das Hauptgebiet der römischen Niederlassung. Ohne Zweifel
war bereits den Rümern diese vortreffliche Thonerde bekannt, und aiiH
ihr verfertigten die einheiiniechen Künstler ihre mannigfachen Fabrikate
in roth- und seh warzg tanzendem Thoo, die für Baus und Feld, Krieg
and Frieden, Leben und Tod dienten, bia auch dieeem blähenden In-
duatriezweige das Schwert des Germanen ein jähes Ende bereitete. Von
der Höhe der Civilisation, welche hier der Provinziale uuter wälacber
Leitang einst erreicht bat, legen nicht nur die Spuren eines Uistempels
Zflugnisa ab, der eich einst neben dem Kastell auf der Hochatadt er-
hob, davon zeugt femer manch' werthTolIos Zieretück ans Bronae,
manche vortrefflich gegossene Waffe, die sich in den Museen der ffale
befindet. So hat der Terfasser dieser Zeilen selbst ein kunstvoll voll-
endetes Brenz ebcscbläge von 10 cm Länge und 3 cm Durchmesser im
Jahre 1878 nach Speyer gelangen lassen. Dasselbe stellt einen kunst-
voll gegoeseneu Adlerkopf vor, im Munde eine Beere tragend; dieser
Kopf ist einem zierlich gedrehten Basiliskenkopfe zugewandt (vgl-
„Mittheilungen des historischen Vereins der Pfalz" VH. Taf. I, Taf. 11
Nr. 2 stellt einen Torquea dar, von dem sogenannten la - Tenetypoft,
den der Berichterstatter in Gegenwart von Professor Vii'chow im Sep-
tember 1878 aus einem nahegelegenen Hügelgrabe ausgrub). Aach
mannigfache Steindenkm&ler berichten von dorn Kanatsinne veraohwim-
dener Generationen, die hier in den ersten vier Jahrhunderten unserer
Zeitrechnang lebten and wirkten. Anf der „Hochatadt" fand sich im
Jahre 1764 in den Trflnunem des Isixtempels ein Denkstein, den ein
Patemios Batinna in Verbindung mit einem Unbekannten tac joasa
(des Erben?) errichtet hatte. An der nftmlichen Stelle gmb man im
Jahre 1820 eine prftchtig erhaltene Ära voÜva ans, welche anf der
einen Schmalseite die im Basrelief mit ihren Attributen geschm&oktan
Gestalten des Uars oder Merkur, der Diana, der Fortuna und das
Herkulea (?) darstellte. Im Garten des Herrn v. Kienanker endlich,
dessen Yorfahrea vor einem Jahrhundert hier die Metallarfaeit der BA-
mer wieder aufgenommen haben, steht endlich als rara avis die in
dem Stein gehauene wohl 2 m hohe Statue eines Gottes, dessen Sookel
in quadratischer Inschrift die Widmung enth<: ,Deo Silvano". Aoeh
dieser Silvanus, dieser Waldgott ward am Westende des jeteigen Ortes
Eisenberg entdeckt und diese Statue schmackte wahrscheinlich mit an-
deren Denkmälern die Anssenseiten des Tempels auf der „Hocbstadt".
Wir sehen hier ganz ab von den zahllosen römischen und griechisohen
MiBoellen. 16S
Münzen in Gold, Silber und Erz, welche meist dem 2. und 3. Jahr-
hundert onserer Zeitrechnung angehörig sind und von dem Fleiss des
Pfluges jedes Jahr aus dem Boden gebaggert werden. Unsere Absicht
war, mit diesen Zeilen den Beweis dafür anzutreten, dass hier unter
dem jetzigen Bau von Eisenberg eine uralte Industriestätte der Ver-
gangenheit den ein Jahrtausend langen Schlaf geschlummert hat. Her-
vorgerufen ward dieser Mittelpunkt für rheinische Eisen- und Töpfe-
reiwaaren in grauen Zeiten, als noch die Schleier der Vorgeschichte
das sumpfige Rheinthal einhüllten, vom gallischen Stamme durch die
Gunst der Lage an dem niedersten Passe zwischen Rhein und Mosel,
zwischen Gallien- und Germanenland, zwischen Divodurum-Metz und Bor-
betomagus-Worms. Die Lockmittel des Verkehres : ein frequenter Stras-
senzug von West nach Ost, reiche Lager von zwei Mineralschätzen,
Eisen und Thon, die für ein kriegerisches Zeitalter besonderen Werth
hatten, erhielten und vergi'össerten diesen Platz zur Römerzeit. Die
Identität des Ortes mit dem gallischen Rufiana, das Ptolomaeus neben
Borletomagur im Vangionenlande und zwar mit dem Längengrade von
Mainz, sowie mit der Breite zwischen Mainz einerseits, und Brumat
und Speyer anderseits angibt, kann nach geographischen und archäo-
logischen Anhaltspunkten keinem Zweifel mehr unterworfen sein (vgl.
Picks Monatsschrift IIL Jahrgang S. 337 f., S. 600 f. u. Jahrbücher
Heft LXIII, S. 188 — 189 u. Correspondenzblatt des Gesammtvereins
d. d. Gesch.- und Alterthumsvereine 1878, Juli Nr. 7). Von diesem
Industriecentrum für Eisen- und Thonfabrikation, in der Mitte zwischen
Mainz, Metz, Trier, Speyer, Strassburg gelegen, ging femer ohne Zwei-
fel ein starker Versandt von Eisen- und ThonwaCaren« von Waffen,
Werkzeugen, Barren und fertigen Ordinär- und Kunstgefössen aus, der
in erster Linie für das nahe Dekumatenland jenseits des Rheinstromes
von Bedeutung sein musste. Strassen nach, allen Richtungen, deren
Spuren ebenfalls noch vorhanden sind, verbanden den rheinischen Indu-
striemittelpunkt, das untergegangene Rufiana mit den Hauptplätzen an
der Peripherie. So mag diese untergegangene Werkstätte römischer
Massenindustrie einen Hauptplatz für die Behauptung des überrhei-
nischen Germanengebietes gebildet haben. Mit der Waffe des Römers
aber drang eben auch das Werkzeug des Südländers ein in das Bar-
barenland, und so reichten sich mit Recht hier Mercur und Mars, Diana
und Fortuna die göttlichen Hände, um in der erhaltenen Ära votiva
lebendes Zeugniss abzulegen für die Kulturarbeit vergangener Jahr-
hunderte. Der Verfasser hat eine grosse Arbeit über Rufiana -Eisen-
berg in Vorbereitung, die in diesen Heften demnächst erscheinen soll.
4. Das Schloss bei Biebermühle. Nach einer archäologischen
Skizze in der Palatina 1881, Nr. 80; 81 u. 82. Es kann sich der rauhe
164 Miacelleo.
Westrioli «war an NatnrBchönbeit mit dem - Oitnbliang des Hardtgebirgea
nicht meaaen, seine HochplateauB und eeine gewundenen Thäler könneD
ßicbt rivalUiren mit den goldgl Unzen den R«benhügelii, welche so inanob«
trotzige Burg krönt; aber dcnnocb rulit ein eigener Zauber auch auf dieaea
Ganen, die allerdiuga der Fqsb des Touristeü seilen oder nur im Flii^
betritt. So au einem heiteren FrOliliugBmorgeu dahioxu wandern über die
von goldgelbem Repa bedeckten TIochcbeDen, von denen der Blitk fast un-
begrenzt achweift bis zu den blauen Ketten dea Uocbwaldes nnd des Huni-
rficka, wo dna Äuge die aufgetbürint« Maase der den Rund des Uardtge-
birgea bildenden Berge Kuppe für Kuppe zergliedern kann, das hat auch
für den verwöhnten Wanderer aoinen besonderen Reia,
Uebei' die „groase Hohe", den östlichen Flügel der alten Grarschftft
Sickjngen, waren wir frisch gewandert und hatten Tags vorher präbisto-
riacbe Hünengraber umgewühlt, heute waren wir am Bande des Walalber
Thaies fUrbasa gegangen durch manch' stilles und liebliches FelseDtlial.
Von Höheinöd herüber trabten wir munter über die breitscboilige Flor
gen Südosten. Schon ist der Blick frei aaf das tief unter uns liegende
Schwarzbachthal mit seiner dunklen Einfassung trotziger Pachten, schon
erglänzt das Sonnenlicht mit bleicherem Strahl auf den Matten der Stein-
alb, die hei Biebermüble ihr forellenreiches Wasser mit der nach Westoii
eiehenden Flutb des Schwarzbaches vereint. Zwischen den Thalungen und
den Waldungen rauaate von jeher hier oben auf der welligen Höbe dor
Tritt und dtT Marsch am meisten Sicherheit bieten, während unten die
Tlialaoolen noch von Sumpf and WasBer bedeckt waren und dsa Dickicht
der Wälder nur der Ajit nnd dem Schwerte nnfrenndlichen Oorchgftng
bot. Für solche Thatsache zeugt nicht nur die Topographie der Koloni-
sirong, die Anlage der ältesten nnd au egedehn testen Ortschaften aof der
Höbe imd am Baude das weitgedehnten Platean's, dafQr spricht ferner daa
Vorfinden der meisten Grabhflgel in demjenigen Waldungen, welche den
Bord der Siokitiger HShe umziehen, dafflr summten scblieeslich die Reste
der alten Strane, welobe wir im Waldbezirke „Selters" hergahwArta jetzt
betreten. Breit and grikn mag die Strassenspur im bocbanfgeacboBsenen
Buchenwald« der letzte Rest sein des römischen Verbindnngaweges, der
Landstahl im Norden mit Bitsch im SOden verband, der parallel der groeaen
Rheinstrasse die Kastelle und Niederlassungen rückwärts des „aaltosJSer-
maniae" gleich einem steinernen Bande zusammenhielt. Seine Sporen aind
bei Höheischweiler und Winachberg, bei Bottenhaob und W&Uchbmna in
Grabhügeln und Ziegeln, in fiBtrichresten and Denkmälern noch deutlich
nnd nndeutltch sichtbar. Schatz war hier nothwendig früher gegen Har-
comanneo nnd Ohatten, später Jahrhunderte lang g^en der wilden Ala-
masnen habgierige Ani&lle, die gleich Wölfen von Südosten her einbrachen
in die Bürden und Herden der unter w&lscbem Schutze gedeihenden Pro-
t
t
Mifloellen. 166
vinzialen. Ein plötzliches Halt gebietet ein in den Fels gehauener Gra-
ben, der trennend über die Strasse zieht, and ein gewaltiger Trümmer-
haufen, der sich moosbedeckt hinter ihm über die Waldbäume sperrend
erhebt. Wir stehen zu Füssen dem „Schloss^.
Es ist ein Trümmermeer von gewaltigen, ans dem Verbände losge-
löster Quadern, über das wir mühsam hinwegsteigen müssen, um zur Höhe,
etwa 25 bis 30 Fuss über dem Graben, zu gelangen. Die Sandsteinqua-
dem zeigen zu unserer Verwunderung Bossen, d. h. abgespitzte Seiten-
kanten, ganz Yon derselben Technik wie an den Aussenmauem am Trifels»
der Wachenburg und der Ruine Schlosseck im Isenachthale. Auf den
ersten Blick scheint kein Mörtel zur Bindung der Lager angewendet zu
sein. Herr Pfarrer Gümbel von Herschberg ist jedoch so glücklich, solche
Amiahme mit der Spitze seines Messers ad absurdum zu führen und es
gelingt ihm, mit dieser ein gutes Stück Kalkmörtel an den Tag zu fördern.
Derselbe besitzt fast die Consistenz von Cement und zeigt im Gegensatz
.zum mittelalterlichen Mörtel keine Spur thoniger Theile, sondern nur rothen,
kömigen Sand, und weissen feingeschlemmten Kalk. Die Länge der hier
seit Jahrhunderten unter schwellender Moosdecke ruhenden Quader beträgt
im Mittel 80 cm, die Höhe 60 cm, die Dicke 60 — 70 cm. Die meisten
unter ihnen verjüngen sich vom Haupt nach hinten und waren demnach
in die Rundung keilförmig eingefügt. Die Stärke der Thurmwand beträgt
ca. 2 m im Lichten. Das Thurminnere misst ca. 7 m, so dass das ganze
Werk einen Durchmesser von ca. 11 m besass. Auf dem nach Südosten
anstossenden Terrain der Bergzunge fand sich eine an die Thurmwand
anschliessende, gar stattliche Umwallung vor, welche den Berg in halb
eiförmiger Gestalt umzieht. Diese Gircumvallation setzt sich unmittelbar
auf den stattlichen Fels an, auf welchem überhaupt das ganze Castrum
ruht. Die Mauer besteht hier nicht aus mächtigen Bossenquadem, sondern
aus kleineren Sandsteinplatten in der Grösse eines doppelten Backsteines.
Im Durchschnitte betragen die Dimensionen der gleichfalls sorgflältig be-
hauenen Bausteine der Umfassungsmauern 40 cm in der Länge, 15 cm in
der Höhe, 20 cm in der Dicke. Die Stärke der Gircumvallation selbst
stellt sich, soweit zu beobachten, auf 1 Va ^' Als Hauptmaasse der ganzen
Umwallung berechneten wir die Länge vom inneren Rande des Thurmes
mit 60 Schritten, die Breite mit 50 Schritten. Die- ganze Form bekommt
darnach die Gestalt eines Bügeleisens, dessen Spitze der Mündung der bei-
den Bäche zu nach Süden, dessen ausgeladene Breitseite gen Norden dem
Bergplateau zu sich kehH. Auch hierin erinnert die Gestalt des „Schlos-
ses" an dem Schwarzbach, an die Figur der Ruine „Schlosseck" im
Isenachthale. Sonst ist dem wild und einsam duroheinanderliegenden Trüm-
merhaufen von Bossenquadern und Ecksteinen, Mörtelwerk und Steinplatten
keine bestimmte Contour abzusehen; auch kein Ornament, keine Inschrift,
1
166 MisoeUen.
keiiie sonstige Andeutung hilft dem Forscher auf die Spur, das steinerne
Bäthsel zu deuten.
Der Bau seihst und die ganze Anlage, ao verwandt sie mit Ruine
„Schlosseck" erscheint, bietet doch eine Reihe von Unähnlich keiten dar.
Vor Allem besteht bei dem geheimnissvoUen Bauwerk an der Isenach die
ganze Circumvallation aus Bossenquadern, hier nur der Thurm ans solchen;
dort liegt der Eingang an der Breitseite neben dem Bergfried, hier in
entgegengesetzter Richtung an der Spitze; dort beherrscht das Oebftude
eine tief unten liegende Strasse; hier mündet unmittelbar an den Graben
ein römischer Strassenzug und an dem Bergstock stossen vier Thalnngen
zusammen. Wollte man ' auch yersucht sein, wie beim „Schlosseck*', als die
Oründungszeit des einsamen „ Schlosses ** bei Biebermühl die Periode der
ersten Salier anzunehmen, die wie Conrad II. und Heinrich HI. mit festen
Burganlagen ihr fränkisches Stammland längs der Yogesen und besonders
an den Yogesenpässen schützten und schirmten (vgl. Krieg von Hochfel-
den: „Geschichte der Militärarchitectur des frühem Mittelalters" S. 255— ;
261), so spricht ausser den obigen Gründen der Umstand dagegen, dass
der Thurmbau des vorliegenden Gastrums mit aller Festigkeit zugleich
einen so hohen Grad von ausgeprägter Eleganz und zweckdienlicher Dnroh-
bildung im Ganzen und in den einzelnen Theilen an sich trägt, wie
ihn die Ruine „Schlosseck" trotz ihrer omamentalen Gestalten nicht auf-
zeigen kann.
Ein gewichtiger Umstand gebietet uns, vorbehaltlich weiterer Unter-
suchung der ganzen Bergveste, eher an ein römisches Castrum als an
eine fränkische „Burg" zu denken. Wie uns Herr Pfarrer G um bei
berichtet, fand man unmittelbar an der Südwand des Felsen, auf dem die
Ruine sich erbebt, im Jahre 1858 beim Chausseebau eine grosse Anzahl
von römischen Münzen, eingeschlossen in zwei Urnen, eine trägt nach der
Mittheilung von Hrn. Pfr. Gümbel auf dem Avers die Umschrift: „Yespa-
sianus Augustus", während der Revers einen Adler und links von ihm ein
S (senatus), rechts ein C (consulto) eingeprägt aufzeigt. Den Rest der
Münzen verwahrt Hr. Baumeister Jung zu Pirmasens annoch im Besitz.
Nach weitereu Nachrichten stiess man damals beim Strassenbau auch auf
mehrere Reste römischer Denksteine, wohin aber letztere kamen, ist unbe-
kannt. Dass hier Steinquadern und nicht wie bei der Salburg Backsteine
zur Anwendung kamen, spricht durchaus nicht gegen Annahme eines römi-
schen Castrums. Die Römer benutzten draussen in der Provinz das Ma-
terial, welches ihnen gerade zur Hand lag; waren Kalksteinbrüche vor-
handen, benutzten sie die Kalksteine zu ihren Bauten, lag der Sandstein
nahe, nahmen sie ohne Bedenken diesen dazu ; nur wo sie kein lagerhaftes
Gestein antrafen, brannten sie aus Thon ihre dauerhaften Ziegelplatten. —
Um eine weitere Subdivision für die lange Periode von fast einem halben
Miseelleti. 167
Jahrtausend tsa erhalteo, üinerhalb welcher der Römer am Rheine herrschte
and hauste, band and baute, hätten wir uns zu entscheiden zwischen der
aufsteigenden Periode des Imperatorenglanzes, als ein Trajan 93 bis 99
als Legat in Obergermanien die Grenzen mit Festungsbauten schirmte und
sein Adoptivsohn Hadrian zwei Jahrzehnte lang den Traditionen des grossen
Schirmherm treu blieb, und der absteigenden Epoche, als Valentinian I.
finde des vierten Jahrhunderts mit Anlage von neuen munimenta, castra,
castella, tnrres am Rhein und an der Donau den Untergang des Römer-
reiches noch aufzuhalten vermeinte. Wohl spricht des Valentinian taci-
teischer^ Geschichtschreibor das inhaltsreiche Wort aus (XXIII 2, 1): Rhe-
nnm omnem a Raetiarum exordio ad usque fretalem Oceanum magnis mo-
libns commnniebat, castra extoUens altius et castella turresque adsiduas
per habiles locos et opportunos, qua Galliarnm extenditur longitudo. Allein
bei der kurzen Regierungszeit dieses letzten Schirmers der bedrohten Rhein-
lande können diese neuen Schutzanlagen nur einen tumultarischen Charakter
getragen haben, während hier Anlage und Ausführung von üeberlegung
im Ganzen und Sorgfalt im Einzelnen deutliches Zeugniss ablegen. Valen-
tinian mag wohl die Rheingrenze und den Hang des Vogesus gegen der
trotzigen Alamannen Ansturm neu gefestigt haben, aber er kann nimmer-
mehr mit solchem Vorbedacht den Knotenpunkt einer jenseits des Gebirges
gelegenen Strassenverbindung geschützt haben. Wenn auch die wilden
Söhne des Gaues an der Murg und Einzig, dem Neckar und dem Bodensee
die festen Mauern vor uns im 4. und 5. Jahrhundert gebrochen haben
mögen, bestanden müssen sie wohl schon haben, als Trajans Zeitgenosse,
der edle Tacitos vom jenseitigen Decumatenlande in seiner „Germania"
sprach als von einer „Ausbuchtung des Reiches und einem Gliede der Pro-
vinz". Damals Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. war ja die klassische
Periode römischer Eriegsbaukunst 1 Und noch im Mittelalter bildete das
„Schloss" hier und die Strasse am Seiters walde die Landesgrenze; heisst
es doch in des pfälzischen Geographen Tielemann Stella Beschreibung der
Aemter Zweibrücken und Eirkel vom Jahre 1564, dass die Grenze „von
Höheinöd auf den Eirschbom durch den Forst hinüber auf das „Steiner
Schloss", dann durch die Bach hinab auf Fröschen" lief. Und nach der
Archäologen Untersuchung fällt ja meistens im Rheinland Grenzrain und
Römerwerk zusammen! So steht es geschrieben im Büchlein „die baye-
rische Pfalz unter den Römern" S. 101, das wir allewege auf solchen Ex-
cursionen bei uns zu haben pflegen. Und die Sage vom „Easpar", der
hier oben geht, auf was mag sie beruhen, als auf einer unverständigen
Volksetymologie, die den Namen „Castrum" oder „Casprum" im aleman-
nischen Contexte nicht mehr fand und sich daraus einen spuckenden „Cas-
par" oder „Easchpar" umdeutend schuf. Wunderbar sind ja oft die Wege
der Volksgedanken. Wenn aus einem „Hansrück", dem Rücken der Hunnen
188 MiHoelleD.
oder Sannaten cid Ilunderücken ward, waruta niolit aus einem römUcb«n
Csatram sin alemaoniiioher Kaspar?
5. Äuagrabangan aaf dem Trifels, aua der Palatina 18B1, S.
271. Wer kennt und nennt sie nicht, die Ehrenveste des deutschen Rei-
ches „TrivelltB", wie ste in dem Briefe König Richards an seine Matter
Eleonore beist? Der Zahn der Zeit hat i'ekanntlich fast nur den mäohligen
Borgfried in der Mitte des innersten Festungsgürtels stehen lassen, und
von der ganaen Herrlichkeit des einst mit Marmor geschmückten PaUa
legen nnr noch wenige Trömraer zerbrochene/ Capitäle und Berflchellt«r
Säalen stummes Zcugniss ab. Seitdem die Veste nach den hei K^rl Lob-
stein aufgeführten Urkunden zwischen den Jahren 1035 und 1676 endgil-
tig dem Verfalle überlaBsen ward, wurde erat in neuester Zeit von der
thatkräftigon Ilegiening der Pfala dafür Sorge getragen, die erhaltenen
Bnrgreste, Thurm and Kapelle, nicht »um Töltigen Trömmerhanfen werden
zn lassen.
Die Trümmerhaufen hat die Bemühung des Trifels -Vereine« bis auf
die ursprüngliche Sohle der eich an die Nordaeite anschliessenden „Freiuug"
hinweggeschafit. Die Grundlinien der innersten Festungsanlage treten nun
deutlich hervor. Diu FolseDmasse ist hier an der dem Wetter ansgesetstea
Nordseite mit einem fünfeckigen Mantel bekleidet, der aus Gnsswerk und
gewaltigen Boaaenqnadem besteht. Die Höhlungen der Felsenwand w&ren
wohl ursprünglich wie auch jetzt noch bu Lagerräumen für Vorrnthe und
Werkzenge bestimmt. Eine in hohem Bogen neu aufgerichtete und mit der
Jahreszahl 1879 prangende Pforte ffthrt uns in die swei Innenr&nme dM
Felsens, in deoon lur Zeit anstatt der Kugeln und Kanonen im E&bkn
Flasohen und Fftner voll edlen Traabeasaftee lagern.
Von der im Halbbogen gesEogeaen Freiung ans liegt gen Nordvesteo
ein itoliiier Tharn], der ooob vor einigeo Menschenaltem mit dem Hanpt-
fels jduroh einen kOhneo Bogen verbunden war. Es ist der Bnmnentlinrm,
Tormab gedekt mit haltbarem Dacbwerk, das zierliche S&ulm tragen, vor-
mkls gesohfltst durch den Hand eherner Udraer, die Jahrhunderts lang in
der Bmnnentiefe schlummerten. Lei Herzc^ von Zweibrücken Befehl Yon
3. Sept. 1670 „liees das Gebiu des Daehwerks am Thurm ttber dem
Brnimen vollends in Abgang kommen". Wenn die Rechen - Eammm: m
Zweibrücken damals die Ausgabe von 40 bis fiO Gulden sur Herstellung
des Brunnens zu hoch befand, so liese es sich der Trifels -Verein Hunderte
von Oulden kosten, um das edle Nasa des Berges, das FelsennaBser, wieder
SU gewinnen. Die viereckige Brunnenöffnang misat im Lichten vier Qua-
dratmeter, und bis auf die Thalsoble, bis zur Tiefe von 80 Metern, muastea
Sohuttwerk nnd Braadreste, verkohlte Balken und serfressene Eisentbeile
aus der Tiefe geholt werden, bis das Quellwasser, stark sprudelnd, wieder
die unterste Etage des Felsenbrunnens netate. Es zeigte sich, dasa da«
Mifloellen. 169
Innere auf 18 Meter gemauert ist, während 62 Meter Tiefe aus dem Fel-
sen gehauen sind. Die Ausheute an archäologischen Objecten ist nicht
gering fdr den, der nicht nach Schätzen gräbt, sondern Anhaltspunkte
für die Cultur vergangener Perioden sucht. Unterhalb der hineingeworfe-
nen Steine, und der wohl aas der Mitte des 17. Jahrhunderts herrührenden
Brand- und Holzreste traf man im Laufe der Ausgrabungen ausser zwei Stein-
kugeln 3 eiserne Mörser an, von denen der grösste an 80 cm Höhe und
20 om Weite hat. Von Geschütz wurden noch heraufbefördert der Lauf
einer Wallbüchse mit dazugehörigem Luntenschloss. Der grösste Theil
der Eisentheile diente als Beschlag der in der Tiefe abgerissenen Wasser-
eimer, auch das Stück einer Kette mit Haken fand sich, mittelst welcher
vordem die Eimer gehoben wurden. Die steinernen Säulchen schmückten
einstmals wahrscheinlich das Gesims des Brunnens, der den Burgbewohnem
ausser den Mauern Unbezwinglichkeit verlieh.
Ob eine Reihe weisser Marmorplättchen den Boden der obersten
Thurmetage zierte, oder, dem Palas entnommen, von muthwilliger Hand
in die Tiefe geschleudert ward, mag dahingestellt bleiben. Fünf kupferne
Schöpflöffel sind ebenfalls verloren gegangene Attribute der ehemaligen
Bestimmung des Brunnens. Das vor uns liegende Thongeschirr, meist un-
glacirt mit Ornamenten und Riefen geziert, geht in seinen ältesten Stücken
nicht über das 13. Jahrhundert hinaus. Die meiste Aufmerksamkeit ver-
dienen 7 Gegenstände des Eleingeräthes, welche ohne Zweifel der roma-
nischen Periode und somit der interessantesten Epoche der Reichsveste an-
gehören. Um mit dem trivialsten, aber damals nothwendigsten Gegenstande
zu beginnen, so ist das erste ein etwa Vi ™ langer eiserner Bratspiess.
Derselbe endigte nicht in einer hohlen Tülle, sondern im unteren Theil
desselben umzwengte ihn ein in schwachen Resten noch erhaltener Holz-
griff, der mit zwei Nietnägeln am schmalen eisernen Bügel befestigt war.
Das zweite ist ein breit ausgeladener, mit gestreckten Knöpfen am Anfang
und Ende des Griffes einfach und hübsch verzierter Löffel von 15 cm
Länge und 5. cm Höhlungsbreite. Das dritte und vierte sind zwei eiserne
Klingen im Griffe stehender Messer von 13 cm Länge. Das von einem
Exemplar erhaltene Plättchen des Griffendes von iVs cm Länge besteht
aus Gold, und es sind demselben mehrere im Winkel stehende buchstaben-
artige Zeichen eingravirt. Das fünfte Object besteht in einem 6 cm lan-
gen Eisenschlüssel, dessen rautenförmige Grifi^latte inwendig ausgeschnitten
ist. Löffel, Messer und Schlüssel dürften beim Wasserholen oder beim
^Sohäckem am Brunnen" dem Gürtel einer Kammermagd oder eines Edel-
knaben entschlüpft sein. Als sechsten Gegenstand nennen wir einen 2 cm
starken und 8 cm langen Elisenbolzen, dessen ausgeladene Spitze die Seiten
einer 4seitigen Pyramide bildet, und dessen Tülle sich in der Richtung auf
letztere verstärkt, entgegengesetzt der Constmction der gewöhnlichen mit-
ITO Mltoallen.
tfllalterliohen PfeilapitKen. Das riebentt; and BckAiut« Ärtefacl besteht in
(•inem reizenden Ohrgehänge, hergeBt«11t kuh einer Compoattion von ßlei
und Zinn. An einer ellipsenfüi'iuigeQ, 2 cm langen Hafte befindet sich dn
BlSttchen von der Grosse eines 5-PfenDigRlückes. Der Anaaeaseite des letx-
teren ist in zierlicher Weise mit acharfen Kanten eine siebooblät tarige Piü-
mette Rnfgeprägt., deren Typus in den OrnameDtinutiTeii der rotsanisohen
Periode eine stehende Figur bildet. Wir liiidea sie z. ß., verbunden mit
dem Akanthna, wieder in den VerKierungeii dea Thorbogens der Rniae
SchlüBaeok im laenachthsle und onf andei'en „Gebanen" dieser 8aiiperi«>de.
welche den EemioiacenzeD der altclAsaiBcheu Zeit zur ersten BenaisBUioe
verhalf.
6. Ein Steinbeil vom Pegtiitüstrande. Nach einer MitÜiei-
lung im Auslände 1881, S. 698. Die Nürnberger Gegend aad gans Fran-
ken ist bekanutlioli arm an Gegenstünden der prähietorischeo Zeit, Ausser
dem Ringwftll von der Houbirg, den Orabbügaln bei Iversbach, Oberkmm-
bauh und Feucht gehört nnseres WiBsena nichts biefaer. Von Steiowerk-
zeugen besondere, die in andern Gegenden, so im Rheinlande, sehr Eahl-
reich vorkommen {z. B. in der Pfak auf etwa 100 Qnadratmeilen ca. 500
Stücke), ist sehr wenig im Ostfrankenlande in der Maingegend bekanat.
Dm so mehr Überraschte es uns, jüngst in der Sammlung der Närnberger
natnrhiatori sehen Gesellschaft ein ganz singaläres Stück anzutreffen, daa in
der Mitte zwischen einem Natorobjekt und einem Artefukt steht, Der
tiwilog wird daMolbe ein oaregelinäHigee, an den beiden gegnnbeiiiagev-
den Langaeiten abgeflachtes, dabei in der Mitte derselben dnrohbohitea
Sphäroid einer natürlichen Bildung zuschreiben, w&hrend der ArohAolog
kaum schwanken wird, dasselbe als einen kDostlieh hergettallten Steinham*
mer za bezeichnen. Das Objekt besteht ans dolomitischem EalksteiB and
ward von Dr. Seelhorst bei £nteuberg am Moritzberge im Walde anf der
Oberfl&che gefnnden, wo dies Gestein unseres Wissens anstehend Torkommt.
Das Stllok ist von Hoos Inkmstirt und von der Luft Idoht gebr&nnt.
Es hat drei ausgesprochene Ecken, also die Grondgeetalt eines Dreiaeka;
das anf die ideale Grundlinie geftJIte Loth misst 11 om, die grftnte Breita
7 cm. Die LSnge der zn einem Kreissegment abgerandeten Sahneide misat
5 om, die grösste Hohe des Oesteins beträgt 6 cm, der grdiste LKngsom-
fang 28, der grAsste Qnemmfang 20 cm. So ziemlich in der Mitte de«
ganseD Stückes ist daa kegell'drmig angelegte Loch senkrecht aagebraobt ;
die L&nge desselben betrftgt 6 om, die obere Weite hat 26, die nntera
4 cm Durchmesser. Aach kflnstliohe Bearbeitung zeigt sowohl diese knnat-
gereobt gemachte Lochnng des Steines, als die anliegende L&ngsseite des-
selben, welche zugleich die grOssten Flächen dimensionen (12:6 om) aaf-
weist Die im Roben gegebene grösste Arbeitsfläche verbesserte man durob
primitives Abreiben and Glätten des Steines auf üoer hftrtereu Gmndlaga.
Misoellen. 171
Die Bohrung stellte man, wie noch heutzutage in Nordamerika (vgl. die
Arbeiten von Rau und Schuhmacher im „Arohiv für Anthropologie", 5.
und 7. Band), durch einen ausgehöhlten Ast, welcher mittelst Wassers
feinen Sand auf der Bohrfläche eintrieb, mit leichter Mühe her. Der Stil
ward offenbar so eingesetzt, dass sich die breitere Loohung oben befand
und mnsste demnach die Gestalt eines abgestumpften, vielleicht oben mit
einem Knopfe versehenen Kegels haben. Das ganze Manufakt macht einen
80 primitiven Eindruck, dass wir es mit den Bronze- und Thierfunden von
der Houbirg (vgl. meine Arbeit im „Archiv für Anthropologie*' XII. Bd.)
und von den Grabhügeln bei Rersbach (früher in den Gemming'schen Samm-
langen befindlich) nur zu konfrontiren brauchen, um dessen Abstand von
dieser offenbar späteren Periode sofort zu erkennen. Schon das Material
des Steinhammers, zu Tage liegender ziemlich widerstandsloser Kalkstein,
spricht gegen den Gebrauch in einer vorgerückteren Kulturperiode, wo
man bereits Metall und Rohsteine durch den Handel bezog und selbst Bronze-
g^enstände und bereits fertige Stein Werkzeuge (z. B. Nephrit- und Jadeit-
gegenstände) auf diesem Wege erhielt. Am besten passt dies Artefakt zu
den Funden, welche Hans Hösch und Pfarrer Engelhardt aus den Höhlen
Oberfrankens gewonnen.
Die 2iähne des Höhlenbären trug der Urmensch damals als Berloke
um den Hals, die Krone des Hirschgeweihes dient als Stumpf für das Stein-
beil, das Bohnerz, das sich im Innern der Erde fand, durchbohrte man
und gab dem Weib diese Naturperlen zum Schmucke. Aus Fichtenreisem
flocht man ein korbähnliches Gewebe, strich es mit Lehm aus, trocknete
es an der Sonne, und in solchem Thonkessel briet man den Schenkel des
Bären und röstete den Schinken des Ebers. Als Waffe diente Stock und
Stein, Hom und Dom; Waffe und Werkzeug war gleich; zur Wohnung
dienten die Hallen natürlicher Höhlen, die sich im Frankenjura zahlreich
vorfinden. In ihrem Hintergründe legte man die Leiche derer nieder, die
des Lebens harten Kampf glücklich überstanden ; überdeckte sie mit Stei-
nen, nachdem man Waffen und Gefösse beigelegt hatte, und dort findet
sie die nie rastende Hand des Forschers der Gegenwart!
und haben wir in der Nähe des Moritzberges, dieses Wegweisers
nach dem Osten, eine Höhlung, in welcher sich der Besitzer dieser Waffe
einst bergen konnte mit seiner Jagdbeute? Allerdings eine in der Nähe
wenigstens ist bekannt, die gleich einem Adlerhorste hoch über das ein-
geschnittene Thal des Seitenbaches der Pegnitz ragt und deren Halle noch
zur Zeit der Besucher mit gewisser Andacht betritt. Es ist der 2—3
Stunden entfernte, nordöstlich vom Moritzberg gelegene „hohle Fels^ an
der sonnenbestrahlten Südseite der Felsenveste Houbirg, der sich hooh\
über dem brausenden Happurger Bach emporwölbt. Um den später ein-
gesetzten, altarähnlichen Fels wurden früher Ausgrabungen von Gümbel,
I
j
172 MiMellBD.
Zittel u. A. gemoeht. Neben den ZithneQ des HöhlenbiLrei], dee RieseD-
hirticbes und des Rena traf man, ganz analog wie in Oberfranken, aaf
zahlreiche primitive ThonBcherben, beides die Küchenresto der Troglodyten,
welche sich in fernem ASterthum hier in aioherer Höhle und auf ragender
Höhe ihreu Wahnaitz gewählt hatten.
Dr. C. MehliB.
24. Regenehurg und Salzburg. Aothropologea-Veraammlnngea
vom 6. — 13. Augast ISSl. Im alten Reichstages aale des Rathhausea za
Regenaburg eröllnete 0. Fraae in Verhinderung dea «rsteii I'räBidetiten
A. Ecker am H. Augnst die XII. Jahresversammlung der deutschen an-
thropologisch eu GesellBchaft um 9Vs l-lir. Er bemerkte, dass wegen der
hervorragen den geschiuhtlichen Bedeutung der Gastra regina der Römer
die Wahl auf diese Stadt gefallen sei, deren geographische und geogno-
atiache Lage er kam schilderte. Funde aus der Steinzeit seien selten, die
Nähe der Gletscher habe hier erst spät eine Ansiedlung möglich gemacht,
doch habe er selbst mit Zittel die aus dem Schelmengrabec hei Ett«rB'
hausen bekannt gemacht. Die höhere Gultur sei hier das Werk der Bd-
mer, im 2. Jahrhundert u. Z. habe Marc Aurel die Legio ITI ital. hier-
her verlegt.
Herr RegierungS'Prneident von Pracher faeiaat die VersAmmlang im
Namen der Regierung willkommen, Bürgermeister v. Stobnns begrüsst sie
ira Namen der Stadt, Graf H. v. Walderdorff im Auftrage des hiatoriacheo
Vereins. Statt des erkrankten ersten Geschäftsführers, dea Pfarrers Dah-
lem, gibt er eipe Ueberaicht dessen, was das Land und die Stadt, die maa
das Caput germantae genannt, der Alterthnmsforschung sn bieten im Stand«
sei. Hier habe gewin schon eine vorrömische Ansiedlung butanden. Die
nahen Höhlen des Jura, die Hflgelgr&ber, die alten Brand- and die Reihttn-
gr&ber geben Zengnias davon. In der Clrichskirohe ist die tod H. Dahhoi
TortreMich geordnete Saromlnng aufgestellt, im nntern Ranm du rSmisdi-
mittfllftlterliohe Lapidarium, aaf den Emporen die prfthistoriBob -rfimiacbea
Alterthtlmer. Dem von demselben verfasaten Kataloge sind zwei Karten
beigegeben, ein Stadtplan von Regensburg mit dem Gmndriss der Castra
regina, der römischen Civilstadt nnd der Begräbniesplätze nnd ein Stna-
tionsplan der römisohen Begräbnisse an der Via militaris Aagnstana. IKa
zahlreichen Schädel und Skelette dieser Gräber hat 0. M. R. Dr. t. HSt-
der bearbeitet, vgl. AroUv für Antbropol. XIII. Suppl.
Die Verhandinngen begannen tnit dem von dem Oeneralseoret&r Prof,
Bänke erstatteten Jahresbericht. Die anthropologische Gesellschaft bete
in ihr zweites Jahrzehnt und habe das erste mit der pr&hittorisohen Ans-
stellnng in Berlin glänzend beschlossen, die eine grossartige Leistung ge-
wesen sei nnd ein nnübertrefflicbes Gesammtbild der ältesten vaterländinhea
Alterthflmer gegeben habe, Wir seien damit beschäftigt, eine von r6mi-
Miicellen. 178
Beben Einflüssen anberührtB Colturströmung in Europa zu verfolgen. Bei
Anfzählung der neuesten Arbeiten beschränkt er sich auf das Gebiet der
Präbistorie, verweist aber auf den ausführlichen Bericht im Correspondenz-
blatte der Gresellschafb. Er gedenkt der berichtigten Vorstellung von der
Eiszeit, in der man sich keine allgemeine Vergletscherung Mitteleuropas
zu denken habe, der Verbreitung des Rennthiers, das nach Struckmann noch
mit dem Edelhirsch gelebt, der Höhlenbewohner Oberfrankens in der Stein*
zeit, die Hösch beschrieben, der von Bosenberg auf Rügen gefundenen
Feuerateinwerkstätten, der fortgesetzten Forschungen Fischers über den
alten Verkehr Europas mit Asien, des von Mehlis, Waldeyer und Schaaff-
hausen beschriebenen Fundes von Kirchbeim, der Untersuchungen Herzogs
über den römischen Orenzwall in Würtemberg, der im Fichtelgebirge ge-
fundenen alten Wallbefestigungen, der neuen Beweise für eine Kupferzeit
in manchen Ländern, der von Handelmann entdeckten Stätten alter Salzge-
winnung an den Nordseeküsten und der Hochäckerspuren in Holstein, der von
Oolert aus den Inschriften gedeuteten socialen Verhältnisse des alten Noricum,
der aus alten Ortsnamen von Bucks gezogenen Schlüsse, wonach Rhätier und
Etrusker dasselbe Volk sein sollen, der Untersuchungen Tischlers über die Oe-
wandnadeln, Frl. Mestorfs über Fensterurnen, Heintzels über das Harz der
Graburnen, der in Regensburg gefundenen römischen Olasspiegel, endlich
der neuen Forschungen v. Scbulenburgs, Treichels und Handelmanns über
Sagen, die sich an die Steine knüpfen, über Zaubersprüche, Feuersegen,
Schwertinschrifben. Er erwähnt das grossartige Geschenk Schliemanns, sein
Werk „llios^ und den internationalen Gongress in Lissabon, der die Frage
nach dem tertiären Menschen in Portugal ungelöst gelassen habe. Zuletzt
legt er drei neue Blätter der archäologischen Karte von Baiern vor, die
Ohlenschlager entworfen hat. Das Blatt von Regensburg ist das reichste
an Fanden.
Frhr. v. Tröltsch berichtet über den Fortschritt der Arbeiten für
die prähistorische Karte Deutschlands. Er legt vier Karten von Schles-
wig-Holstein vor, die römischen Fundorte sind roth, die der Bronzezeit
gelb, die der Eisenzeit blau bezeichnet. Er empfiehlt auch für die Folge
vier besondere Blätter für jede Provinz, eine allgemeine Fundkarte, eine
für die Pfahlbauten, eine für die Hügelgräber, eine für die Urnengräber.
Die Vorzeit Schleswig-Holsteins ist am meisten im Osten entwickelt, zumal
an den Buchten der Ostsee. Hieran knüpft Virchow einige Bemerkungen.
Ans dem heutigen Bestände der megalithischen Denkmale dürfe man keine
Schlüsse ziehen, in der Mark Brandenburg sei deren seit dreissig Jahren
eine grosse Zahl zerstört.
Scha äff hausen meldet, dass die Arbeiten für den Gesammtkatalog
der anthropologischen Sammlungen Deutschlands in erfreulicher Weise fort-
schreiten. Auch legt er seinen Bericht über die anthropologischen Ver-
174 MiBoellen.
handlangen der British Association in Swsnsea sowip über den LisBaboner
CongreBB im Jahre 18S0 vor.
In der NachoiittftgisitKnng spricht Oberstabsarzt Dr. Vater über
einen vor wenigen Tagen in Spandau gemachten höchst werthvoUen Fuod,
der im Nebensaale ausgeatellt ist. Am Einäusa der Spree in die Havel
worden hei Fundirung einer neuen Geachöt^gieaserei ein Schädel nnd fünf
fein oruamentirte BronzewaÖ'en gefunden. Kr kündigt weitere Funde an,
die auch andern 'i'aga eintrafen. Die Gegenstände gleichen den schöneo
Uransen des skaadlnavisohen Nordens.
Der Vorsitzende macht bei dieser Gelegenheit auf die prähiatorische
Sammlung des Herin A. Nagel aus Passau aufmerkaam, die ebenfalls im
Nebeneaale aufgeBt-ellt ist. Sie enthält zahlreiche Stein- und Enochenge-
ratbe aus bairischeu, GäohsiBchen und fränkischen Fundorten, dai'Dnter
einige aus Eifenbeiu.
Hierauf hält OhlenscbUger einen Vortrag über das römische Baj-
ern. Der gröHate Theil des heutigen Baiern gehöi-t« zur Provinz Bhätira,
der zwischen Inn, Saalacb uiid Salzach liegende Theit gebarte zu Noricnm,
ein Qordweütlicbes Stück zu Qermtinieii. Tindelicisohe und rbätiscbe Co-
horten kämpften achon unter Germanicns, 14 — 16 vor Chr., gegen die Che-
rusker, rh&tische unter Vitelliua, 69 nach Chr., gegen die Helvetier, 79 —
80 gegen Oiaudius Civilis. Zwei in Weissenbnrg und Begensburg gefun-
dene Bronzeplatton mit Inschriften atnd Militärdiplome, sie geben die Zahl
der Truppen an, die in Bhätien standen. Sie waren zuerst nur Hülfa-
truppen, 2600 Reiter und 6000 Mann zu Fius. Ent 170 legte Hwc
Anrel eine Legion von 6000 Haon dahin. Diese Truppen waren auf eiiw
Grenzlinie von etwa 30 deutschen Heileu Länge vertheilt; sie Isgertea in
Standlagem, die durch hohl gebaute Wege mit dazwischen liegenden Schan-
zen und einem Zeichensyatem verbunden waren. Insohriften nnd Meilen-
steine , MOnzfnnde nnd selbst Strassenreste weisen ein Nets rfimischer
Strassen nacL Eine fahrte aus Italien durch das Gtechtbal bis Botzen,
von hier zweigte eine ah gegen den Bodensee hin, die andere führte Aber
dea Brenner nach Innsbruck und durch das Inntbal nach Baiern. Im flachen
Lande lehnten doh die Straasea an die FlOsee nnd waren quer unter doh
Terbnnden, wie Salsburg mit Augsburg, Angusta Tindelioorum, welohea die
Hauptatadt von Rhaetia war, Inschriften und Grabfunde geben Anbohlan
tlber die damaligen LebensverhältDiBse. Die römisohe Bevölkemng, die mit
Einsohlnsa einer Anzahl Gmndbesitzer auf 20000 Seelen gescbStat werden
kann, lebte wohl meist vom Ackerbau. Doch gab es einen ausgedehnteo
Töpfereibetrieb und ein Tempel des Heronr deutet auf lebhaften Handel.
Die Regiemngaform war vorwiegend militärisoh, bis 400 nach Chr. war
der Befehlshaber der Legion auch kaiserlicher Statthalter. Haoh dieoar
Zeit wnrde die bftrgerllDhe Verwaltung vom lliJitkr getrennt und versohie-
dene Mnnicipien warden durch aelbsUDdige Behflrden verwaltet. Die Ein-
geboreneo scheiaen bis auf die Namen in den Römern völlig aufgegangen
an sein, in Regenibarg utellt kein Fund siclier, ob es sin Municipinm
war. Im Uittelalter heisat eg noch nach der Oeatalt des CaBtrnms: nrbi
qnadrata.
Sepp fragt, ob Aageborg nicht schon eine NiederlaBSong der Vinde-
licier vor der ROmerzeit gewesen und mit dem keltischen Damasia iden-
tiwk so.
OhlflUBcblager will diese Frage ofTen lassen nnd ladet für morgen
zar Besichtigung der römischen Befestigungen des Arabergea und des Mi-
chaelsbergea ein.
Naohmittsga um 4 Uhr fand eine Ausgrabung bei Kumpfmühl statt,
wo «oh Oraburnen finden, die mit Graphit geachw&rast sind; auf der an-
deren Seite der Eisenbahn wurde ein von Ost nach West gerichteter recht-
winkliger Steinaarg aus Jurakalk blossgetegi, der bereits ausgeraubt schien.
Die ersteren Grftber stammen aus dem 1. — 3. Jahrhundert, die letzteren
aus der EonstantiDiichen Zeit.
Dienstag, den 9., fand schon um halb 8 Uhr die Abfahrt nach Kel-
faeim statt; ein langer Zug bewegte sich mit Musik durch das freundliche
Städtchen und den Berg hinauf zur BeTreiungahalle. Der Eindruck dea
grosaartig sohOnen Werkes ist erbebend. In der feierlichen Runde stehen
kolossale Tictorien, die Wappenechilde mit deu Schlaobleunamen haltend,
darBbet ragt ein Kreis mächtiger Säulen und Aber diesen wölbt sich hoch
die goldglänzende Kuppel.
Nnn ging es durch schönen Wald zu den römischen Wällen auf der
Höbe des Michaels berges und hinab zum Kloster Weltenburg auf dem
rechten Ufer der noch kleinen aber reissenden Donau, das vielldcht von
Caatra Talentia den Namen hat. Das Kloster wird schon 580 nach Chr.
erwähnt; 1803 säcularisirt, ward es 1S34 von König Ludwig wieder den
Beaedictinern einger&nmt.
Am Mittwoch, den 10., sprach snerst Tischler Über die Gliederung
der vorrömiachen Metallzeit Süddeutschlands. Richtiger als die Eintheilung
in eine Bronze- und Eisenzeit ist die nach der Form, nach dem Stil der
Gegenstände. Die älteste Periode zeigt etruakiscbea Einfluss, dann machen
sieb, wie in den Hallstidter Funden, germanische Elemente geltend, und
es folgt die hoch entwickelte Metall- Industrie der Pfahlbauten, für die der
Typus vonLaTtoe charakteristisch ist ; hieran schliesst sich dieRdmeneit,
die einen Yeifall der Kunst erkennen lässt. Auf die Terramai-en dnr Po-
Ebene, welche nur Bronze lieferten, folgen die grossen Nekropolen, zumal
die nordwestlich von Bologna, deren Anfang in den Beginn des 1, Jahrtan-
sMida, deren Schluss, die Or&ber der Certosa, um das Jsbr 400 vor Chr.
zu Mixen ist. Damit ßlllt das Ende der nordisoheu Bronsezeit zusammen.
176 IfiflcelleiL
Die vollständige Reihe der altitalischen Fibeln nnd Metallgef&sse bis znr
Periode der Certosa hinab findet sich in den österreichischen Orabfeldem
yon Hallstadt, 7on Watsch in Krain and weiter östlich. Eine jüngere
Hallstadter Periode mit Paukenfibeln, enggerippten Cysten und griechischen
ThongefUssen ist in den Fürstengräbern yon Hundersingen nnd Lndwigs-
bürg in Würtemberg vertreten. Die letzten vier Jahrhunderte nimmt die
yon der Champagne durch Süddeutschland bis Ungarn y erbreitete Periode
von La Tene, am Neuenburger See, ein mit Armbrustfibeln, Gürtelhaken,
langen Eisenschwertern nnd einer Ornamentik mit classischen Motiven. Die
Werkstatten bei Stradomic und bei Autun beweisen, dass gerade die cha-
rakteristischen Gegenstände nördlich der Alpen gefertigt sind, während an-
dererseits etmskisohe Schnabelkannen und andere Metallgefässe einen leb-
haften Handel mit dem SQden beweisen.
Hierauf zeigt Gross seine neuesten Pfahlbaufunde von Corcelettee
am Neufchäteler See, Schwerter und Lanzenspitzen, Messer mit Bronze-
griffen, ein Doppelmesser zum Rasiren, Ohrgehänge und Amulette, Bern-
stein- und Glasperlen, einen mit Eisen verzierten Bronzering, ein Doppel-
beil aus reinem Kupfer mit kleinem Schaftloch, das auf symbolischen Ge-
brauch deutet, 42 cm lang und mehr als 3 kg schwer, mehrere Dolche
ans Kupfer und einige Nephrit- nnd Jadeitbeile. Die meisten Thongefässe
sind Schalen, einige sind aussen mit Zinnplättchen verziert, andere inneo
roth und schwarz gemalt, eine hat die Form einer Theekanne. Eine Bronze-
nade] hat am Kopf einen Stempel, um den Doppelkreis auf die Thonge-
fasse zu drücken, eine andere läuft in zwei kleine Spitzen aus, um jene
parallelen Linien zu ziehen, die man so oft zwischen jenen Kreisen findet.
Für die Anfertigung dieser Dinge im Lande sprechen die Gussformen in
Bronze und Molasse fast für alle Geräthe, die kleinen viereckigen Kupfer-
und Zinnbarren, ein Bleiklumpen. In Etrurien finden sich dieselben Sachen
nicht, nicht ein einziges der Messer, die zu Hunderten hier in allen Grös-
sen vorkommen.
Dr. Undset aus Christiania legt der Versammlung sein Werk über
die Anfänge der Eisenzeit in Nordeuropa vor. Er versucht darin eine das
ganze Gebiet umfassende Darstellung mit Vorführung des bis jetzt vorhan-
denen archäologischen Materials. Die Arbeit gründet sich sowohl auf Lite-
raturstudien als auf eigene Beobachtungen in etwa 60 Museen. Er be-
zeichnet es als aufi'ftllend, dass eine Bronzezeit so lange in Nordeuropa
geherrscht hat, während das Eisen im mittleren und südlichen Europa
schon längst im allgemeinen Gebrauche war, und dies um so mehr, als der
Norden das Bronzemetall stets aus oder durch eben diese südlicheren Ge-
genden bezogen haben muss. Für die Anfänge der Eisenzeit in Nord-
europa sind Einflüsse der altitalischen und der vorrömischen alpinen Cultur
(Hallntadt und La Tene) bestimmend gewesen, und zwar in dem Zeitraums»
Miscellen. 177
Yon 500 bis 200 vor Chr. In Norddeatschland kommt für diese Unter-
sucliiuigen namentlicli die grosse Zahl der Urnenfelder in Betracht, unter
denen der Verfasser verschiedene geographisch und chronologisch getrennte
Gruppen, wie die in Schlesien, Posen, Sachsen, der Lausitz, unterscheidet.
Die yerschiedenen Typen der Alterthümer lassen sich noch nicht mit ver*
schiedenen Völkemamen in Verbindung bringen. Professor Virchow h<
den Vergleich der Typen verschiedener Länder für sehr wichtig, doch sei
Vorsicht geboten. Altitalische Verbindungen mit Deutschland seien unbe-
zweifelt, doch dürfe man die Funde im Kaukasus nicht ohne weiteres mit
unseren zusammenstellen. Die bemalten und eigenthümlich ornamentirten
Urnen von Ounzenhausen schliessen sich an die Funde von Hagenau im
EUsass an, an solche im südlichen Baden, in der Schweiz, an Hügelgi*ab-
funde am. Bodensee. Typische Bronzegürtel mit eingestanzten Ornamenten
stimmen mit Thongefassen in Bologna überein. Aber der Torques aus
einem viereckigen Stabe, dessen Kanten flügolförmig verdünnt sind, sei
eine östliche Form, die sich in Westeuropa nicht finde. Mehlis hält die
in Rheinhessen vorkommenden gemalten Töpfe für vorrömisch. Bei Pfed-
demheim fand man solche mit Graphitstreifen auf blauem Untergrunde,
auch weisse Gefasse mit rothem Ornament. Dr. Riggauer macht auf die
ausgestellten Münzen aufmerksam, worunter sich Goldbrakteaten und zahl-
reiche Regenbogenschüsselchen, auch gallische Münzen befinden, die barba-
rische Nachahmungen von massiliotischen und macedonischen Münzen sind.
Mehlis beschreibt den Fund von Kirchheim, über den er in der Zeitschrift
der Pollichia ausführlich berichtet hat. Die Art der Bestattung, die Ge-
räthe und Thonscherben sowie die Schädelbildung sprechen für die vor-
römische Zeit und stellen den Grabfund an die Seite derer von Monsheim
und Ingelheim. Klop fleisch entwickelt unter Vorlegung zahlreicher Zeich-
nungen seine Ansichten über die Entwicklung der Keramik in Mitteldeutsch-
land. Es gibt eine älteste Zeit, in der kein Thongcschirr gefertigt wurde,
in der es auch keinen Ackerbau und kein Hausthier gab. Es folgen die
rohen, aus der Hand geformten, schlecht gebrannten Gefässe. Plötzlich
zeigt sich eine Veränderung. Nicht dass sich jene Anfänge weiter ent-
wickelt hätten, es tritt unvermittelt eine neue Kunst auf, die von einem
fremden Volke eingeführt sein muss. Unverkennbar sind die Beziehungen
zu den alten Gulturvölkem. Der Redner glaubt einen ägyptischen Einflnss
auf die Keramik unserer Vorzeit nachweisen zu können. Schaaffhausen
spricht zuerst über den von Dr. Vater ausgestellten Schädel von Spandau,
er gehöre jenem kleinen brachycephalen Typus an, der uns aus den älte-
sten skandinavischen Steingräbern bekannt sei und vereinzelt auch an an-
dern Orten gefunden wurde. Er ist von dem germanischen Schädel ver-
schieden und muss einem den Lappen verwandten Volke zugeschrieben
werden. Sodann berichtet er über eine verglaste Mauer auf dem linken
12
118 Hiiceliei).
Ute der Nahe Kwiechcn FiBchbnch und Kirn und legt die von Herrn Dr.
Grebe an das Provinzialmiiseam in Trier ^sandten Probestücke vor. Ea
Bind Sandsteine durch verscLlackten Melaphyr-MaudelBtein fest miteinander
verkitt«t. Seit der Mitte des vorigen Juhrliundcrts eind die verglaiteD
Burgen SuhottlandB bekannt. Zuweilen bnt man solche Schlacken fdr na-
türliche vulkaniHche Producte gehalten. Ueber die Herstellnng verschlack-
ter Mauern und über die Zeit ihres Baues wurden die verschiedensten An-
sichten laut. Besondere Äufini'rkBamkeit wandte man den HohlräimiBn d«r
Schlackenmaese zu, welche den Abdruck einer PänDzenetmctur erkennen
lassen und auf eingelegte und verbrannte Holaor bezogen wurden. Vircbow
bat in den Jahren 1870 und Tl solche Braudwülle bei Dresden, in der
Oberlansitz, im Spessart untersucht, sie wurden auB Thüringen, Polen und
Böhmen bekannt. Der Redner stellt die Grüniio für seine Ansicht znaam-
men, doss man nicht ilolzstücke, sondern Uolzkoblcn mit dem leicht schmelz-
baren Gestein genieugt hat. Daubreo hat nns Beinen Analysen franzüaischer
Schlackeu den Scbluss gesogen, dnsa man Meersalz dem Thonsilikat snge-
setst, und hat die Verfertigung solcher Mauern, wie schon Prevost getban,
onsern mit Luftcanälen versehenen ZiegelSfen verglichen. Die von Herrn
WacbendorfF gemachte Analyse der vorliegenden Schlacken, mit der dos
Helapbyra verglichen, spricht nicht für einen Zusatz von Natron. Diese
verglasten Manern können nur eiuem in der Cultur vorgeschrittenen Volke
zugeschrieben werden.
Die JUittogspauaa wurde wie am ersten Tage but Besicbtigung der
Stadt, der Kirchen, znmal des Domes und Domscbatzes, der Sammlungen
im Tbon-Dittmer-Hause sowie in der Ubichskirche benutzt. Geber die
hier aufgestellten Grabfunde sei noch ans den Uaterauchungen Dahlems
und V. Hölders Folgendes angefahrt. In den Ältesten Gräbern mit Hflnsen
des Antoninus Pins, 138 — 161, herrscht meist der Leichenbrand, von d»
bis 275 nimmt die Beerdigung zu ohne bestimmte Richtung der Todten.
Spater, unter Probus bis Conatantio, 259 bis 286, tritt die gleichförmige
Orientirung von 0. nach W. ein, es ist der Uebergang zn den Reibea-
gräbem. Im Anfang des 4. Jahrhunderte hört mit Constantinus Magnus
der Leichenbr&nd ganz auf. Sobald die Reibengriber beginnen, finden
sich kein« Lampen mehr in den Gräbern, wohl aber neben Mflnien und
Schmuck andere GefKsse. In Gräbern aus der Zeit des Tbeodosiua gibt
es schon WadTea und Schmnckaaohen vom Stil der Uerovinger-Zeit. Fflr
die Gräber der Frauen waren Münzen der Kaiserinnen als Oboliu beliebt.
Ea Bind etwa 1500 Gräber geöffnet worden. Die kleinen Nägel in den
Brandgräbern rühren von den dünnen Holzsärgen her, in denen die Kör-
per verbrannt wurden, oft liegen 20 ui einer Stelle. Die Grösse der Hola-
särge, dio zur Bestattung dienten, laut sieh oft an der Lage der bis 15
cm langen und in geringer Zahl vorhandenen Nägel erkeoaen, es nind
MiBoeUen. 179
deren höehstens 12, je 4 oben und tioien and je 2 in der Mitte der Seiten.
Aus den Sch&deln scbliesBt v. Holder, dass die Bevölkerung urBprünglich
dem rb&to-Barmatischon Typus angehört eu haben aoheine und dass später
Mb ear Mitte des 8. Jahrhunderts der reine germanische Typus der Rei-
hengr&ber imm«r häufiger geworden sei.
In der nach einer Pause um 2 Uhr beginnenden NachmittagssitBung
machten Török und Virchow anatomische Mittheiiungen.
Dm 4 Uhr schliesst der Yorsitaende die Verhandlungen. Die Wagen
standen bereit zur Fahrt nach der Walhalla, die, wenn auch ein Griechen-
tempei) doch in würdiger Weise deutschen Ruhm und deutsche Grösse in
seine Marmorwände einsohliesst. Die Versammlung war von 247 Thefl-
nehmem besucht, darunter waren 95 Einheimische. Diesmal zog . ein grosser
Theil der Anthropologen nicht heimwärts, wie es sonst der Fall ist, son-
dern nach Salzburg, wohin die Wiener Anthropologische Gesellschaft, um
ein solches Zusammentreffsn herbeizuführen, ihre zweite Jahresversammlung
berufen hatte.
Die zweite Jahresversammlung der Wiener Anthropologischen Gesell-
schaft wurde in Salzburg am Freitag den 12. August um 9 Uhr im Saale
der neuen Oberrealschule durch den Präsidenten Freiherrn t. Sacken er-
öffnet, der die Versammlung im Namen dersdben willkommen hiess. Die
Versammlung wählte zu ihrem Vorsitzenden den Grafen Wurmbrand, zu
dessen Stellvertreter v. Sacken, zu Schriftführern Dr. Much und Dr. Pirk-
mayer. Wurmbrand freut sich des zahlreichen Besuches und dass so
viele ausländische Gelehrte der Einladung entsprochen hätten. In Oester-
reich sei der wissenschaftliche Eifer für unsere Forschungen nicht so rege
wie anderwärts, die verschiedenen Nationalitäten legten einem einhtttlichen
Vorgehen Hindernisse in den Weg. Die Hochschulen fingen erst an, diese
Studien zu wttrdigqn. Das Land besitze reiche Schätze in seinen P£Akl-
bauten, Höhlen, Gräbern wie in den Stätten ältesten Bergbaues. Schon vor
den Römern habe man hier Kupfer, Eisen und Salz gewonnen. Wichtige
ethnologische Fragen seien noch nicht gelöst. Welches ist die Stellung der
Kälten zu den Etruskem? Woher hatten jene ihre Obltur? Eine selb-
ständige Industrie mit eigenen Formen sei den Kelten nicht abzusprechen.
Kaiiographisohe Aufnahmen seien in Ungarn und Ocsterreich begonnen,
er hoffe, dass eine archäologische Karte in nicht zu ferner Zeit zustande
kommen werda Diese Versammlung werde zu neuen Forschungen an-
regisn. Hofirath v. Steinhauser bagrüsst in Abwesenheit des Statthalters
die Versammlung. Die Staatsregierung bringe dem Aufbltüien der jungen
Wisseoschafit die wärmsten Wünsche entgegen; er biete als ihr Vertreter
den Oeiehrtett die bdiördliche Unterstütsung an zu jeder Zeit und wisse
die Ehre ihres heutigen Besuches zu schätzen. Herr Bürgermeister Biebl
dankt im Nanm der Stadt, die indessen nur bescheidene Sammlungen
180 Miacellen.
bieten könne, eumal die der einatigen üni*eraitat and des Muaenm CaroUno-
Angueteiim. Die Reihe der Vorträge beginnt Dr. Prinzinger, der in den
Namen der Berge, Flüase und Thiiler den Hnuptbeweie findet, dasa die
älteBten Bewohner des Landes Deutsche gewesen seien. Scliou der Cbroniat
des vorigen Jahrhunderts Thadd. Zivnaer erklärt die Noriker für Deutsche.
Halleoni, die römische Benennung der Bewohner, komme nicht von dem
keltischen ha], Salz, sondern von Hallung, dem Gebäude für dio Sakbe-
reitung, das aächaiscbe Halle habe nie Kelten gesehen. Pintschgan heisGe
Binsengau, wie es ein Bohnen- und Schiefergau gebe. Die Wasser hieasen
Achen, die Thäler Auen, mehrere bilden das Gau. Das höchste Gebli-ge
des Landes, die Tauernkette, bewahrt noch den Namen der alten Tauriaker.
Änch fremde Namen gebe es, diese seien romanisch und slawisch. Dr. Steub
hat im Lande Salzburg zahlreiche römtscha Bof- und Dorfuamcn nachge-
wiesen. Redner schlieeBt mit dem Satze : Deutsche bairischen StammeB
haben das Land bevölkert. Wnrmbrand legt hierauf die von ObleDBchlagor
bearbeifete arcbäologieche Karte von Baiern vor, auf der auch die römischen
Strassen gezeichnet sind und der eine Fundchronik beigegeben ist. Er
empfiehlt sie als ein Muster für ähnliche Arbeiten. Mit Anerkennong
weist er auf die acht Hefte des von Dr. Voss herausgegebenen Albums der
Berliner prähistorischen Ansstellung hin. Nun tritt Dr. ZiUner als Ter-
tbeidiger der keltischen Vorzeit dieses Landes auf. Er glaubt, daas die
sprachliche Ausbeute in die Irre fDhre. Deutsche erscfaienea hi«r ent am
650 unserer Zeitrechnung. Strabo nennt die Tanrisker in Noricnm mit
andern ein keltisches Volk, das auch am Po wohne. Tacitas bezeichnet
ausdrücklich Noricnm, Pannonien nnd Bhätien als Grenzländer, die nicht
zu Deutschland gehören. Strabo nennt die Boier mit den Norikem ein
nördlich über die Alpen hinaus wohnendes Volk; sie haben nichts mit den
Baiem zu thon. Sie sind zu Caesars Zeit von den Markomannen aus
ihrem Lande vertrieben worden und flflcbteten zu den Noriksrn, den Hel-
vetiern and Hadnern. Herodot, 400 bis 420 v. Chr., kennt noch keine
Kelten, weder am Po, noch am Fnsse der Alpen. LiviuB berichtet über
die Züge der Kelten im 4. Jahrhundert v. Chr. über den Rhein nnd nach
Oberitalian, sie stehen im Jahre 386 vor Clnsium, sie ziehen nach Delphi
und weiter nach Osten. Nach Tacitas sind auch die Boier über den Rhein
eingewandert. Zur Zeit der Römer waren die AlpenÜiäler keltisch. Zu
Ende des 5. Jahrhunderts nennt noch Zosimus die Noriker and Bbfttier
Kelten. Aber diese Kelten hatten eine weit höhere Cultar ab die nörd-
lichen Germanen. Sie hatten vor den Römern Städte gegründet nnd beuteten
die Mine falsch ätze des Landes ans. Claudius gab f^nf Städten das römische
Stadtrecht, Ftolemäus nennt xwölf Städte in Noricum. Rasch vollzog sich
die Romanisirang der Kelten. Ihre Götter behalten die alten Namen: Bei,
GrannuB, Teutates. Alounae heissen die von ihnen verehrten weibliohen
1
Misoellen. 161
Wesen. Das Keltentham dauerte von 400 v. Chr. bis 564 d. Chr. Die
deutschen Ortsnamen im Lande sind späteren Ursprunges. Muoh tadelt
es, dass man überall die Kelten sehen wolle, sogar in Aegypten. Das
Keltische soll die Ursprache des Menschen sein, Grimm selbst sei Kel-
tomane gewesen, aber er warne vor Abwegen. Holtemann habe die Ueber-
einstimmuDg der Kelten und Germanen bewiesen. Wie man in der Erd-
bildung keine Katastrophen mehr annehme, so soll man auch im alten
Völkerverkebre die Vorstellang gewaltsamer Elreignisse aufgeben und eine
allmähliche naturgemässe Entwicklung der Völker an deren Stelle setzen.
Mit den Römern sei in Noricum das ganze Keltenthum verschwunden. Dio-
nys von Halicamass sage deutlich, der Rhein durchschneide das Kelten-
land, und Strabo nenne die Germanen echtej^Kelten. Er macht auf die
Uebereinstimmung der Kunstarbeiten, der Gebräuche, des Cultus bei den
alten Völkern aufmerksam, die man Etrusker, Kelten, Germanen nenne.
Sind die Bronzegürtel von Hallstadt etruskisch? Dieselben Dinge findet
man bei Bologna. Bei den Semnonen wurde das Bild der Göttin Hertha
auf einem Wagen von Kühen gezogen, auch die Gothen führten ihr Götter-
bild auf Wagen umher. Im Triumphzug des Aurelianus wurde von Hir-
schen gezogen ein Wagen mit dem Götterbalken aufgeführt und Gregor
von Tours berichtet, dass man in Gallien einen Wagen mit dem Bilde der
Berecynthia durch die Felder gefahren habe. Können die in Brandenburg,
Schlesien und Steiermark gefundenen Bronzewagen, die man den Etruskem
zuschreibt, nicht ähnlichen gottesdienstlichen Gebräuchen gedient haben?
Es sitzen Schwäne darauf, aber die Schwäne spielen in nordischen Sagen
eine wichtige Rolle. Virchow meint, Keltomanen gebe es nur in Deutsch-
land, Bertrand theile die Kelten so ein wie Polybius. Die Aussagen der
Alten seien wichtig, aber literarisch lasse sich die Sache nicht erledigen.
Much habe zu wenig auf Caesar Rücksicht genommen. Er erinnert an
die Schwierigkeit ähnlicher modemer Verhältnisse, an seine Beurtheilung
der Finnenfrage. Die Völkerbewegungen in AMca verdienten des Ver-
gleiches halber die grösste Beachtung. Wie verhalten sich die heutigen
Neger zu den alten Aethiopen? Auf den deutschen Ursprung der Namen
in Noricum dürfe man keine Schlüsse bauen, denn in Kleinasien seien die
griechischen Ortsnamen ganz erloschen, man treffe nur türkische. Schaaff-
hausen sagt, dass vor allen Dingen die kraniologische Forschung hier
mitzusprechen berufen sei. Auf der Versammlung in München habe man
schon vergeblich nach den besondern Merkmalen des Keltenschädels ge-
fragt. Vor 25 Jahren habe er bereits bei Besprechung der 1855 erschie-
nenen neuen Schrift von Holtzmann: Kelten und Germanen, zwei dolicho-
cephale Germanenschädel von Cannstadt mit der von Bory St. Vincent,
Latour, Serres, Retzins und Prichard gegebenen Beschreibung des Kelten-
schädels 80 übereinstimmend gefunden, dass er dies als eine wichtige Be-
1
I6B MiiMltoB.
stätigung der HoltzaiHiiiiBchen Aneicbt bezeiohiiet b»be. Zfthlreiohe epatere
Beobachtungen bätten kein anderes ErgebnUs gehabt. Schon Str&bo sage,
daea Kelten und GerniAnen ia Gestalt^ Sitte und Lebenaweiae vieles ga-
inein hätten. Es könnten wiederholte germanische Kinwanderungon rbb
Asien stattgefunden baben, die ersten, die bis Gallien und zur pyrenäisobea
HalbioBel vordrangen, kamen hier mit phdniaiacber and grieobischer Cnltnr
in Berührnng und erlangten eine höhere Bildung aia die nachrückenden,
im mittlem nnd nördlichen Deutschland bleibenden StÄmme. Wichtig aeiea
die Worte dos Tadtua, Agiicola 11: „Die BrJtannier bleiben, was die Gal-
lier ehemals waren." Noch deutlicher sagt Strabo, IV, 4, die alten Sittan
der Gallier seien dieselben gewesen, die noch bei den Germanen bestehen.
Wenn Caesar die Belgier nnd Gallier verschiedene Spraclien reden läaat,
so kann sich das auf verschiedene Mundarten beziehen. Vielleicht sprachan
alle Germaneu keltisch, es sind uns wenigstens keine andern germanischen
Sprachreste ans jener Zeit bekannt, in die das Keltische hinaufreicht.
Nimmt doch der Suevenkönig Ariovist die Schwester eines norisühen Für-
sten zum Weibe. Muoh bemerkt gegen Vircbow, dass selbst Brandes zu-
gebe, dasB Caesar die nichtigsten Beweise für die Identität drr Kelten
und Germanen Uefere. OhlenschUger führt an, dass in den zahlreichen
römischen Inschriften kein deutscher Personenname vorkomme, dasa an die
römische Zeit sich die getmanischen Reibengrüber anschlieasen nnd daas in
dieser Zeit eine bedeutende Veränderung der Bevulkeruog erfolgt sei.
JICeblii hoiteht daranf, daas CMsar die Gallier tob den Germanwi natar-
soheide. Tirohow glaubt, die Vindelicier könnten lUyrier od«- Pelosgsr
sein. Broca anteracheide sweierlei Formen des Keltensch&dels, die bracliy-
cephale Form der Savoyarden habe er bis zn den Galtebas im Altai ver-
folgt. Die heutigen Albanesen seien unzweifelhaft brachycephal, Oermaoen
und Kelten könnten so verschieden gewesen sein, wie Germanen und Slaven.
Die abendländieche Cultur habe jedenfalls einen östlichen Ursprung. Hier-
mit achlosB die Sitzung. Um 4 Uhr wnrde das städtische Museum be-
sucht, das in seinen alten gewölbten Räumen nicht nur eine stattliche vor*
historische und römische Alterthümersammtung besitzt, worüber ein tod
E. Richter verfasates Verzeiobniss mit archäologisober Karte Auskunft gibt,
sondern auch zahlreiche mittelalterliobe Gegenstände und ganze Zimmer-
einrichtungen der letztvergangenen Jahrhunderte. „Das römische Leben
hatte sich nur längs der römischen Strasse entwickelt, an ihr liegen die
Fundorte dicht gesät, in den Nebentbälern findet sich nahezu nichts; wm
dort sich ergibt, ist meist vorrömisch, wie die Funde von Mitterberg,
Brack, Saalfelden," So heisst ea in jener Schrift. Gegen Abend wurde
der Mönchsberg erstiegen, von dem aua man den herrlichsten Blick auf
die eine weite grüne Ebene bc^eozende TaaernkeUe hat. Die Sonne war
BfiMlellal. 180
•cbon unter, all» auf der aodeni Seite die malerische Stadt noch zu unsem
Fassen lag.
Am Sanstag den 13. begann die Sitsung um 9 Vhrf Vor Beginn
derselben hatte sieh der Kronprina Rudolf von Oesterreioh eingefunden.
Nachdem er die kleine prähistorisdie Ausstellungy in der Pfahlbaofunde
vom Mondsee und Neufch&teler See, Höhlenfunde von Stromberg und die
Sammlung Petermandels von Messern aller Zeiten und Völker an wAmi
wat, mit grossem Interesse betrachtet, wohnte er den Verhandlungen bia
zur ersten Pause bei. Ghraf Wurmbrand sprach über die Elemente der
Formgebung und ihre Entwicklung. Die ersten und einfacdisten Fotmen
des Kunstgewerbes seien aus dem unmittelbaren Bedürfüiss and aus Matur-
naehahmung entetanden. Diesen Ursprung verrathe auch noch der weiter
sich entwickelnde Formenkreis. Zuletot trete dann ein bestimmteri oha-
rakteristischer Stil auf, der um so mehr festgehalten werde, je abgezohlos*
■ener das Land sei*. Ee entstehen auch Mischformen wie heute, wo sie
vielleicht nur in China, Japan und Indien fehlen. Ka£fem und Busch«
mftnder ahmen bloss die Natur nach, die sesshaften Pfahlbauer erfinden
schon das Ornament, für welche* dos Oeflecht ein Vorbild ist. Thonkrüge
im Laibacher Moor ahmen den Schlauch, andere die E&rbisflasche nach.
Mit Zähigkeit hängen die Slaven an alten Formen« Da findet man heute
noch eine Fülle alter Motive in Geweben und Stickereien. In Galizien wer-
den noch Töj^e aus der Hand geformt und mit Graphit geschwärzt. In
Slavonien sind römische und etruskische Formen in Gebrauch, in Bosnien
Drahtarbeiten, den prähistorischen ähnlich. In den Volkstrachten zeigt
sieh dasselbe. Die Kopanken der Südslaven sind wc^l die älteste Fuse-
bekleidong, den Ledefgurt finden wir wie in den alemannischen Gräbern.
Der Hakenstock der Magyaren ist ein altes Würdezeichen, der goldver^
schnürte Rock geht auf Attila zurück, der gothisohe Kleidmg annahm«
Das magyarische Nationalcostüm ist germanisch! Woldrich schildert den
Haushund det prähistorischen Zeit. Rutimeyer nannte den Hond der Pfahl-
bauten canis pHlustris. Jeitteles fand bei Olmikta eine zweite Basse, den
Bronzehnud, der grösser war« und nannte ihn canis fam. matris optimae;
Woldrich fand unter den Funden von Weikersdorf eine dritte Form^ den
canis fam. intermedius. Nach Strobel gleicht der erste dem Jagdhunde,
der zweite dem Windhunde, der dritte dem Schäferhunde; er fand in den
Terramaren noch eine vierte Form, canis. fam. Spaletti, den er für den
Ahn unseres Spitzes hält. Woldrich glaubt in der Sehipkahöhle den Vor*
üahren des Torfhundes gefunden zu haben, er hält ihn für diluvial und
nennt ihn canis Mikii, er ist klein und dem Schakal verwandt^ während
Bourguignat's canis ferus gross ist. Da in jener Höhle zwei Eckzähne
von jungen Hunden durchbohrt gefunden wurden, so scheint es, dasi sie
aar Nahrung gedient haben. Schaaffhikusen sagt, es sei nkht zweifei-
IBi Miscellen.
haft, dasB einige Hände Tom Wolfe stammten, denn ea unterscheide sich
dieser von jenen im Skelet nur durch gröBsere Stärke. Auch gingen In-
dianer mit gezähmten Wölfen znr Jagd. Steenstrnp habe in den däniacben
Muschelhaufeu den Beweis gefunden, dasB man den Hund gegessen. Dasa
durchbohrte Zähne nicht nur ein Schmuck dea Jägers gewesen, eondem
als Amalet getragen worden seien, habe man ia alemannischen Gräb«rn
beobachtet, wo sie bei Kindern lagen, wahrscheinlich als ein Mittel glQdf
liehen Zahnens. Nun gab Holub einen sehr ansprechenden Bericht über
seinen siebenjährigen Aufenthalt in Südafrika. Er unterscheidet drei Stämme,
die Buschmänner, die Hottentotten nnd die Itautu. Dieser ist der bedeu-
tcndsle, der sich stark vermehrt; der Zweig der Betachiianen ist der krie-
gerischste, die Hasutos sind Ackerbauer, doch stellten sie im letzten Kriege
25000 Reiter den Engländern gegenüber. MEicbtige Stämme sind seit 200
Jahren ganz verschwundeu, weil in den Kriegen alle Männer und Fraaen
niedergemacht und nur Knaben und Mädchen gescliout wurden. Es gibt
viele Kreuzungen. Die Sitten sind sehr verBchieden. Bei den Mataberi
wird das Weib gar nicht als ein menschliches Wesen angesehen, bei anderen
Stämmen sind die Franen hochgeehrt. Die Hottentotten verschwinden all-
mählich, auch der reine Buschmann stirbt aus, weil er sich hartnäckig
von jeder Civilisation fernhält. Die herzlichste Einladung eines Europäers,
in seinen Dienst zu treten, schlägt er aus. Der Boer schiesst ihn nieder.
Der Baschmaon liebt die Höhen, wo er in Höhlen wohnt ; er benatst ver-
giftete Pfeile, aber dai Wild mangelt ihm; in der klaren Luft verfehlt der
Boer auf 600 Schritt nie sein Ziel. Wunderbar ist seine Kunst im Zeioh-
nen, doch stellt er nur den Kopf der Thiere richtig dar, das andere steht
damit in keinem Zusammenhang. Mit steinernem Ueissel gräbt er diese
Bilder in den Felsen, man findet sie auf den höchsten Gipfeln der Berge
wie an Blöcken im Flusse. Die W&nde der Höhlen bemalt er mit Ocker-
farben. Hierauf bespricht Maechka die in der Schipkahöhle bei Stram-
berg gemachten Funde und theilt das Gutachten von SchaaiThausen aber
den daselbst bei einem Feuerherd gefundenen menschlichen Unterkiefer mit,
den er selbst als diluvial bezeichnet. Das Knochenstück seihst ist ausge-
stellt. Nach einer Bemerkung von Luschan, dass der mit Gype geflickte
Knochen eine exacte Untersuchung gar nicht zulasse, gibt Tirchow sein
Urtheil dahin ab, dass der Unterkiefer der eines Erwachsenen sei, was
schon die starke Abnutzung der Zähne beweise, und dass hier ein Fall
von gehemmter Entwicklung, von heterotypie vorliege; er begreife nicht,
wie man den Kiefer als pithekoid bezeichnen könne. Schaaff hausen
hält die Richtigkeit dieser von ihm gegebenen Bezeichnung aufrecht nnd
erklärt, was darunter zu verstehen sei; er zählt nicht weniger als acht
Merkmale niederer Bildung an dem kleinen KieferstQcke auf. Wankel,
der den Fund vorher gesehen, findet die Restauration vortrefflich, tritt
MiBoellen. 185
Schaaffliausen bei tind macht noch aaf den sichtbaren Rest der Symphyaen-
Naht aufmerksam. Ein so seltsames, noch nie gesehenes pathologisches
Object soll gerade in einer Höhle sich finden! Es wird bestimmt, dass
eine Commission am Nachmittag das Kieferstück untersuchen soll.
Die Sitsnng wird um 4 Uhr fortgesetzt. Tischler zeigt an vorge-
legten Proben, dass das Ornament an älteren Bronzen nicht mit Stahl-
meisseb, sondern mit Bronzemeissein gearbeitet ist. Müllner spricht über
die Bedeutung der prähistorischen Forschung für die Geschichte, Mehlis
über die typischen Formen der prähistorischen Steingeräthe ; die Nephrit-
und Jadeitbeile hält er für Amulette. Luschan, von seiner Reise eben
zurückgekehrt, schildert unter Vorlage zahlreicher Photograph ieen die Eth-
nologie Lykiens. Die Gynaikokratie des alten Volkes betrachtet er als in
edlem Frauendienst und in Ritterlichkeit begründet. Ob die Lykier griechisch
gesprochen, wisse man nicht. Jetzt lebten 100000 Ghriechen im Laude,
welche die Türken verdrängten. In Lykien und Earien habe man Som-
mer- und Winierdörfer. Virchow knüpft einige Worte über das trique-
trnm an, das auf Bronzen vorkomme und auf den gemalten Gefässen von
2^borow sich finde. Oft zeigt es drei Beine, welche die laufende Zeit
darstellen, man sieht es auch in der Mitte eines Sonnenbildes. Frhr. v.
Sacken spricht über einen Bronzefund von Waatsch in Krain, der mit
Schwanfiguren und concentrischen Kreisen geziert ist wie Sachen von Hall-
stadt. Eine Fihgli hat zahlreiche Anhängsel, die zum Theil kleine Eimer
darstellen. Ueber ein Bronzeblech ist ein Eisen genietet. Schaa ff hau-
sen entwickelt seine Ansichten über die Mammutzeit, wie und wann man
sich das Aussterben dieses Thieres zu denken habe. Es scheine im Nor-
den Asiens länger gelebt zu haben als in Europa. Das sei von seinem
Begleiter wenigstens, dem Rhinoceros, sehr wahrscheinlich, dessen Hürner
im Norden nicht selten gefunden wurden und, weil man sie fär Klauen
hielt, zur Sage vom Vogel Greif Veranlassung gaben. Bei uns haben sie
sich nicht erhalten. Jene Stelle des Strabo, L. IV, 5, wo er sagt, dass
die alten Briten verarbeitetes Elfenbein nach Gallien ausführten, lässt an-
nehmen, dass der Mammutzahn, der heute mürbe und zerfallen ist, vor
2000 Jahren noch hart war. In Sibirien hat sich durch die Kälte das
fossile Elfenbein bis heute so gut erhalten, dass es noch bearbeitet werden
kann. Dass in den 2000 Jahren v. Chr. in Westeuropa eine hohe Kälte
geherrscht haben soll, ist nicht annehmbar; schifiten doch um diese Zeit
die Phünicier nach den Küsten der Nordsee. Wenn die letzten Mammute
vor längerer Zeit als 2000 Jahren v. Chr. gelebt hätten, so würden ihre
Zähne zu Strabos Zeit nicht mehr hart gewesen sein. Die in den Höhlen
von Steeten undKrakau gefundenen Wafien aus Mammutknochen beweisen
noch mehr als die Sachen aus Elfenbein, dass der Mensch die Knochen im
frischen Zustande benutzte. Das Mammut war in Europa ein Zeuge der
I
»a Miwallen.
Eiuceit, Dnrch diu Zurfiukweicben der Tag- und Nacblgleichea, daa eioe
Periode von 21500 Jaliren macht, fiel die grösBt« Kälte um dae Jfthr 9fiOO
V. Cbr. Nnch Morlots Berechnungen am Scbutikegel der Tiniere lipgt dift
Mammatzeit 9 bis 10000 Jahre hinter uns. Ea ist wahrscb ein lieber, dan
vor 4000 Jahren noch Unniniute gelebt li&hen, als daag man für die Zeit
aeit ihrem Versuhwinden einige 100000 Jtibre zugestehen acU. Frbr. t.
Düuker erhebt Ein sprucb gegen eine so kurze ScbätEUng der letzten Pe-
riode der Vorzeit. Ohlenachlager apriolit über aichiiologiache Karten
und die Wohl der Zeichen. Bartels erstattet kurz den Hericht der Commi«-
sion: sie kann den Kieler von Nentitechein niobt für pitbekoid erklären
und hat denselben auf Antrag von Schaafflmuseii zu wiederholter Unt^r-
Buchnng Virchuw übei'geben. Uer Vorsitzende schliesst die Versammlung,
an der 2T0 Mitglieder theilgenomnien hatten.
Am Sonntag fand der Ansflng nach Hallein statt, wo man im Heida-
stollen noch die erhaltenen Uolzätiele der alten Bronzeäxte gefunden hat. Von
hier ging ea auf den Düirenberg. Nachmittags wurde nach Bis uhofGhofen ge-
fahren und der Golschenberg crstiegeu. Eine Grabung lieferte nur ver-
zierte Thonscberben, wo mnn früher Pfeilspitzen aus Fenerstein, Steinbäm-
mer und Eisenaacbea gefunden hatte. Der fortdauernde Hegen gestattet«
die Ersteigung des 4800 Fusb hohen Mitter? berges, dessen alte Kupfer-
werke besichtigt werden sollten, nicht mehr. So vereinigte denn der Abend
die Forseber zum letztenmal^ in Gisohofahofen.
SohBaffhauseu.
25. Rothe Edel steine fiAnkiecben und alemaanischen Ooidscfamncka.
Gleichzeitig mit den Untersuchungen über den Schmuck von rotlien Edel-
steinen, welobe Prof. aus'm Weerth am letzten Winkelmannafest*
vortrug (vergl. S. 202), und die voraussiohtlicb im nächstfolgenden Jahi^
buch mit Abbildungen erscheinen, wird aus U uneben folgendes mitgetheilt:
Infolge der Zoaammenatellung uod Vergleicbung der interessanten
Gräberfunde aus Nordendorf, Fürst u. s. w. im Bairisohen Natiooal-Hu-
seum sowie des in neuester Zeit erworbenen Fundes ans einem Felaen-
grabe bei Wittislingen an der Donau wurden in Betreff der Gescbmacka-
richtung and der tecbnischeu Fertigkeit der dunkeln Zeit vom 8. bis zum
11. Jahrhundert wichtige Anfscblüsse gewonnen. So hat u. a. der könig-
liche Uni versitz ts-Professor Dr. v. Jollf , dem Ersuchen des National- Mosenmu
entaprechend, die im Gold- und Silberschmucke jener Gräberfunde so häufig
vorkommenden rotben Steine, welcbe meistens für Glasflnss gebalten wur-
den, einer gründliohen Untersuchung unterworfen und der Direction des
Bairisehen National- Muse ums das^Ergebniss seiner Forschung zugehen lai-
sen. Es mag manchem Techniker wie Mineralogen nicht uninteressant
sein, wenn wir hier seine Worte folgen lassen: „Aus dem Bruchstücke des
Schmuckes wurden zwei Plättchen, die in Farbe und Glanz Verschieden-
Miscellen. 167
heiteii zeigten, gelöst und der Prüfung unterzogen. Die dünnen röth-
liohen Plättchen sind Zirkonite, nach dem Vulgärnamen Hyacinthe. Sie
stehen als Edelsteine unmittelhar üher den echten Granaten, die sie in
Härte und spedfischem Gewichte übertreffen. Das specifische Gewicht des
geprüften Plättchens ergab sich zu 4,45, während das der echten Grana-
ten nur 4,20 ist. Die Hyacinthe waren bereits im Alterthum als Edel-
steine verwendet. Sie wurden langehin als Varietäten des echten Granaten
betrachtet. Erst nach Begründung wissenschaftlicher Chemie wurde 1787
durch des Chemiker Klaprath nachgewiesen, dass Hyacinthe und Granaten
chemisch verschieden zusammengesetzte Mineralien sind. Hyacinthe beste-
hen in einer chemischen Verbindung von Zirkon-Erde und Kiesel -Erde,
Graoatan ans einer Verbindung von Thon-Erde und Kiesel-Erde. Die grös-
sere Härte der Hyacinthe hat zum Erfolge, dass dieselben, geschliffen und
polirt, einen grössern Glanz annehmen und bewahren. Die tief dunkel-
blauen Steine des Schmuckes sind Amethyste, d. i. kiystallinischer Quarz.
Die Farbe hängt von einer geringen Beimengung von Mangan -Oxyd ab.
Das specifische Gewicht des untersuchten Plättchens ergab 2,52, ist also
bedeutend geringer als das der Hyacinthe. Ebenso stehen die Amethyste
den Hyacinthen bedeutend an Härte nach. Sie werden noch als Edelsteine
verwendet, sind aber von geringerm Werthe. In der Politur nehmen sie
geringern Glanz an und werden mit der Zeit matt, wie sich dies auch an
den Gräberfunden fm Bairischen National -Museum erkennen lässt. Die
Fassung der Plättchen ist Gold, die Unterlage fein gesohlemmter Töpfer-
thon.«
26. Stollberg (Kr. Aachen). Unweit der Station Stollberg auf
dem Terrain des Eschweiler Bergwerks- Vereins ist eine römische Villa
anfgedecl^t worden, deren im Bechteck mit vorspringenden Rysaliten
projectirter Grundriss dem üblichen Schema der kleineren Villen ent-
spricht. Aus'm Weerth.
IV. Jahresbericht der Vereinsjahre 1879 und 1880.
Die Darlegung des Standes unseres Verein aletjens findet alljähr-
lich In den von den Stntuten vorgesehenen Generalversammlungen statt.
Im vorigen Jahre machte der Vorstand von dem statutarischen Rechte,
welches ihm gestattete den Ort der Generalversammlungen zu bestim-
men, zu Gunsten Di'lsseldorfs Gebrauch. Es war dafür nicht allein
der Umstand euipfehleud, dass seit dem Bestehen des Vereins in Düs-
seldorf demselben stets eine grössere Anzahl von Mitgliedern ange-
hörten, sondern die Gleicbmässiglieit der von dem Vereine nach allen
Seiten geförderten Ausstellung Kunstgewerblicher Alterthilmer ma&s*
gebend. Der Vorstand glaubte durch eine Combination der General-
versammlung mit einer sachkundigen Führung innerhalb der Ausstel-
lung den Wünschen ihrer Theilnehmer zu entsprechen. — Die Gene-
ralversammlung fand am 18 Juli 1880 Vormittags in Düsseldorf unter
Leitung des zeitigen Präsidenten statt. Indem derselbe des im Gros-
sen und Ganzen gleichbleibenden Bestandes von 700 Mitgliedern des
Vereins und unter diesen besonders der Gestorbenen gedachte, ehrte
er in ausführlicher Darlegung die grossen Verdienste des heimgegan-
genen Professors der classischen Archäologie in Heidelberg, unseres
unvergesslichen auswärtigen Secretärs Hofrath Bernhard Stark,
der ungeachtet seiner vielfachen akademischen Pflichten, seiner umfang-
reichen litterarischen Thätigkeit, welche mit dem Erscheinen der ersten
Lieferung seines „Handbuches der Archäologie der Kunst" an
dem Hauptwerke seines Lebens angelangt war, immer Zeit und immer
Bereitwilligkeit fand, imserm Verein zu dienen, wenn es galt, dessen
Ziele und Interessen zu fordern.
Vermögensbestand und Vereinsthätigkeit bewegten sich in den
gleichmässigen Buhnen wie früher. Obgleich unter den im Jahre
1879/80 herausgegebenen Jahrbüchern Heft 65, 66 und 07 das erstere
— welclies das längst als Bedürfniss empfundene Register zu den
Jahresbericht der YereiiiBJahre 1879 und 1880. 189
ersten 50 Jahrbüchern enthält — allein einen Kostenaufwand von 2141
Mark erforderte, so verblieb bei einer Einnahme von 7653 und einer
Gesammtausgabe von 7221 Mark immerhin noch ein Baarbestand von
432 Mark, nebst 243 Mark rückständiger Beiträge Die Generalver-
sammlung ertheilte ' dem Yereinsrendanten Rechnungsrath Fricke die
Decharge für die gelegte Rechnung und gab dem Vorstand durch
dessen einstimmige Wiederwahl ein Zeichen ihres Vertrauens. Herr
Direclor Dr. Eortegarn, welcher mit mustergültiger Pflichttreue 5
Jahre das Amt des ersten Secretärs im Vorstande geführt, war durch
seine üebersiedelung als Director der Wöhler- Schule nach Frankfurt
a. M. die auf ihn gefallene Wahl anzunehmen ausser Stande, wess-
halb die Generalversammlung dem Vorstande überliess, die erledigte
Stelle durch Ciooptation neu zu besetzen.
Als eines besonderen Ereignisses darf auch der Besuch des Mini-
sterial-Directors Hm. Wirkl. Geh. Ober-Eegierungsrath Greiff ge-
dacht werden: derselbe besichtigte in Folge unseres Antrages um Ver-
leihung der Corporationsrechte im October 1879 die Sammlungen und
Bibliothek des Vereins und sprach sich über dessen Wirksamkeit an-
erkennend aus.
Der am 24. September in Trier sich versammelnden XXXIV.
deutschen Philologen-Versammlung widmete der Vereinsvorstand eine
besondere Festschrift^) und begrüsste im folgenden Monat die zum
25jährigen Jubiläum des Historischen Vereins vom Niederrhein im
Hansasaale zu Köln statthabende Generalversammlung durch eine An-
sprache seines Präsidenten. Ebenso stattete er Glückwünsche ab dem
Alterthumsverein in Lüttich zum gleichen Jubiläum, und seinem Ehren-
mitgliede dem Wirkl. Geheimrath Dr. von Dechen, Excellenz, zu des-
sen 80. Geburtstag.
Bezüglich der weitem Verhandlungen zur Erlangung der Corpo-
rationsrechte wurde auf Antrag des Herrn Prof. Hü ff er einstimmig
folgender Beschluss gefasst: »Die Generalversammlung erneut dem
neugewählten Vorstande die in der Generalversammlung vom 22. Juni
1879 ertheilte Vollmacht, alle diejenigen Aenderungen der Statuten
vorzunehmen, welche zum Zwecke ^er Erlangung der Corporations-
rechte Seitens der Königl. Behörden verlangt werden möchten.^
1) Der XXXiy. Versaininlang der deutschen Philologen and Scbulm&nner
in Trier am 24. September 1879 zur Begrüssang dargebracht von dem Verein
von Alterthumsfreonden im Rheinlande. Bonn 1879.
190 Jshreaberiabt der TereiasJRhre 1879 und 1860.
Zum Schlüsse hielten Herr In^^enieur M<3lders aas Xanten ni
der Vereiospräsident kurze Vorträge aber die grossen in der nön
liehen Feldflur von Xanten gefundenen umfangreichen römischf
Fondamente, indem Ersterer den Ausgrabungsbericht, Letzterer seit
Ansicht über die Bedeutung des Baues als Standquartier der XX]
Legion, gemäss dem Berichte im 69. Jahrbuch S. 68 ff. vortrogeo. -
Nach einem gemeinsamen Mittagessen folgte die Versammlung dt
Einladung zur Besichtigung der Ausstellung. Der II. Vorsitzende, He
Bankier Trinkaus, übernahm in gewinnendster Freundlichkeit d
Führung durch die verschiedenen Abtheilungen bis auf diejenige di
knnstgevrcrblichen Altei'thÜmer , in deren Räumen als Vorsitzendi
der Vereiospräsident die Erläuterung übernahm. Manches Vereia
mitglied war Überrascht, so viele ausgestellte Stücke als Vereis
eigenthum hier kennen und würdigen zu lernen. Und schon dama
wurde der Wunsch verlautbar, aus der Menge der ausgestellten Gegei
stände diejenigen, welche bisher nicht bekannt geworden, in den Jah
büchern des Vereins veröffentlicht zu sehen.
In der Hoffnung die bevorsteheude Erlangung der CorporatJon
rechte und die Inkrafttretung der neuen Statuten verkfinden zu Ie9i
nen, war die für die Pfingstzeit dieses Jahres vorgeschri^ene Gern
ralversammlung bis zum 20. August verschoben worden, an welobo
Tage sie im Hotel Kaiserhof zu Bonn unter uihlreicher Betheiligoi
stattfand. Dieselbe nahm aus dem Referate des als juristischer Berathi
dem Veiein zur Seite stehenden Hrn. Prof. Hiiffer Kenntuisa von dl
geringen Aenderungen, welche der Statuten - Entwurf, nachdem a- d
Instanzen der K. Regierung in Köln, des K. Oberpräsidiuma ia Col
benz, der K. Ministerien der Justiz, des Innern und der geiati. Ai
gelegenheiten passirt, erfahren habe. Dieselben wurden einstämmig ai
genommen; ebenso folgender vom Vorstande empfohlener Zusatz b
schlössen :
„Die ordentlichen Mitglieder des Vereins zahlen entweder dne
einmaligen Beitrag von 250 Mark oder einen jährlichen Reitrag v(
10 Mark".
Die vom Vorstände gegebenl Motivirung dieser Bestimmang bt
besonders hervor, dass einerseits viele -aoswirtige Mitglieder bei di
Umständlichkeit jährlicher Geldsammlungen deu Modus einer einmi
ligen Zahlung vorziehen tmd wanschen; andrerseits aber der Verei
auch, im Falle er eine striche einmalige Capital-Zahlung zinsbar anleg
allmählig zur Ansammlung eines Baar-Vermögens gelange.
J«lireiberioht der Verehujalira 1879 und 1880. 191
Der Vorsitzende glaubte mit der geschehenen Annahme der von
den Staatsbehörden verlangten Aendeningen diese so lange schwebende
Angelegenheit nunmehr als geschlossen erachten zu dQrfen, and sprach
desshalb Hrn. Prof. Hfiffer fUr seine bereitwillige and umsichtige juri-
stische Beihfilfe den Dank des Vereins aus.
Im Jahre 1880 erfolgte die Herausgabe der Jahrbücher Heft 68
und 69. Ein nicht geringes Maass von Arbeit erforderte die Ausfüh-
rung des Beschlusses, die hauptsächlichsten Werke der Ausstellung
Kunstgewerblicher Alterthümer sowohl in einer geschlossenen Photo-
graphien-Sammlung dem Publikum zugänglich zu machen, wie diejeni*
gen derselben, welche zu einer wissenschaftlichen Verarbeitung auffior-
derteuy in den Jahrbüchern zu veröffentlichen. Die Photographlen-
Sammlung, welche 139 Aufnahmen umfasst, ist, wie die Rückseiten der
Umschläge des 70. und dieses Heftes bezeigen, beiHeinr. Schöningh
in Münster erschienen. Unter der Bedingung der Abgabe von drei
iVciexemplaren der ganzen Sammlung für die Provinzial- Museen in
Trier und Münster und die Kunstgewerbeschule in Düsseldorf stellte
der Vorstand der Düsseldorfer Gewerbe- Ausstellung dem Vereine für
dieses Unternehmen 1000 Mark zur Verfügung, deren Verrechnung
dem nächsten Jahresbericht angehört.
Dem wichtigen Theiie des Düsseldorfer Unternehmens, nämlich
der wissenschaftlichen Veröffentlichung besonders dazu auffordernder
einzelner Werke in den Jahrbüchern ist bereits in den drei letzten
Jahrbüchern Heft 70, 71 und 72 mit 14 Tafrin Folge gegeben worden
und es wu'd noch eine ganze Beihe V(m Jahrbüchern damit fortüahren.
Auch dafür haben sich ausserordentliche Geldmittel gefunden. Hb
sind uns 1660 Mark an frdwiUigen Beitrilgen von nachfolgenden Per-
sonen zugegangen, denen wir hiermit den gebührenden Dank aimzu-
spreehen nicht unterlüssen»--^^
1) Von Ihren K. K. Majestäten aSiHEaiBer und d^ Kaiserin M. 400
2) „ Ihren K.K. Höh. dem Kronprinzen nrderJtronprinzessin „ ISO
3) „ Sr. K. Hoheit dem Prinzen Karl von Preuesen . . , 160
4) „ Sr. K. Hoheit dem Fürsten von Hohenzollem • . . » 150
5) „ Gehdmrath G. Krupp in Essen * . • . „ 100
6) „ Geheimrath Heimendahl, Grefeld. ...... r^ 60
7) „ Geheimrath Wendebtadt, Godeeberg »^60
8) „ Geheimrath Mevissen, Köln ^ ^60
9) , Ck>mmenienrath F. W. Königs, K51n , 80
10) „ Frau GefaeiroriUhin Ulla Deichmann , 50
r
193 Jahre«beric1it der Vereinajahre 1BT9 and 1880.
11) Von Adolf CarstaDjen, Köln M. 50
12) „ Freih. v. Dierganit, Bonn „ 60
13) „ Freih. Albert v. Oppenheim, Köln , 50
U) „ Wilh. Jentges, Crefeld „ 30
15) „ Ä. V. Randow, Crefeld , 15
16) „ Leop. Koenig, Bonn „ 30
17) , W. Loeschigk, Bonn 50
18) „ Vr. Koenig, Bonn 30
19) „ M. Eltzbacher, Bonn „ 30
20) „ Freih. von Rigal, Bonn „ 15
21) „ Rob. Goldschmidt, Bonn „ 15
22) „ Commerzienrath Rolffs, Bonn , 15
23) „ F. G. Klingholz , 10
24) , Graf Bylandt-Rheydt, Bonn «10
25) „ G. Scheibler, Bonn „ 10
26) „ C. Schillings, Bonn , 10
Nachdem (Jer Verein seit Errichtung des Provinzial-Museums
diesem die Sammelthätigkeit zur Erlangung rheinischer Alterthümer
naturgemäss überlassen hat, ist die Ausbildung seiner Bibliothek das
besondere Ziel unserer Bemühungen. Es sind derselben mannigfache
Geschenke zugegangen und im Jahre 1879 dafür 231, im Jahre 1880
mehr, nämlich 355 Mark ausgegeben worden. Wir dürfen eine grös-
sere Öffentliche Benutzung nnd einen zu druckenden Catalog sofort in
Aussicht nehmen, wenn uns Seitens des Prov.-Museums die zugestan-
denen hinreichendeD Räumlichkeiten für eine sachgemässe Aufstellung
der Bücher überwiesen sind.
Hoffentlich wird das Provinzial-Museum das neue Lokal, in welchem
es sich provisorisch befindet, das Nasse'sche Haus, dauernd J^e.hal^
und dadurch in Stand gesetzt werden, wenn^jjf^i-ifdr'in provisorischen
Räumen, zu deijenigen vorgeseherry^jjt^jpi^iung endlich zu gelangen,
die es zunächst r'^^^^^^siugt, Bibliothek und Kunst-Sammlung
des Vereins aufzun^j*"^
, J^lÄetimen.
JS^hat der Vorstand, um das Seinige zur Förderung des
Provinziaj^^^^^g beizutragen, nicht gezögert, im Einverständniss
""* -zur Ueberführung der Vereinssammlnng in das Prov.-Museum
'° ^Generalversammlung vom 23. Juni 1878 eingesetzten Commia-
^-bestehendausdenHerrenv.Dechen, Krafft, Hüffer. Wurst,
Serstatt und Wolff — eine Anzahl inventariairter und mit rothen
"das Eigenthum des Vereins bezeichnenden Zettehi versehener Gegen-
Jahresbericht der Vereiiii(jahre 1879 und 1880. 198
stände dem Provinzial-Museum zu übergeben, nachdem die Verleihung
der Gorporationsrechte gesichert erscheint
Es wird allen das Provinzial-Museum besuchenden Vereinsmitglie-
dem Freude gewähren, dadurch das Hervortreten einer Sammlung be-
fördert zu haben, von deren Umfang und Bedeutung kaum eine volle
Kenntniss bis dahin bestand und vor ihrer Aufstellung bestehen
konnte.
In den Vorjahren erhielten wir für die Bibliothek nachstehende
Geschenke :
1879.
Von Hm. Arcliivar Käntzeler in Aachen: Vita sancti Earoli
Magni, saec. Xn™\ qnam primom edidit Petrus Steph. Kaentzeler. Ru-
remnndae, J. J. Romen, 1874. 8^
Von dem Dlrector der Egl. Staats - Archive durch das Staats-
Archiv zn Koblenz : Goerz, Ad., Mittelrheinische Regesten. IT. Theil.
Koblenz, Denkert & Groos, 1879. 8^.
Von Hm. J. J. Merlo in Köln : Die Buchhandlungen und Buch-
dmckereien „Zum Einhorn^ zu Köln. Von J. J. Merlo. Zweite Aufl.
Köln, Rommerskirchen, 1878. 8^
Robert, C, Thanatos, 39. Programm zum Winckelmannsfeste der
Archäologischen Gesellschaft zu Berlin. Mit 3 Taf. und 4 Holzschn.
Berlin, G. Reimer, 1879. 4^
Von Hm. J. Heydinger: Luxemburgisches in der Eifel (Auszug
aus „Publications de la Section historique de Tlnstitut R. O.-D. de
Luxembourg", XXXII. Jahrg.). 8^
Von Hm. Pfarrer H. J. Hermes : Die Neuerburg an der Wied
und ihre ersten Besitzer. Zugleich ein Versuch zur Lösung der Frage:
Wer war Heinrich von Ofterdingen? Von H. J. Hermes. Neuwied und
Leipzig, J. H. Heuser, 1879. 8^.
Von Hm. P. Charles Robert: Catalogue des m^daillons contor-
niates r^unis par M. P. Charles Robert (Extrait de TAnnuaire de la
Soei6t^ fran^aise de Nnmismatique et d* Archäologie pour 1878). Paris
1879. 8^
Von Hm. Verlagsbuchhändler G. Marcus in Bonn: Handbuch der
deutschen Mythologie mit Einschluss der nordischen. Von Karl Sim-
rock. 5. yerbess. Aufl. Bonn, A. Marcus, 1878. 8^.
Von demselben: Aus der Alterthums Wissenschaft. Populäre Auf-
sätze von Otto Jahn. Bonn, A. Marcus, 1868. 8^
Von Hm. Prof. Dr. von Cuny in Berlin: Revue d'Alsace. Jahrg.
1879.
Von dem Historischen Verein für die Grafschaft Ravensberg zu
Bielefeld: Jahresbericht IL Bielefeld, Velhagen und Klasing, 1878.
18
Von Hrn. Buchhändler H. R, Meoklenbnrg in Berlin: Servet
die oberUndiachcn Reformatoren. Quellen-Studien von H. ToUin. Er-
ster Band : ^ich. Sarvet und Mart. Butzer, Berlin, H. R. Mecklenbiirg,
Von Hrn. Rector Dr. Jos. Pohl: Programm des Kgl. Progymna-
Bioms ZD Linz am Rhein für daa Schuljnhr 1879—80. Inhalt: SU-
tntenbuch der Stadt Linz, hrag. vom Rector.
Von der Buchhandlung A. Asher & Co. in Berlin : (Ad. Michae-
lis) QeBchichta dea Beutscfaen Archäologischen InBtitnte 1829 — 1879,
FeatBchrift etc. Berlin, Ä. Äslier & Co., 187 9. 4".
Von Hm. P. Charles Robert: Siruna (Extrait de la RaTue Cel-
tiqne). Paris, 1879. S".
Von Hern. Prof. Dr. J. Schneider-. Heue Beiträge zur alten Oe-
schichte und Geographie der Rheinlande. 13. Folge: Ueber die klten
Grenzwehreu und HeeratraBsen in Deutschland. Düsseldorf, 1880. 8 .
Von Hrn. Gymoaa.- Oberlehrer Dr. phü. Eduard Hwydenreich : In-
oerti auctoris de Conatantino Magno eiusqne matre Helena libellas.
E codicibus primae edidit Ednardua Heydenreich. Lipaiae, Teubaer,
1879. 8".
Von dem Comitä für die Berliner Präbistoriache Auaetellung: Ka-
talog der Ausstellung prähiatorisoher tmd anthropologischsr Fnnde
Deutachlands zu Berlin vom 6. — 21. Aagast 1860. Berlin 1880. 6'.
Von der Verlagsbuchhandlung J. P. Bachern in Kdln: Die Pforre
znr heiligen Ursula in Köln. Von A. Q. Stein. Köln, J. F. Baobem,
1880. 8^
Die Kassenverhältuisse befanden sich auch im letzten Jahre ia
dem geordneten Zustande, in welchem unser trefflicher Bendant Herr
Rechnungsrath Fricke sie zu erhalten weiss. Die durch die Herren
W. T. Neufville und v. Spankeren revidirte und von der General-
versammlung dechargirte Becbnung für das Jahr 1880 schliesst mit
einem Ueberschusse von 2240 Mark ab, worin sich freilich 1095 Mark
von jenen ausserordeotlicben Beitragen für die Veröffentlichungen Tfl>
Werken der Düsseldorfer Ausstellung befinden, deren Verausgabung
den folgenden JabrcD angehört In der Jabresrechnung fignnren ge-
genüber der Einnahme von M. 7790,42
an Ausgaben: 1) für Herstellungskosten fflr die 3 Jahr-
bücher Heft 67, 68 und 69 , 4889,42
H. 4389,42
Jkhreiberiobt der Verflinqahre 1679 and 1B80. 196
Transport: M. 4389,42
2) für die Bibliothek „ 385,00
8) fflr die übrigen Bedürfnisse , 775,49
M. 5559,91
Ueberschnss M. 3340,41
Der Personenstand bezifferte sich auf 693 Mitglieder, von denen
28 nen eintraten and nns 2 durch den Tod, nämlich Stadt- Archivar
Dr. Eonen in Köln und Bildhauer Gilly in Berlin, entrissen wurden.
Der Vorstand blieb durch die vertrauensvolle einstimmige Wie-
derwahl derselbe. Der an Stelle des Herrn Director Kortegarn als
Secretär gewählte Privatdoceut hiesiger Universität Herr Dr. Jos. Klein
hat zu uDäerni Bedaueru diese Wahl anzunehmen bis dahin gezögert,
80 dass &uch jetzt noch eine der beiden Secretärstelleu unbesetzt ist.
Bonn, 30. December 1881.
Der Torstand des Vereins von Altertbnnisfrenndei) im Rhein lande.
Winkelmannsfeste des Vereins.
Die Berichte über die Winkelmannsfeste des Vereins erschienen
seit ihrem Bestehen (1845) stets innerhalb der geschäftlichen Jahres-
berichte, an welchem Orte sie nicht vermuthet werden und desshalb
der Beachtung entgehen. Wir lassen dieselben von nun an getrennt
zum Abdrucke gelangen, und vereinigen fUr diesmal nachträglich die
Festberichte der letzten Jahre.
Das Winkelmannsfest am 9. Dezember 1879 war verbunden
mit einer ausgewählten kleinen Ausstellung von römischen Lampen
und Beleuchtungsgegenständen der Sammlung Herstatt in
Köln; der Photographien der kunstgewerblichen Ausstel-
lung in Münster; einer durch Dr. Scheibler zusammengebrachten
Sammlung von Nachbildungen der Meister der kölnischen Maler-
schule; endlich der Pläne and Zeichnungen der Ausgrabungen von
BelgicB zur Erläuterung des ersten Vortrages.
Der Vereinspräsident Prof. aus'm Weerth begrUsste die Versamm-
lang, indem er zunächst die Fortschritte der Kunstwissenschaft seit der
Zeit der gefeierten Winkelmann-Feste überschauend, besonders des
Hinzutritts der prähistorischen Forschung und der Gewerbemuseen
gedachte, dann dem Schmerz Ausdruck gab, unter den Voranstehenden
196 JahreBlwriotit der Vereinsjabra 1679 und 1880.
in der Arbeit des wissenschaftlichen Gest^lteos, mitten im frischea
Schaffen Karl Bernhard Stark in Heidelberg durch den Tod hinw^-
gerissen zu sehen. Oft erfreute der Verstorbene die Mitglieder des
Vereins durch sein Erecheinen in in ihren Versammlungen, durch die
Falle seiner anschaubaren Gelehrsamkeit, durch den unbefangenen
Sinn, mit dem er als Inhaber des Lehrstuhls der classiachen Archäo-
logie das Mittelalter und die Neuzeit in de« Kreis seiner Studien zog
und die Vereinsbestrebungen in ihrer nothwendigen und erfolgreichen
Selbständigkeit üffentlich lobend anerkannte and als auswärtiger
Secretär unterstützte. Indem der weitere Vortrag der glanzvollen Ent-
wicklung der Kunstgeschichte im Allgemeinen den besündem St&ad
der rheinischen Altertbuniskunde im Rahmen des Bonner Vereins gegen-
über stellte, zog er in einzelnen grossen Zügen die Schlüsse, welche
sich aus dem bis dahin Geleisteten für die Methode der Weiterarbeit
ergeben, und ging dann im Anschluss an seinen vorigjährigen Vortr^
über das Castrum Bonnense auf die Erörterung der damit zusam-
menhängenden Vorwerke und Militärstrassen über. Das Bonner Castrum
als Hauptoperationsbasis der rechtsrheinischen römischen Politik der
, Augusteischen Zeit wurde als das bedeutendste diesseits der Alpen
nach Umfang und Zahl seiner Steinbauten bezeichnet. Seine frflhe
Errichtung ergeben Inschriften und Münzfunde, unter denen einhei-
mische, Yorrömische Münzen auf das Vorhandensein eines celtischen
Dorfes an gleicher Stelle hinweisen. Bisher folgte man der Meinung,
dass das Ziel der grossen, von Metz und Trier durch die Eife) Aber
Bitburg und JQnker&th führenden Bömerstrasse KSln sei, eine Hdnung,
die weder dem Alter der Strasse noch der erst späteren Bedeataog der
Colonia Agrippinensis entspricht. Nach den gleichzeitigen Untersuchan-
gen Schneiders und des Redners steht nunmehr wohl fest, dass dieses
Ziel das Bonner Castrum war, in welchem die berühmte Strasse in
einer dreifachen Linie ansmündetc. Der erste Arm war der directe
Auslauf derselben über Blankenheim, durch den Flamersheimer Wald,
Meckenheim über den Kreuzberg nach Bonn; der zweite Arm ging
zunächst nach Belgien und theilte sich dort in zwei Linien, tob
denen die eine über Roitzheim, Cuchenheim, Buschboven und Ende-
nich unter dem Namen Heerstrasse direct in das Castrum einmtiDdete;
die andere an Euskirchen vorbei über Büllesheim, Strassfeld, Hetter-
nich, Rösberg, Sechtem nach Wesselingen ausläuft, welches ein nörd-
liches Vorwerk Bonns war und mit diesem durch die linksrheinische
Üferstrasse in unmittelbarer Verbindung stand.
Jahrcaberiobt der Veruirnjahre 1BT9 uod 1880. 197
Diese drei von Bonn nach Westen zum Voi^ebirge aufsteigenden
Strassen fllhreu zu jenem zwischen Erft und Feibach liegenden freien
Plateau am Abhänge der Eifelberge, das noch heute den Namen Kaiser-
steia sich erhalten hat und einst die römische Niederlassung Bclgica
trug. Schon diese bedeutende Strassenverbindung bekundet, dass
Belgica nicht lediglich eine bürgerliche Niederlassung, nicht nur ein ge-
wöhnlicher Vicus sein konnte, sondern dass sich ein militärisches Castell,
in Verbindung mit Bonn, hier erhob, zur Wacht gegen die Eifelstrasse und
zum Schutz derselben. Zwei Ausgrabungen, im Jahre 1875 und in diesem
Jahre, welche der Vortragende gemeinsam mit Dr. Pohl in Linz aus-
führte, ergaben als Hauptresultat eine weitausgedehnte Stadtanlage, die
sammtdcnwerthvolIeuFundstückea geschildert wurde. Diese Ausgrabungen
haben denn auch festgestellt, dass Belgica eine römische Niederlassung
war, die nach ihrer Lage, ihrem Umfang und den in der Nähe gefun-
denen Inschriftsteinen militärischer Pci'sonen nicht ohne Garnison ge-
dacht werden kann. Neben der Besatzung des Castells wird auch
hier aus dem unkriegerischen Gefolge derselben von Familien und Händ-
lern, den Canabenses, aus deren Wohnungen in Bonn und Xanten bald
grosse Lagerstädte hervorgingen, eine solche sich gebildet haben. Be-
denkt man, dass die Ganabae Bonns von der Wachsbleiche bis zur
Dahm'schen Schneidemühle an der Coblenzer Strasse sich verfolgen
lassen, so wird mau über die ähnliche grosse Ausdehnung in Belgica
weniger erstaunen. Weit nach Südwesten, die flach ansteigende Höhe
hinauf, da wo man den freien Blick auf die nebeneinander liegenden
bekannten römischen Heimathsorte des Matronencultus, Antweiler und
Wachendorf, gewinnt, vermuthet der Redner das schatzende Castell
der Lagerstadt.
Hier ist der Punkt weiterer bedeutsamer Arbeit. Keine Land-
schaft im ganzen römischen Bhelngebiet hat eine so dichte Bebauung
an römischen Strassen und römischen Niederlassungen als diejenige,
die sich vom Michelsberg — gewiss einem alten germanischen Ileiüg-
thum — zum Rhein herabsenkt. Keine aber auch eine so bestimmte
geistige Individualität in alter Zeit, wie sie der hier heimische und
aller Orten in seinen Monumenten angetroffene Cultus der Matronen
ausspricht.
Dr. Bone aus Köln sprach Über das Bömercastell in Deutz.
Im vergangenen Frühjahr wurde zu Deutz nördlich von der katholischen
Pfarrkirche bei einem Neubau altes Gemäuer entdeckt und ein Theil
davon als Unterbau eines Mauerthurms erkannt Der neue Fund im
188 Jahrcflberiaht der Vereiasjahre 1879 und 1880.
Zusammenhaog mit frQlieren Beobachtungen und Mittheilungen vun
solchen veranlasste weitere Ausgrabungen unter Leitung des Dlrectors
der Artülerieweikstatt in Deutz, Herrn Oberst Wolf; von Seiten des
Kriegsinluisteriums wurden hierzu Mittel bewilligt.
Bei den Nachforschungen, die sich bisher auf die FeBtstcilung der
Enceiate beschrankten, stellte sich heraus, dasa das Castell nahezu ein
Quadrat von etwa 140 M, Seitenlange bilde mit einem Flächenranm
von etwa 7'/a preusaischen Motten, wag zur Aufnahme von fiinf Gehör-
ten völlig ausreichte. Die westliche (Rhein-) Seite reichte vom soge-
nannten Schinkelkessel — es ist der halbrunde Thurm dicht am Rhein
nördlich von der Schiffbrücke; dieser steht auf den Fundamenten des
alten römischen Eckthurms — bis in die Nähe der Schiffbrücke. Der
südöstliche Eckthunn wurde schon 1827 an der Ecke der Hallen- und
Eiseubahustrasse (etwas nördlich von der Freiheit) entdeckt, aber die Ent-
deckung wurde nicht weiter verfolgt. Die nordöstliche Ecke endlich fällt in
den Bereich der Werkstattfigebäude. Ausser diesen vier Eckthurmeu sind
aber noch sechs weitere Thürme constatirt. Davon sind zwei auf der Nord-
seite und ausserdem war auf derselben sehr wahrscheinlich ein Seitenthor,
womit dann wohl wieder ein einfacher oder doppelter Thorbau verbunden
war. Die Südseite wird der Nordaeite entsprochen haben. Die Ost-
front, die also nach der Landseite lag, hatte ausser den beiden Eck-
tbürmen noch zwei runde Thilrrae und einen mächtigen, von zwei
halbrunden Thürmen flankirten Thorbau, welcher der Trierer Porta
Nigra anAnsdehnung in Länge und Breite nur um wenige Meter nocb-
stand; das Thor hatte anscheinend einen doppelten Eingang. Ob die
Westfront der Ostfront genau entsprach, ist noch zweifelhaft; in ihrer
Mitte war aber jedenfalls das Thor, welches zum Rhein fahrte, dorn
genau nach ihrer Mitte führte die alte steinerne Bheinbrücke, welche
Kaiser ConstantinuB erbaute. Das Deut^er Gasteil --- im Mittelalter
wird es wiederholt castrum Divitensium genannt — lag danach mit
seiner Mitte genau der Mitte des römischen Köln gegenflber. Seine
Grllndui^ gerade an dieser Stelle setzt, wie Redner auaftthrt, das
Vorhandensein oder wenigstens den gleichzeitigen Bau einer Brflcke
voraas. Eine alte, in der überlieferten Form durchaus werthlose Inschrift
bezeichnet als Qründer des Castells den Gonstantinus, den Erbauer
der steinernen Rheinbrücke, welche der Lobredner Eumenius ausdrück-
lieh „eine neue Brücke* nennt. Früher gefundene Jnschriften, beson-
ders eine Ära des Jahres 223 n. Ghr., bestätigten das Vorhandensein
des Gastellfi im 3. Jahrhundert. Eine neu ^undene Inschrift aber
Jahresberioht dor Vereiusjakre 1879 und 1880. 199
nennt die Kaiser M. Aurelius Antonius und L. Aurelius Veras und
gehört in die ersten Regierungsjahre dieser Kaiser (also bald nach
161) ; sie beweist nach Gestalt und Fundstelle (bei dem östlichen Thor-
bau) das Vorhandensein des Castells in demselben Umfange nach der
Mitte des 2. Jahrhunderts. Gleichzeitig wurde auch an den rheinischen
Heerstrassen gearbeitet und die drohende Haltung der Germanen gab
M. Aurel Grund genug zu solchen Vorkehrungen. Legionsziegel aber
der legio VIII Augusta und der legio XXII, welche beide im Jahre
70 in dieser Gegend sich aufhielten, sonst aber derselben immer
fem waren, machen das Vorhandensein des Castells und damit auch
einer BiUcke für diese Zeit mindestens wahrscheinlich, nämlich für
das Jahr 50, da Köln zur Colonia Agrippinensis erhoben wurde und
jetzt erst wetteifernd in die Reihe der Römerstädte eintrat, während
es unter Drusus noch völlig hinter Bonn zurücktrat Eine frühere
Gründung ist nicht wahrscheinlich; denn Agrippa^ der 38 n. Chr. den
Ubiern auf dem linken Rheinufer Wohnsitze anwies, wird seine Fürsorge
für die erst entstehende Ubier-Niederlassung soweit nicht ausgedehnt
haben, während die neue Colonia Agrippinensis ganz gewiss sicheren
Rhein und gesicherte Rheinschifffahrt haben sollte. Ebenso wenig aber,
glaubt Redner, dürfe man wohl das Castell als solches auf Caesar zurück-
führen, selbst wenn einer seiner Rheinübergänge hier stattgefunden
haben sollte. Da aber ein alter Graben, welcher in der Gegend der
natürlichen üferhöhe, ziemlich weit von dem jetzigen Quairande, vor-
handen ist, ein älteres, mehr östlich gelegenes Castell beweist, so sind
für dasselbe zwei Perioden anzunehmen, wovon die erste im Jahre 50
über die Unruhen nach Nero's Tode hinaus und bis um die Mitte des
2. Jahrhunderts gereicht haben dürfte; in der zweiten, dem Rheine
näher gerückten Gestalt, die es vielleicht gerade durch M. Aurel be-
kam, mag es in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts arge Ver-
wüstung erlitten und unter Constantin, der die ältere Brücke vielleicht
völlig zerstört fand, gelegentlich des Brückenbaues eine gründliche
Wiederherstellung erfahren haben. — Der nämliche Erzbischof Bruno
aber, der Bruder Kaiser Otto's I., welcher auch die Brücke zerstört
haben soll, brach nach dem Bericht des Deutzer Abts Ruppertus das
Castell ab. Letzteres liess Kaiser Otto aber wiederherstellen; in dieser
Wiederherstellung bestand es, als Erzbischof Heribert innerhalb des-
selben Kloster und Kirche gründete. Später erfuhr es, wie das Klo-
ster, gewaltsame Zerstörungen, die es bis auf die allerjüngste Zeit
den Augen, ja der Kenntniss der Nachwelt verhüllten. Redner schliesst
200 Jahreaberiobt der Veveinajahre 1879 uüd 1880.
mit dein Wunsche, die weiteren Nachforschungen, die diestnal hoffent-
lich nicht auf halbem Wege stehea bleiben mQssten, möchten neböo
der völligen Feststellung der Enceinte auch über die Gebäulichkoiten
im Innern erfreuliche Aufschlüsse bringen.
Professor Schaaffhausen sprach hierauf Über vorgeschichtliche
Eingwälle im Rheinland, die noch in grosser Menge die Gipfel un-
serer Berge umgürten. Dieselben sind auch am Oberihein, im Taunus,
in der Pfalz, am Harz, in Sachsen, Thüringen, der Lausitz, in Baiern
und Oesterreich aufgefunden und fehlen nicht in andern Ländern. In
der Regel bilden sie eine ringförmige Uinwallung, die, aus aufgeschüt-
teten scharfkantigen Steinblöcken bestehend, einen Raum von 3 bis 8
oder auch von 40 bis 60 Morgen Landes einschliesst. Der Wall ist oft
nur noch 3 bis 5 Fuss hoch mit einer äusseren Böschung 7on 15 bis
30 FuBs. Zuweilen hat das Gestrüpp des Waldes ihn ganz umwuchert.
Wo es keinen Stein gab, wird man zu gleichem Zwecke Erdwälle er-
richtet haben, die vielfach der Pflug geebnet hat, während jene aus-
dauerten, wenn nicht, wie es bei maochen jetzt der Fall ist, Stein-
brache sie zerstören. Auch mögen viele Ritterburgen aus jenen Bau-
eroburgen entstanden sein. Dieselben sind die ältesten Denkmäler
unserer Vorzeit, zu deren Errichtung kein aaderes Werkzeug nöthig
war als die menschliche Hand. Man hat in ihnen die nach einem ge-
wiäsen Plana angelegten Vortbeidigungswerko von Eagpässon oda*
Thälem sehen woDeo, was für die Zeit, in der sie entstanden sind,
nicht wahrscheinlich ist. Sie liegen zerstreut umher, fast jeder her-
vorragende, zunial fSsigej Gipfel trug einen RingwaU. Nicht ohne
Zwang hat man des Caesar und des Tacitus Schilderungen von festen
Lagern der Gallier und Cimbem auf sie bezogen. Die Maaem der
Gallier bestanden aus Steinpackuogen, die durch hölzerne Balken m-
sammengehalten wurden, so sind sie auch als Werke der Dacier aaf
der Trajanssäule dargestellt. Unsere Bingwälle sehen nicht so aas,
als seien sie, wie auch Hammeran neaerdings behauptete, nur die
Ruinen von einst regelmässiger geschichteten Mauern, sie sind viel-
mehr nach dem Muster der Erdwälle ursprünglich gebaut Sie waren
Zufluchtsorte, in die das Volk zn Kriegszeiten seine einzige Habe in
Jener Zeit, die Viehheerden, flachtete. Oft findet sich im Innern des
Ringes oder in dessen Nähe eine Qaelle. Dombecken mögen den Wall
zu besserem Schutz umgeben haben, wie man es noch in Wales si^L
Manche Funde, Gef&ssscberben, Mühlsteine, Münzen, sprechen fitr Be-
wohnang des Ringes in späterer Zeit. Nicht ausgeschlossen ist üne
Jahreaberiobt der Tereinijahra 1879 una I^BO. 201
andere Bestimmung dieser Steinbauten, sie waren auch Cultusstätten.
Hervorragende Blöcke innerhalb des Walles oder auf demselben schei-
nen Opfersteine gewesen tu sein, die nicht selten später Teufelssteine
hiessen. Die Feuer, die noch heute an gewissen Jahrestagen auf un-
seren Bergen lodern, stammen aus dem Heidenthum. Zahlreich sind
die Beweise far die Verehrung der Sonne bei den Germanen. Der
Redner legt Zeichnungen der von ihm näher untersuchten Steinringe
von Otzenhausen an der Nahe, vom Hochthurme an der Ahr, vom
Hummelsberg bei Linz und vom Petersberg im Siebengebirge vor, von
denen Herr 6eh.-Rath v. Dechen kürzlich einen Plan aufgenommen
hat. Diesen sieht man am deutlichsten da, wo die Wege von der
Hohe des Beides nach Ober- und Nieder-Dollendorf hinabgehen und
den Wall durchschneiden, hier ist auch noch der Graben an der Innen-
seite erkennbar. Der Steinring lässt sich noch um den ganzen Berg
verfolgen. Die dem h. Petrus geweihte Capelle deutet darauf, dass
hier Donar verehrt ward.
Herr Dr. L. Schei bler sprach über drei hervorragendste Rheinische
Maler des 15. Jahrhunderts, nämlich den Meister der Lyversberg'-
scha Passion, den von S. Severin und den einer Anzahl heiliger
Familien, deren Werke in der bisherigen Litteratur noch wenig Be-
achtung fanden').
Prof. aas'm Weertb gedachte zum Schlüsse der herrlichen Gold-
schmiedewerke des Meisters Anton Eisenhoidt aus Warburg in
Westfalen im Besitz des Grafen Fürstenberg-Herdringen, welche durch
die Ausstellung in MUnster zuerat in die Oeffentlichkeit kamen. Der
als Kupferstecher in allen Sammelwerken aufgeführte Anton Eisenhoidt
erscheint hier in hervorragendster Weise als Kanstlcr getriebener
Arbeit, sowohl in deutscher Gothik als italienischer Renaissance, und
bekundet damit der letzteren bahnbrechende Einwirkung.
An der vom Verein am 9. Dez. 1880 veranstalteten Winkelmanns-
feier sprach Prof. Woermann über die Geschichte der ehemaligen
Düsseldorfer Gemäldegalerie, indem er von der Errichtung des
1710 vollendeten Galeriegebäudes, von der Bedeutung und den Schick-
salen der Sammlung bis zu ihrer Entfernung aas Düsseldorf handelte
und zum Schlüsse darlegte, wohin die Sammlung in Baiem verstreut
1] Ausfubrliche Darle^ugen gab Dr. Scbeibler inawiBohen in teiaer
Sohrifl: „Die heirorragendsteu anonyncD MeJiter und Werke der KölDer UtJer-
■ohulfl von 1460— 1600.' Bonn 1880.
903 Jahruabariohl der Vuroiaijahre IB79 und 1680.
worden ist, wo sich die Galerien von Manchen, Sctileissheim, Äugeburg,
Würzbarg u. A. in dieselbe getheilt liabeu. Der Redner widerlf^te
die Behauptung, als seien Bilder der Sammlung als Geschenk Maxi-
milian Joseph'a von Baiern an Napoleon I. nach Paris gekommen;
vielmehr habe wahrscheinlich kein Bild Baiern wieder verlassen. In
Dftsseldorf aber seien nur zwei Bilder der Galerie geblieben: Rubens
herrliche Himmelfahrt Maria und Job. van Winghen's Delila: jenes,
weil es zu gros^ war, um transportirt zu werden, dieses wabrscheiii-
lich, weil man es nicht für modern genug hielt'). — Herr Dr. Lam-
precht sprach unter Vorlage von Abbildungen, welche der Verein zu
diesem Zwecke hatte anfertigen lassen, über zwei Meisterwerke Rhei-
nischer Miniatur-Malerei des 10. Jahrhunderts, per Redner ging
von der späteren liarolingischen Miniaturmalerei aus und zeigte, wie
die Schicksale dei-selben sich eng mit dem letzten Aufschwung nad
dem jähen Verfall des Herrscherhauses verknüpften, bei dessen Aus-
gang sie Schutz und Fortpflanzung im Rheiiilandc, in St. Gallen, Rei-
chenau und dem linken (Jferland des Mittelrheins, fand. Hier war es
besonders Reicheoau, in welchem unter dem Einfluss antiker Remi-
niacenzen die Miniaturkunst eine neue Blflthe zeitigte, Zeuge davon
ist der Codex Egberti, ein Lectionar, aus den 70er Jahren des 10.
Jahrh. herrdbrend, das sich jetzt in der Trierer Stadtbibliothek befindet
Starken byzantinischen Einfluss hat man in der Miniaturmalerei der
Hoselgegeoden dieser Zeit finden wollen, namentlich in den Bildern
dea Echternacher Evangeliars, welches wahrscheinlich in Trier in den
Jahren 983-92 entstanden ist, jetzt in Ciotha. Dem gegenüber suchte
der Redner darzuthun, dass diese Bilder rein deutschen Charaiter
zeigen, u. A. wegen der Identit&t der Compositioneo mit dem Codex
Egberü*).
Am 9. Dez. 1881 eröffiiete der Vorsitzende Prof. ans'm Weerth
die Versammlung indem er auf die nun seit 36 Jahren vom Verein
gepflogene Sitte der Winkelmannsfeier und die damit stete verbundene
Berichterstattung über die bedeutenderen der neuen rheinischen Funde
hinwies. Er ging dann zu einer nähern Betrachtung der grosaartigen
1} Der Vortrag de« Herrn Pro£ Woermknnn eriohien kt^edrookt in
den GreniboleD, Jahrgang 1B81. S. 147 ff.
2) Mkb eriehe die angeführten Abbildungen la der inswiioben enekienenen
Abhandlung dea Rednen 5. 56 B. im 70. Jahrbuch: Der Bildereahmuek dea
Codex £gberti zu Trier und dei Codex Epternaoenna bu Qotlia.
Jahresbericht der Vercinsjahre 1879 and 1880. 20u
römischen und fränkischen Begräbnissstätten von Andernach und Um-
gegend über, deren Lage durch die Strassen bezeichnet ist, welche
hier schon zur Römerzeit sich kreuzten. Diese Gräber werden schon
seit einigen Jahren auf Kosten des Provinzial- Museums unter seiner
Leitung eröffnet und haben eine für die Archäologie wie für die Ge-
schichte des Landes gleich wichtige Ausbeute geliefert. Einer beson-
dem und eingehenden Besprechung wurde unter den ausgestellten und
kurz erklärten Fundgegenständen eine Kategorie von Frauenschmuck
unterzogen, der aus tafelförmig geschnittenen, rothen orientalischen
Granaten resp. Hiazynthen besteht. Mit Bezug auf eine Reihe vorge-
legter Abbildungen von in dieser Art gearbeiteten kostbaren Geräthen
aus Asien und Kuropa wurde der Beweis geführt, dass diese innerhalb
der römischen wie auch der einheimischen Goldschmiedekunst fremd-
artig und isolirt dastehende Verzierungsart orientalischen Ursprungs
und von den Westgothcn nach Europa gebracht worden sei, woselbst
sie dann in besonders häufiger Anwendung an den hervorragendsten
Stücken, den fränkischen Königskronen im Mus6e Gluny zu Pa-
ris, an reich geschmückten Schwertern z. B. des Königs Childerich
(t 481), am Panzer des Odoaker (f 493) und an Schmucksachen
aller Art uns entgegentreten. Das Provinzial-Museum in Bonn besitzt
aus seinen Ausgrabungen und Erwerbungen eine ausgezeichnete Samm-
lung gerade dieser westgothischen Schmuckgegenstände.
Zum Schlüsse gab der Redner einer bereits im Vorstande des
Vereins zur Sprache gekommenen Erwägung lebhaften Ausdruck, in-
dem er die öffentliche Meinung zum Schutze der alten Gräber des
Landes anrief. Wenn die Wissenschaft die Grabstätten dahin gegan-
gener Völker untersuche und ihre Beigaben als historische Zeugnisse
sammle, so trage das eine Rechtfertigung in sich. Nicht aber sei es
zu billigen, wenn dieses wissenschaftliche Bedürfniss öffentlicher Samm-
lungen eine wüste Gräbersuche Unberufener hervorrufe und eine In-
dustrie erzeuge, die, jeder Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Grabes
spottend, nur lediglich Schatzgräberei im Auge habe und durch die
Art ihres Vorgehens die Wissenschaft geradezu irre führen könne.
Hoffentlich würden die Staatsbehörden, um diesem Unfuge zu steuern,
gesetzgeberische Mittel finden.
Rector Schwörbel aus Deutz sprach sodann über die Funde,
welche in Folge der Verlegung des Bergisch - Märkischen Bahnhofes in
das Innere der Stadt auf dem Boden des alten römischen Castrums
daselbst gemacht wurden. Nach Aufzählung der wichtigsten Gegen-
204 jRhrcabericht der VureioRJahrc 1879 und 1860.
stände und Vorzeigung einer kleinen Bronzegruppe, die einen Ber-
eales darstellt, der mit der linken Hand das Haar einer zu Pferde
sitzenden Amazone erfasst, nahm derselbe Veranlassung, die bishe-
rigen Ergebnisse kurz zusammen zu stellen, und legte Photograpfaieen
und eine Plan Zeichnung vor. Hiernach hatte das genannte Castrum
die Form eines Quadrats; seine Mauern waren von bedeutender Stärke
und sind schon im Mittelalter ausgehöhlt und zu Wohnungen benutxt
worden, sie dienen gegenwärtig noch an verschiedenen Stellen zu Kel-
lerräumen. Ausser den vier Eckthürmen besasB jede Seite noch drei
weitere Thürme. An die Stelle der Mittelthürme traten an der Ost-
und Westseite je zwei Halbthürtne zum Schutze der Eingänge. Die
Eingänge selbst, wenigstens der westliche, waren ursprünglich archi-
tektonisch reich gehalten, insbesondere die Thorgiebel mit Säulen, Ja-
Schriften und bildlichen Darstellungen geziert. Aber auch im Innern
fehlten jene Heiligthümer und Denkmäler nicht, mit denen die Römer
ihre Niederlassungen zu schmücken pflegten. Zum Schlüsse suchte
der Vortiagende nachzuweisen, dass die Erbauung der jetzt noch vor-
handenen Substructionen einer sehr späten Zeit angehört und, wie
aus dem Worte consutaris in einer Inschrift zu schliessen ist, vor der
zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts schwerlich stattgefunden hat.
Prof. Schaaffhausen berichtete hierauf über die nach Bescbluss
der deutschen anthropologischen Gesellschaft in Ausarbeitung b^^Bene
prähistorische Karte Deutschlands, legt ein von H. v. Tröltsch fertig-
gestelltes Probeblatt, welches die Schweiz und das südwestliche Deutsch-
land umfasst, sowie eine Karte der im Begierungsbezirk Arnsberg vor-
handenen Ringwälle von Bergrath Hundt vor und schilderte dann zwei
neu aufgefundene germanische Denkmäler in unserer nächsten Uii^e-
hang. Auf dem Asbei^, den man in zwei Stunden von Rbeinbreitbftch
aus erreicht, befinden sich ausgedehnte Steinwälle. Eine Kappe, die
vor dem langen Bücken des Berges liegt und sieb etwa 180 Fuss über
die Hochääche erhebt, ist ringsum mit einem künstlichen Steinscfautt
bedeckt und wegen der steilen Böschung von ungefähr 45*' schwer
ersteigbar. Der Kegel selbst ist Säulenbasalt, über dem fünf bis sechs
Fuss hoch die Steinboschung liegt. Die obere Fläche des H^^ mit
einer prachtvollen Rundstcht bildet einen schmalen, von NO nach SW
gerichteten, 40 Schritte langen Grat. An der Ostseite gebt die B5'
schung des Steinkegels in der Hälfte ihrer Höhe in einen nach W nnd
NW gerichteten Steindamm über, der nicht ganz den hoben Racken
des Asbergs erreicht. Er ist 200 Schritte lang und Ober dem Wald-
Jahresbericht der Vereinsjahre 1879 und 1880. 205
boden 30 bis 60 Fuss hoch. Auf dem Asberg selbst liegt 50 Schritte
vom Ende dieses Steinwalles entfernt ein Steinring mit einem Durch-
messer von 90 Schritten, er ist noch 3 bis 4 Fuss hoch und an der
Basis 18 Fuss breit. An der Südseite hat er einen ihn in schiefer
Richtung durchschneidenden Eingang. Von diesem Ringe setzt sich
nach SO ein langer Steinwall fort, dessen äussere Böschung hier und
da 34 Fuss lang ist. Der Steinkegel mag eine Opferstätte gewesen
sein. Schon der Name Asberg erinnert an die germanische Götter-
lehre. Sollen die Umwallungen, die sich immer häufiger auf unsern
Berghöhen finden, nur Befestigungswerke für den Krieg gewesen sein,
oder waren sie nicht die gewöhnliche Umfriedung der ältesten Wohn-
orte, die nur vereinzelte Gehöfte waren? Von den Zelten oder Hütten
aus Brettern und Weidengeflecht und dem zerbrechlichen Zaunwerk,
welche Herodian, Strabo und Ammian beschrieben, ist uns nichts übrig
geblieben, nur in den Pfahlbauten fanden sich noch verflochtene Hölzer
mit Lehm bestrichen. Die in Steinringen gefundenen goldenen Schüs-
selmünzen sprechen für die Kelten als ihre Erbauer oder ihre späte-
ren Bewohner. Das zweite Alterthum befindet sich auf dem Peters-
berge im Siebengebirge, über dessen Steinring der Redner früher be-
richtet hat. Auf einem Rasenstücke vor dem Pächterhause werden
jedem Besucher einige grosse Basaltblöcke aufgefallen sein, die in
einer Richtung lagen, aber nur Va bis höchstens 2 Fuss aus dem Bo-
den hervorragten. Man konnte hier ein megalithisches Denkmal nach
der Art der Hünenbetten vermuthen. Herr Nelles, der Besitzer des
Petersberges, hat auf den ihm geäusserten Wunsch die Blöcke frei
legen und etwa 8 Fuss um dieselbe die Erde wegräumen lassen. Es
kam an der nördlichen Seite des Rasens ein 10 Fuss hoher Dolmen
zum Vorschein, der aus fünf Steinblöcken besteht, von denen den drei
die Unterlage bilden, auf welche die zwei andern getürmt sind. Die
Lücken zwischen den Blöcken waren mit kleineren Steinen zugelegt.
Vor diesem Denkmal liegen 20 andere Blöcke in einer Anordnung, als
hätten sie ursprünglich ebenso übereinander gelegen und seien aus-:
einandergewälzt worden. Der grösste Steinhaufen entging der Zer-
störung, sein grösster Block ist 11 Fuss lang und 5 Fuss 8 Zoll hoch
und ebenso dick, der zweitgrösste 8 Fuss 7 Zoll lang und 5 Fuss 5
Zoll breit. Das ganze Steinfeld ist 63 Fuss lang und 18 Fuss breit.
Diese Denkmale fehlen in unserer Gegend fast gänzlich, weil die erra-
tischen Blöcke fehlen, aus denen sie in Norddeutschland und in an-
dern Ländern meist errichtet sind. Dass diese mächtigen Steine eine
806 Jahre nbericht der VeretnRJahre 1879 and 1980.
Opferstätte bildeten, ist nicht wahrscheinlich, weil sie, wie man sdiliea-
spn mass, arsprilnglich von Erde bedeckt waren und nur im Laofe
iler Zeit zum Theil entblöst wurden, wie es bei aiideni, z. B. dem
Denkmale von Westernachulte bei Beckum, der FiiU ist. Ks mögen
megalithische Graber sein. Irgendwelche Funde, welche die Deutung
erieichtem würden, sind bisher nicht gemacht wnrdeo.
Zuletzt lenkt der Redner die Aufmerksamkeit auf die EröSnunR
zweier Hügelgräber bei Ludwigsburg, unfern Stuttgart, über die Fraas
in diesem Jahre berichtet hat. Die Funde in dem einen, der Klein-
aspergle heiafft, waren einzif; in ihrer Art und sind von Liodenschmit
im letzten Heft der „Alterthümer unserer heidnischen Vorzoit" ab^-
bildet. Zwei in Gold gefasste attische Schalen, vier Bronzegefässe
von edler Form und Ornamentik, darunter eine Amphora, noch mit
wohlriechendem Harze gefüllt, Goldreste von Gewändern, zwei reich
verzierte goldene Fdllhömer, wohl Theile von Trinkgefässen, der Abdruck
eines Teppichs, der die Asche bedeckte, dass alles lässt ein griechisches
Grab erkennen, ein griechisches Grab im Herzen von Deutschland zwi-
schen Bhein und Donau! Die Vasen deuten auf das 4. Jahrhundert vor
Chr. Dieser Fund gibt wohl Veranlassung, an die alte Frankensage
zu erinnern, die Braun 1856 in seiner Festschrift „Die Trojaner am
Rhein" besprochen und Roth in Pfeiti'ers Germania I einer strengeren
Untersuchuns unterzogen hat. Wenn man die alte Stammsage von
den abenteuerlichen Dichtungen befreit, mit welchen die Cbro>
nisten des 7. bis 12. Jahrhunderts sie aasgescbmOckt haben, so bleibt
eine Ueberlieferung übrig, die so alt ist, dass sie nicht als eine
blosse Uebertragnng der römischen Sage angesehen werden kann, aus
der Virgi] den Stoff zu seiner Aeneis schöpfte. Schon Tacitos bdrte,
dass Ulysses an den Rhein gekommen und hier Asciborgom gegründet
habe, and dass es an der Grenze Germaniens und Rfaätiens Denk-
mäler Dod Grabsteine mit griechischer Schrift gebe. Bei den Helve-
tiem fand Gftsar Tafeln mit griechiacher Inschrift Äeltere Machweise
der Sage findet man hei den Galliern, wobei man' an das 600 vor C3ir.
von Griechen gegründete Massilia denken mag. Cicero nennt schon
60 V. Chr. die Baeduer Blutsverwandte, was sich nur auf die troja-
nische Abstammung beziehen kann, and Timagenes, der unter Augo-
stus lebte, berichtet, dass nach dem Falle Trojas Griechen dos leere
Gallien besetzt hatten. Die ältesten gallischen Münzen haben griechi-
sche Schrift. In alten Zeiten schon mögen Griechen der Denan entlang
auch nach Germanien gekommen sein, es können im 5. Jahrhundert
Jabresberioht der Vereinsjahre 1879 und 1880.
207
V. Chr. noch ganze Stämme germanischer Abkunft unter griechischen
Führern eingewandert sein und die alte Sage ihrer trojanischen Ab-
kunft mitgebracht haben. Die Veneter rühmten sich derselben schon
450 V. Chr. Die Funde griechischer Alterthümer in Deutschland sind
geeignet, uns neue Beziehungen im alten Völkerverkehr erkennen zu
lassen.
Der Vorsitzende verwies hierauf noch auf die von Herrn Bau-
meister Wiethase infolge eines vom Vorstande geäusserten Wunsches
im Saale ausgestellten Aufnahmen der bereits niedergelegten Thor-
burgen der Stadt Köln sowie des Hahnenburgthors in verschiedenen
Ansichten und Photographien, indem er mit einigen Worten der Be-
mühungen gedachte, an denen es auch der Vereinsvorstand nicht habe
fehlen lassen, um für die Erhaltung der Kölner Thorburgen einzu-
treten.
Ordeitilohe Hltolleder.
Die NHineii dar «aivSrtlgeii gearstSra ^ad mit Fetter Sahrlft gedrndd
._ idts, Max, in CSla.
t Arnold, Baamelster In Boloben.*)
Atbaoli, Dr., GymnfttUllBhret Ib Bonn.
Aitohan Tel dt, Hauptm. a. D. n. BiHar.
gutsbesttier, In Bonn.
Ayx, Freiherr tod, Kg\. Landrath ia
Eiukicohen.
Baedeker, Catl, BnoUi. In Ldpalg.
Baedeker, J-, Bnohbltiidlar In EeaoD.
BsdeTerwaltang In Bsrtrieh.
Darbst da Jon7 in Parlt.
BardelBben, tod, Dr., Exe^ WIrkL
G«h. Rath, Oberprttddent In Cablena.
BartBll, aaiir. Saat., Pfarrer In AltarkSla. '
BailJewiky, Alexandre, b Padt.
Bauniebeldt, Gatabai. In BndenlDli.
Beek, Di., Snininardireator In Llnnlah.
IJ Dar Tontand anuaht ünHobtlgkaiten In naehitahendan TeraaloImlMen, Ter-
kndertmgen In den Standeebeieiohnungen, den Wahnortan ete. gsfilllgtt unterem
Reohnangtraiirer, Herrn Raoliiituigarath Frioke, lehrlnlloh mittnthatlen.
2) Die mit einem Krauiohen beielobneten Mitglieder dnd Im Laufe dei
Jahres 1681 geatorbao.
Aehenbaoh, Dr., Exaetlenz, Staati-
Minlater a. D. u. OberpiJ[«id. In Fatadam.
Aohenbaob, Berghsaptmann in Claua-
thal.
Aohenbaob, Job., Rentner In Hann.-
Gamünden.
Adler, Banrsth n. Prof. In Bariin.
Aagidl, Dr., aah. Rath «.Prof. In Berlin.
AMfllklrohei, Beotor, auiw. Saar., In
Weisen.
Allekar, Semlnar-Dlreotor In Brühl.
Alteithnms-Tereln In Uannbdm.
Altarthumi-'Veraln In Xanten.
Altmann, Bankdiraator In CSln.
Antlken-Cablnat In Oleuan.
Antlqasrlioh-hfitariioberVer^
In Kreainaoh.
VerBeiohnlss der Mitglieder.
209
Be oker, Dr.| Oberbürgermeister in Göln.
Becker, Dr., aubw. Seor., Professor in
Frankfurt %. M.
Beoker, Dr.y Kgl. Staatsarohivar, in
Cobienz.
Beissel vonGymnich, Graf, Sohloss
Frens bei Horrem.
B e n d e r, M., Bürgermeister in Worringen.
Benrathy Dr.y Professor in Bonn.
Bergan, Professor in Nürnberg.
"i* B ergk, Dr., Hofrath u. Prof. in Bonn.
Berlepschy Frhr. von, Regierangs- Vice-
Präs. in Coblonz.
Bernau, Arnold, Justizrath in Ruhrort.
fBernays, Dr., Professor u. Ober-
bibliothekar in Bonn.
Bernoulli, Dr., Prof. in Basel.
Bernuth, ▼., Kgl. Reg.-PriUid. in Cöln.
Besseliohy Kaufmann in Trier.
Bettingen, Landgerichtsrath in Trier.
Bibliothek der Stadt Barmen.
Bibliothek der Universität Basel.
Bibliothek, Stand. Landes-, inCassel.
Bibliothek der Stadt Gleve.
Bibliothek der Stadt Cobienz.
Bibliothek der SUdt Crefeld.
Bibliothek, Fürstl., in Donauesohingen.
Bibliothek der SUdt Düren.
Bibliot^ca-Nazionale in Florenz.
Bibliothek d. Etrur. Mus. in Florenz.
Bibliothek der Stadt Frankfurt a. M.
Bibl iothek der Universit Freibarg in B.
Bibliothek, Stifts-, in St. Gallen.
Bibliothek der Universität (lötlingen
BibliothekderUniversitätH/illea. d.s.
Bibliothek der Stadt Hamburg.
Bibliothek d. Universität Heidelberg.
Bibliothek der Universität Königs-
berg i. Pr.
Bibliothek der Universität Löwen.
Bibliothek der Universität Lüttioh.
Bibliothek der SUdt Mainz.
Bibliothek der Akademie Münster.
Bibliothek, Stifts-, in Oehringen.
Bibliothek der Universität Parma.
Bibliothek der Universität Perugia.
Bibliothek der Universität Prag.
B i b 1 i o t h e k der Universität Strassburg .
Bibliothek der Stadt Trier.
Bibliothek der Univ. Tübingen.
Bibliothek der Universität Utrecht.
Bibliothek, Gräfl. Stolberg'sohe, in
Wernigerode.
Bibliothek, Königl., in Wiesbaden.
Binsfeld, Dr., Gym.-Dir. in Cobienz.
Binz, Dr., Professor in Bonn.
Blancke-Surlet, Baron de, Sohloss
Leohy bei Texte.
Blank, Emil, Kaufmann in Barmen.
Blüm n er, Dr., Professor in Zürich.
Book, ausw. Seoretair, Commerzienrath
und Fabrikbesitzer in Mettlach.
Bock, Adam, Dr. jur. in Aachen.
Boeoking, G. A., Hüttenbesitzer zu
Abenteuerhütte bei Birkenfeld.
Boeoking, K. Ed., Hüttenbesitzer zu
Qräfenbacherhütte bei Kreuznach.
Boeoking, Rud., Hüttenbesitzer zu
Hallbergerhütte bei Saarbrücken.
Boed dicker, Dr., Sanit.-R. zu Iserlohn.
Boeddinghaus, Wm. sr. , Fabrik-
besitzer in Elberfeld.
Boeker, H. H., Rentner in Bonn.
Bone, Dr., Gymnasiallehrer in Cöln.
Boot, Dr., Professor in Amsterdam.
Borggreve, Wegb.-Insp. in Kreuznach.
Borret, Dr., in Vogelenaang.
Bossler, Dr., Carl, Gymnasiallehrer
in Darmstadt.
Bracht, Eugen, Maler in Garlsruhe.
Brambach, Dr., Prof. und Oberbiblio-
thekar in Carlsruhe.
Braselmann, Albert, Kaufmann in
Beienburg bei Schwelm.
Brasser t, Dr., Berghauptmann in Bonn.
Braun, Dr., Justizrath, Rechtsanwalt in
Leipzig.
Brendamour, R., Inhaber d. Xylogr.
Instituts in Düsseldorf.
B reicher, Landgerichtsrath in Bonn.
Brück, Emil vom, Com.-Rath in Crefeld.
Brunn, Dr., Prof. in München.
Bücheler,Dr.,Geh.Reg.-R., Prof. inBonn.
Bücklers, Geh. Commerzienr.inDülken.
Bürgerschule, Höhere, in Bocholt.
Bürgerschule, Höhere, in Eupen.
Bürgerschule, Höhere, in Hechingen.
Bürgerschule, Höhere, in Lennep.
Bürgerschule, Höhere, in Lüdenscheid.
Bürgerschule, Höhere, in Ober-
iiausen.
Bürgerschule, Höhere, in Saarlouis.
Bürgerschule. Höhere« in Solingen.
Bürgerschule, Höhere, in Unna.
Bürgerschule, Höhere, in Viersen.
Bürgerdchule, Höhere, in Witten.
Burkhardt, Dr., Pastor au Blösjen.
Bursian, Dr., ausw.Secr., Prof.in München.
t Busch, Dr., Geh. Medizinalrath und
Professor zu Bonn.
Buschmann, Dr., Canonious in Aachen.
Bylandt-Rhey dt, Graf von. Major
a. D. und Rittergutsbes. in Bonn.
Cahn. Albert, Bankier in Bonn.
Camphausen, Excellenz, Wirkl. Geh.
Rath, K. Staatsminister a. D. in Cöln.
Camphausen, August, Geh. Commer-
zienrath in Cöln.
Ca p pell, LandesgericKtsrath in Essen.
Carnap, von, Rentner In Elberfeld.
14
Vereelohniss dec Mitglieder.
Oarat»njeii. Adolf, in Godeiberg.
Caaer, C, Bildhauer in Cieusnnah.
C«uer. R., BUdbauer in Creuioacti,
Getto, Carl, Oatsbeiitser in St.VVsndsl.
CbrzeBoiniki, P«stor in Cleve.
OiTll-CaaiDa in Cobleci.
Claer, A.lez. ds, Ueuteaant a. D. uml
Steuere mpfänger in Bonn,
Cluvr, Kberhard de, Iteferendar a !>.
und Uentner in Bonn.
tClaeoD. Rentner in Bonn.
CUt£ 1. Bouhahen, Uulgbea. In Cola
Conrads, Dr. auaw. äecr., Profedsar a.
OymnseiBl-Oheilehrer In Eaeen.
Conrad j, Krotaiiahter a.D. In Hfltan-
ConserTHtorium der Alterthümer,
OroMberzogl. BadUolies, In Carltruhe.
Conze, Dr., Prof- u. Abtheil.-DirBPlof
am K. Mu>Bum In Berlin.
aonie,0o(lfrled, AhgeonlneterEumPre-
viniial-Landtage in Lanj^eaberg.
Garn all UB, Dr, Profeaaor ia Miinebea,
Cremer, Pfarrer !a Eoliti; hei Düren.
Onlemann, Senator In HanaoT^r.
Cuny, Ur. Totj. Appellatlanagerichtarath
a. D. lind PrafeGaor in Berlin.
COppera, Wilb., Dlreotor der Tsub-
gtumnienlebransUlt in Trier.
C ur t i u 9, Dr., Oeh. H., Profeanor In Berlin.
Curtiaa, Julius, Commerzienrath in
DulBhurg.
Deiehmann-Sohaarniausen, Frm
Oeh. Comm.-Iialliin, in Va.luz.
UalhoTen, Jao., Gulsbes. zuDormagen.
O eil Da, Dr., Profeaaor lo Bonn.
Dallaa, 0., auaw. Seor,, K. Bauinapeotor
In Coblenz.
DeliuB, Landralh in Mayen.
Dteokhoff, Baurath In Aaoben.
DIeffenbaeh, Dr., in Bonn.
Diergardl, Frelb. tod, In Morabrueh.
Dtlthejr, Dr., Profeaaor in OSlUngen.
Dobberl, Dr., Prof. io Berlin.
Doetaoh, OberbQrgeraieialer in Bonn.
Dommerioh, Frau Emma, geb. Weybe,
In Foppeladorf.
Drewke, Dr., Reehtaanwalt In CBln.
Duhr, Dr., prakL Arzt in Coblenz.
fDumont, Miob., Buehbändlei in Cöln.
Duneker, Dr., Bibltotliecar der stSndi-
•oben BIbl. in Caaael.
Dltaebke, Dr., auaw. Secr., Oberlehrer
in Burg bei Magdeburg.
BBksteln,Dr., Reot u.Prof. InLetpiig.
Ehrhard, Reehte-Anwalt beim Ober-
landeagerloht In Cöln.
EUe, Graf, In EllTllle.
Ellabaoher, Moritz, Rentner in Bonn.
Endert, TSn, Dr., Caplan Id Bonn.
Endrulat, Dr., Arobivsr In Welslar.
Engelakirohen, Architekt in Bonn.
Eakena, PrfiuL .Io»., Reotnerlo in Bonn.
Eaaeler, Hofralli In Hamm.
Esier, Dr., Kreliacbulinapector ia Mal-
Esaini^h, H., Kaufmano in CSIn.
Evana, Jolin. in Nash-Miila In England.
Eynern, Ernat von, Kaufm. In Barmen.
Eynern, Petet ron, Kaufm. in Barmen.
Finklenharg, Dr., Piofeeior, Seh. Rath
in Godosberg,
Firmenieh-Eiehsn, Frau Prof. Ur.
Flandern, Ihre Kgl. Unheil die QrX6n
Ton. In Brügael.
Flaaoh, IT., Profeaaor bWüraburg.
Fleekeieen. Dr., l'rof. in Ureaden.
Fl in HU h, Major n. I)., Immenburgb. Bonn.
Klorsnaourt, Cbaaaot lon, in Borlin.
t Flosa, Dr.. Profeasor iu Bonn.
Fonk, Landrath In RUdeaheim.
Franke, August, Cooaerrator am Brl-
In London.
, l'furri
L ItterT
rS bell.
Limburg bei R
Frenfcen, Dr., Domoapilular io Cöln.
Frlako, Keohnungirath u. überberg-
srntarondanl in Bonn.
FrlBdlSndor, Dr., Profeaaor ia K8.
nigeberg in Pr.
Frings, Krau Commeroieorath Eduard,
auf Mar
bei !i«
■Iralh i
imagen.
Weael.
Fuaha, Pet., Prefeaior und Dombild-
bauei in Bayentliat b. CCln.
Füratenberg, Oraf von, ErbIruchaeM
aof Scbioaa Herdringen.
Fulda, Dr., Dlreotor dei aymnaalume
io Sänger hausen.
Fus«, Dr., Öymnaaial- Oberiehrer lo
Bedburg.
Fuasbahn, Fabrikbeaitzer tn Neuwied.
Gaedeobena, Dr., Profeaaor In Jana.
Galhau, G. toa, OutabedUer In
Wallerfangen.
GailfTe, Dr., auaw. Seor., Prof. In Genf.
UatEen, Amtarlohler in Tholey.
Cielger, Poliz.-PrSs. a. D., In Cobteni.
Georgi, C. H., Buehdruekerelbeettier
In Aachen.
Georgt, W., UnlT.-Bnshdniokerfliba«.
in Bonn.
Qeyr-Sohweppenbnrg, Frdb. tod,
Ritterg utsbealtzer tn Aachen,
Oewerbeaohule, Pro?.-, In Aaoben.
Oewerbe«cbale,&ti(dL,lnReniB«heId.
Qoebel, Dr., Gymn. -Dlreotor In Fulda.
Goebbels, Caplan an St. Maria Im
Capitol IU CSIn.
Verielehnfss der Mitglieder.
211
O o e r t z , Ed.» Fabrikbes. in Odenkirohen.
(ioldsohmidty Jos.» Bankier in Bonn.
Ooldsehmidty Rob., Bankier In Bonn.
Gottgetreu, Reg.- u. Baurath in Cöln.
tireef» F. W., Commerzienr. in Viersen.
Qroote, Ton, Kgl. Landrath in Ahr-
weiler.
ürüneberg, Dr., Fabrikant in Cöln.
Guiohard, Kreisbaameister in Prüm.
Guilleaume, Frz., Fabrikbes. in Bonn.
Gymnasium in Aachen.
Gymnasium in Arnsberg.
Gymnasium in Attendorn.
Gymnasium in Bochum.
Gymnasium in Bonn.
Gymnasium in Garlsruhe in Baden.
Gymnasium in Cassei.
Gymnasium in Cleye.
Gymnasium in Coblenz.
Gymnasium an Aposteln in Cöln.
G ym n a s i u m, Fried rieh- Wilh.-, in Cöln.
Gymnasium, Kaiser Wilhelm-, in Cöln.
Gymnasium an Marzellen in Cöln.
Gymnasium in Constanz.
Gymnasium in Crefeld.
Gymnasium in Dillenburg.
Gymnasium in Düren.
Gymnasium in Düsseldorf.
Gymnasium in Duisburg.
Gymnasium in Elberfeld.
Gymnasium in Emmerich.
Gymnasium in Essen.
Gymnasium in Freiburg in Baden.
Gymnasium in Gladbach.
Gymnasium in Hadamar.
Gymnasium in Hanau.
Gymnasium in Hersfeld.
Gymnasium in Höxter.
Gymnasium in Mannheim.
Gymnasium in Marburg.
Gymnasium in Moers.
Gymnasium in Montabaur.
Gymnasium in Münstereifel.
Gymnasium in Neuwied.
Gymnasium in Neuss.
Gymnasium in Rheine.
Gymnasium in Rinteln.
Gymnasium in Saarbrücken.
Gymnasium in Soest.
Gymnasium in Trier.
Gymnasium in Warendorf.
Gymnasium in Weilburg.
Gymnasium in Wesel.
Gymnasium in Wetzlar.
Gymnasium, Gelehrten-, in Wies-
baden.
fHaakh, Dr., Professor und Inspector
des Königl. Museums vaterländiseher
Alterthümer in Stuttgart.
liaass, Eberh., Apotheker in Viersen.
Hagemeister, von, Regs.-Präsident in
Düsseldorf.
Habets, J., Präs. d. arch. Ges. d. Hrz.
Limburg, in Bergh b. Mastrioht
Hammers, Ober-Bürgermeister a. D.
in Düsseldorf.
Haniel, Paul, Landrath i. Mülheim a. d.
Ruhr.
H anstein, Peter, Buohh&ndl. in Bonn.
Hardt, A. W., Kaufmann und Fabrik-
besitzer in Lennep.
Harless, Dr., Geheimer Arohiyrath in
Düsseldorf.
Hasskarl, Dr., in Cleve.
Hau brich, Pastor in Nohn.
Hftng, Ferd., Professor und Gymnasial-
Direetor, ausw. Secr*, in Mannh. a. Rh.
Haugh, Senatspräsident in Cöln.
Hauptmann, Rentner in Bonn.
Heckmann, Fabrikant in Viersen.
Hegert, Dr., Staats- Archivar in Berlin.
Heimen dahl, Alexand., Geh. Com-
merzienrath in Crefeld.
Heinsberg, von, Landrath in Neuss.
Heister, von, Bruno, Rentner zu
Düsseldorf.
Henry, Buch- u. Kunsthändler in Bonn.
Herder, August, Kaufm. in Euskirchen.
Herder, Ernst, in Euskirchen-
H e r f e 1 d , Frau Josephine, geb. Bourette,
in Andernach.
He r mann, G., Hauptnua. D. zu Bonn.
Hermeling, Pfarrer in Kirspenich bei
Münstereifel.
Herstatt, Eduard, Rentner in Cöln.
Her statt, Friedr. Job. Dav., in Cöln.
Herzog, Dr., Professor in Tübingen.
Hettner, Dr., Director des Provinz.-
Mus. in Trier.
Heuser, Dr., Subregens u. Professor
in Cöln.
Heydemann, Dr., Professor in Hallo.
Heydinger, Pfarrer in Schieidweiler
bei Auw, Reg. -Bez. Trier.
Hey dt, Freih. v. d., Landrath in Mal-
medy.
Hilgers, Dr.. Dir. d. Realsch. in Aachen.
Hillegom, Six van, in Amsterdam.
Historischer Verein für Dortmund und
die Grafschaft Mark in Dortmund.
Hoohgürtel, Buchhändler in Bonn.
Hoesoh, Gustav, Kaufmann in Düren.
Hohenzollern, Se. Hoheit Erbprinz v.,
Sigmaringen.
Hoehlbaum, Dr., Stadt-Archivar In
Cöln.
Hölsoher, Dr., Gymnasial-Director in
Recklinghausen.
Höpfner, Dr., Provinzial-Sohulrath in
Coblenz.
Hupettz, GeDsral-Dir. in lleahemtcli.
HuyaseD, MiliL-Oberpfarrer \a \ltona.
Jenny, 8am., Dr., In Hard bei Bregen«-
JenlgBB, W., Kiufmann tn Crefald.
Jürisaan, Psitor in Alfter.
Jaeel, Ftau August, in Cäln.
Joeat, Eduard, KaurmBiin in CSIn.
Jo8t, J, B. Dom. in Cöln.
I e s ob e ak, JulIuB, R«niDer In WlMbnden.
Junker, C.A.,Kgl.B«uIn9peol, In ErfurL
.lankeratocff, C&rt, KaufraaDii In Diis-
«eldorf.
Ksentzeler, P., sUdt. Arohlvar in
Aaolien.
Xaroher, aus«. Seor-, fabrikbesitzer
In Saarbrücken.
K arthau B, C, CommerEleDr.in Barman.
K a uf m a □ n, Obecbürgorm. a. D. in Bann.
Kekulä, Dr., August, Oeh.-Ratli unil
Professor in PoppeUdorf.
KekuU, Dr., Heinh., Prof. in Bonn.
KsMer, Dr., Jakob, Reallelirei in Matni.
Keller, Jul., ReUgtotulehrer In BrflhI.
Keller, 0., Piofairoc tn Frag.
Keller, FabrikbeBltzer In Boud.
EeUsnberg, Q;inn.-Lebrer in Trier.
Kempf, Ingeolenr- Premier- Llentonaol
In Fort SUmmhelm bei MUbalTn a,- Rb.
Keasel, Dr., Kanonika» In Aaohaa.
Klein, Dr., Jos., PrivatdoDent InBotiu.
Klingholz, Rentner tn Bonn.
Knebel, Landrath In Beokingena.d. Saar.
Koch, Hainr. Hub., DiTisIonBpfarrer In
Frankfurt a. M.
Koenen, Conatanlln, Bildhauer In Nsubb.
Koenig, Lei>p.,Commerzienrath laBonn.
Koeniga, Commarzleoralh In C31n.
Koerte, Dr., ProfesBor in Roatook.
Kohl, GymnaBlallehrar In Kienznaoh.
Kolb, Fr., Qeneral-Dlrector In Vieraen.
Kortegarn, Dr., Direotor der WBhlar-
sohule In Frankfurt am Hain.
Klafft, Dr, Geheimer CooBistorlalralli
u. ProF. In Bona.
K ram arot t k, Qymn.-Direot laRaflbor.
Ktmi, Dr., Prof. und auBW- Secr., In
Freiburg L B.
KreuBer, Carl, Rentner In Bonn.
Krupp, Qeli. Cammerzlenratb in Esten.
Kcüger, .Harm., Laodsuliafitmaler (n
DÜEseldorf.
Kühlwetler, von, Eic, WIrkl. Oeb.
Rath, Kgl. Oberprä«ident In Mänslet.
Küppers, Dr., Sem.'Direat. In Siegburg.
Lampreoht, Dr., Prtiatdoo. in Bann.
Landau, H,, CommerElenr. in Cobleoi.
LandBbcrg-äleiDfurl, Freiherr t..
Engelbert, OutsheB. la D renal einfurt.
Landsberg - fiteiofurl, Freiherr t.,
Hugo, Landes* Direotor der Kheinpro-
vini in DÜBaelüorf.
Lange, Dr., L., ProfoBaoc in Leipr.lg.
Leemans, Dr., Dir, d. Reichamnaeunia
d, Allerthüiner In Leiden.
Lehfeld t. Dr., Paul, PriTAtduoent a. d.
teabn. Hooheohule in Berlin.
Leiden, Franz, Kaiifbiann u. k. nlederL
Coneul in Cäln.
Lenipertz, M-, Rentner In Bonn.
Lomperlz, R. Söhne. BuchhdI. in CCIn-
Lsnnep, van, fn Zeiel.
Leutaoh. t., Dr., Osheimer llofralb u.
ProfesBOr in OSttlugen.
Lewla, S. S-. l'rofesBOr am CorpUB
Chriati.Callegium au Cambridge.
Laydel, J., Rentner lu Bonn
Leyen, von der, Eniil, in Bonn.
Leykam, K reih, t an, SobiosB EUum bei
Waasonberg.
Liebenow, Oeh. Reah-Raih In Berlin.
Lieber, Ifegier.-Baurath in Düaseldorf.
Linden, Anton, in Dtirt>n.
Linti, Jao., VeHagBbuohh. In TKsr.
LoS, Graf von. Sah loaa Witten b. Qel-
Loeraoh, Dr., Profeaeor In Bonn.
Loeaehlgk, Rentner In Bonn.
LohauB, Regiertingarath in Trier.
Longpirier, Adr. de, membr« da
rineCttut de Franee tn Paila.
Lübbert, Dr., Profeasor In Bonn.
LDbke, VOR, Dr., auaw. Sscr-, Profetaorln
Stuttgart.
Maroua, VerlagtbuchhKndler In Bonn.
Martin, A. F., Haler In Roermonde.
Märte nt, Baurath In Bonn-
Mayer, Heinr. Job., Kaufmann In C61n.
Medam, Frhr.T., Fr.L. C-, Kgl. ArohlT-
rath a. D. lu Homburg i. d. HBha.
Meeater, de, da Raveatein, MIniatre
plinlp., EU SehloBB Ravaateln bei
Msohaln.
Mehler, Dr., OymnaBlal ■ Dlrwitor In
Sneek In Holland.
MehllS, Dr. C, Prof-, anaw. Soor., Kgl.
Studienlehrer In DDrkhrim.
Herok, Pfarrer u. Reotor In UeUenholm.
Verzeiohniss der Mitglieder.
213
Merkensy Franz, Kaufmann in Cöln.
Merlo, J. J., Kentner in Cöln.
Meylssen, Qeh. Gommerzienrath in
Coln.
Michaeli 8 1 Dr., Prof. in Strassburg.
Michels, G., Kaufmann in Cöln.
Milani, Kaufmann in Frankfurt a. M,
Milz, Dr«, ProfesBor und erster Qymn*-
Oberl. in Aachen.
MirbaohyW. Qraf v.,zu Sohloss Harff.
Mi rbaoh, Frhr. von, Keg.- Präsident, a.
D. in Bonn.
Mitscher, Landger.-Direotor in Cöln.
Mohr, Professor, Dombildhauer in Cöln.
Möller, F., Oberlehrer am Lyoeum in
Metz.
Mörnerv.Morlande, Graf, in Roisdorf.
Moramsen, Dr., Professor in Charlot-
tenburg.
Moortüy Dr., ausw. Secr>, Pfarrer, Prä-
sident des hist. Vereins f. d.Niederrhein,
in Wachtendonk.
M Osler, Dr., Prof. am Seminar in Trier.
Movius, Direotor des SohaafiTh. Bank-
vereins in Cöln.
Müllen hoff, Dr., K., Prof., Mitglied
der Akad. der Wissensch. in Berlin.
Miller, Dr. med. in Niedermendig.
Müller, Dr., Albert, Gjmnasial-Director
zu Flensburg in Schleswig.
Müller, Pastor in Immekeppel.
Münz- u. Antiken-Cabinet, Kais.
Königl., in Wien.
Museen, die Königl., in Berlin.
Musöe royal d*Antiquit^, d*Armures
et d*Artillerie in Brüssel*
Mnsiel, von, Laurent, Gutsbesitzer zu
Schloss Thom bei Saarburg.
Naeher, Ingenieur in Carlsruhe.
Nagelschmitt, Heinr., Oberpfarrer in
Zülpich.
Naturwissenschaftlicher Verein
in Saarbrücken.
Nels, Dr., Kreisphysious in Bittburg.
Neufville, W. von, Rentner in Bonn.
Nissen, Dr., H., Professor in Strassburg.
Nitzch, Dr., Gymn.-Dir. in Bielefeld.
Nolte, Dr., Buchhändler in Bonn.
Nottberg, Reinh., Kaufm. in Elberfeld.
Obernier, Prof. Dr. in Bonn.
Oberschulrat h, Grossherzoglich Ba-
discher, in Carlsruhe.
Oeder, George, Landschaftsmaler in
Düsseldorf.
Oppenheim, Albert, Freiherr von,
Königl* Sachs. General-Consul in Cöln.
Oppenheim, Dagobert, Geh. Regie-
rangs-Rath, in Cöln*
Oppenheim, Eduard, Freiherr von, k
k. GeneraLConsul In Cöln.
Orth, Pfarrer in Wismannsdorf bei Bit-
burg.
Ort, J. A., Rittmeister in Leiden.
Otte, Dr. theol., Pastor in Merseburg.
Overbeck, Dr., ausw. Secr., Prof. in
Leipzig.
P a p e n, von, Prem.-Lieut. im 5. Ulanen-
Regiment in Werl.
Pauls, E', Apotheker in Cornelimünster.
Paulus, Prof. Dr., Conservator d.E. Württ.
Kunst- u. Alterthumsdenkmale, ausw.
Secr., in Stuttgart.
Pauly, Dr., Reotor in Montjoie.
Pflaume, Kgl. Baurath in Cöln-
Peill, Rentner in Haus Römlinghoven
b. Obercassel.
Perthes, Dr., Geh. Hofrath u. Gymnas.-
Dir. a. D. in Bonn,
Pick, ausw. Secr-, Amtsrichter in Opladen.
Piper, Dr., Professorin Berlin.
Plassmann, Director des Landarmen-
Wesens zu Münster in Westfalen.
Pl6yie,Dr.,W.,auswSecr.,Conservatoram
Reichs-Museum der Alterth. in Leiden.
Plitt, Dr., Professor, Pfarrer in Dossen-
heim bei Heidelberg.
Pohl, Dr., ausw. Secr, Reotor in Linz.
Polytechnicum in Aachen.
Pommer-Esche, von, Geh. Regie-
rungsrath In Strassburg.
P rieger, Dr., Rentner in Bonn.
Prinzen, Handelsgerichts-Präsident in
M.-Gladbach.
Proff-Irnich, Freiherr Dr. von, Land-
gerichts-Rath z. D. in Bonn.
Progymnansium in Andernach.
Progymnasium in Bruchsal.
Progymnasium in Dorsten.
Progymnasium in Euskirchen.
Progymnasium in Malmedy.
Progymnasium in Rietberg.
Progymnasium in Siegburg.
Progymnasium in Sobernheim.
ProgymnasiuminTauberbischofsheim.
Progymnasium in Trarbach.
Progymnasium In St. Wendel*
Provinzial- Verwaltung in Düsseldorf.
Prüfer, Theod., Architeot in Berlin.
Q u a ck , Rechtsanwalt u. Bankdirector in
M.-Gladbach.
Raderschatt, Kaufmann in Cöln.
Radziwill, Se. Durchlaucht Prinz Ed-
mund, Vikar in Ostrowo, Pro?inz Posen.
Randow, von, Kaufmann in Crefeld.
Rath, von, Rittergutsbesitzer u. Präsid.
d. landw. Vereins für Rheinpreussen,
in Lauersfort bei Crefeld.
Rath, Th. vom, Rentner in Duisburg.
Rautenstrauch, Valentin, Commer-
sienrath in Trier.
ert, Oekar, b IKraacliiorr.
Kautor, übkar, [lireotor ilor rheiniaobeD
UU*bli(i6 EU EliF«arelil.
Ksaliobule In BArmon-WupperfBld.
Reftl»o!iul8 I. Oriln. in .nüaaeldorr.
liealsohule I. Ocdn. In Dulaburg.
ReaUchuU I. Ordo. In Elberfeld.
Itoalaobule \n Etsto.
RonUobulel.Orda. in Malhelm «. <l. R.
RaaUoliulo 1. Ordn. In Trier.
RBUkun», Dr, rratrer In Bonn.
Rallzenslein, Frb. von, Nsmona d»
Rez.-I'rlUidianiBfür Lotbringan InMett.
Rene«ie. Oiaf Theodor von, SoUoaa
Saboonbeech bei Bttsen, F<el)[ieoh
Limburg.
Rennen, Üeb. Itath, KIienbabn-DIrea-
lionfi-PrSiiideut in COln.
Keamonl, Dr. von, Üoli. Legatlons-
rnlh, In Aanben.
Keuaoh. Kaufmann in Nouuicd.
Rboinen, H«rtn»nn. Kentnor. Villa
lleriesberg bat Ituinngen.
Rlobara,Dr., Qeb.Santläiar.Inl^deniob.
Riohtsr, Eieeubsbn-Baa-tnspeotiir in
Cöln.
IiIeu,Dr. du, Secrelär d, 8na. f. Nieder!.
LllleratuT in Leiden.
Rtsat-Oruolftnd, I'rbr. t., in Bonn.
Ritter-Akademie in Bedburg.
Robert, ir.embre de IToelitulde l''ri
engen. Cnrl, Kaurmann in Bonn.
Bobdewatd, GymnaBUl-Dfreetor In
BurgilelnfuTl,
BolffB, Commeriieoiath In Bomi.
Rosen, von, Freiherr, Oberst und Ite-
gimenlS'ComDiandeur In Maini.
Rospatt, Landratti in Lennep.
Roiibaoh, Dr., Oymn.-LebrerlnBonn.
Roth, Fr., Bergrath InBurbaob bat Siegen.
Ruhr, Jaoob, Kaurmann In Eusktrohen.
Rumpel, Apotheker In Düren.
RuBohhaapt, Wilhelm, Kaarmann in
Salm-SaliD, Se. Durchlauoht Fürst zu.
In Anhalt,
Salm-Haogatraeten, Hermann, Oraf
8aUeDberg,äeh.0.-Bau ratbin Berlin.
Sandt, Ton, Landrath In Bonn-
3aappe, Dr., Qeh. Reg.-Rath u. Prof.
In QBItingen.
SohaaffhauBen,H.,Dr., Oeb.Medloi-
nal-Rath a. Profeuor in Bonn.
ÜohaafrhauBen, Theod-, Rentner In
Sobady, Dr., Bibliothekar an der Unlr.-
Btbl. In Heidelberg.
Sohaefer, Dr., Professor In Bonn.
Dr., Gymn.-OberL in Cöln-
Scheppe. Oberal a. D. in Bap[>ard.
Soberer, Dr., Professor in Berlin.
ächlokler, Ferdin., In Berlin.
Sehllling, RaclitaanvraK beim Ob«r-
Unilesgericbt in CSln.
SotiitlIngs-EngUrtb, Bürgemeister
in Uüreenieb.
Soblaiohsr, CCommemienr.inDüren.
i^ohlotlntanD, Hr., l-rof. in Halle a. tj.
Soblumberger, Jean, Fnbrikbealta. u.
FrKsid. d. Landfsausar1iuase> f. Elaau*
Lolbringen in Gebwailer.
Sohlünkee, Dr., Probit andern Colle-
giatstift In Aachen
Schmelz, C. 0., Kauficann in Boa».
Sohmidl, Ober!>autathu. Prot. in Wien.
Sohnltt, Dr., ausw. äeor., Arzt In MÜD-
atermairald.
Scbniith*le, Kentner In Bonn.
Sohneider, l)t,, auaw. Seor., Profeuor
in DilBseldorf.
Hehneider. Dr., R., OjmnaB.liiceolor
Fried r., DomprXboadar in
SobnUtgen, Domrioar <o Titln.
Sohoeller, CJuido, Kaufmann in Duron.
Sehünaiob-Carolath, Prini, Berg-
bauptmann In Dortmund.
Sohönfeld, Frederlok, Baumel(ter In
Qrenz hausen.
Sobubarl, Dr., Bibliothekarin CaioaL
äohuli, Caplan in Aachen.
Sohulx, Prof. Dt., tn BresUn.
Sebaltze, Dr., Hofapolhekar In Bonn.
Schwabe, Dr. L., Prof. tn Tüblag«».
Sohwan, Dr., SanItStarath In OodM.
Sahwan, stSdt Bibliothekar In Aaehea.
Sobwtokerath, C. J., Kaufmann In
Ebrenbreitsteln.
Seeger, Pfarrer in Zotaenbooh bei
Weinbetm a. d. Bergitrasse.
Setlgmaan, Jaoob, Bankier In CSln.
Sels, Dr., Fabiikberitter tn Neue«.
Seminar In Soest
Senfft-PlUaoh, Freiherr von, Krri*-
direetor tn Hagenau Im Elsas«.
Saydemano, Aroldleet tn Bonn-
Seyffarth, Beg-Bauiath In Tii»r.
Vorseiehiiiss der MltgHeder.
215
Seysael d'Aix, Graf, Oberst In Dflssel-
dorf.
S f Dl o n, WUh . , Led erfabrikant i n Kirn •
Simroek, Francis, Dr. in Bonn.
Sloet Tan de Beeie, Baron, Dr., L.
A. J. W., Mitglied der Kdni^. Aoad.
der Wissensohaften za Amsterdam, In
Amhelm.
Snethiage, Consistorial - Präsident in
Coblens.
S o 1 m 8, Se. Dnrohlaaoht, Prinz Albreoht
zu. In Braunfels.
Spankeren, Ton, Reg.-Präsident a. D.,
In Bonn.
Spee, Dr.» <3ymn.-Lelirer in Bonn.
Spie 8-6 tilies heim, Ed., Freiherr y.,
KönigL Kammerherr u. Bürgermeister
auf Haus Hall.
Spitz, Oberstlleutenant im Kriegs-Mini-
sterinm in Berlin.
Springer, Dr., Professor in Leipzig.
Stahlkneoht, H., Rentner in Bonn.
Startz.. Aug-, Kaufmann in Aachen.
Statz, Baurath u. Diöc.-Archit. in Cöln.
Stedtfeld, Carl, Kaufmann in Cöln.
Steinbach, Alpli., Fabrik, in Malmedy.
Stier, Hauptmann a. D. in Berlin.
Stier, Dr., Ober-Stabs- und Garnisons-
Arzt in Breslau,
Stinshoff, Pfarrer in Sargenroth bei
Gemänden, Reg.-Bez. Goblenz.
Stranb, Dr., ausw. Secr., Canonious zu
Strassburg.
Strauss, Yerlags-BuehhSndlor in Bonn.
Strubberg, Ton, Gen.-Lieut., General-
Inspeoteur des Militair-Erziehungs- u.
Bildungswesens in Berlin.
Stamm, Carl, Geh. Commercienrath zu
Hallberg bei Saarbrücken.
Swerts, Albert, Kaufmann in Bonn.
Sybel, Dr., Ton, Director der Staats-
Archive und Professor in Berlin.
Szozepanski, von, Hauptmann und
Bürgermeister a. D. in Düsseldorf.
T e r w e 1 p , Dr., Gymnasiallehrer in
Andernach.
Thiele, Dr., Director d. Gymnasiums
in Barmen.
Thema, Architekt In Bonn.
Tornow, Bezirks- und Dombaumeistor
in Metz.
T r i n k a u 8, Chr., Bankier in Düsseldorf.
Uokermann, H., Kaufmann in Cöln.
üeberfeldt, Dr., Rendant in Essen.
Ungermann, Dr., Gymnas.-Director in
Münstereifel.
Ilsen er, Dr., Professor In Bonn.
Vahlen, Dr., Professor in Berlin.
Valette^ de la, St. George, Freiherr,
Dr., Profeesor in Bonn.
Veit, Dr., Geh. Medicinal-Rath u. Pro.
fessor in Bonn.
Yeith, von, General-Major z. D. in Bonn.
Verein für Erdkunde in Metz.
Verein für Geschichtg- und Alterthums-
kunde in Düsseldorf.
Vieten, Kaufmann in Eschweiler.
Yleuten, van, Rentner in Bonn.
Voigtel, Regierungsratli und Dombau-
meister in Cdln.
Voigtländer, Buchhdl. in Kreuznach.
Voss, Theod., Bergrath in Düren.
Wagner, Geh. Commerz.-R. in Aachen.
Wal, Dr. de, Professor in Leiden.
Waldeyer, Dr., Gyran.-Dir. in BonUi
Wallenbor n, Peter, junior, in Bitburg.
Wandesieben, Friedr., zu Strom-
berger- Neuhütte.
Weber, Rechtsanwalt in Aachen.
Weber, Pastor in Ilsenburg.
Weerth, Dr. aus*m, Prof. in Kesse-
nich.
Weerth, aus^m, Bürgermeister in
Bingerbrück.
Weerth, Aug. de, Rentn. in Elberfeld.
Wegeier, Dr., Geh. Medicinalrath in
Coblenz.
Weise, v., Oberbürgermeister in Aachen.
Wei SS, Professor, Director d. K. Kupfer-
sticbkabinets in Berlin.
Wende, Dr., Realschullehrer in Bonn.
Wendelstadt, Yiotor, Commerzienrath
in Godesberg.
W e rne r, V., Kabinetsrath in Düsseldorf.
Werner, Lieut. u. Adjutant in Saarlouis.
Weyer, Stadtbaumeister in Cöln.
Weyhe, Ernst, Dr., Gymnasiallehrerin
Seehausen i. d. Altmark.
Weyermann, Franz, Gutsbesitzer in
Hagerhof bei Honnef.
W i e d, Se. Durchlaucht Fürst, zu Neuwied.
W i e c k e r , Gymnasial-Oberlehrer in Hil-
desheim.
Wle8el6r, Dr., ausw. Secr., Professor in
Göttingen.
Wiethase, Königl. Baumelster in Cöln.
Winokler, H. G., Kaufm. in Hamburg.
Wings, Dr., Apotheker in Aachen.
Wirtz, Hauptmann a. D. , in Harff.
Witkop, Ptr., Maler In Lippstadt.
Wittenhaus, Dr., Rector in Rheydt.
Wittgenstein, F. von, In Cöln.
Woermann, Dr., C, Prof. in Düsseldorf.
Wolf, Caplan in Calcar.
Wolf. Oberst und Commandeur der
2. Fussartellerle-Brigade in Berlin.
Wolf f, V., Oberpräsident in Magdeburg.
Wolff, Kaufimann in Cöln.
Woyna, Exo. von, Gouverneur von
Mainz.
Fl e rill US, L)r. tned, io Remloh.
LanoisDi, f. Arablleot in Rarsaa«.
Lunas, Cburlea, Arohilaol, Soiu-lnsp.
Motu. E4u»J, Graf in VeraelU.
iothicaire au de[>L d«
MaoBfcrit» >lo 1a Bibl. Imper. to Tarf*.
PTOmia, Btbliutbakac 'leb KSnigi von
tialien in Turin.
Rotsi, J. B. de, .^.roliBolog in Rom-
So h U d, Wilh., Buobblndsrm. I. Boppsril.
L. Ta«li, D., Abt in Monte-CMino.
Verzciehniss
säiiiiiitlicher Ehren-, ordentlicher uud ausserorH elitlicher Mitglieder
nach den Wohnorten.
Ab oben: Book. Bmobmaau. Dleok-
hoff. Foe rater. Qeorgi. voa Oeyr-
Saltweppenburg. OpTmaaiuDi. Hllgers.
Kaeatceler Kessel. Milz, i'olytooli-
nloain. ProTlnz.-liewerbeiohula. von
HaumoDt. Schlünkos. äohuli. Schwan.
Starte. WagDSr. Weber, von Welse.
WIngs.
Abenteuerhiilts'. BoMklog.
AhiwolleT: TOD tiroola.
Alfter: JUriMen.
AltotkttU: Baiteb.
Alt on*: Huyseen.
Arnsterdam: Boot van Hlltagoni.
AQdarnsoIi: Frau Herfeld. ProgTDi.
na»! um. Tarwelp.
Anhalt: Fliist su Salm.
Arnheim; Baron SloeL
Arnsberg: Gjrmnailuni.
Attendorn; Qymnasium.
Barmen; Blank. E. Ton Eynern. P.
von Gjrnern. Karthaua. Stadl. Thiale.
Zeh nie.
Barmen-Wupperfald: Reaboliule.
Basel: BemouIlL UniversltätabibllotLak.
Bayenthal b. CBIn: Fuohs.
Baoktngen a. d. Saar: Knebel.
Bedburg; Fnts. Ritter- Aoadaoiie.
BelenbuTg: Braselmann.
Bergh: Habela.
Berlin: Adlei. As^dLConza. TonCunf.
CjrtiuB. Dobboit. Falk, v- Flotencourt
OenoralverwaltUDg der kgl. Museen,
tiroifr. Ilegerl. Hiil>ner. Kroo-
friat des DautiBben Reiohas und tod
Preussen. Lehfeldt. Llebenow. MQUen-
hoff. Piper. Prüfer. Salsenbarg. Seherer.
Sohiokter. Sohoens. Sinta. Stier,
von Stmbberg. von Sybel. VaUen>
WelM. Wolf.
Beromiinster: Aebl.
Bielefeld: Nilzsoh.
BlDgerbrUok: aus'm Werth.
Bitbarg: Nels- Wallenbom.
BISejan b. Merseburg: Burkhardt.
Bocholt: Häher« Bürgeraehnle.
Boehum; OTmnasiuQi.
Bolohen (BI>..Lothr.) : Arnold.
Bonn: Asbaob. Asiohenfeldt, Banratb.
Blnz. H. H. BHker. BiasserL Broi-
ohes. Bfloheler. Graf von BjlandL
Cabn. AI. da Ciaer- Eb. de Claer.
Claion. V. Deohen. Del ins- Diaf-
fenbaoh. v. Disrgardt. DQUcb. Eltc
baober- van Endert. Engelakirehen.
Frl. Bskans- Frau Firmeniah - Rl-
obarti. Frioke- Oenrgl. J. Qold*
sohmldL R. tioldsobmidt. Ouilleaume.
Uymnasium. Hanslaln. Hauptmaan-
Monry- Hermann. Hoohgiirtel. Alex.
VeraelohnlM der Mitglieder.
217
Hüffer. Prof. Hüffer. Kaofmaim.
R. Kekal6. KeUer. Klein. Kiingholz.
Leop, König. KrafFt. Krenser. Lamp-
recht. Lempertz. Ton der Leyen.
Leydel. Loeraeh. Loesohigk. Lübbert.
MSrtena. Marcus. Yon Mirbach. W.
von Neafvllle* Noite. Prof. Obemier.
Perthes. Prieger. Ton Proff-Imioh.
Reinkens. Ton Rigal. Rolffs.
Rosabaeh. Rusohhaupt Qraf von
äalm-Hoogstraeten. y. Sandt. H.
Sohaaffhausen. Th. Sohaaffhausen.
A. Sohaefer. Sohaefer. Scheibler.
Schmelz. Schmithals. Schulze. Sejde-
mann. von Spankeren. Spee. Stahl-
kneoht Strauss. Swertz. Thoma.
üsener. de la Valette St. George.
Veit, von Veith. van Vleuten. Wal-
deyer- Wende. Wurst. Zartmann.
Zengeler.
Boppard: Soheppe. Sohlad.
Braunfols: Prinz Solms.
Breslau: Schulz. Stier.
Bruchsal: Progymnabium.
Brühl: Alleker. Keller.
Brüssel: Qräßn von Flandern. Musöe
Royal.
Barbach bei Siegen: Roth.
Burg: DUtschke.
Burgsteinfurt: Rohdewald.
Caloar: Wolf.
Cambridge: Lewis.
Garlsruhe: Bracht. Brarobach. Con-
servatorium d. Alterth. Gymnasium.
Näher. Oberschulrath.
Gas sei: Duncker. Gymnasium. Schu-
bart Stand. Landesbibliothek.
Charlottenburg: Mommson.
Clausthal: Achenbaoh.
Cieve: Chrzescinski. Gymnasium. Hass-
karl. Stodt.
Coblenz: von Bardeleben. Becker.
Berlepsch. Binsfeld. Civil - Casino.
Delius. Duhr. Geiger. Gymnasium.
H5pfner. Landau. Snethlage. Stadt-
bibliothek. Wegeier.
Co ein: Altmann. Aposteln-Gymnasium.
Max Arndts. Oberbürgermeister Becker.
V. Bernuth. Bone. Camphausen, Ex-
cell. Aug. Camphausen. Clav6 von
Bouhaben. Drewke. Dumont. Düntzer.
Ehrhard. Essingh. Frenken. Friedrich-
WUhelm-Gymnasium. Goebbels. Gott-
getreu. Grüneberg. Ilaugh. Ed. Her-
statt. Frdr. Joh. Dav. Herstatt Heuser.
Hoehlbaum. Hörn. Frau August Joest
Eduard Joest. Jost, J. B. D. Kaiser
Wilh. - Gymnasium. Königs. Leiden.
Lempertz. Marzellen - Gymnasium.
Mayer. Merkens. J. J. Merlo. Me-
vissen. Michels. Mitscher. Mohr. Mo-
vius. Albert Frhr. von Oppenheim.
Dagobert Oppenheim. Eduard Freiherr
von Oppenheim. Pflaume. Raderschatt
Rennen. Richter. Scheins. Schilling.
Schnütgen. Seligmann. Statz. Stedtfeld.
Uckermann. Voigtel. Weyer. Wiei-
hase. von Wittgenstein. Wolff. Zervas.
Constanz: Gymnasium.
CornelimUnster: Pauls.
Crefold: Emil vom Brück. Heimendahl.
Jentges. Gymnasium, v. Randow.
Sohauenburg. Stadt.
Darmstadt: Bossler.
Dielingen: Arendt
Dillenburg: Gymnasium.
Donaueschingen: Fürstl. Bibliothek.
Dormagen: Delhoven.
Dorsten: Progymnasium.
Dortmund: Prinz Sohönaich. Hist Ver.
Dossenheim: Pütt
Drenst einfurt: Frh. v. Landsberg.
Dresden: Fleckoisen. Hultsch.
D ü 1 k e n : Bücklers.
Düren: Bibliothek der Stadt. Gymna-
sium. Gust Hoesch. Linden. RumpeL
Schleicher. Sohöller. Voss.
Dürkhoim: Mehlis.
Düsseldorf: Brendamour. Endrulat
Gymnasium, v. Hagemeister. Ham-
mers. Harloss. v. Heister. Hoyer.
Junckerstorff. Krüger. Frh. Hugo von
Landsberg-Steinfurt Lieber. Oeder.
Provinzial- Verwaltung. Rautert. Real-
schule. Schneider. Seyssel d*Aix. von
Szczepanski. Trinkaus. Verein für
Geschichts- und Alterthumskunde. von
Werner. Woermann.
Duisburg: Curtius. Gymnas. v. Rath.
Realschule. Schneider.
CSchtz: Cremer.
Ehrenbreitstein: Schwickerath.
Ehrenfeld bei Cöln: Rauter.
Elberfeld: Boed dinghaus. v. Camap.
Gymnasium. Nottberg. Realschule,
de Weerth.
Elsum (Schloss) bei Wassenberg: Frh.
von Leykam.
Eltville: Graf Eltz.
Emmerich: Gymnasium*
Endenioh: Baunscheidt. Richarz.
Erfurt: Junker.
E sc hw eiler: Vieten.
Essen: Baedeker. Cappell. Conrads.
Gymnasium, v. HöveL Krupp. Real-
schule. Ueberfeld.
Eupen: Höhere Bürgerschule.
Euskirchen: v. Ayx. A. Herder. E. Her-
der. Progymnasium Ruhr.
C*lensburg in Schleswig: Müller.
918
VoneleluiiBB d9i Milgllodet.
Florena: Bibl. Kasionate. Bibliothek
da« atrudanbeQ MuaeuuiB. (iamurriiiL
Fcankfud >. M.: Bsokar. Koch.
KoftBgarn. Milani. SUdibibliothok.
F r 0 1 b u r g in Bacian ; DoIveraiUl«.
Bibliotliek. O^mnasium. Kraus.
FreD»(Sabloiis)bclHorrem:(irafDdBsel
Ton Oyunioli.
Fulils: Goebel.
St «allea: Stifubibliolliok.
G e b wei 1 a r ; Sohlunibctser.
H&nn. Osmunden: Aobenbaoh.
Oanf: OMBe.
OUsien; AnÜkan-Cabioat.
Gladbach: Prinien. Oymnas. Quaok.
Oodasbetg: Carstanjen- I'iokeluburg.
Sohwan. Wemielsladl.
OoetliiiKon: Dtlthey, von Leutsob.
Sauppe. UDiTsrsitätsbiMiolh. Wieaeler.
QrüfeDbsahar Hfitte: Boeeking-
Granzhausen: ächtlofald.
GÜTzeniob: ScJülllngs-Englertb.
BadaniBr: Qfmnaaium.
Hagenau im HliasB; FteiheTr yoa
Senfft-VilttBch.
Hagerhof bei Hunaef: WeyecniaDD.
Hall (Hau») [>ec Etkiloai: r. Sples.
Hallbaig bei Saatbrüohen: BoockiDg.
allb
hfilt
Heyden
Univorsiläts-Bibliol
Saarbrücken ;
Sa!ilottioaiia<
Stadtbibllothak. Wtookler.
Hamm: EBaellen.
Hauaa: OymnaBium.
BaDDOTei: CulemaDn.
Hard (bei Bregani): Jannjr.
Harff SohloiB (Kreli Bergbeim): t.
Mlrbaob. Wirtl.
Heahlngen: HShere Bürgeraebule.
Heidelberg: Schady. tlnlTerftiUte-
Blbllothek. Zangem Bister.
Herdringen (Krela Aroaberg) : Graf
Fürst eob arg.
Hersfeld; GyniDasium.
Herresbetg bei Remagen: Rbeinen.
Hildegheim: Wiakar.
Homburg v. d. U3he: Freih. T.Uadam.
HSxtet: GymnaBlum.
Ilaanburg: Weber.
Iinmekeppel: UliUer.
Immeaburg: FIlnBeh.
iBetJoho: Boeddioker.
Itlecvort: FraoMen.
Jaoa: Qaedechana.
Kalkhof, QatbriWaolViadbelGMHl:
Ton Seharffenberg.
EesaaDtah: atu'm Weerth.
Kirn; Simao.
K t r B p enl 0 h (b. Httosterdf.) : HenneUng.
Königsberg L !>. : Frie.llSnder. UnJ-
TOrsIlätsbihlioIhek.
ICrouznaoh: Aotiquariaoh-historisetter
Verain. Borggreve. C. Cauer. K. fnuer.
Kobl. Voigtländec. Wulfen.
Laaganbarg: Conze.
Laiiersfort; v. Kath,
Leiden: Leemans, Ort. Pleyt«. •!«
Kioii. dB Wal.
Leiptig: Baedeker. Braan. Eeksleta.
Lange. Ot erb eck. tiprloger.
Leimep: A.. Hariti. HShere BilrgSf-
suhula. Roapatl.
Ltnnieb: Beck.
Lim: Pohl.
Llppatadt: Witkop.
London: Franke.
Lünen: Universillts-Bibliothek.
Lüdensehoid: Uohera Bürgotsohole.
LiiitiGh: UnlferaitSta-BibUothek.
Magdeburg: von Wolff.
Malmedy: Arsine de Noäe. Etser.
T. d. Heyilt. Progymnasium. Stein.
Maiai:: BIbliolbck 'ler Stallt. Keller.
TOn Itoaen, Solineiiler. v. Weyn«.
Mannheim: Altorthumavarein, Qym-
Ktarburg: Gymnasium.
Marienfala bei Ramagen: Frau Fringa.
Mayen: Delius.
Moohernioh: Huperli.
Uelsenhelm: Uerok. Sehafber.
Merseburg: Otte.
UollUoh: Boeb.
Metz: Malier. Frh. toq Roltzenstetn.
Tomow. Verein fQr Erdkunde. Ton
Wright
Miltenberg: Conrady.
Moers; Gymnasium.
Montabaur: Gymnasium.
Monte-Caasino: Tosä.
Montjole: Pauly.
Morsbruob: i. Dlergardt
Mülheim a. d.R.: Haniel. Reabaliula.
Miinohen: Brnon. Cornelius.
Münster: Bibliothek der AkadamI«.
T. Kllhlwetter. Plaasmaun.
Miinstaretfal: Qymnastam- üngei-
Mttnstermayfald: Sahnllt.
Nagb-Mtlls: Evans.
Neuss: Ton Uelneberg. Gymoadain.
Koenen. Sels.
Neuwied: FilntWIad. Fnsibalui. Gym-
nasium. Reusch.
Nledermendig: HOUer.
Nohn (Post Anlweller) Eid* AdauD;
Haabriah.
NSinberg-: Bergftn.
VerselohiiiM der Mitglieder.
219
Oberhauaen: Höhere Bürgerschule.
Odenkirohen: Qoertz.
Oehringen: Stifte-Bibliothek.
Opladen: Pick.
Ostrowo: Prinz Radziwill.
Paris: Barbet. BasUewsky. de Long-
parier. Lucas. Miohelant Robert.
Parma: Universitäts-Bibliothek.
P e r u g i a : UniT.-Bibliothek.
Poppeisdorf: Frau Dommerioh. A*
Kekul6.
Potsdam: Achenbaoh.
Prag: Universitäts-Bibliothek. Keller.
Prüm: Guiohard. Hünnekes.
R atibor: Kramarozik.
Ravenna: Lanciaoi.
Ravestein: de Meester de RavesteizL
Recklinghaasen: Hölsoher.
Remich: Hermes.
Remscheid: Qewerbeschule.
Rlieide: Gymnasium*
Rheydt: Wittenhaus.
Rietberg: Progymnasium.
Rinteln: Gymnasium.
Roermonde: Martin.
Roisdorf: (jraf Moerner.
Römlinghoven (Haus) bei Obercas-
sol: Peili.
Rom: Fiorelli. Heibig. Henzen. de Rossi.
Rostock in Mecklenburg: Koerte.
Ruhrort: Bernau.
Rurich (Sohlossb. Erkelenz): ▼. Hom-
pesoh.
Rüdes heim: Fonk.
Saarbrücken: Gymnasium. Karcher.
Naturwissenschaft!. Verein.
Saarlouis: Höh. B ürgerschule. Werner.
Sangerhausen: Fulda.
Sargenroth b. Gemünden (K.-B. Gob.
lenz): Stinshoff.
Schi ei dw eiler: Heydinger.
Sc bloss Schoonbeck: Renesse.
Seehausen (Altmark): Weyhe.
Siegburg: Küppers. Progymnasium.
Sigmaringen: Fürst zu Hohenzollem.
Erbprinz von HohenzoUern.
Sneek: Mehler.
Sobernheim: Progymnasium.
Soest: Gymnasium. Seminar.
Solingen: Höhere Bürgerschule.
Stamm heim (Fort) bei Mülh. a. Rhein:
Kempf.
Strassburg: Michaelis. Nissen. Ton
Pommer-Esche. Straub. Universitäts-
Bibliothek.
Strom berg: ausm Weerth.
Stromberger Neuhütte (pr. Strom-
berg): Wandesieben.
Stuttgart: Haakh. v. Lübke. Prof.
Paulus.
Tauberbischofs he im: Progymnas.
Tholey: Gatzen.
Thorn (Schloss) : v. Musiel.
Trarbach: Progymnasium.
Trier: Besselioh. Bettingen. Cüppers.
Gymnasium. Uettner. Holzer. Kelzen-
berg. Lintz. Lohaus. Mosler. Rauten-
strauch. Realschule. Seyfifarth. Stadt-
bibliothek.
Tübingen: Herzog. Schwabe. Uni-
▼ersi täts-Bibliothek.
Turin: Promis.
Unna: Höhere Bürgerschule.
Utrecht: Uni versitäts- Bibliothek.
'Vaduz: Frau Deichmann.
Vercelli: Mella.
Viersen; Aldenkirchen. Höhere Bürger-
schule, (ireef. Haas. Heckmann. Koib.
Vogelensang: Borret.
Wachtendonk: Mooren.
Wallerfangen: v. Galhau.
Warendorf: Gymnasium.
Weilburg: Gymnasium.
St Wendel: Getto. Progymnasium.
We r 1 : V. Papen.
Wernigerode: Bibliothek.
Wesel: Frowein. Gymnasium.
Wetzlar: Endrulat. Gymnasium.
Wien: Heider. k. k. Münz- und Antik.-
Cabinet. Schmidt.
Wiesbaden: Bibliothek. Gelehrten-
Gymnasium. Isenbeck.
Wismannsdorf bei Bitburg: Orth.
Wissen: Graf Loe.
Witten: Höhere Bürgerschule.
Worringen: Bender.
Würz bürg: Flasch. Urlichs.
Wüsten rode: Frau Wüsten.
Xanten: Niederrhein. Alterthumsvereln.
Zeist: van Lennep.
Zotzenbach bei Weinheim a. d. Berg-
strasse: Soeger.
Zülpioh: Nagelschmitt.
Zürich: Blümner.
-•♦•-
UniTersitits-BucUdmckerol von Cirl Georgl 1d Bodd.
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|.Vtreinsv,Alldbnisfr.imRl.emLHeftLXXII
Taf.l.
Erklärung.
.pjDIBffiniiiii
Rhein zur Römerzeit.
F^ 'v^^i^i^^^^^^^r^v
}
1^""^
jelziger Rheinlauf.
^lOMAGVS
Wykr
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Millingen ^^^^^
licy Niel DüMtimi^k
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1 Worbey«. ^^k
l QVADRIBVRQIVM
Römerstrasse.
jetzige Orte.
\^ Don5brüqqe[JÄ.
^
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Maasslab:
Bedburg
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1:2+0,000.
Colcor
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BVRGINATIVNN^J.Vmi
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[nsv.Allerthumsfr im Rfieinl.HeffLXXII.
Tat II.
IbniLDiyDiJD __
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mvBBAmfhu
L.lh, * Htnrj,So
■'. Aller t/mmi/r. im Kheinl. He/I LXXII.
Taf. HI.
Taft
hrb.d. Vereins v.AUerthomsfr.im Khcinl. Heft LXXU.
ckH »T, Hundt.
^
hrb.d. Vereins v.AUerthum8fr.imRhcint.HeftLXXlJ.
Tafel '
hrb.d. Vereins v. AUerthumsfr.im Rhcint. Heft WXll .
Lidiläri
■ihrb. desVrreiiisv.Allirtlmtasfr.ipiRlidnl. Heft I.XXtl. Taf. VOl.
s V. Alter thumsfr. im Rheinl. HeftLXXlI.
Taf. F7Z7.
I ■ I
JAHRBÜCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
■ ■ / ;■
RHEINLANDE.
HEFT liXXin.
MIT 6 TATOIiN UND 3 HOIiZSCHMTTBN.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BONN, BEI ADOLPH HAS0U8.
1882.
«
I
JAHRBÜCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
IM
■ /
RHEINLANDE.
HEFT LXXIII.
MIT 6 TAniiN UND 2 HOMäCHNITTBN.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BONN, BEI ADOLPH HAS0U8.
1882.
JAHRBUCHER
DES
VEREINS VON ALTERTHUMSFREUNDEN
m
RHEINLANDE.
■ ■ • • I
. I
HEFT LXXIIL
MIT 6 TAFELN UND 2 HOLZSCHNITTEN.
BONN.
GEDRUCKT AUF KOSTEN DES VEREINS.
BONN, BEI ADOLPH MARCUS.
1882.
inhaltsverzeichniss.
Seite
I. Gesohichto und Denkmäler.
1. Neue Forschungen über die Römerstrassen zwischen Maas und Rhein.
Von Prof. Jac. Schneider Hierzu Taf. II 1
2. Die römischen Militärstrassen des linken Rheinnfers. Von demselben
Hierzu Taf. III, 1 7
8. Die Legionen am Rheine vom Kampfe Caesars gegen Pompeius bis zur
Erhebung des Vitellius. Von Prof. H. Düntzer 10
4. Die Victricenses. Von Hofrath Prof. Urlichs 49
6. Minerva-Statuette. Von Prof. H. Heydemann. Hierzu Taf. I u. la 61
6. Die jüngsten Funde auf dem Boden des römischen Castrums zu Deutz.
Von Rector Schwörbel. Hierzu Taf. 111,2 u. IV 63
7. Römische Inschriften aus Bonn. Von Dr. J. Klein 62
8. Ruphiana nicht Eisenberg, sondern Altripp. Von Carl Christ . . 77
9. Die Civitas Nemetum bei Heidelbcrg-Ladenberg. Von demselben . 80
10. Ein römischer Goldring. Von Dr. Friedr. Schneider. Hierzu 1
Holzschnitt 84
11. Altchristlicher Löffel aus Sasbach. Von Prof. F. X. Kraus. Hierzu
1 Holzschnitt 87
12. CoBmas und Damianus. Alte Wandmalereien in der Münsterkirche zu
Essen. Von W. Heilermann. Hierzu Taf. V 89
18. Die Dombaumeistor von Köln. Von J. J. Merlo 100
II. Litteratur.
1. Die St. Nicolai-Pfarrkirche zu Calcar von J. A. Wulff. Angezeigt
von W. Lübke 139
2. Die Wandmalereien im Dome zu Braunschweig von Dr. A. Essen-
wein. Angezeigt von Aldenkirchen 146
8. Der Bildsohmuck der Liebfrauenkirche in Nürnberg von Dr. A. Essen-
wein. Angezeigt von Aldenkirchen 148
4. Mittheilungen des historischen Vereins der Pfalz. IX. und Katalog der
historischen Abtheilung des Museums zu Speier. Von Dr. C. Mehlis 149
6. Mittheilungen des historischen Vereins der Pfalz. Von demselben 162
L Geschichte nnd Denkmäler.
I. Neue Forschungen Ober die Römerstrassen zwischen
Maas und Rhein.
Hierzu Taf. II.
L
1. Von Birten zieht eine Römerstrasse über Alpen, wo römische
Alterthümer gefunden wurden, an Repeln vorbei nach Mors, an wel-
chen beiden Orten ebenfalls verschiedene Alterthümer zum Vorschein
kamen. Hier theilt sich dieselbe in zwei Arme, von denen der öst-
liche über Bockum, Oppum und Bovert bis Neusserfurth geht. Der-
selbe hat noch verschiedene Reste des Kiesdammes bewahrt, ist von
zahlreichen römischen Ueberresten begleitet und bereits Jahrbb. LXI
beschrieben worden. Von Neusserfurth geht dieser Arm in geringer
Entfernung an Neuss vorbei weiter über Weckhof en nach Gohr, an
welchen beiden Orten ansehnliche römische Alterthümer entdeckt wur-
den, dann über Austel und Stommeln nach Geyen und Freimersdorf,
durchschneidet die Eisenbahn und Chaussee westlich von Weyden, und
führt über Hermülheim, stets dem Fusse des Vorgebirges entlang, an
Keldenich, Vochem und PingSdorf vorbei über Walberberg und Wal-
dorf nach Dersdorf. Von hier steigt die Strasse die Höhe hinan und
zieht an Brenig vorbei nach Alfter und Gielsdorf, dann über die Höhe
weiter nach Witterschlick, hierauf durch den Wald nach Muttinghoven,
von wo sie nach Ramershoven geht, aber nicht weiter verfolgt worden
ist. Aus der Gegend von Neuss bis Bonn führt sie den Namen „Bonner
Strasse", und von Alfter an heisst sie „das alte Strässchen". Sie er-
scheint gegenwärtig bald als Feld- bald als Gommunalweg mit zahl-
reichen Resten ihres ursprünglichen Bestandes : bald ist der Weg noch
1
M
2 Neae Fonchungen über die RömeritraMen zwitchen Maas nnd Rhein.
dammartig erhöht, bald zeigen sich an der einen oder andern Seite bis
zu 2 m hohe Böschungen, bald ist es ein Grasweg von wechselnder
Breite, bald Hohlweg, und an vielen Stellen lassen sich die Reste der
Kiesdecke wahrnehmen. Die Zahl der römischen Funde an der Strasse
ist nicht minder gross, besonders in der Strecke längs des Vorgebirges,
sowie auch weiterhin in Alfter, Gielsdorf und Witterschlick römische
Alterthümer gefunden wurden ; bei letzterem Orte wurde auch die Kies-
strasse vor Kurzem im Boden entdeckt. Der andere Arm geht von
Mors östlich an Krefeld vorbei, wo römische Gräber gefunden wurden,
neben der Chaussee bis zum Wehrhahn, dann links ab über Willich
und östlich an Schiefbahn vorbei, ist dann durch den Nordcanal unter-
brochen bis gen Kleinenbroich, von wo er mit dem Gommunalweg über
Glehn und Damm bis östlich von Aldenhoven zieht. Hier biegt die
Strasse rechts ab und führt über Bedburdyk, Elsen, und westlich von
Gindorf nach Gasten An der Westseite dieses Ortes vorbei ist sie bei
Lipp eine kurze Strecke unterbrochen, geht dann über die Höhe, west-
lich von Bedburg, durchschneidet die Eisenbahn und zieht über Glesch,
Ziverich, Thorr nach Heppendorf ; von da läuft sie stets in südlicher
Richtung über Blatzheim und Lüxheim nach Zülpich. Die Kiesdecke
der Strasse ist noch an vielen Stellen deutlich erhalten, namentlich liegt
am Diekerhof bei Willich auch der Damm mit seiner Kiesdecke fast
2 m hoch wohlerhalten; der Diekerhof hat von dem Strassendamme
(Dyk), der früher in weit grösserer Ausdehnung erhalten war, seinen
Namen; da er gegenwärtig als Sandgrube benutzt wird, wird er bald
verschwunden sein. Von Zülpich bis Caster ist die Strasse bereits vom
Oberstl. Schmidt beschrieben, der ihren ferneren Lauf von Caster
aus, von wo er sie nicht weiter verfolgt, irrthümlich auf Neuss zu ver-
muthet. In ihrer ganzen Ausdehnung ist sie von zahlreichen römischen
Fundstellen begleitet; bei Ziverich und Zülpich lagen auch grössere
römische Ansiedlungen, Tiberiacum und Tolpiacura.
2. Von der Maas bei Gennep führt in der Richtung der Chaussee
über Grunewald eine Römerstrasse nach Cleve, deren Ueberreste im
Walde südlich vom Materborn vor längerer Zeit in der Erde aufge-
funden wurden.
3. Die von der Niers nach dem alten Rheine bei Cleve führende
Strasse setzt sich südlich mit der Chaussee über Asperden bis Obem-
dorf fort, geht dann mit Unterbrechungen über die Asperheide und
die Localität „die Schanz" nach Holland, wo sie wahrscheinlich bei
Heukelom zur Maas führt. Hiernach theilt sich die Köln-Gocher Strasse
Neae Forsohungen über die RomentrasBen zwischen Maas und Ehein. 3
bei Goch in zwei Arme, von denen der östliche direct nach dem alten
Rheine, der andere der Niers entlang aber Kessel und durch den
Reichswald nach Nymwegen zieht; über diesen zweiten Arm s. Monats-
schrift f. d. Gesch. Westdeutschlands VI.
4. Die Fortsetzung der von der Maas bei Gennep nach Goch
fahrenden Strasse ist bis zum Rheine bei Vynnen angegeben in der
Monatsschrift etc. VL
5. Der von der Köln-Nymwegener Strasse bei Kessel abgehende
und über Uedem und Sonsbeck führende Arm ist beschrieben in der
Monatsschrift a. a. 0.
6. Die von der Maas bei Venlo nach dem Rhein ziehende Strasse
ist in der Monatsschr. a. a. 0. aufgeführt; nur ist zu bemerken, dass
der nördliche Arm nicht bei Orsoy, sondern etwas südlicher, bei Sins-
heim, an den Rhein zu treten scheint.
7. In der Monatsschrift a. a. 0. ist bereits erwähnt, dass der
von der Köln-Nymwegener Strasse nach Neuss führende Seitenarm
nicht bei Twisteden, sondern etwas nördlicher abgeht, und einerseits
nach Friemersheim, anderseits nach Neuss führt.
8. Die von der Maas bei Swalmen nach dem Rheine bei Uer-
dingen führende Strasse ist in der Monatsschr. a. a. 0. beschrieben.
9. Die in der Monatsschr. a. a. 0. beschriebene Strasse von
Venlo nach Neuss geht bei Breyell von der Chaussee rechts ab und
führt über Speck nach Boisheim.
10. Bei einer nochmaligen Untersuchung der Köln-Nymwegener
Strasse hat sich die interessante Wahrnehmung ergeben, dass dieselbe
nur bis Müllfurth als eine Hauptstrasse anzusehen, und der Theil von
MüUfurth bis Köln eine Seitenstrasse ist. Die Hauptstrasse geht von
Müllfurth, wo römische Alterthümer gefunden wurden, weiter mit der
Chaussee bis in die Nähe von Sasserath, führt dann rechts ab über Neu-
kirchen, Otzenrath, und rechts an Jackerath vorbei über Opherten imd
Amelen nach Serrest, durchschneidet den Communalweg von ViTelldorf
in südwestlicher Richtung, und wendet sich dann in einer Biegung
rechts nach der Chaussee auf Jülich zu, wo sie verschwindet. Auf der
andern Seite der Roer führt sie über Eschweiler nach Gressenich.
12. Von der Maas bei Maaseyck zieht eine Strasse durch die nieder-
ländische Provinz Limburg bis Heerlen, von da eine längere Strecke mit
der Aachener Chaussee, geht dann von derselben rechts ab über Vet-
Bchau und Laurensberg, und dann streckenweise unterbrochen über die
sanft sich senkenden Höhen bis Aachen, die Chaussee in geringer Ent-
4 Neae Fonohungen über die Röraentrsiaseo zwiacboo Maas tmd ßbein.
feitiung links im Thale laesend. Sie erscheint in jener Strecke bald
als Feld-, bald Gras- oder Hohlweg, bald mit KiesreBten, bald auch
mit üeberresten eines aus grösseren Steinen bestehendea Unterbaues.
Von Aachen geht sie weiter mit der Chaussee bis Petergesi'eld, dann
durch die Waldungen und Einöden nach MiUzenit;h und set^t westlich
von Montjoie über die Roer. Sie ist in dieser Gegend den Umwohaern
al3 RömerBtra&se bekannt.
13. Der kleine Seitenarm von Krüchten nach der Maas ist
Jabrbb. LXI u. Monatsschr. VI irrthümlich gezeichnet.
14. Die von Venio südwärts ziehende Strasse theilt sich jen-
seits Kaldenkirchen in zwei Arme, von denen der eine, wie oben an-
gegeben, nach Neuss, der andere mit der Chaussee aber Brflggen und
Niederkrilcbten nach Asbeck gebt, wo er „die Ueiderstraüse" heiset.
Von hier führt derselbe über Gerderhahn und Doveren nach Körrenzig,
geht bei Glimbach links von dem Communalwege ab über Geveoich
nach Tetz, und dann mit der Chaussee über Broich nach Jülich. Von
da geht die Strasse mit der Chaussee weiter nach Altenburg, biegt
dann rechts ab bis Pier und geht wieder mit der Chaussee bis jenseits
Merken, hierauf rechts dei-selben an Mariaweiler vorbei über Gürzenich,
und überschreitet bei Lendersdorf die Rocr; der fernere Lauf ist unbe-
kannt. Ira Ganzen hat die Strasse wenig antike Reste bewahrt, aber
die Zahl der sie begleitenden Alterthumsfuude ist gross, wie zu Nieder-
krüchten, Doveren, Tetz, Jülich, Altenburg, und besonders zu Maria-
weiler und in der Umgebung von Gürzenich.
15. Die von der Maas bei Linne Über Arsbeck und Rbeindahlen
ziehende Strasse ist in der Monatsschr. a. a. 0. aufgeführt.
16. Die von Grimlinghausea kommende Casterstrasse ist mit
ihrer Fortsetzung bis Jülich in der Monatsschr. a. a. 0. beschrieben;
sie gebt aber nicht genau bis Jülich, sondern von GQsten sfldlich an
Serrest vorbei, wahrscheinlich in der Richtung des sog. Oligspädchen,
nach Pattem, und als Grasrain südlich an Mersch vorbei, dann jenseits
der Chaussee bald als dammartiger alter Weg, bald als Hohlweg nach
Broich. Von hier zieht sie über Goslar nach Aldenhoven, wo römische
Alterthümer gefunden wurden, und links der Chaussee Über Merz und
Langweiler, bis sie in der Nähe von Neusen auf die Chaussee kömmt,
welcher sie dann nachfolgt bis nach Aachen.
17. Von Roermonde geht eine Strasse aber Odilienberg und
Heinsberg mit der Chaussee nach Geilenkirchen; von hier lassen sich
die Spuren verfolgen als Pfad durch eine breite Thalmulde hinan bis
I
Neue ForBchongexi über die RömerBtrassen zwischen Maas und Rhein. 6
Nummerst. 22,5 der Chaussee, welcher sie nachfolgt bis Borschelen.
Von hier geht sie eine kurze Strecke als Coinmunalweg mit Seiteubö-
schungen und alten Grabenresten, dann rechts ab als Feldweg östlich
an Zopp vorbei, wo sie in den Feldern verschwindet, könimt jenseits
der Chaussee wieder als Pfad zum Vorschein, der nach der Qlsdorfer
Mühle hinabführt. Von da geht sie mit der Chaussee bis in die Nähe
von Würselen, verlässt dieselbe eine kurze Strecke, indem sie die Eisen-
bahn durchschneidet, und geht zuletzt wieder mit der Chaussee und
als Hohlweg bis Aachen.
18. Von Roermonde geht eine Strasse links an Herkenbosch vor-
bei über Uirgelen, lässt Wassenberg in einiger Entfernung rechts liegen,
führt von Myhl an mit der Chaussee unter dem Natiaen „alte Heer-
strasse" über Gerderath nach Erkelenz. Von hier geht sie zuerst als
Hohlweg, dann als breiter alter Gräsweg bis Wockerath, biegt am An-
fang des Ortes bei dem Kapellchen ab als Pfad unter dem Namen „alte
Heerbahn*', geht dann als schmaler Feldweg oder Grasrain weiter,
hierauf von Eggenrath bald mit dem Communalweg, bald als Feldweg
an Holzweiler und Immerath vorbei, mehrmals durchackert, aber stets
unter dem Namen „alte Heerbahn'*. In der Gegend des Bömerholzes
verschwindet sie gänzlich, in der Richtung auf Caster. Von da führt
sie als Hohlweg auf die Höhe, dann als Feldweg mit Seitenböschungen
unter dem Namen „alte Kölner Strasse**, links an Frauweiler vorbei
nach Büsdorf und zuletzt über dessen, Brauweiler und Lövenich, wo
sie alsbald in die Köln-Mastrichter Heersträsse einmündet. Die Land-
leute sagen, die Strasse sei in alter Zeit „eine besteinte Chaussee"
gewesen, weil sie die Kiesreste öfters in ihren Feldern gefunden haben ;
gegenwärtig ist keine Besteinung mehr auf der Oberfläche sichtbar.
Wir haben aber hier wiederum ein Beispiel (vgl. Monatsschr. VH), wie
die auf Köln zu führenden Strassen, im Gegensatz zu den übrigen,
nach dem Rheine hin stets convergirend zusammenlaufen.
19. Die Strasse von Köln nach Zülpich führt den Namen „Rö-
merstrasse" und ist bereits von Oberstl. Schmidt (Jahrbb. XXXI) auf-
geführt.
20. Die von Neuss auf dem linken Erftufer nach Jülich führende
Strasse ist in der Monatsschr. a. a. 0. beschrieben; sie geht jedoch
nicht bis zu ihrem Ende mit der Chaussee, sondern bei Jackerath reohts
ab über Bergerhausen und Isenkrah, dann westlich an Hasselsweiler
und östlich an Mersch vorbei in südlicher Richtung nach Jülich. Jenseits
der Roer geht sie von Jülich an mit der Chaussee weiter nach Kirchberg,
6 ISpae ForschanpieD über die RömeritrttNeu xwiauhen Mbsb und Kbeiu-
ciann rechts ab in einiger EJntfernang an Altdürf vorbei, durchschneidet
die Gbausse • bei Inden , führt dann immer in südlicher Richtung
nach Langerwche. wo sie die ChauBsee und Eisenbahn durchschoei-
det. Von diesem Orte geht sie zuerst durch das weite ScbÖnthal,
und wendet sich dann auf der Höhe über Hamich nach GreEseoicb,
von wo sie nicht weiter vei-folgt worden. Die Strasse ist in der Um-
gegend von Gressenieh, wo die Spuren über der Erde verechwundeD. an
verschiedenen Stellen unter dem Boden aufgefunden worden. Bei die-
sem Orte sind auch die bedeutendsten AJterthümer entdeckt worden;
hier stand nicht bloss eine Mansion oder Mutation, sondern es sind
auch ansehnliche üebäudeanlagen zur Ausbeutung der dort Yorkommcn-
den Erze aufgedeckt worden'). J, Schneider.
IJ In der Piok'echen MonatBachrift f. d. Üamh. WöstdeutBchlands sowie in
der 8clirift „Vetera Caatra otc." hat Herr General von Veith durch Zsichnang
eino Reihe grosseiitheÜB von ihm selbst erforschter RömerBtnwssD veröffenllicbl,
die von ungern Iheils vorher, tlieila gleichseitig und theils uachher erlai>f(tan
toraohungsergebnisBen mehr oder minder abweiobeti. Da die von dem Hrn. Vcr»
fHBser ia Aussieht gestellte liegründung dieser StruseDriohtungcD noch niebt
erfoljtt iat, bo konnten wir ia eine BeBprechiing derselben resp. der bestebendon
Diflereoxen noch nicht eintreten und erlauben uns daher den Wunsch auaeu-
sprpohen, dass es dem Hrn. Verf. gefallen möge, die weiteren Detaila recht bald
KU geben, damit dui'ch gogeuBeitigo Voratündigung ev. eino erneute Revision der
fragliclien Punkte eine möglichst correcte Darstellung erreicbt werde.
Die römisohen Müitftrstraasen des linken Bheinufers.
2. Die römischen Militärstrassen des linken Rheinufers.
Hierza Taf. m, 1.
g. Von Bingen bis Worms.
Die römische Rheinstrasse geht von Bingen, wo ein Kastell nebst
Ansiedlung lag, aufwärts durch die Rheinebene mit der Chaussee über
Kempten und Gaulsheim nach Nieder-Ingelheim ; hier steigt sie den
sanften Berghang hinan, und führt über die Hochfläche, südlich an
Wackernhelm vorbei, über Finthen nach Mainz. Von da zieht sie in
sttdlicher Richtung. mit der Chaussee über die Höhe bis Hechtsheim;
sie ist in dieser Strecke bald über 1 m dammartig erhöht, bald bildet sie
einen Hohlweg und führt den Namen „Mainzer Strasse^^ Aus dem Thale
von Hechtsheim geht sie wiederum über die Höhe, meist als gewöhn-
licher Fahrweg, die Chaussee rechts lassend, über Gaubischofsheim und
Harzheim nach Mommernheim. Von hier zieht sie weiter, bald als
alter Feld- oder Grasweg, bald nur als Grasrain, und auf längere
Strecken ganz eingeackert in grader Richtung über die Hochfläche und
meist auf ebenem Terrain bis Weinolsheim, während die Chaussee auf
mehr coupirtem Boden durch die Niederung läuft. Von letzterem Orte
geht sie dann mit der Chaussee unter dem Namen „Gaustrasse'' bis
Monsheim. Die Strasse ist ihrem ganzen Laufe nach von römischen Alter-
thümern begleitet, und zwar, ausser zu Bingen und Mainz, bei Kempten,
Gaulsheim, Nieder-Ingelheim, Finthen, Hohlbach, Hechtsheim, Gau-
bischofsheim, Harzheim, Mommernheim, Friesenheim, Hillesheim, Hess*
loch, Dolsheim, Nieder-Flörsheim und Monsheim.
In der Nähe des Sporkenheimer Hofes geht von der Hauptstrasse
die Uferstrasse über Heidesheim und Budenheim, dann mit der Chaussee
über Mombach nach Mainz. Von hier zieht sie über die Höhe hinter
Wdssenau, und steigt bei Laubenheim in die Rheinebene hinab, die sie
gradans, aber nur streckenweise sichtbar, bis Nackenheim durchzieht.
Von da führt sie zwischen dem Gebirge und dem Strome bis Oppen-
B Dio römiiohen MititärstrosaeD de» liDkeo Rheioiif«n.
heim, und dann mit <lur Chaussee über Guntersblum dem alten Rhein
entlang nach Rheintürkheim, wo sie „die Rheinstrasse" heisst, und zu-
letzt nach Worms. Dieser Arm ist gleich dem vorigen von zahlreichen
Alterthüinern begleitet, und zwar, ausser bei Mainz, bei Heideshetm,
Mombach, am Ilauptsteiu, bei Weissenaii, Laubenheim, Bodenheim,
Nierstein, Oppenheim, Dieaheim, Ludwigeliöbe, Guntersblum, Olah^m,
Mettenheiin, Uheintilrkheim uuil Woriiia.
Um den grossen Bogen über Mainz abzuschneiden lief, ausser der
Haupt- und der Uferstrasse, noch ein Arm von Bingen unter dem Namen
„hohe Strasse" über Püdesheim und Gensingen, an welchen beiden
Orten römische Alterthümer gefunden wurden, nach Alzey und Ober-
l'lörsheim, an welchen Orten gleichfalls römische Alterthümer zum
Vorschein kamen, und vereinigte sich zwischen Nierier-FlÖrsheim und
Honslieim mit der Haiiptstrasse. Wir haben hier denselben Fall, wie
weiter rheinabwärts, wo bei Kettig, um den Bogen über Coblenz zu
vermeiden, eine Verbindungsstrasse ab und über die Mosel wieder zur
Hauptstrnsse bei Watdeacb führt.
Von der Hauptstrasse bei Westhofen führt ausserdem noch eine
Verbindungsstrasse über Abenheim, wo römische Alterthümer entdeckt
wurden, nach der Uferstrasse bei Worms, wie wir bereits mehrere
solcher Verbindungen zwischen den einzelnen Strassenzweigen rhein-
abwärts kennen gelernt haben.
Fast alle römischen Alterthümer der dortigen Gegend werden
dicht an den bezeichneten Strassen gefunden, und diese Aufeinander-
folge der Alterthümer gewährt hier, wie anderwäits, einen sicheren
Anhalt für den Lauf der Römei'strassen, wo die Reste derselben ver-
schwunden oder unkenntlich geworden sind.
Ueber die Hauptstrasse zwischen Mainz und Bingen spricht sich
Oberstl. Schmidt folgendermassen aus: „Die gegenwärtige Chaussee von
Mainz über Nied.-Ingelheim nach Bingen ist auf die Ueberreste einer alten
Steinstrasse gelegt worden, welche in der Umgegend „die Strasse Karls d.
Gr." genannt wurde, und wahrscheinlich eine Römerstrasse, vielleidit
die eigentliche Militärstrasse von Mainz nach Bingen war; wenigstens
ist ihre Richtung ganz römisch." Es führen bekanntlich mehrere rö-
mische Militärstrassen am Rhein wie im Innern Galliens den Namen
Karls d. Gr., von welchem sie zu seinen Kriegszügen erneuert worden,
und so wird es auch mit dieser Strasse der Fall sein. Schmidt kannte
auch einen Theil der Uferatrasae, von welcher er sagt: Von einer 4.
Strasse, nach Bingen hin, sind grössere Ueberreste vorhanden. Sie änden
Die römisohen Mihtärstrassen des lioken Rhein ufers. 9
sich in der Direction von dem Hauptsteine über Gonsenlieini, an Hei-
desheira vorbei und verlieren sich im Sande bei den Sporkenheimer
Höfen". Wir haben an dem Communalwege über Gonsenheim bis jetzt
keine alten Spuren gefunden; es kann aber wohl bei Heidesheim ein
Seitenarm ab über Gonsenheim nach der Hauptstrasse gegangen sein,
da sich bei diesem Orte bedeutende römische Alterthümer and auch
alte Strassenreste in der angezeigten Bicbtung unter dem Boden ge-
funden haben. Den fernem Verlauf der Uferstrasse bis Nackenheim
gibt Schmidt tibereinstimmend mit unsern Angaben.
Es ergibt sich hiernach, dass die alten Strassen Verhältnisse zwi-
schen Bingen und Worms ganz dieselben sind, wie wir sie von Nym-
wegen an den ganzen Rhein aufwärts bis Bingen kennen gelernt haben.
Hier wie dort sehen wir ausser der Hauptstrasse noch einen oder zwei
Seitenarme, welche besonderen Zwecken dienten; zunächst den dem
Stromufer in geringer Entfernung nachfolgenden Arm nnd dann noch
einen dritten, welcher die Bestimmung hatte, einen directen Verkehr
durch Abschneiden der über Mainz führenden Krümmung zu bewirken,
wie oben schon bei Coblenz erwähnt, während dieser dritte Arm am
Niederrhein in der Begel den Zweck hatte, den durch üeberschwem-
mung der beiden vorigen Arme unterbrochenen Verkehr wieder herzu-
stellen.
Die in der Strecke zwischen Bingen und Worms in den römischen
Itinerarien enthaltenen Ortschaften sind hinreichend bekannt: Bing! um
= Bingen, Magontiacum = Mainz und Borhetomagus = Worms. Ausser-
dem enthält die Peutinger'sche Tafel den Ort Bonconica, von dem schon
Minola sagt, dass es Oppenheim sein soll, womit die Entfernungsan-
gaben stimmen. Dass Bonconica wirklich zu Oppenheim lag, wird uns
durch Herrn Director Dr. Lindenschmit aus den zahlreichen dortigen
Alterthumsfunden bestätigt ; auch verdanken wir der preiswürdigen Li-
beralität des Herrn Dr. Lindenschmit die meisten Angaben über die
an den Strassen vorkommenden Alterthümer, wofür wir demselben so-
wie dem Mainzer Alterthumsverein auch hier unsern lebhaften Dank
aussprechen, hoffend, dass wir bei unsern ferneren Strassenforschungen
rheinaufwärts bis Basel bei den doitigen Alterthumskundigen uns der-
selben gütigen Unterstützung erfreuen mögen.
J. Schneider.
10 Die Legionen a. Bh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeins b. «.Erheb, d. Yiiellina.
3. Die Legionen am Rheine von dem Kampfe Caesars gegen
Pompeius bis zur Erliebung des Viteliius 0-
Während des die Republik vernichtenden Bürgerkrieges ist vom
Rheine und den bis zu diesem sich erstreckenden Gallischen Völker-
stämmen in den uns erhaltenen Berichten kaum die Rede. Als Caesar
sich vor dem letzten Winter seines Proconsulates, das nach seiner
Auslegung erst am Anfange des Sommers endete, in das diesseitige
Gallien begab, hatte er die eine Hälfte seiner acht noch im jenseitigen
stehenden Legionen unter Trebonius im Belgischen Gallien, die andere
unter Fabius bei den Häduem ihre Winterquartiere beziehen lassen,
weil ihm, wie Hirtius sagt, Galliens Ruhe am besten gesichert schien,
wenn das Heer das tapferste und das angesehenste Volk beherrsche.
Im vorigen Jahre, wo er noch zehn Legionen befehligte, hatte er
gleichfalls vier im Belgischen Gallien, aber nur zwei bei den Häduem
überwintern lassen, ebenso viele nach den Turonen und den Lemorikern
geschickt, damit kein Theil Galliens ohne Heer sei. Als der von Pom-
pejus gewonnene Senat, der neue Proconsuln für beide Gallien ernannt
hatte, ihm die Entlassung seiner Legionen befahl, erklärte sich die ein-
zige bei ihm sich befindende Legion, die dreizehnte, begeistert für die
Wahrung seiner Rechte. Er selbst berichtet (B. C. I, 8), die übrigen
Legionen habe er aus den Winterquartieren zu sich berufen, doch folgte
diesem Befehle nur die zwölfte und darauf die achte (I, 15. 18), von
denen wohl die eine im Lande der Häduer, die andere im Belgischen
Gallien stand. Ueber den Grund, weshalb die übrigen nicht erschienen,
hören wir nichts. Von den Gallischen Legionen hatte er nur diese
beiden nebst der dreizehnten in Brundisium (I, 25). Ueber die darauf
angetretene Reise nach Gallien sagt Caesar selbst nur, dass er von
Rom abgegangen und nach dem jenseitigen Gallien gekommen (I, 33).
1) Ueber die Legionen Caesars am Rheine habe ich im ersten Bando der
„Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst. Herausgegeben von Hett-
ner und Lamprechf* S. 294 — 308 gehandelt.
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars geg^n Pompeius b. z. Erheb. d.Vitellias. 1 1
Orosius hat die Nachricht bewahrt (VI, 15), er sei über Ariminom ge-
gangen. Bei Lucan lesen wir (III, 299): Agmine wMferam rapto
superevolat Alpem ^). Nach dem, was wir weiter über die Legionen
hören, scheint es unzweifelhaft, dass seine drei Yeteranenlegionen ihn
begleiteten; nur die neu ausgehobenen liess er in Italien unter Antonius
zurück. Diese drei Legionen sind es auch, die er zur Belagerung des
auf die Seite des Pompeius getretenen Massilia führte (I, 36). Die
Winterquartiere der noch in Qallien liegenden sechs Legionen waren
unterdessen, wenigstens theilweise, verändert. Die drei Legionen in
und um Narbo, die Caesar unter dem Legaten Fabius nach Hispanien
vorausschickte (I, 37), müssen dieselben sein, die mit der zuerst bei ihm
eingetroffenen zwölften (I, 15) unter Fabius bei den Häduem gelegen.
Die Umlegung hatte Caesar wohl selbst befohlen. Die andern Legio-
nen, die in weiterer Entfernung überwinterten und desshalb nachkamen
(1, 37), können nur die im Belgischen Gallien unter Trebonius liegenden,
mit Ausnahme der schon bei Corfinium zu ihm gestossenen achten
(I, 18), gewesen sein. Seine drei Legionen liess Caesar bei Massilia
zurück. Da wahrscheinlich auch alle drei in Belgien stehenden, wenn
auch sie nicht etwa andere Winterlager bezogen hatten, am Hispanischen
Kriege sich betheiligten, so hatte Caesar dort sechs Yeteranenlegionen,
die sechste und siebente, die neunte bis elfte und die vierzehnte. Aus-
drücklich genannt werden gelegentlich nur die neunte und die vier-
zehnte (I, 45. 47); wenn einmal vier, ein andermal fQnf Legionen er-
wähnt werden (I, 40. 43), so beweist dies nichts gegen die Annahme,
dass alle sechs in Gallien zurückgebliebenen Legionen in Hispanien
gewesen. Ausser Massilia schien Gallien, auch die Völker am Rheine,
so beruhigt, dass man der Legionen dort nicht bedurfte. War es
die Achtung vor Caesar oder ein Bedürfniss der Ruhe oder was sonst,
die Gallischen Völker hielten auch während des erbittertsten Bürger-
krieges, der ihnen sichere Aussicht auf Befreiung zu bieten schien, mit
unbedeutenden Ausnahmen an Rom fest, so dass Caesars Vertrauen,
er dürfe alle seine Legionen aus dem Lande ziehen, sich glänzend be-
wahrheitete. Nur zwei Legionen liess er, als er zum Kampf auf Leben
und Tod nach Italien eilte, noch bei Massilia zurück (II, 22). Diese
schienen ihm auch hinzureichen, sollten Unruhen in Gallien ausbrechen.
1) Unter dem agmm können nar die Legionen gemeint sein. Bapere exet'
eUum^ cchortes braucht in gleichem Sinne Taoitus (Ann. I, 56. IV, 25. Xu, 31.
XV, 8).
12 Die Legionen a.Rb. v. d. KampfeCai^iiarB^cgeii Pompelusb. z. Erheb. d.Vitalliaa.
Freilieb auf dea Kampf gegen die GermaneD musste mao ver-
zichten.
Zum Proconsul des jenseitigen Galliens ernannte er D. Brutas,
den Besieget Massilias. Von der Zahl seiner Legionen wissen wir
nichts ; vielleicht wurden zu den zwei bei MassiUa auch noch ein paar
andere ausgehoben. Drei Jahre später unterdrückte Brutus einen Auf-
stantl des kriegerischsten der Belgischen Stämme, der ßellovalier (Liv.
epit. 114). Bei dem vierfachen Triumphe, den Caesar nach der Be-
sieguDg Äfricft's feieile. galt der erste Tag der Bewältiguug Galliens.
Die Bilder Mas»ilias, des Klienus und des Uliodanus prangten im Zuge,
und auch der edle Freibeitsheld Vercingetorix wurde jetzt, nach sechs
Jahren, Im Triumph aufgeführt, um nach demselben erdrosselt zu
werden. Gallien schien für immer beruhigt, so dass Dio den Antonius
noch in Caesars Leichenrede sagen lassen konnte: (LIV, 133): Jedovloitoi
figv I'alatia , . . riktnai de ni' 'Podcirds in ftövog ovd' ^^ga^ig, äiia
Kai Möaag rtai jdiygtg xai PijVog ctiiot; r^ai Qxeavng avzog.
Ehe Caesar sich zum Parthischeu Feldzug rüstete, wurden die
Provinzen von neuem vertheilt, und zwar in ungewohnter Weise, um
möglichst viele Bewerber zu befriedigen. D. Brutus erhielt diesmaJ,
weil Caesar ihm besonders traute, das diesseitige Gallien^ das Narbo-
nensische Gallien kam mit dem diesseitigen Hispanien an Aemilius
Lepidus (Dio XLIII, .51), das Celtische und Aquitanischf: Gallien iiuMuna-
tius Plancu8 (Dio XLVI, 29), Belgien an Hirtius, der sich durch Aurelius
vertreten Hess (Cic ad Att, XIV, 9, 3). Cicero wunderte sich, dass
auch nach Caesars Tode die Belgier ruhig blieben, ja die Germanen
und jene Gallischen Völker an Aurelius eine Elrklärung ihres Gehorsams
sandten {se, quod imperatum esset, esse faeturos). Bei der Vertheiluag
Galliens unter mehrere war es natürlich, dass dort auch viele Legionen
gebildet wurden. Von der Zahl derselben im Belgischen Gallien wissen
wir nichts; war es auch durch seine weite Entfernung von Itatjen
ohne bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung der folgenden Kämpfe,
bei der Kriegslust des Volkes musste man sich doch durch eine be-
deutende bewaffnete Macht in Ansehen setzen. Plancus, der Proconsul
der beiden andern Theile des jenseitigen Galliens, schreibt an Cicero
(ad. Farn. X, 8, 6 : Legiones habeo qtiinque sub signis et sua fide vir-
tuteque rei pt4blicae coniunctissimas et nostra lihercditaie noibis obse-
quentes, provinciam otnnium civüatittm consensu paratissimam et stanma
contentione ad officia certantem, equittUus anxiliorumque tantas copias,
quantas hae gentes ad defendendam suam scUutem libertatemgw conficere
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe GaeBars gegen Pompeius b. z. Erheb, d.yitellina. 1 8
possunt. In einem spätem Briefe (X, 15, 3) hören wir, er sei mit vier
Legionen ausgerückt ; dass unter diesen vier Legionen, die er im Lager
habe, drei aus Veteranen bestanden , eine sehr ausgezeichnete aus Ti-
ronen, sagt er anderswo (X, 24, 3). Appian spricht von drei Legionen
(III, 46. 97)^). Lepidus hatte in dem Narbonensischen Gallien und
dem diesseitigen Hispanien sieben Legionen nach Appian III, 84, der
ihm freilich anderwärts (III, 46) nur vier zuschreibt, wogegen an einer
dritten Stelle (IV, 3) gar von zehn die Rede ist. Als Antonius sich
mit Lepidus und Plauens verbunden hatte, konnte er mit siebzehn
Legionen nach Italien ziehen; im ganzen hatten sie dreiundzwanzig,
da sie sechs unter Varius Gotulo als Besatzung Galliens zurückliessen
(Plut. Ant. 18). Bei der Schliessung des Triumvirates erhielt Antonius
das dies- und das jenseitige Gallien , von denen ersteres ihm der be-
deutendste Stützpunkt zur Beherrschung Italiens war, nur das Nar-
bonensische Gallien und ganz Hispanien wurde Lepidus zu Theil (Dio
XLVI, 55). Letzterer sollte, während Antonius und Octavian zunächst den
Kampf gegen Brutus und Cassius führten, als Consul in Rom bleiben,
während seine Provinzen, wie auch das dem Antonius zugefallene Gallien,
in welchem sechs Legionen standen, von andern verwaltet wurde. Nach
Appian (IV, 3) musste Lepidus von seinen Legionen drei an Octavian,
vier an Antonius abgeben, so dass er nur drei behielt, während jeder
seiner beiden Mittriumvim zwanzig hatte.
Auch bei der im Jahre 173 erfolgten Theilung des Reiches
zwischen Antonius und Octavian fielen beide Gallien dem erstem zu
(Dio XLVin, 1) ; er Hess sie, da er selbst den Krieg im Osten fahrte,
durch andere verwalten, von denen Calenus, Ventidius, Asinius, Plauens
und Ateius genannt werden (App. V, 33. Dio XLVIII, 18). Calenus
allein hatte elf Legionen des Antonius (App. V, 24). Nach der Be-
siegung des L. Antonius wagte nur Calenus Widerstand zu leisten, aber
sein plötzlicher Tod befreite Octavian von diesem Gegner. Dessen Sohn
überliess ihm sofort die elf Legionen und das Land, worauf Octavian
den Legionen andere Führer gab und die Verwaltung des Gebietes neu
1) Pfitzner „Oesohichte der römischen Eaiserlegionen von Aagustus bis
Hadrianus'* (1881) S. 8 vermuthet, eine der Legionen des Plancus sei die legio
III Gkllioa, die unter Antonius gegen die Parther gekämpft. Das wäre nur dann
glaublich, wenn diese Legion schon damals den Beinamen Gallica gehabt, was
nicht der FaU ist. Eben so wenig ist die Annahme haltbar, die legio III Gyrenaioa
sei von Lepidus in Afrioa gebildet worden.
14 Die Legionen t. Rh. v, d.KampreCaeaari gegen Pompeiuib. i.Erheb.d.VitelHus.
ordnete (App. V, 51. Dio XLVIII, 20). Durch den Vertrag von Bnin-
disium fiel Gallien mit dem ganzen Westen dem Octavian zu. Gallien,
gleichsam eine Erbschaft Caesars, war ihm eine der werthesten Pro-
vinzen, worin er das, was Caeaar erstrebt hatte , ja noch mehr , die
Gewinnung Germaniena bis zur Elbe, unter Agrlppa's kundigem Rathe
auszuführen gedachte '). Ein in demselben Jahre dort ausgebrochener
Aufstand , von dem sich eben nur eine ganz unbestimmte Nachricht
findet (App. V, 85), veranlasste ihn zu einem Zuge nach Gallien. Das
nächste Jahr (715), in welchem der Krieg gegen S. Pompeius ihn in
Italien zurückhielt, sandte er Agrippa zur Unterdrückung eines Auf-
Standes nach Aquitanien. Die Nachricht von dessen glänzendem Siege
(Eutr. VII, 5) empfing Octavian nach seiner Niederlage gegen S. Pom-
peius (App. V, 92). Agrippa zog nach Besiegung der Aquitaner in
das Celtische und das Belgische Gallien, ja er überschritt, was kein
Bömischer Feldherr nach Caesar gewagt hatte, wieder den Rhein (Dio
XLVIII, 49)*). Sein Uebergang war durch die Einfalle der Germanen
veranlasst, und zwar der Sueben, nicht der Sigambrer, die Watterich
nennt. Entscheidend ist der Bericht Strabos, IV, 3, 4: Jläotj^ d' vrrtQ-
XEivrai T^g Ttoraftiag ravTi^g o't Sötjßoi iiQoaayoQevöfiswt Fefffiavol
, , .■ igi* ütv Ol l^ehxvvöfisvoi Mxtifpevyov eis rt}»- hiog tov 'P^vov
wvi. DasB hier von den Ubiern die Rede sein muss, hat bereits
Cluver bemerkt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daas nidit etwa
Ovßiot nach oi ausgefallen, sondern o'i eine Entstellung des arsprflng-
lichen O^ßioi ist, da Strabo die Völkernamen im Nominativ immer
ohne Artikel setzt. Auffallen darf es nicht, dass dieser hier tod der
Vertreibung der Ubier spricht, während er früher genauer sagt,
Agrippa habe diese mit ihrem Willen in das Land diessrat des
Kheines herObergeführt ; beide Aeassemngen sind parenthetische jSa-
Sätze. Mit Strabo stimmt die Angabe des Tacitus Germ. 28: Trans-
gressi olim ( Vbii) ä experimenio fiäei super ipsam BhaU r^am eeiUoaiti,
ut arcerent, wenn auch traducti ab Agrippa genauer gewesen wäre.
1) Florui BBgt (IV, 12, 23), OcUTian habe au« Germanien, wohb aein
Tater zweimal ober den Rhein gegangen, zu desienEhre eine RönÜKlie Provini
EQ machen geanoht.
2) Es ist ein Irrtbnm, wenn Dio dieaen Zng dea Agrippa in dessen OonaoUt
(717) verlegt. DrnmBnn,„GeaohiohtaRoma",I,264 gedenkt deaaelben unter dam
Jahre 716. Watterioh, „Die Sigarafaern des Rheiua", 92 folgt Dio; er fibenieht
die Stelle Appians.
Die Legionen a. Rh. v . d. Kampfe Caesars gegen Pompeias b. z. Erheb, d. Vitellins. 16
Zweideutiger heisst es später (Ann. XII, IV) : Forte acdderat^ ut eam
gefitem Bhetw transgressam Ägrippa infidem acdperä, wo aber nicht
nothwendig gedacht zu werden braucht, dass sie ohne Mitwissen des
Agrippa übergesetzt seien. Hierauf beschränkt sich unsere Eenntniss
von jenem wichtigen Gallischen Zuge Agrippa's und seiner Anwesenheit
am Rheine ^). Wir wissen nicht einmal, wer damals Proconsul in Belgien
war, da Hirtius gefallen war, wie viele Legionen dort standen und
welche Agrippa mit sich führte. Von einem so kundigen , auf die
Ortsverhältnisse besondere Aufmerksamkeit richtenden Feldherm darf
man voraussetzen, dass ihm die Sicherung Galliens am Rheine gegen
die eindringenden Germanen, ja auch die Gewinnung von Stützpunkten
zur Unterwerfung Germaniens besonders am Herzen lag, und so ist es
nicht unwahrscheinlich , dass er den Rhein in Bezug auf die Befesti-
gung desselben durch zweckmässig an ihm vertheilte Legionen bereiste.
Ueberschritt er auch wahrscheinlich den P'luss an derselben Stelle wie
Caesar, im Neuwieder Becken, so folgt doch daraus nicht, dass er die
stehende Brücke wieder hergestellt und sie durch Befestigungen ge-
schützt habe , vielmehr musste er , wenn er sich der Ubier mit vor-
schauender Klugheit annahm, auch für die Sicherung derselben gegen
die ihnen feindlichen Germanen Sorge tragen. Ein so bedeutendes
Handelsvolk, wie die Ubier uns schon bei Caesar entgegentreten, konnte
unmöglich der Anlage einer Hauptstadt und eines Hafenortes entbehren;
dass wir von beiden in so früher Zeit nichts hören , erklärt sich aus
der Lückenhaftigkeit unserer Ueberlieferung , die so gross, dass man
in der ältesten Zeit, wo wir nichts als ganz vereinzelte Angaben haben,
von Lücken gar nicht sprechen kann. Ein oppidum der Ubier gleich
nach der Niederlassung war ein unerlässliches Bedürfniss, und dieses
konnte unmöglich anderswo als in Köln sein, nicht etwa in Bonn, das
man gar älter und bedeutender als Köln hat machen wollen, obgleich
es erst viel später als das oppidum Ubiorum erscheint, das eben nur
die spätere eohnia Ägrippinensis gewesen sein kann, wenn nicht etwa
1) In der stelle des Sueton Aug. 21: Suebos et Sieanibros dedentes se tra-
duxit {AtigusttM) in Gäüiam atque in proximis Bheno agria coüocavitf haben wir
einen starken Irrtham oder vielmehr eine Verwechslung anzunehmen. Tiberius
rühmte sich die Sueben undSigambrer unterworfen zu haben (in deditionem ac-
eeptos, Tac. Ann. II, 26), aber nicht sie, sondern die Ubier siedelten über. Die
sobon in Handschriften sieb findende Aendernng von Suebos in übios ist ein
gans verkehrtes Heihnittel.
Itt Diel-o^ioneDft.RUv.d.KminpfeCaesarsgufreaPuinpeiatb.t. Erbeb. d.TiteOiBS.
ßoDR auch zar Handek- und Hauptstadt erhoben werden soll. Wie Caesar
dadurch, doüs er Legiuiien im Gebiete eines Gallischen Volkes oder in
(leiisen Nähe tlberwintern Hess, sich desselben zu vergewissern sachte,
so balle auch Ägrippa kein passenderes Mittel, die Ubier gegen Ein-
fälle der flermaneo zu aichem, als dass er in das Land des freilich
auch der bewaffneten Macht nicht entbehrenden Handelsvolkes , das
ibifl al3 ein I'osteu gegen die Germanen diente, Truppen legte, und
wohl, wie Caesiir zu wirksamer Unterstützung zu thun pflegte, zwei
Legionen. ObAgrippa auch bereits die BeschOtzung des ganzen Rheines
durch acht Legionen und als Winterlager derselben ausser der Gegend
von Köln die von Xanten, Mainz und Windisch in Aussicht ge-
nommen, wissen wir nicht.
Alle Nachrichten über die Winterlager der Legionen fehlen uns
in der nächsten Zeit, nur die Namen von ein paar Legaten lernen wir
bei Erwähnung der von ihnen unterdrückten Aufstande kennen. Octa-
vian wollte im Jahre 720 nach dem Vorgange Caesars in Britannien
einfallen und bei diesem Zuge seinen Weg durch Gallien nehmen, als
ein Aufstand der Dalinaten und Pannonier ihn davon abhielt (Dio XLIX,
'18). Wir wissen nicht genau, wanu Carinas die Morincr und die mit
ihnen aufgestamlenen Volker, sowie die Sueben, welche den Rhein
überschritten hatten , besiegte. Denn wenn auch Oclavian erst iin
Jahre 72't bei dem dreitägigen Triumphe die Besiegung dieser Völker
zugleich mit der Unterwerfung der Pannonier, Dalmaten und Japyden
feierte (Dio LI, 21), so hatte doch Carinas schon eine Ovation zu
Ehren seines Sieges erbalten und die Bewältigung der Pannonier, Dal-
maten und Japyden fällt in die Jahre 719 und 720. Als Octavian
bei seiner Rückkehr nach Rom im Jahre 725 den Tempel des Janas
schloss, standen ausser Hispanischen Stämmen die Treverer am Rheine
unter Waffen ; andere Gallische Stämme hatten sich ihnen angeschlossen.
Ihre Besiegung gelang dem Nonius Gallus (Dio LI, 20). Sie hatten
sich ohne Zweifel auch gegen die von den Römischen Legionen be-
schützten Ubier gewandt, und es wäre auffallend, wenn sie nicht die
Germanen nach alter Weise über den Rhein gerufen hätten. Daas dies
nicht ausdracklich erwähnt wird, erklärt sich leicht aus der ganz
nebensächlichen, nichts weniger als eingehenden Art des einzigen ans
vorliegenden Berichtes. Der Kampf wurde diesmal wenigstens grossen-
theils am Rheine geführt, da die Ubier geschützt werden mussten, die
gerade während der Abwesenheit der Legionen überfallen worden
waren.
I
1
Die Legionen a. Bb. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. e. Erbeb. d.Vitellius. 17
Als Octavian im Jahre 727 die Provinzen zwischen dem Senate,
dem Volke und sich theitte, nahm er die Ordnung von ganz Gallien
für sich in Anspruch (Dio Lin, 12). Augustus (diesen Ehrennamen
führte er jetzt) wollte damals wieder gegen Britannien ziehen, das ihm
den Gehorsam verweigerte, aber er blieb längere Zeit in Gallien, um
die dortigen während des Bürgerkriegs in Verwirrung gerathenen Ver-
hältnisse zu ordnen (Dio LIII, 22). Wir wissen, dass er in Narbo eine
Versammlung der drei Theile von Gallia comata hielt und einen Ccnsus
machte (Liv. epit. 134), eine Steuerrolle ordnen liess und die Verwaltung
ordnete (Dio a. a. 0.). Damals wurde wohl „die administrative Tren-
nung von Belgica und Lugdunensis bestimmt^ '). Dio nennt schon vorher
(Lm, 12) als Gallische Völker Nagßiovi^aioi, ^ovydovv^aioi, l^xovi-
Tcivoij Kehvinoi und Abkommen von ihnen, ovg dij FeQfiavovg xalov-
(lav^ naaav xtpf ttqoq xijf Pi^vcfi KsXtixtjv xazaaxovteg, die er als raq^avia ?;
av(a und ^ xora; unterscheidet *). Ob Augustus damals über Narbo hinaus
bis in Belgica und an den Bhein kam, wissen wir nicht. Im folgenden
Jahre war er wieder im Begriff, den Zug nach Britannien anzutreten,
als ihn der Aufstand der Cantabrer und Asturen nach Hispanien rief.
Um diese Zeit bestand Marcus Vinicius mit einzelnen Germanischen
Stämmen einen Kampf, auf Veranlassung der Ermordung einiger Römer,
die des Handels wegen in ihr Land gekommen waren (Dio LIII, 26).
Vinicius überschritt also damals den Rhein. Die Germanen , die er
▼erfolgte, waren wohl dieselben, die später dem Lollius eine grosse
Niederlage bereiteten.
Während die Narbonensische Provinz sich so ruhig hielt , dass
Augustus sie von Truppen befreien und dem Römischen Volke zurück-
geben konnte, ward das übrige Gallien durch Zwietracht aufgeregt und
zum Theil durch Einfälle der Germanen in solche Unruhe gesetzt (IV
TH yoLQ aXkriXoig eataaia^ov xai vno twv KelTciv iaoncovvro), dass
Augustus 735 den Agrippa sandte, um das Land vor seinem eigenen
Besuche zu beruhigen. Wir hören nur, dass dies dem Agrippa gelang
(Dio LIV, 11). Auch diesmal wird er die Germanen über den Rhein
verfolgt haben und besonders auf den Schutz der ihn als ihren Wohl-
thäter verehrenden Ubier bedacht gewesen sein. Aber eine dauernde
1) Mommsen in den „Berichten der S&cbsischen Gesellschaft der Wissen-
schaften'' 1852, S. 231, 2.
2) Vgl. Brambach im „Rheinischen Museum'' XX, 606 f.
2
18 DicLegionen B.Rh, v. d. KampfeCaeseo-si^genPompeiuBl]. z. Erheb. <LTit«UiuB.
Ruhe war damit nicht hergestellt. Der Legat M, Lolhus (wohl vom
nnlern Geruiauiea) erlitt drei Jahre später eine empfindliche Nieder-
lage gegen die GeTinaneii, Die Sigambrer, die Usipeten und Tencterer
hatten einige Römer, die sich in ihr Land hegeben, grausam getödtet (Dio
LIV,10)'),danQden Rhein uberscbritten.dajiGerniaDischeGanien verwüstet
und waren auch weiter in Gallien vorgedrungen. Die ihnen entgegeneilende
Reiterei hatten sie in einen Hinterhalt gelockt, sie zum Theil nieder-
gehauen, die Fliehenden verfolgt, die von Lollius geführten Fusssoldaten
überrascht (xiji ^o^iU'^» aex<"^' avTÖJv iViVi'jfOf driXvninoi) und in dio
Flucht geschlagen, wobei sie den Adler der fünften Legion erbeuteten
(Vell. II, 97, 1). Hiernach scheint es nur eine Legion gewesen zu
sein, welche von den Germanen in die Flucht getrieben wurde. Lollius
muss zunächst keine weitere in seiner Nähe gehabt habeu, sonst würde
er wohl die Germanen verfolgt haben. Nach dem Berichte Dio'a
gingen diese erst in ihr Land zurück, als sie vernahmen, dass Lollins
sich gegen sie rüste und auch Augustus heranrücke . wo sie denn
Frieden geschlossen und Geiseln gegeben haben sollen, was freilich
etwas sonderbar klingt. Wo der Einfall geschehen, ist nicht über-
liefert. Wir wissen, dass die Sigambrer zu Caesars Zeiten den Rhein
bei Bonn überschritten, dreisstg römische Meilen unterhalb der Brücke
Caesars (B. G, VI, 35). Aber daraus folgt noch nicht, dass sie jetzt,
wo sie unter ihrem Könige Melo (Strab. VII, 1, 4) sich mit den Usi-
peten und Tencterem verbunden hatten, nicht eineo andern', ihrem
Zwecke günstigem Punkt wählten, und es spricht alle Wahrscheinlich- "
keit dafür, dass dieses derselbe war , wo die Usipeten und Tencterer
schon zu Caesars Zeit mit so grossem Erfolg eingefallen und tief in
Gallien eingedrungen waren, in der Gegend der Lippemtlndung , wie
auch TonVeith (Vetera Castra 1) annimmt*). Hier konnten sie leichter
1) Die wunderlioha Angabe des BOgenannten Aoro xa Hör. cami. IV, 2, 36,
die Sigambrer hiegseo feroce», qiiia, anteguam caperentvr, centuriota Bonwnoe,
qid ad slipendia misei erant, tentos crucibm defixere, bezieht sich auf einen ipätem
Band der Cheniiker, Sueben and Sigambrer, deBsen Florua IV, 12, 21 gedenkt.
Die Stelle dea Juliug Obsequena de prodigiia 18B: Ituidiü Sotnanorttm Oermani
circumvetUi etä) M.LoUio Ugato graviter vexati, durch dieWatterioh aioh beirren
liest, iit oETenbar verachrieben; es muis, wie Lipsins u. a. gesehen, oboaSomimi
Oermanorwn bergeatellt werden.
2) Wenn Strabo sagt: 'UQiayio tuv jtoX^fiov Zovyauß^oi, so kann er nur
den Anfang des von Anguatu« mit aller Entschiedenheit untemcnnmenen Kampfe*
im Sinne haben.
Die Legionen a. Rb. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeias b. z. Erheb. d.Vitellius. 19
die Römer zu überraschen hoffen, wie es auch wirklich geschah. Der
Uebergang war dort unbewacht, Lollius stand in ziemlicher Entfernung
mit seiner Reiterei, die er zu ihrer Bewältigung für stark genug hielt,
und einer Legion. Es ist das erstemal, dass wir seit Caesar den Namen
einer in Gallien liegenden Legion finden, den der fünften, die noch zur
Zeit des Germanicus am Niederrhein, bei Vetera, stand. Da von der
gleichfalls später am Niederrhein, wenji auch nicht bei Vetera, sondern
bei dem oppidum Ubiorum^ stehenden ersten Legion Germanicus bei
Tacitus (Ann. I, 42) sagt, sie habe ihre signa von Tiberius erhalten,
so hat Mommsen vermuthet, auch sie habe bei der Niederlage des
Lollius ihren Adler verloren. Doch ist längst dagegen bemerkt wor-
den, dass dieser Annahme die bestimmte Angabe des Velleius ent-
gegensteht, welche den Verlust ausdrücklich der fünften Legion zu-
schreibt, und nur dieser gedenkt. Dass die fünfte Legion die in
Hispanien gebildete mit dem Beinamen Älauda gewesen, wird jetzt mit
Recht allgemein angenommen ^). Wann diese Legion an den Rhein
gekommen, wissen wir eben so wenig, wie welche andere Legionen doch
unter Lollius standen ; denn wenn unter Quintilius Varus die acht-
zehnte und neunzehnte, und höchst wahrscheinlich auch die siebzehnte
L^on am Niederrheipe lagen, so könnte doch mittlerweile ein
Wechsel eingetreten sein, obgleich die fünfte Legion nach ihrer Wieder-
herstellung hier blieb.
Schon hatte Lollius die Germanen über den Rhein verscheucht,
als Augustus mit seinem Stiefsohn Tiberius, der eben aus Armenien,
wo er die Schande des Grassus gerächt hatte, zurückgekehrt war, am
Rheine ankam. Dass Augustus sich damals in Lugdunum längere Zeit
aufgehalten, wohl gar nicht an die Stätte der von den Römern erlitte-
nen Schmach gekommen, widerspricht dem Berichte Dio's. Dieser
sagt keineswegs , Augustus habe auf die Nachricht von der Unter-
werfung der Germanen Halt gemacht, sondern es habe keines Kampfes
bedurft, so dass er auf die Ordnung der andern Angelegenheiten dieses
und das folgende Jahr verwandt habe; darauf gedenkt er neben der Sorge
für die Zurückhaltung der Germanen der Beschwerden der Gallier in
Lugdunum gegen den Procurator Licinus. Augustus hatte als Feld-
herm den Tiberius mitgenommen (Dio LIV, 19)^). Sueton bemerkt
von letzterm (Tib. 9) : Camatam Galliam anno fere rexU^ et barbarorum
1) Vgl. Brambaoh im „Rheinischen Museum'^ XX, 612 ff. Pfitzn er 3.235.
2) Tov Sk cf^ TißiQtov xahoi OTQOTTiyovyta nti^Xaßtbv i^toQfitiat,
]
^0 Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeins b. z. Erheb. d.Vitelliai.
incursionibus et prindpum discardia inquidam. Es galt jetzt, den RbeiD
möglichst gegen die Einfälle der Germanen sicher zu stellen; daza
bedurfte es einer bedeutenden Macht an dem Ufer, über die wohl
schon Agrippa dem Augustus nach seiner zweimaligen Anwesenheit am
Rhein seinen sachkundigen Bath ertheilt hatte. Die Yertheidigung des
Rheines durch je zwei Legionen an vier verschiedenen Punkten war
eine Folge der jetzigen Anwesenheit des Augustus. Auf dem soge-
nannten Fürstenberge bei Xanten wurde jetzt ein Lager für zwei
Legionen errichtet.^) Wenn Tacitus (Hist. IV, 23) von diesem sagt:
Quippe Ulis hibemis obsideri premique Oermanias Augustus crediderai^
so kann diese Aeusserung nicht darauf bezogen werden, dass die An-
lage unter seiner Regierung erfolgte, sie setzt des Augustus persön-
liche Ansicht und Bestimmung voraus. Auch ergiebt sich seine An-
wesenheit in dem Germanischen Belgien aus der jfreilich übertreibenden
Aeusserung, die Tacitus bei dem Aufstande der Germanischen L^ionen
den Römern zuschreibt (I, 46): An Augustum fessa adate toHens in
Germania cammeare potuissey Tiberium vigentem annis sedere in «etiafw,
verba patrum cavülantetn ? Den Ort, bei welchem das Winterlager er-
richtet wurde, nennt Tacitus Vetera, woraus freilich nicht noth wendig
folgt, Vetera sei ein älterer Name gewesen, so dass in dieser Beziehung
nichts der Annahme Schneider's entgegensteht, Vetera bezeichne
eigentlich die Stelle des alten, von Augustus angelegten, im Jahre 823
völlig zerstörten und zur Zeit des Tacitus verödeten Lagers — eine
schon von andern geäusserte Ansicht, die auch vetera castra geradezu
das alte Lager übersetzen. Aber dieses würde eine unendlich grosse
Unkenntniss von Seiten des Tacitus voraussetzen; denn nur bei einer
solchen hätte er zur Zeit des Germanicus, wo das Winterlager noch
von der fünften' und der einundzwanzigsten Legion besetzt war , von
diesen Legionen sagen können (Ann. I, 45), sie hätten gelegen sexa-
gesimum apud lapidem {loco Vetera nomen est), da hier das Lager in
die Nähe von Vetera gesetzt wird, wie das Lager bei der Hauptstadt
der Ubier apud aram Uhionmi war (I, 39). Noch stärker wäre der
Irrthum, wenn Tacitus vom Jahre 822 schreibt: Fecit interim effugium
legionihus in castris, qiiibus Veterum nomen est (Hist. IV, 18), qua^
(legiones) in vetera castra concesserant (IV, 21), Civilis apud Vetera
castra consedit (V, 19), wäre Vetera die Trümmerstätte des Lagers
1) Vgl. von Veith, Vetera Castra C f. Schneider in Pick's Monats-
Bohrift VIII, 825 fif.
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Gaesars gegen Pompeins b. z. Erheb.d.Vitellius. 21
gewesen. In den Historien findet sich nur einmal Vet^ra als Orts-
name (IV, 62), wie in der Stelle der Annalen, sonst durchweg Vetera
castra, was nichts anderes heissen kann als das Lager von Vetera,
Eine Ableitungsendung war ebensowenig nöthig, wie bei Augustus mensis^
Augusta (ngua, Augustum forum^ Julia lex^ JtAius mensis, vaüis vttgtdia ;
das nahe liegende onus hätte zu einem Missverständnisse geführt, und
zur längern Form Veterensis, wie bei Bannensia castra von Banna
(Bonna castra wäre auffallend gewesen), la^ eben kein Grund vor.
So wird uns wohl nichts übrig bleiben als Vetera, wie Bonna, Novesiumy
Oddvibay Magmtiacum, für einen einheimischen Namen zu halten, den
die Römer sich wohl mundgerecht gemacht hatten.
Bei dem oppidumUbiorum, dessen Namen wir ebensowenig überliefert
finden wie den des Hauptortes der Treverer, wird das schon bestehende
Lager vielleicht neu befestigt worden , auch bei den Orten, deren Na-
men die Römer MogofUiacum und Vindonissa aussprachen, solche ge-
baut worden sein, wahrscheinlich beide für je zwei Legionen 0» wie schon
Caesar, wo es möglich, zwei Legionen an demselben Orte ihr Winter-
lager anwies. Die unter Augustus als praeeipuum robur JRhenum itAxta^
commune in Germanos GaUosque praesidium bestimmten acht Legionen
(Tac. Ann. I, 3. IV, 5) müssen damals angeordnet worden sein.
Pfitzner's Annahme von fünf Legionen (S. 16 ff. 107) beruht auf
seiner unten zu widerlegenden Ansicht von der Zahl der Legionen unter
Varus. Ob Tiberius mit Legionen und mit welchen er an den Rhein
gekommen sei, wissen wir nicht. Die Vermuthung, damals habe ihn
die neuhergestellte erste Legion begleitet, dürfte wenig wahrscheinlich
sein, wenn wir es auch für gewiss halten, dass diese von ihm erneuert
und nach dem Germanischen Gallien gebracht worden; denn darauf
deutet die schon erwähnte Aeusserung, die Tacitus (Ann. I, 42) dem
Germanicus in den Mund legt: Primane et vicesima legianes, üla signis
1) Es ist ein sonderbarer Irrthum des auch für die Römische Oeschichte
des Rheines so verdienten B er gk, wenn er sich von Mo mm sen zar Behauptung
hinreissen Hess, zu Vindonissa habe nie mehr als eine Legion gestanden und
er die ihm danach noch überschiessende Legion dem Elsass, wahrscheinlich Ar-
gentoratum, zuwies (Jahrb. LVIII, 131. 135). Von einem damaligen Winterlager
im Elsass ist nichts bekannt (nach der Einäscherung der von Vetera, Novesium
und Bonna blieben nur Mogontiaoum und Vindonissa, nach Tac. Hist. IV, 61),
und zur Annahme, dass bloss in Vindonissa eine Legion gestanden, liegt gar kein
stiehhaltiger Grund vor.
22 DieL^pouea a.Rb. v. d.Kmnpfu Caesar» ^egenPompeinBL.B.Erheb.d.VitelliaA.
H Tiberio acretjtis, (u tot proeliortim socio, tot praemüs aucta, egregiam
dtfci vextro gratiam r^ertis. Accepfa Signa ^shi nicht auf die Wieder-
gabe verlorener Feldzeichen, sondern auf die Verleihung derselben
durch den Feldherm. Tiberius löste die ältere legio 1 auf und er-
richtete an ihrer Stelle eine neue desselben Namens, wie es später
VespaBian mit der legio XVI Ihat. Aber erst nai;h der Varianischea
Niederlage wird die erste Legion nach dem liheine gekommen sein, da
Varua ausser den drei in seiner Niederlage umgekommenen, der sieb-
zehnten bis neunzehnten, noch die fünfte gehabt haben wird, die wir
unter LoUius und später noch unter Germanicus finden. Dass diese
auch zur Zeit, wo Augustus den Rhein durch acht Legionen schützte,
bei Euln und Xanten standen, ist wahrscheinlich.
Mommsen's Annahme, Augustus habe nach der Schlacht von
Actiiim die Zahl seiner eigenen Legionen auf zwölf beschränkt, die
den Namen der ersten bis zwülften geführt, daneben noch sechs andere
von Lepidus und Antonius beibeUatleit, deren Numcrining ebenfalls
nicht Über zwijlf hinausgegangen, die dreizehnte bis zwanzigste seien
erst in Folge des Germanischen und Piinnonischen Krieges von 758
errichtet worden, hat lebhaften Widerstand gefunden. Eingebend hat
Charles Robert aie in der Abhandlung Lea Ugions d' Auguste (Extrait
du Bulletin de l'Atad^mie des InscripUons et Belles-Lettres du moia
de mars et avril 1808J zu widerlegen gesucht, und selbst Marquardsen
(Rom. Staatsverwaltung II, 432) gestellt, dass Mommsens Annahme grosse
Bedenken habe, die Robert ausfuhrlich geltend gemacht: aber deo
Hauptpunkt scheint er uns nicht erschüttert zu haben. Pfitzner
S. 13, der Robert's Abhandlung nur mit einem Worte gedenkt (er
scheint sie nicht gesehen zu haben), geht auf eine Widerlegung nicht
ein, für die er seine eigene Darstellung hält
Hätte Robert nachgewiesen, dass eine der acht Legionen vod
der dreizehnten an schon vor der Schlacht von Actium vorkomme, so
wäre freilich Mommsen widerlegt. Alles, was er in dieser Bezie-
hung S. 11 f. vorbringt, hält nicht Stich. Die hgio Martia Caesars
kann nicht die spätere legio XIV Martia sein, da jene schon bei
Philippi vernichtet wurde, wie Pfitzner (S. 7) richtig bemerkt.
Ebensowenig folgt aus dem, was Velleius (11,112,1) von der Helden-
that eines Theiles der zwanzigsten Legion unter Valerius Uessalinus
erzählt, etwas gegen Mommsen's Ansicht, insofern diese eine spttere
Bildung derselben nach den zwölf ersten Legionen behauptet. Wenn
Robert die Bezeichnung Gemtna der dreizehnten und vierzehaten Le-
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caetan gegen Pompeios b. z. Erheb. d.Yitellia8. 28
gion gegen Mommsen anführt, so übersieht er, dass diese sich eben
zur Zeit des Aagostus gar nicht nachweisen läßst. Auch Pfitzner
S. 6 irrt in dieser Beziehung; nur von der legio X steht fest, dass sie
schon unter Augustus gemina hiess ; fdr die dreizehnte und vierzehnte
ist das erste Zeugniss eine Inschrift aus dem Ende der Regierung des
Nero, während Pfitzner behauptet, die von diesem Vornamen zeu-
genden Inschriften „reichen nahe an die ersten Zeiten der Monarchie/'
Die zweiundzwanzigste Legion auf einer Münze der colonia Augusta
Aroe Patrae, welche Mommsen durch richtige Lesung weggeschafft,
bringt auch Robert noch vor. Die Inschrift, auf die Mommsen
sich zur Bestätigung seiner Lesung bezog, ist jetzt im G. I. L. III, p. 97
Nr. 508 abgedruckt. Freilich beruht die betreffende Zahl X auf
der Lesung von Gyriacus; denn die Inschrift selbst ist nicht mehr
vorhanden.
Die merkwürdige Thatsache, dass die acht Legionen von der
dreizehnten an, die wir in Germanien und Illyrien finden, erst später
als die erste bis zwölfte erwähnt werden, hat Robert nicht wegschaffen
können, wonach es äusserst wahrscheinlich ist, dass diese einer neuern
Schöpfung des Augustus gerade für die Bedürfnisse dieser Provinzen
ihren Ursprung verdanken. Augustus hatte seine neu errichteten Le-
gionen mit den Zahlen von eins an bezeichnet. Sonderbar ist Pfitz-
ner's Behauptung (S. 20), dieser habe nicht erst die Zahlnamen den
Legionen gegeben, sondern ihre frühere Bezeichnung fortbestehen lassen.
Das wäre doch ein seltsamer Einfall gewesen, wenn er eben die Le-
gionen hätte bestehen lassen, welche gerade die Nummern bis zwölf
oder gar bis zwanzig hatten.
Eine andere Frage freilich ist es, wann diese acht neuen Legionen
gebildet wurden, und wir glauben, dass unsere Quellen zu einer sichern
Entscheidung nicht hinreichen. Ja man könnte zweifeln, ob diese
acht Legionen zu gleicher Zeit errichtet worden. Da wir später die
dreizehnte, vierzehnte und sechzehnte Legion am Oberrhein finden, so
könnten diese zu gleicher Zeit an den Rhein gekommen sein, während
die fünfzehnte nach Illyricum ging; in gleicher Weise könnte dann darauf
Germanien die siebzehnte bis neunzehnte, Illyricum die zwanzigste
Legion erhalten haben. Freilich wäre es auch möglich, dass Augustus
zunächst die Zahl von Caesars Legionen vor dem Bürgerkriege, fünfzehn
nicht überschritten, die fünf andern Legionen erst später gebildet habe.
Aber da wir die Errichtung der acht Rheinlegionen für eine die Ruhe
und den Besitz dauernd sichernde Anordnung des Augustus während
^.
24 Die Legionen a. Bb. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erbeb. d.Viielliiia.
seiner Anwesenheit am Rheine halten za rnttssen glauben , sich aber
kaum unter den übrigen Legionen solche finden, welche hier gestanden
haben könnten, so glauben wir, dass die acht neuen Legionen gleich-
zeitig oder ganz kurz hintereinander für die Sicherung von Germanien
und Illyricum ins Leben traten *).
Während dieses Aufenthaltes des Augustus am Rhein kam es
nicht zum Kriege; die neuen Legionen mussten erst geschaffen and
geübt werden. Tiberius ward von Augustus abgesandt , um seinen
Bruder Drusus in dem Kampf gegen die Alpenvölker zu unterstützen.
Nach glänzender Vollendung seines Auftrags kehrte er nach Rom zu-
rück. Augustus liess bei seiner Abreise den Drusus als Statthalter
Galliens zurück. Dieser sollte nicht allein mit der neugeschaffenen
Macht die Ruhe in Gallien erhalten, besonders die Rheingrenze wahren,
sondern auch , um die Einfälle der Germanen gründlich zu verhüten,
alle Stämme bis zur Elbe der Römischen Herrschaft unterwerfen.
Hierzu hatte der Besieger der Raeter und Vindeliker einen ganz neuen
Plan gefasst; er wollte vom Meere aus in das Land dringen, wozu es
kühner Werke nördlich von der Bataverinsel, und um am Rheine ganz
sicher zu sein, an beiden Ufern der Anlage vieler befestigten Punkte
bedurfte, welche den Strom in seiner ganzen Ausdehnung, per castra
legionum^ wie Flinius am Ende des vierten Buches mit Bezug auf die
Winterlager des Rheines sagt, beherrschten. Was in der berühmten
Stelle des Florus (IV, 12, 26, bei Jahn II, 30) mit den Worten: Per
llheni quidem ripam quinquaginta amplius castella dircxit, gemeint sei,
ergibt sich aus dem unmittelbar vorhergehenden: In tutelam provinciae
pracsidia atquc custodias iibique disposuit , per Mosam flumefiy per
Albinty per Visurgim ; denn die pracsidia atque ai^todiae sind wesent-
lich dasselbe wie die castella. Dass diese nach Verschiedenheit der
Oertlichkeit auch verschiedener Art waren, versteht sich von selbst^).
Den Angriff der Germanen konnte Drusus ruhig abwarten. Schon im
Jahre nach des Augustus Abreise trieb er die wohl an derselben Stelle
wie unter Lollius über den Rhein gekommenen verbündeten Germanen
1) A. F. Abraham sucht in der Abhandhing „Zur Geschichte der Germani-
schen undPannonischen Kriege unter Augustus'* (Programm der Sophien-Realschule
in Berlin 1875) S. 15 f. zu beweisen, dass diese Vermehrung der Legionen ,, allein
auf Rechnung des Krieges gegen Marbod zu setzen". Auch er fällt in den Irr-
thum, nur fünf Legionen in Germanien anzunehmen.
2) Vgl. Hübner Jahrb. XLII, 50,
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb. d.Vitellius. 26
zurück y drang in das Land der Usipeten bis zur Insel der Bataver,
dann Qber die Lippe zu den Sigambrern, deren Land er verwüstete;
auf dem von ihm gebauten Kanal fuhr er in die Nordsee und erschien
bei den Friesen, mit denen er Verbindungen angeknüpft hatte ; bei den
Ghauken gerieth seine Flotte in Folge der Ebbe auf das Trockene, so
dass er aus der drohendsten Gefahr nur durch die ihn zu Lande be-
gleitenden Friesen gerettet wurde. Wie viele und welche Legionen an
diesem Zuge Theil nahmen, wissen wir nicht. Erst im folgenden Jahre
gelang es ihm, sich jenseit des Eheines festzusetzen. Diesmal, wo er
sich auch wohl durch oberrheinische Legionen verstärkt hatte, kam er
bis zu den Cheruskern und in die Nähe der Weser, wo er, weil
ihm die Lebensmittel ausgingen, auf den Rückzug denken musste. Aus
der grossen Noth, in welche er damals gerieth , rettete ihn nur die
Siegesgewissheit der Germanen. Es gelang ihm, an der Lippe ein Fort
{ipQovQwv, praesidium) anzulegen '), zu dessen Besetzung er einen Theil
seiner Truppen zurückliess. Aber auch im Lande der Chatten in
der Nähe des Rheines erbaute er nach Dio LIV, 33 ein Fort; es war
dasselbe, auf dessen Trümmern später Germanicus ein Castell baute
(Tac. Ann. I, 56) '). Die Chatten waren auf die Seite der Römer ge-
treten, ja sie hatten auf deren Antrieb einen Theil des Landes der
Sigambrer besetzt. Durch ihr Land nahm Drusus seinen Rückzug, und
er gewann hier einen zweiten Stützpunkt für seine weitere Unter-
nehmungen in Germanien. Einen Theil des Heeres liess er bei dem
Fort zurück und setzte mit dem übrigen nach Mogontiacum über, von
wo die niederrheinischen Legionen in ihre Winterquartiere zogen. Im
folgenden Jahre (744) scheint Drusus von Mogontiacum aus seinen Zug
in das Germanenland unternommen zu haben, wo die Chatten abge-
fallen waren. Dio sagt davon nur (LIV, 36) : Ta züv KsXTdiv rmv
%e aUiiov mal toiv Xdmov 6 jQOvaog tol (abv sKccxaiae ta di ix^iQii'
aaro. Wahrscheinlich wurde dieses Jalir besonders auf die Vervoll-
ständigung der Befestigungen an den Rheinufern, und wohl auch auf
den Strassenbau, verwandt. Von dieser Thätigkeit der Legionen haben
sich freilich keine sichern Spuren erhalten, da es gar nicht zu beweisen
steht, dass irgend einer der zahlreichen Ziegel der vierzehnten Legion,
wie sie „in den Fundamenten des alten Mogontiaci^, nach dem Aus-
1) Vgl. Christ in Piok's Monatsschrift VIII, 189 ff. 200 E
2) JalcBeoker bezieht dies auf die Saalburg, mit Beistimmung von AI-
bert Becker in der Programmabbandlung nDicSueven'* (Weüburg 1874) S. 16.
36 Die LegioDQD B.Rh. v. d, Kampfe Cieaara gegeu PompeiuB b. z. Erbeb. d.Vitalliu*.
druck von Fuchs, gefunden worden, aus der Zeit des Drusus stammt
Auch den grossen Zug des Jahres 745, von dem er nicht mehr zurück-
kehren sollte, machte DruHus von Mogontiacum aus ; wieder fiel er mit
grosser Heercsmftcht in das Land der Chatten ein, drang dann nach
blutigen Kämpfen mit den Sueben und Cheruskern bis zur Weser,
überschritt diese und näherte sich, „alles verwüstend', der Elbe, aber
von dem Versuche, auch über diese zu setzen, musste er abstehen ').
Auf dem Rückzuj^e starb er, ehe er zum Eheine gebracht werden
konnte. Eutrop gedenkt (VII, 8 [13]) eines Denkmals des Draau«
bei Mogontiacum. Sueton berichtet (Claud. 1) : Exercüus hmorarium
ei iumulum excttavit, circa quem deineeps stato die THcrfonnis miles de-
currerei, Galliarumque civitaies publice BupplieetrBnl. Das Heer, das
ihm das Ehrengrab errichtete , können nur alle Rhelnlegionen gewesen
sein, die unter ihm, als dem duxGermanici belli, standen'). Auch bei
dem Fort an der Lippe errichteten die Soldaten ihi'em geliebten Feld-
herm einen Altar, um den man gleichfalls an einem bestimmten Tage
feierlich zog (Tac. Ann. II, 7).
An die Stelle Drusus trat dessen Bruder Tiberius, der keine so
kriegerischen Pläne hatte; es galt ihm nur den Rhein zu schlitzen,
wozu vor allem die Unterwerfung der Slgambrer gehörte. Deshalb
bedurfte es keiner Vermehrung oder Aeodcrung der Legionen. Wir
finden ihn an der Lippe in dem zu einem Castell erneitertcn Furt.
Dorthin kamen Gesandte der Germanischen Stämme mit der Zusiche-
rung von Ruhe und Frieden. Tiberius schickte sie an den zu Lug-
dunum weilenden Augustus. Dieser verlangte auch Gesandte der Si-
gambrer bei sich zu sehen. Als diese erschienen, war er, was auch
Caesar den Germanen gegenüber für Recht gehalten , treulos genug,
sie gefangen zu nehmen und sie in einzelne Gallische Städte zu
schicken , wo sie durch Selbstmord ihrem Leben ein Ende machten.
Gelang es dem Tiberius auch, die Germanen durch das Ansehen seiner
1) Abraham a. a. 0. S. 5 E behauptet, Dmine «ei nur bis lur Saale
gekommeD, iDdem er eich auf der Stelle des Strabo beruft, die er in ei«er au
peinlichea Weise versteht. Aber wenn man auch die Worte mo aufTaait, folgt
daraus noch keiuewegi, dasi Dio's Bericht aui eiDer weniger EuvorlluiigeD Quelle
gcfloMeo.
2) Deber den wohl neuorn Stein mit der Insohrifl: In niemoriamQemani{cH
vgl. Becker, „die Römischen Inaobriften und SteioMulpturen desMoaenma d«r
Stadt Hains" Nro. ISO (S. 87).
Die Le((ionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeins b. z. Erheb. dTitellias. 27
Legionen einstweilen in Ruhe zu halten, im folgenden Jahre (747)
entstand ein Aufstand der Germanen, den er rasch unterdrückte. Nach
Dio wäre in diesem Jahre nichts Merkwürdiges in Germanien ge-
schehen (LV, 8). Dagegen weiss der schmeichlerische Yelleius (II, 97)
von seinem Tiberius zu erzählen, er sei siegreich durch alle Theile
Germaniens gezogen, das er ohne irgend einen Verlust des ihm anver-
trauten Heeres, worauf er immer besonders Rücksicht genommen, sich
so ganz unterworfen, dass es fast eine steuerzahlende Provinz gewor-
den. Tiberius selbst rühmte sich später gegen Germanicus, er habe
in Germanien mehr durch Klugheit, als durch Gewalt erwirkt, und so
auch die Sigambrer zum Gehorsam gebracht (Tac. Ann. II, 29). Vierzig-
tausend Germanen soll er jenseit des Rheins während seiner bis 748
dauernden Anwesenheit angesiedelt haben (Suet. Tib. 9). Die Germanen
schienen ganz beruhigt, und so konnten die Legionen sich der weitern
Befestigung und dem Strassenbau zuwenden. Tiberius selbst zog sich
aus Groll gegen Augustus Jahre lang nach Rhodus zurück.
752 drang der Legat Domitius Ahenobarbus von Rätien aus in das
innere Germanien, wo er weit über die Elbe gelangte und dem Augustus
einen Altar errichtete (Dio LV, 10* Tac. Ann. IV, 44). Das Jahr darauf
kam er an den Rhein, um bei den Cheruskern einige Vornehme,
die, weil sie auf Seiten derRömei* gestanden, verbannt worden waren,
mit Gewalt wieder einzusetzen. Augustus hielt es jetzt für nöthig,
dass man schärfer gegen die Germanen vorgehe, als es zuletzt ge-
schehen war; dazu glaubte er in Domitius den rechten Mann gefunden
zu haben. Dieser ergriff eifrig die sich ihm darbietende Gelegenheit.
Ueber seine Heeresmacht wissen wir nichts; dass er seine Absicht nicht
erreichte, sagt Dio. Die Reste seiner pontes longi, die Domitius ange-
legt hatte, fand noch Germanicus (Tac. Ann. 1, 65). Unter seinem Nach-
folger Vinicius brach gleich ein grosser Krieg aus, den dieser, wie
Velleius sagt (II, 104), hier erfolgreich führte, dort glücklich bestand,
wofür er triumphalische Auszeichnungen erhielt. Doch stellte seine
dreijährige Kriegsleitung so wenig die Ruhe her, dass Augustus sich
im Jahre 757 bewogen fand, den aus seiner Zurückgezogenheit nach
Rom heimgekehrten eben adoptirten Tiberius an den Rhein zu senden,
der durch kluge Benutzung der Zwietracht der Germanen mehr als
durch Heeresmacht ausrichten werde. Von einer Vermehrung der Zahl
der Legionen ist keine Rede. Velleius, der den Tiberius als praefectus
equüum begleitete, kann nicht Worte genug finden, die Freude auszu-
drücken, mit welcher die Soldaten ihren Feldherrn aufgenommen. Legat
28 DieLegionenit.Rb. V. iI.KBmpfeCaeBBrBsegenPompeiuab. z. Erheb. d.VitdIlii*.
in Germanien war nach Velleius (II, 105, 1) damals Sentlus Satur-
niam, den Tiberiua zu weniger bedeutenden Zügen benutzte, wogegen
er selbst bis zum December die angestrengtes!« Thätigkeit entfaltete.
Zunächst wandte er sich, wohl mit dem grössten Theile der Rheiniechen
Legionen, gegen die Ganinefaten, welche die Bataverinsel bedrohten;
nachdem er diese, diellattuarier und die Bructerer besiegt, brachte er
die Cherusker wieder zum Gehorsam, überschritt die Weser und drang
weiter vor, aber bis zur Elbe kam er damals nicht; er mussfe dieses
dem nächsten Jahre vorbehalten. Einen Tbeil seines Heeres Hess er
an der Lippe und bei dem Castell Aliso ; denn nur dieses kann der
Ausdruck des den Mund voll nehmenden Velleius besagen: In 0er-
maniac rncäiis finibas ad Caput Lupiae fluminis hibema digrediens lo-
caverat. Die meisicn Legionen kehrten in ihre Standquartiere zarück.
Blieben auch nur zwei an der Lippe zurück, dies genügte vollkommen,
um den Germanen die Wiederherstellung der Römischen üebermacht
zu zeigen. Im folgenden Jahre (75S) kam Tiberiua bis zur Elbe mit
der Flotte und drang bis zu den Cbauken, die sich diesmal unterwarfen.
, Die Elbe zu überschreiten hatte Augustus ihm untersagt (Strab, Vli,
1, 4). Aber auf dem Uflckwege fiel er, wie ehemals sein Bruder
Dnisus, in einen Hinterhalt, von dem Velleius, der so wortreich des
Tiberius Siege verkündet, nur zu sagen beliebt, die Feinde hätten
dabei grosse Verluste erlitten. Die Leginnen bezogen ihre Winter-
quartiere; dass dies an der Lippe geschehen, bemerkt Velleius (II, 107)
nicht, doch blieb jedenfalls eine starke Besatzung zurUck. Ganz Ger-
manien, soweit es je unter Römischer Herrschaft gestanden, schien jetst
so beruhigt, dass Tiberius im nächsten Jahre sich gegen den Marco-
mannenkönig Maroboduus wenden konnte, der allen Bedrängten eine
Zuflucht gewährte und eine beständige Gefahr ftlr den Besitz nicht
allein von Germanien, sondern auch von Pannonien und Noricum bot.
Tiberius beschloss, ihn von zwei Seiten, vom Rheine und von Noricam
aus, anzugreifen; Scntius Satuminus sollte durch das Land der Chatten
gegen ihn vordringen, während er selbst von Camuntum aus das in
Illyricum stehende Heer (Vell. U, 109) gegen ihn fahrte. Maroboduus
sagt bei Tacitus (Ann. II, 45), Tiberius habe ihn mit zwölf Leonen
angegriffen. In Illyricum standen sechs Legionen (Mommsen G. I. L.
lU p. 280) ') ; biemacb masste (denn in Rom wurden neue Legionen
1) Pfitsoer t&btt S. 108 aiebea illTriKbe Legionen und gewinnt dadoreb
seine fünf Oermuiiiohen.
I
Die Logionen a. Rh. v. d. Elampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb. d.Vitellitis. 29
erst nach dem gewaltigen Pannonischen Aufstände ausgehoben) Sentius
Saturninus eine gleiche Anzahl Rheinischer Legionen (also nicht bloss
die vier vom Niederrheine) gegen die Harcomannen gefahrt haben.
Der Aufstand von Pannonien, Dalmatien und den benachbarten Völkern
rettete damals den Marcomannenkönig. Unter den fünfzehn oder zehn
Legionen Ol mit denen Tiberius drei Jahre lang den Pannonischen
Krieg führte, werden sich auch Rheinische befunden haben.
Am Rhein schien alles wieder beruhigt. Der Nachfolger des Tiberius,
Quintilius Varus, schaltete in dem Germanischen Lande wie in einer
Provinz ; seine Gewaltherrschaft schien ihm um so gesicherter, je über-
müthiger er das Volk drückte. Im Ubierlande wurde gar, wie in
Lugdunum, die Gottheit des Augustus, wir wissen nicht, seit welcher
Zeit, an einem besondem Altar verehrt, und diesem Dienste stand ein
vornehmer Cheruskischer Jüngling vor. Wo Quintilius Varus seinen
Sitz hatte, ob beim Winterlager von Köln oder von Xanten oder bei
dem Gasten Aliso an der Lippe, wird nicht berichtet. Liebte er es
auch, im Germanischen Lande herumzuziehen, so nahm er doch seinen
Wohnort wohl da, wo wir später Germanicus finden, wo wahrscheinlich
auch Tiberius sich meist aufhielt , in Köln. Allbekannt ist die List,
durch welche unter Varus drei Legionen, der Feldherr selbst, dessen
Legate und alle Hülfstruppen (Suet. Aug. 23) einen schrecklichen
Untergang fanden. Zwei dieser Legionen waren unzweifelhaft die
achtzehnte und neunzehnte. Ein Denkmal eines im Varianischen Kriege
gefallenen Hauptmanns der achtzehnten Legion, das ihm sein Bruder
während des zweiten Zuges des Germanicus bei Xanten gesetzt'), ist
erhalten. Der bei dieser Niederlage verloren gegangene Adler der
neunzehnten Legion ward bei den Bructerern wiedergefunden (Tac.
Ann. I, 60). Die dritte damals untergegangene Legion wird die sieb-
zehnte gewesen sein, da diese unter den Legionen des Augustus, die
damals bis zur Zahl zwanzig stiegen , nicht gefehlt haben kann und
ihre völlige Nichterwähnung auf frühen Untergang deutet. Wir finden
nur eines Legaten des Varus und zweier Lagerkommandanten (prae^
1) Fünfzehn Legionen (dreifönftel aller) nennt Sueton (Tib. 16), zehn, aber
daza mehr als siebzig Gehörten Yelleius (II| 178). Pfitzner (S. 18) bemerkt,
Saeton habe die unter Caecina und Silvanus stehenden Legionen hinzugezählt.
2) Vgl. Hettner „Katalog des Museums vaterländischer Alterthümer bei
der Universität Bonn<< S. 80 ff.
so DiaLegionen a. Rli. v. d. Kampf« CoenBrsgagonPönipeius b.z. Erheb. (f-Viteüius.
fedi castrorutn) gedacht (Vell. II, 119, 3. 4), aber diese Erwähnuogen
sind eben nur rein zufällig, so daas aus ihnen niclits geschlossen werden
kaDn. Je zwei Legionen werden einen besondern Legaten gehabt
haben. Wo die vierte niederrheinische Legion sich befimden, wissen
wir nicht. Ein Thell derselben muss im Castell Aliso gestanden haben,
wo L. Gnedicius praefedus easlrornm war; denn wenn die dort be-
lagerten Soldaten, wieVeileius sagt (II, 130,4), sich mit dem Schwerte
die Rückkehr zu den Ihrigen verschafften, so darf unter den Ihrigen
doch wohl nur ihre Legion verstanden werden, und von den drei
niedergemachten Legionen kann hier nicht die Rede sein. Dies ilber>
sieht Pfitzner S. IS, 108, der nur drei Legionen dem Varus gibt.
Jene vierte stand wohl in Xanten und aller Wahrscheinlichkeit nach
war es die fünfte, die wir hier unter Lollins und später unter Ger^
manicus finden. Vom Legaten L. Asprenas hören wir (Vell. II, 120, 3),
er sei mit seinen beiden Legionen nach dem Winterlager am Niedei>
rhein geeilt , um die diesseit des Rheines wohnenden Völker in der
Treue gegen Rom festzuhalten. Er muss von Mogontracum gekommen
sein, wo wohl schon damals , wie fünf Jahre später, die zweite und
vierzehnte Legion standen, wie bei Vindonissa die dreizehnte und secha-
zehntc. Die letztern Übersieht Pfitzner (S. 108) aus Liebe zu seinen
fünf Rheinlegionen. So finden wir also in Germanien zu derselben Zeit
alle Legionen von der dreizehten bis zur neunzehnten mit einziger Aus-
nabme der in Pannonien liegenden fünfzehnten (Tac. Ann. I, 23). Man
hat yermuthet, die fünfzehnte Legion sei zur Zeit des Pannonischen
Krieges (760) nach Pannonien verlegt worden; dann müsste die zweite
erat später nach Mogontiacum gekommen sein , da nicht anzunehmen,
die Achtzahl sei am Rhein überschritten worden '). Aber in Pannonien
finden wir auch die zwanzigste Legion, während es nahe gelegen hätte,
1) Wo die zweit« Legion vorher geBtanden und nanu aie an den Rhein
gekommen, wissen wir ebensowenig, wie es von dur fanften Legion bekuint ikt.
UasB sie nach der Niederlage des Varus nscb Germanien versetzt worden, wie
man vermuthet, ist deshalb nicht anKunehmen, weil wir die drei Legionen kennen,
welche die untergegangenen ersetzten. Ihr von Brambaoh angenommenen Ver-
weilen in Hispanien st«ht nicht zu erweisen; noch weniger spricht für Pfitzner '■
Behauptung (S. 16. 190), sie sei eine der drei Aegyptiiohen Legionen gewesen.
Wann sie den Beinamen Angusta erbalten, wissen wir nicht; nichts berechtigt
uns, deuaelben ihr schon so frühe zu geben.
Die Legionen a. Rh. v. cL Kampfe Caesars gegfen Pompeias b. z. Erheb. cLYüellius. 8 1
alle acht nach Germanien bestimmten Legionen von dreizehn an zu
zählen. Zufallige Umstände mögen es veranlasst haben, dass von den
die Zahl zwölf überschreitenden acht Legionen gerade die fünfzehnte
und die zwanzigste nach Pannonien, die sechs andern an den Rhein
kamen. Die Annahme, alle acht Legionen von der dreizehnten an seien
ursprünglich für Germanien ausgehoben worden, die fünfzehnte und
zwanzigste erst später vom Rheine weggekommen, würde voraussetzen,
dass die fünfte, die wir schon zur Zeit des Lollius fanden, erst an die
Stelle der fünfzehnten und zwanzigsten getreten , wonach man dann
freilich die dreizehnte bis sechszehnte dem Ober-, die vier folgenden
dem Niederrhein zuweisen könnte. Aber mit solchen Vermuthungen
wird wenigstens nichts gefördert.
Aliso ward, nachdem ein Theil der Besatzung sich durchgeschlagen,
ohne Zweifel von den Germanen zerstört. Die Aufregung war allgemein,
die Römische Partei machtlos; selbst der Sohn des volksverrätherischen
GheruskerfUrsten Segestes, der Priester des Augustus bei dessen Altar
im Lande der Ubier war, wurde von der Begeisterung für den Freiheits-
kampf so mächtig nachgerissen, dass er die Priesterbinde abwarf und
zu seinen Landsleuten floh, wie Tacitus (Ann. 1, 57) berichtet, mit der
Angabe, dieses sei geschehen anno, quo Gertnaniae descivere. Gewal-
tiger Schrecken ergriff Rom und vor allem den Augustus, der den
Verlust der drei Legionen noch viel schrecklicher empfand als Caesar
den der einen im Lande der Eburonen (Suet. Aug. 23). Als einziger
Helfer in der Noth musste Tiberius gelten. Neue Legionen sollten
mit ihm an den Rhein ziehen. An die Stelle der siebzehnten bis neun-
zehnten traten die erste, die zwanzigste und die einundzwanzigste;
denn diese finden wir neben der fünften unter Germanicus am Nieder-
rheine. Die zwanzigste Legion, die wohl gleichzeitig mit den gefallenen
gebildet worden war, stand zu Bumum im Libumien, im conventus
Sardonitanus, im jetzigen Sulpjaja-cerkra oder Archi Rdmani oder
Trajanski-grad. Hier wurde der Grabstein eines hastatus dieser Legion
gefunden, der aus Ticinum stammte. Mommsen setzt ihn C. L L. HI
p. 369 (2836), obgleich bei dem Namen auch das cognomen erscheint,
vor die Varianische Niederlage. Zwei andere Inschriften von Soldaten
dieser Legion wurden zu Salona und zu Zara gefunden (daselbst p. 365.
376 [2030. 2091]). Velleius gedenkt der Legion in Illyricum im Jahre
759 (H, 112, 2). Dass sie unter Tiberius im Pannonischen Kriege ge-
dient, ergibt sich auch aus Tac. Ann. I, 42. Mit welcher Mühe Au-
gustus neue Aushebungen zu Stande brachte, berichtet Dio LVI, 23.
33 DieLegioQeDB.Rh. v.d. Kampfe Caesars ^geDpompeiuib.e. Erheb. d.VitoUitu.
DieZahl zwanzig wurde diesmal Überschritten'), da man die Namen der
unglücklichen Let;ioncD keiner neuen zu geben wagte; die elnund-
zwanzjgste, die wir zur Zeit des Germaiiicus am Rhein finden, ward
damals gebildet. Aber auch die erste Legion nuiss aus dieser Zeit
stammen*). So konnte Tacitus sehr wohl den Germanicus zu den beiden
Legionen, die sich gegen den Kaiser Tiberius erhoben hatten, sieb also
äussern lasKcn (Ann. 1, 42): Prtmane et vicesima legiones, illa signis a
Jiberio acceptis, tu tot proeliorum socia, tot praemiis aucta, egregiam
duci vestro gratiam referlis, hunc ego »uniitmi patri laeia omnia aliis
e provinciis audienti feram? ipsius tirones, ipsius vderanos non mis-
sione, non peeunia scUialos. Bei der Neubildung der Legionen traten
auch viele ältere Soldaten ein; solche haben wir ans also auch unter
der ersten und einundzwanzigsten Legion zu denken, freilich viel mehr
unter der altern zwanzigsten. Es ist ein Irrthum, wenn Pfitzner S. 215
tirottes hier auf die erste Legion allein bezieht, im Gegensatz zur
zwanzigsten, als ob diese bloss aus Veteranen bestanden. Nach Pfitz-
ner's Deutung müsste sich auch die Forderung von Geld bloBS auf die
erste Legion beziehen. Von den drei verlorenen Legionen hatte eine
in Xanten, die beiden übrigen bei den Ubiern gestanden; die einund-
zwanzigste kam nach dem erstem Lager, die beiden übrigen nach dem
andern, da wir zu der Annahme berechtigt sind, es werde in Verthei-
lung der Legion bis zum Tode des .^ugustua keine Aenderung einge-
treten sein. Die vier Legionen des Oberrheins blieben in ihren Stand-
lagern, die zweite und vierzehnte, für deren Verbindung in einem Lager
auch das, was Tacitus Ann. L70 berichtet'), zu sprechen scheint, bei
Mogontiacum, die dreizehnte und sechzehnte in Vindonissa.
Die Germanen hatten den Rhein nicht aberschritten, da sich auf
dem linken Ufer noch immer fUnf Legionen fanden, von denen die
beiden von Mogontiacum gleich zu den Ubiern geeilt waren, auch die
1) Auch die aogeaaiiDte Ugio Deiolariaua erhielt jelst ent die Beseiohnung
als zweiundzwaniigite. Vgl. PfitEoer S. 6.
2) Da«! die erate Legion den Beinamen Qermaniea gehabt, wird durch die
iDBchrifl von Qrenoble vom Jahre 60 (WilmanDa 1428) und den Legionuiegel
mit dem Stempel VEX LEG GERM (Jahrb. VII, 61) nicht erwiesen; es Ut blon
eine örtliche Bezeiahuung, wie wenn dieselbe seoheehnta Legion bald dnroh
Qarmaniae, bald durch Gal. näher bezeichnet wird (C. L L. III, G074. Wilmanni
1563). Vgl. PfitEner 8. 87.
8] Gemtixnicus Ugionum, qua» nueibus vtxerat, secundam tt guariäin deti-
mam itinere tarestri P. ViteUio dticmd<iM tradit.
Die Legionen a. Bh. ▼. d. Kampfe Caesars g^egen Pompeias b. z. Erheb, d. Vitellias: 3B
von Vindonissa leicht heranzuziehen waren, wenn die Noth es forderte.
Tiberius kam im Frül^'ahre mit seinem Neffen Grermanicos, der sich
im Dalmatischen Kriege ausgezeichnet hatte, an den Rhein. Zunächst
wurde kein grösserer Feldzug unternommen, es galt nur die Befesti-
gungen und das neue Heer in möglichst guten Zustand zu setzen. Von
einer Wiederherstellung Aliso's war zunächst keine Bede. Zwar überschritt
das Heer, oder wenigstens ein Theil desselben, den fihein, doch drang
es nicht weit vor und kehrte schon, nachdem es dort den Geburtstag
des Augustus, den 23. September, durch ein militärisches Schauspiel,
ein Wettrennen der Hauptleute, gefeiert hatte, auf das linke Ufer zurück.
Mit Germanicus ging Tiberius vor dem Winter nach Rom zurück. Im
folgenden Jahre ward Germanicus Statthalter von Gallien. Von be-
sondem Thaten dieses Jahres wird uns nichts berichtet; ebenso wenig
von den acht ersten Monaten des folgenden, doch hatte er sich ent-
schlossen, im Winter nicht nach Rom zurückzukehren; seine Gattin
Agrippina und seinen noch nicht zweijährigen Sohn Gaius liess er im
Mai zu sich kommen (Suet. Galig. 8). Dass er, wie Caesar, die Truppen
in ihren Winterquartieren besucht, ist wohl anzunehmen; auch wird er
mit seiner Gattin und seinem kleinen Gaius, der ein Liebling der Le-
gionen ward, bei den Soldaten erschienen und einige Zeit mit ihnen
am Rheine zugebracht haben. Im Spätsommer beschäftigte ihn zu
Lugdunum die Aufstellung des Census. Hier empfing er die Nachricht
von dem am 19. August erfolgten Tode^es Augustus und den Befehl
des Tiberius, ihm als Kaiser schwören zu lassen, auch den Legionen
den Eid der Treue abzunehmen. In Belgien traf ihn die Kunde von
der Meuterei der vier niederrheinischen Legionen, zu deren Unter-
drückung er in die Sommerlager derselben an der Grenze der Ubier')
eilte. Der L^at dieses niedergermanischen Heeres A. Gaecina und die
Legionslegaten (der der ersten war C. Getronius nach Tac. Ann. I, 44)
hatten nicht den Muth gehabt den Aufruhrern entgegenzutreten, wo-
durch dem Germanicus die Herstellung der Ruhe erschwert wurde.
Dieser sah sich zu dem bedenklichen Mittel gezwungen, den Legionen
in einem angeblichen Briefe des Tiberius Vei*sprechungen machen zu
lassen. Doch diese merkten wohl, wie es damit bestellt sei, und die
beiden in Xanten stehenden Legionen ruhten nicht, bis Germanicus
und dessen Freunde aus ihrer Kasse die versprochenen Geschenke aus-
1) Dass in ftne oder apud finem statt in finibus zu lesen sei, habe ich
schon Jahrb XXVI, 48 bemerkt
8
84 Die Legionen B.Hh. v. d.KutnpfeCBeasrB gegen Ponipeiua b. z. Erheb, d. Vi telliui,
zahlten. Diese beiden Legionen gingen darauf nach Xanten zurUck,
die erste und zwanzigste wurden von Caecina nach ihrem Winter-
lager beim oppidum Ubiorum zurückgeführt. In civitatem Ubiontm
reduiHt, sagt Tacitus {Ann. I, 32). Givitas Ubiorum kann nach dein
Sprachgebrauch des Tacitus nur das Land der Ubier bezeichnen, trotz
des Widerapruchea, dass die sei es im Lande (in finibus), sei es an der
Grenze (in ßite) der Ubier weilenden Römer in das Land (Volk) der Ubier
zurückgeführt werden sollen. Ganz so steht \, 7 1 : Sterlinius Segitae-
rum m civitatem Ubiorum perduxeral. Von Segestea hiess es I, 58:
Caesar ipsi sedem vetere in provincia poUicelur. Vgl. auch I, 34. XIII, 57,
Wollte man trotz des Spracligebrauchea civiias im Sinne von Stadt
nehmen, m mdsste es auffallen, dnss Tacitus statt des ihm gelänßgen
oppidum hier das zweideutige ävitas gewählt. Auch aus einer andern
Ortsbestimmung des Tacilus gewinnen wir keinen sichern Hattpuiikt.
Wir finden den Germanicus mit der ersten und üwaozigsten Legion
bei der ara Ubiofum, aber auch *die Lage dieser ist nicht bestimmt.
Er wohnte hier nicht im Lager, »oudem in einem Hause dei' nahea
Stadt, wie sich aus der Erzählung des Tacitus (Ann. I, 39) ergibt.
Dorthin hatte er auch seine schwangere Gemahlin und seinen Caius
mitgebracht, von denen er sich nicht trennen wollte. Auf ein sicheres
Mittel zur UestimiHung der Lage der ara Ubiorum habe ich früher
hingewiesen '), uiid ich sehe nicht, was man füglich dagft^en anführen
kunste. Ja lassen wir die nach meiner Ansicht entschieden zu bejahende
Frage, obAgrippina im oppidum Ubionan geboren sei, ganz bei Seite,
wenn die jüngere Agrippina der in das oppidum Ubiorum geführten
Yeteranencolonie ihren Namen beilegte, so muas sie, sollte sie hier nidit
geboren sein, besondere Beziehungen zu dieser Stadt gehabt habra,
die nur darin liegen kSnnen, dass sie als Kind hier mit den Ifarigea
gelebt. Nun aber war Germanicus von seiner Gattin so unzertrennlidi,
dass er sie nicht ohne den dringendsten Grund von sich Uess, wonach
nicht anzunehmen ist, dass, wenn er bei dem Winterlager zu Bonn gewesen
wäre, seine Frau sich in Köln aufgehalten. So ergibt sich also, was
wir aus andern Gründen angenommen, auch von dieser Seite als
nnausweichliche Folgerung, dass die erste und zwanzigste Legion ihr
Winterlager bei Köln gehabt. Und von diesem zeugen nicht nur die
auf der Altenburg bei Köln gefandenen Reate, sondern auch die Spuren
1) Id Piok'B MoDBtSMhrift VI, 4BB f.
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeios b. z. Erheb, d. Vitellios. 85
der in der Nähe bei Arnoldshöhe gefundenen Oräberstrasse ^). Pfitzner
hat sich auf die so wichtige Frage, wo die Winterlager gewesen, nicht
näher eingelassen.
Zu Gunsten Bonns hat man sich darauf berufen, dass in und bei
dieser Stadt mehrere Grabsteine von Soldaten der ersten Liegion ge-
funden worden seien, keiner bei und in Köln. Aber unter allen jenen
Steinen befindet sich kein einziger, den man auch nur mit der geringsten
Wahrscheinlichkeit in die Zeit des Germanicus hinaufrUcken kann.
Ich wüsste nur eine Grabschrift, die wir in diese setzen dürfen, das
schon angefahrte Denkmal des im Varianischen Kriege gefallenen
Hauptmanns, das aber eben nur der untergegangenen achtzehnten
Legion gedenkt*). Den Grabstein des Soldaten der ersten Legion M.
Cominius weist Hettner (83) wegen der Schriftztige und des Fehlens
des Gognomens einer frühern Zeit zu, aber auch er denkt kaum an die
des Tiberius. Selbst der Wegfall des Gognomens beweist ja an sich gar
nichts. Vgl. Mommsen G. L L. in, 282. Den Stein des Carisius, eines
Veteranen der ersten Legion (Bramb. 493), wollen freilich Lersch und
Freudenberg wegen der archaistischen Form Manertai für Manertae
in die Zeit des Claudius setzen, aber das auffallende Manertai könnte
auch ein blosser Fehler des Steinmetzen für Manertae sein, veranlasst
durch die Endung des unmittelbar darauf folgenden Musici. Auch
keiner der übrigen in und bei Bonn gefundenen Steine von Angehörigen
der ersten Legion erhebt einen Anspruch auf die Zeit des Tiberius;
keiner nöthigt uns ihn vor die letzten Jahre des Claudius zu setzen.
Im einzelnen Falle könnte man sogar zweifeln, ob die Bezeichnung
1) Jahrb. LXXII, 59 ff.
2) Wenn Urlichs Jahrb. IX, 136 die beiden Xautener luschriften 196 nnd
210 noch vor die Kriege des Germanicus setzen wollte, weil bei der einund-
Ewanzigsten Legion der £hrenname rapax fehlt, so ist dieser Grund eben haltlos.
Auf andern Inschriften fehlt dieser Ehrenname (1057. 1968 a Bramb. vgl. Jahrb.
LIII, 244), die man aber desshalb nicht so Iioch hinaufrücken darf. Tacitus nennt
alle Legionen ohne Beinamen mit Ausnahme des Falles, wo der Name zur Unter-
Bcheidong Ton Legionen derselben Zahl dient, und bei der einundzwanzigsten,
letastere hat den Beinamen nie in den Anualen, wo sie fünfmal erwähnt wird;
in den Historien kommt sie zunächst ohne diesen Namen vor (I, 61. 67), erst
11) 48 erhält sie denselben» der dann auch II, 100 und dreimal im dritten Buche
rieh findet, wogegen er III, 25. IT, 68. 70. 78 fehlt. Der Ehrenname war eben
da, wo die Legion stand, zur Bezeichnung nicht unumgänglich nöthig. Wir
werden gleich derselbeü Weglassung bei ändern Legionen begegnen.
36 Die Legionen ft.Rb.v.d.KanipreCaeiBLrügegenPompeiusk z. Erheb. <LVitel1iua.
der legio I nicht auf die I Minervia gehen könne, so dass der Bei-
name, wie es z. B-, wie wir sehen werden, bei der zwanzigsten, auch
bei der einundzwanzigsten {vgl; die letzte Anmerkimg) und zweiund-
zwanzigsten '). geschehen, weggelasseu worden, wovon freilich kein
sicheres Beispiel zu finden, da die /iegel bei Brambach 223 a 1. 5IL
4a und bei Jansen Jahrb. IX, 161,9 wohl unvollständig sind. Das-i
bei dem Steine des üpponius Paternus am Ende der Zeile nach LEG-I
ein M ausgefallen, hat HettoerS. 38 bemerkt. Wollte man hart-
näckig sein, so könnten auch Soldaten der in Köln stehenden Legion,
während sie in Bonn bei Erbauung des neuen Winterlagers in Arbeit
waren, gestorben sein. Aber auch für Köln fehlen nicht alle inschrift-
liehen Beweise, wenn ein einfaches LEGI nöthwendig auf die ältere
Legion unter Germanicus deutet. Ein im nördlichen Stadttheile, wahr-
scheinlich ausserhalb des Römischen Köln, gefundener Stein wurde
einem Veteranen der legio I von den primini gesetzt (Katalog des
Museums Wallmf-Richartz S. 71). Und mehr für Köln als für Bonn
zeugt der zu Urb^tch im Kreise Mülheim gefundene Stein eioea Vete*
ranen ex leg. I (Bramb, 304).
Was aber besonders für Köln spricht, sind die Grabsteine von
Soldaten der zwanzigsten Legion ; denn da die erste und zwanzigste
Legion in demselben Winterquartier standen, so beweisen diese eben
für den Standart beider. Nun bat aber Donn, wo nur eine Lügion
seit Claudius stand, keinen Stein der zwanzigsten Legion aufzuweisen,
während wir solche in Köln finden, ein Umstand, der darauf hinweist,
dass die erste Legion erst nach Bonn kam, als die zwanzigste nach
Britannien gezogen war. Am Baien, also in der Nähe des Winter-
lagers der Legionen bei Köln, ist ein Stein gefunden worden, der nach
der besten Ueherlieferung einem miles leg. XX gesetzt war (Bramb.
377). Daselbst ist der Fundort des Steines eines /iiWceM exs legioneXX;
denn aus Vergleichung der verschiedenen Lesarten ergibt sich die
höchste Wahrscheinlichkeit, dass hier eine seltene Form des Zahlzeichens
XX stand, wie schon Brambach (348) sah. Und neuerdings ist bei
Arnoldshöhe, also gleichfalls bei dem alten Winterlager, der Grabstein
eines Veteranen der legio XX Valeria victriz gefunden worden (Jahrb.
LXXU, 50 ff.). Unterhalb Köln kennen wir Steine dieser Legion in
Grimmlinghausen hei Nenss, in Geldern, in Homau bei Roermonde
und in Xanten (88. 268. 2028 Bramb. Jahrb. XXV, 87 f.). Ein Ziegel
1) Vgl. bd Brambach 1039. 1076. 121Ö 1217. 130a
Die Legionen a. Rb. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb, d. Vitellius. 87
der leg. XX VV wurde in Holdenrut oberhalb Nym wegen gefunden.
Brambach hat seinen gegen die Richtigkeit der Lesung gerichteten
Zweifel schon S. XXVII zurückgenommen. Boberts Vermuthung (Coup
d'oeil g^n^rale sur les l^gions Romaines S. 25, 1), die betreffenden
Denkmäler könnten sich auf einen möglichen Aufenthalt dieser Legion
am Niederrhein zur Zeit des Septimius Severus beziehen, schwebt
völlig in der Luft. Dass in Bonn sich ein Ziegel der zwanzigsten
Legion finde, beruht auf einer irrigen Angabe Overbecks; schon
Lersch hatte richtig (II, 63) XXI gelesen, da der Beiname rapax folgt.
Ebenso verhält es sich mit einem Ziegel von Calcar, wie Jahrb.
XI, 80 bemerkt ist. Auf den 1822 zu Rheinzabem gefundenen Ziegeln
muss XXII gestanden haben. Die leg. XX auf Schleudergeschossen
beruht auf unvollständiger Erhaltung der Inschrift, wie Bergk Jahrb.
LV, 37 gesehen. Zur Zeit des Claudius, im Jahre 796, führte Plautius
vier Legionen, unter denen die zwanzigste sich befand, nach Britannien
(Tac. Ann. XIV, 34. 37. Agr. 7. Hist. I, 60. III, 22). Unter Hadrian
wurde sie dort mit der zweiten und sechsten zum Bauen verwandt.
Aus seiner Zeit sind die Inschriften C. I. L. VE, 362. 978. 1133 a.
1137. 1141—1143. Seit dem zweiten Jahrhundert, wenn nicht schon
früher, hatte sie ihr Standquartier bei Deva am gleichnamigen Flusse
(Dee). Durchgehend hat sie den auf die Heldenthat des Valerius Mes-
salinus deutenden Beinamen Valeria Victriz (91. 623. 943. 1143), meist
abgekürzt geschrieben. Auf irriger Lesung muss nach Hübner 1076:
LEGIOXX'VICT beruhen, doch liest Mommsen auf einem in Dacien
gefundenen Steine (III p. 239, 1472) LEG-XX VICTRIC, und auch sonst
steht victrix allein (Wilmanns 1458. 1587). Der Ehrenname der Le-
gion fehlt auch auf Inschriften und Ziegeln, die in England gefunden
wurden. Vgl. C. I. L. VII, 50. 51 (nach Hübner liUeris optimis saectdi
primi). 90 (Utterae videntur esse saectdi primi exeuntis), 156. 749. 1209
b. 1225 a (mit blossem V (Vcderia) 1225 b). Das Zeichen der Legion
ist ein Eber oder ein Eberkopf. Noch zur Zeit Dios standen in Britan-
nien Ol eixoazol oi xat Ovaligieiot xal NiTtrjroQsg cSvof^aaf^ivoi (LV,
23), doch lässt dieser eine zwanzigste Legion mit denselben Beinamen
im obem Germanien stehen, in offenbarer Verwechslung mit der zwei-
undzwanzigsten. Die letzte Erwähnung der Legion finden wir auf
Münzen des Carausius und Victorinus.
Die vier niederrheinischen Legionen, inferioris Oermaniae legianes
(Ann. I, 3. Hist. I, 9), der exercüus Gertnaniae inferioris (Jahrb. VII,
61. Vm, 144. IX, 21. 36. 38. XXII, 145. Brambach 60 a 3, Museum
38 DioL^gionen a.Eb. v, d. Kampfe Caesars gegeDPompeiuBb. z- Erbeb d.Vitelltua.
Wallraf - Richartz 153 i), blieben unter Germanicua unveräDdert in
ihren Standquartieren. Mit einem Tlicil seiner Legionen brach die-
ser dann von Köln auf, um die in Xanten noch im Aufruhr begriffenen
?.u utiterwerfen , doch hatten dieselben schon selbst die Rädelsfiibrer
bestraft, und sie brannten vor Verlangen, im Kampf gegen die Feinde
ihre Schuld zu sflhnen. Obgleich Gerniauicus vier Legionen bei sich
hatte, betrug die Zahl der Leglonssoldateo, mit denen er auf einer
neu gescblageueu Brücke bei Xanten über den Rhein setzte, nur 12,000
(Tac. Ann. I, 4ä}, doch hatte er daneben »echsundzwauzig Cohortea
der Bundesgenossen und acht alm der Reiter. Mit ihnen überfiel er
die Marsen, an denen er grausam die Schmach Roms rächte. Die
Seinen führte er glücklich trotz des Angriffes der Bructerer, Tubunten
und Usipeten, wobei die zwanzigste Legion sich tapfer bewährte, in die
Winterquartiere zuitlck (Tac. Ann. I, 51). Im folgenden Jahre drang
er mit vier Legionen (ohne Zweifel den oberrheinischen) und vielen
Hülfstruppen von Mogontiacuni aus in das Land der Chatten. Die
vier niederrheinischen brachen mit Germaniseben Haufen unter Caecina
von Köln auf, wandten sich nach manchen Seiten hin und besiegten
die Marsen {Tac. Ann. I, 56). Schon war Germanicus auf dem Rück-
märsche, als eine Gesandtschaft des Segestes ihn bestimmte, diesen
von der Belagerung seines Schwiegersohnes Arminius zu befreien,
worauf Segestes mit den Seinen auf das Unke Rhcinufer übersiedelte
(Tac Ann. I 57). Aber Arminius brachte die (Cherusker und die be-
nachbarten Völker in solcher Stärke gegen die Römer auf, Atma Ger*
manicus seine ganze Macht gegen sie aufbieten musste. Caecina führte
die vier niederrheinischen Legionen über die bei Xanten geschlagene
Brücke, dann auf dem bekannten Landwege nach der Ems, wohin aii^ die
Reiterei längst der Küste begab, während er selbst mit den vier übrigeu
durch den Drususkaoal und die Nordsee fuhr und an d&r Ems mit
ihnen zusammentraf. Der erste Schlag war gegen die Bructerer
gerichtet. Da der Weg in der Mähe der Stätte der Varianischeu Nieder-
lage vorüberführte, versäumte er nicht die traurigen Uebcrreste der
dort Gefallenen zu bestatten und einen Altar den Opfern Germanischer
Tficke, welcher man diesen Unfall zuschrieb, errichten zu lassen. Unter
den Truppen befanden sich einige aus jenen drei Legionen, die damals
entkommen waren und noch die Orte bezeichnen konnten^ wo sich alles
begeben (Tac. Ann. I, 61). Es waren die dem Tod Entronnenen in die
neu gebildeten Legionen eingetreten. Nach emer durch die Legionen
wieder hergestellten, aber erfolglosen Schlacht wurde das Heer au die
Die Legionen a.Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb. d.YiteUius. 39
Ems zurückgeführt und von dort der Bückweg in derselben Weise
angetreten, wie man den Heimweg gemacht Gaecina ward mit seinen
vier niederrheinischen Legionen, als er in einem sumpfigen Thale sein
Lager aufschlug, besonders aber bei seinem Aufbruch am andern
Morgen von den ihn umschwärmenden Germanen angegriffen. Die
beiden Legionen von Xanten gaben dadurch, dass sie die ihnen ange-
wiesene Stellung, sei es aus Furcht, sei es aus Trotz, verliessen, die
zwischen den Bergen und Sümpfen auf schmalem Wege durchziehenden
beiden andern Legionen, die erste und fünfte, dem Angriffe der Che-
rusker preis. Caecina, dessen Pferd gefallen war, wurde nur durch die
Hülfe der ersten Legion gerettet. Als die Germanen am folgenden
Tage das auf festem und ebenem Boden aufgeschlagene Lager angriffen,
wurden sie von den Legionen mit schwerem Verluste zurückgeschlagen ;
die Soldaten verfolgten die Fliehenden bis zur Nacht. Glücklich ge-
langten sie nach Xanten zurück, wo Agrippina, welche mit dem jungen
CaiusH[)ei der zurückgebliebenen Besatzung sich befand, durch ihren
Muth es verhinderte, dass man aus Furcht vor einem Einfall der
Germanen die Brücke abriss. Germanicus hatte, um seine Schiffe zu
sichem, von den Legionen, mit denen er durch den Drususkanal gefahren
war, die beiden von Mogontiacum dem Vitellius übergeben, um sie zu
Lande längs der Küste bis an den Drususkanal zu führen, wo die
Flotte sie aufnehmen sollte. Diese litten schrecklich durch eine Spring-
fluth, die sie fast wegschwemmte. Als Germanicus in das Ubierland
nach Köln zurückkehrte, nahm er des Segestes Bruder Segimer und
dessen Sohn, welche L. Stertinius, ein kühner Reiterführer, auf ihren
Wunsch über den Rhein geführt hatte, freundlich auf (Tac. Ann. 1, 71).
Segestes war schon dorthin übergesiedelt. Unter denjenigen, welche
durch triumphalische Ehren wegen der mit Germanicus vollbrachten
Thaten ausgezeichnet wurden, finden wir ausser den Legaten des nieder-
und oberrheinischen Heeres den L. Apronius (Tac. Ann. I, 71), welchen
Germanicus im vorigen Jahre ad munüiones viarum et fluminum beim
casteUum in tnotUe Tauno zurückgelassen hatte (I, 56).
Der folgende Winter wurde auf die Herstellung der Legionen und
den Bau von hundert Schiffen verwandt, da Germanicus im nächsten
Jahre vom Meere aus in das Land der Cherusker dringen wollte. Den
Schiffbau leitete ausser den beiden Legaten Anteius (Tac. Ann. 11, 5).
Dem Hauptunternehmen gingen Streifzüge vorher. Der Legat von
Niedergermanien Silius unternahm mit einer Abtheilung ohne Gepäck
marschierender Truppen einen Einfall in das Land der Chatten. Ger-
40 Die Legionen a. Rh. v. d, KampfiiCfteaBrE gegau Pompeiuab.z. Erheb. d.Titellius.
manicus eilte mit sechs Legionen (wohl zwei nieder- und vier ober-
rheioisphen) nach dem Castell AÜso, das die Germaneo belagerten.
Doch waren diese schon auf die Kunde von seiner Ankunft verschwan-
den. Germanicus benutzte seine Anwesenheit zur Befestigung der Ge-
gend zwischen dem Castell und dem Rheine. Als die Flotte fertig
war, fuhr das ganze Heer, alle acht Legionen nebst den Hfllfstruppea,
von der Bataverinael durcli den DruHuskanal und das Meer bis an die
Mündung der Enjs. Die Cherusker mit ihren Verbündeten stellten sich
ihm, als es zur Weser gelangt war, zur offenen Schlacht entgegen.
Germanicus Hess die Gallischen und Germanischen Hütfatruppen vor-
geben; ihnen folgten die Bogenschützen zu Fuss, dann vier Legionen
und Germanicus selbst mit zwei pratorischen Cohorten und Rett«rei,
darauf die vier andern Legionen, die Leichtbewaffneten, die berittenen
Bogenschützen und die übrigen Cohorten der Bundesgenossen (Tac.
Ann. II, 16); von den letztern werden gelegentlich die der Raeter und
Vindehker und die Gallischen, dann auch Chauken erwähnt {S, 17).
Es war ein UnglUckgtag für die Germanen, aber trotz des vollständigen
Sieges der Römer stellten sie sich diesen auf dem Grenzwallc der
Cherusker und Angrivarier entgegen. Tacitus erwähnt hier eines bisher
noch nicht genannten Legaten Seius Tubero, dem Germanicus die
Reiterei übergab. Den Legionen wies er ihre St-ellung an ; das
Schwierigste übernahm er selbst, das andere überliess er den Legaten.
Mit seinen pratorischen Cohorten nahm er den Wall und verfolgte die
Feinde in den Wald; seine Soldaten sollten alle tödten, da nur der
Untergang des Volkes den Krieg beenden werde. Erst die Nacht
machte dem Blutvergicssen ein Ende. Tacitus gesteht, dass der Kampf
der Reiterei unentschieden geblieben. Germanicus rühmte sich auf
seiner Trophaee der Besiegnng der Völker zwischen Rhein und Elbe
dnrch das Heer des Tiherius. Die Truppen wurden an die Ems zurück-
geführt; einige Legionen begaben sich auf dem Landwege in ihre
Winterquartiere, . wohl die beiden bei Xanten liegenden, die andern
nahmen den Weg zu Schiffe über das Meer. Ein fürchterlicher Sturm
verschlug oder vernichtete die meisten Schiffe; Germanicus rettete sich-
nach dem Lande der Chauken. Allmählich fanden sich wieder viele Schiffe
zusammen, die hei'gestellt und zum Aufsuchen der Verschlagenen aus-
gesandt wurden; manche von diesen kamen durch Vermittlung der
Angrivarier zurück, andere sandten Britannische Fürsten, viele waren
im Meere oder durch Hunger umgekommen. Da die Kunde von diesem
Unfälle die feindlichen Stämme aufregte, sandte Germanicus den !«•
Die Leonen a.Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb. d.Yitellius. 41
gaten des oberrheinischen Heeres mit dreissig Gehörten und dreitausend
Reitern gegen die Chatten, er selbst überfiel mit dem grossem Theile
des Heeres die Mai*sen, an denen er das auf dem Meere erlittene
Unglück rächte. Er hatte wohl fünf Legionen, die oberrheinischen und
eine niederrheinischc. Wenn der Legat des oberrheinischen Heeres
diesmal gegen die Marsen zog, nicht, wie früher, der des niederrhei-
nischen, so mag Caecina, vielleicht in Folge des Unfalls zur See, ver-
hindert gewesen sein.
Des Tiberius Eifersucht rief den Germanicus nach Bom zurück,
wo er im Mai einen glänzenden Triumph über die Cherusker, Chatten,
Angrivarier und andere Germanische Völker bis zur Elbe feierte. Vom
Römischen Heere vernehmen wir nun lange nichts mehr >). Drusus suchte
die Zwietracht der Germanen unter sich auszubeuten, die zur Ermor-
dung des Arminius, des edelsten Hortes deutscher Freiheit, führte.
Als im Jahre 774 ein von den Haeduern und den Treverern ausge-
gangener Aufstand Gallien ergriif, war Visellius Varro Legat des
niederrheinischen Heeres, der einen Theil seiner Legionen zur Unter-
drückung der Empörung der Turonen sandte (Tac. Ann. HI, 41). Er
selbst und der schon zur Zeit des Germanicus thätige Legat des ober-
rheinischen Heeres Silius führten von verschiedenen Seiten Legionen
gegen die Treverer (Ann. HL 42). Die vorausgesandte ala des den
Treverern angehörenden Julius Indus gab eine rasche Entscheidung.
Julius Florus, der die Treverer aufgeregt hatte, tödtete sich mit eige-
ner Hand. Varro war durch Alterschwäche an einer kräftigen Unter-
drückung des Aufstandes der Haeduer gehindert; er musste diese
dem Silius überlassen (III, 43), der mit zwei Legionen die Macht des
Sacrovir zu Grunde richtete (III, 45—46). Von jetzt an hören wir
längere Zeit nichts mehr von Germanien. Drei Jahre nach dem Siege des
Silius über Sacrovir klagt dessen damaliger Amtsgenosse, der, obgleich
1) Strabo erwähnt IV, 8, 4 in dieser Zeit die im Lande der Treverer
geschlagene Rheinbrüoke. Von der kühnen Versetzung der Worte xct^' ot)^ —
TToUfAov, die Bergk Jahrb. LYIII, 124 versucht, hätte schon die Erinnerung
abhalten sollen, dass auch Caesars zweite Brücke in Treveris war (Caes. ß. 6.
Ylf 9). Der Zusatz, der Bergk sachlich so unbequem war, erscheint bei den
Treverern ebenso berechtigt als er störend bei den Ubiern wäre, die eigentlich
nur nebensächlich als früher den Treverern gegenüberwohnend erw&hnt werden,
und selbst Strabo darf man eine so holperige Verbindung, wie sie BergVs
Annahme schafft, nicht zuschreiben.
42 DieLeffüinan ii. ftb v. <i. Kampfe CBesarB ^egen PompeiuB b. z. Erheb. d.Viteltiua.
er schon in Germanien nach Tacltua invalidus semcta gewesen, jetzt Conaal
geworden, den Silius an, er habe mit seiner Gattin Soaia den Sieg
Über Sacrovir, dessen Aufstand er durch sein Zögern absicbUicb ge-
fördert, mit Habsucht geschändet. Die Anhänglichkeit an Germanicas
Boltte dem redlichen Manne, der sieben Jahre in schwerer Zeit Legat
lies oberrheinischen Heeres gewesen, zum Verderben gereichen.
Als die Friesen sich im Jahre 781 erhoben, wurde L. Apronias,
der Proprätor des untern Germanien, mit dem verbundenen ober- und
niederrheinischen Heere von ihnen zurückgeschlagen. Nur dem Muthe
des Legaten der fünften Legion, Cethegus Labeo, gelang es die Ger-
manen zurückzudrängen, wobei sich die fünfte Legion auszeichnete,
doch Apronius dachte an nichts weniger als an Rache für den Tod
80 vieler angesehenen Führer und Soldaten (Tac. Ann. IV, 73). Gleich-
zeitig mit Apronius finden wir als Legaten des obem Germanien dessen
Schwiegersohn Lenttilus Gaetnlicus, unter dem Abudius Ruso eine
Legion befehligte (Tac. Ann. VL 30). Durch seine grosse Milde und
Leutseligkeit erwarb sich Gaetulicus in so hohem Grade die Liebe
seiner Legionen, dass er dem Kaiser gegenüber sich darauf sttitzen
konnte, er werde die Provinz nicht gutwillig verla.ssen. Dem tollen
Nachfolger des Tiberins war er so verhasst. dass dieser sich mit Ge-
walt seiner zu entledigen beschloss. Im Jahre 792 kam dem Caligula
der Geiiauke eines Feldzugs iiafli ("icrmanien. Unter dtui Vorwande,
der Rhein sei von den Feinden bedroht, eilte er nach Mogontiacum,
wo er sich gegen die von Gaetulicus verzogenen Soldaten und Betebls-
haber sehr hart bewies. Da sich kein Feind zeigen wollte, liess er
einige gefangene Gennanen in einem Walde auf dem jenseitigen Ufer
verstecken und beim Frühstücke sich das Anrücken des feindlichen Heeres
melden, gegen das er sofort mit seinen Freunden und einem Theil
seiner Leibwache sich aufmachte. Abends kehrte er als Sieger and
seinen Germanen zurück (Suet, Calig. 44, 45. DioLIX, 21). GaetnlicuB
wurde einer Verschwörung gegen ihn angeklagt und getödtet (Dio
LIX, 21). An seine Stelle trat Ser. Galba, der sich durch seine Strenge
bei Caligula beliebt, bei den Soldaten desto verhasster machte (Galh. 6).
Caligulas Zug nach Gesoriacum, dem spätem Bononia (Boulogne), war
eine Posse, wie sie nur ein Verrückter aufführen konnte. Vgl SueL
Cal. 46. Dio LIX, 25. Abenteuerlicher klingt Dios Bericht, er habe
200,000, nach andern 250,000 Soldaten zusammengebracht, von denen
er siebenmal als Imperator begrüsst worden, obgleich er keinen Sieg
erfochten noch einen Feind getüdtet habe (Dio LIX, 22). Dass er mit
Die Legionen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeins b. z. Erheb, d. Vitellius. 43
einem so grossen Heere den Zug nach Gesoriacum gemacht, wie wir
bei Peter (Geschichte Korns III, 250) lesen, wird eben so wenig über-
liefert, als dass er dieses Heer am Rheine versammelt, wie Pfitzner
(S. 25) angibt. Auch ist es nicht wahrscheinlich, dass er die rheini-
schen Legionen nach Gesoriacum habe kommen lassen, was Urlichs
(Jahrb. IX, 136) annimmt. Vielmehr suchte er diese auf seiner Rück-
kehr von dort auf. Zuerst ging er nach Köln. Darauf bezieht sich
Suetons Bericht (Calig. 48), er habe, ehe er die Provinz Gallien ver-
lassen, die Legionen, die einst gegen seinen Vater und ihn als Kind
Gewalt gebraucht, zu decimiren gedacht, aber da er gemerkt, dass
diese es sich nicht gefallen lassen würden, sich davon gemacht; denn
dies kann eben nur auf die erste und die zwanzigste Legion gehen,
deren Winterlager Köln war. In Mogontiacum hatten sich Galba und
dessen Soldaten seiner höchsten Anerkennung zu erfreuen (Suet.
Galb. 6).
Nach der Ermordung des Galigula Hess sich Galba nicht zum
Abfalle verleiten; er vereidete sofort die Legionen auf den Namen des
^von den Soldaten gewählten Claudius. Dieser wurde durch seine Treue
bestimmt, ihn in den Kreis seiner Vertrauten aufzunehmen. Die nach
der Varianischen Niederlage eingetretene Anordnung der acht Rheinlegio-
nen wurde durch den 796 von Claudius unternommenen Krieg gegen
Britannien verändert, wohin unter Plautius vier Legionen abgingen.
Unter diesen befanden sich drei vom Rheine, die zweite, vierzehnte
und zwanzigste Legion. Aus dem spätem Bestände der Rheinlegionen
ergibt sich, dass sie durch die aus Hispanien kommende vierte, die
den Beinamen Macedonica führte, und zwei neugebildete, die fünfzehnte
und die zweiundzwanzigste, ersetzt wurden, die beide den Beinamen
primgenia erhielten, der eine Erfindung des in sprachlichen Neuerungen
sich gefallenden Claudius gewesen zu sein scheint Man leitete früher
(und noch Pfitzner S. 8 verwirft diese Deutung nicht) den Namen von
der Göttin Primigenia her, aber die Göttin liiess Fortuna Ff imigenia.
Grotefend erklärte ihn wohl richtiger, als ursprünglich, so dass
er die abgezweigte Legion als den eigentlichen Stamm, den bessern
Theil einer schon bestehenden Legion bezeichnete, die als solche auch
deren Adler erhielt. Der Name sollte gleichsam ein Gegenstück zu
gemna bilden. Die fünfzehnte Legion, von welcher die nach Ger-
manien geführte neugebildete stammt, lag in Pannonien. Die zwei-
undzwanzigste wurde aus der in Aegypten stehenden Deiotariana, die
auch als Cyrenaica erscheint^ gebildet ; diese und die aus ihr genommene
ii Die Legionen a.Rh. v.d.Kaoipfc Caesare gegen Pompeiusb. z.Erbeb. d.V)lel]ius.
erhielten damals die BeECichnung der zweiundswanzigsten. Pfitzner
nimmt {S. 30 f.) an, der Rhein habe statt der drei von Claudius ver-
setzten Legionen nur zwei neue erhalten, was ganz unglaublich; er bedarf
aber dieser Voraussetzung, um mit der üebersicht der Legionen im
Jahre 619 hei Flaviua Josqihua (B. .lud. II, IG, 4j fertig zu werden.
Dabei rauss er zu der seltsamen Annahme greifen, die leffio decima
werde von Josephus oder vielmehr von dem dort redenden Agrippa
zweimal gerechnet, einmal bei den acht Legionen Germaniens, dann
aber auch bei den beiden Hispaniens, was er sich so erklärt, dass diese
Länder „sich bei irgend einer Gelegenheit innerhalb der Jahre 43 und
66 in der von Josephus bezeichneten Weise (?) ausgeglichen". Ein
solches Mittel richtet die Ansicht, die es stützen soll. Genug, Pfitzner
lässt die legU) qutnla tlecima primigenia erst in der zweiten Hälfte des
Jahres 66 durch Nero bilden. Von den neu an den Rhein gekommenen
Legionen trat die fünfzehnte an die Stelle der bei Köln siehenden
zwanzigsten, die vierte und zweiund zwanzigste ersetzten die zweite und
vierzehnte bei Mainz. .\ber auch ein Wechsel zwischen beiden Ger-
manieo dürfte gleichzeitig stattgefunden haben; denn die einundzwan-
zigste Legion, die wir in Xanten fanden, erscheint bei den Kämpfen
nach Neros Tode zu Vindonissa (Tac. Hist. IV, 70), wogegen die zur
Zeit des Germaniens in Vindonissa stehende sechzehnte nach dem
Nieilerrhein kam. Freilich bleibt die Möglichkeit, dass diese Ver-
änderung etwas später erfolgte. Auch in den Standquartieren der Le-
gionen finden wir nach Neros Tode eine Veränderung. Von dem Le-
gaten des obern Germaniens, Hordeonius Flaccus, sagt Tacitus im
Jahre 822 {Hist. I, 9) : Scripsii Herennio Gallo, Ugionis primae legato,
qui Bonnam oUineiat. Dort standen tria milia legionarium ei tumid-
tuariae Belgarum eohories. Auf Bonn deutet auch I, 57: Ftoxima
{coloniae Äprippinensi) legionis primae hibemae erant et promptissimus
e legatis Fabius Valens. Bei dem Angriffe der vorüberziehenden Ba-
taver peüitur legio (IV, 20). Als hiberna primae legionis wird Bonna
IV, 25 bezeichnet. V, 22 heisst es: Profectus (Cerialis) Novesium (oder
Novaesium) Sonnamque ad tnscnda castra, guae hiematuris legionibus
erigehantur. Das uns hier begegnende, zuerst IV, 26 genannte Nove-
sium war das Standquartier der sechzehnten Legion (IV, 26. 62). Da-
mals also lag in den Winterlagern zu Bonna und Novesium je eine
Legion, während in der cnloniu Agrippinensis der leg(^us inferioris Ger-
maniae Viteltius seinen Sitz, aber keine Legion um sich hatte, wenn
es auch an einer prätorischen Cohorte nicht fehlte und die colonia ein-
Die Le^onen a. Rh. v. d. Kampfe Caesars gegen Pompeius b. z. Erheb. d.yitellia0. 45
heimische Besatzung hatte. Wann die Lager zu 'Bonna und Novesium
entstanden, wissen wir nicht. Die Vermuthung, diese Veränderung sei
in die Zeit gefallen, deren Beschreibung die uns fehlenden Bücher der
Annalen des Tacitus enthielten, wäre haltlos, da Tacitus ja keine Ver-
anlassung hatte, derselben zu gedenken, wenn sie keine Beziehung auf
die von ihm dargestellten Ereignisse hatte. Berechtigter ist die An-
nahme, die Verlegung der beiden Legionen aus der Nähe des oppidum
Ubiorum habe mit der Erhebung desselben zur ccionia Agrippinensis
zusammengehangen, was man dadurch begründen könnte, dass beson-
dere Verhältnisse beim oppidum Ubiorum dazu bestimmt haben mdssten,
da die drei übrigen rheinischen Winterlager zu je zwei Legionen fort-
bestanden. Aber es können auch andere Gründe dazu bestimmt haben,
den beiden Legionen getrennte Standquartiere näher bei Vetera und
Mogontiacum anzuweisen.
Unter dem Legaten von Niedergermanien Sanguinius, dem Nach-
folger des Apronius, sank die Zucht der Legionen und das Ansehen
des Römischen Namens, wozu auch der Wille des Claudius, die Ger-
manen in Kühe zu lassen, beigetragen haben mag. Die den Römern
lange befreundeten Ghaukeu machten mehrere Beutezüge an den Rhein.
Der darauf ernannte Legat Domitius Corbulo suchte die alte strenge
Zucht der Legionen wieder herzustellen i). Die von Gannascus geführten
Chauken schlug er zurück. Die Friesen, welche den Tribut verwei-
gerten, bezwang er, wies ihnen bestimmte Wohnsitze an, ordnete ihre
Verwaltung und legte eine Besatzung in ihr Land. Als er in gleicher
Weise die Chauken zu unterwerfen im Begriff stand, erhielt er- von Clau-
dius, dem man ihn verdächtigt hatte, den Befehl seine Truppen zurück-
zuziehen. So in seinen Eriegsplänen gestört, begann er, um seine Sol-
daten zu beschäftigen, einen grossen Kanal zwischen der Maas und
dem nördlichen Rheinarm. Dass unter Corbulo im Jahre 47 die Ugio
quarta Seythka aus Mösien an den Rhein gekommen, ist eine luftige
Annahme Pf itzner's (S.31. 233). In Obergermanien hielt der ehrsüchtige
Emporkömmling Gurtius Rufus die Legionen zur Gewinnung von Silber
aus den von ihm geöffneten spärlichen Minen im Lande der Mattiaker
an, was diese erbitterte (Tac. Ann. XI, 18 — 20). Drei Jahre später,
zu derselben Zeit, wo Agrippina durch die Erhebung des oppidum
Ubiorum zu ihrer Colonie ihre Macht auch am Rheine zeigen wollte.
1) Die Programmabliandlaiig von Wolfgramm „Cn. Domitiat Corbulo^
(Prenzlaa 1874) geht auf dessen KriegsfKhrang nicht ein.
4S Diel.agiooena.Rh. v,d, Kampfe Caesars gegen Pompeiui b.z. Erheb. d.Vit«l)iDi.
finOeo wir als Legaten Obergermaniens den Dichter Pomponius Se-
cutidus. Dieser störte die Riiubzögc der Chatten darch die Hülfe-
truppen der Van^ioneii uud Nemeter. während er 8e1t)st mit seinen
Legionen am Taunus stand').
Im Anfange von Neros Regierung hielten sich beide Germanien
ruhig. Die Legaten Paulinus Porapeius und L. Vetus machten gemeia-
nfltzige Anlagen und bewahrten ihre I^gionen durch angestreni^tfl
Thätigkeit vor Trägheit und Ausschweifung; der eine vollendete den
Rheindanim i)es Drusus, der andere verband durch einen Kanal die
Mosel mit der Saone, wodurch er den Kinspruch des Legaten von
Belgien Äelius Oracilis hervorrief, dass Vetus seine Soldaten in eine
fremde Provinx schicke*). Im Jahre 812 lieas Corbulo nach dem Be-
richte des TacituB (Ann. XIII, 35) aus Germanien eine Legion cum
eguitibtis alariis et peditatu eohorliitm nach Syrien kommen. Pfitzner
versteht unter der Legion ans Germanien die legio quarta Scjftltica, von
der wir gar nicht wissen, dass sie je in Germanien gelegen. Und die
Stelle des Tacitus hat ihre Bedenken. Jedenfalls ist es irrig, wenn
Pfitzner S. 233 sagt, als Corbulo seineo ersten Zug nach Armenien
unternommen, sei jene Legion noch unterwegs gewesen, da vielmehr
aus den Worten des Tacitus unwidersprechlich hervorgeht, dass dl«
adiecia ex Germania hijio im vorhergehenden Winter in Syrien ge-
wesen. Wenn nun Xlll. 3rt bei Avr Beschreibung der Schlacht bloss
die sechste Legion und 3000 Soldaten der dritten genannt werden, vm
einer Germanischen gar keine Rede ist, so zeigt dies, dass es damit
eine besondere Bewandtniss haben müsse. Man könnte denlten, ee sei
zu lesen adieetique ex Germania legionarii (vgl. Ann. VI, 41. XIV,
26. 38), aber auch dann würde ich noch an ex Germania Anstoss
nehmen. An die Absendang einer ganzen nicht näher bezeichneten Legion
vom Rhein nach Syrien kann ich um so weniger glauben, als Tacitus
nicht angiebt, weshalb gerade eine Germanische Legion binsugethaa
{adiecta) worden. Der Ausdruck selbst deutet auf eine gleichzeitige
Verwendung der in Cappadocien und Galatien gemachten Auabebungen
und dieser legio (?) zur Ergänzung der durch Entlassung der wegen
Alter oder Krankheit untauglichen Soldaten unvollständig gewordenen
Legionen.
Vielleicht geschab es im Jahre 817, dass die dreizehnte Legion
1) Tu. Ann. Xm, 21. SB. Tgl. Bergk Jfthrb. LTUI, 143 ff.
3) Tm). Ann. XIII, 63. Tgl. Uommtena ,rB«richte" •. s. 0. 9
%
DieLegionen a. Rh. v. d.Eampfe Caesars gegen Pompeias b. z. Erheb, d. Yitellias. 47
auB Vindonissa nach Fannonien kam, wo wir sie fünf Jahre später zu
Poetövio finden (Tac. Eist. II, 11, III, 1); sie hätte dann die zum
Parthischen Kriege ziehende fünfzehnte ApoUinarische ersetzt (Tac.
Ann. XY, 26). Pfitzner behauptet, erst Nero habe sie im Jahre 821
nach Pannonien gesandt. Aber durch welche Legion ward die drei-
zehnte Legion in Vindonissa ersetzt? Peter (Geschichte Roms III, 2, 10)
denkt an die zehnte, welche früher in Obergermanien gestanden habe;
aber diese befand sich vielmehr in Untergermanien. Die Versetzung
soll nach Pfitzner schon zur Zeit geschehen sein, wo ermnequarta
Seythica nach Syrien ziehen lässt. Ritter (zu Tac. Histl, 18), Bergk
u. a. nehmen an, Obergermanien habe damals nur drei Legionen ge-
habt, was dadurch noch nicht erwiesen wird, dass Tacitus ausser den
beiden bei Mogontiacum stehenden Legionen nur die einundzwanzigste
gelegentlich erwähnt (Hist. 1, 55. 61) ; denn sein Bericht ist so ungenau,
dass er an ersterer Stelle bei dem Eidschwure für Galba gar keiner
Legion in Vindonissa gedenkt. Freilich ist für die Achtzahl auch die
Rede des Agrippa bei Josephus nicht streng beweisend, selbst abge-
sehen davon, dass nach derselben in Hispanien eine Legion zu wenig
sich findet, wenn Grotefend Recht hat, dass hier damals zwei gestanden.
Bergk weist nach, dass auch zu Hadrians Zeit in Obergermanien nur
drei Legionen standen^). Möglich wäre es, dass in Vindonissa die
zweite Legion durch Hülfstruppen ersetzt worden, wie es z. B. später
in Pannonien nach dem Abgang der einzig noch gebliebenen geschah^).
Bemerkenswerth ist, dass Caecina von Vindonissa 30000 Mann weg-
führt, deren Kern die einundzwanzigste Legion bildete (Tac. Hist
1, 61). Unsere Eenntniss ist eben so lückenhaft, dass eine ganz sichere
Entscheidung hier unmöglich scheint.
Während der tollen Wirthschaft Neros, der fast zwei Jahre auf
seiner Künstlerreise zubrachte, war Verginius .Rufus in Ober-, Fonteius
Capito in Untergermanien Legat. Diese mussten Nero einzelne Ab-
theilungen zum Feldzuge gegen die Albaner ablassen. Der erstere zog
mit seinen Legionen gegen Julius Vindex, den Legaten des diesseitigen
Gallien, der sich gegen Nero erhoben und den ihm befreundeten Galba,
der damals Legat des Tarraconensischen Hispanien war, zum Kaiser
ausgerufen hatte. Er stützte sich dabei auf den Hass, welchen Galba
als Legat Obergermaniens sich durch seine Strenge bei seinen Soldaten
1) Jahrb. LVm, 248.
2) G. I. L. m, p. 282.
<8 Die Legionen tt.Rli.v.d. KampfeOaeBar» gegen Pompeiu»b /. Erhell. d.Vitelliu«.
zugezogen hatte. Seine Legionen erfochten einen glänzenden Sieg,
den Virghiins aber nidit weiter verfolgte, sonciern die Entwicklung der
Dinge rahig abwartete. Doch die Soldaten waren durch ihren Sieg
flbennüthig geworden, von stolzem Selbstbewusstsein und wildem Tbaten-
drang erfüllt; sie wollten ihn zum Kaiser erheben, was er aber ent-
üchieden ablehnte. Erst spät liess er die Legionen dem Galba schwören.
Bald darauf wurde er abberufen, und an seine Stelle trat zum bitter-
sten Aerger der Soldaten der abgelebte, an den Füssen leidende
Hurdconius Flaccus. Der Liegat von üutergermanieu Fonteins Capito
wurde, sei es aus persönlichem Hasse, sei es weil man ihn des Abfalls
von Galba zieh, von seinen zwei Legionslegaten, dem der ersten bei
Bonna, Fabius Valens, und dem der sechzehnten bei Novesinm, Corne-
lius Aquinus, in der colonia Agrippinensis ermordet. Die wohl von
Galba erwartete Belohnung blieb aus. An die Stelle des Fonteius
sandte Galba nach einiger Zeit den A. Vitellins, den bald darauf die
niederrheinischen Legiouen in der colonia Agrippenensis zum Imperator
ausriefen. Die Legaten der fünften und fünfzehnten Legion in Velera
waren Hunlus Lupercus und Numisius Rufus (Tac. Hist. IV, 22. 60).
Die vierte und zweiuodzwanzrgste Legion in Mogontiacum (der Legnt
der letztern war Diilius Vocula) nahmen die Erhebung des verhassten
Galba mit Unwillen auf; am L Jitnuar 822 fielen sie ab (Tac. Hist-
I, 18. 55). Legat der einiindzwanzijistyn Lvgion in Vindoni^^sa war der
von Galba derselben vorgesetzte, dann von ihm angeklagte Alienos
Caecina. Alle Rheinlegionen vereinigten sich zum Kampfe für Vitellius,
den sie Rom als ihren Schützling aufzudrängen und eine tolle Soldaten-
herrschaft einzuführen gedachten; auch die colonia Agrippinensis er-
klärte sich für den in ihr ausgerufenen neuen Imperator, der bald io
Rom schmählich enden sollte. U. Düntzer.
1) Tac Bist. IV, 24. Wilmanas Nr. IUI.
Die VictricenBes. 49
4. Die Victricenses.
In einer Inschrift bei Orelli n. 208 wird ein censüor dvium Eonia-
norum coloniae Vietricensis guae est in Britannia erwähnt. Diesen
Beinamen habe ich 1877 in den Jahrb. Heft 60 S. 65 zur Verbesserung
einer merkwürdigen Notiz der Veroneser Völkertafel des J. 297 be-
nutzt. Sie lautet nach Mommsen, Abh. d. Berl. Akd. 1842 S. 493,
wie folgt: Nomina duitatum trans renum fluuium guae sunt Usiphorum
tuuanium nictrensium nouarii (?) casuariorum: istae omnes duitates trans
renum in formulam belgicae primae redadae. trans castellum montia-
cesenum LXXX leugas trans renum romani possederunt. istae duitates
sub gaUieno imperatore a barbaris occupatae sunt, leuga sina habet
mitte quingentos passus.
Die offenbarsten Fehler hat Müllenhoff a. a. 0. verbessert,
indem er Usiporum, Tubantum, Chasuariorum herstellte. In den da-
zwischen liegenden Wörtern sucht er die Tencterer und ein Volk, des-
sen Name auf -varii endigt Er liest also Tencterorum oder Tendren-
sium und allenfalls Gattovarii.
Dieser Vermuthung setzte im J. 1866 Becker, Jahrb. Heft 39/40
S. 21 ff. gewichtige Einwürfe entgegen. Er verlangt vor allem Genetiv-
endungen und bezweifelt die Richtigkeit der Endsilbe. Sodann macht
er auf die Lücke aufmerksam, welche zwischen den aufgeführten Völ-
kerschaften und dem Gastell von Mainz bleibt. Indem er diese durch
die bedeutende allbekannte Festung bei Niederbiber theilweise ausfüllt,
liest er die verdorbenen Worte als Viäoriensium novorum. Den Namen
Victoria gibt er der Stadt, welche er nach einer Zerstörung unter Gal-
lienus von Postumus noch im 3ten Jahrhundert wieder aufbauen lässt.
Diese grammatischen Bedenken scheinen jenen ausgezeichneten Forscher
bewogen zu haben, seine Herstellung zu ändern. In seiner Ausgabe
der Germania 1873 S. 158 liest er: Tender[um] . . . uariorum, Cha-
suariorum.
Ich habe im J. 1877, Jahrb. Heft 60 S. 63 ff., die berühmte In-
schrift Orell. 3714 angezogen, nach welcher unter Commodus die achte
Legion das belagerte Novia entsetzt hat. Ich schrieb daher nach der
Analogie der oben angeführten Inschrift: Victricensium Novianorum.
Unser verehrtes Mitglied, Herr Prof. Hübner, bestreitet Jahrb.
1878 Heft 63 S. 47 meine Ausführung aus folgenden Gründen: „erstens
,,bewei8t der Name der Genossenschaft der signiferi Victorienses keines-
4
y
60 Die Viotricensefl.
„wegs, dass das ganze Gastell den Namen Victoria nova führte, me
„schon die älteren Erklärer der Inschrift fälschlich angenommen haben,
„und zweitens, selbst wenn Victoria oder Victrix Novia erweislich der
„Name des Gasteils gewesen wäre, so würde derselbe sich sicherlich
„nicht unter die Völkernamen der Veroneser Handschrift verirrt haben."
Von diesen Gründen geht mich der erste nichts an; wenn Hüb-
ner mir die Benennung Victorienses Noviani zuschreibt, so muss er
mich mit Becker und den frühem Erklärern verwechselt haben. Denn
ich sage ausdrücklich : „die Benennung der Stadt hat man mit Unrecht
„davon hergenommen'^ spreche auch nicht von Victorienses, sondern
von Victricenses 0. Der zweite würde nur dann entscheiden, wenn es
sicher wäre, dass die Handschrift nur Völkemamen nennt Sie führt
aber auch das castellum Mogontiacense auf und muss, da sie eine geo-
graphische Ordnung verfolgt» das Gastell oder die Stadtgemeinde der
Victricenses an seiner Stelle verzeichnen, wenn es im 3ten Jahrhundert
dort gelegen hat. Dass dies geschehen ist, beweist die Endung -enses.
Denn diese kann gebraucht werden, wenn es sich um eine Ableitung,
sei es von einem Geschlecht, wie Gaesarensis, oder von einem Völker-
oder Stadtnamen wie Taunensis u. dgl. oder von einem Beinamen der
Stadt oder des Volks wie in unserem Falle handelt, nie aber, wenn
das Volk selbst seinen eigentlichen Namen trägt. So würden Tencte-
renses die Einwohner einer Oertlichkeit Teneterum sein; eine solche
aber gibt es nicht; das Volk selbst heisst überall Tencteri -).
Die zweite Aenderung Müllenhoffs, welche Hübner still-
schweigend aufgenommen hat, enthält für lateinische Philologen einen
Kunstfehler. Nicht die gesunden Silben, sondern die kranken sind
einer Operation zu unterwerfen. Was kann aber gesunder sein als die
Endung -ensium? was unwahrscheinlicher als der Genetiv Teneterum,
der einen Nominativ Tencteres voraussetzt, der nirgendwo vorkommt?
Ebenso wenig darf in dem folgenden Worte die unanstössige Silbe no
1) Uebrigens steht der Stadtname Victoria nicht allein an der von Becker
angeführten, von Hübner besprochenen Stelle in Caledonien bei Ptolemaeus
2, 3, 9, sondern auch in Mauretania Gaesarensis bei demselben Ptolemaeus 4,
2, 24. Ich sehe auch nicht ein, warum er nicht gebraucht werden sollte.
2) Nur bei thracischen und dacischen Stämmen ist die P]ndung -rivcnoi
bei Ptolemaeus nicht selten, auch bei Ammianus Marcellinus (17, 13) vereinzelt
gebräuchlich; s. Zeuss, Die Deutschen S. 2G2. Wahrscheinlich Ableitungsssilben
von einem Stamm oder einer Oertlichkeit. In Gallion und Germanien kommen
solche Formen nicht vor.
Die Victricenns. 51
beseitigt werden; also ist die sonst annehmbare Conjectur des grossen
Germanisten -varioruin hier unstatthaft. Einen Genetiv verlangt die
Gonstruction ; die nach Mommsens Bemerkung nicht ganz sicheren
Endbuchstaben ii ergeben die Form . . . rw, es fehlt also zwischen no-
und der Endung -ruin etwas in der Mitte an einem richtigen Worte:
die§ findet sich, wenn man das überlieferte -wa- in -mano- oder, was
allenfalls dem schlechten Lateiner zuzutrauen wäre, in -vio- ändert.
ürlichs.
5. Minerva-Statuette aus Ettringen.
Hierzu Taf. I u. la.
Die kleine bronzene Athene, deren Abbildung in der Grösse des
Originals von drei verschiedenen Seiten auf Tafeln 1 und la vorgelegt
wird, wurde nach Angabe des Besitzers, in der Nähe von Ettringen bei CJot-
tenheim am Bellerberg (Kreis Mayen, Reg. -Bez. Coblenz) gefunden, 'auf
freiem Felde, welches mannigfache üeberreste römischer Bauanlagen zeigt*
und auf welchem eine systematische Ausgrabung wohl angebracht sein
würde.
Das Figürchen ist Vollguss, fein mit dem Meissel nachciseliert,
von guter Arbeit und wohlerhalten : ausser einigen. Schlangentroddeln
der Aegis und dem Helmbusch, der fast ganz abgebrochen, fehlen der
Göttin nur die Gegenstände, welche sie ursprünglich in den Händen
hielt. Welche das gewesen, lässt sich wenigstens vorläufig beim Man-
gel von Repliken nicht mit voller Sicherheit entscheiden; am Einfach-
sten und Wahrscheinlichsten wird in dem Loch, das durch die vorge-
streckte linke Hand geht, die Lanze anzunehmen sein; die gesenkte
Rechte scheint libierend die Schale gehalten zu haben.
Athene steht ruhig und fest auf dem rechten Fuss, während das
linke Bein spielend ein wenig vorgesetzt ist, und wendet das mit dem
eng anliegenden Helm bedeckte Haupt ein wenig nach der rechten
Seite (vom Beschauer aus) ; sie ist mit einem zwiefachen Chiton und
grosser Aegis bekleidet, welche der im Ellenbogen vorgestreckte linke
Arm mit sich zieht, so dass sich ihr Schlangensaum auf dem rech-
ten Oberarm leicht umlegt; das einfach zurückgestrichene Haar ist
hinten in einen Zopf zusammengefasst und fällt auf den Nacken herab.
B9 Minerva- Statuette aua Ettlingen.
Das Interesse der kleinen Bronze, deren Entstehung in das erste
oder zweite christliehe Jahrhundert fallen mag, liegt hauptsächlich in
dem umstände, daas uue in ihr ohne Zweifel die verkleinerte Copie
einer grossen Statue und zwar der ältei-en griechischen Kunst erhalten
ist. Darauf weist die volle runde Form des Gesichtes, weiche die Sta-
tuette von Ettringen mit der Parthenos und deren Ablegern — z. B.
der Minerve au coUicr, der Minerva des Antiochns von Athen u. a. —
gemein bat, im Gegensatz zu dem langen Oval, das die Athenaköpfe
vom vierten Jahrhundert an bekommen; zu dieser breiteren Kopffona
passt auch trefflich der kappenartige Helm, den die Parthenos gleich-
falls trägt. Auf einen älteren Typus führt ferner die Haltung der (an-
zunehmenden) Lauze mitten am Schaft, wie ja auch der Olympisdie
Zeus seinen Scepterstab in der Mitte gefasst hat, im Gegensatz zu der
späteren pathetischeren Weise, Lanze oder Scepter hochgefasst zur
Erde zu setzen. Endlich ist die eigenartige Bekleidung der Bronze
noch hervorzuheben: über einem bis auf die Füsse herabfallenden Chi-
ton ist ein zweiter ein wenig kürzerer Chiton mit langem Ueberwurf
gegürtet, durch dessen faltigen Schlitz längs des rechten Beins jener
Unterchiton durchblickt; dass nicht au eineu Mantel {sog. Diplax) zu
denken ist, wie man auf den ersten Blick und mit Rücksicht auf eine
ganze Reihe von Athenestatuen ') aBuehraen möchte, beweist ausser
der Gürtung die FaltenJage über dem Gurt, Diese seltene Gewandung
wiederholt sich ziemlich genau am schönen Torso der flcole des beaox-
arts und dessen Repliken ^), wo aber der Unterchiton durch den Schlitz
des Oberkleides in Folge der umgekehrten Beinstellung (r. Spielbein)
vollständig hervortritt. Ob der Pariaer Torso nun wirklich, wie
Lange") möchte, auf die Promachos des Phidias zurückzuführen ist..-
oder nicht, immerhin hat er als Copie einer Athene des fOnften vor-
christlichen Jahrhunderts zu gelten, und so wird denn auch diejenige
Athenastatue, von der uns in der Bronze von Ettringen eine späte,
bildlich gute Copie erhalten ist, jenem pericleischen Zeitalter angehört
haben. Und darin liegt der Hanptwertb der kleinen Figur.
Halle a^. B. Heydemann.
1) Vgl. <]azu Bernoalli MinervenaUtnen S. 26 f.
2) Tgl. dain Archäol. Mittb. dea »then. Inat. T S. 102 ff.
8) ArcbftoL Ztg. ISBl 8. 197 ff.
Die jüngsten Funde aaf dem Boden des römischen Gastmms za Deutz. 63
6. Die Jüngsten Funde auf dem Boden des römischen Castrums
zu Deutz.
Hierzu Taf. III, 2 u. Taf. IV.
Seitdem man im Sommer 1879 bei der Ausschachtung des Bodens
im Garten der Artillerie -Werkstatt aut die Reste eines römischen
Thurmes, des mittleren der Nordseite, stiess, worüber der Unterzeich-
nete zuerst berichtet hat 0> ist es durch Bewilligung reicher Geldmittel,
die den Lokal Untersuchungen von verschiedener Seite, besonders vom Bon-
ner Provinzial-Museum zuflössen, gelungen, den äusseren Umfang und
die bauliche Anlage des römischen Castrums zu Deutz im Allgemeinen
festzustellen, wie das von Oberst Wolf im 69. Hefte dieser Jahrbücher
(S. 13 flf.) mitgetheilte Ergebniss zeigt. Die Ausbeute an Inschriften
und andern Gegenständen des römischen Kulturlebens war verhältniss-
massig gering. Um so erfreulicher ist es daher, dass neuerdings bei
der Verlegung des Bergisch-Märkischen Bahnhofs in den westlichen Theil
dieses Castrums weitere Aufklärungen nach dieser Seite hinzugetreten
sind. Die Zusammenfassung der bisher gewonnenen Resultate einer
ferneren Besprechung vorbehaltend, sollen im Folgenden nur die im
Laufe dieses Sommers gemachten Funde kurz mitgetheilt werden. .
Der Gang der Arbeiten zur Fundirung des Bahnkörpers längs
dem Rheinufer umfasste zunächst die westliche Umfassungsmauer des
römischen Gastrums, welche in ihrer ganzen Länge, soweit dieselbe
noch vorhanden, bis auf die Sohle blossgelegt wurde. Der beifolgende
Situationsplan Taf. III, 2, den ich der Güte des Herrn Baumeisters
Rosskothen verdanke, gibt den Querdurchschnitt des damaligen Bau-
horizont sowie die Profile an ; die rothe Farbe bezeichnet das römische,
die blaue das moderne Mauerwerk. Zur näheren Erläuterung möge
noch Folgendes dienen.
Von derWestfronte des Castrums war zu Anfang dieses Jahrhunderts
nur die grössere nördliche Hälfte mit Einschluss der beiden Thorthürme
in der Ausdehnung von c. 82,96 m den zerstörenden Wirkungen der
Zeit und des Stromes entgangen. Aber auch diese waren der Art aus-
gewaschen und unterspült, dass die Fest ungs- Baubehörde, welche sie
1) Siehe Köln. Zeitung vom 6. JuU 1879, zweites Blatt, unter dem Titel :
'Die Aasgrabungen zu Deutz und ihre Wichtigkeit für die Heimathkunde'.
Sl Dio JUugston Funde auf 0cm Boileii lies römigchen Caatrums eu Deutz.
vor UDgüiahr 50 Jahren bei Ilerstelinng der sog. Abschliiss- otlerKehl-
iiiauer mitbenutzen wollte, dazu übcrfrehen musste, sie nach aussen
neu zu bekleiden und zu vertiefen. Die dazu vernaudtcn Basalt-
Bteine verliehen diesem Theile der römischen Mauer vom Ufer aus
ein ganz modernes Gepräge, und nur einzelne behauene Steine, dar-
unter einige mit verwitterten Schriftzeiehen versebene, sowie der an
einigen Punkten noch hervortretende römische Mörtel verriethen dem
kundigen Auge den früheren Charakter. An der Innenseite hatten
die alte Pfarrkirche, der Kirchhof und das Spital den ursprünglichen
Zustand hesser gewahrt, wie die im Laufe dieses Frühjahrs vorge-
nommene Ausschachtung ergab.
In ihrer baulichen Anlage trug die Westseite im Allge-
meinen denselben Charakter wie die entgegengesetzte Ost-
aeite. Der Eingang war durch zwei Halbthürme gedeckt, die 6,50 m
von einander abstanden. Zwischen dem nördlichen Halbthurm und
dem Schiukenkessel, wie der nordwestliche Eckthurm genannt wird,
genau in der Mitte, lag noch ein Thurm. Aus der nördlichen Hälfte
liess sich die südliche Hälfte der Westfronte leicht reconstruiren.
Auch die Art des Mauerwerks war von der anderwärts be-
obachteten nicht verschieden: Der Überbau bestand aus je drei Lagen
Tuff und einer XiageZiegelpl&tten; die Zwischenmaaem hatten nach onten
einfache, die Thllrme eine doppelte Verstärkung, wie die Profile zeigen.
Die Stärke der Mauern, welche sich mit UUcksicht auf die
rheinwärts stattgefundenen Zerstörungen nur annäherungsweise be-
rechnen lässt, scheint au dieser Seite geringer gewesen zu sein, als an
der übrigen. Die Höhenmassc dagegen Hessen sich genau ermitteln.
Die römischen Mauerreste traten an einigen Stellen gleich unter
der Oberfläche, an andern etwas tiefer zu Tage. Die obersten Punkte
lagen 9,57 m, die Sohle der Fundamente gleichmässig 5,00 m über
dem Nullpunkte des Kölner Pegels, mithin betrug die ganze
Höhe 4,57 m. Die Verstärkungen der Zwischenmauern lagen nördlich
6,98 m, weiter südlich 7,24 m, die der ThUrme 8,14 m Über dem Null-
punkt des K. P. Nimmt man nun an, dass diese Verstärkungen einen
Theil der Fundamentirung ausmachten, so gehörten von der soeben
gefundenen Gesammthöhe von 4,57 m 3,14 m dem Unterbau, 1,43 m
dem Oberbau an. Ein in dem nördlichen Thorthurm eingebauter
Bogen scheint dem späten Mittelalter anzugehören, derselbe ist flach
und nachlässig gebaut. Sein Zweck lässt sich nicht errathen '). Dem
1) Auf die vom Oberat Wolf in der 'Weatdautschen Zeitachrift Kx G»-
Die jüngsten Fundo auf dem Bodon des römischen Castrums zu Deutz. 66
Oberbau entspricht die Auflandung des Bodens an dieser Stelle. So-
viel über die westliche Umfassungsmauer.
Von Funden, die während des Bahnbaues auf dem Boden des
römischen Castrums an verschiedenen Stellen gemacht wurden, mögen
die wichtigsten in Folgendem aufgezählt und kurz besprochen werden.
Bei der Ausschachtung des Bodens gegenüber der kath. Pfarrkirche
fand man eine Bronze-Gruppe (Taf.IV). Im Vordergrunde steht eine
männliche Figur mit krausem Bart um Wangen und Kinn, während
die Oberlippe bartlos ist. Ueber dem linken Arm hängt ein Löwen-
fell, im Uebrigen ist sie vollständig unbekleidet. Das linke Bein ist
vorgestreckt. In der Rechten trägt sie eine kurze knorrige Keule und
fasst mit der Linken eine weibliche Figur bei den Haaren, die auf einem
in schnellem Laufe befindlichen Pferde sitzt. Diese hat das aufgelöste
Haar, welches sich wie ein Mantel um Nacken und Schultern legt, in
der Mitte gescheitelt und trägt einen bis zum Halse hinaufreichenden
Aermelchiton nebst einem kurzen Obergewand, welche beide durch
einen Gürtel zusammen gehalten werden. Eng anliegende Stiefel, die
vom zugeschnürt sind, vervollständigen ihren Anzug.
Wie Keule und Löwenfell den Mann deutlich g;enug als Herkules
kennzeichnen, so genügt die Pelta, in der Reiterin eine Amazone zu erblicken.
Wir stehen in dem Deutzer Castrum zwar auf römischem Boden, allein
die in der Gruppe zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen gehören nicht
dem römischen oder gar keltisch-gallischen, sondern dem griechischen My-
thus an. — Die Amazonenkämpfe sind ein Wiederhall der ältesten feindse-
ligen Berührungen zwischen den Hellenen und Asiaten. Infolge des neu-
gestärkten Nationalbewusstseins nach den Perserkriegen hat die bildende
Kunst sich dieses Stoffes bemächtigt und in nationalem Sinne verwerthet
Das Parthenon, der Theseustempel und die Poikile zu Athen, der Zeus-
tempel zu Olympia, der Apollotempel zu Bassä und viele andere sind
mit Darstellungen aus diesem Sagenkreise geschmückt. Und was die
grössten Künstler der Blüthezeit dort geschaffen, ist in immer weitere
Kreise gedrungen und hat befruchtend fortgewirkt, soweit hellenische Bil-
schiohte und Kunst', Jahrg. I, H. 1 S. 49 fif. hierüber geäusserte Yermuthung,
welche dem Verfasser erst während des Druckes zu Gesicht gekommen ist, kann
hier keine Rücksicht genommen werden; eine demnächst erscheinende Bespre-
chung des ganzen Gastrums wird ohnehin Veranlassung bieten, diese wie andere
Angaben einer näheren Prüfung zu unterziehen.
^
56 Dio jüngsten Funde auf dem Boden des römischen Gastrums zu Deutz.
dung reichte. ~ Unter allen griechischen Helden aber ist Herkules als Re-
präsentant des Hellenthums und zugleich einer höheren sittlichen Weltord-
nung am häufigsten mit diesen Kämpfen in Verbindung gebracht worden.
Mit dem Auftrage, den Gürtel der Hippolyte zu holen, verknüpfte die
griechische Sagendichtung eine Reihe anderer Abenteuer mit Amazonen.
Allein trotz aller Freiheit, welche sich die Künstler gestatteten, haben
gbwisse Vorstellungen ein typisches Gepräge erhalten. So das Reiten
der Amazonen, ihre Waffen, insbesondere der halbmondförmige Schild,
Pelta genannt, die Bekleidung der Beine, bisweilen auch des Kopfes
nadt Art der phrygischen und scythischen Völker 0-
In dieser fertigen Gestalt ist der Mythus zu den Römern ge-
kommen und auch in der oben beschriebenen Gruppe leicht zu er-
kennen. Zur plastischen Darstellung dieses Kampfes ist hier der Mo-
ment gewählt, wo Herkules, dessen vorgestrecktes linke Bein die Be-
wegung andeutet, die besiegte Amazone eingeholt und bei den Haaren
erfasst hat. Die Amazone trägt ausser dem Schilde in der Linken
keine Waifen und sucht mit der Rechten den Angriif abzuwehren.
Das Ergreifen bei den Haaren als Motiv, um bei plastischen Darstel-
lungen das Resultat des Kampfes zu bezeichnen, findet sich schon
am Apollotcmpel zu Bassä und am Mausoleum zu Hallikamass, dort
bei einem jugendlichen Griechen, hier bei Herkules angewandt. Je mehr
dieses Motiv bei si)äteren Darstellungen typisch geworden, je mehr ver-
lor sich auch das künstlerische Verständniss für seinen Vorgang.
DiekünstlerischeBehamllung der DeutzerGruppe ist durchaus schwach
und verriith eine sehr spate, mindestens constantinischeZeit. Die Amazone
zeigt keine Spur von der plastischen Schönheit, welche die grossen Meister
ihnen zu geben wussten; der Herkules ist plump und seine Stellung zur
Amazonii unglücklich zum Ausdruck gebracht. Wie ein Statist, dem es
vor Allem auf das Gesehenwerden der Zuschauer ankommt, wendet er
sich en face dem Beschauer zu, indem er seine Action vergessend, diese
eigentlich nur durch das Anliegen der linken Hand an den Kopf der
Amazone noch andeutet-). Beide Figuren sind schlecht proportionirt,
1) Die Belegstellen bei Steiner: Ueber den Amazonen-Mythus in der
antiken Plastik. Leipzi^jf 1857.
2) Zu ähnlichen Wahrnehmungen veranlassen Darstellungen von Amazoneu-
kiimpfen auf einer Silbervase im Museum zu Petersburg. ( Antiquites du Bosphoro
Cimmerien au Musecs imp. de TKremitapfe. T. XL IT.). Eine der Amazonen sitzt
hier so vollstiindi^^ ruhi<r auf ihrem gegen einen Krieger anspringenden Pferde,
als sei vun einem wirklichen Kampfe keine Rede.
Die jangsten Funde aaf dem Boden des römischen Castrums ku Deutz. 57
besser das Pferd. Das Geschirr desselben und Einzelheiten, wie das
gekräuselte Haar des Hercules, sind dagegen sorgföltiger behandelt.
Die Masse ergeben für die Länge der Gruppe 0,208, für die Höhe
0,139. Die Platte, auf welcher sie befestigt ist, hat die Form eines
Kreissegments, aus dessen Kiickseite ein gerundetes Stück ausgeschnitten
ist(Taf.IV, la). Sie lässt durch eingebohrte Löcher erkennen, dass die
Gruppe als Aufsatz befestigt war. In welcher Weise und auf welche Art von
Untersatz, ob vielleicht auf dem Deckel einer Gista bleibt schwer
zu entscheiden. Jedenfalls hat die Basis ihre jetzt hinterwärts verschnit-
tene Form ursprünglich nicht gehabt. Wohl aber geht aus der vernach-
lässigten Formbildung der Rückseite hervor, dass die Gruppe gegen
eine Rückwand, vielleicht in einer Nische, und nicht freistand.
Ferner traf man an derselben Stelle einige birnenförmige Grab-
umen von grauem Thon c. 27« m unter der Oberfläche. Der enge
Hals war verschlossen und im Innern der Urne stand auf dem Boden
eine kleine Schale, welche die Asche und Knochenreste enthielt.
Mancherlei neue Aufschlüsse lieferten die Arbeiten, welche zur
Fundirung des Bahnkörpers am Bheinufer ausgeführt wurden. So-
weit nämlich unsere Kunde zurückreicht, diente dieser Theil des
Castrums als Kirchhof. Daher die ungeheure Menge von Gebeinen
jeglichen Alters und Geschlechts. Auch Ueberreste von Thieren waren
nicht selten. So beobachtete der Unterzeichnete in der Tiefe von c.
.2,50 m unter der Oberfläche eine horizontal liegende römische Ziegel-
platte, die mit Asche und verkohlten Knochenresten ganz bedeckt war;
unter den zerstreut umherliegenden Knochen konnte man mehrere
Kinnbacken von Schweinen, zwei Hundegebisse u. a. unterscheiden.
Dass hier zahlreiche Scherben von mittelalterlichen und antiken Thon-
gefässen, römische Ziegelstücke jeder Art angetrofien wurden, bedarf
wohl kaum der Erwähnung. Der Untersatz eines kleinen Schäkhens
hatte auf der Unterseite den Töpferstempel
"VRNVS/
Ein Ziegelfragment trug die Zeichen [LEGXX- •. Welcher Legion
der Stein angehörte, lässt sich nicht entscheiden, denn nur das erste
Zahlzeichen ist vollständig vorhanden, das zweite fällt schon theilweise
in den Bruch, lässt sich aber mit Sicherheit ergänzen.
Eine viel reichere Ausbeute lieferte die Beseitigung der beiden
Thorthürme. Nachdem dieselben Ende Juli d. J. mit Pulver gfepretJgt
waren, wurde der Schutt zum Schutze der neu angelegten Böschung^-
1
Die jüngsten Funde auf dem Boden des römischen Castrums zu Deutz. 59
ProvinzialstatthalterD, welche niemals Consuln gewesen waren'. Be-
lege für den erweiterten Gebrauch dieses Titels und seine Abkürzung
in cos finden sich u. a. im C. I. V nr. 868—870, 3248 u. 3338.
Da diese Erklärung jedoch nur zulässig ist durch Annahme einer
Anomalie, die Stellung vom praenomen des Vaters hinter dem cognomen
des Sohnes, so ist es einfacher und richtiger, den Ausfall eines B an-
zunehmen und den genannten Sextus Valerius Verus der Klasse der be-
neficiarii consulares zuzuweisen, welche häufig auf Inschriften genannt
werden, so auf zwei Steinen im Kölner Museum (vgl. Düntzer, Verz.
der röm. Alterth. II, 4 u. 193), um ein Beispiel aus der Nähe anzu-
führen. Dem Schriftcharakter nach scheint die Inschrift dem 3. Jahr-
hundert anzugehören.
Von einem zweiten Votivsteine ist nur die obere linke Ecke er-
halten, 25 cm breit, 32 cm hoch und 14,8 cm dick. Der Kopf zeigt
eine ähnliche Behandlung wie der vorhergehende, auch findet sich an
der linken Seite der obere Theil desselben Baumes. Die Vorderseite
trägt folgende Schriftzeichen:
In der ersten Zeile scheint die Widmung gestanden zu haben;
denn die Buchstaben dieser Zeile sind grösser als die von Zeile zwei
und drei ; jene haben eine Höhe von 48 mm, diese von 34 mm. Her-
kulesaltäre waren ja in unserer Provinz nicht selten. Ueber die Er-
gänzung der 2. Zeile wage ich keine Vermuthung, glaube jedoch auf
die im Kreise Jülich gefundenen Matronensteine hinweisen zu dürfen,
auf denen Matronae Gesaienae Gesahenae vorkommen ')•
Ein weiteres Stück von einem Votivstein ist oberhalb der Inschrift
abgebrochen. Ein weicher Sandstein, dessen Rand dicker ist als die
Inschriftenfläche, enthält folgende Schriftzeichen:
- " fSEVE
- . . - A NO
Andere Funde wurden an der Westfront nicht gemacht, dagegen
1) Bramb., C. I. Rh. n. 616. Haug, Die röm. Denksteine des grossher-
zogl. Antiquariams in Mannheim nr. 24 u. 31.
GO Die jängHteo Funde auf dem Bodüu dea römJHchOQ Cutnimg xa Deutz,
wurden unmittelbar vor der Nonlfront bei der ÄusscliachtuDg des
Bodens zur Herstellung eines sog. DiamaDtgrabeRs zum Schutze des
Schiukenkes3els, des einzigen Thurines vom römishem Castrum, der
auch in Zukuoft Bciner ursprünglichen Bestimiuung erhalten bleibt,
zwei Gegenstände aufgefunden, die einer Beachtung werth sind: ein
Löwe und das Fragment einer Inschrift,
Der aus Stein gehauene Löwe ist gleich den meisten andern Fund-
Stücken stark beschädigt, da Schnauze, Schweif uud Beine gröseten'
theils fehlen. Schon in der römischen Periode hatte man ihn als
Baustein gebraucht, wie der an den beiden Seiton vorhandene Mörtel
beweist. Der erhaltene Theil hat eine Hübe von 48 cm uud die Länge
vom Schweife bis zur Schnauze beträgt 90 cm. Dieser Lowe hatte
ursprünglich eine aufrecht stehende Stellung mit voranstehendem rechten
Hinterbein und erhobenem linken Vorderbein. Zwischen den Vorder-
beinen zL'igen sich Reste eines viereckigen Stiltzpunktes und zwei am
Eude des Rückgrads und auf der Mähne befindliche senkrechte Ein-
bohrungen, in denen abgebrochene viereckige Eisenstückc mit Bleiguss
befestigt sind, scheinen anzudeuten, dass derselbe auf dem Rücken eine
Figur getragen hat.
Der obere Theil einer Steinplatte, 48,5 cm breit, 25,2 cm hoch
und 13 cm dick, enthält folgendes in schonen regelmässigen Ziigen
cingehauene Fragment einer Inschrift:
iQ-sevERivj^
V I T A L l/s
I ^ n p T D p >
In der 2. und S.Zeile ist nur je ein Buchstabe ausge&llea. Die
Ergänzung des s In Zeile zwei dürfte wohl keinen Widerspruch findCD.
In der 3. Zeile haben wir jedenfalls die Reste eines Cognomens zu dem
vorhergehenden Namen vor uns; wie dieses gelautet, wird wesentlich
davon abhangen, ob man in dem letzten Buchstaben die Reste eines
A oder I erkennen will, mir scheint letzteres der Fall zu sein, so dass
der Eingang der Inschrift muthmasslich gelautet hat: Q. Severios
Vitalis Agrippinensis.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass ausser etwa einem Dutzend
römischer Münzen aus der späteren Kaiserzeit, von Constanz, Constantin
Valeotinian u. a., deren Fundorte im Einzelnen nicht mehr angegeben
werden können, beim Baggern im Rhein mehrere Theile eines schönen
römischen Kelchglases sowie zwei Mammuthzähne zum Vorschein kamen,
von denen einer vollständig ist, während am andern einige Lamelleo
Die jüngsten Funde auf dem Boden des römischen Gastrams zu Deutz 61
fehlen. Der Fundort beider war gleich unterhalb des Castrums etwa
50 — 60 Meter vom Ufer entfernt. Die geringe Tiefe des Fundortes,
welche ungefähr dem Nullpunkte des Kölner Pegels entspricht, lässt
vermuthen, dass diese Mammuthzähne angeschwemmt waren. Ein sil-
berner Adler, der ebenfalls gefunden sein soll, ging angeblich in den
Privatbesitz des Herrn Oberst Wolf über.
Sieht man von den grösstentheils aufgedeckten Umfassungsmauern
ab, so umfasst das bisher Gefundene gewiss nur einen kleinen Theil
dessen, was der Boden noch birgt; allein auch dieses Wenige bietet
uns einige Anhaltspunkte für die äussere und innere Ausstattung des
Deutzer Gastrums. Mag auch in ersterer Beziehung die bauliche An-
lage im Allgemeinen den praktischen Bedürfnissen entsprochen haben,
so zeigten doch die Eingänge ursprünglich jenen ornamentalen Schmuck,
auf welchen die Römer bei öflFentlichen Bauten stets hohen Werth
legten. In letzterer Beziehung aber darf man wohl behaupten, dass
zahlreiche Denkmäler, Bildsäulen, Gedenk- und Weihesteine das Innere
geschmückt haben.
Zugleich bezeugen die oben erwähnten Umstände, unter denen man
die Denkmäler aufgefunden hat, die Thatsache, dass dieses Castrum
einst eine grosse Zerstörung erlitten hat, bei welcher die stürmenden
Feinde auch die Heiligthümer nicht schonten. Ihre Verwendung sodann
als gewöhnliche Mauersteine lässt aber auch erkennen, dass die Bömer,
welche das Castrum wieder aufbauten, von ihren Vorgängern zwar die
alte Technik, aber nicht den alten Geist, welcher diese Gegenstände
für heilig hielt, überkommen hatten. Diese letztere Thatsache macht
es wahrscheinlich, dass die Zerstörung und letzte Wiederherstellung
schwerlich vor der Mitte des 4. Jahrhunderts stattgefunden hat.
Schwörbel.
Nachtrag. Bei vorstehender Berichterstattung konnten die
inzwischen erschienenen Besprechungen der Amazonen-Gruppe von Geb-
hard in der Festschrift für Crecelius S. 99 flF. und von Duhn in der
Westdeutschen Zeitschrift, Jahrg. I, H. I, S. 178 f. nicht mehr benutzt
werden. L. S.
BömiKhe IiiBcbriftea hui Bmui.
7. Römische Inschriften aus Bonn.
1.
Der Beit einigen Wochen begonnene Abbruch des beim Neubaa
der Stiftskirche noch stehen gebliebenen hinteren Theiles der alten
Kirche hut die daran geknüpfte HofTnung (ier hiesigen Freunde des
Alterthuins auf antiquarische Ausbeute wenigstens nicht ganz ge-
täuscht Ausser mehreren alten, in die Seitenmauer hinein verarbeiteten
Flursteinen, die, wenn sie noch an ihrem alten Standorte sich bcräDdcn,
uns interessante Aufschlüsse Über den Umfang des Besitzthums des
ursprünglichen, vor dem Cölnthor gelegenen Stiftes Dietkirchcn geben
würden, mit der Aufschrift DIETK: | LANDT, ist man am lOten MSrz,
wo man den Todtenkeller des Stiftes, der noch die Gebeine mehrerer
Stiftsditmen beherbergt, öffnete, auf eine grosse Platte ') von Stelzen-
berger Trachyt gestossen, welche zum Grabmal einer Stiftsdame des
uralten Stifts gehörte.
1) Dieselbe ist 1,15 m lang, 0,66 m breit und 0,09 m dick and trigt
innerhalb eiDSr nDgium gezogensD Leitte eine Intcbrift. Dft dieselbe fSr den
Erfortoher der Geschichte alter rheiniicher Familien von iDtereue lein kmnn,
•o theilen wir lia hier im Wortlaute mit:
CLAVDITVRHO
CTVMVLOINTE
GERRIM/tVIT/t
VIRGOMARIAh€
INERTjHAGENS
ANNOSNATAA
M0RTESVA18P0
STQ V05
N V ^ t,M N Q
VA T MVl
VE * RED
ESIIT "
AO 1666
Rdmisehe Insohriften ans Bonn. 68
Von grösserer Bedeutung sind die Funde, welche das römische
Alterthum betre£fen. Zunächst fand man das Bruchstück eines Reliefs
ans gelblichem Sandstein, hoch 0,68 m, breit 0,33 m, dick 0,25 m,
das zu einem grösseren Monument gehört zu haben scheint In einer
nischenförmigen Vertiefung liegt eine nackte, anscheinend weibhche
Gestalt, von jugendlichen Körperformeu, von der die untere Parthie
von den Lenden abwärts jetzt fehlt, gestützt auf den Ellenbogen des
linken Armes, wärend die rückwärts gewendete Hand des erhobenen
Vorderarmes das nach hinten gekämmte, reichlich über die Schultern und
den Nacken herabwallende Haar erfasst. Der rechte Arm ist den Körper-
linien angeschmiegt, aber sehr beschädigt; die rechte Hand fehlt jetzt.
Ebenso ist das Gesicht, welches dem Beschauenden zugekehrt war, so-
wie die Brust jetzt abgestossen.
Noch wichtiger aber ist der Fund eines römischen Inschriftsteines,
welcher bei der Fortsetzung der Arbeiten am 15. März zu Tage ge-
fördert wurde. Derselbe war in die äussere Mauer der Kirche so
hineingesetzt, dass die Seite, welche die Inschrift trägt, nach innen
gekehrt war. Dass die Stelle, wo er gefunden wurde, bei ihm eben-
so wenig, wie bei den Flursteinen, als sein ursprünglicher Standort anzu-
sehen ist, sondern dass er vielmehr mit dem noch brauchbaren Material
des uralten vor dem Cöinthor gelegenen Stifts Dietkirchen, welches
zum Theil mit den Trümmern des römischen Castrum erbaut worden
ist, an seine jetzige Stelle verschleppt worden ist, liegt nach dem, was
in diesen Jahrbüchern LXVI, 1879, S. 108. LXVII S. 65 über die Schick-
sale des alten Klosters Dietkirchen und die Entstehung der jetzt dem
Abbruch überlieferten Stiftskirche von aus'mWeerth und mir bemerkt
worden ist, nicht nur zu vermuthen nahe, sondern wird auch durch den
Inhalt der Inschrift, welche sich auf die Errichtung eines mit dem Ca-
strum eng verbundenen Gebäudes bezieht, zur Gewissheit erhoben.
Das Material des Steines, der sich jetzt im Provinzialmuseum zu
Bonn befindet, besteht aus Trachyt vom Drachenfels. Er ist, weil als
Baustein verwendet, später dem Bedürfniss entsprechend zugehauen
worden. In Folge dieser Verstümmelung ist die linke Seite vom Be-
schauer stark und schräg abgehauen, wodurch jede Zeile dort bald
einen ganzen bald einen halben Buchstaben eingebüsst hat. Auf der
rechten Seite scheint dagegen nur ein sehr schmaler Streifen abge-
' nommen worden zu sein, da dort bloss der Schluss von ein Paar Zeilen
gelitten hat Das vorhandene Stück, das unten emen kleinen jetzt
0,15 m hohen hervorspringenden Sockel hat, besitzt eine Höhe von
64 RöuiBcbe lascbriftm aus Bodd.
1,09 m, eine Breite von oben 0,57 m, in der Mitte von 0,55 m, and
ganz unten von 0,54 m , sowie eine Dicke von durchschnittlich
0,26 m. Das Inschriftfeld misst in der Höhe 0,90 m, der zwischen
der letzten Zeile und dem Sockel freigelassene ßaum beträgt 0,23 m
in der Höhe.
Die Inschrift ist in schüncn und regelmässigen, aber nicht sehr
tief eiugemeisselten Buchstaben, deren Höhe in den einzelnen Zeilen
variirt, eingehauen. Dieselbe beträgt in Z. 1 und 2 0,08, Z. 3 und
4 0,07, Z. 5 und 6 0,06 und in der letzten Zeile 0,05. Die Oberfläche
des Steines hat zwar mehrfach gelitten, indessen ist die Lesung der
Inschrift een)st völlig eicher. Sie lautet nach meiner Abschrift;
riE R C V L
^CALPVR
N IV5 ■ PRO
^LVS_LEG A/c
.EG-I-M PF
ERACTOOPE
ENALET-hNAf
Z. 1 ist der erste vertikale Strich von H nur noch in seinem un-
teren Theile erkennbar. Am Ende der Zeile fehlt nach L, von dessen
verticalem Strich die obere Hälfte fehlt, jetzt I ; es könnte zwar auch za
Anfang der 2. Zeile gestanden haben, da die linke Seite mehr eingebüset
hat. Dies halte ich indessen für nicht wahrscheinlich, da dort noch die
Ueberreste eines Zeichens vorhanden sind, welches kein I gewesen sein
kann; vielleicht war I mitL zu einem Zuge verbunden. Diese Annahme
liegt desshalb sehr nahe, weil der Stein auch oben nicht ganz unver-
sehrt ist
Z. 2 kann vor C nach der Disposition der einzelnen Zeileo und
mit Rflcksicht auf die Grösse der Buchstaben in den ersten drei Zeilen
kein anderer Buchstabe mehr gestanden haben als derjenige, von dem
jetzt der untere auf der Zeile ruhende horizontale Strich vorhanden
ist. Derselbe rührt von einem L her und gehört dem Fraenomen des
Dedicanten an. .
Z. 3 ist vollständig, nur fehlt vorne der vordere Verticalstrich des
N und am Ende der Zeile die hintere Rundung des 0.
Z. 4. Das im Anfang vorhandene Zeichen ist die obere Rundung
eines C. — Der am Ende der Zeile in der mittleren Höhe hinter V
angebrachte kleinere einem C ähnliche Buchstabe ist ein verstümmeltes
kleines Q.
Römische Insohriften aas Bonn. 66
Z. 6 fehlt zu Anfang ein P, Z. 7 zu Anfang ein R und der am
Ende der Zeile noch schwach erkennbare Perpendikulärstrich rührt von
einem R her, mit dem vielleicht ein I zu einem Zug verbunden war,
wie dies in demselben Wort in der ebenfalls hier in Bonn gefundenen
Inschrift des Edistus (C. I. Rhen. 462) der Fall ist.
Der Text der Inschrift ist demgemäss in folgender Weise zu
ergänzen :
Herctd[i] L. Cälpumins Troclvs leg{atus) Aug{usti) leg{ionis) pri-
mae M{inerviae) p(iae f{idelis) [p^eracto ope[r]e valetudinaln(i)],
Fragen wir zunächst nach der Zeit, aus welcher dieses für die
Kenntniss der römischen Militäreinrichtungen interessante Denkmal
herrührt, so gibt uns der Charakter der Schriftzüge darüber zwar
immerhin einigen, wenn auch ungenügenden, Aufschluss. Denn bei
Schlüssen, die aus der Form der Buchstaben gezogen werden, ist stets
grosse Vorsicht nothwendig, wenn man sich nicht der Gefahr einer
Täuschung aussetzen will. Indessen lehrt eine Vergleichung der Schrift-
züge mit denjenigen anderer datirter oder datirbarer Inschriften des
Rheingebietes, dass die Inschrift wahrscheinlich in die Zeit der Antonine,
also in die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts, zu setzen ist. Diese
Vermuthung erhält einiger Massen eine Bestätigung durch den Umstand,
dass der dedicirende Legat der Legio I Minervia eine uns bereits ander-
weitig bekannte Persönlichkeit ist Der hier genannte Calpumius Proclus
ist nämlich von der Stadt Ancyra in Galatien wegen derselben erwie-
sener, nicht näher bezeichneter Wohlthaten durch eine Ehrenbasis aus-
gezeichnet worden, aus deren Aufschrift wir zugleich einen Theil seiner
staatlichen Laufbahn kennen lernen. Die Aufschrift (C. I. Gr. EI, 4011)
derselben ^), in der das Praenomen weggelassen ist, lautet:
KAAnOYPNION
nPOKAONEKZYN
KAHTIKQNKAlYnATI
KQNXEI AI APXON
ENAAKIAAEriQNOZ
irrEM IN HC AHMAP
XONZTPATHrONPQ
MHZEniMEAHGENTAO
1) Da die vielen Ligaturen der Inschrift sich schlecht durch den Druck
wiedergeben lassen, so habe ich dieselben aufgelöst, zumal keine Zweifel über
ihre Deutung bestehen. Genau hat sie Montfaucon, Palaeogp:. gr. p. 158 d. IV
wiedergegeben.
5
66 Römische Insohriften aas Bonn.
AQNHrEMONAAEriQ
NOZAAGHNAZENrEPMA
NIAANGVnATON AXAI
AZnPEZBEYTHNKAIANTIZTPAT
HrONBEAriKHCpjHMHTPOnO
AIZTHZTAAATIAZZE
BAZTHTEKTOZArQNAr
KYPATONEAYTHZZQTH
PAKAlEYEPrETHN
Der Legat der Bonner Inschrift war also einer senatorischen Fa-
milie entsprossen. Er hatte als Tribun der legio XIII Gemina in
Dacien gestanden, war dann Volkstribun, woraus erhellt, dass er kein
Patricier war, Praetor, Curator des Strassenbaus und zuletzt Gomman-
deur der legio I Minervia, in welcher Stellung er dem Hercules un-
ser Bonner Denkmal widmete. Nachher hat er noch das Proconsulat
von Achaia übernommen und als kaiserlicher Legat die Provinz Bel-
gien verwaltet.
Soweit reichen die Nachrichten der Inschrift von Ancyra. In ihr
ist es sehr auffallend, dass unter den von Proclus bekleideten Aemtem
mit keinem Worte der Quästur Erwähnung geschieht. Es scheint,
dass sie durch Versehen des Steinmetzen ausgefallen ist.
Ob Proclus zum Consulate gelaugt ist, lässt sich nicht ermitteln.
Es ist indessen wahrscheinlich, dass er dasselbe bald nach der Ver-
waltung Belgiens erhalten hat, weil er bereits mehrere prätorisclie
Aeniter bekleidet hatte und weil die Statthalterschaft Belgiens eine von
denjenigen war, deren Inhabern kurz nach dem Abgang aus der Pro-
vinz die Auszeichnung des Consulats zu Theil wurde. Vgl. Urlichs,
De vita et honoribus Taciti. Würzburg 1879. p. 8 s.
Da die Inschrift ausdrücklich bezeugt, dass Proclus in der drei-
zehnten Legion in Dacien gestanden hat, so ist damit der Zeitpunkt
gegeben, über den hinaus wir seine Lebenszeit nicht hinaufrücken
dürfen. Denn diese Legion ist wahrscheinlich gleich nach der Einrichtung
der Provinz Dacien als ständige Besatzung in dieselbe gelegt worden.
Wenigstens lässt sie sich als solche seit der Zeit Hadrians bis in die
späteste Zeit daselbst nachweisen. Vgl. Grotefend, Pauly's Real-En-
cyclop. IV, 892 f. Mommsen zu C. I. L. III p. 160. Calpurnius Proclus
kann demnach frühestens unter Hadrian in Dacien als Militärtribun ge-
standen haben. Andererseits wird er auch nicht später als Commodus
zu setzen sein. Denn die Schriftzüge haben noch nicht jene längliche
Römische Inschriften aus Bonn. 67
Gestalt, wie sie die rheinischen Denkmäler nach dieser Zeit aufzuweisen
pflegen.
Wenn Boulez, Les l^gats et les procurateurs de Belgique et de
la Germanie inf^rieure (M6moires de Tacad. roy. des sciences, des lettres
et des beaux-arts de Belgique t. XLI, 1875), p. 16 und zuletzt noch
Bcrgk, Zur Gesch. undTopogr. der Rheinlande S. 58 Anm. 2 ihn mit
einer gewissen Zuversicht unter der Regierung des Antoninus Pius
seine amtliche Laufbahn haben absolviren lassen, so kann diese An-
sicht ebenso wie die von Urlichs in diesen Jahrbüchern XXXVI, 1864,
S. 104 geäusserte, dass er nach der Rückkehr der legio I Minervia
aus dem dacischen Kriege Trajans wohl zwischen 120 und 130 einer
ihrer ersten Befehlshaber gewesen sei, heute nur noch insofern einen
Anspruch auf Wahrscheinlichkeit erheben, als beide sich innerhalb des
aus dem Schriftcharakter der Bonner Inschrift sich ergebenden Zeit-
raumes halten. Die Gründe, die von Roulez für seine Yermuthung
geltend gemacht worden sind, haben jetzt jedoch durchaus ihre be-
weisende Kraft eingebüsst. Denn es ist seit Auffindung der Bonner
Inschrift nicht mehr möglich, den Legaten der legio I Minervia mit
dem P. CSalpumius Proclus zu identificiren , der als legatus Augu-
storum pro praetore von Dacien auf einer zu Garlaburg in Siebenbürgen
gefundenen Inschrift (C. I. L. HI, 1007) der Fortuna Augusta eine
Widmung vollzieht. Denn der Legat von Dacien hatte den Vor-
namen Publius, der Legat der legio I Minervia aber Lucius. Aus
demselben Grunde ist auch Borghesi's Annahme, dass der Legionslegat
in der Zeit des Severus und Caracalla gelebt habe, hinfällig, weil sie
ebenfalls von der Identificirung beider Pei-sönlichkeiten ausgehend in
den beiden August i, als deren Legat der Proculus der Carlsburger In-
schrift erscheint, die beiden ebengenannten Kaiser erblickt. Er setzt aber
dabei auch noch in irriger Weise voraus, dass die legio I Minervia an dem
Partherkriege des L. Verus Theil genommen habe und nach Beendigung
desselben wieder an den Rhein zurückversetzt worden sei. Allein die
Legion ist während des ganzen zweiten Jahrhunderts nicht vom Rheine
fortgekommen. Zunächst hat Urlichs in diesen Jahrbüchern XXXVI,
1864, S. 102 ff. mit Hülfe einer Kölner Inschrift (C. I. Rhen. 405)
überzeugend dargethan, dass sie nach dem zweiten dacischen Kriege
Traians in ihre alten Standquartiere am Niederrhein eingezogen ist.
Anderseits steht durch das Zeugniss des Geographen Ptolemaeus II
8 (9), 15 fest, dass sie zu der Zeit, wo er schrieb, also zur Zeit des
Antoninus Pius, noch am Rhein und zwar in Bonn stationirte, was
^:--
jetzt nuch durch zwei Iversheimer loschriften der Legion aus dem Jabre
145 n.Chr., welche Freud enbcrg in diesen Jahrbüchern L/LI, 1871,
S. 186, 2. 187,3 bekannt gemacht hat, seine Bestätigung gefunden hat
Dass die Legion dann wirklich am Partherkrieg des L. Veras Thal
genüinmen habe, ist aber bis jetzt keineswegs als sicher erwteseo.
Denn die stadtrömische Inschrift des Claudius Fronto (C. L L. VI, 1377),
auf die sich Borghesi beruft, nennt die.ien bloss legatus Augustttnim
legionis primae Minerviae in expeditioneni ParUiicam deducendae,
während die dacische Inschrift desselben Mannes (C. L L. III, 1457)
von der Ueberführung der I^egion in den Partherfeldziig gänzlich schweigt
Es ist daher höchst wahrscheinlich, dass ihre Verwendung in diesem
Kriege, von der wir anderwärts auch nicht das Mindeste erfahren, mehr
beabsichtigt als ausgeführt worden ist, zumal die Btadtröinischc Inschrift
längere Zeit nach dem Parthcrfeldzug des Verus abgefasst ist und es
somit zum Mindesten auffallend ist, riass wenn die Legion wirklich aus
ihrem Germanischen Standquartiere in den Krieg geführt worden wäre,
in diesem Falle nicht vielmehr wie bei anderen ähnlichen Fällen deductae
geschrieben ist Vgl. C. L L, III, 5211— 5215. 1457 = Henzen 547Ö;
Wilmanns 636. Dagegen ist dieselbe Ausdrucksweise in der Inschrift
des L, Neratius Proculus von Saeiiinum beliebt (Inscr Neap. 4934:
misso ab tmp. JtUomno Aug. Pio ad dedtiemdM vexiBakimn _m
Syriam ob hell(um) Parthicum), der gerade so, wie hier Fronto, von
Antoninus Plus beauftragt wurde, mehrere vesillationes zu dem mit
dem Partherkönig Vologaesas III drohenden Krieg in den Orient
zu führen, aber durch das vorzeitige Zustandekommen eines güt-
lichen Ausgleichs zurückbeordert wurde. Vgl. Borghesi, Oeuvres
V, 377 SS.
Von Befehlshabern dieser Legion, welche in neaester Zeit von
Freudenberg, Jahrb. L/LI, 1871, S. 190, und von Allmer, Inscr.
de Vienne tom. I p. 446 s. zusammengestellt worden -sind, sind nach
Abzug der fälschlich hierhin gezogenen und mit Berücksichtigung der
von Bergk in seiner aus seinem Nachlass veröffentlichten Schrift (Zur
Gesch. und Topogr. der Rheinlande. Leipz. 18S2, S. 58 Anm. 2) gege-
benes Nachträge die folgenden, die wir, so weit dies möglich ist,
in chronologischer Reihenfolge geben, als sicher beglaubigt bu be-
trachten:
L L.LiciniusSura: C. L L. VI, 1444. Borghesi, Oeuvres V, 33 aa.
unter Domitian.
2. P. Aelius Hadrianus: C. I. L. 111,550. Spartian. v. HadriaD.
RSmüohc luschriften aus Bonn. G9
3, G. Er war Praetor uod zu gleicher Zeit Legat der Legio
I Minervia im J. 105 ')■
1) Dieser Ansatz bedarf einer näheren Begründang, zumal über die Chro-
nologie der Stnatüäniter Hadriana die Ansichten der neueren Gelefarten sehr ausein-
ander geben. Henzcn (Annali dull' Inst XXXIIl, 1862 p. 137 ss.) setzt die Pr&tur ins
J. 106, dagegen Mommscn (zu C. 1. L. III, 650; Hermea Bd. III S. 46 Anm. 6)
und ihm folgend Clason (Dio Cassius LIl, 20 zur Frage über die legea aunales
der röm. Kaiserzeit S. 2D F.) ins Jahr 107. Wenn man dem Biographen des naoh-
maligCD Kaisers Uadrian, Spartiau (o. 3, B), Glauben sclionkan dürfte, dann fiele
sogar seine Prätur ins Jahr 102: Surano bis etSemiaiio iterum coiiss., dasTolks*
tribunat aber erst unter die Consuln dea Jahres 106: Candido et Quadrato itarum
COtMS. Allein eobon Stobbe (Philologiecher Anzeiger t. IV, 1872, p. 264) hat
riubtig erkannt, dass, da Hadriana Prätur in die Zeit des zweiten Dacischen
Krieges nach der Aussage des Spartian gefallen ist, die Consi|Iatsangaben bei .
diesem irrthümlioh an die falscbe Stelle gerathen und Hadrian in Wirkliobkeit
im Jahr 102 Volkstribnn, dagegen im Jahr 106 Prätor und zugleich Legat der
legio 1 Minervia gewesen ist, ohne indegasn den Beweis dafür zu erbringen. Aus-
zugehen hal>cn wir von dem Consulate Uadrians, dem einzigen feateu Ausgangs-
punkte, um die Zeit der vorher von ihm geführten Aemter zu bestimmen. Durch
das Wcitsenburger Diplom (Dipl. XXIV: C. I. L. III p. 867) vom 30. Juni 107
in Verbindung mit den Paati feriarum Latinarum (C. I. L. VI, 2016) steht ee
jetzt endgültig fest, daas Hadrians Consitlat in den Sommer des Jahres 108 ge-
fallen ist. Vgl. Klein, Faati codb. ad h. a. p. 56. Da nun a eine Prätur zeitlich
mit dem zweiten Dacischen Kriege zusammengefallen ist, so kann sie nur zwi-
schen den Jahren lOÖ, wo der Krieg begann und 107, wo er beendet wurde, an-
gesetzt werden. Vgl. Eckhel, D. N. VI, 418. Dierauer, Gesch. Trqjans in
Büdingers Untersuchungen zur röm. Kaisergoach. t. I p.lOOss. De la Berge,
Regne de Trajan p. 48 sa. Nun verlangte das Gesetz durchaus eine amtsfreie
Zwischenzeit von zwei Jahren zwischen Conaulat und Prätur (Mommsen, Röm.
Staatsrecht Bd. P S. 517). Wenn es demnach schon ao wie so wenig wahrschein-
lich ist, dass Ilodrian in dem Jahre 107 die Prätur bekleidet hat, so wird dies
vollends zur Thatsache orboberi durch die Nachricht der athenischen Ehrnnin-
Bcbrift, wonach er noch zwiectien Prätur und Conaulat die Statthalterschaft der
neu eingerichteten Provinz N Jede r-Fauno nie n nbernommen hat, von der er einer
der ersten, wenn nicht gar der erste, Gouverneur gewesen ist. Denn hätte er
nun im Jahre 107 dio Prätur innegehabt, so wäre kaum ein halbes Jahr
für seine pannonisohe Legation frei. Eine so kurze Zeit für ein solches Amt ist
aber an sich kaum denkbar, sie wird aber auch geradezu durch dasjenige, was
Spartian von seiner Statthalter! sehen Thätigkeit berichtet, ausgeschlossen. Denn
wenn dieser von Hadrian sagt: Ugatus poiitea praetorius in Pannoniam inferio-
rem mUsus Sarmataa compreasit, discipHnam militaran tenuü, proettratora tatiu»
evaganles cotreuit, so weist dies unverkennbar auf eine länger befristete Amta-
dauer hin, zumal die letzteren Worte Spartians die Vermutbang nahe legen, dass
70 ßümische IngnUrifltin aus Bona.
3. Unbekannter: Orelli 3186 u. vol. 3 p. 510 unter Atitoniaus Piiw,
4. Calpiiriiius Proclus: vielleicht unter demselben.
5. M. Claudius Fronto: C. I. I>. VI, 1377 um das J. Iö2.
G. Claudius Apollinaris: Jahrb. L/LI, 1871, S. 188, 4 im J. 188.
7. L. P laus; C. I. Rhun. Add. 2032 unter Commodus,
8. Q. VenidiuB Kufus Marius Maximus L. Calvinianus:
C. I. Kfacn. 51U unter Septimius Severus vor dem Jahr 198.
9. luliua Castinus: C. I. Rhen. 520 im J. 205 oder 208.
10. T. Flaviüg Sccundus Philippianus: Boissicu, Inscr. de Lyon
]i. 65, XLVIII = Orelli 922 vor 209. F.r war entweder der
Vorgänger oder der Nachfolger des Castinus, je nachdem die
Ivei-sUeimer Inschrift ins J. 205 oder 208 zu setzen ist.
11. Aufidius Coresiniis Marcellus: C. I. Rhen. 4ß4 im J. 222.
12. Aurelius Sintus praef. leg.: C. I. Rhen. 467 im J. 295.
Aus unbestimmter Zeit').
13. Cn. Cornelius Aquilius Niger: C. I. Rhen. 463.
Hadrian derjenige gewesen i«t, der mit der OrguiiktioD der neavn Provins be-
traut warde. Daiu kommt nun, dass denelbe SpArtittn n. b. 0. 3, (I ftusdr&ok-
tich gsgt, diLBs TraJBn eeincn Vetter Hadriaa beim Beginn de« xweit«n daciichea
Kriepss zum Legiöiisuonimaudeur oruannte uud mit aich fiilirte. Trsjsn hal aber
im Sommer 105 oicb auf den Kriegsschnu platz begeben, v'io dies aua den Akten
di!i- Arvalbrüdei-Bi^hiift erhellt (Acta Arvaliiim a- 105: C. I. L. VI, 2075). Denn
nach Ausweis derselben bringen die Arvoleu an einem niebt näher tu baetimmea*
den Tage im Anfange des Monats Juni dieses Jahres, jedenfalls iviichen dem
zweiten und fünften, ihre Gelübde pro tia et reditu imperatoris Caaaria Nervae
TrrAani dar. Vgl. Hensen, Acta Arv. Berlin 1874 p. 117. Hadrian bat abo
die Prätur nar im Jabre 105 bekleiden künnen. In der Tbat hat er dieselbe
aber bloss w&hrend der ersten Hälfte des Jahres geführt, während der er anoh
die von Trajan subventionirten Spiele gab, und ist dann mit seinem Vetter ale
Legat der legio I Minerviae in den Dakerkrieg gezogen. Ist er aber lOfi Fr&tor
gewesen, so erhalten wir jetzt auch eine angemessene Zeit f9r seine st«ttha]t«ri-
sobe Wirksamkeil in Pannonien. Daas demgemäss die vor der Prätnr über-
nommenen Aemter in entsprechender Weise zurückdatirt werden mötsen, ist
selbst verst&ndl ich.
1) In wie weit Clodius Albinns, von dem se bei seinem Biographen
Capitolinus 6, 2 heisat egit et Itgwnem gtMirfanorum et primanonan, hier genannt
zu werden bereahtigt ist, läset sich nicht enticheideu. — Der Vollständigkeit
halber füge ich bei, daas, wenn Mommsen's Berichtigung der letzten Zeile der
in mangelhafter Copie überlieferten Inschrift von Tarragona (C. I. L. II, 4120)
zu Recht besteht, der dort genannte Q. Oargilius Macer Acidiuna den Le-
galen der legio I Minervia beizuzählen ist
Römische Inschriften aus Bonn. 71
14. M. Marias Titius Rufinus: Inscr. Neap. 1426; nicht vor
Marcus Aarelius.
Kehren wir nun zu unserem Bonner Steine zurück, so erregt der-
selbe unser besonderes Interesse noch aus einem anderen Grunde.
Dass im Lager sowohl als in den Garnisonen durch eigene Lokalitäten
für die Aufnahme und Pflege erkrankter Soldaten Sorge getragen war,
stand bereits durch das Zeugniss des Hyginus de mun. castr. c. 35
und c. 4 hinlänglich fest, der auf ein Lager von drei Legionen ein
Lazareth rechnet. Anderseits liess sich dies auch aus d^ mehrfachen
Erwähnung eigener Lazarethbeamten, der optianes vcdetudinarii (Digest.
L, 6, 7), wie z. B. zu Lambaese C. L L. VIII, 2553. 2563> zu Bom Henzen
6834, zu Benevent Inscr. Neap. 1459 verrauthen. Vgl. Cauer, Ephem.
epigr. IV, 449 s. Selbst für das Lager bei Bonn kannten wir bereits
einen solchen Lazarethbeamten in der Pei*son des Edistus (C. I. Rhen.
462). Durch die Inschrift des Calpurnius Proclus wird uns zum ersten
Male ausdrücklich die Errichtung eines Militärlazareths im Lager be-
zeugt. Bei der Unbestimmtheit des Ausdrucks peracto opere voHetu-
dinarii lässt sich nicht bestimmen, ob es sich dabei um einen gänzlichen
Neubau oder die Bestitution eines älteren schon vorhandenen Gebäudes
handelt. Bemerkt zu werden verdient noch, dass wie der Subalternbeamte
des Sanitätswesens Edistus, dessen Inschrift ebenfalls aus dem Mauer-
werk des alten Damenstiftes Dietkirchen stammt^ ebenso der Legat
der Legion Proclus bei Vollendung seines Bauwerkes dem Hercules
als dem segenspendenden und unglückabwehrenden Gotte seine Wid-
mung darbringt.
2.
Im Juli dieses Jahres kam dann zunächst beim Abbruch der Fun-
damente des Altars ein grosser Steinblock aus Berkumer Stein, 0,63 m
hoch, 1,04 m breit, 0,57 m dick, wahrscheinlich eine ara, zum Vorschein.
Die Vorderseite desselben ist mit Reliefdarstellungen geschmückt, die
mit einem so fest anhaftenden Mörtel zum Theil bedeckt sind, dass sie
einstweilen noch nicht mit Sicherheit gedeutet werden können. Das
Motiv scheint eine Kampfscene zu sein. In der Nähe fand sich ein
viereckiger Untersatz aus Sandstein, oben mit einem vorstehenden Ge-
sims versehen, das 0,37 m laiig und 0,35 m tief ist. Zwei der vier
Kanten sind abgeschrägt, um nicht beim Aufstellen in einer Ecke hin-
derlich zu sein. Oben ist derselbe zur Aufnahme eines Götterstand-
bildes vertieft. Auf der vorderen Seite befindet sich eine Inschrift, von
73 Houiiacbo luschrirtcu aus Bonn.
der leider nur ein kleiner Theil mehr vorlianden ist, da beim Her-
ausnebmen bub dem umgebenden Mauerwerk das Ganze ungliicklicltvr
Weise in mehrere Stücke zerbroclien ist, von denen einige verloren ge-
gangen sind. Die noi-h vorhandenen Stücke sind dem Provinzialmaseum
in Bonn einverleibt und unter der Leitung des Herni Prof, aua'm
Weerth zusammengefügt worden. Die erhaltenen Reete der Inechrifl
lauten:
Unh-leg l-M-p-F s^r.
^lON S T AN T I NIV--'^'"V- ■ ■
^LLEG • S-S-FA\-
Vorab ist die Eingangs der Inschrift stehende Furniel in Iwni/rtm
legionis I Mitterviae piae fidelis sehr bemcriienswerth, insofern die
sonst bei auf den Kaiser und sein Hans bezagliehen Weihungeu ge-
briiuchlicbe Formel in honorem domus divinae In dieser Inschrift mei-
nes Wissens zum ersten Male auf eine Legion, hier die Icgio pritna
Minervia, ihre Anwendung gefunden hat. Eine ihr ähnliche Fassung
weist ein Mainzer Votivaltar der Fortuna (C. I. Ehen. 1033) auf, nitm-
lich Fortimam sf4peram honori aquilae leg. XXJJ pr. p. f. usw. Die
Formel in honorem äomus dimnae, welche fast ausschliesslich in Rätien
und den beiden Germanien in Gebrauch gewesen ist, findet sieh auf
Inschriften erst seit dem letzten Viertel des zweiten Jabrhunderts
n. Chr., dagegen nicht mehr nach Constantinus; am häufigsten kommt
sie im dritten Jahrhundert in den Inschriften der zahlreichen Votiv-
steine unter Caracalla, Elagahalus und Severus Alesander vor. Vgl.
Jahrb. III, 1843, S. 49. Dadurch wird die Zeit unserer Basis einiger
Massen bestimmt. Sie wird dem dritten Jahrhundert und zwar dem
Anfange desselben angehören. Denn die Scbriftziige der Inschrift tra-
gen ganz das Gepräge dieser Zeit.
Was hinter dem Namen der Legion gestanden hat, darüber ist
es schwer, zu einem sicheren Ergebniss zu gelangen. Nach der Fas-
sung ähnlicher, mit der gleichen Weiheformel beginnenden Inschriften
zu schliessen, hat am Ende der ersten Zeile der Name der Gottheit
gestanden, der jene Widmung zu Ehren der Legion dargebracht wurde.
Da die drei letzten Buchstaben sicher sind und in der Likcke nicht
mehr als sieben bis acht Buchstaben ausgefallen sein können, so liegt
es nahe, dieselbe beispielsweise durch Ergänzung von [aram oder Sig-
num 2)ia]nae oder auch bloss [deae J}ia]nae auszufüllen.
In der zweiten Zeile standen vielleicht zu Anfang noch zwei Zei-
chen, von denen das zweite, ein C, zum folgenden Gentilicium des De-
Römischo Inichrifteu aus Bonn. 73
dicanten gehörte. Das erste mass dann den Vornanieii Oesselben be-
zeichnet haben. Wenn aber Überhaupt ein solcher da gestanden hat,
80 kann derselbe nur mit L, P oder T begonnen haben. Denn bloss
ßir einen Buchstaben vom Umfange der oben genannten Schriftzeichen
reicht allenfalls der vorhandene Kaum ans. Es folgt der Name [G]on-
statUiniuls], Aber dessen richtige Lesung kein «Zweifel aufkommen kann.
Wie der Zuname, der in der zweiten Hälfte der Zeile stand, ge-
lautet bat, ist mir nicht gelungen zu enträthscln. Von den vorhandenen
liuchstabenresten können die zwei ersten nur zu einem E oder F ge-
hören, alle übrigen Möglichkeiten sind ausgeschlossen; der dritte Buch-
stabe kann ein V oder auch ein etwas liegendes N gewesen sein, wenn-
gleich das Letztere desshaJb weniger wahrscheinlich ist, weil sonst alle
Buchstaben der Inschrift gerade aufrecht stehen.
Im Anfang der dritten und letzten Zeile fehlen zwei Buchstaben,
der dritte ist ein L, dessen horizontaler unterer Strich nur noch
schwach sichtbar ist. Ich ergänze MIL(es). In derselben Zeile sind die
nach S ' S - folgenden Buchstaben FA völlig sicher ; das folgende Zei-
chen, von dem allein der erste Schrägstrich noch sich erkennen lässt,
kann kein C, sondern nur ein V gewerteii sein, wesahalb an die sonst
nahe liegende Ergänzung faciendum ciiravtt nicht gedacht werden darf.
Mit Rücksicht darauf und dass mit dieser Zeile die Inschrift ihren Ah-
Bchluss fand, möchte ich eher zu der Annahme hinneigen, dass hier
die Datirung der Inschrift gegeben war. Vielleicht hat ursprünglich
FAVST ■ ET RVF ■ COS. dagestanden, womit die Conauln des Jahres
210 n. Chr. bezeichnet sind. Zum Charakter der Schrift würde diese
Zeitbestimmung vortrefflich p.iäseu.
Die ganze Inschrift dürfte demnach in folgender Weise etwa wie-
derherzustellen sein :
In h{onorem) leff{ionis) primae M(inervicw) p{iac) f{idelis) [deae
Diajnae . . \C]ons(antimu[s ] [mi]i(es) leg{ionis) s(ujtra) s{crip'
tae) Fati[ßt(ino) et liuf[ino) co{n)s(tdibus)].
Am 7. August wurde endlich in den Fundamenten der Kirche
eine Votivara aus Drachenfelser Trachyt gefunden, welche oben und
unten verstümmelt ist. Ihre jetzige Höhe beträgt 0,71 m, ihre Breite
0,51 m, ihre Dicke 0,26 m. Die Inschriftfläche hat eine Höhe von
0,50 m.
Die Ära hatte ehemals oberhalb des einfachen Sims eine Bekrö-
RÖtaiBche Ingchrüten b
I BooD.
nung, welche an beiden Seiten mit SchneckcDrollen verziert war. Von
diesen ist auf der rechten Seite noch ein kleiner Theil erlialten. In
der Mitte der Bedachung scheint irgend ein der Gottheit geweihter
Gegenstand abgebildet gewesen zu sein. Jede der beiden Seitenflächen
ist mit einem Baume mit aufwärts strebenden Blättern und Fruchten
in Flachrelief gcscUmflckt, welcher nach der Form der Blätter zu
schliessen einen Lorbeerbaum anzudeuten scheint. Ueberdies sind an
der äusseren Seite der linken Seite über der Baumkrone die Ueberrestc
eines Kranzes zu erkennen.
Die Inschrift, deren Buchstaben ziemlich flach eingehauen sind,
lautet nach meiner Abschrift:
hERCV L I
MAGVSANO
QCLODIVS
MRCELLNVS
3-LEGI M» F
V S-L M
Uarctdi Magusano Q{idntm) Clvdius Marciil{i)mis c(enturio) te-
giionis) primae M(inerviae) p{iae) flidelis) t'(ofwm) s{olvit) l{ubens)
n^arifo).
In Z. 1 scheint vor Herculi kein Buchstabe mehr gestandeo zu
haben,
Ob im Worte Mareellinus in Z. 4 I mit L oder N zu einem Zage
verbunden war, lasst sich bei dem Zustande dee Steines nicht mit Be-
stimmtheit sagen. Es ist für mich indess wahrscheinlicher, dass der
Steinmetz dasselbe vergessen hat.
Die in der Inschrift, deren Zage keineswegs der besseren Zeit an-
gehören, gefeierte Gottheit, der Herades Magusanus, ist uns schon aus
sechs Denkmälern bekannt, welche De Wal, Mythologiae septentr. mo-
num. lat. Utrecht 1847 n. 145—148. 318. 319 zusammengestellt hat
Von diesen sind indessen zwei in Abrechnung zu bringen, n. 318 und
319, das erste, weil es entschieden nicht echt ist (vgl. C. I. Rben. spu-
riae p. 362 n. 30), das zweite (C. I. Rhen. 838), weil es bei seiner
trUmmerhaften Ueberlieferung nicht mit Sicherheit auf den Hercules
Magusanus, auf den es J. Schneider (Die TrQmmer der sogen. Lang-
mauer. Trier 1843, S.32f., vgl. Urlicbs, Jahrb. III, 1848,8.97) frei-
lich in sehr ansprechender Weise bezi^en bat, gedeutet werden kann.
Drei derselben sind in Holland (jetzt im C. I. Bhen. 51. 130. 134) ge-
funden, eines dagegen in Schottland (C. I. L. VII, 1090). Aber auch
Bömifohe loschriften aas Bonn. 75
dieses weist auf die alte Gallia Belgica hin, insofern der Weihende ein
duplicarius alae Tungrorum^ also in dem Yerehrungsgebiet dieser Gott-
heit einheimisch gewesen ist. Es kann daher keinem Zweifel unter-
liegen, dass wir es mit einer lokalen Gottheit der unteren Rheingegend
zu thun haben. Sprachlich ist der Beiname Magt^anuSj den man heut-
zutage nicht mehr wie früher einfach als ein verlesenes Magnus Sandm
ansehen kann (vgl. Gudius, Inscr. ant. praef. Append.), mit ähnlichen
zu vergleichen, welche dem Mercurius beigelegt werden, wie Cimbrio'
nusj Leud[ici]anus, Cimiacinus. Vgl. Jahrb. L/LI, 1871, p. 168. C. I.
Rhen. 592. C. I. L. III, 5773. Mit Recht hat daher Janssen (DeRo-
meinsche Beeiden en Gedenksteenen van Zeeland p. 33 ss.) die auf un-
sicherer Grundlage beruhenden Erklärungen früherer Gelehrten, von
denen einige sogar an phoenicischen Ursprung dachten, als unbrauch-
bar zurückgewiesen und den Beinamen dieser romanisirten celtischen
Gottheit unter Zustimmung K. Fr. Hermann 's (Götting. gel. Anzeigen
1847 S. 1054 f.) von einem Orte in der unteren Rheingegend hergeleitet
Eine nicht geringe Stütze erhält diese Ansicht Janssen 's durch den Um-
stand, dass der Name des Hercules Deusoniensis, der auf den Münzen
desPostumus (De Witte, Recherches sur les empereurs qui ont regn6
dans les Gaules pl. V. VI. VII, 98. 99) in ähnlicher Weise wie der
Hercules Magusanus abgebildet ist, wesshalb Martin (Religion des
Gaulois III, 8) und Cannegieter (Postumus p. 137ss.) sogar beide
für identisch gehalten haben, offenbar von dem bei Hieronymus
(Ghron. ad a. Abr. 2389: Saxones caesi Deusone in regione Francorum)
erwähnten Orte Deuso in regione Francorum^ in dem man baldDeutz
bald Duisburg hat wiedererkennen wollen, gebildet ist. Ein altes Mar
gusa oder Magusum war demnach zweifelsohne die Heimath dieser
celtischen Gottheit, auf die auch eine von Sen ekler (Jahrb. XV, 1850,
S. 151 n. 21) beschriebene Münze sich zu beziehen scheint, mag die-
ses nun mit dem in der Moselgegend belegenen und vom Geographus
Ravennas angeführten Mecusa oder mit dem Orte MaJmsenham bei
Durstede, welchen Janssen aus einem mittelalterlichen Charterbock
von Holland nachgewiesen hat, in Verbindung zu bringen sein.
Fragen wir nach der Zeit, in welcher unser Denkmal errichtet
wurde, so lässt diese sich nur annähernd bestimmen. Die Form der
Buchstaben und die wenig geschmackvolle Arbeit des Steinmetzen wei-
sen auf das Ende des zweiten resp. den Anfang des dritten Jahrhun-
derts n. Chr. hin. Zu dieser Zeitbestimmung stimmt sehr wohl die
schon von anderer Seite mehrfach gemachte Beobachtung, dass gerade
76 Röioiitihe InKhriften mtB Bonn.
um dies« 'Amt die alliiiäblicbe ßomanistrung des ccltisclieu Gottercultus
ihren Abschluss gefunden und die Verehraog celtiEcher Gottheiten unter
der Bevölkerung auch ausserlmlb des eigentlichen Gitlliens sich allge-
mein verbreitet hat. indem den ccltisciien Göttern die Namen derjenigen
römiächou Gottheiten, deren Wesen dem der ccitiscben entsprach, bei-
gelegt wurden und nur solche Gottheiten, für welclie das römische Re-
iiffionssystem keine ihrem Wesen entsprechende Namen bot, ihren na-
tionalen Nameu auch auf den inechriftlichen Denkmälern behielten.
Bekannt ist, dass der gallische Usurpator Postumus einer der
eifrigätcn Anhänger wie überhaupt des Herculescultus so auch insbe-
sondere des Hercules Magusanus war. Davon legen seine zahlreichen
Münzen, welche sich auf diesen Cult beziehen, in unzweideutiger Weise
ZeugnisB ah. Vgl. De Witte a- a. 0. p. 22 n. t>2~p. 32 n. 111. Re-
vue uumism. frant;, 1844 p. 330 ss.
Was den Dedicanten Q. Cludiua Marcellinus anlaugt, so halte ich
ihn für dieselbe Person mit dem Glodius Marcellinus, der als miles le-
gionis I Mmeti>iae auf eiueiii ebenfalls beim Neub:m der Stiftskirche
gefundenen und von mir in diesen Jahrbacbern LXVII, 1879, 3. 69
veröffentlichten Steine den matres sive matrtmae Ät^aniae domestieae
seine Widmung darbringt. Auf dem Herculesaltar ist er inzwiachen
zum Centurionen derselben Legion avancirt. Ka mnss also zwischen
beiden Widmungen eine geraume Zeit verstrichen sein. Der Annahme
der Identität steht das von mir a. a. 0. über den Vornamen Gesagte
keineswegs entgegen. Denn, wie eine nochmalige genaue Untersuchung
des an der betreffenden Stelle stark beschädigten Steines mich belehrt
hat, kann das den Vornamen enthaltende Schriftzeichen nur ein Q,
nicht aber, wie ich früher unter dem Ein&uss schlechter Beteachtung
annehmen zu müssen geglaubt habe, ein D sein.
Bonn. Josef Klein.
Rnphiana nicht Eisenberg, sondern Altripp. 77
8. Ruphianä nicht Eisenberg, sondern Altripp.
Unter dem Titel Ruphianä = Eisenberg veröffentlicht die Pa-
latina, Beiblatt zur pfälzer Zeitung vom 28. Januar 1882 No. 11 einen
Artikel von Herrn Dr. Mehlis, dessen Angaben er auch in diesen
Jahrbüchern 72 S. 159 flf. wiederholt.
Die öfters behauptete Identität des Ortes Ruphianä, der Mos bei
Ptolcmäus genannt wird, mit Eisenberg ist nun aber vollständig haltlos.
Ptolemäus verlegt lib. II c. 9 § 17 (vgl. M ü 11 enhoff Germania anti-
qua* p. 122) ausdrücklich sein Ruphianä oder Ruphiniana in das Ne-
meterland und zwar neben Noviomagus, welches nur Speier sein kann,
denn Neustadt an der Hardt, oder wie das Volk noch sagt, „die neue
Stadt", ist eine neuere Gründung als Speier, das alte Haupt der Ne-
meter. Auf die Grade des Ptolemäus etwas zu halten, ist vergeblich,
nachdem es erwiesen ist, dass dieselben aufs Willkürlichste aufgestellt
sind und er z. B. Asciburgium, Mediolanium, Teuderium (Tüddern), Bu-
doris (Büderich), Novaesium (Neuss) am linken Ufer des Niederrheins
lib. II, 11 § 28 f. in das rechtsrheinische Germanien verlegt.
Herr Mehlis sagt indessen, Ruphianä hätte bei Ptolemäus den-
selben Längegrad wie Mainz, was wieder ein Irrthuip ist, um so mehr,
als Ptolemäus die Sitze der Nemeten und Vangionen verwechselt, wes-
halb auch die von ihm angegebene Breite nicht in Betracht kom-
men kann, zumal er die Obringa (Ahr) nach Mainz setzt!
Und trotzdem soll „aus geographischen und archäologischen Grün-
den" kein Zweifel mehr bestehen, dass Ruphianä = Eisenberg sei !
Darüber vielmehr, glauben wir, kann kein Zweifel mehr bestehen,
dass Ruphianä, welches Ptolemäus neben lauter allbekannten am Rhein
her gelegenen Orten zwischen Worms und Speier nennt, nichts anderes
ist, als das gleichfalls zwischen diesen beiden Hauptstädten von der
Notitia Imperii aufgeführte Alta Ripa, d.h. eben Altripp, dessen Name
auch sprachlich identisch mit Ruphianä ist und mit dem deutschen
Worte jfiiS" zusammenhängt. Es bezeichnet eine riffartig in den
Rhein vorgeschobene Halbinsel, wesshalb die Römer den altdeutschen
78 Raphiana niobt Eiteaberg, soadem Altripp.
Namen auch durch Alta Ripa wiedergeheo (vgl. Pick's Monatsscbr,
VI, 313 u. Corresp.-Bl. d. Westd. Zeitschr. 1882, S. 55).
Der kleine Wasserstand Anfangs dieses Jahres hat hier wieder
einmal die Bedeutung dieser Anlage zu römischer Zeit gezeigt. Dort
wo jetzt, und besonders seit der llheincorrektion von 1864, der Rhein
fliesst, war früher angebautes Terrain, welches wahrscheinlich ala
Vorwerk des rechten Ufers noch zum Castell des linken üfei-s gehörte,
dessen praetorium bei der Altripper Kirche lag.
Eine über einen Meter dicke Mauer ragte diesen Winter aus dem
Rheine hervor, aus deren Construktion sich ersehen liess, dass sie ehe-
mals auf trockenem Boden errichtet sein musste. Sie besteht namUch,
wie wir uns an Ort und Stelle überzeugten, aus einem tumultuarisch
aus Steinen verschiedener Gattung (Sandsteinen, Kalksteinen, Tuff und
Backsteinen) erbauten Gusswerk, in welches auch ein römischer Grab-
Btein aus älterer Zeit, beginnend mit D. M. (Düs Manibus) als Mauer-
stein vermauert war. Dereelbe wurde, sowie Proben der Mauer nach
Speier ins Museum geschafft.
Diese Mauer war nun rückwärts umgesunken, indem der Rhein
sie unterminirte und so zur Senkung brachte, gerade wie dies auch
bei der, bei Neckarau am rechten Rheinufer entdeckten sog. Kloster-
mauer der Fall war, welche, aus einem durch Kalk verbundenen
Conglomerat von Sandsteinen bcsfehend, gleichfalls ursprünglich nicht
als Wasserbau errichtet gewesen sein kann, sondern durch den Rhün
vom Lande abgerissen und rückwärts, dem Flusslauf entgegen, umge-
stürzt wurde. Auch in letzterer fanden sich römische Grabsteine >) als ge-
wöhnliche Mauersteine eingerügt, wie das bei späteren Bömerbaateo
öfters der Fall ist Das Neckarauer Mauerwerk scheint nämlich von
dem hier, am alten Neckarauafluss errichteten Fort des Kaisera Valen-
tinian zu stammen, während die bei Altripp gefundenen Mauern zu dem
Altripper Bömercastell gehören, dessen Mittelpunkt die jetzige hoch-
gelegene Kirche bildete (daher Alta Bipa = Hocbufer), hinter welcher
sich der Altrbein schleifenarlig herumschlängelt.
In der Nähe fanden sich bei früheren Nachgrabungen wieder
Beste der Castellmauer im Garten der Wittwe Hook. Auch hier er^
gab sich die gleiche Erscheinung, dass mehrere römische Inscbri^
1) Jetzt im Maanheimer AlterthumsTerein and zuerst mitgethellt von Ga-
■ tav Christ und Wallaser, Tgl. CoireipondenzbUtt dat OesamtstTereinB etc.,
1H82 3. 82 u. 64 und du GorraapondäDEbl. der WeatdenUoh. ZeitKhr. 1862 8. 26.
Baphiana nicht Eisenberg, sondern Altripp. 79.
steine aus früherer Zeit als Mauersteine in der späteren Gastellmauer
verwandt waren. Dieselbe Thatsache kehrt auch bei der Mainzer
Römerbrücke wieder, an deren Pfeilern eine Menge römischer Sculpturen
u. 8. w. eingelassen sind. — Indessen keine weitere Beschreibung von
Altripp und seinen Funden wollen wir hier geben, sondern noch einige
Eisenberger Inschriften besprechen').
Herr Mehlis sagt in Bezug auf dieselben, auf der sog. Hoch-
statt, einem Plateau südöstlich vom Bahnhof, dem Fundorte zahlreicher
römischer Alterthümer sei anno 1764 ein Isisterapel (1) entdeckt wor-
den. Die Begründung hierzu wird nicht beigefügt, dagegen erwähnt,
hier hätte sich ein Denkstein gefunden, den ein Patemius Ratinus in
Verbindung mit einem Unbekannten ex iussu (des Erben? setzt Meh-
lis hinzu!) errichtet hätte. — Nun, der betreffende an Jupiter gewid-
mete Votivstein befindet sich bekanntlich seit den Zeiten des Kur-
fürsten Karl Theodor, welcher die Pfälzer Steine in der Pfälzer Haupt-
stadt Mannheim vereinigte, im Mannheimer Antiquarium sub no. 2
und ist, wie ja aus Haug's Mannheimer „Denksteinen^^ zu ersehen
war, von den beiden Brüdern Paternius, deren einer Gratinus hiess,
der andere Clemens oder dergleichen, auf höhere Eingebung hin (ex
iussu) gesetzt worden.
Ebensowenig können wir in den von Herrn Mehlis an anderer
Stelle (in Pick's Monatsschr. VH, 294) mitgetheilten küchenlateini-
schen Ausdrücken des gewöhnlichen Lebens Reste aus der Römerzeit
erblicken, oder seinen im oben erwähnten Aufsatze ausgesprochenen
Etymologien beipflichten, welche gutdeutsche Ortsnamen aus dem
Lateinischen herleiten. So soll Ruphiana wegen alter Eisenschmel-
zen zu Eisenberg eine „Rothstadt'' sein, gleich anderen Orten des Na-
mens 'Roth', welche aber besser Rod oder Rott zu schreiben sind, denn
sie kommen gewöhnlich von Rodungen oder sog. 'Neurotten' her.
Damit neben dem Rothen auch die weisse Farbe vertreten sei,
soll Albsheim (d. h. das Heim eines gewissen Albold od. dergl.) vom
lateinischen albus genannt sein!
Der Senderkopf, dessen Name vom altdeatschen, noch in der
1) Die neueste Mars und Victoria gewidmete von da, jetzt zu Speier, wurde
von Mehlis im Corresp.-Bl. d. Westdeutschen Zeitschrift von 1882 S. 27 im
Namen des Inschriftsetzers verlesen, welcher nach der Besichtigung durch H. Prof.
Zangemeister und den Unterzeichneten Giamonius Statutns lautet. Von einem
magister viel oder dergleichen keine Spurl Vgl. dagegen den germanischen Na-
men Qimio bei Hang 27 in Remagen und Altripp.
60 Itiiphiana niolit Eikeiiberg, lonclrm Altripp.
Schweiz und Bayern iiblicheu Wort« Senne oder Sende = WeidepUte.
Senner, Mik-hknct-ht, abzuleiten ist, soll nach Herrn Mehlis „offenbar
das Rudiment eines römischen incendarium erhalten haben".
Bei dieser Gelegenheit ietauch dasjenige zurückzuweisen, wasMeh lis
schon früher in den Jahrbüchern LXVUI S. 165 von rönilsch-galli selten
Oitsnamen in der bayrischen Pfalz berichtet. So ist ein Nivora in an-
tiker Zeit für das heutige Niefernheim im Primmthale nirgends zu er-
weisen. Vielmehr lautet die gut altdeutsche Form von de^leichen
Ortsnamen gewöhnlich Niwifitron, Niuferon mit der Bedeutung von
'Neue Fähre', „neue Furt" {vgl. Forst. Namenbuch H' 1156).
Die Endung -heim, welche sonst gewöhnlich Zusammensetzung
mit einem Personennamen anzeigt, kann in späterer Zeit erst an-
gehüngt sein in Folge falscher Analogiebildung.
Jedenfalls ist aber Niefernheim ein deutscher Name, Ebenso ist
dies der Fall mit dem dortigen harmlosen selbstvcrsUlndlichen Flur-
namen „Taubenhaus", den diu alten Deutschen nach Mehlis aus co-
lumbarium Übersetzt hStlen, als ob diese sich bei ihrer notorischen
Zerstörung aller römischen Bauten viel um deren Bestimmung ge-
kümmert hätten! Zudem hält mau gewähnlich die überall vorkommein-
den römischen Kellerbauten irrthflmlich ftir Columbarien.
Heidelberg. Karl Christ.
9. Die Civitas Nemetum bei Hädelbera-Ladertburg.
Die in Heft 71 der Jahrbücher veröffentlichte Karte von Näher
enthält in Bezug auf antike Ortsangaben einige Missverständnisse, de-
Ten hauptsächlichstes die darauf erwähnte Civitas Nemetum betrifft,
welche hier um so mehr eine Darstellung verdient, als sie, wie die der
Helvetier, über welche jüngst Mommsen in seinen 'Schweizer Nach-
studien' (im Hermes Bd. 16) gebandelt hat, ein hervorragendes Bild
Die Civitas Nemetum bei Heidelberg-Ladenbarg 81
der germanischen Oemeindeorganisation in ihrer Beeinflussung durch
die römische bietet.
In dem fraglichen N. der Heidelberger Meilensteine, some an-
derer Inschriften dies- und jenseits des Rheines, darf man nämlich den
Namen der Nemeter erkennen, wie ich dies in diesen Jahrbüchern
LKI, 12 schon ausgesprochen habe. Zuerst zur Rechten des Rheines
wohnend, war dieses Volk später auf das linke Ufer übergesiedelt und
hatte hier Noviomagus, Speier (so später genannt von der Speierbach)
als Caput gentis gewählt, wo dann auch eine Golonie römischer Bärger,
wahrscheinlich ausgediente und mit dem Bürgerrecht entlassene Soldaten
hingeführt wurden, oder die bestehende Peregrinergemeinde erhielt etwa
durch Trajan den Ciolonietitel mit latinischem Recht. Dagegen blieb
das Land rechts des Rheines am untern Neckar unter dem Mittel-
punkte Lopodunum (der eine Art Untergemeinde von Speier war) eine
eigene Nemetergemeinde peregrinischen Rechtes, woraus die Römer eine
civitas Ulpia S(eptimia?) N(emetum) im engern Sinne bildeten, mit
eigenen Vorstehern und Gemeindeversammlungen. Hier fällt also
der ziemlich allgemeine Begriff civitas , womit (abgesehen von der
vulgärlateinischen Ersetzung des Wortes urbs durch civitas) die Römer
gewöhnlich eine Mehrheit von gallischen oder germanischen Gauen oder
einen Verwaltungsbezirk bezeichneten, nicht aber einzelne Lokalitäten
(sodass man also nicht mit Näher Heidelberg diesen Namen zuschreiben
kann), mit dem Begriff von pagus, d. h. dem rechtsrheinischen Nemeter-
gau zusammen. Es war dies ein zugleich örtlich und politisch von
der linksrheinischen Nemetergemeinde abgegrenzter Kreis mit mög-
lichster communaler Selbständigkeit. Beide Gaue zusammen bildeten
erst die ganze Völkerschaft der Nemeter, welche vor Ueberführung
einer römischen (latinischen) Golonie nach Speier (wodurch an der
Gemeindeordnung der Nemeter übrigens nicht viel geändert wurde)
eine grosse peregrinische civitas, d. h. eine germanische Völkerschaft
oder Sammtgemeinde ausmachten. Diese zerfiel wie gewöhnlich wieder
in einzelne Stammesgaue, anfangs ohne örtlichen Zusammenhang, die
aber im Laufe der Sesshaftwerdung des Volkes aUmählich unter Bei-
behaltung ihrer Geschlechtszusammengehörigkeit zu örtlicher Ge-
schlossenheit gelangten, d. h. in Territorialgaue übergingen. Diese
Gemeindetheile bezeichneten die Römer aber durch pagi,^ insofern
passend, wie Mommsen sich ausdrückt, als pagus im eigentlich rö-
mischen Sinn der geschlossene Flurbezirk ist, deren eine Anzahl das
Stadtgebiet bilden, aber doch wieder wesentlich verschieden, indem
6
63 Din Civila» Npinetiim bei Ileicielberir-Ladonburg.
die italischen pagi sehr viel enger waren, als wenigsten» die hcl-
veÜschen gewesen sein könnon und als jenen jede eigene sociale und
politische Bedeutung abging.
Hiemach wird man, nenn man dies Überhaupt auf einer Karte
verzeichnen will, statt civitas verständlicher pagus Ulp. Scptim, Ne-
metum schreiben, wenn man nicht vorzieht, dem Uauptort Lopodunum
in Klammem beizusetzen „civitas Ulpia S. N." ')
Ein Hauptmerkmal der Rechts Verschiedenheit der gallischen und
germanischen decentralisirten Gemeindeordnung von der itahachen, ist
femer das rechtliche Fehlen der Hauptstadt, der urbs mit ihrer be-
sonderen Rechtspflege, Gemeindeversammlung, Verwaltung und Polizei,
welche bei den Römern der Competenz der Aedilcii unlflrlag. In der
gallisch -germanischen Gemeinde dagegen, begründete das örtliche
Zusammenwohnen für die Angehörigen keinen Rechtsunterschied. Der
Duovir oder der decurio z. B. konnte sein Domicil am Hauptort sowohl,
wie in einem mehr oder minder beträchtlichen andern Gemeindcort auf-
schlagen, wie wir dies denn beim Heidelberger Candidius Calpuminnus
sehen, der bei beiden Nenietergemeinden seine Jurisdiktion (aller-
dings wahrscheinlich nacheinander) ausübte, sowohl als decurio der
Goloni oder Municipes in der linksrheinischen colonia Nethetum, dem
Caput gentis, als in der rechtsrheinischen peregrinischen Ncmcterge-
meinde mit dem Mittelpunkte Lopodunum (vgl. Hang. Mannheimer
Denksteine no. 19). Dass er rechtlich nicht an die Hauptorte gebnnden
war, zeigt wohl seine Widmung an den germanischen Gott Visucius bei
Heidelberg. Dieser Ort befand sieb aber rechtlich in derselben Stellung
zu der Gesammtheit wie jede andere einzelne Ortschaft oder wie der
Hanptort der Gemeinde selbst.
Die Gemeindebilrger werden zu Heidelbei^ genannt cives civitatis
und diejenigen, welche an den Hauptorten Lopodunum und Speier wohn-
ten, würden auch so genannt worden sein, etwa noch unter Beifflgung der
Bezeichnung „incolae" IiOpodunense3,bzw.Nemetenses. Hierbei sind unter
incolae nicht nach itahscher Weise die in diesen Gemeinden lebenden,
aber ihr nicht als Bürger angehörenden Personen zu verstehen, sondern
der Begriff föllt hier zusammen mit dem von cives, bzw. coloni, d. h.
von Gemeindebürgera überhaupt.
Anknüpfend an diese Auseinandersetzungen, wessbalb die Bdschrift
1) Ebenao heistt Baden-Baden zar Römerzeit einfaob Aquae, in Klammer
iat aber der Name des Bezirkes beizufügea, welcher Ciritai Aarelia AquenetB biaaa.
Die Civitas Nemetum bei Heidelberg-Ladenburg. SS
eines Namens für die römische Militärstation bei Heidelberg unrichtig
ist, mag auch noch auf die Streichung eines anderen, angeblich an-
tiken Namens der Näher'schen Karte aufmerksam gemacht werden.
Hier steht nämlich beim römischen Militärposten oder der klei-
neren Ansiedelung zu Stettfeld angeschrieben „statio'*. oder „campus"
Romanorum, was nichts als eine ganz unstatthafte Uebersetzung des
heutigen Namens ist, wenn hier auch eine römische statio vorhanden
ist. Nur wirkhch antike Namen dürfen aber auf eine römisch-ar-
chäologische Karte aufgenommen werden, nicht mittelalterliche und mo-
derne Entstellungen und Vermuthungen.
So muss es denn weiter heissen Brocomagus (Brümat im Elsass)
statt Broecoma; Vicus Aurelius (Oehringen) statt V. Aureliae; Medio-
matrici (Metz) statt Mediomatriacum oder gar statt Matricorvo.
Wimpfen heisst blos bei späten Chronisten Cornelia, weil es dort eine
Cornelienkirche gibt. Ebenso ist der Name Melibokus (Harz) für den
Malschenberg (Maliscus) an der Bergstrasse zu streichen.
Die Station ad Renum ist falsch angesetzt, denn sie liegt bei
Rheineck am Ausfluss des Rheins in den Bodensee.
Auch mehrere Römerstrassen sind zu streichen, so die von Hei-
delbeiig angeblich durch das Gebirg gegen Osten führende u. s. w.
Mögen diese Bemerkungen Herrn Inspector Näher veranlassen,
eine revidirte Ausgabe seiner sonst so nützlichen Karte zu veranstalten
und auch den Text dazu einer Prüfung zu unterziehen.
Heidelberg. Karl Christ.
Im Sommer 1379 erhielt ich Ecnntifiss von dem hierbei abgebil-
lictcn Ring und theile mit, was mir (iber die näheren Verhältnisse der
AuffinduDg bekannt wurde.
Derselbe wurde von einem Äckersmann aus Saiberabacb bei
Stromberg im District Atzweiicr beim Graben von Pflanzlöchern auf-
gefunden.
„Der Ring lag ganz allein und nur etwa '/a Fuss in der Erde. Die
Stelle, wo der Fund stattfand, Hegt seit unvordenklichen Zeiten Öde und
wird jetzt mit Wald angepdanzt. In einer Entfernung von 5 — 10 Mi-
nuten von der Fundstelle befinden sich noch Mauerreste eines römischen
Castells. Auch sind Reste einer vorbeifiihrenden Römerstrasse vorhan-
den. An der Stelle des Castells wurden früher verschiedene Alter-
thümer, namenthch Münxcn gefunden. Die Funde waren fast alle
werthvollundsind als Antike (sie!) verkauft worden"'). So die erhal-
tenen Mittheilungen.
Der Ring ist aus massivem Gold, misst im Durchmesser 24 mm,
1) Die Fundatelte ist unweit der groMen von Trier 3ber den Haocrüekeii
fQhrendcD Römerstraase, daa ofien zu Tage liegende Mauerwerk darf »i» Fnn-
dameal einer Manaion dieser Stratae angeaeben werden. D. Ked.
Ein römisoher Goldring. 85
die Höhe des Reifes 14 mm, die Platte 14— 8 mm, und die Stärke des
Reifes beträgt 1 mm.
Die Inschrift CONSTANTINO FIDEMistin allen TheUen
wohl erhalten. Sie ist eingeschlagen, wie sich aus den aufgetriebenen
Rändern um die einzelnen Schriftzüge ergibt, die noch den vom Ein-
schlag herrühenden s. g. »Zunder", eben die durch die Wucht des Schlages
herausgequetschten Begrenzungen zeigen, ohne dass eine Nacharbeit
durch Feilen stattgefunden hätte. Die Erhaltung des Ringes ist bei
seiner Stärke durchaus gut; nur ist durch irgend eine Einwirkung die
Form im Ganzen etwas verbogen. Die handwerkliche Herstellung ist rauh
und kunstlos und die Buchstabenform ohne Sorgfalt oder künstlerische
Absicht ausgeführt.
Dass der Ring römischen Ursprungs ist und nach der Gesammt-
erscheinung der Spätzeit angehört, unterliegt keinem Zweifel. Ein Stück
ganz ähnlicher Art ist mir aus der Sammlung des Herrn Augustus
W. Franks in London bekannt*). Derselbe trägt die gleiche Inschrift
in derselben Vertheilung auf dem Reif und dem Schild. Die Form
dieses Ringes stimmt, wie auch die Zeichnung und Herstellungsweise
der Aufschrift ganz mit dem vorstehenden überein. Seine Fundstelle
ist nicht näher bekannt; Franks theilte mir mit, dass derselbe in der
Normandie gefunden und von ihm in den letzten Jahren in St. Omer
sei erworben worden.
Bei der ungewöhnlichen Grösse der Ringe, die selbst von ei-
nem Manne nur am unteren Theil des Daumens konnten getragen
werden, liegt die Frage nahe, welche Bestimmung dieselben ursprüng-
lich mögen gehabt haben. Dass es nicht Eheringe gewesen, wird wohl
eben durch die Grösse und die Inschrift schon ausgeschlossen sein; bei
der Nennung des Mannsnamens könnte er doch nur für die Frau be-
stimmt gewesen sein, was jedoch eben durch die Grösse widerlegt
scheint. Werden nun am wahrscheinlichsten als Besitzer und Träger
dieser Ringe Männer anzunehmen sein, so läge^die Vermuthung nahe,
dass jene etwa Freigelassene auszeichneten, die damit ihre Ingenuität
und wohl auch Ritterwürde bekundeten. Auffallend bleibt immerhin
das Vorkommen zweier so gleichgearteter Stücke unter Verhältnissen,
die jede beabsichtigte Täuschung ausschliessen. Möglich wäre ja immer-
1) Einen achtseitigen römischen Goldring mit der Inschrift AAARFI-
NIANVS VIVAS erwarb s. Z. Herr Franke von dem Kölner Kunsthändler
Dahmen, derselbe war in Brackeland b. Jülich gefunden worden. D. R.
BB Ein römiscbbr Goldriag.
bin, dass beide Stücke trotz ihrer räumlich weit auselnandcrIiegeDdcn
Fundstätte von deinHelbcti Scheiikgeber herrührten, der damit zwei
seiner Freigelassenen bedachte. Oder dürfte die Bestimmung dieser
Ringe iu einer anderen, etwa militärischen Auszeichnong zu suchen
sein? Üci der Berathung der eiuHchlägigen Literatur, die tihrigens von
deutscher Seite seit langer Zeit kaum mehr Bereicherung und zusam-
menhängende Bearbeitung gefunden hat, während namentlich England
die Ringkunde sehr sorglich pflegt, begegnete ich in dem alten Jo.
Kirchmann, de Annulis, Sleswici 1657 zunächst einer Stelle, welche
eine Erklärung für das Tragen des Ringes am Daumen bietet. Erbe-
merkt p. 25 [Pollex] Et electus est, qui ab utroque clauditur et minus
oificii gerit, et ideo serrando annullo magis accomodatus est, und zwar
unter Bezugnahme auf Attei Capitonis fragm. ap. Macrob. — Weiter
dürfte eine Stelle vielleicht gerade zur Erklärung der fraglichen Ringe
hier niitgethcilt werden, wonach Kaiser Constantin unter gewissen Um-
ständen Ehreuringe vergab. Es heisst bei Kirchmann I. c. p. 103:
De Constantino magno legimus, illum Chei'sonitis inter alia laboruni
pro Impcrio Romano exantlatorum praemia etiam annulos aureos in
quihus imago sua erat espressa, donasse, ut quas per occasiooem ad
se missuri essent, relationes supplicationesque, iis signarent, et ipse
earura nuncios inde dignosceret.
Ob CS min ziilä^^si,!.' wiire, in deu beiden vorücgenden Hingen
solche Ehrengaben Constantins zu erkennen, darf vielleicht als Ver-
muthung ausgesprochen und zur weiteren Erörterung angeregt werden.
Der Ring von Ätzweiler befindet sich nunmehr im Besitz Ihrer
K. K. Hoheit der Kronprinzessin.
MaiDZ.
Friedrich Schneider.
AltchriBtlicher Löffel s
U. Altchristlicher Löffel aus Sashach.
Hierzu ein HolzBchnitt.
Das Grossherzogliche Maeeum zu Karlsrahe be-
sitzt seit eiDigcn Jahren einen SilberlöfTel, welchen
man bereits vor etwa zehn Jahren in der Nähe von
Sasbach am Kaisersuhl, angeblich in einem der
Gräber aus römisch-fränkischer Uebergangszeit ge-
funden hat. Der Löffe! hat 0,233 m Länge und wiegt
52gr. SeineForm veranschaulicht die unserer Notiz
beigegebene Abbildung. Auf dem inneren Ende des
Stiles befindet sich die Inschrift ANDREAS, auf
der abgcschlifTenen Seite des die Verbindung des
Stiles mit der Kuppe herstellenden Stückes das Mo-
nogramm P, aufder Rückseite ein punktirtes herz-
förmiges Ornament.
Die Gestalt des Utensils, das (zweite) constan-
tinische Monogramm, die Palaeographie der Schrift-
zUge lassen keinen Zweifel darüber, dass wir es
hier mit einem altchristlichen Denkmal zu thun ha-
ben. Man wird nicht irre gehen, wenn wir die Ent-
stehungszeit desselben ins 5. Jahrb. setzen. Gegen-
stände dieser Art wurden aus Italien exportirt und
konnten, wie zahllose Beispiele beweisen, leicht in
den Besitz von Alamannen oder Franken gelangen,
denen sie wie andere dann ins Grab folgten.
Denkmiller dieser Art gehören zu den seltnem,
sind indessen an verschiedenen OrtenItalieD3,Fr&nk-
reichs, Englands gefunden worden. Man sah in sol-
chen altchristlichen Loflfeln früher nur Utensilien,
welche beim Abendmahl gebraucht wurden').
DieEntdecknngvonDenkmälemunsererGattung
mit Inschriften von Privatpersonen (ALEXANDER,
FAVSTVS u. 8. f.) in Porto führte De Rossi
1) Tgl. Ar eval o zu Sedul. Cum. pucb. III 300. M<tr-
tigny Diel. 2(0. p.333. A. Vft,y and Rock Archmeo-
logical JouniBl XXVI SD f.
88 AltoUristlioher Löffel ans Sasbaoh.
jedoch auf die VtirmuthuDg, dass wir es bier mit Löffeln zu thun haben,
welche einfach dem bäuslichea Gebrauch dienten und, wie andere Gegen-
stände desselben, mit dem Monogramm Christi, dem Kreuz u. a. f. ge-
schmückt wurden, indem sie zugleich den Namen des Besitzers aufnahmen.
Die Sitte solche Löffel zh fertigeu hat sich bis ins Mittelalter erhaJten. Ein
Schatzverzeichniss von Äoserre nennt cocbleares Xllpens. lib. III
habentes caudas scriptas'), und Remigius von Auserre ver-
macht in seinem Testament cochlearia quae meo nomine sunt
titulata*). Die bei Crema 1878 gemachten Funde^) brachten die
Namen Johannes und Matthi as, was, in Verbindung mit der
Zwölfzflhl des Äuxerres-Löffelsehatzes an eine Beziehung auf die zwölf
Apostel denken liess. De Rossi, gerade mit Rücksicht auf die Na-
men von Porto, glaubt eine solche Beziehung ablehnen zu mfissen.
Unser Sasbacher Fund, welcher wieder einen Apostelnamen bietet, legt
indessen diesen Gedanken von Neuem nahe. Unzweifelhaft isteinXheil
dieser bis jetzt gefundenen Löffel durchaus nicht liturgischen Charak-
ters ; damit ist aber nicht ausgeschlossen, doss man sich bei der Speisung
der Armen in den Triclinien — einer Speisung die bekanntlich an die
Stelle der im 4. Jahrh, im Abendland abgeschafften Agapen getreten
ist — mit Vorliebe der „zwölf" Löffel bediente, welche auf den Namen
der Apostel „getauft" waren. Vielleicht werden spätere Funde diese
Vennutimng bestätigen.
Nachdem de K o s s i zu verschiedenen Malen das was Qber diese
Gattung von Denkmälern zu sagen ist, in erschöpfender Weise behan-
delt hat *), glaube ich von einer eingehenderen Besprechung derselben
Abstand nehmen zu dürfen. Für den eucharistischen Löffel ist ausser-
dem noch immer beachtenswerth, was Job. Vogt in seiner „Ftstula
Eucharistica" beibringt*).
F. X. Kraus.
1) Hiat. epiK. Aatissiod. c. 30 (bei Lsbbe Bibl. nov. u. Dnrn Docum.
de l'Eglüe d'Auierre 1.
2) Fladoard HUI. Rhem, I lS-28.
8) De Roisi Bull. 1878, 117 f.
4) De BoBsi Bull. 1868, 79 f. 1873, tisr. 1878, 117f. Die ed 1868,
tav. VI Dod 1878, tav. Vill gegebenen AbbilduDgen leigeo die Idibtilftt dieser
Fabrikation mit derjenigeQ des Saabaober Iiöffeli.
5) Job. Vogt, past. eoel. cath. BremenBig, Biitoria Fiitalae euobariitio»e
et«. Bremoe, 1740, 4°.
Cosmas und Damianus. 89
12. Cosmas und Damianus.
Alte WandmalercioD in der Münsierkirche zu Essen.
Hierzu Tafel V.
Im Jahre 1856 eröffnete Friedrich v. Quast die von ihm mit
Otte gegründete Zeitschrift für christliche Archäologie und Kunst mit
einem Aufsätze über die Münsterkirche in Essen, welcher als ein Muster
monographischer Behandlung eines unerforschten Baudenkmals geeignet
war, nicht nur in weitesten Kreisen anregend zu wirken, sondern auch
ein ungewöhnHches Interesse für die Erhaltung und weitere Erforschung
des Essener Münsters einzuflössen. Doch in diesem wie in jenem Sinne
trat ein Erfolg nicht ein. v. Quast's Zeitschrift erlebte nur zwei
Jahrgänge, und die Essener Münsterkirche, von Alter und Bergbau be-
droht und angegriffen, ging ihrem Verfalle entgegen, vergebens eines
die Erbschaft v. Quast's Antretenden harrend.
Seit Jahrzehnten geplant begann die Restauration im Jahre 1880,
und an vielen Stellen, wo man prüfend Hand anlegte, zeigte sich Neues.
Eine Reihe architektonischer Details ward entdeckt, deren hervor-
ragende Bedeutung darin liegt, dass durch sie v. Quast's Muthmas-
sungen über das Alter und die ehemalige Gestalt der einzelnen Bau-
theile in überraschender Weise bestätigt werden. Dringend zu wünschen
wäre daher die baldige Verwerthung der noch fortwährend zu Tage
tretenden Funde zu einer archäologischen Reconstruction, sei es des
Ottonischen sei es des spätromanischen Baues.
Zu einer abgesonderten Beschreibung und Betrachtung fordern in-
dess die gleichfalls erst Ende 1881 freigelegten Wandmalereien auf.
Das Vorhandensein derselben war, obwohl bei v. Q^n^t nicht erwähnt,
auf Grund weniger Spuren schon früher festgestelltT^ß Aufdeckung
aber wurde veranlasst durch den bedrohlichen Zustand des'die Vierung
deckenden Kreuzgewölbes und des östlich anstossenden, dem QJiore zu-
nächst gelegenen, sowie der beide Gewölbe umfassenden Gurt- und
Schildbögen. Es hatte nämlich der über der Vierung ehemals lastt'Qde
90 Gosmas und Damiuias.
Thurm die ihn tragenden Pfeiler nach Süden und Norden auseinander-
gedrückt, dadurch die beiden genannten Gewölbe in der Längsaxe des
Mittelschiffs zerrissen und so die gänzliche Erneuerung der beiden Ein-
wölbungen nothwcndig gemacht. Das Vierungsgewölbe selbst zeigte
keinen Farbenschmuck, wohl aber der östlich sich anschliessende breite
Gurtbogen, nebst dem bereits erwähnten, dem Chore vorgelegten Kreuz-
gewölbe. Die genaue Aufnahme dieses Wandschmuckes durch Pausen
und Photographien verdanken wir der Fürsorge der die Restauration
leitenden Herren, Baumeister Zindel und Bauführer Müller, durch
deren freundliches Entgegenkommen auch die Wiedergabe auf Tat V
möglich wurde.
Gegenstand der an hervorragender Stelle angebrachten Malereien
ist das Martyrium der Heiligen Cosmas und Damianus, welche als Pa-
trone der Münsterkirche nächst der h. Jungfrau Maria verehrt wurden
und deren Reliquien theilweise nebst dem Schwerte, womit sie ent-
hauptet wurden, diese Kirche bewahrt. Auch trägt die Stiftungsur-
kunde von Essen vom Jahre 874 das Datum des 27. September, des
dies natalis jener Heiligen 0' Die vier Gewölbfelder enthalten folgende
Darstellungen :
1. Die Heiligen werden ins Meer geworfen — Südseite,
2. Ins Feuer geworfen — Westseite,
3. An Kreuzen häagend gesteinigt und mit Pfeilen beschossen
— Nordseite,
1. Enthauptet — Ostseite.
Es erscheint geboten, diese Bilderschrift an der Hand der Legende
zu lesen:
In Arabien geboren und im Christentum erzogen widmeten sich
fünf Brüder, Cosmas, Damianus, Anthimus, Leontius und Euprepius
dem ärztlichen Berufe und wirkten segensreich zu Aegea, einer Stadt
an der Küste Ciliciens, zur Zeit der Kaiser Dioclctian und Maximian.
Eines ganz besonderen Rufes aber genossen unter ihnen wegen ihrer
vielen und wunderbaren Heiluiigen Cosmas und Damianus. Alle fünf
erlitten den Märtyrerjteu durch die von dem praeses Ciliciae, Lysias,
gegen sie eingeleitete Verfolgung am 27. September unter dem Consu-
late des Dioclgtlan und Maximian (d. i. 287 oder 290). Die Kritik der
Bollandistc»j'2) \^q]^i ^us der gesammten Ueberlieferung vier charakte-
1) Lacomblet, Urkiindeubnch I, S. 34.
.^2) Acta Bollandi: M. Sopt. Tom. VII Dies XX VII pag. 428 sequ.
Ck)Bma8 und Damianus. 91
ristische Berichte heraus, welche in ihrer Reihenfolge die Entwickelung
der Legende darstellen. Der älteste „b.(Aa prima" ist kurz und schmuck-
los, der jüngste „acta quarta" übertrieben und märchenhaft" verbrämt.
Die beiden mittleren, nur wenig verschieden, müssen doch wegen dieser
Abweichungen im Folgenden citirt werden, weil die Wandmalerei zwi-
schen beiden steht.
i,Als Lysias in Aegea zu Gericht sass (sedente L. pro tribunaliy^
beginnen fast übereinstimmend alle acta SS. Cosmae et Damiani und
erzählen dann, wie Lysias auf die Anzeige seiner Unterbeamten, dass
In der Stadt berühmte Aerzte das Volk verleiteten, die Götter zu miss-
achten, die Ergreifung und Vorführung von Cosmas und Damianus be-
fahl. Es folgt Verhör und Bekenntniss dieser Heiligen, darauf das
der ebenfalls vorgeführten anderen Brüder, Airthimus, Leontius und
Euprepius. Letztere, welche überhaupt neben dem ausgezeichneten
Brüderpaare einen minder hohen Rang einnehmen, werden nicht bei
allen Prüfungen erwähnt. Erstes Verhör und Bekenntniss sind gleich
den häufigen Wechsclreden zwischen Lysias und den Heiligen und deren
mehrfacher Folter in der Essener Malerei nicht dargestellt, vielmehr
beschränkt sich die letztere darauf, Leiden und Tod der H. Cosmas
und Damianus in folgenden dramatisch bewegten Bildern dem Volke
vorzuführen.
L
Lysias befahl, die Heiligen mit Ketten beschwert, ins Meer zu
werfen.
Acta altera: Tunc alligaverunt omnes milites catenis et ducebant
ut mitterent eos in mare. — Et milites tenentes eos iactaverunt in
mare. Confestim angelus Domini stetit secus illos et disrupit vincula
eorum et eiecit eos intactos.
Acta, tertia fügen hinzu: Milites vero venerunt et nuntiaverunt
praesidi quod viderunt
Das diesen Vorgang darstellende Bild ist das am wenigsten er-
haltene:
Ein in wohlgefälligen Linien gezeichnetes Schiff nimmt die Mitte
ein. Das Vordertheil (Unks) ist dem Hintertheil gleich geformt und
verziert. Im Schiffe befinden sich drei Männer, einer sitzt am Vorder-
theil, ein anderer führt stehend oder halb knieend das einzige Ruder,
mit welchem das Schiff gesteuert wird, ein Ruder mit breitem, run-
dem Blatt und gebogener Stange. Zwischen Beiden beugt ein Dritter
93 CoBinas und DamiBDuB.
sich weit aber Bord und nach rechts hiu, seine Hände scheinen nahe
den Welleu, deren Andeutung ebenfaUa sichtbar'), beachäftJgt zusein,
womit, sagen die Worte: et milites tenentes eos iactaverunt in mare.
(Aus dem Umstände, dass der Mann am Ruder letzteres zum SteuerD,
nicht zum Rudern gebraucht, sowie aus der Haltung der Mittelftgor
geht hervor, dass das Scbifl' als von rechts nach links sich bewegend
gedacht werden muss.) Von oben naht die prachtvolle Gestalt eines
Engels in langem faltenreichem Gewände, mit ausgebreiteten Flügeln.
die rettenden Arme nach dem Wasser streckend. AuiTäll^ an der
Haltung des Ober Bord Gebeugten ist, dass seine Hände in der Fluth
etwas zu heben oder zu halten scheinen, was zum iactare nicht passt,
so dass die Vermutbung nnlie liegt, er sei bemüht, die Rettung zu bin-
dern. Die Meeresfiäche schliesst nach unten in gerader Linie ab. Links
im Zipfel des Bildes sieht mau die unteren Theile zweier Figureo.
Entweder sind es milites, welche den Hergang vom Lande beobachten,
um ihn danu dem Präses zu melden (acta tertia), oder es ist Lysias
selbst mit einem Diener, wie er auch in den folgenden Bildern an der-
selben* Stelle, die Vollstreckung leitend, ersclieint Bemerkt zu werden
verdient noch, dass die acta prima sagen: Ubi vero erant proiecti, vin-
cula soluta sunt et aqua eos levans illaesos in ten-a deposuit, ohne des
Engels zn erwtimen.
IL
Wiederum werden die Heiligen vor Lysias geführt, der eie nun
für Zauberer hält und in ihre Kunst eingeweiht zu werden wünscht
Dieses Ansinnen wird unter neuem Glaubensbekenntniss zurückgewiesen
und Lysias eine Stunde lang von zwei Dämonen gepeinigt. Durch der
Heiligen Gebet befreit, lä^t er diese in den Kerker werfen und am
andern Tage sich nochmals voi-fUhren. Als die abermalige Aufforde-
rung, den Göttern zu opfern, auf das Kühnste beantwortet wird, be-
schlicsst er, über sie den Feuertod zu verhängen.
Acta altera : — iussit ligna afferri et accendi ignem copiosum et
in eundem eos mitti. — et miserunt eos in ignem. Steterunt autem
beati martyres in medio ignis psallentes et dicentes: mitte nobis Do-
mine adiutorium — Ita autem eis orantibus statim terrae motua factus
est magnus: et flamma exilicns combussit multitudinem gentilium
1) Auf Tar. V fehlt diese Andeutung, weil erst in der jüsgaten Zeit von
der Tünche befreit.
Cosmas und Damianus. 98
astantium. Martyres autem intacti exierunt ab igne, ita ut nee capillus
eorum tactus esset ab igne: et sie steterunt in conspeetu omnium.
Acta tertia: — ministri miserunt in ignem. Uli autem ambula-
bant in medio fornaeis sicut in paradiso exultantes et dieentes: —
Statim natu Dei egressa est flamma et eombussit plurimos impiorum
et mortui sunt. Saneti vero — illaesi.
Nur in a. tertia ist es ein Ofen ^), in den die Heiligen geworfen
werden. A. altera reden vom Feuer, a. prima von einem Seheiter-
haufen. Nach a. prima thut sich unter dem Scheiterhaufen die Erde
auf, die Heiligen fahren in den Spalt hinab, das Feuer ergreift die
Umstehenden, die Heiligen kommen wieder zu Tage und die Erde
schliesst sich. In Erinnerung hieran berichten noch a. altera von einem
Erdbeben, doch bleiben die Heiligen an der Erdoberfläche, in a. tertia
fehlt dieser Zug gänzlich.
Vier Stufen führen zu dem in der Mitte des westlichen Gewölb-
feldes befindlichen Ofen, in dessen Inneni rechts der Oberkörper des
einen und links der Kopf des andern Heiligen ^) sichtbar ist. Schon hier
kommt die charakteristische Ruhe der Heiligengestalten zum Aus-
drucke '). Das übrige Ofeninnere ist durch den erwähnten breiten Riss
des Gewölbes zerstört. Auf eine Erdspalte deutet nichts hin, ebenso-
wenig ist Feuer sichtbar. Um so deutlicher aber spiegelt sich in der
Umgebung ein unerwartetes, schreckliches Ereigniss, ausgehend nach
der Haltung Aller von dem Ofen. Mit ausserordentlicher Kühnheit
hat der Maler Staunen, Erschrecken, Verletzung und Tod uns vor
Augen geführt. Wie anziehend sind die Figuren der beiden an ihren
gabelförmigen Stangen kenntlichen Heizer, welche voll Entsetzen zu-
zückfahren! Durch die Gestalten der Hingeworfenen wird die das
Ganze beherrschende Symmetrie in wohlthuendster Weise gemildert.
Links neben den Stufen erscheint der Körper eines Niedergeschmetter-
ten, der den Kopf auf die Hand stützt, rechts vor den Stufen windet
1) Auch 80 im Menologiuro Sirlotianam : (ti&tg iv xafifvtp nvQos anoQqlnroV"
Tai, Acta BolL L c.
2) Dieser Kopf ist erst in letzter Zeit aufgedeckt, fehlt daher auf
Taf. 5.
S) Die Haltung der Heiligen ist stets ruhig, die der Bösen bewegt. Addi-
dit etiam illic supportatoria immobilia esse quod Sanctorum statio stabilis et
firma sit . . . . peccatorum Status mobilis etc. Ambros. de Noe et Area
c. 7 p. 84.
94 Conniiu und Daraianns.
sich in soltsamster Körperkrtimmung eine kopfüber gestürzte Person
in ziemlich lungern, gelbem, ftiessend anliegendem Gcnande und mit
geflochtenen Schuhen. Rechts vom Ofen, zunäcli!<t dem Heizer kniet
eine kauernde Gestalt, das Gesicht in den Händen bergend. Ausserhalb
der verderblichen Wirkungen des Wunders sitzt links auf dem Richterstufal
Lysios, dem vom Ofen sich wegwendenden Ueizer einen Befehl ertheileod.
Seine Linke hält das Gewand zusammen. Dahinter steht der Dieoer,
„unuB ex officio". Der Stuhl hat die noch heute übliche Form,
und diese ganze Darstellung des Richters mit seinem Büttel er-
innert an einen fränkischen Grafen oder iudex '). In der rechton
Bildecke trägt eine Gruppe von drei Männero, welche ein Vier-
ter auf das sich Ereignende hinweist, dazu bei, gleich den sogen.
(norvovvteg der antiken Bildwerke, die Aufmeiksamkeit auf die Mittel-
gruppe zu concentriien. Eine weitere Deutung dieser Figuren (BrQ-
der?) versuche ich nicht.
in.
Von Neuem sinnt Lysias auf Qualen. Er lasst die Heiligen auf
die Folter spannen, doch sie bleiben unversehrt, und er ordnet die
Kreuzigung an.
Acta altera: lussit crucifigi et a multitudine lapidari. Beatos vero
Anthimuni, Leontium, Euprepium in carcerem duci. Quaestionarii vero
cnietfiterunt sanctos Cosmam et Damianum. Mittebat autem populus
saper eos lapides: et ipsi lapides super eos redibant. Videns itaque
praeses ministros plogatos amplius furore accenaus iussit quattaor mi-
litefi venire et sagittare viros illos, Sanctos vero Anthimum, LflonÜum
et Euprepium iussit de carcere eiectos iuxta erucem astare. Emissia
aatem sagittis non eos contigenint: nam sagittae super mittentes re-
vertebantur.
A. tertia fügen hinzu; Sagittae vero conversae interfecerunt plu-
rimam muititadinem virorum ac mulierum, ita ut fluvius sanguinis vi-
deretur currens in eo loco.
Noch bewegter als das vorige Bild ist die grandiose Darstellung
dieses Theiles der Legende. Schon auf den ersten Blick gewahrt man
einen deutlichen Gegensatz zwischen der oberen und unteren Bildhälfte.
An zwei cruces commissae gebunden schauen die Colossalgestalten *)
1) Vergl. dae TitelbUd zu Qrimm's Oeutwben Reobtialterthümern.
2) Mftn beachte überhaupt die Abatufung in der Gröwe der Fignren:
Cosmas und Damianus. 95
der Heiligen voll erhabener Buhe halb den Beschauer, halb einander
an und überragen ein wirres Durcheinander kleinerer Figuren. Auch
hier herrscht eine frei Symmetrie.
Am linken Rande des Bildes holt ein Mann zum Wurfe aus, wäh-
rend sein linker Arm eine Menge von Steinen im Kleide trägt. Ein
Stein ist auf der Brust des Heiligen rechts zu sehen. Auch der neben
dem ersten Werfer stehende Schütze zielt nach dem Heiligen zur
Rechten, während rechts wieder ein Schütze und ein Werfer den linken
Gekreuzigten zu treffen suchen. An der linken Hüfte des letzteren scheint
ebenfalls ein Stein angedeutet. Der Pfeil des Schützen gleitet vom
Bogen ab. Unter dem rechten Kreuze greift ein Mann getroffen nach
seinem Kopfe; ganz rechts in der Ecke spannt noch ein Schütze den
Bogen, während der entsprechende Raum links wieder von zwei nach
den Kreuzen hinschauenden Figuren gefüllt wird, in denen wir Lysias
mit seinem Diener erkennen. Am unteren Rande wird noch ein Bein
sichtbar.
Wenn man einerseits dem Maler die Anerkennung nicht versagen
kann, dass er aus dem historischen Nacheinander ein künstlerisches
Nebeneinander mit vielem Geschick componirt hat, so muss doch auf
der andern Seite hervorgehoben werden, dass die gemalte Legende einen
nicht unerheblichen Umstand auf diese Weise verschweigt, denn durch
nichts deutet sie an, was alle Berichte enthalten, dass nämlich erst,
nachdem das Volk vergebens die Heiligen zu steinigen versucht hatte,
vier herbeigerufene Schützen ihr Werk begannen.
IV.
Acta altera : Intuitus autem haec praeses et videns se victum* in
omnem virtutem suam coepit male torqueri et iussit capita eorum gla-
dio amputari. Statimque suscipientes eos speculatores perduxerunt ad
locum ubi futura erat consummatio eorum. Euntes autem martyres
tamquam ex uno ore laudantes Deum dicebant: bonum est confiteri
Domino etc. — Et haec dicentes beati martyres extenderunt manus
suas ad caelum et orantes intra se dixerunt amen. Accedentes autem
speculatores absciderunt gladiis 0 capita eorum et sie in tranquillitate
Engel — Heilige — Heiden. Die Vertreter des Bösen erscheinen am kleinsten.
(Aus'm Weerth, im Texte zu dem Elfenbeinrelief des Essener Buchdeckels in
Denkmäler der Bildnerei in den Rheinlanden S. 20 flg.)
1) Also zwei Schwerter nach Schrift und Bild, deren eines zu den Sch&tzen
der Münsterkirche gezählt wird.
n CoBtDBS und Damiaoua.
et pacu Iradiilerunt Dco animos suas, rccipieutes a Salvatorc coronam
victorlae. Passi sunt autcm gloriosi martjTes Gosiuas, Oainianus, An-
Ihimus, Leontius, Eiirrepius in civitate Aegea tiuinto Cal. Octobres.
A. tertia setzeu hinzu : Tum piae mentis homines rapuerant Cor-
pora eorum omuibusque rite gestts sepelterunt eos.
Wiciienim sehen wir Lysias auf dem uns schon bekannten Stuhle
Kitzen, seine Füssc ruhen auf einem verzierten Schemel. Hinter ihm
nimmt der Diener Beinen Platz ein. Näher der Mitte gteheu, eben-
falh zum officium gehörend, vier milites mit Schwert und Schild').
Dem Befehle, den Lysias mit erhobener Hand ertheilt, ist ein vor dieser
Gruppe stehender Henlter bereits nachgekommen. Der Kopf des einen
Heiligen liegt am Boden, und der Henker streicht sein Schwert an dem
mit der Linken erhobenen Rocke ab. Ein Engel trägt die Seele in
Gestalt eines bekleideten Kindes*) im Heiligenschein empor. Rechts
von der Mitte erwartet der andere Heilige in liegender Stellung, die
Hände abwärts haltend, als wären sie festgebunden, 'den Streich, zu
dem der zweite Henker, hinter ihm stehend, ausholt. Ganz rechts er-
scheint die untere Hälfte einer Figur ; vielleicht ist es einer der „piae
mentis homines", die für die Bestattung sorgten.
Zum Inhalte der betrachteten vier Darstellungen seien noch fol-
gende Bemerkungen gestattet, welche sich mir aufdrängten:
Zu symbolischer Deutung regt zunächst die räumliche Vertheilung
an: Dass die Enthauptung und Befreiung der triumphirenden Heiligen
das Ostfeld einnimmt, bedarf keiner Erklärung. Bedeutet dodi der
Osten den Heiland selbst, den vir oriens '). Ebenso versteht es sieb
bei der speciäach christlichen Bedeutung des Kreuzes von selbst, dass
einer Kreozigungsscene die Evangelienseite (Norden) gehört. Das im
südlichen Felde dargestellte Mittelmeer ist nicht so leicht zu deuten,
vielleicht auf die Taufe <). Westen endlich ist nach kirchlicher Auf-
fassung die Nacht, im Westen der Kirche ist der Platz fOr die Büsseo-
deo, und dem entspricht der im westlichen Felde gemalte Ofen'}.
1) Der Scbild de« halb verdeckt stehenden Oewaffneten eoheiiit versiert
geweten cu Min.
2) Wfthrend die Acta von coroaa und palma viotoriae reden, erscheint hier
die mittelaltrig^ Dantellong der Seele dnroh ein Kind.
3) lonooent. III tom. IV. p. 812.
4] Per undaa maris iu typo bapttsmatis (laraelitaa) fiUBRe Mrvato«. Ve-
recund. pag. 124.
9) Fomax calor tribniationis — sopplioinm peocatorum, Melito Spidl.
3oI. II p. 294.
Ck>8ma8 und Damianae. 97
Doch auch die andere Frage möchte ich aufwerfen, ob der Maler
sich bewusst gewesen, die siegreiche Macht der heiligen Aerzte über
die Elemente dargestellt zu haben ? Weder Woge noch Flamme ver-
mögen sie zu versehren, selbst die Luft ist ihre Beschützerin, indem
sie den Steinen und Pfeilen eine andere Richtung gibt, ja sie zurück-
schleudert. Wie die Erde sich aufthut, die Heiligen schützt und ihre
Verfolger straft, hat freilich der Essener Maler nicht, wenigstens nicht
deutlich ausgedrückt.
Die Technik anlangend ist zu bemerken, dass gelbe, nicht schwarze
Linien die Figuren umfassen und Farbe von Farbe scheiden, die Ge-
wänder meistens roth, die unbedeckten Körpertheile gelb, der Hintergrund
blau ist und ein braunes, beiderseits roth eingefasstes Band die einzelnen
Felder des rippenlosen Kreuzgewölbes nach innen umgibt. Die Linienfüh-
rung ist eine überaus sichere >) und erhebt sich stellenweise zu einer
schwungvollen Grazie, welche fast Zweifel an dem mittelaltrigen Ur-
sprünge erregen könnte.
Gleichwohl sind die Typen zu diesem gemalten Gedichte *) ganz
dem Figurenvorrath der romanischen Wandmalerei entnommen. Um
einige Beispiele zu erwähnen, so erinnert an die Figur des Lysias der
auf der Querwand des Gapitelsaales zu Brauweiler gemalte sitzende
König') und an den Stuhl des praeses Giliciae der Stuhl eines „Alten
aus Juda^' in der unteren Kirche zu Schwarzrheindorf ^). Zur Kreuzi-
gung möchte ich auf den an einer crux commissa hängenden Märtyi*er
zu Brauweiler hinweisen^). Der sein Schwert abwischende Henker
findet sich ebenfalls dort^'). Einen Mann mit zum Streiche erhobenem
Schwerte, der dem rechts stehenden Essener Henker sehr ähnlich sieht,
finde ich unter den Wandmalereien des Temple St. Jean zu Poitiers,
welche erst nach dem 12. Jahrhundert entstanden sind ^), und ebendort
zeigt die Stirnfläche des die Ghorabsis schliessenden Bogen folgendes
1) Hr. Zindel machte die Bemerkung, dass der Maler an den Gonturen
öfters korrigirt za haben scheine.
2) Eine poetische Bearbeitnng desselben Stoffes hat Aldhelmus in sei«
nem in Hexametern abgefassten elogium gegeben, cf. Acta BoU. 1. c.
3) Aus'm Weerth, Wandmalereien des M. A. in d. Rheinl. Taf. I u. IL
4) Aus'm Weerth 1. c. Taf. XXII No. 8.
6) daselbst Taf. VIII.
6) daselbst Taf. XII.
7) Archives de la commission des monuments historiqaes publice par ordre
de s. exe. M. A. Fould. livr. 90.
7
93 Coimu und DamUoufl.
Bild: Rechts aus dem Blaff om amen te kommt ein kriechendes Dnge-
thüm, der Teuiel, ein Engel aber trägt eine Seele in Gestalt eines in
langes Gewand gehüllten Kindes zum Heiland, dessen Haupt mit Aureole
den Scheitel des Bogens einnimmt ').
Erhalten war ausser den bemalten Gewölbfelden auch der Farbon-
sclunuck der ScbildbÖgen und, wie erwähnt, des westlich anscbliessen-
den Qurtbogens.
Den siidlichen und ;nördlichcn Schildbogen deckte ein gelbes, blAa
geziertes Dreiblatt auf braunrothem Grunde {Fig. IT), das von zwei
gelben Streifen eii^efasst wird. Heichere Pflanzenformcn*) ziorlen den
östlichen und westlichen Schildbogen {Fig. Illa) ebenfalls auf rotbem
Grunde. Auf der nach Oslen gekehrten Vertikalfläche des westlichen
ächildbogcDS entdeckte man unmittelbar vor dem Abbruche den unter
Fig. Illb wiedergegebenen Blattfries.
Der Gurtbogen endlich trug, wie die vier erhaltenen Bruchstücke
zeigen, ein fortlaufendes Blattornament, dessen Ranken, stellenweise von
verzierten Bändern zosammengefasst, |)hanta.stiBche Thicrfiguren kreis-
förmig umrahmen. Das Blattwerk ist von starken schwarzen Linien
durch- und nmzogen, wahrend die Figuren selbst nur in Farben, ohne
Conturen angegeben sind. Demzufolge sind die im Innern der Sil-
houette laufenden Körperlinien durch leichte Schattirung angedeutet.
Das Ganze zeigt eine uiclit .i;erin^'e Tecliuik, Ueber die Farben lässt
sich nichts Bestimmtes mehr sagen. Die Figuren scheinen roth ge-
wesen zu sein. Eine Deutung der letzteren, nämlich 1) des Greifen
(Fig. IV), 2) zweier in einander geschlungener geflügelter, zweifüssiger
Thiere mit Schlangenleib, deren eines den Kopf des Fuchses, das andere
den eines Vogels trägt (Fig. V), endlich eines Thieres, dessen Vorderfüsse
allein erhalten sind (Fig. VI), versuche ich nicht. Fig. VII zeigt die
Blattforraen in schönster Knt<ung.
Ein ähnliches Ornament, Blattwerk mit kreisförmig umschlossenen
Thiergestalten, weist auch St. Jean zu Poitiers auf*).
Welchen Platz die Essener Wandmalereien innerhalb des naheste-
henden Denkmälerkreises in zeitlicher Hinsicht einnehmen, kann nicht
mehr zweifelhaft sein. jQnger als die Malereien von Schwarzrheindorf
1) DoMlbst livr. 79.
2) In dem einfacben Bindegliede zwisoheo den beiden aufsteigenden ge-
gliederten Blattformen erinnere ioh mich, bei der Aufdeckung, t,U die Farben
noch friach, Augen gesehen su haben.
3) Dwelbst lisr. 79.
Gosmas und Damianus. 99
(1157) und wenig älter als die von Ramersdorf (1300) sind sie gleichzeitig
oder noch etwas jünger als die von St. Maria-Lyskirchen *) (1280).
Schwieriger und interessanter noch ist die Frage nach dem Alter
des Gewölbes selbst, üeber dem südlichen und nördlichen Schildbogen
erheben sich nämlich noch heute die Wände, welche vor der jetzigen
p]inwölbuug eine flache Balkendecke trugen und dem Innern der Kirche
Licht zuführten durch je drei kleine Rundbogenfenster, welche jetzt,
unten durch das in Rede stehende und die anstossenden gotischen Ge-
wölbe verdrängt und oben zugemauert, mit der oberen Parthie zwischen
Gewölbe und Dach versteckt sind. Da wir wissen, dass nach dem Brande
des Jahres 1265 die Kirche durch Mechtildis von Hardenberg wieder-
hergestellt wurde, so liegt es nahe anzunehmen, dass nachdem das
Feuer die Holzdecke verzehrt hatte, die Einwölbung nebst der Bemalung
erfolgte. V. Quast, der die unter dem Dache verborgenen Theile
nicht gesehen hat, möchte den ganzen spätromanischen Hauptkörper
lieber dem Anfange des 13. Jahrhunderts zuweisen. Vor einer gründ-
lichen Durchforschung des gesammten Materials müssen wir indess
darauf verzichten, hierüber Gewissheit zu erlangen.
Das beschriebene Gewölbe, in spätgotischer Zeit, gleich den mei-
sten übrigen Gewölben der Kirche, mit ziemlich regellosem Ranken-
Ornamente übermalt, soll demnächst im Anschlüsse an die fortschrei-
tende Restauration des Baues seinen alten Schmuck in möglichst treuer
Wiedergabe zurückerhalten.
W. Heilermann.
1) Siebe Heft LXIX der Jahrbücher. Alte Wandmalereien in St. Maria
Lyskircben v. £. aiiB'm W^eerth.
Die Dom bäum eiiter v
13. Die Dombaumeister von Köln.
Nach Jon ITrknadHD,
I. Meister Gerard.
Einen erheblichen Gewinn für die Kunstgeschichte liefert die Ur-
kunde, worin (las Domcapitel von Köln im Jahre 1257 dem Meister
Gerard, Steinmetz und Vorsteher der Bauhütte des Domes, wegen seiner
belohnenswcrthen Dienstleistungen („proptermeritorumsuorumobseqnia,
ipsi ecclesie facta") eine Begünstigung in der Form erwies, dass beim
Uebertrage einer Grundfläche an ihn nach Erbzinsrechte die dafiir zu
entrichtende jährliche Rente (zwölf Solidi) wesentlich niedriger gestellt
wurde, als dies bei einem solchen FlSchenniasse dem eigentlichen Werth-
verhältnisse entsprechend war.
Sie ist bereits 1782 von Glasen (Schreinspraxis S. 67) im Aus-
zuge mitgetheilt worden, jedoch nur zufällig, ohne dass derselbe ihre
kunstgeschichtliche Bedeutsamkeit beachtet hätte; er gibt sie lediglich
als ein Muster für den „Ursprung der eigentlichen, sogenannten Lehen-
gütern der hiesigen Stiftern, so in Häusern bestehen." Vollständig wurde
sie zuerst von Boisseri^e in seine Geschichte des Domes (2. Ausgabe,
S. 102—103) aufgenommen, nachdem der am 14. August 1854 in hohem
Greisenalter verstorbene Dr. J. G. X. Imhoff ihn auf das betreffende
Schrcinsbuch aufmerksam gemacht hatte. Von der unmittelbar fol-
genden Urkunde von 1302, welche mit Meister Gerard's Kindern bekannt
macht, gibt Boisserße jedoch nur eine kurze Stelle'). In Fahne's
Diplomatischen Beiträgen zur Geschichte der Baumeister des Kölner
Domes (2. Ausg. 1849} wurden beide dann ihrem ganzen Umfange nach
abgedruckt, begleitet (S. 17) mit einer Rüge gegen Boisseröe, dass er
weder vollständig noch richtig wiedergegeben habe. Es ist allerdings
wahr, dass dort mehrere Unrichtigkeiten eingeschlichen sind — was
1) Die Haupt^telle auB der Urkunde von 1257 UttsBoisieräe Bclioii 1823
in das Texthert ku seinem grossen Domwerke aas einem Kopialbacbe des Dom-
arcbtvi aufgenommen.
Die DombaumeiBter von Köln. 101
dagegen den Abdruck in den Diplomatischen Beiträgen betrifft, so wird
hier ein ganzes Heer von Verstössen hinzugebracht, darunter mehrere
von gröbster Art, z. B. die Lesungen etiam statt Petro, penitus statt
Petri. Ich habe es daher auch für nichts Ueberfltissiges erachten dür-
fen, die wichtigen Urkunden nochmals zu liefern. Nicht zu verschweigen
ist übrigens, dass auch die Schreinsschreiber selbst es in den lateini-
schen Beurkundungen an Verstössen gegen die grammatische Gorrect-
heit nicht mangeln lassen.
Ihre Eintragung eröffnet das die Jahre 1302 bis 1393 enthaltende
Buch A sancto Lupo des Schreins Niderich, nachdem in einer Ueber-
schrift die Beschreibung des Bezirks, den zu umfassen dieses Buch die
Bestimmung hatte, vorhergegangen. Die den Meister Gerard betref-
fende Urkunde von 1257 ist nur als Belegstück vorangeschrieben; sie
begleitet die von seinen Kindern 1302 vollzogene Verfügung über das
elterliche Haus zu dem Zwecke, um das Besitzesrecht in seinem Ur-
sprünge nachzuweisen. (Urk. I u. II.)
Das Jahr 1257 führt uns mitten in Meister Gerard's Wirken am
Dombauwerke, wo neun Jahre zuvor am Himmelfahrtsfeste der heiligen
Jungfrau die Feierlichkeit der Grundsteinlegung stattgefunden hatte ^).
Durch ein Brandunglück war der östliche Theil, und zwar be-
sonders das daselbst gelegene Chor des älteren Domes verwüstet wor-
den. Es geschah am St. Quirinustage (30. April) des Jahres 1248. Schon
am 21. Mai desselben Jahres erliess Papst Innocenz IV. von Lyon aus
eine Bulle, worin er allen reumüthig Beichtenden, welche zu der mit
grossen Kosten verbundenen Wiederherstellung („reparare opere sum-
tuoso^*) des von einer Feuersbrunst betroffenen Domes zu Köln Beiträge
leisten würden, einen Ablass von einem Jahre und vierzig Tagen ge-
währt *). Und nicht volle drei Monate später ward schon der neue
1) Die Koelhof*8che Chronik von 1499 (Bl. 198b) setzt die Grundstein-
legung „up unser liever vrauwen avent assumptionis,^* A eitere Berichte nennen
bald den Himmelfahrtstag Mariae selbst, bald den Tag vorher. (M. s. Die Chro-
niken der niederrheinischen Städte, Bd. II, S. 18. 29 u. 126.) Die früheste die-
ser Aufzeichnungen sagt: „In den jaren uns herren 1248 up unser vrauwen dach
dat si zu hemel vur, du wart des nuwen doims begunt van bischof Conrait
vnrss." Eine alte Inschrift im Dome, die wir später heranziehen werden, nennt
ebenfalla diesen Tag.
2) Sie ist abgedruckt bei Crombach (Hist. tr. Regum III p. 797), bei
Lacomblet (ürkundenb. II Nr. 332), in den Quellen z. Gesch. d. St. Köln (II
Nr. 276) und auch in dem den Dom betreffenden Aufsatze Boisseröe's im
XII. Hefte d. Jahrb. d. Vereins ▼. Alterthurasfr. im Rheinl. S. 147—148.
t09 Die Dombftiimeister von Köln.
Chorbau in Angriff genommen. Auch durch mehrfache andere Zeug-
nisse wird das EreigtiisH des Brandes ausser Zweifel gestellt. Der
Geschichtschreiber Matthäus Paris, ein Zeitgenosse, der als Mönch zu
St. Alban in England lebte, sagt (Ilistoria maior, p. 653) beim Jahre
1248: „cathedralis ecclesia bcati Petri in Colonia (quae est omnium
ecclesiarum quae sunt in Alemannia quasi inater et matrona) usque ad
muros incendio consumta est." Die Urkunde, womit König Heinrich
in. von England im Jahre 1257 Siimmlungen für den kölner Dombau
in seinem Reiche erlaubt, hat die Stelle: „Cum ecclesia Coloniensis,
in qua Corpora trium Regum requiescunt, per incendium inopinabili
ac miserabili casu sit consumpta" (Th. Rymer: Foedera I p. 368).
Ein aus dem dreizehnten Jahrhundert herrührender Pergamentcodex,
früher bei Dr. Imhoff, jetzt im Proviuzial-Archiv zu Düsseldorf aufbe-
wahrt und ursprünglich zum Archiv des St. Gereonsstiftes in Köln ge-
hörig, meldet die Feuersbninst mit Angabe des Tages; „Anno domini
M^CC^XL* octauo dieQuirini combustus est summus ') Colonie." Die
befremdliche Endung des Wortes surnrnttö würde die Anwendung auf
die ganze Kirche ausschliessen, da ein entsprechendes Substantivum
fehlt und summum, d. h. summuni templum, die übliche Bezeichnung
für den Dom war. Will man nicht einen Schreibfehler nntemtellen, ao
müsste mitLacomblet hier an den summus chorus majoris ecclesiae ge-
dacht werden. Das dem 13. -Jahrhundert entstammende Kalendarium der
Dom-Custodie spricht von einer inneren Einrichtung ,fprout consuetum fue-
rat ab antiquo ante incendium monasterii predicti." (Quellen z. G. d. St, K,
II, S. 279). Dann kommt noch der ausführliche Berichteines Ungenanntfin in
den Annalen von St. Pautaleon, den schon ßaisserde (Jahrb. d. Vereins
V. Alterthumsfr. im Rheinl. XII S. 128—157) für einen Zeitgenossen, wo
nicht Augenzeugen des Ereignisses hielt: „Ipso anno (1248) cum ca-
pitulum Coloniense pro omnimoda destruxione maioris ecclesie antique
et reparatione *) melioris structure de consensu archiepiscopi et prio-
rum concordassent festinique valde magistri operis orientalem partem
murorum ecclesie cavassent, nimio ignia fomento aggregata ligoa cava-
turam sufTulcientia incauti succendunt, ut moles desuper stans cito rue-
1) Die Handgchrift hat „cöbuff S Bum'", und naob den Regelo der Diplo-
matik können beide EDduageabbreviaturan mit ' nur durcb ns ergänzt werden.
IndeBBan trete ich der AnBicht bei, dau der AnnaliBt einen Schreibfehler ge-
macht habe.
2) BoisBOree hat restauratione; die Böhmer'sehen Föntet, IV, p. 48»
berichtigen; reparatione.
Die Dombanmeister von Köln. 103
ret Sed ignis invalescens vento destante illud nobile opus ecclesie licet
antiqaum cam duabus coronis deauratis intus dependentibus preter solos
muros parietum penitus consumpsit" u. s. w. *). Die Angaben über den
Brand scheinen indessen im Allgemeinen an Uebertreibung zu leiden, und
namentlich ist auch diesem letzteren Berichte die volle Glaubwürdigkeit
von mehreren sehr beachtenswerthen Seiten bestritten worden. Will
man ihm Glauben schenken, so würde der in den Aufrufen zu Beitrag-
leistungen so entschieden und ausschliesslich hervorgehobene Brand auf-
hören müssen als die wahre und nächste Ursache für die Inangriff-
nahme des Neubaues gelten zu können, da vor dem Brande mit dem
Abbruche des Chores begonnen und dann erst durch mangelhafte Vor-
sicht bei den die Niederlegung befördernden Einrichtungen der Brand
veranlasst worden wäre. Lacomblet undEnnen haben Übrigens zahl-
reiche, urkundlich erwiesene Thatsachen zur Anzeige gebracht, welche
bis in die nächsten Jahre nach dem Brande zurückführen und den
Fortbestand des alten Domes mit Einschluss seines Chores zu gottes-
dienstlichen Zwecken bezeugen, während gleichzeitig auf dem zur Er-
weiterung bestimmten östlichen Terrain der neue Chorbau die Werk-
leute in Thätigkeit hielt.
Wenn nun im Jahre 1257 das Domcapitel dem Meister Gerard
ein öffentliches Zeugniss seiner um das Bauwerk erworbenen grossen
Verdienste ausstellt (eine Auszeichnung, mit der man damals äusserst
vorsichtig und zurückhaltend war und die sich bei keinem von Gerard's
Nachfolgern wiederholt), so erscheint die verstrichene Frist von kaum
neun Jahren, binnen welchen man, in Ansehung der umfangreichen
Fundamentarbeiten, den Bau erst unbedeutend emporgefdhrt, also
die mehr künstlerischen Ausführungen nur wenig zur Anschauung ge-
bracht haben konnte, so massig, dass sich daraus nicht nur der Be-
weis, dass Gerard nothwendig sogleich von 1248 ab die Leitung der
Hütte geführt habe, sondern auch ein sehr bedeutsamer Grund dafür
herleiten lässt, das ganz besonders die Anfertigung des Planes bei
der Freigebigkeit des Domcapitels in Betracht gezogen worden sei.
Ja, die Frist von neun Jahren verkürzt sich noch um zwei bis drei
Jahre, wenn man berücksichtigt, dass Gerard 1257 auf der ihm vom
Capitel abgelassenen Grundfläche bereits ein grosses steinernes Haus
1) Böhmer schrieb bezüglich dieser Annalen oder Geschichte der £rs*
bischöfe von Köln an Boisserde: „Sie hat eigenthümliche Interpolationen, dertm
Quelle weder gedruckt noch sonst bekannt ist."
104 Dio DombiumeUter von Köln,
(„niagnam donium lapideam") auf sein« eigenen Kosten erbaut hatte,
so dass dem 1257 beurkundeten üebertrage wohl schon 1254 oder 1255
die mündliche Zusage und der factische Vollzug vorhergegangen war.
Freilich sind manche Stimmen laut geworden, welche von der
Aufnahme des neuen Dombaues nicht nur die berathende Einwirkung
eines überragend wissensroiehen und erlauchten Mannes, der um jene
Zeit in Köln lebte, nämlich Albert'a des Grosftn, nicht ausschUessen,
sondern ihm geradezu die Erfindung und Aufstellung des Planes zu-
scbreibeu möchten. Für diese Annahme ist jedoch schon der Umstand
nicht günstig, dass sich Albert im Jahre 1244 (nach Andern 1245) nach
Paris begeben hat und erst im Herbste 1248 von da nach Köln zu-
rückgekehrt ist. Atbert's Grösse lag auf andereu Gebieten, und es
fehlt an jedem stichhaltigen Nachweis, dass er in irgend einer Weise
au der Ausführung des Dombaues betheiligt gewesen. Auch liegt
das Zeugniss eines Chronisten vor, worin Aehnliches von dem Grafen
Simon von der Lippe, Bischof von Paderborn, „welcher damals in der
Baukunst besonders berühmt war," ausgesagt wird. (Köln. Domblalt
Nr. 20 V. 1842.)
Die Lage und Beschaffenheit des von Meister Gerard indemAllod,
dem ehemaligen Weingarten des Domcapitels, auf der Ostseite der
Marcellcnstrasse erbauten Hauses lässt sich aus einigen der am Schlüsse
mitgctheilten Urkunden ziemlich genau ermitteln, namentlich aus jener
von 1304 des Schreinsbuches A sancto Lupo (Nr. III d. Ürk.). Neben
dem Eckhause Nr. 18, das in jüngerer Zeit als „Jesuiten- Apotheke"
bekannt war '), folgten zum Eigelsteine hin zwei Wohnungen unter
1) Es ist seitdem niedergelegt und seine OruadQäcbe für die neuerricbtete
Bahnhofs trtuBO verwendet worden. Südwärts daneben (Nr. 16) lag ein Braubaua,
„zum alten Dom" geuauot, und darauf folgte (Nr. 14) die Capelle „ad intiguum
eummum", auch St. M&ttbias- und Yictorscapelle genannt. Das Braubaus kam
I3S8 in den fieeitz des liectors dieser Capelle, der Herr Johannes hiess. Hier
die Urkunde aus Nid. A s. Lupo: Notum sit etc. quod Otto de luliaco et Nesa
eius vxor Domuoi braxatoriam et eiua aream vocatam ad antiquum summnui
contigue oapelle ad autiquum suramuin versus vicum aancti Maroelli . . . donaue-
runt et remiserunt domino lohanni saccrdoti Routori predicte Capelle ad anti-
quum summum - . . Datum anno dni. m°. ccc°. Tricesimo outauo. feria tercia post
octauas Penlhecostes. Auf Carta Nid. Fol. 23 ist 122B des grossen Hauses Nr. 12
gedacht, wclcbes später „zum Schwan" (ad cygnum) genannt wurde; die Bezeich-
nung seiuer Lage lautet: „domus et area contigue ecckaie qut uocatur atdedum
uersuB Paffen porcen." Es gab auch ein Haus „zome aldea dorne enboenen Mar-
poirtzen gelegen." Enneu's Behauptung (Der Dom ta Köln, Fealschrift 18S0,
Die Dombaumeiater von Köln. 105
einem Dache, und an diese reihte sich des Dombaumeisters stattliches
Haus, welches so geräumig war, dass es nach seinem Tode in vier
selbstständige Wohnhäuser abgetrennt werden konnte. Der Weingarten
hatte ursprünglich zur Dompropstei gehört. J^ropst Heinrich von Vian-
den überliess ihn dem Domcapitel; die Bestätigungsurkunde des Erz-
bischofs Conrad vom Jahre 1253(Lacomblet, Urkundenb. U, Nr. 396)
nennt ihn „vineam in qua capella b. Marcelli pape sita est preposi-
ture Goloniensi attinentem'^ Dann erhielt er eine veränderte Bestimmung,
indem man ihn zu Bauplätzen vcrwerthete. In der Trankgasse aber,
dem Fropsteigebäude gegenüber, wo er seinen Anfang nahm, erbaute
das Domcapitel ein grosses Haus, welchem der Name Weingarten oder
vinea verblieb ^). Dasselbe wurde in späteren Zeiten „der kölnische
Hof genannt, weil die KurfUrst-Erzbischöfe, wenn sie aus der liesidems-
Stadt Bonn nach Köln kamen, dort einzukehren pflegten. In unseren
Tagen war eine Reihe von Jahren hindurch Wallraf's Kunstnachlass,
das städtische Museum, daselbst aufgestellt, und gegenwärtig steht der
stattliche Neubau Nr. 7 u. 7 A auf der Stelle.
Wie lange Gerard nach 1257 seine ruhmvolle Thätigkeit beim
Dombau fortgesetzt habe, lässt sich nur annähernd feststellen. Ich
fand eine Urkunde vom Jahre 1279, welche seinen Nachfolger Meister
Arnold als magister operis Ecclesie maioris vorführt. Zu dieser Zeit wird
Meister Gerard also unter die Todten zu zählen sein, wogegen der
Umstand, dass seine Kinder erst 1302 über ihre Erbantheile verfügten,
nichts einzuwenden vermag, da bei der Erbfolge von Descendenten es in
den Schreinsbüchem etwas sehr Gewöhnliches ist, dass man erst dann die
mit Kosten verbundene Förmlichkeit der Ueberschreibung vorgenommen
S. 4), dass die Capelle zum alten Dome zuerst in Schreinskarten vom J. 1800
vorkomme, ist demnach unrichtig.
1) Man ersieht dies aus folgender Urkunde: Item notum sit tarn presenti-
bus quam futuris quod Hermannus dictus meistor predictos titulo locacionis per-
petue tradidit et remisit Irmentrudi vidue (quondam Henrioi lapicide), Arnoldo
et Gonegino lapioidis, ac Frederuni sorori ipsorum, heredibus dicte Irmentrudis,
rocipientibus et conducentibus ab eodem domum suam et eins aream sitam ex
opposito domus maioris prepositure Coloniensis in Drancgassen iuxta domum
£cclesie maioris que vinea dicitur, versus Sanetum Andream . . Datum ut supra
(Anno domini m<>ccc®xvj<*, jn vigilia beati Viti). Schrein Niderich A s. Lupo. Der
Weingarten des Domcapitels übersprang nicht die östliche Seite der Maroellen-
strasse; die Angaben der Diplomatischen Beiträge S. 18—19 sind eben so an-
richtig wie die Zeichnung auf der beigegebenen „Karte dos Niderich im Mittelalter."
lOS Dia Dombaunieister von Köln.
findet, wfiBD, wie solches 1302 bei Gerard's Kindern der Fall war, in
eine dritte und fremde Hand weiter verfügt wird,
Meister Gerard war mit Guda vermählt. Sie gebar ihm vier Kinder,
welche sämmtlich den geistlichen Stand erwählten. In der ihrer Er-
ziehung gegebenen Richtung bekundet sich nicht nur der Eltern Fromm-
sinn, sondern der Umstand, dass die angeaehensten Stifte, Abteien und
Klöster es waren, bei welchen die Kinder der Aufnahme gewürdigt
wurden, legt zugleich ein Zeugniss fUr der Elteru geachtete Stellung im
gesellschaftlichen Leben ab.
Peter wurde Mönch in der Bencdictincr-Abtei zum heiligen Pan-
talcon in Köln;
WilhclmCanonicus im St, Oereonsstifte zu Kjjln, das im Range
dem Domstifte zunächst stand;
Elizabet Nonne zu Gevelsberg („Gyueiberg"), einem Cistercim-
serinnen -Kloster bei Schwelm im Märkischen, errichtet an der Stelle,
wo Köln's glorreicher Erzbischof Sanct Engelbertus durch seinen Neffen,
den Grflfen Friedrich von Isenburg, meuchlerisch erschlagen worden;
Jobann endlich, der 1319 in dem Cistercienscr-Kloster zu Wele*
grat, Diöcese Olmütz, das Ordenskleid trug. Schon 1302 war er,
gemäss der urkundlichen Erklärung seiner Geschwister, als Mönch in
Böhmen abwesend.
Die drei Erstgenannten verfügten im Jahre 1302 über ihre Erb-
antheile an dem Hause der verlebten Eltern zu frommem Zwecke. Sie
Überwiesen das Haus, unter Vorbehalt der Rechte des abwesenden
Bruders, an die Kirchen von St. Gereon und St. Pantaleon unter fol-
genden Bedingungen : Der Canonicus Wilhelm werde, so lange er lebe,
das Haas in Besitz halten, die Einkünfte davon beziehen und die Kosten
der iDStandhaltung bestreiten, auch seinem Bruder Peter jährlichs eine
Mark abgeben. Bei Wilhelm's Tode solle Peter's Anspruch auf diese
Rente erloschen sein und die Besitzergreifung dee Hauses durch die
beiden Kirchen erfolgen, die dann allj&hrlichs am Sterbetage Wilhelm's
dem Dome zu Köln, der Abtei Siegburg („Siberg") und dem Nonnen-
kloster zu Biazheim („Blayzheym"), einem jeden sechs Solidi für die
Seelenruhe der schenkenden Geschwister und deren Eltern zu entrichten
hätten. Die beiden Renten an Siegburg und Biazheim sollten jede
mit sechs Mark brabantischer Denare abgelöst werden können, die
Stiftung beim Dome aber müsse für immer, neben dem ursprünglichen
Erbzinse von zwölf Solidi, bestehen bleiben. Zu Gunsten der Schwester
Elizabet wurde festgestellt, dass, im Falle sie ihren Bruder Wilhelm
Überlebe, die Kirchen von St. Gereon und St. Pantaleon von dessen
Die Dombaameister von Köln. 107
Sterbetage an ihr jährlichs drei Mark kölnischer Denare zu entrichten
hätten, und nach ihrem Ableben solle statt dessen an das Kloster zu
Gevelsberg jährlichs eine Mark gezahlt werden, womit Wilhelm daselbst
ebenfalls ein Jahrgedächtniss für die Seelenruhe seinen Eltern und Vor-
eltern stiftete.
Johann, der Mönch von Welegrat, trat für seinen Theil diesen
Anordnungen nicht bei. 1319 überträgt er das ihm gebührende Viertel
anConegundis deCarpena, die Tochter Wilhelm's vonGerstorp, und an
Margareta, die als „neptis fratris lohannis predicti^^ genannt ist. Durch
das Auftreten dieser Enkelin erfahren wir demnach, dass Johann,
bevor er ins Kloster gegangen, verheirathet gewesen ist. Der Theil
der Enkelin Margareta kam 1324, nachdem sie gestorben, an ihren
Bruder Peter genannt Wihe *), der ihn sogleich an Conegundis de Car-
pena abtrat, die somit das Erbtheil Johann's vollständig besass. Nach
ihr finden sich Herr Heinrich, Pfarrer zu St. Paulus in Köln, nebst
den Predigermönchen Gobelin Schwarz und Heinrich Gryn, beide aus
edeln hiesigen Familien entsprossen, als Treuhänder und Testaments-
vollzieher Conegundens 1327 daran geschrieben, worauf dann noch im
nämlichen Jahre der Uebcrtrag an den Domvicar Arnold von We-
vilchoven erfolgte. Zu dessen Gunsten geschah 1328 seitens des Stiftes
von St. Gereon und der Abtei Pantaleon eine förmliche Verzichtleistung
auf diesen vierten Theil, der die vorletzte zum Eigelstein hin von den
vier Wohnungen begriflf, in welche Meister Gerard's grosses Haus ab-
getrennt worden war. Diese Entsagung der beiden Kirchen erschien
um desshalb nothwendig, weil denselben 1302 von den drei Geschwistern
das ganze Haus unter Vorbehalt der Rechte des abwesenden Bruders
überwiesen worden war. Arnold von Wevilchoven verlieh 1334 diese
Wohnung dem Domvicar Everhard von Reys zum lebenslänglichen
Gebrauche, das Eigenthum hingegen überwies er nach seinem Tode
der Dom- Fabrik: „in vsus fabrice maioris Ecclesie Coloniensis", was
man wohl nicht als eine Schenkung für den Fortbau am Dome wird
ansehen dürfen, sondern als Zubehör derjenigen Quellen, welche an-
dauernd für die Erhaltung der Kirche bestimmt waren. In alle diese
Verhandlungen ist der Name des Meisters Gerard, als des ersten Be-
sitzers, eingeflochten, und seine Standesangabe lautet abwechelnd:
1) Es wäre eine überaus gewagte und ohne Zweifel trügerische Annahme,
wenn man diesen Beinamen als einen Familiennamen ansehen wollte, der aaoh
auf Meister Qerard Anwendung finden könne.
tK ^>s Domliaum Bieter vou K61d,
rector fabrice, raagister opcria, niagister fabrice and magistcr operis
fabrice. (Urk. IV-XI).
Von Meister Gerard weiss man ferner, dasa er zu den GuUliätera
des Ver Selen Convents („Verseien conuent"), in der Stolkgasse beim
Predigerkloster gelegen, gehörte. Frau Sela {Ver heisst Frau in alt-
köloer Mundart), die Gattin Daiiiers Judden, eine vornehme Patriderin,
hatte diesen Beguinen-Convent im Jahre 1230 gestiftet '). unter
den Renten, die man daselbst jährlichs zu beziehen hatte, korameo
sieben Schillinge vor, die „Meister Gerart der werckmeister vamme
doyme" dorthin geschenkt hatte. (Urk. XII.) Man hat bei dieser um
139G niedergeschriebenen Notiz die Ucberscbrift zu beachten, wonach
sie die Abschrift eines alten Zottela ist. Leider sind die Urkunden
des Columba-ychreins, worauf darin verwiesen wird, aus Gerard's Zeit
nicht mehr vorhanden. Durch Unkenntuiss haben verschiedene neuere
Schriftsteller den Namen dieses Convents in Ursulen-Convent oder Ur-
sula-Spital entstellt.
Daas Gerard sich „in seinen Studien den damals vielbedeutenden
Titel eines Meisters der freien Künste, magister artiuni" erworben
habe, darüber weiss weder die in den Diplomatischen Beiträgen für
diese Angabe bezogene Carta Nillerich fol. 23, noch sonst eine Schreins-
stelle etwas auszusagen. Magister wird hier jeder Künstler und Hand-
werker genannt, der sein Fach selbstständig, leitend und lehrend be-
trieb, im Gegensätze zu den Gehüifcu und LuUrliugCD. Selbst bei den
untergeordnetsten Gewerben findet man diesen Titel in tausendmaliger
Anwendung, und Gerard theilt ihn z. B. mit einem magister Hilgeras
tector domorum ciuitatis colonicnsis (1348Scab. Laur.), einem magister
Ecbertus cussor caldariorum (1331 Scab. Petri), einem magister Emun-
du8 barbitonaor (1327 Airsb. Port. Pant.), einem magister lohannea
calcifex (1346 CoL Camp.), und einem magister Georgius carnifex (1346
Scab. Sent.), denen gegenüber man doch nicht wird behaupten wollen, dass
sie academische Würdner gewesen. Sie waren magistri in ihrem Fache ■),
1) leb habe die Stiftuogsurkuude im Kölner Domblatt Sr. 246 tod 1866
milgetbeilt. Die letzte Poaition des Renten-VerEeichuiMeB sagt: „Eyne vrauwe
ver sele de dit huya diete, die gaff bertzo eweclichen Seuen malder koms van
dem beynde (Klovtcr Beuden, de prato, bei Brühl) dit körn gift man tzo aent
Aodriea dage."
2) Dem vortrefflichen französiBchen Baumeister Peter von MoDterean, einem
ZeitgeuoMen Meister Gerard'a (er starb 1266), gibt seine Grabschrift in derMa-
riencapelle der Abtei St. GermaiD-deB-Präa aogor den Titel einea Doctora der
Die Dombaameister von Köln. 109
nicht aber magistri artium, und eben so wenig zählt zu diesen letzteren
irgend einer aus dem Heere von Steinmetzen, Zimmerern, Malern,
Glasmachern, Bildhauern und Orgelbauern, welche die Diplomatischen
Beiträge S. 26—41 vorführen und von denen S. 96 (2. Ausg.) wieder-
holt und verstärkt versichert wird, dass sie mit dem Magister-Titel
eine hohe Würde besessen hätten, dass sie unzweifelhaft magistri artium
gewesen seien. Die Schreinsschreiber hingegen in den Fällen, wo sie
einen wirklich mit academischen Ehren bekleideten Mann erkennbar
machen wollen, wissen sich auch vollkommen deutlich darüber aus-
zudrücken; sie schreiben (um nur einige wenige Beispiele anzugeben)
1263 Laur. Lib. II: magister Ludewicus de Rodenberg doctor decre-
torum, 1344 Apost. Nov. for. : dominus Henricus de Dollindorp magister
theologie, 1359 Col. Lat. pl.: magister Johannes de pauone magister
in artibus, 1424 Col. Lat. pl: meister Peter van Loo meister in ar-
tibus, 1428 Col. Lit. et Lup.: meister Johan van Aste meister in ar-
tibus, 1430 Brig. Nov. pl.: meister Johan Voirborgh meister in decretis,
1442 Laur. L. III: meister Heynrich van dem Byerboeme meister in
artibus. Auch die doppelte Anwendung des Wortes magister, nämlich
vor dem Namen und wiederholt bei der Standesangabe hinter dem-
selben (z. B. magister Gerardus magister operis, magister Johannes ma-
gister operis, magister Michael ms^ister fabrice) lässt keineswegs auf
einen magister artium schliessen, indem die Schreinsbächer in ähnlicher
Weise Personen bezeichnen, bei welchen an jene wissenschaftliche^ Würde
nicht zu denken ist. Auch dafür ein paar Beispiele: 1344 magister
Hermannus magister carpentarie ciuitatis coloniensis, 1348 magister
Mathyas dictus de Cranenburgh magister sagittariorum ciuitatis coloni-
ensis, 1369 magister Wilhelmus magister viarum ciuitatis coloniensis.
Ein vorgebliches Bildniss des Meisters Gerard mit der Unter-
schrift: „mgr. gerard**'' ist den Diplomatischen Beiträgen beigegeben.
Hier heisst es S. 88, dass dasselbe dem Nekrologium des kölnischen
Klosters St. Gertrud entnommen sei und dass daneben stehe : Viij Kai.
Noverab. obijt Gerhardus mgr. op. de quo habemus VII. Coronas."
Gegen die Authenticität von Bildniss und Notiz wird man sich indessen
um so entschiedener zu den stärksten Zweifeln aufgefordert finden
müssen, als uns der Todestag Gerard's, ganz verschieden lautend, so-
gleich aus einer anderen Quelle wird bekannt werden.
Steinmetzen: „Flos plenus morum vivens doctor latomomm, Musterolo natas,
jacet hio Petrus tamnlatuB." (Boaillari, Bist, de Pabb. de St. Qermain p. 188.)
110 Die Dombaumaüter vnn ERId.
Es besteht die Vermuthung, dass die Klosterkirche zu Altenberg,
jeoseits des Rheines drei Stunden von Köln entfernt, zu der Graf Adolph
von Berg, Schwager des I^rzbischofs Conrad ?oa Hochstaden, am 3. März
1255 den Grundstein legte, ein Werk Meister Gerard'a, des kölner
Donibaumeistera, sei, da man den Plan des Domes, jedoch in we-
sentlicher Vereinfachung, darin wiedererkennt. Ausser dem Chore ist
nur ein Theil des Kreuzschitfes unmittelbar nach der Grilndung aos-
gcführt, das Langhaus wurde erst 1379 eingeweiht und zeigt, dem eilt-
sprechend, si>ätere Formen. (Schnaase, Gesch. d. z. K. 2. Ausg.
Bd. V, S. 420.) Weniger Beachtung dUrfte die Sage verdienen, welche
auch die Miuoritenkiiche zu Köln, deren Einweihung im Jahre 1260
geschah, mit dem Dombau in Verbindung bringt. Die Bauleute des
Domes, so erzählt sie, hätten dieselbe während ihrer Ruhestunden auf-
gefilbrt. Aber damit soll, nach Bois3eri!e's gewiss richtiger Auffassung,
„offenbar nur die ausserordentliche Einfachheit dieses sonst grossen
und wohl angelegten Gebäudes im Gegensatz zu dem ausserordentlichen
Umfang und der Pracht dts Domes bezeichnet werden." Einen ont-
achiedenen Einfluss der kölner üomhütte zeigt das Chor der Abtei-
kirche zu München -Gladbach, dessea Altar im Jahre 1275 die Weihe
empfing. Neben der Styl- Verwandtschaft tritt hier noch ein bedeutsamer
Umstand hinzu. Der Name des Dombaumeisters Gerard findet sich
nämlich mit Angabe seines Sterbetages (nicht auch des Jahres) in
das Nekrologium der Mönche eingetragen '), die er sich als ihr Bau-
führer und wahrscheinlich auch durch eine Memorienstiftnng verpflichtet
hatte. Die betreffende Stelle lautet, mit Ergänzung der Abbreviaturen:
von kalendas Maii ') Obiit magister Gerardus lapicida de sommo.
Der 23. Aprill war demgemäss der Tag, an welchem Meister Gerald
das Zeitliche vertiess. Wir haben bereits frflher bemerkt, dass „som-
mum" eine gebräachhche Benennung fflr den kölner Dom war. Auch
1) Dia ersten VeröffenilicbiiDgeD gescbaben in der KölniRChen Zeitong,
Auguit 1862, und in Erbkam's Zeiteohrift für Bauwesen, Bd. XU, 1B62, Sp. S67;
aiu ketaUrer ist sie in Schnnase'i GesoK d. e. K. 2. Anag. Bd. V S. 433
Qbergegangen. Da* Wort „lapicida" war neggelasaen und ist erst bei einer
wiederholten MitiheJlung in den Annolen des bistor. Vereins f. d. Niederrh. Heft
XI— Xn, 8. 232, in Folge erneuter und besserer Einsichtnahme de« Nekrologiums
hinEngekommen, wodurch die Kicbtigkeit der Anwendung anf den Kölner Doni-
baameister gesichert wird.
2) Das Nekrologium schreibt Mal, wobei der verlängerte letite Buoh-
stabe als Verdoppelung gilt, also Maii.
Die Dombftumeiflier yon Köln. 111
des Chores der Dominicaner- oder Prediger-Kirche ist hier zu gedenken,
das im Jahre 1262 begonnen worden und, nach Wal Irafs Versicherung
(Beitr. z. Gesch. d. St. Köln, S. 196), „in einem mit dem Domchor
Terwandten Geschmacke^' ausgeführt war. Unverkenbar hat auch die
mehrfach ausgesprochene Muthmassung, dass die Zeichnung zu dem
schönen grossen Siegel der Stadt Köln, welches in der Versöhnungs-
urkunde zwischen Erzbischof und Stadt vom Jahre 1271 ausdrücklich
o]s navum sigillum bezeichnet ist, und welches, wieSchnaase treffend
bemerkt, „die edeln Formen reichen gothischen Maasswerks enthält*',
Yon Meister Gerard*s Hand herrühren dürfe, recht vieles für sich.
Aus der Zeit Meister Gerard's sind uns einige wichtige, mit dem
Dombau in Beziehung stehende Urkunden erhalten. Die Quellen zur
Geschichte der Stadt Köln (II, S. 257—258) theilen einen Beschluss
des Domcapitels mit, worin dasselbe den Thesaurar verpflichtet, die
ausser der Zeit des Messopfers auf dem Petri-Altare niedergelegten
Opfer sechs Jahre lang der Baukasse für den beschlossenen neuen Dom-
bau („ad opus noue fabrice maioris ecclesie'O auszuhändigen. „Cum
de communi consilio diffinitum esset, ut maior ecclesia de nouo con-
strueretur'^ heisst es im Eingange der Urkunde, welche am Schlüsse
die Datirung trägt : „Acta sunt hec anno domini millesimo ducentesimo
quadragesimo septimo in crastino palmarum^' (= 13. April 1248). Da*
mit wäre der Beweis geliefert, das die vom Erzbischof Engelbert I.
gehegte Absicht, den alten sogenannten Hildebold'schen Dom durch
einen prachtvolleren Neubau zu ersetzen, schon vor dem Brande zum
Beschluss erhoben war. Die erste Bekanntmachung mehrerer anderen
hierher gehörigen Urkunden verdankt man Lacomblet (Urk.-Buch
II, Nr. 378, 503, 541, 570 u. 652). Der Domcanonich Heribert de li-
nepe „hatte unter Anderni acht kleine Häuschen oder Kammern zwischen
der Vorhalle (porticus) des Domes und der Johannis-Capelle, die er
auf seine Kosten erbaut und gegen Zins vermiethet hatte, dem Gapitel
zu seiner Memorienfeier vermacht. Letzteres erklärt nun im Jahre
1251, dass diese Häuschen des Dombaues wegen hätten abgebrochen
werden müssen, und dass der Bauschatz dem Gapitel die bisherigen
Zinsgefälle zu ersetzen habe, bis er ein entsprechendes Besitzthum an
deren Statt dem Gapitel überweisen werde." Aus der zweiten Urkunde
(Nr. 503) entnimmt man folgendes: „Bei der Domkirche befand sich
ein Thurm, in der Urkunde ausdrücklich antiqua turris genannt, worin
die Dombibliothek aufbewahrt wurde, und bei diesem Thurme standen
Häuser, dem Hause Wolkenburg in der Trankgasse gegenüber, woran
das Marien gradeostift Rechte hattt; oder zu haben vertneinte. Hier-
auf verzichtete nun dasselbe unter dem 25. Juni 1261, und die Ver-
anlassung dazu konnte wohl nur die sein, dass auch dieee Häuser z
Abbruch kommen sollten." Die dritte bringt einen eindringlicheiij alle
Federn der religiösen und kirchlichen Macht anregenden Aufruf oder
Hirtenbrief des Erzbischofs Engelbert IL, des Nachfolgers von Conrad
von Hochstaden, vom 26. April 1264. „Die Sorge für die Kirche über-
haupt mUsse um so lebhafter auftreten, da es sich um die Mutterkirche
der gesammten DiOceac handele, welche der h. Jungfrau und dem
Apostelfürsten geweiht sei, überdies die h. Gebeine der Drei Könige
bewahre. Ein Priester, magister Gerardus prouisor fabrice, vielleicht
derselbe, der in einer Urkunde vom 4. August 1256 '), die ihn als
Gerardus canonicus Coloniensis und als Sohn des Edclvogta von Köln
bezeichnet, jährlichs 4 Solidi aus seiner Präbende ad opus ecclesie
Coloniensis überwiesen (Nr. 42G bei Lacomblet) und so seine be*
sondere Thcilnahme an der Sache an den Tag gelegt hatte, ward mit
dem offenen Rundschreiben an alle Kirchenvorstände der kölnischen
Provinz gesandt. Dieser werde sie von allem, was die Bauangelegen-
heit betreffe, umständlich unterrichten, und Allen ward bitt- und be-
fehlsweise, bei Strafe der Suspension, aufgegeben, den Provisor ehren-
voll und liebreich aufzunehmen und ihm in Allem, als ob der Erzbischof
selbst anwesend wäre, zu gehorsamen, wie er denn die demselben be-
thätigte Willfährigkeit, als ob sie ihm unmittelbar geschehen, betrachten
nnd vergelten werde. Vorab schon wird ihnen wegen etwa begangener
kirchlichen Versäumnisse Ablass ertheilt. Die Spender zum Dombau
aber werden aller der Mutterkircbe ertheilten Ablässe theilhaftig er-
klärt, welchen er noch einen besonderen Ablass und Vergebung nament-
lich aufgezählter Sflndcn hinzufügt. An jedem Sonn- und Feiertage
Boll während der Messe nach abgelesenem Evangelium von dem Volke
ein Paternoster und ein Ave Maria knieend gebetet, von den Priestern
monatlich zwei besondere Messen, von den Diaconen und Nonnen zwei
Psalterien für die Wohlthäter gelesen werden. Nach Verkündigung
dieses Hirtenbriefes darf für keine andere Kirche ein Gesuch um Eln-
1) Id derselben Urkunde schenkt Gerard der Vogt, unter Zuetimmung
«einer Mieben Söhne, der Domkirche eine Jahresrentc von einer Mark, womit er
jedoch nicht den Neubftu zu fördern bezweckte, sondern er stiftete damit für
■ich und seine vorveretorbene Gattin eincMemoric: „pro mea etMegtildia quon-
dam uzoris moe memoria in eadem ecclesia perpetuo b&benda."
Die Dombaumeister von Köln. 113
sammeln, von wem es auch henUhren möge, ohne besondere Erlaubniss
des Erzbischofs oder des Domcapitels angenommen werden. Auch die
im Interdict befindlichen Kirchen dürfen zu diesem Zwecke Sonn- und
Feiertags Messe halten. Alle endlich, welche die Schlüsselgewalt des
h. Stuhls und des Erzbischofs bezweifeln und die Ablässe verschwarzen
möchten, alle Gegner eines so glorreichen Dombaues sollen excommuni-
cirt werden.'* Die vierte und fünfte Urkunde betreffen die Steingrube
des Capitels auf dem Drachenfels bei Königswinter. Der Burggraf
Godefrid von Drachenfels überliess mittels Vertrages vom 26. August
1267, gegen eine durch den Cantor Ulrich geleistete Vergütung von
sechs Mark alter Denare, dem Domcapitel zum Besten des Dombaues
einen aus dessen Steingrube gerade in den Rhein führenden Weg, wozu
zehn Tage vorher das Gapitel zu Bonn ein Stück Weingarten käuflich
abgetreten hatte. Und am 31. Januar 1273 wird mit dem Burggrafen
ein Vertrag auf vier Jahre geschlossen, betreffend die Aufstellung von
sechs Arbeitern bei der Domgrube, wovon drei Steinbrecher und andere
drei sogenannte „Vorslegere'^ sein sollten. Für die Gestattung wurden
von dem Gapitel und von „Ulrico .cantore, cui structura fabrice eccle-
sie Cioloniensis est commissa^' zwanzig Mark erlegt ').
Somit sähen wir das, was sich bisher über Meister Gerard und
die erste Periode des Dombaues ermitteln Uess, hier vereinigt. Eine
andere Aufgabe reiht sich daran. Der leider noch so dürftigen Kunde
über den wirklichen Dombaumeister Gerard, dessen Abstammung, ja,
dessen Vaterland wir nicht einmal kennen lernen, ist nämlich eine
1) In der zweimaligen Erneuerung dieses Vertrages zwischen „Henricus
burgrauiuB in Draohenuels^S dem Sohne Godefrid's, und dem Domcapitel von
1285 und 1294 ist Magister Rudenger der Fabrikvorsteher, in jener „procurator",
in dieser „prouisor fabrice ecdesie Coloniensis'* genannt. Lacomblet theilt
S. 881 — 884 noch mehrere andere den Steinbruch zum Zwecke des Dombaues be-
treffende Verträge aus den Jahren 1306, 1819, 1887 und 1847 mit; in dem vor-
letzten findet man die Brüder Heinrich und Winand de Genepe als „canonici
ecolesie Coloniensis, prouisores fabrice eiusdem ecolesie", in dem letzten Qerard
von Bylstein und Reinard von Spanheim als „canonici Colonienses et procura-
tores fabrice dicte ecclesie". Der Vertrag von 1347 ist bei Günther (Cod. Dipl.
Rheno-Mos. Th. III, Abth. l, Nr. 344) in deutscher Sprache abgefasst, wo es im
Eingange heisst: „Allen den genen die diesen Brieff sehent of horent lesen, wir
Gapittel vanme Dhome zu CoUn, Gerhart van Beilstein end Reinhart van Span*
heim Canoniche alda, end Bewarer des Werkis des vursprochin Dhoims" ; die ein-
geschaltene Wiederholung des Vertrages von 1306 ist jedoch lateinisch.
8
lli Dia UuinbHuinciiiUir von Knin.
belangreiche Erweiterung und Ausschtolickung dsdun-h za Theil ge-
worden, dasa man ihn mit vier amlereo Personen desselben Taufnamens
hat idcntiticircn wollen, uäinlicli 1. Gcrard von St. Truden, 2. Gerard,
dem Soline des Ciodesciilk von Rilc und der Bertradis, 3. Gerard von
Eetwicb und -1. üerani von Rile dem Steinmetzen, die zwar seine UHge-
täbren ZeitKcnosson, ubrr nlchLsüi-^^toweniger durchaus von ihm ver-
schieden und unter Bicli ebenfalls jcdw ein anderer sind. Sehen wir
uns diese Eindringlinge nebst den untemcheidcnden Mei'kmnleo näher anl
Gerard von tit. Truden,
oder wie die Schreine sagen „de sancto Trudone", vielleicht nach dirm
in der Webcrstnisse zu Küln geJegenen Ilause „ad sanctum Trudonem"
(M. 8. m. Buclr. Die Meister der altköln. Malerschiile, S. 16("), wird
stets ohne Standesangabe genannt, auch vermisst man den Namen sd-
ner Frau. Aus einer Urkunde vou 1305 (Nr. XIII) erfährt man. dus
er vier Kinder hinterliess, welche sich von den vier Kindern des Dom-
baumeisters Gerard dadurch sogleich unterscheiden, dass sie die Nameo
Heinrich, Sophia, Eaterina und Margoreta fähren. Letztere war im
genannten Jahre bei der im weiterpn Verlauf der Schreinsei ntragnng
vorgenommenen Verfflgunt; über das auf dem ßuttermarkte gelegene,
zum elterlichen Nachlass gehörige Haus noch mindeig'ährig. Von sei-
ner Tochter Katerina („Kalerma begina filiaGerardi de Sto. Trudone")
finden sich mehrere Schenkungen an Kirchen aufgezeichnet: 1296 fünf
Sotidi zum Bau der Minoritenkirche, 1298 drei Solidi zum Dombao '),
und gleichzeitig an das Kloster Mariengarten das in der Vogelostrasse
gelegene Haus, worauf jene Geldbeträge als Jahresrenten hafteten.
(Columbae: Berlici. Später, im Jahre 1446, wird das „huys gelegen
in der Voegelstratssen ind was wilne Catherinen van sente Truden"
an „Claiws moelencr van Berlyn Auentuyrc" — 1472: „euentuirre" —
übertragen.) Unter den vorberübrten Umständen war es löblich, dass
auch die Diplomatischen Beiträge (S. IG) „das Luftbild eines Dombau-
meisters von St. 7'rtiden"; das noch in den ersten Jahrgängen des Köl-
ner Domblattes mehrmals hat auftauchen wollen, zu verscheuchen
suchten. Aber kaum ist die eine Nebelgestalt verdrängt, so steigen
1) Die UriiuDde aui Columbae, Berlici lautet: Item notam qood Katerina
filia Gerardi de sto. Trudone tradidit poBt mortem auam ad oput operi« maioric
cccleiia gjngnlis annii« tres solidoB donariorum viualiiim pro tempore aoloendoi
■ingulig annia de domo et area sita in platea vogelonii contigaata domibna ben-
rici tomatoris veriiig campum . . . Actum vigilia petri et pauli apostolorum (139Q.
Die Dombaumeister yod Köln. 115
sogleich in der besagten Schrift drei andere auf und entziehen von
neuem den wirklichen Dombaumeister dem Lichte der Wahrheit ^).
Ich nehme zuerst
Gerard, den Sohn desGodescalk von Rile und der Bertradis
vor. Die Besitzungen des Godescalk von Rile zahlt eine undatirte
Karte des Niderich auf, die vor das Jahr 1200 gehört. Dass er den
auf der Westseite der Marcellenstrasse gelegenen Hof Ketwich besessen
und bewohnt habe, wie die Dipl. Beitr. erzählen, ohne irgend einen
Nachweis beizubringen, findet sich im Schreine nirgend bestätigt. Im
Gegentheil, sein Wohnsitz, der später sogenannte „hoeif gnant Ryle
gelegen vp sent Marcellenstraissen mit allen synen getzymmeren ind
zobehoeren^S lag auf der anderen Strassenseite '). Mittels jener ganz
willkürlichen Unterstellung erleichterte es sich freilich, ihn zum Vater
des Gerard von Ketwich zu machen. Godescalk, der ein Brauer war
(ürk. XIV u. XV), zeugte mit seiner Frau Bertradis zwei Söhne, Jo-
hann und Gerard, und eine Tochter Methildis, die sich mit Hermann
von Munheim verheirathete. Johann setzte des Vaters Geschäft fort,
vermählte sich zuerst mit Gertrud, dann mit Aleid, und den beiden
Kindern, welche letztere ihm schenkte, wurden der Grosseltern Namen
Gtodescalk und Betradis beigelegt. Gerard aber wurde weder Stein-
metz noch Dombaumeister, noch vermählte er sich mit Guda — er
wurde ein Geistlicher, ein Weltpriester, ein „Paphe" (ürk. XV— XVIII).
Die beiden Schreinskarten, welche ihn als solchen bezeichnen, bald mit
den) Worte clericus, bald mit der deutschen Uebertragung Paphe (es
1) Leider haben die aus einem Gewebe von Wahrheit und Dichtung be-
stehenden Mittheilungen der Dipl. Beitr. grossentheils in meinen 1850 erschie-
nenen Nachrichten von Kölnischen Künstlern Aufnahme gefunden. Erst nach
1850 wurden mir die Schreinsbücher (damals im Archiv des Eönigl. Landgerichts
aufbewahrt) zu selbstständigen Forschungen zugänglich, deren erste Frucht 1852
das Buch: Die Meister der altkölnischen Malerschule, war. Auch für die neuen
Abhandlungen über die Dombaumeister ist schon zu jener Zeit das Material von
mir gesammelt worden.
2) Als letzter Erwerber ist 1792 der kurpfalzisc]^e Geheimerath von Siegen
eingetragen. Die Besitzer lassen sich bis auf den Brauer Godescalk ums Jahr
1200 in ununterbrochener Kette zurückführen. Und dennoch durften die Dipl.
Beitr. (S. 15, Anm. 25) die Behauptung aufstellen, Godescalk habe keine Bezie-
hungen zum „Hofe Rile^' gehabt, sondern sein Beiname sei daher entstanden,
weil er aus dem „Dörfchen Rile" nach Köln in die „Curie Ketwich'' einge-
wandert sei.
llft Die nombaumeiBter von Köln.
sind zwei Blätter von massigem Umfange, eins könnte die Fortsetzung
des anderen sein), wurden von den Dipl. Beitr. nicht unbeachtet ge-
lassen, da sie andere Stellen von ebendenselben Schreinskarten im Ab-
drucke bringen, die diesen Gerard und seine Eltern betreffen, aber —
und dass niuss doch sehr auflallen — gerade nur solche, wo Gerarrt's
Stand nicht angegeben ist.
Der Geistliche Gerard von Rile tritt im Jahre 124S (demselben
Jahre, in welchem die Grundsteinlegung zum Dome stattfand) nt-hon
einer Gertrudis auf, welche die Urkunde (Nr. XVIII) als „amasia ma-
gistri Gerhardi de llile filij Godescalci" bezeichnet. Die Dipl. Beitr.,
diese Stelle auf den Domhaumeister, den Gatten der Guda. anwendcnil,
lassen desshalb denselben zweimal Bräutigam gewesen sein; „Seine
erste Braut hiess Gertrud, das VcrlÖbniss mit ihr wurde rflckgnngig.
Die Ursachen sind nicht zu ermitteln. Im Jahre 1248 gab sie ihm die
Brautgeschenke zurück." Hier bandelte es sich jedoch keineswegs um
eine Brautschaft und Brautgeschenke, die Stellung einer Amasia ist
nicht 80 sauberer Natur. Die Missbräuche und Ausartungen, von wel-
chen auch der geistliche Stand nicht frei geblieben, sind allgemein be-
kannt und branche ich zur richtigen Beui-theilung des fraglichen Ver-
hältnisses nur auf die analogen Fälle zu verweisen, welche meine Ab-
handlung über Meister Godefrid Hagenc (Jahrb. d. Vereins v. Alter-
thunisfr. im Uhoinl. Heft LIX. S. 123—124) zur Anzeiüe brachte. Rs
unterliegt danach keinem Zweifel, dass die Gertrudis nichts anderes
als die Concubine des geistlichen Magisters Gerard gewesen ist. Wir
verlassen diesen Sohn des Brauers Godescalk; jedes Grundes entbehrend
und lächerlich wäre die Annahme, dass er nach 1248 seine Amasia
Verstössen und den geistlichen Stand verlassen habe, um mit Guda eine
rechtmässige Ehe einzugehen, und dass dann plötzlich dieser Mann zum
Leiter des Dombauwerkes, zu einem der gröss(£n Baukünstler aller
Zeiten geworden sei. — Gehen wir zu
Gerard von Eetwich
aberl Eben so willktlrUch wie hei dem vorigen Falle, ebenso jedes
stützenden Grundes ermangelnd und mit den vorhandenen Urkunden
in Widerspruch stehend, geschah seine Identification mit dem Dom-
baumeister.
Eine nicht geringe Anzahl von Schreinseintragungen gedenken
seiner, sowohl bei den Besitzesumwandlungen, welche das nach ihm be-
nannte Haus Ketwicb (abwechselnd heisst es domus, curia oder curtis
Ketwich) betreffen, als zur genaueren Bezeichnung der Lage benach-
Die Dombaomeister von Köln. 117
barter Häuser. Er wird nie als Dombaumeister oder auch nur als
Steinmetz, sondern stets ohne Standesangabe genannt. Er war mit Ida
verheirathet, während des Dombaumeisters Frau Guda hiess — zwei
Taufnamen, die von ganz verschiedenen Heiligen hergenommen sind.
Die Dipl. Beitr. freilich wissen sich zu helfen: „Gerard verheirathete
sich mit Guda oder Ida" (S. 19). G.'s v. K. Wittwe Ida lebte noch
im Jahre 1311, wie man aus den Urkunden Nr. XIX — XXI mit Be-
stimmtheit ersieht. Von Guda, der Gattin des Dombaumeisters Gerard,
ist erwiesen, dass sie vor der 1302 geschehenen Beurkundung, be-
treffend ihren und ihres Mannes Nachlass, aus dem Leben geschieden
war. G.'& V. K. Kinder, die ausschliesslich seine Hinterlassenschaft
theilen, sind die beiden Töchter Elizabet und Hadewig. Von letzterer
sagen die Dipl. Beitr.: „Hadewig sive Margareta", wahrscheinlich um
sie mit der in der Urkunde Nr. V v.on 1319 vorkommenden Margareta
in Verbindung zu bringen, aus der eine zweite Tochter des Dombau-
meisters Gerard gemacht wird, während die Urkunde sie ausdrücklich
als „neptis" seines Sohnes Johann bezeichnet. Des Dombaumeisters
vier Kinder, drei Söhne und nur eine Tochter, lernten wir im früheren
Verlauf dieser Abhandlung kennen und überzeugten uns, dass aus-
schliesslich ihnen das elterliche Erbe anerfiel. G. . v. K. und der Dom-
baumeister begegnen sich zwar darin, dass jeder von ihnen eine Tochter
mit dem Namen Elizabet hatte, die auch beide dem Klosterleben sich
widmeten. Elizabet von Ketwich aber war im Catharinenkloster zu
Dortmund,' des Dombaumeisters Tochter hingegen auf dem Gevelsberge
aufgenommen worden. Die Dipl. Beitr., indem sie beide in nur eine
Elizabet umformen, wissen wiederum sich zu helfen: „sie war zuerst
Nonne zu Gevelsberg, später zu St. Catharina in Dortmund." Von G.'s
v. K. beiden Töchtern hatte im Jahre 1310 nur Hadewig das Alter
der Grossjährigkeit erreicht (Urk. XX), Elizabet war damals noch mi-
norenn. Von dem Dombaumeister Grerard ist erwiesen, dass er im Jahre
1279 im Amte ersetzt, also wohl bereits verstorben war, so dass jedes
der von ihm hinterlassenen Kinder 1310, nach mehr als dreissig Jahren,
längst selbstständig gewesen ; auch liegt die Urkunde vor, worin schon
1302 seine Tochter Elizabet über ihr elterliches Erbtheil verfügen
konnte. G. v. K. bewohnte den nach ihm benannten Hof Ketwich, das
frühere Eigenthum der Jutta de Merke, gelegen gegenüber dem
AUod des Domcapitels; ausdrücklich bezeugt dies eine Urkunde von
1319 (Nr. XXIV), wo bei Beschreibung der Lage eines anderen Hauses
gesagt ist: „sita in platea sancti Marcelli in allodio Ecclesie Golonien-
aia ex opposito domus quam quomlain inagiBtcr Gerardus de Eütwich
inhabitauit", sowie anch eine Beurkundung von 1310 (Nr. XIX) be-
merkt, dasti die Besitzung „in platea Marcelli ex opposito quasi cajK'Ile
dancti Marcelli" lag. Des Dombaumeisters Haus aber lag auf der an-
deren Strassenseite innerhalb des Allods des Domcapitels: „in
platea sancti Marcelli Cotonie in allodio Ecclcsie Colonieusis", und dass
derselbe dieses Haus fHr seinen eigenen Gebrauch schon vor 1257 er-
liclitet habe, dass es »ein Wohnsitz geblieben sei, das behaupten die
Dipl. Bcitr. S. I7~U' mit unzweifelhaftem Rechte. Einen Umstand
gibt die genannte Schrift an, der (wenn man von den vorhin berflhrten
widersprechenden Verhältnissen für einen Augenblick absehen will) die
Identification des Gerard von Ketwich mit dein Steinmetzen Gerard
von Rile, keineswegs aber mit dem Dombaumeister, allerdings recht-
fertigen würde — wenn dieser Umstand in der Wirklichkeit bestände.
Es heisst nilmlich S. 16—17 von einem Hause in der Johannisslrasse,
welches erwieaenermasscu von einem Steinmefzen Gerard von Rile er-
baut worden, dass dieses Haus „in allen den betreffenden Verausserungs-
noten des Schreins als die ,domus, quam ediäcavit magister GerarduB
de Rile, auch wohl de Ketwich' bezeichnet werde." Soll die her-
vorgehobene Stelle nur eine aus der Luft gegriffene Vermuthung aus-
sprechen, 30 trägt sie an sich selbst den Stempel ihres ünwerthes;
soll sie aber Behauptung sein, so habe ich dagegen zu bemerken, dass
in den Schreinsbüchern die besagte Abwechslung bei Bezeichnung des
fraglichen Hauses nicht aufzufinden ist.
Was nun endlich die Identification des Dombaumeisters mit dem
Steinmetzen Gerard von Rile
betrifft, so hat sich schon Boisserße (Gesch. d. Doms S. 104—105)
dem etwas verführerischen Anschein für die Identität der beiden Männer
nicht verschliessen können, da sie nicht nur Zeitgenossen waren, son-
dern auch in der Eigenschaft als lapicida zusammentreffen. Aber ihm
war nur unsere Urkunde Nr. XXVI von 1248 bekannt geworden, die
ausnahmsweise den Gerard von Rile nur als „Gerhardus lapicida" mit
Weglassnng der näheren Bezeichnung „de Rile" vorführt, die er bei
den übrigen dieselben Geschäftsobjecte betreffenden Eintragungen er-
hält Eine nähere Prüfung wird auch hier zur unbedingten Zurück-
weisung nöthigen.
Der SteinmetzGerard von Rile, von dem man nicht erfährt, dass
er verheirathet gewesen, erwarb 1247 eine Grundfläche in der Johannis-
strasse, dem Amtleutehausc gegenüber, die er mit einem Hause be-
Die Dombaumei8ter von Köln. 119
baute, das auch in der Folge dadurch bezeichnet wurde, dass man ihn
als den ersten Besitzer oder als Erbauer namhaft machte (ürk. XXV
— XXXII). Dieses berechtigt aber keineswegs zu der Deutung, als habe
man damit das Haus als eine Merkwürdigkeit hervorheben wollen, denn
in den Schreinen kommen im Allgemeinen die Fälle, wo man Häuser
Jahrhundertc hindurch nach dem ersten Besitzer benennt, fast eben so
oft vor, wie solche, wo sachliche Gegenstände zur Bezeichnung gewählt
werden. Die Urkunden in meinem Buche über die Meister der alt-
kölnischen Malerschule weisen das hinreichend nach. Jedoch will ich
einem Beispiele aus dem Buche Niderich : Generalis desshalb hier noch
Platz vergönnen, weil es ebenfalls einen Steinmetz mit dem Namen
Gerard betrifft. Man liest beim Jahre 1322 : „domus sita in vico dicto
Cederwalt quam Gerardus lapicida inhabitabat**. Das Buch Niderich:
Ab hospitali s. Andr. gibt 1304 und 1326 nähere Aufschlüsse über ihn;
er war mit Elizabet verheirathet und hat mit Gerard von Rile nichts
gemein. Hinsichtlich dieses letzteren findet sich in dem defecten
Schreinsbuche, welches die Erwerbungsurkunde von 1247 enthält, die
Mutation nicht mehr vor, worin sein Haus zuerst in eine andere Hand
überging ; 1289 erscheint es als Eigenthum des Stifts zur h. Maria ad
gradus und wurde dem Steinmetzen Egidius, genannt Achilius, über-
tragen, dessen Sohn Everard es 1303 dem Steinmetzen Gerard, genannt
von Humelgis (verheirathet mit Alveradis) verkaufte *). Wäre bei die-
sen Anlässen das Haus desshalb als die „domus que fuit quondam Ge-
rardi de Rile lapicide'' bezeichnet worden, um demselben mit Rücksicht
auf den Ruhm des Dombaumeisters gewissermassen den Charakter einer
Sehenswürdigkeit anzuheften, so würde man nach 1248 sicher nicht
unterlassen halben, Gerard's in seiner Eigenschaft als rector fabrice
oder magister operis ecclesie coloniensis zu gedenken, wie solches bei
dem Hause in der Marcellenstrasse regelmässig geschieht, um so mehr,
da er die Eigenschaft eines lapicida mit mehreren gleichnamigen Zeit-
genossen theilt und überhaupt der Name Gerard, nach Ausweis der
1) unter den späteren Besitzern des Hauses nennen die Dipl. Beitr. S. 16
,1391 Johann Frauenhofif, aus dem Geschlechte Schimmelpennig, wie das Wappen
am Rande kund gibt.^* Dem ist nicht so. Johannes dictus Yrouwen^o/f (nicht
Fnxienhoff) kauft an der bezogenen Stelle (Nid. Gen.) „vnam domum duarum
domorum sitarum ex opposito domus nostrorum officiatorum, illam videlioet do-
mum uersus sanctum Lupum.'^ Am Rande sind zwei Schlüssel gezeichnet, aber
keineswegs, um diesen Mann in den Adelstand zu erheben, denn er, der auch
Nid. A domo ad port. 1851 und 1861 vorkommt, war nur ein ehrsamer carpentarius.
Die Domliatiineister von Kola.
Schreine, einer der in jeuer Zeit hierorts am häufigsten vorkommenden
ist, also um so eher (ler Hinzufilgunu jener priicisirenden Eigenschaft
bedurft haben würde. Nimmt man noch dazu in Erwägung, dass der
Dombaumeister Geranl, wo er als solcher in den Urkuuden, die uns
die Schreinsbttcher, die Rathsverhandliingen und das gladbacher Nekro-
logiuro erhalten haben, nirgend üerard von Kile genannt ist und dasa
hingegen dem Steinmetzen Gerard von Rile niemals die Eigenschaft
eines Dombau meisters an die Seite gestellt ist, so kann auch hier die
Identification in keiner Weise gerechtfertigt erscheinen, und aus den
Werken unserer Kunstschriftsteller wird der bedeutungslose Gerard von
Eile zu verabschieden sein.
Die wunderlichste Leistung der Dipl. Beitr. bezOglieh der Geschichte
des kölner Dombaues würdigen wir zuletzt, nämlich das Märchen von
einem ersten Dombaumeister
Heinrich Sunere.
Drei Personen, zu deren Identification nicht im entferntesten ein Grund
anzutreffen ist, mussten sich zu demselben hergehen, und die Wider-
legung erscheint desshalb noch erforderlich, weil mehrere geachtete
Schriftsteller (unter anderen s, m. Kugler's Eunstgcsch. 2. Ausg.
S. 575, und K. Förätcr's Oesdi. d. ikniiscli. Kunst, Tb. I, S. 15*2)
sich verleiten Hessen, ihm Beachtung oder Glauben zu schenken, und
so das Nebelbild eines ersten kölner Dombaumeisters Heinrich Sunere
bis zur Thürschwelle der Kunstgeschichte vorgedrungen ist, während
zu diesem Amte sich der wirkliche Sunere wohl weniger als zu allem
Anderen geeignet haben mag. Besonders aber deshalb wird man auf
die Sache zurückkommen müssen, weil es dem ErSnder gefallen hat,
noch jüngst in einer Schrift: „Der Kölner Dom. Eine Gedenkschrift.
zur Feier der Vollendung desselben am 15. October 1880" (Düsseldorf)
und zwar S. 21 in dem Abschnitt „Geschichte des Dombaues" seinen
Helden abermals vorzuführen. „Den Preis unter den entworfenen Plä-
nen", sagt er, „erhielt ein kölner Steinmetz-Meister Heinrich Soyncre,
der im Hofe Soynere in der Maximinenstrasse wohnte und von ihm den
Beinamen führte."
Für ihre Behauptung haben die Dipl. Beitr. in folgender Weise
eine Beweisführung zu coustruiren versucht:
1. Heinrich der Magister wird 1248 als petitor structure maioris
ecclesie coloniensis aufgeführt. Die Eintragung in die Schreine erfolgte
Die Dombaumeister von Köln. 121
immer wenigstens ein Jahr später als die Vertragshandlung selbst da-
tirt ^), statt 1248 muss man also mindestens 1247 lesen.
2. Im Buche A sancto Lupo findet sich unter dem Jahre 1315
ein Notum mit zwei daneben befindlichen Zeichen, welche sich sofort
als die rohen Federnachbildungen desjenigen Handzeichens darstellen,
welches der Verfertiger des Haupt-Domrisses auf diesem zurückgelassen
hat. Der Rütger Sunere aber, welcher in dem genannten Notum von
1315 als die Hauptperson aufgeführt wird, ist der Enkel des oben ge-
nannten Heinrich petitor. Dieser Heinrich ist also der wirkliche Fer-
tiger des Planes und dabei Magister, das heisst Werkmeister. Im Jahre
1247 konnte er nur petitor genannt werden : denn zu der Zeit war der
Bau noch nicht begonnen, der Plan vielleicht noch nicht genehmigt,
und Heinrich war also damals nur ein petitor structure, d. h. im echt
lateinischen Sprachgebrauch derjenige, qui honores petiit, der sich für
den Dombau um das Amt des Werkmeisters bewarb.
3. Unser Heinrich ist in Airsbach: Textorum anno 1242 als la-
picida aufgeführt. (Letztere Angabe folgte erst nachträglich im Kölner
Domblatt Nr. 95 von 1844 und S. 98 der Zusätze in der 2. Ausgabe
der Dipl. Beitr.)
Diese ganze Ausführung mit ihren Scheingründen löst sich jedoch
in ein Nichts auf, sobald man mit prüfendem Blicke sich zu den
Schreinsbüchem selbst wendet. Hier ist 1248 ein magister Heinricus
petitor structure maioris ecclesie coloniensis genannt, bei dem man aber
sowohl den Familiennamen Sunere als die Eigenschaft eines lapidda
vermisst. Er wurde zuerst durch Boisser^e (Gesch. d. Doms, 2. Ausg.
S. 105) bekannt, der in ihm einen Sammler für das Werk des Doms
erblickt, die Deutung auf einen Bewerber um den Bau aber entschieden
verwirft. Nichts kömmt in der Urkunde vor, was auf die Eigenschaft
eines Baumeisters oder Steinmetzen schliessen liesse: ihm wird (Urk.
XXXIII) von Rudolf, dem Sohne der „Megtheldis de vulpe" *) ein Haus
1) loh habe diese Wahrnehmung nioht gemacht, und die Dipl. Beitr. wider-
sprechen dem auch selbst an manchen Stellen, wo sie das Jahr der Eintragung
für das der Vertragshandlung ausgeben. Häufig mag es sich so verhalten, aber
nicht immer, besonders da nicht, wo die Schlussformel mit „Äctum^ beginnt.
2) Sie erscheint in den Dipl. Beitr. abwechselnd als „Mechtildis de Wilre"
(S. 52), „do Volpe" (S. 95) und „deVnlpo'' (S. 96), stets mit Hinweis auf dieselbe
Urkunde. Sie wird zu einer Adeligen gemacht und soU ihren Namen „yon dem
adeligen Sitze ad vulpem, Wolferhof' geführt haben, der in der Huhnsgasse bei
8t. Mauritius liegt. In YTirklichkeit führte sie ihren Namen nach der „domus
193 Di» buinbnuineuUir vou Kutn.
Übertragen, das er aogleich der Üonikirchc Überweist — eiDe Thiltig-
keit, die ganz der Eigenschaft des Sammlers entspricht. Und vreon die
Aussage der Di|il. Beitr. S. 12 richtig ist, dasa den Schreinsbüchern
alle Titel, soweit sie nicht die dauernde bür('erlii:bc Thätjgkeit u&d
Stellung bezeichnen, stets fremd sind, so konnte wohl nichts zu einem
Titel im Schreinsbuche weniger sich eignen, als die Bewerbung tun
ein Amt.
Die Schreine nennen zweitens einen Henricus lapicida, der eine
Tochter Aleid und durch sie drei Enkel hatte, die so arm waren,
dass die Nothdurft des Lebens (,,pre uecessitnte uite") sie zwang, sich
im Jahre 1242 zum Verkaufe ihres aus der Hälfte eines Kramladens
bestehenden Besitzthums gerichtlich ermächtigen zu lassen (Urk. XXXIV
— XXXVI). Einen Farailienoamen fuhrt dieser Steinmetz nicht.
Drittens nennen die Schreine einen sehr wuhihäbigen Kann mit
dem Namen Heinrich Sunere, dessen Frau Aleid hiess und dessen Fa-
milie, gemäss Angabe der Dipl. Beitr, S. 12 — 13, in derartigem Ansehen
stand, dass sie mit bedeutenden Geschlechteru zur Verwandtschaft ge-
langte. Manche Urkunden sind von ihm aufbewahrt, keine nennt ilm
als magister oder deutet in anderer Weise auf seine Identität mit dem
Petitor von 1248. Nirgend ist er als lapicida vorgeführt, und wie durfte
man in ihm, auf den, laut den Dipl. Heitr., gegen F,nde des zwölften
Jahrhunderts schon in der Wiege die Sonne des GlQckes gestrahlt,
und dessen Descendenz bis ins vierte Glied sich zu immer höherem Aa-
sehen aufschwang, den obscuren Steinmetzen Heinrich vou 1242 auch
nur entfernt vermuthen wollen, dessen Tochter und Enkel fast dem
Bettelstabe verfielen. Daher sieht denn auch die Sunere'sche Stamm-
tafel in den Dipl. Beitr. S. 65, freilich nicht ohne arge Inconsequenz
zu ihren vorbertthrten Unterstellungen, aber diese Proletarier vonietun
hinweg.
Als Zeitgenossen der vorgenannten bringen die Schreine andere
kölnische Heinriche zu Hunderten, die unmöglich sich können ferner
gestanden haben als die obigen drei. Die Dipl. Beitr. aber, indem sie
jene Verschmelzung von Drei in Eins vornahmen, unterliessen es gänz-
lich, die Urkunden, welche den Henricus lapicida und den Henricns
qua dicitur ad uulpeni", welche Oben MarBptortan dem Hftuae Covoldaboven
gegenäber 1^. Sowohl die Dame als das Haus aind im Laurenz schrei db Carla
VIl c». 1230, Lib. IV, 1238 and Lib. I c«. 1240 aniutreffon. Ueber den Wol-
ferhor, ad lupum, bericbtol das Buch Wayeratraase, Piiciaae.
Die Dombaameister von Köln. 128
SuDere betreffen, mitzutheilen, wie auffallend diese Kargheit bei dem
vorgeblich ersten, also jedenfalls wichtigsten der Dombaumeister auch
erscheinen möge, um so mehr, da das Btichlein in Urkundenmittheilung
über spätereJ)ombaumeister sich ziemlich freigebig zeigt. Freilich wür-
den die Urkunden, wie sie in allem anderen den Dipl. Beitr. wider-
sprechen, so auch der Angabe S. 12, dass Heinrich Sunere gegen (d. h.
hier vor) 1254 gestorben, und S. 15, dass Meister Gerard im Jahre
1254 „nach dem Tode Heinrich's Soynere" zum Dombaumeister ernannt
worden sei, den Beweis entgegengestellt haben, dass Heinrich Sunere
oder Soynere in den Jahren 1253, 1255, 1258, 1261, 1264, 1266 und
1267 mit seiner Frau Aleid sich fortwährend des Daseins erfreute und
Geschäftshandlungen vollzog (Urk. XXXVII).
Eine Hauptbeweiskraft wollen die Dipl. Beitr. aus einem Notum
von 1315 herleiten, worin, nach dem Tode eines Rutger Sunere, dessen
Sohn Heinrich an das väterliche Ansiedel geschrieben wird. Dieser
Rutger wird dann S. 65 zu einem Enkel des sogenannten ersten Dom-
baumeisters Heinrich Sunere gestammtafelt, indem man einen Heinrich
Sunere II. als Sohn des letzteren einschiebt, von dessen Existenz sich
indessen in den Schreinsbüchern nirgend eine Spur zeigt. Bei der Ein-
tragung von 1315 ist auf dem Rande an jeder Seite ein topfartiges
Zeichen beigefügt und in demselben wollen die Dipl. Beitr. ebendasselbe
Zeichen wiedererkennen, welches sich auf einem alten Thurmrisse des
Domes vorfindet. Nachdem nun jene Töpfe die Gedanken der Dipl.
Beitr. auf ein Sunere'sches Familiensiegel gelenkt haben, wird ohne
weiteres gefolgert, „dass der Anfertiger des Risses mit der gedachten
Familie dasselbe Zeichen führte oder, mit Rücksicht auf die Geschichte
der Wappen ausgedrückt, aus dieser Familie war." (Zusätze S. 98.)
Aus allen Umständen ergibt sich hingegen, dass die Töpfe keineswegs
eine der Familie Sunere anklebige Bedeutung haben. Nicht ein einziges
Mal finden sie sich bei den Urkunden, in welchen der vorgebliche Dom-
baumeister Heinrich Sunere selbst und Rutger Sunere bei ihrer Leb-
zeit auftreten und ebensowenig wiederholen sie sich auch nur ein ein-
ziges Mal bei den zahlreichen Eintragungen, welche, wie jene von
1315, den Sohn des Rutger, der Heinrich hiess und mit Blytza ver-
heirathet war, oder wiederum dessen Kinder betreflFen. Ich will nur
auf folgende verweisen: Nid. A domo ad port. 1301, 1315; Nid. A s.
Lupo 1307, 1309, 1310, 1320, 1339, 1341, 1344, 1348, 1349, 1364,
1382, 1383, 1384, 1389, 1393; Nid. A domo Ilild. 1358, 1382; Nid.
General. 1336, 1358, 1385; Nid. R«lig. 1344; Nid. A pistr. Max. 1340,
134 Die OumbBunioiBtGr von Kola.
1362; Ger. et Eigolst. Vadini. 1307; Petri Caec. 1337, 133!>, 1344;
Marl. Eck. 1339, 1346, 1370; Laur. L. IV. 1344; Col. Camp. 1352;
Mart. Lewenst. 1363; Weyerstr. Bip. 1388, Unter dem Notum von
1315 zeigt sich übrigens auch noch ein drittes Zeichen, ajis einem Tri-
angel gebildet, woran sich rechts der Buchstabe F anlehnt, das sich
1340 (Nid. A piatr. Max.), wo Greta, dieWittwe desselben Rutger Su-
nere, auftritt, in helniartiger Gestalt wiederfindet, und anderwärts, wo
es sich unter den Sunere'scheu Familionglicdern um üeberträge oder
gar um den Besitzeswcchsel des Stammhauses, der „domus et curtis
que fuerunt mansio Suneri" handelt, kommt ein einem Haken äbnliches
Zeichen in öfterer Wiederholung vor, z. B. Nid. As. Lupo 1383, 84,
89 und 03. Die beiden Töpfe sind sonnch nur aus einer zufälligen
Laune des Schreinsschreibers hervorgegangen, der sich dadurch das
Wiederauffinden erleichtern wollte, wie sich denn ganz ähnliche Topf-
figuren zu gleichem Zwecke auch in anderen SchreinsbUchern antrefl'cn
lassen, wo weder von Personen noch von Liegenschaften die Rede ist,
die zur Familie Suncre in Beziehung stehen. Ueberhaupt war es ein
Brauch der Schreinsschreiher iu jener älteren Zeit, wo die Mutatiooen
noch nicht bei den Urkunden angemerkt wurden, sich bei Eintragungen,
die ein besonderes Interesse für sie hatten, eines solchen Erleiehterungs-
niittels zu bedienen. Bei adelichen Familien bildeten sie dann deren
Wappen nach, gewöhnlich in ganz einfachen, unten zugespitzten Schild-
eben; im Uebrigen aber hielten sie sich eine reiche Auswahl verschie-
denartigster Zeichen, z. B. Kreis, Dreieck, Rad, Kreuz, Pfeil, Schlüssel,
Hängeschlosa, Kleeblatt, Topf u. s. w., in Bereitschaft, deren Anwen-
dung sich unzählige Male wiederholt, ohne dass damit an bestimmten
Familien oder Häusern festgehalten wird. Aber auch abgesehen von
alledem, so braucht man nur die Töpfe von 1315 mit dem Zeichen auf
dem Tburmrisse zu vergleichen, um eine sofort ins Auge fallende sehr
wesentliche Verschiedenheit wahrzunehmen, .so dass an einen gemein-
samen Ursprung aus dem Siegel einer und derselben Famdie nicht ge-
dacht werden darf ']. Und schliesslich ist denn auch daran zu er-
1) Die Nachbildung der Schrei aazeicbon in den Dipl. Bcitr. S. 52 iet an*
getreu. Qenau sind aie auf der drittcu Munogrammentafel (Nr, 124 u. 126) in
Ditiiiien Nacbricbton von Eälcisclien Künsllcm wiedergegebeb, und auf der cr-
Bten Tafel (Nr. 38) befindet sich daeelbst auch das Zeichen vom Thurtnrisse. Die-
eer ist der Entwurf des südlichen Thurmcs nebst dem ganzen mittleren Giebel;
er wurde durch BoiBserec's Schenkung 1640 dem Dome zurückgegeben.
Die Dombaumeister von Köln. « 125
Innern, dass der in Rede stehende Thurmriss, gemäss dem bei dem
gegenwärtigen Stand der Forschungen über die Baugeschichte des
Domes kaum noch auf Widerspruch stossenden Urtheile, mindestens
ein Jahrhundert nach dem Beginne des Neubaues erat angefertigt wor-
den ist.
So zerfallen also alle Unterstellungen der Diplomatischen Bei-
träge und mit ihnen alle daraus gezogenen Folgerungen. Die Urkunden
tiberzeugen, dass Heinrich Sunere, welcher Besitzer eines grossen Garten-
gutes, mehrerer Häuser, Ländereien und Renten gewesen, mit dem
Dombaumeisterthum von Köln nicht das mindeste zu schaffen gehabt hat
Urkunden.
Niderich: A sancto Lnpo. (1257.) 1302.
1. Iste terminuB incipit ab ecclesia sanoti Lnpi a domo diota ad chorum
et iendit secas ecclesiam sancti Maximini in eodem latere vsque saper cumulnm
in konum contra sanctas virgines. et deinde per plateam MarceHi in iUo latere
versus renum vsque ad antiquum summum. et deinde plateam ') Drancgasse. vs-
que ad ecclesiam sancti Lupi. et conscribentur in hoc omnes remissiones here*
ditatum infra iacencium. ab Anno domini m^ occ^^o. secundo. in antea. Actum
et sie positum feria quarta post Reminiscere. Anno predicto.
Maior ecclesia.
Notum sit vniuersis tarn presentibus quam futuris quod Capitulum colo*
niense, de arcis olim vinee sue apud sanctum Marcellum sitis, eorum liberum
existentibus allodium, magistro Oerardo lapicide rectori fabrice ipsius ecdesie
propter meritorum suorum obsequia, ipsi ^) ecclesie facUff, vnam aream latiorem
et maiorem alijs prout ibi iacet et comprehendit magnam domum lapideam quam
idem magister Gerardus proprijs edificauit sumptibos, concesserunt, Ita videlicet
quod prefatus magister Gerardus vel Gada uxor ipsius, aut eorum heredes, Gen-
sum duodecim solidorum coloniensium denariorum eis iure hereditigrio persoluent
de area memorata, Sicut in littera ipsius Capituli coloniensis, eisdem magistro
et Gude eius uxori, super hoc tradita, et in scrinio nostro reposita, continetur.
Guiui quidem Httere Capituli tenor talis est Capitulum coloniense vniuersis
tam presentibus quam futuris, inspecturis has litteras, volumus esse notum,
quod nos, de areis olim vinee nostre, apud sanctum Marcellum sitis, liberum
1) „platea<< Dipl. Beitr. 2) „ipse"' D. a
I2fl Dio Dombanmeietiir von Köln.
nostTum exiatentibuB ailodium, roagistro G^rarda lapictäe. rectori fatirice noatn.
propter moritorum obeequia nobia facta, vnain aream latiorenj et matorem nlg«,
proDt ibi iacet nt compreheudit magnam domum lapideai», quam idem inagister
Qerardaa propriia edificauit sumplibuB, dtiitimnB coacedendam '). Ita videlicrt
quod prefatuB magiater vel Guda vxot ipsius aut eoriim horedes, cenaam nobia,
duodocim golidorum coloaieasiiim dcnariorum, jure herüditario peraoluent de area
momorala. Ctiiui enim censiis medieta« iu Sancto Walbarg^s, et raliqua medietai
in BäDcti Remigij fcstin, annlB aiDgulis persoluoctur. Si vero aliqao terminorutn
iatoram poatea infrn meDaem ceusus non fuprit dobitiiB, perBolutus, extunc prn
pena soliientiir nobia trea Bolidi denariorum, et similiter do vnoqiioque mumw.
püc vnutn anniim, itea aolidi pro pena aoluentur. ai infra totua ccnaiia, aiim
pena totali neglecta, non fuerit persolutua, et ad hoc census siquis neglectua est,
nichilominiiB peraoluelur. Anno autem elapao, Bi infm mensen] poatea ad l»n-
giuB omain prejioripta vsl aliqua coruin non fucrint ndimplota, dicta area cum
domo lapidea, ad nostram et ecclcaie nostre proprietalem absoliite et libere r^-
uoluctur. Post obitum vero Tuiuscuiusqne poascssoris vel heredis, domus et aree
aepedictc, heres aut posaesBor icstituendtia, dabit nobia in recepcToDem dicWram
bonorum diiodecim dcnarios pro iure quod gewprf vulgariter appellatur. Et si-
militer ab emptore domua einadeni et aree si vendi contigerit, et eandoni primo
nobia ezhibitam emere recuHauerimiia, duodecim denarii paraoluentur Et Bcieu-
dum, qiiod emptor dictam domum et aream, aub omnibua prenotntia condieio-
nibui, tarn eeiiBUB quam penariim, libaro perpetno, optinebit a nobia. Vt aut«m
predicta omnia, tarn a nobis quam noatria BuccesaoribiiB dicte domna pDBaeMon-
bua vel ab ipaia nobia et ecclesie noatre itmiolobiliter perpetno obBementur,
preaena aeriptum in leatinionium nostri fecimua eigilli mimtmice roborari, Datam
Atino domini ro". ec^°. quicquoigealmo aeptimo.
II. Item notum sit Tninersia quod ex morte qnondam magiatri Oerardi
et Gude^prediotorum in ') prefata domo ') lapidea et eins area ante et retro
Biibtiia et snperiuB prout iacet, et ad eoadem magistrum Gerardam et Gudam ex
cODoeBsione predicta ') pertinet. Petro monacbo apud aanctum Pantaleonem,
inagiatro Wilhelme canonico aancti Gereonis, Eliiabet moniali apud Qynelberg,
et lobanni monaoho absenti in Boemia, pueria eonindem, Cuilibet ipsomm pue-
ronim accidit vna puerilia poroio, que vulgariter dicitur kinzdeyl. ante et retro
subtua et laperiuB proat iacet et cuilibet eorum in diuiaione accidere poterit ').
Ita quod eam iure optinebunt. It«m notum alt quod prefatt pneri eorundem ')
magiatri Genrdi et Gude. acilicet ipse magister Wilhelmua') pro ae. Petrua
cum abbate et connentu aao aancti Pantaleonia pro se et Elizabet Boror iptorum
cum abbatissa et conuentu auo in Gjuelberge pro ae Salua puerili poreione et
iure ipsiuB lohannia fratria ipaorum predicti ai venerit et requiainerit, concor-
1) „concedendum" D. B. 2) Die D. B. Iwsen „in" weg-
9) „domuB" D. B. i) Die D, B. lassen „predicta" weg. 5) „potuit"
D. B. G) „ejufldem".D. B. 7) „Wilhelm" D. ß.
Die Dombaumeister von Köln. 127
dantes in hunc modnm Tradideront et remisemnt donaoione inter viuos, tam
communiter qaam priuatc, prefatam domum et eins aream, ante et retro tubtus
et supcrius com snis attinencijs prout iacet. Saneti Gereonis. et sancti Panta*
leonis ecoleeie, et ad manus abbatis ipsius monasterij saneti Pantaleonis. nomine
ipsios monasterij, et ad manus Hugonis de Bore ') et lohannis dicti *) de korn-
hus oanonicorum ecciesie saneti Gereonis, nomine ipsius eoelesie, Saluo oensa
hereditario predicto sub omnibus condicionibus infra soriptis. Yidelioet quod ipse
magister Wilhelmus censum horeditarium predictum solaere debeat maiori ecole-
sie, seu ') Capitulo predicto *). et dictam domum et eius aream, ante et retro
snbtus et superius prout iacet teuere et possidcre debeat et prouentus recipere,
ad dies vite sue pacifioe et quiete. et ipsam domum tenere debeat in edificio
debito et oonsueto, et quod nichilominus dare et solaere ') debeat, ipse magister
Wilhelmus quam diu vixerit, de diota hereditates Petro*) fratri suo predicto
▼nam maroam denariorum vsualium pro tempore siugulis annis ad duos terminos,
soilioet. Sex solidos in festo beati Remigij. et alios sex solidos in festo pasdhe,
aat infra Quindenam post quemlibet ipsorum terminorum sine capcione. Mortuo
▼ero dioto magistro Wilhelmo, extunc prefata pensio marce predicte ipsius Petri')
cum eo morietur et extincta erit, et prefata domus et eius area ante et retro
subtus et superius prout iacet et prescripta est, ad easdem Ecdesias scilicet Ge-
reonis et Pantaleonis, reuertetur. Saluo iure et porcione dicti lohannis absentis.
Ita quod dicte Ecciesie, dictam hereditatem tenere et diuertere poterunt pro in-
diuisa secundum condicioncs infra soriptas. videlicet quod dicte Ecciesie dare
et soluere debeant. Capitulo coloniensi censum suum hereditarium predictum,
et nichilominus infra scriptas pensionee hereditarias, quas dicti fratres et soror,
pro Remedio animarum parentum suorum, et ipsorum propriarum*) de diota
Lereditate hereditarie ^) dari constituerunt, dabunt et persoluent **) singulis annis
in anniuersario ipsius magistri Wilhelmi quocumque tempore hoc acciderit. Sci-
licet maiori ecciesie coloniensi. Sex solidos '') ysnalium denariorum. Item **)
monasterio in Siberg. Sex solidos eorundem denariomm. et Item monasterio
monialinm in Blayzheym "). Sex solidos eorundem denariorum Cum hae condi-
done, quod erga predicta monasteria. tam in Siberg quam in Blayzheym.
sui sex sol. hinc inde predicte pensionis et per hoc dicta hereditas absolni
et liberari '*) poterit, ab eis, singuli sex solidi pro sex marcis brabantinorum
denariorum. Sed sex solidi maioris ecciesie in perpetuum permanebunt et sol-
uentur cum censu suo hereditario predicto, vt est prescriptum. Et preterea si
dicta Elizabot monialis fratrem suum predictum magistrum Wilhelmnm super-
uixerit, extunc dicte Ecciesie saneti Gereonis et saneti Pantaleonis, de dicta
hereditate dabunt et soluent in anniuersario eiusdem magistri Wilhelmi dicte
1) „Bore'* D. B. 2) Die D. B. lassen „dicti" weg. 3) «sue'' D. B.
4) „antedicto" D. B. 5) „persolvere" D. B. 6) „eUam" D. B.
7) „penttiMf** D. a 8) „propriorum" D. B. 9) „hereditario" D. B.
10) „solvent'' D. B. 11) „solidi'' D. B. 12) „et Item" D. B.
18) „Blatzheim" D. B. 14) „liberare" D. B.
tas
Die DornbaumciBter v
Köln.
Eliiabet. quam diu ipBs vbcmt «ingulia auuiB. Tret marciB denartorum veu^
lium pro tempore in Colonia. Sed ip»H Eliznbet dofuncta, extunc dicta pousio
triiici mBrcarum cum va uorietur. et dicte «ccl^sie aancU Geroouia et «ancti
Pantaleouii ipai ') Conuentuj Id Giuelberg. siugiilia annia in »nniuerMrio ein»-
dem magistri Wilholmj pro remedio et memoria nuintariim psrettttim et proge-
nitorum euorum dabimt et porsolaent daro öt persoluore leuebuntur in |ierpe-
tunm Tnam marcam. et ipsa ") Eocleaia ') de Oyuelbärg de dict« mnroa coape-
rari debot *) proporcioonlitcr, quod dicta domuB teueatur iii edifido debita et
consaeto. et oicliibiiiinuB ei dicte Eccleaie aaiicli Gereouis et sniicti PasUteoniB
Bu]>er ') diota hcreditate impetiti fuerint, Bimlliter cum ipaia expenBaa proporcio-
nalit^ir BUstinebiiDt "). Suliio in biJB') otnaibus iure dicti lobaunis absenti», et
iurn ciiiuBÜbet in eadem, ad qnod dicta horeditaa erit oblig^ala. et si officium
et officiati super ') dicta faaredilate impetiti fuerint dx parte dicti lobnaDis. ab
baa impeticione diote eociesie ipaum officium releuabimt et absoIueDt. Aliaiuo
iptum officium de coDaeuBii dictarum ecckBiarum et personaruni pri'dictanun
qua diotarum ') bereditatem auacepenint, nomine earundcm "*) ao cum dicta here-
ditate releaabit et abeoliiet. At-tum et cocBcripttim in vigilia palmaxum. Anno
domini m", coo°"*. Secundo.
Ibidem. 1304.
III, Notum iit vnrnerBis tarn preseatibua quam futuria quod frater Lude-
wious, et frotor Lamhertus fratrea ") gormani. de ordiae prcdicatarnm '*), filij
quondam Lamberti dicti de cramhua et Megthildis eiua vKom "), heredit«t«in
Euam iafra Bcriptam, ad quam oonsoripti ") sunt in quaterno anliqno magno tan-
dento a turri in DraucgaaBin vsquo sd Wurpelportzen. scilicet domiim et eins
aream sitam iiixlo capellam qiie dicitiir ad antiquum sumraum, (jue quondam
fuit domoB piatorea et nunc brmxatorea Item ") domum et eiuii areara dicte do-
muj contignant veraua plat«am Marcelli (que dicitur zume aldemedume "), cum
caraeris eidem adiacentibua verBus eandem plateam, vaque ad domam quondam ")
magialri Oerardt magistri operis, anttr et retro aabtna et auperiua prout dicte
hereditates ibidem iaoent et ad eas preaoripti Bunt, tradiderunt et remiserunt
Godefrido dioto de Tiola et Agneti eius viori jta quod eas iure et aine contra-
diotione optinebunt et diuertere (poterunt) aaluo bereditario (oensu) et cnilibet
iure iuo in eiadem. Et aoiendum quod dicta domna zume aldemedume et camere
ftdiacentea aoluunt relicte quondam Conradi de atruasione ant eius heredibna De-
cem et octo lolidoa hereditorij cenana coloniensea singulia annia in feeto beaü
1) „ipae" D. B. 2} „ipBam" D. B. 3) „Eccledam" D. B.
4) „debent" D. B. 5) „aupra" D. B. 6) „sustenebunt" D. B.
7) „Wb" D. B. 6) „aupra" D. B. 9) „dictorum" D. B.
10) „eorundem" D. B. 11) Die D. B. laasen „frfttros" weg. 12) Dieae
8 Wörter fehlen ia den D. B. 13) „unor" D. B. 14) „adaoripti" D. B.
16) nin" D. B. 16) Die eingeklammerten 4 Wörter eind irrthGmtioh wieder-
holt, „zume alden dume" D. B. 17) „tapideam" sUtt quondam D. B.
Die Dombaumeister von Köln. 129
Remigij aut infra quatuor septimanas post, sine capoione persoluendos *) alioquin
extunc dicia domus et oiuB area proat prescripta est, ad cosdem deuohietur,
salno etiam ecclesie sanoti Andree oensu duornm solidorum in domo Aldendoyme
predicta, sicut in eodem quaterno antiquo est prescriptam ^). Actum et conscri-
ptum ') Anno domini mo. coc^. quarto. In vigilia palmaram.
Ibidem. 1819.
lY. Item notam sit qaod frater lohannes monachus monasterij de Wele-
grat ordinis Cysteroiensis Olomooensis dyoceseos cum consensu et ratihabioione
abbatis et conuentus monasterij stii predicti tradidit et remisit Conegundi de
Carpena filie quondam Wilhelmi de Gerstorp ^) et Margarete ') nepti fratris lo-
hannis predicti vnam porcionem siue pueripartem que sibi acoidit de domo lapi-
dea et eins area sita in platea sancti Marcelli Golonie in allodio Ecclesie Ck)lo-
niensis ex morte quondam parentum suorum magistri Gerardi rectoris fabrice
Ecclesie Goloniensis et Gode eius vxoris, Ita quod Conegundis et Margareta pre-
dicte predictam pueripartem domus prediote et eius aree pront in recta diuisione
sibi aocidere poterit *) jure obtinebunt et diuertere poterunt. Saluo censu et jure
de predicta domo et eius area competentibus, et super hijs iacet littera abbatis
et conuentus monasterij predicti in scrineo nostro reposita. Datum anno domini
m9, ccco. xixo. crastino beati Bamabe apostoli.
Niderich: Carta generalis. 1324.
y. Item notnm sit tam presentibus quam futuris quod Petras dictus Wihe
comparens in figura judicij asseruit quQd ex morte quondam Margarete sororis
sne accidit sibi dimidietas ynius pueripartis domus lapidee et eins aree site in
platea Sancti Marcelli (Kolonie in allodio maioris Ecclesie Goloniensis que quon-
dam fuit magistri Gerardi rectoris fabrice Ecclesie Goloniensis Et quia dictus
Petrus omnes dies judiciales sequebatur nemine contradicente dictabat hoc scn-
tentia soabinorum quod iure scribi deberet ad eandem, saluo censu hereditario
inde competente, quod comes et scabini nobis sunt testificati. Datum anno do-
mini mo. ccco. xxiiij^. feria sexta post jnuocauit.
Niderich: A sancto Lupo. 1824.
VI. Item notum sit tam presentibus quam futuris quod Petrus dictus
Wihe tradidit et remisit Gonegundi de Garpena filie quondam Wilhelmi de Ger-
storp dimidietatem vnius pueripartis domus lapidee et eius aree site in platea
sancti Marcelli in allodio maioris Ecclesie Goloniensis que fuit quondam magistri
1) „persoluendis" D. B. 2) „prescripta« D. B. 8) Die D. B.
lassen diese drei Wörter weg und knüpfen so die Jahreszahl an das unrichtige
Wort prescripta. 4) „Gustorp« D. B. 6) Die D. B. nehmen hier, statt
des Dativs, den Genitiv an und berichten daraufhin: „Margaretha verheirathete
sich gegen 1806 mit Wilhelm vonGüstorp, dem Knappen des kölnischen Vogts."
6) „potuit« D. B.
9
Oeraräi rcctoris fakrioc Bcciesic Colonieoeu Ita qaod Conegiindu predictn pur-
ripartem domus ]<ri'dicl(i ot eias aree prout in recU diuiiione accidere palerit ^
juro obtinobit et dioprtero potörit. Saluo ceosu hereditario Inda competciito,
Dotom nt «upra (Anno domini mc occ" xxüü),
Ibidem, 1327.
TII. Itetn ootum ait tarn preientibiis quam futuris quod Concgundii da \
Carpena filia quoiidam WUhelmi de Gerstorfi trndidit et remiRit domiiio Hmrico '
plobauü Ecciosic sitncti Pauli Cüloniensie nci:noa fratribiia Golielino diclo ti\^<:T
(it Hcurico dicto Gryn ordinis prcilicatorunt dotnua ColoDiensia. manufidelibiiB
üt extciitofibui tcstamculi aiii Duaa pucripartoa domaa Inpideo et eine
in pktca aancti Marcelli in allodio maioi'ia, Eccleaie Colonicneit que fuit quan-
dam ma^riatrl Gerardi rcctoris fabriee Eccleaie Colonivnaia et Oude ciuB vxoria ]
qim diio puoripartca reputate aiiut pro (^iiarta parte lotiua lirredit&tia prcdict«,
Ita quud niauiiüdulea aui prudictam quartam |>artoin borediutls prediote pront
in repln diuiaione aibi accidere puteril jure oblinebimt et diuertore potcnint
Suliio ceuau et jure iude compc-teütibua, Saluo t'tiam dicte Eonegaudi quod pro-
misia mutaie potcrit ei voluoi-it. Dalun auuo domini m". ccco. xxvij. i
■Uno beati Bartholomei apostob.
Till. Item Dütuin sit tani presentibuB quam futuria quiid dominus Hen-
ricua plebanua Ecclesie aancti Pauli Calaniensia. fnttrea Gubelinus djctua nigor i
et Ucnricus dictus Gryn ordiula prcdicatorum domus Colonii'iiEia niaDiißdcIoa et
cjiooutorca teiiamenti qiionJani Coiiegundis d" Carpima lilic qiioiidam Willieltn
de Gerstorp tradidurunt et rcmiaerunt domino Arnoldo de WeuilchoncD vicario
EcclCBiti Cotonienaiii qanrtani partem domus Inpidce et eins aree tite in allodio
maioris Eccloaie Colooiensis que fuit quondam magistri Qerardi rectoris fabric«
Kcclesiü Colonicssia prout ibi iacet ante et retro aubtus et eupra, Ita quod Ar-
noldus predictus quartam partem bnreditatia predicte prout in recla diuiaione
aibi accidere poterit jure obtiaebit et diuertere poterit, Saluo ccneu hereditario
jndo competento. Datum anno domini m°. ccc°. xsvijo. in dio beati Remigij.
Ibidem. 1326.
IX. Notuni sit tarn preaentibue quam futuria, quod Decanaa el Capital um
Ecclesie Sancti Gereouis Coluuio et Abbos et Conucntua monasterij SaacU Panta-
Iconia Culonie rcnunciuueruut eu|)or quarta parte donius illiua lapidee mague in
vico aaiicti Marcelli cuiua sunt quatuor manaiones sub vno tecto. videlicet finali.
excepta vna versua oygilsteiiio. qua quotidam fuit magislri Gerardi rectoria fa-
brieo Eculeeia Colonienais. ante el i'etro aubtua et supra prout ibidem iaoet. ad
Dianus et veus Amoldi An Weuelkoucn vicarij Eculuaie ColonJensia. sicut illa
quarta para illiua domua ex iuata diuiBione ad ipaum Arnoldum est deuoluta. Ita
quod jure obtiuebit et diucrtero poterit. Saluo ceneu bereditario jure auo. i>a-
tuiu anno domini m". ccc°. xxviij». cnutiuo beati Potri ad viiicula.
I
Die Dombaumeister von Köln. 131
Ibidem. 1334.
X. Not um sit etc. ^) quod dominus ') Arnoldns de Weuilchouen vicarius
Ecclesie Colouionsis donauit et remisit domino Euerhardo de Reys vicario dicte
Ecclcsie quartam partem magne domus lapidee site ') in vico sancti Marcelli
cuius sunt quatuor mausiones sub vno tecto videlicet finalem excepta vna versus
Eygelsteyne *) que fuit quondam magistri Gerardi rectoris fabrice Ecclesie Colo-
nicusis prodictc ante et retro subtus et supra ') prout ibidem iacet cum mcdie-
täte cloace siue priunte kamere retro iacentis, quo ad vsumfructum dicti domini
Euerhardi ®). Tali condicione, quod dictus dominus Euerhardus prefatam quar-
tam partem domu» et medietatem cloace suis expensis quam diu vixerit melio-
rare debebit, et non doteriorare ^ ). et quod post mortem dicti domini Euerhardi
predicta quarta pars domus et medietas cloace ad dictum dominum Arnoldum
libere reuertatur. Saluo hereditario censu jure suo. Datum anno domini m^.
occ^. Tricesimo quarto In die beati Ciriaci martyris et sociorum eins. Et saluo
domino Arnolde ^) predicto accessu ad puteum in dicta hereditate situm quam
diu ipsi domino Euerhardo placuerit.
Ibidem. 1334.
XI. Notum Sit etc. quod dominus Arnoldus de Weuilchouen predictus donauit
et romisit post mortem suam, ad fabricam maioris Ecclcsie Coloniensis prefatam
quartam partem dicte domus lapidee nunc existentem vna mansio cum medietato
cloace retro iacentis vt iacet ante et retro subtus et supra. Ita quod prouisores
fabrice Ecclesie predicto jure obtinebunt et diuertere poterunt quocumque vo-
luerint in vsus fabrice predicte, Saluo domino Euerhardo de Reys predicto vsu«
fructu suo in eadem. et salua dicto domino Amoldo potestate mutandi quam
diu vixerit, Et saluo hereditario censu jure suo. Datum vt supra.
Aus dem ersten Bande der Rathsprotokolle der Stadt Köln: 1396 — 1440.
Fol. 172.
XII. Dese nageschreuen Rente gebeert in verseien conuent by den preit-
gern dat nu der Studenten schole is jnd is vyss eynre alder tzedulen geschrcuen.
.... Meister Gerart der werckmeister vamme doyme besatte vij Schillinge,
die gheuent h. Loyfs kynder van dem erue dat hee hadde by sent marien gar-
den in verseien conuent alle jaire, dat is be^chreuen in der gebuyr huys tzo sent
coliimben, dat gift man halff tzo kirssmissen, jnd halff tzo sent Johans missen.
Dilles: Liber primus. 1305.
Xni. Notum sit vuiuersis tarn presentibus quam futuris quod ex obitu quon-
dam Henrici dicti de i«ancto Trudone quondam Gerardo filio suo accidit tercia
1) „et est'' D. B. 2) Die D. B. lassen „dominus« weg. 8) „site«
lassen die D. B. weg. 4) „eigelstein« D. B. 6) „superius" D. B.
6) Diese sechs Wörter fehlen in den D. B. 7) Diese drei Wörter fehlen in
den D. B. 8) „domini Arnoldi" D. B.
\
IS2 Die Dombaunmister von Eöln.
pars domus et eius aree alte in (oro bntiri ex oppoiito domue de Rodenburt;
vereng Smideguaten .... Item aotnm sit qnod ex ol)itu ilicti ijiiondain Oeranli
et eiuB uxoria legitime, pneris ipaonim Bcilioet Henrico sncerdoti. Sophie nrori
lohanniB. Kalerlno beggino. et Margarete. Cnilibet ipaonim accidit quarta pars
torcie parti» domus et eius aree predicte .... Actum et congcriptum Anno do-
mini m". ccc*. quinto. Dominica ante Thome apostoli. Saluo iure ecclesie
beate Marie.
Niderich; Carlo. Vor 1200.
(Sie iat in neuerer Zeit mit ,,Niderich No. lY." bezeichnet worden.)
XrV. Notam ait tarn futuris quam prenentibn« quod GodeicalcDS de Itile.
et vxor 8ua Bertmdia. Ememnt domnro et arenm contra Duregyndam qne fnit
usor Itudolfi de Syadorp. et contra ülius auos Ricolphum et Paynum et irxd-
rem Fayni. et Herimannum. et contra filias. et omaea oohercdes. et viros filik-
rnni. perfecte et raolonabiliter eine omni contradictiono. boc confirmatiiin ett
lestimonio officialium, Notum alt tarn fiitnria quam preaentibua quod Godeicaluiit
de Kilo et nxor aua Bertradis cmerunt dimidiam domum et aream varBiia monti-
oulnm poailBDi contra Darisgyiidam qtie Fuit uxor Rudoipbi da Syndorp. et con-
tra filioa BMoa. Ricolpbum. et Payniim et uxorera Payni. et Ilerimanniim et
contra Alias suaa et maritoB filiariiin. et omnea coeheredoa (bic). perfecto et ra-
tionabilitar aino omni contradictione. et hoc confirmstum est teatimonio offieia-
lium. Notum ait tarn fiituria quam preaentibua quod Dargindis venit in domiim
BurgeoBium. et de conailio Burgenaitim et soabinorum rfldijt in domum cluium
Niderich et cum uno cognato auo. et cum vno cognatn Rudoipbi mariti suj.
lurauit quod optinere nou poaait. et ideo predictam bereditatem vendidit teati-
monio burgenaium perfecte et racionabiliter et boc oonfirmatum eat teatimonio
officialium ').
Niderich: Carta. 1336.
(Dieae Karte bat dieUeberachrift: „H^ ') cat platea incipiena a porta cle-
ricorum et procedena uaque contra «anctea uirginea. aimiliter et platea inoipiens
a uioea Vogelonia in monticulo procodcna aecua sanctam Mariam in campia us-
que ad portem ludeorum. Similiter et platea que dicitur itolgengaize. Similiter
et -platea que protendit a latere aaucte Marie in Campia ueque in Stolgengazxen."
Die folgenden beiden Nota bilden den Schluis der Eehraeite.)
XV. Notum Sit tarn futuris quam preeentibus quod Gerardua papbe filiui
Godeacalci braxatoria dicti de Kilo et uxoria aue Berthradia et Hethildia ßlia
predictorum Godeacalci et Berthradia et maritua eiua Hermannus de Munhcim
1) Diese Scbluaaformel iat nur durch die Anfangabuchataben angedeatet.
Beim vorhergehenden Notum steht: „et b. c. e. t. off." Die Karte „Niderich
fol. 19" hat mehrmal voll au ageach rieben : „et boc confirmatuin eat teatimonio
officialium." Die Dipl. Beitr. verhinderte diea allea nicht, niedertoachreiben ; „et
hoc oonfirmatum est teatimonio (
2) „Hoc" D. B.
Die Dumbauroeister von Köln. 133
contradidorunt et remiserunt dimidietatem domus et areo et mansionis Qodescalci
et Berthradis, ante et retro prout ibi iacet ubicumque ipsos hcreditarie in par-
ticione contingit. sitam in platca sancti Maroelli. lohanni filio Godescalci pre-
dicti et Bortradis et uxori eius Gertrudi, itaque predicti Johannes et Gertrudis
quocumque uoluerint diuertendi liberam babebunt potestatem.
XVI. Item notum sit tarn futuris quam presentibus quod Gerardus cleri-
0U8 filius Godescalci braxatoris dicti de Rile et uxoris eius Bertradis, et Methil-
dis fllia predictorum Godescalci et Bertradis et maritus eius Hermannus de Mun-
heim oontradiderunt et remiserunt lohanni filio Godescalci predicti et Bertradis
et uxori eius Gertrudi domum et aream integram suam in monticulo cum Omni-
bus attinencijs ante et retro prout ibi iacet .oontigua domuj sancti spiritus uer-
sus sanctum Marcellum. itaque predicti Johannes et Gertrudis quocumque uo-
luerint liberam diuertendi babebunt potestatem. Actum Anno domini m. cc. xxxv.
Niderich: Carta. 1235.
(Sie hat in neuerer Zeit die Bezeichnung erhalten: ,,Niderich folio 23.''
Fahne hält sie für die Fortsetzung der obigen Karte. Ihre Daten gehen von
1228 bis 1275.)
XVII. Notum sit tam futuris quam presentibus quod Johannes ^) filius
Godescalcj de Rile. et Bertradis uxoris eius. et Gertrudis uxor lohannis pre-
dicti. et Methildis filia predictorum Godescalcj et Bertradis, et maritus eius
Hermannus de Munheim oontradiderunt et remiserunt. Gerardo clerico filio pre-
dictorum Godescalci et Bertradis de Rile dimidietatem domus et aree mansionis
predictorum Godescalci et Bertradis, ubicumque ipsum hereditarie in particione
contingit. ita quod quocumque uoluerit predictus Gerardus diuertendj liberam
habebit potestatem. Actum anno domi^j m. cc. xxxv.
Ibidem. 1248.
XVIII. Notum sit omnibus tam futuris quam presentibus quod Gertrudis
amasia magistri Gerhardi de Rile filij Godescalci renunciauit omni iuri *) quod
ei magister Gerhardus predictus dederat in domo que fuit mansio patris sui
predicti Godescalci. que sita est in monticulo iuxta vineam dominorum maioris
ecclesie in Colonia. Jtem notum sit quod predictus Gerhardus contulit lohanni
fratri suo medietatem domus predicte cum area prout iacet et Aleidi vxori pre-
dicti lohannis ita quod diuertere possunt. Datum anno domini m^ cc^ xlvi\jo.
Niderich: A domo pistorea apud forficem. 1310.
XIX. Notum sit vniuersis tam presentibus quam futuris, quod Elizabet
et Hadewigi sororibus, pueris quondam magistri Gerardi dicti de Eetwig et Ido
eius vxoris, cuilibet ipsarum ex morte quondam magistri Gerardi predicti accidit
1) In einem späteren Notum (von 1273) auf derselben Karte wird er
„quondam lohannes de Rile brazator" genannt.
2) „iure" D. B.
134
Die Domliaumeisler
1 Köln.
medietaa proprictatis ') dnmui et arec aue aite ia pUtea Marcelli ex opposito
quMi CHpeile sancti Marccili, et erat quondam lutte diote de Merke, uecnou et
madietaa duanim mnDeioniHn dicte ilomuj adiaccuciam sub vno tecto v(?rGUS mh-
ctaa virjtinee ante ot retro aubtiiB et »upra ') prout dict« donius ibidem iaconl.
Ita quod quelibct earam auam medietatem optinebunt (aic) et diuert«re poto-
ront (eic)- Saluo ccasu lioreditario inde eompetenti.
XX. Item notum sit quod Hadewigis prodicta, ma dictorum BOrorum, qa«
Bui iuris efTeeta est qiiod dictatiir') aelfmundie proat in litlera plebani sui iaacl«
Haric ad iodutgeiiciam m acHnio iaceate et roposita continotur. Suam medieta-
tem propriolatis *1 domomm et arearum ananim prediatarum scitioet domu« *)
lutte ei mansioniim prediotaroni, eicut nd eam prcsoripta eet et in diaiBiooe «iln
conipetcre pol«rit, tradidit et remiait ad manua Ide matri« lae predicte. tt«
quod ipsa Ida eandcni medietatem tenere et diuertcre pnterit, saluo censu harii'
ditario proportioualitör indc competeati, — Item uotum sit. quod prcfata Ida
mater dicte Uadewigia prefatam raedietateto domus et maDBioniim predictaruni
et ipsaram arearum ante et retro aubtus et aupra pruut iacet et aibi rcmisBa ot
eam tcnet et acciderc poterit in diiiisioue tradidit et remiiit lohamii cellerario
dccDni maioria fratri auo. et Hadcnigi dicte de Wiatubho eins vxori, Ita quoil
ip8i eandom medietatem iure obtincbnnt et diuertere poterunt. bhIuu oenau here-
ditario inde eompetenti proportional) ter. Actum et conscriplum anno domini
m». ccc°. decimo. feria quinta ante Oerconis '}.
Ibidem, 1311.
XXI. Xotum ?il vtiiiicrEis t»m prcaentibus quam fiitiiris quod loliannes
celierarius domini decani maioris ccclesie et Hadewigis dicta de Wistubbe eiua
vxor, Dimidietatom domua et eiua aree que (erat) Curtis lutte de Marke sita
in ]>latcn Mai'celli, et dimidictatcm duarum maasionum dicte Curti adiaccntium
veraua aanclas virginea eiim ipearura areis, ant« et retro aubtua et supra pront
iacent et dicte hercditatea ad eoa {lertinaiit et prescripti, tradiderunt et rcmi-
scrunt Idu rclicte quondam magiatri (iorardi dicti da Ketwich anrori dicti celle-
rarij, Ita quod ipsa c.iedem diraidietatea hcraditatiim predictarum iure oblinebit
et diiiortcre poterit .... Actum et oonacriptum anno domini m". ccc". vodccimo.
Sabbato post Agnetis,
Ibidem. 131*.
XXII. Item notum eit tarn preaentibua quam futaria quod Elir.abet filiu
quondam magietri (ierardi de Ketwich et Idu eiua vxoria moniali roonasterii
beato Katherine in Trcroonia ex morte Ide matrie ane predicte accidit dimidie-
taa dimidietatia Curtia ot eiua areo quo fueruDt quondam lutta de Marke et daa-
1
I
1) „pucri partie" D. B. 2) ,^nperiu»" D. B
4) „piieripartia" D. B. 6) „dict<*' D. B. 6) „Gt
Schrein BBclireiber hielt bei dem Genitiv daa Wort featum
Die Dombaameister von Köln. 135
rum mansionum sub vdo iecto positarom contigue iacentium dicte ourti cum
earum areis, Ita quod Elizabeth predicta vna cum priorissa et conuentu niona-
steril predicti dimidietates dimidietatum hereditatura prcdictariim jure obtinebit
ot diuertore poterit. Saluo censu hereditario inde competenti.
XXIII. Item notum sit quod Elizabeth monialis predicta vna cum prio-
rissa et coDuenta monasterii beate Katharine in Tremonia sicut patet per litteras
priorisse et conoentns monasterii predicti in scrineo nostro repositas Tres quar-
tas partes -Curtis site in platea Marcelli et eius aree et duarum mansionum sub
vno tecto positarum versus sanctas virgines prout in rccta diuisione sibi acci-
dere poterit, Item Wilhelmus famuhis aduocati Coloniensis et Hadewigis eius
vxor filia quondam magistri Gerardi et Ide coniugum predictorum Quartcm par-
tom hereditatum prcdictarum tradidcrunt et remiserunt Berte dicte de noua ja-
nua, Ita quod ipsa Berta Tres qnartas partes predictas pro se et rcsiduam quar-
tarn partom hereditatum predictarum et sie totam hereditatem predictam jure
obtinebit et diaertere poterit Saluo censu hereditario inde competenti. Conscri-
ptum anno domini m^. ccco. xiiijo. crastino beati Remigij.
Niderich: A sancto Lupo. 1819.
XXiy. Item notum sit tarn presentibus quam futuris quod Tilmannus ot
lohannes filij quondam Tilmanni de Heymsbcrg, nee non Emundus dictus de Vela
cum Engilrade vxore sua filia quondam Tilmanni predicti quilibet ipsorum suam
pueripartem siue porcionem que dicitur kynsdeyl quam habent et quilibet ipso-
rum habet in redditibus duarum marcarum denariorum Colonicnsium pro tem-
pore in emendo et vendendo vsualium solui debitorum de domo et eius area sita
in platea sancti Marcelli in allodio Ecclesio Coloniensis ex opposito domus quam
quondam magister Gerardus de Ketwich inhabitauit tradiderunt et remiserunt
Demudi Sanctimoniali monasterij de monte Sancte Walburgis filie quondam Til-
manni predicti, Ita quod Demudis predicta quam diu vixerit vsufructum (sie)
suum in dictis Tribus partibus reddituum predictorum obtinebit, et post eius
obitum abbatissa et conuentus monasterij predicti easdcm obtinebunt Sic tameu
quod eosdem ^) redditus vendero obligare vel alienaro vllo vmquam tempore non
poternnt nee ^) debebunt (Datum anno domini m^. ccco. xix^. crastino beati Bar-
nabe apostoli).
1) „easdem'^ D. B. 2) „vel" D. B. Unmittelbar nach dieser Ein-
tragung folgt die vorhin mitgetheilte Nr. IV, worin der Mönch Johann, Ge-
rard's des Dombaumeisters Sohn, über sein Erbtheil verfügt. Beide Nota sind
durch Ucbergang zu einer neuen Zeile vollständig getrennt und ihr Inhalt steht
sowohl in persönlicher wie in objectiver Beziehung ausser jeder Verbindung. Die
Dipl. Beitr. S. 63 — 64 aber lassen, und sicher nicht ohne Absicht, diese beiden
Nota zusammengehen und hängen auch noch ein drittes unmittelbar daran, wel-
ches wiederum des Hauses Ketwich erwähnt, im Schreinsbuche aber durch meh-
rere Eintragungen von den obigen getrennt ist.
XXVI- Notum Sit omnibus tarn futorii quam prsBentibui qaod Hoinricm
i Margareta emeranl domum ot oream sitam iuxta domum
1 Cvnibertam. cum redditibus xxx^ donariorum solaen-
Fi opposita quam editiuauit Gcriiardus tapicida. tali cod-
j HoinricuB et Margarets uxor lua. Bolueat Alberoni diclo
1 Natiuitate lohannia buptiste. i. marcam ootonieDaium de-
XXVn. Natum Bit etc. quod lohannca da porta ciuia ColoniensiB et Ely-
XBbot vxor Bua tradideruat Bccieeie Bancte Marie ad gradiis '\a Colonia dooE so-
lidoa aiiigulis anois ip»i Eccluaie solueados in feata puriljcationie beate Marie du
triginta deuariis reddituum quos habet ipse lohacnos in domo uppoaita domui
. quo qQondnm fuerat Otrardi tapicide de Rik, ita quod dicta Kcclesia
pqrpetuo optinebit. Actum Aono domini m°. oc°. Ixtertio.
Nidoricb: Vadimoniorum antiq. 1261.
XXVni, Notum Sit omnibiiB tarn futurifl quam preaentibua quod Heinrii
do porta et vjor eiua Margarets contradiderunt et ramiserunt lotianni de porta
ut vxori eins EU?.ahet. domiim ut artam cum pomario retro aJiflooute \\i\tn do-
nium ciuiuiu. et triginta deuariorum reditus (sie) aanuales quos soluit Gerrardus
ilc Bilc de domo opposita diote domui. tali oondicione quod idem lohannea boI-
uet dicte Margarete de prescripta hereditate trigiata solides anuuatim quam du-
duiu ipaa uixerit. poat obitum uero ipsiua Margarete lobannos predictua aoluet
conuentui de veteri monte perpetuo singuÜB anaia uuam marcam colonienaem
quam dictus lohanoea aut gui heredea rediraere poteruQt a conuentu prefato pro
decem marciB. Actum anno domini m" cco 1° primo.
Nidericb: A domo ad portam, 1269. 1300. 1301. 1303.
XXIX. Notum ait vuiuerais tarn preseutibua quam futuris quod Docaiius ot
Capituliim eccleaie Sancte Marie ad gradus colouieoBiB. Domum et eiua aream
aitam ex oppoaito domuB ciuium de Nlderich concesserunt per manum Camenirij
Bui Egidio lapicide qui Achilius dicitur et Ide eiua vxori .... Actum et Conacri-
ptum jn vigilia bti- Remigij Anno dni. m", oc». octuageaimo nono.
XXX. Notum Bit TuiuerBis tarn preseutibuB quam futuria qnod ex obitu
quondam Egidij lapicide, Euerardo filio buo accidit medielas proprietatia domua
et eiua aroe sito ox oppoaito contra domum Ciuium qua fuit quondam Oerardi
de EHe lapicide .... (Anno dni. m». trecenteaimo feria quinta pcst pentecoiten.)
Die Bombaameister von Köln. 187
XXXI. Notum sit vniaersis tarn presentibus quam futuris quod Cristino
filie quondam Egidij lapioido et Ide eins vxoris adhuc viuentis ex morie patris
8ui predicti acoidit medietas proprietatis domus ei eins aree site ex opposito
contra domiun ofüciatorum in Niderich que fuit quondam Gerardi dioti de Rile
.... (mo. cccnio. primo.)
XXXn. Notum sit vniuersis tam presentibus quam futuris quod Euerardus
lapicida filius quondam raagistri Egidij, et Gertrudis eins vxor, Domum suam
et eius aream sitam ex opposito contra domum officiatorum, que fuit quondam
magistri Gerardi de Bile lapicide, ante et retro subtus et superins prout iacet,
et in sua tenent proprietate, tradiderunt et remiserunt Gerardo dicto de Humel-
gis lapicide et Alueradi eius vxori .... Actum et conscriptum Anno dni. mo.
cccvko. tercio. feria sexta ante dominicam letare.
Niderich: Liber vadimoniorum. 1248.
XXXIII. Notum sit omnibus tam futuris quam presentibus quod Megthel-
dis dicta de vulpe (wlpo) emit domum et aream sitam versus vineam doroinorum
maioris ecclesie in Colonia erga Hermannum et Engelradem uxorem suam ita
quod in continenti obtinebit. — Item notum sit quod Budolfo filio eiusdem Meg-
theldis cessit predicta domus de obitu matris sue predicte Megtheldis. ita quod
diuertere potest. — Item notum sit quod iamdictus Rudolfus tradidit et remisit
eandem domum cum area prout iacet magistro Heinrico petitori structure ma-
ioris ecclesie colonieusis. Actum anno domini m^ cc^ xlviijo. — Item notum sit
quod prefatus mag^ster JETetnrictM tradidit et remisit prefatam domum cum area
prout iacet maiori ecclesie in Colonia ita quod in continenti obtinebit Actum
anno domini m<> cc^ xlviij.
Airsbach: Textorum. 1242.
XXXIY. Notum quod Henricus Lapicida ') dedit et remisit filie sue Aleidi
dimidietatem camere site in platea textorum prope domum Spannemanni versus
sanctum lohaunem ita quod jure et sine contradictione obtinebit.
XXXV. Item notum quod predicta Aleidis cum pueris suis Sophia, Cune-
gunde et Mathia cum cognatis eorum utriusque linee in figura judicii comparen-
tes per iuramentum eorum obtinuerunt quod dictam camere dimidietatem pre
nccessitate uitc obtinere non possent. unde per sentenciam scabinorum obtinue-
runt quod eandem camere dimidietatem quo uellent diuertere possent.
XXXVI. Notum quod Bruno buntebart et uxor eius Yda emerunt sibi
dimidietatem camere supradicte, erga prescriptam Aleidim et pueros suos So-
phiam, Cunogundim etMathiam Ita quod iure et sine contradictione obtinebunt.
(Anno domini m©. cc^. xlijo.)
1) Lapicida ist von anderer, aber alter Hand über den Namen geschrieben.
IL Litteratur.
1. Die St.-Nicolai-Pfarrkirche zu Calcar, ihre Kunstdenk-
mäier und Künstler, archäologisch bertrbeitot, mit 92 Original-
Photographien in Gr. 4. Ein Beitrag zur niederrhein. Kunstge-
schichte der Mittelalters, von J. A. Wolff. Calcar 1880. Selbst-
verlag des Verfassers.
Für uns, die wir zur älteren Generation der Kunsthistoriker ge-
hören, ist es eine Freude zu sehen, wie rüstig heutzutage eine grosse
Anzahl jüngerer Kräfte sich den verschiedensten Zweigen dieser Dis-
ciplin widmet. Und wie viel günstiger sind jetzt die äusseren Yerhält-
• nisse, wie erleichtert die Communikationen, wie bequem der persönliche
und literarische Verkehr, und welch mächtiger Bundesgenosse ist der
Forschung in der jüngsten Tochter unserer Tage, der Photographie, er-
standen! So begrüssen wir denn auch mit Dank das oben genannte
Werk, welches in einem stattlichen Quartband von photographischen
Aufnahmen vor uns tritt, begleitet und erläutert von einem Text, der
auf 91 Quai^tseiten eine Fülle neuen urkundlichen Stoffes bietet.
Zwar können wir der im Vorwort ausgesprochenen Ansicht des
Verfassers, dass die Pfarrkirche von Calcar „eine grössere Fülle be-
wundernswürdiger Sculpturen ^ enthalte, als irgend eine andere bekannte
Kirche, nicht so unbedingt beipflichten, da eine so naive Behauptung
nur möglich ist, wenn man sehr wenig andere Kirchen gesehen hat ;
auch das können wir dem Verfasser nicht zugeben, dass man die aller-
dings sehr bedeutenden Calcarer Werke bis jetzt in der Wissenschaft so
gut wie übersehen habe, denn bekanntlich hat Ernst aus^m Weerth
in seinen „Kheinischen Kunstdenkmälern" bereits vor einem Vierteljahr-
hundert auf die „reiche und bedeutende Bildschnitzerschule" von Calcar
hingewiesen (I, 24 u. II, zu Anfang), ihre Entstehung und ihren Zusam-
menhang mit Burgund und der Eyck'schen Schule kunstgeschichtlich er-
schöpfend dargelegt und sogar ihre Verzweigung bis nach Danzig in
schlagender Weise nachgewiesen. Sollte Herr Wolff diese Thatsache
und überhaupt das grundlegende Werk des älteren Forschers nicht ge-
kannt haben? Sollte er nicht gewusst haben, dass sein Vorgänger mit
HO Dia St.-Nicolai-1'fiUThirclio xu Culokr, ilire K uns tilaak male r und Eüuatler.
richtigem Blick und GrifT bereite dio wicbtigaten Denkmäler der Kirclic
von Calcar, den Hoclinltar, den Altfir mit den Schmerzen sowie (leu mit
den Freuden Maria, den Altar der heiligen Ann», sowie die Choratüble.
den praclitTulIen hulzgesclmitzteu Kronleuchter, das SacramentshäaBübBD,
eine silberne MoDstranz und das Vortragebreus abgebildet und erlHu-
tert hat?
Doch ich komme auf diesen Punkt noch zurück. Zunächst wollte
ich nur doriin erinnern, dase die Calcarer Schule keineswegs so unbe-
kannt ist, wie der jüngste Bearbeiter derselben sein Pablikam glauben
machen möchte. Der Verfasser hat als Curutpriester an der geaaaiitfln
Kiruhe die beste und bequemste Getegeoheit gehabt, sich nicht bleu
dem Stadium ihrer Kunstwerke eingehend zu widmen, sondern aach
durch urchivalische Nachforachungen die urkundliche Geschichte dieser
Kunstwerke und ihrer Künstler aufzuhellen. Solches Streben ist um so
löblicher, da es eiu schönes Zeugniss von dem neuerdings im Clerns er-
wachten Eifer für die alten Deukraüler ablegt, während früher der
Clerus nur zu oft durch Verwahrlosung, ja durch Verschleuderung sich
an den alten Kunstwerken versilndigt hat. Bei dieser Gelegenheit sei
noch eine Bemerkung am Platze. Der Verfasser wirft am SchJuas seiner
Einleitung die Frage auf, warum iu der Pfarrkirche zu Calcar mehr
Kunatschätze, Gem&lde und Schnititwerke sich erhalten haben als in
irgend einer andern Stadt (?) und beantwortet dieselbe dadurch, daas
dort „Dank einem religiös-sittlicheo, gebildeten, couservativen Bürger*
thum und Clerus die Ghmhensei'neiKTungeu keiaa Wui7o! liiseen kocm-
teu". Diese ganze Auffassung bezeugt den doch gar zu befangenen Stand-
punkt eines Kfannes, dem kein Blick über das Weichbild seiner Stadt
hinaus zu Gebote steht: er würde sonst wissen, dass grade die zur Re-
formation sich bekennenden Städte wie Lübeck, Danzig, Nürnberg und
so viele andere dfb alten Kunstwerke in ihren Kirchen am pietätvollsten
geschont und erhalten haben, während die Mehrzahl der katboliacb ge-
bliebenen, eben weil sie der wechselnden Mode huldigten und dem von
den Jesuiten dazumal begünstigten Barocco und Zopf Thor und Thür
öffneten, die alten Kunstwerke als werthlosen Plunder meistens heraus
warfen und durch die marktschreierisch en Gebilde des Jesuitenstils er"
setzten. Man sieht daraus also, dass conservativ und conservativ zweierlei
ist. Aber das wollen wir gern zugeben, dass es sehr ehronwerth and
löblich vom Calcarer Bürgerthum war, trotz seines Conservatismus auf
religiösem Gebiet sich der kirchlichen Modekunst des 17. Jahrhunderts
zu verschliessen und die alten Monumente treu zu bewahren.
Gehen wir nun naher auf die Arbeit des Verfassers ein, so ist
ihm vor allem dafür Dank zu sageu, dass er den geschickten Photo-
graphen Brandt von Flensburg zu bestimmen wusste, in einer grossen
Die St.-Nicolai-Pfarrkirche zu Calcar, ihre Kunstdenkmäler und KünBÜer. 141
Auzahl von Aufnahmen sämmtliche Kunstwerke der Kirche darzustellen.
Allerdings fehlt manchen dieser Blätter die wünschenswerthe Klarheit
und Deutlichkeit und besonders gilt das vom Hochaltar, bei welchem
auch die Grösse des angenommenen Maassstabes keineswegs ausreichend
erscheint. Dazu kommt ferner noch, dass von den sämmtlichen Ge-
mälden desselben, diesen wichtigen Werken des Jan Joest, nur ein
einziges, nämlich die Verkündigung aufgenommen ist, was in der That
sehr beklagt werden muss. Indess wissen wir recht wohl, welche
Schwierigkeiten dem Photographen bei derartigen Aufnahmen in Kirchen
sich bieten und so wollen wir denn diesen Umständen gern Rechnung
tragen.
Zu diesem monumentalen Material erwuchs nun dem Verfasser aus
seinen ungemein dankenswerthen und fleissigen archivalischen Studien
eine Fülle urkundlicher Nachrichten über die Geschichte des Kirchen-
baues in Calcar, über die Entstehung der einzelnen dortigen Kunst-
werke und die Persönlichkeit der dabei beschäftigten Künstler. Es
kann wohl keine Frage sein, dass hierin der eigentliche Schwerpunkt
der Arbeit ruht. Kunst- und Kulturgeschichte erhalten durch solche
Publicationen — ich erinnere an die allerdings noch reichhaltigere der
Baurechnungen von S. V i k t o r in Xanten — werthvolle Aufschlüsse.
Alle diese Dinge bietet nun aber der fleissige Verfasser lediglich als
Rohmaterial, ohne die urkundlichen Nachrichten mit den monumentalen
Anschauungen zu einem einheitlichen Bilde zu verschmelzen und kunst-
geschichtlich abzurunden. Ein kunsthistorisch geschulter Autor hätte
ohne Frage die Monumente als Ausgangspunkt genommen, hätte die
Geschichte und Beschreibung des Kirchengebäudes und seiner Kunst-
werke zu einem Ganzen verschmolzen, die über die betreffenden Künstler
ermittelten Nachrichten damit verbunden und was sonst noch an Per-
sönlichem zur Ergänzung der Künstlergeschichte beigebracht werden
konnte, — denn wir haben auch hier, wie es so oft geschieht, manche
Künstlernamen, ohne dass von ihren Werken etwas nachzuweisen wäre,
— als Anhang gegeben. Hätte sich damit zugleich eine historische
Anordnung des Stoffes verbunden, so wäre das Ergebniss eine annähernd
vollständige Kunstgeschichte von Calcar gewesen.
Statt dessen muss diese ordnende und organisirende Thätigkeit
erst auf Grund des hier gebotenen Materials erfolgen. Hier heischt
nun die einfache Gerechtigkeit anzuerkennen, dass E. aus^m Weerth
schon vor einem Vierteljahrhundert, mit den viel bescheideneren, ihm
damals zu Gebote stehenden Hulfsmitteln, viel klarere und präoisere
Anschauungen über die Calcarer Kunst, ihren Zusammenhang mit der
Eyck 'sehen Schule, ihre Förderung durch die äusseren Verhältnisse, na-
mentlich durch die beiden burgundischen Heirathen, Adolfs von der
na Die St,-NicoI.ii-PfarrkirchQ /u C«Ii:nr, ihre KiiostdenkiDBler unil Künstler.
ilurk mit Maria nnd seiites Sohnes Johann mit Elisabeth von Biirgniid,
süwie durch rlie Erhebung Calcara (1444) zum zeitweiligen BiBcbofsritz
gcwfihrt hat. Und noch Eins kommt hinzu. Dor neueste Herausgeber
hietut sorgrtiltige ße schrei hu u gen und archäologische ErlSvtterung^n der
Kunstwerke, abi^r eine kunatbiatorische Schätzung und künstlerische
Wfli'digung derselben zu gehen, ihren Gegensatz zur fräheren idealen
Knnst des Niederrheins, ihren Umschwung, kraft der aus Flandern er-
haltenen Impulse, ins Realistische und Naturalistische, den durch di«
mllchtige Kunst der Eyck'schen Schule auch für die Plastik erfolgten
Umschlag ins Malerische zu schildern, das Alles, was schon E. aua'm
Weerth einsichtig dargelegt hat, geht ü&'enbar über die Kräfte unEeres
Autors hinaus. Auch dürfen wir nicht verhehlen, dass wo die urkund-
lichen Baten ihn im Stich lassen, sein Urtlioij in der Zeitbeitimmunj;
der Werke mit grosser Vorsicht aufzunehmen ist. Wenn er z. B. das
groasartige Triumphkreuz um 1445 setzt, so ist dies angesichts der
breit ea Form beb andlung und des tiefen Verständnisses der Anatomie
einfach unmöglich. Ende des 1 5. Jahrh. ist das denkbar frfl.heRte Da-
tum. Ganz so verhält es sich mit dem Georgsaltar, den er um 1450
setzt, wShrend schon die Kostümformen eher auf den Anfang des 16.,
als das Endo des 15. Jahrhnnders deuten.
Allein nach dem Grundsatz „ultra passe nemo obligatur" dürfen wir
dem Verfasser aus alledem keinen xa hurten Vorwurf machen. Sagen wir ihm
vielmehr Dank, dass er uns so reiches Materiitl zur Verfügung stellt,
um einen Bau der Calciirer Kunstgeschichte auf solidem Grunde aufzu-
fahren. Obwohl die Versuchung dazu sehr lockend ist, so mnss ich
derselben doch widerstehen, um das Amt des einfachen Berichterstatters
nicht zu Überschreiten. Der Verfasser gibt zunächst in einer Eiolei-
tung allgemeine Bemerkungen über die historischen Verhältnisse, welche
eine so bedeutende Eansthlüthe in Calcar begünstigt haben. Hier wird
besonders der Wirksamkeit der Bruderschaft Unsrer lieben Frau mit
Auszeichunng gedacht, und manche werthvolle Notiz über die Art der
EnnstpSege durch dieselbe beigebracht. Etwas schärfer hätte wohl
die schon durch E. ans'm Weerth hervorgehobene Erhebung Calcars
zum Bischofssitz betont werden können, denn bekanntlich wurde Erz-
bischof Dietrich von Köln, der Feind der Cleve'schen Herzoge, weil er
sich znm Gegenpapst Felis V. neigte, darcb Papst Eugen in den Bann
gethan, der dann dem Herzoge die Erlaubniss ertheitte, einen Landes-
bischof als Snffragan von Utrecht in Calcar zu ernennen. Wenn sodann
die Behauptung aufgestellt wird, in keiner Kunstgeschichte lese man,
dass in Calcar eine Bildhauerschule geblüht habe, so ist im Hinblick
anf das Werk von £. aus'm Weerth diese Angabe als eine völlig
irrige zurückzuweisen.
Die St.-Nicolai-Pfarrkirche zu Ciilcar, ihre Konstdenkmäler und Künstler. 143
Den Inhalt seines Buches theilt der Verfasser nun derartig ein,
dass er „Kunstgeschichtliches^ und ^ Erläuterungen" in zwei Hanptab-
theilungen auseinander hält, in der ersten die Baugeschichte der Kirche
und die urkundlichen Nachrichten über die dortigen Maler und Bild-
hauer, in der zweiten eine eingehende Beschreibung der Kunstwerke
bringt. Ich habe schon gesagt, dass dadurch der StofiP nnnöthig aus-
einander gerissen und die klare Uebersicht erschwert wird. Auf alles
Einzelne einzugehen, würde hier zu weit führen; ich kann nur einige
der wichtigsten Punkte hervorheben. Zunächst ist es das Verdienst des
Verfassers, den Jan Jost, den Maler des Hochaltars urkundlich ermit-
telt zu haben. Wir wissen jetzt, dass dieser treffliche Künstler, dessßn
Werke mehr mit der altholländischen, als mit der flandrischen Schule
Verwandtschaft zeigen, wahrscheinlicll^ um 1460 geboren wurde, von
1505 — 1508 die Flügelthüren des Hochaltars malte, dann aber nach
Harlem zog, wo er 1510 starb. Wahrscheinlich hat er seine künst-
lerische Ausbildung nirgend anders als in Harlem empfangen. Hat man
ihn früher mit dem in Italien bekannten, und in der Schule Tizians
gebildeten Jan van Calcar verwechselt, so steht es jetzt fest, dass
dieser jüngere Meister mit seinem vollen Namen Johann Stephan oder
Stevens hiess.
Unter den Bildschnitzern ist eine ganze Reihe von Namen aus
der Vergessenheit ans Licht gezogen worden. Was zunächst die gross-
artigen Bildwerke des Hochaltars betrifi*t, so ist als Verfertiger der Passions-
tafel (1498 — 1500) Meister Loede wich ermittelt worden, während Jan
van Haldern die Predella, Derick Jeger nebst seinem Sohne die ein-
fassenden Hohlkehlen mit ihren Ornamenten arbeitete. Nach der fröh-
lichen Sitte der Zeit wurde beim Abscbluss der Contrakte und bei Voll-
endung der Werke ein guter Trunk im Weinhanse gehalten. Grrade
bei diesen Werken hat der naive Naturalismus der Zeit manchen höchst
eigenth um liehen Zug hervorgebracht. Man betrachte z. B. wie Christus
hochgehobenen Beines mit einem Fusstritt die Pforte der Vorhölle
sprengt. Früher schon (1483 — 1493) war der schöne Siebenfreuden-
altar ausgeführt worden, als dessen Hauptkünstler wir Meister Amt
oder Arnold vermuthen dürfen; da dieser 1491 starb, so wurde Evcrt
•
van Monster mit der Vollendung des Werkes betraut. Die klar ange-
ordneten Gruppen dieses schönen Altars mit ihrer lebensvollen Schilde-
rung, den freifliessonden Gewändern, den schlanken Gestalten und den
anmuthigen Frauenköpfen gehören zu den vorzüglichsten Werken der
Zeit. Der Charakter der weiblichen Köpfe mit den hohen runden Stirnen
deutet auf holländischen Einfluss. Die das Werk krönende sitzende
Statue des Jacobus major ist eine ungemein grossartige Conception,
durch mächtige Züge und schön behandeltes Haupt- und Barthaar aus-
144 Dit! St.-Niüblui-Pfiirrkii'uhe xu Caluiu', ihre KimstJenkmaler und Eüairtler.
geuJctmet. Zu den frülieron Werken gehört sodann der Altar dor hei-
ligen Anna, 1490 durch Derrick Bocgert vollendet. Hier ist beBondera
die Bftuptgruppe, Mam nnd Ann& mit dem Christuakind in energisch
behiuidelteDi Hochrelief darstellend, vortrefflich plastiflch gedacht und
besonders durch die daIvc Bewegang des lobhaft stnr Mutter binetre-
benden Kindes von grossem Reiz. Auch wie der heilige Joseph dem
Kiade eine Traube hinhält, ist ein sinnig erfundener Zug.
Als der Hochaltar kaum vollendet war, nahm man sofort die wei*
tere ÄuBstattung des Chorea in Angriff und lieas von 1505 — 1506
durch Heinrich Bernts aus Weeel die prächtigen Chorstühle arbeiten, welch«
durch ihre edle klare Anordnung und den reichen plaetiscbon Schmuck zu dtn
trefflichsten Arbeiten dieser Art gehören. Von naivem Reiz sind manche
der figürlichen Bildwerke, die übrigens duruh eigen thümlich kurse Ver-
hältnisse sich bemerkbar machen. Nach Vollendung dieser Werke trug
man demselben Meister die Ausführung des Mut t ergo ttes- Krön leuchten
auf, wiederum eine der prachtvollsten Corapositionen dieser Art, anwer*
dem durch wunderbar kühne Technik hervorragend. Als der Meist«r
vor Vollendung der Arbeit starb, wurde diese durch Kerstken (Cliristiau)
von Ringenberch ergünzt. Eine weitere Stiftuug war der grossartige
Si ebenso hmerzenaltar, bis 15 21 durch Heinrich Douwennann, einen in
Calcar ansässigen Künstler, ausgeführt. In diesem Werke schlägt der
RenlismoB der Zeit seine herbsten ab<.-r auch ergreifendsten Töne an.
Grell und derb in der Schilderung der Widersacher, Schergen und Henker ,
tief empfindungavoll im Ausdruck des Leidens, reich abgestuft in der
Charakteristik der Nebenfiguren, ist das Werk besonders noch durch di©
erataunlich virtnosenhaft durchbrochenen Ornamente der Altarataffel and
der geaammten Umrahmung ein Meisterstück der Technik. AufTaUend
ist in den Figoren das Kurze, Untersetzte, die grossen Köpfe und die
noch grüsseren schweren Hände. In allen diesen Funkten ist der Sieben-
freadenaltar ungleich edler. Zu den bedeutendsten Kunstwerken gehört
sodann das grossartige Triumphkreuz mit den Statuen der Maria und
des Johannes, Werke, die wegen ihres markigen und darchgebildet^n
Natnralisrnna, wie schon bemerkt, frühestens ins Ende des 15., wahr-
scheinlich aber sogar in den Anfang des 16. Jahrhunderts zu setzen sind.
Nicht lange darauf ist sodann die neue Eunat der Renaissance
aneh nach Calcar gedrungen, und wir begegnen ihren Spuren zuerst in
dem Johannesaltar, dessen Entstehung wohl mit Recht in die Zeit nm
1540 zu setzen iat. Zun&chst ist hier die Einfassung und die ge-
sammte Ornamentik im zierlichsten Stil der Frührenaiesance behandelt,
sodann zeigen die Statuen der beiden Johannea den schwungvoll ge-
ordneten, nicht ganz manierfreien Stil der Renaissance mit den tief aus-
gehöhlten Falten, welche ganz im Gegensatz zur mittelalterlichen Kunst
Die St.-Nicolai-Pfarrkirche zu Galcar, ihre Kansidenkmäler und EünBtler. 145
den Körper mehr verratben als verhüllen. An der Basis Johannis des
Täufers liest man den Künstlernamen des Jan Boegel; er dürfte auch
den stilyerwandten Evangelisten Johannes geschaffen haben, und viel-
leicht auch die beiden oberen Figuren des Matthäus und Lucas, obwohl
dieselben weit flüchtiger behandelt sind. Der heilige Severus im Mittel-
felde dagegen ist, wie es scheint, ein älteres Werk, oder die Arbeit
eines an der früheren Kunst festhaltenden Meisters. Eine durchaus ver-
wandte stilistische Behandlung zeigt der Crispinusaltar. Noc]^ reicher
und üppiger in seinen ornamentalen Formen, die zum Geistreichsten
unserer Frührenaissance gehören, noch durchgebildeter und raffinirter in
den Gewändern der Hauptfiguren, namentlich der Magdalena in ihrem
coquetten Modecostüm, gehört er sicherlich nicht, wie der Verfasser
meint, in den Anfang des 16. Jahrhunde^s, sondern in die Zeit um
1540, wohl um einige Jahre später als der Johannesaltar.
Damit ist das Wichtigste der vorliegenden Publikation erschöpft.
So gern ich dem Verdienste derselben Gerechtigkeit widerfahren lasse,
80 muss ich zum Schluss doch nochmals meiner Verwunderung und mei-
nem Bedauern darüber Ausdruck geben, dass der Verfasser, wie es doch
die literarische Schicklichkeit bei wissenschaftlichen Arbeiten verlangt,
die Leistungen seines Vorgängers nicht mit einer Silbe erwähnt hat,
obwohl derselbe doch in seinem grossen Werke der Kunstdenkmäler in
den Bheinlanden die bedeutendsten Monumente C/ilcars dargestellt und
kunsthisorisch erläutert, ja sogar mehrere der dort beschäftigten Künstler,
namentlich den Jan Boegel, Arnold Wicht und Heinrich von Holdt be-
reits in die Kunstgeschichte eingeführt hat. Bedenkt man vollends was
es heissen wollte, damals ohne Hülfe der Photographie, ohne irgend
welche Vorarbeiten, nur mit mühsam eingeübten Zeichnern solche Mo-
numente darzustellen, so muss es als schwere Undankbarkeit bezeichnet
werden, wenn in einer neuen, unter so viel günstigeren Umständen her-
gestellten Publikation, alles das was früher geschehen verschwiegen wird.
Doch diese Erfahrung macht man heutzutage so oft, dass man sie wohl
als ein, allerdings wenig erfreuliches Zeichen der Zeit aufzufassen hat.
W. Lübke.
2. Die Wandgemälde im Dome zu Braunschweig. Von Dr. A.
Essenwein. Nürnberg, N. E. Sebald, 1881. 36 Seiten.
Die vorgenannte Schrifb des hochverdienten Direktors des Germani-
schen Museums in Nürnberg darf in mehrfacher Beziehung die Aufmerk-
samkeit der Alterthumsfreunde beanspruchen. Es handelt sich in derselben
zunächst um einen Bericht über den Befund, in welchem die alten, dem
13. Jahrhundert entstammenden Wandgemälde des herrlichen, von Heinrich
dem Löwen kurz nach seiner Rückkehr aus dem gelobten Lande erbauten
10
146 Die Wandgemälde im Dome zu firaunsohweig.
Brauoschweiger Domes auf uns gekommen sind und über die Ergänzung
derselben durch Director Essen weiu, der auf Wunsch die Pläne zur Wie-
derherstellung der alten Reste anfertigte und deren Ausführung überwachte.
Es muss schon an und für sich von Interesse sein, von so zuständiger
Seite über die Malereien Bericht zu erhalten, mit welchen in so fern ab-
liegender Zeit frommer Glaube und tüchtiges künstlerisches Können die
Wandflächen eines so hervorragenden kirchlichen Baudenkmals, wie des
Braunschweiger Domes, geschmückt hat. Aber doppelt interessant und lehr-
reich ist es zu erfahren, in welcher Weise ein das ganze einschlägige Ge-
biet wie kein Anderer beherrschender Gelehrter und Künstler die Ergänzung
der relativ spärlichen Reste in Angriff genommen und durchgeführt hat.
Was aber der vorliegenden Veröffentlichung ihren dauernden Werth ver-
leiht ist der Umstand, dass Director Essenwein die Gelegenheit benutzt
hat, in klarer und bestimmter Weise die Principien darzulegen, von wel-
chen nicht blos die Malerei - Restauration des Braunschweiger Domes, son-
dern überhaupt jede Wiederherstellung alter Wandmalereien oder die Neu-
ausmalung alter kirchlicher Monumentalbauten auszugehen habe.
Er stellt an die Spitze den sehr richtigen, aber noch lange nicht all-
gemein genug anerkannten Satz, dass unsere Vorfahren im 12. und 13. Jahrhun-
dert ihre Gedanken und ihre Formen weit der heutigen Mehrheitsanschauung
naturgemäss nicht anpassen konnten, und dass, wenn wir ein Vermächtniss
aus ihrer Zeit zur Geltung bringen und vervollständigen wollen, wir uns
an ihre, nicht an die heutige Anschauung anlehnen müssen. Würde mau
in Künstlerkreisen wie auf Seite derjenigen, welche für den Schmuck der
alten Monumentalbauten zu sorgen haben, diesen Satz ßtcts beherzigen, so
wäre uns eine grosse Zahl verfehlter Arbeiten erspart, die vielleicht der
urtheilslosen Menge gefallen, den Beifall der Kenner aber nimmer linden
können. Sehr richtig hebt Herr Essenwein weiter hervor, dass die Be-
malung die Architekturformen nicht verwischen dürfe, sondern den archi-
tektonischen Gedanken hervorheben müsse, dass also keine selbständige,
die Fläche verwischende, dass vielmehr nur eine decorative, streng an die
Bauformen sich anschliessende Malerei ihre Berechtigung haben könne.
Als weiteres Erforderniss bei der Ausschmückung eines solchen Vermächt-
nisses der Vorzeit wird dann verlangt, dass die alte Zeit, nicht der heutige
Zeitgeist sich darin wiederspiegele und dass, wo Ergänzungen des Erhal-
tenen nöthig erscheinen, diese so vorgenommen werden, wie es ehemals
gewesen sein muss oder doch gewesen sein kann, nicht wie es heute nach
Form und Inhalt gefällt und Geltung hat.
Es ist nun freilich nicht leicht, die Anschauung des 12. und 13. Jahr-
hunderts über Alles und Jedes, das in den Bereich der bildlichen Darstellung
fallen mag, mit Gewissheit festzustellen. Director Essenweiu hat wie kaum ein
Zweiter alles dasjenige sich anzueignen und kennen zu lernen gesucht, was
Die Wandgemälde im Dome zu Braunsohweig. 147
uns zar Lösung derartiger Fragen aus dem Mittelalter überkommen ist.
Als Resultat des Studiums der hierfür massgebenden Literaturerzeugnisse,
der Biblia pauperum, der Concordantia caritatis, des Speculum humanae
salvationis, des Physiologus u. a., bestätigt Verf. die ja auch anderweitig
bekannte Thatsache, dass die Kirche das grosse Lehrmittel der bildlichen
Darstellung jener Gedanken, welche das Volk in sich aufnehmen sollte,
in hervorragendem Masse benutzt und ein eigenes ikonographisches System
ausgebildet habe, das traditionell weiter verbreitet wurde.
Was den Inhalt der solcher Weise in jener Zeit immer wieder zur
Darstellung gelangenden Gedanken betrifft, so ist festzuhalten, dass sich
die scheinbare Vermengung von Profanem mit Heiligem in der kirchlichen
Malerei einfach daher erklärt, dass eigentlich Profanes in unserem Sinne
dem Mittelalter nicht bekannt war. Staat und Kirche waren Gewalten,
von Gott gesetzt, an seiner Statt für der Menschen zeitliches und ewiges
Wohl zu sorgen, die ganze Natur ist Gottes Werk und bestimmt, das Lob
des Schöpfers zu verkünden, welcher der Mittelpunkt der ganzen Geschichte
ist, und darum hat in der Kirche das Weltliche ebenso gut seinen berech-
tigten Platz, wie das Geistliche.
In Betreff der Formengebung tritt Verf. mit aller Entschieden-
heit dem Verlangen entgegen, dass die künstlerischen Errungenschaften
der Neuzeit, perspektivisches Zeichnen, richtige Vertheilung von Licht und
Schatten, naturalistische Auffassung, auch bei jetzt vorzunehmender Ver-
körperung der dem mittelalterlichen Künstler geläufigen Gedanken in Aus-
schmückung der alten Baudenkmale zur Geltung kommen müssten. Er
betont nachdrücklichst, dass den durch den Baumeister gegebenen Flächen
ihr Charakter durch perspektivische und naturalistische Darstellungen voll-
ständig geraubt würde. Er zeigt, dass, wenn die Alten nicht naturalistisch
gemalt haben, dies nicht aus Mangel an Können geschehen sei, sondern
einfach desshalb, weil für sie die bildliche Darstellung eine Art Schrift
war, mit deren Hilfe man möglichst deutlich und verständlich „sprechen^
wollte und dass, hätten die mittelalterlichen Künstler und beispielsweise
auch die ägyptischen naturalistisch, formenrichtig malen wollen, sie das
Können dazu sich bald genug würden angeeignet haben. Den alten Künst-
lern waren die Figuren Schriftzeichen, die nicht entfernt prätendirten, den
Eindruck der Wirklichkeit hervorzurufen. Den Beispielen, welche Verf. um
dies zu illustriren anführt, möchten wir eines aus dem Limburger Dom
anfügen. Dort ist der h. Bartholomäus dargestellt, der auf dem Arme, als
sprechenden Hinweis auf die Art seines Martyriums, seine eigene Haut trägt.
Das verletzt bei dem streng typischen und stilisirten Bilde absolut nicht;
wie anders aber müsste das Urtheil lauten, wollte ein Künstler sich unter-
fangen, 80 etwas naturalistisch zu malen ! Da können wir denn nicht umhin,
dem Verf. durchaus beizupflichten und anzuerkennen, dass er im Rechte ist,
148 Der Bildsohmuck der Liebfraaeolciroho in Nürnberg,
wo er sagt, äasB es auch ein Fehler sei, bei sachlicher Äccommodation
an dia Auffassung der Alten Verbesseruagen anznbriDgen, weil die Grenze
nie za beBtimmen wäre und der subjeotiven oder individnoUen Willkür Thür
and Thor geüffnet würde.
Sollen wir euro SchlnsB auch noch Ober die eingehend beschriebe-
nen Daretellnngen nna aussprechen, die vom Verf. für die Wände und Ge-
wölbe des Mittelschi fTes gewählt wurden, welches ganz nea za bemalen war.
Bo scheint, uns, dass bei dieser Wahl in überens glücklicher Weise die
Verbindung mit den ans erhaltenen alten Malereien im Chor und Quer-
schiff hergestellt wurde, und können wir auf das über beides vom Verf.
S. 12 S. und S. 21 ff. Gesagte hier einfach verweisen.
Da Herr Director Eäsenwein in den letzten Jabren siuh aucii der
Leitung der Restaurationsarbeiten der gothischen Frauenkirche in Nürn-
berg nnterzDgen und hier gewiss mit gleichem Geschick die Polychromie
!n die richtigen Bahnen gelenkt hat, so wäre es wünsch enswerth, dass er
daraus Veranlassung nähme, auch über die bei der Ausschmüoltxing gothi-
scher Kirchen zn befolgenden Principien, die auf so durchaus verschiedener
Basis sich zu entwickeln haben, Öffentlich sich auszusprechen. Die Frage, wie
polychromiren wir, resp, wie restanriren wir die Malereien gothischer Kirchen,
darf ja trotz mehrfacher Versuche zn ihrer Lösung noch immer als eine
offene behandelt werden und jeder Beitrag zu ihrer endgiltigen Entschei-
dnng muss den bethetligten Kreisen willkommen sein.
Die Verlags h an dlnng von N. E. Sabal d hat die Schrift ungemein
prilchtig ausgestattet, was alle Anerkennung verdient.
Viersen. Aldenbiroheo.
3. Der Bildschmuck der Liebfranenkirche in Nürnberg.
Von Dr. A. Essenwein. Nürnberg, Verlag der kathol. Kirchen-
verwaltung. 1881.
Die Besprechung von Dr. Easenwein'a: n^ie Wandgemälde
im Dom zu Brannschweig" war bereits gedruckt, als dem Refe-
renten die hier zor Anzeige gelangende Schrift über den Bildschmuck
der Liebfranenkirche in Nürnberg, deren Veröffentlichung wir
am SchluBS unserer früheren Recension desiderirt hatten, vom Tereins-
voratande zur Besprechung übermittelt wurde. Wenn nun auch diese
neueste Schrift dem von uns geäusserten Wunsch, aus Dr. Essenwein'a
kundiger Feder einen autoritativen Beitrag zur Lösung der brennenden
Frage nach der besten Art 'gothischer Eirchenpolychromie za erhatten,
nicht in allweg entspricht, weil sie sich auf ein Referat über das in
der spätgothischen Nürnberger Franenlcirche restaurirend Geleistete be-
Bchränkt und allgemeine Gesichtspunkte nicht ex profesao aufstellt, so
enthält sie doch immerhin des InteresBanten soviel, daas ein koraer Hin-
weis auf ihren reichen Inhalt geboten eraoheint.
Die Wandgemälde im Dome za Braonschweig. 149
Die am 7. Aug. 1355 auf Grund eines Befehls Kaiser EarPs lY. an
Stelle der Synagoge erbaute und „der reinen junkfrawen Maria ^ geweihte
Frauen-Kirche zu Nürnberg wurde 1361 Yollendet. Sie enthielt im Aeussern
und Inneren reichen Schmuck, der aber fast gänzlich zerstört und, so-
weit er der Wandmalerei angehörte, durch später aufgetragene Kalk-
tünche jämmerlich zugericlitet war. Dr. Essenwein übernahm die bau-
liche Herstellung und künstlerische Ausstattung des präclitigen Gottes-
hauses, wobei er von tüchtigen, auf seine Ideen unter Hintansetzung
eigener, selbst entgegenstehender Ansichten eingehenden Steinmetzen,
Bildhauern und Malern unterstützt wurde.
Nach einem kurzen Referat über die bei Wiederherstellung des
baulichen Zustandes, des plastischen Schmuckes, der alten Glasfenster,
des Bodenbelags u. s. w. ausgeführten Arbeiten kommt Verfasser zum
eigentlichen Zweck seiner Schrift, der Beschreibung des gesammten
Bildschmuckes der Frauenkirche. Der Verfasser weist nach, dass wie
überhaupt bei dem Bildschmuck des Mittelalters, so auch hier in der
Fülle des bildnerisch Gebotenen im Ganzen keine willkürliche Häufung
zufällig gefertigter Heiligenfiguren vorliege, sondern dass der ganze,
am Aeussern und im Innern sich zeigende Bildschmuck die Veran-
Bchaulichung der kirchlichen Lehre bezwecke, hier an der Marienkirche
die Darstellung der Marienverehrung in ihren verschiedenen Phasen.
In wie trefflicher Weise dem Verfasser dieser Nachweis durch einge-
hende Darlegung des Zusammenhanges der Bildwerke am Aeussern, in
der Vorhalle, im Mittelschiff und Chor gelungen ist, davon mögen die
dafür sich interessirenden Mitglieder unseres Vereins durch Einsichtnahme
der auch in typologischer und ikonographischer Beziehung lehrreichen
Schrift sich überzeugen.
Viersen. Aldenkirchen.
4. Mittheilungen des historischen Vereins der Pfalz,
IX. u. Katalog der historischen Abtheilung des Museums
zu Speier. 254 S. u. 42 S. mit 3 Tafeln; Speier 1880.
Zu den auf dem Gebiete der Archäologie rührigsten Vereinen der
Rheinlande gehört neuerdings der historische Verein der Pfalz. Nicht
nur, dass er Ausgrabungen, so im letzten Jahre die zu Erfweiler und
auf Ruine Schlosseck, mit erheblichen Mitteln unterstützt, er leistet auch
auf dem Gebiete der archivalischen sowie der rein historischen Forschung
recht Ansehnliches, und Zeugniss dessen geben die uns vorliegenden
neuesten Publikationen des Vereines, dessen Mitgliederzahl in den letzten
Jahren auf ca. 500 gestiegen ist.
Die Mittheilungen enthalten vorerst ein^ Abhandlung von Paul
IBO Hitth^iliiagea des biitoriiebeo Vereins der Pfolx.
Joseph dbar die ResUmmnbg mehrerer HQnzen der rherinisohra PfftlB>
grafen und der Mikinücr ErzLiachöfe aas dem 13., 14. und 15. Jahr-
liondert. Der Chamktenstik und die Topik derselben ist mit Stiefa-
keDDtaifiB und Sorgfalt durchgeführt. Den Hduptbestandlheil der „ Mit-
thell luigeo " bildet eine histüriHclie MoDogrupfaic von A. Staufaerfiber
Kloster und Dorf Loiubreoht. Daa Klostor, gelegen im Neustädter
Tbale, wurde 977 vom Hcrrog (?) Otto III. ron WormB im Orte Gre-
vonliooson zu Ehren dej heiligoa Lambert gestiftet und den Mönchen
vom Orden des h-.ßeDcdikt tibergubmi. Später wcirde e» in ein Nonnen'
klöltcr uingewacdelt und 1553 zu Gnnston äea Kurfürsten Fried-
rich n. sikularisirt. Das Itorf Lnnibrocbt hat eine weitere Bedeutung
durch die 1566—1569 »üb den Niederlanden Tertriebenen Wallonen,
welche hier den Grttnd legten za den bestehenden und bIQbendei) Tnch-
fabriken. Lambrecht bat nusserdem in den Arcbiven der Pfalz viel
Staub aufgewirbelt durch seine langjährigen Streitigkeiten nm Be-
rechtigongen in den benachbarten Waldbestäiiden; der Streit mit der
Stadt Deidesheim wurde 16. Mai 1805 durch eine von Napoleon nn-
terzeichnetc Urkunde entacbieden, wonuch die Lambi-ecbter für das Weida-
recbt bis aaf den beatigen Tag einen Book mit den Attributen „henv
cornutaa et bene capnbilis" am PßngBtdionstag eu Deidesheim „franco" ab-
zuliefern hsbeo, DenSchlua? der 1 80 Seiten enthaltenden Abhandlung bildet
eine Skizze dos gegennSrtigen Bestandes des heutigen Lambrecht. AU Bei-
lagen sind den etwas zu nuaffthrlich gebnltenen Dnr8te!lung;en mehrere zum
Theil bisher nnbekannte, zum Theil nen revidirte Belege und Urknnden bei-
gegeben. Man kann darüber verschiedener AnBicht sein, ob Monographien tod
solch' ausgedehnter Behandlung für einen Vereinskreis, der noch wichtigeres
zu erforschen und klarzustellen hat, am Platze sind, znmal zn bedenken
ist, dass von F. X. Remlingund J. G. Lehmann schon bezügliche
Arbeiten vorliegen, und an Quellenmateria] das einzige Novum in einem
Kopialbuche besteht, das im Jahre 1311 im Kloster selbst angelegt
wurde und im Archive der Uni verai tat Heidelberg aich befindet '). Aber
die Berechtigung einer solchen Specialgeachicbte in extenso zugegeben,
musa man gestehen, dass der Verfasser mit Benutzung des einschlägigen
Materiales allen Ansprüchen mikroskopischer Geschieh tsforgchung ge-
nügt bat.
Einen proviaoriachen Bericht über den Fund eines reich ornamen-
tirten, leider fragmentirten Grabmales von St. Julian im Glanthale
mit dem Versuche einer Restauration bietet der bisherige Conservator
1) Sollte dieses Kopialbucb aus dem Nachlasse des vor mehreren Jahren
veratorbenen Historikers J. .0. Lehmann herrühren, für den man in der Pfalz
so viel getban hat? D. Bef.
Mittheilongen des hiBtorisohen Vereins der Pfalz. 151
des Vereins, Dr. Mayrhofer; drei Tafeln beziehen sich hierauf . Nach
dem Restaurationsversache erhebt sich anf einer Plinthe mit scharfem
Earnies das oblange Mitteltheil, das auf seiner Vorderseite en haut relief
reiches Rankenwerk enthält und in der Mitte ein Seepferd zeigt, über
welcher sich die Grabinschrift befand. Eine Platte mit senkrechten
Kanten deckte wahrscheinlich das Ganze. Ganz klar ist die Sache
aber noch nicht, und da Verfasser nach S. 231 selbst noch mehr
Material erwartet, hätten wir es lieber gesehen, wenn man nach Ein-
treffen desselben von einer blos hypothetischen Behandlung der Sache
Abstand genommen hätte. Es bieten sich übrigens zu Mainz und Bonn
noch mehr Parallelen zu diesen Altaranlagen, als nur das Grabmal der
NacYoleia Tyche zu Pompeji (Overbeck, Pompeji, Fig. 205). Einige
ziemlich unbedeutende Miscellen kritischer und archivalischer Natur schlies-
sen sich an den Fund von St. Julian. Der Jahresbericht wird vom Ver-
einssekretär, Dr. W. H a r s t e r erstattet und ist diesmal ziemlich mager.
Es wird das Ersuchen ausgesprochen, Einzelfunde dem Museum zu über-
machen und dem Ausschusse Mittheilung von Eaufgelegenheiten, Ge-
legenheit zu Ausgrabungen etc. zu machen. Das Repertoir der Ge-
schenke und Erwerbungen ist ein recht reichhaltiges ; mit Verwunderung
aber lesen wir, dass den Sammlungen, die doch einen rein archaeolo-
gischen Charakter tragen, ein Mammuthsknochen, ein Backenzahn vom
Mammuth^ und eine Rippe vom Bos primigenius zukamen. Wenn doch
in der Pfalz ein naturwissenschaftlicher Verein mit nicht unbedeutenden
Sammlangen, wie die PoUichia zu Dürkheim, besteht, sollte man doch
so viel reciproce Gollegialität besitzen, naturwissenschaftliche Objekte
dem Nachbarvereine zuzuweisen.
Der „Katalog" enthält eine kurze schematische Aufführung, jedoch
ohne durchgehende Angabe der Inventar- und der Katalognummern der
vorhandenen Gegenstände. Einzelne Literatnrangaben lassen eine syste-
matische Citatenangabe um so mehr vermissen; einzelne technische No-
tizen (S. 4, 5, 8, 16, 27) tragen so wenig den Charakter wissen-
schaftlicher Behandlung, dass solche Apostrophen an die Laienwelt
am füglichsten unterdrückt worden wären. Eine archaeologische Be-
handlung der Funde kann mit solchen Noten nicht erzielt werden, und
zudem sind die Funde aus vorhistorischer Zeit schon wissenschaftlich
zusammengestellt und ist eine gleiche Behandlung der römischen Pe-
riode in Vorbereitung,
Hatten wir auch einzelne Ausstellungen zu machen, so geht doch
nicht nur der gute Wille, sondern auch manch schönes Resultat aus
den „Mittheilungen" hervor. Bedauernswerth bleibt immerhin, dass die
Erforschung einer so fundreichen Provinz wie die Rheinpfalz nicht zur
Aufgabe eigener Konservatoren, die ad hoc, wie anderwärts ange-
Mittheilnngen doB biatortsehen Vereins der Pfalz,
X. 166 S. n. 2 Tafeln; Speier 1S82.
neue Heft enthält deu ebenso fleisBigeD wie ftusfiihrlichen
„Versuch einer Speierer Manegeschicli tu" vom Sekretair des
Vereine, Dr. W. Harster, Gymnasiallehrer in der Kreis hau ptstadt der
Pfalz. Der allgemeine Theil enthält den Nachweis über die Verleifaong
desMfinzregala. H arste r betrachtetes alseebr wahrscheinlich, daea schon
von Karl dem Grossen zu Speyer, wo bereits 7 87 ein palatium Nemetenae
erwähnt wird, gemünzt worden sei, Die von H. Grote für unecht
erklärte Urkunde des Uerzogs Konrad von Franken von 946 hält er
für echt; darnach erhielten die Bischöfe von Speyer ex regali tradi-
tione et donatione das Münzrecbt, das sie mit Beschränkungen bis aof
die Zeiten der französiachen Revolation nnd der Säcularisirung des Bia-
thums ausübten. Eine kurze Beschränkung des bis cliti fliehen Mänz-
rechtes bildete die von der Stadt Speyer 1346 — 1421 ausgeübte Prä-
gang. Ein weiterer Abschnitt handelt von den Münzern und Hbub-
genossen, deren Corporation auf die römische familia monetalis oder
monetariorum zurückgeführt wird. Im späteren Kaufliaus iu Speyer
befand eich das domus monetae oder moaeta schlechtweg benannt; von
1189—1340 war dies Gebäude zugleich Hathhnus. Ueber den Umfang
und die Daner des Hünzbetriebes gibt ein weiteres Kapitel ÄufschlusB.
Die meisten Denare Speyers vom 10 — 12. Jahrhundert finden sich im
Norden Deutschlands, sowie in Skandinavien. Auffallend er weise
verschwinden dagegen die Münzen mit Speierer Gepräge vom 1 2. bis
Ende des 14. Jahrhunderts. Sollte hieran das Ueberhandnehmen der
sogenannten „stummen Münzen" Schuld sein? Harster hriugt für
diese Ansicht eine Reihe urkundlicher Belege. Die Produktion Speyers
in Hflnzen legte im 14 — 16. Jahrhundert das Sinken seiner Blüthe, sowie
die Pr&gung der rheinischen Goldgulden und Silberdenare durch die rheini-
schen Kurfürsten lahm. Uit Veränderungen des Münzfusses beschäftigt sich
ein 5. Capitel. — Die Beilagen enthalten 9 un gedruckte Urkunden,
welche sich auf die Speyerer Münz Verhältnisse von 1324 — 1570 be-
ziehen nnd dem städtischen Archive entnommen sind. Die 72 letzten
Seiten nimmt ein sorgfältig aufgenommenes Verzeichniss der Speyerer
Münzen ein, deren älteste ein Denar des Kaisers Otto I. Die Bischofs-
münzen beginnen mit Konrad I. (1056 — 1060) und enden mit Philipp
Franz Wilderioh Nepomnk (1797 — 1810), dem letzten Dynasten.
Miitheilongen des historischen Vernns der Pfalz.
168
Ausser den wirklichen Münzen sind auch Medaillen aller Art in Be-
rücksichtigung gezogen worden. Die zwei Tafeln enthalten den Avers
und Revers von etwa 3 0 Münzen ; leider sind die Bilder etwas undeut-
lich. — Das Material hat der Verfasser mit vieler Mühe den Samm-
lungen des historischen Vereins, ferner den Eabineten zu München und
Donaueschingen entnommen, ebenso musste er sich die meisten literari-
schen Hülfsmittel von Auswärts kommen lassen. Um so mehr verdient
die Sorgfalt und Umsicht, mit welcher der Verfasser bei der ganzen
Darstellung zu Werke ging, die volle Anerkennung aller Alterthums-
freunde im Rheinlande.
Dürkheim a. d. Hart. Dr. G. Mehlis.
In der Südwand der Taufkapella befindet sich umgekehrt einge-
mauert folgendes luscbriftfragment:
////lAE WERW/II/
////AMENTO////
Von der zweiten Zeile ist das untere Dritt«! abgeachnitten ; sie
scheint das Wort (teBt)amento zu enthalten, während die obere Zeile
auf zwei Namen schlieaaen läast: ...iae dürfte die KnduDg eioea
Frauennamena und Veru(B) der Name des Erben sein, der ex testa-
mento den Stein setzen liess.
Bei meinen soeben zwischen Münster und Rathhaus vorläufig be-
endigten Ausgrabungen fanden sich eine grössere Anzahl römisoher
Ziegel mit dem viel bestrittenen Stempel der Legio tricesima Ulpia
victrix (Leg. XXX V V). E. ans'm Weerth.
2. Andernach. Anknüpfend an meine Mittheilung im Jahrb.
LXXII S. 122 berichte ich im Folgenden über einige Münzen, welch«
mir bei der in diesem Frühjahre von Herrn Job, Graef bewerkstellig-
ten Ausstellung von Fundatflcken aus Kerlioh und Andernach im Qast-
hans Wiebel daselbst aufgefallen sind.
Hiaoellen.
1. AthalaricuB 626 — 534. Silberquinar. Bei der lückenhaften
Umscbrift der Eopfseiie konnte niuht festgestellt werden, ob dieselbe
dem Justin I oder dem Justinian znzuBcbreiben ist; jedoch vermntbe
ich, dasB Sabatier Nr. 11, PI. XVIII Nr. 20, mit unserem Exemplar
äbereinstimmt.
2. Erraricus 541. Silberqninar. Sab. I, S. 205; jedocb zeigt bei
nnaerer Münze daa Monogramm einzelne kleine Abweichungen von der
Abbildung PI. XVIII Nr. 35. Auch bei Pinder und Fricdländer
finden wir dieses Monogrnmm nicht ganz genau angegeben, indem ein-
zelnes wie Taf. VI, Nr. 10, anderes wie Taf. VI, Nr. 11 dargestellt
wurde. Der untere Bogenstrich des R ist in lang gezogener gerader
Linie bis zum unteren Ende des Bankrechten Striches vom E weiterge-
führt wie bei Nr. 11, während der runde Strich des D nur einen
Theil der Höhe des E einnimmt, wie bei Nr. 10.
Femer fanden sich: Jnstinian. Gefütterter Goldqninar, mit dem
Rv. victoria aug . . . .; Justinus, Sab. 12 und 13, beide mit dem Mono-
gramm Christi; sowie noch mehrere unbestimmbare kleine abgegriffene
oder unvollständig geprägte Siberaifiiizen derselben Epoche.
Das bekannte Mittelcrz von M. Agrippa war die älteste römische
Münze, welche vorbanden; merkwürdiger Weise sollte dieselbe in dem-
selben Grab mit einer Kleinkupfer münze der Constantinischen Zeit
gefunden sein '), eine Angabe, welche berechtigte Bedenken erweckt.
3h noch : Julia Titi, Trajanns Declus, Victorin,
'. aus der Consta ntini sehen Zeit.
Sonst erwähne
Diocletian nnd mehre
Vlentei
3. Andernach. Im Anschlnss an die Miscelle über die Aus-
grabungen in Andernach S. 120 im LXXII. Jahrbuch verzeichnen wir
den Fund zweier in diesem Sommer zu Tage gekommener militärischer
Grabsteine an der linken Seite der Coblenzerstrasse vor dem gleich-
namigen Thore, der alten römischen Rheinstrnsse. Beide Steine sind
von Jurakalk und stellen die Verstorbenen in stark hervortretendem Re-
lief in ganzer Figur dar. Der eine Grabstein, künstlerisch bei Weitem
der vorzüglichere, ist leider nur ein Fragment, dem besonders der Kopf
der dargestellten Figur und die Inschrift fehlen. Der andere erscheint,
den fehlenden Kopf einer der drei Figuren abgerechnet, zwar voIIatäQ'
dig, hat aber sehr gelitten. Der Verstorbene, ein Soldat der Raetiachen
Cohorte, steht in voller Armatur auf einem erhöhten Postament in der
Mitte. Die Rechte hält die Lanze, die Linke trägt den Schild. Neben
dem Postament, tiefer stehend, erblicken wir rechts neben der Haupt-
figur einen Knaben, dessen fehlenden Kopf, wie Andeutungen erkennen lassen,
ehemals eine Kapuze bedeckte. In beiden Händen hielt der Knabe
1) Nr. D9 der dortigen Aufstellung.
£twas. Eine Tasche io der linken Hand ist deuUich, nicht so der Gegen'
stand, irgendein kleinem GorÄth, in der underD Hand. Eine togtrte mi un-
liebe Gestult nimmt die andere Seite ein ; sie hält in der Linken eine
Rolle, wohl Jas Testament des Verstorbenen. Auf den Schmalseiten
des Steines befindet sich in üacbereDi Relief je eine Ättystigur mit einem
Amasonenschild darüber, und bekrönt wird das Relief von einem mächtig
vorspringenden Giebel, auf welchem in der Mitte zwischen zwei Löwen
I Sphinx ruht.
Bie 9 zeilige Iniichrift endlich besteht ans 7 kürzern Zeilen, die
sich anf dem Postament der mittlem Figur beünden, und 2 Zeilen,
welche die ganze Breite des Gi-absteineB einnehmen. Wiederholt« Le-
Bungen bei Tag- und Lnmpen-Licht ergaben folgenden Test:
.IRMVS
ECCONIS.P
MILEXCOH
RAETORVW
NATIONEM
. NTA . VS
ANN XXXVI
FVSCVS.STIM.H [
SERV. .HERES.XTES
PO.
Die Ergänzung der beiden ersten Zeilen in FIRMVS ECCO-
NlS-F(iliuB) ergibt sich auch durch den Augenschein als wabrschein-
lieh : unser Verstorbener Namens Firmns ist demnach der Sohn des
Ecco. Schwieriger ist die Beimathsbestimmang in der 5. besw. 6.
Zeile. Man ist versacht Montanus zu lesen. In der letzten Zeile
wird man Heres ex testamento poB(nit) lesen dürfen, dagegen die Worte
hinter dem Namen des Denkmal-Errichters Fnscus ') dahingestellt sein lassen.
Ueber die bildnerische Daretellung and die Frage, ob die Attya-
figoren und übrigen Embleme dem Steine einen mithräischen Charakter
verleihen, wird bei eingehenderer BeBcbreibang und Abbildung deaselben
an reden sein. Vorläufig gestattet der Besitzer dieselbe nicht, weil er
dadurch den Verkauf zu schwindelhaftem Preise zu beeintr&cbtigen
fürchtet. E. ana'm Weerth.
4. Caea a. d. Mosel (Ende April). loh gestatte mir Ihnen die Mitthei-
lang za machen, dasB in vergangener Woche in der Nähe von Cues an
der MoBel eine römische Badee in rieht ueg aufgefunden worden ist Etwa
200 Schritte oberhalb des Dorfes Gnes führt die im Bau begriffene Eiaon-
1) Die Namen Firmus wie Fuscns kommen beide auf rheinisch«! lo-
sohriften vor. Vergl. Jahrb. Vill, U; XVI, 68; LUl, 156; SLIV, «; LT, 238.
Miscellen. 157
bahn von Wittlich nach Berncastel fest an der Landstrasse vorbei. Beim
Abbrechen einer Weinbergsmauer unmittelbar an der Strasse ist man auf
römisches Mauerwerk gestossen. Ich sah eine aus Hohlziegeln von ca.
17 cm Höhe, 16 cm Breite und 9 cm Dicke, welche aufrecht standen, auf-
gemauerte Wanne, welche innen mit ca. 3 — 4 cm starken Mörtelverputz
versehen war. Die Wanne wird ca. 1,50 m bis 1,70 m lang und ca. 85 cm
breit sein. Unter der Wanne und dahinter zeigt sich Mauerwerk theils
aus Bruchsteinen, theils aus Ziegel; in der Nähe derselben, am Berge, be-
findet sich eine Quelle. W. Fusbahn.
5. Düsseldorf. In dem 1. Hefte der alten Heer- und Handels-
wege etc. habe ich über die südliche Fortsetzung der Trier-Metzer-
Strasse auf Nancy zu einige Yermuthungeu gegeben, denen ich keinen
andern Werth beilege, als dass sie zu ferneren Nachforschungen bei
den dortigen Alterthumskundigen anregen sollen ; namentlich dürfte von
Herrn F. Möller in Metz, dem wir bereits interessante Nachrichten
über dortige Alterthumsfunde verdanken, weitere Auskunft zu erwar-
ten sein. J. Schneider.
6. Eisenschmelzöfen, lieber die im letzten August zu Eisenberg,
dem Rufiana des Ptolemeus, aufgedeckten römischen Eisenschmelzöfen sei
hier folgendes mitgetheilt. Es war am 19. Augast gelegentlich einer Boden-
untersuchung auf Klebsand, als Bahnmeister Kessler an einer Stelle, welohe
etwa 200 m nordöstlich von der „Hochstadt", an Stelle des Römerkastells,
und 13 m nördlich vom Bahnkörper unterhalb des Brückenübergangs über
die Tiefenthaler Strasse liegt, auf den Kopf eines der Schmelzöfen stiess.
In einer Tiefe von 1,20 m in einer Schicht, welche von einer durchgehen-
den Schlackhalde gebildet wird, befand sich der beste Theil des nach Osten
gelegenen Ofens. Bahnmeister Kessler Hess mit gefälliger Unterstützung
des Bezirksingenieurs Kärner die ganze etwa 2V2qni haltende betreffende
Fläche sorgfältig aufräumen. In einer Tiefe von 2,35 m, deren Schichtung
durchweg von Eisenschlacken gebildet wii-d, stiess man auf die Horziontal-
sohle, auf welcher sich die beiden Oefen von West nach Ost erheben. Der
östlich gelegene hat die Form eines Zuckerhutes und bei einer Höhe von
1,15 m einen Bodendurchmesser im Lichten von 30 cm. Der 20 cm dicke
Mantel besteht aus rothgebranntem Thon, der, um dem Ganzen Feuerbe-
ständigkeit zu geben, mit dem unter der die Soole bildenden 80 cm dicken
Lehmschicht gelagerten Klebsand stark gemengt erscheint. Die obere Kappe
des Ofens hat eine Oeffnung, offenbar dazu bestimmt, dem Rauch und den
Gasen Raum zu lassen. Im Innern des Kegels lagern Holzkohlen und
Steine, aber nur wenig Schlacken. Der Ofen war offenbar erst neu con-
stmirt zur Eisenbereitung, als hemmende Ereignisse eintraten. Der zweite
Ofen liegt, durch einen Raum von 21 cm getrennt, nach Westen zu. Er
hat die Form einer dickern Eihälfte und ist nach Südwesten zu leider
158 ^ Miscellen.
zerstört, sodass ein Fünftel des Ganzen fehlt. Er hat nur eine Höhe von
80 cm bei einem Bodendurchmesser von 50 cm im Lichten ; die Wanddicke
Yariirt von 10 bis 15 cm. Der Mantel ist auf gleiche Weise wie bei Nr. 1
co'nstruirt. Der gröaste Theil des Innern sowie die Soole ist mit ziemlich
gut ausgebrannten Eisenschlacken sowie Holzkohlenresten ausgefüllt, welche
am Mantel festhaften, und deren Ansatz einen weitern Gebrauch des Ofens nn-
möglich machte. Bei einer von dem Verfasser am 22. August vorgeDom-
menen Untersuchung konnte man constatiren, dass die aus gebranntem
Thon hergestellte Ausgussröhre für das geschmolzene Erz in der Richtung
nach Südwesten lag. Sehr instructiv war, dass mehrere Eisenbrocken auf
ihrer Fläche den Abdruck der Hohlzkohlen aufwiesen, auf welchen sie
innerhalb des Ofens gelagert waren. In unmittelbarer Nähe ausserhalb der
Oefen fanden sich ausser grossen und relativ schweren Schlackenbrocken
massenhafte Stücke des gebrauchten Rohmaterials vor. Dasselbe färbt stark
ab und besteht nach der Untersuchung von Hüttenwerkdirector Dr. Beck
zu Biebrich'aus Rotheisenstein. Bergwerkdirector Härche zu Kreuznach glaubt
Quecksilbererz damit verbunden und findet die Ursprungsstätte des Materials
in der Gegend des Königsberges in der Nordwestpfalz. Ein dritter Schmelz-
ofen wurde mehrere Tage darauf südwestlich von Nr. II in gleicher Tiefe
innerhalb der Schlackenhalde vorgefunden. Er hat dieselben Dimensionen
wie Nr. II und zeigt gleichfalls deutliche Spuren der Benutzung. Von höchstem
Werth für die Zeitbestimmung dieser Eisenschmelzöfen war die Thatsache,
dass sich in den Bodcnsch lacken sowie in dem anlagernden Rohmaterial in
gleicher Höhe mit der Sohle der Oefen mehrere Ziegel- und Gefässstücke
vorfanden, welche offenbar römischen Ursprungs sind. Die Pcriodo der
Benutzung dieser sogenannten Rennüfen ist damit für Eisenherg endgiltig
festgestellt. Nach der Mittheilung dös derzeitigen Ortsbürgermeisters Holz-
bacher fand sich vor 30 Jahren heim Roden auf demselben Acker ein in
gleicher Weise hergestellter Sclimelzofen inmitten der Schlackenliaklo, so
dass hier auf beschränktem Terrain 4 Scbmelz(">fen konstatirt sind. Bemerkt
sei hier noch, dass sich die Schlacken bis in eine Tiefe von 4 m von dieser
Fundstelle nach Osten von hier nach Norden der Eis zu ziehen. Die Felder
bis zur „Hochstadt" sind mit denselben Kisenschlacken dicht besät, und es
ist kein Zweifel, dass der römische f]isenbetrieb ein ebenso intensiver wie
langandauernder war. Der Befund von soh'hen vollständigen Schmelzöfen
ist unsers Wissens bisher der einzige im Rheinland; im Jura sowie an der
Saalburg bei Homburg fanden sich nur Reste davon vor. Was die Ge-
brauchsweise dieser Rennöfen betrifft, so nähert sich dieselbe der in unsern
Hochöfen gebräuchlichen. Auf die Sohle des Ofens kam eine Schicht Holz-
kohlen zu liegen, darüber schüttete man eine Schicht verkleinerten Eisen-
erzes, gelegentlich mit Zusatz einzelner Kalk.steine als Flussmittel, darüber
wieder eine Schicht Kohlen und Erz u. s. w. bis zur Höhe des Ofeus. Der
Miicellen. 169
Blasebalg wurde nuten seitlicli eingesetzt, nnd wenn die ganze Masae darcb-
glUht war, flosB das glühende Erz zn einer Seitenöffnnng heraus. Solcher
Oefen waren mit Sicherheit zu gleicher Zeit eine ganze Reihe . in Action,
so doss die Productionskraft an Schmiedeeisen eine ganz bedeutende war.
Das gewonnene Material wurde sodann gekühlt and sofort in Barrenform
TOn etwa 5 kg Gewicht gebracht, welche en miiase mittels Maulthieren
weiter transportirt worden. Das so gewonnene Eisen besteht in einem vor-
trefdichen, dem Stahl nahestobenden Schmiedeeisen. Noch jetzt wird, wie uns
FrofesBor Fraas mitthcilte, das Verfahren zur Gewinnung von gotem Schmiede-
uaen in Gegenden angewandt, welche Ueberflnss an Holzkohlen besitzen. Dies
geschieht noch in Indien, Borneo, im Innern von Afiiks, aaf Madagaskar, in
Katalonien, Korsika mit den sogenannten Osmundöfen in Norwegen nnd
Schweden (vgl. Percy: „Metallurgie" II. Bd. 1. Abth. S. 489—667). Eine
Beibe von Eisenbarren gleicher Gestalt und gleichen Gewichts, deren Fundort
rings um Eisenherg gelagert ist, belehrt ans, dass der Vertrieb dieser
Schmiede eisen bnrren zur Römerzeit von hier aus ein sehr starker war. Die
bisher bekannten Fundplätze solcher Barren sind folgende : Monzernheim
in Rheinhessen (26 StUck), Mainz, Studernheim, Wachenhurg bei Dürkheim,
Forst bei Düi'kheim, Ramstein bei Landstahl, Ebernburg. Moffontlich bringt
ans ein weiterer glücklicher Zufall in die Lage, zu Eiscnbcrg-Hufiana selbst
das Vorkommen dieser ohne Zweifel rümiscb -gallischen Eisenbarren nach-
w«sen zn können. Die Industrie an sich ist durch die Siihlackenhaldcn,
die Schmelzöfen nnd die peripherisch gelegenen Eisenborren derselben Form
and Struktur auf das evidenteste nachgewiesen. — Einer der Oefen (Nr. 11)
wurde in das Provinzialmusenm zu Speier von dem Unterzeiohneteo über-
bracht, wo er mit dem Rohmaterial und den Schlacken eine passende Stelle
im Lapidarium erhielt. Dr. C. Mehlis.
6. Griet im Kreise Eleve. Zur Zeit, als der Rhein sich noch nn-
terbalb Xanten in mehrere Arme theilte, bildeten Griet, Grieterort undGrie-
terboBch mit Wiesel ein zu saram anhangen des Ganze, die Insel Wisse! genannt.
Dieselbe wurde im Norden und Nordosten dnrcli den von Professor Dedo-
rich in seinem Verlauf beschriebenen Mittelrheinarm begrenzt, welcher
von Rees her um Grieterbuscb herumfloBa und durch das sog. Vulxgat
zwisohcn Beylerward auf der Unken und Emmericher Ward auf der
rechten Seite hindurch auf Hnisberden, Schmithausen, Griethaasen und
Schenk enschanz zuströmte i). Beylerward (Beylar -^ Bienenaof enthalt)
liegt nördlich von Wjssel nnd wird von demselben durch eine Wasserstrasse
geschieden, deren Tbeile von Osten nach Westen die Namen BüUak, Bird,
Poll, de Griet und Endesomp haben. Gegen Westen nnd Süden bil-
dete die Grenze die nunmehr Kaiflak benannte Wasserverbindong zwi*
1) Dederioh, Geseh. d. Rom. u. Deutsch, am Niederrhein, S. 4.
160 Miscellen.
sehen Emmerich und Elalkar, welche, wie neuerdings Dr. Schölten
mit guten Gründen nachgewiesen, trotz der Warnung Dederichs als
ein altes Rheinbett öder Zwischenarm betrachtet werden muss ^). Im
Osten und Südosten lässt sich die Grenzscheide nicht mit gleicher Ge-
nauigkeit bestimmen. Wir finden hier ausser der bereits im Jahre 1312
in Folge einer furchtbaren Ueberschwemmung verschlungenen ,, Insel Hoen
im Bette des Rheines zwischen Rees und Wissel'' ^ das durch einen
längs der Deiche Ealenbergsdyk und Dünendyk laufenden und beim Hofe
Fingerhut in den Ealflak mündenden Wasserstrang — Eranegat, Bahn und
Ley genannt — von unserer Insel gesonderte Eiland Wyschelrevert,
Wisselward, wozu ehemals noch Reeserward gehörte, nebst Ealdenhoven.
Von der noch in einer Urkunde vom Jahre 1260 erwähnten „Insel
Wissel^s) wurde zunächst, wahrscheinlich gegen das Ende dasXY. Jahr-
hunderts, als der Rhein die Gemeinde Griet durchbrach, Grieterbusch ab-
getrennt und erst im Anfange dieses Jahrhunderts durch Aosgrabong
eines schiflfbaren Eanals ebenfalls Grieterort.
Was bedeutet wohl der Name Griet? Dass Ableitungen desselben,
wie die von Teschenmacher und Hopp angegebenen, denen zufolge
der Ort nach einem römischen Feldherrn Grino oder von angeschwemm-
tem Grind (Eies) benannt sein soll, abzuweisen sind, bedarf nicht erst
weiterer Erörterung. „Es ist sehr wahrscheinlich", heisst es mit vollem
Recht in den Annalen des bist. Vereins für den Niederrhein ^), „dass
das Wort dem Wasser seine Entstehung verdankt, da man es nur am
Wasser (Flusse?) antrifft oder wo vormals ein Stromlauf gewesen, der
hernach verlaufen ist, wie Griethausen bei Kleve und Grieth in der
Lymers hinter Zevenaar". Sollte es nicht vielleicht, ähnlich wie das
benachbarte Rees von rys, das in der alten niederrheinischen Sprache
Schilf, Reis- oder Wardholz bezeichnet, von der Nebenform ryet, rieth
mit vorgeschlagenem G seinen Namen herleiten? 5). Noch heutzutage
findet ein grosser Theil der Einwohner durch Korbflechten und Anlage
von Kribbwerken, wozu das mit Schilfrohr unterwachseue Weidenholz
vorzüglich geeignet ist, seinen Unterhalt. Weil die Nachrichten über
Griet im Mittelalter äusserst spärlich fliessen, so muss jeder Beitrag
zur Gescliichte desselben willkommen sein. Wir theilen deshalb im
folgenden die Privilegien mit, welche Graf Dietrich VI. von Kleve
dem Städtchen im Jahre 1 244 verliehen und Herzog Johann IIL 15 22
1) Schölten, Stadt Kleve, S. 308.
2) Lacomblet, Urkunden I. S. 358, 359. II. n. 45.
3) Lac, Urk. li. 272.
4) Annalen, Heft VII. S. 140.
5) Wenn Gral von sang real abzuleiten ist, soll dann nicht Gryet aus
„inger ryet" entstanden sein können ?
Miscellen. 161
bestätigt hat, aassordem verschiedene Ordinationen, deren Yergleichung
mit den von Dr. Bergrath publicirten Bestimmungen der Stadtrechte
von Eleve and Kaikar ^) in mehrfacher Hinsicht interessant genannt
werden darf.
Dit syn die privilegienn der Stat van Gryet.
In naeme der heiliger dryvoldicheyt Wy Derick Greve vann Cleve
Innd Derick myn aldste soen maeken kondt ind kenlicken allen men-
schen die desenn teghenwordigen brye£f sulleu syenn off hoercnn lesen
dat wi um rechter gonstenn die onse lyeve Stat van Gryet Ind unse
Burgher der voirs. unser lyever Stat ons bewyst Innd gedaeun hebben
Innd noch naemaels doeu moegen Derselver onser lyever Stat ind all
unsen Burgherenn die dair nu in woenaftich syn Innd daer ummerraeer
in wonenn sullen mit guedenn voirbedachteu beraede uns selffs unser
maegen frunden Ind unsenn gemeynen raedenn gegeven hebben verleent
Ind vernyet, geven verlenen Ind vernyenn als hier nae van woerde toe
woerde volght Ind geschreven steet.
Item luden yerstenn soe wanneer dair yemant stoerfft Soe sali dat
naeste lytt inder maeghschappen des doedeun erve Ind guet beeren sonder
yemantz weddersegghen, Weer ever die doede van buyten incomen Ind
gheenn erffgenoeten en hedt, Soe sali unse Amptman die daer onse Ampt-
man is, des doedenn erve Innd guet eenn Jair Ind Sess wekenn halden
Innd waren In behuyff des goenen die des binnen deser tyt eyscht Innd
mitten rechten pruefft Dat hy dat erff boerenn sali Innd cn quemo
binnen deser tyt alsoe voirs. nyemant Soe sali ons dat erff ind ghuet
toe gehoerenn.
Vort soe wye syn gheweldige haut sleet aenden anderenn op ffry-
daoh op Saterdach opdenn Sonnendach off op innigen anderenn heyligen
vierdaegenn die verheert Soeven Indtwintich Schillinck munten in unser
Stat toe gaennplegen vanaldtz die hy ons tot onser genaedenn bet^clen sali.
Mer soe wye dat dede op eenen Siechten dach dye verboerdenn Dry
Schillingh derselver munten voirs.
Item Soe wye den anderen mit eenen s werde gelavie Mess, offin-
strumento qweetst off wondt Daer mit mi eenen anderen doeden mach
Dye verheert tot unser genaede henden (banden) hondert Schillingh
derselver munten vors.
Item Soe wye denn anderen lemden mit hant ffuet off litt afftohouwen
offte affteslaen Dye verheert die selve pene te ontfanghenn, Mer soe
wye denn onde den (anderen) doet Dye hefft syn lyff verheert Innd
syn guet halff tot unser genaede.
1) Annalen d. bist. Ver. H. VII, 17-28. IX. 260-69.
11
189
UiKsIleD.
van un aldnir dat nnse
' Baeke dat si eich aaden
i anderen Innden
Wy willenn oick ind hebben onsen lyeveim Bargberen »oire. toe ge-
gevcn Dat oir lyeff Ind oer gnet tlioe water ind toe lande tollvry
weaenn sali lund an uyemant yet toe eynacheo bebbea en Ball nenn all
nnse tollenn toe lande Inud toe water dean Rynstroem uyt Ind iu farende
tot Oraoy tot Smithuysen tot fluyssen Innd tot Nyemegbea Alsoe dat
wy daer vry lad loas aüweeenn Hallen ala voirB. is.
Vort soe en aullenn wy noch nyomant anders in nnsen lande van
Clove unsen voirs. bürgeren lyff noch ghuet ergbent becoramereo off
beeeattenu. Mer weer yemant un wat tiendo Dye sali nnaen Bargerenn
velgen tot Gryet aen dye bauck Innd nei
Scbepenn wysenn dat stede recht ia Teun ^
in Sohepenn brievean verbondenn beddenu.
WEert oiok dat anse lyeve Burgbere
beaatt off becommert werden Daer sallen wy ay toe beacbudden Innd
toe beschermen all uuse vordemias Ind gonato doenn mit vlytt Innd mit
trouweD.
Vort floe enn aallen ona lyoff Bargheren Toirs, nyemant ontvanghen
tot oerenii mitbnrgher By enn hebben uq yerat gbepruefft Innd besocht
te Toeren Acht daeghe lanck Dan ay en BuUen gheen eygenn mannen
tot oereo burgfaeren ontfangen dye ons offte onaenn dyenatmannen
eygbenn syn off vagetlnyde et enn sy mit onaer offte onser manne denn
ay gehoerich syn wille Ind orloff.
Vort meer aoe verlaetenn wy Ind verdraegen onsen lyevenn Burg-
heron voirs alle schattinge ind bede off woe ey genuempt ayn dair um
ay ona acbuldich sullenn wesen onae lant helpenn te beacbudden ind toa
beachermen binnen unaeo lande Sess wckenn op oerenn coat Thenn
weer aaeck dat onee rechte aoen Rydder wordenn weer offte dat wy
onse rechte docliter tot wytlicken hylicke berichtenn Als dann aullen ay
ona ghevenn Ind schinckenn eenn bede dye ghenedelick Ind moegilick
is, die sy ons mit eerenn achincken moeghenn Dair um wy nn verleent
Ind gegevenn hebbenn water Ind weyde Ind gberaeyote sy tot ber gbe-
hadt Innd ghebrayckt bebbenn Innd von alds gewoentlick tother toe is
Innd geweat hefft,
Vort raeer Soe wy in onser voirB. Stat dat Stede recht ghewon-
nen hefft Innd porteren gewordenn weren Dye hebbe wannoer ay eeno
Jair Innd Sesa weken dair gewoent hebbenn oerenn vryen wille mit
oerenn gnede dair toe blyveun Woemen in stede recht toe bmyckean
placli, off dair mit oerenn guede weder dair nyt toe varenn.
Vort meer off ynnighe hoffatede geslaegen off uytgegevenn wor-
denn in unser vrybeyt vann Oryet Dair äff sullenn sy ona Jairlis Innd
all Jair Tinabenn Dye hondert Innd veyrticb fuetlanck ia Innd vyerticfa
fnet breet ia, twee honre Innd Sess Coelsche penningen alsoe alsmen
Misoellen. 163
ons gee£Pt yan aldenn haeffsteden aldair op Sunte Stephaens dach toe
mydtwinter.
Vortmeer hebben wy all nnsen lyevenn Bnrgherenn voirs. toe ge-
gevenn Ind verleent dat sy alle Jair op Jaersdach dat ons heren be-
snydinge geheytenn ie sonder Argelist kysenn suUenn Eenen Bnrgher-
meyster Raede Schepenn Innd Baede Innd ander Amptluyde der onsc
voirs. Stat tdoenn heflft Innd oer nut syn Innd wy sullenn uu eenen
Richter setten Innd stedighenn Ind (den) sullen wy stode haldenn.
Alle dese voirschrevenn dinghen Innd punten syn geschyet in Aut-
wordt Inn teghenwordicheyt voell Edelre Inn Eyrsamer mannenn Hen-
rick Innd Rutgher van Eveck, Johann Innd Wilhem . van Huesdenn ge-
broedere, Bertholt Innd Gherit vann Oy gebroedere, Henrick van Ghennep
Innd Gherit van Batenborch gheedelinghe, Stephaenn van Sulen, Theo-
dericus van Wissel, Wessell van Galyn, Ysbrant vann Ryneren, Evert
vander Horst, Derick vandenn venne, Arndt van Nyell, ifransh van
Benheym, Derick van Bryenn, Derick van flfonderenn, Derick de Monu-
mento, Gherit Ducere, Henrick van Huessen Innd meer andere Innd op
dat allet dit voirs. alsoe gehaldenn sali werdenn stede vast innd un-
verbroekelick gelyck voirs. Soe hebben wy beyde Greve voirs. onse
Segele aenn desen bryeff doenn hanghenn mit onser rechter weteuheit
voir ons Innd onsen ervenn Ind naecoemelingen Ghegevenn tot Calcker
Indenn Jair ons herenn Dnysent Twee hondert Innd vyerlnndveyrtich
Calendy Marty.^
Een beveystongh unser pryvilegienn verleent vann unsenn
aldenn ffursten annd herenn, hern Johann Hertoch tot
Cleve etc.
Wy Johann vann Goetz ghenaedeun Hertoch tot Cleve tot Guylich
Innd tottenn Berghe Greve totter Marcke Innd tot Ravensbergli etc.
Maekenn kondt Innd kentlick allenn luydenn Dat wy mit Raede uns
selflfs, Innd unser f runde van Raede gegheven vernyhet Innd verleent
hebbenn ghevenn vernyehenn Innd verlenenn unser lyever StÄt vann
Gryet Innd allenn unsenn lyevenn Burgeren toe Gryet dye nu syn off
naemaels daer tot Burgheren untfanghenn werdenn alle alsulckerhande
Rechtenn Innd vryheydenn als dye pryvilegienn Innd bryeve Inlialdenn
dye unn van unsenn voiralderenn Greve voir Innd nae Hertogen vann
Cleve etc. verleent Innd geghevenn Innd Durch wilner dem hoychghe-
baeren ffursten unsen ffruntlicken lyevenn herenn Innd vader Herenn
Johann Hertoghenn van Cleve Innd Greven vander Marke, unlanx ver-
storvenn denn got alle benaede, bestedicht Innd gheconfirmyert syn Dye
1) In der Dithmar'schen Ausgabe der Annalen von Teschenmacher ist das
GrieterStadtprivilegium mit dem Datum 1254 abgedruckt, cfr. Cod. dipl. n. XXXIII.
UQU gelaefft Innd ghcsekert hebbetin in
. nnverbroekeltck toe lialdenn Sonder
I Aen desen bryeff ghebangheti Gogbevenn luden jaeren nuns bern
DuyBent VylTbondert Twee lod twintich op Goensdach Sunt Ber&ardtx-
dacb des hejUghean Abtz.
Dese Copye concordyert »aa Woerde
tot woerde gelyck den principaell.
Van Eeden der Stat Gryet.
Dye denn koer doenn aullen.
Dat gy kyaen sult Borger mey stör ind baedt, Dne gelegenheyt der
Stede rechten end- bryoven Der atat Tan Gryet. Ind des oyet lueten
Salt, um lye? noch um lect, nocli um Swagerechap, noch um guust
noch nm gaeff, noch um yemantz auxt, Alsoe vern als gi dnt mit nweti
vyff sinnen bei best kundt, Sonder argelist Bat w got alaoe help lund
all syn heylligeo.
Dat gy Tortmeer, bent Jairs dauh toe, off got geeft dat gi lefTt,
Baedt wesenu ault der Stat Gryet, Ind rechte baetacbappe doen anlt,
Ind recht gycht woerde, tusecbeoD tweyer luyde tale draegen sult. Der
Stat Innd der Sebepeu beymelickheyt helen sult, alsoe lauge als gy
lefft, lud ab w die ricbter off Borgermeyater off Scbepen baedt sen-
I sult, nnd oer baetscap doan sult. Sonder argelirt,
Dat w got alsoe lielp unnd etc.
Des Burgermeysters Eedt.
Dat gy Vortmeer Hent Jairsdach toe, off got geyfft dat gy lefft,
Burgermeyster wesen sult, oer Stat van Gryet, Ind der Stat Segeil Innd
all oer bryeve Innd bueke, hueden Ind waren sult. Ind der guet Innd
reuten, Innd oer yervall, apen.
(Nun folgen zwei leere Blätter.)
Der koermeysteren Eedt.
/Hier beündet sieh im Teite\ D^t gy vortmeer Hent Jairs
V eia Handzeichen. } ^^^^ ^^^ ^g ^^^ ^^^ ^^^ ^^ ^^g^^
koermeysteren wesen sult, der Stat
van Gryet, Ind hyer en binnen, tot
alre tyt, alst noet is, van maeten
qoaet gewicht, Byer Innd broet
bneden Innd waren, Innd koere sult,
Ind al dat □ dye Burgermeyster mit syuen gesellen so bevelende wnrdt,
te koeren, Ind wes van den koeren cumpt. Den Burgermeyster bant-
reyken sult Ind der stat best doen sult, als gi mit nwen vyff sinnen
beeet verwaren kandt Dat w got alsoe help Ind al etc.
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Misoellen. 165
Der Bnrgher Eedt.
Dat gy trouw unnd holt wesen aalt, unssen lantherenn Hert-
tocli Wilhem van Cleve, synen rechten naecoemelingen herenn tot
Cleve der Stat van Gryet Ind allenn Bargheren dye nu eyn, oflf
naemaols werden sallen Unnd sult den bystaen Dye stede rech-
ten te halden und oer best doenn, UQnd oer erchste waren, na aller
awer macht Dat u got alsoe help, Unnd all syn heyligenn.
Item woemen Appellyeren nae Calckerschen rechtenn Innd
dat te geschien als hier naobeschrevenn.
Item soe wye will Appellyeren soe recht Die moet comen binnen
tyen climmende Sonnen mit enen Notario Innd tween getuygen voir den
gericht, Innd gesinnen die Appellatio mit Instrumentum insinuationis
Unnd dair bi Apostolos reverentiales Soe sullen un die Schepenn sulx
gunnen ind geven Innd nemen des oick ecnen Notarium Innd ij tuygen
ind protestyerenn dair bi offte voir, dat si un snlx gegont hebbenn, Ind
dat um salcken orsaken wille Want off si in maten voirg. gesonnen die
appellatie Innd dann der nyet enn volchdenn Dan dair nae lieten vallen
Verboerden si onsen Ghenedigen lyeven lieren Innd den Schepenn noch
soe voell off sy gespraeken heddenn bovenn Schepen wysonghe Dat is
syn genaeden xiiij golden gülden Innd den Scepenn xiiij golt gnlden
Innd want sy anders mit recht volghenn willenn, Soe moetenn sy comen
binnen Derttich daeghen mit oer gravamen Innd oer Instramentnm Ap-
pellationis voir dat gericht Innd brengen snlx inne Ind steellen vort
burgh Innd gelove binnen den ghericht voir Dry Ind Sestich goldenn
guldenn, off legghen die inden gericht aenn guedenn goldenn paymentt
Inn dair mit hebbenn die gocne die Appellyerenn willenn der Appel-
latienn genoech ghedayen.
Item als dit geschiet is Sullenn die Schepen oerenn Secretarium
Acta Innd Actitata Innd alle bedinge mit orenn Ordell Innd dair bi
Instramentnm Appellationis mit die gravamina Ind alle bedinge tsamen
ayt doen schryvenn Innd dan toe Segelen Innd soe schickenn aen oer
geboerlicke hoeftfart Innd aldair denn Schepenn mit brengen vyer gol-
den galdenn Innd eenn quart wyn den baed aldair Item als na die
Appellatio vander geboerlicker hoeftfart wedercumpt Soe letmen sulx
den parthien sulx wetenn dat sy comen ten neysten gherichtzdach men
sali un sulx apenen Bevindet sich dan dat dair qualick appelliert is ge-
west Innd wail ghe wesen n Soe is vervallen denn here die helfft van
den Ixiij golden guldenn Innd die ander helfft den Schepenn toe deylen
Weert oick ever qwellick gewesenn Innd waill appelliert Soe kryght
dye appellant syn gelt weder Unnd hi is der burghtalen verlaeten Unnd
die Schepenn blyvenn des sonder schaedenn Want si moeghen mit
oeren Ede Habt alTdrae^henn, dnt at oae oen-e bester witacliap luud nyvi
anders geweaeun liebbua Men en kundt nii daa geriuhtlicltenQ overtry-
sunu mit recht dat sy willens mit ganaher wetenhejt Valach Innd itn-
recbt goweMnu lieddeim.
Van Pejodinghe.
Item Soe wye boghert toe poynden vsaden Richter Soe mach die
Bicbter un sulx guuneo wat by mit recht kan Lyet dnim die goeoe die
gepaut wui'dt die peyndinge oyet Seggende ick byede die peyndin^
nlleen vuir binnen Jaerescbeu pncht nier nyut voir achterstedige Soe
Biilmen slytcn voer binnen Jairaschen pacht Innd mnde vair die achter-
Stedighs Innd anderi soe mootmon dat achteratedich besäet vorderem)
Innd soB vortpvocedyeren.
Item wye gepaut eall Verden Innd dincket dye pandc te kyerenn
Die moet eogghen irk kyer dye pandt bis si;iit recht Unnd dan blyvet
hi eulx Sonder scliaedo Innd verswyget In bqItc dair hroect bi aenn.
Item pindet een op eeuen heyligen doch Inud die ander op ceneu
wercklickeu dach Soe eall die nae op den werckduch gepant iiefFt yerst
slytenn Innd die ander nae, um des heiligen dnechs will.
Item twee off meer die voirechr, syn uyter eenenn erve, Wye ilon
die aldete bryeff befft eall voirgacnn mit recht in allen Tindena binnen
Jairapacbt, wye dair yerst pindt nae Tcrrooegen synre bryeff Ind Segell
Sali nick yerst slyten nae unser banck recht.
Ordiuuntie van dyckon Ind graven geordeniert van
ffrunden ona G, hen.
Item off yemant erve Innd guet tot eenen lyve gepacht hefft dat
lyff anll geldenn dye helffte vanden dyckenn lund gravenn Innd die
lanthuer die ander helfft.
Item hedt yemant twee lyve aen erve ine guet Soe aullenn dye
lyve twee deell gelden Innd dye lantheer dat Derdendeel.
Item hedt yemnnt dry lyve Dye aall gelden dry deel Dye lantbeer
dat vyerdendeell Ind vort soe nae advenant van lyveno tot lyve.
Item bedt yemantz erve off gnet in pacht Seaa jair off dair bo-
venn Dat sali dye pechter het Sestendeel dair affgeldenn.
Item offt yemnnt Neghen Jair hedt off dair boven Dair sali dye
pccbter d.it vyfftendeel affgelden lond dye lantheer dut ander.
Item off yemantz guet twelff iaer in pacbt hedt, off dair bovenn
Sali die penliter gelden den vierdenn pcnninck Unnd die lantheer dat ander.
Item off yemanta meer Jaeren daer aen hedde Soe aal) dye pechter
gelden elcker dry Jaeren nae beloep als voirschreveun ateet.
Item off enige Bowninn bouden tlialff off ter garvenn Dye lyve off
Jaeren dair aon hedt Die Süllen nae geloop geldenn gelyck voira.
Misoellen. 167
Item o£P yemant lyffgewinne hedt Innd nyet dyckenn ofP grayenn
en wolde als voirs steet Soe moecht die pechter synen Lantheer op-
geven dat ghewinn Innd soe soldt die lantheer Bat dyckenn Ind graven
Innd woelde dye lantheer dat nyet opnemen Soe soldt die lantheer dat
selyer dyckenn Ind graven Innd die pechter soldt dat ghewinn dan
behaldenn.
Eenn Bastert mach nae unser Stat Gryet recht mede
erve boerenn.
Item naeden Calckerschen rechtenn dye wy daegelix gebruyckenn
Soe en moegen dye Basterdenn van moeder weghen der moeder naege-
laetenn erve Innd gaet nyet mede beeren Dann wy syn dair bovenn
previgelyert (sie) dat sy erflf Innd guet boerenn sullen vander moeder
wegenn gelyck denn anderonn kindernn Und off dair anders geen kin-
der enn werenn van eenenn echte bedde gecomen Innd dair Basterdenn
werenn vander moeder wegen Der werenn twee, meer off minn Dye
sullen der moeder naegelaeten guet Innd erve boerenn gelyck off sy
gheen Basterden en werenn Innd nyet die here vanden lande, nae ver-
moegen der Calckersche rechtenn, Innd die des nyet enn weet Die macht
vindenn jn unser Stat van Gryet pryvilegien.
Woemen een guet besettenn sali.
Item die een guet besettenn will mit recht Die salt tenn Dryenn
gerichten nae een volgende voir die banck besettenn Unnd versuympt hi
der gerichtenn eenn Soe hefft hi si all versumpt Dair um moet hi vor-
deren dat hi dat tot dryn xiiij daeghenn off nachten Drywerff besette.
Item nyemantz en is schuldich getuych toe draegen op syns seffs
(sie) guet het sy kondtschap ter wairheyt offte woet oick geschienn
soldt Dit is toe Galcker cortzledenn drymael gewesenn Dat lest tusschen
Braeckman Innd Derick verwer.
Item presciptio (sie) van Bryeven terminyert xxxv Jaerenn Innd
van Jairlixe pacht ungemaent xxvj Is oick prescriptio.
Item een besatt dat nyet vervolght en wurdt in veyrtien dae-
gen is bi sich seff (sie) desolaet.
Dat recht vermach vanden uytlenssen.
Dye gevangen is, Innd in beslaeten gefenckenish gesatt off bi ge-
bodeu op lyff Innd guet vangenisse thalden van synen vianden Want
untliep hy synenn herenn hi en behoerden niet beschermt te werdenn.
Item die over zee is teghen denn ungeloevigen Innd were hi oick
getaegen bi synen moetwille.
Item die uytter denn lande verbannen syn unnd die oir lyff ver-
boert hebben um meercklicke scheudelicke ^aekenn.
ISS Miseellen.
Woemen syn kint nnterveo macb.
Tlieo yerstea off dut kiiit eyaea vader oITte moeder sluege, Item
ton ttniiure offhi alyepe by syner Styffraoeder Thenn Derdenn offKi
troedt uyt der heiliger korat'iiihoyt It«iu ten vyerdenn offliyt mit ordflU
untid rucht verUerenu liedt Off tot den doede verordelt were.
Terwelp.
8. Karlsnibe. Auf der Geras rkung von Ettl ingeüw*iler bei
EttUiigeti zeigten siuh Ende vorigen Mon&ts beim UmpHiigen eioeB
Fclilen nnf diir Gewann „Bürgenäckor" in der Tiefe Spuren von Mau er-
werk. Auf Anregnng iW in Ettlingen wohnenden Mitglieder des KarU-
rulior Altorth um 8 Vereins, der Herren Oheraratmaiiu I.umpp, Oberföreter
Schrickel nnd Sömioardirektor Ostor, Hbbii der Groesli. CoDserrator
der AltertliQmer unter der Aufsiclit der genannten Herren GrabUDg«n
anstellen. Diese legten die Fundainente etnee Hauses bloss, deaaen
rnmiachor Ursprung durch zahlreiche dabei gefundene Fragmente ron
römischen Ziegeln, Ueizrühren, Wandbewurf mit fnrbiger Beualnng, so-
wie durch eine Schale von terra sigillata und ein Stück eines broDse-
nen ScblUasels bewiesen wurde. Es wurden die Grundmauern von vier
GernUcliern aufgedeckt, in deren einera noch fast vollständig der Boden
erbalten war, gebildet aus 4 — 5 cm dicken, 30 cm im Geviert bal-
tendcn Ziegeln, diu in einem Cementgnss eingebettet waren. Ein an-
deres der Gemächer lag etwa 50 cm tiefer als die übrigen; von hier
aus tiihrtpn OelTnungc-n in die beiden aus doppelten Wunden bestehen-
den Seitenmauern, in deren Innerem in der ganzen Ausdehnung ein hohler
Kaum hinlief: wohl die Ueste einer Heizanlage. An zwei Stellen lagen
noch die Thürachwellen; starke Quader mit vertieften Rinnen zur Auf-
nahme der Thilrzapfen. Die ganze Anlage konnte nicht aufgedeckt
werden, da die Fundamente in den benachbarten, schon angebauten Acker
sich hineinzogen. Immerhin ist damit das Vorhandensein einer rümischen
Niederlassuna' an diesem Orte festgestellt, eine Thatsache, die bisher
schon vermuthet wurde aus dem häufigen Vorkommen von Fragmenten
römischer Ziegel und Scherben auf deu benachbarten Feldern.
9, Mainz. Einen interessanten Alterthumsfund, der die bedeutende
Sanmilung der römischen Inschriften unseres Museums auFs neue be-
reichert, habeu die slndtischen Kanalbauten hinter dem Theater dahier
ergeben. Am 25. Sept. wurde er durch die die Bauten beaufsich-
tigenden Herren vom städtischen Dauamte, denen der Altert humsvcrein
grossen Dank schuldet, in das Museum geschickt. Es ist ein Sarkophag
aus gelbem Sandstein, dessen Inhalt zwar nichts Bemerk enswerthes bot. Weit
bedeutsamer ist der Deckel dieses Sarkophags. Es ist eine Platte aus
rotheui Sandstein von 2,25 m Länge, 55 cm Breite und 15 cm Dicke.
I
Misoellen. 169
Aaf den ersten Blick ist ersichtlich, dass diese Platte ursprünglich
keinenfalls als Deckel eines Sarkophags gearbeitet worden war. Viel-
mehr war es das lange Vorderstück eines Grabsarges, das vermuthlich,
weil der Sarkophag selbst wegen irgend einer Verstümmelung zum
Bergen eines Todten nicht mehr brauchbar war, zum Deckel zugehauen
wurde. Darum ist ein ca. 12 cm breiter Streifen von der unteren
Längenkante weggeschlagen. Die auf dieser Platte eingehauene Inschrift
des ursprünglichen Sarkophages ist glücklicherweise dadurch nicht ver-
letzt worden. Sie ist von der gewöhnlichen einfachen Randleiste um-
rahmt, deren unterer Streifen aus der angegebenen Ursache fehlt. Die
erhaltene Platte ist in drei Stücke zerbrochen (ein grösseres und zwei
kleinere), die jedoch genau zusammenpassen. Die vierzeilige Legende,
in schönen quadratischen Buchstaben ohne Abbreviaturen und Ligaturen
gehauen, lautet:
MEMORIAE . AETERNITATIS . QVINTIAE
QVINTINAE . FESTI . VICTOR . ET . QVINTI
NVS . FILI . MATRI . DVLCISSIMAE . FAC(I)
VNDVM . CVRARVNT
(Zum Andenken für die Ewigkeit Hessen der Quintia Qnintina, ihrer
geliebten Mutter, die Söhne Victor Festus und Quintinus Festus (dieses
Grabmal) bereiten).
10. Neuss. Ein Römergrab bei Norf und ein in einem
solchen gefundenes chinesisch es Giessgefäss aus der Mitte
des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung.
Wir unterlassen es nicht, die Aufmerksamkeit archäologischer
Kreise auf einen Fund zu lenken, der in seiner Art höchst eigenthüm-
lieh ist und zu wichtigen Folgerungen berechtigt.
Von dem mittleren Arm der Rh ein- Römerstrasse, welcher vor dem
Oberthor zu Neuss die östliche Rheinstrasse verlässt, um über Berges-
häuschen nach Norf und weiter zu leiten, geht am Südende letztge-
nannter Ortschaft ein nach meinen Beobachtungen römischer Weg in
der Richtung Illinghausen, über die Höhe am Norfbach auf Dormagen
zu. Auf dem Felde (früher „om Dresch" jetzt „die Dreispetz" ge-
nannt), das in dem schiefen Winkel liegt, der durch die Strassen ge-
bildet wird, wurden von Heinrich Nilgen schon mehrfach römische
Gräber aus der Mitte des ersten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung
gefunden. Im Düsseldorfer Localmuseum befindet sich der Inhalt eines
hier um das Jahr 1866 von Herrn Schmitz aus Norf biosgelegten
Grabes, der aus einer grossen gelblichen Urne, einem einhenkeligen
weissen Thonkruge mit langem Halse, einer reichverzierten dünnwan-
digen Schale aus fester terra sigillata und einer barbarischen Kupfer-
münze von Domitian besteht. Mit der Regierungszeit dieses Kaisers
stimmt auch der bestimmt aufgeprägte Charakter der Thongefässe über-
ein, eodasB daa ganze Grab ia die Mitt« des ersten Jahrhimderta ua-
serer Zi^itrechmiiig gesetzt werden muea. Bei einer Toa mir auf dieBsr
Begrab niaa stelle vürgenommenen Nachgrabung kam eine römiache ostrina
, zum Vorschein.
Dieser Tage ging in den Gesitz des Herrn 0. Rautert in Düsseldorf
ein Gegenstand über, der von genanntem Nil gen im Jahre 1873 zwischen
rämiachen Gefäasen neben dem beschriebenen Grabe gefunden wurde. Es
ist ein Qel'tlsa in Gestalt eines phantastisch gebildeten sitzenden Vogels
mit nmgerichtetem Kopfe. Auf dem Rücken desselben befindet sich
eine OeSnung, die zmn Eingieasen von Flüssigkeiten bestimmt und durch
ein kleines Deckelchen TerBchlgssen ist. Die Brust des Vogels zeigt
ein Röhrchen, das zum Ausgiessen des GefSssinbalts Verwendung ge-
funden haben mag, während der Schweif des Vogels die Anhaba
bildet. Die Masse der Verfertigung besteht aus jener rothen,
hellklingenden Thonmasse, wie wir sie nüch heute an der bekannten
chinesischen Waare benutzt finden ; lie ist nur etwas duukler in de^
Farbe. Mit der Masse der Vorfertigung stimmt auch der Stil and
höchst eigentbümliche Charakter überein und zwar so, daas man das
Gieasgofäsa für ein modernes chinesisches Erzeugniss halten würde, wenn
nicht die Umstände der Auffindung dasselbe in die Mitte des ersten
Jahrhunderts setzen würden; denn abgesehen von diesem Funde sind
auch anderwSrts im Rheinlande Gefäsae ciessolbon Stils in römischen
Gräbern dieser Zeit gefunden wordeu. Zunächst hat Fiedler Denk-
mäler von Vetera etc. Tab. S VI. Fig. 8 ein Giessgefäas, wie das unarige
und unter Fig. 5 und 6 zwei Teller dieses Stils abgebildet. Solche
Teller befinden sich ebenfalls im Museum zu Wiesbaden (man vergl.
auch über chinesische Gefässfunde das lieft in d. Jahrb. S. 17). Da nun
in dem Xantener Grabe, welches, worauf Fiedl er besonders aufmerksam
macht, von Houben selbst geöffnet wurde, eine Münze des Doroitiaa
aus seinem dritten Consulat (J. 7 7) lag, mit welcher Zeit auch der
Charakter der Beigef^sae übereinstimmt, müssen um die Mitte des er-
sten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung in irgendwie einer Weise Ge-
fässe von jenem durch die Natur von allen Ländern abgesperrten merk-
würdigen Volke in das Rheingebiet gelaugt sein, falls nicht der Nach-
weis geliefert werden kann, dass eo Gefässe chineBiuchen Stils damals
sonatwo angefertigt wurden.
Zur Zeit der b ata viachen Freiheitskriege fand bekanntlich ein
Wechsel der rheinischen Legionen statt. Es kann daher recht wohl
möglieb sein, solche Gefässe aus Asien reknitirten Mannschaften zuzu-
schreiben. Wahrscheinlicher jedoch acheint mir die Möglichkeit, dass
diese Gefäaae auf dem Wege des Handels in derselben Weise wie schon
Miscellen. 171
nachweislich in einer Zeit, in der die Dampfrosse noch unbekannt wa-
i*en, nach hier gebracht worden sind. Freilich sollen, soweit meine
Kenntnisse reichen, die ersten Fremden erst unter Huan-ti (147 — 168
nach Chr.) des Handels wegen zur See nach China gedrungen sein, wäh-
rend unter Ling-ti (168 — 189) aus demselben Beweggrunde eine rö-
mische Gesandtschaft China besuchte. Wenn wir aber die W^fifen der
Chinesen um die Zeit, der unsere Giessgefässe angehören, bis an das
Easpische Meer vordringen sehen, wenn wir ferner wissen, dass dadurch
China zuerst mit fremden Kulturgowächsen versehen wurde, dann sollte
man doch, wie nach der vergleichenden Gefässkunde so auch an der Iland
der Geschichte jenen Export chinesischer Waare für höchat wahrschein-
lich halten dürfen.
Auch das Feststehende der alten Kunstformen braucht nach kunst-
geschichtlichen Zeugnisse gar nicht aufzufallen. Wir sehen eben das
chinesische Volk seit den frühesten Tagen seiner Geschichte bis auf
heute auf fast gleicher CuUurstufe stehen, so dass ein Geschichtsschreiber
mit Recht sagt: „Man möchte sagen, seine ersten Gesetzgeber hätten,
mit ihren Eisenarmen die Nation ergreifend und an ihre Wiege pres-
send, ihr eine unverwüstliche Gestalt aufgedrückt, — sie so zu sagen
in eine eherne Form gegossen, so stark ist ihr Gepräge, so dauerhaft
bewährt sich ihre Gestaltung".
Wie ich früher manche bei Neuss gefundenen Glasurgefässe, so
hatte ich auch solche unter den römischen Gefässen hiesiger Gegend
fremdartig, ja modern erscheinende Erzeugnisse chinesischen Stils un-
beachtet bei Seite gelegt. Ich darf daher annehmen, dies kommt noch
heute bei Andern vor, und auf die Nothwendigkeit weisen, dass man
bei antiquarischen Funden alle Gegenstände, selbst diejeni-
gen, welche nach unseren, noch sehr im Argen liegenden
archäologischen Kenntnissen modern zu sein scheinen, be-
achten und bekannt machen muss.
Constantin Koenen.
11. Neuss. Römisch er Grabfund im Gnadenthalbei Neuss.
In Nr. 51 der Neusser Zeitung befand sich folgende Fundnotiz über
einen im Gnadenthal bei Neuss gemachten Grabfund, welche später in
Nro. 5 des Correspondenzblatts der Westdeutschen Zeitschrift für Ge-
schichte und Kunst überging. Da vielfach solche, offenbar nur für
das grosse Publikum bestimmten, flüchtig hingeworfenen Artikel in
archäologischen Zeitschriften Aufnahme finden, so möchte ich durch die
Veröffentlichung der Fundnotiz nebst von mir nach persönlicher Be-
sichtigung gemachter Charakterisirung der einzelnen Irrthümer nicht
nur auf die Nothwendigkeit einer vorsichtigen Aufnahme solcher Sachen
weisen, sondern zugleich an die Herren Correspondenten der Lokal-
173
HiioelleiL
blfttter die Bitte richtsn, doch ttets unter fQi arcbäologiBche Zwecke
verthvoIlB Mittheilungen ihren N&men zu setzen, damit eveiituell siuli
die Redakteure der FticiiKeitaehriften mit den Correapondenten in Ver-
bindung zu setüen im Stünde Bind.
„Der Herr Gntabesitzer Theodor Melchera, deaaen Freigebigkeit
Neusser Alterthnmsverein schon so manchee schätzbare Stück aeiner
Sammlung verdankt, hat dieser Tngc auf einer Parzelle Beines Gute«
Gnadenthal wieder einen höchst interessanten Fund gemaobt. Die Fund-
stelle findet sich in südwestlicher Kichtung von der EiBenbshnbrßoke
über die Erft, etwa 200 Schritte von dieser Brücke entfernt, mitten
in einer von keinem Wege berührten Ackerparzelle '), welche vor eini-
gen Jahren noch Wald war. Etwa 1 1 Zoll unter der Ackerkrumme
stiesa der Pflug auf einen 10 zu 12 Fusb grossen rechteckigen Be-
lag von TuiTsteinoii '). Nachdem diese entfernt woi-den, zeigte eicb.
Schutz über eine Leicheubrnndstätte gebreitet
Mitte des Rechtecks stand eine 30 Centimeter
lUB schwarz grauem Thon von der gewöhnlichen
line kleine von ganz gleicher Gestalt*), in wel-
eine Bronzemünze mit der Inschrift; Tiherina
I Caesar Auguatua '') lagen. Ferner fand sich ein kleines Bronse-
ron sehr gefälliger Form, dessen enger Hals sicli oben bedeu-
dasB dieser Belag
worden war *). In der
Form *) ,
eher Km
CkudiuE
Gefäss '
lische Urne
in derselben
dienoBche uni
tend erweitert ''). Das sehr zierlicb geformte Uenkelchen war leider
1) Die Fundstellu lieftt auf der rechten Erfteeite, c». 80 Schritte eüdwcst-
lich der EiBenliahnübergaogastelle und ca. 200 Schritte nordwestlich der ober
Bosellen, Scbliolierum und Norf leiteudeti RömerBtraBSe, welche zwiacbeu letz-
lerem Orte uud Gnadenthal die über Wevelinghoven nach Griiol in ({hausen lei-
tende Römerstraase (Casteratraaae) dur.cb ach neidet, um sich daim auf der rechten
Erftseile in der Nähe von Gnndenthal in den über Norf, Bergnahäuschen nach
Neuss leitenden mittleren Arm der Rheinrömeratraesa zu verlaufen.
2) Die gewölbartig aufgeführte Schutzmauer bestand allerdinga zumeist
aus rohen, ohne Mörtel aufgeführten Bruchatücken von Tuff, jedoch kam darunter
auch Devonische Grauwacka und Jurakalk vor,
3) Nach Aussagen des Herrn Mutchers war jedoch der Grabinhalt nicht
vom Leichen brande berührt.
4; Die 28 cm hohe und 20 cm im Durchmeieer ballcode Urne ist aus
blauem Thon recht dünnwandig zugedreht und zeigt dae charakteristische Rand-
proül der Gcsichtaurnen aus der Mitte des ersten Jahrh. Eine ähnliche Urne
hat Fiedler „Denkmäler von Caatra Vetera etc.", Tab. II, 1 abgebildet.
5) Dieselbe zeigt einen achmalen Rand. Die Höhe beträgt 10 cm, der
obere Durchmesser 7 cm. Vergl. eine gleichgeataltete bei Fiedler a. a.O. Tab. IV, 6.
6) A. Nackter Kopf mit Umschrift Claudius Caesar Aug. P. M. — R. Mi-
nerva mit Schild und Speer im Angriffe, an der Seite nach unten S. C.
7} Die Höhe beträgt etwa 11 cm, der stärkste Umfang 21 om. Es hat fast
Miscellen. 17S
abgebrocIieD. Kaum minder interessant ist eine neben der grossen Urne
aufgefundene Schale aus terra sigillata mit hübschen erhabenen Orna-
mentem auf der Aussenseite. Leider bt auch diese Schale zertrümmert
und, da mehrere Stücke fehlen, nicht mehr zusammenzusetzen ^). Ausser-
dem fanden sich einige Thränenfläschchen '), mehrere kleine Krüge aus
schmutzig weissem Thon s) und ein* paar Teller ^) aus terra sigillata etc.
Alle diese Gegenstände waren in Form einer Pyramide aufgestellt und
der Tuffstein-Belag darüber so angeordnet, um ihnen einen möglichst
wirksamen Schutz zu bieten ^). Auf dem ganzen von dem Tuffstein
bedeckten Platz lag eine grosse Menge von Holzkohlen, welche meh-
rere Körbe füllten und zum Theil faustdick waren. Die Erde darunter
war roth wie an Ziegelöfen und zeigte dadurch, wie durch die vielen
Kohlen, dass an der Stelle ein sehr starkes Feuer unterhalten worden
war «).
Wir bemerken noch, dass sowohl der Charakter der einzelnen Ge-
fasse, als auch die Art und Weise der Grabanlage mit dem Alter der
Münze übereinstimmt, so dass man mit Sicherheit den Grabfund in die
Zeit zwischen 41 — 54 setzen darf.
Gonstantin Koenen.
12. Steck bor n. Der im verflossenen Winter so ausserordentlich
niedrige Seestand wurde sehr fleissig zu Nachforschungen in Pfahlbauten
benützt. Die Station Feldbach bei Steckborn gehört zu den wenigen,
die nicht durch Feuer zerstört worden sind, während der Pfahlbau
oberhalb des Städtchens sogar zweimal niedergebrannt zu sein scheint,
wie aus den zwei voneinander getrennten Kohlenschichten hervorgeht.
die Gestalt des bei Fiedler a. a. 0. Tab. I, 2 abgebildeten einhenkeligen Kruges,
jedoch ladet der Halsrand weit aus.
1) Diese Schale besteht aus festgebrannter dünnwandiger terra sigillata
und zeigt den Stil derartiger Gefasse aus der ersten Hälfte der ersten Jahrhun-
derts unserer Zeitrechnung. Ihre Höhe beträgt ca. 9 cm, ihr Durchmesser
20 cm. Yergl. Fiedler a. a. 0. Tab. H, 5.
2) Zwei Stück von cylindrischer, sich nach unten erweiternder und hier
kuglig abgerundeter Form. Vergl. Fiedler a. a. 0. Tab. IV, 6.
8) Die beiden Krüge zeigen die strengere Form. Hohe 16 cm. Vergl.
Fiedler a. a. 0. Tab. VI, 3.
4) Dieselben gleichen der von Houben, Tab. II, 4 abgebildeten, jedoch
fehlt das untere Stäbchen des Aeusseren der Seitenwand, und diese Letztere ladet
nach einwärts. Die vorhandenen Töpferstempel sind unleserlich. Die terra
sigillata trägt den Charakter der Mitte des ersten Jahrhunderts.
5) In ähnlicher Weise waren viele der bei Bergeshäuschen gefundenen
Römergräber dieser Zeit geschützt. Vergl. Bonner Jahrbücher, Heft II, 4.
6) Nichtgenannte Fundstüoke sind 8 fibnlae, von denen 2 Stück 5 cm
und eine 6 cm Länge hat. Vergl. ähnliche bei Fiedler a. a. 0. Tab. IX, 15.
171 HiBeetlpD.
B«i Feläbach tttai nua dMker nsheza keine rerkoUtoa <
wohl aber lieferteo die Anegrabnngen eine prachtvolle 1
Stein- und Knochen werk zeugen, Zierrathen, Harpunen, gvaea 7SyS^,
Kenlen. Körbchen nns Weidengeäecht, Bastgeflecht«, Reste vod Bisoa,
Biber, Mnrmelthier, Wild- ontJ Torfschwein, Torfknh n. e. w.
In den anderen Pfahlbanten oberhalb deü Städtchens Iebm»«! cäne
MasB« Oeniten- nnd Weizeahömer. Feldbacken tod Hincbbom, StM>-
and Knochen wer ksenge, eine Harpune aus Ilirschhorn von ansgeseieh-
neter Schönheit, Zierrntben and eise Menge Thierreste znm Vorscheia.
Jenny.
13. Thon-Gewiehte. In Bezug anf meine in LXXU Jahrbuch S.9S
geüiiBBerte Anflicht Über die BeBchwcrateioe von Thon cooetatire ich dm
Fund sweier weiterer Stflcke mit kleinen in ^er Godenßäche hefiadlicben
Löchern zum E^nguBs von Blei. Dieselben Btammen aus dem Bonner
Castrnm und der römischen Villa zn Waldorl'. — Unser auswärtiger
Secretär in Lins Rector Dr- Pohl benachrichtigt mich. Haas aoch er die
gleiche Meinung über die Verwendung der Thon-Gewichte geäussert hab«.
Hätte ich davon zeitig Kcnntniss gehabt, wurde ich von dieser Ueberein-
etimmung mit der raeinerBeita am WinkelmannBffste 1879 euerat ufieotlieh
anigeaprocbeocn Ansicht gern Notiz genommen haben. Anderweitige Beab-
ftohtongen werden dorchans erwttascht aein.
Ana'm Woertb.
14. Mainz. Nachtrag zu S. H4 „Ein römischer floldring." In
Folge meiner Orientreiae im Frühjahr 1. J. erhielt ich nicht rechtzeitig Kennt-
niss von einer Mittheilung in dem Correapondenzblatt der Westdeutschen
ZtBohr. f. Geflch. n. Knnet v. 1. Mai 1882 Nr. 5 S. 35, 109, wonach ein
Ring gleicher Art in der Nähe von Zerf gefunden und für das Provinzial-
Muaeum in Trier erworben wurde. Wie ich nun inzwischen mich selbst zu
überzeugen Gelegenheit hatte, alimmt dieaea Stück vollständig nach Form,
Behsadlungaweise und inachriftlicher Bezeichuung mit dem oben S. 84 S. be-
sprochenen ilberein; namentlich theilt die la^chrift durchaus die hervorgeho-
benen Eigenthümlichkeiten nach Zeichnung und Ausführnng. Die Angabe a.a.O.,
daas der eraterwähnte Ring in der Umgegend von Mainz gefunden worden,
ist nach meinen Belegen zu berichtigen. Pofern die gleichzeitig erwähnten
Ringe in Peath (CIL III, 6019) und der ehemnl. Jansson'sche {Janaaen,
Gedenkt. Taf. 16) wirklich von deraelben Beschaffenheit sind, so wäre deren
Zahl bereits auf fünf geatiegeii, die von den entlegensten Fundorten her-
rührend und mit den unzweifelhaftesten Merkmalen der Echtheit versehen den
Gegenstand und dessen eigentliche Bedeutung mir um so merkwürdiger er-
scheinen lassen. Friedrich Schneider.
IV. Bericht über die Anthropologen-Versammlung
in Frankfurt a. M. yom 14.— 16. August 1882.
Mit besonderer Freade zogen die Anthropologen in diesem Jahre
nach der alten freien Reichsstadt, die von dem mächtigsten Stamme der
Deutschen den Namen liat, die Jahrhunderte lang die Wahl- und Krö-
nungsstadt der deutschen Kaiser war und ein Vorort des deutschen
Handels und Geldverkehrs, zuletzt auch Mittelpunkt des politischen
Lebens, Sitz des Bundestags und des Parlamentes, nach der Stadt, in
der die Wiege unseres gross ten Dichters stand. Jetzt ist sie eine der
schönsten und blühendsten Städte des neuen deutschen Reiches, aber
noch immer schauen von den Höhen des Taunus die altgermanischen
Steinringe herab in den fruchtbaren Maingau und der römische Grenz-
wall mit seiner Saalburg 1
Nach einer Vorfeier am Sonntag Abend in den Räumen des Palmengar-
tens und einer am andern Morgen schon um 7 Uhr vorgenommenen Besichti-
gung des historischen Museums unter Führung des Conserrators Herrn 0. G or-
n i 1 1 wurde um 9 V2 Uhr in der grossen Festhalle des Saalbaues die erste
Sitzung durch den Vorsitzenden, Herrn Prof. Lucae eröffnet. Derselbe
schildert die Entwicklung der anthropologischen Wissenschaft in den
letzten Jahrzehnten, in denen die Forschungen über die Abstammung
des Menschen, über den Zusammenhang von Mensch und Thier, über
die Schädelentwicklung und die verschiedenen Schädelformen in den Vor-
dergrund traten. Hervorragende Entdeckungen gaben die Veranlassung.
Im Jahre 1847 wurde der Gorilla gefunden und 18Ö1 von R. Owen
beschrieben, zu dem schon älteren Höhlenfunde von Engis kam 1856 der
des Neanderthaler Schädels. In das Jahr 1853 fällt die Auffindung der
Pfahlbauten. Mit dem Neanderthaler glaubte man sei die Brücke ge-
schlagen zwischen Mensch und Thier, aber die behauptete Aehnlichkeit
ist in Wirklichkeit nicht vorhanden. Die vorspringenden Augenbrauen-
bogen sind bei jenem durch die grossen Stirnhöhlen bedingt, bei den
Affen sind sie Knochenwucherungen. Der Engisschädel gleicht dem eines
Griechen nnd beweist, dass der Mensch der Urzeit die gleiche Bildung
wie der lebende hatte. Anch der menacfaliche Fusa zeigt nie
n&beruDg an den des Affen. Mit Becbt verwirft Luoae die Ansicht
Huicley'B, welcher zwischen Mensch and Gorilla geringere ftDntomieche
Unteracbiede annimmt, als die sind, welche zwischen diesem und den
nicdern Afien bestehen, er will aber auch Haeckel nickt beipflichten,
der den Menschen durch direkte von den Moneren durch die Tbierwelt
aufsteigende Descendenz entatanilen sein lässt. Er nenot loit
Reymoud diesen Stammbaum das Gebilde einer fesBeUosen Phantasie
nnd meint, dsss diejenigen, welche Darwin's Lehre in weiteren Kreisen
;ern suchen, deu Boden der exakten Forschung rerlassen haben.
Die Apostel der Hypothese Darwin's gelangten zum Haterinl:
milBsten mit Haeckel schon das Protoplasma für beseelt halten. Zu
' diesem Vortrage sei bemerkt, dass der Engis- und Neanderthaler Schä-
del iiD höchsten Grade verschieden sind und dass jener keineswegs älter
ist. Vogt's Meinung, dass jener das Weib, dieser der Mann derselben Rasse
sei, ist ganz unstatthaft. Eine üebereinstimmung im Bagittaleo Umrias de«
Engis- und eines Griechensehädels ist kein Beweis für deren gleiche
Bildung, für deu Grad der Intelligenz ist vorzüglich die Breitenentwick-
lung des Schädels das Bestimmende. Der Umstand, dass die Augen-
brauenbogen des Neandertlialers hohl, die des Gorilla dichte Knochen-
Bubstanz sind, ist nicht wesentlich, auch hei alten Affen giebt ea Stirn-
höhlen. Wenn Lucae beim japanischen Seiltänzer, der den Fubb wie
id gebrauchte, keinen anatomischen Unterschied fand, so ist ein
solcher, der die grössere Abstellbarkeit der grossen Zehe beweist, beim
Torgeechichtlichen Menschen bereits nachgewiesen. Dass endlich, wie
Lucae zeigte, der Schädel des Affen und der des Menseben in ent'
gegen gesetzter Richtung sich fortentwickeln, widerlegt die Thatsacbe
nicht, dass sie ursprünglich einander nahe stehen.
Hierauf begrüsste Oberbürgermeister M i q u e 1 die Versammlung
im Namen der Stadt. Er versichert, dass die Bürgerschaft den anthro-
pologischen Forschungen das grösate Interesse entgegenbringe und die
Männer bewundere, die aus den erhaltenen Ueberresten uns ein klares
Bild der ältesten Vergangenheit durch vorsichtige Schlüsse zu entwerfen
wussten. Hier sei althistorischer Boden, von kundigen Männern durch-
forscht, welche den Gästen die Fuhrer sein werden. Die Samminngen
der Stadt konnten mit denen einer Hauptstadt nicht wetteifern, aber
sie seien aus der Bürgerschaft selbst hervorgegangen. Diese werde be-
strebt sein, sich jede neue Errungenschaft zu eigen zu machen and
werde den Ruf der Stadt, eine gastliche zu sein, zu wahren suchen.
Sodann begrüsst Herr Dr. Fridberg als Geschäftsführer die Gäste
im Namen der wissenschaftlichen Vereine der Stadt. Ihr gemeinsames
Interesse an den bevorstehenden Verhandlungen bezeichne den Geist der
vom 14.— 16. ÄDgast 1882. 177
hentigen Anthropologie, die man eine nniversitas literarnm nennen könne.
Er legt die von den Herren A. Hammeran, Fr. Kinkelin and
G. Lucae verfasete Festschrift vor. Die Reihe der Vortrage begann
Sohliemann, der unter Vorlegung von Zeichnungen und Funden über
seine neuesten Ausgrabungen in Troja berichtete. Der Gedanke, dass
das alte Ilios grösser gewesen sein müsse als die von ihm in 8 m
Tiefe gefundene kleine Ansiedelung von höchstens 3000 Einwohnern,
Hess ihn am 1. März mit 150 Mann die Arbeit wieder beginnen, wo-
bei ihn diesmal die Architekten Dörpfeld und Höfler unterstützten.
Beim Freilegen griechischer und römischer Fundamente wurde ein kleiner
und ein grosser dorischer Tempel entdeckt, diesen darf man für das
von Strabo (XIII 593) erwähnte Heiligthum der Pallas Athene halten,
ferner ein dorischer Portikus und ein grosses Thor der Akropolis, an
dem auch jonischer und korinthischer Stil sich finden. Ein in dem
Fels ausgehauenes Theater für 6000 Menschen ist mit Trümmern von
Statuen und Säulen gefüllt, die zum Theil zu Kalk gebrannt sind, da-
runter ein Relief mit Romulus und Remus. In der untern Stadt wurde
ein grosses Gebäude biosgelegt, wahrscheinlich das Forum. Hier lagen
in allen Gräbern und Schachten unter den hellenischen und römischen
Gebäuden grosse Haufen von Thonscherben der ältesten Ansiedelung,
die von einer 2 m dicken Mauer aus mit Lehm verbundenen kleinen
Steinen umgeben war. Von hier zeigte er eine Axt aus Nephrit und
eine Scherbe mit Eulengesicht. Eine Schuttmasse verbrannter Ziegel,
die Schliemann auf eine Feuersbrunst bezogen und der 3. Stadt zu-
getheilt hatte, erwies sich als der Rest von 1 m 20 — 25 dicken Zie-
gelmauem, die erst, nachdem sie aus rohen Lehmklumpen aufgebaut
waren, durch grosse auf beiden Seiten angebrachte Feuer künstlich ge-
brannt worden sind. Zwei Tempel zeigen dieselben Mauern, die hier
ausgesparte Längs- und Querlöcher haben, die vielleicht mit Holz ge-
füllt waren. Der Lehm zwischen den Ziegeln ist hart gebrannt wie
diese. Die obern Theile der Mauern sind wenig oder fast gar nicht
gebrannt. Diese Beobachtung wirft ein unerwartetes Licht auf die in
ihrem Ursprung dunkeln verschlackten Burgen des westlichen Europa.
Die Tempel hatten eine horizontale Bedachung aus Holz und Lehm.
Es fanden sich darin grosse Bronzenägel, Streitäxte, Messer und Nadeln
aus Bronze, Thonwirtel und Thoncylinder, Schleudersteine und kleine
Sachen aus Elfenbein. Man erkannte die Spur von Holzpfosten an
Mauern und Thoren. Drei andere Gebäude auf der Akropolis konnten
nicht genau aufgenommen werden, weil der türkische Beamte Verdacht
schöpfte und glaubte, es handle sich um Aufnahme einer in der Nähe
befindlichen türkischen Festung. In der obern Stadt wurden nur we-
nige Gold- und Silbersachen, aber viele bronzene Armbänder, Streitäxte,
12
^
V
178 Beriolit über die ÄnthTopologen- Versammlung in Frankfart a, M,
Dolehmesser and ein bronzenea Idol mit Eulenkopf gefunden, vielleiobt
eine Nachbildung des in Holz geschnitzten Palladiums, femer Steinäxte,
Hnndmühl steine, Kornquetacher, SchleudergBachosao, einea von 1 1 3 0 gr
Gewicht. ScUliemanu untersuchte auch 4 Tumuli, darunter die an-
geblichen Gräber dos Achill und Patroolus. Sie sind jünger ab der
trojanische Krieg. In dem ersten fand sich eine bronzene Pfeilspitze,
Gin Eiseonagel, rohe Topfaoherben, aber auch gut gebrannte, schwarz,
gelb oder roth glanirte Terrakotten, Aehnlichea lieferte das Grab des
Patroclua, in beiden war keine Spur von Knochen, Äacho oder Kohlen.
Der 126 ni lange und noch 10m bohe Uügel des Protetiilaos ist mit
Scherben schwarzer Terrakotten bedeckt, deren eingeschnittenes Omft-
ment mit weissem TLon gefüllt ist. 8 chl iemann irrt aber wohl, wenn er
glaubt, dass diese Scherben, die ihren Glanz bewahrt haben, 4000 Jahre
sn der Oberfiücho liegen. Er fand auch steinorae Hummer. Dia weitere
Arbeit wurde untersagt. Auch aaf andern alten Stätten der Umgebung
liesB er graben, Kumal in den Buinen auf dem Bali Dagh, die einst fflr
Ilioa gehalten wurden. Er unterschied hier aus 2 Epochen Mauern ans
grossen anbearbeiteten Blöcken und solche ans behauonen nnd regel-
mässig geschichteten Steinen, bei jenen lagen rohe, grobe Scherben,
bei diesen glacirte aus dem 4. und 5. Jahrhundert. Als Dauptergeb-
nisB bezeichnet er die Auffindung einer grossen Stadt in der Ebene von
Troja, die auf Hissarlik nur ihre Akropolis mit den Tempeln hatte.
Nun sprach Vircbow über Darwin uad die Anthropologie. Ei-
sagt, wenn oinn raiichtige Gestalt, witi die DarwLn'e, aua dem Kreise
der Lebenden scheide, so erbebe sich daa Bedürfniss, die Gesammtbeit
der Eindrücke zu sammeln und zu prüfen, was der Mann seiner Zeit
war nnd wie viel davon für die Zukunft von Bedeutung bleiben wird.
Schon der Vorsitzende habe es ausgesprochen, dass qlie anthropologische
Gesellschaft in ihrer Hajorit&t die strengere Richtung der Wissenschaft
vertrete und mehr auf dem Boden der empirischen Forschung stehe.
Er glaubt, dieselbe werde vielleicht auch in Zukunft es als einen ibrer
Ehrentitel in Anspruch nehmen können, dass sie selbst in derjenigen
Zeit, wo die Wogen des Darwinismus am höchsten gingen, die Besin-
nung nicht verloren habe. Schon in der natu rphilosoph lachen Scbule,
deren sich die älteren M&nner noch erinnern, sei der Gedanke des Trana-
formismus allgemein angenommen, nur nicht so scharf formniirt gewesen,
als in der Lehre Darwin's. Aus der Stellung der Medizin in jener
Zeit, aus der sich die Zoologie erst herausgebildet habe, erkläre es
sich, dass gerade in der Pathologie der Transformismus in seiner voll-
endetsten Gestalt erschien, wie wir es bei Friedr. Ueckel finden, der
schon in der Entwicklung der höheren Thiere die ganze Entwicklung
der Natur sich wiederholen liesa. In der Erklärung der Missbildongen
vom 14.— 16. August 1882. 179
Würde das Gesetz durchgeführt und viele wurden als Hemmungsbil-
dungen bezeichnet. Aber die Naturphilosophie ging weiter und fing an
zu konstruiren anstatt zu beobachten. Da er schon einmal diese Ent-
wicklung durchgemacht, so sehe er mit Aengstlichkeit zu, was aus den
Dingen werden würde und trete gelegentlich dagegen auf. Habe doch
der gewaltige Aufschwung der Naturwissenschaft erst begonnen, als die
naturphilosophische Richtung unterdrückt war. Er fordert mit dem Vor-
sitzenden dazu auf, in der streng empirischen Richtung zu bleiben und
sich nicht durch die Sirenenklänge der poetischen Naturanschauung ver-
führen zu lassen. Doch möchte er etwas abbrechen an der herben
Kritik, die Lucae geübt hat. Man müsse sich doch bewusst bleiben,
dass in dem, was sich immer wieder von Neuem so gewaltig vollzieht,
ein Kern der Wahrheit stecken müsse, den man niemals ganz aus den
Augen verlieren dürfe. Die nachhaltige Bewegung der Geister, die im
Laufe eines Jahrhunderts zweimal auftrete, knüpfe an gewisse Forderungen
und Fragen an, denen sich Niemand entziehen könne. Wo kommen wir
her? Gibt es eine Entwicklung vom Niedern zum Höhern? Schreiten
wir vorwärts oder zurück im Sinne jener Lehre vom verlorenen Para-
dies? Darwin hat zwei Hauptfragen in seinem Werke über die Spccies
eigentlich unerörtert gelassen, die nach dem Ursprung des Menschen und
die nach der ersten Entstehung des thierischen Lebens. Wenn man
annimmt, dass der Mensch aus irgend einer andern Lebensform hervor-
gegangen, die nicht menschlich war, so ist es gar nicht nothwendig,
dass diese gerade ein Affe war. Die zweite Frage, wo sind die Thiere
hergekommen, haben erst deutsche Forscher in eine Art noth wendigen
Zusammenliangs mit der ersten gebracht. Yirchow hält beide nur
ftü* koordinirt, man könne ein Transformist sein, ohne an die generatio
aequivoca zu glauben und umgekehrt. Er meint, es habe wohl selten
eine Periode gegeben, in der so grosse Probleme auf so leichtsinnige,
ja thörichte Weise behandelt worden seien. Jeder Mensch der sich be-
mühe, ein Thier oder eine Pflanze auf dem Wege der Urzeugung her-
vorzubringen, leide Schiffbruch. Das gestehe nun auch selbst Haeckel
zu. Auch die Bacterien, die als Ursache so vieler Krankheiten jetzt beschul-
digt werden, kommen von aussen her. Die Milzbrandbacterien wachsen viel-
leicht auf einer sumpfigen Wiese, aber nur auf Grund der erblichen Fortpflan-
zung, ebenso wie die Gräser, die neben ihnen stehen. Woher weiss
dies Virchow? Theoretisch, sagt er, ist die generatio aequivoca ganz
ausgezeichnet, aber, wo wir ein minimales Körperchen sehen, ist es eine
Fortpflanzung von etwas Früherem. Hat denn dies Jemand beobachtet?
Virchow, der sich stets auf die empirische Forschung beruft, ist
doch hier in der Theorie befangen, welche die Urzeugung läugnet.
Doch nennt er sie eine Forderung des menschlichen Geistes und lässt
Bogat die Bibel sich zu derselben bekennen, nach der der M.eDscb auf
dem Wege mechaniscber Entwickluag aus unorganischen Stoffen hervor-
gegangen sei. Er vergisät hierbei, dasa in dieser Darstellung doch erst
Gott dem Erdeuklos die Seele einbliea. Anch die VorBtellung, dass der
Menacb aas einem niedern Tbier eutstandeu, hält <
Postulat, aber thatsnchlich bat sich nichts von den Uebergangen er-
1 werdenden
fertig. Praktisch hat uüb
starke Behauptung,
Igt. Man kann doch nicht die
zahlreichen Merkmalen des Scbädele und
die thieriacbe Form erkennen l&sat
sowol als bei dem Menschen der Vor-
zeit begegnet, so ohne Weiteres ausser Betrachtung lai
gar nicht vorbanden wäre. Es muss vielmehr Jede Untersuchung über
den Ursprung des Menschen an diese Thatsache anknüpfen. Virchow
lässt Darwin sagen, wenn innerhalb des Thierreicbs der Transformia
Menschen gehen, d
Entwickini
ren Experimenten auf dei
thieriscbe Natur hat.
nn der Mensch
l der Mediz
Voraussetzung
E)r mochte die
Mikroscop
r auch für dei
und erkennt an, dass d
I Physiologie ta
I der Menacb
e lieber als mit dem Stammbaum mit der Frage beschäftigt
ind die einzelnen Völker her? Dsa
eist nach, daes die Braunen und die Blonden nur durch die
des braunen Pigmentes verschieden sind, aber dass dies vom
Klima aijhängt, sind wir zu sagen nicht im Stande, denn warum giebt
es in Amerika keine Blonden und keine Schwarzen? Doch müsse mao
in der Untersuchung fortfahren, oh nicht die Lebensverhältnisse den be-
sonderen Typus hervorbringen. Er verfolge jetzt die Erscheinung der
Platyknemie der Tibia, die man bei sehr alten Bevölkerungen und hei
Wilden gefunden. Es sei ein Irrthum Broca's, diese Form pithekoid
zu nennen, er selbst bezweifle, dass sie ein Zeichen niederer Entwick-
lung sei, er habe sie in Gräbern Trans -K au kasiens und der Troas ge-
funden, also bei Völkern, die in der Kunst vorgeschritten. Eine be-
sondere Art der Muskelaktion müsse sie hervorgebracht haben, die sich
bei jeder Bevölkerung entwickeln könne, während Busk eine niedere
platyknemische Kasse für das ganze alte Europa angenommen habe.
Das Studium der Schädel zeige, dass er sich in verschiedenen Medien
nicht verändert habe. Kollmann habe alle Haupttypen der Schädel-
nnd Gesichtsbildung bis zur Mammuthzeit zurück v erfolgt , von da an
gebe es nur Mischung. Virchow sagt, er sei in diesem Punkt mehr
geneigt, Darwinist zu sein. Die anthropologische Wissenschaft zeigt
Tom 14.— 16. Augfui 1882. 181
ihm überall den Gegensatz zwischen dem logischen Postulat und der
praktischen Erfahrung. Die inhaltreiche Rede Virchows ist nicht frei
yon Widersprüchen, er liebäugelt bereits mit dem Transformismus und
man darf erwarten, dass er in nicht gar ferner Zeit sich ihm ganz er-
geben wird.
In der Nachmittagssitzung legt zuerst Frl. von Torma zahl-
reiche Funde von Stein- und Knocliengeräthen, sowie Thonwaaren aus
einer 1 — 3 m mächtigen alten Culturschicht bei Broos in Siebenbürgen
vor. Gewisse Zeichen auf den Scherben deutet die Kednerin als Schrift-
züge und vergleicht sie ähnlicheu, die Schliemann zu Hissarlik aus-
gegraben. Auch andere gebrannte Thonsachen, Figuren und Idole, welche
dieselbe auf den Dienst der Artemis, der Astarte und des Baal be-
zieht, gleichen den in Ilios und auf Cypern gefundenen, was auf die
gleiche Bevölkerung an diesen Orten und im alten Dacien schliessen lasse.
Sodann zeigt Dr. Gross seine neuesten Funde von AuvergDier
am Neuenburger See. Vierzig Gussformen beweisen eine hier bestan-
dene Metall giesserei. Er fand ein prächtiges Schwert, verzierte Arm-
bänder, Halsketten, mit Zinnplättchen geschmückte Töpfe und solche
mit Schnurverzierung, von Menschenresten einen dolichocephalen Schädel
mit stark vertiefter Schläfe und orthognathem Kiefer. Eine neu ent-
^deckte Ansiedelung zu Finelz am Bieler See lieferte 2 0 Stück kupferner
Werkzeuge, Dolche, Meissel, Nadeln und Amulette, Feuerstein messer in
Holzfassung, Geflechte und Netze. Er schliesst daraus auf eine der
Bronzezeit in der Schweiz voraufgegangene Kupferperiode, die in Nord-
amerika, in Ungarn und Portugal bereits nachgewiesen und durch manche
Funde auch für Deutschland wahrscheinlich geworden ist. Für die
Pfahlbauten der Westschweiz nimmt er 3 Perioden an: 1) eine früheste,
durch roh bearbeitete Geräthe, kleine Steinbeile, Hirschhorn Werkzeuge
und spärliche Nephrite bezeichnet. 2) die Blüthezeit des Steinalters
mit vollkommnern Werkzeugen aus Hirschhorn, Holz und Feuerstein,
schön gearbeiteten Serpentinbeilen, zahlreichen Nephrit- und Jadeitbeilen.
3) eine Kupferzeit, die zwischen die jüngere Steinzeit und die Bronze-
periode zu setzen ist. Es folgte der Jahresbericht des Generalsecretärs
Ranke. Er gedenkt einiger erwähnenswerther Ereignisse des verflos-
senen Jahres, der festlichen Begehung des ()0. Geburtstags Yirchow's
in Berlin, des Abschlusses der Untersuchungen über die Yertheilung des
blonden und dunkeln Haars in Deutschland und des Umstandes, 4^^^
sich die meisten deutschen Craniologen über eine gemeinsame Methode
der Schädel messung geeinigt hätten. Nachdem er der zahlreichen Un-
tersuchungen auf allen Gebieten der Anthropologie gedacht, verweilt er
in der Aufzählung von Schriften, welche sich auf Gebräuche und Sitten
unserer Vorzeit beziehen. R, Henning betrachtet das heutige ost-
182 Bericht ober die AnthropologeD-Vi'rsammlung zu Fraukfart a. M.
friesische, sächsische nnd holsteinisohe BauerahaDB, H. Rauke zeigt,
dass die alte Feidgemeinscbaft lange Zeit sich in Baiern erhalten hat,
von Schulenburg schildert das Spinnen und eeiue Beziehungen zum
häüBliohpD Lehen, Barthels die altdeutechen Spiele, das Verzehren von
Heiligenbildern, das Versüblueken von Kleiderreaten Veratorbener, Seh warst
den himinliacheD Liclitbaum in Sago und Cultus. Erat sah man ihn io
den Wolken, dann übertrug man ihn saf irdiBcbe BSame. Zuletzt weist
er auf J. Undset'a Werk: „das erste Auftreten des Eisens in Nord-
irichte erstattet. Schaaffhau sen
legte als neue Beiträge zum anthropologischen Katalog die gedrackten
Verzeichnisse der ethnologischen Sammlnngen von Darrostadt und Frank-
furt, sowie die von Dr. Ra bl-Rücfcb ard verfasste 1. Abtheilung des
2. Tbeils des Berliner KutalogB vor. Aach der Münchener ist durch
Prof. Bndingor fertig gestellt. Der Umstand, dass in der erateren
Arbeit das Geschteeht von 37 Schädeln unter 72 als zweifelhaft be-
zeichnet ist, vcraulasBt ihn, auf die Merkmnie hinzuweisen, die er ftls
die des weiblichen Schädels bezeichnen zu können glaubt und bei der
Versaromlnng in Berlin besprochen hat. Je mehr sich solche vereinigt
finden, um so sicherer ist das Urtheil. Einzelne kann auch der Dtäno-
Uohe Schädel an sich tragen. Es war ihm Auffallend bei Untersuchnng '
des ScIjSdelabgnsses Raphaek in Rom Bolche aufzufinden und er steht
nicht an, das Zarte und Änmuthige in den Schöpfungen Rnphaels da-
mit in Beziehung zu bringen. Sprechender kann die Verknüpfung von
Leib und Seele im Menschen sich nicht äussern, als dass in der knö-
chernen Hülle des Seele corgans und dem Gesichtsskelete sich die beson-
dere Art der psychischen Thätigkeit nach erkennen lässt. Er zeigte
dann eine Handzeichnung von Leonardo da Vinci mit einer durch Linien
bezeichneten Eintheilung des menschlichen Gesichtes. Die Horizontale
des gerade nach vorn sehenden Kopfes schneidet, vom Ohrloch aus ge-
zogen, das untere Drittheil des Nase. Das ist die schon von v. Baer
empfohlene und vom Redner für den wohlgebildeten Sch&del anerkannte
Horizontale, die durch Neuerungen leider verdrängt worden ist. In
Bezug auf die Winkelmessungen am Kopfe macht er auf die Kritik der
bisherigen Verfahren durch F. BoBsel-Hagen aufmerksam, der mit
Recht einen modificirten Caniper'echen Winkel als den einzig brauch-
baren zur Bestimmung des Gesichtsprofils bezeichnet. Dasselbe muss
aber in seiner Neigung gegen die natürliche Horizontale bestimmt wer-
den. Auch ist Gesichtsprofil und Prognathismus nicht dasselbe. Cam-
per legte seine schräge Linie auch an die Stirne an, was man ganz
übersieht. Was die Volumbestimmung des Schädels angeht, so hat E.
Schmidt den vom Redner vor 3 Jahren gelieferten Nachweis, daas
vom 14.— 16. August 188d. 183
das Broca'sche Verfahren zu hohe Werthe gibt, durch umsichtige Versuche be-
stätigt, doch ist sein Vorschlag, dasselbe wegen seiner Genauigkeit bei-
zubehalten unter Anwendung yon Keduktionstabellen, nicht zu empfehlen.
In Bezug auf primitive Merkmale am Schädel führt er die Beobachtung
E. Roths, dass die Verschmelzung der lamina ext. des proc. pterygoid.
mit dem grossen KeilbeinAügel bei niederen Rassen häufiger ist und die
neue Untersuchungsmethode der Erhebung der Nasenbeine von Merej-
kowsky an, welche zwar bestätigt, dass diese mit der Cultur zunimmt,
aber einer Verbesserung bedürftig ist. Virchow legt hierauf mehrere
neue Karten vor, welche die Verbreitung der hellen und dunkeln Haare
und Augen in Deutschland zur Anschauung bringen. Die helle Bevöl-
kerung, die so deutlich im Norden vorherrscht, dringt, wie sich zumal
im Kanton Bern zeigt, bis mitten in die Schweiz vor. Von Ost und
West drangen in Süddeutschland dunkle Stämme ein, vielleicht waren
es die Kelten. In der Schweiz waren es nach Kollmann die Rhätier,
die sich besonders im Kanton Tessin crlialten haben. Fr aas berichtet
über die Arbeiten zur prähistorischen Karte. Es erscheine als das Ge-
eignete, für die einzelnen Theile Deutschlands besondere Karten ausar-
beiten zu lassen, mit deren Anfertigung Major v. Tröltsch unausgesetzt
beschäftigt sei.
Am zweiten Tage fand der Ausflug nach Bodenheim statt, wo
auf dem alten Rheinufer, etwa 150 Fuss über der Thalebene, auf wel-
chem in der Nähe noch heute Kirche und Begräbnissplatz sich befln-
den, fränkische Reihengräber eröffnet wurden, deren Skelette und Bei-
gaben den am Mittelrhein so zahlreichen Grabfunden aus dem 5. — 7.
Jahrhundert sich anschliessen. Reste von Eisenwaffen, ein Glasbecher,
ein Bronzezängchen, eine schwarze Vase mit Tupfen, ein Bronzering,
Glasperlen und eine spät römische Münze waren die eben nicht reich-
lichen Funde. Die Lage dieser Gräber weist, wie an andern Orten,
auf eine noch viel ältere Zeit zurück, in der die Ebene noch Sumpf
oder gar noch Flussbett war. In Mainz wurde Mittagstafel im Gutten-
berg gehalten, wo Dr. Wentzel die Gäste begrüsste. Lucae liess
die Stadt, in der im Jahre 1870 die anthropologische Gesellschaft ge-
gründet wurde, leben. Virchow den hochverdienten Lindenschmit,
der durch Unwohlsein am Erscheinen verhindert war. Den Herren
Bontant, 0. Donner und Hammeran wurde für ihre Führung ge-
dankt. Gegen 4 Uhr fand die Besichtigung des römisch-germanischen
Museums statt, der lehrreichsten aller Alterthümer-Sammlungen. Im
Hofe waren die Pfeiler der römischen Rheinbrücke aufgestellt, von denen
einige noch den Stempel der 14. Legion tragen, auch von der 22. fand
sich ein Stempel. Der Extrazug traf um 1 0 Uhr wieder in Frankfurt ein.
In der Morgensitzung am 16. August sprach zuerst Herr v. Ran
184 Baricht über die Aothropologen-Versammiang rn Frankfurt a. M.
über den Pflug, deoaeu verschiedene Arten er in zahlreichen Uodellen
ausgestellt hatte. Er findet sich früh in Aejfypten, Amerika kannte ihn
nicht, auch nicht das Innere von Afrika. Er hält ihn in aeinem Ur-
sprange für eine Kachahmnug des menschlichen Fnsses. Die Haeke
scheint ebenso alt, ihre 4 Zinken erinnern an die i Finger. Man er-
kennt sie auf etruskischen Vasen. Solche Gerät he dienten anch als
Waffen, wie in neueren Zeiten noch die iiolnische Sense. Alte Völker
lockerten den Bodeu anch mit Thierhürnen und spitzen Steinen.
Kacb diesem Vortrag fand die Yorstandewahl statt. Zam ersten
Vorsitzenden wnrde Vircho w, zum zweiten Lncae, zum dritten Scbaaff-
hanseu gewählt, als Ort der nächsten Versammlung Trier, eum Oeschäft«-
führer daselbst Direktor üettner. Den Cassenheriolit erstattete Weis-
mann. Die Gesellschaft zählt 2250 Mitglieder und für 1882/83 ist die
Summe von TS83 Mark für Pahlikationen und Unterstützung wissenscbaft-
licher Arbeiten verfügbar.
Es folgte der Vortrag von Dr. Neubürger über das Verhaltniss der
Sprach forscliung zur Anthropologie. Die Empfindung als ein Inneres kann
nicht durch Bewegungsgesetze erkUrt werden und das menschliche Denken
wäre wisBenschaftlich nicht zu erforschen, wenn ea sich in der Sprache nicht
verkörperte. Die Sprache aber kann zur Aufstellung einer Urgeschichte
des Geistes verwendet werden, wie es durch Lazarus Geiger geschehen
ist. Das Studium des Sanskrit belehrte uns, dass der ganze Wortreich-
thuro der Sprache aus einer geringen Zahl von Wurzeln entsprungen ist,
die eine selbststiindige Efklilrung verlanjjcn. Dass VVorte durch N'achah-
mnng von Tliierlanten entstanden sein sollen, verspottet M. Müller als
W au- W au- Theorie. Er meint, der Mensch habe in der Urzeit eine jetzt
Anschlag von i
^er zeigte, dass
hnet, sondern dl
Zusamm
verlorene Fähigkeit besessen, auf d
mit einem Laut zu antworten. G
Lant einen bestimmten Begriff bez
jeden Laut bezeichnet werden kann. E
stimmten Lauten und Bogrifl'eD besteht
Worten ihre bestimmte Bedeutung gegebt
icht.
Metall
nicht ein bestimmter
}B jeder Begriff dnreli
in hang zwischen be-
der Zufall hat den
Die Entwicklung der Bedeu-
tung eines Wortes folgt übereinstimmenden Gesetzen; die begrifflichen
Uebergange der Wörter
begriS'e sind nicht Äbstraktio
denen das Besondere übersebi
wisse Farben keine Worte, si
Dieselbe Armuth findet man
Werkzeuge, dii
sind, beweisen,
ging die Sprach
llen Sprachen dieselben. Die Allgemein-
in, sie sind die ersten Wahrnehmungen, in
wird. Die alten Sprachen haben für gn-
nnterscheideu noch nicht das Blau und Grfis.
bei beutigen Wilden, Die Namen gewisser
I Verrichtungen der menschlichen Hände hergenommen
die Sprache älter ist, als das Werkzeug. Nach Geiger
Schrei aus, den eine Gesichts Wahrnehmung
hervorrief. £r lässt die Sprache der Vernunft voiausgehen. Der Redner
vom U.— 16. August 1682. 185
bofilt, dass auf 6eiger*8 ForscbuDgen sich, wie es Locke forderte, eine
Lehre vom Ursprung der Begriffe werde gründen lassen. Hierauf sprach
Dr. Flesch über das Gehirn des jüngsten mikrocephalen Kindes der Fa-
milie Becker. Dasselbe konnte mit 6 Jahren nicht sprechen und nicht
gehen^ zeigte aber ein gewisses iSIaass von Intelligenz und Zuneigung zum
Vater. Es fanden sich Spuren des Hydrocephalus internus, der Occipital-
nnd die Parietal-Lappen hatten keine Windungen. Die Mikrocepbalie ist
nicht immer auf die Mutter zurückzuführen. Ein Fall weist auf Ueber-
tragung durch den Vater. Sie ist ein krankhafter Process der frühesten
Lebensperiode und die theromorphe Bildung eine Folge desselben. Mehlis
spricht über den am Gebirgspass der Hardt gelegenen „Eisenberg^S das
Rufiana des Ptolemäus. Es ist eine Fundgrube werth voller römischer
Bronzen. Man findet vorrömische Gräber mit dazwischen liegenden Schlacken-
halden. Wo die Römer eine lebhafte Eisenindustrie betrieben, da bestehen
auch heute noch bedeutende Eisenwerke, wie die von Gicnanth. Naue
zeigt Funde aus 3 Grabhügeln von Pullach bei München, ein Eisenschwert
mit Bronzegriff, eine Spirale und Nadel, Scherben mit schwarzen und rothen
Zickzackstreifen. Virchow berichtet über seine Reise in den Kaukasus
und stellt zahlreiche Photographieen von Grabfunden aus. Diese kommen
ans dem Lande der Osseten, die man für die Vorfahren der Germanen ge-
halten hat; dieselben zeigen eine Reihe sich kreuzender Cultureinflüsse,
die in den Kaukasus hineingetragen sind. Es finden sich persische Karneol-
perlen, indische Kanrismnscheln, Bernstein. Gewisse Thierfiguren machen
orientalischen Einfluss erkennbar. Die Bronze ist Edelbronze, zu der das
Zinn eingeführt sein musste. Eine Form der Fibula mit grossem Bügel
wird auch in Italien, am schwarzen Meer wie in Gräbern der Troas gefun-
den. Eigentbümlich sind langgestielte Bronzebleche, die sich bei den Arau-
kanem Südamerika's wiederfinden, wo sie in den Haarschmuck eingeflochten
werden. Es hat sich keine Thatsache ergeben, welche über die Abstam-
mung der germanischen Stämme hätte Licht verbreiten können. Schaaff-
hausen lenkt die Aufmerksamkeit auf vorgeschichtliche Denkmale und
Funde im Rheinland. Innerhalb des Steinringes auf dem Petersberge im
Siebengebirge liegen, bisher von Erde bedeckt, gewaltige Basaltblöcke in
einer Weise aufeinandergethürmt, dass man den Steinhaufen, der nun frei
gelegt ist, nicht für eine natürliche Bildung halten kann, sondern als ein
megalithisches Denkmal deuten darf. Die fernere Untersuchung wird zeigen,
ob hier eine Grabstätte ist, wie man sie selbst unter erratischen Blöcken
in Frankreich gefunden hat, oder ein Opferplatz vermuthet werden darf.
Die Peterskapello erinnert an den Donardienst. Südlich vom Siebengebirge
befindet sich auf dem Asberg ein bis dahin nicht beachteter Steinkegel, an
den sich ein den Berg hinaufziehender Steinwall anschliesst. Die regel-
mässige kreisrunde Böschung und die fast gleiche Grösse der Steine, lassen
12*
18G Bericht über ilis ADtbi-opologcn-YersammluDg zu Frankfurt b. M.
hier das Menschen werk erkennen. Hinter dem Walle liegt ein Steinring.
Er erwähnt dann die neu entdeckte HQhle voa Steeten an der Lahn und
die in derselben gefundenen 3 wohl erhaltenen Seh Sdel, die der van Brocft
beschriebenen Rasse von Cro-Maguon sehr iihnlich sind, aber nicht tcie diese
in die Mammuthzeit gesetzt werden können. Die Schienbeine der Begra-
benen siud pUtyknemiBch. Diese Beltsame Form hnt Broca schon 1866
als durch die Muekelthätigkeit hervorgebracht gedeutet und der Redner
1873 mit der sciiwachen Entwicklung der Wadenmuskeln bei rohen Völkern
in Beziehung gebracht. Die grossen Seh ä de! -Volum in n darf mau nicht ohna
Weiteres mit einer hoch entwickelten Intelligenz in Zusammenliang bringep.
Zuletzt berichtet er über die Auffindung von Menschen resten, Kohlen und
Feuersteinmessörn in einer Mergeigruhe bei Metternicb an der Mosel. In
derselben Anschwemmung, aber 10 Fuss tiefer, liegeu die Knochen quater-
närer Thiere, so dsss, deutlicher als in den Höhlen, beide Funde durch
eine lange Zeit getrennt sich erweisen, denn die letzten sind angeschwemmt,
jene verrathen eine Ansiedelung und sind von aussen in die Erde einge-
graben. Tiachlor erklärt eine kunstvoll verzierte Bronzecyete von Watsch
in Krain, es ist darauf eine Leichenfeier dargestellt. Dieselbe scheint der-
selben Zeit anzugehören, wie die Funde von Hall Stadt und die der Certoaa
von Bologna. Fraas zeigt ein grosses flaches Stein meaBer von Quarzit aoB
Michigan. Diese Form kommt bei uns nicht vor. Zwei ähnliche aus Peon-
sylvanien besitzt das historische Museum in Frankfurt. Zum Schlüsse sprach
noch Dr. Wilser ßlier Kelten und Germaueu. Die ersten sollen im Norden
und Westen Europas gewohnt und sich nach Südeu und Osten verbreitet
haben. Kelt bedeute soviel als Held. Die ältesten Volks- und Ortsnamen
in Europa seien nicht mit der heutigen keltischen Sprache, sondern mit
dem germanischen Sprachschatze zu erklären. Die Kelten seien blond und
blauängig gewesen, wie die Germanen. Diese seien nicht von Osten, son-
dern von Korden gekommen, wo der blonde Typus am häufigsten sei. Hen-
ning widerspricht dieser Ansicht. Die Kelten seien von den Germanen
verschieden, sie sassen nach Herodot in frühester Zeit auf der iberischen
Halbinsel, ihrem abgesonderten Wohnsitz entspreche die von allen übrigen
scharf geschiedene Sprache. Er rühmt für die Kenntnisa des Keltischen
die nicht genug geschätzten Arbeiten von Zeuss. Wolgan, Welsche nannten
die Germanen die ersten Kelten, die ihnen entgegentraten, wie sie die west-
lichen Nachbarn Wenden nannten. Die Grenze beider Völker war der
herkynische Wald, südlich von ihm sind alle Namen keltisch. Die Regen-
bogenschüsselchen werden nnr im Keltenland gefunden.
In der Nachmittagssitzung schildert zunächst Klopfleisch Reste
alter Wohnungen, Flach- und Hügelgräber bei Goaseck unfern Naumburg,
die er mit Mitteln der Gesellschaft durchforscht hat und bespricht dann die
Grabhügelfunde im rotheu Haag und auf dem Hundarflck, bei Stettea und
vom 14.— 16. Augast 1882. 187
Sondheim vor der Rhön. Krause macht Mittheilnngen über das Reihen-
gräberfeld yon Rossdorf bei Göttingen, das er einen weit nach Norden vor-
geschobenen Posten, den Sachsen angehörig, nennt. Hier scheint Theilbe-
stattnng vorzukommen, wiewohl Müller die Gräber schon für christlich
hält. In der Nähe ist der altdeutsche Heerweg und der Hünenstollen, eine
alte Yerschanzüng. Ein Riesenstoin zeigt scheinbare Fingereindrücke, es
sind Auswachsungen. Die Ausbeute der Gräber war gering, eine Urne hat
das Mammellen-Omament, welches auch in Cypern vorkommt. Jetzt nahm
Sepp das Wort. Nicht Höhlen, nicht Schädel erforsche er, aber Sagen
und Mythen der Urgeschichte. Frankfurts Gründung reiche in das germa-
nische Alterthum zurück, das bewiesen die Namen der ältesten Kirchen.
Leonhard sei der Name eines alten Gottes, Nikolas mit den 3 Nornen eine
mythologische Person, ßartel, Bartold sei ein Beiname des Wodan. Hier
habe die Yggdrasil gestanden, die heilige Esche, wonach die Eschenheimer
Gasse den Namen habe. Der nächste Vortrag führte zurück zur Craniologie.
K oll mann fragt, was ist eine Rasse? Stellt ein Volk nicht nur nach
Sprache und Sitte, sondern auch anatomisch eine Einheit dar? In diesem
Sinne glauben Einige, dass die germanische dolichocephale Rasse die Trä-
gerin einer bestimmten Cultur sei. Er habe die Ansicht, dass die Germanen
Abkömmlinge mehrerer Rassen seien. Alle Nationen seien aus Mischungen
entstanden. Die Darwinische Züchtung sei seit der Diluvialzeit nicht mehr
wirksam. Seine Forschungen hätten ihn gelehrt, dass der Mensch seit jener
Zeit sich nicht mehr verändert habe. Nur vor der Glacialzeit hätten sich
die höheren Formen aus niedern entwickeln können. Das bewiesen auch
die Thiere, das Rennthier sei unverändert, ein sogenannter Dauertypus.
Nicht in der Profillinie des Gesichtes liege ein Fortschritt, sondern in der
Hirnbildung des Menschen. Die That der Geister bringe die Einheit in die
Rassen. Man darf wohl fragen, ob denn Leib und Seele keinen Zusammen-
hang haben, die menschliche Cultur hat riesenhafte Fortschritte gemacht,
und Hirn und Schädel sollen dabei sich nicht verändert haben? Wo hat
denn Kollmann den Typus des Neanderthalers und den von la Naulette
heute gefunden, ist nicht selbst der schmale lange Schädel der germanischen
Reihengräber schon verschwunden? Ranke bemerkt, dass das Gehirn in
Folge grösserer Thätigkeit auch eine grössere Entwicklung zeige, das der
Stadtbewohner sei im Durchschnitt grösser als das der Landleute. Die
Blondheit oder ßraunheit seien somatische Kennzeichen, die bei Vermischung
der Rassen sich in höherem oder geringerem Grade vererben. Meissner
habe in Schleswig gefunden, dass die Blonden auch einen besondern soma-
tischen Menschenschlag darstellen. In Baiern lasse sich kein Einfluss der
blonden Beschaffenheit auf die Körpergestalt nachweisen, was für eine voll-
kommene Mischung spreche. Vi r c h o w sagt, die Einheit sei mehr ein Bequemlich-
keitsbedürfnisB unseres Geistes, während die Erfahrung uns zur Mehrheit
188 Beriaht über die Anthropologea-VerBammlimg tu Franlifiirt a. BI,
ziehe. Auch er glaube, dass die Germanea, als sie einwanderten, nicht
mehr eine reiae Rasse waren. Er halte eine Umwandlung auch in der Ge-
genwart für möglich, dns blosse Zurück verlegen des Transform Ismus nach
Kollmann hrioge keiapn Nutzen. Darwin habe seiue besteji Beweise
für denselben von solchen Thieren liergenommeti, welche auf kleine Wohn-
orte z. B. Inseln beschränkt seien. In gleicherweise milsaten solche Inseln
auch das Feld der anthropologischen Untersuchung werdou. Er gesteht
seine Begeisterung für die Einheit des Menacbengeschl echtes, doch nennt er
sie einen sentimentalen Gedanken! Nachdem noch Becker über die R&-
merstrasson im Odcuwald gesprochen, wo er 3 Strassenzüge bezeichnet»,
war um 6 Uhr die Reibe der Mittheilungen erschöpft nnd Lucae schloBs
mit einem Danke an seine Mitbürger, die ihn so thätig unteretiltzt, die
Versammlung.
Am andern Morgen fuhr man um S'/a Uhr unter strömendem Regen
nnvenagt nach Hamburg, wo im Saalburg-Muaeum Herr Curdirektoi t.
Schulze die Forscher hegrüsste und der Vereins Vorsitzen de Herr Jaoobi
die trefflich geordnete Sammlang erklärte. Dann folgte die Auffahrt va
Saalborg. Mit doppeltem Interesse wurde das von Herrn v. Cohansen httchst
zweckmässig restaunrte Caatruni nnd der nahe Pfahlgrabeu besichtigt, nach-
dem das Homburger Muaeuo) mit seinen reichen Funden ein voilstöndig«*
Bild dea römischen Lehens jener Zeit gegeben hatte. Auch der Steinwall
auf dem Leibeskopf wurde noch besucht, den indessen Viele, selbst Schlie-
msnn, ,fQr eine natürliche Bildung halten wellten.
Schaaffhauaeu.
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UniTcriiitiU-Bncbdrue
D Ou-l Oaorgt In Bonn.
hrb. des Verems v. AlterÜmmsfr. im Rbemi Heft LXXIll.
Taf. I.
Minerva.
gTATUETTE VON pRONZE.
Iirb. des Vereins T. AUirlliums/r. iv, Rlietnl. Heß LXXIII.
Tu/. I.a.
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