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Full text of "Bonner Jahrbücher"

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A 


5 


I  f 


4. 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


/    ./  . 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXX. 


■^ 


MIT  4  TAFELN  UND  3  HOLZSCHNITTEN. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BONN,  BEI  ADOLPH  MARCUS. 

1881. 


ri^T-^',  ^c, .  ^«ii 


■^   * 


L    Oescliiclite  und  Denkmäler. 


I.  Römische  Funde  in  Mainz. 

Hierzu  Taf.  I. 


Die  im  Laufe  des  Sommers  1880  sehr  eifrig  geforderten  Kanal- 
bauten haben  aus  dem  an  Resten  römischer  Kultur  so  reichen  Boden 
von  Mainz  mannigfache  Dinge  von  historischem  und  archäologischem 
Interesse  zu  Tage  gebracht:  Thonscherben,  Stücke  von  Gefässen  in 
terra  sigillata;  auch  sind  Fundirungen  von  Gebäuden  und  Hypokausten- 
anlagen  aufgefunden  worden. 

Am  4.  August  aber  kamen  an  der  Stelle  der  Stadthausstrasse, 
wo  die  Franziskanerstrasse  mündet,  dem  für  die  Geschichte  der  Buch* 
druckerkunst  so  bedeutsamen  Brauhause  «Zum  Gutenberg«  gegenüber, 
höchst  interessante  Steinskulpturen  zum  Vorschein: 

1)  Eine  kleine  Ära  von  51  cm  Höhe  und  18  cm  Breite.  Sie  zeigt 
die  so  vielfältig  bekannte  Form  der  Hausaltäre  mit  dem  schalenförmi- 
gen flachen  Aufsatz  auf  der  oberen  Fläche  und  trägt  keine  Inschrift 

Dagegen  ist  von  weit  grösserer  Bedeutung: 

2)  Ein  Votivaltar  des  Jupiter  optumus  maxumus  (Fig.  1),  der 
jedenfalls  in  einem  privaten  Lararium  gestanden  hat.  Die  Ära  hat 
bei  52  cm  Höhe,  32  cm  Breite;  der  Sockel  und  die  Randleisten  sind 
einfach  profilirt.  Was,  ausser  der  Inschrift,  diesem  Skulpturwerke  Be- 
deutung verleiht,  ist  die  auf  der  oberen  Fläche  auf  einem  Sessel 
thronende  37  cm  hohe  Rundfigur  des  Jupiter.  Ohne  Zweifel  hat  zu 
den  Füssen  des  Gottes  der  Adler  gesessen;  noch  ist  zur  Seite  des  bis 
über   den  Knöchel  hinaus  abgebrochenen  linken  Fusses  (das  rechte 

1 


■>»       i 


2  Römische  Funde  in  Mainz. 

Bein  ist  noch  äi^er  verstümmelt)  die  in  den  Stein  eingelassene  Eisen- 
klammer erhalten,  mit  der  der  heilige  Vogel  des  Göttervaters  befestigt 
war  und  die  zugleich  zum  Festhalten  der  Statue  diente;  (bei  der  1878 
bei  Igstadt  gefundenen  sitzenden  Jupiterstatuette,  die  jetzt  im  Wies- 
badener Museum  aufgestellt  ist,  ist  der  Adlerleib  gefunden  worden, 
vgl.  A.  Duncker:  Historisch-archäologische  Analekten  aus  der  römi- 
schen Kaiserzeit  I.  Zwei  neue  Jupiterstatuen  aus  den  Rheinlanden. 
Wiesbaden  1879).  Das  in  energischem  Faltenwurfe  geordnete  Ge- 
wand hüllt  die  unteren  Partieen  unserer  sitzenden  Statue  ein ;  von  der 
linken  Schulter  fällt  das  Ende  des  Gewandes  über  die  Brust  herab.  An 
dieser  Stelle  fehlt  der  Arm;  der  Einsatzzapfen  ist  mitsammt  dem 
Arme  aus  dem  Loche  gewichen,  und  dieser  nicht  aufgefunden  worden. 
Wie  bei  allen  sitzenden  Jupiterstatuen  war  der  linke  Arm  erhoben, 
und  die  Hand  hielt,  hochoben  fassend,  das  Scepter.  So  muss  die  Ig- 
städter  Figur  ergänzt  werden ;  so  ist  die  Haltung  des  linken  Armes  an 
dem  gleichfalls  1878  zu  Trier  gefundenen  Jupiterbilde.  Der  rechte  Arm 
ruht  auf  dem  seitlich  geneigten  rechten  Beine;  die  Hand  wird  wohl  kein 
Attribut  gehabt  haben,  wie  dies  von  Jupiterbildern  nachphidiasischer 
Zeit  mehrfach  bezeugt  ist.  Die  ganze  künstlerische  Behandlung  der 
Götterfigur  ist  in  ihrer  Weise  vortrefflich  und  für  die  Feststellung  des 
Jupitertypus  höchst  bemerkenswerth.  Bei  aller  handwerksmässigen 
Starrheit  in  der  technischen  Ausführung  gibt  sich  in  dem  Bilde  eine 
hohe  und  wahrhaft  künstlermässige  Intuition  und  eine  verständnissvolle 
Auffassung  des  pathetischen  Jupiterideales  der  späthellenischen  Zeit 
kund,  so  dass  man  vermeinen  sollte,  der  Künstler  habe  ein  bekanntes 
Bild  des  Gottes  als  Muster  vor  sich  gehabt  Die  Behandlung  des 
Barthaares,  die  überaus  voll  und  kräftig  gebildeten  Muskeln,  die  zu 
mächtigen  Ringeln  geballten  Locken  des  Hauptes,  die  eine  hohe  Stim- 
locke  krönt,  die  tiefe  Falte  in  der  Stirn  erinnern  augenfällig  an  den 
theatralisch  bewegten  Typus  des  Jupiter,  dessen  landläufiger  Kanon 
der  Zeus  von  Otricoli  ist  Der  Thronsessel,  dessen  Rückenlehne  giebel- 
förmig  zuläuft,  ist  an  den  Seiten  und  im  Rücken  mit  einem  Tuch- 
faltenwurfe drapirt,  wie  der  Sessel  der  trierer  Jupiterstatuette. 

Die  Ära  trägt  die  schwer  zu  lösende,  man  könnte  sagen  räthsel- 
hafte  Inschrift: 

10  •  M  . 
M  •  P  •  P  • 
V-  S- L  • L- M  • 


Römische  Funde  in  Mainz.  8 

Vollkommen  klar  ist  die  erste  Zeile  als  Widmung  an  den  Jupiter 
optumos  maxumas.  Auch  die  dritte  bietet  keine  Schwierigkeiten.  Sie 
ist  zu  lesen :  votum  solvit  (je  nach  der  Deutung  der  zweiten  Textzeile 
vielleicht  auch:  solvens)  laetus  lubens  merito,  die  gewöhnliche  Votiv- 
formel  auf  einer  Unzahl  von  Altären. 

Die  zweite  Zeile  jedoch  bietet  in  ihrer  räthselvoUen  Kürze  nicht 
geringe  Schwierigkeiten.  So  viel  indessen  steht  unbestreitbar  fest,  dass 
wir  in  der  Ära  unmöglich  eine  öffentliche  Stiftung,  sei  es  einer  Ge- 
nossenschaft Qder  einer  Gemeinde  oder  eines  Truppentheils,  erblicken 
dürfen  und  dass  demgemäss  Erklärungen  wie:  municipium  pecunia 
publica  oder  publice  posuit  und  ähnliche  unbedingt  ausgeschlossen 
sind.  Von  anderen  Gründen  abgesehen,  gestattet  die  geringe  Grösse 
des  Votivaltars  es  nicht,  an  eine  öffentliche  Schenkung  zu  denken; 
vielmehr  haben  wir  es  hier  mit  einer  Privatstiftung  zu  thun,  die,  auf 
privatem  Grund  und  Boden,  in  der  Hauskapelle,  dem  Lararium  oder 
Sacrarium^  aufgestellt,  den  Namen  des  Stifters  und  Besitzers  in  knapp- 
ster Kürze  tragen  konnte.  In  diesem  Sinne  spricht  sich  Herr  Pro- 
fessor Dr.  E.  Hübner  in  Berlin  aus,  dessen  Begutachtung  wir  die  In- 
schrift alsbald  nach  ihrer  Auffindung  unterbreitet  haben,  und  sein 
Vorschlag,  in  den  Buchstaben  M-P-P  die  Anfangsbuchstaben  des 
Namens  des  Besitzers  und  Stifters  des  Altärchens  (also  etwa:  Marcus 
Pomponius  Pius  oder  sonst  irgend  einen  Namen  mit  den  entsprechen- 
den Anfangsbuchstaben)  zu  erkennen,  dürfte  sich  unbedingten  und  all- 
gemeinsten Beifalls  erfreuen^). 

3)  Das  dritte  Skulpturfundstück  (Fig.  2  u.  8),  das  an  jener  Stelle 
dem  Boden  enthoben  wurde,  ist  eine  prächtige  geschuppte  Säule,  die  in 
drei,  zum  Theil  leicht  sich  zusammenlügenden,  grösseren  und  mehreren 
kleineren  Bruchstücken  erhalten  ist.  Die  Säule  hat  eine  Basis,  aus 
Tonis,  Plättchen  und  Hohlkehle  gebildet,  und  war  offenbar  von  dem 
Akanthuskapitäle  gekrönt,  das,  an  derselben  Stelle  gefunden,  in  seinen 
Ma&en  zur  Säule  völlig  stimmt.  In  der  Mitte  des  Schaftes  sind  die 
Schuppen  durch  ein  flaches  Querband  unterbrochen.  Besonders  an- 
ziehend aber  ist  dieses  dritte  Bildwerk  durch  drei  Götterfiguren,  die 
in  hohem  Relief,  vom  Grunde  sich  ablösend,  aus  dem  Schafte  der 
Säule   heraustreten:   Juno,    Minerva   und   Mercurius.      Die  Figuren 


1)  Herrn  Prof.  Dr.  J.  Beoker  in  Frankfurt  a.  M.  haben  wir  gleichfalls  am 
sein  Gntachten  ersucht;  aber  bis  jetzt  haben  wir  leider  noch  keine  Gelegenheit 
gehabt,  die  Antwort  dieses  Kenners  einzuholen. 


4  Bömiache  Faade  in  Mainz. 

zeigen  in  soi^ältiger,  etwas  steifer  Behandlung  die  Oötter  in  der 
so  oft  wiederkehrenden  typischen  Darstellnng;  Juno  (Fig.  2)  trägt 
den  Schleier;  in  der  Linken  eine  Cista  haltend,  giesst  sie  mit  der 
Rechten  den  Inhalt  der  Opferschale  aber  den  Altar  ans,  anf  dem 
die  Flamme  des  Brandopfers  lodert;  Minerva  (die  oberen  Partieen 
fehlen)  (Fig.  3)  ist  mit  der  Lanze  dargestellt,  den  Schild  auf  den 
Boden  stützend;  Mercurius  (Fig.  3]  trägt  die  Flügelklappe,  in  der 
ßechtai  den  Cadacens,  in  der  Linken  den  Beutel. 

Die  sämmtlichen  erwähnten  Funde  tragen  starke  Brandspuren; 
sie  lagen  in  Brandschutt  eingebettet,  umgehen  von  grossen  Stücken 
verkohlten  Eichenholzes.  Ohne  Zweifel  hat  an  dem  Fundiirte  ein 
grosses  rCmischea  Gebäude  mit  mächtiger  Balkendecke  gestanden,  das 
hei  irgend  einer  Katastrophe  in  Feoersgluth  unterging. 

4)  Zu  Anfang  des  Oktobers  hatte  Herr  Lieutenant  Wagner 
Tom  117.  Infanterieregimente  die  Freundlichkeit,  dem  Direktor  des 
Vereins  zur  Erforachung  der  rheinischen  Geschichte  und  Alterthümer, 
Herrn  Dr.  L.  Lindenschmit,  mitzutheilen,  dass  in  dem  Heumagazin 
der  Mansterkaseme  ein  römischer  Inschriftstein  Uege,  und  es  wurde 
dieser  alsbald  dem  städtischen  Museum  einverleibt  Jedenfalls  war  der 
Stein  in  alterer  Zeit  als  Baustein  verwandt  und  dem  Bedflrfniss  ent- 
sprechend zugehauen  worden.  Vielleicht  aber  war  er  schon  in  seiner 
ursprünglichen  Aufstellung  in  ein  Bauwerk  eingefügt  und  hatte  die 
Bedeutung  einer  Votivplatte,  um  darauf  zum  zweiten  Male,  diesmal 
iiber  seiner  sakralen  Bestimmung  entfremdet,  als  Werhitein  zu  dienen 
und  eine  Verstammelung  zu  erleiden.  Das  vorhandene  Stück  ist  75  cm 
hoch,  44  cm  breit,  45cm  dick;  drei  Seiten  sind  rauh,  die  vierte  trägt 
die  Inschrift,  darunter  eine  Querleiste.  Die  Fläche  links  vom  Be- 
schauer ist  von  oben  bis  unten  fast  gradlinig  abgehauen,  so  dass  die 
Verükalleiste  und  einige  Buchstaben  der  Inschrift  weggefallen  sind. 
Auch  auf  der  andern  Seite  muss  ein,  freilich  nur  sehr  schmaler,  Streifen 
al^enommen  worden  sein,  da  die  Leiste  noch  zu  erkennen  ist  und  die 
vorhandenen  Inschriftzeilen  am  Schlüsse  keine  Buchstaben  vermissen 
lassen.  Der  obere  Theil  der  Inschrift  ist,  Über  einen  Raum  von 
15  cm,  mit  Absicht  ausgetilgt,  so  dass  noch  einielne,  allerdings  ganz 
nnbrauchbare  Striche  das  einstige  Vorhandensein  von  Inschriftworten 
kundgeben.  So  wenig  ein  Zweifel  darüber  bestehen  kann,  dass  der 
oberste  Theil  der  Inschrift  absichtlich  ausgelöscht  worden  ist,  so  un- 
möglich erscheint  es,  über  Grund  und  Zweck  dieser  Tilgung  auch  nur 
eine  Vermuthung  zu  äussern. 


Römische  Funde  in  Mainz.  5 

Die  vorhandenen  Inschriften  lauten  wie  folgt: 

lllllllllllllllllllll 
ORE  •  SAG  R 
AI  G-SEXTiVS 
ELIX  •  IN  •  SVO 

L  M 
ORE  kann  nur  ein  Dativus  Singularis  femini  Generis  sein,  wie  so  häufig 
die  Dativendung  AE  in  der  Form  E  auf  Inschriften  vorkommt.  In 
Mainz  findet  sich  BELLONE  (vgl.  Becker,  die  röm.  Inschriften  und 
Steinsculptur.,  Mainz,  V.  v.  Zabem.  1875,  No.  82),  LVNE  (a.  a.  0.  No.  80), 
DVLCISSIME  (a.  a.  0.  No.  237),  ROSMERTE  (a.  a.  0.  No.32)  u.  a.;  ausser- 
dem ABNOBE  (Corp.  Inss.ßhenn.  No.1690),  BVRORINE(a.a.O.No.46) 
DIANE  (a.  a.  0.  No.  1134),  FORTVNE  (a.  a.  0.  No.  70)  u.  s.  w.  Damach 
sind  wir  berechtigt^  den  Rest  =ORE  zu  FLORE  =FLORAE  zu  ergän- 
zen. Diese  Ergänzung  wird  durch  die  Beobachtung  gestützt,  dass  vom 
nur  ein  geringer  Theil  der  Inschrift  weggefallen  sein  kann:  in  der 
zweiten  erhaltenen  Zeile  ein  V  und  ein  Strich  des  M,  in  der  dritten 
ein  F.    Demnach  ist  der  vorhandene  Theil  der  Inschrift  zu  lesen: 

FLORE    SACR 

VM  •  G  •  SEXTiVS 

FELIX  .  IN    SVO 

L  •  M  • 

(  ...  der  Flora  geweiht ;  Gajus  Sextius  Felix  [liess  die  Ära  errichten] 
auf  seinem  Grund  und  Boden  geme,  nach  Gebühr).  Die  vor  FLORE 
getilgten  Buchstaben  sind  vielleicht  zu  ergänzen:  lO-M  oder  MERCVRIO 
(vgl  Galendarium  Farnesinum,  wo  Mercurius  und  Flora  zusammen 
aufgeführt  werden).  Dass  Flora  eine  im  römischen  Kultus  verehrte 
Gottheit  war,  ist  vielfach  bezeugt;  ihren  Tempel  nahe  am  Gircus  ma- 
xumus  erwähnt  Tac.  Ann.  II,  49.  Die  Actt.  fratr.  Arv.  führen  sie 
öfters  auf.  Als  Votivgöttin  kommt  sie  inschriftlich  vor  (Orell.  1620). 
(Zweifelhaft  ist  ihr  Name,  sowie  die  Aechtheit  der  ganzen  Inschrift 
Orell.  1318).  Nach  allem  glauben  wir  kein  Bedenken  tragen  zu  dürfen, 
den  Rest  ORE  auf  der  besprochenen  Inschrift  zu  FLORE  zu  ergänzen 
und  den  Votivstein  als  der  Flora,  vielleicht  in  Verbindung  mit  einer 
anderen  Gottheit,  errichtet  anzusehen. 

Dr.  Jakob  Keller. 


t 


6  Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrheiu. 


2.  Die  Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrhein. 

(Hierzu  Tafel  II.) 


Mone  hat  in  seiner  verdienstvollen  Urgeschichte  des  badischen 
Landes  den  römischen  Flussbau  und  die  Wasserbauten  am  Oberrhein 
mit  jener  Vorliebe  behandelt,  welche  ihn  veranlasste,  wie  auch  in 
seinen  Ansichten  über  den  römischen  Ursprung  der  meisten  alten  Bur- 
gen unseres  Landes,  etwas  zu  weit  zu  gehen. 

Vor  Allem  ist  festzustellen,  wie  die  Gestaltung  des  Rheinlaufes 
und  der  in  das  Rheinthal  einmündenden  Flüsse  in  der  Zeitepoche  war, 
als  die  Römer  die  ZehnÜande  besetzten,  und  welche  Arbeiten  sie  zur 
Gultur  der  Rheinebene  vorgenommen  haben  dürften.  Es  ist  auch  hier 
die  Behauptung  Mone*s  zu  berichtigen,  dass  die  Flüsse  in  alter  Zeit 
eine  grössere  Wassermenge,  als  jetzt  gehabt  hätten.  Der  Regennieder- 
schlag, der  von  dem  heutigen  wenig  abweichend  gewesen  sein  dürfte, 
wurde  zur  Römerzeit  durch  die  fast  ganz  mit  Wald  bedeckten  Fluss- 
gebiete mehr  als  heutzutage  zurückgehalten,  wo  durch  die  Ausholzun- 
gen und  Bodenkulturen  die  Wassermengen  rascher  abfliessen  und  da- 
durch die  Wasserläufe  schneller  anwachsen.  Bei  Flüssen  ohne  geregel- 
ten Lauf  und  ohne  entsprechende  Eindrumungen  sind  die  Aufstauun- 
gen in  Folge  unregelmässiger  Geschiebeanhäufungen  und  die  Uferan- 
griffe, welche  durch  das  Serpentiren  des  Thalweges  erzeugt  werden, 
oft  so  verheerender  Art,  dass  man  die  Hochwassermassen  gerne  zu 
überschätzen  geneigt  ist 

Urkundlich  ist  über  den  römischen  Flussbau  am  Oberrhein  nichts 
bekannt,  und  das  Zurückführen  einzelner  arbeiten  auf  römischen  Ur- 
sprung beniht  nur  auf  Vermuthungen. 

Es  liess  jedoch  Kaiser  Valentinian  zur  Sicherung  seines  munimen- 
tum  (Gastell)  gegen  die  Angriffe  des  Neckar  einen  Wasserbau  am  Rhein 
ausführen,  den  sein  Geschichtschreiber  Ammian  Marcellin  beschreibt, 
und  auf  welchen  wir  unten  zurückkommen.  Gewiss  ist,  dass  die  Römer, 
die  unter  Drusus  schon  in  den  Niederlanden  grossartige  Kanalbauten 
unternahmen,  auch  am  Oberrhein  thätig  waren,  und  manche  nützliche 
Ableitung  der  Flüsse  in's  Werk  setzten. 

Um  ein  kleines  Bild  zu  geben,  wie  unser  badisches  Rheinthal 
zur  Römerzeit  ausgesehen  haben  mag,  und  wie  es  sich  mit  dem  Ost- 
rhein oder  dem  sogenannten  deutschen  Rhein,  der  am  Gebirge  entlang 


Wasserbauten  der  Römer  in  den  ZehnUanden  am  Oberrhein.  7 

vom  Breisgau  bis  zur  angeblichen  Einmündung  in  den  Rhein  bei 
Mainz  (Trebur),  welchen  so  viele  ältere  und  bewährte  Alterthumsfor- 
scher  befürwortet  haben,  verhalten  hat,  müssen  wir  auf  die  vorge- 
schichtliche Zeit  zurückgehen,  als  sich  der  See  oder  das  sogenannte 
Mainzer  Becken  bei  Bingen  entleerte. 

Nach  diesem  grossen  Ereigniss  lag  auf  der  starken  Kiesanschüt- 
tung des  Rheinthaies  zwischen  dem  Schwarzwald  und  Odenwald  einer- 
seits und  den  Vogesen  anderseits  eine  Schlamm-  und  Sandmasse,  in 
die  sich  der  Rhein  von  Basel  her  einzugraben  anfing  und  zwar  ser- 
pentirend,  wie  jeder  Fluss,  dem  es  in  der  Ebene  am  nöthigen  Gefälle 
zur  rascheren  Fortbewegung  mangelt. 

Diese  Sand-  und  Schlammmassen  warf  er  dann  zu  beiden  Seiten 
auf  und  gestaltete  auf  diese  Weise  die  Hochgestade,  in  die  er  theil- 
weise  seine  Serpentinen  auf  eine  Ausdehnung  von  durchschnittlich 
6  km  eingrub,  wie  diess  am  Oberrhein  überall  deutlich  ersichtlich  ist. 
^  Den  zahlreichen 'Seitenflüssen,  die  dem  Rheinthal  vom  Schwarz- 
wald und  denVogesen  aus  zuströmten,  verspeiTte  dieser  aufgeworfene 
Rücken  des  Hochgestades  den  Ausgang  und  sie  suchlen  ihren  Weg 
längs  des  Gebirges,  Giessen  und  Seen  bildend. 

Es  ist  eine  falsche  Ansicht  wenn  man  glaubt,  ein  mit  stärkerem 
Gefäll  in  einen  Hauptfluss  einmündender  Seitenfluss  suche  diess  im 
spitzen  Winkel  oder  abwärts  zu  bewerkstelligen.  Erfahrungsgemäss 
wird  die  Einmündung  eines  solchen  Seitenflusses  immer  mehr  aufwärts 
gedrängt,  bis  auch  dort  das  Gefälle  unfähig  wird  das  Geschiebe  fort- 
zuführen, in  welchem  Fall  er  sich  in  den  vorliegenden  Schuttkegel 
eingräbt 

Bei  allen  Einmündungen  der  Seitenthäler  des  Schwarzwaldes  in 
die  grosse  Rheinebene  sehen  wir  den  Seitenfluss  durch  den  Schuttkegel 
nach  aufwärts  gedrückt,  dann  umgeht  er  denselben  und  sucht,  dem 
Crefall  des  Hauptthaies,  hier  der  Rheinebene,  folgend  einen  Ausweg 
dem  Hochgestade  zur  Seite  bleibend.  Da  diesen  Ausflüssen  jedoch  der 
Weg  zur  Niederung  des  Mittelrheines  versperrt  war,  verschlammten 
und  versumpften  sie  die  Fläche  zwischen  dem  Gebirge  und  dem  Hoch- 
gestade, bis  an  einigen  Stellen  gewaltsame  oder  künstliche  Durchbrüche 
durch  dasselbe  statt  fanden. 

In  ähnlicher  Weise  waren  die  Verhältnisse  des  jenseitigen  Rhein- 
thales,  nur  dass  dort  die  Seitenflüsse  weniger  geschiebeführend  und 
mächtig  sind  und  nicht  so  ungestüm  der  Rheinebene  zufliessen.  —  Noch 
heute  nimmt  dort  der  Hauptseiteufluss  (die  Hl)  bis  zu  seiner  Einmün- 


8  Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberriiein. 

dttngin  den  Rhein  unterhalb  Strassburg  sämmtliche  den  Vogesen 
entströmenden  Seitenflüsse  auf. 

Auch  bei  uns  hatte  noch  im  Mittelalters  die  Elz  ihre  Einmündung 
in  den  mittleren  Rhein  unterhalb  Altenheim  (von  Riegel  8  Stunden 
entfernt),  wo  jetzt  noch  ein  Giessen  die  alte  Elz  heisst. 

Ebenso  in  die  Länge  des  Rheinthaies  abwärts  gestreckt  wie  die 
Elz  waren  auch  die  übrigen  bedeutenderen  Schwarzwaldzuflüsse: 

Die  Kmzig,  die  zur  Römerzeit  einen  grossen  Theil  ihrer  Fluthen 
in  die  Niederung  zwischen  Urleffen  und  Legelshurst,  in  den  sogenann- 
ten Holchengraben  ergoss,  die  Rench  aufnahm,  aber  schon  in  vorge- 
schichtlicher  Zeit  einen  gewaltsamen  Durchbruch  durch  das  Hochgestade 
bei  Memprechtshofen  in  die  Mittekheinniederung  bewerkstelligte. 

Die  Murg  sandte  zur  Zeit  der  Römerherrschaft  einen  mächtigen 
Giessen  ihrer  Hochgewässer  in  die  Niederung  längs  des  Gebirges  ab- 
wärts bis  in  die  Gegend  von  Wisloch  und  es  ist  wohl  anzunehmen, 
dass  diese  Wasserläufe  schiff-  und  flossbar  waren,  wie  bei  Ettlingen 
an  dem  jetzt  noch  gekennzeichneten  Altwasser  eine  Schifferstation  und 
ein  römisches  Lagerhaus  nachgewiesen  ist. 

Am  meisten  ausgesprochen  ist  diese  Niederung  mit  den  Giessen 
jetzt  noch  von  Durlach  abwärts  bis  zum  Wersauer  Hof,  wo  eine  Ent- 
leerung in  den  Mittelrhein  schon  lange  vor  der  Römerzeit  stattgefun- 
den hat. 

Aehnlich  war  es  auch  vom  Neckar  abwärts,  der.  nicht  in  der 
Weise,  wie  die  älteren  Alterthumsforscher  (siehe  Eonrad  Dahl,  Lauf 
des  Neckars)  glaubten,  der  Bergstrasse  folgte,  sondern  lange  vor 
der  geschichtlichen  Zeit  und  namentlich  zur  Römerzeit  den  senkrechten 
Einfluss  in  den  Mittelrhein  oberhalb  Mannheim  gefunden  hat. 

In  der  Starkenburger  Niederung  sammelten  sich  von  der  Wesch- 
nitz  abwärts  nur  die  aus  dem  Odenwald  zuströmenden  Seitenflüsse  und 
ianden  thalabwärts  bei  Trebur  die  Vereinigung  mit  dem  Mittelrhein. 

Dahl  behauptet,  dass  auch  der  Main  in  dieser  Zeit  hier  einge- 
mündet habe,  was  aber  seitdem  von  vielen  späteren  Lokalforschern 
gründlich  widerlegt  worden  ist^. 

Um  uns  kurz  zu  fassen,  dürfen  wir  als  sicher  annehmen,  dass 
zur  Römerzeit  längs  des  Schwarzwaldgebirges  und  Odenwaldes  bis 
Trebur  ein  durch  die  Binnenflüsse  gespeister  Wasserlauf,  der  stag- 


1)  S.  das  Munimentum  Traiani  (Qastafsburg)  von  Karl  Christ,  Gorre- 
spondenzblatt  des  deutschen  Alterthamsvereins.  1880.  No.  9. 


Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrhein.  9 

nirend  zwischen  SandhQgeln  sich  oft  auf  eine  Breite  von  2—3  km  aus- 
dehnte, und  theilweise  schiffbar  war,  erstreckte. 

Vom  Rhein  her  sind  in  diese  Niederung  keine  Zuflüsse  bekannt, 
obgleich  bei  Hochwasser  sich  seine  Fluthen  in  dieselbe  ergossen  haben 
dürften.  Die  Trockenlegung  des  Wasenweiler  Riedes,  durch  welchen 
einst  ein  Rheinarm  floss,  fällt  in  vorgeschichtliche  Zeit  Bekannt  ist 
jedoch,  dass  zur  Romerzeit  Breisach  mit  seinen  beiden  vulkanischen 
Felsen  von  den  Fluthen  des  Rheines  umspült  war. 

Im  Elsass  ist  die  ältere  Gestaltung  der  Landniederung  besser 
erhalten,  als  in  Baden,  dort  nimmt  die  111,  der  Hauptseitenfluss,  in 
paralleler  Richtung  dem  Mittelrhein,  dem  Gebirge  entlang  folgend, 
sämmtliche  kleinere  Zuflüsse  auf,  die  jedoch  den  wasserreichen,  wilden 
und  geschiebefiihrenden  Charakter  nicht  haben,  der  unsere  Schwarz- 
waldflüsse kennzeichnet 

Diesem  Umstand  ist  es  zuzuschreiben,  dass  das  diesseitige  Hoch- 
gestade schon  früher,  also  vor  der  Römerzeit  gewaltsame  Durchbrüche 
erlitt,  durch  die  die  seeartigen  Anstauungen  sich  in  den  Mittelrhein 
entleeren  konnten. 

Dieser  bewegte  sich  schon  zur  Römerzeit  in  einer  durchschnitt- 
lich ca.  6  km  breiten  Niederung  zwischen  den  Hochgestaden,  in  der 
Weise,  wie  wir  es  in  den  alten  Karten  vor  der  Rheincorrection  aufge- 
zeichnet finden  (s.  Taf.  II,  oben).  Die  Serpentmenläufe  sind  in  con- 
caven  Formen  von  1  bis  2  km  Sehne  in  die  Hochgestade  eingeschnitten, 
wo  meist  an  dem  spitzen  Zusammentreffen  oder  auf  den  Landzungen, 
den  diese  Bogeneinschnitte  bilden,  die  germanischen  Ortschaften  hegen, 
deren  Bewohner  später  den  Angriff  der  Fluthen  durch  Deckungen 
sicherten,  so  bei  Jockgrimm,  wo  diese  Landzunge  bei  ca.  1,5  km  Länge 
nur  40—50  m  Breite  hat. 

Die  Bezeichnung  der  Wasserläufe  längs  des  Gebirges  als  0  strhein 
oder  als  deutschen  Rhein  und  jenseits  als  gallischer  Rhein  ist  um 
so  weniger  richtig,  als  sie  nur  von  den  Seitenzuflüssen  gespeist  wurden 
und  die  Trennung  des  Rheines  unterhalb  Basel  in  drei  Arme  eine 
Fabel  ist 

Mone  führt  nun  in  seiner  Urgeschichte  eine  Anzahl  bestimmter 
Flussbauten  an,  welche  die  Römer  zur  Cultivirung  des  badischen  Rhein- 
thales  ausgeführt  haben  sollen. 

So  gross  waren  die  Versumpfungen  nicht,  welche  die  Flüsse  Elz 
und  Dreisam  von  Riegel  abwärts  bis  zur  Einzig  erzeugten,  denn  wir 
finden  auf  dem  Hochgestade  bei  Eappel  Rust  bis  Altenheim  allent- 
halben Spuren  keltischer  Niederlassungen. 


10  Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrhein. 

Dass  die  Römer  den  Durchstich  der  Einzig  duixh  das  Hochgestade 
bei  Griesheim  bewerkstelligten,  ist  kaum  denkbar,  da  dieselben  keine 
Ursache  hatten,  solche  Arbeiten  auszuführen. 

Die  Heerstrasse  von  Strassburg  nach  Gannstadt  lag  von  Kehl 
abwärts  bis  Schwarzach,  wo  auch  keltische  Niederlassungen  nachge^ 
wiesen  sind,  auf  dem  gesicherten  Hochgestade. 

Den  Schwerpunkt  der  römischen  Flussbauten  legt  Mone  auf  die 
Erhaltung  der  strategischen  Verschanzungslinie  zwischen  Büppurr  und 
dem  Wersauer  Hof. 

Da  diese  aber  durch  gar  nichts  nachzuweisen  sind,  auch  die  Noth- 
wendigkeit^  eine  solche  unmittelbar  vor  der  grossen  Rheinverschanzungs- 
linie  zu  besitzen,  nicht  ersichtlich  ist,  so  sind  Mone 's  Gründe  (S.  236) 
fftr  die  Durchführung  der  Flusscorrectionen  von  Seiten  der  Römer 
hinfäUig. 

Die  künstlichen  Ableitungen  der  Flüsse  direct  durch  das  Hoch- 
gestade in  den  Mittelrhein  dürften  vielmehr  in  die  Zeit  des  frühen 
Mittelalters  zu  setzen  sein,  wo  die  zahlreichen  Niederlassungen  eine 
Entsumpfung  der  Niederung  längs  des  Gebirges  erheischten,  und  wo 
es  weder  an  der  Energie  und  dem  richtigen  Verständniss  für  solche 
Culturarbeiten,  noch  an  den  nöthigen  Arbeitskräften  fehlte. 

Die  Durchstiche  der  Elz  bei  Rust,  der  Einzig  bei  Griesheim,  der 
Murg  bei  Rastatt,  der  Federbach  und  Alb  bei  Bulach,  der  Pfinz  bei 
Graben  etc.  mögen  in  die  nachrömische  Zeit  der  fränkischen  Statt- 
halter Alemanniens  gefallen  sein. 

Alle  diese  Arbeiten  wurden  doch  nur  unternommen,  um  grosse 
Missstände  für  die  Bevölkerung  zu  heben;  da  nun  aber  zur  Römerzeit 
das  obere  Rheinthal  keine  wesentlichen  Niederlassungen  nachweist, 
denen  diese  Culturarbeiten  zu  gut  gekommen  wären,  so  hatten  die 
Römer  auch  keine  Veranlassung  solche  auszuführen. 

Eine  urkundliche  Bestätigung  hat  ein  grösserer  Wasserbau,  den 
Kaiser  Valentinian  (364 — 376)  am  Neckar  mit  seinen  Soldaten  zum 
Schutz  eines  Gastells  (munimentum)  ausführen  Hess,  und  welchen 
Ammian  Marcellin  in  seiner  Geschichte  28.  Buch,  2.  Kapitel  beschreibt. 
Es  ist  allgemein  angenommen  und  nachgewiesen,  dass  mit  diesem 
munimentum  nicht  Ladenburg,  was  damals  eine  befestigte  Stadt  war, 
sondern  das  Castell  bei  Altrip  (Alta  ripa)  gemeint  ist  Es  ist  nun  die 
Frage,  wo  diese  Schutzbauten  angel^  worden.  Es  heisst  in  Marcellin: 
Der  Kaiser  fand,  dass  eine  grosse  Schanze,  die  er  selbst  anlegte,  von 
dem  vorüberfliessenden  Nicer  allmähUg  unterwaschen. und  eben  dadurch 


Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrhein.  II 

ZU  Omnde  gerichtet  werden  könne.  Er  kam  daher  auf  den  Gedanken 
den  FIuss  abzuleiten  etc. 

Wenn  das  besagte  munimentum  bei  Altrip  zu  suchen  ist,  so 
können  diese  Arbeiten  nur  an  der  Ausmündung  des  Neckar  in  den 
Bhein,  die  sich  zur  Römerzeit  Altrip  gegenüber  befand,  gesucht  und 
auf  folgende  Weise  erklärt  werden,  Taf.  11  unten. 

Der  Neckar  schob  sein  Delta  von  Geschieben  weiter  in  die  Nie- 
derung des  Mittelrheins  hinein,  er  drängte  dasselbe  oberhalb  Mannheim 
in  einen  Sack,  der  den  unschönen  Lauf  des  Rheines  bedmgte,  welcher 
sogar  für  die  Gorrection  des  Stromes  beibehalten  wurde. 

Auch  hier  sehen  wir,  wie  nach  und  nach,  dem  hydrotechnischen 
Lehrsatz  gemäss,  die  Mündung  des  Neckar  als  des  stärker  fallenden 
Seitenflusses  immer  mehr  rheinaufwärts' geschoben  wurde,  so  dass  sie 
zur  Römerzeit  beim  jetzigen  Relaishaus,  wo  die  letzte  Goncave  der  Aus- 
waschung im  Hochgestade  sichtbar  ist,  stattgefunden  hat.  Bei  den 
Correctionsarbeiten  des  Rheines  im  Jahr  1867,  welche  der  jetzige 
badische Baurath  Honseil  leitete,  kam  dasCastell,  welches  zum  grossen 
Theil  in  das  neu  ausgehobene  Rheinbett  fiel,  zum  Vorschein  und 
mussten  die  Mauerstücke  abgesprengt  werden.  (Bruchstücke  hiervon 
zeigten  die  Verwendung  von  Trasssteinen  von  dem  Niederrhein,  die 
also  per  Schiff  hierher  verbracht  wurden,  femer  Schichtsteine  von 
Sandsteinen,  auch  Ziegelstücke,  so  dass  anzunehmen  ist,  dass  das  Mu- 
nimentum rasch  aufgebaut  wurde.) 

Durch  den  Fundort  dieses  Gemäuers  ist  bestätigt,  dass  das  Muni- 
mentum auf  dem  Hochgestade  des  gallischen  Ufers  lag,  und  dass  der 
mächtige  Anprall  des  gegenüber  ausmündenden  Neckar,  im  Verein  mit 
dem  Aufstau  des  Rheines  jene  bedenklichen  Zustände  für  den  Bestand 
des  Castells  erzeugte,  die  Valentinian  mit  seinen  Soldaten  durch  einen 
Einbau,  sogenannten  Streichbau  in  den  Neckar  heben  wollte. 

Beim  Relaishaus  an  der  Zunge,  den  das  ausgewaschene  Hochge- 
stade beim  Zusammentreffen  mit  der  Rheinniederung  bildet,  hat  man 
stromabwärts  sehr  alte  Deckungen  und  Einbauten  aufgefunden.  Es 
wäre  nun  denkbar,  dass  Valentinian  hier  den  Neckar  abbaute,  um  den 
Andrang  seiner  Fluthen  von  dem  Castell  abzulenken,  d.  h.  denselben 
zu  nöthigen,  unterhalb  der  Verschanzung  seine  Vereinigung  mit  dem 
Rhein  aufzusuchen.  Die  Ausbaggerungsarbeiten  im  neuen  Rheindurch- 
stich, der  ziemlich  nahe  am  Ort  Altrip  anliegt,  zeigten  ein  festes  und 
grobes  Sandsteingeschiebe  aus  dem  obem  Neckarthal,  vermischt  mit 
dem  feinen  Rheinkies,  ein  Beweis,  dass  auch  später  noch  der  Neckar 


12  Wasterbanten  der  Römer  in  deo  ZehnUanden  am  Oberrhein. 

hier  aasmündete  und  nach  der  Bömerzeit  seine  Aasschwemmong^ 
versenkte. 

Der  Durchbrach  des  Neckar  von  Uvesheim  abwärts  gegen  Feu- 
denheun,  gehört  in  fränkische  Zeit;  die  mächtigen  Serpentinen  des 
Flusslaufes  von  da  bis  Mannheim  Hess  sodann  der  Churfürst  Carl 
Theodor  von  der  Pfalz  durchstechen  und  unter  Grossherzog  Friedrich 
von  Baden  wurde  1867  der  neue  Einmündungskanal  des  Neckar  in 
den  Bhein  mit  den  grossartigen  Hafenanlagen  unterhalb  Mannheim 
beendigt. 

Der  Ort  Neckarau^  der  jetzt  ca.  3  Stunden  oberhalb  der  vor- 
letzten Neckarmündung  liegt,  ist  ein  bleibender  Beweis  dieses  firüheren 
Flusslaufes,  und  der  Wandlungen,  welche  derselbe  in  der  geschicht- 
lichen Zeit  erfeüiren  hat 

Um  die  Oertlichkeit  zu  bestimmen,  wo  die  Römer  diesen  Streich- 
bau in  den  Neckar  legten,  und  um  die  Bauweise  desselben  zu  erkennen, 
müssen  wir  an  den  letzten  Angriffspunkt  des  Hochgestades  bei  A  der 
zweiten  Situationsskizze  auf  Taf.  H  zurückkommen.  Die  Ableitung  wäre 
freilich  besser  bei  B  in  der  Richtung  nach  G  geschehen,  hätte  aber  einen 
mühevollen  Durchstich  durch  das  harte  Neckargeschiebe  erfordert. 
Eb  ist  anzunehmen,  dass  Valentinian,  durch  die  ungestümen  Einfälle 
der  Alemannen  bedroht,  einen  schnellen  Erfolg  erzielen  wollte,  und 
daher  von  dem  festen  Punkt  des  Hocbgestades  bei  A  ausging.  Wenn 
in  der  DabPschen  Schrift  nach  Wenk  angeführt  ist,  die  Römer  hätten 
viele  Tage  dazu  gebraucht,  um  Rinnen  aus  Eichenstämmen  auszuhöhlen, 
so  dürfte  dies  so  zu  verstehen  sein,  dass  diese  von  Strecke  zu  Strecke 
ausgelocht  wurden,  um  die  eingeschlagenen  grossen  Pfähle  aufzunehmen, 
mit  denen  die  ersten  in  den  Untergrund  befestigt  worden  sind.  Die 
Stelle  im  Ammian  heisst:  Per  multos  enim  dies  compaginatae  formae 
e  roboribus,  was  Dahl  auf  grosse  mit  Klammem  verbundene  Faschinen 
von  Eichenbuschholz  bezieht.  —  Wir  bezweifeln,  dass  die  Römer  den 
Faschinenbau,  in  der  Weise  wie  er  in  der  neuesten  Zeit  zu  den  Fluss- 
einbauten  verwendet  wird,  kannten,  glauben  vielmehr,  dass  sie  mit 
langen  Bäumen,  die  sie  mit  sogenannten  Nadeln  im  Untergrund  be- 
festigten, und  Steindeckungen  den  Streichbau  von  A  abwärts  durch- 
führten, und  so  den  Flusslauf  abwärts  drängten. 

Zur  Erläuterung  des  beigegebenen  Plänchens  über  das  Rheinthal 
zur  Römerzeit  von  Karlsruhe  bis  Bruchsal  wird  noch  folgendes  beigefügt. 

Die  östliche  Niederung  des  Rheinthaies,  das  Hochgestade  und 
die  Thalniederung  des  Mittelrheines  mit  den  concaven  Auswaschungen 


Wasserbauten  der  Römer  in  den  Zehntlanden  am  Oberrhein.  18 

sind  auf  dieser  Strecke  noch  heute  auffallend  erhalten,  während  das 
jenseitige  Land  zwischen  Hochgestade  und  den  Vogesen  durch  hügel- 
artige Yorsprünge,  die  schon  bei  Mundolsheim  beginnen  und  bei  Selz 
bis  an  den  Rand  des  Hochgestades  sich  ausdehnen^  und  wo  nur  theil- 
weise  grössere  Becken  wie  der  Hagenauer  und  Benwald  zwischen  den- 
selben eingeschoben  sind,  nicht  mehr  die  dem  Hauptgebirge  folgende 
Niederung  zeigt.  Wir  betrachten  daher  nur  die  Wasserläufe  auf  badi- 
scher Seite.  Bei  Karlsruhe  kam  ein  starker  Giessen  von  Bruchhausen 
her,  der  jetzt  noch  in  der  sogenannten  Schiesswiese  ausgeprägt  ist. 
Zwischen  Rintheim  und  Durlach  vereinigte  sich  derselbe  mit  dem  von 
Ettlingen  zwischen  Au  und  dem  Gebirge  fliessenden  Gewässer,  das 
hier  den  Zufluss  der  Pfinz  aufnahm.  Längs  dem  rechtseitigen  Rand 
des  Hochgestades  erkennen  wir  heute  noch  an  den  versumpften  Wiesen 
den  alten  Wasserlauf  bei  den  Orten  Hagsfeld,  Blankenloch,  Staffort 
(Insel)  und  Spöck.  Sehr  stark  ist  heute  noch  dieses  erhöhte  Gestade 
und  der  Giessen  von  Forst  abwärts  gegen  St.  Leon  bis  zum  grossen 
Durchbruch  beim  Wersauer  Hof  ausgeprägt.  Dass  schon  zur  Römer- 
zeit künstliche  Ableitungen  der  Alb,  Pünz  und  Saalbach  ausgeführt 
wurden,  wie  Mone  annimmt,  mit  weiteren  künstlichen  Zuleitungen 
zum  Mühlenbetrieb,  ist  nicht  aufgeklärt,  aber  soviel  ist  als  sicher  an- 
zunehmen, dass  sich  die  Römer  zur  Erzeugung  des  Mehles  nur  der 
Handmühlen  bedienten,  und  bei  uns  keine  Wasserwerke  hierzu  benutzten. 
Die  Ableitungen  dieser  Flüsse  in  den  Mittelrhein  dürften,  soweit  Natur- 
ereignisse nicht  schon  das  Nöthige  vorbereitet  hatten,  in  späterer  Zeit 
zu  suchen  sein. 

Karlsruhe.  Naeher. 


14  Ein  Münzfund  von  der  Nahe. 


3.  Ein  MQnzfund  von  der  Nahe. 

Im  Herbst  1880  erwarb  ein  kölner  Händler  in  Kreuznach  ein 
Kästchen  mit  römischen  Münzen,  von  welchen  viele  durch  die  ganz 
eigenthümliche  Oxydation  und  durch  die  vorzügliche  Erhaltung  als  zu- 
sammengehörige Bestandtheilc  eines  grösseren  Münzfundes  erkenntlich 
waren.  Etwa  180  Stück  dieser  Münzen  gelangten  in  die  Hände  des 
Herrn  Fr.  Merkens  in  Köln,  der  Rest  wurde  von  mehreren  Bonner 
Sammlern  erworben.  Durch  diese  Zersplitterung  ist  eine  genaue  nu- 
merische Beschreibung  des  Fundes  nicht  mehr  möglich,  es  scheint  mir 
aber  doch  angezeigt,  die  einzelnen  Reversdarstellungen  zu  erwähnen 
und  auf  einige  Eigenthümlichkeiten  in  der  Zusammenstellung  hinzuweisen. 
Es  finden  sich  in  dem  Funde  Kleinerze  von: 

Helena 

Licinus  sen. 

Ck>nstantin  d.  Gr. 

Gonstantinopolis 

Urbs  Roma 

Fausta 

Crispus 

Constantinus  jun. 

« 

Constantius  II 
Die  meisten  Stücke  sind  in  Trier  geschlagen  und  ist  die  erste  und 
zweite  dortige  Prägestätte  ziemlich  gleichmässig  vorhanden. 

1.  Helena  Gonstantii  Ghlori  uxör.  Von  ihr  ist  nur  das  grössere 
Kleinerz  mit  dem  R.  Securitas  reipublice  Coh.  7  vertreten,  jedoch  in 
verhältnissmässig  vielen  Exemplaren,  welche  besonders  im  Bezug  auf 
die  Haartracht  interessante  Abweichungen  zeigen. 

2.  Licinius  sen.  wenige  Exemplare  mit  demR.  VOTXX-  D.  n. 
Licini  Augusti.  Coh.  41. 

3.  Gonstantin  d.  Gr.  ist  in  verschiedenen  Reversen  vorhanden, 
jedoch  ist  die  Zahl  derselben  im  Verhältniss  zu  der  grossen  Menge  der 
Münzen  dieses  Kaisers  nur  eine  beschränkte,  dagegen  sind  die  kleinen 
Stempelverschiedenheiten  bei  demselben  Reverse  überaus  zahlreich. 
Wir  finden: 

a)  Beata  Tranquillitas  als  Umschrift  um  einen  Altar  mit  VOT  -  XX  • 
Coh.  194. 

b)  D.  n.  Constantini  Max.  aug.  Lagerthor.  Coh.  244. 


Ein  Münzfiind  von  der  Nahe.  15 

c)  D.  n.  Gonstantini  Max.  aug.  um  einen  Kranz,  in  welchem 
VOT  .  XX  -  steht.  Cohen  246. 

d)  Gloria  exercitus.  Zwei  Soldaten,  zwischen  beiden  zwei  Feld- 
zeichen Coh.  317.  Es  sei  hierbei  ausdrücklich  bemerkt,  dass 
der  andere  Revers  mit  derselben  Umschrift,  auf  welchem  zwi- 
schen den  beiden  Soldaten  ein  Feldzeichen  mit  dem  Labarum 
steht,  gänzlich  fehlt. 

e)  Providentiae  augg.   Ein  Lagerthor  Coh.  433. 

f)  Sarmatia  devicta.    Nach  rechts  schreitende  Victoria.  Coh.  451. 

g)  Virtus  exercit.  Trophäe  mit  der  Inschrift  VOT  •  XX  -  zwischen 
zwei  sitzenden  Gefangenen.    Coh.  593. 

h)  als  Variante  von  Coh.  233  und  246  ist  der  R.  Constantiai 
max.  c.  (oder  g)  um  einen  Kranz  in  welchem  VOT  •  XX  •  steht, 
zu  verzeichnen.  Im  Abschnitt  die  Buchstaben  P\^A.  (Jetzt 
in  meiner  Sammlung). 

4.  Constantinopolis,  Coh.  15.  Diese  Münze  war  am  zahl- 
reichsten vertreten;  ich  besitze  aus  diesem  Funde  nach  den  Prägever- 
merken  geordnet:  TRP-  18  Exemplare,  TR-P  9  Expl.,  TRS-  9  Expl,, 
TR  -  S  5  Expl.,  PLG  3  Expl.,  PCONST  1  Expl.  und  einige  mit  undeut- 
licher Abschnitt  -  Legende.  Bei  näherem  Betrachten  der  Kopfseiten 
dieser  Münzen  stellte  sich  die  interessante  Thatsache  heraus,  dass 
unter  den  41  Stücken,  welche  den  Trierer  Münzstätten  entstammen, 
nur  zwei  einander  so  gleichen,  dass  die  Annahme,  beide  seien  mit 
demselben  Stempel  geschlagen,  berechtigt  erscheint.  Da  ich  bei  der 
Auswahl  dieser  Münzen  auf  die  kleinen  Verschiedenheiten  keine  Rück- 
sicht nahm,  sondern  nur  die  gute  Erhaltung  im  Auge  hatte,  so  kann 
man  aus  diesem  Umstände  auf  die  allerdings  längst  anerkannte,  fast 
anbegrenzte  Mannigfaltigkeit  der  römischen  Münzstempel  in  der  letzten 
Eaiserzeit  schliessen. 

5.  Urbs  Roma  Coh.  13  war  auch  sehr  häufig  vertreten,  und 
würde  eine  genaue  Betrachtung  in  Bezug  auf  die  kleinen  Verschieden- 
heiten zu  ähnlichen  Resultaten  führen,  wie  bei  Constantinopolis. 

6.  Von  Fausta  sind  mehrere  Exemplare  mit  R.  Spes  rei  publicac 
Coh.  12  zu  verzeichnen  und  ein  Expl.  mit  Salus  rei  publicae  Coh.  7. 

7.  Von  Grispus  finden  sich  verhältnissmässig  nur  wenige  Mün- 
zen mit  den  Reversen: 

a)  Beata  tranquillitas  Coh.  32. 

b)  Vot.  X  Caesarum  nostrorum  Coh.  65. 

c)  D.  n.  Constantini  MARC  (der  vorletzte  Buchstabe  A  oder  R) 


16  Ein  Münzfund  von  der  Nahe. 

als  Umschrift  um  einen  Kranz,  in  welchem  Vot.  XX  steht;  eine 
Variante  von  C!oh.  73  und  75.  Der.  Av.  hat  Crispus  nob.  Cae. 
ohne  S  (meine  Sammlung). 

d)  Providentiae  Caess.  Lagerthor;  Coh.  99. 

e)  Virtus  augg.  Thor  mit  4  Thürmen,  darüber  ein  Stern ;  Variante 
von  Coh.  127.  Sammlung  Merkens. 

8.  Gonstantinus  II. 

a)  Beata  tranquillitas  Coh.  81. 

b)  Caesarum  nostrorum  um  einen  Kranz,  in  welchem  Vot.X.  C!oh.  99. 

c)  Gloria  exercitus.  Coh.  136;  auch  hier  mit  zwei  Feldzeichen. 
•       d)  Providentiae  Caess.  Coh.  150  und  152. 

e)  Sarmatia  devicta.  Coh.  158.  Sammlung  Merkens. 

f)  Virtus  Caess.  Lagerthor.  Coh.  183. 

9.  Constantius  II. 

a)  Gloria  exercitus,  Coh.  246  mit  zwei  Feldzeichen. 

b)  Providentiae  Caess.  253  und  257.    Letztere  mit  dem  Vornamen 
•  FL  -  VAL;  dieselbe    ist   Cohen    nur   nach   Banduri    bekannt 

Sammlung  Merkens. 

Für  die  Bestimmung  der  chronologischen  Aufeinanderfolge  der 
einzelnen  Münztypen  in  der  hier  in  Frage  kommenden  Epoche  hat 
Herr  A.  Senkler  in  Heft  XVII  dieser  Jahrb.  auf  S.  73  ff.  sehr  schätzens- 
werthes  Material  geliefert,  welches  leider  in  der  numismatischen  Littera- 
tur  noch  zu  wenig  Beachtung  gefunden.  Derselbe  theilt  die  Zeit  von 
312  bis  364  in  18  Perioden  ein,  und  giebt  für  jede  derselben  die  in 
Anwendung  gekommenen  Münzstempel  an. 

Nach  Senkler  würde  der  R.Gloria  exercitus  in  die  VII. Periode 
zu  setzen  sein,  welche  von  ihm  wie  folgt  bezeichnet  wird:  »Gonstan- 
tinus aug.,  Gonstantinus  jun.,  Constantius,  Constans  caess.  333—335.« 

Hier  würden  wir  nun  die  Aenderung  vorschlagen,  diesen  R, 
wenigstens  die  Varietät  mit  den  zwei  Feldzeichen,  welche  auch 
Senkler  schon  als  die  ältere  erkannte,  der  VL Periode  zuzuschreiben, 
von  welcher  S.  schreibt:  »Gonstantinus  aug.,  Gonstantinus  jun.,  Con- 
stantius Caess.  326—333.  Tod  der  Fausta  326  und  Helena?  Verle- 
gung des  Regierungssitzes  nach  Constantinopel  330.  Krieg  gegen  die 
Gothen  332.« 


Ein  Münzfund  von  der  Nahe.  17 

Zu  dieser  Aenderimg  veranlasst  uns  das  gänzliche  Fehlen  der 
Münzen  des  Constans,  welcher  333  den  Titel  Caesar  und  somit  das 
Münzrecht  erhalten  hat.  Wir  müssen  also  annehmen,  dass  die  be- 
sprochenen Münzen  vor  dem  Jahre  333  geprägt  und  vergraben  wurden. 
Freilich  muss  besagter  R.  auch  noch  in  der  VIII.  Periode  nach  S. 
335—337  im  Gebrauch  gewesen  sein,  denn  Delmatius,  dessen  Münz- 
thätigkeit  in  diese  Zeit  fällt,  wendet  ihn  beim  Kupfer  ausschliesslich 
an  <)•  Bei  der  Unmasse  Münzen  mit  dem  R.  Gloria  exercitus,  welche 
auf  uns  gekommen  sind,  hat  aber  die  Annahme  einer  etwas  längeren 
Benutzungszeit  durchaus  nichts  befremdendes. 

Der  Vergrabungszeitpunkt  unseres  kleinen  Eupferschatzes  würde 
demnach  in  das  Jahr  332  oder  331  zu  setzen  sein,  eine  Zeitbestimmung, 
zu  welcher  das  sehr  häufige  Vorkommen  der  Münzen  mit  Gonstantino- 
polis  und  Urbs  Roma  vorzüglich  passt. 

Die  Annahme  Senklers,  dass  die  grösseren  Eleinerze  Helena's, 
gleichzeitig  mit  den  Münzen  Fäusta's  etwa  dem  Jahre  325  ihren  Ur- 
sprung verdanken,  gewinnt  durch  den  heute  besprochenen  Fund  an 
Wahrscheinlichkeit 

Das  wichtigste  Ergebniss  dieses  Fundes  ist  nach  meiner  Meinung 
die  Richtigstellung  der  Datirung  des  Reverses  Gloria  exercitus,  den 
.F.  Soret  in  seinem  Briefe  an  de  la  Saussaye  (s. Senkler  S.  93)  erst 
dem  Jahre  335  zuschreibt;  sodann  d^r  Beweis,  dass  die  Münzen  dieser 
Art  mit  zwei  Feldzeichen  unzweifelhaft  die  älteren  sind,  ein  Umstand, 
der  übrigens  auch  durch  das  grössere  Gewicht  derselben  schon  sehr 
wahrscheinlich  wird.  Eine  interessante  Uebergangsform  bietet  eine 
Münze  meiner  Sammlung  von  Constans,  bei  welcher  die  zwei  Feld- 
zeichen einander  sehr  nahe  gerückt  und  durch  Querstriche  leiterartig 
verbunden  sind. 

Obgleich  genaue  Nachrichten  über  den  Fundort  fehlen,  so  glaube 
ich  nach  eingezogenen  Erkundigungen  nicht  zu  irren,  wenn  ich  den- 
selben im  Kreise  St.  Wendel  vermuthe. 

van  Vleuten. 


1)  Die  Anwendung  desR.  Gloria  exercitus  mit  einem  Feldzeichen  hat  den 
Tod  Constantin  des  Grossen  337  sogar  überdauert,  denn  wir  finden  ihn  auf 
Münzen  seiner  Söhne,  welche  auf  dem  Av.  den  Titel  Augustus  haben. 


18  Römisohe  Falsohmünzerformen,  gefnnden  in  Trier. 


4.  Römische  FalschmOnzerformen,  gefunden  in  Trier. 


unweit  der  im  Südosten  Triers  gelegenen  Buine  des  römischen 
Kaiserpalastes  wurde  im  Jahre  1879  eine  grosse  Anzahl  von  Guss- 
formen zur  Herstellung  römischer  Münzen  aufgefunden.  Dieselben 
kamen  an  zwei  getrennten,  aber  dicht  nebeneinander  liegenden  Stellen 
zum  Vorschein.  Im  Frühjahr  stiess  man  auf  diese  Formen  bei  der 
Anlage  der  tiefen  Keller,  welche  der  Herr  Bierbrauer  Ueberl6  in 
einer  Entfernung  von  hundert  Schritt  von  der  östlichen  Apsis  des  be- 
zeichneten Gebäudes  erbauen  Hess;  im  Sommer  wurden  die  Funde 
fortgesetzt  bei  Gelegenheit  der  Anlage  des  zweiten  Geleises  für  die 
Moselbahn,  als  man  den  zwischen  den  Ueberlöschen  Kellern  und  der 
bezeichneten  Apsis  liegenden  Theil  des  Eisenbahneinschnittes  verbreiterte. 

Die  Formen  lagen  meist  in  grösseren  Haufen  zusammen,  mitten 
unter  allem  möglichen  Schutt,  namentlich  neben  Holzasche,  Lederresten, 
Homgriffeln,  Besten  von  Thon-  und  Glasgefässen  und  Bronzefragmen- 
ten. Es  befand  sich  hier  in  römischer  Zeit  ofifenbar  ein  Schuttab- 
lagerungsplatz, wohin  die  Formen,  als  nicht  mehr  brauchbares  Material 
geworfen  worden  waren*). 

Die  Formen  bieten  die  Matrizen  zu  Münzen  des  kaiserlichen 
Hauses  in  den  Jahren  193—235,  nämlich  des  Septimius  Severus,  der 
Julia  Domna,  des  Garacalla,  Geta,  Macrinus,  Elagabal,  der  Julia  Paula, 
Julia  Maesa,  des  Alexander  Severus  und  der  Mamaea. 

Sämmtliche  Formen  bestehen  aus  einem  röthlichen,  im  Feuer  ge- 
härteten Thon;  es  sind  runde,  dünne  Scheiben.  Sie  theilen  sich  der 
Grösse  nach  in  zwei  Arten;  die  eine  hat  durchschnittlich  einen  Durch- 
messer von  0,03  m  und  eine  ungleiche  Dicke,  welche  an  einem  und 
demselben  Stück  zwischen  0,0035—0,006  wechselt.  —  Die  zweite  Art 
ist  kleiner,  aber  regelmässiger  gearbeitet;  sie  hat  einen  Durchmesser 
von  0,025  m,  eine  Dicke  von  0,004.  Die  erste  Art  fand  sich  grössten- 
theils  bei  der  Verbreiterung  der  Moselbahn,  die  zweite  auf  dem  üeber- 
16schen  Grundstück. 

Diese  Scheiben  enthalten  meist  auf  beiden  Seiten,  bisweilen  je- 
doch nur  auf  einer  Seite  Münzmatrizen;  diese  haben  mit  nur  wenigen 


1)  Vgl.  Picks  MonatsBchrifl  für  Westdeutschland  1878,  S.234;  Jahrbücher 
der  Alterthamsfreande  69,  S.  12. 


RömlMba  FftlBehmünierfonneD,  { 


a  Trier. 


10 


Aosnabmen  einen  DurchmesBer  von  0,017—0,02  m,  so  dasB  also  rings  nm 
dieselben  noch  ein  breiter,  um  einen  Millimeter  höher  liegender  Rand 
bleibt 

Zar  Herstellung  der  Mflnzen  wurde  eine  Anzahl  dieser  ThoD- 
scheiben  zu  einer  Rolle  scharf  nebeneinander  gelegt,  wobei  natürlich 
darauf  zu  achten  war,  dass  immer  eine  einen  Avera  und  eine  einen 
Revers  enthaltende  Matrize  nebeneinander  zu  li^ett  kamen  und  zwar 
so,  dass  sie  einem  offiziellen  MQnztypus  entsprachen. 

Um  den  Giiss  zu  ermöglichen    musate  dafür  gesorgt  werden, 

1)  dass   die  einzelnen  Scheiben    fest   aneinander  haften   blieben   und 

2)  dass  das  flüssige  Metall  bequem  zwischen  Je  zwei  Scheiben  eindrin- 
gen konnte. 

Das  erste  wurde  erreicht,  indem  man  die  ganze  ßeihe  fest  mit 
Lehm  umschmierte;  nur  der  Obertheil  der  Reihe  blieb  frei.  —  Zahl- 
reiche Spuren  von  Lehm,  welche  an  den  Formen  haften,  bieten  dafflr 
den  Beweis. 

Das  zweite  wurde  durch  folgende  Vorkehrungen  ermöglicht  Am 
Raode  dner  jeden  Thonscheibe  befindet  sich  ein  dreieckiger  Einschnitt, 
welcher  bis  zur  Peripherie  der  Matrize  reicht;  waren  also  eine  Anzahl 
dieser  Formen  nebeneinander  gelegt,  so  entstand  eine  gradlinige  Kerbe, 
in  welche  das  Metall  gegossen  werden  konnte,  ohne  dass  es  daneben 
lief.  •  Damit  aber  das  Metall  zwischen  je  zwei  Scheiben  eindringen 
konnte,  sind  die  dreieckigen  Einschnitte  der  Scheiben  auf  beiden  Seiten 
nach  aussen  zu  etwas  abge- 
feilt, so  dass  zwischen  je  zwei 
Scheiben  in  der  Kerbe  ein 
etwa  0,002  m  grosses  Ein- 
gnssloch  entsteht. 

Deutlicher  als  diese 
Beschreibung,  wird  der  bei- 
stehende Holzschnitt  über 
die  Gestalt  einer  solchen 
aus  Manzformen  bestehen- 
den Rolle  Klarheit  geben. 
Die  Zeichnung  zeigt  den 
oberen  Theil  der  Rolle  in 
seiner  Lehmnmhällung;  der 
untere  ist  voo  derselben 
entblSast  und  laut  die  ein- 


20  Römische  FalflchmfinzerformeD,  gefunden  in  Trier. 

zelDenMQnzscheiben  sehen,  um  zugleich  eine  Vorstellung  zu  ermöglichen^ 
wie  die  Matrize  auf  der  Scheibe  liegt,  ist  die  Schlussscheibe  wegge- 
lassen. Die  Schlussscheibe  enthält  natürlich,  wie  auch  die  Anfangs- 
scheibe der  Rolle  nicht  zwei  Matrizen,  sondern  nur  eine.  Hier  also, 
am  Anfange  und  am  Schluss  der  Rolle  finden  die  nur  eine  Matrize 
enthaltenden  Scheiben,  deren  Auffindung  oben  Erwähnung  gethan  ist, 
ihre  Verwendung. 

Die  Matrizen  sind  hergestellt,  indem  man  Mänzen  in  den  noch 
weichen  Thon  drückte.  Hierbei  war  man  bei  der  Auswahl  der  Münzen 
nicht  sorgfältig,  sondern  benutzte  vielfach  Münzen  mit  schlechtem 
Gepräge  und  nicht  voll  umlaufendem  Perlrande. 

In  den  aufgefundenen  Matrizen  goss  man  Silberdenare  von  der 
gewöhnlichen  Grösse  von  0,017— 0,02  m,  nur  drei  Matrizen  haben  einen 
Durchmesser  von  0,021  m  *).  Dass  man  Silber-  und  nicht  Kupfermün- 
zen erzielte,  ergibt  sich  aus  den  Reversbildern;  auch  haftete  in  einer 
Form  noch  ein  Münzrest  silbernen  Aussehens.  Ob  in  den  Formen  bis- 
weilen auch  Goldmünzen  fabricirt  worden  sind,  muss  zweifelhaft  bleiben ; 
Typen,  die  ausschliesslich  Goldmünzen  eigen  sind,  fanden  sich  unter 
den  aufgefundenen  Matrizen  nicht 

Mommsen  stellt  es  in  seiner  Geschichte  des  Münzwesens  S.  748 
als  wahrscheinlich  hin,  dass  in  den  Provinzen  die  Münzen  theilweise 
auch  offiziell  gegossen  wurden.  —  Die  aufgefundenen,  hier  zu  be- 
sprechenden Formen  entstammen  indess  keinesfalls  einer  solchen  legi- 
timen Münzstätte,  sondern  sie  gehören  einer  Falschmünzerbande  an. 

Für  diese  Ansicht  sind  folgende  drei  Gründe  entscheidend: 

1)  enthielt  der  Rest  einer  noch  in  einer  der  Formen  haftenden 
Münze  nach  einer  Analyse,  welche  ich  der  Gefälligkeit  des  Herrn  Dr. 
Steeg  in  Trier  verdanke,  überhaupt  kein  Silber.  Allerdings  haben 
auch  die  offiziellen  Prägungen  des  ausgehenden  ^weiten  Jahrhunderts 
und  besonders  die  des  dritten  nur  einen  sehr  geringen  Silbergehalt|  aber 
ein  gänzliches  Fehlen  desselben  dürfte  doch  nicht  nachzuweisen  sein. 

2)  Unter  den  aufgefundenen  Thonscheiben  bieten  eine  grosse  An- 
zahl auf  der  einen  Seite  Matrizen,  welche  zu  Münzen  eines  andern  Kaiser- 
hauses gehören,   als   die  Matrizen   der  Rückseite.    Wir  finden  z.  B. 


1)  Sie  gehören  zn  einer  Münze  Caraoallas  als  C^manicus  im  Strahlen- 
kranz, deren  Revers  Serapis  zeigt.  Vgl.  unter  den  im  Eisenbabneinsohnitte 
aofgefdndenen  Formen  1816,  1881,  1838. 


Römiflohe  FalschmÜDzerformeD,  gefanden  in  Trier.  21 

vielfach,  dass  ein  und  dieselbe  Thonscheibe  einen  Avers  desSeptimius 
und  einen  Revers  von  Alexander  enthält.  —  Es  ist  aber  vollkommen 
undenkbar,  dass  man  unter  Alexander  noch  Münzen  von  Septimius  ge- 
prägt habe. 

8)  Die  Matrizen  sind,  wie  schon  erwähnt,  meist  durch  Abdruck 
schlecht  geprägter  Münzen  hergestellt.  Wären  die  Formen  officielle, 
so  würde  man  zweifellos  für  die  Hersteilung  guter  Formen  Sorge 
getragen  habe,  hingegen  für  Falschmünzer  war  die  Benutzung  schlecht 
geprägter  Münzen  als  Patrizen  deswegen  zu  empfehlen,  weil  ein  Nach- 
guss  derselben  dem  Aussehen  der  geprägten  Münzen,  bei  denen  un- 
vollkommene Prägung  vorherrschte,  entsprach. 

Es  liegt  nicht  in  meiner  Absicht,  das  Material  über  derartige 
Thonformenfunde  aufs  neue  zu  sammeln  und  zu  bearbeiten;  ich  be- 
gnüge mich  mit  einem  Hinweis  auf  Schneemanns  schöne  Abhandlung: 
Beitrag  zur  Geschichte  des  Falschmünzerwesens  unter  den  Römern  in 
den  Berichten  der  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  zu  Trier  für 
1861  und  1862,  S.  27  ff.,  in  der  sich  wenigstens  das  damals  Bekannte 
vereinigt  findet.  --  Im  folgenden  soll  nur  ein  Yerzeishniss  der  sämmt- 
licheu  neuerdings  in  Trier  aufgefundenen  Formen  gegeben  werden, 
soweit  solche  zu  meiner  Kenntniss  gekommen  sind.  Dass  eine  grosse 
Anzahl  dieser  Formen,  bevor  ich  sie  gesehen,  nach  auswärts  verschleppt 
worden  sind,  weiss  ich;  sollten  sich  unter  diesen  neue  Typen  finden, 
so  wäre  eine  Veröffentlichung  derselben  seitens  der  jetzigen  Besitzer 
sehr  erwünscht. 

In  dem  folgenden  Verzeichniss  sind  die  Formen  in  drei  Rubriken 
aufgeführt.  Die  erste  derselben  enthält  die  beim  Bau  der  Ueberl^schen 
Brauerei,  die  zweite  die  bei  der  Verbreiterung  der  Moselbahn  aufge- 
fundenen, die  dritte  diejenigen,  von  denen  es  nicht  festgestellt  werden 
konnte,  ob  sie  dem  einen  oder  dem  anderen  Fundorte  entstammen. 
In  der  Aufführung  sind  die  Inventarnummern  des  Provinzial-Museums 
beibehalten  worden ;  in  der  ersten  Rubrik  ist  diesen  Nummern  ein  PM 
vorgesetzt  worden,  weil  in  dieser  zugleich  eine  Collection  behandelt  ist, 
welche  sich  noch  im  Besitze  des  Herrn  Ucberl^  befindet;  dieselbe  trägt 
die  Bezeichnung  Ueb.  a-n,  100-134,  150—193,  200—232,  240—268. 

In  jeder  Rubrik  sind  zuerst  die  Averse,  alsdann  die  Reverse  an- 
gegeben; jedesmal  aber  hinzugefügt,  welches  Bild  die  Rückseite  der 
Thonscheibe  trägt.  —  Den  Reversen  sind  Verweise  auf  Cohen  und 
einige  Bemerkungen  hinzugefügt,  welche  zur  Entscheidung  der  Frage, 
welche  Averse  zu  den  Reversen  gehören,  behülflich  sind. 


82  Römiscbe  Falachmänserformen,  gefunden  in  Trier. 

Es  bleibt  noch  zu  bemerken,  dass  sämmtliche  Formen  im  Spi^el 
gelesen  sind,  dass  also  die  Angaben  Ober  rechts  und  links  nicht  dem 
Bilde  der  Mflnzform,  sondern  einer  aus  der  Form  gegossenen  Münze 
entsprechen. 


I.  Gefunden  beim  Bau  der  Ueberlä 'sehen  Keller. 

Arers  Ton  Septimlns  SeTeros. 

SEVERVS  •  PIVS  •  AVG.  .  Kaiserkopf  nach  rechts  profilirt,  mit 
Backen-  und  Kinnbart.    um.  den  Kopf  eine  Tänie. 
PM.  2559;  E.  Caracalla  1. 
PM.  1419,  2466;  B.  CaracaUa  2. 
Ueb.  186,  261;  PM.  2488,  2517,  8765;  R.  CaracalU  3. 
üeb.  190,  210;  PM.  2505;  R.  Geta  1. 
PM.  1663;  R.  Geta  2. 
PM.  1669;  R.  Elagabal  1. 
Ueb.  160,  171,  187;   PM.  1625,  1629,  1636,   1675,   2461,  2542, 

2550;  R.  Alexander  1. 
Ueb.  227;  PM.  2497,  3768;  R.  Alexander  2. 
PM.  1680;  R.  Fdicitas  [Augg?]. 
PM.  1401,  1664,  2516,  2519;  R.  Felicitas  publica. 
PM.  1433,  1635,  1643,  1677,  2472,  2521,  3791,  3793;   R.  Fides 

militum  sitzend. 
Ueb.  181;  R.  Fides  militum  sitzend, 
üeb.  172,  175;  PM.  1661,  2529;  R.  Fortunae  reduci. 
Ueb.  115;  PM.  1422;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 
Ueb.  266;  PM.  1638,  2474;  R.  Victoria  Aug. 
PM.  1406,  2493;  R.  Victoriae  Brit. 
Ueb.  200;  R.  von  Sever.  Tr.  p.XVII  cos.  III  Neptun.  • 
PM.  2468;  R.  von  CaracaUa.  Prof.  —  Tr.  p.  XL  cos.  III. 
PM.  1446,  1671 ;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  U.  cos.  U  Frau  mit  Püllhom. 
Ueb.  112,  169,  228,  230;  PM.  1509,  2481,  2486,  3777;  R.  frei. 

Averse  von  Caracalla. 

1)  IMP  •  ANTONTNVS  •  AVG.   Brustbild  des  jugendl.  unbärtigen 
Caracalla  nach  rechts,  mit  Lorbeerkranz,  im  Paludamentum. 
PM.  2559;  R  Severus  1. 
Ueb.  162;  R.  Geta  1. 


Römische  FalsobmüDzerformen,  gefunden  in  Trier.  28 

üeb.  154,  163;  PM.  2533;  R  Elagabal  1. 
PM.  1425 ;  R.  Elagabal  2. 
Ueb.  129,  157,  166;  R.  Alexander  1. 
PM.  2534,  2563;  R.  Fides  militum  sitzenS. 
PM.  1407;  R.  Fides  militum  stehend, 
üeb.  113,  246;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 
Ueb.  161;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  124,  244;  PM.  1426;  R.  von  Alexander.  Tr.p.  Villi  cos-III. 
PP.  Sol  mit  Peitsche.  • 

2)  ANTONINVS  PIVS-  AVG.    Kopf  im  Profil  nach  rechts,  mit 
schmalem  Backenbart,  mit  Lorbeerkranz. 

PM.  1419,  2466;  R.  Severus  1. 

Ueb.  180;  PM.  2549;  R.  Caracalla  3. 

Ueb.  134;  R.  Elagabal  2. 

PM.  1445,  3795;  R.  Alexander  1. 

Ueb.  164;  R.  Felicitas  publica. 

Ueb.  158,  193;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  1416;  R.  Fortunae  reduci. 

PM.  1432;  R.  Spei  perpetuae. 

PM.  1645,  1668;  R.  Victoria  Aug. 

PM.  1662,  1681;  R.vonGeta.  Tr.p.  II.  cos.  II.  Frau  mit  Füllhorn. 

PM.  1665;  R.  frei. 

3)  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG  -  BRIT.     Kopf  mit  Vollbart  im 
Profil  nach  rechts;  ein  Lorbeerkranz  im  Haar.     • 

Ueb.  186,  261;  PM.  2488,  2517,  3765;  R.  Severus  1. 
Ueb.  180;  PM.  2549;  R.  Caracalla  2. 
Ueb.  g,!l28;  PM.  249:  R.  Geta  1. 
PM.  1427,  2526;  R.  Elagabal  1. 
PM.  2555;  R.  Alexander  1. 
PM.  3767 ;  R.  Alexander  2. 
PM.  1464;  R.  Felicitas  Augg. 
PM.  3771;  R.  Felicitas  publica. 

Ueb.  170;  PM.  1510,  1631,  2540,  3792;  R.  Fides  militum  sitzend. 
PM.  2500,  2527;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 
Ueb.  101;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  168,  265;  R.  von  Sever.  Tr.  p.  XVII,  cos.  III,  Neptun. 
Ueb.  120;  PM.  1642,  2463,  2532';  R.  von  Caracalla.  Prof.  —  Tr. 
p.  XI.  COS.  III. 


24  Römische  Falsohmünzerformen,  gefunden  in  Trier. 

PM.  3772;  R.  von  Alexander  Tr.p.  Villi,  cos.  III.  Sol  mit  Peitsche. 
Ueb.  219:  R.  frei. 

Arerse  yon  Oejta« 

1)  P-SEPTGETACAES-PONT.    Knabenbrustbild  nach  rechts 
profilirt  im  Paludamentum. 

Ueb.  190,  210;  PM.  2505;  R.  Severus  1. 

üeb.  162;  R.  Caracalla  1. 

tJeb.  g,  128;  PM.  249;  R.  Caracalla  3. 

PM.  1522;  R.  Caracalla  oder  Elagabal. 

üeb.  189,  252;  PM.  1418, 1424,  1634,  3770,  3798;  R.  Alexander  1. 

PM.  2518;  R.  Alexander  2. 

PM.  1678 ;  R.  Felicitas  Augg. 

üeb.  111 ;  PM.  1630;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 

üeb.  253;  PM.  2560,  3769;  R.  Temporum  felicitas. 

PM.  3779;  R.  Victoria  Aug. 

üeb.  222;  PM.  1648(?);  R.  Victoriae  ßri't. 

PM.  1626;  R.  von  Severus.  Tr.  p.  XVII,  Neptun. 

üeb.  m;   PM.  1511,  1641,  2504;  R.  von  Caracalla.  Prof.  —  Tr. 

p.  XI,  COS.  IIL 
PM.  2478,  2520;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  cos.  II  mit  Frau, 
üeb.  1,  258;  R.  frei. 

2)  IMP .  CAES .  P  -  SEPT  -  GETA  •  PI VS  •  AVG.    Kopf  mit  Backen- 
bart nach  rechts,  im  Haar  ein  Lorbeerkranz. 

PM.  1663;  R.  Severus  1. 

üeb.  120a;  R.  Elagabal  1. 

üeb.  257;  R.  Elagabal  2. 

PM.  1666;  R.  Alexander  1. 

PM.  1461;  R.  Felicitas  Augg. 

üeb.  231;  PM.  1516,  2523;  R.  Felicitas  publ. 

üeb.  a;  PM.  1627, 2503;  R.  Fortunae  reduci. 

üeb.  109;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 

PM.  1404;  R.  Victoria  Aug. 

PM.  1521 ;  R.  Victoriae  Brit. 

PM.  2546;  R.  von  Caracalla  Prof.  -  Tr.  p.  XI,  .cos.  IIL 

üeb.  f,  107,  216;  PM.  1515,  1674,  2515:  R.  frei. 


Römische  FalsohmüDzerformeD,  gefundeD  in  Trier.  26 


Ayerse  ypn  £la§^abal. 

1)  ANTONINVS  -  PIVS  •  AVG.  Brustbild  des  jugendlichen  Kaisers 
nach  rechts  im  Profil;  Lorbeerkranz  im  Haar,  um  die  Schultern  das 
Paludamentum. 

PM.  1669;  R.  Severus:  1. 

Ueb.  154,  163,  2533;  R.  Caracalla  1. 

PM.  1427,  2526;  R.  Caracalla  3. 

Ueb.  120a;  R.  Geta  2. 

PM.  2464,  3787;  R.  Alexander  1. 

PM.  3760:  R.  Alexander  2. 

PM.  1647;  R.  Felicitas  Augg, 

PM.  2501,  3781;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  2525,  2530,  3775;  R.  Fortunae  reduci. 

PM.  1432;  R.  Spei  perpetuae. 

Ueb.  262;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  130;  PM.  2490;  R.  Victoriae  Brit. 

PM.  1436, 2499, 2522;  R.  von  Severus.  Tr.  p.  XVII.  cos.  III.  Neptun. 

PM.  1644;  R.  von  Caracalla  Prof.  —  tr.  p.  XI,  cos.  III. 

Ueb.  125, 2506;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  IL  cos.  II,  Frau  mit  Füllhorn. 

PM.  2491,  2513,  2535,  2543,  2558;  R.  frei. 

2)  IMP. ANTONINVS. AVG.  Brustbild  des  jugendlichen  Elaga- 
bal  im  Paludamentum  nach  rechts. 

PM.  1425;  R.  Caracalla  1. 

Ueb.  134;  R.  Caracalla  2. 

Ueb.  257;  R.  Geta  2. 

Ueb.  103,  242;  R.  Alexander  2. 

PM.  1402;  R.  Felicitas  publ. 

Ueb.  178;  R.  Fides  militum  sitzend. 

Ueb.  118;  R.  Fortunae  reduci. 

PM.  2492;  R.  Invictus  sacerdos. 

Ueb.  132,  213,  232;  R.  Liberalitas  Augg.V. 

Ueb.  225 ;  R.  von  Sever.  Tr.  p.  XVII.  cos.  III,  Neptun. 

PM.  2507;  R.  frei. 

PM.  3800;  R.  undeutlich. 


Römiwlie  FkladiniGDierfonneii,  gafanden  In  Trier. 


■Inefonneiirrafmeiite,  bei  denen  «■  ft-a^llch  bleibt,  ib'sie  in  Formen  tub 
CftraoftlU  oder  EUgabal  gehBren. 

1)  ANTONINVS  ■  PIVS  ■  AVG. 

1522  R.  Jugendlicher  Geta. 

1683  R.  von  Sevenis  Tr.  p.  XVII  —  Neptun. 
8)  IMP  ■  ANTONINVS  -PIVS  ■  AVG. 

3778  B.  Fortunae  reduci. 

8784  B.  lori  Statori. 

2547  B.  Victoria  Aug. 

ÄTeree  ron  Alexander  SeTerns, 

1)  IMP  ■  SEV  ■  ALEXAND  ■  AVG.    Kopf  im  Profil  nach  rechts,  , 
arit  Bcbmalem  Backenbart 

Ueb.  160,  171,  187;  PM.  1625,  1629,  1636,  1675,  24Ö1,  2542, 

2550;  B.  SeveruB  1. 
Ueb.  129,  157,  166;  R  Caracalla  1. 
PM.  1445,  3795;  R.  Caracalla  2. 
PM.  2555;  R.  Caracalla  3. 

Üeb.  189,  252;  PM.  1418,  1424,  1634,  3770,  3798;  R  Geta  1. 
I'M.  1666;  R  Qets  2. 

tabal  1. 


".itas  publica. 
.  '.end. 


^95,  2552,  3790; 


ia  Aug. 


Serer.  Tr. 


RömiBdie  FaliohinüBserformeD,  gefdnden  in  Trier.  27 

PM.  1413,  3764,  3783;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  Ü.  cos.  II,  Frau  mit 

Füllhorn. 
PM.  2502;   R.   vop  Alexander.   Tr.  p.  VIII.  cos.  III,   Frau  mit 

spitzem  Hut  in  der  Hand. 
Ueb.  131 ;  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  Villi,  cos.  HI,  Sol  mit  Peitsche, 
üeb.  e,  127,  156,  207;  PM.  1410,  1441,  1523,  1667,  1676,  1682, 

2458,  2531,  3782,  3788;  R.  frei. 

2)  IMP  .  ALEX  ANDER.  PI  VS  •  AVG.  Kopf  nach  rechts  profiUrt, 
schmaler  Backenbart,  im  Haar  ein  Kranz. 

Ueb.  227;  PM.  2497,  3768;  R.  Severus  1. 

PM.  3767;  R.  Caracalla  3. 

PM.  2518;  R.  Geta  1. 

PM.  3760;  R.  Elagabal  1. 

Ueb.  103,  242;  R.  Elagabal  2. 

PM.  1649,  2496;  R.  Alexander  1. 

PM.  2485 ;  R.  Felicitas  Augg. 

Ueb.  117;  PM.  3789?;  R.  Felicitas  publ. 

PM.  1421,  1670,  2484;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  3794;  R.  lovi  Statori. 

Ueb.  b,  229;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  d,  208;  R.  Victoriae  Brit. 

üeb.  256;  PM.  2489;  R.  von  Sever.  Tr.p.XVU.  cos.  III,  Neptun. 

Ueb.  268;  1431,  2498;  R.  von  Caracalla,  Prof.  —  Tr,  p.  XL  cos.  HI. 

PM.  2470;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  IL  cos.  II,  Frau  mit  Füllhorn. 

PM.  1400,  1439,  3786;  R.  frei. 

3)  IMP  .  C  •  M  •  AVR  •  SEV  -  ALEXAND  [AVG.  Kopf  nach  rechts 
profilirt,  mit  schmalem  Backenbart,  im  Haar  ein  Kranz. 

PM.  2467;  R.  Invictus  sacerdos  Aug. 
PM.  2541:  R.  Liberalitas  Augg.  V. 

Beyers  von  Septimliis  Seyems« 

P .  M  •  TR  P  •  XVH  .  COS  in  -  PP.  Neptun  im  Profil  nach  links 
stehend,  den  rechten  Fuss  auf  einen  Fels  aufstemmend,  mit  der  linken 
erhobenen  Hand  einen  Dreizack  haltend.  Cohen,  Severus  324.  Der 
Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  SEVERVS  •  PIVS  •  AVG. 

Ueb.  200;  R.  Severus  1.  % 

Ueb.  168,  265 ;  R.  Caracalla  3. 


28  Römische  FalMhmünMrformen,  gefanden  in  Trier. 

PM.  1626;  R.  Geta  1. 

PM.  1436,  2499,  2522;  R.  Elagabal  1. 

üeb.  225;  R.  Elagabal  2. 

PM.  1683;  R.  Elagabal  oder  Caracalla. 

üeb.  218,  247,  251;  PM.  1397,  1520,  2562;  R.  Alexander  1. 

Ueb.  256;  PM.  2489;  R.  Alexander  2. 

üeb.  224,267;  PM.  1399;  Felicitas  publica. 

PM.  2462;  R.  Fides  militum  stehend. 

PM.  3773;  R.  Fortunae  reduci. 

üeb.  104;  PM.  1646;  R.  Llberalitas  Augg.  V. 

üeb.  192;  PM.  1428,  2538;  R.  Teinporum  felicitas. 

üeb.  150;  PM.  3796;  R.  Victoria  Aug. 

üeb.  215;  R.  Victoriae  Brit. 

üeb.  211;  PM.  2561:  R.  von  Caracalla,  Prof.  —  Tr.  p.  XI.  cos.  III. 

üeb.  h,  165,  245;  PM.  1442,  1463,  1639,  2479;  R.  frei. 

BeTen«  tos  Caraealla. 

1)  PROF(ectio  unter  dem  Bild.  Am  Rande:)  POKTIF  •  TR  •  P  •  XI  • 
COS  III.  Caracalla  zu  Pferd  nach  rechts  reitend,  vor  seinem  Pferd 
ein  hingesunkener  Barbar.  Cohen,  Caracalla  295.  Der  Avers  dieser 
Münze  trägt  die  Legende:  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG. 

PM.  2468;  R.  Severus  1. 

üeb.  120;  PM.  1642,  2463,.  2532;  R.  CaracaUa3. 

üeb.  .m;  PM.  1511,  1641,  2504;  R.  Geta  1. 

PM.  2546;  R.  Geta  2. 

PM.  1644;  R.  Elagabal  1. 

PM.  2553;  K  Alexander  1. 

Ueb.  268;  PM.  1431,  2498;  R.  Alexander  2. 

Ueb.  259;  R.  Felicitas  Augg. 

Ueb.  152;  PM.  1437;  R  Felicitas  publica. 

PM.  2460,  2483;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  1429;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 

PM.  1679;  R  Victoriae  Brit. 

üeb.  211;  PM.  2561;  R.  von  Severus.  Tr.  p.  XVII,  Neptun. 

PM.  1518;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II.  cos.  II,  Frau  mit  Füllhorn. 

Ueb.  205 ;  R.  firei. 


Bömische  Falsohmünzerformen,  gefunden  in  Trier.  29 

2)  FIDES  •  MILITVM.  Die  Göttin  steht  nach  Knkß  profilirt,  sie 
hält  in  der  Rechten  eine  Fahne,  in  der  Linken  ein  Feldzeichen.  Vgl. 
Cohen,  GaracaJla  53.  Der  Avers  dieser  Münze  trSgt  die  Legende: 
IMP .  ANTONINVS  •  AVG. 

üeb.  181;  R.  Severus  1. 

PM.  1407;  R.  Caracalla  1. 

Ueb.  133;  R.  Alexander  1. 

Ueb.  121,  183;  R.  Felicitas  publica. 

PM.  1517;  R.  Temporum  felicitas. 

üeb.  167;  PM.  1412;  R..  Victoria  Aug. 

PM.  2462;  R.  von  Sever.  Tr.  p.  XVII,  Neptun. 

Ueb.  126,  201,  221,  226,  263;  PM.  2554;  R.  frei. 

3)  VICTORIA  E  •  BRIT.  Victoria  im  langen  Gewand  nach  rechts 
laufend,  hält  mit  beiden  Händen  em  Tropäon.  Cohen,  Caracalla  349. 
Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  ANTONINVS  PIVS- AVG. 

PM.  1406,  2493;  R.  Severus  1. 

Ueb.  222,  1648(?);  R.  Geta  1. 

PM.  1521;  R.  Geta  2. 

Ueb.  130;  PM.  2490;  R.  Elagabal  1. 

Ueb.  202;  PM.  2524,  2551;  R.  Alexander  1. 

Ueb.  d,  208;  R.  Alexander  2. 

Ueb.  106;  R.  Felicitas  Augg. 

PM.  1411,  1512,  1513;  R.  FeUcitas  publica. 

Ueb.  188;  R.  Fides  militum,  sitzend. 

PM.  2477 ;  Liberalitas  Augg.  V. 

PM.  3774;  R  Victoria  Augg. 

Ueb.  215 ;  R.  von  Severus.  Tr.  p.  XVn,  Neptun. 

PM.  1679;  R.  von  Caracalla.  Prof.  —  Tr.  p.  XI. 

PM.  1408;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II.  cos.  II,  Frau. 

Ueb.  102,  120b,  159;  PM.  1415;  R.  frei. 

Revers  von  Ctota. 

PONTIF  •  TR  •  P .  II .  COS  •  n.  Frau  in  langer  Gewandung  steht 
nach  links  profilirt,  in  der  rechten  Hand  ein  Füllhorn,  in  der  linken 
Hand  einen  langgestielten  Caduceus  haltend.  Vgl.  Cohen,  Geta  n.  69 
Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  IMP  -CAES  -P •  SEPT  • 
GETA  -  PIVS  -  AVG. 


so  BöinUolie  FtlHbmQDierfonneit,  getaaiea  in  IMer. 

PM.  1446,  1671  i  R,  SeveruB  1. 

PM.  1662,  1681  i  K.  draoUla  2. 

PM.  2478,  8520;  K.  Geta  1. 

Ueb.  126;  PM.  2506;  K  EUgabal  1. 

PM.  1413,  3764,  3783;  B.  Alexandar  1. 

PM.  2470;  R.  Alexander  2. 

PM.  1514,  2511;  B.  Felicitas  Angg. 

PM.  1409,  1519;  R.  Felicitas  pubUca. 

PM.  1684;  R.  Fides  militum  sitzend. 

FM.  I4SS;  R.  LiberaUtas  Aogg.  T. 

PM.  1637,  1685,  2482;  R.  Victoria  Aug. 

PM.  1408;  B.  Victoriae  Brit 

PM.  1518;  B.  von  Canicall«.  Prof.  —  Tr.  p.  XI. 

Ueb.  254;  R.  Ton  Elagabal.  Tr.  p.  IIU.  cos.  m,  Genius. 

Ceb.  223,  241,  2471;  R.  frei. 

Henne  toi  ElagabaL 

1)  P  •  M  ■  TB  ■  P  ■  IUI  ■  COS  in  ■  P  ■  P.  Elagabal  steht  nach  linlss 
profilirt  Tor  einem  angezündeten  Altar  mit  Patera  Inder  rechten  Hand, 
einer  Keule  im  linken  Arm,  im  Feld  ein  Stern.  Vgl.  Cohen,  Elagabal 
98.  Der'ATers  dieser  Münze  trägt  die  Legende;  IMP-ANTONINVS- 
PIVS  ■  AVG. 

Ueb.  254;  R  tob  Geta.  Tr.  p.  IL  cos.  U,  Frau. 

2)  INVIOTVS  •  SACERDOS  •  AVG.  Elagabal  nach  links  prohlirt, 
eme  Patera  in  der  rechten  Hand,  eine  Keule  in  der  linken  haltend 
steht  vor  einem  Altar.  Dahinter  liegt  ein  Stier,  im  Felde  ein  Stern. 
Vgl.  Cohen,  Elagabal  38.  Der  Aveis  dieser  Münze  trägt  die  Ijegende 
IMP  •  ANTONINVS  •  PIVS  ■  AVG. 

PM.  2492;  R.  Elagabal. 
PM.  2557;  R.  Alexander  1. 
PM.  2467;  R.  Alexander  3. 

3)  TEMPORVM  FELICITAS.  Göttin  steht  nach  links  profiUrt,  mit 
der  rechten  Hand  hält  sie  einen  langgestielten  Caduceos,  in  der  linken 
ein  Fflllhom.  Cohen,  Elagabal  136.  Der  Avers  dieser  MOnze  trftgt 
die  Legende:  IMP  ■  ANTONINVS  ■  AVG. 

Ueh.  253;  PM.  3769;  R.  Geta  1. 
FM.  2560;  R.  Geta  2. 


Bömisobe  Falsohmüiiserformeii,  gefunden  in  Trier.  81 

üeb.  209;  R.  Alexander  1. 

üeb.  151;  PiM.  1414;   R.  Felicitas  publica. 

Ueb.  i;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  1517;  R  Fides  militum  stehend. 

üeb.  204;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  192;  PM.  1428,  2538;  R.  von  Severus.  Tr.p.  XVII,  Neptun. 

PM.  2544;  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  Villi,  Sol  mit  Peitsche. 

Ueb.  110,  264;  PM.  1423;  R  frei. 

Reverse  von  Alexander« 

1)  P  •  M  -  TR  •  P  .  Vni  COS  III  PP.  Frau  in  langer  Gewandung 
nach  links  stehend,  hält  in  der  rechten  gesenkten  Hand  eine  Haube, 
in  der  linken  ein  Scepter.  Vgl.  Cohen  164.  Der  Avers  dieser  Münze 
trägt  die  Legende :  IMP  •  SEV  •  ALEXAND  -  AVG. 

PM.  2502;  R  Alexander  1. 
PM.  3785;  R.  Spei  perpetuae. 
PM.  2512;  R.  frei. 

2)  P  M  .  TR  -  P .  VUn  COS  III P  •  P.  Sol  steht  nach  links  profilirt 
mit  erhobener  rechten  Hand,  in  der  linken  Hand  eine  Peitsche  haltend. 
Vgl.  Cohen,  Alexander  168.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  den  Stem- 
pel: IMP  •  SEV  -  ALEXAND  •  AVG. 

üeb.  124,  244;  PM.  1426;  R  Caracalla  1. 
PM.  3772;  R  Caracalla  3. 
üeb.  131;  R  Alexander  1. 
PM.  2537;  R.  Felicitas  publica, 
üeb.  114;  R  Fides  militum  sitzend. 
PM.  2544;  R  Temporum  felicitas. 
üeb.  174,  328,  3766;  R  frei. 

3)  P  •  M  •  TR  •  P  .  Vlin  -  COS  HI  •  P  -  P.  Dem  vorhergehenden  voll- 
kommen entsprechend,  aber  Sol  hält  eine  Kugel  anstatt  der  Peitsche. 
Vgl.  Cohen,  Alexander  n,  169.  —  Avers  wie  bei  der  vorigen  Form. 

PM.  2459;  R  Victor.  Antonini. 

4)  FIDES  •  MILITVM.  Die  Göttin  sitzt  nach  links  im  Profil,  hält 
ein  Tropäon  mit  der  rechten  Hand  und  stützt  sich  mit  der  Linken 
auf  ein  zweites.  Vgl.  Cohen,  Alexander  26.  Der  Avers  dieser  Münze 
trägt  die  Legende:  IMP  -  SEV  •  ALEXAND  •  AVG. 


82  Römische  FalsohmünEerformen,  gefunden  in  Trier. 

PM.  1433,  1635,  1643,  1677,  2472,  2521,  3791,  3793;  R  Severus  1. 

PM.  2534,  2563;  R.  Caracalla  1. 

Ueb.  158,  193;  R.  Caracalla  2. 

üeb.  170;  PM.  1510,  1631,  2540,  3792;  R  Caracalla  3. 

PM.  2501,  3781;  R.  Elagäbal  1. 

PM.  178;  R.  Elagäbal  2. 

Ueb.  214;  PM.  1460;  R.  Alexander  1. 

PM.  1421,  1670,  2484;  R.  Alexander  2. 

Ueb.  123;  PM.  2494;  R.  Felicitas  Augg. 

Ueb.  108;  R.  Felicitas  publica. 

PM.  2510,  2548;  R.  Fortunae  reduci. 

PM.  3762;  R.  Spei  perpetuae. 

Ueb.  i;  R,  Temporam  felicitas. 

Ueb:  217;  PM.  1417,  2528,  3776;  R.  Victoria  Aug. 

Ueb.  188;  R.  Victoriae  Brit. 

PM.  2460,  2483;  R.  von  Caracalla.  Prof.—  Tr.  p.  XI. 

PM.  1684;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  Frau. 

Ueb.  185,  255;  PM.  1435;  R.  frei. 

5)  FORTVNAE  •  REDVCI.  Fortuna  langgewandet  steht  nach  links 
profilirt,  in  der  rechten  gesenkten  Hand  hält  sie  ein  Steuerruder^ 
welches  auf  einen  Globus  gestellt  ist,  im  linken  Arm  ein  Fflllhom. 
Vgl.  Cohen,  Alexander  32.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende: 
IMP  .  ALEXANDER  -  PIVS  •  A VG.  (Es  ist  kein  Revers  von  Severus, 
da  die  Fortuna  auf  dessen  Münzen  einen  Modius  auf  dem  Kopfe  trägt, 
vgl.  Cohen  Severus  105,  auch  keiner  von  Elagäbal,  da  die  Münzen 
dieses  Kaisers,  welche  denselben  Revers  haben,  als  Avers  den  Kaiser 
im  Paludamentum  mit  der  Umschrift  Imp.  Antoninus  Plus  Aug.  zeigeOi 
vgl.  Cohen,  Elagäbal  33;  derartige  Averse  aber  nicht  aufgefunden 
worden  sind). 

Ueb.  172,  175;  PM.  1661,  2529;  R.  Severus  1. 

PM.  1416;  R  Caracalla  2. 

Ueb.  a;  PM.  1627,  2503;  R.  Geta  2. 

PM.  2525,  2530,  3775;  R.  Elagäbal  1. 

Ueb.  118;  R.  Elagäbal  2. 

PM.  3778;  K  Elagäbal  oder  Caracalla. 

Ueb.  153,  203;  PM.  1396,  1434,  1650,  2473,  2495,  2552,  3790; 
R.  Alexander  1. 

PM.  1672;  R.  Felicitas  Augg. 


\ 


\ 


R5mi8ohe  FalBohmünserformen,  gefunden  in  Trier.  83 

PM.  1420;  R.  Felicitas  publica. 

PM.  2510,  2548 ;  R.  Fides  miKtum  sitzend. 

Ueb.  c;  R.  Victoria  Aug. 

PM.  3773;  R.  von  Severus.  Tr.  p.XVII,  Neptun. 

Ueb.  250;  PM.  1403,  1508,  2508,  2514,  2545,  3799;  R.  frei. 

6)  lOVI  -  STATORI.  luppiter  nackt,  steht  nach  links  profilirt,  nach 
rechts  zurückblickend,  in  der  rechten  Hand  ein  Scepter,  in  der  linken 
einen  Blitz  haltend.  Cohen,  Alexander  44.  Der  Avers  dieser  Münze 
trägt  die  Legende:  IMP  •  C    M  •  AVR   SEV    ALEX  AND  •  AVG. 

PM.  3794;  R.  Alexander  2. 

PM.  3784;  R.  Caracalla  oder  Elagabal  2. 

PM.  2469;  R.  frei. 

7)  PAX  •  AVG.  Pax  nach  links  laufend  in  der  rechten  Hand  einen 
Oelzweig  haltend,  in  der  linken  ein  Scepter.  Vgl.  Cohen,  Alexander 
77.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  IMP  -CM-  AVR  • 
SEV  -  ALEXAND  •  AVG. 

PM.  2465;  R.  Victor.  Anton. 

Revers  von  Septimins  oder  Caracalla« 

LIBERALITAS  •  AVGG  •  V.  Langgekleidete  Göttin  steht  nach 
links  im  Profil,  im  linken  Arm  ein  Füllhorn,  in  der  rechten  Hand  eine 
Tessera  haltend.  Vgl.  Cohen,  Septimius  187  und  Caracalla  87. 
(Cohen,  Alexander  58  kann  nicht  in  Betracht  kommen). 

Ueb.  115;  PM.  1422;  R.  Sevei-us  l. 

Ueb.  113,  246;  R.  Caracalla  1. 

PM.  2500,  2527;  R.  Caracalla  3. 

Ueb.  111;  PM.  1630;  R.  Geta  1. 

üeb.  109;  R.  Geta  2. 

Ueb.  132,  213,  232;  R.  Elagabal  2. 

Ueb.  105;  PM.  1398,  2536;  R.  Alexander  1. 

PM.  2541 ;  R.  Alexander  3. 

PM.  1444,  2556  (?);  R.  Felicitas  Augg. 

üeb.  191;  PM.  1640;  R.  Victoria  Aug. 

üeb.  116;  PM.  2477;  R.  Victoriae  Brit. 

üeb.  104;  PM.  1646;  R.  von  Sever.  Tr.  p.  XVII,  Neptun. 

PM.  1429;  R.  vonlCaracalla.  Prof.  —  Tr.  p.  XI. 

PM.  1438;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  Frau. 

8 


84  Römische  FalsohmunzerformeD,  gefunden  in  Trier. 

üeb.  116;  PM.  1443,  1628,  1632,  2475,  2539;  R.  frei. 
Eine  Form  bietet  die  fehlerhafte  Legende :  LIBERALITAS  •  SVGG 
V-V.    PM.  1562;  R.  frei. 


Bererse  Ton  Septimiiig  und  Geta. 

1)  FELICITAS  .  AVGG.  Göttin  in  langem  Gewände,  steht  im  Profil 
nach  hnks,  den  Caduceus  in  der  rechten  Hand,  das  Füllhorn  auf  dem 
linken  Arm  haltend.  Vgl.  Cohen,  Septimius  78  und  Geta  15.  (Ob- 
gleich sich  dieser  Revers  auch  auf  den  Münzen  Caracallas  findet,  wie 
C!ohen,  Garacalla  38  und  39  zeigt,  so  können  doch  die  aufgefundenen 
Formen  nicht  2u  Münzen  dieses  Kaisers  gehören,  weil  keine  ent- 
spredienden  Averse  vorhanden  sind). 

PM.  1680;  R.  Severus  1. 
PM.  1464;  R.  Garacalla  3, 
PM.  1678;  R.  Geta  1. 
-  PM.  1461;  R.  Geta  2. 
PM.  1647;  R.  Elagabal  1. 
PM.  3763;  R.  Alexander  1. 
PM.  2485;  R.  Alexander  2. 
üeb.  123;  PM.  2494;  R.  Fides  militum  sitzend. 
PM.  1672;  R.  Fortunae  reduci. 
PM.  1444;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 
Ueb.  119;  R.  Victoria  Aug. 
Ueb.  106;  R.  Victoriae  Brit. 
üeb.  259;  R.  von  Garacalla.  Prof.  —  Tr.  p.  XL 
PM.  1514,  2511;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  Frau, 
üeb.  320;  PM.  2476,  3780;  R.  frei. 

2)  FELICITAS  •  PVBLICA.  Frau  im  langen  Gewand  steht  im  Pro- 
fil nach  links,  den  Caduceus  in  der  rechten  Hand,  das  Füllhorn  auf 
dem  linken  Arm  haltend.    Cohen,  Septimius  79,  Geta  17. 

PM.  1401,  1664,  2516,  2519;  R  Severus  1. 

üeb.  164;  R.  Garacalla  2. 

PM.  3771;  R.  Garacalla  3. 

üeb.  231;  PM.  1516,  2523;  R.  Geta  2. 

PM.  1402;  R.  Elagabal  2. 

üeb.  179,  184;  PM.  1405,  1673;  R.  Alexander  1. 

Ueb.  117;  PM.  3789;  R.  Alexander  2. 


Bomisohe  FalsohmÜBJEerformen,  gefunden  in  Trier.  35 

Ueb.  108;  B.  Fides  militum  sitzend. 

üeb.  121,  183,  263;  B.  Fides  militum  stehend. 

PM.  1420;  R.  Fortunae  reduci. 

PM.  2556  (?);  Liberalitas  Augg.  V. 

üeb.  151;  PM.  1414;  R.  Temporam  felicitas. 

PM.  1411,  1512   1513;  R.  Victoriae  Brit. 

üeb.  224,  267;  PM.  1399;  R.  von  Severus.  Tr.  p.XVII,  Neptun. 

üeb.  152;  PM.  1437;  R.  von  Caracalla  —  Prof. 

PM.  1409,  1519;  R.  von  Geta  tr.  p.  II,  Frau. 

PM.  2537;  R.  von  Alexander,  tr.  p.  Villi,  Sol.  mit  Peitsche. 

üeb.  240;  PM.  1633,  2487;  R.  frei. 

Revers  von  Caracalla^  Cfeta  and  Elagabal. 

SPEI  •  PERPETVAE.  Spes  ist  steif  im  archaistischen  Stil  dar- 
gestellt; sie  schreitet  in  langer  Oewandung  nach  links,  in  der  rechten 
Hand  eine  Blüthe  haltend,  mit  der  Hnken  ihr  Kleid  aufnehmend.  Cohen, 
Caracalla  330,  Geta  92,  Elagabal  132. 

PM.  1432;  R.  Elagabal  1. 

PM.  3762;  R.  Fides  militum  sitzend. 

PM.  3785;  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  VIII.  cos.  III,  Frau  mit  Haube. 

Revers  von  Elagabal  und  Alexander. 

VICTORIA  •  AVG.  Victoria  steht  nach  links  profilirt,  in  der  er- 
hobenen  rechten  Hand  einen  Kranz,  in  der  linken  Hand  eine  Palme 
haltend.  —  Vgl.  Cohen,  Elagabal  n.  153  und  Alexander  204, 

üeb.  266;  PM.  1638,  2474;  R.  Severus  1. 

üeb.  161;  R.  Caracalla  1. 

PM.  1645,  1668;  R.  Caracalla  2. 

Ueb.  101;  B.  Caracalla  3. 

PM.  3779;  B.  Geta  1. 

PM.  1404;  B.  Geta  2. 

üeb.  262;  B.  Elagabal  1. 

PM.  2547;  B.  Elagabal  oder  Caracalla. 

üeb.  122,  155,  182,  260;  PM.  2480,  2509;  R.  Alexander  1. 

üeb.  b,  229;  B.  Alexander  2. 

üeb.  119;  B.  Felicitas  Augg. 

üeb.  217;  PM.  1417,  2528,  3776;  B.  Fides  mUitum  sitzend. 


86  RömiBche  Falaohmfinserformen,  gefunden  in  Trier. 

Ueb.  167;  PM.  1412;  R.  Fides  milttnm  stehend. 

Ueb.  c;  R.  Fortunae  reduci. 

Ueb.  191;  PM.  1640;  R.  Liberalitas  Augg.  V. 

Ueb.  204;  R.  Temporum  felicitas. 

PM.  3774;  R.  Victoriae  Brit. 

Ueb.  150;  PM.  3796;  R.  von  Severus.  Tr.  p.XVII,  Neptun. 

PM.  1637,  1685,  2482;  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  mit  Frau. 

Ueb.  206,  212;  PM.  2457,  3797;  R.  frei. 


II.  Gefunden  bei  der  Verbreiterung  der  Moselbahn. 

Arerse  von  Septimiiu. 

1)  L-SEPT-SEV-PERT-AVGIMP  D.  1814;  R.  frei. 

IMP  III  1789;  R.  frei. 

IMP  VII 1800, 1801, 1847;  R.frei. 

1783  R.  Concordia. 
IMP  VIII  1808  R.  frei. 
IMP  Vim  1745  R.  Julia  Aug. 
1784  R.   von  Elaga- 
bal.  Tr.  p.  II.  cos.  II 
Roma. 
1750,  1821,  1826  R. 

frei. 
?  ?      1764  R.  frei. 

2)  L  -  SEPT  •  SEV  •  AVG  •  IMP  XI  •  PART  •  MAX. 
1923  R.  Fortunae  reduci. 

1928  R.  Salus  Anton.  Aug. 
1747  R.  Virtus  Augg. 
1844  R.  frei. 

3)  IMP  •  CAE  •  L  -  SEP  .  SEV  •  PERT  •  AVG  •  COS  II. 
1915  R.  Geta  2. 

1811  R.  frei. 

Aren  von  Julia  Domaa. 

IVLIA  ■  AVGVSTA  1745  R.  Severus  1,  imp.  VHH. 
1807  R.  lulia  Paula. 
1746  R.  Princ.  iuventutis. 

1812  R  frei. 


Römisohe  FalBchmünzerformen,  gefvnden  in  Trier.  87 


▲yerse  Ton  Caraoalla« 

1)  ANTONIN  VS  -  AVGVSTVS.  Brustbild  des  jugendlichen  Kaisers 
mit  Kranz  im  Haar  und  Paludamentum. 

1922  R.  Victoria  Aug.  Fei. 

2)  ANTONINVS  -  PIVS  •  AVG.    Jugendliches  Kaiserbrustbild  im 
Paludament  nach  rechts. 

1765  R. . .  ? . .  publica. 

3)  ANTONIN\g  -  PIVS  -  AVG.   Kaiserkopf  mit  schmalem  Backen- 
bart im  Profil  nach  rechts. 

1770  R.  Liberalitas  Aug.  V. 

4)  M  .  AVR  [ANTON]  CAES  •  PONTIF.     Jugendlicher  Caracalla 
im  Paludament.  % 

1761  R.  Geta  1. 

5)  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG  -  BRIT.    Kopf  im  Vollbart 
1916  R.  Geta  Brit. 

1920  R.  von  Septimius.  Tr.  p.  V.  cos.  IIL  Genius 

6)  ANTONINVS  -  PIVS  -  AVG  •  GERM.    Kopf  im  Vollbart. 
1831,  1833  Durchmesser  der  Matrize  0,021.   Kopf  mit  Strahlen- 
krone R.  lulia  Mamaea. 

1926  R.  von  Caracalla.  Tr.  p.  XVI.  Serapis. 
1802  R.  frei. 

Averse  von  Geta« 

1)  P  -  SEPT  •  GETA   CAES  -  PONT.     Jugendliches   Kaiserbrust- 
bild im  Paludament  nach  rechts. 

1761  R.  Caracalla  4. 

1918  R.  von  Geta.  Tr.  p.  III,  cos.  II.  Frau. 

1777  R.  frei. 

2)  P  •  SEPT  .  GETA  •  PIVS  •  AVG  •  BRIT.     Geta   im   Vollbart 
nach  rechts. 

1915  R.  Sever.  3. 

1916  R.  Caracalla  5. 

1917  R.  Nobilitas. 
1744,  1825  R.  frei. 


Kdmiaobe  PslacbmänEerformen,  gefunden  b  Trier. 


ATene  Ton  Hacrlnii. 

IMP  •  0  ■  M  •  OPEL  •  SEV  ■  MACRINVS  ■  A.VG.     KaiserteastbM 
im  Paludamcnt  nach  rechts. 

1779,  1793,  1815,  1845  R.  Mamaea. 

Arene  Ton  Elafabnl. 

1)  IMP  -  ANTONIUVS  ■  PIVS  ■  AVG.     Kopt^  des  Kaisers  nach 
rechts.  * 

1819  R.  Elagabal  2. 

1794  R.  Alexander  1. 
1781  R.  Mars  Uljor. 

1795  R.  Providentia  Aug. 
1792,  1806  H.  Teneri  felici. 

2)  IMP  ■  ANTONINVS  ■  PIVS  -  AVG.     Brustbild  im  Paludanient 
1819  R.  Elagabal  1. 

1788,  1820  R  Mars  Ultor. 

1822  R.  Ton  Elagabal.  Tr.  p.  nu,  cos.  III,  Victoria. 

1880  R.  frei. 

3)  IMP  •  CAES  ■  M  •  AVR  •  ANTONINVS  ■  AVG.     Brustbild  im 
Faludament. 

1924  R.  von  Septimius.  Tr.  p.  III,  cos.  II,  Minerva. 

Averse  TOn  Jnlla  Panln. 

IVLIA  ■  PAVLA  ■  AVG. 

1807  B.  Inlia  Augusta. 
1767  R.  Invicto  imp. 
1785  R.  frei. 

Averse  von  Alexander. 

1)  IMP  ■  ALEXANDER  ■  PIVS  ■  AVG. 
1794  R.  Elagabal  1. 
1829  R  Alexander  1. 
1810  R.  Inlia  Mamaea. 

1808  R.  Providentia  Aug. 

1818  R.  von  Elagabal.  Tr.  p.  In,  cos.  ni,  Sol. 
1828  R.  frei. 


Römische  Falschmfinzerformen,  gefunden  in  Trier.  89 

2)  IMP  •  SEV  -  ALEXAND  -  AVG. 

1772  R.  Annona  Aug. 
1759  B.  Pax  Aug. 
1771  K.  frei. 

3)  IMP  •  C   M  •  AVK  •  SEV  •  ALEXAND  •  AVG. 

1773  B.  Alexander  3. 

1753  B.l.von  Alexander.  Tr.  p.  vmi,  cos.  III. 
1758  B.  frei. 

Arers  Ton  Jalla  Mamaea. 

IVLIA  •  MAMAEA  •  AVG. 
1831,  1833  B.  Caracalla  6. 

1779,  1793,  1815,  1845  B.  Macrinus. 
1810  B.  Alexander  1. 

1780,  1790  B.  frei. 

Berene  ron  SepUmiiu. 

1)  P  •  M  •  TB  •  P  •  811  ■  COS  n  •  P  •  P.  Fortuna  nach  links  stehend, 
ein  Steuerruder  und  ein  Füllborn  haltend.  Cohen,  Septimius  251  und 
260.  Der  Avers  zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende :  L  •  SEPT  •  SEV  • 
PEBT  •  AVG  •  IMP  m  oder  VIL 

1751  B.  Paci  Aug. 

1755  B.  von  Elagabal.  Tr.  p.  Uli,  Sol. 

2)  P  •  M  •  TB  -  P  •  III  -  COS  II P  ■  P.  Eine  behelmte  Minerva  steht 
nach  links  im  Profil,  in  der  rechten  Hand  eine  Lanze,  im  linken  Arm 
ein  Schild.  Cohen,  Septimius  255  und  256.  Der  Avers  zu  dieser 
Münze  trägt  die  Legende:  L  -  SEPT  •  SEV  •  PEBT  •  AVG  •  IMP  •  V. 

1924  B.  Elagabal  3. 
1782,  1798  B.  frei.  ' 

3)  P  •  M  •  TB  •  P  .  V  •  COS  II  •  P  •  P.  Genius  vor  einem  Altar 
stehend,  in  der  vorgestreckten  rechten  Iland  eine  Patera,  in  der  ge- 
senkten linken  Hand  Aehren  haltend.  Cohen,  Septimius  272.  Der 
Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  L  •  SEPT  •  SEV  •  PEBT  -  ÄVG  • 

IMP  vmi. 

1920  B.  Caracalla  5. 

1927  B.  von  Geta.  Tr.  p.  HI,  cos.  IL 

4)  FOBTVN  •  BEDVC.  Fortuna  mit  Modius  steht  nach  links, 
eine  lange  Palme  in  der  rechten  Hand  haltend,  ein  Füllhorn  im  linken 


40  BömiBche  Falsohmünzerformen,  gefanden  in  Trier. 

Arm.    Cohen,  Septimius  101.     Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Le- 
gende: IMP  .  GAE  -  L  .  SEP  -  SEV   PEET  •  AVG    COS  IL 
1923  E.  Severus  2. 

5)  INVICTO  •  IMP.  Ein  Tropäon,  zu  Füssen  desselben  Unks  ein 
Helm  und  ein  Wurfspiess,  rechts,  wie  es  scheint,  ein  Schild  und  zwei 
Wurfspiesse.  Cohen,  Septimius  137.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt 
die  Legende:  IMP  -  CAE  -  L  -  SEP  •  SEV  •  PEET  •  AVG  •  COS  -  IL 

1767  E.  Julia  Paula. 
1778  B.  frei. 

6)  IVSTITIA.  lustitia  sitzt  im  Profil  nach  links,  einen  Stab  in 
der  linken  Hand,  eine  Schale  in  der  vorgestreckten  rechten  haltend. 
Cohen,  Septimius  152.  (Derselbe  Severe  findet  sich  auch  bei  Caracalla, 
Cohen  74,  aber  der  dazu  gehörige  Avers  ist  nicht  aufgefunden.)  Der 
Avers  dieser  Münze  führt  die  Legende:  L  •  SEPT  •  SEV  AVG  •  IMP 
XI .  PAET  •  MAX. 

1914  E.  von  Caracalla.  Tr.  p.  XVI,  Frau. 

7)  PACI .  AVGVSTI.  Die  Pax  sitzt  nach  links  einen  Oelzweig 
in  der  vorgestreckten  Eechten  haltend,  ein  Füllhorn  im  linken  Arm. 
Cohen,  Septimius  230.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende: 
L .  SEPT .  SEV  -  PEET  -  AVG  -  IMP  -  IH. 

1751  E.  von  Septimius  Tr.  p.  31  cos.  II  Fortuna. 

8)  SECVEITAS  •  PVBLICA.  Frau  sitzt  nach  links  im  Profil,  in 
der  Hand  eine  Kugel  haltend.  Cohen,  Septimius  375  und  376.  (Der- 
selbe Eevers  findet  sich  auch  bei  Caracalla,  Cohen  317,  aber  der  dazu 
gehörige  Avers  ist  nicht  aufgefunden).  Der  Avers  dieser  Münze  trägt 
die  Legende:  L  •  SEPT  •  SEV  -  PEET  •  AVG  •  IMP  Uli  oder  VIU. 

1786  E.  Victoriae  Augg.  fei. 

9)  VICTOEIAE  •  AVGG  •  FEL.  Victoria  nach  links  laufend,  eine 
Tänie  in  beiden  Händen  haltend,  auf  einem  Cippus  ein  Schild.  Cohen, 
Septimius  416.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende :  L  •  SEPT  • 
SEV .  AVG  .  IMP  •  XI  PAET  •  MAX. 


Revers  von  Julia. 


CONCOEDIA.  Frau  sitzend  nach  links,  mit  Patera  in  vorge- 
streckter Eechten,  ein  Doppelfüllhorn  im  linken  Arm.  Cohen,  lulia  13 
(derselbe  Eevers  findet  sich  auch  bei  Alexander,  Cohen  19,  aber  der 
zu  dieser  Münze  gehörige  Avers,  welcher  Alexander  in  Eüstung  zeigt, 


Römische  Falsohmünzerfonnen,  gefundon  in  Trier.  41 

ist  nicht  aufgefunden).    Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende: 
IVLIA '  AVGVSTA. 

1783  R.  Severus  1,  imp.  VII. 


Beyerse  Ton  Caracalla. 

1)  PART  •  MAX  •  PONT  •  TR  •  P  •  IUI.  Tropäon  zwischen  zwei 
kauernden  Gefangenen.  Cohen,  Garacalla  116  und  118.  Der  Avers 
zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  ANTONINVS  •  PIVS  •  AV6. 

1763  R.  von  Garacalla.  Tr.  p.  XVII,  cos.  IUI,  Juppiter. 

2)  PONTIF  .  TR  P  •  XII .  GOS  ÜI.  Behelmte  Frau  im  Profil 
nach  rechts,  den  linken  Fuss  auf  einen  Helm  setzend,  im  linken  Arm 
ein  Parazonium,  in  der  rechten  Hand  eine  Lanze.  Gohen,  Garacalla 
272,  der  Avers  zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende :  ANTONINVS  • 
PIVS  -  AVG. 

1762  R.  frei. 

3)  P  -  M  .  TR  P  -  XVI .  GOS  IUI  •  P  -  P.  Serapis  steht  im  Profil 
nach  links,  mit  erhobener  Rechten,  eine  Lanze  in  der  linken  Hand. 
Cohen,  Garacalla  141.  Der  Avers  zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende: 
ANTONINVS   PIVS  •  AVG  •  BRIT. 

1914  R.  lustitia. 
1926  R.  Garacalla  5. 

4)  P  -  M  •  TR  •  P  •  XVU  -  GOS  IIU  P  -  P.  Juppiter  stehend  nach 
links,  einen  Blitz  in  der  rechten  Hand,  ein  Scepter  in  der  linken  Hand 
haltend;  zu  seinen  Füssen  ein  Adler.  Cohen,  Garacalla  154.  Der 
Avers  zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende :  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG  • 
GERM. 

1763  R.  von  Garacalla.  Tr.  p.  IUI,  Tropäon. 
1817  R.  Fort,  reduci,  liegende  Figur. 

1797  R.  Victoria  mit  unleserlicher  Umschrift. 

5)  P  M  .  TR  .  P  .  XVIU  -  GOS  IUI  P  •  P.  Serapis  auf  einem  Thron 
sitzend  nach  links  profilirt,  neben  ihm  Gerberus.  Cohen,  Garacalla  184. 
Der  Avers  zu  dieser  Münze:  ANTONINVS  -  PIVS  •  AVG  •  GERM.  Kopf 
mit  Strahlenkrone  im  Paludament. 

1921  R.  Destinato  imp. 

1816  Durchm.  der  Matrize  0,021  R.  frei. 

6)  P  -  M  •  TR .  P  •  XX .  COS  IUI  P  •  P.  Juppiter  nackt,  mit  Mantel 
auf  linker  Schulter,  steht  nach  links  mit  Blitz  in  der  rechten,  Scepter 


42  Römische  Falschmünzerformeii,  gefunden  in  Trier. 

in  der  ÜDken  Hand.    Cohen,  Garacalla  219.    Der  Avers  dieser  Münze 
hat  die  Legende:  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG  -  GERM. 

1824  E.  Paci  Augusti. 
7)  DESTINATO  [imperat].    Augurstab,  Flammenmütze,  Bucranion, 
Simpulum.    Cohen,  Caracalla  32.     Der  Avers   dieser  Münze  hat  die 
Legende:  M    AVK  -  ANTON  •  CAES  •  PONTIF. 

1921  R.  von  Caracalla.  Tr.  p.  XVIII,  Serapis. 

Reverse  von  Qettu 

1)  TR  •  P  •  III  -  COS  -  II  •  P  P.  Frau  nach  links  stehend,  mit 
einem  Füllhorn  in  der  rechten,  einen  Caduceus  in  der  linken  Hand. 
Cohen,  Geta  98.  Der  Avers  der  dazu  gehörigen  Münze  lautet:  P  -SEPT  - 
GETA  -  PIVS  -  AVG  -  BRIT. 

1925  R.  Septimius  2.  imp.  XI. 

1918  R.  Geta  1. 

1927  R  von  Septimius.  Tr.  p.  V  cos.  II,  Genius. 

2)  FORT  .  RED  •  TR  -  P  •  III  COS  -  II  •  P  •  P.  Fortuna  nach  rechts 
liegend,  angelehnt  an  ein  Rad,  in  der  linken  Hand  ein  Füllhorn  haltend. 
Cohen,  Geta  27.  Der  Avers  der  dazu  gehörigen  Münze  lautet :  P  •  SEPT  • 
GETA    PIVS  .  AVG  •  BRIT. 

1817  R.  von  Caracalla.  Tr.  p.  XVII,  cos.  III,  Juppiter. 

1919  R.  frei. 

3)  princ]  IVVENTVTBl  Geta  in  Rüstung  steht  nach  links  im 
Profil,  hinter  ihm  ein  Tropäon.  Cohen,  Geta  77.  Der  Avers  der  da- 
zu gehörigen  Münze  lautet:  P  •  SEPT  •  GETA  •  CAES    PONT. 

1746  R.  lulia  Aug. 

Bevers  von  Macrin. 

P  .  M  TR  -  P  II  COS  -  II  •  P  •  P.  Frau  nach  links  stehend,  Aehren 
in  den  Händen,  ein  Füllhorn  im  linken  Arm.  Zu  den  Füssen  ein  Ge- 
fäss  mit  Aehren.  Cohen,  Macrin  24.  Der  Avers  der  dazu  gehörigen 
Münze  lautet:  IMP  •  C    M  •  OPEL  •  SEV  •  MACRIN VS    AVG. 

1804  R.  Mars  Ultor. 

1787,  1846  R.  Veneri  felici. 

Reverse  von  Elagabal. 

1)  P  •  M  .  TR  •  P  •  II  •  COS  II  •  P  •  P.  Roma  nach  links  sitzend, 
auf  der  rechten  Hand  eine  Victoria,  mit  der  linken  sich  auf  ein  Scepter 


Römische  Falscbmünzerformen,  gefanden  in  Trier.  43 

• 

Stützend.  Zu  ihren  Füssen  ein  Schild.  Cohen,  Elagabal  69.  Der 
Avers  der  dazu  gehörigen  Münze  lautet:  IMP  •  CAES  •  M  •  AVK  • 
ANTONINVS  •  AVG. 

1784  R.  Septimius  imp.  Villi. 

2)  P  .  M  ■  TR  .  P  -  m  COS  III .  P  .  P.  Sol  nach  links  laufend, 
mit  erhobener  Rechten,  in  der  linken  Hand  eine  Peitsche  haltend. 
Cohen,  Elagabal  81.  —  Der  Avers  der  dazu  gehörigen  Münze  lautet: 
IMP  •  ANTONINVS  -  PIVS  •  AVG. 

1818  R.  Alexander  1. 
1813,  1834  R.  frei. 

3)  P  •  M  •  TR .  P  .  IUI  COS  III .  P  •  P.  Sol  nach  links  laufend, 
mit  erhobener  rechten  Hand,  in  der  linken  Hand  eine  Peitsche  hal- 
tend, im  Felde  ein  Stern.  Cohen,  Elagabal  91.  Der  Avers  dieser 
Münze  trägt  die  Legende:  IMP  •  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG. 

1755  R.  von  Septimius.  Tr.  p.  H,  cos.  U,  Fortuna. 
1768  R.  frei. 

4)  P  .  M  .  TR  -  P  •  im  COS  HI .  P  .  P.  Victoria  nach  links  laufend, 
eine  Tänie  in  beiden  Händen  haltend,  im  Felde  zwei  Schilde  und  ein 
Stern.  Cohen,  Elagabal  95.  —  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Le- 
gende: IMP  -  ANTONINVS    PIVS  •  AVG. 

1822  R.  Elagabal  2. 
1791  R.  Providentia  Aug. 

5)  SALVS-ANTONINI-AVG.  Frau  im  Profil  nach  rechts  stehend, 
eine  Schlange,  welche  sie  in  den  Armen  hält  fütternd.  Cohen,  Ela- 
gabal 121.  —  Der  Avers  zu  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  IMP  • 
CAES  •  M  •  AVR  .  ANTONINVS  -  AVG.  [Ueber  denselben  Revers  bei 
Caracalla  vgl.  Cohen,  Caracalla  312  und  313  und  die  Anmerkung]. 

1928  R.  Septimius  2. 

6)  VICTORIA  •  AVG.  Victoria  nach  links  fliegend,  in  den  Hän- 
den eine  Tänie  haltend,  im  Felde  zwei  Schilde  und  ein  Stern.  Cohen, 
Elagabal  149  und  152.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende: 
IMP  .  CAES .  ANTONINVS  •  AVG  oder  IMP  •  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG. 

1766  R.  frei. 


Reverse  von  Alexander. 


1)  P   M  •  TR  -  P  -  COS  •  P  •  P.    Mars  in  Rüstung  nach  links  im 
Profil  stehend,   hält  einen  Zweig  in  der  Linken,   ein  Scepter  in  der 


44  Komische  Falsclimünzerformen,  gefunden  in  Trier. 

Bechten.     Cohen,  Alexander  90.     Der  Avers  der  Münze  trägt  die  Le- 
gende: IMP    CM    AVß   SEV  -  ALEXAND  -  AVG. 

1752  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  Villi,  cos.  HI' 
1774  R.  frei. 

2)  P  .  M  .  TR .  P  .  VI  COS  II  •  P  -  P.  Alexander  steht  nach  links 
auf  einem  vor  ihm  stehenden  Altar  opfernd.  Cohen,  Alexander  143. 
Der  Avers  der  Münze  trägt  die  Legende:  IMP  •  C  -  M  •  AVR  SEV- 
ALEXAND .  AVG. 

1748  R.  frei. 

3)  P  .  M  .  TR .  P  .  Vmi  COS  III  •  P  .  P.  Kaiser  in  Rüstung  nach 
rechts  schreitend,  in  der  linken  Hand  eine  Kugel,  in  der  rechten  eine 
Lanze  haltend.  Cohen,  Alexander  172.  Der  Avers  der  Münze  trägt 
die  Legende:  IMP  •  C  •  M  •  AVR  •  SEV    ALEXAND  •  AVG. 

1753  R.  Alexander  3. 

1752  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  cos.  Mars. 

1749  R.  Annona  Aug. 

4)  ANNONA .  AVG.  Frau  steht  im  Profil  nach  links,  mit  Aehren 
in  der  rechten  Hand,  Füllhorn  im  linken  Arm.  Zu  Füssen  ein  Gefäss 
voller  Aehren.  Cohen,  Alexander  9  und  12.  Der  Avers  zu  dieser 
Münze  führt  die  Legende:  IMP  -  C  -  M  •  AVR  •  SEV  -  ALEXAND  •  AVG  • 
oder  IMP  -  ALEXANDER  •  PIVS  •  AVG. 

1772  R.  Alexander  2. 

1749  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  VHU  cos.  HL 

1769  R.  dgl.  Annona  Aug. 

1754,  1760  R.  frei. 

5)  MARS  •  VLTOR  in  Rüstung  nach  rechts  schreitend,  Schild 
am  linken  Arm,  Lanze  in  rechter  Hand.  Cohen,  Alexander  65  und  66. 
Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende :  IMP  •  SEV  •  ALEXAND  - 
AVG  oder  IMP  •  ALEXANDER    PIVS    AVG. 

1781  R.  Elagabal  1. 
1788,  1820  R.  Elagabal  2. 

1804  R.  von  Macrin.  Tr.  p.  H. 
1809  R.  Veneri  felici. 

1805  R.  frei. 

6)  PAX  -  AVG.  Frau  nach  links  laufend,  einen  Oelzweig  in  der 
rechten,  ein  Scepter  in  der  linken  Hand  haltend.  Cohen,  Alexander 
78.  Der  Avers  dieser  Münze  trägt  die  Legende:  IMP  CM-  AVR  • 
SEV    ALEXAND  •  AVG. 

1759  R.  Alexander  2. 


Römische  Falsohmünzerformen,  gefanden  in  Trier.  45 

7)  PROVIDENTIA  AVG.     Frau  stehend  nach  links  profilirt,  in 
der  Rechten  Aehren,  im  linken  Arm  ein  Füllhorn  haltend.    Neben  ihr 
ein  Korb  mit  Aehren.    Cohen,  Alexander  192.    Der  Avers  der  Münze 
trägt  die  Legende:  IMP  •  ALEXANDER  •  PIVS  •  AVG. 
1795  R.  Elagabal  1. 

1808  R.  Alexander  1. 

1791  R.  von  Elagabal.  Tr.  p.  IIII,  cos.  III,  Victoria. 
1796.  1799  R.  Veneri  felici. 

BeTers  der  Mamaea. 

VENERI  •  FELICI.  Venus  steht  im  Profil  nach  rechts,  auf  der 
linken  vorgestreckten  Hand  ein  Knäbchen  haltend,  die  rechte  auf  ein 
Scepter  stützend.  Cohen,  Mamaea  19.  Der  Avers  der  Münze  trägt 
die  Legende:  IVLIA  •  MAMAEA  -  AVG. 

1792,  1806  R.  Elagabal  1. 

1787,  1846  R.  von  Macrin.  Tr.  p.  11. 

1809  R.  Mars  Ultor. 

1796,  1799  R.  Providentia  Aug. 
1827  R.  frei. 

Revers  von  Septimius,  Caraealla  oder  Oeta. 

NOBILITAS.  Göttin  steht  nach  rechts  profilirt,  mit  einer  Vic- 
toria auf  der  vorgestreckten  Linken.  Cohen,  Severus  226,  Caraealla 
112,  Geta  48. 

1917  R.  Geta  2. 

Beven  von  SeptiminB  oder  £Mtu 

FELICITAS  •  PVBLICA.  Frau  in  langem  Gewand  stehend,  nach 
links  profilirt,  mit  Caduceus  in  rechter  Hand,  Füllhorn  auf  linkem  Arm. 
Cohen,  Septimius  79,  Geta  17. 

1765  R  Caraealla  2. 

1823  R  frei. 

Revers  von  Caraealla,  Geta  oder  ilexander. 

LIBERALITAS  •  AVG  •  V.  Frau  mit  Tessera  und  Füllhorn.    Vgl. 
Cohen,  Caraealla  87,  Geta  34,  Alexander  56. 
1770  R.  Caraealla  3. 


46  Römische  Falschmünzerformen,  gefanden  in  Trier. 

Reyerse  ron  Elagabal  oder  üexander. 

FORT  VNAE  •  RED  VGL    Fortuna  steht  nach  links,  ein  Steuer- 
ruder, welches  auf  einen  Globus  gestellt  ist  und  ein  Füllhorn  haltend. 
Cohen,  Elagabal  33,  Alexander  32. 
1923  R.  Severus  2,  imp.  XL 


ni.  Zweifelhaft,  ob  beim  Bau  der  Ueberl6'schen  Keller  oder 
bei  der  Verbreiterung  der  Moselbahn  gefunden. 

Ayerse  ton  Septlmiiu. 

1)  SEVERVS-PIYS-AVa 

3190  R.  dgl.  Severus  pius  Aug. 

3191  R.  Geta  1. 

3209  R.  frei. 

2)  IMP   GAE .  L .  SEP  •  SEV  •  PERT  •  AVG  -  GOS  H. 

3219  R.  Geta  2. 

3216  R.  frei. 

3)  L  .  SEPT  .  SEV    PERT  -  AVG  •  IMP  -  Vmi. 

3220  R.  frei. 

4)  L .  SEPT   SEV .  AVG  -  IMP  •  XI  •  PART  •  MAX. 
3225  R.  von  Caracalla.  Tr.  p.  XVIII,  Serapis. 

Averse  von  Caracalla. 

1)  M  .  AVR .  ANTON  •  GAES  •  PONTIF.    Jugendlicher  Garacalla 
im  Paludament. 

3217  R.  frei. 

2)  ANTONINVS  •  PIVS  •  AVG  -  BRIT. 

3210  R.  Alexander. 
3203  R.  frei. 

Averse  von  Geta. 

1)  IMP  -  GAES  -  P  .  SEPT  -  GETA   PIVS  •  AVG. 
3191  R.  Septimius  1. 

3196  R.  von  Septimius.  Tr.  p.  XVU,  Neptun. 

2)  P  -  SEPT  GETA  •  PIVS  •  AVG  •  BRIT. 
3208,  3219  R.  frei. 


Römische  Falschmünzerformen,  gefunden  in  Trier.  47 

Ayerse  Ton  Elagabal. 

1)  ANTONINVS  .  PIVS  -  AVG. 

3205  R.  Victoria  Aag. 

2)  IMP  .  CAES  -  M  .  AVK   ANTONINVS   AVG. 

3212  R.  frei. 

Avers  von  Jalia  Maesa. 

IVLIA  •  MAESA  •  AVG. 
1480  R.  Providentia  Aug. 

1483  R.  frei. 

Averse  von  Alexander. 

1)  IMP  .  ALEXANDER  •  PIVS  •  AVG. 
3210  R.  Caracalla  2. 

3199  R.  Fides  militum  sitzend. 

3213  R.  frei. 

2)  IMP  .  SEV  •  ALEXAND  -  AVG. 

3188  R.  von  Septjmius.  Tr.  p.  XVII,  Neptun. 

3187  R.  Fortunae  reduci. 
1486  R.  Liberalitas  Augg. 
3202  R  frei. 

3)  IMP .  C  -  M  .  AVR .  SEV  -  ALEXAND   AVG. 

1490  R.  Tr.  p.  II,  cos.  Juppiter. 

1484  R.  Liberalitas  Aug. 

1491  R.  Victor.  Antonini  Aug. 

Beverse  von  Septimins. 

1)  P  .  M  ■  TR .  P  .  III .  COS   n .  P .  P.    Behelmte  Minerva.     Vgl. 
oben  S.  39  Septimius  2. 

3218  R.  frei. 

2)  P.MTRPV-COSIIP-P.    Genius.    Vgl.  oben  S.  39 

Septimius  3. 
3194  R.  Salus  Antonini. 
3193,  3207  R.  frei. 

3)  P .  M .  TR  •  P  •  X  VII  •  COS  •  m .  P  -  P.  Vgl.  oben  S.  27  Septimius. 
3196  R  Geta  1. 

3188  R.  Alexander  2. 

3206  R.  frei. 


48  R&misohe  Falschmfinzerforaieo,  gefanden  in  Trier. 

4)  FORTVN  -  RED  VC.    Vgl.  oben  S.  39  Septimius  4. 
3215  R.  von  Geta.  Tr.  p.  III,  Frftu. 


Sererae  ron  Caracalla. 

1)  PROF  •  PONTIF  •  TR  •  P  •  XI  •  COS  ni.  Caracalla  zu  Pferd. 
Vgl.  oben  S.  28  Caracalla; 

3197  R.  Victoriae  Brit. 

3200  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  cos.  II,  Frau. 

2)  P .  M  •  TR  •  P  •  XVI  •  COS  •  im  •  P  •  P.  Serapis.  Vgl.  oben 
S.  41  Caracalla  1. 

3192,  3195,  3207  R.  frei. 

3)  PMTRP-XVm-COSmiPP.  Aesculap  in  der  ge- 
senkten rechten  Hand  einen  Staß  haltend,  um  welchen  sich  eine  Schlange 
windet.  Neben  dem  linken  Fuss  eine  Kugel.  Cohen,  Caracalla  186. 
Der  Avers  dieser  Münze  trägt  dlfe  Legende :  ANTONINVS  •  PIVS  - 
AVG  •  GERM. 

3225  R.  Severus  4. 
3186  K  frei. 

4)  DESTINATO  [imperatore]  Vgl.  oben  S.  42  Caracalla  7. 
3211  R.  frei. 

5)  VICTORIAE  •  BRIT.    Vgl.  oben  S.  29  Caracalla  3. 

3197  R.  von  Caracalla.  Prof.  —  Tr,  p.  XI  cos.  III. 

3198  R.  frei. 

BeTerse  ton  Cfeta. 

1)  PONTIF .  TR .  P .  II  •  COS  IL    Vgl.  oben  S.  29  Geta. 

3201  R.  Liberalitas  Augg. 
3200  R.  von  Caracalla  —  Prof. 
3189,  3214  11.  frei. 

2)  TR.PinCOSII.p.P.    Vgl.  oben  S.  42  Geta  1. 
3215  R.  Fortanae  reduci. 

3224  R  frei. 

Reyerse  ton  EUgabal. 

1)  SALVS .  ANTONINI  •  AVG.    Vgl.  oben  S.  43  Elagabal  5. 
3194  R.  von  Geta.  Tr.  p.  H,  Frau. 


Römische  Falsohmünzerformen,  gefunden  in  Trier.  49 

2)  VICTOR  •  ANTONINI  -  AVG.  Victoria  nach  rechts  laufend  mit 
Kranz  und  Palme.  Cohen,  Elagabal  144.  Der  Avers  zu  dieser  Münze 
trägt  die  Legende:  IMP  •  CAES  -  M  •  AVR  •  ANTONIN VS    AVG. 

1491  R.  Alexander  3. 

1485  R.  von  Alexander.  Tr.  p.  Vmi,  Sol. 

Reverse  von  Alexander. 

1)  P  •  M  .  TR  •  P  -  n  -  COS  -  P  -  P.  Juppiter  nach  links  profilirt 
mit  Blitz  und  Scepter.  Cohen,  Alexander  100.  Der  Avers  dieser 
Münze  lautet:  IMP  •  C  -  M  •  AVR  •  SEV   ALEXAND  •  AVG. 

1490  R.  Alexander  3. 

2)  P .  M  TR .  P  .  Vini  •  COS  •  in  •  P  •  P.  Sol  mit  Weltkugel.  Vgl. 
oben  S.  31  Alexander  2. 

1485  R.  Victoria  Anton. 

3)  FIDES    MILITVM  sitzend. 
3199  R.  Alexander  1. 

4)  LIBERTAS  •  AVG.  Frau  steht  im  Profil  nach  links,  ein  Füll- 
horn auf  dem  linken  Arm,  einen  spitzen  Hut  in  der  R.  haltend.  Cohen, 
Alexander  63.  Der  zu  dieser  Münze  gehörige  Avers  trägt  die  Legende: 
IMP  .  C  .  M  .  AVR  •  SEV  •  ALEXAND  •  AVG. 

1484,  1486  R.  Alexander  3. 

5)  PROVIDENTIA  •  AVG.    Vgl.  oben  S.  45  Alexander  7. 
1489  R.  Julia  Maesa  Aug. 

Reverse  von  Septimins  oder  Caracalla. 

LIBERALITAS  •  AVGG  •  V.    Vgl.  oben  S.  33. 
3201  R.  von  Geta.  Tr.  p.  II,  cos.  II,  Frau. 

Reverse  von  Elagabal  oder  ilexander. 

FORTVNAE  •  REDVCL    Vgl.  oben  S.  32. 
3187  R.  Alexander  2. 

3204  R.  frei. 

VICTORLA.  •  AVG.    Vgl.  oben  S.  35. 

3205  R.  Elagabal  1. 

Trier  im  April.  Felix  Hettner. 


so  Zu  dem  Grabstein  des  Yoloiot  Mercator. 


5.  Zu  dem  Grabstein  de$  Volcius  Mercator. 

(Heft  LXni,  Tafel  lU.) 


In  dem  63.  Heft  dieser  Jahrbücher  findet  sich  auf  Tafel  III  die 
photographjsche  Abbildung  eines  römischen  Grabsteins  aus  Heidelberg 
und  unter  der  Aufschrift:  Inschriftliches  aus  Heidelberg  unter  beson* 
derer  Berücksichtigung  keltischer  Namen  auf  rheinischen  Inschriften 
von  Herrn  Carl  Christ,  auch  eine  Besprechung  der  auf  dem  Grab- 
stein befindlichen  Reliefdarstellung  eines  geflügelten  Genius,  welche  viel 
Belehrendes  und  Anregendes  enthält  Ganz  besonders  aber  interessirte 
mich  die  Deutung,  welche  am  Schlüsse  jenes  Aufsatzes  der  leider  der 
Wissenschaft  so  früh  entrissene  Professor  Stark  in  Heidelberg  in  einem 
an  Herrn  Carl  Christ  gerichteten  Schreiben  diesem  Genius  gibt  und 
die  über  die  bildliche  und  plastische  Darstellung  geflügelter  Eroten  des 
Alterthums  mir  und  wohl  auch  anderen  Lesern  der  Jahrbücher  ein 
völlig  neues  Licht  gewährte.  Stark  sieht  nämlich  in  dem  en  face 
dargestellten  nackten,  geflügelten  Knaben  in  sitzender  Stellung,  welcher 
mit  ausgebreiteten  Armen  die  Inschrifttafel  des  Grabsteins  trägt,  eine 
Reliefdarstellung  des  Anteros  und  schliesst  dieses  aus  den  eigenthüm- 
lich  geformten,  aufwärts  und  in  sich  selbst  zurückgebogenen  Flügeln 
des  Genius,  wodurch  er  sich  von  dem  Eros  unterscheide.  Die  ausser- 
ordentlich einleuchtende  sachliche  Begründung  dieser  Ansicht,  sowie  der 
Reiz  der  Neuheit,  den  sie  für  mich  hatte,  veranlasste  mich,  weiter  über 
Stark 's  Mittheilungen  nachzuforschen,  und  als  Ergebniss  theils  zur 
Bestätigung,  theils  zur  Ergänzung  das  Nachfolgende  mitzutheilen. 

Die  sicherste  Auskunft  über  Eros  und  Anteros  finden  wir  bei 
Plato  und  Pausanias,  wozu  wir  noch  eine  Stelle  bei  Plinius  ziehen 
können.  Plato  (Phaedrus  255,  C  und  D)  schildert  die  Liebe  als  eine 
Art  magischen  Fluidums,  das  von  dem  geliebten  Gegenstand  auf  den 
Liebenden  übergeht  und  umgekehrt.  Es  würde  zu  weit  führen,  die  an- 
geführte Stelle  ganz  mitzutheilen  ui^d  zu  erläutern ;  unzweifelhaft  aber 
ist  bei  Plato  der  Anteros  die  Gegenliebe  und  zwar,  wie  der  Scholiast 
Hermias  treffend  zu  den  Worten  eldcoXov  egcoTog  bemerkt,  sieht  Plato 
in  dem  Eros  den  zuerst  wirkenden  Liebesgott ;  ra  devtega  di  ngoaaTC' 
ret  T(p  avriQiOTt;  die  zweite  Stelle  weist  er  dem  Anteros  an,  welcher 
die  unter  der  Einwirkung  des  Eros  erwachende  Gegenliebe  bedeutet, 
die  ihrer  Entstehung  und  der  Initiative  nach  thatsächlich  die  zweite 


r 


Za  dem  Grabttein  des  Yoloins  Mereator.  61 

Stelle  eiDnimmt,  aber  unzertrennlich  mit  dem  Eros  verbunden  se'in 
mnss.  Nicht  im  Mindesten  darf  man  hier  an  eine  feindliche  Deutung 
der  Präposition  dvri  denken,  als  ob  Anteros  ein  Gegner  des  Eros 
wäre  und  die  glückliche  Liebe  zu  zerstören  suchte.  Im  Gegentheil,  da 
wo  das  unzertrennliche  Band  zwischen  Eros  und  Anteros  gelöst,  die 
Liebe  also  nicht  erwiedert,  die  Gegenliebe  in  ihrem  göttlichen  Recht 
geschädigt  wird,  da  tritt  die  Strafe  der  Götter  ein. 

So  erzählt  Pausanias  (1,  30, 1)  an  einer  Stelle,  welche  Stark 
in  seinen  trefflichen  Bemerkungen  über  den  Anteros  nicht  angeführt 
hat,  dass  die  athenischen  Metöken  dem  Anteros  einen  Altar  er- 
richteten, weil  Einer  der  Ihrigen,  Timagoras  die  höhnischen  Worte 
eines  schönen  athenischen  Jünglings,  der  die  Liebe  des  Timagoras  ver- 
schmähte, )>er  solle  sich  vom  Felsen  stürzen«,  buchstäblich  nahm  und 
ausführte.  Aus  Reue  darüber  stürzt  sich  hernach  der  Jüngling  von 
demselben  Felsen.  Darum  wird  also  hier  Anteros  göttlich  verehrt  und 
ihm  ein  Altar  errichtet,  weil  er  nicht  ungestraft  sich  verachten  lässt 
und  weil  er  die  Missachtung  seiner  selbst  an  dem  Spröden  heimsucht. 
Auch  hier  ist  also  Anteros  nicht  der  Zerstörer  der  Liebe  oder  ein  Feind 
des  Glückes  der  Liebe,  der  wieder  trennt,  was  Eros  geeinigt  hat,  son- 
dern die  in  ihrem  göttlichen  Recht  missachtete  und  geschädigte  Gegen- 
liebe. Auf  die  charakteristische  Darstellung  des  Anteros  mit  den  in 
sich  zurückgeschweiften  Flügeln  hat  zuerst  Emil  Braun  in  seiner 
trefflichen  Publication  eines  Reliefs  im  Palazzo  Golonna  in  Rom  mit 
zwei  im  Fackelrennen  wetteifernden  Eroten  und  des  Reliefs  ausischia, 
jetzt  in  Neapel  mit  zwei  um  eine  Palme  ringenden  Eroten  (Antike 
Marmorwerke,  2.  Dekade,  Tafel  V,  a,  b)  aufmerksam  gemacht  und  die 
Richtigkeit  der  von  Braun  gemachten  Beobachtung  hat  mir  kürzlich 
Prof.  Dr.  W.  Hoff  mann  in  Berlin,  der  im  vorigen  Jahr  Rom  und 
Neapel  besuchte  und  beide  Reliefs  dort  gesehen  hat,  bestätigt.  Auf 
beiden  Reliefs  zeigt  Anteros  diese  Eigenthünilichkeit  ausgeschweifter 
Flügel,  die  uns  auf  dem  Grabstein  des  Volcius  Mereator  in  Heidelberg 
so  auffällig  entgegentreten  und  wodurch  Anteros  von  Eros  unterschieden 
wird.  Wenn  nun  auf  dem  erstgenannten  Relief  in  dem  Palazzo  Colonna 
in  Rom  Eros  und  Anteros  mit  Fackeln  wettrennend  dargestellt  werden, 
80  ist  darunter  die  den  Freuden  Hymens  entgegenstrebende  Liebe  und  - 
Gegenliebe  zu  verstehen  und  wenn  Anteros  hinter  dem  Eros  dabei  etwas 
zarUdcbleibt,  so  ist  dadurch  höchst  sinnig  angedeutet,  wie  Eros  in 
diesem  FaUe  die  Initiative  ergreift,  Anteros  aber  ihm,  wohl  wider- 
strebend und  doch  nachgebend  folgt.    Wir  wüssten  nicht,  wie  der  Wett- 


52  Zu  dem  Grabstein  des  Voloius  Mercator. 

effer  zweier  Liebenden  wahrer  und  treffender  dargestellt  werden  könnte. 
Dagegen  können  wir  auch  hier  keine  Spur  davon  entdecken,  dass  An- 
teros  der  Dämon  unglücklicher  Liebe  sei,  welcher  das  Ziel  der  Liebe 
nicht  erreicht  oder  das  Glück  der  Liebe  zeratört 

Ganz  ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Stelle,  welche  Emil  Braun 
in  seiner  oben  erwähnten  Publikation  der  beiden  Reliefs  ausPausanias 
angeführt  hat.  Pausanias  erzählt,  (Paus.  6,  23,  4),  dass  in  einem 
Theile  des  Gymnasion  zu  Elis  ein  Altar  stehe,  dem  Eros  und  der 
Gottheit  geweiht,  welche  die  Athener  und  Elier  Anteros  nennen 
ferner  seien  dort  auf  der  Kampfbinde,  die  eine  Büste  des  Herakles 
schmückt,  Eros  und  Anteros  dargestellt  und  zwar  Eros  einen  Palm- 
zweig haltend,  den  ihm  Anteros  entreissen  will.  Es  ist  aber  dieses 
Entreissen  des  Palmzweigs  nicht  in  feindseligem  Sinne  aufzufassen,  so 
dass  hier  Anteros  als  Gegner  des  Eros  erschiene,  sondern  es  ist  der 
Wettkampf  zweier  Liebenden  um  den  Siegespreis  der  Liebe  bildlich 
dargestellt,  so  dass  die  Gegenliebe  sich  bemüht,  obwohl  sie  ihrer  Ent- 
stehung nach  die  zweite  ist,  die  erste  noch  zu  Übertreffen  sucht.  Darum 
hält  Eros  den  Palmzweig  und  Anteros  will  ihn  nehmen,  d.  h.  hinter 
der  Liebe  des  Eros  nicht  zurückbleiben.  Auch  hier  beruht  die  bild- 
liche Darstellung  zweier  Liebenden  auf  tiefster  Lebenswahrheit,  die 
uns  überhaupt  in  der  Antike  so  unvergleichlich  gegenübertritt,  aber 
man  findet  keine  Spur  davon,  dass  Anteros  der  Dämon  der  unglück- 
lichen Liebe  sei,  die  ihr  Ziel  nicht  erreicht.  Auch  bei  den  von  Stark 
erwähnten  nicht  eben  zahlreichen  Darstellungen  des  Aoteros,  wie  sie 
bei  Müller  (Wieseler,  Denkmäler  der  alten  Kunst  11.  Tafel  51  ff.) 
unter  andere  Erotendarstellungen  gemischt  sind,  gibt  unsere  auf  Grund 
der  besprochenen  Stellen  gewonnene  Auffassung  die  rechte  Deutung, 
denn  wenn  Anteros  bisweilen  um  den  Geliebten  trauernd  dargestellt 
ist,  so  ist  es  doch  nach  der  Natur  der  Liebe  selbstverständlich,  dass 
sowohl  Eros,  als  auch  Anteros  trauern  bei  ihrem  gegenseitigen  Verlust, 
oder  mit  anderen  Worten,  dass  die  Trennung  zweier  Liebenden  auf 
beiden  Seiten  Schmerzen  verursacht. 

Gehen  wir  in  dieser  Anschauung  des  Mythus  vom  Eros  und  An- 
teros consequent  weiter  fort,  so  finden  wir  in  dem  Eros  den  Repräsen- 
tauten  der  entgegenkommenden,  um  die  Liebe  des  Weibes  werbenden, 
die  Initiative  ergreifenden  Liebe  des  Mannes  und  in  dem  Anteros  den 
Repräsentanten  der  sich  hingebenden  Liebe  des  Weibes,  die,  wenn  sie 
schon  später  entstanden  und  die  Liebe  des  schwächeren  Theiles  ist, 
doch  mit  dem  Eros  um  den  Liebespreis  wetteifert    Wenn  wir  daher 


Zu  dem  Orabstein  des  Yolcius  Mercator.  63 

in  dem  besprochencD  Grabstein  ein  Grabdenkmal  hätten,  welches  ein 
trauernder  Gatte  dem  geließten  Weib,  das  der  Tod  ihm  entrissen,  er- 
richtet hätte,  und  es  wäre  auf  demselben  seine  Liebe,  die  um  das 
verlorene  Glück  trauert,  dargestellt,  so  müssten  wir  auf  einem  solchen 
Denkmal  die  Darstellung  des  älteren,  kräftigern  der  beiden  Brüder, 
des  Eros  ohne  zurückgebogenes  Gefieder  erwarten.  Aber  in  dem  ge- 
gebenen Fall  ist  es  ja  ein  treues  Weib,  welches  den  gellebten  Gatten 
durch  den  Tod  verloren  hat  und  welches  um  seinen  Verlust  trauert, 
die,  um  ihn  zu  ehren  und  um  ihrer  fortdauernden  Liebe  einen  Aus- 
druck zu  geben,  ihm  ein  Denkmal  errichtet.  Da  begegnen  wir  noth- 
wendiger  Weise,  um  den  Charakter  des  Denkmals  zu  bezeichnen  und 
sofort  über  die  Motive,  aus  denen  es  errichtet  wurde,  zu  orientiren,  der 
Darstellung  des  Anteros  als  Repräsentanten  der  weiblichen  Gegenliebe 
und  es  sagt  uns  auf  diesem  Grabstein  der  Genius  mit  den  zurückge- 
bogenen Schwingen  nichts  Anderes,  als  dass  die  weibliche  Gegenliebe, 
in  diesem  Falle  trauernd,  dem  verstorbenen  Gatten  das  Grabdenkmal 
aus  Liebe  errichtet  hat.  Sehr  sinnig  angewendet  ist  hier  die  Relief- 
darstellung des  Anteros  auch  aus  dem  Grunde,  weil  Anteros  die  In- 
schrifttafel trägt  und  dadurch  die  treue  Gegenliebe  des  Weibes  als  die 
Seele  bezeichnet  ist,  aus  welcher  die  Inschriftsworte  geflossen  sind^ 
während  durch  den  geflügelten  Genius  zugleich  die  Inschrifttafel  den 
Charakter  des  Freischwebenden  erhält,  wie  denn  das  in  der  Inschrift 
bezeichnete  Objekt  der  Gegenliebe  der  Erde  entrückt  ist  und  in  seligen 
Räumen  schwebt.  Nehmen  wir  nun  noch,  um  über  den  Mythus  vom 
Eros  und  Anteros,  besonders  des  letzteren,  völlig  ins  Klare  zu  kommen, 
eine  Stelle  des  Plinius  zu  Hülfe,  welche  wir  in  seiner  Nat.  Hist. 
XXXin,  123  finden.  Dort  spricht  Plinius  von  einer  Gattung  von  Ame- 
thysten und  schildert  diesen  Stein  in  folgenden  Worten:  Tales  aliqui 
malunt  praederotas  {naidegcDTag)  vocare,  alii  anterotas,  multi  Veneris 
genam  {Venuswange),  quod  maxime  videtur  decere  et  specie  et  colore 
gemmae.  Wenn  hier  derselbe  Stein  wegen  seiner  schönen,  rosenroth 
angehauchten  Farbe  Liebesstein  und  Anteros  heisst,  kann  Anteros  nichts 
anderes  sein  als  der  Gott  der  weiblichen  Gegenliebe,  an  deren  Stelle 
in  unnatürlicher  Verirrung  bisweilen  die  Knabenliebe  trat:  wesshalb 
Plinius  sagt:  Aliqui  paederotas,  alii  anterotas  tales  (lapides)  dicere 
malunt,  während  ihm  selbst  wegen  Glanz  und  Farbe  des  Amethysten 
die  Bezeichnung  Venuswange  am  passendsten  erscheint.  Was  dagegen 
die  bei  Plato  vorkommenden  dvreQaaTai  bedeuten,  ist  aus  der  Etymo- 
logie des  Wortes  leicht  zu  erklären.    Wir  haben  hier  keine  Person- 


54    Gegenst&nde  der  Ausstellung  kanstgewerbliohcr  Alterthümer  in  Düsseldorf. 

lichkeiten  eines  Mythus,  sondern  die  Bezeichnung  eines  ethischen  Ver- 
hältnisses vor  uns.  IdtvzeQaazai  sind  sol(!he,  die  ihre  Liebe  auf  einen 
und  denselben  Gegenstand  concentriren  und  die  unter  sich  in  dem  Ver« 
hältniss  von  Nebenbuhlern  stehen.  Und  in  diesem  Sinne  ist  der  Aus- 
druck durchweg  bei  Piato  gebraucht. 
%     Seckmauem  i.  0.  Seeger,  Pfarrer. 


6.  Gegenstände  der  Ausstellung  kunstgewerblicher  Alterthamer  in 

Dilsseldorf. 


Nachdem  Hindernisse  vielfacher  Art  der  Herstellung  von  Photo- 
graphien der  hervorragendsten  Werke  der  Düsseldorfer  Ausstellung 
während  derselben  fortwährend  entgegenstanden,  ist  es  unserm  Vereine 
endlich  noch  in  letzter  Stunde  gelungen,  eine  grössere  Anzahl  von  Auf- 
nahmen zu  erlangen,  welche  demnächst  durch  die  Sch^ningh'sche 
Buchhandlung  in  Münster  zur  Veröffentlichung  kommen').  —  Mehr 
noch  als  diese  lag  es  uns  jedoch  am  Herzen,  für  die  wissenschaftliche 
Verwerthung  des  in  Düsseldorf  dargebotenen  Materials  Mittel  und 
Kräfte  zu  gewinnen.  Nachdem  für  den  letztern  Zweck  freiwillige  Bei- 
träge in  reichem  Masse  uns  zuflössen,  für  welche  wir  auch  an  dieser 
Stelle  den  Gebern  gebührenden  Dank  aussprechen^),  sind  wir  nunmehr 
auch  in  der  glücklichen  Lage  in  diesem  und  den  nächsten  Jahrbüchern 
eine  stattliche  Reihe  von  Veröffentlichungen  über  die  Schätze  der 
Düsseldorfer  Ausstellung  folgen  zu  lassen.  Dieselben  beginnen  im 
gegenwärtigen  Hefte  mit  8  Tafeln  aus  jener  herrlichen  Evangelien- 
handschrift des  X.  Jahrhunderts  der  Herzogl.  Bibliothek  in  Gotha, 
welche  wahrscheinlich  Kaiser  Otto  HI.  dem  Kloster  Echternach 
schenkte^),  und   3  weitere  Abbildungen  des    in   Silber  getriebenen 


1)  Man  sehe  die  Ankündigung  auf  der  Rückseite  des  Umschlages. 

2)  Im  nächsten  Jahresberichte  werden  wir  darauf  zurück  zu  kommen  nicht 
unterlassen. 

3)  No.  959  a  der  IL  Aufl.  des  Düsseldorfer  Gatalogs  der  Ausst.  kunstgew. 
Alterthümer. 


Oegenstinde  der  Atisatelluiig  kunstgewerblidier  Alierthümer  in  DüBseldorf.    55 

Altarkreuzes  aus  der  Patroclikirche  in  Soest^^  das  unzweifel- 
baft  aus  der  Werkstatt  des  Meisters  Anton  Eisenhuth  hervorge- 
gangen ist,  und  gewiss  unter  seinem  Einfluss  entstand.  —  Die  Euss- 
tafel  des  grossen  Warburger  Meisters  (736b);  der  Osnabrücker 
Kelch  (475)  des  zum  ersten  Male  bekannt  werdenden  Goldschmiedes 
Engelbert  Hofschleger;  die  Bronce-Statuette  eines  römischen 
Kaisers  von  der  Burg  Rheinstein  (94)  werden  im  nächsten  Hefte 
sich  anreihen. 

Es  ^bleibt  der  dringende  Wunsch,  dass  diejenigen  hervorragenden 
Kenner  einzelner  Partieen  der  Rheinischen  Kunstentwicklung,  welche 
deren  Darstellnng  auf  der  Düsseldorfer  Ausstellung  hauptsächlich  in 
die  Hand  genommen  haben,  namentlich  Herr  Bürgermeister  Thewalt 
seine  Beurtheilungen  der  Krugwerkstätten  von  Sieg  bürg,  Raeren 
undFrechenin  ihren  vorzüglichsten  Werken ;  Herr  Dom  vikar  S  c  h  n  ü  t- 
gen  seine  Beobachtungen  über  Stoffe  und  Gewänder  des  Mittel- 
alters; Herr  Caplan  Schulz  in  Aachen  seine  Studien  einer  besonderen 
Gattung  der  mittelalterlichen  Emaille-Technik;  Herr  Rector  Al- 
denkirchen  seine  Veröfientlichungen  seltener  kirchlicher Geräthe  bald 
in  den  Jahrbüchern  folgen  lassen  möchten. 

Eine  Würdigung  der  Düsseldorfer  Ausstellung  kunstgewerblicher 
Alterthümer  in  ihrer  Besonderheit  gegenüber  den  frühern  Ausstellungen 
ist  bisher  von  berufener  Feder  meines  Wissens  überhaupt  nicht  unter- 
nommen worden  ^),  und  wenngleich  das  Grundsätzliche,  woraus  sie  her- 
vorgegangen, meinerseits  in  der  Einleitung  zumCatalog  ausgesprochen 
wurde,  so  bleibt  es  verlockend  und  vorbehalten  auf  ihre  Geschichte 
und  ihre  Leistungen  zurückzukommen:  sei  es  auch  nur,  um  mannig- 
fachen Verdiensten  Lob  und  Dank  gebührend  zu  spenden. 

E.  aus'm  Weerth. 


1)  No.  651  d  des  Catalogs. 

2)  Die  eingehendste  Besprechung  dürfte  das  eben  erschienene  Buch  von 
Charles  Linas  darbieten:  Emaillerie,  Metallurgie,  Toreutique,  Ge- 
ra mique.  Les  £zpositions  retrospectives  Bruxelles,  Düsseldorf,  Paris  en  1880. 
Paris  1881. 


56  Der  Bildenchmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Gotha. 


A.  Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  und  dee  Cod. 

Epternaceneie  zu  Gotlia. 


Hierzu  Tafel  UI—X. 


Vom  J.  977—993  Decbr.  9.  war  Egbert,  ein  Sohn  des  Grafen 
Theoderich  von  Holland  und  der  Hildegardis,  Erzbischof  zu  Trier*). 
Beim  Antritt  seines  Amtes  fand  er  die  Diöcese  in  der  grössten  Noth; 
die  erzbischöflichen  Güter  waren  an  dieMilites  ausgethan,  Klöster  und 
Kirchen  aber  waren,  wie  Egbert  selbst  in  mehreren  Urkunden  be- 
merkt (Beyer  MR.  ÜB.  I,  No.  254,  S.  310,  z.  J.  980  u.  öfter)  von  den 
Zeiten  seiner  Vorgänger  her  so  elendiglich  ihres  Unterhalts  beraubt, 
dass  man  kaum  noch  Hoffnung  auf  Besserung  der  Verhältnisse  schöpfen 
konnte. 

In  dieser  Zwangslage  suchte  Egbert  wenigstens  einige  Klöster 
wieder  zur  alten  Höhe  emporzuheben;  so  namentlich  das  Marienkloster 
zu  Trier  (Beyer  a.  a.  0.  No.  256,  S.  313,  981;  vgl.  No.  266,  S.  331, 


1)  Der  Name  lautet  in  den  besten  Quellen  Egbertus,  Egbrecht;  so  im  Epi- 
taphium (M6SS.  YIII.  171,  Note  87),  in  der  wenig  später  geschriebenen  Transl. 
S.  Celsi  (SS.  VIII,  204  f.),  im  Codex  Egberti,  im  Psalter  von  Gividalc,  in  den 
meisten  ürkk.  Daneben  kommen  Ekbertus,  Ekebertos,  Eckebertus,  Egilbertus 
vor  (vgl.  das  Register  des  MR.  ÜB.  I.  S.  725  und  der  SS.  VIII),  vereinzelt  auch 
Hecebertus  (Ann.  Bland.  979,  SS.  Y,  25).  Die  Namen  der  Eltern  Egberts  über- 
liefern die  Codd.  B.  C,  der  Gest.  Trevir.  SS.  VIII,  S.  169  in  einer  sagenhaft  ge- 
stalteten Geschichte,  wozu  indess  die  Note  22  ebd.  zu  vergleichen  ist.  Jedenfalls 
ist  mindestens  die  edle  Abkunft  Egberts  sicher  bezeugt  durch  Transl.  S.  Celsi 
Cap.  2  (a.  a.  0.  S.  205),  wo  Egbert  darus  parentelae  generositate  genannt  wird. 
—  Die  Sedenzzeit  Egberts  lässt  sich  in  Folge  des  sicher  überlieferten  Todestages 
von  ihm,  Dec.  9  993,  und  seinem  Vorgänger,  Juni  5  977  (vgl.  Goerz.  Reg.  der 
Erzb.  zu  Trier,  S.  6  u.  7)  genau  auf  16  Jahre  109  Tage  feststellen.  Demgemäss 
wird  in  dem  Epitaphium  die  Lücke  der  Verse: 

rexit  et  ecclesiam  senos  denosque  per  annos 

novenis  atque  diebus 

etwa  durch  „nee  non  centenis^  auszufüllen  sein. 


In  dem  Aufsatze  „Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  etc." 
ersuchen  wir  im  Text  die  Tafelbczeichnung  I — VIII  in  Tafelbezeich- 
nuDg  III— X  umändern  zu  wollen. 


fenestras  ponant,  casulis  dalmaticis  cappis  vetustate  consumplis  meliores 
restituant,  preposito  ipsius  monasterii  cetera  in  edificiis  procurante, 
cnstode  vero  lineas  vestes  in  ecclesia  utendas  reparante.  Egberts  Rich- 
tung ging  also  zunächst  auf  den  äusseren  Schmuck  des  Gottesdienstes ; 
seine  Interessen  waren  künstlerische,  oder  der  Paramentik  gegenüber 
genauer  gesagt  kunstgewerbliche. 

Diese  Richtung,  wie  sie  sich  aus  Egberts  Urkunden  ergiebt, 
spiegelt  sich  auch  in  den  chronikalischen  Notizen  über  seine  Amtszeit 
wieder.  Die  umfangreichste  derselben  findet  sich  in  den  Gest.  Trevir. 
SS.  VIII,  169:  (Egbertus)  ecclesiam  suam  .  .  largissima  liberalitate 
donavit,  aureis  et  argenteis  crucibus,  plenariis,  casulis,  dalmaticis, 
tnnicis,  palUis,  cappis,  velis  cortinisque  et  possessionibus  auxit.  Eine 
indirecte  Bestätigung  für  die  Richtigkeit  dieser  Notiz  ergiebt  sich  aus 
Gest.  Alberonis  metr.  V.  251  f.  (SS.  VIII.  S.  241): 

.  .  .  corraso,  quod  in  ecclesiis  fuit  auro 
Preterea  quicquid  tunc  reperit  in  cruce  magna, 
Quam  quondam  felix  Ekebertus  contulit  illuc. 

Vom  Gebrauch  dieser  prachtvollen  paramentalen  Geschenke  zur 
Egbertschen  Zeit  giebt  endlich  Transl.  S.  Celsi  Gap.  11  (a.  a.  0.  S.  207) 
eine  Vorstellung :  processionem  . . .  construxit  [Egbertus]  cum  crucibus 
et  cereis,  thuribulis  quoque  textibusque  evangelii  gemmatis  omnique 
ecclesiastico  apparatu  [für  S.  Mattheis  bei  Trier]. 

Leider  erhält  man  bei  allen  diesen  Angaben  von  dem  näheren 
Aussehen  der  Kunstgegenstände  keine  Schilderung,  nur  ein  Ausdruck 
.textus  evangelii  gemmati"  kann  als  beschreibend  gelten.  Und  er 
führt  allerdings  grade  mitten  in  die  Doppelstellung  ein,  welche  Egbert 
als  kirchlicher  Eunstmäcen  besonders  gern  einnahm;  er  zeigt  den  Erz- 
bischof als  Liebhaber  von  kostbaren  Handschriften  und  Emailleeinbänden 


58  Der  Bildertohmuok  des  Ck)d.  Egberti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  Epiemaoenns  la  GoUia. 

far  dieselben;  eine  Verbindung,  an  welche  man  auch  bei  dem  Amh 
druck  „plenaria'*  der  Gesta  Trevir.  zu  denken  haben  wird. 

Es  fragt  sich  nun,  in  wiefern  die  erhaltenen  Denkmäler  diesen 
Notizen  der  historischen  Quellen  entsprechen.  Aus*m  Werth  hat  zu- 
nächst die  hohe  Bedeutung  Triers  als  vorzüglichsten  Platzes  der 
Emailletechnik  im  10.  Jahrh.  präcisirt  (vgl.  Siegeskreuz  Gonstantins  VII. 
etc.;  Kunstdenkm.  des  christl.  M.  i.  d.  Rheinldn.  Text  III,  77  f.  und 
Verhandlungen  d.  Bonner  Internat.  Congresses  1870,  S.88f.)  und  be- 
wiesen, wie  sich  die  Entstehung  und  der  Glanz  dieser  Technik  speciell 
an  den  Namen  Egberts  knüpft.  Aus  der  grossen  Anzahl  der  unter 
diesem  Erzbischof  geschaffenen  Werke  der  Goldschmiede-  und  Schmelz- 
kunst sind  vor  Allem  die  Hülse  für  den  Stab  des  h.  Petiois  im  Dom 
zu  Limburg  a.  d.  Lahn,  der  Tragaltar  und  zugleich  Reliquienschrein 
des  h.  Andreas  im  Dom  zu  Trier,  endlich  der  Deckel  des  Echtemacher 
Evangeliars  zu  Gotha  zu  erwähnen.  Nicht  minder  kostbar,  als  dieser 
Deckel,  wird  der  Einband  des  sog.  Codex  Egberti  in  der  Stadtbibliothek 
zu  Trier  gewesen  sein;  er  ist  aber  im  vorigen  Jahrhundert  schon  vor 
der  Revolution  eingeschmolzen  worden.  Auch  für  den  Psalter  von 
Cividale,  ein  Geschenk  an  den  Trierer  Dom,  bestimmte  Egbert  einen 
solchen  kostbaren  Deckel,  denn  auf  der  ersten  Miniatur  dieses  Codex 
überreicht  der  Fertiger  desselben  die  US.  in  Gold  gefasst  dem  Erz- 
bischof  I).  Wie  nun  die  oben  aus  Transl.  S.  Celsi  Cap.  11  angef.  Stelle 
beweist,  wurden  alle  diese  Prunkdeckel  besonders  bei  Processionen 
verwandt;  es  i$t  indess  begreiflich,  dass  man  das  Innere  der  von  ihnen 
geborgenen  Handschriften  gleich  kostbar  zu  gestalten  suchte,  und 
namentlich  auf  einen  gediegenen  bildlichen  Schmuck  ausging. 

So  erklärt  es  sich,  wie  Egbert  bei  seiner  Vorliebe  für  prächtige 
Paramente  auch  die  künstlerische  Ausstattung  der  Handschriften  sich 
zum  Ziele  setzte  und  auf  diesem  Gebiete  Werke  hervorrief  oder  be- 
einflußte, welche  zu  den  hervorragendsten  des  10.  Jahrhunderts  Ober- 
haupt gebühren.  Es  sind  namentlich  zwei  Codd.,  welche  direct  auf  Eg- 
bert hinweisen,  der  Psalter  von  Cividale  und  der  Cod.  Egberti  zu  Trior. 
Der  Psalter  von  Cividale,  früher  von  Laur.  a  Turre  und  Gori  ober- 
flächlich, dann  von  Eitelberger  (Jahrbb.  der  k.k.  Centralcommission 
U,  824  O  gründlich  beschrieben,  enthält  19  Miniatnren,  von  denen  15 


P  Nadi  Schmitt.  KmV  de«  b.  Pftulin.   S.  106  hSU«  auc^  das  Egbcrtsoke 
Ktyrtmm  Givi|poirü  L  yy^ux  ia  d«r  Ttmkt  SiadibibL)  «tuen  PrackÜMod  yakibi. 


•  • 


Der  IKldendhmaok  des  Cod.  Egberti  za  Trier  u.  d.  Cod.  EpternacensiB  za  Gotha.  59 

Trierer  Localheilige  und  David  darstelleD,  4  die  Ueberreichung  der  HS. 
an  Egbert  und  Dedication  derselben  durch  Egbert  an  St.  Peter  schil- 
dern.   Letztere  tragen  die  Ueberschriften: 

Donum  fert  Ruodprecht,  quod  presul  suscipit  Egbrecht, 
Qui  tibi  dat  munus,  dele  sibi,  Petre,  reatus. 

Der  hier  genannte  Verfertiger  der  HS.  Ruodprecht  kann  kaum 
ein  anderer  sein,  als  der  ca.  970—981  am  Trierer  Domstift  nachweis- 
bare Baotbert,  der,  der  Einzige  dieses  Namens  im  10.  Jahrb.,  zuerst 
Ghorbischof,  und  seit  973  Archidiacon  der  Trierer  Diöcese  war^-  Der 
Psalter  fällt  mithin  ungefähr  in  die  Jahre  977-^981.  Während  so  bei 
dem  Psalter  von  Cividale  Herkunft  und  Abfassungszeit  wenig  zweifel- 
haft erscheinen,  wird  dieselbe  beim  Codex  Egberti  einer  genaueren 
Untersuchung  bedüi-fen,  welche  unten  gegeben  werden  soll. 

Neben  diesen  beiden  Prachtwerken  ist  als  sichtbare  Spur  von  Eg- 
berts Eifer  für  schöne  Ausstattung  von  Handschriften  noch  eine  Ab- 
schrift des  Registrum  Gregorii  I.  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Trier  er- 
balten (vgl.  Schmitt,  Kirche  des  h.  Paulin  S.  108  und  Wattenbach 
DGQu.  II,  III,  §  6).  Grade  diese  HS.,  nach  der  ästhetischen  Seite  hin 
weniger  bedeutend,  ist  für  den  kuustgeschichtlichen  Zusammenhang 
wichtig.  Sie  enthält  nämlich  Verse  zum  Preise  Ottos  II.  und  stellt 
somit  die  enge  Verbindung  Erzbischof  Egberts  mit  dem  Kaiser,  wie  sie 
für  das  politische  Gebiet  bekannt  ist,  auch  für  das  küustlerische  fest. 
Und  grade  dieser  Einblick  erlaubt  erst  die  Unterbringung  des  einst 
Eptemacher  jetzt  Gothaer  Codex,  der  ausgedehntesten  Bilderhandschrift 
und  des  kostbarsten  Einbandes  der  Egbertschen  Epoche.  Geht  man 
bei  der  historischen  Classificirung  dieser  HS.  von  dem  Einband  aus,  so 
zeigt  sich  eine  merkwürdige  Doppelstellung :  das  hier  verwendete  Gold- 
blech zeigt  die  getriebenen  Gestalten  der  Kaiserin  Theophanu  und  eines 
Otto  rex;  die  aufgesetzten  Emailletheile  aber  zeigen  theilweise  mit  den 
Emaillen  des  St.  Andreas- Altares  zu  Trier  identische  Ornamente.  Es 
kann  daher  zunächst  kein  Zweifel  sein,  dass  dieser  Einband  in  Trier 
entstand;   und  wenigstens  wahrscheinlich  ist  es,  dass  er,  wie  auch  die 


1)  Vgl.  MR.  ÜB.  1.266,  No.  230,965-975:  s.  Buodberti  corepiso.;  800  No. 
244,  978:  BobertuB  archidiaconus;  306,  No.  249,  976:  S.  Rfttberti  archidiaconi; 
814,  No.  266,  981:  (S.)  Bftberti  arohidiaooni.  Dass  die  4  hier  genannten  Ruot- 
berte  identisch  sind,  beweist  das  Avancement  vom  Ghorblschof  zum  Archidiacon; 
dies  war  die  hierarchische  Stufenleiter  der  Aemter,  wie  sich  aus  den  Zeugen- 
reihen  der  beiden  zuletzt  angefahrten  Urkk.  erweist. 


60  Der  Bildemcbmuck  des  Cod.  Egbert!  zn  Trier  u.  d.  Cod.  Epiemacensis  sa  Gotha* 

alte  Tradition  besagt,  auf  Bestellung  der  beiden  auf  dem  Deckel  dar- 
gestellten Personen  angefertigt  wurde.  Man  erkennt  also  grade  an 
dieser  Handschrift  die  eigenthümliche  Lage  der  Trierer  Kunst  unter 
Egbert;  man  sieht,  wie  sie  hervorgerufen  durch  den  machtvollen  Willen 
des  Erzbischofs,  sich  rasch  zu  hoher  Blüte  aufschwingt  und  mit  kaiser- 
lichen Aufträgen  beehrt  wird. 

Hier  fragt  es  sieb  nun,  ob  denn  diese  verschiedenen  Einflüsse 
localer  und  universeller  Natur  sich  nicht  auch  in  der  Kunstrichtung 
der  Schule  wiederspiegelten?  Ob  nicht  neben  den  von  Egbert  —  wie, 
werden  wir  später  sehen  —  gehegten  Traditionen  sich  der  Geschmack 
der  griechischen  Theophanu  und  damit  byzantinische  Auffassung  und 
Technik  geltend  machten? 

Für  die  Emailletechnik  sind  diese  Fragen  erledigt:  in  diesem 
Puncte  waren  die  Byzantiner  die  ersten  Meister ;  die  Deutschen  konnten 
nur  von  ihnen  lernen,  und  grade  die  Trierer  Denkmale  zeigen,  wie 
energisch  sie  die  ihnen  gebotene  Schule  durchmachten.  Ganz  anders 
stellen  sich  die  Dinge  für  die  innere  Ausstattung  der  Manuscripte; 
hierfür  bestanden  in  Deutschland  bedeutende  Traditionen,  und  die  Frage, 
in  wie  weit  das  byzantinische  System  der  KunstObung  und  ästhetischen 
Auffassung  ihnen  gegenüber  durchdrang,  gehört  zu  den  schon  lange 
umstrittenen. 

Ich  will  mich  nun  der  Lösung  dieser  Frage  speciell  für  Trier 
und  die  Rheinlande  durch  einen  genauen  Vergleich  des  Codex  Egberti 
und  der  Eptemacher  Handschrift  zu  Gotha  zu  nahem  suchen.  Die 
Gründe,  warum  ich  gerade  diese  beiden  HSS.  zum  Vergleich  wähle, 
sind  doppelter,  chronologischer  und  sachlicher  Natur*).  Beide  HSS. 
nämlich  weisen  einen  Bildercyclus  zum  Leben  Christi,  also  denselben 
Stoff  auf,  und  bieten  betreffs  der  Chronologie  den  grossen  Vortheil, 
dass  die  eine  unmittelbar  vor  die  einfiussreiche  Zeit  der  Theophanu, 
die  andere  in  diese  Zeit  selbst  zu  setzen  ist. 

Endlich  aber  hat  der  reiche  kulturhistorische  Gehalt  beider  Hand- 


1)  Man  kann  zweifelhaft  sein,  ob  neben  diesen  beiden  HSS.  nicht  das  Prümer 
Antiphonar  (Bibl.  nat.  zu  Paris  Supplöm.  lat.  641;  vgl.  Schnaase  IV.  2,  638, 
Labarte  Hist.  des  arts  ^  II,  451,  wo  auch  eine  farbige  Copie)  heranzuziehen  war, 
da  es  auf  Bl.  1  und  Bl.  48b  Einzeichnungen  trägt,  welche  seine  Entstehung  um 
989  zu  beweisen  scheinen.  Für  mich  waren  es  zunächst  rein  praktische  Beweg- 
gründe, welche  ein  Hinzuziehen  dieses  Antiphonars  in  den  vorliegenden  Aufsatz 
verboten;  vielleicht  vermag  ich  später  Mittheilungen  über  dasselbe  zu  geben. 


Der  Büdenehmaok  des  Cod.  Egberti  za  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  zu  Gk)tha.  61 

Schriften  speciell  diese  Wahl  veranlasst.  Bisher  ist  der  kulturhistori- 
sche Theil  nnsrer  mittelalterlichen  Miniaturen  von  der  Kunstgeschichte 
so  gut  wie  ganz  übersehen  worden;  sehr  zum  Nachtheil  ebenso  sehr 
der  Kunstgeschichte  selbst,  wie  vor  Allem  unsrer  realen  Anschauung 
vom  Leben  des  Mittelalters.  Um  so  dringender  ist  daher  die  Pflicht, 
bei  Publicationen  von  Umrissen,  wie  sie  diesem  Aufsatz  beigegeben 
sind,  neben  der  kunstgeschichtlichen  Beurtheilung  das  Yerständniss 
aujch  der  kulturhistorischen  Bedeutung  durch  herzugezogene  Analogien 
aus  Bildern  und  Schriftstellern  zu  fördern. 


I.  Beschreibung  der  Handschriften. 

A.  Codex  Egberti. 

Der  Codex  Egberti,  in  Reichenau  gefertigt,  jetzt  in  der  Trierer 
Stadtbibliothek  aufbewahrt,  ist  eine  Pergamenthandschrift  von  165  Bll. 
in  49.  Der  ursprüngliche  Einband  bestand  —  wohl  nur  im  obern 
Deckel  —  aus  Gold  und  Gemmen,  wie  die  unten  gegebene  Notiz,  aus 
einem  in  den  Cod.  eingelegten  Blatte  besagt.  Wahrscheinlich  hat  man 
bei  den  dort  erwähnten  Gemmae  gemäss  dem  Ensemble  der  sonstigen 
Goldarbeiten  aus  der  EgberVschen  Zeit  auch  an  Emaillen  zu  denken. 
Dieser  kostbare  Deckel  wurde  1772  verkauft,  um  die  Sakristei  von 
St.  Paulin,  dem  Stifte,  an  welches  Egbert  den  Codex  vererbt  hatte,  zu 
erweitem  und  neu  einzurichten  0.  Die  offizielle  Notiz  im  Codex  Eg- 
berti selbst  giebt  die  attrita  compactura  als  Grund  für  die  Neubindung 
an,  die  1773  immer  noch  kostbar  genug,  in  Silber,  Gold  und  Edel- 
steinen erfolgte.  Dieser  neue  Band  kostete  390  Ti-ierische  Thaler*) ; 
er  hat  bald  einem  gewöhnlichen  Lederband  aus  dem  Ende  vorigen 
Jahrhunderts  weichen  müssen,  und  über  seinen  Verbleib  ist  Nichts 
bekannt.  An  die  Stadtbibliothek  zu  Trier  kam  die  HS.  durch  den 
letzten  Canonicus  von  St.  Paulin  J.  W.  Goetten  i.  J.  1810. 

Die  165  Blätter,  fast  durchweg  gut  erhalten  —  nur  wenige  Mi- 
niaturen haben  durch  aufgesprengtes  Wasser  gelitten  —  messen 
27:21cm;  die  Schrift  lässt  einen  Rand  von  innen  ca.  3  cm,  aussen  ca. 


1)  Schmitt,  Kirche  des  h.  Paulinus  S.  262. 

2)  Protocolla  capituli  ad  StPaolinom  anni  1778,  Stadtbibl.  zu  Trier;  vgl. 
anoh  a.  a.  0.  8.  i68,  No.  27. 


62  Dar  Büderaohmnok  des  C!od.  E^beiü  za  Trier  a.  d.  Cod.  Eptemaoeneie  eq  Qoths. 

5  cm,  oben  ca.  3—4  cm,  unten  ca.  6cm.  Der  ganze  C!od.  ist  von  einer 
einheitlichen  festen  Hand  geschrieben;  in  den  Ueberschriften  der  Ab- 
schnitte ist  meist  Oold  als  Schreibstoff  verwendet. 

In  dem  Cod.  findet  sich  vom  ein  eingelegtes  Pergamentblatt  mit 
folgenden  Notizen: 

Bl.  la:  Evangeliorum  textus  Egberti  iuxta  Browernm  ab  initio  Anni 
978  ad  mensem  Decembr.  993  sedentis  Insignis  GoUegiatae  ad 
St.  Paulinum  prope  Treviros  Benefactoris  singularis  etalterios 
quasi  Fundatoris  etc.,  Auro  gemmisque  fulgens  praetactae  Ec- 
clesiae  dono  relictus,  post  primam  per  780  et  plures  annos 
attritam  compacturam  noviter  compactus  argento  auro  et  la- 
pidibus  omatus  Anno  1773,  eiusdem  Ecclesiae 

Decano 
Flur.  Rdo.  Ampi.  Glariss.  D.  Michaele  Josepho  de  Pidoll  I. 
ü.  D.  et  Consistorii  Trevir.  Assessore 

Capitularibus 
Adm.  Rdis,  Eximiis,   Glariss.  Dominis  D.  Joan.  Ghristophoro 
Hermano  Seniore  Jubilario  et  Gantore 
BI.  2a:    D.  Joanne  Adolpho  Hahn. 

D.  Philippo  Henrico  Scheuerer  Scholastico. 

D.  Ghristophoro  Antonio  Ruth  Geller. 

D.  Lothario  Friderico  Rodt.  I.  ü.  D.  Protonotario  AposL 

D.  Joanne  Josepho  Fertius. 

D.  Godefrido  Schmidt. 

D.  Valentino  Josepho  Hitzler. 

D.  Nicoiao  Neil  I.  U.  D.  Gonsistorii  Trevirens.   Assessore  et 

Gapit.  Secret. 
D.  Joan.  Garolo  Georg.  Joseph,  de  Baring. 
D.  Antonio  Oehmbs  SS.  Theol.   Doct.  et  SS.  Litterar.  Pro- 

fessore  publico  ac  ordinario,  Examinatore  Synodali. 
D.  Garolo  Josepho  BerghoflF,  etiam  Altarista  in  Garden. 
D.  Ignatio  Xaverio  de  Pidoll. 
Der  Codex  selbst  hat  folgenden  näheren  Inhalt: 
Bl.  la:    Von  einer  Hand  des  12  Jhs.:  Privilegium  primatis  Agricii  et 
archiepiscopi  etc.:  Bestätigung  des  trierischen  Primats  durch 
Papst  Silvester,  vgl.  MR.  ÜB.  I,  No.  1,  schliesst:  Exemplar, 
quod  Volusianus  archiepiscopus  rescribi  fecit.  —  Darunter  von 
Wyttenbachs  Hand:  Bibliothecae  pubUcae  Givit  Trevir.  dono 
dedit  vir  doctissimus,  monumentorum  patriae  veterum  aman- 


/ 


Der  Bildersehmaok  des  Cod.  Egberti  za  Trier  u.  d.  Cod.  EpiernaoenBis  zu  Gotha.  68 

tissimus,  Joa.  Wilhelmus  Goetten,  Eccles.  coUog.  adStPaa- 
linum  quondam  Canonicus.  Recepi  ad  eandem,  die  14a  mensis 
Martii  1810.    Bibliothecae  huius  coDservator  J.  H.  Wyttenbacb. 

BI.  Ib:    Randbordüre  18:13  cm,  Drachen  in  goldenen  Gontouren  auf 
purpurnem  Grande,  in  der  Mitte  die  Verse: 
Hunc  Egberte  librum  divino  dogmata  plenum 
Suscipiendo  valel  nee  non  in  saecula  gaude, 
Augia  fausta  tibi,  quem  defert,  praesul,  honori. 

EL  2a :  Randbordüre  in  den  Dimensionen,  wie  Bl.  Ib,  mit  zoomorpben 
Pflanzenomamenten  geschmiickt;  in  der  Mitte  auf  erzbischöf- 
lichem Stuhle  Egbert  US  Trevcrorum  archiepiscopus,  zu  seinen 
Seiten  je  ein  Mönch,  welcher  ein  Buch  darreicht:  Keraldus, 
Heribertus  Augigenses. 

Bl.  3b:  Evangelist  Matthäus  am  Schreibpult  auf  goldig  gemustertem 
Purpurgrund,  umfasst  von  einer  einfachen  Linearbordtire  in 
Mattblau  und  Gold;  18:14cm. 

Bl.  4as    St.  Marcus  in  gleicher  Weise,  ] ^e  Musterungen  des  Hinter- 
Bl.  5b:    St.  Lucas  in  derselben  Weise,   [g">ndes  «nd   ohne  Cöntun- 

m  Ä-     C4    T^u      ^    •      11.     w-     irung  als  Gewebeimitation  aus- 
Bl.  6a:    St.  Johannes  m  gleicherweise,!     ^\  ^     ,         .^  .,,    ., .. 

I  geführt;  ebenso  bei  Matthaus. 

BL  7a:    In  sehr  einfacher  Randbordüre,  18:14  cm,  IN  NOMING  |  DNI 

INCIPITLIBeReU|ANQeLI05l.peRCIR  I  CULUCO  ANNISUCO 

PTV  lex  LI  B  R  0  CGI  OTITIS  •  IN  UIGILIA  NA  |  TAUS  DNI  • 

STATITIO  I  AD  •  S  •  COARIACO  •  HORA  Villi  -  |  SGQ U  ENTI A  j 

SCIGV. SeC •  COATHGVCO  I  . 

BL  8a:    Randbordüre  wie  BL  7a,  enthält:  GLORIA  TIBI  DNG  |  CDM 
(Initialen)    lAPPROPINQUAS  |  SGNT   HIGROSOLIMIS  •  | 
—  benedictus  qui  venit  in  nomine  Domini*). 

BL  8b:  Dom.  II  de  adv.  Domini  sec.  Luc:  (In  illo  tempore)*)  dixit 
Jhesos  —  mea  non  transibunt. 

BL  9a:  Dom.  HI  de  adv.  Domini  sec.  Matth.:  Cum  audisset  Johannes 
in  vinculis  —  viam  tuam  ante  te. 

BL  9b:    Verkündigung,  Miniatur  von  10:13cm. 

BL  10a:  Fer.  Dil  ad  S.  Mariam  sec.  Luc:  Missus  est  angelus  —  ver- 
bum  tuum. 


1)  ss'Erang.  Dom.  I,  de  adv.  Domini. 

2)  Den  einzelnen  Abschnitten  ist  regelmässig  In  illo  tempore  vorgesetzt, 
daher  sioh  stets  der  sehr  einfache  Initial  I  wiederholt. 


64  Der  Bilderfchmuok  des  Cod.  Egberti  za  Trier  u.  d.  Cod.  EptemaoenBis  sa  Gotha. 

Bl.  10b:  Heimsachang,  10:13 cm. 

Bl.  10b:  Fer.  VI  sec.  Luc:  Exurgens  Maria  —  salutari  meo. 

BI.  IIa:  Sabb.  in  Xlla  legitur(?)  ad  S.  Petrum  sec.  Luc.  Anno  quinto 

decimo  imp.  Tib.  —  salutare  dei. 
BI.  IIb:  Dom. IV  de  adv.  dorn.  sec.  Job.:  Miserunt  Judaei -- Johannes 

baptizans. 
Bl.  12a:  Der  Engel  erscheint  Joseph,  9V«:13cm. 
BI.  12a:  Vigil.  nat.  Domini  sec.  Matth.:  Cum  esset  desponsata— peccatis 

eorum;  vgl.  Comes  (ed.  Baluze,  Capp.  reg.  Fr.)  Sp.  1309,  Dec.24. 
Bl.  12b:  In  nocte  statio  ad  S.  Mariam.  sec.  Luc:  Exiit  edictum  —  circum 

fulsit  iUos  —  (B1.13b)  et  pastores  —  bonae  voluntatis.  Comes 

Sp.  1310  Dec  25. 
Bl.  13b:  Christi  Geburt,  die  Hirten  auf  dem  Felde,  17:13cm. 
Bl.  14a :  Primo  mane   statio  ad  S.  Anastasium  ^)  sec  Luc :  Pastores 

loquebantur  —  ad  illos.  Comes  Sp.  1310  Dec  25. 

In  die  ad  missam  statio  ad  S.  Petrum  (in  Goldbuchstaben: 

Inicium  sancti  evangelii  secundum  Johannem):  In  principio  — 

veritatis.    Comes  Sp.  1311  Cap.  1.  Dec  25. 
BL  14b:  In  natali  S.  Stephani.  sec  Job.:  Dicebat  Jhesus  —  in  nomine 

domini.  Comes  Sp.  1311,  Cap.  1.  Dec  26. 
Bl.  15a:  In  natali  S.  Johannis  evang.  sec.  Job.:  Dixit  Jhesus:  Petrus 

sequere  me  —  testimonium  eins.    Comes  Sp.  1311,  Cap.  1. 

Dec.  27. 
Bl.  15b:  Bethlehemitischer  Kindermord,  10:13  cm. 
Bl.  15b:  In  natali  Innocent.  sec  Matth.:  Angelus  domini  apparuit  — 

quia  non  sunt.  Comes  Sp.  1311,  Cap.  1.  Dec  28. 
Bl.  16a:  In  octavis  domini  de  circumcisione  sec  Luc:  Postquam   — 

conciperetur.  Comes  Sp.  1311  Cap.  3.  Jan.  1. 

In  epiphania   domini  ad   S.  Petrum.   Sequentia  s.   eu.  sec 

Mattheum. 
Bl.  16b:  C(Init.)um  natus  esset  —  in  regionem  suam.  Comeg  Sp.  1312 

Cap.  6,  Jan.  6. 
BL  17a:  Die  Weisen  sehen  den  Stern;  Anbetung  der  h.  Drei 

Könige,  9V«  :13  cm. 
BL  17b:  Sequentia  s.  eü.  sec  Luc:  (ohne  Angabe  des  Tages)  Postquam 

impleti  —  tuae  Israhel.  Comes  Sp.  1311,  Cap.  3,  Jan.  1. 
BL  18a:  Darbringung  im  Tempel,  10V9:13cm;  gleich  darunter: 


1)  Lib.  Gomos  Sp.  1310:  Anastaaiam. 


■i 


Der  Büdenehmuck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Qotba.  65 

Bl.  18a:  Dom.  I  post  Nat  domini  sec.  Luc:  Erat  Joseph  et  Maria  — 

erat  in  illo,  Comes  Sp.  1311,  Gap.  4  Jan.  1;  gleich  darunter: 
BL  18b:  Christus  im  Tempel;  9:13cm. 
BI.  19a:  Dom.  I  post  Theoph.  sec.  Luc:  Cum  factus  esset  Jhesus  — 

apud  Deum  et  homines.  Comes  Sp.  1313  Gap.  12. 
BL  19b:  Taufe;  11:13cm. 
BL  19b:  Fer.  IV  sec.  Joh.:   Vicit  Johannes  Jhesum  — -  quia  hie  est 

filius  dei.  Comes  Sp.  1313,  Cap.  12,  Jan.  13. 
BL  20a:  In  octavis  epiph.  domini  sec.  Matth.:  Venit  Jhesus  a  Qalilea 

—  mihi  complacui.  Comes  Sp.  1311,  Cap.  1. 

In  Dom.  II  post  Theoph.  sec.  Joh. :  Nuptiae  factae  —  discipuli 

eins.  Comes  Sp.  1314,  Cap.  21;  dazwischen: 
BL  20b:  Hochzeit  zu  Cana;  10Vs:13cm. 
BL  21a:  Fer.  VI  sec.  Marc;  Egressus  Jhesus   —  manibus  curavit, 

Comes  Sp.  1314,  Cap.  24,  Jan.  25;  darunter: 
BL  21b:  Heilung  des  Aussätzigen;  11:13cm. 
BL  21b:  Dom.  III  post  Theoph.  sec  Math.:  Cum  descendisset  Jhesus  — 

in  illa  hora,  Comes  Sp.  1314,  Cap.  27;  dazwischen: 
BL  22a:  Hauptmann  von  Capernaum  und  Christus;  9V8:13cm, 

und  darunter: 
BL  22b:  Heilung  des  Knaben;  9V8:13cm. 
BL  23a:  Fer.  IV  sec.  Luc:  Surgens  Jhesus  de  synagoga  —  regnum 

dei,  Comes  Sp.  1314,  Cap.  25,  Jan.  26. 

Fer.  VI  sec  Marc:  Introivit  iterum  Jhesus  —  manus  illius, 

Comes  Sp.  1314,  Cap.  26,  Jan.  27;  dazwischen: 
BL  23b:  Heilung  der  verdorrten  Hand;  9V9:13cm. 
BL  23b:  Dom.  IV  post  Theoph.  sec.  Matth.:  Ascendente  Jhesu  in  navi- 

culam  —  obediunt  ei,  Comes  Sp.  1315,  Cap.  36;  dazwischen: 
BL  24a:  Christus  auf  dem  Meere;  978:13 cm. 
BL  24b:  Christus  und  die  Blutf lassige;  1078:13 cm. 
BL  24b:  Fer.  IIH.  sec  Matth.:  Loquente  Jhesu  —  terram  illam,  Comes 

Sp.  1315,  Cap.  30,  Jan.  30;  dazwischen: 
BL  25a:  Jairi  Tochter;  9:13  cm. 
BL  25a:  Fer.  VI.  sec  Marc:  dixit  Jhesus  discipulis:   videte  quod  au- 

diatis  —  disserebat  omnia,  Comes  Sp.  1315,  Cap.  33,  Febr.  3. 
BL  26a:  Dom.V,  post  Theoph.  sec  Math.:  dixit  etc.  simile  factum  est 

regnum  —  horreum  meum. 

Fer.  Uli,  sec.  Marc :  Venit  Jhesus  trans  fretum  —  et  miseritus 

Sit  tui;  dazwischen: 

5 


66  Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  za  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  za  Gotha. 

Bl.  26b:  Jesus  treibt  den  Teufel  des  Gergeseners  aus^  da- 
rüber die  meldenden  Hirten;  14:13cm. 
BL  27b:  Petrus  auf  dem  Meere;  11:13cm. 
Bl.  28a:  Dom.  VI  post  Theoph.  sec.  Matth.:  Jussit  Jbesus  discipulos 

suos  ascendere  —  filius  dei  est;  darunter: 
BL  28b:  Christus  beruft  Levi;  11:13  cm. 
BL  28b:  Fer.  VI,  sec.  Marc:  Egressus  est  Jhesus  —  sed  peccatores; 

dazwischen : 
BL  29a:  Christus  isst  mit  den  Sündern;  10Va:13cm. 
BL  29b:  Dom.  Septuag.   sec.  Matth.:   Dixit  etc.:  Simile   est  regnum 

caelorum   homini   patrifamilias  —  pauci  autem  electi.  Comes 

Sp.  1317,  Cap.  48. 
BL  30a:  Dom.  Sexag.  sec.  Luc:  Cum  turba  plurima  conveniret  —  in 

pacientia,  Comes  Sp.  1318,  Cap.  57. 
BL  30b:  Dom.  quinquag.  sec  Luc:  Assumpsit  Jhesus  duodecim — laudem 

deo,  Comes  Sp.  1319,  Cap.  65;  dazwischen: 
BL  31a:  Christus  beilt  den  Blinden;  12:13cm. 
Bl.  31b:  Fer.  IUI  in  Cap.  Jejunii,  sec. Matth.:  Dixit  Jhesus  etc.:  Cum 

ieiunatis  —  cor  tuum,  Comes  Sp.  1319,  Cap.  67. 
Bl.  32a:  Fer.   V,   sec  Matth.:   Cum   introisset  Jhesus  Gaphamaum; 

Require  superius.  Comes  Sp.  1319.  Cap.  67. 

Fer.  VI,  sec.  Matth.:  Dixit  etc.:  Audistis  quia  dictum  erat  — 

reddet  tibi,  Comes  Sp.  1319,  Cap.  67. 
Bl.  32b:  Dom.  quadrag.  sec.  Matth.:  Ductus  est  Jhesus  in  desertum  -- 

ministrabant  ei;  Comes  Sp.  1319,  Cap.  67. 
Bl.  33a:  Fer.  11,  sec.  Matth.:  Dixit  etc.:  Cum  venerit  filius  hominis  — 

vitam  aetemam;  ebd. 
Bl.  34a:  Fer.  VII,  sec  Matth.:  Cum  intrasset  Jhesus  Hierosolymam  — 

de  regno  dei,  ebd.;  darüber: 
BL  34a:  Christus  säubert  den  Tempel;  12:13cm. 
BL  34b:  Fer.  IIII,  sec.  Matth.:   Accesserunt  ad  Jhesum  —  soror  et 

mater  est;  ebd.  Sp.  1320. 
Bl.  35a:  Fer.  V,  sec  Matth.:  Egressus  Jhesus  secessit  —  ex  illa  hora. 

darüber : 
BL  35b:  Christus  und  das   Eananäische  Weib  L;   11:13  cm; 

dazwischen: 
BL  36a:  Christus  und  das  Eananäische  Weib  II;  12:13cm. 
Bl.  36b:  Fer.  VI,  sec  Job.:   Erat  dies  festus  Judeorum  —  qui  fecit 

eum  Sanum,  Comes  Sp.  1320,  Cap.  67;  dazwischen: 


Der  Bildenchmuok  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epternacensis  za  Gotha.  67 

BL  36b:  Das  Wunder  am  Teiche  zu  Bethsaida;  1272:13 cm. 
El.  37b :  Sabbato  sec.  Matth. :  Assumpsit  Jhesus  Petrum  et  Jacobum  et 

Johannem  —  resurget,  ebd. 
Bl.  38a:  Dom.  II  in  quadrag.  sec.  Matth.:  Egressus  Jhesus  secessit  in 

partes  Tyri  etc.;  Require  superius;  ebd. 
Bl.  38a:  Fer.  II,  sec.  Joh.:  Dixit  Jhesus  turbis  Judeorum:  Ego  vado 

-^  facio  semper;  ebd. 
BL  38b:  Fer.  III,   sec.    Matth.:  Locutus   est  Jhesus  ad   turbas  etc.: 

Super  cathedra  —  exaltabitur;  ebd.  Sp.  1320—21. 
Bl.  39a.  Fer.  IV,  sec.  Matth.:  Ascendens  Jhesus Hierosolymam  —  pro 

multis;  ebd.  Sp.  1321. 
Bl.  39b:  Fer.  V,  sec.  Joh.:  Dixit  etc.:  non  possum  a  nie  ipso  —  ver- 

bis  meis  creditis?  ebd. 
Bl.  40a:  Fer.  VI,  sec.  Matth.:  Dixit  etc.:  Homo  erat  pater  familias  — 

prophetam  eum  habebant;  ebd. 
Bl.  41ä:  Sabbato,   sec  Luc:  Dixit  etc.:  Homo  quidam  habuit  duos 

filios  —  perierat  et  inventus  est;  ebd. 
Bl.  42a:  Dom.  III  in  Quadrag.  sec.  Luc:  Erat  Jhesus  eüciens  demo- 

nium  —  custodiunt  illud;  ebd. 
Bl.  42b:  Fer. II,  sec. Luc:  Dixerunt  Pharisaei  —  per  medium  illorum 

ibat;  ebd. 
Bl.  43a:  Fer.  lU,  sec  Matth.:  Respiciens  Jhesus  discipulos  —  septu- 

agies  septies;  ebd. 
Bl.  43b:  Fer.  IV,  sec.  Matth.:  Accesserunt  ad  Jhesum  abhinc  —  non 

coinquinant  hominem  ebd.,  darunter: 
BL  44b:  Christus  und  die  Samariterin;  llVs:13cm. 
BL  45a:  Fer.  VI,  sec  Joh.:   Venit  Jhesus  in   civitatem  Samariae  — 

salvator  mundi,  ebd.  Sp.  1321—22;  darunter: 
BL  46b:  Christus  und  die  Ehebrecherin;  1072:13 cm. 
Bl.  47a:  Sabbato,  sec  Joh.:  Perrexit  Jhesus  in  montem  —  noli  pec- 

care;  ebd.  Sp.  1322. 
BL  47a:  Speisung  der  5000;  12:13cm. 
BL  47a:  Dom.  IV  in  Quadrag.  sec  Joh.:  Abiit  Jhesus  trans  mare  — 

in  mundum;  ebd. 
BL  48b:  Christus  und  die  Juden  discutirend;  12:13cm. 
BL  48b:  Fer.  II,  sec.  Joh.:  Prope  erat  Pascha  —  quid  esset  in  ho- 

mine;  ebd. 
BL  49a:  Fer.  III,  sec  Joh.:  Jam   die  feste  mediante  —  crediderunt 

in  eum,  ebd.;  darunter: 


68  Der  Bildersclimuck  des  Ck)d.  figberti  zu  Trier  u.  d.  Ck>d.  Epiemacentis  eü  Oothik. 

Bl.  50a:  Christus  heilt  den  Blinden  am  Wasser  von  Siloah; 

10:13  cm. 
Bl.  50b:  Fer.  IV,  sec  Joh.:  Praeteriens  Jhesus  vidit  —  et  procidens 

adoravit  eum ;  ebd. 
Bl.  52a:  Fer.  V,  sec.  Joh.:  Dizit  etc.:  Pater  mens  usque  modo  opera- 

tur  —  iuditii,  ebd.;  darunter: 
Bl.  52b:  Christus  erweckt  Lazarus;  12V8:13cm. 
Bl.  53a:  Fer.  VI,  sec.  Joh.:  Erat  quidam  langucns  —  crediderunt  in 

eum;  ebd. 
Bl.  54b:  Sabbato,   sec- Joh.:  Dicebat  etc.:   Ego   sum  lux  mundi  — 

hora  eius;  ebd. 
Bl.  55a:  Dom.  V,  in  Quadrag.  dePass.  domini,  sec  Joh.:  Dicebat  etc.: 

Quis  ex  vobis  arguet  —  de  templo;  ebd. 
Bl.  55b:  Fer.  II,  sec.  Joh.:  Miserunt  principes   —  credentes  in  eum; 

ebd. 
Bl.  S6a:  Fer.  m,  isec.  Joh.:  Ambulabat  Jhesus  —  propter  metum 

Judaeorum;  ebd. 
Bl.  56b ;  Fer.  IV,  sec.  Joh. :  Facta  sunt  encenia  —  credatis ;  ebd. 
Bl.  57b:  Fer.  V,  sec.  Joh.:  Cum   audissent  quidam  de  turba   •—   in 

domnm  suam;  ebd. 
Bl.  58a:  Fer.  VI,  sec.  Joh.:  Collegerunt  pontifices  —  cum  discipulis 

suis;  ebd. 

Sabbato,  sec.  Joh.:  Dixit  etc.:  Amen  amen  dicö  vobis  —  ex 

duodecim;  ebd. 
Bl.  59a:  Dom.  inPalmis.  Passio  domini  nostri  Jhesu  Christi,  sec.  Matth.: 

Dixit  Jhesus:  Scitis  quia  post  biduum  —  pulchrnm  — 
Bl.  65a:  Altera  die  autem,  que  est  post  parasceuen  —  custodibus;  ebd., 

dann: 
Bl.  65a:  Maria  wäscht  Christus  die  Fasse;  10Vt:13cm. 
Bl.  65b:  Fer.  II,  sec.  Joh,:  Ante  sex  dies  Paschae  —   credebant  in 

Jhesum,  ebd.;  dann: 
Bl.  66a:  Einzug  Christi  in  Jerusalem;  11:13cm;  und  weiter:  In 

crastinum  autem  —  quam  gloriam  dei;  ebd. 
Bl.  67b:  Fer.  III,  Passio  domini  nostri  Jhesu  Christi,  sec.  Marc:  Erat 

Pascha  et  azima  —  cum  eo  ascenderunt  Hierosolymam,  ebd. 
Bl.  72b:  weiter  —  ad  ostium  monumenti. 
Bl.  72b:  Feria  IV,  sec  Luc:  Appropinquabat  dies  azimorum  —  quis- 

quam  positus  fuerat;  ebd.  Sp.  1322. 
Bl.  78a:  Fusswaschung,  177^:13  cm  (Vollbild). 


Der  Bildersohmaok  des  Cod.  £gberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Gotha.  69 

Bl.  78b:  FeriaV,  In  caena  domini,  sec.  Job.:  Ante  diem  festum  Pascbae 

—  facialis;  ebd. 

Bl.  79a:  Feria  VI,  In  parasceuen  Passio  etc.  sec.  Job.:  Egressus  est 

Jbesus  —  Dielt  et  Jbesus:  ego  sum;  dann: 
Bl.  79b:  Christi  6efangennabme;llV8:13cm.  —  dixit  ergoPetro 

ancilla  ostiaria,  dann: 
BL  80b:  Vollbild  18:1378  cm,  enthält  3  Darstellungen  von  .6,  4  und 

6:13  cm. 

a.  AnnaS;  quem  damnat  (Christus) 

b.  Petrus  hie  negat, 

c.  Isteflagellat  [ein  Hexameter].    Hierauf  wird  der  Text 
weiter  geführt  —  et  flagellavit;  worauf: 

Bl.  82a:  Pilatus  zeigt  Christus;  lOVi :13cm;  hierauf  der  Text  — 

ecce  homo;  dann: 
Bl.  82b:  Christus  und  Pilatus;  10:13cm.    Folgt  der  Text  —  ut 

crucifigeretur ;  dann: 
Bl.  83b:  Vollbild:  17V«  :13  cm. 

a.  7Vt  :13cm,  Simon  trägt  Christus  das  Kreuz, 

b.  10:13cm,  Christus  am  Kreuz,  s.  Bonner  Jahrb. XL V, 
Tafel  XII,  1;  Text  —  tradidit  spiritum;  dann: 

BL  84b:  Christus  am  Kreuz;  12:13  cm.  Das  Crucifix  auf  einem 
Hügel,  zu  seiner  Rechten  Longinus,  dann  rechts  und  links 
die  Schacher,  je  von  einem  Tortor  geschlagen. 

Bl.  85a:  Text  —  quasi  libras  centum;  dann: 

BL  85b:  Vollbild;  18:13  cm. 

a.  9:13cm,  Kreuzabnahme  durch  Joseph  und  Nicodemus. 

b.  9:13cm.  Grablegung  durch  Joseph  und  Nicodemus. 
BL  86a:  Text  —  posuerunt  Jhesum;  ebd.    Dann: 

Sabbato  sancti  Paschae,  sec.  Matth.:  Vespere  autem  sabbati 

—  praedixi  vobis,  ebd.  Sp.  1825;  hierauf: 

BL  86b:  Der  Engel  erscheint  den  Weibern;  12:13  cm. 

Dom.  sancti  Paschae,  sec.  Marc:  Maria  Magdalena   —  dixi 

vobis;  ebd. 
BL  87a:  Fer.II,  sec.  Luc:  Exeuntes  duo  ex  discipulis  —  que  de  ipso 

erant,  ebd.;  dann: 
BL  88a:  Vollbild;  18:13cm. 

a.  9:13cm,  Christus,   Cleophas  und  Lucas   auf  dem 
Wege  nach  Emmaus. 

b.  9:13  cm,  Christus  mit  den  Beiden  in  Emmaus. 


70  Der  Bildersohmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  EptemacensiB  eu  Gotha. 

Bl.  88b:  Text  —  in  fractione  panis. 

Fer.  III,  sec.  Luc:  Stetit  Jhesus  in  medio  —  in  omnes  gen- 

tes,  ebd. ;  dazwischen : 
BL  89a:  Christus   überreicht   den  Jüngern    die  Reste   von 

Fisch  und  Honig;  IIV2 :13cm. 
Bl.  89b:  Fer.  IV.  sec.  Joh.:  Manifestavit  se  Jhesus  —  resurrexisset  a 

mortuis,  ebd.;  dazwischen: 
BL  90a:  Christi  Offenbarung  am  See  Tiberias,  12:13cm. 
BL  90b:  Fer.  V,  sec.  Joh.:  Maria  stabat   —  haec  dixit  mihi,  ebd.; 

dazwischen : 
BL  91a:  Christus  erscheint  Maria;  14: 13 cm. 
BL  91b:  Fer.  VI,  sec.  Matth.:  Vndecim  discipuli  abierunt  —  consum- 

mationem  seculi;  ebd. 
BL  92a:  Sabbato,  sec.  Joh.:  Vna  sabbati Maria  —  a  mortuis  resurgere. 
BL  92b:  Dom,  octavis  Paschae,  sec.  Joh:  Cum  esset  sero  die  —  in 

nomine  eins,  ebd.  Sp.  1325—26,  dazwischen: 
BL  93a:  Thomas  und  Christus;  llV2:12V«cm. 
BL  93b:  Fer.  IV,  sec.  Marc:  Surgentibus  mane  —  ceteris. 

Fer.  VI,  sec.  Matth.:  Exierunt  mulieres  —  hodiernum  diem; 

Comes  Sp.  1326,  Cap.  71. 
BL  94a :  Dom.  post  octab.  Paschae,  sec.  Joh. :  Ego  sum  pastor  —  unus 

pastor;  Comes  Sp.  1326—27,  Cap.  72. 
BL  94b:  Fer.  IUI,  sec  Luc:  Vna  sabbati  valde  diluculo  —  [fehlt  ein 

Blatt]  fuerat  factum;  Comes  Sp.  1327,  Cap.  77. 
BL  95a:  Fer.  VI,  sec.  Matth.:  Accesserunt  ad  Jhesum  —  conservantur; 

Comes  Sp.  1307,  Cap.  79. 
BL  95b:  Dom.  II  post  octab.,  sec  Job.:  Dixit  Jhesus  discip.:  Modicum 

etiam  —  a  vobis;  Comes  Sp.  1327,  Cap.  80. 
BL  96a:  Fer.  IV,  sec.  Joh.:  Facta  est  questio  —  ira  dei  manet  super 

eum. 
BL  96b:  Fer.  VI,  sec.  Joh.:  Dixit  etc.:  Ego  lux  —  pater,  sie  loquor. 

In  nat.  apost.  PhiL  et  Jacobi,  sec.  Joh. :  Dixit  etc. :  Non  tur- 

betur  —  hoc  faciam;  Comes  Sp.  1328,  Cap.  80. 
BL  97b:  Dom.  III  post  octab.,  sec  Job.:  Dixit  etc.:  Vado  ad  eum  — 

adnuntiabit  vobis;  Comes  Sp.  1328,  Cap.  86. 

Fer.  IUI,  sec.  Job.:   Respiciens  Jhesus   dixit:  Pater  sancte, 

serva  —  ego  in  ipsis. 
Bl.  98b:  Fer.  VI,  sec.  Joh.:  Dixit  etc:  Filioli  adhuc  modicum  —  autem 

postea;  Coiges  Sp.  1328,  Cap.  84. 


Der  Bildersohmuok  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Qotha.  71 

Bl.  98b:  Dom.  Uli  post  oct.,  sec.  Job.:  Dixitetc:  Amen  amen  dico  — 
quia  a  deo  existi;  üomes  Sp.  1329,  Gap.  92. 

Bl.  99a:  In  laetania  maiore,  sec.  Luc:  Dixit  etc.:  Quis  vestrum  ha- 
bebit  —  bonum  patentibus  se;  ebd. 

Bl.  99b:  Vigil.  Ascens.  domini,  sec.  Job.:  Sublevatis  Jhesus  oculis  — 
ego  ad  te  venio;  ebd. 

Bl.  100a:  Ascensio  domini,  sec.  Marc:  Recumbentibus  undecim  discip. 
—  signis,  ebd.;  dazwischen: 

Bl.  100b:  Christus  erscheint  den  Elfen  und  tadelt  sie, 
10:13  cm;  und: 

Bl.  101a:  Christi  Himmelfahrt,  177« :13cm. 

Bl.  101b:  Dom.  post  ascens.  sec.  Joh.:  Dixit  etc.:  cum  venerit  paracli- 
clitus  —  dixi  vobis;  ebd. 

Fer.  im,  sec  Job.:  Dixit  etc.:  Si  manseritis  in  me  —  gaudium 
Yestrum  impleatur;  Comes  Sp.  1330,  Cap.  97. 

Bl.  102a:  Fer.  VI,  sec.  Luc:  Dixit  etc:  Ego  mittam  promissum  — 
benedicentes  dominum. 

Sabbato,  sec. Job.:  Dixitetc:  Si  diligitis  me  —  manifestabo 
ei  me  ipsum;  Comes  Sp.  1330,  Cap.  98. 

Bl.  102b:  Dom.  sancta  Pentecostes,  sec  Job.:  Dixit  etc.:  Si  quis  diligit 
-—  sie  facio,  ebd.;  dazwischen: 

Bl.  103a:  Ausgiessung  des  h.  Geistes,  17V8  :13  cm;  Vollbild  in 
2  Theilen,  oben  in  7  Arcaturen  7  Apostel,  in  deren  mittel- 
ster Petrus,  5  andre  Apostel  schauen  hinter  den  7  durch 
diese  Arcaturen  hindurch,  der  h.  Geist  ergiesst  sich  in 
Strahlen  über  Petrus.    Ueber  den  Arcaturen: 

Spiritus  hoc  edocens' linguis  hie  ardet  et  igne. 
Zweiter  Theil:  9  bewegt  nach  oben  schauende  Männer,  die 
„communis  vita'*  mit  der  Ueberschrift : 

Qua  causa  tremuli  conveniunt  populi? 

Bl.  103b:  leer.     Folgt:   Bl.  104a:  Fer.  II,   Joh.:  Sic  deus  dilexit  — 

sunt  facta;    104b:  Fer.  III,  Job.:  Dixit  etc:  amen  amen   —   habun- 

danda  habebit;    105a:  Fer.  IUI,  Joh.:  Dixit  etc:  nemo  potest  —  pro 

mundi  vita;  105a:  Fer.  V,  Job.:  Gonvocatis  Jhesus  —  curantes  ubique; 

105b:  Fer.  VI,  Luc:  Factum  est  in  una  dierum  —  vidimus  mirabilia 

hodie;   106a:  Sabbat  Luc:  Surgens  Jhesus  —  evangelizare  regnum  dei; 

106b:  Dom.  octab.  Pentec,  Job.;    107b:  Fer. IUI,  Luc;    108a:  Fer. 

VI,  Luc;    108b:  Dom.   II  post  Pentec,   Luc;    109a:  Fer.  IIII, 

Matth.;    109b:  Fer.  VI,  Luc;    110a:  Dom.  III  post  Pentec  Luc; 


72  Der  Bilderschmuck  des  Cod.  £gberti  za  Trier  a.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Gbtha. 

110b:  Fer.  IUI,  Luc;  110b:  Fer.  VI,  Luc;  111b:  Sabb.  Matth.; 
112a:  Dom.  IV  p.  Pent.  Luc;  112b:  Fer.  IlII,  Matth.,  Dom.  V  p. 
Pent.  Luc;  113a:  Fer.  IV,  Matth.;  118b:  Vig.  St.  Joh.  Bapt 
Luc  [Initial  F.];  I14b:  mane  ad  missamLuc,  die  ad  missam  publ. 
Luc;  115a:  Dom.  VI  p.  Pent.  Luc;  116a:  Fer.  IUI,  Matth.,  Fer. 
VI,  Marc;  116b:  Vigil.  Apost.  Petr.  et  Paul.,  Joh.;  Natal.  Petr. 
et  Paul.  Matth.;  117a:  nat.  Paul.  apL,  Matth.;  117b:  Dom.  VII 
p.  Pent.  Matth.,  Fer.  IUI;  118a:  Fer.  VI,  Marc;  119a:  Octab. 
Apostolor.,  Matth.;  119b:  Dom.  VIII  p.  Pent,  Marc;  120a:  Fer. 
im,  Matth.;  120b:  Fer.  VI,  Matth.;  121a:  Dom.  Vlffl  p.  PenL 
Matth.,  Fer.  IUI,  Marc;  121b:  Fer.  VI,  Matth.;  121b:  Dom.  X  p. 
Pent.,  Luc;  122a:  Fer.  Uli,  Luc,  Fer.  VI,  Luc;  122b:  NataL 
St.  Quiriaci,  Matth.;  123a:  Dom.  XI  p.  Pent.,  Luc;  123b:  Fer. 
IUI,  Luc,  Fer.  VI,  Luc;  124a:  Nat  St  Vitalis,  Matth.,  Dom.  XII 
p.  Pent,  Luc;  124b:  Fer.  Dil,  Matth.;  125a:  Fer.  VI,  Luc,  re- 
quire  superius;  125a:  Vigil. St  Laurentii,  Matth.;  125b:  Nat  St. 
Laurentii  —  Vigil.  Assumpt  Mar.,  Luc;  126a:  Assumpt,  Luc  — 
Dom.  XIII  post  Pent,  Marc;  126b:  Fer.  DI.  Matth.;  127a:  Fer.  VI, 
Matth.  —Nat  St  Barthol.,  Luc;  127b:  Decollat  St  Joh.,  Marc; 
128a:  Dom.  XIII  p.  Pent,  Luc;  129a:  Fer. IV,  Matth.,  Fer.  VI,  Luc; 
129b:  Dom.  XV  post  Pent,  Luc;  130a:  Fer.  IV,  Marc  —  Nat  ivit  St 
Mariae  [Init  LJ:  Liber  generationis  etc  (Matth.);  131a:  Dom. XVI 
p.  Pent,  Matth.;  131b:  Fer.  IV,  Matth.,  Fer.  VI,  Luc;  132a:  Dom. 
XVn  p.  Pent.,  Luc;  132b:  Fer.  IV,  Matth.,  Fer.  VI,  Marc;  133a: 
Dom.  XVIII  p.  Pent,  Luc;  133b:  Vigil.  St  Matth.,  Matth.,  — 
Nat  St  Matth.,  Matth.;  134a:  Fer. IV,  Marc;  134b:  Fer.  VI,  Luc; 
135b:  Sabb.  in  XII  Lection.,  Luc-,  136a:  Dom.  XVIIII  p.  Pent 
Matth.;  137a:  Fer.  IV,  Matth.,  Fer.  VI,  Matth.;  137b:  SS.  Angel; 
Matth.;  138a:  Dom.  XX  p.  Pent,  Matth.;  138b:  Fer.  IV,  Matth.; 
139a:  Fer.  VI,  Matth.;  139b:  Dom.  XXI  p.  Pent,  Matth.;  140a: 
Fer.  IV,  Luc  —  Fer.  VI,  Luc;  141a:  Dom.  XXII  p.  Pent,  Joh.; 
141b:  Fer.  IV,  Luc  —  Fer.  VI,  Matth.;  142a:  Omnium  sanctorum, 
Matth.  —  Dom.  XXIII  p.  Pent,  Matth.;  143a:  Fer.  IV,  Matth.  — 
Fer.  VI,  Marc;  148b:  Dom,  XXIV  p.  Pent,  Matth.  —  Fer.  IV, 
Matth.;  144a:  Fer.  VI,  Marc;  144b:  Dom.  XXV  p.  Pent,  Matth.; 
145a:  Fer. IV,  Marc -Fer.  VI,  Matth.;  145b:  Dom.  V  ante  Nativ. 
Domini,  Joh.;  146a:  Fer.  IV,  Luc;  146b:  Vig.  St  Andreae,  Joh.; 
147a:  St  Andreas,  Matth.;  147b:  Dom.  IUI  a.  nat  Dom.,  Matth.; 
148a:  Fer.  Uli,  Matth.  -  Fer.  VI,  Luc;     149a:  Dom.  III  a.  Nat 


Der  Bildenchmnck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epiemacensis  zu  Gotha.  78 

Dom.,  Luc  —  Fer.  IUI,  Matth.;  149b:  Fer.  VI,  Job.  —  Dom.  II 
a.  Nat  Dom.,  Matth.;  150a:  Fer.  IV,  Luc;  150b:  Fer.  VI,  Luc; 
151a:  Sabb.,  Joh.  —  Dom.  I  a.  Nat.  Dom.^)  Job.;  151b:  Incipiunt 
euangelia  de  sanctis;  152a:  Nat.  Apost,  Joh.  —  Item  Apost. 
Joh.;  152b:  Item  Job.;  153a':  Item  Luc.  —  Natal.  unius  mar- 
tyrum,  Matth.;  153b:  Item  Joh.  —  Item  Matth.;  154a:  Item  Luc; 
154b:  Item  Luc  •—  In  nat.  plurimor.  mart,  Matth.;  155a:  Item 
Luc;  155b:  Item  Matth.;  156a:  Item  Luc,  Matth.;  156b:  In  nat. 
Tel  vigil.  unius  sacerdotis,  Matth.;  157a:  Item  Matth.;  157b:  De 
uno  confessore,  Luc  — Luc;  158b:  In  sanctarum  virginum, 
Matth.;  159a:  Matth.;  159b:  In  dedicatione  ecciesiarum,  Luc  — 
Luc;  160a:  Contra  judices'),  Marc;  160b:  Luc;  161a:  In  agenda 
mortuorum  Joh.  —  Joh.  —  Schliesslich  ein  späterer  Zusatz  auf  Bl. 
162a:  See  Marc.:  Dum  adpropinquarent  Hierosolim^  etc. 

Der  Inhalt  des  Cod.,  wie  er  eben  näher  angegeben  ist,  cha- 
rakterisirt  sich  zunächst  mit  den  Worten  Bl.  7a:  Liber  euangeliorum 
per  circulum  anni  sumptus  ex  libro  Gomitis ;  als  ein  Auszug  der  Evan- 
gelienpartie  aus  dem  Comes*),  dem  seit  der  Karolingerzeit  für  die 
fränkische  Kirche  officiell  gebotenen  Lectionarium.  In  der  grössten 
Vollständigkeit  ist  dieses  Lectionar  bei  Baluze  Capp.  reg.  Franc  II, 
Sp.  1309—1351  abgedruckt;  der  Cod.  Egb.  hat  eine  andre  weniger 
vollständige  und  theilweise  auch  abweichende  Redaktion  desGomes  be- 
nutzt. Am  deutlichsten  zeigt  sich  das  in  den  euangelia  de  sanctis  des 
Cod.  Egeb.  Bl.  152a  f.,  verglichen  mit  Sp.  1349  f.  des  Comes  Balu- 
zianus;  Abweichungen  machen  sich  theilweise  auch  in  den  Abschnitten 
für  die  Wochentage  geltend,  während  die  evangelischen  Sonntagspericopen 
für  beide  Redaktionen  —  die  dem  Cod.  Egb.  zu  Grunde  liegende  und  die 
Baluzianische  —  mit  Ausnahme  eines  Falles  identisch  sind.  Welche 
Redaktion  des  Comes  dem  Auszuge  im  Cod.  Egb.  zu  Grunde  lag,  lässt 
sich  Jetzt  bei  der  grossen  Anzahl  vorhandener,  aber  nur  zum  gering- 
sten Theile  edirter  Redaktionen  nicht  ersehen;  schon  die  Bibliothek 
von  Reichenau  im  10.  Jahrb.  bot  eine  genügende  Auswahl,  wie  der 
bei  Neugart  Episcop.  Const.  I,  532  ff.  abgedruckte  Bibliothekskatalog 
a.  d.  Jahren  821  ff.  zeigt.    Hier  finden  sich  schon  als  ursprünglich  12 


1)  Dom.  lY,  III  und  II  a.  nat.  Dom.  wie  Fer.  IUI,  YI,  Sabb.  des  Dom.  II 
und  Dom.  I  a.  Nat.  Dom.  finden  sich  schon  Bl.  8 — 11;  s.  oben. 

2)  Ck)meB  Sp.  1850  heisst  die^Ueberschrift:  In  adventu  Judicum. 

8)  Die  dem  Cod.  Egberti  correspondirenden  SteUen  des  Ck>me8  sind  oben 
in  der  Besohreibong  des  Cod.  jedesmal  zogesetzt. 


74  Der  BilderBohmuck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  a.  d«  Cod.  EpternaccnBis  zu  Qotha. 

Lectionare  (S.  540) ;  bald  kamen  aus  der  Bibliothek  des  Abtes  Erlebald 
(823—838)  hinzu:  ein  Über  Evangelii  ad  legendum,  und  Lectionarium 
unum  similiter  ad  legendum  (S.  545);  und  diesen  Schenkungen  folgten 
eine  ganze  Reihe  ähnlicher  von  Seiten  einzelner  Priester. 

Der  Cod.  £gb.  zeigt  nun  einen  Auszug  des  als  Liber  Gomitis  be- 
zeichneten Lectionars  in  der  Weise,  dass  für  den  grössten  Theil  des 
Kirchenjahres  die  evangelischen  Lectionen  für  die  Sonntage  und  die 
Feriae  lYtae  und  Vltae  (Mittwoch  und  Freitag)  zusammengeschrieben 
sind;  nur  für  die  Zeit  vom  Caput  jejunii  bis  octavae  Paschae  ist  der 
ordo  plenarius  gebracht,  d.  h.  die  volle  Ordnung  des  Gomes,  abgesehen 
von  einigen  wenigen  Versehen  beibehalten. 

Die  generelle  Anordnung  ist  also  ganz  die  desGomes  und  so- 
mit des  Kirchenjahres;  nur  eine  sehr  bedeutende  Abweichung  findet 
sich :  das  Lectionarium  beginnt  mit  der  Weihnachtsvigilie  und  schliesst 
mit  Advent;  der  Cod.  Egb.  dagegen  bringt  die  Adventstücke  auf  Bl. 
8a— IIb  an  den  Beginn  des  Ganzen  und  wiederholt  sie  dann,  diesmal 
gemäss  der  gewöhnlichen  Anordnung,  in  grösserer  Ausführlichkeit  am 
Schluss  (Bl.  147b— 151a).  Diese  Abweichung  ging  speziell  von  den 
Verfassern  des  Cod.  Egb.  aus,  wie  sich  aus  der  Zusammenstellung  des 
Schlusses  von  Bl.  7a  und  Bl.  12a  und  ihrer  Vergleichung  mit  dem  Comes 
Baluzes  ergiebt. 

Cod.  Egb.  Baluze  Sp.  1309—1310. 

[Bl.  7a  Schluss]  sumptus  ex  libro 

comitis.  In  vigilia  natalis  domini  In  vigilia  na- 

statitio  (!)  ad  s.  Mariam  hora  talis  domini  VIII  Kai.  Januar,  ad 
Villi:  Sequentia  s.  ev.  secundum  s.  Mariam  de  nona  .  . .  Evangelium 
Matheum,  secundum  Matthaeum: 

[Bl.  12a  Anfang]  Vigil.  nat.  domini  In 

secundum  Matheum:  Cum  esset  illo  tempore,  um  esset  despon- 
desponsata  —  peccatis  eorum.        sata  —  peccatis  eorum. 

Die  Zusammenstellung  zeigt,  dass  Bl.  7a  und  Bl.  12  des  Cod. 
Egb.  aufs  Engste  zusammengehöi'en  und  durch  die  Bl.  8 — 11,  welche 
die  Adventsstücke  enthalten,  nur  ganz  mechanisch  getrennt  sind,  so 
mechanisch,  dass  Bl.  8a  sogar  von  Neuem,  ähnlich  wie  der  Beginn  des 
Ganzen,  mit  einem  „Gloria  tibi  Domine^*  beginnt. 

Diese  Umstellung  des  Textes  kann  nur  zu  Gunsten  des  Bilder- 
cyclus  erfolgt  sein,  bei  dem  die  Kindheit  Jesu  und  die  diese  vorbe- 
reitenden Thatsachen  zuerst  zur  Darstellung  gelangen  mussten;  sie 
war  nur  eine  Accomodation  an  den  Gedanken  dieses  Bildercyclus.    Es 


Der  Bildenohmack  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  EptemacenaiB  zu  Gotha.  76 

folgt  hieraas,  dass  im  Cod.  Egb.  zwei  bislang  ausser  Berührung 
stehende  Elemente,  das  Lectionar  der  Evangelien  und  der  evangelische 
Bildercyclus  verschmolzen  wurden;  dass  mithin  eine  Einwirkung  der 
speciellen  aus  einem  bestimmten  Evangelisten  ausgewählten  Texte  des 
Lectionars  auf  die  Bilder,  oder  gar  eine  Gomposition  dieser  letzteren 
nach  dem  Lectionar  nicht  wahrscheinlich  ist. 

Die  Abfassungszeit  des  Cod.  Egb.  ist  imTerm.  ad  quem  durch 
die  Verse  des  Dedicationsblattes  auf  Bl.  Ib  bestimmt :  die  HS.  ist  ein 
Geschenk  des  Klosters  Reichenau  an  den  Erzbischof  Egbert  (977— 993). 
Weitere  directe  Notizen  über  die  Abfassungszeit  sind  nicht  überliefert; 
wie  wir  denn  überhaupt  über  die  Beziehungen  des  Erzbischofs  Egbert 
zu  Reichenau  wenig  unterrichtet  sind  und  nur  Yermuthungen  auf- 
stellen können.  Nach  den  Codd.  B.  C.  der  Gesta  Trev.  SS.  VIII,  S.  170 
verbrachte  Egbert  die  Jahre  970—973  ca.  in  Italien  in  Begleitung  des 
Bischofs  Dietrich  von  Metz,  mit  Reliquiensammeln  beschäftigt.  Was 
an  dieser  Erzählung  wahr  ist,  lässt  sich  bei  dem  Charakter  der  Gesta 
schwer  angeben.  Indess  gibt  es  kein  Moment,  welches  dem  hier  Er- 
suhlten  gradezu  widerspräche;  dagegen  lässt  sich  für  die  Glaubwürdig- 
keit desselben  zweierlei  anführen;  einmal  die  Thatsache,  dass  Dietrich 
von  Metz  und  Egbert  von  Trier  in  den  80er  und  90er  Jahren  des 
10.  Jahrhunderts  nahe  befreundet  erscheinen,  und  gegenüber  dem  Reich 
genau  dieselbe  Politik  verfolgen  ^  dann  die  Vermuthung,  dass  die  Codd. 
B.  C.  die  Nachricht  von  der  Ueberbringung  der  hh.  Felix  und  Regina 
aas  Zürich,  welche  sie  der  sonst  nach  der  Vit.  Deod.  I  Mett.  (SS.  IV,  473) 
verfassten  Erzählung  zusetzen,  doch  unmöglich  ganz  aus  der  Luft  ge- 
griffen haben  können.  Grade  diese  Nachricht  aber  würde  den  Hinweg 
oder  die  Rückkehr  Egberts  aus  Italien  auf  einen  Weg  verlegen,  der 
über  Reichenau  führt,  also  die  Anknüpfung  persönlicher  Bekanntschaft 
ermöglichte.  Hierzu  kommt  noch  ein  Umstand :  Dietrich  von  Metz  war 
in  St.  Gallen  erzogen  (Neugart,  Ep.  Constant.  I,  318),  konnte  also  für 
Egbert  leicht  die  Verbindung  nach  der  Schweiz  hin  vermitteln. 

Lassen  nun  alle  diese  Erwägungen  die  Nachricht  der  Gesta  Trevir. 
in  ihren  grossen  Zügen  als  annehmbar  erscheinen,  so  würde  Egbert 
wahrscheinlich  mindestens  zweimal  in  Reichenau  gewesen  sein,  in  der 
Zeit  von  970—973  ca.,  und  als  Erzbischof  nach  977.  Beim  letzten  Be- 
such wäre  ihm  dann  der  Cod.  als  Gastgeschenk  überreicht  worden. 

Indess  wird  man  sich  hüten  müssen,  von  der  Zeit  der  Sedenz  Eg- 
berts und  der  Ueberreichung  der  HS.  einen  directen  Rückschluss  auf  die 
Entstebungsjahre  der  letzteren  zu  machen,  da  eine  Reihe  von  Anzeichen 


76  Der  Bildersohmnck  des  Cod.  Egborti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  EptemRcensis  zu  Gotha. 

dafür  sprechen,  dass  man  die  Handschrift  erst  nachträglich  zam 
Geschenk  für  Egbert  zurecht  gemacht  hat.  Es  bestehen  nämlich  aUe 
Lagen  des  Cod.  aus  4+4  Bll.  (abgesehen  von  Lage  13,  wo  ein  Bl.,  das 
Vollbild  der  Pfingstereignisse,  hinzugeklebt  ist)  und  sind  vollständig 
intact ;  nur  die  1.  Lage,  und  von  ihr  berührt  die  2.  Lage,  zeigen  Ver- 
änderungen. Von  Lage  2  ist  Bl.  1  weggeschnitten ;  Lage  1  aber  besteht 
jetzt  nur  noch  aus  3+4  Bl,  doch  ergiebt  sich  für  sie  als  ursprünglich 
folgende  Anordnung: 


»•'^^ 


1.  2.        3.         4.         5.         6.         7.  8. 

fehlte  Egbert.  Matth.  Marc.    Luc     Joh.    fehlte  s.o.Bl.7 
Jetzige  In  nomine  dom.  etc. 

No.:  BLL     B1.2.    B1.3.  B1.4.    BL5.    B1.6.  Bl.  7. 

Das  fehlende  Bl.  7  ist  gar  nicht  ersetzt,  dagegen  ist  an  den 
Stumpf  des  ursprünglichen  Bl.  1  das  jetzige  Bl.  1  angeklebt.  Diese 
Veränderungen  sind  nun  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  so  zu  erklärenii 
dass  man,  um  die  Dedication  an  Egbert  dem  Codex  einzuverleiben, 
einerseits  die  correspondirenden  Bl.  2  und  7  der  ursprünglichen  Lage 
ganz  herausnahm  und  an  ihre  Stelle  ein  einziges  Bl.  (jetzt  No.  2)  mit 
dem  Bilde  Egberts  einheftete,  andrerseits  von  dem  die  Bl.  1  und  8 
bildenden  Pergament  Bl.  1  abschnitt  und  an  seine  Stelle  das  jetzige 
Bl.  1  mit  der  Dedication  an  Egbert  anklebte. 

Hält  man  an  dieser  kaum  abzuweisenden  Auffassung  fest,  so  wird 
man  von  den  Dedikationsblättern  für  die  Bestimmung  der  Abfassungs- 
zeit gänzlich  abseben  und  vielmehr  den  Text  der  HS.  selbst  auf  sichere 
Indicien  untersuchen  müssen.    Solche  finden  sich  nun  an  zwei  Stellen : 

1.  Bl.  20a  ist  die  Epiphanienoctave  (=  Jan.  13)  mit  Feria  IV 
postDom.  I  postTheoph.  bezeichnet;  es  fiel  mithin  Dom.  I  post  Theoph. 
auf  Jan.  10,  was  in  den  Jahren  969,  975,  986  der  Fall  war. 

2.  Bl.  96b  steht  Nat.  Apost.  Philippi  et  Jacobi  (Mai  1)  zwischen 
Dom.  II  post  Pascha  Fer.  VI  und  Dom.  IH  post  Pascha,  fiel  mithin 
bei  Aufstellung  des  Lectionars  für  den  Cod.  Egb.  auf  Samstag:  dies  ist 
von  den  drei  genannten  Jahren  nur  969  der  Fall. 

Demnach  ist  der  Plan  zum  Texte  des  Cod.  auf  969  oder  etwas 
früher  zu  setzen. 

Es  ist  nun  unzweifelhaft,  dass  vor  der  Ausführung  der  Miniaturen 
zunächst  der  Text  geschrieben  wurde;  das  ergiebt  sich  schon  aus  den 
Schriftlinien,  welche  auch  über  diejenigen  Räume  hinweggefübrt  sind, 


/ 


f 

\ 


Der  Bilderichmack  des  Cod.  Egberti  za  Trier  a.  d.  Cod.  Epiernacensis  za  Gotha.  77 

• 

welche  später  Bilder  einnehmen  sollten.  Noch  bezeichnender  in  dieser 
Richtung  ist  aber  die  Bemerkung,  dass  die  später  hinzugefügten  Bilder 
keineswegs  immer  die  für  sie  gelassenen  Raumdimensionen  ausfüllen, 
wenn  auph  die  umgebende  Randbordüre  dementsprechend  gezeichnet 
ist.  Es  bleibt  daher  oft  innerhalb  dieser  Bordüre  über  den  Bildern 
noch  ein  grösserer  freier  Raum,  den  nun  höchst  unsymmetrisch  der 
Himmel  einnimmt.  Am  aufiallendsten  tritt  das  Bl.  91  hervor,  wo 
die  Bordüre  14 :  13  cm  misst,  das  Bild  aber  nur  den  unteren  Raum 
10:13  cm  ausfüllt. 

Das  Alles  beweist  die  Anfertigung  der  Bilder  nach  der  des  Textes ; 
setzt  man  nun  den  letzteren  ca.  969,  so  wird  man  mit  der  Ansetzung 
der  Miniaturen  auf  ca.  975  wohl  nur  um  wenige  Jahre  fehlgehen  können. 
Ihre  Herstellung  fällt  also  jedenfalls  in  die  Sedenzzeit  der  Reichenauer 
Aebte  Eggehard  und  Ruodmann,  wahrscheinlich  in  die  des  letzteren 
(972 — 985  s.  Herim.  Aug.  s.  h.  a.),  welcher  das  Kloster  aus  dem  unter 
Eggehard  drohenden  Verfall  zu  neuem  Glänze  erhob.  In  der  Dedi- 
cation  des  Cod.  ist  keiner  dieser  Aebte  genannt:  ein  Grund  mehr,  in 
den  dort  genannten  Heribertus  und  Keraldus  wirklich  die  Illuminatoren 
der  HS.  zu  sehen.  In  der  That  wird  man  in  den  Bildern  am  besten 
zwei  Hände  unterscheiden  können,  eine  rohere  unfertigere,  und  eine 
feiner  durchgebildete  i);  indess  ist  es  doch  sehr  fraglich,  ob  diese  Unter- 
schiede nicht  vielmehr  in  der  verschiedenen  beiderseits  benutzten  Tra* 
dition  ihren  Grund  haben.  Ich  neige  der  letzteren  Ansicht,  welche  ich 
weiter  unten  begründen  werde,  zu:  sicher  ist  das  eine,  dass  in  der  HS. 
das  Zeugniss  einer  ungemein  hohen,  ausserordentlich  gleichmässig  be- 
triebenen Technik  vorliegt,  welche  eine  alte  und  feste  Schulung  verräth 
und  der  Individualität  des  Einzelnen  nur  sehr  geringen  Spielraum 
übrig  Hess* 

Ausser  den  Miniaturbildem  finden  sich  im  Cod.  Egb.  uur  sehr 
wenige  Initialen.  Schon  der  gewöhnliche  Anfang  der  Abschnitte 
,In  illo  tempore**  verbot  einen  grösseren,  vielfach  variirenden  Initialen- 
schmuck. Bedeutend  sind  fast  nur  das  Q^  auf  Bl.  7a  und  ein  C  auf 
Bl.  16b.  Beide,  roth  contourirt  mit  goldener  und  silberner  Füllung, 
ruhen  auf  einem  hellblauen  oder  schmutzig-grünen  Untergrunde  und 
zeigen  gegenüber  der  Initialentechnik  des  Nachbarklosters  St.  Gallen 
aus  dem  Anfang  des  10.  Jahrhunderts  einen  Fortschritt  der  pflanzlichen 
Omamentation  nach  der  Seite  der  rein  naturalistischen  Auffassung. 

1)  Es  ist  das  die  gewöhnliche  Ansicht,  offenbar  in  Anlehnung  an  die  beiden, 
B).  Ib  genannten  Namen.    Lotz,  Esttopogr.  I,  696  nimmt  noch  mehrere  Namen  an. 


78  Der  Bildenohmack  des  Cod.  Egbert!  tu  Trier  n.  d.  Cod.  Eptern  uensi*  xa  Ootba. 

B.  Codex  Epternioeniig. 

Der  Epternacher  ')  Codex,  von  Herzog  Ernst  II  von  Sachsen-Gotha 
1799  nebst  aDderen  Epternacher  HSS.  für  die  Gothaer  SaiuipliiDg  um 
100  Carolin  angekauft  und  jetzt  dort  aufbewahrt'),  ist  einePergament- 
handscbrift  ioFolio  von  134B1.  DieGrösse  der Bl.  beträgt  44:31,5  cm. 
Die  HS.  ist  noch  jetzt  in  den  ursprünglichen  Einband  gefasst,  dessen 
voD  Gold,  Emaillen  und  Edelsteinen  strotzender  oberer  Deckel  zu  den 
schönsten  Hinterlassenschaften  der  Egbert'schen  Kunstepoche  gehört  *). 
Der  Text  der  HS.  ist  in  Gold  zweispaltig  geschrieben ;  wohl  nach  dem 
Vorbilde  d«s  dem  Schreiber  leicht  erreichbaren  Karolingischen  Codex 
aureus  der  Ada  zu  St.  Maximin  b.  Trier  (ca.  800),  jetzt  in  der  Trierer 
Stadtbibliothek.  Die  Lftnge  der  einzelnen  Spalten  beträgt  32  cm,  die 
Breite  8,5  cm,  der  Zwischenraum  zwischen  ihnen  4  cm,  die  Breite  des 
1  Randes  7  cm,  des  inneren  4,5  cm. 


Der  genauere  Inhalt  der  HS.  ist  folgender; 

Bl.  1:  frei,  purpargefärbt  —  Bl.  2b:  Rechteckige  Bordüre  von 
"^3l:ä3eia;  io  deren  Mitte  Christus  in  derMandorla  segnend,  jugendlich 
und  bartlos,  in  iar  Mitte  der  4  Seiten  Medaillons  mit  den  Symbolen 
der  4  Evangelisten;  aal  den  4  Ecken  in  kreisförmigen  Ausladungen 
nach  Innen  zu  die  4  grosBen  Propheten  an  Pulten.  ~~  Bl.  3a:  Recht- 
eckige BordUre  von  31 :  23  cm,  iit  der  Mitte  der  4  Seiten  Medaillons 
mit  Darstellung  der  Temperaotia  (Unks),  Justicia  (oben),  Fortitudo 
(rechts),  Pnidentia  (unten),  in  der  Mitto  2  Erzengel,  welche  eine  Tafel 
mit  folgenden  Hexametern  in  13  Zeiten  haiiien: 


1)  Eptcrnuh  ist  die  im  HH.  gebrftuohliche  nnTsradiobene  oiederfrinkiiobe 
Wortform,  der  Ort  heisst  jetzt  EchteroBch. 

2)  S,  B»thgaber,  Heriogl.  Museum  su  Gotha  I,  3.  6—21-,  Jeoobi  und  Dkert 
Beilrl«e«ir  «tem  Literatur  (Gotha),  II,  S.27-M-  Die  lrfiB*.hgeber  8.21-27 
«Dgef.,  wfthraoheiDlIcb  gleichzeitig  erworbeneD  HSS.  ras  Epteroach  sind:  a)  Cod. 
Qoth.  70  (theilweise  Abecbrift  davon  ist  Cod.  Trevir.  137B),  vgl.  Weiland, 
MQSS.  XXIII  in  der  Einleitung  zu  den  Mod.  Ept^roacensia;  li)  Cedei  aureus 
(Cod.  Goth.  71)  vgl.  Wftiti  im  Archiv  XI,  888-343  und  Wurth-PaqueV  Publ.  de 
la  Soc.  de  Lnxembourg  XVI,  1—29;  c)  die  von  Rathgeber  an  dritter^l^le  er- 
wUiuta  Arithmetik  de«  Boethius.  Die  im  Cod.  a  befindlichen  Flores  Ej^tapbii 
des  AbtM  Tbiofrid  sind  1609  aum  arrten  Haie  von  Joe.  Roberti  (V.  Lufcemb.) 
horauigegeben.  j 

8)  Abgebildet  und  besobrieben  von  Book  und  v.  Quast  in  v.  Quasts  ZtsAbr.  n. 


Der  Bildenohmuok  des  Cod.  Egbert!  sa  Trier  a.  d.  Cod.  Epternaoensis  zu  Gotha.  79 

Prima  fronte  libri  ^)  residet  regnator  Olympi 
Hioc  positus  primus,  quia  non  precesserat  uUus: 
Guactorum  regum  rex  est  deus  atque  deorum. 
Ut  c^li  doDiinOy  cui  servit  c^licus  ordo, 
Quisqnis  coniungi  sibi  vult  et  consociari, 
Quod  iubet  iste  über,  agat,  ut  sit  crimine  über, 
Et  sie  perveniat,  ubi  saecla  per  omnia  vivat. 
Bl.  3b:  In  Randbordüre:  INCIPIT  |  PRAEFATIO  |  sei  HIERONIMI 
1  PRAESBITERI  |  IN  LIBRVM  |  EVANQELIORV(sic!).  —  B].  4a:  In  Rand- 
bordüre: BEATO  PAPAE  DA/V\ASO  |  HIERONIMVS;  B  grosser  Init. 

Bl.  6a:  Unke  Spalte:  ITEM  |  INCI  |  PIT  PRAE  |  FATIO  |  S€l 
HIE  I  RONIMI  I  PR-R-RI  |  IN  GVAN  |  GtlUM.  —  Bl.  6a:  rechte  Spalte: 
Pb  I  RES  I  FVIS  I  SE  in  Initialen. 

Bl.  7b:  rechte  Spalte :  INCIPIT  |  EPISTOjA  |  GVSEBII  |  GPlSCoPI  | 
AD  CARPI  I  ANVM  DE  |  DOCTRI  |  NA  INVE  |  NIGNDO  |  RV   CANO  | 
NV  eUAGtil  I  -  Bl.  8a:  linke  Spalte:  GV  |  SE  |  Bl  |  VS  in  Initialen. 
—  Bl.  9a:  Linearbordüre  von  32:22  cm,  darin  auf  10  Zeilen: 
Quot  domini  verbis  constat  perfectio  legis, 
Tot  canones  operis  illustrant  scripta  sequentis: 
Quatuor  in  primo  concordant  tresque  secundo, 
Tercius  atque  tribus  constat  totidemque  tetrardns, 
Elucet  quintus  binis,  sextusque  duobus, 
Septimus  octavus  nonus  gaudetque  duobus, 
In  decimo  proprio  sua  scribit  dogmata  quisque: 
Istis  instructus  seiet  omnia  competa  (I)  sensus. 
Qua  propter  canonis  callem  discurre  fidelis, 
Ut  te  perducat,  quo  nullus  devius  intrat. 
Folgen  Bl.  9b— 14a  die  Canones  in  schönen  Arkaturen,  welche  am 
oberen  Rande  von  naturalistisch  aufgefassten  Thieren,   zweimal  auch 
von  Menschen   (einem  Zimmermann,  einem  grabenden  Bauer,  einem 
Wein  lesenden  und  einem  kelternden  Winzer)  flankirt  sind. 

Bl.  14b:   linke  Spalte:   INCIPIT  |  PROLO  |  GVS   IN  |  GVAN  | 
GELI  I  VM  MA  I  THEI  | ,  rechte  Spalte:  >)>M  jfe  I  ^  I  in  Initialen. 

Bl.  15b:  linke  Spalte:   INCIPI  |  VNT  |  CAPI  |  TVLA  |  SEQlEN  | 
TIS  I  OPERIS  I  ,  rechte  Spalte:  fi  |  ^€RA  |  TIC  |  NU  |  . 

Bl.  17b  und  18a  eigenthümliche  Imitation  von  teztilen  Mustern 
in  Pergamentmalerei,  welche  sich  in  andern  Mustern  auf  zwei  Seiten 

1)  Bl.  2b. 


I       *m. 


80  Der  Bildersohmuok  des  Cod.  Egberti  la  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoeiiaii  la  Gothtt. 

vor  jedem  Bildercyclus  wiederholt  —  BL  18b— 20a  erster  Bildercyclus, 
s.  unten.  —  Bl.  20b:  Der  Evangelist  Matthaeos  in  der  b&ufig  vor- 
kommenden Stellung  am  Schreibpulte;  auf  der  Arcatur  über  ihm  der  Vers: 

Game  deum  voce  Matheus  signat  et  ore. 
Bl.  21a:  rechteckige  Randbordüre,  innerhalb  derselben  ein  Engel, 
der  ein  Buch  hält  mit  folgenden  Hexametern: 

Yos  homines  hominis  Mathei  credite  scriptis, 
Ut,  de  quo  narrat,  homo  Jhesus  premia  reddat 
Bl.  21b:  InRandbordare:INCIPIT|LIBER|EVANGEUI|SECVNDV 

I  /V\ATHEVM  I  .  —  Bl.  22a:  In  Randbordüre:  [L,  L  Initial.  —  Folgt 
Bl.  22b— 48a:  der  Text  des  Evangeliums  Matthaei.  —  Bl.  48b:  rechte 

Spalte:  EXPLICIT  |  EVANGfcCO  |  SCBM  /V\A  |  THEVM  HAB  |  LEK  • 
llrDCCI  . 

Bl  49a:  linke  Spalte:  INCIPIT  |  ARGVMEN  |  TVMIN  1  EVANQtM 
I  MARCI I;  —  Bl.  49b:  in  Randbordüre:  M  |  AROiS  |  in  Initialen. 
Bl.  50a:  rechte  Spalte:  INCIPI  |  VNT  CA  |  PITVLA  |  IN  GVAN  | 

GELIVCO  I  MARCI  |  . 

Bl.  51b  und  52a :  Imitationsmalerei  von  textilen  Stoffen,  vgl.  oben 
Bl.  17b  und  18a;  hierauf  folgt  Bl.  52b — 54a:  der  zweite  Bildercyclus 
s.  unten,  und  Bl  54b:  Der  Evangelist  Marcus,  auf  dem  Stuhl  als  Bi- 
schof sitzend,  rechts  von  ihm  das  Schreibpult,  unter  einer  Arkatur, 
deren  Horizontalbalken  den  V^s  trägt: 

Fortior  est  omni,  quam  signas  Marce,  leoni  (sie!), 
Bl  55a:  rechteckige  Randbordüre,   aus  deren  vier  Ecken  nach 
Innen  zu  Engel  fliegen,  welche  eine  Tafel  mit  folgenden  Hexametern 
in  sechs  Zeilen  halten: 

Portes  estote  vos  atque  cavete  leone  (siel), 
Ut  sacietur  ove,  Christi  qui  lustrat  ovile, 
Christum  contra  quem  fac  surgere,  Marce,  leonem. 
Bl  55b:   Randbordüre:    INCIPIT  |  GVAN  |  GELIUM  |  SCBM  | 

INI 

MARCVMI.  —  Bl  56b:  Randbordüre:  |im  in  Initialen.  —  Folgt 
Bl.  56b — 72a:  der  Text  des  Evangelium  Marci. 

Bl  72b:  Randbordüre:  INCIPIT  |  ARGVhCN  |  TVMIN  |  EUANQttM 
I  LVCAE  I  .  —  Bl  73a:  In  Randbordüre:  L^  |  CAS  in  Initialen. 

Bl  74a:  rechte  Spalte:  INERVNT  |  CAPITV  |  LA  IN  |  EVANQtV 
I  LVCAE  I  . 

Bl  75b— 76a:   Imitationsmalerei   von    textilen    Stoffen,   darauf 


Der  Bilderaohmuok  des  (3od.  Bigberti  za  "frier  u.  d.  Cod.  fipternacensis  zu  Gotha.  8l 

Bl.  76b— 78a:  der  dritte  Bildercyclus  s.  unten  undBL  78b:  der  Evan- 
gelist Lucas  am  Schreibpult,  in  der  Arcatur  der  Hexameter: 

Ob  mortem  Christi  Lucas  tenet  ora  juvenci. 

Bl.  79a:  rechteckige  Randbordüre,  die  in  ihrem  Schmuck  aufs 
Lebhafteste  an  die  Emailletechnik  erinnert:  auf  die  Stäbe  der  Bordüre 
sind  einzelne  kleine  Rechtecke  gemalt,  welche  Thiere  in  Gold  auf 
blauer  Füllung  enthalten.  Innerhalb  der  Bordüre  in  den  vier  Ecken 
Medaillons  mit  der  Darstellung  der  4  Elemente;  inmitten  dieser  eine 
Tafel  mit  folgenden  Versen  in  6  Zeilen: 

Es  factus  primis  homo  quatuor  ex  elementis: 
His  natus  lucis  ni  sis,  moriendo  peribis. 
Hinc  prece  fac  Lucae  vivas  cum  perpete  luce. 

Bl.  79b:  rechteckige  Randbordüre ;  auf  den  Ecken  der  Leisten  vier 
diesen  parallel  gestellte  Quadrate  mit  posaunenden  Engeln,  in  der 
Mitte  der  Leisten  Medaillons  in  Gold  mit  weisser  Zeichnung,  ebenfalls 
aufs  Lebhafteste  an  Emailtechnik  erinnernd.  In  der  Mitte:  INCIPIT  | 
eVGtIVM  I  SC-DM  I  LVCAM  |  .  -  Bl.  80a:  Randbordüre,  worin:  Q^  | 
NIAM  QIBGB  |  ,  Q  Initial.  Folgt  Bl.  80b— 107a  der  Text  des  Evan- 
geliums Lucae. 

Bl.  107b:    Bordüre   in   der  Form:  %.     In^  mittleren    Räume: 

INCIPIT  ARGVh€N\M  |  IN  EXANQEIlVNA  IOMNIJ  |  ;  darüber  iTLt  (=r 
hie  est),  hie  in  Initialen;  darunter:  IGHANNGS  E\^NQ6  1  LISTA  VNVS  GX 
DISGßlL  I  . 

Bl.  108b:  linke  Spalte:  INGPUT  |  CAPI17LA  |  IN  GVAN  |  GGLI  j 

UCO  10  I  HAN  I  NIS  I 

BL  109b— 1 10a:  Imitationsmalerei  von  textilen  Stoffen,  darauf 
Bl.  110b — 112a:  der  vierte  Bildercyclus,  s.  unten;  schliesslich  Bl.  I12b: 
der  Evangelist  Johannes  am  Schreibpulte^  in  der  Arkatur  über  ihm 
der  Vers: 

Est  aquilae  similis  de  verbo  sermo  Johannis. 
Bl.  113a:  rechteckige,   besonders  schöne  Randbordüre,  innerhalb 
derselben  an  die  Mitte  der  Leisten  anstossend  Medaillons  mit  der  Dar- 
stellung der  4  Himmelsgegenden.    Innerhalb  der  Medaillons  eine  der 
äusseren  parallel  eingetragene  Bordüre,  welche  in  6  Zeilen  die  Verse  fasst: 
Quadrifidas  partes  habitantes  quique  fideles, 
Devota  mente  transcendant  terrea  quique, 
Üt  cum  Johanne  Christum  mereantur  adire. 
Bl.  113b:  rechteckige  Randbordüre,  in  den  4  Ecken  quadratische 

6 


82  Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  sa  Trier  xu  d.  Ck>d«  Eptemaoenais  ta  Goiht. 

parallel  gestellte  Medaillons  mit  der  PersoDification  von  4  Tagenden; 

in  der  Mitte  IN  NOMINE  DNI  j  IN  Ol  PIT  |  EVANQGLIVM  |  SE  0-  DM 

I  lOHANNEM  1  .  —  Bl.  114a:  Randbordüre,   wie   113b,  in   der  Mitte 

PRInIüPO,  in  Initialen.  Hierauf  folgt  BL  114b— 134b  der  Text  des 
Evangelium  Johannis,  womit  die  Handschrift  abschliesst 

Der  textliche  Inhalt^)  des  Codex  lässt  keinen  genaueren  Schluss 
auf  seine  Entstehungszeit  zu.  Dagegen  bietet  der  Deckel  mit  der  Dar- 
stellung der  Theophanu  imperatrix  und  des  Otto  rex  einen  chronologi- 
schen Anhalt,  der  schon  in  dem  Aufsatz  der  v.  Quast'schen  Zeitschrift 
zur  Eruirung  der  Abfassungszeit  983  Dec.  7.  bis  992  Juni  15.  benutzt  ist. 

In  wiefern  die  kaiserliche  Familie  zur  Anfertigung  der  HS.  Anlass 
gegeben  hat,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  ermitteln.  Eine  alte  Tradition 
des  16.  Jahrhunderts  bei  Bertelius  (s.  Rathgeber  a.  a.  0.,  S.  lOj 
spricht  von  einer  Schenkung  der  HS.  an  Eptemach  durch  König 
Otto[ni];  ihre  Richtigkeit  wird  durch  einen  Magdeburger  AnalogiefalP) 
und  die  Stellung  grade  Ottos  III  zu  Eptemach  sehr  wahrscheinlich. 

Schon  Otto  I.  hatte  sich  Epternachs  besonders  angenommen;  unter 
ihm  waren  auf  Anregung  des  letzten  Laienabtes,  des  Grafen  Siegfirid 
von  Luxemburg,  die  Canonici,  welche  seit  den  Zeiten  des  9.  Jahrhun- 
derts das  Kloster  inne  hatten,  wieder  mit  Mönchen  unter  der  Leitung 
eines  neuen  Abtes  Bavanger  vertauscht  worden.  Zugleich  hatte  Otto  L 
das  Kloster  in  seinen  besonderen  Schutz  genommen  und  ihm  das  Recht 
der  freien  Abtswahl  garantirt,  seine  bisherigen  Besitzungen  bestätigt, 
sowie  neue  hinzugeschenkt  (MR.  ÜB.  292—293,  No,  236  u.  237,  973 
März  15;  vgl.  SS.  XXIH  32, 16).  Diese  Gunst  des  Kaisers  übertrug 
sich  nun,  wie  es  scheint  durch  den  fortdauernden  Einfluss  des  Grafen 
Siegfried  (s.  MR.  ÜB.  320,  No.  264,  992  Apr.  3.;  322,  No.  267,  993 
Mai  25)  und  des  langjährigen  Klosterabtes  Ravanger,  auch  auf  sdne 
Nachfolger.  980  am  1.  Juni  bestätigte  Otto  IL  ob  amorem  dei  et 
rcverentiam  loci  die  Epternacher  Anordnungen  seines  Vaters  (MR.  ÜB. 
309,  No.  254).  In  noch  viel  näherer  Beziehung  aber  zum  Kloster  finden 
wir  Otto  III;  er  verlieh  an  Eptemach  das  für  ein  Kloster  nicht  häufige 
Privüeg  eigenen  Münzrechtes  (MRUB.  320—321,  No.264,  992  Apr.  3), 
wie  die  Urkunde  besagt,  ut  (monachos)  pro  nostra  salute  et  pro  re- 
medio  animarum  beate  memorie  avi  nostri  Ottonis  et  eins  aequivoci 


1)  Vgl.  über  ihn  Jacobs  u.  ükert  a.  a.  0.  S.  82  u.  88. 

2)  Hierher  schenkte  nämlich  Otto  U.  einen  viel  bewanderten  Codex  mit 
seinem  und  seiner  Gemahlin  Theophanu  Bilde,  s.  JEUthgeber  a.  a.  0.  S.  9. 


Der  Bildartohmuck  des  Cod.  Egberti  sa  Trier  u.  d.  Cod.  EpternaoeDBis  zu  Gotha.  83 

genitoris  nostri  imperatorum  aagostoram  ac  pro  genetrice  nostra  Theo- 
phana  imperatrice  augusta  omniumque  fidelium  defunctorum  deum 
amplias  delectet  exorare.  Mit  der  Aufzählung  der  hier  bezeichneten 
Personen  recapitulirt  die  Urk.,  so  zu  sagän,  die  Geschichte  der  persön- 
lichen Beziehungen  der  Ottonen  zu  Epternach ;  und  die  Aufzählung  der 
Theophanu  unter  diesen,  wie  die  Gunstbeweisung  Ottos  III.  selbst  geben 
der  Tradition  über  die  Schenkung  des  Cod.  Eptem.  durch  diese  beiden 
einen  hohen  Grad  von  Wahrscheinlichkeit. 

Ich  gehe  nun  zur  Schilderung  des  bildlichen  Schmuckes  des  Cod. 
Eptem.  über  und  spreche  hier  zunächst  von  der  ungemein  reichen  Aus- 
stattung der  HS.  mit  Initialen  und  sonstigem  ornamentalen  Bei- 
werk. Die  TextspalteUy  wie  öfters  ganze  Blattseiten,  sind  namentlich  mit 
den  schönsten  Initialen  frühromanischen  Charakters  geschmückt,  bei  denen  / 
neben  dem  Ueberwiegen  pflanzlicher  Bildungen  doch  schon  zoomorphe, 
ja  sogar  anthropomorphe  Ornamente  vorkommen.  Diese  letztere  hier 
ungemein  früh  auftretende  Eigenthümlichkeit  wirft  ein  bedeutsames 
Schlaglicht  auf  Vergangenheit  und  Zukunft  der  Ornamentirung  des 
10.  Jahrhunderts:  zwar  waren  die  klassisch-karolingischen  Formen '  rein 
pflanzlicher  Initialenbildung  besonders  von  St.  Gallen  und  Reichenau 
her  in  Deutschland  durchgedrungen,  allein  überall  scheint  durch  diese 
künstliche  Blüthe  der  alte  nationale  Geschmack,  die  germanische  Vor- 
liebe für  groteske  Thierbildungen,  wie  wir  sie  aus  fränkischen  Grab- 
funden kennen,  durch;  ein  Geschmack,  der  dann  seit  der  Mitte  etwa 
des  11.  Jahrhunderts  gegenüber  der  Pflanzenornamentik  erst  schüchtern 
und  vereinzelt,  dann  immer  massenhafter  und  dreister  wieder  auftrat. 
Eigenthümlich  sind  der  Echtemacher  Handschrift  noch  die  ausserordent- 
lich häufigen  Ligaturen  der  Initialen,  durch  welche  dem  Zeichner  ganz 
neue  Grundlagen  für  die  Ornamentirung  gewährt  wurden.  So  finden 
sich  A  und  M[B1.  14b],  E  und  B  [Bl.  24b],  EE  und  E[B1.  57a],  HJ 
und  C  [Bl.  107b],  J  und  N  [BL  114a],  N  und  A  [Bl.  25a],  N  und  E 
[BL  15b],  T  und  E  [Bl.  24a],  TK  und  L  [Bl.  14b],  ü  und  M  [Bl.  5b, 
56a],  U  und  S  [Bl.  49b],  V  und  S  [Bl.  14b]  als  omamentirte  Ligaturen. 

In  der  Ornamentirung  der  Initialen  tritt  im  ganzen  Verfolg  der 
Handschrift  kaum  eine  Aenderung  ein;  es  werden  für  dieselbe  gleich 
von  vornherein  als  Grundlage  unciale  und  capitale  Formen  unterschieds- 
los angewandt.  Es  drückt  sich  damit  auch  in  den  omamentirten  Buch- 
staben ganz  die  Formenunsicherheit  der  Maiuskel  aus,  welche  das 
10.,  11.  und  theilweise  noch  12.  Jahrhundert  im  Rheinlande  characte- 
risirt.    Es  finden  sich  neben  A  auch  A  [BL  25a]  A  [Bl.  32a]  und  häufig 


84  Der  ßilderschmuck  des  Cod.  £gberti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  Eptemacenns  zu  Gotha. 

A,  neben  B  einmal  die  aussergewöhnliche,  aus  angelsächsischer  Ver- 
zierungsweise  geflossene  Form  6  [Bl.  65a],  neben  D  5,  neben  EG  u.s.w., 
insbesondere  auch  h  und  K,  CO  und  Tl)  endlich  5. 

Die  Consequenz  in  Verzierung  wie  Form  der  Initialen  bei  allem 
Wechsel  im  Einzelnen  stimmt  wohl  überein  mit  dem  Schriftcharakter 
des  Textes,  welcher  durch  die  ganze  Handschrift  hindurch  eine  einzige, 
gleichmässig  schreibende  Hand  aufweist.  Merkwürdig  schwankend  da- 
gegen zeigt  sich  die  Ausmalung  der  Initialen.  Bis  zum  Bl.  42  ist  die 
Färbung  die  althergebrachte;  die  Conturen  in  Mennig,  die  Fülhmg  in 
Gold;'vonBl.  42b  aber  tritt  für  die  Füllung  in  immer  mehr  zunehmen- 
dem Maasse  Silber  hinzu.  Mit  Bl.  65b  erfolgt  eine  neue  Aenderung; 
schon  Bl.  44b,  wie  48a  und  49a  waren  die  freien  Räume  zwischen  den 
Ornamenten  mit  schmutzig  Mineralgrün  und  Pariserblau,  mit  einem 
matten  Lila  und  Karmin  gefärbt  worden:  jetzt  nun,  von  Bl.  65b  ab, 
wird  die  Ausfüllung  dieser  Zwischenräume  mit  einem  stumpfen  Purpur- 
tone regelmässig,  und  beginnt  seit  Bl.  69a  mit  blaugrün  und  Lila  zu 
wechseln.  Diese  farbigen  Flächen  werden  dann  späterhin  noch  mit 
kleinen  weissen  Tupfen  versehen.  Auch  tritt  seit  Bl.  74a  weiss  als 
Füllungsfarbe  für  einzelne  Bänder  und  Striche  in  den  Initialen  selbst 
auf;  womit  dann  etwa  seit  Bl.  100  Scharlach  zu  wechseln  beginnt. 
Eine  ganz  neue  Wahl  der  Farben  endlich  findet  sich  seit  Bl.  128b,  alle 
bisher  gebrauchten  Füllungen  werden  lebhafter;  Purpur  wandelt  sich 
in  Mennig,  statt  schmutzig  Pariserblau  tritt  Kobaltblau  ein,  ebenso 
lichtet  sich  das  bisherige  Grün.  Eine  reichliche  Besetzung  dieser  neuen 
Farben  mit  grossen  weissen  Tupfen  trägt  noch  mehr  dazu  bei,  die  nun 
folgenden  Initialen  als  neu  und  fremdartig  erscheinen  zn  lassen. 

Aus  diesem  Gegensatze  zwischen  einer  sich  gleichbleibenden  Schrift 
und  Ornaraentirung  der  Initialen  und  einer  wandelnden,  in  ganz  be- 
stimmtem Progress  sich  entwickelnden  Colorirung  wird  der  Schluss  zu 
ziehen  sein,  dass  Text  und  Initialcontouren  gleichzeitig  entstanden  sind, 
und  wahrscheinlich  auch  von  einer  Hand  herstammen,  während  die  Be- 
malung erst  später,  nach  dem  Abscliluss  des  Textes,  stattfand.  Dieser 
Vorgang  darf  überhaupt  für  das  Rheinland  als  Regel  gelten.  So  findet 
sich  in  einer  Evangelienhandschrift  des  Kölner  Diöcesanmuseums  aus 
dem  Ende  des  11.  Jahrhunderts  (angeblich  aus  Altenberg)  neben  einer 
Reihe  von  Initialen,  welche  in  Gold  und  Silber  gefüllt  sind  noch  ein  M 
in  blossen  rothen  Contouren  und  ein  kleines  Evangeliar  in  8^  desselben 
Museums  (11.-12.  Jahrh.)  zeigt  ein  ornamentirtes  ÜBER,  Q  und  M, 
dessen  rothen  Contouren  überhaupt  noch  jede  farbige  Füllung  fehlt. 


Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod  fipternacensis  zu  Gotha.  85 

Auch  für  die  Vermuthung,  dass  dem  Schreiber  des  Textes  zu- 
gleich die  OmamentiruDg  der  Anfangsbuchstaben  zugefallen  sein  wird, 
spricht  die  sonstige  Praxis;  vor  Allem  der  Gebrauch,  das  Ornamentiren 
überhaupt  als  scribere  zu  bezeichnen,  wofür  besonders  ein  Codex  der 
Trierer  Dombibliothek  a.  d.  9.  Jahrh.  (Düsseid.  Ausstellungscatalog  412) 
auf  Bl.  4b  und  61.  128b  mit  der  Unterschrift  Thomas  scribsit  die  Be- 
lege giebt»). 

Man  wird  also  annehmen  dürfen,  dass  Text  und  Ornamentirung 
der  Echternacher  HS.  miteinander  entstanden  seien;  die  Farben  sind 
yielleicht  von  einer  der  an  den  Malereien  der  HS.  beschäftigten  Hände 
eingetragen  worden,  wenigstens  finden  sich  hier  dieselben  Farbentöne  vor. 

Ich  komme  nun  von  den  Initialen  auf  die  eigentlichen  Minia- 
turen der  HS.  Es  sind  in  der  Handschrift  zunächst  zwei  Arten  von 
Bildern  zu  scheiden;  einmal  die  vier  Evangelistenbilder  und  das  Titel-  , 
blatt  mit  dem  segnenden  Christus  in  der  Mandorla,  dann  die  Bilder 
zur  Illustration  des  Lebens  und  Wirkens  Christi.  Die  ersteren  bedecken 
die  ganze  Blattseite  und  haben  sog.  byzantinischen  Charakter,  nament- 
lich die  weissen  Haupt-  und  Barthaare,  wie  den  traurig-mürrischen  Ge- 
sichtstypus dieses  Stils.  Indess  ist  diese  Auffassungsweise  nicht  durch- 
aus maassgebend,  schon  der  bartlose  segnende  Christus  fällt  aus  ihr 
heraus,  noch  mehr  —  ebenfalls  auf  Bl.  2b  —  der  Prophet  Daniel  in 
der  unteren  Ecke  rechts,  welcher  durchaus  römische  Züge  trägt.  Zu 
den  hieraus  sich  ergebenden  Vermuthungen  stimmen  durchaus  die  auf 
dieses  Bl.  2b  bezüglichen  Verse  Bl.  3a,  wo  Christus  als  regnator 
Olympi,  als  deus  deorum  erscheint.  Das  alles  scheint  auf  römische 
Tradition,  unter  späterer  Umwandlung  gemäss  der  jeweilig  modernen 
Anschauungsweise  hinzudeuten. 

Die  zweite  Gruppe  der  Bilder  ist  viel  zahlreicher;  sie  umfasst 
Bl.  18b— 20a;  52b— 54a;  76b— 78a;  110b— 112a  (s.  oben).  Jede  Seite 
enthält  hier  zunächst  eine  rechteckige  Linearbordüre  in  Gold  von 
31:23  cm;  innerhalb  derselben  sind  durch  zwei  goldene  Querbalken  3 
horizotale  Räume  von  durchschnittlich  21,5  cm  Länge,  8  cm  Höhe  ge- 
bildet, welche  meist  1,  bisweilen  2  Bilder  enthalten.  Die  Balken  ober- 
halb der  Bilder  tragen  je  1—2  Hexameter,  welche  sich  auf  den  Inhalt 
der  Darstellungen  beziehen.  An  den  Bildern  selbst  haben  zwei  ver- 
schiedene, sehr  genau  von  einander  unterscheidbare  Hände  gearbeitet; 
die  geübtere  Hand  bemalte  Bl.  18b,  19a,  52b— 54a,  110b— 112a,  die 


1)  Ygl  Schnaase  >  UI,  616. 


86  Der  Bilderschinuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  za  Gotha. 

weniger  geübte,  sich  später  bessernde  Hand  bemalte  Bl.  19b,  20a, 
76b— 78a. 

Ich  gebe  im  Folgenden  die  den  Bildern  übergeschriebenen  Verse 
und  bemerke  hierzu :  die  Ziffern  links  geben  die  laufende  No.  der  dar- 
gestellten Scenen  an  (vgl.  unten),  wobei  die  auf  Hand  A  zurOckfbhr- 
baren  Nummern  fett  gedruckt  sind;  die  eingeklammerten  Ziffern  rechts 
geben  die  Seitenzahl  und.  die  No.  des  horizontalen  Streifens  innerhalb 
derselben  an.  Cursiv  gedruckte  Wörter  im  Text  waren  theilweis  oder 
ganz  unleserlich  und  sind  durch  Coniectur  erschlossen. 

I.  Theil  Bl.  18b— 20a  i). 

1.  Plasmavit  qui  te,  nascetur  conditor  ex  te.  [Bl.  18b  1.]       1 

2.  Spiritus  inflammat  sterilem,  dum  virgo  salutat. 

3.  4.      Quem  sine  matre  pater  genuit,  sine  semine  mater.  [2.] 

5.  Virginis  in  partu  nova  Stella  refulsit  in  ortu:  [8.] 
Pectoribus  verum  lumen,  mors  transitoriorum.  5 

6.  Munera  carne  deum  tria  sunt  testata  magorum.  [Bl.  19a  1.] 

7.  8.       Gelitus  ammoniti  sunt  recto  calle  reversi.  [2.] 

9.  Hie  Symeon  vetulis  Jhesum  suscepit  in  ulnis.  [3.] 

10.  11.     Angelus  ut  iussit,  Joseph  surrexit  et  ivit.  [Bl.  19b.  1.] 

12.  Rex  quia  turbatur  infantum  turba  necatur.  [2.]  10 

13.  Ut  discens  audit  doctores,  omnia  qui  seit.  [3.] 

14.  Nos  lavat  a  culpa  Christus  Jordanis  in  unda. 

15.  Temptatur  Christus,  hostis  fit  ter  superatus.  [Bl.  20a.  1.] 

16.  Hie  duo  germani  capiuntur  famine  Christi;  [2.] 

17.  Hie  duo  cum  navi  patrem  liquere  vocati.  15 

18.  Ardor  lucrandi  frigescit  voce  sequendi.  [3.] 

19.  Spem  peccatdri  dant  haec  exempla  Mathei. 

n.  Theil  Bl.  52b-54a. 

20.  Fecit  aqua  vinum  deus  inter  fercula  primum.  [Bl.  52b.  1.] 
21*  22.  Leprosum  mundat,  hie  servum  famine  curat.  [2.] 

23.  24.  Condonat  luce,  natam  sanat  Chananeae.  [3.]  20 

25.  26.  Expulit  hos  templo  deus,  hunc  dat  surgere  lecto.  [Bl.  53a.  1.] 
27.  Panibus  hie  quinque  saciavit  milia  quinque.  [2.] 


1)  Vgl.  die  unvollständige  und  nicht  correcte  Ausgabe  bei  Rathgeber, 
Beschreibung  des  herzogl.  Museums  zu  Gotha  I,  147.  Auch  die  Angaben  bei 
Jacobs  und  Ukert,  Beitr.  II,  a.  a.  0.  sind  nicht  vollständig  und  correct. 


■■■  1*1 


Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Qotha.  87 

28.  Daemonibus  pulsis  fit  dira  vesania  porcis.  [3.] 

29.  30.  Poscit  ab  hac  potum,  necis  hac  pellendo  reatum.  [Bl.  53b.  1.] 
31.  32.  Iste  lavans  vidit,  Lazarus  de  morte  resurgit  [2.]  25 
33.  34.  Hie  sanatus  abit,  plebs  hie  pro  febre  rogavit.  [3.] 

35.  36.  Sanguinis  hanc  iluxu  soivit,  hune  mortis  ab  ietu.  [Bl.  54a.  1.] 
37.  38.  Curans  ydropieum  eompescit  famine  ventum.  [2.] 

39.  Denos  mundabat,  grates  ast  unus  agebat  [3.] 

III.  Theil  Bl.  76b— 78a. 

40.  Bic  homo  [?]  ^)  eonducit,  quos  mundi  vinea  poseit.  [Bl.  76b.  1.]  30 
Diversis  horis  hominis  aetatibus  aptis; 

Aetas  qnaeque  viri  eondueitur  hane  operari,  [2.] 

Nummum  quo  eapiat  promissum,  valde  laborat 

Hie  opus  iniungit,  cum  vesper  lumina  fundit;  [3.] 

His  dat  cum  primis  in  primis  iura  laboris.  35 

41.  Vinea  plantatur  eultoribus  atque  locatur.  [Bl.  77a.  1.] 
Servi  mittuntur  pro  fructibus:  heu!  perimuntur.  [2.] 
Mittitur  et  natns,  sine  culpa  fitque  necatus.  [3.]  — 

42.  Ad  caenam  magnam  multos  vocat  hie  homo  quidam;  [Bl.  77b.  1.] 
Hanc  inopes  intrant,  fortes  et  adesse  reeusant.  40 
DExcusa  Togo,  me  retinent  commertla  villaea;  —  [2.] 

»Ne  cogas  ire>  quoniam  iuga  vado  probare«;  — 
»Propter  coniugium  non  illnc  pergere  possum«.  [3.]  — 

43.  Divitis  in  foribus  Lazarus  iacet  ulcere  plenus.  [Bl.  78a.  1.] 
Hie  pauper  moritur,  Abrahae  gremioque  locatur.  [2.]         45 
Dives  obit  mundo  diro  cruciandus  Averno.  [3]. 

IV.  Theil,  Bl.  110b-112a. 

44«  Regnator  caeli  fit  vilis  sessor  aselli,  [Bl.  110b.  1.] 
Stemendo  vestes  eui  dant  pia  cantica  plebes. 

45.  Cum  signo  pacis  hune,  Juda,  pessime  tradis ;  [2.] 

46.  Captus  tunc  duei,  dux,  ad  Cayphan  voluisti.  50 

47.  Ad  cantum  galli  reminiscere  te,  Petre  falli.  [3.] 

48.  Virgarum  Christus  patienter  sustulit  ictus. 

49.  Spinis  contextam  ponunt  tibi,  Christe,  coronam;  [Bl.  lila.  1.] 

50.  Compulsus  valde  fit  ligni  partitor  iste. 

51.  Mundi  salvator  moritur  hie  ut  malefactor.  [2.]  55 


1)  Ratbgeber  and  Jacobe  uad  Ukert:  Quidam, 


88  Der  Bildergcbmuck  des  Cod.  Egberti  zn  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  zu  Gotha. 

Qui  solus  iustus,  est  cum  reprobis  crucifixus. 
52.  53.  Granum  depositum  de  ligno  mortificatum  [3.] 
Obsequiis  horum  sepelitur  fnicüficandum. 

54.  J)0  vos,  Christicolae,  nimium  nolite  timere,  [Bl.  11  Ib,  1.] 
Quem  mors  extinxit,  Jhesus  surgendo  revixita.  60 

55.  Discipulis  visus  est  binis  ut  peregrinus,  [2.] 
Cognitus  est  illis  in  primo  fragmine  panis. 

56.  Quem  flet  querendo,  gaudet  Maria  videndo;  [3.] 

57.  Tunc  dominum  pangit  Thomas  dum  wlnera  tangit. 

58.  Transmigratores,  quid  statis  suspicientes ;  [Bl.  112a.  1.]      65 
Hunc  deus  assumpsit  hominem,  quem  virgine  sumpsit. 

59.  Discipuli  tristes  temp'lo  pariter  residentes  [2.] 
Sumunt  omnigenas  subito  de  pneumate  linguas; 
Centum  viginti  fuerant  bis  consociati,  [3.] 

Qui  fiunt  pleni  de  munere  pneumatis  almi.  70 

IL  Die  Bildercyclen  der  Handschriften. 

Als  Material  für  die  folgende  Besprechung  stelle  ich  zunächst 
eine  Synopse  der  beiden  Bildercyclen  auf;  ich  füge  denselben  noch  den 
aus  der  Beschreibung  der  karolingischen  Schlosskapelle  zu  Ingelheim 
durch  Ermoldus  Nigellus  (IV,  219-244,  MGSS.  II,  505-6)  sich  ergeben- 
den Cyclus  bei:  den  einzigen  grösseren  —  übrigens  wahrscheinlich 
nicht  vollständig  geschilderten  —  evangelischen  Bildercyclus  aus  deutsch- 
karolingischer  Zeit,  dessen  Composition  wir  meines  Wissens  kennen. 
Als  leitend  für  die  folgende  Zusammenstellung  sehe  ich  den  Cyclus 
des  Cod.  Epternac.  an,  weil  er  derjenige  ist,  welcher  dem  Maler  die 
jreie  Composition,  resp.  die  volle  Benutzung  der  bestehenden  Tradition 
unabhängig  von  jedem  Texte  gestattete.  Den  Bildern  des  Cod.  Egb. 
dagegen  füge  ich  die  Angabe  der  betr.  dem  einzelnen  Bilde  zugeschrie- 
benen Textstelle,  sowie  die  laufende  Nummer  der  Bilder  zu.  Letzteres 
geschieht  auch  für  Erm.  Nigellus  und  den  Cod.  Epternac. 

Schlosskapelle  zu  In-  Cod.  Egberti.  Cod.  Epternac. 

gelheim  ca.  800.  ca.  975.  ca.  990. 

V.  221-222.  (1)  B1.9b.  Luc.  1,26-38.(1)     Bl.  8b.  Verkündig.  (1) 

Bl.  10b.  Luc.  1,39-56.(2)        Heimsuchung.  (2) 
Bl.  12a.  Verkündigung 

an  Joseph.  Matth.  1, 

20.  (3) 


Der  Bildendimnck  des  Cod.  Egberti  1bu  Trier  a.  d.  Cod.  Eptomacentis  eu  Gotha.  89 


V.  223—224.  (2) 
V.  225.  (3) 


V.  226.  (4) 


V.  229.  (6) 

V.  227—228.  (5) 


V.  230.  (6). 

V.  231-232.  (7) 

V.  233—234.  (8) 


Bl.  13a.  Luc.  2, 1—14. 

(4) »). 
BL  13a.  Luc.  2,  15 
—17.  (5)  S.  Tafl.I. 


Bl.  17a.   Matth.  2,  1 
-12.  (7) 


Bl.'  18a.   Luc.  2,   21 
-32.  (8)  Tafl.  V. 


Bl.  16b.  Matth.  2,  16 
-18.  (6)  Tafl.  L 

Bl.  .18b.    Luc.   2,  42 

—52.  (9) 
Bl.   19b.    Job.   1,   29 

—34.  (10) 


Bl.  28b.  Marc.  2,  13. 

u.  14.  (20).  Tafl.  n. 
Bl.  29a.   Marc.  2,  15 

—17.  (21) 


Geburt  Christi.  (3) 

Die  Hirten  auf 
dem  Felde.  (4) 
Tafl.  L 

Die  Magier  bei  Hero- 
des.  (5) 
Bl.  19a.  Anbetung  der 
Magier.  (6) 

Den  -  Magiern  er* 
scheint  d.Engel.  (7) 

Heimkehr  der-Ma* 
gier.  (8)  Tafl.  VHL 

Darbringung  i.  Tem- 
pel. (9) 
Bl.  19b.  Der  Engel  er- 
scheint Joseph.  (10) 

Flucht  nach  Aegyp- 
ten.  (11) 

Betblehemitisch. 
Kindermord.  (12) 
Tafl.  I. 

Jesus  lehrt  im  Tem- 
pel. (13) 

Taufe.  (14) 

Bl.  20a.  Christi  Ver- 
*     suchung.  (15) 

Petrus  und  An- 
dreas gewonnen 
(16)  Tafl.  Vm. 

Jacobus  u.  Johanna 
gewonnen.  (17) 

Mathaeusgewon- 
nen.  (18)  Tafl.  IL 

Christus  isst  mit  den 
Sündern.  (29) 


1)  Theilw.  publicirt.  Kugler,  kl.  Sehr.  II,   SiO,   und   hiomaoh  Waagen, 
Handb.  I,  S.  12. 


90  Der  Bilderscbmuok  des  Cod.  Egbert!  za  Trier  u.  d.  Cod.  Epiemaoeiui is  la  Gotha. 


Erm.  Nigellus  schil- 
dert die  Thaten  Christi 
V.  235-238  nur  mit 
allgemeineren  Worten : 
Ut  pia  per  mundum 

docuit  mox   munia 

patris, 
Reddidit  infirmis  munia 

prisca  pius 
Mortua  quin  etiam  ut 

reparayit     corpora 

vitae, 
Daemonis  arma  tulit 

expulit  atque  procul. 


BL  20b.  Joh.  2, 1-11. 

(11)  Tafl.  V. 
fiL  21b.  Matth.  8,  1 

-4.  (12)  Tafl.  n. 

BL  22a— b.  Matth.  8, 

13-15.  (13) 
BL  23b.  Heilung  der 

verdorrten      Hand. 

Marc.  3,  1-5.  (14) 
BL  31a.  Luc.  18,  31 

-41.  (22)  Tafl.  II. 
BL  35b  u.  36a.  Matth. 

15,  21—29.  (24) 

BL  34a.   Matth.   21,  • 

12.    und    13,  (23) 

Tafl.  V. 
BL    36b.    Joh.    5,    1 

—15.  (25) 
BL    47b.    Joh.    6,    1 

-14.  (28) 
BL  48b.  Christus  und 

die  Juden  im  Tempel 

Joh.  6,  14-31.  (29) 
BL  26b.    Marc.  5,  1 

—19.  (18)  Tafl.  n. 

BL  27b.  Petrus  auf  d. 

Meere,    Matth.    14, 

22-23.  (19) 
BL    44b.    Joh.    4,   5 

-22.  (26)  Tafl.  IV. 

BL   46b.    Joh.    8,    1 
—11.  (27)  Tafl.  IV. 

BL    50a.     Joh.   9,    1 
—39.  (30) 


BL  52b.   Hochzeit  zu 

Cana.  (20) 
Heilung  desAus- 

sätzigen.       (21) 

Tafl.  U.  / 

Hauptmann  von  Ka- 

pemaum.  (22) 


Heilung  des  Blin- 
den. (23)  Tafl.  II. 
Heilung  der  Tochter 
des  Eanan.  Weibes. 

(24) 
BL  53a.  Säuberung  d 
Tempels.  (25) 

Wunder  am  Teiche 
Bethsaida.  (26) 
Speisung  der  5000 

(27) 


Der  besessene 
Gergesener.  (28) 
Tafl.  H. 


BL  53b.  Christus  u.d. 
Samariterin.(29) 
Tafl.  IV. 

Christus  u.d.  Ehe- 
brecherin. (30) 
Tafl.  IV. 

Christus  u.  d.  Bligde 
zu  SUoah.  (31) 


Dar  Bildersohmnck  dw  Cod.  Egbert!  zu  Trier  n.  d.  Cod.  Eptemaoeniis  su  Gotha.  91 


Bl.  52a.    Job.  11,   1 
-46.  (31)  Tafl.  III. 

K.  65a.  Mariae  Dienst 
Job.  12,  1—8.  (32) 


Bl.  24b.  Mattb.  9,  20 
-23.  (16) 

Bl.  25a.  Jairi  Töchter- 
lein. Matth.  9,  23 
-26.  (17) 


Bl.  24a.   Matth.  8,  23 
—27.  (15) 


Lazarus  Aufer- 
weckung.  (32) 
Tafl.  III. 


Der    Gichtbrüchige 
im  Hause.  (33) 
Petri       Schwieger- 
mutter geheilt.  (34) 
Bl.    54a.    Der    Blut- 
flüssigen   Heilung. 

(35) 


Der  Jüngling  zu 
Nain.  (36) 

Der  Wassersüchtige 

(37) 

Christus  auf  dem 
Meere.  (38) 

Die  zehn  Aussätzi- 
gen. (39) 

Bl.  76b.   Gleichniss 

vom  Weinberg. 

Matth.  20,  1—17. 

(40)  Tafl.  VI. 
Bl.  77a.  Gleichniss 

vom   Weinberg. 

Tafl.  Vn. 

Marc.l2,l-8.(41) 
Bl.  77b.   Gleichniss 

V.  Gastmale.  (42) 

Tafl.  Vm. 
Bl.  78a.  Gleichniss  v. 

reichen  Manne.  (43) 


/ 


I  Der  Bilderiohmaok  dM  Cod.  Ggbarti  so  Trier  u.  d.  Cod.  EpUri 


V.  239r  (1) 


V.  240.  (2) 


V.  241.  (3) 


Bl.   66a.    Job.    19,    1 

-31.  (33) 
Bl.  78a.  Fusswascbung 

Job.  13, 1—31.  (34) 
Bl.   71)b.   Job.  18,  1 

—12.  (35) 
Bl.  80b.  (Job.  18,   12 

—14,  19-23.)  (36) 

Job.  18,  15—18,  25 
—27.  (37) 

Job.  19,  1.  (38) 

Bl.  82a.  Job.  19,  4. 
5.  (39)  Tal  IV. 

Bl.  82b.  Gbriatua  vor 
Pilatus.  Job  19,  9 
-11.  (40) 

Bl.  83b.  Job.  19,  18 
—37.  (40.42)') 

Bl.  84b.  Longinus  am 

Kreuz.  (43) 
B1.85b.Job  19,40.  (44) 

Job.  19, 41.  42.  (45) 
BL  86b.   Marc.  16,    1 

-7.  (46) 
Bl.  88a.   Luc.  24,   13 

—31.  (47.  48) 
Bl.    89a.    Besuch  bei 

verscblThüren.  Luc. 

24,  36-47.  (49) 
Bl.  90a.  Cbristusam 

SeeTiberias.  Job. 

21,  1—24.         (50) 

Tau.  V. 


Bl   110b    Einzug   in 
Jerusalem.  (44) 


Gefangennahm.  Jesu 

(45) 

Gang  z.Caiphas.  (46) 

Petrus  läugnet.  (47) 

Geisselung    Christi 

(48) 

Bl.    lila.   Krönung 

Christi.         (49) 

Tafi.  IV. 


Simon     trägt     das 
Kreuz.  (50) 
Kreuzigung.  (51)') 


Kreuzabnahm.(52)') 
Grablegung.  (53)-) 
Bl.  111b.  Die  drei  Ma- 
rien am  Grabe.  (54) 
Der  Gang  nach 
Emmaus.  (55) 


1)  Publiciert  Bonner  Jehrb.  Heft  44  o.  46.  Tafl.  XII,  1  Tgl.  S.  199  f. 

2)  Publiciert  Bonner  Jehrb.  Heft  47.  Tafl.  XV,  vgl.  S.  146  f. 


Der  Bildersohmaok  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epternacensis  za  Gotha.  98 

BI.  91a.   Job.  20,  11        Christus  and  Maria. 

-17.  (51)  (56) 

Bl.  93a.   Job.  20,  24        Christus   und  Tho- 

-29.  (52)  mas.  (57) 

Bl.  100b.  Christus  und 
die  Zwölfe.     Marc. 
16,  14—18.  (53) 
V.  242.  (4)  Bl.   101b.    Marc.    16,     Bl.  112a.  Himmelfahrt. 

18-20.  (54)  (58) 

Bl.  103a.(55)Tafl.III.        Ausgiessung  d.  b. 

Geistes.         (59) 
Tafl.  m. 

Aus  der  gegebenen  Uebersicbt  erhellt  zunächst,  dass  der  am 
einheitlichsten  componirte  Cyclus  der  des  Cod.  Eptemac.  ist.  Man 
kann  hier  4  Tbeile  genau  unterscheiden :  der  erste  derselben  behandelt 
die  Kindheit  Jesu  und  seine  Vorbereitung  zum  öffentlichen  Auftreten, 
der  zweite  seine  Wunder,  der  dritte  seine  Lehrthätigkeit  im  Gleichniss, 
der  vierte  sein  Leiden  und  seine  Vollendung.  Wie  mit  dieser  Dispo- 
sition das  Leben  Jesu  voll  und  chronologisch  gut  umfasst  wird,  so 
lehnen  sich  auch  die  Theile  aufs  Beste  an  den  Charakter  der  einzelnen 
Evangelien,  denen  sie  vorangestellt  sind,  an :  grade  Matthäus  behandelt 
die  Jugendjahre  Christi  besonders  ausführlich,  und  während  Marcus 
mehr  die  Wunder  betont,  enthält  Lucas  die  schönsten  Gleichnisse; 
Johannes  endlich  ist  der  eigentliche  Evangelist  der  Passionszeit.  Nach 
alle  diesem  wird  man  der  Composition  des  Epternacher  Cyclus  eine 
Vollendung  zugestehen  müssen,  wie  sie  nur  nach  mannigfachen  früheren, 
weniger  gelungenen  Anläufen  auftreten  konnte.  Ein  solcher  früherer 
Versuch  scheint  mir  nun,  wenn  man  von  dem  nach  ganz  anderem 
Prindp,  nämlich  dem  perikopischen,  geordneten  Cod.  Egb.  absieht,  in 
den  Cyclus  der  Ingelheimer  Kapelle  vorzuliegen.  Zunächst  ist  es  über- 
raschend, dass  die  von  Erm.  Nig.  erwähnten  Bilder  mit  einer  sehr  ge- 
ringfügigen Ausnahme  ganz  in  der  Reihenfolge  des  Cod.  Eptemac. 
verlaufen;  und  noch  merkwürdiger  erscheint  es,  dass  sich  in  der  Schil- 
derung des  Erm.  Nig.  sofort  eine  dem  Cod.  Eptemac.  ähnliche  Ge- 
sammtdisposition  ergiebt.  Auch  hier  scheidet  sich  sofort  als  erster  und 
letzter  Theil  die  Jugend  und  die  Passion  Christi  aus ;  das  Dazwischen- 
liegende —  leider  nur  in  4  Versen  geschildert  —  umfasst  dagegen 
wohl  noch  die  Lehr-  und  Wunderthätigkeit  Christi,  also  die  beiden  im 
Cod.  Eptemac.  schon  gesonderten  mittleren  Theile.    Nicht  minder  be- 


k.^ 


94  Der  Bildersohmuok  des  Cod.  Egbert!  sa  Trier  u.  d.  Cod.  Epiemaoeiicis  la  Gotka. 

merkenswerth  ist  die  Vertheilung  der  Darstellungen  im  Erm.  Nig.; 
auf  die  Jugend  Christi  sind  8  Bilder,  auf  sein  Leiden  nur  die  Hälfte 
derselben  gerechnet:  offenbar  noch  im  Nachgefähl  jener  altchristlichen, 
vor  den  Leidensdarstellungen  zurücksdireckenden  Empfindungen,  über 
welche  neuerdings  der  Cod.  Bossanensis  so  charakteristische  Auskunft 
giebt.  Das  Alles  hat  sich  im  Cod.  Epternac.  geändert,  hier  nimmt  die 
Darstellung  der  Passion  schon  einen  bedeutenden,  der  Schilderung  der 
Jugend  Christi  gleichkommenden  Raum  ein.  Der  zwischen  Cod. 
Epternac.  und  Erm.  Nig.  liegende  Cod.  Egb.  giebt  mit  seinen  noch 
ausführlicheren  Passionsdarstellungen  den  deutlichen  Hinweis,  wie  man 
allmählich  zur  genaueren  Darstellung  grade  der  Leidensgeschichte 
Christi  veranlasst  sein  wird.  Es  war  die  Auswahl  der  Fericopen,  und 
noch  mehr  des  Lectionars,  welches  hier  den  stärksten  Einfluss  üben 
musste,  denn  grade  nach  ihnen  bildete  sich  überhaupt  die  zeitgenösü- 
sehe  Vorstellung  vom  Leben  Christi.  Nun  musste  aber  grade  der  Comes, 
das  karolingische  officielle  Lectionar,  bei  seiner  Vorliebe  für  Johannes 
besonders  die  Leidensgeschichte  betonen;  es  begreift  sich  also,  wie 
auch  von  dieser  Seite  aus  speziell  seit  den  Tagen  der  Karolinger  eine 
rasch  zunehmende  Beception  der  Passionsdarstellungen  stattfand. 

Sieht  man  nun  von  diesem  Gesichtspunkte  aus  die  beiden  uns 
hier  beschäftigenden  HSS.  an,  so  erscheinen  sie  hinsichtlich  der  Com- 
Position  ihrer  Cyclen  als  zwei  Glieder  in  ein  und  derselben  Entwick- 
lungsreihe einheimischer  Eunstübung,  und  von  einem  auswärtigen  Ein- 
fluss auf  die  Umschreibung  des  ganzen  Cyclus  und  die  Gruppirung  der 
einzelnen  Theile  desselben  scheint  keine  Rede  sein  zu  können. 

Allein  mit  dieser  Bemerkung  würde  eine  fremde  Inspiration  für 
die  Composition  der  Scenen,  wie  für  die  Darstellungsweise  der  einzelnen 
Figuren  noch  keineswegs  ausgeschlossen  sein:  das  Materielle  der  ein- 
zelnen Darstellung,  wie  ihre  Gruppirung  könnte  immerhin  noch  Ein- 
flüsse von  aussen  her  zeigen.  Man  würde  also  gerade  diese  Seiten 
noch  einer  besonderen  Untersuchung  unterwerfen  müssen.  Ich  thue 
das  im  Folgenden  unter  doppelten  Gesichtspuncten,  kulturgeschicht- 
lichen und  kunstgeschichtlichen,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  ich  mit 
der  Hervorhebung  dieser  Kriterien  die  Beschreibung  der  auf  Tafl.  I— VUI 
am  Schlüsse  dieses  Hefts  gegebenen  Umrisszeichnungen  verbinde. 

Diese  Umrisszeichnungen  sind  nach  Pausen,  welche  ich  im  Herbst 
1880  aus  beiden  HSS.  genommen  habe,  gefertigt,  und  gruppiren  sich 
auf  8  Tafeln  in  der  Weise,  dass  Tafel  I— IV  Gegenüberstellungen 
gleicher  Scenen  aus  Cod.  Egb.  und  Cod.  Epternac.  enthält,  Tafel  V 


Der  Bildenohmook  des  Cod.  Egberti  za  Trier  n.  d.  Cod.  BpiemaceiiBifl  en  Gotha.  95 

Einzelbilder  aus  Cod.  Egb.,  Tafel  VI— VIII  solche  ans  Cod.  Epteraac. 
gibt. 

Tafel  I  enthält:  a)  Eine  Reihe  von  Köpfen  aus  beiden  HSS., 
welche  den  Charakter  der  beiderseitigen  Zeichnungen  und  besonders 
die  in  grösserem  oder  geringerem  Maasse  vorhandene  Fähigkeit,  Typen 
za  gestalten  und  Gefühle  wieder  zu  geben,  zum  Ausdruck  bringen 
sollen.  Für  Cgd.  Eptemac.  waren  hier  die  beiden  sehr  von  einander 
difiierirenden  Hände  zu  scheiden,  jede  von  beiden  musste  mit  einem 
besonderen  Cyclus  von  Köpfen  bedacht  werden.  Den  Unterschied  der 
Darstellungsweisen  wird  man  am  besten  durch  Vergleich  der  Köpfe 
St.  Peters  kennen  lernen,  weil  grade  hier  bei  allen  Händen  derselbe, 
nur  verschieden  gestaltete  Typus  vorlag. 

b)  Die  Hirten  auf  dem  Felde;  im  Cod.  Egb.  vielen  italieni- 
schen Einfluss  verrathend;  die  sonst  aus  vielfachen  Darstellungen 
dieser  Zeit  bekannten  deutschen  Hirten  ähneln  bedeutend  mehr  denen 
des  Cod.  Eptemac.  Was  die  »turris  gregisa  bedeutet,  ist  mir  unbe- 
kannt ^).    Im  Cod.  Eptemac.  tragen  die  Hirten  die  auch  sonst  im  Cod. 


1)  Ein  genauerer  Vergleich  dieses  Bildes  No.  6  des  Cod.  Egb.  mit  den  ihm  nahe- 
stehenden Scencn  1 — 20  läset  für  die  Bilder  1—5  13  und  14  eine  besondere  von  der 
sonstigen  abweichende  Tradition  erkennen.  Diese  Tradition  steht  künstlerisch  höher 
als  die  sonst  vorhandene,  besonders  zeigt  sie  einen  vorzüglich  verstandenen  Fal- 
tenwarf. Die  Contaren  der  gegenüber  den  übrigen  um  etwa  Vs  <3™  kleineren 
Figuren  sind  kr&ftig  gehalten,  häufig  macht  sich  bei  ihnen  eine  statuarische  Auf- 
üassung  geltend.  Die  Farben  entsprechen  den  sonst  vorkommenden,  sind  aber 
in  besonders  lichten  19  uancen  gewählt,  die  Gesichter  sind  lebhaft  roth  von  Farbe. 
Yon  Deutschland  weg  weist  in  dieser  Trad.  schon  die  gute  Proportion  der  Hände, 
welche  nicht  su  gross,  eher  klein  gerathen  sind,  dann  vor  Allem  die  Bemerkung, 
dass  in  diesen  Bildern  statt  der  Hosen  nur  weisse  Wadenstrümpfe  auftreten, 
während  die  Beine  sonst  nackt  erscheinen.  Endlich  erscheint  nur  in  den  Bildern 
18  und  14  der  erwachsene  Chri9tu8  im  Bart,  —  während  sonst  stets  der  bart- 
lose jugendliche  Christus  sich  findet  — ,  und  mit  einem  Nimbus,  bei  welchem 
die  Ereusbalken  über  die  Peripherie  des  Kreises  hinausragen.  Das  findet  sich 
nun  freilich  früher  wie  später  in  origrinalen  deutschen  Miniaturen  (vgl.  Cod. 
Dosield.  bibl.  D.  2  Bl.  27b;  D.  3  BL  20a;  9.— 10.  Jahrb.;  Cod.  Monac  lat  18067, 
BL  14b,  11.— 12.  Jahrb.),  allein  alle  übrigen  Anzeichen  beweisen  für  eine  Zusammen- 
ttellong  dieser  Tradition  mit  den  Bildern  des  jüngst  gefundenen  Cod.  Rossanen- 
»iB^  all  deren  jüngere  Fortsetzung  sie  erscheint.  Es  sind  mithin  die  Bilder  1 — 6, 
18  und  14  unter  italienischem  Einfluss  entstanden.  —  Diesen  Bildern  gegenüber 
oharakterisiren  sich  nun  alle  übrigen  Miniaturen  des  Cod.  Egb.  durch  einen  tbeil- 
wais  schon  nnventändlichen  Faltenwurf,  der  namentlich  bei  den  Mänteln  der 
Apostel  leicht  Knäuel  bildet,   durch  grobe  und  dicklinige  Contonrirnng  und 


*nt« 


96  Der  BilderBohmaok  des  Cod.  Egbert!  su  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoenrns  zu  Gotha. 

vorkommenden  schwarzen  Schnürschuhe  mit  rothen  weiss  getupften 
Schnüren,  welche  in  deutschen  HSS.  dieser  Zeit  sporadisch  auftreten, 
z.  B.  Cod.  Monac.  lat.  935,  Bl.  9b.  Die  bewegten,  lebhaft  gesticuliren- 
den  Hände  der  Hirten  sind  eine  stehende  Ueberlieferung  der  karolin- 
gischen  Epoche,  vgl.  z.  B.  Cod.  SGallensis  No.  402;  Cod.  Mon.  lat. 
935,  BI.  14b  (12.  Jahrb.).  Eigenthümlich  und  auffallend  ist  die 
schlechte  Pe^pective  in  der  Gruppirung  des  Cod.  Eptemac. 

c.  Bruchstücke  aus  dem  bethlehemitischen  Eindermord. 
Es  fehlt  im  Cod.  Egb.  links  im  Bilde  Herodes  auf  seinen  Eönigsstab 
gelehnt,  wie  er  mit  dem  ausgestreckten  Zeigefinger  der  rechten  Hand 
den  Mord  befiehlt,  hinter  ihm  Söldner  mit  Framen  in  der  Weise  der 
Mörder.  Diese  Darstellung  des  Königs  ist  durchaus  deutsch,  sie  har- 
monirt  mit  der  (ebenfalls  weggelassenen)  des  Cod.  Eptemac.,  wo  hinter 
dem  Könige,  auch  nach  deutscher  Sitte,  ein  armiger  steht.  Die  sym- 
bolische Bedeutung  des  erhobenen  rechten  Zeigefingers  im  deutschen 
Recht  als  Ausdruck  des  Befehls  oder  Auftrags  findet  sich  u.  A.  wieder 
im  Heidelberger  Sachsenspiegel  [Aug.  v.  Batt  v.  Babo  etc.  (Teutsche 
Denkmäler  I)  1820]  Tafl.  HI,  1 ;  VIT,  4  u.  oft.  Die  ümrisszeichnung 
enthält  nun  die  eigentliche  Mordscene;  welche  kulturhistorisch  beson- 
ders durch  den  ungemein  energischen  Ausdruck  des  Tödtens  als  das 
Denkmal  einer  grausamen,  daher  gegenüber  dem  Mord  in  seiner 
schlimmsten  Form  ästhetisch  wenig  gefühlvollen  Zeit  von  Bedeutung 
ist  Die  Gruppe  der  Frauen  des  Cod.  Egb.  ist  in  Zeichnung  und  Färbung 
der  nackten  Partieen  im  Vergleich  zu  Cod.  Mon.  lat.  935,  Bl.  4a,  12. 
Jahrhh.  und  Cod.  Mon.  lat.  11068,  Bl.  5a,  13.  Jahrh.  vorzüglich  ge- 
lungen, es  liegt  hier  noch  die  beste  karolingische  Ueberlieferung  vor. 
Charakteristisch  für  diese,  wie  die  Epternachsche  Darstellung  sind  die 
langen  weissen  Schleier:  die  beliebte  Tracht  deutscher  Frauen  im 
früheren  Mittelalter,   vgl.  Cod.  Mon.  lat.  15093,  Bl.  49b,  11.  Jahrb.; 


wenige  lichte  Farben.  Die  Zeichnung  der  Physiognomien  ist  etwas  gröber, 
zeichnet  sich  dagegen  durch  eine  ungemein  lebhafte  Wiedergabe  der  Empfindun- 
gen und  durch  eine  zu  grosse  und  tiefliegende  Darstellung  der  Augenpartie  aus. 
Zur  Verdeutlichung  der  Empfindungen  werden  die  Hände  stark  benutzt  und 
fallen  deshalb  meist  zu  gross  und  ungelenk  aus.  Ungeschickt  sind  überhaupt 
eine  Anzahl  von  Bewegungen,  namentlich  die  der  Füsso,  welche  eine  Reihe  von 
Personen  (z.  B.  Maria  auf  Bild  9)  beim  Gehen  nicht  heben.  Alle  diese  Merk- 
male führen  zu  dem  Schluss  auf  eine  deutsche,  unyerfölscht  karolingische  Tra- 
dition, welche  übrigens  trotz  der  angedeuteten  doch  meist  sehr  versteckten  Män- 
gel eine  recht  gute  genannt  werden  mnss. 


Der  Bilderscbmuok  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epternacensis  zu  Gotha.  97 

8271,  Bl.  6b,  12.  Jahrb.;  13074,  Bl.  90b,  12.  Jahrb.,  und  Herads  v. 
Landsperg  Hortus  deliciarum  passim.  Von  den  Farben  des  Cod. 
Eptemac.  sind  von  näherem  Interesse:  die  Röcke  der  Mörder  kobalt- 
grün und  mumienfarben,  der  Beinbckleidung  berliner  blau  und  kobalt- 
grün; die  Frauen  tragen  Kleider  in  Berlinerblau,  Ziegelroth  und  Schar- 
lach, die  weissen  Schleier  haben  stahlblaue  Schatten.  In  den  Kleidern 
des  Cod.  Egb.  überwiegen  die  Okerfarben. 

Tafel  IL  a)  Der  Aussätzige  aus  der  Heilungsscene  Math.  8, 1—4; 
nach  den  Worten  des  V.  2 :  leprosus  veniens  adorabat  (Jesum).  Der 
Gestus  der  Adoration  ist  im  Cod.  Epternäc.  vorzüglich  ausgedrückt, 
er  findet  sich  häufig  ganz  identisch  in  deutschen  HSS.,  aus  den  publi- 
cirten  Bildern  vergleicht  sich  z.  B.  Herrad  v.  Landsperg  (ed.  Engel- 
hardt)  Tafl.  n.,  s.  auch  No.  174  der  Gemäldegalerie  des  Walrafianums 
(Köln).  In  beiden  HSS.  ist  der  Leprose  fast  nackend,  nur  von  einem 
weissen  Gewand  mit  schmutzrothen  Schatten  (Cod.  Egb.)  oder  einem 
rothen  Stück  Tuch  bedeckt  (Cod.  Eptemac).  An  einem  Riemen  führt 
er  ein  Hörn  (die  Tuba:  Herrad,  Tafl.  V),  wie  es  auch  Jäger,  Hirten  und 
Wächter  haben,  um  vor  seiner  ansteckenden  Nähe  durch  Blasen  zu 
warnen.  Ausserdem  trägt  er  im  Cod.  Eptemac.  noch  den  langen  Stab, 
das  charakteristische  Zeichen  fahrender  Leute^  das  auf  Tafl.  II  sich  auch 
bei  dem  Blinden,  wie  Tafl.  VE  und  VHI  bei  den  wandernden  Boten 
vorfindet.  Zu  diesen  Attributen  des  Bettlers  gehört  eigentlich  noch 
eine  Ledertasche  zum  Umhängen,  wie  sie  der  unsern  Darstellungen 
sonst  ausserordentlich  ähnliche  Bettler  Cod.  Mon.  lat.  15093,  Bl.  99a, 
11.  Jahrb.  trägt;  vgl.  auch  Gottfr.  v.  Strassb.  Tristan  3994—4011. 
Die  Centren  der  Leprosenpflege  im  innern  Lothringen  waisn  sehr  früh 
schon  Metz  und  das  Kloster  St.  Vannes-Verdun  (s.  MR.  ÜB.  I,  6  u.  7, 
No.  6.  636),  am  Rhein  war  das  Hauptleprosenhaus  die  Domus  St.  La- 
zari  (Melaten)  b.  Köln,  s.  die  bei  Ennens  Qu.  z.  G.  der  Stadt  Köln 
Register  citirten  Stellen,  namentlich  aus  der  Zeit  Konrads  von  Hoch- 
staden.  —  b.  Aus  der  Darstellung  zu  Marc.  2,  13  u.  14:  Levi,  Al- 
phaeosSohn  sitzt  am  Zoll  (sedentem  ad  teloneum).  Zur  Darstellung 
des  Zöllners  vgl.  man  die  des  Judas  mercator  mit  der  libra  im  Hortus 
delic  Tafl.  L  Die  Farben  sind  im  Cod.  Egb. :  Untergewand  und  Fuss- 
bekleidung  weiss,  Mantel  indigoblau,  die  Waage  golden;  im  Cod.  Ep- 
temac: Untergewand  weiss,  Mantel  dunkelkarmin,  Waage  und  Gefässe 
golden.  Die  Gefässe  zeigen  den  Stil  deutscher  Arbeit  des  8.— 10.  Jahrh. 
und  erinnern  u.  A.  an  den  Ludgerkelch  zu  Werden  und  Cod.  SGallens. 
432|8,  287,  10.  Jahrh.   —  c.  Der  Gergesener  aus  der  Scene  zu 

7 


98  Der  Bildersohmuok  des  Cod.  Egbert!  za  Trier  a.  d.  Cod.  Epternaoenns  zn  Gotha. 

Marc.  5,  1—19:  homo  in  spirita  immundo,  welchen  catenae  und  com- 
pedes  nicht  zu  fesseln  vermochten.  Die  Darstellung  des  Cod.  Egb. 
hat  sich  hier  an  die  Ketten  gehalten^  die  des  Cod.  Epternac.  an  die 
Seile.  Mit  der  Darstellung  des  Cod.  Egb.  harmoniren  fast  ganz  Ueidelb. 
Ssp.  XX,  5;  XXI,  2;  eine  gleiche  Fussfessel,  wie  hier,  sieht  man  auf 
Bl.  87a  des  Cod.  Trevir.  bibl.  1378  (Flores  epitaphii  des  Abts  Theofrid 
von  Echternach).  Endlich  lässt  sich  auch  die  Tracht  des  Cod.  Egb. 
für  später  belegen;  wie  hier  der  Wahnsinnige  einen  weissen  bruoch 
(mit  grau-grünen  Schatten)  trägt,  so  ist  der  Demoniacus  des  Hortus 
delic.  Tafl.  I  mit  blossen  Hosen  bekleidet.  Cod.  Epternac.  dagegen  stellt 
den  Gergesener  in  der  gewöhnlichen  Tracht  niedriger  Leute  des  10. 
Jahrh.  in  Deutschland  dar;  in  okerfarbnem  Rock,  kirschrothen  Hosen^ 
und  sepiabraunen  Stiefeln.  Gebunden  ist  er  mit  Strohseilen,  wie  der 
Dieb  Heidelb.  Ssp.  XI,  6;  XV,  7,  Dresdener  Ssp.  (Cod.  Dresd.  32) 
Bl.  31b,  und  wie  Isaak  bei  der  Opferung  durch  Abraham  im  Cod.  Mon. 
lat.  14159,  Bl.  Ib  12.  Jahrh.  Die  beiden  Besessenen  entfliegenden  bösen 
Geister  sind  sehr  charakteristisch  als  Schattenexistenzen  ohne  Con- 
turen  blos  in  tiefem  Violet  gegeben.  Wenig  später  dagegen  treten  Teufel 
wie  Seelen  conturirt  auf,  vgl.  Cod.  Mon.  lat.  13074,  Bl.  28b,  12  Jahrh., 
Cod.  Trev.  1378,  Bl.  135b,  13.  Jahrb.;  Heidelb.  Ssp.  XXIV,  8,  13.  Jahrh. 
—  c.  Der  Blinde  aus  der  Scene  zu  Luc.  18,  31—41,  speciell  V.  35: 
»caecus  quidam  sedebat  .  .  .  mendicans«.  Es  gilt  für  den  Habitus 
dieser  Figur  ein  Theil  der  sub  a)  zum  Leprosen  gemachten  Bemer- 
kungen; namentlich  betreffs  des  Costüms,  das  auch  hier  nur  aus 
einem  in  Cod.  Egb.  dunkelvioletten,  in  Cod.  Epternac.  ähnlich  dunklem 
Gewand  besteht.  Der  Blinde  im  Cod.  Egb.  trägt  ausserdem  noch  eine 
weisse  Kopfbinde.  Die  Gesticulation  der  Fig.  drückt  in  wünschens- 
werthester  Deutlichkeit  den  citirten  V.  25  aus.  Merkwürdig  ist  die 
analoge  Anordnung  der  beiderseitigen  Scenen  im  Cod.  Epternac.  undi 
Cod.  Egb.,  nur  in  umgekehrter  Folge  der  Darstellung.  Diese  Anord- 
nung findet  sich  so  auch  Tafl.  lY  a;  ich  vcrmuthe,  dass  sie  auf  eine  im 
Laufe  der  vor  unsrer  HS.  liegenden  Tradition  vorgekommene  Durch- 
zeichnung der  Vorlage  zurückgeht.  Charakteristisch  für  die  karolin- 
gische  Ueberlieferung  ist  der  Baum,  unter  dem  sich  auf  beiden  Seiten 
der  Blinde  befindet;  seine  ornamentale  Auflassung  weist  hin  auf  die 
Schulung  durch  antike  Reliefs  einerseits  und  auf  das  geringe  Natur- 
verständniss  und  die  ornamentale  Beanlagung  des  Deutschen  andrerseits. 
Diese  oinamentaleu  Bäume  erhalten  sich  traditionell  bis  in  die  zweite 
Hälfte  des  Mittelalters,   werden  aber  immer  zierlicher  und  dadurch 


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Der  Bildenehmaek  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  zu  Gotha.  99 

naturalistischer,  vgl.  Cod.  Mon.  lat.  13074,  Bl.  lOlb,  12.  Jahrb.,  und 
Ckxl.  Mon.  lat.  4660  BI.  64h,  13.  Jahrh.  Neben  dieser  omamentalen 
Richtong  läaft  aber  von  jeher  eine  mehr  auf  die  natürliche  Darstellung 
gerichtete  Auffassung  her  (vgl.  Cod.  Trevir.  bibl.  136,  Bl.  6b,  8.  Jahrh. 
2.  H.))  welche  endlich  ganz  siegt.  Doch  brachte  es  schon  die  erste 
Richtung  zu  einer  freilich  ganz  omamentalen  Landschaft,  vgl.  Cod. 
Mon.  lat  935,  Bl.  Ib,  12.  Jahrh. ;  Cod.  Mon.  lat.  4660,  Bl.  64b  (die 
Weingartoer  liederhs.:  die  schönste  Landschaft  in  dieser  Auffassung) 
13.  Jahrh.;  und  das  Graduale  des  Johann  v.  Falkenburg  von  1299  im 
Kölner  Erzb.  Museum. 

Tafel,  in.  a)  Aufer  weckung  des  Lazarus,  vgl.  Job.  11, 1—46. 
Wie  die  eigenthümliche  Composition  der  Scene  des  Cod.  Egb.  ent- 
standen ist  und  sich  nur  unter  Annahme  einer  langen  Tradition  er- 
klären lässt,  ergiebt  sich  aus  meinen  Bonner  Jahrb.  Heft  69,  S.  94  ge- 
machten Bemerkungen.  Ich  habe  diese  Scene  hier  ganz  wiedergegeben, 
weil  sie  eine  der  figurenreichsten  und  stimmungsvollsten  ist  und  zu- 
gleich in  die  Perspective  der  Bilder  in  lehrreicher  Weise  einfährt.  Im 
Cod.  Eptemac.  hat  wieder  eine  Vereinfachung  der  Scene  des  Cod.  Egb. 
stattgefunden :  Christus  tritt  als  Wunder  wirkend  ganz  in  den  Vorder- 
grund, alle  übrigen  Figg.,  die  Juden,  Frauen  und  Apostel  verschmelzen 
zu  einer  zuschauenden  Masse.  Im  Einzelnen  bemerke  ich  zn  Cod.  Egb.: 
die  Apostel  tragen  weisses  Untergewand  und  dunkelvioletten  Mantel, 
Christus  weisses  Untergewand  und  indigoblauen  Mantel ;  Maria  ist  mit 
weissem  Schleier  und  Unterkleid,  wie  dunkelgrünem  Mantel  bekleidet; 
Martha  und  Lazarus  erscheinen  weiss.  Die  Bordüre  des  Randes  ist 
dunkel-kirschroth  mit  goldenen  Verzierungen,  wie  alle  Bordüren  des 
Cod.  Egb.  Innerhalb  der  Scene  sind  die  Affecte  der  einzelnen  Gruppen 
besonders  lebhaft  wiedergegeben,  von  Petrus  an,  der  erstaunt  die  Hände 
ausbreitet,  über  den  Diener,  welcher  die  Nase  gegen  den  Todesgeruch 
yerschliesst,  hin  bis  zu  Martha,  deren  Hände  derKikistler  zum  kräftigen 
Ausdrack  des  Erstaunens  über  kopfesgross  gebildet  hat.  Von  den  ein- 
xelnen  Gestalten  sei  besonders  Maria  erwähnt  (cecidit  ad  pedes  eins 
[Jesu]:  V.32)  in  der  Stellung  höchster,  bittender  Unterwürfigkeit  (vgl. 
eine  Miniatur  des  Cod.  Gladebac.  Archiv  d.  St.  Köln  VIII,  24, 12.  Jahrb.); 
und  Lazarus  in  der  Linnenumhüllung  des  Todten,  welche  gerade  so  in 
Cod.  Trevir.  bibL  1708,  Bl.  3a,  in  Joh.  v.  Falkenburgs  Graduale  sub 
Agenda  defunctorum  und  auf  No.  1746  des  Mus.  Walraf-Richartz  be- 
gegnet. —  Im  Cod.  Eptemac.  schliesst  die  analoge  Scene  nach  links 
mit  einem  Springbrunnen  ab:  es  ist  dies  die  Kokv^ßij&Qa  von  Siloah, 


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100  Der  Bildenohmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  vu  d.  Cod.  Eptemaoenflis  zu  Gotha« 

welche  zur  vorhergehenden  Scene  gehört.  Der  Todte  ist  im  Cod. 
Eptemac.  fest  in  Tücher  gewickelt,  wie  sich  das  im  Heidelb.  Ssp.  X,  3; 
XII,  3  wiederfindet;  auch  die  Kopfbedeckung  mit  den  Knöpfchen  beruht 
auf  deutscher  Sitte,  s.  Cod.  SGallensis  135,  S.  429,  10.— 11.  Jahrh.»). 
Maria  und  Martha  erscheinen  in  langen  ziegelrothen  und  stahlblauen 
Schleiern  —  unser  schwarz  als  Trauerfarbe  ist  also  noch  nicht  allge- 
mein giltig  —  während  die  letztere  sich  wundert,  adorirt  Maria  mit 
zusammengelegten  Handflächen  (vgl.  Tafl.  IIa)  zugleich  mit  dem  Aus- 
druck der  Bitte  (s.  den  Capellar  auf  der  Urk.  der  St.  Lupusbrüder- 
schaft, 1246  Novbr.  im  Dflsseld.  Prov.  Archiv). 

b)  Gruppe  aus  der  Laienwelt  beim  Pfingstfest  (vgl.  Marc. 
16,  18—20),  zeigt  aufs  Deutlichste  den  engen  Zusammenhang  der  dem 
Cod.  Egb.  und  Ck)d.  Eptemac.  unabhängig  von  einander  vorliegenden 
Tradition  und  giebt  zugleich  eine  Vorstellung  von  der  höchsten  Lei- 
stungsfähigkeit der  beiderseitigen  Miniaturen  in  der  Wiedergabe  von 
Körperbewegungen. 

Tafel  IV.  a)  Die  Ehebrecherin  aus  der  Scene  Joh.  8, 
1—11,  speciell  V.  9—10:  unus  post  unum  exibant  [calumniatores], 
incipientes  a  senioribus,  et  remansit  solus  Jesus  et  mulier  in  medio 
stans.  Was  die  Geste  der  Adultera  bedeutet,  vermag  ich  nicht  zu 
sagen;  dieselbe  Stellung  der  Hände  habe  ich  Cod.  SGallensis  402  bei 
einem  Gottes  Macht  anerkennenden  Engel  gefunden,  etwas  Aehnlichcs 
bietet  als  Geste  des  Staunens  auch  No.  172  der  Gemälde  des  Wallraf- 
Richartz-Mus.  Köln.  Die  Ehebrecherin  trägt  schwarze  Schuhe  und  ein 
weisses  Gewand,  das  mit  schweren  Borten  von  Scharlach  mit  aufge- 
nähtem Goldzierrat  besetzt  ist ;  ihre  Kleidung  erinnert  an  die  im  Hortus 
delic.  Tafl.  II  abgebildete  ancilla;  als  adultera  speziell  charakterisirt  sie 
das  aufgelöst  über  die  Brüste  fallende  Haar.  Dieselben  Merkmale  gelten 
im  Wesentlichen  auch  für  die  Ehebrecherin  des  Cod.  Eptemac,  welche 
schwarze  Schuhe,  purpurnes  Kleid  mit  goldenen  Borten  und  schar- 
lachnen  Mantel  trägt;  ihre  Gcsticulation  ist  genau  die  des  fahrenden 
Weibes  im  Heidelb.  Ssp.  XXII,  9.  b)  Die  Samariterin  repräsentirt 
eine  vornehme  Frau  aus  dem  Ende  des  10.  Jahrb.,  deren  Kleidung  den 
vollen  luxuriösen  Bortenschmuck  der  Zeit  zeigt.    Eigenthümlich  sind 


1)  Es  findet  sich  also  die  feste  Schnürung  des  Cod.  Eptemac.  neben  der 
losen  des  Cod.  Egb.  Grade  so  existirten  diese  beiden  Gepflogenheiten  för  die 
Windeln  der  Kinder  promiscue,  vgl.  Cod.  Mon.  lat.  8271,  Bl.  62b,  12.  Jahrb.; 
Heidelb.  Ssp.  X,  2;  d.  Gradaale  des  Joh.  y.  Falkenbarg. 


Der  Bilderichmuck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Gotha.  101 

die  blousenarügen  Aermel  der  Samariterin  des  Ck)d.  Egb.  Den  Schöpf- 
eimer im  Cod.  Egb.  vermag  ich  aus  deutschen  Denkmälern  nicht  zu 
belegen,  wohl  aber  den  des  Cod.  Eptemac. ;  vgl.  Cod.  Mon.  lat.  14159 
BL  5a  u.  b,  12.  Jahrh.  und  Joh.  v.  Falkenburgs  Graduale  sub  Dedi- 
catio  ecclesiae.  c)  Zu  Joh.  19,  4  u.  5:  Exivit  ergo  iterum  Pilatus 
foras  et  dicit  eis:  Ecce  adduco  vobis  eum  foras,  ut  cognoscatis,  quia 
nuUam  invenio  in  eo  causam.  Exivit  ergo  Jesus  portans  coronam 
spineam  et  purpureum  vestiraentum.  Diesen  Worten  entspricht  zu- 
nächst in  beiden  Darstellungen  der  dunkelpurpume  Mantel  Christi. 
Eigenthümlich  ist  die  Lage  der  rechten  Hand  Christi  auf  beiden  Bil- 
dern; sie  ist  nur  aus  der  symbolischen  Vorstellung  des  deutschen 
Rechts  zu  erklären,  dem  das  Verstecken  der  Hand  als  Zeichen  des 
Versagens,  Verzichtens,  Duldens  gilt;  vgl.  Heidelb.  Ssp.  VI,  3;  XVI, 
6y  8.  Ebenfalls  der  deutschen  Rechtssymbolik  gehört  die  Bewegung 
der  linken  Hand  bei  Pilatus  an,  sie  ist  ein  Charakteristicum  des  Richters 
und  der  richterlichen  Gewalt  des  Bannes,  s.  Cod.  Mon.  lat.  13074, 
Bl.  55b,  12.  Jahrb.;  Ileidelb.  Ssp.  XX,  8.  Im  Costüm  von  Christus 
und  Pilatus  zeigt  der  lang  herabwallende,  auf  der  rechten  Schulter 
befestigte  Mantel  den  vornehmen  Mann  an. 

Tafel  V.  a)  Darbringung  im]j.Tempel,  s.  Luc  2,  21—32; 
vorzügliche  Scene  nach  Composition  und  Farbenwirkung.  Die  Farben 
sind  folgende:  1)  Joseph:  Untergewand  weiss  mit  bläulichem  Schatten, 
Mantel  rothbraun  mit  Lichtern  in  hellerem  Roth,  besonders  hervor- 
tretende Stellen,  wie  auch  sonst,  mit  Gold  aufgehöht;  2)  Maria:  weisses 
Untergewand,  olivengrüner  Mantel,  langer  graugrüner  Schleier;  3) 
Christus:  indigoblauer  Rock;  4)  Altar:  die  Seiten  dunkelviolett,  die 
Decke  ziegelroth;  5)  Simeon:  Untergewand  weiss,  Mantel  dunkelviolett 
mit  helleren  bis  weissen  Lichtern,  das  Tuch  in  den  Händen  olivengrün ; 
6)  Anna:  Untergewand  weiss,  Mantel  mineralblau,  Schleier  olivengrün. 
Zu  dem  Typischen  der  deutschen  Darstellungsweise  in  dieser  Scene 
vgl  die  No.  34.  36.  133  des  Mus.  Wallraf-Richartz.  Das  Tuch  erinnert 
vielleicht  an  eine  recht  symbolische  Vorstellung,  welche  sich  bei  der 
Traditio  eines  Novizen  an  den  Patron  des  Klosters  findet;  ich  habe 
hierüber  Staats-  und  socialw.  Forschungen  I,  3,  S.  73  gesprochen.  — 
b)  Die  Diener  aus  der  Hochzeit  zu  Cana,  s.  Joh.  2,  1—11;  sie 
tragen  schwarze,  resp.  schmutzig-gelbe  Halbstiefel,  braunviolette  und 
gelbe  Hosen  und  Röcke')*    In  Tracht  und  Aussehen  erinnern  sie  durch- 


1)  Die  GeBiohtsfarbe  bat  auf  dieser  Miniatur  einen  eigenthümlioben  Schimmer 


102  Der  Bilderschmuok  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemaoensis  xn  Gotha. 

aus  an  die  als  »militesa  bezeichneten  Leute  auf  Bl.  82a,  an  die  wür- 
felnden Landsknechte  auf  BL  83b  und  die  Tortores  der  Schacher  auf 
BL  84b.  Diese  Analogien  weisen  alle  Dargestellten  dem  Stande  der 
Ministerialen  zu,  und  qualifizieren  die  ministri  der  Hochzeit  zu  Cana 
als  Schenken.    Vgl.  mit  ihnen  den  Tafl.  Villa  dargestellten  Truchsess. 

—  c)  Ein  Wechsler  im  Tempel  (vgl.  Matth.  21,  12  u.  13)  mit 
weisser  Fussbekleidung  und  weisser  Tunica,  in  dunkelviolettem  ManteL 
Diese  im  Cod.  Egb.  meist  nur  öffentlichen  Autoritäten  zustehende  Tracht 
zeigt  den  .Wechsler  als  vornehmen  Herrn ;  wie  denn  in  der  That  die 
Wechsler  zu  den  vornehmen  und  reichen  Bürgern  der  Städte  gehörten. 

—  d;  Einzug  in  Jerusalem.  Die  Apostel  erscheinen  in  weissen 
Untergewändern,  dunkelblauen  und  scharlachnen  Mänteln;  Christus  in 
ebenfalls  weissem  Untergewand  und  dunkelviolettem  Mantel;  der  Sattel 
ist  scharlachroth.  Die  vor  dem  Herrn  ausgebreiteten  Mäntel  haben 
scharlachne  dunkelblaue  und  sattgrttne  Farbe ;  da  die  Juden  sie  abge* 
nommen  haben,  so  erscheinen  sie  nur  in  weissen,  scharlachnen  und 
dunkelvioletten  Untergewändern  mit  reichen  purpur-goldnen  Borten. 
Die  Palme  ist  verhältnissmässig  naturalistisch  aufgefasst,  freilich  hat 
ihr  Zeichner  offenbar  nie  eine  wirkliche  Palme  gesehen,  sondern  richtet 
sich  nach  seinen  Vorbildern,  wie  ein  Vergleich  mit  Cod.  Rossan.  Tafl.  V 
zeigt.  Die  Farbe  der  Palme,  die  ohne  Conturen  gemalt  ist,  zeigt  ein 
mattes  grünliches  Grau;  ebenso  ist  der  Esel  gemalt.  Die  ganze  Scene 
zeigt  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  der  des  Cod.  Epternac,  namentlich 
kehrt  der  charakteristische  Zug  wieder,  dass  die  Palmblätter  dem  Esel 
direct  gleichsam  zum  Fressen  vorgehalten  werden.  Auch  finden  sich 
am  Boden  zwei  Mäntel,  über  welche  beide  Christus  schon  reitet,  und 
ein  dritter  wird  ihm  entgegengestreckt.  Die  Gruppe  links  im  Bilde 
setzt  sich  im  Cod.  Epternac.  ebenfalls  aus  6  Personen  zusammen,  sie 
wird  als  »turbae«  bezeichnet,  und  nur  die  beiden  vordersten  Figg.  cha- 
rakterisiren  sich  als  Apostel.  Der  grösste  Unterschied  zwischen  Cod. 
Egb.  und  Cod.  Epternac.  besteht  darin,   dass  im  letzteren  die  Palme 


von  dunkelgrün,  dieser  findet  sich  anoh  noch  No.  7  und  10.  Da  nun  auf  den 
abgeblätterten  Stellen  von  No.  5  die  Gesichter  ebenfalls  grüne  Untermalung 
zeigen,  so  lässt  dieser  Umstand  darauf  schliessen,  dass  diese  Bilder  nicht  ganz 
vollendet  sind.  Es  zeigt  sich  das  am  Meisten  auf  Bl.  10»  wo  fast  überaU,  auch 
ausserhalb  der  Fleischpartie,  eine  grüne  Untermalung  durchschimmert.  Mög- 
licherweise erklärt  sich  durch  diese  grüne  Untermalung  der  Miniaturen  auch  die 
befremdende  Thatsache,  dass  die  zu  Beichenau  zuerst  aufgedeckten  Wandmalereien 
aus  der  1.  Hälfte  des  Ma,8  in  den  Fleischpartien  fast  schwarz  erscheinen, 


Der  Bilderschmnok  des  Cod.  Egberii  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Eptemacenris  zu  Gotha.  108 

nebst  dem  Zweige  brechenden  Manne  fehlt;  hierfür  trägt  die  Gruppe 
rechts  durchweg  Palmzweige  in  den  Händen.  —  e)  Petrus  alsFischer, 
ZQ  Joh.  21, 7 :  Simon  Petrus  .  .  tunica  succinxit  se  (erat  enim  nudus) . . 
und  V.  11:  ascendit  Simon  Petrus  et  traxit  rete  in  terram.  Demge- 
mäss  ist  Petrus  nackt  bis  auf  ein  weisses  umgeschlungenes  Laken. 
Die  geringe,  fast  kaum  vorhandene  Kleidung  der  Fischer  bei  Ausübung 
ihres  Berufs,  wie  ^ie  hier  der  Text  vorschreibt,  ist  indess  auch  allge- 
meine deutsche  Sitte,  vgl.  Dresdner  MS.  32  (Ssp.)  Bl.  29a  und  aus 
noch  viel  späterer  Zeit  das  Breviar.  Grimani  (Bibl.  St.  Marcus- Venedig) 
Tabb.  photc^r.  6  und  12. 

Tafel  VI.  Das  Gleichniss  von  den  Arbeitern  im  Wein- 
berge, Matth.  20.  1—17.  Es  ist  in  5  Scenen  dargestellt,  welche  sich 
folgender  Maassen  vertheilen:  a)  der  Pater  familias  tritt  aus  seinem 
Hanse  heraus  auf  das  Forum  primo  mane  conducere  operarios  in  vi- 
neam  süam.  Conventione  autem  facta  cum  operariis  ex  denario  diumo 
mißit  eos  in  vineam  suam  (V.  1  u.  2).  —  b)  Der  Pater  familias  tritt 
zum  zweiten  Male  heraus,  »vidit  alios  stantes  in  foro  otiosos,  et  dixit 
illis:  Ite  et  vos  etc.«,  ohne  eine  conventio  zu  machen  (V.  4u.  5).  Er 
thnt  dies  dann  zum  zweiten  und  dritten  Male:  eine  doppelte  Wieder- 
holung, welche  der  Cod.  Eptemac.  mit  Recht  vermeidet  noch  einmal  dar- 
zustellen. Dagegen  gicbt  der  Cod. :  c)  eine  lebendige  Scene  voller  Wein- 
bergsarbeit, welche  im  Texte  des  N.  T.  durch  nichts  ausgedrückt  ist. 
Sie  soll  den  Beschauer  in  die  Mühen  des  heissen  Tages  einführen, 
welche  die  Arbeiter  zu  ertragen  haben.  Mittlerweile  wird  es  Abend, 
und  es  entwickelt  sich  Scene  d).  Um  die  elfte  Stunde  geht  der  Pater 
familias  noch  einmal  heraus  und  findet  noch  feiernde  Arbeiter  auf  dem 
Forum,  «dicit  illis:  Ite  et  vos  in  vineam  meama  (V.  5  u.  6).  e)  Es 
ist  spät  geworden,  die  Arbeiter  kehren  vor  das  Haus  des  Pater  fami- 
lias zurück  und  heischen  den  Lohn,  welchen  der  Herr  durch  seinen 
Procurator  für  Alle  gleich  ertheilen  lässt.  Es  zeigt  sich  nun  die  Un- 
zufriedenheit der  fünf  zu  verschiedener  Zeit  gedungenen  Arbeiterparteien, 
deren  vier  im  Cod.  Epternac.  durch  je  einen  Vertreter  dargestellt  sind. 
Namenth'ch  die  erste  Partei,  mit  welcher  die  Conventio  gemacht  ist, 
murrt  wider  den  Herrn;  es  ist  der  bartlose  Arbeiter  der  Scene  a), 
der  zuvorderst  mit  dem  lebhaften  Ausdruck  des  Aergers  gegen  den 
Procurator  remonstrirt,  welcher  eben  an  die  zuletzt  gekommene  vierte 
Partei  den  Denar  austheilt  Während  dessen  spricht  der  Pater  familias 
zum  Vordersten:  i>Amice,  non  facio  tibi  iniuriam;  nonne  ex  denario 
convenisti  mecum?  Tolle,  quod  tuum  est,  et  vade;  volo  autem  ethuic 


104  Der  Bildenohmuck  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epiemaoenns  sa  Gotha. 

novissimo  dare  sicut  et  tibia  (Y.  13u.  14).  —  Zu  den  einzelnen  Scen^n 
bemerke  ich  Folgendes:  In  Scene  a)  sind  die  operarii  als  mercennarii 
bezeichnet,  was  ohne  Anhalt  im  N.  T.  ist.  Wahrscheinlich  sollen  sie 
den  späteren  Stundenarbeitern  als  volle  Lohnarbeiter  gegenüber  gestellt 
werden;  denn  auch  unter  den  später  eintretenden  Arbeitern  ist  wieder 
der  Unterschied  gemacht,  dass  diejenigen  der  dritten,  sechsten  und 
neunten  Stunde  unter  Scene  b)  noch  als  operarii  bezeichnet  werden, 
während  diejenigen  der  elften  Stunde  (Scene  d)  einen  Namen  über- 
haupt nicht  erhalten.  Von  Bedeutung  sind  in  Scene  a)  die  Gesten 
des  Pater  familias,  die  rechte  Hand  drückt  überzeugend  das  Wegsen- 
den, Beauftragen  der  Arbeiter  aus;  vgl.  das  zu  Tafl.  IV c)  Bemerkte; 
die  linke  dagegen  muss  sich  auf  die  Worte  Dconventione  facta«  be- 
ziehen. Es  ist  nun  fraglich,  ob  man  in  dem  vorgestreckten  Zeigefinger 
dieser  Hand  eine  Hindeutung  nur  auf  den  einen  Denar  erblicken  soll, 
oder  ob  hier  eine  für  Vertragsrecht  allgemein  giltige  symbolische  Hand- 
bewegung vorliege.  Zu  letzterer  Annahme  könnte  man  unter  Vergleich 
von  Heidelb.  Ssp.  III,  8  vielleicht  eher  geneigt  sein.  Dass  jedenfalls 
der  Darstellung  grade  dieser  Geste  vom  Zeichner  eine  grosse  Wichtig- 
keit beigelegt  wurde,  lässt  sich  daraus  ersehen,  dass  er,  um  sie  an- 
bringen zu  können,  den  Stab  des  Pater  familias  gradezu  isoUrt 
zeichnet.  Die  Mercennarii  der  Scene  a)  sind  nach  zwei  verschiedenen 
Motiven  gruppirt;  während  die  einen  (die  beiden  äussersten)  noch  den 
Befehl  des  Pater  familias  anhören,  sind  die  beiden  anderen  schon  bei 
der  Ausführung  desselben  und  wollen  weggehen.  Diese  Anordnung 
kehrt  in  Scene  b)  und  bedingungsweise  auch  in  Scene  d)  wieder.  In 
Scene  b)  sind  die  Handbewegungen  des  Pater  familias  einfacher,  da 
bei  diesen  Arbeitern  der  Vertrag  wegfällt,  sie  geben  nur  den  einfachen 
Ausdruck  des  Befehles.  Von  hohem  wirthschaftsgeschichtlichem  Interesse 
ist  Scene  c),  die  Arbeiter  im  Weinberge  in  den  verschiedensten  Beschäf- 
tigungen, von  denen  ich  die  des  Arbeiters  in  der  Ecke  rechts  —  er 
bückt  sich  zu  einem  in  Stein  gefassten  Quell  —  nicht  recht  verstehe. 
Es  sind  im  Ganzen  11  Arbeiter,  entsprechend  den  11  Stunden  des  Tages, 
welche  bis  zum  Engagement  der  letzten  Partei  in  Scene  d)  im  Wein- 
berge vertreten  erscheinen.  Die  einzigen  Werkzeuge,  welchen  man 
bei  den  Arbeitern  begegnet,  sind  die  Hacke,  welche  sich  ähnlich  in 
Cod.  Mon.  lat.  8713  (Adam)  13.  Jahrh.  findet,  und  die  Hippe,  noch 
jetzt  in  analoger  Form  gebräuchlich  und  mir  auch  aus  der  zweiten 
Hälfte  des  MAs.  (Cod.  Mon.  germ.  32.  Bl.  7b)  bekannt.  Zur  Dar- 
stellung der  Weinstöcke  vgl.  oben  TU.  II  d  und  speziell  Heidelb.  Ssp. 


Der  Bildenchmaok  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  Epternaoensis  za  Gotha.  105 

n,  5,  7 ;  die  Wiedergabe  der  jungen  Weinsprossen  erinnert  sehr  leb- 
haft an  die  sonst  gebräuchliche  Zeichnung  der  Blumen,  vgl.  z.  B.  Cod. 
Mob.  lat.  12201  e,  Bl.  19b,  106b  und  14159,  Bl.  2b,  12.  Jahrb.,  und 
die  nebenherlaufende  schon  naturalistischere  Auffassung  im  selben  C!od. 
Bl.  Ib.  Die  Handbewegungen  der  Scene  d)  erklären  sich  wohl  aus 
dem  Bestreben  des  Zeichners,  die  Zeit  der  Anfrage  durch  den  Pater 
familias  zu  bezeichnen,  worauf  auch  der  übergeschriebene  Vers  Bezug 
nimmt;  daher  zeigt  der  Hausvater  und  ein  Arbeiter  nach  dem  Himmel. 
In  Scene  a)  ist  die  mittlere  Figur  des  Procurators,  weil  selten  darge- 
stellt, von  grösserer  Wichtigkeit.  Durch  die  Besetzung  der  Kleider 
mit  Borten  wird  der  Procurator  als  zu  den  höheren  Ständen  gehörig 
bezeichnet,  er  wird  also  nicht  mit  dem  Villicus  des  10.  Jahrb.,  dem 
Meier  oder  Vorsteher  eines  grösseren  herrschaftlichen  Wirthschafts- 
hofes,  sondern  mit  dem  Hofbeamten  für  die  Führung  des  Haushaltes, 
dem  Kämmerer  zusammenzustellen  sein^).  Sehr  bezeichnend  ist  es, 
wie  er  die  Denare  hält,  wohl  in  der  Absicht  sie  vor  den  dringenden 
Forderungen  der  Arbeiter  zu  schützen;  gewöhnlich  trug  man  grössere 
Summen  im  aufgehobenen  Vorderzipfel  des  Rockes  (vgl.  Heidelb.  Ssp. 
passim).  —  Ich  gebe  schliesslich  noch  einige  Notizen  über  die  Costü- 
mirung  und  ähnliche  Aeusserlichkeiten,  welche  sich  zugleich  mit  auf 
Tfl.  VTI  beziehen.  Der  Pater  familias  trägt  weisse  oder  schwarze 
weiss  geschnürte  Fussbekleidung,  mineralblaue  Hosen,  kirschrothen 
oder  dunkelgrünen  Rock  mit  goldenen  und  scharlachnen  Borten, 
weissen  oder  kirschrothen  Mantel  mit  goldenen  Borten.  Sein  Haar  und 
sein  Bart  ist  weiss,  zum  Zeichen  der  ihm  iune  wohnenden  Autorität 
führt  er  den  Stab  (baculus)  von  goldner  Farbe  und  gleicher  Beschaffen- 
heit, wie  die  Stäbe,  welche  später  vom  Könige  mit  dem  Ring  zu- 
sammen den  Bischöfen  bei  der  Investitur  verliehen  wurden;  vgl.  die 
Abbildung  der  letzteren  Cod.  Mon.  lat.  14159,  Bl.  2a.  Das  hier  dem 
Pater  familias  gegebene  Ensemble  bildet  stehend  das  Kennzeichen  des 
vornehmen  Deutschen  im  10.— 12.  Jahrb.,  vgl.  u.  A.  Cod.  Mon.  lat. 
13074,  Bl.  15b,  12.  Jahrb.  Dem  Herrn  gegenüber  erscheint  der  Pro- 
curator ohne  Mantel,  aber  doch  noch  in  weissem  bebortetem  Rock,  wozu 
kirschrothe  Hosen  und  dunkelbraune  Stiefel  kommen.  Eine  dritte,  noch 
tiefere  Kostümkategorie  bilden  die  Arbeiter  (und  Unfreien  auf  Bl.  VHI), 


1)  YgL  Kölner  Ministerialenrecht,  Ennen  Qu.  I,  218:  Item  advocatus  Co- 
loniensiB  has  XII  Gurtes  .  .  sna  habebit  potestate  ei  procnratione,  ut  viUico« 
in  eis  ponat  et  deponat  eto. 


106  Der  Bilderflchmaok  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  EptemaoenBis  tu  Qotha. 

sie  tragen  nur  einfache  Böcke  in  Gelbbraun,  Fuchsbraun,  Berlinerblau, 
Dunkelgrün,  Braunroth  und  Ziegelroth;  ausserdem  Hosen  in  Weiss, 
Blaugrau,  BerlinerblaU;  Dunkelgrün,  Ziegelroth  und  Braunroth,  Und 
weisse,  schwarze,  hellbraune  oder  dunkelbraune  Halbstiefel.  Ganz  ähn- 
liche Darstellungen  gewöhnlicher  Leute  (operarii)  finden  sich  auch 
sonst  in  deutschen  HSS.,  z.  B.  eines  Steinmetzen  Cod.  Mon.  lat.  13074, 
Bl.  90b ;  für  die  Jahrhunderte  lange  Dauer  dieser  Tracht  mit  geringen 
Veränderungen  legen  Zeugniss  ab  Cod.  Trev.  bibl.  136,  Bl.  37a,  63a, 
8.  Jahrb.,  2.  Hälfte  und  Cod.  c.  pict.  Monac.  63a,  13.  Jahrb.,  wie  auch  die 
Gemälde  des  Kapitelsaals  zu  Brauweiler  (Aus'm  Weerth  Wandmalereien 
des  Christi.  Mittelalters,  Tfl.  IV,  V). 

Tafel  Vn.  Das  Gleichniss  von  den  Arbeitern  im  Wein- 
berge, Marc.  19,  1—8.  Die  Darstellung  zerföllt  in  5  Scenen:  a)Vi- 
neam  pastinavit  bomo,  et  circumdedit  sepem,  et  fodit  lacum,  et  aedi- 
ficavit  turrim  et  locavit  eam  agricolis,  et  peregre  profectus  est(V.  1); 
b  c)  2  Scenen,  welche  in  collectiver  Darstellungsart  die  Erzählung  der 
Verse  2—6  wiedergeben.  Der  Herr  sendet  »in  tempore  servum,  ut  ab 
agricolis  acciperet  de  fructu  vineaea,  dieser  wird  geschlagen;  er  schickt 
einen  zweiten,  der  am  Kopfe  verwundet  wird,  einen  dritten,  der  ge- 
tödtet  wird,  und  mehrere  andere,  denen  es  ähnlich  wie  dem  ersten  und 
dritten  ergeht.  Beide  Scenen  sind  nun  so  angeordnet,  dass  Scene  b) 
den  Pater  familias  darstellt,  wie  er  vier  Servi,  welche  mit  Botenstäben 
ausgerüstet  sind,  beauftragt,  entsprechend  der  viermaligen  Sendung 
des  primus,  secundus,  tertius  und  der  plures  alii;  während  Scene  c) 
den  Empfang  der  3  Kategorien  —  denn  den  zu  viert  gesandten  Boten 
erging  es  wie  den  ersten  und  dritten  —  im  Weinberge  schildert.  In 
ähnlicher,  nur  dem  Gegenstand  entsprechend  einfacherer  Weise  sind 
die  Scenen  d)  und  e)  angeordnet;  von  ihnen  enthält  d)  die  schliess- 
liche  Absendung  des  Sohnes  zu  den  Arbeitern  »quia  reverebuntur 
filium  meumu  (V.  6)  und  e)  das  unglückliche  Schicksal  dieses  Sohnes 
im  Weinberg  (V.  7  u.  8).  Den  kulturgeschichtlich  wichtigsten  Inhalt 
bietet  von  diesen  Darstellungen  die  Scene  a).  Ein  Zaun  umschliesst 
hier  den  eben  angelegten  Weinberg,  in  dessen  Mitte  sich  der  Thurm 
—  von  dem  Zeichner  offenbar  im  Sinne  des  10.  Jahrb.  als  festes  Haus 
gefasst  —  erhebt.  Dieser  Zaun  ist  der  gewöhnliche  des  Mittelalters, 
der  sich  schon  in  den  Volksrechten,  dann  viel  später  in  allen  Bilderhss. 
des  Ssp.  (vgl.  z.  B.  Heidelb.  Ssp.  VIH,  2,  4)  findet,  und  auch  im  15. 
Jahrb.  mit  einer  Modification  noch  das  gewöhnliche  ist  (vgl.  No.  172a 
der  GemäldegaUerie  des  Mus.  Wallraf-Richartz).    Auch  die  Darstellung 


Der  Bildenobmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  EpteraAcensis  zu  Gotha.  107 

des  Weinbergs  durch  einen  Zaun  mit  einigen  oder  auch  nur  einem 
darin  befindlichen  Weinstock  ist  die  in  Deutschland  gewöhnliche,  vgl. 
das  Grundpuech  ULF.  zu  Fürstenzell  (1475):  Cod.  Mon.  lat.  7201,  Bl.  18a. 
Links  vom  Thurm  innerhalb  des  Zaunes  befindet  sich  die  neu  ange- 
legte Kelter  (Torculare  —  ein  zweites  Exempl.  in  Cod.  Eptemac.  Bl.  16a), 
noch  ohne  das  zugehörige  Haus  (domus  torcularis),  welches  die  rheini- 
schen Urkk.  fast  stets  selbständig  nebenher  erwähnen.  Rechts  vom 
Thurm  aber  ist  der  Act  der  locatio  des  Weinbergs  dargestellt:  d.  h. 
nach  deutschrechtlicher  hier  genau  vertretener  Anschauung  die  In- 
vestitur der  Agricolae  abgebildet.  Der  Pater  familias  vollzieht  diese 
loTestitur,  indem  er  unter  Hinweisung  auf  sein  Eigcnthum  mit  der 
linken  Hand,  dem  vordersten  Agricola  seinen  Stab  als  Zeichen  der 
Gewere  darreicht.  Dieser  erfasst  den  Stab  mit  der  Rechten,  mit  der 
Linken  ergreift  er  vom  Weinberge  Besitz.  Die  hier  zu  Grunde  liegen- 
den symbolischen  Rechtsanschauungen  sind  identisch  mit  den  Heidelb. 
Ssp.  II,  7 ;  IV,  7 ;  VII,  5  vertretenen.  Scene  b)  erscheinen  Servi  als 
Boten,  die  erste  mir  bekannte  sichere  Darstellung  des  Standes  der  Un- 
freien. Scene  c):  Der  Weinberg  ist  mittlerweile  herangewachsen,  die 
einzelnen  Stöcke  ruhen  auf  Spalieren,  was  sich  in  einem  Münchener 
Kalender  des  13.  Jahrh.  (Cod.  Mon.  Germ.  32,  Bl.  10b)  und  in  den 
Gemälden  des  Eapitelsaales  von  Brauweiler  (Aus'm  Wecrth,  Tafl.  XIII, 
XIV)  wiederfindet.  Die  Weinbauern  aber  sind  zu  streitbaren  Männern 
auf  ihrem  festen  Thurm  geworden :  zu  latrones,  wie  diese  Klasse  in 
den  rheinischen  Quellen  des  10.  Jahrhs.  bezeichnet  wird.  Als  solche 
fahren  sie  nicht  den  runden  Schild  und  die  Frame  wirklicher  Krieger 
(vgl.  Cod.  Mon.  lat.  15093,  Bl.  39b,  11.  Jahrb.),  sondern  die  uralten 
germanischen  Wafien,  Steine  als  Wurfgeschosse,  Knüttel  und  schwarze 
Enebelspiesse  als  Nahwaffe,  den  menniggefärbten  Lindenschild  zum 
Schutze.  Das  Werfen  mit  Steinen  findet  sich  noch  Cod.  Mon.  lat. 
15098,  Bl.  IIb,  11.  Jahrb.,  auch  hier  mit  dem  eigen thümlichen  steifen 
Emporrecken  der  Hände  zum  Wurf.  Ueber  den  Knüttel  (Kolben,  Keule) 
als  urdeutsche  Waffe,  vgl  Lindenschmit,  Handb.  d.  d.  Alterthumskde. 
I.  S.  184f.;  er  schied  erst  durch  Capitular  von  813  aus  den  regulären 
Kriegswaffen.  Im  Cod.  Epternac.  erscheint  er  noch  künstlich  gekerbt, 
das  ist  auch  Cod.  Mon.  lat.  935,  Bl.  Ib,  12.  Jahrh.  und  Heidelb.  Ssp. 
XI,  2  noch  der  Fall;  Keulen  finden  sich  auch  im  Hortus  delic.  I  in 
Händen  der  Latrones.  Später,  als  erst  der  Knüttel,  dann  auch  der 
Knebelspiess  und  der  Langschild  aus  der  regulären  Bewafihung  völlig 
ausschieden,  finden  sie  sich  noch  zur  Charakterisirung  von  Ungeheuern 


108  Der  BilderBchmaok  des  Cod.  Egberti  zu  Trier  a.  d.  Cod.  Eptemacensis  zu  Gotha. 

der  Vorzeit  verwandt,  namentlich  der  Riesen,  vgl.  z.  B.  den  Goliath 
Cod.  Mon.  lat.  14159,  Bl.  3b,  12.  Jahrb.  Scene  d  und  e)  bieten  gegeo* 
über  den  vorhergehenden  Darstellungen  kulturgeschichtlich  Neues  fast 
nur  in  der  äusserst  prächtigen  Kleidung  des  Sohnes,  welche  diesem 
offenbar  mehr  Nachdruck  gegenüber  den  Agricolae  verleihen  sollte. 
Er  trägt  einen  rehfarbenen  Rock  mit  vielen  kostbaren  Borten  und  eben- 
falls reich  mit  Borten  besetzte  Schuhe.  Die  Darstellung  seiner  Todes- 
art kann  auf  unser  Gefühl  nur  abschreckend  wirken,  begreift  sich  aber 
sehr  wohl  aus  dem  moralischen  Niveau  des  10.  Jahrhs.,  vgl.  die  Be- 
merkung zu  Tafl.  Ic. 

Tafel  VIII,  a).  Bild  1  und  3  und  2  Figuren  aus  dem  Bilde  2  zum 
Gleichniss  vom  Gastmahl;  Luc'  14,  16—24.  Die  3  Bilder  zu 
diesem  Gleichniss  stehen  im  Cod.  Epternac.  nicht  mehr  in  derjenigen 
Aufeinanderfolge,  welche  sie  ursprünglich  gehabt  haben  müssen;  um 
dem  Texte  des  N.  T.  zu  entsprechen,  wird  Bild  1  hinter  Bild  3  des 
Cod.  Epternac.  zu  setzen  sein.  Ich  beginne  in  der  Erklärung  daher 
mit  Bild  2,  welches  V.  17— 19  schildert;  von  ihm  enthält  Tafl.Vin  nur 
die  beiden  Servi,  welche  als  Boten  verwandt  werden,  in  der  charakteri- 
stischen Stellung  des  Einladens.  Aehnlich  sind  die  Gesten  der  Boten 
in  Bild  3,  zu  welchen  V.  20—22  den  Text  bietet:  Et  alius  dixit: 
Uxorem  duxi,  et  ideo  non  possum  venire.  Et  re versus  servus  nuntia- 
vit  haec  domino  suo.  Tunc  iratus  pater  familias  dixit  servo  suo:  Exi 
cito  in  plateas  et  vicos  civitatis  et  pauperes  ac  debiles  et  caecos  et 
claudos  introduc  huc.  Man  sieht  aus  diesem  Text,  dass  die  beiden 
Scenen  des  Bildes  3  wieder  in  der  Inversion  stehen.  Die  Mahnscene 
des  jung  Verheiratheten  musste  der  Einladescene  der  Armen  voran- 
stehen. Merkwürdig  ist  in  Bild  3  vor  Allem  die  Mahnscene  mit  dem 
jungen  Ehepaare  zu  Ross,  doch  fehlen  Analogieen  nicht,  z.  B.  Cod. 
Mon.  lat.  13074,  Bl.  120b,  12.  Jahrb.,  für  den  Reiter  vgl  auch  Hortus 
delic.  II,  für  das  Pferd  (Apfelschimmel)  Hortus  delic.  VII.  In  der 
andern  Scene  des  Bildes  3  findet  sich  eine  der  frühesten  Gruppen  von 
Armen  und  Heilsbedürftigen;  die  Anordnung  folgt  den  Worten  des  N.  T. 
in  der  Weise,  dass  unter  dem  Collectivbegriff  pauperes  ein  debilis,  ein 
caecus  und  zwei  claudi  dargestellt  sind.  Für  den  letzten  Lahmen  fin- 
det sich  eine  ganz  analoge  Gestalt  in  der  Heiligthumstracht  des  Joh. 
V.  Falkenburg'schen  Graduale  (1299);  die  ganze  Gruppe  fordert  zu 
einem  Vergleich  mit  den  gothischen  Wandmalereien  an  der  Nordseite 
der  Martinskirche  zu  Linz  auf.  Bild  1  illustrirt  V.  22:  Et  ait  Servus: 
„Domine,  factum  est,  ut  imperasti,  et  ad  huc  locus  est«.    An  einer 


Der  Bildenchmuck  des  Cüod.  Egbert!  zn  Trier  n.  d.  Cod.  Eptemacentis  su  Gotha.  109 

reichbesetzten  Tafel  hat  der  Pater  familias  (hier  nach  V.  16  »homo 
quidaiDf  genannt)  Platz  genommen  und  empfängt  die  Armen,  indem 
er  »sie  bei  der  Hand  fängt«.  Die  Entstehung  dieser  Geste  erklärt  sich 
aus  der  deutschen  Symbolik  des  Sich-Verbindens,  des  Fesseins  an  sich, 
Ygl.z.B.Heidelb.Ssp.  1,6;  XIII,  7;  XXVn,3;  die  Demuth  wird  in  einer 
HS.  des  Kölner  Stadtarchivs  VIII.  25,  13.  Jahrh.  1.  Hälfte,  als  Weib 
mit  ineinander  gefalteten  Händen  dargestellt.  Die  Tafel  ist  reich  be- 
setzt, die  Gefässe  entsprechen  ganz  dem  frühromanischen  Stil  des 
10.  Jahrhs.;  erst  später,  im  11.  Jahrb.,  beginnen  die  etwas  einge- 
krümmten Bodenflächen  derselben,   vgl.  Cod.  Mon.  lat.  13074  Bl.  81b 

12.  Jahrh.  Für  Tafeln  späterer  Zeit  vgl.  Hort  delic.  Tafl.  IV;  Cod. 
Mon.  lat  2740  Bl.  17b,   12.   Jahrb.;   Cod.  Mon.   lat.  11038,  Bl.  8a, 

13.  Jahrh.  Rechts  von  der  Tafel  sollte  dem  Herrn  der  Unfreie  nahen 
mit  der  V.  22  gegebenen  Meldung.  Indess  weicht  auch  hier  der 
Zeichner  vom  N.  T.  ab.  Statt  des  Nuntius  finden  wir  auf  dem  Bilde 
einen  andern  Unfreien  oder  Ministerialen,  der  zugleich  Marschalls-  und 
Tmchsessendienste  versieht,  wie  eine  Vergleichung  mit  Heidelb.  Ssp. 
XXin,  5  und  Hortus  delic.  IV  ergiebt,  s.  auch  Erm.  Nigell.  IV,  414 
—416.  b)  Heimkehr  der  Weisen,  s.  Matth.  2,  12;  eine  Darstellung 
welche  besonders  deshalb  wichtig  ist,  weil  die  lebhaft  bewegten  Fi- 
guren, namentiich  die  des  äussersten  Weisen  rechts,  aufs  stärkste  an 
die  besondere  karolingische  Auifassungsweise  erinnern  und  in  Cod.  St 
Gall.  135.  S.  399,  10.  u.  11.  Jahrh.  eine  ebenfalls  auf  karolingischer 
Tradition  beruhende  Analogie  finden.  Dass  sich  die  Darstellung  der 
Gewandung  in  flatternder  Bewegung  bis  ins  10.  Jahrh.  hinein  erhielt, 
beweist  auch  noch  Cod.  Dässeld.  Bibl.  D  3,  Bl.  18a  [Essen].  In  der 
Gruppe  kommen  folgende  Farben  vor:  Der  König  links  trägt  grau- 
grüne Hosen  und  ziegelrothen  Mantel,  der  mittlere  kirschrothen  Mantel, 
der  König  rechts  ziegelrothe  Hosen  und  hellbraunen  Mantel,  die  Röcke 
sind  für  alle  carminroth.  Die  Pferde  sind  weiss  und  hellbraun,  ihr 
G^eschirr  schwarz  mit  grossen  goldenen  und  rothen  Zierscheiben. 
c)  Petrus  undAndreas  vonChristus  gewonnen;  s. Marc.  1,16: 
»Simonem  et  Andream  fratrem  eins  äiittentes  retia  in  mare  (erant 
enim  piscatores)«.  Petrus  und  Andreas  in  blauem  und  rothem  Mantel 
und  grauem  Untergewand  sitzen  im  Schilf,  das  durch  ein  Ruder  ge- 
lenkt wird.  Ein  ganz  analog  gebauter  Kahn  findet  sich  Cod.  Trevir. 
Bibl.  136,  B1.59a,  8.  Jahrh.  2.  Hälfte,  abgesehen  von  dem  geschnitzten 
Vordertheil,  ein  solches  aber  zeigt  noch  eine  deutsche  Miniatur  des 
12.  Jahrh.  im  Ck>d.  Mon.  lat  13074,  BL  100b. 


1 10  Der  BilderBchmaok  de«  Cod.  Egberti  zu  Trier  n.  d.  Cod.  Eptemacentia  zu  Gotha. 

Ich  beendige  hiermit  die  Erklärung  des  materiellen  Gehaltes  der 
von  mir  copirten  Bilder  beider  Codices:  es  sind  mit  dieser  Erklärung 
genug  der  Beweise  für  den  im  Wesentlichen  deutschen  Charakter  der 
Miniaturen  gegeben.  Dieser  grossen  Anzahl  von  Indicien,  welche  na- 
mentlich  auch  den  Epternacher  Cyclus  von  deutschem  Geist  getragen 
und  gesättigt  erscheinen  lassen,  sind  bisher  nur  wenige  Bemerkungen 
gegenüber  gestellt  worden,  welche  die  byzantinische  Tradition  in  ihm 
nachweisen  sollen.  Sie  gehen  fast  alle  von  Rathgeber  (Herzogl.  Gem. 
Galerie  zu  Gotha,  S.  18—20)  aus;  die  scheinbar  schlagendsten  von 
ihnen  sind  neuerdings  namentlich  von  Schnaase  G.  d.bild.  E.*  IV,  628 
wieder  aufgenommen  worden.  Danach  sollen  schon  die  Beischriften, 
welche  theilweis  ovoixrjdov  laufen,  auf  byzantinischen  Einfluss  hinweisen 
(vgl.  Tafl.  n,  20a  3:  VIII  20a2;  anderes  Beispiel  Rathgeber  8.  20). 
Allein  derartige  Beischriften  finden  sich  auch  sonst  in  Deutschland  sehr 
häufig.  Weiterhin  wird  als  Beweis  besonders  Bl.  79b  herangezogen; 
wie  sehr  ohne  Recht,  glaube  ich  oben  schon  gezeigt  zu  haben.  Auch 
sonst  kann  man  sich  nur  auf  Einzelheiten  berufen;  Schnaase  a.  a.  O. 
führt  deren  noch  zwei  an:  einmal  den  Umstand,  dass  den  Krügen  in 
der  Hochzeit  bei  Gana  das  griechische,  aber  mit  lateinischen  Buchstaben 
geschriebene  Wort  Hydri^ie  (nicht,  wie  er  schreibt,  Hygriae)  zuge- 
schrieben sei,  dann,  dass  der  Ausdruck  Regnator  Olympi  für  Christus 
auf  Bl.  3a  auf  Byzänz  hinweise.  Dem  ersten  Einwurf  gegenüber  ist 
zu  erwidern,  dass  die  Krüge  in  der  Vulgata  Ev.  Joh.  2,  6  lapideae 
hydriäe  heissen,  das  mit  lateinischen  Buchstaben  geschriebene  Wort 
Hydriae  also  grade  auf  den  lateinischen  Text  des  N.  T.,  nicht  auf  den 
griechischen  Urtext  hinweist;  betreffs  des  zweiten  Einwurfs  aber  ist 
nicht  abzusehen,  warum  die  Bezeichnung  Christi  als  Regnator  Olympi 
nicht  vielmehr  auf  lateinische,  als  auf  griechische  Tradition  zurück- 
gehen solle. 

So  wird  es  denn  keinem  Zweifel  mehr  unterliegen  können:  nach 
Gehalt  wie  Composition  der  Scene,  nach  Disposition  und  cyclischem 
Abschluss  der  Bilder  stehen  die  beiden  HSS.  im  Flusse  der  karolin- 
gisch-deutschen  Entwickelung,  welche  höchstens  für  einige  Scenen  des 
Cod.  Egb.  durch  italisch-römische  Einflüsse,  für  einzelne  Kleinigkeiten 
und  ornamentale  Theile  des  Cod.  Epternac.  durch  byzantinische  Ein- 
wirkung alterirt  wurde.  Hält  man  an  diesem  Resultate  fest^  so  wird 
man  von  so  vollendeten  Cyclen,  wie  es  namentlich  der  Epternacher  ist, 
auf  eine  längere  vor  unsern  HSS.  liegende,  aber  freilich  für  uns  ver- 
lorene  Entwicklungsreihe   schliesscn   dürfen.      Wir   sahen   spärliche 


Der  Bildersohmuck  des  Cod.  Egbert!  zu  Trier  u.  d.  Cod.  EpternaoensiB  zu  Gotha.  11 1 

Trümmer  aus  dieser  Entwicklungsreihe  schon  in  der  Schilderung  der 
Ingelheimer  Kapelle  durch  Ermoldus  Nigellus;  einen  noch  früheren, 
vielleicht  zu  frühen  Ausgangspunct  würden  die  Miniaturen  des  jüngst 
gefundenen  Cod.  Rossanensis  gewähren.  Hier  Tragt  es  sich  nun,  ob 
unsere  HSS.  in  ihren  Miniaturen  und  speziell  in  den  copirten  Bildern 
ein  Verfolgen  dieser  älteren  Tradition  wenigstens  in  gewissen  Aeusser- 
lichkeiten  gestatten. 

Es  ist  charakteristisch  für  die  ganze  Entfaltungsweise  der  mittel- 
alterlichen Malerei,  dass  die  Bilder  eine  solche  Untersuchung  in  grösse- 
rem Stile  nicht  ermöglichen.  Zwar  kann  man  aus  einer  Reihe  von 
Anzeichen  nachweisen,  dass  die  vorliegenden  Cyclen  nichts  durchaus 
Originales,  frei  Erfundenes  sind.  So  trägt  Christus  z.  B.  bei  der  Auf- 
erweckung  des  Lazarus  (Tafl.  III)  im  Cod.  Eptemac.  eine  Rolle  in  der 
Hand,  im  Cod.  Egb.  dagegen  ist  die  Rolle  verschwunden,  gleichwohl 
aber  zeigt  die  Hand  noch  den  frühern  festhaltenden  Gestus.  Hier  hat 
offenbar  der  Zeichner  die  Rolle  nicht  mehr  verstanden  und  sie  deshalb 
in  seiner  Darstellung  ganz  weggelassen.  An  anderer  Stelle  erkannte 
er  die  Rolle  noch,  fand  sie  aber  antiquirt  und  ersetzte  sie  durch  ein 
Buch,  80  auf  dem  Bilde  zum  Palmsonntag  (Tafl.  V,  Bl.  66a).  Es  wäre 
nicht  schwer,  Fälle  welche  diesem  analog  sind,  bis  zur  Höhe  eines 
halben  Dutzends  aufzuführen;  auch  finden  sich  noch  sonst  vereinzelte 
Beweise  für  die  Existenz  früherer  Traditionen.  Allein  das  Alles  genügt 
doch  nicht,  um  sich  ein  klares  Bild  von  der  früheren  Gestaltung  der 
Ueberlieferung  zu  verschaffen.  Ebenso  radical  wie  ein  Heinrich  von 
.Yeldeke  die  Aeneide  Vergils  in  einen  mittelalterlichen  Ritterroman 
unter  totaler  Verwischung  römischer  Zustände  umschafft,  verfahren 
auch  unsre  Zeichner  und  die  Malerschulen  jener  Jahrhunderte  über- 
haupt. Ohne  es  ausgesprochen  zu  wollen,  ersetzen  sie  die  ihnen  vor- 
liegende Tradition  rücksichtslos  in  allen  Aeusserlichkeiten  durch  die 
Gestaltung^  der  Gegenwart,  ändern  ^sie  Costüm  und  Waffen,  Geräth 
und  Werkzeuge  nach  den  Eindrücken  ihrer  Zeit.  Nirgends  kann  man 
diese  Entwickelung  deutlicher  verfolgen,  wie  an  den  vier  illustrirten 
Sachsenspiegeln  der  Jahre  1250—1350  ca. :  fast  keine  Aeusserlichkeit 
der  Darstellungen  bleibt  hier  während  eines  Jahrhunderts  ungeändert; 
alle  wechseln  aufs  Energischste  und  Einheitlichste. 

Es  ist  dieses  Princip  von  dem  erbarmungslosen  Wandel  aller 
äusseren  Zuthaten  für  die  Erforschung  von  einzelnen  Entwicklungs- 
reihen innerhalb  der  mittelalterlichen  Miniaturmalerei  um  so  mehr  zu 
beachten,  als  man  von  der  wörtlichen  Copie  früherer  Vorlagen  auf  den 


112  Der  Bilderscbmnck  des  Cod.  Kgberti  zu  Trier  o.  d.  Cod.  Eptemacensis  sa  Gotha. 

sonstigen  Gebieten  geschichtlicher  Ueberlieferung  vielmehr  anf  ein 
gleich  genaues  Uebertragen  auch  dieser  Zuthaten  zu  schliessen  ver- 
sucht ist.  Indess  fehlt  der  einheitliche  Gesichtspunct  nicht,  welcher 
beide  scheinbar  so  verschiedene  Verfahrungsarten  verstehen  ISfest:  es 
ist  in  beiden  Fällen  der  Mangel  einer  scharf  ausgebildeten  Individuali- 
tät, welche  jene  Resultate  herbeiführt.  Im  ersteren  Falle  vermag  die 
Individualität  des  Künstlers  sich  gegenüber  dem  Gesammtgeschmack 
und  der  Gesammtanschauung  seiner  Zeit  nicht  zu  halten,  im  zweiten 
aber  unterliegt  die  Individualität  des  Schriftstellers  der  Uebermacht 
des  fremden  ihm  aus  der  Ueberlieferung  entgegenwehenden  Geistes, 
der  einst  vor  ihm  auf  höherer  Stufe  des  persönlichen  Bewusstseins  und 
Schaffens  gestanden  hat. 


Erst  nach  vollendetem  Druck  des  Aufsatzes  über  den  Bilder- 
schmuck des  Codex  Egberti  und  Codex  Eptemacensis  wurde  ich  auf 
eine  im  Jahre  1871  von  F.  Schneider  edierte  typologische  Dichtung 
Ekkehards  IV  (11036)  aufmerksam^).  Diese  Dichtung  umfasst  eine 
grosse  Reihe  von  epigrammatisch  gefassten  Versen,  welche  zur  Aus- 
wahl für  die  Unterschriften  der  Wandmalereien  im  Mainzer  Dome  dienen 
sollten.  Die  Wandmalereien  sind  allerdings  nicht  zur  Ausführung  ge- 
kommeui  dagegen  ist  uns  in  den  Inschriften  Ekkehards  die  Beschrei- 
bung eines  freilich  ideal  angelegten,  aber  grade  darum  ausserordentlich 
ausführlichem  biblischen  Cyclus  erhalten.  Dieser  Cyclus  schliesst  sich 
für  das  neue  Testament  nicht  unwesentlich  an  die  Auffassungsweise  und 
Disposition  des  Cod.  Egberti  an:  ihm  wird  also  auch  die  biographische' 
Eintheilung  des  Lectionars  für  das  Wirken  Christi  zu  Grunde  gelegen 
haben.  Oder  sollte  an  eine  local  verwandte  Auffassung  bei  dem  St. 
Gallner  Mönch  Ekkehard  und  dem  Reichenauer  Cod.  Egberti  zu 
denken  sein? 

Es  gereicht  mir  zur  Freude,  diese  Notizen  meinen  obenstehenden 
Bemerkungen  hinzufügen  zu  können ;  um  so  mehr,  als  ich  damit  einem 
unter  den  Kriegswirren  des  Jahres  1871  erschienenen  und  darum  wider 
Erwarten  wenig  bekannten  Buche  gerecht  zu  werden  vermag. 

Bonn,  Novbr.  1880.  K.  Lamprecht. 


1)  F.  Schneider  (Domprabendar  in  Mainz):  Der  h.  Bardo  Erzb.  y.  Mainz 
von  1031 — 1051.  Nebst  Anhang:  Der  dichterische  Inschriftenkreis  Ekkehards  lY 
des  Jüngern.    Mainz  1871. 


\ 


Meister  Eisenhuth.  113 


B.  Meister  Eisenhuth. 
IL 

Hierzu  Taf.  XI  a.  XII. 
/ 

Seitdem  ich  1879  im  Hefte  LXVII  dieser  Jahrbücher  über  den 
grossen  Künstler  und  Goldschmied  Anton  Eisenhuth  aus  Warburg  ^ 
einen  Aufsatz  geliefert  habe,  welcher  seine  Thätigkeit  und  Stellung  in 
der  Kunstgeschichte  näher  beleuchtete,  hat  sich  die  Aufmerksamkeit 
der  Kunstschriftsteller  wie  des  Publikums  dem  Meister  und  dessen 
Werken  mit  einer  Lebhaftigkeit  zugewandt,  welche  in  der  Geschichte 
der  Kunstforschung  wohl  kaum  oder  nur  selten  ihres  Gleichen  gehabt 
hat.  Auch  die  Erforschung  weiterer  Werke  und  Lebensnachrichten 
ruhte  nicht.  Was  an  Abhandlungen,  Referaten  und  Besprechungen 
allein  im  Jahre  1880  erschienen,  ist  geradezu  staunenswerth.  Frisch 
und  L es  sing,  welcher  schon  im  Januar  in  Westermann's  Monatsheften 
den  Meister  behandelt  hatte,  veranstalteten  bei  P.  Bette  in  Berlin 
eine  Publication  seiner  Metallwerke,  welche  zu  Herdringen  in  der 
Schatzkammer  des  Grafen  von  Fürstenberg  vorhanden  und  durch  die 
Ausstellung  des  Alterthumsvereins  zu  Münster  zuerst  weiter  bej^annt 
geworden  sind.  Mein  Aufsatz  wurde  in  Prüfer's  (Berliner)  Archiv  für 
christliche  Kunst  No. 3  und  4  wieder  abgedruckt.  Roderich  Irmer 
gab  in  der  Gartenlaube  No.  44  eine  Uebersicht  über  des  Meisters 
Leben  und  Werke  mit  neuen  Nachrichten  und  stetem  Hinblicke  auf 
anverwandte  Arbeiten;  zu  Warburg  erschien  von  W.  E.  Giefers: 
die  SUberarbeiten  des  Warburger  Meisters  A.  Eisenhoit  —  eine  Bro- 
schüre, welche  in  trockner  Art  kaum  das  damals  über  ihn  errungene 
Material  wiedergibt.    Th(ewalt)  erörtete  in  der  Zeitschrift  für  bildende 


1)  Der  Warbarger  Geschichtsforscher,  welchem  wir  eine  wichtige  Notiz 
über  den  Meister  im  Mindener  Sonatagsblatte  entlehnten,  nennt  ihn  im  War- 
bnrger  Kreublatte  1846,  No.  12  einen  Sohn  des  begüterten  Warbarger  Bürgers 
Casper  Iseinhod  and  gibt  an,  Eisenhath  habe  nach  vollendetem  Schalbesuche 
das  Kapferstechen  in  Cassel  erlernt.  Da  ans  in  den  Schriften  kein  Casper,  wohl 
aber  ein  Jasper  Isernhod  vorkömmt,  dürfte  hier  leicht  ein  Druck-  oder  Schreib- 
fehler vorliegen,  and  Jasper,  wie  ich  im  ersten  Aufsätze  annahm,  der  Name  seines 
Vaters   sein.    In   einem   alten  Warbarger  Stammbaum    fand  Herr  Ahlemeyer 


noch  gNN.  uxor  Antonii  Eisenhuets^. 


8 


114  Meister  Eitenhuth. 

Kunst  XV,  142  ff.  die  Technik  des  Meisters  und  verglich  sie  mit  jener 
seines  ausgezeichneten  Zeit*  und  EunstgenosBen  Paul  van  Viannen  aus 
Utrecht 0-  unter  den  Recensionen  nenne  ich  jene  von  R.  Bergau  im 
Repertorium  für  Kunstwissenschaft  III,  848  f.,  jene  von  Lübke  in  der 
Allgem.  Zeitung*)  Beilage  No.  60;  der  letzte  bahnte  in  der  neuesten 
Auflage  seiner  Geschichte  aer  Plastik  die  Würdigung  des  Meisters  in 
weitem  Kreisen  an.  Selbstverständlich  kommen  noch  manche  Artikel 
in  den  Tagesblättern  hinzu,  zumal  anlässlich  der  Ausstellung  der  kunst- 
gewerklichen  AlterthUmer  zu  Düsseldorf;  denn  auch  hier  prangten 
wieder  sichere  und  unbestimmte  Werke  von  Eisenhuth  in  den  Glas- 
schränken. 

Die  Theilnahme  f&r  die  Eisenhuthsche  Kunstthätigkeit  hat  sich 
also  von  Tag  zu  Tag  gesteigert;  diese  Thatsache  und  die  am  Epde 
meines  Aufsatzes  gegebene  Verheissung  bestimmen  mich,  noch  einmal 
auf  den  Meister  und  seine  Werke  zurück  zu  kommen.  Meine  Erörterung 
dürfte  um  so  willkommener  sein,  als  sie  fragliche  und  verschwundene 
Werke  in  Betracht  ziehen  und  einzelne  Nachrichten  über  den  Meister  und 
das  Schicksal  seiner  anerkannten  Schöpfungen  bringen  wird.  Sie  braucht 
nicht  mehr  die  durch  die  Ausstellungen  bekannt  gewordenen  Stücke 
des  Herdringer  Schatzes  zu  betreffen^  weil  diese  inzwischen  in  den  ge- 
nannten Schriften  kürzer  oder  breiter  und  theilweise  mit  Abbildungen 
behandelt  sind;  sie  richtet  sich  wesentlich  auf  jene  Kunstwerke,  deren 
Herkunft  vom  Meister  fraglich  und  unbestimmt,  und  deren  Unter- 
suchung bisher  wenig    fortgeschritten   ist,   obgleich  ich  am  Schlüsse 


1)  Seiner  Andeutung,  als  habe  ein  Maler  den  beiden  Goldschmieden  die 
Vorlagen  für  ihre  Metallbildnereien  geliefert,  kann  ich  auch  jetzt  noch  nicht  bei- 
pflichten ;  von  Viannen  gibt  es  noch  Zeichnungen  für  Pokale  mit  Figurenschmuck, 
wie  ich  an  anderer  Stelle  darthun  werde;  und  Eiaenhuth  hat  doch  gewiss  auf 
dem  Vorlegeblatte  des  Pontificale  Romanum,  welches  er  mit  einem  Silberdeckel 
eierte,  das  fürstbischöflich-Paderbornische  Wappen,  gehalten  von  zwei  Engeln, 
selbst  in  Tusche  gpezeichnet;  rühmt  doch  Mercati  zu  Rom  seine  „ars  cum  in  pin- 
gendo  tum  in  sculpendo''. 

2)  Die  hier  aufgestellte  und  ander^rts  wiederholte  Vermutung,  Eisen- 
huth sei  in  seinen  Wanderjahren  nach  Nürnberg  gekommen,  weil  dort  noch 
immer  die  Schule  für  künstlerische  Metallarbeiten  gewesen  sei,  zerfUlt  angesichts 
der  ganz  abweichenden  Technik  und  der  Verschiedenheit  des  Metallstiles.  Nürn- 
berg und  Oberdeutschland  pflegten  noch  einen  ganz  reichen  Goldschmiedestil 
mittelst  mancherlei  Materialien  und  demgemäss  mittelst  einer  complicirten Technik; 
Eisenhuth  dagegen  kommt  es,  wie  ich  früher  gleich  betonte,  wesentlich  auf  eine 
malerische  MetaUbildnerei  an. 


'  •    - 


Meister  Eisenhuth.  115 

meines  Aufeatzes  schon  angedeutet  hatte,  dass  sich  die  Reihe  seiner 
Werke  voraussichtlich  noch  um  drei  oder  vier  erweitem  liesse.  Ich 
drückte  mich  absichtlieh  nicht  bestimmter  aus,  weil  ich  damals  von 
ihrem  Zustande  und  Kunstwerthe  nur  durch  briefliche  oder  mündliche 
Mittheilungen  oder  durch  schwache  Abbildungen  Kunde  hatte. 

Als  vierte,  als  unsicherste,  Arbeit  galt  mir  ein  Kreuz  der  Alt- 
stidter  Kirche  zu  Warburg,  am  Wohnorte  des  Meisters,  und  thatsäch- 
lich  ergeben  Stil  und  Ausführung,  dass  Eisenhuth  daran  keinen  Theil 
hat;  es  wird  gar  für  hundert  Jahre  älter  gehalten,  als  sein  Kreuz 
zu  Herdringen.  Die  drei  andern  Werke,  welche  ich  im  Auge  hatte, 
waren  eine  schon  1868  im  Organ  fdr  christl.  Kunst  in  Lithographie 
verbreitete  Kusstafel  desFreiherm  von  Fürstenberg  zuLörsfeld,  ein 
grosses  Kreuz  mit  dem  Crucifixbilde  im  Patroklidome  zu  Soest,  und 
endlich  ein  kleiner  goldener  Kelch  zu  Herdringen.  Ob  und  wie  weit 
jene  Kusstafel,  welche  ohne  Frage  bis  zur  Abzweigung  der  Lörsfelder 
Linie  in  unserm  Jahrhunderte^)  der  gemeinsamen  Schatzkammer  des 
FOrstenberger  Stammhauses  angehörte,  als  Arbeit  Eisenhuth's  anzu- 
sehen ist,  wird  hier  von  anderer  Feder  beschrieben  werden. 

Mir  liegt  es  also  zunächst  an  der  Untersuchung,  wie  es  sich  mit 
dem  Soester  Kreuze  und  dem  Herdringer  Kelche  verhält;  da  keine 
Zeichen,  Inschriften  oder  sonstweiche  Haltepunkte  über  ihren  Meister 
Anskonft  ertheilen,  müssen  die  Stilverhältnisse  und  anderweitige  Um- 
stknde  die  Entscheidung  geben.  Der  Kelch')  zu  Herdringen,  welcher 
noch  jetzt  bei  feierlichen  Gelegenheiten  in  der  Schlosskapelle  gebraucht 
wird,  theilt  mit  den  Eisenhuth'schen  Arbeiten  ausser  dem  Fundorte 
die  Stilzeit  und  figuralen  Bildwerke,  und  übertrifift  sie  noch  an  Kost- 
barkeit des  Stoffes. 

Er  ist  von  Gold,  19  cm  hoch,  in  der  Mündung  der  Kuppe  9  cm, 
in  den  gegenüber  liegenden  Blättern  des  Fusses  12,2  cm  weit,  es 
ist  also  ein  kleines  Gefäss,  und  da  es  sich  in  Fuss,  Ständer  und 
Kvppe  zerlegen  lasst,  offenbar  als  Reisekelch  angefertigt  und  be- 
nutzt Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  er  als  Reisekelch 
ursprünglich  dem  Paderbomer  Fürstbischof  Dietrich  von  Fflrsten- 
berg  gedient  hat,  demselben,  welcher  ja  die  herrlichsten  Cimelien 
des  Hauses  durch  Eisenhuth  fertigen  liess,   andere  kirchliche  Kunst- 


1)  Vgl«  die  Stammtafel  der  Familie  von  Füntenberg  bei  Pieler,  „Leben 
imd  Wirken  Caspar^s  von  Fürsienberg,  nach  dessen  Tagebüchern^.  Paderborn  1873. 

2)  Vgl  meinen  Aufsatz  in  der  Allgem.  Zeitung  1880,  No.  234. 


116  Meifter  EiBeohutli. 

werke  für  sein  Stammhaus  stittete  und  ihm  endlich  die  Schätze  seines 
Privatbesitzes  vermachte.  Dafür  sprechen  die  Kostbarkeit  des  Materials, 
die  Form  und  die  Schönheit  der  Arbeit  Die  Kuppe  erscheint  noch 
länglich-eiförmig,  8  cm  hoch,  unten  umfasst  von  einem  durchbrochenen 
Netze  klarer,  jedoch  einförmiger  Renaissance-Ornamente;  den  kurzen 
Ständer  unterbricht  ein  runder,  oben  und  unten  abgeflachter,  mit  vier 
Steinen  besetzter  Knoten.  Der  6  cm  hohe  Fuss  zerfällt  in  einen  vier- 
seitig pyramidalen  Obertheil,  welcher  sich  nach  dem  Ständer  hin  ellip- 
tisch verjüngt,  und  in  eine  Base  von  vier  Halbkreisblättem.  Die  vier 
Stellen,  wo  die  Blätter  an  einander  stossen,  schmückt  wieder  Steinbesatz; 
an  ihren  äussersten  Peripheriepunkten  und  an  den  pyramidalen  Seiten 
des  Fusses  befanden  sich  Höhlungen  und  eingebohrte  Löcherpaare, 
ofifenbar  dazu  bestimmt,  Steine  oder  die  Base  einer  Steinfassung  auf- 
zunehmen. Die  Steine  sind  entweder  verloren  gegangen  oder  die  Stein- 
fassung ist  hier  gar  nicht  zur  Ausführung  gekommen.  Die  Flächen 
der  Fussblätter  belebt  Bildwerk,  und  zwar  zeigen  drei  in  getriebener 
und  nachciselirter  Arbeit,  wie  Moses  das  Wasser  aus  dem  Felsen 
schlägt,  den  Mannaregen  —  beides  mit  vier  Figuren  —  und  Christas 
mit  der  Samariterin  am  Brunnen  —  also  Darstellungen,  welche  die 
Zweckbestimmung  des  Messgefässes  tief  und  schön  versinnbilden.  Das 
vierte  Blatt  trägt  ein  Medaillon  mit  den  Wappen  Fürstenberg  and 
Spiegel  in  Email  und  darüber  die  Jahreszahl  1604.  Rings  laufen  um 
dieselben  drei  conccntrische  Spruchkreise  in  Capitalschrift,  deren  Worte 
blau  emaillirte  Zeichen  und  Punkte  trennen:  Pro  sapientia  non  com- 
mutabuntur  vasa  |  Auri  Job.  28.  Honora  Dominum  de  tua  |  Substantia. 
Proverb.  3  |  1604.  Die  Wappen  können  wohl  nur  die  Stifter  des 
Werkes  bezeichnen,  und  zwar  entweder  den  Paderbomer  Erbmarschall 
Rabe  Spiegel  zu  Peckelsheim  und  dessen  Frau  Ursula  von  Fürstenberg 
oder  den  Bruder  der  letzteren,  den  thätigen  Urahn  des  Hauses,  den 
Caspar  von  Fürstenberg  und  dessen  erste  Gattin  Elisabeth  von 
Spiegel;  allein  da  Rabe  Spiegel  nach  Caspars  Tagebüchern  schon  1603 
12./1.  verstorben  ist,  seine  Beziehungen  zum  Hofe  des  Paderbomer 
Bischofs  auch  gewiss  nicht  so  enge  waren,  wie  jene  Caspar's  von  Für- 
stenberg, so  möchten  wir  lieber  das  Wappen  auf  diesen  und  seine  Frau 
Elisabeth  beziehen,  und  thatsächlich  hat  der  Beschauer  das  Spiegei- 
sche Wappen  rechts,  das  Fürstenberger  links.  Caspar  wird  dem  Bruder, 
dem  erwähnten  Bischof  von  Paderborn,  der  dem  Stammhause  so  viele 
Beweise  der  Anhänglichkeit  und  des  Wohlwollens  gab,  das  kostbare 
Gefäss  als  Reisekelch  geschenkt,  dieser  wird  es,  wie  andere  Cimelien, 


Meister  Eisenhath.  117 

seiner  Familie^)  wieder  vererbt  haben.  Dieser  Annahme  liegt  noch 
eine  anscheinend  erhebliche  Schwierigkeit  im  Wege.  1604  nämlich 
lebte  die  Elisabeth  v.  Spiegel  nicht  mehr,  Kaspar  v.  Fürstenberg 
hatte  schon  1590  seine  zweite  Frau  aus  bürgerlichem  Stande.  Da  je- 
doch  eine  andere  eheliche  Verbindung  unter  Gliedern  der  Familien 
F&rstenberg  und  Spiegel  nicht  bestand,  der  Werth  des  Stückes,  sowie 
die  Worte  der  Inschrift:  Honora  Dominum  de  tua  substantia,  kurzum 
alle  Umstände  einen  Stifter  errathen  lassen,  welcher  reich  bemittelt 
war,  so  wird  man  nicht  irre  gehen,  wenn  man  Caspar  von  Fürstenberg 
fOr  den  Donator  ausgibt;  er  hat  dann  seinem  Wappen  jenes  seiner  er- 
sten längst  verstorbenen  Gemahlin  und  vielleicht  zum  besonderen 
pietätsvollen  Andenken  beigefügt. 

Wer  ist  der  Künstler  des  schönen  Werkes?  Auf  Eisenhuth  deuten 
allerhand  äussere  Umstände,  wie  dass  er  ja  seine  besten  Dienste  dem 
Fürstbischof  und  dessen  Bruder  Caspar  geliehen  hat,  dass  dieser  ein- 
mal laut  seinen  Tagebüchern  dem  Meister  »unterschiedliche  Arbeit  von 
Silber,  Goldt  und  Edelngestein  zu  machen  mitgibt«;  sodann  stimmen 
die  spärlichen  Steinzierden,  die  reiche  Anwendung  von  Metallbildwerk 
und  in  demselben  die  Vorliebe  für  allegorische  Figuren,  nackte  und 
lange  Gestalten  ganz  zu  der  Art,  welche  Eisenhuth  an  seinen  Werken 
bethätigte,  wie  denn  auf  seinem  Kelch  und  Weihkessel  die  drei  gleich- 
artigen Darstellungen  vorkommen,  die  wir  am  Fusse  des  Kelches  wahr- 
nehmen. Der  letztere  hat  auch,  den  Gesammtaufsatz  abgerechnet,  jede 
Spur  des  gothischen  Styls  abgestreift,  um  namentlich  im  Ornament 
die  herrschenden  Formen  der  Renaissance  anzunehmen,  gleichwie  der 
Herdringer  Weihkessel.  Dennoch  erheben  sich  bei  genauerem  Betrach- 
ten mancherlei  und  sehr  schwerwiegende  Bedenken  gegen  seine  Ur- 
heberschaft. Email,  wie  hier  in  dem  Wappenschilde,  hat  er  sonst  nicht 
angewandt,  "^die  Bildung  der  Gestalten  zeigt  Unebenheiten,  Härten  und 
Fehler,  die  eine  ungeschickte  Hand  ankündigen;  denn  wir  bemerken 
ungelenke  Gliedmassen,  unrichtige  Perspectiven  im  Relief,  wunderliche 
Antlitze  und  namentlich  Augen,  die  mehr  gestochen  als  sicher  gebildet 
aussehen.    Die  Ornamente,  welche  den  Knoten  und  den  Obertheil  des 


1)  Nach  einer  Notiz  des  18.  Jahrhanderts  im  Herdringer  Archive  rührte 
der  Kelch  von  Caspar  von  Fürstenberg;  sie  wird  so  verstanden,  als  habe  er  ihn 
auch  im  Namen  seiner  verstorbenen  Frau  als  Weihegeschenk  für  die  Haaskapelle 
auf  dem  Schnellenberge  bei  Attendorn  machen  lassen.  Damit  stimmt  freilich 
nicht  die  Theilbarkeit  des  Gefasses, 


118  Meister  Eisenhath. 

Fusses  reichlich  bedecken,  ergehen  sich  in  den  zeitigen  Mustern  des 
Styls,  und  darunter  fallen  Engelköpfe,  Fruchtzweige,  wie  sie  in  den 
Musterbüchern  damaliger  Zeit  vorlagen,  und  eine  Art  von  langgezoge* 
nem  Halbkreis,  der  oben  mit  einer  Nase  besetzt  ist,  von  so  ungelenker 
Form  oder  Arbeit  auf,  dass  man  sagen  muss,  ein  Meister  wie  Eisenhuth 
kann  derlei  nicht  gemacht  haben.  Es  muss  also  ein  anderer  von 
jenen  Goldschmieden,  die  Caspar  von  Fürstenberg  nach  seinen  Tage- 
büchern beschäftigte,  in  Frage  kommen,  und  zwar  entweder  der  Meister 
Andres  aus  Paderborn  oder  einer  von  den  Goldschmieden  aus  Meschede, 
Frankfurt  oder  Köln,  welche  von  ihm  Aufträge  erhielten ;  oder  sollte 
der  Kelch  in  Regensburg  bestellt  sein,  wo  Caspar  sich  nach  seinen 
Tagebüchern  1603  mehrere  Monate,  oder  in  Mainz,  wo  er  sich  1604 
aufhielt?  Ich  möchte  mich  für  einen  Kölner  Goldschmied  entscheiden, 
und  zwar  aus  dem  Grunde,  weil  in  seiner  Vaterstadt  noch  Email  ge- 
macht wurde,  was  in  Westfalen  damals  wohl  keinem  Meister  mehr 
gelang.  Dieser  hat  dann  daä  Bildliche  im  Hinblick  auf  die  fertigen 
Werke  Eisenhuths  entworfen  und  so  gut  ausgeführt,  als  er  es  vermochte. 

Das  früher  von  mir  unter  allem  Vorbehalte  aufgestellte  Todes- 
datum Eisenhuths  von  1604  stützte  sich  auf  die  Inschrift  dieses  zweiten 
Herdringer  Kelches  und  verliert  nun  jeden  Werth.  Die  Herdringer 
Silberkammer  birgt,  wie  ich  zugleich  bei  Untersuchung  des  Kelches 
feststellte,  übrigens  kein  Stück  mehr,  was  dem  grossen  Warburger 
Meister  oder  auch  nur  seinen  Einwirkungen  mit  Sicherheit  oder  Wahr- 
scheinlichkeit zugeschrieben  werden  könnte  ^). 

Und  nun  das  Soester  Kreuz.  Es  ist  eine  Arbeit  aus  theil weise 
vergoldetem  Silber  von  77  cm  Höhe  und  39  cm  LÄnge  in  dem  Quer- 
balken, in  der  Mitte  mit  dem  Crucifixus  behangen,  in  den  Dreiblattenden 
dreier  Balken  mit  ebenso  vielen  Evangelistenzeichen,  an  den  Bändern 
profilirt  und  mit  gothisirenden  Blumenkämmen  besetzt,  —  ganz  ver- 
gleichbar dem  Eisenhuthschen  Kreuze  zu  Herdringen.  Im  untern  Vier- 
blatte figurirt  von  späterer  Hand  eine  Rose  von  Steinchen,  als  Ersatz 
des  vierten  Evangelistensymbols,  welches  ursprünglich  gewiss  nicht  ge- 
fehlt hat.    Den  Untersatz  macht  ein  dreiseitiger  Ständer  von  zwei  Ge- 

1)  Der  frühere  Gymnasiallehrer  Brand  za  Paderborn  hatte  Herrn  Ahle- 
meyer  daselbst  erzählt,  dass  sich  zu  Herdringen  ein  Kelch  eingemauert  gefun- 
den habe,  worin  eine  Münze  des  Bischofs  Theodor  eingelassen  gewesen.  Das  war 
entweder  der  fiisenhuth'sche  oder,  da  die  Münze  dem  Goldkelche  fehlt,  ein  dritter, 
wovon  mir  indess  nichts  bekannt  geworden.  Nach  einem  Schreiben  des  Herrn 
Yicars  Wol ff  weiss  man  zu  Herdringen  von  einem  eingemauerten  Kelche  Nichte. 


V 


Meister  Ebenhuth.  119 

schössen,  Jederseits  mit  zwei  Nischen  für  Figuren,  ganz  architektonisch, 
fast  schwer  entworfen,  und  ruht  auf  drei  mit  einer  profilirten  Platte 
unterlegten  Volutenfüssen,  deren  eingebogene  Mitte  allegonsche  Dar- 
stellungen im  Stile  Eisenhutbs  beleben.  Wir  erblicken  darin  an  der 
Vorderseite  zwei  lange  nackte,  auf  Fttllhömem  gelagerte  Weibsgestalten, 
in  ihren  Körperlagen  ganz  den  Biegungen  der  Voluten  angepasst,  in 
ihrer  Mitte  einen  betlOgelten  Genius^  welcher  mit  dem  Finger  nach 
oben,  nach  dem  Gekreuzigten  deutet,  und  mit  der  andern  Hand 
Blumen,  FrOchte^  Rosen  und  Aehren  austheilt;  an  einer  andern  Seite, 
ganz  ähnlich  angeordnet,  nur  etwas  gespreizter,  wieder  zwei  unver- 
baute Weibsgestalten.  Die  Linke  der  einen  ruht  in  den  Händen  eines 
zu  Boden  liegenden  Genius,  die  Rechte  hält  einen  im  Mittelfelde 
stehenden  Schild  mit  dem  Pelikan,  die  andere  Gestalt  sitzt  auf  einem 
Füllhorn  und  reicht,  indess  ein  Genius  ihr  den  Kranz  aufeetzen  will, 
mit  der  Linken  einen  Blumenkorb  mit  zwei  herabhängenden  (Lorbeer?) 
Zweigen  nach  der  andern  herüber.  Im  Bilde  der  dritten  Seite  ruhen 
zwei  grosse  Mannsgestalten,  auch  ganz  nackt  und  ähnlich  entworfen, 
wie  die  Weibsbilder  der  andern  Seiten;  Blumen  und  Fruchtschnttre 
bilden  ihre  Lager  und  beschäftigen  ihre  Hände.  In  ihrer  Mitte  sitzt 
auf  einer  muschelartigen  Erhebung  der  Phönix  mit  dem  Ringe  im 
Schnabel  und  mit  zwei  vollen  Aehren  behangen.  Den  obern  Zwickel 
über  den  Einbeugungen  der  Fussvoluten  ziert  ein  Blumenkorb  in  der 
Form  einer  Sonnenblume.  Die  drei  Darstellungen  haben  Bezug  auf 
das  Werk  der  Kreuzigung  und  Erlösung,  ebenso  wie  jene  des  Ständers: 
die  letztere  versinnlicht  in  den  beiden  Männern,  von  welchen  einer 
noch  zu  schlafen  scheint,  die  Welt  und  durch  den  Phönix  ihre  Wieder« 
belebung,  die  zweite  die  Wiederkehr  der  Liebe  in  den  Weibsgestalten 
und  dem  Pelikan  des  Schildes,  und  die  dritte  das  Glück  und  die  durch 
den  Tod  des  Herrn  erworbene  Beseligung;  denn  der  Genius  weist  die 
auf  Blumen  gebetteten  Gestalten  nach  oben.  Die  Zweizahl  der  Figuren, 
jedesmal  mit  einem  bedeutsamen  Mittelbilde,  passte  sich  dem  Räume 
am  besten  an,  und  ihre  einförmige  Wiederkehr  ist  nur  gebrochen 
durch  den  Wechsel  der  Handlungen  und  die  Haltung  der  Extremitäten. 
Die  Verwendung  von  Fruchtschnüren  und  Füllhörnern,  die  flachen 
ReUef8>  die  Länge  und  Nacktheit  der  Figuren,  die  symmetrische  An- 
ordnung sind  auch  Eisenhuth  namentlich  auf  den  Buchdeckeln  ge- 
läufig, ebenso  die  antikisirende  Gewandung,  welche  durch  Michel  Angelo 
in  die  Kunst  gedrungen  war,  und  die  Allegorien  und  Personificationen, 
wie  letztere  denn  damals  durch  Theaterstücke  und  die  neulateinischen 


120  Meister  EUenhath. 

Dichtungen  immer  mehr  in  den  Gedankenkreis  der  gebildeten  Welt 
Überflossen  und  hier  eine  etwas  gesuchte  Verwendung  fanden.  Selbst 
der  Ständer  lässt  sich  in  seinem  architektonischen  Baue  mit  dem 
Rahmenwerke  eines  Buchdeckels  von  Eisenhuth  vergleichen.  An  seine 
Werke  erinnert  also  deutlich  der  erste  Eindruck  des  Ganzen  —  eine 
genauere  Betrachtung  aber  lässt  nur  seinen  Einfluss,  nicht  seinen  werk- 
thätigen  Antheil  erkennen.  Die  Arbeit  ist  fOr  ihn  zu  stumpf,  die  Aus- 
führung zu  schwach  und  passt  nur  für  einen  Nachahmer,  der  sich  mit 
Ernst  und  Liebe  in  den  Stil  und  in  die  Formenwelt  des  Meisters  hin- 
einzuarbeiten bemühte.  Am  Kreuze  zunächst  sind  die  aus  den  Blumen- 
kämmen der  Vierpässe  vorspringenden  Knoten  nur  ungeschickt  ausge- 
arbeitet, die  Vierpässe  nicht  durchbrochen  und  mit  gekräuseltem  Laub- 
werk gefüllt,  sondern  solide,  also  einfach  hergestellt.  Das  Corpus 
entbehrt  im  Antlitze  und  in  den  Muskellagen  des  Lebens  und  der 
Weichheit,  welches  dem  Warburger  Meister  eigen  ist;  der  Ständer 
und  Fuss  verlassen  die  gothisirende  Art  des  Kreuzes,  um  dafür  ganz 
den  Stil  der  spätem  Renaissance  anzunehmen,  ja  das  Gerüste  des 
Ständers  offenbart  die  Strenge  der  buchmässigen  Architektonik  bis  auf 
das  Giebelchen  der  obem  Nischen,  und  der  reichere  Ausdruck  einer 
Metallarbeit  wird  kaum  wiedergewonnen  durch  die  Büsten,  phantasti- 
schen Weibsbildchen,  die  wunderlich  gestalteten  Schnecken,  welche  auf- 
und  angesetzt  sind  und  die  Vergoldung  betonter  Theile.  Was  ihre 
Darstellungen  betrifft,  so  weisen  in  den  obern  Nischen  drei  Genien, 
vielleicht  die  Gardinaltugcnden,  mit  brennender  Fackel  nach  dem  Er- 
löser, während  sie  in  der  Rechten  einen  einfachen  Schild  auf  den  rechten 
Fuss  stützen,  und  die  untern  Nischen  beleben  die  Bilder  der  Ver- 
kündigung, Heimsuchung  und  der  Flucht  nach  Egypten.  Der  Fuss 
verzichtet  vollends  auf  reichere  Metallformen  und  paradirt  allein  durch 
die  Metallbildnerei.  Diese  macht  ja  die  Hauptstärke  Eisenhuths,  und 
die  antikisirende  Gewandung  in  den  untern  Bildern  des  Ständers  war 
ihm  nicht  fremd.  Genauer  verglichen  erwiesen  sich  die  Reliefs  des 
Fusses  wieder  schwach  in  der  Ausführung,  gesucht  in  der  symmetri- 
schen Anlage  und  kalt  in  der  Einförmigkeit. 

Die  Stilverschiedenheit  des  Kreuzes  und  des  Sockels  deutet  viel- 
leicht gar  auf  verschiedene  Meister  und  2^iten  der  Entstehung.  Beim 
Warburger  Meister  sind  die  verschiedenen  Stile  ganz  meisterhaft  mit 
einander  verschmolzen  und  versöhnt,  hier  treten  sie  von  einander  ge- 
trennt, der  eine  oben,  der  andere  unten  auf.  Am  Kreuze  spiegelt 
sich  Eisenhuths  Vorbild  klar  wieder,    am  Sockel  nur  in  allgemeinen 


Meister  Eisenhatb.  121 

Zfigen.  Der  letztere  erreicht  auch  mit  dem  Ständer  eine  Höbe  von 
über  SO  cm,  welche  das  Ebenmass  überschreitet  und,  sofern  von  Regeln 
die  Rede  sein  kann,  dem  Gesetze  des  goldenen  Schnittes  widerspricht 
Das  ganze  Werk  entsprang  also  keinem  einheitlichen  Entwürfe,  der 
Sockel  ist  später  gemacht,  für  sich  gar  mächtig  entwickelt  und  mit 
der  Kreuzigung  nur  durch  die  Bildwerke  in  einen  Einklang  gebracht 
und  durch  die  Farbe  des  Metalls,  insofern  der  gothische  Randbesatz 
des  Kreuzes,  die  Corona,  die  Haupthaare,  das  Schamtuch  des  Erlösers 
und  die  Evangelistenzeichen  sich  durch  Vergoldung  vom  silberfarbigen 
Ganzen  abheben.  Das  Kreuz  mag  schon  bald  nach  Vollendung  des 
Herdringer  Kreuzes  (1589),  der  Sockel  wird  erst  im  Anfange  des  16. 
Jahrhunderts  gefertigt  sein,  zumal  da  die  undurchbrochenen  Voluten- 
füsse  wesentlich  den  Metallwerken  der  Barockzeit  zukommen.  Die 
beiden  Künstler  ausserhalb  des  Landes  zu  suchen,  nöthigt  uns  kein 
einziger  Umstand;  Eisenhuth,  welcher  sogar  den  grössten  Bildhauer 
seiner  Gegend  beeinflusste,  hat  gewiss  auch  Schüler  gehabt  und  unter 
seinen  Landsleuten  Goldschmiede  gefunden^  welche  seine  herrlichen 
Werke  nachbildeten,  überhaupt  ihm  so  weit  nachstrebten,  als  es  in 
ihren  Kräften  lag. 

Wir  haben  zwei  Kunstwerke  der  Goldschmiede  näher  betrachtet, 
welche  zwar  nicht  aus  der  Hand  des  Meisters,  aber  mehr  oder  weniger 
aus  dem  Geiste  hervorgegangen  sind,  welchen  er  seinen  Prachtwerken 
einhauchte.  Diese  müssen  unter  den  Goldschmieden  in  der  Nähe  und 
Feme  überrascht  und  zum  Wetteifer  angespornt,  den  Stil  namentlich 
in  das  Geleise  malerischer  Metallbildnerei  hinübergeleitet  haben.  Das 
beweisen  unsere  beiden  Kunstwerke.  Während  das  Kreuz  in  Westfalen 
entstand,  muss  der  goldene  Kelch  seinen  Künstler  anderwärts,  etwa  in 
Köln  gefunden  haben.  Meistemamen  finden  sich  —  aber  sie  mit  eini- 
ger Berechtigung  auf  die  Werke  zu  beziehen,  dafür  gibt  es  keinen  Halt. 
Wer  auch  unter  den  anerkannten  Werken  des  Meisters  die  Echtheit 
des  einen  oder  andern  anzweifelt,  denke  an  den  engen  Verband,  wel- 
cher einst  die  Vertreter  desselben  Kunsthandwerks,  den  Meister  und 
die  Schüler  umschlang.  Zweifelhafte  Werke  brauchen  nicht  jedesmal 
nach  dem  Tode  des  Meisters  entstanden  zu  sein;  —  die  berühmtesten 
Goldschmiede^  welche  ihrer  Aufträge  nicht  allein  Herr  wurden,  haben 
gewiss,  wie  die  Häupter  der  alten  Malerschulen,  sich  wiederholt  damit 
begnügt,  den  Entwurf  anzugeben  oder  zu  skizziren,  auch  einen  Theil 
eines  Werkes  selbst  auszuführen  und  das  Weitere  den  Händen  ihrer 
Kunst-  and  Zunftgenossen  zu  überlassen.    Das  Hofkünstlerthum,  wel- 


1S2  Meister  Eisenhath. 

ches  einen  Meister  von  der  Zunft  trennte  und  oft  zu  ihr  in  eine  schiefe 
Stellung  brachte,  war  damals  in  Westfalen  noch  nicht  eingedrungen, 
jedenfalls  hatte  Warburg  keine  Eunstzünfte  und  waren  die  Meister  dort 
freie  Leute,  —  aber  es  lag  den  freien  Meistern  dort  ebenso  nahe,  wie 
den  Zunftmeistern  der  grossen  Städte,  sich  gleichsam  wie  Glieder 
einer  Familie  aneinanderzuschliessen,  sich  gegenseitig  Arbeit  und  Brod 
zu  Terschafifen  und  in  die  Hände  zu  arbeiten,  um  nur  auswärtige  C!on- 
currenz  oder  den  Zufluss  anderer  Meister  abzuwehren.  Und  selbst  die 
grössern  Künstler  scheinen,  wie  das  die  alten  Gemälde  zeigen,  oft  ein 
Auge  zugedrückt  zu  haben,  wenn  sie  die  Ausführung  ihrer  Werke 
heimischen  Meistern  anvertrauten ;  so  tief  steht  oft  der  Antheil  der  letz« 
tem  unter  der  Arbeit  jener.  Fremde  Meister  und  Goncurrenz  waren 
Schreckensworte  fUr  die  Kunsthandwerker.  Diese  hingen  nicht  nur 
durch  die  Beschäftigung,  sie  hingen  auch,  wie  es  die  ständische  Glie- 
derung mit  sich  brachte,  durch  mannigfaltige  Familienverbindungen 
wie  durch  die  gemeinsamen  Interessen  mit  einander  zusammen;  der 
eine  theilte  dem  andern  durch  Wort  und  Beispiel  gern  und  leicht  seine 
Erfahrungen  und  Fortschritte  in  Form  und  Technik  mit.  Das  versteht 
sich  von  den  grösseren  Zunftstädten  von  selbst,  aber  diese  waren  stete 
das  Muster  und  das  Augenmerk  der  kleinem  Landstädte. 

Dies  in  Betraebt  gezogen,  darf  man,  wenn  nicht  bestimmte  Nach- 
richten oder  anderweitige  Umstände  das  Gegentheil  darthun,  einen  An- 
theil des  Meisters  an  stilverwandten  Werken  nur  mit  Vorsicht  weg- 
läugnen,  und  namentlich  möchte  ich  denselben  nicht  aufgeben  für  das 
silberne  Rauchfass  des  Herdringer  Schatzes,  welches  mit  den  sichern 
Arbeiten  Eisenhuths  den  Fundort  und  daher  wahrscheinlich  auch  die  Her- 
kunft theilt,  nämlich  aus  dem  Vermächtnisse  des  Paderbomer  Bischofs. 
Einen  mittelbaren  Antheil  gestanden  wir  auch  für  das  Soester  Kreuz 
zu,  läugneten  ihn  auch,  weil  die  Technik  und  Stilverhältnisse  es  so 
wollten,  für  den  kleinen  Goldkelch  zu  Herdringen  nicht  ganz  ab. 

Wir  können  mit  höchster  Wahrscheinlichkeit  noch  eine  Pracht- 
arbeit des  Meisters  nennen,  leider  nur  ihren  Verbleib  nicht  angeben« 
Einige  Stunden  westlich  von  Warburg,  schon  im  sauerländischen  Ge* 
birge,  lag  das  grosse  Gistercienserkloster  Bredel ar:  dort  regierte  von 
1593  bis  1611  ein  pracht-  und  kunstliebender  Abt,  Namens  Ulrich 
Iserenhoit;  er  baute  einen  neuen  Hochaltar,  beschaffte  allerhand  kost- 
bare Kirchenutensilien  und  Geräthe,  und  darunter  leuchtete  hervor 
»ein  wegen  seiner  künstlichen  Arbeit   lange  aufbewahrter  goldener 


^ 


Meister  Sisenhuth.  128 

Kelch«  ^).  Dieser  Abt  stammte  jedenfalls  aus  dem  anfernen  Warbarg, 
wo  die  Iserenhoits  zu  Hause  waren,  and  hatte  gewiss  zum  Vater  oder 
Grossvater  jenen  Ulrich  Isemhod,  aus  dessen  Hause  1540. 7./1.  ur- 
kundlich ')  sechs  Malter  Korns  verschrieben  wurden.  Der  Abt  ist  1560 
geboren,  und  die  Eisenhuthsche  Familie  hing  ohne  Frage,  auch  in  den 
Verzweigungen,  wenn  solche  eingetreten  waren,  noch  später  um  so 
enger  zusammen,  als  sie  erst  vor  hundert  Jahren  dort  eingebürgert 
war;  denn  bis  gegen  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  verlautet  von  ihr 
in  Warburg  Nichts.  Jenen  Prachtkelch  hat  also  gewiss  der  Abt  Ul- 
rich Iserenhoit  bei  seinem  Stamm-  und  Namensverwandten  Goldschmiede 
Anton,  welcher  damals  ja  auch  für  den  Bischof  von  Paderborn  ar- 
beitete, bestellt  und  ausführen  lassen.  Wo  das  bewunderte  Kleinod 
geblieben,  darüber  kann  ich  nicht  urtheilen;  vielleicht  ging  es,  und 
dafür  scheint  die  betreffende  Nachricht  zu  sprechen,  während  des 
Klosterbestandes  unter,  vielleicht  ist  es  bei  der  Säcularisation  veräussert 
oder  in  den  Jahren  1805— 1816  >)  nach  Darmstadt  gekommen  —  wo 
mir  gleichwohl  im  Museum  Nichts  aufgestossen  ist,  was  einem  Eisen- 
hathscben  Kelche  oder  Werke  ähnlich  sähe. 

Welchem  Schicksale  die  übrigen  Gimelien  Eisenhuths,  sofern  sie 
der  Paderborner  Bischof  Dietrich  von  Fürstenberg  angeschafft  und  be* 
sessen  hatte,  anheimgefallen  sind,  »lässt  sich  nicht  schwer  errathen  nach 
einem  handschriftlichen  Memorial,  welches  ich  1878  publicirt  und  er- 
läutert habe^)«;  danach  hatten  Caspar  von  Fürstenberg  und  seine 
Schwester  Ottilie  von  Fürstenberg,  Aebtissin  von  Oelinghausen,  von 
ihrem  Bruder,  dem  1618  verstorbenen  Bischof  Dietrich  geerbt  fünfzig 
Gentner  Silbers  bloss  an  Reichsthalern,  drei  und  sechszig  Säcke  mit 
Gold,  einen  jeden  mit  fünfhundert  Reichsthalern,  »ein  schoen  vergulden 
Kruetze,  zwei  verguldenen  Degens,  item  so  viele  sulvergeschires,  so  zu 


1)  J.  S.  Seibertzy  in  C.  W.  Grotes  Historisch.  Jahrbache  för  Westfalen 
und  den  Niederrhein  (1817)  I,  121. 

3)  Fahne,  Geschichte  der  Dynasten  . . .  von  Bocholts  I,  I.  183  No.  64. 
S)  Dabin  kam  auch  1808  von  Arnsberg  der  den  Ständen  des  Hersogthuma 

Westfolen  vom  Gharfursten  Maximilian  Heinrich  von  Baiem  (1650—1688)  ver- 
ehrte Landesbecher,  „ein  silbern  verguldtes  Trinkgeschirr  mit  KrystaU  und  an« 
dem  ans  sonderbarer  Kunst  und  selbsteigener  Invention  gefertigten  Steinen 
besetzt.''  Die  churf&rstliche  Schenkungsurkunde  von  1667  22./1.  beiWormstall 
in  Piok's  Monatsschrift  für  Rheinisch-westfalsiche  Geschichtsforschung  und  Alter- 
thnaiakonde  (1875)  I,  890.  —  Vgl.  die  Anlagt 

4)  In  der  Zeitschrift  für  Preossiscbe  Geschichte  und  Landeskunde  XY,  09  ff. 


1 


124  Meister  EUenlratli. 

^ner  fürstlichen  TaefFelen  gehoereta  —  im  gesammten  geschätzt  auf 
7  Tonnen  Goldes.  Dieser  gewaltige  Schatz  wurde  im  dreissigjäbrigen 
Kriege  zu  Soest  im  Hofe  des  Klosters  Oelinghausen  geborgen,  jedoch 
nur,  um  das  Schicksal  des  hierher  geflüchteten  Domschatzes  von  Pader- 
born im  Werthe  von  330,000  Reichsthalem  zu  theilen,  welchen  der 
Propst  des  Patroklistiftes  in  Verwahr  genommen  hatte,  bis  er  am  27. 
Januar  1622  auf  die  ungestümen  Drohungen  des  tollen  Christian  von 
Braunschweig  aus  dem  Verstecke  hervorgelangt  werden  musste;  auch 
der  Fürstenberger  Familienschatz  wurde  am  5.  April  von  Braunschweig 
entdeckt  und  entführt  —  dazu  noch  »eine  Zethull,  so  da  meldet  aoff 
zwey  Koffers  mit  golde,  aber  noch  nicht  gefunden  worden,  item 
noch  eine  schoene  goldene  Kethen,  so  ein  Gewehrde  sein  soll.« 

Die  früheren  Requisitionen  in  der  Stadt  Soest  beliefen  sich  an 
Geld,  Kostbarkeiten  und  Schätzen  mit  Einschluss  des  genannten  Dom- 
schatzes auf  einen  Werth  von  anderhalbhunderttausend  Reichsthalern, 
und  dazu  war  noch  eine  Nachlese  des  Obersten  Frank  gekommen;  er 
lieferte  einen  der  Aebtissin  zu  Heerse  gehörigen  Schatz  von  80,000 
Thalern  an  Christian  aus.  Diese  Aebtissin  von  Heerse  war  wohl  keine 
andere,  als  Ottilie  von  Fürstenberg,  welche  wir  schon  als  Aebtissin  von 
Oelinghausen  kennen  lernten,  und  der  Heerser  Schatz  sicher  ein  an- 
derer, als  der  Fürstenberger. 

Welch'  unermessliche,  orientalischen  Reichthümern  vergleichbare, 
Schätze  an  Gold  und  Silber,  an  Geräthen  und  Kunstwerken  der  edel- 
sten Stoffe  müssen  damals  in  den  Schatzkammern  der  Städte,  der  Für- 
sten, der  Stifts-  und  Klosterkirchen,  sogar  des  Adels  aufgehäuft  ge- 
wesen, und  welche  Massen  davon  im  dreissigjäbrigen  Kriege  geraubt, 
durch  Unkenntniss,  sog.  Restaurationen,  neuen  Ersatz  und  Verkäufe 
verschwunden  und  untergegangen  sein.  Es  ist,  als  hätten  die  Brauu- 
schweiger  gerade  Westfalen  als  die  Schatzkammer  von  Gold  und  Gold- 
sachen angesehen  und  ausgebeutet;  denn  schon  1553  und  1563  machten 
sie  hier  ähnliche  Raubzüge  und  Beuten,  wie  später  der  tolle  Christian. 

Der  Fürstenberger  Schatz,  welcher  im  Oelinghauser  Hofe  zu  Soest 
in  die  Hände  der  Krieger  fiel,  umfasste  gewiss  auch  die  Werthstücke 
des  Stammhauses  und  des  Klosters  Oelinghausen;  sie  mochten  für  sich 
an  Reichhaltigkeit,  Kostbarkeit  und  Kunstwerth  den  Erbstücken  des 
bischöflichen  Bruders  bei  Weitem  nicht  gleichkommen,  waren  aber 
sicher  theuer  genug,  um  mit  diesen  geborgen  und  geschützt  zu  wer- 
den. Die  Reichhaltigkeit  uvd  der  Werth  des  bischöflichen  Schatzes 
können  uns  zeigen,  dass  Dietrich  von  Fürstenberg  ein  Haushalter  war, 


Meiflier  Eisenliath.  126 

dass  Beine  Kanstliebe  namentlich  goldenen  und  silbernen  Werken  zu 
Gute  kam,  zumal  da  ein  so  bedeutender  Meister  wie  Eisenhuth  ihm 
so  einzige  Kunstwerke  zu  schaffen  im  Stande  war.  Thatsächlich  hat 
Eisenhuth  ja  auch  wesentlich  seine  Kunst  dem  Bischöfe  von  Paderborn, 
vereinzelt  nur  dessen  Bruder  Caspar  oder  dem  verwandten  Abte  von 
Bredelar  geliehen. 

Unter  jenen  Herrlichkeiten  des  bischöflichen  Erbschatzes  —  wir 
haben  doch  nun  die  Herkunft  der  Eisenhuthschen  Werke  zu  Herdringen 
erfahren  —  welcher  zu  Soest  geraubt  wurde,  waren  vielleicht  das  vergol- 
dete Kreuz,  die  beiden  vergoldeten  Degen,  die  schöne  Goldkette  von 
grossem  DGewehrde«,  das  silberne  Tafelgeschirr,  eben  weil  sie  beson- 
ders hervorgehoben  werden,  einzige  Werke,  und  Prachtwerke  Eisen- 
huths.  Sie  sind  geraubt  und  vielleicht  mit  dem  Paderbomer  Dom- 
schatze eingeschmolzen.  »Vielleicht  also,  dass  wir  in  jenen  berühmten 
Thalem  des  tollen  Christian  mit  der  Aufschrift:  »Gottes  Freund,  der 
Pfaffen  Feind«  Reste  der  berühmtesten  Kunstwerke  der  Renaissancezeit 
und  darunter  auch  manche  Arbeit  Anton  Eisenhuths  zu  erkennen 
habeutf.  Die  beiden  Koffer  mit  Gold,  welche  den  Händen  des  Braun- 
schweigers entgingen,  mögen  die  grössten  Kostbarkeiten  umschlossen 
haben,  also  jedenfalls  auch  die  kirchlichen  Metallgeräthe  des  Klosters 
Oelinghausen  und  der  Fürstenberger  Hauskapelle.  Wären  auch  sie 
entdeckt,  so  wäre  auch  der  Herdringer  Schatz  mit  dem  kleinen  Gold- 
kelche und  den  noch  übrigen  Werken  verschwunden,  welche  uns  den 
grössten  Respect  vor  ihrem  Meister  eingeflösst  haben.  Machen  diese 
hiemach  auch  nur  einen  kleinen,  gleichwohl  den  edelsten  Theil  seiner 
Thätigkeit  aus,  so  würden  wir  dann  vom  Meister  und  seiner  Eunst- 
thätigkeit  nur  eine  sehr  unklare  und  mangelhafte  Vorstellung  erlangt 
haben,  weil  sie  sich  lediglich  stützte  auf  seine  Kupferstiche  und  auf 
schriftliche  Nachrichten.  Man  sieht  daraus,  wie  leicht  die  schönsten 
Werke  und  der  verdiente  Ruhm  eines  Künstlers  der  Wissenschaft  so 
gut  wie  vöUig  entschwinden  können. 

In  Westfalen  trieben  die  Kleinkünste  ihre  höchste  Blüthe  in  der 
Stickerei,  in  der  decorativen  Holzschnitzerei,   in  den  Metallkünsten  ^) 


1)  Ao8  der  Fürstenberger  Familie  selbst  ging  ein  bedeutender  Künstler 
hervor.  Aaf  der  Kehrseite  des  zweiten  Titels  der  Monnmenta  Paderbomensia, 
Amstelodami,  ap.  Dan.  Elsevirium  1672  steht  bezüglich  des  grossen  von  A.Bloe- 
telingh  in  Kupfer  ausgeführten  Portraits  des  Verfassers:  In  effig^em  reveren- 
dissimi  et  celsissimi  prinoipis  Ferdinandi  episcopi  et  prinoipis . . .  libeH  baronis 


126  Maieter  BUenhnth. 

mit  EinschluBs  des  Gelb-  und  Rothgusses.  Dafür  liegen  aus  alter  Zeit, 
ja  bis  zum  Lebensende  Eisenhuths  der  thatsächlichen  Beweise  noch 
genug  vor;  und  wenn  diese  auch  nur  in  wenigen  Resten  mehr  flbrig 
sind,  dies  Wenige  lä^st  uns  in  eine  herrliche  künstlerische  Vorzeit 
blicken.  Auch  im  17.  Jahrhunderte,  als  mit  den  Kriegen  der  Spanier 
und  Holländer  immer  mehr  ünglückswolken  über  das  Land  zusammen- 
zogen, als  es  durch  die  LoslOsung  Hollands  ein  Grenzland  Deutsch- 
lands wurde,  auch  als  der  dreissigjährige  Krieg  hier  die  Volkscultar 
und  kunst,  Hofkünstler-  und  Architektenthum  den  Verband  und 
die  Wurzeln  des  frühern  Kunstlebens  zerstörte,  bringt  es  die  Gold- 
schmiede noch  zu  Werken,  die  von  ihrer  festen  Begründung  im  Hand- 
werke zeugen  und  den  Nürnberger  und  Augsburger  und  dann  den 
Pariser  Waaren,  welche  mehr  und  mehr  in  die  Klöster  und  Schlösser 
kamen,  oft  noch  glücklich  die  Spitze  boten.  Ich  will  nur  einzelne 
Thatsachen  heryorheben,  welche  beweisen  können,  dass  Eisenhuth's 
Landsleute  seiner  Künstlerbahn  noch  lange  und  so  viel  Ehre  machten, 
als  man  unter  den  Zeitumständen  nur  erwarten  konnte.  Früher  schon 
wies  ich  hin  auf  den  leider  nur  mehr  im  Abgüsse  voAandenen  Schild 
der  Mttnsterischen  Goldschmiede  aus  dem  Jahre  1613,  um  zu  zeigen, 
wie  das  edelste  Formengefühl  der  Renaissance  hier  bis  ins  17.  Jahr- 
hundert nachleuchtete.  Er  zeigt  bei  15Vt  cm  Höhe  einen  Schild  mit 
drei  Pokalen,  ringsher  elf  Schildchen  mit  den  Marken  der  Meister,  den 
untersten  mit  dem  Namen:  Herman  Pothof,  welcher  wohl  der  Gilde- 
meister und  der  Urheber  des  Werkes  war.  D  urch  schöne  Gruppirung, 
Reinheit  der  Linien  und  meisterhafte  Ausführung  überraschen  dann 
an  den  Rändern  unten  Genien  mit  den  Werkzeugen  und  an  den  Seiten 


de  Fürstenberg  penioillo  Theodor!  Gaspari  liberi  baronis  de  Fursten- 
berg,  canonici  Moguntini  et  Spirensts,  fratris,  affabre  depictam  et  in  aes 
incisam.  Dietrich  Caspar,  Domherr  zu  Maine  und  Speier,  geb.  1615,  gest.  1675, 
war  ein  Bruder  des  gelehrten  Fürstbischofs  Ferdinand  von  Fürstenberg  zu  Pader- 
born, machte  sich  namentlich  durch  die  jetzt  so  kostbaren  Blätter  in  Schab- 
manier bekannt.  Nachdem  n&mlich  Prinz  Rupert  von  der  Pfalz  das  Geheivnita 
von  Ludwig  von  Siegen  erfahren  und  dem  Kupferstecher  Vaillant  unter  tiefster 
Verschwiegenheit  mitgetheilt  hatte,  wurde  es  1656  von  Vaillant's  Sohn  verrathen; 
gewiss  ist,  dass  Fürstenberg  1656  bereits  das  Geheimniss  kannte,  und  mit  seinem 
Namen  Vorzügliches  darin  leistete.  In  der  Reihe  der  Schabkünstler  folgt  er  auf 
Vaillant  und  seine  Schüler  Joh.  Friedr.  v.  Eltz  und  J.  J.  Krämer  traten  in  seine 
Fussstapfen.  G.  K.  Nagler,  Die  Monogrammisten  II,  No.  2027.  Meine  Skizze 
seines  Lebens  in  der  Allg.  deutschen  Biographie  VIII,  232. 


V 


Meister  Eisenlinth.  127 

zwei  allegorische  Gestalten  mit  Pokalen  und  oben  die  Gloria  mit  der 
Posaune. 

Mitten  im  dreissigjährigen  Kriege  1627  wurde  der  Liboriusscbrein 
des  Domes  zu  Paderborn,  einer  der  grössten  in  seiner  Art,  im 
Heimatslaode  Eisenhutbs,  und  zwar  im  Städtchen  Dringenberg  herge- 
stellt —  eine  Stiftung  des  Landdrosten  Wilhelm  Westphalen  und  seiner 
Gemahlin  Elisabeth  Ton  Loe.  Der  frühere  aus  vergoldetem  Silber  und 
im  Schmucke  von  edlen  Steinen  war  auch  vom  tollen  Christian  geraubt. 
Er  hat  die  Form  eines  Sarges,  1,33  m  Länge,  52  cm  Breite  und  62  cm 
Höhe  0.  An  jeder  Langseite  befinden  sich  6  Nischen  mit  den  gegosse- 
nen Statuen  der  Apostel,  welche  alle  verschieden  an  Gestalt,  Stellung 
und  Gewändern  die  Meisterschaft  des  Künstlers  darthuen.  Zwischen  den 
Nischen  tragen  sieben  verzierte  korinthische  Säulen  das  herumlaufende 
Hauptgesims.  An  der  Vorder-  und  Rückseite  sind  sodann  gleichartige 
Säulen  angebracht,  so  dass  das  Dach  von  18  Säulen  getragen  wird. 
Auf  diesem  Dache  ruhen  in  länglicji  runden  Nischen  die  62  cm  langen 
Bilder  des  h.  Liborius  und  des  h.  Kilian.  Die  vier  Räume  über  den 
Köpfen  und  unter  den  Füssen  dieser  Heiligen  enthalten  die  hochge- 
triebenen Figuren  der  vier  grössten  Kirchenväter. 

Die  vordere,  die  .Hauptfront,  zeigt  eine  grossartige  Darstellung  der 
Kreuzigung  mit  vielen  Figuren  in  trefiflicher  Gruppirung,  das  Giebel- 
feld das  Bildniss  der  h.  Jungfrau.  Unten  am  Fusse  haften  zwei  Braun^ 
Schweiger  Thaler  mit  der  bekannten  Aufschrift:  Gottes  Freund,  der 
Pfaflfen  Feind.  Auf  der  Rückseite  erzählt  eine  lateinische  Inschrift  von  dem 
Raube  des  vorigen,  und  der  Stiftung  und  dem  Stifter  des  gegenwärtigen 
Schreines.  Am  Fusse  sind  4  Thalerstücke  (sächsische  Zweigulden)  be- 
festigt unter  der  Schrift:  Dise  •  arbeit  •  habe  -  ich  •  Hans  •  Krako  - 
zum -Dringenberg -gemagh- von- solgen-daler- als- hir-unden- 
bigelacht-  sind  •  A.  1627.  Die  24  Wappen  der  damals  lebenden  Dom- 
herren vertheilen  sich  paarweise  unter  den  Figuren  der  Apostel  und 
lassen  einen  Zwischenraum  für  deren  Namen.  Auf  den  vier  Ecken  des 
Daches  ruhen  die  vier  Evangelisten.  Die  beiden  Giebelspitzen  tragen 
ein  einfaches  Kreuz  und  der  First  noch  5  kleinere  Statuen,  welche  mit 
6  Lilien  in  gleichen  Räumen  abwechseln.  Auch  über  jeder  Säule  steht 
auf  dem  Hauptgesimse  eine  8  cm  hohe  Statue.  Den  Schrein  schmücken 
85  gegossene  Standbilder  ausser  dem  Kreuze  Christi  und  denen  der 


1)  Ygl  C.  Mertens,  der  h.  Liborius,  1873,  S.  104  f.  nnd  die  Abbildung 
vor  dem  Titel. 


128  Meister  Eiaenhnth. 

Mitgekrettzigten.  Alles  übrige  Bildwerk  besteht  aus  hochgetriebener 
Arbeit,  ebenso  die  geschmackvollen  Ornamente  der  Zwischenräume; 
das  ganze  Kunstwerk  besteht  aus  stark  vergoldeten  Silberplatten, 
welche  auf  einen  eichenen  in  den  Wandungen  8  cm  starken  E[asten 
mit  silbernen  Nägeln  befestigt  sind.  Im  Ganzen  enthält  der  Schrein 
246  einzelne  Silbertheile,  die  zusammen  55  Kilogramm,  641  Vt  Gramm 
(111  Pfund  SVaLoth)  wiegen.  Eine  Pergamentrolle  im  Innern  nennt 
die  Zeugen  der  feierlichen  Beisetzung  von  1627  und  unter  ihnen  auch 
den  Magister  Johannes  Kracho  et  socius  eins. 

Form  und  Ausfuhrung  bekunden  den  Geist  der  trockenen  Spät- 
renaissance, die  Arbeit  verräth  einen  Meister,  welchem  noch  eine 
Technik  von  vieler  Breite  zu  Gebote  stand.  Das  Reliquiar  desPader- 
bomer  Domes  ist  sein  Hauptwerk,  wie  es  in  solcher  Grösse  wohl  nicht 
mehr  entstanden  ist.  Dass  es  ihm  übertragen  wurde,  zeugt  schon  von 
dem  Rufe,  den  er  als  Gold-  und  Metallkflnstler  besass.  Ausserdem  nennt 
man  als  sein  Werk  eine  messingene  Hängelampe  in  der  Kirche  seiner 
Vaterstadt;  die  Zahl  seiner  Arbeiten  wird  sich  aber  ohne  Frage  noch 
vergrössern,  wenn  erst  die  Orts-  und  Kunstforschung  sich  den  Wer- 
ken der  letzten  Jahrhunderte  einmal  mit  der  Liebe  und  dem  Ver- 
ständniss  zuwendet,  die  ihnen  gebührt.  Hans  Krako  wurde  1587  zu 
Brakel  nach  dem  dortigen  Bürgerbuche  Bürger,  verzog  dann  auf  Ver- 
anlassung des  Landdrosten  Westpbalen  nach  dem  Sitze  der  Drosten, 
nach  Dringenberg,  um  den  Liboriusschrein  anzufertigen i),  und  soll 
darauf  zu  Neuhaus  bei  Paderborn  gewohnt  haben').  Wer  sein  socius 
war,  den  die  Pergamentrolle  des  Schreines  nennt,  wissen  wir  nicht. 

Dringenberg  wie  Brakel  war  eine  kleine  Landstadt,  Neuhaus 
eigentlich  nur  die  kleine  Residenz  der  Landesfürsten.  Sie  theilen  also 
mit  Warburg  den  Ruhm,  einen  bedeutenden  Goldschmied  ihren  Mit- 
bürger zu  nennen,  und  das  noch  in  so  später  und  unruhiger  Zeit. 

Der  alten  Stiftskirche  zu  Freckenhorst  überkam  seit  dem 
Jahre  1669,  als  der  katholische  Gultus  hier  wiederbelebt  und  die  Ge- 
beine der  h.  Thiatildis  mit  grossem  Gepränge  erhoben^)  wurden,  vom 
Landesfürsten  und  Stiftsdamen  allmählig  ein  Schatz  silberner  Geräthe 
und  Bildwerke,  ganz  beträchtlich  an  Zahl,  tüchtig  an  Arbeit,  und  der- 


1)  Mittheüung  des  Herrn  Kendanten  Ahlemeyer. 

2)  Mertens  a.  a.  0.  S.  104. 

8)  Vgl.  die  inhaltreiche  Urkunde  bei  Dorow,  Denkmäler  deatsoher  Sprache 
und  Kunst  (1827)  II,  11—18. 


Meister  Eisenhuth.  129 

selbe  ist  ihr  ziemlich  unverkürzt  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten. 
Ihren  Werth  erhöht  noch,  dass  sämmtliche  Stücke,  ausgenommen  zwei 
grosse  in  Silber  getriebene  Bildnisse  der  heiligen  Maria  und  Joseph 
mit  den  Marken  der  Stadt  Augsburg  und  der  Meister  G  und  CxS, 
im  Lande  ausgeführt  sind.  Das  grösste  davon,  wiederum  einReliquiar 
mit  einer  historischen  Inschrift  und  dem  Datum  1669  3./5.  zeigt  keine 
Marken,  aber  ganz  den  landesüblichen  Stil.  In  Form  eines  von  zehn 
korinthisirenden  Säulen  umstandenen  Hauses  mit  stumpfen  Dachspitzen 
misst  es  an  den  Langseiten  81  cm,  an  den  Schmalseiten  und  in  der 
Höhe  53  cm.  Silber  überzieht  das  Ganze  und  zwar  die  Säulenschafte 
glatt,  sonst  durchgehends  getrieben  oder  beschrieben.  Getrieben  sind 
flach  doch  dicht  die  Ornamente  von  Linienwerk,  Blätteni  und  Ranken 
und  die  den  Dachflächen  aufgenieteten  Medaillonbilder  der  Heiligen 
Katharina,  Walburgis,  Anna  und  Elisabeth.  Ueber  den  Rändern  des 
Daches  ziehen  sich  Krönchen,  über  dem  Firste  Engelköpfchen  hin.  Auf 
den  beiden  stumpfen  Dachflächen  liegt  hier  die  erwähnte  Inschrift,  dort 
das  Wappen  des  Stifters,  nämlich  des  Fürstbischofs  Bernard  von  Galen. 

Bildwerk  ist  nur  massig  und  nur  in  Relief  angebracht,  Technik 
und  Zierden  lassen  das  Mannigfaltige  der  älteren  Goldschmiedekunst 
vermissen  —  und  doch  beansprucht  das  Gefäss  als  Spätling  seiner  Art 
und  als  tüchtige  Arbeit  einen  eigenartigen  Werth. 

Das  Bischofswappen  bezeichnet  weiter  zwei  60  cm  hohe  Stand- 
leuchter, deren  Füsse,  wie  am  Soester  Kreuze,  als  Voluten  gebildet 
und  lebensvoller  gehalten  sind,  als  die  oberen  Theile,  sodann  die  Chor- 
lampe —  ein  34  cm  hohes,  kostbares  Gefäss.  Sie  wächst  nach  oben 
hin  mittelst  Pfühlen  und  Kehlen,  besteht  aus  durchbrochenen  Blatt- 
mustern und  aufgenieteten  Zierplatten  und  trägt  als  Marke  einen 
schräg  stehenden  Anker.  Reliquiar  und  Leuchter  haben  keine  Marken 
und  jedenfalls  keinen  andern  Meister  —  welchen  ?  Da  keine  bestimmten 
Nachweise  über  ihn  vorhanden  sind,  darf  man  wohl  auf  Heinrich 
Hertlief  rathen;  diesen  ernannte  der  Stifter,  der  Fürstbischof  von 
Galen,  welcher  zuerst  in  Westfalen  das  Hofkünstlerthum  einführte, 
1660  zu  seinem  Hofgoldschmiede  0* 

Dazu  kommen,  eine  reiche  79  cm  hohe  Monstranz  aus  vergol- 
detem Silber,  inschriftlich  ein  Geschenk  der  Stiftsdame  Anna  vonWrede 
aus  dem  Jahre  1681,  und  eine  Silberbüste  des  h.  Bonifacius,  inschrift- 
lich eine  Gabe  der  Seniorin  A(nna)  C(atharina)  von  Nehem  aus  dem 


1)  Königl.  Staats-Archiy  zu  Münster,  Landes-Archiv  61,  15. 

9 


180  Meister  Eisenhaih. 

Jahre  1693  —  beide  nach  der  etwas  unbehülflichen  Hand,  zumal  im 
Figürlichen,  unzweifelhaft  heimische  Arbeiten,  wahrscheinlich  eines 
Meisters  aus  der  kleinen  Nachbarstadt  Warendorf. 

Denn  trotzdem  die  Kunst  immer  mehr  in  akademische  Bahnen 
einlenkte,  die  Volkskunst  der  buchmässigen  wich,  der  Kunsthandwerker 
Zeichnungen  Anderer  ausführen  musste^),  wurzelte  sie  doch  in  so 
guten  Ueberlieferungen  und  in  so  sicherer  Technik,  dass  heimische 
Meister  in  einfachen  Metallwerken  immer  noch  Tüchtiges  leisteten. 
Dass  eine  Stadt  wie  Warendorf  ihre  alte  Kunstfertigkeit  nicht  einge- 
büsst  hatte,  zeigen  wieder  andere  silberne  Kirchengeräthe,  welche  in- 
schriftlich die  Aebtissin  Hedwig  Christina  Gertrudis  Korf  (1688—1721) 
beschafft  hat.  Die  Marken  der  Stadt  Warendorf  und  eines  Meisters  B.  K., 
dessen  Initialen  sich  wohl  noch  nach  Acten  oder  Btirgerbüchem  wer- 
den deuten  lassen,  finden  sich  an  sechs  silbernen  Altarleuchtem,  welche 
eine  zweiseitige  Stufenreihe  von  je  63— 69  cm  Höhe  bilden,  auf  voluten- 
artigen Füssen  mit  abgeflachten  Kugeln  stehen,  geschmackvoll  ge- 
zeichnete Stander  und  Teller,  getriebene  Blattornamente,  Engeiköpfe, 
das  Wappen  der  Stifterin  zeigen  und  durch  eleganten  Aufbau  imponi- 
ren.  Dazu  kommen,  um  kurz  zu  sein,  zwei  knieende  lang  beschwingte 
Engel,  welche  Kandelaber  tragen,  zwei  Schalen  und  ein  grosses  silbernes 
Kreuz  von  reicher  Gestalt,  —  ferner  ein  grosses  Weihrauchfass 
mit  dem  Schiffchen,  zwei  Kandelaber  und  zwei  Messkännchen  mit 
Teller.  Alle  diese  schönen  Geräthe  hat  der  Goldschmied  aus  Waren- 
dorf in  Silber  ausgeführt  Und  unter  den  Jüngern  Schätzen  der  Frecken- 
horster  Silberkammer  figuriren  einige  von  Münsterischen,  andere  wieder 
von  Warendorfer  Meistern.  Also  bis  ins  18.  Jahrhundert  hinein  brauchte 
man  nur  einmal  für  grosse  plastische  Statuen  die  Hülfe  Augsburger 
Goldschmiede  in  Anspruch  zu  nehmen  —  alle  andern  Metallsachen 
fertigten  heimische  Künstlerhände. 

Und  noch  jüngsthin  fand  ich  in  der  einsamen  Dorfkirche  zu 
Milte,  nördlich  von  Warendorf,  einen  Silberschatz  von  beträchtlicher 
Reichhaltigkeit  und  unerwartet  tüchtiger  Arbeit,  —  er  ist  meistentheils 
übernommen  aus  dem  benachbarten  Benedi ctinessen-Kloster  Vinnen- 
berg  oder  inschriftlich  1822  und  1825  gestiftet  vom  letzten  Kloster- 
Confessar  Wolfgang  van  Nuys  aus  dem  Kloster  Liesborn.     Unter  den- 


1)  Vgl.  R.  V.  Eitelberger  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  XI,  107  f. 
Dohme  daselbst  XIII,  291  ff.,  meine  „Rückblicke  auf  die  Brüsseler  Ausstellong" 
in  der  Allgem.  Zeitung  1881,  No.  44,  46,  46. 


Meister  Eisenliath.  181 

Geräthen,  Gef&ssen  und  Schmucksachen  zeigen  jene,  womit  man  an 
hohen  Festtagen  den  Hochaltar  ausziert,  nämlich  ein  Crucifix,  zwei 
Wandleuchter,  vier  Reliquientafeln,  zwei  Pyramiden,  zwei  Paare  von 
Altartabellen  und  ein  triumphbogenförmiger  vKranz«  grosse  blattartige 
und  architektonische  Ornamente,  Aehren,  Weintrauben  und  figürliches 
Bildwerk  von  getriebener  Arbeit  in  naturfarbigem  oder  vergoldetem 
Silber,  stilistisch  den  Geschmack  des  classischen  Zopfes,  in  welchen 
sich  schon  neugothische  Elemente  mischen,  sowie  die  Marken  Waren- 
dorf und  F.  H (ei sing)  —  ebenso  auch  die  Silberornamente  der  Altar- 
tabellen, welche  zu  Vinnenberg  geblieben  sind. 

Neben  der  Goldschmiede  erregen  unter  den  Künsten  seit  dem 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  immer  noch  unsere  Aufmerksamkeit  und 
oft  unsere  Bewunderung  die  Stickerei  und  die  Holzschnitzerei  — ;  die 
Plastik  brachte  es  hier  seit  dem  Ende  des  16.  Jahrhunderts  zu  so 
grossen  Werken  (namentlich  durch  Gruniger  zu  Paderborn  und  die 
Gröninger  zu  Münster),  wie  sie  derzeit  in  Deutschland  selten  mehr 
vorkommen ;  auch  der  Kloster-  und  Schlossbau  blühte,  aber  die  grossen, 
geradwandigen,  symmetrischen  Gebäude  verrathen  sich  als  Abkömmlinge 
französischen  Kunstgeistes  und  akademischer  (Architekten-)  Zeichnung. 


Anlage. 

Den  Seite  117  in  der  Note  3  erwähnten  Pokal  der  Heimat 
wieder  zu  gewinnen,  hat  es  der  Westfälische  Provinzial-Landtag  an 
wiederholten  Bemühungen  und  Anträgen  nicht  fehlen  lassen.  In  seinen 
Verhandlungen  von  1833  und  den  folgenden  Jahren  befindet  sich,  wie 
mir  der  Herr  Director  Plassmann  bereitwilligst  mittheilt,  das  folgende 
wichtige  Aktenstück;  es  trägt  die  Unterschrift  von  Seibertz,  dem 
thätigsten  und  allseitigsten  Geschichtsforscher  des  Herzogthums  West- 
falen und  gibt  nicht  nur  nähere  Auskunft  über  die  Beschaffenheit  des 
Landesbechers,  sondern  auch  über  die  grössten  Werthstücke  anderer 
Art,  welche  aus  Westfalen  nach  Darmstadt  gebracht  sind: 

i»Das  Herzogthum  Westfalen  hat  zfu  beklagen,  dass  ihm  urkund- 
liche und  bibliographische  Schätze,  sowie  andere  geschichtliche  Merk- 
würdigkeiten entzogen  worden  sind.  Das  Entbehren  dieser  kostbaren 
Reliquien  ist  um  so  schmerzlicher,  well  sich  nationale  Erinnerungen 
daran  knüpfen,  welche  sie  dem  Herzen  des  Westfalen  theuer  machen, 
während  sie  für  den  Besitzer  der  Sammlungen,  worin  sie  jetzt  aufbe- 


182  Meiflter  Eisenhath. 

wahrt  werden,  höchsteDs  einen  Kuriositätswerth  haben  können.     Ich 
rechne  dahin: 

1)  den  alten  grossen  Pokal,  der  Willkomm  genannt,  mit  der 
Inschrift:  Dux  et  Ducatus,  der  aus  westfälischem  Bergkristall  und 
westfälischem  Silber  gearbeitet  und  mit  schönen  westfälischen  Steinen 
geziert,  von  den  Ständen  (siel)  für  die  Landschaft  angeschafft  war. 
Er  steht  jetzt  im  Museum  zu  Darmstadt. 

2)  eine  französische  Kanone  und 

3)  eine  französische  Fahne,  welche  die  churkölnischen  Grenadiere, 
grösstentheils  aus  Westfälingem  bestehend,  im  ersten  französischen 
Kriege  — 1794  -—  bei  Gelegenheit,  wo  sie  in  Verbindung  mit  den 
Oesterreichern,  einen  Rheinübergang  machten  und  die  Franzosen  in 
Boppard  überfielen,  mit  anderen  Trophäen  und  Gefangenen  erbeuteten. 
Der  österreichische  Befehlshaber,  zur  Anerkennung  der  von  den  Gi-e- 
nadieren  geleisteten  wichtigen  Dienste,  schenkte  ihnen  nämlich  jene 
Fahne  und  jene  Kanone,  um  sie  als  Siegeszeichen  in  ihrem  Vaterlande 
aufzustellen.  Beide  wurden  auch  nach  Arnsberg  gebracht  und  dort 
bis  1814  oder  1815  aufbewahrt,  wo  man  sie,  vor  dem  Uebergange  des 
Landes  an  die  Krone  Preussen,  heimlich  nach  Darmstadt  schickte. 

4)  Mehrere  der  ältesten  Urkunden  über  die  Geschichte  des  Lan- 
des, so  wie 

5)  verschiedene  kostbare  Manuskripte  und  Codices  aus  den  Ar- 
chiven und  Bibliotheken  des  Herzogthums,  welche  ebenfalls  als  Rari- 
täten nach  Darmstadt  gebracht  sind  und  dort  noch  aufbewahrt  werden.« 

Genug,  der  Pokal  steht  noch  jetzt  zu  Darmstadt,  fern  vom  Orte 
und  Lande  seiner  Bestimmung.  Aus  den  Verhandlungen,  welche  seinet- 
wegen gepflogen  wurden,  hebe  ich  mit  Wormstall  nur  hervor,  dass  die 
Darmstädtische  Regierung  keinen  absolut  verweigernden  Bescheid  er- 
theilt  hat,  doch  müsste  sie  erst  von  der  Original-Urkunde,  wodurch 
der  Churfürst  von  Köln  das  Gefäss  den  Landständen  des  Herzogthums 
Westfalen  vermacht  habe,  sichere  Kenntniss  erlangt  haben.  Die  Ori- 
ginal-Urkunde nun,  welche  Seibertz  entgangen  war,  enthält  die  aus- 
drückliche Erklärung  des  Churfürsten  »dass  berürtes  Trinkgeschirr  so 
wenig  von  dero  successoribus  am  Erzstift,  als  auch  bemeldeten  Land- 
ständen von  dannen  verbracht  weerden,  sondern  jederzeit  allda  (zu 
Arnsberg)  verbleiben  solle«.  Hätte  Seibertz  sie  eingesehen,  so  hätte 
sich  in  seinem  Aktenstück  nicht  die  ihr  widersprechende  Angabe  ein- 
schleichen können,  der  »Willkomm«  sei  von  den  Ständen  angeschafft. 

J.  B.  Nordhoff. 


.'j 


n.  Litteratnr. 


1.  Die  heidnische  Weiheformel  D-M  (Diis  Manibus  sc.  Sacmm) 
auf  altchrifitlichen  Grabsteinen.  Ein  Beitrag  zur  Eenntniss  des 
christlichen  Alterthums  von  Ferdinand  Becker.  Mit  vielen  Ab- 
bildungen in  Holzschnitt.      Gera,  A.  Reisewitz   1881.      67   S.  8. 

Die  neueste  Abhandlung  des  durch  seine  Arbeiten  über  das  Spott- 
cruciEx  und  die  Ichthysdarstellungen  bekannten  Verfassers  hat  den  Zweck 
nachstehende  Sätze  zu   erweisen : 

1.  Die  Siegel  D-M  oder  D-M-S  dürfen  nie  anders  alsDiis  Manibus 
sc.  Sacrum  gedeutet  werden.  Es  ist  also  nach  Becker  die  in  einigen 
Fällen  von  de  Rossi  wieder  aufgenommene  ältere  Deutung  Deo  Magno 
(Maxim o)   entschieden  abzulehnen. 

2.  Der  Grund,  die  Siegel  D  •  M  auch  auf  christl.  Grabsteine  zu 
setzen,  war  die  allgemeine  herrschende  Sitte,  jede  Grabschrift  so  zu 
beginnen.  Es  muss  sich  wohl  die  Bedeutung  dieser  Weiheformel  im 
allgemeinen  Gebrauch  zur  Bedeutungslosigkeit  abgeschwächt  haben. 

3.  Die  Anschauung,  dass  man  in  den  Werkstätten  die  schon  mit 
den  Siegeln  D  •  M  versehenen   Grabsteine  kaufte,   ist  nicht  haltbar. 

4.  Die  Zahl  der  mit  den  Siegeln  D  •  M  versehenen  altchristlichen 
Steine  ist  grösser  als  man  behauptet  hat  (Becker  zählt  etwa  100  Bei- 
spiele davon  auf). 

5.  Der  Ze^t  nach  gehören  diese  altchristlichen  Epitaphien  mit 
D  •  M  meist  nicht  der  ältesten,  sondern  der  Zeit  des  3.  Jahrhunderts 
und  deijenigen  Constantins  an,  später  werden  sie  seltner,  um  bald  gänz- 
lich  zu  verschwinden.  "^ 

Ich  habe  zu  diesen  Resultaten  nur  zu  wiederholen,  was  ich  bereits 
in  meiner  ' Real-Encyclopädie  der  christlichen  Alterthümer'  S.  373  ge- 
sagt habe.       Zu  1.  ist  zu  bemerken,    dass  die  Beckersche  Behauptung 


134    Fried.  Nettesbeira:  Geschichte  der  Schulen  im  alten  Herzogthum  Qeldem. 

in  ihrer  Allgemeinheit  nicht  haltbar  ist  nnd  z.  B.  durch  die  Inschriften 
allein  schon  widerlegt  wird,  wo  D-M  =  dolo  malo  oder  =deam 
magna  (D-M  -  ID  =  [mater]  deum  magna  Idaea  (Wilmans  Exempla 
n,  718)  ist.  Im  Uebrigen  stimme  ich  der  Interpretation  D-M  die 
manibas,  nicht  deo  magno,  bei. 

Gegen  2,  4  nnd  5  ist  nichts  Wesentliches  einzuwenden.  Die 
dritte  Behauptung  ist  unhaltbar.  Der  für  sie  beigebrachte  Grund,  es 
zeigten  die  Inschriften  durchweg  dieselbe  Hand  für  das  D  •  M  wie  für 
den  christlichen  Text  schlägt  nicht  durch.  Gerade  der  zweite  Satz 
hätte  Hrn.  Becker  vor  der  Aufstellung  dieser  Ansicht  schützen  sollen. 
Ich  bleibe  dabei,  dass  ein  beträchtlicher  Theil  der  in  Frage  stehenden 
Steine  mit  der  ihrer  ursprünglichen  Bedeutung  gänzlich  im  Bewusstsein 
der  Menge  beraubten  Weiheformel  versehen,  in  den  Magazinen  feil  ge- 
halten wurde,  und  dass  die  sie  ankaufenden  Christen  von  dem  Stein- 
metzen das  ihnen  passende  Epitaph  einfach  zusetzen  Hessen.  Dass  dazu 
immer  nar  christliche  Hände  verwendet  wurden,  scheint  mir  bei  den 
gesellschaftlichen  Zuständen  des  3.  Jahrb.  und  namentlich  des  con- 
stantinischen  Zeitalters  ebenso  unwahrscheinlich,  als  die  Unterstellung, 
dass  es  immer  nur  heidnische  Lapiciden  gewesen  sein  sollen,  welche 
solche  mit  dem  D  •  M  versehenen  Titel  in  ihren  Werkstätten  zum  Ver- 
kauf ausboten. 

Freiburg  i.  Br.  F.  X.  Kraus. 


2.  Geschichte  der  Schulen  im  alten  Herzogthum  Geldern. 
Ein  Beitrag  zur  Geschichte  des  Unterrich  tswesens  Deutsch- 
lands und  der  Niederlande.  Aus  den  Quellen  bearbeitet  von 
Friedrich  Nettesheim.  In  Commission  bei  A.  Bagel  in  Düssel- 
dorf.   8. 

Der  durch  seine  Forschungen  auf  dem  Gebiete  der  niederrheini- 
schen  Geschichte  rühmlichst  bekannte  Verfasser  hat  sich  der  dankens- 
werthen  Aufgabe  unterzogen,  die  Geschichte  des  niederrheinischen  Schul- 
wesens streng  nach  den  Quellen,  darunter  manche  bisher  nicht  er- 
schlossene, zu  bearbeiten.  Nach  der  planmässigen  Anordnung  und 
dem  reichen  Inhalte  des  im  November  1879  verausgabten  Probe- 
heftes zu  schliessen,  dürfte  das  auf  etwa  fünf  Lieferungen  berechnete 
Werk  dem  ihm  gegebenen  Titel  mehr  wie  gerecht  und  wohl  muster- 
gültig werden  für  die  Erforschung  der  Schulgeschichte  in  andern  deut- 
schen Landestheilen. 

Der  „Allgemeine  Theil"  führt  die  Geschichte  der  Geldem^schen 
Schulen  in  drei  Perioden  vor.  In  den  zwei  ersten  wird  das  Schalwesen 
von  der  ältesten   Zeit  an  bis  zur  spanischen  Herrschaft  ( — 1555)   und 


Fried.  Nettesbeim:  Geiohicbte  derSchalen  im  alten Heraogthum Geldero.   186 

wfthrend  deraelben  (1555  — 1703)  behsiidelt;  die  dritte  Periode  nm- 
fasBt  daB  Schulwesen  während  der  prenMiachen  Herrachaft  (1703 —  1794). 
In  dem  HSpeciellen  Theile"  wird  die  Oescbicbte  der  Schulen  in  den 
Städten  Geldern,  Straelea  und  Wacbtendonk,  in  der  Vogtei  Gelderland, 
im  Niederamt  Geldern,  in  den  Aemtem  Eriekenbeck,  EeaBel  nnd  mehrem 
Herrlichkeiten,  im  Ganzen  die  Geschichte  von  42  Schulen  znr  Uit- 
theilung  gelangen. 

Die  erats  Periode  be^nnt  mit  der  Einfflhmng  des  Christenthnma. 
Ihm  verdankt  das  geistige  Leben  eine  höher«  Entwicklnng:  die  Miasio- 
nfire  bilden  eingeborene  Oeiatlicbe  heran,  nm  dnroh  diese  das  Erange- 
linm  in  der  Landessprache  verkündigen  zu  lassen.  Der  h.  Bonifazina 
gründet  bei  den  von  ihm  errichteten  Kirchen  und  Klöstern  Schnlen, 
so  n.  a.  die  zu  Fntda.  Am  Niederrhein,  wo  über  die  ersten  Schalen 
dieser  Zeit  die  Quellen  sehr  dürftig  sind,  lässt  sich  eine  solche  zuerst 
in  Utrecht  nachweisen,  gegründet  durch  den  h.  Willibrord  zur  Er- 
ziehung junger  Geistlichen.  Unter  dem  h.  Gregor,  dem  Nachfolger 
Willibrords  im  dortigen  Bischofsamte,  entfaltet  sich  diese  Schule  zu 
hoher  Blüthe,  Jünglinge  aus  allen  Stämmen  gehen  ans  ihr  als  Lehrer 
und  Bischöfe  für  die  deutsche  Kirche  hervor,  so  auch  der  h.  Ludgems, 
der  Friesen-  und  Sachsenbekehrer  und  erster  Bischof  von  Uünster. 

Bis  ins  achte  Jahrhundert  lebt,  nach  allen  Nachrichten,  das  Volk 
in  tiefster  Unwissenheit  nnd  Barbarei.  Dann  tritt  vor  Allen  Karl  der 
Grosse  als  Beförderer  der  Schule  und  Volksbildung  auf.  Die  wissen- 
schaftliche Bildung  der  Geistlichkeit,  die  Errichtung  von  Dom-  and 
Elosterschnlen,  die  Bildung  des  Volkes  in  seiner  Gesammtheit  durch 
allgemeinen  Volksunterricht,  liegt  ihm  beständig  am  Herzen.  Jeder  soll 
seine  Kinder  zur  Schule  schicken,  bis  sie  genügend  unterrichtet 
sind  (Bestimmung  des  Cartulare  v.  J.  802,  Cap.  12).  Er  beruft  ge- 
lehrte  Männer  aus  fremden  Ländern  an  die  Kirchen  nnd  Schalen  seines 
Reiches,  legt  zu  Aachen  eine  grosse  Bftcbersammlung  an  nnd  befiehlt 
den  Geistlichen  das  Predigen  in  der  Landessprache.  Nicht  minder  wen- 
det auch  Karls  Sohn,  Ludwig  der  Fromme,  seine  Aufmerksamkeit  der 
Schule  zu;  aber  das  Hauptverdienst  um  Gründung  und  Vermehrung  der 
Schnlen  gebührt  doch  der  Kirche:  Päpste  und  Bischöfe  nehmen  sich 
stet«  des  Jugendunterrichts  warm  an,  und  zahlreiche  Beschlüsse  der 
Concilien  des  9.  Jahrhunderts  und  später  sind  fdr  das  Volksschulwesen 
von  höchster  Bedeutung.  Aus  diesem  durch  die  Vorschriften  erleuchteter 
Männer  gelegten  Fundamente  erwachsen  im  Laufe  der  Zeit  an  den 
bischöflichen  Kirchen  Schulen  als  Pfianzstätteu  der  Geistlichen  in  den 
einzelnen  Diöcesen.  Es  sind  die  Dom-  und  Stiftsechulen,  deren  innere 
Einrichtnng,  zumal  die  der  niederländischen,  westfälischen  und  nieder- 
rheinischen,    in    höchst    anschaulicher  Weise  dargestellt   wird.     An  der 


186  A.  6.  Stein:  Die  Pfarre  zur  h.  Ursula  in  Köln,  etc. 

berüHmten  Stiftsscliale  in  Lüttich  hört  schon  1115  Wibald,  später  Abt 
zu  Stavelot  nnd  Corvey,  Vorlesungen  über  ,, Medizin  und  Ackerbau". 
Ihnen  schliessen  sich  im  Mittelalter  die  Klosterschulen  an,  vor  Allem 
die  der  Benedictiner,  eines  Ordens,  der  sich  neben  der  Cultur  des 
Geistes  auch  um  jene  des  Bodens  unsterbliche  Verdienste  erwirbt.  Das 
Interesse  an  den  lebhaft  und  anregend  dargestellten  Nachrichten  über 
die  innere  Einrichtung  dieser  Klosterschulen,  über  ihre  Lehrgegenst&nde, 
Lehrbücher,  Bibliotheken,  Zucht  und  t&gliches  Leben  wird  noch  ge- 
steigert durch  Mittheilungen  aus  dem  Tagebuche  eines  Schülers  der 
Benedictiner- Abtei  Reichenau  am  Bodensee,  des  Walafried  Strabo,  später 
Abt  daselbst.  Er  trat  815  in  die  Klosterschule  ein  und  besuchte  sie 
10  Jahre  lang.  Dieses  Tagebuch  bildet  die  einzige  Quelle  für  das 
damalige  Leben  in  den  Schulen  Deutschlands  und  ist  daher  selbstredend 
von .  höchster  Wichtigkeit. 

Mit  dem  Beginn  von  Nachrichten  über  Schulen  in  niederrheinischen 
Damenstiften  und  Nonnenklöstern  schliesst  das  Probeheft  ab.  Möge 
dem  Verfasser,  der  stets  eine  Fülle  von  Belesenheit  und  ernstes  Quellen- 
studium bekundet,  die  verdiente  Anerkennung  in  vollem  Maasse  zu 
Theil  werden. 

Bonn.  Eberhard  de  Ciaer. 


3.  Die  Pfarre  zur  h.  Ursula  in  Köln,  vormals  Pfarre  von 
Maria  Ablass.  Nebst  zwei  Beilagen:  I.  Die  Kirche  der  h.  Ursula, 
n.  Das  Kloster  und  adelige  Damenstift  an  der  Kirche  der  h.  elf- 
tausend  Jungfrauen.  Von  Alb.  Gereon  Stein,  Pfarrer  z.  h.  Ur- 
sula in  Köln.      Köln   1880.      J.  P.  Bachern. 

Da  die  vorliegende  Schrift  auch  die  Geschichte  des  schon  im  J. 
922  von  Gerresbein  aus  gegründeten  Klosters  behandelt,  so  ist  dem 
Verfasser  Gelegenheit  geboten,  uns  mit  einem  interessanten  Theile  der 
älteren  Geschichte  Kölns  bekannt  zu  machen.  Schon  im  Jahrb.  LXIV 
S.  184  haben  wir  bei  der  Besprechung  eines  ähnlichen  Buches  über 
die  Pfarre  St.  Mauritius  auf  den  wohlthätigen  Einfluss  hingewiesen, 
welchen  solche  Arbeiten  durch  ihre  grosse  Verbreitung  auf  das  ge- 
schichtliche und  knnstgeschichtliche  Interesse  und  Verständniss  einer 
grossen  Menge  von  Lesern  ausüben;  indem  wir  auf  das  dort  gesagte 
verweisen,  heben  wir  die  auf  S.  108  beginnende  Beilage  1.  als  be- 
sonders für  diese  Zwecke  dienlich  hervor.  An  dieser  Stelle  werden 
die  einzelnen  Theile  der  jetzt  bestehenden  St.  Ursulakirche  auf  ihr  Alter 
geprüft  und  wird  das  Bild  der  ursprünglichen  Anlage  aus  den  dieselbe 
so  vielfach  umgestaltenden  Kunst-  und  Bedürfniss-Bauten  so  zu  sagen 
herausgeschält.      Aber    auch    in    den    andern  Abtheilungen    des   Buches 


Wer  war  Heiarich  von  Ofterdingeu?  187 

finden  wir  manches  Wieaenewertha  Über  die  Ausdehnung  der  alten  Stadt, 
aber  dai  VerbftltmBs  der  alten  Pfarreien  tof  der  Stadt  zu  den  ElÖBtem, 
aber  das  Leben  in  diesen  ElöBtem  selbst  n.  dgl.   mehr. 

Unter  den  Namen  der  Abtissianen  des  Elostera  and  Stiftes  sind 
Tiele,  welche  ans  zeigen,  in  wie  naher  Beziehung  diese  Wfirde  häufig 
zum  erzbischöäichen  Stuhle  stand,  denn  mebrfacb  finden  wir  die  Schwester 
des  regierendeu  Erzbiechofs  im  Besitze  derselben;  so  zuerst  Gepa  ü., 
Gr&fin  Ton  Dassel,  die  Schwester  des  Erzbischofs  Reinald,  dann  später 
Ljsa  Ton  Westerbnrg,  wahrscheinlich  Schwester  des  Erzbisohofs  Si&id, 
Elisabeth   von  Vimebnrg  und  viele  andere. 

Wir  möchten  au  dieser  Stelle  noch  darauf  hinweisen,  dass  der  zur 
Zeit  des  Klosters  nicht  mehr  benutzte  uralte  Kirchhof  neben  der  St. 
XJrsalakirohe  (an  SteHe  der  jetzigen  Ursula- Oartengasse)  durch  den  in 
Jahrb.  XLU,  S.  168  beschriebenen  Fund  als  rdmisoh-christliche  Begräb- 
niesstfttte  gekennzeichnet  wird. 

Bonn.  van  Ylenten. 


4.  Nachtrag  zur  Anzeige  der  in  der  Hermes'schen  Schrift 
'Die  Neuerburg  an  der  Wied'  angeregten  Frage:  Wer  war 
Heinrich   von  Ofterdingeu?      (s.  Jahrbuch    69    S.    99ff.) 

Pfarrer  J.  H.  Hermes  hat  die  F*ge  nach  der  Person  und  Her- 
kunft Heinrichs  von  Ofterdingeu  wieder  anfgeuommen  und  die  muth- 
massUche  Abstammung  des  Wartburgaängers  von  dem  mittelrbeinischen 
Geschlecht  Rospe  nahe  gelegt,  indem  er  den  Nachweis  liefert,  dass 
dieses  Geschlecht  im  12.  und  13.  Jahrhundert  nicht  nur  in  Diensten 
des  am  Kheine  begüterten  thilringiBchen  Landgrafenhanses  bzw.  der 
Erbin  dieser  Guter,  Oräöu  Mechtildis  von  Sayn,  stand,  sondern  auch 
dass  ein  Hitglied  mitNamen  Heinrich,  Sohn  des  Heinrich  von  Bospe, 
sich  von  Oftinding  {Ochtenduug)  nennt.  Im  Ganzen  weist  Hermes 
fttr  die  Zeit  des  Sängerkrieges  und  der  mathmasslicben  Abfassung  der 
Dichtung  des  Wartburgsänge rs  vier  des  Namens  Heinrich  von  Rospe 
nach:  1213  jenen,  der  vordem  Güter  in  Kraft  bei  Ochtenduug  bessss, 
1  246  den  frater  Henricus,  Testamentszeuge  des  Grafen  Heinrich  v.  Sayn, 
□ud  1257  Henricus  dictue  de  Oftindinch,  filius  Henrici  de  Rospe,  der 
im  Kloster  Roaenthal  bei  Cochem  eine  Schenkung  macht.  Ich  bin 
nunmehr  im  Stande,  denselben  noch  zwei  gleichnamige  Personen  binzu- 
zufdgen :  1216  erscheint  ein  Heinrich  von  Rospe,  Kanonich  zu  Bonn, 
als  Zeuge  des  Grafen  Heinrich  v.  Sayn  bei  Genehmigung  der  Schlichtung 
eines  Streites  über  Güter  in   Flerzheim  und  Bomheim')  'sub    presentia 

1)  Die  ürkande  ist  mitgetheilt  in  den  Ann.  d.  bist  Ver.  f.  d.  Niederrh. 
Hefl  U  3.  76. 


188  Wer  irsr  Heinrioh  voa  Ofterdingen? 

Theodorici  Bertolet  de  Herler,  Christiani  de  Blanckenberz,  Hesrioi  de 
Rospe,  BonnensiB  Canonici,  Ladolphi  prioria  de  Valle  sancti  Petri,  Hen- 
rici  Bacerdotis  in  Blanckenberz  und  mehrerer  Laien.  1253  endlich  ist 
ein  Heinrich  von  Rospe  Zeuge  des  Verzichts  Heinrichs  und  Thsoderichs, 
der  Söhne  Eonrads  t.  Polch,  auf  eine  wider  die  Abtei  Himmerode  er- 
hobene  Beschwerde'). 

Selbstverständlich  konnten  bisher  bei  so  dürftigen  Nachrichten 
sichere  Schlüsse  anf  die  IdontitSt  oder  auf  den  nähern  oder  entfemtera 
Terwandtachaftsgrad  der  genannten  Mitglieder  des  Oescblechta  Rospe 
nicht  gezogen  werden.       Hermes  nnterstellt  die  Möglichkeit,    d&es    der 

1215  lebende  Heinrich  von  Rospe  mit  dem  von  1246,  den  er  aof 
Grund  der  Testamentsurkande  als  Klosterbruder  in  Heisterbach  oder 
Marienstatt  erkennen  will,  identisch  sei,  nnd  möchte  dann  den  Sänger 
von  der  Wartburg  in  einem  dieser  Klöster  finden.  Ich  habe  bereita 
früher  meine  Bedenken  gegen  die  Interpretirung  der  betreffenden  Stelle 
praesentibus  abbate  de  Heisterbacii,  abbate  loci  s.  Mariae,  fratre  Hein- 
rico  de  Rospe,  fratre  Gerhardo  de  ordine  fratrum  minorum  etc.  dahin 
ausgesprocben,  dass  kein  HlndemiBS  vorliege,  den  Bruder  Heinrich  eben- 
sowohl anm  Orden  der  Mindorbrüder  zu  rechnen,  obwohl  ich  jetzt  auch 
diese  Erklärung   verwerfe,   wie  sich   später  zeigen  wird. 

Nunmehr  aber,    indem   wü  in   der  oben   gemeldeten   Urknude    von 

1216  einen  Heinrich  von  Rospe  als  Kanonich  beim  Cassiusstifte  in  Bonn 
kennen  lernen,  dürfte  zum  wenigsten  die  Frage  nach  der  Identität  eini~ 
ger  der  genannten  Personen,  und  zwar  derjenigen  geistlichen  Standes, 
mehr  Boden  gewinnen,  und  ich  meine  den  Beweis  erbringen  zu  können, 
dass  der  in  dem  Testamente  von  1246  genannte  frater  Heinricns  mit 
dem  Bonner  Eanonicb   ein   und  dieselbe  Person  ist. 

Wir  kennen  bereits  die  Stellung  des  erstem  zwischen  den  beiden 
Aebten  und  dem  Minderbrader.  Ist  er  Ciatercienser  oder  Franziskaner  ? 
Keines  von  Beiden,  sondern  er  gehört  einer  dritten,  ungenannten  Cor- 
poration an.  Dass  derartige  Unterlassungen  vorkommen,  zeigt  sich 
schon  gleich  bei  den  in  der  Urkunde  von  1216  vor  dem  Bonner  Ka- 
nonich genannten  Zeugen,  die  also  doch  nur  geistlichen  Standes  sein 
können.  Vor  Allem  aber  entscheidet  hier  die  Anführung  des  frater 
Ileinricus  mit  seinem  vollen  Familiennamen.  Wfire  er  Cistercienser 
oder  Franziskaner,  so  würde  er  nicht  seinen  weltlichen  Namen  —  denn 
diesen  legen  sie  beim.  Eintritte  ab  —  sondern  seinen  Klosternamen 
führen,  wie  ja  auch  dei^'^'ame  des  nach(olgenden  Minoriten  nur  ein 
solcher  ist.  Es  würde  also  miSSiJfssig  sein,  ihn  zu  einem  der  genann- 
ten  Orden    zu    rechnen.      Anders    lieSt*    ^*''  ^*"    '**'  Mitgliedern  geist- 


1)  Güntlier  Cod.  diplomat.  II,  261. 


Wer  7 


r  Heinrich  von  OrterdingsD? 


189 


lieber  Stifter :  aie  behalten  ihren  Tollen  weltlichen  Kamen,  und  man  ist 
daher  berechtigt,  in  dem  frater  HeiDricus  de  tioape  einen  Stiftsgeiat- 
lichen  zn  erkennen.  Allerdings  bezeichnet  'frater'  gemeinhin  einen 
Klosterbruder,  besonders  einen  Minoriten,  doch  ist  die  Bedentang  des 
"Wortes  so  allgemeiner  Art,  dass  sie  auch  anf  jeden  Geistlichen,  zumal 
den  Stiftgeiatlichen  Anwendung  findet.  Diesem  Range  wQrde  aach  die 
in  der  Tests mentsurkunde  ihm  zugewiesene  Stellung  nach  den  Aebten 
und  vor  dem  Eloaterbruder  entsprechen;  ebenm&SBig  ist  in  der  Urkunde 
von  1216  der  Bonner  Stiftskanonich  vor  dem  Prior  von  Heisterbach 
aufgeführt.  Die  Annahme,  der  Kanonich  vom  Jahre  1216  sei  später 
in  den  Orden  getreten  und  habe  man  in  der  Urkunde  von  1246  die 
frühere  Benennung  mit  dem  Familiennamen  der  Deutlichkeit  halber  bei' 
behalten,  ist  zwar  nicht  ansgeschlospen,  doch  aber  auch  nicht  wahr- 
scheinlich. 

Wir  würden  also  den  frater  Heinricns  in  einem  Stift,  nnd  dann 
nur  in  einem  rheinischen  aufznsnchen  haben.  Sollte  dieses  nicht  das 
Bonner  Stift,  mithin  der  frater  mit  dem  Canonicus  identisch  sein  ?  Beide 
führen  denselben  Namen,  Beide  dienen  1216  und  1246  demselben 
Grafen  Heinrich  Ton  Sayn  als  Zeugen,  und  der  Zwischenraum  von  30 
Jahren  ist  nicht  allzu  gross.  Aber  selbst  in  dem  Falle,  dass  wir  es 
hier  mit  Terschiedenen  Personen  zu  thun  hätten,  ist  durch  die  urkund* 
lioh  belegte  Thatsache,  dass  1216  ein  Heinrich  Ton  Rospe  als  Eano- 
nich  im  Gasdusstift  zu  Bonn  lebt,  ein  neuer  Weg  zum  NachfoncbeD 
nach  der  Person  des  Wartburgsängers  geöffnet,  entsprechend  der  Her- 
mes'scheu  Hypothese,  dass  Heinrich  von  Ofterdingen,  aus  dem  Geschlecht 
Rospe,  hinter  rheinischen   Klostermauern  zu  snchen  sei. 

Sollte  Jemand  hierzu  fernere  Belege  zu  erbringen  im  Stande  sein, 
80  wird  er  um  freundliche   Mittheilnng  an  dieser  Stelle  gebeten. 

Bonn.  Eberhard  de  Ciaer. 


III.  Uiflcellen. 

1.  Mainz.  Ein  nener  römiecher  AagenarEtetempel').  Im 
Jali  1880  ward  *or  dem  Gaathore  zn  Mainz,  zur  Linken  des  Anfangs 
der  schönen  Landstrasse  (oberer  Zahlbacber  Weg),  die  nach  dem  Dorfa 
Zablbach  ffibrt,  woeelbet  die  berühmten  Pfeilerreate  des  groBsen  rämi- 
Bchen  Aqaaeduktes  stehen,  wenn  ich  mich  recht  entsinne,  bei  der  Anf- 
lockernng  und  Neubereitung  des  Bodens  eines  Turnplatzes,  ein  römi- 
scher Okubeten Stempel  gefunden.  Herr  Dompräbendat  Friedrich  Schneider, 
der  von  dem  £'unde  Kenntnise  erhielt  und  den  Stempel  für  die  Samm- 
lung des  „Vereins  zur  Erforschung  der  rheinischen  Geschichte  und  Alter- 
thüroer"  erwarb,  hatte  die  Güte,  mir  von  der  Erwerbung  des  kleinen 
epigraphischeu  Denkmals  sofort  Kunde  zu  geben  und  mir  einen  Siegel- 
lackabdruck zuzustellen,  und  Herr  Direktor  Dr.  Lindenschmit  war  so 
freundlich,  mir  den  Stempel,  zum  Behufe  genauerer  Untersuchung,  für 
längere  Zeit  zu   überlassen. 

Unser  Stein,  der  die  bekannte  blassblaugrüne  Färbung  der  römi- 
schen Augenarztatempe!  hat,  ist  von  ku  weicher  Masse,  als  daas  wir 
ihn  für  Nephrit  oder  Serpentin   halten  könnten.      Eher  ist  es  Speckstein. 

Ein  nicht  ganz  regelmässiges  Rechteck  von  34  mm  Länge,  29  mm 
Breite,  6  mm  Dicke,  trägt  er  auf  der  einen  breiten  Fläche  nach  der 
unteren  linken  Ecke  zu  die  Buchstaben  Q  D,  die  ohne  erkennbare 
Regel mässigkeit  der  Anordnung  und  ohne  erkennbaren  Zweck  planlos 
auf  die  Fläche  gravirt  sind.  Im  Gegensatze  zu  manchen  anderen 
Fläcbengravirnngen  römischer  Okulistenstempel  sind  diese  Buchstaben 
nicht  recbtläaüg,  sondern,  wie  die  Inschriften  der  Schmalseiten,  ver- 
kehrt eingegraben  und  erhalten  erst  durch  den  Abdruck  die  rechte 
lesbare  Form. 

Jede  der  vier  Schmalseiten  enthält  eine  zweizeilige  Inschrift,  nämlich: 


n  Siegel  abdruck)  auf  der  vorhergehen 


Miscellen.  141 

1)  QP-DIODOTI   DIA 

SMYRNES  (den    leeren   Banm   am   Schlnsse    füllt 

ein  nach  rechts  geneigtes  baumzweigartiges  Zeichen  ans). 

2)  Q   P  DIODOTI    DIA 

SMYRNEa 

3)  QP- DIODOTI 

ISOC~IYSN^     (dahinter  ein  Zeichen  wie  bei   1,    nnr    nach 
links  geneigt). 

4)  QPOMDIODO 

TIADEPtOSV 

Am  sorgfältigsten  und  schönsten  ist  die  Schrift  auf  Seite  1.  In 
beiden  Wortzeilen  sind  die  Buchstaben  zwischen  vorgezogenen  Linien 
gerade  und  gleichmässig  gerichtet.  In  der  unteren  Zeile,  wo  breitere 
und  in  der  Form  mannigfaltigere  Buchstaben  stehen,  finden  sich  sogar, 
senkrechte  Linien,  die  den  Raum  und  die  Yertikalrichtung  der  Lettern 
regeln  sollen. 

Plumper  und  unbeholfener  ist  die  Schrift  auf  Seite  2.  Nur  am 
oberen  Rande  der  ersten  Buchstabenreihe  ist  die  Höhe  durch  eine  Quer- 
linie begrenzt.  Die  zweite  Zeile  ist  ganz  dicht  an  die  erste  herange- 
rückt, und  der  Fuss  der  Buchstaben  reicht  bis  zum  unteren  Rande  der 
Schmalseite.  Auch  auf  dieser  Seite  sind  in  der  unteren  Zeile  vertikale 
Trennungslinien  zu  erkennen.  Die  Buchstaben  sind  gross  und  plump; 
das  S  am  Schlüsse  verkehrt  und  gänzlich  missglüokt. 

Wiederum  anders  ist  es  auf  Seite  3.  Der  obere  Rand  der  Buch- 
staben der  ersten  Zeile  ist  nicht  durch  eine  vorgezeichnete  Linie  ge- 
richtet, dagegen  der  untere.  Von  diesen  durch  einen  (aber  nicht  durch- 
gängig beobachteten)  Zwischenraum  getrennt,  ist  die  zweite  Zeile  so- 
wohl oben  wie  unten  durch  je  eine  feine  Linie  begrenzt,  die  aber, 
selbst  nicht  gerade  laufend,  von  dem  Graveur  auch  nicht  überall  ein- 
gehalten worden  ist. 

Die  vierte  Seite  trägt  mehr  Richtungslinien,  als  nöthig  gewesen 
wäre.  Diese  sind  offenbar  jius  freier  Hand  gezogen  und  manche  des- 
wegen verunglückt  und  unbrauchbar. 

Die  untere  Zeile  ist  von  der  oberen  durch  einen  verhältnissmässig 
breiten  Zwischenraam  geschieden,  sitzt  aber  unmittelbar  auf  dem  Rande 
des  Steines  auf.  Die  Intervalle  der  Buchstaben  sind  sehr  ungleich;  der 
zweitletzte  Buchstabe  der  unteren  Zeile  ist,  bis  auf  den  kleinen  Rest 
des  oberen  Bogens  eines   R,  ausgesprungen. 

Höchst  eigenthümlich  ist  die  Verschiedenheit  der  Interpunktion 
auf  unserem  Stein.  Während  sie  auf  Seite  4  gänzlich  fehlt,  sind  die 
Seiten  1  und  2  durch  runde  Trennungszeichen  interpungirt  (auf  Seite 
2  steht  sogar  ein  Punkt  vor  dem  Anfange  der  Legende),   während  die 


142  Mitcellen. 

Seite  3  die  dreispitzig  ausgezogene  Interpanksion  aufweist  (Zell,  Hand- 
baeh  der  römischen  Epigraphik.  IL  §  16,  S.  47).  Ausserdem  ist  am 
Schlüsse  der  zweiten  Zeile  der  Seiten  1  und  3  der  leere  Endraam 
durch  ein  blatt-  oder  baumförmiges  Zeichen  ausgefüllt.  Solche  und 
ähnliche  Schluss zeichen  finden  sich  mehrfach  auf  römischen  Augenarzt- 
stempeln (Grotefend,  die  Stempel  der  römischen  Augenärzte,  n.  97; 
Desjardins,  Deux  nouveaux  cachets  d^oculistes  Romains.  Revue  Arch6o- 
logique  XXY,  S.  257i  Marquis  de  Rochambeau,  ün  nouvean 
cachet  d'oculiste  Romain.  R.  A.  Nouv.  S6r.  21.  ann^e,  III.  [Mars  1880J, 
S.  180),  Ich  unterlasse  es,  aus  diesen  Unterschieden  im  Schriftcha- 
rakter einen  Schluss  darauf  zu  ziehen,  dass  etwa  verschiedene  Hände 
an  den  vier  Seiten  unseres  Stempels  gearbeitet  haben  könnten,  oder 
dass  etwa  anfangs  nur  eine  Seite  und  später,  als  der  Händler  neue 
»Mittel  in  Vertrieb  nahm,  andere  Seiten  beschrieben  worden  seien 
(Grotefend,  n.  32,  40,  47).  Auf  Seite  1  und  2  werde  ich  noch  ein- 
mal zurückkommen. 

Jedoch  über  die  auf  der  breiten  Fläche  eingegrabenen  Buchstaben 
Q  D  sei  mir  gestattet,  einiges  zu  erörtern  und  eine  Yermuthung  zu 
äussern. 

Manche  römische  Okulistenstempel  tragen  nämlich,  ausser  auf  den 
Schmalseitep,  auch  auf  den  breiten  Flächen  eingravirte  Buchstaben, 
deren  Bedeutung  und  Zweck  sehr  verschieden  ist.  Ich  stelle  hier 
einige   dieser  Flächengravirungen  zusammen: 

1)  Der  Stempel  Grotefend  n.  11  enthält  vier  Mittel:  ein  Authe- 
merum,  ein  Stacton,  ein  Crocodes  und  ein  Chelidonium.  Die  Anfangs- 
buchstaben dieser  Mittel  AV,  ST,  CR,  CH  sind  auf  der  Oberfläche  so 
angebracht,  dass  sie  beim  Gebrauche  das  Auffinden  der  entsprechenden 
Seite  erleichterten. 

2)  Der  Stempel  Grotefend  n.  71  zeigt  auf  der  unteren  Fläche 
ein  Seepferd,  auf  der  oberen  eine  zweihenkelige  Yase,  darüber  den 
Namen  GAI,  darunter  zwei  Menschenaugen,  so  dass  Grotefend  in  diesen 
Gravirungen  mit  Recht  den  Firmenstempel  des  Verkäufers  erkennt.  I 

3)  Der  Stempel  Grotefend  n.  90  trägt  auf  den  Flächen  einer- 
seits die  Anfangsbuchstaben  des  Erfindernameus  L  '  S  *  M  (L.  Sextii 
Marciani),  anderseits  die  Buchstaben  S  •  P  •  E,  die  vielleicht  den  Ver- 
käufer nennen   sollen. 

4)  Der  Graveur  nennt  sich  in  freilich  nicht  zu  entziffernden  Buch- 
staben auf  der  Oberfläche  des  Stempels  Grotefend  n.    98: 

SCRIPSIT 

M  A////////E 
D    OL 

5)  Der  Anfangsbuchstabe  des   Namens  des  Augenarztes  Censorinus 


Miaoellen.  148 

ist  in  der  Eoke  der  einen  breiten  Fläche  des  sechseckigen  von  Des- 
jardins  (R.  A.  XXV,  S.  260  nnd  261)  veröffentlichten  Steines  eingegraben, 
jedenfalls  za  demselben  Zwecke,  wie  auf  dem  oben  unter  1  angeführten 
StempeL  Auf  der  anderen  Fläche  ist  der  ontere  Theil  eines  Pflanzen- 
schaftes mit  der  Wurzel  eingravirt,  „dont  la  forme  rappeile  assez  celle 
du  safran,  plante  bulbeuse,  comme  on  sait,  mais  dont  les  divisions  öu 
bulbes  s^par^s  offrent  pr^cis^ment  cet  aspect." 

6)  Auf  dem  Stempel  Grotefend  n.  101  ist  an  der  einen  Seite 
das  Zeichen  Vy^,  an  der  andern  das  Wort  SOLI  eingeritzt.  Dass 
diese  Gravirungen  einen  bestimmten  Zweck  haben,  leuchtet  ein,  obwohl 
es  schwer  sein  wird,   nachzuweisen,  welchen. 

Die  angeführten  Beispiele  zeigen  uns  solche  Gravirungen  auf  der 
Oberfläche  der  Stempelplatten,  die  eine  bestimmte  Bedeutung  haben  und 
in  thatsächlichem  Gebrauche  verwandt  wurden. 

Anders  verhält  es  sich  mit  den  folgenden  Flächengravirungen : 

1)  Der  Stempel  Grotefend  n.  44  trägt  auf  den  breiten  Flächen 
mehrere  schlecht  gravirte,  rechtläuflg  eingegrabene  Buchstaben.  Auf 
der  einen  Seite  ist  der  Name  des  Augenarztes  LlOOCiLAE  zu  er- 
kennen, der  auf  den  in  Gebrauch  kommenden  Seiten,  des  Abdrucks 
halber  natürUch  verkehrt  eingegraben,  genau  interpungirt  ist: 

LI   DOCILAE 

2)  Auf  der  Oberfläche  des  von  Th^denat  (Sur  un  cachet  d'oculiste 
d^couvert  ä  Reims.  R.  A.  Nouv.  S^r.  20.  ann^e,  IX  [Septembre  1879] 
S.  154  ff.)  veröffentlichten  Stempels  sind  in  drei  Zeilen  leicht  ange- 
deutet die  Buchstaben: 

M 
C 

CN 

eingeritzt. 

3)  In  der  Erklärung  zu  dem  Wiesbadener  Stempel  (n.  63)  sagt 
Grotefend,  dass  die  beiden  grösseren  Flächen  zu  allerlei  Schnörkeln 
und  Buchstaben  proben   benutzt  worden  sind. 

Darin  haben  wir  die  Bedeutung  dieser  letzterwähnten  Flächen- 
gravirungen zu  erkennen,  die  zur  eigentlichen  Stempelinschrift  in  keiner 
Beziehung  stehen. 

Nicht  anders  verhält  es  sich  mit  den  auf  der  breiten  Fläche 
unseres  Stempels  eingegrabenen  Buchstaben  Q  0.  Vielfältige  Beispiele 
lehren  uns,  dass  die  alten  Steinmetzen  und  Stempelschneider  Buchstaben, 
Ornamente  und  Figuren  sich  erst  vorzuhauen  und  vorzugraviren  pflegten, 
um  Auge  und  Hand  zu  prüfen,  ehe  sie  ihre  eigentliche  Aufgabe,  bei 
der  doch  immer  kostbares  Material,  Zeit  und  Mühe  und  Ehre  auf  dem 
Spiele  stand,  auszuführen  begannen.      Solche  Yorproben  ersetzten   dem 


144  MiKselleD. 

alten  Künstler  die  Zeichaangen,  Risse,  die  Schablonen  nnd  die  mannig- 
fachen anderen  technischen  HQlfsmittel  nnserer  Zeit.  Ein  merkwürdiges 
Beispiel  dieser  Umsicht  eines  antiken  Künstlers  der  ftnasersten  Frflhveit 
bietet  eine  von  Schliemann  ausgegrabene  mykeniscbe  Grabatele  (Schlie- 
maon:  Mykene,  S.  156  der  frans ösischen  Ausgabe).  Za  solchen  Proben 
werden  die  Flüchen  des  Materials  benntüt,  die  sonst  nicht  in  Verwen- 
dnng  kamen ;  der  mykenische  Bildhauer  benutzte  dazu  den  Raum  der 
Stele,  der  in  die  Erde  gesenkt  ward,  die  Graveure  der  römischen 
Oknlistenstempel  die  Oberfläche  des  Stempelsteines. 

Wir  werden  demnach  nicht  irren,  wenn  wir  die  auf  der  Oberfl&ch« 
unseres  Stempels  eingegrabenen  Buchstaben  Q  D  für  Gravirproben  halten, 
durch  die  der  Stempel  Schneider  die  Sicherheit  seiner  Hand  and  seines 
Auges,  die  ffir  den  zu  Gebote  stehenden  Raum  erforderliche  Grösse  der 
Buchstaben,  die  H&rte  des  Materials  nnd  die  GQte  seines  Stichels  Ter- 
sncben  wollte. 

Auf  drei  Seiten  unseres  Inschriftsteines  ist  der  Name  Q-P'DIOOOXI 
enthalten.  Wenn  nicht  die  vierte  Seite  jeden  Zweifel  unmöglich  machte, 
könnte  man  veranlasst  werden,  in  den  Anfangsbuchstaben  Q  nnd  P  die 
Praenoroina  Quintus  und  Puhlius  zu  erkennen  und  zu  erklären :  Q.  Dio- 
doti  und  P.  Diodoti,  wobei  zu  bemerken  würe,  dass  Diodoti  für  Dio- 
dotorum  stünde.  So  liat  Desjardins  nichts  dagegen  einzuwenden,  wenn 
man  auf  dem  von  ihm  1873  publizirten  Augenarztstempel  den  Namen 
ML'MARITVMl  Marci  (et)  Lucü  Maritumi  (=  Maritnmorum)  liest. 
(On  serait  presque  tente  de  voir  daus  les  deux  lettres  M  L  deux  pre- 
noms  et  de  lire  M[arci  et]  Ltudi]  MARITVMI  pour  MAWTVMorum; 
comme  s'il  y  avait  Marci  Maritumi  et  Lucü  Maritumi  [on  n  des  exemples 
de  lectures  analogues] ;  il  E'agirait  en  ce  cas  de  deux  freres.  R.  A.  XXV. 
S.  257).  Gegen  diese  von  Desjardins  zum  mindesten  zugelassene  Erklä- 
rung seien  mir  einige  Bemerkungen  erlaubt.  Abgesehen  von  der  Ge- 
wohnheit, bei  der  Aufzählung  von  Brüdern  den  gemeinsamen  Namen  in 
den  Plural  zu  setzen  (worüber  im  C.  I.  L.,  bei  OreUi-Henzen,  Wil- 
manns,  im  C.  I.  Rhenn.,  bei  Becker,  Die  Inschriften  und  Stein- 
skulpturen des  Museums  der  Stadt  Mainz,  eine  Menge  von  Beispielen  zu 
finden),  zwingen  uns  folgende  Gründe,  in  den  Worten  M.  L.  Maritumi 
den   Namen  eines  einzigen  Arztes  zu  erkennen. 

Die  römischen  Augenärzte  waren  ausscliliesslich  Freigelassene  oder 
Nachkommen  von  Liberten,  die  wohl  auch  die  römische  Civität  erwor- 
ben haben  mochten.  Als  solclie  setzten  sie  ihrem  meist  peregrinen 
Namen  römische  Praenomina  und  Gentilia  vor,  Namen,  die  in  ihrer  ver- 
hältnissmäsaig  geringen  Aozalil  vielen  Trägem  zukamen,  also  an  sich 
wenig  unterscheidendes  boten.  So  haben  wir  unter  den  insohriftlich 
auf    uns  gekommenen   ÄagenarztDamen  die   Nomina  Aelius,    einen  Anto* 


Misoellen.  1|6 

mos,  einen  Atticus,  einen  Caelius  (Grotefend  n.  10),  Claudii,  Flavii, 
einen  MonatioB,  Pomponii,  Terentii,  Yalerii  u.  a.  m. ;  von  Praenominibus : 
Marcus,  Publius,  Lucius,  Gaius,  Titus,  Tiberius,  Decimus,  Quintus,  Sex- 
tuB,  Spurius.  Darum  konnte,  um  das  Mittel  durcb  den  Namen  des  Er* 
finders  zu  empfehlen,  Praenomen  und  Gentile,  weil  wenig  unterscheidend, 
nicht  in  Betracht  kommen,  sondern  das  Cognomen,  wodurch  das  Indi- 
viduum unzweideutig  unterschieden  ward.  So  nennen  sich  viele  Oku- 
listen nur  mit  ihrem  Cognomen,  ein  Entimus,  ein  Euelpistus,  ein  Ferox, 
ein  Florus,  ein  Glyptus,  ein  Heliodorus,  ein  luvenalis,  ein  Latinus,  ein 
Minervaiis,  ein  Paulinus,  ein  Phronimus,  ein  Reginus,  ein  Quintilianus, 
ein  Theophiles. 

Was  sollen  wir  ferner  mit  Namen  wie  M.  G.  Celsinus  (Grotefend 
n.  8),  T.  C.  Philumenus  (n.  9),  L.  P.  Yillanus  (n,  76)  anfangen? 
Ghrotefend  hält  es  für  unmöglich,  den  Familiennamen  des  Celsinus  zu 
erweisen,  und  erklärt  auch,  das  Nomen  des  Philumenus  ebensowenig  wie 
das  des  Yillanus  ergänzen  zu  können.  Sollen  wir  etwa  an  Brüder 
denken  oder  sollen  wir  uns  die  Freiheit  gestatten,  aus  den  mit  den 
entsprechenden  Buchstaben  anlautenden  Gentilnamen  denjenigen  heraus- 
zusuchen, der  uns  zusagt? 

Gerade  die  Yerschiedenheit  der  beiden  ersten  Namen  und  die  Ge- 
meinsamkeit des  dritten  verbietet  uns,  an  Brüder  zu  denken,  da  es  in 
der  Kaiserzeit  Sitte  war,  dass  Brüder  das  gleiche  Praenomen  führten, 
sich  aber  durch  das  Cognomen  unterschieden. 

Aber  auch  die  Freiheit,  uns  irgend  ein  Nomen  zu  wählen,  schwin- 
det vor  der  Beobachtung,  dass  die  Regellosigkeit  im  Namensystem,  be- 
sonders seit  den  Antoninen,  soweit  ging,  dass  sich  zwei  Praenomina 
neben  einander  finden,  wodurch  der  Irrthum  veranlasst  wurde,  mehrere 
Personen  anzunehmen,  wo  nur  von  einer  die  Rede  ist  (Marquardt, 
Römische  Privatalterthümer.  S.  25  ff.;  Zell,  a.  a.  0.  §  35,  S.  104; 
Orelli-Henzen,   Inscriptt.  I,  p.  477,   zu  n.  2729). 

Diese  Erklärung,  dass  wir  in  den  beiden  abbreviirten  Namen  der 
erwähnten  Stempel,  der  Sitte  der  Zeit  gemäss,  neben  einander  stehende 
Praenomina  zu  erkennen  haben,  dürfen  wir  um  so  eher  festhalten,  als 
wir  alle  Ursache  haben,  diese  Monumente  der  späteren  Kaiserzeit  zuzu- 
weisen, und  ich  sehe  deshalb  nicht  ein,  warum  Sichel's  Erklärung 
T.C(ai)  Philumeni  in  der  Revue  de  Philologie  „mit  Recht''  getadelt 
worden  ist. 

Aber  noch  ein  anderer  glücklicher  Umstand  beweist,  dass  wir  in 
M'L'MARITVMI  keinenfalls  an  Brüder  zu  denken  haben.  Wir 
haben  nämlich  einen  Okulistenstempel  (Grotefend  n.  70),  auf  dem  sich 
der  Arzt  einfach  mit  dem  Cognomen  Maritumus  nennt.  Und  ich  finde 
nichts,    das  uns  hindern  könnte,    diesen  Maritumus  für   denselben  Arzt 

10 


14$  Miscollen. 

zu  halten,  der  auf  dem  anderen  Stempel  vollständig  M.  L.  Maritumns 
genannt  ist;  nichts,  das  uns  hindern  könnte,  anzunehmen,  dass  yon  dem- 
selben Arzte  sowohl  ein  Paccianum  ad  aspritudines  und  ein  Dialepidos, 
als  auch  ein  Collyrium  Aegyptiacum  opobalsamatum  ad  claritatem  und 
ein  Crocodes  ad  opobalsamatum  aspritudines  der  augenleidenden  Menschheit 
empfohlen  ward,  von  dem  Umstände  ganz  zu  geschweigen,  dass  wir 
in  diesem  Falle  eine  Bestätigung  der  Bemerkung  sehen  dürfen,  die 
ich  über  die  vorwiegende  Bedeutung  der  Gognomina  für  die  in  Rede 
stehenden   epigraphischen  Denkmäler  geäussert  habe. 

In  unserer  Inschrift  aber  liegt  die  Frage  viel  einfacher.  Die 
vierte  Seite  nämlich  gibt  uns  das  Gentile  unseres  Okulisten  in  aus- 
reichender Vollständigkeit:  Q-POM  •  DIODOTI.  Ich  lese  Q.  Pomponii 
Diodoti,  weil  einerseits  der  Name  der  gens  Pomponia  äusserst  'geläufig 
und  inschriftlich  durch  viele  Beispiele  belegt  ist,  anderseits  aber  Pom- 
ponii, ein  Q.  Pomponius  Graecinus  und  L.  Pomponius  Nigrinus  (Grote- 
fend  81  und  82)  in  ihrer  Eigenschaft  als  Erfinder  von  Gollyrien 
durch  Stempelinschriften  bekannt   sind. 

Wir  haben  demnach  hier  ein  Beispiel  der  jedenfalls  durch  die 
Enge  des  Inschriftraumes  gebotenen  Sitte,  den  Namen  des  Arztes,  wenn 
er  auf  einer  Seite  vollständig  gegeben  war,  auf  der  andern  möglichst 
abzukürzen.  Dem  von  Desjardins  angeführten  Beispiele  L.  luli.  Amandi 
und  L  *  I  *  AMandi  (Grotefend  n.  39)  füge  ich  noch  bei  Grotefend  n.  10, 
13,  15,  40,  47,  55,  64,  71,  72,  91,  100. 

Was  den  griechischen  Namen  Diodoti  betrifft,  so  brauche  ich  nur 
auf  das  hinzuweisen,   was   Grotefend  S.  5   dargelegt  hat. 

Betrachten  wir  nun  die  auf  unserem  Stempel  aufgeführten  Mittel, 
so  kommt  das  Diasmyrnes  doppelt  vor  (S.  1  und  2)  und  zwar  jedesmal 
mit  der  gleichen  kurzen  Namenbezeichnung  Q.  P.  Diodoti.  Diese  Eigen- 
thümHchkeit,  dass  dasselbe  Heilmittel  doppelt  vorkommt,  ist  durch 
einige  Beispiele  bestätigt,  z.  B.  Grotefend  n.  75,  n.  26  (der  Hinweis 
auf  n.  69  als  auf  ein  weiteres  Beispiel  muss  einen  Irrthum  oder  einen 
Druckfehler  enthalten);  vielleicht  findet  sich  dieselbe  Eigenthümlichkeit 
auf  n.  33,  ganz  gewiss  aber  auf  n.  34,  obwohl  Grotefend  SicheFs  An- 
nahme einer  Doppelsetzung  des  Heilmittels  nicht  gelten  lässt.  Unser 
Stempel  fügt  den  bis  jetzt  bekannten  Stempeln,  auf  denen  ein  und 
dasselbe  Heilmittel  doppelt  vorkommt,  einen  neuen  bei.  Wenn  ich  nun 
einen  Versuch  wage,  diese  Eigenthümlichkeit  zu  erklären,  so  kann  dieser 
Versuch  natürlich  nur  für  unseren  Stempel  gelten,  dessen  ursprüngliche 
Legende  mir  vorliegt.  Und  gerade  für  unseren  Stempel  rechtfertigt 
manches  den  Versuch  einer  Erklärung.  Trotzdem  nämlich  die  gleichen 
Seiten  1  und  2  in  der  Buchstabenform,  wie  in  der  Interpunktion  den 
völlig  gleichen  Schreibecharakter  aufweisen,   einen  Schreibecharakter,  der 


Miscellen.  147 

sowohl  von  der  Inschrift  auf  S.  3,  wie  der  auf  S.  4  grandverschieden 
ist,  zeichnet  sich  die  Legende  auf  Seite  1  vor  der  auf  Seite  2  durch 
Schönheit  und  Zierlichkeit  der  Buchstahen  augenfällig  aus  und  hekundet 
einen  wesentlichen  Fortschritt  oder  angelegentlichere  Sorgfalt.  Sollte 
vielleicht  die  doppelte  Inschrift  und  die  erwähnte  Verschiedenheit  sich 
daraus  erklären  lassen,  dass  dem  Stempelschneider  oder  dem  Auftrag- 
geher die  erste  GraTirung  nicht  genügte  und  demgemäss  die  gleichen 
Worte  nochmals,  aher  diesmal  zierlicher  und  schöner,  auf  einer  andern 
Seite  eingeschnitten  wurden? 

Das  auf  den  heiden  erwähnten  Inschriftseiten  genannte  ophthalmische 
Mittel  ist  das  Collyrium  Diasmyrnes.  Wie  die  Namen  der  Collyrien  Dialepides, 
Dialihanu,  Diamisyos,  Diaglauceu  durch  die  Yerhindung  der  Präposition  mit 
dem  Namen  des  Herstellungsstofifes  gebildet  (did  ajtivQvrj<j:,  dia  Xamdng^  dia 
Itßavov,  diä  i^dovoQy  dia  ylavxeiov)  und  von  den  alten  Medizinern  oft 
erwähnt,  ist  es  wohl  das  auf  den  römischen  Okulistenstempeln  am  häufig- 
sten vertretene  Mittel.  Ohne  weitere  Angabe,  weder  des  Uebels,  gegen 
das  es  helfen  soll,  noch  der  Auflösungssubstanz,  findet  es  sich  auf  den 
Stempeln  Grotefend  n.  12,  15,  16,  30,  60  (in  der  Form  Diazmyrnes), 
92  (wo  es  Diasmyrnen  geschrieben  ist),  107;  der  Gollyrienstempel 
n.  41  enthält  ein  Diasmyrnes  ad  epiphoras;  n.  79  ad  sedatus  lippitu- 
dinis;  n.  7,  19,  24,  29,  49,  56,  59,  60,  76,  87,  90  post  impetum  lippi- 
tudinis;  oh  auf  n.  16  ein  Diasmyrnes  contra  cicatrices  gelesen  werden  darf, 
ist  nicht  klar;  n.  37  enthält  ein  Diasmyrnes  aromaticum  (oder:  ex  ovo?); 
nach  den  Stempeln  n.  20,  47,  78  ist  es  mit  Eiweiss  aufzulösen  (ex  ovo) ; 
auf  n.  84  ist  dem  Diasmyrnes  ex  ovo  ein  primum  zugefügt,  entweder 
in  der  Bedeutung  „ zuvor ^  (Sichel:  „d^abord  d^laye  dans  du  blanc 
d'oeuf**)  oder  in  der  Bedeutung  von  „semel''  (entsprechend  dem  „bis" 
auf  Stempel  n.  47  und  dem  „ter"  auf  n.  26),  wie  Grotefend  anzu- 
nehmen geneigt  ist. 

Die  dritte  Seite  enthält  die  Worte: 

Q  •  P  •  DIODOTI 

ISOCHYSVNA  (als  Schluss  ein  baumzweig- 
artiges  Zeichen). 

Dass  man  in  diesem  Mittel  nichts  anderes  zu  erkennen  hat,  als 
das  Isochrysum,  liegt  auf  der  Hand,  man  mag  das  Zeichen  nach  dem 
C  für  eine  Ligatur  von  HR  oder  für  ein  umgedrehtes  und  missglücktes 
R  halten  (von  der  Umkehrung  des  R  gibt  es  Beispiele).  Im  letzteren 
Falle  stünde  C^=CH.  Diese  Schreibung  findet  sich  auf  den  Denk- 
mälern unserer  Art  häufig,  z.  B.  Celido  =  Chelidonium  (Grotefend  n.  99), 
Gloron  =  Chloron  (n.  97),  Crsmaelinm  =  Ghrysomelinum  (n.  53),  Diacyl 
ssDiachylon    (n,  40).       Das    Collyrium  Isochrysum    selbst    findet    sich 


148  Misoellen. 

häufig  auf  Okalistenstempeln.  Ohno  weitere  Bezeichnung,  wie  auf  dem 
unsrigen,  steht  es  bei  Grotefend  n.  1,  wo  gleichfalls  C  =  CH  steht;  mit 
dem  Zusätze:  „ad  claritatem"  auf  n.  41,  62,  72  (wo  esYsochrysum  lautet), 
„ad  ßcabrities  et  claritatem"  mit  dem  Zusätze  „opobalsamatum"  auf  n.  55. 
Näheres  über  das  Zeichen  *1  anzugeben  vermag  ich  nichts  da  die  Entschei- 
dung nur  auf  Grund  einer  Einsichtnahme  in  die  ursprünglichen  Charaktere 
sämmtlicher  Stempel  gefällt  werden  kann,  eine  Autopsie,  die  mir  bis  jetzt 
versagt  war. 

Die  vierte  Seite  enthält  die  Inschrift: 

QPOMDIODO 
TIADEP^O///V 

Dass  an  der  zweitletzten  Stelle  der  zweiten  Zeile  ein  R  gestanden 
hat,  ist  ebenso  klar,  wie  es  einleuchtet,  dass  die  Buchstaben  ADEPt'OS 
gelesen  werden  müssen:  „ad  epiphorus".  Dieses  auf  unsern  Okulistenstem- 
peln  Öfters  erwähnte  Uebel  findet  sich  nirgends  völlig  ausgeschrieben. 

In  der  gleichen  Vollständigkeit  wie  auf  unserem  Steine,  nur  mit  PH 
geschrteben,  findet  es  sich  auf  dem  Stempel  bei  Grotefend  n.  59: 

IVNI  •  TAVRI  •  AVTHEMERVM  •  AD 
EPIPHOR  •  ET  •  OMNEM    LIPPITVD  • 

Genau  wie  auf  unserem  Stempel  findet  es  sich  auf  n.  60: 

IVENAUS  •  BIS    PVNC 

TVM- AD -EPIFOR  (wo  vielleicht  am  Schlüsse 
einige  Buchstaben  fehlen.) 

(Dass  auf  römischen  Augenarztstempeln  häufig  F  =  PH  steht,  zeigen 
Beispiele  wie  Fronimi,  Faeon,  Symfori,  Flogiuro,  Sarcofagum.) 

Der  Stempel  n.  26  enthält: 

C  •  DEDEMONIS  •  THEOCH 

IST  •  AD  •  EPIPHORA  •  EX  •  OVO  •  TER, 

n.  57: 

IVNI    TAVRI  •  CROCOD  •  DIA 
MISVS  •  AD   DIATHESIS  •  ET  •  R  •  E, 

was  Grotefend  mit  Berufung  auf  Galenus  erklärt: 

„ —  et  rheumatis  epiphoras." 
n.  41  enthält: 

MIVLCHARITONIS 
DIASMYRN//////A-E, 

ohne  Zweifel  ein  Diasmyrnes  ad  epiphoras. 

Während  die  Epiphora  an  sich,  ohne  Beziehung  auf  die  Augen,  im 
Singular  vorkommt  (Cic.  ad  fam.  XVI,  23:  Verumtamen  Baibus  ad  me 
scripsit,  tanta  se  epiphora  opprAsum,  ut  loqui  non  possit),  kommt  sie  als 
Augenübel  nur  im  Plural  vor,  sowohl  bei  den  Griechen  wie  bei  den  Römern, 


■^M 


Miscellen.  149 

Demnach  müssen  wir  lesen:  „ad  epiphoras^.  Dass  aaf  unserer  In- 
schrift nicht  der  Name  desMittels,  sondern  das  durch  es  zu  heilende  Uebel 
genannt  ist,  darf  nicht  befremden.  Folgende  Bebpiele  mögen  diesen  Ge- 
brauch belegen:  Grotefend  n.  33,  65,  84b,  104. 

Es  erübrigt^  den  Buchstaben  Y  am  Schlüsse  der  zweiten  Zeile  zu  er- 
klären. 

Man  könnte  an  volneris,  volnernm  denken  und  sich  dabei  auf  den 
Stempel  bei  Grotefend  n.  83  stützen: 

PROCVLI  •  EVO 

DES  •  AD '  VOLCE  (vielleicht  soviel  wie:  ad 
volnera  ceranda.)  ^^ 

Auch  könnte  man  auf  „ulcus''  verfallen  mit  Beziehung  auf  die  Er- 
klärung Grotefend*s  zu  n.  23. 

Doch  nach  solchen  ganz  vereinzelten  und  durchaus  unsicheren  Ana- 
logieen  halte  ich  es  nicht  für  gestattet,  unseren  Buchstaben  Y  zu  erklären. 

Behalten  wir  vielmehr  die  Thatsache  im  Auge,  dass  die  vorliegende 
Inschriftseite  nur  das  Augenübel  angibt;  und  sehen  wir,  auf  welche  Attri- 
bute der  Krankheitserscheinung  bei  der  Empfehlung  von  CoUyrien  vornehm- 
lich Rücksicht  genommen  wird,  so  kehrt  keines  häufiger  wieder,  als  das 
Attribut:  veteres,  z.  B.: 

1)  Grotefend  n.  24:  C  •  IVLI  '  LIBYCI  '  DIACIO 

/// 1  E  S  •  AD  •  SVPPVRAT   ET 

CCI 
VETE  •  lÄR 

2)  Grotefend  n.  26:  COR    DIALEPIDOS  •  AD  •  V/// 

3)  Grotefend  n.  79:  SE  •  PO    CALENI  •  DIALEPIDOS 

AD  VETERES  •  CICATRICES  • 

auf  demselben  Stempel  ein  (DIAM)ISVM  •  AD  •  VETERES' 

CICATRCIES- 

4)  Grotefend  n.  7:     T    ATI  •  DIVIXTI  •  DIAMI 

SVS  AD  •  VETERES  •  CIC 

5)-Grotefend  n.  19:   L  •  FIDI  •  IS/// 

MISVS-ADVE/// 

6)  Grotefend  n.  39:  L  •  IVL  •  AMANDI 

DIAM   AD  •  VET/// 

7)  Grotefend  n.  43 :  C  •  I VLI  •  DIONYSODORI 

DIAMISVS   AD  •  VET  •  CIC 

II 

8)  Grotefend  n.  53:  T- IVNIANI  •  DAASVM 

AD   VETERES  •  CICATRICES 

9)  Grotefend  n.  6i.  M  •  IVVENT  •  TVTIANI 

DIAMYSVS-  AD  •  VET-  CIC 


150  Miflcellen. 

Nur  mit  dem  ÄDfaDgabnchstaben  V  bezeichnet,  findet  sich  „ve- 
teres"  auf: 

10)  Grotefend  n.  8:  M  •  C  •  CELSINI 

DIAMISVSAVCIC 

11)  Grotefend  d.  42    TIB  "  IVL  •  CLARI 

DIAMIS  ADVC 

Da  es  BODBcb  feststeht,  dass  „veteres^  als  Attribut  des  Augenübels 
häufig  dem  Namen  der  Krankheit  beigefügt  wird,  da  ferner  dieses  gebräuch- 
liche und  bekannte  Attribut  auch  mit  dem  kürzesten  Kompendium  V  ge- 
schrieben sich  findet,    nehme  ich  keinen  Anstand,    die  vierte  Seite  unseres 

Stempels  zu  erklären: 

Q.  Pomponii  Diode- 

ti  ad  epiphoras  veteres. 

Das  ist  es,  was  ich  zur  Erklärung  des  neuen  Mainzer  Okulistenstem- 
pels  erörtern  zu  müssen  geglaubt,  eines  Fundes,  der  auch  um  deswillen 
der  Beachtung  gewiss  sein  darf,  weil  er  die,  im  Verhältniss  zu  den  galli- 
schen Landen,  spärliche  Zahl  der  in  Germanien  gefundenen  römischen  Augen- 
arztstempel vermehrt.  Bedauern  und  als  einen  Mangel  meiner  Unter- 
suchung muss  ich,  es  empfinden,  dass  mir  bis  jetzt  nicht  möglich  war,  mich 
durch  die  Kenntniss  der  authentischen  Legenden  über  die  Schreibweise  der 
Okulistenstempel  genau  zu  unterrichten.  Es  ist  für  die  Epigraphik  gerade- 
zu ein  Bedürfniss,  dass  eine  neue,  vollständige  Zusammenstellung  aller  be- 
kannten römischen  Augenarztstempel  mit  genauer  Nachbildung  des  ur- 
sprünglichen Textes  erfolge.  Denn  die  meist  angewandte'  Umschrift  gibt 
dem  Betrachter  keine  Gewähr  für  die  sichere  Kenntniss  dieser  Inschriften 
und  macht  eine  Kritik  des  Textes  unmöglich.  Dass  aber  manche  der  bis 
jetzt  geltenden  Lesungen  unsicher,  manche  vielleicht  auch  unrichtig  sind, 
zeigt  Desjardins^  Eraendirung  der  Grotefend^schen  Erklärung  des  Stempels 
des  L.  Julius  Amandus.  Darum  darf  eiue  erneute  umfassende  und  für  den 
heutigen  Stand  der  Forschung  abschliessende  Arbeit  die  Mühe  nicht  scheuen, 
alle  in  den  verschiedeneu  Ländern,  in  Museen,  wie  im  Privatbesitz,  zer- 
streuten Stempel  in  zuverlässigen  Kopieen  zusammenzustellen  und  so  einen 
sicheren  Text  zu  bieten,  der  die  Grundlage  der  Untersuchung  dieser  so 
merkwürdigen  kleinen  epigraphischen  Denkmäler  ist. 

Dr.  Jakob  Keller. 

2.  Bertri  eh.  Aus  einem  Schreiben  des  Herrn  Hotelbesitzer  Kleriug  in 
Bertrich  v.  Oct.  1880  entnehmen  wir,  dass  derselbe  bei  Vergrösserungs- 
bauten  auf  seinem  Terrain  auf  mehrfache  römische  Mauerreste  stiess.  Bei 
dieser  Gelegenheit  wurden  viele  Thonscherben,  hierunter  auch  terra  sigillata- 
Scherben,  verziert  und  glatt  (ein  Stempel  VRIK))»  Eberzähne,  ein  Stück 
einer  anscheinend  goldenen  Fibel,  sowie  65  silberne  und  5  Erzmünzen  gefunden. 

Die  silbernen  Münzen  gehören  folgenden  Kaisern  an:  1  Galba,  1  Yi- 


ÜÜBoellen.  161 

tellius,  5  Vespasian,   2  Titus,  3  Nerva,  19  Trajan,   15  Hadrian,   3  Sabina, 
1  Antonin. 

Die  kupfernen  zeigen  1  Gallien,  1  Postamua,  1  Urbs  Roma,  2  sind 
nicht  zu  entziffern. 

3.  Bonn.  Römerfunde  nördlich  vomBonner  castrum.  1)  Im 
Monat  März  dieses  Jahres  wurden  an  der  Bonn-Kölner  Chaussee  nördlich 
vom  Rheindorfer  Bach,  dem  Josephshof  gegenüber  römische  Gräber  gemn- 
den.  Zwischen  den  Metersteinen  24,3  und  24,4  zog  sich  9  m  östlich  und 
parallel  der  Chaussee  eine  Reihe  von  Graburnen  hin,  die  mit  1  m  Zwischen- 
raum 1  m  tief  im  Lehmboden  standen,  und  beim  Ausziegeln  für  die  dortige 
Röttgen'sche  Ziegelei  in  einer  Ausdehnung  von  60  m  blossgelegt  wurden. 
Ein  Querprofil  durch  den  Boden,  der  dort  2  m  höher  Hegt  als  die  Chaussee, 
zeigte  diese  Urnenreihe  2  m  von  den  Fundamenten  einer  Mauer  entfernt, 
die  1  m  breit  0,30  m  hoch,  aus  Feld-  und  Bruchsteinen  bestand,  durch 
römischen  Mörtel  verbunden,  daneben  zahlreiche  Tuffstücke  und  römische 
Dachziegel. 

Die  Urnen  wurden  theilweiso  zerschlagen  und  zeigten  die  bekannte 
Form  des  kleinen  Fusses  mit  weiter  Ausbauchung  und  engem  Kopf,  weiss- 
gelblichen  Thon,  und  eine  kleinere  Urne  von  rothem  Thon,  endlich  eine 
Schüssel,  ähnlich  den  heutigen  Untersätzen  zu  Blumentöpfen.  In  den  Ur- 
nen war  Kohle  und  Erde,  und  nur  ein  Mittelerz  des  Kaiser  Domitian 
wurde  gefunden. 

Vor  einigen  Jahren  wurde  beim  Bau  der  Irrenanstalt  am  rechten  Ufer 
des  Rheindorfer  Bach  das  grosse  Gräberfeld  des  Bonner  castrum,  und  die 
schöne  Inschrift  des  custos  armorum  gefunden.  Es  scheint,  als  habe  ein 
Zweig  dieses  Gräberfeldes  400  m  weit,  vielleicht  einen  Weg  begleitet,  der 
sich  in  der  Richtung  der  jetzigen  Chaussee  auf  die  dortige  Höhe  zog. 

2)  Den  Rheindorfer  Bach  überschritt  400  m  oberhalb  der  jetzigen 
Chansseebrticke  eine  Römerstrasse,  welche  von  Roisdorf  her  die  Bonn-Kölner 
Chaussee  kreuzte,  und  als  6  m  breiter  1  m  hoher  Dammweg  durch  die  porta 
sioistra  des  Lagers  auf  Wicheishof  führte.  Ein  Zweig  dieser  Strasse,  der 
jetzige  Liefelingsweg,  überschritt  den  Rheindorfer  Bach  etwas  unterhalb 
der  Chausseebrücke,  und  führte  durch  die  jetzige  Irrenanstalt  nördlich  am 
Graben  des  castrum  entlang,  gerade  auf  den  Jesuit euhof,  in  dessen  Garten 
Herr  Prof.  au8*m  Weerth  in  diesem  Winter  das  Grabenprofil  und  die 
Elscarpe  des  castrum  klarlegte.  Nördlich  am  Judenkirchhof  wird  dort 
seit  einigen  Jahren  beim  Lehmstechen  für  die  Streng* sehe  Ziegelei  das 
Profil  jener  Römerstrasse  aufgedeckt,  eine  höchstens  0,30  m  starke  Kies- 
schicht in  0,50  m  Tiefe  unter  der  ^Erdoberfläche,  6  m  breit,  ca.  60  m 
nördlich  von  der  Escarpe  des  castrum.  An  dieser  Strasse  sind  römi- 
sche Steinsärge  und  Münzen  gefunden,  stellenweise  neben  der  Strasse  Fun- 


152  Misoellen. 

damente  von  Gebäuden,    in    1  Vs  na  Tiefe,    nur  6  m  breit,    mit  aahlreichen 
Knochenresten. 

3)  Der  sogenannte  Bonner  Berg,  der  bei  den  Belagerangen  Bonn's 
im  17.  Jahrhundert  eine  Rolle  spielte,  liegt  500  m  vor  der  porta  praetoria 
des  castrum,  an  der  römischen  Staatsstrasse  Mainz-Köln,  überhöht  die 
Strasse  an  jenem  Thor  um  6  m,  uud  blickt  weithin  in  die  Mündung  der 
Sieg,  welche  zur  Römerzeit  am  nördlichen  Fuss  der  Schwarz-Rheindorfer 
Höhe  in  den  Rhein  mündete.  Der  Bonner  Berg  zeigt  seine  Grabenreste 
nicht  nach  der  Bonner  Seite,  sondern  nach  Grau-Rheindorf  hin,  und  war 
wohl  unzweifelhaft  ein  römischer  Wacht-  und  Lagerposten  für  einige  20 
Mann  Besatzung,  da  die  Kuppe  höchstens  20  m  Seiteiilänge  bot.  Wahr- 
scheinlich lag  ein  ähnlicher  Wachtposten  450  m  vor  der  porta  sinistra,  da 
wo  die  Römerstrasse  die  jetzige  Kölner  Chaussee  an  einer  Terrainerhebung 
durchschneidet.  Zahlreiche  römische  Gefässscherben  und  Graburnen  wer- 
den am  Bonner  Berg  gefunden,  in  neuester  Zeit  römische  Silbermünzen. 
In  meinen  Besitz  kam  von  dorther  ein  sehr  gut  erhaltener  Domitian  und 
ein  Fingerring  von  Brouce  mit  kleinem  Schlüssel,  der  flachliegend  die  Ober- 
fläche  des  Fingers  deckt.  von  Veith. 

4.  Harzheim.  Aus  einem  Briefe  des  Herrn  Ä.  Eich  in  Mechernich 
V.  16.  Oct.  1880  entnehmen  wir  Folgendes:  Vor  einigen  Tagen  empfing  ich 
die  Nachricht,  dass  man  in  der  Nähe  von  Harzheim  beim  Beackern  eines 
Feldes  auf  grosse  behauene  Sandsteinplatten  gestossen  sei  und  mehrere 
derselben  ausgehoben  habe.  Nach  näherer  Erkundigung  heisst  die  Feldflur 
„am  Weilerberg",  und  finde  ich,  dass  die  Stelle  meinem  sei.  Papa  als 
„römische"  bekannt  war  (römische  Wasserleitung,  Seite  70).  Sobald  mir 
einige  freie  Zeit  erübrigt,  werde  ich  mich  dorthin  begeben,  um  Genaueres 
einzusehen  und  zu  erfahren. 

5.  Hunsfück.  Das  Dorf  Bell  bei  Castellaun  ist  1877  aus  der  Reihe 
der  muthmasslicheh  in  die  der  erwiesenen  römischen  Niederlassungen  auf 
dem  Hunsrück  getreten,  da  ein  Theil  der  Fundamente  einer  Villa  (ähnlich 
dem  mit  III,  IV,  V  und  VI  bezeichneten  Theile  der  Villa  von  Altenkülz, 
S.  81,  Heft  55)  aufgedeckt  und  zur  Gewinnung  der  das  unterste  Funda- 
ment bildenden  Quarzblöcke  ausgeräumt  wurde.  Man  sieht,  dass  die  Fun- 
damente sich  in  der  vermuthlichen  Richtung  und  Weise  in  die  benach- 
barten Aecker  fortsetzen.  Wenn  nicht  schon  die  Fundamente  durch  die 
grobe  Unterlage  von  Quarz  mit  darauf  von  Thonschiefer- Bruchstein  und 
Mörtel  gehörig  gesetzter  Mauer  den  römischen  Bau  (im  Hunsrücker  Lande) 
verriethen,  so  würde  ein  Estrichboden  von  opus  signinum  mit  runden 
Bessalen  darunter,  wie  auch  der  Grundriss  den  Beweis  liefern.  Die 
Stelle  befindet  sich  dicht  oberhalb  des  Dorfes  südlich  neben  der  Strasse 
nach  Castellaun,  etwa  100  Schritte  von  dieser  entfernt  in  einer  von 
da    ab    geneigten    Ackerflur,    daher    der    aufwärts    gelegene    Theil,    wohl 


MiMwUen.  163 

sobon  bei  der  ADrodung  uod  durch  den  Pflng,  muiche  Zertrümmerang  der 
FuDdamente  erfabrcD  hat.  Längst  konnte  man  im  Getreide  der  Äecker 
etwas,  wie  den  GruudrJBB  eines  grOBsen  Gebäudes  mit  eckigen  Voraprüngon 
erkeonen,  da  der  Theil,  unter  welchem  Mauern  lagen,  verkümmerte,  daher 
leb  daseibat  eine  röinieche  Behausung  vermuthete,  die  nun  erwiesen  ist. 
Das  Dorf  liegt  an  einer  zu  BefestiguDgen  sehr  geeignetun  Anhöhe,  worauf 
anch  wohl  der  Name  hindeutet.  Daselbst  würde  wohl  noch  Maoches  zu 
finden  sein,  wäre  es  nicht  längst  bei  Erbauung  dea  Dorfes  ausgeräumt. 
Von  Gefäaaen  hat  sich  nichts  gefunden.  Ein  Asclituliaufen  lag  so,  dass 
man  ihn  aua  der  Bodenheizung  erklären  konnte.  Eine  bleierne  Röhre  kann 
man  auf  eine  Badekammer  deuten,  denn  obwohl  die  beiden  Brunnen  der 
jetzigen  Wasserleitung  für  das  Dorf  anscheinend  etwas  an  tief  liegen,  könnten 
bei  der  rieseligen  Natur  des  Bodens  dieselben  früher  weiter  oben  gefasst 
gewesen  aein.  Werilea  doch  auch  Jeet  noch  Quell en-Ausg&nge  an  Abh&ngeu 
vertieftl  Jedesfalla  wurden  beide  Quellen,  obwohl  etwas  fern,  auch  von 
dar  Villa  benutzt,  wie  auch  das  Borf  sie  nicht  entbehren  k&nnte. 

Im  Thale  bei  Cbümbdchen,  nahe  bei  Simmem,  ist  eine  grosse  Villa 
in  Aeckei-n  ebenso  aufgedeckt  worden,  -deren  Grandrias  Herr  Baiuneistar 
Bientann,  welcher  die  bei  Aliens  entdeckte  Villa  genau  kennt,  gern  voH- 
stftndig  aufgenommen  bftlte.  Dazn  aber  fehlten  leider  die  Mittel,  indem 
die  Königl.  Regierung  erklärte,  deren  keine  2U  besitzen,  was  um  so  mehr 
sa  beklagen  ist,  da  hier  anscheinend  ein  ausgedehnter  Bau  vorlag,  der  auch 
schdne  Backsteinplatten  zeigte. 

Bei  Hasselbaoh,  wo  am  Unterdorfe  bei  dem  Scbulhansban  sich  die 
Spuren  einer  Villa  gezeigt  hatten,  ist  in  der  Flur,  welche  vom  obern  Theile 
des  Dorfes  nach  dem  Gimmbach  sich  herabzieht,  ein  Fnudament  zum  Theil 
anberaumt  worden,  das  zunächst  mehr  AebnUchkeit  mit  dem  auf  dem  Berge 
bei  Neuerkirch  zeigte,  das  fQr  ein  Wachthaus  gebalten  wurde,  wozu  auch 
die  Lage  passt.  Doch  könnten  auch  für  Oekonomie  bestimmte  Gebäude 
dabei  gewesen  sein,  die  ja  auch  dort  (zu  Stein-Gülz)  nahe  dabei  waren. 
So  zeigt  das  Cülz-Thal  auf  einem  Wege  ron  2  Stunden  bei  Häsaelbacb, 
Alt«r-Calz  und  Nenerkirch  je  zwei  Fandamente  und  bei  Chümbdohen  ein 
grosses.  Bartels,  Pforrer. 

6.  Mechernich.  Ans  brieflicher  Mittheilnng  des  Herrn  A.  Eick  ent- 
nehmen wir  Folgendes: 

Vor  kurzem  wurde  ein  mittelalterlicher  kupferner  Siegelstempel  ge- 
funden, welcher  bei  der  Umschrift  S-QODEFRIOI  MILITIS  D*  SCh€VORD 
(SigilluraGodefridiMilitis  (fikr  Ritter)  dictus  (genannt)  Sehe vord),  ein  Wappen 
zeigt,  in  welchem  auf  einem  Qnerbalken  in  der  linken  Ecke  eine  Ente  oder 
sonst  ein  Vogel  dargestellt  ist.  Fundort  ist  der  sogenannte  Ginaterberg 
dem  Dorfs  Sobaven  bei  Commern  gegenüber  und  wurde  er  beim  Kiesgraben 
an's  Licht  gefördert.     Die  Stelle  ist  als  altdeutsche  Begrähnisastätte  aehr 


154  Misoellen. 

bekannt,  worüber  Sie  Näheres  in  der  yon  meinem  sei.  Vater  Terfassten 
Schrift:  „Die  röm.  Wasserleitung  aus  der  Eifel  nach  Köln"  (Bonn  bei  H. 
Cohen  &  Sohn)  p.  11 1  gütigst  nachlesen  wollen.  Ob  das  Siegel  mit  den 
dort  yerzeichneten  Fanden  in  Beziehung  gebracht  werden  kann,  vermag  ich 
nicht  zu  beortheilen.  Eine  genaue  Besichtigung  desselben  ergibt,  dass  das 
Wort  dictus  durch  die  Buchstaben  Ds  wiedergegeben  ist  und  an  der  Lesang 
nicht  g^weifelt  werden  kann. 

Fortwährend  noch  werden  in  hiesiger  Nähe  römische  Alterthümer  ge- 
'  funden.  Vor  ca.  zwei  Jahren  stiess  man  beim  Beackern  eines  Feldes  5  Mi- 
nuten oberhalb  des  Dorfes  Strempt  und  in  sechs  Schritten  Entfernung  Ton 
der  über  t)ottel  herunterziehenden  Römerstrasse  auf  grosse  uuregelmässige 
Steinplatten,  die  sich  bei  näherer  Untersuchung  als  Deckplatten  eines  Steia- 
sarges  ergaben.  In  diesem  befanden  sich  jedoch  nur  Scherben  vonThon- 
gefässen  und  Olasschaleh  nebst  fettiger  Kohlenerde  und  Knochenreste. 
Münzen  wurden  keine  gefunden.  Der  Sarg  ist  aus  dem  Knottensandsteine 
der  hiesigen  Erzlagerstätten  ausgehauen  und  noch  an  der  Fundstelle  einzQ- 
sehen.  An  einem  der  Kopfende  ist  ein  Stück  ausgebrochen.  Im  Sommer 
Torigen  Jahres  wurde  in  der  Nähe  des  Dorfes  Gallmnth  ebenfalls  ein  solcher 
Steinsarg  ausgehoben  worin  sich  ein  niedriges  Töpfchen  (Urne)  befand. 
Bemerkenswerth  an  demselben  ist  die  braunschwarze  glänzende  Glasur. 
Dieser  Sarg  dient  jetzt  als  Futtertrog.  Die  Funde  mehren  sich  beim  Dorfe 
Keldenich.  Beim  Auswaschen  des  bleierzhaltigen  Sandes  auf  den  nahe  ge- 
legenen Gruben  daselbst  finden  sich  nicht  selten  auf  den  Setzsieben  römi- 
sche Münzen  von  meist  bester  Erhaltung.  Die  älteste  der  neuerdings  ge- 
fundenen ist  von  Domitian,  die  jüngsten  von  Gonstantinus.  Vorigen  Herbst 
fand  man  dort  beim  Roden  einer  Landparzelle  7  Urnen  nebeneinanderstehend 
und  mit  Asche  angefüllt.  Durch  Unvorsichtigkeit  des  Arbeiters  wurden 
leider  sechs  davon  zertrümmert,  die  siebente,  etwa  fünf  Zoll  hoch,  befindet 
sich  in  meinem  Besitz.  Es  will  mir  scheinen  als  ob  man  sich  zur  Her- 
stellung derselben  des  erzhaltigen  Sandes  bediente,  indem  am  Fusse  des 
Töpfchens  einige  Glasur  aufliegt,  die  von  dem  leichtflüssigen  Weissbleierz 
herzurühren  scheint  und  beim  Brennen  der  Geschirre  als  Glasur  heraustrat. 
Eine  Seite  desselben  ist  vom  Ofenrauch  gebräunt.  Aussenfläche  und  Inneres 
erscheinen  wie  mit  Sand  bestreut. 

In  Mechernich  selbst  stiess  Herr  Jos.  Kier  bei  Grundarbeiten  zur  Tiefer- 
legung eines  Uofraumes  auf  eine  stellenweise  1  Meter  hohe  Schicht  schwar- 
zer fettiger  Erde,  die  mit  Knochenresten  von  Schädeln  etc.  stark  durch- 
setzt war  und  sich  in  einer  Ausdehnung  von  10  bis  15  qm  erstreckte. 
Dieselbe  wurde  als  Dungstoff  im  Garten  verwandt.  Es  liegt  die  Ver- 
mnthung  nahe,  dass  dieser  Ort  zur  Verbrennung  von  Leichen  benutzt 
wurde,  da  sich  Holzkohlen reste  in  Menge  vorfanden.  Diese  Erde  nahm  beim 
Trocknen    an   der  Luft    eine    bläulich-graue  Färbung   an.     Münzen  fanden 


Mifloellen.  165 

sich  keine  vor,  wohl  aher  Thonscherhen  vod  Gefössen  mit  änsserlich  roth- 
braoneD  Flecken  als  Yerzieriuig,  resp.  Glasnr.  Ausserdem  ein  nach  oben 
sich  TerjfingeDdes  yiereckiges  aus  Thon  und  feinsten  Stückchen  rother 
Ziegelerde  hergestelltes  sog.  Webergewicht. 

Ueber  den  Sarg  bei  Callmuth  schreibt  dann  Herr  Betriebsfdhrer 
Zimmermann: 

Derselbe  war  aus  hiesigem,  etwas  röthlich  aussehendem,  vollständig 
taubem  Sandstein  verferiigt.  Beim  Auffinden  war  derselbe  bedeckt  mit 
einer  0,20  m  dicken,  1,40  m  langen  und  0,7dm  breiten  Platte  desselben 
Materials.  In  der  ausgehauenen  Vertiefung  befand  sich  nur  eine  kleine 
Urne,  und  in  derselben  noch  ein  Ansatz  von  Asche.  Au  der  frischen  Ar- 
beit konnte  man  ersehen,  dass  der  Sarg  nie  einem  anderen  Zwecke  gedient 
hat.  —  Sodann  wurde  vor  Kurzem  auf  demselben  Grundstück  eine  ca. 
0,20  m  hohe  und  ebenso  breite  Urne  gefunden,  welche  sieb  in  dem  Besitze 
des  Herrn  Martin  Meyer  von  hier  befindet. 

7.  Seckmauern  i.  0.  Ausgrabungen  römischer  Alterthömer. 
An  der  bei  Obernburg  a.  M.  anfangenden  und  sich  bis  zum  Neckar  fort- 
setzenden befestigten  Römerstrasse  liegt  auf  der  Strecke  zwischen  Obern- 
burg und  Seckmauern  etwa  2  Kilometer  von  letzterem  Ort  in  nördlicher 
Richtung  im  Wörther  Stadtwalde  ein  grosser  Trümmerhaufen,  der  „Feuchte 
Mauer''  heisst  und  den  ich  in  meinen  Mittheilungen  über  römische  Alter- 
thümer  i.  0.  bereits  mehrfach  erwähnt  habe  ^).  Schon  vor  mehreren  Jahren 
habe  ich  mich  durch  kleinere  Funde  römischer  Gefössscherben  bei  Gelegen- 
heit kleinerer  daselbst  geraachter  Nachgrabungen  von  dem  römischen  Ursprung 
dieser  Trümmer  überzeugt  und  darauf  hingewiesen,  dass  dieses  römische 
Gebftnde  ehemals  die  Bestimmung  gehabt  haben  müsse,  die  Römerstrasse, 
an  der  es  liegt,  gegen  eine  von  Eisenbach  heraufziehende  Thalranlde  zu 
schützen.  Aber  welcher  Art  das  Gebäude  gewesen  sei,  über  seine  Grösse 
und  Bedeutung  konnte  man  nichts  Bestimmtes  wissen,  weil  eben  die  ur- 
sprüngliche Anlage  durch  massenhafte,  halbkreisförmig  umherliegende,  hoch- 
aufgeschichteto  Steintrümmer  verdeckt  war.  Nur  so  viel  Hess  sich  aus  der 
Beschaffenheit  des  Trümmerhaufens  und  der  Masse  von  grösseren  Steinen 
Bchliessen,  dass  das  Gebäude  zwar  kein  römisches  Gasteil  gewesen  sei,  weil 
keine  Spur  von  einem  Wall  und  Graben  vorhanden  ist,  aber  doch  für  Yer- 
theidignngpszwecke  besonders  fest  gebaut  und  mit  dicken  und  hohen  Mauern 
versehen  war,  denn  woher  wäre  sonst  bei  seiner  Zerstörung  diese  bedeutende 
Stein-  und  Trümmermasse  entstanden,  wie  sie  sich  nach  dem  Zeugniss  von 
Alterthumsforschern,  die  mit  mir  die  Stelle  besichtigten,  in  gleicher  Grösse 
und  Ausdehnung  an  dem  ganzen-  römischen  Grenzwall  nicht  mehr  vorfindet. 
Schon    lange    hegte   ich    desshalb    den  Wunsch,    durch  Nachforschung   mit 


1)  Vgl.  Heft  LXII  und  LXIX  dieser  Jahrbücher. 


156  MiscelleD. 

Hülfe  grösserer  Arbeitskräfte  die  Grundmauem  des  Gebäudes  aofsufinden, 
sie  bloszulegeD  and  so  die  BestimmuDg  dieser  röraischen  Bsaanlage  zu  er* 
mittein.  Dieser  Wunsch  ging  theilweise  in  Erfüllung,  indem  der  historische 
Verein  für  das  Grossh.  Hessen  einige  Mittel  ver willigte  und  am  28.  Juli 
dieses  Jahres  begab  ich  mich  in  Gemeinschaft  mit  Herrn  ßezirksfeldwebel 
in  Höchst  i.  0.,  der  schon  mehrere  Gebäude  römischen  Ursprungs  aufgedeckt 
hat,  über  welche  ich  später  zu  berichten  Gelegenheit  finden  werde  und  der 
auch  bei  dieser  Gelegenheit  als  sachkundiger  Leiter  der  Arbeiten  fungirte, 
mit  sieben  gut  geschulten  Arbeitern  an  die  Aufgrabung  der  ,,FenchteD 
Mauer^.  Zunächst  wurde  an  einer  baumfreien  Stelle  ein  Durchschnitt  von 
Aussen  nach  Innen  gezogen  um  die  Umfangsmauern  des  Gebäudes  zu  finden 
und  im  Innern  Nichts  zu  zerstören.  Mit  grosser  Vorsicht,  um  ja  kein 
Mauerwerk  zu  durchbrechen,  wurde  vorgegangen  und  stiess  man  nach  drei- 
stündiger Arbeit  zunächst  auf  die  südliche  Umfassungsmauer  des  Gebäudes. 
Die  hier  0,90  m  dicke  Fnndamentmauer  war  etwa  noch  1 ,90  m  hoch  un- 
yersehrt  erhalten  und  unter  dem  Fundament  zeigt  sich  die  dem  römischen 
Fundament  stets  als  Grundlage  und  zum  Abzug  etwaiger  Feuchtigkeit 
dienende  Rollschichte.  Von  Aussen  und  Innen  wurde  nun  der  Zug  der 
Mauer  zwar  nicht  ganz  biosgelegt,  weil  dieses  zu  bedeutende  Grundarbeiten 
erfordert  hätte,  aber  doch  an  verschiedenen  Stellen  unzweifelhaft  constatirt, 
bis  man  die  Ecke  des  Gebäudes  fand  und  nun  der  Schmalseite  nachgraben 
konnte.  Hierbei  ergab  sich  nun,  dass  das  Gebäude,  im  Verhältniss  zu 
seiner  Länge  aufiPallend  schmal  war.  Denn  die  Länge  des  Gebäudes  betrug 
14,70  m  und  die  Breite  nur  7,40  m;  eine  Anlage,  welche,  da  man  sich  das 
Gebäude  nach  der  Menge  der  noch  hier  befindlichen  Steine  zweistöckig 
vorstellen  niuss,.  die  Festigkeit  beeinträchtigt  haben  würde,  wenn  nicht  für 
diese  wieder  durch  Verwendung  ansehnlicher  Quadersteine  hinlänglich  ge- 
sorgt worden  wäre.  An  der  südöstlichen  Schmalseite  nun  zeigte  sich  0,50  m 
von  der  Ecke  ein  grosser  Sandsteinmonolith  mit  sorgfältiger  Bearbeitung 
eingelassen,  der  sofort  die  aufgefundene  Thoreinfahrt  indicirte.  Dieser 
Stein  bot  auf  seiner  oberen  horizontalen  Seite  die  Standfläche  für  einen 
Thorpfosten  dar,  der  auf  ihm  sicher  und  unverrückbar  ruhte.  Dieser  Theil 
des  Steines  bildet  einen  Kubus  von  0,54  m  dann  setzt  er  sich  zu  0,30  m 
verschmälernd  fort  in  zwei  halbkreisförmig  gebogenen  Absätzen,  deren  un- 
terer augenscheinlich  die  Bestimmung  eines  Thorabweisesteins  bei  dem  Ein- 
fahren hatte.  Bei  weiterer  Aufgrabuug  dieser  Thoreinfahrt  ergab  sich  die 
interessanteste  Bauanlage,  wie  sie  in  dieser  Integrität  selten  vorhanden 
sein  dürfte.  Es  fanden  sich  die  im  Grundriss  ersichtlichen  vier  horizontalen 
in  ihrer  ursprünglichen  Lage  noch  beGndlichen  Steinplatten,  an  denen 
man  die  Breite  der  ThorÖflnung  erkennt.  Dieselben  haben,  wie  man  an 
dem  Profil  der  Steinplatten  ersieht,  vorn  eine  Erhöhung,  welche  offenbar 
als  Thoranschlag  diente,     liier  ersah  ich  nun  deutlich,  dass  man  ganz  ähnliche 


Misoellen.  167 

Steinplatten,  die  am  Castell  in  Lutzelbach  früher  gefanden  worden,  irr- 
thümlich  für  Theile  einer  römischen  Feuerleitnng  erklärte.  In  der  Mitte 
dieser  Steinplatten  finden  sich  zwei  Rinnen,  entweder  zum  Ablanfen  des 
Wassers  oder  zur  Erleichterung  der  Einfahrt.  Der  bei  der  Ausgrabung 
anwesende  Bautechniker  Herr  Gommunalbaumeister  Heusei  yon  Höchst  i.  0. 
forderte  nun  einen  Arbeiter  auf,  von  der  ersten  Platte  den  Schutt  zu  ent- 
fernen, sie  ganz  zu  reinigen,  indem  sich  in  der  Ecke  neben  dem  Abweise- 
stein die  Pfanne  finden  müsse,  in  welcher  sich  die  Thorangel  drehte;  als- 
bald kam  dieselbe  in  einer  kreisrnnden,  eingehauenen  Vertiefung  der  Sand- 
steinplatte, zum  Vorschein.  Die  Breite  der  Steinplatten  betrug  0,67  m, 
0,52  m,  0,87  m,  woraus  sich  eine  Thoi'weite  von  etwa  2  m  ergibt.  Bei 
weiterer  Reinigung  der  Steinplatten  ergaben  sich  in  denselben  mehrere 
Rinnen,  in  denen  sich  vorstehende  Theile  des  Thores  beim  OefiFhen  und 
Schliessen  bewegt  haben  mögen.  Auf  der  anderen  Seite  fand  sich  keine 
korrespondirende  Vertiefung  für  die  Thorangel,  so  dass  das  Thor  ein  ein- 
flügeliges gewesen  sein  muss.  Eine  mehr  auf  der  Seite  befindliche,  kreis- 
runde Vertiefung,  die  mit  den  Rinnen  in  Verbindung  steht,  diente  offenbar 
zum  Verschluss  des  Thores  und  dürfte  es  bei  näherer  Untersuchung  nicht 
unmöglich  sein,  die  Art  dieses  Verschlusses  sich  vollständig  zu  reconstruiren. 

Die  Thoreinfahrt  dieses  Gebäudes  war  ohne  Zweifel  desshalb  auf  der 
Seite  und  nicht  in  der  Mitte,  um  den  ohnehin  schmalen  Innenranm  nicht 
durch  einen  Durchgang  in  der  Mitte  zu  verstümmeln.  Vielmehr  waren  die 
inneren  Gelasse  durch  Quermauern  von'  der  einen  Schmalseite  zur  anderen 
abgetheilt.  Doch  konnten  die  Innenräume  nicht  aufgegraben  werden,  da 
nach  zweitägiger  Arbeit  die  Mittel  erschöpft  waren.  Nur  eine  Scheide- 
mauer im  Innern  wurde  gesucht  und  gefunden  und  bei  dieser  Gelegenheit 
das  schön  gearbeitete  Thorkapitäl  mit  zierlichen  Profilirungen  aufgefunden. 
Es  wurde  bei  dem  Einsturz  des  Thores  wohl  an  diese  Stelle  geschleudert, 
wo  es,  etwas  entfernt  vom  Thoreingang  gefanden  wurde. 

ausserdem  wurden  Bruchstücke  von  Lavasteinen  mit  schönen  Riefen 
gefunden,  Ueberreste  einer  römischen  Handmühle,  dann  ein  römisches 
Messer,  ein  grosses  Stück  Glasfluss,  woraus  hervorgeht,  dass  wenigstens 
der  Theil  des  Gebäudes,  in  dem  sich  Glasgeräthe  befanden,  durch  Feuer 
zerstört  wurde  (die  vorhandenen  Steine  tragen  keine  Brandspuren),  viel 
Thonscherben,  Terrasigillatastücke,  Nägel  etc.  Eine  nähere  Untersuchung  des 
etwa  30  Schritte  davon  entfernt  liegenden,  kleineren  Trümmerhügels  konnte 
nicht  mehr  vorgenommen  werden,  doch  ergab  sich,  dass  es  ein  kleineres 
Nebengebäude  war.  Bemerkenswerth  ist,  dass  um  das  Ganze  sich  ein  voll- 
kommen steinfreies  Bodenareal  herumzieht,  auf  welchem  sich  noch  an  der 
Bodenerhöhnng  der  ehemalige  Lauf  der  Einfriedigungsmaner  erkennen  lässt. 
Dieses  Areal  war  offenbar  früher  das  um  das  Gebäude  liegende  Gelände, 
auf  welchem  die  Garten-  und  Eüoheng'ewächse  gepflanzt  wurden.     So  haben 


156  Miscellen. 

wir  denn  wohl  die  ursprüngliche  Bestimmung  dieses  Gebäudes  als  eine 
doppelte  anzusehen.  £s  hatte  einen  militärischen  Zweck,  dafür  spricht  die 
Wahl  des  Ortes  am  Ende  der  Eisenbacher  Thalmulde,  die  Lage  unmittel- 
bar an  der  alten  Romerstrasse,  welche  südlich  davon  vorüberzieht  und  noch 
den  Namen  „die  alte  Strasse **  führt.  Dann  war  das  Gebäude  auch  für 
ökonomische  Zwecke  eingerichtet.  Dafür  spricht  das  kleinere  Nebengebäude, 
das  cultivirte  Land,  welches  das  Gebäude  rings  umgab  und  so  dürfen  wir 
nach  der  opulenten  Ausstattung  des  Ganzen  uns  hier  den  früheren  Sitz 
eines  verdienteren  römischen  Militärs  denken,  in  dessen  Räumlichkeiten  sich 
in  Friedenszeiten  das  Thun  und  Treiben  eines  römischen  Meierhofes  •  ent- 
faltete. Dagegen  ist  es  nunmehr  erwiesen,  dass  die  beiden  Trümmerhügel 
keine  römischen  Wachtthürme  waren. 

Gleich  nach  Beendigung  obiger  Ausgrabungen  erhielt  ich  vom  König- 
lichen Bezirksamt  in  Obernburg  nachstehendes  Schreiben: 

„Aus  Anlass  einer  hierher  gelangten  Rcgierungsentschliessung,  welche 
lautet:  »Um  historisch  und  artistisch  hervorragende  Gebäude  und  Bau- 
denkmäler vor  Verfall  und  Verunstaltung  zu  schützen,  wurden  vom  Land- 
rathe  Mittel  verwilligt,  welche  von  der  Regierung  -nach  Massgabe  der 
Wichtigkeit  des  Objektes  verfügbar  gestellt  werden  können.  Es  ergeht 
daher  der  Auftrag,  solche  in  kunstgeschichtlicher  Beziehung  im  Bezirk  vor- 
handene, wiclitige  Baudenkmale  in  Benehmen  mit  Sachverständigen  zu  er- 
forschen und  die  veranlassten  Anträge  zu  stellen«  — 
und  nachdem  §ie  auch  in  dem  Bezirksarote  Obernburg  erfolgreiche  Stadien 
und  Nachforschungen  gepflogen  haben,  erlaube  ich  mir,  Sie  um  Ihren  sach- 
kundigen Beirath  ergebenst  zu  bitten. 

Der  Königliche  Bezirksamtmann  Weber." 

Unter  Mittheilung  obiger  Resultate,  eines  Bauplanes  und  eines  weitern 
Ausgrabungsplanes  für  das  Innere  habe  ich  die  Königliche  Regierung  in 
Baiern  ersucht,  die  weitern  erforderlichen  Mittel  bewilligen  zu  wollen  und 
hoffe  ich,  demnächst  das  begonnene  Werk  fortsetzen  und  vollenden  zu  können. 

Seckmauern  i.  0.  Seeger,  Pfarrer. 


8.  Auf  die  Bemerkung  eines  Sz.  in  Heft  LXIX,  S.  107  habe  ich  zu 
erwiedem,  dass  an  den  Angaben  und  Schlüssen  meines  betreff*enden  Auf- 
satzes nur  Eins  zu  corrigiren  ist,  nämlich  der  Pergament-Codex  Eigen- 
thum  des  Königlichen  Provincial-ScbulcoUegiums  ist  und  im  Staats- Archiv 
zu  Münster  aufbewahrt  wird.  Nordhoff. 


ta^ 


Miflcellen. 


169 


9.  Nachtrag. 


10 


Die  beiden  neu  aufgefundenen  Bruchstücke  der  im  Heft  LXVII, 
S.  47  besprochenen  und  daselbst  abgebildeten  Bronzetafeln  schliessen  zu- 
sammen und  gehören  dem  zweiten  daselbst  mit  III.  IV  bezeichneten 
£xemplar  an.  Wir  geben  auf  der  Vorderseite  (III)  die  Anfänge  von 
Z.  2 — 10,  auf  der  Rückseite  (IV)  die  Schlussbuchstaben  von  Z.  2—11. 
Neues  lehren  sie  gar  nicht,  da  eben  diese  anfangenden  und  schliessenden 
Buchstaben  sämmtlich  schon  in  dem  ersten  Exemplar  (I.  II)  vorhanden 
sind.  Vielleicht  aber  darf  man  hoffen,  dass  auch  die  übrigen  Reste  der 
vermuthlich  vollständig  gefundenen  und  erst  nach  der  Auffindung  zer- 
trümmerten Tafel  allmählich  ihren  Weg  in  das  Bonner  Museum  finden 
und  das  merkwürdige  Dokument  vervollständigen  werden. 

Als  Kaiser  Aurelianus  im  J.  270  die  Gesandten .  der  Juthungen  in 
seinem  Hauptquartier  unter  Entfaltung  d«s  vollen  militärischen  Pompes 
empfing,  werden  von  dem  Zeitgenossen  Dexippos  (fr.  24  Müll.)  als  die 
aij^aja  Ttjg  iniXixTOv  (nganäg  namhaft  gemacht  (ra  di  slaiv)  ueioi  xgvoot 
xai  iixovBq  ßaaiXstoi  xai  tngaionidwv  xaidXayoi  ygaf^t/uaai  /^gvooig  irjXovfUvoiy 
alle  getragen  an  versilberten  Stangen.  Die  Adler  der  aquiliferi  und  die 
Kaiserbüste  der  imaginiferi  sind  hinreichend  bekannt.  *  Verzeichnisse  der 
Soldaten  in  Goldschrift*  begegnen  weiter  nicht.  Ich  halte  es  für  sehr 
wahrscheinlich,  dass  die  oben  besprochenen  Bronzetafeln  mit  denselben 
Soldatennamen  auf  beiden  Seiten,  welche  kürzlich  in  das  Bonner  Museum 
gelangt  sind,  dieser  Art  sind;  dass  sie  von  beiden  Seiten  gleiphmässig 
gesehen  werden  sollen,  passt  für  ein  Feldzeichen  gut.  Spuren  von  Ver- 
goldung habe  ich  allerdings  nicht  bemerkt.  Th.  M. 


Druckfehlerberichtigung. 

In  Hefl  LXIX,  S.  142,  Zeile  6  von   unten  soll  es  heisssen    statt:  (gegen 
acht  Alemannen),  „gegen  die  Alemannen". 


Inhalt 


Seite 

I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

1.  Römische  Funde  in  Mainz.    Von  J.  Keller.    (Hierzu  Taf.  I.)     .    .    .  1 

2.  Die  Wasserbauten   der   Römer  in   den   Zehntlanden.     Von   Na  eh  er. 
(Hierzu  Taf.  H.) 6 

3.  Ein  Münzfund  von  der  Nahe.    Von  van  Vleuten 14 

4.  Römische  Falschmünzerformen,  gefunden  in  Trier.    Von  F.  Hettner.  18 

5.  Zu  dem  Gräbstein  des  Volcius  M^ercator.    Von  Seeger.      .    .    ,    .    .  60 

6.  Gegenstände  der  Ausstellung  kunstgewerblicher  Alterthümer  in  Düssel- 
dorf.   Von  aus'm  Weerth 54 

A.  Der  Bilderschmuck  des  Cod.  Egberti  und  des  Cod.  Eptemaoensis. 

Von  Lamprecht.    (Hierzu  Taf.  III — X.) 56 

Irrthümlich  sind  im  Text  statt  der  Tafel-Bezeichnungen  III — X  die 
Bezeichnungen  I — VIII  stehefn  geblieben,  wir  bitten  den  Leser, 
dies  berichtigen  zu  wollen.    D.  R.  . 

B.  Meister  Eisenhuth.    Von  Nordhoff.    (Hierzu  Taf.  XI  ani  Xllfj  113 

II.  Litteratur. 

1.  Die  heidnische  Weiheformel  D-M  von  Becker.    Angez.  von  Kraus.  .  133 

2.  Geschichte  der  Schulen  im  alten  Herzogthum  Geldern,  von  Nettesheim. 
Angez.  von  de  Ciaer. 135 

3.  Die  Pfarre  zur  h.  Ursula  von  Stein.     Angez.  von  van  Vleuten.     .     .  135 

4.  Nachtrag  von  de  Ciaer 137 

III.  Miscellen. 

1.  Mainz.    Neuer  römischer  Augenarztstempel.      Von  Keller.     Hierzu  1 
Holzschnitt MO 

2.  Bertrich.     Funde.    Von  Klering 160 

3.  Bonn.    Römische  Funde  vor  dem  Cölnthor.    Von  v.  Veith 151 

4.  Harzheim.    Sandsteinplatten.    Von  Eich 152 

5.  Hunsrück.     Römische  Villa.    Von  Bartels 152 

6.  Mechemich.    Verschiedene  Funde.     Von  Eich  und  Zimmermann.     .  133 

7.  Seckmauern  i.  0.    Ausgrabung.    Von  Seeger 155 

8.  Berichtigung.     Von  Nordhoff. 158 

9.  Nachtrag.    Von  Mommsen 159 


DnlTersitäto-Bnchdrackerel  von  Oul  Georgl  in  Bonn. 


.  d.  tenim  vMterflnims  Fr.  in  MrM  Hefl  MX. 


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Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alter thimis-Fr.  in  Rheinh  Heft  LXX. 


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Jahrb.  d.  Vereins  v.  AlterthumH-Fr,  in  Rhein}.  Heft  LXX. 


Taf.  ; 


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Jahrb.  d.  Vtreius  v.  Alierthumsfr.  im  Ulieinl.  SeftLXZ 


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Ein  Theil  des  Oberrhein^  zur  Römerzeil. 


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linkss.  Hochqestade 


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^Itrh.  d.  rerein»  y.ilterttums  Fr.  in  nbrivl.  Heft  WC. 


Codex  Egbert! 


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Jahrb.  d.  Ymins  v^ltailnims  Fr.  in  Witinl  Heft  IX. 

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Jahrb.  d.  Vereins  v^McrUmms  Fr  in  Hhtinl  Htfi  JbSi.. 


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Jahrb.  d.  Ymins  v^lterUiumf  Fr.  in  Bheinl  HdllSZ. 


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JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXI. 


JI/TOD 


HIT  7  TAIVUI/OND  4  HOLZSCmOTTBir. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BOin,  BEI  ADOIf  H  MARCDS. 

isai. 


\ 


Inhaltsverzeichniss. 


Seite 
I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

1.  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden,   besonders  in  dem  badi- 
schen Landestheil  desselben.    Von  J.  Naeher.     Hierzu  Taf.  I  .     .     .  1 

2.  Classis  germanica  pia  fidelis.    Von  Bone 107 

8.  üeber  ein  Barbotingefass  der  ehemaligen  Sammlung  Discb.    Von  Jonas 

Paul  Meier.    Hierzu  Taf.  HI.     Fig.  1 110 

4.  Einige  weitere  Gef&sse  mit  Inschriften.  Von  E.  aus'm  Weerth.  Hierzu 
Taf.  III.    Figg.  2  u.  8 112 

5.  Kleinere  Mittheilungen  aus  dem  Prov.-Museum  zu  Bonn.     Von.  E.  aus'm 
Weerth.    Hierzu  Taf.  II 114 

1.  Blumenvase  und  Spiegel  aus  Köln 114 

2.  Geräthschaften  Römischer  Aerzte 117 

6.  Zur  Erinnerung  an  die  Disch'sche  Sammlung  röm.  Glaser.    Von  E.  aus'm 
Weerth.     Hierzu  Taf.  V,  VI  und  VII 119 

7.  Pontifical-Eelch  aus  dem  Dome  zu  Osnabrück.    Von  E.  aus'm  Weerth. 
Hierzu  Taf.  IV  , 138 

II.  Litteratur. 

1.  Die  Baudenkmäler  des  Begierungs-Bezirks  Wiesbaden  von  Lotz-Schnei- 
der,  angez.  von  Nordhoff 187 

2.  Wandmalereien  des  christlichen  Mittelalters   in  den  Rheinlanden.    Von 

E.  ans'm  Weerth,  angezeigt  v.  Otte 151 

III.  Miscellen. 

1.  Bonn:  Lesung  des  Deutzer  Steines.    Von  Meyer  und  aus'm  Weerth.  154 

2.  Berg  bei  Nideggen:  Fränkische  Grabstätte.     Von  Koenen 154 

3.  Düsseldorf:  Entdeckung  einer  alten  Töpferei.    Von  demselben    .     .    .  155 

4.  Dusseldorf:  Grabfund  bei  Gerresheim.    Von  demselben 156 

5.  Johannisberg  bei  Kirn.    Von  Lehfeldt 157 

6.  Jünkerath:  Vicus  Icorigium.     Von  Heydinger .  157 

7.  Walderbach:  Sandsteinfiguren.    Von  Lehfeldt 160 

8.  Werlau:  Grabstein.    Von  Lehfeldt 160 


I.    Gesehielite  und  Denkmäler. 


Das  römische  Strassennetz  In  den  Zehntlanden, 

besonders  in  dem  badischen  Landestheil  desselben. 

Hierzu  Taf.  I. 


Vorwort 

In  der  Erforschung  der  römischen  Zeitepoche  der  Zehntlande 
sind  wir  auf  Orund  der  neuesten  Untersuchungen  soweit  angelangt, 
dass  wir  nunmehr  ein  Bild  des  damaligen  Verkehrslebens  und  nament- 
lich des  Strassennetzes  im  Grossherzogthum  Baden  zu  entwerfen  ver- 
mögen, das  im  wesentlichen  als  eine  Ergänzung  desjenigen  zu  betrach- 
ten ist,  welches  s.  Z.  der  hochverehrte  und  als  gründlicher  Forscher 
bewährte  Gonservator  von  Paulus  für  den  württembergischen  Theil 
der  Zehntlande  festgestellt  hat. 

Es  ist  ganz  natürUch  und  auch  für  die  Leser  wünschenswerth, 
dass  hierbei  das  ganze  übrige  Bauwesen  mit  den  Vertheidigungsanstalten, 
welches  zur  Beurtheilung  der  römischen  Kulturzustände  im  Zehntlande 
nöthig  ist,  beigezogen  werden  musste. 

Die  Frage,  „welche  Bauten  sind  römischen  Ursprungs'^ 
bedurfte  seit  den  romanistischen  Anschauungen  von  Mone,  Krieg  von 
Hochfelden,  Vetter  und  Baier  bezüglich  der  Burgbauten  einer  wie- 
derholten Klärung,  welche  schon  in  der  Abhandlung  des  Staatsraths 
von  Becker  angebahnt  ist,  und  welche  hier  durch  die  Beschreibung 
der  römischen  Bauten  auf  Grund  langjähriger  Beobachtungen  und  Auf- 
nahmen zum  Abschluss  gekommen  sein  dürfte.  Die  moralischen  Unter- 
stützungen, welche  mir  hierbei  in  erster  Reihe  von  Seiten  des  Herrn  Dr. 
Brambach,  Vorstand  der  hiesigen  Landesbibliothek  und  von  einigen 
meiner  Herren  Coilegen  zu  Theil  wurden,  und  welche  viel  zur  Förde- 
rung der  vorliegenden  beschwerlichen  Arbeit  beitrugen,  erkenne  ich 
mit  tief  gefühltem  Dank  an. 

1 


2  Das  römische  Strassenneiz  in  den  ZehnÜanden. 

Die  beigefügte  Karte  ist  vielleicht  in  zu  kleinem  Massstab  aus- 
geführt, aber  mit  Beihilfe  der  Beschreibung  und  der  neuen  Spezialkarten 
für  die  allgemeine  Uebersicht  genügend. 

Sind  einmal  für  jeden  Landestheil  der  Zehntlande  ähnliche  Be- 
schreibungen; wie  die  vorliegende,  vorhanden,  so  lassen  sich  die  ein- 
zelnen Arbeiten  leicht  zum  grossen  Ganzen  vereinigen,  welches  zur 
Beurtheilung  des  römischen  Gulturiebens  der  Zehntlande  nöthig  ist. 

Mit  grosser  Genugthuung  erwähne  ich  hier  das  vortreffliche  Werk 
des  Geh.-R.  Baer,  Chef  der  Grossherzogl.  badischen  Wasser-  und  Strassen- 
baudirection  („Chronik  des  Strassenbaues  in  Baden,  Berlin  bei  Springer 
1878"),  worin  ein  reiches  Material  an  geschichtlichen  Anmerkungen 
über  den  Ursprung  der  jetzigen  Landstrassen  und  die  älteste  Ge- 
schichte unseres  Landes  enthalten  ist. 

In  demselben  fand  ich,  gestützt  auf  meine  ausgebreitete  Lokal- 
kenntniss  und  meine  langjährigen  Erfahrungen  im  Strassenbau,  die 
erste  Aufmunterung  zur  Ermittelung  des  römischen  Strassennetzes 
im  Grossherzogthum  Baden. 

Ist  auch  hierin  noch  manches  im  einzelnen  zu  berichtigen  und 
zu  ergänzen,  so  ist  durch  vorliegende  Arbeit  doch  ein  wesentlicher 
Anfang  gemacht,  der  sich  den  Untersuchungen  über  die  römischen 
Strassen  Verbindungen  in  Württemberg  von  Paulus  und  am  Nieder- 
rhein den  bewährten  Forschungen  von  Schneider  und  aus'm  Weerth 
in  dieser  Beziehung  anschliesst. 

Karlsruhe  im  Februar  188L  Naeher. 


Inhalts-Verzeichniss. 

I.    Der  römische  Strassenbau  im  Allgemeinen. 

a)  Die  Einleitung. 

b)  Die  Tra^irung  und  Bauweise  der  Strassen. 

n.    Das  römische  Strassennetz   (in  den  Zehntlanden,  be- 
sonders im  badischen  Landestheil  derselben). 

a)  Die  Consular-  oder  Militär-Strassen  mit  einigen  Hauptverbin- 
dungsstrassen. 

b)  Die  römisch-keltischen  Verbindungswege. 

c)  Die  muthmasslichen  Wege  keltischen  Ursprunges. 


Das  römiiche  Strassennets  in  den  Zebntlanden.  8 


I.    Der  rSmische  Strassenban  im  Allgemeinen. 

a)  Einleitung. 

Die  Strassen-  und  Wegverbin düngen,  welcbe  zur  Zeit  der 
Römerherrschaft  in  den  Zehntlanden  bestanden,  lassen  sich  im  Allge- 
meinen in  zwei  Klassen  elntheilen.  1)  in  solche,  welche  die  Römer  bei 
der  Besitznahme  für  ihre  Kriegsoperationen,  namentlich  zur  Unter- 
stützung der  Vertheidigung  ihrer  Grenzbefestigungen,  neu  anlegten 
und  mit  Stationen  (maosiones)  versahen,  und  2)  in  solche,  welche  die 
Römer  als  schon  zwischen  den  Niederlassungen  der  Kelten  bestehende 
Wegyerbindungen  übernahmen,  und  (je  nach  der  Bedeutung,  die  sie 
unter  der  Römerherrschaft  erhielten)  theils  verbesserten,  theils 
nur  unterhielten.  Das  schnelle  Vorrücken  der  Römer  im  Zehntland 
lässt  sich  nur  dadurch  erklären,  dass  ihnen  die  schon  vorhandenen 
Saumpfade  behilflich  waren. 

Erstere  Strassen  sind  die  sog.  Gonsularstrassen,  welche  mit 
den  Stationen  in  der  römischen  Vermessungstafel  und  in  dem  Itinerar 
aufgezeichnet  sind.  Man  konnte  nicht  umhin  diesen  auch  noch  die 
bedeutenderen  Verkehrsstrassen,  welche  später  als  die  erstgenann- 
ten von  den  Römern  zur  Verbindung  ihrer  Colonien  angelegt  wurden, 
und  sowohl  in  militärischer  als  merkantilischer  Beziehung  von 
Wichtigkeit  waren,  anzureihen. 

In  die  Kategorie  der  römisch-keltischen  Verbindungswege  gehören 
solche,  welche  den  Verkehr  zwischen  den  damaligen  Niederlassungen 
vermittelten,  deren  Existenz  urkundlich  oder  durch  Aufdeckungen  und 
Funde  von  Denkmälern,  Votivtafeln,  Fragmenten  etc.  nachgewiesen  ist 

Wie  jene  der  römischen  Gebäudesubstructionen,  so  sind  auch  d  i  e 
Spuren  der  römischen  Heerstrassen,  insbesondere  der  Oberbau  der- 
selben im  Boden  vergraben  und  nur  bei  Strassenverlegungen  gelingt 
es  nianchmal  denselben  blosszulegen,  und  sich  von  der  Bauweise 
der  versteinten  Fahrbahn  derselben  zu  überzeugen. 

Stützte  römische  Strassenpflaster  wie  in  Italien  gibt  es  bei  uns 
nicht  mehr.  Die  Herstellung  derselben  trägt  das  Gepräge  der  Flttch- 
tigkeity  wie  es  gegenüber  der  Solidität  der  dortigen  Bauten  auch  bei 
den  Gebäuden  in  den  Zehntlanden  beobachtet  wird. 

Es  ist  ein  Irrthum,  wenn  man  glaubt,  dass  die  Römer  auf  den 
Graten  der  Berge  ihre  Fahrbahnen  durchweg  mit  einem  Pflaster  ver- 
sahen,  und  dass  überhaupt  dasselbe  das  alleinige  Kennzeichen  einer 


4  Dat  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

römischen  Strasse  sei  und  wo  dasselbe  nicht  zu  finden  ist,  auch  keinff 
vorhanden  war.  Die  Römer  hatten  häufiger  Kiesstrassen  als  mit 
Pflastersteinen  versehene,  welche  letztere  man  überhaupt  nur  da  trifft, 
wo  das  Material  in  der  Nähe  gewonnen  werden  konnte. 

Die  römischen  Pflasterungen,  wo  solche  vorhanden  waren,  sind 
jetzt  entweder  bis  0,6  m  tief  in  den  Acker-  oder  Waldboden  versunken, 
oder  es  sind  Landstrassen  auf  sie  gelegt  worden,  meist  aber  sind 
die  Pflastersteine  herausgebrochen  und  zu  Schottersteinen  zerschlagen 
worden.  ' 

Wie  wenig  von  einer  solchen  römischen  Pflasterung  heute  noch 
zu  sehen  ist,  zeigt  die  römische  Strasse  VII  von  Ettlingen  nach  Gann- 
statt  (siehe  unten). 

FQr  die  Wahl  eines  römischen  Strassenzuges,  wo  solcher  noch 
sicher  gestellt  werden  muss,  ist  neben  der  Erkenntniss  des  Bedürf- 
nisses der  Strassenverbindung  überhaupt  auch  noch  das  Yerständniss 
der  römischen  Tra^irungsweise  nöthig,  dann  wird  man  auch  ohne  das 
Vorhandensein  von  Spuren  der  römischen  Pflasterung  zum  Ziel  kommen. 

In  dem  topographischen  Atlas  für  das  Grossherzogthum  Baden 
1 :  50,000  sind  viele  solche  verlassene  römische  Strassenzttge  über  die 
Höhen  mit  punktirten  Linien  angegeben. 

Den  Topographen,  welche  diese  Karte  in  den  Jahren  1832—40 
aufnahmen,  waren  Weisungen  von  Seiten  ihrer  Oberbehörden  zur  Be- 
achtung solcher  römischen  Baureste  zugegangen  und  wir  verdanken 
denselben  manchen  jetzt  sehr  werthvollen  Eintrag  in  die  Karten. 

InK.  von  Beckers  Geschichte  des  badischen  Landes  I.  Heft 
ist  die  Wichtigkeit  und  Nothwendigkeit  eines  römischen  Wegnetzes  für 
die  Zehntlande  weit  unterschätzt  Die  Peutinger^sche  Tafel  und  das 
Itin.  Ant.  sind  zur  Beurtheilung  der  Ausdehnung  eines  solchen  Netzes 
und  der  römischen  Ansied lungen  nicht  massgebend,  was  schon  daraus 
hervorgeht,  dass  darin  nicht  einmal  die  sehr  wichtige  Verkehrsstrasse 
VII  von  Strassburg  nach  Gannstatt  oder  von  Heidelberg  nach  Speier 
und  andere  aufgenommen  sind. 

Viele  der  weniger  wichtigen  Verbindungen,  wie  im  römischen 
Strassenbezirk  des  Odenwaldes,  hatten  in  späteren  Zeiten,  namentlich 
am  Ende  des  3.  Jahrhunderts,  wo  die  Alemannen  ihre  Einfälle  be- 
gannen, auch  mehr  oder  weniger  militärische  Bedeutung. 

Viele  von  Mone  in  seiner  Urgeschichte  des  bad.  Landes  hervor- 
gehobenen Schlüsse  zur  Ermittelung  des  römischen  Ursprungs  der 
Strassenzüge  haben  ihre  vollständige  Berechtigung.    Sowohl  die  aus 


Das  römische  Sirassenneiz  in  den  Zehntlanden.  6 

den  ältesten  Zeiten  henührenden  Flurbenennungen,  wie  sie  derselbe 
Forscher  aufgeführt  hat,  (S.  151—158)  namentlich,  wo  solche  wie: 
Steinstrasse,  Stein  weg,  Heerstrasse,  Hochstrasse  etc.  vorkommen, 
weisen  immer  auf  das  Vorhandensein  einer  früheren  römischen  Ver- 
kehrsstrasse hin,  wenn  sie  überhaupt  in  der  Richtung  einer  solchen 
liegen. 

Noch  jetzt  heissen  viele  verlassene  oder  als  Feldwege  fortbe- 
stehende Wege  „Römerstrassen",  so  wie  wir  auch  noch  einen  Römer- 
berg bei  Dietlingen  und  einen  Sennfeld  haben. 

Bezüglich  der  Bestimmung  von  römischen  Niederlassungen  soll 
man  sich  übrigens  nur  an  wirklich  vorhandene  Spuren  von  Bauresten 
aus  der  Römerzeit  oder  an  Funde  von  Altären  und  Denkmälern  halten. 
Letztere  selbst,  da  sie  sehr  oft  verschleppt  wurden,  sind  nicht  so  mass- 
gebend wie  erstere. 

Wie  viel  das  Zehntland  noch  an  römischen  Bauresten  und  Denk- 
mälern birgt,  zeigen  die  letzten  Jahre,  in  welchen  z.  B.  die  grosse  rö- 
mische Militärstation  bei  Heidelberg  gelegentlich  der  Ausgrabung  der 
Fundamente  für  das  neue  Spital  aufgedeckt  wurde;  ebenso  vermehren 
sich  die  Funde  an  Denkmälern  und  von  Bauresten  aus  der  Römerzeit 
noch  immer  und  hierüber  dürften  die  Akten  noch  lange  nicht  ge- 
schlossen sein,  während  man  bei  der  Bestimmung  des  römischen  Weg- 
und  Strassennetzes,  nicht  das  „Zu  frühe^'  ausrufen  kann,  und  das 
nachfolgende  von  uns  bestimmte  als  massgebend  betrachtet  wer- 
den darf. 

Zunächst  betrachten  wir  hier  die  Trafirung  und  Bauweise  der 
römischen  Heerstrassen. 

b)  Die  Tra^irung  und  die  Bauweise  der  römischen 

Heerstrassen. 

Als  die  Römer  in  den  Besitz  der  Zehntlande  kamen,  waren  sie 
vollständig  Meister  in  der  Kunst  des  Strassenbaues. 

Wenn  man  aber  bedenkt,  dass  diese  Strassenanlagen  den  Kriegs- 
operationen entsprechende  rasch  ausgeführte  Vertheidigungsmittel  waren, 
so  darf  man  hier  nicht  Kunstbauten  suchen,  wie  in  der  Nähe  Roms  die 
Appi^sche  und  Flamini 'sehe  Strasse. 

Die  Römer  suchten  im  Zehntlande  die  Tragirung  ihrer  Strassen 
auf  den  Höhenrücken,  welche  nicht  allein  den  besten  Untergrund 
und  die  trockenste  Lage,  also  auch  die  leichteste  Bauweise  ge- 


r  . 


6  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zebntlanden. 

Währten,  sondern  auch  durch  die  freie  und  beherrschende  Lage 
miteist  der  Warten  so  situirt  waren,  dass  die  feindlichen  Einfälle  rasch 
den  einzelnen  Stationen  und  den  herbeieilenden  Truppentheilen  mitge- 
theilt  werden  konnten. 

In  der  Wahl  der  Höhenrücken  fQr  die  Anlage  der  Heerstrassen 
waren  die  Römer  sehr  vorsichtig  und  man  sieht  bei  weiten  Strassen- 
zügen  sogar  ein  kurzes  Verlassen  der  Wasserscheiden,  wenn 
dabei  die  Sicherheit  der  militärischen  Rücksichten  bewahrt  blieb.  — 
(Beispiel:  Zug  von  Tenedone  durch  den  Klettgau  über  Siblingen  zum 
Randen). 

Die  römischen  Strassen  zogen  oft  mit  15— 207o  von  einer 
Anhöhe  zur  Thalsohle  hinab,  und  suchten  mit  derselben  Steigung  die 
jenseitige  Thalwand  zu  erklimmen,  so  dass  ein  Verbleiben  im  Thal  so- 
viel als  möglich  vermieden  wurde. 

Wo  es  die  Gestaltung  der  Höhenrücken  erlaubte  hielten  die  rö- 
mischen Strassenzüge  so  lange  als  möglich  gerade  Linie  ein,  so 
dass  sie  zu  beiden  Seiten  die  höchsten  Erhebungen  umgingen,  wie 
z.  B.  der  Zug  von  Schönbähl  nach  Pforzheim,  wo  rechts  die  Anhöhe 
des  Wallberg  bei  Brötzingen  liegen  blieb. 

Wir  finden  bei  den  römischen  Strassenzügen  der  Zehntlande  weder 
ein  Anschmiegen  derselben  an  die  Bergwände  behufs  Ausgleichung 
von  Auf-  und  Abtrag,  noch  die  Durchführung  eines  gleichmässigen 
Gefälls,  wie  sie  der  Bau  unsrer  neuen  Strassen  zeigt;  sie  folgten 
den  Unebenheiten  der  Höhenrücken  und  Thalgründe,  mit  Beibehaltung 
des  Dammprofiles,  das  ihnen  nach  beiden  Seiten  freie  Umsicht  und 
grosse  Sicherheit  gewährte. 

Der  höchste  Gebirgsstock,  den  die  Römer  in  den  Zehntlan- 
den mit  einer  ihrer  wichtigsten  Heerstrassen  erstiegen,  war  der  Ran- 
den; (siehe  Str.  IH).  Sie  erreichten  denselben  mittelst  eines  zur 
Höhe  ziehenden  Thaleinschnittes,  des  Langenthals  bei  Siblingen. 

Im  übrigen  gewährten  die  flacheren  Thaleinsattlungen  des  Oden- 
waldes  und  des  Landestheiles  zwischen  demselben  und  dem  Schwarz- 
wald massige  Ansteigungen. 

Bei  dem  schweren  Tross  an  Wagen,  den  die  Truppen  zu  jener 
Zeit  mit  sich  führten,  erforderten  solche  Auffahrten  aussergewöhnliche 
Kraftanstreugungen.  Das  Wagengestell  war  fest,  die  Lang- 
wiede  ohne  Drehvorrichtung  und  die  Räder  stark  mit  Eisen  beschlagen. 

Die  Zugthiere  waren  meist  Mault  hier  e,  die  die  Römer  aus 
Italien  brachten   und  das  Vorfinden  solcher  Hufe  an    alten   Steigen 


> 


Das  römisohe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  7 

dient  vielfach   als  Beleg,   dass   hier   der   römische    Stras8eD2Ug   zu 
suchen  sei. 

Was  den  Oberbau  der  römischen  Eunsstrassen  im  Zehntlande 
anbelangt,  so  \var  derselbe  dem  Verkehr  und  den  Bedürfnissen  ent- 
sprechend, überall  ordnete  sich  die  Technik  dem  Zweck  der  Bauan- 
lage unter. 

Im  Zehntlande  waren  die  Römer  gleichsam  im  Feindesland,  oder 
wenigstens  beständig  auf  Vorposten. 

E.  Hübner,  Heft  LXIII  S.  41  dieser  Jahrb.  bemerkt  richtig,  dass 
die  beiden  Germanien  nur  militärisch  organisirte  Grenzbezirke  waren, 
die  erst  seit  Hadrian  selbstständige  Statthalter  und  zwar  für  Ober- 
germanien in  Mainz,  für  Untergermanien  in  Köln  hatten. 

Demgemäss  mussten  auch  die  daselbst  von  den  Römern  angelegten 
Strassen  und  Militärbauten  mehr  den  Charakter  der  passageren  Ver- 
theidigung  haben,  und  man  darf  hier  in  der  Technik  die  Sorgfalt  der 
Ausführung  nicht  suchen,  wie  bei  den  epochemachenden  Musterbaüten 
in  Italien  und  Südfrankreich. 

Die  Fahrbahnen  der  römischen  Heerstrassen  erweisen  sich  den 
Aufdeckungen  und  Ausgrabungen  von  anerkannt  römischen  Strassen 
in  dem  Zehntlande  und  der  Schweiz  zu  Folge  als  sehr  schmal. 

y  Wir  müssen  hier  durchaus  Umgang  nehmen  von  solchen  Auf- 
deckungen, wie  sie  im  Werk  des  Alterthumforscher  vonGock  für 
eine  Römerstrasse  bei  Bothnang  im  württembergischen  beschMeben 
sind.  Die  30  Fuss  breite  Unterlage  von  grossen  Sandsteinen,  darauf 
gestampften  Sand  mit  kleinen  Steinen  vermischt,  als  Unterlage  für 
eine  festgefügte  Pflasterung,  welche  wiederum  mit  einer  verwitterten 
und  zusammengefahrenen  Schottermasse  bedeckt  war,  das  ist  für  den 
Oberbau  einer  römischen  Militärstrasse  in  einefai  Grenzbezirk  wie  das 
Zehntland  zu  viel. 

In  diesem  Fall  haben  sich  allmählig  Verbesserungen  und  Aus- 
gleichungsarbeiten, die  in  das  Mittelalter  und  die  Neuzeit  fallen,  ge- 
deckt,  und  diesen  complicirten  Oberbau  der  Fahrbahn  hervorgerufen. 

Die  Ausgrabung  dieser  Strasse  fällt  zudem  in  jene  Zeit,  wo  man 
ohne  weiter  nachzudenken,  alles  einigermassen  künstlich  hergestellte 
unter  dem  natürlichen  Boden  befindliche,  für  römisch  hielt. 

Der  noch  erhaltene  Oberbau  der  römischen  Militärstrassen  in 
unsem  schönen  hochstämmigen  Tannenwaldungen  dient  vollständig  als 
Grundlage  zur  Aufklärung  dieser  Technik. 

Auf  ebenem  y  namentlich  feuchtem  Terrain  wurden  zu  beiden 


•  * 


8  Das  römische  Strassenoetz  in  den  Zehntlanden. 

Seiten  der  Strassenbahn  Gräben  aufgeworfen  und  mit  diesem  Aushub 
ein  erhöhter  Strassendamm  hergestellt,  auf  welchen  das  Strassen- 
fundament  und  die  Yersteinung  zu  liegen  kam.  Auf  diese  Weise 
wurde  nicht  nur  eine  etwas  erhöhte  und  beherrschende  Lage  der 
Strasse  über  das  anstossende  Gelände  und  ein  durch  die  Seitengräben 
geschützter  und  vertheidigungsfäbiger  Fahrdamm  erzeugt,  sondern 
auch  die  Bedingungen  einer  zweckmässigen  Entwässerung  der  Fahr- 
bahn erfüllt.  Wir  finden  im  flachen  Gelände  noch  jetzt  für  die 
Römerstrassen  eine  Benennung,  die  vorzugsweise  von  der  Art  der 
Aufdämmung  derselben  herrührt  und  sichdesshalb  als  „Hochstrasse" 
erhalten  hat 

In  äusserst  seltenen  Fällen,  man  kann  sagen  in  unserm  Lande 
fast  nirgends,  sehen  wir  die  Fahrbahn  einer  römischen  Strasse  in  d  a  s 
Terrain  eingeschnitten.  Wo  sich  die  Spuren  einer  solchen  durch 
einen  Hohlweg  verfolgen  lassen^  entstand  derselbe  jedenfalls  erst  im 
Lauf  der  folgenden  Jahrhunderte.  Die  Bömerstrassen  bleiben  erhöht 
bis  zu  dem  Bergvorsprung,  der  sie  schnell  und  jähe  in  das  Thal  da 
hinunter  führte,  wo  der  Thalübergang  so  kurz  als  möglich  bewerk- 
stelligt werden  konnte. 

Uebrigens  kannten  die  Römer  doch  auch  das  Kehren  einer  Strasse 
an  hohen  und  steilen  Gebirgsabhängen.  Ober-Ingenieur  v.  Bavier  be- 
handelt in  seiner  bekannten  Abhandlung  (s.  dessen  Chronik  der  Strassen 
der  Skchweizer,  Zürich  1878)  auch  die  römischen  Alpen  Strassen  der 
Schweiz  und  sagt:  „Die  Kehren  der  Septimerstrasse  seien 
von  den  Römern  bequem,  schön  und  solid  angelegt  worden,  uqd 
man  habe  für  Wasserableitung  gut  gesorgt.  (Es  finden  sich  am  St. 
Bemhardin  noch  Spuren  dieser  römischen  Anlagen.) 

Die  Breite  dieser  Alpenstrassen  war  sehr  verschieden,  im 
Allgemeinen  sehr  schmal  und  betrug  1,35  bis  2,5  m,  eine  Breite,  die 
auch  bei  uns  im  Zehntlande,  wo  die  Terrainverhältnisse  günstiger 
waren,  wenig  überschritten  wurde. 

Im  Seekreis  fand  man  bei  den  Aufdeckungen  der  römischen 
Strassen  Fahrbahnen  von  3,5  bis  4  m  Breite,  so  von  Langenhard 
nach  Gutenstein  an  der  Donau,  wo  eine  römische  Strasse  von  Vilsingen 
durch  Kreenheinstetten  und  Leibertingen  nach  Buchheim  und  Tuttlingen 
zog.  Die  3,5  m  breite  Fahrbahn  bestand  hier  aus  rauh  aneinander  ge- 
legten grösseren  Kalksteinplatten,  welche  ungleich  stark  waren,  oben 
aber  eine  ebene  Fläche  bildeten;  ferner  fand  man  im  Garten  des 
Wirthshauses  in  Vilsingen  in  der  Richtung  nach  Sigmaringen  und  als 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  9 

Fortsetzung  der  erst  genannten  Strasse  die  Pflasterung  einer  Römer- 
strasse etwa  1.4  m  unter  dem  Boden  dadurch,  dass  hier  nichts  ge- 
deihen wollte.  Diese  Pflasterung  wurde  herausgebrochen  und  zeigte 
bdi  4  m  Breite  dieselbe  Construction  wie  die  oben  erwähnte.  Theile  der 
römischen  Donauthalstrasse  von  Tuttlingen  nach  Müsskirch  wur- 
den durch  das  Ausbleiben  der  jungen  Saat  in  den  Fruchtfeldem 
nachgewiesen  und  aufgedeckt,  es  waren  meist  Kiesstrassen  mit  3,5  m 
breiter  Fahrbahn. 

Bei  Liptingen,  dem  Knotenpunkt  zweier  römischen  Strassenzüge, 
stiess  man  beim  Edenstetter  Hof  an  der  Strasse  gegen  Oberschwandorf 
auf  eine  gepflasterte  Fahrbahn  von  3—3,5  m  Breite.  Die  ungleich 
starken  Kalksteinplatten  waren  auch  hier  so  gebettet,  dass  sie  oben  eine 
ebene  Fläche  bildeten  ^). 

Diese  kleine  Römerstrasse  lässt  sich  jetzt  noch  stackweise  ver- 
folgen, indem  die  noch  bemerkbare  Strassendammerhöhung  sich  theilweise 
dem  Bergabhan  g  anschmiegt.  In  den  Thalniederungen  und  Feldern  sehen 
wir  die  zu  der  Römerzeit  über  das  Gelände  erhöhte  und  mit  Seiten- 
giüben  versehene  Strassenbahn  und  Versteinung  jetzt,  also  nach  17 
Jahrhunderten  0,6--0,7  m  tief  in  den  Boden  eingesunken. 

Die  Aufdeckungen  der  Römerstrasse  im  Hagenschiess,  wo  man 
etwa  0,3—0,4  m  unter  der  Oberfläche  des  jetzigen  Waldbodens  die  Tra^e 
noch  ziemlich  gut  verfolgen  kann,  indem  dieselbe  durchgehends  ge- 
pflastert war,  ergaben  ebenfalls  eine  Breite  der  Strasse  von  3,5—3,6  m 
(12  Fuss)  sammt  den  Banketten.  Die  einzelnen  Sandsteinplatten  oder* 
Findlingsteine,  wie  sie  der  Waldboden  ergibt,  sind  ungleich  stark 
(0,2  bis  0,4  m,  und  so  schwer,  dass  sie  ein  Mann  noch  leicht  hand- 
haben kann,  an  den  Seiten  gut  gefugt,  und  so  in  den  gewöhnlichen 
Boden  gebettet,  dass  sie  oben  eine  ebene  Fläche  bilden.  Bei  Unter- 
kemach  hat  die  Pflasterung  im  Salvester wald,  welche  allgemein 
für  römischen  Ursprunges  gehalten  wird,  bei  3  m  Breite  eine  ähnliche 
Construction. 

Man  bemerkt  hier  noch  die  Geleisspuren  der  Wagenräder,  die 
bei  1,4m  Breite  durchschnittlich  4cm  tief  sind.  Jedenfalls  haben 
wir  es. hier  mit  einem  alten  Strassenbau  zu  thun,  der  bis  in  das  frühe 
Mittelalter  zurückgeht.  Da  aber  die  Verbindung  von  Vilingen  nach  Tri- 
berg,  zu  welcher  dieses  Stück  der  angeblich  römischen  Strasse  im  Sal- 
vest  gehört,  erst  im  Mittelalter  zu  einer  merkantilischen  Bedeutung  kam. 


1)  Naoh  Mittheilongen  des  Herrn  Oberingenieur  Beger,  damals  in  Stookacfa. 


10  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

und  den  Verkehr  aus  der  Baar  in  das  Kinzigthal  vermittelte,  so  dürfte 
die  Abpflasterung  der  Steige  im  Salvestwald  in  diese  Zeit  fallen.  Wir 
finden  solche  gepfasterte  Abfahrten  noch  allenthalben  im 
Schwarzwald,  z.  B.  über  den  Löcherberg  bei  Harmersbach  in  den 
Thälem  der  Alb,  Nagold,  Wurm  u.  s.  w.  zu  den  auf  den  Höhen  liegen- 
den Dorfschaften  führend,  und  es  fallt  Niemanden  ein  sie  auf  die  Bö- 
merzeiten  zurückzuführen. 

Die  früheren  bedeutendem  Greschichtsforscher  haben  in  ihren 
Abhandlungen  oft  den  Bau  der  römischen  Verkehrswege  berührt, 
aber  ihre  Resultate  lassen  den  Techniker  sehr  unbefriedigt,  da  sie 
nur  selten  auf  den  wirklichen  Thatbestand  und  den  Aufdeckungen 
fussten.  Man  fühlt  es,  es  fehlte  in  solchen  Fällen  oft  an  der  eigent- 
lichen Fachkenntniss,  die  zur  Prüfung  von  baulichen  Resten  durchaus 
nöthig  ist. 

Neben  allen  auf  die  ältesten  Verkehrswege  und  Ansiedlungen 
aus  der  Römerzeit  hindeutenden  Flurbenennungen,  die  Mone  in  seiner 
Urgeschichte  Badens  Bd.  I  und  II  sehr  ausführlich  behandelt,  ist  eine 
Lokalkenntniss  doch  nothwendig^  um  da,  wo  sichere  Anhaltspunkte 
fehlen,  die  Trage  Aei  römischen  Weges  herauszufinden.  Mit  einiger 
Sachkenntniss  über  die  Vorbedingungen  der  römischen  Strassenanlagen 
ist  dies,  selbst  bei  dem  ^elfach  coupirten  Terrain  unsres  Landes, 
nicht  schwer. 

Am  wenigsten  darf  man  sich  hierbei  durch  das  Vorkommen  rö- 
mischer Gebäudereste  verleiten  lassen,  denn  es  ist  eine  unbestrittene 
Thatsache,  dass  die  friedlichen  Gehöfte  (Villae  rusticae)  der  Römer 
stets  an  quellenreichen  Thalwaudungen,  abgelegen  von  den  Verkehrs- 
wegen erbaut  waren.  —  Man  darf  also  nicht  behaupten,  wo  eine  solche 
gefunden  wird,  muss  auch  die  Strasse  vorbeigegangen  sein. 

Oberstlieutnant  Schmidt  hat  (Heft  XXXI  dieser  Jahrb.)  eine  ge- 
naue Beschreibung  der  auf  dem  linken  Rheinufer  aufgedeckten  Römer- 
strassen gegeben,  wonach  die  Fahrbahnbreite  derselben  sich  zu  5,4  m 
herausstellte.  Oberamtmann  von  Lüder  zu  Castellaun  führt  in  sei- 
nem Werk  über  Strassenbau  (Frankfurt  a.  M.  1779)  an,  dass  die  Rö- 
mer 60  Fuss  breite  Strassen,  oft  aber  auch  zwei  schmale  Strassen  von 
nur  12  Fuss  Breite  neben  einander  laufend  gehabt  hätten. 

In  Schöpflin's  Alsatia  ill:  ist  die  Breite  der  Fahrbahn  der  ge- 
wöhnlichen römischen  Heerstrassen  zu  12  Fuss  =  3,6m  angegeben, 
Halter  von  Königsfelden  spricht  sich  in  seiner  Abhandlung  „Helve- 
tien  unter  den  Römern*',  dahin  aus,  dass  die  römischen Heerstras- 


Dm  römiflohe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  11 

sen  daselbst  nur  4,8  m  und  die  gewöhnlichen  Verbindungswege  jener 
Zeit  nur  2,4—3  m  breit  gewesen  seien. 

Ritter  von  Gock  nimmt  für  die  römischen  Strassen  über  die 
rauhe  Alp  eine  Breite  von  3,6  m  und  Eitenbenz  für  die  bei  Mess- 
kirch aufgedeckten  und  in  den  Fluren  noch  erkenntlichen  Römer- 
wege eine  Breite  von  3  m  an. 

Bei  Fundamentgrabungen  zunächst  Neuenheim  wurde  im  Jahr 
1879  unter  einer  0,5—0,8  m  hohen  Humusschichte  die  Fahrbahn  der 
römischen  Heerstrasse  von  Ladenburg  nach  Heidelberg  aufgedeckt 
und  uns  hierüber  von  Architect  Wu  nd  mitgetheilt,  dass  die  untere  Roll- 
schichte der  Yersteinung  aus  grossen  Wackensteinen  oder  Sand- 
steinen von  25—30  cm  bestand,  und  die  obere  6—8  cm  starke  Kies- 
schichte satt  in  Kalkbrei  eingelegt  gewesen  soi  ^). 

Die  festgestampften  Kies  decken  im  Seekreis,  wozu  die  Römer 
den  aus  der  Gletscherzeit  heriilhrenden  nur  sporadisch  in  kleinen  Gru- 
ben vorkommenden  Alpenkalk  verwendeten,  zeigen  ebenfalls  jetzt  noch 
eine  Härte,  als  ob  sie  mit  Cement  verkittet  wären.  Es  ist  aber  in 
beiden  Fällen  nur  anzunehmen,  dass  diese  Festigkeit  mit  der  Zeit  und 
durch  den  Gebrauch  erzielt  wurde,  wie  dies  bei  unsern  jetzigen  Kies- 
strassen der  Fall  ist,  wo  die  Kiesdecke  oft  nur  mit  Pulver  gelöst 
werden  kann.  Eine  ähnliche  Härte  der  römischen  Fahrbahndecken  aus 
Kies  bestätigt  Pfarrer  Keller  in  Siblingen  für  die  Heerstrasse  zum 
Banden.  Bei  Ettlingen  wurde  diesen  Sommer  das  Pflaster  der 
römischen  Strasse  nach  Pforzheim  ca.  0,7  m  unter  dem  Boden  gele- 
gentlich einer  Strassencorrection  blossgelegt.  Die  Sandsteinplatten 
waren  unregelmässig  zusammengefügt  und  zeigten  Geleisspuren.  Die 
Breite  von  2,5  m  der  Pflasterung  zeigt,  dass  sie  nur  für  ein  Fuhrwerk 
angelegt  war.  Der  Verkehr  war  damals  gering  und  es  kam  die  Be- 
gegnung zweier  Fuhrwerke  nur  selten  vor,  wobei  man  sich  schon 
durchhelfen  konnte,  da  die  römischen  Wagen  nicht  über  1,4  m  breit 
waren. 

Weitere  in  Aussicht  stehende  Ausgrabungen  von  römischen  Stras- 


1)  Nach  GhrisVs  Aufnahme,  s.  Monatsheft  VI.  der  deutschen  Alterthums- 
▼ereine  S.  242,  hatte  die  Heei-strasse  von  der  Brücke  in  Heidelberg  ab  gegen 
Speier  eine  Breite  von  8,7  m  und  eine  V\rölbiiiig  von  0,25  m  und  bestand  deren 
Bau  in  einer  0,4  m  dicken  Rollschichte  von  grösseren  Sandsteinfindlingen  und 
einer  Auflage  von  grobem  Neckarkies  mit  fünf  Auftragssohichten.  Der  Seiten- 
weg hatte  eine  Breite  von  8  m  mit  0,25  m  starker  Roll-  und  0,15  m  starker 
feinen  Kiesschichte. 


12  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

senbahnen  im  Zehntlande  dQrften  mit  den  eben  angeführten  Daten  u  n- 
sere  Annahme  bestätigen,  dass  der  römische  Strassendamm,  wel- 
cher durch  Ausheben  beidseitiger  Gräben  gewonnen  wurde,  und  wie  er 
noch  im  Hagenschieswald  ersichtlich  ist,  nicht  über  3,5— 4  m  und  das 
eigentliche  Pflaster  oder  die  Fahrbahndecke  nicht  über  2,5— 3  m 
breit  war  *). 

lieber  die  Organisation  des Strassenbaudienstes  unter  denBö- 
mem  haben  wir  in  Inschriften  Nachweise,  die  bestätigen,  dass  auch 
hiefQr' Sorge  getragen  war. 

Geheimrath  Baer  sagt  S.  12  in  seiner  Strassenchronik :  „Es  ist 
als  gewiss  anzunehmen,  dass  zur  Bömerzeit  die  Einwohner  des  Landes 
die  Strassen  unterhaltei^  mussten  und  wahrscheinlich,  dass  römische 
Strassenmeister  die  Aufsicht  führten/' 

Die  letzteren  Worte  sind  bekräftigt  durch  einen  bei  Gannstatt  auf- 
gefundenen römischen  Votivstein,  den  ein  Strassenmeister  (Curator 
reficiendarum  viarum)  mit  der  Inschrift  setzen  liess:  „Den  Göttern  der 
Doppelwege,  Dreiwege  und  Kreuzwege  hat  S.  T.  diesen  Altar  für  sein 
und  der  Seinen  Heil  gesetzt.'^ 

Auch  bei  Sandweier,  2  Stunde  von  Baden,  wurde  ein  Votivstein 
gefunden,  der  auf  die  Wichtigkeit  der  Wege  hinweist  Die  Inschrift 
lautet : 

Diis  quadrivialibus  vicani 
Bibienses  de  suo  possuunt. 
Es  ist  zu  vermutheu,  dass   dieser  St^in  bei  Oos  stand,  wo  solche 
Wege  sich  schon  zur  Bömerzeit  kreuzten. 

Auch  Dr.  Christ  weist  bei  dem  Fund,  der  an  der  Stelle  der 
römischen  Ueberbrückung  über  den  Neckar  bei  Heidelberg  gemacht 
wurde,  darauf  hin,  dass  auch  für  Brückenbauten  Architecten  Ihätig 
waren,  die  als  besondere  Beamte  direct  unter  der  Provincialregierung 
gestanden  haben  dürften. 

Die  Strassen  waren  bei  den  Bömern  geheiligte  Bauten,  die  nicht 
allein  dem  Verkehr  dienten,  sondern  auch  mit  allen  Werken  der  Kunst, 
namentlich  mit  Grabmonumenten  geziert  waren. 

In  der  Nähe  von  Bom   erregen  jetzt    noch  die  Monumente  an 


1)  Eine  gut  erhaltene  Römerstrasse  war  bis  in  die  neueste  Zeit  zwischen 
Marbch  nnd  Murhardt  in  Württemberg,  sie  besteht  aus  einem  mit  Pflaster 
versehenen  Damm.    (Siehe  Baer's  Strassenchronik.) 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehnt  landen.  18 

den  Flamin  Ischen  und  Appischen  Strassen  aus  der  römischen 
Eaiserzeit  die  Be^vunderung  der  Beschauer.  In  der  Nähe  der  Haupt- 
colonien  der  Zehntlande  dürften  in  sehr  bescheidener  Weise  ebenfalls 
solche  Grabmonumente  gestanden  haben.  In  Baden  wenigstens  deuten 
zwei  solcher  Steine,  welche  bei  Erbauung  des  früheren  Kapuzinerklosters 
Qetzt  badischer  Hof  gefunden  wurden,  darauf  hin,  dass  sie  an  der 
Strasse  nach  Oos  errichtet  waren.  (Siehe  Fröhners  1.  Heft:  Die 
Denkmäler  der  Karlsruher  Alterthumssammlung  für  das  Jahr  1866. 
No.  65  und  66.) 

In  Flandern  und  den  angrenzenden  französischen  Departements 
sind  die  Römerstrassen  in  den  bestehenden  oft  Stunden  lang  in  gera- 
der Linie  geführten  Laudstrassen  noch  erhalten,  sie  heissen  dort  im 
Volksmund:  „Brunehildenstrassen**,  indem  der  Herzogin  Brune- 
hilde  von  Flandern  die  Wiederherstellung  dieser  alten  römischen  Heer- 
strassen zugeschrieben  wird. 


II.    Das  romisehe  Strassennetz  mit  der  Beschreibung  der  im 
badlsehen  Antheil  der  Zehntlande  liegenden  Strassenzflge. 

» 

a.    Die  sog.   Consularstrassen  mit  den  bedeutenderen 

Verkehrsstrassen. 

I. 

Die   Consolarstrasse  Ton  Angusta   Ranracomm  (August)    auf  dem  Hoeh- 
gestade  des  linken  Rheinofers  Aber  Strassbnrg  nach  Worms. 

Obgleich  diese  Strasse  eigentlich  nicht  mehr  zum  Zehntlande  ge- 
hört, da  sie  auf  dem  gallischen  Ufer  des  Rheines  liegt,  so  ist  deren 
Eenntniss  zurKIarlegung  des  Strassennetzes  im  Zehntlande  und 
ebenso  zum  Verständniss  der  militärischen  Bedeutung  der  einzelnen 
Strassenzüge  sehr  nöthig. 

In  der  sog.  Peutingerschen  TafeP)  ist  dieselbe  von  Augusta 


1)  Eine  Strassenkarte  ans  der  Zeit  des  Kaiser  Alex.  Sevems  stammend, 
yon  welcher  eine  Gopie  in  dem  Nachlass  des  Aagsb arger  Patrizier  Peutinger 
gefanden  worde,  and  die  sieh  jetzt  in  der  Wiener  Hofbibliotheck  befindet. 


14  Das  römisohe  Strassennetz  io  den  Zehntlanden. 

Rauracorum  beginnend  mit  stets  abwärts  gehenden  Abstufungen  dem 
Rheinufer  entlang  aufgezeichnet. 

Die  einzehien  Stationen  sind: 
Arialbinum      VI    Leugen 
Cambete  VII      „ 

Argentouaria  XII      „ 
Helellum         XII      „ 
Argentorate  (Strassburg)  XII  Leugen 
zusammen  von  Augusta  Sauracorum  49  Leu  gen  ^). 

Links  dieses  Strassenzuges  sind  in  der  erwähnten  Karte  die  Vo- 
gesen  als:  Silva  Vosagus  aufgezeichnet. 

Diese  Heerstrasse  folgte  der  jetzt  noch  bestehenden  Bheinstrasse, 
welche  von  Kembs  an  auf  dem  Hochgestade  zwischen  dem  Bheinkanal 
und  dem  Sheinstrom  liegt  und  schon  zur  Bömerzeit  als  Verbindungs- 
weg zwischen  den  daselbst  befindlichen  Niederlassungen  der  Kelten 
bestanden  hat.  Sie  wurde  von  den  Bömem  als  Militärstrasse  verbes- 
sert, und  mit  Logirhäusem  (mansiones)  versehen. 

Die  13  Leugen  Entfernung  von  Augusta  B.  bis  Garn  bete  treffen 
nicht  ganz  mit  Grosskembs  zusammen,  da  es  nur  12  Leugen  sind; 
auch  bis  Strassburg  stimmt  die  oben  angegebene  Entfernung  von  49 
Leugen  mit  der  wirklichen  Distanz  nicht  überein,  welche  55  Leugen 
beträgt,  aber  man  darf  hier  nicht  eine  allzugrosse  Genauigkeit  vor- 
aussetzen, da  diese  Entfernungen  höchstens  abgeschritten  wurden  und 
dabei  vielfach  Ungenauigkeiten  in  der  Zählung  eingeschlichen  sind. 

Arialbinum  dürfte  in  der  Nähe  von  St.  Louis,  Argentovaria 
bei  Nambsheim  ^)  und  Helellum  bei  Sassenheim  zu  suchen  sein. 

In  den  neueren  Karten  (siehe  die  grosse  Bheinkarte  der  Gr.  bad. 
Oberdirection  des  Wasser-  und  Strassenbaus)  sind  die  Bömerstrassen, 
welche  von  Grosskembs  ausgehen  eingetragen,  worunter  namentlich 
auch  diejenige  nach  Befort  und  Besangon  punktirt  angegeben  ist.  — 
Von  Grosskembs  abwärts  besteht  diese  Bömerstrasse  noch  als 
nächster  Verbindungsweg  bis  vor  den   Ort  Homburg,   während    die 


1)  Eine  Leuge  =  2220  mir.  =  IVs  römische  Milie.  Zwei  Leugen  =s  1 
Wegsid.  =  4440  mir. 

2)  Mone  Bd.  II.  S.  386  verlegt  Argentovaria  in  die  Gegend  von  Horburg 
bei  CoUmar,  wo  die  Alemannen  im  Jahr  378  n.  Chr.  unter  ihrem  König  Priari 
eine  groise  Niederlage  erlitten  und  über  den  Rhein  zuruckgedr&ngt  wurden. 


Dm  römische  Strassonnets  in  den  Zehntlanden.  15 

Jetsige  Landstrasse  die  näher  am  Bhein  liegenden  Orte  NiiFem  und 
Elein-Landau  berührt. 

Von  Äugst  nach  Grosskembs  (Cambete)  fielen  die  Bheinstrasse 
nach  Strassburg  und  die  Heerstrasse  nach  Gallien  zusammen.  Auf 
der  Peutingerschen  Tafel  sind  beide  Wege  besonders  eingezeichnet,  aber 
bis  dahin  dieselben  Stationen  und  Entfernungen  angegeben^  so  dass  die 
Hauptroute  nach  Gallien  vom  Abgangsort  Äugst  als  ein  Ganzes  er- 
scheint, was  der  damaligen  Anschauungsweise  über  die  Marschlinien 
und  deren  Ausdehnung  vollständig  entspricht '). 

Die  linke  Rheinseite  von  Äugst  abwärts  bis  Mainz  erhielt  nach 
den  erfolgreichen  Einfällen  der  Alemannen  in  die  Zehntlande  im  dritten 
Jahrhundert  eine  hohe  strategische  Bedeutung,  und  es  soll  schon  Kai- 
ser Gallienus  (259—268)  längs  dieses  Ufers  Castelle  angelegt  haben. 
Durch  den  Geschichtsschreiber  Ammian  wissen  wir,  dass  der  Kaiser 
Constantin  (306—322)  und  Valentinian  I.  an  dem  gallischen  Ufer  Ver- 
theidigunswerke  anlegten. 

Namentlich  waren  es  die  Castelle  Robur  und  Basilia  (das 
später  schnell  zur  Stadt  heranwuchs  und  in  der  Notit:  Civit^t.  Gal- 
lige schon  Civitas  Basiliensium  hiess),  welche  der  Kaiser  Valentinian 
zur  Deckung  des  Rheinüberganges  bei  Basel  errichten  liess. 

Von  hier  abwärts  bis  Strassburg  hinderte  das  damals  unwegsame 
mit  dichten  Wäldern  bedeckte  Schwarzwaldgebirge  und  die  aus  Wasser- 
giessen  und  versumpften  Flächen  bestehende  Rheinebene  einen  Durch- 
bruch der^  deutschen  Stämme  gegen  Gallien,  und  wir  finden  daher 
auch  längs  dieser  Strecke  keine  besondern  Vertheidigungsanlagen, 
ausser  dem  von  der  Natur  befestigten  Mons  Brisiacus,  den  die  Kaiser 
Valentinian  und  Valens  wohl  nur  der  schönen  Lage  halber  vorüberge- 
hend zum  Aufenthalt  wählten. 

Strassburg  ( Argentoratum)  war  einer  der  ersten  Waffenplätze  der 
Romer. 

Im  Jahre  1873  (s.  Silbermann  Lokalgeschichte  von  Strassburg 
V.  J.  1775)  wurde  bei  Gelegenheit  der  Anlage  von  Bauten,  die  römi- 
sche Ringmauer  an  zahlreichen  Stellen  aufgedeckt  und  der  Umfang 
des  alten  Argentoratum  festgestellt.  —  Sie  war  das  Standquartier  der 
Vni.  Legion,  deren  Stempel  wir  vielfach  bei  Ziegelfragmenten  in  Baden 
treffen,  und  der  Sitz  eines  Comes  Militiae.  —  Keine  römische  Nieder- 


1)  S.  Weick  römische  Niederlassungen  von  Vindonissa  bis   Mainz   vom 
J.  1822.  Abschn.  L 


16  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zebnilanden. 

lassuDg  von  der  Bedeutung  wie  Strassburg  weist  sp  wenig  Inschriften 
und  Denkmälerfunde  nach  als  diese  Stadt. 

Von  Argentoratum  führten  zur  Römerzeit  zwei  Strassen  nach 
Mainz,  die  eine  längs  des  Rheines,  die  wir  unten  genauer  be- 
schreiben werden,  und  die  zweite  aber  Brumat  (Brocomagus)  ^)  am 
Fusse  der  Vogesen  hin  nach  Weissenburg  (Concordia)  und  von  da 
über  Bergzabern  (Tabernae  mont.),  Neustadt  und  Alzey  (Alsaia  vicus) 
nach  Mainz.  Bei  Neustadt  durchschnitt  sie  die  Heerstrasse  von  Speier 
(Novio  Magus)  nach  Metz^  und  traf  in  Alzey  mit  der  Herrstrasse  von 
Kaiserslautern  nach  Mainz  zusammen  (s.  Karte). 

Die  Stationen  der  römischen  Heerstrasse  längs  des  Rheines,  welche 
Schoepflin  die  via  rhenensis  heisst,  sind  dem  Itin.  Antonin.  gemäss 
von  Strassburg  aus 

bis  Saletio  (Selz)  . 

von  da  bis  Tabernae  rhen.  . 

„    „    „    Novio  Magus  . 

,9    n    ,»    Borbeto  Magus  . 

„    „    „    Bonconica      .  . 
„    ,f    „    Moguntiacum 

zusammen    66  Leugen. 

Die  nächste  Station  Saletio  von  Strassburg  aus  nennt  Ammian 
zuerst  Saliso  (Selz  am  Flüsschen  Selz  am  Rheinhochgestade);  *es 
war  dies  nach  Weick  der  letzte  Ort  im  Land  der  Tribokken,  und 
die  Grenze  des  Bezirkes  der  Nemeter.  Von  hier  zieht  sich  die  Heer- 
strasse durch  den  Ort  Lauterburg,  wo  gegenüber  auf  dem  rechtseiti- 
gen  Hochgestade  der  Ort  Au  liegt,  bekannt  als  Fundort  mehrerer  rö- 
mischen Altäre  und  einer  Rastsäule  (siehe  Str.  VH). 

Hier  war  der  Rheinübergang  zur  Verbindung  der  linksseitigen 
Heerstrasse  und  der  römischen  Niederlassung  (Concordia).  —  Von  Selz 
bis  zur  nächsten  Station  Tabernae  Rhen.  ist  die  römische  Heerstrasse 
meist  die  Grundlage  der  jetzigen  Landstrasse. 

Der  Name  des  auf  dieser  Strecke  am  Hochgestade  liegenden 
Ortes Pforz  soll  wie  auch  Pforzheim,  nach  Chr ist's  Mittlieilung,  von 
Portus  kommen,  und  ersterer  Ort  ein  Hafen  für  die  Flotte  gewesen 
sein,  welche  bei  Vertheidigung  des  gallischen  Ufers  gegen  die  feind- 
lichen Einfälle  mitwirkte.    Das  Städtchen  Tabernae  Rhen.  ist  bekannt 


7  Leugen 

13 

»1 

11 

«i   9) 

11 

9> 

13 

ft 

11 

1} 

1)  Schoepflin  Alsatia  iU.  L  233-471,  528—560. 


Bm  römische  Strassennetz  in  den  Zehtitlanden.  i1 

durch  die  zahlreichen  römischen  Geschirr-  und  Münzenfande,  sowie 
auch  durch  die  Aufdeckungen  von  mehreren  römischen  Gebäuderesten. 
An  der  Osterbach  2  km  von  Rheinzabern  wurde  ein  grösseres  Bad 
(babeum)  aufgedeckt,  aber  wieder  zugeworfen  (die  Stelle  ist  jetzt 
durch  einen  Gedenkstein  bezeichnet). 

Den  vielen  Geschirrfragmenten  und  Resten  von  Brennöfen  nach 
war  Tabemae  eine  der  bedeutendsten  römischen  Töpferkolonien  der 
Rheinlande,  die  mit  der  von  Riegel  das  ganze  Zehntland  mit  den 
feineren  Thonwaaren  (terra  sigill.)  versah. 

Nach  Weik  war  hier  der  Sitz  eines  Praefectus  militum  Mena- 
ptorum^  der  unter  dem  Dux  von  Mainz  stand.  In  der  Nähe  von  Rhein- 
zabern hegt  auf  einer  landzungenartig  durch  die  Serpentinen  des  Rhein- 
laufes ausgewaschenen  Stelle  des  Hocbgestades  der  Ort  Jockrim. 

Der  in  die  Rheinniederung  ragende  vorderste  etwa  200  m  lange, 
50  m  breite  Theil  dieses  Ortes  hat  einen  ca.  10  m  hohen  aus  grossen 
Backsteinplatten  hergestellten  Unterbau,  der  oben  eine  auf  einem  Bogen- 
gesims ruhende  Brustwehr,  an  die  die  Bauernhöfe  angebaut  sind,  trägt. 
Mit  Ausnahme  eines  Flankirungsthurmes,  der  vor  15  Jahren  abge- 
trageü  wurde,  ist  die  ganze  Anlage  noch  gut  erhalten  und  gewährt 
dem  Beschauer  namentlich  bei  der  Abendbeleuchtung,  wo  die  rothen 
Backsteinmassen  mächtig  wirken,  einen  prächtigen  Anblick.  Da  über 
den  Ursprung  dieses  Baues  urkundlich  nichts  bekannt  ist,  so  wurde  er 
beim  Volk  als  ein  römisches  Castell  bezeichnet,  was  jedoch  nicht  der 
Fall  ist,  da  das  römische  Castell  Tabemae  südlich  der  jetzigen  Stadt 
Rheinzabern  nachgewiesen  ist;  und  die  ganze  Anlage  in  Jockrim  die 
Bauweise  einer  mittelalterlichen  Befestigung  trägt. 

Durch  die  Notit.  Imper.  ist  uns  der  Ort  Vicus  lulius  zwischen 
Tabemae  und  Novio  Magus  mitgetheilt.  Schöpflin  (s.  Alsatia  illust. 
I.  230)  glaubt  diesen  Ort  in  Germersheim  wieder  zu  finden,  dessen 
ausgezeichnete  auf  dem  Hochgestade  am  Ausfluss  des  Queichbach 
befindliche  Lage  die  Römer  zur  Anlage  eines  Gasteils  benutzt  haben 
dürften. 

Die  nächste  Militärstation  ist  Noviomagus  (Itiner.),  Nocomagus 
(Ptolem.),  Nemetes,  Nemetae  (Ammian  und  die  Notitia  nannten  diese 
Stadt  nach  dem  Namen  des  hier  lebenden  Volkes),  auch  als  Colonia 
Nemetum  bekannt  (die  jetzige  Stadt  Speier).  In  der  Nähe  von  Novio- 
magus nennt  die  Notitia  Imp.  das  Castell  Alta  ripa,  es  wohnte  hier 
der  Präfect  Militum  Martensium  (s.  Weick  S.  63). 

Die  Ableitung  des  Neckars,  welche  nach  der  Erzählung  Ammian's 

2 


18  Das  römiflohe  StraBsennetz  in  den  Zehntlanden. 

Kaiser  Valentinian  zum  Schutz  seines  Castells  (Munimentum)  vornehmen 
Hess,  bezieht  sich  nach  den  neuesten  Forschungen,  namentlich  von 
Christ,  auf  das  Castell  in  Altrip.  Als  sicher  ist  anzunehmen,  dass 
der  Neckar  bei'  seinem  Zusammentreffen  mit  dem  Rhein  durch  die  Ab- 
lagerungen seiner  Geschiebsmassen  immer  mehr  aufwärts  gedrängt  wurde 
und  zur  Bömerzeit  Altrip  gegenüber  einmündete.  (Mannheim  und 
Neckarau  liegen  auf  diesem  Geschiebsdelta.)  Das  auf  dem  linksei tigen 
Hochgestade  liegende  Castell  war  durch  den  directen  Stoss  der  Neckar- 
fluthen  gefährdet,  und  es  ist  allem  Anschein  nach  hier  der  Einbau 
und  die  Neckarcorrection  zu  suchen,  den  Valentinian  zum  Schutz  seines 
Castells  vornehmen  liess  —  (s.  Abhandlung  des  Verfassers  Bonner 
Jahrbttcher  Heft  LXX). 

Die  nächste  römische  Militärstation  an  der  Heerstrasse  nach 
Mainz  war  Borbeto  magus  (Worms)  auch  Givitas  Vangionum,  ferner 
Bonconica  (Oppenheim)  nach  dem  Itin.  Ant.  9  Leugen,  nach  der  Peut 
Tafel  11  Leugen  von  Mainz  (Moguntiacum),  der  Hauptstadt  der  Provinz 
Germania  superior,  zu  dem  die  Zehntlande  gehörten. 

Mone  bespricht  in  seiner  Urgeschichte  Bd.  I  S.  247  ebenfalls 
die  Bauten  am  Rhein,  d.  h.  die  zur  Vertheidigung  desselben  angelegten 
Gastelle,  welche  er  am  rechtsseitigen  Hochgestade  sucht  und  bestimmt. 
Dass  Mainz  als  die  wichtigste  Hauptstadt  am  Mittelrhein  jenseits 
durch  den  Brückenkopf  in  Castell  und  die  Trajansburg  am  Ausfluss 
des  Mains  in  den  Rhein  gedeckt  wurde,  ist  vollständig  begründet;  ob 
aber  die  übrigen  Castelle  aufwärts  auf  dieser  Seite  des  Rheines  zu 
suchen  sind,  wie  solches  Mone  an  der  Mündung  der  Weschnitz  (jetzt 
Hof  Stein),  femer  beim  Rennerhof  unweit  Mannheim,  bei  Altrip  (das 
früher  auf  der  rechten  Rheinseite  gelegen  haben  soll),  bei  Philippsburg, 
Graben,  Mühlburg  etc.  annimmt,  ist  sehr  fraglich,  da  diese  nicht  wie 
Castell  bei  Mainz  als  Brückenköpfe  dienen  konnten,  und  bei  diesen  mit 
Ausnahme  von  Altrip,  das  wir  auf  die  linke  Seite  des  Rheinhochge- 
stades verlegen,  auch  keine  Baureste  aus  römischer  Zeit  nachge- 
wiesen sind. 

n. 

Die  Heerstrasse  von  Augnsta  Banracomm  nach  Yindonissa. 

Die  Verbindung  der  zwei  grossen  im  Lande  der  Helveter  ge- 
legenen befestigten  Städte  Augusta  und  Vindonissa  war  für  die 
Römer  zur  Entwicklung  ihrer  Streitkräfte  und  als  Stütze  für  ihre  zur 
Vertheidigung  der  Zehntlande  nöthigen  strategischen  Dispositionen  von 


.^ 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  19 

der  grössten  Bedeutung  und  wird  eine  solche  in  der  Kriegskunst  auch 
mit  dem  Namen  Operationsbasis  bezeichnet,  weil  sich  die  militäri- 
schen Vorm&rsche  auf  sie  stützen. 

In  der  Peutlngerschen  Tafel  ist  sie  als  eine  Militärstrasse  aufge- 
zeichnet, mit  der  Entfernung  XXII  d.  h.  Leugen,  die  zu  Vs  Wegstunde 
gerechnet,  mit  der  wirklichen  Entfernung  nahezu  zusammentreffen. 

Die  Strasse  folgte  über  Rheinfelden  und  Stein  (Säckingen  gegen- 
über) dem  rechten  Rheinufer  und  von  da  durch  das  Frickthal  über  den 
Bötzberg  (Mons  vocetius)  nach  Brugg  und  Windisch  der  noch  bestehen- 
den alten  Landstrasse.  In  Brugg  war  der  Uebergang  über  die  Aar, 
woselbst  ein  aus  dem  früheren  Mittelalter  stammender  Brückenthurm. 

Bei  Nieder-Mumpf  (Säckingen  gegenüber)  wurde  an  der  Strasse 
ein  Säulenfragment  gefunden,   das  von  einem  Leugenzeiger  herrührt. 

Da  diese  Strasse  vollständig  auf  dem  Schweizer  Gebiet  liegt,  so 
unterbleibt  eine  nähere  Beschreibung  ihres  Zuges,  sie  ist  hier  wie  die 
Strasse  No.  I  nur  aufgeführt,  um  den  Rahmen  des  Strassennetzes  an 
den  Grenzen  der  Zehntlande  zu  ergänzen. 

m. 

IHe  Heerstrasse  von  Tindonissa  (Windlsoh)  über  Bottenburg  (Samvloceimis) 
und  Gannstatt  (Clarenna)  naeh  Begimim  (Regensburg). 

Diese  Strasse  gilt  als  die  wichtigste  Operationslinie  von  dem  sehr 
befestigten  Windisch  aus  (Standlager  der  XL  und  XXI.  Legion)  nach 
dem  Innern  Deutschlands  d.h.  nach  dem  die  Zehntlande  abschliessen- 
den Grenzwall. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Eroberung  Deutschlands  vom  Unterrhein 
ausging,  und  dass  auch  die  Ausdehnung  des  Grenzwalles  damit  zu- 
sammenhängt. Sobald  derselbe  bis  in  das  Herz  des  jetzigen  Schwaben- 
landes und  von  da  nach  Regensburg  festgestellt  war,  musste  auch  die 
Verbindung  dieser  grossen  Vertheidigungsanlage  mit  der  grossen  Ope- 
rationsbasis Vindonissa  —  Augusta  R.  gesucht  werden,  und  man  kann 
annehmen,  dass  der  Bau  dieser  wichtigen  Heerstrasse  in  die  Zeiten 
der  Kaiser  Trajan  und  Hadrian  (93— 122)  fällt,  welche  bekanntlich 
auch  den  schon  von  Drusus  am  Mittelrhein  begonnenen  Grenzwall  be- 
endigten. 

In  der  Peutingerschen  Tafel  ist  dieser  Strassenzug  mit  sämmt- 
lichen  Stationen  bis  Regensburg  eingetragen. 

Die  sehr  mangelhafte  topographische  Darstellung  dieser  Strasse 
hatte  die  Feststellung  derselben  sehr  erschwert^   ehe  in  der  Hauptko- 


20  Dm  römisohe  Straneonetz  in  den  Zehntlanden. 

looie  Samulocennis  die  Stadt  Rottenburg  a.  N.  sicher  gestellt  war  (s. 
von  JaumaD;  Bottenburg  unter  den  Römern). 

Der  frühere  Conservator  der  württembergischen  Alterthümer  von 
Paulus^)  hat  sich  um  die  Aufsuchung  dieser  Strasse  ein  grosses  Ver- 
dienst erworben,  obgleich  die  erlangten  Resultate  noch  nicht  allgemein 
anerkannt  sind. 

Die  Strassenstrecke  von  Windisch  über  Degerfelden  nach  Zurzach, 
wo  ein  Gastell  (jetzt  Burg)  stand,  und  eine  stehende  Jochbrücke  v8n 
den  Römern  angelegt  war,  ist  übereinstimmend  mit  Paulus  auch  in 
der  archäologischen  Karte  der  Nordostschweiz  des  bewährten  Alter- 
thumsforschers  Dr.  Ferd.  Keller  eingetragen. 

Bef  sehr  niedrigem  Wasserstand  sind  die  Reste  der  Jochpfähle 
dieser  römischen  Brücke  noch  sichtbar. 

Von  Rheinheim,  Zurzach  gegenüber,  zog  die  Heerstrasse  über 
Bechtersbohl  am  Fuss  des  Küssenberges  vorbei,  in  das  offene  Thal  der 
Schwarzbach,  deren  oberes  Gebiet  jetzt  im  Scha£fhauser  Klettgau  liegt. 
Näheres  über  diesen  Strassenzug  siehe  Baer,  Strassenchronik  S.  260. 

Den  nächsten  Anhaltspunkt  für  die  Bestimmung  der  Fortsetzung 
dieser  römischen  Heerstrasse  gaben  die  Aufdeckungen  einer  grösseren 
römischen  Niederlassung  an  dem  gegen  Süden  gekehrten  sanft  an- 
steigenden Yorhttgel  des  Schwarzbachthaies,  wo  jetzt  der  s.  g.  Hei- 
degger Hof  steht. 

Früher  waren  die  alten  Gebäudereste  unter  dem  Namen  „Heiden- 
schlösschen^'  bekannt,  jetzt  heisst  das  Gewann  „in  der  Steinmur^'. 
Schon  im  Jahr  1795  liess  der  Vogt  der  Klettgauer  Regentschaft,  von 
Weinzierl,  eine  Untersuchung  der  Hauptruine  vornehmen.  (S.  Schrei- 
bers Taschenbuch  für  Geschichte  und  Alterthum  IV  S.  236.)  Hier- 
nach gehörte  das  mit  pavillonartig  vorspringenden  Flügeln  angelegte 
Hauptgebäude  von  ca.  40  m  Seitenlänge  zu  einer  bedeutenden  Mili- 
tärstation, deren  Gründung  in  die  erste  Zeit  der  römischen  Besitz- 
nahme des  Zehntlandes  fällt.  (Die  gefundenen  Ziegel  trugen  die 
Stempel  der  XI.  und  XXI.  Legion  und  der  26.  Cohorte  derselben,  jene 
meist  auf  den  Ziegelplatten  der  Heitzböden,  die  letztem  mehr  auf  den 
Leistenziegeln,  die  von  der  Dachdeckung  herrühren.) 

So  viel  ist  gewiss,  dass  hier  bei  der  Gesammtanlage  dieser  Station 
die  Legionäre  mitwirkten   und  die  Bestimmung  derselben  eine  militä- 


1)  Siehe  Archäologische  Karte  und  Erklärung  des  Strassensuges  von  Vin- 
donissa  nach  Reginum. 


Das  römische  Strassenneiz  in  den  Zefantlanden.  21 

rische  war.  Jenseits  des  Tbales  stand  auf  dem  durch  seine  beherr- 
schende Umsicht  bekannten  Küssenberg,  welchen  jetzt  die  Ruinen  der 
Küssenburg  zieren,  die  zur  Station  gehörige  specula  (Hochwacht). 

Die  ¥on  Yindonissa  bis  zu  der  nächsten  Station  Tenedone  in  der 
Peutinger'schen  Tafel  angegebenen  8  Leugen  stimmen  nahezu  mit  der 
Lage  des  Heidegger  Hofes  überein,  und  man  kann  sich  der  Annahme 
von  Paulus  anschliessen,  dass  diese  Station  hier  zu  suchen  ist. 

Die  Niederung  des  Klettgaues  über  die  jetzigen  Orte  Rechberg- 
Trasadingen  nach  Gächlingen  und  von  da  auf  einer  langgestreckten 
Bodenerhebung  nach  Siblingen,  wo  der  bestehende  Weg  heute  noch 
Hochstrasse  heisst,  bot  den  Römern  das  geeignetste  Terrain  zur 
Führung  ihrer  Heerstrasse. 

Wie  der  Heidegger  Hof,  so  haben  auch  die  Ausgrabungen  auf 
dem  s.  g.  Tuelwasen  bei  Siblingen,  welche  der  dortige  Pfarrer 
.Keller  im  Auftrag  des  schweizerischen  Alterthumsvereins  leitete,  er-i 
geben,  dass  auch  hier  am  Fuss  des  Randen  eine  römische  Station 
(mansio)  war  (s.  Anzeiger  des  Züricher  Alterthumsvereins  5.  Jahrg. 
No.  I  vom  Jahre  1872). 

Das  eine  Gebäude  hat  40  auf  30  m  Seite  mit  einem  grossem 
Heizraum,  das  andere  bei  36  m  auf  25  m  Seite  scheint  der  Anlage 
nach  für  den  Tross  bestimmt  gewesen  zu  sein. 

Am  Fuss  dieser  auf  einer  Vorderterrasse  des  Randengebirges  lie- 
genden Oertlichkeit  schneidet  sich  ein  Thälchen  in  dasselbe  ein,  und 
bietet  daher  einen  sehr  geeigneten  Aufgang  zu  demselben. 

Keller  fand  hier  bei  Gelegenheit  der  Anlage  einer  in  diesem 
Thal,  gen.  Langenthai,  vorgenommenen  Strassencorrection  eine  grosse 
Anzahl  von  Maulthierhufeisen,  die  aus  der  Zeit  der  Römer  herrühren. 
Maulthiere  wurden  zum  Transport  der  Wagen  aus  Italien  mitgebracht. 
Es  ist  daher  keine  Frage,  dass  die  Richtung  der  römischen  Heer- 
strasse Siblingen  berührte,  woselbst  eine  mansio  auch  mutatio  der 
Römer  war,  und  dass  der  Aufgang  auf  das  Randengebirge  durch  das 
Langenthai  statt  fand,  worin  Pfarrer  Keller  mit  Paulus  vollständig 
übereinstimmt. 

Der  Klettgau  ist  sehr  reich  an  geschichtlichen  fiauüberresten, 
nicht  nur  aus  der  Epoche  der  Römerherrschaft,  sondern  auch  aus  der 
vorrömischen  und  alemannischen  Zeit. 

Vor  Allem  ist  es  Schieitheim,  4  km  westlich  von  Siblingen  in  einem 
Seitenthal  der  Wutach,  das  durch  seine  reichen  Funde  an  römischen 
Münzen^  durch  Ausgrabung  einer  römischen  Niederlassung  und  durch 


22  Das  römische  Strasteonetz  in  den  ZehnÜanden. 

ein  s.  g.  alemannisches  Todtenfeld  bekannt  ist  (s.  Wanner  Ge- 
schichte des  Elettgaues  1851). 

Nur  2  Standen  von  da  liegt  Stühlingen  an  der  Wutach,  über- 
ragt von  dem  mächtigen  Gcbirgsvorsprung  des  Hohenlupfen,  den  jetzt 
ein  fürstenberg.  Schloss  ziert,  wo  zur  Bömerzeit  eine  Hochwarte  ge- 
standen haben  dürfte.  Auch  Stühlingen  war  römische  Niederlassung. 
Der  hier  aufgedeckte  schöne  und  gut  erhaltene  Mosaikboden  wurde 
1848  entdeckt  und  1851  zum  Theil  für  das  Gr.  Antiquarium  erworben; 
(jetzt  in  der  Karlsruher  Alterthumshalle). 

Ebenso  wurden  in  dem  Seitenthal  aufwärts  von  Schieitheim  in 
Beggingen  und  am  Schlotterhof  noch  römische  Mauerreste  und  Münzen 
ausgegraben  (s.  Schreibers  Taschenbuch  S.  259),  so  dass  es  uns 
nicht  wundern  darf,  wenn  bewährte  ältere  Forscher  wie  Mann  er  t,  v. 
Stichaner,  Schreiber,  Leichtlen,  Buchner,  Graf  Beisach 
und  andere,  selbst  Keller  in  seiner  archäologischen  Karte  der  Nord- 
ostschweiz, die  2.  Station  Julio  Mago  dieser  Heerstrasse  nach  Stüh- 
lingen verlegen  und  die  Fortsetzung  derselben  über  Beggingen  und 
Fuetzen  annehmen. 

Letzterer  Ort  hat  seinen  Namen  übrigens  vonVitus,  dem  Orts- 
heiligen also  nicht  von  Fauces  (Schluchten)  wie  man  Füessen  am  Lech 
herleitet  (siehe  Leichtlen  Forschungen  v.  J.  1825  S.  89).  Auch  Mone 
sagt  Bd.  I  S.  161  der  Urgeschichte:  „Fützen  hat  raan  richtig  aus  dem 
lateinischen  fauces  erklärt",  was  damit  ebenfalls  berichtigt  wird  ^). 
Es  hiess  noch  in  den  Urkunden  des  16.  Jahrhunderts  Füetzheim, 
(d.  h.  Vitusheim). 

Namentlich  ist  die  Beschaffenheit  dieses  Thalgehänges,  das  durch 
die  Abrutschung  eines  Theiles  des  Randenstockes  entstanden  und  viel- 
fach durchschnitten  ist,  für  die  Anlage  einer  Strasse  nicht  günstig  und 
es  dürfte  nach  unsern  Lokalforschungen  die  römische  Heerstrasse  nicht 
hieher  geführt  haben;  es  fehlen  hiezu  alle  die  Grundbedingungen, 
welche  die  Römer  bei  der  Anlage  und  militärischen  Bedeutung  einer 
solchen  leiten  mussten;  nämlich:  trockene,  nach  allen  Seiten  hin 
beherrschende  Lage  und  die  Noth wendigkeit  mit  den  Hochwarten 
in  Verbindung  zu  sein. 

Von  Siblingen   aus   war   allerdings  der  Aufgang  von  510  in  auf 


1)  Fauces   hiess  bekanntlich  im  römischen  Wohnhaas  der  enge  Gang,  der 
seitlich  neben  dem  Tablinum  aus  dem  Atrium  zum  Peristylum  fahrte. 
(S.  Pompeji  von  Dr.  J,  Overbeck  Cap.  IV.) 


Das  römiBche  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  28* 

900  m  zum  Höhenrücken  des  Randenberges  für  Mannschaft  und  Tross 
keine  kleine  Arbeit,  aber  einmal  überwunden,  bot  der  lang  gestreckte 
und  flache  Rücken  bis  vor  das  Zollhaus,  wo  er  ca.  120  m  steil  abfällt, 
eine  von  allen  Temperatureinflüssen  gesicherte,  trockne  und  nach  allen 
Seiten  hin  beherrschende  Lage  für  die  Heerstrasse  ^). 

Es  ist  daher  der  schon  früher  durch  Paulus  bestätigten  Annahme, 
dass  die  Consularstrasse  Windisch-Regensburg  bei  Siblingen  den  Höhen- 
rand erstieg,  durchaus  Glauben  zu  schenken. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  die  Römerstrasse  vom  Zollhaus  bis 
Hüfingenim  wesentlichen  die  Unterlage  der  jetzt  bestehenden  Land- 
strasse über  Riedb Öhringen  und  Behla  bildet.  Von  hier  aus  führte 
zur  Römerzeit  ein  Saumpfad  über  Hausen  vor  Wald  auf  dem  Höhen- 
rücken bei  Döggingen  vorüber  nach  Löffingen,  und  sind  in  der  topo- 
graphischen Karte  die  Ueberreste  einer  Römerstrasse  eingetragen,  die 
jedoch  auch  mittelalterlichen  Ursprungs  sein  dürften.  Durch  zahlreiche 
Ausgrabungen  keltischer  Gräber  mit  Waffen,  Schmuck  und  Gefässen 
von  Thon  in  Hausen  vor  Wald,  Unadingen,  Bräunungen  und 
Wald  hausen,  wo  der  frühere  fürstenbergische  Strassenmeister  Maier 
mit  grossem  Erfolg  die  Ausgrabungen  leitete,  ist  nachgewiesen,  dass 
diese  Gegend  zur  Keltenzeit  schon  bewohnt  war. 

Ebenso  lässt  sich  der  von  Stühlingen  über  Manchen,  Ober- 
mettingen, Uehlingen,  Hürrlingen,  Buggenried  nach  Grafenhausen  für 
römischen  Ursprungs  gehaltene  Verbindungsweg  auf  einen  einfachen 
Saumpfad  aus  der  Keltenzeit  zurückführen,  der  wie  noch  viele  andere 
die  keltischen  Wohnsitze  mit  einander  verband,  aber  durchaus  nicht 
in  ein  Strassennetz  der  römischen  Zeit  eingereiht  werden  kann. 

Die  Ausgrabungen  des  schönen  Römerbades  in  dem  Seitenthälchen 
der  Breg  unweit  von  Hüfingen,  die  Ueberreste  zahlreicher  römischer 
Gebäude  auf  dem  nahen  Lorettoberg  und  in  der  Thalfläche  jenseits 
der  Breg  im  s.  g.  Mühlöschle  bestätigen,  dass  hier  eine  Hauptnieder- 
lassung der  Römer  und  vom  Heidegger  Hof  aus  die  zweite  Station 
der  Consularstrasse  demnach  in  Julio  mago  zu  suchen  ist. 

Mit  dem  Leugenmaass  14  der  Peutingerschen  Tafel  reichen  wir 
freilich  nicht  aus,  denn  wir  bringen  in  derselben  Weise  wie  die  8 
Leugen  von  Windisch  nach  Tenedone  gemessen,  statt  14  stark  19 
heraus,  und  es  fehlen  also  5  Leugen. 

Messen  wir  weiter  bis  Rottenburg,   so  fällt  die  nächste  Station 

1)  Hier  Abgang  des  Weges  42  nach  Meiskirch. 


f  24  Das  römische  Strassennetx  in  den  Zehntlanden. 

Brigobanne  mit  11  Leugen  Dicht  nach  Rottweil  (Altstadt),  sondern 
3  Leugen  rückwärts,  so  dass  von  Windisch  bis  dahin  im  ganzen  8 
Leugen  fehlen.  Von  Aris  flavis  bis  Bottenburg  über  Unterifflingen 
fehlen  im  ganzen  nur  2  Leugen.  Der  letztere  Ort  ist  durch  Paulus 
als  eine  sehr  wichtige  römische  Niederlassung  bestätigt^  auch  sollen 
die  Flurnamen  „Hinter-  und  Vorder-Alt-Ara"  vorkommen. 

Die  römischen  Ueberreste  der  Altstadt  bei  Rottweil  bestehend  in 
einer  noch  ca.  1  m  hohen  Ringmauer  mit  gepflastertem  Raum,  sind  sehr 
beachtenswerth,  und  da  von  hier  4  Römerwege  ausgehen,  so  ist  die 
Bezeichnung  dieses  Ortes  als  die  Station  Arae  Flaviae  sehr  be- 
gründet. Um  den  badischen  Strassenzug  genauer  zu  verfolgen,  kehren 
wir  nach  Hüfingen  zurück,  in  dessen  Nähe  (1  Stunde  entfernt)  das 
Städtchen  Bräunungen  liegt. 

Mau  hat  vielfach  die  Station  Brigobanne  der  Peutingerschen  Tafel 
mit  dem  Namen  Bräunungen  in  Verbindung  gebracht,  insbesondere  da 
der  Ort  im  Mittelalter  noch  Bregolingen  hiess. 

Dieser  Ort  war  den  Ausgrabungen  nach,  welche  hier  .vorgenommen 
wurden,  eine  alte  keltische  Niederlassung,  wie  überhaupt  diese  Gegend 
von  Kelten  stark  bewohnt  war.  Die  Römerstation  Hüfingen,  (denn  als 
solche  müssen  wir  sie  annehmen,  sei  sie  nun  Julioroago  oder  Brigo- 
banne), liegt  der  von  uns  bezeichneten  Richtung  nach  auf  der  topo- 
graphischen Karte  gemessen  von  Vindonissa  28  Leugen  entfernt. 

Nach  der  Peutingerschen  Tafel  beträgt  diese  Distanz  von  Vindo- 
nissa nach  Julio  mago  22  Leugen,  nach  Brigobanne  33  Leugen.  Es 
entspräche  daher  der  letztere  Ort  um  1  Leuge  weniger  der  wirklichen 
Lage  von  Hüfingen,  als  der  erstere.  Da  nun  aber  von  da,  als  Brigo- 
banne angenommen,  bis  Rottenburg  noch  27  Leugen  zu  messen  wären, 
so  käme  man  damit  kaum  nach  Unterifflingen,  und  verlöre  somit  die 
14  Leugen  von  da  nach  Rottenburg. 

Selbst  auf  dem  directen  Weg  von  der  Altstadt  in  Rottweil  auf 
der  rechten  Seite  der  Donau  gegen  Rottenburg  gemessen,  käme  man 
mit  27  Leügen  nur  bis  in  die  Gegend  von  Ovingen. 

Dr.  Keller  bestimmt  (in  seiner  oben  genannten  Karte)  Zur  zach 
als  Tenedone  und  Schieitheim  als  Julio  Mago;  von  da  sind  es  über 
Fützen  gemessen  bis  Hüfingen  9  Leugen  (die  Tafel  zeigt  11),  und  hat 
von  da  die  Weitermessung  wieder  den  oben  bezeichneten  Anstand. 

Wenn  nun  aber  auch  die  Gelehrten  über  die  Benennung  der 
Stationen  und  über  die  Distanzangaben  in  der  Peutingerschen  Tafel 
noch  nicht  einig  sind,  welches  Dunkel  durch  genauere  Untersuchungen 


Das  römische  Strassenneiz  in  den  Zehntlanden.  25 

and  Aafdeckungen  der  Stationen  selbst,  durch  Auffindung  von  Votivtafeln 
und  Inschriften  gelichtet  werden  könnte,  so  ist  man  im  allgemeinen 
doch  mit  der  Lage  der  Römerstrasse  einverstanden,  wie  sie  Paulus 
schon  früher  in  seiner  Erklärung  der  Peutingerschen  Tafel  skizzirt  bat. 

Das  bekannte  Uömerbad  in  einer  Thaleinsenkung  etwa  1  km  von 
der  jetzigen  Stadt  Hüfingen  entfernt,  wurde  schon  1820  von  Buchner 0 
aufgedeckt,  welcher  ebenso  auf  dem  nahen  Galgenberg  die  Grund- 
mauern eines  andern  Gebäudes  und  auf  dem  jenseits  der  Breg  liegen- 
den Feld  Mühlöscble  genannt,  Gemäuer  von  römischen  Wohnstätten 
nachwies;  Letztere  gehörten  wahrscheinlich  zu  dem  Yicus  der  sehr 
wichtigen  Militärstation  Julio  Mago. 

Was  das  Hauptgebäude  dieser  Station  anbelangt  (es  ist  seit  der 

Aufdeckung   durch  die  Munificenz  des  Fürsten  von  Fürstenberg  unter 

« 

einem  schützenden  Dach),  so  habe  ich  dasselbe  voriges  Jahr  einer  noch- 
maligen genauen  Untersuchung  unterzogen  und  gefunden,  dass  es  ein 
wirkliches  Bad  (Balneum)  war. 

Es  sind  hinter  dem  Vestibül  von  19  m  Breite  nur  5  besondere 
Räume,  wovon  das  grösste  mit  Halbkreisnische  (in  der  jetzt  noch  das 
Labrum  steht)  das  Galdarium  enthielt,  das  2.  neben  an  war  das 
warme  Bad  (beide  mit  den  Suspensuris  versehen).  Das  Auskleidezimmer 
ist  erhöht  und  neben  an  noch  ein  vertiefter  Raum  für  das  Kaltbad. 
—  Die  Zuleitungsröhren  durch  die  Mauern  und  die  Abzugsdohlen  zum 
Zu-  und  Ablassen  des  Wassers  sind  noch  sichtbar.  Die  Wandungen 
sind  Im  stark  von  Schichtsteinen  aus  Kalkstein,  dem  in  nächster 
Nähe  vorkommenden  Gestein,  während  im  Praefumium  die  Feuer 
besser  widerstehenden  KalktuflFsteine  verwendet  wurden,  die  aus  3—4 
Stunden  entfernten  Brüchen  bezogen  werden  mussten.  Weit  entfernt 
jede  mit  Hypocausten  versehene  römische  Ruine  auf  ein  Bad  zurück- 
führen zu  wollen,  so  ist  doch  durch  die  Auffindung  einer  Inschrift  bei 
einem  in  der  Anlage  ziemlich  gleichen  Gebäude  zu  Eschenz  bei  Stein 
am  Rhein,  wonach  die  Bewohner  von  Tasgetium  dieses  Balneum  wie- 
derherstellten, der  Beweis  geliefert,  däss  man  bei  grösseren  Stationen 
besondere  Badegebäude  hatte,  und  dass  dasjenige  in  Hüfingen  vor- 
zugsweise ein  solches  war. 

Die  Benennung  Julio  Mago,  welche  den  Untersuchungen  von 
Paulus  gemäss  der  Station  Hüfingen  zufällt,  widerspricht  den  Be- 
hauptungen der  meisten  unserer  älteren  Forscher,  die  Breg  und  Bräun- 


1)  S.  Leichtlen,  Forschungen  Bd.  1. 


26  Das  römisohe  Straasennetz  in  den  Zehntlanden. 

lingen,  ein  Städtchen  4  km  oberhalb  HüfingeD,  das  noch  im  Mittelalter 
Bregolingen  hiess,  von  der  Oertlichkeit  der  Station  Brigobanne  nicht 
trennen  können.  Es  wäre  zu  wünschen,  dass  ein  Inschriftenfund  an 
einer  der  TrQmmerstätten  oder  Stationen  in  Hüfingen,  Rottweil  oder 
Unter-Iflingen  alle  Zweifel  über  die  Lage  von  Brigobanne  und  Arae 
Flaviae  beseitigte. 

Von  Häfingen  bis  zum  Neckargebiet  bei  Bottweil  heisst  das  Land 
„die  Baar^' ;  (in  Hüfingen  Abgang  der  Str.  YIII). 

Es  ist  ein  wasserreiches  von  flachen  Hügeln  begrenztes  Hochland, 
wo  schon  vor  den  Römern  zahlreiche  keltische  Niederlassungen  waren. 
Bei  Waldhausen,  unweit  Bräunungen  deckte  der  frühere  fürstenbergische 
Strassenmeister  Maier  keltische  Gräber  auf  und  fand  das  gut  erhaltene 
Skelet  eines  Mädchens  mit  prachtvollem  Goldschmuck. 

In  Aasen  und  Heidenhofen  bei  Donaueschingen  sind  ebenfalls 
alte  Gräber  nachgewiesen. 

Bei  Oeflingen  ca.  10  km  seitwärts  der  Heerstrasse  nach  Rottweil 
wurden  die  Fundamente  einer  römischen  Villa  mit  Hypocaustenräumen 
ausgegraben;  ebenso  bei  Hausen  vor  Wald,  eine  kleinere  römische  Be- 
hausung mit  römischen  Geschirrfragmenten  und  Ziegeln. 

Die  bei  dem  Hauptgebäude  in  Hüfingen  aufgefundenen  Ziegel 
zeigen  die  Stempel  der  XI.  Legion,  welche  lange  Zeit  ihr  Haupstand- 
quartier  zu  Vindonissa  hatte. 

Von  Häfingen  aus  zog  die  Heerstrasse  jenseits  der  Breg  über  das 
genannte  Mühlöschle  nach  der  jetzt  noch  an  der  Landstrasse  nach 
Donaueschingen  stehenden  Kapelle,  und  überschritt  bei  Donaueschingen 
die  Brigach.  —  Hier  folgen  wir  dem  Weg  auf  dem  fiachen  Bergrücken 
im  Osten  dieses  Thaies  bis  in  die  Gegend  von  Villingen,  der  heute 
noch  Hochstrass  genannt  wird  *).  Beim  Zollhaus,  der  Wasserscheide 
des  Donau-  und  Neckargebietes,  heisst  der  Höhenpunkt  „hohe  Strasse*' 
und  es  lässt  sich  die  Römerstrasse  in  einem  Feldweg  bis  Schwenningen 
verfolgen;  unterhalb  dieses  Ortes  zieht  sich  der  älteste  Weg  bei  der 
Altenbruck  über  den  Neckar,  in  dessen  Gebiet  man  sich  befindet  und 
zieht  nun  auf  dem  rechten  Ufer  am  Abhang  niedriger  Bergvorsprünge 
bis  zur  Altstadt  bei  Rottweil  fort. 

Beim  Zollhaus  Hessen  wir  den  Verbindungsweg  35  von  Freiburg 
über  den  Turner  und  über  Vöhrenbach  einmünden. 


1)  Auf  dieser  Strecke  Einmündung  des  Saumpfades,  der  von  dem  römischen 
Geböfle  bei  Oe fingen  über  Heidenhofen  führte. 


Dfts  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  27 

Villingen  wird  schon  in  den  Urkunden  Kaiser  Ludwigs  des  Frommen 
817  genannt ;  es  war  damals  ein  Dorf  2  km  südöstlich  von  der  jetzigen 
Stadt,  das  Schuars  (Schwarzwaldführer  v.  J.  1872  S.  204)  auf  römi- 
schen Ursprung  zurückführte.  Im  Mittelalter  war  es  der  Haupthan- 
delsplatz der  Baar. 

Die  Lage  der  Altstadt  bei  Rottweil,  mit  dem  auf  einer  kleinen 
Anhöhe  nicht  weit  vom  Einfluss  der  Prim  in  den  Neckar  angeblichen 
römischen  Gasten,  ist  sehr  bezeichnend ;  man  sieht  hier  am  deutlichsten, 
dass  die  Römer  bei  der  Anlage  ihrer  Stationen  und  Oasteile  von  ganz 
andern  Rücksichten  geleitet  wurden,  als  die  Herrscher  der  Feudalzeit; 
indem  jene  dazu  nur  massig  über  die  Thalfläche  sich  erhebende  Vor- 
sprünge wählten,  während  diese  die  höchsten  Bergkuppen  mit  gewal- 
tigen Ringmauern  und  mächtigenThürmen  versahen,  um  sich  hier  nach 
allen  Seiten  hin  vertbeidigen  zu  können. 

Es  ist  auffallend,  dass  auch  in  der  Altstadt  in  Rottweil,  wo  so 
viele  Spuren  der  zerstörten  römischen  Niederlassung  nachgewiesen  sind, 
keine  einzige  Inschrift  aufgefunden  wurde,  welche  den  Namen  dieser 
Station  sicher  gestellt  hätte. 

In  der  Nähe  der  Altstadt  bei  Hochmauem  entdeckte  man  be- 
deutende Mauerreste  mit  Hypocausten ;  von  hier  stammt  auch  der  jetzt 
in  der  Lorenzkapelle  zu  Rottweil  aufbewahrte  Orpheus-Mosaikboden, 
ein  Meisterwerk  römischer  Kunst. 

Die  hohe  Lage  der  jetzigen  Stadt  Rottweil,  2 Vs  km  von  der  Alt- 
stadt entfernt,  ist  bewunderungswürdig  und  übersieht  man  auf  der 
Plattform  des  45  m  hohen  Wartthurmes  am  oberen  Ende  der  Stadt 
einen  Theil  der  rauhen  Alp  und  einen  grossen  Theil  des  obern  Neckar- 
thaies; man  verfolgt  hier  am  besten  die  römischen  Heerstrassen,  welche 
in  die  Altstadt  zusammen  liefen. 

Wir  verfolgen  hier  diejenige  nach  Rottenburg,  die  jetzt  noch 
unter  dem  Namen  Hochstrass  bekannt,  über  Zimmern  auf  den  Höhen- 
rücken westlich  des  tief  eingeschnittenen  Neckarlaufes  zieht,  und  zwar 
über  die  Orte  Duningen,  Waldmössingen  nach  Domhahn.  Von  hier 
führt  die  älteste  Strasse  bei  Leinstetten  über  das  Glattthal  nach  der 
Altstadt  bei  Unter-Iflingen,  die  Paulus  als  die  Station  Arae 
Flaviae  bestimmt  Der  Name  ist  noch  durch  die  Flurnamen  Vorder- 
und  Hinter -Alt- Ära  erhalten  (s.  Paulus  S.  23). 

Von  hier  ist  die  römische  Heerstrasse  auf  dem  Höhenrücken  zwi- 
schen dem  Neckarthal  und  den  oberen  Zuflüssen  der  Nagold  über  Hoch- 
dorf scharf  ausgeprägt  und  in  den  bestehenden  Wegen  leicht  zu  verfolgen. 


28  Das  römiiohe  SiraBsennetz  in  den  Zehntlanden. 

Von  der  Altstadt  in  Rottweil  lässt  Paulus  noch  mehrere  an- 
dere römische  Wegverbindungen  ausgehen  z.  B.  eine  directe,  sog. 
Sehnenstrasse  nach  Rottenburg,  welche  den  grossen  über  die  Höhen- 
rücken ziehenden  Bogen  der  grossen  Heerstrasse  abschnitt,  und  jeden- 
falls nach  dieser  mehr  als  Handelsstrasse  angelegt  wurde. 

Ferner  ist  ein  Weg  nach  Tuttlingen,  ein  anderer  auf  den  Heuberg, 
ein  4.  nach  Sulz  am  Neckar  in  der  Karte  von  Paulus  eingetragen. 

Durch  das  Kinzigthal  mündet  der  Weg  33  bei  Waldmössingen 
und  durch  das  Renchthal  der  Weg  32  bei  Unteriflingen  in  die  grosse 
Heerstrasse  ein. 

Rottenburg  am  Neckar,  die  Hauptstation  Samulocennae  der 
römischen  Heerstrasse  und  gewiss  auch  der  Zehntlande,  ist  schon  im 
Jahre  1825  von  Leichtlen^  als  solche  erkannt  worden,  später  sind 
die  Aufdeckungen  dieser  Römerstadt  durch  Jaumann  mit  grossem 
Erfolg  fortgesetzt  worden^). 

Von  der  Hauptstadt  Rottenburg  an  rechnet  Paulus  die  weiteren 
Distanzen  der  Stationen  bis  nach  Reginnm  nach  Milien.  (1  Milie  =  1000 
Doppelschritte  k  1,5  m  =  1500  m). 

Auf  diese  Weise  nähern  sich  die  Angaben  der  P.  Tafel  am 
meisten  der  Wirklichkeit  und  ist  diese  Annahme  darin  bestätigt,  dass 
von  der  Hauptstadt  an  in  das  rätische  Gebiet  nicht  die  Leuge,  sondern 
die  Milie  maassgebend  ist. 

Auch  von  Rottenburg  aus  ziehen  wieder  mehrere  römische  Ver- 
bindungswege auf  die  rauhe  Alp  und  in  das  Neckarthal,  die  in  der 
Karte  von  Paulus  eingetragen  sind. 

Die  Hauptheerstrasse,  die  wir  verfolgen,  gewinnt  in  der  Richtung 
nach  Herrenberg  den  dominirenden  Höhenzug  der  Wasserscheide  zwi- 
schen dem  Neckar-  und  Nagoldgebiet.  Von  der  Schönbuchshöhe  ober- 
halb Herrenberg  führt  die  Strasse  an  Altdorf  und  Holzgerlingen  vorbei 
nach  Böblingen  und  von  da  auf  das  Altinger  Feld  südlich  von  Sin- 
delfingen, wo  sich  5  Römerstrassen  vereinigen,  und  Grundreste  von 
römischen  Gebäuden,  Fragmente  von  römischem  Ziegel  etc.  sowie 
einige  römische  Bildwerke  aufgedeckt  worden  sind. 

Diese  wichtige  römische  Niederlassung  stimmt  mit  der  Distanz 
von  22  Milien  von  Rottenburg  gemessen  überein  und  trifft  also  mit 
Grinarione  der  P.  Tafel  zusammen. 


1)  S.  Schwaben  unter  den  Römern  1825  S.  107. 

2)  S.  V.  Jaumann,  C!oL  Sumlocennis  1840  und  56. 


Das  römisohe  StraMenneiz  io  den  Zehntlanden.  29 

Von  hier  aus  liegt  die  jetzige  Landstrasse  bis  in  die  Nähe  von 
Vaihinfi;eD  auf  römischer  Grundlage,  dann  wendet  sich  die  Trage  der 
römischen  Heerstrasse  dem  k.  Wildpark  zu,  wo  die  Strasse  VII  von 
Leonberg  kommend  mit  ihr  zusammentrifft.  —  Von  der  Hohenwart  aus, 
wo  eine  Specula  gestanden  haben  mag,  zieht  sich  die  römische  Heer- 
strasse durch  Feuerbach,  überschreitet  den  Neckar  und  betritt  das 
Altenburger  Feld  bei  Cannstatt,  das  durch  die  reichen  Funde  von  rö- 
mischen Gebäudesubstructionen,  Münzen,  Denksteine  u.  s.  w.  als  die 
Stelle  der  Station  Clarenna  12  Milien  von  Grinarione  nachgewiessen  ist 
(8.  Paulus  Erklärung  d.  Peut.  Tafel  S.  27). 

Auch  in  Cannstatt  laufen  noch  mehrere  andere  Römerstrassen 
zusammen,  von  denen  eine  der  wichtigeren  die  unten  beschriebene  VI. 
von  Speier  an  die  Donau  ist.  Eine  andere,  die  jetzt  noch  in  der  be- 
stehenden Landstrasse  erhalten,  ging  über  Waiblingen,  Winnenden  und 
Backnang  nach  den  Gastellen  Murhart  und  Mainhardt  am  Grenzwall. 
Von  Waiblingen,  nach  Ueberschreitung  der  Bems,  gewann  die  grosse 
Heerstrasse  nach  Begensburg  den  Höhenrücken  des  rechtseitigen  Thal- 
gehänges bei  Buoch  und  zog  sich  bei  Aspergelg,  die  Wieslauf  über- 
schreitend, nach  Pfahlbronn,  einem  Ort,  der  auf  der  Wasserscheide 
zwischen  dem  Bems-  und  dem  Leinthal  liegt 

Hierhin  verlegt  Paulus  die  22  Milien  von  Clarenna  entfernte 
Station  Ad  Lunam,  die  noch  besonders  dadurch  wichtig  ist,  dass  von 
hier  in  einem  kleinen  Bogen  bis  zu  dem  5  km  nahen  Welzheim  und 
von  da  in  schnurgerader  Linie  der  rheinische  Grenzwall  (Limes  trans- 
rhenanus)  über  Murrhardt  Mainhardt,  Oehringen,  Jagsthassen,  Oster- 
bnrkerken  bis  zum  Castell  bei  Walldüren  abgeht. 

Die  Untersuchungen  des  früheren  Conservators  von  Paulus  in 
Stuttgart,  welcher  zuerst  die  schnurgerade  Linie  dieses  Grenzwalles 
nachwies,  wurden  neuerdings  in  Folge  einer  Lokalbesichtigung  von 
Seiten  einer  aus  württembergischen  Forschem  bestehenden  Commission 
bestätigt. 

Die  Heerstrasse,  welche  wir  weiter  verfolgen,  zieht  von  Pfahl- 
bronn auf  der  schmalen  Wasserscheide  zwischen  der  östlich  fliessenden 
Lein  und  westlich  laufenden  Bems,  die  ein  von  der  Natur  aus  so  be- 
günstigtes  Vertheidigungsterrain  beherrscht,  dass  die  Bömer  hier 
zur  Sicherung  ihrer  Strasse  keinen  vorgeschobenen  Wall  nöthig  hatten. 

Dieser  unter  dem  Namen  „römischer  GrenzwalP*  (Limes  rae- 
ticus,  oder  Limes  transdanubianus)  bekannt,  umfasste  einen  Theil  des 
Donaugebietes   und  deckte  die  grosse  Heerstrasse,  die   vom  Sixenhof 


30  Da«  römisohe  StrassennetE  in  den  Zehntlanden. 

nach  Aalen  und  Bopfingen  zog.  Der  rätische  Grenzwall  war  eine 
solid  mit  grossen  Mauersteinen  oder  starken  Platten  gepflasterte  Hoch- 
strasse mit  vorliegendem  Graben,  welche  in  Verbindung  mit  Wacht- 
gebättden  und  Signalthürmen  genügende  Sicherheit  vor  Ueberrumpe- 
lungen  gewährte. 

Von  dem  Abgangspunkt  der  Strasse  nach  Aalen  zog  dieser  Grenz- 
wall über  Schwabsberg,  Pfahlheim  (hier  Spuren  römischer  Wachtge- 
bäude)  in  nordöstlicher  Richtung  bis  in  die  Gegend  von  Gunzenhau- 
sen,  von  wo  er  sich,  mit  einem  grossen  Bogen,  den  oberen  Theil  der 
Regnitz  umschliessend  (hier  die  Wülzburg  bei  Weissenburg  als  Warte) 
nach  Südost  wandte,  bei  Pfahldorf  und  Küpfenberg  das  Thal  der  Alt- 
mühl  überschritt  und  endlich  bei  dem  grossen  befestigten  Lager  von 
Kehlheim  (Celeusum)  an  der  Donau  seinen  Abschluss  fand. 

Es  war  diess  ein  mächtiges  Vertheidigungwerk  nicht  nur  zur 
Deckung  der  Heerstrasse  nach  Regensburg,  sondern  auch  zur  Sicherung 
der  Donauwasserstrasse. 

Von  Ad  Lunam  ist  die  nächste  Sation  d.  P.  Tafel  Aquileia, 
(20  Milien  Entfernung)  die  jetzige  Stadt  Aalen.  Von  hier  geht  die 
HanptstrasseV  über  Heidenheim  (Fundort  römischer  und  keltischer 
Denkmäler)  nach  Fomone  (Lauingen)  an  der  Donau.  In  der  Peut. 
Tafel  ist  Ad  Lunam  als  eine  der  wichtigeren  Stationen  dieser  Heer- 
strasse bezeichnet.  Die  Mitbenutzung  mit  einer  andern  Heerstrasse 
sehen  wir  in  der  Peut.  Tafel  oft  ausgeschlossen,  wie  es  bei  Str.  I  von 
Basel  nach  Cambete  u.  s.  w.  erläutert  ist.  Auch  sei  hier  bemerkt, 
dass  man  der  Richtung  der  Haken,  welche  In  d.  Peut.  Tafel  zwischen 
den  Stationen  vorkommen,  nicht  die  Bedeutung  beilegen  kann,  die  Pau- 
lus   in  der  Erklärung  der  Darstellung  dieser  Heerstrasse  voraussetzt. 

Bei  den  auffallend  grossen  kartographischen  Mängeln,  welche 
diese  grosse  römische  Strassenvermessungskarte,  namentlich  das  hier  in 
Frage  stehende  Segment  HI  der  Peut  Tafel  zeigt,  wo  z.  B.  der  Neckar 
ganz  vergessen  ist,  Rottenburg,  das  Samulocenis  der  Heerstrasse, 
rechts  der  Donau  liegt  u.  s.  w.,  darf  man  nicht  annehmen,  dass  sich 
die  Haken  auf  Terrainschwierigkeiten,  Fluss-  oder  Gebirgsüberschreituu- 
gen,  überhaupt  auf  solche  Vorkommnisse  beziehen,  die  eine  genaue 
Lokalkenntniss  voraussetzen. 

Die  Haken  scheinen  vielmehr  nicht  allein  zur  Belebung  des  Bil- 
des und  zur  besseren  Ausnützung  der  Tafel,  sondern  hauptsächlich  zur 
Sicherstellung  der  Stationsbenennungen  und  Distanzen  gewählt  worden 
zu  sein. 


Dai  rdmiflobe  Straasennetz  in  den  2iehntlanden.  81 

Von  Aalen  an  ging  die  römische  Heerstrasse  nach  Opie  (Bopfin- 
gen)  (18  Mih).  Auf  dem  nahen  Ipfberg  sind  die  Spuren  römischer 
Gebäulichkeiten  nachgewiesen. 

Eine  sehr  alte  Strasse,  die  auf  römischen  Ursprung  zurückgeführt 
werden  inuss  und  heute  noch  unter  dem  Namen  „Steinstrasse''  und 
„Frankenstrasse''  bekannt  ist,  zieht  über  Wittislingen  direct  nach 
Lauingen. 

Die  nächsten  Stationen  sind: 


Septemiaci  (Maihingen) 

7  Milien 

Losodica  (Oettingen) 

7 

t> 

Medianis  (Markbof) 

11 

t» 

Iciniaco  (Itzing) 

8 

» 

Biricianis  (Burkmarshofen) 

7 

» 

Vetonianis  (Nassenfeis) 

18 

V 

Germanico  (Kösching) 

12 

t> 

Celeuso  (Kels  bei  Ettling) 

9 

n 

Abusena  (Abensberg)' 

3 

V 

Regino  (Begensburg) 

22 

n 

Wir  haben  also  für  diese  Heerstrasse  eine  Länge  von  63  Leugen 
bis  Rottenburg  und  von  da  bis  Regensburg  198  Milien,  zusammen 
97V8  Stunden,  welche  Entfernung  der  wirklichen  Entfernung  nahezu 
entspricht. 

Man  bemerkt  bei  den  Abmessungen,  dass  die  wirklichen  Distanzen 
im  Hochgebirge  des  Schwarzwaldes  eine  grössere  Verschiedenheit  zwi- 
schen den  Angaben  der  Peutinger'schen  Tafel  zeigen,  als  im  Hügel- 
land des  Donaugebietes,  wo  die  Abschreitungen  leichter  und  genauer 
bewerkstelligt  werden  konnten. 

IV. 

Die  ConsnlarstrasM  yon  Yindonissa  oder  Ad  flnes  (Pf^n)  über  Bregens 

naeh  Aognsta  Yindelieomm  (Augsburg). 

Diesen  Strassenzug,  der  in  der  Peutinger'schen  Tafel  von  Ad 
fines  aus  mit  den  Stationen  und  Entfernungszahlen  bis  Augsburg  ein- 
getragen ist,  hat  von  Paulus  in  seiner  Abhandlung  S.  36  genauer 
erläutert,  und  wird  es  genügen  hier  nur  die  einzelnen  Stationen  an- 
zugeben. 


82  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

Hiernach  ist: 

Ad  fines  von  Arbor  felix  (Arbon)         21  Leugen 
von  da  bis  Brigantio  (Bregenz)  10      „ 

„  •„    „    Ad  Renum  (Wangen)  9      „ 

„    „    „    Vemania  (Ferthofen)  15      „ 

„    „    „    Viaca  (Krummbach?)         237«  „ 
„     „    „    Augusta  V.  (Augsburg)     10      „ 
Von  da  führte  eine  Römerstrasse  nach  Isny  und  Kempten 
(Campodunura),  eine  weitere  nach  Lindau,  eine  nach  Ravensburg 
und  endlich  noch  eine  nach  Langenargen  an  den  Bodensee. 

Von  Ferthofen,  wo  zahlreiche  römische  und  keltische  Funde 
^macht  wurden,  führte  eine  Strasse  nach  Kellmünz  (Coelius  Mons) 
und  von  da  zur  Strasse  VIII  an  die  Donau  bei  Ulm,  das  zur  Römer- 
zeit schon  ein  Hafenplatz  gewesen  sein  dürfte.  In  der  archäolo- 
gischen Karte  der  Ostschweiz  von  Dr.  Keller  ist  dieser  Strassenzug 
von  Windisch  bis  Bregenz  genau  eingetragen,  und  wird  nur  kurz  be- 
merkt, dass  hiernach  von  Aquae  (Baden)  aus  die  Richtung  über  Kloten, 
wo  südlich  eine  Strasse  nach  Zürich  (Turicum)  und  nördlich  eine 
andre  nach  Eglisau  abzweigte,  über  Winterthur  fVitudurum)  und 
Frauenfeld  nach  Pfyn  (Station  Ad  fines)  nachgewiesen  ist. 

Von  hier  nach  Arbon  (Arbor  felix)  berührt  die  grosse  Heerstrasse 
die  Orte  Weinfelden,  Bürglen,  Erlen,  Arariswil,  Neukirch. 
Brigantium  ist  bekanntlich  Bregenz. 

Die  nächste  Station  Ad  Renum  der  Peutinger'schen  Tafel  ver- 
legt Paulus  nach  Wangen  in  üebereinstimmung  mit  dem  Längen- 
maass  von  9  Leugen.  —  Keller  bezeichnet  mit  Ad  Renum  einen 
Ort  in  der  Nähe  von  Rheineck,  was  allerdings  dem  Sinn  des  Namens 
besser  entspricht  als  Wangen,  welches  etwa  11  Leugen  vom  Rhein 
entfernt  liegt;  wobei  freilich  bemerkt  wird,  dass  die  Station  der  Peu- 
tinger'schen  Tafel  Ad  Renum  und  nicht  Ad  Rhenuni  heisst;  und 
dass  die  Entfernungsmaasse  mit  der  Auffassung  von  Paulus  über- 
einstimmen. 

Augsburg  war  für  die  Römer  ein  sehr  wichtiger  Waffenplatz,  wo 
sich  ihre  Streitkräfte,  die  von  der  untern  Donau  und  Italien  kamen, 
sammelten.  Die  Consularstrassen  über  die  Alpen  nach  Verona  und 
über  Salzburg  nach  Dacien,  welche  sich  hier  vereinigten,  vermittelten 
den  Hauptverkehr  mit  den  älteren  Provinzen.  Ebenso  gingen  von 
Augsburg  noch  Verbindungswege  an  die  Donau,  der  eine  nach  Sub- 
montorium  und  von  da  über  Vallatum  zur  Heerstrasse  HI  bei  Abu- 


Das  römiflohe  Stnuraennetz  in  den  Zehntlanden.  89 

V 

sena;  der  andre  auf  dem  Höhenrücken  zwischen  Lech  und  Schmutter 
nach  Donauwerth.  ' 

Der  römische  Kaiser  Gratian  benutzte  noch  379  diese  Heerstrasse 
IV  über  Bregenz  und  Augsburg,  um  seine  Legionen  nach  der  untern 
Donau  zu  führen,  da  die  nördliche  Donaustrasse  über  Messkirch  schon 
seit  dem  Tode  Gonstantin  L,  337  n.  Chr.,  im  Besitz  der  Alemannen 
war  (siehe  Mone  Bd.  n.  338). 

V. 

Die  Consnlarstrasse  yon  Ad  Lnnam  (Pfahlbromi)  naeh  Pomoiie  (Lauln^en) 

und  Augsburg. 

Dieser  Strassenzug  ist  in  der  römischen  Strassenvermessungskarte 
von  Ad  Lunam  angedeutet  mit  der  Enibrnungszahl  11,  und  man  hat 
daher  alle  Ursache  denselben  zu  *  den  wichtigeren  römischen  Heer- 
strassen zu  zählen,  obgleich  hier  nur  eine  Diagonal-  oder  Querver- 
bindung gemeint  ist.  Das  Wort  Po  mone  scheint  nur,  anzudeuten, 
dass  nach  dieser  Richtung  eine  Strasse  dahin  abgeht,  denn  XI  Milien 
oder  Leugen  reichen  nicht  bis  Pomone. 

Als  Hauptheer-  und  Verbindungsstrasse  vom  Grenzwall  aus  nach 
Augusta  Vindelicorum  der  Hauptstadt  von  Raetien  über  Pomone, 
dürfte  man  an  dem  Abgangsort  Ad  Lunam  zweifeln,  und  der  Lage  und 
Zweckmässigkeit  nach  denselben  zwischen  dieser  Station  und  Aalen 
oder  in  letzterem  Ort  selbst  suchen.  Von  hier  aus  stimmen  11  Milien 
mit  der  Entfernung  bis  Heidenheim,  einer  bedeutenden  römischen  Nie- 
derlassungy  überein. 

Vielleicht  wird  dieser  Strassenzug,  dessen  Wichtigkeit  selbst  in 
militärischer  Beziehung  anerkannt  werden  muss,  da  er  von  dem  Haupt- 
waffenplatz Augsburg  die  nöthigen  Unterstützungen  zum  Grenzwall 
vermittelte,  von  unsem  Kollegen  in  Bayern  und  Württemberg  aufge- 
klärt Von  Pomone  ging  auch  ein  römischer  Verbindungsweg  nach 
Itzing  und  von  da  nach  der  Wülzburg  zum  Grenzwall. 

VI. 

Die  Strasse  von  Colonia  Nemetnm  (Speier)  naeh  Clarenna  (Oanstatt)  and 

an  die  Donau. 

Die  Wichtigkeit  der  Verbindung  von  der  Hauptstadt  Speier  zum 
Herzen  des  Zehntlandes,  an  den  Pfahlhag^  mit  der  Fortsetzung  an  die 
Donau  und  nach  Augsburg  ist  leichter  zu  begründen,  als  ihre  Tra- 
9 irung.    Bleibt  aber  auch  noch   manche  Frage  der  militärischen  Be- 

8 


■< 


84  Das  römisohe  StrassenneU  in  den  Zehntlanden. 

deutung  dieser  Strasse  offen  (wir  neDDen''  sie  desshalb  nicht  wie  die 
vorhergehenden  Consularstrasse),  so  fehlen  im  Allgemeinen  die  An- 
haltspunkte, welche  diese  Strasse  als  eine  Hauptverbindung  zur 
Römerzeit  dokumentiren,  nicht 

Von  Ganstatt  bis  zur  badischen  Grenze  bei  Sternenfels  ist  sie  in 
der  Paulus*schen  Karte  als  eine  der  Hauptverkehrsstrasscn  im 
Zehntland  eingezeichnet.  Wir  ergänzen  das  fehlende  Stück,  indem  wir 
von  Speier  aus  beginnen.  Diesem  gegenüber  la^  am  rechtsseitigen 
Ufer  der  Kriegbach  Alt lusheim  und  nicht  weit  davon  an  der  Kraich- 
bach,  auf  erhöhtem  Gelände  der  j.  Wersauer  Hof  (Reilingen)  und 
der  Ort  Hockenheim. 

Hier  vorgefundenes  altes  Gemäuer  von  einem  Castell  herrührend, 
und  ein  an  letzterem  Ort  aufgefundener  dem  Merkur  geweihter  Altar- 
stein unterstützen  die  Annahme  der  Wichtigkeit  dieser  römischen  Nie- 
derlassung.   Von  hier  aus  zogen  römische  Verbindungswege 

1)  über  Altwisloch  nach  Sinsheim  (Weg  17), 

2)  die  Hauptstrasse  nach  Heidelberg  (Str.  IX), 

3)  die  Hauptstrasse  über  St.  Leon   und  Kronau  nachStett- 
feld  etc., 

die  hier  in  Frage  stehende. 

Vom  Wersauer  Hof  oder  dem  dort  angenommenen  Castell  aus, 
sucht  Mone^)  längs  der  Kraichbach  und  des  linksseitigen  Ufers  der 
Landniederung  eine  fortlaufende  römische  Vertheidigungslinie  mit  Castel- 
len  in  Kisslau,  Weyer,  Staffort,  Hagsfeld  und  Rüppur  zu  begründen, 
die  aber  keine  strategische  Wichtigkeit  haben  konnte,  weil  dicht 
hinter  ihr  die  urkundlich  bestätigte  grosse  Rheinverschanzungs- 
linie  lag,  deren  Erhaltung  den  Römern  allein  die  nöthige  Sicherheit 
gewähren  konnte. 

An  unserer  Hauptstrasse  liegt  zunächst  der  Ort  St.  Leon,  be- 
kannt durch  den  Fund  eines  römischen  Votivsteines  (jetzt  in  der  Alter- 
thumshalle  in  Karlsruhe)*). 

Eine  Stunde  weiter  längs  des  Ufers  liegt  der  j.  Ort  Kronau 
mit  der  Tiefburg  Kisslau,  die  nach  Mone  zum  Schutz  der  Zehnt- 
lande von  den  Römern  angelegt  worden  sein  soll.  Die  quadratischen 
ümfangsseiten  des  noch  bis  zu  einer  Höhe  von  ca.  20  m  erhaltenen 
aus  den  mächtigsten  Quaderblöcken  errichteten  Thurmes,  in  den  das 


1)  S.  Urgeschichte  des  bad.  Landes  Bd.  1  von  Mone. 

2)  Inschrift  s.  Brambach  G.  I.  Rh.  No.  1700. 


Dm  römische  StrasseDiiets  in  den  Zehntlfenden.  85 

spätere  Jagdschloss  der  früheren  Bischöfe  von  Speyer  eingebaut  ist, 
haben  15  m,  während  diese  Dimensionen  bei  allen  unsern  Bergfrieden 
zwischen  8  und  9  m  betragen. 

lieber  die  Geschichte  dieser  interessanten  Burg  fehlen  die  An- 
haltspunkte,  aber  so  viel  ist  gewiss,  dass  sie  kein  römisches  Bauwerk 
ist,  da  die  Römer  im  Zehntland  überhaupt  keine  Defensivwerke  dieser 
Art  bauten.  Uebereinstimmend  mit  unsern  andern  ältesten  Bergfrieden 
ist  die  Anlage  der  Eingangsthüre  im  Rundhogenstil  und  die  Bauweise 
der  Mauern  des  Thurmes,  dessen  Bauzeit  in  das  12.  Jahrhundert 
fallen  dürfte. 

Wir  suchen  daher  auch  nicht  hier,  sondern  in  dem  2  km  ent- 
fernten Langenbrücken,  wo  sich  die  Ufer  der  Landgiessen  am 
meisten  nähern,  den  Uebergangspunkt  unserer  Römerstrasse,  der 
dem  Namen  des  Ortes  nach,  noch  lange  erhalten  blieb.  Die  Richtung 
nach  Gannstatt  bedingt  den  Aufgang  der  Strasse  zwischen  der  Katz* 
bach  und  Kraichbach  bei  Stettfeld*),  wo,  wie  bei  jeder  grösseren 
römischen  Strassenanlage,  ein  Rasthaus  mit  Poststation  errichtet  war. 
Die  Wichtigkeit  dieses  Ortes  als  römische  Niederlassung  ist  durch 
mehrere  Funde  bekundet.  Ausser  einem  Wohnhaus  mit  hypocaustum, 
wurde  ein  Yotivstein  mit  Reliefbildem  des  Apollo,  der  Minerva  und 
des  Merkur,  ferner  ein  Yotivstein  mit  gut  erhaltener  Inschrift  ausge- 
graben^. Derselbe  stand  an  einem  Kreuzweg  (quadrivium)  von  zwei 
Strassen,  von  denen  die  eine  von  Süd  nach  Nord,  die  andre  nach  Osten, 
dem  Grenzwall  zu^  zog.  Es  ist  als  sicher  anzunehmen,  dass  auch  hier 
Rastsäulen  errichtet  waren.  Die  Münzen,  welche  in  Stettfeld  aufge- 
funden wurden,  sind  von  den  Kaisern  Vespasian  und  seinen  Nachfolgern 
bis  Alex.  Severus  und  Gordian  (244).  Ebenso  zahlreich  sind  die  hier 
zu  verschiedenen  Zeiten  beim  Ausgraben  von  Fundamenten  zum  Vor- 
schein gekommenen  Fragmente  von  römischen  Gefässen. 

Von  Stettfeld  aufwärts  auf  den  Kamm  des  Gebirges  zwischen  dem 
Katzbach-  und  Kraichbachthal  ziehend,  wo  der  Weg  die  Heiligen- 
strasse  heisst^  finden  wir  die  Tra^e  der  römischen  Strasse  ganz  den 
Grundsätzen  jener  Zeitperiode  entsprechend  angelegt  und  als  Feldweg 
erhalten.  Ei*  bildet  die  Banngrenzen  der  in  den  beiden  Thälem 
liegenden  Orte,    heisst  heute  noch  im  Volksmund    Galgen-    und 


1)  Dass  der  Name  Stettfeld  von  der  römischen  Benennung  Statio  romana 
kommt,  ist  bloss  eine  Yermuthung. 

2)  S.  Mone;  Zeitschrift  zur  Geschichte  des  Oberrheins  Bd.  20.  S.  406. 


d6  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

Seestrasse,  and  diente  früher  als  Poststrasse  zwischen  Heilbronn 
und  Bruchsal. 

Oberhalb  Neuenbürg  fahrte  der  Römerweg  am  sog.  Galgenberg 
,in  die  Gemarkung  Menzingen,  welcher  Ort  schon  im  Jahr  770  n.  Chr. 
urkundlich  erwähnt  ist,  und  zu  den  ältesten  germanischen  Nieder- 
lassungen, unsres  Landes  gehört.  Hier  finden  wir  zahlreiche  Flurbe- 
nennungen; als:  Heidempfle,  Steingebiss,  Heiligenstrasse, 
Stein  weg  etc.,  die  die  Annahme  begründen,  dass  die  Römerstrasse 
hier  das  Thälchen  überschritt  und  am  Hamberg  wieder  die  Höhe  ge- 
wann, wo  ein  Weg  nach  Eppingen  abzweigte  (Weg  23). 

Den  im  tiefen  Loch  (Teufelsgrund)  liegenden  Ort  Bahnbrücken 
umgeht  der  Römerweg  auf  dem  Kamm  des  Gebirges  bleibend,  zieht  sich 
dem  I^rchenberg  und  Neusickingen  zu,  von  wo  er  dem  Bergrücken 
bis  gegen  Flehingen  zu  folgt.  Der  in  der  Älterthumshalle  in  Karls- 
ruhe befindliche  Votivstein  von  Bahnbrücken  wurde  in  dem  Thalgrund 
in  Mitte  umfangreicher  römischer  Gebäude- Substructionen  aufgefunden*). 

Ein  Gewann  in  nächster  Nähe  heisst  Eselschinder,  woraus 
der  um  die  Geschichte  der  Gegend  sehr  verdiente  Hauptlehrer  Feigen- 
butz  in  Flehingen  schliesst,  dass  hier  viel  Esel  zum  Transport  der 
Lasten  benützt  worden  seien,  welche  Verwendung  bei  den  Römem 
gebräuchlich  war,  und  also  hier  eine  römische  Strasse  gewesen  sein 
müsse.  Auch  das  Auffinden  kleiner  Hufeisen,  von  Maulthieren  und 
Eseln  hier  und  in  der  Umgegend,  stimme  für  diese  Annahme.  Wir 
können  diese  Ansicht  nicht  theilen,  denn  der  römische  Verkehrsweg 
ging  nicht  durch  den  Eselschinder,  und  die  kleinen  Hufeisen  sowohl 
als  auch  diese  Benennung  sind  auf  neuere  Zeit  zurückzuführen,  wo 
man  aus  den  Thalmühlen  die  Mehlsäcke  auf  Eseln  zu  den  Hoch- 
strassen brachte.  Es  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  zur  Zeit  der  Römer 
die  Gegend  zu  beiden  Seiten  unsrer  Strasse  von  Römern  und  Kelten 
sehr  bewohnt  war,  und  von  derselben  mehrere  Verbindungswege  auf 
die  Höhen  und  in  die  Thalgründe  abgingen.  Die  Ravensburg  und 
der  Sternenfels  waren  schon  zu  Römerzeiten  vortreflFlich  gelegene 
Warten,  namentlich  Stemenfels,  die  östlich  bis  zum  Pfahlhag  und 
westlich  bis  zum  Rhein  signalisiren  konnten*). 

Flehingen  liegt  in  einer  Erweiterung  des  Kraichthales,   wo  die 


1)  S.  Fröbner's  Katalog  d.  Karlsr.  Antiquariums  v.  J.  1860.  I.  21. 

2)  Von  der  Ravensburg  bis  über  den  Ottilienberg  bestand  eine  alt-germa- 
nische Bergverschanzung. 


Das  römieohe  StraBsennetz  in  den  Zehntlandeu.  87 

Koblbach  in  die  Kraichbacli  einmündet.  Die  römische  Strasse  folgte 
von  hier  aus  dem  jetzt  noch  bestehenden  Weg  auf  dem  Bergrücken 
nach  ÜDterdertingen,  den  Galgenberg  links  lassend  und  von  da  nach 
Sternenfels,  wo  die  württembergische  Grenze  erreicht. und  uns  die 
Faulus'sche  Karte  weiteren  Aufschluss  gibt. 

Von  Sternenfels  führten  zur  Römerzeit  Saumpfade  nach  Kürn- 
bach,  und  von  da  über  den  Heuchelberg  nach  Böckingen,  ein  andrer 
über  den  Stromberg  nach  Bönigheim. 

Von  Unterdertingen  ist  ein  eben  solcher  über  Grossvillars  und 
Knittlingen  südlich  zu  vermuthen. 

Es  ist  nicht  unwahrscheinlich,  dass  die  von  Drusus  hergestellte 
und  von  Claudius  verbesserte  Via  Claudia  von  Günzburg  über  die 
rauhe  Alp  nach  Cannstatt  und  von  da  nach  Speier  geführte  Heer- 
strasse im  wesentlichen  die  Grundlage  des  späteren  Strassenzuges  von 
Cannstatt  bis  Kürnbach  bildete^). 

Von  Sternenfels  bis  Lienzingen  ist  die  römische  Strassenverbin- 
dung  in  dem  bestehenden  Gemeindeweg  über  die  Orte  Diefenbach  und 
Zaisersweier  erhalten,  weiter  über  Illingen  und  Vaihingen  nach  Cann- 
statt bildet  sie  die  Grundlage  der  jetzigen  früher  sehr  besuchten  Land- 
strasse; sie  hat  von  der  Stadt  Vaihingen  an  der  Enz  über  Schwieber- 
dingen,  bei  einem  vielfach  von  Seitenthälern  der  Enz  eingeschnittenen 
Terrain,  eine  ziemlich  gerade  Richtung. 

Von  Cannstatt  aus  muss  man  den  Ausgrabungen  und  Funden  nach 
den  Ort  Köngen  am  Neckar  festhalten,  wo  der  Thalübergang  der  Heer- 
strasse nach  Pomone  an  der  Donau  zu  suchen  ist.  Die  Verbindung  von 
Cannstadt  aus  nach  Köngen  hat  den  römischen  Grundsätzen  zufolge  auf 
den  Höhenrücken  der  beidseitigen  Thalwandungen  des  Neckar  statt- 
gefunden ;  linksseitig  über  Denkendorf  und  Ruith  nach  dem  Ort  Vai- 
hingen (nicht  zu  verwechseln  mit  Stadt  Vaihingen  an  der  Enz),  wo 
die  Heerstrasse  HI  erreicht  wurde.  Auf  der  rechten  Thalseite,  wo 
die  römische  Niederlassung  bei  Cannstatt  lag,  zog  zur  Römerzeit  ein 
Verbindungsweg  (Paulus  führt  ihn  auch  noch  von  Plochingen  an  in 
das  Seitenthal  der  Fils  bis  Grosssüssen  hinein,  siehe  s.  Karte)  bis  Ess- 
lingen und  Plochingen,  der  hier  den  Neckar  übei-schritt  und  den  Höhen- 
rücken, auf  dem  Köngen  liegt,  erreichte.  Welche  von  diesen  Strassen 
zur  Römerzeit  als  Haupt  Verkehrsmittel  diente,  ist  schwer  zu  ent- 
scheiden, und  dürfte  diese  Frage  von   den   württembergischen  Alter- 


1)  Siehe  Baer,  Strassenchronik  S.  127. 


88  Das  römische  Strassennetz  in  den.  ZehntlandeD. 

•  

thumsforschern  gelöst  werden.  Von  Köngen  aus  führte  auch  zur  Rö- 
merzeit ein  Hölienweg  auf  der  linken  Thalseite  nach  Nürtingen  und 
von  da  über  Grötzingen  nach  Tübingen  und  Rottenburg. 

Die  Hauptstrasse,  die  wir  hier  betrachten,  geht  nun  von  Köngen, 
nachdem  der  Neckar  überschritten  ist,  in  das  hier  einmündende  Lauter- 
thal nach  Kirch  heim,  einer  Stadt,  wo  eine  römische  Niederlassung 
nachgewiesen  ist.  Die  römischen  Heei-strassen  und  Alterthümer  der 
schwäbischen  Alp  sind  schon  im  Jähre  1846  von  Domänenrath  von 
Gock  (s.  dessen  Abhandlung,  Stuttgart  1846  bei  F.  H.  Kohler)  unter- 
sucht und  beschrieben  worden,  und  obgleich  auch  dort  weniger  auf 
ein  zusammenhängendes  Bild  des  römischen  Strassennetzes  und  der 
Zusammengehörigkeit  mit  andern  Strassen  Rücksicht  genommen  ist, 
so  will  ich  doch  versuchen  die  Fortsetzung  der  fraglichen  Heerstrasse, 
der  kaum  in  Frage  stehenden  Hauptverbindung  mit  dem  Donauthal, 
zu  bestimmen. 

Es  handelt  sich  vorerst  am  die  Hauptfrage,  wo  wurde  die  rauhe 
Alp  zur  Römerzeit  in  der  bezeichneten  Richtung  erstiegen? 

lieber  Geislingen,  wo  jetzt'  die  Landstrasse  und  die  Eisenbahn 
die  rauhe  Alp  gewinnt,  lässt  sich  zur  Römerzeit  kein  Aufgang  nach- 
weisen. 

Von  Kirchheim  über  Owen  und  Donstetten,  wo  die  Hochebene 
erreicht  ist,  besteht  eine  alte  Landstrasse  nach  Blaubeuren.  Von  Don- 
stetten aus  ist  nun  die  Fortsetzung  der  Heerstrasse  nach  Nellingen 
zu  suchen,  wo  sich  vier  Römerwege  kreuzen. 

Zwischen  diesen  beiden  Thalaufgängen  zur  Alp  liegt  auf  dem 
obern  Kamm  derselben  der  Ort  Oberdrackenstein,  dem  auch  Gock 
eine  besondere  Bedeutung  durch  seine  Lage  und  Geschichte  beimisst. 
Die  Oberamtsbeschreibung  von  Geislingen  (s.  Gock  S.  61)  sagt:  „bei 
Nellingen  durchkreuzt  eine  zweite  römische  Heerstrasse  die  iu  der 
Richtung  von  Lauingen  kommende  und  zieht  in  der  Verlängerung 
dieser  Linie  unter  dem  Namen  Zigeuner-Hochsträss  gegen  Dracken- 
stein".  Wir  nehmen  also  au,  dass  von  Kirchheim  aus  über  Weilheim 
bei  Wiesensteig  oder  Gosbach  die  rauhe  Alp  zur  Römerzeit  erstiegen 
wurde,  um  auf  dem  kürzesten  und  damals  practikabelsten  Weg  an 
die  Donau  zu  gelangen.  —  Durch  Ausgrabungen  aus  der  Römerzeit 
sind  an  dem  ferneren  Wege :  Hausen  an  der  Lon,  das  mit  Heidenheim 
in  Verbindung  stand,  sowie  Lonsee  und  Lonthal  erwähnenswerth. 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  89 

VII. 

Die  Strasse  Ton  Argentoratnm  (Strassbnrg)  ttber  Ettlingen  und  Pfonheim 

nach  Clarenna  (Cannstatt). 

Eine  Verbindung  des  Oberrheins^  von  Strassburg  aus,  als  dem 
wichtigsten  Waffenplatz  des  linksseitigen  Rheinufers  mit  dem  Grenz- 
wall und  der  Heerstrasse  nach  Regensburg,  stellten  die  Römer  mit 
Umgehung  des  in  jener  Zeit  unwirthlichen,  mit  undurchdringlichen 
Wäldern  und  tief  eingeschnittenen  Felsschluchten  bedeckten  hohen 
Schwarzwaldgebirges,  von  Ettlingen  aus  her,  wo  sich  demselben 
gegen  Norden  ein  von  flachen  Thälem  durchschnittenes  Vorgebirge 
anschliesst. 

Obgleich  diese  Strasse  in  keiner  römischen  Urkunde  erscheint, 
so  war  sie  doch  für  die  Römer  in  volkswirthschaftlicher  und  auch 
militärischer  Beziehung  von  grosser  Bedeutung,  wie  diess  ihre  Anlage 
als  gepflasterte  Kunststrasse,  die  zahlreichen  Funde  von  wichtigen 
Denkmälern  und  die  Aufdeckungen  interessanter  Niederlassungen  be- 
stätigen. Verfolgen  wir  die  Richtung  dieses  Strassenzuges  von  Kehl 
aus,  wo  der  Uebergang  über  den  Rhein  stattfand,  so  bildet  er  die 
Grundlage  der  jetzigen  Landstrasse  auf  dem  zwischen  dem  mittleren 
Rheinlaufund  der  Landniederung  liegenden  Hoch  ge  st  ade  bis  Schwarz- 
ach, auf  welchem  Boden  bereits  vor  dem  Einmarsch  der  Römer  kel- 
tische Niederlassungen,  aus  denen  die  jetzigen  Orte  entstanden  sind, 
vorhanden  waren.  Auf  der  ganzen  Strecke  finden  wir  auch  in  den  be- 
kannten Flurbeq^nnungen  sowohl  Beziehungen  zur  keltischen  Sprache, 
als  auch  solche,  die  sich  auf  vorgermanische  Zelt  zurückführen  lassen. 
(Zwischen  SöUingen  und  Hügelheim  Hess  Conservator  Wagner  im 
Herbst  1880  ein  Hügelgrab  [den  sog.  Heiligenbuck]  öffnen,  in  welchem 
eine  roh  gemauerte  Grabkammer  aufgedeckt  wurde,  in  welcher  sich 
Schmucksachen  und  Bruchstücke  eines  mit  Bronzeblech  beschlagenen 
Wagens  vorfanden.)    / 

Von  Schwarzach  aus  bog  die  römische  Strasse  rechts  ab,  um  mit 
Benützung  einiger  Eilande,  auf  denen  jetzt  die  Orte  Leiberstung 
und  Weitenung  liegen,  die  Giessen  des  sog.  deutschen  Rheines 
(eine  Niederung  gespeist  durch  die  Binnenwasser,  denen  damals  noch 
durch  das  Hochgestade  der  Ausgang  in  den  mittleren  Rhein  versperrt 
war)  zu  überschreiten  und  die  jenseitige  Bergstrasse  zwischen  Stein- 
bach und  Sinzheim  zu  gewinnen.  Hier  ist  auch  der  Fundort  zweier 
Wegsäulen  (jetzt  in  der  Karlsruher  Alterth.-H.)  deren  Zahl  L  Uli 


40  Das  römische  StrassenDeU  in  den  Zehntlanden. 

ab  aquis,    genau   mit   der  Entfernung   von  Baden  übereinstimmt,   zu 
suchen. 

Der  jetzigen  Landstrasse  folgend  finden  wir  den  ältesten  Ueber- 
gang  über  die  Oos  bei  der  sog.  Schweigerrother  Mühle,  in  der 
Nähe  des  sog.  Blutfeldes,  eine  Bezeichnung,  die  von  der  grossen 
und  blutigen  Schlacht  herrührt,  die  hier  zwischen  den  Franken  und 
Alemannen  stattfand.  Vor  3  Jahren  wurde  hier  ein  Skelett  sammt 
einem  reich  mit  Goldblech  verzierten  Waffengehänge  ausgegraben.  — 
Wir  sind  vom  Oosübergang  aus  in  2  km  in  Baden,  der  berühmten  Gi- 
vitas  Aurelia  aquensis. 

Die  Topographie  dieser  Stadt  von  Elüber  (1811)  ist  alt,  es  man- 
gelt eine  neuere  ausführliche  Beschreibung  dieser  Römerstadt.  Zahl- 
reiche dort  gefundene  römische  Denkmäler  haben  endlich  in  der  Karls- 
ruher  Alterthumshalle  eine  bleibende  Ruhestätte  gefunden  ^). 

Auf  dem  Mercur  allein  steht  noch  die  römische  diesem  Gott  ge- 
weihte Inschrift.  (Ein  Abguss  hievon  ist  in  der  Karlsruher  Alter- 
thumshalle.) Von  dem  berühmten  Bad  des  Caracalla  ist  nur  noch 
ein  kleiner  Theil  des  Hypocaustum  erhalten,  zu  welchem  man  mittelst 
eines  Schachtes  auf  dem  freien  Platz  zwischen  dem  jetzigen  Friedrichs- 
bad und  dem  Kloster  gelangen  kann*).  —  Von  den  im  Jahr  1851  hier 
stattgehabten  Ausgrabungen  her  sind  uns  über  den  damaligen  Be- 
stand des  Römerbades  sehr  interessante  Aufzeichnungen  und  Aufnah- 
men erhalten,  die  von  dem  damaligen  bauleiteaden  Ingenieur  Freiherr 
von  Kageneck  angefertigt  wurden^). 

Die  nächste  Umgebung  Badens  *),  insbesondere  dem  Rheinthal  zu, 
hatte  zur  Römerzeit  einige  Niederlassungen,  so  bei  Sandweier  und 
Iffezheim,  von  wo  ein  Votivstein  mit  der  Aufschrift: 

Diis  Quadrvbs.  Vica 

ni  Bibienses 

D.        S.        P. 

gefunden  wurde,  (jetzt  in  d.  K.  Alterthums-Halle) ;  auch  wurden  in  Balg 

bei  Oos  und  bei  Iffezheim  am  Rhein  Votivsteine  ausgegraben^).  (Sämmt- 

liche  3  Steine  in  d.  K.  Antiquarium.)    Die  Römerstrasse   von  Oos  bis 


1)  Siehe  Generalbericht  des  bad.  Alterthumsvereins  v.  Jahr  1858. 

2)  Generalbericht  d.  b.  Alterthumsvereins  S.  9. 

3)  S.  Schriften  des  bad.  Alterthamsyereins  v.  J.  1861. 

4)  S.  Wielandts  Beiträge  zur  Geschichte  Badens  v.  J.  1811. 

5)  a  in  Fröhner's  Katalog  No.  58.  52  und  50. 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  41 

Euppenheim  fällt  im  weseutlicbeu  mit  der  jetzt  bestehenden  Land- 
strasse  zusammen  und  heissen  die  hier  sie  berührenden  Gewanne: 
„Götzenberg''  und  „Galgenacker''. 

Der  Uebergang  über  die  Murg  war  bei  Bischweier,  wo  der 
Fluss  noch  einen  geschlosseneren  Lauf  hatte,  als  bei  Kuppenheim. 

Hier  ergoss  sich  die  Murg  noch  zum  grössten  Theil  in  die  Nie- 
derung bei  Muggensturm  und  lag  dicht  am  Gebirge,  so  dass  hier 
keine  Strasse  angelegt  werden  konnte.  Da  hier  die  Feldgewanne  noch 
heute  die  Namen  oberer,  mittlerer  und  unterer  Flötzerweg  haben, 
so  mag  hier  die  Stätte,  am  sog.  deutschen  Rhein,  zu  suchen  sein,  wo 
schon  zur  Römerzeit  die  aus  dem  Murgthal  kommenden  Hölzer  zu 
Flössen  zusammengebunden  wurden.  0 

Muggensturm  hatte  im  Mittelalter  eine  Tiefburg  an  dem  Wiesen- 
grund, der  jetzt  noch  Burgwiese  heisst.  Von  Bischweier  aus  gewann 
die  Römerstrasse  im  sog.  Brettweg  den  HöhenrUcken  bei  Oberweier, 
und  folgt  da  dem  Gemeindeweg  bis  Maisch,  der  heute  noch  von  den 
Landleuten  der  He  er  weg  genannt  wird. 

Von  Maisch  bis  unterhalb  Sulzbach  folgen  wir  dem  jetzigen 
Gemeindeweg,  finden  aber  den  weiteren  Zug  der  Römerstrasse  in  dem 
Feldweg  erhalten,  der  heute  noch  die  alte  Strasse  heisst. 

Oben  im  Ort  Sulzbach,  ca.  IVs  km  von  der  römischen  Heer- 
strasse  ab,  sind  uns  die  Bezdichnungen  zweier  Gewanne:  „Heiden- 
äcker und  Stein  äcker  erhalten.  Ein  römischer  Votivstein  (jetzt  in 
der  Earlsr.  A.  H.)  datirt  daherO*  Uebersetzt:  „Zur  Ehre  des  kais. 
Hauses:  Der  heilig  geldsorgenden  Göttin  und  dem  reichen 
Vater  haben  Veterius  Paternus  und  Adjectia  Paterna  ihr 
Gelübde  erfüllt".  —  Wir  dürfen  daher  am  Fundort  dieses  Altars 
eine  jener  römischen  friedlichen  kleinen  Niederlassungen  suchen, 
denen  wir  noch  oft  in  der  Umgebung  dieser  Strasse  begegnen  und  die 
römischen  Zehntleuten  mit  ihren  Familien  als  Wohnort  gedient  haben, 
die  sich  mit  der  Landwirthschaft  beschäftigten.  —  Von  Ettlingenweier 
bis  Ettlingen  am  Ausgang  des  Albthaies  folgt  die  Römerstrasse  wieder 
dem  Gemeindeweg. 

Wie  die  sehr  wichtige  römische  Station  Ettlingen,  wo  die 
Heerstrasse  das  Rheinthal  verlässt,  zur  Zeit  der  Römer  hiess,  ist  durch 
keinen  Inschriftenfund  bekannt;  wohl  aber  ist  uns  in  der  Richtung 
gegen  Durlach,   an  dem  früheren  Gestade   des  deutschen  Rheins  die 


1)  Inschrift  siehe  Brambach  C.  I.  Rh.  No.  1679. 


42  Das  römische  StrassennetB  in  den  Zehntlanden. 

Trümmerstätte  eines  römischen  Gebäudes  erhalten,  das  im  Jahr 
1802  aufgedeckt  wurde,  und  das  man  damals,  in  Folge  der  aufgefun- 
denen schiefen  mit  Quadern  hergestellten  Pritschen  für  eine  Auslade- 
und  Einladestätte,  oder  ein  an  dem  Flussufer  liegendes  Lagerhaus  hielt. 

—  Zahlreiche  Fragmente  von  Ziegeln  aller  Art,  Cementstücken  und 
Mauersteinen,  die  auf  den  Feldern  und  in  Hecken  verborgen  herum- 
liegen, bezeichnen  heute  noch  diesen  Ort,  den  die  Leute  unter  dem 
Namen  Schatz wäldle  kennen. 

Ein  sehr  schöner  Votivstein,  jetzt  am  Stadtthor  von  Ettlingen  einge- 
mauert, bestätigt,  dass  in  Ettlingen  ein  contubernium  nautarum  war^). 

Nach  Dr.  Schreib er's  Topographie  vom  J.  1818  wurde  das  oben 
erwähnte  Deskmal  des  Neptun,  dessen  Widmung  heisst:  „Dem  gött- 
lichen Hause  zu  Ehren  weiht  dem  Gott  Neptun  dies  im  Na- 
men der  Schiffergesellschaft  Cornelius  Aliquantus  aus  eig- 
nen Mitteln'',  bei  einer  Ueberschwemmung  im  Jahr  1480  ausge- 
graben, und  erregte  die  Aufmerksamkeit  des  damals  durch  Ettlingen 
ziehenden  Kaisers  Maximilian  I.  Dieser  übergab  diesen  Stein  sodann 
dem  Teutsch-Ordensmeister  von  Kronberg,  der  ihn  auf  seiner  Burg 
Horneck  einmauern  liess. 

Erst  1554  erhielten  die  Ettlinger  durch  Verwendung  zuerst  des 
Markgrafen  Christof,  dann  des  Markgrafen  Philibert  ihr  Neptunbild 
wieder.  Nochmals  verschenkte  der  Statthalter  der  Baden-Baden'schen 
Lande,  Herzog  von  Schwarzenberg  dasselbe  dem  Herzog  Albrecht  in 
Baiern,  der  es  nach  München  überführen  liess  (1569),  bis  es  dem 
Markgrafen  Philipp  IL  von  Baden-Baden  in  Folge  vieler  schriftlicher 
Bitten  der  Ettlinger  um  Rückgabe  ihres  Abgottes  (wie  sie  ihn  nannten) 
gelang,  den  Neptunstein  wieder  zurückzustellen. 

Von  Ettlingen  gingen  2  Strassen  aus,  die  eine  zu  dem  oben 
beschriebenen  Lagerhaus,  und  von  da  wahrscheinlich  am  Gestade 
des  Wasserlaufes  entlang  nach  Durlach*).  Da,  wo  dieser  Weg  die 
Landstrasse  bei  Ettlingen  verlässt,  steht  ein  alter  Wegstein  mit 
einer  Hand,  die  nach  der  neuen  Strasse  zeigt  und  die  Jahreszahl  1604 
Durlach  trägt;  ein  Beweis,  dass  bis  zu  dieser  Zeit  der  untere  Weg 
am  Schatz  wäldle  vorbei  der  Hauptfahrweg  war,  und  die  jetzige 
Strasse  durch  Wolfartsweier  erst  im  Jahr  1604  angelegt  wurde. 

—  Ferner  führte  von  Ettlingen  über  den   jetzigen  Landgrabengiessen, 


1)  Schon  in  Schöpflin's  Alsatia  illastrata  I.  S.  489  beschrieben. 

2)  Dieser  von  Marg  und  Alb  gespeiste  Wasserarm  war  zur  Römerzeit  schiffbar. 


Das  römische  Strassen  netz  in  den  Zehntlanden.  48 

ein  damals  grösserer  Wasserlauf,  beim  Ort  Bruchbausen,  eine  Strasse 
durcb  den  sog.  Uartwald  nacb  dem  Bheinhocbgestade  bei  Bickes- 
heim  und  Yon^da  durch  die  Rheinniederung,  wo  das  Feld  jetzt  noch 
„an  der  grossen  Heerstrasse''  heisst  nach  dem  mittleren  Rhein  bei  Au, 
wo  der  Uebergang  zur  Verbindung  mit  dem  Gastellum  in  Lauter- 
burg und  der  römischen  Niederlassung  Goncordia  (Weissenburg)  zu 
suchen  ist.  —  Der  Ort  Au  ist  bekannt  als  Fundort  einer  Wegsäule 
und  mehrerer  Altäre  (jetzt  in  der  Earlsr.  Alterthumshalle).  Die  Leugen- 
zahl der  ersteren  ab  Aquis  ist  nicht  mehr  lesbar ;  wahrscheinlich  stand 
dieselbe  bei  Bickesheim  am  Hochgestade  und  wenn  der  Weg  über 
Rastatt  ging,  was  angenommen  werden  muss,  so  passt  die  Zahl  UH 
ab  Aquis.  —  Ettlingen  hiess  in  den  ältesten  Urkunden  Eteniningen ; 
ob  es  bei  den  Römern  Atiniacum  hiess,  ist  nicht  bestätigt  —  Von 
Ettlingen  finden  wir  die  Römerstrasse  ca.  3  km  lang  im  Thal  bis  zur 
heutigen  sog.  Wattsteige.  Gelegentlich  einer  im  Jahr  1880  vorgenom- 
menen Strassencorrection  in  der  Nähe  der  grossen  Spinnerei,  wurde 
etwa  1  m  tief  unter  dem  jetzigen  Boden  das  römische  Pflaster 
aufgedeckt;  es  war  ca.  272  m  breit  und  bestand  aus  aneinander  ge- 
fugten grösseren  Plattenstücken,  oben  eben  und  theilweise  mit  Spuren 
von  Geleiseeindrücken.  Auch  im  Walddistrict  Rehscblag,  wo  der  Auf- 
gang der  Römerstrasse  auf  dem  Höhenrücken  bei  Reichenbach  zu 
suchen  ist,  liegt  noch  in  einem  verlassenen  Hohlweg  eine  grosse 
Platte  des  römischen  Pflasters  mit  einem  tiefen  Geleiseinschnitt.  Noch 
zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  war  die  gepflasterte  Fahrbahn  auf  eine 
Strecke  weit  sichtbar,  wie  uns  Schneider  in  seiner  Topographie  von 
Ettlingen  (Karlsruhe  1818)  angibt;  seitdem  sind  jedoch  diese  Steine 
mit  Ausnahme  der  oben  beschriebenen  Platte,  die  für  den  Transport 
zu  schwer  war,  herausgenommen,  zerschlagen  und  zur  Unterhaltung 
der  nahe  liegenden  Wattsteige  verwendet  worden. 

Auf  der  Höhe  rechts  vom  Orte  Reichenbach  zieht  ein  Feldweg, 
Rückweg  genannt,  in  der  Richtung  gegen  den  Ort  Langenstein- 
bach,  der  ebenfalls  noch  einzelne  grössere  abgeriebene  gut  gebettete 
Steinplatten  an  seiner  Oberfläche  zeigt,  die  vom  römischen  Pflaster 
herrühren  dürften. 

Von  hier  soll  ein  Weg  links  ab  über  den  sog.  Steinigwald  nach 
Unter-Mutschelbaeh,  wo  ein  alter  Bachübergang  ist,  und  von  da  nach 
dem  Hof  Remchingen  in  das  Pfinzthal  geführt  haben,  in  dessen  Nähe 
im  Gewann  Welschenthal  im  Jahr  1843  eine  sehr  interessante  Votiv- 


-.  .r-",^^" 


44  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zelmtlanden. 

tafel  entdeckt  wurde,  deren  Aufschrift  Mone  jn  seiner  Urgeschichte 
IL  152  wie  folgt  liest: 

In  honorem  divinae  domus  lovi  optimo  maximo  luvenalius  Macri- 
nus  vicanus  Senotensis.    Macer  de  suo  dedit. 

Unter  dem  Stein  wurden  Münzen  von  Trajan  und  Hadrian  ge- 
funden. 

Der  Vicus  Senotensis  ist  übrigens  nicht  an  diesem  Fundort  zu 
suchen,  sondern  1  km  entfernt  an  der  Vereinigung  des  Pfinzthales  mit 
dem  Thal  von  Eönigsbach,  wo  man  bei  Gelegenheit  der  Bahnhofanlage 
auf  verschiedene  ältere  Mauerreste  stiess  und  einen  römischen  Altar 
mit  Darstellungen  aus  der  Odyssee  herausgrub  ^).  Diese  beiden  Steine 
sind  jetzt  in  der  Karlsr.  Alterthumshalle.  Weitere  römische  Stein- 
denkmäler sind  in  den  Kirchthürmen  der  nahen  Orte  Königsbach, 
Kleinsteinbach  und  Pfeiler  eingemauert,  die  alle  von  dieser  Nieder- 
lassung herkommen  dürften,  die  4  km  von  der  Heerstrasse  bei  Dieten- 
hausen  entfernt  in  dem  damals  abgelegenen  Piinzthal  lag,  das  hier  sich 
erweitert  und  einen  wiesenreichen  Thalgrund  bildet. 

Mone  bringt  diesen  Vicus  mit  dem  Dorf  Singen,  das  in  der  Nähe 
des  Remchinger  Hofes  liegt,  in  Verbindung  (IL  153)  und  hält  diese 
Niederlassung  für  eine  gallische. 

Was  die  Fortsetzung  der  Heerstrasse  vom  Rückweg  bei  Langen- 
steinbach  anbelangt,  so  zog  dieselbe  unterhalb  dieses  Ortes  durch  das 
Boxthal,  von  wo  der  Aufgang  auf  den  nächsten  Bergrücken  noch  in 
einem  verlassenen  im  Wald  liegenden  Hohlweg  erhalten  ist.  Auf  der 
Hohe  sind  Felder  und  haben  die  Gewanne  die  bezeichnenden  Namen 
„in  den  Welschenäckei'  uad  in  der  Steinmauer*.  Die  Landleute  kennen 
hier  ganz  genau  die  Lage  d»  versunkenen  Pflasters,  und  behaupten: 
man  spüre  dasselbe  heute  noch  bei«  Pflügen  der  Aecker. 

Wieder  senkte  sich  die  Römersu^yge  von  diesem  Bergrücken 
hinunter  in  das  Auerbachthal  und  übersctiMtt  dasselbe  unterhalb  des 
Ortes.  Hier  heisst  ein  auf  feinem  Schutthaufen  on  Steinen  nächst  der 
Bach  stehender  Heckenbusch;  „Das  Schlössle^  i^  3usch"2j  _  Es  ist 
aber  kaum  zu  vermuthen,  dass  hier  ein  römisches  Wachthaus  stand, 
indem  die  Untersuchung  der  übrigens  unbedeutendem  Anhäufung  von 
Steinen  und  Schutt  nichts  darauf  bezügliches  erg»^* 

1)  Siehe  Näheres  Urgeschichte  von  Mone  Bd.  H  1^' 

2)  In  dieser  Gegend  heisst  das  aus  der  Römerzeit  her^^  'mde  Gemäuer: 
Schiössle,  während  im  Odenwald  hierfür  die  Bezeichnung:  fl^^'^Siaus,  Hüne- 
haus,  Hainhaus  üblich  ist. 


Dafl  römitche  StrassenDetz  in  den  Zehntlanden.  45 

Das  nahe  Dietenhausen,  wo  der  Uebergang  über  das  Haaptthal 
der  Pfinz  war,  welchem  die  beiden  vorhergenannten  Bäche  zufliessen, 
ist  die  wichtigste  römische  Raststation  an  der  Heerstrasse  zwischen 
Ettlingen  und  Pforzheim  gewesen;  dies  bezeugen  seine  Lage,  sowie  die 
Funde  von  Wegsäulen. 

Von  Auerbach  aus  ist  die  Tra^e  der  Römerstrasse  in  einem  Feld- 
weg, der  über  den  Bergrücken  zieht,  theilweise  noch  erhalten,  und  ist 
dieselbe  als  Spur  der  Römerstrasse  vom  Boxthal  an  bis  Pforzheim  in 
den  Blättern  21  und  22  des  topogr.  Atlasses  von  Baden  eingetragen. 

Heutzutage  sind  jedoch  von  der  gepflasterten  Fahrbahn  längs  dieser 
Strecke  keine  Reste  mehr  sichtbar.  Was  von  den  Steinen  nicht  heraus- 
genommen und  zerschlagen  wurde,  liegt,  wie  oben  bemerkt,  an  den 
Stellen,  wo  der  Lehmboden  eine  genügende  Tiefe  hat,  ca,  0,6— 0,8  m 
unter  der  jetzigen  Erdoberfläche. 

Dietenhausen  bietet  durch  seine  erhöhte  und  vorgeschobene 
Lage  im  Thalgrund  der  Pfinz  und  durch  die  ebenfalls  hier  nahe  ge- 
rückte jenseitige  Thalwand  den  sichersten  Thalübergang,  und  es  haben 
hier  die  Truppen  nach  dem  8V2Stündigen  Marsch  von  der  Hauptstadt 
Baden  an  gerechnet,  einer  Erholung  und  Rast  bedurft,  ehe  sie  den 
beschwerlichen  Aufgang  auf  den  Höhenrücken  zwischen  hier  und  Pforz- 
heim antraten. 

Hier  standen  die  3  Leugenzeiger  mit  der  Zahl  XVII  ab  Aquis, 
eine  Entfernung  die  ganz  genau  passt.  Wenn  2  dieser  Säulen  von 
Nöttingen,  die  3.  von  Ellmendingen,  herstammen  sollen  (s.  Fröhners 
Almanach  No.  71,  72  und  76)  i),  so  kommt  dies  daher,  dass  der  wirk- 
liche Fundort  Dietenhausen  in  früheren  Zeiten  die  Banngrenze  beider 
Gemeinden  waren,  die  solche  Denkmäler  theilten  und  in  ihre  Orte 
brachten. 

In  Dietenhausen  dürften  römische  Unterkunftsgebäude  gestanden 
haben,  deren  Gemäuer  durch  die  Anlage  der  späteren  germanischen 
Höfe  verschwunden  sind. 

Was  die  Leugensäulen  im  Allgemeinen  anbelangt,  so  zeigt  ihr 
örtliches  Vorkommen  und  der  Zweck  ihrer  Errichtung  in  den  Zehnt- 
landen^  dass  sie  weniger  Vermessungssteine  waren,  wie  wir  solche  jetzt 
in  Frankreich  und  Deutschland  an  den  Landstrassen  treffen^  sondern 
dass  sie  stets  an  Flussübergängen  oder  an  Kreuzungen  von  Heer- 
strassen errichtet  wurden,  dass  sie  dem  Andenken  der  regierenden 


1)  Die  ErriohtuDg  der  Säulen  datirt  von  den  Jahren  218,  218  and  222. 


46  Das  römiflohe  Stramenneiz  in  den  Zehntlanden. 

Kaiser  gewidmet  waren  und  zugleich  auch  als  Grenzsteine  des  Verwal- 
tungsbezirkes, von  dessen  Hauptstadt  die  Entfernung  lautet,  zu  be- 
trachten sind.  Wären  diese  Leugen-  oder  Meilenzeiger  jede  Leuge  und 
Milie  errichtet  worden»  so  müssten  solche  auch  noch  an  andern  Orten 
gefunden  worden  sein.  Wir  haben  solcher  Wegsäulen  oder  Rastsäulen 
15  in  der  hiesigen  Alterthumshalle,  deren  Fundorte  auf  das  oben  ge- 
sagte hinweisen. 

Von  Dietenhausen  folgt  die  römische  Heerstrasse  dem  erhöhten 
rechtsseitigen  Thalgelände  in  dem  Gewann  „Steinäcker'^  (eine  Benennung 
die  meist  auf  das  frühere  Vorhandensein  einer  römischen  gepflasterten 
Fahrbahn  zurückzuführen  ist)  und  gewinnt  hinter  der  Kelter,  sanft  auf 
einem  Vorberg  ansteigend,  die  beherrschende  Höhe,  die  sich  bis  zum 
Pforzheimer  Wartberg  erstreckt  In  der  Gem.  Ellmendingen  heisst 
der  Weg  heute  noch  Römerweg  und  in  der  Gem.  Dietlingen  „in 
der  Hochstrasse''.  Hier  sind  wir  in  der  Muschelkalksteinformation 
und  die  sehr  hoch  und  trockengelegene  Strasse  dürfte  ungepflastert 
gewesen  sein. 

Sie  gewährte  hier  nach  dem  Rhein thal  hin  eine  beherrschende 
Femsicht  und  stand  mit  den  Warten  auf  dem  Thurmberg  bei  Durlach, 
dem  Michaelisberg  bei  Grombach  und  der  Warte  bei  Pforzheim  in  Ver- 
bindung. 

Von  dem  genannten  Ort  Ellmendingen  datirt  auch  ein  Altar  des 
Aesculap*);  während  in  dem  Kirchthurm  des  benachbarten  Ortes 
Dietlingen  heute  noch  2  sehr  interessante  römische  Denkmäler  einge- 
mauert sind,  von  welchen  das  eine  eine  weibliche  nackte  Figur  mit 
reichem  Kopfputz  darstellt,  gegen  welche  ein  ebenfalls  nackter  Mann 
seine  schlechte  Abeicht  zeigt.  Das  andere  Denkmal  stellt  einen  Mercur 
dar  mit  faltenreichem  Gewand,  die  linke  Hand  auf  der  Brust,  in  der 
rechten  einen  Beutel.  Man  verrauthet,  dass  diese  Steine  zu  einem  Altar, 
der  Venus  geweiht,  gehörten,  der  auf  dem  hinter  dem  Ort  stark  in  das 
Thal  hervorspringenden  Berge,  heute  noch  Römerberg  genannt,  stand, 
wo  sich  auch  Reste  römischen  Gemäuers  vorfinden  2).  Beim  nahen  Schön- 
bühlwald erreicht  die  Strasse  die  Wasserscheide  des  Neckar,  hier 
stossen  wir  ca.  200  m  seitwärts  derselben  an  der  flachen  Thalwand  des 
sog.  Stockbrunnenthaies,   durch   welches   jetzt  die  neue  Land- 


1)  Siehe  Leichtlen  Forflcbungen  v.  J.  1818  S.  78  u.  74. 

2)  In  dem  Thalgrund  beim  Gräfenhausen  2  km  von  da,  sind  ebenfalls  Bau- 
reste von  römischen  Gehöften. 


Das  römische  Strassennetz  in  den  ZehnÜanden.  47 

Strasse  führt,  auf  eine  römische  Niederlassung,  die  in  zwei 
ca.  50  m  von  einander  entfernten  Gebäulichkeiten  besteht,  deren  18  m 
lange  und  breite  Umfassungsmauem  von  ca.  0;7  m  Stärke  noch  sehr 
gut  zu  erkennen  sind. 

Weiter  unten  wurden  die  Reste  eines  Brennofens  und  Haufen  von 
Ziegeln  aller  Art,  ebenso  Lehm  in  den  verschiedensten  Stadien  der  Ver- 
brennung entdeckt,  so  dass  hier  der  Bestand  einer  Ziegelei  mit  Wohn- 
gebäuden des  Fabrikanten  anzunehmen  ist;  auch  dürften  die  schönen 
2  Viergötteraltäre  und  ein  Votivstein  (s.  in  d.  Karlsr.  A.-H.),  welche  von 
dem  ca.  2  km  entfernten  Ort  Brötzingen  datiren,  hier  gestanden  haben. 

Vom  Schönbühl  aus  zieht  die  Römerstrasse  in  ziemlich  gerader 
Richtung  durch  Ackerfeld  bis  zu  dem  Ispringer  Weg  0  und  hält  diesen 
bis  Pforzheim  ein. 

Das  sog.  Zigeunergässchen,  das  sich  auf  der  Höhe  um  die 
Stadt  herum  zur  Altstadt  zieht,  ist  als  die  Fortsetzung  dieses  ältesten 
Weges  zu  betrachten. 

Weder  durch  Urkunden  noch  durch  Inschriften funde  ist  der  rö- 
mische Name  der  Station  Pforzheim  gesichert. 

Christ  führt  den  Ursprung  des  Namens  auf  Portus  zurück,  da 
anzunehmen  ist,  dass  die  Römer  hier  ihre  Flösse  zusammenbanden  und 
die  Wass6rstrasse  der  Enz  zum  Neckar  benützten.  —  Früher  hat  man 
mit  Porta  und  Porta  Hercyniae  das  Pforzheim  der  Römerzeit  bezeichnet. 

Die  Altstadt  in  Pforzheim,  wo  der  Uebergang  der  Heerstrasse 
über  die  Enz  war,  ergab  weder  Funde  noch  Aufdeckungen  aus  der 
römischen  Culturepoche. 

Jenseits  der  Enz  jedoch  stiess  man  im  Jahre  1868  beim  Graben 
der  Fundamente  für  das  neue  Spital  auf  die  Mauerreste  eines  römi- 
schen Gebäudes  mit  Heizraum.  In  dem  Einschnitt,  der  demselben  aus 
einem  benachbarten  Thälchen  das  Wasser  zuführte,  lagen  in  dem  losen 
Schutt  verschiedene  Steindenkmäler,  unter  andern  ein  1  m  hoher  Al- 
taraufsatz,  der  einen  römischen  Reiter  darstellt,  wie  er  einen  knieen- 
den Mann  niederreitet.  Eine  Votivtafel,  Diana  mit  dem  Dreigespann 
darstellend,  wurde  bei  diesen  Grabarbeiten  verschleudert  und  kam 
bis  jetzt  nicht  mehr  zum  Vorschein.  Hingegen  gelang  es  mir  ein 
zweites  Reiterdenkmal,  welches  ebenfalls  daher  rührt,  im  März  d.  J. 
von  einem  Pforzheimer  Herrn  zu  erwerben,   in  dessen  Garten  es  seit 


1)  Aach  hier  werden  beim  Pflügen  immer  noch  Steine  der  etwa  0,5 —0,6m 
tief  in  den  Boden  eingesnnkenen  Pflaetemng*  herausgepflfigt. 


48  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

1868  verborgen  lag.  Bei  dem  einen  Reiter  ist  der  in  die  Knie  gesunkene 
Sklave  in  den  Bock  gespannt,  während  bei  dem  andern  die  vordem 
Hufe  des  Pferdes  auf  den  Händen  des  Mannes  ruhen.  Die  Füsse  der 
Männer  zeigen  das  charakteristische  mythologische  fischschwanzartige 
Ende,  lieber  das  Motiv  der  Darstellung  dieser  Denkmäler,  welche 
durch  Funde  in  Ladenburg,  Altrip  und  andern  römischen  Nieder- 
lassungen der  Zehntlande  nachgewiesen  sind,  s.  Ladenburg  von  Stark. 
(Karlsruhe  1866). 

Auch  die  Wasserleitung  zu  dem  Hypocaustum  war  sichtbar; 
es  ist  aber  bei  der  kleinen  Fläche  des  Doppelbodens  (es  waren  im 
Ganzen  nur  28  Pfeilerchen)  anzunehmen,  dass  das  Gebäude  kein  öffent- 
liches Bad,  sondern  nur  ein  mit  Heizvorrichtung  versehenes  Wohn- 
haus war. 

Die  Römerstrasse  zog  hier  auf  die  Anhöhe  des  Hagenschiesswal- 
des  dem  Hof-Thiergarten  genannt  zu,  von  wo  sie  noch  in  der  ca.  1  m 
hohen  dammartigen,  verwachsenen  und  bewaldeten  Erhöhung  von 
3 --4  m  Breite  zu  erkennen  ist.  Die  Pflastersteine  sind  meist  ausge- 
brochen und  in  früheren  Jahren  zu  Wegbauten  verwendet  worden. 

Ehe  wir  den  Strassenzug  weiter  verfolgen,  wollen  wir  in  Kürze 
die  in  diesem  ca.  IDMeile  grossen  sog.  Hagenschiesswald  zer- 
streut liegenden  zahlreichen  römischen  Ruinen  einer  Betrachtung  unter- 
ziehen. Es  sind  in  der  topographischen  Karte  (Blatt  Pforzheim)  deren 
soviele  mit  R.  R.  und  Römische  Ruinen  bezeichnet,  dass  man  glauben 
sollte,  es  habe  hier  eine  grosse  Römerstadt  gestanden. 

Die  ersten  bekannt  gewordenen  Ausgrabungen  eines  Theiles  dieser 
Ruinen  geschahen  im  Jahre  1832  unter  Leitung  des  damaligen  Ober- 
jägers, späteren  Oberforstrathes  Arnsperger,  welcher  auch  8.  Z.  indem 
„Pforzheimer  Beobachter"  das  Ergebniss  seiner  Forschungen  veröffent- 
licht hat.  Die  erste  Frage:  „Wie  kamen  die  Römer  mit  diesen 
umfangreichen  Bauanlagen  in  den  Hagenschiesswald?  veran- 
lasste den  Verfasser  zu  einer  sehr  interessanten  Abhandlung  über  den 
früheren  Culturzustand  dieses  grossen  Tannenforstes. 

Er  liefert  mit  grossem  Scharfsinn  den  Nachweis,  dass  derselbe 
zur  Römerzeit  nicht  in  dem  Masse  bewaldet  war,  wie  jetzt  und  dass 
die  Oertlichkeiten  der  römischen  Ruinen  damals  ein  freies  und  offenes 
Feld  beherrschten. 

In  technisch-wissenschaftlicher  Beziehung  ist  die  Beschreibung 
der  Gebäulichkeiten  und  der  innern  Einrichtung  von  Herrn  Arns- 
perger sehr  mangelhaft  geschähen  und  damals  nicht  einmal  ein  Grund- 


Das  romische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  49 

plan  der  Anlagen  angefertigt  worden,  so  dass  wir  diesen  Sommer  ge- 
nOthigt  waren,  um  zu  einem  Resultat  aber  die  Ausdehnung  und  den 
Zweck  derselben  zu  kommen,  sämmtliche  Ruinen  nochmals  einer  Unter- 
suchung zu  unterziehen  und  die  nöthigen  Grundpläne  aufzuzeichDcn, 
die  jetzt  in  der  Karlsruher  Alterthumshalle  angebracht  sind.  Auf  Grund 
dieser  Arbeit  kann  als  bestimmt  angenommen  werden,  dass  man  es 
hier  durchaus  mit  keinen  Befestigungsanlageo,  sondern  mit  Nieder- 
Jassungen  friedlichen  Gepräges  zu  thun  hat,  wo  wahrscheinlich 
Veteranen  ihrer  Ruhe  pflegten  und  dabei  Landwirthschaft, 
ebenso  wahrscheiulich  auch  Bergbau  trieben. 

Die  Ruinen  der  einzelnen  Anlagen  bestehen: 

1)  in  einer  grossem  Niederlassung  ca.  2  km  von  der  Heerstrasse 
ab  im  sog.  Eanzlerwald. 

Die  Umfassungsmauern  schliessen  ein  unregelmässiges  Viereck 
90  bis  110  m  Seiten  ab. 

Im  Innern  bemerken  wir  4  abgesonderte  Gebäulichkeiten : 

a)  das  Bad  mit  Hypocaustum  und  Vorhalle  26  m  lang  und  19  m  breit. 

b)  ein  kleineres  Bad  mit  Hypocaustum  für  Frauen  und  Kinder. 

c)  ein  Wohngebäude  mit  Schlafräumen  und  den  Hof  in  deV  Mitte. 
—  23  m  lang,  17  m  breit; 

d)  ein  anderes  kleineres  Gebäude  ohne  innere  Eintheilung  hat 
9  m  auf  9  m  Seite  (wahrscheinlich  der  Tempel). 

e)  an  den  Umfassungsmauern  sind  noch  Einzelräume,  wahrschein- 
lich als  Stallungen  und  Remisen  von  10  m  Länge  und  Breite 
angebaut. 

Sämmtliche  Mauern  sind  ca.  0,6— 0,7  m  stark  und  bestehen  aus 
kleineren,  mit  dem  Hammer  zugerichteten,  satt  in  Mörtel  versetzten 
Schichtsteinen  des  Sandsteines,  der  sich  in  der  Nähe  vorfindet. 

Sehr  bewährte  Forscher,  wie  Professor  Bahr  in  Heidelberg  und 
Dekan  Wilhelmi  in  "Sinsheim,  haben  diesen  Gebäudecomplex  für 
eines  der  sog.  Somraerstandlager  (castra  aestiva)  erklärt,  wohin  die 
Römer  im  Sommer  einen  Theil  ihrer  Truppen  (hier  etwa  einen  Cen- 
turio  mit  seiner  Mannschaft)  verlegten. 

Es  deutet  jedoch  nichts  darauf  bin  z.  B.  kein  Fund,  kein  «Denk- 
mal etc.,  dass  diese  Bauten  fUr  Militär  bestimmt  waren. 

Pflüjger  erwähnt  in  seiner  Chronik  der  Stadt  Pforzheim  S,  14 
den  Grabstein  eines  Soldaten  der  4.  Coh.  der  XXII.  Legion,  welcher 
bei  Pforzheim  ausgegraben  wurde,  während  den  Ziegeln  sämmtlicher 
Niederlassungen  im  Hagenschiess  Legionsziegel  mangeln. 

4 


50  Das  römiBohe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

Eine  zweite  nicht  so  umfangreiche  und  weniger  gut  erhaltene 
Ruine,  die  unter  dem  Namen  Fohlenwaldschlössohen  bekannt  ist, 
liegt  im  sog.  Schlosswald  2  km  von  der  ersteren  entfernt. 

Auch  hier  ist  ein  Hypocaustum  (ohne  Bad)  mit  Wohnhaus  und 
ein  von  einer  Umfassungsmauer  eingeschlossenes  Gehöfte  z.  Z.  der 
Ausgrabung  im  Jahr  1832  nachgewiesen. 

Noch  mehr  im  Wald  in  der  Nähe  des  sog.  Seehauses  liegt  die 
Ruine  im  sog.  Lettengefäll,  wo  die  ca.  18m  langen  ein  Viereck 
bildenden  Umfassungsmauern  mit  Fragmenten  von  Leisten  und  andern 
Ziegeln  noch  zu  erkennen  sind. 

Mehr  an  der  württemb.  Grenze  belGuidet  sich  die  4.  Ruine,  im 
sog.  Schlossteich,  auch  Hardheimer  Schlössle  genannt,  mit  einer  Aus- 
dehnung von  ca.  23  m  Länge  und  18m  Breite;  in  der  Mitte  sind  die 
Spuren  eines  Wohngebäudes  zu  erkennen.  Die  vorgefundenen  ein- 
fachen Hohlzi^el  mit  Nasen  deuten  darauf  hin,  dass  dieses  Gehöfte 
im  Mittelalter  noch  bewohnt  war,  und  dass  es  fraglich  ist,  ob  dasselbe 
aus  der  römischen  Zeitepoche  stammt. 

An  der  römischen  Heerstrasse  selbst  sind  von  dem  Seehaus  noch 
die  Spuren  (in  grösseren  Mauersteinen  bestehend)  eines  Gebäudes  und 
ca.  1  km  von  da  entfernt,  die  Umfassungsmauern  ca  8  m  lang,  6  m  breit 
eines  andern,  das  vielleicht  als  Wachthaus  an  der  Strasse  diente,  sichtbar. 

Nach  dem  Arnsp  erger 'sehen  Bericht  waren  im  Jahre  1832  noch 
an  30  Stellen  des  Hagenschiesswaldes  Spuren  römischer  Baureste 
zu  erkennen. 

Das  Auffinden  von  römischem  Mauerwerk,  mit  Haufen  von  Eisenerz 
in  verschiedenstem  Zustande  der  Verarbeitung  durch  Feuer  hat  zur  Ver- 
muthung  Veranlassung  gegeben,  dass  die  Römer  schon  den  Brauneisen- 
stein in  den  Schwerspathgängen  des  angrenzenden  Würmthaies  kannten 
und  sich  auch   mit  Bergbau   und  Eisenbereitung   beschäftigten. 

Die  Fortsetzung  der  römischen  Heers trasse,  welche  östlich 
von  TiefTenbronn  in  das  württembergische  Gebiet  eintritt,  sich  über 
den  Höhenrücken  bei  Freiolzheim  gegen  Leonberg  zieht,  von  da  die 
Höhe  des  Wildparkes  gewinnt,  wo  sie  sich  mit  der  grossen  Heer- 
strasse HI  von  Rottenburg  nach  Cannstatt  verbindet,  wurde  von  Con- 
servator  von  Paulus  nachgewiesen  und  in  dessen  Karte  eingetragen. 

Bei  Bothnang  fanden  auch  Aufdeckungen  des  Oberbaues  dieser 
Strasse  statt,  welche  in  dem  Werk  des  Finanzrath  vonGock  be- 
schrieben sind. 


Das  römitche  SirassenDetz  in  den  Zehnilanden.  61 

Die  anderen  römischen  Wege,  welche  von  Pforzheim  ausgegangen, 
sind  unter  27  a  b  c  beschrieben. 

In  den  Topographien  von  Klüber  über  Baden  und  Schneider 
über  Ettlingen  werden  die  Kaiser  Marcus  Aurelius  und  Alexander 
Sererus  als  die  Erbauer  dieser  Strasse,  welche  sie  als  die  Via  Aurelia 
beseichnen,  genannt 

Um  die  bekannten  römischen  Niederlassungen  hier  zu  ergänzen, 
erwilhnen  wir  noch  schliesslich  die  beiden  zu  einander  gehörigen 
Rqinen  in  einem  stillen  abgelegenen  Seitenthälchen  auf  der  Höhe 
des  sog.  Nieferner  Berges,  Vt  Std.  von  der  Station  Enzberg. 

Beide  haben  einen  quadratischen  Umfang  von  ca.  16  m  Seite ;  die 
Umfassungsmauern  der  einen  Ruine  (im  Wald  liegend),  mit  den  im 
Innern  liegenden  römischen  Ziegeln,  sind  noch  zu  erkennen ;  die  andere 
ca.  60  m  entfernte,  bildet  ein  mit  Hecken  bewachsener  Trümmerhaufen 
mitten  im  bebauten  Felde,  scharf  von  demselben  begrenzt;  es  ist  an- 
zunehmen, dass  dieses  Gebäude  die  Wohnräume  enthielt,  und  seit 
der  Zerstörung  nicht  weiter  ausgebeutet  wurde.  Es  würde  also  hier 
eine  Aufdeckung  Erfolg  versprechen. 

vm. 

Die  Donauthalstrasse.    Von  Hllflngen  über  Messkircli  der  Donau  entlang 

nach  Pomone  (Laningen). 

Während  die  Gonsularstrasse  III  bei  der  Besitznahme  der  Zehnt- 
lande durch  die  Römer  die  zuerst  angelegte  Marschlinie  nach  dem 
Grenzwall  und  von  da  nach  Regensburg  war,  also  damals  als  Opera- 
tionslinie gestützt  auf  das  befestigte  Lager  von  Windisch  die  grösste 
militärische  Bedeutung  hatte,  so  ist  die  Donauthalstrasse  die  grosse 
Sehnenstrasse  der  oben  genannten,  welche  die  Römer  wohl  erst  zur 
Zeit  des  friedlicheren  Besitzes  der  Zehntlande,  als  directe  Verbin- 
dung mit  den  rätischen  Colonien  an  der  Donau  anlegten. 

Die  älteste  Verbindung  mit  Messkirch  war  vermuthlich  vom  Hohen- 
randen  aus  (s.  Weg  42)  und  ist  die  Strecke  der  Donauthalstrasse  bis 
Messkirch  eigentlich  als  ein  späterer  Bau  zu  betrachten. 

Von  Hüfingen,  der  Römerstation  Julio  Mago,  geht  heute  noch 
oberhalb  Neidingen  ein  alter  Weg  nach  Pfohren  und  über  die  Donau. 
Dass  hier  in  den  ältesten  Zeiten  die  Ueberfahrt  war,  zeigt  das  sog. 
Entenschloss,  welches  (ein  mittelalterlicher  Bau  mit  4  runden  Flau- 
kiruBgsthürmen)  im  Mittelalter  eine  Zollstätte  für  die  hier  durchgehen- 


52  Dm  römiiohe  StratHanoU  in  den  Zehntluidcn. 

den  Frachten  war.    Kaiser  Karl  der  Dicke  soll   der  Sage  nacb  schon 
hier  gejagt  haben,  und  dabei  umgekommen  sein. 

Von  hier  zog  die  älteste  Verbindung  (jetzt  noch  Strasse),  nördlich 
um  den  W&rtenberg  herum,  nacb  Geisingen  und  über  Zimmern  nach 
Immendingen.  In  einem  am  vorletzten  Ort  auamandenden  Seitentbal 
der  Donau  bei  Oefingen  befinden  sich  die  Rainen  einer  römiadten 
NiederlassoDg  mit  Hypocanstum.  Sie  gehörten  zu  einem  der  im  Zehnt- 
land ziemlich  zahlreich  verbreiteten  friedlichen  Gebdfte  (Villa  rustica), 
die  sieb  stets  etwas  abgelegen  von  den  Heerstraasen  vorfinden.  — 
Oefingen  stand  auch  durch  einen  Weg,  der  über  Biesingen,  Heidenhofen 
und  Aasen  führte,  mit  der  Heerstrasse  m  bei  Donaaeschingen  in  Ver- 
bindang. 

lieber  den  Bergvorspmng  zwischen  Immendingen  und  Höhringen 
zog  eine  alte  gepflasterte  Strasse,  die  bew&brte  Forscher  auf 
romischen  Ursprung  zurückführen,  besonders  weil  in  den  beiden  Orten 
Spuren  römischer  Wohostätten  mit  Ziegeln  der  XI.  Legton  und  Anti- 
kaglien  aller  Art  entdeckt  wurden. 

In  der  Nfthe  des  Donauufers  stiess  man  bei  Abgrabungeo  auf  sehr 
alte  Pfahlfundamentirangen,  welche  auf  das  Vorhandensein  einer  römi- 
schen Jochbrücke  schliessen  lassen. 

Jedenfalls  war  hier  der  DonauObei^ang  zur  Römerzeit  und  die 
Laudstrasse  nach  Tuttlingen  ruht  auf  römischer  Grundlage. 

Von  hier  aus  zieht  die  Strasse  steil  hinauf  nach  der  Hochebene 
beim  Altenthal  und  bei  Neuhausen  ob  Eck  aber  Worudurf  nacb  der 
sog.  Altstadt  bei  Messkirch. 

Diese  grosse  römische  Niederlassung,  jetzt  abgelegen  in  einem 
Wald,  hat  Pfarrer  Eitenbenz  aus  dem  Dunkel  der  Vergessenheit  ge- 
zogen and  das  Ergebniss  seiner  übrigens  flüchtigen  Ausgrabangen  in 
einer  Abhandlung  (Römische  Niederlassung  bei  Messkirch,  Konstanz 
1836)  veröffentlicht 

Er  fand  auf  einem  Ii1&chenraum  von  1  ha  —  18  Ruinen  von  Ge- 
bänlichkeitep,  die  er  als  Theile  eines  grossen  römischen  Castelis  er- 
kant,  tmd  glaubt  es  sei  hier  die  Besatzung  einer  ganzen  Legion, 
den  Gohorten  der  Hül&völker,  gewesen,  welche  letztere  den 
dar  Ziegel  nach  zu  den  deutschen  Völkerstämmen  des  Nieder- 
gAStt  haben  Bolleo  (Batavi,  Sali!,  Amsivarii,  Matiaci). 

st  Eitenbenz  aus  den  vorhaadenen  Spuren  in  der 

AUatadt  noch  mebrere  kleinere  Castelle,  namentlich 

WartUtorm  auf  einem   Höhenpunkt  unterhalb  .Messkirch, 


Das  römische  Sirassennetz  in  den  Zehntlanden.  53 

Bach,  der  durch  seine  Aussicht  den  untern  Theil  des  Ablachthales  bis 
zum  Donauthal  beherrschte.  Diese  Bauten  gehörten  zu  den  Verthei* 
digungsanlagen  dieses  zu  allen  Zeiten  für  die  Kriegführung  wichtigen 
Passes.  Hier  wollte  auch  Morcau  mit  den  Franzosen  in  den  90er 
Jahren  nach  Württemberg  und  Baiem  durchbrechen,  wurde  aber  von 
Erzherzog  Karl  von  Oestreith,  welcher  diese  strategische  Position  schon 
inne  hatte,  zurückgeschlagen,  worauf  er  seinen  berühmten  Rückzug 
durch  den  Schwarzwald  (das  Höllen thal)  bewerkstelligte  0. 

Die  Wichtigkeit  dieses  von  der  Natur  so  sehr  begünstigten 
Vertheidigungsterrains  mussten  die  Römer  alsbald  erkannt  haben,  in- 
dem sie  hier  das  Castell,  jetzt  Altstadt  genannt,  anlegten  und  die 
beherrschenden  Höhen  befestigten. 

Ersteres  bildet  ein  Viereck  von  300  m  auf  250  m  Seitenlänge  mit 
abgerundeten  Ecken.  Im  Innern  sind  die  Spuren  verschiedener  Gebäu- 
lichkeiten,  ähnlich  wie  bei  der  Saalburg  im  Taunus  aufgedeckt  worden. 

Die  Nachgrabungen,  welche  Pfarrer  Eitenbenz  aus  eigenen 
Mitteln  bestritt,  sind  zur  Beurtheilung  des  Urofanges  und  der  Bedeu- 
tung dieses  Baues  ungenügend,  und  wäre  eine  Wiederaufnahme  der 
Aufdeckung  desselben  sehr  wünschenswerth.  Zum  Glück  befindet  sich 
die  Ruine  in  einem  fürstl.  fürstenbergischen  Hochwald,  wo  sie  vor  wei- 
teren Zerstörungen  geschützt  ist. 

Von  dieser  Altstadt  zog  sich  die  römische  Donauthalstrasse  in 
das  Abiachthal,  so  ziemlich  die  jetzige  Landstrasse  einhaltend,  über 
Oöggingen  nach  Krauchewies,  wo  der  Weg  41  nach  Pfullendorf  und 
dem  Gasten  bei  Sigmaringendorf  abging.  Von  da  über  Ruolfingen 
bis  Mengen  (Bragodorum),  im  offenen  Donauthal,  ist  der  Römerweg 
der  Lage  nach  ebenfalls  in  der  Landstrasse  zu  suchen,  die  heute  noch 
den  Namen  ^eerstrasse  trägt.  Weiter  gegen  Ristissen  zu  ist  sie  unter 
dem  Namen  Heidenstrasse  bekannt,  und  diente  bei  Unterstadion 
der  Bussen,  ein  757  m  hoher  kegelförmiger  Berg,  als  Hochwarte"). 
Auf  den  ebenfalls  linksseitigen  Anhöhen  des  Donauthales  bei  Zwiefalten 
im  sog.  Teutschbuch  sind  durch  Paulus  zwei  römische  Niederlas- 
sungen nachgewiesen  und  weiter  abwärts  trägt  der  linksseitige  Gebirgs- 
rücken den  Namen  „Hochstrass^^ 


1)  Nach  Mone  Urgeschichte  Bd.  II  S.  815  hielten  die  Römer  diese  Position 
noeh  bis  zu  Kaiser  Gonstantin  I.  Tod  837  n.  Chr. 

2)  Gregenüber   in    einem   Seitenthal    der  Donau    bei  Riedlingen   liegt   die 
jQeu nebarg,  ein  mächtiger  Bingwall  aus  der  ältesten  germanischen  Zeit« 


54  Das  römisobe  StraBsenneis  in  den  Zehntlanden. 

Die  Donauthalstrasse  zieht,  stets  rechtsseitig,  von  Mengen  über 
Ristissen  (Dracuina)  nach  Guntiam  (Günzburg)  und  von  Lauingen  über 
Submonturium,  undValtatum  nach  Abusena  (Abensberg),  der  vorletzten 
Station  an  der  Consnlarstrasse  III.  Liegt  einmal  ein  vollendetes  Ma- 
terial über  die  Richtung  dieser  Strasse  und  der  andern  innerhalb  des 
baierischen  Landes  vor,  so  lässt  sich  hiemach  die  Beschreibung  des 
Strassennetzes  ergänzen. 

Nach  Mone,  Urgeschichte  Bd.  II  S.  310  zog  359  n.  Chr.  Kaiser 
Julian  mit  seinem  Heere  von  Äugst  aus  der  Donau  entlang  nach 
Pannonien  und  Gonstantinopel,  wobei  er  wahrscheinlich  bei  Sanctio 
(Säckingen)  über  den  Rhein  setzte  und  den  Wegen  37  und  88  folgend, 
das  Donauthal  bei  Messkirch  gewann. 

IX. 

Die  Strasse  yon  Worms  (Borbetomagns)  über  Ladesburg  (Lupodunum)  nach 
Heidelberg  (Septiaila  Nemetum)  und  von  da  über  Sehwetiingen  nach  Speler 

(Colonla  Nemetum). 

Die  Oertlichkeit  der  Stadt  Worms  fällt  mit  der  in  die  römische 
Strassenkarte  eingetragenen  Station  Borbetomagus  an  der  grossen 
linksrheinischen  Heerstrasse  von  Strassburg  nach  Mainz  zusammen. 
Hier  war  der  Rheinübergang  zu  den  Niederlassungen  bei  Wein  heim 
und  Ladenburg.  Die  Strasse  zog  an  dem  rechtsseitigen  Hochgestade 
hinauf  nach  Lampertheim  und  ruht  der  jetzige  Gemeindeweg  durch 
die  Vimheimer  Haide  nach  dem  Orte  Virnheim  auf  römischer  Grundlage. 

In  dem  nahen  Strassenheim  zweigten  sich  wohl  schon  damals 
mehrere  Seitenwege  ab,  einer  westlich  nach  Käferthal,  ein  anderer 
nach  Weinheim,  während  in  der  Mitte  der  jetzt  noch  bestehende  Weg 
als  Hauptstrasse  der  Römer  nach  dem  befestigten  Ladenburg  zog,  das  den 
neuesten  Funden  von  Inschriften  gemäss  als  das  römische  Lupodonum 
zu  betrachten  ist.  Diese  Colonie  war  sehr  bedeutend  und  schon  vor 
der  römischen  Besitznahme  von  Kelten  und  Galliern  bewohnt.  (Stark 
behandelt  im  44.  Band  der  Jahrbücher  für  Alterthumskunde  im  Rhein- 
lande die  Vorgeschichichte  dieser  Stadt.) 

Ebenso  hat  Christ  in  den  Heidelberger  Blättern  vom  Jahre  1866 
das  römische  Bad  beim  Rosenhof  und  das  sog.  Columbarium  zwi- 
schen Schriesheim  und  Heddesheim  wieder  der  Vergessenheit  entzogen, 
und  nachgewiesen,  dass  das  letztere  eine  villa  rustica  (Oeconomiehof) 
war  (siehe  Stark  S.  14). 


Das  rdmisohe  Strassenuetz  in  den  Zehntlanden.  55 

Die  römischen  Strassenznge  um  Ladenburg  herum  sind  schon  in 
Mone's  Urgeschichte  enthalten. 

Die  reichen  Funde  aus  Ladenburgs  Vorzeit  an  Altären,  Grab- 
steinen,.Yotivtafeln,  Inschriften,  Antikaglien  und  Münzen  sind  seit  1830, 
wo  man  mit  den  Ausgrabungen  systematisch  vorging,  theils  in  Mann- 
heim, Heidelberg  und  Karlsruhe  untergebracht. 

Die  grossen  Quadersteine  mit  den  Inschriften,  die  den  Namen 
der  Stadt  als  Lupodunum  bestätigten  und  auch  Vic.  Lop.  ergaben, 
sollen  zu  einem  militärischen  Bau  gehört  haben. 

Nach  Stark  war  Lupodunum  eine  alt-keltische  Ansiedlung  mit 
stark  romanisirter,  gallischer  Bevölkerung  unter  römischem  Waffen- 
schut2  (siehe  dessen  Werk  über  Ladenburg  unter  den  Römern). 

Die  in  Heidelberg  in  einer  Grube  gefundenen  8  Wegsäulen  ent- 
halten alle  Ab  Lup.  RH  Leugen,  was  beweist,  dass  diese  römische  Co- 
lonie  eine  Provinzialhauptstadt  war,  da  die  Entfemungszahlen  nur  von 
solchen  berechnet  wurden. 

Von  hier  zog  die  römische  Strasse  auf  dem  hohen  rechtsseitigen 
Ufergelände  in  gerader  Richtung  nach  Neuenheim  bei  Heidelberg. 
Theile  des  Oberbaues  dieser  schönen  Römerstrasse  wurden  noch  in  letz- 
terer Zeit  bei  Abgrabungen  durch  Herrn  Architect  Wund  biosgelegt. 
Auf  einer  Unterlage  von  groben  Wackensteinen  lagerte  eine  in  Mörtel 
eingelegte  Decke  von  Kies,  6—8  cm  stark,  wie  wir  diese  Bauweise  auch 
bei  den  römischen  Kiesstrassen  in  der  Umgegend  von  Messkirch  vor- 
finden. 

Der  Oberbau  dieser  Strasse  liegt  jetzt  schon  60—90  cm  unter  dem 
jetzigen  Boden;  die  Richtung  des  Weges  ist  durch  die  in  den  letzten 
Jahren  ausgeführten  Culturarbeiten  schwer  zu  erkennen. 

Es  dürfte  kaum  ein  Zufall  sein,  dass  die  jenseits  des  Neckar  nach 
Speier  ziehende  Römerstrasse,  die  noch  in  dem  jetzigen  mit  Obst- 
bäumen gezierten  Feldweg  gegen  die  Pleickartsförsterhöfe  zu  erhalten 
ist,  die  römische  Ueberbrückung  unter  demselben  Winkel  schneidet  wie  die 
erstere  Strasse,  wie  dies  in  überraschender  Weise  vom  Heiligenberg  aus 
überschaut  werden  kann. 

Die  Fundamente  der  Römerbrücke,  welche  Neuenheim  mit  der 
Militärstation  Heidelberg  verband,  wurden  im  Jahre  1877  blossgelegb 
nachdem  im  vorhergehenden  Jahr,  gelegentlich  des  Ausbaggerns  des 
Schifffahrtsweges,  ein  mit  einer  Inschrift  versehener  römischer  Neptuns- 
altai*stcin  (jetzt  im  Heidelberger  Antiquarium)  aufgefunden  wurde. 

Aus  den  vorgefundenen  hölzernen  Pfeilerüberresten  lässt  sich  nach 


jS6  Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden. 

den  Berichten  des  Ingenieur  Baer  and  des  Archäologen  C.  Christ 
(siehe  bad.  Landeszeitung  Oct.  1877)  ersehen,  dass  diese  römische 
Ueberbrückung  5  Pfeiler  hatte,  welche  in  Abständen  von  34,5  m  ange- 
legt waren. 

Die  Hölzer  der  Pfeiler  liegen  meist  wagerecht  und  wurden  dabei 
nur  wenige  senkrecht  eingerammte  Pfähle  vorgefunden. 

Der  dritte  Strompfeiler  von  dem  Neuenheimer  Ufer  aus  ist  als 
der  Mittelpfeiler,  der  in  der  Hauptströmung  des  Neckars  stand,  anzusehen. 

Hier  zeigten  die  Fundamentirungsreste  eine  umgelegte  Wand,  die 
aus  eichenen  Pfählen  von  ca.  0,3  m  Stärke  bestand.  Ein  Pfeilerunter- 
satz bei  Neuenheim  hatte  vom  die  Eisbrecherform  und  bestand  die 
Einwandung  aus  wagerechten  Balken. 

Christ  gibt  auch  an,  dass  in  den  Zwischenräumen  der  Balken- 
lagen blauer  Letten  vorgefunden  worden  sei,  wovon  wir  uns  bei  der 
Besichtigung  der  Ausgrabungen  ebenfalls  überzeugten. 

Die  Anlage  dieser  Fundamentirungsreste  lässt  auf  massivere 
Pfeiler  und  Anwendung  von  sog.  Senkkasten  schliessen,  auch  darf  man 
wohl  annehmen,  dass  ausser  dem  Oberbau  auch  die  Brückenpfeiler 
von  Holz  konstruirt  waren,  wozu  das  Material  auf  dem  Neckar  leicht 
beigeflösst  werden  konnte. 

Nicht  erklärt  ist  die  Bauweise  des  Oberbaues,  denn  die  Entfernung 
von  ca.  30  m  der  Pfeiler  setzt  voraus,  dass  die  Strassenbalken  noch 
von  wenigstens  2  Zwischenjochen  getragen  wurden,  oder  dass  Bogen- 
häng-  und  Sprengwerke  (wie  bei  der  Trajansbrücke  über  die  Donau) 
die  30  m  grosse  Spannweite  überbrückten. 

Christ  hat  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  bei  Neuenheim  ein 
römisches  Castell  war,  das  nicht  allein  den  Neckarübergang,  sondern 
auch  das  Defile  des  Neckarthaies  zu  decken  und  zu  vertheidigen  be- 
stimmt war. 

Die  hier  gefundene  Mythrastafel  ist  bekannt,  und  mit  der  von 
Osterburken  im  1.  Hefte  des  bad.  Alterthumsvereins  v,  Jahre  1865  von 
Hofrath  Stark  beschrieben. 

Von  den  hohen  Ausläufern  des  Odenwaldes  in  das  Rheinthal  heisst 
der  am  Neckar  rechtsseitig  anstehende  der  Heiligenberg,  der  mit 
seiner  langgestreckten  Kuppe  und  seiner  umfassenden  Rundsicht  eine 
wichtige  militärische  Position  bietet. 

Die  hier  noch  ziemlich  gut  erhaltene  doppelte  Ringwallumfassung 
von  ca  2  Stunden  umfang,  deren  Anlage  in  die  erste  alemannische  Zeit 
fallen  dürfte,  ermöglichte  die  Zuflucht  eines  ganzen  Stammes. 


Pas  römische  SirasseDnetz  in  den  Zehntlanden.  57 

Christ  in  Heidelberg  hat  diese  interessante  Anlage  in  No.  10 
fflr  1881  der  literar.  Beilage  der  Earlsr.  Zeitung  beschrieben  und  aus- 
gesprochen, dass  dieser  Steinring  schon  von  Ammian  Marcellinu  lib.  28, 
c  2  im  Jahre  369  n.  Chr.  als  Mons  Piri  d.  h.  als  Berg  oder  als  Burg 
eines  Alemannenkönigs  Pirus  (Biro)  erwähnt  wird,  und  dass  die  Arbeiter 
des  Kaisers  Yalentinian,  welche  hier,  d.  h.  auf  dem  vorderen  Gipfel  des 
Berges  ein  Castell  anlegen  wollten,  von  den  Alemannen,  welche  den 
hintern  hohem  Gipfel  inne  hatten,  verjagt  und  theilweise  erschlagen 
wurden. 

Die  römische  Militärstation  bei  Heidelberg  ist  ganz  ausführlich 
von  Christ  in  Picks  Monatsheft  VI  S.  239  beschrieben. 

Die  Situationspläne  und  Zeichnungen  der  Fundstätte,  die  meist 
bei  der  Fundamentirung  der  Spitalbauten  zu  Tag  gefördert  wurden, 
sind  von  Bauinspector  Schäfer  in  Heidelberg  aufgenommen  und  befin- 
den sich  in  der  Earlsr.  Alterthumshalle. 

Die  Ausgrabungen  der  römischen  Strassenbahn  ergaben  eine 
Breite  von  8,7  m  und  eine  Wölbung  von  0,25  m.  Die  Fahrbahndecke 
derselben  bestand  aus  einer  0,4  m  dicken  Rollschicht  von  grösseren 
Sandsteinfindlingen  und  einer  etwa  0,3  m  starken  Ueberschotterung  von 
Neckarkies. 

Ebenso  wurden  Seitenwege  von  3  m  Breite  mit  Kiesfundamentirung 
nachgewiesen. 

Die  Anlage  dieser  Strasse,  an  deren  Seite  viele  Häuserfundamente 
aufgedeckt  wurden,  lässt  auf  die  Ausdehnung  und  Wichtigkeit  der  rö- 
mischen Niederlassung,  deren  Name  Septimia  Nemetum  jedoch  nicht 
erwiesen  ist,  schliessen. 

Von  grossem  Interesse  war  bei  den  genannten  Ausgrabungen  der 
Fund  von  8  Wegsäulen  verschiedener  Kaiser,  in  einer  Grube.  Sie 
sind  noch  gut  erhalten  und  tragen  sämmtlich  die  Fintfemung  Ab 
Lupodunum  IIH.  (Jetzt  in  der  Karlsruher  Alterthumshalle  aufge- 
stellt.) 

Von  dieser  Militärstation  aus  zog  die  Heerstrasse  in  gerader  Rich- 
tung aber  das  Feld  im  Bruch  westlich  von  Kirchheim  gegen  Bruch- 
hausen and  von  da  durch  den  Wald  gegen  Reilingen  und  Hockenheim 
an  das  Hochgestade. 

Hier  fand  der  Durchbruch  der  längs  dem  Vorgebirge  in  die 
Rheinthalniederung  sich  ergiessenden  Binnengewässer  durch  das  Hoch- 
gestade statt  und  ist  derselbe  jetzt  noch  in  dem  Lauf  der  Kraichbach 
erbalten.    Die  Heerstrasse  überschritt  diesen  engen  Wasserlauf  und 


68  Das  römiiohe  SiraBsennets  in  den  Zehnilanden. 

zog  sieh  auf  dem  Uochgestade  über  den  jetzigen  Ort  Altlussheim,  wo 
jetzt  noch  der  an  den  Rhein  ziehende  Weg  die  Eaiserstrasse  heisBt, 
nach  dem  Rhein,  der  zur  Römerzeit  hart  an  der  Erhebung  des  jensei- 
tigen Hochgestades  lag,  auf  dem  die  Colonia  Nemetum  lag. 

X. 

Die  Strasse  yom  Castell  Osterburken  ttber  Bödigheim  und  Sohlossau  naeh 
desselbach  und  yon  da  nach  Obernburg  am  Main. 

Diese  Strasse  war  zur  Sicherung  des  verschanzten  Ijagers  auf  der 
Hochebene  bei  Schlossau  von  grosser  Wichtigkeit,  ihre  Spuren  lassen 
sich  heute  noch  mit  Sicherheit  verfolgen. 

Von  Hesselbach  an  liegt  sie  auf  dem  Höhenrücken  zwischen  dem 
Mainthal  und  dem  Thal  der  Mümmling,  die  bei  Obernburg  in  den  Main 
einmündet,  sie  ist  auf  dieser  Strecke  durch  Castelle  gesichert  und 
als  fortificirte  Strasse  unter  dem  Namen  Mümmlinglinie  bekannt. 

Diese  in  Osterburken  beginnende  Strasse  übersteigt  den  schmalen 
Bergrücken  zwischen  dem  Kimau-  und  Rinschbachthale,  und  erreicht 
sodann  den  Höhenzug  bei  Schlierstadt  an  der  sog.  Helmliskehl, 
von  wo  sie  jetzt  noch  bis  zum  sog.  Hunnenberg  (Heuneberg  nach  Con- 
radi)  in  einem  Feldweg  gekennzeichnet  ist.  Bei  £berstadt  wurde  an 
dieser  Linie  ein  sog.  Heunehaus  von  Herrn  Pfarrer  Maier  (jetzt  in 
Sindolsheim)  aufgedeckt,  worüber  in  dem  Archiv  des  bad.  Conservato- 
riums  eine  Mittheilung  vorliegt.  Bei  sehr  coupirtem  Terrain  bis  Bö- 
d  ig  heim  (Schloss  der  Grafen  Rüdt  von  Kollenberg)  ersteigt  die 
Römerstrasse  von  da  die  Hochebene  bei  Oberneudorf  und  ist  deren 
Fortsetzung  bis  zur  Höhe  zwischen  Mudau  und  Oberscheidenthal,  wo 
sie  die  jetzige  Landstrasse  von  Mudau  nach  Eberbach  bei  km  Stein  2 
durchschneidet,  und  weiter  nach  Schlossau  noch  in  einem  Wald-  und 
Feldweg  erhalten. 

Von  letzterem  Ort  bis  zum  Schlossauer  Parkthor  bildet  sie  die 
Unterlage  der  jetzigen  Strasse. 

Schlossau  war  der  Anfang  der  Höheustrasse,  die  über  Hesselbach 
auf  dem  von  der  Natur  so  sehr  begünstigten  Bergrücken  zwischen  dem 
Mudau-  und  Mümmlingthal  bis  Obernburg  hinzieht. 

Bei  Schlossau  lag  das  erste  zur  Deckung  dieser  verschanzten 
Linie  von  den  Römern  erbaute  Castell,  dessen  Seiten  in  dem  Werk 
von  Knapp  (Römische  Denkmale  des  Odenwaldes  1813)  zu  150  m 
angegeben  sind. 


Dan  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  59 

erfindliche  Ausgrabungen  wurden  zu  jener  Zeit  nicht  vorgenom- 
men, wohl  aber  sind  von  hier  einige  Inschriftenfunde  und  in  dem  be* 
zeichneten  Werk  angeführt. 

In  den  60er  Jahren  hat  der  Alterthumverein  in  Buchen  nochmals 
hier  Ausgrabungen  vornehmen  lassen  und  die  Grundmauern  eines 
Wohngebäudes  blossgelegt,  wobei  eine  grosse  Anzahl  schöner  Gold- 
mQnzen  von  den  Kaisern  des  2.  und  3.  Jahrhunderts  gefunden  wur- 
den. Leider  sind  von  diesen  Mauerresten  keine  genügenden  techni- 
schen Aufnahmen  genommen  worden.  Jetzt  ist  die  ganze  Stätte  ein 
durch  den  Pflug  eingeebnetes  Ackerfeld. 

Das  Castell  bei  Schlossau  stand  auf  einer  kleinen  Erhebung  der 
Thaleinsenkung,  die  gegen  Ernstthal  zu  der  Mudau  einen  Seiten- 
bach zuführt.  Es  stand  also  etwas  von  der  Heerstrasse  entfernt,  die 
genau  die  Wasserscheide  zwischen  Main  und  Neckar  einhält.  Von 
Schlossau  bis  zum  Thor  des  Leininger  Parkes  fällt  die  jetzige  Land- 
strasse mit  diesem  Bömerweg  zusammen. 

Hier  sind  im  Wald  noch  zwei  Trümmerstätten,  die  den  Resten 
nach  (es  sind  die  Umfassungsmauern  von  4,5  m  Quadratseite  noch  zu 
erkennen)  einer  Wachtstation  angehört  haben.  Bei  Hesselbach,  dem 
nächsten  Hauptpunkt  dieses  Höhenzuges  zu,  liegt  eine  Einsattlung,  die 
Zwing  genannt  wird,  welcher  sich  die  beiden  dem  Main-  und  Neckar- 
gebiet angehörigen  Thalbuchten  des  Itterbaches  und  eines  Seitenbaches 
der  Mudau  so  nähern,  dass  hier  ein  gefährlicher  Engpass  entsteht^ 
bei  welchem  die  Yerschanzungslinie  der  Römer  leicht  durchbrochen 
werden  konnte. 

Man  findet  daher  auch  hier  Spuren  von  Verschanzungen,  nament- 
lich auch  von  Gräben,  welche  den  Zugang  zum  Engpass  zu  verhindern 
bestimmt  waren  (s.  Knapp  S. 36— 41). 

Eine  Viertelstunde  von  der  Zwing  liegt  der  Ort  Hesselbach  und 
am  Ende  desselben  stand  das  römische  CasteU,  von  welchem  in  frühe- 
ren Jahren  noch  Spuren  vorhanden  waren.  Nach  Knapp  war  das- 
selbe ein  Rechteck  von  75  m  Länge  und  60  m  Breite. 

Das  von  hier  an  der  Höhenstrasse  ca.  7  km  entfernte  nächste 
CasteU  war  bei  Würzberg,  dessen  Spuren  ein  Rechteck  von  ca.  200 
auf  180  m  nachweisen.  Man  fand  hier  eine  grosse  Anzahl  Gesims- 
und  Deckelsteine,  welche  zu  der  Umfassungsmauer  gehörten,  auch 
die  in  denselben  angebrachten  Thore  von  3V2  ni  Weite  waren  noch  zu 
erkennen. 


60  Das  römiBohe  Stratsennetz  in  den  Zehntlanden. 

Von  der  Höhenstrasse  zwischen  Würzbarg  und  Ealbach  ging 
der  Verbindungsweg  12  über  Beerfelden  nach  Weinheim. 

Das  nächste  Gasten  dieser  Linie  ist  das  bei  Eulbach;  es  zeigte 
bei  der  Ausgrabung  ca.  45  auf  40  m  Seitenlänge  mit  abgerundeten 
Ecken  und  es  wurde  das  Hauptthor  von  2,7  m  Weite  desselben  später 
in  dem  grafl.  Erbach'schen  Garten  zu  Erbach  aufgestellt. 

Das  nächste  Gastell  ist  4  km  entfernt  von  hier  unter  dem  Namen 
Hainhaus  bei  Vielbrunn  bekannt,  es  hatte  ca.  75  m  auf  70  m  Seiten- 
längen. 

Zwischen  Lützelbach  und  Seckmauern  war  auf  der  Höhe  wieder 
ein  GasteU,  nach  den  Ausgrabungen  von  ca.  72  m  Länge  und  55  m 
Breite.  Bei  Seckmauern  sind  römische  Gebäudereste  mit  Hypocausten 
nachgewiesen. 

Nach  diesem  Castell  folgen  noch  auf  der  Höhe,  ehe  sich  die  Land- 
strasse in  die  Tiefe  zieht,  die  Spuren  eines  römischen  Wachtgebäudes 
Der  Ausgang  des  Mümmlingthales  war  durch  2  Castelle  gedeckt.  Die 
Stätte  des  linksseitigen  heisst  jetzt  noch  der  Römergrund  und  die  in 
der  Nähe  befindliche  Quelle  der  Römerbrunnen. 

Auch  im  Mümmlingthal  selbst  hatten  sich  die  Römer  noch  auf 
dem  Breuberg  befestigt,  wo  man  nebst  Ziegeln  mit  den  Stempeln  der 
XXII.  Legion  auch  noch  einen  Altar-  und  Votivstein  fand. 

Das  Castell  auf  der  linken  Seite  bei  Obernburg  bildet  den  Ab- 
schluss  dieser  grossartigen  Verschanzungslinie,  welche  die  Römer  zur 
Vertheidigung  der  Zehntlande  und  zur  Deckung  ihrer  Rückzugslinie 
nach  dem  Rheinthal  anlegten. 

XL 
Die  Strasse  zar  Yerbindung  der  Castelle  längs  des  Grenzwalles. 

Da  diese  Strasse  im  wesentlichen  eine  militärische  Bedeutung 
hatte,  so  ist  sie  den  wichtigeren  römischen  Strassen  angereiht. 

Ihr  Wesen  und  ihre  Richtung  ist  von  Paulus  (Grenzwall  1863) 
klar  gelegt,  und  in  die  der  Schrift  beigegebene  Karte  roth  einge- 
tragen. 

Bekanntlich  war  der  Grenzwall  (limes  trans  rhenanus)  vom  Hohen- 
stauffen  an  bis  zum  Main  eine  Allarmlinie,  zu  welchem  Zweck  die  ge- 
radlinige Führung  des  Erdwalles  mit  dem  vorliegenden  Graben  nöthig 
war,  wie  sie  Paulus  in  Folge  der  vorhandenen  Baureste  und  Spuren 
des  Walles  richtig    bestimmt  bat.    Auch   die   neuesten  Forschungen 


Das  rdmieohe  Strassenneiz  in  den  Zehntlanden.  61 

und  Lokalimtersachungen  bestätigen  die  gerade  Richtung  dieser  Grenz- 
marke  (wenigstens  bis  Walldürm). 

In  Entfernungen  von  4—5  Stunden  lagen  längs  dieses  Grenz- 
walles Gastelle  an  geeigneten  Punkten,  meist  auf  Vorsprüngen  von 
Thalöfifhungen,  von  welchen  das  umliegende  Terrain  übersehen  werden 
konnte. 

Eine  Wegverbindung  unter  diesen  Castellen,  welche  ihrer  Grösse 
nach  (durcbschn.  von  80  auf  100  m  Seitenlange)  ca.  1  Gohorte  Be- 
satzung gehabt  haben  dürften,  war  durchaus  nöthig.  Da  sie  aber 
längs  des  Grenzwalles,  welcher  unbeachtet  des  Terrains,  sich  oft  steil 
in  die  Thaleinschnitte  einsenkte,  nicht  geführt  werden  konnte,  so  wähl- 
ten die  Rönjer  desshalb  die  nahe  liegenden  Bergrücken  zur  Anlage  dieser 
Strasse. 

Von  Pfahlbronn  aus  war  das  erste  Castell  bei  Welzheim,  dann 
folgt  das  bei  Murrhart,  und  weiter  bei  Mainhart,  Oehringen,  Jagst- 
hausen,  Osterburken  und  bei  Walldürm;  mit  demjenigen  bei  Milten- 
berg, hatte  also  der  Limes  transrhenanus  8  Hauptcastelle;  bekannt- 
lich standen  ausserdem  längs  des  Walles,  je  eine  Milie  von  einander 
entfernt,  kleine  Wachthäuser,  wovon  eines  in  seinem  Grundriss  von  3  m 
zu  3  m  Quadratseite  mit  0,6  m  starken  Wänden  im  freih.  Adelsheim'- 
schen  Wald  bei  Hergenstadt,  mit  einem  ca.  100  m  langen  Stück  des 
Walles  gut  erhalten  ist. 

Den  fraglichen  Verbindungsweg  haben  die  Römer  (nach  Paulus) 
längs  des  Grenzwalles  so  auf  dem  beherrschenden  Bergrücken  gewählt, 
dass  er  an  mehreren  Stellen  den  Grenzwall  überschreitet,  je  nachdem 
das  hier  befindliche  Terrain  eine  bessere  Lage  gestattete,  als  diesseits. 

Vor  Osterburken  im  Badischen  zieht  diese  Strasse  bei  Hopfen- 
garten jenseits  des  Walles  zur  sog.  Marienhöhe,  wo  eine  römische  Ver- 
schanzung, wahrscheinlich  ein  Vorwerk  des  nahen  Osterburker  Castells, 
nachgewiesen  ist 

Von  Osterburken  bis  Walldürrn  geht  dieser  Weg  über  Bofsheim, 
von  da  in  einem  grossen  Bogen  über  den  Hunnenberg  bei  Eberstadt 
and  den  Hochkopf  bei  Götzingen  nach  Hettingen,  und  von  da  über  den 
Rehberg  nach  Walldürm, 

An  dieser  Strasse,  die  sich  stets  nach  den  römischen  Grundsätzen 
auf  den  dominirenden  Höhenrücken  bewegte,  waren  auch  noch  beson- 
dere Wachtgebäude  erbaut,  die  mit  den  Warten  und  unter  sich  durch 
Signale  in  Verbindung  standen. 

Diese  Wachthäuser,  welche  etwa  4,5  m  Quadratseite  und  0,7— 0,8  m 


62  Das  römische  SiraaseiiDeiz  in  den  Zehntlanden. 

Starke  Wände  zeigen  (auch  Ziegeldeckung  ist  nachgewiesen),  nennt 
das  Volk  Heunehäuser.  Man  trifft  die  Beste  derselben  auch  an  der 
Heerstasse  bei  Oberscheidentbal  an. 

Die  Verbindung  von  WalldOrm  zum  Castell  bei  Miltenberg  dürfte 
dem  über  Wenschdorf  gehenden  Grenzwall,  gefolgt  sein. 


b)  Die  römisch-keltischen  Verbindungswege. 

12. 

Weg  Ton  Worms  oder  Weinheim  durch  den  Odenwald  in  der  yerschaniten 
HSlienstrasge  (sog.  Mttmmlinglinie)  beim  Castell  Enlbach. 

Es  ist  als  gewiss  anzunehmen,  dass  sich  die  Römer  von  der  ver- 
schanzten HOhenstrasse  zwischen  Schlossau  und  Obernburg  aus,  die 
eine  ihrer  wichtigsten  militärischen  Positionen  am  Grenzwall  bildete, 
auch  eine  Rückzugslinie  direct  durch  den  Odenwald  sicherten,  für 
welche  man  die  Richtung  nach  Ladenburg  oder  Worms  und  nament- 
lich Weinheim^  wo  eine  römische  Niederlassung  nachgewiesen  ist,  als 
Ausgangspunkt  feststellen  kann. 

Von  hier  aus  dürfte  der  Höhenrücken  beim  Wagenberg  erstiegen 
worden  sein,  wo  sich  heute  noch  über  Buchklingen  nach  Obepabateinach 
ein  Weg  hinzieht,  der  vollständig  das  Gepräge  eines  keltisch-römischen 
Verbindungsweges  hat. 

Von  hier  über  Siedeisbrunn  nach  Waldmichelbach  und  von  da 
über  Affolterbach  und  Olfen  nach  Beerfelden  hält  derselbe  eine  domi- 
nirende  Höhenlage  zwischen  den  nach  Süden  dem  Neckar  und  nach 
Norden  in  das  Weschnitzgebiet  zuströmenden  Bäche  ein.  Dasselbe  ist 
für  die  Fortsetzung  dieses  Weges  von  Beerfeld  über  den  Krähberg  bis 
Eulbach  der  Fall,  indem  die  Niederschläge  nördlich  der  Mümmling 
(Main)  und  südlich  der  Itterbach  (Neckar)  zufliessen. 

Bei  einem  Masseneinfall  der  Alemannen  in  die  Zehntlande,  wo 
der  Rückzug  auf  den  Wasserstrassen  des  Main  und  Neckar  nicht  mehr 
die  nöthige  Sicherheit  gewährte,  mag  diese  Verbindungslinie  zwischen 
den  Castellen  der  sog.  Mümmlinglinie  und  den  Niederlassungen  am 
Ausfluss  des  Neckar  und  den  linksrheinischen  Stationen  von  grosser 
Bedeutung  gewesen  sein. 

Bei  Bullau  und  auf  dem  Krähberg  sollen  die  Römer  Wacht- 
thürme  zur  Deckung  dieser  Rückzugslinie  angelegt  haben  (s.  Knapp 
Rom.  Denkmale  des  Odenwaldes  §.  32). 


Das  römisohe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  68 

AuffaUend  ist,  dass  bei  einer  hier  gefundenen  Inschrift  die  VIII. 
L^ion  erwähnt  ist,  die  in  Strassburg  ihr  Standquartier  hatte. 

13. 

Die  Strasse  von  Heidelberg  (Septlinia  Nemetnm?)  oach  Neokarelz  zum  Castell 
bei  Neckarbnrken  nnd  von  da  oach  dem  Greniwall  bei  Osterburken. 

Die  Wasserstrasse  des  Neckar  war  von  Gannstadt  an,  besonders 
von  Neckarelz  ab  für  die  Römer  von  grosser  Bedeutung  als  Rückzugs- 
linie; die  Bergfahrt  war  damals,  wo  es  noch  keine  Leinpfade  gab,  sehr 
beschwerlich  und  zeitraubend. 

Es  musste  daher  schon  in  jener  Zeit  für  eine  gute  Strasse n- 
verbindung  zwischen  den  wichtigen  Niederlassungen  am  Ausfluss  des 
Neckar  in  das  Rheinthal  und  den  Grenzwallcastellen  des  Odenwaldes 
gesorgt  werden. 

Da  in  dem  theilweise  von  steilen  Bergwänden  eingeschlossenen, 
grosse  Bogen  bildenden  Neckarthal  die  Anlage  einer  Strasse  nicht 
leicht  durchzuführen  war,  so  suchten  die  Römer  über  das  Gebirge 
eine  directe  Verbindung  mit  Neckarelz  herzustellen. 

Dies  geschah  von  der  Niederlassung  bei  Heidelberg  aus  mit  Um- 
gehung des  Eönigsstuhles  über  den  Kohlhof  und  Waldhilsbach,  wo  das 
Thal  der  Elsenz  überschritten  wurde.  Jenseits  des  Thaies  zieht  sicli 
diese  Römerstrasse  auf  den  Höhenrücken  beim  Lerchenbuckel  zum 
Dreilingstein  (ein  Markstein  von  drei  Banngrenzen)  und  von  da  gegen 
Waldwimmersbach;  diese  Richtung  ist  im  topographischen  bad.  Atlas 
Bl.  7  mit  den  Spuren  einer  römischen  Strasse  eingetragen. 

Vom  Dreilingstein  senkte  sich  dieselbe  zum  Biddersbacher  Hof 
hinunter  und  erstieg  den  Bergrücken  zwischen  diesem  Thälchen  und 
dem  Mannbachthal. 

Hier  scheint  eine  Villa  gestanden  zu  haben,  denn  es  wurde  hier 
im  Jahre  1844  ein  Votivaltar  ausgegraben,  der  jetzt  in  der  Karlsr. 
AI terth. -Halle  steht,  und  2  Votivsteine  (jetzt  in  der  Heidelberger  Alter- 
thumshalle.  Inschrift  s.  Brambach  1719  u.  20).  (S.Schriften  des  bad. 
Alterth.-I.  p.  185  oder  Fröhners  Katalog  No.  49.) 

Von  Lobenfeld  aus  bis  zur  Höhe  von  Reichartshausen  sind  die 
Spuren  der  Römerstrasse  wiederum  im  Blatt  12  d.  t.  A.  eingetragen 
und  es  ist  anzunehmen,  dass  von  da  bis  Obrigheim  an  den  Neckar  die 
Fortsetzung  derselben  mit  der  jetzigen  Landstrasse  über  Aglasterhausen 


1 


64  Das  römitcbe  Strassenneis  in  den  Zehntlanden. 

zasammeDfäUt 0-  Obrigheim  und  das  etwas  aufwärts  gegenüber- 
liegende Neckarelz,  wo  das  Thal  der  Elzbach  in  den  Neckar  einmündet, 
sind  bekannt  als  Fundorte  römischer  Denkmäler,  Ziegelfragmente  und 
Münzen  *). 

Es  war  hier  von  allen  Zeiten  her  der  wichtigste  Flussübergang 
in  das  Odenwaldgebirge,  und  es  dürften  hier  die  Römer  eine  Wacht- 
Station  unterhalten  haben. 

Von  Neckarelz  bis  Mosbach  blieben  die  Römer  im  Thal  der  Elsenz, 
und  folgten  von  hier  über  Oberschefflenz  bis  Adelsheim,  wo  der  Ueber- 
gang  über  das  Seckachthal  zu  suchen  ist,  der  jetzigen  Landstrasse. 

Die  Strasseuverbindung  mit  dem  Castell  bei  Neckarburken 
im  Elzthal  etwa  1  Std.  oberhalb  Mosbach,  dürfte  von  da  längs  der 
linken  Thalwand,  oder  von  der  Höhe  der  Römerstrasse  aus  zu 
suchen  sein. 

Die  Wichtigkeit  dieses  Castells,  welches  auf  einem  Vorsprung  der 
linksseitigen  Thaleinfassung  lag,  als  ein  Glied  des  grossen  römischen 
verschanzten  Lagers  und  der  wichtigsten  strategischen  Position 
zwischen  Main  und  Neckar,  namentlich  zur  Sicherung  der  Wasserstrassen 
als  Haupt-Rückzugslinien,  hat  schon  Christ  erkannt  und  in  der  literar. 
Beilage  d.  Earlsr.  Zeitung  No.  32  Jahrg.  1880  besprochen. 

Die  römische  Garnison  in  Neckarburken  yersah  die  Wachtposten 
am  Neckar  bei  Gundelsheim,  Neckarmühlbach  und  auf  den  Warten, 
beim  Michelberg  und  Hornberg.  Es  erübrigt  uns  nur  noch  den  Weg 
von  Adelsheim  zum  Castell  bei  Osterburken  anzugeben,  der  in  einem 
Feldweg  auf  die  sog.  Wingersteig  und  von  da  auf  den  sog.  Huuds- 
rücken  erhalten  ist,  von  wo  er  sich  zum  Castell  wieder  herabsenkt, 
das  auf  einer  Erhöhung  des  Kirnauthales  lag. 

Den  Namen  Osterburken  leitet  Christ  von  Burg  im  Osten,  im 
Gegensatz  zu  Neckarburken,  der  westlichen  Burg  her,  welche  mit  den 
Castellen  Schlossau  und  Walldürrn  ein  sog.  Festungsviereck  oder 
die  Stützpunkte  des  verschanzten  Lagers  auf  der  Hochplatte  des  badi- 
schen  Odenwaldes  bildete. 

Neckarburken  ist  der  Fundort  einer  Ära  der  Minerva,   einer 


1)  Bei  Lobenetein  im  Schwarzbachthal  liegt  Neidenstein,  in  der  Kirche  dieses 
Ortes  ist  ein  Votivstein  eingemauert  (s.  Brambach  1722),  der  wohl  von  der  Villa 
beim  Biddersbacher  Hof  herrühren  wird. 

2)  Von  Obrigheim  datirt  ein  Altar  (Brambach  1724)  jetzt  im  Mannheimer 
Museum. 


Das  römische  Sirasseniietz  in  den  Zebnilanden.  66 

Votivtafel  der  III.  Coh.  der  aquit.  Reiter  (s.  Brambach  C.  I.  Rh. 
1727  u.  28)  und  von  Ziegeln  mit  Stempel  der  XXII.  Legion,  auch  stösst 
man  beim  Graben  von  Löchern  auf  der  dortigen  Römerstätte  „Bürk" 
genannt,  häufig  auf  römisches  Gemäuer*).  Osterburken  ist  als  rö- 
mische Niederlassung  bekannter  als  Neckarburken. 

Das  Gasteil  in  Osterburken,  welches  auf  einer  sanften  Erhebung 
der  linksseitigen  Thalwand  der  Kirnaubach  lag,  ist  in  seinen  Umrissen 
noch  zu  erkennen.  Von  der  Aufdeckung,  die  im  Jahre  1854  von  dem 
Mannheimer  Alterthumsverein  vorgenommen  wurde,  ist  noch  ein  Grund- 
plan (jetzt  in  der  Karlsr.  Alterth.-Halle)  vorhanden.  Das  Castell  bildet 
ein  180m  langes  und  Ulm  breites  Rechteck  mit  abgerundeten  Ecken, 
1,2  m  starken,  ca.  2  m  hohen  Mauern,  die  aus  kleinen  Schichtsteinen 
von  Kalkstein  hergestellt  sind;  es  stand  mit  der  kleinere»  Front  dem 
Grenzwall  zugewendet. 

Interessant  ist  ein  Anbau  von  unregelmässiger  viereckiger  Form, 
ebenfalls  mit  abgerundeten  Ecken  auf  der  Bergseite.  Die  Umfassungs- 
mauern sind  etwa  1  m  stark  und  zeigen  mehrere  kleinere  thurmartige, 
Aber  die  Mauerfiucht  hervorspringende  oder  rückwärts  angebaute  Ge- 
lasse; das  Hauptcastell  hat  an  der  Eskarpe  der  Thalseite  3  massive 
ThQrmchen,  von  denen  2  über  dieselbe  hervorragen.  Die  hohlen  Thttrme 
haben  4,5  m  Seitenlänge  und  1  m  starke  Wände  und  es  beträgt  der 
etwaige  Vorsprung  über  die  Frontmauer  lV»m.  Der  Haupteingang  in 
das  Castell  ist  durch  2  grössere  etwa  2  m  hervorspringende  hohle 
Thürme  flankirt.  Im  Innern  des  Gastells  sind  keine  Gebäudereste  nach- 
gewiesen. 

■ 

Mit  dem  Castell  in  Osterburken  war  ein  bedeutender  Vicus  ver- 
bunden, wie  dies  die  zahlreichen  Spuren  römischer  Wohnstätten  im 
Thalgrunde  beweisen. 

Hier  wurde  auch  im  Jahre  1861,  bei  Anlage  einer  Scheuer,  die 
schöne  Mythras-Tafel  gefunden,  welche  Herr  Hofrath  Stark  in  „Heft 
des  badischen  Alterthumsvereins  v.  J.  1865''  beschrieben  hat. 

Zahlreiche  Münzfunde,  Fragmente  von  Ziegeln  mit  den  Stempeln 
der  XXn.  Legion  und  das  Vorhandensein  mehrerer  unter  dem  Boden 
versteckter  Gebäudereste,  die  noch  der  Aufdeckung  harren,  aber 
vom  Bürgermeister  des  Ortes  genau  angegeben  werden  können,  bestä- 
tigen die  Bedeutung  der  römischen  Niederlassung  Osterburken  am 
Grenzwall.    Auflfallenderweise  erscheint  hier  sowohl  die  XXU.  als  die 


1)  Weitere  Aasgrabungen  von  einem  Gebäude  sind  im  Gang. 

6 


86  Das  römisclie  Straawnnfti  in  den  Zehntlftnaon. 

Vni.  Legion  (erstere  mit  dem  Hauptstandqimrtier  MainK,  letztere  mit 
dem  in  Strasaburg  auf  Inschrirteii  von  Votivsteinen,  a.  Rmmbach  C. 
I.  Bh.  1729  u.  1731). 

Diese  Strasse  dürfte  ihrer  Wichtigkeit  halber  und  auf  Grund 
der  von  ihr  noch  vorhandenen  Spuren  unter  die  erste  Abtheitung  a, 
ata  eine  der  bedeutenderen  Verkehrsstrassen  eingereiht  werden,  in  der 
Karte  ist  sie  desshalb  mit  Doppelstrichcn  eingetragen. 

14. 
Yteg  von  Neckarborken  in  nordSatlichor  Richtnn^  zum  Castcll  bei  WalldUrrn. 

Von  grosser  Bedeutung  wur  diese  Verbindung  nicht,  da  Oster- 
burken in  der  Nahe  des  Grenzwalles  durch  eine  Strasse  mit  Walldilrrn 
verbunden  war,  und  die  wichtigere  militärische  Verbindung  mit  der 
Hochebene  bei  Schlüssau,  über  Wagenschwend  ging.  (s.  Wege  15  u.  15b). 

Zur  Römerzeit  dürfte  ein  Weg  von  Dallau  (bei  Neckarburken)  aus, 
auf  den  Höhenrücken  .zwischen  dem  El^-  und  Tnnitbachthal  über 
Mnckenthal  und  Limbach  nach  Mudau  geführt  haben,  ebenso  trägt 
die  Vorbindung  von  OberschefHonz  aus  über  Seckach  auf  dem  Hö- 
henrücken über  den  Glasberg  nach  Buchcu  und  von  da  auf  der  Land- 
Btrasse  nach  WalldUrrn  die  Kennzeichen  keltisch-römischen  Ursprunges. 

15. 

Weg  Ton  Eberbach  tun  Reckar  auf  dem  HSbearOcken  bei  StrBmpfelbronn 
nnd  von  ^  Aber  Madan  nach  Walldflmi  am  Greniwall. 

Die  durch  Aufdeckungen  von  römischen  Gebäuderesten  und  Funde 
von  Denkmälern  bestätigten  römischen  Niederlassungen  am  Neckar 
sind  Obrigheim  und  Neckarelz,  an  der  Äasmündung  des  Elsenzthalea, 
ferner  Keck  armühlbach,  bei  Qundelaheim.  Der  in  der  Nähe  am  rechten 
Neckarufer  sich  erhebende  Michelaberg  in  Verbindung  mit  dem  Hfl- 
hcnzug  über  den  Stockbrunner  Hof  nach  Neckarbnrken  im  Elsenzthal, 
wo  durch  Ausgrabungen  ein  römisches  Castell  nachgewiesen  ist,  war 
die  südlichste  zu  dem  verschanzten  Odenwaldlager  gehörige  Verthei- 
digungslinie,  welche  die  zwischen  dem  Neckar-  und  Mainthal  liegende 
Hochebene  mit  den  Castelleii  bei  Osterburken,  WaJidttrm  und  bei 
Schlossau  umfasste. 

Von  Eberbach  selbst  sind  keine  Funde  aas  der  RSmcndt  bekannt, 


/ 


Das  römische  Strassennetz  in  den  ZehnÜanden.  67 

aber  es  ist  doch  als  sicher  anzunehmen,  dass  die  Römer  diesen,  am 
Fuss  des  Katzenbuckels  und  am  Ausgang  des  Itterbachthales  am  Neckar 
liegenden  Uferplatz  zur  Einschiffung  benutzten. 

Der  Aufgang  zur  Höhe  bei  Eatzenbach,  am  Fuss  der  eigentlichen 
Basaltkuppe  des  Katzenbuckels,  ging  in  den  ältesten  Zeiten,  nicht 
wie  jetzti  durch  das  Thälchen  von  Dielbach,  sondern  steil  ansteigend 
über  die  jetzige  Heldenburg  nach  Katzenbach,  von  da  fällt  der  auf 
dem  Höhenrücken  führende  römische  Weg  über  Strumpfelbronn-Wa- 
genschwend,  wo  die  Hauptstrasse  vom  Castell  Neckarburken  einmün- 
dete, bis  Mudau  mit  der  jetzigen  Landstrasse  zusammen.  Etwa  2  km 
vor  letzterem  Ort  wird  dieser  Weg  von  der  Heerstrasse  X,  die  von 
Osterburken  zur  Mümmlingsverschanzungslinie  zieht,  durchschnitten.  — - 
Die  Höhenlage  des  Bergrückens  vom  Katzenbuckel  bis  Mudau  und 
Schlossau  haben  die  Römer  als  Abschlusslinie  der  grossen  Odenwald- 
verschanzung  gegen  Westen  sehr  gut  benutzt.  Der  hier  befindliche 
Weg  stellt  die  gesichertste  Verbindung  zwischen  den  damals  wichtigen 
Wasserstrassen  des  Neckar  und  Main  her,  die  sich  hier  auffallend  nä- 
hern. —  Rückwärts  gegen  Westen  durch  das  tief  eingeschnittene,  da- 
mals undurchdringliche  Itterbachthal  gedeckt,  war  dieser  Höhenrücken 
gegen  Osten  oder  gegen 'die  Angriffseite  durch  den,  das  ganze  Neckar- 
gebiet bis  Cannstatt  und  Pforzheim  durch  Umschau  beherrschenden 
Katzenbuckel  gesichert,  und  gewährte  den  Römern  eine  der  wichtigsten 
militärischen  Positionen  zum  Sammeln  ihrer  Streitkräfte  und  zur  Ver- 
theidigung  der  Zehntlande. 

Man  findet  auf  dem  bezeichneten  W^e  die  Ueberreste  mehrerer 
interessanten  Yerschanzungen.  Sie  bestehen  in  einem  Wall  und  beid- 
seitigen 5  m  breiten,  IVs  m  tiefen  Gräben  und  sind  als  eigentliche 
Thalsperren  z¥rischen  den  beiden  Wassergebieten  zu  betrachten.  Sie 
sind  jetzt  noch  unter  dem  Namen  „Römischer  Graben,  Römerschan- 
zen, Heerhag''  etc.  beim  Volk  bekannt;  dürften  aber  auch  späteren 
Völkern,  die  auf  dieser  Höhe  Schutz  suchten,  als  Zufluchtsorte  ge- 
dient haben. 

15a. 
Weg  von  Mudau  Ober  Beuchen  nach  Amorbach  und  nach  Miltenberg. 

Von  Mudau,  das  auf  der  Höhe  der  Wasserscheide  zwischen  dem 
Main  und  Neckargebiet  liegt,  zieht  der  älteste  Weg  nach  Buchen  und 
von  da  nach  Walldürn). 


68  Du  römiadie  StraaKtmati  ia  <l«n  ZehntUadm. 

Eine  sehr  alte  Strasse,  deren  Spuren  in  dem  Bad.  topogr.  Atlas 
Bl.  III  als  Römerstrasse  eingetragen  sind,  zog  von  Steinbach  3  km 
von  Miidau  auf  dem  Bergrücken  zwisclicn  dem  Mudanthal  und  dem 
Tlialeinschnitt  der  Morre  nach  Amorbach'). 

Dei*  Ort  Steinbach  ist  bekannt  durch  den  Fund  eines  gut  erhal- 
tenen Altarsteines,  den  das  Trorapetercorps  der  1.  Reitercohorte  der 
Sequaner  und  Bauracer  setzen  liess*).  Er  war  in  der  Kirche  eiuge- 
mauert  und  kam  1850  in  die  Karlsr.  Alterthumshalle.  Auch  hier  fin- 
den wir  auf  den  Höhen  der  gegen  den  Main  sich  öffnenden  Thalklin- 
gen Reste  von  ähnlichen  Querverschanzuiigen,  wie  zwischen  Wagen- 
schwend  und  Oberscheidenthal.  Die  Spuren  derselben  sind  ebenfalls 
in  dem  gen.  Blatt  des  top.  Atlas  angegeben.  Sie  waren  jedenfalls  zum 
Schutz  der  Hochebene  bei  Mudau,  gegen  einen  Einfall  von  Miltenberg 
und  Amorbach,  also  von  der  Mainseite  her,  angelegt. 

Was  das  Castell  in  Walldiirrn  und  den  Grenzwall  bis  Osterburken 
anbelangt,  so  sind  dieselben  in  letzterer  Zeit  der  Gegenstand  einer 
gründlichen  Lokaluntersuchung  gewesen,  welche  Christ  und  Con- 
rad! im  Auftrage  des  Gesammtvereins  der  deutschen  Geschichts-  und 
Alterthumsvereine  unternahmen.  Der  letztere  Forscher  hat  schon  früher 
nachgewiesen,  dass  der  Grenzwall  von  MiltenT)erg  (Altstadt)  aus,  wo 
ein  grösseres  Gaatell  stand,  über  den  Greinberg  (Fundort  des  Tento- 
nensteines)  auf  die  Hochebene  bei  Wenschdorf  in  die  Nähe  des  Ortes 
Remhardhaussen  zog,  wo  im  Gewann  Hasselburgmauer  ein  kleines 
Castell  von  43  m  Seitenlänge  bloss  gelegt  wurde.  Von  da  sog  der 
Grenzwall  dem  Höhenracken  bei  Neusass  folgend,  in  die  Nähe  von 
WalldUrm,  wo  einst  ebenfalls  im  Gewann  Altenburg  die  Spuren  eines 
grösseren  Castells  aufgedeckt  wurden.  Der  in  der  Nähe  befindliche 
Brunnen  heisst  beute  noch  der  Marebrunnen  and  der  hier  beginnende 
Bach,  welcher  dem  Main  zafliesst,  die  Marsch.  —  Es  wurde  hier  ein 
dem  Mars  und  der  Victoria  von  C.  Cominus  gesetzter  Altar  aufgefunden 
(s.  Paulus  Grenzwall  v.  J.  1863.  S.  43). 

Durch  diese  Untersuchung  ist  die  Annahme  von  Paulus,  dass 
der  Grenzwall  in  gerader  Forlsetzung  von  Walldarrn  bei  Burgstadt 
bis  zum  Main  ging,  in  Frage  gestellt,  namentlich  nachdem  von  den 
neueren  Forschem  wie:  Dunker,  Schneider,  Christ  festgestellt  ist, 
dass  der  von  Miltenberg  bis  Grosskrotzenburg  in  nördlicher  Richtung, 

1)  Inschriftenfund,  Bramlwoh  C.  I.  Eh.  1715. 

2)  S.  Bntmbach  C.  1.  Rh.  1738. 


Das  romisohe  Strassenuetz  in  den  Zehntlanden.  69 


t 


also  gleichsam  parallel  mit  der  Rheinvertheidigungslinie,  laufende  Main 
die  Grenzwehr  bildete,  die  durch  Castelle  bei  Oberburg,  Aschafienburg, 
Stockstadt  und  Seeligenstadt  gedeckt  war. 

Was  die  Spuren  dieser,  den  Höhenrücken  zwischen  dem  Mudau 
und  einem  Seitenthal  derselben  quer  absperrenden  Verschanzungen 
anbelangt,  so  finden  wir  hierüber  eine  Beschreibung  in  den  Veröffent- 
lichungen des  Buchener  Alterthumsvereins  vom  Jahre  1866,  welcher 
damals  unter  der  umsichtigen  Leitung  d^s  Oberamtmann  Lumpp  von 
Buchen  stand,  dem  die  Wissenschaft  manche  interessante  Forschung 
verdankt. 

Der  Wall  zieht  quer  über  den  Bergrücken  in  das  Mudauthal; 
derselbe  ist  noch  eine  Viertelstunde  lang  und  besteht  auf  der  Nord- 
seite, also  dem  Mainthal  zu,  in  einer  aus  Sandsteinfelsstücken  aufge- 
führten Mauer,  die  an  manchen  Stellen  jetzt  noch  über  IV2  m  hoch 
ist.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  dass  dieses  nicht  römische  Verthei- 
digungswerk,  in  die  Zeit  der  ersten  Besitznahme  durch  die  Alemannen 
fällt,  und  zu  ihren  ersten  Ringwallanlagen  gehörte. 

15b. 

Der  Yerblndiuigsweg  toq  dein  Castell  in  Neckarbnrken  ttber  Sattelbaeli 
und  Fabrenbach  nach  Wagenschwend  zur  Hochstrasse  15  und  nach 

Schlossan. 

Dieser  Weg  hatte  einen  rein  militärischen  Charakter,  er  stellte 
die  Verbindung  der  Neckarposition  bei  Gundclsheim  und  Neckarelz  in 
directer  Linie  mit  der  sog.  Mümmlingslinie  oder  den  Verschanzungen 
zur  Deckung  des  Mains  her.  —  Er  war  ein  Glied  der  westlichen  oder 
zweiten  Vertheidigungslinie,  die  in  einer  durchschnittlichen  Entfernung 
von  ca.  4  Stdn.  hinter  dem  Grenzwalle  lag,  und  mit  der  Mümm- 
lingverschanzung  von  Schlossau  bis  Obemburg  als  die  Hauptdefen- 
sivstellung zur  Deckung  der  Rückzugslinien  auf  den  Main  und 
Neckar  angesehen  werden  muss.  Vom  Castell  in  Neckarburken,  in 
neuester  Zeit  wieder  durch  die  Ausgrabungen  eines  Neptuntempels 
als  eine  wichtige  römische  Niederlassung  bestätigt,  zog  ein  Höhen  weg, 
der  noch  in  einem  Feldweg  erhalten  ist,  über  Gewann  Leimenfeld  zum 
sog.  Stockbrunnerhof,  bekannt  durch  seine  dominirende  Höhenlage 
und  von  da  nach  dem  Michaelberg  bei  Gundelsheim  am*  Neckar,  wo 
eine  Warte  stand. 

Hier  war  ein  Flussübergang  zu  dem  gegenüberUegenden,  als  rö- 


70  Du  römüdM  SttuieatiotB  in  dca  ZelmUMidaQ. 

mische  Wachstation  nachgewiesenen  Neckarmtlhlbacb,    welches  durch 
den  Höhenweg  über  Hohenstadt  mit  Wimpfen  in  Verbindung  stand. 

Der  hier  in  Frage  stehende  römische  Weg  gewinnt  von  Neckar- 
burken (im  Elzthal  2  Stdn.  vom  Neckar  entfernt)  aus,  rasch  die  Höhe 
bei  Sattelbach,  den  tiefen  Thaleinschnitt  der  Trienz  zur  rechten  lassend, 
und  ist  weiter  über  Fahrenbach  und  Robern  bis  nach  Wagenschwend 
die  Grundlage  der  älteren  Landstrasse.  Hier  befinden  sich  auf  der  Rühe, 
(der  Ort  heisst  Gickelsberg)  Spuren  von  einem  rümischen  Wachthause, 
ca.  5  m  im  Geviert,  mit  1  m  starken  Wandungen.  Solche  Mauer- 
reste werden  im  Odenwald  als  Henne,  Hünen  und  Höuenhiiu&er  be- 
zeichnet, HOaen  =  Riesen  (siehe  Christ,  literar.  Beilage  der  Karlsr. 
Ztg.  Nr.  32  Jahrg.  1880). 


Von  Darmstadt  UngH  des  Gebli^oH  hU  Heidelberg  nnd  ttnt  da  VMr 
Broolisal  nach  Ettlingen  zam  Anecblnss  an  die  Strute  vn. 

Am  Ausgang  der  Thäler  des  Odenwaldes  und  des  hltgeligeQ  Ge- 
birges bis  zum  Schwamwalde  bestanden  schon  vor  der  Besitzergreifui^ 
darch  die  Römer  zahlreiche  keltische  Niederlassungen,  die  duKh 
Wege  unter  sich  verbunden  waren.  Diese  hatten  meist  eine  höhere 
Lage,  als  die  jetzt  bestehende  grosse  Handelsstrasse  von  Frankfurt 
nach  Basel,  die  erst  im  Mittelalter  als  solche  eine  Bedeutung  gewann. 

Von  den  Römern  sind  diese  Keltenwege  benutzt,  und  theilweise 
verbessert  worden. 

Zahlreiche  Funde  und  Ausgrabungen  bei  den  an  dieser  Berg- 
strasse liegenden  Orten  bestätigen  römische  Niederlassungen,  wie  in 
Schriesheim,  wo  ein  Columbariam  mit  Heizräumen  aufgedeckt  wurde, 
Weinhetm,  Neuenheim,  Heidelberg,  Wisloch,  Mingolsheim,  Stettfeld  etc., 
deren  Funde  anderwärts  erwähnt  sind. 

Ebenso  häufig  worden  keltische  Geräthschaften  und  Gräber  bei 
diesen  Orten   ausgegraben ;  (namentlich  beim  Strassenheimer  Hof). 

Von  Weinheim  bis  gegen  Handschuchsheim  war  der  die  Orte 
Lützelsachsen,  Hobensachsen,  Leutershaussen,  Schriesheim  und  Dossen- 
heim  direct  verbindende  Uöhenw^  von  den  Kelten  zuerst  benutzt; 
ebenso  zog  -sich  auch  von  Heidelberg  oder  Leimen  aus  der  älteste 


1)  S.  Stark,  Lftdenbnrg  nnter  den  ßorneru. 


Das  röroischo  Sirassennotz  in  den  Zehntlanden.  71 

Weg  (mit  Umgehung  der  Stadt  Wisloch)  über  Nusloch,  auf  dem  noch 
bestehenden  Feldweg,  in  gerader  Richtung  dicht  unterhalb  der  jetzi- 
gen Postmühlei  in  das  Leimbachthal,  und  von  da  auf  dem  Höhenrücken 
fort  bis  an  die  Schwefelquelle,  wo  die  Vereinigung  mit  der  jetzigen 
Landstrasse  stattfand. 

Die  Orte  Mingolsheim,  Langenbrucken,  Stetfeld,  (wo  eine  rö- 
mische Niederlassung  aufgedeckt  wurde),  ebenso  Ubstadt,  Bruchsal  und 
Weingarten  sind  alte  von  den  Kelten  bewohnte  Orte,  die  schon  zur 
Bömerzeit  unter  sich  durch  Wege  verbunden  waren. 

Im  Bann  Mingolsheim  liegt  dieser  römische  Strasscnzug  in  den 
Gewannen:  „Römerbündel,  Hühnerberg  und  Steinig". 

Von  Weingarten  führte  die  Strasse  in  der  frühesten  Zeit  über 
Grözingen  nach  Durlach.  Von  hier  aus  ist  der  Rest  dieses  Strassen- 
zuges  bis  zur  römischen  Landungsstätte  bei  Ettlingen  und  zur  Strasse 
Vn  als  eine  Abzweigung  derselben  beschrieben  worden.  Der  noch  gut 
erhalteae  Durlacher  Wartthurm,  der  noch  von  Vielen  für  ein  Römer- 
werk gehalten  wird,  ist  der  Bergfried  des  früheren  Grözinger  Schlosses, 
das  der  Urkunde  nach  Kaiser  Rudolf  von  Habsburg  Ende  des  13.  Jahr- 
hunderts brechen  liess. 

Die  Ein  Wölbung  des  etwa  12  m  vom  Boden  entfernten  Haupt- 
einganges ist  gothisch  geformt,  was  mit  der  Zeit  der  Wiederherstellung 
(nach  oben  genannter  Zerstörung)  übereinstimmt.  Auf  dem  Michels- 
berg bei  Untergrombach  war  wahrscheinlich  eine  den  Göttern  geweihte 
römische  Stätte,  sowie  eine  römische  Warte,  denn  man  sieht  hier 
rückwärts  gegen  Osten  den  Steinsberg,  den  Sternfels  und  den  Wart- 
thurm  bei  Pforzheim. 

17. 
Der  Weg  von  Speier  d.  h.  Ton  Hockenbelm  über  Sinsheim  nacli  Wimpfen. 

Nahe  bei  Hockenheim,  wo  der  Durchbruch  der  Binnengewässer 
durch  das  Hochgestade  stattfand,  (siehe  Strasse  IX),  liegt  der  Wer- 
sauer  Hof,  den  Mone  in  seiner  Urgeschichte  des  bad.  Landes  Bd.  I 
als  den  Anfangspunkt  einer  starken  römischen  Verschanzung,  die  über 
die  Orte  St.  Leon,  Kisslau,  Weiher,  Altenbürg  (jetzt  Karlsdorf),  Staf- 
fort, Hagsfeld  nach  Rüppur  zog,  annimmt.  —  Diese  Ansicht  ist  sehr 
verführerisch,  da  diese  Punkte  dem  Hochgestade  entlang  liegen,  und 
durch  die  Landniederung,  die  damals  die  Binnengewässer  aufnahm,  ge- 
deckt waren. 


72  Du  römiiohe  StranemiBta  in  den  ZehnUandeo. 

Es  fehlen  aber  zu  dieser  Annahme  alle  Anhaltspunkte,  intlciu 
an  keinem  dieser  Orte  römisches  Gemäuer  oder  Funde  von  römischeu 
Frafumenten  nachgewiesen  sind;  auch  genügte  die  nahe  Rheinvcr- 
schanzungslinie  zur  Vertheidigung  der  gallischen  ßesitzungen.  Die 
Ansicht  Moue's,  der  die  Flussregulirungen  auf  jene  Zeit  zunick- 
führt, indem  er  annahm,  dieselben  seien  zur  Anlage  von  Wassermühlen 
für  die  Römer  uneutbehrhch  gewesen,  ist  auch  unbegründet;  denn 
die  Gegend  war  von  den  Römern  sehr  spärlich  bewohnt  und  in  den 
Niederlassungen  derselben  wurden  zur  Berekaog  des  nöthigen  Mehles 
HandmUhlen  verwendet. 

Es  ist  als  bestimmt  anzunebmon,  dass  die  künsUichen  Ableitungen 
der  meisten  unserer  Flüsse,  wie  der  Elz  bei  Rust,  der  Kinzig  bei  Gries- 
heim, der  Murg  bei  Rastatt,  der  Alb  bei  Beiertheim  und  der  Pfinz  bei 
Graben  in  die  karolingische  Zeit  fallen,  wo  diese  Kulturarbeilen  zur 
Sicherung  der  zahlreichen  Niederlassungen  nöthig  waren. 

Vom  Wersauer  Hof  ging  der  Verbindungsweg  17  über -Walldorf 
durch  das  Thal  der  Leimbach  nach  Altwiesloch,  erstieg  hier  die  An- 
höhe des  Bergrückens,  Rohrbuckel  genannt,  senkte  sich  bei  der  sog. 
Diebsbrücke  wieder  in  das  Leimbachthal  und  führte  von  dem  nahen 
Ilorreuberg  an  über  die  linkseitige  Tlmlwand  der  Elsenz  nach  Hoffen- 
heim  4  km  von  Sinsheim  entfernt. 

Die  letztere  Strassenstrecke  ist  In  dem  topographischen  Atlas 
Blatt  II  als  alte  römische  Strasse  eingetragen.  Big  in  das  spätere 
Mittelalter  erhielt  sich  der  beschriebene  Weg  bis  Wisloch  als  die 
Hauptverbindung  zwischen  den  Städten  Heilbronu  und  Heidelberg. 
Kaiser  Karl  V.  zog  im  Jahre  1525  auf  diesem  Wege  von  Regensbarg 
zu  dem  Reichstag  nach  Speier.  Die  Umgegend  von  Sinsheim  hat  viele 
Fuudc  aus  der  Römerzeit  auüuweisen. 

iDsbesoodere  sind  es  die  Ueberreste  zweier  ländlichen  Gehöfte, 
die  hier  in  den  Jahren  1834  ausgegraben  wurden  und  sehr  ausführlich 
in  der  Sinsheimer  Alterthomsschrift  der  Jahre  1833  und  34  beschrie- 
ben sind. 

Sie  liefern  wie  überall  im  Zehntland  den  Beweis,  dass  die  Römer 
diese  Villen  stets  in  höher  gelegenen  Thälcben  anlegten,  die  von  den 
allgemeinen  Verkehrswegen  abgelegen  waren. 

Die  Nonnalgrundform  dieser  Gehöfte  war  das  Rechteck  25—30  m 
lang,  15 — 19  m  breit,  an  der  vorderen  Seite  2  pavillonarüg  vorsprin- 
gende Flügel  von  6—7  m  Br.  zeigend,  von  welchen  der  rechte  die 
Herrschaftwobnung,  woriuiter  2  beizbare  2immer,  der  Unke  die  Diener- 


Das  römische  Strassen  netz  iu  den  Zehntlanden.  73 

Wohnung  enthielt.  In  der  Mitte  war  der  12—15  m  lange  ca.  10  m 
breite  Hof.  Die  beiden  Flügel  verband  ein  gedecktes  Vestibül,  in 
dessen  Mitte  sich  die  einzige  Eingangsthüre  in  die  Wohnung  befand. 
Die  Umfassungsmauern  und  Hauptwände  der  einzelnen  Wohnr&ume 
sind  0,7—0,8  m  bezw.  0,5  m  stark  und  bestehen  in  einem  aus  kleinen 
Schichtsteinen  hergestellten  satt  in  Mörtel  versetzten  Mauerwerk. 

Diese  Bauweise  charakterisirt  vorzugsweise  das  römische  Wohn- 
haus in  den  Zehntlanden  und  bleibt  auch  die  Anordnung  der  Wohn- 

■ 

räume,  sowie  die  Heizungsvorrichtung  mit  dem  Praefurnium  und  den 
Doppelböden  mit  Kacheln  in  den  Wänden,  überall  dieselbe. 

In  Sinsheim  bestand  in  den  Jahren  1832  bis  1848  unter  der  Lei- 
tung des  verdienstvollen  Dekan  Wilhelm  i  ein  Alterthumsverein,  der 
durch  seine  gediegenen  Leistungen  weit  übei*  die  Grenzen  unseres  Lan- 
des hinaus  rühmlichst  bekannt  war,  und  dessen  Veröffentlichungen 
(siehe  Sinsheimer  Alterthurasschriften  v.  Jahre  1833—1848)  von  gros- 
sem wissenschaftlichen  Werthe  sind,  indem  man  hierin  die  älteren  Aus- 
grabungen und  Aufdeckungen,  welche  der  Verein  auf  seine  Kosten 
vollzogen  hat,  und  deren  Spuren  jetzt  verschwunden  sind,  genau  be- 
schrieben und  abgebildet  findet. 

Die  römische  Strassenverbindung,  von  Sinsheim  nach  Wimpfen 
folgt  bis  Steinsfurth  dem  Fuss  der  rechtsseitigen  Thalwand  und  ge- 
winnt, von  da  aus  steil  aufsteigend,  den  Höhenrücken  rechts  vom 
Insenbachthal.  Die  Spuren  dieser  Römerstrasse  sind  in  dem  Blatt 
XII  des  bad.  topographischen  Atlas  bis  zum  Eulenhof  eingetragen. 
Von  da  über  Ehrstädt  und  den  Oberbiegerhof  nach  Babstadt  ist  der- 
selbe in  dem  bestehenden  Gemeindeweg  erhalten. 

Nach  Ufeberschreitung  des  Insenbach  zog'  er  sich  auf  die  links- 
seitige Höhe  der  Thalwand  (hier  Feldweg)  und  traf  an  der  bad.-hes- 
sischen  Landesgrenze  die  Landstrasse  von  Rappenau  nach  Wimpfen, 
die  bis  dahin  auf  römischer  Grundlage  ruht. 

Die  Stadt  Wimpfen  (hessisches  Gebiet)  auf  dem  Berg  ist  bekannt 
durch  ihre  herrliche  die  ganze  Umgebung  des  Ncckarthales  dominirende 
Lage;  sie  gestattet  eine  freie  Aussicht  gegen  Osten  bis  zu  den  Hohenloher 
Bergen  namentlich  der  Waidenburg  und  den  Höhenpunkten  am  Grenz- 
wall; thalabwärts  ist  der  Michelsberg  bei  Gundclsheim  und  der  Stock- 
brunner  Hof  sichtbar  (s.  Weg  15b),  während  thalaufwärts  leicht  nach 
dem  Weinsberg  und  der  Warte  bei  Heilbronn  signalisirt  werden  konnte. 
Die  römische  Station,  welche  hier  gestanden^  soll  nach  der  Gemahlin 


H  Du  rfinuNb«  Struwnncto  in  den  ZahatUndeii. 

des  Kaisers  Gallienus,  die  Cornelia  Salooina  liiess,  Cornelia  genannt 
worden  sein'}. 

In  der  obern  Stadt  wurden  3  römische  Volivsteine  gefunden,  die 
in  dem  Werke  über  die  wUrtteinbergische  Geschichte  vonSt&lin  genau 
beschrieben  sind.  Am  Fuase  der  Stadt  wurden  neben  Spuren  römischen 
Gemäuers  auch  I-'ragmeute  von  römischen  Ziegeln,  Geschirren,  Wasser- 
leituDgsröhren  etc.  sowie  Münzenfunde  vorzugsweise  mit  dem  Bitdniss 
des  Kaisers  Antoninus  Plus,  nachgewiesen.  Den  Unterbau  des  sog. 
rothen  Thurmes  an  der  Südseite  der  Hochplatte  von  VVimpfon  hält 
Schwab  für  römisch.  Da  hier  aber  nur  eine  specula  zu  erwarten,  so 
passen  hierzu  nicht  die  unsern  mitteliilterüchen  Bergfrieden  zukommen- 
den starken  Dimensionen  in  Bezug  auf  Umfang  und  Mauerstärke. 

Sonst  sind  in  Wimpfen  von  den  ältesten  deutschen  Zeiten  her 
Baureste  aller  Culturepochen  vorhanden,  worunter  die  an  der  Bing- 
niauer  gegen  das  Neckarthal  befindliche  Bogenstellung  mit  gekuppelten 
Säulchen  aus  der  romanischen  Zettepoche  der  Hohenstaufscben  Kaiser 
durch  gute  Erhaltung  ausgezeichnet  ist. 

Nach  Mone'a  Urgeschichte  Bd.  II  S.  306  ißt  die  genannte  Strasse 
mit  der  Fortsetzung  20  dieselbe,  welche  Julian  im  Jahre  359  zu  sei- 
nem Vormarsch  in  das  Grcnzland  bis  zu  der  Stelle  benutzte,  die  man 
Paks  oder  Capellatium  hiess,  deren  Lage  bei  Oehringeu  oder  Schwä- 
bisch-Hall  angenommen  wird. 

18. 

Veg  TOu  Stelusfnrt  (Süulielin)  naeb  BSoklngen  an  du  Ifeokar  bei 
HeilbroDD. 

YoD  Steinfurt  aus  ging  auch  noch  ein  anderer  Bömerweg  über 
Kirchart,  Fürfelden,  Kircbeuhaussen  und  Frankenbach  nach  der  römi- 
schen Niederlassung  Böckingeo.  Sie  bildete  die  Grundlage  der  spä- 
teren Landstrasse  von  Heilbronn  nach  Sinsheim,  welche  im  Mittelalter 
dcD  Hanptverkebr  der  schon  oben  genannten  Städte  vermittelte. 

Böckingen  in  der  Mähe  von  Heilbronn  liegt  an  dem  linken  Ufer 
des  Neckars  uod  war  nach  den  hier  aufgefundenen,  im  Werke  von 
Stalin  S.  46  aufgeführten,  Totivsteioea  eine  bedeutende  römische 
Station. 


1}  Siehe  Schwkben,  tos  QuiUt  3ohwab  S.  48. 


Das  römisohe  Sirassenneiz  in  den  Zehntlanden.  76 


19. 

Der  W^  Yon  Wimpfen  über  den  Höhenrflcken  zwischen  dem  Kocher-  nnd 
Jagstlhal  Bach  Mdckmlihl  nnd  tob  da  zum  Castell  Osterburken. 

Wimpfen  liegt  auf  einem  steil  ansteigenden,  hohen  Bergrücken  am 
Neckar.  Diesem  gegenüber,  von  dem  Orte  Jagstfeid  aus  zieht  sich  dieser 
alte  Weg  auf  dem  schmalen  Höhenrücken  zwischen  den  ziemlich  tief 
eingeschnittenen  Thälern  der  Jagst  und  Kocher  bis  in  die  Nähe  von 
Möckmühl  hin,  wo  er  sich  in  das  erstere  Thal  hinuntersenkt,  dieses 
überschreitet  und  jenseits  steil  ansteigend  die  Höhe  der  Wasserscheide 
zwischen  dem  Seckachthal  und  dem  Hergstgraben  gewinnt. 

Diese  römische  Strassenverbindung  ist  von  Jagstfeid  bis  Möck- 
mühl in  dem  bestehenden  Feldweg  und  von  da  in  dem  Gemeindeweg 
nach  Hergenstadt  erhalten. 

Die  höchste  Stelle  des  Bergrückens  heisst  heute  noch  der  Bö- 
merberg,  der  durch  seine  beherrschende  Aussicht  gegen  Osten  bis  zu 
den  Hohenloher  Bergen  bekannt  ist.  Der  Höhenweg  zieht  sich  bis 
zur  Marienhöhe  bei  Osterburken  fort,  wo  im  topogr.  Atlas  von  Baden 
Bl.  IX  die  Spuren  einer  Römerschanze  eingetragen  sind.  Bis  zu  dem 
ca.  3  km  entfernten  Castell  Osterburken,  das  auf  einem  sich  nur  wenig 
über  den  Thalgrund  erhebenden  Vorsprunge  des  Kirnauthales  liegt,  fällt 
der  bestehende  Weg  stark  ab. 

20. 

Weg  von  Wimpfen  nach  Nenenstadt  nnd  von  da  nach  Oehringen  am 

Grenzwall. 

Dieser  Weg  ging  Wimpfen  gegenüber  nach  Kochers dorf,  und 
folgte  von  da  der  Richtung  der  jetzigen  Landstrasse  auf  dem  Höhen- 
rücken, an  der  Kapelle  bei  Oedheim  vorbei,  bis  Neuenstadt  an  der 
Kocher,  wo  sich  der  Weg  21  abzweigt.  Die  weitere  Verbindung  führt 
auf  der  Wasserscheide  zwischen  dem  Brettachthal  und  der  Kocher 
sowie  der  Ohm  bis  0  eh  ringen.  Daselbst  ist  eine  bedeutende  zum 
Castell  gehörige  Niederlassung,  die  einem  Inschriftenfund  nach  „Vicus 
Aurelii'  hiess,  nachgewiesen.  Das  Castell  bildete  ein  Rechteck  von 
140  m  Länge  und  65  m  Breite  mit  abgerundeten  Ecken  und  einem 
Praetorium  in  der  Mitte.  Der  fürstl.  Hohenlohe'sche  Rath  Hansel- 
mann hat  im  Jahr  1768  durch  Ausgrabungen,  wobei  Thonplatten  der 
XXIL  Legion  zum  Vorschein  kamen,  die  Wichtigkeit  dieser  römischen 
Station  aufgeklärt    S.  auch  Winkelm.-Pr.  1871. 


w 


n  Du  römischa  fltruMnneti  in  den  Zthotluiden. 

21. 
Weg  Yon  NpQCDbtadt  nacli  ObcrscberSeni  (Weg  14). 

Der  Hölicnriickeii  zwischeu  dem  Secknch-  und  ScliefÜeazthal,  ilon 
beiden  Scitcutliiileni  der  Jagst,  von  Neudenau  üler  Wakiinlihlbacli  nacli 
üuterschefflenz,  trägt  den  älteste»  Verbindungsweg,  der  sich  bis  zur 
Verlegung  der  neuen  Strasse  in  das  Sclieffleiizthal  erhalten  hat. 

Alle  die  geimunten  Orte  siud  bekannt  durch  Funde  aus  der  Kel- 
ten- und  llöinerzeit,  uud  man  kann  diesen  Weg  bis  OberechefÖenz  in 
das  vorliegende  Wegnetz  einreihen. 

An  der  Südseite  der  Kirche  zu  Waldmühlbach  sind  2  bemerkens- 
werthc  römisclie  Gedenksteine,  der  eine  einen  Krieger,  der  andere 
eine  Insclirift  eutlialtend,  eingemauert');  letztere  lautet: 

VI     VIC 

I  ETOFILUS  .    E.  . 

COL'VBIETO. 

22  und  23. 

Die  We^  You  Heldelsholm  Bkor  MDiiiteshelm,  Henxlngen  nmd  Hilsbaoli  nach 

SioEhMm  uud  vou  HeiiKin^ou  über  E]>pliigcii  nach  Bleehcu. 

Diese  Wege  hatten  zur  Römerzeit  kaum  mehr  als  die  Bedeutung 
von  Saumpfaden,  ni:in  hat  sie  aber  hier  dennoch  in  das  römische 
Strassennetz  hereingezogen,  da  sie  melirere  Ueberreste  von  keltischen 
und'  römischen  Culturstätteu  berühren. 

Auf  dem  Höhenrüclien  zwischen  Heideisheim  (Saalbachgebiet) 
uud  Münzesheim  (Kraichbach)  birgt  der  Wald  mehrere  Hünengräber, 
TOD  denen  schon  2  aufgedeckt  worden  sind. 

Auf  der  andern  Seite  der  Kraichbach  steigt  der  Weg  steil  hinauf 
nach  Menzingen,  wo  die  Strasse  VI  von  Speier  nach  Cannstatt  durchzog. 
Von  hier  wird  eine  Abzweigung  (23)  dieses  Weges  über  Eppingen  nach 
Kiechen  zur  Verbindung  mit  der  Strasse  18  angenommen. 

Der  Hanptweg  22  nach  Sinsheim  setzte  sich  über  Landsbauscn, 
am  Fuss  des  Eichelberges,  der  durch  einen  römischen  Altarfund  be- 
kannt ist  und  wo  jm  Jahr  1834  in  der  Nähe  bei  Angelloch  die  Funda- 
mente einer  grösseren  Villa  aufgedeckt  wurden,  über  Elsenz  nach  Hils- 
bach  fort,  in  dessen  Mähe  sieb  die  Basaltkuppe  des  Steinberges  erhebt. 


1)  S.  hierüber  Letcbtlan,  I.  Hoft  S.  96. 


Das  römische  Strassenneiz  in  den  Zebnilanden.  77 

Von  da  senkt  sich  der  Weg  langsam  in  das  Elsenzthal  nach 
Sinsheim  hinab. 

Der  Steinsberg  ist  einer  der  interessantesten  Aussichtspunkte  des 
Hügellandes  zwischen  dem  Schwarzwald  und  dem  Odenwald;  er  ge- 
währt eine  vollständige  Rundsicht  Östlich  bis  zu  der  Vogesenkette. 
Es  ist  daher  ganz  natürlich,  dass  die  Römer  hier  einen  sehr  wichtigen 
Signalpunkt  errichtet  hatten. 

Die  jetzige  Burg,  welche  diesen  isolirt  stehenden  Bergkegel  krönt, 
ist  eine  der  schönsten  unseres  Landes.  Der  massiv  aus  grossen  Buckel- 
quadem  erbaute  achteckige  Bergfried  und  die  kolossalen  Ringmauern 
derselben  erregten  schon  lange  die  Bewunderung  aller  Alterthums- 
freunde.  Unsere  älteren  Altertliumsforscher  erklärten  ihn  für  römischen 
Ursprunges  und  als  ein  Beleg  der  genialen  römischen  Bauweise. 

Nur  der  Vorstand  des  Sinsheimer  Alterthumsvereins,  Dekan  Wil- 
helmi  wagte  diese  Annahme  zu  bestreiten  und  hat  in  seinen  Schriften  (12. 
Jahresbericht  i.  d.  Sinsheimer  Jahresbüchern  v.  J.  1848)  klar  dargelegt, 
dass  die  Bauweise  dieser  Burg  nicht  auf  die  römische  Zeit  zurückgeführt 
werden  darf,  und  dass  dieselbe  ein  Bauwerk  der  deutschen  Fcudal- 
zeit  ist  Bei  der  Frage  des  Ursprunges  derselben  „Ob  römisch  oder 
deutsch?*'  kommt  so  recht  der  Grundsatz  zur  Geltung,  den  Geheim- 
rath  Baer  in  Abth.  I  seines  Werkes  über  die  badische  Strassenchronik 
aufgestellt  hat,  nämlich:  „Dass  sich  die  Bauwerke  der  Menschen  aller 
Culturstufen  stets  und  überall  zunächst  nach  den  Bedürfhissen  ihrer 
mehr  oder  weniger  ausgebildeten  niateriellen  und  geistigen  Interessen 
gestalten.^'  — 

Mit  Rücksicht  darauf  ist  die  Frage  über  die  Bauzeit  nnsrer  Berg- 
friede und  Burgställe,  deren  Anlage  und  Bau  namentlich  Krieg  von 
Hochfelden  in  seinem  Werk  über  die  MUitärarchitektur  des  Mittel- 
alters auf  römischen  Ursprung  zurückführt,  schnell  gelöst 

Wer  die  Lebensgewohnheiten  der  Römer,  ihre  Vertheidigungs- 
wdse  und  die  Ueberreste  der  von  ihnen  in  den  Zehntlanden  wirklich 
ausgeführten  Bauten  studirt,  bei  dem  wird  über  diese  Frage  kein 
Zweifel  mehr  sein.  (S.  K.  von  Becker,  Geschichte  des  bad.  Landes 
zur  Zeit  der  Römer.) 

Unsere  alten  Butten  bes  tanden  in  der  Hauptgnindlage  aus  8chiM<- 
mauer  mit  und  ohne  Bergfried  gegen  die  Angriffseite  nnd  dem  thal- 
wärts  gelegenen  Mantel;  diesen  wurde  später  der  Zwinger  (Ringwall) 
an  der  Aussenseite  angefügt 

Die  Bergfriede    derselben  mit  ihren  oft  3m  starken  Maum^ 


r 


76  Du  rSrnbohfl  StruMnneti  in  dm  ZdmtiBndM. 

Ton  grossen  Buckelquadern  aufgeführt,  waren  also  keine  römischen 
Warten;  sie  mögen  aber  hie  und  da  an  derselljcn  Stelle  gestanden 
haben.  Sie  haben  aber  nach  Bavier's  Strassenchronik  der  Schweiz, 
wo  solche  in  der  Grundanlage  noch  vorhanden  sind,  nur  etwa  4,5  m 
Quadratseite  und  Wände  von  1  m  Dicke.  Die  mittelalterlichen  Berg- 
friede Schwabens  haben  meist  il  m  Quadratseite  und  2,5 — 3  m 
starke  Seitenwände,  und  stehen  frei  hinter  (ier  Schildmauer, 

Befestigungen,  d.  h.  Castelle  hatten  die  Römer  im  Zehntlande 
Überhaupt  nur  an  dem  Crenzwall  und  bei  Measkirch,  da  hier  der  Durch- 
gang vom  Donauthai  in  die  Nordschweiz  gedeckt  werden  musste. 

Alle  Bauwerke  der  Römer  im  Zehntlande  zeigen  ein  aus  kleineren, 
mit  dem  Hammer  zugerichteten  8chich(steinen  hergestelltes,  satt  in 
Mörtel  versetztes  Gemäuer,  das  nur  massig  stark  war  (bei  den  Gebäu- 
den 0,6— 0,7  m,  bei  den  Thdrmen  der  Castclle  bis  Im). 

24. 
Vfeg  von  Str.  TI  bei  Ktlrnbach  n&ch  BSckin^n  und  Castell  OehrloKen. 

Dieser  Weg  auf  dem  Höhetnlcken  zwischen  dem  Leimhach-  und 
dem  Zaber-Thal  über  Ochsenberg  und  Michelbach  oberhalb  Haber- 
sdilacht  und  Neipperg  vorbei  nach  Böckiagen,  ist  m  der  Paulns'- 
schen  Karte  eingetragen.  Der  letztere  Ort,  V(  Stunde  oberhalb  Heil- 
bronn am  linken  Ufer  des  Neckar  liegend,  war  eine  römische  Nieder- 
lassung von  grosser  Bedeutung.  Stalin  fübrt  S.  44  Q  Inschriflenfunile 
auf;  ebeoso  Gebäudetrüramer  mit  äypocausten ;  die  Stempel  der  Ziegel 
sind  TOD  der  VHI.  Legion  and  der  ersten  Coborte  der  Helvetier  (s. 
auch  Brambach  C.  L  Kh.  1583—1592). 

Der  Wartberg  bei  Heilbronn  war  für  die  Römer  ein  wichtiger 
Signalpunkt 

Die  Verbindung  von  Böckingen  mit  dem  Gastell  und  Vicus 
bei  Oehringen  ist  meist  in  der  jetzigen  Landstrasse  über  Weinsberg 
und  Schwabboch  erhalten. 


Wer  T*>  Strawe  TI  ImI  8t«n«iifels  durch  das  Zabergta  bi«I>  I^ifi«  n>d 
TM  da  ai  den  fircuwall  amiA  Caitell  ICalakart. 

Ebenso  ist  der  bestehende  Weg  von  Stemenfels  auf  dem  rechts- 
Bätigen  Höhenrücken  der  Zaber  über  Eleebronn,  in  dessen  nächster 
ViSib  (Ach  der  Hichaelsbcrg  mit  ausgebreiteter  Bundscban  imd  die  alte 


Das  römiscbe  StraseeDiielB  in  den  Zebntlaiideii.  79 

Burg  Magenheim  befindet,  deren  Thnrm  Mene  als  gldielibedeatend 
mit  dem  vom  Steinsberg  bezeichnet,  (der  aber  nicht  n^ehr  zn  fiehen  ist), 
ein  anf  alter  Grundlage  ruhender  Weg,  der  schon  20  Romerseiteii  be- 
nutzt wurde.  Dieser  Weg  hatte  von  Lauffen  aus,  wo  der  Meckarüber^ 
gang  war,  Abzweigungen  nach  dem  Grenzwall  bei  Maiobart  ^«iehe 
Paulus 'sehe  Karte)*). 

26. 

Der  Weg  von  Bruehgal  durch  das  Saalbachtluü  nach  Bretten  und  Knitt« 
lingen  und  von  da  nach  LIeniingen  lur  Strasse  YI» 

Zahlreiche  Funde  aus  der  keltischen  Vorzeit  und  der  Zeit  der  Rö- 
merherrschaft  in  den  zu  dem  Saalbachgebiet  gehörigen  Oertlichkeiten 
beweisen,   dass  diese  Gegend   von  Kelten   und  Römern  bewohnt  war. 

Der  älteste  Weg  von  Bretten  nach  Heideisheim  scheint  auf  der 
Neibshcimer  Höhe  am  sog.  Schanzenberg  vorbei  geführt  zu  haben,  wäh- 
rend die  alte  I^andstrasse  die  von  Bretten  nach  Knittlingen  über  den 
Berg  zieht,  mit  dem  römisch-keltischen  Verbindungsweg  zusammenfällt. 
Die  Fortsetzung  dieses  Weges  nach  Maulbronn  ist  ebenfalls  noch  in 
dem  über  den  Bergrücken  ziehenden  Feldweg  erhalten,  der  heute 
noch  Rennweg  und  alter  Postweg  heisst. 

Bei  dem  von  Maulbronn  noch  ca.  4  km  entfernten  Lfenzingen  er- 
reicht dieser  Verbindungsweg  die  Strasse  VI  von  Cannstatt  nach  Speier. 

27  a  und  b. 
Die  Yerbindungswege  bei  Pforzheim« 

Nur  zwei  dieser  Wege  verdienen  ihrer  Bedeutung  wegen  Beach- 
tung; der  eine  führte  von  Pforzheim  über  die  Kieselbronner  Höhe 
nach  Dürrn  und  bei  Lienzingen  zur  Heerstrasse  VI.  Bei  Kieselbronn 
Einmündung  des  Saumpfades  von  dem  röm.  Gehöfte  im  Kieselbronner 
Wald  in  einem  Thälchen,  das  in  Enzberg  ausmündet 

Der  andere  Weg  folgte  von  Pforzheim  aus  dem  rechtsseitigen 
Enzufer  bis  gegenüber  Eutingen,  er  durchzieht  von  da  einen  Theil  des 
HagenschiesswaldeSy  wo  er  unter  dem  Namen  „alter  Postweg''  als 
eine  alte  Verbmdung  bekannt  ist,  die  über  Oeschelbronn  nach  Vaihingen 
zieht,  und  welche  noch  im  vorigen  Jahrhundert  als  Hauptverkehrsweg 
benutzt  wurde. 


1)  Du  röm.  Castell  ist  in  seiner  Onmdform  von  160  m  Liage  und  66  m 
Breite  noch  zu  erkennen. 


80  Daa  römiache  StrutenoeU  in  dan  Zchnttanden. 

Bei  Anlage  eines  Waldweges  fand  man  hier  in  der  Gemarkung 
Nieffern  die  etwas  verstümmelte  Statue  eioes  Aesculap '),  Über  dessen 
Achael  eine  Schlange  hängt;  die  Schale,  aus  dt'r  dieselbe  frisst,  ist  zer- 
brocben;  aber  sehr  deutlich  ist  der  Schluiigenstab  zu  erkennen,  auf 
den  sich  Aesculap  stützt. 

28. 
Ton  Hockenlicini  auf  dem  IlochiiceBtade  nach  Schwarsach. 

Ea  ist  dies  die  olte  sog.  Rheiiistrasac,  welche  die  alten  Ort«  be- 
rührte, die,  wall rsclieiul  ich  aus  keltischen  Niederlassungen  entätanden, 
schon  zur  Römerzeit  eine  Verbindung  hatten.  In  Schwarzach  vereioigt 
sich  diese  Stra.sse  mit  der  Consularstrasse  VII.  Die  an  derselben  liegende 
Stadt  MUhlburg  gilt  als  römische  Niederlassung  (in  der  Nähe  Altar- 
fund im  Jabr  1880).  Der  kleine  dem  Gestein  nach  von  Mainz  stam- 
mende 0,1)  ni  hohe  Altarstein  mit  der  Aufschrift  I,  0.  M.  P.  Veratus 
Fiorus.  V.  S.  L.  L.  M  *)  wurde  im  freien  Ackerfeld  durch  das  Pdiigen 
angeschiirft  und  sodann  ausgegraben. 


DIo  obere  Bcrgstraiwe  von  SinEheim  läu§;B  <Ies  (iebirfee  über  OfTenbnrg;, 
JfaJterdiugoitf  Freihnrgf  Schlleu^eu  aach  B»s«I. 

Es  bildet  dieselbe  eigentlich  die  Fortsetzung  der  Strasse  16  von 
Weinheim  bis  Ettlingen,  von  wo  sie  bis  Sinzheim  mit  der  Strasse  VIT 
zusammenfällt. 

Es  ist  kein  Zweifel,  dass  diese  Strasse  sehr  alt  ist  and  sidi  meist 
auf  keltischen  Ursprung  zurOckfDhren  lässt,  denn  allenthalben  sind  an 
deti  Thalansgängcn  und  auf  den  niederen  VorhUgeln  keltische  und  rö- 
mische Niederlassungen  nachgewiesen.  Gelegentlich  des  Eisenbahn- 
baues  wurden  bei  Appenweier  keltische  Geräthe  ausgegraben. 

Die  bei  Offenburg  aufgefundene  Leugensäule,  mit  der  Zahl  XMII, 
ohne  Angabe  der  Stadt,  passt  der  Entfernung  gemäss  ab  Baden  ■)  (jetzt 
in  der  Karlsr.  Alterth.-H.).  Wahrscheinlich  bezeichnete  dieselbe  zu- 
gleich den  Abgang  des  Weges  in  das  Kinzlgthal  oder  de^enigen  Aber 
Griessbeim  und  Willstett  nach  Strassburg. 


1)  In  der  Karlir.  Altertbnmahalle. 

9]  Flonu  bieM  »tuh  einer  der  rCmitohoi  Qeiohiehtielireiber. 

8)  Siehe  Hone,  Urgesch.  I.  171. 


Das  römische  Strassennets  in  den  Zehntlanden.  61 

In  Offenburg  wurde  auch  ein  Grabstein  eines  römischen  Kriegers^) 
ausgegraben. 

Bei  Niederschopf  heim  wurde  vor  2  Jahren  beim  Graben  eines 
Fundamentes  ca.  Im  unter  dem  jetzigen  Boden  ein  Denar  (Titus)  ge- 
funden. 

Der  römisch-keltische  Verbindungsweg  dürfte,  in  das  Friesenheimer 
Thälchen  einmündend,  den  Schutterlindenberg  auf  der  Bergseite  um- 
gangen und  oberhalb  Dinglingen  den  Fluss  überschritten  haben. 

Im  Wald  der  Gemeinde  Sulz  bei  Lahr  stiess  man  bei  der  Anlage 
eines  Waldweges  auf  altes  Gemäuer,  das  römischen  Urspnings  war 
und  zu  einem  Wohngebäude  gehörte.  Die  Ueberreste  von  Rebge- 
wächsen und  einer  Wurzel,  welche  die  Römer  als  Wundbalsam  ver- 
wendeten und  welche  sie  stets  in  der  Nähe  ihrer  Niederlassungen  an- 
pflanzten, bestätigen  noch  mehr,  dass  dieser  Ort  zur  Römerzeit  be- 
wohnt war. 

Diese  Entdeckung  verdanken  wir  der  Sorgfalt  und  dem  Verständ- 
niss  des  Herrn  Oberforstrath  von  Kageneck,  welcher  den  Ausgra- 
bungen anwohnte.  Sie  liefert  den  Beweis,  dass  die  sonnigen  Verberge 
des  Schwarzwaldes  auch  am  badischen  Oberrhein  von  den  Römern  be- 
sucht und  gekannt,  sowie  zu  Ansiedlungen  benutzt  wurden. 

Von  Lahr  aus,  wo  der  Schutterübergang  statt  fand,  zog  sich  der 
älteste  Weg  auf  dem  noch  bestehenden  Feldweg  über  den  Bergrücken 
zwischen  Mietersheim  und  dem  Sulzbachthal. 

Am  Galgenberg  ging  derselbe  wieder  in  die  Ebene  hinunter 
und  bildet  von  da  bis  zum  Ort  Kippenheim  die  Grundlage  der  jetzigen 
Landstrasse,  die  hier  im  Gewann  Herrenstrasse  liegt,  was  jeden- 
falls eine  Verschlechterung  des  Namens  Heerstrasse  ist.  Von  Kippen- 
heim finden  wir  den  ältesten  Weg  in  der  Landstrasse  über  Mahlberg 
nach  Altdorf  und  von  da  im  Gemeindeweg  nach  Ettenheim'). 

Altdorf  ist  bekannt  als  einer  der  ältesten  Orte  des  Landes,  in 
dessen  Nähe  keltische  und  römische  Geräthe  etc.  gefunden  wurden  >). 

Bei  Ettenheim  zwischen  dem  Unditz-  und  Bleichbachthal,  liegt 
der  sonnige  Vorberg  des  Kaienberges,  auf  dem  jetzt  noch  ein  Feldweg 
bis  zur  Rohmflhle  an  der  Bleichbach  zieht 

In  der  Gemarkung  Herbolzheim  heisst  dieser  Weg  Dietweg  und 


1)  S.  Wielands  Beiträge  zur  ältesten  bad.  Geschichte.  1881  pag.  145. 

2)  Angeblich  Reste  von  Römerwerken  beim  sog.  Heidenkeller. 
8)  8.  Woioky  Rom.  Niederlassungen  ffir  d.  Jahr  1822  8.  81. 

6 


82  Das  römische  StraeBOnnetz  in  den  Zehntlanden. 

Schleitwcg  uncJ  trügt  das  vollendL'tste  Grprägc  eines  kcltisch-rönii- 
sclien  Ilöhcnwcgcs. 

Vom  Kalcnberg  aus  zieht  gegen  das  Gebivge  ablenkend  ein  Weg, 
der  jetzt  noch Saunierwcg,  auclt  Kiinigsncg  lieisst,  und  in  den  frühe- 
sten Zeiten  eine  gewisse  Bedeutung  gehabt  huben  muss. 

Er  soll  jetzt  noch  auf  weile  Strecken  im  Wahl  als  ein  eignes 
Gelände  eingehagt  und  cingcsteint  sein;  er  zieht  sich  auf  der  Höhe 
zwischen  dem  ündit-  und  Blcichbachthal  bis  zum  Streitberg  fort,  stets 
die  Gemarkungsgrenze  bildend. 

In  der  Gemarkung  Broggingen  heisst  das  an  diesen  Weg  anstos- 
scnde  Gewann  im  Galgenacker. 

Manche  glauben,  es  gehöre  dieser  Weg  zu  einer  im  Mittelalter 
wichtigeren  Verbindung  vom  Streitberg  Aber  den  Hünersedel  und  die 
Heidburg  nach  Hornberg  im  Gutachthal '). 

Er  lässt  sich  auf  einem  jetzt  noch  bestehenden  Waldweg  von  der 
Heidburg  aus  über  die  Rehhaldc  und  die  Hirschlache  fast  ganz  ver- 
folgen. Vom  Hünersedel  bis  zu  letzterem  Ort  oberhalb  Ilnruberg  hält 
dieser  Weg  die  Wasserscheide  zwischeu  dem  Kinzig-  und  Elugcbiet 
ein;   dies  war  für  die  damaligen  Verhältnisse  die  bestgcwilhlte  Tra^je. 

In  unser  Strassennetz  können  wir  diesen,  wenn  auch  der  früheren 
Zeit  angehörigen  Weg  nicht  einreihen. 

Von  Wagenstadt  aua  nach  Malterdingen  zog  zu  den  Römerzeiten 
der  Weg  ebenfalls  über  die  Verberge  der  Gemarkungen  Nordweil  und 
Bombach. 

Wir  ändeo  von  Wagenstadt  aufwärts  steigend  einen  Steinacker 
am  Lerchenberg,  wo  der  Aufgang  des  ältesten  Weges  war,  der  sodann 
am  Benfelbcrg  die  Gemarkungsgrenze  von  Nordweil  und  Eenzingen 
und  theilweise  Bombach  bildete  und  als  Feldweg  erbalten  ist.  Auf  der 
Höhe  im  Oberfeld  zweigt  sich  auch  hier  dem  Gebilde  zu  em  Weg  anter 
dem  jetzt  noch  gebräuchlichen  Namen  Königsstrasse  ab,  wie  wir  es 
oben  in  Gemarkung  Herbolzheim  getroffen  haben. 

Es  wäre  sehr  wünschcnswerth,  wenn  über  den  Ursprung  und  über 
die  Namensbezichungen  dieser  sog.  KÖnigsstrasden  genaue  Nachfor- 
schungen angestellt  würden.  In  die  Römerzeit  lassen  sich  dieselben 
nicht  zurückführen,  wohl  aber  in  eine  gewisse  Zeit  des  Mittelalters, 
wo  Handel  und  Verkehr  aufblühte. 

Von  der  Höhe  bei  Bombach   senkte  sich  ein  Weg  nach  Malter- 


1)  Auf  diesen  Höhen  Spuren  von  altgerman lachen  Ringnätlen 


Das  romisclie  Strassennetz  in  den  Zehnilanden.  8d 

dingen  and  Riegel  hinab,  auch  muss  der  nahe  Lichtenberg  bei  Heck- 
Itegcn  als  eine  römische  specula  hier  in  Betracht  gezogen  werden. 

Malterdingen  und  Riegel  sind  durch  Ausgrabungen  und  Funde 
als  römische  Niederlassungen  nachgewiesen  i). 

Zur  Römerzeit  war  das  von  Ettenheim  aufwärts  liegende  Thal- 
gelände bei  Ecnzingen,  Hecklingen,  Eöndringen  und  Emmendingen  ein 
nasses  und  unsicheres  Terrain.  Die  Verbindung  mit  dem  Mauracher 
Hofy  einer  keltisch  -  römischen  Niederlassung,  hielt  sich  daher  auch 
bis  hieher  über  Landeck  auf  dem  Vorgebirge  der  Gemarkungen  Mun- 
dingen und  Maleck  bis  zur  Hochburg,  dem  späteren  Stammschloss  der 
markgräflichen  Linie  Baden-Hochberg.  Von  dorten  zog  sich  der  Weg 
bei  Buehholz  den  Flussfibergang  suchend,  zum  Mauracher  Hof.  Von 
da  fällt  die  jetzige  Landstrasse  über  Gundelfingen  zur  Wiehre  mit  dem 
ältesten  hier  bekannten  Weg  zusammen. 

Der  letztere  Ort  liegt  am  Ausgang  des  Dreisamthaies,  und  ist 
als  alte  keltische  Niederlassung  bekannt.  Die  Stadt  Freiburg  auf  der 
andern  Seite  des  Thaies  wurde  von  den  Herzogen  von  Zähringen  an- 
gelegt; auf  dem  Schlossberg  jedoch  stand  schon  zu  Römerzeiten  eine 
Warte  und  ein  Tempel. 

Die  sonnigen  Vorhügel  des  Schwarzwaldes  von  Freiburg  bis  Basel 
waren  durch  Kelten  und  gallische  Ansiedler  bewohnt.  Bei  Ebringen, 
oberhalb  Freiburg,  stiess  man  auf  Eeltengräber. 

Die  Orte  Erotzingen,  Heitersheim,  Httgelsheim,  Schliengen  etc. 
sind  durch  Funde  aus  den  Römerzeiten  bekannt.  Bis  Müllheim  ruht 
die  jetzige  Landstrasse  meist  auf  dem  keltisch  -  römischen  Verbin- 
dungswege. 

Die  Mauerreste  des  Castellberges  bei  Sulzburg  weisen  auf  römische 
Bauweise  hin,  (gut  gefugtes,  satt  in  Mörtel  versetztes  Schichtmauer- 
werk aus  kleineren,  mit  dem  Hammer  zugerichteten  Steinen),  doch  sind 
Grundriss  und  Mauerstärken  für  eine  römische  Warte  zu  gross  und  ent- 
sprechen mehr  dem  altgermanischen  Burgenbau.  —  Wir  haben  am 
Ausgang  unserer  Schwarzwaldthäler  5  Eastelberge  und  sogar  im  hintern 
Wiesenthal  bei  Schönau  einen  Ort  mit  Namen  Gastel,  wo  zur  Römer- 
zeit der  Thalweg  verschlossen  war,  und  wohin  wohl  nie  ein  Römer  vor- 
gedrungen ist. 

Die  meisten  dieser  Castelberge  tragen  jetzt  mittelalterliche  Ruinen, 
sie  sind  schön  gelegene  mit  umfassender  Aussicht  in  die  Schwarzwald- 


1)  S.  Sebreiber,  Zeitschrift  des  Alterthamsvereins  in  Freibarg  Bd.  L 


U  Dair 

thäler  und  in  das  Rheinthal  ansgostattete  Kuppen  und  Bergvorsprüngc, 
welche  den  Römern  wohl  bekannt  sein  durften.  Man  kann  es  jedoch 
nicht  wagen,  deren  Namen  auf  ein  römisches  Castellum  zurückzuführen, 
da  CR  nicht  im  Kriegsplan  der  Römer  lag,  hier  Befestigungen  anzulegen, 
oder  den  Ausgang  der  Schwarzwaldthäler  zu  vertheidigen,  durch  welche 
damals  kein  Durchbrach  der  Feinde  möglich  war. 

Von  Sulzburg  geht  über  die  Vorhüge!  ein  alter  W^  nach  Müll- 
heim, der  hier  nur  genannt  wird.  Jedenfalls  brachte  schon  das  grosse 
Itöracrbad  in  Badenweiler  einen  lebhaften  Verkehr  in  die  nächste  Um- 
gebung, und  mögen  hier  manche  kleinere  Saumpfad  Verbindungen  be- 
standen haben. 

Indem  wir  die  jetzige  Bergstrasse  als  Richtung  des  kel tisch- römi- 
Bcben  Verbindungsweges  bis  Scbliengen  festhalten,  führen  wir  eine  sehr 
alte  Strasse  an,  die  von  Seefelden  nach  Neuenbürg  und  von  da  nach 
Sfeincnstatt  zieht,  wo  der  Rheinübergang  zur  grossen  linksseitigen 
RheiDstrassc  bewerkstelligt  wurde  (siehe  Weg  31). 

Von  Schliengen  aus  zog  die  älteste  Strasse  auf  die  [Iflgelkette, 
welche  sich  rQckwärta  an  die  hohen  Schwarzwaldherge  anlehnt  und 
westlich  mit  schroffen  Felswänden  abscblie^st,  die  damals  von  Rhein- 
giessen  bespült  waren. 

Wir  finden  den  Rflmerweg  von  Schliengen  steil  aufsteigend  am 
sog.  Galgenberg,  von  wo  er  den  Höhenrücken  östlich  von  Bahlingen, 
Bamlach  und  Rheinweiler  einhält;  hier  berührt  er  den  Galgenbuck 
und  zieht  sich  Ober  Blansingen  und  Hattingen  bis  zum  sog.  Üardtbcrg 
oberhalb  Efringen  fort. 

Noch  jetzt  ist  dieser  durch  seine  Höhenlage  und  schöne  Femsicht 
in  ficht  römischer  Weise  tra^rt«Weg  streckenweise  als  Feld-  und  Ge- 
meindeweg benutzt  and  als  Römerweg  bekannt 

Von  Mringen  aus  ging  die  Römerstrasse  Über  Kirchen,  Eimel- 
dingen  und  Haltingen  westlich  am  fHlheren  Friedlinger  Schloss  (jetzt 
Leopoldshöhe)  vorbei  nach  Eleinbasel,  wo  wahrscheinlich  schon  zu 
Römerzeiten  eine  Rheinüberfahrt  war. 

Von  Haltingen  mag  auch  schon  zu  jener  Zeit  ein  Weg  über  Weil 
um  den  TQlIinger  Berg  in  dos  Wiesentbai  und  über  den  Dünkelberg 
nach  Rheinfelden  geführt  haben  (siehe  Fecht  der  Amtsbezirk  von  Lör- 
rach), wo  die  Römer  sowohl  eine  Niederlassung,  als  auch  eine  feste 
Ueberbrücknng  Aber  den  Rhein  hatten. 

Die  topographische  Karte  von  Baden  und  die  Rheinkarte  der 
Qrossherzogl.  badischen  Oberdirection  des  Wasser-  und  Strassenbaues 


Das  römische  StrasBenneiz  in  den  Zebntlanden.  86 

enthält  die  EinzeichnuDgen  der  alten  Strassen,  welche  jetzt  noch  als 
Gemeindewege  benützt  werden.  Z.  B.  die  alte  Frankfurter  Strasse  bei 
Hüningen. 

Die  Angabe  des  alten  Schlosses  Friedlingen,  die  Spuren  der  Rö- 
merstrasse von  Schliengen  aus  in  dem  sog.  Jansenberggraben  auf  die 
Höhe  der  Markung  Bellingen.  Hier  befindet  sich  der  sog.  Galgen- 
berg, bei  Huttingen  der  Galgenbuck. 

Das  Strässchen  von  Eimeldingen  über  Haltiugen  nach  Weill  hat 
die  Benennung  „hohe  Strasse'^  Ebenso  kommt  beim  Uebergang  von 
Lörrach  über  den  Dünkelsberg  der  Hühnerberg  und  eine  Flurbenennung 
im  „Steinenweg"  vor. 

Bei  Warmbach,  Rheinfelden  gegenüber,  wurden  Reste  eines  römi- 
schen Tempels  aufgedeckt. 

30. 
Wegr  von  Malterdingen  Str.  29  Aber  Riegel  nach  Brelsach. 

Die  massenhafte  Verwendung  von  gebrannten  Ziegeln  bei  den 
Römern  zu  Bauzwecken  aller  Art  ist  bekannt,  ebenso  der  häufige  Ge- 
brauch von  6efä.ssen  und  Töpfen,  in  deren  Darstellung  dieselben  un- 
übertrefflich waren. 

Es  ist  von  grossem  Interesse,  dass  eine  solche  Ziegel-  und  Gefäss- 
fabrik  in  dem  Ort  Riegel  am  nördlichen  Ende  des  Eaiserstuhlgebirgcs 
nachgewiesen  ist ^).  (Siehe  Beschreibung  von  S  c  h  af  f  n  e  r,  Freiburg  1843.) 

Die  Bruchstücke  der  hier  aufgefundenen  Thongefässe,  die  aus  der 
rothen,  harten  und  gut  glasirten  sog.  Terra  sigillata  bestehen,  sind 
für  30  Töpfer  bestimmbar,  welche  im  Besitz  von  Geschirroffizinen 
(Fabriken)  waren. 

Die  Ziegeleien  waren  ebenso  zahlreich  und  wurden  die  Spuren 
derselben  auf  der  Brühlmatte  an  der  Elz  entdeckt,  wo  jetzt  noch  die 
ausgezeichnete*  Thonerde  zum  Ziegelbrennen  benützt  wird. 

Die  höchste  Blüthe  erreichten  diese  Offizinen  unter  den  Kaisern 
Hadrian,  Antoninus  Pins  und  Marc  Aurel  117—180,  da  aus  dieser  Zeit 
die  meisten  hier  gefundenen  Münzen  herrühren. 

Die  gefundenen  noch  gut  erhaltenen  Ziegelplatten  waren  46  cm  im 
Geviert  und  3  cm  stark. 

Schreiber,  Bd.  I  S.  13,  der  zuerst  diese  römische  Niederlassung 


1)  Siehe  Schreiber,  Die  römische  Töpferei  su  Riegel  im  Breisgau.  Zeit- 
Bchrift  des  Freibarger  biBtoriscben  Vereins  Bd  I.  1. 


86  Das  römiscbo  StraaeeDiiotz  in  deu  Zchntlaudoa, 

bekannt  machte,  glaubt,  dass  von  hier  drei  Ilcerwege,  Viae  inilitares, 
abgingen  und  zwar  einer  nach  Breisach,  dei"  heute  noch  eine  Strecke 
weit  Hochfitrasse  heisst,  derselbe  ist  hier  aufgezeichnet  und  nach  un- 
serer Ansicht  auch  der  einzige  von  Bedeutung. 

Eine  andere  Strasse  ist  die  Gestadestrasse  nach  Nimburg,  deren 
Spuren  noch  in  den  Wiesen  nachzuweisen  sind. 

Eine  so  wichtige  Fabrikstadt  erforderte  fiir  ilire  Erzeugnisse  Ab- 
aatzquellen  und  Verbindungswege,  für  die  jedoch  diejenigen  in  der 
,  Richtung  nach  Malterdiugen  und  Breisach  genügen  durften. 

Man  weiss,  dass  die  grossen  Töpfereien  in  Rheinzabern  mit  ihren 
Fabrikaten  ganz  Untergerraanien  versahen '),  ebenso  dürfte  Riegel  die- 
selben bis  in  die  Schweiz  und  in  das  rätische  Gebiet  hinein  versandt 
haben. 

Unser  Weg  nach  Breisach  führte  über  Endingen,  Königschaf- 
hausen über  Bischoflingeu,  wo  eine  Abzweigung  nach  Burkheini  statt 
fand,  nacli  Oberrothweil,  von  da  über  den  Vorberg  nach  Achkarren, 
und  in  der  Nähe  des  Bazenhäusle  über  die  faule  Waag,  welche  da- 
mals den  Hauptstrom  des  Rheinlaufes  anfnabm. 

Die  genaue  Lage  des  Römerweges  ist  hier  nicht  sicher  genug 
nachzuweisen,  um  den  Rheinübergang  festzustellen. 

Wir  zweifeln,  ob  damals  das  zwischen  der  faulen  Waag  und  dem 
jetzigen  Rheinlauf  liegende  höhere  Gestade  fQr  die  Anlage  einer  Ver- 
bindung von  Burkheim  nach  Breisacb  benützt  werden  konnte. 

31. 

Weg  TOD  türoBskMibB  (Cambete)  Heerstr.  I  Aber  Neuenbnrgr  naeli  Baden* 

wetler  (AqnM). 

Ein  so  bedeutender  Erholungsort,  wie  das  römische  Bad  zu  Ba- 
dcDweiler*),  bedingt  daselbst  eine  ansehnliche  römische  Bevölkerung 
von  Handwerksleuten  und  Gewerbetreibenden,  deren  Wohnungen  aller- 
dings nur  leicht  gebaut  zu  sein  brauchten.  Wahrscheinlich  standen  nur 
nir  deu  Sommeraufenthalt  bestimmte  leichte  Barracken  hier,  da  sowohl 
In  Badenweiler  als  in  dem  nahen  Oberweiler  keine  Mauerreste  bekannt 
sind,  die  auf  römische  Villen  schliessen  lassen. 


1)  Id  Bonn  nnd  Jülich  wurden  auch  röm.  Töpferöfen  Dachgewieaeo.  D.  R. 

3)  Die  Badeorte  mit  Thermen,  woeu  Badeaweiler  gehört,  hieaKD  bei  den 
Römern  Aquae,  TAbrend  mtn  unter  Balneum  daa  lum  Baden  eingerichtete  Ge- 
büude  Teratand. 


Das  römische  Strasscnuotz  in  den  Zebntlanden.  87 

Dr.  Leibnitz,  Leipzig  1856,  gibt  ein  klares  Bild  dieses  römischen 
in  seinem  Grandriss  noch  gut  erhaltenen  Bades,  dessen  Gebäude  67  m 
lang  und  30  m  breit  war.  Wie  solche  Bauten  seit  der  Zci'störung  im 
4.  Jahrhundert  in  Schutt  und  Vegetation  versanken  und  dem  Auge 
entzogen  wurden,  zeigt  das  Höinerbad  in  Badenweiler,  das  erst  1784 
entdeckt  und  ausgegraben  wurde. 

Wo  die  Burg  steht,  war  eine  römische  Warte.  Von  Grosskerabs 
zog  die  römische  Heeretrasse  bis  gegen  Homburg,  wo  Budeuheim  auf 
ein  hohes  Alter  schliessen  liisst,  und  wo  die  beiderseitigen  Ilochgestade 
einen  guten  Rheinübergang  gestatteten.  Das  Budenheim  gegenüber- 
liegende Steinenstadt  ist  sehr  alt  und  der  hochliegende  Weg  gegen 
Neuenburg  zu  wird  heute  noch  als  Römerweg  bezeichnet.  Das  Bad 
in  Badenweiler  erreichte  man  damals  vom  Thal  aus,  in  welchem  Mühl- 
heim liegt.  Auch  hier  ist  die  Erforschung  der  Römerpfude  noch  nicht 
als  abgeschlossen  zu  betrachten  i). 

32. 

Weg  von  Argentoratnm  fiber  Oberkirch  durch  das  Renchthal  über  Freuden- 
Stadt  nach  der  Station  Aris  flavis  der  Consnlarstrassc  III. 

Freudenstadt  und  der  Kniebis  waren  jedenfalls  ihrer  Lage  nach 
den  frühesten  Einwohnern  des  Landes  bekannte  Orte,  auch  führt 
Paulus  von  der  Consularstrasse  bei  Aris  tlavis  aus  eine  römische  Weg- 
verbindung zu  dieser  Uöhenplatte.  Es  ist  den  Umständen  nach  als 
sicher  anzunehmen,  dass  die  Römer  von  hier  aus  einen  Saumpfad  in 
das  Renchthal  hinunter  nach  Oppeuau  und  von  da  nach  dem  grossen 
verschanzten  Lager  in  Strassburg  unterhielten,  der  früher  auch  schon 
von  den  Kelten  benützt  wurde. 

Derselbe  ging  von  Freudenstadt  über  den  Finkenberg,  auf  der 
höchsten  Höhe  bis  zum  Kniebis  und  dem  Rossbühl,  und  folgte 
von  hier  dem  jetzt  noch  bestehenden,  steil  abfallenden  alten  Wege  bis 
Oppenau,  von  wo  der  Saumpfad  bis  Oberkirch  und  Appenweier  in  der 
Thalsohle  lag. 

Diese  Verbindung  mit  Strassburg  hatte  dieselbe  Bedeutung  wie 
jene  von  Waldmössingen  über  das  sog.  Schäuzle  in  das  Kinzigthal  oder 
die  folgende  von  Villingcn  über  den  Turner  nach  Zarten  im  Dreisam- 
thal.  Es  waren  alte  von  den  ersten  Bewohnern  dieser  Gegend  begangene 

1)  Auf  dorn  Stockberg,  uebeu  dorn  Blauen,  siud  Spureu  eines  altgerm, 
Bingwalles. 


t 


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es  Das  römische  StruMnoeti  in  den  Zehntluiden. 

Saumpfade,  welche  die  Römer  ebenfalls  zum  directen  Verkehr  von  den 
Stationen  der  grossen  Consularstrasse  zu  den  befestigten  Lagern  an 
dem  Obern  gallischen  Kheinnfers  benutzten. 

Immerhin  müssen  solche,  das  Strassennetz  ergänzende  Communi- 
kationen  erwähnt  werden,  und  sind  dieselben  auch  in  der  ange- 
schlossenen Karte  als  von  den  Römern  gebrauchte  Wege  eingetragen. 

Eine  Abzweigung  dieser  Strasse  ging  von  Freudenstadt  über 
Besenfeld,  Urnagold  am  Hohlo  vorbei  nach  Gernsbach,  sie  ist  bekannt 
unter  dem  Namen  „alte  Weinstrasse"  und  ebenfalls  in  der  Karte  vüq 
Paulus  angedeutet.  Bei  Urnagold  vereinigte  sieb  diese  mit  der  auf 
dem  Höhenrücken  zwischen  denr.Euz-  und  Nagoldthal  von  Pforzheim 
führenden  Strasse. 

Diese  hochgelegenen  Kulturflächen  mit  den  Äualänfern  in  das 
Nagoldthal  waren  später  die  ersten  Ansiedlungsstätten  der  Gaugrafen 
von  Calw,  dereu  flerrschaft  sich  bis  zum  Rhein  ausdehnte. 

33. 

Vieg  von  Argentorntnni  (Strassbnrg)  ilarcb  Aas  KJnxl^thal  inm  sog. 
ScIiBntilo  nach  WRldmössin^en  au  dor  ConäularstraHse  I. 

Der  Anfang  des  Kinzigthales  zeichnet  eich  durch  einige  sehr  be- 
acbtcnswcrtbc  llömcrfundc  aus;  man  fand  bei  Offenburg  eiiftn  römi- 
schen Grabstein  und  einen  Meilenzeiger,  in  Gengenbach  und  Htthlen* 
bach  (Seitenthal  der  Kinzjg)  römische  Altäre'),  der  Diana  Abnoba 
geweiht.  Belege  genug,  daas  auch  dieses  grosse  Schwarzwaldthal  der 
römischen  Kultur  zugänglich  gemacht  war*}. 

Auf  der  entgegengesetzten  Seite  von  Osten  her  hat  Herr  von 
Paulus  eine  Römerstrasse  bis  zum  sog.  Schänzle  auf  der  Hochebene 
bei  Schiltach  in  der  Karte  eingetragen;  hier  wurde  ein  der  Göttin 
Abnoba  geweihter  Altar  aufgefunden  (siehe  Geschichte  von  Stalin 
No.  48). 

Dieser  Weg  zum  Schänzle  schliesst  sich  weiter  rückwärts  in  Wald- 
mössingen  an  die  grosse  Consularstrasse  Windisch-Regensburg  an,  wo 
mehrere  römische  Niederlassungen  durch  Ausgrabungen  nachge- 
wiesen sind. 


1)  Siehe  über  diese  Funde  Wieland's  Beiträge  cor  Geschichte  Badens 
S.  145  u.  168. 

3}  Id  PrioilBRch  bei  Biberach  führt  Trenkle  (siebe  Qeechichte  der  Schwan- 
wäliier  Industrie  8.  905)  den  Bergbau  bis  is  .die  Römerteit  bioauf. 


Das  römisobe  Strassennelz  in  don  Zehntlanden.  89 

Es  UDterlicgt  keinem  Zweifel,  dass  während  einer  200jährigen 
Kulturepoche  die  Römer  von  hier  aus  eine  Verbindung  durch  das 
Kinzigthal  mit  dem  Hauptwaffenplatz  Strassburg  unterhielten. 

In  der  Nähe  von  Strassburg  wird  der  Ort  Marien  (Marls  legio) 
als  ein  Hauptübergang  über  den  Rhein  für  die  Gonsularstrasse  nach 
Steinbach  und  Baden  bezeichnet  (s.  Mone  Zeitschrift  IV). 

Die  jetzige  gerade  Strasse  von  Goldscheuer  oder  Marien  durch 
den  sog.  Gottswald  ist  1793  erbaut,  es  mag  aber  zur  Römerzeit  ein 
Weg  über  Weier  und  Bühl  nach  Offenburg  und  in  das  Kinzigthal  ge- 
fuhrt haben. 

Nach  Herrn  Director  Baer's  Erläuterungen  (S.  172  seines  Werkes), 
wurde  der  Meilenzeiger  vor  dem  Schwabenthor  in  Offenburg  an  der 
Strasse  nach  Gengenbach  gefunden.  Hicher  passt  aber  die  Leugen- 
anzahl XXII  nicht  ganz,  indem  ca.  3  Leugen  fehlen. 

Uebrigens  ist  der  Fundort  eines  Denkmals  nicht  immer  der  an- 
fängliche Standort,  wie  wir  dies  bei  den  Leugensäulen  in  Baden,  und 
bei  jenen,  welche  von  Ellmendingen  und  Nöttingen  nach  Karlsruhe  ge- 
bracht worden  sind,  gesehen  haben. 

G engen bach  ist  der  nächste  Ort  an  der  Kinzlgthalerstrasse,  wo 
eine  Jupitersäule  mit  der  Postamentaufschrift 

I.O.M. 
BAIBIVS.BABIIQ. 
FILII  SUI. 

aufgefunden  wurde. 

Dem  Kinzigthal  folgend  treffen  wir  bei  Haslach  in  einem  kleinen 
Seitenthal  den  Ort  Mühlenbach,  der  durch  die  Auffindung  eines,  der 
Göttin  Diana  Abnoba  geweihten  Gedenksteines  bekannt  ist. 

Er  kam  1786  bei  einer  üeberschwemmung  zu  Tag  und  rührt 
vom  Jahr  159.  Es  ist  sehr  zweifelhaft  ob  er  auch  hier  errichtet  wurde, 
oder  vielmehr  später  vielleicht  von  Haslach  aus  .'Wehin  verschleppt 
wurde.  Schnars  (Schwarzwaldführer)  glaubt,  es  habe  eine  Römer- 
strasse aus  dem  Breisgau  durch  dieses  Thal  geführt. 

Haslach  an  der  Oeffnung  zweier  Seitenthäler  in  das  Kinzig- 
thal ist  eine  altzähringische  Besitzung  und  dürfte  hier  eine  römische 
Niederlassung  gewesen  sein. 

Von  hier  nach  Hausach,  wo  das  Gutachthal  einmündet,  lag  der 
Römerweg  in  der  Thalebene  bis  Schiltach,  da  die  Führung  eines 
Weges  auf  die  steil  abfallenden  Höhenrücken  sehr  erschwert  war. 


90  Du  römiwlie  SlnwcnnetE  in  den  Zebotlendeii. 

Uebcr  den  Bestand  dieser  Wegstrecke  fehlen  aus  jcucr  Zeit  die 
Anhaltspunkte. 

Schiltatli  hingegen  müssen  wir  als  den  Punkt  aunehmen,  wo 
sich  die  römische  Wegvorhindiiiig  von  dem  Castnim  auf  dem  Schiinzle, 
welches  durch  Ausgrabungen  von  Paulus  als  solches  uachgewiesen  ist, 
wieder  in  die  Tlialebene  zog. 

Die  Steige  aufwärts  zum  früheren  sog.  Zollhaus  zeigt  noch  eine 
alt«  SteinpHosterung  nach  rOniischer  Art  und  veriuittclte  im  Mittel- 
alter den  Ilauiitverkehr  von  der  Hochebene  bei  Aichhalden  und  Wald- 
inOssingen  in  das  Kiuziglhal. 

84. 

Der  Woj;  im  «bcru  Itbclntbnl  läiigg  dem  Hocligestade  rou  Marien  Sber 
Vijhl  nHch  Burkhclm. 

Auf  dem  Hochgestade  des  rechten  Rheinufers  sind  auch  von  Kehl 
aufwärts  zahlreiche  keltische  Niederlassungen  nachgewiesen,  die  unter 
sich  Verbindungswege  hatten,  welche  später  von  den  Römern  benutzt 
wurden. 

Ein  Hiui|itü bergan^  über  den  Rhein  war  bei  Marien,  von  da  aus 
berührte  der  fragliche  Weg  die  jetzigen  Ortschaften  Altenbcini,  Dun- 
denheim,  Ichcnheim,  Nonnenwcier,  Wittenweier,  Kappel,  Rust,  Weiss- 
weil,  Wyhl,  Sasbach  und  zog  nach  Burkheim. 

Nach  den  ersten  Einfällen  der  Römer  zog  sich  die  keltische 
Bevölkerung  gerne  auf  dieses  Ilochgestade  zurück,  welches  von  den 
Armen  des  Rheines  oft  eingeschlossen  einen  sichern  Zufluchtsort  ge- 
währte. 

Später  als  diese  Einwohner  mit  den  Römern  friedlich  verkehrten 
und  ihren  Arbeiten  beistanden,  wurden  auch  die  vorhandenen  Vcrbiu- 
dungswege  von  den  Römern  benutzt  und  verbessert. 

35. 

Weg  von  Brelsaeli  (Moos  Brlsiacns)  nacb  Znrten  (Tarodaanm)  und  tob  da 

Ober  Uecbgtrus  zur  Heeritnsse  III  bei  Villlagen,  oder  von  Hoclutrass  Bber 

den  Höchst  uacb  HDHngeii. 

Die  gesicherte  Lage  der  eine  Stunde  vom  Eaiserstublgebirgc  in 
die  fruchtbare  und  breite  Thalebeue  des  Oberrheins  vorgeschobenen 
FelserhehuDg  toq  Breisacb  lässt  mit  Sicherheit  aDoehmen,  dass  dieser 


Das  römische  Strassennotz  in  den  Zebnilauden.  91 

Ort  schon  vor  der  Besitznahme  durch  die  Römer  von  Kelten  und 
Galliern  bewohnt  war. 

FQr  die  Römer  war  der  Mons  Brisiacus,  wie  sie  tlen  Berg 
nannten,  von  grosser  strategischer  Bedeutung  und  sie  befestigten  den- 
selben, und  legten  daselbst  eine  Niederlassung  an. 

Es  ist  bekannt,  dass  Kaiser  Yalentiniau  und  seine  Nachfolger 
Valens  und  Gratian  daselbst  wohnten  und  dass  ei*äterer  von  hier  aus 
(368)  Befehle  und  Gesetze  ergehen  liess,  die  im  Theodos.  Codex  ent- 
halten sind. 

Bald  nachher  fiel  diese  Feste  in  die  Hände  der  Alemannen,  welche 
hier  die  römische  Kultur  von  Grund  aus  zerstörten. 

NachMone,  Bd.  I  S.  196  seiuer  Urgeschichte  des  Landes,  stammt 
der  Radbninnen,  der  von  der  Höhe  des  Berges  bis  zur  Tiefe  des 
Rheinniveaus  abgeteuft  ist,  von  den  Römern. 

Die  Felsen  von  Breisach  mit  Ekartsberg  und  Usenberg  lagen 
zur  Römerzeit  auf  der  linken  Seite  des  Rheines,  der  unterhalb  Hoch- 
stetten  der  westlichen  Seite  des  Kaiscrstuhles  zufloss  und  bei  Burkheim 
den  mittleren  Rheinlauf  wieder  gewann. 

Die  Verbindung  einer  so  wichtigen  Colonic  wie  Breisach  mit  den 
benachbarten  römischen  Niederlassungen  niusste  durch  Strassenverbin- 
duDgen  gesichert  werden. 

Rückwärts  lag  in  nächster  Nähe  die  grosse  römische  Heerstrasse 
I  von  Basel  nach  Strassburg. 

Im  Zebntland  lagen  am  Nordende  des  Kaiserstuhlgebirges  die 
grossen  Ziegeleien  und  Töpfereien  von  Riegel,  am  Ausgang  des  £lz- 
und  Dreisamthaies  die  römischen  Niederlassungen  jetzt  Mauracher 
Hof  und  Wiehre  bei  Freiburg,  auch  die  sonnigen  Schwarzwald- Vor- 
hfigel  von  da  aufwäits  bis  Basel  waren  von  den  Ureinwohnern  und 
theilweise  auch  von  Römern  bewohnt. 

Die  schönen  Bäder  von  Baden weiler  waren  schon  damals  der 
Mittelpunkt  der  körperlichen  und  geistigen  Erholung  für  die  in  den 
benachbarten  Niederlassungen  wohnenden  Römer. 

Man  muss  von  Breisach  aus  3  römische  Verbindungswege  an  den 
Oberrhein  annehmen.  Der  eine  nach  Riegel,  der  zweite  aufwärts  am 
Hochgestade  hin  nach  Neuenburg  und  der  fragliche  zunächst  über  den 
Tuniberg  nach  der  Wiehre  bei  Freiburg  führende. 

Ob  die  Römer  den  Verkehr  über  den  Rhein  zum  Hochgestade 
bei  Hochstetten  mittelst  einer  stehenden  Brücke  oder  mittelst  Kähnen 
vermittelten,  ist  nicht  zu  entscheiden. 


92  Du  römiiohe  Strwaenneti  iu  den  Zebntluideii. 

Von  da  lässt  sich  die  weitere  Verbindung  über  die  Giindlingcr 
Gemarkung  zum  Tuuiberg  nicht  ganz  sicher  bestimmen.  Es  ist  zu 
vermuthen,  dass  dieser  Berg  zur  Römerzeit  zwischen  den  Orten  Mtir- 
dingen  und  Opfingen  überschritten  wurde;  da  von  dort  der  älteste  Weg 
nach  Freiburg  durch  den  Romanswald,  am  Hunnenbuck  vorbei, 
längs  des  Landwassergi'abeiis,  llaslach  zu  zog. 

Von  Wiebrc  fehlen  römische  Funde,  aber  soviel  ist  gewiss,  dass 
hier  der  Verbindungsweg  nach  Zarten,  dem  kelträch-römischen  Taro- 
dunum,  zu  suchen  ist '). 

Den  Schlossberg  in  Freiburg  zierte  schon  zu  llömerzeiten  eine 
Hochwarte,  die  mit  dem  KaiserstuW,  Breisach  und  Heckltngen  siguali- 
sirte.  Nach  Schreiber's  Geschichte  der  Stadt  Freiburg  im  Breisgau 
I.  10,  sind  im  Jahr  1819  bei  Abgrabungen,  auf  der  sog.  Ludwigshöhe 
des  Freiburger  Schlossborges,  Theile  eines  römischen  Mosaikbodens  zu 
Tage  gefördert  worden,  welche  schlieasen  lassen,  dass  mit  der  Warte 
auch  sonstige  Gebäude  verbunden  waren. 

Von  Wiehre  aus  blieb  der  römische  Weg  auf  der  linken  Seite 
der  Dreisam  in  der  Richtong  der  jetzigen  directen  Strassenvcrbindung 
nach  dem  Bad  von  Littenweiler,  und  von  da  über  die  Bruggamilhle 
nach  Kirchzarten  und  der  Post  von  Burg. 

Hier  liegt  der  aus  der  Diluvialzeit  anstehende  breite  und  ebene 
Trttmmerhügel,  der  durch  die  GerSllanschwemmungen  aus  den  hier 
mündcndeu  Schwarzwaldthälcrn  entstanden  ist. 

Dieser  Schutthügel  ist  mit  fruchtbarem  Boden  bedeckt.  Seine 
Lage  dominirt  den  Eingang  in  die  Seitenthäler  und  bildet,  der  weiten 
ThalmÜnduDg  in  die  Rheinebene  zu,  eine  natürliche  Feste,  die  von  den 
tief  eingeschnittenen  Niederungen  des  HöUeubaches  und  Wagensteig- 
bftches  begrenzt  ist. 

Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  hier  schon  Kelten  und 
Gallier  eine  Ansiedlung  hatten,  uud  die  Römer  bei  der  Besitznahme 
eine  ansehnliche  Einwohnerschaft  vorfanden. 

Dies  wird  schon  in  dem  aus  dem  keltischen  stammenden  Namen 
Tarodunnm  dieser  Colonie  bestätigt,  welchen  die  Römer  beibehalten 
haben,  und  aus  welchem  später  das  Wort  Zarten  entstand. 

Bei   der,    schon  auf  der  Höbe  des  Schuttwalles   liegenden  Post 

1}  Nach  dem  röm.  Oeogrsphen  FtoUmäua  liegt  Tarodanutn  auf  L.  Grad 
48  und  Lg.  30  Grad  40  Mtnj  was  nahezu  mit  der  riohtigen  Lage  Sbereiu- 
(timmt 


Das  römische  Strassennetz  in  den  2^bntlanden.  93 

(Brandenburg)  sind  noch  Reste  von  alten  Umfassungsmauern  sichtbar. 
Die  Benennung  Burgfeld  dürfte  auf  die  Oertlichkeit  von  Taradonum 
hinweisen.  Im  übrigen  fehlen  hier  ganz  und  gar  Nachweise  von  Denk«- 
mälem  aus  der  Bömerzeit,  und  man  kann  wohl  beliaupten,  dass  dieses 
Taradonum  fQr  die  Römer  von  keiner  militärischen  Bedeutung  war. 

Von  Burg  aus  verfolgte  der  älteste  bekannte  Handelsweg  nach 
derBaar  das  Wagensteigthal  bis  zum  sog.  Herren dobel,  und  erstieg 
hier  hinter  dem  Schulhaus  und  bei  der  Kapelle  von  Wagensteig  den 
hohen  Gebirgsrücken  beim  sog.  Turner. 

Hier  hält  er  sich  auf  dieser  Hochebene,  die  durch  eine  pracht- 
volle Rundschau,  namentlich  in  der  Richtung  des  Rheinthaies,  bekannt 
ist  und  folgt  in  der  Gemarkung  Hochstrass  der  Wasserscheide  des 
Elz  und  Wutachgebietes.  Die  nicht  ferne  sog.  Kalte  Herberge  ist 
eine  alte  Poststation  an  dieser  Handelsstrasse,  die  nun  bald  den 
GebifiBikamm  verlässt  und  sich  sodann  durch  das  Urachthal  nach  Ham- 
mereisenbach und  Bregenbach  im  Donaugebiet  zieht. 

Bis  nach  der  Kalten  Herberge  fallt  der  keltische  Weg  mit  dieser 
alten  Handelsstrasse  zusammen,  die  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  den 
Grundsätzen  der  Führung  eines  Weges  jener  Zeit  entspricht.  Nicht 
aus  Furcht  vor  Ueberfällen  bleiben  sich  die  Kelten  und  Römer  mit 
ihrer  Strassentra^e  auf  den  hohen  Bergrücken  gehalten,  sondern  weil 
die  Passage  durch  die  Thäler  damals  nicht  durchzuführen  war  und  die 
Verbindungswege  auf  den  Höhen  durch  Elementarereignisse  am  we- 
nigsten beschädigt  werden  konnten.  Für  den  keltisch-römischen  Saum- 
pfad verfolgen  wir  daher  von  der  Kalten  Herberge  an  noch  eine  Strecke 
weit  die  Wasserscheide  von  Rhein  und  Donau,  und  lenken  rechts  auf 
den  Höhenrücken  zwischen  dem  Urach-  und  Linachthal  ein,  da  zur 
Römerzeit  ein  Durchgang  durch  die  bewaldeten  von  reissenden  Bächen 
durchströmten  Thalgründe  nicht  denkbar  ist. 

Vom  sog.  Kohlwasen  an  sind  in  der  Banngrenze  der  beiden 
Thalgemeinden  noch  die  Spuren  eines  alten  Weges  in  dem  bestehen- 
den Waldpfad  erhalten.  Im  Mittelalter  wurde  der  Handelsweg  nach 
Hammereisenbach  dem  Urachthal  entlang  geführt.  Vor  der  Ruine 
FOrstenberg  senkt  sich  dieser  Weg  rasch  von  der  sog.  Streiche  hin- 
unter zum  Yereinigungspujikt  der  Urach  mit  der  Breg,  bei  der  jetzigen 
Ruine  Neufürstenberg. 

Von  hier  aus  zog  sich  der  Weg  wieder  steil  hinauf  zur  sog^  Warte 
bei  Herzogenweiler,  und  finden  wir  dort,  dem  Höhenzug  bis  zur  alten 
Strasse  von  Yöhrenbach  her  folgend,  bis  Villingen  wieder  Anhaltspunkte 


l 


w 


94  Das  römitche  StrawenDOtE  in  den  ZebntluideD. 

genug,  dass  diese  Strasse  auf  keltisch -römischer  Grundiage  ruht,  wie 
die  Gewannhenenniingen  Hüncrbiähl,  Haidcnbilhl,  Geistmoos  etc.  in  der 
Nälie  von  Villingen.  ~  Der  nahe  Wartenberg  dürfte  eine  romische 
Rpecula  getragen  haben.  In  der  Nähe  ist  ein  künstlicher  Hügel,  dessen 
Abgrabung  keltische  Grabstätten  ergeben  dürfte.  Jenseits  der  Breg, 
eine  Stunde  von  hier  entfernt,  vor  Schwenningcn  sind  wir  an  der  sog. 
Hohen  Strasse  oder  an  der  römischen  Consularstrasse  von  Win- 
disch nach  Regensburg  angelangt. 

Vöhrenbach  war  eine  keltische  Niederlassung,  die  jedenfalls 
auch  in  Verbindung  mit  Villingen  stand,  das  vielleicht  schon  damals 
einen  Hof  hatte,  aber  eret  im  XII.  Jahrhundert  von  den  Herzögen 
von  Zähringen  die  Stadtbefestigung  erhielt. 

F.ine  andere  Abzweigung  dieses  sehr  alten  Verbindungsweges 
vom  Breisgau  in  die  Baar  dürfen  wir  hier  nicht  vergessen,  weil  sie 
zu  sehr  den  Charakter  jener  ältesten  Tracirung  trägt,  die  sich  auf  kel- 
tischen Ursprung  zurückfuhren  lasst,  und  jetzt  noch  grossentheils  als 
Wald-  und  Feldweg  erhalten  ist.  Beim  Fernhof  verlassen  wir  die 
Richtung  nach  Villingen  und  verfolgen  bis  zum  sog.  Höchst  die  son- 
nige und  offene  Wasserscheide  des  Donau-  und  Rheingebietes  auf  dem 
noch  benutzten  Wege;  dieser  durchschneidet  oberhalb  Eisenbach  die 
jetzige  Landstrasse,  und  zieht  sich  nun  auf  dem  Rücken  zwischen  dem 
Brändbach-  und  Bruderbach-Thal,  bis  zur  Vereinigung  derselben,  ober- 
halb Bräunlingcn,  in  oft  sehr  langen  geraden  Richtungen  fort.  Von 
Bräunungen  ging  der  W^  nach  der  römischen  Station  Hflfingen. 

Zwischen  Ober-  und  Unterbränd  finden  wir  einen  Hof,  der  Hei- 
denloch heisst.  —  Bei  Waldhausen  im  Brändbachthälchen  fand  der 
frühere  fürstlich  farstenbergische  Strassenmeister  Maier  Keltengräber 
und«  Reste  von  Wohnstätten  aas  der  vorrömischen  Zeit. 


Ton  dem  Veg  88  du-ch  das  Elnilgthal  bei  Haalach  oder  ßiiUeh  ttber 
Bonibeiv,  Trlber^  nnd  das  MSssle  nacb  der  HeeratrasBe  III  bei  TlUlBgen. 

Paulus  hat  diese  Wegverblndung  in  seiner  römischen  Strassen- 
karte  angedeutet.  Wir  dürfen  wohl  annehmen,  dass  schon  die  in  der 
fruchtbaren  und  gonnigen  Thalerweiterung  der  Donauzuflüsse  bei  Vil- 
lingen und  HöÜDgen  wohnenden  Kelten  über  die  beherrschenden  Hö- 
henpnnkte  des  Schwarzwaldes  eine  directe  Verbindung  durch  das  Gut- 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  95 

achthal  mit  dem  Rheinthal  suchten,  und  dass  auch  die  Römer  diesen 
Verbindungsweg  von  ihrer  Station  in  Rottweill  nach  dem  befestigten 
Lager  in  Strassburg  benutzten.  Von  Gutach  her  fehlen  allerdings  die 
Anhaltungspunkte  zur  Annahme  eines  römischen  Weges;  mit  Ausnahme 
des  in  Mühlenbach  bei  Haslach  gefundenen  Altarsteines,  haben  wir 
bis  Triberg  weder  Funde  noch  Mauerreste  von  den  Römerzeiten  her 
zu  verzeichnen. 

Wenn  wir  Althornberg  im  Auge  behalten  und  Mühlenbach  als  eine 
rumische  Niederlassung  constatirt  ist,  so  ist  die  Verbindung  von  hier 
über  die  Grub  und  die  Hirschlache  eher  anzunehmen,  als  durch  das 
Gutachthal. 

Der  Kesselberg  mit  den  vielen  aus  den  Heidenzeiten  Übernommenen 
Benennungen  seiner  Umgebung,  bleibt  der  Durchgangspunkt  dieser 
Wegverbindung.  Derselbe  kann  auch  von  der  Ilirschlache  aus,  auf  der 
dominirenden  Höhe  zwischen  dem  Prechthal  und  Gutachthal  über  das 
schöne  Bühl  und  Hintergrub  über  Triberg  erreicht  worden  sein,  wo 
jetzt  noch  Verbindungswege  bestehen,  die  auf  alt(?n  Ursprung  schlies- 
sen  lassen. 

.  In  diesem  Fall  müssten  wir  Alt-Hornberg,  als  zu  dieser  Wegver- 
bindung gehörig,  fallen  lassen. 

Von  Triberg  zieht  ein  alter  Weg  über  den  Mosenberg  zum  Hoch- 
gericht beim  Kesselberg.  Dieser  Ort  ist  durch  seine  Lage  und  die 
sich  an  ihn  knüpfenden  Erinnerungen  bekannt. 

In  nächster  Nähe  finden  wir  einen  „Galgenhof ',  einen  „Heiden- 
stein" etc.,  -Namensbeziehungen  der  urältesten  Zeit. 

Der  Weg  vom  Kesselberg  nach  dem  Mööslewirthshaus  und  von 
da  auf  dem  Höhenrücken  zwischen  dem  Kirnachthal  und  dem  Stock- 
waldthal nach  dem  Salvest,  bei  der  jetzigen  Burg  Kiiiieck,  wo  die 
Spuren  einer  regelrecht  gepflasterten  Steige  in  das  Brigachthal  noch 
sichtbar  sind,  ist  bekannt. 

In  dem  Kapitel  über  den  Oberbau  der  römischen  Strassen  ist 
diese  Pflasterung  genauer  beschrieben. 

Noch  im  Mittelalter  war  dieser  auf  keltisch-römischer  Grundlage 
ruhende  Höhenweg  von  Villingen  bis  Triberg  und  von  da  in  das  Kin- 
zigthal  von  grosser  Bedeutung  und  hat  sich  derselbe  jetzt  noch  als 
Wald*  und  Feldweg  an  den  meisten  Stellen,  namentlich  in  den  höchsten 
Lagen,  erhalten. 


I 


4fl  Doa  römiKhc  Struaenneta  in  den  Zehntlanden. 

tl'i>n|lt   «•■«Hill  •l|l.   U%Ht    >«).' 

.,  „" -,,.,..     ,     .  .,.,,.  37. 

Der  Weg  Ton  ilpr  rechten  Rheinseite  hei  Basel  Uher  Silcklngen,   Waldshnt 
elc.  Knr  Station  Teuedoue  der  Ilecrslrosse  III. 

Die  Kaiaeraiigst  gegenüber  liegende ,  dem  Süden  zugekehrt«, 
fruchtbare  Thiilseite  des  Rheines  bcniit/ten  die  Riimer  zur  Anlage  von 
Gehöften  und  kleineren  Niederlassungen.  —  Das  Volk  spricht  hier  häu- 
fig von  einer  untergegangenen  Stadt,  die  sich  von  Ilertchcn  bis  Warm- 
bach, der  Stadt  Rheinfelden  gegenüber,  erstreckt  haben  soll.  In  der 
That  sind  es  Fundamente  zahlreicher  römischer  Gebänlichkeiten,  welche 
die  Veranlassung  zu  diesem  Gerücht  gegeben  haben. 

Beim  Eisenbahnbau  von  Basel  nach  Waldshut  wurden  bei  Warm- 
bach die  Fundamente  eines  Tempdts  aufgedeckt  und  dabei  Stücke  eines 
Bronzefriesses  aufgefunden,  die  wahrscheinlich  zu  den  Eingangsthüren 
gehörten.  Kine  genaue  Untersuchung  dieser  reichen  Fundstätte  von  Seiten 
des  Groash.  Conservators  in  Karlsruhe  steht  in  Aussicht.  Bei  Nieder- 
schwörstadt,  14  km  aufwärts  von  Hertlien,  heisst  die  Stelle  am  Ab- 
hang eines  Berges  Ileidentempel,  und  findet  sich  hier  noch  die  ca. 
3  m  breite  2,7  m  hohe  mit  einem  Loch  versehene  Vorderwand  (eine 
grosse  Kalksteinplatte)  vor.  Auch  bei  Obersäckingen  ca.  l'/»km  rhein- 
aufwärts  der  Stadt  Säckingen  (Sanctio  der  Römer),  ist  durch  das  Auf- 
finden von Ziegelfragmcnten  eine  römische  Niederlassung  nachgewiesen'). 

Schreiber  führt  S.  266  seines  Taschenbuches  in  dieser  Gegend 
noch  mehrere  Oertlichkeiten,  wie  Heidenschmiede,  Heidenwuhr,  Hei- 
dentritt etc.  an,  die  er  auf  vorröraische  Zeit  zurückführt*). 

Bei  Waldshut  auf  dem  Wege  nach  Gurtweil  hinter  dem  Kalva- 
rienberg  ist  in  den  40er  Jahren  das,  in  den  Wiesen  des  Thälchens  her- 
vortretende, mit  Gebflsch  bewachsene,  Gemäuer  untersucht  worden,  und 
haben  sich  dabei  die  Fundamente  mit  Hypocaustum  einer  römischen 
Villa  vorgefunden.  Ebenso  bringt  die  Umgegend  der  Orte  Gurtweil 
und  Tbiengen  an  einzelnen  Stellen  Reste  von  römischem  Gemäuer,  und 
Ziegelfragmenten. 


1)  Der  Alemann enfaret  Vadomar  Khlag  hier  eine  römigche  Heereaabthei- 
Inng  aoter  Anfllbrang  de«  Libino,  die  in  den  Orient  ziehen  tollte,  er  wurde 
ip&ter  von  Kaiaer  Jalian  in  Angat  gefangen  genommen.  (Siehe  lieft  IV  Jahrg. 
III  S  243  der  wQrtt.  Hefte  für  Landeageachiohte.) 

2)  Aucb  lehrte  von  der  Wehra  oberhalb  Säckingen  eine  YerBOhancung  gen. 
Lkudhag  aaf  den  Höhen  fort  bis  in  die  Gegund  des  hochgelegonen  Berau. 


Das  römisohe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  97 

Auch  hier  liegen  diese  Trümmer,  die  wohl  zu  friedlichen  römi- 
schen Gehöften  gehörten,  in  stillen  abgelegenen  Seitenthälchen,  entfernt 
von  dem  römischen  Verbindungsweg,  der  in  der  Hauptsache  mit  der 
jetzigen  Landstrasse  zusammentrifft. 

Die  zahlreichen,  aus  den  ältesten  Zeiten  stammenden  Orts-  und 
Flnrbenennungen,  welche  allenthalben  in  dieser  Gegend  vorkommen,  be- 
weisen, dass  dieselbe  schon  vor  der  Eömerzeit  von  den  Kelten  bewohnt 
war.  Von  Thiengen  ging  dieser  Verbindungsweg  über  das  Zeigried, 
wo  ein  alter  Weg  noch  Landsvogtweg  heisst,  nach  der  Wutach  ober- 
halb Oberlauchringen  und  zog  sich  nach  deren  Ueberschreitung  auf 
den  Galgenbuck,  in  der  Nähe  der  Station  Tenedone  (Heidegger  Hof). 

38. 

Weg  von  Tenedone  (Heidegger  Hof)  Aber  Instetteo^  Thaingen,  Hilzingeui 
Hohenhöwen,   Aach,  Stockach  naeh  dem  befestigten  Lager  bei  MessUrch* 

Der  Küssenberg,  dem  Heidegger  Hof  gegenüber  (zwischen  bei- 
den liegt  das  Schwarzbachthal),  hatte  eine  römische  Warte,  die  das 
ganze  obere  Khein-  und  untere  Aarthal  bis  Vindonissa  beherrschte; 
in  nächster  Nähe  heisst  die  gegen  Norden  zu  gekehrte  Halde  der  Berg- 
wand Heidenstadt.  Diese  Stätte  soll  übrigens  den  Namen  von  der 
dort  befindlichen  alten  Waldlichtung  haben,  die  ihren  Grund  in  einer 
Steinschuttablagerung  hat. 

Mit  einer  römischen  Wohnstättc  lässt  sich  diese  Oertlichkeit  nicht 
vereinbaren;  hingegen  zog  in  uralten  Zeiten  auf  dem  Höhenrücken  von 
dem  Küssenberg  ein  Weg  bis  Instetten,  welcher  Ort  noch  1059  Hei- 
denstadt genannt  wurde. 

Eine  kleine  Stunde  davon,  am  Eingang  einer  Halbinsel,  die  der 
tief  eingeschnittene  Bhein  bildet,  finden  wir  den  Ort  Altenburg,  wo 
die  Römer  unter  Julian  die  Verschanzungen  der  Alemannen  durch- 
brachen und  sie  zurücktrieben. 

Ammian  Marcellin  beschreibt  dieses  Treffen. 

Die  Verschanzungen  sind  noch  als  verwachsene  Erderhöhungen 
sichtbar,  und  wurden  auf  den  Feldern  eine  Menge  römische  Pfeile, 
Münzen  etc.  aufgefunden.  In  Schaff  hausen,  wohin  sich  der  Weg  von 
Altenburg  aus  zog,  war  der  Munot  eine  römische  Specula. 

Von  hier  aus  gewann  der  keltisch -römische  Verbindungsweg  die 
sog.  hohe  Wacht  bei  Gönnersbrunn,  wo  keltische  Gräber  aufgedeckt 
wurden,  und  führte  von  da  über  den  Roggenbuck  nach  Thaingen,  so- 

7 


BS  Dm  rönÜMhe  Sb-useunetz  in  d«n  ZahntUnden. 

dann  Ober  den  Buchberg,  am  Hohenatoffeln  vorbei,  Aber  Weiterdingen 
zur  DietiUrter  Mahle,  wo  die  Aach  Übergangen  wurde.  Von  hier  ans 
zieht  sich  der  älteste  Weg  über  Aach  und  Eigettingen,  letzteres 
bekannt  als  Fundort  eines  sehr  schönen  und  gut  erhaltenen  Altars 
fjetzt  in  der  Karlsruher  Alterthumstuüle),  nach  Nenzingen  und  Stock- 
ach. Eine  Anzahl  von  Flurbenennangen  wie  der  Bömerberg  bei  Hitzin- 
gen, ebenso  die  Namen  Hocbgesträss,  Heerweg  etc.  bestätigen  das 
Vorbandensein  froherer  keltisch,- romischer  Wegverbindongen  in  der 
G^;end  um  Tbaingen  und  Hitzingen. 

Bei  Oraingen,  1  Std.  von  Eigeltingen,  sUess  man  auf  römische 
Maaem  und  fand  rdmische  Waffen. 

Auch  die  Gegend  bei  der  Homburg  ist  bekannt  durch  Funde  von 
römischen  Antikagüeii.  itie  Hteileuburc  bei  Stockadi  ddrfli.'  eine 
römische  Warte  getragen  haben,  die  inii  den  Signalpunliteu  der  He- 
gauer Kuppen  in  Verbindung  stand,  und  nach  rüiikwärts  die  Sicherheit 
der  im  Thal  sich  kreuzenden  Verkehrswej^e  deckte. 

Die  alte  Landätrasse  von  da  zum  Galgenesch,  an  Ursaul  und  Burg- 
thal vorbei,  über  Zoznegg  nach  Krumbach,  ruht  auf  keltisch- römischer 
Grundlage.  Am  sog.  Hölzic  vorbei  zog  sie  uach  dem  befestigten  Lager 
bei  Messkirch. 


Der  W^  von  i.d  Pinea  (Pffn)  nach  Burg  (Tugetlnn)  und  von  d«  nach 
8tns«ii. 

Burg  gegenüber  Stein  am  Rhein  (jetzt  schweizerisch)  hat  sich 
den  neuem  Ausgrabungen  gemäss  (siehe  deren  Beschreibung  im  Ö. 
Jahrgang  der  Züricher  Alterthumsvereinsschrift  v.  Jahr  1876  von  Prof, 
Mililer)  als  eine  ausgedehnte  römische  Niederlassung,  die  sich  bis 
Eschenz  ausdehnte,  erwiesen.  Ein  Stein,  nach  dessen  Inschrift  die 
Vicani  der  Gemeinde  Tasgetium  das  Bad  (Balneum)  wieder  herstellen, 
wurde  hei  den  Aufdeckungen  dieses  Gebäudes  bei  Eschenz  aufgefunden. 
—  Auch  stand  bei  Burg  ein  römisches  Castell,  das  den  Rheindurchgang 
und  den  Uebergang  zu  decken  bestimmt  war. 

Oberhalb  Burg  soll  eine  stehende  römische  Jochbrücke,  deren  Pfähle 
bei  kleinem  Wasserstand  noch  sichtbar  sind,  auf  die  Insel  Wörtb  und 
von  da  nach  dem  jenseitigen  Dfer  geführt  haben.  Auf  dem  nahen 
Hohenklingenstanddiezur  Bewachung  derNiederlassung  gehörige  Specula. 

Von  Stein  führte  wohl  ein  Verbindungsweg  nach  Singen  und 
weiter  zum  Weg  38,  nach  Stockach  über  Steislingea  und  Orsingen. 


Das  römische  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  99 

Dass  das  Gastell  in  Constantia  durch  einen  direkten  Weg  mit 
Pfyn  verbunden  war,  unterliegt  keinem  Zweifel. 

40. 

Weg  Yon  Stoekach  nach  Tuttlingen* 

Die  jetzige  Landstrasse  über  die  Anhöhen  bei  Mahlspüren  nach 
Liptingen  und  Tuttlingen  ruht  ganz  auf  keltisch -römischer  Grundlage 
und  trägt  vollständig  das  Gepräge  einer  Weganlage  dieser  Culturepoche. 
Auch  weisen  namentlich  bei  Liptingen  die  Flurbenennungen  wie  Hoch- 
strass  etc.  auf  römische  Strassenanlagen  und  Niederlassungen  hin.  Lip- 
tingen ist  bei  Weg  42  erwähnt.  Hier  warf  die  österr.  Armee  un- 
ter Erzherzog  Karl  die  Franzosen  unter  Moreau  zurttck,  der  durch  das 
Einfallthor  bei  Messkirch  nach  dem  Süden  Deutschlands  vordringen 
wollte. 

41. 
Ton  der  DonaithalttraMe  YUI  bei  Kranehenwies  nach  PfUlendorf. 

Die  beherrschenden  Höhen  von  PfuUendorl  bis  Heiligenberg  waren 
zu  den  Römerzeiten  von  Kelten  bewohnt  und  zog  der  damalige  Ver- 
bindungsweg über  den  Stelnert  und  die  kleine  Esch  nach  Pfullendorf. 
Eine  Sage  führt  die  Gründung  der  Stadt  auf  Julius  Caesar  zurück. 
Die  Umgegend  zeigt  auch  hier  manche  Spuren  der  Bömerherrschaft 
in  Strassenüberresten  und  bei  Ausgrabungen.  Das  schöne  Cohortenzeichen, 
jetzt  in  der  Karlsruher  Alterthumshalle^  wurde  in  den  50er  Jahren 
hier  aufgefunden  (Abbildung  v.  Baier,  siehe  Doppelheft  des  bad.  Alter- 
thumsvereins  für  1854  u.  55). 

42. 
Tom  Uohenranden  an  der  Heerstrasse  III  Aber  Liptingen  nach  Messkirch, 

Paulus  hat  diesen  Weg  in  sein  römisches  Strassennetz  ebenfalls 
aufgenommen.  Diese  Verbindung  hält  die  ziemlich  hohe  Wasserscheide 
zwischen  dem  Donau-  und  Bheingebiet  ein  und  durchzieht  den  kür- 
zesten und  nach  allen  Richtungen  freiesten  Weg  zwischen  der  Heer- 
strasse in  und  dem  befestigten  Standlager  bei  Messkirch  an  der 
Donauthalstrasse,  die  wir  in  Hüfingen  beginnen  Hessen,  und  unter  VIII 
beschrieben  liaben. 

Der  vorliegende  von  den  Römern  in  der  Richtung  nach  Messkirch 


100  Das  römische  Straasennetz  in  den  Zehntlanden. 

zuerst  aufgeschlossene  und  unterhaltene  Verbindungsweg  begann  auf 
dem  Hohenranden  beim  RubLs,  wo  jetzt  noch  ein  Weg  nach  Kom- 
mingen abgeht,  dem  er  folgte.  Von  da  hielt  er  die  Höhe  über  das 
sog.  hohe  Eck  zwischen  den  Orten  Leipferdingen  und  Wotterdingen 
ein  und  folgte  über  die  sog.  Tafel,  an  dem  Orte  Stetten  (am  Fusse 
des  Neuhewen)  vorbei,  bis  zur  Engener  Höhe,  dem  jetzt  noch  beste- 
henden Feldwege.  Auch  von  der  Engener  Höhe  über  Mauenheim  bis 
Hattingen  ruht  der  bestehende  Verbindungsweg  auf  römisch-keltischer 
Grundlage.  Von  hier  aus  deckt  dieselbe  die  Landstrasse  bis  zum 
Wirthshaus  oberhalb  Emmingen  ab  Egg  und  geht  von  da  über  Lip- 
tingen  und  den  sog.  Edenstetter  Hof  bei  Oberschwandorf  zur  Strasse 
Vni,  in  der  Nähe  des  befestigten  Lagers  bei  Mosskirch. 

Der  Ort  Liptingen  war  der  Knotenpunkt  für  den  Verbindungs- 
weg 40  von  Stockach  nach  Tuttlingen,  und  einer  Strasse  nach  Müll- 
heim an  der  Donau.  (Siehe  Karte  von  Paulus.)  Als  römische  Nieder- 
lassung ist  der  erstere  Ort  durch  Ausgrabungen  und  Funde  bestätigt. 

Eine  Stunde  abseits,  südlich  der  Strasse,  liegt  der  Venushof; 
man  kann  annehmen,  dass  an  diesem)  hochgelegenen  schönen  Aussichts- 
punkte zur  Bömerzeit  ein  der  Venus  geweihter  Tempel  stand,  wie  auf 
dem  Römerberg  bei  Dietlingen,  abseits  der  Strasse  VU.  Vom  Hohen- 
randen ans  weisen  zahlreiche  eigenthümliche  Flurbenennungen,  neben 
diesem  Wege,  auf  den  vorchristlichen  Bestand  desselben  hin. 

AmFuss  des Neuhewener  oder  sog.  Stettener  Schlosses  wurde 
vor  einiger  Zeit  ein  noch  gut  erhaltenes  römisches  Klappmesser  ge- 
funden, das  sich  jetzt  im  Besitz  des  Bürgermeister  Maier  von  Walds- 
httt  befindet  Die  Wichtigkeit  dieser  Wegverbmdung  wird  durch  die 
theilweisen  Aufdeckungen  der  gepflasterten  römischen  Fahrbahn  und 
einzelne  Funde  bekundet.  Die  Gonstruktion  dieser  3—3,5  m  breiten 
Pflasterung  ist  dieselbe  wie  bei  dem  römischen  Strässchen  bei  Langen- 
hard  an  der  Strasse  die  von  Dietfurt,  Vilsingen  über  Kreenheinstetten 
und  Leibertingen  nach  Tuttlingen  zog,  also  den  rechtsseitigen  Höhen- 
rücken neben  der  Donau  einhielt. 

Den  vielen  Aufdeckungen  von  römischen  Kunststrassen  in  dieser 
Gegend  zu  Folge,  muss  in  dem  Castell  von  Messkirch  ein  reges  Leben 
geherrscht  haben,  und  wird  die  Besatzung  desselben  ausser  zu  Schanz- 
arbeiten auch  zur  Verbesserung  der  Wegverbindungen  in  der  Umgegend 
herangezogen  worden  sein. 


s 


:* 


Dm  römiiohe  Sirasseniieiz  in  den  Zehntlanden.  101 


43. 


^ 


Die  Wege  Yon  Meersbnrg  naeh  Rarensbnrgr  «nd  ▼on  Messktreli  naeli 

Pfullendorf 

sind  in  der  Karte  von  Paulus  als  römische  Strassenanlagen  eingetragen. 

Die  Erstere  geht  Ober  Ittendorf,  Bergheim  (Markdorf  zur  Seite 
lassend)  nach  Stadel  und  von  da  Über  Bavendorf  nach  Ravensburg. 
Wir  fdhren  dieselbe  nur  hier  an,  ohne  nachweisen  zu  können,  dass  sie 
schon  zu  den  Römerzeiten  eine  Strasse  von  Bedeutung  war.  Die  sehr 
alten  Orte  Meersburg,  Ittendorf  etc.,  sowie  darauf  bezügliche  Flurbe- 
nennungen lassen  diess  allerdings  vermuthen. 

Die  Strasse  von  Messkirch  nach  Pfullendorf  über  Wald  hat 
die  Merkmale  einer  sehr  alten  Strasse,  und  waren  die  schönen  Höhen- 
punkte beim  jetzigen  Heiligenberg  den  Römern  gewiss  bekannt. 

Bei  Otterswang  fand  ein  Pfullendorfer  Bürger  das  schöne  Legi- 
ouszeichen,  jetzt  eine  der  schönsten  Zierden  der  Karlsruher  Alterthums- 
halle,  im  freien  Felde. 


••*. 


c)  Muthmassliche  Saumpfade  keltischen  Ursprunges. 

• 

In  der  Seegegend  und  auf  dem  südlichen  Abhang  des  Schwarz- 
waldes finden  wir  manche  Wege,  welche  sich  auf  sehr  alten  Ursprung 
zurückführen  lassen,  aber  trotzdem  in  das  obenangeführte  Strassennetz 
nicht  eingereiht  werden  dürfen,  weil  sie  zur  Römerzeit  kaum  die  Be- 
deutung von  Saumpfaden  erreichten,  z.  B.  der  Weg  von  Stühlingen  über 
Manchen,  Uehtingen  und  Hürrlingen  nach  Grafenhausen,  wo  eine 
keltische  Niederlassung  nachgewiesen  ist.  Auch  von  Behla  an  der 
Heerstrasse  HI  wird  die  Verbindung  über  Haussen  an  Döggingen  vor- 
bei nach  Löffingen  sogar  bis  Neustadt  auf  keltischen  Ursprung  zu- 
rückgeführt. 

Bei  Döggingen  finden  wir  in  der  Richtung  nach  der  Kapelle  bei  der 
Eulenmühle  die  Spuren  einer  Römerstrasse  im  topographischen  Atlas 
eingezeichnet;  diese  müsste  über  Dittishaussen  nach  Röthenbach  ge- 
führt haben,  wenn  sie  nicht  der  jetzt  bestehenden  alten  Landstrasse 
an  der  ehemaligen  Post  vorbei  nach  Löffingen  und  von  da  über  Rö- 
thenbach nach  Neustadt  folgte. 

Das  Auffinden  einer  gepflasterten  Steige  wie  bei  Döggingen  be- 


102  Dai  römiiche  Ettratsenuetz  in  den  Zehntlnadoo. 

rechtigt  noch  keineswegs  zur  Annahme  des  römischen  Ursprunges,  da 
man  auch  im  Mittelalter  solche,  fortwährenden  Auswaschungen  unter- 
worfene Abfahrten  im  lehmigen  Boden  mit  Steinplatten  belegte. 

Dieser  Verbindungsweg  hat  im  Mittelalter  von  Hüfingen  (Iber 
Neustadt  uud  von  da  ilber  Breitenau  und  den  Turner  nach  Freiburg 
einen  ansehnlichen  Verkehr  vermittelt,  und  wird  die  fragliche  Abpflas- 
terung  in  diese  Zeit  zurückgeführt  werden  müssen. 

Vom  Mauracher  Hof  aus  wird  ein  Verbindungsweg  durch  das 
Glotterthal,  Ober  St.  Peter  und  St.  Märgen,  nach  dem  Turner  und 
Hochstrasse  an  der  Strasse  35  auf  keltischen  Ursprung  zurflckgeführt. 
Ebenso  hatte  der  Dünkelsberg  am  Oberrhein  bei  Basel  von  Rheinfelden 
aus  seine  Saumpfade  zu  den  keltischen  Niederlassungen. 

Die  günstige  Lage  dieses  Berges  berechtigt  zur  Annahme,  dass 
hier  einige  keltische  Niederlassungen')  bestanden  haben,  welche  durch 
Saumpfade  verbunden  waren. 

Im  Unterland  sind  ebenso  zahlreiche  Saumpfade  in  die  früheste 
Zeit  zurückzuführen,  von  welchen  ich  noch  anführe:  den  Weg  von 
Freiersbach  im  Kenchthal,  am  Gauschberg  vorbei,  in  das  Wildschappach- 
thal,  an  dessen  Ausgang  in  das  Wolfachthal  ein  Castell  gestanden 
haben  soll;  eine  Annahme,  welche  der  dort  in  das  Thal  hineinragende 
Bergvorsprung  mit  altem  Gemäuer  zu  rechtfertigen  scheint.  Von  hier  " 
soll  sich  dieser  Weg  nach  dem  Ort  Sulz  uod  durch  eine  Einsattlung, 
die  heute  Doch  das  Thor  heisst,  über  Kaltbrunn  in  das  Kinzigthal  fort- 
gesetzt haben,  wo  die  Verbindung  mit  der  Strasse  38  bei  Schiltach 
bewerkstelligt  wurde. 

Die  Römer  werden  schwerlich  bis  in  diese  Gegend  voi^edrungen 
sein,  aber  im  frühen  Mittelalter  war  dieselbe  namentlich  zwischen  dem 
Kinzigthal  und  Wolfacb  schon  sehr  bekannt,  sowohl  durch  den  hier  be- 
triebenen Bergbau  als  durch  das  alte  Kloster  Wittichen,  so  dass  auch 
hier  manche  Verbindungswege  auf  frühe  Zeiten  zurückgeführt  werden 
können. 

Der  sog.  Königstrassen  vom  Kaienberg  in  der  Gemarkung 
Herbolzheim  und  von  Nnrdweil  bei  Kenzingen  zum  Hünersedel,  so  be- 
merkenswerth  durch  ihre  Benennung  und  ihre  Richtung,  haben  wir 
bei  Beschreibung  der  Strasse  83  gedacht;  der  Name  Königstrasse 
muBs  damals  eine  eigene  Bedeutung  gehabt  haben.    Im  Grossherzogl. 


1}  Ueber  die  Spuren  der  keltiiohen  AnnedlungeD  in  Bkden  aiehe  Hone 
Urgeichiohte  Bd.  II. 


Dal  rdmiiehe  Strassennetz  in  den  Zehntlanden.  108 

Hofdomänenwald  bei  Karlsruhe  sind  die  Spuren  einer  alten  Strasse, 
die  wahrscheinlich  im  Mittelalter  von  Durlach  direct  nach  Speier  zog, 
unter  dem  Namen  Königstrasse  bekannt;  sie  durchschneidet  den 
jetzigen  Park  in  diagonaler  Richtung  und  der  erhöhte  Strassendamm 
derselben  ist  an  einigen  Stellen  noch  zu  erkennen. 

Von  Freudenstadt  aus  besteht  auf  dem  rechtsseitigen  Höhenrücken 
des  Murgthales  ein  Saumpfad,  der  sich  bei  Gernsbach  in  die  Thalebene 
senkt;  es  ist  dies  der  Höhenweg  über  den  Hohenlohe  und  die  Teufels- 
mflhl,  jetzt  noch  unter  dem  Namen  Weinstrasse  bekannt. 

Diese  Bezeichnung  führt  auch  die  auf  der  Wasserscheide  zwischen 
dem  Enz-  und  Nagoldthal  führende  Strasse  von  Pforzheim  über  Salm- 
bach und  Schöhberg  nach  Altensteig,  wie  noch  andre  ähnlich  liegende 
dieser  Gegend,  weil  auf  denselben,  ehe  die  Thäler  dem  Verkehr  ge- 
öffnet waren,  die  Weintransporte  stattfanden. 

Auch  bei  Pforzheim  wären  noch  manche  Wege  dieser  Art  nach- 
zuholen, die  keltisch-römischen  Ursprungs  sein  dürften. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen  und  auch  durch  die  Forschungen  und 
die  Ausgrabungen  von  Paulus  bestätigt,  dass  die  Hochebene  bei  Wald- 
mössingen,  über  welche  die  grosse  Heerstrasse  von  Windisch  nach 
Regensburg  zog,  viele  römische  Ansiedlungen  hatte,  und  dass  von  dort 
aus  schon  zur  Römerzeit  Verbindungspfade  den  Höhenrücken  folgten 
und  sich  in  die  Thäler  des  Kinziggebietes  fortsetzten. 

Zu  diesen  kann  man  den  alten  Weg  von  Waldmössingen  über 
Sulgen  nach  Schramberg  und  von  da  über  die  Benzebene  nach  der 
Sommerau  und  bis  zum  Kesselberg  rechnen.  Zwischen  Langenschiltach 
und  den  Seitenthälern  der  Gutach  führt  dieser  Weg  heute  noch  den 
Namen  Hochstrasse.  Die  Althornburg  auf  einem  Ausläufer  der 
Benzebene,  mit  weitester  Fernsicht  in  die  Rheinebene,  ist  als  eine  der 
ältesten  deutschen  Burganlagen  zu  betrachten,  die  Besitzer  derselben 
zogen  erst  im  13.  Jahrhundert  in  das  Gutachthal  wo  sie  das  jetzige 
Schloss  Homberg  gründeten. 

Von  Kesselberg  aus,  dem  höchsten  Punkt  dieses  Theiles  des 
Schwarzwaldes  ist  gegen  Villingen  und  durch  das  Gutachthal  der  Weg 
36  als  römisch-keltischer  Verbindungsweg  vorgezeichnet;  es  dürften 
aber  auch  schon  in  den  frühesten  Zeiten  Saumpfade  von  dem  ge- 
nannten Berg,  1)  westlich  in  die  Rheinebene  über  die  Heidburg  nach 
dem  Hühnersedel  und  2)  südlich  über  die  Brend  nach  der  Kalten- 
herberge  zum  Anscbluss  an  die  Strasse  35,  die  nach  Zarten  führt, 
bestanden  haben, 


•n 


104  Du  rSmiiohe  StrataenneU  ia  den  Zabntlanden. 

Nachtt^Uch  wird  DOch  bemerkt,  dasB  von  den  rein  keltischeo 
Wohnstättea  keine  bemerkenewerthen  Banreste  mebr  vorhanden  sein 
können,  da  sie  nnr  in  Holz-  oder  Lehmhatten  bestanden,  die  nicht  ein- 
mal einen  steinemeD  Unterbau  hatten.  Die  vielen  Giiberatätten  in- 
dessen, die  den  Kelten  zugeschrieben  werden  mflssen,  beweisen,  dass 
ihre  Wohnsitze  im  Zehntlande  ziemlich  verbreitet  waren,  und  sich  na- 
mentlich da  vorfinden,  wo  auch  die  Kömer  ihre  Stationen  und  fried- 
lichen KiederlasBungen  gründeten.  Es  ist  nicht  denkbar,  dass  die  Römer 
nach  dem  Abzug  der  Germanen  oder  zur  Zeit  der  Besetzung  der  Zehnt- 
lande dasselbe  so  menschenleer  fänden,  wie  wir  es  in  vielen  Geschichts- 
büchern auseinander  gesetzt  finden. 

Die  keltische  Bevölkerung,  weiche  schui  Jahrhonderte  vor  den 
ersten  Invasionen  der  germanischen  Stämme  anter  Ariovist  im  Zehnt- 
lande ansässig  war,  verliess  ihre  Wohnsitze  nicht  während  der  Besitz- 
ergreifung derselben  durch  die  Römer.  Es  ist  als  sicher  anzunehmen, 
dass  ein  grosser  Theil  der  jetzigen  Schvarzwaldbevolkerung,  nameat- 
lich  in  den  abgelegenen  Tiiäiern  und  Anhöhfin  liieses  Gebirges,  ebenso 
in  den  Dörfern  der  Rheinebene,  die  auf  den  durch  die  Wasserlfiufo 
der  Landniederuugen  gebildeten  Lilandcn  liegen,  wohin  die  Alemannen 
und  Friiuken  nicht  gedrungen  sind,  von  rein  iieltischer  Abstammung  sind. 

Der  Unterschied  in  den  Typen  und  Charakteren  dieser  Einwohner 
von  denen  in  den  Städten  und  den  Adeligen  unseres  Landes,  welche 
den  alemannischen,  namentlich  suevischen  Stämmen  angehören,  ist 
heute  noch  nicht  verwischt,  und  es  liesse  sich  hierüber  noch  manches 
Interessante  anführen,  was  jedoch  jetzt,  als  nicht  hieber  gehörig,  unter- 
bleiben soll. 

Die  Eigenliebe  der  Römer  ertaubte  wohl  nicht  dies  Zugeständniss, 
dass  ihre  Arbeiten,  namentlich  ihre  Lieferungen  und  Verproviantirungen 
von  den  Kelten,  als  den  früher  schon  ansässigen  Bewohnern  der  Zehnt- 
lande unterstützt  und  gehoben  wurden. 

Karlsruhe.  J.  Naeher. 


Das  römische  Strassenneiz  in  don  Zehntlanden.  105 


Inhalts-VerzeicbDiss 

der  einzelnen  Strassenzüge. 


Seite 

a)  Die  Milit&rstrassen. 

I.    Von  Äugusta  Rauraoorum  (Äugst)  über  Strassburg  nach  Main/    .     .  13 

II.    Von  Äugst  nach  Vindonissa 18 

III.  Von  Vindonissa  nach  Regnnsburg 19 

IV.  Von  Vindonissa  nach  Augsburg 31 

V.    Von  Ad  Lunain  (Pfahlbronn  am  Grenzwall)  nach  Augsburg    ...  33 

VI.     Von  Speier  nach  Canstatt  und  nach  Lauingen  an  der  Donau  ...  83 

VII.     Von  Strassburg  nach  Canstatt 89 

VIII.    Von  Julio  Mago  (Uüfingen)  über  Messkirch  der  Donau  entlang  nach 

Regensburg .*....  51 

IX.    Von  Worms  nach  Ladenburg  und  Heidelberg  nach  Speier  ....  54 
X.    Vom  Castell  am  Grenzwall  bei  Osterburken  nach  Schlossau  und  von 

da  nach  Odemburg  (Mümmlingslinie) 58 

XI.    Zur  Verbindung  der  Castelle  längs    des  Grenzwalles  (Limes   trans- 

rhenanus)  von  Pfahlbronn  bis  zum  Main 60 

b)  Die  römisch-keltischen  Verbindungswege.  62 

12.  Von  Worms  über  Weinheim  nach  dem  Castell  Eulbach  an  der  Mümm- 

lingslinie   .' 62 

13.  Von  Heidelberg  nach  Neckarelz  und  von  da  zum  Grenzwall  bei  Ostcr^ 

burken 63 

14.  Vom  Castell  Neckarburken  zum  Castell  Osterburken 66 

15.  Von  Eberbach  über  Mudau  nach  dem  Grenzwall  bei  Walldurrn     .    .  66 

15  a.  Von  Mudau  nach  Amorbach  und  Castell  Miltenberg 67 

15  b.  Von  Neckarburken  über  Sattelbach  nach  Schlossau 69 

16.  Von  Darmstadt  längs  des  Gebirges  nach  Ettlingen 70 

17.  Von  Speier  über  Wiesloch  und  Sinsheim  nach  Wimpfen 71 

18.  Von  Sinsheim  nach  Böokingen  74 

19.  Von  Wimpfen  über  Möckmühl  nach  dem  Grenzwall  bei  Osterburken .  75 

20.  Von  Wimpfen  über  Neuenstadt  nach  Oehringen 75 

21.  Von  Neuenstadt  nach  Oberschefflenz 76 

22  u.  23.    Von  Heideisheim  über  Hilsbach  nach  Sinsheim  und   von  Men- 

zingen  über  Eppingen  nach  Riechen 76 

24.  Von  Eümbach  über  Böckingen  nach  Oehringen 78 

25.  Von  Sternenfels  durch  das  Zabergäu  nach  Lauffen  und  von  da  an  den 

Grenzwall  bei  Castell  Mainhart  . 78 


Du  römiMhe  Struwoiiatc  in  den  ZahDtluideD. 


26.    Ton  BroohMl  nach  Liensingen 79 

37  a  and  b.    Terbindangifroge  bei  Ffonbeim 79 

28.    Ton  Bockenheim  auf  dem  HochgMUde  naoh  Sohwarzacb ^0 

39.    Von  Baden  Aber  Offenburg,  Freibnrg  nacb  Batel  (Bergitraase) .     .     .  80 

BO.    Ton  Malterdinfren  über  Biegel  naeb  Breiiaob 85 

31.    Ton  OroMkeroba  Utah  Badesweilar S6 

83.    Ton  Straaabnrg   durch  daa  Baoohthal   nach  der  Station  Aria  Flavia 

der  Conialantr.  III 87 

33.    Tod  Straatburg  daroh  daa  Einrigthal  nach  Waldmöaaingen  (ConaoUr- 

atraaae  II!) 88 

U.    Tom  Hoohgaiiade  bei  Harlan  nacb  Burkheim 90 

86.    Ton  Braiaach  Ober  Zarten  cur  ConBahntr.  III  bei  Villingen     ...  90 

86.  Ton  HMlaoh  Aber  dat  MöMle  mr  Consukrstr.  111 94 

87.  Ton  Basel  [rechtaaeitig  daa  Rheines)   über  Säckiogen   und  Waldahat 

naoh  der  Station  Tenedone  der  Coneularstr.  III 96 

38.  Ton  Tenedone  nach  Heukirdi 87 

39.  Von  Pfjn  oHch  Singen 98 

40.  Von  Slookach  nach  Tuttlingen 99 

41.  Von  Krauchenwiea  uach  Pfulletidorf 99 

43.     Vom  Hohenranden  nscb  Meeskircb 99 

48.    Von  Meeraborg  naoh  Ravansburg 101 

c)  Huthmaesliche  Saumpfade  koltiiofaen  UrBprungi.  101 


Claans  germuiioa  pU  fidelis.  107 


2.  Clatsis  germanica  pia  fidelis. 


Zu  der  Frage  über  die  römischen  Flotten  auf  Maas  und  Rhein, 
welche  auch  die  Jahrbücher  schon  wiederholt  beschäftigte,  hat  unser  ver- 
ehrtes Mitglied  Herr  Schuermans  unlängst  eine  Abhandlung  im 
Bull,  des  Ck)mm.  roy.  d'art  et  d'archeologie  geschrieben,  welche  durch 
die  in  diesen  Jahrbüchern  H.  LXVI  S.  78  f.  publicirte  Inschrift  eine 
nicht  unwichtige  Erweiterung  erfahren  hat.  Ein  Hinweis  auf  den  In- 
halt der  Abhandlung  des  Herrn  Schuermans  dürfte  manchem  Leser 
der  Jahrbücher,  dem  die  belgischen  Publicationen  nicht  zugänglich 
sind,  willkommen  sein.  Herr  Schuermans  knüpft  an  eine  Ziegel- 
platte an,  welche  zu  Rumpst  am  Ruppel  (Scheide)  gefunden  wurde 
und  die  Stempelinschrift  C.  G.  P.  F.  trägt ;  es  wird  dann  das  Vor- 
kommen gleicher  oder  doch  ganz  ähnlich  lautender  Stempelinschriften 
zu  Aachen,  Britten  (od.  Katwyck),  Köln,  Nymwegen,  Voorburg,  Weis- 
weUer  u.  s.  w.  nachgewiesen,  von  denen  manche  ausser  den  genannten 
Buchstaben  noch  EX-  GER-  INF  oder  LEG-  XXX  oder  CAT-  VALTF  u.  a. 
zeigen;  er  zeigt  weiter,  wie  die  obenerwähnten  Buchstaben  auch  in 
Steininschriften  vorkommen.  Gerade  die  Fundorte  sind  es,  welche  Herrn 
Schuermans  zu  der  scharfsinnigen  und  durchaus  annehmbaren  Ver- 
muthung  führen,  die  sonst  geläufige  Lesung  cohors  Germanorum  (oder 
Germanica)  pia  fidelis  sei  aus  verschiedenen  guten  Gründen  zu  ver- 
werfen, und  die  vier  Buchstaben  müssten  gelesen  werden: 

C(lassis)  G(ermanica)  P(ia)  F(idelis). 

Demnach  bezeichnen  dieselben  die  vielgenannte  Flotte  der  Römer 
in  den  Rheingegenden,  welche  einen  Theil  des  exercitus  Germaniae 
inferioris  bildete  und  ihre  Thätigkeit  nicht  auf  den  Rhein  allein,  son- 
dern ebenso  auf  das  Gebiet  der  Maas  und  Scheide,  ja  noch  weiter 
ausdehnte. 

Das  einzige  Bedenken,  welches  Herr  Schuermans  gegen  diese 
Lesung  anführt,  dass  nämlich  als  Abkürzung  des  Wortes  classis  ein 
einfaches  C  statt  des  sonst  vorkommenden  und  naturgemässeren  CL 
angenommen  werden  muss,  hat  wenig  Gewicht  Herr  Schuermans 
weist  zum  Ueberflusse  auf  eine  der  Flotteninschriften  hin,  in  welcher 
ex  casse  statt  ex  classe  steht  (C.  I.  Rh.  684);  aber  in  dieser  Inschrift 
möchte  ich  doch  lieber  nur  einen  Fehler  des  Steinmetzen  annehmen, 
der  freilich  seinen  Grund  in  einer  dialectiscben  EigentbUmlichkeit  des* 


1 


108  duni  gamtniw  pi>  fldeüa. 

selben  haben  mag;  ein  Einzelfehler  bleibt  es  aber  ebenso  gut  wie  das 
einmal  (Gud.  52,  7)  mtommende  erassis  Ramnnatiam,  so  sehr  aach 
dieser  Uebergang  des  1  in  r  dialectisch  begreiflich  ist.  Wenn  daher 
auch  immerhin  die  Natur  der  Liquida  1  hinter  c  die  Abkttrznng  des 
Wortes  elaasis  in  ein  einfaches  c  erleichtem  mochte,  so  ist  der  Grund 
fUr  diese  AbkUrüung  doch  wohl  eher  darin  za  Sachen,  dass  man  die 
4  Wörter  gleichmässig  in  je  einen  Buchstaben  abkiirzeu  wollte,  wie 
das  in  ganz  gleicher  Weise  bei  dem  so  Iiäufig  vorkomraendeu  V'  C 
für  vir  darissimus  der  Fall  iat. 

Wenn  aber  Herr  Schuermaus  eine  EotscUelduDg  f(tr  seine 
Lesung  hauptsiicblich  darin  i^ieht,  dass  die  Flotten  die  einzigen  Theile 
des  römischen  Heeres  seien,  welche  kerne  Ordnungsnuniiner  bei  ihrem 
Nameü  gehabt  hätten,  so  ist  dem  gegenüber  doch  zu  erinnern  an  eine 
ala  aug,  p.  f ,  eine  ala  coraeltauiL,  eine  ula  illyrician»,  eine  ala  parth., 
eine  ala  picentiana  (auch  picentina),  eine  ala  Valeriana,  ferner  an  eine 
cohors  aelia  praetor.,  eine  cohors  elinonia,  eine  cohors  tarantasia,  eine 
cohors  vigil.  Roumn.,  eine  cohoi'a  aelanensis,  eine  cohors  Asturum  et 
gallaecor.,  eine  cohors  tiaviana  u.  s.  w.,  endlich  an  eine  legio  claasica, 
eine  legio  hispana,  eine  legio  frctensis,  eine  legio  transrhenana. 
Nichtsdestoweniger  scheint  mir  an  der  Richtigkeit  der  Lesung  des 
Herrn  Schaermans  nicht  gezweifelt  werden  zu  können.  Die  erweiterte 
Reihe  der  Denkmäler,  mögen  sie  sich  auf  Personen  oder  auf  bauliche 
Anlagen  beziehen,  hilft  das  Bild  von  der  Bedeutung  und  der  Thatig- 
keit  der  römischen  Flotte  in  Niedergermanien  vervollständigen. 

Nachdem  Herr  Schuermaos  so  18,  vielleicht  auch  weit  mehr 
inschriftliche  Denkmäler  der  Flotte  neuerdings  zugetheilt  hat,  stellt 
er  auch  die  übrigen  Inschriften  zusammen,  welche  diesen  Truppen- 
körper betreffen. 

Es  sind  zunächst  vier  Inschriften,  in  denen  der  Name  classis 
germanica  ohne  jeden  weiteren  Beinamen  vorkommt:  C.  I.  Rh.  665 
(Andernach);  Mommsen  III  727  (Burneri  in  Thracien) ;  Ällmer, 
Inscr.  antiques  I.  p.  420  (Romagnieus  in  Frankreich);  Renier,  Inscr. 
rem.  de  l'Alg.  Nro.  4033.  (Algier).  Der  Wortlaut  der  beiden  letzten, 
weniger  allgemein  zugänglichen  ist  bei  Herrn  Schuermans: 
CLAVD-  ALBINAE  |  TIB-  CL-  ALBINI'  NAVARC-  CLAS  |  GERM-  BLIAE  | 
«■  POMPEIVS  I  PRISCIANVS  |  COIVGI  OPTIMAE  und 
DIIS-  «CAVjRiCIS  II  M  POMPONIVS- VI  i  TELLIANVS  TRIBVS  )  MILITIIS' 
PERFVNOTVS  1  P(RO)C-  AVG'  AD-  CVRAM  i  GENTl(VM)  PRAEF- 
CLAS  I  SfS-GER/AANICAE' 


Classifl  germanica  pia  fidelis.  109 

Dann  folgen  sechs  Inschriften,  in  welchen  die  classis  germanica 
die  Beinamen  pia  fidelis  führt:  C.  I.  Rh.  662  (Brohl),  684  (Bonn). 
355  (Köln),  522  (Eifelj,  OrelU-Henzen  3600  (Arles);  Winckelmanns- 
progr.  1862  p.  20,  Anm.  7  (Köln).  — 

In  einer  Inschrift  (C.  I.  Rh.  677)  (Andernach)  heisst  die  Flotte 
classis  augusta  germanica  pia  fidelis. 

Gewiss  mit  Recht  theilt  Herr  Schuermans  auch  drei  zu  Cöln 
(J.-B.  H.  V.  p.  317),  bei  Brohl  (Winckelm.-Progr.  1862  p.  16)  und 
bei  Andernach  (C.  I.  Rh.  680)  gefundene  Inschriften  der  classis  ger- 
manica zu,  wenn  schon  in  den  Inschriften  das  Wort  germanica  nicht 
ausdrücklich  beigefügt  ist. 

Auch  die  beiden  Inschriften  (C.  I.  Rh.  1301  und  1302)  aus 
Mainz,  welche  Herr  Schuermans  aufführt  und  welche  zwar  nicht  die 
Flotte  selber,  wohl  aber  einen  „signifer  leg.  XXII  pr.  p.  f.  optio  nava- 
liorum"  und  einen  „signifer  leg.  XXII  pr.  optio  navaliu(m)"  erwähnen, 
bringt  er  mit  Recht  in  Beziehung  zur  römischen  Hecresflotte,  während 
er  die  bekannte  Blussus-Inschrift  der  Handelsflotte  entschieden  zu- 
weist. Zur  Heeresflotte  gehört  dann  aber  wieder  die  Herrn  Schuer- 
mans damals  noch  nicht  bekannte,  bei  der  Marienburg  (Köln)  ge- 
fundene und  in  diesen  Jahrbüchern  (H.  LXVI  p.  78)  veröffentlichte 
Inschrift,  welche  einen  gubemator  und  einen  scriba,  beides  jedenfalls 
Flottenbeamte,  erwähnt. 

Bei  der  Frage  über  den  Beinamen  germanica  entscheidet  Herr 
Schuermans  sich  mit  vollem  Rechte  für  die  Herleitung  von  Germania 
und  nicht  von  Germanicus,  wofür  die  Hinweisung  auf  andere  römische 
Flotten  völlig  genügt.  —  Die  Beinamen  pia  fidelis  scheint  er  in  der 
Zeit  von  Traian  bis  Marc  Aurel  hinzugetreten  sein  lassen  zu  wollen; 
zuletzt  hätte  sie  noch  den  Beinamen  augusta  bekommen,  wofür  mir 
jedoch  die  Stellung  des  Beinamens  nicht  zu  sprechen  scheint. 

Die  Abhandlung  enthält  dann  noch  eine  kurze,  übersichtliche 
Geschichte  der  classis  germanica  von  den  ältesten  Zeiten  der  Römer- 
herrschaft  bis  zu  der  Zeit,  wo  das  ganze  Gebiet  der  Flotte  sich  von 
den  Römern  unabhängig  gemacht  hatte,  mit  welchem  Zeitpunkte  dann 
das  Bestehen  der  Flotte  von  selbst  sein  Ende  finden  musste. 

Zwischen  all  das  Angedeutete  eingestreut  gibt  Herr  Schuermans 
endlich  noch  eine  Fülle  von  Einzelheiten,  welche  nach  den  ver- 
schiedensten Seiten  hin  hochinteressant  sind,  und  welche  bewirken, 
dass  das  Studium  der  Abhandlung  des  Herrn  Schuermans  für  Alle, 
welche  sich  in  Zukunft  mit  der  classis  germanica  beschäftigen  werden. 


110  Deber  ein  BarbotingaflUa  d«r  diemtligen  Bammlnng  Diioh- 

nicht  bloss  nützlich,  sondern  sogar  nothwendig  sein  wird.  Dank  wird 
er  nicht  bloss  bei  diesen  finden,  sondern  bei  allen,  welche  sich  fiir 
die  dassis  gennanica  pia  fidelis  interes^ren. 

Bone. 


3.  Uaber  ein  Barbotlngenu  der  ehensügm  Saanling  Dfwta. 

Hierta  Tafel  ni.  Fig.  1. 

Der  beigegebene  Holzschnitt  stellt  in  c.  'A  der  natürlichen  Grösse 
ein  Barbotingefäss  aus  ten-a  sigillata  dar,  welches  sich  in  der  Samm- 
lung Disch  in  Köln  befand')  und  in  die  Hände  des  pariser  Kunst- 
händlers Charvet  übergegangen  ist.  Dasselbe  wurde  im  vorigen  Jahre 
bei  S,  Severin  in  Köln  gefunden  und  ist  von  vortretfliclier  Erhaltung*). 
Die  Höhe  beträgt  32'/a  cm,  der  Durchmesser  des  oberen  Randes 
IT/j  cm,  des  unteren  8  cni,  des  Bauches  bis  zu  21'/*  cm.  Letzteren 
.schmückt  eine  Keliefdarstellung  von  ITU  cm  Höhe;  über  derselben 
befindet  sich,  mit  weisser  Farbe  aufgetragen,  die  Inschrift  ESCIPE'  ET 
TRADE  SODALI  VTRES^),  welche  sich,  wie  meist  auf  den  Gefässen 
dieser  und  ähnlicher  Art,  auf  das  Trinken  bezieht  und  den  Zweck  des 
Gefässes  erkennen  lässt.  Dieselbe  setzt  3  Zecher  voraus,  deren  Einer 
dem  zunächst  sitzenden  Genossen  zuruft  und  ihm  die  Schläuche  zur 
Weiterbeförderung  an  einen  dritten  übergiebt.  Gewöhnlich  ist  in 
diesen  Inschriften  von  dem  Gefässe  selbst  die  Rede;  so  lautet  die  In- 
schrift eines  im  Bonner  Provinzialmuseum  befindlichen  Barbotinge- 
fösses*):  copo  imple;  dort  wird  dagegen  von  Schläuchen  —  der  Plural 
ist  sehr  merkwürdig !  —  gesprochen,  aus  denen  die  Zecher  offenbar 
sich  selbst  einschenken  sollen.    Escipe   für  excipe  weist  auf  späte 

1}  Nr.  2171  d«a  KtUloge«,  der  »uoh  eina  Photo^aphie  des  Qefäiaes 
enthUt. 

2)  Nur  einielae  dänne  Banken  scfaeinen  abgestosten  eu  Beiu.  Ich  gebe  die 
Beschreibung  n&ch  einer  Zeichnung,  welche  Herr  Prof.  Bus'm  Weertb  in  Datür- 
lioher  GrÖMO  hat  anfertigen  lassen. 

3)  Im  Katalog  lieit  man  „scipe  et  trade  sodali  utri" ;  der  Verfaster  des- 
Mlben  lieii  sich  durch  Ranken  t&nichen,  welche  an  der  betreffenden  Stelle  aber 
doD  Raod  der  figürlichen  Daretellaog  binüberwachMn. 

4)  Pub).  Bonner  Jahrbb.  XXI  (1854)  Taf.  1 ;  of.  S.  fi7  ff. 


üeber  ein  Barbotingefass  der  ehemaligen  Sammlang  Disch.  111 

Zeit.    Belege  far  diese  Schwächung  finden  sich  z.B.  CIL  VIII  p.  1111 
unter  S  zusammengetragen;  ein  Escitatus  bei  Brambach  825. 

Die  Figuren  der  Darstellung  sind  sehr  verunglQckt;  bald  ist  der 
Thon  zusammengeschrumpft,  bald  auseinandergeflossen,  und  es  wird 
die  Vermuthung,  welche  HeiT  Prof.  aus'm  Wecrth  mir  gegenüber 
aussprach,  dass  das  auf  das  gebrannte  Gefäss  aufgetragene  Relief  aus 
zu  nassem  Thon  bestanden  habe,  richtig  sein.  —  Von  links  her  greift 
ein  gänzlich  unbekleideter,  nur  mit  einer  Halskette  geschmückter, 
bartloser  Mann,  dessen  linker  Arm  einen  gebuckelten  Schild  zum 
Schutze  vorhält,  wie  es  scheint  mit  einem  in  2  Aeste  gespaltenen  und 
vielleicht  belaubten  Zweige  einen  ruhig  von  rechts  her  vorschreitenden 
Stier  an,  dessen  Nacken  höckerförmig  gebildet  ist  und  dessen  lang 
herabhängender  Schweif  in  einen  breiten  Büschel  ausläuft.  Links  von 
der  beschriebenen  Scene,  auf  dem  Holzschnitt  nicht  mehr  sichtbar, 
eilt  ein  nicht  ganz  sicher  zu  bestimmendes  Thier,  wahrscheinlich  ein 
Hand  oder  ein  Wolf  0,  in  raschem  Laufe  nach  links  davon  und  über 
ihm  ist  ein  Mann  dargestellt'),  in  halb  horizontaler  Stellung  —  der 
Oberkörper  ist  etwas  mehr  gesenkt  —  den  RUcken  der  Erde  zuge- 
wendet, den  rechten  (?)  Arm  etwas  erhoben,  den  anderen  oben  mit 
einer  Perlenkette  geschmückt.  Er  war  von  4em  Stiere  in  die  Luft 
geschleudert  und  wird  im  nächsten  Augenblick  auf  die  Erde  fallen.  — 
Die  einzelnen  Figuren  sind  durch  besser  gelungenes  reiches  Blätter- 
werk, welches  den  grösseren  Raum  der  Darstellung  einnimmt  und, 
wie  man  es  bei  Barbotingefässeu  gewöhnt  ist,  besonders  herzförmig 
gebildet  ist,  getrennt. 

Man  sieht  schon  aus  der  Beschreibung,  dass  die  Deutung  auf 
verschiedene  Schwierigkeiten  stösst.  Besonders  aufifallend  ist  die  Waflfe 
der  angreifenden  Figur.  Was  kann  ein  dünner  Zweig  gegen  einen 
Stier  ausrichten?  Man  könnte  auf  den  Gedanken  kommen,  dass 
auch  hier  mangelhafte  Ausführung  vorliegt  und  dass  der  fragliche 
Gegenstand  ein  Netz  sein  soll,  mit  dem  der  Stier  in  ähnlicher  Weise 
unschädlich  gemacht  wird,  wie  der  secutor  und  der  murmillo  in  der 
Arena.  Ist  diese  Vermuthung  nicht  so  vage,  als  es  den  Anschein  hat, 
so  wird  man  auch  unsere  Scene  auf  amphitheatralische  Spiele  beziehen 
müssen,  wofür  denn  auch  der  Schild  spräche.  Ein  Netz  ab  Waflfe 
eines  bestiarius  wäre  mir  neu;  dagegen  kommen  Schlingen   häufiger 


1)  AUerdings  sprieht  der  Stumpfsohwanz  det  Thitres  dagegfen. 

2)  Die  Füsse  sind  auf  der  Publikation  noch  eu  erkennen. 


113  üeber  ein  Barbotlnceftsi  der  eliemaligeii  Samnloiig  Ditoh. 

vor;  Bo  auf  einem  Glase  bei  Garrncci,  vetri  omati  di  figure  in  oro, 
Born  1864  Tfl.  34  und  auf  dem  Diptychon  des  Areobindus  bei  Gori, 
thesaar.  veteram  diptych.  ITA.  7,  jetzt  in  Zürich  (cf.  Benndorf,  An- 
tiken V.  Zur.  (Mittheilgg.  Ö.  antiquar.  Ges.  in  Z,  XVII  [1872] 
S.  138  ff.;  vergl.  auch  Wüh.  Meyer,  2  ElFenbemtafeln  in  München). 
Die  Verwendung  eines  Netzes,  welches  wir  nur  in  den  Händen  des 
Gegners  des  murmillo  und  des  secutor  ?.ü  sehen  gewohnt  sind,  für 
Thierkämpfe  wäre  nicht  wunderbarer,  als  es  die  Benutzung  eigent- 
licher Gladiatoren  als  bestiarii  ist;  ein  Gladiator  samaitischer  Armatur 
kämpft  gegen  einen  Bären  auf  dem  Mosaik  zu  Rheims  (Loriqoet, 
mosaiques  d.  ß.  Id.  VII),  ein  Thracx  gegen  einen  Löwen  auf  einem 
Uonument,  welches  in  den  memoires  d.  1.  Boci^tö  d'hist  d.  Ch&lons  s./S. 
IV  Tfl.  1  publiciert  sein  soll,  ein  eques  gegen  einen  Hirsch  auf  einem 
Graftito  iGarrucci  graff.  TU.  14,  5);  vielleicht  sind  auch  auf  einem 
canipanischen  Relief  (Museo  Campana  Tfl.  93)  —  dann  freilith  unge- 
nau —  ein  Thraex  und  2  Samnites  im  Kampf  mit  Thieren  dar- 
gestellt. — 

Uebrigens  fehlen  auf  uuserm  Gefässe  sowohl  die  Arm-  unil  Bein- 
bandagen, welche  die  bestiarii  meiittena,  als  das  sitbligaculum,  welches 
dieselben,  wie  auch  alle  Gladiatoren,  stets  tragen,  und  so  müssen  wir 
gestehen,  dass  eine  sichere  Entscheidung,  ob  ein  Thierkampf  in  der 
Arena  oder  ii>  freier  Natur  dargestellt  sei,  nicht  möglich  ist. 

Bonn.  Jonas  Paul  Meier. 


4.  Einige  wettere  Geftsse  mit  Insciiriften. 

Hierzu  Taf.  in.  Pigg:.  2  u.  S. 

In  der  Disch'schen  Sammlung  befanden  sich  noch  10  andere  rö- 
mische Thongefässe  mit  Inschriften,  von  denen  2  eingekratzt,  8  auf- 
gemalt sind.  —  Von  den  erstem  beiden  war  die  auf  einem  kleinen, 
20  cm  hoben,  doppeltgehenkelten  weissen  Thonkrug  (NV  2169d.  Cat.): 
AD  BONOS  PROCEsrsOS)  offenbar  falsch;  hingegen  die  andere  auf 
einem  ähnlichen  kleineren,  nur  12V«  cm  hoben  weissen  Tbongefäss 
(Nr.  2170  d.  Cat):  IVQVNDA  acht.  Letzteres  befindet  sich  im  Pro- 
vinzialmuseum  hierselbst 


Einige  weitere  Gefasse  mit  Insohriften.  118 

Aus  der  Categorie  der  mit  reliefartig  weiss  anfgemalten  Inschrif- 
ten versehenen,  z.uerst  in  diesen  Jahrbüchern  von  Otto  Jahn,  später 
von  Dttntzer  und  Fiedler  besonders  besprochenen  Trinkgefässe,  die 
meistens  aus  einem  schwarz  überstrichenen,  oder  besser  gefimissten 
röthlichen  Thon,  seltener  aus  Terra-Sigillata  bestehen,  ist  aus  letzter 
Gattung  durch  Grösse,  seltene  Darstellung  und  die  Eigen thümlich- 
keit  der  Inschrift  der  vorstehend  von  Dr.  Meier  publicirte  Krater 
das  bedeutendste  Stflek.  Leider  ging  er  wegen  seines  unerhörten  Prei- 
ses von  1815  M.  ms  Ausland,  in  den  Besitz  des  Kunsthändlers  Char- 
vet  in  Paris.  Neben  diesem  hervorragendsten  Terra-Sigillata-Gefass 
verdient  jedoch  auch  ein  anderes  (Nr.  2172  d.  Cat.)  eine  Abbildung, 
welches  für  363  Mark  in  den  Besitz  des  Herrn  Franz  Merkens  ge- 
langte. Es  ist,  wie  Taf.  II,  2  zeigt,  ein  dem  vorigen  ähnlicher  Misch- 
krug, dessen  Wandung  Lotosblätter  in  aufgelegter  Barbotin -Tech- 
nik umranken.  Die  am  Bande  in  weisser  Farbe  aufgemalte  Inschrift 
IMPLE  0  LADA  gehört  zu  den  seltenern.  Düntzer  hat  dieselbe  bereits 
besprochen  (Jahrb.  XLII,  S.  88)  und  mit  Recht  als  eine  Mahnung  des 
Kruges  an  den  Besitzer  Ladas,  ihn  zu  füllen,  aufgefasst.  Die  Auf- 
schrift: IMPLE  0  LADA  wiederholt  sich  noch  einmal  auf  einem  der  7 
schwarzen,  mit  weissen  Trinksprachen  versehenen  Becher  der  Disch'- 
schen  Sammlung  (Nr.  2165  d.  Cat.).  Die  Aufschriften  der  andern  (Nr. 
2159-64  d.  Cat.):  MERVM,  AVE,  VIVAS,  EME,  BIBE  sind  die  ge- 
wöhnlichen. Durch  die  in  gelber  und  weisser  Farbe  abwechselnd  auf- 
gelegten Verzierungen  verdient  der  erste,  jetzt  im  Besitz  des  Herrn 
Franz  Merkens,  hervorgehoben  zu  werden. 

Im  Bonner  Provinzialmuseum,  welches  besonders  durch  den  Er- 
werb der  Herstatt'schen  römischen  Trinkgefässe  wohl  die  reichste 
Sammlung  dieser  Categorie  der  Bheinischen  Fabrikation  vorherrschend 
angehöriger  Thonwaaren  besitzt,  befinden  sich  noch  zwei  ähnliche  mit 
Barbotinranken  verzierte  Misch -Erüge  von  Terra  -  Sigillata.  Der  eine 
im^  Jahrb.  XXI,  Taf.  I  abgebildete  und  von  Fiedler  S.  57  bespro- 
chene, hat  die  gleiche  Inschrift  COPO  IMPLE:  Wirth  schenk'  ein;  den 
andern,  bisher  unveröffentlichten,  in  der  Ursulagartenstrasse  zu  Cöln 
gefundenen,  18  cm  hohen,  zeigt  Taf.  n,  3.  Seine  Aufschrift:  SITIOS 
kommt  wiederholt  vor.  Zur  Veranschaulichung  dieser  Art  von  Terra- 
Sigillata-Mischkrügen  mit  Barbotin -Verzierung  und  weiss  aufgemalten 
Buchstaben  bilden  die  vier  hier  mitgetheilten  eine  beachtenswerthe 
Gruppe. 

In  diesem  Augenblicke  wurden  zu  Andernach   auf  dem  Martins- 

8 


^^ 


114  "  Einige  weitne  QflfiHe  mit  Iniohriften. 

berg  h  GeßoB  mit  Inscbrifien  gefunden,'  die  ich  nach  einmaliger,  tlUch- 
tiger  Ansietat  wie  folgt  yn^cbne: 

1.  Ein  Mischkrag  von  sdivarz  geHlrbtan  Thon  mit  weissen  Buch- 
staben : 

I.N.P.L.E.     M.E.t 

CO. P.O.    V.I.N.l.t 
Offenbar  ist  iNPLE  die  seltener  und  Tielleicht  ältere  Form  fllr 
IMPLE'). 

2.  Ein  Henkelkrug  von  hellrotfaem  Thon  mit  weissen  Bnchfltaben : 

A.V.E.T.E.t 
F.E.L.I.C.E.S  f 

3.  ^  roUier  Henkelkrag  mit  weissen  Bachstabeii': 

M.I.S.C.E.    M.E 

4.  Ein  kleiner  Becher  von  schwarzüm  Thon  mit  weissen  Buchstaben: 

V.I.V.A. 

5.  Ein  desgl.: 

V.I.V.A.     V.S.V.S. 
Dass  mit  diesen  Trinkgefässen  eine  Mittelerz-Münze  der  ällrrcn 
Fftustina  gefunden  wurde,  mag  füi'  die  Datirung  nicht  unwichtig  er- 
scheinen. 

Aas'm  Weerth. 


5.  Kleinere  MItthellungen  aus  dem  Provinzial-Museum  zu  Bonn, 
Erwerbungen  und  Funde. 

HierEQ  Taf.  IL 
1.  Blamenvase  und  Spiegel  aus  E9ln. 

Unter  vielen  andern  römischen  und  unter  diesen  besonders  christ- 
lichen AUerthümern,  welche  der  reichen  Begräbnissstätte  bei  S.  Severin 
in  Köln  entstammen,  und  zu  denen  ausser  der  berflbmten  im  Jahrb. 
XXXVI,  Taf.  in  abgebildeten  Disch'schen  Glaspatene  (dieselbe  gelangt« 
aus  der  Disch'schen  Nacblass -Versteigerung  unter  Nr.  1357  für  6400 
Mk.  in  das  Britische  Museum)  auch  die  vorstehend  besprochene  Ter- 
ra-Sigillata- Urne  Taf.  III,  1  gehört,  verdient  durch  die  Eigenthilm- 
licbheit  seiner  Form  besonders  ein  Blamengcfäss  aus  Thon  hervorge- 
hoben zu  werden.  Dsüselbe  wurde  im  Jahr  1862  beim  Bau  der  altem 
Kölner  OasFabrik  in  der  Rosengassc  gefunden,   gelangte  in  den  Besitz 

1)  Einmal  aach  bei  Kamp,  Äntieagliea  Nr.  164.  Man  vergl.  im  folgenden 
72.  Heft  „TrinkgefiMse  mit  iDtcbriften*  unter  den  „Sleinere  Mittheilungen  ana 
dem  Prov.-HuiOBm  ta  Bonn." 


Kleinere  Mittheilimgen  aus  d.  Prov.-Mnseom  za  Bonn,  Erwerbungen  n.  Fonde  116 

des  Directors  dieser  Anstalt,  unseres  verstorbenen  Mitgliedes  Pepys,  und 
aus  diesem  in  die  Sammlung  unseres  Yereinsmitgliedes  Herrn  F.  H.  Wolflf  in 
Goln,  welcher  auf  meinen  speziellen  Wunsch  dasOefässdemProv.-Museum 
überliess.  Wie  man  aus  der  Abbildung  auf  Taf.  11, 1  ersieht,  ist  dasselbe  ein 
Ringget'iss.  Aus  weissem,  feinem  Thon  gebildet,  besteht  es  aus  einem  18  cm 
im  Durchmesser  haltenden  Hohlringe  zur  Aufnahme  von  Wasser,  auf 
welchem  sich  drei  kleine,  9  cm  hohe  Blumenvasen  erheben.  Dieselben 
haben  die  übliche  Form  der  römischen  Trinkbecher  und  waren  unter 
sich  vollständig  gleich.  Ich  sage,  sie  waren  vollständig  gleich,  denn 
leider  wurden  im  Verlauf  der  Jahre  zwei  derselben,  wahrscheinlich 
beim  Umzug  des  früheren  Besitzers  von  Köln  nach  Boppard,  zerbrochen. 
Die  Wandungen  der  kleinen  Blumenbecher  sind  auf  dem  weissen  Grunde 
des  Thones  in  heller  braunrother  Farbe  mit  Bäumchen,  Zweigen  und 
Punkten  bemalt.  Auf  dem  Ringe,  dessen  innere  Hälfte  gerundet,  und 
dessen  äussere  dreiseitig  gebildet  ist,  befinden  sich,  und  zwar  auf  der 
äusseren  Hälfte,  in  gleicher  Bemalung  zwei  rundlaufende  Inschriften, 
von  denen  die  obere  aus  irgend  einer  Laune  des  Bemalers  punktirt 
ist.  Die  unterste  der  3  Flächen  füllt  ein  Omamentband  liegender 
Kreuze.    Die  obere  punktirte  Inschrift  lautet: 

IIX  SVPIIRIA  DONAVIT  IVSTINII 
also:   ex  superia  donavit  lustine.     Durch  die  aufstehenden  kleinen 
Vasen  ist  der  für  die  ganze  Inschrift  bestimmte  Raum  in  drei  gleiche 
Theile  getrennt,  in  welchen  die  darin  stehenden  Worte  durch  kleine 
gefiederte  Zweige  begrenzt  werden.    Die  untere  Inschrift  lautet: 

VTI  FELIX  SALVS  TIBI  DONAVIT  VIVAT  QVI  FIICIT 
Hinter  dem  Worte  FIICIT  befinden  sich  5  liegende  Kreuze  gleich  denen, 
wie  sie  im  untern  Räume  als  Ornament  erscheinen,  und  ein  kleiner 
Zweig.  Eine  Abbildung  des  Oefässes  habe  ich  zur  Zeit  für  das  Cor- 
pus Inscr.  Rhen.  hergegeben,  in  welchem  Brambach  unter  Nr.  422 
sie  aufgenommen  hat.  Die  Aufmalung  der  Zierathe  in  rother  Farbe 
trägt  den  Charakter  sehr  später  christlicher  Krüge  derselben  Fund- 
stätte, wohingegen  das  schon  in  pompejanischen  Inschriften  vorkom- 
mende il  für  E,  und  e  statt  ae  auf  frühere  Zeit  weist.  Deshalb  ist 
es  nicht  unglaubhaft,  wenn  berichtet  wird,  dass  der  unten  auf  S.  117 
zu  besprechende  Deckel  eines  Metallspicgels  mit  diesem  Blumen  ge- 
fäss  zusammen  gefunden  worden. 

An  ein  ähnliches  Binggefäss  erinnert  ein  Fragment  des  Berliner 
Antiquariums,  das  aber  zu  zerstört  ist,  um  seine  ursprüngliche  Gestalt 
mit  Sicherheit  feststellen  zu  können.    Es  besteht  aus  einem  ziemlich 


116  Elein«re  Uittheilaagen  ans  d.  PrOT.-HDieum  sn  Bonn,  Erwerbnngeii  n.  Fonds. 

grossen,  beinalie  20  cm  im  Durchmesser  haltenden  rothbraunen  Tbon- 
riag,  der  aof  seiner  Wandung  in  weisser  aufgemalter  Farbe  zwischen 
zwei  OnumentstreifeD  folgenden  Inschriftrest  zeigt: 

T//////////')///JVS  PLACEBO///nBI  .K> 
Den  Schluss  bildet  ein  Blatt  and  ein  kleiner  Vogel.  Offenbar  haben 
wir  auch  hier  eine  ähnliche  Dedicationslnschrift  vor  uns,  wie  sie  auf 
dem  Kölner  Gefass  steht.  Ansätze  von  kleinen  Vasen,  wie  sie  auf 
diesem  sich  beßndcn ,  sind  jedoch  nicht  erkennbar.  Der  gesammte 
obere  Rand  des  innem  Knges  zeigt  eine  durchgehende  Bruchääche, 
so  dass  jedenfalls  die  weitere  GefUssbildung  nach  Innen  sich  fortsetzte 
und  hier  vielleicht  zu  einer  einzigen  Mittelvase  gelangte.  —  Diese 
Gelegenheit  mdchte  passend  zur  Erwähnung  noch  einer  andern  Art 
ungenöbnlichcr  Thougcfässe  seiu,  nekbc  ich  gleichfalls  fflr  Blumen-  . 
schmück  bestimmt  erachte.  Fiedler  veröffeatlichte  aus  den  rSni-- 
sehen  Funden  von  Xanten  ein  52  cm  hohes  tburmäbnliches  Geffiss 
von  rotbem  Tbou,  dessen  Wandung  von  15  halbrunden  Oeffnungen 
durchbrochen  ist.  Rund  um  dieses  Geföss  standen  40  kleine  Becher*). 
Ein  ähnliches  Geräth  soll  sich  im  k.  k.  Antiken-Cabinet  zu  Wien  be- 
findeD.  Bezüglich  der  Zweckbestimmung  rietb  man  auf  Laternen  oder 
kleine  Oefen,  indem  man  sich  diese  durchbrochenen  Tbürme  schützend 
Ober  Eohlenfener  gestellt  dachte.  Im  Bonner  Musetmi  ist  ein  ähnliches 
Gefäss  von  weissem  Tbon,  welches  durch  das  Vorhandensein  eines 
festen  Bodens  das  Ueberstellen  auf  Feuer  ausschliesst.  Um  solches 
aber  durch  die  äusseren  Oeffnungen  einzubringen,  dazu  sind  letztere, 
wie  eine  nachfolgende  Abbildung  (Heft  72  Taf.  1, 2)  zeigt,  zu  klein.  Auch 
würde  hei  einer  solchen  Verwendung  eine  Luftzug -Oeffnung  in  der 
Spitze  nicht  fehlen  dürfen.  —  leb  bin  der  Meinung,  dass  diese  Gefässe 
die  älteste  Form  unserer  jetzigen  Jardini^ren  zeigen  und  bestimmt 
waren,  in  allen  gelassenen  Oeffnungen  eingesteckte  Blumen  aufzu- 
nehmen. Dem  Blumenschmuck  der  Gräber  sucht  man  die  möglich  längste 
Dauer  zu  geben.  Gerade  aus  dieser  Absiebt  stellte  man  in  dem  Köl- 
ner Gefäss  von  S.  Severin  die  3  kleinen  Vasen  auf  einen  mit  Wasser 
gefüllten  Bing,  damit  die  in  erstere  eingesteckten  Blumen  in  letzteren 
Wurzeln  bilden  konnten,  wie  dies  z.  B.  Vergissmeinnicbt  zu  thun 
pflegen.  Der  Einfluss  des  Wassers  im  geschlossenen  Ringe  schützt 
es  vor  Verflüchtigung.  Denkt  man  sieb  die  Thurm- Gefässe  nun  mit 
nassem  Sande  angefüllt  und  in  diesen  durch  die  gelassenen  Oeffnungen 

1)  Banm  f&r  4  Baobatebao. 

S)  Hoiibeni  Antiquarinm,  heraatg.  v.  Fiedler,  Tef.  XXXVI  u.  f. 


Kleinere  MiitheiluDgen  auB  d.  Prov. -Museum  su  BonH)  Erwerbungen  u.  Funde.  117 

Blumen  eingesteckt,  so  werden  dieselben  zum  Theil  anwachsen,  jedenfalls 
aber  von  längerer  Dauer  sein,  da  durch  seine  Einschliessung  der  nasse 
Sand  die  Feuchtigkeit  länger  als  sonst  zu  bewahren  im  Stande  ist. 
Auf  Blumenschmuck  deuten  auch  die  in  Xanten  um  das  grosse  Gefäss 
herumstehenden,  in  die  Erde  eingestellten  40  Becher,  welche  sicherlich 
Blumens(penden  für  den  Verstorbenen  aufnahmen. 

Mit  dem  Kölner  Blumengefäss  zusammen  soll  der  auf  der  gleichen 
Tafel  II  Nr.  2  in  natürlicher  Grösse  abgebildete  Deckel  eines  Metallspie- 
gels gefunden  worden  sein,  der  sich  gleichfalls  seit  Kurzem  im  Bonner 
Provinzial- Museum  befindet.  Der  Deckel  bildet  gleichsam  ein  grosses 
Medaillon,  weshalb  er  im  ersten  Augenblick  den  Eindruck  einer  Pha- 
lere  macht,  bis  der  senkrecht  nach  Innen  umgebogene  Rand  und  die 
Versilberung  der  Innenfläche  den  Zweck  des  Deckelverschlusses  und 
den  Charakter  des  Spiegels  erkennen  lassen.  Die  Mitte  der  Metall- 
Bcheibe  nimmt  die  nach  rechts  gewendete,  mit  einem  Lorbeerkranz 
geschmückte  Profilbüste  Nero's  ein,  um  welche  als  Umfassung  drei 
wellenförmig  erhöhte  Ringe  laufen.  Die  Prägung  des  Kaiserbildes  ist 
offenbar  mit  einem  guten  Münzstempel  vollzogen.  Es  giebt  uns  den 
Avers  eines  Grosserzes,  von  dem  sich  in  Ermangelung  des  Reverses 
indessen  VTeiteres  nicht  sagen  lässt. 

Die  Umschrift  lautet: 
NERO .  CLAVD .  CAESAR  .  AVQ .  GER  .  (manicus)  PM  (pontifex  maximus) 
TRP  (tribuniciae  potestatis)  IMPPP  ^). 

2.  Geräthschaften  Römischer  Aerzte. 

Zu  den  in  diesen  Jahrbüchern  bereits  publicirten  vier  Arznei- 
kästchen ')  gesellt  sich  ein  fünftes,  das  in  der  Auction  Disch  unter  Nr. 
1828  als  ein   bis  zur  Unkenntlichkeit  oxydirter  Gegenstand  für  2  M. 

1)  Bei  Fröhner  (Les  Medaillons  de  l'Empire  Romain)  kommt  diese  Um- 
Schrift  des  Nero  nicht  vor,  dagegen  mehrfach  bei  Cohen,  (Mödailles  imperiales, 
ed.  IL  Paris  1880).  Genau  dieselbe  z.  B.  Nöron  (t.  I,  p.  277),  Nr.  1,  2,  3,  9,  14 
und  öfter;  daneben  ähnliche  in  Menge. 

Es  wäre  auch  zn  bemerken,  dass  von  Trajan  ähnliche  ümfassangen  von 
GroBserzen  yorkommen,  wobei  dann  aber  auch  der  Beyers  sichtbar  bleibt;  so  bei 
Cohen,  Trajan  (t.  U,  p.  55)  Nr.  842,  abgebildet  auf  Taf.  ü.  Dies  ist  auch  ein 
GroBserz,  während  auf  Taf.  I  Nr.  296  ein  Medaillon  von  Trajan  eine  ähnliche 
Umfassung  zeigt,  nur  sind  beide  nicht  so  breit,  wie  hier  Nero.  Beide  sind  ab- 
gebildet bei  Fröhner,  (la  oolonne  Trajane  etc.  Paris  1872)  t.  I,  p.  24  a.  26.  Das 
erstere,  Cohen  342,  war  in  der  Sammlung  Mustier  und  wurde  1872  von  der 
Pariser  Sammlung  for  700  £r.  erworben. 

2)  Jahrbuch  XIY  und  LH. 


w 


r 


118  KleinwB MittheiluDgen  aaB d.  ProT.-MnMom  BUBonn,  Enrarbangm  n.  Fondo. 

20  Pf.  iUr  das  Prov.-Huseum  erworben  worde.  Nach  geschehener  Bei- 
njgang  ergab  sich  ein  Schieber-Kästchen  tod  8  cm  Länge,  i  cm  Breite 
and  2  cm  HOhe,  welches  im  inneni  Baom  durch  2  senkrechte  Hetall- 
wände  in  drei  gleiche  Fftcher  abgetheilt  ist.  Kleine  in  Chaniieren 
gehende  Klappdeckel,  w«lche  mit  zierlichen,  in  Bingen  li^enden  Griffen 
zum  Aufbeben  der  erstan  veraefaen  sind,  verschliessea  die  drei  AV 


Eine  Berandung 
eingravirter  Linien 
verziert  Deckel  und 
Boden.  Ah  eigen- 
thilmlicti  muss  noch 
bemerkt  werden, 
dass  die  vier  Seiten  des  kleinen  Arznei  kästchens  aus  Doppelwänden 
von  1  cm  Breite  bestehen,  welche  raitThon  gefüllt  waren,  voraussicht- 
lich um  durch  eine  Isolirschidit  Wärme  oder  Feuchtigkeit  von  den 
bewahrten  Substanzen  fern  zu  halten. 

Als  ein  besonders  ansprechen- 
des chirurgisches  Inatrament  daif 
die  Lanzette  anfolgender  Abbil- 
dung gelten,  welche  einem  Bon- 
ner Funde  angehört.  Die  S'/i  cm 
lange  Scheide  aus  Elfenbein  bildet 
die  Form  einer  Herme  nach.  Die 
KopfbilduDg  entspricht  dem  tra- 
ditionellen Typus  des  Äesculap. 
Ob  die  Andeutung  der  Genitalien 
lediglich  allgemeiner  symbolischer 
Bedeutung  oder  eine  Hindeutung 
auf  die  specielle  Gebrauchsan- 
wendung der  Lanzette  ist,  bleibt 
dahingestellt  Die  Klinge  schlägt 
seitwärts  ein  und  ist  am  untern 
Ende  durch  ein  Metallband  in  der 
Scheide  gefestigt. 

Ohne  kanstlerische  Formver- 
edlung,  aber  von  seltenem  Vor- 
kommen erscheint  die  nebenste* 
hende  Metallzange  von  IS'/i  cm 


Zar  Iirinneniog  an  die  Disob'aohe  SammloDg  römiaoher  Qläaer.         119 

Länge.  Beide  Schenkel  der  Zange  enden  in  gegeneinanderstehende 
löffelähnliche  Wandungen,  deren  äusserer  Band  sägeartig  eingeschnitten 
ist,  offenbar  um  einen  einmal  gefassten  Gegenstand  mit  Sicherheit 
festhalten  und  vor  dem  Zuruckrutschen  hüten  zu  können.  Solche  Zan- 
gen (Tenaculum)i  ähnlich  den  noch  jetzt  gebräuchlichen  Greifzangeu 
für  Polypen,  dienten  zum  Erfassen  warzenförmiger  Auswüchse  oder 
Geschwüre,  um  dann  deren  Entfernung  mit  dem  Messer  vornehmen 
za  können.  Das  Prov.-Museum  erwarb  dieses  Instrument  aus  der 
Garthe'schen  Sammlung  in  Köln. 

Aus'm  Weertb. 


6.  Zur  Erinnerung  an  die  Disch'sche  Sammlung  römischer  Gläser. 

Hierzu  Taf.  V,  VI  und  VII. 

Unstreitig  war  die  Sammlung  römischer  Gläser,  welche  der  im 
vorigen  Jahre  um  diese  Zeit  verstorbene  Herr  Carl  Disch  zu  Cöln 
zusammengebracht,  einerseits  eine  der  bedeutendsten  und  vielleicht  die 
bedeutendste,  welche  überhaupt  von  Privatpersonen  gebildet  worden, 
denn  die  bekannten  ähnlichen  Sammlungen  des  verstorbenen  Herrn 
Slade  in  London  und  die  des  Herrn  Charvet  in  Paris  übertreffen  sie 
mindestens  nicht,  andrerseits  gewährt  ^ie  einen  unumstösslichen  Beweis 
für  den  Reichthum  der  Golonia  Agrippinensis  an  Glasgefässen,  da 
diejenigen  der  Disch'schen  Sammlung  mit  wenigen  Ausnahmen  ent- 
weder in  Cöln  selbst  oder  in  Cölns  nächster  Umgebung  gefunden  wor- 
den sind. 

Die  Sammlung  Disch  ist  in  Folge  des  im  Mai  dieses  Jahres  statt- 
gehabten meistbietenden  Verkaufs  durch  die  Firma  J.  M.  Heberle  (H. 
Lempertz  Söhne)  in  Cöln,  gleich  allen  früheren  grossen  Privat-Samm- 
lungen,  die  sich  seit  zwei  Jahrhunderten  dort  gebildet,  in  alle  Welt 
zerstreut  worden.  Sie  umfasste  nach  dem  Catalog  2586  Nummern, 
von  denen  432  römische  Gläser  sind;  auf  diese  kamen  aus  dem  Ge- 
sammtbetrag  der  Versteigerung  von  372952,90  M.  die  Summe  von 
58121  M.  incl.  Aufgeld  >). 

1)  Von  dem  180  Seiten  und  20  Licbtdruckiafeln  umfiasBenden  Verkanfi- 
Catalog  ist  eine  Luxus -Ausgabe  in  Quart  erschienen,  welche  an  hervorragende 
Personen  und  Freunde  des  Verstorbenen  als  Geschenk  yon  der  Heberle^sohen 
Handlung  yertheilt  wurde. 


1 


180        Zur  Erinneroiig  tn  die  DiKih'tabs  Sunmloiig  römioober  OUUer. 

In  dem  Angenblicke,  wo  der  Drack  dieses  Jahrbuches  dem  Ab- 
BchluBB  nahe  ist,  werden  ans  die  beifolgenden  drei  Tafeln  V,  VI,  Vn 
mit  Abbildungen  von  162  römischen  Gläsern  der  Disch'Schen  Samm- 
loSK  welche  im  Auftrage  der  Heberle'schen  Handlang  die  Eunst- 
anstalt  B.  Kohlen  in  M.-Gladbach  angefertigt  hatte,  für  die  Yeröffent- 
Uehang  in  dankenswerther  Weise  znr  Verfügung  gestellt 

So  mannigfache  Bedenken  anch  der  VerOffentlicliang  dieser  Ta- 
feln iii  den  Jahrbüchern  entgegen  standen,  weil  ünestheils  mannig- 
fache hervorragende  Stücke  aus  technischen  Gründen  eine  Berücksich- 
tigung nicht  fanden,  so  z.  B.  die  beiden  Goldgläser  Nr.  1357  und  58, 
die  bildlichen  Stempel  1694  u.  s.  w.,  anderntheils  in  dem  kurzen  Zeit* 
räum  von  kaum  einigen  Tagen  eiue  eingehende  Besprechung  nicht  zu 
ermöglichen  war,  hat  der  Vereins- Vorstand  dennoch  geglaubt  zugrei- 
fen zu  sollen.  Werden  dadurch  doch  eine  ganze  Beihe  der  interessan- 
testen Forioen  und  technischer  Kunstfertigkeiten  der  Betrachtung  zu- 
gänglich gemacht,  der  Verbleib  der  bekanntesten  Stücke  in  wflnschens- 
wertber  Weise  regiatrirt  und  vor  allem  dem  eben  so  liebenswürdigen 
als  in  seiner  Sammeltbätigkeit  glücklieben  verstorbenen  Besitzer  ein 
Andenken  an  dieser  Stelle  gesichert. 

Carl  Disch's  Sammelthätigkeit  begann  in  der  Zeit,  als  der  wieder 
aufgenommene  Cölner  Dombau  den  Sinn  und  die  Begeisterung  für  die 
mittelalterliche  Kunst  belebte.  Sie  war  deshalb  unter  dem  leitenden 
Einfluss  jener  Zeit  und  unter  ihren  Personen,  besonders  dem  des  Dombild- 
bauers Christian  Mohr,  in  der  ersten  Periode  vorherrschend  eine  mit- 
telalterliche. Die  Sammlung  Laven,  jene  erste  grössere  Kunstsamm- 
lung, welche  die  Firma  Heberle  im  Jahre  1853  zur  Versteigerung 
brachte,  hatte  damals  durch  die  Höhe  ihrer  erzielten  Preise  am  Rhein 
dazu  beigetragen,  Aufmerksamkeit  und  Interesse  auf  bisher  weniger 
beachtete  Gattungen  des  alten  Kunstbandwerkes:  auf  die  mittelalter- 
lichen Thonkrüge  der  Bheinischen  Werkstätten  von  Siegburg,  Raercn, 
Grenzbausen,  Frechen,  auf  Venetianische  and  deutsche  Gläser,  geschnitzte 
Möbel,  besonders  kirchliche  Geräthscbaften  von  Elfenbein  und  Emaille 
hinzulenken.  Und  wenn  wir  diese  so  erfolgreiche,  grossartige  Bewe- 
gung auf  dem  Kunstgebiete  lediglich  historisch  betrachten,  so  dnrfen 
wir  nicht  verkennen,  welch  grossen  fünfluss  darauf  Männer  wie  Ram- 
boux,  Kreuser  und  August  Reichensperger,  unter  den  Künstlern  Statz, 
Friedrich  Schmit,  Mohr,  Grass,  auf  die  Sammelthätigkeit  als  solche 
damals  besonders  Dr.  Franz  Bock  in  Cöln  aosübteo. 

Die  Abtbeilang  der  römischen  Antiquit&ten  und  darunter 


Zur  Erinnening  an  die  Disoh'sche  Sammlang  römischer  Olftser.         121 

besonders  die  der  Gläser  entstand  in  der  Discb'schen  Sammlung  erst 
später,  etwa  am  Ende  der  50  er  Jahre,  nachdem  durch  die  Erlangung 
eines  der  hervorragendsten  Stücke  dazu  Veranlassung  gegeben  worden, 
nämlich  durch  die  Auffindung  der  nachmals  so  berühmt  gewordenen 
christlichen  Glaspaten e  St.  Severin,  welche  nunmehr  für  6400  Mark 
in  das  Britische  Museum  gelangte.  Als  ich  im  Jahre  1864,  deren  hohe 
Bedeutung  erkennend,  zur  sofortigen  Veröffentlichung  im  36.  Jahrbuch 
schritt,  machte  dieses  Kölner  Fundstück  besonders  dadurch  eiii  bierech- 
tigtes  Au&ehen,  dass  es  den  bisher  unangetasteten  Glauben  durch- 
brach, als  seien  Gläser  dieser  Goldtechnik  lediglich  dem  Fundgebiete 
der  Stadt  Bom  angehörig.  Im  41.  Jahrbuch  folgten  dann  das  in  der 
Magnusstrasse  zu  Göln  gefundene  Affenglas  (Nr,  1368),  welches  von 
den  Erben  des  Verstorbenen  der  Stadt  Göln  nunmehr  geschenkt 
ist,  und  jene  herrliche,  dunkelrothe,  aussen  mit  rosettenartigen  Ver- 
zierungen fa^onirte  Schale,  die  leider  nicht  in  ihrer  Heimath  blieb, 
sondern  für  1850  Mrk.  an  die  Handlung  BoUin  in  Paris  gelangte. 
Damals  stand  dem  Wunsche  einer  fortgesetzten  Veröffentlichung 
weiterer  Gläser  der  schon  fast  die  Zahl  100  erreicht  habenden 
Sammlung  Seitens  unseres  Vereins  der  Kostenpunkt  der  Tafeln 
entgegen.  Sofort  liess  Carl  Disch  in  entgegenkommendster  Weise 
bei  dem  geschickten  Lithographen  und  Farbendrucker  Adolf  Wall- 
raf  in  Göln  die  zunächst  gewünschten  Tafeln  auf  seine  Kosten  an- 
fertigen. Sie  sollten  in  den  Jahrbüchern,  und  mit  den  früher  er- 
schienenen vereinigt  zugleich  als  eine  besondere  Schrift  erscheinen, 
welche  als  Geschenk  für  die  Besucher  der  Sammlung  bestimmt 
war.  Zwischenzeitlich  war  —  wie  man  sagt  in  der  Ursulagarten- 
strasse —  das  diatretische  doppeltgehenkelte  Pokalglas  gefunden  worden, 
das  wir  Taf.  VI  unter  Nr.  1356  erblicken.  In  seiner  Begeisterung  für 
dieses  vermeintliche  Prachtstück  liess  der  erfreute  Besitzer  auch  dieses 
sogleich  abbilden,  um  es  der  beabsichtigten  Publication  beizufügen.  Da 
ich  mich  der  Ueberzeugung  von  der  Unechtheit  dieses  Glases  nicht 
zu  erwehren  vermochte,  Carl  Disch  aber  der  Möglichkeit,  getäuscht 
zu  ^in,  keinen  Baum  geben  wollte,  so  zerschlug  dieses  gegenseitige 
Verhalten  die  weitere  Publication.  Es  erfüllt  mich  mit  Wehmuth,  wenn 
ich  an  die  Zeit  herzlicher  Freundschaft  und  freundlichen  Verkehrs  und 
deren  Wandlung  in  Folge  einer  wissenschaftlichen  Meinungsverschie- 
denheit denke.  Wissend,  dass  dem  Verstorbenen  die  Aechtheit  dieses 
Glases  gleichsam  Herzenzsache  geworden  war,  habe  ich  es  jahrelang 
gern  vermieden,  über  dasselbe  öffentlich  ssa  sprechen.     Jetzt  aber,  da 


US        Zur  BiiBnenmg  an  die  I>iMhWhe  SammloDg  romisohar  Ql&aer. 

dieses  Glas  keines  Menschen  Frieden  mehr  bedroht^  kann  ich  nicht 
umhin,  meine  im  59.  Jahrbuch  S.  69  angedeutete  Meinung  nochmals 
auszusprechen.     Betrachtet  man  nämlich  nach  Hinwegdenkung  des 
umgebenden  Netzwerkes  den  Pokal,  so  erblickt  man  ein  Kelchglas  von 
durchaus  mod^ner  Form ;  ja  die  beiden  Ringe  des  Fusses  und  der 
zwischen  letztern  und  dem  Kelch  aufsteigende  kurze  runde  Schaft  er- 
innern an  die  landläufigsten  Motive  unserer  Weingläser.  Dass  der  Kelch 
gemäss  dem  oberen  Abbruch  noch  etwas  höher  war,  und  dadurch  der 
Biertulpe  ähnlich  wird,  vermehrt  nur  seinen  modernen  Eindruck.  Durch- 
aus modern  erscheinen  auch  die  auf  dem  äusseren  Mantel  des  Glases 
zwischen  Blumen  befindlichen  drei  nackten  gefifigelten  Knaben,  von 
denen  der  mittelste  auf  einem  Felsen  sitzt,  die  beiden  andern  auf 
diesen  zueilen.    Ebenso  ist  ihre  Aufmalung  mit  Goldschaum  alter 
Technik  keineswegs  entsprechend.  Das  Wesenhafte  und  Schwierige  rö- 
mischer Goldmalereien  auf  Glas  besteht  darin,  dass  letztere  isum  Scbuts 
gegen  Verwischung  mit  emem  dünnen  Glasüberfang  versehen  sind. 
KeiMswegs  will  ich  aber,  wie  das  bereits  früher  von  mir  ausgeführt 
ist  (Jahrb.  64  S.  119),  behaupten,  dass  es  nicht  auch  römische  und 
selbstverständlich  spätere  Glasmalereien  ohne  Glasttberfang  gegeben 
hat    Diese  sind  aber  alsdann  so  sorgfältig  gefestigt,   dass  sie  keines 
Ueberfangs  bedürfen  und  ihn  vielleicht  gerade  aus  diesem  Grunde  nicht 
besitzen.    Das  Disch^sche  Glas  hat  nun  aber  weder  den  Glasüberfang, 
noch  sind  seine  Goldbilder  dauerhaft  aufgefestigt.    Ein  von  mir  mit 
Erlaubniss  des  vorstorbenen  Besitzers  an  nebensächlicher  Stelle  vor- 
genommener Versuch  ergab  das  Resultat,  dass  das  Gold  vollständig  an 
dem  wischenden  Finger  hängen  blieb.    Wie  soll  nun  das  umgebende 
Netz  an  das  vorher  fertig  gestellte  und  decorirte  innere  Glas  im  Feuer 
angeblasen  sein,  ohne  dass  diese  lose  Goldmalerei  lädirt  wurde  und  ver- 
ging ?  wie  konnte  eine  so  lose  Goldauflage  überhaupt  der  Flamme,  wie 
nur  der  Beinigung  des  Glases  von  der  umhüllenden  Erde,  als  es  aus 
dieser  empor  geholt  wurde,   widerstehen?     Der  Fuss  war,  wie  man 
ersieht,  vom  Kelch  abgebrochen  und  hat  dadurch  bei  mir  die  Meinung 
hervorgerufen,  dass  der  Netzkorb  für  sich  allein  gemacht  ist  und  der 
Glaskelch  in  zwei  Stücken  in  der  Weise  dann  damit  vereinigt  wurde, 
dass  zuerst  die  Kuppe  von  oben  in  das  Netz  eingesenkt,   der  vorher 
abgebrochene  Fuss  aber  von  aussen  daran  gefügt  ist.    Eine  Glasver- 
bindung von  Kelch  und  Netz  vermochte  ich  nicht  zu  entdecken.   Die- 
sen technischen  und  formalen  Bedenken  gegenüber  erscheint  es  ganz 
gleichgültig,  ob  man  das  Gefass  in  die  spät  römische  oder  in  die  frän- 


Zar  ErinneruBg  an  die  Disch'sohe  Sammlung  römischer  Gl&ser.        123 

lösche  Zeit  setzt,  obgleich  in  letzterer  wohl  die  Verzierungsweise  an- 
liegender» aufgeschmolzener,  dünner  oder  dicker  Glasfäden  vorkommty 
nicht  aber  freistehender  Netze. 

Aber  die  Disch*sche  Sammlung  hat  so  zahlreiche  und  darunter 
so  bedeutende  Werke  der  römischen  Olaskunst,  dass  sich  wahrlich 
um  dieses  einen  Glases  willen  ihre  Bedeutung  nicht  verringert.  Selbst 
die  Gruppe  der  Goldgläser,  zu  welcher  es  gehört,  bleibt  unerreicht  durch 
die  bereits  vorstehend  erwähnte  christliche  Patene  mit  den  eingesetz- 
ten blauen  und  grünen  Medaillons.  Es  sei  hier  noch  bemerkt,  dass 
ein  einzelnes  lose  gefundenes  dieser  Medaillons,  den  stehenden  jugend- 
lichen Heiland  mit  dem  Stab  in  der  Rechten  darstellend,  welches  der 
Verstorbene  mir  im  Jahre  1864  schenkte,  sich  seitdem  in  der  Vereins- 
sammlung befindet  Es  bildet  den  Beleg  für  die  von  mir  Jahrb.  LXIII, 
S.  100  ausgesprochene  Ansicht,  dass  diese  unabhängig  von  den  Glas- 
gefässen  vorher  und  im  Vorrath  gefertigten  bunten  Medaillons  in  die 
Wandungen  ersterer  beim  Ausblasen  eingesteckt  wurden. 

Daraus  erklärt  es  sich  auch,  wenn  irrthümlich,  wie  hier  zweimal, 
ein  und  dieselbe  Darstellung  mehrfach  vorkommt,  indem  beim  Einsetzen 
der  verschiedenen  Medaillons  der  Glasbläser  sich  vergriff.  Von  zwei  ähn- 
lichen Schalen  mit  eingesetzten  bunten  Medaillons,  freilich  ohne  Gold- 
figuren,  kam  die  eine  Taf.  V  Nr.  1395  nach  Basel,  die  andere  Taf.  V  Nr. 
1455  in  das  Bonner  Provinzial-Museum.  Zu  dieser  ersten  Gruppe  sind 
dann  auch  zwei  zierliche  Trinkbecher  von  weissem  Glase  Taf.  VI  Nr. 
1389  und  Taf.  VII 1454  zu  rechnen,  welche  beide  in  das  Bonner  Provin- 
zial-Museum gelangten  und  von  denen  der  letztere  vier  kleine  blaue 
Pasten,  der  erstere  solche  traubenförmig  zusammengestellt  in  rother 
und  grünlich  -  blauer  Farbe  unter  kleinen  aufgeschmolzenen  gleichfar- 
bigen Bogenstellungen  zeigt.  Ein  grösseres  bei  S.  Ursula  gefundenes 
Fragment  einer  kleinen  viereckigen  Platte  mit  der  in  Gold  contourirten 
Gestalt  des  Apostels  Marcus,  zu  dessen  Seiten  der  Löwe  und  derOber- 
theil  einer  jugendlichen  Gestalt  erscheint^  Nr.  1358,  ist  leider  nicht  zur 
Abbildung  gelangt  und  für  490  Mark  nach  Paris  gekommen.  Zwei 
kleine  andre  Fragmente,  Nr.  1359,  die  zu  der  ehemals  Herstatt'schen 
Schale  (Jahrb.  XLII,  Taf.  V)  gehören,  gelangten  zur  Vereinigung  mit 
derselben  in  das  Britische  Museum. 

Die  hervorragendsten  Gläser  aber  umfasst  offenbar  die  zweite 
Gruppe,  nämlich  diejenige,  bei  denen  der  figürliche  Schmuck  durch 
Gravur  hergestellt  ist.  Sie  ist  die  am  wenigsten  zahlreiche  und  ent- 
hält nur  8  Nummerui  aber  darunter  als  zweites  Prachtstück  der  gan- 


134  Zur  Erinnerniifr  nu  die  Diaok'aolie  Sammtnug  römüolier  Oliaer. 

MD  Sammlang  den  in  einem  rSmischen  Grabe  zu  Bonn  gefundenen 
20Vi  cm  hohen  Becher,  Taf.  VI  Nr.  1361,  welcher  wegen  seines  unerhörten 
Preises  von  8000  Mark  in's  Ausland,  in  die  Sammlung  Basilewaky 
gelangte.  Das  Glas  iat  in  unserer  Abbildung  anstatt  auf  den  Fass 
auf  die  OefinuDg,  also  auf  den  Kopf  gestellt.  Von  deü  zwischen  zwei 
Omamentb&ndem  aufgeführten  fanf  Figoren  erblickt  man  nur  zwei 
theilweise,  zwei  sitzende  weibliche  Wesen,  von  denen  die  hintere  einem 
mit  dem  Trinkhom  hinzueilenden  Jüngling  den  Becher  znm  Ein- 
schenken hinhält.  Da  wir  diese  Darstdlung  der  spätesten  römischen 
Zeit  im  zweitfolgenden,  dem  73.  Hefte  dieser  Jahrbücher  besonders 
abbilden  lassen  und  besprechen  werden,  sehen  wir  hier  davon  ab.  Auf 
nnsem  Tafeln  finden  sich  noch,  leider  in  ungenügender  Wiedergabe, 
jene  lO'/t  cm  hohe  kngelftinnige  Phiole,  Taf.  VI  Nr.  1360,  die  bereits  im 
Ö4~.  Jahrbacb  S.  128  beiKglich  ihrer  griechischen  zweizeiligen  Umschrift 

ni€  ZIICAtC  A€l 

€N  AfAeiC 
Erwähnung  fand.  Tiefgeschnittene  Omamentbänder  trennen  und  be- 
grenzen die  Inschrift.  Auch  dieses  Glss  gelangte  in  das  Ausland, 
der  Kunsthändler  Rollin  kaufte  es  für  den  unglaublichen  Preis 
von  1760  Mark,  obgleich  der  Hals  abgebrochen  ist  und  die  gleiche 
Inschrift  anderweitig  anf  Gla^efässen  vorkommt.  Die  Decoratioo 
einer  kleinen  Schale,  Taf.  VI  Nr.  1364,  auf  welcher  in  gestrichelten 
Medaillons  vier  Brustbilder  und  in  den  Zwickeln  abwechselnd  ein  Stern 
und  ein  kleiner  Tempelbau  erscheinen,  ist  wie  gleichfalls  die  ähnliche 
Kuppe  Taf.  V  Nr.  1363  und  der  konische  Becher  Taf.  V  Nr.  1362  bezüg- 
lich des  figürlichen  Schmuckes  auf  unseren  Tafeln  nicht  hinreichend  er- 
kennbar, weshalb  wir  von  den  beiden  letztern  besondere  Abbildungen  im 
72.  Jahrbuch  Taf.  VI,  5  u.  6  folgen  lassen  werden.  Ein  im  Boden  von 
Nr.  1363  deutlich  erkennbares  Kreuz  (siehe  Taf.  VI,  5  a)  bezeugt  den 
christlichen  Charakter  dieses  Stackes.  Die  beiden  letztgenannten  Glä- 
ser sind  Eigenthum  des  Provinzial-Museums  geworden  und  bilden  mit 
jener  im  63.  Jahrbuch  Taf.  V,  4  mitgetheilten  gravirteu  in  Bonn  ge- 
fiindenen  Kuppe  eine  Gruppe  von  in  Stellung,  Gewandung,  Haarbc- 
handlnng  durchau»  ähnlichen  stets  im  Profil  stehenden  Figuren,  die  in 
roher  aber  sicherer,  breiter  Strich-Manier  mit  unvollkommenen  Werk- 
zeugen in  der  Zeit  des  Verfalles  der  Kunst  gearbeitet  wurden.  Die 
gleichen  auf  dem  Bonner  Glase  zwischen  Pinien  stehenden  Figuren  keh- 
ren auf  den  beiden  Disch'schen  Gläsern  wieder:  auf  dem  einen  (Nr. 
1369)  sehen  wir,  ebenfalls  zwischen  Bäumen,  fünf  nach  rechts  gewen- 


Zar  Erinnerong  an  die  Disoh'sofae  SammluDg  römisoher  Glftser.        126 

dete  togirte  Gestalten  mit  ausgestreckter  Rechten  stehen;  auf  dem 
andern  (Nr.  1362)  vier  geflügelte  ebenfalls  nach  rechts  schauende  Ge- 
wandfiguren, welche  Aehren  in  den  Händen  halten.  Die  Körperformen 
sind  barbarisch:  die  Fleischparthieen  am  Halse  und  an  den  Händen 
sind  geradezu  durch  WiAte  wiedergegeben^).  Von  zwei  mit  einge* 
ritzten  Oniamenten  verzierten  Flaschen  Nr.  1365  u.  1366  kam  die  erstere 
gleichfalls  in  das  Provinzial-Museum.  Ebenso  das  Prachtstück  tief  ge- 
schnittener reicher  Ornamentik,  die  in  Dormagen  gefundene,  früher  un- 
serm  Mitgliede  Delhoven  daselbst  angehörige  Trinkschale  Taf.  VI  Nr.  1367. 

Boten  die  Gläser  der  beiden  ersten  Gruppen  vorherrschend  ein 
archäologisches  Interesse  dar,  so  treten  diejenigen  der  drei  folgenden 
besonders  in  den  Vordergrund  durch  die  augenblicklich  herrschende 
Richtung,  welche  die  Erzeugnisse  alter  Kunst  nach  ihrer  technischen 
Herstellung,  ihrer  kunstgewerblichen  Seite  zu  betrachten  sich  befleissigt. 
Es  sind  dies  die  geformten  Gläser,  also  solche,  die  in  eine  künstlichere 
Form  hineingeblasen  worden;  dann  diejenigen,  welche  durch  aufge- 
schmolzene Verzierungen,  theilweise  in  opaken  Farben  geschmückt  sind, 
mid  als  Barbotin-Gefässe  bezeichnet  werden  können;  endlich  die  far- 
bigen Gläser. 

Sehen  wir  unter  den  geformten  Glasgeräthen  von  den  spielenden 
Bildungen  kleiner  Thiere  1372 — 77  ab,  so  steht  im  Mittelpunkt  dieser 
Gattung  als  Hauptwerk  derselben  der  1865  in  der  Magnus-Strasse  in 
Köln  gefundene  Krug  von  hellem  Glase,  in  Form  des  auf  einer  Sella 
sitzenden  Affen,  Taf.  VI  Nr.  1368,  welcher  mit  beiden  Händen  die  sieben- 
röhrige  Syrinx  hält.  Das  seltene,  wenn  auch  durch  hervortretende  Cha- 
raktcrisirung  des  Phallus  nicht  gerade  anziehende  Stück,  welches  bereits 
im  41.  Jahrb.  Taf.  IV,  S.  142  und  in  einem  zweiten  Exemplar  im  45.  Jahrb. 
S.  274  ff.  abgebildet  und  besprochen  ist,  wurde  von  den  Erben  Disch  für 
3000  Mark  zurückgekauft  und  dem  Museum  der  Stadt  Köln  geschenkt 
Auch  der  kleine  Gladiatorenhelm,  Taf.  VII  Nr.  1371,  mit  blauem  auf- 
geschmolzenem Visir  und  ornamentalen  Filigranverzierungen  und  ein 
kleines  Trinkhom,  Nr.  1369,  mit  zwei  aufgeschmolzenen  kleinen  Delphinen 
als  Durchlass  für  eine  tragende  Schnur,  sind  bereits  im  36.  Jahrbuch  von 
mir  bekannt  gegeben  worden.  Ein  schöneres  und  grösseres  Trinkhom, 
Taf.  VI  Nr.  1370,  das  sich  durch  reifenartig  umgelegte  blaue  Ringe  aus- 
zeichnete, wurde  für  700  Mark  Eigenthum  des  Provinzial-Museums.  Aehn- 

1)  Zwei  ähnliche  Gläser,  das  eine  ans  Mainz,  das  andere  aus  Strassbarg, 
sind  publicirt;  das  erstere  von  Fröhner  in  der  GoUeotion  Gharvet;  das  zweite 
von  Straab:  le  Cimetidre  Gallo-Romain  de  Strassboarg,  1881,  PL  n. 


'^ 


i 


136         Znr  EriDaenmg  ftn  <tie  DiMh'iahe  Sammlnng  rfimiMlm  OUmt. 

liehe,  mit  reifenartigea  Ringen  amlegte  GeflisBe  sehen  vir  nocb  6  itiif 
unsren  Tafeln.  Nr.  1380  Taf.  VII,  ein  auf  4  FOBsen  ruhendes  Fässchen  mit 
blauen  Reifen  und  gleichfarbigen  Henkeln  am  Spundloch,  gelangte,  da 
das  Prov. -Muäcura  schon  im  Besitz  eines  ähnlichen  St&ckes  ist,  für 
1000  Mark  an  Herrn  Kunsthändler  Hofmann  in  Paris.  Ein  gldchartigeB 
Fässchen,  Taf.  V  Nr.  1381,  mit  gelben  Seifen  and  Taf.  VI  Nr.  1382,  ein 
aufrecht  siebendes  Fftsschen  mit  Henkel  und  weissen  Reifen,  kamen  in 
das  Britische  Museum.  Da  dieser  Abth^lung  nur  die  kunstreich  ausgebla- 
senen Formen,  die  aufgeschmolzenen  Zierathen  aber  der  folgenden  4. 
Gruppe  zugewiesen  sind,  so  gehören  die  zaletzt  erwähnten  zierlichen 
Stücke  eigentlich  ebenso  wie  die  mit  Fäden  umlegte  kleine  Dme,  Taf.  TI 
Nr.  1484,  beiden  Gruppen  an.  Als  hervorragende  Beispiele  der  Formblä- 
serei  dürfen  dann  aber  noch  die  beiden  Tranbengläser,  Taf.  VI  Nr.  1378 
und  79,  angefahrt  werden,  von  denen  das  erstere,  durch  seinen  Hals- 
schmuck reichere,  wiederum  Hofmann  in  Paris  für  1000  TSaxk  erbidt. 
Bekanntlich  entwickelte  sich  bei  den  Rfimem  die  Mode  der  Glan- 
geräthe  zu  einem  so  übertriebenen  Luxns,  dasB  mitunter  ihre  Kost- 
barkeit  die  Gefässe  aU3  edlen  Metallen  erreichte  und  überstieg,  worüber 
ans  ja  die  Litteratur  der  diatretischen  Gläser  mannigfachsten  AnfscUoBS 
gibt.  Desshalb  begegnen  wir  aach  immer  mehr  jenen  spielenden  Ver- 
zierungen, welche  den  altern  Gl&sem  noch  vollständig  fremd  sind.  Als 
ein  reizendes  Specimen  dieser  Art  spielender  Verzierungen  ist  eine 
kleine  weisse  Flasche  in  Bimenform  mit  lang  aufsteigendem  Halse,  Taf.  V 
Nr.  1385,  anzusehen,  welche  sich  mit  zwei  im  Provinzial- Museum  be- 
findlichen kugelförmigen  Trinkbechern  zu  einer  selten  schönen  Garnitur 
vereinigt  Die  aufgeschmolzenen  Verzierungen  bestehen  nämlich  in  klei- 
nen  Glasstacheln,  die  reihenweise  und  in  regelmässigen  Abständen  auf  den 
Wandungen  vorragen.  In  ähnlicher  Weise  ist  eine  doppeltgehenkelte 
kugelförmig  Flasche,  Taf.  VH  Nr.  1383,  mit  zwei  Reihen  kleiner  weisser 
Rosetten,  und  mit  bunten  Rosetten  jene  schon  im  Eingang  erwähnte 
kostbare  Schale,  Taf.  V  Nr.  1395,  besetzt.  Eines  der  kunstvollsten  Stücke 
ist  aber  ein  ebenfalls  in  das  Provinzial-Museum  gekommener  hoher  Becher 
auf  niedrigem  Fuas,  Taf.  VI  Nr.  1388,  auf  welchem  vermittelst  gezackter 
derber  Fäden  Blatt-Ornamente  in  Barbotin-Manier  aufgelegt  sind.  In 
opaken  gelbweissen  Farben  erscheinen  dann  die  Ringe,  welche  am  die 
Mitte  der  schmalen  cylinderörmigen  blauen  Phiole,  Taf.  VI  Nr.  1387,  ge- 
schlungen sind,  sowie  Henkel  and  Ringe  der  klemen  nur  8  Cm.  hohen 
Henkelkanne,  Taf.  V  Nr.  1386,  die  in  Alex.  Gastellanis  Besitz  nach  Rom 
kam.    Keck  ans  den  Gefässwänden  heraustretende  Nasen  und  Rippen 


Zur  Erinnerang  an  die  Diseh'sohe  Sammlung  römisober  Gl&ser.         137 

zeigen  die  Becher  Nr.  1391, 1394  und  1397;  die  beiden  letztem  im  nun- 
mehrigen Besitz  des  Prov.-Museums.  Der  mit  aufgeschmolzenen  bunten 
Bogen  und  Beeren  geschmückte  Becher,  Nr.  1389,  fand  bereits  in  der 
ersten  Gruppe  seine  Erwähnung;  ihm  schliesst  sich  ein  Becher  mit 
aufgeschmolzenen  wellenförmigen  Fäden,  Taf.  VII  Nr.  1390,  an,  den 
Rollin  in  Paris  mit  235  Mark  ansteigerte.  Alle  diese  unter  sich  man- 
nigfach verschiedenartigen  Motive  der  Ausschmückung  bewegen  sich 
durchgängig  im  Bereiche  des  antiken  Stils.  Aus  demselben  heraus  tritt 
aber  die  Dekoration  einer  kleinen  doppeltgehenkelten  Flasche,  Taf.  Y 
Nr.  1400,  welche  in  regelloser  Weise  mit  einigen  Fäden  im  Zickzack 
vollständig  naturalistisch  umschlungen  ist,  und  dadurch  in  den  Ver- 
&11  der  fränkischen  Zeit  hinObertritt. 

Von  den  60  bunten  Gläsern  erwarb  das  Prov.-Museum  in  Trier 
fiär  710  Mark  eines  der  hervorragendsten  StQcke,  jene  aus  der  Samm- 
lung Bamboux  und  angeblich  aus  einem  TriererFunde  stammende  Mille* 
fiori-Schale  mit  heraustretenden  Rippen  in  weiss  gefleckter  rother  Porphyr- 
Farbe,  Taf.  V  Nr.  1402.  Der  runden  Henkelschalemitgespresster  Musterung, 
Taf.  VI  Nr.  1403,  haben  wir,  als  im  Heft41  Taf.  IV  publicirt,  schon  gedacht; 
sie  wurde  für  1800  Mk.  verkauft.  In  ein  Rheinisches  Museum  und  zwar  in 
dasjenige  von  Aachen  gelangten  die  bereits  in  zwei  heimathlichen  Samm* 
lungen  gewesenen  kostbaren  bunten  Glasflüsse  Nr.  1401.  Diese,  von  Frau 
Mertens-Schaafifhausen,  der  in  unsrem  Vereine  noch  unvergessenen  hoch- 
herzigen Förderin  desselben,  in  Rom  gesammelten  Fragmente  von  Ge- 
*  fassen,  Wandbekleidungen,  Zier-Einlagen,  kamen  aus  ihrem  Nachlass 
in  die  Sammlung  Ramboux.  Es  ist  nicht  uninteressant,  die  Preisstei- 
gerung wahrzunehmen,  welche  ein  und  derselbe  Gegenstand  bei  drei- 
maligem Verkauf  innerhalb  25  Jahren  erzielte.  Aus  der  Mertens'schen 
Auction  gelangten  nämlich  diese  Glasflüsse  für  213  Mk.  50  an  Ram- 
boux; in  dessen  Nachlassversteigerung  erreichten  sie  schon  den  Preis 
von  333  Mark,  wofür  Carl  Disch  sie  erwarb,  und  das  Aachener  Mu- 
seum bezahlte  nun  900  Mark  dafür.  Die  Rheinischen  Provinzial-Museen 
verzichteten  auf  diesen  Erwerb,  weil  die  Fundstätte  der  Gegenstände 
ausserhalb  ihrer  Gebiete  lag.  Welchen  unglaublichen  Werth  die 
Augenblicksrichtung  auf  den  Effect  der  Farbe  und  Verzierungen  legt, 
mag  aus  den  Preisen  von  390  M.  (für  Nr.  1440)  und  750  M.  (für  Nr.  1439) 
erhellen,  die  man  für  kleine,  IOV2  cm  breite,  13Vi  cm  hohe,  glatte 
Henkelfläschchen  bezahlte,  weil  ihre  Farbe  bunt  —  blau  und  grün  —  und 
Fuss  wie  Henkel  von  andersfarbigem  weissgelbem  opakem  Glas  berge* 
stellt  sind,  endlicHnoch  ein  Faden  von  gleichem  Glas  den  Hals  umschlingt 


-J' 


128        Zor  Erümarong  tn  die  Diioh'sohe  Sammlung  römisohttr  Gläser. 

Wir  sehen  diese  beiden  kleinen  Flfischchen  auf  fiL  YII  in  der 
8«  Reihe  von  oben.  Kleine  niedliche  Flacons  bunten  Glases,  bald  mit 
Einbauchangenf  bald  mit  opaken  weissen  Fadaiverzierungen  um  den 
Hals,  Nr.  1404—10,  eine  doppdtgehenkelte  kleine  Yasette  von  Opal- 
glas mit  Fäden  umsponnen,  Taf.  V  Nr.  1445,  eine  traubenförmige  Ben- 
kelkanne  von  blauem  Olas,  Tat  V  Nr.  1406,  wurden  gleichmassig  hoch 
bezahlt  Von  zwei  Tellern  grünen  Glases,  Taf.  VI  Nr.  1441  und  42, 
kam  der  eine  in  das  Trierer,  der  andere  in  das  Bonner  Prov^-Mu- 
seum.  Von  ganz  besonderer  Schönheit  ist  auch  ein  nicht  unter  den 
Abbildungen  und  auch  nicht  im  Catalog.  befindlicher  vom  Provinzial- 
Museum  angekaufter  opah'sirter  hoher  Becher,  der  in  zwei  Farben  die 
Figurationen  des  Achat  in  derselben,  Weise  imitirt  wie  die  Schale  auf 
Taf.  V,  Nr.  1402  den  Porphyr. 

Aus  der  grossen  Zahl  ungefiLrbter  Gläser  verschiedenster  Art,  deren 
im  Catalog  von  Nr.  1462—1787  noch  325  angeführt  werden,  wäre  bei 
der  Absicht  einer  eingehenderen  Besprechung  noch  manches  eigenartige 
Stflek  auszuwählen.  Wir  verweisen  ausser  auf  eine  elegante  bimfOrmige 
Flasche  mit  schönem  eingekniffenem  Henkel,  Taf.  V  Nr.  1541,  welche  fUr 
drei  Flüssigkeiten  bestimmt  im  Innern  dafür  dreifach  getheilt  und  mit 
drei  Ausgüssen  versehen  ist,  besonders  auf  ein  kugelförmiges  Glas,  Taf.  Y 
Nr.  1603,  mit  zwei  enganliegenden  Henkelösen.  Diese  kurzgedrungenen 
Flaschen  kommen  zahlreich  in  allen  Museen  vor  und  würde  das  be- 
zeichnete Exemplar  zu  keiner  Erwähnung  auffordern,  wenn  es  nicht 
durch  seine  Melallmontirung  die  Zweckbestimmung  der  ganzen  Cate- 
gorie  dieser  Gläser  klarstellte.  Wir  sehen  nämlich  in  jeder  der  beiden 
Glasösen  einen  kleinem  Metallring  und  in  diesen  einen  grössern  halb- 
runden Metallgriff  eingehängt,  an  welchem  das  Glas  aufgehängt  oder 
getragen  werden  konnte. 

In  der  metallgefütterten,  verhältnissmässig  engen  Oeffnung  des 
weit  auskragenden  Halses  befindet  sich  dann  ein  hohler  Metall- 
stöpsel mit  aufstehendem  Handgriff  zum  Abnehmen.  Die  ganze  Ein- 
richtung sowohl  des  Hängewerkes  wie  des  Verschlusses  macht  den 
Eindruck  der  Oel-Lampe,  deren  Docht  beim  Nichtbrennen  durch  den 
hohlen  Stöpsel  geschützt  wurde. 

Im  Verhältniss  zu  den  fast  zahllosen  Stempeln  von  Thongefässen 
sind  die  Glas-Stempel  selten.  In  der  Disch'schen  Sammlung  befanden 
sich  ihrer  ungefähr  ein  Dutzend,  nämlich  im  Boden  einer  viereckigen 
Flasche,  Nr.  1448,  in  den  vier  Ecken  um  eine  Rosette  die  Buchstaben 
C.P.C.C;  ähnlich  im  Boden  des  Gefässes  Nr.  1449,  jetzt  im  Prov.- 


Zur  Erinnerung  an  die  Disoh'sche  Sammlung  römiBcher  Gläser.         129 

Museum:  C.C.P.C  und  1563  V  L;  auf  dem  Boden  zweier  runder 
zweihenkliger  Flaschen,  Nr.  1554  u.  1550  in  der  Rundung  geschrieben: 
FRONTINO  0  u.  NERO  *).  Mehrere  Flaschen  in  schmaler,  verlängerter 
Würfelform  mit  hohem  Halse  haben  Monogramme  im  Boden,  nämlich: 
Nr.  1562  um  eine  reliefirte  Figur  H  .  B .  S ;  Nr.  1566:  stehender  Merkur 
mit  den  Buchstaben  M .  0. H . R «).  Undeutliche  Stempel  befanden  sich  auf 
den  Böden  einer  vier-  und  einer  sechsseitigen  Flasche,  Nr.  1565  und  1567 ; 
auf  einem  kleinen  sechsseitigen  Fläschchen,  Nr.  1569,  der  Stempel  0. 
Endlich,  ähnlich  dem  Stempel  von  Nr.  1566  erblickt  man  auf  der 
Bodenfläche  einer  hohen  vierseitigen  Flasche  mit  hochaufsteigendem 
cylindrischem  Halse,  Nr.  1694,  um  eine  männliche,  stehende  Relieffigur 
die  häufige  Beischrift  0. F .  H  .  M). 

Auf  einzelne  hervorragende  Stücke  werden  wir,  wie  schon  bemerkt, 
demnächst  ausführlicher  zurückkommen,  indem  wir  zum  Schlüsse  ein 
Verzeichniss  der  Ankäufer  der  Disch'schen  Gläser  mit  den  dafür  ge- 
zahlten Preisen  folgen  lassen. 

Unwillkommen  dürfte  auch  die  Mittheilung  nicht  sein,  dass  die 
Rheinische  Glashütten-Atien-Gesellschaft  in  Ehrenfeld  bei  Köln  unter 
der  rühmenswerthen  Leitung  ihres  Directors  Hrn.  Oskar  Rauter  sich 
der  Nachbildung  kunstreicher  römischer  Gläser  zugewendet,  und  eine 
Anzahl  derselben,  worunter  auch  solche  der  Disch'schen  Sanmilung 
sich  befinden,  in  vorzüglicher  Technik  hergestellt  hat.  ^) 

Verzeichniss  der  Ankäufer  der  Disch'schen  Gläser. 


Nr.  ^ 

1856  HofPmann,  Paris.  5800 

1857  Franks,  London.  Brit.  Mus.  6400 

1858  Hoffmann.  490 

1359  Franks.  Brit.  Mos.  70 

1360  Rollin,  Paris.  1760 

1361  Hoffmann,  Paris.  8000 

1362  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.  630 
1863  Derselbe.  B.  Frov.-Mus.     310 


Nr.  JL 

1364  Hoffmann,  Paris.  310 

1365  Aus  m  Weerth.  B.  Pr.-Mus.  280 

1366  Charvet.  320 

1367  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.  610 

1368  Stadt  Köln.  3000 

1369  Rollin.  Paris.  460 

1370  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.  700 

1371  Franks,  London.  Br.  Mus.   570 


1)  Kamp,  Epigr.  Antioaglien  Nr.  145.  Fröhner,  La  yerrerie  antique, 
Paris  1879,  Nr.  58  ff. 

2)  Ein  zweites  Exemplar  mit  gleichem  Stempel  besitzt  das  Prov. -Museum 
aus  Andernach;  vergl.  Fröhner,  Nr  82. 

3)  Kamp,  Nr.  144;  Fröhner  Nr.  108. 

4)  Kamp,  Nr.  142;  Fröhner  Nr.  104.    Ausserdem  im  ProY.-Museum. 

5)  Die  in.  Abtheilung  des  Preis -Gourants  der  Rheinischen  Glashütten- 
Actien -Gesellschaft  in  Ehrenfeld  bei  Köln,  6.  Nov.  1881  enthält  die  Nachbildun- 
gen römischer  Gläser. 

9 


'^^m 


Zar  £riiia«nuig  an  die  Diaoh'Mhe  Sknunlmiff  r&miMliar  OUmt. 


130 

Nr.  -^ 

1372  Hoffmann,  Paria.  36 

1373  AüB'm  Weerth.  B.  Pr.-MuB.    55 

1374  Hoffmann.  305 

1375  Derselbe.  65 

1376  BoErgignon,  Neapel.  41 

1377  RoltiD.  275 

1378  Hoffmann.  1750 

1379  Thewalt.  210 

1380  Hoffmann.  1000 

1381  Franks.    Bnt.  Mna.  420 

1382  Derselbe.    Brit.  Mna.  290 

1383  Meyer,  Berlin.  30n 

1384  HerBtatt.  32 

1385  ÄuB>Weertb.B.  Pr.-MuB.  320 
310 


.-Mna.  3 


1386  CaatelTani 

1887  Meyer. 

1388  Aua'm  Weerth.  B.Pi 

1389  Deraelbe.  HO 

1390  Rollio.  235 

1391  Einondta.  45 

1392  Bonrgignon.  16 

1393  Hoffinann.  4 

1394  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus,  21 

1395  Dr.  Bachofen,  Basel.  570 

1396  Hoffmann.  75 

1397  Aua'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.    Bl 

1398  Rollin,  Paris.  51 
13'J9  Hoffmann.                               125 

1400  AuÄ'm  Weerth.  B.  Pr.-Mns.  110 

1401  Bernt  (Aachener  Mns.).      900 

1402  Hettner. Trier.  Tr.Pr.-Maa.  71u 

1403  Rollin.  18ÜU 

1404  Brinkmann.  Mus.  in'Hamb.  38 


1405  Hoffmann. 

1406  Deraelbe. 

1407  Derselbe. 

1408  Derselbe. 

1409  Aua'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus 

1410  Derselbe.    B.  Prov.-Mua. 

1411  Hettner.    Tr.  Prov.-Mua. 

1412  Hoffmann. 

1413  Derselbe. 

1414  Raoul  Stein. 
1415—1420  Prümra,  Berlin. 

1421  Merkens. 

1422  Hoffmnnn. 

1423  Aus'm  Weerth,  B.  Pr.-Mua, 

1424  H.  Lerapertz  sen. 

1425  Hoffinann. 

1426  Prümm. 


1427 
1428 
14291 
1430  1 
1431- 
1435 
1436, 
14371 
1438j 
1439 
1440 
1441 
1442 
1443 
1444 
1445 
1446 
1447 
1448 
1449 
1450 


Rhei 


,  Nei; 


R.  Stein. 
\  Derselbe. 
-1434  Priimm. 
[  Hoffmann. 

^  Derselbe. 

Castellani. 

Hoffmann. 

Aua'm  Weerth.  B.  Pr.-MuB. 

Hettner.  Tr.  Prov.-Mua. 

Heberle. 

Hoffmann. 

Hoffmann. 

Aus'm  Weerth.  B.Pr.-MuB. 

Herstatt. 

Merkens. 

Aus'm  Weeith.  B.  Pr-Mue. 

Hoffmann. 

Merkens. 

Hoffmann, 

Derselbe. 


16 
100 
82 

n  Weerth.  B.  Pr.-Mua.    70 


Deraelbe. 
Hoffmann. 


Rollin. 
Hoffmann. 
Derselbe. 
Derselbe. 
Herstatt. 
Heberle. 
Emundts. 
\  Franks.    Brit.  Mus. 
Deraelbe.   Brit.  Mus. 
Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mns. 
Hoffmann. 
Derselbe. 
Merkens. 

Frnnka.    Brit.  Mus. 
Lerapertz  sen. 
Rollin. 

Lempertz  sen. 
Hoffmann. 
RoUin. 
Hoffinann. 
Bollin. 


140 
105 
320 


Zur  Erinoeruiig  ti 

die  Disuh'iohe  Samnlnng  römigcher  Gläser.          131 

Nr. 

JC 

Nr. 

M 

1480  Ihsch. 

12 

1545 

1481  UoaTgignoD. 

26 

1546 

Ans'm  Weerth.  B.  Pr.-Mns.    90 

1492  HofiiDann. 

41 

1547 

Briukmann.  Mus.  in  Hamb.    80 

1483  HersUtt. 

26 

ir>48 

Lempertz  een.                       110 

14S4  Aae'm  Weerth.  B.  Pr 

-Hus. 

75 

1549 

1485  HoffmaDn. 

40 

1550 

Derselbe.                                460 

1486  Domlbe. 

12 

1551 

Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.  125 

1487  BoargigDon. 

31 

1552 

Herstatt.                                  66 

1488  RolliD. 

SO 

1553 

Aus'm  Weeith.  B.  Pr.-Mus.     8 

1489  Steffena. 

20 

1554 

Derselbe.    B.  Prov.-Mus.          3 

20 

1555 

HoSmann.                                   6 

1491  Emundts. 

39 

1556 

Emundts.                                125 

1492  Steffens. 

25 

1557 

Brinkmann.  Mus.  in  Hamb.    60 

1493  Ibach. 

25 

1558 

Franke.                                     65 

1494  Herstatt. 

26 

1559 

Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.    5fi 

1495  Wolff. 

42 

1560  Hoffmaon.                                80 

1496  Herkeus. 

16 

1561 

Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mns.    17 

1497  Hettaer.   Tr.  Prov.- 

UUB. 

6 

15f:2 

Derselhe.                                   32 

1498  BriDkmann. 

13 

1563 

Hoffmann.                                80 

1499  Heratatt. 

32 

1564 

Wolff                                       32 

1500  RolliD. 

135 

1665 

Hoffmann.                                16 

1601  Steffens. 

18 

1566 

Aus'm  Weertb.  B.  Pr.-Mns.  160 

1602  Äua'm  Weertb.  B.  Pr.-Mua 

4 

1567 

Hoffmann.                                20 

1503  Lempertz  eea. 

30 

1 568  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mas.     3 

1504  Steffens. 

11 

1569 

Wolff.                                       10 

1605  Hettner.  Tr.  Pro?.-MuH.  12,50 

1570  Emundts.                                100 

1506—1511  Steffens. 

17 

1571 

Hettner.  Tr.  Prov.-Mus.       92 

1512  Heberle. 

9 

1572 

Brinkmann.                              18 

1613  Emundts. 

23 

1573  Wolff.                                       30 

1514  Heberle. 

16, 

1574 

Hoffmann.                                36 

1515  Hoffmann. 

6 

1575 

Brinkmann.                              10 

1516  Ans'm  Weerth.  B.  Pr.-Uns 

12 

1576 

Hassel.                                   6,50 

1517  Dersslbe.  B.  Prov.-Mns. 

11 

1677 

Hettner.  Tr.  Prov.-Mus.       30 

1618  Heberle. 

15 

1578 

Derselbe.  Tr.  Prov.-Mus.      30 

1519  Hassel,  Trier. 

6 

1579  Hoffmann.                                   2 

1530  Emundts. 

10 

1580  Derselbe.                                  41 

1521   Hassel. 

4 

1581 

Brinkmann.  Mus.  in  Hamb.      2 

1522  Derselbe. 

3,50 

1582 

Steffens.                                      3 

1523  Herstatt. 

41 

1583  Hoffmann.                                 15 

1624   BriDckmann. 

11 

1684 

Hassel.                                   6,50 

1525  Wolff. 

25 

1585 

Brinkmann.  Mns.  in  Hamb.     30 

1526  AoB'm  Weertb.  B.Pr 

-Mus 

23 

1586  Steffens.                                      2 

1527-1637  Steffens  ÄLehmann  37,50 

1587  Hassel.                                   1,50 

!?S}w.». 

26 

1568  Metzler.                                      3 

1589 

-1594  Derselbe.                   19 

1540  Herstatt 

28 

1596 

-1601  Derselbe.                   26 

1541  Hoffmann. 

466 

1602 

Caetellani.                                75 

1642  Äns'm  Weerth.  B.  Pr 

-Mus 

90 

1603  Derselbe.                                450 

1543  Hoflinann. 

320 

1 604  Ans'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.      7 

1644  Emundts. 

240 

1605 

Derselbe.   B.  Pruv.-Mns.         8 

t 


\'' 


Kr.  ^ 

1606  DerBolbo.  B.  ProT.-Mus.       41 

1607  Franks.  Brit.  Mus.  110 

1608  Brinkmann.  Mus.  in  Hamli.  125 

1609  Aua'ni  Weerth.  B.  Pr.-Mua.    36 
16iO  Hassel.  7,50 

1611  Wolff.  3,50 

1612  Hettner.  Tr.  Prov.-Moa.       97 

1613  Aus'in  Weerth.  B.Pr .-Mus.   29 

1614  UerBtfttt.  IT. 

1615  Steffens.  2 
ICir.  Hassel-                                   1,50 

1617  Brinkmann.  Mus.  in  Hamb.     10 

1618  Aus'm  Weei-tb. 


1619  Neumark. 

1620  Metzler. 

1621  Brinkmana.  Mos.  I 

ISl^  »••'■>"■ 

1624  Neumark. 

163Ö  Deichmann. 

1626  Metzler. 

1627  Bock. 

1628  Metzler. 
162»  Krauth. 

1630  Brinkmann.  Mus.  i 

1631  Oelbermanii. 

1684  Steffens. 

1635  . 

1636)  Hetzler. 

1637  1 

1638  Hetzler. 

1639  Heberle. 

1640  Steffens. 
1641—1647  MeUler. 
1648—1657  Derselbe. 
1658—1668  Derselbe. 

1669  Dr.   Bacliüfeu, 

1670  KaBel. 

1671  Deraelbe. 

1672  Merkens. 

1673  Metzler. 

1674  Derselbe. 

1675  Derselbe. 

1676  Beberle. 

1677  Metzler. 

1678  Derselbe. 
1679—1681  Berthold. 
1682  Wingen. 


1,50 


13,50 
11 
1,50 
1,50 
13,50 
8,50 
9 
8,50 


Sammlung  römiiclier  Olttaar. 

Nr. 

M 

1683  Ranter. 

fi 

1GB4  Merkena. 

40 

1RB5  Charvet. 

70 

1086  Metzler. 

ilO 

1687  Derselbe. 

6,50 

168B  Krautli. 

« 

1689  Berthold. 

4 

16»0  lleberle. 

4 

1691  Metzler. 

3 

1692   Derselbe, 

(! 

1693  Atts'm  Weerth.  B.  Pr.-Mus.      9 

1694  Derselbe.  B,   Pr.-Mns. 

155 

1U95  Motzler. 

9,50 

169(1  Wingen. 

18 

161*7    Merkens. 

20 

1698  Metzler. 

5,.^0 

1699  Rollin. 

12 

1700  Derselbe. 

45 

IT  Ol  Bachofcn. 

9 

1702  Heberle. 

18 

1703  Wingen. 

IK 

17U4  Metzler. 

5,50 

1705   Hoffmann. 

7 

1700  Metzler. 

3,50 

1707  Berthold. 

10 

1708  Derselbe. 

1,50 

;™»}D.™,b.. 

6 

1711   Char^et. 

20 

1712  Wingen. 

2,50 

1713  Metzler. 

1 

1714  Aus'm  Weerth.  B.  Pr.-Mu 

s.      9 

1715  Rollin. 

21 

1716  Steffens,  Trier. 

9 

1717  Kasel. 

7,50 

1718  Rollin. 

16 

1719  Metzler. 

2 

1720  Berthold. 

1,50 

1721  Lehmann. 

2 

1722  Hoffmaon. 

21 

1723  Metzler. 

4,50 

1,50 

1725  Charvet. 

9 

1726  Metzler. 

2,50 

1727  Berthold. 

1,50 

1728  Heberle. 

4,50 

1729  Charvet. 

6 

1730  Merkens. 

7 

1731  Charvet. 

6 

1732  Derselbe. 

6 

Pontifical-Kelch  aus  dem  Dome  zu  Osnabrück. 


138 


Nr.  JU 

1 7  Si  f  ^®^2^®^*  2,50 

1735  Berthold.  3,50 

1736  Metzler.  4 

1737  Derselbe.  1,60 
1738—1748  Metzler,  Wingen.  26,50 
1749—1758  Bachofen,  Wingen.  15,50 

}  J^2}  Kasel.  1,60 

1761  Berthold.  0,70 

17631^^^^^*  ^'^^ 


Nr. 

*Ma 

1764—1768  Berthold. 

8,50 

1769—1773  Metzler. 

15,50 

1774  Heberle. 

1,60 

1775—1780  Rauter  u. 

Anfi*m 

Weerth. 

54,80 

1781  Wingen. 

1,10 

1782  Rauter. 

0,60 

1783\  T^          , 
1784?  •N®'^"^*'^^? 

2,50 

1785  Nettstraeter. 

0,60 

1785  Steffens, 

10 

1786  Derselbe. 

10 

E.  aus'm  Weerth. 


7.  Pontiflcal- Kelch  aus  dem  Dome  zu  OenabrOck. 


Hierzu  Tal  IV« 


Oleichwie  durch  die  Ausstellung  zu  Münster  im  Jahre  1879 
die  Meisterwerke  Anton  Eisenhuth's  und  dadurch  dieser  Meister  selbst 
der  Welt  erst  als  Goldschmied  bekannt  wurde,  so  ist  durch  die  Düs- 
seldorfer Ausstellung  ein  ebenfalls  bisher  gänzlich  unbekanntes  und 
hervorragendes  Goldschmiedewerk  und  sein  bis  dahin  noch  nicht  ge- 
nannter Verfertiger  an  die  Oeffentlichkeit  getreten. 

Ich  verdanke  es  der  gütigen  Vermittlung  des  Herrn  Dombau- 
meisters B  ebnes  in  Osnabrück,  auf  den  im  vorigjährigen  Frühjahr  beim 
Aufräumen  der  Begistratur  des  dortigen  General- Vicariates  gefundenen 
prachtvollen  Kelch  der  beifolgenden  Abbildung  (Taf.  IV)  aufmerksam 
gemacht  worden  zu  sein,  ebenso  dem  Entgegenkommen  des  Herrn 
Capitular-Vicars  Dr.  Hoeting,  denselben  für  die  Düsseldorfer  Ausstel- 
lung, deren  besondere  Zierde  er  war,  bereitwilligst  erhalten  zu  haben. 

Der  grosse,  überaus  reich  ausgestattete  Kelch  von  im  Feuer  ver- 
goldetem Silber  misst  0,32  cm  in  der  Höhe,  0,27  cm  Durchmesser  im 
Fuss  und  0,24  cm  Durchmesser  in  der  Peripherie  der  Kuppe.  In  allen 
Theilen  ist  er  mit  getriebenen  Verzierungen  vollständig  überdeckt. 


134  Pontificäl-Eelch  aup  dem  Dome  zu  Osnabrück. 

Auf  den  Flächen  lies  im  Sechsblatt  angelegten  breiten  Fusses  befindCD 
sich  in  gedrängten  Figuren  sechs  bi  blische  Keliefs,  welche  von  Laubwerk 
rings  umschlungen  sind.  Christus  am  Oelberg,  dieGeisselung,  die  Kreuz- 
tragung,  die  Kreuzanheftung,  eine  drastische  Scenerie  sehr  materieller 
Natürlichkeit,  lienn  vier  Personen  sind  tbätig,  den  Heiland  anzubinden 
und  anzunageln,  endlich  die  Kreuzigung  und  Himmelfahrt,  üeber  dem 
Fuss  erhebt  sich,  als  gothiscbe  Fenster- Architectur  behandelt,  mit  frei 
vorstehenden  Pfeilern  und  Bogen  der  schlanke  Schaft;  darüber  der 
»uf  Blattconsolen  ruhende  milchtig  ausladende  Knauf  in  überreichen 
zierlichen  Formen.  Von  einer  ähnlichen  Fenster-Architectur  der  Rück- 
wand wie  am  unteren  Schaft  bauen  sich  an  allen  (3  Seiten  des  Nodus 
ebenso  üppige  wie  zierliche  Baldachine  auf,  unter  deren  Bogenstellun- 
gen  in  freistehenden  kleinen  Figuren,  welche  an  künstlerischer  Schön- 
heit die  Reliefs  des  Fusses  weit  übertreffen,  wir  vorne  den  segnenden 
Heiland  mit  der  Weltkugel,  rechts  von  ihm  Paulus,  hnks  Petrus,  dann 
Johannes  und  zwei  andre  Heilige  erblicken.  Sogar  die  Kuppe  des 
Kelches,  die  meistens  sonst  in  Berücksichtigung  der  beim  Gebrauch 
liturgisch  vorgeschriebenen  sorgfältigen  Abtrocknung  durch  den  cele- 
hrirenden  Geistlichen  glatt  gehalten  wird,  mit  der  reichsten  Omamen- 
tation  in  stilisirtem  Blattwerk  zu  belegen,  hat  sich  die  in  üppigen 
Formhiiäaugea  überschwängticbe  Spät-Gothik  nicht  versagt.  Nur  das 
Mundstück  ist  aus  praktischem  Beweggrunde  glatt  geblieben.  Zur  weitem 
Erhöhung  des  malerischen  Effectes  sind  dann  noch  alle  nackten  Theile 
der  Figuren,  also  Köpfe,  Hände  und  Fasse,  in  der  Silberfarbe  verblie* 
ben,  die  gothiachen  Fensteröffnungen  des  Knaufes  blau  emaillirt. 

Wenn  dieser  Kelch  durch  seine  effectvoUe,  decorative  Behandlung 
des  Edelmetalls  an  und  für  sich  schon  als  ein  Meisterstück  der  deut- 
schen Goldschmiedekunst  des  15.  Jahrhunderts  dasteht,  so  gewinnt 
er  dadurch  noch  ein  erhöhtes  Interesse,  dass  er  dem  suchenden  Be- 
trachter auch  noch  gestattet,  in  bescheidenem  Versteck  den  Namen 
des  Meisters,  von  eigener  Hand  geschrieben,  zu  lesen.  Der  nach  seiner 
Herkunft,  seiner  Werkstatt  und  seinen  sonstigen  Werken  fragenden 
Wissenschaft  ist  dadurch  Gelegenheit  gegeben,  seiner  Spur  weiter  su- 
chend zu  folgen.  Die  6  Reliefplatten  des  Fusses  sind  durch  Nieten 
auf  diesem  befestigt.  Löst  man  die  Nieten  und  nimmt  die  Platten 
ab,  so  findet  man  unter  einer  derselben  in  zarten  flüchtig  eingeritzten 
Buchstaben,  wie  sie  das  nachstehende  Facsimile  wiedergibt,  folgende 
Inschrift:  fecit  mychy  engelbertOB  Hofslegers  auryfaber  de 
Coevldyge  afio  MCCCCLXVIIL 


Pontifical -Kelch  aus  dem  Dome  su  Osnabrück. 


135 


Der  Goldschmied  un- 
seres Kelches  heisst  dem- 
nach Engelbert  Hof- 
slegers, obgleich  man 
versucht  sein  könnte,  Hof- 
stegers  zu  lesen,  weil 
der  Strich  des  s  durch 
das  1  geht.  Aber  dies  ist 
offenbar  zufällig  und  nicht 
in  soweit  von  der  Absicht 
des  Schreibers  herbeige- 
führt, um  dadurch  ein  t 
zu  bilden.  Für  1  entschei- 
det, dass  dessen  Strich 
über  den  vertikalen  Theil 
des  s  hinausgeht.  Der 
hinter  dem  Familiennamen 
des  Goldschmiedes  ge- 
nannte Heimathsort  des- 
selben; anscheinend  Cos- 
vldyge,  kann  auchCos- 
vleyge  gelesen  wer- 
den, indem  ein  umge- 
kehrtes d  =  e  urkund- 
lich wohl  vorkommt.  Cosvleyge  würde  dann  dem  jetzigen  Orte 
Coesfeld  im  Reg.-Bez.  Münster  in  Westfalen  näher  kommen  als  Cos vl- 
dyge.  In  den  gleichzeitigen  Urkunden  finden  wir  Cosvelde,  Cosfelde, 
Coesuelde;  auf  Münzen i)  und  Urkunden  aber  auch  Cosvelia  und  Cos- 
veldia.  Bei  der  corrupten  Schreibart  unseres  Goldschmiedes  ist  aber 
auch  die  Weglassung  eines  e  nicht  ausgeschlossen.  Setzen  wir  dasselbe 
bei  unsrer  Inschrift  Cosvleyge  hinzu,  so  erhalten  wir  den  Namen 
Cosveleyge,  der  schon  den  urkundlichen  Schreibungen  verwandter  ist. 
Jedenfalls  wird  man  bis  auf  Weiteres  an  Coesfeld  festhalten  müssen. 
Dass  der  Strich  zwischen  anno  und  MCCCCLXVIII  ein  vernachlässigtes 
d  ist  und  mit  dem  vorstehenden  anno  demnach  Anno  Domini  heissen 
soll,  bleibt  wahrscheinlich. 

Im  Jahre  1492  begegnen  wir  urkundlich  in  Osnabrück  einem  En- 
gelbert Goldsmet,  der  als  angesehener  Geldwechsler  auftritt,   aber  er 

1}  W.  Cappe'B,  Urkundliche  Manzgesohichte  der  Stadt  Coesfeld.  1870. 


186  l' 011  titicDl- Kelch   Htia  iloni  Domo  zu  Osnabrück. 

führt  nicht  den  kennzeichnenden  Beinamen  de  Cosuleyge ')■  De  Zeit- 
stellung nach  —  nur  4  Jahre  später  als  das  Entstehungsjahr  des  Kel- 
ches —  kann  er  sehr  wohl  dessen  Verfertiger  sein. 

Auch  das  Andenken  an  den  frommen  Geber  dieses  Prachtge- 
scbenkes  ist  uns  aufzufrischen  vergönnt.  In  der  Darstellung  des  Oel- 
berges  am  Kelchfusse  nämlich  erblicken  wir  ausser  deu  drei  typisch  bei 
dieser  Darstellung  vorkommenden  schlafenden  Jüngern  in  bescheidener 
Seitenstellung  die  kleine  knieende  Gestalt  eines  Mönches:  Dass  er  der 
Donator  ist,  lässt  sein  bei  dieser  Scene  zu  sonstiger  Function  nicht 
zulässiges  Erscheinen,  lassen  auch  die  vielfachen  Analogien  ähnlicher 
Donatoren  ■  Vorstellungen  kaum  verkennen  =). 

Aus'ra  Weerth. 


1)  Stüve,  GoBchichtö  des  Hochatifts  Osnabrück  I,  S.  434. 

2J  Eine  eebr  schono  photogr.  Abbildung  dieses  Kelchei  befindet.  Hieb  unter 
Nr.  83  in  den  vom  Verein  bei  ScbÖoingb  in  Paderborn  berauBgegobeDen  Aub- 
ataUungspbotogriipiiioti. 


II.  Litteratur. 


1.  Die  Baudenkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden.  Im 
Auftrage  des  Königlichen  Ministeriums  für  geistliche,  Unterrichts-  und 
Medicinal- Angelegenheiten  bearbeitet  von  Prof.  Dr.  W.  Lotz,  heraus- 
gegeben von  Friedrich  Schneider.  Berlin,  Verlag  von  Ernst  und 
Korn   1880.  567   SS.    8o. 

Ein  verdienstlicher  Zug  der  gegenwärtigen  Geschichts-  und  Alter- 
thömsforschung  ist  es,  die  Denkmäler  der  vaterländischen  Vorzeit  von 
Ort  zu  Ort  und  nicht  bloss  die  kirchlichen,  sondern  auch  die  öffent- 
lichen und  bürgerlichen,  nicht  bloss  jene  des  Mittelalters,  sondern  auch 
die  früheren  und  späteren,  nicht  nur  jene  der  Baukunst  und  der  drei 
„hohen  Künste**  überhaupt,  sondern  auch  die  kunsthandwerklichen  von 
den  einfachen  bis  zu  den  reichsten  Ueberresten  möglichst  vollzählig  zu 
verzeichnen,  verbildlichen,  beschreiben,  kurzum  in  das  richtige  geschicht- 
liche Licht  zu  stellen.  Gilt  es  einmal  der  Monumentenkunde  eines  Or- 
tes, so  haben  die  rein  archäologischen  und  sogen,  kunsthand- 
werklichen Denkmäler  ebenso  Anspruch  auf  Beachtung,  wie 
die  „Kunstwerke**,  mag  die  Beachtung,  je  nach  dem  Werthe  des 
Monumentes,  auch  hier  eine  eingehendere  werden,  als  dort.  Beide  Gat- 
tungen, welohe  wir  jetzt  leider  scheiden,  hangen  eng  mit  einander  zu- 
sammen, oft  gar  wie  der  Blüthenzweig  mit  dem  Stamme,  und  nur  eine  Ar- 
beit, welche  sämmt liehe  Denkmäler  eines  Reviers  umfasst,  gewährt 
der  Wissenschaft  die  erwünschte  Bereicherung  und  Ausbeute  ;  als  Quel- 
lenwerk ersten  Ranges  gewährt  sie  der  Ortsgeschichte  Fuss  und  Leben, 
weil  diese  sich  am  klarsten  in  den  Denkmälern  abgespiegelt  hat,  und 
wirft  sie  willkommene  Lichter  in  jene  Zeiten,  worüber  die  schriftge- 
schichtliqhen  Quellen  schweigen;  sie  führt  der  Archäologie,  der  Stilkunde, 
der  Geschichte  der  Technik,  der  Entwicklungsgeschichte  einzelner  Kunst- 
zweige die  wesentlichsten  Beiträge  zu. 

Soll   die    allgemeine  Archäologie    und  Kunstgeschichte    mehr    und 
mehr  dem  Aphoristischen  und   Blüthensammeln  entwachsen,    sollen    die 


n 

m"' 

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Die  Biadanknllci 

r  dee  Regier ungBbezirks  Wiesbaden. 

, 

gegenBeitigen  Kaustströmuiigon  nach  Landschaften  and  Kunatzweigeu 
aufgehellt,  ibre  culturgeBchiclitlicheD  Gmadlngen  blose  gelegt  werdeo, 
die  BO  lange  verkannten  Kleinkünste  den  gebührenden  Platz  neben  den 
„hohen  Künsten"  einnehmen,  80  müsaen  erst  die  Denkmäler  der  Ort- 
und  Landschaften  in  Schrift  oder  zugleich  im  Bilde  vorliegen,  nnd 
zwar  HD  vollständig,  als  es  zur  Zeit  möglich  ist.  Der  Weg  dahin  iet 
kein  anderer,   als  die  umfassendste   Orte-   und  Quellenforschung. 

Soweit  diese  angestellt  ist,  ergibt  sie  überall  massenhafte  Fände, 
und  der  Stoö'  wachet  in  ungeahnter  Weitschichtigkeit  an.  Wollen  wir 
Herr  des  Stoffes  werden,  wie  ihn  eine  Landschaft  oder  eine  Nation 
in  den  verschiedenen  Zweigen  and  Zeitaltern  hinterlassen  hat,  so  tat  die 
Arbeit  za  theilen,  nicht  nach  zeitlichen  oder  sachlichen  Gesichtspunkten, 
wie  unschwer  einzusehen,  sondern  nach  örtlichen  Umgrenzungen  von 
solchem  Umfange,  dass  die  Kräfte  der  Forschung  gewachsen  sind.  Dies 
Verfahren  allein  ist  zweckmässig,  handlich,  praktisch,  erfordert  den  ge- 
ringsten  Aufwand  von  Zeit  und  hendthigt  keine  Wiederholung 
der  üntersuchungsreisen  nach  ein  and  demselben  Orte,  wie 
sie  eintreten  müsste,  wenn  nach  bestimmten  Zeiträumen  oder  nach  Ge- 
genständen die  Arbeit  in  Angriff  genommen  würde.  Li  den  Monumfti- 
ten  eines  Ortes  steckt  seine  Geschichte,  in  den  altem  oft  ein  Lickt- 
strabl,    welcher  die  spätere  Geschichte  beleuchtet. 

Solch'  ein  Unternehmen  ist  schwerer,  als  der  Femstehende  allst. 
Welch'  eines  Aufwandes  von  Reisen,  von  schriftlichen  und  mandlichan 
Nachforschungen,  von  Vergleich ungen  der  etwa  einschlägigen  Literatur 
bedarf  es  schon,  eine  (statistische)  Vollständigkeit  herauszubringen,  und 
welche  wissenschaftlichen  Operationen  setzt  die  Verarbeitung  voraus,  falU 
die  Örtliche  Denkmälerknnde  oder  auch  ihre  hervorragendsten  Bestand- 
theile  aus  dem  Banne  des  Localgeschichtiichen  gelöst  und  an  die  all- 
gemeine Geschichte  geschlossen  werden  sollen!  Analyse  und  Synthese 
müssen  da  vorzugsweise  Hand  in  Hand  gehen.  £ine  Arbeit  örtlichen 
Umfanges,  welche  neben  den  vorhandenen  Denkmälern  auch  die  ver- 
sohwundenen,  veräasserten  und  zerstörten,  nicht  bloss  nach  den  Erinne- 
rungen der  Ortsangehörigen  und  nach  sonstigen  naheliegenden  Hülfsmitteln, 
sondern  auch  —  und  das  namentlich  in  Bezug  auf  die  altern  Werke 
—  nach  den  Geschichtsquellen  mögliahst  vollständig  wieder  vor- 
führte, würde  auch  einen  Ersatz  bieten  für  einen  Codex  kunstgeschicht- 
licher  Quellen,  welcher  bis  jetzt  noch  ein  frommer  Wunsch  gebliehen  ist. 

Wenn  die  Denkmälerknnde  im  örtlichen  Rahmen  auf  breitester 
Grundlage  im  Zusammenhange  mit  der  Cnlturgeschichte  durchgeführt 
ist,  lassen  sich  die  Eunstdichtigkeit  und  die  Eunstverdienste  der  Land- 
schaften gegeneinander  abwägen,  der  letzteren  Antheil  an  der  Entwich' 
lang  der  Stile  and  der  Arbeitweise  überaehen ;  die  allgemeinere  Kunst- 


Die  Baudenkmäler  des  Regieran^bezirks  Wiesbaden.  139 

gescbichie  kann  dann  die  örtlichen  Resultate  je  nach  ihrem  Werth  be- 
nutzen und  die  Strömungen  der  Kunst  nach  den  verschiedenen  Richtun« 
gen  der  Zeiten  und  Landschaften  verfolgen . 

Arbeiten  dieser  Art  liegen  bereits  vor  und  als  die  jüngste  das 
oben  angezeigte  Buch.  Es  macht  bei  kleiner  Antiqua  -  Schrift  einen 
starken  Octavband  aus,  begreift  auch  den  ganzen  Raum  eines  Regie- 
rungsbezirks und  bietet  eine  grosse  Fülle  von  seither  bekannten  und 
unbekannten  Denkmälern.  „£in  grosses  Stück  Geschichte  hat  sich  da- 
selbst abgespielt  und  zahlreiche  Denkmäler  aus  allen  Gebieten  sind 
beredte  Zeugen  für  das  angeregte  Leben,  das  einst  hier  pulsirte."  Den 
Arten  nach  fesseln  unsere  Aufmerksamkeit  neben  den  alten  Email-  und 
Goldschmiedewerken  des  Domes  zu  Limburg,  die  vielen  Burgen  und 
Burgenreste,  die  mit  Mauern  bewehrten  Kirchhöfe,  die  profanen  Ar- 
chitekturen, (S.  91)  sogar  eine  steinerne  Schleuse  des  Uebergangsstiles, 
alte  Glasmalereien,  Bodenfliesse  u.  s.  w.,  und  auf  der  andern  Seite  über- 
raschen uns  wieder  kirchliche  Bedürfnissbauten  in  einer  Zahl,  welche 
man  sich   in  so  einem   verkehrsreichen   Gebiete    geringer  gedacht  hätte. 

Auch  hier  kommen  die  Denkmäler  der  Römer  und  der  Neuzeit 
neben  jenen  des  Mittelalters  in  Betracht;  einzelne  Stücke  unseres  Jahr- 
hunderts sind  verzeichnet,  die  früheren  planmässig  weiter  beschrieben. 
Die  Literatur,  die  Berichte  der  Ortsangehörigen,  die  allerdings  seltenen 
Archivalien  finden  sich  theils  am  Ende  der  Abschnitte,  theils  im  Texte; 
weniger  störend  und  ebenso  übersichtlich  hätten  diese  Nachweise  als 
Anmerkungen  unter  dem  Texte  einen  Platz  erhalten.  Den  Schluss  bil- 
det eine  üebersicht  des  Inhalts  nach  zeitlichen,  örtlichen  und  stilisti- 
schen Gesichtspunkten,  —  meines  Erachteus  der  gelungenste  Theil 
der  ganzen  Arbeit,  denn  sie  orientuii  sofort  über  die  Gattungen  wie 
über  das  Einzelne.  Die  Denkmäler  sind  nach  den  Ortschaften,  diese 
jedoch  nicht  nach  älteren  politischen  oder  kirchlichen  Umgrenzungen, 
sondern  künstlich  nach  alphabetischer  Folge  aufgeführt,  so  zwar,  dass 
selbst  sachliche  Theile  wie  „  Pfahlgraben  ^  unter  P,  Gebück  unter  G, 
also  nicht  unter  den  betreffenden  Ortsnamen  gesucht  werden  müssen. 

Nach  Diekamps  Recension  im  „literarischen  Handweiser ^  sind 
leider  verschiedene  Orte  des  Regierungsbezirks  ohne  Beachtung  und 
ohne  Untersuchung  geblieben,  so  allein  von  den  46  Dörfern  des 
Landkreises  Wiesbaden  13.  Das  macht  keinen  guten  Eindruck  und 
erregt  in  uns  Zweifel,  ob  auch  von  jenen  Orten,  welche  genannt  wer- 
den, die  Denkmäler  vollständig  vorgeführt  und  ob  die  vorgeführten 
Denkmäler  ausreichend  beschrieben  sind.  Schon  beim  flüchtigen  Durch- 
blättern fällt  uns  auf,  dass  so  wenig  profane  Denkmäler  der  Klein- 
kunst, so  wenig  Metallwerke,  so  wenig  Möbel,  so  wenig  Denkmäler 
des  Privatbesitzes,  so  wenig  Erbtheile  der  fränkischen  Zeit,  dass  keine 


I 


^ 


140  Die  Baudunkoi&ler  des  Regie ruiif^bozirks  Wieaboden, 

Münzen,  keine  Sieget  von  Fürsten  und  Rittern,  von  Bischöfen,  Äebten  tiad 
Stiftern,  keine  von  Städten  und  Corporationen  in  dem  BucLe  Erwähaung 
findon.  Mnn  fragt  aich,  ob  denn  da»  Frankfurter  Stadt-Arcbiv  so  arm 
sei  an  vaterländischen  Denkmälern,  dass  es  als  Fundort  bloss  (S.  163) 
für  drei  architektonische  Skizzen  aufgeführt  wird,  ob  denn  das  Staats- 
Archiv  zu  Idstein,  deseen  Urkundenschatz  doch  aus  dem  behandelten 
Bezirke  herBtanimt,  Niclita,  gar  Nichts  für  dessen  Denkmälerkunde  be- 
sitzt, etwa  Bücher  mit  Miniaturen  oder  kunstreichen  Kinbänden,  etwa 
Siegel  oder  Münzstempel.  Wenn  die  eine  Sammlung  als  Fundstätte 
genannt  ist,  muss  auch  die  andere  als  solche  gelten,  wenn  ein  ein- 
schlägiges Stück  beachtet  ist,  will  auch  dos  gleichartige  beachtet  sein. 
und  als  einschlägige  Stücke  haben  jene  zu  gelten,  welche  mit  der 
Cultar- Geschichte  des  Landes  verwachsen,  dort  oder  auswärts  zq 
finden  sind.  Man  begreift,  warum  das  städtische  Museum  zu  Frank- 
furt z.  B.  138,  139  anlässlich  eines  Holbein -Bildes  und  einer  Hand- 
schrift mit  Miniaturen  besucht  ist,  aber  man  sieht  nicht  ein,  wa- 
rum es  nicht  wie  S.  163  das  Stadtarchiv  und  die  Stadtbibliothek 
eine  Rubrik  bildet  und,  nachdem  der  üolhein  erwähnt  ist,  mit  keiner 
Silbe  des  lieblichen  Paradies -Bildchens  aus  der  altkölnischen  Maler- 
schule  gedacht  wird,  wovon  doch  Weltmann  in  seiner  Geschichte  der 
Malerei   I,    403    einen  Holzschnitt  beigebracht  hat. 

In  dem  Falle  konnte  es  doch  verzeichnet  werden  und  waren  con- 
sequent  auch  die  einschlägigen  Denkmäler,  welche  zur  Zeit  ihren  na- 
türlichen Fundort  mit  einem  andern  oder  gar  mit  einem  ausländischen 
verwechselt  haben,  näher  zu  untersuchen  und  zu  berücksichtigen,  ge- 
rade wie  die  noch  vorfindlichen.  Das  ist  höchstens  bei  einzelnen  Stü- 
cken und  dann,  wenn  sie  dem  Regierungsbezirke  verblieben,  sonst  nicht 
einmal  bei  dem  Theile  der  teerlhvoUen  Glasmalereien  (S.  65,  66)  ge- 
schehen, welche  von  Dausenaa  an  die  St.  Florins- Kirche  za  Coblenz 
gekommen  sind.  Wenn  aber  einst  der  Bearbeiter  der  £unstdenkmäler 
von  Coblenz  nach  den  Grundsätzen,  welche  für  die  „Baudenkmäler  des 
Regierungsbezirks  Wiesbaden"  massgebend  wurden,  die  fremdartigen  Deak- 
m&ler,  also  jene,  die  nicht  der  Cultur  seines  Forschungsgebietes  erwuch- 
sen, ausscheiden  sollte,  so  werden  die  wertkvoUen  Glasmalereien  keinen 
Raum  in  der  örtlichen  Denkmälerkunde  finden  und  dann  leicht  für  die 
allgemeine  wie  für  die  spezielle  Geschichte  und  Kunstgeschichte  verloren 
gehen;  und  um  wie  viel  mehr  wird  dies  Geschick  dann  jenen  Denkmä- 
lern drohen,  die  jetzt  in  private  oder  öffentliche  Sammlungen  an- 
derer Nationen  verbannt  sind!  Sollen  die  entfernten  Denkmäler  nicht 
unter  dem  natürlichen  Fundorte  betrachtet  werden,  so  wird  ihre  Be- 
deutung schwerer  begriffen,  das  Bild  der  Kunstdichtigkeit  eines  Landes 
lückenhaft.     Wer   die   Denkmäler  OriechonlandB   und   Baierns   zn    bear- 


Die  Bandcnkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden.  141 

beiten  bätte,  der  würde  die  Giebelgmppen  des  Atbenetempels  Yon  Ae- 
gina  anter  Müncben  böcbsteDS  erwäbnen,  unter  Griecbenland  aber  be- 
Bcbreiben.  Noch  mebr:  Wie  viele  Gegeoetände  figuriren  in  den  Museen 
und  andern  Sammlungen,  deren  Fundort  im  Dunkeln  liegt;  und  doch  ist 
die  Kunde  des  Fundorts  in  den  meisten  Fällen  genau  so  wichtig  für  die 
Wissenschaft,  wie  jene  des  Fundes.  Ihn  wieder  aufzudecken,  oder  der 
Aufdeckung  yorzuar beiten,  gibt  es  oft  keinen  bessern  Weg  als  den  der 
Ortsforschung  selbst;  ihr  unverrückbares  Augenmerk  muss  also 
auch  auf  die  verschwundenen  Sachen  gerichtet  sein,  und 
sofern  diese  noch  vorhanden  sind,  auch  auf  deren  volle  Werthschätzang, 
sofern  Mittel  und  Zeit  es  eben  gestatten.  Was  soll  man  nun  zu  einer 
Auslassung,  wie  folgende,  S.  414  unter  Strinztrinitatis  sagen:  Eisen- 
gitter zwischen  Chor  und  Schiffy  kunstvoll  gearbeitet  mit  Crucifix  (!)y  soU 
sich  im  Museum  zu  Wiesbaden  befinden.  Also  eine  so  kunstvolle  Ar- 
beit ist  nicht  einmal  in  einer  Sammlung  constatirt  und  näher  für  die 
Beschreibung  besichtigt,  in  einer  Sammlung,  welche  mitten  im  For- 
schungsgebiete liegt.  —  Dass  von  der  alten  rühmlichen  Topffabrication  ^) 
keine  Geschichte,  keine  geschichtliche  Skizze  gegeben  ist,  erklärt  sich 
vielleicht  aus  der  Anordnung  des  Stoffes,  dass  aber  kein  Exemplar  davon 
mehr  sollte  zu  finden  sein,  wie  es  nach  der  Inhalts-Üebersicht  scheint, 
kann  man  kaum   glauböli. 

Wir  vermissen  die  Bestätigung  des  Vorhandenseins  oder  die  Charakteri- 
Btik  von  gewissen  Denkmälern  des  Regierungsbezirkes,  worüber  dem  Bear- 
beiter nur  eine  unsichere  Kunde  vorlag.  S.  2  2  heisst  es  von  den  Glocken 
EU  Beilstein:  die  grösste  soU  von  1614,  die  zweite  von  1597,  die  vierte 
von  1798  sein,  die  dritte  und  fünfte  —  letztere  jetzt  im  Schulhause  hän- 
gend —  SOllefl  gothische  Inschriften  haben,  S.  83  von  jenen  zu  Dill- 
hausen :  die  grössere  tx/ngeblich  1451,  die  kleinere  von  Meister  Stephan 
1517  gegossen,  S.  1 1 5  unter  Flörsheim :  Monstranz  von  Silber,  gothisch, 
SOU  .  .  .  kunsthistorischen  Werth  besitzen,  S.  308  von  den  drei  Glo- 
cken zu  Marienfels:  die  mittlere  soU  1438,  die  grösste  tmd  die  kleinste 
von  Jaen  bruwüre  gegossen  sein,'*  ^.351  von  den  Glocken  zu  Ober- 
lahnstein: „Unter  den  4  Glocken  soU  eine  1583  durch  Hieronymus 
Hack  von  Aschaffenburg  gegossen,  eine  Mter  sein"  S.  359  von  den 
Glocken  zu  Panrod:  „die  kleinste  d/ngehlich  von  1321  oder  1325'', 
8.  428  unter  Wechel:  3  Glocken  sollen  von  1553,  1661  und  äUerer 
Zeit  (der  nicht  entzifferten  gothischen  Inschrift  nach)  stammen»  Lauter 
Ungefähres    und  Unsicheres   sogar  über  Gegenstände  von  kunstbisto- 


1)  Und  welch'  wichtige*  und  interessante  Funde  für  die  Geschichte  dersel- 
ben sind  noch  1876  in  einigen  Dörfern  des  Kannenbäcker-Ländchens  namentlich 
in  Grenzbausen  und  Grenzau  gemacht!  Vgl.  Kunst-Ghronik  1876  S.  369. 


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3 


149  Die  Bnudenkmtiler  des  Regiariingsliezirka  Wioabtideii. 

riBchem  Werthe.  Die  Notiz  S.  354  unter  Oberseltere :  KapeOe  144B 
erhaiä  löBst  uiu  im  Zweifel  ob  hier,  wie  anderswo,  bloss  ein  FimdationB- 
datum  beigebracht,  oder  ob  das  Bauwerk  Doch  vorhanden  und  dann,  wie 
ee  beschafFen  iat.  Solche  Angaben  mögen  für  Gegenflt&nde  neuesten 
Datums  genügen,  weil  sie  bloss  erw&bnt,  nicht  ihrem  Stilwertlie  nach 
abgeschätzt  werden;  daher  ich  Notizen,  wie  S.  74  unter  Dienethal:  (3 
Glocken  18-14  und  1873)  gern  gelten  lasse;  sie  mögeu  auch  am  Platze 
und  besser  als  gar  keine  sein,  wenn  der  Erforschung  der  fraglichen 
Denkmäler  beträchtliche  Schwierigkeiten  entgegenstehen,  wenn  die  Denk- 
mäler unzugänglich  oder  in  solche  Fernen  zerstreut  oder  voraussichtlich 
Bo  unbedeutend  sind,  dass  die  Untersuchung  den  Aufwand  nicht  lohnt, 
obgleich  auch  dann  auf  schriftlichem  Wege  sich  noch  Manches  näher 
feststulIeD  lasst.  Wenn  die  Gegenstände  sich  aber  an  einem  Orte  be- 
finden, dessen  Baudenkmäler  eine  besondere  Besichtigung  erfuhren,  des- 
sen Angehörige  messen ,  schreiben,  zeichnen,  einen  Abdruck  nehmen 
kfinnen,  so  darf  meines  Erachtens  eine  zweifelhafte  Angabe  nicht  ver- 
ä£Fentlicht  werden. 

Was  die  Boachreibungon  betrifft,  so  bleibt  hier  unklar  die  Form 
des  Gegenstandes,  dort  die  Entstehungazeit,  anderwärts  der  Inhalt,  oder 
gar  das  Material,  woraus  es  gefertigt   ist.      Zum  Beiego  einige  Stellen. 

Frankfurt,  Barfüsaerku-che,  S.  121:  LeUncr  1486.  Kaneel  mit  der 
Jahrcsxalil  liS'J,  erneuert  un<l  mil  neuem  Deckel  vcraehen.  Daselbst, 
Dominicauerkirche:  Bibel  ha  ndscbrift  .  .  .  mit  ca.  130  MintatureH  (wel- 
chen?) und  eahUosen  Initialen  pracMvoO  geadimäcJct,  1514  .  .  .  verehrt. 
das.  S.  122;  „  MarienbÜd  am  nördUchen  Eingänge  der  Kirche,  mit  dem 
Wappen  des  Sl^era,  eines  Weiss  von  Limburg'^.  Dos.  Weiss,  Frauen- 
klosterkirche,  S.  15  6:  Tafelgemälde ;  Kreuzigung  Chrüti  von  einem  guten 
oberdeutschen  Meister."  Gonzenheim:  S.  194,  Kelch  mit  der  Jahreseähi 
1575  sSbervergoldet  Hofheim,  S.  234  :  Taufstein  im  Pfarrgarten,  von  Sand' 
siein,  golhisch,  gross.  Uolzhanaen,  S.  237:  Piscina  im  Chor.  Blaaiua- 
kirche  S.  35:  Taufdein  von  Basalt,  aussen  nahe  dem  Chore,  ohne  Be- 
deutung, defect.  Limburg,  Dom  S.  292:  3  Casdn  mit  spätgothischen 
Stickereien.  Marienthal  S.  316:  Altdeutsches  Tafelgemälde ;  Die  Kreue- 
erfindung  in  4  Abtheüungen.  WerthvoU  (!)  S.  379  Rödelheim:  Kirche, 
Qralisteine  der  Herren  von  Sohns.  Nochem  S.  345;  3  Glocken.  Ober- 
breohen  S.  349;  3  Glocken  1700  und  später.  Schupbach,  S.  404:  Glo- 
ken,  die  grösste  1585  eu  Maine  von  Ckrn.  Klapperbach  gegossen,  die 
mittlere  angeblich  mit  alter  unleserlicher  Inschr^.  S.  413  Strasseber»- 
bach:  .Glocke  mit  gothischer  Inschrift.  S.  43  8,  Wiesbaden:  Grabsteine  aus 
der  alten  Kirche,  jetzt  im'Museum.  S.  443  genügt  gar  für  Witdsachsen 
die  Bauheschreibnng  der  Kirche  und  die  lakonische  Bemerkung:  GlocJcen 
hängen. 


Die  Baudenkmäler  des  Regierangsbezirks  Wiesbaden.  148 

Notizen  dieser  Art  sind  brauchbar  als  Winke  bei  den  Local* 
Untersuchungen  und  jede  Zeile  einer  örtlichen  Denkmälerkunde  soll 
auf  Localnntersuchungen  beruhen.  Diese  Untersuchungen  sind 
Yon  Fachkundigen  anzustellen  und  nicht  auf  jene  Punkte  zu 
beschränken,  wo  sich  „yoraussichtlich^*  oder  „angeblich^' 
Etwas  findet,  sondern  mindestens  auf  alle  Dorf-  und  Kirch- 
stätten auszubreiten,  einmal,  weil  sie  Denkmäler  besitzen 
können,  deren  Werth  den  örtlichen  Berichterstattern  nicht 
in  die  Augen  springt,  sodann  damit  überhaupt  das  Contin- 
gent  der  Denkmäler,  gebe  es  viel,  wenig,  oder  gar  Nichts, 
zur  Zeit  von  Ort  zu  Ort  (statistisch)  constatirt   werde. 

Die  Beschreibungen  selbst  zeigen  einen  ungleichen  Maasstab.  So 
wechseln  mit  den  angeführten  Notizen  wieder  Schilderungen  von  auf- 
fallender Breite  wie  S.  147  Frankfurt,  St.  Leonhard:  Crudfix  auf 
einem  AUare.  16.  Jahrhundert,  Am  Fusse  des  Kreuzes  windet  sich  eine 
SMange  mit  einem  Apfd  im  Munde,  zur  Erinnerung  an  den  Sündern 
fa%  dessen  Folgen  der  Kreuzestod  des  Erlösers  aufhebt  Solch  eine 
wortreiche  Exegese  überrascht  um  so  mehr,  als  über  das  Material  des 
Bildwerks  Nichts  verlautet,  und,  abgesehen  von  den  Kleinkünsten,  sonst 
die  Werke  der  Malerei    und  Plastik  meistens  unsorglicher  fortkommen. 

Die  meisten  Gegenstände  werden  uns  ohne  Maasse,  auffallend  viele 
Artikel  der  Kleinkunst  ohne  Marken  und  Musterzeichen,  die  Inschriften 
in  verwirrender  Orthographie  vorgeführt.  —  Fehler  welche  gegen  den 
Schluss,  wo  man  die  selbständigen  Zuthaten  des  Herausgebers  merkt, 
Yermieden  oder  nicht  mehr  so  fühlbar  werden. 

Da  selbst  den  Baudenkmälern,  welche  doch  stets  im  Vordergründe 
stehen,  zum  grössten  Theile  die  Maasse  fehlen,  traut  man  kaum  dem 
Auge,  wenn  man  S.  316  und  317  solche  gar  von  einer  Festungs- 
mauer und  -Thüre  findet.  Und  von  den  Glocken  erfahren  wir  im  All- 
gemeinen nicht  zu  viel,  doch   hie  und  da  noch  das  Gewicht. 

Facsimile's  sind  von  Zahlen  gegeben,  wo  deren  Charakter  und 
Werth  sich  ganz  gut  mittelst  einer  blossen  Beschreibung  und  einfachen 
Wiedergabe  verdeutlicht  hätte,  uäd  fehlen  dort,  wo  sie  am  Platze  ge- 
wesen wären,  wie  S.  343,  345,  404;  die  unleserliche  Inschrift^  wo- 
rüber da  geklagt  wird,  würde,  falls  sie  dem  Bearbeiter  ernstlich  Schwie- 
rigkeiten machte,  im  Facsimile  veröffentlicht  doch  wohl  eher  oder  später 
ihren  Leser  gefunden  haben.  S.  244  ist  eine  mangelhafte  Glockenin- 
schrift ergänzt  —  warum  das  nicht  an  andern  Stellen  geschehen,  be- 
greift man  nicht.  Was  kann  uns  daran  liegen,  die  fehlerhaften  Laute 
zu  hören,  da  wir  wissen,  dass  Glockengiesser  und  Kunsthandwerker, 
welche  Inschriften  auszuführen  hatten,  gar  keine  oder  nur  eine  dürf- 
tige Kenntniss  der  Schrift  besassen  und  daher  eine  Inschrift  nach  dem 


§■ 


'M4  Die  BaadenkmBlur  des  Rogicrungsbtiirks  WieBliadon. 

OedJlcbtnisse  oder  nach  mündlichen,  vielleicht  gar  arhriftlicben  Angaben 
nicht  coirect  herstellten,  die  ßucliBtRben  und  Abkürzungen  leicht  ver- 
setzten, so  dpiBs  oft  die  wunderlichsten  Worte  und  Legenden  herauB- 
kamen.  Und  wenn  der  Bearbeiter  auch  darauf  Wertb  legt,  —  und 
das  möchte  ich  vom  culturgeechichtlichen  Staudpankte  nicht  misabilli- 
gon  —  dies  der  Leserwelt  zu  zeigen,  so  konnte  er  doch  erst  einen 
richtigen  Text  herateilen,  dann  die  Fehler  in  Noten  geben,  wie  solche 
ja  z.  B.  S.  275  allerdiiiga  zu  anderm  Behufe  angehrnoht  worden  sind. 
Warum  daher  nicht  S.  184  stntt  sanctu  seriaiziw  sanctus  zer(u)atiu8  ,  .  . 
warum   nicht  S.    84    auo   Maria   .    .    .   statt  vae   UTaria   .    .    .? 

Unnütz  und  verwirrend  ist  die  verschiedene  Schrift,  womit  die 
Sentenzen  und  Schriften  der  Denkmäler  reproducirt  erscheinen.  Je 
nach  den  Zeiten  und  Stilcharafcteren  verschiedene  Schriften  anzuwenden, 
hat  dorh  nur  für  denjenigen  einen  Wertb,  welcher  nicht  weiss,  dass 
die  Schrift  —  und  hier  kommt  wesentlich  die  Monuuientalschrift  in 
Frage  —  je  nnoh  den  Zeiten  auch  ihre  bestimmten  Wandlungen  and 
Aenderungen  gesehen  hat ;  nur  in  den  Feilen  könnte  eine  nähere  Cta- 
rakteriairung  der  Schrift  von  Belang  sein,  wo  sie  wie  S.  498  der  Form 
oder  dem  Inhalte  nach  verdächtiger  Natur  ist,  oder  wo  eine  alte  Form 
sich  verspätet,  eine  neue  sich  verfrüht  wie  S.  254,  wo  eine  Majuakel- 
schrift  von  13  89  erwähnt  wird,  also  aus  einer  Zeit,  in  welcher  schou 
die  Minuskelsobrift  ihren  Einzug  hielt;  dagegen  muss  man  den  Zeit- 
und  Eostennufwnnd  hehufs  Copie,  Schnitt  und  Giias  der  Jahreszahl 
1478  bedauern,  ■ —  ist  doch  die  Zeit  der  Herrschaft  und  die  Form 
der  arabischen  Ziffern  weidlich  bekannt. 

Verwirrend  ist,  wie  gesagt,  die  Art,  wie  die  Schrift  reproducirt 
wird.  S.  29  begegnen  wir  zwei  Inschriften  des  15.  Jahrhunderts  in 
gothischen  Minuskeln,  einer  des  13.  Jahrhunderts  in  römischen  Cspi- 
talen.  Wer  nun  hofft,  es  werde  fortab  die  Majuskel-  und  die  Miuns- 
kelscbrift  durch  besondere  Buchataben  consequent  unterschieden,  täuscht 
rieh.  Kr  findet  S.  37  eine  Inschrift  von  1309  (?),  S.  104  eine  an- 
dere mit  gothischen  Majuskeln  nicht  in  römischen  Capitalen,  sondern  in 
Minuskeln  beigebracht.  Ergeht  sich  jene  Inschrift  von  1309  wirklich 
in  Minuskeln,  so  ist  das  Datum  sicher  ein  späteres ;  denn  derma- 
len bestand  die  Denkmalschrift  im  Regierungsbezirke  Wiesbaden  wohl 
noch  aus  gothischen  Majuskeln.  S.  307  treffen  wir  eine  chronistische 
Notiz  vom  Jahre  1243  in  gothiacher  Schrift,  des  ungeachtet  S.  310 
eine  urkundliche  von  1324  in  einfacher  Antiqua.  FQr  die  neuere 
Zeit  kommt  hier  (8.  206,  232)  (und  zwar  in  gefälligerer  Form  S.  498, 
505)  nchtig  die  römische  Capiiale  zur  Anwendung,  dort,  man  traut 
kaum  dem  Auge,  wieder  die  spitze  Mönchschrift,  und  das  nicht  bloss 
wie  S.    418    bei    einer  Inschrift    des     17.    Jahrhunderts,     sondern  wie 


Die  Baadenkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden.  146 

S.  335,  46,  510  auch  bei  Inschriften  des  18.  Jahrhunderts,  S.  99 
sogar  bei  einer  des  Jahres  1819.  Die  wiederholt  gebrauchte  Bezeich- 
nung neurömische  Majuskel-Inschrift  ist  selbst  neu  und  historisch  falsch. 
S.  232  steht  eine  lückenhafte  Inschrift  von  1681  sogar  mit  Quer- 
strichen nach  den  Zeilenenden  abgetheilt  —  eine  Akribie,  welche  hier 
wieder  vereinzelt  vorkommt,  auch  hingehen  mag,  weil  sie,  wie  es 
scheint,  die  Ergänzung  der  Sohrift  erleichtern  soll. 

Wäre  eine  ähnliche  Genauigkeit  nur  auch  an  andern  Stellen  ein- 
getreten !  Die  meisten  altern  Glockeninschriften  laufen  ununterbrochen 
fort,  auch  wenn  es  Verse  sind.  Mit  Recht  steigen  die  Glocken  als 
Denkmäler  der  Kunst  immer  höher  in  unserer  Achtung  —  diese  Ach- 
tung gebührt  aber  auch  ihren  Inschriften.  Sie  haben  frommen,  histo- 
rischen, oft  gar  poetischen  Gehalt  und  werden,  um  nur  Eins  hervor- 
zuheben, oft  unsere  Hoffnung,  wenn  es  gilt,  die  frühern  Heiligen -Pa- 
tronate  der  Kirchen  wieder  aufzusuchen.  Die  mancherlei  Sprüche  und 
Dichtungen,  zumal  jene  in  der  Landessprache,  müssten  auch  als  Sprüche 
in  Versform  auftreten,  die  Inschriften  überhaupt  nicht  nach  der  ur- 
sprünglichen Schreibweise,  sondern  nach  den  heutigen  Grundsätzen  der 
Orthographie  gedruckt  werden. 

Und  nun  noch  eine  sachliche  Correctur  in  Bezug  auf  die  Glocken- 
Sentenzen.  S.  252  und  nicht  S.  352,  wie  dasteht,  ist  eine  Glocke 
wohl  auf  Grund  der  Majuskel  -  Inschrift :  0  rex  glorie  veni  cum  pace 
ins  13.  oder  14.  Jahrhundert  versetzt;  warum  nicht  auch  die  gleich- 
artigen S.  201  und  S.  221  aus  dem  14,  Jahrhtmdert?  Warum  solche 
Ungleichmässigkeiten  bei  gleichartigen  Prämissen?  dass  übrigens  die 
Sentenz:  0  rex  glorie  .  .  .  auch  dem  15.  Jahrhundert  noch  geläufig 
ist,  können  die  Inschriften  von  1436  (S.  261)  und  1440  (S.  29) 
lehren. 

Ueber  die  Form  der  Darstellung  noch  einige  Bemerkungen.  Hier 
fliesst  der  Text  leicht  und  klar  dahin,  dort  wird  er  wortkarger,  so  dass 
das  Verbum  finitum  fehlt,  wie  in  einem  Kataloge.  S.  351  unter  Ober- 
labnstein  lesen  wir:  ^jÄmtsgerichtsgehäude  (nördlich  von  der  Kirche). 
Goihisch  atis  dem  Anfange  des  14,  Jahrhunderts*^  als  ob  der  Bau  von 
jeher  diese  Bestimmung  gehabt  habe:  denn  von  der  älteren  erfahren  wir 
Nichts.  S.  346  wird  eihe  Burgruine  zu  Nollicht  zweifelhaft  ausgegeben 
als  fJStammburg  der  Adeligen  von  Lorch**.  Klingt  das  nicht  unsachlich, 
nicht  modern?  S.  503  folgt  auf  Frankfurt,  Dom,  Domkreuzgang:  Plu- 
vialschlosSi  und  man  würde  auch  aus  der  Beschreibung  die  Bedeutung 
des  Gegenstandes  schwer  errathen,  wenn  nicht  gleich  darauf  eine  Gasel 
in  Rede  stände. 

Bezüglich  der  technischen  Ausdrücke  hapert  es  überhaupt,  nament- 
lich   wenn   Gegenstände    der    beiden    letzten  Jahrhunderte    zur  Sprache 

10 


I 


146  Die  Baodenkm&Ier  det  RegierungabecirkB  Wieabaden. 

kommen ;  ddcI  da  tbeUen  sogar  die  Architekturen  dasiielbe  Geecbick  mit  den 
übrigen  Werken.  S.  17  begegnet  hdb  eine  ,^opfige  TodUnkapeUe"  %.  149 
ein  ,^osser  Zopfältar",  S.  213  ein  „Kdck  mit  zopfigem  Fusse",  S.  108 
eiu  „Kelch  von  1728  räclt  zopfig",  S.  318  ein  „zopfiger  Dachrätfr", 
.S  388  eine  „topfige  Kirche",  8.  337  wieder  ein  „zopfiger  AUar",  S.  384 
ein  romaniBchor  Tburm  „mä  zopfigem  Oberthale  von  1766"  nnd  S.  428 
ein  ,^opfigcr  BaehreUer." 

Waa  Holi  <Us  heisaen  ?  dto  Benennung  „zopfig"  ist  eine  dilettan- 
tiscbe,  welche  wohl  meistens  die  Werke  der  beiden  letzten  Jahrhunderte 
trifft,  wie  eliedera  „gothisch"  jene  des  Mittelalters  —  nnd  zwar  in 
verächtlichem  Sinne.  Daher  stellt  sie  sich  leicht  denen  znr  Verfflgung, 
welche  über  die  Werke  jener  Zeit  den  Stob  brechen,  ohne  ihren  ge- 
schichtlichen nnd  ästhetischen  Wertb,  ohne  ihren  Stil  zu  kennen.  In 
einer  Benkm  äl  erkunde  aber  ist  ein  Drtbeil  Qber  den  Stil, 
and  wo  er  thatsäcblich  schwer  za  bestimmen  ist,  wenigstens 
eine  Zeitangabe  nnerlÜBsLich.*  Haben  doch  die  Forsch nngen  solche 
Fortaehritte  gemacht,  dass  man  die  Stile  der  letzten  Jahrhnnderte  in 
ihrer  Reinheit  oder  Geniiachtheit  zu  bezeiohnen  in  der  Lage  ist.  Waa 
als  zopfig  dargestellt  wird,  hat  selten  ein  Datum ;  alles  Uebrige  wird  sich 
wohl  auf  die  Stilzoiten  des  Barocks,  Rococco  und  des  classischen 
Zopfes  vertheilen  lassen,  —  Bezeichnungen,  welche  dem  Bearbeiter 
nicht  geläufig,  nicht  klar  gewesen  zu  sein  scheinen.  So  viel  ich  sehe, 
benennt  er  einmal  S.  3  52  eine  Architektur  „modern  von  1713",  ein- 
mal 8.  345  begegnet  uns  ein  schöner  schlanker  oben  achteckiger  Helm 
von  1737  -  da  ist  doch  wenigstens  das  Jahr  angegeben  und 
anerkannt,  daas  nicht  Alles  ,, zopfig"  ist,  waa  damals  gemacht  wurde.  Ein- 
mal S.  100  begegnet  uns  an  alten  Choratühlen  sogar  eine  Brüstung  im 
zierlichen  Bococcoslil  des  18.  Jahrhunderts.  Warum  fehlt  sonst  die  Stil- 
bezeichnang  oder  die  Zeitangabe,  waa  docli  eine  klarere  Vorstellung  des 
Gegenstandes  ermöglicht  oder  erleichtert  hätte  ?  Gleichwohl  kann  man 
zweifeln,  ob  jene  Stilbezeichnungen,  wenn  sie  vorkommen,  richtig  aind, 
wenn  S.  19  ein  Taufstein  von  1608  mit  Schneckenfüasen  als  barock, 
S.  344  Glocken  einfach  als  nachmittclalterlich,  S.  180  unter  Frank- 
furt der  vom  ItaUener  dell'  Opera  1730  erbaute  Palast  des  Für- 
sten Thum  und  Taxia  bloss  als  Beispiel  der  Bauart  des  18.  Jahrhun- 
derts charakterisirt  wird,  ohne  daas  man  vernimmt,  oh  der  Bau  ita- 
lienische Einflüsse,  oder  noch  die  Charaktere  dea  Barocks  oder  jene 
des  Rococco,  oder  Mischformen  verachiedener  Stile  zeigt.  Warum  fehlt 
denn  das  Eschenheimer  Palais  in  Frankfurt,  eins  der  wenigen  Beiapiele 
des  reinen    R^encestiles  in  Deutachland')?   In  der  That  gibt  es  in  der 

1)  R.  Dohme  in  der  Zeitsohrift  für  bildende  Kunst  (1878)  Xni,  296. 


Die  Baudenkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden.  147 

allgemeinen  Uebersicht  S.  519  neben  Renaissance  und  Rococco  kein 
Stichwort  für  das  Barock  and  den  cl assischen  Zopf.  Der  Heraus- 
geber sucht  für  die  nicht  architektonischen  Gegenstände  diese  Fehler 
in  der  Uebersicht  wieder  gut  zu  machen  —  es  gelingt  ihm  nur  halb- 
wegs; denn  die  Charakteristik  „Barock"  fehlt  auch  hier,  die  Charak- 
teristik Rococco  ist  zu  bestimmt  und  jedenfalls  nicht  ganz  richtig  an- 
gewandt: zu  bestimmt,  weil  eben  die  Beschreibungen  im  Texte  selten 
mehr  als  ungefähr  die  Zeitstellung  der  Werke  ofiPenbaren ,  selten 
sich  auf  den  Stil  einlassen;  und  im  18.  Jahrhundert  kreuzten  und 
mischten  sich  lebendige  und  todte  Stile  und  besonders  französische  und 
italienische  Formen,  sogar  gothisirende  Formen  leben  darin  auf;  und 
darum  ist  die  Charakteristik  Rococco  wohl  auch  nicht  ganz  richtig, 
weil  der  Herausgeber  S.  542  ganz  offen  mit  „Roccoco"  das  ganze  18. 
Jahrhundert  begreift,  so  dass  ihm  S.  3  29  sogar  Stuckaturen  von  1702 
and  S.  410  sogar  Glocken  von  1792  zugetheilt  werden  ;  die  Stucka- 
turen S.  179  sind  ihm  wohl  durch  ein  Versehen  untergeordnet,  weil 
sie  der  Darstellung  nach  dem  17.  Jahrhundert  angehören.  Nehme 
man  das  Rococco  als  culturgeschichtlichen  oder  stilistischen  Begriff,  es 
passt  keinenfalls  auf  das  ganze    18.   Jahrhundert. 

Ich  will  Ausdrücke,  wie  spätromanische  Thürme  aus  dem  12,  Jahr- 
hundert S.  360  und  spätestgothiscJi,  16.  Jahrhundert  S.  255  bloss  re- 
glstriren,  muss  dagegen  die  Bezeichnungen  gothisch  oder  spätgothisch 
für  Denkmäler  der  Sculptur  und  Malerei,  wie  sie  z.  B.  S.  34  (zwei 
Mal)  135,  149,  328,  367  zu  lesen,  als  unzutreffende  und  anpas- 
sende entschieden  bekämpfen.  Sie  entfliessen  noch  der  yerderblichen 
Anschaaung,  als  wäre  die  Architektur  stets  der  Ausgangspunkt  and 
die  Yorläuferin  der  übrigen  Künste  gewesen  und  als  wären  diese  nach 
den  Stil  Wandlungen  jener  zu  beurtheilen. 

Das  ist  falsch,  und  trifft,  wie  wir  allgemach  immer  klarer  ein- 
sehen, für  die  Malerei  und  Bildnerei  nicht  zu.  Es  deckt  sich  der 
Zeit  nach  ihr  Gang  nur  unvollständig  mit  der  Entwicklang  der  Bau- 
kunst ^).  Beide  oft  eng  mit  einander  verbunden  suchen  sich  gerade 
in  gothischer  Zeit  dem  Stilzwange  zu  entziehen  und  Weltmann  hatte 
daher  schon  in  „seiner  Geschichte  der  mittelalterlichen  Malerei^*  die  zu 
keinen  Trugschlüssen  verleitende  Eintheilung  in  ein  hohes  und  spätes 
Mittelalter  angenommen. 

Wie  wiederholt  angedeutet,  erfreuen  sich  die  Architekturen  einer 
weit  sorglicheren  Berücksichtigung,  als  die  andern  Kunstwerke  und 
Alterthümer.  Von  den  verschwandenen  Bauten  hört  man  wenig,  und 
man  fragt  sich,     ob  sich   nicht  der  eine  oder  andere  nach  älteren   Ab- 


1)  Vgl.  A.  Springer  in  der  Zeitschrift  für  bild.  Kunst  (1880)  XV,  846. 


I 


1 


146  Die  Bandenkmäler  dos  HegiaruEigBbezirlo  WiesbE^D. 


lildungen,  Besclireibungeo  oder  Grundriaaen,  wie  eie  Bioh  oft  in  öffent- 
bichen  oder  privaten  SainmluDgeii  erhalten  haben,  hdtte  genaaer  skiz- 
ziron  oder  gar  schildern  Inseen.  Die  Syateniatik  der  BurganUgen  er- 
fahroQ  oder  erschliessen  wir  auB  den  Beschreibungen  der  vorhandenen 
Reete,  und  oft  ganz  sicher;  Gewicht  ist  nicht  darauf  gelegt,  am  we- 
nigsten wo  Ruinen  bQS)jrocUeu  werden;  die  Bürgen  sind  meistens  Berg- 
festen und  konnten  als  solche  schon  des  Terrains  wegen  nicht  jene 
Regeluiilasigkeit  in  den  einzelnen  Abtbeilungen  befolgen,  wie  die  Bur- 
gen der  Ebene,  die  Wasserburgen.  Um  ao  mehr  war  darauf  zu  sehen, 
ob  aiob  unter  den  complicirteo  Aulugen  nicht  gewisse  Geaetzc  geltend 
machen  in  Bezug  auf  die  Eintbeilung,  die  Lage  der  Bcrgpfadu  und 
Mauertbürme,  der  Vorwerke  und  Ziugel,  ob  die  Zeiten  nicht  unige- 
(j^  fltaltend   auf  die   Burganlagen   eingewirkt   haben.      Diese   RücltBicbt    wni- 

U  am    so   weniger  zu   umgehen,   als   die    Burgen  in   der  Literatur,   sogar  in 

Special  arbeiten,  oft  mehr  romantisch  als  systematisch  behandelt 
werden,  als  ob  nur  im  alten  Kirchen-,  Kloster-,  und  Hausbau,  was  Grund- 
formen und   Aufbau   betrifft,   ein   System   gewaltet   hätte. 

Am  meisten  leiden  unter  dem  ungleichen  Maasse  der  Werthschäizung 
die  Gemälde.  Sie  sind  aus  altdeutscbei'  Zeit  in  massiger  Zahl  vor- 
banden - —  und  viel  mehr,  als  ihr  Vorhandensein  bietet  uns  das  Buch 
nicht,  • —  keine  Beschreibung  des  Inbalta,  der  Technik,  der  Stifter  und 
meistenB  keine  Angaben  oder  Vermuthungen  über  ibrn  Meister,  ihre 
Huiutstätten    und    ihren    Zusammenhang    mit    der   Schule. 

Manche  Fehler  und  Ungleich mänaigkeiten  wären  vermieden,  wenn 
die  Aufgabe  klarer  und  richtiger  erfasst  wäre.  Sie  ist  eine  andere  für 
eine  allgemeine  Kunsttopographie,  eine  andere  für  eine  locale 
Denk  mäler  künde.  Jene  kann  acbon  dem  örtlichen  und  sachlichen 
Umfange  nach  nur  zu  einem  geringen  Theile  auf  eigener  Forachung,  sie 
muaa  wesentlich  auf  Vorarbeiten  beruhen,  kann,  was  in  diesen  nicht 
enthalten  iat,  auch  nicht  bieten,  und  liebt,  da  sie  das  Facit  derselben 
auBmncbt,  einen  kurzen  und  prägnanten  Ausdruck  und  daher  eine  mög- 
lichst knappe  Form  der  Veröffentlichung.  Das  hat  Lotz  selbst  mit 
seiner  Eunattopographie  Deutschlands  uns  gelehrt,  fUr  sie  war  er  der 
richtige  Mann. 

Die  locale  Denkmälerkunde  darf  Vorarbeiten  und  anderwei- 
tige Vorlagen,  nach  Umständen  sogar  die  Copien  von  Inschriften  nur 
als  Eülfsmittel,  nur  als  Handweiser  gebrauchen,  sie  muss  auf  den  per- 
sönlichen Untersuchungen  des  Bearbeiters  beruhen,  sie  muss  demge- 
mäss  die  Denkmäler  nnd  Gegenstände  des  ausgewählten  Ortes  oder 
Re  vi  eres  sftmmtlicb  und  im  Ganzen  gleich  massig  und  so  ausführlich 
bebandeln,  daas  die  Darstellungen  als  Quellen  für  die  allgemeinere  Ge- 
schichte dienen  können.    Diese  Gesichtspunkte,  jener  der  Volbtändigkeit 


Die  Baadeukmäler  des  Regierangsbezirks  Wiesbaden.  149 

unbedingt,  müssen  festgehalten  werden,  wenn  die  Arbeit  auch  den  Cha- 
rakter eines  Inventars  hat.  Alsdann  findet  sich  darin  vielleicht  noch 
Raum  für  die  eigenartigsten  Kunsterzeugnisse  des  behandelten  Gebietes 
und  im  vorliegenden  Falle  wären  die  Kunsttöpfereien  wohl  nicht  gänz- 
lich ausgeschlossen.  Wenn  der  Localforscher  von  der  einen  Art  Denk- 
mäler hinlängliche,  von  der  andern  nur  dürftige  Mittheilungen  macht, 
so  ist  kein  Ende  abzusehen  von  den  Untersuchungsreihen  und  Special- 
arbeiten in  Bezug  auf  ein  Denkmälergebiet,  wofür  eine  specielle  Denk- 
mälerkunde ausgearbeitet  und  gedruckt  ist.  Die  Forscher  bestimmter 
Denkmäler  und  Alterthümer,  bestimmter  Kunstzweige  und  Stilzeiten, 
müssen  dann  das  behandelte  Revier  noch  einmal  besuchen,  die  Un- 
tersuchungsreisen müssen  in  demselben  Lande  und  oft  nach  denselben 
Orten  wieder  und  wieder  unternommen  werden.  Und  wie,  wenn  der 
Verdacht  vorliegt,  in  der  Denkmälerkunde  seien  nicht  alle  Orte  berück- 
sichtigt, nicht  alle  Schätze  und  Funde  mit  Namen  genannt?  Lotz  hat 
zu  häufig  die  kürzern  oder  weiteren  Angaben  der  Bücher  oder  die  Ant- 
worten der  Fragebogen*)  an  die  Stelle  persönlicher  Untersuchungen  tre- 
ten lassen,  obwohl  durch  die  Erfahrung  ausgemacht  ist,  dass  nament- 
lich die  Berichte  der  Ortsangehörigen  nur  zu  einem  geringen  Procent- 
satze als  solche  für  die  Publication  sich  eignen,  zum  weitaus  grössten 
Theile  mangelhaft,  unsachlich  oder  unrichtig  sind.  Soll  die  Denkmäler- 
kunde bloss  als  Inventar  dienen,  dann  müssen  doch  auch  die  Gegen- 
stände mit  gleichem  Maasse  gemessen,  die  einen  nicht  als  unsichere  und 
zweifelhafte  hingestellt,  die  anderen  flüchtig  abgethan  und  die  dritten 
dagegen  mit  ausgiebigerem  Maasse  gemessen  werden.  Ausführliche  und 
breite  Schilderungen  auf  der  einen,  vertragen  sich  nicht  mit  katalogartigen 
Notizen  auf  der  andern  Seite.  Und  darin  liegt  wieder  eine  Haupt- 
schwäche des  Buches.  Die  Bauwerke  spielen,  wie  erwähnt,  die  erste 
und  vornehmste  Rolle,    seltener  die    übrigen  Kunstgattungen. 

Jene  sollen  deir  Anforderungen  an  eine  örtliche  Denkmälerkunde 
genügen,  diese  folgen  als  Nebensachen,  oft  im  Gewände  einfacher  No- 
tizen, nach,  welche  sogar  einem  Kataloge  schlecht  anstehen  würden. 
Wäre  ihnen  oder  doch  den  Hauptblüthen  unter  ihnen  von  Anfang  an 
dasselbe  Augenmerk  zugewandt,  wie  den  Bauten,  so  würden  sie  diesen 
ebenbürtig,  würden  vollständiger,  präciser  behandelt  sein.  Das  war  um 
so  mehr  zu  wünschen,  als  die  Publication  auf  Abbildungen  gänzlich 
Verzicht  leistet,  die  dem  Leser  einigermaassen  das  ersetzen  könnten, 
was  er  bei  den  Beschreibungen  vermisst.  Abbildungen  sind  streng  ge- 
nommen keine  nothwendige,  jedoch  willkommene  Beigaben,  sie  brauchen 
ja  nicht,  wie  man  das  in  gewissen  Kreisen  hört,  von  einer  Grösse  und 


1)  Vgl.  Kunst-Chronik  1873  S.  807. 


ISO  Die  BaiideDkm&ler  dea  RegierungabezirkB  Wieabaden. 

Beschaffenlieit  eq  seia,  dase  ausere  Eünetler  sie  für  none  Werke  be- 
nutzen d.  h.  einfach  capiren  könnea.  Solch'  ein  Zweck  bedingt  eioe 
ganz  andere  Anfgabe  und  beruht  auf  einem  ganz  verschiedenen  Ge- 
sichtspankte,  —  and  er  leistet,  beiläufig  gesagt,  nneerm  Knnstleben 
Dur  eineo  zweifelliaften  Dienst,  Die  bildlichen  Kunstverlagen  der  altem 
Zeit  haben  nur  bescheidene  Maassverbältiiiase,  gaben  den  Künstlern  nur 
eine  nldee"  und  daher  konnten  liaumeister,  Mäbeltiacbler,  Goldscluniede, 
Sticker  ein  und  dasselbe  Muster  ausbeuten  und  je  nach  ihren  Zwecken 
und  Materialien  ao  sinnig  verwertben,  wenn  es  galt  eine  selbitändige 
(Kunst) arbeit  zu  schalTen,  Haben  denn  die  Meister  der  nonaiasance 
mittelst  Copiren  der  antiken  Ueberreste  den  Kunststil  entwickelt,  ihre 
Werke  hervorgebracht?  Abbildungen  in  einer  DenkmÜlerkunde  gen&gen 
vollkommen,  wenn  sie  das  Wort  unterstützen  und  das  historische  Ter- 
stündnisH  der  Denkmäler  fördern.  Sie  sind  hier  als  historiBcbe 
Hülfemittel,   nicht  als  praktische   Vorlagen  aufzufassen. 

Es  ist  kein  angenehmes  Geschäft,  in  einem  Werke  dann  hier,  dann 
dort  Mängel,  Lückeu,  Unrichtigkeiten,  Unebenheiten  in  der  Aoswabl 
und  Behandlung  des  Stoffes,  schiefe  AufFafisungen  anstreichen  ssn  müi- 
een  ;  ich  habe  es  im  vorliegenden  Falle  in  eingebender  Weisa  gethan, 
weil  dna  Werk  anch  seine  Verdienste  und  eine  Bedeutung  hat,  welche 
es  einer  weitern  Beurtheilung  werth  erscheinen  Hess ;  ich  habe  es  auoh 
gethan,  damit  es  wohl  mit  seinen  Vorzügen,  nicht  auch  mit  seinen 
Scbwiichea  ein  Beispiel  der  Nachahmung  gebe.  Ich  habe  dabei  die 
Anforderungen  nicht  zu  hoch  gestellt,  und  habe  gewiss  keinen  Mass- 
stah  angelegt,  wie  ich  ihn  im  Anfange  der  Eecen^on  fdr  ein  lokales 
Denkmälerwerk  hinstellte.  Ich  habe  Vollständigkeit  und  Consequenz  in  der 
Wahl  und  Behandlung  der  Stoffe,  wie  in  der  Berücksichtigung  der 
Fundorte  verlangt.  Gleichwohl  würde  das  Buch,  falls  unsere  Wünsche 
daran  in  Erfüllung  gegangen  waren,  einen  doppelt  so  grossen  Umfang 
genommen  und  die  Herstellung  vielleicht  einen  doppelt  so  grossen  Auf- 
wand an  Zeit  and  Arbeit  gekostet  haben.  Der  Bearbeiter  war  Archi- 
tekt und  seinen  Studien  nach  wesentlich  Banforscher.  Wurde  ihm  eine 
ausreichende  Bearbeitung  der  gesammten  Denkmäler  nach  den  Ortschaf- 
ten, Materialien,  Zeiten  und  Kunstzweigen  zu  schwer  oder  zu  umfas' 
send,  so  war  entweder  das  Arbeitsfeld  behufs  einer  allmählichen  Beherr- 
schung zu  theilen,  oder  es  mussten  andere  Kräfte  zur  Hülfe  oder  Theil- 
nahme  herangezogen  werden,  wie  es  ja  auch  für  gewisse  Denkmäler 
des  Alterthams  geschehen  ist.  Gegenüber  den  „  Baudenkmälern  des 
Regierungsbezirks  Cassel",  welche  Lotz  bekanntlich  1870  als  zweiter 
heransgegeben  hat,  bezeichnen  die  Baudenkmäler  des  Regierungsbezirks 
Wiesbaden  in  mancher  Hinsicht  einen  erheblichen  Fortschritt,  und  jeden- 
falls w&re  an  diesen  noch  Mancherlei  geändert  and  verbessert,   wenn  es 


Die  Baudenkmäler  des  Regierungsbezirks  Wiesbaden.  151 

dem  Verfasser  vergönnt  gewesen  wäre,  die  letzte  Hand  anzulegen  und 
das  Werk  bis  zum  Erscheinen  durchzuführen.  Auch  das  wollen  wir 
laut   hervorheben. 

Wir  dürfen  aber  auch  nicht  verschweigen,  dass  der  Herausgeber, 
Herr  Schneider,  soweit  es  nur  das  vorfindliche  Material  und  Programm 
gestatteten,  sein  Möglichstes  gethan  hat,  das  Buch  dem  gesteckten  Ziele 
zuzuführen. 

•  Noch  Eins  muss  berührt  werden.  Nachdem  die  römischen  Denk- 
mäler und  das  Gebück  bereits  im  Texte  Platz  gefunden  haben,  werden 
in  zwei  Anlagen  der  Pfahlgraben  von  der  üse  bis  zur  Sayn,  die  Wall- 
burgen, Gebücke,  Landwehren  und  alten  Schanzen  noch  besonders  be- 
sprochen. Wir  wollen  über  diese  Repetition  und  Sonderung  kein  Wort 
mehr  verlieren  unol  nur  der  Genugthuung  Ausdruck  geben,  dass  diese 
Anlagen  vorhanden  und  aus  so  kundiger  Feder  geflossen  sind,  wie 
jener  des  Herrn   Gonservator^s  von  Cohausen. 

J.  B.   Nordhoff. 


2.   Wandmalereien    des     christlichen     Mittelalters    in    den 
'Rheinlanden.       Herausgegeb.   von   Ernst  aus^m  Weerth.       Zu- 
gleich   als  II.  Abtheilung,    Band   4   und  5    der  Eunstdenkmäler    des 
christlichen  Mittelalters  in  den  Rheinlanden.    Leipzig    1879.      T.   0. 
Weigel.      Imp.   Fol.   46   Tafeln  und   21    S. 

Der  Herausgeber  des  hier  zur  Anzeige  gebrachten  Prachtwerkes 
darf  mit  Genugthuung  auf  eine  erfolgreiche  25jährige  Thätigkeit  für 
die  Interessen  der  Denkmälerkunde  und  Kunstgeschichte  seiner  engeren 
Heimath,  des  schönen  preussischen  Rheinlandes  zurückblicken.  Wohl 
ausgerüstet  von  seiner  ersten  italienischen  Studienreise,  wo  er  sich  bei 
längerem  Aufenthalte  in  Rom  des  näheren  Umgangs  mit  Cornelius 
zu  erfreuen  gehabt  hatte,  in  das  Heimathland  zurückgekehrt,  begann 
er  mit  enthusiastischem  Eifer  ein  grossartig  angelegtes  Werk  über  die 
Kunstdenkmäler  des  christlichen  Mittelalters  in  den  Rheinlanden,  dessen 
erste  die  Bildnerei  umfassende  Abtheilung  in  den  Jahren  von  1857 
bis  1868  in  3  Bänden  des  grössten  Formates  und  zum  Theil  in 
Farbendruck  ausgeführt,  mit  historischem  und  beschreibendem  Texte 
erschienen  ist  und  die  vollste  Anerkennung  der  Kritik  gefunden  hat. 
Die  Zwischenzeit  wurde  durch  andere  verwandte  Arbeiten  ausgefüllt, 
von  denen  wir  nur  die  Herausgabe  des  Limburger  Siegeskreuzes  her- 
vorheben wollen,  durch  welche  die  Emailfrage  zur  endgiltigen  Ent- 
scheidung gebracht  wurde  und  die  Herausgabe  der  Mosaikfnssböden 
von    S.  Gereon    in  Cöln,    die    dem  Verfasser    zu    wiederholten    Reisen 


1S3        WundiDftlereioa  äe»  christlicLeii  Uitlelaltere  in  den  miünlanden. 

□ach  Italien  Vertinlassnng  gab.  Ausserdem  wnr  seiue  Zeit  dttrch  seine 
Mitwirkung  für  das  Zustande  kommen  des  internationalen  Archäologen- 
Congresses  in  Bonn  lu  Änaprach  genünmieu,  so  wie  doi'ch  die  Redaction 
dieser  Jahrbücher,  die  auf  seine  Veranlassung  eine  in  artiatischer  Dezie- 
bnng  sehr  zweclt massige  ftusaere  Umgestaltung  erfahren  liaben.  Gegen- 
wärtig iat  nun  als  zweite  Abtiieilung  eeines  Hauptwerkes  die  Publics- 
tion  rheinländiacher  Wandmalereien  an  das  Licht  getreten  und  zwar 
in  ebenso  vollendeter,  monumental  an  nennender  Weise,  wie  die  ge- 
nannten früheren  Veröffentlichungen.  Solchen  und  anderen  Erfolgen 
gegenüber  Bollte  der  Uerausgeber  im  Vorworte  wahrlich  nicht  darüber 
klagen,  dase  er  das  angestrebte  Ideal  nicht  habe  erreichen  können; 
denn  welcher  Sterbliche  könnte  sich  überhanpt  dessen  rühmen! 

Die  46  grösstentheila  in  Farbendruck  ausgeführten  Tafeln  veran- 
schaulichen in  genügend  grossem  Maasastabe  und  in  den  Originatfarbeu 
Wandmalereien,  welche  die  Zeit  von  der  Mitte  des  12.  bis  zum 
Schlüsse  des  14.  Jahrhunderts  umfassen  und  bisher  in  wetteren  Kreisen 
nur  durch  Beschreibungen  und  kleine  fragmentarische  UmrissskizzeD 
ungenügend,  zum  Thcil  noch  gar  nicht  bekannt  woi'en.  Auf  Anregen 
des  um  die  Förderung  der  Kunstinter essen  hochverdienten  Wirkl.  Ge- 
heimen Rathes  von  Möller  Exe.  als  damaligen  (1850—1866)  Prä- 
sidenten der  Regierung  zu  Köln  war  der  seitdem  verstorbene  Hofmaler 
C.  Hoho  in  Bonn  beauftragt  worden,  die  in  rheinischen  Kirchen  vor- 
findlichen  Wandmalereien  aufzudecken,  abzuzeichnen  und  zu  reatauriren 
(d.  h.  neu  zu  übermalen),  and  Prof.  aaa'm  Weerth  traf  mit  dem- 
selben im  Jahre  1867  ein  Abkommen  zur  Lieferung  aämmtlicher 
Zeichnungen  für  das  vorliegende  Werk.  Ala  Hohe  im  Jahre  1868 
mit  Tode  abging,  waren  diese  nicht  mehr  von  ihm  selbst  hergeatellten 
Zeichnungen  noch  nicht  vollendet,  and  die  durch  den  Architekten 
Lambria  vorgenommene  Vergleichung  mit  den  Originalen  ergab  leider 
■o  mannigfache  und  so  wesentliche  Abweichungen  von  den  letzteren, 
dass  für  die  meisten  Bl&tter  eine  Neuzeichnung  nnumgSnglich  erschien. 
Die  Herausgabe  ist  wesentlich  und  absichtlich  auf  die  drei  grossen, 
zeitlich  auf  einander  folgenden  Cyklen  in  Brauweiler,  Schwarzrheindorf 
and  Rameradorf  beschränkt  worden.  Die  Malereien  des  Capitelsaales 
ZD  Brouweiler  sind  die  ältesten  and  geben  eine  höchst  anziehende 
niustration  zu  dem  in  Cap.  XI  des  Briefes  an  die  Ebräer  von  den 
Glaubenshelden  und  Märtyrern  handelnden  Abschnitte.  Auf  diese 
folgen  die  Wandgemälde  der  Unterkirche  von  Schwarzrhetndorf,  welche 
den  Gesichten  des  Propheten  Ezecbiel  entnommen  sind  and  ihnen 
schliesaen  sich  die  apokalyptisehen  Darstellungen  der  Oberkircbe  an, 
die  erst  nach  Hohe's  Tode  aufgedeckt  worden  sind.  Die  folgenden 
Tafeln   geben    die    WaDdmalereien    aus  der    ehemaligen  Deutsch ordens- 


Wandmalereien  des  ohristlichon  Mittelalters  in  den  Rheinlauden.        153 

kapelle  zu  Ramersdorf  wieder,  die  darch  den  Abbrach  der  letzteren 
zu  Grunde  gegangen  upf  bei  dem  Wiederaufbau  auf  dem  Friedhofe  in 
Bonn  nicht  neu  gemalt  worden  sind ;  sie  gehörten  bereits  der  gothischen 
Periode  an  und  waren  von  ausserordentlicher  Schönheit.  Den  Schlass 
bilden  die  erst  neuerlich  entdeckten,  doch  ebenfalls  nicht  mehr  existiren- 
den   Gemälde   der  abgetragenen  Kirche  zu  Bergheim  a.  d.   Sieg. 

Der  Text  ist  mit  eingehender  Berücksichtigung  der  Localge- 
schichte  und  mit  sorgsamer  Beachtung  der  vorhandenen  Literatur,  in 
zweifelhaften  Dingen  aber  mit  grosser  Vorsicht  bearbeitet.  So  ist  es 
nur  zu  billigen,  dass,  wo  es  sich  bei  den  zahlreich  vorhandenen  In- 
schriftfragmenten nicht  um  Citate  aus  der  Vulgata,  sondern  um  leoni- 
nische  Verse  handelte,  die  immerhin  unsichere  Ergänzung  lieber  unter- 
blieben ist.  Vielleicht  führt  hie  und  da  ein  glücklicher  Zufall  einen 
oder  den  anderen  sachkundigen  Leser  auf  richtige  Ausfüllung  der  ge- 
lassenen Lücken. 

Wie  die  erste  Abtheilung  des  gediegenen  Werkes  dem  Könige 
Friedrich  Wilhelm  IV.  dedicirt  war,  so  hat  Se.  Maj.  der  Kaiser  Wil- 
helm die  Widmung  dieser  zweiten  huldvoll  angenommen,  deren  hand- 
licheres Format,  wie  es  den  technischen  Bedingungen  des  Farbendrucks 
besser  entspricht,  gewiss  allgemein  willkommen  sein  wird.  —  Wenn 
der  Herausgebor  die  Güte  gehabt  hat,  auch  den  unterzeichneten  Ref. 
unter  denen  zu  nennen,  die  sein  Werk  durch  Rath  und  That  gefördert 
haben,  so  kann  sich  dies  nur  auf  die  lebhafte  und  dankbare  Theil- 
nahme  beziehen,  die  derselbe  dem  ihm  freundlichst  gewährten  Einblicke 
in  das  allmähliche  glückliche  Fortschreiten  des  schwierigen  Unter- 
nehmens hat  widmen  dürfen. 

Merseburg.  Dr.  theol.  Heinr.   Otte. 


III.  Miscullen. 

1.  Bonn.  Die  Lesung  der  in  Heft  LXVril  (S.  22;  vgl.  8.  47f.) 
dieBer  Jahrbücher  beaprochenen  Inschrift  aus  dem  Deutzer  Castrum  steht 
für  die  ersti^n  fünf  Zeilen  uuzweifelhaft  fest  Ebenso  ist  als  sicher  zu  be- 
trachten, doBB  zu  AufiLüg  der  Hechsteu  Zeile  V  erus  etand,  denn  von  dem  S  ist 
noch  der-  obere  Bogen  sichtbar  und  der  Raum  vorher  reicht  für  die  übrigen 
vier  Buchstaben  gerade  aus.  In  den  nachher  noch  folgenden  Sporen  von 
zwei  oder  drei  Buchstaben  hat  Herr  Dr.  Bone  COM  gesehen  und  daher 
Commodns  gelesen;  aber  diesen  Beinamen  führte  Verus  als  Kaiser  nie. 
Es  stand  aber  auch  entschieden  etwas  anderes  da:  erst  ist  ein  Punkt  zu 
bemerken,  der  oberste  Theii  einer  Hasta  oder  eiuea  in  eine  Spitze  auslaufeu- 
den  Buchstabens;  sodann  ein  stark  ovaler  Bogen,  der  nur  der  obere  Theil 
eines  P,  R  oder  D  (absolut  kein  0)  sein  kann;  dahinter  glaube  ich  allerdings 
euch  noch  die  Spuren  eines  M  erkennen  zu  können.  Da  nun  die  beiden  Kaiser 
ausdrücklich  als  Iinperatores  II.  bezeichnet  sind  und  als  solche  in  Folge  der 
Uaterwerfnng  Armeniens  im  Jahr  16.S  begrüsst  wurden,  Verus  aber  seit 
demselben  Jahr  und  aus  demselben  Grunde  den  Beinamen  Armeniacus  führte, 
so  wird  wohl  hinter  Venifl  nach  ARMENIACVS  auf  dem  Stein  gestanden 
haben.  Dr.  Paul  Meyer. 

Zu  dem  gleichen  Steine  bemerke    ich  iu  Bezug  auf  das  als  dazu  ge- 
hörig   betraobtete    Fragment     mit     0  P  E,    dase    unter     und  über  diesem 
Wortreste  noch  je  die  Reste  viAi  zwei  Buchstaben  erkennbar  Bind.     Ueber 
dem  P  hat  jedenfalls  ein  R  gestanden,  dessen  untere  Hälfte  vorhanden  ist; 
daneben  sieht  man  noch  eineu  vertikalen  Strich,  vielleicht  eines  E .    Unter 
OPE  erkenne  ich  die  ohern  Reste  eines  D  und  R,  also  lese   ich: 
Hl 
OPE 
DR 

In  dem  0  befindet  sich  der  vermerkte  Ligaturstrich. 

Aus'm  Werth. 

2.  Berg  bei  Nideggen.  Fränkische  Grabstätte.  Am  west- 
lichen Abhänge  des  südästlich  von  Berg  bei  Nideggen  gelegenen  langge- 
streckten Bergrückens,  Breitel  genannt,  stieBseu  im  Februar  vorigen  Jahres 
Arbeiter,  welche  mit  der  Instandsetzung  des  dortigen  Gemeindeweges  be- 
schäftigt waren,  in  einer  Tiefe  von  einem  Meter  auf  fränkische  Gräber. 
Man  legte  zunächst  einen  Sarg  bloa,  der  im  Innern  eine  Länge  von  1,60  m, 
eine  Breite  von  1  m  und  eine  Höhe  von  0,60  m  hatt«.      Er  war  aus  roh 


Miscellen.  156 

behauenen,  0,24  m  dicken  rothen  Sandsieinplatten  zusammeDgestellt  und 
um  den  Lnftzudrang  gänzlich  zu  verhüten^  hatte  man  die  Fugen  der 
verschiedenen  Steinplatten  mit  Thon  verkittet.  In  dem  Sarge  lagen  ein 
Skelet,  die  Reste  einer  0,50  m  langen  Spatha  aus  Eisen,  die  zu  der 
Scheide  derselben  gehörigen  Ueberbleibsel  eines  Metallbescblages,  Stücke 
von  einer  messingenen  und  eisernen  Gürtelschnalle,  eine  gläserne  Trinkschale 
von  0,11  m  Durchmesser,  0,6  m  Höhe,  sowie  ein  beinerner  Kamm  mit  dop- 
pelter Zahnreihe. 

Gleich  neben  diesem  Grabe  kam  ein  zweites  zum  Yorscheiu.  £s 
zeigte  abermals  einen  Sarg  aus  rothen  Sandsteinplatten.  Die  innere  Länge 
desselben  betrug  2,26,  die  Kopfbreite  0,87,  die  Fussbreite  0,82  und  die 
Höhe  endlich  0,86  m.  Diesmal  hatte  man  den  Steinplattenfugen  einen 
Verschluss  von  Mörtel  gegeben.  Im  Innern  des  Sarges  zeigte  sich  ein 
Stück  des  Steindeckels  und  unregelmässig  liegende  Gebeine  eines  kräftigen 
Menschen.  Es  hatte  darnach  den  Anschein,  als  ob  das  Grab  in  früherer 
Zeit  geöffnet  und  der  Todte  seiner  Beigaben  beraubt  worden  wäre.  Die 
zu  diesem,  vielleicht  auch  die  zum  andern  Sarge  benutzten  Steinplatten 
scheinen  übrigens  römischen  Monumenten  entnommen  zu  sein,  wie  dies  das 
in  dem  Sarge  gefundene  Bruchstück  der  Deckplatte  aus  gelblichem  Sand- 
stein angiebt.  Es  trägt  dasselbe  nämlich  die  Reste  einer  römischen  In- 
schrift, deren  0,055  m  grosse  Buchstaben  wir  hier  wiedergeben : 

AZL    I  IVS 

IMPv  I  PS^SL- 

Von  der  ersten  Zeile  ist  der  obere  Theil  abgebrochen,  so  dass  die 
hier  angegebenen  Buchstaben  Z  L  I  I  möglicherweise  durch  andere  ersetzt 
werden  könnten. 

Manche  weitere  fränkische  Gräber,  welche  hier  zum  Vorschein  kamen, 
zeigten  bald  den  mit,  bald  den  ohne  Beigaben  der  Erde  übergebenen 
Todten.  Die  Beigaben  sind  gewöhnlich  vorkommender  Art,  Gestalt,  Form 
und  Verzierung.  Es  waren  einige  Gefässchen  aus  blauem,  schwarz  ge- 
dämpftem Thon,  ein  scramasaxus,  ein  Ger,  Reste  von  Gürteln  und  Scheiden- 
beschläge aus  Eisen  sowie  aus  Messing. 

Gonstantin  Eoenen. 

3.  Düsseldorf.  Entdeckung  einer  alten  Eunsttöpferei 
daselbst.  Im  Juli  des  Jahres  1878  nahm  man  auf  dem  Hofe  des  Herrn 
Dierdorf  in  der  Mühlenstrasse  zu  Düsseldorf,  in  nächster  Nähe  des  linken 
Ufers  des  Düsselbaches,  Ausgrabungen  vor.  Es  sollte  hier  ein  Neubau  er- 
richtet werden.  Bei  dieser  Gelegenheit  stiess  man  auf  eine  grosse  Anzahl 
von  Gefässscherben.  Dieselben  sind  zum  Theil  glasirt  und  zeigen  in  Relief 
ausgeführte  Darstellungen  von  alttestamentarischen  Vorgängen,  schwung- 
volle Wappenschilder  und  mustergültige  Renaissance  -  Ornamente,  lassen 
überhaupt  das  rege  Leben  aus  dem  16.  und  17.  Jahrhundert  erkennen. 


t 


F' 


IB6 

Wenn  du»  nuch  eine  groue  VerwaadUobaft,  man  roficbte  fast  sagen, 
eiDo  Identität  iliuiier  Töpferwoare  mit  der  der  Eansttöpferei  in  Siegbnrs 
watimebniliar,  so  entfremdet  nns  doch  der  Gedanke,  diese  Scherben  einer 
einfscheu  AblagorangsstAtt«  von  zerbrocbenen  Hansgerütben  snzu schreiben 
und  demnächst  ilire  Herkunft  naob  Siegbnrg  zu  Terlegen,  bei  einer  näheren 
Betraclitnng  dersDlben.  Es  fallen  nämliob  sofort  allerlei  Ünvollkommen- 
boiten  auf,  welche  im  Töpferofen  entstanden  nnd  sieb  mit  einer  in  den 
Handel  gelangen  Waare  nicht  vereinbaren  lassen.  So  bat  eines  der  Qe- 
fasse  einen  schiefen  Pubs,  ein  zweites  zeigt  eine  etwas  nach  der  Seite  ge- 
richtete Bauchung,  die  B&ncbnnf;  eines  dritten  GefäsBes  ist  etwas  einge- 
drückt, bei  einem  vierten  Gef^isse  ist  die  Glasur  an  einzelnen  Stellen  dick 
zusammengelaufen,  ein  fünftes  Gefiiss,  von  ziemlicher  Grdsse,  ist  sogar  vor 
dem  Brande  im  Täpferofen  vollstnndig  zuBanimeiigedrCkckt,  so  dass  es  sich 
uns  als  origineller  Steingutklumpen  vorEtellt. 

Offenbar  wird  durch  diese  AusachuBswaarp,  welche  nie  in  den  Handel 
gelangen  konnte,  die  Annahme  des  Vorhamienaeiae  der  Tbitigkeit  einer  am 
Fundort  thütig  gewesenen  Kunattüpferci  nllber  begründet.  Der  die  Banten 
leitende  Architekt,  Herr  Clemens  Miilier,  gab  mir  noob  an,  «r  habe  dort 
auch  plastischen  Thon  und,  was  fiir  meine  Annahme  am  wichtigsten  sei, 
die  Fundamente  eines  Gebäudes  gefunden,  das  rann  recht  wohl  ßr  eine 
Töpferei  halten  könne.  Die  grosse  V,-rwancitschftft  der  hier  gefundenen 
Töpferwaare  im  Vergleiche  zu  der  Siegbnrger  tritt  daher  für  unsere  Fol- 
gäruiig  in  den  Hintergrund.  Sie  findet  eine  Erklärung  in  der  historisch 
dokumenttrten  Thatsache,  dass  die  für  die  Formen  der  Töpfer- 
waare bestimmten  Holzmodelle  vorzüglich  tu  Coln  angefertigt 
worden  sind.  Hau  vermochte  so  in  räumlich  getrennten  Oiien 
gleichartige  Modelle  zu  bezieben,  ein  und  dieselbe  Orna- 
mentik anzufertigen. 

Einen  Tbeil  der  Düsseldorfer  Knnsttöpf er  waare,  welcher  in  den  Besitz 
des  Herrn  Müller  Überging,  hat  dieser  durch  den  „Verein  für  Geschichts- 
nnd  Alterthumshande  von  Düsseldorf  und  Umgegend"  dem  historischen 
Museum  des  Fundortes  geschenkt. 

CoQstantin    Koenen. 

4.  Düsseldorf.  RSmisch -germanisches  Grab  in  der 
Nähe  von  Gerresheim.  Von  Neuss  aus  leitet  eine  Röraerstrasse  über 
die  rechte  Rheinseite  in  der  Richtung  Hamm ,  Unterbilk ,  Oberbilk , 
Lierenfeld  nach  Gerresheim.  (Vergl.  Schneiders  „Beiträge  zur  alten  Ge- 
schichte und  Geographie  im  Rheinlande,  6.  Folge.)  Vor  Gerreeheim  wird 
dieselbe  als  n^'^'^^trasse''  bezeichnet.  In  der  Nähe  derselben,  „auf  dem 
Torfbroich",  machte  ein  Herr  W.  Spicker  ein  Feld  urbar  und  stiess  dabei 
auf  eine  Urne  von  röthlicb-brauoer  Farbe,  deren  Material  so  lose  gebraont 
ist,  dasB  ein  Anschlag    wie    der    gegen  Leder  hörbar  wird.     Dieselbe  bat 


Misccllen.  157 

eine  Ilöhe  von  ca.  0,26  m  und  ca.  0,35  m  Durchmesser.  Die  Form 
derselben  wird  gebildet  durch  einen  schmalen,  aufwärtssteigenden  Rand, 
von  dem  ziemlich  plötzlich  die  nach  der  Mitte  der  Urne  am  weitesten  aus- 
ladende, sich  Yon  hier  ab  wieder  verengende  und  nach  der  unten  ziemlich 
schmalen  Standflache  zu  verlaufenden  Bauchung  ausgeht.  Als  Verzierung 
siebt  man  auf  dem  obern  Theilo  der  Bauchung  einige  Gruppen  von  je  drei 
Fingereindrücken  angebracht.  Das  Alter  der  Urne  lässt  sich  durch  einen 
Vergleich  derselben  mit  anderen  bestimmen,  bei  denen  man  römische  Ge- 
lasse von  zeitbestimmendem  Charakter  gefunden  hat.  Sie  wird  darnach  ca. 
in  das  Ende  des  2.  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  zu  setzen  sein.  Weil 
wir  nun  wissen,  dass  damals  ein  gewisser  Theil  des  rechten  Rheinufers, 
wozu  auch  unsere  Fundsteile  gehört,  unter  römischer  Herrschaft 
stand,  scheint  die  Bezeichnung  der  Urne  als  , römisch-germanisch^  ange- 
bracht zu  sein. 

Constantin  Koenen. 

5.  Johannisberg  bei  Kirn.  In  der  evangelischen  Kirche  sind  die 
Grabmäler  der  Wild-  und  Rheingrafen,  sowie  Theile  von  Sacramentshäuschen 
bester  Arbeit,  willkürlich  und  geschmacklos  aufgestellt,  nicht  zusammen- 
gehörende Stücke  aneinandergefügt,  treffliche  Werke  (z.  B.  Epitaph  zweier 
1597  und  1599  gestorbener  Kinder)  so  hoch  in  die  Wand  eingelassen,  dass 
ein  Beschauen  fast  unmöglich  ist,  und  Alles  dick  mit  weisser  Farbe  über- 
scbmiert,  dass  eine  bessere  Aufstellung  und  gründliche  Reinigung  noth- 
wendig  ist.  Lehfeldt. 

6.  Jünkerath.  Wo  lag  der  Vicus  Icorigium  (Egorigium)? 
Ueber  den  Standort  der  Mansio  Icorigium  an  der  Strasse  Trier-Köln  gehen 
die  Meinungen  der  Gelehrten  auseinander.  —  Cluver  und  Bertholet  geben 
Rütt  resp.  Ruith  dafür  aus.  —  ßaudrand,  Alex.  Wiltheim,  Schannat,  Hont- 
heim,  d'Anville,  Minola,  Barsch,  Brewer,  Schmidt  und  Steininger  kommen, 
„durch  die  Aehnlichkeit  des  Namens  geleitet",  wie  Hetzrodt  ^)  sagt,  auf 
Jünkerath.  —  Hetzrodt  vermuthet  die  statio  in  der  Gegend  des  „Heiden- 
kopf**. » 

Aus  guten  Gründen  hat  man  längst  Rütt  oder  Ruith  aufgegeben;  in 
Frage  stehen  nur  Jünkerath  Und  Heidenkopf.  —  Von  den  genannten  Schrift- 
stellern wollen  wir  diejenigen,  die  nachweislich  Jünkerath  und  Heidenkopf 
besucht  haben,  ihre  Gründe  vorführen  lassen. 

Wiltheim  ^)  bemerkte  zu  Jünkerath  nur  eine  „ara  pervetus**. 

Schannat  ^)  „sieht  noch  am  andern  Ufer  der  Kyll  nicht  unbedeutende 
Trümmer,  aus  welchen  man  vormals  viele  Denkmale  des  Alterthums  aus- 
gegraben hat.     Ueberdies  ist  noch   eine  von   den  Römern  erbaute  steinerne 

1)  Nachrichten  über  die  alten  Trierer.    Trier,  1821.  S.  149. 

2)  Lucilibargensia,  p.  104. 
8)  Eiflia  iU.  I.  1.  p.  9. 


16S  HüceUen. 

Brfloke  Aber  dieseEi  Flosa  Torhanden,  von  welcher  die  IfüiUrstraBse  gerade 

auf  Mnrcomngura  fülirtc  ')". 

Bäi'Hul)  *)  und  Schmidt  ^)  liringen  röm.  Anticnglien  bei  uud  torquiren 
Rftu'R  Monoment,  gegen  Beachreibutig  und  Zeichniicig,  zit  einem  Castell, 
und  BllrBvh  läsHt  das  CastclI  <;]eicb2'-itig  auch  noch  Denknia)  saiD.  Der 
von  Schmidt  im  31.  Jahrbuch  Taf.  III  wiedergegehene  Ring  ist  ein  Elrd- 
wall  mit  eiiiem  Kern  buh  l'ünliB(.^be^l  GuxHmaQerwerk,  lediglich  kudi  Schntae 
des  darin  erriuhteten  DenkmalB  gegen  Tnundntion  des  ni-Bprünglich  an  der 
Ostseite,  jetzt  au  der  Westseite  vorbei fli essenden  KyllHussas. 

Stein  i  11  ger  *J  bringt  Neues  nicht  vor  und  läest  ein  sichtiger  weise  das 
Castell  fallen. 

Hützrodt')  schreibt:  „Icorigium  mnss,  nach  den  in  den  beiden  Reise- 
karten ange^eeigten  Eutfeniungen,  von  Ausav»  wfeiter  als  Jünkerftth  ent- 
legen gewesen  sein.  Vielleicht  ist  sein  Name  von  dem  griochischon  obcoc 
Haus,  uud  (ie^'o;  Kälte,  herzuleiten;  denn  zuverlässig  massteti  es  die  Römer 
hier  weit  kalt«r  finden,  als  in  den  mildern  Thälem  von  Trier  und  Köln; 
uud  wahrscheinlich  stand  es  in  der  Gegend,  wo  seitwürts  zur  Linken  ein 
Hügel  sich  erhebt,  welcher  noch  unter  dem  Namen  Heidenkopf  bekannt  ist". 

Summiren  wir  die  standhaltenden  Beweisstücke  för  einen  vicns  eu 
Jilnkerath,  so  haben  wir  röm.  Antiquitäten,  eine  R-im  erat  ein  brücke,  ein  r5m. 
Denkmal  und  eine  sehr  alte  ara  (die  beiden  letzt-eren  wahrscheinlich  iden- 
tisch,   denn  Rau  und  Schannat    besuchten  äemlich  gleichzeitig  Jünkerath). 

Solche  Antiquitäten  *)  kommen  an  den  Römerstrasseu  überhaupt  vor 
nnd  beweisen  hier  nur,  dass  man  die  Trace  der  Strasse  nicht  verfehlt. 

Auch  der  Name  Jünkerath  hat  keinerlei  Verwände chaft  mit  Icorigium, 
sondern  bezeichnet  ein    zur    Cultnr    übergcleitetea    Jinken    (-  Bispein,    Bin- 

t)  Zum  TerstäDdoiss  dieser  Angaben  wie  auch  der  Zeichnung  in  Jo.  Ebcr- 
hardi  Rau  „MonumeDtnTetustatis  Germanicae.  Trajecti  ad  Rhenum  1736",  füge 
ich  bei:  Schannat  verfasste  sein  opus  über  diu  Eifel  za  Blankenheim  (1739  sollte 
OB  in  die  Presse  gehen)  und  damals  (Rau  fertigte  seine  Zsichnuug  1738  an)  lag 
der  Ringwatl  auf  dem  r.  ü,  der  Kyll.  Nach  den  wiederholten  Ueberfluthun^eii 
des  Hüttenwerkes  Jünkerath  ia  den  Jahren  1764  and  1804  wurde  die  Kyll  auf 
die  andere  Seite  des  Ringes  gelegt,  so  das«  er  jetzt  auf  dem  I.  U.  des 
Flusses  sich  befindet.  Das  alte  Kjllbett  behielt  den  Namen  ,alte  Kyll'-.  Die 
s.  g.  „alte  Kyll'  mit  einer  Sleinbrüoke  sah  ich  noch,  beide  sind  jetst  spurlos 
beseitigt.  Das  von  Rau  geteicbuete  schöne  Schloss  ohne  Dachwerk  gibt  das  in 
la  Jahren  neu  aufgeführte  Schloss  Jünkerath,  wie  es  am  23.  Juli  1737  ausgehrannL 

3)  Eifl.  ill.  1.  1.  p.  34  und  66a  Kreis  Daun.  S.   126 

3)  Rhein.  Prov.  Bl.  1834.  I.  S.  163  und  Bonn.  Jahrb   XXXI.  S.  38. 

4)  Geschichte  der  Trevirer  I.  S.  142. 
6)  Nachrichten  u.  s.  w.  S.  150. 

6)  Hier  forderte  die  Lage  des  Orabdenkmalt  einen  Wall  gegen  Iiiuitdation, 
und  dass  er  nicht  mehr  sein  wollte,  bezeugt  die   Constroktion. 


Miscellen.  159 

sen)  ^)  -  Terrain,  ein  Jinken  (Janken  -)-  Rodt.  Eine  Stütze  hat  diese  Her- 
leitnng  an  dem  Jünkerath  vorbeifliessenden  Bisselbach  (Bispeinbach). 

Entscheidend  gegen  Jünkerath  fällt  in^s  Gewicht  der  Mangel  von 
Substractioneu  röm.  Wohngebäude,  deren  Niemand  erwähnt,  und  von  denen 
beim  Chaussee-  und  Eisenbahnbau,  Kunstwiesenanlagen  und  sonstigen  Aus- 
schachtungen mir  nichts  bekannt  geworden. 

Gegen  Jünkerath  spricht  auch  die  Lage  im  Thal  zwischen  hohen 
Bergen  (abweichend  von  der  Lage  der  andern  Stationen  zwischen  Trier 
und  Köln,  die  alle  auf  Hochebeuen  eingerichtet),  wodurch  die  telegraphische 
Verbindung  mit  den  Nachbarstationen  abgeschnitten  und  Ueberraschungen 
nahegelegt  waren. 

Wir  verlassen  Jünkerath  auf  dem  Wege  nach  Feusdorf,  der  nach  dem 
Schmidt'schen  Texte:  „Die  Römerstrasse  geht  oberhalb  Jünkerath  von  dem 
Wege  nach  Feusdorf  links  ab  und  trifft  auf  der  Höhe,  nördlich  von  diesem 
Orte,  in  die  Strasse  von  Hillesheim  nach  Blankenheim  2)",  ein  Römerweg 
ist,  und  folgen  Hetzrodt  auf  die  Höbe,  jedoch  nicht  bis  Heidenkopf,  son- 
dern machen  nahe  hinter  Feusdorf  nördlich  Halt  —  auf  „BeckamerSuhr" 
(od.  „auf  den  Hülsen'*  genannt)  und  behaupten,  hier  lag  wahrschein- 
lich Icorigium.     Unsere  Gründe  sind  folgende: 

1.  Der  Weg  von  Feusdorf  nach  Heidenkopf  heisst  ,,Zoll-  oder 
Weinstrass  e".  2.  Nördlich  von  Feusdorf,  wo  von  vorgenanntem 
Wege  der  Weg  nach  Esch  rechts  abzweigt,  nennt  man^s  „am  Landgraben'' 
und  vor  Jahrhunderten  urkundlich  „am  Landtwehr*\     An   eine  Landes- 

1)  Jönck,  Lnxemb.,  die  Binse;  Franz.  le  jonc;  Lat.  juncus;  Span,  junco; 
Ital.  giunco.  Yergl.  die  Dorfnamen  Binsfeld  und  alten  Biesten  (ad  veteres  juncos), 
Marx,  Erzfltift  Trier  H.  S.  630. 

2)  R.  P.  B.  1834,  I.  S.  164.  u.  Bonn.  Jahrb.  XXXI.  S.  39.  Die  Zeichnung 
Taf.  ni.  lässt  vom  Text  abweichend  die  Römerstrasse  unmittelbar  bei  der  Hütte 
Jünkerath  auf  das  r.  U.  des  Bisselbaches  treten  in  den  Thiergarten  hinein.  Im 
Thiergarten  heisst  zwar  eine  Stelle  „an  der  Römers trasse'^  und  weiter  fort 
in  der  Richtung  zum  Heidenkopf  ein  Diatrict  „auf  der  Adorf ft"  beim  „Sil- 
born".  (Hier  „auf  der  Adorfft**  wurde  gefunden  ein  röm.  perpendiculum  aus 
Bronce,  welches  ich  im  Jahre  1866  dem  Museam  zu  Trier  schenkte.  Damals 
kannte  ich  die  Bestimmung  des  Fundstückes  nicht  und  der  Verfasser  des  Trier- 
sehen  Jahresberichtes  1866—1868,  S.  100,  machte  ein  Gewicht  daraus.  Sp&ter 
kamen  mir  die  Luxemb.  Public.  1861  in  die  Hände  und  dort  traf  ich  p.  179  u. 
Taf.  X.  No.  6  auf  ein  durchaus  gleiches  Seitenstück:  „Le  plomb  d'un  iil  k  plomb 
en  bronze,  de  la  forme  d'un  cöne  renverse.  Au  milieu  de  la  base  est  fixe  un 
bouton  rond  perce  de  3  trous  destines  ä  attacher  le  fil."  Dieser  fil  ä  plomb 
diente  doch  mehr  bei  einem  Hausbau.  Auch  die  Bodenbestandtheile  und  der 
anliegende  „Silbern"  indiciren  hier  eine  Römerwohnung.)  Diese  Richtung  trifft 
aber  nordwestlich  von  Feusdorf  bei  dem  sehr  hohen  tumulus  „Hufuss"  (ur- 
kundlich „Verdorffen  He  übel)",  bei  Leutherath  in  die  Strasse  von  Hillesheim 
nach  Blankenheim. 


IM  Misoellan. 

grenze  ist  hier  nicht  zu  denken,  weil  diese  Stelle  mitten  im  Lande  Jünke- 
rath  lie^,  wozu  Feusdorf  und  Each  gehörten.  3.  Auf  „B  e  c  k  a  m  e  r 
Sulir"  (IibIIos  cnmpna?),  links  nn  der  ZollBtrnsBe,  enthält  der  RodoD  ana- 
gedehiite  Grundmauern  röm.  Wohngeliäude,  wie  diß  Änlicaglien  {röm.  Ziegel 
in  Menge  etc.)  bezeugen,  i.  Die  Flüche  reclits  ara  Zollwege  neben  ,,Be- 
cknmer  Suhr"  heisst  „Ma  r  s  n  c  h  er'' {Martia  ager  oder  agger  odpr  Caropua 
Martina?)  5.  Zwischen  den  genannten  PlfttKen  Hegt  nn  der  „WeingtrasBe" 
ein  kleiner  tumnlua.  6.  Von  hier  aus  Connte  man  aich  vcrEtändigen 
direct  mit  Ausava  am  Apert  (locna  apertus?),  mit  Ernsberg,  Atenaberg, 
(Spiegelhurg,  specula?),  Niirnbnrg,  Hoehacht,  Aremberg  und  per  Heidenkopf 
uml  Uochkreuz  mit  MarcomngDS.  7.  Zu  Feusdorf  „im  Mmie  rpeach"  räamte 
man  altes  Mauerwerk  aua.  Die  Sage  setzt  in  den  „Mauerpeach"  ein  Nonnen- 
kloster ((iynaeceum?}  und  lässt  eine  Nonne  mit  eimem  Stnbc  den  nusflies- 
aenden  Dorfpiitz  stoasen.  8.  Auf  „Beckamer  Suhr"  wie  im  „Marsaoher" 
sind  Wasaerquellen.  Heydinger. 

7.  Waiderbach,  Kr.  Kreuznach.  In  der  Kirche  (welche  übrigens 
eine  AuBnahmestellung  einnimmt  und  zu  keinem  Kirchspiel  gehört)  stehen 
zwei  Sands t ein figuren  von  c.  1,15  m  Höhe  von  trefÜirih er  Renaissancearbeit, 
welche  verdienen,  würdiger  nufgestellt  und  durch  Gipaabguas  oder  Photo- 
graphie bekannter  zti  werden.  Besonders  die  eine  Figur,  die  heilige  Elisa- 
beth mit  dem  (viel  kleineren)  hockenden  Krüppel  darstellend,  ist  eines  der 
anmuthigsten  und  gediegensten  Kunstwerke,  die  ich  auf  meiner  Reise  ge- 
funden  habe.  Lehfeldt. 

8.  Werlan,  bei  St.  Goar.  In  der  evangelischen  Kirche  befindet 
sich  ein  Grabstein  am  Fnssboden,  der  eine  Betende  in  Wittwentracht  dar- 
stellt.   Die  Umschrift,  in  gothischen  Majuskeln  des  vierzehnten  Jahrhunderts 

abgefasst,  beisat DIE  EXALTATIONIS  CRVCIS  -  0      LVCCARDIS 

///E  ■  MI///  ■  WARLA  •  VXOR  •  DNI  ■  BREDELI  WERLA  -  CVI  ■ 
A)A  -  R  ■  )  ■  P  ■  AMEN.  Der  Anfang  der  Inschrift,  welcher  gerade  die 
wichtige  Jahreszahl  enthält,  ist  leider  durch  einen  Predigerstuhl  verdeckt. 
Der  Pfarrer  Günther  daselhat,  den  ich  im  Herbst  1880  aufsuchte,  erklärte 
sich  gerne  bereit,  den  Stuld  gelegentlich  wegrücken  zu  lassen  und  mir  die 
Jahreszahl  mitzutheiten;  auf  einen  im  Winter  deshalb  an  ihn  gerichteten 
Brief  erhielt  ich  jedoch  keine  Antwort. 

Stramberg  erwähnt  im  Rheiniachen  Antiquar.  2,6,  718  die  Familie  und 
sagt  unter  Hinweis  auf  Ledderhose :  „Werlau  hat  ehemals  einem  Junker 
Brand  gehört  .  .  .  Dieser  Brand  hat  mit  seiner  Gemahlin  Lncretia  (ver- 
muthlicb  Lukard)  von  Werla  zween  Söhne  erzeugt  .  .  .  und  starb  1337 
am  Sonntage  Misericordiae."  Leider  verbietet  die  Verschiedenheit  der  Todes- 
tage and  der  Mannesnamen  (wofern  dieser  richtig  angegeben  ist),  au  eine 
Identitiit  der  beiden  Lnccardie  zn  denken.  Lehfeldt. 


Jahrl):  d. Vereins  V:Allerlhumsfr:i.Rheinland  flefl  LXXI 


Taf:  1 


phaeolodische  Karle 


über  das  römische 


V  und  VERTHEIDIGUNGSAVESEN 

in  den 


Zelintlaiiden 

(AgriDecumales) 

l)eaTl)eitelvoii  Jngenieur  Naeher. 


1881. 


I 


irb.  des  I  'crcins  v.  Alterthums/r .  im  Rhcinl.  He/t  LXXI.  Taf.  II. 


^ 


'.rb.  des  Vereins  v.Alterihumsfr.  im  Rhcitil.  Heft LXXI. 


Taf.  III. 


.  des  Vereins  ti.Allerllmms/r.  im  Rheiiil.  He/t  LXXI. 


Taf,  IV. 


^ 


irh.  d.  Vereins  i).  Altertlmm-Fr.  im  Meinl.    Heft  LXXJ. 


ird.   des  Vereins  v.  Alterthumsfr .  im  Rhcinl.  Heft  LXXI. 


Taf.  IL 


Jahrh.  des  Vereins  v.  Älter thumsfr.  im  Rheiiil.  HcfiLXXI.  Taf.  III. 


des  Vereins  v.  Alterthumsfr .  im  Rhciiil.  Heß  LXXI.  Taf.  III. 


1 


ihrb.  des  Vereins  v.AllertImms/r.  im  Rheinl.  Heß  LXXI. 


Taf.  IV. 


l  VemiHS  n.  AUerUtum-Ft.  im  Jüaal.    fie/I  LXXI. 


JAHRBUCHER 


VEREINS  VON   ALTERTHUMSFREUNDEN 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXII. 


HIT  S  TAFELN  UND  6  HOUSCBNITTBK. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BWK,  Sn  ADOLPB  URCDB. 


Inhaltsverzeichniss. 


Balte 
I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

1.  Die  CoDsalarfasten  vom  Tode  Domitians  bis  zum  8.  Consulate  Hadrians. 
Von  Dr.  Asbach 1 

2.  Die  römischen  Militärstrassen  des  linken  Rheinufers :  e.  von  Xanten  bis 
Nymwegen.     Von  Prof.  Jac.  Schneider.    Hierzu  Taf.  I,  1     ...     .       54 

3.  Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  XX.  Legion.    Von 
Prof.  H.  Düntzer.     Hierzu  Taf.  H 69 

4.  Statuette    eines   röm.    Kaisers    auf  Schloss    Bheinstein.      Von    Dr.    H. 
Dütsohke.     Hierzu  Taf.  HI 70 

6.  Zwei  Federzeichnungen  aus  dem  X.  Jahrh.    Von  Dr.  H.  Otte.    Hierzu 
Tat  IV  und  V 76 

6.  Eine  Münzsammlung   aus  röm.  Zeit.     Von   F.   van  Vleuten.    Hierzu 

Taf.  VI,  1-8 82 

7.  Ein  Silber-Medaillon  des  Crispus.    Von  demselben.    Hierzu  Taf.  VI,  4.  67 

8.  Ein  römisch -germanisches  Hügelgräberfeld   bei  Rhcindahlen.     Von  G. 
Koenen 88 

9.  Kleinere  Mittheilungen  aus  dem  Provinzial  -  Museum  zu  Bonn.     Von  E. 
aus'm  Weerth.     Hierzu  Taf.  1,  2-6  u.  Taf.  VI,  7—12 91 

10.  Röm.  Befestigungen  zwischen  Obernburg  und  Neustadt.     Von  Sceger       98 

11.  KuBstafel   des  Meisters  Eisenhuth.     Von  E.  aus'm   Weerth.     Hierzu 

Taf.  VU  u.  VIII 107 

IL  Litteratur. 

1.  Mittelalterliche  Ordensbauten   in  Mainz  von  Fried r.  Schneider,  an- 
gezeigt von  H.  Otte 118 

III.  Miscellen. 

1.  Album  der  prähistorischen  Ausstellung  in  Berlin.  Von  Schaaffhausen.  117 

2.  Alfter:  Röm.  Grabfunde.     Von  E.  aus'm  Weerth 117 

8.  Bonn:  Desgl.  desgl 118 

4.  Alken:  Epitaphium  in  der  Kirche  v.  1571.     Von  Lehfeldt  ....  119 
6.  Andernach -Kärlich- Leutesdorf- Mülhoven  :    Grabfunde.     Von  E.  aus*m 

Weerth 120 

Münzen  daher.    Von  van  Vleuten 121 


1 


Inhalts  verzeichniss. 

Seite 

6.  Bertrich:  Rom.  Badeaulage.     Von  E.  aus'm  Weerth 123 

7.  Bendorf:  Rom.   Gräber.     Von  Seh aaff hausen 123 

8.  Brohl:  Rom.  Befestigungen.     Von  Veith 124 

9.  Bubenheim;  Rom.  Bad.     Von  E.  aus'm  Weerth 126 

10.  Der  Locheustcin.     Von  Fraas 126 

11.  Inden:  Rom.  Baa- Anlage.     Von  E.  aus'm  Weerth 123 

12.  Kaiserswerth :  Inschriften.    Von  Terwelp 129 

13.  Kelteuorte  im  Reg.-Boz.  Coblenz.     Von  Esser 131 

14.  Köln:  Die  Thorburgen.     Von  Seh  aaff  hausen 132 

15.  Linz:  Römer-Canal.     Von  Pohl 135 

16.  Mainz:  Römische  Funde.     Von  Keller 135 

17.  Desgl.    Von  demselben 138 

18.  Desgl.    Von  demselben 139 

18a.  Desgl 141 

19.  Malmedy:  Burggraben  bei  Amel.     Von  Esser 142 

20.  Befestigungen  im  Kreise  Malmedy.     Von  demselben 144 

21.  Metz:  Caracalla- Büste.    Von  Tornow 149 

22.  Perschoid:  Rom.  Bauwerk.     Von  E.  aus^m  Weerth 153 

23.  Pfalz:  Arehäol.  Funde.    Von  Mehlis 153 

24.  Regensburg  und  Salzburg:  Anthropologen- Versammlung.  VonSohaaff- 
hausen 172 

26.  Rothe  Edelsteine  an  fränkischen  Schmucksachen 186 

26.  Stollberg:  Rom.  Villa.     Von  E.  aus'm  Weerth 187 

IV.  Jahresbericht  für  1879  und  1880 188 

und  Winkelmannsfeste 195 

V.  Mitgliederverzeichniss 208 


I.  GescMclite  nnd  Denkmäler. 


I.  Die  Consularfasten  vom  Tode  Domitians  (96  n.  Chr.)  bis  zum 

dritten  Consulate  Hadrians  (119). 


Die  Consularfasten  der  J.  96—119  sind  ein  Theil  einer  von  der 
Bonner  philosophischen  Fakultät  1878  gekrönten  Preisarbeit,  von  der 
andere  Theile  schon  veröffentlicht  sind.  Seitdem  habe  ich  wohl  das 
eine  oder  das  andere  nachgetragen,  auch  Unsicheres  von  Sicherem 
sorgfältiger  geschieden^  aber  eine  Umarbeitung  vorzunehmen  mich  nicht 
entschliessen  können. 

In  die  Hauptliste  sind  nur  diejenigen  Personen  aufgenommen 
worden,  die  sich  mit  Sicherheit  oder  doch  Wahrscheinlichkeit  einem 
bestimmten  Jahre  zuweisen  lassen.  Die  eingeklammerten  Nanien 
oder  Namenstheile  sind  zweifelhaft. 

In  dem  kritischen  Apparat  habe  ich  die  Belege  mit  möglichster 
Vollständigkeit  gesammelt,  nur  durchaus  unselbständige  und  verdäch- 
tige Zeugnisse  sind  ausgeschlossen.  Voranstehen  die  Inschriften,  auch 
wenn  sie  nach  einem  Consul  datiren,  unter  mehreren  haben  die  ita- 
lischen den  ersten  Platz,  ausser  wenn  eine  provinzialen  Ursprungs  das 
Monatsdatum  verzeichnet.  Auf  die  Inschriften,  die  durchgängig  ohne  Er- 
gänzung mitgetheilt  werden,  folgen  die  handschriftlichen  Fasten:  der 
Chronograph,  Idatius,  die  Paschalchronik  und  Prosper  *)•    Weiter  wird 


1)  Ueber  diese  und  die  andern  Qaellen  hat  j&ngst  G.  Lacour-Gayet,  Fastes 
consulaires  des  dix  premi^res  annees  du  regne  d'Antonin  le  pieux  p.  68 — 83 
gehandelt.    Diese  ebenso  sorgfaltige  wie  sachkundige  Untersuchung  findet  sich  in 


2        f  Die  ConBukrfagteu  der  Jahre  96-119  n.  Chr. 

auf  beraerkenswerthe  Arbeiten,  welche  über  die  Laufbahn  der  einzel- 
nen Persönlichkeiten  Aufsclilusa  geben,  hingewiesen.  Die  fasti  consii- 
lares  inde  a  Caesaria  nece  usque  ad  imperium  Diocietiani  comp.  .T. 
Klein.  Leipz.  1881,  konnten  noch  zar  Coutrole  der  Cltate  benutzt 
werden. 

In  dem  Commentar  sind  nur  diejenigen  Consulate  zusammenhän- 
gend behandelt,  deren  Ansatz  entweder  neu  oder  doch  als  richtig  aus 
dem  kritischen  Apparat  nicht  ohne  weiteres  ersichtlich  ist.  In  der 
Hanptliste  sind  dieselben  durch  gesperrte  Schrift  gekennzeichnet. 

Das  Verzeichnis3  der  Conaulare  enthält  die  Belege  für  das  Con- 
sulat  möglichst  vollständig,  auch  wenn  Bie  schon  von  anderen  zusam- 
mengestellt waren. 

In  der  Liste  der  Prätorier  schien  grossere  Kürze  gestattet.  Waren 
die  Zeugnisse  schon  von  anderen  zusaramengestcUt,  so  habe  ich  mich 
der  Kürze  wegen  mit  einem  Hinweis  d&rauf  begnügt.  Zur  leichteren 
Orientirung  ist  ein  alphabetisch  geordnetes  Namenverzeichniss  zugefügt. 

Von  dem  was  wir  Borghesi  und  Mommsen  verdanken,  wird 
die  Arbeit  selbst  reden. 

Abkürzungen : 

CIL  =  Corpus  inscriptionum  Latinarum. 

GIG  =  Corpus  inscr.  Graec. 

IN  =  Inscr.  regni  Neapolitani. 

IC  =  de  Rossi,  inscr.  Christianae. 

CIBh  =  Corpus  inscr.  Rhenan. 

Gr.  =  Orelli-Henzen,  coUectio  I  II. 

Henz,  =  Henzen,  coUectio  III. 

Wilm.  =  Wilmanns,  exempla. 

Grat.  =  Gruter,  inseriptiones  antiquae. 

Mur.  =  Muratori,  novus  thesaur.  vet,  inscr. 

Allmer  =  inscriptions  de  Vienne. 

dea  MelangSB  d'archeologie  et  d'histoire  pablies  par  l'^cole  rran^aiae  de  Rome 
fatc.  I.  II.  Im  Hinblick  auf  die  Gediegenheit  ihrer  Arbeitun  kann  man  der  fran- 
zöBischen  Schule  in  Rom  zu  ihrom  ersten  Lastrum  Glück  wünschen.  —  Zur  OrieB- 
tirung  vgl.  auch  MommBeu,  röm,  Chronol.  S.  113  und  Chronik  des  Cassio- 
dor,  Abb.  d.  Ges.  a.  W.  VIII  S.661  fg.  Leipzig  1861.  Q,  Kaufmann,  die  Fasten 
der  späteren  Kaiserzeit.  Philol.  34,  365.  1876.  Die  einsoblagendon  Fragen  sind 
noch  lange  nicht  erledigt 


Die  GonsularfftBien  der  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  8 

Marini,  atti  =  Marini,  atti  arvali. 

Borgh.  =  Borghesi,  Oeuvres  1—8. 

a.  arv.  =  acta  fratrum  arvalium  CIL  6. 

L.  F.  =  Fasti  feriar  Lat. 

F.  A.  =  Waddingtoü;  fastes  des  provinces  Asiatiques. 

R.  St.  R.*  =  Mommsen,  röra.  Staatsrecht  2.  Aufl. 

R.  St.  V.  =  Marquardt,  röm.  Staatsverwaltung. 

R.  V.  G.  =  0.  Hirschfeld,   Untersuchungen  auf  dem  Gebiet  d. 

röm.  Verwaltungsgesch.  Berlin  1877. 
C  354.  ==  Chronograph  von  354,  Mommsen  (Abh.  d.  Ges.  d.  W. 

II  572  fg.  Leipzig  1850,  der  Text  S.  611  fg.). 
Id  =  Idatius  (fasti  Hispani)  (Ausg.  v.  Th.  Roncalli,  vetustorum 

Latinorum  Script,  chron.  vol.  II  Padua  1787  4®). 
PC  =  Paschalchronik  (Ausg.  v.  L.  Dindorf.  2  voll.  Bonn  1829, 

vgl.  CIL  1  p.  484). 
Pr  =  Prosper  und  seine  Ausschreiber  (s.  bei  Mommsen,   Chro- 
nik d.  Cass.  Abh.  d.  G.  d.  W.  VIII  661.  Leipz.  1861).  -  C  Sc  = 

Cod.  Lugd.  Seal.  28. 
Plin.  ep.  =  Hauptsammlung  der  Pliniusbriefe. 
ep.  Tr.  =  Correspondenz  mit  Traianus. 
ind.  Plin.  =  Mommsen,  index  Plinianus. 
ind.  arv.  =  Henzen,  index  actorum  fr.  arv. 
Bruzza  =  annali  dell*  inst.  arch.  42  (1870)  p.  106  fg.   iBcrizioni 

dei  marmi  grezzi. 


I 


Die  CongulufMteii  der  Jahre  96—119  d.  Chr 


I. 
96  n.  Chr. 
849  d.  St 

■  'C.  AntiatinB  Vetus. 
.  Manlius  Valens. 


Januar  1 


r  *  Ti.  Catius  Caesius  Pronto. 
^^P^'  '       )  M.  Calpurnius  (Att)iciia. 

1  C.  Antistio  Vetere  T.  Maiilio  Borgk.  6,  159  u.  A.  3  \  C.  An- 
tistio  Vetere  Manlio  Valente  cos.  Mur.  315,  1  j  Veter.  et  Valen,  Mur. 

315,  2  =  Srmea  n.  198  \ et  Vale  n.  199  \ V  ETVA  .  .  . 

CIL  2,  3692  1  kni  lutnv  OutUving  (Borgh.  a.  a.  0.) . .  xci  hii  latov 
'Avuaziav  Dio  67,  14,  5  |  Veteve  et  Valente  cos.  Evtrcp-  8,  1  \  Vale- 
riano  et  Vetere  C354  \  Valente  et  Vetere  lä  \  OCäleycog  wrt  BsjiQoti 
PC  I  Fulvio  et  Vetere  {im.  B)  nerva  II  et  rufo  CSc  2S  iV  ||  a  —  C. 
Ant.  Vet.  COS.  .  .  .  CIL  3,  151  \\  b  Tac.  ann.  12,  40.  hist.  1,  64. 

2  a.  d.  VI  idus  Octobres  Ti.  Catio . . .  tone  M.  .  alpurn[io]  .  .  ICO 
COS.  mpL  XVHI  CIL  3  p.861,  vgl.  Borgh.  3,  285  \\  a  tftpötTwvo  toy 
iincctnv  Dio  68,  1,  3  \  Der  volle  Name  m.  arv.  101  105  CIL  6  p. 
629.  533,  vgl.  ind.  Plhi.  p.  406  \\  b  M»mmsf»  cph.  ep.  4  p.  181  n-  645 
'ante  CO  quae  praecedit  littera  aut  I  aut  T  fuit,  vix  B ;  consul  itaque 
M.  Calpurnius  non  Flaccus  fuit  sed  .  .  .  icus'  |  P.  Calpurnius  Atticus 
COS.  135.  ein  Calpurnius  Flaccus  PUn.  ep.  6,  2,  Consul  unter  Hadrian 
Borgh.  3,  286. 

97  n.  Chr. 
850  d.  St 

j  'imp.  Nerva  Caesar  Aug.  Germ.  HI. 
Januar  1    <  L.  Verginius  Rufus  IIL 


<  .  .  ^Domitius  ÄpoUinarig. 

1  .  .  .  .  rua  Caesa  . .  L.  Vergin  . .  (I)II  cos  IX  k.  .  CIL  6,  642  = 
oMtiali  1860,  449\  .  .  imp.  Nerva  III  cos.  Or.  2782  \  imp.  Nerva  III 
et  Verginio  Rufo  III  cos.  Frontin.  aq.  102  \  Nerva  II  et  nifo  III  [Nerva 
in  B  ruffo  r]  C  354  |  Nerva  III  et  Rufo  III  Id  |  NsQovä  Avyovatov 
xai  Titov  'Potxpov  to  y  PC  \  Nerva  II  et  Rufo  [*flauio  et  uetere]  om. 
B  Pr  Sabine  et  Antonino  JV,  vgl.  Borgh.  8,  369,   Mommsm   Herrn.  3, 


Die  Gonsolarfasien  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  5 

46  xL  i  II  a  Tov  de  ^Povq>ov  xov  Ovegyivwv  .  .  .  ovn  aiuvrjaev  vnccvevaag 
ovvaQxovra  rtgoalaßelv  Bio  68,  2, 4  j  Mart  11,  4\\h  perfunctus  est  tertio 
consulatu  Plin.  ep,  2,  i,  2  ||  c  Urlichs,  de  vüa  et  honorihus  TacUi  p.  13  fg. 
2  .  .  .  .  dicit  Domitius  Apollinaris,  cos.  des.  im  J.  97  Plin.  ep, 
9,  13,  13  I  ein  dixaiodoTrjg  Lyciae  d.  Namens  CIG  4236  \  vgl.  ind. 
Plifi.  u.  Giese,  de  personis  Marticdis  p.  14. 


98  n.  Chr. 
851  d.  St. 

{Hrap.  Nerva  Caesar  Aug.  Germ.  IUI. 
l  imp.  Nerva  Traianus  Caesar  (später  Aug.)  Germ.  IL 
f  Sex.  lulius  Frontinus  II. 
März  1       i  "(Corellius  Rufus)  IL 

.  ^Cornelius  Tacitus. 


{ 


{ 


*Q.  Glitius  Agricola. 

^L.  Neratius  Priscus. 
M.  Annius  Verus. 

«M.  Appuleius  Proculus  Ti.  Caepio  Hispo. 
.  .  Rubrius  Gallus. 

Nov.  1        f  .  .  ''Vettius  Proculus. 
(Dez.  3)      (  P.  lulius  Lupus. 

1  Nerva  Uli  cos.  IIII  non.  Decembres  Mur,  315j  4  \  Nerva  III  et 
traiano  II  C  354  \  Nerva  IV  et  Traiano  II  Id  \  TQaiavov  Avyovatov 
^ovov  PC  I  Nerva  III  et  Traiano  IM  <m.  B  Pr  \\  bc  a.  d.  X  k.  Mart.  imp. 
Caesare  Traiano  Aug.  Ger.  II  Sex.  lulio  Frontino  II  cos.  D.  XIX  CIL  3 
p.  862  I  Tr.  zweites  Consulat  Tac.  Germ.  37.  Plin.  paneg.  67—61  \\  c 
Fr.  V.  Nerva  bestellt  paneg,  61  \  lagona  quae  bis  Frontino  consule  prima 
fuit  Mart.  10,  48,  20,  vgl  Herrn.  3,  122.  ind.  Plin.  p.  414. 

2a...  uterque  (Traians  Collegen  im  J.  100)  nuper  consulatum 
alterum  gesserat  a  patre  tuo  .  .  datum  paneg.  61  \  Asbach,  Chronol.  d. 
Pliniusl^.  Rh.  Mas.  36,  43. 

3  laudatus  est  [Verginius  Rufus]  a  consule  Cornelio  Tacito  Plin. 
ep.  2,1,6\  Verg.  t  im  J.  98  paneg.  58 :  erat  in  senatu  ter  consul,  cum 
tu  tertium  consulatum  recusabas,  vgl.  Asbach^  analecta  p.  16  fg.  ürlichs, 
de  vita  TaciH  p.  12  fg, 

4  Q.  Glitio  (s)tel.  Atilio  Agricolae  cos.  II  ...  .  leg.  propr.  [Bei- 


6  Die  C^niularfasten  der  Jahrii  96  —  119  n.  Chr 

ffc]ae  divi  Nervae  .  .  .  CIL  5.  6981,  vgl.  6,  6976—6980.  6982  \  cos.  II 
im  J,  103. 

5  senatuscoQsultum    quoil  Neiatio  Priacü   et  Annio  Vero    cou»u- 

libus  factum   est  Big.  48,  8,  6  \    pp|  COS  Garrttcd,  piotnbi  antkhi  p. 

63  tav.  III,  17,  vgl.  Borgh.  5,  351  \  Domitiaas  Verbot  der  Castration 
1X067,2,3,  vonNerva  wiederholt  Uio68,2,  1\\b.  L.  Ncratius  I'riscua, 
d.  Jurist  Big.  1,  2,  2,  53  \  l.  Neratio  L.  f.  Vol.  Prisco  praef.  aer.  Sat. 
COS.  leg.  pr.  pr.  in  prov.  Pannonia  scribae  quaeatori  et  inmicre  functi  pa- 
trono  IN  4932  \  [Prisco  suo]  . .  .  esercitum  amplissimum  regis  Plin. 
ep.  3, 13,  2  i!  b  V.  seit  74  unter  den  Patriziern  tos.  II  i.  J.  122  III  125. 
Arvale  105,  vgl.  ind.  arv.  p.  176. 

6  senatusconsulto  quod  factum  est  teinpuribua  djvi  Traiani  siib 
Hubrio  Gallo  et  Cat'lio  {lies  Caepioiie)  Hispone  cos.  Big.  40,  5,  26,  7 
fällt  vor  das  ac.  Diisiimianum  vom  J.  99  (?)  u.  d.  sc.  Articulei;uium  vom 
J.  101  B,\^wn  Ztschr.  f.  geschidill.  Sechtaw.  12,  308  fg.,  vgl.  F.  A.  n. 
119  II  a  Caepii)  Hispo  Consular  im  J.  103  Plin.  ep.  4,  9,  16  |  M.  Apulfio 
Proculo  L.  f.  Ciaud.  Ti.  Caepioni  Hispoiii  cos.  pont.  procos.  provinc.  Asiae 
etc.  Or.  3870  II  b  C,  Rubrio  C.  f.  L.  n.  Tro.  Gallo  Proculeiaiio  Grut.  464,  I. 

7  .  .  .  UI  HÖH.  Dccembr.  Vettio  Proclo  luliu  Lupo  cm.  Grut. 
1071,  4  (Rom\  vgl  Borgh.  4.  402.  Momm.seit  Herrn.  3,  85  A.  6  O. 
Clason  Jahrb.  f.  cl.  PhOol  107,  256  ||  a  dicit .  .  .  Vettius  Proculiis,  col- 
lega  Publici  Certi  Plin.  ep.  9,  13,  13  im  J.  97.  collega  Certi  consula- 
tnm  .  .  accepit  das.  |  Wood,  discoveries  at  Ephesus,  inscr.  from  the  greaf 
theatre  p.  7.  p.  27.  F.  A.  n.  118  ||  b  FabrelH  p.  51,  288.   VUa  Pii  1,  6. 

99  n.  Chr. 
852  d.  St. 

'Ä.  Cornelius  Palma. 


Januar  1 


Q.  SosiuB  Senecio. 


(  *Q.  Fabius  Barbarus. 
Aug-  1*    "j   j\_  Caecilius  Faustinus. 

<   "L.  DasumiusV 

■|  «Ti.  lulius  Ferox. 

1  Palma  et  senetione  C  354  |  Palma  et  senecione  Id  \  flai/iä  xai 
Stveximvog  PC  \  Senecione  et  Palma  iV  |  vgl.  Borgh.  1,  469  |  h  ittd. 
I^in.  vgl.  Bergk  Bhein.  Jahrb.  68,  144. 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  d.  Chr.  7 

2  a.  d.  XIX  k.  Sept.  Q.  Fabio  Barbaro  A.  Caecilio  Faustino 
COS.  B.  XX  CIL  3  p.  863  ||  b  D.  XXII  CIL  3  p,  865.  Querin,  voyage 
en  Tunis  i,  408  n.  180. 

3  .  .  .  Negoiia  vlov  .  egfiiavixnv  ....  ovxiov  Jaaov^fxiov  . .  CI& 
2876  =  F.  A.  n,  120  \  senatusconsultum  Dasumianum  de  fideicom- 
xnissariis  libertatibus  Dig.  40,  5,  36;  5,  61  vgl  Rudorff  a.  a.  0.  12 ^ 
308  fg.  testamentum  Dasumii  vom  J.  108  8.  das. 

4  COS.  des.  Julius  Ferox  im  J.  99  Plin.  ep.  2,  11,  6  \  Ti.  lulius 
Ferox  curator  alvei  et  riparum  Tiberis  et  cloacarum  urbis  CIL  1  p, 
180 n.  VII aus d.  J.  101  \  Münzen  v.  Hierocaesarea F,  A,n.  122  \  md.Flm. 

100  n.  Chr. 
853  d.  St. 


März  1 


f  Mmp.  Ne 
(  Sex.  lulii 

{ 


^    Nerva  Traianus  Caes.  Aug.  Germ.  III. 
Januar  i  <,  o_„  j^jj^g  pj-ontinus  lU. 

imp.  Nerva  Traianus  Caes.  Aug.  Germ.  III. 
(Corellius  Rufus)  III. 
®Q.  Acutius  Nerva. 


(  *C.  Plinius  Caecilius  Secundus. 
Sept.  1     ^  Q  j^y^g  Comutus  TertuUus. 


Nov.  1. 


ML. 
(  Ti. 


Rosclus  Aclianus  Maecius  Celer. 
Claudius  Sacerdos  lulianus. 

1  imp.  Nerva  Traiano  Caesare  Aug.  Ger.  III  Sex.  lulio  Frontino 
III  cos.  CIL  6,  2222  \  imp.  Nerva  Traiano  Aug.  Germanico  III  cos. 
Or.  1455  I  Traiano  III  et  frontino  C  354  \  Traiano  III  et  Pontino  Id  \ 
Tgaiavov  ^vyovaxov  ro  /?'  %ai  Ilovaiavov  PC  \  Traiano  Uli  [troiano  ß\ 
et  Frontone  Fr  \  b  Sosiae  Falconillae  ....  Sex.  luli  Frontini  cos. 
III  abn.  etc.  CIL  8,  7066  \\  2  quid  quod  duos  pariter  tertio  con- 
sulatu,  duos  collegii  tui  sanctitate  decorasti?  ut  sit  nemini  dubium  hanc 
tibi  praecipuam  causam  fuisse  extendendi  consulatus  tui,  ut  duorum 
consulatus  amplecteretur  ....  Uterque  nuper  consulatum  alterum 
gesserat  a  patre  tuo . . .  datum  paneg.  61.  aempe  enim  hi  sunt,  quos  sena- 
tus,  cum  publicis  sumptibus  minuendis  Optimum  quemque  praeficeret, 
elegit  et  quidem  primos  paneg.  62,  vgl.  Äsbaeh  Bh.  Mus.  36,  43  fg. 

3  secutae  sunt  diversae  sententiae  consulum  designatorum,  Cor- 
nutus  TertuUus  censuit  ordine  movendum,  Acutius  Nerva  in  sortitione 
provinciae  rationem  eins  non  habendam  PUn.  ep.  2,  12,  2  im  J.  100  | 
Q.  Acutius  Nerva  legatus  pr.  pr.  Germaniae  inferioris  CIRh  660. 
662.  680,  vgl,  Hermes  3,  92  Antn.  1. 


••\:^ 


I 


8  Die  ConaiilarfastcD  der  Jabre  96—119  n.  Chr. 

i  (luia  tamcn  in  cousitctudinein  vertit,  ut  cODsuIea  publica  gra- 
tiarum  ai'tione  perlata  suo  iiuoque  nomine,  quantum  debcant,  prindpi 
profiteantiir,  eoDceilite  mc  non  pro  nie  magis  inunere  isto  quam  pro 
colletia  mtio  Cornuto  Terüillo  c.  v.  fungi  pane^.  90.  vgl.  92.  [Cornu- 
tus]  mihi  .  .  .  collega  ,  .  in  praefectura  aerarii  fuit,  fuit  et  in  cousu- 
latu  Ptiti.  ep.  5,  14,  5  \\  a  C  Plinius  L.  f.  Camlius  Secundus  cos. 
etc.  Tttschr.  aus  Comum  Hermes  3,  108  fg.  {vgl.  S.  91)  CIL  ö,  5262, 
5263,  6^64,  6667,  5279  \\  b  C.  lulio  P.  f.  Hör  .  .  .  Cornuto  Ter[tullo] 
COS.  Gr.  3659  =  Wilm.  1164  mit  Borgh.  4,  117  Ergänz.  |  Procons.  von 
Asien  117/118  F.  A.  ».  123. 

5  L.  Roacio  Aeliano  Ti.  Claudio  Sacerdotae  cos dedic.  IUI 

k.  lan.  CIL  6.  451  ||  a  L.  Roscio  M.  f.  Qui.  Aeliano  Maecio  Celeri 
COB.  etc.  Or.  4952  (Tibur)  ||  b  Ti.  Claudius  Sacerdos  lulianus  Arvale 
101  CIL  6  p.  528. 

101  n.  Chr. 

854    d.  St. 

(   'imp.  Nerva  Traianua  Caea.  Aug.  Germ.  IV. 

Januar  1    j.  q.  ArticuleiuB  Paetua. 

(März  25)     j  ^^^  ^^^^^^  Suburanus. 
(  "Q.  Servaeus  Innocens. 

^P''"  ^       )  M.  Maecius  Celer. 

*L.  Maecius  Postumus. 
.  .  Vicirius  Martialis. 

Octob.  1     l  *L.  ArruntiuB  Stella. 

(Octob.  19)(  L.  lulius  Marinus  Caeciüus  Simplex. 

1  Nerva  Traiano  Aug.  .  .  .  IUI  .  .  Articuleio  Paeto  .  .  IN 
1354  ('tabula  LigurumBaebiauorum')  |  anno  imp.  Caes.  NervaeTr[a]iani 
Aug.  Germanici  IUI  Q.  Articulei  Paeti  cos.  pontif.  ex  stipe  Allmer  II 
p.  278  n.  182  |  imp.  Nerva  Ir  ....  Q.  Ar  ....  CIL  5,  8309  \  . 
.  .  a  Traian  ....  n  II  ...  aeto  ..  C/X  tf  p.  Ö2S  (a.  arv.)  \.  .  . 
p.  Nerva  [T]ra[tan]  —  o  Ca.  ar.  Aug.  German.  .  .  IUI  cos.  CIL  3, 
691  I  imp.  Nerva  Traiano  Caes.  Aug.  Germ.  m[l]  .  ...  CIL  2,  2344 
I  Caes.  Traiano  n.  Uli  cos.  ürveta  n.  200;  201  \  Tra.  IUI  cos.  CIL  3, 
357  I  imp.  Traiano  IUI  C03.  Sorgk.  6,  212.  VermiglioU,  iscr.  Perug. »  II p. 
597, 3 1  imp.  n.  IUI  cos.  Mein.  Jahrb.  61,  63  \  Traiano  IUI  et  peto  C  354  | 
Traiano  IV  ot  Peto  Id  \  Teaiovov  Avyniaxov  %u  y  xai  nitnv  JC|  Tra- 
iano V  et  Orphito  (troiano  F  et  orfino  B)Pr  \  Traiano  quater  et  Articuleio 
consulibns  vüa  Hadr.  3  ||  bc  Q.  Articuleio  .  .  gi  .  .  io  Suburauo  cos. 


Juli  1 


Die  Gonsalarfasten  der  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  9 

VIII   k.  Apr.  CIL  6  p,  528   (a.  arv.)  \  vgl   md.  Plin.  p,  403,  ind, 
arv.  p.  178. 

2  Q.  Servaeo  Innocente  M.  Maecio  Celere  cos.  VI  k.  Mai.  CIL 
6  p.  630  (a.  arv,). 

3  .  aecio  ...  mo  .  .  .  icirio  Martiale  lat.  fuer.III  idus  Aug. 
CIL  6f  2018  {L.  F.)  \  imp.  Nerva  Traiano  Caes.  Aug.  Germ.  III  (lies 
IUI)  Vicerio  Alariano  et  L.  Marcio  Postumo  coss.  CIL  2,  2344.  Äs- 
back,  analectn  p,  23  fg.  \\  a  L.  Maecius  Postumus  Arvale  von  69  — 105  || 
b  s.  Marini,  atti  p.  140, 

4  L.  Arruntio  Stella  L.  lulio  Marino  XIIII  k.  Nov.  CIL  6,  1492  \ 
ibis.  .  Romam  nunc  peregrine  Über  .  . .  atria  sunt  illic  consulis  alta 
mei,  laurigeros  habitat  facundus  Stella  penates,  ille  dabit  populo  pa- 
tribus  equitique  legendura  Mart.  epigr.  12y  3  \  St.  hat  schon  unter 
Domitian  Aussicht  auf  das  Consulat:  Statius  süv.  1,  2, 178.  Mart.  epigr.  9, 
42  I  vgl.  Mommsen  Herrn.  3,  123  fg.  Stobbe  Philol  26,  77.  27,  631 
fg.  Friedländer j  Sitteng.  3,  389.  667  fg.  Giese^  de  personis  Martialis  p.  7\\ 
b  L.  lulius  Marinus  Caecilius  Simplex  a.  arv.  91.  101  \  ^ovxiov  */oi}- 
hov  0aßi(jc  Magsivov  KaiKiliov  2i^7iliyta  .  .  .  CIG  4238  c,  vgl.  add.  \ 
L.  lulio  L.  f.  Fab.  Marin.  .  .  Gaeciho  Simplici  ....  cos.  Marim,  atti 
p.  CLXXVII  =   Wilm,  1169. 


102  n.  Chr. 

855   d.  St. 

(  *L.  lulius  Ursus  Servianus  II. 
Januar  1    |  ^  Licinius  Sura  IL 

J  *L.  lulius  Ursus  Servianus  IL 
)  L.  Fabius  lustus. 
(  .  .^Sulpicius  Lucretius  Barba. 
(Juni  Jö)    ^  ..Senecio  Memmius  Afer. 

1  Villi  k.  lunias  .  .  .  erviano  II  L.  Licinio  Sura  II  cos.  CIL 
6,  2186 1  Serviano  II  et  Sura  et  Traiano  V  cos.  eph.  epigr.  4  p.  67  n.  161 
I  Sura  II  Serviano  II  cos.  btdl.  arch.  contun.  s.  2  t.  VI  p.  102,  21  \  sub 
Surano  bis  et  Serviano  iterum  cos.  Vita  Hadr.  3,  8  \  Servillo  II  et- 
sura  II  (surano  B)  C354  \  Severiano  et  Sirio  Id  \  Svgiavov  nai  SvqIov 
PC  I  senecione  (senatiane  B)  II  et  Sura  Pr  \\  bc  dedicatum  k.  Mart.  .  rso 
Serviano  II  L.  Fabio  lust.  cos.  CIL  6,  2191  \  act.  VI  idus  M  .  .  .  L. 
lulio  Urso  Serviano  L.  Fabio  lust.  cos.  Maffei  Mus.  Ver.  319, 6  ||  vgl.  ind. 
PUn.  p.  410.  415.  417. 


10  Die  ConaiiWruBteu  der  Jahre  96—119  ti.  Chr. 

2  .  .  alpicio  Lucretio  Hiivba  ....  ecionc  Memmio  Afro  lat.  fuer. 
Uli  k.  Inl.  CIL  6,  2018  {L.  F.),  Asback,  mal.  p.  29  ü  b  Senecioni 
MeiDinio  Gal,  Afro  cos.  etc.  Hern.  6907.  Klein,  K'mt.  VerKolttmgsbeamten 
1  8.  107  n.  109. 


103  n.  Chr. 
S56  d.  St 

J  Mmp.  Nerva  Traiaiiiis  Caea.  Aug.  Germ.  Dacicus  V. 
Jatiuar  1    }     ^  ,  Laberius  Miixirims  11.        i 
(Jan.  19)     I  Q_  Qjj^j^jg  ^jiij^g  Agricola  ll.i 
:  =P(onipeius}  Sutuminus. 
I  (P.  Autronius  M)amilli(anua  Rufu3  Autistianus 

Funisulanus  Veltonianus). 
I  .  .  "Baebius  Mater. 
{  *C.  Caeciiiiis  Strabo. 
I  Hl.  Conielius  Priscus.  (?) 

1  imp.  Caesaie  Nerv  ....  Gemiatiico  .  .  .  .  M*.  l^aberi  .  .  CIL 

G,  854  I  .  .  .  .  rva  .  .  .  na  .  .  .  re  .  .  .  crm  ...  M'.  La II 

COS.  CIL  5, 5067  j  Traiaiio  V  cos.  i-ph.  cpiyr.  4  v-  67  n.  161  |  imp.  Nerva 
Traiaiiu  V  cos.  etc.  CIL  6,  ö2d2  |  Traiano  V  et  Maxiiuo  U  C  364  | 
Traiano  V  et  Maximo  Id  \  T^atavnv  ^vyovatov  tö  S  xot  Ma^l^iov 
FC  I  Traiano  VI  et  Masimo  [troiano  B]  Senecione  ill  {II  B)  et  Suva  II  (II 
om.  CSc)  Fr  \\  bc  a.  d.  XIIII  k.  Febr.  M,'  Laberio  Maximo  II  Q. 
Glitio  Atilio  A{,'ricola  il  cos.  D.  XXI  CIL  3  p.  864  =  CIL  7,  1193  \ 
e  Q.  Glitio  P.  f.  Stel.  Atilio  Agricolae  cos.  II  etc.  CIL  6,  6981  (Turin) 
vgl  5,  6974-6984. 

2  .  .  .  .  p  .  .  .  Satanii[no]  ....  ainilli  .  .  .  .  er  .  pr.  .  1  .  .  . 
CIL  6,  2018  (L.  F.)  II  a  Plinius  Pompeio  Saturnino  suo  PUn.  ep.  1,  8. 
Satumiuo  s.  epp.  5,  21.  7,  7.  7,  15.  9,  38  vgl.  ep.  1,  16.  5,  7,  1 «.  4.  7, 
8,  i|]  b  Plinius  Mainiliano  s.  tp.  9,  16.  25.  vir  gravigsimus,  eruditissi- 
muB  ac  super  isla  verissimus  ep.  9,  25,  2  —  ...  V.  Autroni  T.  f. 
Gal.  Mamilliani  Rufi  Antistiani  Funisula[ni]  Vettoniani  leg.  Aug.  [Bri- 
-taDniae]  CIL  7,  164,  vgl.  Äsbach,  analecta  p.  30  fg. 

3  ceDsutt  Baebius  Macer,  codsuI  desigDatus  PUn.  ep.  4,  9,  16. 

4  C.  Caecilium,  consulem  designatum  Plin.  ep.  4,  17,  1.  Caecilius 
Strabo  .  .  censuit  ep.  4,  12,  4.  0.  Caecilius  Strabo  Arvale  101.  105, 
vgl,  Mommsen  Herrn.  3,  45  A.  4. 

5  KoQvijXiog  IlQsiaxos  procos.  Aelae  120/1,   Wood,  a,  a.  0.  inscr. 


Die  GoDBularf asten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  11 

from  the  great  theatre  ».  17,  vgl.  Hermes  4,  178  \  Cornelius  Priscus  con- 
sularis  Flin.  ep.  ß,  20,  7  im  J.  106  (Process  des  Varenus)  |  L.  Cor- 
nelius Priscu(s)  in  dem  Sutriner  Vereeichniss  der  pantifices  Orui,  302,  1. 
vgl.  F.  A.  n.  125.  ind.  Plin. 


104  n.  Chr. 
857   d.  St. 

i  ^Sex.  Attius  Suburanus  II. 

f  M.  Asinius  Marcellus. 
•(C.  lulius)  Proculus. 


vTtajoig  7tq6  rj  yiahxvdwv  MaQTiMv  Wood,  inscr.  fronh  the  gr.  theatre  p,  36 
V.  74  =  Hermes  3,  132  \  Surano  II  et  marcello  C  354  |  Suburano 
II  et  Marcello  Id  |  JSvQiavov  z6  ^  -mi  MaQxilXov  PC  |  Urbano  et 
Marcello  Pr  |  iv  etet  nifiTtu^  zijg  ßaaiXsiag  Tgaiarov  Kaiaagog  xai 
i8vz€Q(i)  tt€i  IvvjcaTiag  lt4trriiiov  xal  2ovQßlvov  xal  31aQX€XXov  ^lyva- 
tiog  .  .  .  ijct  Tfjv  ^Pdfitjv  .  .  .  Tragen i/iq>&r]  Dressel,  patr.  apost.  opp,  p. 
368,  1  flach  cod.  Vat.  vgl.  acta  s.  Ignatii  gr.  in  codd.  0{a:on,)  et  V{at.) 
serv.  ed.  Zahn,  patr.  apost.  opp.  Leipz.  1876  2,  307. 

2  ....  0  ProcuLloJ  .  .  .  CIL  6,  2018  (L.  F.)  \  C.  (?)  lulio  M. 
f.  Volt.  Proculo  cos.  —  qu.  Augustorum  etc.  Or.  2273  (Rom)  |  C. 
luli  Proculi  £Px  I:N  2645  \  luüus  Proculus  CIL  2,  2349  \  Mart.  1,  70. 
11,  36.  Giese  p.  18. 


105  n.  Chr. 
858  d.  St. 


Januar  1 


^T\.  lulius  Candidus  Marius  Celsus  IL 
C.  Autius  A.  lulius  Quadratus  IL 

(Mai  13)     i  «C.  lulius  Bassuß. 

(Juni)         r  Cn.  Afranius  Dexter. 

1  Ti.  lulio  .  .  .  .  io  Quadrato  II  cos.  —  III  k.  lun.  CIL  6, 
875  I  . . .  ulio  Can[d]ido  Mario  Celso  II . . .  ntio  A.  lulio  Quadrato  II  cos. 
III  non.  lanuar  .  .  .  CIL  6  p.  532  (a.  arv.)  \  CIL  6,  156  (Ligoriana)  | 
Candido  II  et  quadrato  C  354  \  Candido  II  et  Quadrato  Id  \  Kavdidov 
xai  Kovaöqaxov  PC  \  Candido  et  Quadrato  Pr  \  Candido  et  Quadrato 
iterum  cos.  vit.  Hadr.  3.  \\  ind.  arv.  p.  176.  188. 

2  C.  lulio  Basso  ....  anio  Dextro  co  .  .  .  [k.]  lun  .  .  .  isdem 


H  Die  CoDaaUrrn^ten  der  Jahre  96—119  n.  Chr. 

*Q.  Roscius  Coelius  Murena  Silius  Decianus  Vi- 
bullus  Pins  Julius  Eui'ycles  Herclanus  Pom- 
peius  Falco. 

1  A.  Cornelio  PALMATO  ....  CIL  6,  2186:  'Borghesius  in 
fastia  probäbiiiter  statuit  T  corruptam  esse  ex  II,  Q.  aiitem  easeprae- 
nomen  Baebii  Tulli".  |  Palma  II  cos.  CIL  3.  356.  Bruzea  n.  256.  vgl. 
Le  Bas  vmjagf.  1713  |  Palma  II  et  tiiUo  C  354  |  Palma  II  et  Tullo  Id  \ 
IJalfiä  KOI  TovXKov  P(7[|b  Tgaiayov  väcnoQ  ayrnTCcrcaaia&tyrog  vno 
Baißiov  TovUov  dy&vfiäcov  CIG  3147  (Smyrna)  vffl  F.  A.  n.  131  «. 
Borgh.  1,  459. 

2  P.  Calvisio  Tullo  L.  Annio  Largo  lat.  fuer.  III  ..  .  OIL  6, 
2016  (L.  F.). 

3  Q,  RoMcio  Sex.  f.  Quir.  Coelio  Mureaae  Silio  Deciano  Vibullo 
Pio  lulJo  Eurycli  Herclano  Pompeio  Falconi  cos.  XV  vir.  s.  f.  procoa. 
provinc.  Asiae  leg.  pr,  pr.  inip.  Cues.  Traiani  Hadriani  Aug.  provinc 
ßritanniae  leg.  pr.  pr.  imp.  Caes.  Nervae  Traiani  Aug.  Germanici  Da- 
clci  [pjrovinc.  Moesiae  inferior,  curatori  [viale  Traiauae  et  leg.  Aug.  pr. 
pr.  provinc.  [Indaeae]  et  leg.  XFret.  leg.  pr.  pr,  prov.  Lyciae  [et  Paroph] 
yliae  leg.  leg.  V  Macedonic,  (in  bello  Dacico  donis]  railitaribus  donato 
Bene.  5451  (Gabii)  1  Volkstrib.  Plin.  ep.  1,  23  hri  ävl&v:i6iov  Woft- 
ntjtov  (Dälxaiv  .  .  .  CIG  2963a.  F.  A.  n.  133.  Sosiae  Falconillae  .  .  . 
Q.  Pompei  Falconis  cos.  nept(i)  CIL  8.  7066. 

110  n.  Chr. 
863  d.  St. 

I  'Ser,  ScipioSaWidienusOrfitus. 
'  M.  Peducaeus  Priscinus. 
1  a.  d.  Xni  k.  Mart.  Ser.  Scipione  Salvidieno  Orfito  M.  Peda- 
caeo  Priscino  cos.  D.  XX7  CIL  3  ji.  868  \  Orfito  et  Priscino  IV  id. 
Dec.  Fea,  fasti  p.  LXX,  2  |  Ser.  Salvidieno  Orfito  M.  Paeducaeo  Pri- 
aciDO  COS.  Wilm.  285  |  Priscino  et  Orfito  Borgh.  6,  68.  209  \  Priscina 
et  ostito  [Pristina  et  ortito  V]  C  354  \  Orfito  et  Prisciano  Id  |  X>eipi- 
Tov  xai  nQiaxiavfiv  PC  \  Crispino  11  et  Bolano  [buleno  CSc  \\  ]  [bulino  B] 
Pr  .  .  .  iTTi  dv&vnäcov  Iledovxaiov  Ileetaxeivov  CIG  2966  (Ephesos). 
F.  A.  ti.  132. 

111  n.  Chr. 
864  d.  St. 

(  'C.  Calpumiua  Piso. 
Januar  1    J  m.  Vettius  Bolanus. 


Januar  1 


l 


Die  Gonsnlarfasten  der  Jahre  96—119  o.  Chr.  16 

1  k.  Aprilib.  Pisone  et  Bolano  cos.  CIL  5,  691  \  C.  Calpurnio 
Pisone  M.  Vettio  Bolano  cos.  CIL  6,  222  \  Pis.  et  Hol.  coss.  IC  p. 

7  n.  3  I  k.  lunii  C.  Cal  .  .  .  one no  cos.  Or.  1620  (Verona)  | 

anno  (G)  Calpurn.  Pison.  M.  Yettii  Bolan.  cos.  AUmer  II  p.  281  n.  183 1 
Pisone  et  bolano  C  354  \  Pisone  et  luliano  Id  \  Iliawvog  xai  *lovhavov 
PO  I  Pisone  et  Rustico  Pr\\a  ind.  Flin. 


112  n.  Chr. 
865  d.  St. 

i*imp.  Nerva  Traianus  optimus  Caes.  Aug.  Germ.  Dac  VI. 
T.  Sextius  Africanus. 

1  VI  k.  Oct  ....  aiano  Aug.  Germ.  Dacico  VI  T.  Sextio  co[s.] 
CIL  6,  642  I  adToycQOTOQog  Tgaiavoi  to  Vxrov  xal  Tirov  JSe^iov 
*A(pQiYjavov  Fhleg,  mir.  26  K  |  Traiano  VI  et  africano  C  364  \  Traiano 
VI  et  Anfricano  Id  \  Tgaiavov  uivyovatov  %6  e  xal  ^Atpqixavov  PC  \ 
Traiano  VII  et  Africano  [troiano  VII  et  aflfricano  5]  IV  ||  a  Traian 
führte  seit  112  die  Bezeichnung  optimus :  [imp.  C]aesar  divi  [Ne]rvae 
f.  Nerva  [Tr]aianus  optimus  [Au]g.  Germ.  Dacic.  pont.  [ma]x.  trib. 
pot  XVI  imp.  VI  COS.  VI  p.  p.  etc.  revue  crit  d'hist.  et  de  liU.  1880 
I  p,  104  {Inschrift  v.  Meäjerda  nach  Kkin^  fasti  z.  d.  /.). 


113  n.  Chr. 
866  d.  St. 

(  »L.  Publibus  Celsus  H. 
Januar  1    j  ^  ^^^^^^^  Crispinus. 

1  L.  Publilio  Celso  II  C.  Clodio  Crispino  cos.  idibus  Aprilib.  IN 
6828  I  Celso  II  et  Crispino  Bruisza  n.  294  \  C.  Clodio  Crispino  cos.  CIL 
6,  221 1  Celso  et  crispino  C  354  \  Celso  II  et  Prisciano  II  Id  \  ngio- 
Tuavoü  xal  KeXaov  PC  \  Celso  et  crispino  Pr  \\  eazrjaa  [Tgaiavog]  xai 
Tov  JSoalov  Tov  T€  TlaXfiov  xai  xov  Kelaov  elyiovag  Dio  68j  16,  2  \  Ein 
consular  Celsus  von  Hadrian  im  J.  117/118  getödtet  vit.  Hadr.  7,  2  | 
CIL  6,  7163,  vgl  Borgh.  6,  34. 


114  n.  Chr. 
867  d.   St. 


Januar  1 


*Q.  Ninnius  Hasta. 
P.  Manilius  Vopiscus. 

*L.  LoUianus  Avitus. 
(Sept.   1)   <  L^  Messius  Rusticus. 


IS  Die  Conaukrfasten  der  Jahre  9G— 119  n.  Chr. 

1  idib.  Tunis  Q.  Ninnio  Hngta  P.  Mauilio  Vopiseo  cos.  dedicatum 
k,  Aug.  isdem  cos.  IN  6828  |  ....  et  Vopi  CIL  6,  2411  \  Hast.  Vop, 
COS.  annali  deir  inst.  40,  174  |  Vopiseo  et  asta  C  354  \  Malsa  et  Volciso 
lä  1  Mä).aov  xai  Bovkxiaxov  PC  |  Ästa  [hasta  B]  et  Pisone  [phisone 
CÄV]  Pr  II  a  !><?.  48,  8,  5. 

2  k.  Sept.  L.  LoUiano  Avito  L.  Messio  Rustico  D.  XXVI  CIL 
3  p.  869  II  L.  Messiua  Rusticus  curator  alvei  Tibcris  etc.  CIL  6,  1240  \ 
Klein,  fasti  e.  ä.  J. 


115  n.  Chr. 
868  tl.  St. 

l  'L.  Vip8tan(i)us  Mesaalla. 
Januar  1    j  j^,   vergilianus  Pedo. 

1  idibus  lanuaris  L.  Vipstano  Messala ....  co3,  CIL  6,  543  \  V.  k, 
Febr.  L.  Vipatauio  M.  Vergiliaiio  Pedone  cos.  CIL  6,  43.  44  \  dedicata 
L.  Vipstanio  Mess.  .  .  .  M.  Vergiliauo  Pedon.  CIL  6,  791  |  .  .  Vip- 
stano Mesnlla  M.  Pedone  Vergilian.  cos.  CIL  6,  1984  j  .  .  .  .  rgiliano 
et  MesB . . .  CIL  6,  2411  \  Messala  et  Pedon.  cos.  Borffb.  7  p.  77  n.  11,  vgl. 
annali  40,  174  I  Messal.  et  Pedon.  cos.  bullett.  arck.  comim.  S.  3  t.  VII 
p.  235  I  L.  Vipstanio  Messalla  cos.  bull  a.  comun.  S.  2  t.  VIp.  164  |  Mes- 
salla  CIL  6,  2404a  \  Vergü.  das.  |  Messala  et  pedone  C  354  |  Mes- 
sala et  Podone  Id  |  MsaoäXa  xai  Uöönjvog  PO  \  Messala  et  Pedone 
(Podone  B)  Fr  \\Bi  ö  drjfiog  ji.  Ovet  . . .  Meaaal  .  .  OvenfnavoC  Mea 
.  .  .  vTioTixo  .  .  viöv  .  .  .  eph.  ep.  1  p.  250  =  CIL  3,  621  \  . .  6  IHduip 
o  vTiatog  .  .  .  eii&vg  .  .  dfreäave  Bio  68,  25  bald  nach  dem  Erdbä>en 
vom  13.  Ben.  115,  vgl.  Bierauer,  Traian  8.  167  u.  Anm. 


116  n.  Chr. 
869  d.  St. 

Januar  1 

(Sept.  8) 


i'C.  Lamia  Aelianus. 
L.  Antistius  Vetus. 
I  *Cn.  Minicius  Faus(tinus). 


1  .  .  .  .  iani  Part{h)ic.  L.  V.  Anlest.  C.  Ae.  AUmer  2  p.  371  n. 
233  I  Lamia  et  Vet.  annali  40,  174  \  Lamia  CIL  6,  2404  \  . .  IovmIov 
Xafila  xat  alhayoS  overeQns  cod.  Pal.  Fkleg.  mir.  {11  E.),  vgl.  Marini. 
<ati  p.  222  fg.  II  Aeliano  et  vetere  C  354  \  Eliano  et  Veterc  lä  \  AiXiavav 
vai  BsTigov  PC  \  Aemiliano  [emilio  B  u.  CSc]  et  Vetere  Pr  ||  s.  d.  J.  96. 

2  a.  d.  VI  idua  Sep  .  .  .  .  Cn  .  Minicio  Faus  .  .  .  D.  XXVII 


Die  Gonsalarfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  17 

CIL  3  p.  870  =  CIBh  1512  \  [Sex.]  Miiiicio  Faustino  etc.  dem  Consul 
d.  J.  127  CIL  3,  2830  u.  add. 

117  n.  Chr. 
870  d.  St. 

i  *T.  Aquilius  Niger. 
Januar  1    {  ^  (Caninius)  R^bilus  AproDianus. 

2  Sex.  Erucius  Clarus. 

TL  lulius  Alexander  lulianus. 

1  pri.  idu8  Augus  .  .  Nigro  et  Aproniano  cos.  CIL  ff,  1884:  \ 
AOViiiO  NIGRO  MREBVO  APRONIANO  Descemet,  inscripHons  do- 
liaires  latines  .  Marques  de  briques  etc.  p.  123  n.  XXXII  (vgl.  hüll  deU. 

inst.  1862,  38)  \ Ibilo  Apro  ...  CIL  6  p.  634  (a  arv.)  \  Nigro  et 

Aproniano  Mur.  319,  3  \  Nigro  .  .  .  hüll.  arch.  comun.  8.  2  tom.  YI  p. 
265  n.  133  \  Nigro  et  aproniano  C  354  \  Aproniano  et  Nigro  Id  \ 
'ArtQMviavov  [lArtQmvov  B\  Tcai  Niygov  PC  \  Nigrino  [nigro  B]  et 
Aproniano  iV  [  [AnQioviavov  xal  Niyqov  Modal.  XI  p.  350  B  \\h  Ma- 
rini,  atti  p.  196  \  ein  C.  Caninius  Rebilus  cos.  12  n.  Chr. 

2  Claro  et  Alexandro  Pr  vgl.  Norisi  ep.  cons.  2,  120  \  eaXo)  de 
xat  7J  ^elevxeia  TtQog  re  ^Eqvmov  Kkaqov  tuxI  TtQog  ^lovkiov  t^le^avÖQOV 
vTtoötQcccriycov  Bio  68,  30  im  J.  116  {Bierauer  S.  175)  \\  a  Sex.  Erucius 
Clarus  quaestor  u.  trib.  pleb.  vor  104  Plin.  ep.  2,  9,  2,  vgl.  ep.  X  16. 
cos.  II  im  J.  146  vgl.  Lacour  milanges  p.  105  \\  b  Ti.  lulius  lulianus 
Alexander  Arvale  118.  119,  vgl.  ind.  Plin.  p.  409  ind.  Arv.  p.  188. 


Juli  1 


118  n.  Chr. 
871  d.  St. 

(  Mmp.  Traianus  Hadrianus  Caes.  Aug.  II. 
Januar  1    |  f,^  Pedanius  Fuscus  Salinator. 

(  *imp.  Traianus  Hadrianus  Caes.  Aug.  II. 
^P"'  ^      I  C.  ümmidius  Quadratus. 

*L.  Pomponius  Bassus. 
L.  (Lic)inius  B(arba)rus. 
1  .  .  .  .  e  Tr  .  .  ano  Ha  .  .  ano  .  .  ug.  .  .  II  cos.  Cn.  .  .  Fusco 
.  .  natore  ....  am  26.  Febr.  und  6.  März  CIL  6  p.  536  (a.  arv.)  i 
avTOKQccTOQi  Tgaiavd)  l/4dgiay(p  Kaiaagt  ^eßaartp  to  ^  rvatq)  nedavlip 
0ov(Txq)  2aXivaTogi  vTtaxoig  ngo  &'  x.  Novevßgiwv  CIG  1732  \  Ha- 
driani  Aug.  cos.  11  Bruzea  n.  221.  vgl.  Borgh.  ß,  75  \  Adriano  II  et 
salinatore  C  354  \  Hadriano  et  Salinatore  Id  \  Alliov  l4dgiavov  Av- 

§ 

yoioTov  laxl  2ahv(kiogog  PC  \  Hadriano  [adriano  B  semper]  et  Salina- 

a 


IFt  Die  Conaularfaston  der  Jahro  96—1 111  n.  Cbr. 

tore  Fr  \  (Hadrianua)  secando  consiil  favore  Plotinae  factus  vit.  Hadr. 
4,4  li^  ve  JJ'rp/p  tzci  ttÜ  nac^ixiii  .'roXifUji  TfQOOtzäx^fj  ov  lüvznt  oi't' 
aU.0  XI  i^alqtfnv  7(«p'  aviöv  llaßw  ofit-'  vtiaiog  iv  ngtointc:  fyiiEJO 
Bio  69,  1,  2  I  fgt.  Hetuen  eph.  epigr.  ?,  195. 

2  inip.  Caesare  Tiaiano  Hadriaiio  Au(g)  ,  . .  C.  Ummidio  Quadra  . . . 
VI  k.  luniaa.  isdem  cos.  IIU  k.  Fuii  .  iadem  .  .  .  III  .  .  uu.  CIL  6 
p.  538  (a.  arv.)  ||  h  vgl.  Kaibel,  ejiiffr.  i/r.  add.  n.  888  a. 

3  L  .  .  .  mpoiiio  Basso  L  .  .  into  Ü  .  .  ,  ro  (im  folgenden  wer- 
den August  und  September  erwähnt)  CIL  6  p.  536  (a.  arv.). 

119  n.  Chr. 
872  d.  St. 

!Mmp.  Traianus  Hadrianus  Caes.  Aug.  III. 
RusticM. 

i'imp.  Traianus  Hadrianus  Caes.  Aug.  III. 
A.  Platorius  Nepos  Aponius   Italicus  Maniliauus  C.  Lici- 
nius  Pollio. 

Mai  1         i    ■    ' 


Nov.  1 


US  Gallus. 

*C.  Hcren(uius  Ool)abena. 


1  .  .  .  Rufug. 

1  dat.  no[i.  Üctuüris  —  imp,  Caes.  Traiauo  Hadriauo  Aug.  III 
COS.  CIL  2,  2959  I  imp.  Caesare  Traiano  Hadriano  Aug.  III  cos.  Or. 
3314  I  imp.  n.  III  cos.  Marini  atli  p.  407.  408  {Borgh.  5,  75).  CIL  6, 
2375  a—c  2404  ]  XVII  kal.  Septem  briarum  (?)  se  tertio  consule  collal. 
leg.  Mos.  et  Christ,  fragm.  iur.  Antciusi.  p.  592  \  Adriano  FI  et  rustico  [vor 
II  ein  Zeichen  '  In  B]  C  354  \  Hadriano  IV  et  Rustico  Id  ]  MXiov 
'.yfdqtavov  t6  ß  Kai  'Povazixiov  PO  |  Hadriano  II  et  Rustico  Pr  ||  ipsum 
autem  tertium  consulatum  et  quattuor  mensibus  tantum  (Monimsen: 
totum)  egit  et  in  eo  saepe  ins  dixit  vUa  Hadr.  8,  5. 

2  .  .  .  .  ano  Au  .  .  .  .  A.  Platorio  Nepote  cos.  CIL  6  p.  638  (a. 
arv.  d.  J.  118)  I  sind  im  Amte  vor  dem  1.  Mai  vgl.  eph.  epigr.  1,196  \  A. 
Platorio  A.  f.  Serg.  Nepoti  Aponio  Italico  Maniliano  C.  Licinio  Pollioni 

COS.  etc.  CIL  6,  877.  ind.  arv.  |  ein Pollio  trib.  pleb.  i.  J.  109  CIL 

6,  452. 

3 0  Gallo  cos.  VII  .  .  CIL  6  p.  638  (a.  arv.)  nach  dem 

l.  Mai  Hene.  o.  a.  0.  ind.  arv.  p.  187. 

4  0.  Heren  .  .  o  .  .  \PELLA  L  .  .  .  .  1  .  .  .  ufo  cos.  CIL 
6  640  (a.  arv.). 


Die  Gonsularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  19 

Zum  Jahre  96. 

Nach  dem  Zeugniss  der  Inschriften,  mit  denen  Eutrop  8,  1  über- 
einstimmt, habe  ich  im  Widerspruch  mit  den  handschriftlichen  Fasten 
dem  C.  Antistius  Vetus  die  erste  Stelle  gegeben.  Ueber  die  Befristung 
der  Gonsulate  unter  Domitian  wird  an  anderem  Orte  gehandelt  werden. 

Zum  Jahre  97. 

Am  1.  Januar  97  übernahm  neben  Kaiser  Nerva  L.  Verginius 
Bufus  das  Consulat  zum  dritten  Mal.  In  Folge  eines  unglücklichen 
Sturzes  wurde  er  der  Theilnahme  an  den  öffentlichen  Angelegenheiten 
entzogen  (Plin.  ep.  2,  1.  Asbach,  analecta  p.  17.  Urlichs,  de  vita 
et  honoribus  Taciti  p.  12  fg.).  In  einem  der  ersten  Monate  dieses 
Jahres,  jedenfalls  nach  dem  9.  Januar  erfolgte  im  Senate  der  Sturm- 
lauf gegen  den  Delator  Publicius  Certus,  worüber  Plinius  ep.  9,  18 
Aufschluss  gibt.  Bei  der  fraglichen  Verhandlung  präsidirte  ein  Con- 
sul  (§.  9.  20).  Sein  Name  wird  von  Plinius  nicht  genannt  Nun  meine 
ich  zwar  mit  ürlichs  a.  a.  0.  p.  13,  dass  an  Verginius  nicht  ge- 
dacht werden  kann:  ^Itaque  is  consul,  cuius  nomen  Plinius  reticuit, 
in  Bufi  qui  etiamsi  valetudine  non  impediretur,  tertio  consulalu  mo 
se  erat  abdicaturus  (cf.  Borghesi  8  p.  579)  locum  successerat'.  Doch 
kann  es  sich  auch  um  einen  unbekannten  Substitut  des  Nerva  handeln, 
der  um  so  schleuniger  von  dem  Amte  zurückgetreten  sein  mag,  als 
es  galt,  die  Ansprüche  der  von  Domitian  zurückgesetzten  zu  befriedigen. 
Ausser  Apollinaris  ist  kein  Suffectus  mit  Bestimmtheit  zu  ermitteln. 
Unter  den  Consularen  werden  einige  sich  finden,  die  allenfalls  diesem 
Jahre  zugewiesen  werden  können,  zumal  da  das  folgende  Jahr  bis  auf 
eine  Stelle  besetzt  ist. 

Zum  Jahre  98. 

1)  Die  Ordinarien  des  J.  98  waren  Nerva  Augustus  und  Traia- 
nus  Caesar,  jener  zum  vierten,  dieser  zum  zweiten  Mal  Consul.  Am 
20.  Februar  ist  nach  Diplom  XVIII  mit  Traianus  Augustus  Sex.  lu- 
lius  Frontinus  11  im  Amte,  dem  Nerva,  der  am  27.  Januar  starb, 
wahrscheinlich  schon  im  Laufe  des  Monats  Platz  machte.  Frontinus 
ist  der  eine  der  beiden  Collegen  Traians  im  J.  100,  von  denen  paneg. 
61  ausdrücklich  gesagt  wird,  dass  sie  durch  Nerva  das  Consulat  zum 
zweiten  Mal  erhalten  hatten  (.  .  .  uterque  nuper  consulatum  alterum 
gesserat  a  patre  tuo  .  .  .  datum).  Den  andern  sah  Mommsen  Her- 
mes 3,  40  A  2  in  Vestricius  Spurinna  (vgl.  Plinius  ep.  2,  7  u.  3,  1; 


I 


ao  Pio  CoDBiilarfaBten  der  Jahre  M— 119  n.  Cbr. 

10),  der  ira  J.  97/98  als  consiilarischer  Legat  UntergermaDien  ver- 
waltete und  in  einem  der  ersten  Monate  des  J.  98  einen  vertriebenen 
König  der  Brukterer  in  sein  Reich  ziirücltfülirte.  Die  Bedeutung  die- 
ses UntcTnelimeiis  kann  man  am  besten  daraus  crmessen,  dass  es 
Traian,  der  damals  am  Niederrheinc  stand,  die  erste  Salutation  als 
Imperator  (paneg.  56)  und  dem  siegreichen  Legaten  selbst  die  Trium- 
ph;ilstatne  (ep.  2,  7)  eintrug').  Aucb  halte  ich  mit  es  Mommsen  für 
beinahe  gewiss,  dass  er  heimgekehrt  das  Consulat  abermals  empfing. 
Doch  geschah  dies  schwerlich  noch  im  J.  98,  dessen  Consuln  von  Nerva 
designirt  worden  waren,  eher  im  .1.  99,  —  Dass  aber  Plinius  paneg.  CO  u. 
Glsii-her  an  einen  andern  alsSpurinna  dachte,  habeich  Rhein.  Mus.36,43fg. 
darzuthun  gesucht.  Besonders  wurde  auf  die  Angabe  des  Plinius  paneg. 
62  hingewiesen,  dass  die  Collegen  Traians  vom  Senate  an  erster  Stelle 
in  eine  Commission  gewählt  wurden,  welche  'de  publicis  sumptibus 
minuendis'  berathen  sollte.  Diese  Commission,  dieselbe,  in  welche  Ver- 
ginius  Rufus  nach  ep.  2,  1,  9  eintreten  zu  müssen  fürchtete,  sollte  der 
drückenden  Finanznoth  abhelfen,  die  Ncrva  zur  VerUusserung  von  Kron- 
und  Privatgut  zwang  fPliu.  paneg.  51.  Dio  68,  2.  Dierauer  S.  21.  Gl). 
Spuriuna,  der  noch  Anfang  98  am  Rheine  commandirte,  kann 
also  nicht  Mitglied  derselben  gewesen  sein.  Eher  könnte  man 
Corellins  Rufus  da.s  dritte  Gonsulat  zusprechen.  Er  gehörte  zum  in- 
timsten Kreise  Nervas  (cp.  1,  12;  4,  17:  observatur  oculis  ille  vir,  quo 
neminem  actas  nostra  graviorem,  sanctiorem.,  suhüliorem  tulit;  5,  1;  7,  11, 
3;  31,  4;  9,  13,  6).  In  dieser  Stellung  konnte  er  sehr  wohl  für  die 
Adoption  Traians  etwa  im  Verein  mit  Licinius  Sura   (Dierauer  S.  22) 


1)  Im  Rbeitiiecben  Jahrbuch  69  S.  1 — 6  habe  ich  unter  ZustimmuDg  von 
A,  Scbaefer,  Quellenkiincio  II  8.  111  den  Beweia  versucht,  dass  Tacitus  die 
Germania  auf  die  Nachricht  von  der  Vernichtung  der  liriikterer  im  Ewcitan  Con- 
Bulato  des  Traian  herausgab.  Ich  wage  jetzt  mit  Bestimmtheit  zu  sagen,  dass 
die  Fristen  des  J.  98  zweimonatlich  waren  und  dass  der  Kaiser  das  Amt  nar 
ein,  nicht  wie  im  J.  100,  zwei  Nundinien  behielt.  Tacitus  war  also  designirter 
Conaal,  ah  er  «eine  Schrift  veröffentlichte.  —  Sollte  nicht  auch  die  St«lle,  welche 
gewöhnlich  auf  die  Germanen  kriege  des  Drueus  bezogen  wird,  c.  1:  cetera  Ocea- 
nus  Rmbit  latos  sinus  et  iusularum  iramcusa  «patia  compleotcns  nuper  cognitis 
quibusdam  geiitibus  ac  regibns  quoB  bellum  apcruit  auf  eiuo  nähere 
VergaEgenhoil  gehen?  Auch  ist  noch  zu  untersuchen,  oh  nicht,  naa  c.  42  von 
den  Markomannen  und  Quaden  erzShlt  wird,  im  Zueammonhang  steht  mit  dem 
Suebenkrieg  unter  Norva  (paneg.  12.  16.  56.  Mommaen  Hermes  3,  116  fg.).  - 
Oeber  die  Auszeichnung  durch  die  Triumphalontamcnte  vgl.  Borgh.  5,  34. 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  21 

wirken.  So  würde  sich  die  persönliche  Verpflichtung  erklären,  welche 
Traian  gegen  seine  Gollegen  im  Cionsalate  hatte  (paneg.  60:  utri- 
usque  cura,  utriusque  vigilantia  obstrictus  es).  Mehr  noch  spricht 
für  unsere  Yermnthung;  dass  und  wie  er  von  Plinius  ep.  5,  1,  5  zu- 
sammen mit  Frontinus  genannt  wird:  'adhibui  in  consilium  duos 
quos  tunc  civitas  nostra  speciaiissmos  habuit  Corellium  et  FranHnunt.  — 
Auch  sonst  ist  die  von  Plinius  paneg.  60.  61  gegebene  Schilderung  auf 
ihn  anwendbar  (vgl.  Bhein.  Mus.  a.  a.  0.).  Der  12.  Brief  des  ersten 
Buches,  in  dem  Corellius'  Tod  erzählt  wird,  ist  ohne  bestimmtes  Datum 
(Rh.  Mus.  a.  a.  0.)-  Jedenfalls  war  Bufus  im  J.  97  noch  rüstig  ge- 
nug,  um  'ex  liberalitate  imperatoris  Nefvae'  bei  Ankauf  und  Verthei- 
lung  von  Ackerland  mitzuwirken  (ep.  7,  31,  4,  vgl.  Dio  68,  2).  Dies 
hindert  nicht  anzunehmen,  dass  er  auch  Mitglied  jener  Finanzcommis- 
sion war*). 

2)  Mit  Bestimmtheit  können  gerade  dem  letzten  Nundinium  des  J. 
98  Vettius  Froculus  und  F.  Julius  Lupus  zugewiesen  werden,  die  nach 
der  stadtrömischen  Inschrift  Gruter  1071,  4  am  3.  Dezember  im  Amte 
sind.  —  Flinius  ep.  9,  13  behandelt  den  Prozess  des  Publicius  Certus. 
Wir  erfahren  hier,  dass  dieser  und  Yettius  Froculus  im  Anfange  des 
J.  97  praefecti  aerarii  waren  (§  13 :  dicit .  .  .  Vettius  Froculus  collega 
Fublici  Gerti,  de  quo  agebatur).  Certus  selbst  wird  brevi  consul  ge- 
nannt (§  11 :  lacessis  bominem  iam  praefectum  aerarii  et  brevi  con- 
sulem).  Der  Erfolg  der  Anklage  wird  §  23  mitgetheilt  ^collega  Certi 
consulatum,  successorem  Certus  accepit'.  Selbstverständlich  kann  sich 
' successorem'  nur  auf  die  Fräfektur  beziehen.  0.  Clason,  Jahrb. 
für  cl.  Fhilol.  107,  256  verstand  die  Stelle  so,  dass  Certus  einen 
Nachfolger  in  der  Fräfektur  erhalten  habe  und  das  ihm  zustehende 
Consulat  seinem  CoUegen  in  der  Fräfektur  Yettius  Froculus  zu  theil 
geworden  sei.  Dies  zu  rechtfertigen,  denkt  er  so  gezwungen  wie  mög- 
lich im  obigen  Citate  Terti'  zweimal,  einmal  zu  "collega",  dann  zu  ^consu- 
latum*. Ueberhaupt  beruht  diese  Erklärung  auf  gänzlicher  ünkenntniss 
der  staatsrechtlichen  Verhältnisse,  die  richtige  hatte  schon  vor  Clason, 
Mommsen  Hermes  3,  90  Anm.  1  vorgetragen.  Die  Verwaltung  der 
Staatskasse,  welche  Froculus  und  Certus  noch  im  J.  97  führten,  bildete 
eine  Vorstufe  für  das  Consulat.  Beiden  stand  dies  also  zu,  beide  konnten 
als  brevi  consules  eingeführt  werden.  Die  Strafe,  die  den  Certus  traf, 
muss  also  darin  bestanden  haben,  dass  ihm  die  Anwartschaft  auf  das 


1)  vgl.  CIL  6,  1648  mit  Anm.  y.  Mommsen. 


in 


\ 


33  Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr. 

Consulat  genommen  wurde,  wahrend  seiu  College  Vettius  ProculuB  das- 
selbe beim  Abgänge  von  der  Präfektur  im  Jan.  98  empfing.  Dazu 
stimmt  auch,  dass  ihre  Nachfolger  Plinius  und  Comutus  Ti'rfullus  im 
J.  100  als  Collegen  das  Consulat  bekleideten.  Ist  es  doch  unwahr- 
acbcinlich,  dass  man  bei  iiireu  Amts  Vorgängern  anders  verfahren  ist 
oder  verfahren  wollte.  Nun  votirt  Proculus  nicht  ala  consul  designatiis 
wie  Domitius  Apollinaris,  sondern  als  Prätoricr.  Seim;  Designatton  — 
was  für  ihn  gilt,  muss  auch  für  Certus  gelten  —  stand  also  noch  be- 
vor. Bei  der  am  9.  Januar  98  stattfindenden  Designation  wurde  dieser 
übergangen,  Vettius  Proculus  mit  P.  lulius  Lupus  für  die  letzte  Frist 
des  Jahres  designirt. 

3)  Das  Consulat  des  Cornelius  Tacitus  ist  durch  den  Tod  des 
L.  Verginius  Rufus,  dem  er  die  Leichenrede  hielt  (Plin.  2, 1,  7),  bestimmt. 
Dieser  erfolgte,  wie  ich  auf  Grund  von  paneg.  58:  erat  in  seuatu  ter 
consul,  cum  tu  tertium  consulatum  recusabas  gezeigt  habe,  im  J.98 
(analecta  p.  17).  Dieser  Ansatz  hat  die  rückhaltlose  Billigung  von  Ur- 
lichs, de  vitaTaciti  p.  13  und  A.  Schaefer,  Quellenkunde  II  S.  109 
gefunden. 

Das  erste  und  letzte  Nundiniuni  des  J.  98  ist  besetzt.  Zwischen 
beide  fällt  des  Tacitus  Consulat.  Derselbe  hatte  schon  in  den  J.  00/04 
eine  prätorische  Provinz  verwaltet,  nach  Borghesis  7,  322  Vermu- 
thung,  welche  Urlichs  a.  a.  0.  p.  7>)  mit  Recht  wieder  aufgenommen, 
die  belgische. 

1) o  tribiia  qaae  praetoriuB  homo  perogre  explere   potnit  muneri- 

buB  UDum  quod  censibus  ordinandta  continebatur  breviio  erat  quam  quod  per 
plures  antios  coDtinuaretur,  alterum  legatioDem  legianariam  de  qua  cum  multis 
ego  quoque  aliquaodo  cogitabam,  imperator  cautus  prudonsque  boraint  pncis  ar- 
tibuB  ioaii^i  militiae  ineKperto  non  videtur  attribiiieBi'.  Itaquc  Bicnt  Nerva,  Fli- 
niuB,  CoruutuB  TertulluB  Icgioai  pORt  praoturam  nou  praefueniQt,  sie  Tacitu!« 
provlDciam  togatam  nullo  ext^rcitu  iastructam  pro  praetore  ailminiati-anao  pu- 
tandua  est.  Quae  cum  per  temporum  condicionem  senatoria  eaae  □on  pntncrit, 
quippe  quam  quiDquennio  post  magiatratum  praetorii  «ortircntur,  nihil  reliquiim 
eat,  nisi  ut  praetoriam  provinciam  ab  imperatore  ci  demandatam  esse  slatuamuB. 
luter  aeptem  autem  qaae  illa  aetate  patebaut  nullam  optius  cligi  quam  Belgioam 
ßorgbetiut  rectiasime  animadvertit  eamqne  conieoturam  duobus  argumentis  fir- 
mavit  altero  debiliore  graviBsimo  altero.  Nam  quod  pater  in  eadem  provincia 
proourator  fuerat,  poterat  salteni  filium  ad  maiorDa  adminiet  ratio  nam  confereii- 
dam  utpote  a  regionia  cognitiooe  non  prorsua  alicuiim  priucipi  commendare,  sed 
noD  debebst.  Qraviua  eat  alterum.  Tam  accuratai»  onim  Germaiiiae  eiua  prae- 
sertim  qaae  ad  Rhenum  rergit   coguitionem  aeque  antiquae  tantum   i 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96^119  n.  Chr.  23 

4)  In  Belgien  scheint  auf  Tacitus  L.  Licinius  Sura  gefolgt  zu  sein 
(CIL  6,  1444.  ürlichs  a.  a.  0.  p.  8),  auf  diesen  Q.  Glitius  Agricola, 
der  im  Jahre  101  die  pannonische  Legation,  im  J.  103  das  zweite 
C!onsulat  übernahm.  —  Des  letzteren  erstes  Consulat  hat  schon  Borg- 
hesi  3,  71  fg.;  5,  344  unter  Nerva  gesetzt  und  ürlichs  a.  a.  0. 
p.  8  folgt  ihm  mit  dem  Hinweise  auf  Valerius  Asiaticus,  der  im  J.  69 
legatus  Belgicae  und  cos.  des.  war.  Doch  ist  das  J.  97  ausgeschlossen, 
weil  eine  einjährige  Verwaltung  unwahrscheinlich  und  weil  es  kaum 
denkbar  ist,  dass  ihm  vor  Tacitus,  der  von  Domitian  zurückgesetzt 
worden  war,  die  Auszeichnung  des  Gonsulats  zu  theil  wurde.  Gegen 
das  J.  98  lässt  sich  ein  Einwand  nicht  erheben.  Dann  wurde  er  drei 
Jahre  später  —  es  ist  dies  das  normale  Intervall  —  Legat  von  Pannonien. 

5)  Unter  den  suffecti  des  J.  98  erscheint  auch  das  Gollegium : 
L.  Keratins  Priscus,  M.  Annius  Verus.  Diese  treten  in  den  Digesten 
48,  8,  6 :  is  qui  servum  castrandum  tradiderit  pro  parte  dimidia  bono- 
rum multatur  ex  senatusconsulto,  quod  Neratio  Prisco  et  Annio  Vero 
COS.  factum  est  und  in  der  Aufschrift  eines  Bleies  auf  (Garrucci, 
piombi  antichi  p.  53  tav.  III,  17,  vgl.  Borgh.  5,  351).  Der  erste 
der  durch  censorisches  Edikt  die  Gastration  verbot,  war  Domitian 
(Dio  67,  2.  Sucton  Dom.  7  u.  die  Dichter).  Nach  Dio  68,  2  wurde 
das  Verbot  von  Nerva  wiederholt.  Die  Frage,  ob  der  Neratianische 
Senatsbeschluss  mit  dem  ersteren  oder  dem  zweiten  zusammenhängt, 
versuchte  Borghesi  5,  350  fg.  mit  Hülfe  einer  Inschrift  von  Sae- 
pinum  IN  4932  zu  entscheiden.  Diese  lautet:  L.  Neratio  L.  f.  Vol. 
Prisco  praef.  aer.  Sat.  cos.  leg.  pr.  pr.  in  prov.  Pannonia  scribae  quae- 
stori  et  munere  functi  patrono.  Die  pannonische  Legation  des  Priscus, 
der  mit  dem  berühmten  Juristen  und  dem  Adressaten  von  Plin.  ep. 
2, 13  identisch  sei,  unter  Nerva  zu  setzen  sei  bedenklich.  Nerva  habe 
an  dem  Tage,  an  dem  er  Traian  adoptirte,  Nachrichten  von  bedeuten- 
den Erfolgen  in  Pannonien  erhalten  (paneg.  8  und  16)  und  die  Be- 
zeichnung imp.  II  und  den  Titel  Germanicus  angenommen.  Wäre  der 
pannonische  Sieg  unter  der  Führung  des  Priscus  gewonnen  worden,  so 
hätte  der  Stein  von  Saepinum  die  ihm  sicher  zu  theil  gewordene  mili- 
tärische Auszeichnung  erwähnen  müssen.  Legation  und  Consulat  ge- 
hörten wahrscheinlich  unter  Domitian  in  das  J.  83,  wozu  sehr  wohl 
passe,  dass  Annius  Verus  von  den   Eaisercensoren  im   J.  74  unter 


sed  recentiBsimarom  reram  alibi  quam  in  ipsa  populi  forÜBBimi  vicinia  vis  acqui- 
rere  f>otuit. 


24  Die  Consulorfasteo  Jer  Jabrti  96—119  d.  Chr. 

die  Patrizier  auft^enommeo  wurde  (vita  Marci  1).  Dieser  Atisatz  Iforg- 
hesis  beruht  auf  einem  ar^'umiaitum  es  silentio  und  übersieht,  daas 
die  Inschrift  vor  dem  vorausgesetzten  Siege  des  Priscus  verfasst  sein 
kann.  Seine  Verkehrtheit  Labe  ich  schon  Ubein,  Mua.  36,  44  fg.  dar- 
zuthun  versucht,  und  ich  erlaube  mir  den  Beweis  hier  in  rfer  Haupt- 
sache zu  wiederholen.  Es  handelt  sich  dort  um  die  Datirung  von 
Plin.ep.  2,  13.  Hier  bittet  Plinius  mit  der  Motivirmig 'regis  exerßitam 
amplissinium,  Itinc  tibi  benehciorum  larga  niateria,  longum  praeterea 
tempus  quo  amicos  tuos  exornare  potuisti'  §.  2  den  Priscus  uiQ  ein 
Militärtribunat  für  Voconius  Romanms.  Dass  dies  Schreiben  nicht  unter 
Domitian  verfaast  wurde  ist  sicher.  Denn  die  Ge2eichuuög  optimus 
princeps  (g  8)  passt  nur  auf  Nerva  oder  Traian.  Mommsen  hat  sie 
auf  jenen  bezogen  und  ep.  13  dem  J,  9S  zugewiesen.  Dem  gegenüber  weist 
Peter  Philol.  32,  705  auf  §8  hin  'nuper  ab  optimo  principe  trium  libe- 
rorum  ius  impetravi,  quod  quaraquam  parce  et  cum  delectu  daret  mihi 
tarnen  tanquam  eligeret  indulsit."  Weun  hiermit  der  von  Traian  selbst 
ep.  Tr.  95  ausgesprochene  Grundsatz  das  Dreikinderrecht  'parce'  zu 
ertheilen  corabinirt  werde,  so  leuchte  ein,  dass  der  optimus  prin- 
ceps Traian  sei.  Dies  wird  eine  andere  Erwägung  bestätigen.  Ange- 
nommeu  Nerva  sei  der  princeps,  so  wird  ep.  Tr.  4,  wo  Plinius  für 
denselben  Voconius  die  Ausführung  einer  schon  unter  Nerva  vorberei- 
teten Standeserhöhung  zum  Senator  erbittet  (§  2:  quibus  ex  causis  et 
a  divo  patre  tuo  petieram,  ut  illum  in  amplissimum  ordinem  promo- 
veret,  sed  hoc  votum  meum  bonitati  tuae  reservatum  est),  die  Er- 
wähnung dieser  hohen  Gunst  vermisst,  während  ep.  2,  13,  8  die  durch 
denCensus  bedingte  Adlection  unter  den  benehcia  verstanden  sein  kann 
Cequidem  iuvenis  statim  iuveni  quantum  potui  per  aetatem  avidissime 
coDtuli').  Auch  ist  nicht  ohne  Belang,  dass  Plinius  selbst  erst  im  J. 
98  durch  die  Vermittelung  des  einflussreichen  lulius  Servianus  das  ius 
trium  liberorum  erhielt.  Muss  es  also  für  ausgemacht  gelten,  dass 
ep.  2,  13  unter  Traian  geschrieben  wurde,  so  lässt  sich  die  Zeit  der 
Abfassung  mit  Wahrscheinlichkeit  wenigstens  annhhernd  bestimmen, 
wenn  wieBorghesi  a.a.O.  und  Mommsen  Herrn.  3,  39  annehmen,  der 
Adressat  dieses  Briefes  Priscus  nicht  verschieden  ist  von  dem  berühm- 
ten Juristen,  dem  Bruder  des  Neratius  Marcellus,  welchem  Plin.  nach 
ep.  3,  8  ebenfalls  nahe  stand.  Neben  dem  Borghesiscben  Ansatz  von 
Consulat  und  Legation  ist  dem  oben  Gesagten  /.ufolge  diese  Identi- 
ficirung  nicht  haltbar.  Dass  Neratius  Priscus  im  J.  97,98  auf  keinen  Fall 
Fannonieu  verwaltet  hat,  wird  durch  ein  urkundliches  Zeugniss  sicher 


r* 


\ 


Die  Consular  fasten  der  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  25 

gestellt  Zur  Zeit  der  Ausstellung  des  Militardiploms  CIL  3  p.  862 
D.  XIX  mit  dem  Datum  vom  20.  Febr.  98  fühi-te  Cn.  Aemilius  Cica- 
tricula  Pompeius  Longinus  die  pannonische  Legation.  Sein  Nachfolger 
war  L.  lulius  Ursus  Servianus,  der  nach  Plinius  ep.  8, 23,  5  unmittelbar 
nach  einer  germanischen  Statthalterschaft  die  von  Pannonien  über- 
nahm (vgl.  Borghesi  3,  75  Henzen  annali  1862,  147).  Dies  ist,  wie 
Mommsen  Herm.  3,  117  bemerkt,  durchaus  anomal,  da  die  erstere 
im  Ganzen  als  die  höhere  galt,  auch  nicht  zwei  so  wichtige  Provinzen 
unmittelbar  nach  einander  verwaltet  zu  werden  pflegten.  Sehr  anspriB- 
chend  lässt  er  diese  Ausnahme  durch  die  kriegerischen  Vorgänge  an 
der  Donau  veranlasst  sein,  die  auch  Traians  Anwesenheit  nöthig  mach- 
ten. Es  ist  demnach  so  gut  wie  sicher,  dass  Servianus  gegen  Ende 
des  J.  98  nach  Pannonien  hinüberging.  Nun  wäre  es  an  und  für  sich 
sehr  wohl  möglich,  dass  für  Longinus  im  Anfang  des  J.  98  Priscus 
eintrat  und  bis  zur  Ankunft  des  Servianus  als  Statthalter  fungirte. 
Indessen  ist  diese  Annahme  durch  §  2,  wo  eine  länger  befristete  Le- 
gation vorausgesetzt  wird,  schlechthin  ausgeschlossen.  Servianus  kehrte 
spätestens  Ende  des  J.  101  nach  Rom  zurück,  um  am  1.  Jan.  102 
das  Consulat  zu  übernehmen.  Yermuthlich  aber  war  sein  Ciommando 
schon  im  Anfange  des  Jahres  erloschen  mit  der  Ankunft  seines  Nach- 
folgers Q.  Glitius  Agricola,  der  als  legatus  Pannoniae  (Henzen  5449) 
an  dem  im  Frühling  101  begonnenen  (Acta  arv.  p.  CXL)  und  102 
beendeten  dakischen  Kriege  theilnahm  und  heimgekehrt  im  J.  103 
als  Ersatzmann  des  Kaisers  zum  zweiten  Mal  Consul  wurde  (Herm.  3, 
127  fg.).  In  Pannonien  war  ihm  L.Neratius  Priscus  gefolgt,  der  letzte 
Legat  der  ungetheilten  Provinz.  Sein  Consulat  gehört  sicher  in  eines 
der  J.  98  oder  99.  An  das  Jahr  97  kann  deswegen  nicht  gedacht 
werden,  weil  sein  Vorgänger  in  der  Statthalterschaft  Glitius  Agricola 
nach  unserem  Ansatz  erst  im  J.  98  zum  Consulat  gelangte.  Wer  aber 
bedenkt,  dass  nahe  Beziehungen  zwischen  der  Familie  der  Gocceii  und 
derjenigen  der  Neratii  bestanden,  dass  Neratius  Priscus  einer  der  nam- 
haftesten Juristen  seiner  Zeit  war  und  dass  Annius  Verus  schon  74 
unter  die  Patrizier  aufgenommen  wurde,  wird  sich  lieber  für  das  J.  98 
als  99  entscheiden,  so  dass  das  üollegium  noch  von  Nerva  für  dieses 
Jahr  designirt  wurde.  Das  senatusconsultum  Neratianum  wäre  dann 
als  Ergänzung  des  kaiserlichen  Verbotes  der  Castration  zu  fassen. 

6)  Von  Mommsen,  Hermes  3,  45  sind  Baebius  Macer,  C.  Caeci- 
lius  Strabo,  Caepio  Hispo,  die  alle  drei  Plinius  im  4.  Buche  der  Brief- 
Sammlung  nennt,   unter  die  Consuin  des  J.  103  gestellt  worden.    Der 


36  Die  CQiiauJarfBBtt-n  der  Jahro  96—119  n.  Clir. 

erste  wird  ep,  4,  9,  16  im  Prozess  des  lulius  Bassus  auadiücklich  als 
consul  (lesigoatus  bezeichuet,  ebenso  ep.  4,  17,  1  C,  Caecilias,  der  ep. 
4,  12  4  Caecilius  Slrabo  heis^st  und  dort  mit  Baebius  Macer  zusammen 
stimmt.  Da  nicht  wohl  best'.itten  werden  liann,  dass  der  Prozess  des 
luliuä  Bassus  im  J.  103  entschieden  wurde  (vgl.  Eorgh.  7,  358  fgg.), 
so  haben  beide  in  der  Hauptliste  ihren  Platz  gefunden.  Anders  steht 
es  um  das  Consulat  des  Caepio  Hispo:  dass  auch  dieser  zu  den  desig- 
nirten  Consuln  gehörte,  hiilt  Moranisea  für  sehr  wahi-scheinlich,  weil 
er  ep.  4,  0,  16  unter  den  zuerst  Stimmenden  auftrete.  In  der  That 
gibt  er  nach  g  16:  ceusuit  liaebius  Macer,  consul  designatus,  lege  repe- 
tundarum  Bassum  teneri,  Caepio  Hispo  salva  diguitate  iudices  dandoa 
.  .  .  und  g  20:  fuit  et  tertia  scntentia.  Valerius  Paulinus  adsensus 
Caepioni  hoc  amplius  censuit  referendum  de  Theophane  .  ,  .  unter 
den  vordersten  seine  Stimme  ab.  Weil  aber  der  Beisatz  consul  desig- 
natus seinem  Nanieu  fehlt,  kann  er  ebenso  gut  wie  Fabricius  Veiento 
derep.  0,  13,  13  in  der  Sache  des  Publicius  Certus  (im  J.  97)  nach 
dem  designirten  Consul  Domitius  Apotlinaris  befragt  wird')  zu  den 
Gonsularen  gezählt  wenden.  Dies  würde  mit  anderweitig  Bekanntem 
übereinstimmen.  Nach  dem  Zeugniss  der  Digesten  40,  5,  26,  7  (ae- 
natusconsulto  quod  factum  est  temporibus  divi  Traiani  sub  Ru- 
brio  Gallo  et  Coelio  (?)  Hispone  cos.)  hat  Caepio  mit  Rubrias  GalluB 
die  Fasces  geführt.  Der  Versuch,  das  Jahr  derselben  zu  bestimmen 
hat  von  dem  Verhältniss  des  sog.  Kubrianischen  Senatsbeschluases  zu 
dem  Dasiimianischen  und  Articuleianischeo  auszugehen,  welches  schon 
von  Rudorff  im  Wesentlichen  richtig  gewürdigt  worden  (Ztschr.  f. 
gesch.  Rechtswissensch.  12",  308  fg.):  das  erstere,  welches  fflr  die 
Ahndung  dür  Fideicommissvergelien  ein  neues  Prinzip  aufstellte,  habe 
(a.  a.  0.  S.  309)  mannichfache  Lücken  enthalten,  auf  die  übergangenen 
Fälle  habe  sich  der  nach  dem  Consul  Dasumius  benannte  Senatsbe- 
schluss  (Digest.  40,  5,  36)  bezogen,  der  auch  von  Julian  und  Marcian 
als  Ergänzung  des  Rubrianum  betrachtet  wurde. 

'Es  blieb  noch  ein  Mangel',  sagt  Rudorff  S.  310,  "beide  Be- 
schlüsse beschränkten  sich  auf  den  Fideicommissprätor  in  Rom,  in 
den  Provinzen  hatten  die  Statthalter  seit  Claudius  die  Fideicommiss- 
jurisdiction,  aber  nur  über  ilireProvinzialen  und  nur  gegen  Anwesende. 


])  lam  cenacndi  tempus.  Dicit  Domitiua  ApoUinariB,  conaul  daBignntuB, 
dicit  Fabricius  Veiento,  Fabins  Postuminus  (Maximinus),  Veltiue  ProculuB  (oo».  im 
J   98). 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  27 

Die  Begünstigung  der  Freiheit  aber  verlangte,  ihnen  auch  die  Cogni- 
tion aus  dem  senatusconsultum  Rubrianum  und  Dasumianum  und 
zwar  selbst  dann  beizulegen,  wenn  der  Betheiligte  nicht  zu  den  Ein- 
gesessenen der  Provinz  gehörte.  Diese  Ergänzung  beruhte  auf  einem 
senatusconsultum  Articuleianum,  welches  eben  deshalb  auch  bei 
Marcian  unmittelbar  dem  Dasumianum  angeschlossen  wird  und  ent- 
schieden dem  J.  101  angehört*.  Von  Mommsen,  der  den  Rubria- 
nischen  Beschluss  wie  das  Consulat  des  Gaepio  nach  101  setzt,  wird 
der  Articuleianische  dem  J.  123  zugesprochen,  in  dem  Q.  Articuleius 
Paetinus  ordentlicher  Consul  war.  Der  Dasumianische  wurde  dann 
zwischen  103  und  123  gefasst.  Demgegenüber  hat  Wad  ding  ton, 
indem  er  mit  Budorff  betont,  dass  längere  Intervalle  durch  den 
Charakter  der  einzelnen  Beschlüsse  ausgeschlossen  sind,  das  in  den 
Digesten  erwähnte  CoUegium  in  das  J.  99  gesetzt.  Auf  dasselbe  Jahr 
f&hrte  ihn  die  Folge  der  Proconsuln  von  Asien.  Nach  einer  Münze 
von  Hierocaesarea  hat  der  am  14.  August  des  J.  99  auftretende  Con- 
sul TL  Julius  Ferox  im  J.  116/117  Asien  verwaltet  (fastes  A.  n.  122); 
Comutus  TertuUus,  der  College  des  Pliuius  im  J.  100,  war  117/118, 
Mettius  Modestus  118/119  (?)  Proconsul.  Die  Statthalterschaft  des  Sca- 
pula  falle  nach  114,  weil  seine  Münze  von  Cotiaeum  in  Phrygien  Traian 
zwar  aqioToq^  aber  noch  nicht  naQ&txog  nenne  (s.  fastes  n.  121  s.  u.). 
Das  in  der  milesischen  Inschrift  CIG  2876  bezeugte  Proconsulat  des 
L.  Dasumius  gehöre  jedenfalls  unter  Traian.  Die  J.  116/118  seien 
besetzt,  dann  müsse  Scapula  114/115,  Dasumius  115/116  oder  umge- 
kehrt im  Besitz  der  proconsularen  Fasces  gewesen  sein.  Dem  Ti.  Cae- 
pio  Hispo  komme  somit  das  J.  113/114  zu  (fastes  n.  119).  Als  dessen 
Vorgänger  erscheint  in  Waddingtons  Liste  n.  118  auf  Grund  einer 
Münze  von  Hyrkanis  in  Lydieu  Vettius  Procülus.  Doch  hat  der  Ur- 
heber dieses  Ansatzes  später  selbst  gesehen,  dass  der  Name  des  Pro- 
consuls  nicht  J3J5T .  iZPOÄ.  sondern  BlT-nPOK-  laute  (s.  Henzen, 
ind.  arv.  p.  187).  Es  ist  derselbe,  welcher  auf  einer  ephesischen  In- 
schrift bei  Wood,  a.  a.  0.  inscr.  from  the  teniple  of  Diana  n.  13  (ml 
dv&vnarov  Bivriov  IIqoxIov)  auftritt  und  in  den  Arvalprotokollen  der 
J.  101  105  107  118  120  Q.  Fulvius  Gillo  Bittius  Procülus  genannt 
wird.  Wenn  dem  Vettius  Procülus  auch  die  lydische  Münze  abgespro- 
chen werden  muss,  so  ist  er  doch  unzweifelhaft  Statthalter  gewesen. 
Denn  in  der  Inschrift  vom  Grossen  Theater  bei  Wood,  a.  a.  0.  inscr.  from 
the  gr.  theatre  p.  6  und  p.  27  wird  an  drei  Stellen  Vettius  Procülus 
{Ovivviog  Tlgoxlog)  als  Proconsul   eingeführt.     Neben  ihm  erscheint 


36  Die  CoDBularfastea  der  Jahre  96 — 119  □.  Chr. 

als  ?TQiaßeiTt)s  xai  m-ctazQäiiffnQ  Afranius  Flavianiis,  der  noch  am 
1.  Sept.  114  nach  dem  Diplom  CIL  3  p.  869  als  prätorischer  Legat 
in  Niederpannonien  steht.  Bekanntlich  fällt  die  Verabschiedung  der 
Soldaten  in  die  letzte  Zelt  der  Statthalterschaft,  und  es  konnte  sich 
Ende  des  J.  lU  Afranius  nach  Epbesos  begeben.  Dann  GlUt  die  Ver- 
waltung des  Vettius  Proculus  114/115.  Sein  Vorgänger  war  dann 
Caepio  Hispo  (113/114),  sein  Nachfolger  h.  Dasumius.  Scapula  kaoD 
sehr  gut  schon  im  J.  112  die  Statthalterschaft  angetreten  haben,  da 
Traian  offiziell  schon  in  diesem  Jahre  optimus  hless  (a.  o.  S.  15). 
Wenn  Ti.  Claudius  Atttcus  Herodes  wirklich  unter  Nerva  Consul  war  (s.  u. 
S.37fg),  so  stand  er  111/112  in  Asien,  Eittius  Proculus  etwa  llO/lll'). 
Den  vollständigen  Namen  des  Caepio  hat  eine  Inschrift  von  Ravenna 
Orelli  3670:  M.  Apuleio  Proculo  L.  f.  Claud.  Ti.  Caepioni  Ilisponi  cos. 
procos.  provinc.  Asiaa  ...  Ob  der  College  des  Caepio  Hispo  mit  dem 
bei  Gruter  4G4,  1  auftretenden  C.  Rubrius  C.  f.  L.  n.  Troi.  Gallus 
Proculeianus  identisch  ist,  läs-st  sich  nicht  mit  Sicherheit  ausmachen. 

In  eins  der  J.  i)7  und  98  wird  gewöhnlich  das  erste  Consulat 
des  L.  Liciaius  Sura  gesetzt,  auf  welches  Marini  atti  p.  716  n.  57 
eine  au  der  via  Nomentana  gefundene  Inschrift  {s.  p.  712)  bezogen 
hat.  Doch  kann  das  J.  9S  nicht  in  Frage  kommen,  weil  nach  einer 
Notiz  des  Victor  cpit.  13,  G:  bic  ob  honorem  Surae  cuius  studio  im- 
perium  arripuerat,  lavacra  condidit,  seinem  Einflnss  Traiau  die  Herr- 
schaft verdankte.  Dies  nöthigt  fast  zur  Annahme,  dass  Sura  schon 
damals  der  ersten  Rangklasse  angehörte.  Da  durch  nichts  ausge- 
schlossen ist,  dass  er  wie  L.  lulius  Ui'sus  Servianus,  der  Ende  des 
J.  97  als  Legat  von  Obergermanien  auftritt  und  102  mit  ihm 
gemeinschaftlich  das  zweite  Consulat  führte,  unter  Domitian  zum 
erstenmal  Consul  war,  so  konnte  er  in  die  Liste  nicht  aufgenommen 
werden. 

Auch  dem  aus  Suet.  Vesp.  13  als  Rhetor  bekannten  C.  Salvius 
Liberalis  Nonius  Bassus,  dessen  cursus  bonorum  Borghest  3,  177  fg. 
und  Waddington  fastes  n.  112  behandelt  haben,  musste  die  Aufnahme 
versagt  werden.  In  der  Inschrift  aus  Urbisaglia  (Orelli  1170)  wird  er 
als  legatus  Angustorum  provinc.  Britanniae  bezeichnet.  Aus  diesem 
Grunde  ist  es  unter  allen  Umständen  sicher,  dass  Nerva  noch  am 
Leben  war,   als  jener  die  Legation  von  Britannien  antrat.    Borghesi 


1)  Der  COB,  guff.  d.  J.  76  M.  Fulviue  Gillo  hat  aacb  Ausweis  einer  cphe- 
siichen  Insohrifl,  jourual  of  pbilology  13,  US,  gleioLfalla  Asiea  verwaltet. 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  29 

Hess  ihn  unter  Domitian  verbannt,  von  Nerva  zurückgerufen  und  durch 
Gonsulat  und  Statthalterschaft  für  die  Leiden  des  Exils  entschädigt 
sein.  Mit  besserem  Grunde  meint  Waddington,  dass  er  das  Gonsulat 
bekleidet  hatte,  ehe  er  Domitians  Gunst  verscherzte.  Nächst  der  Folge 
der  asiatischen  Proconsuln  spricht  dafür,  dass  er  schon  im  Jahre 
74/75  von  den  Kaisercensoren  unter  die  Prätorier  aufgenommen  wurde 
und  81  86  und  87  unter  den  Arvalen  genannt  wird,  vgl.  ind.  arv. 
p.  196. 

Ebenso  hat  Fabius  Postuminus,  der  nach  einer  Münze  von  Thya- 
tira  in  Lydien  und  einer  fragmentirten  Inschrift  von  Aezani  bei 
Wad dington  fastes  n.  115,  vor  dem  J.  114,  nach  der  oben  vorge- 
nommenen Modificirung  der  Ansätze  Waddingtons  aber  vor  110 
Proconsul  von  Asien  war,  sehr  wahrscheinlich  von  Domitian  das  Gon- 
sulat erhalten.  Wenn  derselbe  Plin.  ep.  9, 13, 13,  wo  sicher  Postuminus 
für  Maximinus  zu  lesen  ist,  im  J.  97,  vor  dem  Prätorier  Vettius  Pro- 
culus  und  nach  Fabricius  Veiento,  der  unter  Domitian  Consul  gewesen 
war  (Vict.  epit.  12),  seinen  Vorschlag  macht,  so  kann  er  an  und  für 
sich  ebenso  gut  unter  den  Consularen  als  unter  den  Prätoriern  gestimmt 
haben,  vgl.  Mommsen  ind.  Plin.  p.  410. 

Dem  J.  98  konnten  also  im  Ganzen  11  Consuln  zugewiesen  werden, 
von  denen  des  J.  99  sind  zwei  CoUegien  und  einzeln  L.  Dasumius  und 
Ti.  lulius  Ferox  bekannt.  Im  J.  100  sind  zweimonatliche  Nundinien 
sicher.  Unten  wird  dargethan  werden,  dass  in  die  J.  97—100  Ti. 
Claudius  Atticus  Herodes,  M'.  Laberius  Maximus,  L.  Neratius  Mar- 
cellus,  (lulius)  Scapula  gehören.  Nach  all  dem  scheint  es  ein  sicheres 
Ergebniss  unserer  Untersuchungen,  dass  in  jenen  Jahren  die  Nundinien 
mindestens  zweimonatlich  waren. 

Zum  Jahre  101. 

Bezüglich  der  Gonsuln  der  J.  101—104  verweise  ich  auf  meine 
Abhandlung  'fragmentum  feriarum  Latinarum  CIL,  6,  2018  restitutum 
et  illustratum'  analecta  historica  p.  23.  Die  dort  vorgeschlagenen  Er- 
gänzungen haben  bisher  keinen  Widerspruch  erfahren. 

Das  vielbesprochene  Consulpaar  L.  Arruntius  Stella  und  L.  lu- 
lius Marinus,  nach  denen  das  Ferentinatische  Patronatsdekret  für  den 
von  Traian  mit  der  cura  alimentorum  betrauten  T.  Pomponius  Bassus 
am  19.  October  datirt,  ist  von  Mommsen  und  Henzen  dem  J.  101, 
von  Borghesi,  Stobbe,  Friedländer  und  Hirschfeld  dem  J.  102 


80  Dil  CoDaularfaatäu  lier  Jahre  96—119  n.  Chr. 

zugeschrieben  worden').  Ein  früheres  oder  späteres  Jahr  kiinn  nicht 
in  Frage  kommen.  Die  endgültige  Fixirung  des  fraglichen  Consulats 
hängt  bekanntlich  von  der  Chronologie  der  letzten  Bücher  des  Mar- 
tial  ab*).  Es  soll  hier  noch  einmitl  wns  sicher  ist  herausgehoben  wer- 
den. Die  Veröffentlichung  des  12.  Buches,  das  Martial  als  brevissimus 
libellus  bezeichnet  und  zur  Begrüssung  seines  römischen  Freundes  Te- 
rentius  Priacus  'paucissimis  diebus'  zusammengestellt  hat,  erfolgte  in 
Spanien  nach  dreijährigem  otium').  Will  man  diese  Angabe  mit  Er- 
folg verwerthen,  so  kommt  alles  an  auf  die  Zeit  der  Herausgabe  der 
zweiten  Bearbeitung  des  zehnten  Buches,  das  zum  grösseren  Theile 
aus  neuen  Uedichten  gebildet  wurde.  Durch  diß  Erwähnung  des  zweiten 
Consulates  des  Frontinus  ist  10,  48  bestimmt.  Die  Worte  'lagona  qnae 
bis  Frontino  consule  prima  (Haupt  trima)  fuit'  hält  Stobbe  mit  Recht 
für  eine  blosse  Umschreibung  von  '  nunc'  •)■  Aber  irrig  lässt  er  das 
Epigramm  im  April  geschrieben  sein»).  Da  die  Nundinien  des  J.  98 
zweimonatlich  waren,  fallt  das  Frontina  Consulat  erwähnende  Gedicht 
spEltesteas  in  den  Februar.  Ein  jüngeres  Datum  lässt  sich  im 
ganzen  Buche  nicht  nachweisen*).  Die  einleitenden  Gedichte 
zeigen  den  Kaiser  bei  den  Ulieinischen  Legionen ;  auf  den  Aufenthalt 
an  der  Donau  im  Winter  98/f>9  lindct  sich  uirgeuds  eine  Anspielung. 
Ich  kann  Mommsen  nur  beipflichten,  dass  die  Annahme  Stobbes, 
die  Veröffentlichung  sei  erst  im  Anfange  des  J.  99  erfolgt,  durch  nichts 
gerechtfertigt  ist.  Bringt  man  die  Mitte  des  J.  98  als  Zeit  der 
Ausgabe  in  Ansatz,  so  fällt  die  Ankunft  des  Priscus   in  das  J.  101. 


} 


1)  MommBen,  Hermes  3,  123  fg.  ind.  Plin.  p.  428.  —  Stobbe,  Phi- 
lologuB  2fi,  70  fg.  27,  G31  fg  und  in  FriedUndera  Sitte ugescUichte  8,  657 
fg.  —  Friedlandür  a. a.  0. S.  388  fg.  —  0.  UirBChfeld,  Untersuchungen  auf 
d.  Gebiet  röm.  Verw.  S.  115  Anm.  3. 

2)  DieBB  haben  Friedländer  in  den  Königeberger  Progr.  1862  1866, 
Mommeen  a.  a.  0.,  Stobbe  a.  a.  0.  bchaiidcU. 

3)  praef.  Scio  me  patrocinium  debere  oontumaoissimae  trienni  deai- 
diae..  ne  quid  lamcn  et  advcnienti  tibi  ab  urbe  exigenti  negarem  . .  imperavi 
mihi  quüd  indulgero  consueram,  et  studui  paucissimis  diebus,  ut  familiaris- 
Bimas  mihi  aurea  tuas  excipcrero  adventoria  tua. 

4)  Stobbe  bei  FriedUnder  a.  a.  0.  3,  667. 
6)  Philo!.  26,  70. 

6)  Hommson  a.  a.  O.  S.  121  fg.  n.  FriedUnder  a.  a.  0.  S.  390. 


Die  CoDsularfaaten  dor  Jahre  96—119  n.  Chr.  81 

Sie  erfolgte,  was  aus  ep.  62  sich  unzweifelhaft  ergibt^),  im  Dezem- 
ber. Das  mit  Absicht  vorangestellte  dritte  Epigramm  feiert 2)  den 
Gönner  des  Dichters  L.  Arruntius  Stella.  In  demselben  gibt  Mar- 
tial  seinem  Buche  den  Rath  mit  auf  den  Weg,  es  solle  den  Palast 
des  Consuls  Stella  aufsuchen;  wenn  er  sagt,  der  Consul  Stella  werde 
es  dem  Volke,  dem  Senate,  den  Rittern  empfehlen^),  drückt  er 
klar  genug  aus,  dass  Stella  das  Consulat  wirklich  übernommen  hat 
Dass  er  noch  im  Dezember  in  Funktion  war  ist,  da  die  Nundinien 
des  J.  101  dreimonatlich  sind,  sicher.  Darum  liegt  der  Schluss  nahe, 
dass  auch  epigr.  3  in  den  Dezember  des  J.  101  gehört  und  in  dem  zur 
Begrttssung  des  Priscus  und  zur  Sendung  nach  Rom  redigirten  Buche 
sich  fand.  Selbst  wenn  das  zehnte  Bucfi  anfangs  99  ausgegeben  wurde, 
konnte  Martial  im  Dezember  des  J.  101  „von  dreijähriger  Pause"  reden, 
aber  mit  nichten  im  Dez.  102,  wenn  das  vierte  Jahr  nahezu  voll  war. 
Durch  diesen  Ansatz  wird  die  zweitmalige  Redaction  des  zwölften  Bu- 
ches, die  St  ebbe  angenommen  hat,  entbehrlich  aber  nicht  ausgeschlos- 
sen. Der  brevis  libellus,  den  Martial  dem  Priscus  überreichte,  kann 
sehr  wohl  in  einem  der  nächsten  Jahre  —  der  Tod  des  Dichters  trat 
sicher  vor  105  (Plin.  ep.  3,  21,  vgl.  Rhein.  Mus.  36,  49)  ein  —  eine 
nachträgliche  Erweiterung  erfahren  haben. 

Die  neuesten  Argumente  Stobbes  für  das  J.  102  (bei  Friedländer 
a.  a.  0.)  können  mit  wenigen  Worten  erledigt  werden.  Da  der  Arvale 
L.  lulius  L.  f.  Fab.  Marinus  Caecilius  Simplex,  der  mit  dem  Col- 
legen  des  Stella  identisch  ist,  am  25.  März  des  J.  101  ohne  die  Be- 
zeichnung cos.  des.  auftritt,  zieht  er  den  Schluss,  dass  er  für  das  J. 
101  nicht  designirt  war.  Derselbe  stützt  sich  auf  die  Beobachtung 
(Philol.  31,  277  fg.  284),  dass  in  den  ArvalenprotokoUen ,  welche 
mit  einer  einzigen  Lücke  die  Verhandlungen  von  Anfang  Novem- 
ber 57  bis  Mitte  Januar  60  verzeichnen,  den  anwesenden  Arvalen 
die  Titel  cos.  und  cos.  design.  ausnahmelos  beigelegt  werden.  Nur 
wird  T.  Sextius  erst  in  der  sechsten  Sitzung  als  cos.  des.  bezeich- 
net, jwas  durch  die  Annahme  erklärt  wird,  dass  im  J.  59  die  Comitien 

1)  Dies  hat  S t  ob be  unter  Zustimmung  von  Fr iedlän der  S.  388  fg.  aus  epig. 
12,  62,  welches  eine  Einladung  an  Saturn  enthalt,  nachgewiesen  Philol.  27,  688. 

2)  Er  hat  bereits  unter  Domitian  Anwartschaft  a.f  das  Consulat.  Statins 
silv.  1,  2,  178.  Marl.  9,  42. 

3)  Yel  ai  malueris  prima  gradiere  Subura  Atria  sunt  illic  consulis  alta  mei 

Laurigeros  habitat  facundus  Stella  penates 

nie  dabit  populo  patribus  equitiqae  legend  um. 


S2  Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  d.  Chr. 

für  die  consules  suffecti  erst  zwischen  dem  5.  und  28.  März  stattge- 
funden haben.  Dies  mag  für  die  Neronische  Zeit  richtig  sdn.  Warn 
aber  die  ordentlichen  Consuln  des  J.  105  unter  den  Arvaleii  dieses 
Jahres  ohne  den  Beisatz  cos.  genannt  werden,  so  ist  es  methodisdi 
zu  schliessen,  dass  in  der  Traianischen  Zeit  diese  förmliche  Proto- 
kollirung  nicht  mehr  Brauch  war.  Bewiesen  wird  dies  durch  dK  That- 
Sache,  dass  L.  Maecius  Postumus,  nach  unserem  Ansätze  ebmblb 
Consu)  im  J.  101,  in  den  Versammlungen  dieses  Jahres  niemals  ab 
COS.  des.  bezeichnet  wird. 

Auch  das  andere  Argument  Stobbes  ist  nicht  geeignet  dn  en- 
steres  Bedenken  zu  erwecken.  Auf  des  Marinus  Ehreninschrift  (Wilmanns 
1159)  werden  die  Lykische  Legation  und  das  Proconsulat  von  Achaia  vor 
dem  Consulat  genannt.  Da  er  Lykien  als  Legat  des  Traian  verwal- 
tete, fällt  der  Beginn  der  Legation  frühestens  in  das  Jahr  98.  Im  An* 
fange  des  J.  101  war  er  in  Rom  zurück.  Bringt  man,  wie  Stobbe 
es  gethan  hat,  für  die  Lykische  Legation  zwei  bis  drei  Jahre  in  Auf- 
satz, dann  bleibt  allerdings  kein  Baum  für  das  Proconsulat  von 
Achaia.  Aber  Marinus  kann  sehr  wohl  Ende  des  J.  99  nach  Achaia 
gegangen  sein. 

Zum  Jahre  109. 

Ich  habe  Bedenken  getragen,  mit  Borghesi  4,  126  und  Wad- 
ding ton  fastes  n.  133  das  Consulat  des  vielnamigen  Q.  Pompeius 
Falco  in  das  J.  112  zu  setzen.  Seine  politischen  und  militärischen 
Chargen  kennen  wir  aus  der  gabinischen  Inschrift,  Henzen  5451: 
Q.  Eoscio  Sex.  f.  Quir.  Coelio  Murenae  Silio  Deciano  Vibullo  Pio 
lulio  Eurycli  Herclano  Pompeio  Falconi  cos.  XV  vir  s.  f.  procos. 
provinc.  Asiae  leg.  pr.  pr.  imp.  Caes.  Traiani  Hadriani  Aug.  provinc. 
Britanniae  leg.  pr.  pr.  imp.  Caes.  Nervae  Traiani  Aug.  GermaniciDa- 
cici  [p]rovinc.  Moesiae  inferior,  curatori  [via]e  Traianae  et  leg.  Aug,  pr. 
pr.  [provinc.  ludaeae]  et  leg.  X  Fret.  leg.  pr.  pr.  prov.  Lyciae  [et  Pamph]y- 
liae  leg.  leg.  V.  Macedonic.  [in  hello  dacico  donis]  militaribus  donato. 

Dass  er  als  Proconsul  Asien  verwaltete,  wird  ausserdem  durch 
die  ephesische  Inschrift  CIG  2963 c  bezeugt.  In  der  Plinianischen  Brief- 
sammlung erscheint  er  als  Adressat  von  ep.  1,  23.  Da  das  erste 
Buch  Briefe  aus  den  Jahren  96—104  enthält,  so  wird  unsere  Unter- 
suchung durch  die  Erwähnung  seines  Volkstribunates  nicht  gefördert. 
Er  war  Legat  des  Traianus  Germanicus  Dacicus  in  Untermösien,  und 
zwar  muss  das  Ende   seiner  StaRhalterschaft  spätestens  in  das  Jahr 


Die  Conanlarfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  88 

115  fallen,  da  Traian  gegen  Ausgang  dieses  Jahres  den  Titel  Parthicus 
annahm  (Dierauer  S.  166  A.  6).  Der  Name  optimus,  der  ebenfalls  in  der 
Titulatur  des  Kaisers  fehlt,  findet  sich  bereits  im  J.  112  (s.  o.  S.  15, 
vgl.  Dierauer  S.  162  A.).  Sein  Vorgänger  war  P.  Calpumius  Macer 
Caulius  Rufus,  unter  dessen  .Statthalterschaft  im  Jahre  112  dem  Tra- 
ian eine  niedermösische  Inschrift  dedicirt  worden  ist :  imp.  Caes.  div[i] 
fil.  Nervae  Traiano  Au[g.]  Ger.  Dacico  pont.  max.  [tr]ib.  pot.  XVI  imp. 
VI  co[s.]  V[I]  p.  p.  P.  Calpurnio  Macro  Caulio  Rufo  leg.  Aug.  pro  p[r] 
CIL  3,  777  (nach  Timon,  imago  ant.  et  novae  Hung.  add.  p.  20  und 
Kantemir,  Beschr.  der  Moldau,  S.  58,  vgl.  Hermes  3,  55).  —  In  der 
bithynischen  Correspondenz  des  Plinius  wird  er  mehrmals  (ep.  42. 61. 62), 
zuletzt  ep.  77  als  ein  gleichzeitig  mit  Plinius  fungirender  Statthalter 
erwähnt.  Das  letztgenannte  Schreiben  (ep.  77)  fallt  zwischen  den  27. 
Januar  und  den  18.  September.  An  jenem  Tage  ist  ep.  52,  an  diesem 
ep.  88  geschrieben  (Herm.  3, 57  fg.  vgl.  Dierauer  S.  26).  Nehmen  wir  für 
Pompeius  Falco  eine  zwei-  bis  dreijährige  Verwaltungsperiode  an,  so 
wurde  Calpurnius  Macer  Ende  112  oder  Anfang  113  abgelöst.  Vor  diesen 
Termin  fallen  die  inschriftlich  bezeugten,  sammt  und  sonders  nach  der 
Prätur  bekleideten  Aemter:  das  Consulat,  die  Curatel  der  Traia- 
nischen  Strasse,  die  judäische  und  lykische  Legation  und  das  Com- 
mando  der  fünften  makedonischen  Legion.  Das  letztere,  das  ihm 
militärische  Ehren  eintrug ,  muss  er  im  ersten  dakischen  Kriege 
geführt  haben,  weil  die  Zeit  zwischen  dem  zweiten  Dakerkriege  und 
der  mösischen  Legation  zu  knapp  ist,  als  dass  alle  Chargen  in  der- 
selben Platz  finden  könnten.  Soweit  stimme  ich  mit  Waddington 
überein,  glaube  aber,  dass  sein  Consulat  von  demselben  zu  spät  an- 
gesetzt ist.  Auf  ein  früheres  Jahr  führt  die  Thatsache,  dass  die  militärisch 
wichtigen  mösischen  Statthalterschaften  nicht  wie  die  tarrakonensische, 
dalmatische  und  britannische  unmittelbar  nach  dem  Consulat  über- 
nommen wurden:  Ti.  Plautius  Silvanus  Aelianus,  Consul  im  J.  45, 
ist  Legat  von  Mösien  um  d.  J.  60  (vgl.  Wilm.  1145,  Waddington,  fastes 
n.  85).  Fonteius  Agrippa,  Cons.  im  J.  58,  commandirt  die  mösische 
Militärmacht  im  Jahre  69  (Tac.  bist.  3,  46;  loseph.  b.  7,  4,  3:  ngea- 
ßavzfiq  vnarinog).  Dem  entspricht  es,  dass  L.  Funisulanus  Vetto- 
nianus  erst  Pannonien  im  J.  85,  dann  das  obere  Mösien  (Henzen 
5432),  Q.  Pomponius  Rufus  im  J.  93  Dalmatien  (D.  XVI  CIL  3  p.  859), 
im  J.  99  das  untere  Mösien  (D.  XX  CIL  3  p.  863)  regiert.  Die- 
selbe Provinz  stand  im  J.  105  unter  A.  Caecilius  Faustinus  (D.  XXn 
CIL  3  p.  865),  der  im  J.  99  Consul  gewesen  war.    Man  wird  so  ge- 

8 


81  Dio  CooaularfBBten  der  Jahre  96—119  n.  Clir. 

nöthigt  sein,  zwischen  Faicos  Considat  iid(1  Statthalterschaft  ein  Inter- 
vall von  drei  bis  vier  Jahren  anzunehmen,  also  jenes  in  das  J,  109 
zu  setzen.  Das  Consulat  seines  Vorgängers  in  der  Legation  gdiBrt 
wohl  einem  der  nächstvorhergehenden  Jahre  an. 

üeber  das  Jahr  109  darf  man  nicht  zHriickgeheii,  Nach  dem 
ersten  dakischen  Kriege,  etwa  103/105  verwaltete  erLykien.  In  dem 
J.  lOS/lOr»  wurde  unter  der  Leitung  des  Cornelius  Palma  der  arabische 
Krieg  geführt,  der  mit  der  Eroberung  einer  neuen  Provinz  endete. 
Da  das  Gebiet  der  palästinischen  Le^ation  unmittülbar  an  den  Kriega- 
Bchauplatz  angrenzt,  so  ist  eine  Betheiligung  der  in  .ludäa  stationirtcn 
zehnten  Legion  an  dem  arabischen  Kriege  durchaus  wahrscheinlich. 
So  würde  es  sich  prWären,  dass  wir  einen  erprobten  General,  wie  Falco 
war,  mit  dem  Coiumando  derselben  betraut  finden.  Im  J.  109  erhielt 
Cornelius  Palma,  der  Sieger  (iber  Arabien,  das  zweite  ordentliche  Con- 
sulat. Es  liegt  nahe  anzunehmen,  dass  in  eben  diesem  Jahre  sein 
WafTengefährte  zu  derselben  Ehre  gelangte.  Nach  dem  Consulat  führte 
er  ein  Vertrauensamt,  die  Verwaltung  der  neuen  Strasse  von  Bene- 
vent nach  BrundiBium,  welche  im  J.  109  oder  wahrscheinlicher  im  fol- 
genden Jahre  vollendet  wurde  (IN  6290,  Dierauer  S.  128  u.  Anm.). 
In  der  Regel  wurde  allerdings'  die  cura  viae  Prätoriem  zutbeil  (ItSt. 
R.  2  1003);  indessen  zeigt  das  Beispiel  des  Comutus  TertuUus  (Ber* 
mes  3,  4  A.  3J,  dass  sie  auch  ConsularcD  eofallen  konnte. 

Zum  Jahre  116. 

Als  Ordinarien  des  J.  116  habe  ich  C.  Lamia  Aelianus  and  L. 
Antistius  Vetus  verzeichnet  Auf  einer  fragmentirten  Inschrift  bei 
Allmer  2,  371  n.  233  wird  gelesen  .  .  .  .  iani  Part[h]ic.  L.  V.  An- 
lest. C.  Ae.     Bei  Phlegon   von  Tralles  mir.  11   K.  ist  die    Ueber- 

lieferung  in  Unordnung.  Dort  heisst  es  Xovxiov  hxfiia  a'dicevov  otl- 
hs£os.  Wahrscheinlich  sind  nach  Anleitung  der  Inschrift  von  Vienne 
lafiia  und  fivhe^og  zu  transponireu.  In  den  handschriftlichen  Fasten 
nimmt  Aeliano  den  ersten  Platz  ein  f  Aeliano  et  uetere  Cbrön.  354 1 
Eliano  et  Vetere  Idatius  |  ^iltavov  wxi  Bszigov  chron.  Paschale  [  Ae- 
miliano  [emilio  B  u.  Sc.  28]  et  Vetere  Prosper). 

Zu  deo  Jahren  118  und  119. 

Aus  Spartian  c.  4:  H.  secondo  consul  favore  Plotinae  factos 
und  Dio  69,  1 :    xg  Svßiff  ini   t^  noQ&ixi^   noKifiifi  aQooetäji^   ov 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  o^ 


>'     t     »'-»  1  »*.      /  %  t  m»     Jf»        rä  >/ 


fiivtoi  ovT*  aXXoTi  i^aiQStov  Ttagi*  aviov  slaßev  ovd-^  vTtarog  ev  TtQtazotg 
lyivBTo  ergibt  sich,  dassHadrian  Doch  bei  Lebzeiten  dcsTraian  zum  Con- 
sul  sufifectus  für  118  designirt  wurde,  wofern  Die  nicht  an  das  erste 
Gonsulat  gedacht  hat.  ThatsächHch  hat  er  am  1.  Januar  dieses  Jah- 
res das  zweite  Gonsulat  angetreten.  Nach  den  Arvalakten  sind  am  3. 
und  7.  Januar,  am  26.  Februar  und  am  6.  März  des  J.  118  der  Kaiser 
und  Cn.  Pedanius  Fuscus  Saliuator  im  Amte,  am  27.  29.  30.  Mai 
der  Kaiser  und  C.  Ummidius  Quadratus.  Weiter  treten  in  den  Arval- 
akten zur  Zeit  der  Ankunft  des  Kaisers  L.  Pomponius  Bassus  und  L. 
Licinius  Barbarus  als  Consuln  auf.  Zwar  ist  der  Monatsnamen  ausge- 
fallen. Da  aber  im  folgenden  August  und  September  erwähnt  wer- 
den, so  kann  über  die Kichtigkeit  der  Henzenschen  Eri^änzung  *isdera 
consulibus''  kein  Zweifel  bestehen.  Unter  allen  Umständen  ist  sicher, 
dass  jenes  Collegium  im  August  fungirte,  sehr  wahrscheinlich,  dass 
es  am  I.Juli  das  Gonsulat  übernommen  hatte  0.  Ob  Quadratus  am  1. 
April  oder  1.  Mai  in  Funktion  trat,  ist  mit  Sicherheit  nicht  zu  ent- 
scheiden. 

Ueber  das  3.  Gonsulat  vom  J.  119  bemerkt  der  Biograph  c.  8: 
ipsum  autem  tertium  consulatum  et  quattuor  mensibus  tantum  egit 
et  in  eo  saepe  ins  dixit.  Aus  Hcnzen  eph.  epigr.  1  (1872)  p.  196 
ersieht  man,  dass  die  Nundinien  dieses  Jahres  wenigstens  in  der  ersten 
Hälfte  zweimonatlich  waren.  Hadr.  blieb  wie  im  J.  118  zwei  Nundi- 
nien im  Amte.  Das  vonMommsen  (a.a.O.)  für  tantum  vorgeschla- 
gene totum  ist  wohl  richtig. 

Das  Gonsulat  des  Libo,  nach  dem  in  der  fragmentirten  In- 
schrift GIL  6,  207  datirt  wird,  gehört,  wie  schon  Borghesi  7,  596 
gezeigt  hat,  ins  J.  128,  in  welchem  Torquatus  Aprenas  II  und  M. 
Annius  Libo  die  Ordinarien  waren.  Ilenzen  a.  a.  0.  p.  195  und 
ihm  folgend  Klein  haben  es  dem  J.  118,  auf  Grund  einer  falschen 
Ergänzung  der  stadtrömischen  Inschrift,  zugewiesen. 

1)  Wir  haben  hier  den  von  Mommsen  R.  St.  R.^  2,  82,  1  vermissten  zwei- 
feUosen  Beleg  des  halbjährigen  Consulats  für  die  Zeit  nach  Nero,  allerdings  nur 
eines  Kaiserconsulais. 


Dfe  CiaMkrfWn  ihr  Jtln»  M— 119.  n.  Ckt. 


.'  'Liflte  deT  GoBBalare. 

I  l. 

ATidins  Quietaa. 

JBoryft.  1,600  =  faaUt  A.  n.  ISO,  Mann  vm  Hytfcudi  ia  U" 
äen:  !>^4(w»v$  Keüaad  . .  äv9v.  Kvt^u  *F(pxay«r.  —  Li  dtf  baohrift 
TOD  Äenni  (b.  a.D.  16)  ist  er  später  als  UettiiiBlIodeBtaBProcoiut.  nn 
Ariea.~-Fatt.(p.9,]3,lB:  dienntOm  J.  97)  contra ATidiaBQaletiu,  Co^ 
nntns  Tertnllas  (Cons.  im  J.  100).  —  Sein  Consolat  fUlt  etwa  105— 107. 

Avidins  Qaietns,  dessen  Tod  tp.  8,  SS^  t  beUagt  wird,  ist  inU 
der  Vater  des  Proconauls  von  Asräa 

a.  ■'       ■   '■ 

Bellicios  Sollers.. 
lüHifarift  von  AnttoctaieQ  in  Fisidien,  Baum  6912 . . .  P[f]  Std.  So. . . 
Ti.  Fetiali  leg.  Aug.  propr.  provinc  GaL  Pisid.  Phryg.  L;c.  Isaür. 
Paphlag.  Fonti.  Cala.  Fonti  FolemoniaD.  Apm.  leg;  leg.  Xm  een.  donat 
don.  militarib.  expedit.  Sueb[)]c.  et  Sarin,  cor.  mur.  cor.  vall.  cor.  aur. 
baat.  pur.  trib.  vezill.  trib.  curat  coloniar.  et  municipior.  prfte[f|.  frum. 
dand.  ex.  sc.  praet.  aed.  curul.  q.  Cret.  et  G.  tiib.  leg.  XXIIprimigen.  III  vir  a. 
B.  a.  f.  f.  Thiasus  lib.  Inschhfteu  von  Verona  emäbnen  sein  Gonsulat: 
Qruter  865, 14  (Claudiae  Ti.  f.  Marcellinae  Bellici  Sollertis  cos.).  MaffeiM. 
r.  120,  2;  vgLEemen  6936.  Vgl.  Borghesi  6,  411:  ind.  Bin.  p.  104.  Min. 
ep.  5,  4:  vir  praetorius  Söllers  a  senatu  petiit,  ut  sibi  instituere  nundinas 
io  agria  suis  permitteretur  (Process  dea  Nominatua  im  Jahre  105),  — 
In  dem  auebisch -sarmatisciien  Kriege,  der  in  den  letzten  Jahren  Do- 
mitians  geführt  wurde  {Ha-mes  3,  115  fg.)  commandirte  er  die  leg. 
XUI  gemina,  war  also  schon  damals  Frätorier. 


(?)  P.  Calvisius  Tullus  Cons.  I  im  J.  109. 
vita  Marci  1:   mater  [Marci]   Domitia  Calvllla   Galrisii  Tolli  bis 
consulis  ölia.  Ffjl.  BorgheH  1.  ^9.  S,  39.  47. 
4. 
L.  Catilins  Severus  Cons.  II  im  J.  120. 
Vit.  Badr.  6:  (Hadrianofi)  praeposito  Sfriae  Catilio  Severo  per 


Die  CoDKuliirraBtoii  der  Jsbre  96—119  n.  Chr.  37 

Illyricum  Romam  veoit.  Der  Vorgänger  des  Catilius  in  der  syrischen 
Legation  war  Hailrian  cons.  I  im  J.  108.  —  instif.  S,  11:  de  militam 
testamentis  divus  Traianus  Statilio  {lies  CatUio)  Severo  rescripsit. 
Consiil  etwa  109. 

5. 
P.  Calpurnius  Macer  Caulias  Uafus. 

6'!/,  3,  777  Inschr.  aus  Niedcrmösicii  aus  dem  J.  111:  imp.  Caes. 
div[i]  fil.  Nervae  Traiano  Au[g.]  Gcr.  Dacico  pont.  niax.  [trlib.  pot. 
XVI  imp.  VI  co[s.I  VflJ  p.  p.  P.  Calpurnio  Macro  Caulio  Rufo  leg.  Aug. 
pro  p[r].  —  PUn.  ep.  Tr.  42  {vgl.  61.  62.  77):  poteria  a  Calpurnio 
Macro  petcre  libratorem.  C2>.  5,  18  Plinius  Calpurnio  Macro.  —  Sein 
NacIifol{;cr  war  Q.  Pompetus  Falco.  Wenn  dieser  109  in  Funlition  war, 
so  fallt  sein  Consulat  in  eines  der  nächst  vorhergehenden  Jahre.  —  Wood 
a.  a.  0.  toml's  p.  5  n.  4:  M.  Calpnmio  M.  f.  Col.  Kufo  praef.  frumeot. 
CS  s.  c.  leg.  pro.  Gypro  pr.  pr.  et  Fonto  et  Bitbyniac  et  pro  Asiae. 
6. 
T.  Claudius  Atticus  Herodes'). 

Dass  Atticus  Herodes  zu  den  wenigen  zählte,  welche  der  Ehre 
eines  zweiten  Consulates  gewürdigt  wurden,  wird  ?on  l'hihstralos  ßlm 
2, 1, 1:  11  tmtfiOTiq  'HQtööijg  iiiXu  h.  irattQotv  eg  lotg  dig  virätorg  und 
Sttidas  'ffQMdtjS  austlfücklich  bezeugt.  Die  Fixirung  des  zweiten  Con- 
sulates ist  meines  Wissens  noch  nicht  versucht,  das  erste  fällt  n&cfa 
Borghesi  6, 534  und  Bittetiberger  Hermes  13,  67  fg.  vor  das  J.  106,  nach 
Wadditigton,  fastes  n.  126  in  das  J.  104. 

Diese  Ansetzungcn  beruhen  zunächst  auf  einer  martyrolc^ischcn 
Notiz  des  Jkgcsippos- Eusd)\os  eccl.  kist.  3,  32  und  der  Paschalchronik 
im  J.  105.  Jener  lässt  den  greisen  Syraeon,  Bischof  von  Jerusalem, 
i;ri  Tgaiarav  KaiaoQog  xai  vnaiixov  'jiiztxot  den  Märtyrertod  er- 
Iddcn*);  in  der  Paschalchronik  ist  derselbe  Vorgang  mit  den  Worten 
[Tffoiavov]  rf  vir.  Kardiöov  xai  KoradQätov  (i.  J.  105)  T^atavor  xava 
X^uniavüv  dtfüyftov  xtvfoaviog  Sifimv  . .  ifiaQjvgijai  .  .  .  hti  'Atitxov 
vncetixov  verzeichnet. 

1)  So  lautet  der  vollBt^ndige  Name,  vgl.  CIA  3,  674:  Dittenberger  llermes 
13,  G7  fg.  „Die  Familie  des  Harodea  Atticus".  —  Von  älteren  Unterauchiingeii 
vgl  Heyne  in  der  Ztnehr.  f.  AlterAumswias.  1839,  977.  SifDcrs,  Studien  S.  313  Anm. 
33.  —  In  der  Bb^^ekürzton  Nomeciolatur  iat  unter  Hcrodea  immer  der  Sohu,  unter 
AttiouH  immer  der  Vater  zu  voratetieD. 

2}  Nncii  EusAioa  ehron.  ean.  f-  163  Schöne  gehört  dieaer  Vorgang  iu  das 
10.  Jahr  Traians, 


38  Die  Consularfaaten  der  Jahre  96—119  n.  Chr. 

Das  Bedenken  Marquardts,  R  St.  F.  1,  261  Anm,  11,  ob  der  Titel 
iiKniT^Oi^  consularis  genau  verstanden  werden  könne,  da  zu  Eusebios 
Zeit  überhaupt  ein  Legat,  auch  ein  prätorischer  inacixog  heisse,  ist 
unbegründet,  da  es  sich,  wie  Wadding  ton  unter  Zustimmung  von 
Dittenberger  bemerkt  hat,  um  einZeugniss  des  Ilegesippos  handelt, 
in  dessen  Zeit  (im  2.  Jahrhundert)  c/ncn/Mi;  nur  von  consularischen 
Statthaltern  üblich  war.  Steht  so  der  consuhirische  Rang  des  Atticus 
ausser  Zweifel,  dann  ist  es  höchst  bedenklich,  in  rtim  einen  Statthalter 
von  Judäa  erkennen  zu  wollen.  Judäa  hatte  seit  seiner  Abzweigung 
von  Syrien  (im  J.  70)  einen  besonderen  Statthalter,  der  den  Titel  leg. 
Aug.  pr.  pr.  rührte  und  zugleich  Commandant  der  legio  X  Fretensis 
war.  Von  den  Legaten  der  Flavischcn  Epoche  sind  Sex.  Vettulenus 
Cerialis,  Lucilius  Bassus,  Flavius  Silva,  Pompeiiis  Longinus  nachweis- 
lich prätorischen  Ranges 0.  Noch  mehr:  falls  Atticus  thatsächlich 
Judäa  verwaltet  hat,  nmss  ein  Prätorior  ihn  abgelöst  haben,  Q.  Pom- 
peius  Falco,  der  nach  der  oben  erläuterten  Inschrift  Ilemen  6451  das 
Consulat  nach  der  judäischen  Legation  führte.  Dass  umd.  J.  117*)  Lu- 
sius  Quietus  als  Consular  Judäa  in  Verwaltung  nahm,  hängt  mit  dem 
damals  ausgebrochenen  3)  weitverzweigten  Judenaufstande  zusammen, 
dessen  Heerd  eben  Judäa  war,  und  kann  deswegen  keine  Norm  ab- 
geben. Die  angedeutete  Schwierigkeit  i.st  gehoben,  wenn  sich  nach- 
weisen lässt,  dass  Atticus  als  leg.  Aug.  pr.  pr.  prov.  Syriae  fungirt 
hat.  Dass  in  Judäa  nach  den  Consularen  jener  Provinz  datirt  wird, 
hat^kaum  etwas  Auffallendes,  wenn  auch  nicht  überliefert  ist,  dass 
der  Chef  der  zehnten  Legion  in  einem  Abhängigkeitsverhältniss  zu 
seinem  stärkeren  Nachbar  stand.  Die  Statthalterschaft  des  Atticus 
miisste  dann  zwischen  die  des  C.  Antius  A.  Julius  Quadratus  und 
die  des  A.  Cornelius  Palma  gestellt  werden.  Jener,  der  im  J.  93 
zum  erstenmal  Consul  war,  erscheint  auf  seiner  Inschrift  von  Perga- 
mura  CIG  3548  als  iiQeoßevtfjq  -xctl  ävTtatQctct]yoc;  avTn/.QuroQo^:  Ne- 
QOvag  TQaiarov  KaiaaQo^  ^eßaorov  riQuctviKoi  Jaxr/.ou  e/tagxf^S 
SvQiagj  hat  also  die  syrische  Legation  frühestens  im  Anfange  des  J.  103, 
wo  Traian  bereits  den  Titel  Dacicus  führte,  spätestens  im  Anfange 
des  folgenden  Jahres  niedergelegt,  weil  er  im  J.  105  am  1.  Januar 
in  Rom    das  Consulat   antrat.    Der  zweite   ist  nachweislich  im  J.  105 


1)  Marquardt  E,  St   V.  1,  261. 

::)  Volkmar  Rhein.    Mus.  N.  F,  12,  4SI -511  und   btv^maers  S.  507  „Zur 
Chronologie  desTraianiscben  Fürth "rkrit^ges  mit  Rücksicht  aufdie  Ignatiustradition'S 
3)  Dio  68,  32. 


Die  CoDBukrfastcD  der  Jahre  96—119  u.  Cbr.  39 

Legat  {,S\im-halchroKik  p.  472  B.  a.  Dio  68,  14)  unil  erobert  in  diesem 
und  dem  imchstfolfjCDdcu  Jiiliru  AnibieD,  dessen  Proviuziulära  mit  dem 
22,  MÜrz  l()ti  n.  Chr.  anhebt  O-  ^ur  BelohnuDg  seiner  militärisclien 
Verdienste  erhielt  er  im  J.  lOO  das  zweite  ordentliche  Consulat  und 
die  Triitm[ihalstatue  °). 

Diiss  Atticus  tliatöüchlich  lOJ— 105  Statthalter  von  Syrien  war, 
wird  durch  das  Ignatiosj  -  Martyrolo^iuni  bewiesen,  dessen  Anfang  im 
Valicaims  lautet:  h  tiet  nifi.rtif  {iwuiiii  0)  t^g  jiaailtt'as  Tgamvod 
Kaiüa^oi;  xui  (Uirtpi;*  iitt  ivvjiaf!a<i  Winjzoi-  x«(  2oiQßi.vov  (— nig- 
.iüvin-  (i)  xai  .l/ttpziAAwr  fp-i'cziog  i.-ti'axinro^  r^g  l^vitoximv . .  i)ixi.i,aiag 
(t,in  2Vpi'((i;  Hii  Ti;v  'Poifiaiojv  nüXiv  7TaQ€ni[.i<f9i^  {acta  s.  Ign,  gr.  in 
i:otld.  0(u-on,)  et  V{at.)  servala  ed.  Zahn,  palr.  ajiosf.  opp.  Leipe.  1876 
2,  3U7;    cgi.  Dressel,  i>.  ap.  opp.  Leips.  1857  p.  368). 

Die  hier  erwähnten  Consuhi  sind  uhue  Zwuifel  die  Ordinarien  des 
J.  104  Sex.  Attius  Suburanus  II  und  M.  Äsinius  Marccilus.  Das 
Cognoinen  des  erstercn  ist  liier  in  ^nießivog  und  ^ovQjiuvos,  ander- 
wärts in  Ui'baiiHs,  Suranus,  Surianus  verdorben  und  nur  von  Idatlua 
richtig  angc|;eben.  Auch  im  übrigen  liegen  scliwcre,  zum  Theil  hand- 
grcitiiche  Verderbnisse  vor. 

Soviel  ich  sehe,  ist  mit  Tnmsposition  von  f.v  v.caii<f  das  Da- 
tum also  licrzustellcn :  xai  äEi'jtQi't  t'tet  'AxitMtv  [v^iarnnv]  wxi 
tv  {'xatltf  Sni-ßovqavov  (?)  xot  Ma^-AtiXov.  Die  zweite  Hälfte  des 
J.  104  —  der  Todestag  des  Ignatius  ist  der  20.  Dezember  —  ent- 
spricht dem  zweiton  Jahre  der  Statthalterschaft  des  Atticus.  Dies  passt 
tretilich  zu  uo.'ierer  Annahme,  dass  er  von  Anfang  103  bis  Anfang  105 
in  Syrien  stand.  Es  kann  nicht  in  unserer  Absicht  liegen,  näher 
auf  die  romanhaften  Ignatioslegendun  einzugeben').  Die  gauze  Mär  von 

1)  WaMingtott,  mclavgM  de  numümatiqxK  2°  sirie  p.  160.  Marqtiardl,  R. 
St.   V.  J,  371  lg. 

2)  Borgimi  5,  31    hat  CIL  C,  13SG  auf  dio  TriumphaUtatue   des   ralma 

3)  I^io  AculiUioit  Aer  Lcidciisakteii  ist  licsondnra  iLiigefi^rifreii  tou  Uhnturn  iii 
Mrilner  ZtilThr.  f.  hiat.  Tlie-l  läÜ'.»  H.  :'5'J  ff.  Ihre  Authonticilät  hält  für  'uiiie 
fi'Btstohfndc-  Thatsacho"  J.  Khxelil,  das  Todesjalir  dos  1i.  Ignatiue  v.  Antiocliion 
und  dii:  oripTiliitiscIioii  Fi:ldzü[ri!  des  KftisiTs  Trajati.  i'anBau  18G!).  Derselbe  bat 
in  dun  liiit.  pol  Itlfittorn  für  das  katliolischu  Iteiitachland  (da«  Marlyrium  Aas 
Ifjnatius  V.  AdliouhJoijf  Si,  iiif—102,  193—206  seine  Ansieht  von  dar  Aecht- 
iiuit  di-H  Martyralo){iiim  Colbertlniim  von  ncuum  zu  bü^fründcn  vL>rsucht.  Ihm 
L-ritßaguot  das.  S.  SU)  Hr.  Fitnk,  der  die  Aechtheil  dur  Aciou  als  Gauzes  leug- 
net.    Vgl    diu  Li  Itcratur  bei  NirscM  S.  1  fg. 


40  Die  Consularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr. 

der  Leidensreise  nach  Rom  —  eine  Imitation  derjenigen  des  Apostels 
Paulas  —  enthält  so  viele  Unmöglichkeiten,  dass  man  schon  deswegen  alle 
Ignatiosakten  billig  mit  Misstrauen  in  die  Hand  nehmen  muss.  Nach 
den  Erörterungen  von  Volkmar,  Einleitung  in  d.  Apokr.  Judith  5.  51 
und  Dierauer.  Geschichte  Traians  S.  170  fg.  kann  es  als  ausgemacht  gelten, 
dass  Ignatios  am  20  Dezember  115  kurz  nach  dem  grossen  Erdbeben 
(13.  Dez.)  nicht  in  Rom,  sondern  in  Antiochicn  den  Tod  erlitten  hat. 
Der  fromme  Autor  der  oben  verwertheten  Ignatianischen  Martyrolo- 
gie  hat  zu  Gunsten  der  Glaubwürdigkeit  seiner  oder  anderer  Leute 
Fälschung  mit  dem  consularischen  und  Jahresdatum  die  provinziale  Da- 
tirung  nach  dem  gleichzeitig  in  Syrien  fungirenden  Statthalter  verbunden. 

Wir  kommen  zum  Schlüsse,  dass  Ti.  Claudius  Atticus  Herodes 
vor  dem  J.  103  das  Consulat  bekleidet  hat. 

Die  Provinz  Syrien  ist  die  ganze  Kaiserzeit  hindurch  die  ange- 
sehenste consulare  Legation  geblieben,  eine  Rautzstellung,  für  welche 
TacU.  Agric.  40  sehr  bezeichnend  ist :  Igltur  triumphalia  ornamenta 
et  illustris  statuae  honorem  et  quidquid  pro  triumpho  datur,  multo 
verbomm  honore  cumulata  decemi  in  senatu  iubet  additque  insuper 
opinionem  Syriam  provinciam  Agric^ae  destinari  vacuam  tum  morte 
Atili  Rufi  considaris  ci  mairfribus  rt's»:rvatam. 

Dem  entsprechen  die  zahlreichen  Beispiele.  L.  Vitellius  scheint 
der  einzige  gewesen  zu  sein,  der  ball  nach  dem  Consulate  zur  syri- 
schen Leiiation  gelangte.  Die  nächste  An:iloü::e  biete:  die  Carriere  des 
Antius  Quadratus.  der  im  J.  93,  und  des  Coraolius  Palma,  iler  im  J. 
90  das  erste  Consulat  bekleidete.  D;inn  war  Atticus  frihestens  unter 
Kerva  im  J.  97  ConsuL  Andererseits  d.irfte  es  L:ora:hen  sein,  nicht 
weiter  zurückzugehen.  iV* '7.  ??ra^v<  ii:!  2.  1.  3  und  ihm  Ä>kend  Zj- 
naras  IL  20  berichten,  dass  Atticus,  der  Vater  des  Redners,  einen  Schatz 
fand,  der  Vermusen  und  Stellung  eines  Private::  Ivi  we::era  überstieg; 
Kaiser  Xerva,  den  Atticus  selbst  von  dem  Fucde  in  Kenntiiiss  gesetzt 
hatte,  beanspruchte  nicht  einmal  einen  The'1 .1^  ss^I":  en.  Dies  kann  füirlich 
noch  :mJ.9o  ceschehen  sein.  Vielleicht  h.\t:e  er  sein  iV  sula:  seinem 
Reichthum  zu  dacken.  Das  Prxonsula:  von  Asien,  's^clches  VTailding- 
ton  dem  J.  121  122  zugewesen  h^t,  kann  seh:  w:hl  iriher  fallen 
vs,  0.  >.  2^  . 

Mar:  kennte  versuch:  sein  anzunehmen.  i:v-s  A::.:iis  vn  der  sv- 
risirben  Lejat  c-n  heimcekehr:  m  J.  l'V»  :  :er  Iv-T  i.^s  jweite  Consilat 
empncg.  Weni^rens  i::hrt  i.iranf  mit  rler:Iiol:er  £es"n:n.:het  das 
zweite  Consnlai  des  Quadrates  uni  Pilma 


Die  Consularf asten  der  Jahre  96—119  a.  Chr.  41 

7. 

(?)  Flavius  Aper. 

Flin,  ep.  6,  iS,  ß:  adsenserunt  omnes  praeter  Flavium  Aprum 
[lacrum  codex  Dresd.  aus  fl.  apruni];  is  interdicendum  ei  advocationi- 
bas  in  quinquennium  censuit,  et  quamvis  neminem  auctoritate 
traxisset,  constanter  in  sententia  mansit:  quin  etiam  Dextrum, 
qui  primus  diversum  censuerat,  prolata  lege  de  senatu  habende  iurare 
coegit  e  re  publica  esse  quod  censuisset  (Process  des  Nominatus  im  J. 
105).  Flavius  Aper  votirt  klärlich  nach  Afranius  Dexter,  aber  mit  nichten 
unter  den  letzten,  wieMommsen  glaubt  {i?id,  Plin,).  Vielmehr  folgte 
ihm  noch  eine  gute  Anzahl,  da  er  beharrlich  auf  seiner  Meinung  be- 
stand, obgleich  er  auf  Niemanden  trotz  seines  Ansehens  Eindruck  ge- 
macht hatte;  vielleicht  zählte  er  zu  den  jüngeren  Consularen.  Man 
kann  füglich  als  parallele  Stelle  ep.  2,  li,  20  herbeiziehen:  adsense- 
nmt  (im  J.  100)  consules  designati ;  omnes  etiam  consulares  usque  ad 
Pompeium  CoUegam  (Cons.  im  J.  93). 

Der  (Konsul  des  J.  130  M.  Flavius  Aper  (CIL  6,  219)  ist  wohl 
sein  Sohn. 

.    8. 
Q.  Fulvius  Gillo  Bittius  Proculus. 

Fastes  Äs.  n.  118  (Münze  von  Hyrcanis  in  Lydien) :  AY  •  KAIC  • 
NGP  •  T[P]AIAN  .  .  .  AAKI  -  Jl  AN0.  BIT  •  nPOK  •  YPKANQ[N]  vgl. 
Henzen,  ind.  Arv.  p.  187.  TFoodf,  a.  a.  0.,  inscr.  from  the  side  of  the 
iample  n.  12:  avznxQaioQa  Kaioaga  d^eov  Negova  vlov  Nsgovav  Tgaiavov 

leßaarov  reguariycdv  JaY.tmv mi  av^v7raxov  Birziov  IIqo'kXov 

.  .  .  —  Q.  Fulvius  Gillo-  Bittius  Proculus,  Arvale  101,  105,  117,  118. 
Q.  Bittius  Proculus  120.  Ein  M.  Fulvius  Gillo  cos.  suf.  im  J.  76  {CIL 
3  p.  853)',  Procons.  von  Asien  unter  Domitian  {Journal  of  phäology 
13,  145). 

9. 
Herennius  PoUio. 

Plin.  ep,  4,  9,3:  egit  contra  (Bassum)  Pomponius  Rufus,  vir  pa- 
ratus  et  vehemens:  Rufo  successit  Theophanes,  unus  ex  legatis,  fax 
accusationis  et  origo.  respondi  ego.  —  §  13:  successit  mihi  Lucceius 
Albinus  .  •  §  14 :  respondit  Herennius  PoUio  instanter  et  graviter, 
deinde  Theophanes  rursus;  fecit  enim  hoc  quoque,  ut  cetera,  impuden- 
tissime,  quod  post  duos  et  consulares  et  disertos  tempus  sibi  et  qui- 
dem  laxius  vindicavit  (Process  des  lulius  Bassus  im  J.  103). 

Theophanes  redete  nach  zwei  Consularen.    Der  erstere,  Pompo- 


COS.    93.  II  105. 

cos,  103. 

COS.    06 

COS.  100. 

cua.  96.? 

COS.    S6.  n  105. 

COS.  101. 

COS.  101. 

COS.  unter  Tralan. 

COS.  uiit«r  Üomit. 


(y)  Ti.  lulius  Cuuiiidus  OaeciHus  Simplex. 
Von  den  tlreizehn  Arvallirürifirn,  welche  in   den  Trotokollen  der 
JJ.  101  und  105  erscheinen,   sind  nadiweislicb  zehn  unter  Nerva  und 
Traian,  einer  unter  Üoniitiau  zmu  Cousulat  gelangt: 

M.  Aunius  Verus 

C.  Antius  A.  lulius  Quadratus 

C.  Caeciliits  Strabo    .... 

Ti.  CatiuB  Caesius  Fronto  .    . 

Ti.  Claudius  Saccrdos  luliauus 

Q.  fuWius  Gillo  Bittius  Proculus    . 

TL  lulius  Candidus  Marius  Celsus  . 

L,  lulius  Marions  Caecilius  Simplex 

L.  Maecius  Postumu3 

P.  Metilius  Sabinus  Nepos  .... 

P.  Salvius  Liberalis  Nouius  Bassus. 
Sollten  niflit  auch  die  beiden  anderen  Ti.  lulius  Candidus,  der 
in  den  J.  105  — i:iO  dreimal  inagister  des  Collegiuiiis  war  (ind.  arv.  p. 
188)  und  M.  Valerius  Trebicius  Dedanus  (s.  u.  n.  26),  beide  nur  aas 
den  Arvalakten  bekannt,  der  höchsteD  Bangklasse  angehört  haben! 
11. 
(lulius)  Scapula.' 
Das  Consulat  des  Scapula  beruht  auf  der  Legende  der  Münze 
von  Cbtiaeum  (fastes  A.  n.  in)  AY  ■  NGP  •  TPAIANOC  APICT  K  •  CG  • 
reP  ■  AAK  ■  B  eil  KA  ■  OYAPOY  APX  •  KOTIAGON  -  ■  KARAA  ANe. 
Die  Lesung  [C]  KATTAA  liegt  näher  als  die  andere  KA  ■  TIAA  (CI{au- 
dius)  Plarianus),  an  die  Waddington  gedacht  hat,  weil  der  Name 
Scapula  sich  in  einer  consularen  Familie  der  Hadrianischen  Z^t  nach- 
weisen lässt.  Auf  einer  Inschrift  von  Ancyra  (7J<Gr  402i  erscheint 
ein  ''.  lovho^  SxänXa  vnarog  äjtoäedeiyfttvos  n^saß,  x.  avzKnuöxi^o^ 
auto^^ä^oQog  Tp«t«»'[rtti  ^^ÖQt]avav  2tßaazov  (vgl.  Dittenbcrger  ephem. 
epigr.  1  p.  242  .  .  .  ovXiov  l'a  .  .  .  SrntiXav  etc.  auf  einer  atheni- 
sdien  fragmentirten  Inschrift).  Denselben  hat  Borgltesi  und  nach  ihm 
Lacour-Gaget  a.  a.  0.  p.  86  unter  die  Conauln  des  J.  138  aufgenommen. 
Ich  nehme  keinen  Anstand,  auch  für  drat  Procoosul  von  Asien  (s.  o. 


Die  CoBAularfasten  der  Jahre  96—119  n.  Chr.  48 

5.  28)  der  wahrscheinlich  unter  Nerva  Consul  war,  das  gentile  lulius 
in  Anspruch  zu  nehmen. 

12. 
P.  luventius  Gelsus  T.  Aufidius  Hoenius  Severianus  C!ons.  II 

im  J.  129. 
Digesten  ß,  3^  20,  6:  . .  Baibus  et  Publius  luventius  Celsus  Tiüus 
Aufidius  Oenus  Severianus  consules  {vgl,  Henzen  7182).  —  Plin.  ep. 

6,  5,  4:  luventius  quidem  Celsus  praetor  (Licinium  Nepotem)  tanquam 
emendatorem  senatus  et  multis  et  vehementer  iucrepuit  (Process  des 
Varenus  im  J.  106).  Münze  von  Perinth,  Mionnet  p.  1187  =  ind.  Plin, 
p.  416:  legatus  imp.  Traiani  Aug.  Germ.  Dacici  prov.  Thraciae  vgl, 
Borghesid,  275  Bio  67^  13:  ^lovovivrtog  ttgKiXaog  avvo/iioaag  ve  dva 
7tQ(OTovg  fuza  ttviav  iic'  auzip  .  .  .  iacii^t],  —  Unter  Traian  wurde  die 
Verwaltung  von  Thrakien  geändert  und  prätorischen  Statthaltern  über- 
wiesen {Marquardt,  St,  V,  1,  158  u,  Anm,  4),  Der  perinthischen  Münze 
zufolge  ist  es  sicher,  dass  die  Legation  des  Celsus  vor  das  J.  114  fällt 
{vgl,  Dierauer  a,  a,  0,  8,  162  Anm.  1), 

13. 
W.  Laberius  Maximus  Cons.  II  im  J.  103. 

Plin.  ep.  Tr.  74  (Callidromum)  .  .  indicasse  servisse  aliquando 
Laberio  Maximo  captumque  a  Susago  in  Moesia  {vgl.  Borghesi  3,  70) 
Dio68y9,4:  Md^t^og  iv  n^  airip  XQ^^V  ('^^  ersten  dakischen Kriege) 
T^v  aÖ€Xq>7Jv  avcoü  {Jsxiov)  ycai  xiaQiov  %i  iaxvgov  ecke  .  .  .  Plin  ep. 
3, 2:  Maximo  suo;  er  steht  in  einer  Provinz  mit  Militär.  Ind.  Plin.p,  416. 

Die  musischen  Provinzen  wurden  in  der  Kegel  jüngeren  Consu- 
laren,  aber  nicht  den  jüngsten  überwiesen.  Maximus  mag  in  einem 
der  Jahre  96— 100  fungirt  haben.  Sex.  Attius  Suburanus,  Cons.  U  im 
J.  104  war  im  J.  101  zum  erstenmale  Consul. 

14. 
Lusius  Quietus. 

Bio  68^  32, 5  berichtet  seine  Theilnahme  am  Dakerkriege  und  fährt 
dann  fort:  Tijurjd^etg  di  e/ri  tovcffi  noXv  itleio}  xal  fieil^fo  ev  %fp  dsv- 
riQfl)  noXim^  i^aiQydaavOy  aal  tiXog  ig  rooovvov  zijg  %e  Avägaya- 
&iag  ci/ita  '/Mi  zfig  vvxfjg  h  TiTiöe  r^jT  7Cokiiiict)  7tQOBxo^QT^oev  äoTe  ig  Tovg 
iaTQceTrjyrj'/ATag  iaygacpTjvai  xai  vTtarevaac  Tijg  re  IlaXaiauvrjg  ag^ai. 
vgl.  Euseb.  eccl.  hist,  4,  2  AovTLLOg  Kvrjvog;  Chron,  Can.  ScJiöne  jiv- 
aiag  KvvTog,  SynMlos  p.  657  B,  Vita  IIadr.7:  Palma  Tarracenis,  Celsus 
Bais,  Nigrinus  Faventiae,  Lusius  in  itinere  senatu  iubente  invito  Hadriano, 
ut  ipse  in  vita  sua  dicit,  occisi  sunt  ....  quattuor  consulares,   vgl 


44  Die  GonsularfastcD  der  Jahre  96—119  xu  Chr. 

IL  Nigrinus.  ThmisHos  qraiio  XVI  ed.  Harduin  p.  205  Ä  OraHus  7,  11; 
*N%kephoro8  KaUistos  3^  22. 

Nach  dem  Vorgange  von  Fabricius  (not.  203  zu  Dio  68)  wird 
das  Consulat  des  Lusios  gewöhnlich  in  das  Jahr  115  gesetzt  (s.  Kletn^ 
fasU).  Die  Worte  des  Dio,  womit  Themistios  übereinstimmt,  stellen  es 
ausser  allen  Zweifel,  dass  er  im  Partherkriege  das  Consulat  empfing.  Die 
Legation  v.  Judäa  fällt  in  das  J.  117  (THerauer  S.  183).  Borghesi 
(opp.  ly  600  fg.)  hat  des  Fabricius  Ansatz  angefochten,  weil  Lusius 
unmöglich  das  Consulat  abwesend  geführt  haben  könne  {vgl.  Ävidius 
Quktus  ind.  Plin.):  Die  endgültige  Fixining  seines  Consulates  hängt 
von  der  verwickelten  Chronologie  des  Partherkrieges  ab,  deren  Lösung 
hier  nicht  versucht  werden  kann.  Möglich  ist,  dass  ihm  nur  die  or- 
namenta  consularia  zu  theil  wurden. 

15. 
P.  Metilius  Sabinus  Nepos. 

Er  war  Arvale  in  den  JJ.  105  und  118.  —  Flin.  ep.  2,  5.  5, 
16.  6,  19  Nepoti  suo;  ep.  4,  26,  2  (Maecilio  Nepoti  [cod.  Riccard]): 
nam  cum  vir  gravissimus,  doctissimus,  disertissimus  super  haec  occu- 
patissimus,  maximae  provinciae  praefuturus  tanti  putes  scripta 
nostra  circumferre  tecum,  quanto  opere  mihi  providendum  est,  ne  te 
haec  pars  sarcinarum  tanquara  supervacua  offendat?  Monimsen  Hermes 
3,  44:  „Licinius  Nepos  (Pr'ator  im  J.  105)  ist  nicht  zu  verwechseln 
mit  dem  Nepos,  der  4,  26  als  «maximae  provinciae  praefuturus»  be- 
zeichnet wird,  denn  die  Prätoren  übernahmen  bekanntlich  die  Provinz 
in  dieser  Zeit  erst  eine  Reihe  von  Jahren  nach  Niedcrlegung  der  Prae- 
tur".  Inch  Plhh  hat  Mommsen  die  Identificirung  mit  dem  Arvalen 
vorgesclilafi:en.  Wann  cp.  4,  26  vcrfasst  ist,  lässt  sich  nicht  entschei- 
den. Der  jüngste  Brief  des  vierten  lUiches  stammt  aus  dem  J.  106, 
der  älteste  aus  dem  J.  103.  Das  Consulat  des  Nepos  fällt  anscheinend 
in  die  ersten  Jahre  Traians. 

16. 
Mettius  Modestus. 

Dig.  llj  4,  1,  2:  senatusconsultuni  Modesto  consule  factum.  — 
Legat  von  Lykien  Inschr.  von  Caunus  fasies  Äs.  n.  l'J4:  [t]  TTohg  MYtzlov 
Mndeaiov  \^;rQtaßLiTi)v  y,al  i(VTtGTQait^y]or  avioy.QctioQoo,  [KaioaQog 
.Jn^exicivov  2tj/^aaror  reQiani[/.<)v\.  —  CIG.  4279,  4280  .  .  .  ov^Foi- 
(pov  .  .  jicatQct  Mfi€iio\i'\  lloötarov  t^ytuovo^  ^hr/Aiov  lo  y.oivöi',  —  Her- 
mes 4,  178  fg.  2y  5  u.  10  .  .  .  Moöearoi;  /.QUTioing,  Vorgänger  des  Cor- 
nelius Priscus,  Procons.  von  Asien  120/1  (s.  o.  S.  10).  CIGr  3835  =  CIL  3, 


Die  Consalarfasten  der  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  46 

355  Inschrift  aus  Aezani  in  Phrygien  —  PUn.  ep.  1^5,5:  aderam  Ario- 
nillae,  Timonis  uxori, . .  Begulus  contra ;  nitebamur  nos  a  parte  causae 
sententia  Metti  Modesti,  optimi  viri;  is  tunc  in  exilio  erat  a  Domitiano 
relegatus.  Vgl  indi  PUn.  p.  419. 

17. 
L.  Munatius  Gallus. 

Nach  den  Inschriften  CIL  8,  2355.  10186.  10210.  10667  war 
im  J.  100  L.  Munatius  Gallus  legatus  Aug.  pro  pr.  der  Provinz  Nu- 
midien.  10210  nach  Wilmanns'  Lesung:  imp.  Caesare  divi  Nervae 
f.  Nervae  Traiano  Aug.  Germ.  pont.  max.  trib.  pot.  IV  cos.  III  p.  p. 
L.  Munatio  Gallo  leg.  Aug.  pro  pr.  —  L.  Minicius  Natalis,  Legat  sicher 
nach  103,  war  Consul  im  J.  106.  —  CIL  8  p.  1065 :  Nuraidiae  lega- 
tus praetorius  erat  sed  summo  honori  proximus,  ut  .  . .  saeculo  .  .  se- 
cundo  tertioque  saepe  fortasse  plerumque  in  ipsa  legatione  ad  fasces 
consulares  promotus  eos  absens  gereret;'  id  quod  diserte  enuntiat  n. 
2754y  arguunt  alii  quoque  tituli  non  pauci  legatum  eundemque  con- 
sulem  commemorantes,  item  legatorum  quorundam  tituli  ita  comparati 
ut  primo  tempore  de  consulatu  taceant,  deinceps  legatum  nominent 
consulem  designatum,  consulem,  consularem.  Id  ipsum,  quod  legati  hi 
ibi  quoque,  ubi  non  cursum  bonorum  numerant,  sed  locum  tantum 
quem  obtinent  enuntiant  ad  legati  vocabulum  consulis  designati  vel 
consulis  vel  consularis  addunt^  indidem  repetendum  est;  fasces  enim 
tanquam  pars  honoris  eius  sunt. 

Er  ist  identisch  mit  dem  Adressaten  von  Martialis  10,  33^  vgl. 
CIL  5,  1443. 

18. 
L,  Neratius  Marcellus  Cons.  II  im  J.  129. 

Diplom  von  Malpasium  vom  19.  Januar  103  CIL  3  864:  sunt 
in  Britannia  sub  L.  Neratio  Marcello  —  M'.  Laberio  Maximo  Q.  Glitio 
Atilio  Agricola.  Flin.  ep.  5,  8 :  Suetonio  Tranquillo  suo  . . .  petis  ut 
tribunatum,  quem  a  Neratio  Marcello,   clarissimo  viro,   impetravi  tibi, 

in  Caesennium  Silvanum transferam.  —  Inschrift  von  Saepinum 

Eenzen  5447  {Borghesi  ö,  359) :  .  .  .  divi  Traiani  Aug.  prov.  Britan- 
niae  curat,  aquar.  pr.  trib.  mil.  leg.  XII  fulminat.  Salio  Palat.  quaest. 
Aug.  curat,  actorum  senatus  adlecto  inter  patric.  ab  divo  Vespasiano 
III  vir  a.  a.  a.  f.  f.  ex  testamento  Vettillae  eius.  Da  die  Verabschie- 
dung der  Soldaten  gegen  Ende  der  Statthalterschaft  zu  erfolgen  pflegte, 
so  war  Neratius  Marcellus  der  Nachfolger  des  C.Salvius  Liberalis,  der 
Ende  des  J.  97  die  britannische  Legation  antrat.    Man  möchte  gerne 


46  Dia  ConsjilurfnBteti  A-ir  Jahro  Öß— 119  b.  Chr. 

Bein  Coiiaulat  dorn  J.  09  ziiscbreiben,  da  die  briUnnische  Legation 
darchgehomls  bald  nach  dem  Coosulate  verliehen  wurde  (Säbner  Mem. 
Mus.  12,  46).  Indess  verträgt  sich  dies  nicht  mit  der  inschrifüich 
bezengten  Thateuche,  dass  er  die  curaMaquanim  vor  derLegation  und 
nach  der  Prätur  gefuhrt  hat.  Ich  lasse  die  hierauf  bezüglichen  Worte 
0.  Birachfdds,  Untersuchungen  auf  dem  Gebiete  der  rCmt.  Verwaltitngs- 
ffssck.  S.  164  Anm.  4  folgen:  „Die  sonst  in  den  Inschriften  genannten 
Curatoren  sind  stets  Cousulare,  auch  L.  Neratius  Marcellus,  dem  die 
Inschrift  bei  Henten  6447  anzugehören  scheint,  wird  die  cura  aquarum 
nicht,  wie  Mommscn  {St.  lt.  2,  970  Annt.  2)  meint,  nach  der  Prä- 
tur, sondern  uacli  deui  in  ein  unbekanntes  Jahr  faileuden  Consulat 
und  vor  der  hntanoischen  Lcgati^n  belclcidet  haben,  demnach  der  an- 
mittelbnre  Nachfolger  Frontins  gewesen  sein.  Dass  letzterer  bis  zu 
seinem  Tode  curator  aquarum  geblieben  sei,  ist  weder  bezeugt  noch 
wahrscheinlich;  vielmehr  wird  Traian  während  des  dakischen  Krieges 
für  dieaen  ansgezeichueten  Mann  eine  bessere  Verwendung  gehabt  ha- 
ben. . . .  Auch  zweifele  ich,  ob  die  Cumulation  des  ordentlichen  Con- 
sulates,  das  Frontin  im  J.  100  mit  Traian  gemeinsam  bekleidete,  mit 
der  cura  aquarum  zulässig  gewesen  wäre," 

War  Marcellus  nicht  bereits  unter  Domitian  Consul,  was  sehr 
wohl  möglich  ist,  da  er  im  J.  74  unter  die  Patricier  aufgenommen 
wurde,  so  föllt  sein  Consulat  in  die  JJ.  97/98.  Das  letztere  ist  vaia- 
scheinlicher  (vgl.  Hermes  3,  129). 

19. 

....  Nigrious. 
*  Plin.  ep.  6,  13,  6:  Nigrinus,  tribanns  plebis,  recitavit  libeUum 

diaertum  et  gravem  (Process  des  Nominatus  im  J.  105).  —  ep.7,6,2: 
Magnus  Nigrinnm,  Optimum  virum,  pertinacisaime  ezercet  per  huDC 
a  consulibus  postuhibat,  ut  Varenus  eshibere  rationes  cogeretor  (Pro- 
cess des  VarenuB  i.  J.  106).  Tita  Hadr.  7:  Palma  Tarracenis,  Celsns 
Bais,  Nigrinus  Faventiae,  Lusius  in  itinere  . .  senatu  iubente  . . .  occisi 
sunt  ....  quattuor  consularea,  vgl.  Bio  69,  2:  koi  ot  (dv  hv^  a^xv 
gtovev9irreg  näkftag  ts  nxti  Kihjog,  Niyqivöq  tc  xot  Aovaios  tflav.  — 
Ein  Aridius  Nigrinus  war  Proconsul  unter  Domitian :  Plm.  ep.  Tr.  65. 
66.  Ein  C.  Avidius  Nigrinus  war  leg.  Aug.  pr.  pr.  CIL  3,  567.  Der 
Ansatz  grflndet  sich  auf  die  IdentiGcirung  des  Tribunen  Nigrinus  mit 
dem  von  Hadrian  im  J,  117/118  getödteten  Conaularen.  Ob  Avidius 
Nl^nas  etwa  sein  Vater  ist,  bleibt  dabin  gestellt. 


Die  CoDsalarfasien  der  Jahre  96—119  n.'Chr.  47 

20. 

L.    Publilius  Gelsus  Gons.  II  im  J.  113. 

Dio  68,  16:  eatfjüs  de  nai  tov  2oaiov  tov  %b  RaXfiov  aal  tov 
Kikaov  Biüfjvaq, 

21. 

D.  Terentius  Gentianus  Scaurianus. 

CIL  3  p.  668  D.  XXV  vom  17  Febr.  110:  .  .  sunt  in  Dada 
sub  D.  Terentio  Scauriano.  —  CIL  3,  21  u.  Add.  21:  . .  sit  nomen 
Decimi  Gentianni  pyramide  alta  poDtificis  comitisque  tuis  Traiane 
triumphis  lustra  sex  intra  ceüs(cba)s  consul  is  esse(t).  —  CIL  3,  1463: 
.  .  .  rentio  Gentiano  trib.  militum  qu(ae)stori  trib.  pl.  pr.  leg.  Aug. 
consuli  ponti  .  .  cens.  provinc.  Mace . .  colonia  Ulpia  Trai . .  Aug. 
Daa  Sarmizege  . . .  patrono.  Dig,  47^  21,  1 :  Hadrianus  Terentio  Gen- 
tiano XVII  k.  Sept.  se  UI  cos.  rescripsit.  —  Terentius  Scaurus  {Plin. 
ep.  5j  12)  war  füglich  der  Vater  des  Scaurianus. 

22. 
?  Tuccius  Cerialis. 
Plin,  ep,  2,  19:  Tuccius  Cerialis  consularis  im  J.  99,  vgl.  ind,  PUn. 

23. 
P.  Tullius  Varro. 

Henem  6497  Inschrift  v.  Tarquinii  (Gometo) :  P.  Tullio  Varronis 
fil.  Stel.  Varroni  cos.  auguri  procos.  provinc.  Afrrcae  leg.  Aug.  pro  pr. 
Moesiae  superior.  curat,  alvei  Tiberis  et  riparum  et  cloacarum  urbis 
praef.  aerari  Saturni  procos.  prov.  Bacticae  ulterioris  Hispaniae . .  eg. 
leg.  XII  fulrainatae  et  VI  victricis  p.  f.  praetor!  acdil.  ceriali  quaestori 
urb.  tribuno  railit.  leg.  XVI  fl.  X  viro  stlitibus  iudicand.  praetori  Etru- 
riae  quinquennali  Tarquinis  P.  Tullius  Callistio  posuit.  Er  gehört  zu 
den  Legataren  im  Testament  des  Dasumius  vom  J.  108  {Wüm.  314). 
Sein  Vater  war  Legionschef  unter  Vespasian:  Ghruter  476 j  5, 

24. 

Valerius  Asiaticus  Gons.  II  im  J.  125. 

Momtsber,  d,  Bcrl,  Ah,  1862  p.  76  =  fastes  As.  n.  127:  (In- 
schrift von  Samos):  .  .  .  wv^  Jtycitiov  ix[y6]v(p  BovXzeivl(f  TaiQ[({ji\  Aaia- 
riycfi)  Oval€Qio[v]  l/^aiarinov  vltp  v/tarov  ayd-VTrcctov  ^Aoiag.  Proconsul 
von  Asien  vor  dem  zweiten  Consulat  vom  J.  125. 


Die  Co nsular fasten  der  Jiilirs  9 


C.  Valerius  Paulinus  Cons.  II  115. 
Mommsen  hat  dem  Jahre  108  das  Consulat  eines  Paulinus  zu- 
gewiesen, bei  dem  sich  Pünius  ep.  9,  37  mit  dringlichen  Geschäften 
entschuldigt,  dass  er  an  den  nächsten  Kalendeu  nicht  Zeuge  seines 
Amtsantrittes  sein  könne,  §  1 :  ego  te  constantius  amo  quam  ut  ve- 
rear  ne  aliter  ac  velim  accipias  nisi  te  kalendis  statim  consulem  vi- 
dero,  §  5 :  .  .  vides  quam  non  delicata  me  causa  obire  primum  con- 
sulatus  tui  diem  non  sinat.  Dass  wir  ihn  als  C.  Valerius  Paulinus 
unter  die  Consulares  einreihen,  bedarf  einer  Rechtfertigimg.  Plinius 
bittet  ep.  Tr.  104  für  die  drei  Clienten  seines  verstorbenen  Freundes 
Valerius  Paulinus,  die  alle  das  praenomeii  Gains  führen,  um  das  ius 
Quiritium.  Nicht  verschieden  von  diesem  ist  der  Adressat  von  ep.4.}6 
und  passend  wird  man  in  dem  Paulinus,  an  welchen  ep.  2,  2.  5,  19 
gerichtet  sind,  dieselbe  Persönlichkeit  erkennen.  Nach  e.p.  4,  9,  20 
bringt  in  dem  Repetundenprocesse  des  lulius  Bassus  vom  J.  103  ein 
Valerius  Paulinus  ein  Amendement  ein.  Mommsen  Hermes 3, 45  Anm. 
4  ist  der  Ansicht,  er  könne  seinen  Vorschlag  als  Consular  gemacht 
haben.  Indessen  uöthigt  zu  dieser  Annahme  nichts.  Mit  demselben 
Bechte  kann  man  ihn  fdr  einen  Prätorier  halten.  Nur  soviel  ist  sicher, 
dass  von  ihm  ein  Amendement  zu  dem  Vorschlage  des  Consnlaren 
Caepio  Hispo  (Cons.  im  J.  98)  ausgeht  So  steht  nichts  im  Wege,  ihn 
mit  dem  Consul  Paulinus  qp.  9,  37  zu  identiäciren.  Dessen  Consulat 
iäUt  dann  zwische^die  Jahre  104  und  109. 


M.  Valerius  Trebicius  Decianus  (s.  o.  d.  10). 
Arvale  in  den  JJ.  101. 105.  117. 118  und  120;  magister  Arvalium 
105  und  120. 

27. 
(7)  Veatricius  Spurinna. 
Er  war  vermuthlich  im   J.  98  oder  99  zum  zweitenmal  Consul 
(8.  0.  S.  20). 


Die  Consularf asten  der  Jahre  96-- 119  n.  Chr.  49 


III. 


Das  nachstehende  Verzeichniss  bietet  eine  üebersicht  über  die  viri 
praetorii  der  Traianischen  Zeit.  Die  Personen,  deren  prätorischer  Rang 
nicht  aasdrUcklich  bezeugt  wird,  aber  wahrscheinlich  ist,  tragen  ein  Stern- 
chen vor  ihrem  Naraen.  Ausgeschlossen  sind :  1)  die,  welche  nachweislich 
als  Prätorier  starben,  2)  die,  welche  unter  Hadrian  zum  Consulat  gelang* 
ten.  Waren  die  Belege  schon  von  anderen  zusammengestellt,  so  schien  ein 
blosser  Hinweis  darauf  zu  genügen.  Es  braucht  wohl  kautn  bemerkt  zu 
werden,  dass  dem  einen  oder  dem  anderen  das  Consulat  zu  theil  gewor* 
den  sein  mag.  Auch  ist  bekannt,  dass  ein  Prätorier  eher  zum  Con- 
sulat als  zur  Statthalterschaft  gelangen  konnte.  Der  Schluss  von  dem 
prätorischen  Proconsulat  auf  prätorischen  Rang  hat  nur  eine  relative 
Sicherheit. 

1)  Accius  Sura  (?),  Plin.  ep.  Tr.  12  erbittet  ihm  von  Traian 
die  Prätur,  vgl.  ind.  Plin,  Attius. 

2)  Afranius  Flavianus,  nach  dem  Militärdiplom  vom  1.  Sept  114 
CIL  3  p.  869  Legat  von  ünterpannonien.  —  l4q)Qaviog  (Dlaoviavog  6 
ugaziOTog  TtQsaßevx^q  xai  ävTKJTQCcrrffog  Wood  a.  a.  0.  inscr,  from 
the  gr.  theatre  p.  6  u.  p.  26  d.  h.  114/115  (s.  0.  S.  27). 

3)  Ammius  Flaccus  votirt  im  Senate  unter  den  Prätoriem  im 
J.  97.  PUn.  cp.  9,  13,  13. 

4)  Asinius  Gallus.  Plin,  ep.  4,  17  Der  ep.  I,  7,  4  genannte 
Gallus  scheint  Proconsul  von  Baetica  gewesen  zu  sein. 

5)  Asinius  Rufus  wird  von  Plinius  ep,  4,  6  als  Prätorier  und 
Verwandter  von  Consularen  bezeichnet. 

6)  Calestrius  Tiro,  Freund  des  Plinius  {ep,  1 12.  6, 1.  22.  7, 16. 
23.  32,  9,  5),  Quästor  zugleich  mit  Plinius,  Volkstrib.  ein  Jahr  vor 
ihm.  Praetor  mit  Plinius  im  J.  93  ep.  7,16,  2,  Proconsul  von  Baetica: 
ep.  6,  22.  9,  5.  Vgl.  ind.  Plin, 

7)  C.  Cassius  Interamnanus  Pisibanus  Priscus  CIL  ff,  451 :  lari- 
bus  Augustis  et  genis  Caesarum  imp.  Caesari  divi  Nervae  filio  Nervae 
Traiano  Aug.  Germ,  pontifici  maximo  trib.  pot.  IIII  cos.  III  desi[g.  IUI] 
permissu  C.  Cassi  Interamnani  Pisibani  Prisci  praetoris  aediculam  reg. 
XIIII  vici  censori  magistri  anni  CVI  vetustate  dilapsam  inpensa  sua 
restituerunt  idem  pr.  probabit.  L.  Roscio  Aeliano  Ti.  Claudio  Sacer- 
dotae  COS. .  . .  Uli  k.  lan. 

4 


I 


50  Üic  (jouäukrfiutQD  der  Jahre  Üb— 110  n.  Chr. 

s)  .  .  ,  roiuiiüuitiiius  öecuiuUis  P.  Ce»tiiiä  rrisuus  Ducuaiiis 
Proculus,  Inschrift  vun  Valcntia  CIL5,  7447:  .  .  .  mpouiänus  Secun- 
dus  P.  Cestiiis  Priscus  Uuciinius  ProLJuIus]  ....  es  Nervae  Traiani  Aug. 
legion  ....  türm.  VI  tribuu.  inilit.  legion.  XXI  ra  .  ,  .  Inschrift  von 

Pfttavium  011.  5,  2824:  . .  C.  i.  I-'ab.  Sa |Secuii|(io  P.  Oesti[ol 

. . .  brio  Dextro . . .  Duceuiu  —  |  [Hücos]  iirovincia[e|. ...  —  Er  scheint 
dor  Sohn  des  cos.  a.  87  0.  üuceuius  Proculus  zu  sein  (vgl  lleneen, 
inil.  nrv.). 

H)  lustantius  Uufus,  Procons.  vou  UauticH  ln|— io:i,  N'achiolt;pi- 
ftines  Macer  Mart.  epigr.  12,  Ü8. 

10)  C.  luliiis  Tim  ( jaetulicus,  Inschrift  von  Kbiisus  (TarracoJ  C'//, 
'2,  3661:  C.  lulio  C.  f.  Gal,  Tironi  üaetulio)  qu[alest.  urb,  tr.  pl. 
praetori  amico  optimo  L.  Sempronius  L.  f.  Quir.  Senecio.  —  Plin. 
ep.  6,  31,7.  8:  tertio  die  inducta  cognitio  est  umltis  sermonibus  et 
vario  rumore  iactata,  luli  Tironis  Cüdicilli,  ([uos  ex  parte  veros  essp 
constabat,  ex  parte  falsi  diccbantur.  substituebatur  criinini  Sempronius 
Senecio,  eques  Itonianus.  —  Die  in  der  spanischen  Inschrift  genannten 
Personen  sind  ohne  Zweifel  identisch  mit  deu  bei  Plinius  auftretenden. 

11)  Licinius  Nepos.  Prätor  im  J.  105:  Plin.  ep.  4,  29,  2.  5,  9. 
3.  13,  4.  6,  5.  Er  erscheint  unter  den  Erben  des  Dasumius.  Ein  M. 
Licinius  Nepos,  Arvale  im  J.  KW. 

*12)  Lucceiug  Albinus,  ein  angesehener  Redner,  Freund  des  Pli- 
nius, vertritt  in  Gemeinschaft  mit  diesem  die  ßätiker  gegen  Classicus 
Plin.  ep.  3,  9,  7,  vertheidigt  im  .1.  103  den  Julius  Bassus  ep.  4,  9, 13. 

13)  Lustricius  Bruttianns,  verwaltete  nach  Plin.  ep.  6,  22,  wie 
es  scheint,  eine  kaiserliche  Provinz. 

14)  .  . .  Maximus  Plin.  cp.  8,  24:  legatus  Achaiae,  wohl  Messius 
Maximus  ep.  3,  20.  4,  25.  Vgl.  ind.  Plin.  p.  418. 

15)  Minicius  Acilianus,  etwas  junger  als  Plinius,  Prätor:  PH». 
ep  1, 14,  7. 

16)  T.  Mustius  Hostilius  Fiibrlcius  MeduIIa  Augurinus,  Inschrift 
von  Patavium  CIL  5,  2822:  T.  Mustio  C.  f.  Fab.  Hostilio  Fabricio 
MeduUae  Augurino  allecto  inter  tribunicios  ab  [ilnip.  Nerva  Caesare 
August,  praet.  .  .  .  ur.  aer.  pontifici  d.  Plin.  ep.  8,  39  Mustio  suo. 
Ich  mochte  beide  für  identisch  halten. 

17)  ?Octavius  Avitus,  legatus  pro  praetore  proconsulis  provinclae 
Africae  dioecesis  Hipponiensis  Plin.  ep.  9,  33,  9  (vgl.  Hmeen  6482), 
Plin.  n.  h.  9,  8,  26. 

•18)  T.  Prifemius   Paetus  Rosianus  Geminus  war  Quästor  des 


Die  Cüiisularrasteii  dor  Jahre  96 — 119  n.  Chr.  51 

Plinius  im  J.  100.  Dieser  verwendet  sich  für  ihn  ep.  Tr,  26  beim 
Kaiser,  und  bezieht  sich  auf  die  sttädtischen  Aemter,  die  er  unter  den 
Augen  Traians  geführt  hat.  Er  scheint  der  Adressat  von  ep,  7,  1. 
24,  8,  5.  22.  9,  IL  30  zu  sein.  Auf  ihn  oder  seinen  Sohn  geht  Dig. 
48,  5,  6,  2.  Vffl,  it?//.  Plhi,  p.  423. 

19)  Satrius  llufus,  Redner  ep,  1,  ,>,  ü,  votirt  im  J.  97  im  Senate 
nach  (lornutus  Tertullus  und  vor  Plinius  {ep.  ^,  /3,  16),  Vgl.  «;>.  o,  21. 
r,  35,  cV,  38.  Legatar  im  Testam.  d.  Dasumius. 

20)  Sertorius  Severus,  Prätorier:  PHn,  ep,  5,  i,  1, 

21)  V,  Servilius  Calvus,  Proconsul  von  Bithynien  -  Pontus  drei 
Jahre  vor  Plinius'  Legation  ep,  Tr,  56.  67.   Vgl  Hermes  5,  96, 

22)  Servilius  Pudens  PUn.  ep.  Tr,  25:  Servilius  Pudens  legatus. ., 
Nicomediam  venit.  „Da  wohl  den  Proconsuln,  aber  nicht  den  Legaten 
des  Kaisers  Legaten  zukommen,  wird  mau  annehmen  müssen,  dass 
Pudens  nicht  in  Bithynien,  sondern  in  einer  Nachbarprovinz  Legat 
dieser  Prozinz  selbst  oder  auch  einer  Legion  gewesen  und  durch  Nico- 
media nur  durchpassirt  ist"  Mommsen  Hermes  3,  97  A.  2.  —  Ein  Q. 
Servilius  Pudens  war  Consul  im  J.  166. 

23)  Sosius  Papus  mta  Hadr,  4:  Hadrianus  utebatur  amicitia 
Sosi  Papi  et  Plaetori  Nepotis  ex  senatorio  ordine  (Plaetorius  Nepos 
ist  der  Consul  des  Jahres  119). 

24)  Varenus  Rufus  Proconsul  von  Bithynien-Pontus.  Als  Patron 
der  Bithynier  gegen  lulius  Bassus  bestellt  im  Jahre  103  Plin,  ep.  6, 
20,  1,  Von  denselben  angeklagt,  wird  er  von  Plinius  vertheidigt:  ep. 
5,  20,  6,  5. 13,  29, 11,  7,  6, 10,  Es  kann  dieselbe  Persönlichkeit  sein 
wie  der  Proconsul  CIG  5894.  Vgl,  ind.  PUn. 

25)  .  .  .  Macer  (s.  o.  n.  9);  ein  Baebius  Macer  Cons.  103. 


Ausserhalb  der  Reihe  sind  aus  den  Freunden  des  Dasumius  einem 
Kreise,  der  in  Plinius  und  Tacitus  seinen  geistigen,  in  Servianus  sei- 
nen politischen  Mittelpunkt  finden  mochte'  zu  nennen:  Appuleius  Ne- 
pos, Fabius  Rusticus,  Minicius  Annianus  (vgl.  ep.  2,  16  Grut.  1097,  4), 
Minicius  lustus  (ep.  7,  11,  4  u.  7,  12),  Pontius  Laelianus  {ep.  6,  14, 
6,  28,  7,  4),  Remmius  Martialis  (?),  vgl.  Btidorff  a,  a.  0.  S.,328  fg. 
Wüm.  314  p.  106. 


Die  Coneulnr/mtoa  der  Jahre  96—119  n.  Chr. 


Tabelle  der  Kaiserconsolate. 


Kaiser. 

si 

Nr. 

Jahre 

Datum 

n 

d.  Stadt. 

n. 

des 

des 

"<3 

(Varr.) 

Chr. 

Antrittes. 

Rücktrittes. 

Nerv» 

2 

1 

850 

97 

im   Jauu- 

(t27.Jaiiiiar98) 

2 

851 

98 

Januar  1. 

»or  (?)  d. 
27.  Januar 

Traian 

20 

1 

851 

98 

28.  Februar 

(t  7.  oder  8. 

2 

853 

100 

30.  April 

August  117) 

3 

854 

101 

Januar  1. 

13.  (?)  Ja- 
•  nuar 

4 

856 
865 

103 
112 

13.  Januar 
im    Janu- 
ar ? 

Ilatirian 

20 

1 

371 

118 

>  Januar  1. 

30.  Juni 

(t  10.  Juli  137) 

872 

11!) 

30  April. 

KameuTerzeichiiiss. 


Oj.)  AciliuB  Rufus  106. 
Q.  Aoutius  Nervs  100. 
P.  Aoliua-Hadrianua  IC 
Cn.  Afranius  Dcxt< 
L.  AnniuB  Lar(ii]8  109. 
Appius  AnniuB  Trebonii 
M.  AnniviB  Vom»  98. 
C.  AntistiuB  Votus  96, 
L.  AntiBtiuB  Veti 


105. 


M.  Appuleiua  Prooulue  Ti.  Cftapio  Hispo 

9B. 
T.  Aquiliua  Niger  117. 
L.  Arruntiua  Stella  101. 
Q.  ArtioiileiuB  Paetus  101, 
M.  Aainius  Marcellus  104.. 
M,  Atiliiis  Mctilius  Brndun  108, 
Sex.  Attina  Siihuraiine  I  101.  11  104. 
.  Autroniaa   Mamillisnua   Rufas  Anti- 


C.  Antias  A.taliuH  QuadrntusI  93.11 105.  atianos  Funiaulanua  Vettoninnua  l 


Die  Consularfasten  der  Jahre  96 — 119  d.  Chr. 


58 


Avidiue  Quietus  um  105 — 107. 

Baebius  Macer  103. 
Q.  Baebius  Tullus  109. 
Bellicius  Sollers  nach  105. 

A.  Caecilius  Faustinus  99. 

C.  Caecilius  Strabo  103. 

M.  Calpurnius  (Ait)icu8  96. 

P.  Calpurnius  Macer  Caulius  Rufus  kurz 

vor  109. 
C.  Calpurnius  Piso  111. 
P.  Calvisius  Tullus  I  109.  II  ? 
L.  Catilius  Severus  I  um  109.  II  120. 
Ti.  Catius  Caesius  Fronto  96. 
L.  Ceionius  Commodus  Aurelius  Annius 

Verus  106. 
....  Cerialis  106. 
Ti.    Claudius  Atticus  Qerodes  I  unter 

Nerva  (?).  II  unter  Traian. 
Ti.  Claudius  Sacerdos  lulianus  100. 
C.  Clodius  Crispinus  113. 
?  Corellius  Rufus  U  98.  III  100. 
A.  Cornelius  Palma  I  99.  II  109. 
L.  Cornelius  Priscus  103? 
Cornelius  Taoitus  98. 

L.  Dasumius  99? 
Domitius  ApoUinaris  97. 

Sex.  Erucius  Clarus  117  (?) 
Q.  Fabius  Barbarus  99. 
L.  Fabius  lustus  102. 
?  Flavius  Aper  vor  105. 
Q.   Fulvius    Gillo  Bitti\is   Proculus   96 
oder  97. 

....  Gallus  119. 

Q.  Glitius  Atilius  Agricola  I  98.  II 103. 

C.  Herennius  Dolabella  119. 
Herennius  PoUio  vor  103. 

Ti.  lulius  Alexander  lulianus  117. 
C.  lulius  Bassus  105. 
?  Ti.  lulius  Candid US  Caecilius  Simplex. 
L.  lulius  Marinus  Caecilius  Simplex  101. 
Ti.  lulius  Candidus  Marius  Celsus  I  86. 

n  105. 
C.  lulius  Cornutus  Tertullus  100. 
Ti.  lulius  Ferox  99. 
Sex.  lulius  Frontinus  I  74.  II 98.  III 100. 
P.  lulius  Lupus  98. 
(C.  lulius)  Proculus  104. 
(lulius^  Scapula  unter  Nerva  (?) 
L.  luhus  Ursus  Servianus  I  unter  Do* 

mitian  II  102.  III  184. 
P.  luventius  Celsus  T.  Aufidius  Hoenius 

Severianus  I  ?  II  129. 


M'.  Laberiua  Maximus  I  unter  Nerva  ? 

II  103. 
C.  Lamia  Aelianus  116. 
L.  LioiniuB  Barbarus  118.  ^ 

Q.  Licinius  Silvanus  Granianus  Quadro- 

nius  Proculus  106. 
L.  liicinius  Sura  I  ?  II  102.  III  107. 
L.  LoUianus  Avitus  114. 
Lusius  Quietus  um  115. 

M.  Maecius  Celer  101. 

L.  Maecius  Postumus  101. 

P.  Manilius  Yopiscus  114. 

T.  Manlius  Valens  96. 

L.  MessiuB  Rusticus  114. 

P.  Metilius  Sabinus  Nepos  in  d.  ersten 

Jahren  Traians. 
Mettius  Modestus  um  101—103. 
Cn.  Minicius  Faus(tinus)  116. 
C.  Minicius  Fundanus  107. 
L.  Minicius  Natalis  106. 
L.  Munatius  Gallus  100?  101? 

L.  Neratius  Marcellus  I  unter  Nerva  ?. 

II  129. 
L.  Neratius  Priscus  98. 
.  .  .  NigrinuB  110—117. 
Q.  Ninnius  Hasta  114. 

Cn.  Pedanius  Fuscus  Salinator  118. 

M.  Peducaeus  Priscinus  110. 

A.   Platorius    Nepos    Aponius    Italiens 

Manilianus  C.  Licinius  PoUio  119. 
C.  Plinius  Caecilius  Secundus  100. 
Pompeius  Saturninus  108. 
L.  Pomponius  Bassus  118. 
L.  Publilius  Celsus  I  ?  II  113. 

M.  Rebilus  Apronianus  117. 

L.  Roscius  Aelianus  Maecius  Celer  100. 

Q.  Roscius  CoeliuB  Murena  Silius  Deci- 
anus  Yibullus  Pius  lulius  Eurycles 
Herclanus  Pompeius  Falco  109  ? 

Rubrius  Gallus  98. 

L 1  .  .  .  Rufus  119. 

Rusticus  119. 


•     •     • 


Senecio  Memmius  Afer  102, 

Ser.  Scipio  Salvidienus  Orfitus  110. 

Q.  Servaeus  Innocens  101. 

T.  Sextius  AfricanuR  112. 

Q.  Sosius  Senecio  I  99.  II  107. 

Sulpicius  Lucretius  Barba  102. 

D.  TerentiuB  Gentianus  Scaurianus  um 

110. 
M.  Trebatius  Priscus  108. 
TucciuB  Cerialis  vor  99. 
P.  Tullius  Varro  unter  Traian. 


niaclieii  MilitarstraeEen  dca  linkeu  Itheiuufi^r 


C.  UmmidiuB  Quadratur  118. 

VBleriuN  ABJaticug  um  1D6. 

C,  ValeriuB  Pmliuui  um  101—109, 

?    M.  VaUrius   Trebiciua  Iteciduus   uu- 

M.  VorgiliBnus  Podo   116. 

h.  Verginin»  RufuB  I  63,  II  69.  !H  37. 


Vcstriciiiii  Spuriuaa  I   iuiI«t  Docait. 

'J8?  m? 
C.  VettenniuB  Suverua  Hfl. 
M.  VelliiiH  Bolwiiis  111. 
VeltiuB  Troculiia  ÜB. 
Viciriiia  Martialis  101. 
L.  VipBUn(i)us  MesBallu  116. 


2.  Die  römiBChen  Militärstrasaen  de«  linken  Rheinuffirs. 


e.  Von  Xanten  bis  Njmwegen. 

Hierzu  Taf.  1. 

Bei  Xantun  theilt  eich  die  römische  Khciusti'asse  in  gleicher  Art, 
wie  dies  auf  ihrem  Lauf  von  Bingen  abwärts  wiederliolt  geschehen, 
wiederum  in  zwei  Arme,  von  denen  der  eine  über  Wardt,  Vyniien  und 
Appeldorn  den  KrHmumngcn  des  Rheines  in  geringer  Entfernung  nach- 
foljit,  der  andere  Ijald  neben,  bald  mit  der  Chaussee  über  Marienbaum 
nach  dem  Hause  Kührum  führt.  Hier  treffen  beide  Arme  ziisamincu, 
trennen  sich  aber  sogleich  wieder,  indem  der  nördliche  am  Fusse  des 
HUgelzuges  mit  der  Chaussee  bis  in  die  Nähe  von  Calcar  geht,  der 
andere  sich  von  Kehrum  links  die  Anhöhe  hinan  wendet,  und,  nachdem 
er  sich  mit  dem  vorigen  vereinigt,  in  der  Richtung  der  alten  Post- 
strasse über  Bedburg  durch  Berg  und  Thal  nach  der  Chaussee  von 
Goch  nach  Cleve  zieht.  Nachdem  hierauf  die  Strasse  links  an  Clevc 
vorbeigegangen  theilt  sie  sich  wiederum  in  zwei  Arme:  die  Uferstrasse 
führt  über  Ryndern,  Dflffelward,  Millingen,  Kekerdom  und  Ooy  nach 
Nymwegen,  der  andere  Arm  geht  am  Cleverberg  vorbei  durch  den 
Stadtwald  nach  Donsbrüggen  hinab.  Hier  theilt  sich  dieser  wieder 
in  zwei  Arme,  von  denen  der  eine  über  Mehr,  Niel,  Zyfflich  und  Beck 
nach  Nymwegen  fuhrt,  der  andere  links  der  Chanssee  nach  Nlltterden 
und,  wo  diese  sich  zuletzt  krümmt,  mit  derselben  durch  Kranenburg 
bis  Wyler  sieht.  Von  diesem  Orte  wendet  sich  die  Strasse  auf  die 
Höhe  und  am  Holedorn  vorbei  über  den  Hunerberg  nach  Nymwegen"). 

Wir  sehen  hiernach  überalt  da,  wo  die  Hauptstrasse  sich  vom 
Rheine  entfernt,   Seitenarme  sich  abzweigen,   welche  dem  Strom  un- 


1)  Nene  Beitrags  utc,  I. 


Die  römischen  Militärstrassen  des  linken  Rheinufers.  55 

mittelbar  nachfolgen,  wo  sich  aber  jene  dem  Flusse  wiederum  nähert, 
die  Seitenarme  mit  der  Hanptstrasse  zusammenfallen,  so  dass  auch 
hier  die  Strasse,  wie  wir  es  rheinaufwärts  wiederholt  nachgewiesen, 
grossentheils  aus  zwei  getrennten  Armen  besteht.  Wo  aber  diese 
beiden  Arme  den  Rheinüberschwemmungen  ausgesetzt  sind,  sehen  wir 
ferner,  wie  es  gleichfalls  rheinaufwärts  öfters  vorkömmt,  noch  einen 
dritten  Arm  sich  abzweigen,  der  über  das  höher  gelegene  Terrain  ge- 
führt ist,  wo  er  vom  Wasser  nicht  erreicht  werden  kann.  Es  ist  dies 
namentlich  in  der  Strecke  zwischen  Cleve  und  Nymwegen  der  Fall: 
hier  ist  die  Hauptstrasse  mit  grosser  Vorsicht  an  Mehr,  Niel  und  Zyff- 
lich  vorbei  über  das  höchstgelegene  Terrain  geführt,  wodurch  mehrere 
zum  Theil  bedeutende  Krümmungen  entstehn ;  aber  für  den  Fall  einer 
auch  hier  nicht  selten  eintretenden  üeberschwemmung  sehen  wir  in 
weiterer  Entfernung  vom  Flusse  einen  dritten  Arm  über  Kranenburg, 
Wyler  und  den  Hunerberg  gelegt.  Da  bei  sehr  hohen  Wasserständen 
auch  dieser  in  der  Gegend  von  Kranonburg,  wo  die  Chaussee  noch  jetzt 
zuweilen  über  1  m  tief  unter  Wasser  kömmt,  der  üebei'schwemmung 
ausgesetzt  war;  so  ist  von  demselben  an  Frasselt  vorbei  über  Kreuz- 
furth  nach  einer  andern  von  S.  nach  N.  führenden  Strasse  ein  Ver- 
bindungsarm angelegt,  wodurch  man  das  Ueberschwemmungsterrain 
umgehen  und  bei  Wyler  wieder  auf  die  anfängliche  Strasse  gelangen 
konnte. 

Die  Reste  der  Strasse  haben  sich  an  mehreren  Stellen,  zwischen 
Xanten  und  Marienbaum,  zwischen  Kehrum  und  Cleve,  zwischen  Nüt- 
terden  und  Kranenburg  etc.  in  hinreichendem  Masse  erhalten,  um  ihre 
Construction  beurtheilen  zu  können:  sie  bestand  im  Allgemeinen  aus 
einem  Erddamm,  der  in  seinem  obern  Theile  eine  Kiesdecke  trug,  von 
den  Seitenwällen  haben  sich  nur  Reste  bei  Nfitterden  gefunden ;  aber 
auf  der  Höhe  zwischen  Kehrum  und  Cleve  treffen  wir  auch  die  in  den 
Gebirgen  des  Mittelrheins  übliche  Structur  wieder,  indem  hier  die 
Strasse  einen  Unterbau  aus  grösseren  Steinen  besass,  wovon  mehrere 
Karrenladungen  ausgebrochen  und  zu  (ökonomischen  Zwecken  verfahren 
worden  sind. 

Die  Zahl  der  römischen  Alterthümer,  welche  die  Strasse  begleiten, 
ist  sehr  gross:  vor  dem  Cleverthor  zu  Xanten  ist  sie  von  zahlreichen  römi- 
schen Gräbern  und  andern  Alterthumsresten  begleitet,  jenseits  Kehrum, 
bei  dem  Hofe  Born,  lag  eine  römische  Ansiedlung.  Der  ganze  Hügelzug  von 
da  bis  zum  Monterberge,  wo  eine  Warte  lag,  ist  mit  römischqji  Gräbern  er- 
füllt, und  in  der  Colonie  Louisendorf,  welche  die  Strasse  auf  der  Hochfläche 


66  Di»  rSmiaoheti  MiliUntruaen  dw  linken  Rbeinnfen. 

durchzieht,  wurden  häufig  ränÜBche  Alterthümer  gefunden.  Wäterhin 
bis  Bedburg  ist  der  Hagelzug  mit  vielen  rOmischenGrabhüg^  bedeckt, 
und  auch  von  Bedbni^  an  sind  mehrere  Gr&ber  an  der  Strasse  au^ge- 
det^t  worden.  Bei  dem  Dorfe  Qoalburg,  wo  viele  Alterthflmer  geftinden 
wurden,  Ug  eine  rOmische  Ansiedlung,  und  auf  dem  SchloBsberge  sa  Giere, 
wo  einige  römische  Alterth&mer  gefunden  wurden,  sehr  wahrschein- 
lich dn  Wochtfiosten.  Dana  folgt  die  noch  erhfdtene  Warte  des  Clever- 
betges,  von  wo  die  Strasse  von  Gräbern  und  sonstigen  AlterthOmem 
begleitet  ist  bis  Donsbrüggen,  wo  ebenfalls  bedeutende  Alterthamor 
gefunden  wurden.'  Bdmiache  Gräber  kamen  Im  ferneren  Verlauf  der 
Strasse  zum  Vorsdiein  bei  Niel,  Beek  und  Zjfflich,  bei  welchem 
letzteren  Orte  aacb  verschiedene  andere  Alterthüm»  gefunden  worden. 
An  dem  nj}rdlichen  von  Qeve  an  EUiein  und  Waal  entlang  ziehenden 
Arme  befand  sich  bei  Byndem  eine  römische  Niederlassung,  and  zahl- 
reiche AltertbOmer  kamen  bei  DflSTelward  und  Uillingen  zum  Vorschein. 
Etienso  lag  an  <Iem  sQdlichen  Anne  im  Holedom  eine  römische  An- 
siedlung (Geveluiii),  unil  Bädlich  von  Beek  liegt  noch  ein  wohlerhaltener 
Warthägel  an  <ler  Strasse;  auf  dem  von  da  bis  Kyrnwegen  sich  er- 
atMckenden  Hunorberge  wurden  zahlreiche  römische  Alterthümer  «lt- 
deckt. Auch  an  deai  vierten,  dem  Verbindungsarme  südlich  von 
Kranenburg,  kamen  bei  Prasselt  römische  Gräber  zum  Vorschein  ■). 

Von  Xanten  aus  findet  sich  in  der  Peutinger'schen  Tafel,  über- 
einstimmend mit  dem  Itinerar,  tu  der  Eotfemung  von  5  g-  Meilec  = 
15000  Sehr.,  der  Ort  „  Burgina tium"  aufgeführt,  was  genau  mit  der 
Entfernung  der  römischen  Ansiedlung  beim  Hofe  Born  stimmt.  Die 
folgende  Station,  in  der  Entfernung  von  6  g.  Meilen  =  18000  Sclic, 
ist  „Arenatium",  über  dessen  Lage  die  Meinungen  getheilt  sind;  die 
Einen  setzen  es  nach  Cleve,  die  Andern  nach  Ryndern.  Für  Cleve 
spricht  der  Umstand,  dass  seine  Entfernung  mit  derjenigen  in  den 
Reise  Verzeichnissen  bis  auf  2000  Sehr.  =  1  r.  Meile  stimmt,  dagegen 
aber  der  Mangel  an  römischen  Altertlmmern,  ausser  auf  dem  Schloss- 
berge; für  Ryndern  spricht  das  Vorhandensein  zahlreicher  Alterthums- 
reste,  dr^egeD  aber,  dass  die  EntfemuDg  von  Born  um  2  g,  Meilen  zu 
gross  ist.  Wir  lassen  den  Leser  zwischen  den  beiden  Inconvenieuzen 
wählen,  entweder  „Arenatium"  nach  der  Stadt  Cleve  zu  setzen,  wo  die 
Alterthümer  fehlen,  oder  nach  Ryndern  und  eine  Unrichtigkeit  in  den 


I)  Bonner  Jahrbb.  &.  m.  0.  —  J.  Sahneider,    der  Monterberpf  und  s 
altcrthüml.  Umficbunjr.   —   N,   B.  I. 


Die  römisohen  MilitärstrasseD  des  linken  Rheinufers.  57 

Zahlenangaben  der  Itinerarien  anzunehmen;  für  das  Letztere  haben  wir 
uns  bereits  früher  ausgesprochen.  Wir  können  uns  nicht  zu  der  Höhe 
erheben,  wie  neuerlich  geschehen,  auf  den  vier  Hügeln,  auf  welchen 
sich  die  Stadt  Cleve  ausbreitet,  vier  Cohortencastelle  und  zudem  eine 
mit  Mauern  umgebene  römische  Stadt  (Quadriburgium)  zu  erkennen, 
indem  weder  auf  dem  Heide-  oder  Hag'schen  Berg,  noch  dem  Wind- 
mühlenberg, noch  dem  Kirchberg  irgend  eine  Spür  von  Befestigungen 
oder  römischen  Gebäuderesten  vorhanden,  ja  nicht  einmal  der  Fund 
römischer  Anticaglien,  und  nicht  einer  einzigen  römischen  Münze,  mit 
Sicherheit  constatirt  ist.  Hierauf  folgt  in  der  Peutinger'schen  Tafel 
Noviomagus  =  Nymwegen,  dessen  Entfernung,  10  g.  Meilen  =  30000 
Sehr.,  sowohl  von  Cleve,  auf  der  Hauptstrasse  gemessen,  als  von  Ryn- 
dern,  auf  der  Uferstrasse  gemessen,  mit  der  Tafel  übereinstimmt. 

Amm.  Marcellinus  (XVni,  2)  erwähnt,  dass  eine  Stadt  Quadri- 
burgium (Waterburg?),  welche  in  hiesiger  Gegend  gelegen  haben  muss, 
von  Julian  im  Jahre  359  wiederhergestellt  worden  sei.  Man  hat  diesen 
Ort  seit  längerer  Zeit,  wie  uus  scheint  mit  Recht,  in  der  römischen 
Ansiedlung  zu  Qualburg  erkannt'.  Hiergegen  könnte  man  das  Bedenken 
erheben,  dass  dieses  Quadriburgium  nicht  in  den  römischen  Reisever- 
zeichnissen, welche  die  Route  von  Burginatium  an  Qualburg  vorbei 
nach  Arenatium  angeben,  enthalten  ist.  Wir  finden  den  Grund  dieses 
Uebergehens  darin,  dass  Qualburg  (Quadriburgium)  nicht  an  der  Strasse 
selbst,  sondern  1500  Sehr,  davon  entfernt  liegt  und  durch  eine  Seiten- 
strasse mit  der  Hauptstrasse  verbunden  war.  Wir  würden  Anstand 
nehmen,  diese  Erklärung  zu  geben,  wenn  dieselbe  nicht  durch  einen 
unzweifelhaften  Präcedenzfall  bestätigt  würde.  Auf  der  Strecke  zwi- 
schen Neuss  und  Xanten  nämlich  enthält  die  Peutinger'sche  Tafel, 
weldie  die  Route  auf  der  Hauptstrasse  angibt,  den  OrtGelduba  nicht, 
obschon  derselbe  ebenfalls  kaum  1500  Sehr,  von  der  Strasse  entfernt 
liegt  und  mit  der  Hauptstrasse  durch  Seitenstrassen  verbunden  ist. 
Wir  würden  Gelduba,  ebenso  wie  Quadriburgium,  aus  den  Reisever- 
zeichnissen gar  nicht  kennen,  wenn  das  Itinerar  nicht  die  Uferstrasse, 
an  welcher  Gellep  (Gelduba)  liegt,  enthielte,  wogegen  bei  Quadribur- 
gium die  Uferstrasse  mit  der  Hauptstrasse  zusammenfällt,  und  daher 
nicht  über  Qualburg  geht*). 

Wir  gestatten  uns  noch  einige  Bemerkungen  über  die  römischen 
Reiseverzeichnisse.    Die  darin  aufgeführten  Orte  sind  theils  Städte,  theils 


1)  von  Veith,   Vetera   castra.      Bonner  Jahrbb.  XXXI,  XXV.  N.  B.  I. 


1 


58  Diu  i'oraiaühou  MilitäratraBacn  det.  linken  Rheinufere. 

DÖrt'LT,  ein  Theil  lierselben  ist  mit  I-af^erii  inul  Caslelien  verbundco. 
Es  gibt  aber  noch  eine  grORSe  Zaiil  C'astelle  und  Lager  am  Rheiuo, 
die  nicht  in  den  neiseverzeiclmis^en  enthalten  sind:  das  Lager  Regcn- 
über  Neuwied  fehlt  darin,  vnr  lictnen  es  mir  aus  Ploleniäus;  ebenso 
fehlt  das  Bonner  Lager  (Castra  Bonncnsin),  wir  finden  unr  die  An- 
siedlungBonna;  das  Lager  bei  Köln  (a.  d.  AUeburg)  ist  nicht  genannt, 
und  auch  nicht  das  Lager  zu  Grimhnghausen,  hei  Neuss.  Man  hall 
nun  die  Itinerarien  für  Documente,  welche  den  Anführern  der  Truppen 
zur  Ortentining  bei  den  Märschen  mitgegeben  wunlen.  Wäre  diese  An- 
Bicbt  richtig,  so  milsste  man  erwarten,  dass  vorzugsweise  die  militän- 
schen  Anlagen,  die  Lager  und  Castelle,  darin  enthalten  seien.  Wir 
finden  aber  das  gerade  Gegontherl:  während  die  Lager  grösstentheils 
fehlen,  finden  wir  alle  biirgerlichen  Anlagen  darin  aufgefilhrt,  and  von 
den  zahlreich  vorhandenen  Castellen  nur  diejenigen,  welche  zugleich 
mit  Ansiedlungen  verbunden  waren,  alle  übrigen  fehlen.  Wir  sehen 
in  den  Itinerarien  überall  das  Bestreben,  nur  die  biirgerlichen  Anlagen 
namhaft  zu  machen,  nicht  aber  difi  militärischen,  woraus  es  sich  auch 
erklärt,  dass  so  viele  namhafte  Strassen,  die  wir  aus  ihren  Ueber- 
resten  deutlich  erkennen,  an  denen  sich  aber  keine  Ansiedlungen  von 
Bedeutung  befinden,  gänzhch  übergangen  sind,  wie  z.  B.  die  grosse 
Strasse,  die  über  die  (iebirge  der  linken  Moselseite  von  Trier  an  den 
Rhein  fuhrt,  und  die  schon  der  Oberstl.  Schmidt  wegen  ihrer  soliden 
Bauart  hervorhebt,  an  welcher  aber  in  den  öden  Gebirgsgegenden  keine 
römischen  Ortschaften  vorhanden  waren.  Es  muss  sich  daher  die  Ansicht 
aufdrängen,  dass  die  beiden  uns  noch  erhaltenen  Reiseverzeichnisse 
niclit  sowohl  für  Offiziere  im  Kriege,  als  vielmehr  für  Handlungsreisende 
im  Frieden  bestimmt  waren,  und  dass  die  militärischen  Itinerarien,  wie 
sie  z.  B.  noch  dem  Ptolemäus  vorgelegen  haben,  für  uns  verloren  ge- 
gangen sind. 

J.  Schneider. 

Durch  dio  rollkommenere  Erforschung  der  verBchiedunon  StraBacnarmu  hat  siiih 
crgebou,  dasa  dio  Mausioneu  nicht,  wiu  wir  mit  Audcru  früher  glauhl^iD,  zu- 
weiluu  in  einiger  Ealferoung  vou  tlou  StraüEiOQ,  au  dsDUU  eio  genannt  worden, 
BOnderu  diclil  an  denselben  lagen. 


Ein  bei  Köln  gef andener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  59 


3.  Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der 

zwanzigsten  Legion. 


Hierzu  Tafel  II. 


Westlich  von  der  Altenburg,  bei  welcher  in  älterer,  neuerer  und 
neuester  Zeit  manche  von  den  hier  einst  lagernden  Legionen  zeugende 
luschriftsteine,  Bildwerke,  Architektur-  und  Befestigungsreste  gefunden 
wurden,  zu  Arnoldshöhc  auf  einem  Grundstücke  an  der  Stelle,  wo  die 
Hagen'sche  Villenstrasse  in  die  Köln-Bonner  Chaussee  ausläuft,  wurde 
vor  ein  paar  Monaten  beim  Ausschachten  des  Bodens  zu  einem  Neubau 
des  Herrn  Maurermeisters  Pepes  in  Köln  in  der  Tiefe  von  1,4  m  ein 
Grabstein  aus  Jurakalk  gefunden,  der  in  mancher  Beziehung  sehr  be- 
achtenswerth  ist.  Der  Stein  ist  1,68  m  hoch,  0,84  m  breit,  0,28  m  tief. 
Oberhalb  der  Inschrift  sind  in  zwei  mit  einem  Rande  umgebenen  und 
durch  einen  kleinen  Zwischenraum  von  einander  geschiedenen  Reihen 
je  drei  Portraite  angebracht,  von  denen  die  der  obersten  0,47,  die  der 
andern  0,40  m  hoch  sind.  Die  ohne  Umrandung  den  untern  Theil  des 
Steines  einnehmende  Inschrift  umfasst  sechs  Zeilen ;  die  Höhe  der  Buch- 
staben nimmt  von  Zeile  zu  Zeile  mit  einziger  Ausnahme  der  beiden 
letzten  ab  (Z.  1  0,10,  Z.2  0,9,  Z.3  0,8,  Z.4  0,7,  Z.5  und  6  0,5  m); 
am  breitesten  sind  die  Buchstaben  der  ersten  Zeile.  Die  Fläche  der 
dritten  Zeile  ist  etwas  tiefer  als  die  der  übrigen.  Der  Stein  war  hier 
wohl  nicht  ursprünglich  schadhaft  gewesen,  sondern  der  Steinmetz  hatte 
sich  geirrt  und  deshalb  das  Eingemeisselte  wieder  ausgehauen  und  die 
Oberfläche  dann  gleich  gemacht.  So  bildete  sich  oberhalb  eine  durch- 
gehende Linie  in  welche  die  Spitzen  der  Buchstaben  einmünden  oder 
die  obern  Querstriche  fallen,  was  wir  im  Druck  nicht  wiedergeben 
konnten.  Die  Buchstaben  stehen  in  dieser  Zeile  sehr  gedrängt.  Einen 
Entzifferungsversuch  der  Inschrift  brachte  die  „Kölnische  Zeitung" 
vom  7.  Mai  (No.  126)  im  ersten  Blatte  („Köln,  6.  Mai"),  wonach  der 
Stein  an  erster  Stelle  eines  legatus  Balbius  gedenken  würde.  Das 
Irrige  ergab  sich  beim  ersten  Anblick,  und  schon  Dr.  Bon e  vermuthete 
richtig,  dass  in  dem  angeblichen  LEGA  die  Angabe  des  Vaters  und 
der  Tribus  stecke.  Nach  einem  Abklatsch  und  genauer  Ansicht  der 
Inschrift  steht  folgende  Lesung  sicher; 


tiO  Eid  hm  KAId  gofundanpr  Grahstein  einne  Veteranen  der  zwftotigft«n  Legion. 

LBA  EBI  VS  LF  GV 
VELEIAS'VET- |E  QXX 

/////ESABIN/SB^BIASRET 
////////l'VIVIS.BAI^I  AE// 
//////////CONIVGIEV/I//I// 
///M///EBA^BI  A//MW/I/  // 

Dcinnacb  erklären  wir: 

L.  Baebiu»  Luci  filius  Galeria  Veleiaa  veteranus  legio- 
Dts  vicesimae  (valcriau  victricis)  et  Sabinus  Baebiae  Sexe 
....  (et  8ib)i  vivis.  Banbiae  .  .  -  .  (matri?)  coniugi  ei(a8 
pu88i)m(a)e  Banbia  -  .  .  (filia?)  munimentum  (posuitJ). 

Am  schwierigsten  und  für  tias  Verständniss  der  Inschrift  am  be- 
deutendsten ist  die  Ergänzung  von  Sexe.  Ist  es  Beiname  derBaebia, 
oder  wird  eine  besondere  Person  damit  bezeichnet?  Für  letztere  An- 
nahme würde  entschieden  die  Sechszahl  der  Portraite  sprechen,  wenn 
es  unzweifelhaft  wäre,  dass  die  sänimtlicben  portraitirten  Personen  auf 
der  Inschrift  genannt  sein  müssen ;  denn  erwähnt  würden  dann  ausser 
der  Baebia  nur  ihr  Gatte,  ein  Sabinus  und  Banbia  Mutter  und  Tochter. 
Aber  die  Nothwendigkeit,  dass  siimmtliche  Portraite  auf  der  Inschrift 
genannte  Personen  darstellen,  bestreiten  wir.  Bei  Montfaucon  V,  1, 
Fl.  95  a  finden  wir  auf  dem  Grabmal  des  L.  Cornelius  Lamia  die  Por- 
traite des  Vaters,  des  Sohnes,  der  Tochter  und  der  Mutter,  aber  von 
diesen  gadenkt  die  Inschrift  der  Tochter  gar  nicht,  Kbcnso  wird  auf 
dem  Grabmal  des  Minutius  Aelianus  Evocatus  (daselbst  95  b)  nicht  der 
kleine  Knabe  erwähnt,  der  sich  bei  der  Mutter  findet.  Auf  einer  Urne  (da- 
selbst 58  b)  sehen  wir  Frau  und  Mann,  dazwischen  einen  jungem  Knaben, 
aber  die  Inschrift  spricht  von  zwei  Söhnen  von  1 7  und  33  Jahren,  denen  die 
Eltern  die  Urne  geweiht.  Der  hier  in  der  Mitte  der  ersten  Keibe  befind- 
liche Knabe  muss  nach  stehendem  Gebrauch  der  Sohn  des  Baebius  und 
derBaebia  sein;  dieser  aber  konnte  sehr  wohl  zwischen  bJüde  gestellt 
werden,  wenn  die  Inschrift  seiner  auch  nicht  gedachte,  als  Sprosse  ihres 
Ehebuudes.  Dies  dürfte  viel  wahrscheinlicher  sein  als  die  Annahme 
der  Auslassung  des  et,  das,  würden  zwei  Personen  hier  nebeneinander 
erwähnt,  unmöglich  nach  Baebiae  fehlen  könnte.  Wie  der  Name  zu 
ergänzen  sei,  venntigen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Dass  man  nicht  etwa 
an  Sex.  filia  denke,  wie  Sex.  sich  neben  S.  als  Abkürzung  des  nicht 
blos  römischen,  sondern  auch  keltischen  Namens  Sextus  (vgl.  J.  Becker 
in  Kuhns  und  Schleichers  „Beiträgen"  IIX,  343,  IV,  168)  findet,  so  be- 
merken wir,   dass  der  Stein  hier  ganz  deutheb  ein  E  nacb  SEX  zeigt 


£)in  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  61 

und  die  Annahme  einer  freilich  auf  Inschriften  nachweisbaren  Verwechs- 
lung des  E  und  F  hier  doch  zu  wenig  Halt  haben  würde.  Einen  Sexeus, 
Sexeius,  Sexenus  oder  Sexerus  weiss  ich  nicht  nachzuweisen; 
ebenso  wenig  findet  sich  ein  Sexennis  als  Beiname,  auch  kein  ähn- 
licher von  einer  Zahl  gebildeter  Name,  wenn  man  auch  auf  der  Mi- 
thrasinschrift  vom  Jahre  219  bei  Henzen  6042  b  (Wilmanns  135)  in 
VISENN  •  QVINQ  .  .  .  Quinquennis  ergänzen,  und  denken  könnte, 
der  Beiname  gehe  auf  das  Jahr  der  Ehe,  in  welchem  die  Geburt  er- 
folgte. Der  leere  Raum  gestattet  die  Ergänzung  Sexeae,  Sexeiae, 
Sexenae,  Sexerae  oder  Sexenni,  so  dass  die  Endung  ae  oder  ni 
den  Anfang  der  folgenden  Zeile  bildete,  ja  vielleicht  könnte  man 
auch  noch  am  Ende  der  Zeile  ein  unmittelbar  an  I,  wie  an  S  in  SABINVS 
und  an  B  in  BAEBIAE,  sich  anschliessendes  A  mit  E  verschlungen  an- 
nehmen. Steckt  aber  in  dem  Schlussworte  der  dritten  Zeile  nur  ein 
Beiname  der  Baebia,  so  haben  der  Veteran  L.  Baebius  undSabinus  die 
gemeinsame  Grabstätte  der  Baebia  und  sich  selbst  bei  ihren  Lebzeiten 
geweiht.  Ob  der  bloss  mit  einem  Namen  bezeichnete Sabinus  in  ver- 
wandtschaftlicher Beziehung  zu  Baebius  stand,  vielleicht  Vater  oder 
Bruder  oder  Schwager  der  Baebia  war,  oder  ob  bloss  ein  freundschaft- 
liches Verhältniss  zwischen  den  beiden  Familien  stattfand,  ist  nicht  zu 
sagen.    Wir  kommen  darauf  noch  zurück. 

Den  Stein  weihte  die  Tochter  des  Sabinus  (denn  eins  bezieht 
sich,  freilich  etwas  sonderbar,  auf  den  an  zweiter  Stelle  genannten  Sa- 
binus) ihrer  Mutter  Banbia.  Den  Namen  Banbia  kenne  ich  sonst 
nicht;  das  n  steht  statt  m  oder  vielmehr  eines  Mittellautes  zwischen 
beiden,  wie  in  Bonbia  neben  Bombia  (Schmitz,  „Beiträge  zur  La- 
teinischen Sprache  und  Literaturkunde'*  S.  86).  Die  Bestimmung  der 
Grabstätte  (locus)  ist  von  dem  Denksteine  (monumentum)  zu  unter- 
scheiden. Auf  dem  berühmten  Mainzer  Grabsteine  des  Blussus  heisst 
es  zunächst,  hier  ruhe  dessen  Asche;  dann  von  der  Gattin  viva  sibi 
fecit,  was  bloss  auf  die  Bestimmung  geht,  dass  hier  ein  Denkstein 
für  sie  (des  Gatten  ist  gar  nicht  gedacht)  errichtet  werde.  Auf  der 
Vorderseite  hiess  es  unmittelbar  darauf  Satto  verna  (faciendum 
curavit).  Primus  filius  pro(pietate  posuit).  Also  der  Haus- 
sklave Satto  besorgte  die  Setzung  des  Steines  für  den  minderjährigen 
Sohn.  Klein  (Abbildungen  von  Alterthümern  des  Mainzer  Museums  I,  6), 
will  daraus,  dass  die  Zahl  der  Jahre  der  Frau  zwischen  an  und 
uxsor  fehlt,  den  Schluss  ziehen,  die  Frau  habe  das  Denkmal  gegrün- 
det, die  Zahl  der  Jahre  erst  nach  ihrem  Tode  ausgefüllt  werden  sollen, 


12  Kin  bi;l  Köln  gurunilL-iier  Ui-abBlein  uinea  Vetuiauea  dur  xwmiiii^iit«»  I.tgion. 

a))er  liltii'zu  t'ühllu'  der  gcaligeiide  UiLum.  Audi  Kecker  im  Kiitiilo^ 
«les  Mainzer  Museums  S.  77  iiimuiL  hier  eine  Lücke  an.  Dass  die  Zahl 
fehlt,  weil  man  sie  nicht  wussle,  ergibt  sich  iliiraus,  dass  auch  der 
Sohn,  ais  er  auf  tler  lliiikTseite  des  Steines  die  Weihunt;  des  Steines 
im  eigeneu  Naincii  wiedi^rhultc,  sie  fileiclifiUls  ausliess.  Die  WeihuiiR 
unsere»  OraUteiues  ist  gaiix  ähnlich  m  deukeu.  liaebiu^  iiiul  Sabinii:^ 
liatten  dieselbe  Grabstätte  für  sich  und  Ikebia  bestimmt.  Erst  die 
Tociitei-  des  letzteiii  lies»  das  Denkmal  errichten,  «chlosa  aber  zugleich 
ihre  Mutter  ein,  Dass  hier  au  einen  spätem  Zusatz  auC  dem  Steine, 
wifi  solche,  sonst  wohl  vorkoninjen,  nicht  zu  denken  sei,  zeigen  iin- 
wideraprechlich  die  seclis  i'ortraite,  unter  denen  auch  die  beiden 
Banbia,  da  alle  diese  Portraite  oHenbar  bei  der  ursprünglichen  Setzung 
des  Steines  beabsichtigt  waren. 

Unser  Veteran  L.  Uai'bius  stammt  aus  Veleia  iuGallia  dsalpina, 
von  dem  wir  schon  langst  wussten,  dass  es  zur  trtbus  Galeria  gehörte. 
Vgl.  Osann  in  der  ,, Zeitschrift  für  die  Alterthumswissenschaft"  1838, 
522f.  Grotefend,  „Imperium  Romanuni  tribntim  divisum"  S.  86  kennt 
allein  die  Mainzer  Inschrift  Brambach  1183,  neben  der  er  nur  eine 
weder  die  Stadt  noch  die  tribus  neunende  und  eine  Stelle  des  Plinius 
anfiihrt.  Sicher  steht  die  Zahl  der  zwanzigsten  Legion,  da  die  Inschrift 
in  dieser  Zeile  lückenlos  bis  zum  Hände  reicht.  Dass  diese  den  Ehren- 
namen valeria  victrix  (VV,  wie  wir  nach  dem  Reste  des  zweiten  V 
ergänzt  liaben)  schon  in  Germanien  gehabt,  ist  nach  der  Inschrift  bei 
Brambach  2028  und  dem  Lcgionsstempel  in  Holdeurnt  (Jahrb.  VII,  61) 
unzweifelhaft.  Da  wir  die  Legion  schon  im  Jahre  02  in  Britannien 
finden  (Tac.  Ann.  XIV,  ;il,  :)7),  muss  sie  unter  Claudius,  neunzehn 
Jahre*früher,  dorthin  gekommen  sein;  an  ihre  Stelle  trat  die  fünf- 
zehnte. Vgl.  Jahrb.  XXV,  86.  Nach  Germanien  kehrte  sie  nicht  mehr 
zurück.  Zwei  in  Köln  am  Baien  gefundene  Grabsteine  von  einem  Soldaten 
dieser  Legion  aus  Ticinum,  der  sechszehn  Dienstjahre  hatte  (Hramb.  377), 
und  einem  tuhicen(Branib.  378)  sind  verloren  gegangen.  AuchzuOrJinm- 
linghausen  bei  Neuss  war  ein  Grabstein  eines  Soldaten  derselben  Legion 
aus  Patavium,  der  siebzehn  Jahre  gedient,  entdeckt  worden  ( B  r  am  b.  2Ö8). 
Zu  Nymwegen  wird  noch  der  Stein  eines  Veteranen  derselben  Legion  aus 
Mutina  aufbewahrt,  der  in  seinem  sechsundsechzigsten  Jahre  gestorben 
(Jahrb.  VII,  52.  XXV,  87).  Da  bei  Nymwegen  auch  Ziegel  dieser 
Legion  gefunden  worden,  so. scheint  dieser  Veteran  an  der  Stelle,  wo- 
hin er  mit  seiner  Legion  gekommen  war,  mit  seiner  Gattin,  die  ihm 
den  Stein  setzte,  geblieben  zu  sein.     So  blieb  auch  unser  Veteran  L. 


I 

Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  63 

Baebius  in  der  Nähe  det>  Lagers  seiner  JjCgiüU;  denn  dass  er  erst  in 
Britannien  Veteran  geworden  und  von  dort  nach  Köln  zurückgekehrt 
sei,  ist  völlig  unglaublich.  Seit  Moninisen 's  Aufsatz:  „Die  römischen 
Lagerstädte"  im  „Hermes**  VII,  299  326  haben  wir  über  das  Wesen 
der  in  der  Nähe  der  Lager  enl^tehendeu  canabae,  die  nur  uneigent- 
lich als  V  ici  bezeichnet  wurden,  genauere  Einsicht  gewonnen.  Den  Haupt- 
stamm derselben  bilden  die  veteraui.  Hiernach  werden  die  Bewohner  der- 
selben als  veterani  et  cives  Romani  consistentes  ad  canabas 
legionis  ....  oder  ad  legionem  ....  bezeichnet,  wobei  keines- 
wegs veterani  und  cives  Romani  sich  einander  entgegengesetzt 
werden,  sondern  die  veterani  sind  gleichfalls  cives,  so  dass  denn 
auch  die  Bewohner  der  canabae  bloss  als  cives  Romani  oder  nach 
der  Mehrzahl  als  veterani  legionis  .  .  .  bezeichnet  werden  können. 
Die  veterani  dieser  canabae  bildeten  eine  Körperschaft,  die  sich 
ihren  Vorstand,  ihren  curator,  wählte.  Einen  grossen  Theil  der  Be- 
völkerung dieser  canabae  bildeten  der  Tross  der  lixae  und  die  ne- 
gotiatores.  Neben  dem  curator  finden  wir  auch  einen  quaestor, 
einen  actor  und  einen  decurio  in  den  canabae  genannt.  Wenn  ein- 
mal dieStellung  eines  curator  veteranorum  als  militärische  Dienst- 
zeit gerechnet  wird,  so  war  dies  wohl  nur  eine  Ausnahme,  weil  der 
veteranus  wieder  ins  Heer  zurücktrat. 

Eine  ganz  sichere  Zeitbestimmung  unserer  Inschrift  lässt  sich 
nicht  geben.  Die  zwanzigste  Legion  kam  nach  der  Varianischen  Nieder- 
lage (im  Jahre  9)  nach  Köln;  sie  hatte  sich  in  Illyrien  durch  ihre 
Tapferkeit  ausgezeichnet.  Schon  damals  waren  unter  ihr  viele  ältere 
Soldaten,  die  bald  nach  zwanzigjähriger  Dienstzeit  entlassen  zu  werden 
fordern  konnten,  und  so  wäre  es  an  sich^nicht  unmöglich,  dass  Baebius 
schon  in  der  ersten  Zeit  der  Verlegung  der  Legion  entlassen  worden 
und  in  den  canabae  des  Lagers  seiner  Legion  geheiratet  habe.  Wie 
lange  er  gelebt,  wissen  wir  nicht;  der  Stein  aber  wurde  erst  nach 
seinem  Tode  und  dem  des  Sabinus  und  der  altern  Banbia  errichtet 
Doch  die  Entlassung  des  Baebius  könnte  auch  erst  kurz  vor  die  Zeit 
fallen,  wo  die  Legion  das  Lager  bei  Köln  verliess,  und  damit  die 
Setzung  des  Steines  nach  der  Gründung  der  Golonia  Claudia  Augusta 
Agrippinensis  fallen.  Dies  würden  wir  freilich  kaum  annehmen  dürfen, 
w6nn  Mommsen  Recht  hätte  (S.  302),  dass  seit  dieser  Zeit  bei  Köln 
keine  Legion  mehr  gestanden  habe,  was  di.e  nothwendige  Folge  der  Er- 
hebung der  Ubierstadt  zu  einer  Colonie  gewesen,  da  die  Kollision  der 
munidpalen  Jurisdiktion   der  Stadt  mit  der  militärischen  des  Lagers 


114  Kin  bei  Köln  goftm<lenRr  (^rah^tein  eines  Veteraceii  der  Zwaniigsten  Lp^on. 


habe  vermieden  werden  müssen.  Aber  der  Grund  scheint  unB  Dicht 
stichhnltig,  da  Lager  und  Stadt  ja  räumlich  vno  einander  geschieden 
waren  und  bei  Rom  selbst  die  Prätorianer  lagen.  Auch  ist  thatsächlich 
nicht  bewiesen,  dass  damals  alle  Legionen  Kiiln  verlassen,  das  dortige 
Lager  ganz  geräumt  worden,  was  freilicb,  da  die  canabae  in  nächster 
Beziehung  zum  Lager  standen,  deren  Auflösung  zur  Folge  gehabt  haben 
wfirde.  Der  Denkstein  wurde  auf  der  in  der  Gräberstrasse  der  canab&e 
gelegenen  Grabstätte  errichtet. 

Kehren  wir  zur  Inschrift  zurück,  so  dürfte  die  Ergänzung  eius 
piissimae  unzweifelhaft  sein  üeber  die  zu  cöniux  tretenden  lobenden 
Beiwörter  vgl.  Jahrb. XLI,  110,  Wilmanns,  n,6P2f.  Zur  Schreibang 
munimentum  bemerken  wir,  dass  monimentum  neben  monumen- 
tum  (selbst  uionementHm)  sich  schon  vor  der  Augusteischen  Zeit 
findet.  Vgl.  Brambach  ,,I)ie  Neugestaltung  der  Lateinischen  Ortho- 
graphie" S.  118.  U  statt  0  findet  sich  häufig  auch  in  ülteren  Inschriften 
(Brambach  81  ff.),  unser  munimentum  auf  einer  spanischen  im  Corp. 
Inscript.  II  No.  260.  Statt  posuit  (P)  könnte  auch  ponendum 
cnravit  (PC),  fecit,  faciendum  curavlt  (F,  F-C)  oder  auch 
atatuit  (S)  gestanden  haben. 

Von  den  Verschlingungen  der  Buchstaben  ist  bemerkenswerth, 
dass  die  von  A  und  £  sich  auch  hier  nur  da  findet,  wo  der  beschränkte 
Raum  dazu  nöthigte,  in  der  dritten  Zeile,  wogegen  A  E  in  der 
vierten  und  sechsten  steht.  Vgl.  Jahrb.  XLVI,  105.  Verschlungen 
sind  ferner  E  und  T  (Z.  3),  N  und  B  (Z.  4  und  6),  V  und  N  (Z.  6), 
N  und  V  (Z.  3),  A  und  L  mit  Benutzung  der  spitzwinkeligen  Form  des 
L  (Z.  1)  und  E  und  X  (Z.  3).  Im  letztern  Falle  ist  der  Mittelstrich 
des  E  abwärts  gezogen,  so  dass  er  zugleich  als  erster  Zug  des  X  dient, 
der  untere  Strich  geht  nur  so  weit,  dass  er  bis  zur  ersten  untem 
Spitze  des  X  reicht.  Neben  den  Verschlingungen  ist  das  Ineinanderrücken 
zu  bemerken;  in  dem  Namen  Gaieria  tritt  das  mit  L  verschlungene 
A  in  das  G  (Z.  1),  was  der  Druck  nicht  wiedergibt,  über  den  untem  Strich 
des  L  ist  ein  kleineres  E  gesetzt  (Z.  2).  Unmittelbar  an  den  vorher- 
gehenden Buchstaben  sind  in  Z.  3  gerückt  A  an  S  und  B,  das  ver- 
schlungene A  und  E  an  ß.  lieber  die  Buchstabenformen  bemerken 
wir  folgendes.  A  hat  in  der  zweiten  Zeile  oberhalb  der  Spitze  noch 
einen  kleinen  senkrechten  Strich,  in  der  vierten  und  sechsten  ist  der 
Apex,  ein  kleiner  Strich  nach  links,  nicht  zu  verkennen.  Vgl.  Jahrb. 
XLVI,  S.  84,  88,  Bei  B  ist  der  untere  Theil,  wie  gewöhnlich,  höher  als  der 
obere,  ebenso  bei  S.    E  und  F  haben  den  Querstrich  in  der  Mitte  der 


Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  65 

Buchstaben  nur  wenig  kürzer  als  den  obern  und  untern.  Vgl.  a.  a.  0. 
S.  89.  G  hat  unten  den  kleinen  gerade  aufsteigenden  Strich  mit  einem 
horizontalen  Apex,  oben  ist  der  Apex  stark  ausgeprägt;  das  C  in  con- 
iugi  ist  untevdem  G  fast  gleich,  nur  setzt  sich  der  Strich  nicht  ohne 
Biegung  an  und  das  untere  und  obere  Ende  reichen  gleich  weit,  wäh- 
rend bei  dem  G  das  obere  weiter  ausläuft.  Der  senkrechte  Strich  des 
L  ist  mehr  als  doppelt  so  lang  wie  der  horizontale,  den  Querstrichen 
des  E  und  F  gleich,  und  ebenso  weit  reichen  die  Arme  des  T  auf  bei- 
den Seiten  über  den  senkrechten  Strich.  Im  M  laufen  die  Mittelstriche 
80  tief  herab,  wie  die  nicht  gerade,  sondern  schief  herabgehenden 
äussern.  Der  Steinmetz  hat  keine  besondere  Sorgfalt  auf  seine  Arbeit 
verwandt;  die  senkrechten  Striche  weichen  oft  nach  links  oder  rechts 
aus,  der  Querstrich  des  A  steht  häufig  schief.  Die  Funkte  nach  den 
einzelnen  Wörtern  sind  sehr  unregelmässig  gesetzt,  in  der  zweiten  Zeile 
nach  Veleias  und  vet,  in  der  vierten  nach  sibi  und  vi  vis,  in  der 
sehr  zusammengedrängten  dritten  nach  Baebiae.  Zweifelhaft  ist,  ob 
in  der  ersten  ein  Punkt  nach  L  stand. 

Wenden  wir  uns  endlich  zu  den  Portraiten.  Portraitbüsten  finden 
sich  auf  römischen  Grabdenkmälern  so  häufig,  dass  schon  Visconti 
(Mus^e  Pie-Cl^mentine  VI,  26  ff.)  davon  den  Gebrauch  von  busto  zur 
Bezeichnung  derselben  herleitete.  Sie  erscheinen  in  Medaillons  oder 
in  Nischen  oder  in  anderer  Weise,  häufig  reihenweise.  Oft  finden  wir 
das  blosse  Bild  desjenigen  oder  derjenigen,  denen  die  Weihe  gilt,  aber 
auch  das  des  Weihenden  daneben.  Zuweilen  stehen  sie  zweimal  auf 
demselben  Denkmal,  oben  als  Büste,  unten  als  ganze  Figuren  (Mont- 
faucon  Suppl.  V,  PL  12.  12  a).  Anderer  Art  ist  es,  wenn  dieselbe 
Person  in  zwei  verschiedenen  Trachten  erscheint,  wie  daselbst  PI.  90. 
Auf  einer  Urne  (Montfaucon  V,  PL  55)  sehen  wir  die  Büsten  der 
Ehegatten,  an  der  Seite  die  ganze  Figur  der  Tochter.  Am  häufigsten 
finden  sich  zwei  Portraite,  von  denen  meist  die  Frau  den  Ehrenplatz 
zur  Rechten  des  Mannes  hat.  Hierher  gehören  die  vielen  Beispiele, 
wo  die  Gatten  sich  die  Hände  reichen,  wie  bei  Visconti  VH,  25. 
Goethe  und  Herder  wurden  durch  diese  Darstellungen,  als  sie  das  Mu- 
seum von  Verona  besuchten,  wunderbar  gerührt.  Als  Beispiele  der 
umgekehrten  Stellung  nennen  wir  bei  Montfaucon  in,  10.  V,  1.  47, 
1.  55.  93  a.  b.  94  Suppl.  V,  PI.  9.  14,  1.  21.  26,  im  Lateranischen 
Museum  464.  Sohn  und  Tochter  stehen  zur  Linken  des  Vaters  bei 
Montfaucon  IH,  PL  9,  V,  PL  35,  1.  2,  ebenso  die  Tochter  zur  Lin- 
ken der  Mutter  (daselbst  83),   aber  auch  umgekehrt  (daselbst  57). 

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1 


66  Ein  bei  Köln  gefundener  Orabstc^in  uine«  Veteranea  der  Ewaazigsten  Legion. 

Der  Kaiser  Severus  Alexander  findet  sich  liukB  von  seiner  Mutter  (da- 
selbst 91).  Einmal  nimmt  der  Maun  die  Mitte  ein,  links  von  ihm  ist 
die  Frau,  rechts  die  Tochter  (Suppl.  V,  PI.  22);  ein  andermal  steht 
links  von  der  Mutter  der  Sohn,  rechts  die  Tochter  (Museum  Wallraf- 
Richartz  222),  aber  auch  lechts  der  Knabe,  linka  der  Vater,  in  der  Mitte 
das  jüngere  Mädchen  (daselbst  208).  Auf  einem  Denkmal,  Montfauco  q 
Suppl.  V,  PI.  12a,  13,  finden  sich  zwei  Ehepaare  übereinander;  unter 
Jedem  steht  die  betreffende  inscitrift;  beidemal  bat  der  Mann  die 
rechteSeite.  Auf  einem  Relief  des  Bonner  Museums  (bei  Hettner231) 
sind  in  zwei  übereinander  liegenden  Nischen  je  zwei  Brustbilder  zu  sehen, 
von  denen  die  beiden  oberen  Manner  sind,  die  Schriftroüen  in  der  Linken 
halten,  die  andern  Frauen.  Sehr  häufig  haben  die  Ehegatten  ein  Kind 
zwischen  sich,  wie  bei  Montfaucon  V,  P1.52.  S8b;  ein  kleiueä  und 
üher  demselben  ein  grösseres  finden  wir  Suppl.  III,  PI.  24.  Auf  einem 
der  Gattin  und  zwei  Töchtern  tjesetzten  Denkmal  (Suppl.  V,  PI.  19) 
steht  die  Frau  rechts  von  der  älteren  Tochter,  die  jüngere  Kwischea 
beiden.  Zuweilen  finden  wir  in  zwei  Reihen  fünf  Portraite  vertheilt; 
so  einmal  (Suppl.  V,  PI.  16, 2)  oben  die  Frau  zur  Rechten  des  Mannes, 
unten  in  der  Mitte  die  Tochtei;,  zu  beiden  Seiten  ein  auf  der  Inschrift 
nicht  erwähntes  Kind,  ein  andermal  (daselbst  53,  2)  unten  rechts  von 
der  Frau  den  Mann,  links  eine  Freigelassene,  oben  in  Blumengewinden 
zwei  Medaillons,  rechts  eine  Freigelassene,  links  einen  Freigelassenen. 
Auf  unserm  Steine  haben  wir  zwei  Reihen  von  drei  Portraiten,  oben  an 
der  Ehrenstelle  die  Frau  des  ßaebius,  die  zuerst  gestorben,  links  diesen 
selbst,  in  der  Mitte  ihren  Sohn,  unten  rechts  die  Mutter  Banbia,  links 
ihren  Gatten  Sabinus  und  in  der  Mitte  deren  Tochter,  die  den  Stein  ge- 
setzt hat.  Auch  vier  Portraite  finden  wir  nebeneinander,  so  beiMont- 
'faucon  V,  PI.  95a  Vater,  Sohn,  Tochter,  Mutter,  und  auf  dem  Grab- 
denkmal zu  Augsburg  V,  4  (Mezger  S.  37).  Von  den  vier  Brustbildern  des 
Reliefs  daselbst  XXX  (S.  54)  scheinen  die  beiden  mittleren  Frauen  dar- 
zustellen ;  dazu  findet  sich  an  den  Mehenseiten  je  ein  Brustbild.  Auch 
fünf  Portraite  in  einer  Reihe  fehlen  nicht.  Hierher  gehören  bei 
Montfaucon  V,  PL  95  h,  Vater,  zwei  Söhne  und  Mutter,  die  noch 
einen  Knaben  vor  sich  hat,  III  PI.  36, 4,  Frau  mit  einem  Knaben,  ein 
anderer  Knabe  und  der  Vater  mit  einem  dritten,  im  Lateranischen  Mu- 
seum 467*,  die  unverheirathete  Tochter,  der  Mann,  die  Frau,  die  ver- 
heirathete  Tochter  und  der  Schwiegersohn,  deren  Namen  unter  den 
Portraiten  stehen.  Sechs  Kinder  nebeneinander  stellt  noch  ein  Augs- 
burger Relief  dar  (Mezger  S.  76). 


Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  67 

Auf  unserm  Steine  sind  alle  sechs  Figuren  in  römischer  Tracht 
dargestellt,  die  Männer  mit  Tunica  und  Toga,  die  Frauen  mit  Tunica 
und  Palla;  in  gewohnter  Weise  fassen  Männer  und  Frauen,  wie  der 
ruhig  Stehend«  oder  Gehende  pflegt,  mit  der  erhobenen  Rechten  das 
obere  Gewand.  Von  ähnlichen  Darstellungen  führe  ich  aus  dem  Mu- 
seum Wallraf-Richartz  120,  182,  218,  229,  aus  dem  Bonner  84,  231, 
aus  dem  Augsburger  28  an.  Die  Rolle  in  der  Linken  des  Baebius  (in 
der  des  Sabinus  ist  sie  wenigstens  nicht  zu  erkennen)  ist  das  gangbare 
Zeichen  des  römischen  Bürgers  in  Portraitdarstellungen  (Montfaucon 
III,  PI.  6—8, 11),  wie  in  den  meisten  der  eben  genannten  Reliefs. 
Selbst  Knaben  haben  sie  (Montfaucon  III,  PI.  5. 37,  1.2).  Aber  der 
Soldat,  dessen  Abbildung  Jahrb.  LXVI,  Taf.  II  gegeben  ist,  kann 
keine  Rolle  in  der  Linken  halten  (S.  74).  Zwischen  der  Gewandung 
der  Männer  und  Frauen  ist  kein  wesentlicher  Unterschied  zu  erkennen. 
Die  Linke  ist  bei  den  beiden  Frauen  der  zweiten  Reihe  nicht  zu  sehen, 
da  sie  durch  die  rechte  Seite  der  danebenstehenden  Person  verdeckt 
ist,  während  Baebia  und  Baebius  in  voller  Breite  nebeneinander  sich 
zeigen.  An  der  Tunica  des  Baebius  findet  sich  eine  schlangenartige 
Windung,  die  ich  nicht  zu  erklären  weiss.  Die  römischen  Bürger  bis 
zu  den  Kaisern  zu  tragen  auf  der  Tunica  keinerlei  Art  Schmuck. 
Kaum  ist  an  eine  Fibula  zu  denken.  Die  Frauen  haben  zu  beiden 
Seiten  lang  herabfallende  Locken  und  ungescheiteltes  Haar  (gescheitel- 
tes finden  wir  z.  B.  im  Museum  Wallraf-Richartz  233),  während  die 
Ohren  der  Männer  wie  gewöhnlich  frei  hervortreten.  Baebia  hält  in 
der  Hand  einen  runden  Gegenstand,  den  wir  uns  als  Apfel  und  als 
Sinnbild  der  Ehe  denken.  Der  Apfel  als  Liebessymbol,  dessen  Annahme 
die  Einwilligung  in  die  Ehe  bezeichnet,  ist  bekannt.  Vgl.  Dilthey  de 
Callimachi  Cydippell3— 116.  Annali  deir  Instituto  Archeologico  1869,* 
22,  1.  So  hat  denn  auch  auf  dem  cippus  im  Vatikan,  welcher  die 
de^trarum  iunctio  darstellt,  der  Bräutigam  eine  Rolle  in  der  Linken, 
wohl  die  tabulae  nuptiales,  die  Braut  einen  runden  Gegenstand, 
den  man  für  einen  Apfel  erklärt.  Vgl.  Rossbach  „Römische  Hochzeits- 
und Ehedenkmäler"  S.  37,  43  Anm.  79.  Auf  zwei  im  Zolfdde  in 
Kärnten  gefundenen  Denkmälern^ hat  der  Mann  gleichfalls  eine  Rolle, 
die  Frau  einen  runden,  wie  es  scheint,  einen  Apfel  daratellenden  Gegen- 
stand. Vgl.  Jabornegg-Altenfels  „Kärnthens  Alterthümer"  S.  59. 
Dasselbe  finden  wir  auf  einem  Gratzer  Denkmal,  auf  welchem  der  Mann, 
der  in  der  Linken  die  Rolle  hält,  den  rechten  Zeigefinger  erhoben  hat. 
Vgl.  Montfaucon,  SuppL  V,  PL  16,  1,  auch  HI,  P1.XXUL    Dagegen 


1 


68  Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Vetaranen  der  zwanii^ten  Legion. 

hat  auf  dem  Denkmal  von  Celeia  (Oi-elU  5265)  der  Mann,  der  gleich- 
falls den  rechten  Zeigefinger  in  die  Höhe  hält,  die  Kugel  (Montfaucon 
Suppl.  V,  PI.  17),  wo  er  alBo  sich  selbst  gleichsam  als  Eheherrn  be- 
zeichnet. Die  Kugel,  welche  die  Kaiser  und  die  in  dem  Charakter  der 
Venus  victrix  dargestellten  Kaiserinnen  in  der  Hand  halten,  idt  na- 
türlich ganz  anderer  Art;  sie  deutet  auf  die  Welt.  Auf  dem  schon 
angeführten  Denkmal  desBlussus  hat  der  Mann  einen  Beutel,  die  Fraa 
in  der  Linken  eine  deutlich  ausgeführte  Spindel,  in  der  Rechten  einen 
runden  Gegenstand.  Klein  scheint  mir  letzteren  richtig  auf  einen 
Knäuel  Wolle  gedeutet  zu  haben;  es  ist  der  der  Spindel  (fusus)  ent- 
sprechende glomus,  lo-lr/r»;,  O.Jahn  wollte  (Berichte  der  sächsischen 
üesellschatt  der  Wissenschaften  zu  Leipzig  1867,  S.297,  Anni.22),  mit 
Beistimmung  J.  Beckers,  darin  auch  hier  eine  Frucht  sehen,  wobei 
er  auf  etruskische  Darstellungen,  ja  auch  auf  die  Sitte  des  siebzehnten 
und  achtzehnten  Jahrhunderts  verwies,  dass  Damen  sich  mit  einer 
Frucht  in  der  Hand  malen  liessen.  Aber  mag  die  Frau  des  BIussus 
auch  mit  ihrem  Schmucke  und  dem  Schosshtindchen  prunken,  der 
bulga  oder  crumena  des  Mannes  gegenüber  kann  das,  was  sie  in 
der  Hand  hält,  nur  auf  die  sorgsame  Hausfrau  sich  beziehen.  Der 
Mann,  an  dessen  Finger  auch  ein  Ring  nicht  fehlt,  thut  sich  auf  seine 
bulga  etwas  za  gut;  sie  deutet  auf  sein  erworbenes  Vermtlgeo.  £r 
trägt  sie  nicht,  wie  die  Wanderer  am  Arm,  sondern  hält  sie  mit  der 
Linken  so  behaglich,  dass  man  fast  mit  Lucilius  ausrufen  möchte: 
Omnis  in  nna 
Spes  hominis  bulga:  hac  devincta  est  cetera  vita. 
Wenn  die  symmetrisch  der  obern  Reihe  entsprechenden  Personen 
der  untern  kein  besonderes  Abzeichen  haben,  so  deutet  dies  eben  auf 
den  Vorrang,  den  Baebius  und  Baebia  vor  ihnen  geniessen.  Sabinus 
tritt  einfach  mit  seinem  Namen  auf,  der  eigentlich  nur  cognomen  ist 
(nomen  ist  die  abgeleitete  Form  Sabinius),  wie  die  cognomina  Ac- 
ceptas,  Albinus,  Avitus,  Ballus,  Blandus  u.  s.  w.  allein  als 
cognomina  vorkommen,  wogegen  die  mit  ius  erweiterten  als  nomina 
erscheinen.  Auch  dessen  Gattin  Banbia  scheint  nur  den  einen  Namen 
gehabt  zn  haben,  während  Baebia  mit  dem  cognomen  auftritt.  Selbst 
die  jüngere  Banbia,  die  doch  das  Denkmal  ausführen  Hess,  gab  durch 
die  Inschrift  und  die  Porträitbildung  den  Vorrang  der  Familie  des 
Baebius  vor  der  ihrigen  zu  erkennen. 


Ein  bei  Köln  gefundener  Grabstein  eines  Veteranen  der  zwanzigsten  Legion.  69 


Nachtrag. 

Ende  September  wurden  in  Amoldshöbe  nordwestlich  von  der 
oben  S.  6  bezeichneten  Stelle,  an  der  andern  Seite  der  Strasse,  etwa 
ein  Meter  unter  der  Erde,  beim  Ausschachten  zu  einem  Hausbaue  eine 
Anzahl  römischer  Altcrthümer  gefunden.  Das  Hauptstück  ist  ein  Kopf 
mit  einer  Art  sehr  hoher  phrygischen  Mütze,  die  aber  nicht,  wie  ge- 
wöhnlich, ganz  einfach,  sondern  mit  vielen  von  oben  nach  unten  gehen- 
den Streifen  geschmückt  und  etwa  beim  Beginne  des  obersten  Drittels 
mit  einem  Bande  umschlungen  ist.  Höchst  wahrscheinlich  gehörte  er 
zu  einem  Grabe,  ist  aber  nicht  die  Abbildung  des  Verstorbenen,  son- 
dern einer  der  Köpfe,  welche  meist  auf  den  vordem  Ecken  der  Sarko- 
phage sich  finden,  während  nur  selten  ein  Kopf  allein  in  der  Mitte 
steht  Diese  Köpfe  sind  sehr  verschiedener  Art,  häufig  Faunenmasken, 
aber,  wie  Attis  sich  oft  in  ganzer  Gestalt  an  beiden  Seiten  der  Sarko- 
phage findet,  so  werden  auch  mehrfach  Attisköpfe  als  Schmuck  der 
Sarkophage  verwandt,  wie  bei  Montfaucon  I,  PL  45,  V,  34,  60,  74. 
unser  Attiskopf  wäre  freilich  eigenthümlich  gebildet,  aber  die  Künstler 
gestatteten  sich  eben  im  Schmuck  der  Sarkophage  grosse  Freiheit. 
Zu  einer  bestimmtem  Deutung  führt  die  Gestalt  des  ganzen  Kopfes, 
welche  vollkommen  die  einer  Mondsichel  ist.  Er  stellt  ohne  Zweifel 
einen  Dens  Lunus  dar,  wie  wir  ihn  z.  B.  auf  der  Hildesheimer  ver- 
goldeten Schale  finden,  wo  hinter  den  Schultern  Mondsicheln  sich  zei- 
gen. Dort  ist  freilich  auch  die  Mütze  mit  Stemen  verziert,  während 
sich  hier  nur  Streifen  zeigen,  welche  auf  Strahlen  bezogen  werden 
könnten.  Ist  aber  der  Kopf  der  des  Lunus,  so  dürfte  er  entweder 
mitten  auf  dem  Grabmal  gestanden  haben  oder  ihm  gegenüber  eine 
weibliche  Gottheit,  wie  auf  der  zweiten  Hildesheimer  Schale,  mag  diese 
nun  aufKybele  oder  auf  die  Syrische  Göttin  zu  deuten  sein.  Wir  ver- 
weisen auf  Wieselers  Winkelmannsprogramm  von  1868  über  den 
Hildesheimer  Silberfund.  Der  schön  ausgearbeitete  Kopf,  wie  alle  ge- 
fundenen Steinreste  von  Jurakalk,  ist  0,51  m  hoch,  0,305  breit,  0,13  tief. 
Auf  dem  Bruchstück  einer  Steinplatte  hat  sich  ein  Jupiterköpfchen  er- 
halten, 0,125  hoch,  0,10  breit  und  tief.  Die  untere  Lage  des  Decksteins 
eines  Grabmals  mit  Schuppen  von  Pinienäpfeln  in  der  von  Braun,  Jahrb. 
XVI,  49 ff.  erörterten  Weise  (vgl.  das  Verzeichniss  der  römischen  Altcr- 
thümer des  Museums  Wallraf-Richartz  II,  No.  94)  ist  unten  0,87,  oben 
0,405  lang,  der  Fuss  0,6,  der  vierseitige,   mit  schmalem  Rande  ver- 


70  Ein  bei  Eöln  i^efundcaer  Orabatein  eines  Vetor&Den  der  EwaDzigste»  Legion. 

sehene  geschwungen  aufsteigende  Körper  0,53  hoch.  Das  oben  sich 
zeigende  Loch  deutet  darauf,  dass  hier  die  höhere  Lage  eingefügt  war. 
Von  einem  mit  Portraitbiisten  in  Medaillons  gescbmäckten  Grabstein 
hat  sich  nur  der  obere  Theil  mit  dem  Anfang  der  Nische,  dem  Me- 
daillon und  eitler  Büste  rechts  und  ein  Slück  des  zweiten  Medaillons 
erhalten.  Das  rechte  Stück  eines  vorn  und  an  der  erhaltenen  äussern 
Seite  ornamentirten  Steins  ist  0,58  hoch,  0,61  breit,  0,29  tief.  Unter 
den  sonstigen  Kesten  gedenken  wir  eines  starken  GeBimssteines,  einer 
dreilöcherigen  Thonlarape  mit  einer  Frauenbüi5te  und  dem  häufig  vor- 
kommenden Töpferatempel  CAPiTO  (I  steht  unter  dem  linken  Balken 
des  T),  eines  bronzenen  stilus,  eines  GlasHäschchens  und  einer  Anzahl 
Töpfchen,  wie  sie  bei  allen  Resten  romischer  Gräber  gefunden  werden. 
Augenblicklich  [werden  diese  Funde  theils  in  einem  Hause,  theils  in 
einem  Verschlage  in  der  Nähe  der  Fundstätte  aufbewahrt,  wo  sich  auch 
noch  der  oben  von  uns  besprochene  Grabstein  findet.  Daselbst  sind  acht 
von  einem  frQhern  Funde  herrührende  Deckziegel  aufbewahrt  (0,48 
lang,  0,40  breit),  von  denen  einige  in  der  Mitte  einen  0,10  langen, 
0,3  breiten  Stempel  tragen,  der  in  der  gangbaren  Einfassung  die  Buch- 
staben SAG  zeigt.  Die  in  letzter  Zeit  zu  Arnoldsböhe  gefundenen  Alter- 
thüraer  deuten  auf  eine  Gräberstrasse  hin  und  erregen  die  Erwartung, 
dass  beim  beabsichtigten  weitem  Häuserhaue  noch  manche  Reste  des 
dort  einst  waltenden  römischen  Lebens  zu  Tage  treten  werden. 

H.  Düntzer. 


4.  Statuette  eines  römischen  Kaisers  auf  Schloss  Rheinstein. 

Hierzu  Taf.  III. 

Auf  Schloss  Rheinstein  wird  eine,  wie  es  heisst,  1844  bei  Xanten 
gefundene  Bronzestatuette  aufbewahrt,  welche,  nachdem  sie  bereits  auf 
der  Düsseldorfer  Ausstellung  des  Jahres  1880')  die  Augen  der  Kenner 
auf  sich  gezogen  hat,  zum  erstenmale  auf  Taf.  III  in  leider  nicht  all- 

1)  Vgl.  Aositcllungakatalog  der  kuD«tgewerb1.  Alterth,  in  Diiaaeldorf.  No. 
94;  „Rom.  Kaiser,  Lanze  und  Weltkugel  in  den  Händen." 


Statuette  eines  römischen  Kaisers  auf  Sobloss  Rheinstein.  71 

seitig  gelungener  Nachbildung  zu  allgemeinerer  Eenntniss  gelangt 
Die  Statuette  misst,  die  runde,  ziemlich  flache  Basis  mit  einbegriffen, 
in  der  Höhe  0,12  cm,  hat  eine  schöne,  grüne  Patina  und  ist  im  ganzen 
wohl  erhalten.  Mehrere  Löcher  sind  mit  Metall  verschlossen  und  durch 
die  Patina  hindurch  nicht  leicht  zu  erkennen,  so  drei  auf  dem  Rücken, 
in  fast  gleichmässigen  Abständen  von  einander  und  nach  unten  zu 
grösser;werdend,  eins  auf  der  rechten  Schulter  und  eins  auf  der  Brust 
in  den  Mantelfalten.  Der  Gedanke  an  eine  moderne  Fälschung  der 
Statuette,  die  mir  im  Original  vorliegt,  scheint  unter  allen  umständen 
ausgeschlossen  zu  sein,  so  dass  eine  eingehendere  Charakterisirung  des 
bei  seiner  Kleinheit  doch  in  die  Augen  fallenden  Kunstwerkes  wol  am 
Platze  ist. 

Die  Last  der  Figur  ruht  fast  gleichmässig  auf  beiden  Füssen, 
das  rechte  Standbein  ist  leicht  vorgesetzt,  aber  auch  das  linke  Spiel- 
bein ruht  mit  ziemlich  voller  Sohle  auf  dem  Boden  auf.  Die  Hand 
des  vorgestreckten  linken  Armes  hält  eine  massig  grosse  Kugel,  der 
rechte  Oberarm  ist  seitwärts  ausgestreckt,  der  Unterarm  nicht  ohne 
eine  gewisse  Anmuth  erhoben,  die  durchbohrte  Hand  wird  ehemals 
einen  Speer  gehalten  haben,  der,  etwas  nach  rechts  gewandt,  mit  der 
Spitze  in  einem  neben  dem  rechten  Fusse  (nach  innen  zu)  in  der  Basis 
befindlichen  Loche  festhaftete.  Bekleidet  ist  die  Figur  mit  Stiefeln, 
die  indessen  nur  durch  den  etwas  oberhalb  der  Knöchel  besonders  am 
Originale  sichtbaren,  faltigen  Rand  kenntlich  sind  (caligae?)'),  eng 
anliegenden  Hosen,  welche  bis  über  das  Knie  reichen  und  sich  zunächst 
durch  ihren  gleichfalls  leicht  gefältelten  Rand  verrathen,  einer  kurzen 
Tunica  von  dünnem,  in  feinen  Falten  brechendem  Stoffe,  mit  kurzen 
Aermeln,  die  an  den  Aussenseiten  der  Oberarme  einmal  leicht  empor- 
gerafft sind,  einem  enganliegenden  Brustpanzer  und  einem  auf  der  lin- 
ken Schulter  mit  Knopffibula  befestigten,  langen  Mantel,  der  über  den 
rechten  Oberarm  zurückgeschlagen  ist  und  hinten  in  gutem  Faltenwurf 
bis  auf  die  Erde  herabhängt;  hier  geht  er  ohne  Unterschied  in  die 
kleine  zum  Halt  der  Figur  angebrachte  Stütze  über.  An  dem  Panzer 
sind  Nabel,  Brust  und  Rippenkasten  in  guter,  wenn  auch  nur  leicht 
andeutender  Modellirung  angegeben;  unter  dem  ziemlich  tief  geschwun- 
genen Rande  des  Panzers  ist  an  Stelle  der  sonst  gewöhnlichen  nziQvyeg 
eine  Reihe  von  (Metall-)  Knöpfen  oder  Plättchen  angebracht,  von 
denen  vorn  12  sichtbare  Lederstreifen  mit  Franzen  herabhängen,  so  dass 

1)  Vgl.  Guhl  und  Kon  er,  Leben  der  Griechen  und  Römer,  8.  632  and 
Fig.  533;  Becker,  Gaüus,  lU,  171. 


72  Statuette  eines  römiBolien  Kaiiers  anf  Schloas  Rbeingtein. 

nur  ein  kleines  Stück  der  bis  an  dieKniee  reichenden  Tunica  vorsieht. 
Kürzere,  befranzte  Lederstreifen  fallen  unter  der  linken  Achselklappe 
auf  den  Oberarm.  Der  gerade  aufgerichtete  Kopf  macht  eine  fast  un- 
merkliche Wendung  nach  der  linken  Schulter.  Im  Profil  geseheu  tritt 
der  Hinterkopf  stark  hervor.  Das  dichte,  krause  Haar,  eine  fast  „freche" 
Sturapfnase  mit  breiter  Wurzel,  ein  leicht  geöffneter  Mund,  dessen 
Oberlippe  durch  den  groben  Schnauzbart  noch  hässlicher  hervortritt, 
endlich  der  Wangen  und  Kinn  bedeckende,  kurze  Vollbart,  vollenden 
ein  Portrait,  von  dessen  origineller,  fast  unheimlicher  Hässlichkeit  frei- 
lich die  beiliegende  Abbildung  leider  keinen  deutlichen  Begriff  zu 
geben  im  Stande  ist. 

Dass  es  sich  bei  dieser  Figur  nicht  um  eine  typische  Statuette 
eines  römischen  Feldherrn  handle,  geschweige  denn  um  die  problema- 
tische Figur  eines  „Jupiter  Imperator"'),  wie  seiner  Zeit  Levezow 
von  einer  Berliner  Bronzestatuette  eines  römischen  Imperators  meinte»), 
das  beweisen  unzweideutig  das  nur  dem  Kaiser  zukommende  Attribut 
des  Globus,  als  des  Symbols  seiner  über  den  Orbis  terrarum  sich  er- 
streckenden Gewalt,  wie  andererseits  die  Individualität  jener  Gesichts- 
züge. Auch  über  die  Zeit,  in  welche  die  Statuette  gehört,  kann  kaum 
ein  Zweifel  obwalten.  Weist  der  volle  Bart  auf  die  nachhadrianische 
Epoche  hin,  so  deutet  der  stilistische  Charakter  der  Bronze  gleichfalls 
auf  die  Neige  des  zweiten  Jahrhunderts.  Damit  stimmen  vor  allem 
zwei  Einzelheiten  der  Tracht  durchaus  überein.  Zunächst  verräth  sich 
der  Geschmack  der  späteren  Zeit  durch  die  Art,  wie  die  nTiqvysg  des 
Panzers  gebildet  sind,  nämlich  nicht  mehr  als  halbkreisförmige,  mit 
einander  verbundene,  reich  verzierte  Schuppen,  sondern  als  leblos  neben- 
einandergesetzte, kreis-  oder  nageiförmige  Plättchen,  wie  sie  mir  in 
dieser  Gestalt  bis  jetzt  nur  an  einer  grösseren  Imperatorenfigur  be- 
gegnet sind,  einer  Porphyrstatuette  des  Tnriner  Museums'),  welche 
frühestens  in  das  dritte  Jahrhundert  n.  Chr.  zu  setzen  ist.  Weiter 
aber  zeigt  sich  in  der  Darstellung  des  Beinkleides  nicht  minder  be- 
stimmt die  spätere  Kaiserzeit.  Denn  mögen  immerhin  diese  „barbara 
tegmina  crurum"  bei  Soldaten,  welche  in  kälteren  Gegenden  Europa's 
standen,  schon  früh  in  Gebrauch  gewesen  sein,  so  dürfte  die  Darstel- 


1)  Vgl.  Overbeck,  Kunstmytho!..  Zeaa,  S.  219. 

2)  Vgl.  Levozow,  Jupiter  Imperator;  Friedericbi.  Berlins  ant,  I 
n,  2129  a. 

3)  Vgl.  DütBchke,  Aut.  Bildn.  in  Oberitalien,  IV,  107. 


Statnette  eines  römischen  Kaisers  auf  Sohloss  Rheinstein.  73 

lang  derselben  an  den  doch  immerhin  einen  gewissen  idealen  Schema- 
tismus festhaltenden  Imperatorenstatuen  kaum  vor  der  Mitte  des  zweiten 
Jahrhunderts  angewandt  worden  sein.  Einen  statuarischen  Terminus 
a  quo  bin  ich  freilich  nicht  in  der  Lage  dafür  anzugeben ;  die  mir  be- 
kannten römischen  Imperatorenstatuen  entbehren  sämmtlich  der  ,,brac- 
cae'';  vielleicht  spricht  aber  gerade  dieses  argumentum  ex  silentio  für 
die  Richtigkeit  jenes  Zeitansatzes  0.  Offenbar  werden  wir  auch  unter 
den  Kaisem  dieser  Epoche  das  Vorbild  unserer  Statuette  zu  suchen 
haben.  Dieselbe  gilt,  wie  ich  höre,  als  ein  Portrait  des  Kaisers  An- 
toninus  Pius,  allein  eine  Yergleichung  mit  Münztypen  zeigt  die  Hin- 
fälligkeit jener  Deutung.  Es  genügt  ein  Blick  auf  die  langgezogene 
Form  der  Profilköpfe  jenes  Kaisers,  und  man  wird  jeden  Gedanken 
aufgeben,  dieselben  mit  dem  ausladenden  Hinterkopfe,  wie  ihn  die  Pro- 
filstellung unserer  Bronze  aufweist,  vergleichen  zu  wollen.  Vielmehr 
ist  es  der  Kopftypus  der  Söhne  des  Kaisers  Septimius  Severus,  den 
unsere  Bronze  wiedergibt'),  und  wenn  die  Entscheidung  zwischen  beiden 
für  Caracalla  ausfallen  muss,  so  zwingen  dafür  mancherlei  Gründe. 
Der  krausere  Bart,  besonders  um  Lipppen  und  Kinn,  die  breitere  Nase 
mit  ihren  gleichsam  aufgeblasenen  Flügeln,  die  eigenthümlichen,  vom 
Nasenrücken  nach  der  Stirn  sich  emporziehenden  Falten  —  sie  fallen 
merkwürdiger  Weise  an  der  Photographie  leichter  in  die  Augen  wie 
am  Original  —  vor  allem  aber  der  teuflisch  rohe  Blick  dieses  Unge- 
heuers in  Menschengestalt  sind  für  unsere  Bronze  nicht  minder  wie  für  die 
erhaltenen.  Büsten  des  Kaisers  bezeichnend.  Zwar  hat  der  Meissel  im 
Marmor  selbst  unter  so  abschreckenden  Formen  noch  eine  gewisse 
Hoheit  zu  wahren  verstanden »),  aber  den  Bronzewerken  der  Kleinkunst 
lag  es  naturgemäss  nahe,  durch  das  Zusammendrängen  der  charakte- 
ristischen Züge  in  kleinerem  Räume,  welche  ein  so  hässli^hes  Gesicht, 
besonders  von  vom  gesehen,  zeigt,  dieselben  wo  möglich  noch  greller 
vortreten  zu  lassen.    Ein  recht  sprechender  Beleg  dafür  ist  das  runde 


1)  Dass  die  Tracht  im  gewöhnlichen  Leben  bei  den  Kaisern  aus  dem  Ende 
des  zweiten  Jahrhunderts  üblich  war,  unterliegt  keinem  Zweifel.  So  fiel  es  auf, 
dass  Alexander  Severus  anstatt  mit  purpurnen  Beinkleidern  wie  seine  Vorgän- 
ger, zuerst  mit  weissen  erschien.  Vgl.  Hieronymus,  Epp.  LXIV;  Lamprid. 
Alex.  Sev.,  40. 

2)  Man  vergleiche  z.  B.  die  beiden  Köpfe  des  Caracalla  und  Geta  auf  den 
Münzen  bei  Imhoof-Blumer,  Portraitköpfe  auf  röm.  Münzen,  Taf.  II,  54 
und  57. 

3)  Vgl  £.  Braun,  Rainen  und  Museen,  S.  855. 


1 


74  Statuette  eines  FÖrniscben  EaieerB  auf  Schloae  Rheinsteic. 

Erzreltef  des  Berliner  Museums'),  welches  den  Kopf  de5  Caracalla  in 
einer  auch  stilistisch  unserer  Bronze  nahekommenden  Art  widergibt, 
und,  da  es  denselben  von  vorn  gesehen  darstellt,  zugleich  besser  als 
die  Münztypen  die  Richtigkeit  unserer  Deutung  controlirt.  Man  er- 
staunt geradezu  beim  Anblick  jenes  Reliefs,  wenn  man  sich  erinnert, 
dass  ein  Mensch  wie  Caracalla  den  Cäsarenwahn  so  weit  treiben  konnte, 
dass  er  durch  eine  änstere  Stirn  und  ein  affektirt  nach  der  linken 
Schulter  geneigtes  Haupt  —  die  erhaltenen  Büsten  bezeugen  diese 
Ueberlieferung  —  Alexauder  dem  Grossen  ähnlich  zu  sehen  meinte'), 
und  seinen  Zeitgenossen  muss  ein  solches  Gebahren  noch  weit  abge- 
schmackter vorgekommen  sein^)  als  das  des  Königs  Pyrrhos  von  Epeiros, 
der  von  einer  ähnlichen  Selbsttäuschung  nicht  frei  war*).  Die  leichte 
Neigung  freilich,  welche  der  Kopf  nach  der  linken  Schulter  macht, 
wird  man  kaum  als  einen  Hinweis  auf  die  oben  berührte  Schwäche  des 
Kaisers  betrachten  können,  dazu  ist  sie  zu  unmerkhch,  und  es  liegt 
deshalb  die  Verrauthung  nahe,  dass  die  Statuette  aufi  den  ersten  Re- 
gierungsjahren des  Kaisers  stammt,  da  seine  Begeisterung  für  den 
grossen  Macedonier  erst  von  der  Zeit  an  datirt,  wo  er  den  Leichnam 
desselben  aufsuchte,  abo  aus  den  letzten  beiden  Jahren  seiner  Regierung. 
Die  Art,  wie  der  Kaiser  in  unserer  Bronze  dargestellt  ist,  bietet 
demnach  nichts  besonders  Charakteristisches  dar,  es  sei  denn,  maa 
wollte  in  der  Beinbekleidung  eiue  Anspielung  auf  die  Vorliebe  desselben 
für  barbarische  Gewandung  erblicken,  wie  denn  in  der  That  die  Ein- 
führung eines  gallischen  oder  germanischen  Umhangs  —  wahrschein- 
lich eines  Mantels  mit  Kapuze  ~  seinen  ursprünglichen  Namen  Bas- 
sianus  vollständig  verdrängt  hat").  Im  übrigen  aber  erkennt  maa  nur 
den  auch  aus  MUnzdarstellungen  geläufigen  Typus  des  Kaisers,  dessen 
Attribut,  der  Orbis  terraium»),   besonders  von  der  Mitte  des  dritten 

1)  Abgeb.  Arch.  Zeit.  XXXVI,  Taf.  6. 

2)  Vgl.  Dio77,78;9,22;  Spart.  Carao.  0,  und  beeonderB  Viot.  Epit  XXI. 
9)  Vgl.  Spanheim,   da  usa   DumiEmatun,   Diesert.  XII,  {Vol.  II,  p.  388); 

Herodian,  IV,  8f. 

4)  Vgl.  meine  ßeroerkungen  zu  dem  Florentiner  Pyrrhoakopfe,  Arch.  Zeit. 
XXXV,  70. 

6)  Die  Archäologen,  begonderB  die  franzöBiachen  —  vgl.  z.B.  E.  Saglio 
im  Dictionnaire  des  antiquitöa,  s.  v.  Caracalla  —  pflogen  dabei  an  eine  speciell 
gajliflche  Tracht  zu  denken:  daea  jedoch  mit  mehr  Recht  an  ein  germaniecbes 
Klaidiingestück  zu  denken  sei,  versucht  zu  beweieeo  Niile,  de  bellia  ab  ADtonino 
Caracallo  in  Germania  et  Sarmatia  geatis,  aouia  212—314.  Breal.  Disa.  p.  S6. 

6)  Vgl.  Cohen,  Med.  II,  V,  1083  (HadrUn)i  XIX,  191  (Fauatina  M.);  III, 


Statuette  eines  römischen  Kaisers  auf  Sohloss  Bheinstein.  75 

Jahrhunderts  an  häufig  wiederkehrt*).  Diese  officielle  Tracht  des  Im- 
perators Hess  eben  eine  genauere.  Charakteristik  des  Individuums  nicht 
zu;  nicht  einmal  bei  den  grösseren  Imperatorenstatuen  in  Marmor 
pflegte  das  Schema  der  Figur  durch  künstlerische  Individualisirung  be- 
lebt zu  werden,  sondern  man  überliess  dies  dem  fabrikmässigen  Hand- 
werksbetriebe, dem  Künstler  blieb  die  Darstellung  des  Kopfes.  In 
diesem  concentrirte  der  römische  Kunstgeschmack  hauptsächlich  sein 
Streben  nach  Charakteristik,  und  derselbe  Geist  lässt  sich  auch  in 
unserer  Statuette  wiedererkennen.  Während  die  Behandlung  des  Kör- 
pers von  einer  gewissen  Gleichgiltigkeit  *),  die  bei  den  Beinen  der  Figur 
sogar  zu  einem  hohen  Grade  von  Dürftigkeit  herabsinkt,  nicht  frei  zu 
sprechen  ist,  zeugt  die  Wiedergabe  des  Portraits  von  einer  für  diese 
Zeit  des  Verfalls 'immerhin  achtungswerthen  Fertigkeit.  Auf  jeden  Fall 
ist  die  Art,  wie  selbst  bei  so  kleinen  Proportionen  der  abschreckende 
Charakter  des  rohen  Gesichtes  zum  Ausdrucke  kommt,  bewundernswürdig. 

Ueber  den  Zweck  der  Statuette  lässt  sich  etwas  positiv  Sicheres 
natürlich  nicht  feststellen;  das  grössere  Loch  zwischen  den  Füssen  der 
Figur  muss  aber  doch  wohl  dazu  gedient  haben,  dieselbe  auf  einer 
grösseren  Basis  zu  befestigen,  und  wenn  hieraus  ein  gewisser  selbstän- 
diger, nicht  blos  rein  decorativer  Werth  des  kleinen  Werkes  gefolgert 
werden  kann,  so  wirft  auch  dieser  Umstand  ein  neues  Licht  auf  die 
Unverwüstlichkeit  des  antiken  Kunstvermögens.  Wie  wäre  es  sonst 
möglich  gewesen,  dass  aus  der  untergeordneten  Gattung  der  Kleinkunst 
noch  im  dritten  Jahrhundert  eine  Figur  wie  die  besprochene  hätte  her- 
vorgehen können,  eine  Figur,  der  man  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
das  Prädikat  einer  edlen  Haltung  und  charakteristischen  Auffassung 
doch  nicht  versagen  kanni 

Burg  b.  Magdeburg.  Dr.  H.  Dütschke. 


I,  230  (Lucius  Verus);  V,  78  (Didius  fulianus);   IV,  VII,  198  (Gordianus);   XVI, 
717  (Gallienus);  XV,  179  (Gallienus  und  Valerianus);  XVIII,  225  (Gallienus)  etc. 

1)  Vgl.  die  Münzproben  bei  Milan i,  II  Ripostiglio  della  Venera,  Roma, 
1880,  Tav.  II,  lOflf. 

2)  Die  Ciselirung  der  Bronze  ist  nur  fluchtig  ausgeführt;  sie  beschränkt 
sich  auf  die  Nägelspuren  der  Zehen,  der  Finger  der  linken*  Hand,  der  Franzen 
an  den  Lederstreifen,  der  Gesichtstheile  und  besonders  des  krausen  Haares  und 
Bartes. 


1 


Zwei  Federüeiohnun^ea  aus  dem  X.  Jahrhundert. 


5.  Zwei  Federzeichnungen  aus  dem  X.  Jahrhundert. 


Hierzn  Taf,  IV  und  V. 

Ans  der  Bibliothek  der  Abtei  Essen  ist  ein  ureprilnglich  aus 
Coblenz  stammender  Pergamentcodes  des  X.  Jahrb.  in  die  I^andes- 
bibliothek  zu  Düsseldorf  Übergegangen  und  war  wegeu  zwfiier  in  dem- 
selben, auf  Bl.  5  befindlichen  Federzeichnungen  in  der  Abtheilung  der 
Miniaturen  des  Mittelalters  Nr.  414  (Katalog,  2.  Aufl.  S.  111)  der  Aas- 
stellung kunstgewerblicher  AlterthüiuOT  zu  Düsseldorf  ausgestellt. 

Auf  dem  unteren  Rande  des  5.  Blattes  ist  der  Inhalt  der  Hand- 
schrift in  folgenden  vier  Zeilen  angegeben : 
RabanuB  de  Institutione 
Clericorum  et  Quedam  deereta 
et  Canoaes  et  Unus  penitentia- 
lis. 
Die  Zeichnungen  stehen  mit  diesem  Inhalte  in  keinem  nachweislichen 
Zusammenhange. 

Die  erste  Zeichnung,  welche  auf  der  Vorderseite  des  Blattes  Aber 
der  Inhaltsangabe  den  ganzen  übrigen  Raum  einnimmt,  erklärt  sich 
selbst  durch  die  den  beiden  Figuren  hinzugefügten  Beischriften  „ihs  xps* 
und  „Leprosus"  als  die  Luc.  5,  12—14  erzählte  Heilung  eines  Aus- 
sätzigen durch  den  Herrn  Jesus,  eine  Darstellung,  die  schon  dem  alt- 
christlichen Bilderkreise  nicht  fremd,  gegen  Ende  des  X.  und  im  XI. 
Jahrhundert  in  den  Miniaturen  der  Eviingelienbücher  regelmässig  vor- 
kommt und  in  den  drei  wichtigsten  derselben  (dem  Codex  des  Erzb. 
Egbert  in  Trier,  dem  Echternacher  Evangeliarium  zu  Gotha  und  dem 
ebenfalls  aus  Echternach  herstammenden  Evangelistarium  in  Bremen)') 
vertreten  ist.  Das  Wunder  geschah,  als  Jesus  in  einer  Stadt  (in  una 
civüaium)  war.  Diese  Oertüchkeit  hat  der  Zeichner  in  ähnlicher  Weise, 
wie  schon  die  karolingischen  Biichermaler  die  Städte  zu  veranschau- 
lichen pflegten,  als  ein  vieleckiges,  von  einer  gezinnten  Mauer  umge- 
benes, auf  den  Ecken  mit  Vertbeidigungsthürraen  besetztes  Antemu- 

1)  S.  die  vergleichende  Deberaicht  der  Bilder  dieter  drei  Codices  von  H. 
A.  Müller  in  den  Mitthoil.  der  k.  lt.  Central-ComraiBaion  (1862)  7,  57  ff.;  ebenso 
die  mit  Abbild,  begleitete  Vergleichnng  der  Codicea  eu  Trier  u.  Gotba  von  K. 
Lamprecbt  im  LXX.  Jahrb.  S.  97  u.  Taf.  IV. 


Zwei  Federzeichnungen  aas  dem  X.  Jahrhundert.  77 

rale  dargestellt,  an  dessen  dem  Thore  gegenüber  liegenden  Seite  sich 
die  Gebäude  der  eigentlichen  Stadt  anschliessen.  Der  Aussätzige,  der 
Jesum  gesehen  hat,  wagt  es  seinen  Bann  zu  überschreiten,  und  wir 
sehen  ihn  mit  bittend  vorgestreckten  Armen  das  ihm  verbotene  Stadt- 
thor betreten.  Wie  schon  in  der  ältesten  bekannten  Darstellung  dieses 
Wunders  auf  einem  dem  Ende  des  V.  Jahrh.  zugeschriebenen  Sarko- 
phagfragmente im  Museo  Kircheriano"^),  erscheint  der  Aussätzige  nur 
um  die  Hüften  bekleidet.  Sein  stark  knochiger,  buckeliger,  hagerer, 
langer  Körper,  vom  spärlich  behaarten  Scheitel  bis  zur  Sohle,  ist  von 
den  Aussatzbeulen  wie  getigert;  in  den  Miniaturen  sind  diese  Flecken 
(maculae)  röthlich  gemalt  und  kommen  in  dem  Bremer  Codex  ebenso 
an  dem  Körper  des  armen  Lazarus  und  sonstiger  Krüppel  und  Bettler 
vor.  Trotz  des  geringen  Costüms  trägt  er,  wie  die  Aussätzigen  in 
den  Handschriften  zu  Trier  und  Gotha,  an  einer  über  die  linke  Schul- 
ter gehängten  Schnur  ein  Hifthorn  an  der  Seite,  ohne  Zweifel  um 
Vorübergehende  schon  aus  der  Ferne  durch  Signale  vor  der  Gefahr 
der  Ansteckung  zu  warnen.  So  suchen  in  Ulrichs  von  Lichtenstein 
,^rauendienst^'')  bettelnde  Aussätzige  dadurch  Aufmerksamkeit  zu  er- 
regen, dass  sie  an  ihre  hölzernen  Näpfe  klopfen,  und  auf  Glasgemäl- 
den im  Dome  zu  Bourges  tragen  die  Aussätzigen  zu  gleichem  Zwecke 
Holzklappern  in  den  Händen.  —  In  derselben  Haltung  wie  am  Thore 
ist  der  um  Hilfe  bittende  Elende  nochmals  im  Innern  der  Stadt  dar- 
gestellt, wo  sich  ihm  Jesus  (doch  etwas  vorsichtig)  entgegenneigt  und 
sein  Kinn  mit  den  Fingerspitzen  der  Hand  des  ausgestreckten  rechten 
Armes  berührt,  indem  er  ihn  durch  das  begleitende  Wort:  Ich  will 
es  thun,  sei  gereinigt,  von  dem  Aussatze  heilt.  Beide  Figuren  stehen 
auf  hügeligem  Boden  einander  gegenüber  und  sind  sehr  lang  gehalten. 
Denkt  man  sich  den  Aussätzigen  in  aufgerichteter  Stellung,  so  ist  er 
grösser  als  der  Heiland  und  Ifbinahe  riesenhaft,  während  in  den  ge- 
nannten Miniaturwerken  die  Aussätzigen,  obgleich  sie  etwas  ausreichen- 
der bekleidet  sind,  als  kümmerliche  Gestalten  erscheinen,  und  die  früh- 
romanische Kunst  die  höhere  Natur  Jesu  sonst  gern  durch  seinen  hö- 
heren Wuchs  anzudeuten  liebt.  Jesus  ist  unserem  Zeichner  nicht  der 
holde  Ephebos  der  altchristlichen  Kunst,  wie  er  zum  TheiP)  noch  in 
dem  Gothaer  Codex  erscheint;  er  ist  zwar  bartlos,  doch  noch   mehr 

1)  Yiotor  Schnitze,  Archäol.  Studien  (1880)  S.  264.  266. 

2)  Ansg.  V.  Lachmann  829—885.    Yergl.  Alw.  Schnitz,   das   höfische 
Leben  z.  Z.  der  Minnesänger  1,  409. 

8}  Nach  Lamp  recht's  Bezeichnung  „von  der  Hand  a'*  (a.  a.  0.  Taf.  III). 


Tä- 


n  Zwei  Federteicbnongea  aus  dem  X,  Jahrhundert. 

ge&ltert  dargestellt,  als  in  den  Miniaturen  der  andern  Hand  (b  bei 
Lamprecht)  in  demselben  Codes,  und  keineswegs  als  der  schönste 
unter  den  Menschenkindern,  sondern  fast  hässlich  und  dem  Crucifixus 
einer  aus  dem  Kloster  Turfa  stammenden  Bibelhandscbrift  desX.  Jahrh. 
in  der  Vaticana')  ähnlich,  nur  mit  grösserem  Kopfe.  Die  Kleidung 
ist  die  gewöhnliche  antikisirende;  der  ganze  Habitus  aber  mit  dem 
von  weit  geölTneten  Mantel  und  dem  weithin  rückwärts  äattemden 
breiten  Leibgürtel  erinnert  mehr  an  die  typische  Darstellungsweise 
des  triumphirenden  Erlösers  bei  der  Höllenfahrt,  Auferstehung  and 
Erhöhung  in  den  Himmel,  und  ganz  besonders  durch  den  ihn  hoch 
Oberragenden  Kreuzstab,  den  er  in  der  linken  Hand  hält*).  Dieses 
spater  mit  einem  Wimpel  versehene  sog.  Triumpbkreuz  ist  eine  frQh- 
mittelalterliche  Umwandelung  des  gertenartigen  Stabes,  der  auf  alt- 
christlichen Darstellungen  das  stete  Symbol  der  thaumaturgischenThS- 
tigkeit  Christi  bildet  und  bereits  bei  verschiedenen  Wmiderdarstellun- 
gen  auf  frühmittelalterlichen  Elfenbeinreliefs  als  Kreuzstab  erscheint»). 
Letzterer  ist  auf  unserem  Bilde  möglichst  unkörperlich  als  feine,  fast 
verschwindende  Linie  gezeichnet,  wodurch  angedeutet  sein  könnte, 
dass  derselbe  nicht  als  Realität,  sondern  nur  als  Symbol  verstan- 
den werden  soll.  Aehnlich  könnte  es  sich  auch  mit  der  Durchsichtig- 
keit  des  Nimbus  verhalten,  der  von  einer  senkrechten  Linie  der  im 
Hintergrande  dargestellten  Architectur  zerschnitten  erscheint,  was  frei- 


1)  Vei^l.  Jiirbacb  XLIV.  T.f.  XII. 

2)  Mit  dem  Ereautabe  erscheint  Jeeug  c.  B.  bei  der  Himmelfahrt  in  dem 
Bremer  Evangelistarium  (H.  A.  Müller  a.  i.  0.  S.  G5  Nr.  35j  uod  in  einem 
B»mber(ter  MiMale  aus  dem  XI.  Jahrhundert  (Kugler,  Kl.  Sehr.   I,  91). 

3)  Gori,  Tbesaur.  vett.  dipt.  III.  Tab  VUI.  XXHI-  XXIV;  Hahn,  Fünf 
Elfenbcingensas  dea  früh.  M.-A.  Taf,  III.  ^und  sonst.  ^  Indem  wir  diese  Ci- 
tate  TOD  Victor  Scholtie  (a.  a.  O.  S.  60)  entlehnen.  Termöyeo  wir  ddb  doch 
nicht  die  daselbst  vorgetragene  Ansicht  aatueignea,  dass  der  Stab  in  der  Hand 
des  wunderthitigen  Jesus  eine  Uebertra^ng  der  virgula  divina  heidoischer  Thau- 
maturgen  oder  gar  des  eaduoeus  Hermae  in  die  christliche  Kunst  sein  soll;  der 
biblische  Ursprung  erscheint  uns  ganz  nntweifelhaft:  denn,  wenn  Mose«  (als 
Typus  Christi)  mit  der  ..virga  domini"  das  Quellwuuder  (Esod.  IT)  vorrichtet, 
nnd  die  allchristlicbe  Kunst  statt  des  Moses  hier  Christum  unter  dem  Symbol 
de»  Lammes  oder  in  eigener  Person  stibstituirt,  so  erkennen  wir  in  dem  Stabe,  wo- 
mit das  Lamm  lebendiges  Wasser  aus  dem  Felsen  schlägt,  oder  Christus  selbst 
diese«  und  ander«  Wunder  verrichtet,  lediglich  den  Stab  Mose.  —  Beiläufig  fallt 
hierdurch  auch  Licht  auf  das  Ereutfäholeia  in  der  Darstellung  dra  Gotteslammes, 
wolohea  ebanTalls  auf  den  Stab  Mose  lurücksuführen  sein  wird. 


Zwei  FedeneiobnuDgen  aas  dem  X.  jAhrhondert.  79 

lieh  auch  nur  zufäUig  sein  könnte.  Das  typische  Ereuz  auf  dem  Hei- 
Ugenschein  entspricht  in  ungewöhnlicher  Weise  nicht  dem  Gentrum 
des  Kreises,  sondern  der  Mitte  des  Kopfes  Christi. 

Weniger  leicht  ist  die  Erklärung  des  anderen,  auf  der  Rttckseite 
des  Blattes  befindlichen  figurenreichen  Bildes,  da  hier  die  Namen  der 
dargestellten  Personen  nicht  hinzugefügt  sind.  Es  handelt  sich  indess 
um  Vorgänge  aus  der  evangelischen  Geschichte,  und  zwar  um  Wunder 
Jesu,  da  derselbe  zweimal  vorkommt,  das  eine  Mal  gekennzeichnet 
durch  den  Kreuznimbus,  das  andere  Mal  durch  den  thaumaturgischen 
Kreuzstab.  Der  Schauplatz  ist  wiederum  eine,  und  zwar  grösser  ge- 
zeichnete Stadt;  es  kann  aber  wohl  kein  Vorgang  auf  offener  Strasse 
gemeint  sein,  da  hiezu  die  Situation  der  Hauptpersonen  nicht  passt, 
weder  der  auf  erhöhtem  Sitze  mit  dem  Gestus  der  Anrede  lehrende 
Christus,  noch  die  ihm  gegenüber,  ebenfalls  erhöht  sitzende  vornehme 
Versammlung.  Wenn  wir  uns  dagegen  gestatten,  die  Scene  in  den 
geschlossenen  Raum  der  Synagoge  zu  verlegen,  so  erbalten  wir  eine 
der  Erzählung  im  Evangelium  Lucae  6,  6  —  12  nicht  bloss  anzupas- 
sende, sondern  eine  höchst  anschauliche  Illustration  derselben.  Der 
einfache  Bibeltext  giebt  die  beste  Erklärung :  der  Herr  lehrte  an  einem 
Sabbath  in  der  Synagoge,  und  es  war  daselbst  ein  Mensch,  dessen 
rechte  Hand  war  verdorret.  Die  Schriftgelehrten  und  Pharisäer  aber 
beobachteten  ihn,  ob  er  am  Sabbath  heilen  würde,  um  etwas  zu  finden, 
womit  sie  ihn  verklagen  könnten.  Er  aber  wusste  ihre  Gedanken  und 
sagte  zu  dem  Menschen,  der  die  verdorrte  Hand  hatte :  Stehe  auf  und 
tritt  vor  (Vulg. :  Surge  et  sta  in  medium).  Und  er  stand  auf  und  trat 
hin  {et  surgens  stetit).  Jesus  aber  sprach  zu  jenen:  Ich  frage  euch, 
ob  es  erlaubt  ist,  am  Sabbath  wohl  zu  thun  oder  übel,  eine  Seele  zu 
erretten  oder  zu  verderben,  und  nachdem  er  sie  rings  alle  angesehen 
hatte,  sagte  er  zu  dem  Menschen :  Strecke  deine  Hand  aus.  Und  er 
streckte  sie  aus,  und  seine  Hand  war  hergestellt.  Sie  aber  wurden 
ganz  unsinnig  und  besprachen  sich  unter  einander,  was  sie  mit  Jesu 
thun  möchten.  Nach  dem  Parallelberichte  des  Marcus  (3, 6}  fand  diese 
Berathschlagung  statt,  als  die  Pharisäer  hinausgingen,  wie  dies  im 
Vordergrunde  unseres  Bildes  in  einer  zweiten  Scene  dargestellt  ist. 
Das  einzige  Befremdliche  könnte  sein,  dass  unter  den  sitzenden  Schrift- 
gelehrten  sich  zwei  befinden,  die  offenbar  einen  königlichen  Stimreifen 
tragen  und  vielleicht  dadurch  als  Hohepriester  (vergl.  Exod.  29,  6) 
bezeichnet  werden  sollen,  oder  als  Herodianer,  die  nach  Marcus  mit 
den  Pharisäern  gemeinschaftlich  wider  Jesum  conspirirten. 


80  Zwei  Federzeichnungen  aus  dem  X.  Jahrhoodert. 

Aus  altchriatlicher  Zeit  ist  uosere»  Wissens  keine  bildliche  Dar- 
stellung dieses  Wuntiera  bekannt,  und  auch  in  den  genannten,  fast 
gleichzeitigen  drei  ßilderhandschriften  kommt  es  nur  einmal  vor,  und 
zwar  in  dem  Codex  Egbfrti');  wir  miissen  aber  bedauern,  dass  uns 
durch  Ungunst  der  Umstände  leider  eine  Vergleichung  nicht  möglich 
geworden  ist.  Auf  unserem  Bilde  erscheint  der  Mann  mit  der  durch 
einen  schwarzen  Fleck  auf  der  Fläche  als  krank  bezeichneten  ver- 
dorrten Hand  in  derselben  stattlichen  Tracht  wie  die  Schriftgelehrten, 
und  als  ob  er  aus  ihrer  Mitte  auf  die  Aufforderung  Jesu  aufgestanden 
und  vorgetreten  wäre.  Das  spätere  Mittelalter  folgt  bei  der  Darstel- 
lung dieses  Wunders  den  apokryphen  Berichten  des  Evangeliums  der 
Nazarener  und  Ebioniten  (bei  Hieron,  Üb.  2  comment.  in  Matth.  12, 
13),  wouach  der  Mann  mit  der  verdorrten  Hand  seines  Zeichens  ein 
Steinmetz  oder  Maurer  gewesen  sein  soll'),  und  z.B.  auf  einem  Holz- 
schnitte aus  dem  SV.  Jahrh.  ist  er  demgemäss  im  Handwerkerkleide 
mit  der  Mauerkelle  und  der  Kalkmulde  dargestellt'). 

unerklärt  sind  noch  geblieben  die  beiden  Figuren  im  Mittelgrunde 
des  Bildes;  Jesus  mit  dem  Kreuzatabe  und  ein  vornehmer  Bittsteller 
vor  ihm.  Letzterer  steht  auf  den  Zinnen  der  Stadtmauer,  was  zwar 
an  den  apokryphen  murarius  oder  caementarius  erinnern,  aber  auch 
zufällig  seiu  könnte;  er  gleicht  indess  in  seinem  ganzen  Habitus  und 
seiner  vornehmen  Tracht  nicht  entfernt  einem  Handwerksmanne,  ent- 
schieden dagegen  demselben  Schriftgelehrten,  an  welchem  Jesus  das 
Wunder  verrichtete,  und  werden  wir  also  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir 
hier  die  Darstellung  einer  Scene  aus  der  apokryphen  Vorgeschichte 
dieses  Mannes  zu  erkennen  meinen.  Ob  der  Zeichner  zufällig  oder 
absichtlich  die  Hände  dieser  Figur  unkenutlich  gelassen  hat,  lässt  sieb 
nicht  sagen,  Jesus,  der  beiläufig  hier  in  der  Hässlichkeit  seines  kleinen 
Gesichtes  frappante  Aehnlichkeit  mit  dem  Grucifisus  aus  Farfa  hat, 
scheint  sich  dem  Anliegen  des  Bittstellers  gegenüber  nicht  entgegen- 
kommend zu  verhalten,  sein  ganzer  Gestus  deutet  vielmehr  auf  Er- 
theilung  einer  Ermahoung  oder  gar  auf  Zurückweisung  hin.  Hinzu- 
fagen wollen  wir  noch,  dass  nach  apokiyphischen  Erzählungen  (Ev. 
Thom.  c.  14.  15;  Ev.  inf.  Arab.  c.  49)  der  Knabe  Jesus  einen  Lehrer, 

1)  Blatt  23b;  vergL  Likmprecht  a.  a.  0.   S.  66. 

2)  Vcrgl,  ßud.  Hofmann,  du  Leben  Jeau  nach  den  Apokrypheo.  Lpzg. 
1861.  S.  209. 

8)  Vergl.  N.  Mittfaeil.  des  Thüring.- Sachs.  AlterthumsTcreiiu  XV.  2,  43. 
Nr.  «7. 


Zwei  Federzeichnungen  aot  dem  X.  Jahrhundert.  Sl 

der  ihn  im  Zorn  geschlagen  hatte,  durch  Verdorrung  der  Hand  be- 
strafte, ebenso  wie  ein  anderes  Mal  einer  seiner  Spielgefährten,  der 
Sohn  eines  Schriftgelehrten,  weil  er  ihn  der  Sabbathschändung  ge- 
ziehen hatte,  zur  Strafe  auf  Befehl  Christi  (wie  der  unfruchtbare  Fei- 
genbaum) verdorrete.  Auf  vieles  Bitten,  so  lautet  ein  Zusatz  der  Pa- 
riser Handschrift  des  Thomasevangeliums,  Hess  sich  Christus  erweichen, 
den  verdorrten  Knaben  wieder  gesund  zu  machen  bis  auf  ein  Glied, 
die  Hand,  welche  zur  Nachachtung  verdorrt  blieb  ^).  Dieser  Zusatz 
ist  offenbar  aus  dem  Streben  hervorgegangen,  eine  passende  Vorge- 
schichte zu  der  evangelischen  Erzählung  zu  erzielen,  und  der  Zeichner 
unseres  Bildes  dürfte  nicht  unwahrscheinlich  alle  diese  verschiedenen 
apokryphen  Züge  mit  einander  confundirt  haben  zur  Composition  des 
Zusammentreffens  Christi  mit  dem  Manne  auf  den  Mauerzinnen. 

Unserer  Erklärung  des  Gegenständlichen  der  beiden  Bilder  fügen 
wir  noch  ein  kurzes  Wort  hinzu  über  die  Technik  und  den  künstleri- 
schen Gehalt  derselben.  Die  Zeichnung  ist  mit  der  Rohrfeder  gemacht, 
doch  ist  zu  den  consequent  richtigen  Schattenangaben  auch  der  Pinsel 
benutzt.  Das  Streben  nach  perspectivischer  Anordnung  ist  ersichtlich. 
Die  Figuren  sind  meist  langgestreckt  und  hager,  fast  buckelig;  die 
Posen  drücken  bei  aller  Mangelhaftigkeit  der  zum  Theil  verdrehten 
Figuren  und  ihrer  Glieder,  der  Hände  und  der  überall  unbekleideten 
Füsse,  stets  das  aus,  was  der  Zeichner  hat  sagen  wollen.  Die  anti- 
kischen Gewänder  haben  theilweise  übertriebenen  und  zu  feinen  Fal- 
tenwurf. Das  Unterkleid  ist  über  den  Hüften  wulstartig  gegürtet  ^),  und 
der  flatternd  wehende  Gürtel  der  Christusfigur  auf  dem  ersten  Bilde 
erscheint  besonders  charakteristisch.  Vorzüglich  und  in  jeder  Bezie- 
hung  gelungen  ist  die  reiche  Gruppe  der  sitzenden  Schriftgelehrten 
auf  dem  zweiten  Bilde.  Wer  möchte  etwas  auszusetzen  finden  an 
diesen  sinnlichen  und  dabei  individualisirten  Gestalten  mit  den  glatten 
Gesichtern,  wie  sie  halblaut  oder  flüsternd  mit  einander  debattiren! 
Gleich  vortrefflich  ist  auch  die  Gruppe  unter  dem  Thore.  —  Man  rauss 
diese  sicherlich  ganz  ohne  Ansprüche  hingeworfene  Leistung  aus  dem 
verrufenen  X.  Jahrhundert  in  der  That  nur  bewundern,  auch  ohne 
dieselbe  genügend  erklären  zu  können. 

Merseburg.  Dr.  theol.  H.  Otte. 


1)  Hofmann  a.  a.  0. 

2)  Der  Ausstellungskatalog  weist  deshalb  auf  eine  bestimmte  Mgde   des 
X.  Jahrh.  bin. 

6 


Eine  Münzeammlang  ans  römucheT  Zeit. 


6.  Eine  Münzsammlung  aus  römischer  Zeit. 

IViena  Tafel  VI,  Fig.  1—3. 

Vor  Kurzem  erwarb  ich  hier  in  Bonn  einen  Münzfund,  über 
dessen  genauen  Fundort  leider  keine  zuverlässigen  Notizen  zu  erlangen 
waren.  Die  MitUidlungen,  welche  mir  wurden,  besagen,  dass  diese 
Münzen  schon  vor  langen  Jahren  beim  Bau  der  Bonn-Kölner  Eisenbahn 
ganz  in  der  Nähe  von  Bonn  an's  Tageslicht  kamen;  diese  Nachricht 
erhielt  durch  das  Aussehen  der  Münzen  eine  Bestätigung,  denn  die 
grösseren  Kupferstücke  waren  an  den  erhabenen  Stellen  alle  ganz  zer- 
krazt,  auch  war  das  glänzend  gewordene  Metall  noch  zum  Theil  ab- 
gerieben, während  die  tiefer  liegenden  Stellen  der  Münzen  eine  Oxy- 
dationsschicht zeigten.  Das  Oxyd  selbst  war  auch  durch  das  lange 
Trocknen  an  der  Luft  weit  härter  geworden,  als  dies  bei  eben  der 
Erde  entnommenen  Stücken  der  Fall  zu  sein  pflegt. 

Es  fanden  sich  im  Ganzen  46  Münzen. 

Das  älteste  Stück  ist  ein  Quinar  von  Titus,  R.  Victoria,  jedoch 
von  so  schlechter  Erhaltung,  dass  ich  für  die  richtige  Bestimmung 
nicht  einsteben  kann;  dann  folgen  5  Grosserze:  1  von  Hadrian,  2  von 
Antonin,  1  von  M.  Anrel,  sowie  ein  unleserliches,  dann  ein  Mittelerz 
von  Antonin,  alle  von  schlechter  Erhaltung. 

Ein  gefütterter  (fourr^e)  Denar  von  Julia  Domna  befindet  sich 
auch  leider  in  sehr  schlechtem  Zustande;  die  Münze  hat  ihren  R.  dem 
Caracalla  entlehnt,  und  ist  somit  als  monströses  Gebilde  von  einigem 
Interesse.  Der  Av.  hat  das  Brustbild  nach  rechts  mit  der  Umschrift 
IVLIA  AVGVSTA,  der  U.  Coh.  Caracalla  57.  FORT  RED  PM  TR  P  X I M I 
COS  III  PP,  nach  links  stehende  Fortuna.  Cohen  bringt  diese  Münze 
nicht,  spricht  sich  aber,  gerade  bei  Jul.  Domna  S.  341  dahin  ans, 
dass  er  soviel  wie  möglich  vermeide,  diese  Art  Münzen,  welche  er 
Medailles  hybrides  nennt,  zu  beschreiben,  weil  dieselben  für  die  oifi- 
cielle  Münzprägung  ohne  Bedeutung  wären;  die  Münze  kennzeichnet 
sich  also  in  doppelter  Weise  als  FalschmUnze. 

Ein  Denar  von  Sev.  Alesander  Coh.  119  und  ein  Antoninian 
von  Philippus  I.  Coh.  9  sind  von  guter  Erhaltung,  aber  sonst  ohne 
Bedentang. 

2  Antoniniane  resp.  Kleinerze  von  Gallien  sind  durch  ihre  Grösse 


Eine  Münzsammlung  aus  römischer  Zeit.  83 

bemerkenswerth ;  Coh.  58  hat  Gr.  6V2  des  Coh.  Münzmessers  oder 
2,65  cm ;  die  beprägte  Fläche  ist  dabei  nicht  grösser  als  sonst,  *aber  der 
Rand  ist  von  seltenem  Umfange.  Das  andere  Exemplar,  dessen  R. 
sehr  gelitten  hat,  hat  Gr.  6  nach  Coh. 

Besonders  beachtenswerth  sind  5  Münzen  des  Postumus,  in 
Billon. 

1.  A.  POSTVMVS  PIVS  FELIX  AVQ.  Belorbeerte  Büste  des  Kai- 
sers nach  links,  den  ebenfalls  belorbeerten  Eopf  des  Hercules  thcilweise 
deckend. 

R.  CASTOR.  Castor,  mit  der  Diosknrenmütze,  sonst  unbekleidet, 
wenn  man  von  einem  Mantel  absieht,  der  nur  lose  umgeschlungen  von 
einem  Bande  über  der  Brust  gehalten  wird,  den  sichtbaren  Körper 
aber  nicht  bedeckt.  Er  steht  etwas  nach  rechts  gewendet  vor  seinem 
nach  rechts  schreitenden  Pferde,  welches  er  mit  der  linken  Hand  am 
Zügel  fasst,  während  er  in  der  rechten  Hand  einen  langen  Stab  oder 
eine  Hasta  hält,    Taf.  VI,  ¥\g.  1. 

Cohen  giebt  unter  Nr.  6  auch  eine  Münze  von  Postumns  mit  dem  R. 
Gastor,  jedoch  zeigt  ein  Blick  auf  die  Abbildung  bei  de  Witte  (Recherches  sur 
les  empereurs  qni  ont  regn6  dans  les  Oanles,  Lyon  1868)  Nr.  14,  dass  die  Auf- 
fassung eine  ganz  andere  ist;  denn  hier  steht  Pferd  und  Dioskur  nach  links, 
auch  ist  Castor  in  Soldaten-Kleidung  dargestellt. 

2.  A.  Dieselbe  Umschrift,  aber  die  Köpfe  nach  rechts. 

B.  HERCVLI  ARGIVO;  Hercules  nach  links  im  Kampf  mit  der 
Hydra,  Coh.  48. 

Dieses  sehr  seltene  Stück,  de  Witte  68,  gehört  zu  dem  so  gesuchten  Cyclus 
der  Postnmus-Münzen,  auf  welchen  die  12  Tbaten  des  Hercules  dargestellt  sind. 
Vergl.  Heft  LIII  S.  363  ff. 

3.  A.  Dieselbe  Umschrift  und  Darstellung. 

R  HERCVLI  DEVSONIENSI;  nur  mit  der  Löwenhaut  bekleidete 
Büste  des  Hercules  nach  links.  Der  Kopf  der  Löwenhaut  bedeckt  das 
Haupt  der  Büste^  während  die  Vorderbeine  über  die  Schultern  nach* 
vorne  gezogen  sind,  wo  die  Tatzen  auf  der  Brust  in  einem  Knoten 
enden ;  in  der  sichtbaren  rechten  Hand  trägt  Hercules  auf  der  rechten 
Schulter  die  Keule,  deren  Ende  hinter  dem  Kopfe  sichtbar  ist.  Taf.  VI  Fig.  2. 

Eine  der  besprochenen  ähnliche  Münze  hat  s.  Z.  Herr  Senckler  besessen, 
De  Witte  74  und  Cohen  VHI  14  kennen  nur  dies  eine  Exemplar;  wenn  die 
Beschreibung  bei  de  Witte  von  unserer  abweicht,  so  mag  dies  in  der  weniger 
guten  Erhaltung  jenes  Stückes  seinen  Grund  haben,  wie  ans  der  Abbildung  bei 
de  Witte  und  derjenigen  im  XV.  Heft  unserer  Jahrb.  erhellt,  woselbst  Herr 
Senokler  jun.  diese  Münze  bespricht.    Der  Knoten  auf  der  Brust  iet  hier  nicht 


B4  Eine  Miiazsanunlung  nus  römisclier  Zeit. 

Bichtbar,  ebeneo  fehlt  die  Hand;  hierdurch  verleitet  hält  de  Witte  die  Liaietj, 
welche  die  Beine  der  Lövenliaut  bilden,  für  die  Keule. 

Dasa  wir  io  der  BeTieichnuDg  „DeueonioDBia"  BeKiehungec  auf  eine  Btadl  zu 
Buchen  haben,  wird  heute  kaum  nodi  ein  Numiamatiker  bezweifeln;  welchen 
Ort  wir  aber  annehmen  sollen,  ist  noch  immer  eine  Frage,  und  schwer  wird  es 
zu  entscheiden  sein,  ob  Duisburg  oder  Deut«  die  Ehre  des  Ilerciiles-Tempola 
Kiixuscbreibcn  sei.  (S.  Jahrb.  XV.  S.  l&f>.)  Im  Hinblick  Buf  die  grossartif^en 
Reste  römischer  Zeit,  welche  Herr  Obtrst  Wolf  in  Jahrb.  LXVIII  S.  13  be- 
kannt gemacht  hat,  möchte  ich  mich  allerdings  für  Deutis  entBcboidcii.  (S-  auch 
Num.  Chron.  1865.  Part.  II  S.  84). 

Diese  Münze  war  im  Funde  in  zwei  recht  guten  Exemplaren 
vertreten,  eines  befindet  sich  jetzt  in  der  Sammlung  des  Herrn  Rader- 
schatt  in  Köln. 

4.  A.  Dieselbe  Umschrift;  die  Köpfe  nach  links. 

E,  HILARITAS  AVG,  stehende  Frau  mit  Failhorn  und  langem 
'Palmzweige,  zu  ihren  Füssen  an  jeder  Seite  ein  Kind, 

Das  einzige  bis  jetzt  bekannte  Buemplar  dieser  Münze  publicirte  Herr 
Dr.  Bonvier  im  Jahrb.  LHl  S.  263,  woselbst  dieselbe  auch  Taf.  XVII.  3  sbge- 
bildet  ist. 

5.  Quinargrösse ;  A.  POSTVMVS  AVG,  die  sich  deckenden  belor- 
beerten  Köpfe  des  Kaisers  und  des  Hercules  nach  rechts. 

R.  SALVS  AVG,  Aesculap  nach  links  sehend,  einen  Stab  haltend, 
am  welchen  sich  eine  Schlange  windet,  Coh.  159.  S.  Jahrb.  LIII S.  264. 

Ausserdem  fand  sieb  von  Postumus  ein  Kleinerz  mit  dem  R.  COS  IM! 
von  sehr  schlechter  Erhaltung. 

Victorin  war  neben  3  Kleinerzen  (2  mit  salus,  1  mit  Victoria) 
durch  eine  Billon-  oder  stark  versilberte  Erz-Münze  von  schöner  Präge 
und  vorzüglicher  Erhaltung  vertreten: 

A.  IMP  C  VICTORINVS  PF  AVQ,  Büste  mit  der  Strahlenkrone  nach 
links,  einen  Schild,  und  in  der  sichtbaren  rechten  Hand  ein  Scepter  haltend. 

R.  FORT  REOVX,  nach  links  sitzende  Fortuna,  eia  Füllhorn  und 
Ruder  haltend;  an  den  Stuhl  ist  ein  Rad  angelehnt.    Taf.  VI,  Fig.  3. 

Cohen  26  und  de  Witte  2S  kennen  eine  Münze  mit  dem  üblicbenKopf 
des  Victorin  und  dem  angeführten  B.  Die  Torzügliche  Arbeit  des  At.  macht 
aber  das  besprochene  Exemplar  zu  einem  ebenso  seltenen  wie  schätzenswerthen. 

Von  Claudius  II  (consecratio)  Quintill  (securit  aug.),  Aurelian 
{Coh.  200  Abschn.  A.)  und  Severina  (Coh.  7  Abachn.  BL),  ist  je  eine 
Münze  zu  verzeichnen. 

Dagegen  hat  Tetricus  I  wieder  einige  sehr  heachtenswerthe  Stücke 
geliefert. 

1.  A.  IMP  TETRICVS  PIVS  AVG.  Belorbeerte  Büste  nach  rechts. 


Eine  Münzsammlung  aas  römisober  Zeit.  85 

^  R.  COMES  AVG,  Victoria  nach  links  stehend,  Palme  und  Kranz 

haltend. 

Diese  anscheinend  in  reinem  Silber  geschlagene  Münze  war  in  8  Exem- 
plaren Yorhanden.  (Eines  kam  in  die  Sammlung  Raderschatt,  das  andere  er- 
warb Herr  H.  Hofifmann  in  Paris.)  Cohen  beschreibt  diese  Münze  unter  Nr.  4; 
de  Witte  kennt  nur  ein  Exemplar.  In  der  Auction  Moustier,  Paris  1872,  Nr. 
3418,  erzielte  dieselbe  den  hohen  Preis  von  181  fr. 

2.  Av.  Dieselbe  Umschrift  und  Darstellung. 
B.  SPES  PVBLICA.    Spes  nach  links  schreitend,  eine  Blume  in 
der  Hand  haltend. 

Die  Kopfseite  dieser  Münze  ist  der  vorhergehenden  sehr  ähnlich;  auch 
ist  dieselbe  von  reinem  Silber  oder  doch  sehr  stark  silberhaltigem  Billon  her- 
gestellt. Cohen  beschreibt  dieselbe  YII  52  nach  de  Witte  in  Billon,  während 
de  Witte  ausdrücklich  von  einer  Silbermünze  der  Berliner  Sammlung  spricht, 
144a.  Jul.  Friedländer  behandelt  diese  Münze  im  8.  Heft  der  „Berliner 
Blätter  für  Münz-,  Siegel-  und  Wappenkunde"^  III.  Bd.  S.  165,  und  tritt  für  ihre 
Aeohtheit  auch  in  Bezug  auf  das  Metall  ein ;  daselbst  wird  Taf.  XXXYIII  Fig.  1 1 
eine  Abbildung  gegeben. 

Eine  Erzmfinze  von  Tetricus  mit  der  Strahlenkrone  und  dem  R. 
HILARITAS  AVGQ  fand  sich  auch  vor. 

Tacitus  war  siebenmal  vorhanden,  und  zeichnen  sich  einige  Exem- 
plare auch  durch  ihre  Grösse  aus,  ohne  indess  den  Münzen  des  Gal- 
lien hierin  gleich  zu  kommen :  2  Ex.  pax  publica  Coh.  82  ohne  Buch- 
staben im  Abschn.;  1  Ex.  Providentia  aug.  Cioh.  93  desgleichen;  2  Ex. 
spes  publica  Coh.  111  im  Abschn.  beide  CA;  2  Ex.  temporum  feli- 
citas.  Cioh.  115  mit  einem  Stern  im  Felde  und  I  im  Abschn.;  endlich 
Coh.  116  mit  AA  im  Felde. 

Von  Florian  1  Ex.  mit  dem  R.  Virtus  augusti.  Coh.  85,  im 
Abschn.  II.  Zum  Schluss  bleiben  6  Münzen  des  Probus  zu  erwähnen: 
Aequitas  aug.  Coh.  147  im  Abschn.  XXI  im  Felde  f,  felicit  temp. 
Coh.  260  im  Abschn.  II;  fides  militum  Coh.  273  im  Abschn.  III;  Jovi 
Conservat.  Coh.  295  im  Abschn.  llXXr  (?);  laetitia  augusti  Coh.  312 
im  Abschn.  IUI,  und  als  letzte  Av.  Virtus  Probi  aug.  Büste  nach  links 
mit  Helm  (um  welchen  die  Strahlenkrone),  Schild  und  Speer,  R.  virtus 
aug.  Coh.  506  im  Abschn.  IUI.  Auch  unter  diesen  Münzen  des  Pro- 
bus zeichnen  sich  einige  durch  ihre  Grösse  aus. 

Ausser  diesen  Münzen  wurden  mir  zwei  5,5  und  6,5  cm  lange 
Bronzegegenstände,  als  zu  dem  Funde  gehörig  übergeben.  Es  schei- 
nen symboUsche  Nachbildungen  einer  Axt  und  einer  Wegehacke  zu 
sein;   ähnliche  Gegenstände  kommen  als  sog.  Mithras-Symbole  zuwei- 


Eine  HSnctaminlaiig  «ii  r&miiobM  Zait, 


len  am  Rbdn  vor,  Jedoch  gehören  gerade  diese  za  den  aeUener  ge- 
fundenen. 

Wenn  wir  diesen  Fund  mit  dem  von  Dr.  Bouvier  im  LIII.  Jahrb. 
besprochenen  vergleichen,  so  wird  Jedem  die  überaus  grosse  Aehnltch- 
keit  der  Zusammensetzung  auffallen,  eine  Uebereinstimmung  die  so  in 
die  Augen  fallend  ist,  dass  ich  mich  der  Vermutlmng  nicht  entziehen 
kann,  dass  wir  es  heute  mit  einer  damals  zurückgehaltenen  Hälfte 
desselben  Fundes  zu  thun  haben.  Jedenfalls  kann  man  aber  an- 
nehmen, dass  wir  einen  Grabfund  vor  uns  sehen;  ea  spricht  hierfür 
nicht  allein  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Bouvier'schen  Funde,  dessen 
Eigenschaft  als  Grabfund  ja  nachgewiesen  wurde,  sondern  auch  die 
Auswahl  der  Münzen.  Grosserze  des  zweiten  Jahrhunderts  waren  zur 
Zeit  des  Probus  ohne  Zweifel  Seltenheiten,  dass  die  Postumus-Münzen 
mit  zwei  Köpfen  auf  dem  Av.  auch  schon  in  römischer  Zeit  selten 
waren,  braucht  kaum  gesagt  zu  werden,  dasselbe  gilt  von  der  Billon- 
Münze  des  Victorin  und  den  Silber-Stücken  des  Tetricus;  aber  auch 
in  der  Auswahl  der  häufiger  vorkommenden  Münzen  hat  man  haupt- 
sächlich die  durch  besondere  Grösse  ausgezeichneten  berücksichtigt. 
Meine  Ansicht,  ihiss  mit  Grabfunden  zu  Tage  geförderte  Münzen,  wenn 
auch  meist  von  geringer  Zahl,  doch  häufig  vorzügliche  Stücke  ent- 
halten, habe  ich  in  dieser  Zeitschrift  schon  mehrfach  ausgesprochen; 
S.  Jahrb.  LIX  S.  47  u.  LXVI  S.  165. 

Im  Hinblick  auf  die  merkwürdige  Zusammcusetzung  des  Fundes 
wird  man,  so  hoffe  ich,  die  etwas  gewagte  Uebei'schrift  dieser  Bespre- 
chung gerechtfertigt  finden,  und  so  schliesse  ich  mit  der  angenehmen 
Ueberzenguug,  dass  mancher  Numismatiker  mich  dieses  letzten  Zu- 
wachses meiner  Sammlung  wegen  beneiden  wird'). 

Bonn.  van  Vleuten. 

1)  Herrn  Rektor  Schwörbel  verdanke  ich  die  MittheÜHOg.  dass  unter  den 
neuesten  Funden  vod  Deutz  ein  Inschrift-Bruchatück  mit  den  Buchstaben  HER 
beginne;  derselbe  zeigte  mir  aoch  eine  daselbst  gefundene  HerculeBstatuette  in 
Erz.  Beide  Funde  sind  von  Bedeutung  für  die  Erklärung  des  oben  erwälinten 
„Deiisoniensi". 


Ein  Silber-Medaillon  des  Crispas,  87 


7.  Ein  Silber -Medaillon  dee  Criepue. 


Taf.  VI,  Fig.  4. 


Herr  Fr.  Merkens  in  Köln  erwarb  vor  Kurzem  eine  Münze, 
welche,  durch  Schönheit  und  Seltenheit  gleich  ausgezeichnet,  wohl  ver- 
dient hier  besprochen  und  abgebildet  zu  werden.  Es  ist  ein  Medaillon 
desCrispus  von  feinem  Silber  Gr.  6V2— 7  des  Cohen'schen  Münzmessers. 

A.  FL  IVL  CRIS . . .  S  NOB  CAB.  Belorbeertes  Brustbild  des  Cae- 
sar nach  rechts;  in  der  Rechten  eine  Lanze,  in  der  Linken  eine  Ku- 
gel mit  daraufstehender  Victoria  haltend.  Grispus  ist  mit  dem  Pan- 
zer, einem  in  schönen  Falten  umliegenden  Mantel  und  mit  verzierten 
Armschienen  bekleidet. 

R.  MONETA  AVG . . .  T  CABS  NN.  Die  drei  Münzgöttinnen  ste- 
hend.   Im  Abschn.  MAQ. 

Ueber  diese  in  Aquileia  geschlagene  Mttnze  habe  ich  nur  wenig 
hinzuzufügen;  Cohen  kennt  kein  Silber-Medaillon  des  Crispus,  also  ist 
dieses  erste  bekannt  gewordene  Exemplar  von  grösster  Seltenheit. 
Ueber  die  Schönheit  des  Stückes  wird  sich  der  Leser  durch  einen 
Blick  auf  die  vorzüglich  gelungene  Abbildung  auf  Taf.  VI  sein  Ur- 
tbeil  selbst  zu  bilden  in  der  Lage  sein.  Leider  war  diese  Schaumünze 
ehemals  gelocht,  ein  Fehler,  den  man  besser  nicht  durch  Zulöthen 
noch  verschlimmert  hätte.  Ich  sage  mit  Bedacht  Schaumünze,  denn 
es  verdient  bemerkt  zu  werden,  dass  die  heute  besprochene  Münze 
nichts  gemein  hat  mit  den  sog.  Silbermedaillons  der  späten  Kaiserzeit, 
welche  nur  ihrer  Grösse  halber  zu  dieser  Classe  gerechnet  werden,  in 
Wirklichkeit  aber  nur  als  grössere  Nominale  der  Werthmünze  ange- 
sehen werden  dürfen.  Wie  gesagt,  die  Münze  bekundet  durch  die  vor- 
zügliche Arbeit,  durch  das  für  die  Zeit  ausnahmsweise  hohe  Relief, 
sowie  durch  die  Darstellung  auf  dem  Revers  unzweifelhaft,  dass  sie 
niemals  als  Coursmünze  gedient  haben  kann,  dass  sie  vielmehr  bei 
irgend  einer  besondern  Gelegenheit  geschlagen  wurde,  oder  als  Schmuck 
Verwendung  fand;  für  die  letztere  A^ffassung  spricht  auch  das  über 
dem  Kopfe  des  Crispus  angebracht  gewesene  Loch,  welches  nur  zum 
Zwecke  des  Anhängens  hergestellt  sein  kann. 

Die  Münze  ist  ein  rheinisches  Fundstück. 

Bonn,  F.  van  Vleuten. 


Eio  römisoh-gerniaDiicbos  Qügelgräborfeld  bei  Bhcintlahlea. 


8.  Ein  römisch-germanischeB  HOgelgräberfeld  bei  Rheindahlen. 

Ueber  Dalilen,  Koch,  Herilt  iiach  Ilariit,  Tillorliöfc  und 
weiter  l'ührtc  früher  ein  Waldweg,  den  man  jetzt  zu  einer  Strasse 
umgebaut  hat.  Zwischen  Hcrdt  und  Hardt  durchschneidet  diese 
Strasse  ein  hoch  gelegenes  Tannenwäldchen,  das  im  Munde  der  dor- 
tigen Devülkeruug  „Hardter  Schlaat"  genannt  wird. 

Aus  dem  kieshaltigen  Sandboden,  woraus  die  Erde  des  Tanneo- 
wälitchens  besteht,  erheben  sich  eine  grosse  Anzahl  aus  feinem  Sande 
bestehender  Hilgel  von  50  cm  bis  2'/s  m  Höhe  und  2  bis  32  m  Durch- 
messer, und  zwar  in  un regelmässigen  Gruppen  sowie  ungleichraässigen 
Abständen  von  einander  entfernt.  Seitdem  diese  Hügel  vor  einigen 
Jahren  als  Gräber  erkannt  worden  sind,  hat  man  ihnen  den  Namen 
„Huoneköp"  gegeben. 

Als  sich  vor  einigen  Jahren  die  Sage  mehr  spezialisirte,  indem 
man  wissen  wollte,  in  einem  der  Hilgel  ruhe  „der  Hunnenkönig" 
„mit  kostbarem  Goldschniuck",  da  eilte  eines  schönen  Tages 
Jung  und  Alt  mit  Hacken  und  Schilppen  hinaus,  um  den  Schatz  zu 
heben,  wodurch  die  meisten  Httgel  in  unverantwortlichster  Weise  zer- 
stört worden  sind. 

Im  Jahre  1876  nahm  ich  eine  genauere  Untersuchung  einiger  dieser 
Hügel  vor  und  sammelte  die  Beobachtungen,  welche  man  bei  den  Schatz- 
gräbereien  gemacht  hatte.  Die  Mittheilungen  des  verstorbenen  Sanitats- 
rath  Herrn  Dr.  Schmitz  aus  Viersen  sowie  diejenigen,  welche  mir  Herr 
Elementarlehrer  Büschcr  aus  Dahlen,  der  kürzlich  abermals  10  Erd- 
hügel öffnete,  gemacht  hat,  stimmen  in  Betreff  des  Charakters  der 
Hügelgräber  mit  meinen  Beobachtungen  öberein,  und  finden  durch  die 
persönlichen  Beobachtungen  bei  archäologischen  Ausgrabungen  im  wei- 
teren Bereiche  der  Rheinprovinz  sowie  endhch,  durch  die  bezüg- 
liche brauchbare  Literatur  eine  allgemeine  Begründung. 

Der  Inhalt  ist  höchst  einfach :  Auf  der  ui-sprunglichen  Waldfläche 
ruht  eine  Lage  Eichenhokbrand,  in  deren  Mitte  man  eine  kleine  Grube 
zur  Aufstellung  eines  mehrfach  durch  eine  umgekehrte  Schale  zuge- 
deckten Napfes  mit  verbrannten  Menscheuknochen  angelegt  hat').  Je 
grösser  die  Hügel  je  reicher  ihr  Inhalt.  Das  „Reiche"  bezieht  sich 
1)  Die  Hügelgräber  Btlmmen  mit  der  Schilderung  übereiu,  welche  Taci. 
tii9  Gerra.  c.  37  von  germaolschea  LeicbeDbegäiigaiaBea  giebt. 


r 


Elin  römisch-germanisches  Hügelgr&borfeld  bei  Rheindahlen.  89 

jedoch  nicht  auf  Werthgegenstände,  sondern  lediglich  auf  eine  Ver- 
mehrung der  Urnen  und  Beigefässe;  denn  ausser  diesen  hat  man  in 
der  grossen  Anzahl  geöffneter  Hügel  nur  ab  und  zu  einmal  ein  kleines 
unförmliches  Stückchen  Bronze  entdeckt. 

Die  in  den  Hügeln  gefundenen  Thongefasse  sind  zumeist  entwe- 
der durch  die  Last  des  Hügels  nur  in  Bruchstücken  auf  uns  gekom- 
men, oder  aber  in  alle  Welt  verschleppt  worden,  sodass  ich  nur  8  zu 
Gesicht  bekam'),  die  jedoch  zur  Charakterisirung  der  Gesammtzahl 
genügen.  Sie  haben  eine  Höhe  von  14—20  cm  und  63—7772  cm  Um- 
fang. Sie  sind  nicht  dickwandig,  dem  Anschein  nach  ohne  Benutzung 
der  Drehscheibe  niodellirt  worden  und  ihr  Brand  ist  bis  zu  einem  Grade 
gediehen,  dass  ein  Anschlag  wie  der  gegen  Leder  hörbar  wird.  Die 
Gestalt  der  Urnen  ist  die  des  Napfes.  Die  Beigefässe  sind  schalen- 
artig gebildet.  Die  Formen  erscheinen  mannigfaltig,  insoweit  als  die 
regelmässig  oben  weite,  sich  nach  unten  in  eine  verhältnissmässig 
schmale  Standfläche  verlaufende  Bauchung  ihre  weiteste  Ausladung 
bald  gleich  unter  dem  oberen  Randproiil,  bald  in  der  Mitte  zu  erken- 
nen gibt.  Der  Urnenform  entspricht  auch  die  Form  der  Schalen.  Die 
Grösse  der  kleineren  beträgt  57«  cm,  der  ßanddurchmesser  0,8  cm. 
Die  grössten  sind  gewöhnlich  etwas  breiter  als  wie  der  obere  Rand 
der  grössten  Urnen.  Einer  der  Schatzgräber  sagte  mir,  er  habe  auf 
einer  der  Urnen  Verzierungen  vorgefunden.  Die  Urnen  und  Beigefässe, 
welche  ich  sah,  waren  jedoch  alle  unverziert.  Eine  Urne  von  20  cm 
Höhe  und  77  V«  cm  Umfang*)  trägt  interessanter  Weise  auf  der  Mitte 
des  Bauches  mehrere,  vor  dem  Brande  eingedrückte  Zeichen,  die  (wie 
die  Abbildung  in  natürlicher  Grösse  zeigt)  eine  auffallende  Verwandt- 
schaft mit  L(egio)  XXX  F(ecit)  zeigen;  Runen  oder  griechische  Buch- 
staben^) darin  zu  erkennen,  ist  wohl  kaum  statthaft. 

1)  Im  Besitze  des  Herrn  Prenten  in  Dahlen  befanden  sich  im  J.  1876 
noch  5  Stück,  worunter  auch  die  mit  Inschrift.  Herr  Dr.  Schmitz  in  Vier- 
sen besass  damals  ebenrr^is  mehrere.  Eine  ging  in  meinen  Besitz  über  und 
befindet  sich  mit  meiner  ganzen  Sammlung  im  historischen  Museum  der  Stadt 
Düsseldorf.  Bei  dem  Herrn  Elementarlehrer  Büscher  in  Dahlen  sah  ich  eine 
ziemlich  erhaltene  Urne,  ein  kleines  Beigefässchen  sowie  die  Bruchstücke  einer 
Schale.  Uebrigens  sind  die  noch  yorhandenen  Urnen  alle  für  das  Bonner  Pro- 
vinzial-Museum  gesichert. 

2)  Die  Form  der  Urne  gleicht  der  ziemlich  genau,  welche  sich  Jahrb.  62 
unter  Nr.  11  abgebildet  findet. 

8)  Solche  würden  an  die  SteUe  in  der  Germ.  d.  Tacitus,  c.  8  erinnern,  wo- 
nach man  an  der  Grenze  Germaniens  Grab-Denkm&ler  mit  griechischen  Inschriften 


1 


90  Ein  römisch- gernaniecbos  Hügelgr&barfeld  bei  Rheindthlen- 


I 


Was  die  Frage  betrifft,  in  welche  Zeit  diese  schlichten  Hflgd- 
gräber  zusetzen  sind,  so  kana  diese  durch  den  Umstand,  dass  in  den- 
selben nicht  eine  einzige  Waffe  gefunden  worden  ist,  sowie  auch  be- 
sonders durch  den  Charakter  der  Thongefiisse  ziemlich  annähernd  be- 
antwortet werden.  Das  Fehlen  der  Waffen  lässt  auf  die  Zeit  der  Un- 
terwerfung Galliens  durch  die  llijmcT  schlicssen.  Damit  stimmt  auch 
der  Stil  der  Thongei^ase  aberein,  welcher  zuerst  in  der  Zeit  zwischen 
der  Entstehung  der  jüngsten  Hügelgräber  mit  etruskischen  und  galli- 
schen Bronzegefässen  sowie  der  römischen  Leichenbraudgräber  aus  der 
letzten  Zeit  der  Regierung  des  Kaisers  Augustus  zum  Durchbnich  ge- 
langt ist.  Thongefässe  dieses  Stiles  finden  sich  am  gauzen  Mittel- 
und  Niederrhein,  besonders  auf  der  rechten  Seite  des  letzteren');  hier 

vorgefunden  haben  will,  welche  Stelle,  lo  sehr  sie  angezweifelt  worden  ist,  eben- 
Bowenig  TOm  Boden  der  strengen  Forschung  gedrängt  werden  kann,  als  daaOrie- 
chiechc  dos  tobalteB  jenes  Grabhügels,  der  in  Würtemberg  vor  unseren  Augen 
(LiDdonschmit  III,  Heft  12,  Tsf.  IV— VI),  plötzlich  auftauchte.  Wenn  man  be- 
denkt, daes  sich  die  Geldprägung  des  Westens  in  der  yorrömiBcben  Zeit  bub  dem 
makedoni lohen  Goldstal«r  entwickelt  hat,  wenn  viele  der  älteren  Erigeräthe  aus 
uneem  Grabhügeln  griechischen  Ursprungs,  wenn  endlich  unsere  ältesten  Sagen 
auf  griechische  Helden  deuten,  welche  sich  in  Gallien  und  Germanien  ansiedelten, 
kann  dann  eine  gewisse  Verwandtschaft  obiger  Schriftzeichen  mit  denjenigen 
eines  mächtigen  Cutturvolkes,  das  mit  unserer  Bevölkerung  in  mannigfaltigster 
Berührung  stand  nicht  so  sehr  auffallen.  Man  verg].  auch  Ann.  II,  63,  obendas. 
88  desgl.  Caesar  B.  G.  1,  29;  VI,  U,  wodurch  die  Stelle  Germ.  19  klarer  wird, 
1)  Das  häufige  Vorkommen  von  Urnen  dieses  Stils  auf  der  linken  Rhein- 
seito  möchte  ich  mit  den  von  der  rechten  Ebeinseite  aus  verpflanzten  germani- 


Kleinere  Mittheilungen  aus  d.  Prov.-Museum  zu  Bonn,  Erwerbungen  n.  Funde.  91 

mehrfach  mit  römischen  Münzen  der  ersten  Kaiserzeit,  während  sie  auf 
der  linken  Bheinseite  den  Lauf  der  älteren  Römerstrassen  verfolgen, 
auch  auf  den  älteren  Grabstätten  frührömischer  Niederlassungen  mehr- 
fach entdeckt  worden  sind.  Ich  glaube  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn 
ich  die  Grabstätte  fi*ühestens  in  die  erste  Zeit  der  Regierung  des 
Kaisers  Augustus  setze. 

Constantin  Koenen. 


9.  Kleinere  Mittbeilungen  au8  dem  Provinzlal-Mu8eum  zu  Bonn, 

Erwerbungen  und  Funde. 


Hierzu  Taf.  I,  Fig.  6. 


1.  Ziegel-Stempel. 

Im  Jahre  1844  wurden  im  von  Droste'schen  Garten  zu  Bonn 
römische  Baureste  aufgedeckt,  bei  welchen  sich  Ziegel  mit  verschie- 
denen Stempeln  der  I.  Legion  fanden.  Einer  derselben  war  rund. 
In  der  Mitte  stand  LEGIM,  von  der  um  diese  Buchstaben  stehenden 
Rundschrift  war  angeblich  nur  DIWS  mit  Sicherheit  und  . . .  GVS . . . 
mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  zu  lesen  ^).  —  Im  Museum  vaterlän- 
discher Alterthümer  zu  Bonn  befindet  sich  ein  am  Wicheishof  zum 
Vorschein  gekommener  ähnlicher  Stempel,  um  dessen  zweizeilige  Mit- 
telschrift: !^^®p  die  Rundschrift  läuft«):  •SRISFELoaVQV///SSI. 

Bei   den  Ausgrabungen  des  Bonner  Castrums  fand  ich  zweimal 

LEG 

denselben  Stempel,   einmal  mit  der  zweizeiligen  Legende  -.^1  und 

REö QVSSINVS  (Taf.  1, 5)  dann,  halbirt  mit  .  .  .  ELC  AVGVSS 

Alle  diese  Exemplare  sind  abgeschliffen  oder  schlecht  ausgedrückt 
Der  halbirte  Stempel  wurde  vielleicht  wegen  seiner  Beschädigung  am 
obern  Theile  durchschnitten   und  in   seiner  Verstümmelung  weiterge- 


scheu  Yolksst&mmen  in  Yerbindungf  bringen.  Der  Stil  ist  jedenfalls  echt  ger- 
manisch. Man  vergleiohe  denselben  durch  die  Abbildungen,  welche  Sohaaffhau- 
sen  52,  177  f.  d.  Jahrb.  d.  V.  gebracht  hat. 

1)  Braun  im  Jahrb.  IV,  S.  181,  und  danach  Brambaoh  611,  a,  11,  y. 

2)  Hettner,  Gatalog  S.  60,  Nr.  19. 


w^ 


92  Kleinere  Mittbeilungen  aus  d.  Prov.-Muaetim  zu  Bonn,  Ernorbungen  u.  Ftindc. 

braucht.  Auf  allen  hat  I  die  Form  vou  T  wie  auf  den  meisten  Zie- 
geln der  I.  Legion,  aus  welchem  Grunde  man  bekanntlich  früher  Leg. 
Tiberiana  las.  {Dorow,  Denkm.  S.  33.  Jahrb.  der  Preuss.  Rhein.-Univ. 
Bd.  I,  S.  184).  —  Deutungen  sind  mir  ausser  der  von  Hettner,  welche 
für  2  zu  lesen  vorschlägt:  nostris  fclicibus  Augu(stis)  cobs') 
und  einer  brieflich  mitgetheilten  von  Mommsen,  wonach  die  von  einem 
Unkundigen  verdorbenen  Inschrift  ursprünglich  wohl  heissen  sollte: 
AVGVSTI5  NOSTRIS  FELIC  (ITER)^)  nicht  bekannt.  Ich  glaube,  dass 
die  Umschrift  sich  auf  den  Eigennamen  einer  Person,  des  Ziegelmeistera 
oder  vielleicht  des  Intendanten  der  I.  Legion  bezieht.  Die  F.rg^nzung, 
welche  die  3  noch  vorhandenen  Stempel  (der  Verbleib  des  ersten  ist 
mir  unbekannt)  nach  meinen  Abklatschen  ergaben,  lautet: 
AVGVSSINVS  RIS  FELC. 

Es  liegt  nahe  in  dem  Worte  FELC  fecit  zu  suchen ;  indessen 
bleibt  auch  dann  RIS  noch  unerklärt. 

Zwischen  V  und  SS  im  Worte  Augussinus  ist  bei  allen  Stempeln 
eine  Lücke,   die  aber  niemals  von   einem  Buchstaben  ausgefüllt  war. 

Ein  ähnlicher  Rundstempel,  welcher  um  ein  mittleres  Vierblatt 
den  Namen  des  Ziegelbrenners  enthält:  C.  MERVLA  TOVTiSSAE  F 
befindet  sich  in  Bordeaux  °)  nnd  führte  mich  zu  meiner  Vermutbung. 

2.  Gewichtsteine  von  gebranntem  Thon. 

Die  mannigfaltigsten  Meinungen  sind  über  die  fast  an  allen  Orten 
römischer  Niederlassungen  gefundenen  Gewichtsteine  von  gebranntem 
Thon  geäussert  worden.  Sie  sind  der  Form  nach  abgestumpfte  Kegel^ 
oder  Pyramiden  und  sämmtlich  unterhalb  der  Spitze  quer  durchbohrt, 
um  eine  Schnur  zum  Aufhängen  durchzulassen.  Ritschi  hat  diesen  Ge- 
wichten durch  ihre  Besprechung,  besonders  eines  derselben  mit  der  In- 
schrift ES  QVRAI  im  41.  Jahrbuch  S.  9  ff.  eine  grössere  Beachtung  und 
Bedeutung  zugeführt.  Er  weist  ihre  Zweckbestimmung  als  Massgewichte 

1)  Ebendaselbst. 

2)  Ich  halte  mich  nicht  für  berechtigt,  die  brieflichen  Mittheilungen  dee 
Hrn.  Prof.  Mommsen,  dorn  ich  auf  seinen  Wunsch  die  Abklatsche  der  3  noch 
voi'haodenen  Stempel  und  meine  Lesung  des  bisher  nicht  erkannten  N  im  Worte 
AVGVSSINVS  zusandte,  ohne  Weiteres  wörtlich  abzudrucken,  um  so  weniger,  da 
ich  annehme,  daea  Mommsen  in  den  Jahrbüchern  selbst  darauf  zurück  zu 
kommen  die  Güte  haben  wird. 

3)  Abbildung  bei  MortiUet  im  Musee  archeologique.  Paris  1677  il,  S.  44. 


t  ■ 


Kleinere  Mittheilongen  aus  d.  Prov.-Maeeam  zu  Bonn,  Erwerbungen  n.  Funde.  93 

zurück,  indem  sie  schon  desshalb  als  solche  nicht  anzusehen  seien,  weil 
Thon  durch  das  Brennen  sein  Gewicht  zu  sehr  verändere,  um  im  Voraus 
dafür  eine  bestimmte  Schwere  in  Aussicht  nehmen  zu  können,  und 
erklärt  sie  dann  als  Beschwersteine  für  Webstühle.  Als  Webegewichte 
gelten  sie  in  Folge  dieses  Vorschlages  bisher  allgemein.  Vollständig 
stimme  ich  meinem  verstorbenen  Freunde  Ritschi  nun  darin  bei,  dass 
wir  es  in  keiner  Weise  mit  Massgewichten  und  nur  mit  Beschwerstei- 
nen zu  thun  haben,  indessen  glaube  ich  doch  nach  weitern  Beobach- 
tungen an  die  Stelle  des  Gebrauchs  für  Webstühle  einen  allgemeinern 
setzen  zu  können,  der  von  vorn  herein  um  so  mehr  anzunehmen  war, 
als  diese  Thongcwichte  sich  zu  häufig  an  Stellen  fanden,  von  denen  der 
Webstuhl  ausgeschlossen  war.  Bei  verschiedenen  Ausgrabungen  fand  ich 
neuerdings  diese  Körper  innerhalb  der  Wohnräume  römischer  Behausun- 
gen und  wiederholt  und  auffällig  in  der  Nähe  der  Thüreingänge.  Ge- 
dacht ist  bereits  des  an  allen  diesen  Beschwersteinen  befindlichen  Durch- 
lasses zum  Aufhängen  an  einer  Schnur.  Mitunter  sind  um  den  Kör- 
per des  Thonsteines  auch  noch  Einkerbungen  in  Form  concentrischer 
Kreise  angebracht,  wie  wir  solche  auf  dem  Exemplare  Taf.  1, 3  sehen, 
dazu  bestimmt,  die  Schnur  vorher  um  den  Stein  zu  binden,  ehe  sie  in 
den  Durchlass  gelangte.  Man  thut  dies  wohl  bei  aufzuziehenden 
schweren  Gewichten,  um  Schwankungen  derselben  zu  begegnen.  Eine 
weitere  Beobachtung  ergiebt  aber  zudem,  dass  diese  Gewichte  mitunter 
künstlich  beschwert  wurden,  indem  man  Blei  in  sie  eingoss.  Wir  haben 
nämlich  mehrere  dieser  Thonkörper  vor  Augen,  deren  Böden  mit  Lö- 
chern versehen  sind,  in  denen  sich  Reste  von  Blei  befanden.  Den  Bo- 
den eines  solchen  Thongewichtes  sehen  wir  Taf.  I,  4.  Beide  erwähnte 
Exemplare  fanden  sich  in  einem  Hause  von  Belgica  neben  den  Thüren. 
Fassen  wir  nun  diese  drei  Beobachtungen  zusammen,  wonach  sich  die 
kleinen  Thon-Kegel  wiederholt  innerhalb  römischer  Wohnräume  und  zwar 
neben  den  ThUreingängen  fanden,  mit  Bleieinguss  beschwert  sind,  von 
einer  Schnur  sorgfältig  umwunden  und  an  dieser  aufgehangen  waren, 
so  wird  man  meiner  Ansicht  beipflichten,  dass  wir  es  hier  mit  Thür- 
gewichten  zu  thun  haben,  dazu  bestimmt,  eine  geöfifbete  Thüre  sofort 
zum  Zuschlagen  zu  bringen.  Früherhin  sah  man  noch  in  Deutsch- 
land vielfach  diese  Vorrichtung  eines  an  den  Thüren  vermittelst  einer 
Schnur  hängenden  Gewichtes,  welches  durch  das  OefFnen  der  Thüre 
von  selbst  in  die  Höhe  gezogen  wurde  und,  sobald  man  die  Thüre  los- 
liess,  herunterfallend  dieselbe  schloss.  Herr  Bauinspector  Richter  in 
Köln  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  er  auf  einem  altern  Kupfer- 


^ 


91  Kleinere  Miltheilongen  aus  ä.  Pröv.-Mu»eum  zu  Bonn,  Erwerbungen  u.  Fände. 

Btidi  eines  päpstlichen  Zimmers  im  Vatican  den  gleichen  alten  Mecha- 
nismus noch  beibehalten  gesehen  habe. 

3.  Mittelalterlicher  Grabstein. 

In  den  Sanddünen  bei  Wisse!,  KreisCleve,  (Dederich,  Gescb.  d. 
Römer  und  der  Deutschen  am  Niederrhein  S.  295)  fand  vor  Kurzem 
der  OekoGOin  Peter  Verwayen  auf  Caldenhoven  beim  Abfahren  eines 
Sandhügels  tief  in  demselben  vergraben  einen  behauenen  weissen  Sand- 
stein in  der  Form  eines  romanischen  13  cm  hohen  Capitäls.  Oben 
auf  der  18  und  19  cm  im  Geviert  messenden  Platte  desselben  ist  die 
auf  Taf.  I,  5  abgebildete  Inschrift  zu  lesen,  die  wir  also  auflösen : 
t  Obiit  He(nricus)  de  Warit  Kalendas  Maii  in  Christo. 

Die  Inschrift  gehört  spätestens  in  das  12.  Jahrhundert,  ist  aber  wahr- 
scheinlich früher  zu  setzen.  Dicht  bei  Wissel  und  der  Fundstelle  liegt 
die  Ortschaft  Wisselward,  wesshalb  man  versucht  ist  zu  interpretiren : 
Heinrich  aus  Wisselward.  Die  Form  Warit  für  eine  der  vielen  Nieder- 
rheinisch-Niederländischen Localitäten  Wavth,  Werth  (insula,  Werder) 
II,  S.  558,  findet  sieh  vom  8,-12,  Jahrhundert  an  mannigfach. 

Eine  Familie  de  Insula  (Weert)  begeguet  übrigens  im  Geldri- 
schen  früh,  z.  B.  in  Ztttphen 'sehen  Urkunden  bei  Sloet,  Oorkondenboek, 
Nr.  556  unter  dem  10.  Sept.  1232:  Henricus  miles  de  Insula. 

Der  Stein  wurde  von  unserem  Mitgliede  Herrn  Dr.  Terwelp  in 
Andernach  dem  Bonner  Provinzial-Museum  geschenkt. 

4.  Römische  Trinkgeschirre  mit  Aufschriften. 

In  demjenigen  Theile  der  Begräbnissstätten  bei  Andernach,  wel- 
cher die  frührömischen  Gräber,  besonders  aus  der  ersten  Kaiserzeit 
enthält  {Martinsberg),  fanden  sich  die  schwarzen  wie  rothen  Trink-Krflge 
und  Trink-Becher  mit  weissen  Aufschriften,  welche  im  vorigen  Jahrb. 
S.  114  mitgetheilt  und  seitdem  in  das  Provinzialmuseum  gelangt  sind. 

Das  Bonner  Provinzial-Museum  erhielt  daher  noch  folgende  zwei, 
unter  5  und  6  verzeichnete  Trinkbecher,  während  die  übrigen  Ge- 
fässe:  1—4  an  anderer  Stelle,  und  zwar  in  den  fränkischen  Gräbern 
(am  Kirchberg)  gefunden  wurden. 

1)  Einhenklige,  29  cm  hohe  Terra-Slgillata-Kanne  mit  der  weiss 
aufgemalten  Umschrift:  BIBITE;  darunter  ein  umlaufendes  gleichfalls 
weiss  aufgemaltes  Ornament. 

2)  Einhenkliger  Krug  von  rothem  Thon,  24  cm  hoch,  mit  dem 
weiss  aufgemalten  Zuruf  REPLE  ME.  Eine  punktirte  Linie  oberwärts 
und  ein  wellenförmiges  Band  unterwärts,  beide  weiss,  schliessen  die 
Inschrift  zwischen  sich  ein. 


Kleinere  Hittheilungen  ani  d.  Prov.-MiisaDm  eu  Bonn,  Erwerbungen  □.  Funde.  96 

3)  Aehnlicher  einhenkliger  Krug  von  geringerem  röthlichem  Thon, 
18Vt  cm  hoch,  zwischen  zwei  weiss  au^emalten  Wellenlinien  mit  dem 
gleichen  Ztinif  REPLE  hC.  Die  Inechrift  ist  flott  und  nachlässig  ge- 
schrieiien.  Zwischen  jedem  Buchstaben  befinden  sich  als  Punkte  grosse 
Rosetten. 

4)  Grosser  einhenkliger,  22  cm  bober  glänzend  schwarz  gestriche« 
ner  Krug.  Zwischen  zwei  weissen  Wellenlinien  die  gleichfalls  weiss 
aufgesetzten  Worte  VT!  FRVl.  Unterhalb  der  Aufschrift  befinden  sich 
Arabesken  in  weisser  und  gelber  Farbe. 

5)  Kleiner  rotfaer  Trinkbecher,  11  cm  hoch.  Zwischen  zwei  weis- 
sen Wellenlinien  die  Umschrift  CENtS. 

6)  Tasse  von  röthlichem,  schwarz  gestrichenem  Thon,  9  cm  hoch, 
11  cm  im  obem  Durchmesser.  Zwischen  zwei  weissen  Wellenlinien, 
die  einzelnen  Buchstaben  durch  Punkte  abgetheilt,  die  Aufschrift: 
INPLE.  Bereits  auf  einem  grossem  Mischkrug  gleicher  Fundstätte 
haben  wir  im  vorigen  Jahrbuch  8.  114  derselben  Schreibung  inple  für 
imple  gedacht 

5.  Edmisches  Schreibgeräth.  (Hierzu  Taf.  Tl.  7—12). 
Wenngleich  es  keineswegs  unbekannt  ist,  dass  die  Römer  zum 
Schreiben  ausser  den  Wachatafeln  auch  des  Pergaments  und  der  Papy- 
rus-Blätter  sich  bedienten,  und  dazu  Feder  wie  Dinte  gebrauchten'), 
so  ist  doch  kein  so  grosses  Material  nach  dieser  Richtung  hin  abbild- 
lich gesammelt  worden,  um  die  Veröffentlichung  des  nachfolgenden 
aberflüssig  erscheinen  zu  lassen. 

1)  Zwei  Dintenfässer  aus  Metall  mit  deutlichen  Spur«i  von 
Versilberung  und  omamentaler  Verzierung  durch  gr&- 
^  virte  Ringe.  Beide  Stücke,  der  Form  nach  kleine  Cylin« 
I  der,  wurden  im  Jahre  1877  In  zwei  Steinsärgen  am 
Rheindorferwege  in  Bonn  (Ziegelei  von  Fassbender)  mit 
Aschen  -  Urnen,  einem  kleinen  Trink-becher  von  Thon 
mit  der  -Aufschrift  OAMI  und  einem  Glase  gefunden; 
sie  sind  allem  Anschein  nach  der  mittleren  Kaiserzeit 
angehörig.  Der  nebenstehende  Holzschnitt  veranschau- 
licht in  Vt  Grösse  eins  dieser  beiden  Dintenfässer. 
Besondere  Sorgfalt  ist  auf  den  Verschluss  gelegt  Ueber 
den  untern  Geässcjlinder   ist  nämlich  von  oben  ein 

1)  Harqnardt,  Rom.  PriT&talterth.  IL  Abth.  S.  889  ff.  Friedrichs, 
Berlin!  antike  Bildwerke  II.  Nr.  54B  ff.  n.  i.  w. 


96  Kleinere  Mlttliei hingen  ans  d.  Prov.-Muaeiim  zu  Bonn,  Erwerbungfeo  q.  Fundß. 

zweiter  mit  weit  vorkragendem  Rande  übcrgesuhoben.  In  letzterm 
ruht  ein  eingelotheter  vcrachliessender  Deckel.  Ein  zweiter  oberer 
Deckel  ist  mit  eraterem  durch  eine  In  der  Mitte  ersichtliche  Niete  so 
verbunden,  dass  er  sich  vermöge  zweier  am  Rande  aufstehender  klei- 
ner Knöpfe  um  sich  selbst  drehen  lässt.  Da  kleine  runde  Oeffnungen 
sich  seitwärts  an  gleicher  Stelle  in  beiden  Deckeln  befinden,  so  ist  der 
erkenntliche  Zweck  ihrer  Verdoppelung  der,  den  obera  Deckel,  wenn 
man  schreiben  will,  so  drehen  zu  künnen,  dass  die  Oeffnungen  beider 
Deckel  übereinander  kommend  das  Eintauchen  der  Feder  gestatten, 
und  ebenso  heim  Aufliören  des  Schreibens  durch  eine  weitere  Drehung 
die  OefToungen  von  einander  zu  bringen,  und  dadurch  das  Dintenfass 
wieder  zu  verschliessen. 

Jedenfalls  deutet  die  Sorgfalt  der  Verschlüsse  auf  die  Absicht, 
den  ttüssigen  Inhalt  vor  dem  Hinzutritt  der  Luft  —  die  bis  heute 
der  verderbende  Feind  unserer  Dinte  geblieben  ist,  —  zu  schützen. 
Das  andere  der  in  dem  Bonner  Steinsarge  gefundenen  beiden  Din- 
tenfässer,  4  cm  hoch,  ist  einfacher,  und  der 
kleine  Cylinder  nur  mit  einem  überkragenden 
Deckel  verschlossen.  Derselbe  trägt  ebenfülla 
Spuren  von  Versilberung. 

Ein  drittes  Dintenfasa  von  Metall  wurde 
nicht  weit  entfernt  von  der  ersten  Fundstelle 
in  einem  Steinsarg  an  der  Ecke  der  Rosen- 
strnssc  im  Jahre  1877  mit  römischen  Gläsern 
gefunden.  Es  ist  eine  unverzierte  kleine  Büchse, 
5  cm  hoch,  mit  vorstehendem  Halsring  und  un- 
ver:^chlossener  mittlerer  Oclfnung  zum  Eintau- 
chen der  Feder.  Iminnern  ersieht  man  noch  einen 
vertrockneten  Rest  der  ehemaligen  Flüssigkeit. 

2)  Dintenfässer  von  Terra-Sigillata 
in  der  Form  wie  sie  auf  Taf.  VI,  7,  8  und 
9  wiedergegeben  sind,  befinden  sich  sowohl 
im  hiesigen  Provinzial-Museuni,  wie  nach  ge- 
fälliger Mittheilung  Lindenschmidt's  im 
Mainzer  Museum.  Nr.  7  hat  eine  Breite  von  87 
mm,  eine  Höhe  von  63  mm;  Nr.  8:  Br.  98, 
H.  78  mm,  Nr.  9:  Br.  67,  H.  41  mm. 

3)  Metallbüchac  mit  Feder  und  Zieh- 
feder darin,   aus  einem  römischen  Stoiusargo 


Kleinere  Mittheilnngen  aus  d.  Prov.-Museam  za  Bonn,  Erwerbungen  n.  Fände.  97 

ZU  Frechen  (Er.  Köln).  Ganz  ähnlich  den  Federbüchsen  unserer  heu- 
tigen Schulkinder  ist  die  aus  vorstehendem  Holzschnitte  ersichtliche 
Metallbüchse  gebildet.  Sie  ist  in  Wirklichkeit  von  doppelter  Grösse, 
mit  gravirten  concentrischen  Ringen  verziert  und  oben  wie  unten  ver- 
schlössen.  Als  die  Büchse  in  der  Garthe'schen  Auction  vom  6.  Novem- 
ber 1877  unter  Nr.  379  des  Gatalogs  zum  Verkauf  gelangte,  befanden 
sich  in  derselben  die  beiden  bildlich  wiedergegebenen  Geräthe,  nicht 
aber  das  im  Catalog  gleichfalls  erwähnte  Glätte -Instrument.  Die  Me- 
tallfeder besteht  aus  eiuem  Stück,  ist  vorne  gespalten  und  von  den 
modernen  Stahlfedern  nur  bezüglich  des  Metalls  und  des  Um- 
Standes  verschieden,  dass  letztere  aus  dem  Grunde  nicht  ein  Gan- 
zes mit  dem  Halter  wie  unsere  römische  Feder  bilden,  um  sie 
nach  ihrer  Abnutzung  aus  dem  Halter  herausnehmen  und  wech- 
seln zu  können.  Römische  Schreibfedern  besitzen  auch  die 
Museen  zu  Trier  und  Mainz.  Letzterem  gehört  die  Metall- 
feder der  Abbildung  Taf.  VI,  10  an,  welche  eine  Länge  von 
118  mm  hat.  Die  Ausziehfeder  von  Frechen  ist  dadurch  be- 
sonders charakteristisch,  dass  sie  am  entgegengesetzten  Ende 
einen  Halter  zur  Aufnahme  von  Zeichenstiften  bildet.  Noch 
heute  befindet  sich  darin  der  Rest  eines  Rothsteines. 

4)  Ausziehfedern.  Die  Ausziehfedern,  welche  dem  obern 
und  dem  hier  folgenden  Holzschnitt,  wie  desgl.  Nr.  12  auf  Taf. 
VI  entsprechen,  werden  gleichmässig  nach  Aufnahme  der  zeich- 
nenden Flüssigkeit  durch  kleine  Ringe  geschlossen,  die  sich 
von  oben  nach  unten  schieben  und  nach  Massgabe  ihrer  Stel- 
lung die  Breite  der  zu  ziehenden  Linie  bestimmen.  Ziehfedem, 
welche  des  regulirenden  Ringes  entbehren  und  nur  dazu  bestimmt 
sind,  stets  Linien  von  gleicher  Stärke  z.  B.  für  die  Notenschrift  auf- 
zutragen, bewahrt  das  Museum  zu  Mainz  in  dem  auf  Taf.  VI,  11  ab- 
gebildeten Exemplar. 

Atts*m  Weerth. 


08  Dieröm,  Befeetig.  o.  NicderlaBSungen  zw  iaaheu  Obortiburg  a. 


10.  Die  rfimischen  Befestigungen  und  Niederlassungen  zwischen 
Obernburg  a.  M.  und  Neustadt  i.  0. 

Die  Ermittelung  des  römischen  Strassennetzes,  welches  die  Ca- 
stcllo  am  Grenzwall  mit  den  Castellen  im  Innern  des  Dekumatlandes 
verband,  ist  eine  scliwierige  Aufgabe;  wenn  man  aber  die  einzelnen 
Niederlassungen  zwischen  zwei  grösseren  Castellen  auffindet,  so  wird 
durch  dieselben,  wenn  sie  auch  nicht  direct  an  der  Strasse,  sondern 
bloa  in  der  Nähe  auf  zur  Observation  besonders  geeigneten  HÖliepuuk- 
teu  lagen,  die  Richtung  der  Verbindungsstrasse  im  Allgemeinen  sicher 
bestimmt.  Dass  von  Obemburg  am  Main  sich  nach  dem  Breuberger 
Castell  eine  solche  Verbindungsstrasse  abzweigte,  ist  am  Schlüsse  mei- 
nes Aufsatzes  Ober  die  vömiachen  Befestigungen  im  Odenwald  in  die- 
sen Jahrbücheru ')  auf  Grand  der  aufgefundenen  Niederlassungen  her- 
vorgehoben worden  und  ist  seit  jenen  Mittheüungen  mein  besoudcres 
Augenmerk  darauf  gerichtet  gewesen,  diese  Richtung  genauer  zn  er- 
mitteln und  zu  diesem  Behuf  das  meinem  Wohnort  nahegelegene 
Waldterrain  sorgfältig  zu  durchforschen.  Den  ersten  Anhaltspunkt 
gerwäbrte  der  im  Obemburger  Walde  in  der  Nähe  des  „Einsiedels- 
bruunen"  auf  dem  sogenannten  Seidenberg  gelegene,  römische  Wart- 
thurm,  dessen  Trümmer  noch  gut  erhalten  sind.  Früher  ein  mit  Ge- 
strüpp bewachsener  Steinhügel,  wurde  derselbe  bei  dem  Ureroden  des 
Waldbodens  blossgelegt.  Man  stiess  nach  Entfernung  der  oberen  Trttm- 
merschicht  auf  wohlerhaltene,  noch  1  m  über  den  Boden  hervor- 
ragende Mauern,  die  man  auf  das  Sorgfältigste  aufgrub.  Hierauf  wnrde 
der  Innenraum  von  dem  Trümmerschutt  gereinigt,  in  welchem  sich  die 
gewöhnlichen  Reste  von  römischen  Gefässen,  Nägeln,  Stücke  von  terra 
sigillata  vorfanden,  bis  man  auf  den,  wie  es  scheint,  aus  einem  mit 
grösseren  Kieseln  untermischteu  Mörtelguss  bestehenden  Boden  Icam. 
Betritt  man  die  Stelle,  so  hat  mau  den  Grundriss  des  Gebäudes  genau 
vor  sich,  wie  denn  die  vorsichtige  und  sachverständige  Ausgrabung  von 
Seiten  der  Forstbehörde  einen  wohlthuenden,  leider  sich  selten  dar- 
bietenden Anblick  gewährt.  Auf  dem  Fussboden  des  Innenraums  sind 
mehrere  grössere  mit  dem  Spitzhammer  bearbeitete  Sandsteinplatten 
neben  einander  gelegt,  in  deren  einer  sich  eine  Rinne  findet,  als  ob  sie 


I)  Tergleiche  Heft  LXV,  S.  66. 


Die  röm.  Befestig^,  u.  Niederlassungen  zwischen  Obernburg  a.  M.  u.  Neustadt  i.  0.  99 

zur  Wasserleitung  gehört  hätte,  während  in  der  anderen  eine  halb- 
kugelförmige Vertiefung  ist,  als  ob  sich  eine  schwere  Thürangel  mit 
eiserner  Spitze  darin  bewegt  hätte.  Besonders  auffällig  aber  ist  eine 
gerade  am  Eingange  befindliche  mit  grossen  Saodsteinplatten  über- 
deckte Vertiefung,  welche  in  einen  unterirdischen  Raum  geführt  hat, 
der  aber  jetzt  theilweise  verschüttet,  theils  mit  Wasser  angefüllt  ist. 
In  der  Nähe  dieses  Gebäudes,  zu  welchem  der  Eingang  von  der  Nord- 
seite herführt,  sind  zwei  grössere  und  umfangreichere  Vertiefungen  in^ 
der  Erde  ohne  Mauerreste,  wo  sich  vielleicht  die  Stallungen  oder  Was- 
serreservoirs befunden  haben.  Diese  römische  Befestigung  gewährt 
eine  zur  Observation  des  Feindes  treflflich  geeignete,  umfassende  Aus- 
sicht über  das  Mainthal  bis  nach  Aschaffenburg  und  über  die  Vorberge 
des  Spessart  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung.  Führte  also  die  ehemalige 
Verbindungsstrasse  zwischen  dem  Obeniburger  und  Breuberger  Gastell 
in  der  Nähe  dieser  Befestigung  vorüber,  so  bog  sie  von  dem  bei 
Obernburg  auslaufenden  Mümlingthal  in  den  bereits  beschriebenen 
Römergrund  ein,  stieg  alhnählich  aufwärts,  bis  sie  die  Höhe  dieser 
Befestigung  erreichte  und  setzte  sich  dann  in  der  Richtung  nach  dem 
Breuberger  Castell  in  ziemlich  gerader  Linie  weiter  fort.  Der  Römer- 
grund theilt  sich  aber  schon  vor  dem  „Einsiedeisbrunnen"  in  zwei 
tiefe  Mulden,  die  durch  den  Seidenberg,  auf  dem  eben  unsere  Befesti- 
gung liegt,  getrennt  werden.  Steigt  man  von  hier  hinab  in  die  andere 
Mulde,  so  trifft  man  direct  auf  die  römische  Niederlassung  am  „Schwarz- 
Kirschbaumbrunnen",  wo  der  von  mir  beschriebene  Britonenstein  ge- 
funden wurde.  An  dieser  Stelle  habe  ich  blos  kleinere  Nachsuchungen 
gemacht,  um  mich  von  dem  römischen  Ursprung  des  Gebäudes  zu 
überzeugen;  die  sich  reichlich  ergebenden  Fundstücke  stellten  densel- 
ben bald  ausser  allen  Zweifel.  Sicher  sind  auch  hier  noch  die  Fun- 
damente intact  im  Boden  erhalten.  Aber  bevor  diese  blosgelegt  sind, 
lässt  sich  weder  über  Umfang,  noch  über  Bestimmung  des  Gebäudes 
etwas  Sicheres  sagen.  Nur  der  in  der  Nähe  gefundene  Votivstein  von 
einem  cornicularius  Britouum  lässt  auch  hier  auf  eine  militärische  Be- 
satzung schliesseu.  Inzwischen  wurden  von  mir  theils  in  der  Nähe, 
theils  in  der  Seckmaurer  Gemarkung  einige  recht  interessante,  weitere 
Funde  gemacht.  In  der  Seckmaurer  römischen  Niederlassung  kam 
auf  der  nördlichen  Seite,  wo  ich  schon  mehrere,  grössere,  eiserne  Nä- 
gel gefunden  hatte,  zufällig  ein  kleines,  niedliches  Vorhängeschloss 
zum  Vorschein,  wie  vielleicht  noch  wenige  gefunden  wurden.  Das 
Schlösschen  ist  ein  kleines  Dreieck;  eine  Seite  etwa  0,02  m  lang;  die 


100  Die  itta.  Befestig.  u,NiederlaseiiiigeiiEwiectioiiObernbarga.M.  ii.  Keust&dt  i.  0. 

Dicke  beträgt  0,01  m.  Auf  diesem  kleinen  Dreieck  sitzt  ein  halbkreis- 
förmiger Henkel,  der  natürlich  ganz  eingerostet  ist.  Wo  sich  das 
Schlüsselloch  befand,  liegt  ein  noch  etwas  erhabenes  Eisenplättchen, 
um  dasselbe  zu  vfirdecken ;  auf  der  anderen  Seite  gerade  so,  um  nicht 
gleich  erkennen  zu  lassen,  no  das  Schloss  zu  ötfnen  ist.  Am  Henkel 
lässt  sich  noch  erkennen,  auf  welcher  Seite  er  einklappte.  Das  Schloss 
besteht  aus  3  Thcilen;  der  mittlere  ist  stärker  und  enthielt  die  Me- 
chanik; diese  war  von  zwei  dünneren,  etwas  kleineren  Eisenplättchen 
gedeckt.  Dieses  Schlösscheu  mit  seiner  noch  erkennthchen,  zierlichen 
Arbeit  ist  einer  meiner  interessantesten  Funde  und  hat  schon  die  Auf- 
merksamkeit vieler  Alterthuinsfreunde  erregt,  denen  ebenfalls  ein  römi- 
Bches  Vorhängeschloas  von  dieser  Ges^talt  und  so  en  miniature  noch 
nicht  zu  Gesicht  gekommen  war.  Der  römischen  Befestigung  inSeck- 
mauern  gegenüber  auf  der  anderen  Seite  des  Thaies,  auf  dem  „Gais- 
berg",  wurde  kürzlich  eine  steinerne  Kugel,  aus  einem  blaugrauen,  ba- 
saltShnlichen  Stein  geformt,  ausgeackert,  die  ich  für  eine  römische 
.Schleuderkugel  halte;  der  Umfang  der  Kugel  ist  0,27  m;  sie  ist 
an  zwei  Stellen  etwas  abgeplattet,  wie  zum  Auflegen.  Ausser- 
dem wurden  drei  Steinmeissel  oder  Beile  gefunden;  0,05 — 0,06  lang; 
0,03  breit  und  0,01  dick,  vom  zu  einer  haarscharfen  Schneide  zu- 
geschliffen;  die  Farbe  ist  schwarz.  Das  grössere  von  diesen  drei 
Werkzeugen  hat  im  oberen  Theil  ein  kreisrundes  Loch  zur  Befesti- 
gung des  Stieles.  Eben  dieses  Loch,  das,  wie  es  scheint,  nur  mit 
einem  eisernen  Instrument  gebohrt  sein  kann,  sowie  die  äusserst 
feine  Bearbeitung  des  Stein's  läsat  mich  bezweifeln,  dass  diese  Werk- 
zeuge aus  der  Steinzeit  stammen.  Sicher  setzen  sie  eine  ausgebildete 
Technik  voraus  und  darum,  sowie  auch  weil  sie  in  der  Nähe  römischer 
Niederlassungen  aufgefunden  wurden,  wage  ich  die  Vermutbung  aus- 
zusprechen, die  ich  später  näher  zu  begründen  Gelegenheit  finden 
werde,  dass  es  römische  Opferwerkzeuge  waren.  Für  jetzt  erinnere 
ich  nur  daran,  dass  Hannibal,  als  er  den  Römern  ewigen  Hass  schwur, 
das  Opferthier  ebenfalls  mit  einem  silex  tödtete')-    Doch  kehren  wir 

1)  LiviuB  XXI,  45:  (Hannibal  ad  Tioinnm)  militibus  carte  praemia  pro- 
Duntiat,  in  qiiornm  spent  pugnarent  ....  Eaqne  ut  rate  Boireot  fore,  agaum 
laevananu,  destera  silioom  retineas,  si  falleret,  larem  ceteroeque  precatus  deos. 
Ha  >a  maotarent,  quem  ad  modum  ipse  agnum  maotaseet,  secundum  preoationem 
oapnt  peoudis  saxo  elisit.  Vor  dem  Kampf  der  Horatier  und  Curiatier  wird 
in  feierlicher  Form  durch  den  Fetiatis  das  Uebe reinkommen  über  die  Bedingun- 
gen geschlossen.    Der  Fetiolis  ruft  deo  Jupiter  zum  Zeugen  an,  dass  die  Römer 


Die  röm.  Befestig,  u.  Niederlas  sangen  zwischen  Obernbnrga.  M.  n.  Neustadt  i.  0.  101 

zvL  unserem  Wachtthurm  auf  dem  Seidenberg  in  dem  Obernburger 
Walde  zurück  und  suchen  von  dort  die  Richtung  der  römischen  Ver- 
bindungsstrasse zwischen  dem  Obernburger  und  Breuberger  Castell, 
den  sich  vorfindenden  Trümmerresten  römischer  Befestigungen  folgend, 
weiter  auf,  so  stossen  wir^  auf  der  bewaldeten  Höhe  weitergehend,  in 
einer  Entfernung  von  2  km  auf  zwei  römische  Gebäudetrümmer,  die 
sich  gegenüber  liegen,  ähnlich  wie  die  beiden  mächtigen  Trümmer- 
haufen an  der  „Feuchten  Mauer''.    An  dieser  Stelle,  „Steinknorren'' 


den  Eid  den  Albanm  halten  würden;  dann  heisst  es  (Liv.  I,  24):  Si  prior  defe- 
zit  (popalus  Romanus)  publioo  consilio  dolo  malo,  tum  ille  Diespiter  populum 
Bomanum  sie  ferito»  ut  ego  hunc  porcum  hie  hodie  feriam,  tantoque  magis  ferito, 
qaanto  magis  potes  pollesque.  Id  ubi  dixit,  porcum  saxo  silice  percussit; 
femer  heisst  es  beim  Friedensschnss  mit  Carthago  (Livins  XXX,  43):  Fetiales 
cum  in  Africam  ad  foedus  feriendum  ire  inberentur,  ipsis  postulantibus  senatus 
odnsultum  factum  est  in  haec  verba,  ut  privos  (=s  singulos,  jeder  einen  silex) 
lapides  silices  privasque  verbenas  secum  ferrent,  etc.  Aus  diesen  Stellen 
geht  unzweifelhaft  hervor,  dass  die  Römer  (und  Carthager)  sich  bei  besonderen 
Gelegenheiten  (Eidesopfem)  des  Steines  zum  Tödten  des  Opferthieres  bedienten. 

Freilioh  ist  in  diesen  Stellen  von  bearbeiteten  Steineli  nicht  die  Rede. 
Wahrscheinlich  aber  ist  es,  dass  man  später,  unter  Beibehaltung  des  MaterieUen 
vom  ursprünglichen  Gebrauch  (Liv.  I,  24  sagt  ausdrücklich,  er  berichte  hier 
das  erste  Beispiel  dieser  Art:  „nee  ullius  vetustior  foederis  memoria  est")  sich 
die  Sache  durch  Herrichten  des  Steins  erleichterte.  Wozu  sollten  auch  die  Fe- 
tialen  die  lapides  silices  von  Rom  nach  Carthago  geschleppt  haben,  wenn  jeder 
nicht  hergerichtete  silex  beim  Opfer  gebräuchlich  war?  hat  man  dagegen  Stein- 
waffen von  so  feiner  Bearbeitung  und  mit  einem  kreisrunden  Loch  zur  Ein- 
Stockung  des  Stieles,  wie  ich  sie  aufgefunden  und  oben  beschrieben  habe,  deren 
Herstellung  mir  nar  mit  eisernen  Werkzeugen  möglich  scheint,  auch  in  Gegenden 
gefunden,  in  welche  die  Römer  nie  ihren  Fuss  gesetzt  haben,  so  wird  meine  Hypo- 
these dadurch  wieder  natürlich  sehr  in  Frage  gestellt. 

Anm.  zu  den  Steinwaffen.  Der  Stein,  dessen  sich  die  Fetialen  bedienten, 
ist  nach  Prell  er  Röm.  Myth.  p.  220  ff.  nichts  Anderes,  als  der  Donnerkeil  als 
Symbol  des  rächenden  Schwurgottes  und  hiess  selbst  Jnppiter  Lapis  (oonf.  Cicero 
ad  fam.  VII,  12),  das  entspräche  also  ganz  der  germanischen  Anschauung.  J. 
Grimm  deutsche  Myth.  sagt:  In  den  Heidengräbem  gefundene  Steinhämmer  und 
Steinmesser  führen  denselben  Namen  (nämlich  Donnersteine,  Donnerkeile  u.  s.  w.) 
Saxo  Grammaticus  äussert  sich  ganz  deutlich  darüber  so  (p.  236) :  „inusitati  pon- 
deris  malleos,  quos  ioviales  vocabant  .  .  .  prisca  virorum  religione  cultos  l  .  . 
cupiens  enim  antiquitas  tonitruorum  causas  usitata  rerum  similitudine  compre- 
hendere,  malleos,  quibus  coeli  fragores  oieri  credebant,  ingenti  aere  complexa 
fnerat.''  Sollten  die  Römer  im  Odenwald  ihren  alten  Brauch  in  dem  germa- 
nischen wiedererkannt  haben? 


102   DierSm.Befeatip,  ii.NiederlaBBunKen  zwischen  Obernimrg  ü.M. o.  Neustadt  i  O. 

genannt,  wurden  gelegentlich  bei  Waldculturaibeiten  schon  verschie- 
dene, rüraische  Alterthdmer  gefunden,  die  sich  im  Besitz  des  Ober- 
försters Herrn  von  Kienle  in  Neustadt  i.  0.  befinden  und  die  deu  rö- 
mischen Ursprung  dieser  Gebäudereste  unzweifelliaft  documentiren. 
Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  waren  auch  hier  zur  Sicherung  der 
Strasse  zwei  Thürme,  in  deren  Nähe  oder  zwischen  welchen  die  Strasse 
hindurchzog.  Hier  ist  der  Breubcrg  schon  in  Sicht  und  nun  zog  sich 
die  Verbindungsstrasse  bei  dein  kleinen  Dorfe  Raibach  in  das  MOm- 
hngthal  hinab  nach  dem  Breuberg,  an  dessen  Fuss  das  Städtchen  Neu- 
stadt liegt.  Die  ganze  beschriebene  Verbindungslinie  zwischen  dem 
Obernburger  und  Breuberger  Castell  führt  gegenwärtig  durch  Wald. 
Will  man  sich  aber  eine  richtige  Vorstellung  ?on  der  Beschaffenheit 
der  Gegend  zur  Zeit  der  Kömerlierrschaft  machen,  so  niuss  man  sich 
die  Culturverhältnisse  des  Bodens  etwa  umgekehrt  denken,  als  wie 
sie  gegenwärtig  sind.  Denn  jetzt  sind  alle  diese  Höhenzüge  des  öst- 
lichen Odenwaldes  mit  Wald,  vorzugsweise  mit  Kiefernwaldungen  be- 
deckt, während  die  Thäler  angebaut  und  mit  fruchtbarem  Ackerland 
wie  mit  quellenreichen  grdnen  Wiesen  durchzogen  sind.  Aber  den 
Römern  hei  es  ehemals  sicherlich  nicht  im  Traume  ein,  ihre  Kastelle 
und  Wartthürme  mitten  in  die  Wälder  hiueinzubauen,  wo  sie  bestän- 
dig der  Gefahr  einer  unbemerkten  Annäherung  des  Feindes  ausgesetzt 
gewesen  wären.  Vielmehr  waren  zur  Bömerzeit  die  jetzt  bewaldeten 
Höhen  des  Odenwaldes  waldfrei.  Die  Castelle,  sowie  die  daran  sich 
anschliessenden  bürgerlichen  Niederlassungen  waren  von  Garten-  und 
Ackergelände  umgeben,  auf  welchem  sich  die  Grenzsoldaten,  die  nicht 
immer  unter  den  Waffen  standen,  sondern  in  ruhigen  Zeiten  sich  mit 
Ackerbau  beschäftigten,  ihre  Lebensbedürfnisse  zogen.  Noch  jetzt  lässt 
sich  an  einigen  römischen  Niederlassungen,  wie  z.  B.  an  der  „Feuchten 
Mauer"  erkennen,  wie  weit  sich  das  umgebende  Gartengelände  er- 
streckt hat.  Als  aber  das  Römerreich  trotz  aller  Verschanzungen  und 
Gastelle  in  sich  zerfiel  und  der  Völkerbund  der  Alemannen  von  der 
Gegend  Besitz  nahm,  da  waren  nicht  mehr  die  mihtärischen  und  stra- 
tegischen Gesichtspunkte  bei  ihren  Ansiedelungen  massgebend,  sondern 
man  zog  als  Wohnplätze  die  milderen  und  ergiebigem  Thalgrande 
vor,  und  so  sind  die  Dörfer  auch  da,  wo  eine  römische  Niederlassung 
auf  der  Hohe  der  Anlass  ihrer  Entstehung  war,  allmählich  in  der 
Alemannenzeit  in  die  Thäler  herabgerUckt,  während  die  verlasseneu 
Höhen  sich  mit  Wald  Überzogen.  Diesem  Umstand  verdankt  man  im 
Odenwald  die  verhältnissmässig  gute  Conservirang  der  römischen  AI- 


Die  röm.  Befestig,  n.  Niederlassungen  zwischen  Obembarg  a.  M.  u.  Neustadt  i.  0.  103 

terthümer,  die  im  bebauten  Ackerland  längst  verschwunden  sein  wür- 
den. Jenes  oben  erwähnte  kleine  Dorf  Raibach,  bei  welchem  die  Ver- 
binduDgsstrasse  zwischen  dem  Obernburger  und  Breuberger  Gastell  in 
das  Mümlingthal  einmündete,  war  nun  eine  solche  alte  Ansiedelung, 
zu  welcher  römische  Niederlassungen  in  der  Nähe  den  Anlass  gaben. 
Die  älteste  urkundliche  Bezeichnung  des  Dorfes  im  8.  oder  9.  Jahr- 
hundert: ,,Reginbach  super  fluvio  Mimelinga"  scheint  auf  römischen 
Ursprung  hinzuweisen*).  In  unmittelbarer  Nähe  liegt  jetzt  der  „Am- 
heider  Hof*  am  Saum  des  Waldes,  der  sich  hier  zum  Mümlingthal 
herabsenkt.  Schon  im  vorigen  Jahre  hatte  der  verdienstvolle  Forscher 
und  Kenner  römischer  Alterthümer  im  Odenwald  und  Mainthal,  Herr 
Carl  Christ  in  Heidelberg,  die  Güte,  mir  die  interessante  Mittheilung 
zu  machen,  dass  man  in  einer  Handschrift  der  Bibliothek  zu  Leyden 
einen  Plan  der  im  16.  Jahrhundert  gemachten  Ausgrabungen  bei  dem 
Breuberge  gefunden  habe*).  Aus  demselben  gehe  hervor,  dass  der 
Fundort  der  auf  dem  Breuberg  befindlichen  Bömersteine  nicht  der 
Breuberg  selbst,  sondern  „die  Castelle  Arheiden",  also  der  jetzige 
„Amheider  Hof*,  gewesen  sei.  Diese  mich  höchlichst  interessirende 
Notiz  veranlasste  mich,  die  Gegend  genau  zu  durchforschen,  sowie 
ortskundige  Lehrer  und  Förster  zu  beauftragen,  sorgfältige  Unter- 
suchungen anzustellen,  wo  etwa  diese  „Arheider  Castelle"  gelegen 
haben  könnten.  Man  machte  mich  in  Folge  dessen  auf  einen  Stein- 
haufen auf  der  Waldkuppe  gerade  über  dem  Amheider  Hof  aufmerksam, 
welche  den  Namen  „Seestutz''  führt,  während  die  am  Fuss  gelegenen 
Wiesen  die  „Seewiesen**  heissen,  jedenfalls  in  Folge  der  ehemaligen 
sumpfigen  Beschaffenheit  des  Wiesenthals  oder  auch  eines  Sees,  den 
ehemals  hier  die  Mümling  gebildet  haben  kann.  Diese  Anhöhe  „See- 
stutz*' liegt  dem  Breuberg  gerade  gegenüber  und  beherrscht  in  Gemein- 
schaft mit  diesem  die  dasige  Passage  des  Mümlingthales  vollständig. 
Desshalb  hielt  ich  den  erwähnten  Steinhaufen  auf  dem  Seestutz,  wenn 
auch  nicht  für  die  Trümmer  eines  Castells,  so  doch  für  die  eines 
römischen  Wachtthurmes,  für  einen  militärischen  Posten,  um  der 
Sache  auf  den  Grund  zu  kommen,  liess  nun  Herr  Oberförster  von 
Kienle  in  Neustadt  bei  Gelegenheit  einer  Weganlage  über  den  See- 
stutz die  Stelle  in  Gegenwart  einer  Anzahl  von  Alterthumsfreunden 
des  Odenwaldes   aufgraben.    Aber  man  fand  nur  ein  Römergrab  mit 

1)  Yergl.  Simon,   Geschichte  der  Dynasten   und  Grafen  von  Erbaoh   und 
ihres  Landes.  Seite  208. 

2)  Yergl.  Knapp,  röQi.  Denkmäler  des  Odenwaldes  §.  46. 


104  Die  röm.  Befeatg.  u.  NiederlaBsungen  zwischen  Oliembtirg  r.  M.  a.  Neustadt  i.  0. 

aufgeschichteten  Steinen  bedeckt;  im  Innern  des  Grabes  eine  üme  mit 
Aschenresten,  zwei  römische  Münzen  und  ein  Steinwerkzeug,  ganz  wie 
ich  sie  oben  beschrieben  liabe.  Hiermit  ist  aber  nicht  ausgeschlossen, 
daas  die  „Arheider  Castelle"  sich  auf  einer  andern  Stelle  des  See- 
stutzes befunden  haben ;  denn  das  Plateau  des  Berges  ist  umfangreich 
und  können  wohl  die  üeberreste  der  Oastelie  an  einer  anderen  StPÜe 
im  Waldgestrüpp  verborgen  sein.  In  unmittelbarster  Nähe  des  „Arn- 
heider  Hofes",  der  gerade  am  Fuss  des  öeestutzes  liegt,  ist  keine  für 
ein  Castrum  geeignete  Localität  oder  irgend  eine  Spur  eines  Castrums 
aufzufinden.  Auch  ist  es  unwahrscheinlich,  dass  die  Römer  am  Ftisa 
einer  Anhöhe  ein  Castell  anlegten,  das  von  der  Anhöhe  herab  so 
leicht  zu  erstürmen  gewesen  wäre. 

Wenn  sich  daher  auf  dem  Seestutz  kein  Castell  finden  sollte,  so 
wäre  eine  andere  Möglichkeit,  dass  die  „Arheider  Castelle"  in  Uaibach 
eelbst  gewesen  seien;  wenigstens  ruht  die  dasige  Capelle  auf  uralten 
Substructionen.  Indem  die  Frage  nach  der  Lage  der  „Arheider  Ca- 
stelle" nach  dem  Gesagten  vorerst  eine  offene  bleiben  muss,  wenden 
wir  uns  zu  dem  gegenüberliegenden  Breuberg;  die  ältesten  urkund- 
lichen Benennungen  sind  um  1200:  Bruberc;  1310:  Prewberg;  1323: 
Bruberg.  Dieser  imponirende  Bergkegel  zieht  sich  mit  seinem  Fuss 
bis  an  die  Mümling,  so  dass  nur  ein  schmaler  Zwischenraum  vorhan- 
den ist,  auf  dem  das  Städtchen  Neustadt  liegt.  Dass  die  Römer  diesen 
vorspringenden  Bergkegel,  der  nur  nach  der  Nordseite  hin  mit  dem 
andern  Gebirge  zusammenhängt,  zu  einer  Befestigung  benutzt  haben, 
sei  es  zu  einem  Castell,  sei  es  zu  einem  kleineren  Wachtposten,  ist 
nicht  zu  bezweifeln.  Vor  zwanzig  Jahren  noch  sah  ich  auf  dem  Breu- 
berg auf  einem  niedrigen  Manerreste  an  der  östlichen  Seite  Ueber- 
bleibsel  eines  römischen  Wandgemäldes,  das  eine  nackte  Göttin  vor- 
stellte. Jetzt  sind  diese  Reste  verschwunden;  dann  fand  man  hier 
einen  der  Fortuna  gewidmeten  römischen  Votivstein  von  einem  Sol- 
daten der  XXII.  Legion  errichtet ')i  der  aber  nach  der  obigen  Notiz 
des  Herrn  Carl  Christ  von  den  Ausgrabungen  hei  den  „Arheider  Ca- 
stellen"  in  der  Nähe  dahingebracht  worden  ist.  Endlich  findet  sich 
noch  dort  ein  Altar  desselben  Fundortes,  auf  welchem  in  grober  Sculp- 
turarbeit  mehrere  Gottheiten  dargestellt  sind,  vermuthlich  Mercur 
und  Juno,  die  als  Opferfrau  dargestellt  ist,  und  Mars  und  Minerva. 
Doch  fehlen  Inschrift  und  sicher   bestimmende  Attribute.    Der  Stein 


I)  Tergl.  Knapp,  Bora.  Denkmller  im  Odenwald. 


Die  rom.  Befestig,  n.  Niederlassungen  zwisoben  Obernborg  a.  M.  a.  Neustadt  i.  0.  105 

ist  0,80  m  hoch,  0,40  m  breit,  aus  dem  Sandstein  der  Oegend  gear- 
beitet; die  Figuren  sind  verwittert  und  ziemlich  unkenntlich.  Auch 
die  Spuren  eines  römischen  Bades  will  man  auf  dem  Breuberg  ge- 
funden haben.  Auch  unten  am  Fusse  des  Breuberg  auf  der  rechten 
Seite  der  Mümling  hat  man  schon  vor  längerer  Zeit  Spuren  eines 
römischen  Gebäudes  entdeckt.  Ich  bemerke  noch,  dass  auf  der  hes- 
sischen Generalstabskarte  die  römischen  Alterthümer,  Castelle,  Wacht- 
thürme,  Gräber  gar  nicht,  auf  der  baierischen  höchst  unzuverlässig 
und  willkürlich  angegeben  sind.  Auch  viele  Angaben  Walthers,  dessen 
Verdienste  um  die  Geschichte  der  AlterthUmer  der  heidnischen  Vor- 
zeit im  Grossherzogthum  Hessen  0  ich  sehr  hochschätze,  beruhen  auf 
Muthmassungen  oder  irrthümlichen  Angaben  incompetenter  Bericht- 
erstatter. So  namentlich  bei  Unterscheidung  römischer  und  germa- 
nischer Gräber,  die  sehr  schwierig  ist  und  bei  welcher  ein  Laie  mit 
dem  besten  Willen  kein  sicheres  Urtheil  abzugeben  vermag.  Indessen 
ist  die  seinem  Werke  beigegebene  Karte  des  Grossherzogthums  Hessen 
mit  Bezeichnung  der  für  Germanisches  und  Komisches  Alterthum  be- 
deutenden Stellen,  obwohl  sie  ganz  auf  den  wenig  zuverlässigen  Ar- 
beiten Arnd's  fusst^)  und  natürlich  die  neueren  Entdeckungen  gar 
nicht  enthält,  immer  noch  das  Beste  was  man  in  dieser  Beziehung  hat. 
Auf  dieser  Karte  lässt  sich  die  von  mir  beschriebene  römische  Ver- 
bindungslinie zwischen  dem  Obemburger  und  Breuberger  Castell  ein- 
tragen. Ihre  muthmassliche  weitere  Richtung  ging  von  dem  rechten 
Mfimlingufer  nach  Sandbach,  wo  Herr  Pfarrer  Bernhard  in  seinem 
Garten  in  letztem  Herbst  zufällig  in  ziemlicher  Tiefe  auf  ein  altes 
Pflaster  stiess,  das  noch  nicht  näher  untersucht  ist,  von  hier  nach 
Höchst,  Hummethroth  nach  dem  zweiten  bedeutenden  Odenwaldcastell, 
die  „Hasselburg'S  auf  dem  Hochplateau  zwischen  Gersprenz-  und  Müm- 
lingthal  an  dem  Kirchbeerfurter  Schlösschen  und  Schaelbert  vorüber, 
um  sich  dann  in  ihrem  weitem  Verlauf  von  der  Bergstrasse  über 
Pfungstadt,  Trebur,  Mainz  zuzuwenden.  Doch  habe  ich  hiermit  blos 
die  muthmassliche  Bichtung  angegeben,  in  welcher  zunächst  die  aca- 
demisch  gebildeten  und  wissenschaftlich  befähigten  Alterthum  sfreunde 
des  Mümling-  und  Gersprenzthales,  wozu  ich  besonders  meine  Herrn 
Amtsbrüder  in  Sandbach,  Rimhom,  Höchst,  Brensbach  zähle,  weiter 
zu  forschen  haben.  Denn  so  erfreulich  es  ist,  dass  in  den  letzten  Jah- 

1)  Yergl.  Waltber,  die  Alterthümer  der  beidniscben  Vorzeit  etc. 

2)  Yergl.  die  recbtsmainisohe  Limesforscbong  von  Dr.  Albert  Dank  er, 
Annalen  für  Nassauer  Alterthomskonde  XV,  Seite  206  ff. 


1 


lOG  Dieröm.  Befestig.  ii.Niederlasaaogen  iwischenObernbnrga.M.  u. Neustadt  i.O. 

ren  die  Erforschung  der  Altcrthümer  des  Odeuwaldes  eifrige  Förderer 
und  Freunde  gewonnen  hat,  so  ist  doch  ein  einheitliches  Zusammen- 
wirken nach  einem  bestimmten  Plan  nicht  genug  zu  empfehlen,  weil 
sonst  der  Eifer  in  ein  planloses  Herumwühlen  der  vorhandenen  Altcr- 
thümer ausartet,  ohne,  wie  bisher,  irgend  welches  andere  Resultat,  als 
höchstens  einige  sich  bald  wieder  zerstreuende  Fundstücke  zu  ergeben. 
Demnächst  hoffe  ich  die  Beschreibung  der  Römerstrasse  Obern- 
burg-Mudau.  resp.  des  Stückchens  Seckmauern - Lützelbach  mit  einer 
Reihe  neuer  Ergebnisse  fortsetzen  zu  können '). 

Seckmauern  i.  0.  Seeger,  Pfarrer. 

1)  Nach  AbBendnog  obiger  Arbeit  fand  der  Verfusaer  im  Heft  50  und  Bl 
S.  290  fF.  die  Besprechung  einer  Steiuaxt  aus  Jado  ale  rBmiachen  Alterthum,  von 
Herrn  Geh.-Rath  Schaaffhausen,  an  deren  ScUIubs  Stein  Werkzeugen  dieser 
Art  derselbe  Zweck  beigelegt  wird,  den  ich  den  von  mir  tbeila  in  thoils  nahe 
bei  röm.  Niederlaaaungen  gefandenen  SteinwerkEeugen  beigelegt  und  mit  dea 
betroffenden  Stellen  aus  Livius  begründet  habe.  Ich  bemerke  auadrücklicb,  daM 
iah  vollatändig  unabbäjigig  von  der  böcbat  iutereBaanten  Besprechung  dea  Remi 
Geb.  Rath  SohBaffhauBon  obige  Hypothese  aufgeatellt  habe  und  finde  ihre 
Wahrscheinlichkeit  durch  die  Mittheilungen  Schaaffbaiiaona  zu  meiner  Ueber- 
raecbung  wesentlich  veratärkt.  Der  Uuteracbied  iu  der  Grösse  durfte  den  Zweck 
dieser  Steinwerkzuuge  nicht  nlteriren,  da  ein  namentlicfa  niitlelet  eines  ange- 
fügttrn  Stieta  ausgeführter,  scbnungbefter  Schlag  hinreichte,  den  Schädel  eines 
Opfertbieroa  zu  zertrQmmern. 

Hierzu  bemerkt  der  Önterzei ebnete,  dasa  er  nicht  nur  im  Jahre  1871  an 
der  oben  bezeichneten  Stalle  Aber  den  Oabraucb  der  alten  Steingeräthe  zu  Cul- 
tuBEwecken  eine  Mittheilung  gemacht  hat,  sondern  bei  veracbiedenen  Gelegen- 
heiten auf  diesen  Gegenstand  zurückgekommen  ist.  so  in  dem  Berichte  ober  die 
Anthropologen-Veraamralung  in  Stuttgart,  1872,  S.  44,  im  Archiv  fSr  Anthro- 
pologie VHl,  1875,  S.  255  und  in  den  Jahrb.  dea  Tereios  von  Alterlhuma freun- 
den Heft  LVn,  1876  S,  152.  Hier  ist  auf  zahlreiche  Seh rif täte llen  der  Alten 
hingewiesen,  auf  Livius  I  2*,  IX.  6,  XXI  46,  XXXIII  43,  Festus  115.  Plautua, 
Miles  1414.  Bericht  über  die  Anthropol.-Veraammlung  in  ConsUnz  1877.  S.  HO. 
Die  Annahme,  daas  alle  Stein  Werkzeuge,  die  in  der  Nahe  römischer  Lager  ge- 
funden werden,  eolehem  Zwecke  gedient  haben,  ist  zu  weitgehend,  da  sie  vor 
dem  Gebrauch  der  Metalle  bei  allen  Völkern  die  gewöhnlichen  Geräthe  für  alle 
möglichen  Verrichtungen  des  Menschen  waren  und  als  solche  auch  in  späterer 
Zeit  noch  lange  in  Gebrauch  blieben.  Doch  mögen  sie,  als  im  gewöhnlichen 
Leben  das  Steinwerkzeug  längst  verdrängt  war,  aus  alter  Verehrung  noch  zu 
religiösen  Gebräuoben  gedient  haben.  Das  iat  für  die  aas  werthvollem  Mineral 
gefertigten  besonders  wahrscheinlich. 

H.  Scbaaffhaueen. 


KusBtafel  des  Meisters  Anton  Eisenhnth.  107 


II.  Kusstafel  des  Meisters  Anton  Eisenhuth. 


Hierzu  Taf.  VII  und  VIII. 


Wohl  selten  ist  ein  alter,  plötzlich  bekannt  gewordener  Künstler 
so  schnell  und  unbestritten  an  seinen  gebührenden  Platz  in  derKunstr 
geschichte  gelangt  als  der  1554  geborene  Goldschmied  Anton  Eisen- 
huth aus  Warburg.  Es  war  und  bleibt  das  Verdienst  der  Ausstel- 
lung westfälischer  Alterthümer  und  Eunsterzeugnisse  zu  MUnster  vom 
Jahre  1879,  durch  die  Hervorsuchung  seiner  Silberarbeiten  aus  der 
Gräflich  Fürstenberg'schen  Schatzkammer  zu  Schloss  Herdringen,  die- 
sen grossen,  unbekannt  gewordenen  deutschen  Meister  der  Welt  wieder 
gegeben  zu  haben.  Die  in  Münster  ausgestellten  6  Werke:  die  grossen 
Buchdeckel  des  Pontificale  romanum  und  des  Eölner  Missale  von  1582 
und  84;  das  Krucifix  von  1589;  der  Kelch  von  1588;  der  Weihwasser- 
kessel mit  Sprengwedel;  endlich  das  Rauchfass  —  von  denen  Eelch,  Kru- 
cifix und  Kessel  mit  dem  Namen  des  Meisters  bezeichnet  sind  —  wurden 
sofort  von  Münster  aus  durch  photographische  Nachbildungen  bekannt 
gemacht.  Wenige  Monate  später  fanden  sie  am  Winkelmannsfeste  1879 
zu  Bonn  durch  mich,  und  zugleich  in  diesen  Jahrbüchern  Heft  67  S.  137 
ff.  durch  J.  B.  Nordhoff  eingehende  Besprochung.  Julius  Lessing's 
Monographie:  „Die  Silberarbeiten  von  Anton  Eisen  holt  mit  14  Licht- 
drucktafeln'' und  die  in  reicherer  Zahl  wiederholte  Vorführung  der 
Eisenhuth'schen  Werke  auf  der  Ausstellung  Kunstgewerblicher  Alter- 
thümer im  vorigen  Jahre  zu  Düsseldorf  hat  ihre  Kenntniss  fast  zum 
Gemeingut  in  Deutschland  gemacht  und  zahlreiche  weitere  Besprechun- 
gen hervorgerufen,  die  Nord  ho  ff-  in  seinem  IL  Artikel  über  Meister 
Eisenhuth  im  70.  Jahrbuch  S.  113  registrirt. 

Die  kirchlichen  Geräthe  Meister  Eisenhuth 's  aus  der  Schatz- 
kammer zu  Herdringen  befanden  sich  ehemals  in  der  Capelle  des 
Schlosses  auf  dem  Schnellenberge,  das  Caspar  von  Fürstenberg  erbaute  0. 
Sein  Bruder  Theodor,  der  Fürstbischof  von  Paderborn,  stattete  die 
Schlosscapelle  mit  künstlerischem  Schmucke  aus.  Theodor  von  Für- 
stenberg, 1546  geboren  und  1618  gestorben,  wurde  1585  zum  Bischof 


1)  Pieler,  Leben  and^^rken  Caapar  von  Fürstenberg's.  Paderborn  1878. 
S.  166. 


n 


lOB  Kueatafcl  3cb  MetsteiB  Anton  Eiaenhnth. 

von  Paderborn  gewählt  und.  iri89  consecrirt.  Die  Capelle  trug  die 
Inschrift:  Theodorus  episcopus  Paderbornensis  hoc  Sacellum  S.  Geor- 
gto  sacrum  in  Dei  et  familiae  . .  honorem  suis  impensis  conatrui  et 
ornari  liberahtor  fecit  a.  d,  1600  lubilaeo  .  .  . 

Ziehen  wir  nun  in  Betracht,  dags  vorgenannte  Silberwerke  kirch- 
licher Zweckbestimmung  angehören,  dass  die  meisten  durch  das  Wap- 
pen des  Fürstbischofs  Theodor  als  Tür  diesen  bestimmt  gekennzeichnet 
sind,  so  wird  man  der  Annahme  die  Berechtigung  nicht  abstreiten 
können,  dasa  sie  schon  von  ihrem  Stifter  für  die  SchlosscapeDe  von 
Schnellenberg,  in  welcher  sie  späterhin  sich  befanden,  bestimmt  waren. 

Es  ist  aber  aus  den  Tagebilcbern  Caspar  von  Fiirsteuberg'a  ra^ 
sichtlicb,  dass  Meister  Eisenhuth  für  ihn  in  den  Jahren  1595  —  98 
noch  mannigfache  andere  kostbare  Gold-  und  Silberarbeiten,  Becher, 
Schalen,  einen  Adler-Pokal  u.  s.  w.  verfertigte,  welche  Werke  bis  da- 
hin leider  nicht  nachweisbar  sind,  angeblich  weil  der  Fürstenberg'sche 
Silberschatz  im  vorigen  Jahrhundert  bestohlen  wurde.  Vielleicht  aber 
auch  theilweise  noch  aus  einem  andern  Grunde. 

Der  1835  gestorbene  Keichsfreiherr  Friedrich  Leopold  von  Für- 
Btenberg  hatte  14  Kinder,  welche,  mit  Ausnahme  des  Erstgeborenen,  nach 
der  Natur  des  Haupt  Vermögens  als  Majorat  mit  einer  bescheideneren 
Lebenslage  hätten  zufrieden  sein  müssen.  Der  für  die  angemessene 
Stelluag  seiner  Kinder  voraorgende  Vater  bestimmte  aber,  dass  ein 
einbringlicher  Gflter-Complex  für  jeden  seiner  Söhne  beschafft  wurde, 
und  so  sehen  wir  diese  denn  bald,  nach  letztern  benannt,  als  die  Reichs- 
freiherren  von  Füratenberg-Heiligenhoven,  von  Fürstenberg -Cörtling- 
hausen,  von  Fürstenberg-Eggeringhausen,  von  Fürstenberg-Borbeck, 
von  Fürstenberg -Muffendorf,  von  Pürstenberg  zu  Liedberg  und  Lörs- 
feld  erscheinen.  Dass  die  so  reichlich  ausgestatteten  Söhne  nicht  auch 
das  eine  oder  andere  Kleinod  aus  dem  Familienschatz  erhalten  haben 
sollten,  wird  Niemand  an  und  für  sich  unwahrscheinlich  finden.  Es  wird 
kaum  bestreitbar  bleiben,  wenn  wir  im  Besitz  des  Reichsfreiherm  von 
Fiirstenberg-Muffendorf  das  kostbar  gefasste  goldene  Medaillon  mit  dem 
Brnstbilde  des  Fürstbischofs  Theodor;  als  Erbgut  des  Reicbsfreifaerrn 
von  Fürstenberg-Lörsfeld  jene  silber-vergoldete  Kusstafel  unserer  Ab- 
bildung sehen,  die  seit  ihrer  Ausstellung  in  Düsseldorf  als  ein  weiteres 
Prachtstück  des  Capellenschatzes  von  Schlosa  Schnellenberg  gilt.  Im 
Jahre  1868  hat  bereits  der  Architect  Lange  davon  im  Organ  für  christ- 
liche Kunst  (Nr.  7)  eine  Abbildung  gegeben,  freilich  ohne  ihren  Zu- 
sammenhang mit  dem  Meister  Eisenhnth  zu  kennen.    Lessing  deutete 


Kusstafel  des  Meisters  Anton  Eisenhath.  109 

diesen  an,  das  Werk  selbst  blieb  aber  auch  ihm  fremd.  Freiherr 
von  Ffirstenberg-Lörsfeld  war  im  Jahre  1879  gestorben.  Sein  nun- 
mehr leider  auch  schon  verblichener  Bruder,  Freiherr  von  Fürsten- 
berg-Muffendorf unterzog  sich  auf  meinen  Wunsch  in  verbindlichster 
Weise  der  Mühe,  das  Kleinod  in  Lörsfeld  zu  suchen,  um  es  mir  für 
die  Düsseldorfer  Ausstellung  anzuvertrauen. 

Wie  die  Wiedergabe  der  Rückseite  der  Kusstafel  auf  Taf.  V  zeigt, 
nimmt  die  Mitte  derselben  der  Bevers  einer  auf  den  Fürstbischof  Theo- 
dor geschlagenen  Medaille  ein,  welcher  das  Wappenschild  und  rund 
herum  die  Umschrift  trägt:  Theodorus  d(ei)  g(ratia)  £lect(us)  et  con- 
firm(atus)  Eccles(iae)  Paderb(omensi8)  *).  In  ähnlicher  Weise  trägt 
auf  seiner  Bückseite  auch  das  Altarkreuz  (Nr.  651b  des  Ausst.-Cata- 
logs,  2.  Aufl.)  den  Avers  dieser  Medaille  in  ovaler  Form  mit  dem  Por- 
trait des  Fürstbischofs  und  der  gleichen  Umschrift.  In  Silber  und  klei- 
ner befindet  sich  innen  am  Fusse  des  Kelches  (Nr.  586)  als  Schluss 
der  Schraube,  welche  Kuppe  und  Fuss  verbindet,  wiederum  mit  glei- 
cher Umschrift  derselbe  Bevers.  Aber  wir  besitzen  auch  diese  in  Form 
und  Material  variirt^  Medaille  in  einem  einzelnen  vollständigen  Gold- 
Exemplar,  das  im  Av.  das  Brustbild  des  Grafen  Theodor  ohne  Abzeichen 
geistlicher  Tracht  und  Würde  mit  der  oben  angeführten  Umschrift : 
Theodorus  d.  g.  Elect.  et  Confirmat  Eccle.  Pader.  zeigt;  im  Bevers 
das  Wappen  mit  den  Worten:  Concordia  insuperabilis  1580.  Eine 
Abbildung  des  in  zierlich  durchbrochener  mit  kleinen  Edelsteinen  ge- 
schmückten Umrahmung  befindlichen  Medaillons  befindet  sich  in  der 
Photographie -Sammlung  der  Düsseldorfer  Ausstellung*).  Der  Fürst- 
bischof erscheint  hier  als  ein  bärtiger  markiger  Herr,  eine  mächtige 
Persönlichkeit  in  weltlicher  Tracht  mit  breiter  Halskrause  und  goldener 
Kette. 

Wichtiger  und  beweisender  für  die  Annahme,  dass  auch  die  Kuss- 
tafel der  Werkstatt  Anton  Eisenhuth's  entstamme,  darf  die  Wahrneh- 
mung gelten,  wonach  wir  jenes  in  vollendeter  Weise  getriebene  Medusen- 
haupt, welches  auf  der  ßückseite  der  Kusstafel  als  Abschluss  über 
der  Handhabe  mächtig  hervortritt  und  hier  als  Seraphim  gedacht  sein 
mag,  in  unveränderter  gleicher  Form  als  Zierstück  an  den  4  Ecken 
des  Deckels  des  Liber  Pontificale  wiederfinden. 


1)  Die  MedaiUe  ist  nur  auf  einer  Seite  geprägt  oder  dorcbechnitten,  indem 
ihr  der  Ayers  fehlt. 

2)  Nr.  76  des  Yerzeiohnisses  dieser  Photographien  u.  Nr.  651c  des  Gatalogs. 


110  KuBstafäl  des  MeistcrB  Anton  EiBenhulh. 

Das  Werk  selbst  ist  eigenartig.  Seine  am  Fuss  befiodlicbe  In- 
schrift charaktei'isirt  den  Zweck  der  den  Gläubigen  zur  Verehrung 
durch  des  Kus»  hingebaltenen  Tafel: 

Da  pacem  domini  in  diebus  nostris. 

Raum  für  die  zu  verehrende  Reliquie  gewährt  der  Itmenrautn, 
welcher  auf  der  Rückseite  gleichsam  als  kleine  Lade  dadurch  ausge- 
bildet ist,  dasa  der  in  schwungvoller  Ornamentation  giavirte  Deckel 
an  drei  Seiten  von  einer  Schragleiste  emporgehoben  wird.  Die  Me- 
dusa bildet  als  Wächterin  des  heiligen  Inhaltes  den  obern  Äbschluss. 

Eine  in  mächtiger  breiter  Haltung  etwas  nach  links  gewendete 
Dischofsfigur  von  kräftig  vortretendem  Relief,  auf  monumentalem  Throne, 
bildet  den  Schmuck  der  Vorderseite.  Die  grossen  Initialen  S.  L,  auf 
den  Wangen  des  Thrones  deuten  uns  an,  dass  dieser  KirchenfUrst  der 
heilige  Libori US,  der  Patron  des  Domes  von  Paderborn,  dessen  Gebeine 
seit  836  dort  ruhen,  und  von  welchen  wahrscheinlich  eine  Partikel  den 
Inhalt  der  rückseitigen  Kapsel  bildete,  sein  soll. 

Anstatt  den  heiligen  Pischof  nach  dorn  strengern,  altern  kirch- 
lichen Typus  mit  seinen  Attributen,  dem  Pfau  und  einem  mit  kleiaen 
Steinen  belegten  Buche  darzustellen,  verläast  der  vom  Triebe  freien 
Schaffens  durchwehte  Künstler  die  alte  Tradition,  und  gibt  uns  aus 
der  Prunk-Anschauung  des  16.  Jahrhunderts  einen  in  monumentaler 
Thron-Nische  dasitzenden  Bischof,  der  in  der  Linken  den  Hirtenstab, 
das  Abzeichen  seiner  Würde  haltend,  die  Rechte  zum  Segnen  der  unter- 
halb gedachten  knieenden  Menge  vorstreckt.  Zwei  in  kecker  Haltung 
seitlich  auf  den  Wangen  des  Thrones  knieende  Knaben  tragen  Bauner 
empor,  welche  durch  geschliffene  Edelsteine  ausgefüllt  werden. 

Die  reiche  Renaisaance-Architectnr  des  Thrones  wird  unterhalb 
durch  eine  Console  abgeschlossen,  welche  mit  drei  kostbaren  Edel- 
steinen, in  der  Mitte  einen  blaueu  Saphir,  seillich  zwei  grünen  Sma- 
ragden geschmückt  ist;  oberhalb  durch  gothisirende  Fialen  bekrönt, 
von  denen  leider  mehrere  ihrer  Spitzen  beraubt  sind. 

Das  ganze  mit  künstlerischer  Empfindung  entworfene,  mit  virtuo- 
ser Technik  ausgeführte  Werk    spiegelt  in  seiner  Erscheinung  jene 

l)  AU  hiatoriBoha  Notiz  für  die  Vorekern  Meister  Aoton'a  mag  hier  an- 
gefügt werdet!,  dass  am  Scblusse  eines  DefenBorium  inviolalae  virginitatis  b. 
Mariae  Virg.  der  Herzogl.  Bibliothek  iu  Gotba  »ich  als  Drucker  nennt:  Johannea 
eysauhut  irapressor  anoo  ab  incarnaoois  dnico  M"  quadrigeotesimo  septnagesimo 
P.  Vergl.  Fr.  Jacobs  und  F.  Ä.  Dkert,  Beiträge  /.ur  altern  Lilteratur,  oder  Merk- 
würdigkeit d.  herzogl.  offentl.  Bibliothek  zu  Gotha.  3  Bde.  183ö— 43.  L  S.  103. 


KuBstafel  des  Meisten  Anton  Eisenhuth.  111 

Prachtentfaltung  wieder,  mit  welcher  im  16.  Jahrhundert  die  Eirchen- 
fürsten  bei  hohen  Festen  erscheinen,  in  der  sie  auf  ihren  Bildern  und 
auf  ihren  Grabmälern  uns  entgegentreten.  Nicht  ohne  Berechtigung 
lässt  sich  auch  wohl  sagen,  dass  das  künstlerische  Motiv  der  Anordnung 
dem  Darstellungskreise  entspringt,  den  Michel -Angelo's  Propheten  und 
Sibyllen  der  sixtinischen  Gapelle  inspirirten  und  in  Schwung  brachten. 

Die  Beibehaltung  der  noch  gothisirenden  oberen  Architecturtheile 
früherer  Renaissance  neben  der  freien  malerischen  Behandlung  des  Figür- 
lichen bilden  hier  dieselbe  Mischung  zeitlich  verschiedener  Formgebung 
wie  bei  dem  Crucifix  des  Meisters,  das  ebenfalls  nach  der  Stilverschie- 
denheit von  Fuss  und  Kreuz  in  zwei  ungleiche  Hälften  sich  zerlegte, 
die  aber,  wie  hier,  in  wohlthueuden  Einklang  gebracht  sind. 

Gemeinsam  ist  allen  übrigen  Silberarbeiten  Eisenhuth*s,  und  ihr 
charakteristisches  Merkmal,  das  wenig  hervortretende,  flache,  an  die 
Th'ätigkeit  des  Kupferstechers  erinnernde  Relief.  In  vollem  Gegen- 
satz hierzu  steht  die  Vorderseite  der  Kusstafel.  Markig  und  flott 
treten  die  Figuren,  fast  in  voller  Rundung  aus  der  Bildfläche  heraus. 
Die  Kusstafel  kennzeichnet  desshalb  eine  vorgeschrittenere  Entwicklungs- 
stufe und  düiite  die  späteste  der  bisher  bekannt  gewordenen  Arbeiten 
des  im  Jahre  1604  noch  lebenden  Meisters  sein. 

E.  aus'm  Weerth. 


II.  LHteratiir. 


1.  Mittelalterliche  Ordensbauteo  in  Mainz.  Die  KiroBen  der 
Dominikaner  uod  Kurmeliten.  Von  Friedrich  Schneider.  Mainz, 
Druck  von  Joh.  Falk  III,  1879.  i  a.  28  S.  Imp.-4  nebst  5  Steindrack- 
tafeto. 

Der  für  gründliche  Erforschung  der  Mainzer  Kuastalterthünier  aner- 
müdlicli  und  erfolgreich  thätigo  Terfnsacr  hat  die  hier  angeEeigte  Schrift 
iu  aogetnesaen  würdiger  Ausstattung  vöroffentlicht  zur  Feier  der  50.  Ver- 
sammlung des  geselligen  Vereins  der  Architekten  und  Ingesieure  in  Mainz, 
um  dadurch  zwei  gothisohe  Baudenkmaie,  d.is  jetzt  spurlos  Tersch wunderte 
Dominikauerkloator  und  die  zwar  noch  vorhandene,  aber  tranrig  verödete 
Karmeliterkirche,  wenigstens  durch  Zeicbnnn;,'  und  Beschreibung  zu  erhalten 
und  zu  Ehren  zu  bringen. 

In  der  Einleitung  wird  die  wunderbar  schnelle  Verbreitung  der  bei- 
den grossen  Bettelorden  in  den  deutschen  Städten  während  des  13.  Jahrh. 
besprochen  und  mit  Recht  aus  dem  geistlichen  Bedürfnisse  der  damaligen 
Zeit  genügend  erklärt.  Wenn  es  aber  S.  2  heisst,  die  neuen  Orden  seien 
überall  von  den  Bürgerschaften  mit  offenen  Armen  empfangen  worden,  so 
ist  dies  nur  mit  gewissen  Einschr&nkangea  zu  bestätigen.  Von  den  Frau- 
ciskanern  ist  es  bekannt,  dass  die  ersten  Versuche,  die  sie  auf  deutschem 
Boden  machten,  durch  das  Ungeschick  ihrer  Sendlinge  gänzlich  fehl  schlu- 
gen (Wadding,  Annales  Minomm  ad  a.  1216),  und  nachher  scheinen 
es  aus  erklärlichen  Gründen  mehr  die  auf  die  bischöfliche  Macht  eifer- 
süchtigen Fürsten  gewesen  zu  sein,  welche  die  von  derselben  eximirten 
Minderen  Brüder  in  Schutz  nahmen  und  deren  Ansiedlnngen  in  den  Städten 
begünstigten.  Die  Gründungsgeschichte  der  Klöster  ist  allerdings  nur  sel- 
ten bekannt;  aber  z.  B.  in  der  thüringischen  Reichsstadt  Mühlbausen  wurde 
im  J.  123 1  der  Orden  laut  einer  monumentalen  Urkuiide  von  König  Hein- 
rich III.  aufgenommen '),  und  in  Berlin  waren  es  die  Markgrafen  Otto  und 
Albert,  die  „erga  ordinem  specitUi  devotione  perfytoW  1271  den  neben  ihrer 

1)  Inichrift  an  der  Barfüsserkirche  zum  heil.  Kreuz:  Anno  dni.  1231  ftalteB 
bic  reoepti  sunt  a  rege  Henrioo  eto. 


Mittelalterliche  Ordensbauten  in  Mainz.  113 

Burg  belegenen  Bauplatz  zum  Kloster  gnädigst  verliehen,  aber  der  Bau 
kam  erst  dadurch  recht  in  Gang,  dass  ein  adliger  Ritter  1290  den  Brü- 
dern eine  Ziegelei  schenkte*);  von  einer  Betheiligung  der  Bürgerschaft 
verlautet  nichts.  —  Die  Dominikaner  hatten  von  vom  herein  einen  mehr 
aristokratischen  Zug,  und  da  das  Stadtregiment  im  13.  Jahrh.  noch  aus- 
schliesslich in  der  Hand  der  Geschlechter  lag,  so  waren  meist  reiche  Pa- 
tricier  Förderer  des  Ordens ;  wie  in  Mainz  selbst,  so  auch  in  Erfurt,  Mühl- 
hausen und  anderwärts.  In  Thüringen  gelang  es  dem  1227  zu  Paris  in 
den  Orden  getretenen  Grafen  Elger  von  Hohnstein  durch  seine  trefiPlichen 
Eigenschaften  und  seine  erbarmende  Liebe  allerdings  das  Volk  zu  begei- 
stem^  welches  zu  dem  von  den  Mönchen  eigenhändig  betriebenen  Bau  des  in 
Erfurt  1229  gegründeten  Klosters  so  zahlreich  herbeiströmte,  dass  man  keiner 
gedungenen  Arbeiter  weiter  bedurfte;  andrerseits  wusste  er  aber  auch  die 
Landgrafen  Heinrich  Raspe  und  Konrad  zu  bestimmen,  dass  sie  ihre  Stif- 
tung in  Eisenach  dem  Orden  übergaben*).  —  Obgleich  es  nicht  zu  be- 
streiten ist,  dass  sich  die  Mendicanten  ursprünglich  als  ein  Salz  der  Erde 
erwiesen  und  sich  deshalb  die  Gunst  des  Volkes  erwarben,  so  war  doch 
ihre  Stellung  als  Nebenpastoren  für  die  kirchliche  Ordnung  von  vorn  herein 
bedenklich  und  schädlich^). 

Femer  handelt  die  Einleitung  (S.  3 — 5)  von  den  besonderen  Eigen- 
thümlichkeiten  der  Mendicantenbauten,  die  sich  im  allgemeinen  als  Reduc- 
tionen  des  Kirchengrundrisses  und  als  Vereinfachungen  der  Detailformen 
charakterisiren.  Frontal thürme,  die  ein  Privilegium  der  Stifts-  und  Pfarr- 
kirchen waren,  mussten  sie  sich  versagen,  und  die  Anlage  eines  Quer- 
schiffes gaben  sie  als  unpraktisch  für  ihre  Volkskircben  auf.  Unbeküm- 
mert schliesslich  um  den  künstlerischen  Werth  ihrer  Bauten,  richteten  sie 
sich  ganz  nach  den  ihnen  oft  nur  spärlich  zu  Gebote  stehenden  Mitteln. 
Kirchen  mit  nur  einem  Seitenschiffe,  Hallenkirchen,  die  auf  der  Kanzelseite 
eine  hohe  fensterlose  Mauer  haben,  entsprachen  zwar  völlig  den  Ordens- 
bedürfnisseu;  vertragen  sich  aber  nicht  mit  den  ästhetischen  Anforderungen 
der  Baukunst.  Einschiffige  Kirchen,  wie  die  der  Franciskaner  in  Zeitz, 
wo  (wie  oft)  der  Brüderchor  die  unmittelbare  Fortsetzung  des  für  das 
Volk    bestimmten  Raumes    bildet,   leiden  im  Aeusseren    an  Monotonie   der 


1)  Vergl.  Ku gl  er,  Kl.  Schriften  I,  103. 

2)  Vergl.  Gebhardt,  Thüring.  Kirchengeschichto  (1880)  1,  17G  ff. 

3)  So  kam  es  z.  B.  im  J.  1319  in  der  Altstädtischen  Pfarrkirche  S.  Bla- 
sien  zu  Mühlhausen  in  Tb.  bei  Gelegenheit  eines  Begräbnisses  an  der  Leicben- 
bahre  zu  einer  argen  Schlägerei  zwischen  der  dem  Deutschen  Orden  angehörigen 
Pfarrgeistlichkeit  und  den  das  Begräbniss  beanspruchenden  Dominikanern,  welche 
in  dem  daraus  entstandenen  Rechtsstreite  mit  ihren  Ansprüchen  von  dem  geist- 
lichen Gerichte  abgewiesen  wurden.  Vergl.  Herquet,  Kristan  von  Mühlhansen 
(1874)  S.  51. 

8 


114  Mitteialterliohe  Ordensbauten  in  Mains. 

langen  Seitenansicht  und  im  Inneren  an  dem  MissrerhAltiilss  dar  goringmi 
Breite  zar   übermässigen  Länge  (1  :  S'/a)*     Andrerseits  jedooh  bei  reidi- 
lieber  fiiessenden  Mitteln  verstand  man  anob  sebr  wobl  bfiberen  AnsprOdien 
gerecbt  za  werden.     Wenn   es  ancb  einigermaassen  zweifelhaft  er^eheiiiaii 
mag,   ob  der  dem  Albertus  Magnus  zugeeobriebene  Gbor  der  aliemal^m 
Dominikanerkircbe   in   Cöln  wirkliob    dem    dortigen  Domohor  im   klainan 
nachgebildet,    also  mit    einem  sich    sonst  in   den  ffirohen   der  Bettelar3«B 
(wenigstens   in   Deutschland)   nicht   findenden  Umgange   Tersehao  war,    so 
bot  doch  der  bei  den  m&rkiscben  Franciskanern  beliebte  freie  weifaftonige^ 
über  die  Seitenwände  des  Langchores  hinaustretende  Sohluss  ana  7  Baten 
des  Zehnecks  (in  Berlin,  Brandenburg  und  Salswedel)  eisen  ebenso  ■ehflnen 
wie  angemessenen  Ersatz.     Strebepfeiler  fehlen  allerdings  auweileii  oder  eiei 
sind  nach  innen  gezogen,  aber  andrerseits  fanden  doch  sogar  die  in  DeatMsk- 
land   seltenen  Strebebdgen  Anwendung,   s.  B.  bei   den  Minoriten   in  Gflio 
und  an   der  Katharinenkirche   desselben  Ordens  in  Lübeck|    die  sogar  mit 
einem  zweischiffigen  Transsept  (ohne  vorspringende  Arme)  und   einem   in 
zwei  Etagen   getheilten  Chor  ausgestattet  erscheint,   obwohl  das  baaiHkmJe 
Schiff  (w^en  des  beschränkten  Bauplatzes)  ganz  unsymmetrisch  eutwurfan 
ist.  —  Was    endlich  die  an  der  Dominikanerkirche   in  R^gensbnrg  nurat 
▼on  Y.  Quast  hervorgehobene   sogen.  Yorwegnahme  späterer,   d.  h.   ver- 
einfachter Detailformen  anbetrifft,   do  findet  sich  nach  demselben  Gewihra* 
mann  (D.  Eunstbl.  1852  S.  217)  ähnliches  doch  auch  nicht  bloss  in  dein 
dortigen  Dome,  wo  ein  Gemisch  alterthümlicher,  entwickelterer  und  bereite 
den  Verfall  ankündigender  Formen  das  ganze  Bauwerk  durchseht»  eondem. 
auch  in  dem  frühgotbischen  Chor  des  Domes  von  Magdeburg,  wo  cBe  ver- 
schiedenartigsten Bildungen  im  buntesten  Wechsel    durobeinandergeworftn 
erscheinen,  ohne  dass  dabei  eine  Art  der  biBtorischen  Ausbildung  der  For- 
men zu  erkennen  wäre^). 

S.  6 — 15  der  besprochenen  Schrift  ist  von  dem  Kloster  der  Domini- 
kaner in  Mainz  die  Rede.  Sie  sollen  zwar  schon  1234  daselbst  aufgetreten 
sein,  der  Bau  des  Klosters  kam  aber  erst  1251  durch  die  thatkräfUge 
Unterstützung  des  reichen  Patriciers  Arnold  Walpod  zu  Stande,  und  die 
Grundsteinlegung  und  Weihe  der  ersten  kleinen  Kirche  fand  1257  statt. 
Als  es  später  1269  den  Brüdern  gelangen  war,  unter  Begünstigung  der 
Bürgerschaft  von  dem  Erzbischof  eine  Erweiterung  des  Bauplatzes  zu  er- 
langeu;  den  sie  1275  durch  Ankauf  eines  Grundstückes  noch  zu  vergrds- 
Sern  genötbigt  waren,  schritten  sie  zur  Errichtung  einer  weiträumigeren 
Kirche,  die  zwar  1281  uud  82  schon  im  Gebrauche,  aber  noch  unvollendet 
war.  Im  J.  1289  handelte  es  sich  anscheinend  nur  noch  um  die  innere 
Ausstattung  derselben.     Der  Bau,   dem  schon  frühzeitig  eine  neue  Kapelle 


1)  Yergl  V.  Quast  in  der  Zeitschrift  für  Archäologie  undKanst  I,  S.  220. 


Mittelalterliche  Ordensbauten  in  Mainz.  115 

.und  später  noch  eine  Marienkapelle  hinzugefügt  worden  war,  erlitt  1462  bei 
der  Niederwerfung  der  Stadt  durch  Adolf  Yon  Nassau  beträchtlichen  Brand- 
schaden: Die  Dächer,  der  Thurm  mit  den  Glocken,  die  Sacristei,  die  Sei- 
tenschiffe etc.  wurden  zerstört,  und  die  Herstellung  war  nach  vier  Jahren 
noch  nicht  beendigt.  Die  Zahl  der  Mönche  war  schon  damals  sehr  zu- 
sammengeschmolzen, und  das  Kloster  ging  allmählich  seiner  Auflösung  ent- 
gegen, die  allerdings  erst  1789  ausgesprochen  wurde.  Die  Gebäude  wur- 
den nun  zu  kirchlichen  Verwaltungszwecken  bestimmt,  aber  die  Beschies- 
sung  der  Stadt  bei  der  Belagerung  von  1793  verwandelte  sie  in  Ruinen, 
welche  erst  im  letzten  Jahrzehnt  gänzlich  beseitigt  wurden.  Nach  der 
Aufhebung  des  Klosters  fanden  Aufnahmen  der  Baulichkeiten  statt,  wel- 
chen die  der  Schrift  des  Herrn  Schneider  beigegebenen  beiden  Grundriss- 
tafeln  (denen  leider  ein  Maassstab  fehlt)  entnommen  sind,  und  eine  ausser- 
dem hinzugefügte  Doppeltafel,  nach  einem  im  Kupferstichcabinet  zu  Darm- 
stadt befindlichen,  nach  der  Beschiessung  gemalten  Aquarell,  zeigt  eine 
malerische  Ansicht  der  Kirchenruine.  Aus  diesen  Zeichnungen,  die  freilich 
vollständigen  Aufschluss  über  den  architektonischen  Aufbau  nicht  geben, 
ersieht  man,  dass  die  Kirche,  wie  viele  der  Bettelorden,  kein  symme- 
trischer Bau  war,  wobei  es  unbestimmt  bleibt,  inwiefern  einzelne  der  vor- 
handenen Unregelmässigkeiten  erst  späteren  Veränderungen  und  nament- 
lich den  Herstellungsarbeiten  nach  dem  Brande  von  1462  beizumessen  wa- 
reb.  Sie  bestand  aus  einem  ziemlich  quadratischen  basilikalen  5  Joche 
langen  Schiff  und  dem  älteren  7  Joche  langen  und  fünfseitig  geschlossenen 
Chor  von  der  Breite  des  Mittelschiffes,  dessen  südliches  Seitenschiff  sich 
längs  des  Chores  als  eine  besondere,  anscheinend  zweigeschossige')  Kapelle 
fortsetzte  und  östlich  mit  einem  Polygonschlusse  versehen  war.  Die  breiten 
Arkadenpfeiler  des  Schiffes  waren  schlicht  rechteckig  mit  abgeschmiegten 
Ecken,  und  die  Scheidbögen  stellten  sich  demgemäss  als  einfache  Mauer- 
ausschnitte dar.  Die  Gurte  der  Kreuzgewölbe  setzten  im  Chore  auf  Con- 
solen  auf  und  hatten  im  Schiffe  herablaufende  rechteckige  Träger.  Sämmt- 
liche  Fenster  waren  zweitheilig,  nur  die  Westfront  zeichnete  sich  durch  ein 
viertheiliges  Fenster  über  dem  Hauptportal  und  zwei  dreitheilige  Fenster 
in  den  Stirnwänden  der  Seitenschiffe  aus;  die  Maasswerkfüllung  bestand  aus 
einfachen  Rosetten.  Der  hohe  Chor  hatte  pultförmig  abgedeckte  Strebe- 
pfeiler, das  Schiff  war  nur  an  der  Westseite  mit  Strebepfeilern  besetzt. 
Beim  Abbruch  der  Kirche  fand  sich,  dass  die  Fundamente,  die  5  m  unter 
die  jetzige  Strassenlage  hinabreichten,  auf  rauh  gemauerten  Pfeilern  mit 
Grundbögen  in  Spitzbogenform  aufsetzten  und  theils  auf  Grundmauern  von 
römischer  Technik,    theils  auf  älterem   mittelalterlichen  Gemäuer  basirten. 


1)  Darauf  scheint   die   (jedenfalls  später)  in  dem  Polygonschlusse  einge- 
richtete Treppe  von  20  und  mehr  Stufen  hinzudeuten. 


116 


Mittelalterliche  Ordensbaaten  in  Mains. 


Die  Elostergebände  lagen  auf  der  Nordseite  der  Kirche,  und  der  groas* 
angelegte«  aber  nicht  überwölbte,  ans  4  Flügeln  bestehende  Krensgang 
lehnte  sich  an  den  Langchor  derselben. 

Die  Kanneliterliterkirche,  von  welcher  der  letate  Abschnitt  dar  Schrift 
(S.  16 — 23)  handelt,  ist  bereits  aus  der  von  Lots,  Knnsttopograpliie  2, 
159  gegebenen  Beschreibong  bekannt«  Letetere  findet  in  den  Ton  Bohnei- 
der  gegebenen  2  Tafeln  (Gnindriss  and  L&ngendnrchsohnitt)  dne  will- 
kommene Erläuterung  und  wird  dahin  berichtigt,  dass  die  eigoithflmliolie 
Anlage  der  Altamische  keineswegs  im  Gänsen  ein  sp&terer  Zusats.  ist,  aoo* 
dem  im  vor.  Jahrh.  nur  in  ihren  oberen  TheUen  eine  YerSndflmng  er- 
fahren hat. 

Die  letsten  Seiten  (24 — 28)  enthalten  Anmerknngoi  und  IiterarfMlie 
Belege. 

Merseburg.  Dr.  theol.  H.  Otte. 


IIL  Hiscellen. 


1.  Album  der  Berliner  Prähistorischen  Ausstellung.  Das 
von  Herrn  Dr.  A.  Voss  herausgegebene  Photographische  Album  der  Aus- 
stellung prähistorischer  und  anthropologischer  Funde  Deutschlands  in  Ori- 
ginal-Aufnahmen von  Carl  Güntzer,  Berlin  1880,  ist  eine  vortreffliche 
Ergänzung  des  von  demselben  Verfasser  schon  bei  Eröffnung  der  Ausstel- 
lung fertiggestellten  umfangreichen  Eataloges  der  Ausstellung,  dem  später 
noch  ein  Supplement  folgte.  Das  vortrefflich  ausgestattete  und  inhaltreiche 
Album  erfreute  sich  des  allgemeinen  und  verdienten  Beifalls,  indem  wohl 
noch  niemals  so  viele  bedeutende  Funde  aus  den  verschiedensten  deutschen 
Ländern  in  einem  Werice  zusammengestellt  waren.  Wenn  aber  das  Album 
auf  seinen  168  Tafeln  eine  Uebersicht  der  gesammten  deutschen  Alter- 
thumsfunde  aus  prähistorischer  Zeit  geben  wollte,  wie  sie  thatsächlich  in 
der  Ausstellung  selbst  dargeboten  war,  so  hätte  vielleicht  eine  gleichmäs- 
sigere  Berücksichtigung  der  einzelnen  deutschen  Länder  stattfinden  können. 
Jedenfalls  ist  es  zu  tadeln,  wenn  zwei  preussische  Provinzen,  in  denen  die 
Alterthumsforschung  stets  eine  ganz  besondere  Pflege  gefunden  hat,  in  dem 
Album  gänzlich  fehlen.  Dasselbe  umfasst  folgende  8  Lectionen:  I.  Ost- 
und  Westpreussen,  II.  und  III.  Pommern  und  Rügen,  IV.  Posen,  Schlesien, 
Brandenburg,  Anhalt,  V.  Mecklenburg,  Lübeck,  Schleswig -Holstein,  Ham- 
burg, Hannover,  Oldenburg,  Braunschweig,  Waldeck,  VI.  Provinz  Sachsen, 
Sachsen-Altenburg,  Sachsen-Meiningen,  Sachsen- Weimar,  Königreich  Sachsen, 
Schwarzburg- Rudolstadt,  Reuss  j.  L.,  VII.  Hessen  -  Nassau,  Hessen  Darm- 
stadt, Baden,  Würtemberg,  VIII.  Bayern.  Wo  sind  Rheinland  und  West- 
falen? Der  Katalog  der  Ausstellung  weist  auf  S.  499  —  508  zahlreiche 
Funde  aus  der  Rheinprovinz  auf  und  aufS.  594— 599  solche  aus  Westfalen, 
auch  waren  viele  darunter,  welche  noch  nicht  veröffentlicht  sind.  War 
auch  eine  grosse  Zahl  bemerkenswerther  Funde  aus  rheinischen  Sammlun- 
gen damals  in  Düsseldorf  ausgestellt,  so  gab  es  deren  doch  auch  in  der 
Berliner  Ausstellung  noch  genug,  um  einige  Tafeln  des  Albums  damit  zu 
schmücken.  Seh. 

2.  Alfter  (Kr.  Bonn).  An  dem  Feldwege  von  Alfter  nach  Drans- 
dorf  wurden  im  Februar  dieses  Jahres  in  der  Kiesgrube  des  Ackererg 
Johann  Weber  in  einer  Tiefe  von   2  Meter  ein  Bleisarg  von   2  m  Länge, 


tlH 


MifedleB. 


AO  am  Ilrdi«  und  85  cm  Höhe  gefonden,  in  wekbem  rieh  dia 
•liiifff  HknUiin,  von  d«n  liekftnntan  kleinen  Mithnt-Sjmbolaii  la 
die  I#eli«r  nnd  die  Wege,  eine  88  cm  hohe  Glae- Phiole  nüft  mnk- 
lienlier  von  eoiiwerNgeArbtem  Thon,  eine  kleine  Btteheo  v«m  ir«iffilMPt 
und  folgewle   10  rAmlMcbe  Knpfermünsen  fanden: 

Aniooinii«  IMus.  0.  E.  R.  COS  III.  Kaieer  im  Yiergeepaan. 

AnlonInttN  IMus.  G.  E.  R.  JngendL  Mai«  ÄwetL 

M.  Aurel  M.  E. 

l*uplonuN,  Antonlntan.  R.  Patree  senatna. 

flattlemiN.  K.  K.  K.  Dianae  eoni.  ang. 

TntrlmiN  pater  nnd  flline,  inaammen  6  Stflok. 

ViotnrinuN.  K.  E.  R.  orlena«  ang. 

Aurelian.  K.  K.  R.  orieni.  ang. 

B«v«rina.  R«  Oonoordlae  militnm. 

Prtaiui.  K.  K.  4   Stflok»  R.  Fidee  militnm.  laetitia  ang.  S  BMnk, 
i(^mp.  felioit 

gntnUUni«  K.  K« 

TavUiMk  K.  K.  R.  Spea  pnblioal 

l>leee  QtugtmatAnde   gdangtan,   mit  Anenahne  tob  8 
da«   bieei|[«  lVw)naial*Muaeum.     Frtther  wurden   an  der 
Ahhanf«  dte  alt«n  Kh<^inb•tt•e  befindlichen  Stella  aAon  S 
HlM^bltK  in  diMien  eich  H^m«  Limpeben  und  Ola^^eftaM 

A«aVi  WMrtlu 

lU^nn.     IM   d^^m  Ran  «nee  nenen  Hinaee  In 
hih)    awar  an   UfNr   »ildUob^n  GdN»  wekbe   dieeelbe  mit  der 
»tiv*'^«*    ViW«»!    vKij:ft»thÄtt>er    i*t   Herr  $*iWnn*L*t.pr  EnireleV   ftnd 

« 


MBnaMi,    in 


w^icben    die 


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TB 


MiscelleD.  119 

ben  waren  stets  4  Thongefässe  gestellt.  Als  bemerkenswerth  sind  2 
Fragmente  von  Grabsteinen  zu  erwähnen.  Das  eine  bildet  das  Mittel- 
stuck einer  männlichen  Figur;  das  andere  den  Obertheil  eines  Grab- 
steins. In  einem  mittleren  Medaillon  sieht  man  das  Brustbild  des  ju- 
gendlich Verstorbenen,  darüber  die  Buchstaben  D(iis)  M(anibus),  darunter 
das  Wort  VICTORIäl,  seitlich  eine  Hacke. 

Aus'm  Weerth. 
3.  Alken,  Er.  St.  Goar.  In  der  alten  Kirche  befindet  sich  ein 
Epitaph,  welches  den  Aufsatz  des  linken  Seiten-Altars  bildete  und  nicht  in 
die  neue  Kirche  übertragen  wurde.  Es  ist  eine  kleinfigurige  Steinarbeit  in 
edlem  Renaissancestil,  von  sauberster  Ausführung,  und  interessant  durch  die 
Nennung  des  Künstlers.  Vor  dem  von  Maria,  Johannes,  Nicodemus  und 
zwei  Engeln  umgebenen  Crucifixus  knieen  links  der  Ritter  von  Wiltberg 
mit  neun  Söhnen,  rechts  seine  Gattin  mit  drei  Töchtern.  Die  scharf  ein- 
gemeisselte  Inschrift  darunter  ist  in  folgender  Weise  angeordnet: 


a  b 

d 


a)  ANNO  DOMINI  MDXXXI  DEN  XXVIII  OCTOBRIS  VF  VNSER 
LIEBEN  FRAVWEN  OPFERVG  DAG  STARB  DER  EDEL  VND  ERENVEST 
HENRICH  VAIN  WILTBERG  WELCHES  CORPER  ZV  ENKERICH  CHRIST- 
LICH ZV  DER  ERDEN  BESTATTET  DER  SELEN  GOT  GENEEDIG 
VND  BARMHERTZIG  SEIN  WOLL.  AMEN. 

b)  ANNO  DOMINI  MDLXV  DEN  XXVII  DEZEMBRIS  ÜF  DER 
VNSCHVLDIG  KINDLEIN 'TAG  STARB  DIE  EDELLE  VND  DVGEND- 
HAFTIGE  FRAW  MAGDALENA  VON  WILTBERG  GEBORNE  VON  DAVN 
WELCHER  CORPER  ZV  ALCKEN  CHRISTLICH  ZV  DER  ERDEN  BE- 
STATTET DER  SELEN  GOT  GENEDIG  VND  BARMHERTZIG  SEIN 
WOLL.     AMEN. 

c)  HABEN  BEEDE  EHLIGEN  GEHABT  NEVN  SÖN  VND  DREI 
DOCHTER.     Es  folgen: 

d)  die  Namen  der  Kinder:  Haugk,  geboren  1516,  Walper  geb.  1517, 
t  1557,  Henrich  geb.  1519,  Niclaus  geb.  1521,  t  1557,  Philipp  geb.  1522, 
t  1523,  Katharina  geb.  1523,  Johann  geb.  1524,  t  1527,  Karola  geb. 
1526,  Wilhelm  geb.  1527,  t  1556,  Adelheid  geb.  1529,  t  1567,  Anton 
geb.   1530,   Hansfeiten  geb.  1531.     Darunter: 

QVORVM  DEFVNCTORVM  ANIMAE  REQVlESCANT  IN  SANCTA  DEI 

PACE.  AMEN. 
Al-5-7-1 
N.  PETRVS  OSTEN  FACIEBAT. 
Das  Ganze,  von  einer  reizenden  Renaissancearchitectur  eingefasst,  wird 


120  Miscellen. 

von  einem  Stichbogen  bekrönt,  an  dessen  Pilastern  Wappen  angearbeitet 
sind,  und  zwar  links  oben  das  der  Wiltberg,  darunter:  Milen,  genannt 
von  Dieflicb,  Scbönburg,  Senbeim,  Ton  Meiszenbausen,  rechts  oben  Datfü, 
darunter  Kessel  von  Nürburg,  Saffenberg,  Neuenahr.  Lehfeld. 

4.  Andernacb-Eärlich-Leutendorf-Mülhoyen.  Seitdem  das 
Bonner  Provinzial-Museum  mit  systematischen  Ausgrabungen  in  Andernach 
begonnen  hat,  und  durch  die  Erfolge  dieser  Ausgrabungen  eine  Anzahl  von 
Händlern  auch  zu  solchen  geschritten  sind,  schwirren  durch  die  Lokal-Blätter 
die  unrichtigsten  und  wunderlichsten  Angaben  über  dortige  Funde,  welche, 
ich  durch  die  nachfolgenden  kurzen  Mittheilungen  des  Thatsächlichen 
zu  berichtigen  für  Pflicht  erachte.  Eine  eingehende  Veröffentlichung 
der  Ausgrabungen  meinerseits  folgt  zur  Zeit  selbstverständlich.  Dass 
auch  von  anderer  Seite  eine  Broschüre  über  die  Andernacher  Funde 
bevorstehe,  habe  ich  bereits  im  Korrespondeuzblatt  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  II,  Nr.  2  dementirt.  Ebenso  den  angeblichen  Fund  einer 
schweren  Gürtelschnalle  von  Topas,  welche  eine  vor  2  Jahren  bereits 
gefundene  kleine  Schnalle  von  Bergcrystall  ist,  richtig  gestellt. 

Schon  in  den  Schlussworten  meiner  Veröffentlichung  der  römischen 
Villa  zu  AI  lenz  im  36.  Jahrbuch  S.  70  wurde  auf  die  so  unbe- 
achtete centrale  Bedeutung  des  Thalkessels  von  Neuwied -Ander  nach 
aufmerksam  gemacht,  eine  Bedeutung,  welche  besonders  darin  liegt, 
dass  hier  eine  ganze  Anzahl  Kömerstrassen  aus  dem  Hinterlande  der 
Trevirer  zu  den  Ufern  des  Stromes  herabsteigen  und  auf  der  andern 
Seite  sich  fortsetzen  bis  nach  Westfalen,  ja  bis  zur  Nordsee.  Die 
befestigten  Lager  zu  Weissenthurm,  Niederbieber  und  andere,  selbst 
das  von  Aliso  standen  offenbar  in  einer  strategischen  Verbindung  zu 
einander.  —  Die  spätere  fränkische  Bedeutung  Andernach 's  ist 
aus  den  Versen  des  Ven.  Fortunatus  (Jahrb.  VII,  S.  1 1 7),  woselbst 
wir  die  fränk.  Könige,  speisend  in  ihrem  Andernacher  Königshof,  sich 
am  Salmenfang  erfreuen  sehen,  wie  aus  vielen  andern  urkundlichen 
Zeugnissen    bis   zur    Schlacht   von    87  6    hinreichend   gekennzeichnet. 

Die  ausserordentlich  dichte  Bevölkerung  zu  alter  Zeit  bekunden 
nun  die  massenhaften  Gräber  in  weitester  Ausdehnung  an  fast  allen 
Strassen  von  Andernach:  es  sind  frührömische,  spätrömische  und 
frühfränkische.  Die  frührömischen  Braudgräber  finden  sich  fast 
ausschliesslich  auf  dem  Martinsberg.  Dieselben  sind  in  die  vulcanische 
Bimsteinschicht  eingegraben  und  durch  selten  fehlende  Münzen  von 
Augustus  bis  Nero  zeitlich  bestimmt.  Durch  diese  Zeitbestimmung 
gewinnen  auch  die  Beigaben,  z.  B.  eine  ganze  Reihe  von  Thongeschir- 
ren,  zum  ersten  Male  eine  feste  Datirung,  und  diese  Andernacher 
Gräber  überhaupt  eine  grosse  Bedeutung.  —  Die  fränkische  Grab- 
stätte   bestellt   aus  Skelettengräbern,   welche   sich   in   grossen  Steinsärgen, 


Miscellen.  121 

mitunter  auch  in  Holzsärgen  za  beiden  Seiten  der,  den  Eirchberg 
hinauf  nach  Nichenich  und  Eich  führenden  Strasse  befinden.  Schon 
in  aller  Zeit  wird  von  Eröffnungen  dieser  Särge  berichtet.  Vor 
ungefähr  40  Jahren  veranstaltete  Frau  Mertens-Schaaff hausen  l^achgra- 
bungen  auf  dem  Eirchberg,  über  die  wohl  desshalb  kein  Bericht  vor- 
liegt, weil  man  fast  nur  geöffnete  und  ihrer  Beigaben  beraubte  Särge 
antraf.  Auch  bei  den  jetzigen  Ausgrabungen  fanden  sich  die  Mehr- 
zahl der  Särge  spoliirt.  Die  kostbaren  Beigaben  dieser  Gräber,  ver- 
zierte Gläser,  Perlen,  Zierstücke  von  Metall,  Tauschirarbeiten 
und  besonders  goldener  Frauenschmuck  mit  eingelegten,  tafelför- 
mig geschnittenen  rothen  Steinen,  orientalischen  Granaten  oder  Hya- 
cinthen,  sind  durchaus  charakteristisch  und  eigenartig.  Üeber  den 
Schmuck  mit  rothen  Steinen,  seine  Herkunft  aus  dem  Orient,  seine 
Einbürgerung  in  Europa  durch  die  Westgothen,  sein  Vorkommen  am 
Brustharuisch  des  Odoaker  (f  493)  in  Ravenna,  dem  Schwert  des  Eönig 
Childerich  (f  481)  in  Tournai  u.  s.  w.  habe  ich  am  letzten  Winkel- 
mannsfeste (vergl.  S.  202)  ausführlich  geredet,  und  werde  in  einem  der 
nächsten  Jahrbücher  mit  Abbildungen  darauf  zurückkommen.  Dieser  frän- 
kische n  Gräbergruppe  auf  dem  Eirchberg,  die  sich,  untermischt 
mit  einzelnen  spätrömischen  Skelettengräbern,  bis  Eich,  Eruft  und 
Niedermendig  landeinwärts  fortsetzt,  liegt  eine  ähnliche  gegenüber 
auf  der  rechten  Rheinseite  am  Nordende  von  Leutesdorf.  Die  hier 
gefundenen  Gräber  sind  besonders  durch  ihre  Grabsteine  interessant, 
unter  denen  sich  eine  11  zeilige  Inschrift  eines  Jünglings  Rannowaldus 
befindet.  Zwei  Stunden  südöstlich  von  Andernach  beim  Orte  Eehrlich 
fand  der  vom  Eaiser  Napoleon  vor  17  Jahren  zu  Ausgrabungen  nach 
Weissenthurm  (am  guten  Mann)  gesandte  Oberst  von  Locquessie  eine 
grosse  Zahl  von  fränkischen  Skelettengräbern,  die  sich  durch  ledigliche 
Beigaben  von  Eisenwaffen  als  Begräbnisse  fränkischer  Soldaten  kenn- 
zeichneten. Der  Händler  Jos.  Graef  von  Andernach  hat  im  verflosse- 
nen Jahre  in  Eehrlich  den  früher  gefundenen  Grabstätten  gegenüber 
zahlreiche  Gräber-Aufdeckungen  vorgenommen,  welche  an  Schmuckstücken 
mit  rothen  Steinen,  Perlenketten,  Gläsern  u.  s.  w.  sehr  ergiebig  waren. 
Ein  hervorragender  Theil  dieser  Gegenstände,  besonders  eine  im  Vier- 
blatt angelegte,  mit  Edelsteinen  und  Emaille  verzierte  goldene  Fibula 
(wohl  die  grösste  und  schönste  nächst  derjenigen  von  der  Nahe  im 
neuen  Museum  zu  Worms)  sind  in  das  Bonner  Provinzialmuseum  ge- 
langt. Der  übrige  Theil  dieser  merkwürdigen  Funde  ist  augenblicklich 
im  Rheinischen  Hof  zu  Andernach   ausgestellt. 

Auch  dieser  Eehrlich  er  Grabstätte  gegenüber  sind  auf  der  an- 
dern, der  rechten  Rheinseite  erhebliche  Grabfunde  gemacht  worden, 
jedoch  aus    weit  früherer  Zeit.      Bei  Mülhoven,    wo  auch  eine  be- 


122 


Misoellen. 


kannte  ältere  fränkische  Ghrabatätte  siob  befindet  (Jahrb.  44,  S«  118), 
worden  im  Felde  3  germanisohe  Gräber  Yon  Hrn.  Fnsibaha  m 
Neuwied  aufgedeckt,  nrsprflnglich  wohl  Tamnli,  die  allmihlifth  dnreh 
den  Feldbau  abgeflacht  resp.  beigepflügt  waren.  Der  Inhtlt  be- 
stand im  ersten  Cb«be  ans  einem  massiyen  Halsring,  etnen  im^ 
Armring  und  einigen  Scherben;  im  aweiten  Grabe  ana  iwai  dflMMn 
Halsringen  yon  doppelter  Windung  und  einem  Armring;  im  drillm 
Grabe  ans  zwei  dflnnen  Halsringen  ond  einem  massiyen  Armring.  DiM 
Metall  ist  Bronze.  An  einer  andern  Stelle,  zwischen  Mttlhoyen  loid 
Bendorf,  wnrden  beim  Durchstich  für  den  Eisenbahnbau 
römischer  Gräber  biosgelegt,  welche  dadurch  ein  beeondarea 
gewähren,  weil  die  Ziegelstempel  der  COH  I  THRAC(um)  auf  eiaa  fiet* 
here  militärische  Niederlassung  an  dieser  Stelle  hinweisen»  DsndlMn 
I.  Thracischen  Gehörte  begegnen  wir  nur  im.  ersten  Jahrhundert  ab 
Auxiliar-Truppe  am  Bhein  (Jahrb.  20,  S.  63),^  und  es  wird  flniahalh 
yon  besonderem  Interesse  sein  zu  untersuchen,  ob  wir  es  hier  mit  riaam 
Vorwerk  des  Gastells  yon  Niederbiber,  oder  mit  einem  Posten  mam 
Schutze  eines  Brückenüberganges  zu  thun  haben.  Ton  Töpferstanpaln 
yerzeichneten  wir  Lampen  mit  FORTIS  und  ATTIVS,  Terra "  Bigillrtpp 
Schalen  mit  SVRDILiVS  FE  und  LAGE^-  Aus'm  Weerth. 

5.  Andernach.  Ohne  auf  die  so  interessanten  Fundoi  webdMi  die 
Ausgrabungen  in  Andernach  in  letzter  Zeit  geliefert  haben,  näher  eingdum 
zu  wollen,  möchte  ich  doch  auf  einige  dort  gefundene  Münzen  aufmerksam 
machen.  Die  römische  Kaiserzeit  ist  in  fast  yoUständiger  Beiheafolge  Ter^ 
treten,  die  Fundstücke  reichen  aber  sowohl  in  die  yorrömisbhe  ah .  avab 
in  die  fränkische  Zeit  hinein. 

Das  Bonner  Proviozial- Museum  besitzt  zwei  ans  den  Andemleher 
Leichenbrandstätten  stammende  Billon-  oder  gef&tterte  SUber^Münsan,  wdobe  • 
dieselbe  Präge,  wie  das  von  mir  in  Heft  LXVIU  S.  61  beschriebene  Be- 
genbogenschüsselchen  von  der  Sieg  zeigen.  Mag  man  nun  diese  Münzen 
keltischen  oder  germanischen  Stämmen  zuschreiben,  immerhin  wird  man 
eine  vorrömische  Prilgezeit  (natürlich  in  Bezug  auf  die  Rheinlande)  für 
dieselben  annehmen  müssen. 

Die  nachrömische  Zeit  ist  durch  einige  schwer  entzifferbare  Münzen 
vertreten  ;  sehr  beachtenswerth  ist  aber  eine  in  die  Sammlung  des  Herrn 
Merkens  in  Köln  übergegangene  kleine  Silbermünze  des  Gothenkönigs  Theia 
552—553.     Der  R.  lautet: 

DN 
THE 
lA 
RIX 

1)  Man  vergl.  hierzu  die  Miscelle  7. 


«. 


Miscellen.  128 

Sab.  XIX,  10.  Mionnet  II  S.  411,  haben  REX  statt  RIX,  doch  kommt  die 
letztere  Lesart  bei  manchen  anderen  Königen  jener  Zeit  vor.  Dass  dieser 
letzte  Gotbenkönig  seine  Münzen  mit  dem  Namen  und  Brustbilde  des  schon 
35  Jahre  früher  gestorbenen  Kaisers  Anastasius  (von  der  Ayerslegende 
^nd  nur  wenige  Buchstaben  erhalten)  versah,  ist  eine  bekannte,  aber  schwer 
zu  erklärende  Thatsacbe.  (s.  Pin  der  und  Friedländer:  die  Münzen 
Justinians.  Berlin,  Nicolai  1843.  S.  65). 

■   F.  van  Vleuten. 

6.  Bertrich  (Kr.  Cochem).  Beim  Ausheben  der  Fundamente 
zum  neuen  Badehause  wurde  im  vergangenen  Herbst  eine  römische 
Bau- Anlage  aufgedeckt,  welche  sich  mir  nach  eingehender  örtlicher 
Untersuchung  als  Massen-Bad  zu  erkennen  gab.  Ich  werde  im  nächsten 
Jahrbuch  eingehender  darüber  berichten. 

Aus^m  Weerth. 

7.  Bendorf.  Römische  Gräber.  Bei  Anlage  der  von  Lim- 
burg nach  £ngers  führenden  Westerwaldbahn  wurden  im  Spätherbst 
vorigen  Jahres  nahe  bei  Bendorf,  rechts  von  der  nach  Fngers  führen- 
den Heerstrasse  vor  der  Stelle,  wo  sie  den  Saynbach  überschreitet, 
römische  Funde  gemacht,  die  auf  ein  Grabfeld  deuten.  Die  Herren 
Bauinspektor  Hövel  und  Baumeister  Dr.  Bräuler  haben  an  Prof.  Schaafif- 
hausen  unter  dem  21.  Dezember  ein  Verzeichniss  der  Fundgegenstände 
sowie  eine  Situationskarte  eingesendet.  Die  Gegenstände  wurden  etwa 
1  m  unter  der  Erdoberfläche  in  der  obersten  Schicht  des  dort  vor- 
kommenden vulkanischen  Sandes  zerstreut  gefunden.  Es  waren  eine 
dunkelbraune  0,29  m  hohe  Aschenurne  mit  Deckel,  Stücke  einer  roth- 
braunen Schale,  mit  Akanthusblättem,  Eierstab  und  Perlschnüren  ver- 
ziert und  mit  Resten  von  3  Metallgriffen,  ferner  Schalenstücke  mit 
Weinranken,  Palmetten,  Hund  und  Vögeln  ornamentirt.  Ausgüsse  von 
hellbraunen  und  gelblichen  Thonkrügen  mit  Henkel,  Bruchstücke  einer 
grossen  gelben  Urne,  Thonplatten,  gradlinig  und  in  Kreisen  gereif elt, 
oberer  Theil  einer  Nadel  von  Elfenbein,  eine  einen  Apfel  haltende 
Hand  darstellend,  ein  gut  erhaltener  bauchiger  Henkelkrug,  zwei  Thon- 
lämpchen,  einige  Thierknochen  und  Zähne,  ein  Säulenkapitäl.  Zu  be- 
merken ist,  dass  ganz  nahe  der  jetzigen  Fundstelle  bei  Mühlhof cn  im 
Jahre  1856  etwa  5  0  germanische  Reihengräber  geöffnet  wurden,  wo- 
rüber diese  Jahrbücher  berichtet  haben,  vgl.  üeber  germanische  Grab- 
stätten am  Rhein,  Jahrb.  XLIV  u,  XLV  1868,  S.  118.  Es  scheint, 
dass  auch  hier  das  germanische  Todtenfeld  sich  an  die  jetzt  aufge- 
fundene römische  Grabstätte  anschloss.  Vielleicht  trennte  der  Saynbach 
beide.  Als  der  Direktor  des  Provinzial-Museums  sich  wegen  Erwerbung 
der  jetzt  aufgefundenen  Alterthümer  für  das  Provinzial-Museum  in  Bonn 
an  die  rechtsrheinische  Eisenbahn-Direktion  wandte,  wies  diese  auf  eine 


iS<  HiMallen. 

ältere  Verordnung  hin,  wonsch  die  bei  Staats -Eieenbabnbauten  gefan- 
denen  Älterthümer  an  das  Museam  in  Berlin  abzuliefern  seien.  Seit 
der  Staat  gemeinanm  mit  der  Provinzial- Verwaltung  Museen  in  Bonn  und 
Trier  erricbtot  hat,  erscheint  jene  lediglich  im  Interesse  der  Museen  der 
Hauptstadt  erlaesone  BostiuimuDg.  die  der  Proviaz  die  wichtigsten  Denk- 
mäler ihrer  GcBcbichte  entführen  kann,  nicht  mehr  zeitgetnäss  nnd 
vrird  holTentlich  die  Commission  für  die  Rheiniachcn  Provinzial-Mtiaeen 
ihre  Beseitigung  beantragen. 

Schaaffliausen. 

a.  Brabl.  Bämiaohe  Befestigung  auf  dem  Thalrsnde  bei 
Brobl.  Südlich  Ton  Brohl,  zwischen  dem  Ehein-  ond  Brohl-Tbal^  steigt 
ein  steiler  ecbarfer  Felaenkamm  zu  dem  plateauartigcu  bewaldeten  Höhen- 
rücken, deeeen  gräsate  Erhebung  „die  hohe  Buche"  einen  weiten  Fernblick 
über  das  Rbeinthal  und  dessen  Umgebung  bietet.  Am  Fusse  jener  Höhe 
liegt  die  Oastwlrthsohnift  ,zur  hohen  Buche",  der  Älverbof  mit  der  Villa 
Helene,  zu  welcher  von  Tiirnlch  her  aas  dem  Rbeinthal  ein  uralter  ge- 
wundener Hehlweg,  und  dann  über  den  Thalrand  zum  Grohlthal  hinführt. 
Nur  ein  sehr  schwieriger  Fun^ffiid  gebt  über  den  erwühnton  Fehenkamm 
nach  Brohl,  und  ist  leicht  durch  einige  Felsen  oder  Einschnitte  zu  sperron. 

Auf  jener  Hocbflüche  liegt  800  m  nördlich  vom  Alverhof  iu  der  so- 
genannten Dicke,  einem  oft  kaum  zu  durchdringenden  Eichengeetrüpp 
von  3  bis  i  m  Hfllie,  eine  Verschanz uiig,  deren  abgeflacbfe  Wälle  ond 
Gräben   auf  ein   sehr  hohes   Alter,   auf  die  Römerzeit  hinweisen. 

Die  waldigo,  wenig  betretene  (ieirend  entzog  diese  Wiilie  sogar  der 
KenntnisB  der  Bewohner  am  Alverhof,  bis  in  diesem  Frühjahr  Herr  Ger- 
hards aus  Tönnisstein  den  Bonner  Alterthums-Terein  davon  benachrich- 
tigte, und  zur  Untersuchung  derselben  auffordert«.  Alle  solche  Mittheilungen 
verdienea  den  freundlichsten  Dank,  den  der  Vorstand  auch  hierdurch  aus- 
spricht. 

Beide  Parallelwätle  sind  80  m  von  einander  entfernt,  schneiden 
130  m  weit  die  nördliche  Plateauspitze  ab,  und  scbliesseu  sich  in  einer 
Länge  von  150  m  an  die  steilen  Felshänge  des  Rhein-  und  Brohl-Thals 
an.  Diese  Wälle  haben  die  bedeutende  Sobibreite  von  12  m,  eine  Höhe 
von  2  m,  3  m  breite  Wallkronsn,  so  dass  die  Seiteobäschungen  etwa  dop- 
pelte Anlage  zeigen.  Auf  der  Wallkrone  liegen  zerschlagene  Steine,  um 
einen  festen  Weg  dort  herzustellen,  an  dessen  äusserem  Räude  wahrschein- 
lich einst  die  Pallisadirung  stand.  Auf  den  Südseiten  beider  Wälle  liegen 
6  m  breite,  1  m  tiefe  Gräben,  und  erklärt  das  Verwaschen  der  Wallränder 
die  altmälige  Ausfüllung  der  Gräben,  so  wie  die  ferne  Zeit  der  Erbauung. 
Die  Lage  der  Gräben  auf  der  Südseite  deutet  darauf  hin,  dass  der  Doppel- 
wall die  Plateanspitze  eben  abschneiden  sollte,  so  dass  wir  nicht  bloss 
zwischen  den  Wällen,  sondern    rückwärts  derselben    ein  Caatrnm    erhalten, 


Miscellen.  125 

welches  an  den  beiden  Thalrändem  höchstens  eines  Yerhanes  zur  Ver- 
theidigung  der  Seitenlinien  bedurfte.  Ein  feindlicher  Angriff  konnte  nur 
von  Süden  her  erwartet  werden,  wohin  sich  die  starke  doppelte  Front  der 
Yertheidigungswalle  richtete,  während  die  Felshänge  der  Flanken  und  der 
steile  Felskamm  im  Norden,  der  wie  gesagt  leicht  zu  sperren  war,  jeden 
Angriff  hier  ausschlössen.  Wahrscheinlich  erleichterten  Wartthürme,  die 
am  Anfang  und  in  der  Mitte  des  Felskammes  geeignete  Plätze  fanden,  die 
Beobachtung  des  Rhein-  und  Brohl-Thals. 

Wir  erhalten  so  einen  durch  Natur  und  Kunst  vollständig  gesicherten 
Lagerraum  von  2  ha,  für  längeren  Aufenthalt  einer  Cohorte  geeignet,  ver- 
theidigungsfllhig  durch  höchstens  200  Mann,  in  Bezug  auf  Wasser- 
versorgung allerdings  auf  Cistemen  oder  auf  das  Flusswasser  der  Niederung 
angewiesen. 

Der  weite  Ueberblick  galt  mehr  dem  Rheinthal,  als  dem  Brohlthal, 
welches  aber  wohl  anderweitig  gesichert  und  besetzt  war.  Hand  in  Hand 
mit  dem  nahen,  starken  Rheineck,  welches  in  mehrfacher  Beziehung  auf 
eine  römische  Befestigung  an  dem  wichtigen  Einschnitt  des  Vinxt-Baches 
hinweist,  war  dann  die  Mündung  des  Brohl-Thals  mit  seinen  zahlreichen 
Arbeitern  gedeckt,  welche  dort  Jahrhunderte  hindurch  den  Tuff  brachen. 
Die  damalige  Wichtigkeit  des  Brohlthals  ergiebt  sich  aus  der  grossen  Zahl 
von  römischen  Inschriften  (einige  20),  die  bei  Brohl  gefunden  sind. 

Diese  Befestigungen  auf  dem  hohen  linken  Thalrande  des  Rheins 
dienten  vielleicht  auch  als  Wachtposten  und  als  Stützpunkte  für  den  nahe 
gelegenen  jenseitigen  Limes,  der  von  Hönningen  über  Rockenfeld,  Rengs- 
dorf  zum  Taunus  und  zum  Rhein  führt,  jener  Grenzwehr  des  Kaisers 
Domitian,  nach  Frontinus  Strateg.  80  leugen  (24  deutsche  Meilen)  lang, 
dessen  Terrain  den  Chatten  abgekauft  war.  Diese  Grenze  von  80  leugen 
ist  wohl  *in  Prof.  Mommsen^s  wichtigem  Dokument  (39.  und  40.  Heft  der 
Bonner  Jahrbücher)  gemeint.  Die  grossartigen  Wallreste  Andernach  gegen- 
über im  Westerwald  zeigen  ein  ganzes  Befestigongssystem,  welches  hier 
einst  mit  dem  Windhaus  des  rechten  Thalrandes  bei  Andernach  und  mit 
den  mächtigen  Thalsperren  bei  Forsterhof,  die  das  Hammersteiner  Thal 
deckten,  in  Verbindung  stand.  Die  Römer  mussten  auf  den  gesicherten 
Besitz  des  Neuwieder  Beckens  grossen  Werth  legen,  und  jene  Befestigungen 
reden  deutlich,  wo  andere  Nachrichten  darüber  fehlen. 

Für  weitere  Verfolgung  dieser  Sache  ist  es  dabei  von  einiger  Be- 
deutung, dass  jene  so  gut  erhaltenen  Wälle  bei  Brohl,  die  durch  ihre 
isolirte  Lage  und  durch  das  dichte  Gestrüpp  so  lange  gegen  Zeritörung 
geschützt  wurden,  den  Profilen  des  limes  im  Westerwalde  im  Allgemeinen 
entsprechen,  als  wären  sie  gleichzeitig  mit  diesem  Itmes  von  erfahrener, 
geübter  Hand  angelegt.     Das  Studium   solcher   Oertlichkeiten    durch    An- 


126  Miscellen. 

Behauung,  wo  andere  Urkunden  der  Gelehrten  uns  im  Stich  lasseiif  die 
Bauart,  die  ganze  Anlage  in  ihrem  weiteren  Zusammenhange,  verdient 
gewiss  die  Aufmerksamkeit  der  historischen  Forschung,  wo  der  Zahn  der 
Zeit  fast  seit  zwei  Jahrtausenden  die  letzten  Reste  jener  mächtigen  Be- 
festigungen, Kanäle  und  Strassen  immer  mehr  zerstört. 

von  Veith. 

9.  Bubenheim  (Er.  Coblenz).  An  der  Römerstrasse,  welche 
von  Bassenheim  herunterkommend  in  die  Rheinstrasse  einmündet,  wurde 
im  Frühjahr  beim  Orte  Bubenheim  derjenige  Theil  einer  römischen 
Villa  von  mir  aufgedeckt,  welcher  die  Baderäume  umfasst.  Besondere 
bemerkenswerth  unter  denselben  war  ein  vorliegender  kreisrunder  heiz- 
barer Saal,  welcher  unter  den  Rheinischen  Bade -Anlagen  bisher  nar 
in  Nennig  vorkam.     Das  nächste  Jahrbuch  wird  einen  Orundriss  bringen. 

Aus'm  Weerth. 

10.  Der  Loche  n  stein.  Die  altheidnische  Opferstätte  auf  dem  Lochen- 
stein. Vortrag  des  Professors  Dr.  Fr  aas  in  der  Sitzung  der  anthropolog.  Ge- 
sellschaft zu  Stuttgart  am  28.  Jan.  1882.  Wenn  der  Besucher  des  Aussichtsthur* 
mesauf  dem  Hasenberg  bei  klarem  Himmel  mittagwärts  blickt,  so  fällt  ihm 
das  Profil  eines  Berges  auf,  der,  in  der  Lücke  zwischem  dem  Hundsrück 
und  Schafberg  gelegen,  an  seiner  eigenthümlichen  Gestalt  mit  einem  senk- 
rechten Abfall  gegen  Westen  nicht  übersehen  werden  kann.  Die  963  m 
hohe  Felsspitze  des  Lochensteins,  die  sich  weithin  sichtbar  am  Horizont 
erhebt,  war  Jahrhunderte  lang  ein  altgermanisches  Völkerheiligthum,  eine 
Opferstätte  auf  sonnigem  Fels  mitten  in  den  düstern  Tannenwäldern  der 
Lochen  (Lohe  althochd.  für  Bergwald).  Auf  dem  Lochenst^in  hatte  der 
Vortragende  seit  mehreren  Jahren  in  der  kohligen  Schwarzerde  unter  der 
Rasendecke  Nachforschungen  anstellen  lassen  und  eine  reichhaltige  Samm- 
lung von  Gegenständen  aller  Art,  für  die  k.  Staatssammlung  zu  Stande 
gebracht.  Den  Anlass  zu  eifriger  Nachforschung  gab  ihm  der  Fund  von 
fremdartigen,  mit  der  geologischen  Formation  der  Lochen  in  keinem  Zu- 
sammenhang stehenden  Gesteinsarten,  wie  Gneis,  Granit,  Glimmer,  Sand- 
stein. Solcherlei  Steine,  vielfach  deutliche  Spuren  menschlicher  Benutzung 
an  sich  tragend,  können  gar  nicht  anders  als  von  Menschenhand  auf  die 
Spitze  des  Berges  getragen  worden  sein.  Am  aufifälligsten  sind  die  Sand- 
steine des  schwäbischen  Unter-  und  Oberlandes,  deutlich  als  Mahl-,  Schleif- 
und Wetzsteine  verwendet.  Daneben  liegt  eine  Reihe  gerundeter  harter 
Steine,  Geschiebe  vom  Süden  der  Alb,  alpine  der  Moräne  entnommene 
Kieselsandsteiue,  Hornblcudegneisse,  Quarzite,  die  als  Läufer  auf  den  Mahl- 
steinen, oder  als  Kornquetscher  angesprochen  werden.  Geschirrscherben 
liegen  zu  Tausenden  unter  dem  Rasen.  Die  Mehrzahl  der  Geschirre  ge- 
hört jeuer  uralten  Form  von  weitbauchigen,  aus  freier  Hand  gefertigten 
Gefässen,  zu  deren  Herstellung  der  Thou  mit  grobem,  scharfkantigem  Sand 


*  Miscellen.  127 

gemengt  warde.  Unter  den  Scherben  wurden  nur  die  omamentirten  auf- 
bewahrt. Es  können  unterschieden  werden  ein  einfaches  Tupfenomament, 
das  Kerbenornament,  das  der  Reifen,  die  horizontal  um  das  Gefass  gelegt 
sind.  Die  weitest  vorgeschrittene  Technik  ist  die  der  umgebogenen  Räu- 
der, welche  ein  Zickzack-  oder  das  sog.  Wolfszahnornament  tragen.  Die 
letzteren  Oefiisse  gehören  augenscheinlich  der  jüngeren,  nicht  mehr  alt- 
germanischen,  sondern  römischen  Zeit  an,  bereits  auf  der  Töpferscheibe 
gearbeitet.  Römische  Arbeit  zeigen  auch  unverkenubar  römische  Ziegel, 
die  an  einer  Stelle  der  Hochfläche  haufenweise  bei  einander  lagen  und  wohl 
einst  das  Dach  einer  römischen  Mithraskapelle  deckten.  An  die  Thonge- 
fasse  reihen  sich  die  Thonwirtel,  bald  scheibenförmig,  bald  konisch,  bald 
glatt,  bald  omamentirt,  die  man  auch  sonstwo  zahlreich  findet,  die  z.  B. 
in  Hissarlik  von  Schliemann  zu  Tausenden  ausgegraben  wurden.  Gewöhn- 
lich werden  sie  für  Spinnwirtel  angesehen,  in  Wirklichkeit  damit  zu  spinnen 
ist  aber  Niemand  im  Stande,  wegen  des  engen  Lochs,  durch  das  gar  keine 
Spindel  gesteckt  werden  kann,  und  der  Leichtigkeit  des  Materials  konnten 
sie  nie  Gegenstände  der  häuslichen  Industne  sein.  Es  scheinen  vielmehr 
nur  Thonperlen  gewesen  zu  sein;  mehrere  fanden  sich  aus  blauem  Glas 
gefertigt,  eine  andere  aus  Blei,  eine  dritte  aus  einem  fossilen  Schwamm. 
Metallwaaren  bilden  neben  Glasscherben  ein  wesentliches  Kontingent  der 
Manufakte.  Am  zahlreichsten  vertreten  ist  das  Eisen  in  Gestalt  von  Nä- 
geln, sog.  Bretternägeln,  Stiften,  Spitzen^  Ringen,  Flachringen,  Messerklin- 
gen, Meissein,  Pfeil-  und  Lanzenspitzen,  gedrehten  Eisenzungen,  Schlüs- 
seln, Schlössern,  das  Zierlichste  aber  sind  2  Hämmerchen,  deren  eines 
heute  noch  in  der  Werkstätte  eines  Uhrenmachers  oder  Ciseleurs  benutzt 
werden  könnte.  Aus  Bronze  gefertigt  sind  mehrere  Fibeln,  Armringe, 
Sohnallen,  Ringe,  Ohr-  und  Halsringe,  zierliche  Sicherheiten  für  die  Nadeln, 
Bronzebleche  und  Drähte  der  verschiedensten  Art.  Von  Silber  wurde  nur 
eine  Fibel  oder  AgrafiPe  mit  einem  Eettchen  gefunden.  Bei  der  Technik 
der  Metallwaaren  ist  der  Einfiuss  der  römischen  Kunst,  vielfach  wohl  auch 
die  römische  Arbeit  selbst  unverkennbar.  Andererseits  weisen  einige  Arm- 
ringe, Hohlringe  sowohl,  als  gekerbte  Yollringe  auf  die  Zeit  der  vorrömi- 
schen Hügelgräber,  die  nur  wenige  Kilometer  entfernt,  z.  B.  in  Hossingen, 
Messstetten,  in  den  letzten  Jahren  ausgegraben  wurden.  Dass  wir  aber 
eine  alte  Opferstätte  vor  uns  haben,  dafür  sprechen  die  Tausende  von 
Knochen,  welche  rings  um  die  eigentliche  Felsenspitze  herum  zerstreut 
liegen.  Diese  selbst  ist,  wie  dies  Paulus  erkannt  hat,  nach  allen  4  Seiten 
hin  künstlich  abgespalten  und  zu  einer  Art  von  Altar  oder  Opferstein  zu- 
gerichtet worden.  Auf  diesem  Altar  scheinen  die  Thiere  geschlachtet  und 
zerstückelt  worden  zu  sein,  während  in  der  Bergeinsenkung  am  Fuss  des 
Steins  die  Feuer  brannten,  an  welchen  das  Fleisch  der  Opferthiere  gebraten 
wurde.     Diese  selbst  waren  nach  der  genauen  Zählung  und  Untersuchung 


ISB  Hitaellen.  * 

der  SkeletirGst.«  die  Haiiethiere  der  GermaDCu,,  vor  Allein  Rinder,  Schafe 
und  Z'iegea,  Schweine  und  Pferde.  40  ProKSDt  Hämmtlicber  Knocfaen  ge- 
hören  dem  Riud  an  and  weisen  auf  die  BcbmaDtÖpfige,  kleinViörnige  Raäse, 
welche  orstmala  in  den  Torfmooren  der  Pfahlbauten  gcfnndeii  und  von 
Rütiineyer  Bob  faracliyceros  genannt  wurde.  Ilieaes  Riad  bildete  das  alt- 
deutsche Kleinvieh,  Seit  dem  Mittelaltur  i$t  es  in  Deutauhland  verschwun- 
deu  und  einem  kräftigeren  Schlag  gewichen.  Nächst  dem  Bind  kam  das 
Sühaf  und  die  Ziege  zur  Opferung.  Beim  Fehiea  des  Schädels  mit  dem 
Gehörne  ist  die  Unterscheidung  beider  Thiere  [lahe^u  unniüglich  und  eine 
Trennung  beider  nicht  wohl  thunlicb.  Beide  eusammen  repräsentiren  26 
Proxent  der  Opferthiere,  während  die  Seh weinakno eben  17  und  die  Pferde- 
knochen 8  Proz.  repräsentiren.  Ausser  den  genaiinteo  91  Proz.  Hsuathie- 
reu  fallcu  auf  den  Hirsch  4  und  anf  den  Hund  3  Proz.  Die  fehlenden 
2  Proz.  vertheilen  sich  auf  den  Auerochsen,  den  Elch,  den  ßtber,  das  Reh, 
den  SingBchwan  und  —  den  MenBcheii.  Ein  fürchterlich  Eugerichtetes  meDsuli- 
liches  Schädeldach  und  ein  durch  tiefe  Hiebe  in  den  Knochen  entzweige- 
gangenes Scbenkelbein  erinnern  unwillkürlich  an  die  Stelle  des  Tacitus 
(Qerm.  Ü9j,  in  der  er  vom  ältesten  und  edelsten  Stamm  der  Schwaben, 
den  Semnonen,  redet.  „Zu  beatimmten  Zeiten  kommen  in  einem  Waid,  der 
durch  heilige  Bräuche  der  Väter  und  alte  Scheue  geweiht  ist,  alle  Völker 
desselben  Blutes  durch  G  es ncdtac haften  zusammen  und  feiern  durch  öfient- 
liche  Opferung  eines  Menschen  den  grauenhaften  Beginn  ilirea  Barbaren- 
festes."  Zu  Ende  der  Riimerzeit  stnud  das  Heiligtbuiii  noch  voll  in  Ehre 
und  Ausüben,  schoinsu  doch  selbst  auch  lioamigeninulij  Kötner  aus  Ehr- 
furcht Tor  den  Göttern  des  Landes  Weihgeacbenke  und  Opfer  dem  Sonnen- 
gott dargebracht  zn  haben.  Mit  dem  Ende  der  römischen  Macht  nnd  dem 
Anituig  der  christlichen  Zeit  horten  Allem  nach  auch  die  Opfer  auf  dem 
Lochenatein  allmäblig  atif  und  chiiatliche  Priester  waren  bemfibt,  den  Ort, 
da  der  Sonnengott  in  seiner  natürlichen  Majeatat  verehrt  wurde,  als  den 
Sitz  des  Teufels  hinzustellen.  Das  ist  gewiss,  schreibt  Cmaiaa,  ^dass  im 
Jahr  158d  im  Herbst  etliche  Weiber  und  der  fümehmste  Rathsherr  zu 
Schemberg  Terbrannt  worden,  die  alle  bekennet  haben,  dass  sie  gewohnt 
gewesen,  dea  Nachts  auf  diesem  Berg  zusammenzukommen,  mit  den  Teu- 
feln 2U  tantzen  und  zu  thun  zu  haben,  Menschen  und  Vieh  zu  beschädi- 
gen." Aach  sagen  die  Leute  in  der  Nachbarschaft,  wenn  sie  Einem  etwas 
Ueblea  anwünachen  wollen,  „ich  wollt,  dass  du  auf  der  Lochen  wärst"  (Cru- 
sius,  Schwab.  Eronik  p.  419).  Wenn  der  Rasen,  der  jetzt  die  Opferstätte 
deckt,  grünt,  wenn  die  blaue  Qentiane  und  das  Himmelfahrtsblttmlein  oben 
blühen,  dann  versteht  mau  den  Drang  unserer  Vorfahren,  an  diesem  Ort 
der  Leben  achaffenden  Sonne  ihre  Verehrung  darzubringen. 

11.  Inden   (Kr.Aachen).      Durah  Herrn   Pfarrer  Demmer   worden 
Ausgrabungen    auf    einem   Felde    bei  Liden     vorgenommen,    welche  zur 


Miscellen.  129 

Aufdeckung  einer  röm.  Bau  -  Anlage  führten.  Bisher  wurde  ein  Bade- 
raum freigelegt.  Viele  Fragmente  von  Marmor,  Glas  und  Mosaik 
lassen  auf  ein  reich  ausgestattetes   Oehäude  schliessen. 

Aus^m  Weerth. 
12.  Kaisers  wer  th.  Einem  im  Pfarrhause  zu  Rheinbrohl  heruhen- 
den  Codex,  welcher  ausser  der  vom  Rector  des  Kölner  Gymnasium  Lauren- 
tianum,  Gerardus  de  Hardewick,  verfassten  lügenhaften  „Vita  diui  Swiberti 
Werdensis  ecclesiae  episcopi'^  ')  verschiedene  die  Kirche  und  das  Kapitel 
▼on  Kaiserswerth  betreffende  Urkunden  nebst  Nachrichten  über  Besitzungen 
des  Stifts  enthält,    entnehme    ich  nachstehende  Kaiserswerther  Inschriften  : 

Templum    Diui    Georgii    in    suburbio  Kaisers  werdensi. 

Retro  summum  altare. 

Anno  dominicae  incarnationis  1078  indictione  prima  dedicaium  est  a 
Tbeodone  Brandenburgensi  praesule  hoc  templum  7  Kai.  Maij  in  honorem 
domini  nostri  Jhesu  Christi  et  saiictae  Mariae  Martae^)  et  sanctae  crucis 
sanctique  Michaelis,  praecipue  autem  in  honorem  sancti  Georgij  martyris 
et  apostolorum  Andreae,  Philippi,  Jacobi,  Simonis,  Judae,  Marci  Euangelistae, 
sanctorum  martyrum  Stephani,  Cosmae  et  Damiani,  Fabiani,  Christophori, 
Clementis,  Nerei,  Achillei,  Pancratij,  Viti,  Panthaleonis,  Chrisogoni,  Dionisij, 
Romani,  Crispini,  Faustini ,  Seeundini,  Sigismundi  et  sanctorum  confessorum 
Gregorij,  Hilarij,  Augustini,  Damasi,  Eucharij,  Valerij,  Remigij,  Imerij, 
Walperti  et  sanctarum  virginum  Ciciliae,  Barbarae,  Gertrudis  et  beatae 
Mariae  virgiuis. 

Altare  dextrum. 

Anno  dominicae  incarnationis  1102  indictione  decima  nona  Augusti 
dedicatum  est  hoc  altare  a  Paderbomensi  Episcopo  Henrico  in  honorem 
domini  nostri  Jhesu  Christi  et  salutiferae  crucis;  continentur  autem  hie 
reliquiae  de  ligno  et  sepulcro  domini  et  de  vestimento  sanctae  Mariae  et 
de  sanguine  sancti  Stephani  prothomartyris  et  de  eius  vestimento  et  sanc- 
torum apostolorum  Joannis  Evangelistae  et  Andreae  et  sanctorum  martyrum 
Georgij, Gangolphi,  Clementis,  Laurontij,  Pancratij,  Dionisij,  Cornelij,  Cypriani, 
Stephani  Diaconi,  Eustachij,  Ciriaci  et  sanctorum  confessorum  Remachi, 
Remigij,  Nicolai,  Arnolphi,  Lebuini,  Paulini,  Alexis,  et  sanctarum  virginum 
Walburgis  et  Drudae. 

Altare  sinistrum. 

Nona  Augusti  dedicatum  est  hoc  altare  in  honorem  domini  nostri 
Jhesu  Christi  et  perpetuae  virginis  Mariae ;  continentur  autem  hie  reliquiae 
sanctorum  martyrum  Gereonis,    Theodori,    Fortunati,    Crispiniani,    Quirini, 


1)  Yergl.   Bouterweck,    Swidbert,    der    Apostel   des    bergischen   Landes. 
Elberfeld  1859. 

2)  Das  Wort  Martae  ist  von  späterer  Hand. 

9 


Ifuimi,  Ornanli  st  Hnotornm  oonfenonim  Uadardi,  Serntij,  Ddalricu 
(Tothalrid)  et  Muiotamin  Tirginnm  llwiiiM  (Marime),  Pinnosne,  Airaa, 
Agathw  ot  de  Mpolohro  domioi. 

In  taeio  templi  ad  oocid«ntem  reperitnr  fansga  Salvatorit  lubai»  ad 
dextniB  dau  imigiiiM,  ofroiim  qoM  littarü  Minlptnm  est  ex  Podom 
84  Benedizirtf : 

Miaerioordi«  et  varitM  obniTernot  ntn. 
Ad   sinütaim   iüdem   doaa   imtginM,    cinam  quas  litteris  mnlptani 
es  Bodem  PB^mo: 

JnrtitU  et  psx  cwoolfttae  Riat. 
Quae  dnM  leoteDtüe  ooDcInaM  bis  verbii: 
Hu  ntn  Tirtatw  umper 
Diiut  qniiqne  raoolendw. 
Item  hl  latere  templi  ad  meridiem  repttritnr  fansgo  Salvstorls,  gireim 
quam  litterii  senlptsm  eat:    Fiat  lazl     Lndi  origo  noTite  teneliroso  folget 
in    orbft.    —    Addo  1140    aexto  Idtu  Febrnar^   olqjt   Folradus  Presbyter 
fondator  praedioti  templi. 

Templnm  montia  araoii  in  •abnrUo  Eaiatrswerijcnai.  .     . 

In  laters  templi   mostia   orooiB   Terau  meridiem  reperitui 
nt  aeqmtnr:  Anno  dominioae  ineamationia  1200.    Alburo  laicna  comparavlt 
a  Gonradö  LeTon    at    filio    eina  Henrico    in  Tnrkele    vineam,    qoae  dicitnr 
Lincensdal«  inxta  fontem,  qoae  aolvit  anonatim  amam  yiai  et  coTitulit  c 
Hanctae  Walbnrgi  pro  remedio  enimae  auae  et  nxoria    Buae  Hildegundis    et 
parenturn  suortim  ad  nocturnnm  lumen  praeeentiB   Eixlesiap.     Amen. 
In  arce  Caeaarie    Insalae  in  hjpocauato    maiori  retro    famacem: 
AnDO  ab  incarnatione  Domini  noatri  Jean  Christi   1184. 
Hoc  decuB  imperio  Caesar  Fridericiis  adanxit 
Juatitiam  stabilire   voleas  et  ut  undique  pax  ait. 
Extra  illnd  hypocaaBtum  snpra  ianaam  istina  introitas: 
Ab  anoo  Domintcae  iocarnationis  1184. 

Juatitiaa  cnltor  malefacti  providua  ultor 
Caesar  adorriandam  Fridericas  condidit  aulam. 
Ad  partem  Rheni  in  turri  CltuenBi  exterias : 
Alcmari  de  monte  rui  de  rupe  Draconia 
Ostia  pando  bonis  nautis  aimnl  atque  Colonia. 
In  tnrri  templi  a.  Swiberti: 

Addo  domini  1243. 
Hanc  templi  partem,  qnam  credena  afTore  Marf«m 
Geroaüdus  fregit  tnrrimqoe  iacere  coeg^t, 
Ne  nimium  snrgena  caatri  preaaura  ait  urgens, 
Tempore  tranqnillo  reparet  meliere  lapillo. 

Terwelp. 


MisecUen.  181 

13.  Zwei  verschollene  Eeltenorte  im  Reg.-Bezirk  Koblenz. 
Dass  die  Flurnamen  in  Bezug  auf  Sprachwissenschaft  und  Alterthums- 
künde  von  Wichtigkeit  sind,  ist  schon  oft  hervorgehoben  worden ;  leider 
hat  man  aber  diese  Namen  bisheran  noch  sehr  wenig  nach  den  bezeich- 
neten Richtungen  hin  ausgebeutet.  Es  dürfte  deshalb  für  die  rheini- 
schen Alterthnmsfreunde  wohl  von  Interesse  sein,  zwei  Flurnamen  aus 
dem  Reg.-Bezirk  Koblenz  kennen  zu  lernen,  die  durch  ihre  Form  als 
zu  der  grossen  Klasse  der  gallokeltischen  Ortsbezeichnungen  auf  -jich 
bezw.  -ach  gehörig  erscheinen,  sodann  aber  auch  in  weiterer  Folge  als 
die  einzigen  übrig  gebliebenen  lebendigen  Zeugen  längst  verschollener 
Keltenorte   betrachtet  werden   müssen. 

I.  Auf  dem  Banne  von  Rübenach  (Kr.  Koblenz)  begegnet  uns 
ein  Flurname  „Sendenich"  mit  den  näheren  Bestimmungen :  „  Sendenicher- 
^^S'^t  «zwischen  Sendenicher-  und  Bassenheimerweg"  und  „oben  im 
Sendenicherboden".  Was  nun  zuvörderst  die  Endung  dieses  Namens 
angeht,  so  stimmt  dieselbe  überein  mit  dem  Ausgange  der  Ortsnamen 
Kendenich  (Landkr.  Köln)  aus  kelt.  Cantiniacum  (von  einem  Personenn. 
Cantinins)  und  Endenich  (Kr.  Bonn)  aus  kelt.  Antiniäcum  oder  Anto- 
niacum  (von  einem  Personenn.  Antinius  oder  Antonius),  so  dass  man 
in  Sendenich  wohl  ein  kelt.  Santini&cum,  abgeleitet  von  einem  Per- 
sonenn. Santinius  >)  (vgl.  Orelli:  Inscriptt.  Latinae  Nr.  4476),  mit 
ziemlicher  Sicherheit  anzunehmen  berechtigt  ist. 

Was  nun  die  mit  dem  Flurnamen  Sendenich  bezeichneten  Reali- 
täten anlangt,  so  theilt  mir  darüber  der  Ortsvorsteher  von  Rübenach, 
HeiT  Mohrs,  ungefähr  Folgendes  mit:  „Auf  dem  Flurdistikte  „Sende- 
nich" hat,  wie  man  allgemein  in  der  Gegend  von  Rübenach  erzählen 
hört,  in  alten  Zeiten  eine  Stadt  gestanden,  hin  und  wieder  trifft  man 
auch  mit  dem  Pflug  auf  Fundamentmauern,  und  es  kommen  häufig 
Ziegelstücke  beim  Ackern  an^s  Tageslicht ;  vor  nicht  langer  Zeit  hat 
ein  Einwohner  aus  Rübenach  dort  nachgegraben  und  ein  Gewölbe 
(Hypokaustum?)  entdeckt  mit  einer  bedeutenden  Masse  Holzasche.  Die 
Bodenart  ist  Ackerland  (Lehm  mit  vulkanischem  Sande  gemischt),  das 
stellenweise  schwarz,  wie  verbrannt  erscheint.  Sonst  jsxistirt  in  Rüben- 
ach auch  noch  die  Sage,  dass  vor  längerer  Zeit  einmal  mehrere  Fran- 
zosen im  Orte  erschienen  seien,  versehen  mit  einer  Karte  der  „Stadt 
Sendenich",  auf  Grund  deren  sie  Nachforschungen  angestellt  hätten." 
So  weit  die  mit  anerkennenswerthester  Promptitüde  gegebenen  Aufschlüsse 
des    Herrn    Mohrs.      Vielleicht    würden    hiernach    systematische    Nach- 

1)  Der  Personenn.  Santinius  (latinisirt  Sanctinius  —  mit  Anlehnung  an 
sanctus)  ist  ein  sog.  Hypocorieticum  und  ausgegangen  von  dem  im  Gall.  nach- 
weisbaren Namenelemente  Santo-,  das  etymologisch  kongruent  ist  mit  dem  in 
germanischen  Namen  erscheinenden  santha-  (wahr). 


193  Misuellen. 

grabuDgen  auf  dem  FI nrdi strikte  Sendenich  eich  lohneD,  dn  dem  Tor- 
stehenden  gemäBs  wohl  nicht  daran  za  zweifeln  sein  dürfte,  dass  der 
gen.  Distrikt  einer  im  Lnufe  des  Mittelalters  ausgegangenen  Ortschaft 
koltiscli- römischen   ürsprungB  seinen   Namen   verdankt. 

n.  In  der  Gemeinde  Polch  (Kr.  Majeü)  findet  aich  ein  ehenfalla 
gallischen  Ursprung  verrathender  Flurname  „GeiaenBCJi"  (Äcker  „vor 
Geiaeoflch ",  „ in  Geiee na c hersei te " ),  da  derselbe  in  Betreff  seines  Abb- 
gapges  übereinatimnit  mit  den  allgemein  als  keltisch  bekannten  Orts- 
namen ;  RQbenach  ans  Rufiniäcnm  (von  einem  Personenn.  Rnfiniua), 
WaBseaacb  aus  Vaaaoniäcnm  oder  Vassiniflcum  (von  eim.'m  Personeon. 
VnsEomus  oder  Vassinlus),  Dreckenach  ans  Draconiäcum  (von  einem  Per- 
sonenn. Draconins,  der  mit  dem  giiech.  Personenn.  ^^ukwi;  -wyog  sicli 
deckt].  Hiernach  dürfte  ^Geisenach"  wohl  auf  ein  ursprüngliches  0&- 
sioiäcum  oder  G^soniäcum  (von  einem  Personenn.  Gesiniiis  oder  G£so- 
niuB  '))  zurftckzu führen  sein  und  so  dieselbe  Herkunft  haben,  wie  der 
belgische  Ortsn.  Gisignies.  So  viel  in  Betreff  des  Namens  der  Flnr ; 
über  diese  selbst  habe  ich  leider  nar  wenig  in  Erfahmng  bringen 
können.  In  einem  Felde  des  Distrikts  „Geisenach"  finden  sich,  wie 
mir  von  Polch  aus  berichtet  wird,  nahe  der  Oberfläche  Fundomente 
eines  Mauerwerks  von  ThonscKiefer'Brucbsteinen.  Ausserdem  wurden 
dort  an  einer  andern  Stelle  bei  einer  Drainirung  im  J.  1858  Ziegel- 
Btücke  nnd  Mörtelreste  auegegraben ;  ob  dieselben  aber  von  früheren 
hier  errichtet  tfewweenen  Bauwerken  herrührten,  oder  aber  a.  Z,  als 
Mauerschntt  zur  Trockenlegung  des  snmpfigen  Bodens  dorthin  aufgefahren 
worden,  darüber  wisaen  die  Besitzer  der  betr.  GrnndstQcke  keine  Aog- 
kunft  zu   geben. 

Auch  auf  „Geisenach"  möchte  also  wohl  ein  Ansgrabnagsversacb 
nicht  überflüssig  sein,  zumal  der  Name  auf  das  Unzweifelhafteste  aof 
eine  alte  Niederlassung  aus  keltisch- römischer  Zeit  hinweist. 

Dr.  Easer. 

li.  Köln.  Die  Thorburgen.  Als  in  Ausführung  eines  von  dem 
Stadtverordneten  -  Colleginm  mit  dem  Eriegsministerinm  abgeschlossenen 
Vertrages,  der  Abbruch  des  Hahn enburgtho res  bevorstand,  wRhrend  das 
Severinsthor,  die  Ulrichspforte,  das  Gereunsthor  und  der  Eigelstein  er- 
halten werden  sollten,  regte  sich,  nachdem  durch  die  Niederlegnng  der 
Stadtmauern  der  imposante  Bau  des   Thores  zur  Geltung  kam,  in  allen 


I)  Einen  gall.  Personeun.  Gesonina  oder  Geiinius  vermag  ich  zwar  fSr 
jettt  nicbt  nachzuweisen,  indessen  suhheasl  aich  deraclbo  ganz  regelrecht  an  das 
gall.  Nameneipment  Gaeao-,  GesO',  Identiacli  mit  germ.  gsiaa  (Spiess,  Ger),  an. 
Hierzu  gehört  auch  dpr  Nsme  den  Vandalenköniga  Gaisericus,  der  deutlich  wieder- 
kliogt  im  römisch- beltiachen  Caesar,  welchen  Namen  ich  für  verkürzt  hatte  aua 
gall.  Gaeaarix,  Caeaariz. 


Miscellen.  183 

gebildeten  Kreisen  der  Stadt  and  Provinz  der  lebhafteste  Wunsch,  auch 
dieses  Thor  erhalten  zu  sehen.  Selten  möchte  für  die  Erhaltung  eines 
mittelalterlichen  Denkmals  eine  so  allgemeine  Theilnahme  in  den  ver- 
schiedensten Eingaben  an  die  Behörden  sich  ausgesprochen  haben.  Die 
Stadt  war  in  ihrem  Hechte,  wenn  sie  auf  dem  Abbruch  bestand,  und 
Hess  sich  in  ihrem  Widerstände  lediglich  durch  finanzielle  Rücksichten 
und  das  Bedürfniss  freien  Verkehrs  bestimmen.  Bei  dieser  Gelegenheit 
wurde  in  der  Presse  die  Ansicht  laut,  dass  es  geradezu  ein  Mangel 
der  Gesetzgebung  sei,  für  den  wohl  Abhülfe  geschafft  werden  müsse, 
wenn  in  einem  Falle,  wie  in  dem  vorliegenden  die  Staatsregierung  nicht 
zu  jeder  Frist  ein  aufschiebendes  Veto  besitze,  um  die  Zerstörung  eines 
geschichtlichen  Bauwerkes  zu  verhüten.  Die  Kölnische  Yolkszeitung 
sagte  noch  am  28.  Nov.  1881,  I.  Bl. :  „Wenn  wir  auch  in  einer  Zeit 
leben,  in  welcher  ein  grosses  Stück  ruhmvollster  Geschichte  gemacht 
worden  ist,  so  darf  uns  das  doch  nicht  bestimmen,  die  Geschichte, 
welche  hinter  uns  liegt,  gering  zu  achten,  denn  wir  stehen  in  allem, 
was  wir  wollen  und  vollbringen,  auf  den  Schultern  unserer  Vorfahren. 
Gerade  Köln  blickt  auf  eine  glänzende  Vergangenheit  zurück;  es  war 
eine  Stadt,  die  ihre  Freiheit  und  Selbstständigkeit  gegen  ihre  Bedränger 
stets  siegreich  zu  verth eidigen  gewusst  hat  auf  ihren  Mauern  und 
Burgen !  Es  wird  zu  allen  Zeiten  wahr  bleiben,  dass  die  Geschichte 
die  weiseste  Lehrerin  der  Völker  ist.  Sie  spricht  aber  am  lebendigsten 
aus  ihren  Denkmalen  zu  dem  lebenden  Geschlecht.  Wenn  die  Mauern 
der  Stadt  haben  fallen  müssen,  so  lasse  man  doch  die  Hauptthore  stehen, 
als  ehrwürdige  Zeugen  vergangener  Jahrhunderte!"  Die  Bestrebungen, 
das  Hahnenburgthor  zu  erhalten,  begannen  mit  einer  unter  dem  6. 
September  1881  verfassten  und  in  der  Kölnischen  Zeitung  veröffent- 
lichten Kundgebung  des  Architekten-  und  Ingenieur- Vereins  für  Nieder- 
rbein  und  Westfalen,  die  dem  Stadtverordneten  -  Collegium  überreicht 
worden  war.  In  derselben  war  in  vortrefflicher  Weise  die  Bedürfniss- 
frage des  Verkehrs  erörtert,  auf  die  Pietät  anderer  Städte  für  ihre 
alten  Bauwerke  hingewiesen,  das  durch  spätere  Restaurationen  verun- 
staltete Bauwerk  als  ein  solches  bezeichnet,  welches  besonders  gut 
zwischen  dem  südlichen  und  nördlichen  Eingang  die  Linie  der  alten 
Stadtumwallung  markire  und  hervorgehoben,  dass  der  bauliche  Zustand 
des  Thores  keineswegs  den  Abbruch  rechtfertige.  Am  28.  September 
richtete  der  Vorstand  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  im  Rhein- 
lande ein  Schreiben  an  das  Kölner  Stadtverordneten -Collegium,  worin 
er  sagte,  dass  es  die  Aufgabe  des  Vereins  sei,  für  die  Erhaltung  und 
Bekanntmachung  der  alten  Denkmale  in  dem  Stromgebiet  des  Rheines 
Sorge  zu  tragen,  und  dass  ev  in  dieser  seiner  Thätigkeit  seit  40  Jah- 
ren weit  über  die   Grenzen    der  Provinz  hinaus  Anerkennung   erworben 


134  MiBoelleo. 

and  Theilnehmer  seiner  Bestrebungen  gefunden  habe,  der  Yorstand  ge* 
statte  sich  desshalb,  dem  Stadtverordneten  -  Collegium  von  Köln  sein 
lebhaftes  Interesse   an  der  Erhaltung  der    alten   Thorburgen  von  Köln,  * 

die  durch  den  Stadterweiterungsplan  bedroht  sind,  auszusprechen.  Die 
Kundgebung  der  Architekten-  und  Ingenieur-Vereine  habe  seiner  Ueber* 
Zeugung  in  dieser  Angelegenheit  und  wie  er  glaube  den  Wünschen  der 
Bevölkerung  des  Rheinlands  in  so  vortrefflicher  Weise  Ausdruck  ge- 
geben, dass  er  derselben  nach  ihrem  ganzen  Inhalte  beitrete  und  eine 
Pflicht  zu  erfüllen  glaube,  wenn  er  die  Stadtverordneten -Yersammlang 
ersuche,  die  Frage  nach  der  Erhaltung  der  Thorburgen  und  ganz  be- 
sonders des  Hahnen thores  einer  erneuten  Prüfung  unterziehen  und  das 
Fortbestehen  sowie  die  nothwendige  und  stilgemässe  Restauration  der- 
selben beschliessen  zu  wollen.  .  So  wenig  er  verkenne,  dass  den  Tages- 
Bedürfnissen  der  Lebenden  das  erste  Recht  gebühre,  so  sicher  glanbe 
er  aber  auch,  dass  das  Bewusstsein  einer  grossen  Vergangenheit  die 
Verpflichtung  in  sich  schliesse,  ihre  auf  uns  gekommenen  monumentalen 
Zeugnisse  mit  Pietät  zu  hüten  und  der  Nachwelt  unversehrt  zu  be- 
wahren. In  der  Antwort  wurde  auf  die  Unmöglichkeit  hingewiesen, 
das  Hahnenthor  neben  den  durch  den  Vertrag  gesicherten  Thorbargen 
zu  erhalten  und  dem  Vereins  -Vorstande  anheimgegeben,  sich  bei  dem 
Ministerium  für  einen  Tausch  desselben  gegen  das  Oereonsthor  oder 
den  Eigelstein  zu  verwenden.  Der  Vereins- Vorstand  war  indessen  nicht 
geneigt,  für  diese  Lösung  der  Angelegenheit  mitzuwirken.  Unterdessen 
hatte  auch  der  Verein  von  Alterthumsfreunden  in  Köln  eine  Eingabe 
nach  Berlin  gerichtet  und  um  Erhaltung  der  Hahnenthorburg  gebeten. 
Auch  die  Commission  für  die  rheinischen  Provinzial- Museen  unterliess 
es  nicht,  sich  für  die  Erhaltung  der  Uahnenthorburg  neben  den  andern 
bei  dem  Herrn  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und  Medizinal- 
Angelegenheiten  zu  verwenden.  Dieser  suchte  mit  allen  ihm  zu  Ge- 
bote stehenden  Mitteln  das  Stadtverordneten-Collegiuin  zu  einem  dahin 
zielenden  Beschlüsse  zu  bringen  und  sandte  den  Herrn  Regierungsrath 
von  Dehn-Ilothfelser  nach  Cöln  zu  einer  neuen  Bericliterstattung  über 
den  Zustand  der  Hahnenburg,  welcher  günstig  für  dieselbe  ausfiel. 
Selbst  die  Königl.  Akademie  für  Bauwesen  in  Berlin  bat  den  Minister 
der  öffentlichen  Arbeiten  um  Erhaltung  dieser  Thorburg.  Am  3  0.  No- 
vember war  die  Frist  abgelaufen  und  das  Thor  musste  fallen,  wenn 
nicht  anders  vom  Stadtrath  beschlossen  wurde.  Am  25.  November 
richtete,  um  auch  in  letzter  Stunde  nichts  unversucht  gelassen  zu  ha- 
ben, der  Vorstand  des  Vereins  von  Alterthumsfreunden  ein  Gesuch  an 
Seine  Durchlaucht  den  Fürsten  Reichskanzler,  seinen  mächtigen  Einfluss 
für  die  Erhaltung  des  Hahnenburgthores»  oder  doch  für  ein  Hinaus- 
schieben   des  Abbruchs   desselben    geltend    machen    zu    wollen.      In  der 


Miicelleii.  185 

Stadtverordneten -Yersammlung  am  7.  Dezember  wurde  jedoch  der  Ab- 
brach des  Hahnenthores  beschlossen  and  nur  den  anaasgesetzt  fort- 
daaemden  BemCihangen  Sr.  Exe.  des  Ministers  von  Gossler  ist  es  za 
danken,  dass  später  dennoch  die  Erhaltung  des  Hahnenthors  and  zu- 
gleich die  Niederlegang  des  Gereonsthors  beschlossen  wurde.  Am  16. 
Februar  theilte  dar  Oberbürgermeister  den  Stadtverordneten  mit,  dass 
der  Vertrag  zwischen  Stadt  und  Kriegs -Ministerium  wegen  Tausches 
des  Hahnenthores  gegen  das  Gereonsthor  vollzogen  sei.  Beim  Winkel- 
mannsfeste am  9.  Dezember  waren  die  durch  den  Verein  der  Archi- 
tekten hergestellten  Aufnahmen  der  Kölner  Thorburgen  auf  Wunsch  des 
Vereins- Vorstandes  durch  Herrn  Baumeister  Witehase  ausgestellt  worden. 

Seh. 

15.  Linz.  Römer- Canal.  Dasjenige  was  Eick,  die  römische 
Wasserleitung  aus  der  Eifel  nach  Köln,  S.  70,  §  9  letztes  Alinea  an- 
deutet, kann  ich  durch  folgende  Angaben  etwas  näher  bestimmen,  die 
mir  auf  meiner  Ferienreise  durch  die  nördliche  Eifel  im  verflossenen 
Herbste  gemacht  wurden : 

„Zwischen  Gilsdorf  und  Pesch,  auf  der  Ostseite  des  Eschweiler- 
und  der  Südseite  des  Hornbachs,  District  „am  Heidenpützchen",  sind 
vor  6  bis  7  Jahren  unterirdische  Gewölbe,  Sandsteinplatten  mit  ein- 
gehauenen Figuren  von  Götzen  (?)  und  ein  theilweise  verschütteter 
Brunnen  entdeckt  worden.  Die  Sandsteinplatten,  von  Herrn  Lehrer 
Parsoh  zu  Noethen  geseh'en,  haben  später  als  Baumaterial  Verwendung 
gefunden.  Das  Ganze  lag  auf  der  Spitze  des  Berges  „Heidenpützchen". 
An  der  Westseite  desselben  kommt  ein  aus  Ziegelsteinen  gebauter  Ka- 
nal zum  Vorschein.  Der  Brunnen  und  die  Euinen  waren  längst  be- 
kannt. Alte  Leute  sagen,  in  der  Christnacht  um  12  Uhr  läute  in 
der  Tiefe  des  Brunnens  ein   Glöcklein." 

Desgl.  zu  Eick,  a.  a.  0.  S.  67  ^und  70:  „Mauerwerk  findet 
sich  in  der  Gemeinde  Harzheim  „auf  der  Kuhweide "  und  „auf  Wim- 
meis ^.  An  letzterer  Stelle  stand  wahrscheinlich  eine  „Hütte*^  (Eisen- 
schmelze).     Rothe  Ziegel  besonders  „auf  der  Kuhweide*^ 

Dr.  Pohl. 

16.  Mainz.  BömischeFunde.  1)  Eine  ausserordentlich  reiche 
Ausbeute  an  Inschriften  und  Sculpturfunden  ergeben  gegenwärtig 
die  städtischen  Kanalarbeiten  in  der  Rosengasse  und  zwar  in  dem  Theile  der 
Strasse,  der  zwischen  der  Klarastrasse  und  Sackgasse  liegt.  Durch  die 
Umsicht  und  das  lebhafte  Interesse  der  Herren  vom  städtischen  Bauamte 
werden  diese  Funde  mit  Sorgfalt  gehoben  und  in  das  Museum  verbracht. 
So  sind  in  den  letzten  Tagen  vier  grosse  Sculpturwerke  dem  Museum  ein- 
verleibt worden.  Der  erste  eingelieferte  Stein  ist  der  Grabcippus  eines 
römischen  Fahnenträgers  der   vierzehnten  Legion,  aus   Kalkstein  gehauen. 


1S8  Mtioell«!!. 

Tu  einer  1  m  16  om  hohen,  06  cm  breiteo,  ob«n  rund  ahgeBchloesenea 
Niaehe  steht  die  Fignr  des  Fahnenträger»,  die  merkwürdiger  Weise  ganz 
genau  mit  dem  im  UuHeiim  befindlichen  Bilde  des  Luccius  Faustua  feiehe 
Becker:  Die  loBchriften  nnd  SteinBoulpturen  dea  MiiseumB  der  Stadt  Mainz, 
Nr.  176,  und  Liodenschm  i  t:  Die  Alterthünier  nnaerer  heidnischen  Vor- 
aeit,  I,  IV,  fi)  übereinatimmt.  Jedenfalls  hat  der  Steinmets,  der  das  Bild 
des  Fahnenträgers  Lnccius  gehauen,  auch  das  Bild  unseres  Signifer  gear- 
beitet, nur  daas  jener  bartlos,  dieser  bartig  ist  und  die  Signumatange  dieses 
unten  ein  Quereiien  trägt,  welcbes  das  zu  tiefe  Kinstoseen  der  Fahne  und  die 
Besohädigung  der  unten  ab  Schmuck  angehrnohten  Quasten  verhüten  sollte. 
Uuter  dem  Bilde  ist  da«  60  ein  hohe  und  60  cm  breite  InBchriftfeld,  desaen 
Inechrift  nur  zum  Tliaile  lesbar  ist.  Wir  wei-den  auf  diese  demnächst 
dea  näheren  zu  sprechen  kommen.  Ein  in  dem  rechten  oberen  Theile 
des  Inschriftfeldes  eingehauenea  Zapfenloch,  sowie  die  AbBchleifung  des 
Steines  im  Kreise  am  dieses  Loch  herum  lausen  darauf  schliessen,  dasg  der 
Stein  früher  in  ein  Banwerk  eingefügt  war,  und  zwar  so,  dass  der  Sknlp- 
turtheil  eingemauert,  das  InBcbriflfeld  aber  ale  Iiaufstein  des  Angelbalkena 
eines  Thores  verwandt  wurde.  Später  ward  der  Stein  bei  irgend  einer  Ge- 
legenheit hernmgestürxt,  so  dass  er,  mit  der  ekulpirten  Seite  nach  unten 
liegend,  aufgefunden  wurde.  Aus  den  Besten  der  Ineohrift  ersehen  wir, 
dass  wir  in  der  abgebildeten  Figur  einen  PahnentrUger  der  14.  Legion  au 
erkennen  haben,  der  40  Jahre  alt  wurde  und  19  Jahre  im  Dienste  ge- 
standen hatte. 

Das  sweite  Monmneat  ist  ein  1  ni  23  cm  hoher  und  8Ü  cm  breiter 
Grabstein  eines  römischen  Legionars  der  14.  Legion.  Er  trägt  keine  figür- 
liche Darstellung,  dafür  aber  die  in  sehr  grossen  prächtigen  Buchstaben 
voitre£riich  gehanene  Inschrift: 

M  .  8ERVIL1V8  .  M  F 

FAB  ;  SEKECA  .  DO 

MO  .  BRIXIA  .  ANN 

XXXX  .  MIL  .  LEG 

Xlin  .  GEM  .  0  .  Q  .  HELVI 

BVCC0NI3  .  STIP  .  XIX 

H  .  8  .  E  . 

Marcus  Servilius,  Marci  filios,  Fabia(tribu),  Seneoa,  domo  Brixia, 
nnnorum  quadraginta,  milea  legtonis  decimae  qnartae,  geminae,  centuriae 
Quintii  Helvii  Bncconis,  stipendiornm  undeviginti  hie  sitns  est.  (Zu  deutseh: 
Marens  Serrilius  Seneca,  des  Marcus  Sohn,  aus  der  fabiachen  Bürgerclasse, 
aUB  Brescia,  40  Jahre  alt,  Soldat  der  14.  Legion,  der  doppelten,  vom  Zuge 
des  Qnintns  Helvius  Bucco,  19  Jahre  im  Dienst,  liegt  hier  begraben.)  Die 
Tribus  Fabia   hatte    sich    seither    auf  Maiozcr  loschrilteu    noch   nicht  ge- 


Misoellen.  187 

funden,  wohl  aber  in  Wiesbaden  (Corp.  Inscr.  Rhenan.  n.  1428)  anf  einer 
ebenfalls  einem  aas  Brixia  stammenden  Soldaten  geweihten  Inschrift. 

Ferner  ward  der  Grabstein  eines  römischen  Reiters  gefunden,  der 
mit  eingelegter  Lanze  dahersprengt.  Unter  den  Vorderfüssen  des  Rosses 
liegt  das  abgeschnittene  Haupt  eines  Feindes,  der  durch  das  lange,  in 
einen  Knoten  verschlungene  Haar  als  Germane  gekennzeichnet  wird.  Die 
Darstellung  ist  höchst  unbeholfen  und  zeigt,  dass  der  Bearbeiter  von 
den  Verhältnissen  des  Menschen-  und  Thierleibes  nichts  verstand.  Aber 
das  Bild  ist  werthvoll  durch  die  Treue  in  der  Behandlung  der  Einzelheiten, 
zumal  des  Sattels  und  der  Saodalenbekleidung  der  Füsse.  Von  der  Inschrift 
ist  nur  die  obere  Zeile  erhalten:  CANTABER  .  VIROTI  .  F,  darunter  einige 
Buchstaben. 

Am  26.  Juli  wurde  bei  den  Kanalbauten  in  der  Rosengasse  ein  Sculp- 
turwerk  gefunden  und  in  das  Museum  verbracht,  das  den  merkwürdigsten 
Funden  unserer  so  bedeutsamen  und  reichen  Sammlung  beizuzählen  ist.  Es 
ist  der  Grabstein  eines  Hirten  oder  Viehzüchters,  der  eines  gewaltsamen 
Todes  gestorben  ist.  Der  bearbeitete  Theil  des  Bildwerkes  ist  1  m  70  cm 
hoch,  72  cm  breit,  unterhalb  ist  noch  ein  dreieckiges  Stück,  das  in  die 
Erde  gesenkt  wurde.  In  dem  dreieckigen  Giebel  ist  eine  Urne  abgebildet, 
an  deren  Henkeln  zwei  Rosetten  hängen  und  aus  deren  Halse  ein  Blatt- 
werk hervorwächst.  Ausserhalb  in  den  Giebelecken  sind  die  bekannten 
schneckenförmigen  Stirnziegcl  und  nach  der  First  zu  Blumengewinde  ange- 
bracht. Unterhalb  des  Inschriftfeldes  ist  der  Hirte  mit  der  Peitsche  in  der 
Hand  und  dem  Hunde  zu  Füssen  dargestellt,  er  treibt  die  Heerde,  vier 
Schafe  mit  einem  Widder.  Statt  perspectivischer  Anordnung  sind  je  zwei 
Thiere  über  einander  gebildet.  Die  Landschaft  ist  durch  zwei  Bäume  belebt. 
Die  Inschrift  lautet: 

lucundus 
M   .  Terenti  L  . 
Pecuarius 
(d.h.:  lucundus,  Marci  Terenti  Libertus,  Pecuarius;  zu  deutsch:  Jucundus, 
der  Freigelassene  des  Marcus  Terentius,  ein  Hirte.)   Dann  folgt  eine  längere 
metrische  Inschrift,  die  sich,   mit  Ausnahme  eines  Verses,   in  folgenden  Di- 
stichen zusammenstellen  lässt: 

Praeteriens,  quicumque  legis,  consiste,  viator. 

Et  vide,  quam  indigne  raptus  inane  querar. 

Vivere  non  potui  plures  triginta  per  annos. 

Nam  erupuit  servos  mihi  vitam  et  (erupuit  =  eripuit;  servos  =  servus; 

der  Vers  ist  falsch  gebildet  und  unvollständig.) 
Ipse  praecipitem  sesse  dejecit  in  amnem. 
Apstulit  huic  Moenus,  quod  domino  eripuit. 
Deutsch:  Vorübergehender  Wanderer,    wer    auch  nur  immer  Du  es  liesest, 


I  Grabe tein)  eetzen.) 
von  Soldaten  ist  liieBer 
Ornbstein  fiaes  Mannea  liflrgerlichen  Gewerbea  hiichat  merkwärdig  and  tritt 
dem    im    Musaum    beßtidliciien  Grnbmale   äee    SctiiETera  BIubbus    ebenbSrtig 
zur  Seite. 

Zugleich  mit  dem   eben  bescliriebenen  Grabeteioe    ward    ein   PUaBter- 
kapilal  römiBch-koriDthiaclier  Ordnung  gefuDden. 

Dr.  Jacob  Keller. 
17.  Mains.  Römische  Funde.  2)  Wiederum  haben  die  Taucher-  and 
Hebearbeiten  an  den  Pfeilern  der  alten  Rheinbrücke  eine  Rtihe  von  römi- 
miaohen  Skulptui-'  und  Inschriftstficken  zu  Tage  gefördert,  die  die  bereita 
so  reiche  Sammlnng  des  Vereins  „zur  Erforschung  der  rheinischen  Geschicbte 
undÄlterthüBiei-"  auf  das  !■> freuliebste  vermehren.  Ausser  einem  Bruchatflcke 
Handmühleteines,  einer  Ziegelplatte  mit  dem  rechteckigen  Stempel 
der  leg.  XIIII  Gem.  und  dem  InschriflfragmeDto  eines  VotivaltArs,  wurde 
'  Votivstein  aus  rolhem  Sandsteiu  gefunden,  wie  er  in  der 
bayriaohen  Pfalz  gebroi^hen  wird,  von  ca.  89  cm  Breite,  62  cm  Höhe,  54 
cm  Ilicke.  Dia  Vorderseite  tr»Ht  die  luachrift  in  vieicckigem  Rahmen; 
auf  den  Nebeiiaeiten  iat  gleichfalla  ein  rechteckiges  Feld  durch  Leisten 
umrahmt.  Demnach  atand  der  Stein  wahrscheinlich  in  der  HShe  von  drei 
Seiten  frei  und  diente  einem  andern  SkulpturatGcke  ala  Lager.  Die  In- 
Bchrift,  in  ecbönen  quadratischen  Buchstaben  der  beaten  Zeit  gehaaen,  aber 
vom  Wasser  stark  verwaachen,  lautet: 

GENIVM-LEGIO 
NIXXII-PRPF-HO 
N0RIAQVILÄIP{?) 
■     AVRELIVS 
Das  Weitere  ist  abgebrochen. 

Das  zweite  Stück  iat  eine  Reliefptatte  s 
Flonheim  in  Rheinbesaen  bricht,  ca.  90  cm  hoch, 
In  dem  viereckigen,  vertieften  Felde  steht  die  RetiefSgur  eines  Jünglings 
mit  wallendem  Lockenbaare;  das  Gewand  fällt  von  den  Schultern  den  Rücken 
hinab;  mit  der  Linken  hält  der  Jflngling  ein  Roas  am  Zügel;  die  hocher- 
hobene Rechte  faest  den  auf  die  Erde  gestützten  Speer.  Ohne  Zweifel 
atellt  die  Figur  eine  Gottheit  dar,  vielleicht  einen  der  Dioskuren.  In  der 
Rückseite  der  Platte  steckt  noch  ein  Stück   des  Klamm  er  eisena,  durch  das 


Sandsteine,  der  bei 
breit,  20  cm  dick. 


f 


Misoellexi.  189 

sie  einem  Oeb&ade  eingefügt  war.  Das  Relief  macht  in  der  ziemlich  qua- 
dratischen Gestalt  des  Skulpturfeldes  fast  den  Eindruck  einer  Metopenplatte. 
18.  Mainz.  Neue  Funde.  Am  13.  April  d.  J.  wurde  bei  Ge- 
legenheit der  Ausführung  städtischer  Ganalbauten  auf  dem  Schlossplatze, 
an  der  von  der  Peterskirche  nach  der  Neustadt  führenden  Strasse,  zwi- 
schen der  Grossen  und  Mittleren  Bleiche  ein  römischer  Inschriftstein 
mit  einer  leider  verstümmelten  Figur  gefunden  und  mit  der  gewohnten 
dankenswerthen  Umsicht  von  Seiten  der  Bauleitung  sofort  dem  Alter- 
thumsvereine  zugestellt.  Es  ist  der  aus  einem  weissen,  mit  vielen  ziem- 
lich grossen  Quarzstücken  durchsetzten  Sandsteine  gehauene  Grabstein 
eines  römischen  Unteroffiziers.  Im  oberen  Felde  war  die  Figur  des 
Soldaten  dargestellt.  Leider  aber  ward  in  späterer  Zeit  der  Stein  als 
Bau-  oder  Mauerstein  verwandt  und  diesem  Bedürfnisse  entsprechend 
verstümmelt.  So  ist  er  in  der  Mitte  entzweigehauen.  Die  obere  Hälfte 
ist  nicht  gefunden  worden.  Von  der  Figur  des  Legionärs  sind  nur 
die  Füsse  und  der  untere  Theil  des  mit  der  linken  Hand  gehaltenen 
und  auf  den  linken  Fuss  aufgestützten  grossen  Rundschildes  erhalten. 
Die  Oberfläche  des  Schildes  ist  beim  Behauen  zur  neuen  Verwendung 
als  Baustein  abgesplittert.  Ganz  auffallend  ist  die  Aehnlichkeit  dieses 
Figurwerks  mit  dem  Reliefbilde  eines  Legionssoldaten,  das,  in  Strass- 
burg  in  der  Nähe  des  ehemaligen  hessen- darmstädtischen  Palais,  im 
damals  Eellermann'schen  Hause,  1737  gefunden,  1870  beim  Brande 
der  Festung  zu  Grunde  ging,  von  dem  aber  glücklicher  Weise  im  rö- 
misch-germanischen Centralmuseum  zu  Maiuz  und  vielleicht  auch  in 
Bonn,  Paris  und  sonstwo  ein  Gypsabguss  erhalten  ist.  Wir  haben  in 
beiden  Sculpturwerken  die  gleiche  wenig  sorgfältige,  sogar  rohe  Arbeit 
der  römischen  Spätzeit,  z.  B.  ist  die  Sandalenbekleidung  der  Füsse 
nicht  ausgedrückt.  Beide  Krieger  zeigen  die  gleiche  Stellung,  die  gleiche 
Haltung  des  Rundschildes,  nur  dass  bei  dem  Strassburger  Legionär  der 
Schild  am  Rande  eine  Schildstütze  hat.  Auf  beiden  Darstellungen  ragt 
zur  Linken  der  Figur  in  der  unteren  Ecke  ein  viereckiger  Ansatz 
unter  dem  Schilde  hervor,  der  sich  auf  dem  Strassburger  Steine  un- 
zweifelhaft als  das  Ortband  der  Schwertscheide  kundgibt.  Nicht  anders 
wird  der  Ansatz  auch  auf  unserem  Relief  zu  deuten  sein.  Auf  dem 
unteren  Rande  des  Skulpturfeldes  stehen  in  Räume  ausserhalb  der 
Füsse  des  Mannes  die  Buchstaben: 

M  EM 

Darunter  folgt  das  Inschriftfeld,  58  cm  breit,  38  cm  hoch.  Es  ist 
von  einfachen  Randleisten  umrahmt;-  die  Seiten  sind  rauh  behauen;  ob 
von  Anfang  an  oder  bei  der  späteren  Bearbeitung,  ist  nicht  klar.  Un- 
mittelbar unter    der  unteren  Leiste   ist  der  Stein  abgehauen  und  nach 


hinten  abgeschr&gt.  Die  liabe  untere  Ecke  ist  weggebrochet 
ganze  erhaltene  Denkmal  ist,  72  cm  hoch,  70  cm  hreit  und  14  cm  dick. 
Die  für  die  EenntniSB  der  römischen  Ärmeeeiutheilung,  sowie  pa- 
Iseographiach  im  Scbriftcfaaraktor  uod  in  der  Latinitfit  aehr  merkw 
dige  Insuhrift    —     die   Interpunktion    fehlt    gänzlich    —    lautet    folgen- 


ORIAFLPVSINNIONISOPTI 
LEGIIPANNONICEQVIVIXT 
ANNOSXXXXSTVPENDI 
AXVIIIIVTirJvSERESP 
ROPIETATEPOSVIT 
MIINÄM 
\i.   Memoria  Fl(avi)    PusinniomB,    opti(oni9)   ]eg(ionis)    secnndae  Pan- 
ic(a)e,    qui   vix(ijt  annos  quadraginta,     Btnpeiidia    duodevigiati    Juti- 
I    (h)ereB    pro  pietate   posuit. 
Wie    die   Buchatahen    der  letzten   Zeile    zu    lesen   seien,     kann   für 
den    Augenblick     noch    nicht    gesagt  werden ;    jedenfalls    enthalten    sie 
mpeudiäre  Formel,    einen  frommen   Spruch,     wie  eich   deren    auf 
römischen  GrahsteiDäD   viele  finden,   ohne  dasa   sie  alle  gelöat  i 

Von  dieser  letzten  Zeile  abgesehen,  lautet  der  Text  der  Inachrift 
auf  deutsch    wie   folgt: 

Grabmal  dea  Flaviug  Pueiunio,  Unteroffiziers  der  zweiten  Legion, 
der  pannoniscben,  der  vierzig  Jahre  gelebt,  achtzehn  Jahre  im  Dienste 
gestanden  hat;  sein  Erbe  Jutinius  hat  ans  Liebe  (diesen  Grabstein) 
setzen  lassen. 

Anf  das  wissenschaftliche  Interesse,  das  sich  an  die  Erwähnung 
der  legio  II  Pannonica  knüpft,  näher  einzugeben,  gestattet  der  Raum 
dieses  Berichtes  nicht,  ebenso  wenig  wie  es  möglich  ist,  die  paläogra- 
phischen  und  orthographischen  Einzelheiten  dieser  Inschrift  hier  zu  erörtern. 
2.  Ein  zweiter  römischer  Sculptur-  und  Inschriftstein  ward  an 
der  gleichen  Stelle  gefunden,  wo  der  eben  besprochene  zum  Vorschein 
kam,  nnd  zwar  am  19.  April  v.  J.  Er  ist  gleichfalls  aus  weissem 
Saudstetne  gearbeitet,  leider  aber  nur  arg  verstümmelt  erhalten.  Das 
Ganze  war  ein  Grabstein  für  wahrscheinlich  fünf  Personen,  eiuea  Sol- 
daten der  legio  I  Adjutrix  nnd  seine  Angehörigen.  Nnr  die  eine 
Hälfte  des  Steines  ist  erhalten.  Er  scbliesst  ohen  mit  einem  ver- 
tieften Giebel  ah,  in  dem  die  Büsten  der  Glieder  der  Familie  ausge- 
hanen  sind.  In  der  Mitte  (unter  der  Giebelfirst)  sitzt  ein  Adler,  wahr- 
scheinlich auf  dem  Haupte  einer  Person ;  wenigstens  weisen  Stücke,  die 
der  Wange  und  Schulter  ähnlich  sehen,  anf  einen  Kopf  hin.  Zur 
Seite  dieser  Mittelfigur  ist  ein  weiblicher  Kopf,   erkennbar  an  der  run- 


f 

V. 

[■ 


Miscellen.  141 

den  Gestalt  des  Gesichtes,  am  Haarpntze  und  am  Schleier;  in  der 
Giebelecke  ist  die  Büste  eines  Mannes  dargestellt.  Entsprechend  der 
Anordnung  der  Figuren  auf  dem  vorhandenen  Stücke  waren  wohl  auf 
dem  abgebrochenen  Theile  gleichfalls  zwei  Köpfe  herausgearbeitet.  Da 
die  ganze  eine  Seite  fehlt  und  die  erhaltene  Hälfte  selbst  arg  beschä- 
digt ist,  kann  die  Inschrift  nicht  in  allen  Zeilen  sicher  gelesen  wer- 
den. Soviel  ist  klar,  dass  der  Stein  den  Dis  Manibus  (den  ^Schatten- 
gottheiten)  eines  Soldaten  der  legio  I  Adjutrix  und  seiner  Angehörigen 
von  dem  Erben  geweiht  worden  ist.  Wir  behalten  uns  eine  einge- 
hende Besprechung  der  Inschrift  für  das  nächste  Heft  vor.  Ob  man 
aus  der  Auffindung  dieser  beiden  Grabsteine  in  gleicher  Linie  nahe  bei 
einander  auf  eine  römische  Strasse  an  jener  Stelle  schliessen  darf,  ist 
schwer  zu  sagen ;  sie  können  auch  dahin  verbracht  worden  sein. 

Die  neuen  Funde,  zumal  der  zuerst  besprochene,  haben  für  die 
älteste  Geschichte  der  Rheinlande  hohes  Interesse  und  tragen  ihr 
Scherflein  dazu  bei,  dass  Theodor  Mommsen's  Wunsch,  den  er  im  Cor- 
pus Inscriptionum  in  Bezug  auf  die  legio  II  Adjutrix  äussert,  die  viel- 
leicht mit  unserer  legio  II  Pannonica  in  Beziehung  steht,  nämlich  es 
möge  durch  genaue  Erforschung  bisher  noch  nicht  veröffentlichter  In- 
schriften weitere  Aufklärung  kommen,  nach  und  nach  immer  mehr  in 
Erfüllung  gehe.  Dr.   Jacob  Keller. 

18a.  Römische  Inschrift  im  Odenwald.  Im  März  1881 
wurde  beim  Wegebau  im  Distrikt  „Gebrannter  Wald**  bei  dem  gräfl. 
Erbach'schen  Försterhause  „Acht  Buchen",  Revier  Rehberg,  eine  vortreff- 
lich erhaltene  Ära  aus  gelblichem  Sandstein  gefunden,  die  wie  gewöhnlich 
mit  Sockel,  Gesims  und  Wülsten  ausgestattet  ist.  Die  Höhe  beträgt  0,64  m, 
die  Breite  in  der  Mitte  0,325   m.     Sie  enthält  folgende  Inschrift: 

DIANE 
VOTVM 
VITA<IS 
PRO  SE 
ET  SWOS 
VSkKM 

d.  h.  Dian(a)e  votum  Yitalis  pro  se  et  suos  (statt  suis)  v(otum)  8(olvit) 
l(aetus)  l(ubens)   m(erito). 

Die  Buchstaben  der  drei  ersten  Zeilen  sind  etwas  höher  (DZ.  1  : 
0,077)  als  die  übrigen  (L  Z.  6  :  0,05).  Interessant  ist,  dass  sich  auf  dem 
kleinen  Raum  von  bloss  6  Zeilen  drei  Vulgarismen  finden,  nämlich  ausser 
der  auch  sonst  häufigen  Yertauschung  des  ae  mit  e  in  Diane,  die  Gon- 
struktion  von  pro  mit  dem  Accusativ  and  suvos  statt  suos.  Bemerkens- 
werth  ist  auch  noch,  dass  votum  zweimal  gesetzt  ist.    Die  Inschrift  ge- 


hört  wahrBcheioIich  dem  3.  Jahrhundert,  t 
Bchtift  entlohnten    K    hinweisen. 

19.  Malraedy.  Der  „Burggraben"  hoi  Amel.  Ungefähr 
40(1  Schritt  westlich  von  der  Brücke  '),  vermittelat  welcher  die  St.  Vith- 
Ameler  Chsusaee  das  Flüaschcn  Ämel  hei  dem  Bärgerm eiste reiorte  gleichen 
überschreitet,  erhebt  sich  mitten  in  dem  gerade  dort  sehr 
breiten  und  nach  Norden  und  Süden  nur  in  geinäciilich  ansteigenden 
Höhenzügen  eich  verüerenden  Thale,  unmittelbar  gegenüber  dem  £in- 
flasse  des  Meyeroder  Baches  in  die  Amel,  nicht  mehr  wie  etwa  1 00 
Schritt  von  letzterer  entfernt,  eine  vollkommen  quadratische  Form  sei- 
gende  alte  Befestigung,  die  den  Namen  „  Burggraben "  ')  führt.  Die 
ziemlich  genau  nach  den  vier  Himmelsgegenden  zu  iiegcuden  Seiten 
haben  eine  Länge  von  4  6  Schritt  und  atetlen  i  Wälle  dar,  die  mit 
'  Hohe  von  2  und  einer  Breite  von  etwa  6  Meter  eine  sumpfige 
Fläche  von  mehr  als  1200  Quadratmeter  cinschlieBsen.  Die  4  Ecken 
bilden  übrigens  selbst  nocli  in  den  inneren  Raum  mit  ihrem  Fasse 
hineinragende  Hügel,  indem  sie  ungefähr  '/a  bis  "/*  Meter  über  den 
eigentlichen  Umfassangs wällen  erhaben  sind.  Das  Terrain 
Verschanzung  herum  ist  allenthalben  sumpfig,  besonders  aber  unmittel- 
bar vor  den  Wällen,  wo  es  auch  etwas  vertieft  erscheint,  ao  dftss  i 
wohl  wird  annehmen  dürfen,  ursprünglich  seien  ringsum  Gräber  ge- 
wesen, aus  denen  das  Material  zu  den  Wällen  hergenommen  worden; 
dass  jetzt  diese  Gräben  kaum  mehr  sichtbar  sind,  ist  nicht  zu  ver- 
wundern, da  durch  Vertorfung  und  die  rcgelmnasig  jedes  Jahr  im  Herbste 
wiederkehrenden  Ueberschwemmungen  des  Thaies  die  Ausfüllatig  zw&r 
langsam,  aber  sicher  geschehen   maaste. 

Ein  Eingang  zu  nnserer  Verschanzung  scheint  in  der  veetlichen 
Seite  vorhanden  gewesen  zu  sein:  allerdings  ist  eine  Lücke  in  der 
Umwallnng  nirgendwo  sichtbar,  jedoch  erkennt  man  von  dieser  Seite 
ans  nach  Nordwesten  hin  die  Spuren  einer  alten  Strasse,  die  sieb  jedoch 
bald  in  den  Wiesen  verlieren;  vor  30  bis  40  Jahren  soll  man  dieselbe 
noch  auf  eine  längere  Strecke  gut  haben  verfolgen  können.  Ea  wäre 
möglich,  dass  hier  eine  Verbindung  mit  der  römischen  Niederlasanng 
am  „Eantenbusch"  hei  Montenau  vorläge,  wie  ich  denn  den  „Barg- 
graben" aberhaupt  eher  für  römisch  als  fränkisch  oder  gar  spätmittel- 
alterlich  halten  möchte;  doch  davon  weiter  unten. 

Im  LXIX.  Jahrbuch  S.  118  ff.  habe  ich  fiber  die  Hagel 
im  Amelthale    gesprochen:    solcher  Hfigel    finden  sich   nun   auch  einige 


1)  Dieselbe  Rihrt  auch  den  Namen  „Engelshröcke" :  vgl.  Dr.  Hcckiog,  Ge- 
schichte der  Stadt  und  ehemaligen  Herrichaft  St.  Vith  S.  163  f. 

3)  Der  ganze  Flordistrikt  heiiat  „Krahevenn"  oder  „Erähenvenn." 


r 


MitceUen.  .  148 

in  unmittelbarer  N&he  unserer  Yersclianzung  und  zwar  zu  beiden 
Seiten  des  vorhin  angedeuteten  Strassenrestes.  Während  diese  Hügel 
sofort  beim  ersten  Spatenstich  den  bekannten  Inhalt  • —  Sand,  Schiefer 
und  Gerolle  —  zeigen,  verhält  es  sich  dagegen  mit  dem  Inhalte  der 
Wälle  des  „Burggrabens**  ganz  anders.  Bei  einer  vor  Kurzem  durch 
den  Bürgermeister  von  Amel,  Herrn  Schulzen,  mit  freundlicher  Er- 
laubniss  des  Besitzers,  Herrn  Gent  en  zu  St.  Yith,  veranstalteten  Durch- 
grabung der  westlichen  Seite  sowie  der  nordwestlichen  Ecke  trat  sofort 
unter  der  mit  Gras  bewachsenen  Humusdecke  eine  mehrere  Fuss  dicke 
hellgraue  Thonschicht  zu  Tage ;  diese  lag  auf  einer  etwa  einen  Fuss 
dicken  Torfschicht,  und  unter  der  letzteren  stiess  man  wiederum  auf 
den  dort  allenthalben  den  Untergrund  bildenden  Thon  oder  Klei.  Das 
Merkwürdigste  bei  der  vorgenommenen  Nachgrabung  ist  aber,  dass  man 
auch  nicht  einen  einzigen  Stein,  geschweige  denn  Fundamentmauem 
oder  Baureste  fand,  obschon  in  ganz  systematischer  Weise  durch-  und 
bis  zu  einer  Tiefe  von  beinahe   8  Fuss  eingegraben  wurde. 

Wenn  wir  hiernach  den  „Burggraben*'  lediglich  als  ein  in  rein 
militärischem  Interesse  errichtetes  Erdwerk  zu  betrachten  haben,  so 
fällt  damit  von  selbst  die  bisheran  allgemein  herrschende  Ansicht,  als 
wenn  hier  die  IJeberreste  der  villa  regia  Amblava,  des  fränkischen 
Eönigshofes  an  der  Amel,  zu  suchen  seien  ^),  in  Nichts   zusammen. 

Es  drängt  sich  nun  aber  die  Frage  auf,  welchem  Volke  bezw. 
welcher  Zeit  denn  die  Herstellung  des  „Burggrabens**  zuzuschreiben 
ist.  Oben  habe  ich  schon  angedeutet,  dass  vielleicht  die  Römer,  die 
zu  ihrer  Zeit  am  „Kautenbusch**  bei  Montenau  eine  grosse  Niederlas- 
sung besassen,  die  Pioniere  der  Ameler  Yerschanzung  gewesen  sein 
könnten ;  bestärkt  wird  diese  Vermuthung  einmal  dadurch,  dass  2  bis 
höchstens   3   Kilometer  östlich   die  Rheims-Kölner  Heerstrasse  ^)  vorbei- 


1)  Vgl.  Dr.  Heoking,  Gesch.  u.  s.  w.  S.  182  Anm.  1,  dem  ich  in  meinem 
Aufsätze  über  die  Ausgrabung  von  römischen  Baufesten  bei  Montenau  in  Nr.  9 
des  Kreisblattcs  für  den  Kreis  Malmedy  vom  29.  Januar  1881  gefolgt  war.  Wenn 
in  den  Metzer  Annalen  die  Rede  ist  von  der  planities  in  qaa  Amblava  villa  sita 
est,  so  ist  darunter  jedenfalls  die  etwa  70  bis  80  Fuss  über  dem  Amelthale  ge- 
legene Fläche  zu  verstehen,  auf  der  das  Dorf  Amel  mitsammt  dem  Königshofe 
erbaut  war.  Das  Amelthal  selbst  war  dazumal  wohl  noch  sumpfiger  als  es  heute 
ist  und  eignete  sich  schon  deshalb  nicht  zur  Anlage  einer  menschlichen  Wohnung 
oder  gar  eines  Königshofes. 

2)  Die  in  streng  nordöstlicher  Richtung  streichende  Römersträsse  von 
Rheims  nach  Köln  trat  beim  sog.  Steinemann,  ungeföhr  eine  halbe  Meile  süd- 
westlich vom  Dorfe  Espeier,  in  den  Kreis  Malmedy,  berührte  Thommen  und  St. 
Yith,  ging  von  hier,  Medell  und  Meyerode  östlich  liegen  lassend,  über  die  Morsch- 
heck nach  Büllingen  und  wandte  sich  von  letzterem  Orte  auf  Rocherath  und  so- 
dann auf  Dreiborn  und  Morsbach  im  Kreise  Schieiden. 


zog,  dann  aber  nocb  mehr  durcli  den  umstand,  dasa  ganz  ähaliclie 
Erdwerke,  wie  sie  beHOndcre  aaf  der  rechten  Rheinsette  ziemlich  zahl- 
reich TOrkommen,  tou   den  besten  Kennera  der   rheiniacben   Alterthiii 

r  Etappenlager  gehalteo  werden:  vgl.  Schneider 
in  der  Monatsschrift  für  die  Geschichte  WeetdeutBchlan da  III  S.  490  S. 
nnd   IV   8.    203    £F. 

Ben   vorliegonden   Bericht  mächte  ich  nicht  ecblieSBen    ohne    noch 

einen    Versuch   über  den    Ursprung  und  die   Bedeutung  des  Flussnameaa 

Amel    —   alt    Amhlava     —     zn    wagen.       Da     nahezu     alle     Name«     der 

luf  der   linken    Rlieinseite   von    den    keltischen 

;   wohl   auch  für  den    Flussuamen  Amblava 

,   werden,    a 

aviL    in   giiUokeltiscfaeu   Län- 

.   Massava,  Occava,  Ornava, 

Rotuva,   Uruva,    Vaaava.     Dieses  ava   nun   ist   ein  selbständiges  Wort  und 

bedeutet  Bach,   Fluss,    überhaupt  Wasser;    es   ist    aämlich   identisch    mit 

lat.    aqua  und   germ.   shva,    welche   Formen   auf  t 

mhen;  dieses  akvä  wurde  aber  im  Oalliachen  zu  apva,  und  hieraaa 
entstand   durch  Elision   des  in  den  keltischen    Sprachen    nicht  beliebten 

Der  erste  Tbeil  des  Kompositums  Amblava  —  Stamm  Arabli, 
Nomin.  Amblla  —  ist  auf  ein  älteres  Ambris  ')  zurückzuführen,  da 
der  Lant  t  stets  aas  einem  ursprünglichen  r  hervorgegaugen  ist ;  da 
nnn  die  in  Ambl  —  steckende  Wurzel  amb  so  viel  wie  „schwellen" 
bedentet,  so  darf  der  gallo- keltische  Flussname  Amblava  im  Deutschen 
mit    „Schwalbach"    wiedergegeben  werden. 

Schon  in  früher  Zeit  wurde  die  alte  Form  Amblava  in  Ambla 
(worauf  die  heutige  Form  Amel  *)  beruht)  verkürzt,  nnd  hiervon  ist 
durch  Anfügung  der  gallischen  Nachsilbe  isa')  gebildet  worden  Amblisa, 
jetzt  Emmeta,  linkes  Neb^nflüaacben  der  Amel,  das  bei  Montenau  ein- 
fliesfit.  Amblisa  aber  bedeutet,  da  isa  eine  sog.  Verkleinerungsendung 
bt,  Atnbla  minor  oder  altera.  Dr.  Esser. 

20.  Malmedy.  Zwei  alte  Befestigungen.  Ungefähr  eine 
halbe  Stande  westlich  von  Ovifat,  eine  Viertelstunde  südlich  von  Long- 
faye  und  zugleich  ebensoweit  Östlich  von  Xhoffraix  fliessen  zwei  kleine 
Bäche,  der  dicht  bei  Longfaye  entspringende  Ru  de  Rewanais  und  der 
vom  Venn  zwischen    Xhoffraix  nnd  Longfaye   herkommende  Ru   da  m>ia- 

1)  Tgl.  den  kambr.  Flussuamen  Ambyr,  alt  Ambris. 

3)  Die  französ.  Benennung  Ambläve  beruht  auf  der  urgprüa glichen  Form 
Amblava. 

3)  Heber  das  Flusenamen  bildende  Suffix  isa  vgl.  Förstenanu,  die  deutschen 
Ortsnamen  8.  241  f. 


Miscellen.  145 

lin  1)  zusammen,  um  sich  bald  nachher  mit  dem  Bayhonbache  zu  ver- 
einigen und  mit.  diesem  rechts  in  die  Warche  zu  treten.  In  den  Winkel 
nun,  den  die  beiden  zuerst  genannten  Bäche  bei  ihrem  Zusammenfluss 
bilden,  schiebt  sich  eine  langgestreckte  Bergkuppe  hinein,  deren  beide 
durch  die  Bäche  bedingten  Abhänge  in  einer  Höhe  von  etwa  100  M. 
ziemlich  steil  in  jene  hinabreichen.  Der  nicht  mehr  wie  durchschnitt- 
lich 35  bis  40  M.  breite  Höhenrücken  hat  seine  bedeutendste  Höhe 
unmittelbar  vor  dem  Scheitelpunkte  des  Flusswinkels  und  dacht  von 
hier  aus  auf  einer  Strecke  von  ca.  200  M.  ab,  um  jedoch  bald  wieder 
sich  zu  erheben.  Auf  diese  Weise  entsteht  eine  Einsattelung  des  Berg- 
rückens, die  dazu  benutzt  ist,  um  einen  auf  der  Rappard'schen  Kreis- 
karte eingezeichneten  Fusspfad  zwischen  Xhoffraix  und  Longfaye  über 
den  Berg  zu  führen.  Geht  man  nun  von  der  höchsten  Stelle  dieses 
Fnsspfades  aus  nach  der  Spitze  des  Berges  bezw.  nach  dem  Scheitel- 
punkte des  Flusswinkels  zu,  so  trifft  man  nach  ungefähr  50  Schritten, 
und  zwar  an  einer  Stelle,  wo  der  langgezogene  Bergrücken  ziemlich 
stark  eingeschnürt  ist,  so  dass  von  einem  Abhang  bis  zum  andern  eine 
Entfernung  von  nur  18  M.  vorhanden  ist,  auf  zwei  parallele  Gräben 
mit  dahinter  —  also  nach  der  Spitze  zu  —  liegenden  Wällen ;  Gräben 
und  Wälle  erstrecken  sich  von  einem  Abhang  zum  andern  und  zwar 
ist  j^tzt  noch  der  erste  Graben  2  M.  tief,  der  dahinter  liegende  Wall 
2,50  M.  hoch,  der  zweite  Graben  2,75  M.  tief  und  der  zweite  Wall 
3,25  M.  hoch.  Dass  wir  es  hier  mit  einer  natürlichen,  aber  von 
Menschenhand  vollendeten  Befestigung  zu  thun  haben,  braucht  wohl 
kaum  angedeutet  zu  werden;  es  kann  deshalb  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  die  Bewohner  der  nahe  gelegenen  Ortschaften  erzählen,  es  habe 
auf  der  Bergkuppe  in  alten  Zeiten  ein  Schloss  „tschestai  (d.  i.  frz. 
chäteau)  de  Magis**  ~)  gestanden,  das  jedoch  vollständig  in  den  Erd- 
boden versunken  sei  —  es  findet  sich  nämlich  auf  dem  ganzen  Terrain 
keine  Spur  von  Hauerresten  oder  auch  nur  von  Steinen,  die  von  Mauern 
herrühren  könnten. 

In  Uebereinstimmung  mit  dieser  Sage    steht   eine  Notiz    in  einem 
alten  Halmedy   und   Bellevaux  betreffenden    Manuskript  ^),    die  ich  hier 


1)  Treibt  die  Mühle  von  Xhoffraix. 

2)  Nur  eine  alte  Frau  in  Choffraix  weiss  sich  heutzutage  dieses  Namens 
noch  zu  erinnern.  Im  „tschestai  de  Magis"  sollen,  wie  man  in  der  Nachbarschaft 
erzählt,  z.  Z.  sog.  r^otges  monnos^  (d.  i.  frz.  moines  rouges  —  Tempelherren) 
gehaust  haben  —  eine  Sage,  die  sehr  häufig  an  Römerspuren  sich  angeknüpft 
hat;  auch  die  weitverbreitete  Erzählung  von  den  rHeinzclmännchen^  (wall,  sotais) 
erscheint  hier  lokalisirt. 

S)  Abgedruckt  in  dem  hier  erscheinenden  Blatte  La  Semaine,  Jahrg.  1881, 
No.  3  Supplement  und  No.  5  Sopplement. 

10 


I 

I 


MS  Miscellan. 

wörtlich  folgen  lasse:  „Le  cliatettii  de  Pouasear,  que  les  Francis  nofu- 
ment  des  quattre  Fils -Aimond,  a  et«  ensuitte  denioÜB,  te  ch&teBQ  Magie 
lear  Couaia  ')  situe  entre  les  Villagea  de  Xhoffray,  Longfaye  et  OvifBa, 
ooluy  de  Weismea  sur  U  Uautenr  pri-a  de  Wallt  allant  vera  Robmlle, 
le  chateau  d'Ariiuont  an-deaauB  du  Village  de  ce  Nora  oppose  ü  ceui 
de  Chande,  Gdoumont  et  Bousaiero,  oeluy  de  1«  Falize  jiroche  d'Otto- 
moDt  au  detroit  ou  defaillnut  de  la  Betle-Vallee  deasoue  Mnlraeudf, 
cornme  et  celay  de  Warche  an  peu  plua  baa  sur  uu  Racbcr  deaeeur  le 
Village  et  la  Kiviero  de  ce  Noin  tirant  vers  Sta»elot,  ae  trouvent  ausai 
demoljs. "  Da  geschieh tliclie  Nachrichteti  über  das  „Schlosa  Magis" 
nicht  existiren  und  ich  mir  auch  nicht  getraue,  über  den  Ursprung 
der  beschriebenea  Graben  und  Wälle  oder  über  die  Zeit,  wann  diese 
Befeatigung  etwa  eat«tanden  aein  könnte,  Veruiuthungen  aufiustelien, 
so  bleibt  mir  nur  nocli  übrig  au  bemerken,  daaa  die  Bergkuppc,  auf 
welcher  dae  Schlosa  Magis  gestanden  haben  soll,  jetzt  „  Thiei'  ■)  de 
Tachesaion"  heisat:  auf  dieecn  Namen  —  Taclieasion  ~  werde  ich  eu 
Schluaa  dieses  Aufsatzes  noch  zurück  kommen. 

Die  andere  Befestigung  bei  Malmedy  ist  „le  chateau  de  WeismeB 
Bur  la  Hauteur  pr^  de  Walk  nllant  vers  Robiville",  wie  aie  in  dem 
vorhin  angesogenea  alten  Mauuskripte  ihrer  Lage  nach  gekennzeichnet 
ist.  Auch  dieae  achiebt  sich  in  einen  von  zwei  zuaammeuäieaundeii 
Oewüaaern  gebildeten  Winkel  hinein.  Zwischen  Wulk  und  Bruyires, 
im  Flurdistrikte  „Mortfat",  eatapringt  nämlich  der  Poncinbacb  und  fliesst 
in  nSrdöstlicher  Richtung,  bis  er  aich  ziemlich  in  der  Mitte  zwiachea 
Walk  und  „Noupont"  ^)  mit  der  Warche  vereinigt.  Der  Winkel  nun, 
welcher  hier  von  der  linken  Warche  und  dem  rechten  Ufer  des  Pon- 
cinbachea  gebildet  wird,  enthält  die  deutlichsten  Spuren  einer  früheren 
starken  Befeatigung.  Während  nämlich  die  hohen  und  steilen  Felaufer 
der  beiden  Gewäaaer  die  Scbenkeleeiten  der  in  einen  spitzen  Winkel 
aualaufendea  Bergkuppe  sichern ,  ist  die  WinkelüfFnnng  durch  zwei 
breite  und  tiefe,  parallel  laufende  Doppelgräben  mit  den  dazu  gehörigen 
Wällen  befeatigt.  Der  äussere  Hauptgraben  hat  eine  Länge  von  86  M. 
und  eine  Tiefe,  die  jetzt  noch  2  —  3  M.  beträgt;  der  dahinter  liegende 
Wall  eine  Breite  von  1 4  H.  and  eine  Hohe  von  4  M. ;  zwischen  dem 
äusseren  Wall  und  dem  inneren  Hauptgraben  iat  ein  freier  Platz  von 
ca.  22  M.  Breite;  dahinter  folgt  der  innere  2'/t  M.  tiefe  und  45  M. 
lange  Hauptgraben    mit  einem  die  hüchate  Erhebung  im  ganzen  Breieck 

1)  Der  Vetter  der  vier  Haimouskinder  heisat  übrigens  in  der  Sage  nicht 
Hagia  sondern  Malagia. 

2)  tbier  iat  walionisch  und  bedeutet   „Berg". 

K)  So  heiisl  eine  steioemc  Brücke,  din  den  von    Walk  nach  Robertvillc 
,  rrihrenilen  Fahrweg  über  die  Wnrche  setzt. 


BlisoeUw.  147 

darstellenden  34  M.  langen  und  24  M.  breiten  Walle,  der  jedoch 
möglicher  Weise  durch  den  Zusammenstui'z  von  Gebäalichkeiten  nnd 
Mauern  entstanden  sein  kann,  zumal  er  aus  wüst  durcheinander  liegenden 
grösseren  und  kleineren  Bruchsteinen  besteht  und  verschiedene  Vertie- 
fungen aufweist,  als  wenn  hier  etliche  Gewölbeabtheilungen  eingestürzt 
wären.  Vor  den  beiden  Hauptgräben  sind  übrigens  noch  zwei  kleinere 
Gräben  von  je  Vs  M.  Tiefe  deutlich  zu  erkennen,  ohne  dass  jedoch 
zwischen  Haupt-  und  Yorgraben  Spuren  von  ehemaligen  kleixieren  Neben- 
wällen sich   erhalten  hätten. 

Hinter  dem  zweiten,  breiten  Walle  (?)  dehnt  sich  ein  ziemlich 
grosser  freier  Platz  in  der  Form  eines  abgestumpften  Dreiecks  aus,  der 
eigenthümlicher  Weise  bei  der  abgerundeten  Spitze  von  einem  dritten, 
durchschnittlich  Vs  M.  tiefen  Graben  abgeschlossen  wird.  Auf  diese 
Art  bleibt  die  äusserste  Spitze  des  Winkels,  von  wo  aus  man  einen 
sehr  hübschen  Blick  auf  die  in  der  Tiefe  über  und  zwischen  den  Felsen 
dahinrauschenden  Gewässer  der  Warche  und  des  Poncinbaches  hat,  von 
der  künstlichen  Befestigung  ausgeschlossen.  Was  nun  die  Grösse  und 
Gliederung  des  an  der  Winkelöffnuug  durch  die  zwei  geschilderten 
bogenförmigen  Doppelgräben  mit  Wällen  und  an  der  abgerundeten 
Winkelspitze  durch  einen  einfachen  Graben  vertheidigten  Terrains  an- 
langt, so  misst  die  bogenförmige  Grundlinie  34  M.  und  die  Höhe  94 
M. ;  der  ganze  demnach  einen  Flächeninhalt  von  rund  1600  Qu.-M. 
darstellende  Baum  war,  wie  aus  den  vorhqjidenen  Fundamentresten 
deutlich  zu  erkennen  ist,  mit  einer  aus  Bruchsteinen  und  Kalk  ange- 
führten Mauer  umgeben.  Parallel  mit  den  beiden  das  bezeichnete  Ter- 
rain einschliessenden  Schenkeln  ist  ein  Bewässerungsgraben  (sog.  „Deich") 
angebracht,  der  sein  Wasser  aus  dem  Poncinbache  beziehend  in  kurzem 
Bogen  um  den  Graben  an  der  Spitze  sich  herumzieht  und  dazu  dient, 
die  im  Bergabhange  bis  nach  „Noupont"  hin  zur  Warche  abdachenden 
Wiesen  zu  bewässern;  ob  dieser  recht  künstlich  angelegte  „Deich'' 
neueien  Ursprunges  oder  etwa  s.  Z.  mit  der  Befestigung  selbst  angelegt 
worden  ist,  um  diese  mit  dem  nöthigen  Wasser  zu  versorgen,  wage 
ich  nicht  zu  entscheiden. 

Der  ganze  ursprünglich  von  einer  Mauer  eingeschlossene  Baum 
gliedert  sich  nun  in  3  Theile:  der  erste,  nächst  der  34  M.  langen 
Orondlinie,  bildet  ein  trapezartiges  Viereck  mit  einer  Höhe  von  24  M. 
und  isb  bis  zu  3V2  M.  hoch  mit  Erde  und  Steinhaufen  bedeckt;  der 
dritte  Theil  an  der  abgerundeten  Spitze  bildet  eine  Ellipse  mit  einer 
Breitenachse  von  14  M.  und  besteht  aus  Steinhaufen;  der  mittlere 
Theil  endlich  stellt  wieder  ein  trapezartiges  Viereck  dar  mit  einer  mitt- 
leren Breite  von  26  M.  uid  einer  Höhe  von  56  M.  nnd  kann  als 
ebener,  freier  Platz  bezeichnet  werden.    Zu  bemerken  bleibt  noch,  dass 


140  Hiacelbn. 

sich   awUchen    den    den    äatlichea    Sclienlcel    bildenden    Mntien-esten    ond 
dem  BewäsHernngsdeiche  deutliclie  Spuren   eines  alten  Grabens  zeigen. 

Ei  genth  um  lieber,  aber  jodenfallB  nicht  zufälliger  WeiBe  Btimmt  der 
Name  dieser  zweiten  Befestigung  zwiacben  Wiilk  nnd  Robertville  mit 
dem  der  zuerst  beacbriebenen  bei  Xhoffraii  Öbereio;  der  ganze  Flur- 
dietrikt,  der  jetzt  zum  Theil  mit  einem  Lohschlage  bewachsen  ist,  lieisst 
nämlich  „TBcbeesion".  Hoffentlich  wird  man  es  mir  nicht  verargen, 
wenn  ich  eine  Herleitung  bezw.  Deutung  dieses  Namens  auf  spracliwis- 
Benscbaftlicher  Grundlage   im   Nachstehenden   versuche. 

Ausser  bei  Xboffraix  und  Walk  Sndet  sich  der  Nnme  «cbeEsion" 
(wbII.  gespr.  „Tschession")  ein  drittes  Mal  im  Belgischen :  auf  der 
Reymana'schen  Spezialkarte  Nr.  159  ist  nämlich  ein  kleines  hoch 
nuf  einer  Bergkuppe  gelegenes  Oertcheu  in  der  Nähe  der  Unken  Am- 
bl6ve,  Büdöatlicb  von  Lorce  nnd  nordwestlich  von  Rahier  ebenfalls  mit 
dem  Namen  Cbession  eingezeichnet.  Der  Umstand  nun,  dass  alle  drei 
Chession's  Bergköpfe  darstellen,  Teraulaast  mich,  ia  diesem  der  leben- 
digen wallonifloben  Sprache  nicht  mehr  angehörigen  romanischen  Worte 
die  Bedeutung  von  „ Kuppe "  d.  i.  „ Bergkopf "  zu  vermuthen.  Denn 
wie  in  dem  wallon.  Verbum  tschessi  (d.  i.  frz.  chasser)  ein  mittellateia. 
captiare  ')  steckt,  so  muas  das  wallon.  Subst-antivum  tscheesion  auf 
einem  mittellat.  caption-ero  beruhen;  dieses  Subst.  captio  halte  ich  dann 
für  entstanden  aus  capitio  {durch  sog.  Syncope),  das  eine  romanische 
Nebenform  zu  lat.  capu*,  gen.  capit-is  (Kopf,  Kuppe,  Bergkopf)  seiu 
wQrde,  wie  ecution-em   (frz.  äcnsaon)  zu  lat.   acutum. 

In  der  oben  zitirten  Stelle  aus  einem  „alten  Manuskripte"  wird 
die  Befestigung  Cbession  bei  Walk  „le  chäteau  de  Weismes"  genannt. 
Vielleicht  stimmt  hierzu  eine  Notiz,  die  ich  bei  Kaltenbach  (der  Regie- 
rungsbezirk Aachen,  S.  449)  finde;  dort  heisst  es:  „Reichard  (un- 
richtig fDr :  Reinhard),  Sohn  Reinhards,  von  Weismes,  bante  auf  dem 
Banne  von  Weismes  eine  Burg,  nannte  sie  Reinhardstcin  (d.  i.  Rein- 
hardi  rupes  seu  castellum)  und  verliess  die  Burg  seiner  Väter  zu  Weis- 
mes, von  welcher  noch  Spuren  sichtbar  sind.  Er  starb  13&4').  Die 
hier  erwähnte  Burg  Reinhardstein  (wall.  Renastein),  wovon  jetzt  noch 
sehenewertbe  Kuinen  vorhanden  sind,  liegt  auf  einem  Felsen  an  der 
rechten  Warche  5'A  Kilom.  von  dem  Bürgormeistereiorte  Weismes  ent- 
fernt und  gehört  zur  Gemeinde  Ovifat.  So  wenig  wie  Reinhardatein 
hat  nun  aber  auch  die  frühere  Bnrg  der  Herrn  von  Weismes  zu  Weis- 
mes selber  gestanden,  wie   man  etwa  aas  der  obigen  Notiz   bei  Kalten- 


1)  Vergl.  Diez  Ktymologischea  Wörterbuel^I.  S.  97. 

2)  Vergl.  auch    B&rsch,    die  St&dte  imd  OrUchaften  der  Elfel  u 

Umgegend  I.   Bd.,   1.  Abth..  S.  ■IB   f. 


Miscellen.  149 

bach  zu  schliessen  sich  veranlasst  sehen  könnte:  in  Weismes  selber 
sind  nämlich  gar  keine  Spuren  eines  Schlosses  vorhanden  und  auch  nie 
vorhanden  gewesen;  höchst  wahrscheinlich  beziehen  sich  aber  die  „noch 
sichtbaren  Spuren*'  der  früheren  Burg  der  Herren  von  Weismes  auf 
den  ca.  5  Kilom.  nördlich  von  Weismes  gelegenen  Chession  bei  Walk, 
womit  denn  auch  das  „alte  Manuskript^  übereinstiamen  würde.  Uebri« 
gens  dürfte  vielleicht  schon  im  Laufe  des  Sommers  Gelegenheit  sich 
finden,  über  den  Ursprung  dieser  alten  Befestigung  Zuverlässigeres  zu 
erfahren,  da  alsdann,  wie  mir  Herr  Bürgermeister  Nemery  zu  Weismes 
mittheilte,  die  dort  vorhandenen  Steintrümmer  ausgegraben  werden  sol- 
len, um  beim  Baue  der  von  Walk  über  „Noupont"  nach  Robertyille 
führenden   Chaussee  verwendet  zu  werden. 

Auf  zwei  weitere  alte  Befestigungen  im  Er.  Malmedy,  wovon  die 
eine  unter  dem  Namen  „  Burgknopf  ^  ^)  nahe  bei  Lommersweiler  und 
die  andere  unter  dem  Namen  „auf  der  Burg*'  dicht  bei  Recht  sich 
findet,  gedenke  ich  ein  ander  Mal  zurückzukommen.  Vorab  sei  jedoch 
hier  schon  bemerkt,  dass  erstens  die  Lage  auch  dieser  Befestigungen 
mit  deijenigen  der  beiden  Befestigungen  bei  Malmedy,  wie  sie  im  Vor- 
stehenden ausführlich  geschildert  worden  —  in*s  Flussthal  vorspringende 
Bergkuppe  —  übereinstimmt;  zweitens  keinerlei  historische  Ueberliefe- 
rungen  vorhanden  sind,  die  über  den  Ursprung  und  die  Bedeutung  der- 
selben Aufklärung  geben. 

Dr.   Esser. 

21.  Metz.  Caracalla-Büste.  Seit  ungefähr  sechszehn  Jahren  befindet 
sich  im  Besitz  des  Rentners  D.  Colchen,  St.  Georgsbrückenstrasse  Nr.  29 
hierselbst,  eine  ihm  von  einem  Mitgliede  seiner  Familie  testamentarisch  in 
Anerkennung  erwiesener  Gefälligkeiten  vermachte  und  bisher  von  ihm, 
und,  wie  es  den  Anschein  hat,  auch  sonst  allgemein  irrthümlichorweise 
für  ein  Portrait  des  Kaisers  Nero  gehaltene  Marmorbüste.  Diese  inter- 
essante Büste  stellt  aber  durchaus  die  typische  Portraitfigur  des  Kaisers 
Caracalla  dar  und  ist  ohne  jeglichen  Zweifel  in  mehr  als  einer  Bezie- 
hung von  einer  sehr  hervorragenden  Bedeutung.  Leider  war  es  bisher 
nicht  möglich,  über  den  Ursprung  bezw.  die  Geschichte  dieser  Büste  Nach- 
richten von  ausreichender  Genauigkeit  und  Umfönglichkeit  zu  erhalten,  und 
Alles,  was  ich  über  diesen  Punkt  durch  Nachforschung  und  Erkundigung 
bis  jetzt  authentisch  habe  festsetzen  können,  beschränkt  sich  auf  die  nach- 
folgenden Ermittelungen: 

Es  ist  mit  Sicherheit  nachzuweisen,  dass  die  Büste  bereits  während 
der  letzten  Dezennien  des  vorigen  Jahrhunderts,  und  zwar  von  dieser  Zeit 


1)  „Knopf  bedeutet  so  viel  wie  „Kopf'  oder  „Kuppe''  und  erinnert  an 
den  oben  als  ,JCopr'  gedeuteten  Namen  „chession". 


1 


ISO  Hüconen. 

an  bis  znm  Ucbergnug  in  das  Eigenthnni  des  p.  Colctien,  im  Besitze  von 
Verwandten  des  letzten,  nümlich  m  demjenigen  der  Fnmilie  Marens,  in 
dem  nuf  der  Oiitgrenze  des  Landkreiees  Metz  gelegenen  Dorfe  les-Ktangs 
mch  befonden  bnhe.  Auch  danialB  eohon  ht  die  Büste  mit  jenem  echwäfz- 
liohen,  bia  zur  Mooabiidung  entwickelten  ?atina-Ueherzug  liekleidet  ge- 
wesen, welcher  erst  vor  etlichen  Jahren  durch  den  jetzigen  Bceitzer  zum 
grosseren  Theile  beseitigt  worden  ist,  und  von  welchem  sich  gpgenwärtig 
Ueberroste  nur  auf  der  Oberfläche  des  Bart-  und  Haupthttares,  sowie  au/ 
der  Bückseite  der  Büste  Torfindon.  Darüber  indessen,  auf  welche  Weise 
die  Büste  in  das  Eigenthum  der  Famiüo  Marcus  gelangt  sei,  bat  sich 
mit  Sicherheit  Nichts  feststellen  lassen,  und  gehen  in  dieser  Beziehung  be- 
sonders die  Angabe  des  jetzigen  Eigenthümers  einerseits,  und  diejenige 
Vermuthncg  andererseits  auseinander,  welche  bei  den  an  Ort  und  Stelle 
bei  den  ältesten  Einwohnern  jenes  Dorfes  vorgenommenen  Vernehmnngen 
au  Tage  trat.  Während  oäraÜch  nach  der  ersten,  von  p.  Colchen  Auf- 
recht erhaltenen,  und  von  Mitgliedern  seiner  Familie  afGnnirten  Tradition 
die  Bilate  bei  Gelegenheit  der  Trockenlegung  eines  der  sumpfigen  Teiche 
zwischen  dem  Dorfe  les-Etaaga  und  dem  der  Familie  Jobal  gehörigen 
Schlosse  Luc,  nnd  zwar  gleichzeitig  mit  noch  drei  nndern  Büsten,  aufge- 
funden sein  soll  (von  denen  die  eine  nach  Angabe  des  p.  Colchen  70r 
einigen  Jahren  nach  Rom  gesendet  wurde,  die  anderen  beiden  aber  die 
noch  in  seinem  Besitz  befindlichen,  ihrem  KanBt#erth  naofa  jedoch  \6\tig 
nDbedentenden  Büsten  eines  sterbenden  Alexanders  nnd  eines  unbekannten 
Portraits  darstellen),  wird  der  andern  Quelle  nach  der  soeben  angegebene 
Ursprung  als  keineswegs  erwiesen  oder  beglaubigt,  dagegen  die  Ver- 
muthung  als  durcbans  nicht  unwahrscheinlich  bezeichnet,  dass  die  qu.  Büsten 
ans  der  Besitzung  bezw.  ans  dem  Laudhanse  herrühren,  welches  in  dem 
ganz  nahe  gelegenen  Weiler  Pontigny  einem  der  Grafen  von  Custine  ge- 
hörte und  welches  nebst  den  übrigen  Gfitem  des  Besitzers  zu  jener  Zeit 
seqnostrirt  worden  war.  Ob  die  betreffende  Besitzung  dem  bekannten  Ge- 
neral de  Custine  selbst,  oder  einem  andern  Mitgliede  der  Familie  ge- 
herte,  ist  noch  nicht  ermittelt.  •)  Ebensowenig  sind  anderweite  Notizen 
als  die  vorstehend  wiedergegebenen  Angaben  des  p.  Colchen  nnd  einer 
Anzahl  Dorfbewohner  über  den  Ursprung  bezw.  die  Geschichte  der  in 
Rede  stehenden  Büste  bisher  gefanden  worden. 

Ist  es  solchergestalt  leider  nicht  gelungen,  aber  den  oder  die  früheren 

1)  Der  General,  am  4.  Februar  1473  hier  in  Metz  geboren  und  am  26. 
Äugngt  1793  guillotinirt,  hatte  noch  drei  Brüder,  während  sein  Täter,  Graf 
Philipp  Joseph  d.  C.,  Qroasjägormeiater  des  Königs  von  Polen  und  mit  Anna 
Margaretha  Maguin,  Erbin  des  SchloBses  und  der  Grafschaft  Rüttgen  nnd 
Tochter  des  Franjois  Maguin,  Seigneur  de  Comte  de  Roussy  (Rüttgen),  einer 
angesehenen  Metzer  Adelsfamilie  angehörend,  verheirathet  war. 


Mnoellen.  161 

Besitzer  der  Caracalla-Büste  einen  wünschenswerthen  Anfschluss  za  er- 
langen, um  danach  eventaell  auf  Omnd  von  Dokumenten  den  für  wahr- 
scheinlich zu  haltenden  antiken  Ursprung  der  Büste  zur  Evidenz  nach- 
weisen zu  können,  so  mag  es  noch  erübrigen,  an  dieser  Stelle  mit  wenigen 
Worten  zuuächst  eine  kurze  Charakteristik  und  artistisch-kritisohe  Würdi- 
gung dieser  Büste  folgen  zu  lassen,  um  sodann  im  Anschlnss  hieran  bezw. 
im  Zusammenhang  damit;  die  besondere  Frage  nach  dem  Alter  oder  Datum 
der  Büste  zu  prüfen,  bezw.  eine  Feststellung  ihres  kunst-historischen  Wer- 
thes  zu  versuchen. 

Die  0,535  m  hohe,  0,530  m  breite  Büste  ist  aus  weissem  carrarischem 
Marmor  gefertigt  und  beinalie  gänzlich  unversehrt.  Etwa  zwei  der  kleinen 
das  Haupthaar  bildendon  Locken  sind  abgestossen  und  auf  der  Unterlippe 
zeigt  sich  eine  Beschädigung  in  Gestalt  einer  unbedeutenden,  höchstens 
erbsengrosson  Narbe  oder  Höhlung.  Für  schlimmer  als  diese  Verletzungen 
mnss  jedenfalls  die  schon  oben  erwähnte  Reinigung  der  Gewandoberfläche 
und  besonders  der  Fleischtheile  der  Büste  gehalten  werden,  weil  die  Ent- 
fernung der  hier  vorhanden  gewesenen  Patina  leider  mit  vollendeter  Ge- 
schicklichkeit und  dem  nothwendigen  allergrössten  Maasse  vorsichtiger 
Sorgfalt  nicht  vor  sich  gegangen  und  daher  der  volle  Reis  der  Ursprüng- 
lichkeit der  überaus  liebevoll  und  in  detaillirter  Feinheit  durchgearbeiteten 
plastischen  Behandlung  dieser  Partieen  immerhin  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  beeinträchtigt  zu  sein  scheint. 

Schliesst  sich  die  Büste  im  übrigen  ziemlich  genau,  wie  schon  er- 
wähnt, der  typischen  Auffassung  des  Caracalla-Portraits  aa^),  so  machen 
sich  andererseits  einige  charakteristische  Verschiedenheiten,  durch  welche 
sie  besonders  zu  den  Büsten  zu  Rom  und  Paris  in  Gegensatz  tritt,  bei  ihr 
wahrnehmbar.  Während  die  Behandlung  desp  Haupt-  und  Barthaares  bei 
den  genannten  beiden  andern  Büsten  noch  nicht  die  gesuchte  Zierlichkeit 
und  pedantische  Detaillirung  aufweist,  welche  den  römischen  Werken  aus 
der  Zeit  des  bereits  eingetretenen  Verfalls  zu  Ende  des  HI.  und  sm  An- 
fang des  IV.  Jahrhunderts  —  neben  andern  Aeusserlichkeiten  gewisser- 
massen  als  Ersats  für  den  Mangel  an  geistvoller  Auffassung  —  eigen  ist, 
zeigt  allerdings  die  Metzer  Büste  gerade  diese  den  letzten  antik-römischen 
Sknlpturperioden  eigenthümliche  Detailbehandlung.  Andrerseits  ist  aber 
der  physiognomische  Ausdruck  des  Portraits  ein  so  Überaus  gehalt-  und 
geistvoller  und  die  wirkungsvolle  plastische  Behandlung  in  den  Details  aller 
Gesichttmuskeln    6ine    so    vollendet  meisterhafte,  dass  in  dieser  Beziehung 


1)  Bekanntlich  bildet  unter  den  Büsten  der  späteren  Kaiser  diejenige  des 
Caracalla  noch  einen  letzten  Glanzpunkt  vor  dem  allmähligen  Verfall  der  römi- 
schen Portraitbildnerei  und  ist  dieselbe  zweifellos  das  letzte  römische  Kaiser- 
Portrait  von  Bedeutung. 


1 


IßS  MUoelleii. 

der  Metzor  Büste  unbedingt  der  Vorzug  vor  den  (ibngen  eiogeräumt  wer- 
den darf.  Wenn  letztere  ihren  besondem  Warth  gerade  dnriu  besiteen,  da«B 
Bie  mit  minntiöaer  Genauigkeit  dus  vom  paychologif^chen  Standpunkt  aas  im- 
morhin  interesaanto  Verb  rech  ergericht  dieses  mit  der  raffinirtoBlen  Grau- 
eamkeit  ausgetatteten  WOthericIiB  crbnrmuBgBlos  reproduciren,  so  kann 
man  bei  der  hiesigen  Büste  unschwer  die  wob  Igel  ungece  Absicht  ilirca 
Meisters  erkennen,  durch  eiue  etwas  idealere  Auffassung,  die  sich  besondere 
auch  auf  die  ganze,  echön  bewegte  und  gleichzeitig  kraftvolle  Haltung  des 
Kopfes  erstreckt,  trota  alledem  noch  in  den  Gesteh taanadruok  seines  Portraits 
einen  gewissen  Adel  hineinzulegen. 

Werden  diese  Vorzüge  der  Metzer  Caracalla -Büste  in  Verbindung 
gebracht  mit  der  vorher  erwähnten  plastischen  DaiBlellang  des  Bart-  und 
Haupthaares  und  mit  einigen  weiteren  ebenfalls  mehr  üuaaeren  Details, 
anter  welchen  in  erster  Linie  die  Nichtausböhluog  der  Augäpfel  zu  nennen 
ist,  BO  scheint  die  Datirung  der  Büste  in  eine  neuere  Skulptur- Periode, 
wenn  auch  nicht  absolut  uomoglich  und  über  jeden  Zweifel  erhaben,  so 
doch  kaum  zuläasig.  Vielmehr  spricht  in  der  That  Alles  für  die  Wahr- 
scbeiulichkeit,  dass  die  im  Anschluss  an  bereits  vorhandane  Vorbilder  ge- 
fertigte Büste  ein  Werk  voc  ganz  hervorragender  Bedeutung  eines  ausge- 
zeichneten Meisters  auB  spät  römischer  Zeit  sei.  Auch  ein  anderes  etwas 
mehr  untergeordnetes  und  bisher  noch  nicht  erwähntes  Detail  steht  dieser 
Annahme  nicht  hinderlich  entgegen.  Es  ist  dies  die  plastische  Wiedergabe 
des  Gewandes,  die  höchst  merkwürdiger  Weise  in  auffallendem  Contrast  zn 
den  sonstigen  Vorzügen  der  Metzer  Büste  steht.  Folgt  nämlich  die  An- 
ordnung und  Detaillimng  der  Gewandfalten  ebenfalls  im  Allgemeinen  der- 
jenigen der  mehr  erwähnten  Vorbilder,  so  erreicht  sie  jedoch  anch  nicht 
entfernt  die  bei  der  Ausführung  dieser  letzten  beobachtete  ausserordent- 
liche Feinheit  und  Eleganz.  Wenn  man  aber  erwägt,  dasa  es  für  einen 
Meister,  wie  denjenigen,  welcher  den  Kopf  der  Metzer  Büste  zu  meisseln 
verstand,  doch  sicherlich  ein  Kleines  sein  musate,  in  einem  so  verh&ltniss- 
mäasig  nebensächlichen  Detail,  wie  es  daa  in  Rede  stehende  iat,  die  bei 
den  Vorbildern  zu  Tage  tretenden  Vorzüge  mindestens  zu  kopiron,  um  so  den 
Werth  dieser  erreichen  zu  können,  so  wird  man  gewiss  nicht  fehl  gehen, 
wenn  man  annimmt,  dasa  der  Meister  der  Büste  diese  Partie  derselben 
überhaupt  selbst  nicht  gemeisselt  habe.  Sei  es  nun,  dass  dies  wider  seinen 
Willen  geschah  und  dass  er,  gleiohviel  durch  was,  an  der  Ausarbeitung 
dieser  Partie  verhindert  wurde,  oder  sei  es,  dass  die  letztere  in  seinem  Auf- 
trage durch  andere,  minder  geübte  Krftfte  erfolgte,  jedenfalls  scheint  mir, 
wie  schon  bemerkt,  die  oben  aufgestellte  Hypothese  bezüglich  der  Oatirnng 
dieser  Büste  durch  den  artistischen  Werth  eines  Details  nicht  alterirt, 
welches  so  unweaenttich  ist,  dass  es  besonders  den  übrigen  oben  geschil- 
derten Eigenschaften    der  Büste   gegenüber  bei  der  Frage  dieser  Datirung 


(* 


Misoellen.  153 

als  nicht  sonderlich  ins  Gewicht  fallend  und  vielmehr  als  ziemlich  irrelevant 
zu  erachten  ist.  P.  Tornow,  Eaiserl.  Baumeister. 

22.  Per  scheid,  IV2  Stunde  westlich  von  Oberwesel,  ist  be- 
kannt durch  den  im  Jahre  1673  gemachten  Fund  von  568  römischen 
Goldmünzen  (Nero  bis  Commodus,  Jahrb.  YU,  S.  166  und  XXX YII, 
S.  240),  welche  der  Kurfürst  Johann  Hugo  von  Trier  in  die  Wan- 
dungen einer  Anzahl  goldener  Gefässe,  die  sich  jet^t  im  Besitz  des 
Herzogs  von  Nassau  befinden,  einsetzen  Hess.  Es  sind  2  fusshohe 
grössere  Schalen  mit  Deckeln,  jede  mit  148  Münzen;  zwei  kleinere  offene 
Schalen  mit  42  Münzen;  zwei  Becher  mit  Deckel,  jeder  mit  28  Mün- 
zen. Im  Jahre  1873  waren  diese  Gefässe  auf  der  Wiener  Ausstellung 
zu  sehen.  Eine  halbe  Stunde  südwestlich  von  Perscheid  wurden  im  vorigen 
Jahre  Fundamentreste  eines  römischen  Bauwerkes  durch  Hrn.  Karl  Al- 
berts  in  Oberwesel  biosgelegt,  das  nach  dem  sculptirten  Stücke  einer 
Thüreinfassung  nicht  ohne  Bedeutung  gewesen  sein  kann.  Dieselbe  ist 
von  Sandstein    und  zeigt  ein  Relief  aufsteigender  Traubenranken. 

Aus'm   Weerth. 

23.  Pfalz.  Bericht  über  archäologische  Funde  in  der 
Pfalz  und  in  Franken.  Diese  Mittheilung  umfasst :  1)  Den  Grab- 
fund von  Kirchheim  an  der  Eck,  der  als  Geschenk  der  Direktion  der  Pfäl- 
zischen Bahnen  in  der  Sammlung  der  Pollichia  zu  Dürkheim  unter- 
gebracht ist.  Er  ist  beschrieben  im  Ausland  1880,  Nr.  16,  im  Cor- 
respondenzblatt  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  vom  August 
1881  und  ausführlich  dargestellt  von  Mehlis:  Studien  zur  ältesten 
Geschichte  der  Rheinlande,  Y.  Abth.,  herausgegeben  von  der  Pollichia, 
naturwiss.  Yereine  der  Rheinpfalz,  Duncker  u.  Humblot,  Leipzig  1881, 
2)  Einige  neuere  Untersuchungen  an  der  Südwestseite  der  Dürkheimer 
Ringmauer,  3)  die  fortgesetzten  Ausgrabungen  im  Gallisch- Römischen 
Rufiana,  dem  jetzigen  Eisenberg,  4)  das  römische  Castell  bei  Bieber- 
mühle  an  der  Thalbahn  zwischen  Landau  und  Zweibrücken,  5)  Auf- 
deckungen auf  der  mittelalterlichen  Ruine  Trifels,  6)  eine  Notiz  über  ein 
in  der  Sammlung  des  naturhistorischen  Yereins  zu  Nürnberg  befindliches 
Steinbild,  das  als  wahres  Unicum  dasteht  und  höchst  wahrscheinlich 
in  Beziehung  zu  der  vorgeschichtlichen  Ansiedelung  „im  Hohlenfels^* 
auf  der  Houbirg  zu  bringen  ist. 

1.  Ein  Rheinischer  Skelettfund  aus  der  Steinzeit.  Das 
Correspondenzblatt  der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  berichtet 
darüber  vne  folgt:  Am  Abhang  des*  Hartgebirges,  der  für  die  Prä- 
historie bereits  eine  Reihe  wichtiger  Objekte  geliefert  hat,  Ringmauern 
und  Steinwerkzeuge,  Grabhügel  und  Bronzen,  ward  bei  Kirchheim  a.  d. 
Eck,  westlich  von  Worms,  vor  einigen  Monaten  im  Sommer  1880  auf 
dem  südlichen  Hochufer    des  Eckbaches   ein    nicht    gewöhnlicher  Fund 


1S4  Miiocllen. 

gemacht,  Bti  Verlegung  ciiic-s  Schienenstranges  nm  dortigou  Balinhofe 
fand  sich  etwa  in  der  Tiefe  vou  '/,  m  im  lehmigen  Erdreiche  ein  fi**t 
vollständiges  menachlichee  Skelett.  Dasselbo  nahm  mit  dem  Kopfe  nach 
Süden,  den  Füssen  nach  Norden  liegend  eine  halb  liegende,  halb  k»a- 
emde  Stellnng  ein.  In  den  Knochen  der  beiden  Hände  stak  eine  on- 
dnrchhohrte  wohlerhaltene  Steinaxt  toh  1 3  cm  I-änge  und  4'/.  em 
Schueidebreito.  Daa  dunkle  Gestein  besteht  ans  Melaphyr  oder  Apha- 
nitmaudelstein,  welches  zunächst  bei  Wuldböckelheim  an  der  Nahe  an- 
stehend vorkommt.  Das  Instrument  seihst  bildet  auf  der  einen  Flficho 
fast  eine  Horizontale,  während  die  andere  mit  ablaufender  Schneide 
versehen  konves  gestaltet  erscheint;  der  Querschnitt  des  Werkzeuges 
bildet  demnach  eine  bogenförmige  Gestalt.  Nach  Lindenschrait's  Er* 
Untcrungen  zu  den  Monsheimer  Steinartefakten  (Archiv  für  Arthropo- 
logie,  III.  Bd.,  S.  104  — 105)  benützten  die  Menschen  der  Vorzeit 
dort  gestielte  Steinbeile  in  der  Art,  dass  die  Breitöäehen  geschÄftet 
wurden  und  die  Schneide  in  horizontaler,  nicht  in  vertikaler  Weisa 
wirkte.  Noch  heute  gehrauchen  die  Einwohner  der  Samoainseln  ähn- 
liche in  Holz  gefasste  und  mit  Bast  gefestigte  Steinwerkzenge  zum 
Aufschürfen  des  Bodens  als  Haken  (der  Verfasser  besitzt  ein  dem  Kireh- 
heirner  Funde  gans  entsprechendes  Steinbeil  von  Samoa  ans  der  Samm- 
lung Godeffroy  zn  Hnmburg,  Nr.  2025).  Zu  den  Füssen  des  Skeletts 
staken  im  Boden  GefäsBreste  von  zwei  verscbiedenen  Arten.  Die  ehi» 
Scherbe,  diok  und  ungefüg,  gehörte  zu  einer  weitbanchigen,  scbfissel- 
artigen  Urne  und  zeigte  auf  der  gelbrothen  Oberfläche  das  Tupfen- 
ornament und  eine  horizontAle  Leiste,  sowie  mehrere  Buckel.  Ein  an- 
deres Stück,  dünnwandig,  feingebrannt,  von  schwärzlicher  Farbe,  gehörte 
einem  eleganteren  Gefasse  von  topfartiger  Gestalt  an.  Die  Verzierun- 
gen bestehen  ans  zu  verschiedenen  Reihen  komponirten,  ungleichseitigen 
Dreiecken,  welche  offenbar  mit  einem  Stichel  in  den  weichen  Thon  vor 
der  Brennung  eingestochen  wurden.  Die  Reihen  schmücken  das  Ge- 
fÄEs  an  seiner  horizontalen  und  vertikalen  Ausdehnung  und  bilden  on- 
regelmässige  Kanten  und  blattförmige  Gestalten.  Gefässe  und  Werk- 
zeug haben  in  Technik  nnd  Ornamentik  die  grösste  Aehnlichkeit  mit 
den  nur  etwa  zwei  Stunden  nordlich  unter  gleichem  Meridian,  gleich- 
falls am  Abhänge  des  Hartgehirges  von  Lindenschrait  seiner  Zeit 
entdeckten  Grabfunden  von  Monsheim  (die  Literatur  darüber  vergl.  bei 
Mehlis:  „Studien".  III.  Abth.,  S.  24);  auch  jene  Gräber  waren  in 
blossem  Boden  ohne  Steinsetzung  angebracht,  nnd  die  Todten  lagen 
mehrfach  in  der  Kichtung  von  Nordwest  nach  Südost.  In  gleicher 
Höhe  mit  dem  Leichenbefunde  stiess  man  bei  Kirchheim  auf  zerhauene 
Thierknochen;  dieselben  lagen  einige  Meter  von  dem  Grabe  entfernt 
nnd    gehören    nach    der  '  Bestimmung    von    Prof.    Dr.   Oskar   Fraas    za 


Miscellen.  155 

Stattgart  dem  Urochs,  dem  gewöhnlioheD  Rinde,  dem  Haushunde,  dem 
Schaf,  dem  Wildschweine  an.  Diese  Thiere  bildeten  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  die  Opfer  der  Leichenmahlzeit,  welche  die  Stammesge- 
nossen  am  Grabe  abhielten. 

Dem  Arch&ologen  fftllt  bei  diesem  Fnnde  besonders  die  über- 
raschende Konzinnität  dieser  von  Kirchheim  a.  d.  Eck  herrührenden  Arte- 
fakte, welche  sich  bis  in  das  Detail  der  Ornamentik  erstreckt,  mit  den 
prähistorischen  Fanden  an  Gefössen  und  Stein  Werkzeugen  auf,  welche 
die  Ringmauer  von  Dürkheim,  sowie  die  Wohnstätten  auf  der  Limburg 
lieferten  (vgl.  Mehlis:  „Studien",  IL  Abth,  und  IV.  Abth.,  S.  101 
— 114).  Ganz  gleiche  Steinwerkzeuge  und  Scherben  von  identischer 
Technik  und  Ornamentik  lieferten  ausserdem  Einzel-  und  Kollektivfunde 
von  folgenden  am  Rande  des  Gebirges  liegenden  Ortschaften :  Leisel- 
heim  a.  d.  Pfrimm,  Albsheim  am  Eisbach,  Dürkheim  und  zwar  am 
Fenerberg,  Ellerstadt,  Forst,  Neustadt.  Nehmen  wir  die  analogen 
Funde  von  Monsheim,  Ingelheim,  Dienheim  und  Herrnsheim  in  Rhein- 
hessen dazu,  so  erhalten  wir  eine  Reihe  von  prähistorischen  Nieder- 
lassungen, welche  von  Neustadt  bis  Bingen  reichen,  am  westlichen  Rand 
des  Hartgebirges  und  der  rheinischen  Ausläufer  des  Donnersberges 
lagern  und  ihre  Central-  und  Rückzugspunkte  in  den  grossen  prähisto- 
rischen Festungen  derDürkheimer  Ringmauer  und  des  Donnersberges  besitzen. 

In  der  Sitzung  der  Niederrheinischen  Gesellschaft  in  Bonn  am 
20.  Juni  1881  legt  Professor  Soha  äff  hausen  den  ihm  von  Herrn 
Dr.  Mehlis  in  Dürkheim  übersendeten  Schädel  von  Kirchheim  vor. 
Die  schmale  hohe  Form  mit  stark  vorspringenden  Scheitelhöckern  weicht 
von  der  gewöhnliehen  Form  des  Germanenschädels,  die  wir  aus  den 
Reihengräbem  kennen,  ab  und  nähert  sich  mehr  dem  Typus  einiger 
heutigen  rohen  Rassen,  wenn  auch  bei  diesen  die  Schmalheit  in  einem 
höheren  Maasse  vorhanden  ist.  Auch  die  Begräbnissweise  muss  als 
eine  sehr  alte  gedeutet  werden,  sie  kommt  in  den  skandinavischen 
Steingräbern  vor  und  war  die  der  Guanchen  auf  Teneriffa,  sowie  die 
der  alten  Peruaner.  Der  Schädel  erinnert  an  den  Höhlenschädel  von 
Engis  und  ist  dem  von  dem  Redner  im  Jahre  1864  beschriebenen  von 
Nieder-Ingelheim  ähnlich,  den  er  als  der  vorrömischen  Zeit  angehörig 
bezeichnet  hatte.  Auch  bei  diesem  vmrden  nur  Steingeräthe  als  Bei- 
gaben des  Grabes  gefunden.  Auch  die  groben,  aus  der  Hand  geform- 
ten Thongefässe  gleichen  denen  von  Ingelheim.  EigenthÜmlich  und  an 
den  späteren  germanischen  Töpfen  und  Gewissen  nie  vorkommend,  sind 
Ornamente,  welche  Pflanzenformen  darstellen.  Eine  kleine  Schale  von 
letzterem  Ort  ist  mit  aufrechtstehenden  Blättern  reich  verziert.  An 
einigen  schwarzen  Scherben  sind  die  scharf  eingeschnittenen  Strichver- 
zierungen  mit    einer  weissen  Masse  ausgefüllt,    die  aus  der  in  dortiger 


156  ^  Miscetlen. 

Gegend  vorko  in  inenden  und  noch  heute  vielfacb  benutzten  ' 
erde  besteht.  Li  ndenschmit  hat  die  gleichen  Thongeräthe  nuf  '.iem 
Grabfelde  von  Monsheini  gefunden,  das  er  als  einen  der  iiltesten  Fried- 
höfe des  Rheinlands  bezeichnet.  Auch  hier  schienen  die  stark  zerfal- 
lenen, mürben,  von  Pflanzen  wurzeln  benftgten  Skelette,  deren  Köpfe 
meist  anf  dem   Gesichte   lagen,    in  ritzender   Stellung  bestattet  zu  sein. 

Der  Schädel  von  Kirchheim  iat  hoch,  lang  und  schmal,  die  boch- 
atehenden  Scheitelbeinhöcker  springen  vor.  Die  nur  wenig  zurücklie- 
gende Stirn  ist  kurz  und  sclininl  und  über  den  ziemlich  starken  Augen- 
brannenbogen  etwas  eingesenkt.  Die  Hinterhanptschuppe  ist  ein  wenig 
vorgewölbt,  die  1.  nuchae  hildet  eine  massig  starke  Querleiste.  Die 
Zitzenforteätze  sind  klein  aber  doch  durch  den  sulcus  tief  eingeschnit- 
ten. Die  Schlafe ngogeud  ist  auffallend  fiitch.  Die  Nähte  sind  wenig 
geaackt,  die  in  der  Mitte  geschlossene  s.  sagittalis  bildet  in  ihrem 
vorderen  Theile  nur  eine  gescbl&ngelte  Linie,  die  for.  pnrietalia  fehlen. 
Der  Schädel  ist  prognath,  die  er.  naso-facialia  fehlt.  Das  Gebisa  war 
vollständig  und  ist  ziemlich  abgeschliffen.  Der  Unterkiefer  hat  einen 
stumpfen  Winkel  von  50',  das  Kinn  ist  schmal  und  vorspringend,  so 
dasB  der  Schädel  fast  ein  Progenaeus  ist.  Der  bereits  von  Herrn  Pro- 
fessor Waldeyer  in  Strasshurg  aus  seinen  Bruchstücken  zusamnieTige- 
setzto  aber  uiivollstiindigo  Schädel  wurde  später  von  Herrn  Dr.  Melius 
nach  Bonn  gesendet,  kam  aber  zerbrochen  an,  so  dass  er  aaf  das  Neue 
zusammengefügt  und  theilweise  in  Gyps  ergänzt  wurde.  Die  Maaase 
sind  die  folgenden;  L.  190,  B,  138,  Index  72,6.  Gerade  Höhe  141, 
Aufrechte  Höbe  141,  Längen-Höhen  Index  74,2,  Breiten-Höhen  Index 
102,1.  Untere  Stirnbreite  96,  geringste  Breite  des  Schädels  in  den 
Schläfen  98,  FK.  109,  FN.  114,  dies  Maass  ist  nur  geschätzt,  MB. 
119,  Gg.  87,  HU.  522,  Qu.  U,  325,  C=1350  ccm.  Dieses  Maass 
kann,  da  ganze  Theile  des  Schädels  in  Gyps  ersetzt  sind,  nur  annä- 
hernd richtig  sein.  Der  Schädel  ist  platyrrhin  mit  einer  Breite  der 
Nasenöffnung  von   30  mm,  er  ist  phanerozyg. 

Noch  unter  den  Reihengräberschadeln  ist  diese  Form  erkennbar, 
deutlicher  ist  sie  an  älteren  Schädeln.  Der  Engisscbädel  hat  eine 
etwas  breitere  Stirn  und  bessere  Nähte,  auch  ist  die  Schläfengegend 
weniger  flach.  Gross  ist  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Schädel  von  Nie- 
der-Ingelheim,  wiewohl  die  Gesichts bildung  verschieden  ist,  Eigen- 
thümlich  ist  beiden  Schädeln  das  tiefatehende  Grundbein,  dessen  Ge- 
lenkhöcker liefer  stehen  als  die  Zitzenfortsfitze,  so  dass  die  basis  cranii 
nach  unten  gewölbt  erscheint.  Bei  beiden  schneidet  die  Horizontale 
fast  den   Nasengrund   und  die  Ebene  des   for.  magnum   liegt  horizontal. 

Mit  der  vorger manischen  mongoloiden  oder  finnisch- lappischen  Rasse 
haben   der   Ingelheimer  und    Kirchheimer  Schädel   keine   Verwandtschaft. 


Miscellen.  167 

Wir  haben  eine  ältere  Form  des  Germanenschädels  vor  uns  als  die, 
welche  wir  aus  den  Reihengräbern  kennen.  Vielleicht  ist  es  die  kel- 
tische, der  schon  Retzius  die  schmalen  Skandinayenschädel  zuschrieb. 
Wenn  Schliemann  in  Hissarlik  dieselben  mit  weisem  Kitt  eingelegten 
Thongefässe  fand,  so  spricht  das  für  nahe  Kultnrbeziehungen  der  Kel- 
ten und  Pelasger.  Wiewohl  beide  Schädel  eine  ältere  Form  darstellen, 
so  fehlt  ihnen  doch  nicht  ein  gewisser  Kulturgrad,  der  sich  beim  In- 
gelheimer in  dem  geringen  Prognathismus  und  dem  Fehlen  starker 
Brauenwülste  ausspricht,  bei  dem  Kirchheim  er  in  dem  vorspringenden 
Kinn,  das  auf  den  griechischen  Yasenbildern  so  gewöhnlich  ist.  Auch 
sei  hier  noch  bemerkt,  dass  ein  von  Virchow  untersuchter  Trojaner- 
schädel schmal,   hoch  und  lang  ist,   Schliemann,  Ilios,   S.    568. 

2.  Zur  Dürkheimer  Ringmauer,  vgl.  Mehlis :  „Studien  zur 
ältesten  Geschichte  der  Rheinlande"  IL  Abth.  S.  5 — 11  und  I.  Tafel; 
XXXY.  Jahresbericht  der  PoUichia,  S.  114.  Ein  Räthsel,  wie  die 
Ringmauer  von  Dürkheim,  muss  immer  wieder  vom  Forscher  neu  zu 
rathen  vei*sucht  werden.  Einen  erneuten  Beitrag  zur  Untersuchung 
lieferte  die  Constatirung  einer  rohen  Thurmanlage  mit  einer  nahen 
Befestigungsmauer,  welche  den  Eingang  zu  dem  Thälchen  schirmte, 
das  sich  von  der  Kallstadter  Ziegelhütte  zum  Forsthaus  Weilach  er- 
streckt. Dieses  Fort  deckte  den  von  der  Natur  schwachen  nordwestlichen 
Zugang  zur  Ringmauer,  während  die  nordöstlichen  die  erhöhten  Etagen 
des  Peterskopf  es,   des  Heidenfels  und  des  sogenannten  „Kreis"  schützten. 

Allein  wer  bemerkte,  dass  die  südlichen  Spitzen  der  Ringmauer 
an  einem  Punkte  sich  treffen,  welcher  weder  von  der  Natur  noch  von 
der  Kunst  geschützt  ist,  indem  die  Landzunge  noch  100  Schritte  weiter 
nach  Südwestsüd  bis  zum  Signalstein  reicht,  dem  musste  dies  bei  der 
sonstigen  Sorgfalt  für  die  allseitige  Sturmfreiheit  des  Ringmauerplateaus 
auffällig  werden.  Die  bis  zur  Isenach  nach  Süden  und  Westen  steil 
vorspringende  Felsennase,  deren  schmaler  Grat  mit  Recht  den  Namen 
„schöne  Aussicht"  trägt,  denn  frei  schweift  der  Blick  von  hier  in  das 
Labyrinth  der  einsamen  Isenach  gen  Westen  wie  zum  Rande  der  Rhein- 
ebene bis  zu  den  Bogenlinien  des  Oden-  und  Schwarzwaldes,  dacht  sich 
nach  Südosten  und  zum  Stadttheil  „Hinterberg'^  allmählich  und  in 
sanfterem  Abhänge  ab,  der  einen  plateauartigen  Charakter  annimmt. 
Diese  kleine  halbkreisförmige  Etage  mag  ca.  40  m  niedriger  liegen 
als  der  Signalstein.  Hier  herauf  führt  von  der  genannten  Vorstadt 
Dürkheims  einerseits  der  sogenannte  „Gaisenweg"  zum  Signalstein,  an- 
dererseits ein  zweiter  Fusspfad  zum  Krummholzer-  oder  Brunholdisstuhl. 
Die  Spitze  dieser  Abdachung  trägt  einen  hübschen  Kastanienschlag,  wäh- 
rend nach  Südwesten  Weinberganlagen  gemacht  sind.  Bei  ihrer  An- 
lage ward   manche   rohe  Urne  mit   primitiver   Strichomamentirang    dem 


W  Mbeellen. 

Boden    enthoben,     von    deuoii    eich    Bruchiitüclce    in    der  SammlnDg    Ate 

Dürkheimer  AI terth um b Vereines  Lefinilen.  Diese  ganze  Terrasse,  welche 
im  VolkBmimde  den  Namen  „Sunncnwende"  hnt,  umzieht  im  HalbkreiB 
den  Südo  stabil  an  g  des  Ringmauer-  oder  üästenberges.  Wer  auf  feind- 
licher Seite  diesej  Vorplutenu  eingenommen  hatte,  dem  war  es  um  die 
Hälfte   leichter,    die    Wallnnluge   der   Uingmauer    selbst   zu    forcireu. 

Es  war  dieser  UmEtand  schon  lungere  Zeit  dem  Verfasser  dieser 
Zeilen  nahegegangen,  und  er  schloss,  dnss  die  Strtttegen  der  Vorzeit 
einen  schweren  Fehler  gemacht  haben  müssteii,  wenn  sie  dies  natttr- 
liche    Vorwerk   nnbcfestigt  gelassen   hätten. 

Die  Voraussetzung  traf  bei  der  Uatersachung  cinl  Don  Von'iuid 
des  Plateaus  umziehen  noch  mehrere  ziemlich  gut  erhaltene  Fragmente 
eines  früher  ohne  Zweifel  kontinuirlichen  Vorwallea,  der  vom  Fnas  der 
FelaennasB  bis  südlich  des  Brunholdisatubtes  das  Vorland  der  eigent- 
lichen Festung  deckte.  An  einzelnen  Stellen  hat  der  Weinbauer  die 
Haudsteine  des  Walles  benützt,  um  zum  Schutze  seinei'  Anlage  eine 
senkrechte  Weinbergmauer  aufzuthürmen.  Das  von  dunklem  Moos  über- 
zogene bandförmige  Geröll  zeugt  dort  noch  von  dem  Zuge  des  ur- 
BprüDglichen  Wallee.  Eb  bildet  die  halbmondförmig  gestaltete  auf  Fel- 
sen aufliegende  ümwallung  eine  fortlaufende  Linie  von  über  mehr  als 
100  Schritt  Länge.  Die  Basis  hat  an  diesem  Walltbeil  eine  Breite 
von  4  —  6  m,  die  Krone  eine  solche  von  1 — l'/a  m,  die  llöhe  steigt 
bis  KU  2  m,  an  einzelnen  Steilen.  Oestlich  von  diesem  Hiilbmondwalle 
liegt  ein  zweites  ebenfalls  in  der  Mitte  ausgebe ugtei  Wallfregment. 
Es  scheinen  diese  beiden  Bogen  ein  stärkeres  Reduit  für  die  ganze 
Strecke  dea  Vor wa lies  gebildet  zu  haben.  In  westlicher  Richtung 
atösst  an  diese  ehemalige  Bastion  ein  36  Schritte  langer  und  3  Schritte 
breiter,  etwa  l'/t  m  tiefer  Graben,  aus  dem  das  Felsgestein  sichtbar 
ausgeschrotet  wurde.  Ob  dieser  mit  der  prähistorischen  Walhmlage 
oder  anderen  technischen  Zwecken  zusammenhangt,  könnt«  der  Verfasser 
nicht  ermitteln.  Das  ganze  Feldstück  liegt  übrigeng  noch  immer  na- 
kultivirt  da;  nur  einzelne  Hasel  st  rauch  er  und  Kastanien  decken  dies 
Grundstück,  von  dem  man  einen  hübschen  Ausflug  auf  die  OeS'Diuig 
des  Isenachthalea   geniesst. 

Es  ist  somit  kein  Zweifel,  dass  die  voraichtigen  Vertheidiger  der 
Vorzeit  zur  Sicherheit  das  ganze  Plateau  in  das  Netz  der  Wallanlage 
mit  hereingezogen  hatten,  Unter  solchen  Umatänden  war  eine  so  wie 
so  schwer  ausführbare  Umwallung  der  Felsennase  unnöthig;  das  Vor- 
werk deckte  dieselbe  vollständig.  Vielleicht  diente  das  Plateau  als 
eingefriedetes  TJrnenfeld. 

Es  muBB  uns  der  Umstand,  daas  diese  ohne  Denkmal  und  Sage 
verschwundenen    „Ritter    von    der   Ringmauer"    an   den     von    der  Natur 


MiteeUen.  159 

stiefmüt-terlich  behandelten  Punkten  des  Gesammtplateaus  sorgfaltig  Yor- 
kehrong  getroffen  hatten,  von  diesen  aus  nicht  überrumpelt  zu  werden, 
mit  Achtung  vor  deren  strategischem  Blick  erfüllen.  Da  wo  der  An- 
stieg vom  Thal  aus  am  leichtesten  auszuführen  war,  deckte  nach  un- 
serer Untersuchung  ein  zweites  stattliches  Vorwerk  von  500  —  550  m 
Länge  den  Hauptweg  von  und  zum  Isenachthale,  der  schon  des  Wasser- 
holens  halber   von   besonderer  Wichtigkeit  war. 

So  stellt  jede  neue  Untersuchung  an  den  Hängen  der  Dürkheimer 
Ringmauer  fest,  dass  wir  in  dieser  Position  keine  zufallig  eingenommene, 
sondern  eine  mit  besonderem  Bedachte  auserwählte  und  wohlbefestigte 
zu  erblicken  haben.  Mit  ihren  Vorwerken  und  Bastionen  reiht  sich 
diese  Festung  der  Vorzeit  den  Wallanlagen  auf  dem  Altkönig  und  der 
Houbirg,  denen  bei  Hirschhausen  und  Otzenhausen  im  Hunsrück,  auf 
dem  Donnersberge  und  dem  Orensberge  u.  A.  nicht  nur  ebenbürtig  an, 
sondern  übertrifft  sie  sogar  in  der  Genialität  der  Anlage  und  in  der 
Sorgfalt  der  für  solche  Bauernburgen  der  Vorzeit  mustergilt^gen 
Detailausführung.  Man  könnte  unter  solchen  Umständen  fast  versucht 
werden,  dem  römischen  Einfluss  Spielraum  zu  geben. 

3.  Zu  Eisenberg,  dem  römisch-gallischen  Rufiana,  einem  Orte 
3  Meilen  westlich  von  Worms  gelegen,  der  noch  jetzt  wegen  seiner 
Eisenhütten  (von  Gienanth)  und  seines  vortrefflichen  Knnst-Thones  und 
Klebsandes  einen  guten  Ruf  in  der  industriellen  Welt  geniesst,  wurde 
jüngst  ein  bedeutender  Fund  an  römischen  Altsachen  gemacht.  Die- 
selben, meist  der  Keramik  angehörig,  legen  Zeugniss  ab  von  dem  hohen 
Grad  der  Vollendung  und  Mannigfaltigkeit,  den  die  römische  Töpferei 
selbst  in  den  Stürmen  der  Völkerwanderung  sich  bewahrt  hatte.  Nach 
den  gemachten  Münzfunden  von  Kaiser  Konstantin  (Obolus)  und  Valens 
(Mittelerz)  wurde  diese  Ansiedelung  *Ende  des  4.  Jahrhunderts  durch 
Feuer  zerstört  und  zwar  wahrscheinlich  von  den  einbrechenden  Ala- 
mannen.  Eine  Reihe  von  Fundobjekten  wie  Rotheisenstücke  (Röthel), 
ein  prismatischer  Glättestein  legen  es  nahe,  dass  man  in  dem  speziell 
untersuchten  Punkte,  der  östlich  des  jetzigen  Ortes  gelegen  ist,  und 
zwar  in  der  Nähe  eines  römischen  Friedhofes,  dessen  Gräber  zum  Theil 
im  germanischen  Museum  zu  Nürnberg  aufgestellt  sind,  das  Haus  und 
die  Werkstätte  eines  römischen  Töpfers  entdeckt  habe.  Auch  sonst 
stammt  von  Eisenberg  eine  Reihe  an  Ort  und  Stelle  verfertigter  rö- 
misch-gallischer  Gefässe  aus  terra  sigillata,  aus  gelbem,  blauem,  selbst 
aus  glasirtem  Thon.  Das  Fragment  einer  feinen  blaugrauen  Schüssel 
zeigt  den  Stempel  TAIVBA  (=  Taiuba)  auf,  ein  Cognomen,  das  im 
Rheinlande  ein  Novum  ist.  Für  den  Zoologen  sind  die,  meist  zer- 
schlagenen Thierknochen  von  .  besonderem  Interesse.  Ausser  den  Knochen 
eines  Ebers    mit    mächtigen    Hauern    und    vom    Bär    sind    zumeist    die 


1» 

Hörner  nod  Markknochen  eines  kleiDgehÖrnten  Riniles,  einea  nahen  Ver- 
wandten von  bog  hrachyceroa  vertreten.  Nach  den  parallel  gehenden 
Befunden  von  Kiaeuberg  und  der  Limburg  bildete  sonnch  diese  jetzt 
vom  Rheinlande  verschwundene  Binderrace  das  Gros  dea  zur  Sornmer- 
aeit  in  der  Pfalz  dominirenden  Viebatandea.  Von  wetteren  Funden 
sei  noch  erw&hnt  daa  Fragment  eines  gerieften  Mahlsteines  ans  Thon- 
porphyr  und   zwei   Haarnadeln   aua   Knochen. 

Zu  den  Eiaenberger  Fnnden  sei  noch  Folgendes  bemerkt:  Die 
letzten  Funde  wurden  auf  dem  Acker  eines  gewissen  Eidt  von  Eisen- 
berg gemocht,  dessen  Territorium  unmittelbar  südlich  an  die  Bahnlinie 
grenüt.  Die  Funde  lagen  in  einer  Tiefe  von  50 — 70  cm;  in  der 
Mitte  des  Grundstückes  fand  aich  ein  runder,  mit  Bruchsteinen  ansge- 
setzter  Brunnenschacht  —  90  cra  Durchmesser  im  Lichten  — ,  von 
dem  ein  1  m  breiter  gerollter  Weg  bergauf  zur  Tiefenthaler  Strasse 
führte.  An  diese  Sirasae  stöaat  die  Gewanne  in  Hocbstadt,  welche  voll 
von  Gewölben  und  Grundmauern  ist.  Im  Brunnenschacht,  den  man  meh- 
rere Meter  tief  aushob,  lag  eine  Menge  von  Knochen,  Scherben  und 
Ziegelstficken.  Die  unmittelbar  nördlich  anstosscndc  Bahnlinie  läuft 
im  Eisthale  parallel  dem  Laufe  des  genannten  Baches,  der  im  Hittel- 
alter „Isa"  genannt  ward.  In  Zusammenhang  damit  scheint  der  mittel- 
alterliche Name  von  Eisenberg  zu  stehen,  der  urkundlich  Isanburk,  Isen- 
bnrgk,  Tsenburk,  Isinhurc  lautet.  Ein  Ritter  von  Isinburk  erscheint 
urkundlich  hcreita  zu  Beginn  des  9.  Jahrlinnderts.  Der  Name  steht 
ohne  Zweifel  in  Verbindung  mit  dem  nltdeutjcjien  Worte  für  , .Eisen" 
tsan,  mittelhochdeutsch  isen,  von  dem  auch  die  nahe  Isenach  =  Eise- 
naoh  ihren  Namen  trägt.  Und  wirklich  kommt  in  der  Gegend  von 
Eisenberg  ein  stark  eisenaehüsaiger  Thoneisenatein  oder  rother  Eisen- 
ocker vor,  dessen  in  graue  Vorzeit  lii neinreichende  Ausbeute  das  Sub- 
strat des  Namens  für  Eis,  laenach,  Eisenburg  und  Eisenberg  geliefert 
haben  wird.  Im  nahen  Stumpfwalde,  der  in  mittelalterlicher  Form 
„Stamp"  genannt  wird  und  an  dessen  Westende  oberhalb  Eisenberg  die 
steinernen  Sitze  des  Malgerichtes  oder  Volksgedings  noch  zu  eehen 
sind,  finden  aich  Beste  prähiatoriacher  Eisenschm eisen  mit  aolchen  Schla- 
ckenhanfen,  dass  ein  einziger  genügte,  400  WSgen  damit  zu  beladen. 
Den  Galliern,  die  hier  ohne  Zweifel  in  Verbindung  mit  dem  nahen 
Borbetomagns  ^  Wormaze  ^  Worms  Eisen  gruben,  schmolzen  nnd 
verarbeiteten  und  deren  Fabrikate  in  den  massenhaften  Grabhügeln  in 
Gestalt  von  Schwertern  und  Lanzen  spitzen  vorkommen  (vgl.  Uehlis, 
„Studien  zur  Ältesten  Geschichte  der  Rheiulande",  IIL  Ahth.,  S.  26 — 
30),  folgten  die  Römer  seit  dem  ersten  Jahrhundert  n.  Chr.  und  seit 
der  Beeiegung  der  germanischen  Invasion  d%r  Vangionen  auf  dem  Passe. 
Die  gallische   Niederlassung    hatte    wohl    von  dem    röthlichen    Erz    und 


Miscellen.  161 

der  stark  gefüllten  Erde  den  Namen  „Rofiana^,  d.  h.  Rothstadt,  er- 
halten (vgl.  Rothhardgebirge,  Rothenborg,  den  Ort  Roth  u.  s.  w.)* 
Die  Römer  behielten  ihn  bei,  legten  an  dieser  wichtigen  Passage  ein 
Kastell  auf  der  südlich  der  Eis  gelegenen  Hochstadt  an  und  verlegten 
den  Ort  für  die  Eisenschmelzen  und  die  Eisenfabrikation  in  das  Thal. 
Unmittelbar  neben  der  Stelle  der  letzten  Funde  hatte  man  vor  zwei 
Jahren  bei  einer  Rodung  ein  vom  Feuer  mitgenommenes,  einer  Feld- 
flasche ähnliches  Bronzegefäss  sowie  ein  gleichfalls  vom  Feuer  halb  zer- 
störtes grosses  Bronzebecken  gefunden.  Dabei  lagen  andere  Bronze- 
und  Eisenreste,  Kohlen,  Scherben  von  Terra  sigillata  und  anderen  Ru- 
dera,  die  von  einer  plötzlich  zerstörten  Ansiedlung  Zeugniss  ablegen. 
Die  ganze  Gewanne  trägt  von  den  häufigen  Münzfunden  den  bezeich- 
nenden Namen  „in  den  Geldäckern* ^  Einige  Schritte  thalab warte,  jen- 
seits der  Bahnlinie,  beginnen  nun  unter  einer  Ackerkrume  von  ca. 
30  cm  Dicke  mächtige  Schlackenhalden,  deren  Handstücke  starken 
Eisengehalt  besitzen.  Dieselben  haben  Anfangs  eine  Dicke  von  V2  °^) 
weiter  unten  von  4,  5,  ja  8  m.  Dieselben,  offenbar  Reste  eines  frü- 
heren rohen  Eisenschmelzprozesses,  bei  welchem  es  auf  ein  Paar  Klafter 
Holz  mehr  oder  weniger  nicht  ankam,  ziehen  sich  längs  des  ganzen 
Flusstheiles,  zu  dessen  Seiten  sich  der  Ort  Eisenberg  erhebt.  Sie  sind 
als  die  noch  sieht-  und  greifbaren  Reste  einer  starken  Lokalindustrie 
zu  betrachten,  die  nach  den  massenhaften  Aufhäufungen  Jahrhunderte 
lang  bestanden  haben  mochten,  bis  das  barbarische  Geschlecht  der  Ala- 
mannen  Ende  des  4.  Jahrhunderts  die  Ansiedlung  in  Flammen  aufgehen 
Hess,  und  die  Quelle  des  Wohlstandes,  für  die  ganze  Gegend  so  plötz- 
lich versiechte.  7on  der  Lokalindustrie  der  Römer  geben  fernerhin 
Zeugniss  die  massenhaften  ganzen  und  zerbrochenen  Thongefässe,  als 
Schüsseln,  Becher,  Amphoren,  welche  hier  in  den  verschiedensten  For- 
men und  in  der  mannigfaltigsten  Art  mit  und  ohne  Omamentation, 
einfach  gebrannt  und  mit  geschmackvollen  Pressungen  versehen,  fast 
bei  jedem  Spatenstiche  ganz  oder  zertrümmert  dem  Boden  entnommen 
werden.  Nun  findet  sich  in  den  Nachbarorten  Hettenheim,  Leidelheim, 
Kerzenheim,  Wattenheim  und  fernerhin  in  der  Ebene  bei  Grünstadt 
und  Albsheim  (von  albus  abzuleiten)  ein  fetter,  meist  weisser,  bald 
auch  gelber,  röthlicher  und  blauer  Thon,  der  in  seinen  oberen  Schich- 
ten zur  Herstellung  gewöhnlicher  thönerner  Produkte  verwendet  wird, 
dessen  feinere  untere  Sorten  aber  als  Walkerde  und  Porzellanerde  in 
der  keramischen  Kunstindustrie  und  der  Technik  ein  begehrtes  Absatz- 
produkt bilden.  Unmittelbar  nun  zwischen  der  letzterwähnten  Fund- 
stelle römischer  Artefakte  und  jenem  früher  angegebenen  Friedhofe, 
der  in  seinem  Namen  „Senderkopf"  offenbar  das  Rudiment  eines  römi- 
schen   „incendarium**    erhalten  hat,    haben  jüngst  vorgenommene  Schür- 

11 


16a  MiwelleD, 

fuDgen  auf  dem  Terrain  der  pHikischcu  Baliuen  das  Vorlixiideusein 
einer  beBonders  feiueu  weiaaea  Thonerde  kooetstirt.  Dieselbe  findet 
Btah  aacb  einem  Baugrund  von  ca.  1,80  m  in  einer  nur  8 — 9  m  (itark«t) 
Schichtung  und  liegt  am  Rande  des  Hanges  in  gleicher  Linie  wie  dio 
Hochatadt,  das  Hauptgebiet  der  römischen  Niederlassung.  Ohne  Zweifel 
war  bereits  den  Rümern  diese  vortreffliche  Thonerde  bekannt,  und  aiiH 
ihr  verfertigten  die  einheiiniechen  Künstler  ihre  mannigfachen  Fabrikate 
in  roth-  und  seh warzg tanzendem  Thoo,  die  für  Baus  und  Feld,  Krieg 
and  Frieden,  Leben  und  Tod  dienten,  bia  auch  dieeem  blähenden  In- 
duatriezweige  das  Schwert  des  Germanen  ein  jähes  Ende  bereitete.  Von 
der  Höhe  der  Civilisation,  welche  hier  der  Provinziale  uuter  wälacber 
Leitang  einst  erreicht  bat,  legen  nicht  nur  die  Spuren  eines  Uistempels 
Zflugnisa  ab,  der  eich  einst  neben  dem  Kastell  auf  der  Hochatadt  er- 
hob, davon  zeugt  femer  manch'  werthTolIos  Zieretück  ans  Bronae, 
manche  vortrefflich  gegossene  Waffe,  die  sich  in  den  Museen  der  ffale 
befindet.  So  hat  der  Terfasser  dieser  Zeilen  selbst  ein  kunstvoll  voll- 
endetes Brenz ebcscbläge  von  10  cm  Länge  und  3  cm  Durchmesser  im 
Jahre  1878  nach  Speyer  gelangen  lassen.  Dasselbe  stellt  einen  kunst- 
voll gegoeseneu  Adlerkopf  vor,  im  Munde  eine  Beere  tragend;  dieser 
Kopf  ist  einem  zierlich  gedrehten  Basiliskenkopfe  zugewandt  (vgl- 
„Mittheilungen  des  historischen  Vereins  der  Pfalz"  VH.  Taf.  I,  Taf.  11 
Nr.  2  stellt  einen  Torquea  dar,  von  dem  sogenannten  la  -  Tenetypoft, 
den  der  Berichterstatter  in  Gegenwart  von  Professor  Vii'chow  im  Sep- 
tember 1878  aus  einem  nahegelegenen  Hügelgrabe  ausgrub).  Aach 
mannigfache  Steindenkm&ler  berichten  von  dorn  Kanatsinne  veraohwim- 
dener  Generationen,  die  hier  in  den  ersten  vier  Jahrhunderten  unserer 
Zeitrechnang  lebten  and  wirkten.  Anf  der  „Hochatadt"  fand  sich  im 
Jahre  1764  in  den  Trflnunem  des  Isixtempels  ein  Denkstein,  den  ein 
Patemios  Batinna  in  Verbindung  mit  einem  Unbekannten  tac  joasa 
(des  Erben?)  errichtet  hatte.  An  der  nftmlichen  Stelle  gmb  man  im 
Jahre  1820  eine  prftchtig  erhaltene  Ära  voÜva  ans,  welche  anf  der 
einen  Schmalseite  die  im  Basrelief  mit  ihren  Attributen  geschm&oktan 
Gestalten  des  Uars  oder  Merkur,  der  Diana,  der  Fortuna  und  das 
Herkulea  (?)  darstellte.  Im  Garten  des  Herrn  v.  Kienanker  endlich, 
dessen  Yorfahrea  vor  einem  Jahrhundert  hier  die  Metallarfaeit  der  BA- 
mer  wieder  aufgenommen  haben,  steht  endlich  als  rara  avis  die  in 
dem  Stein  gehauene  wohl  2  m  hohe  Statue  eines  Gottes,  dessen  Sookel 
in  quadratischer  Inschrift  die  Widmung  enth&lt:  ,Deo  Silvano".  Aoeh 
dieser  Silvanus,  dieser  Waldgott  ward  am  Westende  des  jeteigen  Ortes 
Eisenberg  entdeckt  und  diese  Statue  schmackte  wahrscheinlich  mit  an- 
deren Denkmälern  die  Anssenseiten  des  Tempels  auf  der  „Hocbstadt". 
Wir  sehen  hier  ganz  ab   von  den  zahllosen  römischen  und  griechisohen 


MiBoellen.  16S 

Münzen  in  Gold,  Silber  und  Erz,  welche  meist  dem  2.  und  3.  Jahr- 
hundert onserer  Zeitrechnung  angehörig  sind  und  von  dem  Fleiss  des 
Pfluges  jedes  Jahr  aus  dem  Boden  gebaggert  werden.  Unsere  Absicht 
war,  mit  diesen  Zeilen  den  Beweis  dafür  anzutreten,  dass  hier  unter 
dem  jetzigen  Bau  von  Eisenberg  eine  uralte  Industriestätte  der  Ver- 
gangenheit den  ein  Jahrtausend  langen  Schlaf  geschlummert  hat.  Her- 
vorgerufen ward  dieser  Mittelpunkt  für  rheinische  Eisen-  und  Töpfe- 
reiwaaren  in  grauen  Zeiten,  als  noch  die  Schleier  der  Vorgeschichte 
das  sumpfige  Rheinthal  einhüllten,  vom  gallischen  Stamme  durch  die 
Gunst  der  Lage  an  dem  niedersten  Passe  zwischen  Rhein  und  Mosel, 
zwischen  Gallien-  und  Germanenland,  zwischen  Divodurum-Metz  und  Bor- 
betomagus-Worms.  Die  Lockmittel  des  Verkehres :  ein  frequenter  Stras- 
senzug  von  West  nach  Ost,  reiche  Lager  von  zwei  Mineralschätzen, 
Eisen  und  Thon,  die  für  ein  kriegerisches  Zeitalter  besonderen  Werth 
hatten,  erhielten  und  vergi'össerten  diesen  Platz  zur  Römerzeit.  Die 
Identität  des  Ortes  mit  dem  gallischen  Rufiana,  das  Ptolomaeus  neben 
Borletomagur  im  Vangionenlande  und  zwar  mit  dem  Längengrade  von 
Mainz,  sowie  mit  der  Breite  zwischen  Mainz  einerseits,  und  Brumat 
und  Speyer  anderseits  angibt,  kann  nach  geographischen  und  archäo- 
logischen Anhaltspunkten  keinem  Zweifel  mehr  unterworfen  sein  (vgl. 
Picks  Monatsschrift  IIL  Jahrgang  S.  337  f.,  S.  600  f.  u.  Jahrbücher 
Heft  LXIII,  S.  188 — 189  u.  Correspondenzblatt  des  Gesammtvereins 
d.  d.  Gesch.-  und  Alterthumsvereine  1878,  Juli  Nr.  7).  Von  diesem 
Industriecentrum  für  Eisen-  und  Thonfabrikation,  in  der  Mitte  zwischen 
Mainz,  Metz,  Trier,  Speyer,  Strassburg  gelegen,  ging  femer  ohne  Zwei- 
fel ein  starker  Versandt  von  Eisen-  und  ThonwaCaren«  von  Waffen, 
Werkzeugen,  Barren  und  fertigen  Ordinär-  und  Kunstgefössen  aus,  der 
in  erster  Linie  für  das  nahe  Dekumatenland  jenseits  des  Rheinstromes 
von  Bedeutung  sein  musste.  Strassen  nach,  allen  Richtungen,  deren 
Spuren  ebenfalls  noch  vorhanden  sind,  verbanden  den  rheinischen  Indu- 
striemittelpunkt, das  untergegangene  Rufiana  mit  den  Hauptplätzen  an 
der  Peripherie.  So  mag  diese  untergegangene  Werkstätte  römischer 
Massenindustrie  einen  Hauptplatz  für  die  Behauptung  des  überrhei- 
nischen Germanengebietes  gebildet  haben.  Mit  der  Waffe  des  Römers 
aber  drang  eben  auch  das  Werkzeug  des  Südländers  ein  in  das  Bar- 
barenland, und  so  reichten  sich  mit  Recht  hier  Mercur  und  Mars,  Diana 
und  Fortuna  die  göttlichen  Hände,  um  in  der  erhaltenen  Ära  votiva 
lebendes  Zeugniss  abzulegen  für  die  Kulturarbeit  vergangener  Jahr- 
hunderte. Der  Verfasser  hat  eine  grosse  Arbeit  über  Rufiana -Eisen- 
berg in  Vorbereitung,  die  in  diesen  Heften  demnächst  erscheinen  soll. 
4.  Das  Schloss  bei  Biebermühle.  Nach  einer  archäologischen 
Skizze  in  der  Palatina  1881,  Nr.  80;  81  u.  82.     Es  kann  sich  der  rauhe 


164  Miacelleo. 

Westrioli  «war  an  NatnrBchönbeit  mit  dem  -  Oitnbliang  des  Hardtgebirgea 
nicht  meaaen,  seine  HochplateauB  und  eeine  gewundenen  Thäler  könneD 
ßicbt  rivalUiren  mit  den  goldgl  Unzen  den  R«benhügelii,  welche  so  inanob« 
trotzige  Burg  krönt;  aber  dcnnocb  rulit  ein  eigener  Zauber  auch  auf  dieaea 
Ganen,  die  allerdiuga  der  Fqsb  des  Touristeü  seilen  oder  nur  im  Flii^ 
betritt.  So  au  einem  heiteren  FrOliliugBmorgeu  dahioxu  wandern  über  die 
von  goldgelbem  Repa  bedeckten  TIochcbeDen,  von  denen  der  Blitk  fast  un- 
begrenzt achweift  bis  zu  den  blauen  Ketten  dea  Uocbwaldes  nnd  des  Huni- 
rficka,  wo  dna  Äuge  die  aufgetbürint«  Maase  der  den  Rund  des  Uardtge- 
birgea  bildenden  Berge  Kuppe  für  Kuppe  zergliedern  kann,  das  hat  auch 
für  den  verwöhnten  Wanderer  aoinen  besonderen  Reia, 

Uebei'  die  „groase  Hohe",  den  östlichen  Flügel  der  alten  Grarschftft 
Sickjngen,  waren  wir  frisch  gewandert  und  hatten  Tags  vorher  präbisto- 
riacbe  Hünengraber  umgewühlt,  heute  waren  wir  am  Bande  des  Walalber 
Thaies  fUrbasa  gegangen  durch  manch'  stilles  und  liebliches  FelseDtlial. 
Von  Höheinöd  herüber  trabten  wir  munter  über  die  breitscboilige  Flor 
gen  Südosten.  Schon  ist  der  Blick  frei  aaf  das  tief  unter  uns  liegende 
Schwarzbachthal  mit  seiner  dunklen  Einfassung  trotziger  Pachten,  schon 
erglänzt  das  Sonnenlicht  mit  bleicherem  Strahl  auf  den  Matten  der  Stein- 
alb,  die  hei  Biebermüble  ihr  forellenreiches  Wasser  mit  der  nach  Westoii 
eiehenden  Flutb  des  Schwarzbaches  vereint.  Zwischen  den  Thalungen  und 
den  Waldungen  rauaate  von  jeher  hier  oben  auf  der  welligen  Höbe  dor 
Tritt  und  dtT  Marsch  am  meisten  Sicherheit  bieten,  während  unten  die 
Tlialaoolen  noch  von  Sumpf  and  WasBer  bedeckt  waren  und  dsa  Dickicht 
der  Wälder  nur  der  Ajit  nnd  dem  Schwerte  nnfrenndlichen  Oorchgftng 
bot.  Für  solche  Thatsache  zeugt  nicht  nur  die  Topographie  der  Koloni- 
sirong,  die  Anlage  der  ältesten  nnd  au  egedehn testen  Ortschaften  aof  der 
Höbe  imd  am  Baude  das  weitgedehnten  Platean's,  dafQr  spricht  ferner  daa 
Vorfinden  der  meisten  Grabhflgel  in  demjenigen  Waldungen,  welche  den 
Bord  der  Siokitiger  HShe  umziehen,  dafflr  summten  scblieeslich  die  Reste 
der  alten  Strane,  welobe  wir  im  Waldbezirke  „Selters"  hergahwArta  jetzt 
betreten.  Breit  and  grikn  mag  die  Strassenspur  im  bocbanfgeacboBsenen 
Buchenwald«  der  letzte  Rest  sein  des  römischen  Verbindnngaweges,  der 
Landstahl  im  Norden  mit  Bitsch  im  SOden  verband,  der  parallel  der  groeaen 
Rheinstrasse  die  Kastelle  und  Niederlassungen  rückwärts  des  „aaltosJSer- 
maniae"  gleich  einem  steinernen  Bande  zusammenhielt.  Seine  Sporen  aind 
bei  Höheischweiler  und  Winachberg,  bei  Bottenhaob  und  W&Uchbmna  in 
Grabhügeln  und  Ziegeln,  in  fiBtrichresten  and  Denkmälern  noch  deutlich 
nnd  nndeutltch  sichtbar.  Schatz  war  hier  nothwendig  früher  gegen  Har- 
comanneo  nnd  Ohatten,  später  Jahrhunderte  lang  g^en  der  wilden  Ala- 
masnen  habgierige  Ani&lle,  die  gleich  Wölfen  von  Südosten  her  einbrachen 
in  die  Bürden  und  Herden  der    unter  w&lscbem  Schutze  gedeihenden  Pro- 


t 

t 


Mifloellen.  166 

vinzialen.  Ein  plötzliches  Halt  gebietet  ein  in  den  Fels  gehauener  Gra- 
ben, der  trennend  über  die  Strasse  zieht,  and  ein  gewaltiger  Trümmer- 
haufen, der  sich  moosbedeckt  hinter  ihm  über  die  Waldbäume  sperrend 
erhebt.     Wir  stehen  zu  Füssen  dem  „Schloss^. 

Es  ist  ein  Trümmermeer  von  gewaltigen,  ans  dem  Verbände  losge- 
löster Quadern,  über  das  wir  mühsam  hinwegsteigen  müssen,  um  zur  Höhe, 
etwa  25  bis  30  Fuss  über  dem  Graben,  zu  gelangen.  Die  Sandsteinqua- 
dem  zeigen  zu  unserer  Verwunderung  Bossen,  d.  h.  abgespitzte  Seiten- 
kanten, ganz  Yon  derselben  Technik  wie  an  den  Aussenmauem  am  Trifels» 
der  Wachenburg  und  der  Ruine  Schlosseck  im  Isenachthale.  Auf  den 
ersten  Blick  scheint  kein  Mörtel  zur  Bindung  der  Lager  angewendet  zu 
sein.  Herr  Pfarrer  Gümbel  von  Herschberg  ist  jedoch  so  glücklich,  solche 
Amiahme  mit  der  Spitze  seines  Messers  ad  absurdum  zu  führen  und  es 
gelingt  ihm,  mit  dieser  ein  gutes  Stück  Kalkmörtel  an  den  Tag  zu  fördern. 
Derselbe  besitzt  fast  die  Consistenz  von  Cement  und  zeigt  im  Gegensatz 
.zum  mittelalterlichen  Mörtel  keine  Spur  thoniger  Theile,  sondern  nur  rothen, 
kömigen  Sand,  und  weissen  feingeschlemmten  Kalk.  Die  Länge  der  hier 
seit  Jahrhunderten  unter  schwellender  Moosdecke  ruhenden  Quader  beträgt 
im  Mittel  80  cm,  die  Höhe  60  cm,  die  Dicke  60 — 70  cm.  Die  meisten 
unter  ihnen  verjüngen  sich  vom  Haupt  nach  hinten  und  waren  demnach 
in  die  Rundung  keilförmig  eingefügt.  Die  Stärke  der  Thurmwand  beträgt 
ca.  2  m  im  Lichten.  Das  Thurminnere  misst  ca.  7  m,  so  dass  das  ganze 
Werk  einen  Durchmesser  von  ca.  11  m  besass.  Auf  dem  nach  Südosten 
anstossenden  Terrain  der  Bergzunge  fand  sich  eine  an  die  Thurmwand 
anschliessende,  gar  stattliche  Umwallung  vor,  welche  den  Berg  in  halb 
eiförmiger  Gestalt  umzieht.  Diese  Gircumvallation  setzt  sich  unmittelbar 
auf  den  stattlichen  Fels  an,  auf  welchem  überhaupt  das  ganze  Castrum 
ruht.  Die  Mauer  besteht  hier  nicht  aus  mächtigen  Bossenquadem,  sondern 
aus  kleineren  Sandsteinplatten  in  der  Grösse  eines  doppelten  Backsteines. 
Im  Durchschnitte  betragen  die  Dimensionen  der  gleichfalls  sorgflältig  be- 
hauenen  Bausteine  der  Umfassungsmauern  40  cm  in  der  Länge,  15  cm  in 
der  Höhe,  20  cm  in  der  Dicke.  Die  Stärke  der  Gircumvallation  selbst 
stellt  sich,  soweit  zu  beobachten,  auf  1  Va  ^'  Als  Hauptmaasse  der  ganzen 
Umwallung  berechneten  wir  die  Länge  vom  inneren  Rande  des  Thurmes 
mit  60  Schritten,  die  Breite  mit  50  Schritten.  Die-  ganze  Form  bekommt 
darnach  die  Gestalt  eines  Bügeleisens,  dessen  Spitze  der  Mündung  der  bei- 
den Bäche  zu  nach  Süden,  dessen  ausgeladene  Breitseite  gen  Norden  dem 
Bergplateau  zu  sich  kehH.  Auch  hierin  erinnert  die  Gestalt  des  „Schlos- 
ses" an  dem  Schwarzbach,  an  die  Figur  der  Ruine  „Schlosseck"  im 
Isenachthale.  Sonst  ist  dem  wild  und  einsam  duroheinanderliegenden  Trüm- 
merhaufen von  Bossenquadern  und  Ecksteinen,  Mörtelwerk  und  Steinplatten 
keine  bestimmte  Contour  abzusehen;   auch  kein  Ornament,  keine  Inschrift, 


1 


166  MisoeUen. 

keiiie  sonstige  Andeutung  hilft   dem  Forscher  auf  die  Spur,    das  steinerne 
Bäthsel  zu  deuten. 

Der  Bau  seihst  und  die  ganze  Anlage,  ao  verwandt  sie  mit  Ruine 
„Schlosseck"  erscheint,  bietet  doch  eine  Reihe  von  Unähnlich keiten  dar. 
Vor  Allem  besteht  bei  dem  geheimnissvoUen  Bauwerk  an  der  Isenach  die 
ganze  Circumvallation  aus  Bossenquadern,  hier  nur  der  Thurm  ans  solchen; 
dort  liegt  der  Eingang  an  der  Breitseite  neben  dem  Bergfried,  hier  in 
entgegengesetzter  Richtung  an  der  Spitze;  dort  beherrscht  das  Oebftude 
eine  tief  unten  liegende  Strasse;  hier  mündet  unmittelbar  an  den  Graben 
ein  römischer  Strassenzug  und  an  dem  Bergstock  stossen  vier  Thalnngen 
zusammen.  Wollte  man ' auch  yersucht  sein,  wie  beim  „Schlosseck*',  als  die 
Oründungszeit  des  einsamen  „ Schlosses **  bei  Biebermühl  die  Periode  der 
ersten  Salier  anzunehmen,  die  wie  Conrad  II.  und  Heinrich  HI.  mit  festen 
Burganlagen  ihr  fränkisches  Stammland  längs  der  Yogesen  und  besonders 
an  den  Yogesenpässen  schützten  und  schirmten  (vgl.  Krieg  von  Hochfel- 
den:  „Geschichte  der  Militärarchitectur  des  frühem  Mittelalters"  S.  255— ; 
261),  so  spricht  ausser  den  obigen  Gründen  der  Umstand  dagegen,  dass 
der  Thurmbau  des  vorliegenden  Gastrums  mit  aller  Festigkeit  zugleich 
einen  so  hohen  Grad  von  ausgeprägter  Eleganz  und  zweckdienlicher  Dnroh- 
bildung  im  Ganzen  und  in  den  einzelnen  Theilen  an  sich  trägt,  wie 
ihn  die  Ruine  „Schlosseck"  trotz  ihrer  omamentalen  Gestalten  nicht  auf- 
zeigen kann. 

Ein  gewichtiger  Umstand  gebietet  uns,  vorbehaltlich  weiterer  Unter- 
suchung der  ganzen  Bergveste,  eher  an  ein  römisches  Castrum  als  an 
eine  fränkische  „Burg"  zu  denken.  Wie  uns  Herr  Pfarrer  G  um  bei 
berichtet,  fand  man  unmittelbar  an  der  Südwand  des  Felsen,  auf  dem  die 
Ruine  sich  erbebt,  im  Jahre  1858  beim  Chausseebau  eine  grosse  Anzahl 
von  römischen  Münzen,  eingeschlossen  in  zwei  Urnen,  eine  trägt  nach  der 
Mittheilung  von  Hrn.  Pfr.  Gümbel  auf  dem  Avers  die  Umschrift:  „Yespa- 
sianus  Augustus",  während  der  Revers  einen  Adler  und  links  von  ihm  ein 
S  (senatus),  rechts  ein  C  (consulto)  eingeprägt  aufzeigt.  Den  Rest  der 
Münzen  verwahrt  Hr.  Baumeister  Jung  zu  Pirmasens  annoch  im  Besitz. 
Nach  weitereu  Nachrichten  stiess  man  damals  beim  Strassenbau  auch  auf 
mehrere  Reste  römischer  Denksteine,  wohin  aber  letztere  kamen,  ist  unbe- 
kannt. Dass  hier  Steinquadern  und  nicht  wie  bei  der  Salburg  Backsteine 
zur  Anwendung  kamen,  spricht  durchaus  nicht  gegen  Annahme  eines  römi- 
schen Castrums.  Die  Römer  benutzten  draussen  in  der  Provinz  das  Ma- 
terial, welches  ihnen  gerade  zur  Hand  lag;  waren  Kalksteinbrüche  vor- 
handen, benutzten  sie  die  Kalksteine  zu  ihren  Bauten,  lag  der  Sandstein 
nahe,  nahmen  sie  ohne  Bedenken  diesen  dazu ;  nur  wo  sie  kein  lagerhaftes 
Gestein  antrafen,  brannten  sie  aus  Thon  ihre  dauerhaften  Ziegelplatten.  — 
Um  eine  weitere  Subdivision  für  die  lange  Periode  von  fast    einem  halben 


Miseelleti.  167 

Jahrtausend  tsa  erhalteo,  üinerhalb  welcher  der  Römer  am  Rheine  herrschte 
and  hauste,  band  and  baute,  hätten  wir  uns  zu  entscheiden  zwischen  der 
aufsteigenden  Periode  des  Imperatorenglanzes,  als  ein  Trajan  93  bis  99 
als  Legat  in  Obergermanien  die  Grenzen  mit  Festungsbauten  schirmte  und 
sein  Adoptivsohn  Hadrian  zwei  Jahrzehnte  lang  den  Traditionen  des  grossen 
Schirmherm  treu  blieb,  und  der  absteigenden  Epoche,  als  Valentinian  I. 
finde  des  vierten  Jahrhunderts  mit  Anlage  von  neuen  munimenta,  castra, 
castella,  tnrres  am  Rhein  und  an  der  Donau  den  Untergang  des  Römer- 
reiches  noch  aufzuhalten  vermeinte.  Wohl  spricht  des  Valentinian  taci- 
teischer^  Geschichtschreibor  das  inhaltsreiche  Wort  aus  (XXIII  2,  1):  Rhe- 
nnm  omnem  a  Raetiarum  exordio  ad  usque  fretalem  Oceanum  magnis  mo- 
libns  commnniebat,  castra  extoUens  altius  et  castella  turresque  adsiduas 
per  habiles  locos  et  opportunos,  qua  Galliarnm  extenditur  longitudo.  Allein 
bei  der  kurzen  Regierungszeit  dieses  letzten  Schirmers  der  bedrohten  Rhein- 
lande können  diese  neuen  Schutzanlagen  nur  einen  tumultarischen  Charakter 
getragen  haben,  während  hier  Anlage  und  Ausführung  von  üeberlegung 
im  Ganzen  und  Sorgfalt  im  Einzelnen  deutliches  Zeugniss  ablegen.  Valen- 
tinian mag  wohl  die  Rheingrenze  und  den  Hang  des  Vogesus  gegen  der 
trotzigen  Alamannen  Ansturm  neu  gefestigt  haben,  aber  er  kann  nimmer- 
mehr mit  solchem  Vorbedacht  den  Knotenpunkt  einer  jenseits  des  Gebirges 
gelegenen  Strassenverbindung  geschützt  haben.  Wenn  auch  die  wilden 
Söhne  des  Gaues  an  der  Murg  und  Einzig,  dem  Neckar  und  dem  Bodensee 
die  festen  Mauern  vor  uns  im  4.  und  5.  Jahrhundert  gebrochen  haben 
mögen,  bestanden  müssen  sie  wohl  schon  haben,  als  Trajans  Zeitgenosse, 
der  edle  Tacitos  vom  jenseitigen  Decumatenlande  in  seiner  „Germania" 
sprach  als  von  einer  „Ausbuchtung  des  Reiches  und  einem  Gliede  der  Pro- 
vinz". Damals  Ende  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  war  ja  die  klassische 
Periode  römischer  Eriegsbaukunst  1  Und  noch  im  Mittelalter  bildete  das 
„Schloss"  hier  und  die  Strasse  am  Seiters walde  die  Landesgrenze;  heisst 
es  doch  in  des  pfälzischen  Geographen  Tielemann  Stella  Beschreibung  der 
Aemter  Zweibrücken  und  Eirkel  vom  Jahre  1564,  dass  die  Grenze  „von 
Höheinöd  auf  den  Eirschbom  durch  den  Forst  hinüber  auf  das  „Steiner 
Schloss",  dann  durch  die  Bach  hinab  auf  Fröschen"  lief.  Und  nach  der 
Archäologen  Untersuchung  fällt  ja  meistens  im  Rheinland  Grenzrain  und 
Römerwerk  zusammen!  So  steht  es  geschrieben  im  Büchlein  „die  baye- 
rische Pfalz  unter  den  Römern"  S.  101,  das  wir  allewege  auf  solchen  Ex- 
cursionen  bei  uns  zu  haben  pflegen.  Und  die  Sage  vom  „Easpar",  der 
hier  oben  geht,  auf  was  mag  sie  beruhen,  als  auf  einer  unverständigen 
Volksetymologie,  die  den  Namen  „Castrum"  oder  „Casprum"  im  aleman- 
nischen Contexte  nicht  mehr  fand  und  sich  daraus  einen  spuckenden  „Cas- 
par" oder  „Easchpar"  umdeutend  schuf.  Wunderbar  sind  ja  oft  die  Wege 
der  Volksgedanken.     Wenn  aus  einem  „Hansrück",  dem  Rücken  der  Hunnen 


188  MiHoelleD. 

oder  Sannaten  cid  Ilunderücken  ward,  waruta  niolit  aus  einem  römUcb«n 
Csatram  sin  alemaoniiioher  Kaspar? 

5.  Äuagrabangan  aaf  dem  Trifels,  aua  der  Palatina  18B1,  S. 
271.  Wer  kennt  und  nennt  sie  nicht,  die  Ehrenveste  des  deutschen  Rei- 
ches „TrivelltB",  wie  ste  in  dem  Briefe  König  Richards  an  seine  Matter 
Eleonore  beist?  Der  Zahn  der  Zeit  hat  i'ekanntlich  fast  nur  den  mäohligen 
Borgfried  in  der  Mitte  des  innersten  Festungsgürtels  stehen  lassen,  und 
von  der  ganaen  Herrlichkeit  des  einst  mit  Marmor  geschmückten  PaUa 
legen  nnr  noch  wenige  Trömraer  zerbrochene/  Capitäle  und  Berflchellt«r 
Säalen  stummes  Zcugniss  ab.  Seitdem  die  Veste  nach  den  hei  K^rl  Lob- 
stein  aufgeführten  Urkunden  zwischen  den  Jahren  1035  und  1676  endgil- 
tig  dem  Verfalle  überlaBsen  ward,  wurde  erat  in  neuester  Zeit  von  der 
thatkräftigon  Ilegiening  der  Pfala  dafür  Sorge  getragen,  die  erhaltenen 
Bnrgreste,  Thurm  and  Kapelle,  nicht  »um  Töltigen  Trömmerhanfen  werden 
zn  lassen. 

Die  Trümmerhaufen  hat  die  Bemühung  des  Trifels -Vereine«  bis  auf 
die  ursprüngliche  Sohle  der  eich  an  die  Nordaeite  anschliessenden  „Freiuug" 
hinweggeschafit.  Die  Grundlinien  der  innersten  Festungsanlage  treten  nun 
deutlich  hervor.  Diu  FolseDmasse  ist  hier  an  der  dem  Wetter  ansgesetstea 
Nordseite  mit  einem  fünfeckigen  Mantel  bekleidet,  der  aus  Gnsswerk  und 
gewaltigen  Boaaenqnadem  besteht.  Die  Höhlungen  der  Felsenwand  w&ren 
wohl  ursprünglich  wie  auch  jetzt  noch  bu  Lagerräumen  für  Vorrnthe  und 
Werkzenge  bestimmt.  Eine  in  hohem  Bogen  neu  aufgerichtete  und  mit  der 
Jahreszahl  1879  prangende  Pforte  ffthrt  uns  in  die  swei  Innenr&nme  dM 
Felsens,  in  deoon  lur  Zeit  anstatt  der  Kugeln  und  Kanonen  im  E&bkn 
Flasohen  und  Fftner  voll  edlen  Traabeasaftee  lagern. 

Von  der  im  Halbbogen  gesEogeaen  Freiung  ans  liegt  gen  Nordvesteo 
ein  itoliiier  Tharn],  der  ooob  vor  einigeo  Menschenaltem  mit  dem  Hanpt- 
fels  jduroh  einen  kOhneo  Bogen  verbunden  war.  Es  ist  der  Bnmnentlinrm, 
Tormab  gedekt  mit  haltbarem  Dacbwerk,  das  zierliche  S&ulm  tragen,  vor- 
mkls  gesohfltst  durch  den  Hand  eherner  Udraer,  die  Jahrhunderts  lang  in 
der  Bmnnentiefe  schlummerten.  Lei  Herzc^  von  Zweibrücken  Befehl  Yon 
3.  Sept.  1670  „liees  das  Gebiu  des  Daehwerks  am  Thurm  ttber  dem 
Brnimen  vollends  in  Abgang  kommen".  Wenn  die  Rechen  -  Eammm:  m 
Zweibrücken  damals  die  Ausgabe  von  40  bis  fiO  Gulden  sur  Herstellung 
des  Brunnens  zu  hoch  befand,  so  liese  es  sich  der  Trifels -Verein  Hunderte 
von  Oulden  kosten,  um  das  edle  Nasa  des  Berges,  das  FelsennaBser,  wieder 
SU  gewinnen.  Die  viereckige  Brunnenöffnang  misat  im  Lichten  vier  Qua- 
dratmeter, und  bis  auf  die  Thalsoble,  bis  zur  Tiefe  von  80  Metern,  muastea 
Sohuttwerk  nnd  Braadreste,  verkohlte  Balken  und  serfressene  Eisentbeile 
aus  der  Tiefe  geholt  werden,  bis  das  Quellwasser,  stark  sprudelnd,  wieder 
die    unterste  Etage  des  Felsenbrunnens    netate.     Es  zeigte  sich,    dasa  da« 


Mifloellen.  169 

Innere  auf  18  Meter  gemauert  ist,  während  62  Meter  Tiefe  aus  dem  Fel- 
sen gehauen  sind.  Die  Ausheute  an  archäologischen  Objecten  ist  nicht 
gering  fdr  den,  der  nicht  nach  Schätzen  gräbt,  sondern  Anhaltspunkte 
für  die  Cultur  vergangener  Perioden  sucht.  Unterhalb  der  hineingeworfe- 
nen Steine,  und  der  wohl  aas  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  herrührenden 
Brand-  und  Holzreste  traf  man  im  Laufe  der  Ausgrabungen  ausser  zwei  Stein- 
kugeln 3  eiserne  Mörser  an,  von  denen  der  grösste  an  80  cm  Höhe  und 
20  om  Weite  hat.  Von  Geschütz  wurden  noch  heraufbefördert  der  Lauf 
einer  Wallbüchse  mit  dazugehörigem  Luntenschloss.  Der  grösste  Theil 
der  Eisentheile  diente  als  Beschlag  der  in  der  Tiefe  abgerissenen  Wasser- 
eimer, auch  das  Stück  einer  Kette  mit  Haken  fand  sich,  mittelst  welcher 
vordem  die  Eimer  gehoben  wurden.  Die  steinernen  Säulchen  schmückten 
einstmals  wahrscheinlich  das  Gesims  des  Brunnens,  der  den  Burgbewohnem 
ausser  den  Mauern  Unbezwinglichkeit  verlieh. 

Ob  eine  Reihe  weisser  Marmorplättchen  den  Boden  der  obersten 
Thurmetage  zierte,  oder,  dem  Palas  entnommen,  von  muthwilliger  Hand 
in  die  Tiefe  geschleudert  ward,  mag  dahingestellt  bleiben.  Fünf  kupferne 
Schöpflöffel  sind  ebenfalls  verloren  gegangene  Attribute  der  ehemaligen 
Bestimmung  des  Brunnens.  Das  vor  uns  liegende  Thongeschirr,  meist  un- 
glacirt  mit  Ornamenten  und  Riefen  geziert,  geht  in  seinen  ältesten  Stücken 
nicht  über  das  13.  Jahrhundert  hinaus.  Die  meiste  Aufmerksamkeit  ver- 
dienen 7  Gegenstände  des  Eleingeräthes,  welche  ohne  Zweifel  der  roma- 
nischen Periode  und  somit  der  interessantesten  Epoche  der  Reichsveste  an- 
gehören. Um  mit  dem  trivialsten,  aber  damals  nothwendigsten  Gegenstande 
zu  beginnen,  so  ist  das  erste  ein  etwa  Vi  ™  langer  eiserner  Bratspiess. 
Derselbe  endigte  nicht  in  einer  hohlen  Tülle,  sondern  im  unteren  Theil 
desselben  umzwengte  ihn  ein  in  schwachen  Resten  noch  erhaltener  Holz- 
griff, der  mit  zwei  Nietnägeln  am  schmalen  eisernen  Bügel  befestigt  war. 
Das  zweite  ist  ein  breit  ausgeladener,  mit  gestreckten  Knöpfen  am  Anfang 
und  Ende  des  Griffes  einfach  und  hübsch  verzierter  Löffel  von  15  cm 
Länge  und  5.  cm  Höhlungsbreite.  Das  dritte  und  vierte  sind  zwei  eiserne 
Klingen  im  Griffe  stehender  Messer  von  13  cm  Länge.  Das  von  einem 
Exemplar  erhaltene  Plättchen  des  Griffendes  von  iVs  cm  Länge  besteht 
aus  Gold,  und  es  sind  demselben  mehrere  im  Winkel  stehende  buchstaben- 
artige Zeichen  eingravirt.  Das  fünfte  Object  besteht  in  einem  6  cm  lan- 
gen Eisenschlüssel,  dessen  rautenförmige  Grifi^latte  inwendig  ausgeschnitten 
ist.  Löffel,  Messer  und  Schlüssel  dürften  beim  Wasserholen  oder  beim 
^Sohäckem  am  Brunnen"  dem  Gürtel  einer  Kammermagd  oder  eines  Edel- 
knaben entschlüpft  sein.  Als  sechsten  Gegenstand  nennen  wir  einen  2  cm 
starken  und  8  cm  langen  Elisenbolzen,  dessen  ausgeladene  Spitze  die  Seiten 
einer  4seitigen  Pyramide  bildet,  und  dessen  Tülle  sich  in  der  Richtung  auf 
letztere  verstärkt,  entgegengesetzt  der  Constmction  der  gewöhnlichen  mit- 


ITO  Mltoallen. 

tfllalterliohen  PfeilapitKen.  Das  riebentt;  and  BckAiut«  Ärtefacl  besteht  in 
(•inem  reizenden  Ohrgehänge,  hergeBt«11t  kuh  einer  Compoattion  von  ßlei 
und  Zinn.  An  einer  ellipsenfüi'iuigeQ,  2  cm  langen  Hafte  befindet  sich  dn 
BlSttchen  von  der  Grosse  eines  5-PfenDigRlückes.  Der  Anaaeaseite  des  letx- 
teren  ist  in  zierlicher  Weise  mit  acharfen  Kanten  eine  siebooblät tarige  Piü- 
mette  Rnfgeprägt.,  deren  Typus  in  den  OrnameDtinutiTeii  der  rotsanisohen 
Periode  eine  stehende  Figur  bildet.  Wir  liiidea  sie  z.  ß.,  verbunden  mit 
dem  Akanthna,  wieder  in  den  VerKierungeii  dea  Thorbogens  der  Rniae 
SchlüBaeok  im  laenachthsle  und  onf  andei'en  „Gebanen"  dieser  8aiiperi«>de. 
welche  den  EemioiacenzeD  der  altclAsaiBcheu  Zeit  zur  ersten  BenaisBUioe 
verhalf. 

6.  Ein  Steinbeil  vom  Pegtiitüstrande.  Nach  einer  MitÜiei- 
lung  im  Auslände  1881,  S.  698.  Die  Nürnberger  Gegend  aad  gans  Fran- 
ken ist  bekanutlioli  arm  an  Gegenstünden  der  prähietorischeo  Zeit,  Ausser 
dem  Ringwftll  von  der  Houbirg,  den  Orabbügaln  bei  Iversbach,  Oberkmm- 
bauh  und  Feucht  gehört  nnseres  WiBsena  nichts  biefaer.  Von  Steiowerk- 
zeugen  besondere,  die  in  andern  Gegenden,  so  im  Rheinlande,  sehr  Eahl- 
reich  vorkommen  {z.  B.  in  der  Pfak  auf  etwa  100  Qnadratmeilen  ca.  500 
Stücke),  ist  sehr  wenig  im  Ostfrankenlande  in  der  Maingegend  bekanat. 
Dm  so  mehr  Überraschte  es  uns,  jüngst  in  der  Sammlung  der  Närnberger 
natnrhiatori sehen  Gesellschaft  ein  ganz  singaläres  Stück  anzutreffen,  daa  in 
der  Mitte  zwischen  einem  Natorobjekt  und  einem  Artefukt  steht,  Der 
tiwilog  wird  daMolbe  ein  oaregelinäHigee,  an  den  beiden  gegnnbeiiiagev- 
den  Langaeiten  abgeflachtes,  dabei  in  der  Mitte  derselben  dnrohbohitea 
Sphäroid  einer  natürlichen  Bildung  zuschreiben,  w&hrend  der  ArohAolog 
kaum  schwanken  wird,  dasselbe  als  einen  kDostlieh  hergettallten  Steinham* 
mer  za  bezeichnen.  Das  Objekt  besteht  ans  dolomitischem  EalksteiB  and 
ward  von  Dr.  Seelhorst  bei  £nteuberg  am  Moritzberge  im  Walde  anf  der 
Oberfl&che  gefnnden,  wo  dies  Gestein  unseres  Wissens  anstehend  Torkommt. 
Das  Stllok  ist  von  Hoos  Inkmstirt  und  von  der  Luft  Idoht  gebr&nnt. 
Es  hat  drei  ausgesprochene  Ecken,  also  die  Grondgeetalt  eines  Dreiaeka; 
das  anf  die  ideale  Grundlinie  geftJIte  Loth  misst  11  om,  die  grftnte  Breita 
7  cm.  Die  LSnge  der  zn  einem  Kreissegment  abgerandeten  Sahneide  misat 
5  om,  die  grösste  Hohe  des  Oesteins  beträgt  6  cm,  der  grdiste  LKngsom- 
fang  28,  der  grAsste  Qnemmfang  20  cm.  So  ziemlich  in  der  Mitte  de« 
ganseD  Stückes  ist  daa  kegell'drmig  angelegte  Loch  senkrecht  aagebraobt ; 
die  L&nge  desselben  betrftgt  6  om,  die  obere  Weite  hat  26,  die  nntera 
4  cm  Durchmesser.  Aach  kflnstliohe  Bearbeitung  zeigt  sowohl  diese  knnat- 
gereobt  gemachte  Lochnng  des  Steines,  als  die  anliegende  L&ngsseite  des- 
selben, welche  zugleich  die  grOssten  Flächen dimensionen  (12:6  om)  aaf- 
weist  Die  im  Roben  gegebene  grösste  Arbeitsfläche  verbesserte  man  durob 
primitives  Abreiben  and  Glätten  des  Steines  auf  üoer  hftrtereu  Gmndlaga. 


Misoellen.  171 

Die  Bohrung  stellte  man,  wie  noch  heutzutage  in  Nordamerika  (vgl.  die 
Arbeiten  von  Rau  und  Schuhmacher  im  „Arohiv  für  Anthropologie",  5. 
und  7.  Band),  durch  einen  ausgehöhlten  Ast,  welcher  mittelst  Wassers 
feinen  Sand  auf  der  Bohrfläche  eintrieb,  mit  leichter  Mühe  her.  Der  Stil 
ward  offenbar  so  eingesetzt,  dass  sich  die  breitere  Loohung  oben  befand 
und  mnsste  demnach  die  Gestalt  eines  abgestumpften,  vielleicht  oben  mit 
einem  Knopfe  versehenen  Kegels  haben.  Das  ganze  Manufakt  macht  einen 
80  primitiven  Eindruck,  dass  wir  es  mit  den  Bronze-  und  Thierfunden  von 
der  Houbirg  (vgl.  meine  Arbeit  im  „Archiv  für  Anthropologie*'  XII.  Bd.) 
und  von  den  Grabhügeln  bei  Rersbach  (früher  in  den  Gemming'schen  Samm- 
langen befindlich)  nur  zu  konfrontiren  brauchen,  um  dessen  Abstand  von 
dieser  offenbar  späteren  Periode  sofort  zu  erkennen.  Schon  das  Material 
des  Steinhammers,  zu  Tage  liegender  ziemlich  widerstandsloser  Kalkstein, 
spricht  gegen  den  Gebrauch  in  einer  vorgerückteren  Kulturperiode,  wo 
man  bereits  Metall  und  Rohsteine  durch  den  Handel  bezog  und  selbst  Bronze- 
g^enstände  und  bereits  fertige  Stein  Werkzeuge  (z.  B.  Nephrit-  und  Jadeit- 
gegenstände) auf  diesem  Wege  erhielt.  Am  besten  passt  dies  Artefakt  zu 
den  Funden,  welche  Hans  Hösch  und  Pfarrer  Engelhardt  aus  den  Höhlen 
Oberfrankens  gewonnen. 

Die  2iähne  des  Höhlenbären  trug  der  Urmensch  damals  als  Berloke 
um  den  Hals,  die  Krone  des  Hirschgeweihes  dient  als  Stumpf  für  das  Stein- 
beil, das  Bohnerz,  das  sich  im  Innern  der  Erde  fand,  durchbohrte  man 
und  gab  dem  Weib  diese  Naturperlen  zum  Schmucke.  Aus  Fichtenreisem 
flocht  man  ein  korbähnliches  Gewebe,  strich  es  mit  Lehm  aus,  trocknete 
es  an  der  Sonne,  und  in  solchem  Thonkessel  briet  man  den  Schenkel  des 
Bären  und  röstete  den  Schinken  des  Ebers.  Als  Waffe  diente  Stock  und 
Stein,  Hom  und  Dom;  Waffe  und  Werkzeug  war  gleich;  zur  Wohnung 
dienten  die  Hallen  natürlicher  Höhlen,  die  sich  im  Frankenjura  zahlreich 
vorfinden.  In  ihrem  Hintergründe  legte  man  die  Leiche  derer  nieder,  die 
des  Lebens  harten  Kampf  glücklich  überstanden ;  überdeckte  sie  mit  Stei- 
nen, nachdem  man  Waffen  und  Gefösse  beigelegt  hatte,  und  dort  findet 
sie  die  nie  rastende  Hand  des  Forschers  der  Gegenwart! 

und  haben  wir  in  der  Nähe  des  Moritzberges,  dieses  Wegweisers 
nach  dem  Osten,  eine  Höhlung,  in  welcher  sich  der  Besitzer  dieser  Waffe 
einst  bergen  konnte  mit  seiner  Jagdbeute?  Allerdings  eine  in  der  Nähe 
wenigstens  ist  bekannt,  die  gleich  einem  Adlerhorste  hoch  über  das  ein- 
geschnittene Thal  des  Seitenbaches  der  Pegnitz  ragt  und  deren  Halle  noch 
zur  Zeit  der  Besucher  mit  gewisser  Andacht  betritt.  Es  ist  der  2—3 
Stunden  entfernte,  nordöstlich  vom  Moritzberg  gelegene  „hohle  Fels^  an 
der  sonnenbestrahlten  Südseite  der  Felsenveste  Houbirg,  der  sich  hooh\ 
über  dem  brausenden  Happurger  Bach  emporwölbt.  Um  den  später  ein- 
gesetzten,   altarähnlichen  Fels    wurden   früher  Ausgrabungen    von  Gümbel, 


I 

j 


172  MiMellBD. 

Zittel  u.  A.  gemoeht.  Neben  den  ZithneQ  des  HöhlenbiLrei],  dee  RieseD- 
hirticbes  und  des  Rena  traf  man,  ganz  analog  wie  in  Oberfranken,  aaf 
zahlreiche  primitive  ThonBcherben,  beides  die  Küchenresto  der  Troglodyten, 
welche  sich  in  fernem  ASterthum  hier  in  aioherer  Höhle  und  auf  ragender 
Höhe  ihreu  Wahnaitz  gewählt  hatten. 

Dr.  C.  MehliB. 

24.  Regenehurg  und  Salzburg.  Aothropologea-Veraammlnngea 
vom  6. — 13.  Augast  ISSl.  Im  alten  Reichstages  aale  des  Rathhausea  za 
Regenaburg  eröllnete  0.  Fraae  in  Verhinderung  dea  «rsteii  I'räBidetiten 
A.  Ecker  am  H.  Augnst  die  XII.  Jahresversammlung  der  deutschen  an- 
thropologisch eu  GesellBchaft  um  9Vs  l-lir.  Er  bemerkte,  dass  wegen  der 
hervorragen  den  geschiuhtlichen  Bedeutung  der  Gastra  regina  der  Römer 
die  Wahl  auf  diese  Stadt  gefallen  sei,  deren  geographische  und  geogno- 
atiache  Lage  er  kam  schilderte.  Funde  aus  der  Steinzeit  seien  selten,  die 
Nähe  der  Gletscher  habe  hier  erst  spät  eine  Ansiedlung  möglich  gemacht, 
doch  habe  er  selbst  mit  Zittel  die  aus  dem  Schelmengrabec  hei  Ett«rB' 
hausen  bekannt  gemacht.  Die  höhere  Gultur  sei  hier  das  Werk  der  Bd- 
mer,  im  2.  Jahrhundert  u.  Z.  habe  Marc  Aurel  die  Legio  ITI  ital.  hier- 
her verlegt. 

Herr  RegierungS'Prneident  von  Pracher  faeiaat  die  VersAmmlang  im 
Namen  der  Regierung  willkommen,  Bürgermeister  v.  Stobnns  begrüsst  sie 
ira  Namen  der  Stadt,  Graf  H.  v.  Walderdorff  im  Auftrage  des  hiatoriacheo 
Vereins.  Statt  des  erkrankten  ersten  Geschäftsführers,  dea  Pfarrers  Dah- 
lem, gibt  er  eipe  Ueberaicht  dessen,  was  das  Land  und  die  Stadt,  die  maa 
das  Caput  germantae  genannt,  der  Alterthnmsforschung  sn  bieten  im  Stand« 
sei.  Hier  habe  gewin  schon  eine  vorrömische  Ansiedlung  butanden.  Die 
nahen  Höhlen  des  Jura,  die  Hflgelgr&ber,  die  alten  Brand-  and  die  Reihttn- 
gr&ber  geben  Zengnias  davon.  In  der  Clrichskirohe  ist  die  tod  H.  Dahhoi 
TortreMich  geordnete  Saromlnng  aufgestellt,  im  nntern  Ranm  du  rSmisdi- 
mittfllftlterliohe  Lapidarium,  aaf  den  Emporen  die  prfthistoriBob -rfimiacbea 
Alterthtlmer.  Dem  von  demselben  verfasaten  Kataloge  sind  zwei  Karten 
beigegeben,  ein  Stadtplan  von  Regensburg  mit  dem  Gmndriss  der  Castra 
regina,  der  römischen  Civilstadt  nnd  der  Begräbniesplätze  nnd  ein  Stna- 
tionsplan  der  römisohen  Begräbnisse  an  der  Via  militaris  Aagnstana.  IKa 
zahlreichen  Schädel  und  Skelette  dieser  Gräber  hat  0.  M.  R.  Dr.  t.  HSt- 
der  bearbeitet,  vgl.  AroUv  für  Antbropol.  XIII.  Suppl. 

Die  Verhandinngen  begannen  tnit  dem  von  dem  Oeneralseoret&r  Prof, 
Bänke  erstatteten  Jahresbericht.  Die  anthropologische  Gesellschaft  bete 
in  ihr  zweites  Jahrzehnt  und  habe  das  erste  mit  der  pr&hittorisohen  Ans- 
stellnng  in  Berlin  glänzend  beschlossen,  die  eine  grossartige  Leistung  ge- 
wesen sei  nnd  ein  nnübertrefflicbes  Gesammtbild  der  ältesten  vaterländinhea 
Alterthflmer  gegeben  habe,     Wir  seien  damit  beschäftigt,   eine  von  r6mi- 


Miicellen.  178 

Beben  Einflüssen  anberührtB  Colturströmung  in  Europa  zu  verfolgen.  Bei 
Anfzählung  der  neuesten  Arbeiten  beschränkt  er  sich  auf  das  Gebiet  der 
Präbistorie,  verweist  aber  auf  den  ausführlichen  Bericht  im  Correspondenz- 
blatte  der  Gresellschafb.  Er  gedenkt  der  berichtigten  Vorstellung  von  der 
Eiszeit,  in  der  man  sich  keine  allgemeine  Vergletscherung  Mitteleuropas 
zu  denken  habe,  der  Verbreitung  des  Rennthiers,  das  nach  Struckmann  noch 
mit  dem  Edelhirsch  gelebt,  der  Höhlenbewohner  Oberfrankens  in  der  Stein* 
zeit,  die  Hösch  beschrieben,  der  von  Bosenberg  auf  Rügen  gefundenen 
Feuerateinwerkstätten,  der  fortgesetzten  Forschungen  Fischers  über  den 
alten  Verkehr  Europas  mit  Asien,  des  von  Mehlis,  Waldeyer  und  Schaaff- 
hausen  beschriebenen  Fundes  von  Kirchbeim,  der  Untersuchungen  Herzogs 
über  den  römischen  Orenzwall  in  Würtemberg,  der  im  Fichtelgebirge  ge- 
fundenen alten  Wallbefestigungen,  der  neuen  Beweise  für  eine  Kupferzeit 
in  manchen  Ländern,  der  von  Handelmann  entdeckten  Stätten  alter  Salzge- 
winnung an  den  Nordseeküsten  und  der  Hochäckerspuren  in  Holstein,  der  von 
Oolert  aus  den  Inschriften  gedeuteten  socialen  Verhältnisse  des  alten  Noricum, 
der  aus  alten  Ortsnamen  von  Bucks  gezogenen  Schlüsse,  wonach  Rhätier  und 
Etrusker  dasselbe  Volk  sein  sollen,  der  Untersuchungen  Tischlers  über  die  Oe- 
wandnadeln,  Frl.  Mestorfs  über  Fensterurnen,  Heintzels  über  das  Harz  der 
Graburnen,  der  in  Regensburg  gefundenen  römischen  Olasspiegel,  endlich 
der  neuen  Forschungen  v.  Scbulenburgs,  Treichels  und  Handelmanns  über 
Sagen,  die  sich  an  die  Steine  knüpfen,  über  Zaubersprüche,  Feuersegen, 
Schwertinschrifben.  Er  erwähnt  das  grossartige  Geschenk  Schliemanns,  sein 
Werk  „llios^  und  den  internationalen  Gongress  in  Lissabon,  der  die  Frage 
nach  dem  tertiären  Menschen  in  Portugal  ungelöst  gelassen  habe.  Zuletzt 
legt  er  drei  neue  Blätter  der  archäologischen  Karte  von  Baiern  vor,  die 
Ohlenschlager  entworfen  hat.  Das  Blatt  von  Regensburg  ist  das  reichste 
an  Fanden. 

Frhr.  v.  Tröltsch  berichtet  über  den  Fortschritt  der  Arbeiten  für 
die  prähistorische  Karte  Deutschlands.  Er  legt  vier  Karten  von  Schles- 
wig-Holstein vor,  die  römischen  Fundorte  sind  roth,  die  der  Bronzezeit 
gelb,  die  der  Eisenzeit  blau  bezeichnet.  Er  empfiehlt  auch  für  die  Folge 
vier  besondere  Blätter  für  jede  Provinz,  eine  allgemeine  Fundkarte,  eine 
für  die  Pfahlbauten,  eine  für  die  Hügelgräber,  eine  für  die  Urnengräber. 
Die  Vorzeit  Schleswig-Holsteins  ist  am  meisten  im  Osten  entwickelt,  zumal 
an  den  Buchten  der  Ostsee.  Hieran  knüpft  Virchow  einige  Bemerkungen. 
Ans  dem  heutigen  Bestände  der  megalithischen  Denkmale  dürfe  man  keine 
Schlüsse  ziehen,  in  der  Mark  Brandenburg  sei  deren  seit  dreissig  Jahren 
eine  grosse  Zahl  zerstört. 

Scha  äff  hausen  meldet,  dass  die  Arbeiten  für  den  Gesammtkatalog 
der  anthropologischen  Sammlungen  Deutschlands  in  erfreulicher  Weise  fort- 
schreiten.    Auch  legt   er  seinen  Bericht    über    die    anthropologischen  Ver- 


174  MiBoellen. 

handlangen  der  British  Association  in  Swsnsea  sowip  über  den  LisBaboner 
CongreBB  im  Jahre  18S0  vor. 

In  der  NachoiittftgisitKnng  spricht  Oberstabsarzt  Dr.  Vater  über 
einen  vor  wenigen  Tagen  in  Spandau  gemachten  höchst  werthvoUen  Fuod, 
der  im  Nebensaale  ausgeatellt  ist.  Am  Einäusa  der  Spree  in  die  Havel 
worden  hei  Fundirung  einer  neuen  Geachöt^gieaserei  ein  Schädel  nnd  fünf 
fein  oruamentirte  BronzewaÖ'en  gefunden.  Kr  kündigt  weitere  Funde  an, 
die  auch  andern  'i'aga  eintrafen.  Die  Gegenstände  gleichen  den  schöneo 
Uransen  des  skaadlnavisohen  Nordens. 

Der  Vorsitzende  macht  bei  dieser  Gelegenheit  auf  die  prähiatorische 
Sammlung  des  Herin  A.  Nagel  aus  Passau  aufmerkaam,  die  ebenfalls  im 
Nebeneaale  aufgeBt-ellt  ist.  Sie  enthält  zahlreiche  Stein-  und  Enochenge- 
ratbe  aus  bairischeu,  GäohsiBchen  und  fränkischen  Fundorten,  dai'Dnter 
einige  aus  Eifenbeiu. 

Hierauf  hält  OhlenscbUger  einen  Vortrag  über  das  römische  Baj- 
ern.  Der  gröHate  Theil  des  heutigen  Baiern  gehöi-t«  zur  Provinz  Bhätira, 
der  zwischen  Inn,  Saalacb  uiid  Salzach  liegende  Theit  gebarte  zu  Noricnm, 
ein  Qordweütlicbes  Stück  zu  Qermtinieii.  Tindelicisohe  und  rbätiscbe  Co- 
horten  kämpften  achon  unter  Germanicns,  14 — 16  vor  Chr.,  gegen  die  Che- 
rusker, rh&tische  unter  Vitelliua,  69  nach  Chr.,  gegen  die  Helvetier,  79 — 
80  gegen  Oiaudius  Civilis.  Zwei  in  Weissenbnrg  und  Begensburg  gefun- 
dene Bronzeplatton  mit  Inschriften  atnd  Militärdiplome,  sie  geben  die  Zahl 
der  Truppen  an,  die  in  Bhätien  standen.  Sie  waren  zuerst  nur  Hülfa- 
truppen,  2600  Reiter  und  6000  Mann  zu  Fius.  Ent  170  legte  Hwc 
Anrel  eine  Legion  von  6000  Haon  dahin.  Diese  Truppen  waren  auf  eiiw 
Grenzlinie  von  etwa  30  deutschen  Heileu  Länge  vertheilt;  sie  Isgertea  in 
Standlagem,  die  durch  hohl  gebaute  Wege  mit  dazwischen  liegenden  Schan- 
zen und  einem  Zeichensyatem  verbunden  waren.  Insohriften  nnd  Meilen- 
steine ,  MOnzfnnde  nnd  selbst  Strassenreste  weisen  ein  Nets  rfimischer 
Strassen  nacL  Eine  fahrte  aus  Italien  durch  das  Gtechtbal  bis  Botzen, 
von  hier  zweigte  eine  ah  gegen  den  Bodensee  hin,  die  andere  führte  Aber 
dea  Brenner  nach  Innsbruck  und  durch  das  Inntbal  nach  Baiern.  Im  flachen 
Lande  lehnten  doh  die  Straasea  an  die  FlOsee  nnd  waren  quer  unter  doh 
Terbnnden,  wie  Salsburg  mit  Augsburg,  Angusta  Tindelioorum,  welohea  die 
Hauptatadt  von  Rhaetia  war,  Inschriften  und  Grabfunde  geben  Anbohlan 
tlber  die  damaligen  LebensverhältDiBse.  Die  römisohe  Bevölkemng,  die  mit 
Einsohlnsa  einer  Anzahl  Gmndbesitzer  auf  20000  Seelen  gescbStat  werden 
kann,  lebte  wohl  meist  vom  Ackerbau.  Doch  gab  es  einen  ausgedehnteo 
Töpfereibetrieb  und  ein  Tempel  des  Heronr  deutet  auf  lebhaften  Handel. 
Die  Regiemngaform  war  vorwiegend  militärisoh,  bis  400  nach  Chr.  war 
der  Befehlshaber  der  Legion  auch  kaiserlicher  Statthalter.  Haoh  dieoar 
Zeit  wnrde  die  bftrgerllDhe  Verwaltung  vom  lliJitkr  getrennt  und  versohie- 


dene  Mnnicipien  warden  durch  aelbsUDdige  Behflrden  verwaltet.  Die  Ein- 
geboreneo  scheiaen  bis  auf  die  Namen  in  den  Römern  völlig  aufgegangen 
an  sein,  in  Regenibarg  utellt  kein  Fund  siclier,  ob  es  sin  Municipinm 
war.  Im  Uittelalter  heisat  eg  noch  nach  der  Oeatalt  des  CaBtrnms:  nrbi 
qnadrata. 

Sepp  fragt,  ob  Aageborg  nicht  schon  eine  NiederlaBSong  der  Vinde- 
licier  vor  der  ROmerzeit  gewesen  und  mit  dem  keltischen  Damasia  iden- 
tiwk  so. 

OhlflUBcblager  will  diese  Frage  ofTen  lassen  nnd  ladet  für  morgen 
zar  Besichtigung  der  römischen  Befestigungen  des  Arabergea  und  des  Mi- 
chaelsbergea  ein. 

Naohmittsga  um  4  Uhr  fand  eine  Ausgrabung  bei  Kumpfmühl  statt, 
wo  «oh  Oraburnen  finden,  die  mit  Graphit  geachw&rast  sind;  auf  der  an- 
deren Seite  der  Eisenbahn  wurde  ein  von  Ost  nach  West  gerichteter  recht- 
winkliger Steinaarg  aus  Jurakalk  blossgetegi,  der  bereits  ausgeraubt  schien. 
Die  ersteren  Grftber  stammen  aus  dem  1. — 3.  Jahrhundert,  die  letzteren 
aus  der  EonstantiDiichen  Zeit. 

Dienstag,  den  9.,  fand  schon  um  halb  8  Uhr  die  Abfahrt  nach  Kel- 
faeim  statt;  ein  langer  Zug  bewegte  sich  mit  Musik  durch  das  freundliche 
Städtchen  und  den  Berg  hinauf  zur  BeTreiungahalle.  Der  Eindruck  dea 
grosaartig  sohOnen  Werkes  ist  erbebend.  In  der  feierlichen  Runde  stehen 
kolossale  Tictorien,  die  Wappenechilde  mit  deu  Schlaobleunamen  haltend, 
darBbet  ragt  ein  Kreis  mächtiger  Säulen  und  Aber  diesen  wölbt  sich  hoch 
die  goldglänzende  Kuppel. 

Nnn  ging  es  durch  schönen  Wald  zu  den  römischen  Wällen  auf  der 
Höbe  des  Michaels berges  und  hinab  zum  Kloster  Weltenburg  auf  dem 
rechten  Ufer  der  noch  kleinen  aber  reissenden  Donau,  das  vielldcht  von 
Caatra  Talentia  den  Namen  hat.  Das  Kloster  wird  schon  580  nach  Chr. 
erwähnt;  1803  säcularisirt,  ward  es  1S34  von  König  Ludwig  wieder  den 
Beaedictinern  einger&nmt. 

Am  Mittwoch,  den  10.,  sprach  snerst  Tischler  Über  die  Gliederung 
der  vorrömiachen  Metallzeit  Süddeutschlands.  Richtiger  als  die  Eintheilung 
in  eine  Bronze-  und  Eisenzeit  ist  die  nach  der  Form,  nach  dem  Stil  der 
Gegenstände.  Die  älteste  Periode  zeigt  etruakiscbea  Einfluss,  dann  machen 
sieb,  wie  in  den  Hallstidter  Funden,  germanische  Elemente  geltend,  und 
es  folgt  die  hoch  entwickelte  Metall- Industrie  der  Pfahlbauten,  für  die  der 
Typus  vonLaTtoe  charakteristisch  ist ;  hieran  schliesst  sich  dieRdmeneit, 
die  einen  Yeifall  der  Kunst  erkennen  lässt.  Auf  die  Terramai-en  dnr  Po- 
Ebene,  welche  nur  Bronze  lieferten,  folgen  die  grossen  Nekropolen,  zumal 
die  nordwestlich  von  Bologna,  deren  Anfang  in  den  Beginn  des  1,  Jahrtan- 
sMida,  deren  Schluss,  die  Or&ber  der  Certosa,  um  das  Jsbr  400  vor  Chr. 
zu  Mixen  ist.     Damit  ßlllt  das  Ende  der  nordisoheu  Bronsezeit  zusammen. 


176  IfiflcelleiL 

Die  vollständige  Reihe  der  altitalischen  Fibeln  nnd  Metallgef&sse  bis  znr 
Periode  der  Certosa  hinab  findet  sich  in  den  österreichischen  Orabfeldem 
yon  Hallstadt,  7on  Watsch  in  Krain  and  weiter  östlich.  Eine  jüngere 
Hallstadter  Periode  mit  Paukenfibeln,  enggerippten  Cysten  und  griechischen 
ThongefUssen  ist  in  den  Fürstengräbern  yon  Hundersingen  nnd  Lndwigs- 
bürg  in  Würtemberg  vertreten.  Die  letzten  vier  Jahrhunderte  nimmt  die 
yon  der  Champagne  durch  Süddeutschland  bis  Ungarn  y erbreitete  Periode 
von  La  Tene,  am  Neuenburger  See,  ein  mit  Armbrustfibeln,  Gürtelhaken, 
langen  Eisenschwertern  nnd  einer  Ornamentik  mit  classischen  Motiven.  Die 
Werkstatten  bei  Stradomic  und  bei  Autun  beweisen,  dass  gerade  die  cha- 
rakteristischen Gegenstände  nördlich  der  Alpen  gefertigt  sind,  während  an- 
dererseits etmskisohe  Schnabelkannen  und  andere  Metallgefässe  einen  leb- 
haften Handel  mit  dem  SQden  beweisen. 

Hierauf  zeigt  Gross  seine  neuesten  Pfahlbaufunde  von  Corcelettee 
am  Neufchäteler  See,  Schwerter  und  Lanzenspitzen,  Messer  mit  Bronze- 
griffen, ein  Doppelmesser  zum  Rasiren,  Ohrgehänge  und  Amulette,  Bern- 
stein- und  Glasperlen,  einen  mit  Eisen  verzierten  Bronzering,  ein  Doppel- 
beil aus  reinem  Kupfer  mit  kleinem  Schaftloch,  das  auf  symbolischen  Ge- 
brauch deutet,  42  cm  lang  und  mehr  als  3  kg  schwer,  mehrere  Dolche 
ans  Kupfer  und  einige  Nephrit-  nnd  Jadeitbeile.  Die  meisten  Thongefässe 
sind  Schalen,  einige  sind  aussen  mit  Zinnplättchen  verziert,  andere  inneo 
roth  und  schwarz  gemalt,  eine  hat  die  Form  einer  Theekanne.  Eine  Bronze- 
nade]  hat  am  Kopf  einen  Stempel,  um  den  Doppelkreis  auf  die  Thonge- 
fasse  zu  drücken,  eine  andere  läuft  in  zwei  kleine  Spitzen  aus,  um  jene 
parallelen  Linien  zu  ziehen,  die  man  so  oft  zwischen  jenen  Kreisen  findet. 
Für  die  Anfertigung  dieser  Dinge  im  Lande  sprechen  die  Gussformen  in 
Bronze  und  Molasse  fast  für  alle  Geräthe,  die  kleinen  viereckigen  Kupfer- 
und  Zinnbarren,  ein  Bleiklumpen.  In  Etrurien  finden  sich  dieselben  Sachen 
nicht,  nicht  ein  einziges  der  Messer,  die  zu  Hunderten  hier  in  allen  Grös- 
sen vorkommen. 

Dr.  Undset  aus  Christiania  legt  der  Versammlung  sein  Werk  über 
die  Anfänge  der  Eisenzeit  in  Nordeuropa  vor.  Er  versucht  darin  eine  das 
ganze  Gebiet  umfassende  Darstellung  mit  Vorführung  des  bis  jetzt  vorhan- 
denen archäologischen  Materials.  Die  Arbeit  gründet  sich  sowohl  auf  Lite- 
raturstudien als  auf  eigene  Beobachtungen  in  etwa  60  Museen.  Er  be- 
zeichnet es  als  aufi'ftllend,  dass  eine  Bronzezeit  so  lange  in  Nordeuropa 
geherrscht  hat,  während  das  Eisen  im  mittleren  und  südlichen  Europa 
schon  längst  im  allgemeinen  Gebrauche  war,  und  dies  um  so  mehr,  als  der 
Norden  das  Bronzemetall  stets  aus  oder  durch  eben  diese  südlicheren  Ge- 
genden bezogen  haben  muss.  Für  die  Anfänge  der  Eisenzeit  in  Nord- 
europa sind  Einflüsse  der  altitalischen  und  der  vorrömischen  alpinen  Cultur 
(Hallntadt  und  La  Tene)  bestimmend  gewesen,  und  zwar  in  dem  Zeitraums» 


Miscellen.  177 

Yon  500  bis  200  vor  Chr.  In  Norddeatschland  kommt  für  diese  Unter- 
sucliiuigen  namentlicli  die  grosse  Zahl  der  Urnenfelder  in  Betracht,  unter 
denen  der  Verfasser  verschiedene  geographisch  und  chronologisch  getrennte 
Gruppen,  wie  die  in  Schlesien,  Posen,  Sachsen,  der  Lausitz,  unterscheidet. 
Die  yerschiedenen  Typen  der  Alterthümer  lassen  sich  noch  nicht  mit  ver* 
schiedenen  Völkemamen  in  Verbindung  bringen.  Professor  Virchow  h&lt 
den  Vergleich  der  Typen  verschiedener  Länder  für  sehr  wichtig,  doch  sei 
Vorsicht  geboten.  Altitalische  Verbindungen  mit  Deutschland  seien  unbe- 
zweifelt,  doch  dürfe  man  die  Funde  im  Kaukasus  nicht  ohne  weiteres  mit 
unseren  zusammenstellen.  Die  bemalten  und  eigenthümlich  ornamentirten 
Urnen  von  Ounzenhausen  schliessen  sich  an  die  Funde  von  Hagenau  im 
EUsass  an,  an  solche  im  südlichen  Baden,  in  der  Schweiz,  an  Hügelgi*ab- 
funde  am. Bodensee.  Typische  Bronzegürtel  mit  eingestanzten  Ornamenten 
stimmen  mit  Thongefassen  in  Bologna  überein.  Aber  der  Torques  aus 
einem  viereckigen  Stabe,  dessen  Kanten  flügolförmig  verdünnt  sind,  sei 
eine  östliche  Form,  die  sich  in  Westeuropa  nicht  finde.  Mehlis  hält  die 
in  Rheinhessen  vorkommenden  gemalten  Töpfe  für  vorrömisch.  Bei  Pfed- 
demheim  fand  man  solche  mit  Graphitstreifen  auf  blauem  Untergrunde, 
auch  weisse  Gefasse  mit  rothem  Ornament.  Dr.  Riggauer  macht  auf  die 
ausgestellten  Münzen  aufmerksam,  worunter  sich  Goldbrakteaten  und  zahl- 
reiche Regenbogenschüsselchen,  auch  gallische  Münzen  befinden,  die  barba- 
rische Nachahmungen  von  massiliotischen  und  macedonischen  Münzen  sind. 
Mehlis  beschreibt  den  Fund  von  Kirchheim,  über  den  er  in  der  Zeitschrift 
der  Pollichia  ausführlich  berichtet  hat.  Die  Art  der  Bestattung,  die  Ge- 
räthe  und  Thonscherben  sowie  die  Schädelbildung  sprechen  für  die  vor- 
römische Zeit  und  stellen  den  Grabfund  an  die  Seite  derer  von  Monsheim 
und  Ingelheim.  Klop fleisch  entwickelt  unter  Vorlegung  zahlreicher  Zeich- 
nungen seine  Ansichten  über  die  Entwicklung  der  Keramik  in  Mitteldeutsch- 
land. Es  gibt  eine  älteste  Zeit,  in  der  kein  Thongcschirr  gefertigt  wurde, 
in  der  es  auch  keinen  Ackerbau  und  kein  Hausthier  gab.  Es  folgen  die 
rohen,  aus  der  Hand  geformten,  schlecht  gebrannten  Gefässe.  Plötzlich 
zeigt  sich  eine  Veränderung.  Nicht  dass  sich  jene  Anfänge  weiter  ent- 
wickelt hätten,  es  tritt  unvermittelt  eine  neue  Kunst  auf,  die  von  einem 
fremden  Volke  eingeführt  sein  muss.  Unverkennbar  sind  die  Beziehungen 
zu  den  alten  Gulturvölkem.  Der  Redner  glaubt  einen  ägyptischen  Einflnss 
auf  die  Keramik  unserer  Vorzeit  nachweisen  zu  können.  Schaaffhausen 
spricht  zuerst  über  den  von  Dr.  Vater  ausgestellten  Schädel  von  Spandau, 
er  gehöre  jenem  kleinen  brachycephalen  Typus  an,  der  uns  aus  den  älte- 
sten skandinavischen  Steingräbern  bekannt  sei  und  vereinzelt  auch  an  an- 
dern Orten  gefunden  wurde.  Er  ist  von  dem  germanischen  Schädel  ver- 
schieden und  muss  einem  den  Lappen  verwandten  Volke  zugeschrieben 
werden.     Sodann  berichtet   er  über  eine  verglaste  Mauer  auf  dem  linken 

12 


118  Hiiceliei). 

Ute  der  Nahe  Kwiechcn  FiBchbnch  und  Kirn  und  legt  die  von  Herrn  Dr. 
Grebe  an  das  Provinzialmiiseam  in  Trier  ^sandten  Probestücke  vor.  Ea 
Bind  Sandsteine  durch  verscLlackten  Melaphyr-MaudelBtein  fest  miteinander 
verkitt«t.  Seit  der  Mitte  des  vorigen  Juhrliundcrts  eind  die  verglaiteD 
Burgen  SuhottlandB  bekannt.  Zuweilen  bnt  man  solche  Schlacken  fdr  na- 
türliche vulkaniHche  Producte  gehalten.  Ueber  die  Herstellnng  verschlack- 
ter Mauern  und  über  die  Zeit  ihres  Baues  wurden  die  verschiedensten  An- 
sichten laut.  Besondere  Äufini'rkBamkeit  wandte  man  den  HohlräimiBn  d«r 
Schlackenmaese  zu,  welche  den  Abdruck  einer  PänDzenetmctur  erkennen 
lassen  und  auf  eingelegte  und  verbrannte  Holaor  bezogen  wurden.  Vircbow 
bat  in  den  Jahren  1870  und  Tl  solche  Braudwülle  bei  Dresden,  in  der 
Oberlansitz,  im  Spessart  untersucht,  sie  wurden  auB  Thüringen,  Polen  und 
Böhmen  bekannt.  Der  Redner  stellt  die  Grüniio  für  seine  Ansicht  znaam- 
men,  doss  man  nicht  ilolzstücke,  sondern  Uolzkoblcn  mit  dem  leicht  schmelz- 
baren Gestein  genieugt  hat.  Daubreo  hat  nns  Beinen  Analysen  franzüaischer 
Schlackeu  den  Scbluss  gesogen,  dnsa  man  Meersalz  dem  Thonsilikat  snge- 
setst,  und  hat  die  Verfertigung  solcher  Mauern,  wie  schon  Prevost  getban, 
onsern  mit  Luftcanälen  versehenen  ZiegelSfen  verglichen.  Die  von  Herrn 
WacbendorfF  gemachte  Analyse  der  vorliegenden  Schlacken,  mit  der  dos 
Helapbyra  verglichen,  spricht  nicht  für  einen  Zusatz  von  Natron.  Diese 
verglasten  Manern  können  nur  eiuem  in  der  Cultur  vorgeschrittenen  Volke 
zugeschrieben  werden. 

Die  JUittogspauaa  wurde  wie  am  ersten  Tage  but  Besicbtigung  der 
Stadt,  der  Kirchen,  znmal  des  Domes  und  Domscbatzes,  der  Sammlungen 
im  Tbon-Dittmer-Hause  sowie  in  der  Ubichskirche  benutzt.  Geber  die 
hier  aufgestellten  Grabfunde  sei  noch  ans  den  Uaterauchungen  Dahlems 
und  V.  Hölders  Folgendes  angefahrt.  In  den  Ältesten  Gräbern  mit  Hflnsen 
des  Antoninus  Pins,  138 — 161,  herrscht  meist  der  Leichenbrand,  von  d» 
bis  275  nimmt  die  Beerdigung  zu  ohne  bestimmte  Richtung  der  Todten. 
Spater,  unter  Probus  bis  Conatantio,  259  bis  286,  tritt  die  gleichförmige 
Orientirung  von  0.  nach  W.  ein,  es  ist  der  Uebergang  zn  den  Reibea- 
gräbem.  Im  Anfang  des  4.  Jahrhunderte  hört  mit  Constantinus  Magnus 
der  Leichenbr&nd  ganz  auf.  Sobald  die  Reibengriber  beginnen,  finden 
sich  kein«  Lampen  mehr  in  den  Gräbern,  wohl  aber  neben  Mflnien  und 
Schmuck  andere  GefKsse.  In  Gräbern  aus  der  Zeit  des  Tbeodosiua  gibt 
es  schon  WadTea  und  Schmnckaaohen  vom  Stil  der  Uerovinger-Zeit.  Fflr 
die  Gräber  der  Frauen  waren  Münzen  der  Kaiserinnen  als  Oboliu  beliebt. 
Ea  Bind  etwa  1500  Gräber  geöffnet  worden.  Die  kleinen  Nägel  in  den 
Brandgräbern  rühren  von  den  dünnen  Holzsärgen  her,  in  denen  die  Kör- 
per verbrannt  wurden,  oft  liegen  20  ui  einer  Stelle.  Die  Grösse  der  Hola- 
särge,  dio  zur  Bestattung  dienten,  laut  sieh  oft  an  der  Lage  der  bis  15 
cm    langen    und  in    geringer  Zahl    vorhandenen    Nägel   erkeoaen,    es   nind 


MiBoeUen.  179 

deren  höehstens  12,  je  4  oben  und  tioien  and  je  2  in  der  Mitte  der  Seiten. 
Aus  den  Sch&deln  scbliesBt  v.  Holder,  dass  die  Bevölkerung  urBprünglich 
dem  rb&to-Barmatischon  Typus  angehört  eu  haben  aoheine  und  dass  später 
Mb  ear  Mitte  des  8.  Jahrhunderts  der  reine  germanische  Typus  der  Rei- 
hengr&ber  imm«r  häufiger  geworden  sei. 

In  der  nach  einer  Pause  um  2  Uhr  beginnenden  NachmittagssitBung 
machten  Török  und  Virchow  anatomische  Mittheiiungen. 

Dm  4  Uhr  schliesst  der  Yorsitaende  die  Verhandlungen.  Die  Wagen 
standen  bereit  zur  Fahrt  nach  der  Walhalla,  die,  wenn  auch  ein  Griechen- 
tempei)  doch  in  würdiger  Weise  deutschen  Ruhm  und  deutsche  Grösse  in 
seine  Marmorwände  einsohliesst.  Die  Versammlung  war  von  247  Thefl- 
nehmem  besucht,  darunter  waren  95  Einheimische.  Diesmal  zog .  ein  grosser 
Theil  der  Anthropologen  nicht  heimwärts,  wie  es  sonst  der  Fall  ist,  son- 
dern nach  Salzburg,  wohin  die  Wiener  Anthropologische  Gesellschaft,  um 
ein  solches  Zusammentreffsn  herbeizuführen,  ihre  zweite  Jahresversammlung 
berufen  hatte. 

Die  zweite  Jahresversammlung  der  Wiener  Anthropologischen  Gesell- 
schaft wurde  in  Salzburg  am  Freitag  den  12.  August  um  9  Uhr  im  Saale 
der  neuen  Oberrealschule  durch  den  Präsidenten  Freiherrn  t.  Sacken  er- 
öffnet, der  die  Versammlung  im  Namen  dersdben  willkommen  hiess.  Die 
Versammlung  wählte  zu  ihrem  Vorsitzenden  den  Grafen  Wurmbrand,  zu 
dessen  Stellvertreter  v.  Sacken,  zu  Schriftführern  Dr.  Much  und  Dr.  Pirk- 
mayer.  Wurmbrand  freut  sich  des  zahlreichen  Besuches  und  dass  so 
viele  ausländische  Gelehrte  der  Einladung  entsprochen  hätten.  In  Oester- 
reich  sei  der  wissenschaftliche  Eifer  für  unsere  Forschungen  nicht  so  rege 
wie  anderwärts,  die  verschiedenen  Nationalitäten  legten  einem  einhtttlichen 
Vorgehen  Hindernisse  in  den  Weg.  Die  Hochschulen  fingen  erst  an,  diese 
Studien  zu  wttrdigqn.  Das  Land  besitze  reiche  Schätze  in  seinen  P£Akl- 
bauten,  Höhlen,  Gräbern  wie  in  den  Stätten  ältesten  Bergbaues.  Schon  vor 
den  Römern  habe  man  hier  Kupfer,  Eisen  und  Salz  gewonnen.  Wichtige 
ethnologische  Fragen  seien  noch  nicht  gelöst.  Welches  ist  die  Stellung  der 
Kälten  zu  den  Etruskem?  Woher  hatten  jene  ihre  Obltur?  Eine  selb- 
ständige Industrie  mit  eigenen  Formen  sei  den  Kelten  nicht  abzusprechen. 
Kaiiographisohe  Aufnahmen  seien  in  Ungarn  und  Ocsterreich  begonnen, 
er  hoffe,  dass  eine  archäologische  Karte  in  nicht  zu  ferner  Zeit  zustande 
kommen  werda  Diese  Versammlung  werde  zu  neuen  Forschungen  an- 
regisn.  Hofirath  v.  Steinhauser  bagrüsst  in  Abwesenheit  des  Statthalters 
die  Versammlung.  Die  Staatsregierung  bringe  dem  Aufbltüien  der  jungen 
Wisseoschafit  die  wärmsten  Wünsche  entgegen;  er  biete  als  ihr  Vertreter 
den  Oeiehrtett  die  bdiördliche  Unterstütsung  an  zu  jeder  Zeit  und  wisse 
die  Ehre  ihres  heutigen  Besuches  zu  schätzen.  Herr  Bürgermeister  Biebl 
dankt   im  Nanm   der  Stadt,    die    indessen    nur   bescheidene  Sammlungen 


180  Miacellen. 

bieten  könne,  eumal  die  der  einatigen  üni*eraitat  and  des  Muaenm  CaroUno- 
Angueteiim.  Die  Reihe  der  Vorträge  beginnt  Dr.  Prinzinger,  der  in  den 
Namen  der  Berge,  Flüase  und  Thiiler  den  Hnuptbeweie  findet,  dasa  die 
älteBten  Bewohner  des  Landes  Deutsche  gewesen  seien.  Scliou  der  Cbroniat 
des  vorigen  Jahrhunderts  Thadd.  Zivnaer  erklärt  die  Noriker  für  Deutsche. 
Halleoni,  die  römische  Benennung  der  Bewohner,  komme  nicht  von  dem 
keltischen  ha],  Salz,  sondern  von  Hallung,  dem  Gebäude  für  dio  Sakbe- 
reitung,  das  aächaiscbe  Halle  habe  nie  Kelten  gesehen.  Pintschgan  heisGe 
Binsengau,  wie  es  ein  Bohnen-  und  Schiefergau  gebe.  Die  Wasser  hieasen 
Achen,  die  Thäler  Auen,  mehrere  bilden  das  Gau.  Das  höchste  Gebli-ge 
des  Landes,  die  Tauernkette,  bewahrt  noch  den  Namen  der  alten  Tauriaker. 
Änch  fremde  Namen  gebe  es,  diese  seien  romanisch  und  slawisch.  Dr.  Steub 
hat  im  Lande  Salzburg  zahlreiche  römtscha  Bof-  und  Dorfuamcn  nachge- 
wiesen. Redner  schlieeBt  mit  dem  Satze :  Deutsche  bairischen  StammeB 
haben  das  Land  bevölkert.  Wnrmbrand  legt  hierauf  die  von  ObleDBchlagor 
bearbeifete  arcbäologieche  Karte  von  Baiern  vor,  auf  der  auch  die  römischen 
Strassen  gezeichnet  sind  und  der  eine  Fundchronik  beigegeben  ist.  Er 
empfiehlt  sie  als  ein  Muster  für  ähnliche  Arbeiten.  Mit  Anerkennong 
weist  er  auf  die  acht  Hefte  des  von  Dr.  Voss  herausgegebenen  Albums  der 
Berliner  prähistorischen  Ansstellung  hin.  Nun  tritt  Dr.  ZiUner  als  Ter- 
tbeidiger  der  keltischen  Vorzeit  dieses  Landes  auf.  Er  glaubt,  daas  die 
sprachliche  Ausbeute  in  die  Irre  fDhre.  Deutsche  erscfaienea  hi«r  ent  am 
650  unserer  Zeitrechnung.  Strabo  nennt  die  Tanrisker  in  Noricnm  mit 
andern  ein  keltisches  Volk,  das  auch  am  Po  wohne.  Tacitas  bezeichnet 
ausdrücklich  Noricnm,  Pannonien  nnd  Bhätien  als  Grenzländer,  die  nicht 
zu  Deutschland  gehören.  Strabo  nennt  die  Boier  mit  den  Norikem  ein 
nördlich  über  die  Alpen  hinaus  wohnendes  Volk;  sie  haben  nichts  mit  den 
Baiem  zu  thon.  Sie  sind  zu  Caesars  Zeit  von  den  Markomannen  aus 
ihrem  Lande  vertrieben  worden  und  flflcbteten  zu  den  Noriksrn,  den  Hel- 
vetiern  and  Hadnern.  Herodot,  400  bis  420  v.  Chr.,  kennt  noch  keine 
Kelten,  weder  am  Po,  noch  am  Fnsse  der  Alpen.  LiviuB  berichtet  über 
die  Züge  der  Kelten  im  4.  Jahrhundert  v.  Chr.  über  den  Rhein  nnd  nach 
Oberitalian,  sie  stehen  im  Jahre  386  vor  Clnsium,  sie  ziehen  nach  Delphi 
und  weiter  nach  Osten.  Nach  Tacitas  sind  auch  die  Boier  über  den  Rhein 
eingewandert.  Zur  Zeit  der  Römer  waren  die  AlpenÜiäler  keltisch.  Zu 
Ende  des  5.  Jahrhunderts  nennt  noch  Zosimus  die  Noriker  and  Bbfttier 
Kelten.  Aber  diese  Kelten  hatten  eine  weit  höhere  Cultar  ab  die  nörd- 
lichen Germanen.  Sie  hatten  vor  den  Römern  Städte  gegründet  nnd  beuteten 
die  Mine  falsch  ätze  des  Landes  ans.  Claudius  gab  f^nf  Städten  das  römische 
Stadtrecht,  Ftolemäus  nennt  xwölf  Städte  in  Noricum.  Rasch  vollzog  sich 
die  Romanisirang  der  Kelten.  Ihre  Götter  behalten  die  alten  Namen:  Bei, 
GrannuB,  Teutates.     Alounae    heissen    die  von    ihnen   verehrten  weibliohen 


1 


Misoellen.  161 

Wesen.  Das  Keltentham  dauerte  von  400  v.  Chr.  bis  564  d.  Chr.  Die 
deutschen  Ortsnamen  im  Lande  sind  späteren  Ursprunges.  Muoh  tadelt 
es,  dass  man  überall  die  Kelten  sehen  wolle,  sogar  in  Aegypten.  Das 
Keltische  soll  die  Ursprache  des  Menschen  sein,  Grimm  selbst  sei  Kel- 
tomane  gewesen,  aber  er  warne  vor  Abwegen.  Holtemann  habe  die  Ueber- 
einstimmuDg  der  Kelten  und  Germanen  bewiesen.  Wie  man  in  der  Erd- 
bildung keine  Katastrophen  mehr  annehme,  so  soll  man  auch  im  alten 
Völkerverkebre  die  Vorstellang  gewaltsamer  Elreignisse  aufgeben  und  eine 
allmähliche  naturgemässe  Entwicklung  der  Völker  an  deren  Stelle  setzen. 
Mit  den  Römern  sei  in  Noricum  das  ganze  Keltenthum  verschwunden.  Dio- 
nys  von  Halicamass  sage  deutlich,  der  Rhein  durchschneide  das  Kelten- 
land, und  Strabo  nenne  die  Germanen  echtej^Kelten.  Er  macht  auf  die 
Uebereinstimmung  der  Kunstarbeiten,  der  Gebräuche,  des  Cultus  bei  den 
alten  Völkern  aufmerksam,  die  man  Etrusker,  Kelten,  Germanen  nenne. 
Sind  die  Bronzegürtel  von  Hallstadt  etruskisch?  Dieselben  Dinge  findet 
man  bei  Bologna.  Bei  den  Semnonen  wurde  das  Bild  der  Göttin  Hertha 
auf  einem  Wagen  von  Kühen  gezogen,  auch  die  Gothen  führten  ihr  Götter- 
bild auf  Wagen  umher.  Im  Triumphzug  des  Aurelianus  wurde  von  Hir- 
schen gezogen  ein  Wagen  mit  dem  Götterbalken  aufgeführt  und  Gregor 
von  Tours  berichtet,  dass  man  in  Gallien  einen  Wagen  mit  dem  Bilde  der 
Berecynthia  durch  die  Felder  gefahren  habe.  Können  die  in  Brandenburg, 
Schlesien  und  Steiermark  gefundenen  Bronzewagen,  die  man  den  Etruskem 
zuschreibt,  nicht  ähnlichen  gottesdienstlichen  Gebräuchen  gedient  haben? 
Es  sitzen  Schwäne  darauf,  aber  die  Schwäne  spielen  in  nordischen  Sagen 
eine  wichtige  Rolle.  Virchow  meint,  Keltomanen  gebe  es  nur  in  Deutsch- 
land, Bertrand  theile  die  Kelten  so  ein  wie  Polybius.  Die  Aussagen  der 
Alten  seien  wichtig,  aber  literarisch  lasse  sich  die  Sache  nicht  erledigen. 
Much  habe  zu  wenig  auf  Caesar  Rücksicht  genommen.  Er  erinnert  an 
die  Schwierigkeit  ähnlicher  modemer  Verhältnisse,  an  seine  Beurtheilung 
der  Finnenfrage.  Die  Völkerbewegungen  in  AMca  verdienten  des  Ver- 
gleiches halber  die  grösste  Beachtung.  Wie  verhalten  sich  die  heutigen 
Neger  zu  den  alten  Aethiopen?  Auf  den  deutschen  Ursprung  der  Namen 
in  Noricum  dürfe  man  keine  Schlüsse  bauen,  denn  in  Kleinasien  seien  die 
griechischen  Ortsnamen  ganz  erloschen,  man  treffe  nur  türkische.  Schaaff- 
hausen  sagt,  dass  vor  allen  Dingen  die  kraniologische  Forschung  hier 
mitzusprechen  berufen  sei.  Auf  der  Versammlung  in  München  habe  man 
schon  vergeblich  nach  den  besondern  Merkmalen  des  Keltenschädels  ge- 
fragt. Vor  25  Jahren  habe  er  bereits  bei  Besprechung  der  1855  erschie- 
nenen neuen  Schrift  von  Holtzmann:  Kelten  und  Germanen,  zwei  dolicho- 
cephale  Germanenschädel  von  Cannstadt  mit  der  von  Bory  St.  Vincent, 
Latour,  Serres,  Retzins  und  Prichard  gegebenen  Beschreibung  des  Kelten- 
schädels 80  übereinstimmend  gefunden,    dass  er  dies  als  eine  wichtige  Be- 


1 


I6B  MiiMltoB. 

stätigung  der  HoltzaiHiiiiBchen  Aneicbt  bezeiohiiet  b»be.  Zfthlreiohe  epatere 
Beobachtungen  bätten  kein  anderes  ErgebnUs  gehabt.  Schon  Str&bo  sage, 
daea  Kelten  und  GerniAnen  ia  Gestalt^  Sitte  und  Lebenaweiae  vieles  ga- 
inein  hätten.  Es  könnten  wiederholte  germanische  Kinwanderungon  rbb 
Asien  stattgefunden  baben,  die  ersten,  die  bis  Gallien  und  zur  pyrenäisobea 
HalbioBel  vordrangen,  kamen  hier  mit  phdniaiacber  and  grieobischer  Cnltnr 
in  Berührnng  und  erlangten  eine  höhere  Bildung  aia  die  nachrückenden, 
im  mittlem  nnd  nördlichen  Deutschland  bleibenden  StÄmme.  Wichtig  aeiea 
die  Worte  dos  Tadtua,  Agiicola  11:  „Die  BrJtannier  bleiben,  was  die  Gal- 
lier ehemals  waren."  Noch  deutlicher  sagt  Strabo,  IV,  4,  die  alten  Sittan 
der  Gallier  seien  dieselben  gewesen,  die  noch  bei  den  Germanen  bestehen. 
Wenn  Caesar  die  Belgier  nnd  Gallier  verschiedene  Spraclien  reden  läaat, 
so  kann  sich  das  auf  verschiedene  Mundarten  beziehen.  Vielleicht  sprachan 
alle  Germaneu  keltisch,  es  sind  uns  wenigstens  keine  andern  germanischen 
Sprachreste  ans  jener  Zeit  bekannt,  in  die  das  Keltische  hinaufreicht. 
Nimmt  doch  der  Suevenkönig  Ariovist  die  Schwester  eines  norisühen  Für- 
sten zum  Weibe.  Muoh  bemerkt  gegen  Vircbow,  dass  selbst  Brandes  zu- 
gebe, dasB  Caesar  die  nichtigsten  Beweise  für  die  Identität  drr  Kelten 
und  Germanen  Uefere.  OhlenschUger  führt  an,  dass  in  den  zahlreichen 
römischen  Inschriften  kein  deutscher  Personenname  vorkomme,  dasa  an  die 
römische  Zeit  sich  die  getmanischen  Reibengrüber  anschlieasen  nnd  daas  in 
dieser  Zeit  eine  bedeutende  Veränderung  der  Bevulkeruog  erfolgt  sei. 
JICeblii  hoiteht  daranf,  daas  CMsar  die  Gallier  tob  den  Germanwi  natar- 
soheide.  Tirohow  glaubt,  die  Vindelicier  könnten  lUyrier  od«-  Pelosgsr 
sein.  Broca  anteracheide  sweierlei  Formen  des  Keltensch&dels,  die  bracliy- 
cephale  Form  der  Savoyarden  habe  er  bis  zn  den  Galtebas  im  Altai  ver- 
folgt. Die  heutigen  Albanesen  seien  unzweifelhaft  brachycephal,  Oermaoen 
und  Kelten  könnten  so  verschieden  gewesen  sein,  wie  Germanen  und  Slaven. 
Die  abendländieche  Cultur  habe  jedenfalls  einen  östlichen  Ursprung.  Hier- 
mit achlosB  die  Sitzung.  Um  4  Uhr  wnrde  das  städtische  Museum  be- 
sucht, das  in  seinen  alten  gewölbten  Räumen  nicht  nur  eine  stattliche  vor* 
historische  und  römische  Alterthümersammtung  besitzt,  worüber  ein  tod 
E.  Richter  verfasates  Verzeiobniss  mit  archäologisober  Karte  Auskunft  gibt, 
sondern  auch  zahlreiche  mittelalterliobe  Gegenstände  und  ganze  Zimmer- 
einrichtungen der  letztvergangenen  Jahrhunderte.  „Das  römische  Leben 
hatte  sich  nur  längs  der  römischen  Strasse  entwickelt,  an  ihr  liegen  die 
Fundorte  dicht  gesät,  in  den  Nebentbälern  findet  sich  nahezu  nichts;  wm 
dort  sich  ergibt,  ist  meist  vorrömisch,  wie  die  Funde  von  Mitterberg, 
Brack,  Saalfelden,"  So  heisst  ea  in  jener  Schrift.  Gegen  Abend  wurde 
der  Mönchsberg  erstiegen,  von  dem  aua  man  den  herrlichsten  Blick  auf 
die  eine  weite  grüne  Ebene  bc^eozende  TaaernkeUe  hat.     Die  Sonne  war 


BfiMlellal.  180 

•cbon  unter,  all»  auf  der  aodeni  Seite  die  malerische  Stadt  noch  zu  unsem 
Fassen  lag. 

Am  Sanstag  den  13.  begann  die  Sitsung  um  9  Vhrf  Vor  Beginn 
derselben  hatte  sieh  der  Kronprina  Rudolf  von  Oesterreioh  eingefunden. 
Nachdem  er  die  kleine  prähistorisdie  Ausstellungy  in  der  Pfahlbaofunde 
vom  Mondsee  und  Neufch&teler  See,  Höhlenfunde  von  Stromberg  und  die 
Sammlung  Petermandels  von  Messern  aller  Zeiten  und  Völker  an  wAmi 
wat,  mit  grossem  Interesse  betrachtet,  wohnte  er  den  Verhandlungen  bia 
zur  ersten  Pause  bei.  Ghraf  Wurmbrand  sprach  über  die  Elemente  der 
Formgebung  und  ihre  Entwicklung.  Die  ersten  und  einfacdisten  Fotmen 
des  Kunstgewerbes  seien  aus  dem  unmittelbaren  Bedürfüiss  and  aus  Matur- 
naehahmung  entetanden.  Diesen  Ursprung  verrathe  auch  noch  der  weiter 
sich  entwickelnde  Formenkreis.  Zuletot  trete  dann  ein  bestimmteri  oha- 
rakteristischer  Stil  auf,  der  um  so  mehr  festgehalten  werde,  je  abgezohlos* 
■ener  das  Land  sei*.  Ee  entstehen  auch  Mischformen  wie  heute,  wo  sie 
vielleicht  nur  in  China,  Japan  und  Indien  fehlen.  Ka£fem  und  Busch« 
mftnder  ahmen  bloss  die  Natur  nach,  die  sesshaften  Pfahlbauer  erfinden 
schon  das  Ornament,  für  welche*  dos  Oeflecht  ein  Vorbild  ist.  Thonkrüge 
im  Laibacher  Moor  ahmen  den  Schlauch,  andere  die  E&rbisflasche  nach. 
Mit  Zähigkeit  hängen  die  Slaven  an  alten  Formen«  Da  findet  man  heute 
noch  eine  Fülle  alter  Motive  in  Geweben  und  Stickereien.  In  Galizien  wer- 
den  noch  Töj^e  aus  der  Hand  geformt  und  mit  Graphit  geschwärzt.  In 
Slavonien  sind  römische  und  etruskische  Formen  in  Gebrauch,  in  Bosnien 
Drahtarbeiten,  den  prähistorischen  ähnlich.  In  den  Volkstrachten  zeigt 
sieh  dasselbe.  Die  Kopanken  der  Südslaven  sind  wc^l  die  älteste  Fuse- 
bekleidong,  den  Ledefgurt  finden  wir  wie  in  den  alemannischen  Gräbern. 
Der  Hakenstock  der  Magyaren  ist  ein  altes  Würdezeichen,  der  goldver^ 
schnürte  Rock  geht  auf  Attila  zurück,  der  gothisohe  Kleidmg  annahm« 
Das  magyarische  Nationalcostüm  ist  germanisch!  Woldrich  schildert  den 
Haushund  det  prähistorischen  Zeit.  Rutimeyer  nannte  den  Hond  der  Pfahl- 
bauten canis  pHlustris.  Jeitteles  fand  bei  Olmikta  eine  zweite  Basse,  den 
Bronzehnud,  der  grösser  war«  und  nannte  ihn  canis  fam.  matris  optimae; 
Woldrich  fand  unter  den  Funden  von  Weikersdorf  eine  dritte  Form^  den 
canis  fam.  intermedius.  Nach  Strobel  gleicht  der  erste  dem  Jagdhunde, 
der  zweite  dem  Windhunde,  der  dritte  dem  Schäferhunde;  er  fand  in  den 
Terramaren  noch  eine  vierte  Form,  canis.  fam.  Spaletti,  den  er  für  den 
Ahn  unseres  Spitzes  hält.  Woldrich  glaubt  in  der  Sehipkahöhle  den  Vor* 
üahren  des  Torfhundes  gefunden  zu  haben,  er  hält  ihn  für  diluvial  und 
nennt  ihn  canis  Mikii,  er  ist  klein  und  dem  Schakal  verwandt^  während 
Bourguignat's  canis  ferus  gross  ist.  Da  in  jener  Höhle  zwei  Eckzähne 
von  jungen  Hunden  durchbohrt  gefunden  wurden,  so  scheint  es,  dasi  sie 
aar  Nahrung  gedient  haben.     Schaaffhikusen  sagt,   es  sei  nkht  zweifei- 


IBi  Miscellen. 

haft,  dasB  einige  Hände  Tom  Wolfe  stammten,  denn  ea  unterscheide  sich 
dieser  von  jenen  im  Skelet  nur  durch  gröBsere  Stärke.  Auch  gingen  In- 
dianer mit  gezähmten  Wölfen  znr  Jagd.  Steenstrnp  habe  in  den  däniacben 
Muschelhaufeu  den  Beweis  gefunden,  dasB  man  den  Hund  gegessen.  Dasa 
durchbohrte  Zähne  nicht  nur  ein  Schmuck  dea  Jägers  gewesen,  eondem 
als  Amalet  getragen  worden  seien,  habe  man  ia  alemannischen  Gräb«rn 
beobachtet,  wo  sie  bei  Kindern  lagen,  wahrscheinlich  als  ein  Mittel  glQdf 
liehen  Zahnens.  Nun  gab  Holub  einen  sehr  ansprechenden  Bericht  über 
seinen  siebenjährigen  Aufenthalt  in  Südafrika.  Er  unterscheidet  drei  Stämme, 
die  Buschmänner,  die  Hottentotten  nnd  die  Itautu.  Dieser  ist  der  bedeu- 
tcndsle,  der  sich  stark  vermehrt;  der  Zweig  der  Betachiianen  ist  der  krie- 
gerischste, die  Hasutos  sind  Ackerbauer,  doch  stellten  sie  im  letzten  Kriege 
25000  Reiter  den  Engländern  gegenüber.  MEicbtige  Stämme  sind  seit  200 
Jahren  ganz  verschwundeu,  weil  in  den  Kriegen  alle  Männer  und  Fraaen 
niedergemacht  und  nur  Knaben  und  Mädchen  gescliout  wurden.  Es  gibt 
viele  Kreuzungen.  Die  Sitten  sind  sehr  verBchieden.  Bei  den  Mataberi 
wird  das  Weib  gar  nicht  als  ein  menschliches  Wesen  angesehen,  bei  anderen 
Stämmen  sind  die  Franen  hochgeehrt.  Die  Hottentotten  verschwinden  all- 
mählich, auch  der  reine  Buschmann  stirbt  aus,  weil  er  sich  hartnäckig 
von  jeder  Civilisation  fernhält.  Die  herzlichste  Einladung  eines  Europäers, 
in  seinen  Dienst  zu  treten,  schlägt  er  aus.  Der  Boer  schiesst  ihn  nieder. 
Der  Baschmaon  liebt  die  Höhen,  wo  er  in  Höhlen  wohnt ;  er  benatst  ver- 
giftete Pfeile,  aber  dai  Wild  mangelt  ihm;  in  der  klaren  Luft  verfehlt  der 
Boer  auf  600  Schritt  nie  sein  Ziel.  Wunderbar  ist  seine  Kunst  im  Zeioh- 
nen,  doch  stellt  er  nur  den  Kopf  der  Thiere  richtig  dar,  das  andere  steht 
damit  in  keinem  Zusammenhang.  Mit  steinernem  Ueissel  gräbt  er  diese 
Bilder  in  den  Felsen,  man  findet  sie  auf  den  höchsten  Gipfeln  der  Berge 
wie  an  Blöcken  im  Flusse.  Die  W&nde  der  Höhlen  bemalt  er  mit  Ocker- 
farben. Hierauf  bespricht  Maechka  die  in  der  Schipkahöhle  bei  Stram- 
berg  gemachten  Funde  und  theilt  das  Gutachten  von  SchaaiThausen  aber 
den  daselbst  bei  einem  Feuerherd  gefundenen  menschlichen  Unterkiefer  mit, 
den  er  selbst  als  diluvial  bezeichnet.  Das  Knochenstück  seihst  ist  ausge- 
stellt. Nach  einer  Bemerkung  von  Luschan,  dass  der  mit  Gype  geflickte 
Knochen  eine  exacte  Untersuchung  gar  nicht  zulasse,  gibt  Tirchow  sein 
Urtheil  dahin  ab,  dass  der  Unterkiefer  der  eines  Erwachsenen  sei,  was 
schon  die  starke  Abnutzung  der  Zähne  beweise,  und  dass  hier  ein  Fall 
von  gehemmter  Entwicklung,  von  heterotypie  vorliege;  er  begreife  nicht, 
wie  man  den  Kiefer  als  pithekoid  bezeichnen  könne.  Schaaff hausen 
hält  die  Richtigkeit  dieser  von  ihm  gegebenen  Bezeichnung  aufrecht  nnd 
erklärt,  was  darunter  zu  verstehen  sei;  er  zählt  nicht  weniger  als  acht 
Merkmale  niederer  Bildung  an  dem  kleinen  KieferstQcke  auf.  Wankel, 
der    den  Fund    vorher  gesehen,    findet    die  Restauration    vortrefflich,    tritt 


MiBoellen.  185 

Schaaffliausen  bei  tind  macht  noch  aaf  den  sichtbaren  Rest  der  Symphyaen- 
Naht  aufmerksam.  Ein  so  seltsames,  noch  nie  gesehenes  pathologisches 
Object  soll  gerade  in  einer  Höhle  sich  finden!  Es  wird  bestimmt,  dass 
eine  Commission  am  Nachmittag  das  Kieferstück  untersuchen  soll. 

Die  Sitsnng  wird  um  4  Uhr  fortgesetzt.  Tischler  zeigt  an  vorge- 
legten Proben,  dass  das  Ornament  an  älteren  Bronzen  nicht  mit  Stahl- 
meisseb,  sondern  mit  Bronzemeissein  gearbeitet  ist.  Müllner  spricht  über 
die  Bedeutung  der  prähistorischen  Forschung  für  die  Geschichte,  Mehlis 
über  die  typischen  Formen  der  prähistorischen  Steingeräthe ;  die  Nephrit- 
und  Jadeitbeile  hält  er  für  Amulette.  Luschan,  von  seiner  Reise  eben 
zurückgekehrt,  schildert  unter  Vorlage  zahlreicher  Photograph ieen  die  Eth- 
nologie Lykiens.  Die  Gynaikokratie  des  alten  Volkes  betrachtet  er  als  in 
edlem  Frauendienst  und  in  Ritterlichkeit  begründet.  Ob  die  Lykier  griechisch 
gesprochen,  wisse  man  nicht.  Jetzt  lebten  100000  Ghriechen  im  Laude, 
welche  die  Türken  verdrängten.  In  Lykien  und  Earien  habe  man  Som- 
mer- und  Winierdörfer.  Virchow  knüpft  einige  Worte  über  das  trique- 
trnm  an,  das  auf  Bronzen  vorkomme  und  auf  den  gemalten  Gefässen  von 
2^borow  sich  finde.  Oft  zeigt  es  drei  Beine,  welche  die  laufende  Zeit 
darstellen,  man  sieht  es  auch  in  der  Mitte  eines  Sonnenbildes.  Frhr.  v. 
Sacken  spricht  über  einen  Bronzefund  von  Waatsch  in  Krain,  der  mit 
Schwanfiguren  und  concentrischen  Kreisen  geziert  ist  wie  Sachen  von  Hall- 
stadt. Eine  Fihgli  hat  zahlreiche  Anhängsel,  die  zum  Theil  kleine  Eimer 
darstellen.  Ueber  ein  Bronzeblech  ist  ein  Eisen  genietet.  Schaa  ff  hau- 
sen entwickelt  seine  Ansichten  über  die  Mammutzeit,  wie  und  wann  man 
sich  das  Aussterben  dieses  Thieres  zu  denken  habe.  Es  scheine  im  Nor- 
den Asiens  länger  gelebt  zu  haben  als  in  Europa.  Das  sei  von  seinem 
Begleiter  wenigstens,  dem  Rhinoceros,  sehr  wahrscheinlich,  dessen  Hürner 
im  Norden  nicht  selten  gefunden  wurden  und,  weil  man  sie  fär  Klauen 
hielt,  zur  Sage  vom  Vogel  Greif  Veranlassung  gaben.  Bei  uns  haben  sie 
sich  nicht  erhalten.  Jene  Stelle  des  Strabo,  L.  IV,  5,  wo  er  sagt,  dass 
die  alten  Briten  verarbeitetes  Elfenbein  nach  Gallien  ausführten,  lässt  an- 
nehmen, dass  der  Mammutzahn,  der  heute  mürbe  und  zerfallen  ist,  vor 
2000  Jahren  noch  hart  war.  In  Sibirien  hat  sich  durch  die  Kälte  das 
fossile  Elfenbein  bis  heute  so  gut  erhalten,  dass  es  noch  bearbeitet  werden 
kann.  Dass  in  den  2000  Jahren  v.  Chr.  in  Westeuropa  eine  hohe  Kälte 
geherrscht  haben  soll,  ist  nicht  annehmbar;  schifiten  doch  um  diese  Zeit 
die  Phünicier  nach  den  Küsten  der  Nordsee.  Wenn  die  letzten  Mammute 
vor  längerer  Zeit  als  2000  Jahren  v.  Chr.  gelebt  hätten,  so  würden  ihre 
Zähne  zu  Strabos  Zeit  nicht  mehr  hart  gewesen  sein.  Die  in  den  Höhlen 
von  Steeten  undKrakau  gefundenen  Wafien  aus  Mammutknochen  beweisen 
noch  mehr  als  die  Sachen  aus  Elfenbein,  dass  der  Mensch  die  Knochen  im 
frischen  Zustande   benutzte.     Das  Mammut  war  in  Europa  ein  Zeuge  der 


I 


»a  Miwallen. 

Eiuceit,  Dnrch  diu  Zurfiukweicben  der  Tag-  und  Nacblgleichea,  daa  eioe 
Periode  von  21500  Jaliren  macht,  fiel  die  grösBt«  Kälte  um  dae  Jfthr  9fiOO 
V.  Cbr.  Nnch  Morlots  Berechnungen  am  Scbutikegel  der  Tiniere  lipgt  dift 
Mammatzeit  9  bis  10000  Jahre  hinter  uns.  Ea  ist  wahrscb  ein  lieber,  dan 
vor  4000  Jahren  noch  Unniniute  gelebt  li&hen,  als  daag  man  für  die  Zeit 
aeit  ihrem  Versuhwinden  einige  100000  Jtibre  zugestehen  acU.  Frbr.  t. 
Düuker  erhebt  Ein sprucb  gegen  eine  so  kurze  ScbätEUng  der  letzten  Pe- 
riode der  Vorzeit.  Ohlenachlager  apriolit  über  aichiiologiache  Karten 
und  die  Wohl  der  Zeichen.  Bartels  erstattet  kurz  den  Hericht  der  Commi«- 
sion:  sie  kann  den  Kieler  von  Nentitechein  niobt  für  pitbekoid  erklären 
und  hat  denselben  auf  Antrag  von  Schaafflmuseii  zu  wiederholter  Unt^r- 
Buchnng  Virchuw  übei'geben.  Uer  Vorsitzende  schliesst  die  Versammlung, 
an  der  2T0  Mitglieder  theilgenomnien  hatten. 

Am  Sonntag  fand  der  Ansflng  nach  Hallein  statt,  wo  man  im  Heida- 
stollen  noch  die  erhaltenen  Uolzätiele  der  alten  Bronzeäxte  gefunden  hat.  Von 
hier  ging  ea  auf  den  Düirenberg.  Nachmittags  wurde  nach  Bis uhofGhofen  ge- 
fahren und  der  Golschenberg  crstiegeu.  Eine  Grabung  lieferte  nur  ver- 
zierte Thonscberben,  wo  mnn  früher  Pfeilspitzen  aus  Fenerstein,  Steinbäm- 
mer  und  Eisenaacbea  gefunden  hatte.  Der  fortdauernde  Hegen  gestattet« 
die  Ersteigung  des  4800  Fusb  hohen  Mitter? berges,  dessen  alte  Kupfer- 
werke besichtigt  werden  sollten,  nicht  mehr.  So  vereinigte  denn  der  Abend 
die  Forseber  zum  letztenmal^  in  Gisohofahofen. 

SohBaffhauseu. 

25.  Rothe  Edel  steine  fiAnkiecben  und  alemaanischen  Ooidscfamncka. 
Gleichzeitig  mit  den  Untersuchungen  über  den  Schmuck  von  rotlien  Edel- 
steinen, welobe  Prof.  aus'm  Weerth  am  letzten  Winkelmannafest* 
vortrug  (vergl.  S.  202),  und  die  voraussiohtlicb  im  nächstfolgenden  Jahi^ 
buch  mit  Abbildungen  erscheinen,  wird  aus  U uneben  folgendes  mitgetheilt: 

Infolge  der  Zoaammenatellung  uod  Vergleicbung  der  interessanten 
Gräberfunde  aus  Nordendorf,  Fürst  u.  s.  w.  im  Bairisohen  Natiooal-Hu- 
seum  sowie  des  in  neuester  Zeit  erworbenen  Fundes  ans  einem  Felaen- 
grabe  bei  Wittislingen  an  der  Donau  wurden  in  Betreff  der  Gescbmacka- 
richtung  and  der  tecbnischeu  Fertigkeit  der  dunkeln  Zeit  vom  8.  bis  zum 
11.  Jahrhundert  wichtige  Anfscblüsse  gewonnen.  So  hat  u.  a.  der  könig- 
liche Uni  versitz  ts-Professor  Dr.  v.  Jollf ,  dem  Ersuchen  des  National- Mosenmu 
entaprechend,  die  im  Gold-  und  Silberschmucke  jener  Gräberfunde  so  häufig 
vorkommenden  rotben  Steine,  welcbe  meistens  für  Glasflnss  gebalten  wur- 
den, einer  gründliohen  Untersuchung  unterworfen  und  der  Direction  des 
Bairisehen  National- Muse  ums  das^Ergebniss  seiner  Forschung  zugehen  lai- 
sen.  Es  mag  manchem  Techniker  wie  Mineralogen  nicht  uninteressant 
sein,  wenn  wir  hier  seine  Worte  folgen  lassen:  „Aus  dem  Bruchstücke  des 
Schmuckes  wurden   zwei  Plättchen,    die   in  Farbe  und  Glanz  Verschieden- 


Miscellen.  167 

heiteii  zeigten,  gelöst  und  der  Prüfung  unterzogen.  Die  dünnen  röth- 
liohen  Plättchen  sind  Zirkonite,  nach  dem  Vulgärnamen  Hyacinthe.  Sie 
stehen  als  Edelsteine  unmittelhar  üher  den  echten  Granaten,  die  sie  in 
Härte  und  spedfischem  Gewichte  übertreffen.  Das  specifische  Gewicht  des 
geprüften  Plättchens  ergab  sich  zu  4,45,  während  das  der  echten  Grana- 
ten nur  4,20  ist.  Die  Hyacinthe  waren  bereits  im  Alterthum  als  Edel- 
steine verwendet.  Sie  wurden  langehin  als  Varietäten  des  echten  Granaten 
betrachtet.  Erst  nach  Begründung  wissenschaftlicher  Chemie  wurde  1787 
durch  des  Chemiker  Klaprath  nachgewiesen,  dass  Hyacinthe  und  Granaten 
chemisch  verschieden  zusammengesetzte  Mineralien  sind.  Hyacinthe  beste- 
hen in  einer  chemischen  Verbindung  von  Zirkon-Erde  und  Kiesel -Erde, 
Graoatan  ans  einer  Verbindung  von  Thon-Erde  und  Kiesel-Erde.  Die  grös- 
sere Härte  der  Hyacinthe  hat  zum  Erfolge,  dass  dieselben,  geschliffen  und 
polirt,  einen  grössern  Glanz  annehmen  und  bewahren.  Die  tief  dunkel- 
blauen Steine  des  Schmuckes  sind  Amethyste,  d.  i.  kiystallinischer  Quarz. 
Die  Farbe  hängt  von  einer  geringen  Beimengung  von  Mangan -Oxyd  ab. 
Das  specifische  Gewicht  des  untersuchten  Plättchens  ergab  2,52,  ist  also 
bedeutend  geringer  als  das  der  Hyacinthe.  Ebenso  stehen  die  Amethyste 
den  Hyacinthen  bedeutend  an  Härte  nach.  Sie  werden  noch  als  Edelsteine 
verwendet,  sind  aber  von  geringerm  Werthe.  In  der  Politur  nehmen  sie 
geringern  Glanz  an  und  werden  mit  der  Zeit  matt,  wie  sich  dies  auch  an 
den  Gräberfunden  fm  Bairischen  National -Museum  erkennen  lässt.  Die 
Fassung  der  Plättchen  ist  Gold,  die  Unterlage  fein  gesohlemmter  Töpfer- 
thon.« 

26.  Stollberg  (Kr.  Aachen).  Unweit  der  Station  Stollberg  auf 
dem  Terrain  des  Eschweiler  Bergwerks- Vereins  ist  eine  römische  Villa 
anfgedecl^t  worden,  deren  im  Bechteck  mit  vorspringenden  Rysaliten 
projectirter  Grundriss  dem  üblichen  Schema  der  kleineren  Villen  ent- 
spricht. Aus'm  Weerth. 


IV.  Jahresbericht  der  Vereinsjahre  1879  und  1880. 

Die  Darlegung  des  Standes  unseres  Verein  aletjens  findet  alljähr- 
lich In  den  von  den  Stntuten  vorgesehenen  Generalversammlungen  statt. 
Im  vorigen  Jahre  machte  der  Vorstand  von  dem  statutarischen  Rechte, 
welches  ihm  gestattete  den  Ort  der  Generalversammlungen  zu  bestim- 
men, zu  Gunsten  Di'lsseldorfs  Gebrauch.  Es  war  dafür  nicht  allein 
der  Umstand  euipfehleud,  dass  seit  dem  Bestehen  des  Vereins  in  Düs- 
seldorf demselben  stets  eine  grössere  Anzahl  von  Mitgliedern  ange- 
hörten, sondern  die  Gleicbmässiglieit  der  von  dem  Vereine  nach  allen 
Seiten  geförderten  Ausstellung  Kunstgewerblicher  Alterthilmer  ma&s* 
gebend.  Der  Vorstand  glaubte  durch  eine  Combination  der  General- 
versammlung mit  einer  sachkundigen  Führung  innerhalb  der  Ausstel- 
lung den  Wünschen  ihrer  Theilnehmer  zu  entsprechen.  —  Die  Gene- 
ralversammlung fand  am  18  Juli  1880  Vormittags  in  Düsseldorf  unter 
Leitung  des  zeitigen  Präsidenten  statt.  Indem  derselbe  des  im  Gros- 
sen und  Ganzen  gleichbleibenden  Bestandes  von  700  Mitgliedern  des 
Vereins  und  unter  diesen  besonders  der  Gestorbenen  gedachte,  ehrte 
er  in  ausführlicher  Darlegung  die  grossen  Verdienste  des  heimgegan- 
genen  Professors  der  classischen  Archäologie  in  Heidelberg,  unseres 
unvergesslichen  auswärtigen  Secretärs  Hofrath  Bernhard  Stark, 
der  ungeachtet  seiner  vielfachen  akademischen  Pflichten,  seiner  umfang- 
reichen litterarischen  Thätigkeit,  welche  mit  dem  Erscheinen  der  ersten 
Lieferung  seines  „Handbuches  der  Archäologie  der  Kunst"  an 
dem  Hauptwerke  seines  Lebens  angelangt  war,  immer  Zeit  und  immer 
Bereitwilligkeit  fand,  imserm  Verein  zu  dienen,  wenn  es  galt,  dessen 
Ziele  und  Interessen  zu  fordern. 

Vermögensbestand  und  Vereinsthätigkeit  bewegten  sich  in  den 
gleichmässigen  Buhnen  wie  früher.  Obgleich  unter  den  im  Jahre 
1879/80  herausgegebenen  Jahrbüchern  Heft  65,  66  und  07  das  erstere 
—    welclies  das  längst   als  Bedürfniss  empfundene  Register   zu  den 


Jahresbericht  der  YereiiiBJahre  1879  und  1880.  189 

ersten  50  Jahrbüchern  enthält  —  allein  einen  Kostenaufwand  von  2141 
Mark  erforderte,  so  verblieb  bei  einer  Einnahme  von  7653  und  einer 
Gesammtausgabe  von  7221  Mark  immerhin  noch  ein  Baarbestand  von 
432  Mark,  nebst  243  Mark  rückständiger  Beiträge  Die  Generalver- 
sammlung ertheilte ' dem  Yereinsrendanten  Rechnungsrath  Fricke  die 
Decharge  für  die  gelegte  Rechnung  und  gab  dem  Vorstand  durch 
dessen  einstimmige  Wiederwahl  ein  Zeichen  ihres  Vertrauens.  Herr 
Direclor  Dr.  Eortegarn,  welcher  mit  mustergültiger  Pflichttreue  5 
Jahre  das  Amt  des  ersten  Secretärs  im  Vorstande  geführt,  war  durch 
seine  üebersiedelung  als  Director  der  Wöhler- Schule  nach  Frankfurt 
a.  M.  die  auf  ihn  gefallene  Wahl  anzunehmen  ausser  Stande,  wess- 
halb  die  Generalversammlung  dem  Vorstande  überliess,  die  erledigte 
Stelle  durch  Ciooptation  neu  zu  besetzen. 

Als  eines  besonderen  Ereignisses  darf  auch  der  Besuch  des  Mini- 
sterial-Directors  Hm.  Wirkl.  Geh.  Ober-Eegierungsrath  Greiff  ge- 
dacht werden:  derselbe  besichtigte  in  Folge  unseres  Antrages  um  Ver- 
leihung der  Corporationsrechte  im  October  1879  die  Sammlungen  und 
Bibliothek  des  Vereins  und  sprach  sich  über  dessen  Wirksamkeit  an- 
erkennend aus. 

Der  am  24.  September  in  Trier  sich  versammelnden  XXXIV. 
deutschen  Philologen-Versammlung  widmete  der  Vereinsvorstand  eine 
besondere  Festschrift^)  und  begrüsste  im  folgenden  Monat  die  zum 
25jährigen  Jubiläum  des  Historischen  Vereins  vom  Niederrhein  im 
Hansasaale  zu  Köln  statthabende  Generalversammlung  durch  eine  An- 
sprache seines  Präsidenten.  Ebenso  stattete  er  Glückwünsche  ab  dem 
Alterthumsverein  in  Lüttich  zum  gleichen  Jubiläum,  und  seinem  Ehren- 
mitgliede  dem  Wirkl.  Geheimrath  Dr.  von  Dechen,  Excellenz,  zu  des- 
sen 80.  Geburtstag. 

Bezüglich  der  weitem  Verhandlungen  zur  Erlangung  der  Corpo- 
rationsrechte wurde  auf  Antrag  des  Herrn  Prof.  Hü  ff  er  einstimmig 
folgender  Beschluss  gefasst:  »Die  Generalversammlung  erneut  dem 
neugewählten  Vorstande  die  in  der  Generalversammlung  vom  22.  Juni 
1879  ertheilte  Vollmacht,  alle  diejenigen  Aenderungen  der  Statuten 
vorzunehmen,  welche  zum  Zwecke  ^er  Erlangung  der  Corporations- 
rechte Seitens  der  Königl.  Behörden  verlangt  werden  möchten.^ 


1)  Der  XXXiy.  Versaininlang  der  deutschen  Philologen  and  Scbulm&nner 
in  Trier  am  24.  September  1879  zur  Begrüssang  dargebracht  von  dem  Verein 
von  Alterthumsfreonden  im  Rheinlande.    Bonn  1879. 


190  Jshreaberiabt  der  TereiasJRhre  1879  und  1860. 

Zum  Schlüsse  hielten  Herr  In^^enieur  M<3lders  aas  Xanten  ni 
der  Vereiospräsident  kurze  Vorträge  aber  die  grossen  in  der  nön 
liehen  Feldflur  von  Xanten  gefundenen  umfangreichen  römischf 
Fondamente,  indem  Ersterer  den  Ausgrabungsbericht,  Letzterer  seit 
Ansicht  über  die  Bedeutung  des  Baues  als  Standquartier  der  XX] 
Legion,  gemäss  dem  Berichte  im  69.  Jahrbuch  S.  68  ff.  vortrogeo.  - 
Nach  einem  gemeinsamen  Mittagessen  folgte  die  Versammlung  dt 
Einladung  zur  Besichtigung  der  Ausstellung.  Der  II.  Vorsitzende,  He 
Bankier  Trinkaus,  übernahm  in  gewinnendster  Freundlichkeit  d 
Führung  durch  die  verschiedenen  Abtheilungen  bis  auf  diejenige  di 
knnstgevrcrblichen  Altei'thÜmer ,  in  deren  Räumen  als  Vorsitzendi 
der  Vereiospräsident  die  Erläuterung  übernahm.  Manches  Vereia 
mitglied  war  Überrascht,  so  viele  ausgestellte  Stücke  als  Vereis 
eigenthum  hier  kennen  und  würdigen  zu  lernen.  Und  schon  dama 
wurde  der  Wunsch  verlautbar,  aus  der  Menge  der  ausgestellten  Gegei 
stände  diejenigen,  welche  bisher  nicht  bekannt  geworden,  in  den  Jah 
büchern  des  Vereins  veröffentlicht  zu  sehen. 

In  der  Hoffnung  die  bevorsteheude  Erlangung  der  CorporatJon 
rechte  und  die  Inkrafttretung  der  neuen  Statuten  verkfinden  zu  Ie9i 
nen,  war  die  für  die  Pfingstzeit  dieses  Jahres  vorgeschri^ene  Gern 
ralversammlung  bis  zum  20.  August  verschoben  worden,  an  welobo 
Tage  sie  im  Hotel  Kaiserhof  zu  Bonn  unter  uihlreicher  Betheiligoi 
stattfand.  Dieselbe  nahm  aus  dem  Referate  des  als  juristischer  Berathi 
dem  Veiein  zur  Seite  stehenden  Hrn.  Prof.  Hiiffer  Kenntuisa  von  dl 
geringen  Aenderungen,  welche  der  Statuten  -  Entwurf,  nachdem  a-  d 
Instanzen  der  K.  Regierung  in  Köln,  des  K.  Oberpräsidiuma  ia  Col 
benz,  der  K.  Ministerien  der  Justiz,  des  Innern  und  der  geiati.  Ai 
gelegenheiten  passirt,  erfahren  habe.  Dieselben  wurden  einstämmig  ai 
genommen;  ebenso  folgender  vom  Vorstande  empfohlener  Zusatz  b 
schlössen : 

„Die  ordentlichen  Mitglieder  des  Vereins  zahlen  entweder  dne 
einmaligen  Beitrag  von  250  Mark  oder  einen  jährlichen  Reitrag  v( 
10  Mark". 

Die  vom  Vorstände  gegebenl  Motivirung  dieser  Bestimmang  bt 
besonders  hervor,  dass  einerseits  viele -aoswirtige  Mitglieder  bei  di 
Umständlichkeit  jährlicher  Geldsammlungen  deu  Modus  einer  einmi 
ligen  Zahlung  vorziehen  tmd  wanschen;  andrerseits  aber  der  Verei 
auch,  im  Falle  er  eine  striche  einmalige  Capital-Zahlung  zinsbar  anleg 
allmählig  zur  Ansammlung  eines  Baar-Vermögens  gelange. 


J«lireiberioht  der  Verehujalira  1879  und  1880.  191 

Der  Vorsitzende  glaubte  mit  der  geschehenen  Annahme  der  von 
den  Staatsbehörden  verlangten  Aendeningen  diese  so  lange  schwebende 
Angelegenheit  nunmehr  als  geschlossen  erachten  zu  dQrfen,  and  sprach 
desshalb  Hrn.  Prof.  Hfiffer  fUr  seine  bereitwillige  and  umsichtige  juri- 
stische Beihfilfe  den  Dank  des  Vereins  aus. 

Im  Jahre  1880  erfolgte  die  Herausgabe  der  Jahrbücher  Heft  68 
und  69.  Ein  nicht  geringes  Maass  von  Arbeit  erforderte  die  Ausfüh- 
rung des  Beschlusses,  die  hauptsächlichsten  Werke  der  Ausstellung 
Kunstgewerblicher  Alterthümer  sowohl  in  einer  geschlossenen  Photo- 
graphien-Sammlung  dem  Publikum  zugänglich  zu  machen,  wie  diejeni* 
gen  derselben,  welche  zu  einer  wissenschaftlichen  Verarbeitung  auffior- 
derteuy  in  den  Jahrbüchern  zu  veröffentlichen.  Die  Photographlen- 
Sammlung,  welche  139  Aufnahmen  umfasst,  ist,  wie  die  Rückseiten  der 
Umschläge  des  70.  und  dieses  Heftes  bezeigen,  beiHeinr.  Schöningh 
in  Münster  erschienen.  Unter  der  Bedingung  der  Abgabe  von  drei 
iVciexemplaren  der  ganzen  Sammlung  für  die  Provinzial- Museen  in 
Trier  und  Münster  und  die  Kunstgewerbeschule  in  Düsseldorf  stellte 
der  Vorstand  der  Düsseldorfer  Gewerbe- Ausstellung  dem  Vereine  für 
dieses  Unternehmen  1000  Mark  zur  Verfügung,  deren  Verrechnung 
dem  nächsten  Jahresbericht  angehört. 

Dem  wichtigen  Theiie  des  Düsseldorfer  Unternehmens,  nämlich 
der  wissenschaftlichen  Veröffentlichung  besonders  dazu  auffordernder 
einzelner  Werke  in  den  Jahrbüchern  ist  bereits  in  den  drei  letzten 
Jahrbüchern  Heft  70,  71  und  72  mit  14  Tafrin  Folge  gegeben  worden 
und  es  wu'd  noch  eine  ganze  Beihe  V(m  Jahrbüchern  damit  fortüahren. 
Auch  dafür  haben  sich  ausserordentliche  Geldmittel  gefunden.  Hb 
sind  uns  1660  Mark  an  frdwiUigen  Beitrilgen  von  nachfolgenden  Per- 
sonen zugegangen,  denen  wir  hiermit  den  gebührenden  Dank  aimzu- 
spreehen  nicht  unterlüssen»--^^ 

1)  Von  Ihren  K.  K.  Majestäten  aSiHEaiBer  und  d^  Kaiserin  M.  400 

2)  „  Ihren  K.K.  Höh.  dem  Kronprinzen  nrderJtronprinzessin  „  ISO 

3)  „  Sr.  K.  Hoheit  dem  Prinzen  Karl  von  Preuesen     .    .  ,  160 

4)  „  Sr.  K.  Hoheit  dem  Fürsten  von  Hohenzollem  •    .    .  »  150 

5)  „  Gehdmrath  G.  Krupp  in  Essen *  .    •    .  „  100 

6)  „  Geheimrath  Heimendahl,  Grefeld.    ......    r^  60 

7)  „  Geheimrath  Wendebtadt,  Godeeberg »^60 

8)  „  Geheimrath  Mevissen,  Köln ^  ^60 

9)  ,  Ck>mmenienrath  F.  W.  Königs,  K51n ,  80 

10)  „  Frau  GefaeiroriUhin  Ulla  Deichmann ,  50 


r 


193  Jahre«beric1it  der  Vereinajahre  1BT9  and  1880. 

11)  Von  Adolf  CarstaDjen,  Köln M.     50 

12)  „     Freih.  v.  Dierganit,  Bonn „       60 

13)  „     Freih.  Albert  v.  Oppenheim,  Köln ,      50 

U)    „     Wilh.  Jentges,  Crefeld „      30 

15)  „     Ä.  V.  Randow,  Crefeld ,  15 

16)  „     Leop.  Koenig,  Bonn „  30 

17)  ,     W.  Loeschigk,  Bonn 50 

18)  „     Vr.  Koenig,  Bonn 30 

19)  „     M.  Eltzbacher,  Bonn „  30 

20)  „     Freih.  von  Rigal,  Bonn „  15 

21)  „     Rob.  Goldschmidt,  Bonn „  15 

22)  „     Commerzienrath  Rolffs,  Bonn ,  15 

23)  „     F.  G.  Klingholz ,  10 

24)  ,     Graf  Bylandt-Rheydt,  Bonn «10 

25)  „     G.  Scheibler,  Bonn „  10 

26)  „     C.  Schillings,  Bonn ,  10 

Nachdem    (Jer  Verein   seit  Errichtung  des  Provinzial-Museums 

diesem  die  Sammelthätigkeit  zur  Erlangung  rheinischer  Alterthümer 
naturgemäss  überlassen  hat,  ist  die  Ausbildung  seiner  Bibliothek  das 
besondere  Ziel  unserer  Bemühungen.  Es  sind  derselben  mannigfache 
Geschenke  zugegangen  und  im  Jahre  1879  dafür  231,  im  Jahre  1880 
mehr,  nämlich  355  Mark  ausgegeben  worden.  Wir  dürfen  eine  grös- 
sere Öffentliche  Benutzung  nnd  einen  zu  druckenden  Catalog  sofort  in 
Aussicht  nehmen,  wenn  uns  Seitens  des  Prov.-Museums  die  zugestan- 
denen hinreichendeD  Räumlichkeiten  für  eine  sachgemässe  Aufstellung 
der  Bücher  überwiesen  sind. 

Hoffentlich  wird  das  Provinzial-Museum  das  neue  Lokal,  in  welchem 
es  sich  provisorisch  befindet,  das  Nasse'sche  Haus,  dauernd  J^e.hal^ 
und  dadurch  in  Stand  gesetzt  werden,  wenn^jjf^i-ifdr'in  provisorischen 
Räumen,  zu  deijenigen  vorgeseherry^jjt^jpi^iung  endlich  zu  gelangen, 
die  es  zunächst  r'^^^^^^siugt,  Bibliothek  und  Kunst-Sammlung 
des  Vereins  aufzun^j*"^ 
,    J^lÄetimen. 

JS^hat  der  Vorstand,  um  das  Seinige  zur  Förderung  des 
Provinziaj^^^^^g  beizutragen,  nicht  gezögert,  im  Einverständniss 
""*  -zur  Ueberführung  der  Vereinssammlnng  in  das  Prov.-Museum 
'°  ^Generalversammlung  vom  23.  Juni  1878  eingesetzten  Commia- 
^-bestehendausdenHerrenv.Dechen,  Krafft,  Hüffer.  Wurst, 
Serstatt  und  Wolff  —  eine  Anzahl  inventariairter  und  mit  rothen 
"das  Eigenthum    des  Vereins  bezeichnenden  Zettehi  versehener  Gegen- 


Jahresbericht  der  Vereiiii(jahre  1879  und  1880.  198 

stände  dem  Provinzial-Museum  zu  übergeben,  nachdem  die  Verleihung 
der  Gorporationsrechte  gesichert  erscheint 

Es  wird  allen  das  Provinzial-Museum  besuchenden  Vereinsmitglie- 
dem  Freude  gewähren,  dadurch  das  Hervortreten  einer  Sammlung  be- 
fördert zu  haben,  von  deren  Umfang  und  Bedeutung  kaum  eine  volle 
Kenntniss  bis  dahin  bestand  und  vor  ihrer  Aufstellung  bestehen 
konnte. 

In  den  Vorjahren  erhielten  wir  für  die  Bibliothek  nachstehende 

Geschenke : 

1879. 

Von  Hm.  Arcliivar  Käntzeler  in  Aachen:  Vita  sancti  Earoli 
Magni,  saec.  Xn™\  qnam  primom  edidit  Petrus  Steph.  Kaentzeler.  Ru- 
remnndae,  J.  J.   Romen,    1874.   8^ 

Von  dem  Dlrector  der  Egl.  Staats  -  Archive  durch  das  Staats- 
Archiv  zn  Koblenz :  Goerz,  Ad.,  Mittelrheinische  Regesten.  IT.  Theil. 
Koblenz,  Denkert  &  Groos,    1879.   8^. 

Von  Hm.  J.  J.  Merlo  in  Köln :  Die  Buchhandlungen  und  Buch- 
dmckereien  „Zum  Einhorn^  zu  Köln.  Von  J.  J.  Merlo.  Zweite  Aufl. 
Köln,  Rommerskirchen,    1878.  8^ 

Robert,  C,  Thanatos,  39.  Programm  zum  Winckelmannsfeste  der 
Archäologischen  Gesellschaft  zu  Berlin.  Mit  3  Taf.  und  4  Holzschn. 
Berlin,   G.   Reimer,   1879.   4^ 

Von  Hm.  J.  Heydinger:  Luxemburgisches  in  der  Eifel  (Auszug 
aus  „Publications  de  la  Section  historique  de  Tlnstitut  R.  O.-D.  de 
Luxembourg",  XXXII.  Jahrg.).   8^ 

Von  Hm.  Pfarrer  H.  J.  Hermes :  Die  Neuerburg  an  der  Wied 
und  ihre  ersten  Besitzer.  Zugleich  ein  Versuch  zur  Lösung  der  Frage: 
Wer  war  Heinrich  von  Ofterdingen?  Von  H.  J.  Hermes.  Neuwied  und 
Leipzig,  J.  H.  Heuser,   1879.  8^. 

Von  Hm.  P.  Charles  Robert:  Catalogue  des  m^daillons  contor- 
niates  r^unis  par  M.  P.  Charles  Robert  (Extrait  de  TAnnuaire  de  la 
Soei6t^  fran^aise  de  Nnmismatique  et  d* Archäologie  pour  1878).  Paris 
1879.  8^ 

Von  Hm.  Verlagsbuchhändler  G.  Marcus  in  Bonn:  Handbuch  der 
deutschen  Mythologie  mit  Einschluss  der  nordischen.  Von  Karl  Sim- 
rock.      5.  yerbess.  Aufl.     Bonn,  A.  Marcus,   1878.   8^. 

Von  demselben:  Aus  der  Alterthums Wissenschaft.  Populäre  Auf- 
sätze von  Otto  Jahn.      Bonn,  A.  Marcus,   1868.  8^ 

Von  Hm.  Prof.  Dr.  von  Cuny  in  Berlin:  Revue  d'Alsace.  Jahrg. 
1879. 

Von  dem  Historischen  Verein  für  die  Grafschaft  Ravensberg  zu 
Bielefeld:  Jahresbericht  IL    Bielefeld,  Velhagen  und  Klasing,    1878. 

18 


Von  Hrn.  Buchhändler   H.   R,   Meoklenbnrg  in  Berlin:  Servet 
die   oberUndiachcn   Reformatoren.      Quellen-Studien  von  H.   ToUin.     Er- 
ster Band :   ^ich.  Sarvet  und  Mart.  Butzer,    Berlin,   H.  R.  Mecklenbiirg, 


Von  Hrn.  Rector  Dr.  Jos.  Pohl:  Programm  des  Kgl.  Progymna- 
Bioms  ZD  Linz  am  Rhein  für  daa  Schuljnhr  1879—80.  Inhalt:  SU- 
tntenbuch  der  Stadt  Linz,   hrag.    vom   Rector. 

Von  der  Buchhandlung  A.  Asher  &  Co.  in  Berlin  :  (Ad.  Michae- 
lis) QeBchichta  dea  Beutscfaen  Archäologischen  InBtitnte  1829  —  1879, 
FeatBchrift  etc.    Berlin,    Ä.    Äslier  &   Co.,    187  9.    4". 

Von  Hm.  P.  Charles  Robert:  Siruna  (Extrait  de  la  RaTue  Cel- 
tiqne).      Paris,    1879.    S". 

Von  Hern.  Prof.  Dr.  J.  Schneider-.  Heue  Beiträge  zur  alten  Oe- 
schichte  und  Geographie  der  Rheinlande.  13.  Folge:  Ueber  die  klten 
Grenzwehreu  und   HeeratraBsen    in    Deutschland.     Düsseldorf,    1880.    8  . 

Von  Hrn.  Gymoaa.- Oberlehrer  Dr.  phü.  Eduard  Hwydenreich :  In- 
oerti  auctoris  de  Conatantino  Magno  eiusqne  matre  Helena  libellas. 
E    codicibus    primae    edidit    Ednardua    Heydenreich.      Lipaiae,    Teubaer, 

1879.  8". 
Von  dem   Comitä  für  die    Berliner  Präbistoriache  Auaetellung:    Ka- 
talog   der    Ausstellung    prähiatorisoher    tmd     anthropologischsr    Fnnde 
Deutachlands  zu  Berlin  vom   6. — 21.  Aagast  1860.    Berlin  1880.  6'. 

Von  der  Verlagsbuchhandlung  J.  P.  Bachern  in  Kdln:  Die  Pforre 
znr  heiligen  Ursula  in  Köln.     Von  A.  Q.  Stein.     Köln,  J.  F.  Baobem, 

1880.  8^ 

Die  Kassenverhältuisse  befanden  sich  auch  im  letzten  Jahre  ia 
dem  geordneten  Zustande,  in  welchem  unser  trefflicher  Bendant  Herr 
Rechnungsrath  Fricke  sie  zu  erhalten  weiss.  Die  durch  die  Herren 
W.  T.  Neufville  und  v.  Spankeren  revidirte  und  von  der  General- 
versammlung dechargirte  Becbnung  für  das  Jahr  1880  schliesst  mit 
einem  Ueberschusse  von  2240  Mark  ab,  worin  sich  freilich  1095  Mark 
von  jenen  ausserordeotlicben  Beitragen  für  die  Veröffentlichungen  Tfl> 
Werken  der  Düsseldorfer  Ausstellung  befinden,  deren  Verausgabung 
den  folgenden  JabrcD  angehört  In  der  Jabresrechnung  fignnren  ge- 
genüber der  Einnahme  von  M.  7790,42 
an  Ausgaben:  1)  für  Herstellungskosten  fflr  die  3  Jahr- 
bücher Heft  67,  68  und  69  ,  4889,42 
H.  4389,42 


Jkhreiberiobt  der  Verflinqahre  1679  and  1B80.  196 

Transport:  M.  4389,42 
2)  für  die  Bibliothek  „     385,00 

8)  fflr  die  übrigen  Bedürfnisse  ,     775,49 

M.  5559,91 
Ueberschnss  M.  3340,41 
Der  Personenstand  bezifferte  sich  auf  693  Mitglieder,  von  denen 
28  nen   eintraten  and  nns  2  durch  den  Tod,  nämlich  Stadt- Archivar 
Dr.  Eonen  in  Köln  und  Bildhauer  Gilly  in  Berlin,  entrissen  wurden. 
Der  Vorstand    blieb  durch  die  vertrauensvolle  einstimmige  Wie- 
derwahl derselbe.    Der  an  Stelle  des  Herrn  Director  Kortegarn  als 
Secretär  gewählte  Privatdoceut  hiesiger  Universität  Herr  Dr.  Jos.  Klein 
hat  zu  uDäerni  Bedaueru  diese  Wahl  anzunehmen  bis  dahin  gezögert, 
80  dass  &uch  jetzt  noch  eine  der  beiden  Secretärstelleu  unbesetzt  ist. 
Bonn,  30.  December  1881. 

Der  Torstand  des  Vereins  von  Altertbnnisfrenndei)  im  Rhein  lande. 


Winkelmannsfeste  des  Vereins. 

Die  Berichte  über  die  Winkelmannsfeste  des  Vereins  erschienen 
seit  ihrem  Bestehen  (1845)  stets  innerhalb  der  geschäftlichen  Jahres- 
berichte, an  welchem  Orte  sie  nicht  vermuthet  werden  und  desshalb 
der  Beachtung  entgehen.  Wir  lassen  dieselben  von  nun  an  getrennt 
zum  Abdrucke  gelangen,  und  vereinigen  fUr  diesmal  nachträglich  die 
Festberichte  der  letzten  Jahre. 

Das  Winkelmannsfest  am  9.  Dezember  1879  war  verbunden 
mit  einer  ausgewählten  kleinen  Ausstellung  von  römischen  Lampen 
und  Beleuchtungsgegenständen  der  Sammlung  Herstatt  in 
Köln;  der  Photographien  der  kunstgewerblichen  Ausstel- 
lung in  Münster;  einer  durch  Dr.  Scheibler  zusammengebrachten 
Sammlung  von  Nachbildungen  der  Meister  der  kölnischen  Maler- 
schule; endlich  der  Pläne  and  Zeichnungen  der  Ausgrabungen  von 
BelgicB  zur  Erläuterung  des  ersten  Vortrages. 

Der  Vereinspräsident  Prof.  aus'm  Weerth  begrUsste  die  Versamm- 
lang, indem  er  zunächst  die  Fortschritte  der  Kunstwissenschaft  seit  der 
Zeit  der  gefeierten  Winkelmann-Feste  überschauend,  besonders  des 
Hinzutritts  der  prähistorischen  Forschung  und  der  Gewerbemuseen 
gedachte,  dann  dem  Schmerz  Ausdruck  gab,  unter  den  Voranstehenden 


196  JahreBlwriotit  der  Vereinsjabra  1679  und  1880. 

in  der  Arbeit  des  wissenschaftlichen  Gest^lteos,  mitten  im  frischea 
Schaffen  Karl  Bernhard  Stark  in  Heidelberg  durch  den  Tod  hinw^- 
gerissen  zu  sehen.  Oft  erfreute  der  Verstorbene  die  Mitglieder  des 
Vereins  durch  sein  Erecheinen  in  in  ihren  Versammlungen,  durch  die 
Falle  seiner  anschaubaren  Gelehrsamkeit,  durch  den  unbefangenen 
Sinn,  mit  dem  er  als  Inhaber  des  Lehrstuhls  der  classiachen  Archäo- 
logie das  Mittelalter  und  die  Neuzeit  in  de«  Kreis  seiner  Studien  zog 
und  die  Vereinsbestrebungen  in  ihrer  nothwendigen  und  erfolgreichen 
Selbständigkeit  üffentlich  lobend  anerkannte  and  als  auswärtiger 
Secretär  unterstützte.  Indem  der  weitere  Vortrag  der  glanzvollen  Ent- 
wicklung der  Kunstgeschichte  im  Allgemeinen  den  besündem  St&ad 
der  rheinischen  Altertbuniskunde  im  Rahmen  des  Bonner  Vereins  gegen- 
über stellte,  zog  er  in  einzelnen  grossen  Zügen  die  Schlüsse,  welche 
sich  aus  dem  bis  dahin  Geleisteten  für  die  Methode  der  Weiterarbeit 
ergeben,  und  ging  dann  im  Anschluss  an  seinen  vorigjährigen  Vortr^ 
über  das  Castrum  Bonnense  auf  die  Erörterung  der  damit  zusam- 
menhängenden Vorwerke  und  Militärstrassen  über.  Das  Bonner  Castrum 
als  Hauptoperationsbasis  der  rechtsrheinischen  römischen  Politik  der 
,  Augusteischen  Zeit  wurde  als  das  bedeutendste  diesseits  der  Alpen 
nach  Umfang  und  Zahl  seiner  Steinbauten  bezeichnet.  Seine  frflhe 
Errichtung  ergeben  Inschriften  und  Münzfunde,  unter  denen  einhei- 
mische, Yorrömische  Münzen  auf  das  Vorhandensein  eines  celtischen 
Dorfes  an  gleicher  Stelle  hinweisen.  Bisher  folgte  man  der  Meinung, 
dass  das  Ziel  der  grossen,  von  Metz  und  Trier  durch  die  Eife)  Aber 
Bitburg  und  JQnker&th  führenden  Bömerstrasse  KSln  sei,  eine  Hdnung, 
die  weder  dem  Alter  der  Strasse  noch  der  erst  späteren  Bedeataog  der 
Colonia  Agrippinensis  entspricht.  Nach  den  gleichzeitigen  Untersuchan- 
gen  Schneiders  und  des  Redners  steht  nunmehr  wohl  fest,  dass  dieses 
Ziel  das  Bonner  Castrum  war,  in  welchem  die  berühmte  Strasse  in 
einer  dreifachen  Linie  ansmündetc.  Der  erste  Arm  war  der  directe 
Auslauf  derselben  über  Blankenheim,  durch  den  Flamersheimer  Wald, 
Meckenheim  über  den  Kreuzberg  nach  Bonn;  der  zweite  Arm  ging 
zunächst  nach  Belgien  und  theilte  sich  dort  in  zwei  Linien,  tob 
denen  die  eine  über  Roitzheim,  Cuchenheim,  Buschboven  und  Ende- 
nich  unter  dem  Namen  Heerstrasse  direct  in  das  Castrum  einmtiDdete; 
die  andere  an  Euskirchen  vorbei  über  Büllesheim,  Strassfeld,  Hetter- 
nich,  Rösberg,  Sechtem  nach  Wesselingen  ausläuft,  welches  ein  nörd- 
liches Vorwerk  Bonns  war  und  mit  diesem  durch  die  linksrheinische 
Üferstrasse  in  unmittelbarer  Verbindung  stand. 


Jahrcaberiobt  der  Veruirnjahre  1BT9  uod  1880.  197 

Diese  drei  von  Bonn  nach  Westen  zum  Voi^ebirge  aufsteigenden 
Strassen  fllhreu  zu  jenem  zwischen  Erft  und  Feibach  liegenden  freien 
Plateau  am  Abhänge  der  Eifelberge,  das  noch  heute  den  Namen  Kaiser- 
steia  sich  erhalten  hat  und  einst  die  römische  Niederlassung  Bclgica 
trug.  Schon  diese  bedeutende  Strassenverbindung  bekundet,  dass 
Belgica  nicht  lediglich  eine  bürgerliche  Niederlassung,  nicht  nur  ein  ge- 
wöhnlicher Vicus  sein  konnte,  sondern  dass  sich  ein  militärisches  Castell, 
in  Verbindung  mit  Bonn,  hier  erhob,  zur  Wacht  gegen  die  Eifelstrasse  und 
zum  Schutz  derselben.  Zwei  Ausgrabungen,  im  Jahre  1875  und  in  diesem 
Jahre,  welche  der  Vortragende  gemeinsam  mit  Dr.  Pohl  in  Linz  aus- 
führte, ergaben  als  Hauptresultat  eine  weitausgedehnte  Stadtanlage,  die 
sammtdcnwerthvolIeuFundstückea  geschildert  wurde.  Diese  Ausgrabungen 
haben  denn  auch  festgestellt,  dass  Belgica  eine  römische  Niederlassung 
war,  die  nach  ihrer  Lage,  ihrem  Umfang  und  den  in  der  Nähe  gefun- 
denen Inschriftsteinen  militärischer  Pci'sonen  nicht  ohne  Garnison  ge- 
dacht werden  kann.  Neben  der  Besatzung  des  Castells  wird  auch 
hier  aus  dem  unkriegerischen  Gefolge  derselben  von  Familien  und  Händ- 
lern, den  Canabenses,  aus  deren  Wohnungen  in  Bonn  und  Xanten  bald 
grosse  Lagerstädte  hervorgingen,  eine  solche  sich  gebildet  haben.  Be- 
denkt man,  dass  die  Ganabae  Bonns  von  der  Wachsbleiche  bis  zur 
Dahm'schen  Schneidemühle  an  der  Coblenzer  Strasse  sich  verfolgen 
lassen,  so  wird  mau  über  die  ähnliche  grosse  Ausdehnung  in  Belgica 
weniger  erstaunen.  Weit  nach  Südwesten,  die  flach  ansteigende  Höhe 
hinauf,  da  wo  man  den  freien  Blick  auf  die  nebeneinander  liegenden 
bekannten  römischen  Heimathsorte  des  Matronencultus,  Antweiler  und 
Wachendorf,  gewinnt,  vermuthet  der  Redner  das  schatzende  Castell 
der  Lagerstadt. 

Hier  ist  der  Punkt  weiterer  bedeutsamer  Arbeit.  Keine  Land- 
schaft im  ganzen  römischen  Bhelngebiet  hat  eine  so  dichte  Bebauung 
an  römischen  Strassen  und  römischen  Niederlassungen  als  diejenige, 
die  sich  vom  Michelsberg  —  gewiss  einem  alten  germanischen  Ileiüg- 
thum  —  zum  Rhein  herabsenkt.  Keine  aber  auch  eine  so  bestimmte 
geistige  Individualität  in  alter  Zeit,  wie  sie  der  hier  heimische  und 
aller  Orten  in  seinen  Monumenten  angetroffene  Cultus  der  Matronen 
ausspricht. 

Dr.  Bone  aus  Köln  sprach  Über  das  Bömercastell  in  Deutz. 
Im  vergangenen  Frühjahr  wurde  zu  Deutz  nördlich  von  der  katholischen 
Pfarrkirche  bei  einem  Neubau  altes  Gemäuer  entdeckt  und  ein  Theil 
davon  als  Unterbau  eines  Mauerthurms  erkannt   Der  neue  Fund  im 


188  Jahrcflberiaht  der  Vereiasjahre  1879  und  1880. 

Zusammenhaog  mit  frQlieren  Beobachtungen  und  Mittheilungen  vun 
solchen  veranlasste  weitere  Ausgrabungen  unter  Leitung  des  Dlrectors 
der  Artülerieweikstatt  in  Deutz,  Herrn  Oberst  Wolf;  von  Seiten  des 
Kriegsinluisteriums  wurden  hierzu  Mittel  bewilligt. 

Bei  den  Nachforschungen,  die  sich  bisher  auf  die  FeBtstcilung  der 
Enceiate  beschrankten,  stellte  sich  heraus,  dasa  das  Castell  nahezu  ein 
Quadrat  von  etwa  140  M,  Seitenlange  bilde  mit  einem  Flächenranm 
von  etwa  7'/a  preusaischen  Motten,  wag  zur  Aufnahme  von  fiinf  Gehör- 
ten völlig  ausreichte.  Die  westliche  (Rhein-)  Seite  reichte  vom  soge- 
nannten Schinkelkessel  —  es  ist  der  halbrunde  Thurm  dicht  am  Rhein 
nördlich  von  der  Schiffbrücke;  dieser  steht  auf  den  Fundamenten  des 
alten  römischen  Eckthurms  —  bis  in  die  Nähe  der  Schiffbrücke.  Der 
südöstliche  Eckthunn  wurde  schon  1827  an  der  Ecke  der  Hallen-  und 
Eiseubahustrasse  (etwas  nördlich  von  der  Freiheit)  entdeckt,  aber  die  Ent- 
deckung wurde  nicht  weiter  verfolgt.  Die  nordöstliche  Ecke  endlich  fällt  in 
den  Bereich  der  Werkstattfigebäude.  Ausser  diesen  vier  Eckthurmeu  sind 
aber  noch  sechs  weitere  Thürme  constatirt.  Davon  sind  zwei  auf  der  Nord- 
seite und  ausserdem  war  auf  derselben  sehr  wahrscheinlich  ein  Seitenthor, 
womit  dann  wohl  wieder  ein  einfacher  oder  doppelter  Thorbau  verbunden 
war.  Die  Südseite  wird  der  Nordaeite  entsprochen  haben.  Die  Ost- 
front, die  also  nach  der  Landseite  lag,  hatte  ausser  den  beiden  Eck- 
tbürmen  noch  zwei  runde  Thilrrae  und  einen  mächtigen,  von  zwei 
halbrunden  Thürmen  flankirten  Thorbau,  welcher  der  Trierer  Porta 
Nigra  anAnsdehnung  in  Länge  und  Breite  nur  um  wenige  Meter  nocb- 
stand;  das  Thor  hatte  anscheinend  einen  doppelten  Eingang.  Ob  die 
Westfront  der  Ostfront  genau  entsprach,  ist  noch  zweifelhaft;  in  ihrer 
Mitte  war  aber  jedenfalls  das  Thor,  welches  zum  Rhein  fahrte,  dorn 
genau  nach  ihrer  Mitte  führte  die  alte  steinerne  Bheinbrücke,  welche 
Kaiser  ConstantinuB  erbaute.  Das  Deut^er  Gasteil  ---  im  Mittelalter 
wird  es  wiederholt  castrum  Divitensium  genannt  —  lag  danach  mit 
seiner  Mitte  genau  der  Mitte  des  römischen  Köln  gegenflber.  Seine 
Grllndui^  gerade  an  dieser  Stelle  setzt,  wie  Redner  auaftthrt,  das 
Vorhandensein  oder  wenigstens  den  gleichzeitigen  Bau  einer  Brflcke 
voraas.  Eine  alte,  in  der  überlieferten  Form  durchaus  werthlose  Inschrift 
bezeichnet  als  Qründer  des  Castells  den  Gonstantinus,  den  Erbauer 
der  steinernen  Rheinbrücke,  welche  der  Lobredner  Eumenius  ausdrück- 
lieh  „eine  neue  Brücke*  nennt.  Früher  gefundene Jnschriften,  beson- 
ders eine  Ära  des  Jahres  223  n.  Ghr.,  bestätigten  das  Vorhandensein 
des  Gastellfi  im  3.  Jahrhundert.     Eine    neu  ^undene  Inschrift  aber 


Jahresberioht  dor  Vereiusjakre  1879  und  1880.  199 

nennt  die  Kaiser  M.  Aurelius  Antonius  und  L.  Aurelius  Veras  und 
gehört  in  die  ersten  Regierungsjahre  dieser  Kaiser  (also  bald  nach 
161) ;  sie  beweist  nach  Gestalt  und  Fundstelle  (bei  dem  östlichen  Thor- 
bau) das  Vorhandensein  des  Castells  in  demselben  Umfange  nach  der 
Mitte  des  2.  Jahrhunderts.  Gleichzeitig  wurde  auch  an  den  rheinischen 
Heerstrassen  gearbeitet  und  die  drohende  Haltung  der  Germanen  gab 
M.  Aurel  Grund  genug  zu  solchen  Vorkehrungen.  Legionsziegel  aber 
der  legio  VIII  Augusta  und  der  legio  XXII,  welche  beide  im  Jahre 
70  in  dieser  Gegend  sich  aufhielten,  sonst  aber  derselben  immer 
fem  waren,  machen  das  Vorhandensein  des  Castells  und  damit  auch 
einer  BiUcke  für  diese  Zeit  mindestens  wahrscheinlich,  nämlich  für 
das  Jahr  50,  da  Köln  zur  Colonia  Agrippinensis  erhoben  wurde  und 
jetzt  erst  wetteifernd  in  die  Reihe  der  Römerstädte  eintrat,  während 
es  unter  Drusus  noch  völlig  hinter  Bonn  zurücktrat  Eine  frühere 
Gründung  ist  nicht  wahrscheinlich;  denn  Agrippa^  der  38  n.  Chr.  den 
Ubiern  auf  dem  linken  Rheinufer  Wohnsitze  anwies,  wird  seine  Fürsorge 
für  die  erst  entstehende  Ubier-Niederlassung  soweit  nicht  ausgedehnt 
haben,  während  die  neue  Colonia  Agrippinensis  ganz  gewiss  sicheren 
Rhein  und  gesicherte  Rheinschifffahrt  haben  sollte.  Ebenso  wenig  aber, 
glaubt  Redner,  dürfe  man  wohl  das  Castell  als  solches  auf  Caesar  zurück- 
führen, selbst  wenn  einer  seiner  Rheinübergänge  hier  stattgefunden 
haben  sollte.  Da  aber  ein  alter  Graben,  welcher  in  der  Gegend  der 
natürlichen  üferhöhe,  ziemlich  weit  von  dem  jetzigen  Quairande,  vor- 
handen ist,  ein  älteres,  mehr  östlich  gelegenes  Castell  beweist,  so  sind 
für  dasselbe  zwei  Perioden  anzunehmen,  wovon  die  erste  im  Jahre  50 
über  die  Unruhen  nach  Nero's  Tode  hinaus  und  bis  um  die  Mitte  des 
2.  Jahrhunderts  gereicht  haben  dürfte;  in  der  zweiten,  dem  Rheine 
näher  gerückten  Gestalt,  die  es  vielleicht  gerade  durch  M.  Aurel  be- 
kam, mag  es  in  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  arge  Ver- 
wüstung erlitten  und  unter  Constantin,  der  die  ältere  Brücke  vielleicht 
völlig  zerstört  fand,  gelegentlich  des  Brückenbaues  eine  gründliche 
Wiederherstellung  erfahren  haben.  —  Der  nämliche  Erzbischof  Bruno 
aber,  der  Bruder  Kaiser  Otto's  I.,  welcher  auch  die  Brücke  zerstört 
haben  soll,  brach  nach  dem  Bericht  des  Deutzer  Abts  Ruppertus  das 
Castell  ab.  Letzteres  liess  Kaiser  Otto  aber  wiederherstellen;  in  dieser 
Wiederherstellung  bestand  es,  als  Erzbischof  Heribert  innerhalb  des- 
selben Kloster  und  Kirche  gründete.  Später  erfuhr  es,  wie  das  Klo- 
ster, gewaltsame  Zerstörungen,  die  es  bis  auf  die  allerjüngste  Zeit 
den  Augen,  ja  der  Kenntniss  der  Nachwelt  verhüllten.  Redner  schliesst 


200  Jahreaberiobt  der  Veveinajahre  1879  uüd  1880. 

mit  dein  Wunsche,  die  weiteren  Nachforschungen,  die  diestnal  hoffent- 
lich nicht  auf  halbem  Wege  stehea  bleiben  mQssten,  möchten  neböo 
der  völligen  Feststellung  der  Enceinte  auch  über  die  Gebäulichkoiten 
im  Innern  erfreuliche  Aufschlüsse  bringen. 

Professor  Schaaffhausen  sprach  hierauf  Über  vorgeschichtliche 
Eingwälle  im  Rheinland,  die  noch  in  grosser  Menge  die  Gipfel  un- 
serer Berge  umgürten.  Dieselben  sind  auch  am  Oberihein,  im  Taunus, 
in  der  Pfalz,  am  Harz,  in  Sachsen,  Thüringen,  der  Lausitz,  in  Baiern 
und  Oesterreich  aufgefunden  und  fehlen  nicht  in  andern  Ländern.  In 
der  Regel  bilden  sie  eine  ringförmige  Uinwallung,  die,  aus  aufgeschüt- 
teten scharfkantigen  Steinblöcken  bestehend,  einen  Raum  von  3  bis  8 
oder  auch  von  40  bis  60  Morgen  Landes  einschliesst.  Der  Wall  ist  oft 
nur  noch  3  bis  5  Fuss  hoch  mit  einer  äusseren  Böschung  7on  15  bis 
30  FuBs.  Zuweilen  hat  das  Gestrüpp  des  Waldes  ihn  ganz  umwuchert. 
Wo  es  keinen  Stein  gab,  wird  man  zu  gleichem  Zwecke  Erdwälle  er- 
richtet haben,  die  vielfach  der  Pflug  geebnet  hat,  während  jene  aus- 
dauerten,  wenn  nicht,  wie  es  bei  maochen  jetzt  der  Fall  ist,  Stein- 
brache sie  zerstören.  Auch  mögen  viele  Ritterburgen  aus  jenen  Bau- 
eroburgen entstanden  sein.  Dieselben  sind  die  ältesten  Denkmäler 
unserer  Vorzeit,  zu  deren  Errichtung  kein  aaderes  Werkzeug  nöthig 
war  als  die  menschliche  Hand.  Man  hat  in  ihnen  die  nach  einem  ge- 
wiäsen  Plana  angelegten  Vortbeidigungswerko  von  Eagpässon  oda* 
Thälem  sehen  woDeo,  was  für  die  Zeit,  in  der  sie  entstanden  sind, 
nicht  wahrscheinlich  ist.  Sie  liegen  zerstreut  umher,  fast  jeder  her- 
vorragende, zunial  fSsigej  Gipfel  trug  einen  RingwaU.  Nicht  ohne 
Zwang  hat  man  des  Caesar  und  des  Tacitus  Schilderungen  von  festen 
Lagern  der  Gallier  und  Cimbem  auf  sie  bezogen.  Die  Maaem  der 
Gallier  bestanden  aus  Steinpackuogen,  die  durch  hölzerne  Balken  m- 
sammengehalten  wurden,  so  sind  sie  auch  als  Werke  der  Dacier  aaf 
der  Trajanssäule  dargestellt.  Unsere  Bingwälle  sehen  nicht  so  aas, 
als  seien  sie,  wie  auch  Hammeran  neaerdings  behauptete,  nur  die 
Ruinen  von  einst  regelmässiger  geschichteten  Mauern,  sie  sind  viel- 
mehr nach  dem  Muster  der  Erdwälle  ursprünglich  gebaut  Sie  waren 
Zufluchtsorte,  in  die  das  Volk  zn  Kriegszeiten  seine  einzige  Habe  in 
Jener  Zeit,  die  Viehheerden,  flachtete.  Oft  findet  sich  im  Innern  des 
Ringes  oder  in  dessen  Nähe  eine  Qaelle.  Dombecken  mögen  den  Wall 
zu  besserem  Schutz  umgeben  haben,  wie  man  es  noch  in  Wales  si^L 
Manche  Funde,  Gef&ssscberben,  Mühlsteine,  Münzen,  sprechen  fitr  Be- 
wohnang  des  Ringes  in  späterer  Zeit.    Nicht  ausgeschlossen  ist  üne 


Jahreaberiobt  der  Tereinijahra  1879  una  I^BO.  201 

andere  Bestimmung  dieser  Steinbauten,  sie  waren  auch  Cultusstätten. 
Hervorragende  Blöcke  innerhalb  des  Walles  oder  auf  demselben  schei- 
nen Opfersteine  gewesen  tu  sein,  die  nicht  selten  später  Teufelssteine 
hiessen.  Die  Feuer,  die  noch  heute  an  gewissen  Jahrestagen  auf  un- 
seren Bergen  lodern,  stammen  aus  dem  Heidenthum.  Zahlreich  sind 
die  Beweise  far  die  Verehrung  der  Sonne  bei  den  Germanen.  Der 
Redner  legt  Zeichnungen  der  von  ihm  näher  untersuchten  Steinringe 
von  Otzenhausen  an  der  Nahe,  vom  Hochthurme  an  der  Ahr,  vom 
Hummelsberg  bei  Linz  und  vom  Petersberg  im  Siebengebirge  vor,  von 
denen  Herr  6eh.-Rath  v.  Dechen  kürzlich  einen  Plan  aufgenommen 
hat.  Diesen  sieht  man  am  deutlichsten  da,  wo  die  Wege  von  der 
Hohe  des  Beides  nach  Ober-  und  Nieder-Dollendorf  hinabgehen  und 
den  Wall  durchschneiden,  hier  ist  auch  noch  der  Graben  an  der  Innen- 
seite erkennbar.  Der  Steinring  lässt  sich  noch  um  den  ganzen  Berg 
verfolgen.  Die  dem  h.  Petrus  geweihte  Capelle  deutet  darauf,  dass 
hier  Donar  verehrt  ward. 

Herr  Dr.  L.  Schei  bler  sprach  über  drei  hervorragendste  Rheinische 
Maler  des  15.  Jahrhunderts,  nämlich  den  Meister  der  Lyversberg'- 
scha  Passion,  den  von  S.  Severin  und  den  einer  Anzahl  heiliger 
Familien,  deren  Werke  in  der  bisherigen  Litteratur  noch  wenig  Be- 
achtung fanden'). 

Prof.  aas'm  Weertb  gedachte  zum  Schlüsse  der  herrlichen  Gold- 
schmiedewerke des  Meisters  Anton  Eisenhoidt  aus  Warburg  in 
Westfalen  im  Besitz  des  Grafen  Fürstenberg-Herdringen,  welche  durch 
die  Ausstellung  in  MUnster  zuerat  in  die  Oeffentlichkeit  kamen.  Der 
als  Kupferstecher  in  allen  Sammelwerken  aufgeführte  Anton  Eisenhoidt 
erscheint  hier  in  hervorragendster  Weise  als  Kanstlcr  getriebener 
Arbeit,  sowohl  in  deutscher  Gothik  als  italienischer  Renaissance,  und 
bekundet  damit  der  letzteren  bahnbrechende  Einwirkung. 

An  der  vom  Verein  am  9.  Dez.  1880  veranstalteten  Winkelmanns- 
feier sprach  Prof.  Woermann  über  die  Geschichte  der  ehemaligen 
Düsseldorfer  Gemäldegalerie,  indem  er  von  der  Errichtung  des 
1710  vollendeten  Galeriegebäudes,  von  der  Bedeutung  und  den  Schick- 
salen der  Sammlung  bis  zu  ihrer  Entfernung  aas  Düsseldorf  handelte 
und  zum  Schlüsse  darlegte,   wohin  die  Sammlung  in  Baiem  verstreut 

1]  Ausfubrliche  Darle^ugen  gab  Dr.  Scbeibler  inawiBohen  in  teiaer 
Sohrifl:  „Die  heirorragendsteu  anonyncD  MeJiter  und  Werke  der  KölDer  UtJer- 
■ohulfl  von  1460— 1600.'    Bonn  1880. 


903  Jahruabariohl  der  Vuroiaijahre  IB79  und  1680. 

worden  ist,  wo  sich  die  Galerien  von  Manchen,  Sctileissheim,  Äugeburg, 
Würzbarg  u.  A.  in  dieselbe  getheilt  liabeu.  Der  Redner  widerlf^te 
die  Behauptung,  als  seien  Bilder  der  Sammlung  als  Geschenk  Maxi- 
milian Joseph'a  von  Baiern  an  Napoleon  I.  nach  Paris  gekommen; 
vielmehr  habe  wahrscheinlich  kein  Bild  Baiern  wieder  verlassen.  In 
Dftsseldorf  aber  seien  nur  zwei  Bilder  der  Galerie  geblieben:  Rubens 
herrliche  Himmelfahrt  Maria  und  Job.  van  Winghen's  Delila:  jenes, 
weil  es  zu  gros^  war,  um  transportirt  zu  werden,  dieses  wabrscheiii- 
lich,  weil  man  es  nicht  für  modern  genug  hielt').  —  Herr  Dr.  Lam- 
precht  sprach  unter  Vorlage  von  Abbildungen,  welche  der  Verein  zu 
diesem  Zwecke  hatte  anfertigen  lassen,  über  zwei  Meisterwerke  Rhei- 
nischer Miniatur-Malerei  des  10.  Jahrhunderts,  per  Redner  ging 
von  der  späteren  liarolingischen  Miniaturmalerei  aus  und  zeigte,  wie 
die  Schicksale  dei-selben  sich  eng  mit  dem  letzten  Aufschwung  nad 
dem  jähen  Verfall  des  Herrscherhauses  verknüpften,  bei  dessen  Aus- 
gang sie  Schutz  und  Fortpflanzung  im  Rheiiilandc,  in  St.  Gallen,  Rei- 
chenau  und  dem  linken  (Jferland  des  Mittelrheins,  fand.  Hier  war  es 
besonders  Reicheoau,  in  welchem  unter  dem  Einfluss  antiker  Remi- 
niacenzen  die  Miniaturkunst  eine  neue  Blflthe  zeitigte,  Zeuge  davon 
ist  der  Codex  Egberti,  ein  Lectionar,  aus  den  70er  Jahren  des  10. 
Jahrh.  herrdbrend,  das  sich  jetzt  in  der  Trierer  Stadtbibliothek  befindet 
Starken  byzantinischen  Einfluss  hat  man  in  der  Miniaturmalerei  der 
Hoselgegeoden  dieser  Zeit  finden  wollen,  namentlich  in  den  Bildern 
dea  Echternacher  Evangeliars,  welches  wahrscheinlich  in  Trier  in  den 
Jahren  983-92  entstanden  ist,  jetzt  in  Ciotha.  Dem  gegenüber  suchte 
der  Redner  darzuthun,  dass  diese  Bilder  rein  deutschen  Charaiter 
zeigen,  u.  A.  wegen  der  Identit&t  der  Compositioneo  mit  dem  Codex 
Egberü*). 

Am  9.  Dez.  1881  eröffiiete  der  Vorsitzende  Prof.  ans'm  Weerth 
die  Versammlung  indem  er  auf  die  nun  seit  36  Jahren  vom  Verein 
gepflogene  Sitte  der  Winkelmannsfeier  und  die  damit  stete  verbundene 
Berichterstattung  über  die  bedeutenderen  der  neuen  rheinischen  Funde 
hinwies.    Er  ging  dann  zu  einer  nähern  Betrachtung  der  grosaartigen 


1}  Der  Vortrag  de«  Herrn  Pro£  Woermknnn  eriohien  kt^edrookt  in 
den  GreniboleD,  Jahrgang  1B81.  S.  147  ff. 

2)  Mkb  eriehe  die  angeführten  Abbildungen  la  der  inswiioben  enekienenen 
Abhandlung  dea  Rednen  5.  56  B.  im  70.  Jahrbuch:  Der  Bildereahmuek  dea 
Codex  £gberti  zu  Trier  und  dei  Codex  Epternaoenna  bu  Qotlia. 


Jahresbericht  der  Vercinsjahre  1879  and  1880.  20u 

römischen  und  fränkischen  Begräbnissstätten  von  Andernach  und  Um- 
gegend über,  deren  Lage  durch  die  Strassen  bezeichnet  ist,  welche 
hier  schon  zur  Römerzeit  sich  kreuzten.  Diese  Gräber  werden  schon 
seit  einigen  Jahren  auf  Kosten  des  Provinzial- Museums  unter  seiner 
Leitung  eröffnet  und  haben  eine  für  die  Archäologie  wie  für  die  Ge- 
schichte des  Landes  gleich  wichtige  Ausbeute  geliefert.  Einer  beson- 
dem  und  eingehenden  Besprechung  wurde  unter  den  ausgestellten  und 
kurz  erklärten  Fundgegenständen  eine  Kategorie  von  Frauenschmuck 
unterzogen,  der  aus  tafelförmig  geschnittenen,  rothen  orientalischen 
Granaten  resp.  Hiazynthen  besteht.  Mit  Bezug  auf  eine  Reihe  vorge- 
legter Abbildungen  von  in  dieser  Art  gearbeiteten  kostbaren  Geräthen 
aus  Asien  und  Kuropa  wurde  der  Beweis  geführt,  dass  diese  innerhalb 
der  römischen  wie  auch  der  einheimischen  Goldschmiedekunst  fremd- 
artig und  isolirt  dastehende  Verzierungsart  orientalischen  Ursprungs 
und  von  den  Westgothcn  nach  Europa  gebracht  worden  sei,  woselbst 
sie  dann  in  besonders  häufiger  Anwendung  an  den  hervorragendsten 
Stücken,  den  fränkischen  Königskronen  im  Mus6e  Gluny  zu  Pa- 
ris, an  reich  geschmückten  Schwertern  z.  B.  des  Königs  Childerich 
(t  481),  am  Panzer  des  Odoaker  (f  493)  und  an  Schmucksachen 
aller  Art  uns  entgegentreten.  Das  Provinzial-Museum  in  Bonn  besitzt 
aus  seinen  Ausgrabungen  und  Erwerbungen  eine  ausgezeichnete  Samm- 
lung gerade  dieser  westgothischen  Schmuckgegenstände. 

Zum  Schlüsse  gab  der  Redner  einer  bereits  im  Vorstande  des 
Vereins  zur  Sprache  gekommenen  Erwägung  lebhaften  Ausdruck,  in- 
dem er  die  öffentliche  Meinung  zum  Schutze  der  alten  Gräber  des 
Landes  anrief.  Wenn  die  Wissenschaft  die  Grabstätten  dahin  gegan- 
gener Völker  untersuche  und  ihre  Beigaben  als  historische  Zeugnisse 
sammle,  so  trage  das  eine  Rechtfertigung  in  sich.  Nicht  aber  sei  es 
zu  billigen,  wenn  dieses  wissenschaftliche  Bedürfniss  öffentlicher  Samm- 
lungen eine  wüste  Gräbersuche  Unberufener  hervorrufe  und  eine  In- 
dustrie erzeuge,  die,  jeder  Ehrfurcht  vor  der  Heiligkeit  des  Grabes 
spottend,  nur  lediglich  Schatzgräberei  im  Auge  habe  und  durch  die 
Art  ihres  Vorgehens  die  Wissenschaft  geradezu  irre  führen  könne. 
Hoffentlich  würden  die  Staatsbehörden,  um  diesem  Unfuge  zu  steuern, 
gesetzgeberische  Mittel  finden. 

Rector  Schwörbel  aus  Deutz  sprach  sodann  über  die  Funde, 
welche  in  Folge  der  Verlegung  des  Bergisch  -  Märkischen  Bahnhofes  in 
das  Innere  der  Stadt  auf  dem  Boden  des  alten  römischen  Castrums 
daselbst  gemacht  wurden.     Nach  Aufzählung  der  wichtigsten  Gegen- 


204  jRhrcabericht  der  VureioRJahrc   1879  und  1860. 

stände  und  Vorzeigung  einer  kleinen  Bronzegruppe,  die  einen  Ber- 
eales darstellt,  der  mit  der  linken  Hand  das  Haar  einer  zu  Pferde 
sitzenden  Amazone  erfasst,  nahm  derselbe  Veranlassung,  die  bishe- 
rigen Ergebnisse  kurz  zusammen  zu  stellen,  und  legte  Photograpfaieen 
und  eine  Plan  Zeichnung  vor.  Hiernach  hatte  das  genannte  Castrum 
die  Form  eines  Quadrats;  seine  Mauern  waren  von  bedeutender  Stärke 
und  sind  schon  im  Mittelalter  ausgehöhlt  und  zu  Wohnungen  benutxt 
worden,  sie  dienen  gegenwärtig  noch  an  verschiedenen  Stellen  zu  Kel- 
lerräumen. Ausser  den  vier  Eckthürmen  besasB  jede  Seite  noch  drei 
weitere  Thürme.  An  die  Stelle  der  Mittelthürme  traten  an  der  Ost- 
und  Westseite  je  zwei  Halbthürtne  zum  Schutze  der  Eingänge.  Die 
Eingänge  selbst,  wenigstens  der  westliche,  waren  ursprünglich  archi- 
tektonisch reich  gehalten,  insbesondere  die  Thorgiebel  mit  Säulen,  Ja- 
Schriften  und  bildlichen  Darstellungen  geziert.  Aber  auch  im  Innern 
fehlten  jene  Heiligthümer  und  Denkmäler  nicht,  mit  denen  die  Römer 
ihre  Niederlassungen  zu  schmücken  pflegten.  Zum  Schlüsse  suchte 
der  Vortiagende  nachzuweisen,  dass  die  Erbauung  der  jetzt  noch  vor- 
handenen Substructionen  einer  sehr  späten  Zeit  angehört  und,  wie 
aus  dem  Worte  consutaris  in  einer  Inschrift  zu  schliessen  ist,  vor  der 
zweiten  Hälfte  des  4.  Jahrhunderts  schwerlich  stattgefunden  hat. 

Prof.  Schaaffhausen  berichtete  hierauf  über  die  nach  Bescbluss 
der  deutschen  anthropologischen  Gesellschaft  in  Ausarbeitung  b^^Bene 
prähistorische  Karte  Deutschlands,  legt  ein  von  H.  v.  Tröltsch  fertig- 
gestelltes Probeblatt,  welches  die  Schweiz  und  das  südwestliche  Deutsch- 
land umfasst,  sowie  eine  Karte  der  im  Begierungsbezirk  Arnsberg  vor- 
handenen  Ringwälle  von  Bergrath  Hundt  vor  und  schilderte  dann  zwei 
neu  aufgefundene  germanische  Denkmäler  in  unserer  nächsten  Uii^e- 
hang.  Auf  dem  Asbei^,  den  man  in  zwei  Stunden  von  Rbeinbreitbftch 
aus  erreicht,  befinden  sich  ausgedehnte  Steinwälle.  Eine  Kappe,  die 
vor  dem  langen  Bücken  des  Berges  liegt  und  sieb  etwa  180  Fuss  über 
die  Hochääche  erhebt,  ist  ringsum  mit  einem  künstlichen  Steinscfautt 
bedeckt  und  wegen  der  steilen  Böschung  von  ungefähr  45*'  schwer 
ersteigbar.  Der  Kegel  selbst  ist  Säulenbasalt,  über  dem  fünf  bis  sechs 
Fuss  hoch  die  Steinboschung  liegt.  Die  obere  Fläche  des  H^^  mit 
einer  prachtvollen  Rundstcht  bildet  einen  schmalen,  von  NO  nach  SW 
gerichteten,  40  Schritte  langen  Grat.  An  der  Ostseite  gebt  die  B5' 
schung  des  Steinkegels  in  der  Hälfte  ihrer  Höhe  in  einen  nach  W  nnd 
NW  gerichteten  Steindamm  über,  der  nicht  ganz  den  hoben  Racken 
des  Asbergs  erreicht.  Er  ist  200  Schritte  lang  und  Ober  dem  Wald- 


Jahresbericht  der  Vereinsjahre  1879  und  1880.  205 

boden  30  bis  60  Fuss  hoch.  Auf  dem  Asberg  selbst  liegt  50  Schritte 
vom  Ende  dieses  Steinwalles  entfernt  ein  Steinring  mit  einem  Durch- 
messer von  90  Schritten,  er  ist  noch  3  bis  4  Fuss  hoch  und  an  der 
Basis  18  Fuss  breit.  An  der  Südseite  hat  er  einen  ihn  in  schiefer 
Richtung  durchschneidenden  Eingang.  Von  diesem  Ringe  setzt  sich 
nach  SO  ein  langer  Steinwall  fort,  dessen  äussere  Böschung  hier  und 
da  34  Fuss  lang  ist.  Der  Steinkegel  mag  eine  Opferstätte  gewesen 
sein.  Schon  der  Name  Asberg  erinnert  an  die  germanische  Götter- 
lehre. Sollen  die  Umwallungen,  die  sich  immer  häufiger  auf  unsern 
Berghöhen  finden,  nur  Befestigungswerke  für  den  Krieg  gewesen  sein, 
oder  waren  sie  nicht  die  gewöhnliche  Umfriedung  der  ältesten  Wohn- 
orte, die  nur  vereinzelte  Gehöfte  waren?  Von  den  Zelten  oder  Hütten 
aus  Brettern  und  Weidengeflecht  und  dem  zerbrechlichen  Zaunwerk, 
welche  Herodian,  Strabo  und  Ammian  beschrieben,  ist  uns  nichts  übrig 
geblieben,  nur  in  den  Pfahlbauten  fanden  sich  noch  verflochtene  Hölzer 
mit  Lehm  bestrichen.  Die  in  Steinringen  gefundenen  goldenen  Schüs- 
selmünzen sprechen  für  die  Kelten  als  ihre  Erbauer  oder  ihre  späte- 
ren Bewohner.  Das  zweite  Alterthum  befindet  sich  auf  dem  Peters- 
berge im  Siebengebirge,  über  dessen  Steinring  der  Redner  früher  be- 
richtet hat.  Auf  einem  Rasenstücke  vor  dem  Pächterhause  werden 
jedem  Besucher  einige  grosse  Basaltblöcke  aufgefallen  sein,  die  in 
einer  Richtung  lagen,  aber  nur  Va  bis  höchstens  2  Fuss  aus  dem  Bo- 
den hervorragten.  Man  konnte  hier  ein  megalithisches  Denkmal  nach 
der  Art  der  Hünenbetten  vermuthen.  Herr  Nelles,  der  Besitzer  des 
Petersberges,  hat  auf  den  ihm  geäusserten  Wunsch  die  Blöcke  frei 
legen  und  etwa  8  Fuss  um  dieselbe  die  Erde  wegräumen  lassen.  Es 
kam  an  der  nördlichen  Seite  des  Rasens  ein  10  Fuss  hoher  Dolmen 
zum  Vorschein,  der  aus  fünf  Steinblöcken  besteht,  von  denen  den  drei 
die  Unterlage  bilden,  auf  welche  die  zwei  andern  getürmt  sind.  Die 
Lücken  zwischen  den  Blöcken  waren  mit  kleineren  Steinen  zugelegt. 
Vor  diesem  Denkmal  liegen  20  andere  Blöcke  in  einer  Anordnung,  als 
hätten  sie  ursprünglich  ebenso  übereinander  gelegen  und  seien  aus-: 
einandergewälzt  worden.  Der  grösste  Steinhaufen  entging  der  Zer- 
störung, sein  grösster  Block  ist  11  Fuss  lang  und  5  Fuss  8  Zoll  hoch 
und  ebenso  dick,  der  zweitgrösste  8  Fuss  7  Zoll  lang  und  5  Fuss  5 
Zoll  breit.  Das  ganze  Steinfeld  ist  63  Fuss  lang  und  18  Fuss  breit. 
Diese  Denkmale  fehlen  in  unserer  Gegend  fast  gänzlich,  weil  die  erra- 
tischen Blöcke  fehlen,  aus  denen  sie  in  Norddeutschland  und  in  an- 
dern Ländern  meist  errichtet  sind.    Dass  diese  mächtigen  Steine  eine 


806  Jahre nbericht  der  VeretnRJahre  1879  and  1980. 

Opferstätte  bildeten,  ist  nicht  wahrscheinlich,  weil  sie,  wie  man  sdiliea- 
spn  mass,  arsprilnglich  von  Erde  bedeckt  waren  und  nur  im  Laofe 
iler  Zeit  zum  Theil  entblöst  wurden,  wie  es  bei  aiideni,  z.  B.  dem 
Denkmale  von  Westernachulte  bei  Beckum,  der  FiiU  ist.  Ks  mögen 
megalithische  Graber  sein.  Irgendwelche  Funde,  welche  die  Deutung 
erieichtem  würden,  sind  bisher  nicht  gemacht  wnrdeo. 

Zuletzt  lenkt  der  Redner  die  Aufmerksamkeit  auf  die  EröSnunR 
zweier  Hügelgräber  bei  Ludwigsburg,  unfern  Stuttgart,  über  die  Fraas 
in  diesem  Jahre  berichtet  hat.  Die  Funde  in  dem  einen,  der  Klein- 
aspergle  heiafft,  waren  einzif;  in  ihrer  Art  und  sind  von  Liodenschmit 
im  letzten  Heft  der  „Alterthümer  unserer  heidnischen  Vorzoit"  ab^- 
bildet.  Zwei  in  Gold  gefasste  attische  Schalen,  vier  Bronzegefässe 
von  edler  Form  und  Ornamentik,  darunter  eine  Amphora,  noch  mit 
wohlriechendem  Harze  gefüllt,  Goldreste  von  Gewändern,  zwei  reich 
verzierte  goldene  Fdllhömer,  wohl  Theile  von  Trinkgefässen,  der  Abdruck 
eines  Teppichs,  der  die  Asche  bedeckte,  dass  alles  lässt  ein  griechisches 
Grab  erkennen,  ein  griechisches  Grab  im  Herzen  von  Deutschland  zwi- 
schen Bhein  und  Donau!  Die  Vasen  deuten  auf  das  4.  Jahrhundert  vor 
Chr.  Dieser  Fund  gibt  wohl  Veranlassung,  an  die  alte  Frankensage 
zu  erinnern,  die  Braun  1856  in  seiner  Festschrift  „Die  Trojaner  am 
Rhein"  besprochen  und  Roth  in  Pfeiti'ers  Germania  I  einer  strengeren 
Untersuchuns  unterzogen  hat.  Wenn  man  die  alte  Stammsage  von 
den  abenteuerlichen  Dichtungen  befreit,  mit  welchen  die  Cbro> 
nisten  des  7.  bis  12.  Jahrhunderts  sie  aasgescbmOckt  haben,  so  bleibt 
eine  Ueberlieferung  übrig,  die  so  alt  ist,  dass  sie  nicht  als  eine 
blosse  Uebertragnng  der  römischen  Sage  angesehen  werden  kann,  aus 
der  Virgi]  den  Stoff  zu  seiner  Aeneis  schöpfte.  Schon  Tacitos  bdrte, 
dass  Ulysses  an  den  Rhein  gekommen  und  hier  Asciborgom  gegründet 
habe,  and  dass  es  an  der  Grenze  Germaniens  und  Rfaätiens  Denk- 
mäler Dod  Grabsteine  mit  griechischer  Schrift  gebe.  Bei  den  Helve- 
tiem  fand  Gftsar  Tafeln  mit  griechiacher  Inschrift  Äeltere  Machweise 
der  Sage  findet  man  hei  den  Galliern,  wobei  man'  an  das  600  vor  C3ir. 
von  Griechen  gegründete  Massilia  denken  mag.  Cicero  nennt  schon 
60  V.  Chr.  die  Baeduer  Blutsverwandte,  was  sich  nur  auf  die  troja- 
nische Abstammung  beziehen  kann,  and  Timagenes,  der  unter  Augo- 
stus  lebte,  berichtet,  dass  nach  dem  Falle  Trojas  Griechen  dos  leere 
Gallien  besetzt  hatten.  Die  ältesten  gallischen  Münzen  haben  griechi- 
sche Schrift.  In  alten  Zeiten  schon  mögen  Griechen  der  Denan  entlang 
auch  nach  Germanien  gekommen  sein,   es  können  im  5.  Jahrhundert 


Jabresberioht  der  Vereinsjahre  1879  und  1880. 


207 


V.  Chr.  noch  ganze  Stämme  germanischer  Abkunft  unter  griechischen 
Führern  eingewandert  sein  und  die  alte  Sage  ihrer  trojanischen  Ab- 
kunft mitgebracht  haben.  Die  Veneter  rühmten  sich  derselben  schon 
450  V.  Chr.  Die  Funde  griechischer  Alterthümer  in  Deutschland  sind 
geeignet,  uns  neue  Beziehungen  im  alten  Völkerverkehr  erkennen  zu 
lassen. 

Der  Vorsitzende  verwies  hierauf  noch  auf  die  von  Herrn  Bau- 
meister Wiethase  infolge  eines  vom  Vorstande  geäusserten  Wunsches 
im  Saale  ausgestellten  Aufnahmen  der  bereits  niedergelegten  Thor- 
burgen  der  Stadt  Köln  sowie  des  Hahnenburgthors  in  verschiedenen 
Ansichten  und  Photographien,  indem  er  mit  einigen  Worten  der  Be- 
mühungen gedachte,  an  denen  es  auch  der  Vereinsvorstand  nicht  habe 
fehlen  lassen,  um  für  die  Erhaltung  der  Kölner  Thorburgen  einzu- 
treten. 


Ordeitilohe  Hltolleder. 
Die  NHineii  dar  «aivSrtlgeii  gearstSra  ^ad  mit  Fetter  Sahrlft  gedrndd 


._    idts,  Max,  in  CSla. 
t  Arnold,  Baamelster  In  Boloben.*) 
Atbaoli,  Dr.,  GymnfttUllBhret Ib Bonn. 
Aitohan  Tel  dt,  Hauptm.  a.  D.  n.  BiHar. 

gutsbesttier,  In  Bonn. 
Ayx,    Freiherr   tod,    Kg\.  Landrath  ia 

Eiukicohen. 
Baedeker,    Catl,    BnoUi.    In  Ldpalg. 
Baedeker,  J-,    Bnohbltiidlar  In  EeaoD. 
BsdeTerwaltang  In  Bsrtrieh. 
Darbst  da  Jon7  in  Parlt. 
BardelBben,    tod,  Dr.,  Exe^  WIrkL 

G«h.  Rath,  Oberprttddent  In  Cablena. 
BartBll,  aaiir.  Saat.,  Pfarrer  In  AltarkSla.  ' 
BailJewiky,  Alexandre,  b  Padt. 
Bauniebeldt,  Gatabai.  In  BndenlDli. 
Beek,  Di.,  Snininardireator  In  Llnnlah. 

IJ  Dar  Tontand  anuaht  ünHobtlgkaiten  In  naehitahendan  TeraaloImlMen,  Ter- 
kndertmgen  In  den  Standeebeieiohnungen,  den  Wahnortan  ete.  gsfilllgtt  unterem 
Reohnangtraiirer,  Herrn  Raoliiituigarath  Frioke,  lehrlnlloh  mittnthatlen. 

2)  Die  mit  einem  Krauiohen  beielobneten  Mitglieder  dnd  Im  Laufe  dei 
Jahres  1681  geatorbao. 


Aehenbaoh,   Dr.,    Exaetlenz,   Staati- 

Minlater  a.  D.  u.  OberpiJ[«id.  In  Fatadam. 
Aohenbaob,  Berghsaptmann in Claua- 

thal. 
Aohenbaob,  Job.,   Rentner  In  Hann.- 

Gamünden. 
Adler,    Banrsth  n.  Prof.  In  Bariin. 
Aagidl,  Dr.,  aah.  Rath  «.Prof.  In  Berlin. 
AMfllklrohei,    Beotor,   auiw.    Saar.,  In 

Weisen. 
Allekar,  Semlnar-Dlreotor  In  Brühl. 
Alteithnms-Tereln  In  Uannbdm. 
Altarthumi-'Veraln  In  Xanten. 
Altmann,  Bankdiraator  In  CSln. 
Antlken-Cablnat  In  Oleuan. 
Antlqasrlioh-hfitariioberVer^ 

In    Kreainaoh. 


VerBeiohnlss  der  Mitglieder. 


209 


Be  oker,  Dr.|  Oberbürgermeister  in  Göln. 

Becker,  Dr.,  aubw.  Seor.,   Professor  in 
Frankfurt  %.  M. 

Beoker,    Dr.y    Kgl.  Staatsarohivar,   in 
Cobienz. 

Beissel  vonGymnich,  Graf,  Sohloss 
Frens  bei  Horrem. 

B  e  n  d  e  r,  M.,  Bürgermeister  in  Worringen. 

Benrathy  Dr.y    Professor  in  Bonn. 

Bergan,  Professor  in  Nürnberg. 

"i*  B  ergk,  Dr.,  Hofrath  u.  Prof.  in  Bonn. 

Berlepschy  Frhr.  von,  Regierangs- Vice- 
Präs.  in  Coblonz. 

Bernau,  Arnold,  Justizrath  in  Ruhrort. 

fBernays,    Dr.,    Professor    u.    Ober- 
bibliothekar in  Bonn. 

Bernoulli,  Dr.,  Prof.  in  Basel. 

Bernuth,  ▼.,  Kgl.  Reg.-PriUid.  in  Cöln. 

Besseliohy  Kaufmann  in  Trier. 

Bettingen,  Landgerichtsrath  in  Trier. 

Bibliothek  der  Stadt  Barmen. 

Bibliothek  der  Universität  Basel. 

Bibliothek,  Stand.  Landes-,  inCassel. 

Bibliothek  der  Stadt  Gleve. 

Bibliothek  der  Stadt  Cobienz. 

Bibliothek  der  SUdt  Crefeld. 

Bibliothek,  Fürstl., in Donauesohingen. 

Bibliothek  der  SUdt  Düren. 

Bibliot^ca-Nazionale  in  Florenz. 

Bibliothek  d.  Etrur.  Mus.  in  Florenz. 

Bibliothek  der  Stadt  Frankfurt  a.  M. 

Bibl  iothek  der  Universit  Freibarg  in  B. 

Bibliothek,  Stifts-,  in  St.  Gallen. 

Bibliothek  der  Universität  (lötlingen 

BibliothekderUniversitätH/illea.  d.s. 

Bibliothek  der  Stadt  Hamburg. 

Bibliothek  d.  Universität  Heidelberg. 

Bibliothek    der    Universität   Königs- 
berg i.  Pr. 

Bibliothek  der  Universität  Löwen. 

Bibliothek  der  Universität  Lüttioh. 

Bibliothek  der  SUdt  Mainz. 

Bibliothek  der  Akademie  Münster. 

Bibliothek,  Stifts-,  in  Oehringen. 

Bibliothek  der  Universität  Parma. 

Bibliothek  der  Universität  Perugia. 

Bibliothek  der   Universität  Prag. 

B  i  b  1  i  o  t  h  e  k  der  Universität  Strassburg . 

Bibliothek  der  Stadt  Trier. 

Bibliothek  der  Univ.  Tübingen. 

Bibliothek  der  Universität  Utrecht. 

Bibliothek,    Gräfl.   Stolberg'sohe,    in 
Wernigerode. 

Bibliothek,  Königl.,  in  Wiesbaden. 

Binsfeld,  Dr.,  Gym.-Dir.  in   Cobienz. 

Binz,  Dr.,  Professor  in  Bonn. 

Blancke-Surlet,   Baron    de,   Sohloss 
Leohy  bei  Texte. 

Blank,  Emil,  Kaufmann  in  Barmen. 

Blüm n er,  Dr.,  Professor  in  Zürich. 


Book,   ausw.  Seoretair,  Commerzienrath 
und  Fabrikbesitzer  in  Mettlach. 

Bock,  Adam,  Dr.  jur.  in  Aachen. 

Boeoking,    G.  A.,    Hüttenbesitzer  zu 
Abenteuerhütte  bei  Birkenfeld. 

Boeoking,  K.  Ed.,   Hüttenbesitzer  zu 
Qräfenbacherhütte  bei  Kreuznach. 

Boeoking,    Rud.,    Hüttenbesitzer   zu 
Hallbergerhütte  bei  Saarbrücken. 

Boed  dicker,  Dr., Sanit.-R.  zu  Iserlohn. 

Boeddinghaus,     Wm.   sr. ,    Fabrik- 
besitzer in  Elberfeld. 

Boeker,  H.  H.,  Rentner  in  Bonn. 

Bone,  Dr.,  Gymnasiallehrer  in  Cöln. 

Boot,  Dr.,  Professor  in  Amsterdam. 

Borggreve,  Wegb.-Insp. in  Kreuznach. 

Borret,  Dr.,  in  Vogelenaang. 

Bossler,    Dr.,  Carl,    Gymnasiallehrer 
in  Darmstadt. 

Bracht,  Eugen,  Maler  in  Garlsruhe. 

Brambach,  Dr.,  Prof.  und  Oberbiblio- 
thekar in  Carlsruhe. 

Braselmann,     Albert,     Kaufmann    in 
Beienburg  bei  Schwelm. 

Brasser  t,  Dr.,  Berghauptmann  in  Bonn. 

Braun,  Dr.,  Justizrath,  Rechtsanwalt  in 
Leipzig. 

Brendamour,  R.,  Inhaber  d.  Xylogr. 
Instituts  in  Düsseldorf. 

B reicher,    Landgerichtsrath  in  Bonn. 

Brück,  Emil  vom,  Com.-Rath in  Crefeld. 

Brunn,  Dr.,  Prof.  in  München. 

Bücheler,Dr.,Geh.Reg.-R.,  Prof.  inBonn. 

Bücklers,  Geh.  Commerzienr.inDülken. 

Bürgerschule,  Höhere,   in   Bocholt. 

Bürgerschule,  Höhere,  in  Eupen. 

Bürgerschule,  Höhere, in  Hechingen. 

Bürgerschule,  Höhere,  in  Lennep. 

Bürgerschule,  Höhere,  in  Lüdenscheid. 

Bürgerschule,     Höhere,    in     Ober- 
iiausen. 

Bürgerschule,  Höhere,  in  Saarlouis. 

Bürgerschule.   Höhere«  in   Solingen. 

Bürgerschule,  Höhere,  in  Unna. 

Bürgerschule,   Höhere,   in   Viersen. 

Bürgerdchule,  Höhere,  in  Witten. 

Burkhardt,  Dr.,  Pastor  au  Blösjen. 

Bursian,  Dr.,  ausw.Secr.,  Prof.in München. 

t  Busch,  Dr.,  Geh.  Medizinalrath  und 
Professor  zu  Bonn. 

Buschmann,  Dr.,  Canonious  in  Aachen. 

Bylandt-Rhey  dt,  Graf  von.     Major 
a.   D.  und  Rittergutsbes.   in  Bonn. 

Cahn.  Albert,  Bankier  in  Bonn. 

Camphausen,  Excellenz,  Wirkl.  Geh. 
Rath,  K.  Staatsminister  a.  D.  in  Cöln. 

Camphausen,  August,  Geh.  Commer- 
zienrath in  Cöln. 

Ca p pell,   LandesgericKtsrath  in  Essen. 

Carnap,  von,  Rentner  In  Elberfeld. 

14 


Vereelohniss  dec  Mitglieder. 


Oarat»njeii.  Adolf,  in  Godeiberg. 
Caaer,  C,  Bildhauer  in  Cieusnnah. 
C«uer.  R.,  BUdbauer  in  Creuioacti, 
Getto,  Carl,  Oatsbeiitser  in  St.VVsndsl. 
CbrzeBoiniki,  P«stor  in  Cleve. 
OiTll-CaaiDa  in  Cobleci. 
Claer,  A.lez.  ds,  Ueuteaant  a.  D.  uml 

Steuere mpfänger  in  Bonn, 
Cluvr,  Kberhard  de,   Iteferendar  a    !>. 

und   Uentner  in  Bonn. 
tClaeoD.  Rentner  in  Bonn. 
CUt£  1.  Bouhahen,  Uulgbea.  In  Cola 
Conrads,  Dr.  auaw.  äecr.,   Profedsar   a. 

OymnseiBl-Oheilehrer  In  Eaeen. 
Conrad j,  Krotaiiahter  a.D.  In  Hfltan- 

ConserTHtorium      der     Alterthümer, 

OroMberzogl.  BadUolies,  In  Carltruhe. 
Conze,  Dr.,   Prof-   u.  Abtheil.-DirBPlof 

am  K.  Mu>Bum  In  Berlin. 
aonie,0o(lfrled,  AhgeonlneterEumPre- 
viniial-Landtage  in  Lanj^eaberg. 
Garn  all  UB,  Dr,  Profeaaor  ia  Miinebea, 
Cremer,   Pfarrer  !a  Eoliti;  hei  Düren. 
Onlemann,  Senator  In  HanaoT^r. 
Cuny,  Ur.  Totj.  Appellatlanagerichtarath 

a.  D.   lind  PrafeGaor  in  Berlin. 
COppera,    Wilb.,   Dlreotor   der    Tsub- 

gtumnienlebransUlt  in  Trier. 
C  ur  t  i  u  9,  Dr.,  Oeh.  H.,  Profeanor  In  Berlin. 
Curtiaa,    Julius,    Commerzienrath    in 

DulBhurg. 
Deiehmann-Sohaarniausen,  Frm 

Oeh.  Comm.-Iialliin,  in  Va.luz. 
UalhoTen,  Jao.,  Gulsbes.  zuDormagen. 
O  eil  Da,  Dr.,   Profeaaor  lo  Bonn. 
Dallaa,  0.,  auaw.  Seor,,  K.  Bauinapeotor 

In  Coblenz. 
DeliuB,  Landralh  in  Mayen. 
Dteokhoff,  Baurath  In  Aaoben. 
DIeffenbaeh,  Dr.,  in  Bonn. 
Diergardl,  Frelb.  tod,  In  Morabrueh. 
Dtlthejr,  Dr.,  Profeaaor  in  OSlUngen. 
Dobberl,  Dr.,  Prof.   io  Berlin. 
Doetaoh,  OberbQrgeraieialer   in  Bonn. 
Dommerioh,  Frau  Emma,  geb.  Weybe, 

In  Foppeladorf. 
Drewke,  Dr.,   Reehtaanwalt  In  CBln. 
Duhr,  Dr.,  prakL  Arzt  in  Coblenz. 
fDumont,  Miob.,  Buehbändlei  in  Cöln. 
Duneker,   Dr.,  Bibltotliecar  der  stSndi- 

•oben  BIbl.  in  Caaael. 
Dltaebke,  Dr.,    auaw.  Secr.,  Oberlehrer 

in  Burg  bei  Magdeburg. 
BBksteln,Dr.,  Reot  u.Prof.  InLetpiig. 
Ehrhard,    Reehte-Anwalt    beim  Ober- 

landeagerloht  In  Cöln. 
EUe,  Graf,  In  EllTllle. 
Ellabaoher,  Moritz,  Rentner  in  Bonn. 
Endert,  TSn,  Dr.,  Caplan  Id  Bonn. 


Endrulat,  Dr.,  Arobivsr  In  Welslar. 
Engelakirohen,   Architekt  in  Bonn. 
Eakena,  PrfiuL  .Io».,  Reotnerlo  in  Bonn. 
Eaaeler,  Hofralli  In  Hamm. 
Esier,  Dr.,  Kreliacbulinapector  ia  Mal- 

Esaini^h,  H.,  Kaufmano  in  CSIn. 
Evana,  Jolin.  in  Nash-Miila  In  England. 
Eynern,  Ernat  von,  Kaufm.  In  Barmen. 
Eynern,  Petet  ron,  Kaufm.  in  Barmen. 
Finklenharg,  Dr.,  Piofeeior,  Seh.  Rath 

in  Godosberg, 
Firmenieh-Eiehsn,  Frau  Prof.  Ur. 

Flandern,  Ihre  Kgl.  Unheil  die  QrX6n 

Ton.  In  Brügael. 
Flaaoh,  IT.,  Profeaaor  bWüraburg. 
Fleekeieen.  Dr.,  l'rof.   in   Ureaden. 
Fl  in  HU  h,  Major  n.  I).,  Immenburgb.  Bonn. 
Klorsnaourt,  Cbaaaot  lon,   in  Borlin. 
t  Flosa,  Dr..  Profeasor  iu  Bonn. 
Fonk,  Landrath  In  RUdeaheim. 
Franke,    August,  Cooaerrator  am  Brl- 
In  London. 


,    l'furri 


L    ItterT 


rS    bell. 


Limburg  bei  R 
Frenfcen,  Dr.,  Domoapilular  io  Cöln. 
Frlako,   Keohnungirath    u.    überberg- 

srntarondanl  in  Bonn. 
FrlBdlSndor,  Dr.,    Profeaaor  ia  K8. 

nigeberg  in  Pr. 
Frings,  Krau  Commeroieorath  Eduard, 


auf  Mar 


bei    !i« 
■Iralh  i 


imagen. 
Weael. 


Fuaha,    Pet.,    Prefeaior   und  Dombild- 

bauei  in  Bayentliat  b.  CCln. 
Füratenberg,  Oraf  von,   ErbIruchaeM 

aof  Scbioaa  Herdringen. 
Fulda,  Dr.,   Dlreotor  dei  aymnaalume 

io  Sänger  hausen. 
Fus«,    Dr.,    Öymnaaial- Oberiehrer    lo 

Bedburg. 
Fuasbahn,  Fabrikbeaitzer  tn  Neuwied. 
Gaedeobena,   Dr.,  Profeaaor  In  Jana. 
Galhau,     G.     toa,      OutabedUer     In 

Wallerfangen. 
GailfTe,  Dr.,  auaw.  Seor.,  Prof.  In  Genf. 
UatEen,  Amtarlohler  in  Tholey. 
Cielger,  Poliz.-PrSs.  a.  D.,  In   Cobteni. 
Georgi,   C.  H.,    Buehdruekerelbeettier 

In  Aachen. 
Georgt,    W.,     UnlT.-Bnshdniokerfliba«. 

in  Bonn. 
Qeyr-Sohweppenbnrg,  Frdb.  tod, 

Ritterg utsbealtzer  tn  Aachen, 
Oewerbeaohule,  Pro?.-,  In  Aaoben. 
Oewerbe«cbale,&ti(dL,lnReniB«heId. 
Qoebel,  Dr.,  Gymn. -Dlreotor  In  Fulda. 
Goebbels,    Caplan    an    St.    Maria    Im 

Capitol  IU  CSIn. 


Verielehnfss  der  Mitglieder. 


211 


O  o  e  r  t z ,  Ed.» Fabrikbes.  in  Odenkirohen. 

(ioldsohmidty  Jos.»  Bankier  in  Bonn. 

Ooldsehmidty  Rob.,  Bankier  In  Bonn. 

Gottgetreu,  Reg.-  u.  Baurath  in  Cöln. 

tireef»  F.  W.,  Commerzienr.  in  Viersen. 

Qroote,  Ton,  Kgl.  Landrath  in  Ahr- 
weiler. 

ürüneberg,  Dr.,  Fabrikant  in  Cöln. 

Guiohard,  Kreisbaameister  in  Prüm. 

Guilleaume,  Frz.,  Fabrikbes.  in  Bonn. 

Gymnasium  in  Aachen. 

Gymnasium  in  Arnsberg. 

Gymnasium  in  Attendorn. 

Gymnasium  in  Bochum. 

Gymnasium  in  Bonn. 

Gymnasium  in  Garlsruhe   in   Baden. 

Gymnasium  in  Cassei. 

Gymnasium  in  Cleye. 

Gymnasium  in  Coblenz. 

Gymnasium  an  Aposteln  in   Cöln. 

G  ym  n  a  s  i  u  m,  Fried  rieh- Wilh.-,  in  Cöln. 

Gymnasium,  Kaiser  Wilhelm-,  in  Cöln. 

Gymnasium  an  Marzellen  in  Cöln. 

Gymnasium  in  Constanz. 

Gymnasium  in  Crefeld. 

Gymnasium  in  Dillenburg. 

Gymnasium  in  Düren. 

Gymnasium  in  Düsseldorf. 

Gymnasium  in  Duisburg. 

Gymnasium  in  Elberfeld. 

Gymnasium  in  Emmerich. 

Gymnasium  in  Essen. 

Gymnasium  in  Freiburg  in  Baden. 

Gymnasium  in  Gladbach. 

Gymnasium  in  Hadamar. 

Gymnasium  in  Hanau. 

Gymnasium  in  Hersfeld. 

Gymnasium  in  Höxter. 

Gymnasium  in  Mannheim. 

Gymnasium  in  Marburg. 

Gymnasium   in  Moers. 

Gymnasium  in  Montabaur. 

Gymnasium  in  Münstereifel. 

Gymnasium  in  Neuwied. 

Gymnasium  in  Neuss. 

Gymnasium  in  Rheine. 

Gymnasium  in  Rinteln. 

Gymnasium  in  Saarbrücken. 

Gymnasium  in  Soest. 

Gymnasium  in  Trier. 

Gymnasium  in  Warendorf. 

Gymnasium  in  Weilburg. 

Gymnasium  in  Wesel. 

Gymnasium  in  Wetzlar. 

Gymnasium,  Gelehrten-,  in  Wies- 
baden. 

fHaakh,  Dr.,  Professor  und  Inspector 
des  Königl.  Museums  vaterländiseher 
Alterthümer  in  Stuttgart. 

liaass,  Eberh.,  Apotheker  in  Viersen. 


Hagemeister,  von,  Regs.-Präsident  in 

Düsseldorf. 
Habets,  J.,  Präs.  d.  arch.  Ges.  d.  Hrz. 

Limburg,  in  Bergh  b.  Mastrioht 
Hammers,    Ober-Bürgermeister    a.   D. 

in  Düsseldorf. 
Haniel,  Paul,  Landrath  i.  Mülheim  a.  d. 

Ruhr. 
H  anstein,  Peter,  Buohh&ndl.  in  Bonn. 
Hardt,  A.  W.,  Kaufmann  und  Fabrik- 
besitzer in  Lennep. 
Harless,  Dr.,  Geheimer  Arohiyrath  in 

Düsseldorf. 
Hasskarl,  Dr.,  in  Cleve. 
Hau  brich,  Pastor  in  Nohn. 
Hftng,   Ferd.,  Professor  und  Gymnasial- 

Direetor,  ausw.  Secr*,  in  Mannh.  a.  Rh. 
Haugh,  Senatspräsident  in   Cöln. 
Hauptmann,  Rentner  in  Bonn. 
Heckmann,  Fabrikant  in  Viersen. 
Hegert,  Dr.,  Staats- Archivar  in  Berlin. 
Heimen dahl,    Alexand.,    Geh.    Com- 

merzienrath  in  Crefeld. 
Heinsberg,  von,   Landrath   in  Neuss. 
Heister,    von,    Bruno,     Rentner     zu 

Düsseldorf. 
Henry,  Buch-  u.  Kunsthändler  in  Bonn. 
Herder,  August,  Kaufm.  in  Euskirchen. 
Herder,  Ernst,  in  Euskirchen- 
H  e  r  f  e  1  d ,  Frau  Josephine,  geb.  Bourette, 

in  Andernach. 
He  r mann,  G.,  Hauptnua. D.  zu  Bonn. 
Hermeling,  Pfarrer  in  Kirspenich  bei 

Münstereifel. 
Herstatt,  Eduard,   Rentner  in  Cöln. 
Her  statt,  Friedr.  Job.  Dav.,  in  Cöln. 
Herzog,    Dr.,    Professor   in  Tübingen. 
Hettner,    Dr.,    Director   des  Provinz.- 

Mus.  in  Trier. 
Heuser,    Dr.,    Subregens   u.  Professor 

in  Cöln. 
Heydemann,  Dr.,  Professor  in  Hallo. 
Heydinger,    Pfarrer  in  Schieidweiler 

bei  Auw,  Reg. -Bez.  Trier. 
Hey  dt,  Freih.  v.  d.,  Landrath  in  Mal- 

medy. 
Hilgers,  Dr..  Dir.  d.  Realsch.  in  Aachen. 
Hillegom,  Six  van,  in  Amsterdam. 
Historischer  Verein  für  Dortmund  und 

die  Grafschaft  Mark  in  Dortmund. 
Hoohgürtel,  Buchhändler  in  Bonn. 
Hoesoh,  Gustav,   Kaufmann  in  Düren. 
Hohenzollern,  Se.  Hoheit  Erbprinz  v., 

Sigmaringen. 
Hoehlbaum,    Dr.,    Stadt-Archivar    In 

Cöln. 
Hölsoher,  Dr.,   Gymnasial-Director  in 

Recklinghausen. 
Höpfner,  Dr.,  Provinzial-Sohulrath  in 

Coblenz. 


Hupettz,  GeDsral-Dir.  in    lleahemtcli. 
HuyaseD,  MiliL-Oberpfarrer  \a  \ltona. 
Jenny,  8am.,  Dr.,  In  Hard  bei  Bregen«- 
JenlgBB,   W.,  Kiufmann  tn  Crefald. 
Jürisaan,  Psitor  in  Alfter. 
Jaeel,  Ftau   August,  in  Cäln. 
Joeat,  Eduard,  KaurmBiin  in  CSIn. 
Jo8t,  J,   B.  Dom.  in  Cöln. 
I  e  s  ob  e  ak,  JulIuB,  R«niDer  In  WlMbnden. 
Junker,  C.A.,Kgl.B«uIn9peol,  In ErfurL 
.lankeratocff,  C&rt,  KaufraaDii  In  Diis- 

«eldorf. 
Ksentzeler,    P.,    sUdt.    Arohlvar    in 

Aaolien. 
Xaroher,     aus«.     Seor-,    fabrikbesitzer 

In  Saarbrücken. 
K  arthau  B,  C,  CommerEleDr.in Barman. 
K  a  uf  m  a  □  n,  Obecbürgorm.  a.  D.  in  Bann. 
Kekulä,  Dr.,    August,  Oeh.-Ratli   unil 

Professor  in  PoppeUdorf. 
KekuU,  Dr.,  Heinh.,  Prof.  in  Bonn. 
KsMer,  Dr.,  Jakob,  Reallelirei  in  Matni. 
Keller,  Jul.,  ReUgtotulehrer  In  BrflhI. 
Keller,  0.,  Piofairoc  tn  Frag. 
Keller,  FabrikbeBltzer  In  Boud. 
EeUsnberg,  Q;inn.-Lebrer  in  Trier. 
Kempf,    Ingeolenr- Premier- Llentonaol 

In  Fort  SUmmhelm  bei  MUbalTn  a,-  Rb. 
Keasel,  Dr.,  Kanonika»  In  Aaohaa. 
Klein,  Dr.,  Jos.,  PrivatdoDent  InBotiu. 
Klingholz,  Rentner  tn  Bonn. 
Knebel,  Landrath  In  Beokingena.d. Saar. 
Koch,  Hainr.  Hub.,  DiTisIonBpfarrer  In 

Frankfurt  a.  M. 
Koenen,  Conatanlln,  Bildhauer  In  Nsubb. 
Koenig,  Lei>p.,Commerzienrath  laBonn. 
Koeniga,  Commarzleoralh  In  C31n. 
Koerte,  Dr.,  ProfesBor  in  Roatook. 
Kohl,   GymnaBlallehrar  In   Kienznaoh. 
Kolb,  Fr.,  Qeneral-Dlrector  In  Vieraen. 
Kortegarn,  Dr.,   Direotor  der  WBhlar- 

sohule  In  Frankfurt  am  Hain. 
Klafft,  Dr,  Geheimer  CooBistorlalralli 

u.  ProF.  In  Bona. 
K  ram  arot t  k,  Qymn.-Direot  laRaflbor. 
Ktmi,   Dr.,    Prof.  und   auBW-    Secr.,  In 

Freiburg  L  B. 


KreuBer,  Carl,  Rentner  In  Bonn. 
Krupp,   Qeli.  Cammerzlenratb  in  Esten. 
Kcüger,  .Harm.,    Laodsuliafitmaler   (n 

DÜEseldorf. 
Kühlwetler,  von,  Eic,  WIrkl.    Oeb. 

Rath,  Kgl.  Oberprä«ident  In  Mänslet. 
Küppers,  Dr.,  Sem.'Direat.  In  Siegburg. 
Lampreoht,  Dr.,  Prtiatdoo.  in  Bann. 
Landau,  H,,  CommerElenr.  in  Cobleoi. 
LandBbcrg-äleiDfurl,  Freiherr    t.. 

Engelbert,  OutsheB.  la  D renal einfurt. 
Landsberg  -  fiteiofurl,    Freiherr    t., 

Hugo,  Landes* Direotor  der  Kheinpro- 

vini  in   DÜBaelüorf. 
Lange,  Dr.,  L.,  ProfoBaoc  in  Leipr.lg. 
Leemans,  Dr.,  Dir,   d.  Reichamnaeunia 

d,   Allerthüiner  In  Leiden. 
Lehfeld  t.  Dr.,  Paul,   PriTAtduoent  a.  d. 

teabn.  Hooheohule  in  Berlin. 
Leiden,  Franz,  Kaiifbiann  u.  k.  nlederL 

Coneul  in  Cäln. 
Lenipertz,   M-,  Rentner  In  Bonn. 
Lomperlz,  R.  Söhne.  BuchhdI.  in  CCIn- 
Lsnnep,   van,  fn  Zeiel. 
Leutaoh.  t.,  Dr.,  Osheimer  llofralb  u. 

ProfesBOr  in   OSttlugen. 
Lewla,     S.    S-.     l'rofesBOr    am    CorpUB 

Chriati.Callegium   au  Cambridge. 
Laydel,  J.,  Rentner  lu  Bonn 
Leyen,  von  der,  Eniil,  in  Bonn. 
Leykam,  K reih,  t an,  SobiosB  EUum  bei 

Waasonberg. 
Liebenow,  Oeh.  Reah-Raih  In  Berlin. 
Lieber,   Ifegier.-Baurath  in  Düaseldorf. 
Linden,  Anton,  in  Dtirt>n. 

Linti,  Jao.,  VeHagBbuohh.  In  TKsr. 
LoS,  Graf  von.  Sah loaa  Witten  b.  Qel- 

Loeraoh,   Dr.,  Profeaeor  In  Bonn. 
Loeaehlgk,  Rentner  In  Bonn. 
LohauB,  Regiertingarath  in  Trier. 
Longpirier,     Adr.    de,    membr«    da 

rineCttut  de  Franee  tn  Paila. 
Lübbert,  Dr.,  Profeasor  In  Bonn. 
LDbke,  VOR,  Dr.,  auaw.  Sscr-,  Profetaorln 

Stuttgart. 
Maroua,  VerlagtbuchhKndler  In  Bonn. 
Martin,  A.  F.,  Haler  In  Roermonde. 
Märte  nt,  Baurath  In  Bonn- 
Mayer,  Heinr.  Job.,  Kaufmann  In  C61n. 
Medam,  Frhr.T.,  Fr.L.  C-,  Kgl.  ArohlT- 

rath  a.  D.  lu  Homburg  i.  d.  HBha. 
Meeater,    de,   da    Raveatein,    MIniatre 

plinlp.,    EU    SehloBB    Ravaateln    bei 

Msohaln. 
Mehler,    Dr.,    OymnaBlal ■  Dlrwitor    In 

Sneek  In  Holland. 
MehllS,  Dr.  C,  Prof-,  anaw.  Soor.,  Kgl. 

Studienlehrer  In  DDrkhrim. 
Herok,  Pfarrer u.  Reotor  In  UeUenholm. 


Verzeiohniss  der  Mitglieder. 


213 


Merkensy  Franz,  Kaufmann  in  Cöln. 

Merlo,  J.  J.,  Kentner  in  Cöln. 

Meylssen,  Qeh.  Gommerzienrath  in 
Coln. 

Michaeli  8 1  Dr.,  Prof.  in  Strassburg. 

Michels,  G.,  Kaufmann  in  Cöln. 

Milani,  Kaufmann  in  Frankfurt  a.  M, 

Milz,  Dr«,  ProfesBor  und  erster  Qymn*- 
Oberl.  in  Aachen. 

MirbaohyW.  Qraf  v.,zu  Sohloss  Harff. 

Mi  rbaoh,  Frhr.  von,  Keg.- Präsident,  a. 
D.  in  Bonn. 

Mitscher,  Landger.-Direotor  in  Cöln. 

Mohr,  Professor,  Dombildhauer  in  Cöln. 

Möller,  F.,  Oberlehrer  am  Lyoeum  in 
Metz. 

Mörnerv.Morlande,  Graf,  in  Roisdorf. 

Moramsen,  Dr.,  Professor  in  Charlot- 
tenburg. 

Moortüy  Dr.,  ausw.  Secr>,  Pfarrer,  Prä- 
sident des  hist.  Vereins  f.  d.Niederrhein, 
in  Wachtendonk. 

M Osler,  Dr.,  Prof.  am  Seminar  in  Trier. 

Movius,  Direotor  des  SohaafiTh.  Bank- 
vereins in  Cöln. 

Müllen  hoff,  Dr.,  K.,  Prof.,  Mitglied 
der  Akad.  der  Wissensch.  in  Berlin. 

Miller,  Dr.  med.  in  Niedermendig. 

Müller,  Dr.,  Albert,  Gjmnasial-Director 
zu  Flensburg  in  Schleswig. 

Müller,  Pastor  in  Immekeppel. 

Münz-  u.  Antiken-Cabinet,  Kais. 
Königl.,  in  Wien. 

Museen,  die  Königl.,  in  Berlin. 

Musöe  royal  d*Antiquit^,  d*Armures 
et  d*Artillerie  in  Brüssel* 

Mnsiel,  von,  Laurent,  Gutsbesitzer  zu 
Schloss  Thom  bei  Saarburg. 

Naeher,  Ingenieur  in  Carlsruhe. 

Nagelschmitt,  Heinr.,  Oberpfarrer  in 
Zülpich. 

Naturwissenschaftlicher  Verein 
in  Saarbrücken. 

Nels,  Dr.,  Kreisphysious  in  Bittburg. 

Neufville,  W.  von,  Rentner  in  Bonn. 

Nissen,  Dr.,  H.,  Professor  in  Strassburg. 

Nitzch,  Dr.,   Gymn.-Dir.  in  Bielefeld. 

Nolte,  Dr.,  Buchhändler  in  Bonn. 

Nottberg,  Reinh.,  Kaufm.  in  Elberfeld. 

Obernier,  Prof.  Dr.  in  Bonn. 

Oberschulrat h,  Grossherzoglich  Ba- 
discher, in  Carlsruhe. 

Oeder,  George,  Landschaftsmaler  in 
Düsseldorf. 

Oppenheim,  Albert,  Freiherr  von, 
Königl*  Sachs.  General-Consul  in  Cöln. 

Oppenheim,  Dagobert,  Geh.  Regie- 
rangs-Rath,  in  Cöln* 

Oppenheim,  Eduard,  Freiherr  von,  k 
k.  GeneraLConsul  In  Cöln. 


Orth,  Pfarrer  in  Wismannsdorf  bei  Bit- 
burg. 

Ort,  J.  A.,  Rittmeister  in  Leiden. 

Otte,  Dr.  theol.,  Pastor  in  Merseburg. 

Overbeck,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Prof.  in 
Leipzig. 

P  a  p  e  n,  von,  Prem.-Lieut.  im  5.  Ulanen- 
Regiment  in  Werl. 

Pauls,  E',  Apotheker  in Cornelimünster. 

Paulus,  Prof.  Dr.,  Conservator  d.E.  Württ. 
Kunst-  u.  Alterthumsdenkmale,  ausw. 
Secr.,  in  Stuttgart. 

Pauly,  Dr.,  Reotor  in  Montjoie. 

Pflaume,  Kgl.  Baurath  in  Cöln- 

Peill,  Rentner  in  Haus  Römlinghoven 
b.  Obercassel. 

Perthes,  Dr.,  Geh.  Hofrath  u.  Gymnas.- 
Dir.  a.  D.  in  Bonn, 

Pick,  ausw.  Secr-,  Amtsrichter  in  Opladen. 

Piper,  Dr.,  Professorin  Berlin. 

Plassmann,  Director  des  Landarmen- 
Wesens  zu  Münster  in  Westfalen. 

Pl6yie,Dr.,W.,auswSecr.,Conservatoram 
Reichs-Museum  der  Alterth.  in  Leiden. 

Plitt,  Dr.,  Professor,  Pfarrer  in  Dossen- 
heim  bei  Heidelberg. 

Pohl,  Dr.,  ausw.  Secr,  Reotor   in  Linz. 

Polytechnicum  in  Aachen. 

Pommer-Esche,  von,  Geh.  Regie- 
rungsrath  In  Strassburg. 

P rieger,  Dr.,  Rentner  in  Bonn. 

Prinzen,  Handelsgerichts-Präsident  in 
M.-Gladbach. 

Proff-Irnich,  Freiherr  Dr.  von,  Land- 
gerichts-Rath  z.  D.  in  Bonn. 

Progymnansium  in  Andernach. 

Progymnasium  in  Bruchsal. 

Progymnasium  in  Dorsten. 

Progymnasium  in  Euskirchen. 

Progymnasium  in  Malmedy. 

Progymnasium  in  Rietberg. 

Progymnasium  in  Siegburg. 

Progymnasium  in  Sobernheim. 

ProgymnasiuminTauberbischofsheim. 

Progymnasium  in  Trarbach. 

Progymnasium  In  St.  Wendel* 

Provinzial- Verwaltung  in  Düsseldorf. 

Prüfer,    Theod.,    Architeot   in  Berlin. 

Q  u a ck ,  Rechtsanwalt  u.  Bankdirector  in 
M.-Gladbach. 

Raderschatt,  Kaufmann  in  Cöln. 

Radziwill,  Se.  Durchlaucht  Prinz  Ed- 
mund, Vikar  in  Ostrowo,  Pro?inz  Posen. 

Randow,  von,  Kaufmann  in  Crefeld. 

Rath,  von,  Rittergutsbesitzer  u.  Präsid. 
d.  landw.  Vereins  für  Rheinpreussen, 
in  Lauersfort  bei  Crefeld. 

Rath,  Th.  vom,  Rentner  in  Duisburg. 

Rautenstrauch,  Valentin,  Commer- 
sienrath  in  Trier. 


ert,  Oekar,   b   IKraacliiorr. 
Kautor,  übkar,  [lireotor  ilor  rheiniaobeD 

UU*bli(i6  EU  EliF«arelil. 
Ksaliobule  In  BArmon-WupperfBld. 
Reftl»o!iul8  I.  Oriln.  in  .nüaaeldorr. 
liealsohule  I.  Ocdn.  In  Dulaburg. 
ReaUchuU  I.  Ordo.  In  Elberfeld. 
Itoalaobule  \n  Etsto. 
RonUobulel.Orda.  in  Malhelm  «.  <l.  R. 
RaaUoliulo  1.  Ordn.  In  Trier. 
RBUkun»,   Dr,  rratrer  In  Bonn. 
Rallzenslein,  Frb.  von,   Nsmona  d» 

Rez.-I'rlUidianiBfür  Lotbringan  InMett. 
Rene«ie.    Oiaf  Theodor   von,    SoUoaa 

Saboonbeech     bei     Bttsen,      F<el)[ieoh 

Limburg. 
Rennen,    Üeb.  Itath,  KIienbabn-DIrea- 

lionfi-PrSiiideut  in  COln. 
Keamonl,    Dr.    von,   Üoli.    Legatlons- 

rnlh,  In  Aanben. 
Keuaoh.  Kaufmann   in  Nouuicd. 
Rboinen,    H«rtn»nn.     Kentnor.     Villa 

lleriesberg  bat   Ituinngen. 
Rlobara,Dr.,  Qeb.Santläiar.Inl^deniob. 
Riohtsr,     Eieeubsbn-Baa-tnspeotiir    in 

Cöln. 
IiIeu,Dr.  du,  Secrelär  d,  8na.  f.  Nieder!. 

LllleratuT  in  Leiden. 
Rtsat-Oruolftnd,  I'rbr.  t.,  in  Bonn. 
Ritter-Akademie  in  Bedburg. 
Robert,  ir.embre  de  IToelitulde  l''ri 

engen.   Cnrl,  Kaurmann  in   Bonn. 
Bobdewatd,     GymnaBUl-Dfreetor    In 

BurgilelnfuTl, 
BolffB,  Commeriieoiath  In  Bomi. 
Rosen,  von,  Freiherr,  Oberst  und  Ite- 

gimenlS'ComDiandeur  In  Maini. 
Rospatt,  Landratti  in  Lennep. 
Roiibaoh,  Dr.,  Oymn.-LebrerlnBonn. 
Roth,  Fr.,  Bergrath  InBurbaob  bat  Siegen. 
Ruhr,  Jaoob,  Kaurmann  In  Eusktrohen. 
Rumpel,  Apotheker  In  Düren. 
RuBohhaapt,  Wilhelm,    Kaarmann  in 

Salm-SaliD,  Se.  Durchlauoht  Fürst  zu. 

In  Anhalt, 
Salm-Haogatraeten,  Hermann,  Oraf 

8aUeDberg,äeh.0.-Bau  ratbin  Berlin. 
Sandt,  Ton,  Landrath  In  Bonn- 
3aappe,   Dr.,  Qeh.  Reg.-Rath  u.  Prof. 

In  QBItingen. 
SohaaffhauBen,H.,Dr.,  Oeb.Medloi- 

nal-Rath  a.  Profeuor  in  Bonn. 
ÜohaafrhauBen,  Theod-,   Rentner  In 

Sobady,  Dr.,  Bibliothekar  an  der  Unlr.- 

Btbl.  In   Heidelberg. 
Sohaefer,  Dr.,   Professor  In  Bonn. 


Dr.,  Gymn.-OberL  in   Cöln- 
Scheppe.  Oberal  a.  D.  in  Bap[>ard. 

Soberer,  Dr.,   Professor  in  Berlin. 
ächlokler,  Ferdin., In  Berlin. 
Sehllling,    RaclitaanvraK    beim   Ob«r- 

Unilesgericbt  in  CSln. 
SotiitlIngs-EngUrtb,  Bürgemeister 

in  Uüreenieb. 
Soblaiohsr,  CCommemienr.inDüren. 
i^ohlotlntanD,  Hr.,  l-rof.  in  Halle  a. tj. 
Soblumberger,  Jean,  Fnbrikbealta.  u. 

FrKsid.  d.  Landfsausar1iuase>  f.  Elaau* 

Lolbringen  in   Gebwailer. 
Sohlünkee,  Dr.,  Probit  andern  Colle- 

giatstift  In  Aachen 
Schmelz,  C.  0.,  Kauficann  in  Boa». 
Sohmidl,  Ober!>autathu.  Prot. in  Wien. 
Sohnltt,    Dr.,  ausw.  äeor.,  Arzt  In  MÜD- 

atermairald. 
Scbniith*le,  Kentner  In  Bonn. 
Sohneider,   l)t,,   auaw.    Seor.,   Profeuor 

in   DilBseldorf. 
Hehneider.  Dr.,  R.,  OjmnaB.liiceolor 

Fried  r.,  DomprXboadar  in 

SobnUtgen,  Domrioar  <o  Titln. 
Sohoeller,  CJuido,  Kaufmann  in  Duron. 
Sehünaiob-Carolath,    Prini,    Berg- 

bauptmann  In  Dortmund. 
Sohönfeld,   Frederlok,   Baumel(ter  In 

Qrenz  hausen. 
Sobubarl,  Dr.,  Bibliothekarin  CaioaL 
äohuli,  Caplan  in  Aachen. 
Sohulx,  Prof.  Dt.,  tn  BresUn. 
Sebaltze,  Dr.,  Hofapolhekar  In  Bonn. 
Schwabe,  Dr.   L.,    Prof.  tn   Tüblag«». 
Sohwan,    Dr.,    SanItStarath    In  OodM. 

Sahwan,  stSdt  Bibliothekar  In  Aaehea. 
Sobwtokerath,   C.  J.,    Kaufmann   In 

Ebrenbreitsteln. 
Seeger,    Pfarrer     in    Zotaenbooh    bei 

Weinbetm  a.  d.  Bergitrasse. 
Setlgmaan,  Jaoob,  Bankier  In  CSln. 
Sels,  Dr.,  Fabiikberitter  tn  Neue«. 
Seminar  In  Soest 
Senfft-PlUaoh,  Freiherr  von,  Krri*- 

direetor  tn  Hagenau  Im  Elsas«. 
Saydemano,  Aroldleet  tn  Bonn- 
Seyffarth,  Beg-Bauiath  In  Tii»r. 


Vorseiehiiiss  der  MltgHeder. 


215 


Seysael  d'Aix,  Graf,  Oberst  In  Dflssel- 

dorf. 
S  f  Dl  o  n,  WUh . ,  Led  erfabrikant  i n  Kirn  • 
Simroek,  Francis,  Dr.  in  Bonn. 
Sloet  Tan  de  Beeie,  Baron,  Dr.,  L. 

A.  J.  W.,  Mitglied  der  Kdni^.  Aoad. 

der  Wissensohaften  za  Amsterdam,  In 

Amhelm. 
Snethiage,    Consistorial  -  Präsident    in 

Coblens. 
S  o  1  m  8,  Se.  Dnrohlaaoht,  Prinz  Albreoht 

zu.  In  Braunfels. 
Spankeren,  Ton,  Reg.-Präsident  a.  D., 

In  Bonn. 
Spee,  Dr.»  <3ymn.-Lelirer  in  Bonn. 
Spie 8-6 tilies heim,  Ed.,  Freiherr  y., 

KönigL  Kammerherr  u.  Bürgermeister 

auf  Haus  Hall. 
Spitz,  Oberstlleutenant  im  Kriegs-Mini- 

sterinm  in  Berlin. 
Springer,  Dr.,  Professor  in  Leipzig. 
Stahlkneoht,  H.,  Rentner  in  Bonn. 
Startz..  Aug-,  Kaufmann  in  Aachen. 
Statz,  Baurath  u.  Diöc.-Archit.  in  Cöln. 
Stedtfeld,  Carl,  Kaufmann  in  Cöln. 
Steinbach,  Alpli.,  Fabrik,  in  Malmedy. 
Stier,     Hauptmann    a.  D.    in    Berlin. 
Stier,  Dr.,  Ober-Stabs-  und  Garnisons- 
Arzt  in  Breslau, 
Stinshoff,  Pfarrer   in  Sargenroth  bei 

Gemänden,  Reg.-Bez.  Goblenz. 
Stranb,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Canonious  zu 

Strassburg. 
Strauss,  Yerlags-BuehhSndlor  in  Bonn. 
Strubberg,  Ton,  Gen.-Lieut.,  General- 

Inspeoteur  des  Militair-Erziehungs-  u. 

Bildungswesens  in  Berlin. 
Stamm,  Carl,  Geh.  Commercienrath  zu 

Hallberg  bei  Saarbrücken. 
Swerts,  Albert,  Kaufmann  in  Bonn. 
Sybel,  Dr.,  Ton,  Director    der  Staats- 

Archive  und  Professor  in  Berlin. 
Szozepanski,   von,    Hauptmann    und 

Bürgermeister  a.  D.  in  Düsseldorf. 
T  e  r  w  e  1  p ,    Dr.,    Gymnasiallehrer    in 

Andernach. 
Thiele,    Dr.,    Director  d.  Gymnasiums 

in  Barmen. 
Thema,  Architekt  In  Bonn. 
Tornow,  Bezirks-  und  Dombaumeistor 

in  Metz. 
T  r i  n k  a  u  8,  Chr.,  Bankier  in  Düsseldorf. 
Uokermann,  H.,  Kaufmann    in  Cöln. 
üeberfeldt,  Dr.,  Rendant  in  Essen. 
Ungermann,  Dr.,  Gymnas.-Director  in 

Münstereifel. 
Ilsen  er,  Dr.,  Professor  In  Bonn. 
Vahlen,  Dr.,  Professor  in  Berlin. 
Valette^  de  la,  St.  George,  Freiherr, 

Dr.,  Profeesor  in  Bonn. 


Veit,  Dr.,  Geh.  Medicinal-Rath  u.  Pro. 
fessor  in  Bonn. 

Yeith,  von,  General-Major  z.  D.  in  Bonn. 

Verein  für  Erdkunde  in  Metz. 

Verein  für  Geschichtg-  und  Alterthums- 
kunde  in  Düsseldorf. 

Vieten,  Kaufmann  in  Eschweiler. 

Yleuten,  van,  Rentner  in  Bonn. 

Voigtel,  Regierungsratli  und  Dombau- 
meister in  Cdln. 

Voigtländer,  Buchhdl.  in  Kreuznach. 

Voss,  Theod.,  Bergrath  in  Düren. 

Wagner,  Geh.  Commerz.-R.  in  Aachen. 

Wal,  Dr.  de,  Professor  in  Leiden. 

Waldeyer,  Dr.,    Gyran.-Dir.  in  BonUi 

Wallenbor n,  Peter,  junior,  in  Bitburg. 

Wandesieben,  Friedr.,  zu  Strom- 
berger- Neuhütte. 

Weber,  Rechtsanwalt  in  Aachen. 

Weber,  Pastor  in  Ilsenburg. 

Weerth,  Dr.  aus*m,  Prof.  in  Kesse- 
nich. 

Weerth,  aus^m,  Bürgermeister  in 
Bingerbrück. 

Weerth,  Aug.  de,  Rentn.  in  Elberfeld. 

Wegeier,  Dr.,  Geh.  Medicinalrath  in 
Coblenz. 

Weise,  v.,  Oberbürgermeister  in  Aachen. 

Wei  SS,  Professor,  Director  d.  K.  Kupfer- 
sticbkabinets  in  Berlin. 

Wende,  Dr.,  Realschullehrer  in  Bonn. 

Wendelstadt,  Yiotor,  Commerzienrath 
in  Godesberg. 

W e rne r,  V.,  Kabinetsrath  in  Düsseldorf. 

Werner,  Lieut.  u.  Adjutant  in  Saarlouis. 

Weyer,  Stadtbaumeister  in  Cöln. 

Weyhe, Ernst,  Dr.,  Gymnasiallehrerin 
Seehausen  i.  d.  Altmark. 

Weyermann,  Franz,  Gutsbesitzer  in 
Hagerhof  bei  Honnef. 

W  i  e  d,  Se.  Durchlaucht  Fürst,  zu  Neuwied. 

W  i  e  c  k  e  r ,  Gymnasial-Oberlehrer  in  Hil- 
desheim. 

Wle8el6r,  Dr.,  ausw.  Secr.,  Professor  in 
Göttingen. 

Wiethase,  Königl.  Baumelster  in  Cöln. 

Winokler,  H.  G.,  Kaufm.  in  Hamburg. 

Wings,  Dr.,  Apotheker  in  Aachen. 

Wirtz,    Hauptmann    a.   D. ,   in    Harff. 

Witkop,  Ptr.,  Maler  In  Lippstadt. 

Wittenhaus,    Dr.,  Rector  in  Rheydt. 

Wittgenstein,  F.  von,  In  Cöln. 

Woermann,  Dr.,  C,  Prof.  in  Düsseldorf. 

Wolf,  Caplan  in  Calcar. 

Wolf.  Oberst  und  Commandeur  der 
2.  Fussartellerle-Brigade  in  Berlin. 

Wolf f,  V.,  Oberpräsident  in  Magdeburg. 

Wolff,  Kaufimann  in  Cöln. 

Woyna,  Exo.  von,  Gouverneur  von 
Mainz. 


Fl  e  rill  US,   L)r.  tned,   io  Remloh. 
LanoisDi,  f.  Arablleot  in  Rarsaa«. 
Lunas,   Cburlea,    Arohilaol,  Soiu-lnsp. 

Motu.  E4u»J,  Graf  in  VeraelU. 

iothicaire  au  de[>L  d« 

MaoBfcrit»  >lo  1a  Bibl.  Imper.  to  Tarf*. 
PTOmia,   Btbliutbakac    'leb  KSnigi  von 

tialien  in  Turin. 
Rotsi,  J.  B.  de,  .^.roliBolog  in  Rom- 
So  h  U  d,  Wilh.,  Buobblndsrm.  I.  Boppsril. 
L.  Ta«li,  D.,  Abt  in  Monte-CMino. 


Verzciehniss 

säiiiiiitlicher  Ehren-,  ordentlicher  uud  ausserorH elitlicher  Mitglieder 
nach  den  Wohnorten. 


Ab  oben:  Book.  Bmobmaau.  Dleok- 
hoff.  Foe  rater.  Qeorgi.  voa  Oeyr- 
Saltweppenburg.  OpTmaaiuDi.  Hllgers. 
Kaeatceler  Kessel.  Milz,  i'olytooli- 
nloain.  ProTlnz.-liewerbeiohula.  von 
HaumoDt.  Schlünkos.  äohuli.  Schwan. 
Starte.  WagDSr.  Weber,  von  Welse. 
WIngs. 

Abenteuerhiilts'.  BoMklog. 

AhiwolleT:  TOD  tiroola. 

Alfter:  JUriMen. 

AltotkttU:  Baiteb. 

Alt  on*:  Huyseen. 

Arnsterdam:      Boot     van    Hlltagoni. 

AQdarnsoIi:  Frau  Herfeld.  ProgTDi. 
na»!  um.     Tarwelp. 

Anhalt:    Fliist  su  Salm. 

Arnheim;  Baron  SloeL 

Arnsberg:  Gjrmnailuni. 

Attendorn;  Qymnasium. 

Barmen;  Blank.  E.  Ton  Eynern.  P. 
von  Gjrnern.  Karthaua.  Stadl.  Thiale. 
Zeh  nie. 

Barmen-Wupperfald:  Reaboliule. 

Basel:  BemouIlL  UniversltätabibllotLak. 

Bayenthal  b.  CBIn:  Fuohs. 

Baoktngen  a.  d.  Saar:  Knebel. 

Bedburg;  Fnts.  Ritter- Aoadaoiie. 

BelenbuTg:  Braselmann. 

Bergh:  Habela. 


Berlin:  Adlei.  As^dLConza.  TonCunf. 
CjrtiuB.  Dobboit.  Falk,  v-  Flotencourt 
OenoralverwaltUDg  der  kgl.  Museen, 
tiroifr.  Ilegerl.  Hiil>ner.  Kroo- 
friat  des  DautiBben  Reiohas  und  tod 
Preussen.  Lehfeldt.  Llebenow.  MQUen- 
hoff.  Piper.  Prüfer.  Salsenbarg.  Seherer. 
Sohiokter.  Sohoens.  Sinta.  Stier, 
von  Stmbberg.  von  Sybel.  VaUen> 
WelM.  Wolf. 

Beromiinster:  Aebl. 

Bielefeld:  Nilzsoh. 

BlDgerbrUok:  aus'm   Werth. 

Bitbarg:  Nels-  Wallenbom. 

BISejan  b.  Merseburg:  Burkhardt. 

Bocholt:   Häher«  Bürgeraehnle. 

Boehum;  OTmnasiuQi. 

Bolohen  (BI>..Lothr.) :  Arnold. 

Bonn:  Asbaob.  Asiohenfeldt,  Banratb. 
Blnz.  H.  H.  BHker.  BiasserL  Broi- 
ohes.  Bfloheler.  Graf  von  BjlandL 
Cabn.  AI.  da  Ciaer-  Eb.  de  Claer. 
Claion.  V.  Deohen.  Del  ins-  Diaf- 
fenbaoh.  v.  Disrgardt.  DQUcb.  Eltc 
baober-  van  Endert.  Engelakirehen. 
Frl.  Bskans-  Frau  Firmeniah  -  Rl- 
obarti.  Frioke-  Oenrgl.  J.  Qold* 
sohmldL  R.  tioldsobmidt.  Ouilleaume. 
Uymnasium.  Hanslaln.  Hauptmaan- 
Monry-    Hermann.    Hoohgiirtel.    Alex. 


VeraelohnlM  der  Mitglieder. 


217 


Hüffer.  Prof.  Hüffer.  Kaofmaim. 
R.  Kekal6.  KeUer.  Klein.  Kiingholz. 
Leop,  König.  KrafFt.  Krenser.  Lamp- 
recht.  Lempertz.  Ton  der  Leyen. 
Leydel.  Loeraeh.  Loesohigk.  Lübbert. 
MSrtena.  Marcus.  Yon  Mirbach.  W. 
von  Neafvllle*  Noite.  Prof.  Obemier. 
Perthes.  Prieger.  Ton  Proff-Imioh. 
Reinkens.  Ton      Rigal.  Rolffs. 

Rosabaeh.  Rusohhaupt  Qraf  von 
äalm-Hoogstraeten.  y.  Sandt.  H. 
Sohaaffhausen.  Th.  Sohaaffhausen. 
A.  Sohaefer.  Sohaefer.  Scheibler. 
Schmelz.  Schmithals.  Schulze.  Sejde- 
mann.  von  Spankeren.  Spee.  Stahl- 
kneoht  Strauss.  Swertz.  Thoma. 
üsener.  de  la  Valette  St.  George. 
Veit,  von  Veith.  van  Vleuten.  Wal- 
deyer-  Wende.  Wurst.  Zartmann. 
Zengeler. 

Boppard:    Soheppe.  Sohlad. 

Braunfols:  Prinz  Solms. 

Breslau:  Schulz.  Stier. 

Bruchsal:   Progymnabium. 

Brühl:  Alleker.   Keller. 

Brüssel:  Qräßn  von  Flandern.  Musöe 
Royal. 

Barbach  bei  Siegen:  Roth. 

Burg:  DUtschke. 

Burgsteinfurt:  Rohdewald. 

Caloar:  Wolf. 

Cambridge:  Lewis. 

Garlsruhe:  Bracht.  Brarobach.  Con- 
servatorium  d.  Alterth.  Gymnasium. 
Näher.   Oberschulrath. 

Gas  sei:  Duncker.  Gymnasium.  Schu- 
bart Stand.  Landesbibliothek. 

Charlottenburg:  Mommson. 

Clausthal:  Achenbaoh. 

Cieve:  Chrzescinski.  Gymnasium.  Hass- 
karl.   Stodt. 

Coblenz:  von  Bardeleben.  Becker. 
Berlepsch.  Binsfeld.  Civil  -  Casino. 
Delius.  Duhr.  Geiger.  Gymnasium. 
H5pfner.  Landau.  Snethlage.  Stadt- 
bibliothek. Wegeier. 

Co  ein:  Altmann.  Aposteln-Gymnasium. 
Max  Arndts.  Oberbürgermeister  Becker. 
V.  Bernuth.  Bone.  Camphausen,  Ex- 
cell.  Aug.  Camphausen.  Clav6  von 
Bouhaben.  Drewke.  Dumont.  Düntzer. 
Ehrhard.  Essingh.  Frenken.  Friedrich- 
WUhelm-Gymnasium.  Goebbels.  Gott- 
getreu.  Grüneberg.  Ilaugh.  Ed.  Her- 
statt. Frdr.  Joh.  Dav.  Herstatt  Heuser. 
Hoehlbaum.  Hörn.  Frau  August  Joest 
Eduard  Joest.  Jost,  J.  B.  D.  Kaiser 
Wilh.  -  Gymnasium.  Königs.  Leiden. 
Lempertz.  Marzellen  -  Gymnasium. 
Mayer.     Merkens.    J.  J.  Merlo.     Me- 


vissen.  Michels.  Mitscher.  Mohr.  Mo- 
vius.  Albert  Frhr.  von  Oppenheim. 
Dagobert  Oppenheim.  Eduard  Freiherr 
von  Oppenheim.  Pflaume.  Raderschatt 
Rennen.  Richter.  Scheins.  Schilling. 
Schnütgen.  Seligmann.  Statz.  Stedtfeld. 
Uckermann.  Voigtel.  Weyer.  Wiei- 
hase.  von  Wittgenstein.  Wolff.  Zervas. 

Constanz:  Gymnasium. 

CornelimUnster:  Pauls. 

Crefold:  Emil  vom  Brück.  Heimendahl. 
Jentges.  Gymnasium,  v.  Randow. 
Sohauenburg.    Stadt. 

Darmstadt:  Bossler. 

Dielingen:  Arendt 

Dillenburg:  Gymnasium. 

Donaueschingen:  Fürstl.  Bibliothek. 

Dormagen:  Delhoven. 

Dorsten:  Progymnasium. 

Dortmund:  Prinz  Sohönaich.  Hist  Ver. 

Dossenheim:  Pütt 

Drenst  einfurt:  Frh.  v.  Landsberg. 

Dresden:   Fleckoisen.     Hultsch. 

D  ü  1  k  e  n :  Bücklers. 

Düren:  Bibliothek  der  Stadt.  Gymna- 
sium. Gust  Hoesch.  Linden.  RumpeL 
Schleicher.  Sohöller.  Voss. 

Dürkhoim:  Mehlis. 

Düsseldorf:  Brendamour.  Endrulat 
Gymnasium,  v.  Hagemeister.  Ham- 
mers. Harloss.  v.  Heister.  Hoyer. 
Junckerstorff.  Krüger.  Frh.  Hugo  von 
Landsberg-Steinfurt  Lieber.  Oeder. 
Provinzial- Verwaltung.  Rautert.  Real- 
schule. Schneider.  Seyssel  d*Aix.  von 
Szczepanski.  Trinkaus.  Verein  für 
Geschichts-  und  Alterthumskunde.  von 
Werner.    Woermann. 

Duisburg:  Curtius.  Gymnas.  v.  Rath. 
Realschule.  Schneider. 

CSchtz:  Cremer. 

Ehrenbreitstein:  Schwickerath. 

Ehrenfeld  bei  Cöln:  Rauter. 

Elberfeld:  Boed dinghaus.  v.  Camap. 
Gymnasium.  Nottberg.  Realschule, 
de  Weerth. 

Elsum  (Schloss)  bei  Wassenberg:  Frh. 
von  Leykam. 

Eltville:  Graf  Eltz. 

Emmerich:  Gymnasium* 

Endenioh:  Baunscheidt.     Richarz. 

Erfurt:  Junker. 

E sc hw eiler:  Vieten. 

Essen:  Baedeker.  Cappell.  Conrads. 
Gymnasium,  v.  HöveL  Krupp.  Real- 
schule. Ueberfeld. 

Eupen:  Höhere  Bürgerschule. 

Euskirchen:  v.  Ayx.  A.  Herder.  E.  Her- 
der. Progymnasium  Ruhr. 

C*lensburg  in  Schleswig:  Müller. 


918 


VoneleluiiBB  d9i  Milgllodet. 


Florena:  Bibl.   Kasionate.    Bibliothek 

da«  atrudanbeQ  MuaeuuiB.    (iamurriiiL 
Fcankfud    >.     M.:      Bsokar.      Koch. 

KoftBgarn.   Milani.  SUdibibliothok. 
F  r  0 1  b  u  r  g     in     Bacian ;       DoIveraiUl«. 

Bibliotliek.   O^mnasium.    Kraus. 
FreD»(Sabloiis)bclHorrem:(irafDdBsel 

Ton  Oyunioli. 
Fulils:   Goebel. 
St  «allea:  Stifubibliolliok. 
G e b wei  1  a r ;   Sohlunibctser. 
H&nn.   Osmunden:    Aobenbaoh. 
Oanf:    OMBe. 
OUsien;   AnÜkan-Cabioat. 
Gladbach:  Prinien.  Oymnas.  Quaok. 
Oodasbetg:    Carstanjen-    I'iokeluburg. 

Sohwan.  Wemielsladl. 
OoetliiiKon:     Dtlthey,     von    Leutsob. 

Sauppe.   UDiTsrsitätsbiMiolh.  Wieaeler. 
QrüfeDbsahar  Hfitte:  Boeeking- 
Granzhausen:  ächtlofald. 
GÜTzeniob:  ScJülllngs-Englertb. 
BadaniBr:   Qfmnaaium. 
Hagenau    im    HliasB;     FteiheTr    yoa 

Senfft-VilttBch. 
Hagerhof  bei  Hunaef:   WeyecniaDD. 
Hall  (Hau»)  [>ec  Etkiloai:  r.  Sples. 
Hallbaig  bei  Saatbrüohen:    BoockiDg. 


allb 


hfilt 


Heyden 


Univorsiläts-Bibliol 


Saarbrücken ; 
Sa!ilottioaiia< 


Stadtbibllothak.  Wtookler. 
Hamm:  EBaellen. 
Hauaa:   OymnaBium. 
BaDDOTei:  CulemaDn. 
Hard  (bei  Bregani):  Jannjr. 
Harff    SohloiB   (Kreli    Bergbeim):     t. 

Mlrbaob.    Wirtl. 
Heahlngen:   HShere  Bürgeraebule. 
Heidelberg:     Schady.      tlnlTerftiUte- 

Blbllothek.  Zangem Bister. 
Herdringen  (Krela  Aroaberg) :     Graf 

Fürst  eob  arg. 
Hersfeld;  GyniDasium. 
Herresbetg  bei  Remagen:  Rbeinen. 
Hildegheim:  Wiakar. 
Homburg  v.  d.  U3he:  Freih.  T.Uadam. 
HSxtet:   GymnaBlum. 
Ilaanburg:   Weber. 
Iinmekeppel:   UliUer. 
Immeaburg:  FIlnBeh. 
iBetJoho:  Boeddioker. 
Itlecvort:   FraoMen. 
Jaoa:  Qaedechana. 
Kalkhof,  QatbriWaolViadbelGMHl: 

Ton  Seharffenberg. 
EesaaDtah:  atu'm  Weerth. 
Kirn;  Simao. 
K  t  r  B  p  enl  0  h  (b.  Httosterdf.) :  HenneUng. 


Königsberg  L  !>. :  Frie.llSnder.   UnJ- 

TOrsIlätsbihlioIhek. 
ICrouznaoh:   Aotiquariaoh-historisetter 

Verain.  Borggreve.  C.  Cauer.  K.  fnuer. 

Kobl.    Voigtländec.   Wulfen. 
Laaganbarg:  Conze. 
Laiiersfort;  v.  Kath, 
Leiden:  Leemans,    Ort.    Pleyt«.    •!« 

Kioii.   dB  Wal. 
Leiptig:   Baedeker.   Braan.    Eeksleta. 

Lange.  Ot  erb  eck.  tiprloger. 
Leimep:    A..  Hariti.      HShere  BilrgSf- 

suhula.     Roapatl. 
Ltnnieb:  Beck. 
Lim:  Pohl. 
Llppatadt:    Witkop. 
London:    Franke. 
Lünen:  Universillts-Bibliothek. 
Lüdensehoid:   Uohera  Bürgotsohole. 
LiiitiGh:  UnlferaitSta-BibUothek. 
Magdeburg:  von  Wolff. 
Malmedy:     Arsine    de    Noäe.     Etser. 

T.   d.  Heyilt.     Progymnasium.     Stein. 

Maiai::   BIbliolbck    'ler  Stallt.     Keller. 

TOn  Itoaen,  Solineiiler.  v.  Weyn«. 
Mannheim:  Altorthumavarein,     Qym- 

Ktarburg:  Gymnasium. 

Marienfala  bei  Ramagen:   Frau  Fringa. 

Mayen:  Delius. 

Moohernioh:   Huperli. 

Uelsenhelm:  Uerok.  Sehafber. 

Merseburg:  Otte. 

UollUoh:  Boeb. 

Metz:    Malier.     Frh.   toq    Roltzenstetn. 

Tomow.     Verein   fQr  Erdkunde.     Ton 

Wright 
Miltenberg:  Conrady. 
Moers;  Gymnasium. 
Montabaur:   Gymnasium. 
Monte-Caasino:  Tosä. 
Montjole:  Pauly. 
Morsbruob:  i.  Dlergardt 
Mülheim  a.  d.R.:  Haniel.  Reabaliula. 
Miinohen:  Brnon.  Cornelius. 
Münster:    Bibliothek    der    AkadamI«. 

T.  Kllhlwetter.  Plaasmaun. 
Miinstaretfal:    Qymnastam-     üngei- 

Mttnstermayfald:  Sahnllt. 

Nagb-Mtlls:  Evans. 

Neuss:  Ton  Uelneberg.  Gymoadain. 
Koenen.  Sels. 

Neuwied:  FilntWIad.  Fnsibalui.  Gym- 
nasium.  Reusch. 

Nledermendig:  HOUer. 

Nohn  (Post  Anlweller)  Eid*  AdauD; 
Haabriah. 

NSinberg-:  Bergftn. 


VerselohiiiM  der  Mitglieder. 


219 


Oberhauaen:    Höhere     Bürgerschule. 
Odenkirohen:  Qoertz. 
Oehringen:  Stifte-Bibliothek. 
Opladen:  Pick. 
Ostrowo:  Prinz  Radziwill. 
Paris:  Barbet.    BasUewsky.    de  Long- 

parier.  Lucas.  Miohelant  Robert. 
Parma:  Universitäts-Bibliothek. 
P  e  r  u  g  i  a :  UniT.-Bibliothek. 
Poppeisdorf:     Frau  Dommerioh.  A* 

Kekul6. 
Potsdam:  Achenbaoh. 
Prag:   Universitäts-Bibliothek.     Keller. 
Prüm:  Guiohard.  Hünnekes. 
R atibor:  Kramarozik. 
Ravenna:  Lanciaoi. 
Ravestein:  de  Meester  de  RavesteizL 
Recklinghaasen:  Hölsoher. 
Remich:  Hermes. 
Remscheid:  Qewerbeschule. 
Rlieide:  Gymnasium* 
Rheydt:  Wittenhaus. 
Rietberg:  Progymnasium. 
Rinteln:  Gymnasium. 
Roermonde:  Martin. 
Roisdorf:  (jraf  Moerner. 
Römlinghoven  (Haus)   bei   Obercas- 

sol:  Peili. 
Rom:  Fiorelli.  Heibig.  Henzen.  de  Rossi. 
Rostock  in  Mecklenburg:  Koerte. 
Ruhrort:  Bernau. 
Rurich  (Sohlossb.  Erkelenz):   ▼.  Hom- 

pesoh. 
Rüdes  heim:  Fonk. 
Saarbrücken:   Gymnasium.    Karcher. 

Naturwissenschaft!.  Verein. 
Saarlouis:  Höh. B ürgerschule.  Werner. 
Sangerhausen:  Fulda. 
Sargenroth  b.  Gemünden  (K.-B.  Gob. 

lenz):  Stinshoff. 
Schi  ei  dw  eiler:  Heydinger. 
Sc  bloss  Schoonbeck:  Renesse. 
Seehausen  (Altmark):   Weyhe. 
Siegburg:    Küppers.     Progymnasium. 
Sigmaringen:  Fürst  zu  Hohenzollem. 

Erbprinz  von  HohenzoUern. 
Sneek:  Mehler. 
Sobernheim:  Progymnasium. 
Soest:  Gymnasium.  Seminar. 
Solingen:  Höhere  Bürgerschule. 
Stamm  heim  (Fort)  bei  Mülh.  a.  Rhein: 

Kempf. 


Strassburg:  Michaelis.  Nissen.  Ton 
Pommer-Esche.  Straub.  Universitäts- 
Bibliothek. 

Strom berg:  ausm  Weerth. 

Stromberger  Neuhütte  (pr.  Strom- 
berg): Wandesieben. 

Stuttgart:  Haakh.  v.  Lübke.  Prof. 
Paulus. 

Tauberbischofs  he  im:    Progymnas. 

Tholey:  Gatzen. 

Thorn   (Schloss) :  v.  Musiel. 

Trarbach:  Progymnasium. 

Trier:  Besselioh.  Bettingen.  Cüppers. 
Gymnasium.  Uettner.  Holzer.  Kelzen- 
berg.  Lintz.  Lohaus.  Mosler.  Rauten- 
strauch. Realschule.  Seyfifarth.  Stadt- 
bibliothek. 

Tübingen:  Herzog.  Schwabe.  Uni- 
▼ersi  täts-Bibliothek. 

Turin:  Promis. 

Unna:  Höhere  Bürgerschule. 

Utrecht:  Uni versitäts- Bibliothek. 

'Vaduz:  Frau  Deichmann. 

Vercelli:  Mella. 

Viersen;  Aldenkirchen.  Höhere  Bürger- 
schule, (ireef.   Haas.  Heckmann.  Koib. 

Vogelensang:  Borret. 

Wachtendonk:  Mooren. 

Wallerfangen:  v.  Galhau. 

Warendorf:  Gymnasium. 

Weilburg:  Gymnasium. 

St  Wendel:  Getto.  Progymnasium. 

We  r  1 :  V.  Papen. 

Wernigerode:  Bibliothek. 

Wesel:  Frowein.  Gymnasium. 

Wetzlar:  Endrulat.  Gymnasium. 

Wien:  Heider.  k.  k.  Münz-  und  Antik.- 
Cabinet.     Schmidt. 

Wiesbaden:  Bibliothek.  Gelehrten- 
Gymnasium.  Isenbeck. 

Wismannsdorf  bei   Bitburg:  Orth. 

Wissen:  Graf  Loe. 

Witten:  Höhere  Bürgerschule. 

Worringen:  Bender. 

Würz  bürg:  Flasch.  Urlichs. 

Wüsten  rode:  Frau  Wüsten. 

Xanten:  Niederrhein.  Alterthumsvereln. 

Zeist:  van  Lennep. 

Zotzenbach  bei  Weinheim  a.  d.  Berg- 
strasse: Soeger. 

Zülpioh:   Nagelschmitt. 

Zürich:  Blümner. 


-•♦•- 


UniTersitits-BucUdmckerol  von  Cirl  Georgl  1d  Bodd. 


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|.Vtreinsv,Alldbnisfr.imRl.emLHeftLXXII 

Taf.l. 

Erklärung. 

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Rhein  zur  Römerzeit. 

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jelziger  Rheinlauf. 

^lOMAGVS 

Wykr 
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Millingen    ^^^^^ 
licy  Niel         DüMtimi^k 

Schenkenschanz           ' 

^^^^mmerich 
1  Worbey«.           ^^k 

l    QVADRIBVRQIVM 

Römerstrasse. 
jetzige  Orte. 

\^     Don5brüqqe[JÄ. 

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Maasslab: 

Bedburg 

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1:2+0,000. 

Colcor 

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[nsv.Allerthumsfr  im  Rfieinl.HeffLXXII. 


Tat  II. 


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■'.  Aller t/mmi/r.  im  Kheinl.  He/I  LXXII. 


Taf.  HI. 


Taft 


hrb.d.  Vereins  v.AUerthomsfr.im  Khcinl.  Heft  LXXU. 


ckH  »T, Hundt. 


^ 


hrb.d.  Vereins  v.AUerthum8fr.imRhcint.HeftLXXlJ. 


Tafel ' 


hrb.d.  Vereins  v.  AUerthumsfr.im  Rhcint.  Heft  WXll . 


Lidiläri 


■ihrb.  desVrreiiisv.Allirtlmtasfr.ipiRlidnl.  Heft I.XXtl.  Taf.   VOl. 


s  V.  Alter thumsfr.  im  Rheinl.  HeftLXXlI. 


Taf.  F7Z7. 


I        ■  I 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 


■    ■  /  ;■ 


RHEINLANDE. 


HEFT  liXXin. 


MIT  6  TATOIiN  UND  3  HOIiZSCHMTTBN. 


BONN. 


GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BONN,  BEI  ADOLPH  HAS0U8. 

1882. 


« 
I 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


IM 

■     / 


RHEINLANDE. 


HEFT  LXXIII. 


MIT  6  TAniiN  UND  2  HOMäCHNITTBN. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 
BONN,  BEI  ADOLPH  HAS0U8. 

1882. 


JAHRBUCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTHUMSFREUNDEN 


m 


RHEINLANDE. 


■   ■  •  •    I 


.  I 


HEFT  LXXIIL 


MIT  6  TAFELN  UND  2  HOLZSCHNITTEN. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

BONN,  BEI  ADOLPH  MARCUS. 

1882. 


inhaltsverzeichniss. 


Seite 

I.  Gesohichto  und  Denkmäler. 

1.  Neue  Forschungen  über  die  Römerstrassen  zwischen  Maas  und  Rhein. 
Von  Prof.  Jac.  Schneider    Hierzu  Taf.  II 1 

2.  Die  römischen  Militärstrassen  des  linken  Rheinnfers.  Von  demselben 
Hierzu  Taf.  III,  1 7 

8.    Die  Legionen  am  Rheine  vom  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  bis  zur 

Erhebung  des  Vitellius.    Von  Prof.  H.  Düntzer 10 

4.    Die  Victricenses.    Von  Hofrath  Prof.  Urlichs 49 

6.    Minerva-Statuette.    Von  Prof.  H.  Heydemann.    Hierzu  Taf.  I  u.  la  61 

6.  Die  jüngsten  Funde  auf  dem  Boden  des  römischen  Castrums  zu  Deutz. 
Von  Rector  Schwörbel.    Hierzu  Taf.  111,2  u.  IV 63 

7.  Römische  Inschriften  aus  Bonn.    Von  Dr.  J.  Klein 62 

8.  Ruphiana  nicht  Eisenberg,  sondern  Altripp.    Von  Carl  Christ    .    .  77 

9.  Die  Civitas  Nemetum  bei  Heidelbcrg-Ladenberg.    Von  demselben  .  80 

10.  Ein    römischer    Goldring.    Von  Dr.  Friedr.  Schneider.    Hierzu  1 
Holzschnitt 84 

11.  Altchristlicher  Löffel  aus  Sasbach.    Von  Prof.  F.  X.  Kraus.    Hierzu 

1  Holzschnitt 87 

12.  CoBmas  und  Damianus.  Alte  Wandmalereien  in  der  Münsterkirche  zu 
Essen.    Von  W.  Heilermann.    Hierzu  Taf.  V 89 

18.    Die  Dombaumeistor  von  Köln.    Von  J.  J.  Merlo 100 

II.  Litteratur. 

1.  Die  St.  Nicolai-Pfarrkirche  zu  Calcar  von  J.  A.  Wulff.     Angezeigt 

von  W.  Lübke 139 

2.  Die  Wandmalereien  im  Dome  zu  Braunschweig  von  Dr.  A.  Essen- 
wein.    Angezeigt  von  Aldenkirchen 146 

8.  Der  Bildsohmuck  der  Liebfrauenkirche  in  Nürnberg  von  Dr.  A.  Essen- 
wein.   Angezeigt  von  Aldenkirchen 148 

4.    Mittheilungen  des  historischen  Vereins  der  Pfalz.  IX.  und  Katalog  der 

historischen  Abtheilung  des  Museums  zu  Speier.  Von  Dr.  C.  Mehlis    149 

6.    Mittheilungen  des  historischen  Vereins  der  Pfalz.    Von  demselben    162 


L  Geschichte  nnd  Denkmäler. 


I.    Neue  Forschungen  Ober  die  Römerstrassen  zwischen 

Maas  und  Rhein. 


Hierzu  Taf.  II. 


L 

1.  Von  Birten  zieht  eine  Römerstrasse  über  Alpen,  wo  römische 
Alterthümer  gefunden  wurden,  an  Repeln  vorbei  nach  Mors,  an  wel- 
chen beiden  Orten  ebenfalls  verschiedene  Alterthümer  zum  Vorschein 
kamen.  Hier  theilt  sich  dieselbe  in  zwei  Arme,  von  denen  der  öst- 
liche über  Bockum,  Oppum  und  Bovert  bis  Neusserfurth  geht.  Der- 
selbe hat  noch  verschiedene  Reste  des  Kiesdammes  bewahrt,  ist  von 
zahlreichen  römischen  Ueberresten  begleitet  und  bereits  Jahrbb.  LXI 
beschrieben  worden.  Von  Neusserfurth  geht  dieser  Arm  in  geringer 
Entfernung  an  Neuss  vorbei  weiter  über  Weckhof en  nach  Gohr,  an 
welchen  beiden  Orten  ansehnliche  römische  Alterthümer  entdeckt  wur- 
den, dann  über  Austel  und  Stommeln  nach  Geyen  und  Freimersdorf, 
durchschneidet  die  Eisenbahn  und  Chaussee  westlich  von  Weyden,  und 
führt  über  Hermülheim,  stets  dem  Fusse  des  Vorgebirges  entlang,  an 
Keldenich,  Vochem  und  PingSdorf  vorbei  über  Walberberg  und  Wal- 
dorf nach  Dersdorf.  Von  hier  steigt  die  Strasse  die  Höhe  hinan  und 
zieht  an  Brenig  vorbei  nach  Alfter  und  Gielsdorf,  dann  über  die  Höhe 
weiter  nach  Witterschlick,  hierauf  durch  den  Wald  nach  Muttinghoven, 
von  wo  sie  nach  Ramershoven  geht,  aber  nicht  weiter  verfolgt  worden 
ist.  Aus  der  Gegend  von  Neuss  bis  Bonn  führt  sie  den  Namen  „Bonner 
Strasse",  und  von  Alfter  an  heisst  sie  „das  alte  Strässchen".  Sie  er- 
scheint gegenwärtig  bald  als  Feld-  bald  als  Gommunalweg  mit  zahl- 
reichen Resten  ihres  ursprünglichen  Bestandes :  bald  ist  der  Weg  noch 

1 


M 


2      Neae  Fonchungen  über  die  RömeritraMen  zwitchen  Maas  nnd  Rhein. 

dammartig  erhöht,  bald  zeigen  sich  an  der  einen  oder  andern  Seite  bis 
zu  2  m  hohe  Böschungen,  bald  ist  es  ein  Grasweg  von  wechselnder 
Breite,  bald  Hohlweg,  und  an  vielen  Stellen  lassen  sich  die  Reste  der 
Kiesdecke  wahrnehmen.  Die  Zahl  der  römischen  Funde  an  der  Strasse 
ist  nicht  minder  gross,  besonders  in  der  Strecke  längs  des  Vorgebirges, 
sowie  auch  weiterhin  in  Alfter,  Gielsdorf  und  Witterschlick  römische 
Alterthümer  gefunden  wurden ;  bei  letzterem  Orte  wurde  auch  die  Kies- 
strasse vor  Kurzem  im  Boden  entdeckt.  Der  andere  Arm  geht  von 
Mors  östlich  an  Krefeld  vorbei,  wo  römische  Gräber  gefunden  wurden, 
neben  der  Chaussee  bis  zum  Wehrhahn,  dann  links  ab  über  Willich 
und  östlich  an  Schiefbahn  vorbei,  ist  dann  durch  den  Nordcanal  unter- 
brochen bis  gen  Kleinenbroich,  von  wo  er  mit  dem  Gommunalweg  über 
Glehn  und  Damm  bis  östlich  von  Aldenhoven  zieht.  Hier  biegt  die 
Strasse  rechts  ab  und  führt  über  Bedburdyk,  Elsen,  und  westlich  von 
Gindorf  nach  Gasten  An  der  Westseite  dieses  Ortes  vorbei  ist  sie  bei 
Lipp  eine  kurze  Strecke  unterbrochen,  geht  dann  über  die  Höhe,  west- 
lich von  Bedburg,  durchschneidet  die  Eisenbahn  und  zieht  über  Glesch, 
Ziverich,  Thorr  nach  Heppendorf ;  von  da  läuft  sie  stets  in  südlicher 
Richtung  über  Blatzheim  und  Lüxheim  nach  Zülpich.  Die  Kiesdecke 
der  Strasse  ist  noch  an  vielen  Stellen  deutlich  erhalten,  namentlich  liegt 
am  Diekerhof  bei  Willich  auch  der  Damm  mit  seiner  Kiesdecke  fast 
2  m  hoch  wohlerhalten;  der  Diekerhof  hat  von  dem  Strassendamme 
(Dyk),  der  früher  in  weit  grösserer  Ausdehnung  erhalten  war,  seinen 
Namen;  da  er  gegenwärtig  als  Sandgrube  benutzt  wird,  wird  er  bald 
verschwunden  sein.  Von  Zülpich  bis  Caster  ist  die  Strasse  bereits  vom 
Oberstl.  Schmidt  beschrieben,  der  ihren  ferneren  Lauf  von  Caster 
aus,  von  wo  er  sie  nicht  weiter  verfolgt,  irrthümlich  auf  Neuss  zu  ver- 
muthet.  In  ihrer  ganzen  Ausdehnung  ist  sie  von  zahlreichen  römischen 
Fundstellen  begleitet;  bei  Ziverich  und  Zülpich  lagen  auch  grössere 
römische  Ansiedlungen,  Tiberiacum  und  Tolpiacura. 

2.  Von  der  Maas  bei  Gennep  führt  in  der  Richtung  der  Chaussee 
über  Grunewald  eine  Römerstrasse  nach  Cleve,  deren  Ueberreste  im 
Walde  südlich  vom  Materborn  vor  längerer  Zeit  in  der  Erde  aufge- 
funden wurden. 

3.  Die  von  der  Niers  nach  dem  alten  Rheine  bei  Cleve  führende 
Strasse  setzt  sich  südlich  mit  der  Chaussee  über  Asperden  bis  Obem- 
dorf  fort,  geht  dann  mit  Unterbrechungen  über  die  Asperheide  und 
die  Localität  „die  Schanz"  nach  Holland,  wo  sie  wahrscheinlich  bei 
Heukelom  zur  Maas  führt.  Hiernach  theilt  sich  die  Köln-Gocher  Strasse 


Neae  Forsohungen  über  die  RomentrasBen  zwischen  Maas  und  Ehein.       3 

bei  Goch  in  zwei  Arme,  von  denen  der  östliche  direct  nach  dem  alten 
Rheine,  der  andere  der  Niers  entlang  aber  Kessel  und  durch  den 
Reichswald  nach  Nymwegen  zieht;  über  diesen  zweiten  Arm  s.  Monats- 
schrift f.  d.  Gesch.  Westdeutschlands  VI. 

4.  Die  Fortsetzung  der  von  der  Maas  bei  Gennep  nach  Goch 
fahrenden  Strasse  ist  bis  zum  Rheine  bei  Vynnen  angegeben  in  der 
Monatsschrift  etc.  VL 

5.  Der  von  der  Köln-Nymwegener  Strasse  bei  Kessel  abgehende 
und  über  Uedem  und  Sonsbeck  führende  Arm  ist  beschrieben  in  der 
Monatsschrift  a.  a.  0. 

6.  Die  von  der  Maas  bei  Venlo  nach  dem  Rhein  ziehende  Strasse 
ist  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  aufgeführt;  nur  ist  zu  bemerken,  dass 
der  nördliche  Arm  nicht  bei  Orsoy,  sondern  etwas  südlicher,  bei  Sins- 
heim, an  den  Rhein  zu  treten  scheint. 

7.  In  der  Monatsschrift  a.  a.  0.  ist  bereits  erwähnt,  dass  der 
von  der  Köln-Nymwegener  Strasse  nach  Neuss  führende  Seitenarm 
nicht  bei  Twisteden,  sondern  etwas  nördlicher  abgeht,  und  einerseits 
nach  Friemersheim,  anderseits  nach  Neuss  führt. 

8.  Die  von  der  Maas  bei  Swalmen  nach  dem  Rheine  bei  Uer- 
dingen  führende  Strasse  ist  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  beschrieben. 

9.  Die  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  beschriebene  Strasse  von 
Venlo  nach  Neuss  geht  bei  Breyell  von  der  Chaussee  rechts  ab  und 
führt  über  Speck  nach  Boisheim. 

10.  Bei  einer  nochmaligen  Untersuchung  der  Köln-Nymwegener 
Strasse  hat  sich  die  interessante  Wahrnehmung  ergeben,  dass  dieselbe 
nur  bis  Müllfurth  als  eine  Hauptstrasse  anzusehen,  und  der  Theil  von 
MüUfurth  bis  Köln  eine  Seitenstrasse  ist.  Die  Hauptstrasse  geht  von 
Müllfurth,  wo  römische  Alterthümer  gefunden  wurden,  weiter  mit  der 
Chaussee  bis  in  die  Nähe  von  Sasserath,  führt  dann  rechts  ab  über  Neu- 
kirchen, Otzenrath,  und  rechts  an  Jackerath  vorbei  über  Opherten  imd 
Amelen  nach  Serrest,  durchschneidet  den  Communalweg  von  ViTelldorf 
in  südwestlicher  Richtung,  und  wendet  sich  dann  in  einer  Biegung 
rechts  nach  der  Chaussee  auf  Jülich  zu,  wo  sie  verschwindet.  Auf  der 
andern  Seite  der  Roer  führt  sie  über  Eschweiler  nach  Gressenich. 

12.  Von  der  Maas  bei  Maaseyck  zieht  eine  Strasse  durch  die  nieder- 
ländische Provinz  Limburg  bis  Heerlen,  von  da  eine  längere  Strecke  mit 
der  Aachener  Chaussee,  geht  dann  von  derselben  rechts  ab  über  Vet- 
Bchau  und  Laurensberg,  und  dann  streckenweise  unterbrochen  über  die 
sanft  sich  senkenden  Höhen  bis  Aachen,  die  Chaussee  in  geringer  Ent- 


4       Neae  Fonohungen  über  die  Röraentrsiaseo  zwiacboo  Maas  tmd  ßbein. 

feitiung  links  im  Thale  laesend.  Sie  erscheint  in  jener  Strecke  bald 
als  Feld-,  bald  Gras-  oder  Hohlweg,  bald  mit  KiesreBten,  bald  auch 
mit  üeberresten  eines  aus  grösseren  Steinen  bestehendea  Unterbaues. 
Von  Aachen  geht  sie  weiter  mit  der  Chaussee  bis  Petergesi'eld,  dann 
durch  die  Waldungen  und  Einöden  nach  MiUzenit;h  und  set^t  westlich 
von  Montjoie  über  die  Roer.  Sie  ist  in  dieser  Gegend  den  Umwohaern 
al3  RömerBtra&se  bekannt. 

13.  Der  kleine  Seitenarm  von  Krüchten  nach  der  Maas  ist 
Jabrbb.  LXI  u.  Monatsschr.  VI  irrthümlich  gezeichnet. 

14.  Die  von  Venio  südwärts  ziehende  Strasse  theilt  sich  jen- 
seits Kaldenkirchen  in  zwei  Arme,  von  denen  der  eine,  wie  oben  an- 
gegeben, nach  Neuss,  der  andere  mit  der  Chaussee  aber  Brflggen  und 
Niederkrilcbten  nach  Asbeck  gebt,  wo  er  „die  Ueiderstraüse"  heiset. 
Von  hier  führt  derselbe  über  Gerderhahn  und  Doveren  nach  Körrenzig, 
geht  bei  Glimbach  links  von  dem  Communalwege  ab  über  Geveoich 
nach  Tetz,  und  dann  mit  der  Chaussee  über  Broich  nach  Jülich.  Von 
da  geht  die  Strasse  mit  der  Chaussee  weiter  nach  Altenburg,  biegt 
dann  rechts  ab  bis  Pier  und  geht  wieder  mit  der  Chaussee  bis  jenseits 
Merken,  hierauf  rechts  dei-selben  an  Mariaweiler  vorbei  über  Gürzenich, 
und  überschreitet  bei  Lendersdorf  die  Rocr;  der  fernere  Lauf  ist  unbe- 
kannt. Ira  Ganzen  hat  die  Strasse  wenig  antike  Reste  bewahrt,  aber 
die  Zahl  der  sie  begleitenden  Alterthumsfuude  ist  gross,  wie  zu  Nieder- 
krüchten,  Doveren,  Tetz,  Jülich,  Altenburg,  und  besonders  zu  Maria- 
weiler und  in  der  Umgebung  von  Gürzenich. 

15.  Die  von  der  Maas  bei  Linne  Über  Arsbeck  und  Rbeindahlen 
ziehende  Strasse  ist  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  aufgeführt. 

16.  Die  von  Grimlinghausea  kommende  Casterstrasse  ist  mit 
ihrer  Fortsetzung  bis  Jülich  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  beschrieben; 
sie  gebt  aber  nicht  genau  bis  Jülich,  sondern  von  GQsten  sfldlich  an 
Serrest  vorbei,  wahrscheinlich  in  der  Richtung  des  sog.  Oligspädchen, 
nach  Pattem,  und  als  Grasrain  südlich  an  Mersch  vorbei,  dann  jenseits 
der  Chaussee  bald  als  dammartiger  alter  Weg,  bald  als  Hohlweg  nach 
Broich.  Von  hier  zieht  sie  über  Goslar  nach  Aldenhoven,  wo  römische 
Alterthümer  gefunden  wurden,  und  links  der  Chaussee  Über  Merz  und 
Langweiler,  bis  sie  in  der  Nähe  von  Neusen  auf  die  Chaussee  kömmt, 
welcher  sie  dann  nachfolgt  bis  nach  Aachen. 

17.  Von  Roermonde  geht  eine  Strasse  aber  Odilienberg  und 
Heinsberg  mit  der  Chaussee  nach  Geilenkirchen;  von  hier  lassen  sich 
die  Spuren  verfolgen  als  Pfad  durch  eine  breite  Thalmulde  hinan  bis 


I 


Neue  ForBchongexi  über  die  RömerBtrassen  zwischen  Maas  und  Rhein.       6 

Nummerst.  22,5  der  Chaussee,  welcher  sie  nachfolgt  bis  Borschelen. 
Von  hier  geht  sie  eine  kurze  Strecke  als  Coinmunalweg  mit  Seiteubö- 
schungen und  alten  Grabenresten,  dann  rechts  ab  als  Feldweg  östlich 
an  Zopp  vorbei,  wo  sie  in  den  Feldern  verschwindet,  könimt  jenseits 
der  Chaussee  wieder  als  Pfad  zum  Vorschein,  der  nach  der  Qlsdorfer 
Mühle  hinabführt.  Von  da  geht  sie  mit  der  Chaussee  bis  in  die  Nähe 
von  Würselen,  verlässt  dieselbe  eine  kurze  Strecke,  indem  sie  die  Eisen- 
bahn durchschneidet,  und  geht  zuletzt  wieder  mit  der  Chaussee  und 
als  Hohlweg  bis  Aachen. 

18.  Von  Roermonde  geht  eine  Strasse  links  an  Herkenbosch  vor- 
bei über  Uirgelen,  lässt  Wassenberg  in  einiger  Entfernung  rechts  liegen, 
führt  von  Myhl  an  mit  der  Chaussee  unter  dem  Natiaen  „alte  Heer- 
strasse" über  Gerderath  nach  Erkelenz.  Von  hier  geht  sie  zuerst  als 
Hohlweg,  dann  als  breiter  alter  Gräsweg  bis  Wockerath,  biegt  am  An- 
fang des  Ortes  bei  dem  Kapellchen  ab  als  Pfad  unter  dem  Namen  „alte 
Heerbahn*',  geht  dann  als  schmaler  Feldweg  oder  Grasrain  weiter, 
hierauf  von  Eggenrath  bald  mit  dem  Communalweg,  bald  als  Feldweg 
an  Holzweiler  und  Immerath  vorbei,  mehrmals  durchackert,  aber  stets 
unter  dem  Namen  „alte  Heerbahn'*.  In  der  Gegend  des  Bömerholzes 
verschwindet  sie  gänzlich,  in  der  Richtung  auf  Caster.  Von  da  führt 
sie  als  Hohlweg  auf  die  Höhe,  dann  als  Feldweg  mit  Seitenböschungen 
unter  dem  Namen  „alte  Kölner  Strasse**,  links  an  Frauweiler  vorbei 
nach  Büsdorf  und  zuletzt  über  dessen,  Brauweiler  und  Lövenich,  wo 
sie  alsbald  in  die  Köln-Mastrichter  Heersträsse  einmündet.  Die  Land- 
leute sagen,  die  Strasse  sei  in  alter  Zeit  „eine  besteinte  Chaussee" 
gewesen,  weil  sie  die  Kiesreste  öfters  in  ihren  Feldern  gefunden  haben ; 
gegenwärtig  ist  keine  Besteinung  mehr  auf  der  Oberfläche  sichtbar. 
Wir  haben  aber  hier  wiederum  ein  Beispiel  (vgl.  Monatsschr.  VH),  wie 
die  auf  Köln  zu  führenden  Strassen,  im  Gegensatz  zu  den  übrigen, 
nach  dem  Rheine  hin  stets  convergirend  zusammenlaufen. 

19.  Die  Strasse  von  Köln  nach  Zülpich  führt  den  Namen  „Rö- 
merstrasse" und  ist  bereits  von  Oberstl.  Schmidt  (Jahrbb.  XXXI)  auf- 
geführt. 

20.  Die  von  Neuss  auf  dem  linken  Erftufer  nach  Jülich  führende 
Strasse  ist  in  der  Monatsschr.  a.  a.  0.  beschrieben;  sie  geht  jedoch 
nicht  bis  zu  ihrem  Ende  mit  der  Chaussee,  sondern  bei  Jackerath  reohts 
ab  über  Bergerhausen  und  Isenkrah,  dann  westlich  an  Hasselsweiler 
und  östlich  an  Mersch  vorbei  in  südlicher  Richtung  nach  Jülich.  Jenseits 
der  Roer  geht  sie  von  Jülich  an  mit  der  Chaussee  weiter  nach  Kirchberg, 


6       ISpae  ForschanpieD  über  die  RömeritrttNeu  xwiauhen  Mbsb  und  Kbeiu- 

ciann  rechts  ab  in  einiger  EJntfernang  an  Altdürf  vorbei,  durchschneidet 
die  Gbausse  •  bei  Inden ,  führt  dann  immer  in  südlicher  Richtung 
nach  Langerwche.  wo  sie  die  ChauBsee  und  Eisenbahn  durchschoei- 
det.  Von  diesem  Orte  geht  sie  zuerst  durch  das  weite  ScbÖnthal, 
und  wendet  sich  dann  auf  der  Höhe  über  Hamich  nach  GreEseoicb, 
von  wo  sie  nicht  weiter  vei-folgt  worden.  Die  Strasse  ist  in  der  Um- 
gegend von  Gressenieh,  wo  die  Spuren  über  der  Erde  verechwundeD.  an 
verschiedenen  Stellen  unter  dem  Boden  aufgefunden  worden.  Bei  die- 
sem Orte  sind  auch  die  bedeutendsten  AJterthümer  entdeckt  worden; 
hier  stand  nicht  bloss  eine  Mansion  oder  Mutation,  sondern  es  sind 
auch  ansehnliche  üebäudeanlagen  zur  Ausbeutung  der  dort  Yorkommcn- 
den  Erze  aufgedeckt  worden').  J,  Schneider. 


IJ  In  der  Piok'echen  MonatBachrift  f.  d.  Üamh.  WöstdeutBchlands  sowie  in 
der  8clirift  „Vetera  Caatra  otc."  hat  Herr  General  von  Veith  durch  Zsichnang 
eino  Reihe  grosseiitheÜB  von  ihm  selbst  erforschter  RömerBtnwssD  veröffenllicbl, 
die  von  ungern  Iheils  vorher,  tlieila  gleichseitig  und  theils  uachher  erlai>f(tan 
toraohungsergebnisBen  mehr  oder  minder  abweiobeti.  Da  die  von  dem  Hrn.  Vcr» 
fHBser  ia  Aussieht  gestellte  liegründung  dieser  StruseDriohtungcD  noch  niebt 
erfoljtt  iat,  bo  konnten  wir  ia  eine  BeBprechiing  derselben  resp.  der  bestebendon 
Diflereoxen  noch  nicht  eintreten  und  erlauben  uns  daher  den  Wunsch  auaeu- 
sprpohen,  dass  es  dem  Hrn.  Verf.  gefallen  möge,  die  weiteren  Detaila  recht  bald 
KU  geben,  damit  dui'ch  gogeuBeitigo  Voratündigung  ev.  eino  erneute  Revision  der 
fragliclien  Punkte  eine  möglichst  correcte  Darstellung  erreicbt  werde. 


Die  römisohen  Müitftrstraasen  des  linken  Bheinufers. 


2.    Die  römischen  Militärstrassen  des  linken  Rheinufers. 


Hierza  Taf.  m,  1. 


g.    Von  Bingen  bis  Worms. 

Die  römische  Rheinstrasse  geht  von  Bingen,  wo  ein  Kastell  nebst 
Ansiedlung  lag,  aufwärts  durch  die  Rheinebene  mit  der  Chaussee  über 
Kempten  und  Gaulsheim  nach  Nieder-Ingelheim ;  hier  steigt  sie  den 
sanften  Berghang  hinan,  und  führt  über  die  Hochfläche,  südlich  an 
Wackernhelm  vorbei,  über  Finthen  nach  Mainz.  Von  da  zieht  sie  in 
sttdlicher  Richtung. mit  der  Chaussee  über  die  Höhe  bis  Hechtsheim; 
sie  ist  in  dieser  Strecke  bald  über  1  m  dammartig  erhöht,  bald  bildet  sie 
einen  Hohlweg  und  führt  den  Namen  „Mainzer  Strasse^^  Aus  dem  Thale 
von  Hechtsheim  geht  sie  wiederum  über  die  Höhe,  meist  als  gewöhn- 
licher Fahrweg,  die  Chaussee  rechts  lassend,  über  Gaubischofsheim  und 
Harzheim  nach  Mommernheim.  Von  hier  zieht  sie  weiter,  bald  als 
alter  Feld-  oder  Grasweg,  bald  nur  als  Grasrain,  und  auf  längere 
Strecken  ganz  eingeackert  in  grader  Richtung  über  die  Hochfläche  und 
meist  auf  ebenem  Terrain  bis  Weinolsheim,  während  die  Chaussee  auf 
mehr  coupirtem  Boden  durch  die  Niederung  läuft.  Von  letzterem  Orte 
geht  sie  dann  mit  der  Chaussee  unter  dem  Namen  „Gaustrasse''  bis 
Monsheim.  Die  Strasse  ist  ihrem  ganzen  Laufe  nach  von  römischen  Alter- 
thümern  begleitet,  und  zwar,  ausser  zu  Bingen  und  Mainz,  bei  Kempten, 
Gaulsheim,  Nieder-Ingelheim,  Finthen,  Hohlbach,  Hechtsheim,  Gau- 
bischofsheim, Harzheim,  Mommernheim,  Friesenheim,  Hillesheim,  Hess* 
loch,  Dolsheim,  Nieder-Flörsheim  und  Monsheim. 

In  der  Nähe  des  Sporkenheimer  Hofes  geht  von  der  Hauptstrasse 
die  Uferstrasse  über  Heidesheim  und  Budenheim,  dann  mit  der  Chaussee 
über  Mombach  nach  Mainz.  Von  hier  zieht  sie  über  die  Höhe  hinter 
Wdssenau,  und  steigt  bei  Laubenheim  in  die  Rheinebene  hinab,  die  sie 
gradans,  aber  nur  streckenweise  sichtbar,  bis  Nackenheim  durchzieht. 
Von  da  führt  sie  zwischen  dem  Gebirge  und  dem  Strome  bis  Oppen- 


B  Dio  römiiohen  MititärstrosaeD  de»  liDkeo  Rheioiif«n. 

heim,  und  dann  mit  <lur  Chaussee  über  Guntersblum  dem  alten  Rhein 
entlang  nach  Rheintürkheim,  wo  sie  „die  Rheinstrasse"  heisst,  und  zu- 
letzt nach  Worms.  Dieser  Arm  ist  gleich  dem  vorigen  von  zahlreichen 
Alterthüinern  begleitet,  und  zwar,  ausser  bei  Mainz,  bei  Heideshetm, 
Mombach,  am  Ilauptsteiu,  bei  Weissenaii,  Laubenheim,  Bodenheim, 
Nierstein,  Oppenheim,  Dieaheim,  Ludwigeliöbe,  Guntersblum,  Olah^m, 
Mettenheiin,  Uheintilrkheim  uuil  Woriiia. 

Um  den  grossen  Bogen  über  Mainz  abzuschneiden  lief,  ausser  der 
Haupt-  und  der  Uferstrasse,  noch  ein  Arm  von  Bingen  unter  dem  Namen 
„hohe  Strasse"  über  Püdesheim  und  Gensingen,  an  welchen  beiden 
Orten  römische  Alterthümer  gefunden  wurden,  nach  Alzey  und  Ober- 
l'lörsheim,  an  welchen  Orten  gleichfalls  römische  Alterthümer  zum 
Vorschein  kamen,  und  vereinigte  sich  zwischen  Nierier-FlÖrsheim  und 
Honslieim  mit  der  Haiiptstrasse.  Wir  haben  hier  denselben  Fall,  wie 
weiter  rheinabwärts,  wo  bei  Kettig,  um  den  Bogen  über  Coblenz  zu 
vermeiden,  eine  Verbindungsstrasse  ab  und  über  die  Mosel  wieder  zur 
Hauptstrnsse  bei  Watdeacb  führt. 

Von  der  Hauptstrasse  bei  Westhofen  führt  ausserdem  noch  eine 
Verbindungsstrasse  über  Abenheim,  wo  römische  Alterthümer  entdeckt 
wurden,  nach  der  Uferstrasse  bei  Worms,  wie  wir  bereits  mehrere 
solcher  Verbindungen  zwischen  den  einzelnen  Strassenzweigen  rhein- 
abwärts kennen  gelernt  haben. 

Fast  alle  römischen  Alterthümer  der  dortigen  Gegend  werden 
dicht  an  den  bezeichneten  Strassen  gefunden,  und  diese  Aufeinander- 
folge der  Alterthümer  gewährt  hier,  wie  anderwäits,  einen  sicheren 
Anhalt  für  den  Lauf  der  Römei'strassen,  wo  die  Reste  derselben  ver- 
schwunden oder  unkenntlich  geworden  sind. 

Ueber  die  Hauptstrasse  zwischen  Mainz  und  Bingen  spricht  sich 
Oberstl.  Schmidt  folgendermassen  aus:  „Die  gegenwärtige  Chaussee  von 
Mainz  über  Nied.-Ingelheim  nach  Bingen  ist  auf  die  Ueberreste  einer  alten 
Steinstrasse  gelegt  worden,  welche  in  der  Umgegend  „die  Strasse  Karls  d. 
Gr."  genannt  wurde,  und  wahrscheinlich  eine  Römerstrasse,  vielleidit 
die  eigentliche  Militärstrasse  von  Mainz  nach  Bingen  war;  wenigstens 
ist  ihre  Richtung  ganz  römisch."  Es  führen  bekanntlich  mehrere  rö- 
mische Militärstrassen  am  Rhein  wie  im  Innern  Galliens  den  Namen 
Karls  d.  Gr.,  von  welchem  sie  zu  seinen  Kriegszügen  erneuert  worden, 
und  so  wird  es  auch  mit  dieser  Strasse  der  Fall  sein.  Schmidt  kannte 
auch  einen  Theil  der  Uferatrasae,  von  welcher  er  sagt:  Von  einer  4. 
Strasse,  nach  Bingen  hin,  sind  grössere  Ueberreste  vorhanden.  Sie  änden 


Die  römisohen  Mihtärstrassen  des  lioken  Rhein ufers.  9 

sich  in  der  Direction  von  dem  Hauptsteine  über  Gonsenlieini,  an  Hei- 
desheira  vorbei  und  verlieren  sich  im  Sande  bei  den  Sporkenheimer 
Höfen".  Wir  haben  an  dem  Communalwege  über  Gonsenheim  bis  jetzt 
keine  alten  Spuren  gefunden;  es  kann  aber  wohl  bei  Heidesheim  ein 
Seitenarm  ab  über  Gonsenheim  nach  der  Hauptstrasse  gegangen  sein, 
da  sich  bei  diesem  Orte  bedeutende  römische  Alterthümer  and  auch 
alte  Strassenreste  in  der  angezeigten  Bicbtung  unter  dem  Boden  ge- 
funden haben.  Den  fernem  Verlauf  der  Uferstrasse  bis  Nackenheim 
gibt  Schmidt  tibereinstimmend  mit  unsern  Angaben. 

Es  ergibt  sich  hiernach,  dass  die  alten  Strassen  Verhältnisse  zwi- 
schen Bingen  und  Worms  ganz  dieselben  sind,  wie  wir  sie  von  Nym- 
wegen  an  den  ganzen  Rhein  aufwärts  bis  Bingen  kennen  gelernt  haben. 
Hier  wie  dort  sehen  wir  ausser  der  Hauptstrasse  noch  einen  oder  zwei 
Seitenarme,  welche  besonderen  Zwecken  dienten;  zunächst  den  dem 
Stromufer  in  geringer  Entfernung  nachfolgenden  Arm  nnd  dann  noch 
einen  dritten,  welcher  die  Bestimmung  hatte,  einen  directen  Verkehr 
durch  Abschneiden  der  über  Mainz  führenden  Krümmung  zu  bewirken, 
wie  oben  schon  bei  Coblenz  erwähnt,  während  dieser  dritte  Arm  am 
Niederrhein  in  der  Begel  den  Zweck  hatte,  den  durch  üeberschwem- 
mung  der  beiden  vorigen  Arme  unterbrochenen  Verkehr  wieder  herzu- 
stellen. 

Die  in  der  Strecke  zwischen  Bingen  und  Worms  in  den  römischen 
Itinerarien  enthaltenen  Ortschaften  sind  hinreichend  bekannt:  Bing! um 
=  Bingen,  Magontiacum  =  Mainz  und  Borhetomagus  =  Worms.  Ausser- 
dem enthält  die  Peutinger'sche  Tafel  den  Ort  Bonconica,  von  dem  schon 
Minola  sagt,  dass  es  Oppenheim  sein  soll,  womit  die  Entfernungsan- 
gaben stimmen.  Dass  Bonconica  wirklich  zu  Oppenheim  lag,  wird  uns 
durch  Herrn  Director  Dr.  Lindenschmit  aus  den  zahlreichen  dortigen 
Alterthumsfunden  bestätigt ;  auch  verdanken  wir  der  preiswürdigen  Li- 
beralität des  Herrn  Dr.  Lindenschmit  die  meisten  Angaben  über  die 
an  den  Strassen  vorkommenden  Alterthümer,  wofür  wir  demselben  so- 
wie dem  Mainzer  Alterthumsverein  auch  hier  unsern  lebhaften  Dank 
aussprechen,  hoffend,  dass  wir  bei  unsern  ferneren  Strassenforschungen 
rheinaufwärts  bis  Basel  bei  den  doitigen  Alterthumskundigen  uns  der- 
selben gütigen  Unterstützung  erfreuen  mögen. 

J.  Schneider. 


10    Die  Legionen  a.  Bh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeins  b.  «.Erheb,  d.  Yiiellina. 


3.    Die  Legionen  am  Rheine  von  dem  Kampfe  Caesars  gegen 
Pompeius  bis  zur  Erliebung  des  Viteliius  0- 


Während  des  die  Republik  vernichtenden  Bürgerkrieges  ist  vom 
Rheine  und  den  bis  zu  diesem  sich  erstreckenden  Gallischen  Völker- 
stämmen  in  den  uns  erhaltenen  Berichten  kaum  die  Rede.  Als  Caesar 
sich  vor  dem  letzten  Winter  seines  Proconsulates,  das  nach  seiner 
Auslegung  erst  am  Anfange  des  Sommers  endete,  in  das  diesseitige 
Gallien  begab,  hatte  er  die  eine  Hälfte  seiner  acht  noch  im  jenseitigen 
stehenden  Legionen  unter  Trebonius  im  Belgischen  Gallien,  die  andere 
unter  Fabius  bei  den  Häduem  ihre  Winterquartiere  beziehen  lassen, 
weil  ihm,  wie  Hirtius  sagt,  Galliens  Ruhe  am  besten  gesichert  schien, 
wenn  das  Heer  das  tapferste  und  das  angesehenste  Volk  beherrsche. 
Im  vorigen  Jahre,  wo  er  noch  zehn  Legionen  befehligte,  hatte  er 
gleichfalls  vier  im  Belgischen  Gallien,  aber  nur  zwei  bei  den  Häduem 
überwintern  lassen,  ebenso  viele  nach  den  Turonen  und  den  Lemorikern 
geschickt,  damit  kein  Theil  Galliens  ohne  Heer  sei.  Als  der  von  Pom- 
pejus  gewonnene  Senat,  der  neue  Proconsuln  für  beide  Gallien  ernannt 
hatte,  ihm  die  Entlassung  seiner  Legionen  befahl,  erklärte  sich  die  ein- 
zige bei  ihm  sich  befindende  Legion,  die  dreizehnte,  begeistert  für  die 
Wahrung  seiner  Rechte.  Er  selbst  berichtet  (B.  C.  I,  8),  die  übrigen 
Legionen  habe  er  aus  den  Winterquartieren  zu  sich  berufen,  doch  folgte 
diesem  Befehle  nur  die  zwölfte  und  darauf  die  achte  (I,  15.  18),  von 
denen  wohl  die  eine  im  Lande  der  Häduer,  die  andere  im  Belgischen 
Gallien  stand.  Ueber  den  Grund,  weshalb  die  übrigen  nicht  erschienen, 
hören  wir  nichts.  Von  den  Gallischen  Legionen  hatte  er  nur  diese 
beiden  nebst  der  dreizehnten  in  Brundisium  (I,  25).  Ueber  die  darauf 
angetretene  Reise  nach  Gallien  sagt  Caesar  selbst  nur,  dass  er  von 
Rom  abgegangen  und  nach  dem  jenseitigen  Gallien  gekommen  (I,  33). 


1)  Ueber  die  Legionen  Caesars  am  Rheine  habe  ich  im  ersten  Bando  der 
„Westdeutschen  Zeitschrift  für  Geschichte  und  Kunst.  Herausgegeben  von  Hett- 
ner  und  Lamprechf*  S.  294 — 308  gehandelt. 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  geg^n  Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.Vitellias.    1 1 

Orosius  hat  die  Nachricht  bewahrt  (VI,  15),  er  sei  über  Ariminom  ge- 
gangen. Bei  Lucan  lesen  wir  (III,  299):  Agmine  wMferam  rapto 
superevolat  Alpem  ^).  Nach  dem,  was  wir  weiter  über  die  Legionen 
hören,  scheint  es  unzweifelhaft,  dass  seine  drei  Yeteranenlegionen  ihn 
begleiteten;  nur  die  neu  ausgehobenen  liess  er  in  Italien  unter  Antonius 
zurück.  Diese  drei  Legionen  sind  es  auch,  die  er  zur  Belagerung  des 
auf  die  Seite  des  Pompeius  getretenen  Massilia  führte  (I,  36).  Die 
Winterquartiere  der  noch  in  Qallien  liegenden  sechs  Legionen  waren 
unterdessen,  wenigstens  theilweise,  verändert.  Die  drei  Legionen  in 
und  um  Narbo,  die  Caesar  unter  dem  Legaten  Fabius  nach  Hispanien 
vorausschickte  (I,  37),  müssen  dieselben  sein,  die  mit  der  zuerst  bei  ihm 
eingetroffenen  zwölften  (I,  15)  unter  Fabius  bei  den  Häduem  gelegen. 
Die  Umlegung  hatte  Caesar  wohl  selbst  befohlen.  Die  andern  Legio- 
nen, die  in  weiterer  Entfernung  überwinterten  und  desshalb  nachkamen 
(1, 37),  können  nur  die  im  Belgischen  Gallien  unter  Trebonius  liegenden, 
mit  Ausnahme  der  schon  bei  Corfinium  zu  ihm  gestossenen  achten 
(I,  18),  gewesen  sein.  Seine  drei  Legionen  liess  Caesar  bei  Massilia 
zurück.  Da  wahrscheinlich  auch  alle  drei  in  Belgien  stehenden,  wenn 
auch  sie  nicht  etwa  andere  Winterlager  bezogen  hatten,  am  Hispanischen 
Kriege  sich  betheiligten,  so  hatte  Caesar  dort  sechs  Yeteranenlegionen, 
die  sechste  und  siebente,  die  neunte  bis  elfte  und  die  vierzehnte.  Aus- 
drücklich genannt  werden  gelegentlich  nur  die  neunte  und  die  vier- 
zehnte (I,  45.  47);  wenn  einmal  vier,  ein  andermal  fQnf  Legionen  er- 
wähnt werden  (I,  40.  43),  so  beweist  dies  nichts  gegen  die  Annahme, 
dass  alle  sechs  in  Gallien  zurückgebliebenen  Legionen  in  Hispanien 
gewesen.  Ausser  Massilia  schien  Gallien,  auch  die  Völker  am  Rheine, 
so  beruhigt,  dass  man  der  Legionen  dort  nicht  bedurfte.  War  es 
die  Achtung  vor  Caesar  oder  ein  Bedürfniss  der  Ruhe  oder  was  sonst, 
die  Gallischen  Völker  hielten  auch  während  des  erbittertsten  Bürger- 
krieges, der  ihnen  sichere  Aussicht  auf  Befreiung  zu  bieten  schien,  mit 
unbedeutenden  Ausnahmen  an  Rom  fest,  so  dass  Caesars  Vertrauen, 
er  dürfe  alle  seine  Legionen  aus  dem  Lande  ziehen,  sich  glänzend  be- 
wahrheitete. Nur  zwei  Legionen  liess  er,  als  er  zum  Kampf  auf  Leben 
und  Tod  nach  Italien  eilte,  noch  bei  Massilia  zurück  (II,  22).  Diese 
schienen  ihm  auch  hinzureichen,  sollten  Unruhen  in  Gallien  ausbrechen. 


1)  Unter  dem  agmm  können  nar  die  Legionen  gemeint  sein.  Bapere  exet' 
eUum^  cchortes  braucht  in  gleichem  Sinne  Taoitus  (Ann.  I,  56.  IV,  25.  Xu,  31. 
XV,  8). 


12     Die  Legionen  a.Rb.  v.  d.  KampfeCai^iiarB^cgeii  Pompelusb.  z. Erheb.  d.Vitalliaa. 

Freilieb  auf  dea  Kampf  gegen  die  GermaneD  musste  mao  ver- 
zichten. 

Zum  Proconsul  des  jenseitigen  Galliens  ernannte  er  D.  Brutas, 
den  Besieget  Massilias.  Von  der  Zahl  seiner  Legionen  wissen  wir 
nichts ;  vielleicht  wurden  zu  den  zwei  bei  MassiUa  auch  noch  ein  paar 
andere  ausgehoben.  Drei  Jahre  später  unterdrückte  Brutus  einen  Auf- 
stantl  des  kriegerischsten  der  Belgischen  Stämme,  der  ßellovalier  (Liv. 
epit.  114).  Bei  dem  vierfachen  Triumphe,  den  Caesar  nach  der  Be- 
sieguDg  Äfricft's  feieile.  galt  der  erste  Tag  der  Bewältiguug  Galliens. 
Die  Bilder  Mas»ilias,  des  Klienus  und  des  Uliodanus  prangten  im  Zuge, 
und  auch  der  edle  Freibeitsheld  Vercingetorix  wurde  jetzt,  nach  sechs 
Jahren,  Im  Triumph  aufgeführt,  um  nach  demselben  erdrosselt  zu 
werden.  Gallien  schien  für  immer  beruhigt,  so  dass  Dio  den  Antonius 
noch  in  Caesars  Leichenrede  sagen  lassen  konnte:  (LIV,  133):  Jedovloitoi 
figv  I'alatia  ,  .  .  riktnai  de  ni'  'Podcirds  in  ftövog  ovd'  ^^ga^ig,  äiia 
Kai  Möaag  rtai  jdiygtg  xai  PijVog  ctiiot;  r^ai  Qxeavng  avzog. 

Ehe  Caesar  sich  zum  Parthischeu  Feldzug  rüstete,  wurden  die 
Provinzen  von  neuem  vertheilt,  und  zwar  in  ungewohnter  Weise,  um 
möglichst  viele  Bewerber  zu  befriedigen.  D.  Brutus  erhielt  diesmaJ, 
weil  Caesar  ihm  besonders  traute,  das  diesseitige  Gallien^  das  Narbo- 
nensische  Gallien  kam  mit  dem  diesseitigen  Hispanien  an  Aemilius 
Lepidus  (Dio  XLIII,  .51),  das  Celtische  und  Aquitanischf:  Gallien  iiuMuna- 
tius  Plancu8  (Dio  XLVI,  29),  Belgien  an  Hirtius,  der  sich  durch  Aurelius 
vertreten  Hess  (Cic  ad  Att,  XIV,  9,  3).  Cicero  wunderte  sich,  dass 
auch  nach  Caesars  Tode  die  Belgier  ruhig  blieben,  ja  die  Germanen 
und  jene  Gallischen  Völker  an  Aurelius  eine  Elrklärung  ihres  Gehorsams 
sandten  {se,  quod  imperatum  esset,  esse  faeturos).  Bei  der  Vertheiluag 
Galliens  unter  mehrere  war  es  natürlich,  dass  dort  auch  viele  Legionen 
gebildet  wurden.  Von  der  Zahl  derselben  im  Belgischen  Gallien  wissen 
wir  nichts;  war  es  auch  durch  seine  weite  Entfernung  von  Itatjen 
ohne  bedeutenden  Einfluss  auf  die  Entwicklung  der  folgenden  Kämpfe, 
bei  der  Kriegslust  des  Volkes  musste  man  sich  doch  durch  eine  be- 
deutende bewaffnete  Macht  in  Ansehen  setzen.  Plancus,  der  Proconsul 
der  beiden  andern  Theile  des  jenseitigen  Galliens,  schreibt  an  Cicero 
(ad.  Farn.  X,  8,  6 :  Legiones  habeo  qtiinque  sub  signis  et  sua  fide  vir- 
tuteque  rei  pt4blicae  coniunctissimas  et  nostra  lihercditaie  noibis  obse- 
quentes,  provinciam  otnnium  civüatittm  consensu  paratissimam  et  stanma 
contentione  ad  officia  certantem,  equittUus  anxiliorumque  tantas  copias, 
quantas  hae  gentes  ad  defendendam  suam  scUutem  libertatemgw  conficere 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  GaeBars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb,  d.yitellina.    1 8 

possunt.  In  einem  spätem  Briefe  (X,  15,  3)  hören  wir,  er  sei  mit  vier 
Legionen  ausgerückt ;  dass  unter  diesen  vier  Legionen,  die  er  im  Lager 
habe,  drei  aus  Veteranen  bestanden ,  eine  sehr  ausgezeichnete  aus  Ti- 
ronen,  sagt  er  anderswo  (X,  24,  3).  Appian  spricht  von  drei  Legionen 
(III,  46.  97)^).  Lepidus  hatte  in  dem  Narbonensischen  Gallien  und 
dem  diesseitigen  Hispanien  sieben  Legionen  nach  Appian  III,  84,  der 
ihm  freilich  anderwärts  (III,  46)  nur  vier  zuschreibt,  wogegen  an  einer 
dritten  Stelle  (IV,  3)  gar  von  zehn  die  Rede  ist.  Als  Antonius  sich 
mit  Lepidus  und  Plauens  verbunden  hatte,  konnte  er  mit  siebzehn 
Legionen  nach  Italien  ziehen;  im  ganzen  hatten  sie  dreiundzwanzig, 
da  sie  sechs  unter  Varius  Gotulo  als  Besatzung  Galliens  zurückliessen 
(Plut.  Ant.  18).  Bei  der  Schliessung  des  Triumvirates  erhielt  Antonius 
das  dies-  und  das  jenseitige  Gallien ,  von  denen  ersteres  ihm  der  be- 
deutendste Stützpunkt  zur  Beherrschung  Italiens  war,  nur  das  Nar- 
bonensische  Gallien  und  ganz  Hispanien  wurde  Lepidus  zu  Theil  (Dio 
XLVI,  55).  Letzterer  sollte,  während  Antonius  und  Octavian  zunächst  den 
Kampf  gegen  Brutus  und  Cassius  führten,  als  Consul  in  Rom  bleiben, 
während  seine  Provinzen,  wie  auch  das  dem  Antonius  zugefallene  Gallien, 
in  welchem  sechs  Legionen  standen,  von  andern  verwaltet  wurde.  Nach 
Appian  (IV,  3)  musste  Lepidus  von  seinen  Legionen  drei  an  Octavian, 
vier  an  Antonius  abgeben,  so  dass  er  nur  drei  behielt,  während  jeder 
seiner  beiden  Mittriumvim  zwanzig  hatte. 

Auch  bei  der  im  Jahre  173  erfolgten  Theilung  des  Reiches 
zwischen  Antonius  und  Octavian  fielen  beide  Gallien  dem  erstem  zu 
(Dio  XLVin,  1) ;  er  Hess  sie,  da  er  selbst  den  Krieg  im  Osten  fahrte, 
durch  andere  verwalten,  von  denen  Calenus,  Ventidius,  Asinius,  Plauens 
und  Ateius  genannt  werden  (App.  V,  33.  Dio  XLVIII,  18).  Calenus 
allein  hatte  elf  Legionen  des  Antonius  (App.  V,  24).  Nach  der  Be- 
siegung des  L.  Antonius  wagte  nur  Calenus  Widerstand  zu  leisten,  aber 
sein  plötzlicher  Tod  befreite  Octavian  von  diesem  Gegner.  Dessen  Sohn 
überliess  ihm  sofort  die  elf  Legionen  und  das  Land,  worauf  Octavian 
den  Legionen  andere  Führer  gab  und  die  Verwaltung  des  Gebietes  neu 


1)  Pfitzner  „Oesohichte  der  römischen  Eaiserlegionen  von  Aagustus  bis 
Hadrianus'*  (1881)  S.  8  vermuthet,  eine  der  Legionen  des  Plancus  sei  die  legio 
III  Gkllioa,  die  unter  Antonius  gegen  die  Parther  gekämpft.  Das  wäre  nur  dann 
glaublich,  wenn  diese  Legion  schon  damals  den  Beinamen  Gallica  gehabt,  was 
nicht  der  FaU  ist.  Eben  so  wenig  ist  die  Annahme  haltbar,  die  legio  III  Gyrenaioa 
sei  von  Lepidus  in  Afrioa  gebildet  worden. 


14    Die  Legionen  t.  Rh.  v,  d.KampreCaeaari  gegen  Pompeiuib.  i.Erheb.d.VitelHus. 

ordnete  (App.  V,  51.  Dio  XLVIII,  20).  Durch  den  Vertrag  von  Bnin- 
disium  fiel  Gallien  mit  dem  ganzen  Westen  dem  Octavian  zu.  Gallien, 
gleichsam  eine  Erbschaft  Caesars,  war  ihm  eine  der  werthesten  Pro- 
vinzen, worin  er  das,  was  Caeaar  erstrebt  hatte ,  ja  noch  mehr ,  die 
Gewinnung  Germaniena  bis  zur  Elbe,  unter  Agrlppa's  kundigem  Rathe 
auszuführen  gedachte  ').  Ein  in  demselben  Jahre  dort  ausgebrochener 
Aufstand ,  von  dem  sich  eben  nur  eine  ganz  unbestimmte  Nachricht 
findet  (App.  V,  85),  veranlasste  ihn  zu  einem  Zuge  nach  Gallien.  Das 
nächste  Jahr  (715),  in  welchem  der  Krieg  gegen  S.  Pompeius  ihn  in 
Italien  zurückhielt,  sandte  er  Agrippa  zur  Unterdrückung  eines  Auf- 
Standes  nach  Aquitanien.  Die  Nachricht  von  dessen  glänzendem  Siege 
(Eutr.  VII,  5)  empfing  Octavian  nach  seiner  Niederlage  gegen  S.  Pom- 
peius  (App.  V,  92).  Agrippa  zog  nach  Besiegung  der  Aquitaner  in 
das  Celtische  und  das  Belgische  Gallien,  ja  er  überschritt,  was  kein 
Bömischer  Feldherr  nach  Caesar  gewagt  hatte,  wieder  den  Rhein  (Dio 
XLVIII,  49)*).  Sein  Uebergang  war  durch  die  Einfalle  der  Germanen 
veranlasst,  und  zwar  der  Sueben,  nicht  der  Sigambrer,  die  Watterich 
nennt.  Entscheidend  ist  der  Bericht  Strabos,  IV,  3, 4:  Jläotj^  d' vrrtQ- 
XEivrai  T^g  Ttoraftiag  ravTi^g  o't  Sötjßoi  iiQoaayoQevöfiswt  Fefffiavol 
,  ,  .■  igi*  ütv  Ol  l^ehxvvöfisvoi  Mxtifpevyov  eis  rt}»-  hiog  tov  'P^vov 
wvi.  DasB  hier  von  den  Ubiern  die  Rede  sein  muss,  hat  bereits 
Cluver  bemerkt.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daas  nidit  etwa 
Ovßiot  nach  oi  ausgefallen,  sondern  o'i  eine  Entstellung  des  arsprflng- 
lichen  O^ßioi  ist,  da  Strabo  die  Völkernamen  im  Nominativ  immer 
ohne  Artikel  setzt.  Auffallen  darf  es  nicht,  dass  dieser  hier  tod  der 
Vertreibung  der  Ubier  spricht,  während  er  früher  genauer  sagt, 
Agrippa  habe  diese  mit  ihrem  Willen  in  das  Land  diessrat  des 
Kheines  herObergeführt ;  beide  Aeassemngen  sind  parenthetische  jSa- 
Sätze.  Mit  Strabo  stimmt  die  Angabe  des  Tacitus  Germ.  28:  Trans- 
gressi  olim  ( Vbii)  ä  experimenio  fiäei  super  ipsam  BhaU  r^am  eeiUoaiti, 
ut  arcerent,  wenn  auch  traducti  ab  Agrippa  genauer  gewesen  wäre. 


1)  Florui  BBgt  (IV,  12,  23),  OcUTian  habe  au«  Germanien,  wohb  aein 
Tater  zweimal  ober  den  Rhein  gegangen,  zu  desienEhre  eine  RönÜKlie  Provini 
EQ  machen  geanoht. 

2)  Es  ist  ein  Irrtbnm,  wenn  Dio  dieaen  Zng  dea  Agrippa  in  dessen  OonaoUt 
(717)  verlegt.  DrnmBnn,„GeaohiohtaRoma",I,264  gedenkt  deaaelben  unter  dam 
Jahre  716.  Watterioh,  „Die  Sigarafaern  des  Rheiua",  92  folgt  Dio;  er  fibenieht 
die  Stelle  Appians. 


Die  Legionen  a.  Rh.  v .  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeias  b.  z.  Erheb,  d.  Vitellins.    16 

Zweideutiger  heisst  es  später  (Ann.  XII,  IV) :  Forte  acdderat^  ut  eam 
gefitem  Bhetw  transgressam  Ägrippa  infidem  acdperä,  wo  aber  nicht 
nothwendig  gedacht  zu  werden  braucht,  dass  sie  ohne  Mitwissen  des 
Agrippa  übergesetzt  seien.  Hierauf  beschränkt  sich  unsere  Eenntniss 
von  jenem  wichtigen  Gallischen  Zuge  Agrippa's  und  seiner  Anwesenheit 
am  Rheine  ^).  Wir  wissen  nicht  einmal,  wer  damals  Proconsul  in  Belgien 
war,  da  Hirtius  gefallen  war,  wie  viele  Legionen  dort  standen  und 
welche  Agrippa  mit  sich  führte.  Von  einem  so  kundigen ,  auf  die 
Ortsverhältnisse  besondere  Aufmerksamkeit  richtenden  Feldherm  darf 
man  voraussetzen,  dass  ihm  die  Sicherung  Galliens  am  Rheine  gegen 
die  eindringenden  Germanen,  ja  auch  die  Gewinnung  von  Stützpunkten 
zur  Unterwerfung  Germaniens  besonders  am  Herzen  lag,  und  so  ist  es 
nicht  unwahrscheinlich ,  dass  er  den  Rhein  in  Bezug  auf  die  Befesti- 
gung desselben  durch  zweckmässig  an  ihm  vertheilte  Legionen  bereiste. 
Ueberschritt  er  auch  wahrscheinlich  den  P'luss  an  derselben  Stelle  wie 
Caesar,  im  Neuwieder  Becken,  so  folgt  doch  daraus  nicht,  dass  er  die 
stehende  Brücke  wieder  hergestellt  und  sie  durch  Befestigungen  ge- 
schützt habe ,  vielmehr  musste  er ,  wenn  er  sich  der  Ubier  mit  vor- 
schauender Klugheit  annahm,  auch  für  die  Sicherung  derselben  gegen 
die  ihnen  feindlichen  Germanen  Sorge  tragen.  Ein  so  bedeutendes 
Handelsvolk,  wie  die  Ubier  uns  schon  bei  Caesar  entgegentreten,  konnte 
unmöglich  der  Anlage  einer  Hauptstadt  und  eines  Hafenortes  entbehren; 
dass  wir  von  beiden  in  so  früher  Zeit  nichts  hören ,  erklärt  sich  aus 
der  Lückenhaftigkeit  unserer  Ueberlieferung ,  die  so  gross,  dass  man 
in  der  ältesten  Zeit,  wo  wir  nichts  als  ganz  vereinzelte  Angaben  haben, 
von  Lücken  gar  nicht  sprechen  kann.  Ein  oppidum  der  Ubier  gleich 
nach  der  Niederlassung  war  ein  unerlässliches  Bedürfniss,  und  dieses 
konnte  unmöglich  anderswo  als  in  Köln  sein,  nicht  etwa  in  Bonn,  das 
man  gar  älter  und  bedeutender  als  Köln  hat  machen  wollen,  obgleich 
es  erst  viel  später  als  das  oppidum  Ubiorum  erscheint,  das  eben  nur 
die  spätere  eohnia  Ägrippinensis  gewesen  sein  kann,  wenn  nicht  etwa 


1)  In  der  stelle  des  Sueton  Aug.  21:  Suebos  et  Sieanibros  dedentes  se  tra- 
duxit  {AtigusttM)  in  Gäüiam  atque  in  proximis  Bheno  agria  coüocavitf  haben  wir 
einen  starken  Irrtham  oder  vielmehr  eine  Verwechslung  anzunehmen.  Tiberius 
rühmte  sich  die  Sueben  undSigambrer  unterworfen  zu  haben  (in  deditionem  ac- 
eeptos,  Tac.  Ann.  II,  26),  aber  nicht  sie,  sondern  die  Ubier  siedelten  über.  Die 
sobon  in  Handschriften  sieb  findende  Aendernng  von  Suebos  in  übios  ist  ein 
gans  verkehrtes  Heihnittel. 


Itt    Diel-o^ioneDft.RUv.d.KminpfeCaesarsgufreaPuinpeiatb.t.  Erbeb.  d.TiteOiBS. 

ßoDR  auch  zar  Handek-  und  Hauptstadt  erhoben  werden  soll.  Wie  Caesar 
dadurch,  doüs  er  Legiuiien  im  Gebiete  eines  Gallischen  Volkes  oder  in 
(leiisen  Nähe  tlberwintern  Hess,  sich  desselben  zu  vergewissern  sachte, 
so  balle  auch  Ägrippa  kein  passenderes  Mittel,  die  Ubier  gegen  Ein- 
fälle der  flermaneo  zu  aichem,  als  dass  er  in  das  Land  des  freilich 
auch  der  bewaffneten  Macht  nicht  entbehrenden  Handelsvolkes ,  das 
ibifl  al3  ein  I'osteu  gegen  die  Germanen  diente,  Truppen  legte,  und 
wohl,  wie  Caesiir  zu  wirksamer  Unterstützung  zu  thun  pflegte,  zwei 
Legionen.  ObAgrippa  auch  bereits  die  BeschOtzung  des  ganzen  Rheines 
durch  acht  Legionen  und  als  Winterlager  derselben  ausser  der  Gegend 
von  Köln  die  von  Xanten,  Mainz  und  Windisch  in  Aussicht  ge- 
nommen, wissen  wir  nicht. 

Alle  Nachrichten  über  die  Winterlager  der  Legionen  fehlen  uns 
in  der  nächsten  Zeit,  nur  die  Namen  von  ein  paar  Legaten  lernen  wir 
bei  Erwähnung  der  von  ihnen  unterdrückten  Aufstande  kennen.  Octa- 
vian  wollte  im  Jahre  720  nach  dem  Vorgange  Caesars  in  Britannien 
einfallen  und  bei  diesem  Zuge  seinen  Weg  durch  Gallien  nehmen,  als 
ein  Aufstand  der  Dalinaten  und  Pannonier  ihn  davon  abhielt  (Dio  XLIX, 
'18).  Wir  wissen  nicht  genau,  wanu  Carinas  die  Morincr  und  die  mit 
ihnen  aufgestamlenen  Volker,  sowie  die  Sueben,  welche  den  Rhein 
überschritten  hatten ,  besiegte.  Denn  wenn  auch  Oclavian  erst  iin 
Jahre  72't  bei  dem  dreitägigen  Triumphe  die  Besiegung  dieser  Völker 
zugleich  mit  der  Unterwerfung  der  Pannonier,  Dalmaten  und  Japyden 
feierte  (Dio  LI,  21),  so  hatte  doch  Carinas  schon  eine  Ovation  zu 
Ehren  seines  Sieges  erbalten  und  die  Bewältigung  der  Pannonier,  Dal- 
maten und  Japyden  fällt  in  die  Jahre  719  und  720.  Als  Octavian 
bei  seiner  Rückkehr  nach  Rom  im  Jahre  725  den  Tempel  des  Janas 
schloss,  standen  ausser  Hispanischen  Stämmen  die  Treverer  am  Rheine 
unter  Waffen ;  andere  Gallische  Stämme  hatten  sich  ihnen  angeschlossen. 
Ihre  Besiegung  gelang  dem  Nonius  Gallus  (Dio  LI,  20).  Sie  hatten 
sich  ohne  Zweifel  auch  gegen  die  von  den  Römischen  Legionen  be- 
schützten Ubier  gewandt,  und  es  wäre  auffallend,  wenn  sie  nicht  die 
Germanen  nach  alter  Weise  über  den  Rhein  gerufen  hätten.  Daas  dies 
nicht  ausdracklich  erwähnt  wird,  erklärt  sich  leicht  aus  der  ganz 
nebensächlichen,  nichts  weniger  als  eingehenden  Art  des  einzigen  ans 
vorliegenden  Berichtes.  Der  Kampf  wurde  diesmal  wenigstens  grossen- 
theils  am  Rheine  geführt,  da  die  Ubier  geschützt  werden  mussten,  die 
gerade  während  der  Abwesenheit  der  Legionen  überfallen  worden 
waren. 


I 


1 


Die  Legionen  a.  Bb.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  e.  Erbeb.  d.Vitellius.    17 

Als  Octavian  im  Jahre  727  die  Provinzen  zwischen  dem  Senate, 
dem  Volke  und  sich  theitte,  nahm  er  die  Ordnung  von  ganz  Gallien 
für  sich  in  Anspruch  (Dio  Lin,  12).  Augustus  (diesen  Ehrennamen 
führte  er  jetzt)  wollte  damals  wieder  gegen  Britannien  ziehen,  das  ihm 
den  Gehorsam  verweigerte,  aber  er  blieb  längere  Zeit  in  Gallien,  um 
die  dortigen  während  des  Bürgerkriegs  in  Verwirrung  gerathenen  Ver- 
hältnisse zu  ordnen  (Dio  LIII,  22).  Wir  wissen,  dass  er  in  Narbo  eine 
Versammlung  der  drei  Theile  von  Gallia  comata  hielt  und  einen  Ccnsus 
machte  (Liv.  epit.  134),  eine  Steuerrolle  ordnen  liess  und  die  Verwaltung 
ordnete  (Dio  a.  a.  0.).  Damals  wurde  wohl  „die  administrative  Tren- 
nung von  Belgica  und  Lugdunensis  bestimmt^ ').  Dio  nennt  schon  vorher 
(Lm,  12)  als  Gallische  Völker  Nagßiovi^aioi,  ^ovydovv^aioi,  l^xovi- 
Tcivoij  Kehvinoi  und  Abkommen  von  ihnen,  ovg  dij  FeQfiavovg  xalov- 
(lav^  naaav  xtpf  ttqoq  xijf  Pi^vcfi  KsXtixtjv  xazaaxovteg,  die  er  als  raq^avia  ?; 
av(a  und  ^  xora;  unterscheidet  *).  Ob  Augustus  damals  über  Narbo  hinaus 
bis  in  Belgica  und  an  den  Bhein  kam,  wissen  wir  nicht.  Im  folgenden 
Jahre  war  er  wieder  im  Begriff,  den  Zug  nach  Britannien  anzutreten, 
als  ihn  der  Aufstand  der  Cantabrer  und  Asturen  nach  Hispanien  rief. 
Um  diese  Zeit  bestand  Marcus  Vinicius  mit  einzelnen  Germanischen 
Stämmen  einen  Kampf,  auf  Veranlassung  der  Ermordung  einiger  Römer, 
die  des  Handels  wegen  in  ihr  Land  gekommen  waren  (Dio  LIII,  26). 
Vinicius  überschritt  also  damals  den  Rhein.  Die  Germanen ,  die  er 
▼erfolgte,  waren  wohl  dieselben,  die  später  dem  Lollius  eine  grosse 
Niederlage  bereiteten. 

Während  die  Narbonensische  Provinz  sich  so  ruhig  hielt ,  dass 
Augustus  sie  von  Truppen  befreien  und  dem  Römischen  Volke  zurück- 
geben konnte,  ward  das  übrige  Gallien  durch  Zwietracht  aufgeregt  und 
zum  Theil  durch  Einfälle  der  Germanen  in  solche  Unruhe  gesetzt  (IV 
TH  yoLQ  aXkriXoig  eataaia^ov  xai  vno  twv  KelTciv  iaoncovvro),  dass 
Augustus  735  den  Agrippa  sandte,  um  das  Land  vor  seinem  eigenen 
Besuche  zu  beruhigen.  Wir  hören  nur,  dass  dies  dem  Agrippa  gelang 
(Dio  LIV,  11).  Auch  diesmal  wird  er  die  Germanen  über  den  Rhein 
verfolgt  haben  und  besonders  auf  den  Schutz  der  ihn  als  ihren  Wohl- 
thäter  verehrenden  Ubier  bedacht  gewesen  sein.    Aber  eine  dauernde 


1)  Mommsen  in  den  „Berichten  der  S&cbsischen  Gesellschaft  der  Wissen- 
schaften'' 1852,  S.  231,  2. 

2)  Vgl.  Brambach  im  „Rheinischen  Museum''  XX,  606  f. 

2 


18     DicLegionen  B.Rh,  v.  d.  KampfeCaeseo-si^genPompeiuBl].  z.  Erheb. <LTit«UiuB. 

Ruhe  war  damit  nicht  hergestellt.  Der  Legat  M,  Lolhus  (wohl  vom 
nnlern  Geruiauiea)  erlitt  drei  Jahre  später  eine  empfindliche  Nieder- 
lage gegen  die  GeTinaneii,  Die  Sigambrer,  die  Usipeten  und  Tencterer 
hatten  einige  Römer,  die  sich  in  ihr  Land  hegeben,  grausam  getödtet  (Dio 
LIV,10)'),danQden  Rhein  uberscbritten.dajiGerniaDischeGanien  verwüstet 
und  waren  auch  weiter  in  Gallien  vorgedrungen.  Die  ihnen  entgegeneilende 
Reiterei  hatten  sie  in  einen  Hinterhalt  gelockt,  sie  zum  Theil  nieder- 
gehauen, die  Fliehenden  verfolgt,  die  von  Lollius  geführten  Fusssoldaten 
überrascht  (xiji  ^o^iU'^»  aex<"^'  avTÖJv  iViVi'jfOf  driXvninoi)  und  in  dio 
Flucht  geschlagen,  wobei  sie  den  Adler  der  fünften  Legion  erbeuteten 
(Vell.  II,  97,  1).  Hiernach  scheint  es  nur  eine  Legion  gewesen  zu 
sein,  welche  von  den  Germanen  in  die  Flucht  getrieben  wurde.  Lollius 
muss  zunächst  keine  weitere  in  seiner  Nähe  gehabt  habeu,  sonst  würde 
er  wohl  die  Germanen  verfolgt  haben.  Nach  dem  Berichte  Dio'a 
gingen  diese  erst  in  ihr  Land  zurück,  als  sie  vernahmen,  dass  Lollins 
sich  gegen  sie  rüste  und  auch  Augustus  heranrücke .  wo  sie  denn 
Frieden  geschlossen  und  Geiseln  gegeben  haben  sollen,  was  freilich 
etwas  sonderbar  klingt.  Wo  der  Einfall  geschehen,  ist  nicht  über- 
liefert. Wir  wissen,  dass  die  Sigambrer  zu  Caesars  Zeiten  den  Rhein 
bei  Bonn  überschritten,  dreisstg  römische  Meilen  unterhalb  der  Brücke 
Caesars  (B.  G,  VI,  35).  Aber  daraus  folgt  noch  nicht,  dass  sie  jetzt, 
wo  sie  unter  ihrem  Könige  Melo  (Strab.  VII,  1,  4)  sich  mit  den  Usi- 
peten und  Tencterem  verbunden  hatten,  nicht  eineo  andern',  ihrem 
Zwecke  günstigem  Punkt  wählten,  und  es  spricht  alle  Wahrscheinlich-  " 
keit  dafür,  dass  dieses  derselbe  war ,  wo  die  Usipeten  und  Tencterer 
schon  zu  Caesars  Zeit  mit  so  grossem  Erfolg  eingefallen  und  tief  in 
Gallien  eingedrungen  waren,  in  der  Gegend  der  Lippemtlndung ,  wie 
auch  TonVeith  (Vetera  Castra  1)  annimmt*).  Hier  konnten  sie  leichter 


1)  Die  wunderlioha  Angabe  des  BOgenannten  Aoro  xa  Hör.  cami.  IV,  2,  36, 
die  Sigambrer  hiegseo  feroce»,  qiiia,  anteguam  caperentvr,  centuriota  Bonwnoe, 
qid  ad  slipendia  misei  erant,  tentos  crucibm  defixere,  bezieht  sich  auf  einen  ipätem 
Band  der  Cheniiker,  Sueben  and  Sigambrer,  deBsen  Florua  IV,  12,  21  gedenkt. 
Die  Stelle  dea  Juliug  Obsequena  de  prodigiia  18B:  Ituidiü  Sotnanorttm  Oermani 
circumvetUi  etä)  M.LoUio  Ugato  graviter  vexati,  durch  dieWatterioh  aioh  beirren 
liest,  iit  oETenbar  verachrieben;  es  muis,  wie  Lipsins  u.  a.  gesehen,  oboaSomimi 
Oermanorwn  bergeatellt  werden. 

2)  Wenn  Strabo  sagt:  'UQiayio  tuv  jtoX^fiov  Zovyauß^oi,  so  kann  er  nur 
den  Anfang  des  von  Anguatu«  mit  aller  Entschiedenheit  untemcnnmenen  Kampfe* 
im  Sinne  haben. 


Die  Legionen  a.  Rb.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeias  b.  z.  Erheb.  d.Vitellius.    19 

die  Römer  zu  überraschen  hoffen,  wie  es  auch  wirklich  geschah.  Der 
Uebergang  war  dort  unbewacht,  Lollius  stand  in  ziemlicher  Entfernung 
mit  seiner  Reiterei,  die  er  zu  ihrer  Bewältigung  für  stark  genug  hielt, 
und  einer  Legion.  Es  ist  das  erstemal,  dass  wir  seit  Caesar  den  Namen 
einer  in  Gallien  liegenden  Legion  finden,  den  der  fünften,  die  noch  zur 
Zeit  des  Germanicus  am  Niederrhein,  bei  Vetera,  stand.  Da  von  der 
gleichfalls  später  am  Niederrhein,  wenji  auch  nicht  bei  Vetera,  sondern 
bei  dem  oppidum  Ubiorum^  stehenden  ersten  Legion  Germanicus  bei 
Tacitus  (Ann.  I,  42)  sagt,  sie  habe  ihre  signa  von  Tiberius  erhalten, 
so  hat  Mommsen  vermuthet,  auch  sie  habe  bei  der  Niederlage  des 
Lollius  ihren  Adler  verloren.  Doch  ist  längst  dagegen  bemerkt  wor- 
den, dass  dieser  Annahme  die  bestimmte  Angabe  des  Velleius  ent- 
gegensteht, welche  den  Verlust  ausdrücklich  der  fünften  Legion  zu- 
schreibt, und  nur  dieser  gedenkt.  Dass  die  fünfte  Legion  die  in 
Hispanien  gebildete  mit  dem  Beinamen  Älauda  gewesen,  wird  jetzt  mit 
Recht  allgemein  angenommen  ^).  Wann  diese  Legion  an  den  Rhein 
gekommen,  wissen  wir  eben  so  wenig,  wie  welche  andere  Legionen  doch 
unter  Lollius  standen ;  denn  wenn  unter  Quintilius  Varus  die  acht- 
zehnte und  neunzehnte,  und  höchst  wahrscheinlich  auch  die  siebzehnte 
L^on  am  Niederrheipe  lagen,  so  könnte  doch  mittlerweile  ein 
Wechsel  eingetreten  sein,  obgleich  die  fünfte  Legion  nach  ihrer  Wieder- 
herstellung hier  blieb. 

Schon  hatte  Lollius  die  Germanen  über  den  Rhein  verscheucht, 
als  Augustus  mit  seinem  Stiefsohn  Tiberius,  der  eben  aus  Armenien, 
wo  er  die  Schande  des  Grassus  gerächt  hatte,  zurückgekehrt  war,  am 
Rheine  ankam.  Dass  Augustus  sich  damals  in  Lugdunum  längere  Zeit 
aufgehalten,  wohl  gar  nicht  an  die  Stätte  der  von  den  Römern  erlitte- 
nen Schmach  gekommen,  widerspricht  dem  Berichte  Dio's.  Dieser 
sagt  keineswegs ,  Augustus  habe  auf  die  Nachricht  von  der  Unter- 
werfung der  Germanen  Halt  gemacht,  sondern  es  habe  keines  Kampfes 
bedurft,  so  dass  er  auf  die  Ordnung  der  andern  Angelegenheiten  dieses 
und  das  folgende  Jahr  verwandt  habe;  darauf  gedenkt  er  neben  der  Sorge 
für  die  Zurückhaltung  der  Germanen  der  Beschwerden  der  Gallier  in 
Lugdunum  gegen  den  Procurator  Licinus.  Augustus  hatte  als  Feld- 
herm  den  Tiberius  mitgenommen  (Dio  LIV,  19)^).  Sueton  bemerkt 
von  letzterm  (Tib.  9) :  Camatam  Galliam  anno  fere  rexU^  et  barbarorum 


1)  Vgl.  Brambaoh  im  „Rheinischen  Museum'^  XX,  612  ff.  Pfitzn er  3.235. 

2)  Tov  Sk  cf^  TißiQtov  xahoi  OTQOTTiyovyta  nti^Xaßtbv  i^toQfitiat, 


] 


^0    Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeins  b.  z.  Erheb.  d.Vitelliai. 

incursionibus  et  prindpum  discardia  inquidam.  Es  galt  jetzt,  den  RbeiD 
möglichst  gegen  die  Einfälle  der  Germanen  sicher  zu  stellen;  daza 
bedurfte  es  einer  bedeutenden  Macht  an  dem  Ufer,  über  die  wohl 
schon  Agrippa  dem  Augustus  nach  seiner  zweimaligen  Anwesenheit  am 
Rhein  seinen  sachkundigen  Bath  ertheilt  hatte.  Die  Yertheidigung  des 
Rheines  durch  je  zwei  Legionen  an  vier  verschiedenen  Punkten  war 
eine  Folge  der  jetzigen  Anwesenheit  des  Augustus.  Auf  dem  soge- 
nannten Fürstenberge  bei  Xanten  wurde  jetzt  ein  Lager  für  zwei 
Legionen  errichtet.^)  Wenn  Tacitus  (Hist.  IV,  23)  von  diesem  sagt: 
Quippe  Ulis  hibemis  obsideri  premique  Oermanias  Augustus  crediderai^ 
so  kann  diese  Aeusserung  nicht  darauf  bezogen  werden,  dass  die  An- 
lage unter  seiner  Regierung  erfolgte,  sie  setzt  des  Augustus  persön- 
liche Ansicht  und  Bestimmung  voraus.  Auch  ergiebt  sich  seine  An- 
wesenheit in  dem  Germanischen  Belgien  aus  der  jfreilich  übertreibenden 
Aeusserung,  die  Tacitus  bei  dem  Aufstande  der  Germanischen  L^ionen 
den  Römern  zuschreibt  (I,  46):  An  Augustum  fessa  adate  toHens  in 
Germania  cammeare  potuissey  Tiberium  vigentem  annis  sedere  in  «etiafw, 
verba  patrum  cavülantetn  ?  Den  Ort,  bei  welchem  das  Winterlager  er- 
richtet wurde,  nennt  Tacitus  Vetera,  woraus  freilich  nicht  noth wendig 
folgt,  Vetera  sei  ein  älterer  Name  gewesen,  so  dass  in  dieser  Beziehung 
nichts  der  Annahme  Schneider's  entgegensteht,  Vetera  bezeichne 
eigentlich  die  Stelle  des  alten,  von  Augustus  angelegten,  im  Jahre  823 
völlig  zerstörten  und  zur  Zeit  des  Tacitus  verödeten  Lagers  —  eine 
schon  von  andern  geäusserte  Ansicht,  die  auch  vetera  castra  geradezu 
das  alte  Lager  übersetzen.  Aber  dieses  würde  eine  unendlich  grosse 
Unkenntniss  von  Seiten  des  Tacitus  voraussetzen;  denn  nur  bei  einer 
solchen  hätte  er  zur  Zeit  des  Germanicus,  wo  das  Winterlager  noch 
von  der  fünften'  und  der  einundzwanzigsten  Legion  besetzt  war ,  von 
diesen  Legionen  sagen  können  (Ann.  I,  45),  sie  hätten  gelegen  sexa- 
gesimum  apud  lapidem  {loco  Vetera  nomen  est),  da  hier  das  Lager  in 
die  Nähe  von  Vetera  gesetzt  wird,  wie  das  Lager  bei  der  Hauptstadt 
der  Ubier  apud  aram  Uhionmi  war  (I,  39).  Noch  stärker  wäre  der 
Irrthum,  wenn  Tacitus  vom  Jahre  822  schreibt:  Fecit  interim  effugium 
legionihus  in  castris,  qiiibus  Veterum  nomen  est  (Hist.  IV,  18),  qua^ 
(legiones)  in  vetera  castra  concesserant  (IV,  21),  Civilis  apud  Vetera 
castra  consedit  (V,  19),  wäre  Vetera  die  Trümmerstätte  des  Lagers 

1)  Vgl.   von   Veith,  Vetera  Castra   C  f.    Schneider   in  Pick's  Monats- 
Bohrift  VIII,  825  fif. 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe Gaesars  gegen Pompeins  b.  z.  Erheb.d.Vitellius.    21 

gewesen.  In  den  Historien  findet  sich  nur  einmal  Vet^ra  als  Orts- 
name (IV,  62),  wie  in  der  Stelle  der  Annalen,  sonst  durchweg  Vetera 
castra,  was  nichts  anderes  heissen  kann  als  das  Lager  von  Vetera, 
Eine  Ableitungsendung  war  ebensowenig  nöthig,  wie  bei  Augustus  mensis^ 
Augusta  (ngua,  Augustum  forum^  Julia  lex^  JtAius  mensis,  vaüis  vttgtdia ; 
das  nahe  liegende  onus  hätte  zu  einem  Missverständnisse  geführt,  und 
zur  längern  Form  Veterensis,  wie  bei  Bannensia  castra  von  Banna 
(Bonna  castra  wäre  auffallend  gewesen),  la^  eben  kein  Grund  vor. 
So  wird  uns  wohl  nichts  übrig  bleiben  als  Vetera,  wie  Bonna,  Novesiumy 
Oddvibay  Magmtiacum,  für  einen  einheimischen  Namen  zu  halten,  den 
die  Römer  sich  wohl  mundgerecht  gemacht  hatten. 

Bei  dem  oppidumUbiorum,  dessen  Namen  wir  ebensowenig  überliefert 
finden  wie  den  des  Hauptortes  der  Treverer,  wird  das  schon  bestehende 
Lager  vielleicht  neu  befestigt  worden ,  auch  bei  den  Orten,  deren  Na- 
men die  Römer  MogofUiacum  und  Vindonissa  aussprachen,  solche  ge- 
baut worden  sein,  wahrscheinlich  beide  für  je  zwei  Legionen  0»  wie  schon 
Caesar,  wo  es  möglich,  zwei  Legionen  an  demselben  Orte  ihr  Winter- 
lager anwies.  Die  unter  Augustus  als  praeeipuum  robur  JRhenum  itAxta^ 
commune  in  Germanos  GaUosque  praesidium  bestimmten  acht  Legionen 
(Tac.  Ann.  I,  3.  IV,  5)  müssen  damals  angeordnet  worden  sein. 
Pfitzner's  Annahme  von  fünf  Legionen  (S.  16  ff.  107)  beruht  auf 
seiner  unten  zu  widerlegenden  Ansicht  von  der  Zahl  der  Legionen  unter 
Varus.  Ob  Tiberius  mit  Legionen  und  mit  welchen  er  an  den  Rhein 
gekommen  sei,  wissen  wir  nicht.  Die  Vermuthung,  damals  habe  ihn 
die  neuhergestellte  erste  Legion  begleitet,  dürfte  wenig  wahrscheinlich 
sein,  wenn  wir  es  auch  für  gewiss  halten,  dass  diese  von  ihm  erneuert 
und  nach  dem  Germanischen  Gallien  gebracht  worden;  denn  darauf 
deutet  die  schon  erwähnte  Aeusserung,  die  Tacitus  (Ann.  I,  42)  dem 
Germanicus  in  den  Mund  legt:  Primane  et  vicesima  legianes,  üla  signis 


1)  Es  ist  ein  sonderbarer  Irrthum  des  auch  für  die  Römische  Oeschichte 
des  Rheines  so  verdienten  B  er  gk,  wenn  er  sich  von  Mo  mm  sen  zar  Behauptung 
hinreissen  Hess,  zu  Vindonissa  habe  nie  mehr  als  eine  Legion  gestanden  und 
er  die  ihm  danach  noch  überschiessende  Legion  dem  Elsass,  wahrscheinlich  Ar- 
gentoratum,  zuwies  (Jahrb.  LVIII,  131.  135).  Von  einem  damaligen  Winterlager 
im  Elsass  ist  nichts  bekannt  (nach  der  Einäscherung  der  von  Vetera,  Novesium 
und  Bonna  blieben  nur  Mogontiaoum  und  Vindonissa,  nach  Tac.  Hist.  IV,  61), 
und  zur  Annahme,  dass  bloss  in  Vindonissa  eine  Legion  gestanden,  liegt  gar  kein 
stiehhaltiger  Grund  vor. 


22    DieL^pouea  a.Rb.  v.  d.Kmnpfu Caesar» ^egenPompeinBL.B.Erheb.d.VitelliaA. 

H  Tiberio  acretjtis,  (u  tot  proeliortim  socio,  tot  praemüs  aucta,  egregiam 
dtfci  vextro  gratiam  r^ertis.  Accepfa  Signa ^shi  nicht  auf  die  Wieder- 
gabe verlorener  Feldzeichen,  sondern  auf  die  Verleihung  derselben 
durch  den  Feldherm.  Tiberius  löste  die  ältere  legio  1  auf  und  er- 
richtete an  ihrer  Stelle  eine  neue  desselben  Namens,  wie  es  später 
VespaBian  mit  der  legio  XVI  Ihat.  Aber  erst  nai;h  der  Varianischea 
Niederlage  wird  die  erste  Legion  nach  dem  liheine  gekommen  sein,  da 
Varua  ausser  den  drei  in  seiner  Niederlage  umgekommenen,  der  sieb- 
zehnten bis  neunzehnten,  noch  die  fünfte  gehabt  haben  wird,  die  wir 
unter  LoUius  und  später  noch  unter  Germanicus  finden.  Dass  diese 
auch  zur  Zeit,  wo  Augustus  den  Rhein  durch  acht  Legionen  schützte, 
bei  Euln  und  Xanten  standen,  ist  wahrscheinlich. 

Mommsen's  Annahme,  Augustus  habe  nach  der  Schlacht  von 
Actiiim  die  Zahl  seiner  eigenen  Legionen  auf  zwölf  beschränkt,  die 
den  Namen  der  ersten  bis  zwülften  geführt,  daneben  noch  sechs  andere 
von  Lepidus  und  Antonius  beibeUatleit,  deren  Numcrining  ebenfalls 
nicht  Über  zwijlf  hinausgegangen,  die  dreizehnte  bis  zwanzigste  seien 
erst  in  Folge  des  Germanischen  und  Piinnonischen  Krieges  von  758 
errichtet  worden,  hat  lebhaften  Widerstand  gefunden.  Eingebend  hat 
Charles  Robert  aie  in  der  Abhandlung  Lea  Ugions  d' Auguste  (Extrait 
du  Bulletin  de  l'Atad^mie  des  InscripUons  et  Belles-Lettres  du  moia 
de  mars  et  avril  1808J  zu  widerlegen  gesucht,  und  selbst  Marquardsen 
(Rom.  Staatsverwaltung  II,  432)  gestellt,  dass  Mommsens  Annahme  grosse 
Bedenken  habe,  die  Robert  ausfuhrlich  geltend  gemacht:  aber  deo 
Hauptpunkt  scheint  er  uns  nicht  erschüttert  zu  haben.  Pfitzner 
S.  13,  der  Robert's  Abhandlung  nur  mit  einem  Worte  gedenkt  (er 
scheint  sie  nicht  gesehen  zu  haben),  geht  auf  eine  Widerlegung  nicht 
ein,  für  die  er  seine  eigene  Darstellung  hält 

Hätte  Robert  nachgewiesen,  dass  eine  der  acht  Legionen  vod 
der  dreizehnten  an  schon  vor  der  Schlacht  von  Actium  vorkomme,  so 
wäre  freilich  Mommsen  widerlegt.  Alles,  was  er  in  dieser  Bezie- 
hung S.  11  f.  vorbringt,  hält  nicht  Stich.  Die  hgio  Martia  Caesars 
kann  nicht  die  spätere  legio  XIV  Martia  sein,  da  jene  schon  bei 
Philippi  vernichtet  wurde,  wie  Pfitzner  (S.  7)  richtig  bemerkt. 
Ebensowenig  folgt  aus  dem,  was  Velleius  (11,112,1)  von  der  Helden- 
that  eines  Theiles  der  zwanzigsten  Legion  unter  Valerius  Uessalinus 
erzählt,  etwas  gegen  Mommsen's  Ansicht,  insofern  diese  eine  spttere 
Bildung  derselben  nach  den  zwölf  ersten  Legionen  behauptet.  Wenn 
Robert  die  Bezeichnung  Gemtna  der  dreizehnten  und  vierzehaten  Le- 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caetan  gegen  Pompeios  b.  z.  Erheb.  d.Yitellia8.    28 

gion  gegen  Mommsen  anführt,  so  übersieht  er,  dass  diese  sich  eben 
zur  Zeit  des  Aagostus  gar  nicht  nachweisen  läßst.  Auch  Pfitzner 
S.  6  irrt  in  dieser  Beziehung;  nur  von  der  legio  X  steht  fest,  dass  sie 
schon  unter  Augustus  gemina  hiess ;  fdr  die  dreizehnte  und  vierzehnte 
ist  das  erste  Zeugniss  eine  Inschrift  aus  dem  Ende  der  Regierung  des 
Nero,  während  Pfitzner  behauptet,  die  von  diesem  Vornamen  zeu- 
genden Inschriften  „reichen  nahe  an  die  ersten  Zeiten  der  Monarchie/' 
Die  zweiundzwanzigste  Legion  auf  einer  Münze  der  colonia  Augusta 
Aroe  Patrae,  welche  Mommsen  durch  richtige  Lesung  weggeschafft, 
bringt  auch  Robert  noch  vor.  Die  Inschrift,  auf  die  Mommsen 
sich  zur  Bestätigung  seiner  Lesung  bezog,  ist  jetzt  im  G.  I.  L.  III,  p.  97 
Nr.  508  abgedruckt.  Freilich  beruht  die  betreffende  Zahl  X  auf 
der  Lesung  von  Gyriacus;  denn  die  Inschrift  selbst  ist  nicht  mehr 
vorhanden. 

Die  merkwürdige  Thatsache,  dass  die  acht  Legionen  von  der 
dreizehnten  an,  die  wir  in  Germanien  und  Illyrien  finden,  erst  später 
als  die  erste  bis  zwölfte  erwähnt  werden,  hat  Robert  nicht  wegschaffen 
können,  wonach  es  äusserst  wahrscheinlich  ist,  dass  diese  einer  neuern 
Schöpfung  des  Augustus  gerade  für  die  Bedürfnisse  dieser  Provinzen 
ihren  Ursprung  verdanken.  Augustus  hatte  seine  neu  errichteten  Le- 
gionen mit  den  Zahlen  von  eins  an  bezeichnet.  Sonderbar  ist  Pfitz- 
ner's  Behauptung  (S.  20),  dieser  habe  nicht  erst  die  Zahlnamen  den 
Legionen  gegeben,  sondern  ihre  frühere  Bezeichnung  fortbestehen  lassen. 
Das  wäre  doch  ein  seltsamer  Einfall  gewesen,  wenn  er  eben  die  Le- 
gionen hätte  bestehen  lassen,  welche  gerade  die  Nummern  bis  zwölf 
oder  gar  bis  zwanzig  hatten. 

Eine  andere  Frage  freilich  ist  es,  wann  diese  acht  neuen  Legionen 
gebildet  wurden,  und  wir  glauben,  dass  unsere  Quellen  zu  einer  sichern 
Entscheidung  nicht  hinreichen.  Ja  man  könnte  zweifeln,  ob  diese 
acht  Legionen  zu  gleicher  Zeit  errichtet  worden.  Da  wir  später  die 
dreizehnte,  vierzehnte  und  sechzehnte  Legion  am  Oberrhein  finden,  so 
könnten  diese  zu  gleicher  Zeit  an  den  Rhein  gekommen  sein,  während 
die  fünfzehnte  nach  Illyricum  ging;  in  gleicher  Weise  könnte  dann  darauf 
Germanien  die  siebzehnte  bis  neunzehnte,  Illyricum  die  zwanzigste 
Legion  erhalten  haben.  Freilich  wäre  es  auch  möglich,  dass  Augustus 
zunächst  die  Zahl  von  Caesars  Legionen  vor  dem  Bürgerkriege,  fünfzehn 
nicht  überschritten,  die  fünf  andern  Legionen  erst  später  gebildet  habe. 
Aber  da  wir  die  Errichtung  der  acht  Rheinlegionen  für  eine  die  Ruhe 
und  den  Besitz  dauernd  sichernde  Anordnung  des  Augustus  während 


^. 


24    Die  Legionen  a.  Bb.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erbeb.  d.Viielliiia. 

seiner  Anwesenheit  am  Rheine  halten  za  rnttssen  glauben ,  sich  aber 
kaum  unter  den  übrigen  Legionen  solche  finden,  welche  hier  gestanden 
haben  könnten,  so  glauben  wir,  dass  die  acht  neuen  Legionen  gleich- 
zeitig oder  ganz  kurz  hintereinander  für  die  Sicherung  von  Germanien 
und  Illyricum  ins  Leben  traten  *). 

Während  dieses  Aufenthaltes  des  Augustus  am  Rhein  kam  es 
nicht  zum  Kriege;  die  neuen  Legionen  mussten  erst  geschaffen  and 
geübt  werden.  Tiberius  ward  von  Augustus  abgesandt ,  um  seinen 
Bruder  Drusus  in  dem  Kampf  gegen  die  Alpenvölker  zu  unterstützen. 
Nach  glänzender  Vollendung  seines  Auftrags  kehrte  er  nach  Rom  zu- 
rück. Augustus  liess  bei  seiner  Abreise  den  Drusus  als  Statthalter 
Galliens  zurück.  Dieser  sollte  nicht  allein  mit  der  neugeschaffenen 
Macht  die  Ruhe  in  Gallien  erhalten,  besonders  die  Rheingrenze  wahren, 
sondern  auch ,  um  die  Einfälle  der  Germanen  gründlich  zu  verhüten, 
alle  Stämme  bis  zur  Elbe  der  Römischen  Herrschaft  unterwerfen. 
Hierzu  hatte  der  Besieger  der  Raeter  und  Vindeliker  einen  ganz  neuen 
Plan  gefasst;  er  wollte  vom  Meere  aus  in  das  Land  dringen,  wozu  es 
kühner  Werke  nördlich  von  der  Bataverinsel,  und  um  am  Rheine  ganz 
sicher  zu  sein,  an  beiden  Ufern  der  Anlage  vieler  befestigten  Punkte 
bedurfte,  welche  den  Strom  in  seiner  ganzen  Ausdehnung,  per  castra 
legionum^  wie  Flinius  am  Ende  des  vierten  Buches  mit  Bezug  auf  die 
Winterlager  des  Rheines  sagt,  beherrschten.  Was  in  der  berühmten 
Stelle  des  Florus  (IV,  12,  26,  bei  Jahn  II,  30)  mit  den  Worten:  Per 
llheni  quidem  ripam  quinquaginta  amplius  castella  dircxit,  gemeint  sei, 
ergibt  sich  aus  dem  unmittelbar  vorhergehenden:  In  tutelam provinciae 
pracsidia  atquc  custodias  iibique  disposuit ,  per  Mosam  flumefiy  per 
Albinty  per  Visurgim ;  denn  die  pracsidia  atque  ai^todiae  sind  wesent- 
lich dasselbe  wie  die  castella.  Dass  diese  nach  Verschiedenheit  der 
Oertlichkeit  auch  verschiedener  Art  waren,  versteht  sich  von  selbst^). 
Den  Angriff  der  Germanen  konnte  Drusus  ruhig  abwarten.  Schon  im 
Jahre  nach  des  Augustus  Abreise  trieb  er  die  wohl  an  derselben  Stelle 
wie  unter  Lollius  über  den  Rhein  gekommenen  verbündeten  Germanen 


1)  A.  F.  Abraham  sucht  in  der  Abhandhing  „Zur  Geschichte  der  Germani- 
schen undPannonischen  Kriege  unter  Augustus'*  (Programm  der  Sophien-Realschule 
in  Berlin  1875)  S.  15  f.  zu  beweisen,  dass  diese  Vermehrung  der  Legionen  ,, allein 
auf  Rechnung  des  Krieges  gegen  Marbod  zu  setzen".  Auch  er  fällt  in  den  Irr- 
thum,  nur  fünf  Legionen  in  Germanien  anzunehmen. 

2)  Vgl.  Hübner  Jahrb.  XLII,  50, 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.Vitellius.    26 

zurück  y  drang  in  das  Land  der  Usipeten  bis  zur  Insel  der  Bataver, 
dann  Qber  die  Lippe  zu  den  Sigambrern,  deren  Land  er  verwüstete; 
auf  dem  von  ihm  gebauten  Kanal  fuhr  er  in  die  Nordsee  und  erschien 
bei  den  Friesen,  mit  denen  er  Verbindungen  angeknüpft  hatte ;  bei  den 
Ghauken  gerieth  seine  Flotte  in  Folge  der  Ebbe  auf  das  Trockene,  so 
dass  er  aus  der  drohendsten  Gefahr  nur  durch  die  ihn  zu  Lande  be- 
gleitenden Friesen  gerettet  wurde.  Wie  viele  und  welche  Legionen  an 
diesem  Zuge  Theil  nahmen,  wissen  wir  nicht.  Erst  im  folgenden  Jahre 
gelang  es  ihm,  sich  jenseit  des  Eheines  festzusetzen.  Diesmal,  wo  er 
sich  auch  wohl  durch  oberrheinische  Legionen  verstärkt  hatte,  kam  er 
bis  zu  den  Cheruskern  und  in  die  Nähe  der  Weser,  wo  er,  weil 
ihm  die  Lebensmittel  ausgingen,  auf  den  Rückzug  denken  musste.  Aus 
der  grossen  Noth,  in  welche  er  damals  gerieth ,  rettete  ihn  nur  die 
Siegesgewissheit  der  Germanen.  Es  gelang  ihm,  an  der  Lippe  ein  Fort 
{ipQovQwv,  praesidium)  anzulegen  '),  zu  dessen  Besetzung  er  einen  Theil 
seiner  Truppen  zurückliess.  Aber  auch  im  Lande  der  Chatten  in 
der  Nähe  des  Rheines  erbaute  er  nach  Dio  LIV,  33  ein  Fort;  es  war 
dasselbe,  auf  dessen  Trümmern  später  Germanicus  ein  Castell  baute 
(Tac.  Ann.  I,  56) ').  Die  Chatten  waren  auf  die  Seite  der  Römer  ge- 
treten, ja  sie  hatten  auf  deren  Antrieb  einen  Theil  des  Landes  der 
Sigambrer  besetzt.  Durch  ihr  Land  nahm  Drusus  seinen  Rückzug,  und 
er  gewann  hier  einen  zweiten  Stützpunkt  für  seine  weitere  Unter- 
nehmungen in  Germanien.  Einen  Theil  des  Heeres  liess  er  bei  dem 
Fort  zurück  und  setzte  mit  dem  übrigen  nach  Mogontiacum  über,  von 
wo  die  niederrheinischen  Legionen  in  ihre  Winterquartiere  zogen.  Im 
folgenden  Jahre  (744)  scheint  Drusus  von  Mogontiacum  aus  seinen  Zug 
in  das  Germanenland  unternommen  zu  haben,  wo  die  Chatten  abge- 
fallen waren.  Dio  sagt  davon  nur  (LIV,  36) :  Ta  züv  KsXTdiv  rmv 
%e  aUiiov  mal  toiv  Xdmov  6  jQOvaog  tol  (abv  sKccxaiae  ta  di  ix^iQii' 
aaro.  Wahrscheinlich  wurde  dieses  Jalir  besonders  auf  die  Vervoll- 
ständigung der  Befestigungen  an  den  Rheinufern,  und  wohl  auch  auf 
den  Strassenbau,  verwandt.  Von  dieser  Thätigkeit  der  Legionen  haben 
sich  freilich  keine  sichern  Spuren  erhalten,  da  es  gar  nicht  zu  beweisen 
steht,  dass  irgend  einer  der  zahlreichen  Ziegel  der  vierzehnten  Legion, 
wie  sie  „in  den  Fundamenten  des   alten  Mogontiaci^,   nach  dem  Aus- 


1)  Vgl.  Christ  in  Piok's  Monatsschrift  VIII,  189  ff.  200  E 

2)  JalcBeoker  bezieht  dies  auf  die  Saalburg,  mit  Beistimmung  von  AI- 
bert  Becker  in  der  Programmabbandlung  nDicSueven'*  (Weüburg  1874)  S.  16. 


36     Die  LegioDQD  B.Rh.  v.  d,  Kampfe Cieaara  gegeu  PompeiuB  b.  z.  Erbeb.  d.Vitalliu*. 

druck  von  Fuchs,  gefunden  worden,  aus  der  Zeit  des  Drusus  stammt 
Auch  den  grossen  Zug  des  Jahres  745,  von  dem  er  nicht  mehr  zurück- 
kehren sollte,  machte  DruHus  von  Mogontiacum  aus ;  wieder  fiel  er  mit 
grosser  Heercsmftcht  in  das  Land  der  Chatten  ein,  drang  dann  nach 
blutigen  Kämpfen  mit  den  Sueben  und  Cheruskern  bis  zur  Weser, 
überschritt  diese  und  näherte  sich,  „alles  verwüstend',  der  Elbe,  aber 
von  dem  Versuche,  auch  über  diese  zu  setzen,  musste  er  abstehen  '). 
Auf  dem  Rückzuj^e  starb  er,  ehe  er  zum  Eheine  gebracht  werden 
konnte.  Eutrop  gedenkt  (VII,  8  [13])  eines  Denkmals  des  Draau« 
bei  Mogontiacum.  Sueton  berichtet  (Claud.  1) :  Exercüus  hmorarium 
ei  iumulum  excttavit,  circa  quem  deineeps  stato  die  THcrfonnis  miles  de- 
currerei,  Galliarumque  civitaies  publice  BupplieetrBnl.  Das  Heer,  das 
ihm  das  Ehrengrab  errichtete ,  können  nur  alle  Rhelnlegionen  gewesen 
sein,  die  unter  ihm,  als  dem  duxGermanici  belli,  standen').  Auch  bei 
dem  Fort  an  der  Lippe  errichteten  die  Soldaten  ihi'em  geliebten  Feld- 
herm  einen  Altar,  um  den  man  gleichfalls  an  einem  bestimmten  Tage 
feierlich  zog  (Tac.  Ann.  II,  7). 

An  die  Stelle  Drusus  trat  dessen  Bruder  Tiberius,  der  keine  so 
kriegerischen  Pläne  hatte;  es  galt  ihm  nur  den  Rhein  zu  schlitzen, 
wozu  vor  allem  die  Unterwerfung  der  Slgambrer  gehörte.  Deshalb 
bedurfte  es  keiner  Vermehrung  oder  Aeodcrung  der  Legionen.  Wir 
finden  ihn  an  der  Lippe  in  dem  zu  einem  Castell  erneitertcn  Furt. 
Dorthin  kamen  Gesandte  der  Germanischen  Stämme  mit  der  Zusiche- 
rung von  Ruhe  und  Frieden.  Tiberius  schickte  sie  an  den  zu  Lug- 
dunum  weilenden  Augustus.  Dieser  verlangte  auch  Gesandte  der  Si- 
gambrer  bei  sich  zu  sehen.  Als  diese  erschienen,  war  er,  was  auch 
Caesar  den  Germanen  gegenüber  für  Recht  gehalten ,  treulos  genug, 
sie  gefangen  zu  nehmen  und  sie  in  einzelne  Gallische  Städte  zu 
schicken ,  wo  sie  durch  Selbstmord  ihrem  Leben  ein  Ende  machten. 
Gelang  es  dem  Tiberius  auch,  die  Germanen  durch  das  Ansehen  seiner 


1)  Abraham  a.  a.  0.  S.  5  E  behauptet,  Dmine  «ei  nur  bis  lur  Saale 
gekommeD,  iDdem  er  eich  auf  der  Stelle  des  Strabo  beruft,  die  er  in  ei«er  au 
peinlichea  Weise  versteht.  Aber  wenn  man  auch  die  Worte  mo  aufTaait,  folgt 
daraus  noch  keiuewegi,  dasi  Dio's  Bericht  aui  eiDer  weniger  EuvorlluiigeD  Quelle 
gcfloMeo. 

2)  Deber  den  wohl  neuorn  Stein  mit  der  Insohrifl:  In  niemoriamQemani{cH 
vgl.  Becker,  „die  Römischen  Inaobriften  und  SteioMulpturen  desMoaenma  d«r 
Stadt  Hains"  Nro.  ISO  (S.  87). 


Die  Le((ionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeins  b.  z.  Erheb.  dTitellias.    27 

Legionen  einstweilen  in  Ruhe  zu  halten,  im  folgenden  Jahre  (747) 
entstand  ein  Aufstand  der  Germanen,  den  er  rasch  unterdrückte.  Nach 
Dio  wäre  in  diesem  Jahre  nichts  Merkwürdiges  in  Germanien  ge- 
schehen (LV,  8).  Dagegen  weiss  der  schmeichlerische  Yelleius  (II,  97) 
von  seinem  Tiberius  zu  erzählen,  er  sei  siegreich  durch  alle  Theile 
Germaniens  gezogen,  das  er  ohne  irgend  einen  Verlust  des  ihm  anver- 
trauten Heeres,  worauf  er  immer  besonders  Rücksicht  genommen,  sich 
so  ganz  unterworfen,  dass  es  fast  eine  steuerzahlende  Provinz  gewor- 
den. Tiberius  selbst  rühmte  sich  später  gegen  Germanicus,  er  habe 
in  Germanien  mehr  durch  Klugheit,  als  durch  Gewalt  erwirkt,  und  so 
auch  die  Sigambrer  zum  Gehorsam  gebracht  (Tac.  Ann.  II,  29).  Vierzig- 
tausend Germanen  soll  er  jenseit  des  Rheins  während  seiner  bis  748 
dauernden  Anwesenheit  angesiedelt  haben  (Suet.  Tib.  9).  Die  Germanen 
schienen  ganz  beruhigt,  und  so  konnten  die  Legionen  sich  der  weitern 
Befestigung  und  dem  Strassenbau  zuwenden.  Tiberius  selbst  zog  sich 
aus  Groll  gegen  Augustus  Jahre  lang  nach  Rhodus  zurück. 

752  drang  der  Legat  Domitius  Ahenobarbus  von  Rätien  aus  in  das 
innere  Germanien,  wo  er  weit  über  die  Elbe  gelangte  und  dem  Augustus 
einen  Altar  errichtete  (Dio  LV,  10*  Tac.  Ann.  IV,  44).  Das  Jahr  darauf 
kam  er  an  den  Rhein,  um  bei  den  Cheruskern  einige  Vornehme, 
die,  weil  sie  auf  Seiten  derRömei*  gestanden,  verbannt  worden  waren, 
mit  Gewalt  wieder  einzusetzen.  Augustus  hielt  es  jetzt  für  nöthig, 
dass  man  schärfer  gegen  die  Germanen  vorgehe,  als  es  zuletzt  ge- 
schehen war;  dazu  glaubte  er  in  Domitius  den  rechten  Mann  gefunden 
zu  haben.  Dieser  ergriff  eifrig  die  sich  ihm  darbietende  Gelegenheit. 
Ueber  seine  Heeresmacht  wissen  wir  nichts;  dass  er  seine  Absicht  nicht 
erreichte,  sagt  Dio.  Die  Reste  seiner  pontes  longi,  die  Domitius  ange- 
legt hatte,  fand  noch  Germanicus  (Tac.  Ann.  1, 65).  Unter  seinem  Nach- 
folger Vinicius  brach  gleich  ein  grosser  Krieg  aus,  den  dieser,  wie 
Velleius  sagt  (II,  104),  hier  erfolgreich  führte,  dort  glücklich  bestand, 
wofür  er  triumphalische  Auszeichnungen  erhielt.  Doch  stellte  seine 
dreijährige  Kriegsleitung  so  wenig  die  Ruhe  her,  dass  Augustus  sich 
im  Jahre  757  bewogen  fand,  den  aus  seiner  Zurückgezogenheit  nach 
Rom  heimgekehrten  eben  adoptirten  Tiberius  an  den  Rhein  zu  senden, 
der  durch  kluge  Benutzung  der  Zwietracht  der  Germanen  mehr  als 
durch  Heeresmacht  ausrichten  werde.  Von  einer  Vermehrung  der  Zahl 
der  Legionen  ist  keine  Rede.  Velleius,  der  den  Tiberius  als  praefectus 
equüum  begleitete,  kann  nicht  Worte  genug  finden,  die  Freude  auszu- 
drücken, mit  welcher  die  Soldaten  ihren  Feldherrn  aufgenommen.  Legat 


28     DieLegionenit.Rb.  V.  iI.KBmpfeCaeBBrBsegenPompeiuab.  z. Erheb.  d.VitdIlii*. 

in  Germanien  war  nach  Velleius  (II,  105,  1)  damals  Sentlus  Satur- 
niam,  den  Tiberiua  zu  weniger  bedeutenden  Zügen  benutzte,  wogegen 
er  selbst  bis  zum  December  die  angestrengtes!«  Thätigkeit  entfaltete. 
Zunächst  wandte  er  sich,  wohl  mit  dem  grössten  Theile  der  Rheiniechen 
Legionen,  gegen  die  Ganinefaten,  welche  die  Bataverinsel  bedrohten; 
nachdem  er  diese,  diellattuarier  und  die  Bructerer  besiegt,  brachte  er 
die  Cherusker  wieder  zum  Gehorsam,  überschritt  die  Weser  und  drang 
weiter  vor,  aber  bis  zur  Elbe  kam  er  damals  nicht;  er  mussfe  dieses 
dem  nächsten  Jahre  vorbehalten.  Einen  Tbeil  seines  Heeres  Hess  er 
an  der  Lippe  und  bei  dem  Castell  Aliso ;  denn  nur  dieses  kann  der 
Ausdruck  des  den  Mund  voll  nehmenden  Velleius  besagen:  In  0er- 
maniac  rncäiis  finibas  ad  Caput  Lupiae  fluminis  hibema  digrediens  lo- 
caverat.  Die  meisicn  Legionen  kehrten  in  ihre  Standquartiere  zarück. 
Blieben  auch  nur  zwei  an  der  Lippe  zurück,  dies  genügte  vollkommen, 
um  den  Germanen  die  Wiederherstellung  der  Römischen  üebermacht 
zu  zeigen.  Im  folgenden  Jahre  (75S)  kam  Tiberiua  bis  zur  Elbe  mit 
der  Flotte  und  drang  bis  zu  den  Cbauken,  die  sich  diesmal  unterwarfen. 
,  Die  Elbe  zu  überschreiten  hatte  Augustus  ihm  untersagt  (Strab,  Vli, 
1,  4).  Aber  auf  dem  Uflckwege  fiel  er,  wie  ehemals  sein  Bruder 
Dnisus,  in  einen  Hinterhalt,  von  dem  Velleius,  der  so  wortreich  des 
Tiberius  Siege  verkündet,  nur  zu  sagen  beliebt,  die  Feinde  hätten 
dabei  grosse  Verluste  erlitten.  Die  Leginnen  bezogen  ihre  Winter- 
quartiere; dass  dies  an  der  Lippe  geschehen,  bemerkt  Velleius  (II,  107) 
nicht,  doch  blieb  jedenfalls  eine  starke  Besatzung  zurUck.  Ganz  Ger- 
manien, soweit  es  je  unter  Römischer  Herrschaft  gestanden,  schien  jetst 
so  beruhigt,  dass  Tiberius  im  nächsten  Jahre  sich  gegen  den  Marco- 
mannenkönig  Maroboduus  wenden  konnte,  der  allen  Bedrängten  eine 
Zuflucht  gewährte  und  eine  beständige  Gefahr  ftlr  den  Besitz  nicht 
allein  von  Germanien,  sondern  auch  von  Pannonien  und  Noricum  bot. 
Tiberius  beschloss,  ihn  von  zwei  Seiten,  vom  Rheine  und  von  Noricam 
aus,  anzugreifen;  Scntius  Satuminus  sollte  durch  das  Land  der  Chatten 
gegen  ihn  vordringen,  während  er  selbst  von  Camuntum  aus  das  in 
Illyricum  stehende  Heer  (Vell.  U,  109)  gegen  ihn  fahrte.  Maroboduus 
sagt  bei  Tacitus  (Ann.  II,  45),  Tiberius  habe  ihn  mit  zwölf  Leonen 
angegriffen.  In  Illyricum  standen  sechs  Legionen  (Mommsen  G.  I.  L. 
lU  p.  280)  ') ;   biemacb  masste  (denn  in  Rom  wurden  neue  Legionen 

1)  Pfitsoer  t&btt  S.  108  aiebea  illTriKbe  Legionen  und  gewinnt  dadoreb 
seine  fünf  Oermuiiiohen. 


I 


Die  Logionen  a.  Rh.  v.  d.  Elampfe  Caesars  gegen Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.Vitellitis.    29 

erst  nach  dem  gewaltigen  Pannonischen  Aufstände  ausgehoben)  Sentius 
Saturninus  eine  gleiche  Anzahl  Rheinischer  Legionen  (also  nicht  bloss 
die  vier  vom  Niederrheine)  gegen  die  Harcomannen  gefahrt  haben. 
Der  Aufstand  von  Pannonien,  Dalmatien  und  den  benachbarten  Völkern 
rettete  damals  den  Marcomannenkönig.  Unter  den  fünfzehn  oder  zehn 
Legionen  Ol  mit  denen  Tiberius  drei  Jahre  lang  den  Pannonischen 
Krieg  führte,  werden  sich  auch  Rheinische  befunden  haben. 

Am  Rhein  schien  alles  wieder  beruhigt.  Der  Nachfolger  des  Tiberius, 
Quintilius  Varus,  schaltete  in  dem  Germanischen  Lande  wie  in  einer 
Provinz ;  seine  Gewaltherrschaft  schien  ihm  um  so  gesicherter,  je  über- 
müthiger  er  das  Volk  drückte.  Im  Ubierlande  wurde  gar,  wie  in 
Lugdunum,  die  Gottheit  des  Augustus,  wir  wissen  nicht,  seit  welcher 
Zeit,  an  einem  besondem  Altar  verehrt,  und  diesem  Dienste  stand  ein 
vornehmer  Cheruskischer  Jüngling  vor.  Wo  Quintilius  Varus  seinen 
Sitz  hatte,  ob  beim  Winterlager  von  Köln  oder  von  Xanten  oder  bei 
dem  Gasten  Aliso  an  der  Lippe,  wird  nicht  berichtet.  Liebte  er  es 
auch,  im  Germanischen  Lande  herumzuziehen,  so  nahm  er  doch  seinen 
Wohnort  wohl  da,  wo  wir  später  Germanicus  finden,  wo  wahrscheinlich 
auch  Tiberius  sich  meist  aufhielt ,  in  Köln.  Allbekannt  ist  die  List, 
durch  welche  unter  Varus  drei  Legionen,  der  Feldherr  selbst,  dessen 
Legate  und  alle  Hülfstruppen  (Suet.  Aug.  23)  einen  schrecklichen 
Untergang  fanden.  Zwei  dieser  Legionen  waren  unzweifelhaft  die 
achtzehnte  und  neunzehnte.  Ein  Denkmal  eines  im  Varianischen  Kriege 
gefallenen  Hauptmanns  der  achtzehnten  Legion,  das  ihm  sein  Bruder 
während  des  zweiten  Zuges  des  Germanicus  bei  Xanten  gesetzt'),  ist 
erhalten.  Der  bei  dieser  Niederlage  verloren  gegangene  Adler  der 
neunzehnten  Legion  ward  bei  den  Bructerern  wiedergefunden  (Tac. 
Ann.  I,  60).  Die  dritte  damals  untergegangene  Legion  wird  die  sieb- 
zehnte gewesen  sein,  da  diese  unter  den  Legionen  des  Augustus,  die 
damals  bis  zur  Zahl  zwanzig  stiegen ,  nicht  gefehlt  haben  kann  und 
ihre  völlige  Nichterwähnung  auf  frühen  Untergang  deutet.  Wir  finden 
nur  eines  Legaten  des  Varus  und  zweier  Lagerkommandanten  (prae^ 


1)  Fünfzehn  Legionen  (dreifönftel  aller)  nennt  Sueton  (Tib.  16),  zehn,  aber 
daza  mehr  als  siebzig  Gehörten  Yelleius  (II|  178).  Pfitzner  (S.  18)  bemerkt, 
Saeton  habe  die  unter  Caecina  und  Silvanus  stehenden  Legionen  hinzugezählt. 

2)  Vgl.  Hettner  „Katalog  des  Museums  vaterländischer  Alterthümer  bei 
der  Universität  Bonn<<  S.  80  ff. 


so    DiaLegionen  a.  Rli.  v.  d.  Kampf«  CoenBrsgagonPönipeius  b.z. Erheb.  (f-Viteüius. 

fedi  castrorutn)  gedacht  (Vell.  II,  119,  3.  4),  aber  diese Erwähnuogen 
sind  eben  nur  rein  zufällig,  so  daas  aus  ihnen  niclits  geschlossen  werden 
kaDn.  Je  zwei  Legionen  werden  einen  besondern  Legaten  gehabt 
haben.  Wo  die  vierte  niederrheinische  Legion  sich  befimden,  wissen 
wir  nicht.  Ein  Thell  derselben  muss  im  Castell  Aliso  gestanden  haben, 
wo  L.  Gnedicius  praefedus  easlrornm  war;  denn  wenn  die  dort  be- 
lagerten Soldaten,  wieVeileius  sagt  (II,  130,4),  sich  mit  dem  Schwerte 
die  Rückkehr  zu  den  Ihrigen  verschafften,  so  darf  unter  den  Ihrigen 
doch  wohl  nur  ihre  Legion  verstanden  werden,  und  von  den  drei 
niedergemachten  Legionen  kann  hier  nicht  die  Rede  sein.  Dies  ilber> 
sieht  Pfitzner  S.  IS,  108,  der  nur  drei  Legionen  dem  Varus  gibt. 
Jene  vierte  stand  wohl  in  Xanten  und  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
war  es  die  fünfte,  die  wir  hier  unter  Lollins  und  später  unter  Ger^ 
manicus  finden.  Vom  Legaten  L.  Asprenas  hören  wir  (Vell.  II,  120, 3), 
er  sei  mit  seinen  beiden  Legionen  nach  dem  Winterlager  am  Niedei> 
rhein  geeilt ,  um  die  diesseit  des  Rheines  wohnenden  Völker  in  der 
Treue  gegen  Rom  festzuhalten.  Er  muss  von  Mogontracum  gekommen 
sein,  wo  wohl  schon  damals ,  wie  fünf  Jahre  später,  die  zweite  und 
vierzehnte  Legion  standen,  wie  bei  Vindonissa  die  dreizehnte  und  secha- 
zehntc.  Die  letztern  Übersieht  Pfitzner  (S.  108)  aus  Liebe  zu  seinen 
fünf  Rheinlegionen.  So  finden  wir  also  in  Germanien  zu  derselben  Zeit 
alle  Legionen  von  der  dreizehten  bis  zur  neunzehnten  mit  einziger  Aus- 
nabme  der  in  Pannonien  liegenden  fünfzehnten  (Tac.  Ann.  I,  23).  Man 
hat  yermuthet,  die  fünfzehnte  Legion  sei  zur  Zeit  des  Pannonischen 
Krieges  (760)  nach  Pannonien  verlegt  worden;  dann  müsste  die  zweite 
erat  später  nach  Mogontiacum  gekommen  sein ,  da  nicht  anzunehmen, 
die  Achtzahl  sei  am  Rhein  überschritten  worden ').  Aber  in  Pannonien 
finden  wir  auch  die  zwanzigste  Legion,  während  es  nahe  gelegen  hätte, 


1)  Wo  die  zweit«  Legion  vorher  geBtanden  und  nanu  aie  an  den  Rhein 
gekommen,  wissen  wir  ebensowenig,  wie  es  von  dur  fanften  Legion  bekuint  ikt. 
UasB  sie  nach  der  Niederlage  des  Varus  nscb  Germanien  versetzt  worden,  wie 
man  vermuthet,  ist  deshalb  nicht  anKunehmen,  weil  wir  die  drei  Legionen  kennen, 
welche  die  untergegangenen  ersetzten.  Ihr  von  Brambaoh  angenommenen  Ver- 
weilen in  Hispanien  st«ht  nicht  zu  erweisen;  noch  weniger  spricht  für  Pfitzner '■ 
Behauptung  (S.  16.  190),  sie  sei  eine  der  drei  Aegyptiiohen  Legionen  gewesen. 
Wann  sie  den  Beinamen  Angusta  erbalten,  wissen  wir  nicht;  nichts  berechtigt 
uns,  deuaelben  ihr  schon  so  frühe  zu  geben. 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  cL  Kampfe  Caesars  gegfen  Pompeias  b.  z.  Erheb.  cLYüellius.    8 1 

alle  acht  nach  Germanien  bestimmten  Legionen  von  dreizehn  an  zu 
zählen.  Zufallige  Umstände  mögen  es  veranlasst  haben,  dass  von  den 
die  Zahl  zwölf  überschreitenden  acht  Legionen  gerade  die  fünfzehnte 
und  die  zwanzigste  nach  Pannonien,  die  sechs  andern  an  den  Rhein 
kamen.  Die  Annahme,  alle  acht  Legionen  von  der  dreizehnten  an  seien 
ursprünglich  für  Germanien  ausgehoben  worden,  die  fünfzehnte  und 
zwanzigste  erst  später  vom  Rheine  weggekommen,  würde  voraussetzen, 
dass  die  fünfte,  die  wir  schon  zur  Zeit  des  Lollius  fanden,  erst  an  die 
Stelle  der  fünfzehnten  und  zwanzigsten  getreten ,  wonach  man  dann 
freilich  die  dreizehnte  bis  sechszehnte  dem  Ober-,  die  vier  folgenden 
dem  Niederrhein  zuweisen  könnte.  Aber  mit  solchen  Vermuthungen 
wird  wenigstens  nichts  gefördert. 

Aliso  ward,  nachdem  ein  Theil  der  Besatzung  sich  durchgeschlagen, 
ohne  Zweifel  von  den  Germanen  zerstört.  Die  Aufregung  war  allgemein, 
die  Römische  Partei  machtlos;  selbst  der  Sohn  des  volksverrätherischen 
GheruskerfUrsten  Segestes,  der  Priester  des  Augustus  bei  dessen  Altar 
im  Lande  der  Ubier  war,  wurde  von  der  Begeisterung  für  den  Freiheits- 
kampf so  mächtig  nachgerissen,  dass  er  die  Priesterbinde  abwarf  und 
zu  seinen  Landsleuten  floh,  wie  Tacitus  (Ann.  1, 57)  berichtet,  mit  der 
Angabe,  dieses  sei  geschehen  anno,  quo  Gertnaniae  descivere.  Gewal- 
tiger Schrecken  ergriff  Rom  und  vor  allem  den  Augustus,  der  den 
Verlust  der  drei  Legionen  noch  viel  schrecklicher  empfand  als  Caesar 
den  der  einen  im  Lande  der  Eburonen  (Suet.  Aug.  23).  Als  einziger 
Helfer  in  der  Noth  musste  Tiberius  gelten.  Neue  Legionen  sollten 
mit  ihm  an  den  Rhein  ziehen.  An  die  Stelle  der  siebzehnten  bis  neun- 
zehnten traten  die  erste,  die  zwanzigste  und  die  einundzwanzigste; 
denn  diese  finden  wir  neben  der  fünften  unter  Germanicus  am  Nieder- 
rheine.  Die  zwanzigste  Legion,  die  wohl  gleichzeitig  mit  den  gefallenen 
gebildet  worden  war,  stand  zu  Bumum  im  Libumien,  im  conventus 
Sardonitanus,  im  jetzigen  Sulpjaja-cerkra  oder  Archi  Rdmani  oder 
Trajanski-grad.  Hier  wurde  der  Grabstein  eines  hastatus  dieser  Legion 
gefunden,  der  aus  Ticinum  stammte.  Mommsen  setzt  ihn  C.  L  L.  HI 
p.  369  (2836),  obgleich  bei  dem  Namen  auch  das  cognomen  erscheint, 
vor  die  Varianische  Niederlage.  Zwei  andere  Inschriften  von  Soldaten 
dieser  Legion  wurden  zu  Salona  und  zu  Zara  gefunden  (daselbst  p.  365. 
376  [2030.  2091]).  Velleius  gedenkt  der  Legion  in  Illyricum  im  Jahre 
759  (H,  112,  2).  Dass  sie  unter  Tiberius  im  Pannonischen  Kriege  ge- 
dient, ergibt  sich  auch  aus  Tac.  Ann.  I,  42.  Mit  welcher  Mühe  Au- 
gustus neue  Aushebungen  zu  Stande  brachte,   berichtet  Dio  LVI,  23. 


33    DieLegioQeDB.Rh.  v.d.  Kampfe  Caesars  ^geDpompeiuib.e.  Erheb.  d.VitoUitu. 

DieZahl  zwanzig  wurde  diesmal  Überschritten'),  da  man  die  Namen  der 
unglücklichen  Let;ioncD  keiner  neuen  zu  geben  wagte;  die  elnund- 
zwanzjgste,  die  wir  zur  Zeit  des  Germaiiicus  am  Rhein  finden,  ward 
damals  gebildet.  Aber  auch  die  erste  Legion  nuiss  aus  dieser  Zeit 
stammen*).  So  konnte  Tacitus  sehr  wohl  den  Germanicus  zu  den  beiden 
Legionen,  die  sich  gegen  den  Kaiser  Tiberius  erhoben  hatten,  sieb  also 
äussern  lasKcn  (Ann.  1,  42):  Prtmane  et  vicesima  legiones,  illa  signis  a 
Jiberio  acceptis,  tu  tot  proeliorum  socia,  tot  praemiis  aucta,  egregiam 
duci  vestro  gratiam  referlis,  hunc  ego  »uniitmi  patri  laeia  omnia  aliis 
e  provinciis  audienti  feram?  ipsius  tirones,  ipsius  vderanos  non  mis- 
sione,  non  peeunia  scUialos.  Bei  der  Neubildung  der  Legionen  traten 
auch  viele  ältere  Soldaten  ein;  solche  haben  wir  ans  also  auch  unter 
der  ersten  und  einundzwanzigsten  Legion  zu  denken,  freilich  viel  mehr 
unter  der  altern  zwanzigsten.  Es  ist  ein  Irrthum,  wenn  Pfitzner  S.  215 
tirottes  hier  auf  die  erste  Legion  allein  bezieht,  im  Gegensatz  zur 
zwanzigsten,  als  ob  diese  bloss  aus  Veteranen  bestanden.  Nach  Pfitz- 
ner's  Deutung  müsste  sich  auch  die  Forderung  von  Geld  bloBS  auf  die 
erste  Legion  beziehen.  Von  den  drei  verlorenen  Legionen  hatte  eine 
in  Xanten,  die  beiden  übrigen  bei  den  Ubiern  gestanden;  die  einund- 
zwanzigste kam  nach  dem  erstem  Lager,  die  beiden  übrigen  nach  dem 
andern,  da  wir  zu  der  Annahme  berechtigt  sind,  es  werde  in  Verthei- 
lung  der  Legion  bis  zum  Tode  des  .^ugustua  keine  Aenderung  einge- 
treten sein.  Die  vier  Legionen  des  Oberrheins  blieben  in  ihren  Stand- 
lagern,  die  zweite  und  vierzehnte,  für  deren  Verbindung  in  einem  Lager 
auch  das,  was  Tacitus  Ann.  L70  berichtet'),  zu  sprechen  scheint,  bei 
Mogontiacum,  die  dreizehnte  und  sechzehnte  in  Vindonissa. 

Die  Germanen  hatten  den  Rhein  nicht  aberschritten,  da  sich  auf 
dem  linken  Ufer  noch  immer  fUnf  Legionen  fanden,  von  denen  die 
beiden  von  Mogontiacum  gleich  zu  den  Ubiern  geeilt  waren,  auch  die 


1)  Auch  die  aogeaaiiDte  Ugio  Deiolariaua  erhielt  jelst  ent  die  Beseiohnung 
als  zweiundzwaniigite.    Vgl.  PfitEoer  S.  6. 

2)  Da«!  die  erate  Legion  den  Beinamen  Qermaniea  gehabt,  wird  durch  die 
iDBchrifl  von  Qrenoble  vom  Jahre  60  (WilmanDa  1428)  und  den  Legionuiegel 
mit  dem  Stempel  VEX  LEG  GERM  (Jahrb.  VII,  61)  nicht  erwiesen;  es  Ut  blon 
eine  örtliche  Bezeiahuung,  wie  wenn  dieselbe  seoheehnta  Legion  bald  dnroh 
Qarmaniae,  bald  durch  Gal.  näher  bezeichnet  wird  (C.  L  L.  III,  G074.  Wilmanni 
1563).  Vgl.  PfitEner  8.  87. 

8]  Gemtixnicus  Ugionum,  qua»  nueibus  vtxerat,  secundam  tt  guariäin  deti- 
mam  itinere  tarestri  P.  ViteUio  dticmd<iM  tradit. 


Die  Legionen  a.  Bh.  ▼.  d.  Kampfe  Caesars  g^egen  Pompeias  b.  z.  Erheb,  d.  Vitellias:    3B 

von  Vindonissa  leicht  heranzuziehen  waren,  wenn  die  Noth  es  forderte. 
Tiberius  kam  im  Frül^'ahre  mit  seinem  Neffen  Grermanicos,  der  sich 
im  Dalmatischen  Kriege  ausgezeichnet  hatte,  an  den  Rhein.  Zunächst 
wurde  kein  grösserer  Feldzug  unternommen,  es  galt  nur  die  Befesti- 
gungen und  das  neue  Heer  in  möglichst  guten  Zustand  zu  setzen.  Von 
einer  Wiederherstellung  Aliso's  war  zunächst  keine  Bede.  Zwar  überschritt 
das  Heer,  oder  wenigstens  ein  Theil  desselben,  den  fihein,  doch  drang 
es  nicht  weit  vor  und  kehrte  schon,  nachdem  es  dort  den  Geburtstag 
des  Augustus,  den  23.  September,  durch  ein  militärisches  Schauspiel, 
ein  Wettrennen  der  Hauptleute,  gefeiert  hatte,  auf  das  linke  Ufer  zurück. 
Mit  Germanicus  ging  Tiberius  vor  dem  Winter  nach  Rom  zurück.  Im 
folgenden  Jahre  ward  Germanicus  Statthalter  von  Gallien.  Von  be- 
sondem  Thaten  dieses  Jahres  wird  uns  nichts  berichtet;  ebenso  wenig 
von  den  acht  ersten  Monaten  des  folgenden,  doch  hatte  er  sich  ent- 
schlossen, im  Winter  nicht  nach  Rom  zurückzukehren;  seine  Gattin 
Agrippina  und  seinen  noch  nicht  zweijährigen  Sohn  Gaius  liess  er  im 
Mai  zu  sich  kommen  (Suet.  Galig.  8).  Dass  er,  wie  Caesar,  die  Truppen 
in  ihren  Winterquartieren  besucht,  ist  wohl  anzunehmen;  auch  wird  er 
mit  seiner  Gattin  und  seinem  kleinen  Gaius,  der  ein  Liebling  der  Le- 
gionen ward,  bei  den  Soldaten  erschienen  und  einige  Zeit  mit  ihnen 
am  Rheine  zugebracht  haben.  Im  Spätsommer  beschäftigte  ihn  zu 
Lugdunum  die  Aufstellung  des  Census.  Hier  empfing  er  die  Nachricht 
von  dem  am  19.  August  erfolgten  Tode^es  Augustus  und  den  Befehl 
des  Tiberius,  ihm  als  Kaiser  schwören  zu  lassen,  auch  den  Legionen 
den  Eid  der  Treue  abzunehmen.  In  Belgien  traf  ihn  die  Kunde  von 
der  Meuterei  der  vier  niederrheinischen  Legionen,  zu  deren  Unter- 
drückung er  in  die  Sommerlager  derselben  an  der  Grenze  der  Ubier') 
eilte.  Der  L^at  dieses  niedergermanischen  Heeres  A.  Gaecina  und  die 
Legionslegaten  (der  der  ersten  war  C.  Getronius  nach  Tac.  Ann.  I,  44) 
hatten  nicht  den  Muth  gehabt  den  Aufruhrern  entgegenzutreten,  wo- 
durch dem  Germanicus  die  Herstellung  der  Ruhe  erschwert  wurde. 
Dieser  sah  sich  zu  dem  bedenklichen  Mittel  gezwungen,  den  Legionen 
in  einem  angeblichen  Briefe  des  Tiberius  Vei*sprechungen  machen  zu 
lassen.  Doch  diese  merkten  wohl,  wie  es  damit  bestellt  sei,  und  die 
beiden  in  Xanten  stehenden  Legionen  ruhten  nicht,  bis  Germanicus 
und  dessen  Freunde  aus  ihrer  Kasse  die  versprochenen  Geschenke  aus- 


1)  Dass  in  ftne  oder   apud  finem   statt  in  finibus  zu  lesen  sei,   habe  ich 
schon  Jahrb   XXVI,  48  bemerkt 

8 


84     Die  Legionen  B.Hh.  v.  d.KutnpfeCBeasrB  gegen Ponipeiua  b.  z.  Erheb,  d. Vi telliui, 

zahlten.  Diese  beiden  Legionen  gingen  darauf  nach  Xanten  zurUck, 
die  erste  und  zwanzigste  wurden  von  Caecina  nach  ihrem  Winter- 
lager beim  oppidum  Ubiorum  zurückgeführt.  In  civitatem  Ubiontm 
reduiHt,  sagt  Tacitus  {Ann.  I,  32).  Givitas  Ubiorum  kann  nach  dein 
Sprachgebrauch  des  Tacitus  nur  das  Land  der  Ubier  bezeichnen,  trotz 
des  Widerapruchea,  dass  die  sei  es  im  Lande  (in  finibus),  sei  es  an  der 
Grenze  (in  ßite)  der  Ubier  weilenden  Römer  in  das  Land  (Volk)  der  Ubier 
zurückgeführt  werden  sollen.  Ganz  so  steht  \,  7 1 :  Sterlinius  Segitae- 
rum m  civitatem  Ubiorum  perduxeral.  Von  Segestea  hiess  es  I,  58: 
Caesar  ipsi  sedem  vetere  in  provincia  poUicelur.  Vgl.  auch  I,  34.  XIII,  57, 
Wollte  man  trotz  des  Spracligebrauchea  civiias  im  Sinne  von  Stadt 
nehmen,  m  mdsste  es  auffallen,  dnss  Tacitus  statt  des  ihm  gelänßgen 
oppidum  hier  das  zweideutige  ävitas  gewählt.  Auch  aus  einer  andern 
Ortsbestimmung  des  Tacilus  gewinnen  wir  keinen  sichern  Hattpuiikt. 
Wir  finden  den  Germanicus  mit  der  ersten  und  üwaozigsten  Legion 
bei  der  ara  Ubiofum,  aber  auch  *die  Lage  dieser  ist  nicht  bestimmt. 
Er  wohnte  hier  nicht  im  Lager,  »oudem  in  einem  Hause  dei'  nahea 
Stadt,  wie  sich  aus  der  Erzählung  des  Tacitus  (Ann.  I,  39)  ergibt. 
Dorthin  hatte  er  auch  seine  schwangere  Gemahlin  und  seinen  Caius 
mitgebracht,  von  denen  er  sich  nicht  trennen  wollte.  Auf  ein  sicheres 
Mittel  zur  UestimiHung  der  Lage  der  ara  Ubiorum  habe  ich  früher 
hingewiesen  '),  uiid  ich  sehe  nicht,  was  man  füglich  dagft^en  anführen 
kunste.  Ja  lassen  wir  die  nach  meiner  Ansicht  entschieden  zu  bejahende 
Frage,  obAgrippina  im  oppidum  Ubionan  geboren  sei,  ganz  bei  Seite, 
wenn  die  jüngere  Agrippina  der  in  das  oppidum  Ubiorum  geführten 
Yeteranencolonie  ihren  Namen  beilegte,  so  muas  sie,  sollte  sie  hier  nidit 
geboren  sein,  besondere  Beziehungen  zu  dieser  Stadt  gehabt  habra, 
die  nur  darin  liegen  kSnnen,  dass  sie  als  Kind  hier  mit  den  Ifarigea 
gelebt.  Nun  aber  war  Germanicus  von  seiner  Gattin  so  unzertrennlidi, 
dass  er  sie  nicht  ohne  den  dringendsten  Grund  von  sich  Uess,  wonach 
nicht  anzunehmen  ist,  dass,  wenn  er  bei  dem  Winterlager  zu  Bonn  gewesen 
wäre,  seine  Frau  sich  in  Köln  aufgehalten.  So  ergibt  sich  also,  was 
wir  aus  andern  Gründen  angenommen,  auch  von  dieser  Seite  als 
nnausweichliche  Folgerung,  dass  die  erste  und  zwanzigste  Legion  ihr 
Winterlager  bei  Köln  gehabt.  Und  von  diesem  zeugen  nicht  nur  die 
auf  der  Altenburg  bei  Köln  gefandenen  Reate,  sondern  auch  die  Spuren 


1)  Id  Piok'B  MoDBtSMhrift  VI,  4BB  f. 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeios  b.  z.  Erheb,  d.  Vitellios.    85 

der  in  der  Nähe  bei  Arnoldshöhe  gefundenen  Oräberstrasse  ^).  Pfitzner 
hat  sich  auf  die  so  wichtige  Frage,  wo  die  Winterlager  gewesen,  nicht 
näher  eingelassen. 

Zu  Gunsten  Bonns  hat  man  sich  darauf  berufen,  dass  in  und  bei 
dieser  Stadt  mehrere  Grabsteine  von  Soldaten  der  ersten  Liegion  ge- 
funden worden  seien,  keiner  bei  und  in  Köln.  Aber  unter  allen  jenen 
Steinen  befindet  sich  kein  einziger,  den  man  auch  nur  mit  der  geringsten 
Wahrscheinlichkeit  in  die  Zeit  des  Germanicus  hinaufrUcken  kann. 
Ich  wüsste  nur  eine  Grabschrift,  die  wir  in  diese  setzen  dürfen,  das 
schon  angefahrte  Denkmal  des  im  Varianischen  Kriege  gefallenen 
Hauptmanns,  das  aber  eben  nur  der  untergegangenen  achtzehnten 
Legion  gedenkt*).  Den  Grabstein  des  Soldaten  der  ersten  Legion  M. 
Cominius  weist  Hettner  (83)  wegen  der  Schriftztige  und  des  Fehlens 
des  Gognomens  einer  frühern  Zeit  zu,  aber  auch  er  denkt  kaum  an  die 
des  Tiberius.  Selbst  der  Wegfall  des  Gognomens  beweist  ja  an  sich  gar 
nichts.  Vgl.  Mommsen  G.  L  L.  in,  282.  Den  Stein  des  Carisius,  eines 
Veteranen  der  ersten  Legion  (Bramb.  493),  wollen  freilich  Lersch  und 
Freudenberg  wegen  der  archaistischen  Form  Manertai  für  Manertae 
in  die  Zeit  des  Claudius  setzen,  aber  das  auffallende  Manertai  könnte 
auch  ein  blosser  Fehler  des  Steinmetzen  für  Manertae  sein,  veranlasst 
durch  die  Endung  des  unmittelbar  darauf  folgenden  Musici.  Auch 
keiner  der  übrigen  in  und  bei  Bonn  gefundenen  Steine  von  Angehörigen 
der  ersten  Legion  erhebt  einen  Anspruch  auf  die  Zeit  des  Tiberius; 
keiner  nöthigt  uns  ihn  vor  die  letzten  Jahre  des  Claudius  zu  setzen. 
Im  einzelnen  Falle  könnte  man  sogar  zweifeln,   ob  die  Bezeichnung 


1)  Jahrb.  LXXII,  59  ff. 

2)  Wenn  Urlichs  Jahrb.  IX,  136  die  beiden  Xautener  luschriften  196  nnd 
210  noch  vor  die  Kriege  des  Germanicus  setzen  wollte,  weil  bei  der  einund- 
Ewanzigsten  Legion  der  £hrenname  rapax  fehlt,  so  ist  dieser  Grund  eben  haltlos. 
Auf  andern  Inschriften  fehlt  dieser  Ehrenname  (1057.  1968  a  Bramb.  vgl.  Jahrb. 
LIII,  244),  die  man  aber  desshalb  nicht  so  Iioch  hinaufrücken  darf.  Tacitus  nennt 
alle  Legionen  ohne  Beinamen  mit  Ausnahme  des  Falles,  wo  der  Name  zur  Unter- 
Bcheidong  Ton  Legionen  derselben  Zahl  dient,  und  bei  der  einundzwanzigsten, 
letastere  hat  den  Beinamen  nie  in  den  Anualen,  wo  sie  fünfmal  erwähnt  wird; 
in  den  Historien  kommt  sie  zunächst  ohne  diesen  Namen  vor  (I,  61.  67),  erst 
11)  48  erhält  sie  denselben»  der  dann  auch  II,  100  und  dreimal  im  dritten  Buche 
rieh  findet,  wogegen  er  III,  25.  IT,  68.  70.  78  fehlt.  Der  Ehrenname  war  eben 
da,  wo  die  Legion  stand,  zur  Bezeichnung  nicht  unumgänglich  nöthig.  Wir 
werden  gleich  derselbeü  Weglassung  bei  ändern  Legionen  begegnen. 


36    Die  Legionen  ft.Rb.v.d.KanipreCaeiBLrügegenPompeiusk  z.  Erheb.  <LVitel1iua. 

der  legio  I  nicht  auf  die  I  Minervia  gehen  könne,  so  dass  der  Bei- 
name, wie  es  z.  B-,  wie  wir  sehen  werden,  bei  der  zwanzigsten,  auch 
bei  der  einundzwanzigsten  {vgl;  die  letzte  Anmerkimg)  und  zweiund- 
zwanzigsten ').  geschehen,  weggelasseu  worden,  wovon  freilich  kein 
sicheres  Beispiel  zu  finden,  da  die  /iegel  bei  Brambach  223  a  1.  5IL 
4a  und  bei  Jansen  Jahrb.  IX,  161,9  wohl  unvollständig  sind.  Das-i 
bei  dem  Steine  des  üpponius  Paternus  am  Ende  der  Zeile  nach  LEG-I 
ein  M  ausgefallen,  hat  HettoerS.  38  bemerkt.  Wollte  man  hart- 
näckig sein,  so  könnten  auch  Soldaten  der  in  Köln  stehenden  Legion, 
während  sie  in  Bonn  bei  Erbauung  des  neuen  Winterlagers  in  Arbeit 
waren,  gestorben  sein.  Aber  auch  für  Köln  fehlen  nicht  alle  inschrift- 
liehen  Beweise,  wenn  ein  einfaches  LEGI  nöthwendig  auf  die  ältere 
Legion  unter  Germanicus  deutet.  Ein  im  nördlichen  Stadttheile,  wahr- 
scheinlich ausserhalb  des  Römischen  Köln,  gefundener  Stein  wurde 
einem  Veteranen  der  legio  I  von  den  primini  gesetzt  (Katalog  des 
Museums  Wallmf-Richartz  S.  71).  Und  mehr  für  Köln  als  für  Bonn 
zeugt  der  zu  Urb^tch  im  Kreise  Mülheim  gefundene  Stein  eioea  Vete* 
ranen  ex  leg.  I  (Bramb,  304). 

Was  aber  besonders  für  Köln  spricht,  sind  die  Grabsteine  von 
Soldaten  der  zwanzigsten  Legion ;  denn  da  die  erste  und  zwanzigste 
Legion  in  demselben  Winterquartier  standen,  so  beweisen  diese  eben 
für  den  Standart  beider.  Nun  bat  aber  Donn,  wo  nur  eine  Lügion 
seit  Claudius  stand,  keinen  Stein  der  zwanzigsten  Legion  aufzuweisen, 
während  wir  solche  in  Köln  finden,  ein  Umstand,  der  darauf  hinweist, 
dass  die  erste  Legion  erst  nach  Bonn  kam,  als  die  zwanzigste  nach 
Britannien  gezogen  war.  Am  Baien,  also  in  der  Nähe  des  Winter- 
lagers der  Legionen  bei  Köln,  ist  ein  Stein  gefunden  worden,  der  nach 
der  besten  Ueherlieferung  einem  miles  leg.  XX  gesetzt  war  (Bramb. 
377).  Daselbst  ist  der  Fundort  des  Steines  eines /iiWceM  exs  legioneXX; 
denn  aus  Vergleichung  der  verschiedenen  Lesarten  ergibt  sich  die 
höchste  Wahrscheinlichkeit,  dass  hier  eine  seltene  Form  des  Zahlzeichens 
XX  stand,  wie  schon  Brambach  (348)  sah.  Und  neuerdings  ist  bei 
Arnoldshöhe,  also  gleichfalls  bei  dem  alten  Winterlager,  der  Grabstein 
eines  Veteranen  der  legio  XX  Valeria  victriz  gefunden  worden  (Jahrb. 
LXXU,  50  ff.).  Unterhalb  Köln  kennen  wir  Steine  dieser  Legion  in 
Grimmlinghausen  hei  Nenss,  in  Geldern,  in  Homau  bei  Roermonde 
und  in  Xanten  (88.  268.  2028  Bramb.  Jahrb.  XXV,  87  f.).    Ein  Ziegel 


1)  Vgl.  bd  Brambach  1039.  1076.  121Ö  1217.  130a 


Die  Legionen  a.  Rb.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb,  d.  Vitellius.    87 

der  leg.  XX  VV   wurde  in  Holdenrut  oberhalb  Nym wegen  gefunden. 
Brambach  hat  seinen  gegen  die  Richtigkeit  der  Lesung  gerichteten 
Zweifel  schon  S.  XXVII  zurückgenommen.  Boberts  Vermuthung  (Coup 
d'oeil  g^n^rale  sur  les   l^gions  Romaines  S.  25,  1),   die  betreffenden 
Denkmäler  könnten  sich  auf  einen  möglichen  Aufenthalt  dieser  Legion 
am  Niederrhein   zur  Zeit  des  Septimius  Severus   beziehen,  schwebt 
völlig  in  der  Luft.    Dass  in  Bonn  sich  ein  Ziegel   der  zwanzigsten 
Legion  finde,  beruht  auf  einer  irrigen  Angabe  Overbecks;    schon 
Lersch  hatte  richtig  (II,  63)  XXI  gelesen,  da  der  Beiname  rapax  folgt. 
Ebenso  verhält  es  sich  mit  einem  Ziegel  von   Calcar,    wie   Jahrb. 
XI,  80  bemerkt  ist.    Auf  den  1822  zu  Rheinzabem  gefundenen  Ziegeln 
muss  XXII  gestanden  haben.     Die  leg.  XX  auf  Schleudergeschossen 
beruht  auf  unvollständiger  Erhaltung  der  Inschrift,  wie  Bergk  Jahrb. 
LV,  37  gesehen.  Zur  Zeit  des  Claudius,  im  Jahre  796,  führte  Plautius 
vier  Legionen,  unter  denen  die  zwanzigste  sich  befand,  nach  Britannien 
(Tac.  Ann.  XIV,  34.  37.  Agr.  7.  Hist.  I,  60.  III,  22).    Unter  Hadrian 
wurde  sie  dort  mit  der  zweiten  und   sechsten  zum  Bauen  verwandt. 
Aus  seiner  Zeit   sind   die  Inschriften  C.  I.  L.  VE,  362.  978.  1133  a. 
1137.  1141—1143.    Seit  dem  zweiten  Jahrhundert,   wenn  nicht  schon 
früher,  hatte  sie  ihr  Standquartier  bei  Deva  am  gleichnamigen  Flusse 
(Dee).  Durchgehend  hat  sie  den  auf  die  Heldenthat  des  Valerius  Mes- 
salinus  deutenden  Beinamen  Valeria  Victriz  (91.  623.  943. 1143),  meist 
abgekürzt  geschrieben.  Auf  irriger  Lesung  muss  nach  Hübner  1076: 
LEGIOXX'VICT  beruhen,  doch  liest  Mommsen  auf  einem  in  Dacien 
gefundenen  Steine  (III  p.  239,  1472)  LEG-XX  VICTRIC,  und  auch  sonst 
steht  victrix  allein  (Wilmanns  1458.  1587).     Der  Ehrenname  der  Le- 
gion fehlt  auch  auf  Inschriften  und  Ziegeln,   die  in  England  gefunden 
wurden.    Vgl.  C.  I.  L.  VII,  50.  51  (nach  Hübner  liUeris  optimis  saectdi 
primi).  90  (Utterae  videntur  esse  saectdi  primi  exeuntis),  156.  749.  1209 
b.  1225  a  (mit  blossem  V  (Vcderia)  1225  b).    Das  Zeichen  der  Legion 
ist  ein  Eber  oder  ein  Eberkopf.  Noch  zur  Zeit  Dios  standen  in  Britan- 
nien Ol  eixoazol  oi  xat  Ovaligieiot  xal  NiTtrjroQsg  cSvof^aaf^ivoi  (LV, 
23),  doch  lässt  dieser  eine  zwanzigste  Legion  mit  denselben  Beinamen 
im  obem  Germanien  stehen,  in  offenbarer  Verwechslung  mit  der  zwei- 
undzwanzigsten.    Die  letzte  Erwähnung  der  Legion   finden   wir  auf 
Münzen  des  Carausius  und  Victorinus. 

Die  vier  niederrheinischen  Legionen,  inferioris  Oermaniae  legianes 
(Ann.  I,  3.  Hist.  I,  9),  der  exercüus  Gertnaniae  inferioris  (Jahrb.  VII, 
61.  Vm,  144.  IX,  21.  36.  38.  XXII,  145.  Brambach  60  a  3,  Museum 


38     DioL^gionen  a.Eb.  v,  d.  Kampfe  Caesars  gegeDPompeiuBb.  z-  Erbeb  d.Vitelltua. 

Wallraf  -  Richartz  153  i),  blieben  unter  Germanicua  unveräDdert  in 
ihren  Standquartieren.  Mit  einem  Tlicil  seiner  Legionen  brach  die- 
ser dann  von  Köln  auf,  um  die  in  Xanten  noch  im  Aufruhr  begriffenen 
?.u  utiterwerfen ,  doch  hatten  dieselben  schon  selbst  die  Rädelsfiibrer 
bestraft,  und  sie  brannten  vor  Verlangen,  im  Kampf  gegen  die  Feinde 
ihre  Schuld  zu  sflhnen.  Obgleich  Gerniauicus  vier  Legionen  bei  sich 
hatte,  betrug  die  Zahl  der  Leglonssoldateo,  mit  denen  er  auf  einer 
neu  gescblageueu  Brücke  bei  Xanten  über  den  Rhein  setzte,  nur  12,000 
(Tac.  Ann.  I,  4ä},  doch  hatte  er  daneben  »echsundzwauzig  Cohortea 
der  Bundesgenossen  und  acht  alm  der  Reiter.  Mit  ihnen  überfiel  er 
die  Marsen,  an  denen  er  grausam  die  Schmach  Roms  rächte.  Die 
Seinen  führte  er  glücklich  trotz  des  Angriffes  der  Bructerer,  Tubunten 
und  Usipeten,  wobei  die  zwanzigste  Legion  sich  tapfer  bewährte,  in  die 
Winterquartiere  zuitlck  (Tac.  Ann.  I,  51).  Im  folgenden  Jahre  drang 
er  mit  vier  Legionen  (ohne  Zweifel  den  oberrheinischen)  und  vielen 
Hülfstruppen  von  Mogontiacuni  aus  in  das  Land  der  Chatten.  Die 
vier  niederrheinischen  brachen  mit  Germaniseben  Haufen  unter  Caecina 
von  Köln  auf,  wandten  sich  nach  manchen  Seiten  hin  und  besiegten 
die  Marsen  {Tac.  Ann.  I,  56).  Schon  war  Germanicus  auf  dem  Rück- 
märsche, als  eine  Gesandtschaft  des  Segestes  ihn  bestimmte,  diesen 
von  der  Belagerung  seines  Schwiegersohnes  Arminius  zu  befreien, 
worauf  Segestes  mit  den  Seinen  auf  das  Unke  Rhcinufer  übersiedelte 
(Tac  Ann.  I  57).  Aber  Arminius  brachte  die  (Cherusker  und  die  be- 
nachbarten Völker  in  solcher  Stärke  gegen  die  Römer  auf,  Atma  Ger* 
manicus  seine  ganze  Macht  gegen  sie  aufbieten  musste.  Caecina  führte 
die  vier  niederrheinischen  Legionen  über  die  bei  Xanten  geschlagene 
Brücke,  dann  auf  dem  bekannten  Landwege  nach  der  Ems,  wohin  aii^  die 
Reiterei  längst  der  Küste  begab,  während  er  selbst  mit  den  vier  übrigeu 
durch  den  Drususkaoal  und  die  Nordsee  fuhr  und  an  d&r  Ems  mit 
ihnen  zusammentraf.  Der  erste  Schlag  war  gegen  die  Bructerer 
gerichtet.  Da  der  Weg  in  der  Mähe  der  Stätte  der  Varianischeu  Nieder- 
lage vorüberführte,  versäumte  er  nicht  die  traurigen  Uebcrreste  der 
dort  Gefallenen  zu  bestatten  und  einen  Altar  den  Opfern  Germanischer 
Tficke,  welcher  man  diesen  Unfall  zuschrieb,  errichten  zu  lassen.  Unter 
den  Truppen  befanden  sich  einige  aus  jenen  drei  Legionen,  die  damals 
entkommen  waren  und  noch  die  Orte  bezeichnen  konnten^  wo  sich  alles 
begeben  (Tac.  Ann.  I,  61).  Es  waren  die  dem  Tod  Entronnenen  in  die 
neu  gebildeten  Legionen  eingetreten.  Nach  emer  durch  die  Legionen 
wieder  hergestellten,  aber  erfolglosen  Schlacht  wurde  das  Heer  au  die 


Die  Legionen  a.Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.YiteUius.    39 

Ems  zurückgeführt  und  von  dort  der  Bückweg  in  derselben  Weise 
angetreten,  wie  man  den  Heimweg  gemacht  Gaecina  ward  mit  seinen 
vier  niederrheinischen  Legionen,  als  er  in  einem  sumpfigen  Thale  sein 
Lager  aufschlug,  besonders  aber  bei  seinem  Aufbruch  am  andern 
Morgen  von  den  ihn  umschwärmenden  Germanen  angegriffen.  Die 
beiden  Legionen  von  Xanten  gaben  dadurch,  dass  sie  die  ihnen  ange- 
wiesene Stellung,  sei  es  aus  Furcht,  sei  es  aus  Trotz,  verliessen,  die 
zwischen  den  Bergen  und  Sümpfen  auf  schmalem  Wege  durchziehenden 
beiden  andern  Legionen,  die  erste  und  fünfte,  dem  Angriffe  der  Che- 
rusker preis.  Caecina,  dessen  Pferd  gefallen  war,  wurde  nur  durch  die 
Hülfe  der  ersten  Legion  gerettet.  Als  die  Germanen  am  folgenden 
Tage  das  auf  festem  und  ebenem  Boden  aufgeschlagene  Lager  angriffen, 
wurden  sie  von  den  Legionen  mit  schwerem  Verluste  zurückgeschlagen ; 
die  Soldaten  verfolgten  die  Fliehenden  bis  zur  Nacht.  Glücklich  ge- 
langten sie  nach  Xanten  zurück,  wo  Agrippina,  welche  mit  dem  jungen 
CaiusH[)ei  der  zurückgebliebenen  Besatzung  sich  befand,  durch  ihren 
Muth  es  verhinderte,  dass  man  aus  Furcht  vor  einem  Einfall  der 
Germanen  die  Brücke  abriss.  Germanicus  hatte,  um  seine  Schiffe  zu 
sichem,  von  den  Legionen,  mit  denen  er  durch  den  Drususkanal  gefahren 
war,  die  beiden  von  Mogontiacum  dem  Vitellius  übergeben,  um  sie  zu 
Lande  längs  der  Küste  bis  an  den  Drususkanal  zu  führen,  wo  die 
Flotte  sie  aufnehmen  sollte.  Diese  litten  schrecklich  durch  eine  Spring- 
fluth,  die  sie  fast  wegschwemmte.  Als  Germanicus  in  das  Ubierland 
nach  Köln  zurückkehrte,  nahm  er  des  Segestes  Bruder  Segimer  und 
dessen  Sohn,  welche  L.  Stertinius,  ein  kühner  Reiterführer,  auf  ihren 
Wunsch  über  den  Rhein  geführt  hatte,  freundlich  auf  (Tac.  Ann.  1, 71). 
Segestes  war  schon  dorthin  übergesiedelt.  Unter  denjenigen,  welche 
durch  triumphalische  Ehren  wegen  der  mit  Germanicus  vollbrachten 
Thaten  ausgezeichnet  wurden,  finden  wir  ausser  den  Legaten  des  nieder- 
und  oberrheinischen  Heeres  den  L.  Apronius  (Tac.  Ann.  I,  71),  welchen 
Germanicus  im  vorigen  Jahre  ad  munüiones  viarum  et  fluminum  beim 
casteUum  in  tnotUe  Tauno  zurückgelassen  hatte  (I,  56). 

Der  folgende  Winter  wurde  auf  die  Herstellung  der  Legionen  und 
den  Bau  von  hundert  Schiffen  verwandt,  da  Germanicus  im  nächsten 
Jahre  vom  Meere  aus  in  das  Land  der  Cherusker  dringen  wollte.  Den 
Schiffbau  leitete  ausser  den  beiden  Legaten  Anteius  (Tac.  Ann.  11,  5). 
Dem  Hauptunternehmen  gingen  Streifzüge  vorher.  Der  Legat  von 
Niedergermanien  Silius  unternahm  mit  einer  Abtheilung  ohne  Gepäck 
marschierender  Truppen  einen  Einfall  in  das  Land  der  Chatten.    Ger- 


40     Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d,  KampfiiCfteaBrE  gegau  Pompeiuab.z.  Erheb.  d.Titellius. 

manicus  eilte  mit  sechs  Legionen  (wohl  zwei  nieder-  und  vier  ober- 
rheioisphen)  nach  dem  Castell  AÜso,  das  die  Germaneo  belagerten. 
Doch  waren  diese  schon  auf  die  Kunde  von  seiner  Ankunft  verschwan- 
den. Germanicus  benutzte  seine  Anwesenheit  zur  Befestigung  der  Ge- 
gend zwischen  dem  Castell  und  dem  Rheine.  Als  die  Flotte  fertig 
war,  fuhr  das  ganze  Heer,  alle  acht  Legionen  nebst  den  Hfllfstruppea, 
von  der  Bataverinael  durcli  den  DruHuskanal  und  das  Meer  bis  an  die 
Mündung  der  Enjs.  Die  Cherusker  mit  ihren  Verbündeten  stellten  sich 
ihm,  als  es  zur  Weser  gelangt  war,  zur  offenen  Schlacht  entgegen. 
Germanicus  Hess  die  Gallischen  und  Germanischen  Hütfatruppen  vor- 
geben; ihnen  folgten  die  Bogenschützen  zu  Fuss,  dann  vier  Legionen 
und  Germanicus  selbst  mit  zwei  pratorischen  Cohorten  und  Rett«rei, 
darauf  die  vier  andern  Legionen,  die  Leichtbewaffneten,  die  berittenen 
Bogenschützen  und  die  übrigen  Cohorten  der  Bundesgenossen  (Tac. 
Ann.  II,  16);  von  den  letztern  werden  gelegentlich  die  der  Raeter  und 
Vindehker  und  die  Gallischen,  dann  auch  Chauken  erwähnt  {S,  17). 
Es  war  ein  UnglUckgtag  für  die  Germanen,  aber  trotz  des  vollständigen 
Sieges  der  Römer  stellten  sie  sich  diesen  auf  dem  Grenzwallc  der 
Cherusker  und  Angrivarier  entgegen.  Tacitus  erwähnt  hier  eines  bisher 
noch  nicht  genannten  Legaten  Seius  Tubero,  dem  Germanicus  die 
Reiterei  übergab.  Den  Legionen  wies  er  ihre  St-ellung  an ;  das 
Schwierigste  übernahm  er  selbst,  das  andere  überliess  er  den  Legaten. 
Mit  seinen  pratorischen  Cohorten  nahm  er  den  Wall  und  verfolgte  die 
Feinde  in  den  Wald;  seine  Soldaten  sollten  alle  tödten,  da  nur  der 
Untergang  des  Volkes  den  Krieg  beenden  werde.  Erst  die  Nacht 
machte  dem  Blutvergicssen  ein  Ende.  Tacitus  gesteht,  dass  der  Kampf 
der  Reiterei  unentschieden  geblieben.  Germanicus  rühmte  sich  auf 
seiner  Trophaee  der  Besiegnng  der  Völker  zwischen  Rhein  und  Elbe 
dnrch  das  Heer  des  Tiherius.  Die  Truppen  wurden  an  die  Ems  zurück- 
geführt; einige  Legionen  begaben  sich  auf  dem  Landwege  in  ihre 
Winterquartiere, .  wohl  die  beiden  bei  Xanten  liegenden,  die  andern 
nahmen  den  Weg  zu  Schiffe  über  das  Meer.  Ein  fürchterlicher  Sturm 
verschlug  oder  vernichtete  die  meisten  Schiffe;  Germanicus  rettete  sich- 
nach  dem  Lande  der  Chauken.  Allmählich  fanden  sich  wieder  viele  Schiffe 
zusammen,  die  hei'gestellt  und  zum  Aufsuchen  der  Verschlagenen  aus- 
gesandt wurden;  manche  von  diesen  kamen  durch  Vermittlung  der 
Angrivarier  zurück,  andere  sandten  Britannische  Fürsten,  viele  waren 
im  Meere  oder  durch  Hunger  umgekommen.  Da  die  Kunde  von  diesem 
Unfälle  die  feindlichen  Stämme  aufregte,   sandte  Germanicus  den  !«• 


Die  Leonen  a.Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.Yitellius.    41 

gaten  des  oberrheinischen  Heeres  mit  dreissig  Gehörten  und  dreitausend 
Reitern  gegen  die  Chatten,  er  selbst  überfiel  mit  dem  grossem  Theile 
des  Heeres  die  Mai*sen,  an  denen  er  das  auf  dem  Meere  erlittene 
Unglück  rächte.  Er  hatte  wohl  fünf  Legionen,  die  oberrheinischen  und 
eine  niederrheinischc.  Wenn  der  Legat  des  oberrheinischen  Heeres 
diesmal  gegen  die  Marsen  zog,  nicht,  wie  früher,  der  des  niederrhei- 
nischen, so  mag  Caecina,  vielleicht  in  Folge  des  Unfalls  zur  See,  ver- 
hindert gewesen  sein. 

Des  Tiberius  Eifersucht  rief  den  Germanicus  nach  Bom  zurück, 
wo  er  im  Mai  einen  glänzenden  Triumph  über  die  Cherusker,  Chatten, 
Angrivarier  und  andere  Germanische  Völker  bis  zur  Elbe  feierte.  Vom 
Römischen  Heere  vernehmen  wir  nun  lange  nichts  mehr  >).  Drusus  suchte 
die  Zwietracht  der  Germanen  unter  sich  auszubeuten,  die  zur  Ermor- 
dung des  Arminius,  des  edelsten  Hortes  deutscher  Freiheit,  führte. 
Als  im  Jahre  774  ein  von  den  Haeduern  und  den  Treverern  ausge- 
gangener Aufstand  Gallien  ergriif,  war  Visellius  Varro  Legat  des 
niederrheinischen  Heeres,  der  einen  Theil  seiner  Legionen  zur  Unter- 
drückung der  Empörung  der  Turonen  sandte  (Tac.  Ann.  HI,  41).  Er 
selbst  und  der  schon  zur  Zeit  des  Germanicus  thätige  Legat  des  ober- 
rheinischen Heeres  Silius  führten  von  verschiedenen  Seiten  Legionen 
gegen  die  Treverer  (Ann.  HL  42).  Die  vorausgesandte  ala  des  den 
Treverern  angehörenden  Julius  Indus  gab  eine  rasche  Entscheidung. 
Julius  Florus,  der  die  Treverer  aufgeregt  hatte,  tödtete  sich  mit  eige- 
ner Hand.  Varro  war  durch  Alterschwäche  an  einer  kräftigen  Unter- 
drückung des  Aufstandes  der  Haeduer  gehindert;  er  musste  diese 
dem  Silius  überlassen  (III,  43),  der  mit  zwei  Legionen  die  Macht  des 
Sacrovir  zu  Grunde  richtete  (III,  45—46).  Von  jetzt  an  hören  wir 
längere  Zeit  nichts  mehr  von  Germanien.  Drei  Jahre  nach  dem  Siege  des 
Silius  über  Sacrovir  klagt  dessen  damaliger  Amtsgenosse,  der,  obgleich 


1)  Strabo  erwähnt  IV,  8,  4  in  dieser  Zeit  die  im  Lande  der  Treverer 
geschlagene  Rheinbrüoke.  Von  der  kühnen  Versetzung  der  Worte  xct^'  ot)^  — 
TToUfAov,  die  Bergk  Jahrb.  LYIII,  124  versucht,  hätte  schon  die  Erinnerung 
abhalten  sollen,  dass  auch  Caesars  zweite  Brücke  in  Treveris  war  (Caes.  ß.  6. 
Ylf  9).  Der  Zusatz,  der  Bergk  sachlich  so  unbequem  war,  erscheint  bei  den 
Treverern  ebenso  berechtigt  als  er  störend  bei  den  Ubiern  wäre,  die  eigentlich 
nur  nebensächlich  als  früher  den  Treverern  gegenüberwohnend  erw&hnt  werden, 
und  selbst  Strabo  darf  man  eine  so  holperige  Verbindung,  wie  sie  BergVs 
Annahme  schafft,  nicht  zuschreiben. 


42     DieLeffüinan  ii.  ftb  v.  <i.  Kampfe  CBesarB  ^egen  PompeiuB  b.  z. Erheb.  d.Viteltiua. 

er  schon  in  Germanien  nach  Tacltua  invalidus  semcta  gewesen,  jetzt  Conaal 
geworden,  den  Silius  an,  er  habe  mit  seiner  Gattin  Soaia  den  Sieg 
Über  Sacrovir,  dessen  Aufstand  er  durch  sein  Zögern  absicbUicb  ge- 
fördert, mit  Habsucht  geschändet.  Die  Anhänglichkeit  an  Germanicas 
Boltte  dem  redlichen  Manne,  der  sieben  Jahre  in  schwerer  Zeit  Legat 
lies  oberrheinischen  Heeres  gewesen,  zum  Verderben  gereichen. 

Als  die  Friesen  sich  im  Jahre  781  erhoben,  wurde  L.  Apronias, 
der  Proprätor  des  untern  Germanien,  mit  dem  verbundenen  ober-  und 
niederrheinischen  Heere  von  ihnen  zurückgeschlagen.  Nur  dem  Muthe 
des  Legaten  der  fünften  Legion,  Cethegus  Labeo,  gelang  es  die  Ger- 
manen zurückzudrängen,  wobei  sich  die  fünfte  Legion  auszeichnete, 
doch  Apronius  dachte  an  nichts  weniger  als  an  Rache  für  den  Tod 
80  vieler  angesehenen  Führer  und  Soldaten  (Tac.  Ann.  IV,  73).  Gleich- 
zeitig mit  Apronius  finden  wir  als  Legaten  des  obem  Germanien  dessen 
Schwiegersohn  Lenttilus  Gaetnlicus,  unter  dem  Abudius  Ruso  eine 
Legion  befehligte  (Tac.  Ann.  VL  30).  Durch  seine  grosse  Milde  und 
Leutseligkeit  erwarb  sich  Gaetulicus  in  so  hohem  Grade  die  Liebe 
seiner  Legionen,  dass  er  dem  Kaiser  gegenüber  sich  darauf  sttitzen 
konnte,  er  werde  die  Provinz  nicht  gutwillig  verla.ssen.  Dem  tollen 
Nachfolger  des  Tiberins  war  er  so  verhasst.  dass  dieser  sich  mit  Ge- 
walt seiner  zu  entledigen  beschloss.  Im  Jahre  792  kam  dem  Caligula 
der  Geiiauke  eines  Feldzugs  iiafli  ("icrmanien.  Unter  dtui  Vorwande, 
der  Rhein  sei  von  den  Feinden  bedroht,  eilte  er  nach  Mogontiacum, 
wo  er  sich  gegen  die  von  Gaetulicus  verzogenen  Soldaten  und  Betebls- 
haber  sehr  hart  bewies.  Da  sich  kein  Feind  zeigen  wollte,  liess  er 
einige  gefangene  Gennanen  in  einem  Walde  auf  dem  jenseitigen  Ufer 
verstecken  und  beim  Frühstücke  sich  das  Anrücken  des  feindlichen  Heeres 
melden,  gegen  das  er  sofort  mit  seinen  Freunden  und  einem  Theil 
seiner  Leibwache  sich  aufmachte.  Abends  kehrte  er  als  Sieger  and 
seinen  Germanen  zurück  (Suet,  Calig.  44,  45.  DioLIX,  21).  GaetnlicuB 
wurde  einer  Verschwörung  gegen  ihn  angeklagt  und  getödtet  (Dio 
LIX,  21).  An  seine  Stelle  trat  Ser.  Galba,  der  sich  durch  seine  Strenge 
bei  Caligula  beliebt,  bei  den  Soldaten  desto  verhasster  machte  (Galh.  6). 
Caligulas  Zug  nach  Gesoriacum,  dem  spätem  Bononia  (Boulogne),  war 
eine  Posse,  wie  sie  nur  ein  Verrückter  aufführen  konnte.  Vgl  SueL 
Cal.  46.  Dio  LIX,  25.  Abenteuerlicher  klingt  Dios  Bericht,  er  habe 
200,000,  nach  andern  250,000  Soldaten  zusammengebracht,  von  denen 
er  siebenmal  als  Imperator  begrüsst  worden,  obgleich  er  keinen  Sieg 
erfochten  noch  einen  Feind  getüdtet  habe  (Dio  LIX,  22).  Dass  er  mit 


Die  Legionen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeins  b.  z.  Erheb,  d.  Vitellius.    43 

einem  so  grossen  Heere  den  Zug  nach  Gesoriacum  gemacht,  wie  wir 
bei  Peter  (Geschichte  Korns  III,  250)  lesen,  wird  eben  so  wenig  über- 
liefert, als  dass  er  dieses  Heer  am  Rheine  versammelt,  wie  Pfitzner 
(S.  25)  angibt.  Auch  ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  er  die  rheini- 
schen Legionen  nach  Gesoriacum  habe  kommen  lassen,  was  Urlichs 
(Jahrb.  IX,  136)  annimmt.  Vielmehr  suchte  er  diese  auf  seiner  Rück- 
kehr von  dort  auf.  Zuerst  ging  er  nach  Köln.  Darauf  bezieht  sich 
Suetons  Bericht  (Calig.  48),  er  habe,  ehe  er  die  Provinz  Gallien  ver- 
lassen, die  Legionen,  die  einst  gegen  seinen  Vater  und  ihn  als  Kind 
Gewalt  gebraucht,  zu  decimiren  gedacht,  aber  da  er  gemerkt,  dass 
diese  es  sich  nicht  gefallen  lassen  würden,  sich  davon  gemacht;  denn 
dies  kann  eben  nur  auf  die  erste  und  die  zwanzigste  Legion  gehen, 
deren  Winterlager  Köln  war.  In  Mogontiacum  hatten  sich  Galba  und 
dessen  Soldaten  seiner  höchsten  Anerkennung  zu  erfreuen  (Suet. 
Galb.  6). 

Nach  der  Ermordung  des  Galigula  Hess  sich  Galba  nicht  zum 
Abfalle  verleiten;  er  vereidete  sofort  die  Legionen  auf  den  Namen  des 
^von  den  Soldaten  gewählten  Claudius.  Dieser  wurde  durch  seine  Treue 
bestimmt,  ihn  in  den  Kreis  seiner  Vertrauten  aufzunehmen.  Die  nach 
der  Varianischen  Niederlage  eingetretene  Anordnung  der  acht  Rheinlegio- 
nen wurde  durch  den  796  von  Claudius  unternommenen  Krieg  gegen 
Britannien  verändert,  wohin  unter  Plautius  vier  Legionen  abgingen. 
Unter  diesen  befanden  sich  drei  vom  Rheine,  die  zweite,  vierzehnte 
und  zwanzigste  Legion.  Aus  dem  spätem  Bestände  der  Rheinlegionen 
ergibt  sich,  dass  sie  durch  die  aus  Hispanien  kommende  vierte,  die 
den  Beinamen  Macedonica  führte,  und  zwei  neugebildete,  die  fünfzehnte 
und  die  zweiundzwanzigste,  ersetzt  wurden,  die  beide  den  Beinamen 
primgenia  erhielten,  der  eine  Erfindung  des  in  sprachlichen  Neuerungen 
sich  gefallenden  Claudius  gewesen  zu  sein  scheint  Man  leitete  früher 
(und  noch  Pfitzner  S.  8  verwirft  diese  Deutung  nicht)  den  Namen  von 
der  Göttin  Primigenia  her,  aber  die  Göttin  liiess  Fortuna  Ff  imigenia. 
Grotefend  erklärte  ihn  wohl  richtiger,  als  ursprünglich,  so  dass 
er  die  abgezweigte  Legion  als  den  eigentlichen  Stamm,  den  bessern 
Theil  einer  schon  bestehenden  Legion  bezeichnete,  die  als  solche  auch 
deren  Adler  erhielt.  Der  Name  sollte  gleichsam  ein  Gegenstück  zu 
gemna  bilden.  Die  fünfzehnte  Legion,  von  welcher  die  nach  Ger- 
manien geführte  neugebildete  stammt,  lag  in  Pannonien.  Die  zwei- 
undzwanzigste wurde  aus  der  in  Aegypten  stehenden  Deiotariana,  die 
auch  als  Cyrenaica  erscheint^  gebildet ;  diese  und  die  aus  ihr  genommene 


ii     Die  Legionen  a.Rh.  v.d.Kaoipfc  Caesare  gegen  Pompeiusb.  z.Erbeb.  d.V)lel]ius. 

erhielten  damals  die  BeECichnung  der  zweiundswanzigsten.  Pfitzner 
nimmt  {S.  30  f.)  an,  der  Rhein  habe  statt  der  drei  von  Claudius  ver- 
setzten Legionen  nur  zwei  neue  erhalten,  was  ganz  unglaublich;  er  bedarf 
aber  dieser  Voraussetzung,  um  mit  der  üebersicht  der  Legionen  im 
Jahre  619  hei  Flaviua  Josqihua  (B.  .lud.  II,  IG,  4j  fertig  zu  werden. 
Dabei  rauss  er  zu  der  seltsamen  Annahme  greifen,  die  leffio  decima 
werde  von  Josephus  oder  vielmehr  von  dem  dort  redenden  Agrippa 
zweimal  gerechnet,  einmal  bei  den  acht  Legionen  Germaniens,  dann 
aber  auch  bei  den  beiden  Hispaniens,  was  er  sich  so  erklärt,  dass  diese 
Länder  „sich  bei  irgend  einer  Gelegenheit  innerhalb  der  Jahre  43  und 
66  in  der  von  Josephus  bezeichneten  Weise  (?)  ausgeglichen".  Ein 
solches  Mittel  richtet  die  Ansicht,  die  es  stützen  soll.  Genug,  Pfitzner 
lässt  die  legU)  qutnla  tlecima  primigenia  erst  in  der  zweiten  Hälfte  des 
Jahres  66  durch  Nero  bilden.  Von  den  neu  an  den  Rhein  gekommenen 
Legionen  trat  die  fünfzehnte  an  die  Stelle  der  bei  Köln  siehenden 
zwanzigsten,  die  vierte  und  zweiund zwanzigste  ersetzten  die  zweite  und 
vierzehnte  bei  Mainz.  .\ber  auch  ein  Wechsel  zwischen  beiden  Ger- 
manieo  dürfte  gleichzeitig  stattgefunden  haben;  denn  die  einundzwan- 
zigste Legion,  die  wir  in  Xanten  fanden,  erscheint  bei  den  Kämpfen 
nach  Neros  Tode  zu  Vindonissa  (Tac.  Hist.  IV,  70),  wogegen  die  zur 
Zeit  des  Germaniens  in  Vindonissa  stehende  sechzehnte  nach  dem 
Nieilerrhein  kam.  Freilich  bleibt  die  Möglichkeit,  dass  diese  Ver- 
änderung etwas  später  erfolgte.  Auch  in  den  Standquartieren  der  Le- 
gionen finden  wir  nach  Neros  Tode  eine  Veränderung.  Von  dem  Le- 
gaten des  obern  Germaniens,  Hordeonius  Flaccus,  sagt  Tacitus  im 
Jahre  822  {Hist.  I,  9) :  Scripsii  Herennio  Gallo,  Ugionis  primae  legato, 
qui  Bonnam  oUineiat.  Dort  standen  tria  milia  legionarium  ei  tumid- 
tuariae  Belgarum  eohories.  Auf  Bonn  deutet  auch  I,  57:  Ftoxima 
{coloniae  Äprippinensi)  legionis  primae  hibemae  erant  et promptissimus 
e  legatis  Fabius  Valens.  Bei  dem  Angriffe  der  vorüberziehenden  Ba- 
taver peüitur  legio  (IV,  20).  Als  hiberna  primae  legionis  wird  Bonna 
IV,  25  bezeichnet.  V,  22  heisst  es:  Profectus  (Cerialis)  Novesium  (oder 
Novaesium)  Sonnamque  ad  tnscnda  castra,  guae  hiematuris  legionibus 
erigehantur.  Das  uns  hier  begegnende,  zuerst  IV,  26  genannte  Nove- 
sium war  das  Standquartier  der  sechzehnten  Legion  (IV,  26.  62).  Da- 
mals also  lag  in  den  Winterlagern  zu  Bonna  und  Novesium  je  eine 
Legion,  während  in  der  cnloniu  Agrippinensis  der  leg(^us  inferioris  Ger- 
maniae  Viteltius  seinen  Sitz,  aber  keine  Legion  um  sich  hatte,  wenn 
es  auch  an  einer  prätorischen  Cohorte  nicht  fehlte  und  die  colonia  ein- 


Die  Le^onen  a.  Rh.  v.  d.  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeius  b.  z.  Erheb.  d.yitellia0.    45 

heimische  Besatzung  hatte.  Wann  die  Lager  zu  'Bonna  und  Novesium 
entstanden,  wissen  wir  nicht.  Die  Vermuthung,  diese  Veränderung  sei 
in  die  Zeit  gefallen,  deren  Beschreibung  die  uns  fehlenden  Bücher  der 
Annalen  des  Tacitus  enthielten,  wäre  haltlos,  da  Tacitus  ja  keine  Ver- 
anlassung hatte,  derselben  zu  gedenken,  wenn  sie  keine  Beziehung  auf 
die  von  ihm  dargestellten  Ereignisse  hatte.  Berechtigter  ist  die  An- 
nahme, die  Verlegung  der  beiden  Legionen  aus  der  Nähe  des  oppidum 
Ubiorum  habe  mit  der  Erhebung  desselben  zur  ccionia  Agrippinensis 
zusammengehangen,  was  man  dadurch  begründen  könnte,  dass  beson- 
dere Verhältnisse  beim  oppidum  Ubiorum  dazu  bestimmt  haben  mdssten, 
da  die  drei  übrigen  rheinischen  Winterlager  zu  je  zwei  Legionen  fort- 
bestanden. Aber  es  können  auch  andere  Gründe  dazu  bestimmt  haben, 
den  beiden  Legionen  getrennte  Standquartiere  näher  bei  Vetera  und 
Mogontiacum  anzuweisen. 

Unter  dem  Legaten  von  Niedergermanien  Sanguinius,  dem  Nach- 
folger des  Apronius,  sank  die  Zucht  der  Legionen  und  das  Ansehen 
des  Römischen  Namens,  wozu  auch  der  Wille  des  Claudius,  die  Ger- 
manen in  Kühe  zu  lassen,  beigetragen  haben  mag.  Die  den  Römern 
lange  befreundeten  Ghaukeu  machten  mehrere  Beutezüge  an  den  Rhein. 
Der  darauf  ernannte  Legat  Domitius  Corbulo  suchte  die  alte  strenge 
Zucht  der  Legionen  wieder  herzustellen  i).  Die  von  Gannascus  geführten 
Chauken  schlug  er  zurück.  Die  Friesen,  welche  den  Tribut  verwei- 
gerten, bezwang  er,  wies  ihnen  bestimmte  Wohnsitze  an,  ordnete  ihre 
Verwaltung  und  legte  eine  Besatzung  in  ihr  Land.  Als  er  in  gleicher 
Weise  die  Chauken  zu  unterwerfen  im  Begriff  stand,  erhielt  er- von  Clau- 
dius, dem  man  ihn  verdächtigt  hatte,  den  Befehl  seine  Truppen  zurück- 
zuziehen. So  in  seinen  Eriegsplänen  gestört,  begann  er,  um  seine  Sol- 
daten zu  beschäftigen,  einen  grossen  Kanal  zwischen  der  Maas  und 
dem  nördlichen  Rheinarm.  Dass  unter  Corbulo  im  Jahre  47  die  Ugio 
quarta  Seythka  aus  Mösien  an  den  Rhein  gekommen,  ist  eine  luftige 
Annahme  Pf  itzner's  (S.31.  233).  In  Obergermanien  hielt  der  ehrsüchtige 
Emporkömmling  Gurtius  Rufus  die  Legionen  zur  Gewinnung  von  Silber 
aus  den  von  ihm  geöffneten  spärlichen  Minen  im  Lande  der  Mattiaker 
an,  was  diese  erbitterte  (Tac.  Ann.  XI,  18 — 20).  Drei  Jahre  später, 
zu  derselben  Zeit,  wo  Agrippina  durch  die  Erhebung  des  oppidum 
Ubiorum  zu  ihrer  Colonie  ihre  Macht  auch  am  Rheine  zeigen  wollte. 


1)  Die  Programmabliandlaiig  von  Wolfgramm  „Cn.  Domitiat  Corbulo^ 
(Prenzlaa  1874)  geht  auf  dessen  KriegsfKhrang  nicht  ein. 


4S     Diel.agiooena.Rh.  v,d,  Kampfe  Caesars  gegen  Pompeiui  b.z.  Erheb.  d.Vit«l)iDi. 

finOeo  wir  als  Legaten  Obergermaniens  den  Dichter  Pomponius  Se- 
cutidus.  Dieser  störte  die  Riiubzögc  der  Chatten  darch  die  Hülfe- 
truppen der  Van^ioneii  uud  Nemeter.  während  er  8e1t)st  mit  seinen 
Legionen  am  Taunus  stand'). 

Im  Anfange  von  Neros  Regierung  hielten  sich  beide  Germanien 
ruhig.  Die  Legaten  Paulinus  Porapeius  und  L.  Vetus  machten  gemeia- 
nfltzige  Anlagen  und  bewahrten  ihre  I^gionen  durch  angestreni^tfl 
Thätigkeit  vor  Trägheit  und  Ausschweifung;  der  eine  vollendete  den 
Rheindanim  i)es  Drusus,  der  andere  verband  durch  einen  Kanal  die 
Mosel  mit  der  Saone,  wodurch  er  den  Kinspruch  des  Legaten  von 
Belgien  Äelius  Oracilis  hervorrief,  dass  Vetus  seine  Soldaten  in  eine 
fremde  Provinx  schicke*).  Im  Jahre  812  lieas  Corbulo  nach  dem  Be- 
richte des  TacituB  (Ann.  XIII,  35)  aus  Germanien  eine  Legion  cum 
eguitibtis  alariis  et  peditatu  eohorliitm  nach  Syrien  kommen.  Pfitzner 
versteht  unter  der  Legion  ans  Germanien  die  legio  quarta  Scjftltica,  von 
der  wir  gar  nicht  wissen,  dass  sie  je  in  Germanien  gelegen.  Und  die 
Stelle  des  Tacitus  hat  ihre  Bedenken.  Jedenfalls  ist  es  irrig,  wenn 
Pfitzner  S.  233  sagt,  als  Corbulo  seineo  ersten  Zug  nach  Armenien 
unternommen,  sei  jene  Legion  noch  unterwegs  gewesen,  da  vielmehr 
aus  den  Worten  des  Tacitus  unwidersprechlich  hervorgeht,  dass  dl« 
adiecia  ex  Germania  hijio  im  vorhergehenden  Winter  in  Syrien  ge- 
wesen. Wenn  nun  Xlll.  3rt  bei  Avr  Beschreibung  der  Schlacht  bloss 
die  sechste  Legion  und  3000  Soldaten  der  dritten  genannt  werden,  vm 
einer  Germanischen  gar  keine  Rede  ist,  so  zeigt  dies,  dass  es  damit 
eine  besondere  Bewandtniss  haben  müsse.  Man  könnte  denlten,  ee  sei 
zu  lesen  adieetique  ex  Germania  legionarii  (vgl.  Ann.  VI,  41.  XIV, 
26.  38),  aber  auch  dann  würde  ich  noch  an  ex  Germania  Anstoss 
nehmen.  An  die  Absendang  einer  ganzen  nicht  näher  bezeichneten  Legion 
vom  Rhein  nach  Syrien  kann  ich  um  so  weniger  glauben,  als  Tacitus 
nicht  angiebt,  weshalb  gerade  eine  Germanische  Legion  binsugethaa 
{adiecta)  worden.  Der  Ausdruck  selbst  deutet  auf  eine  gleichzeitige 
Verwendung  der  in  Cappadocien  und  Galatien  gemachten  Auabebungen 
und  dieser  legio  (?)  zur  Ergänzung  der  durch  Entlassung  der  wegen 
Alter  oder  Krankheit  untauglichen  Soldaten  unvollständig  gewordenen 
Legionen. 

Vielleicht  geschab  es  im  Jahre  817,  dass  die  dreizehnte  Legion 


1)  Tu.  Ann.  Xm,  21.  SB.    Tgl.  Bergk  Jfthrb.  LTUI,  143  ff. 
3)  Tm).  Ann.  XIII,  63.    Tgl.  Uommtena  ,rB«richte"  •.  s.  0.  9 


% 


DieLegionen  a.  Rh.  v.  d.Eampfe  Caesars  gegen  Pompeias  b.  z.  Erheb,  d.  Yitellias.    47 

auB  Vindonissa  nach  Fannonien  kam,  wo  wir  sie  fünf  Jahre  später  zu 
Poetövio  finden  (Tac.  Eist.  II,  11,  III,  1);  sie  hätte  dann  die  zum 
Parthischen  Kriege  ziehende  fünfzehnte  ApoUinarische  ersetzt  (Tac. 
Ann.  XY,  26).  Pfitzner  behauptet,  erst  Nero  habe  sie  im  Jahre  821 
nach  Pannonien  gesandt.  Aber  durch  welche  Legion  ward  die  drei- 
zehnte Legion  in  Vindonissa  ersetzt?  Peter  (Geschichte  Roms  III,  2, 10) 
denkt  an  die  zehnte,  welche  früher  in  Obergermanien  gestanden  habe; 
aber  diese  befand  sich  vielmehr  in  Untergermanien.  Die  Versetzung 
soll  nach  Pfitzner  schon  zur  Zeit  geschehen  sein,  wo  ermnequarta 
Seythica  nach  Syrien  ziehen  lässt.  Ritter  (zu  Tac.  Histl,  18),  Bergk 
u.  a.  nehmen  an,  Obergermanien  habe  damals  nur  drei  Legionen  ge- 
habt, was  dadurch  noch  nicht  erwiesen  wird,  dass  Tacitus  ausser  den 
beiden  bei  Mogontiacum  stehenden  Legionen  nur  die  einundzwanzigste 
gelegentlich  erwähnt  (Hist.  1, 55.  61) ;  denn  sein  Bericht  ist  so  ungenau, 
dass  er  an  ersterer  Stelle  bei  dem  Eidschwure  für  Galba  gar  keiner 
Legion  in  Vindonissa  gedenkt.  Freilich  ist  für  die  Achtzahl  auch  die 
Rede  des  Agrippa  bei  Josephus  nicht  streng  beweisend,  selbst  abge- 
sehen davon,  dass  nach  derselben  in  Hispanien  eine  Legion  zu  wenig 
sich  findet,  wenn  Grotefend  Recht  hat,  dass  hier  damals  zwei  gestanden. 
Bergk  weist  nach,  dass  auch  zu  Hadrians  Zeit  in  Obergermanien  nur 
drei  Legionen  standen^).  Möglich  wäre  es,  dass  in  Vindonissa  die 
zweite  Legion  durch  Hülfstruppen  ersetzt  worden,  wie  es  z.  B.  später 
in  Pannonien  nach  dem  Abgang  der  einzig  noch  gebliebenen  geschah^). 
Bemerkenswerth  ist,  dass  Caecina  von  Vindonissa  30000  Mann  weg- 
führt, deren  Kern  die  einundzwanzigste  Legion  bildete  (Tac.  Hist 
1, 61).  Unsere  Eenntniss  ist  eben  so  lückenhaft,  dass  eine  ganz  sichere 
Entscheidung  hier  unmöglich  scheint. 

Während  der  tollen  Wirthschaft  Neros,  der  fast  zwei  Jahre  auf 
seiner  Künstlerreise  zubrachte,  war  Verginius  .Rufus  in  Ober-,  Fonteius 
Capito  in  Untergermanien  Legat.  Diese  mussten  Nero  einzelne  Ab- 
theilungen zum  Feldzuge  gegen  die  Albaner  ablassen.  Der  erstere  zog 
mit  seinen  Legionen  gegen  Julius  Vindex,  den  Legaten  des  diesseitigen 
Gallien,  der  sich  gegen  Nero  erhoben  und  den  ihm  befreundeten  Galba, 
der  damals  Legat  des  Tarraconensischen  Hispanien  war,  zum  Kaiser 
ausgerufen  hatte.  Er  stützte  sich  dabei  auf  den  Hass,  welchen  Galba 
als  Legat  Obergermaniens  sich  durch  seine  Strenge  bei  seinen  Soldaten 


1)  Jahrb.  LVm,  248. 

2)  G.  I.  L.  m,  p.  282. 


<8     Die  Legionen  tt.Rli.v.d.  KampfeOaeBar»  gegen Pompeiu»b /.  Erhell.  d.Vitelliu«. 

zugezogen  hatte.  Seine  Legionen  erfochten  einen  glänzenden  Sieg, 
den  Virghiins  aber  nidit  weiter  verfolgte,  sonciern  die  Entwicklung  der 
Dinge  rahig  abwartete.  Doch  die  Soldaten  waren  durch  ihren  Sieg 
flbennüthig  geworden,  von  stolzem  Selbstbewusstsein  und  wildem  Tbaten- 
drang  erfüllt;  sie  wollten  ihn  zum  Kaiser  erheben,  was  er  aber  ent- 
üchieden  ablehnte.  Erst  spät  liess  er  die  Legionen  dem  Galba  schwören. 
Bald  darauf  wurde  er  abberufen,  und  an  seine  Stelle  trat  zum  bitter- 
sten Aerger  der  Soldaten  der  abgelebte,  an  den  Füssen  leidende 
Hurdconius  Flaccus.  Der  Liegat  von  üutergermanieu  Fonteins  Capito 
wurde,  sei  es  aus  persönlichem  Hasse,  sei  es  weil  man  ihn  des  Abfalls 
von  Galba  zieh,  von  seinen  zwei  Legionslegaten,  dem  der  ersten  bei 
Bonna,  Fabius  Valens,  und  dem  der  sechzehnten  bei  Novesinm,  Corne- 
lius Aquinus,  in  der  colonia  Agrippinensis  ermordet.  Die  wohl  von 
Galba  erwartete  Belohnung  blieb  aus.  An  die  Stelle  des  Fonteius 
sandte  Galba  nach  einiger  Zeit  den  A.  Vitellins,  den  bald  darauf  die 
niederrheinischen  Legiouen  in  der  colonia  Agrippenensis  zum  Imperator 
ausriefen.  Die  Legaten  der  fünften  und  fünfzehnten  Legion  in  Velera 
waren  Hunlus  Lupercus  und  Numisius  Rufus  (Tac.  Hist.  IV,  22.  60). 
Die  vierte  und  zweiuodzwanzrgste  Legion  in  Mogontiacum  (der  Legnt 
der  letztern  war  Diilius  Vocula)  nahmen  die  Erhebung  des  verhassten 
Galba  mit  Unwillen  auf;  am  L  Jitnuar  822  fielen  sie  ab  (Tac.  Hist- 
I,  18.  55).  Legat  der  einiindzwanzijistyn  Lvgion  in  Vindoni^^sa  war  der 
von  Galba  derselben  vorgesetzte,  dann  von  ihm  angeklagte  Alienos 
Caecina.  Alle  Rheinlegionen  vereinigten  sich  zum  Kampfe  für  Vitellius, 
den  sie  Rom  als  ihren  Schützling  aufzudrängen  und  eine  tolle  Soldaten- 
herrschaft einzuführen  gedachten;  auch  die  colonia  Agrippinensis  er- 
klärte sich  für  den  in  ihr  ausgerufenen  neuen  Imperator,  der  bald  io 
Rom  schmählich  enden  sollte.  U.  Düntzer. 


1)  Tac  Bist.  IV,  24.    Wilmanas  Nr.  IUI. 


Die  VictricenBes.  49 


4.    Die  Victricenses. 


In  einer  Inschrift  bei  Orelli  n.  208  wird  ein  censüor  dvium  Eonia- 
norum  coloniae  Vietricensis  guae  est  in  Britannia  erwähnt.  Diesen 
Beinamen  habe  ich  1877  in  den  Jahrb.  Heft  60  S.  65  zur  Verbesserung 
einer  merkwürdigen  Notiz  der  Veroneser  Völkertafel  des  J.  297  be- 
nutzt. Sie  lautet  nach  Mommsen,  Abh.  d.  Berl.  Akd.  1842  S.  493, 
wie  folgt:  Nomina  duitatum  trans  renum  fluuium  guae  sunt  Usiphorum 
tuuanium  nictrensium  nouarii  (?)  casuariorum:  istae  omnes  duitates  trans 
renum  in  formulam  belgicae  primae  redadae.  trans  castellum  montia- 
cesenum  LXXX  leugas  trans  renum  romani  possederunt.  istae  duitates 
sub  gaUieno  imperatore  a  barbaris  occupatae  sunt,  leuga  sina  habet 
mitte  quingentos  passus. 

Die  offenbarsten  Fehler  hat  Müllenhoff  a.  a.  0.  verbessert, 
indem  er  Usiporum,  Tubantum,  Chasuariorum  herstellte.  In  den  da- 
zwischen liegenden  Wörtern  sucht  er  die  Tencterer  und  ein  Volk,  des- 
sen Name  auf  -varii  endigt  Er  liest  also  Tencterorum  oder  Tendren- 
sium  und  allenfalls  Gattovarii. 

Dieser  Vermuthung  setzte  im  J.  1866  Becker,  Jahrb.  Heft  39/40 
S.  21  ff.  gewichtige  Einwürfe  entgegen.  Er  verlangt  vor  allem  Genetiv- 
endungen und  bezweifelt  die  Richtigkeit  der  Endsilbe.  Sodann  macht 
er  auf  die  Lücke  aufmerksam,  welche  zwischen  den  aufgeführten  Völ- 
kerschaften und  dem  Gastell  von  Mainz  bleibt.  Indem  er  diese  durch 
die  bedeutende  allbekannte  Festung  bei  Niederbiber  theilweise  ausfüllt, 
liest  er  die  verdorbenen  Worte  als  Viäoriensium  novorum.  Den  Namen 
Victoria  gibt  er  der  Stadt,  welche  er  nach  einer  Zerstörung  unter  Gal- 
lienus  von  Postumus  noch  im  3ten  Jahrhundert  wieder  aufbauen  lässt. 
Diese  grammatischen  Bedenken  scheinen  jenen  ausgezeichneten  Forscher 
bewogen  zu  haben,  seine  Herstellung  zu  ändern.  In  seiner  Ausgabe 
der  Germania  1873  S.  158  liest  er:  Tender[um]  .  .  .  uariorum,  Cha- 
suariorum. 

Ich  habe  im  J.  1877,  Jahrb.  Heft  60  S.  63  ff.,  die  berühmte  In- 
schrift Orell.  3714  angezogen,  nach  welcher  unter  Commodus  die  achte 
Legion  das  belagerte  Novia  entsetzt  hat.  Ich  schrieb  daher  nach  der 
Analogie  der  oben  angeführten  Inschrift:  Victricensium  Novianorum. 

Unser  verehrtes  Mitglied,  Herr  Prof.  Hübner,  bestreitet  Jahrb. 
1878  Heft  63  S.  47  meine  Ausführung  aus  folgenden  Gründen:  „erstens 
,,bewei8t  der  Name  der  Genossenschaft  der  signiferi  Victorienses  keines- 

4 


y 


60  Die  Viotricensefl. 

„wegs,  dass  das  ganze  Gastell  den  Namen  Victoria  nova  führte,  me 
„schon  die  älteren  Erklärer  der  Inschrift  fälschlich  angenommen  haben, 
„und  zweitens,  selbst  wenn  Victoria  oder  Victrix  Novia  erweislich  der 
„Name  des  Gasteils  gewesen  wäre,  so  würde  derselbe  sich  sicherlich 
„nicht  unter  die  Völkernamen  der  Veroneser  Handschrift  verirrt  haben." 

Von  diesen  Gründen  geht  mich  der  erste  nichts  an;  wenn  Hüb- 
ner mir  die  Benennung  Victorienses  Noviani  zuschreibt,  so  muss  er 
mich  mit  Becker  und  den  frühem  Erklärern  verwechselt  haben.  Denn 
ich  sage  ausdrücklich :  „die  Benennung  der  Stadt  hat  man  mit  Unrecht 
„davon  hergenommen'^  spreche  auch  nicht  von  Victorienses,  sondern 
von  Victricenses  0.  Der  zweite  würde  nur  dann  entscheiden,  wenn  es 
sicher  wäre,  dass  die  Handschrift  nur  Völkemamen  nennt  Sie  führt 
aber  auch  das  castellum  Mogontiacense  auf  und  muss,  da  sie  eine  geo- 
graphische Ordnung  verfolgt»  das  Gastell  oder  die  Stadtgemeinde  der 
Victricenses  an  seiner  Stelle  verzeichnen,  wenn  es  im  3ten  Jahrhundert 
dort  gelegen  hat.  Dass  dies  geschehen  ist,  beweist  die  Endung  -enses. 
Denn  diese  kann  gebraucht  werden,  wenn  es  sich  um  eine  Ableitung, 
sei  es  von  einem  Geschlecht,  wie  Gaesarensis,  oder  von  einem  Völker- 
oder Stadtnamen  wie  Taunensis  u.  dgl.  oder  von  einem  Beinamen  der 
Stadt  oder  des  Volks  wie  in  unserem  Falle  handelt,  nie  aber,  wenn 
das  Volk  selbst  seinen  eigentlichen  Namen  trägt.  So  würden  Tencte- 
renses  die  Einwohner  einer  Oertlichkeit  Teneterum  sein;  eine  solche 
aber  gibt  es  nicht;  das  Volk  selbst  heisst  überall  Tencteri  -). 

Die  zweite  Aenderung  Müllenhoffs,  welche  Hübner  still- 
schweigend aufgenommen  hat,  enthält  für  lateinische  Philologen  einen 
Kunstfehler.  Nicht  die  gesunden  Silben,  sondern  die  kranken  sind 
einer  Operation  zu  unterwerfen.  Was  kann  aber  gesunder  sein  als  die 
Endung  -ensium?  was  unwahrscheinlicher  als  der  Genetiv  Teneterum, 
der  einen  Nominativ  Tencteres  voraussetzt,  der  nirgendwo  vorkommt? 
Ebenso  wenig  darf  in  dem  folgenden  Worte  die  unanstössige  Silbe  no 


1)  Uebrigens  steht  der  Stadtname  Victoria  nicht  allein  an  der  von  Becker 
angeführten,  von  Hübner  besprochenen  Stelle  in  Caledonien  bei  Ptolemaeus 
2,  3,  9,  sondern  auch  in  Mauretania  Gaesarensis  bei  demselben  Ptolemaeus  4, 
2,  24.     Ich  sehe  auch  nicht   ein,  warum  er  nicht  gebraucht  werden  sollte. 

2)  Nur  bei  thracischen  und  dacischen  Stämmen  ist  die  P]ndung  -rivcnoi 
bei  Ptolemaeus  nicht  selten,  auch  bei  Ammianus  Marcellinus  (17,  13)  vereinzelt 
gebräuchlich;  s.  Zeuss,  Die  Deutschen  S.  2G2.  Wahrscheinlich  Ableitungsssilben 
von  einem  Stamm  oder  einer  Oertlichkeit.  In  Gallion  und  Germanien  kommen 
solche  Formen  nicht  vor. 


Die  Victricenns.  51 

beseitigt  werden;  also  ist  die  sonst  annehmbare  Conjectur  des  grossen 
Germanisten  -varioruin  hier  unstatthaft.  Einen  Genetiv  verlangt  die 
Gonstruction ;  die  nach  Mommsens  Bemerkung  nicht  ganz  sicheren 
Endbuchstaben  ii  ergeben  die  Form  . . .  rw,  es  fehlt  also  zwischen  no- 
und  der  Endung  -ruin  etwas  in  der  Mitte  an  einem  richtigen  Worte: 
die§  findet  sich,  wenn  man  das  überlieferte  -wa-  in  -mano-  oder,  was 
allenfalls  dem  schlechten  Lateiner  zuzutrauen  wäre,  in  -vio-  ändert. 

ürlichs. 


5.    Minerva-Statuette  aus  Ettringen. 


Hierzu  Taf.  I  u.  la. 


Die  kleine  bronzene  Athene,  deren  Abbildung  in  der  Grösse  des 
Originals  von  drei  verschiedenen  Seiten  auf  Tafeln  1  und  la  vorgelegt 
wird,  wurde  nach  Angabe  des  Besitzers,  in  der  Nähe  von  Ettringen  bei  CJot- 
tenheim  am  Bellerberg  (Kreis  Mayen,  Reg. -Bez.  Coblenz)  gefunden,  'auf 
freiem  Felde,  welches  mannigfache  üeberreste  römischer  Bauanlagen  zeigt* 
und  auf  welchem  eine  systematische  Ausgrabung  wohl  angebracht  sein 
würde. 

Das  Figürchen  ist  Vollguss,  fein  mit  dem  Meissel  nachciseliert, 
von  guter  Arbeit  und  wohlerhalten :  ausser  einigen.  Schlangentroddeln 
der  Aegis  und  dem  Helmbusch,  der  fast  ganz  abgebrochen,  fehlen  der 
Göttin  nur  die  Gegenstände,  welche  sie  ursprünglich  in  den  Händen 
hielt.  Welche  das  gewesen,  lässt  sich  wenigstens  vorläufig  beim  Man- 
gel von  Repliken  nicht  mit  voller  Sicherheit  entscheiden;  am  Einfach- 
sten und  Wahrscheinlichsten  wird  in  dem  Loch,  das  durch  die  vorge- 
streckte linke  Hand  geht,  die  Lanze  anzunehmen  sein;  die  gesenkte 
Rechte  scheint  libierend  die  Schale  gehalten  zu  haben. 

Athene  steht  ruhig  und  fest  auf  dem  rechten  Fuss,  während  das 
linke  Bein  spielend  ein  wenig  vorgesetzt  ist,  und  wendet  das  mit  dem 
eng  anliegenden  Helm  bedeckte  Haupt  ein  wenig  nach  der  rechten 
Seite  (vom  Beschauer  aus) ;  sie  ist  mit  einem  zwiefachen  Chiton  und 
grosser  Aegis  bekleidet,  welche  der  im  Ellenbogen  vorgestreckte  linke 
Arm  mit  sich  zieht,  so  dass  sich  ihr  Schlangensaum  auf  dem  rech- 
ten Oberarm  leicht  umlegt;  das  einfach  zurückgestrichene  Haar  ist 
hinten  in  einen  Zopf  zusammengefasst  und  fällt  auf  den  Nacken  herab. 


B9  Minerva- Statuette  aua  Ettlingen. 

Das  Interesse  der  kleinen  Bronze,  deren  Entstehung  in  das  erste 
oder  zweite  christliehe  Jahrhundert  fallen  mag,  liegt  hauptsächlich  in 
dem  umstände,  daas  uue  in  ihr  ohne  Zweifel  die  verkleinerte  Copie 
einer  grossen  Statue  und  zwar  der  ältei-en  griechischen  Kunst  erhalten 
ist.  Darauf  weist  die  volle  runde  Form  des  Gesichtes,  weiche  die  Sta- 
tuette von  Ettringen  mit  der  Parthenos  und  deren  Ablegern  —  z.  B. 
der  Minerve  au  coUicr,  der  Minerva  des  Antiochns  von  Athen  u.  a.  — 
gemein  bat,  im  Gegensatz  zu  dem  langen  Oval,  das  die  Athenaköpfe 
vom  vierten  Jahrhundert  an  bekommen;  zu  dieser  breiteren  Kopffona 
passt  auch  trefflich  der  kappenartige  Helm,  den  die  Parthenos  gleich- 
falls trägt.  Auf  einen  älteren  Typus  führt  ferner  die  Haltung  der  (an- 
zunehmenden) Lauze  mitten  am  Schaft,  wie  ja  auch  der  Olympisdie 
Zeus  seinen  Scepterstab  in  der  Mitte  gefasst  hat,  im  Gegensatz  zu  der 
späteren  pathetischeren  Weise,  Lanze  oder  Scepter  hochgefasst  zur 
Erde  zu  setzen.  Endlich  ist  die  eigenartige  Bekleidung  der  Bronze 
noch  hervorzuheben:  über  einem  bis  auf  die  Füsse  herabfallenden  Chi- 
ton ist  ein  zweiter  ein  wenig  kürzerer  Chiton  mit  langem  Ueberwurf 
gegürtet,  durch  dessen  faltigen  Schlitz  längs  des  rechten  Beins  jener 
Unterchiton  durchblickt;  dass  nicht  au  eineu  Mantel  {sog.  Diplax)  zu 
denken  ist,  wie  man  auf  den  ersten  Blick  und  mit  Rücksicht  auf  eine 
ganze  Reihe  von  Athenestatuen  ')  aBuehraen  möchte,  beweist  ausser 
der  Gürtung  die  FaltenJage  über  dem  Gurt,  Diese  seltene  Gewandung 
wiederholt  sich  ziemlich  genau  am  schönen  Torso  der  flcole  des  beaox- 
arts  und  dessen  Repliken  ^),  wo  aber  der  Unterchiton  durch  den  Schlitz 
des  Oberkleides  in  Folge  der  umgekehrten  Beinstellung  (r.  Spielbein) 
vollständig  hervortritt.  Ob  der  Pariaer  Torso  nun  wirklich,  wie 
Lange")  möchte,  auf  die  Promachos  des  Phidias  zurückzuführen  ist..- 
oder  nicht,  immerhin  hat  er  als  Copie  einer  Athene  des  fOnften  vor- 
christlichen Jahrhunderts  zu  gelten,  und  so  wird  denn  auch  diejenige 
Athenastatue,  von  der  uns  in  der  Bronze  von  Ettringen  eine  späte, 
bildlich  gute  Copie  erhalten  ist,  jenem  pericleischen  Zeitalter  angehört 
haben.    Und  darin  liegt  der  Hanptwertb  der  kleinen  Figur. 

Halle  a^.  B.  Heydemann. 


1)  Vgl.  <]azu  Bernoalli  MinervenaUtnen  S.  26  f. 

2)  Tgl.  dain  Archäol.  Mittb.  dea  »then.  Inat.  T  S.  102  ff. 
8)  ArcbftoL  Ztg.  ISBl  8.  197  ff. 


Die  jüngsten  Funde  aaf  dem  Boden  des  römischen  Gastmms  za  Deutz.    63 


6.    Die  Jüngsten  Funde  auf  dem  Boden  des  römischen  Castrums 

zu  Deutz. 


Hierzu  Taf.  III,  2  u.  Taf.  IV. 


Seitdem  man  im  Sommer  1879  bei  der  Ausschachtung  des  Bodens 
im  Garten  der  Artillerie -Werkstatt  aut  die  Reste  eines  römischen 
Thurmes,  des  mittleren  der  Nordseite,  stiess,  worüber  der  Unterzeich- 
nete zuerst  berichtet  hat  0>  ist  es  durch  Bewilligung  reicher  Geldmittel, 
die  den  Lokal  Untersuchungen  von  verschiedener  Seite,  besonders  vom  Bon- 
ner Provinzial-Museum  zuflössen,  gelungen,  den  äusseren  Umfang  und 
die  bauliche  Anlage  des  römischen  Castrums  zu  Deutz  im  Allgemeinen 
festzustellen,  wie  das  von  Oberst  Wolf  im  69.  Hefte  dieser  Jahrbücher 
(S.  13  flf.)  mitgetheilte  Ergebniss  zeigt.  Die  Ausbeute  an  Inschriften 
und  andern  Gegenständen  des  römischen  Kulturlebens  war  verhältniss- 
massig  gering.  Um  so  erfreulicher  ist  es  daher,  dass  neuerdings  bei 
der  Verlegung  des  Bergisch-Märkischen  Bahnhofs  in  den  westlichen  Theil 
dieses  Castrums  weitere  Aufklärungen  nach  dieser  Seite  hinzugetreten 
sind.  Die  Zusammenfassung  der  bisher  gewonnenen  Resultate  einer 
ferneren  Besprechung  vorbehaltend,  sollen  im  Folgenden  nur  die  im 
Laufe  dieses  Sommers  gemachten  Funde  kurz  mitgetheilt  werden.    . 

Der  Gang  der  Arbeiten  zur  Fundirung  des  Bahnkörpers  längs 
dem  Rheinufer  umfasste  zunächst  die  westliche  Umfassungsmauer  des 
römischen  Gastrums,  welche  in  ihrer  ganzen  Länge,  soweit  dieselbe 
noch  vorhanden,  bis  auf  die  Sohle  blossgelegt  wurde.  Der  beifolgende 
Situationsplan  Taf.  III,  2,  den  ich  der  Güte  des  Herrn  Baumeisters 
Rosskothen  verdanke,  gibt  den  Querdurchschnitt  des  damaligen  Bau- 
horizont sowie  die  Profile  an ;  die  rothe  Farbe  bezeichnet  das  römische, 
die  blaue  das  moderne  Mauerwerk.  Zur  näheren  Erläuterung  möge 
noch  Folgendes  dienen. 

Von  derWestfronte  des  Castrums  war  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
nur  die  grössere  nördliche  Hälfte  mit  Einschluss  der  beiden  Thorthürme 
in  der  Ausdehnung  von  c.  82,96  m  den  zerstörenden  Wirkungen  der 
Zeit  und  des  Stromes  entgangen.  Aber  auch  diese  waren  der  Art  aus- 
gewaschen und  unterspült,  dass  die  Fest ungs- Baubehörde,  welche  sie 


1)  Siehe  Köln.  Zeitung  vom  6.  JuU  1879,  zweites  Blatt,  unter  dem  Titel : 
'Die  Aasgrabungen  zu  Deutz  und  ihre  Wichtigkeit  für  die  Heimathkunde'. 


Sl     Dio  JUugston  Funde  auf  0cm  Boileii  lies  römigchen  Caatrums  eu  Deutz. 

vor  UDgüiahr  50  Jahren  bei  Ilerstelinng  der  sog.  Abschliiss-  otlerKehl- 
iiiauer  mitbenutzen  wollte,  dazu  übcrfrehen  musste,  sie  nach  aussen 
neu  zu  bekleiden  und  zu  vertiefen.  Die  dazu  vernaudtcn  Basalt- 
Bteine  verliehen  diesem  Theile  der  römischen  Mauer  vom  Ufer  aus 
ein  ganz  modernes  Gepräge,  und  nur  einzelne  behauene  Steine,  dar- 
unter einige  mit  verwitterten  Schriftzeiehen  versebene,  sowie  der  an 
einigen  Punkten  noch  hervortretende  römische  Mörtel  verriethen  dem 
kundigen  Auge  den  früheren  Charakter.  An  der  Innenseite  hatten 
die  alte  Pfarrkirche,  der  Kirchhof  und  das  Spital  den  ursprünglichen 
Zustand  hesser  gewahrt,  wie  die  im  Laufe  dieses  Frühjahrs  vorge- 
nommene Ausschachtung  ergab. 

In  ihrer  baulichen  Anlage  trug  die  Westseite  im  Allge- 
meinen denselben  Charakter  wie  die  entgegengesetzte  Ost- 
aeite.  Der  Eingang  war  durch  zwei  Halbthürme  gedeckt,  die  6,50  m 
von  einander  abstanden.  Zwischen  dem  nördlichen  Halbthurm  und 
dem  Schiukenkessel,  wie  der  nordwestliche  Eckthurm  genannt  wird, 
genau  in  der  Mitte,  lag  noch  ein  Thurm.  Aus  der  nördlichen  Hälfte 
liess  sich  die  südliche  Hälfte  der  Westfronte  leicht  reconstruiren. 

Auch  die  Art  des  Mauerwerks  war  von  der  anderwärts  be- 
obachteten nicht  verschieden:  Der  Überbau  bestand  aus  je  drei  Lagen 
Tuff  und  einer  XiageZiegelpl&tten;  die  Zwischenmaaem  hatten  nach  onten 
einfache,  die  Thllrme  eine  doppelte  Verstärkung,  wie  die  Profile  zeigen. 

Die  Stärke  der  Mauern,  welche  sich  mit  UUcksicht  auf  die 
rheinwärts  stattgefundenen  Zerstörungen  nur  annäherungsweise  be- 
rechnen lässt,  scheint  au  dieser  Seite  geringer  gewesen  zu  sein,  als  an 
der  übrigen.  Die  Höhenmassc  dagegen  Hessen  sich  genau  ermitteln. 

Die  römischen  Mauerreste  traten  an  einigen  Stellen  gleich  unter 
der  Oberfläche,  an  andern  etwas  tiefer  zu  Tage.  Die  obersten  Punkte 
lagen  9,57  m,  die  Sohle  der  Fundamente  gleichmässig  5,00  m  über 
dem  Nullpunkte  des  Kölner  Pegels,  mithin  betrug  die  ganze 
Höhe  4,57  m.  Die  Verstärkungen  der  Zwischenmauern  lagen  nördlich 
6,98  m,  weiter  südlich  7,24  m,  die  der  ThUrme  8,14  m  Über  dem  Null- 
punkt des  K.  P.  Nimmt  man  nun  an,  dass  diese  Verstärkungen  einen 
Theil  der  Fundamentirung  ausmachten,  so  gehörten  von  der  soeben 
gefundenen  Gesammthöhe  von  4,57  m  3,14  m  dem  Unterbau,  1,43  m 
dem  Oberbau  an.  Ein  in  dem  nördlichen  Thorthurm  eingebauter 
Bogen  scheint  dem  späten  Mittelalter  anzugehören,  derselbe  ist  flach 
und  nachlässig  gebaut.    Sein  Zweck  lässt  sich  nicht  errathen  ').    Dem 

1)  Auf  die  vom  Oberat  Wolf  in  der  'Weatdautschen  Zeitachrift  Kx  G»- 


Die  jüngsten  Fundo  auf  dem  Bodon  des  römischen  Castrums  zu  Deutz.    66 

Oberbau  entspricht  die  Auflandung  des  Bodens  an  dieser  Stelle.    So- 
viel über  die  westliche  Umfassungsmauer. 


Von  Funden,  die  während  des  Bahnbaues  auf  dem  Boden  des 
römischen  Castrums  an  verschiedenen  Stellen  gemacht  wurden,  mögen 
die  wichtigsten  in  Folgendem  aufgezählt  und  kurz  besprochen  werden. 

Bei  der  Ausschachtung  des  Bodens  gegenüber  der  kath.  Pfarrkirche 
fand  man  eine  Bronze-Gruppe  (Taf.IV).  Im  Vordergrunde  steht  eine 
männliche  Figur  mit  krausem  Bart  um  Wangen  und  Kinn,  während 
die  Oberlippe  bartlos  ist.  Ueber  dem  linken  Arm  hängt  ein  Löwen- 
fell, im  Uebrigen  ist  sie  vollständig  unbekleidet.  Das  linke  Bein  ist 
vorgestreckt.  In  der  Rechten  trägt  sie  eine  kurze  knorrige  Keule  und 
fasst  mit  der  Linken  eine  weibliche  Figur  bei  den  Haaren,  die  auf  einem 
in  schnellem  Laufe  befindlichen  Pferde  sitzt.  Diese  hat  das  aufgelöste 
Haar,  welches  sich  wie  ein  Mantel  um  Nacken  und  Schultern  legt,  in 
der  Mitte  gescheitelt  und  trägt  einen  bis  zum  Halse  hinaufreichenden 
Aermelchiton  nebst  einem  kurzen  Obergewand,  welche  beide  durch 
einen  Gürtel  zusammen  gehalten  werden.  Eng  anliegende  Stiefel,  die 
vom  zugeschnürt  sind,  vervollständigen  ihren  Anzug. 

Wie  Keule  und  Löwenfell  den  Mann  deutlich  g;enug  als  Herkules 
kennzeichnen,  so  genügt  die  Pelta,  in  der  Reiterin  eine  Amazone  zu  erblicken. 

Wir  stehen  in  dem  Deutzer  Castrum  zwar  auf  römischem  Boden,  allein 
die  in  der  Gruppe  zum  Ausdruck  gebrachten  Vorstellungen  gehören  nicht 
dem  römischen  oder  gar  keltisch-gallischen,  sondern  dem  griechischen  My- 
thus an.  —  Die  Amazonenkämpfe  sind  ein  Wiederhall  der  ältesten  feindse- 
ligen Berührungen  zwischen  den  Hellenen  und  Asiaten.  Infolge  des  neu- 
gestärkten Nationalbewusstseins  nach  den  Perserkriegen  hat  die  bildende 
Kunst  sich  dieses  Stoffes  bemächtigt  und  in  nationalem  Sinne  verwerthet 
Das  Parthenon,  der  Theseustempel  und  die  Poikile  zu  Athen,  der  Zeus- 
tempel zu  Olympia,  der  Apollotempel  zu  Bassä  und  viele  andere  sind 
mit  Darstellungen  aus  diesem  Sagenkreise  geschmückt.  Und  was  die 
grössten  Künstler  der  Blüthezeit  dort  geschaffen,  ist  in  immer  weitere 
Kreise  gedrungen  und  hat  befruchtend  fortgewirkt,  soweit  hellenische  Bil- 


schiohte  und  Kunst',  Jahrg.  I,  H.  1  S.  49  fif.  hierüber  geäusserte  Yermuthung, 
welche  dem  Verfasser  erst  während  des  Druckes  zu  Gesicht  gekommen  ist,  kann 
hier  keine  Rücksicht  genommen  werden;  eine  demnächst  erscheinende  Bespre- 
chung des  ganzen  Gastrums  wird  ohnehin  Veranlassung  bieten,  diese  wie  andere 
Angaben  einer  näheren  Prüfung  zu  unterziehen. 


^ 


56    Dio  jüngsten  Funde  auf  dem  Boden  des  römischen  Gastrums  zu  Deutz. 

dung  reichte.  ~  Unter  allen  griechischen  Helden  aber  ist  Herkules  als  Re- 
präsentant des  Hellenthums  und  zugleich  einer  höheren  sittlichen  Weltord- 
nung am  häufigsten  mit  diesen  Kämpfen  in  Verbindung  gebracht  worden. 
Mit  dem  Auftrage,  den  Gürtel  der  Hippolyte  zu  holen,  verknüpfte  die 
griechische  Sagendichtung  eine  Reihe  anderer  Abenteuer  mit  Amazonen. 
Allein  trotz  aller  Freiheit,  welche  sich  die  Künstler  gestatteten,  haben 
gbwisse  Vorstellungen  ein  typisches  Gepräge  erhalten.  So  das  Reiten 
der  Amazonen,  ihre  Waffen,  insbesondere  der  halbmondförmige  Schild, 
Pelta  genannt,  die  Bekleidung  der  Beine,  bisweilen  auch  des  Kopfes 
nadt  Art  der  phrygischen  und  scythischen  Völker  0- 

In  dieser  fertigen  Gestalt  ist  der  Mythus  zu  den  Römern  ge- 
kommen und  auch  in  der  oben  beschriebenen  Gruppe  leicht  zu  er- 
kennen. Zur  plastischen  Darstellung  dieses  Kampfes  ist  hier  der  Mo- 
ment gewählt,  wo  Herkules,  dessen  vorgestrecktes  linke  Bein  die  Be- 
wegung andeutet,  die  besiegte  Amazone  eingeholt  und  bei  den  Haaren 
erfasst  hat.  Die  Amazone  trägt  ausser  dem  Schilde  in  der  Linken 
keine  Waifen  und  sucht  mit  der  Rechten  den  Angriif  abzuwehren. 
Das  Ergreifen  bei  den  Haaren  als  Motiv,  um  bei  plastischen  Darstel- 
lungen das  Resultat  des  Kampfes  zu  bezeichnen,  findet  sich  schon 
am  Apollotcmpel  zu  Bassä  und  am  Mausoleum  zu  Hallikamass,  dort 
bei  einem  jugendlichen  Griechen,  hier  bei  Herkules  angewandt.  Je  mehr 
dieses  Motiv  bei  si)äteren  Darstellungen  typisch  geworden,  je  mehr  ver- 
lor sich  auch  das  künstlerische  Verständniss  für  seinen  Vorgang. 

DiekünstlerischeBehamllung  der  DeutzerGruppe  ist  durchaus  schwach 
und  verriith  eine  sehr  spate,  mindestens  constantinischeZeit.  Die  Amazone 
zeigt  keine  Spur  von  der  plastischen  Schönheit,  welche  die  grossen  Meister 
ihnen  zu  geben  wussten;  der  Herkules  ist  plump  und  seine  Stellung  zur 
Amazonii  unglücklich  zum  Ausdruck  gebracht.  Wie  ein  Statist,  dem  es 
vor  Allem  auf  das  Gesehenwerden  der  Zuschauer  ankommt,  wendet  er 
sich  en  face  dem  Beschauer  zu,  indem  er  seine  Action  vergessend,  diese 
eigentlich  nur  durch  das  Anliegen  der  linken  Hand  an  den  Kopf  der 
Amazone  noch  andeutet-).     Beide  Figuren  sind  schlecht  proportionirt, 

1)  Die  Belegstellen  bei  Steiner:  Ueber  den  Amazonen-Mythus  in  der 
antiken  Plastik.   Leipzi^jf  1857. 

2)  Zu  ähnlichen  Wahrnehmungen  veranlassen  Darstellungen  von  Amazoneu- 
kiimpfen  auf  einer  Silbervase  im  Museum  zu  Petersburg.  ( Antiquites  du  Bosphoro 
Cimmerien  au  Musecs  imp.  de  TKremitapfe.  T.  XL  IT.).  Eine  der  Amazonen  sitzt 
hier  so  vollstiindi^^  ruhi<r  auf  ihrem  gegen  einen  Krieger  anspringenden  Pferde, 
als  sei  vun  einem  wirklichen  Kampfe  keine  Rede. 


Die  jangsten  Funde  aaf  dem  Boden  des  römischen  Castrums  ku  Deutz.    57 

besser  das  Pferd.    Das  Geschirr  desselben  und  Einzelheiten,  wie  das 
gekräuselte  Haar  des  Hercules,  sind  dagegen  sorgföltiger  behandelt. 

Die  Masse  ergeben  für  die  Länge  der  Gruppe  0,208,  für  die  Höhe 
0,139.  Die  Platte,  auf  welcher  sie  befestigt  ist,  hat  die  Form  eines 
Kreissegments,  aus  dessen  Kiickseite  ein  gerundetes  Stück  ausgeschnitten 
ist(Taf.IV,  la).  Sie  lässt  durch  eingebohrte  Löcher  erkennen,  dass  die 
Gruppe  als  Aufsatz  befestigt  war.  In  welcher  Weise  und  auf  welche  Art  von 
Untersatz,  ob  vielleicht  auf  dem  Deckel  einer  Gista  bleibt  schwer 
zu  entscheiden.  Jedenfalls  hat  die  Basis  ihre  jetzt  hinterwärts  verschnit- 
tene Form  ursprünglich  nicht  gehabt.  Wohl  aber  geht  aus  der  vernach- 
lässigten Formbildung  der  Rückseite  hervor,  dass  die  Gruppe  gegen 
eine  Rückwand,  vielleicht  in  einer  Nische,  und  nicht  freistand. 

Ferner  traf  man  an  derselben  Stelle  einige  birnenförmige  Grab- 
umen  von  grauem  Thon  c.  27«  m  unter  der  Oberfläche.  Der  enge 
Hals  war  verschlossen  und  im  Innern  der  Urne  stand  auf  dem  Boden 
eine  kleine  Schale,  welche  die  Asche  und  Knochenreste  enthielt. 

Mancherlei  neue  Aufschlüsse  lieferten  die  Arbeiten,  welche  zur 
Fundirung  des  Bahnkörpers  am  Bheinufer  ausgeführt  wurden.  So- 
weit nämlich  unsere  Kunde  zurückreicht,  diente  dieser  Theil  des 
Castrums  als  Kirchhof.  Daher  die  ungeheure  Menge  von  Gebeinen 
jeglichen  Alters  und  Geschlechts.  Auch  Ueberreste  von  Thieren  waren 
nicht  selten.  So  beobachtete  der  Unterzeichnete  in  der  Tiefe  von  c. 
.2,50  m  unter  der  Oberfläche  eine  horizontal  liegende  römische  Ziegel- 
platte, die  mit  Asche  und  verkohlten  Knochenresten  ganz  bedeckt  war; 
unter  den  zerstreut  umherliegenden  Knochen  konnte  man  mehrere 
Kinnbacken  von  Schweinen,  zwei  Hundegebisse  u.  a.  unterscheiden. 
Dass  hier  zahlreiche  Scherben  von  mittelalterlichen  und  antiken  Thon- 
gefässen,  römische  Ziegelstücke  jeder  Art  angetrofien  wurden,  bedarf 
wohl  kaum  der  Erwähnung.  Der  Untersatz  eines  kleinen  Schäkhens 
hatte  auf  der  Unterseite  den  Töpferstempel 

"VRNVS/ 


Ein  Ziegelfragment  trug  die  Zeichen  [LEGXX-  •.  Welcher  Legion 
der  Stein  angehörte,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  denn  nur  das  erste 
Zahlzeichen  ist  vollständig  vorhanden,  das  zweite  fällt  schon  theilweise 
in  den  Bruch,  lässt  sich  aber  mit  Sicherheit  ergänzen. 

Eine  viel  reichere  Ausbeute  lieferte  die  Beseitigung  der  beiden 
Thorthürme.  Nachdem  dieselben  Ende  Juli  d.  J.  mit  Pulver  gfepretJgt 
waren,  wurde  der  Schutt  zum  Schutze  der  neu  angelegten  Böschung^- 


1 


Die  jüngsten  Funde  auf  dem  Boden  des  römischen  Castrums  zu  Deutz.    59 

ProvinzialstatthalterD,  welche  niemals  Consuln  gewesen  waren'.  Be- 
lege für  den  erweiterten  Gebrauch  dieses  Titels  und  seine  Abkürzung 
in  cos  finden  sich  u.  a.  im  C.  I.  V  nr.  868—870,  3248  u.  3338. 

Da  diese  Erklärung  jedoch  nur  zulässig  ist  durch  Annahme  einer 
Anomalie,  die  Stellung  vom  praenomen  des  Vaters  hinter  dem  cognomen 
des  Sohnes,  so  ist  es  einfacher  und  richtiger,  den  Ausfall  eines  B  an- 
zunehmen und  den  genannten  Sextus  Valerius  Verus  der  Klasse  der  be- 
neficiarii  consulares  zuzuweisen,  welche  häufig  auf  Inschriften  genannt 
werden,  so  auf  zwei  Steinen  im  Kölner  Museum  (vgl.  Düntzer,  Verz. 
der  röm.  Alterth.  II,  4  u.  193),  um  ein  Beispiel  aus  der  Nähe  anzu- 
führen. Dem  Schriftcharakter  nach  scheint  die  Inschrift  dem  3.  Jahr- 
hundert anzugehören. 

Von  einem  zweiten  Votivsteine  ist  nur  die  obere  linke  Ecke  er- 
halten, 25  cm  breit,  32  cm  hoch  und  14,8  cm  dick.  Der  Kopf  zeigt 
eine  ähnliche  Behandlung  wie  der  vorhergehende,  auch  findet  sich  an 
der  linken  Seite  der  obere  Theil  desselben  Baumes.  Die  Vorderseite 
trägt  folgende  Schriftzeichen: 


In  der  ersten  Zeile  scheint  die  Widmung  gestanden  zu  haben; 
denn  die  Buchstaben  dieser  Zeile  sind  grösser  als  die  von  Zeile  zwei 
und  drei ;  jene  haben  eine  Höhe  von  48  mm,  diese  von  34  mm.  Her- 
kulesaltäre waren  ja  in  unserer  Provinz  nicht  selten.  Ueber  die  Er- 
gänzung der  2.  Zeile  wage  ich  keine  Vermuthung,  glaube  jedoch  auf 
die  im  Kreise  Jülich  gefundenen  Matronensteine  hinweisen  zu  dürfen, 
auf  denen  Matronae  Gesaienae  Gesahenae  vorkommen  ')• 

Ein  weiteres  Stück  von  einem  Votivstein  ist  oberhalb  der  Inschrift 
abgebrochen.  Ein  weicher  Sandstein,  dessen  Rand  dicker  ist  als  die 
Inschriftenfläche,  enthält  folgende  Schriftzeichen: 


-      "  fSEVE 

-  .  .  -  A  NO 


Andere  Funde  wurden  an  der  Westfront  nicht  gemacht,  dagegen 


1)  Bramb.,  C.  I.  Rh.  n.  616.    Haug,  Die  röm.  Denksteine  des  grossher- 
zogl.  Antiquariams  in  Mannheim  nr.  24  u.  31. 


GO    Die  jängHteo  Funde  auf  dem  Bodüu  dea  römJHchOQ  Cutnimg  xa  Deutz, 

wurden  unmittelbar  vor  der  Nonlfront  bei  der  ÄusscliachtuDg  des 
Bodens  zur  Herstellung  eines  sog.  DiamaDtgrabeRs  zum  Schutze  des 
Schiukenkes3els,  des  einzigen  Thurines  vom  römishem  Castrum,  der 
auch  in  Zukuoft  Bciner  ursprünglichen  Bestimiuung  erhalten  bleibt, 
zwei  Gegenstände  aufgefunden,  die  einer  Beachtung  werth  sind:  ein 
Löwe  und  das  Fragment  einer  Inschrift, 

Der  aus  Stein  gehauene  Löwe  ist  gleich  den  meisten  andern  Fund- 
Stücken  stark  beschädigt,  da  Schnauze,  Schweif  uud  Beine  gröseten' 
theils  fehlen.  Schon  in  der  römischen  Periode  hatte  man  ihn  als 
Baustein  gebraucht,  wie  der  an  den  beiden  Seiton  vorhandene  Mörtel 
beweist.  Der  erhaltene  Theil  hat  eine  Hübe  von  48  cm  uud  die  Länge 
vom  Schweife  bis  zur  Schnauze  beträgt  90  cm.  Dieser  Lowe  hatte 
ursprünglich  eine  aufrecht  stehende  Stellung  mit  voranstehendem  rechten 
Hinterbein  und  erhobenem  linken  Vorderbein.  Zwischen  den  Vorder- 
beinen zL'igen  sich  Reste  eines  viereckigen  Stiltzpunktes  und  zwei  am 
Eude  des  Rückgrads  und  auf  der  Mähne  befindliche  senkrechte  Ein- 
bohrungen, in  denen  abgebrochene  viereckige  Eisenstückc  mit  Bleiguss 
befestigt  sind,  scheinen  anzudeuten,  dass  derselbe  auf  dem  Rücken  eine 
Figur  getragen  hat. 

Der  obere  Theil  einer  Steinplatte,  48,5  cm  breit,  25,2  cm  hoch 
und  13  cm  dick,  enthält  folgendes  in  schonen  regelmässigen  Ziigen 
cingehauene  Fragment  einer  Inschrift: 


iQ-sevERivj^ 

V  I  T  A  L  l/s 


I  ^   n  p  T  D  p  > 

In  der  2.  und  S.Zeile  ist  nur  je  ein  Buchstabe  ausge&llea.  Die 
Ergänzung  des  s  In  Zeile  zwei  dürfte  wohl  keinen  Widerspruch  findCD. 
In  der  3.  Zeile  haben  wir  jedenfalls  die  Reste  eines  Cognomens  zu  dem 
vorhergehenden  Namen  vor  uns;  wie  dieses  gelautet,  wird  wesentlich 
davon  abhangen,  ob  man  in  dem  letzten  Buchstaben  die  Reste  eines 
A  oder  I  erkennen  will,  mir  scheint  letzteres  der  Fall  zu  sein,  so  dass 
der  Eingang  der  Inschrift  muthmasslich  gelautet  hat:  Q.  Severios 
Vitalis  Agrippinensis. 

Zum  Schlüsse  sei  noch  erwähnt,  dass  ausser  etwa  einem  Dutzend 
römischer  Münzen  aus  der  späteren  Kaiserzeit,  von  Constanz,  Constantin 
Valeotinian  u.  a.,  deren  Fundorte  im  Einzelnen  nicht  mehr  angegeben 
werden  können,  beim  Baggern  im  Rhein  mehrere  Theile  eines  schönen 
römischen  Kelchglases  sowie  zwei  Mammuthzähne  zum  Vorschein  kamen, 
von  denen  einer  vollständig  ist,  während  am  andern  einige  Lamelleo 


Die  jüngsten  Funde  auf  dem  Boden  des  römischen  Gastrams  zu  Deutz     61 

fehlen.  Der  Fundort  beider  war  gleich  unterhalb  des  Castrums  etwa 
50  —  60  Meter  vom  Ufer  entfernt.  Die  geringe  Tiefe  des  Fundortes, 
welche  ungefähr  dem  Nullpunkte  des  Kölner  Pegels  entspricht,  lässt 
vermuthen,  dass  diese  Mammuthzähne  angeschwemmt  waren.  Ein  sil- 
berner Adler,  der  ebenfalls  gefunden  sein  soll,  ging  angeblich  in  den 
Privatbesitz  des  Herrn  Oberst  Wolf  über. 


Sieht  man  von  den  grösstentheils  aufgedeckten  Umfassungsmauern 
ab,  so  umfasst  das  bisher  Gefundene  gewiss  nur  einen  kleinen  Theil 
dessen,  was  der  Boden  noch  birgt;  allein  auch  dieses  Wenige  bietet 
uns  einige  Anhaltspunkte  für  die  äussere  und  innere  Ausstattung  des 
Deutzer  Gastrums.  Mag  auch  in  ersterer  Beziehung  die  bauliche  An- 
lage im  Allgemeinen  den  praktischen  Bedürfnissen  entsprochen  haben, 
so  zeigten  doch  die  Eingänge  ursprünglich  jenen  ornamentalen  Schmuck, 
auf  welchen  die  Römer  bei  öflFentlichen  Bauten  stets  hohen  Werth 
legten.  In  letzterer  Beziehung  aber  darf  man  wohl  behaupten,  dass 
zahlreiche  Denkmäler,  Bildsäulen,  Gedenk-  und  Weihesteine  das  Innere 
geschmückt  haben. 

Zugleich  bezeugen  die  oben  erwähnten  Umstände,  unter  denen  man 
die  Denkmäler  aufgefunden  hat,  die  Thatsache,  dass  dieses  Castrum 
einst  eine  grosse  Zerstörung  erlitten  hat,  bei  welcher  die  stürmenden 
Feinde  auch  die  Heiligthümer  nicht  schonten.  Ihre  Verwendung  sodann 
als  gewöhnliche  Mauersteine  lässt  aber  auch  erkennen,  dass  die  Bömer, 
welche  das  Castrum  wieder  aufbauten,  von  ihren  Vorgängern  zwar  die 
alte  Technik,  aber  nicht  den  alten  Geist,  welcher  diese  Gegenstände 
für  heilig  hielt,  überkommen  hatten.  Diese  letztere  Thatsache  macht 
es  wahrscheinlich,  dass  die  Zerstörung  und  letzte  Wiederherstellung 
schwerlich  vor  der  Mitte  des  4.  Jahrhunderts  stattgefunden  hat. 

Schwörbel. 

Nachtrag.  Bei  vorstehender  Berichterstattung  konnten  die 
inzwischen  erschienenen  Besprechungen  der  Amazonen-Gruppe  von  Geb- 
hard  in  der  Festschrift  für  Crecelius  S.  99  flF.  und  von  Duhn  in  der 
Westdeutschen  Zeitschrift,  Jahrg.  I,  H.  I,  S.  178  f.  nicht  mehr  benutzt 
werden.  L.  S. 


BömiKhe  IiiBcbriftea  hui  Bmui. 


7.    Römische  Inschriften  aus  Bonn. 


1. 
Der  Beit  einigen  Wochen  begonnene  Abbruch  des  beim  Neubaa 
der  Stiftskirche  noch  stehen  gebliebenen  hinteren  Theiles  der  alten 
Kirche  hut  die  daran  geknüpfte  HofTnung  (ier  hiesigen  Freunde  des 
Alterthuins  auf  antiquarische  Ausbeute  wenigstens  nicht  ganz  ge- 
täuscht Ausser  mehreren  alten,  in  die  Seitenmauer  hinein  verarbeiteten 
Flursteinen,  die,  wenn  sie  noch  an  ihrem  alten  Standorte  sich  bcräDdcn, 
uns  interessante  Aufschlüsse  Über  den  Umfang  des  Besitzthums  des 
ursprünglichen,  vor  dem  Cölnthor  gelegenen  Stiftes  Dietkirchcn  geben 
würden,  mit  der  Aufschrift  DIETK:  |  LANDT,  ist  man  am  lOten  MSrz, 
wo  man  den  Todtenkeller  des  Stiftes,  der  noch  die  Gebeine  mehrerer 
Stiftsditmen  beherbergt,  öffnete,  auf  eine  grosse  Platte  ')  von  Stelzen- 
berger  Trachyt  gestossen,  welche  zum  Grabmal  einer  Stiftsdame  des 
uralten  Stifts  gehörte. 


1)  Dieselbe  ist  1,15  m  lang,  0,66  m  breit  und  0,09  m  dick  and  trigt 
innerhalb  eiDSr  nDgium  gezogensD  Leitte  eine  Intcbrift.  Dft  dieselbe  fSr  den 
Erfortoher  der  Geschichte  alter  rheiniicher  Familien  von  iDtereue  lein  kmnn, 
•o  theilen  wir  lia  hier  im  Wortlaute  mit: 

CLAVDITVRHO 

CTVMVLOINTE 

GERRIM/tVIT/t 

VIRGOMARIAh€ 

INERTjHAGENS 

ANNOSNATAA 

M0RTESVA18P0 

STQ  V05 

N  V      ^  t,M     N  Q 

VA         T       MVl 

VE  *         RED 

ESIIT        " 

AO  1666 


Rdmisehe  Insohriften  ans  Bonn.  68 

Von  grösserer  Bedeutung  sind  die  Funde,  welche  das  römische 
Alterthum  betre£fen.  Zunächst  fand  man  das  Bruchstück  eines  Reliefs 
ans  gelblichem  Sandstein,  hoch  0,68  m,  breit  0,33  m,  dick  0,25  m, 
das  zu  einem  grösseren  Monument  gehört  zu  haben  scheint  In  einer 
nischenförmigen  Vertiefung  liegt  eine  nackte,  anscheinend  weibhche 
Gestalt,  von  jugendlichen  Körperformeu,  von  der  die  untere  Parthie 
von  den  Lenden  abwärts  jetzt  fehlt,  gestützt  auf  den  Ellenbogen  des 
linken  Armes,  wärend  die  rückwärts  gewendete  Hand  des  erhobenen 
Vorderarmes  das  nach  hinten  gekämmte,  reichlich  über  die  Schultern  und 
den  Nacken  herabwallende  Haar  erfasst.  Der  rechte  Arm  ist  den  Körper- 
linien angeschmiegt,  aber  sehr  beschädigt;  die  rechte  Hand  fehlt  jetzt. 
Ebenso  ist  das  Gesicht,  welches  dem  Beschauenden  zugekehrt  war,  so- 
wie die  Brust  jetzt  abgestossen. 

Noch  wichtiger  aber  ist  der  Fund  eines  römischen  Inschriftsteines, 
welcher  bei  der  Fortsetzung  der  Arbeiten  am  15.  März  zu  Tage  ge- 
fördert wurde.  Derselbe  war  in  die  äussere  Mauer  der  Kirche  so 
hineingesetzt,  dass  die  Seite,  welche  die  Inschrift  trägt,  nach  innen 
gekehrt  war.  Dass  die  Stelle,  wo  er  gefunden  wurde,  bei  ihm  eben- 
so wenig,  wie  bei  den  Flursteinen,  als  sein  ursprünglicher  Standort  anzu- 
sehen ist,  sondern  dass  er  vielmehr  mit  dem  noch  brauchbaren  Material 
des  uralten  vor  dem  Cöinthor  gelegenen  Stifts  Dietkirchen,  welches 
zum  Theil  mit  den  Trümmern  des  römischen  Castrum  erbaut  worden 
ist,  an  seine  jetzige  Stelle  verschleppt  worden  ist,  liegt  nach  dem,  was 
in  diesen  Jahrbüchern  LXVI,  1879,  S.  108.  LXVII S.  65  über  die  Schick- 
sale des  alten  Klosters  Dietkirchen  und  die  Entstehung  der  jetzt  dem 
Abbruch  überlieferten  Stiftskirche  von  aus'mWeerth  und  mir  bemerkt 
worden  ist,  nicht  nur  zu  vermuthen  nahe,  sondern  wird  auch  durch  den 
Inhalt  der  Inschrift,  welche  sich  auf  die  Errichtung  eines  mit  dem  Ca- 
strum eng  verbundenen  Gebäudes  bezieht,  zur  Gewissheit  erhoben. 

Das  Material  des  Steines,  der  sich  jetzt  im  Provinzialmuseum  zu 
Bonn  befindet,  besteht  aus  Trachyt  vom  Drachenfels.  Er  ist,  weil  als 
Baustein  verwendet,  später  dem  Bedürfniss  entsprechend  zugehauen 
worden.  In  Folge  dieser  Verstümmelung  ist  die  linke  Seite  vom  Be- 
schauer stark  und  schräg  abgehauen,  wodurch  jede  Zeile  dort  bald 
einen  ganzen  bald  einen  halben  Buchstaben  eingebüsst  hat.  Auf  der 
rechten  Seite  scheint  dagegen  nur  ein  sehr  schmaler  Streifen  abge- 
'  nommen  worden  zu  sein,  da  dort  bloss  der  Schluss  von  ein  Paar  Zeilen 
gelitten  hat  Das  vorhandene  Stück,  das  unten  emen  kleinen  jetzt 
0,15  m  hohen  hervorspringenden  Sockel  hat,  besitzt  eine  Höhe  von 


64  RöuiBcbe  lascbriftm  aus  Bodd. 

1,09  m,  eine  Breite  von  oben  0,57  m,  in  der  Mitte  von  0,55  m,  and 
ganz  unten  von  0,54  m ,  sowie  eine  Dicke  von  durchschnittlich 
0,26  m.  Das  Inschriftfeld  misst  in  der  Höhe  0,90  m,  der  zwischen 
der  letzten  Zeile  und  dem  Sockel  freigelassene  ßaum  beträgt  0,23  m 
in  der  Höhe. 

Die  Inschrift  ist  in  schüncn   und  regelmässigen,  aber  nicht  sehr 

tief  eiugemeisselten  Buchstaben,  deren  Höhe  in  den  einzelnen  Zeilen 

variirt,  eingehauen.    Dieselbe  beträgt  in  Z.  1  und  2  0,08,  Z.  3   und 

4  0,07,  Z.  5  und  6  0,06  und  in  der  letzten  Zeile  0,05.    Die  Oberfläche 

des  Steines  hat  zwar  mehrfach  gelitten,  indessen  ist  die  Lesung  der 

Inschrift  een)st  völlig  eicher.    Sie  lautet  nach  meiner  Abschrift; 

riE  R  C  V  L 

^CALPVR 

N  IV5  ■  PRO 

^LVS_LEG  A/c 

.EG-I-M  PF 

ERACTOOPE 

ENALET-hNAf 

Z.  1  ist  der  erste  vertikale  Strich  von  H  nur  noch  in  seinem  un- 
teren Theile  erkennbar.  Am  Ende  der  Zeile  fehlt  nach  L,  von  dessen 
verticalem  Strich  die  obere  Hälfte  fehlt,  jetzt  I ;  es  könnte  zwar  auch  za 
Anfang  der  2.  Zeile  gestanden  haben,  da  die  linke  Seite  mehr  eingebüset 
hat.  Dies  halte  ich  indessen  für  nicht  wahrscheinlich,  da  dort  noch  die 
Ueberreste  eines  Zeichens  vorhanden  sind,  welches  kein  I  gewesen  sein 
kann;  vielleicht  war  I  mitL  zu  einem  Zuge  verbunden.  Diese  Annahme 
liegt  desshalb  sehr  nahe,  weil  der  Stein  auch  oben  nicht  ganz  unver- 
sehrt ist 

Z.  2  kann  vor  C  nach  der  Disposition  der  einzelnen  Zeileo  und 
mit  Rflcksicht  auf  die  Grösse  der  Buchstaben  in  den  ersten  drei  Zeilen 
kein  anderer  Buchstabe  mehr  gestanden  haben  als  derjenige,  von  dem 
jetzt  der  untere  auf  der  Zeile  ruhende  horizontale  Strich  vorhanden 
ist.  Derselbe  rührt  von  einem  L  her  und  gehört  dem  Fraenomen  des 
Dedicanten  an. . 

Z.  3  ist  vollständig,  nur  fehlt  vorne  der  vordere  Verticalstrich  des 
N  und  am  Ende  der  Zeile  die  hintere  Rundung  des  0. 

Z.  4.  Das  im  Anfang  vorhandene  Zeichen  ist  die  obere  Rundung 
eines  C.  —  Der  am  Ende  der  Zeile  in  der  mittleren  Höhe  hinter  V 
angebrachte  kleinere  einem  C  ähnliche  Buchstabe  ist  ein  verstümmeltes 
kleines  Q. 


Römische  Insohriften  aas  Bonn.  66 

Z.  6  fehlt  zu  Anfang  ein  P,  Z.  7  zu  Anfang  ein  R  und  der  am 
Ende  der  Zeile  noch  schwach  erkennbare  Perpendikulärstrich  rührt  von 
einem  R  her,  mit  dem  vielleicht  ein  I  zu  einem  Zug  verbunden  war, 
wie  dies  in  demselben  Wort  in  der  ebenfalls  hier  in  Bonn  gefundenen 
Inschrift  des  Edistus  (C.  I.  Rhen.  462)  der  Fall  ist. 

Der  Text  der  Inschrift  ist  demgemäss  in  folgender  Weise  zu 
ergänzen : 

Herctd[i]  L.  Cälpumins  Troclvs  leg{atus)  Aug{usti)  leg{ionis)  pri- 
mae M{inerviae)  p(iae  f{idelis)  [p^eracto  ope[r]e  valetudinaln(i)], 

Fragen  wir  zunächst  nach  der  Zeit,  aus  welcher  dieses  für  die 
Kenntniss  der  römischen  Militäreinrichtungen  interessante  Denkmal 
herrührt,  so  gibt  uns  der  Charakter  der  Schriftzüge  darüber  zwar 
immerhin  einigen,  wenn  auch  ungenügenden,  Aufschluss.  Denn  bei 
Schlüssen,  die  aus  der  Form  der  Buchstaben  gezogen  werden,  ist  stets 
grosse  Vorsicht  nothwendig,  wenn  man  sich  nicht  der  Gefahr  einer 
Täuschung  aussetzen  will.  Indessen  lehrt  eine  Vergleichung  der  Schrift- 
züge mit  denjenigen  anderer  datirter  oder  datirbarer  Inschriften  des 
Rheingebietes,  dass  die  Inschrift  wahrscheinlich  in  die  Zeit  der  Antonine, 
also  in  die  zweite  Hälfte  des  zweiten  Jahrhunderts,  zu  setzen  ist.  Diese 
Vermuthung  erhält  einiger  Massen  eine  Bestätigung  durch  den  Umstand, 
dass  der  dedicirende  Legat  der  Legio  I  Minervia  eine  uns  bereits  ander- 
weitig bekannte  Persönlichkeit  ist  Der  hier  genannte  Calpumius  Proclus 
ist  nämlich  von  der  Stadt  Ancyra  in  Galatien  wegen  derselben  erwie- 
sener, nicht  näher  bezeichneter  Wohlthaten  durch  eine  Ehrenbasis  aus- 
gezeichnet worden,  aus  deren  Aufschrift  wir  zugleich  einen  Theil  seiner 
staatlichen  Laufbahn  kennen  lernen.  Die  Aufschrift  (C.  I.  Gr.  EI,  4011) 
derselben  ^),  in  der  das  Praenomen  weggelassen  ist,  lautet: 

KAAnOYPNION 

nPOKAONEKZYN 

KAHTIKQNKAlYnATI 

KQNXEI  AI  APXON 

ENAAKIAAEriQNOZ 

irrEM  IN  HC  AHMAP 

XONZTPATHrONPQ 

MHZEniMEAHGENTAO 


1)  Da  die  vielen  Ligaturen  der  Inschrift  sich  schlecht  durch  den  Druck 
wiedergeben  lassen,  so  habe  ich  dieselben  aufgelöst,  zumal  keine  Zweifel  über 
ihre  Deutung  bestehen.  Genau  hat  sie  Montfaucon,  Palaeogp:.  gr.  p.  158  d.  IV 
wiedergegeben. 

5 


66  Römische  Insohriften  aas  Bonn. 

AQNHrEMONAAEriQ 

NOZAAGHNAZENrEPMA 

NIAANGVnATON AXAI 

AZnPEZBEYTHNKAIANTIZTPAT 

HrONBEAriKHCpjHMHTPOnO 

AIZTHZTAAATIAZZE 

BAZTHTEKTOZArQNAr 

KYPATONEAYTHZZQTH 

PAKAlEYEPrETHN 

Der  Legat  der  Bonner  Inschrift  war  also  einer  senatorischen  Fa- 
milie entsprossen.  Er  hatte  als  Tribun  der  legio  XIII  Gemina  in 
Dacien  gestanden,  war  dann  Volkstribun,  woraus  erhellt,  dass  er  kein 
Patricier  war,  Praetor,  Curator  des  Strassenbaus  und  zuletzt  Gomman- 
deur  der  legio  I  Minervia,  in  welcher  Stellung  er  dem  Hercules  un- 
ser Bonner  Denkmal  widmete.  Nachher  hat  er  noch  das  Proconsulat 
von  Achaia  übernommen  und  als  kaiserlicher  Legat  die  Provinz  Bel- 
gien verwaltet. 

Soweit  reichen  die  Nachrichten  der  Inschrift  von  Ancyra.  In  ihr 
ist  es  sehr  auffallend,  dass  unter  den  von  Proclus  bekleideten  Aemtem 
mit  keinem  Worte  der  Quästur  Erwähnung  geschieht.  Es  scheint, 
dass  sie  durch  Versehen  des  Steinmetzen  ausgefallen  ist. 

Ob  Proclus  zum  Consulate  gelaugt  ist,  lässt  sich  nicht  ermitteln. 
Es  ist  indessen  wahrscheinlich,  dass  er  dasselbe  bald  nach  der  Ver- 
waltung Belgiens  erhalten  hat,  weil  er  bereits  mehrere  prätorisclie 
Aeniter  bekleidet  hatte  und  weil  die  Statthalterschaft  Belgiens  eine  von 
denjenigen  war,  deren  Inhabern  kurz  nach  dem  Abgang  aus  der  Pro- 
vinz die  Auszeichnung  des  Consulats  zu  Theil  wurde.  Vgl.  Urlichs, 
De  vita  et  honoribus  Taciti.  Würzburg  1879.  p.  8  s. 

Da  die  Inschrift  ausdrücklich  bezeugt,  dass  Proclus  in  der  drei- 
zehnten Legion  in  Dacien  gestanden  hat,  so  ist  damit  der  Zeitpunkt 
gegeben,  über  den  hinaus  wir  seine  Lebenszeit  nicht  hinaufrücken 
dürfen.  Denn  diese  Legion  ist  wahrscheinlich  gleich  nach  der  Einrichtung 
der  Provinz  Dacien  als  ständige  Besatzung  in  dieselbe  gelegt  worden. 
Wenigstens  lässt  sie  sich  als  solche  seit  der  Zeit  Hadrians  bis  in  die 
späteste  Zeit  daselbst  nachweisen.  Vgl.  Grotefend,  Pauly's  Real-En- 
cyclop.  IV,  892  f.  Mommsen  zu  C.  I.  L.  III  p.  160.  Calpurnius  Proclus 
kann  demnach  frühestens  unter  Hadrian  in  Dacien  als  Militärtribun  ge- 
standen haben.  Andererseits  wird  er  auch  nicht  später  als  Commodus 
zu  setzen  sein.  Denn  die  Schriftzüge  haben  noch  nicht  jene  längliche 


Römische  Inschriften  aus  Bonn.  67 

Gestalt,  wie  sie  die  rheinischen  Denkmäler  nach  dieser  Zeit  aufzuweisen 
pflegen. 

Wenn  Boulez,  Les  l^gats  et  les  procurateurs  de  Belgique  et  de 
la  Germanie  inf^rieure  (M6moires  de  Tacad.  roy.  des  sciences,  des  lettres 
et  des  beaux-arts  de  Belgique  t.  XLI,  1875),  p.  16  und  zuletzt  noch 
Bcrgk,  Zur  Gesch.  undTopogr.  der  Rheinlande  S.  58  Anm.  2  ihn  mit 
einer  gewissen  Zuversicht  unter  der  Regierung  des  Antoninus  Pius 
seine  amtliche  Laufbahn  haben  absolviren  lassen,  so  kann  diese  An- 
sicht ebenso  wie  die  von  Urlichs  in  diesen  Jahrbüchern  XXXVI,  1864, 
S.  104  geäusserte,  dass  er  nach  der  Rückkehr  der  legio  I  Minervia 
aus  dem  dacischen  Kriege  Trajans  wohl  zwischen  120  und  130  einer 
ihrer  ersten  Befehlshaber  gewesen  sei,  heute  nur  noch  insofern  einen 
Anspruch  auf  Wahrscheinlichkeit  erheben,  als  beide  sich  innerhalb  des 
aus  dem  Schriftcharakter  der  Bonner  Inschrift  sich  ergebenden  Zeit- 
raumes halten.  Die  Gründe,  die  von  Roulez  für  seine  Yermuthung 
geltend  gemacht  worden  sind,  haben  jetzt  jedoch  durchaus  ihre  be- 
weisende Kraft  eingebüsst.  Denn  es  ist  seit  Auffindung  der  Bonner 
Inschrift  nicht  mehr  möglich,  den  Legaten  der  legio  I  Minervia  mit 
dem  P.  CSalpumius  Proclus  zu  identificiren ,  der  als  legatus  Augu- 
storum  pro  praetore  von  Dacien  auf  einer  zu  Garlaburg  in  Siebenbürgen 
gefundenen  Inschrift  (C.  I.  L.  HI,  1007)  der  Fortuna  Augusta  eine 
Widmung  vollzieht.  Denn  der  Legat  von  Dacien  hatte  den  Vor- 
namen Publius,  der  Legat  der  legio  I  Minervia  aber  Lucius.  Aus 
demselben  Grunde  ist  auch  Borghesi's  Annahme,  dass  der  Legionslegat 
in  der  Zeit  des  Severus  und  Caracalla  gelebt  habe,  hinfällig,  weil  sie 
ebenfalls  von  der  Identificirung  beider  Pei-sönlichkeiten  ausgehend  in 
den  beiden  August i,  als  deren  Legat  der  Proculus  der  Carlsburger  In- 
schrift erscheint,  die  beiden  ebengenannten  Kaiser  erblickt.  Er  setzt  aber 
dabei  auch  noch  in  irriger  Weise  voraus,  dass  die  legio  I  Minervia  an  dem 
Partherkriege  des  L.  Verus  Theil  genommen  habe  und  nach  Beendigung 
desselben  wieder  an  den  Rhein  zurückversetzt  worden  sei.  Allein  die 
Legion  ist  während  des  ganzen  zweiten  Jahrhunderts  nicht  vom  Rheine 
fortgekommen.  Zunächst  hat  Urlichs  in  diesen  Jahrbüchern  XXXVI, 
1864,  S.  102  ff.  mit  Hülfe  einer  Kölner  Inschrift  (C.  I.  Rhen.  405) 
überzeugend  dargethan,  dass  sie  nach  dem  zweiten  dacischen  Kriege 
Traians  in  ihre  alten  Standquartiere  am  Niederrhein  eingezogen  ist. 
Anderseits  steht  durch  das  Zeugniss  des  Geographen  Ptolemaeus  II 
8  (9),  15  fest,  dass  sie  zu  der  Zeit,  wo  er  schrieb,  also  zur  Zeit  des 
Antoninus  Pius,  noch  am  Rhein  und  zwar  in  Bonn  stationirte,  was 


^:-- 


jetzt  nuch  durch  zwei  Iversheimer  loschriften  der  Legion  aus  dem  Jabre 
145  n.Chr.,  welche  Freud enbcrg  in  diesen  Jahrbüchern  L/LI,  1871, 
S.  186, 2.  187,3  bekannt  gemacht  hat,  seine  Bestätigung  gefunden  hat 
Dass  die  Legion  dann  wirklich  am  Partherkrieg  des  L.  Veras  Thal 
genüinmen  habe,  ist  aber  bis  jetzt  keineswegs  als  sicher  erwteseo. 
Denn  die  stadtrömische  Inschrift  des  Claudius  Fronto  (C.  L  L.  VI,  1377), 
auf  die  sich  Borghesi  beruft,  nennt  die.ien  bloss  legatus  Augustttnim 
legionis  primae  Minerviae  in  expeditioneni  ParUiicam  deducendae, 
während  die  dacische  Inschrift  desselben  Mannes  (C.  L  L.  III,  1457) 
von  der  Ueberführung  der  I^egion  in  den  Partherfeldziig  gänzlich  schweigt 
Es  ist  daher  höchst  wahrscheinlich,  dass  ihre  Verwendung  in  diesem 
Kriege,  von  der  wir  anderwärts  auch  nicht  das  Mindeste  erfahren,  mehr 
beabsichtigt  als  ausgeführt  worden  ist,  zumal  die  Btadtröinischc  Inschrift 
längere  Zeit  nach  dem  Parthcrfeldzug  des  Verus  abgefasst  ist  und  es 
somit  zum  Mindesten  auffallend  ist,  riass  wenn  die  Legion  wirklich  aus 
ihrem  Germanischen  Standquartiere  in  den  Krieg  geführt  worden  wäre, 
in  diesem  Falle  nicht  vielmehr  wie  bei  anderen  ähnlichen  Fällen  deductae 
geschrieben  ist  Vgl.  C.  L  L,  III,  5211— 5215. 1457  =  Henzen  547Ö; 
Wilmanns  636.  Dagegen  ist  dieselbe  Ausdrucksweise  in  der  Inschrift 
des  L,  Neratius  Proculus  von  Saeiiinum  beliebt  (Inscr  Neap.  4934: 
misso  ab  tmp.  JtUomno  Aug.  Pio  ad  dedtiemdM  vexiBakimn _m 
Syriam  ob  hell(um)  Parthicum),  der  gerade  so,  wie  hier  Fronto,  von 
Antoninus  Plus  beauftragt  wurde,  mehrere  vesillationes  zu  dem  mit 
dem  Partherkönig  Vologaesas  III  drohenden  Krieg  in  den  Orient 
zu  führen,  aber  durch  das  vorzeitige  Zustandekommen  eines  güt- 
lichen Ausgleichs  zurückbeordert  wurde.  Vgl.  Borghesi,  Oeuvres 
V,  377  SS. 

Von  Befehlshabern  dieser  Legion,  welche  in  neaester  Zeit  von 
Freudenberg,  Jahrb.  L/LI,  1871,  S.  190,  und  von  Allmer,  Inscr. 
de  Vienne  tom.  I  p.  446  s.  zusammengestellt  worden  -sind,  sind  nach 
Abzug  der  fälschlich  hierhin  gezogenen  und  mit  Berücksichtigung  der 
von  Bergk  in  seiner  aus  seinem  Nachlass  veröffentlichten  Schrift  (Zur 
Gesch.  und  Topogr.  der  Rheinlande.  Leipz.  18S2,  S.  58  Anm.  2)  gege- 
benes Nachträge  die  folgenden,  die  wir,  so  weit  dies  möglich  ist, 
in  chronologischer  Reihenfolge  geben,  als  sicher  beglaubigt  bu  be- 
trachten: 
L    L.LiciniusSura:  C.  L  L.  VI,  1444.  Borghesi,  Oeuvres  V,  33  aa. 

unter  Domitian. 
2.    P.  Aelius  Hadrianus:  C.  I.  L.  111,550.  Spartian.  v.  HadriaD. 


RSmüohc  luschriften  aus  Bonn.  G9 

3,  G.    Er  war  Praetor  uod  zu  gleicher  Zeit  Legat  der  Legio 
I  Minervia  im  J.  105  ')■ 

1)  Dieser  Ansatz  bedarf  einer  näheren  Begründang,  zumal  über  die  Chro- 
nologie der  Stnatüäniter  Hadriana  die  Ansichten  der  neueren  Gelefarten  sehr  ausein- 
ander geben.  Henzcn  (Annali  dull'  Inst  XXXIIl,  1862  p.  137  ss.)  setzt  die  Pr&tur  ins 
J.  106,  dagegen  Mommscn  (zu  C.  1.  L.  III,  650;  Hermea  Bd.  III  S.  46  Anm.  6) 
und  ihm  folgend  Clason  (Dio  Cassius  LIl,  20  zur  Frage  über  die  legea  aunales 
der  röm.  Kaiserzeit  S.  2D  F.)  ins  Jahr  107.  Wenn  man  dem  Biographen  des  naoh- 
maligCD  Kaisers  Uadrian,  Spartiau  (o.  3,  B),  Glauben  sclionkan  dürfte,  dann  fiele 
sogar  seine  Prätur  ins  Jahr  102:  Surano  bis  etSemiaiio  iterum  coiiss.,  dasTolks* 
tribunat  aber  erst  unter  die  Consuln  dea  Jahres  106:  Candido  et  Quadrato  itarum 
COtMS.  Allein  eobon  Stobbe  (Philologiecher  Anzeiger  t.  IV,  1872,  p.  264)  hat 
riubtig  erkannt,  dass,  da  Hadriana  Prätur  in  die  Zeit  des  zweiten  Dacischen 
Krieges  nach  der  Aussage  des  Spartian  gefallen  ist,  die  Consi|Iatsangaben  bei  . 
diesem  irrthümlioh  an  die  falscbe  Stelle  gerathen  und  Hadrian  in  Wirkliobkeit 
im  Jahr  102  Volkstribnn,  dagegen  im  Jahr  106  Prätor  und  zugleich  Legat  der 
legio  1  Minervia  gewesen  ist,  ohne  indegasn  den  Beweis  dafür  zu  erbringen.  Aus- 
zugehen hal>cn  wir  von  dem  Consulate  Uadrians,  dem  einzigen  feateu  Ausgangs- 
punkte, um  die  Zeit  der  vorher  von  ihm  geführten  Aemter  zu  bestimmen.  Durch 
das  Wcitsenburger  Diplom  (Dipl.  XXIV:  C.  I.  L.  III  p.  867)  vom  30.  Juni  107 
in  Verbindung  mit  den  Paati  feriarum  Latinarum  (C.  I.  L.  VI,  2016)  steht  ee 
jetzt  endgültig  fest,  daas  Hadrians  Consitlat  in  den  Sommer  des  Jahres  108  ge- 
fallen ist.  Vgl.  Klein,  Faati  codb.  ad  h.  a.  p.  56.  Da  nun  a eine  Prätur  zeitlich 
mit  dem  zweiten  Dacischen  Kriege  zusammengefallen  ist,  so  kann  sie  nur  zwi- 
schen den  Jahren  lOÖ,  wo  der  Krieg  begann  und  107,  wo  er  beendet  wurde,  an- 
gesetzt werden.  Vgl.  Eckhel,  D.  N.  VI,  418.  Dierauer,  Gesch.  Trqjans  in 
Büdingers  Untersuchungen  zur  röm.  Kaisergoach.  t.  I  p.lOOss.  De  la  Berge, 
Regne  de  Trajan  p.  48  sa.  Nun  verlangte  das  Gesetz  durchaus  eine  amtsfreie 
Zwischenzeit  von  zwei  Jahren  zwischen  Conaulat  und  Prätur  (Mommsen,  Röm. 
Staatsrecht  Bd.  P  S.  517).  Wenn  es  demnach  schon  ao  wie  so  wenig  wahrschein- 
lich ist,  dass  Ilodrian  in  dem  Jahre  107  die  Prätur  bekleidet  hat,  so  wird  dies 
vollends  zur  Thatsache  orboberi  durch  die  Nachricht  der  athenischen  Ehrnnin- 
Bcbrift,  wonach  er  noch  zwiectien  Prätur  und  Conaulat  die  Statthalterschaft  der 
neu  eingerichteten  Provinz  N Jede r-Fauno nie n  nbernommen  hat,  von  der  er  einer 
der  ersten,  wenn  nicht  gar  der  erste,  Gouverneur  gewesen  ist.  Denn  hätte  er 
nun  im  Jahre  107  dio  Prätur  innegehabt,  so  wäre  kaum  ein  halbes  Jahr 
für  seine  pannonisohe  Legation  frei.  Eine  so  kurze  Zeit  für  ein  solches  Amt  ist 
aber  an  sich  kaum  denkbar,  sie  wird  aber  auch  geradezu  durch  dasjenige,  was 
Spartian  von  seiner  Statthalter! sehen  Thätigkeit  berichtet,  ausgeschlossen.  Denn 
wenn  dieser  von  Hadrian  sagt:  Ugatus  poiitea  praetorius  in  Pannoniam  inferio- 
rem mUsus  Sarmataa  compreasit,  discipHnam  militaran  tenuü,  proettratora  tatiu» 
evaganles  cotreuit,  so  weist  dies  unverkennbar  auf  eine  länger  befristete  Amta- 
dauer  hin,  zumal  die  letzteren  Worte  Spartians  die  Vermutbang  nahe  legen,  dass 


70  ßümische  IngnUrifltin  aus  Bona. 

3.  Unbekannter:  Orelli  3186  u.  vol.  3  p.  510  unter  Atitoniaus  Piiw, 

4.  Calpiiriiius  Proclus:  vielleicht  unter  demselben. 

5.  M.  Claudius  Fronto:  C.  I.  I>.  VI,  1377  um  das  J.  Iö2. 

G.    Claudius  Apollinaris:  Jahrb.  L/LI,  1871,  S.  188,  4  im  J.  188. 

7.  L.  P laus;  C.  I.  Rhun.  Add.  2032  unter  Commodus, 

8.  Q.   VenidiuB    Kufus    Marius   Maximus    L.   Calvinianus: 

C.  I.  Kfacn.  51U  unter  Septimius  Severus  vor  dem  Jahr  198. 

9.  luliua  Castinus:  C.  I.  Rhen.  520  im  J.  205  oder  208. 

10.  T.  Flaviüg  Sccundus  Philippianus:  Boissicu,  Inscr.  de  Lyon 

]i.  65,  XLVIII  =  Orelli  922  vor  209.  F.r  war  entweder  der 
Vorgänger  oder  der  Nachfolger  des  Castinus,  je  nachdem  die 
Ivei-sUeimer  Inschrift  ins  J.  205  oder  208  zu  setzen  ist. 

11.  Aufidius  Coresiniis  Marcellus:  C.  I.  Rhen.  4ß4  im  J.  222. 

12.  Aurelius  Sintus   praef.   leg.:    C.    I.    Rhen.  467    im    J.  295. 

Aus  unbestimmter  Zeit'). 

13.  Cn.  Cornelius  Aquilius  Niger:  C.  I.  Rhen.  463. 


Hadrian  derjenige  gewesen  i«t,  der  mit  der  OrguiiktioD  der  neavn  Provins  be- 
traut warde.  Daiu  kommt  nun,  dass  denelbe  SpArtittn  n.  b.  0.  3,  (I  ftusdr&ok- 
tich  gsgt,  diLBs  TraJBn  eeincn  Vetter  Hadriaa  beim  Beginn  de«  xweit«n  daciichea 
Kriepss  zum  Legiöiisuonimaudeur  oruannte  uud  mit  aich  fiilirte.  Trsjsn  hal  aber 
im  Sommer  105  oicb  auf  den  Kriegsschnu platz  begeben,  v'io  dies  aua  den  Akten 
di!i-  Arvalbrüdei-Bi^hiift  erhellt  (Acta  Arvaliiim  a-  105:  C.  I.  L.  VI,  2075).  Denn 
nach  Ausweis  derselben  bringen  die  Arvoleu  an  einem  niebt  näher  tu  baetimmea* 
den  Tage  im  Anfange  des  Monats  Juni  dieses  Jahres,  jedenfalls  iviichen  dem 
zweiten  und  fünften,  ihre  Gelübde  pro  tia  et  reditu  imperatoris  Caaaria  Nervae 
TrrAani  dar.  Vgl.  Hensen,  Acta  Arv.  Berlin  1874  p.  117.  Hadrian  bat  abo 
die  Prätur  nar  im  Jabre  105  bekleiden  künnen.  In  der  Tbat  hat  er  dieselbe 
aber  bloss  w&hrend  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  geführt,  während  der  er  anoh 
die  von  Trajan  subventionirten  Spiele  gab,  und  ist  dann  mit  seinem  Vetter  ale 
Legat  der  legio  I  Minerviae  in  den  Dakerkrieg  gezogen.  Ist  er  aber  lOfi  Fr&tor 
gewesen,  so  erhalten  wir  jetzt  auch  eine  angemessene  Zeit  f9r  seine  st«ttha]t«ri- 
sobe  Wirksamkeil  in  Pannonien.  Daas  demgemäss  die  vor  der  Prätnr  über- 
nommenen Aemter  in  entsprechender  Weise  zurückdatirt  werden  mötsen,  ist 
selbst  verst&ndl  ich. 

1)  In  wie  weit  Clodius  Albinns,  von  dem  se  bei  seinem  Biographen 
Capitolinus  6, 2  heisat  egit  et  Itgwnem  gtMirfanorum  et  primanonan,  hier  genannt 
zu  werden  bereahtigt  ist,  läset  sich  nicht  enticheideu.  —  Der  Vollständigkeit 
halber  füge  ich  bei,  daas,  wenn  Mommsen's  Berichtigung  der  letzten  Zeile  der 
in  mangelhafter  Copie  überlieferten  Inschrift  von  Tarragona  (C.  I.  L.  II,  4120) 
zu  Recht  besteht,  der  dort  genannte  Q.  Oargilius  Macer  Acidiuna  den  Le- 
galen der  legio  I  Minervia  beizuzählen  ist 


Römische  Inschriften  aus  Bonn.  71 

14.  M.  Marias  Titius  Rufinus:  Inscr.  Neap.  1426;  nicht  vor 
Marcus  Aarelius. 
Kehren  wir  nun  zu  unserem  Bonner  Steine  zurück,  so  erregt  der- 
selbe unser  besonderes  Interesse  noch  aus  einem  anderen  Grunde. 
Dass  im  Lager  sowohl  als  in  den  Garnisonen  durch  eigene  Lokalitäten 
für  die  Aufnahme  und  Pflege  erkrankter  Soldaten  Sorge  getragen  war, 
stand  bereits  durch  das  Zeugniss  des  Hyginus  de  mun.  castr.  c.  35 
und  c.  4  hinlänglich  fest,  der  auf  ein  Lager  von  drei  Legionen  ein 
Lazareth  rechnet.  Anderseits  liess  sich  dies  auch  aus  d^  mehrfachen 
Erwähnung  eigener  Lazarethbeamten,  der  optianes  vcdetudinarii  (Digest. 
L,  6,  7),  wie  z.  B.  zu  Lambaese  C.  L  L.  VIII,  2553.  2563>  zu  Bom  Henzen 
6834,  zu  Benevent  Inscr.  Neap.  1459  verrauthen.  Vgl.  Cauer,  Ephem. 
epigr.  IV,  449  s.  Selbst  für  das  Lager  bei  Bonn  kannten  wir  bereits 
einen  solchen  Lazarethbeamten  in  der  Pei*son  des  Edistus  (C.  I.  Rhen. 
462).  Durch  die  Inschrift  des  Calpurnius  Proclus  wird  uns  zum  ersten 
Male  ausdrücklich  die  Errichtung  eines  Militärlazareths  im  Lager  be- 
zeugt. Bei  der  Unbestimmtheit  des  Ausdrucks  peracto  opere  voHetu- 
dinarii  lässt  sich  nicht  bestimmen,  ob  es  sich  dabei  um  einen  gänzlichen 
Neubau  oder  die  Bestitution  eines  älteren  schon  vorhandenen  Gebäudes 
handelt.  Bemerkt  zu  werden  verdient  noch,  dass  wie  der  Subalternbeamte 
des  Sanitätswesens  Edistus,  dessen  Inschrift  ebenfalls  aus  dem  Mauer- 
werk des  alten  Damenstiftes  Dietkirchen  stammt^  ebenso  der  Legat 
der  Legion  Proclus  bei  Vollendung  seines  Bauwerkes  dem  Hercules 
als  dem  segenspendenden  und  unglückabwehrenden  Gotte  seine  Wid- 
mung darbringt. 

2. 

Im  Juli  dieses  Jahres  kam  dann  zunächst  beim  Abbruch  der  Fun- 
damente des  Altars  ein  grosser  Steinblock  aus  Berkumer  Stein,  0,63  m 
hoch,  1,04  m  breit,  0,57  m  dick,  wahrscheinlich  eine  ara,  zum  Vorschein. 
Die  Vorderseite  desselben  ist  mit  Reliefdarstellungen  geschmückt,  die 
mit  einem  so  fest  anhaftenden  Mörtel  zum  Theil  bedeckt  sind,  dass  sie 
einstweilen  noch  nicht  mit  Sicherheit  gedeutet  werden  können.  Das 
Motiv  scheint  eine  Kampfscene  zu  sein.  In  der  Nähe  fand  sich  ein 
viereckiger  Untersatz  aus  Sandstein,  oben  mit  einem  vorstehenden  Ge- 
sims versehen,  das  0,37  m  laiig  und  0,35  m  tief  ist.  Zwei  der  vier 
Kanten  sind  abgeschrägt,  um  nicht  beim  Aufstellen  in  einer  Ecke  hin- 
derlich zu  sein.  Oben  ist  derselbe  zur  Aufnahme  eines  Götterstand- 
bildes vertieft.  Auf  der  vorderen  Seite  befindet  sich  eine  Inschrift,  von 


73  Houiiacbo  luschrirtcu  aus  Bonn. 

der  leider  nur  ein  kleiner  Theil  mehr  vorlianden  ist,  da  beim  Her- 
ausnebmen  bub  dem  umgebenden  Mauerwerk  das  Ganze  ungliicklicltvr 
Weise  in  mehrere  Stücke  zerbroclien  ist,  von  denen  einige  verloren  ge- 
gangen sind.  Die  noi-h  vorhandenen  Stücke  sind  dem  Provinzialmaseum 
in  Bonn  einverleibt  und  unter  der  Leitung  des  Herni  Prof,  aua'm 
Weerth  zusammengefügt  worden.  Die  erhaltenen  Reete  der  Inechrifl 
lauten: 

Unh-leg  l-M-p-F s^r. 

^lON  S  T  AN  T  I   NIV--'^'"V-  ■  ■ 
^LLEG  •  S-S-FA\- 

Vorab  ist  die  Eingangs  der  Inschrift  stehende  Furniel  in  Iwni/rtm 
legionis  I  Mitterviae  piae  fidelis  sehr  bemcriienswerth,  insofern  die 
sonst  bei  auf  den  Kaiser  und  sein  Hans  bezagliehen  Weihungeu  ge- 
briiuchlicbe  Formel  in  honorem  domus  divinae  In  dieser  Inschrift  mei- 
nes Wissens  zum  ersten  Male  auf  eine  Legion,  hier  die  Icgio  pritna 
Minervia,  ihre  Anwendung  gefunden  hat.  Eine  ihr  ähnliche  Fassung 
weist  ein  Mainzer  Votivaltar  der  Fortuna  (C.  I.  Ehen.  1033)  auf,  nitm- 
lich  Fortimam  sf4peram  honori  aquilae  leg.  XXJJ  pr.  p.  f.  usw.  Die 
Formel  in  honorem  äomus  dimnae,  welche  fast  ausschliesslich  in  Rätien 
und  den  beiden  Germanien  in  Gebrauch  gewesen  ist,  findet  sieh  auf 
Inschriften  erst  seit  dem  letzten  Viertel  des  zweiten  Jabrhunderts 
n.  Chr.,  dagegen  nicht  mehr  nach  Constantinus;  am  häufigsten  kommt 
sie  im  dritten  Jahrhundert  in  den  Inschriften  der  zahlreichen  Votiv- 
steine  unter  Caracalla,  Elagahalus  und  Severus  Alesander  vor.  Vgl. 
Jahrb.  III,  1843,  S.  49.  Dadurch  wird  die  Zeit  unserer  Basis  einiger 
Massen  bestimmt.  Sie  wird  dem  dritten  Jahrhundert  und  zwar  dem 
Anfange  desselben  angehören.  Denn  die  Scbriftziige  der  Inschrift  tra- 
gen ganz  das  Gepräge  dieser  Zeit. 

Was  hinter  dem  Namen  der  Legion  gestanden  hat,  darüber  ist 
es  schwer,  zu  einem  sicheren  Ergebniss  zu  gelangen.  Nach  der  Fas- 
sung ähnlicher,  mit  der  gleichen  Weiheformel  beginnenden  Inschriften 
zu  schliessen,  hat  am  Ende  der  ersten  Zeile  der  Name  der  Gottheit 
gestanden,  der  jene  Widmung  zu  Ehren  der  Legion  dargebracht  wurde. 
Da  die  drei  letzten  Buchstaben  sicher  sind  und  in  der  Likcke  nicht 
mehr  als  sieben  bis  acht  Buchstaben  ausgefallen  sein  können,  so  liegt 
es  nahe,  dieselbe  beispielsweise  durch  Ergänzung  von  [aram  oder  Sig- 
num 2)ia]nae  oder  auch  bloss  [deae  J}ia]nae  auszufüllen. 

In  der  zweiten  Zeile  standen  vielleicht  zu  Anfang  noch  zwei  Zei- 
chen, von  denen  das  zweite,  ein  C,  zum  folgenden  Gentilicium  des  De- 


Römischo  Inichrifteu  aus  Bonn.  73 

dicanten  gehörte.  Das  erste  mass  dann  den  Vornanieii  Oesselben  be- 
zeichnet haben.  Wenn  aber  Überhaupt  ein  solcher  da  gestanden  hat, 
80  kann  derselbe  nur  mit  L,  P  oder  T  begonnen  haben.  Denn  bloss 
ßir  einen  Buchstaben  vom  Umfange  der  oben  genannten  Schriftzeichen 
reicht  allenfalls  der  vorhandene  Kaum  ans.  Es  folgt  der  Name  [G]on- 
statUiniuls],  Aber  dessen  richtige  Lesung  kein  «Zweifel  aufkommen  kann. 

Wie  der  Zuname,  der  in  der  zweiten  Hälfte  der  Zeile  stand,  ge- 
lautet bat,  ist  mir  nicht  gelungen  zu  enträthscln.  Von  den  vorhandenen 
liuchstabenresten  können  die  zwei  ersten  nur  zu  einem  E  oder  F  ge- 
hören, alle  übrigen  Möglichkeiten  sind  ausgeschlossen;  der  dritte  Buch- 
stabe kann  ein  V  oder  auch  ein  etwas  liegendes  N  gewesen  sein,  wenn- 
gleich das  Letztere  desshaJb  weniger  wahrscheinlich  ist,  weil  sonst  alle 
Buchstaben  der  Inschrift  gerade  aufrecht  stehen. 

Im  Anfang  der  dritten  und  letzten  Zeile  fehlen  zwei  Buchstaben, 
der  dritte  ist  ein  L,  dessen  horizontaler  unterer  Strich  nur  noch 
schwach  sichtbar  ist.  Ich  ergänze  MIL(es).  In  derselben  Zeile  sind  die 
nach  S  '  S  -  folgenden  Buchstaben  FA  völlig  sicher ;  das  folgende  Zei- 
chen, von  dem  allein  der  erste  Schrägstrich  noch  sich  erkennen  lässt, 
kann  kein  C,  sondern  nur  ein  V  gewerteii  sein,  wesahalb  an  die  sonst 
nahe  liegende  Ergänzung  faciendum  ciiravtt  nicht  gedacht  werden  darf. 
Mit  Rücksicht  darauf  und  dass  mit  dieser  Zeile  die  Inschrift  ihren  Ah- 
Bchluss  fand,  möchte  ich  eher  zu  der  Annahme  hinneigen,  dass  hier 
die  Datirung  der  Inschrift  gegeben  war.  Vielleicht  hat  ursprünglich 
FAVST  ■  ET  RVF  ■  COS.  dagestanden,  womit  die  Conauln  des  Jahres 
210  n.  Chr.  bezeichnet  sind.  Zum  Charakter  der  Schrift  würde  diese 
Zeitbestimmung  vortrefflich  p.iäseu. 

Die  ganze  Inschrift  dürfte  demnach  in  folgender  Weise  etwa  wie- 
derherzustellen sein : 

In  h{onorem)  leff{ionis)  primae  M(inervicw)  p{iac)  f{idelis)  [deae 

Diajnae . .  \C]ons(antimu[s ]  [mi]i(es)  leg{ionis)  s(ujtra)  s{crip' 

tae)  Fati[ßt(ino)  et  liuf[ino)  co{n)s(tdibus)]. 


Am  7.  August  wurde  endlich  in  den  Fundamenten  der  Kirche 
eine  Votivara  aus  Drachenfelser  Trachyt  gefunden,  welche  oben  und 
unten  verstümmelt  ist.  Ihre  jetzige  Höhe  beträgt  0,71  m,  ihre  Breite 
0,51  m,  ihre  Dicke  0,26  m.  Die  Inschriftfläche  hat  eine  Höhe  von 
0,50  m. 

Die  Ära  hatte  ehemals  oberhalb  des  einfachen  Sims  eine  Bekrö- 


RÖtaiBche  Ingchrüten  b 


I  BooD. 


nung,  welche  an  beiden  Seiten  mit  SchneckcDrollen  verziert  war.  Von 
diesen  ist  auf  der  rechten  Seite  noch  ein  kleiner  Theil  erlialten.  In 
der  Mitte  der  Bedachung  scheint  irgend  ein  der  Gottheit  geweihter 
Gegenstand  abgebildet  gewesen  zu  sein.  Jede  der  beiden  Seitenflächen 
ist  mit  einem  Baume  mit  aufwärts  strebenden  Blättern  und  Fruchten 
in  Flachrelief  gcscUmflckt,  welcher  nach  der  Form  der  Blätter  zu 
schliessen  einen  Lorbeerbaum  anzudeuten  scheint.  Ueberdies  sind  an 
der  äusseren  Seite  der  linken  Seite  über  der  Baumkrone  die  Ueberrestc 
eines  Kranzes  zu  erkennen. 

Die  Inschrift,  deren  Buchstaben  ziemlich  flach  eingehauen  sind, 
lautet  nach  meiner  Abschrift: 

hERCV  L  I 
MAGVSANO 
QCLODIVS 
MRCELLNVS 
3-LEGI  M»  F 
V    S-L     M 

Uarctdi  Magusano  Q{idntm)  Clvdius  Marciil{i)mis  c(enturio)  te- 
giionis)  primae  M(inerviae)  p{iae)  flidelis)  t'(ofwm)  s{olvit)  l{ubens) 
n^arifo). 

In  Z.  1  scheint  vor  Herculi  kein  Buchstabe  mehr  gestandeo  zu 
haben, 

Ob  im  Worte  Mareellinus  in  Z.  4  I  mit  L  oder  N  zu  einem  Zage 
verbunden  war,  lasst  sich  bei  dem  Zustande  dee  Steines  nicht  mit  Be- 
stimmtheit sagen.  Es  ist  für  mich  indess  wahrscheinlicher,  dass  der 
Steinmetz  dasselbe  vergessen  hat. 

Die  in  der  Inschrift,  deren  Zage  keineswegs  der  besseren  Zeit  an- 
gehören, gefeierte  Gottheit,  der  Herades  Magusanus,  ist  uns  schon  aus 
sechs  Denkmälern  bekannt,  welche  De  Wal,  Mythologiae  septentr.  mo- 
num.  lat.  Utrecht  1847  n.  145—148.  318.  319  zusammengestellt  hat 
Von  diesen  sind  indessen  zwei  in  Abrechnung  zu  bringen,  n.  318  und 
319,  das  erste,  weil  es  entschieden  nicht  echt  ist  (vgl.  C.  I.  Rben.  spu- 
riae  p.  362  n.  30),  das  zweite  (C.  I.  Rhen.  838),  weil  es  bei  seiner 
trUmmerhaften  Ueberlieferung  nicht  mit  Sicherheit  auf  den  Hercules 
Magusanus,  auf  den  es  J.  Schneider  (Die  TrQmmer  der  sogen.  Lang- 
mauer. Trier  1843,  S.32f.,  vgl.  Urlicbs,  Jahrb.  III,  1848,8.97)  frei- 
lich in  sehr  ansprechender  Weise  bezi^en  bat,  gedeutet  werden  kann. 
Drei  derselben  sind  in  Holland  (jetzt  im  C.  I.  Bhen.  51.  130. 134)  ge- 
funden, eines  dagegen  in  Schottland  (C.  I.  L.  VII,  1090).    Aber  auch 


Bömifohe  loschriften  aas  Bonn.  75 

dieses  weist  auf  die  alte  Gallia  Belgica  hin,  insofern  der  Weihende  ein 
duplicarius  alae  Tungrorum^  also  in  dem  Yerehrungsgebiet  dieser  Gott- 
heit einheimisch  gewesen  ist.  Es  kann  daher  keinem  Zweifel  unter- 
liegen, dass  wir  es  mit  einer  lokalen  Gottheit  der  unteren  Rheingegend 
zu  thun  haben.  Sprachlich  ist  der  Beiname  Magt^anuSj  den  man  heut- 
zutage nicht  mehr  wie  früher  einfach  als  ein  verlesenes  Magnus  Sandm 
ansehen  kann  (vgl.  Gudius,  Inscr.  ant.  praef.  Append.),  mit  ähnlichen 
zu  vergleichen,  welche  dem  Mercurius  beigelegt  werden,  wie  Cimbrio' 
nusj  Leud[ici]anus,  Cimiacinus.  Vgl.  Jahrb.  L/LI,  1871,  p.  168.  C.  I. 
Rhen.  592.  C.  I.  L.  III,  5773.  Mit  Recht  hat  daher  Janssen  (DeRo- 
meinsche  Beeiden  en  Gedenksteenen  van  Zeeland  p.  33  ss.)  die  auf  un- 
sicherer Grundlage  beruhenden  Erklärungen  früherer  Gelehrten,  von 
denen  einige  sogar  an  phoenicischen  Ursprung  dachten,  als  unbrauch- 
bar zurückgewiesen  und  den  Beinamen  dieser  romanisirten  celtischen 
Gottheit  unter  Zustimmung  K.  Fr.  Hermann 's  (Götting.  gel.  Anzeigen 
1847  S.  1054  f.)  von  einem  Orte  in  der  unteren  Rheingegend  hergeleitet 
Eine  nicht  geringe  Stütze  erhält  diese  Ansicht  Janssen 's  durch  den  Um- 
stand, dass  der  Name  des  Hercules  Deusoniensis,  der  auf  den  Münzen 
desPostumus  (De  Witte,  Recherches  sur  les  empereurs  qui  ont  regn6 
dans  les  Gaules  pl.  V.  VI.  VII,  98.  99)  in  ähnlicher  Weise  wie  der 
Hercules  Magusanus  abgebildet  ist,  wesshalb  Martin  (Religion  des 
Gaulois  III,  8)  und  Cannegieter  (Postumus  p.  137ss.)  sogar  beide 
für  identisch  gehalten  haben,  offenbar  von  dem  bei  Hieronymus 
(Ghron.  ad  a.  Abr.  2389:  Saxones  caesi  Deusone  in  regione  Francorum) 
erwähnten  Orte  Deuso  in  regione  Francorum^  in  dem  man  baldDeutz 
bald  Duisburg  hat  wiedererkennen  wollen,  gebildet  ist.  Ein  altes  Mar 
gusa  oder  Magusum  war  demnach  zweifelsohne  die  Heimath  dieser 
celtischen  Gottheit,  auf  die  auch  eine  von  Sen ekler  (Jahrb.  XV,  1850, 
S.  151  n.  21)  beschriebene  Münze  sich  zu  beziehen  scheint,  mag  die- 
ses nun  mit  dem  in  der  Moselgegend  belegenen  und  vom  Geographus 
Ravennas  angeführten  Mecusa  oder  mit  dem  Orte  MaJmsenham  bei 
Durstede,  welchen  Janssen  aus  einem  mittelalterlichen  Charterbock 
von  Holland  nachgewiesen  hat,  in  Verbindung  zu  bringen  sein. 

Fragen  wir  nach  der  Zeit,  in  welcher  unser  Denkmal  errichtet 
wurde,  so  lässt  diese  sich  nur  annähernd  bestimmen.  Die  Form  der 
Buchstaben  und  die  wenig  geschmackvolle  Arbeit  des  Steinmetzen  wei- 
sen auf  das  Ende  des  zweiten  resp.  den  Anfang  des  dritten  Jahrhun- 
derts n.  Chr.  hin.  Zu  dieser  Zeitbestimmung  stimmt  sehr  wohl  die 
schon  von  anderer  Seite  mehrfach  gemachte  Beobachtung,  dass  gerade 


76  Röioiitihe  InKhriften  mtB  Bonn. 

um  dies«  'Amt  die  alliiiäblicbe  ßomanistrung  des  ccltisclieu  Gottercultus 
ihren  Abschluss  gefunden  und  die  Verehraog  celtiEcher  Gottheiten  unter 
der  Bevölkerung  auch  ausserlmlb  des  eigentlichen  Gitlliens  sich  allge- 
mein verbreitet  hat.  indem  den  ccltisciien  Göttern  die  Namen  derjenigen 
römiächou  Gottheiten,  deren  Wesen  dem  der  ccitiscben  entsprach,  bei- 
gelegt wurden  und  nur  solche  Gottheiten,  für  welclie  das  römische  Re- 
iiffionssystem  keine  ihrem  Wesen  entsprechende  Namen  bot,  ihren  na- 
tionalen Nameu  auch  auf  den  inechriftlichen  Denkmälern  behielten. 

Bekannt  ist,  dass  der  gallische  Usurpator  Postumus  einer  der 
eifrigätcn  Anhänger  wie  überhaupt  des  Herculescultus  so  auch  insbe- 
sondere des  Hercules  Magusanus  war.  Davon  legen  seine  zahlreichen 
Münzen,  welche  sich  auf  diesen  Cult  beziehen,  in  unzweideutiger  Weise 
ZeugnisB  ah.  Vgl.  De  Witte  a-  a.  0.  p.  22  n.  t>2~p.  32  n.  111.  Re- 
vue uumism.  frant;,  1844  p.  330  ss. 

Was  den  Dedicanten  Q.  Cludiua  Marcellinus  anlaugt,  so  halte  ich 
ihn  für  dieselbe  Person  mit  dem  Glodius  Marcellinus,  der  als  miles  le- 
gionis  I  Mmeti>iae  auf  eiueiii  ebenfalls  beim  Neub:m  der  Stiftskirche 
gefundenen  und  von  mir  in  diesen  Jahrbacbern  LXVII,  1879,  3. 69 
veröffentlichten  Steine  den  matres  sive  matrtmae  Ät^aniae  domestieae 
seine  Widmung  darbringt.  Auf  dem  Herculesaltar  ist  er  inzwiachen 
zum  Centurionen  derselben  Legion  avancirt.  Ka  mnss  also  zwischen 
beiden  Widmungen  eine  geraume  Zeit  verstrichen  sein.  Der  Annahme 
der  Identität  steht  das  von  mir  a.  a.  0.  über  den  Vornamen  Gesagte 
keineswegs  entgegen.  Denn,  wie  eine  nochmalige  genaue  Untersuchung 
des  an  der  betreffenden  Stelle  stark  beschädigten  Steines  mich  belehrt 
hat,  kann  das  den  Vornamen  enthaltende  Schriftzeichen  nur  ein  Q, 
nicht  aber,  wie  ich  früher  unter  dem  Ein&uss  schlechter  Beteachtung 
annehmen  zu  müssen  geglaubt  habe,  ein  D  sein. 

Bonn.  Josef  Klein. 


Rnphiana  nicht  Eisenberg,  sondern  Altripp.  77 


8.    Ruphianä  nicht  Eisenberg,  sondern  Altripp. 


Unter  dem  Titel  Ruphianä  =  Eisenberg  veröffentlicht  die  Pa- 
latina,  Beiblatt  zur  pfälzer  Zeitung  vom  28.  Januar  1882  No.  11  einen 
Artikel  von  Herrn  Dr.  Mehlis,  dessen  Angaben  er  auch  in  diesen 
Jahrbüchern  72  S.  159  flf.  wiederholt. 

Die  öfters  behauptete  Identität  des  Ortes  Ruphianä,  der  Mos  bei 
Ptolcmäus  genannt  wird,  mit  Eisenberg  ist  nun  aber  vollständig  haltlos. 
Ptolemäus  verlegt  lib.  II  c.  9  §  17  (vgl.  M ü  11  enhoff  Germania  anti- 
qua*  p.  122)  ausdrücklich  sein  Ruphianä  oder  Ruphiniana  in  das  Ne- 
meterland  und  zwar  neben  Noviomagus,  welches  nur  Speier  sein  kann, 
denn  Neustadt  an  der  Hardt,  oder  wie  das  Volk  noch  sagt,  „die  neue 
Stadt",  ist  eine  neuere  Gründung  als  Speier,  das  alte  Haupt  der  Ne- 
meter.  Auf  die  Grade  des  Ptolemäus  etwas  zu  halten,  ist  vergeblich, 
nachdem  es  erwiesen  ist,  dass  dieselben  aufs  Willkürlichste  aufgestellt 
sind  und  er  z.  B.  Asciburgium,  Mediolanium,  Teuderium  (Tüddern),  Bu- 
doris  (Büderich),  Novaesium  (Neuss)  am  linken  Ufer  des  Niederrheins 
lib.  II,  11  §  28  f.  in  das  rechtsrheinische  Germanien  verlegt. 

Herr  Mehlis  sagt  indessen,  Ruphianä  hätte  bei  Ptolemäus  den- 
selben Längegrad  wie  Mainz,  was  wieder  ein  Irrthuip  ist,  um  so  mehr, 
als  Ptolemäus  die  Sitze  der  Nemeten  und  Vangionen  verwechselt,  wes- 
halb auch  die  von  ihm  angegebene  Breite  nicht  in  Betracht  kom- 
men kann,  zumal  er  die  Obringa  (Ahr)  nach  Mainz  setzt! 

Und  trotzdem  soll  „aus  geographischen  und  archäologischen  Grün- 
den" kein  Zweifel  mehr  bestehen,  dass  Ruphianä  =  Eisenberg  sei ! 

Darüber  vielmehr,  glauben  wir,  kann  kein  Zweifel  mehr  bestehen, 
dass  Ruphianä,  welches  Ptolemäus  neben  lauter  allbekannten  am  Rhein 
her  gelegenen  Orten  zwischen  Worms  und  Speier  nennt,  nichts  anderes 
ist,  als  das  gleichfalls  zwischen  diesen  beiden  Hauptstädten  von  der 
Notitia  Imperii  aufgeführte  Alta  Ripa,  d.h.  eben  Altripp,  dessen  Name 
auch  sprachlich  identisch  mit  Ruphianä  ist  und  mit  dem  deutschen 
Worte  jfiiS"  zusammenhängt.  Es  bezeichnet  eine  riffartig  in  den 
Rhein  vorgeschobene  Halbinsel,  wesshalb  die  Römer  den  altdeutschen 


78  Raphiana  niobt  Eiteaberg,  soadem  Altripp. 

Namen  auch  durch  Alta  Ripa  wiedergeheo  (vgl.  Pick's  Monatsscbr, 
VI,  313  u.  Corresp.-Bl.  d.  Westd.  Zeitschr.  1882,  S.  55). 

Der  kleine  Wasserstand  Anfangs  dieses  Jahres  hat  hier  wieder 
einmal  die  Bedeutung  dieser  Anlage  zu  römischer  Zeit  gezeigt.  Dort 
wo  jetzt,  und  besonders  seit  der  llheincorrektion  von  1864,  der  Rhein 
fliesst,  war  früher  angebautes  Terrain,  welches  wahrscheinlich  ala 
Vorwerk  des  rechten  Ufers  noch  zum  Castell  des  linken  üfei-s  gehörte, 
dessen  praetorium  bei  der  Altripper  Kirche  lag. 

Eine  über  einen  Meter  dicke  Mauer  ragte  diesen  Winter  aus  dem 
Rheine  hervor,  aus  deren  Construktion  sich  ersehen  liess,  dass  sie  ehe- 
mals auf  trockenem  Boden  errichtet  sein  musste.  Sie  besteht  namUch, 
wie  wir  uns  an  Ort  und  Stelle  überzeugten,  aus  einem  tumultuarisch 
aus  Steinen  verschiedener  Gattung  (Sandsteinen,  Kalksteinen,  Tuff  und 
Backsteinen)  erbauten  Gusswerk,  in  welches  auch  ein  römischer  Grab- 
Btein  aus  älterer  Zeit,  beginnend  mit  D.  M.  (Düs  Manibus)  als  Mauer- 
stein vermauert  war.  Dereelbe  wurde,  sowie  Proben  der  Mauer  nach 
Speier  ins  Museum  geschafft. 

Diese  Mauer  war  nun  rückwärts  umgesunken,  indem  der  Rhein 
sie  unterminirte  und  so  zur  Senkung  brachte,  gerade  wie  dies  auch 
bei  der,  bei  Neckarau  am  rechten  Rheinufer  entdeckten  sog.  Kloster- 
mauer der  Fall  war,  welche,  aus  einem  durch  Kalk  verbundenen 
Conglomerat  von  Sandsteinen  bcsfehend,  gleichfalls  ursprünglich  nicht 
als  Wasserbau  errichtet  gewesen  sein  kann,  sondern  durch  den  Rhün 
vom  Lande  abgerissen  und  rückwärts,  dem  Flusslauf  entgegen,  umge- 
stürzt wurde.  Auch  in  letzterer  fanden  sich  römische  Grabsteine  >)  als  ge- 
wöhnliche Mauersteine  eingerügt,  wie  das  bei  späteren  Bömerbaateo 
öfters  der  Fall  ist  Das  Neckarauer  Mauerwerk  scheint  nämlich  von 
dem  hier,  am  alten  Neckarauafluss  errichteten  Fort  des  Kaisera  Valen- 
tinian  zu  stammen,  während  die  bei  Altripp  gefundenen  Mauern  zu  dem 
Altripper  Bömercastell  gehören,  dessen  Mittelpunkt  die  jetzige  hoch- 
gelegene Kirche  bildete  (daher  Alta  Bipa  =  Hocbufer),  hinter  welcher 
sich  der  Altrbein  schleifenarlig  herumschlängelt. 

In  der  Nähe  fanden  sich  bei  früheren  Nachgrabungen  wieder 
Beste  der  Castellmauer  im  Garten  der  Wittwe  Hook.  Auch  hier  er^ 
gab  sich  die  gleiche  Erscheinung,   dass  mehrere  römische  Inscbri^ 


1)  Jetzt  im  Maanheimer  AlterthumsTerein  and  zuerst  mitgethellt  von  Ga- 
■  tav  Christ  und  Wallaser,  Tgl.  CoireipondenzbUtt  dat  OesamtstTereinB  etc., 
1H82  3.  82  u.  64  und  du  GorraapondäDEbl.  der  WeatdenUoh.  ZeitKhr.  1862  8.  26. 


Baphiana  nicht  Eisenberg,  sondern  Altripp.  79. 

steine  aus  früherer  Zeit  als  Mauersteine  in  der  späteren  Gastellmauer 
verwandt  waren.  Dieselbe  Thatsache  kehrt  auch  bei  der  Mainzer 
Römerbrücke  wieder,  an  deren  Pfeilern  eine  Menge  römischer  Sculpturen 
u.  8.  w.  eingelassen  sind.  —  Indessen  keine  weitere  Beschreibung  von 
Altripp  und  seinen  Funden  wollen  wir  hier  geben,  sondern  noch  einige 
Eisenberger  Inschriften  besprechen'). 

Herr  Mehlis  sagt  in  Bezug  auf  dieselben,  auf  der  sog.  Hoch- 
statt, einem  Plateau  südöstlich  vom  Bahnhof,  dem  Fundorte  zahlreicher 
römischer  Alterthümer  sei  anno  1764  ein  Isisterapel  (1)  entdeckt  wor- 
den. Die  Begründung  hierzu  wird  nicht  beigefügt,  dagegen  erwähnt, 
hier  hätte  sich  ein  Denkstein  gefunden,  den  ein  Patemius  Ratinus  in 
Verbindung  mit  einem  Unbekannten  ex  iussu  (des  Erben?  setzt  Meh- 
lis hinzu!)  errichtet  hätte.  —  Nun,  der  betreffende  an  Jupiter  gewid- 
mete Votivstein  befindet  sich  bekanntlich  seit  den  Zeiten  des  Kur- 
fürsten Karl  Theodor,  welcher  die  Pfälzer  Steine  in  der  Pfälzer  Haupt- 
stadt Mannheim  vereinigte,  im  Mannheimer  Antiquarium  sub  no.  2 
und  ist,  wie  ja  aus  Haug's  Mannheimer  „Denksteinen^^  zu  ersehen 
war,  von  den  beiden  Brüdern  Paternius,  deren  einer  Gratinus  hiess, 
der  andere  Clemens  oder  dergleichen,  auf  höhere  Eingebung  hin  (ex 
iussu)  gesetzt  worden. 

Ebensowenig  können  wir  in  den  von  Herrn  Mehlis  an  anderer 
Stelle  (in  Pick's  Monatsschr.  VH,  294)  mitgetheilten  küchenlateini- 
schen Ausdrücken  des  gewöhnlichen  Lebens  Reste  aus  der  Römerzeit 
erblicken,  oder  seinen  im  oben  erwähnten  Aufsatze  ausgesprochenen 
Etymologien  beipflichten,  welche  gutdeutsche  Ortsnamen  aus  dem 
Lateinischen  herleiten.  So  soll  Ruphiana  wegen  alter  Eisenschmel- 
zen zu  Eisenberg  eine  „Rothstadt''  sein,  gleich  anderen  Orten  des  Na- 
mens 'Roth',  welche  aber  besser  Rod  oder  Rott  zu  schreiben  sind,  denn 
sie  kommen  gewöhnlich  von  Rodungen  oder  sog.  'Neurotten'  her. 

Damit  neben  dem  Rothen  auch  die  weisse  Farbe  vertreten  sei, 
soll  Albsheim  (d.  h.  das  Heim  eines  gewissen  Albold  od.  dergl.)  vom 
lateinischen  albus  genannt  sein! 

Der  Senderkopf,  dessen  Name  vom   altdeatschen,  noch   in  der 


1)  Die  neueste  Mars  und  Victoria  gewidmete  von  da,  jetzt  zu  Speier,  wurde 
von  Mehlis  im  Corresp.-Bl.  d.  Westdeutschen  Zeitschrift  von  1882  S.  27  im 
Namen  des  Inschriftsetzers  verlesen,  welcher  nach  der  Besichtigung  durch  H.  Prof. 
Zangemeister  und  den  Unterzeichneten  Giamonius  Statutns  lautet.  Von  einem 
magister  viel  oder  dergleichen  keine  Spurl  Vgl.  dagegen  den  germanischen  Na- 
men Qimio  bei  Hang  27  in  Remagen  und  Altripp. 


60  Itiiphiana  niolit  Eikeiiberg,  lonclrm  Altripp. 

Schweiz  und  Bayern  iiblicheu  Wort«  Senne  oder  Sende  =  WeidepUte. 
Senner,  Mik-hknct-ht,  abzuleiten  ist,  soll  nach  Herrn  Mehlis  „offenbar 
das  Rudiment  eines   römischen  incendarium   erhalten    haben". 

Bei  dieser  Gelegenheit  ietauch  dasjenige  zurückzuweisen,  wasMeh  lis 
schon  früher  in  den  Jahrbüchern  LXVUI  S.  165  von  rönilsch-galli selten 
Oitsnamen  in  der  bayrischen  Pfalz  berichtet.  So  ist  ein  Nivora  in  an- 
tiker Zeit  für  das  heutige  Niefernheim  im  Primmthale  nirgends  zu  er- 
weisen. Vielmehr  lautet  die  gut  altdeutsche  Form  von  de^leichen 
Ortsnamen  gewöhnlich  Niwifitron,  Niuferon  mit  der  Bedeutung  von 
'Neue  Fähre',  „neue  Furt"  {vgl.  Forst.  Namenbuch  H'  1156). 

Die  Endung  -heim,  welche  sonst  gewöhnlich  Zusammensetzung 
mit  einem  Personennamen  anzeigt,  kann  in  späterer  Zeit  erst  an- 
gehüngt  sein  in  Folge  falscher  Analogiebildung. 

Jedenfalls  ist  aber  Niefernheim  ein  deutscher  Name,  Ebenso  ist 
dies  der  Fall  mit  dem  dortigen  harmlosen  selbstvcrsUlndlichen  Flur- 
namen „Taubenhaus",  den  diu  alten  Deutschen  nach  Mehlis  aus  co- 
lumbarium  Übersetzt  hStlen,  als  ob  diese  sich  bei  ihrer  notorischen 
Zerstörung  aller  römischen  Bauten  viel  um  deren  Bestimmung  ge- 
kümmert hätten!  Zudem  hält  mau  gewähnlich  die  überall  vorkommein- 
den  römischen  Kellerbauten  irrthflmlich  ftir  Columbarien. 

Heidelberg.  Karl  Christ. 


9.    Die  Civitas  Nemetum  bei  Hädelbera-Ladertburg. 


Die  in  Heft  71  der  Jahrbücher  veröffentlichte  Karte  von  Näher 
enthält  in  Bezug  auf  antike  Ortsangaben  einige  Missverständnisse,  de- 
Ten  hauptsächlichstes  die  darauf  erwähnte  Civitas  Nemetum  betrifft, 
welche  hier  um  so  mehr  eine  Darstellung  verdient,  als  sie,  wie  die  der 
Helvetier,  über  welche  jüngst  Mommsen  in  seinen  'Schweizer  Nach- 
studien' (im  Hermes  Bd.  16)  gebandelt  hat,  ein  hervorragendes  Bild 


Die  Civitas  Nemetum  bei  Heidelberg-Ladenbarg  81 

der  germanischen  Oemeindeorganisation  in  ihrer  Beeinflussung  durch 
die  römische  bietet. 

In  dem  fraglichen  N.  der  Heidelberger  Meilensteine,  some  an- 
derer Inschriften  dies-  und  jenseits  des  Rheines,  darf  man  nämlich  den 
Namen  der  Nemeter  erkennen,  wie  ich  dies  in  diesen  Jahrbüchern 
LKI,  12  schon  ausgesprochen  habe.  Zuerst  zur  Rechten  des  Rheines 
wohnend,  war  dieses  Volk  später  auf  das  linke  Ufer  übergesiedelt  und 
hatte  hier  Noviomagus,  Speier  (so  später  genannt  von  der  Speierbach) 
als  Caput  gentis  gewählt,  wo  dann  auch  eine  Golonie  römischer  Bärger, 
wahrscheinlich  ausgediente  und  mit  dem  Bürgerrecht  entlassene  Soldaten 
hingeführt  wurden,  oder  die  bestehende  Peregrinergemeinde  erhielt  etwa 
durch  Trajan  den  Ciolonietitel  mit  latinischem  Recht.  Dagegen  blieb 
das  Land  rechts  des  Rheines  am  untern  Neckar  unter  dem  Mittel- 
punkte Lopodunum  (der  eine  Art  Untergemeinde  von  Speier  war)  eine 
eigene  Nemetergemeinde  peregrinischen  Rechtes,  woraus  die  Römer  eine 
civitas  Ulpia  S(eptimia?)  N(emetum)  im  engern  Sinne  bildeten,  mit 
eigenen  Vorstehern  und  Gemeindeversammlungen.  Hier  fällt  also 
der  ziemlich  allgemeine  Begriff  civitas ,  womit  (abgesehen  von  der 
vulgärlateinischen  Ersetzung  des  Wortes  urbs  durch  civitas)  die  Römer 
gewöhnlich  eine  Mehrheit  von  gallischen  oder  germanischen  Gauen  oder 
einen  Verwaltungsbezirk  bezeichneten,  nicht  aber  einzelne  Lokalitäten 
(sodass  man  also  nicht  mit  Näher  Heidelberg  diesen  Namen  zuschreiben 
kann),  mit  dem  Begriff  von  pagus,  d.  h.  dem  rechtsrheinischen  Nemeter- 
gau  zusammen.  Es  war  dies  ein  zugleich  örtlich  und  politisch  von 
der  linksrheinischen  Nemetergemeinde  abgegrenzter  Kreis  mit  mög- 
lichster communaler  Selbständigkeit.  Beide  Gaue  zusammen  bildeten 
erst  die  ganze  Völkerschaft  der  Nemeter,  welche  vor  Ueberführung 
einer  römischen  (latinischen)  Golonie  nach  Speier  (wodurch  an  der 
Gemeindeordnung  der  Nemeter  übrigens  nicht  viel  geändert  wurde) 
eine  grosse  peregrinische  civitas,  d.  h.  eine  germanische  Völkerschaft 
oder  Sammtgemeinde  ausmachten.  Diese  zerfiel  wie  gewöhnlich  wieder 
in  einzelne  Stammesgaue,  anfangs  ohne  örtlichen  Zusammenhang,  die 
aber  im  Laufe  der  Sesshaftwerdung  des  Volkes  aUmählich  unter  Bei- 
behaltung ihrer  Geschlechtszusammengehörigkeit  zu  örtlicher  Ge- 
schlossenheit gelangten,  d.  h.  in  Territorialgaue  übergingen.  Diese 
Gemeindetheile  bezeichneten  die  Römer  aber  durch  pagi,^  insofern 
passend,  wie  Mommsen  sich  ausdrückt,  als  pagus  im  eigentlich  rö- 
mischen Sinn  der  geschlossene  Flurbezirk  ist,  deren  eine  Anzahl  das 
Stadtgebiet  bilden,   aber  doch  wieder  wesentlich  verschieden,  indem 

6 


63  Din  Civila»  Npinetiim  bei  Ileicielberir-Ladonburg. 

die  italischen  pagi  sehr  viel  enger  waren,  als  wenigsten»  die  hcl- 
veÜschen  gewesen  sein  könnon  und  als  jenen  jede  eigene  sociale  und 
politische  Bedeutung  abging. 

Hiemach  wird  man,  nenn  man  dies  Überhaupt  auf  einer  Karte 
verzeichnen  will,  statt  civitas  verständlicher  pagus  Ulp.  Scptim,  Ne- 
metum  schreiben,  wenn  man  nicht  vorzieht,  dem  Uauptort  Lopodunum 
in  Klammem  beizusetzen  „civitas  Ulpia  S.  N."  ') 

Ein  Hauptmerkmal  der  Rechts  Verschiedenheit  der  gallischen  und 
germanischen  decentralisirten  Gemeindeordnung  von  der  itahachen,  ist 
femer  das  rechtliche  Fehlen  der  Hauptstadt,  der  urbs  mit  ihrer  be- 
sonderen Rechtspflege,  Gemeindeversammlung,  Verwaltung  und  Polizei, 
welche  bei  den  Römern  der  Competenz  der  Aedilcii  unlflrlag.  In  der 
gallisch -germanischen  Gemeinde  dagegen,  begründete  das  örtliche 
Zusammenwohnen  für  die  Angehörigen  keinen  Rechtsunterschied.  Der 
Duovir  oder  der  decurio  z.  B.  konnte  sein  Domicil  am  Hauptort  sowohl, 
wie  in  einem  mehr  oder  minder  beträchtlichen  andern  Gemeindcort  auf- 
schlagen, wie  wir  dies  denn  beim  Heidelberger  Candidius  Calpuminnus 
sehen,  der  bei  beiden  Nenietergemeinden  seine  Jurisdiktion  (aller- 
dings wahrscheinlich  nacheinander)  ausübte,  sowohl  als  decurio  der 
Goloni  oder  Municipes  in  der  linksrheinischen  colonia  Nethetum,  dem 
Caput  gentis,  als  in  der  rechtsrheinischen  peregrinischen  Ncmcterge- 
meinde  mit  dem  Mittelpunkte  Lopodunum  (vgl.  Hang.  Mannheimer 
Denksteine  no.  19).  Dass  er  rechtlich  nicht  an  die  Hauptorte  gebnnden 
war,  zeigt  wohl  seine  Widmung  an  den  germanischen  Gott  Visucius  bei 
Heidelberg.  Dieser  Ort  befand  sieb  aber  rechtlich  in  derselben  Stellung 
zu  der  Gesammtheit  wie  jede  andere  einzelne  Ortschaft  oder  wie  der 
Hanptort  der  Gemeinde  selbst. 

Die  Gemeindebilrger  werden  zu  Heidelbei^  genannt  cives  civitatis 
und  diejenigen,  welche  an  den  Hauptorten  Lopodunum  und  Speier  wohn- 
ten, würden  auch  so  genannt  worden  sein,  etwa  noch  unter  Beifflgung  der 
Bezeichnung  „incolae"  IiOpodunense3,bzw.Nemetenses.  Hierbei  sind  unter 
incolae  nicht  nach  itahscher  Weise  die  in  diesen  Gemeinden  lebenden, 
aber  ihr  nicht  als  Bürger  angehörenden  Personen  zu  verstehen,  sondern 
der  Begriff  föllt  hier  zusammen  mit  dem  von  cives,  bzw.  coloni,  d.  h. 
von  Gemeindebürgera  überhaupt. 

Anknüpfend  an  diese  Auseinandersetzungen,  wessbalb  die  Bdschrift 

1)  Ebenao  heistt  Baden-Baden  zar  Römerzeit  einfaob  Aquae,  in  Klammer 
iat  aber  der  Name  des  Bezirkes  beizufügea,  welcher  Ciritai  Aarelia  AquenetB  biaaa. 


Die  Civitas  Nemetum  bei  Heidelberg-Ladenburg.  SS 

eines  Namens  für  die  römische  Militärstation  bei  Heidelberg  unrichtig 
ist,  mag  auch  noch  auf  die  Streichung  eines  anderen,  angeblich  an- 
tiken Namens  der  Näher'schen  Karte  aufmerksam  gemacht  werden. 

Hier  steht  nämlich  beim  römischen  Militärposten  oder  der  klei- 
neren Ansiedelung  zu  Stettfeld  angeschrieben  „statio'*.  oder  „campus" 
Romanorum,  was  nichts  als  eine  ganz  unstatthafte  Uebersetzung  des 
heutigen  Namens  ist,  wenn  hier  auch  eine  römische  statio  vorhanden 
ist.  Nur  wirkhch  antike  Namen  dürfen  aber  auf  eine  römisch-ar- 
chäologische Karte  aufgenommen  werden,  nicht  mittelalterliche  und  mo- 
derne Entstellungen  und  Vermuthungen. 

So  muss  es  denn  weiter  heissen  Brocomagus  (Brümat  im  Elsass) 
statt  Broecoma;  Vicus  Aurelius  (Oehringen)  statt  V.  Aureliae;  Medio- 
matrici  (Metz)  statt  Mediomatriacum  oder  gar  statt  Matricorvo. 
Wimpfen  heisst  blos  bei  späten  Chronisten  Cornelia,  weil  es  dort  eine 
Cornelienkirche  gibt.  Ebenso  ist  der  Name  Melibokus  (Harz)  für  den 
Malschenberg  (Maliscus)  an  der  Bergstrasse  zu  streichen. 

Die  Station  ad  Renum  ist  falsch  angesetzt,  denn  sie  liegt  bei 
Rheineck  am  Ausfluss  des  Rheins  in  den  Bodensee. 

Auch  mehrere  Römerstrassen  sind  zu  streichen,  so  die  von  Hei- 
delbeiig  angeblich  durch  das  Gebirg  gegen  Osten  führende  u.  s.  w. 

Mögen  diese  Bemerkungen  Herrn  Inspector  Näher  veranlassen, 
eine  revidirte  Ausgabe  seiner  sonst  so  nützlichen  Karte  zu  veranstalten 
und  auch  den  Text  dazu  einer  Prüfung  zu  unterziehen. 

Heidelberg.  Karl  Christ. 


Im  Sommer  1379  erhielt  ich  Ecnntifiss  von  dem  hierbei  abgebil- 
lictcn  Ring  und  theile  mit,  was  mir  (iber  die  näheren  Verhältnisse  der 
AuffinduDg  bekannt  wurde. 

Derselbe  wurde  von  einem  Äckersmann  aus  Saiberabacb  bei 
Stromberg  im  District  Atzweiicr  beim  Graben  von  Pflanzlöchern  auf- 
gefunden. 

„Der  Ring  lag  ganz  allein  und  nur  etwa  '/a  Fuss  in  der  Erde.  Die 
Stelle,  wo  der  Fund  stattfand,  Hegt  seit  unvordenklichen  Zeiten  Öde  und 
wird  jetzt  mit  Wald  angepdanzt.  In  einer  Entfernung  von  5 — 10  Mi- 
nuten von  der  Fundstelle  befinden  sich  noch  Mauerreste  eines  römischen 
Castells.  Auch  sind  Reste  einer  vorbeifiihrenden  Römerstrasse  vorhan- 
den. An  der  Stelle  des  Castells  wurden  früher  verschiedene  Alter- 
thümer,  namenthch  Münxcn  gefunden.  Die  Funde  waren  fast  alle 
werthvollundsind  als  Antike  (sie!)  verkauft  worden"').  So  die  erhal- 
tenen Mittheilungen. 


Der  Ring  ist  aus  massivem  Gold,  misst  im  Durchmesser  24  mm, 


1)  Die  Fundatelte  ist  unweit  der  groMen  von  Trier  3ber  den  Haocrüekeii 
fQhrendcD  Römerstraase,  daa  ofien  zu  Tage  liegende  Mauerwerk  darf  »i»  Fnn- 
dameal  einer  Manaion  dieser  Stratae  angeaeben  werden.  D.  Ked. 


Ein  römisoher  Goldring.  85 

die  Höhe  des  Reifes  14  mm,  die  Platte  14— 8  mm,  und  die  Stärke  des 
Reifes  beträgt  1  mm. 

Die  Inschrift  CONSTANTINO  FIDEMistin  allen  TheUen 
wohl  erhalten.  Sie  ist  eingeschlagen,  wie  sich  aus  den  aufgetriebenen 
Rändern  um  die  einzelnen  Schriftzüge  ergibt,  die  noch  den  vom  Ein- 
schlag herrühenden  s.  g.  »Zunder",  eben  die  durch  die  Wucht  des  Schlages 
herausgequetschten  Begrenzungen  zeigen,  ohne  dass  eine  Nacharbeit 
durch  Feilen  stattgefunden  hätte.  Die  Erhaltung  des  Ringes  ist  bei 
seiner  Stärke  durchaus  gut;  nur  ist  durch  irgend  eine  Einwirkung  die 
Form  im  Ganzen  etwas  verbogen.  Die  handwerkliche  Herstellung  ist  rauh 
und  kunstlos  und  die  Buchstabenform  ohne  Sorgfalt  oder  künstlerische 
Absicht  ausgeführt. 

Dass  der  Ring  römischen  Ursprungs  ist  und  nach  der  Gesammt- 
erscheinung  der  Spätzeit  angehört,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Ein  Stück 
ganz  ähnlicher  Art  ist  mir  aus  der  Sammlung  des  Herrn  Augustus 
W.  Franks  in  London  bekannt*).  Derselbe  trägt  die  gleiche  Inschrift 
in  derselben  Vertheilung  auf  dem  Reif  und  dem  Schild.  Die  Form 
dieses  Ringes  stimmt,  wie  auch  die  Zeichnung  und  Herstellungsweise 
der  Aufschrift  ganz  mit  dem  vorstehenden  überein.  Seine  Fundstelle 
ist  nicht  näher  bekannt;  Franks  theilte  mir  mit,  dass  derselbe  in  der 
Normandie  gefunden  und  von  ihm  in  den  letzten  Jahren  in  St.  Omer 
sei  erworben  worden. 

Bei  der  ungewöhnlichen  Grösse  der  Ringe,  die  selbst  von  ei- 
nem Manne  nur  am  unteren  Theil  des  Daumens  konnten  getragen 
werden,  liegt  die  Frage  nahe,  welche  Bestimmung  dieselben  ursprüng- 
lich mögen  gehabt  haben.  Dass  es  nicht  Eheringe  gewesen,  wird  wohl 
eben  durch  die  Grösse  und  die  Inschrift  schon  ausgeschlossen  sein;  bei 
der  Nennung  des  Mannsnamens  könnte  er  doch  nur  für  die  Frau  be- 
stimmt gewesen  sein,  was  jedoch  eben  durch  die  Grösse  widerlegt 
scheint.  Werden  nun  am  wahrscheinlichsten  als  Besitzer  und  Träger 
dieser  Ringe  Männer  anzunehmen  sein,  so  läge^die  Vermuthung  nahe, 
dass  jene  etwa  Freigelassene  auszeichneten,  die  damit  ihre  Ingenuität 
und  wohl  auch  Ritterwürde  bekundeten.  Auffallend  bleibt  immerhin 
das  Vorkommen  zweier  so  gleichgearteter  Stücke  unter  Verhältnissen, 
die  jede  beabsichtigte  Täuschung  ausschliessen.  Möglich  wäre  ja  immer- 


1)  Einen   achtseitigen    römischen    Goldring    mit    der    Inschrift  AAARFI- 

NIANVS  VIVAS   erwarb   s.  Z.   Herr  Franke   von  dem  Kölner   Kunsthändler 
Dahmen,  derselbe  war  in  Brackeland  b.  Jülich  gefunden  worden.  D.  R. 


BB  Ein  römiscbbr  Goldriag. 

bin,  dass  beide  Stücke  trotz  ihrer  räumlich  weit  auselnandcrIiegeDdcn 
Fundstätte  von  deinHelbcti  Scheiikgeber  herrührten,  der  damit  zwei 
seiner  Freigelassenen  bedachte.  Oder  dürfte  die  Bestimmung  dieser 
Ringe  iu  einer  anderen,  etwa  militärischen  Auszeichnong  zu  suchen 
sein?  Üci  der  Berathung  der  eiuHchlägigen  Literatur,  die  tihrigens  von 
deutscher  Seite  seit  langer  Zeit  kaum  mehr  Bereicherung  und  zusam- 
menhängende Bearbeitung  gefunden  hat,  während  namentlich  England 
die  Ringkunde  sehr  sorglich  pflegt,  begegnete  ich  in  dem  alten  Jo. 
Kirchmann,  de  Annulis,  Sleswici  1657  zunächst  einer  Stelle,  welche 
eine  Erklärung  für  das  Tragen  des  Ringes  am  Daumen  bietet.  Erbe- 
merkt p.  25  [Pollex]  Et  electus  est,  qui  ab  utroque  clauditur  et  minus 
oificii  gerit,  et  ideo  serrando  annullo  magis  accomodatus  est,  und  zwar 
unter  Bezugnahme  auf  Attei  Capitonis  fragm.  ap.  Macrob.  —  Weiter 
dürfte  eine  Stelle  vielleicht  gerade  zur  Erklärung  der  fraglichen  Ringe 
hier  niitgethcilt  werden,  wonach  Kaiser  Constantin  unter  gewissen  Um- 
ständen Ehreuringe  vergab.  Es  heisst  bei  Kirchmann  I.  c.  p.  103: 
De  Constantino  magno  legimus,  illum  Chei'sonitis  inter  alia  laboruni 
pro  Impcrio  Romano  exantlatorum  praemia  etiam  annulos  aureos  in 
quihus  imago  sua  erat  espressa,  donasse,  ut  quas  per  occasiooem  ad 
se  missuri  essent,  relationes  supplicationesque,  iis  signarent,  et  ipse 
earura  nuncios  inde  dignosceret. 

Ob  CS  min  ziilä^^si,!.'  wiire,  in  deu  beiden  vorücgenden  Hingen 
solche  Ehrengaben  Constantins  zu  erkennen,  darf  vielleicht  als  Ver- 
muthung  ausgesprochen  und  zur  weiteren  Erörterung  angeregt  werden. 

Der  Ring  von  Ätzweiler  befindet  sich  nunmehr  im  Besitz  Ihrer 
K.  K.  Hoheit  der  Kronprinzessin. 


MaiDZ. 


Friedrich  Schneider. 


AltchriBtlicher  Löffel  s 


U.  Altchristlicher  Löffel  aus  Sashach. 

Hierzu  ein  HolzBchnitt. 


Das  Grossherzogliche  Maeeum  zu  Karlsrahe  be- 
sitzt seit  eiDigcn  Jahren  einen  SilberlöfTel,  welchen 
man  bereits  vor  etwa  zehn  Jahren  in  der  Nähe  von 
Sasbach  am  Kaisersuhl,  angeblich  in  einem  der 
Gräber  aus  römisch-fränkischer  Uebergangszeit  ge- 
funden hat.  Der  Löffe!  hat  0,233  m  Länge  und  wiegt 
52gr.  SeineForm  veranschaulicht  die  unserer  Notiz 
beigegebene  Abbildung.  Auf  dem  inneren  Ende  des 
Stiles  befindet  sich  die  Inschrift  ANDREAS,  auf 
der  abgcschlifTenen  Seite  des  die  Verbindung  des 
Stiles  mit  der  Kuppe  herstellenden  Stückes  das  Mo- 
nogramm P,  aufder  Rückseite  ein  punktirtes  herz- 
förmiges Ornament. 

Die  Gestalt  des  Utensils,  das  (zweite)  constan- 
tinische  Monogramm,  die  Palaeographie  der  Schrift- 
zUge  lassen  keinen  Zweifel  darüber,  dass  wir  es 
hier  mit  einem  altchristlichen  Denkmal  zu  thun  ha- 
ben. Man  wird  nicht  irre  gehen,  wenn  wir  die  Ent- 
stehungszeit desselben  ins  5.  Jahrb.  setzen.  Gegen- 
stände dieser  Art  wurden  aus  Italien  exportirt  und 
konnten,  wie  zahllose  Beispiele  beweisen,  leicht  in 
den  Besitz  von  Alamannen  oder  Franken  gelangen, 
denen  sie  wie  andere  dann  ins  Grab  folgten. 

Denkmiller  dieser  Art  gehören  zu  den  seltnem, 
sind  indessen  an  verschiedenen  OrtenItalieD3,Fr&nk- 
reichs,  Englands  gefunden  worden.  Man  sah  in  sol- 
chen altchristlichen  Loflfeln  früher  nur  Utensilien, 
welche  beim  Abendmahl  gebraucht  wurden'). 

DieEntdecknngvonDenkmälemunsererGattung 
mit  Inschriften  von  Privatpersonen  (ALEXANDER, 
FAVSTVS  u.  8.  f.)  in    Porto  führte   De  Rossi 

1)  Tgl.  Ar eval  o  zu  Sedul.  Cum.  pucb.  III  300.  M<tr- 
tigny  Diel.  2(0.  p.333.  A.  Vft,y  and  Rock  Archmeo- 
logical  JouniBl  XXVI  SD  f. 


88  AltoUristlioher  Löffel  ans  Sasbaoh. 

jedoch  auf  die  VtirmuthuDg,  dass  wir  es  bier  mit  Löffeln  zu  thun  haben, 
welche  einfach  dem  bäuslichea  Gebrauch  dienten  und,  wie  andere  Gegen- 
stände desselben,  mit  dem  Monogramm  Christi,  dem  Kreuz  u.  a.  f.  ge- 
schmückt wurden,  indem  sie  zugleich  den  Namen  des  Besitzers  aufnahmen. 
Die  Sitte  solche  Löffel  zh  fertigeu  hat  sich  bis  ins  Mittelalter  erhaJten.  Ein 
Schatzverzeichniss  von  Äoserre  nennt  cocbleares  Xllpens.  lib.  III 
habentes  caudas  scriptas'),  und  Remigius  von  Auserre  ver- 
macht in  seinem  Testament  cochlearia  quae  meo  nomine  sunt 
titulata*).  Die  bei  Crema  1878  gemachten  Funde^)  brachten  die 
Namen  Johannes  und  Matthi  as,  was,  in  Verbindung  mit  der 
Zwölfzflhl  des  Äuxerres-Löffelsehatzes  an  eine  Beziehung  auf  die  zwölf 
Apostel  denken  liess.  De  Rossi,  gerade  mit  Rücksicht  auf  die  Na- 
men von  Porto,  glaubt  eine  solche  Beziehung  ablehnen  zu  mfissen. 
Unser  Sasbacher  Fund,  welcher  wieder  einen  Apostelnamen  bietet,  legt 
indessen  diesen  Gedanken  von  Neuem  nahe.  Unzweifelhaft  isteinXheil 
dieser  bis  jetzt  gefundenen  Löffel  durchaus  nicht  liturgischen  Charak- 
ters ;  damit  ist  aber  nicht  ausgeschlossen,  doss  man  sich  bei  der  Speisung 
der  Armen  in  den  Triclinien  —  einer  Speisung  die  bekanntlich  an  die 
Stelle  der  im  4.  Jahrh,  im  Abendland  abgeschafften  Agapen  getreten 
ist  —  mit  Vorliebe  der  „zwölf"  Löffel  bediente,  welche  auf  den  Namen 
der  Apostel  „getauft"  waren.  Vielleicht  werden  spätere  Funde  diese 
Vennutimng  bestätigen. 

Nachdem  de  K  o  s  s  i  zu  verschiedenen  Malen  das  was  Qber  diese 
Gattung  von  Denkmälern  zu  sagen  ist,  in  erschöpfender  Weise  behan- 
delt hat  *),  glaube  ich  von  einer  eingehenderen  Besprechung  derselben 
Abstand  nehmen  zu  dürfen.  Für  den  eucharistischen  Löffel  ist  ausser- 
dem noch  immer  beachtenswerth,  was  Job.  Vogt  in  seiner  „Ftstula 
Eucharistica"  beibringt*). 
F.  X.  Kraus. 

1)  Hiat.  epiK.  Aatissiod.  c.  30  (bei  Lsbbe  Bibl.  nov.  u.  Dnrn  Docum. 
de  l'Eglüe  d'Auierre  1. 

2)  Fladoard  HUI.  Rhem,  I  lS-28. 
8)  De  Roisi  Bull.  1878,  117  f. 

4)  De  BoBsi  Bull.  1868,  79  f.  1873,  tisr.  1878,  117f.  Die  ed  1868, 
tav.  VI  Dod  1878,  tav.  Vill  gegebenen  AbbilduDgen  leigeo  die  Idibtilftt  dieser 
Fabrikation  mit  derjenigeQ  des  Saabaober  Iiöffeli. 

5)  Job.  Vogt,  past.  eoel.  cath.  BremenBig,  Biitoria Fiitalae  euobariitio»e 
et«.  Bremoe,  1740,  4°. 


Cosmas  und  Damianus.  89 


12.  Cosmas  und  Damianus. 

Alte  WandmalercioD  in  der  Münsierkirche  zu  Essen. 

Hierzu  Tafel  V. 


Im  Jahre  1856  eröffnete  Friedrich  v.  Quast  die  von  ihm  mit 
Otte  gegründete  Zeitschrift  für  christliche  Archäologie  und  Kunst  mit 
einem  Aufsätze  über  die  Münsterkirche  in  Essen,  welcher  als  ein  Muster 
monographischer  Behandlung  eines  unerforschten  Baudenkmals  geeignet 
war,  nicht  nur  in  weitesten  Kreisen  anregend  zu  wirken,  sondern  auch 
ein  ungewöhnHches  Interesse  für  die  Erhaltung  und  weitere  Erforschung 
des  Essener  Münsters  einzuflössen.  Doch  in  diesem  wie  in  jenem  Sinne 
trat  ein  Erfolg  nicht  ein.  v.  Quast's  Zeitschrift  erlebte  nur  zwei 
Jahrgänge,  und  die  Essener  Münsterkirche,  von  Alter  und  Bergbau  be- 
droht und  angegriffen,  ging  ihrem  Verfalle  entgegen,  vergebens  eines 
die  Erbschaft  v.  Quast's  Antretenden  harrend. 

Seit  Jahrzehnten  geplant  begann  die  Restauration  im  Jahre  1880, 
und  an  vielen  Stellen,  wo  man  prüfend  Hand  anlegte,  zeigte  sich  Neues. 
Eine  Reihe  architektonischer  Details  ward  entdeckt,  deren  hervor- 
ragende Bedeutung  darin  liegt,  dass  durch  sie  v.  Quast's  Muthmas- 
sungen  über  das  Alter  und  die  ehemalige  Gestalt  der  einzelnen  Bau- 
theile  in  überraschender  Weise  bestätigt  werden.  Dringend  zu  wünschen 
wäre  daher  die  baldige  Verwerthung  der  noch  fortwährend  zu  Tage 
tretenden  Funde  zu  einer  archäologischen  Reconstruction,  sei  es  des 
Ottonischen  sei  es  des  spätromanischen  Baues. 

Zu  einer  abgesonderten  Beschreibung  und  Betrachtung  fordern  in- 
dess  die  gleichfalls  erst  Ende  1881  freigelegten  Wandmalereien  auf. 
Das  Vorhandensein  derselben  war,  obwohl  bei  v.  Q^n^t  nicht  erwähnt, 
auf  Grund  weniger  Spuren  schon  früher  festgestelltT^ß  Aufdeckung 
aber  wurde  veranlasst  durch  den  bedrohlichen  Zustand  des'die  Vierung 
deckenden  Kreuzgewölbes  und  des  östlich  anstossenden,  dem  QJiore  zu- 
nächst gelegenen,  sowie  der  beide  Gewölbe  umfassenden  Gurt-  und 
Schildbögen.   Es  hatte  nämlich  der  über  der  Vierung  ehemals  lastt'Qde 


90  Gosmas  und  Damiuias. 

Thurm  die  ihn  tragenden  Pfeiler  nach  Süden  und  Norden  auseinander- 
gedrückt, dadurch  die  beiden  genannten  Gewölbe  in  der  Längsaxe  des 
Mittelschiffs  zerrissen  und  so  die  gänzliche  Erneuerung  der  beiden  Ein- 
wölbungen  nothwcndig  gemacht.  Das  Vierungsgewölbe  selbst  zeigte 
keinen  Farbenschmuck,  wohl  aber  der  östlich  sich  anschliessende  breite 
Gurtbogen,  nebst  dem  bereits  erwähnten,  dem  Chore  vorgelegten  Kreuz- 
gewölbe. Die  genaue  Aufnahme  dieses  Wandschmuckes  durch  Pausen 
und  Photographien  verdanken  wir  der  Fürsorge  der  die  Restauration 
leitenden  Herren,  Baumeister  Zindel  und  Bauführer  Müller,  durch 
deren  freundliches  Entgegenkommen  auch  die  Wiedergabe  auf  Tat  V 
möglich  wurde. 

Gegenstand  der  an  hervorragender  Stelle  angebrachten  Malereien 
ist  das  Martyrium  der  Heiligen  Cosmas  und  Damianus,  welche  als  Pa- 
trone der  Münsterkirche  nächst  der  h.  Jungfrau  Maria  verehrt  wurden 
und  deren  Reliquien  theilweise  nebst  dem  Schwerte,  womit  sie  ent- 
hauptet wurden,  diese  Kirche  bewahrt.  Auch  trägt  die  Stiftungsur- 
kunde von  Essen  vom  Jahre  874  das  Datum  des  27.  September,  des 
dies  natalis  jener  Heiligen  0'  Die  vier  Gewölbfelder  enthalten  folgende 
Darstellungen : 

1.  Die  Heiligen  werden  ins  Meer  geworfen  —  Südseite, 

2.  Ins  Feuer  geworfen  —  Westseite, 

3.  An  Kreuzen  häagend  gesteinigt  und  mit  Pfeilen  beschossen 
—  Nordseite, 

1.  Enthauptet  —  Ostseite. 

Es  erscheint  geboten,  diese  Bilderschrift  an  der  Hand  der  Legende 
zu  lesen: 

In  Arabien  geboren  und  im  Christentum  erzogen  widmeten  sich 
fünf  Brüder,  Cosmas,  Damianus,  Anthimus,  Leontius  und  Euprepius 
dem  ärztlichen  Berufe  und  wirkten  segensreich  zu  Aegea,  einer  Stadt 
an  der  Küste  Ciliciens,  zur  Zeit  der  Kaiser  Dioclctian  und  Maximian. 
Eines  ganz  besonderen  Rufes  aber  genossen  unter  ihnen  wegen  ihrer 
vielen  und  wunderbaren  Heiluiigen  Cosmas  und  Damianus.  Alle  fünf 
erlitten  den  Märtyrerjteu  durch  die  von  dem  praeses  Ciliciae,  Lysias, 
gegen  sie  eingeleitete  Verfolgung  am  27.  September  unter  dem  Consu- 
late  des  Dioclgtlan  und  Maximian  (d.  i.  287  oder  290).  Die  Kritik  der 
Bollandistc»j'2)  \^q]^i   ^us  der  gesammten  Ueberlieferung  vier  charakte- 

1)  Lacomblet,  Urkiindeubnch  I,  S.  34. 
.^2)  Acta  Bollandi:  M.  Sopt.  Tom.  VII  Dies  XX VII  pag.  428  sequ. 


Ck)Bma8  und  Damianus.  91 

ristische  Berichte  heraus,  welche  in  ihrer  Reihenfolge  die  Entwickelung 
der  Legende  darstellen.  Der  älteste  „b.(Aa  prima"  ist  kurz  und  schmuck- 
los, der  jüngste  „acta  quarta"  übertrieben  und  märchenhaft"  verbrämt. 
Die  beiden  mittleren,  nur  wenig  verschieden,  müssen  doch  wegen  dieser 
Abweichungen  im  Folgenden  citirt  werden,  weil  die  Wandmalerei  zwi- 
schen beiden  steht. 

i,Als  Lysias  in  Aegea  zu  Gericht  sass  (sedente  L.  pro  tribunaliy^ 
beginnen  fast  übereinstimmend  alle  acta  SS.  Cosmae  et  Damiani  und 
erzählen  dann,  wie  Lysias  auf  die  Anzeige  seiner  Unterbeamten,  dass 
In  der  Stadt  berühmte  Aerzte  das  Volk  verleiteten,  die  Götter  zu  miss- 
achten, die  Ergreifung  und  Vorführung  von  Cosmas  und  Damianus  be- 
fahl. Es  folgt  Verhör  und  Bekenntniss  dieser  Heiligen,  darauf  das 
der  ebenfalls  vorgeführten  anderen  Brüder,  Airthimus,  Leontius  und 
Euprepius.  Letztere,  welche  überhaupt  neben  dem  ausgezeichneten 
Brüderpaare  einen  minder  hohen  Rang  einnehmen,  werden  nicht  bei 
allen  Prüfungen  erwähnt.  Erstes  Verhör  und  Bekenntniss  sind  gleich 
den  häufigen  Wechsclreden  zwischen  Lysias  und  den  Heiligen  und  deren 
mehrfacher  Folter  in  der  Essener  Malerei  nicht  dargestellt,  vielmehr 
beschränkt  sich  die  letztere  darauf,  Leiden  und  Tod  der  H.  Cosmas 
und  Damianus  in  folgenden  dramatisch  bewegten  Bildern  dem  Volke 
vorzuführen. 

L 

Lysias  befahl,  die  Heiligen  mit  Ketten  beschwert,  ins  Meer  zu 
werfen. 

Acta  altera:  Tunc  alligaverunt  omnes  milites  catenis  et  ducebant 
ut  mitterent  eos  in  mare.  —  Et  milites  tenentes  eos  iactaverunt  in 
mare.  Confestim  angelus  Domini  stetit  secus  illos  et  disrupit  vincula 
eorum  et  eiecit  eos  intactos. 

Acta,  tertia  fügen  hinzu:  Milites  vero  venerunt  et  nuntiaverunt 
praesidi  quod  viderunt 

Das  diesen  Vorgang  darstellende  Bild  ist  das  am  wenigsten  er- 
haltene: 

Ein  in  wohlgefälligen  Linien  gezeichnetes  Schiff  nimmt  die  Mitte 
ein.  Das  Vordertheil  (Unks)  ist  dem  Hintertheil  gleich  geformt  und 
verziert.  Im  Schiffe  befinden  sich  drei  Männer,  einer  sitzt  am  Vorder- 
theil, ein  anderer  führt  stehend  oder  halb  knieend  das  einzige  Ruder, 
mit  welchem  das  Schiff  gesteuert  wird,  ein  Ruder  mit  breitem,  run- 
dem Blatt  und  gebogener  Stange.    Zwischen  Beiden  beugt  ein  Dritter 


93  CoBinas  und  DamiBDuB. 

sich  weit  aber  Bord  und  nach  rechts  hiu,  seine  Hände  scheinen  nahe 
den  Welleu,  deren  Andeutung  ebenfaUa  sichtbar'),  beachäftJgt  zusein, 
womit,  sagen  die  Worte:  et  milites  tenentes  eos  iactaverunt  in  mare. 
(Aus  dem  Umstände,  dass  der  Mann  am  Ruder  letzteres  zum  SteuerD, 
nicht  zum  Rudern  gebraucht,  sowie  aus  der  Haltung  der  Mittelftgor 
geht  hervor,  dass  das  Scbifl'  als  von  rechts  nach  links  sich  bewegend 
gedacht  werden  muss.)  Von  oben  naht  die  prachtvolle  Gestalt  eines 
Engels  in  langem  faltenreichem  Gewände,  mit  ausgebreiteten  Flügeln. 
die  rettenden  Arme  nach  dem  Wasser  streckend.  AuiTäll^  an  der 
Haltung  des  Ober  Bord  Gebeugten  ist,  dass  seine  Hände  in  der  Fluth 
etwas  zu  heben  oder  zu  halten  scheinen,  was  zum  iactare  nicht  passt, 
so  dass  die  Vermutbung  nnlie  liegt,  er  sei  bemüht,  die  Rettung  zu  bin- 
dern. Die  Meeresfiäche  schliesst  nach  unten  in  gerader  Linie  ab.  Links 
im  Zipfel  des  Bildes  sieht  mau  die  unteren  Theile  zweier  Figureo. 
Entweder  sind  es  milites,  welche  den  Hergang  vom  Lande  beobachten, 
um  ihn  danu  dem  Präses  zu  melden  (acta  tertia),  oder  es  ist  Lysias 
selbst  mit  einem  Diener,  wie  er  auch  in  den  folgenden  Bildern  an  der- 
selben*  Stelle,  die  Vollstreckung  leitend,  ersclieint  Bemerkt  zu  werden 
verdient  noch,  dass  die  acta  prima  sagen:  Ubi  vero  erant  proiecti,  vin- 
cula  soluta  sunt  et  aqua  eos  levans  illaesos  in  ten-a  deposuit,  ohne  des 
Engels  zn  erwtimen. 

IL 

Wiederum  werden  die  Heiligen  vor  Lysias  geführt,  der  eie  nun 
für  Zauberer  hält  und  in  ihre  Kunst  eingeweiht  zu  werden  wünscht 
Dieses  Ansinnen  wird  unter  neuem  Glaubensbekenntniss  zurückgewiesen 
und  Lysias  eine  Stunde  lang  von  zwei  Dämonen  gepeinigt.  Durch  der 
Heiligen  Gebet  befreit,  lä^t  er  diese  in  den  Kerker  werfen  und  am 
andern  Tage  sich  nochmals  voi-fUhren.  Als  die  abermalige  Aufforde- 
rung, den  Göttern  zu  opfern,  auf  das  Kühnste  beantwortet  wird,  be- 
schlicsst  er,  über  sie  den  Feuertod  zu  verhängen. 

Acta  altera :  —  iussit  ligna  afferri  et  accendi  ignem  copiosum  et 
in  eundem  eos  mitti.  —  et  miserunt  eos  in  ignem.  Steterunt  autem 
beati  martyres  in  medio  ignis  psallentes  et  dicentes:  mitte  nobis  Do- 
mine adiutorium  —  Ita  autem  eis  orantibus  statim  terrae  motua  factus 
est  magnus:   et   flamma  exilicns   combussit  multitudinem   gentilium 

1)  Auf  Tar.  V  fehlt  diese  Andeutung,  weil  erst  in  der  jüsgaten  Zeit  von 
der  Tünche  befreit. 


Cosmas  und  Damianus.  98 

astantium.  Martyres  autem  intacti  exierunt  ab  igne,  ita  ut  nee  capillus 
eorum  tactus  esset  ab  igne:  et  sie  steterunt  in  conspeetu  omnium. 

Acta  tertia:  —  ministri  miserunt  in  ignem.  Uli  autem  ambula- 
bant  in  medio  fornaeis  sicut  in  paradiso  exultantes  et  dieentes:  — 
Statim  natu  Dei  egressa  est  flamma  et  eombussit  plurimos  impiorum 
et  mortui  sunt.    Saneti  vero  —  illaesi. 

Nur  in  a.  tertia  ist  es  ein  Ofen  ^),  in  den  die  Heiligen  geworfen 
werden.  A.  altera  reden  vom  Feuer,  a.  prima  von  einem  Seheiter- 
haufen. Nach  a.  prima  thut  sich  unter  dem  Scheiterhaufen  die  Erde 
auf,  die  Heiligen  fahren  in  den  Spalt  hinab,  das  Feuer  ergreift  die 
Umstehenden,  die  Heiligen  kommen  wieder  zu  Tage  und  die  Erde 
schliesst  sich.  In  Erinnerung  hieran  berichten  noch  a.  altera  von  einem 
Erdbeben,  doch  bleiben  die  Heiligen  an  der  Erdoberfläche,  in  a.  tertia 
fehlt  dieser  Zug  gänzlich. 

Vier  Stufen  führen  zu  dem  in  der  Mitte  des  westlichen  Gewölb- 
feldes befindlichen  Ofen,  in  dessen  Inneni  rechts  der  Oberkörper  des 
einen  und  links  der  Kopf  des  andern  Heiligen  ^)  sichtbar  ist.  Schon  hier 
kommt  die  charakteristische  Ruhe  der  Heiligengestalten  zum  Aus- 
drucke ').  Das  übrige  Ofeninnere  ist  durch  den  erwähnten  breiten  Riss 
des  Gewölbes  zerstört.  Auf  eine  Erdspalte  deutet  nichts  hin,  ebenso- 
wenig ist  Feuer  sichtbar.  Um  so  deutlicher  aber  spiegelt  sich  in  der 
Umgebung  ein  unerwartetes,  schreckliches  Ereigniss,  ausgehend  nach 
der  Haltung  Aller  von  dem  Ofen.  Mit  ausserordentlicher  Kühnheit 
hat  der  Maler  Staunen,  Erschrecken,  Verletzung  und  Tod  uns  vor 
Augen  geführt.  Wie  anziehend  sind  die  Figuren  der  beiden  an  ihren 
gabelförmigen  Stangen  kenntlichen  Heizer,  welche  voll  Entsetzen  zu- 
zückfahren!  Durch  die  Gestalten  der  Hingeworfenen  wird  die  das 
Ganze  beherrschende  Symmetrie  in  wohlthuendster  Weise  gemildert. 
Links  neben  den  Stufen  erscheint  der  Körper  eines  Niedergeschmetter- 
ten, der  den  Kopf  auf  die  Hand  stützt,  rechts  vor  den  Stufen  windet 


1)  Auch  80  im  Menologiuro  Sirlotianam :  (ti&tg  iv  xafifvtp  nvQos  anoQqlnroV" 
Tai,  Acta  BolL  L  c. 

2)  Dieser  Kopf  ist  erst  in  letzter  Zeit  aufgedeckt,  fehlt  daher  auf 
Taf.  5. 

S)  Die  Haltung  der  Heiligen  ist  stets  ruhig,  die  der  Bösen  bewegt.  Addi- 
dit  etiam  illic  supportatoria  immobilia  esse  quod  Sanctorum  statio  stabilis  et 
firma  sit  .  .  .  .  peccatorum  Status  mobilis  etc.  Ambros.  de  Noe  et  Area 
c.  7  p.  84. 


94  Conniiu  und  Daraianns. 

sich  in  soltsamster  Körperkrtimmung  eine  kopfüber  gestürzte  Person 
in  ziemlich  lungern,  gelbem,  ftiessend  anliegendem  Gcnande  und  mit 
geflochtenen  Schuhen.  Rechts  vom  Ofen,  zunäcli!<t  dem  Heizer  kniet 
eine  kauernde  Gestalt,  das  Gesicht  in  den  Händen  bergend.  Ausserhalb 
der  verderblichen  Wirkungen  des  Wunders  sitzt  links  auf  dem  Richterstufal 
Lysios,  dem  vom  Ofen  sich  wegwendenden  Ueizer  einen  Befehl  ertheileod. 
Seine  Linke  hält  das  Gewand  zusammen.  Dahinter  steht  der  Dieoer, 
„unuB  ex  officio".  Der  Stuhl  hat  die  noch  heute  übliche  Form, 
und  diese  ganze  Darstellung  des  Richters  mit  seinem  Büttel  er- 
innert an  einen  fränkischen  Grafen  oder  iudex  ').  In  der  rechton 
Bildecke  trägt  eine  Gruppe  von  drei  Männero,  welche  ein  Vier- 
ter auf  das  sich  Ereignende  hinweist,  dazu  bei,  gleich  den  sogen. 
(norvovvteg  der  antiken  Bildwerke,  die  Aufmeiksamkeit  auf  die  Mittel- 
gruppe  zu  concentriien.  Eine  weitere  Deutung  dieser  Figuren  (BrQ- 
der?)  versuche  ich  nicht. 

in. 

Von  Neuem  sinnt  Lysias  auf  Qualen.  Er  lasst  die  Heiligen  auf 
die  Folter  spannen,  doch  sie  bleiben  unversehrt,  und  er  ordnet  die 
Kreuzigung  an. 

Acta  altera:  lussit  crucifigi  et  a  multitudine  lapidari.  Beatos  vero 
Anthimuni,  Leontium,  Euprepium  in  carcerem  duci.  Quaestionarii  vero 
cnietfiterunt  sanctos  Cosmam  et  Damianum.  Mittebat  autem  populus 
saper  eos  lapides:  et  ipsi  lapides  super  eos  redibant.  Videns  itaque 
praeses  ministros  plogatos  amplius  furore  accenaus  iussit  quattaor  mi- 
litefi  venire  et  sagittare  viros  illos,  Sanctos  vero  Anthimum,  LflonÜum 
et  Euprepium  iussit  de  carcere  eiectos  iuxta  erucem  astare.  Emissia 
aatem  sagittis  non  eos  contigenint:  nam  sagittae  super  mittentes  re- 
vertebantur. 

A.  tertia  fügen  hinzu;  Sagittae  vero  conversae  interfecerunt  plu- 
rimam  muititadinem  virorum  ac  mulierum,  ita  ut  fluvius  sanguinis  vi- 
deretur  currens  in  eo  loco. 

Noch  bewegter  als  das  vorige  Bild  ist  die  grandiose  Darstellung 
dieses  Theiles  der  Legende.  Schon  auf  den  ersten  Blick  gewahrt  man 
einen  deutlichen  Gegensatz  zwischen  der  oberen  und  unteren  Bildhälfte. 
An  zwei   cruces  commissae  gebunden  schauen  die  Colossalgestalten  *) 

1)  Vergl.  dae  TitelbUd  zu  Qrimm's  Oeutwben  Reobtialterthümern. 

2)  Mftn   beachte    überhaupt    die   Abatufung   in   der  Gröwe  der  Fignren: 


Cosmas  und  Damianus.  95 

der  Heiligen  voll  erhabener  Buhe  halb  den  Beschauer,  halb  einander 
an  und  überragen  ein  wirres  Durcheinander  kleinerer  Figuren.  Auch 
hier  herrscht  eine  frei  Symmetrie. 

Am  linken  Rande  des  Bildes  holt  ein  Mann  zum  Wurfe  aus,  wäh- 
rend sein  linker  Arm  eine  Menge  von  Steinen  im  Kleide  trägt.  Ein 
Stein  ist  auf  der  Brust  des  Heiligen  rechts  zu  sehen.  Auch  der  neben 
dem  ersten  Werfer  stehende  Schütze  zielt  nach  dem  Heiligen  zur 
Rechten,  während  rechts  wieder  ein  Schütze  und  ein  Werfer  den  linken 
Gekreuzigten  zu  treffen  suchen.  An  der  linken  Hüfte  des  letzteren  scheint 
ebenfalls  ein  Stein  angedeutet.  Der  Pfeil  des  Schützen  gleitet  vom 
Bogen  ab.  Unter  dem  rechten  Kreuze  greift  ein  Mann  getroffen  nach 
seinem  Kopfe;  ganz  rechts  in  der  Ecke  spannt  noch  ein  Schütze  den 
Bogen,  während  der  entsprechende  Raum  links  wieder  von  zwei  nach 
den  Kreuzen  hinschauenden  Figuren  gefüllt  wird,  in  denen  wir  Lysias 
mit  seinem  Diener  erkennen.  Am  unteren  Rande  wird  noch  ein  Bein 
sichtbar. 

Wenn  man  einerseits  dem  Maler  die  Anerkennung  nicht  versagen 
kann,  dass  er  aus  dem  historischen  Nacheinander  ein  künstlerisches 
Nebeneinander  mit  vielem  Geschick  componirt  hat,  so  muss  doch  auf 
der  andern  Seite  hervorgehoben  werden,  dass  die  gemalte  Legende  einen 
nicht  unerheblichen  Umstand  auf  diese  Weise  verschweigt,  denn  durch 
nichts  deutet  sie  an,  was  alle  Berichte  enthalten,  dass  nämlich  erst, 
nachdem  das  Volk  vergebens  die  Heiligen  zu  steinigen  versucht  hatte, 
vier  herbeigerufene  Schützen  ihr  Werk  begannen. 

IV. 

Acta  altera :  Intuitus  autem  haec  praeses  et  videns  se  victum*  in 
omnem  virtutem  suam  coepit  male  torqueri  et  iussit  capita  eorum  gla- 
dio  amputari.  Statimque  suscipientes  eos  speculatores  perduxerunt  ad 
locum  ubi  futura  erat  consummatio  eorum.  Euntes  autem  martyres 
tamquam  ex  uno  ore  laudantes  Deum  dicebant:  bonum  est  confiteri 
Domino  etc.  —  Et  haec  dicentes  beati  martyres  extenderunt  manus 
suas  ad  caelum  et  orantes  intra  se  dixerunt  amen.  Accedentes  autem 
speculatores  absciderunt  gladiis  0  capita  eorum  et  sie  in  tranquillitate 


Engel  —  Heilige  —  Heiden.  Die  Vertreter  des  Bösen  erscheinen  am  kleinsten. 
(Aus'm  Weerth,  im  Texte  zu  dem  Elfenbeinrelief  des  Essener  Buchdeckels  in 
Denkmäler  der  Bildnerei  in  den  Rheinlanden  S.  20  flg.) 

1)  Also  zwei  Schwerter  nach  Schrift  und  Bild,  deren  eines  zu  den  Sch&tzen 
der  Münsterkirche  gezählt  wird. 


n  CoBtDBS  und  Damiaoua. 

et  pacu  Iradiilerunt  Dco  animos  suas,  rccipieutes  a  Salvatorc  coronam 
victorlae.  Passi  sunt  autcm  gloriosi  martjTes  Gosiuas,  Oainianus,  An- 
Ihimus,  Leontius,  Eiirrepius  in  civitate  Aegea  tiuinto  Cal.  Octobres. 

A.  tertia  setzeu  hinzu :  Tum  piae  mentis  homines  rapuerant  Cor- 
pora eorum  omuibusque  rite  gestts  sepelterunt  eos. 

Wiciienim  sehen  wir  Lysias  auf  dem  uns  schon  bekannten  Stuhle 
Kitzen,  seine  Füssc  ruhen  auf  einem  verzierten  Schemel.  Hinter  ihm 
nimmt  der  Diener  Beinen  Platz  ein.  Näher  der  Mitte  gteheu,  eben- 
falh  zum  officium  gehörend,  vier  milites  mit  Schwert  und  Schild'). 
Dem  Befehle,  den  Lysias  mit  erhobener  Hand  ertheilt,  ist  ein  vor  dieser 
Gruppe  stehender  Henlter  bereits  nachgekommen.  Der  Kopf  des  einen 
Heiligen  liegt  am  Boden,  und  der  Henker  streicht  sein  Schwert  an  dem 
mit  der  Linken  erhobenen  Rocke  ab.  Ein  Engel  trägt  die  Seele  in 
Gestalt  eines  bekleideten  Kindes*)  im  Heiligenschein  empor.  Rechts 
von  der  Mitte  erwartet  der  andere  Heilige  in  liegender  Stellung,  die 
Hände  abwärts  haltend,  als  wären  sie  festgebunden,  'den  Streich,  zu 
dem  der  zweite  Henker,  hinter  ihm  stehend,  ausholt.  Ganz  rechts  er- 
scheint die  untere  Hälfte  einer  Figur ;  vielleicht  ist  es  einer  der  „piae 
mentis  homines",  die  für  die  Bestattung  sorgten. 

Zum  Inhalte  der  betrachteten  vier  Darstellungen  seien  noch  fol- 
gende Bemerkungen  gestattet,  welche  sich  mir  aufdrängten: 

Zu  symbolischer  Deutung  regt  zunächst  die  räumliche  Vertheilung 
an:  Dass  die  Enthauptung  und  Befreiung  der  triumphirenden  Heiligen 
das  Ostfeld  einnimmt,  bedarf  keiner  Erklärung.  Bedeutet  dodi  der 
Osten  den  Heiland  selbst,  den  vir  oriens ').  Ebenso  versteht  es  sieb 
bei  der  speciäach  christlichen  Bedeutung  des  Kreuzes  von  selbst,  dass 
einer  Kreozigungsscene  die  Evangelienseite  (Norden)  gehört.  Das  im 
südlichen  Felde  dargestellte  Mittelmeer  ist  nicht  so  leicht  zu  deuten, 
vielleicht  auf  die  Taufe  <).  Westen  endlich  ist  nach  kirchlicher  Auf- 
fassung die  Nacht,  im  Westen  der  Kirche  ist  der  Platz  fOr  die  Büsseo- 
deo,  und  dem  entspricht  der  im  westlichen  Felde  gemalte  Ofen'}. 

1)  Der  Scbild  de«  halb  verdeckt  stehenden  Oewaffneten  eoheiiit  versiert 
geweten  cu  Min. 

2)  Wfthrend  die  Acta  von  coroaa  und  palma  viotoriae  reden,  erscheint  hier 
die  mittelaltrig^  Dantellong  der  Seele  dnroh  ein  Kind. 

3)  lonooent.  III  tom.  IV.  p.  812. 

4]  Per  undaa  maris  iu  typo  bapttsmatis  (laraelitaa)  fiUBRe  Mrvato«.  Ve- 
recund.  pag.  124. 

9)  Fomax  calor  tribniationis  —  sopplioinm  peocatorum,  Melito  Spidl. 
3oI.  II  p.  294. 


Ck>8ma8  und  Damianae.  97 

Doch  auch  die  andere  Frage  möchte  ich  aufwerfen,  ob  der  Maler 
sich  bewusst  gewesen,  die  siegreiche  Macht  der  heiligen  Aerzte  über 
die  Elemente  dargestellt  zu  haben  ?  Weder  Woge  noch  Flamme  ver- 
mögen sie  zu  versehren,  selbst  die  Luft  ist  ihre  Beschützerin,  indem 
sie  den  Steinen  und  Pfeilen  eine  andere  Richtung  gibt,  ja  sie  zurück- 
schleudert. Wie  die  Erde  sich  aufthut,  die  Heiligen  schützt  und  ihre 
Verfolger  straft,  hat  freilich  der  Essener  Maler  nicht,  wenigstens  nicht 
deutlich  ausgedrückt. 

Die  Technik  anlangend  ist  zu  bemerken,  dass  gelbe,  nicht  schwarze 
Linien  die  Figuren  umfassen  und  Farbe  von  Farbe  scheiden,  die  Ge- 
wänder meistens  roth,  die  unbedeckten  Körpertheile  gelb,  der  Hintergrund 
blau  ist  und  ein  braunes,  beiderseits  roth  eingefasstes  Band  die  einzelnen 
Felder  des  rippenlosen  Kreuzgewölbes  nach  innen  umgibt.  Die  Linienfüh- 
rung ist  eine  überaus  sichere  >)  und  erhebt  sich  stellenweise  zu  einer 
schwungvollen  Grazie,  welche  fast  Zweifel  an  dem  mittelaltrigen  Ur- 
sprünge erregen  könnte. 

Gleichwohl  sind  die  Typen  zu  diesem  gemalten  Gedichte  *)  ganz 
dem  Figurenvorrath  der  romanischen  Wandmalerei  entnommen.  Um 
einige  Beispiele  zu  erwähnen,  so  erinnert  an  die  Figur  des  Lysias  der 
auf  der  Querwand  des  Gapitelsaales  zu  Brauweiler  gemalte  sitzende 
König')  und  an  den  Stuhl  des  praeses  Giliciae  der  Stuhl  eines  „Alten 
aus  Juda^'  in  der  unteren  Kirche  zu  Schwarzrheindorf  ^).  Zur  Kreuzi- 
gung möchte  ich  auf  den  an  einer  crux  commissa  hängenden  Märtyi*er 
zu  Brauweiler  hinweisen^).  Der  sein  Schwert  abwischende  Henker 
findet  sich  ebenfalls  dort^').  Einen  Mann  mit  zum  Streiche  erhobenem 
Schwerte,  der  dem  rechts  stehenden  Essener  Henker  sehr  ähnlich  sieht, 
finde  ich  unter  den  Wandmalereien  des  Temple  St.  Jean  zu  Poitiers, 
welche  erst  nach  dem  12.  Jahrhundert  entstanden  sind  ^),  und  ebendort 
zeigt  die  Stirnfläche  des  die  Ghorabsis  schliessenden  Bogen  folgendes 


1)  Hr.  Zindel  machte  die  Bemerkung,   dass  der  Maler  an  den  Gonturen 
öfters  korrigirt  za  haben  scheine. 

2)  Eine  poetische  Bearbeitnng  desselben   Stoffes  hat  Aldhelmus    in  sei« 
nem  in  Hexametern  abgefassten  elogium  gegeben,  cf.  Acta  BoU.  1.  c. 

3)  Aus'm  Weerth,  Wandmalereien  des  M.  A.  in  d.  Rheinl.  Taf.  I  u.  IL 

4)  Aus'm  Weerth  1.  c.  Taf.  XXII  No.  8. 
6)  daselbst  Taf.  VIII. 

6)  daselbst  Taf.  XII. 

7)  Archives  de  la  commission  des  monuments  historiqaes  publice  par  ordre 
de  s.  exe.  M.  A.  Fould.  livr.  90. 

7 


93  Coimu  und  DamUoufl. 

Bild:  Rechts  aus  dem  Blaff om amen te  kommt  ein  kriechendes  Dnge- 
thüm,  der  Teuiel,  ein  Engel  aber  trägt  eine  Seele  in  Gestalt  eines  in 
langes  Gewand  gehüllten  Kindes  zum  Heiland,  dessen  Haupt  mit  Aureole 
den  Scheitel  des  Bogens  einnimmt '). 

Erhalten  war  ausser  den  bemalten  Gewölbfelden  auch  der  Farbon- 
sclunuck  der  ScbildbÖgen  und,  wie  erwähnt,  des  westlich  anscbliessen- 
den  Qurtbogens. 

Den  siidlichen  und  ;nördlichcn  Schildbogen  deckte  ein  gelbes,  blAa 
geziertes  Dreiblatt  auf  braunrothem  Grunde  {Fig.  IT),  das  von  zwei 
gelben  Streifen  eii^efasst  wird.  Heichere  Pflanzenformcn*)  ziorlen  den 
östlichen  und  westlichen  Schildbogen  {Fig.  Illa)  ebenfalls  auf  rotbem 
Grunde.  Auf  der  nach  Oslen  gekehrten  Vertikalfläche  des  westlichen 
ächildbogcDS  entdeckte  man  unmittelbar  vor  dem  Abbruche  den  unter 
Fig.  Illb  wiedergegebenen  Blattfries. 

Der  Gurtbogen  endlich  trug,  wie  die  vier  erhaltenen  Bruchstücke 
zeigen,  ein  fortlaufendes  Blattornament,  dessen  Ranken,  stellenweise  von 
verzierten  Bändern  zosammengefasst,  |)hanta.stiBche  Thicrfiguren  kreis- 
förmig umrahmen.  Das  Blattwerk  ist  von  starken  schwarzen  Linien 
durch-  und  nmzogen,  wahrend  die  Figuren  selbst  nur  in  Farben,  ohne 
Conturen  angegeben  sind.  Demzufolge  sind  die  im  Innern  der  Sil- 
houette laufenden  Körperlinien  durch  leichte  Schattirung  angedeutet. 
Das  Ganze  zeigt  eine  uiclit  .i;erin^'e  Tecliuik,  Ueber  die  Farben  lässt 
sich  nichts  Bestimmtes  mehr  sagen.  Die  Figuren  scheinen  roth  ge- 
wesen zu  sein.  Eine  Deutung  der  letzteren,  nämlich  1)  des  Greifen 
(Fig.  IV),  2)  zweier  in  einander  geschlungener  geflügelter,  zweifüssiger 
Thiere  mit  Schlangenleib,  deren  eines  den  Kopf  des  Fuchses,  das  andere 
den  eines  Vogels  trägt  (Fig.  V),  endlich  eines  Thieres,  dessen  Vorderfüsse 
allein  erhalten  sind  (Fig.  VI),  versuche  ich  nicht.  Fig.  VII  zeigt  die 
Blattforraen  in  schönster  Knt&ltung. 

Ein  ähnliches  Ornament,  Blattwerk  mit  kreisförmig  umschlossenen 
Thiergestalten,  weist  auch  St.  Jean  zu  Poitiers  auf*). 

Welchen  Platz  die  Essener  Wandmalereien  innerhalb  des  naheste- 
henden Denkmälerkreises  in  zeitlicher  Hinsicht  einnehmen,  kann  nicht 
mehr  zweifelhaft  sein.    jQnger  als  die  Malereien  von  Schwarzrheindorf 

1)  DoMlbst  livr.  79. 

2)  In  dem  einfacben  Bindegliede  zwisoheo  den  beiden  aufsteigenden  ge- 
gliederten Blattformen  erinnere  ioh  mich,  bei  der  Aufdeckung,  t,U  die  Farben 
noch  friach,  Augen  gesehen  su  haben. 

3)  Dwelbst  lisr.   79. 


Gosmas  und  Damianus.  99 

(1157)  und  wenig  älter  als  die  von  Ramersdorf  (1300)  sind  sie  gleichzeitig 
oder  noch  etwas  jünger  als  die  von  St.  Maria-Lyskirchen  *)  (1280). 

Schwieriger  und  interessanter  noch  ist  die  Frage  nach  dem  Alter 
des  Gewölbes  selbst,  üeber  dem  südlichen  und  nördlichen  Schildbogen 
erheben  sich  nämlich  noch  heute  die  Wände,  welche  vor  der  jetzigen 
p]inwölbuug  eine  flache  Balkendecke  trugen  und  dem  Innern  der  Kirche 
Licht  zuführten  durch  je  drei  kleine  Rundbogenfenster,  welche  jetzt, 
unten  durch  das  in  Rede  stehende  und  die  anstossenden  gotischen  Ge- 
wölbe verdrängt  und  oben  zugemauert,  mit  der  oberen  Parthie  zwischen 
Gewölbe  und  Dach  versteckt  sind.  Da  wir  wissen,  dass  nach  dem  Brande 
des  Jahres  1265  die  Kirche  durch  Mechtildis  von  Hardenberg  wieder- 
hergestellt wurde,  so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  nachdem  das 
Feuer  die  Holzdecke  verzehrt  hatte,  die  Einwölbung  nebst  der  Bemalung 
erfolgte.  V.  Quast,  der  die  unter  dem  Dache  verborgenen  Theile 
nicht  gesehen  hat,  möchte  den  ganzen  spätromanischen  Hauptkörper 
lieber  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  zuweisen.  Vor  einer  gründ- 
lichen Durchforschung  des  gesammten  Materials  müssen  wir  indess 
darauf  verzichten,  hierüber  Gewissheit  zu  erlangen. 

Das  beschriebene  Gewölbe,  in  spätgotischer  Zeit,  gleich  den  mei- 
sten übrigen  Gewölben  der  Kirche,  mit  ziemlich  regellosem  Ranken- 
Ornamente  übermalt,  soll  demnächst  im  Anschlüsse  an  die  fortschrei- 
tende Restauration  des  Baues  seinen  alten  Schmuck  in  möglichst  treuer 
Wiedergabe  zurückerhalten. 

W.  Heilermann. 


1)  Siebe  Heft  LXIX  der    Jahrbücher.    Alte  Wandmalereien  in  St.  Maria 
Lyskircben  v.  £.  aiiB'm  W^eerth. 


Die  Dom  bäum  eiiter  v 


13.    Die  Dombaumeister  von  Köln. 

Nach    Jon  ITrknadHD, 

I.    Meister  Gerard. 

Einen  erheblichen  Gewinn  für  die  Kunstgeschichte  liefert  die  Ur- 
kunde, worin  (las  Domcapitel  von  Köln  im  Jahre  1257  dem  Meister 
Gerard,  Steinmetz  und  Vorsteher  der  Bauhütte  des  Domes,  wegen  seiner 
belohnenswcrthen  Dienstleistungen  („proptermeritorumsuorumobseqnia, 
ipsi  ecclesie  facta")  eine  Begünstigung  in  der  Form  erwies,  dass  beim 
Uebertrage  einer  Grundfläche  an  ihn  nach  Erbzinsrechte  die  dafiir  zu 
entrichtende  jährliche  Rente  (zwölf  Solidi)  wesentlich  niedriger  gestellt 
wurde,  als  dies  bei  einem  solchen  FlSchenniasse  dem  eigentlichen  Werth- 
verhältnisse  entsprechend  war. 

Sie  ist  bereits  1782  von  Glasen  (Schreinspraxis  S.  67)  im  Aus- 
zuge mitgetheilt  worden,  jedoch  nur  zufällig,  ohne  dass  derselbe  ihre 
kunstgeschichtliche  Bedeutsamkeit  beachtet  hätte;  er  gibt  sie  lediglich 
als  ein  Muster  für  den  „Ursprung  der  eigentlichen,  sogenannten  Lehen- 
gütern der  hiesigen  Stiftern,  so  in  Häusern  bestehen."  Vollständig  wurde 
sie  zuerst  von  Boisseri^e  in  seine  Geschichte  des  Domes  (2.  Ausgabe, 
S.  102—103)  aufgenommen,  nachdem  der  am  14.  August  1854  in  hohem 
Greisenalter  verstorbene  Dr.  J.  G.  X.  Imhoff  ihn  auf  das  betreffende 
Schrcinsbuch  aufmerksam  gemacht  hatte.  Von  der  unmittelbar  fol- 
genden Urkunde  von  1302,  welche  mit  Meister  Gerard's  Kindern  bekannt 
macht,  gibt  Boisserße  jedoch  nur  eine  kurze  Stelle').  In  Fahne's 
Diplomatischen  Beiträgen  zur  Geschichte  der  Baumeister  des  Kölner 
Domes  (2.  Ausg.  1849}  wurden  beide  dann  ihrem  ganzen  Umfange  nach 
abgedruckt,  begleitet  (S.  17)  mit  einer  Rüge  gegen  Boisseröe,  dass  er 
weder  vollständig  noch  richtig  wiedergegeben  habe.  Es  ist  allerdings 
wahr,  dass  dort  mehrere  Unrichtigkeiten  eingeschlichen  sind  —  was 


1)  Die  Haupt^telle  auB  der  Urkunde  von  1257  UttsBoisieräe  Bclioii  1823 
in  das  Texthert  ku  seinem  grossen  Domwerke  aas  einem  Kopialbacbe  des  Dom- 
arcbtvi  aufgenommen. 


Die  DombaumeiBter  von  Köln.  101 

dagegen  den  Abdruck  in  den  Diplomatischen  Beiträgen  betrifft,  so  wird 
hier  ein  ganzes  Heer  von  Verstössen  hinzugebracht,  darunter  mehrere 
von  gröbster  Art,  z.  B.  die  Lesungen  etiam  statt  Petro,  penitus  statt 
Petri.  Ich  habe  es  daher  auch  für  nichts  Ueberfltissiges  erachten  dür- 
fen, die  wichtigen  Urkunden  nochmals  zu  liefern.  Nicht  zu  verschweigen 
ist  übrigens,  dass  auch  die  Schreinsschreiber  selbst  es  in  den  lateini- 
schen Beurkundungen  an  Verstössen  gegen  die  grammatische  Gorrect- 
heit  nicht  mangeln  lassen. 

Ihre  Eintragung  eröffnet  das  die  Jahre  1302  bis  1393  enthaltende 
Buch  A  sancto  Lupo  des  Schreins  Niderich,  nachdem  in  einer  Ueber- 
schrift  die  Beschreibung  des  Bezirks,  den  zu  umfassen  dieses  Buch  die 
Bestimmung  hatte,  vorhergegangen.  Die  den  Meister  Gerard  betref- 
fende Urkunde  von  1257  ist  nur  als  Belegstück  vorangeschrieben;  sie 
begleitet  die  von  seinen  Kindern  1302  vollzogene  Verfügung  über  das 
elterliche  Haus  zu  dem  Zwecke,  um  das  Besitzesrecht  in  seinem  Ur- 
sprünge nachzuweisen.    (Urk.  I  u.  II.) 

Das  Jahr  1257  führt  uns  mitten  in  Meister  Gerard's  Wirken  am 
Dombauwerke,  wo  neun  Jahre  zuvor  am  Himmelfahrtsfeste  der  heiligen 
Jungfrau  die  Feierlichkeit  der  Grundsteinlegung  stattgefunden  hatte  ^). 

Durch  ein  Brandunglück  war  der  östliche  Theil,  und  zwar  be- 
sonders das  daselbst  gelegene  Chor  des  älteren  Domes  verwüstet  wor- 
den. Es  geschah  am  St.  Quirinustage  (30.  April)  des  Jahres  1248.  Schon 
am  21.  Mai  desselben  Jahres  erliess  Papst  Innocenz  IV.  von  Lyon  aus 
eine  Bulle,  worin  er  allen  reumüthig  Beichtenden,  welche  zu  der  mit 
grossen  Kosten  verbundenen  Wiederherstellung  („reparare  opere  sum- 
tuoso^*)  des  von  einer  Feuersbrunst  betroffenen  Domes  zu  Köln  Beiträge 
leisten  würden,  einen  Ablass  von  einem  Jahre  und  vierzig  Tagen  ge- 
währt *).    Und  nicht  volle  drei  Monate  später  ward  schon  der  neue 

1)  Die  Koelhof*8che  Chronik  von  1499  (Bl.  198b)  setzt  die  Grundstein- 
legung „up  unser  liever  vrauwen  avent  assumptionis,^*  A  eitere  Berichte  nennen 
bald  den  Himmelfahrtstag  Mariae  selbst,  bald  den  Tag  vorher.  (M.  s.  Die  Chro- 
niken der  niederrheinischen  Städte,  Bd.  II,  S.  18.  29  u.  126.)  Die  früheste  die- 
ser Aufzeichnungen  sagt:  „In  den  jaren  uns  herren  1248  up  unser  vrauwen  dach 
dat  si  zu  hemel  vur,  du  wart  des  nuwen  doims  begunt  van  bischof  Conrait 
vnrss."  Eine  alte  Inschrift  im  Dome,  die  wir  später  heranziehen  werden,  nennt 
ebenfalla  diesen  Tag. 

2)  Sie  ist  abgedruckt  bei  Crombach  (Hist.  tr.  Regum  III  p.  797),  bei 
Lacomblet  (ürkundenb.  II  Nr.  332),  in  den  Quellen  z.  Gesch.  d.  St.  Köln  (II 
Nr.  276)  und  auch  in  dem  den  Dom  betreffenden  Aufsatze  Boisseröe's  im 
XII.  Hefte  d.  Jahrb.  d.  Vereins  ▼.  Alterthurasfr.  im  Rheinl.  S.  147—148. 


t09  Die  Dombftiimeister  von  Köln. 

Chorbau  in  Angriff  genommen.  Auch  durch  mehrfache  andere  Zeug- 
nisse wird  das  EreigtiisH  des  Brandes  ausser  Zweifel  gestellt.  Der 
Geschichtschreiber  Matthäus  Paris,  ein  Zeitgenosse,  der  als  Mönch  zu 
St.  Alban  in  England  lebte,  sagt  (Ilistoria  maior,  p.  653)  beim  Jahre 
1248:  „cathedralis  ecclesia  bcati  Petri  in  Colonia  (quae  est  omnium 
ecclesiarum  quae  sunt  in  Alemannia  quasi  inater  et  matrona)  usque  ad 
muros  incendio  consumta  est."  Die  Urkunde,  womit  König  Heinrich 
in.  von  England  im  Jahre  1257  Siimmlungen  für  den  kölner  Dombau 
in  seinem  Reiche  erlaubt,  hat  die  Stelle:  „Cum  ecclesia  Coloniensis, 
in  qua  Corpora  trium  Regum  requiescunt,  per  incendium  inopinabili 
ac  miserabili  casu  sit  consumpta"  (Th.  Rymer:  Foedera  I  p.  368). 
Ein  aus  dem  dreizehnten  Jahrhundert  herrührender  Pergamentcodex, 
früher  bei  Dr.  Imhoff,  jetzt  im  Proviuzial-Archiv  zu  Düsseldorf  aufbe- 
wahrt und  ursprünglich  zum  Archiv  des  St.  Gereonsstiftes  in  Köln  ge- 
hörig, meldet  die  Feuersbninst  mit  Angabe  des  Tages;  „Anno  domini 
M^CC^XL*  octauo  dieQuirini  combustus  est  summus ')  Colonie."  Die 
befremdliche  Endung  des  Wortes  surnrnttö  würde  die  Anwendung  auf 
die  ganze  Kirche  ausschliessen,  da  ein  entsprechendes  Substantivum 
fehlt  und  summum,  d.  h.  summuni  templum,  die  übliche  Bezeichnung 
für  den  Dom  war.  Will  man  nicht  einen  Schreibfehler  nntemtellen,  ao 
müsste  mitLacomblet  hier  an  den  summus  chorus  majoris  ecclesiae  ge- 
dacht werden.  Das  dem  13.  -Jahrhundert  entstammende  Kalendarium  der 
Dom-Custodie  spricht  von  einer  inneren  Einrichtung  ,fprout  consuetum  fue- 
rat  ab  antiquo  ante  incendium  monasterii  predicti."  (Quellen  z.  G.  d.  St,  K, 
II,  S.  279).  Dann  kommt  noch  der  ausführliche  Berichteines Ungenanntfin  in 
den  Annalen  von  St.  Pautaleon,  den  schon  ßaisserde  (Jahrb.  d.  Vereins 
V.  Alterthumsfr.  im  Rheinl.  XII  S.  128—157)  für  einen  Zeitgenossen,  wo 
nicht  Augenzeugen  des  Ereignisses  hielt:  „Ipso  anno  (1248)  cum  ca- 
pitulum  Coloniense  pro  omnimoda  destruxione  maioris  ecclesie  antique 
et  reparatione  *)  melioris  structure  de  consensu  archiepiscopi  et  prio- 
rum  concordassent  festinique  valde  magistri  operis  orientalem  partem 
murorum  ecclesie  cavassent,  nimio  ignia  fomento  aggregata  ligoa  cava- 
turam  sufTulcientia  incauti  succendunt,  ut  moles  desuper  stans  cito  rue- 


1)  Die  Handgchrift  hat  „cöbuff  S  Bum'",  und  naob  den  Regelo  der  Diplo- 
matik  können  beide  EDduageabbreviaturan  mit  '  nur  durcb  ns  ergänzt  werden. 
IndeBBan  trete  ich  der  AnBicht  bei,  dau  der  AnnaliBt  einen  Schreibfehler  ge- 
macht habe. 

2)  BoisBOree  hat  restauratione;  die  Böhmer'sehen  Föntet,  IV,  p.  48» 
berichtigen;  reparatione. 


Die  Dombanmeister  von  Köln.  103 

ret  Sed  ignis  invalescens  vento  destante  illud  nobile  opus  ecclesie  licet 
antiqaum  cam  duabus  coronis  deauratis  intus  dependentibus  preter  solos 
muros  parietum  penitus  consumpsit"  u.  s.  w.  *).  Die  Angaben  über  den 
Brand  scheinen  indessen  im  Allgemeinen  an  Uebertreibung  zu  leiden,  und 
namentlich  ist  auch  diesem  letzteren  Berichte  die  volle  Glaubwürdigkeit 
von  mehreren  sehr  beachtenswerthen  Seiten  bestritten  worden.  Will 
man  ihm  Glauben  schenken,  so  würde  der  in  den  Aufrufen  zu  Beitrag- 
leistungen so  entschieden  und  ausschliesslich  hervorgehobene  Brand  auf- 
hören müssen  als  die  wahre  und  nächste  Ursache  für  die  Inangriff- 
nahme des  Neubaues  gelten  zu  können,  da  vor  dem  Brande  mit  dem 
Abbruche  des  Chores  begonnen  und  dann  erst  durch  mangelhafte  Vor- 
sicht bei  den  die  Niederlegung  befördernden  Einrichtungen  der  Brand 
veranlasst  worden  wäre.  Lacomblet  undEnnen  haben  Übrigens  zahl- 
reiche, urkundlich  erwiesene  Thatsachen  zur  Anzeige  gebracht,  welche 
bis  in  die  nächsten  Jahre  nach  dem  Brande  zurückführen  und  den 
Fortbestand  des  alten  Domes  mit  Einschluss  seines  Chores  zu  gottes- 
dienstlichen Zwecken  bezeugen,  während  gleichzeitig  auf  dem  zur  Er- 
weiterung bestimmten  östlichen  Terrain  der  neue  Chorbau  die  Werk- 
leute  in  Thätigkeit  hielt. 

Wenn  nun  im  Jahre  1257  das  Domcapitel  dem  Meister  Gerard 
ein  öffentliches  Zeugniss  seiner  um  das  Bauwerk  erworbenen  grossen 
Verdienste  ausstellt  (eine  Auszeichnung,  mit  der  man  damals  äusserst 
vorsichtig  und  zurückhaltend  war  und  die  sich  bei  keinem  von  Gerard's 
Nachfolgern  wiederholt),  so  erscheint  die  verstrichene  Frist  von  kaum 
neun  Jahren,  binnen  welchen  man,  in  Ansehung  der  umfangreichen 
Fundamentarbeiten,  den  Bau  erst  unbedeutend  emporgefdhrt,  also 
die  mehr  künstlerischen  Ausführungen  nur  wenig  zur  Anschauung  ge- 
bracht haben  konnte,  so  massig,  dass  sich  daraus  nicht  nur  der  Be- 
weis, dass  Gerard  nothwendig  sogleich  von  1248  ab  die  Leitung  der 
Hütte  geführt  habe,  sondern  auch  ein  sehr  bedeutsamer  Grund  dafür 
herleiten  lässt,  das  ganz  besonders  die  Anfertigung  des  Planes  bei 
der  Freigebigkeit  des  Domcapitels  in  Betracht  gezogen  worden  sei. 
Ja,  die  Frist  von  neun  Jahren  verkürzt  sich  noch  um  zwei  bis  drei 
Jahre,  wenn  man  berücksichtigt,  dass  Gerard  1257  auf  der  ihm  vom 
Capitel  abgelassenen  Grundfläche  bereits  ein  grosses  steinernes  Haus 


1)  Böhmer  schrieb  bezüglich  dieser  Annalen  oder  Geschichte  der  £rs* 
bischöfe  von  Köln  an  Boisserde:  „Sie  hat  eigenthümliche  Interpolationen,  dertm 
Quelle  weder  gedruckt  noch  sonst  bekannt  ist." 


104  Dio  DombiumeUter  von  Köln, 

(„niagnam  donium  lapideam")  auf  sein«  eigenen  Kosten  erbaut  hatte, 
so  dass  dem  1257  beurkundeten  üebertrage  wohl  schon  1254  oder  1255 
die  mündliche  Zusage  und  der  factische  Vollzug  vorhergegangen  war. 

Freilich  sind  manche  Stimmen  laut  geworden,  welche  von  der 
Aufnahme  des  neuen  Dombaues  nicht  nur  die  berathende  Einwirkung 
eines  überragend  wissensroiehen  und  erlauchten  Mannes,  der  um  jene 
Zeit  in  Köln  lebte,  nämlich  Albert'a  des  Grosftn,  nicht  ausschUessen, 
sondern  ihm  geradezu  die  Erfindung  und  Aufstellung  des  Planes  zu- 
scbreibeu  möchten.  Für  diese  Annahme  ist  jedoch  schon  der  Umstand 
nicht  günstig,  dass  sich  Albert  im  Jahre  1244  (nach  Andern  1245)  nach 
Paris  begeben  hat  und  erst  im  Herbste  1248  von  da  nach  Köln  zu- 
rückgekehrt ist.  Atbert's  Grösse  lag  auf  andereu  Gebieten,  und  es 
fehlt  an  jedem  stichhaltigen  Nachweis,  dass  er  in  irgend  einer  Weise 
au  der  Ausführung  des  Dombaues  betheiligt  gewesen.  Auch  liegt 
das  Zeugniss  eines  Chronisten  vor,  worin  Aehnliches  von  dem  Grafen 
Simon  von  der  Lippe,  Bischof  von  Paderborn,  „welcher  damals  in  der 
Baukunst  besonders  berühmt  war,"  ausgesagt  wird.  (Köln.  Domblalt 
Nr.  20  V.  1842.) 

Die  Lage  und  Beschaffenheit  des  von  Meister  Gerard  indemAllod, 
dem  ehemaligen  Weingarten  des  Domcapitels,  auf  der  Ostseite  der 
Marcellcnstrasse  erbauten  Hauses  lässt  sich  aus  einigen  der  am  Schlüsse 
mitgctheilten  Urkunden  ziemlich  genau  ermitteln,  namentlich  aus  jener 
von  1304  des  Schreinsbuches  A  sancto  Lupo  (Nr.  III  d.  Ürk.).  Neben 
dem  Eckhause  Nr.  18,  das  in  jüngerer  Zeit  als  „Jesuiten- Apotheke" 
bekannt  war '),  folgten  zum  Eigelsteine  hin  zwei   Wohnungen  unter 

1)  Es  ist  seitdem  niedergelegt  und  seine  OruadQäcbe  für  die  neuerricbtete 
Bahnhofs trtuBO  verwendet  worden.  Südwärts  daneben  (Nr.  16)  lag  ein  Braubaua, 
„zum  alten  Dom"  geuauot,  und  darauf  folgte  (Nr.  14)  die  Capelle  „ad  intiguum 
eummum",  auch  St.  M&ttbias-  und  Yictorscapelle  genannt.  Das  Braubaus  kam 
I3S8  in  den  fieeitz  des  liectors  dieser  Capelle,  der  Herr  Johannes  hiess.  Hier 
die  Urkunde  aus  Nid.  A  s.  Lupo:  Notum  sit  etc.  quod  Otto  de  luliaco  et  Nesa 
eius  vxor  Domuoi  braxatoriam  et  eiua  aream  vocatam  ad  antiquum  summnui 
contigue  oapelle  ad  autiquum  suramuin  versus  vicum  aancti  Maroelli .  .  .  donaue- 
runt  et  remiserunt  domino  lohanni  saccrdoti  Routori  predicte  Capelle  ad  anti- 
quum summum  - . .  Datum  anno  dni.  m°.  ccc°.  Tricesimo  outauo.  feria  tercia  post 
octauas  Penlhecostes.  Auf  Carta  Nid.  Fol.  23  ist  122B  des  grossen  Hauses  Nr.  12 
gedacht,  wclcbes  später  „zum  Schwan"  (ad  cygnum)  genannt  wurde;  die  Bezeich- 
nung seiuer  Lage  lautet:  „domus  et  area  contigue  ecckaie  qut  uocatur  atdedum 
uersuB  Paffen porcen."  Es  gab  auch  ein  Haus  „zome  aldea  dorne  enboenen  Mar- 
poirtzen  gelegen."    Enneu's  Behauptung  (Der  Dom  ta  Köln,  Fealschrift  18S0, 


Die  Dombaumeiater  von  Köln.  105 

einem  Dache,  und  an  diese  reihte  sich  des  Dombaumeisters  stattliches 
Haus,  welches  so  geräumig  war,  dass  es  nach  seinem  Tode  in  vier 
selbstständige  Wohnhäuser  abgetrennt  werden  konnte.  Der  Weingarten 
hatte  ursprünglich  zur  Dompropstei  gehört.  J^ropst  Heinrich  von  Vian- 
den  überliess  ihn  dem  Domcapitel;  die  Bestätigungsurkunde  des  Erz- 
bischofs Conrad  vom  Jahre  1253(Lacomblet,  Urkundenb.  U,  Nr.  396) 
nennt  ihn  „vineam  in  qua  capella  b.  Marcelli  pape  sita  est  preposi- 
ture  Goloniensi  attinentem'^  Dann  erhielt  er  eine  veränderte  Bestimmung, 
indem  man  ihn  zu  Bauplätzen  vcrwerthete.  In  der  Trankgasse  aber, 
dem  Fropsteigebäude  gegenüber,  wo  er  seinen  Anfang  nahm,  erbaute 
das  Domcapitel  ein  grosses  Haus,  welchem  der  Name  Weingarten  oder 
vinea  verblieb  ^).  Dasselbe  wurde  in  späteren  Zeiten  „der  kölnische 
Hof  genannt,  weil  die  KurfUrst-Erzbischöfe,  wenn  sie  aus  der  liesidems- 
Stadt  Bonn  nach  Köln  kamen,  dort  einzukehren  pflegten.  In  unseren 
Tagen  war  eine  Reihe  von  Jahren  hindurch  Wallraf's  Kunstnachlass, 
das  städtische  Museum,  daselbst  aufgestellt,  und  gegenwärtig  steht  der 
stattliche  Neubau  Nr.  7  u.  7  A  auf  der  Stelle. 

Wie  lange  Gerard  nach  1257  seine  ruhmvolle  Thätigkeit  beim 
Dombau  fortgesetzt  habe,  lässt  sich  nur  annähernd  feststellen.  Ich 
fand  eine  Urkunde  vom  Jahre  1279,  welche  seinen  Nachfolger  Meister 
Arnold  als  magister  operis  Ecclesie  maioris  vorführt.  Zu  dieser  Zeit  wird 
Meister  Gerard  also  unter  die  Todten  zu  zählen  sein,  wogegen  der 
Umstand,  dass  seine  Kinder  erst  1302  über  ihre  Erbantheile  verfügten, 
nichts  einzuwenden  vermag,  da  bei  der  Erbfolge  von  Descendenten  es  in 
den  Schreinsbüchem  etwas  sehr  Gewöhnliches  ist,  dass  man  erst  dann  die 
mit  Kosten  verbundene  Förmlichkeit  der  Ueberschreibung  vorgenommen 


S.  4),  dass  die  Capelle  zum  alten  Dome  zuerst  in  Schreinskarten  vom  J.  1800 
vorkomme,  ist  demnach  unrichtig. 

1)  Man  ersieht  dies  aus  folgender  Urkunde:  Item  notum  sit  tarn  presenti- 
bus  quam  futuris  quod  Hermannus  dictus  meistor  predictos  titulo  locacionis  per- 
petue  tradidit  et  remisit  Irmentrudi  vidue  (quondam  Henrioi  lapicide),  Arnoldo 
et  Gonegino  lapioidis,  ac  Frederuni  sorori  ipsorum,  heredibus  dicte  Irmentrudis, 
rocipientibus  et  conducentibus  ab  eodem  domum  suam  et  eins  aream  sitam  ex 
opposito  domus  maioris  prepositure  Coloniensis  in  Drancgassen  iuxta  domum 
£cclesie  maioris  que  vinea  dicitur,  versus  Sanetum  Andream  . .  Datum  ut  supra 
(Anno  domini  m<>ccc®xvj<*,  jn  vigilia  beati  Viti).  Schrein  Niderich  A  s.  Lupo.  Der 
Weingarten  des  Domcapitels  übersprang  nicht  die  östliche  Seite  der  Maroellen- 
strasse;  die  Angaben  der  Diplomatischen  Beiträge  S.  18—19  sind  eben  so  an- 
richtig  wie  die  Zeichnung  auf  der  beigegebenen  „Karte  dos  Niderich  im  Mittelalter." 


lOS  Dia  Dombaunieister  von  Köln. 

findet,  wfiBD,  wie  solches  1302  bei  Gerard's  Kindern  der  Fall  war,  in 
eine  dritte  und  fremde  Hand  weiter  verfügt  wird, 

Meister  Gerard  war  mit  Guda  vermählt.  Sie  gebar  ihm  vier  Kinder, 
welche  sämmtlich  den  geistlichen  Stand  erwählten.  In  der  ihrer  Er- 
ziehung gegebenen  Richtung  bekundet  sich  nicht  nur  der  Eltern  Fromm- 
sinn, sondern  der  Umstand,  dass  die  angeaehensten  Stifte,  Abteien  und 
Klöster  es  waren,  bei  welchen  die  Kinder  der  Aufnahme  gewürdigt 
wurden,  legt  zugleich  ein  Zeugniss  fUr  der  Elteru  geachtete  Stellung  im 
gesellschaftlichen  Leben  ab. 

Peter  wurde  Mönch  in  der  Bencdictincr-Abtei  zum  heiligen  Pan- 
talcon  in  Köln; 

WilhclmCanonicus  im  St,  Oereonsstifte  zu  Kjjln,  das  im  Range 
dem  Domstifte  zunächst  stand; 

Elizabet  Nonne  zu  Gevelsberg  („Gyueiberg"),  einem  Cistercim- 
serinnen -Kloster  bei  Schwelm  im  Märkischen,  errichtet  an  der  Stelle, 
wo  Köln's  glorreicher  Erzbischof  Sanct  Engelbertus  durch  seinen  Neffen, 
den  Grflfen  Friedrich  von  Isenburg,  meuchlerisch  erschlagen  worden; 

Jobann  endlich,  der  1319  in  dem  Cistercienscr-Kloster  zu  Wele* 
grat,  Diöcese  Olmütz,  das  Ordenskleid  trug.  Schon  1302  war  er, 
gemäss  der  urkundlichen  Erklärung  seiner  Geschwister,  als  Mönch  in 
Böhmen  abwesend. 

Die  drei  Erstgenannten  verfügten  im  Jahre  1302  über  ihre  Erb- 
antheile  an  dem  Hause  der  verlebten  Eltern  zu  frommem  Zwecke.  Sie 
Überwiesen  das  Haus,  unter  Vorbehalt  der  Rechte  des  abwesenden 
Bruders,  an  die  Kirchen  von  St.  Gereon  und  St.  Pantaleon  unter  fol- 
genden Bedingungen :  Der  Canonicus  Wilhelm  werde,  so  lange  er  lebe, 
das  Haas  in  Besitz  halten,  die  Einkünfte  davon  beziehen  und  die  Kosten 
der  iDStandhaltung  bestreiten,  auch  seinem  Bruder  Peter  jährlichs  eine 
Mark  abgeben.  Bei  Wilhelm's  Tode  solle  Peter's  Anspruch  auf  diese 
Rente  erloschen  sein  und  die  Besitzergreifung  dee  Hauses  durch  die 
beiden  Kirchen  erfolgen,  die  dann  allj&hrlichs  am  Sterbetage  Wilhelm's 
dem  Dome  zu  Köln,  der  Abtei  Siegburg  („Siberg")  und  dem  Nonnen- 
kloster  zu  Biazheim  („Blayzheym"),  einem  jeden  sechs  Solidi  für  die 
Seelenruhe  der  schenkenden  Geschwister  und  deren  Eltern  zu  entrichten 
hätten.  Die  beiden  Renten  an  Siegburg  und  Biazheim  sollten  jede 
mit  sechs  Mark  brabantischer  Denare  abgelöst  werden  können,  die 
Stiftung  beim  Dome  aber  müsse  für  immer,  neben  dem  ursprünglichen 
Erbzinse  von  zwölf  Solidi,  bestehen  bleiben.  Zu  Gunsten  der  Schwester 
Elizabet  wurde  festgestellt,  dass,  im  Falle  sie  ihren  Bruder  Wilhelm 
Überlebe,  die  Kirchen  von  St.  Gereon  und  St.  Pantaleon  von  dessen 


Die  Dombaameister  von  Köln.  107 

Sterbetage  an  ihr  jährlichs  drei  Mark  kölnischer  Denare  zu  entrichten 
hätten,  und  nach  ihrem  Ableben  solle  statt  dessen  an  das  Kloster  zu 
Gevelsberg  jährlichs  eine  Mark  gezahlt  werden,  womit  Wilhelm  daselbst 
ebenfalls  ein  Jahrgedächtniss  für  die  Seelenruhe  seinen  Eltern  und  Vor- 
eltern stiftete. 

Johann,  der  Mönch  von  Welegrat,  trat  für  seinen  Theil  diesen 
Anordnungen  nicht  bei.  1319  überträgt  er  das  ihm  gebührende  Viertel 
anConegundis  deCarpena,  die  Tochter  Wilhelm's  vonGerstorp,  und  an 
Margareta,  die  als  „neptis  fratris  lohannis  predicti^^  genannt  ist.  Durch 
das  Auftreten  dieser  Enkelin  erfahren  wir  demnach,  dass  Johann, 
bevor  er  ins  Kloster  gegangen,  verheirathet  gewesen  ist.  Der  Theil 
der  Enkelin  Margareta  kam  1324,  nachdem  sie  gestorben,  an  ihren 
Bruder  Peter  genannt  Wihe  *),  der  ihn  sogleich  an  Conegundis  de  Car- 
pena  abtrat,  die  somit  das  Erbtheil  Johann's  vollständig  besass.  Nach 
ihr  finden  sich  Herr  Heinrich,  Pfarrer  zu  St.  Paulus  in  Köln,  nebst 
den  Predigermönchen  Gobelin  Schwarz  und  Heinrich  Gryn,  beide  aus 
edeln  hiesigen  Familien  entsprossen,  als  Treuhänder  und  Testaments- 
vollzieher Conegundens  1327  daran  geschrieben,  worauf  dann  noch  im 
nämlichen  Jahre  der  Uebcrtrag  an  den  Domvicar  Arnold  von  We- 
vilchoven  erfolgte.  Zu  dessen  Gunsten  geschah  1328  seitens  des  Stiftes 
von  St.  Gereon  und  der  Abtei  Pantaleon  eine  förmliche  Verzichtleistung 
auf  diesen  vierten  Theil,  der  die  vorletzte  zum  Eigelstein  hin  von  den 
vier  Wohnungen  begriflf,  in  welche  Meister  Gerard's  grosses  Haus  ab- 
getrennt worden  war.  Diese  Entsagung  der  beiden  Kirchen  erschien 
um  desshalb  nothwendig,  weil  denselben  1302  von  den  drei  Geschwistern 
das  ganze  Haus  unter  Vorbehalt  der  Rechte  des  abwesenden  Bruders 
überwiesen  worden  war.  Arnold  von  Wevilchoven  verlieh  1334  diese 
Wohnung  dem  Domvicar  Everhard  von  Reys  zum  lebenslänglichen 
Gebrauche,  das  Eigenthum  hingegen  überwies  er  nach  seinem  Tode 
der  Dom- Fabrik:  „in  vsus  fabrice  maioris  Ecclesie  Coloniensis",  was 
man  wohl  nicht  als  eine  Schenkung  für  den  Fortbau  am  Dome  wird 
ansehen  dürfen,  sondern  als  Zubehör  derjenigen  Quellen,  welche  an- 
dauernd für  die  Erhaltung  der  Kirche  bestimmt  waren.  In  alle  diese 
Verhandlungen  ist  der  Name  des  Meisters  Gerard,  als  des  ersten  Be- 
sitzers,   eingeflochten,  und   seine  Standesangabe  lautet  abwechelnd: 


1)  Es  wäre  eine  überaus  gewagte  und  ohne  Zweifel  trügerische  Annahme, 
wenn  man  diesen  Beinamen  als  einen  Familiennamen  ansehen  wollte,  der  aaoh 
auf  Meister  Qerard  Anwendung  finden  könne. 


tK  ^>s  Domliaum Bieter  vou  K61d, 

rector  fabrice,  raagister  opcria,  niagister  fabrice  and  magistcr  operis 
fabrice.  (Urk.  IV-XI). 

Von  Meister  Gerard  weiss  man  ferner,  dasa  er  zu  den  GuUliätera 
des  Ver  Selen  Convents  („Verseien  conuent"),  in  der  Stolkgasse  beim 
Predigerkloster  gelegen,  gehörte.  Frau  Sela  {Ver  heisst  Frau  in  alt- 
köloer  Mundart),  die  Gattin  Daiiiers  Judden,  eine  vornehme  Patriderin, 
hatte  diesen  Beguinen-Convent  im  Jahre  1230  gestiftet ').  unter 
den  Renten,  die  man  daselbst  jährlichs  zu  beziehen  hatte,  korameo 
sieben  Schillinge  vor,  die  „Meister  Gerart  der  werckmeister  vamme 
doyme"  dorthin  geschenkt  hatte.  (Urk.  XII.)  Man  hat  bei  dieser  um 
139G  niedergeschriebenen  Notiz  die  Ucberscbrift  zu  beachten,  wonach 
sie  die  Abschrift  eines  alten  Zottela  ist.  Leider  sind  die  Urkunden 
des  Columba-ychreins,  worauf  darin  verwiesen  wird,  aus  Gerard's  Zeit 
nicht  mehr  vorhanden.  Durch  Unkenntuiss  haben  verschiedene  neuere 
Schriftsteller  den  Namen  dieses  Convents  in  Ursulen-Convent  oder  Ur- 
sula-Spital entstellt. 

Daas  Gerard  sich  „in  seinen  Studien  den  damals  vielbedeutenden 
Titel  eines  Meisters  der  freien  Künste,  magister  artiuni"  erworben 
habe,  darüber  weiss  weder  die  in  den  Diplomatischen  Beiträgen  für 
diese  Angabe  bezogene  Carta  Nillerich  fol.  23,  noch  sonst  eine  Schreins- 
stelle etwas  auszusagen.  Magister  wird  hier  jeder  Künstler  und  Hand- 
werker genannt,  der  sein  Fach  selbstständig,  leitend  und  lehrend  be- 
trieb, im  Gegensätze  zu  den  Gehüifcu  und  LuUrliugCD.  Selbst  bei  den 
untergeordnetsten  Gewerben  findet  man  diesen  Titel  in  tausendmaliger 
Anwendung,  und  Gerard  theilt  ihn  z.  B.  mit  einem  magister  Hilgeras 
tector  domorum  ciuitatis  colonicnsis  (1348Scab.  Laur.),  einem  magister 
Ecbertus  cussor  caldariorum  (1331  Scab.  Petri),  einem  magister  Emun- 
du8  barbitonaor  (1327  Airsb.  Port.  Pant.),  einem  magister  lohannea 
calcifex  (1346  CoL  Camp.),  und  einem  magister  Georgius  carnifex  (1346 
Scab.  Sent.),  denen  gegenüber  man  doch  nicht  wird  behaupten  wollen,  dass 
sie  academische  Würdner  gewesen.  Sie  waren  magistri  in  ihrem  Fache  ■), 


1)  leb  habe  die  Stiftuogsurkuude  im  Kölner  Domblatt  Sr.  246  tod  1866 
milgetbeilt.  Die  letzte  Poaition  des  Renten-VerEeichuiMeB  sagt:  „Eyne  vrauwe 
ver  sele  de  dit  huya  diete,  die  gaff  bertzo  eweclichen  Seuen  malder  koms  van 
dem  beynde  (Klovtcr  Beuden,  de  prato,  bei  Brühl)  dit  körn  gift  man  tzo  aent 
Aodriea  dage." 

2)  Dem  vortrefflichen  französiBchen  Baumeister  Peter  von  MoDterean,  einem 
ZeitgeuoMen  Meister  Gerard'a  (er  starb  1266),  gibt  seine  Grabschrift  in  derMa- 
riencapelle  der  Abtei  St.  GermaiD-deB-Präa  aogor  den  Titel  einea  Doctora  der 


Die  Dombaameister  von  Köln.  109 

nicht  aber  magistri  artium,  und  eben  so  wenig  zählt  zu  diesen  letzteren 
irgend  einer  aus  dem  Heere  von  Steinmetzen,  Zimmerern,  Malern, 
Glasmachern,  Bildhauern  und  Orgelbauern,  welche  die  Diplomatischen 
Beiträge  S.  26—41  vorführen  und  von  denen  S.  96  (2.  Ausg.)  wieder- 
holt und  verstärkt  versichert  wird,  dass  sie  mit  dem  Magister-Titel 
eine  hohe  Würde  besessen  hätten,  dass  sie  unzweifelhaft  magistri  artium 
gewesen  seien.  Die  Schreinsschreiber  hingegen  in  den  Fällen,  wo  sie 
einen  wirklich  mit  academischen  Ehren  bekleideten  Mann  erkennbar 
machen  wollen,  wissen  sich  auch  vollkommen  deutlich  darüber  aus- 
zudrücken; sie  schreiben  (um  nur  einige  wenige  Beispiele  anzugeben) 
1263  Laur.  Lib.  II:  magister  Ludewicus  de  Rodenberg  doctor  decre- 
torum,  1344  Apost.  Nov.  for. :  dominus  Henricus  de  Dollindorp  magister 
theologie,  1359  Col.  Lat.  pl.:  magister  Johannes  de  pauone  magister 
in  artibus,  1424  Col.  Lat.  pl:  meister  Peter  van  Loo  meister  in  ar- 
tibus,  1428  Col.  Lit.  et  Lup.:  meister  Johan  van  Aste  meister  in  ar- 
tibus, 1430  Brig.  Nov.  pl.:  meister  Johan  Voirborgh  meister  in  decretis, 
1442  Laur.  L.  III:  meister  Heynrich  van  dem  Byerboeme  meister  in 
artibus.  Auch  die  doppelte  Anwendung  des  Wortes  magister,  nämlich 
vor  dem  Namen  und  wiederholt  bei  der  Standesangabe  hinter  dem- 
selben (z.  B.  magister  Gerardus  magister  operis,  magister  Johannes  ma- 
gister operis,  magister  Michael  ms^ister  fabrice)  lässt  keineswegs  auf 
einen  magister  artium  schliessen,  indem  die  Schreinsbächer  in  ähnlicher 
Weise  Personen  bezeichnen,  bei  welchen  an  jene  wissenschaftliche^  Würde 
nicht  zu  denken  ist.  Auch  dafür  ein  paar  Beispiele:  1344  magister 
Hermannus  magister  carpentarie  ciuitatis  coloniensis,  1348  magister 
Mathyas  dictus  de  Cranenburgh  magister  sagittariorum  ciuitatis  coloni- 
ensis, 1369  magister  Wilhelmus  magister  viarum  ciuitatis  coloniensis. 
Ein  vorgebliches  Bildniss  des  Meisters  Gerard  mit  der  Unter- 
schrift: „mgr.  gerard**''  ist  den  Diplomatischen  Beiträgen  beigegeben. 
Hier  heisst  es  S.  88,  dass  dasselbe  dem  Nekrologium  des  kölnischen 
Klosters  St.  Gertrud  entnommen  sei  und  dass  daneben  stehe :  Viij  Kai. 
Noverab.  obijt  Gerhardus  mgr.  op.  de  quo  habemus  VII.  Coronas." 
Gegen  die  Authenticität  von  Bildniss  und  Notiz  wird  man  sich  indessen 
um  so  entschiedener  zu  den  stärksten  Zweifeln  aufgefordert  finden 
müssen,  als  uns  der  Todestag  Gerard's,  ganz  verschieden  lautend,  so- 
gleich aus  einer  anderen  Quelle  wird  bekannt  werden. 


Steinmetzen:   „Flos  plenus  morum  vivens  doctor  latomomm,  Musterolo  natas, 
jacet  hio  Petrus  tamnlatuB."    (Boaillari,  Bist,  de  Pabb.  de  St.  Qermain  p.  188.) 


110  Die  Dombaumaüter  vnn  ERId. 

Es  besteht  die  Vermuthung,  dass  die  Klosterkirche  zu  Altenberg, 
jeoseits  des  Rheines  drei  Stunden  von  Köln  entfernt,  zu  der  Graf  Adolph 
von  Berg,  Schwager  des  I^rzbischofs  Conrad  ?oa  Hochstaden,  am  3.  März 
1255  den  Grundstein  legte,  ein  Werk  Meister  Gerard'a,  des  kölner 
Donibaumeistera,  sei,  da  man  den  Plan  des  Domes,  jedoch  in  we- 
sentlicher Vereinfachung,  darin  wiedererkennt.  Ausser  dem  Chore  ist 
nur  ein  Theil  des  Kreuzschitfes  unmittelbar  nach  der  Grilndung  aos- 
gcführt,  das  Langhaus  wurde  erst  1379  eingeweiht  und  zeigt,  dem  eilt- 
sprechend,  si>ätere  Formen.  (Schnaase,  Gesch.  d.  z.  K.  2.  Ausg. 
Bd.  V,  S.  420.)  Weniger  Beachtung  dUrfte  die  Sage  verdienen,  welche 
auch  die  Miuoritenkiiche  zu  Köln,  deren  Einweihung  im  Jahre  1260 
geschah,  mit  dem  Dombau  in  Verbindung  bringt.  Die  Bauleute  des 
Domes,  so  erzählt  sie,  hätten  dieselbe  während  ihrer  Ruhestunden  auf- 
gefilbrt.  Aber  damit  soll,  nach  Bois3eri!e's  gewiss  richtiger  Auffassung, 
„offenbar  nur  die  ausserordentliche  Einfachheit  dieses  sonst  grossen 
und  wohl  angelegten  Gebäudes  im  Gegensatz  zu  dem  ausserordentlichen 
Umfang  und  der  Pracht  dts  Domes  bezeichnet  werden."  Einen  ont- 
achiedenen  Einfluss  der  kölner  üomhütte  zeigt  das  Chor  der  Abtei- 
kirche zu  München -Gladbach,  dessea  Altar  im  Jahre  1275  die  Weihe 
empfing.  Neben  der  Styl- Verwandtschaft  tritt  hier  noch  ein  bedeutsamer 
Umstand  hinzu.  Der  Name  des  Dombaumeisters  Gerard  findet  sich 
nämlich  mit  Angabe  seines  Sterbetages  (nicht  auch  des  Jahres)  in 
das  Nekrologium  der  Mönche  eingetragen '),  die  er  sich  als  ihr  Bau- 
führer und  wahrscheinlich  auch  durch  eine  Memorienstiftnng  verpflichtet 
hatte.    Die  betreffende  Stelle  lautet,  mit  Ergänzung  der  Abbreviaturen: 

von  kalendas  Maii ')  Obiit  magister  Gerardus  lapicida  de  sommo. 
Der  23.  Aprill  war  demgemäss  der  Tag,  an  welchem  Meister  Gerald 
das  Zeitliche  vertiess.    Wir  haben  bereits  frflher  bemerkt,  dass  „som- 
mum"  eine  gebräachhche  Benennung  fflr  den  kölner  Dom  war.    Auch 


1)  Dia  ersten  VeröffenilicbiiDgeD  gescbaben  in  der  KölniRChen  Zeitong, 
Auguit  1862,  und  in  Erbkam's  Zeiteohrift  für  Bauwesen,  Bd.  XU,  1B62,  Sp.  S67; 
aiu  ketaUrer  ist  sie  in  Schnnase'i  GesoK  d.  e.  K.  2.  Anag.  Bd.  V  S.  433 
Qbergegangen.  Da*  Wort  „lapicida"  war  neggelasaen  und  ist  erst  bei  einer 
wiederholten  MitiheJlung  in  den  Annolen  des  bistor.  Vereins  f.  d.  Niederrh.  Heft 
XI— Xn,  8.  232,  in  Folge  erneuter  und  besserer  Einsichtnahme  de«  Nekrologiums 
hinEngekommen,  wodurch  die  Kicbtigkeit  der  Anwendung  anf  den  Kölner  Doni- 
baameister  gesichert  wird. 

2)  Das  Nekrologium  schreibt  Mal,  wobei  der  verlängerte  letite  Buoh- 
stabe  als  Verdoppelung  gilt,  also  Maii. 


Die  Dombftumeiflier  yon  Köln.  111 

des  Chores  der  Dominicaner-  oder  Prediger-Kirche  ist  hier  zu  gedenken, 
das  im  Jahre  1262  begonnen  worden  und,  nach  Wal  Irafs  Versicherung 
(Beitr.  z.  Gesch.  d.  St.  Köln,  S.  196),  „in  einem  mit  dem  Domchor 
Terwandten  Geschmacke^'  ausgeführt  war.  Unverkenbar  hat  auch  die 
mehrfach  ausgesprochene  Muthmassung,  dass  die  Zeichnung  zu  dem 
schönen  grossen  Siegel  der  Stadt  Köln,  welches  in  der  Versöhnungs- 
urkunde zwischen  Erzbischof  und  Stadt  vom  Jahre  1271  ausdrücklich 
o]s navum sigillum  bezeichnet  ist,  und  welches,  wieSchnaase  treffend 
bemerkt,  „die  edeln  Formen  reichen  gothischen  Maasswerks  enthält*', 
Yon  Meister  Gerard*s  Hand  herrühren  dürfe,  recht  vieles  für  sich. 

Aus  der  Zeit  Meister  Gerard's  sind  uns  einige  wichtige,  mit  dem 
Dombau  in  Beziehung  stehende  Urkunden  erhalten.  Die  Quellen  zur 
Geschichte  der  Stadt  Köln  (II,  S.  257—258)  theilen  einen  Beschluss 
des  Domcapitels  mit,  worin  dasselbe  den  Thesaurar  verpflichtet,  die 
ausser  der  Zeit  des  Messopfers  auf  dem  Petri-Altare  niedergelegten 
Opfer  sechs  Jahre  lang  der  Baukasse  für  den  beschlossenen  neuen  Dom- 
bau („ad  opus  noue  fabrice  maioris  ecclesie'O  auszuhändigen.  „Cum 
de  communi  consilio  diffinitum  esset,  ut  maior  ecclesia  de  nouo  con- 
strueretur'^  heisst  es  im  Eingange  der  Urkunde,  welche  am  Schlüsse 
die  Datirung  trägt :  „Acta  sunt  hec  anno  domini  millesimo  ducentesimo 
quadragesimo  septimo  in  crastino  palmarum^'  (=  13.  April  1248).  Da* 
mit  wäre  der  Beweis  geliefert,  das  die  vom  Erzbischof  Engelbert  I. 
gehegte  Absicht,  den  alten  sogenannten  Hildebold'schen  Dom  durch 
einen  prachtvolleren  Neubau  zu  ersetzen,  schon  vor  dem  Brande  zum 
Beschluss  erhoben  war.  Die  erste  Bekanntmachung  mehrerer  anderen 
hierher  gehörigen  Urkunden  verdankt  man  Lacomblet  (Urk.-Buch 
II,  Nr.  378,  503,  541,  570  u.  652).  Der  Domcanonich  Heribert  de  li- 
nepe  „hatte  unter  Anderni  acht  kleine  Häuschen  oder  Kammern  zwischen 
der  Vorhalle  (porticus)  des  Domes  und  der  Johannis-Capelle,  die  er 
auf  seine  Kosten  erbaut  und  gegen  Zins  vermiethet  hatte,  dem  Gapitel 
zu  seiner  Memorienfeier  vermacht.  Letzteres  erklärt  nun  im  Jahre 
1251,  dass  diese  Häuschen  des  Dombaues  wegen  hätten  abgebrochen 
werden  müssen,  und  dass  der  Bauschatz  dem  Gapitel  die  bisherigen 
Zinsgefälle  zu  ersetzen  habe,  bis  er  ein  entsprechendes  Besitzthum  an 
deren  Statt  dem  Gapitel  überweisen  werde."  Aus  der  zweiten  Urkunde 
(Nr.  503)  entnimmt  man  folgendes:  „Bei  der  Domkirche  befand  sich 
ein  Thurm,  in  der  Urkunde  ausdrücklich  antiqua  turris  genannt,  worin 
die  Dombibliothek  aufbewahrt  wurde,  und  bei  diesem  Thurme  standen 
Häuser,  dem  Hause  Wolkenburg  in  der  Trankgasse  gegenüber,  woran 


das  Marien gradeostift  Rechte  hattt;  oder  zu  haben  vertneinte.  Hier- 
auf verzichtete  nun  dasselbe  unter  dem  25.  Juni  1261,  und  die  Ver- 
anlassung dazu  konnte  wohl  nur  die  sein,  dass  auch  dieee  Häuser  z 
Abbruch  kommen  sollten."  Die  dritte  bringt  einen  eindringlicheiij  alle 
Federn  der  religiösen  und  kirchlichen  Macht  anregenden  Aufruf  oder 
Hirtenbrief  des  Erzbischofs  Engelbert  IL,  des  Nachfolgers  von  Conrad 
von  Hochstaden,  vom  26.  April  1264.  „Die  Sorge  für  die  Kirche  über- 
haupt mUsse  um  so  lebhafter  auftreten,  da  es  sich  um  die  Mutterkirche 
der  gesammten  DiOceac  handele,  welche  der  h.  Jungfrau  und  dem 
Apostelfürsten  geweiht  sei,  überdies  die  h.  Gebeine  der  Drei  Könige 
bewahre.  Ein  Priester,  magister  Gerardus  prouisor  fabrice,  vielleicht 
derselbe,  der  in  einer  Urkunde  vom  4.  August  1256 '),  die  ihn  als 
Gerardus  canonicus  Coloniensis  und  als  Sohn  des  Edclvogta  von  Köln 
bezeichnet,  jährlichs  4  Solidi  aus  seiner  Präbende  ad  opus  ecclesie 
Coloniensis  überwiesen  (Nr.  42G  bei  Lacomblet)  und  so  seine  be* 
sondere  Thcilnahme  an  der  Sache  an  den  Tag  gelegt  hatte,  ward  mit 
dem  offenen  Rundschreiben  an  alle  Kirchenvorstände  der  kölnischen 
Provinz  gesandt.  Dieser  werde  sie  von  allem,  was  die  Bauangelegen- 
heit betreffe,  umständlich  unterrichten,  und  Allen  ward  bitt-  und  be- 
fehlsweise, bei  Strafe  der  Suspension,  aufgegeben,  den  Provisor  ehren- 
voll und  liebreich  aufzunehmen  und  ihm  in  Allem,  als  ob  der  Erzbischof 
selbst  anwesend  wäre,  zu  gehorsamen,  wie  er  denn  die  demselben  be- 
thätigte  Willfährigkeit,  als  ob  sie  ihm  unmittelbar  geschehen,  betrachten 
nnd  vergelten  werde.  Vorab  schon  wird  ihnen  wegen  etwa  begangener 
kirchlichen  Versäumnisse  Ablass  ertheilt.  Die  Spender  zum  Dombau 
aber  werden  aller  der  Mutterkircbe  ertheilten  Ablässe  theilhaftig  er- 
klärt, welchen  er  noch  einen  besonderen  Ablass  und  Vergebung  nament- 
lich aufgezählter  Sflndcn  hinzufügt.  An  jedem  Sonn-  und  Feiertage 
Boll  während  der  Messe  nach  abgelesenem  Evangelium  von  dem  Volke 
ein  Paternoster  und  ein  Ave  Maria  knieend  gebetet,  von  den  Priestern 
monatlich  zwei  besondere  Messen,  von  den  Diaconen  und  Nonnen  zwei 
Psalterien  für  die  Wohlthäter  gelesen  werden.  Nach  Verkündigung 
dieses  Hirtenbriefes  darf  für  keine  andere  Kirche  ein  Gesuch  um  Eln- 


1)  Id  derselben  Urkunde  schenkt  Gerard  der  Vogt,  unter  Zuetimmung 
«einer  Mieben  Söhne,  der  Domkirche  eine  Jahresrentc  von  einer  Mark,  womit  er 
jedoch  nicht  den  Neubftu  zu  fördern  bezweckte,  sondern  er  stiftete  damit  für 
■ich  und  seine  vorveretorbene Gattin  eincMemoric:  „pro  mea  etMegtildia  quon- 
dam  uzoris  moe  memoria  in  eadem  ecclesia  perpetuo  b&benda." 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  113 

sammeln,  von  wem  es  auch  henUhren  möge,  ohne  besondere  Erlaubniss 
des  Erzbischofs  oder  des  Domcapitels  angenommen  werden.  Auch  die 
im  Interdict  befindlichen  Kirchen  dürfen  zu  diesem  Zwecke  Sonn-  und 
Feiertags  Messe  halten.  Alle  endlich,  welche  die  Schlüsselgewalt  des 
h.  Stuhls  und  des  Erzbischofs  bezweifeln  und  die  Ablässe  verschwarzen 
möchten,  alle  Gegner  eines  so  glorreichen  Dombaues  sollen  excommuni- 
cirt  werden.'*  Die  vierte  und  fünfte  Urkunde  betreffen  die  Steingrube 
des  Capitels  auf  dem  Drachenfels  bei  Königswinter.  Der  Burggraf 
Godefrid  von  Drachenfels  überliess  mittels  Vertrages  vom  26.  August 
1267,  gegen  eine  durch  den  Cantor  Ulrich  geleistete  Vergütung  von 
sechs  Mark  alter  Denare,  dem  Domcapitel  zum  Besten  des  Dombaues 
einen  aus  dessen  Steingrube  gerade  in  den  Rhein  führenden  Weg,  wozu 
zehn  Tage  vorher  das  Gapitel  zu  Bonn  ein  Stück  Weingarten  käuflich 
abgetreten  hatte.  Und  am  31.  Januar  1273  wird  mit  dem  Burggrafen 
ein  Vertrag  auf  vier  Jahre  geschlossen,  betreffend  die  Aufstellung  von 
sechs  Arbeitern  bei  der  Domgrube,  wovon  drei  Steinbrecher  und  andere 
drei  sogenannte  „Vorslegere'^  sein  sollten.  Für  die  Gestattung  wurden 
von  dem  Gapitel  und  von  „Ulrico  .cantore,  cui  structura  fabrice  eccle- 
sie  Cioloniensis  est  commissa^'  zwanzig  Mark  erlegt '). 

Somit  sähen  wir  das,  was  sich  bisher  über  Meister  Gerard  und 
die  erste  Periode  des  Dombaues  ermitteln  Uess,  hier  vereinigt.  Eine 
andere  Aufgabe  reiht  sich  daran.  Der  leider  noch  so  dürftigen  Kunde 
über  den  wirklichen  Dombaumeister  Gerard,  dessen  Abstammung,  ja, 
dessen  Vaterland  wir  nicht  einmal  kennen  lernen,  ist  nämlich  eine 


1)  In  der  zweimaligen  Erneuerung  dieses  Vertrages  zwischen  „Henricus 
burgrauiuB  in  Draohenuels^S  dem  Sohne  Godefrid's,  und  dem  Domcapitel  von 
1285  und  1294  ist  Magister  Rudenger  der  Fabrikvorsteher,  in  jener  „procurator", 
in  dieser  „prouisor  fabrice  ecdesie  Coloniensis'*  genannt.  Lacomblet  theilt 
S.  881 — 884  noch  mehrere  andere  den  Steinbruch  zum  Zwecke  des  Dombaues  be- 
treffende  Verträge  aus  den  Jahren  1306,  1819,  1887  und  1847  mit;  in  dem  vor- 
letzten findet  man  die  Brüder  Heinrich  und  Winand  de  Genepe  als  „canonici 
ecolesie  Coloniensis,  prouisores  fabrice  eiusdem  ecolesie",  in  dem  letzten  Qerard 
von  Bylstein  und  Reinard  von  Spanheim  als  „canonici  Colonienses  et  procura- 
tores  fabrice  dicte  ecclesie".  Der  Vertrag  von  1347  ist  bei  Günther  (Cod.  Dipl. 
Rheno-Mos.  Th.  III,  Abth.  l,  Nr.  344)  in  deutscher  Sprache  abgefasst,  wo  es  im 
Eingange  heisst:  „Allen  den  genen  die  diesen  Brieff  sehent  of  horent  lesen,  wir 
Gapittel  vanme  Dhome  zu  CoUn,  Gerhart  van  Beilstein  end  Reinhart  van  Span* 
heim  Canoniche  alda,  end  Bewarer  des  Werkis  des  vursprochin  Dhoims" ;  die  ein- 
geschaltene  Wiederholung  des  Vertrages  von  1306  ist  jedoch  lateinisch. 

8 


lli  Dia  UuinbHuinciiiUir  von  Knin. 

belangreiche  Erweiterung  und  Ausschtolickung  dsdun-h  za  Theil  ge- 
worden, dasa  man  ihn  mit  vier  amlereo  Personen  desselben  Taufnamens 
hat  idcntiticircn  wollen,  uäinlicli  1.  Gcrard  von  St.  Truden,  2.  Gerard, 
dem  Soline  des  Ciodesciilk  von  Rilc  und  der  Bertradis,  3.  Gerard  von 
Eetwicb  und  -1.  üerani  von  Rile  dem  Steinmetzen,  die  zwar  seine  UHge- 
täbren  ZeitKcnosson,  ubrr  nlchLsüi-^^toweniger  durchaus  von  ihm  ver- 
schieden und  unter  Bicli  ebenfalls  jcdw  ein  anderer  sind.  Sehen  wir 
uns  diese  Eindringlinge  nebst  den  untemcheidcnden  Mei'kmnleo  näher  anl 

Gerard  von  tit.  Truden, 
oder  wie  die  Schreine  sagen  „de  sancto  Trudone",  vielleicht  nach  dirm 
in  der  Webcrstnisse  zu  Küln  geJegenen  Ilause  „ad  sanctum  Trudonem" 
(M.  8.  m.  Buclr.  Die  Meister  der  altköln.  Malerschiile,  S.  16("),  wird 
stets  ohne  Standesangabe  genannt,  auch  vermisst  man  den  Namen  sd- 
ner  Frau.  Aus  einer  Urkunde  vou  1305  (Nr.  XIII)  erfährt  man.  dus 
er  vier  Kinder  hinterliess,  welche  sich  von  den  vier  Kindern  des  Dom- 
baumeisters  Gerard  dadurch  sogleich  unterscheiden,  dass  sie  die  Nameo 
Heinrich,  Sophia,  Eaterina  und  Margoreta  fähren.  Letztere  war  im 
genannten  Jahre  bei  der  im  weiterpn  Verlauf  der  Schreinsei ntragnng 
vorgenommenen  Verfflgunt;  über  das  auf  dem  ßuttermarkte  gelegene, 
zum  elterlichen  Nachlass  gehörige  Haus  noch  mindeig'ährig.  Von  sei- 
ner Tochter  Katerina  („Kalerma  begina  filiaGerardi  de  Sto.  Trudone") 
finden  sich  mehrere  Schenkungen  an  Kirchen  aufgezeichnet:  1296  fünf 
Sotidi  zum  Bau  der  Minoritenkirche,  1298  drei  Solidi  zum  Dombao '), 
und  gleichzeitig  an  das  Kloster  Mariengarten  das  in  der  Vogelostrasse 
gelegene  Haus,  worauf  jene  Geldbeträge  als  Jahresrenten  hafteten. 
(Columbae:  Berlici.  Später,  im  Jahre  1446,  wird  das  „huys  gelegen 
in  der  Voegelstratssen  ind  was  wilne  Catherinen  van  sente  Truden" 
an  „Claiws  moelencr  van  Berlyn  Auentuyrc"  —  1472:  „euentuirre"  — 
übertragen.)  Unter  den  vorberübrten  Umständen  war  es  löblich,  dass 
auch  die  Diplomatischen  Beiträge  (S.  IG)  „das  Luftbild  eines  Dombau- 
meisters von  St.  7'rtiden";  das  noch  in  den  ersten  Jahrgängen  des  Köl- 
ner Domblattes  mehrmals  hat  auftauchen  wollen,  zu  verscheuchen 
suchten.    Aber  kaum  ist  die  eine  Nebelgestalt  verdrängt,  so  steigen 


1)  Die  UriiuDde  aui  Columbae,  Berlici  lautet:  Item  notam  qood  Katerina 
filia  Gerardi  de  sto.  Trudone  tradidit  poBt  mortem  auam  ad  oput  operi«  maioric 
cccleiia  gjngnlis  annii«  tres  solidoB  donariorum  viualiiim  pro  tempore  aoloendoi 
■ingulig  annia  de  domo  et  area  sita  in  platea  vogelonii  contigaata  domibna  ben- 

rici  tomatoris  veriiig  campum  . . .  Actum  vigilia  petri  et  pauli  apostolorum  (139Q. 


Die  Dombaumeister  yod  Köln.  115 

sogleich  in   der   besagten  Schrift  drei  andere  auf  und  entziehen  von 
neuem  den  wirklichen  Dombaumeister  dem  Lichte  der  Wahrheit  ^). 

Ich  nehme  zuerst 
Gerard,  den  Sohn  desGodescalk  von  Rile  und  der  Bertradis 
vor.  Die  Besitzungen  des  Godescalk  von  Rile  zahlt  eine  undatirte 
Karte  des  Niderich  auf,  die  vor  das  Jahr  1200  gehört.  Dass  er  den 
auf  der  Westseite  der  Marcellenstrasse  gelegenen  Hof  Ketwich  besessen 
und  bewohnt  habe,  wie  die  Dipl.  Beitr.  erzählen,  ohne  irgend  einen 
Nachweis  beizubringen,  findet  sich  im  Schreine  nirgend  bestätigt.  Im 
Gegentheil,  sein  Wohnsitz,  der  später  sogenannte  „hoeif  gnant  Ryle 
gelegen  vp  sent  Marcellenstraissen  mit  allen  synen  getzymmeren  ind 
zobehoeren^S  lag  auf  der  anderen  Strassenseite ').  Mittels  jener  ganz 
willkürlichen  Unterstellung  erleichterte  es  sich  freilich,  ihn  zum  Vater 
des  Gerard  von  Ketwich  zu  machen.  Godescalk,  der  ein  Brauer  war 
(ürk.  XIV  u.  XV),  zeugte  mit  seiner  Frau  Bertradis  zwei  Söhne,  Jo- 
hann und  Gerard,  und  eine  Tochter  Methildis,  die  sich  mit  Hermann 
von  Munheim  verheirathete.  Johann  setzte  des  Vaters  Geschäft  fort, 
vermählte  sich  zuerst  mit  Gertrud,  dann  mit  Aleid,  und  den  beiden 
Kindern,  welche  letztere  ihm  schenkte,  wurden  der  Grosseltern  Namen 
Gtodescalk  und  Betradis  beigelegt.  Gerard  aber  wurde  weder  Stein- 
metz noch  Dombaumeister,  noch  vermählte  er  sich  mit  Guda  —  er 
wurde  ein  Geistlicher,  ein  Weltpriester,  ein  „Paphe"  (ürk.  XV— XVIII). 
Die  beiden  Schreinskarten,  welche  ihn  als  solchen  bezeichnen,  bald  mit 
den)  Worte  clericus,  bald  mit  der  deutschen  Uebertragung  Paphe  (es 


1)  Leider  haben  die  aus  einem  Gewebe  von  Wahrheit  und  Dichtung  be- 
stehenden Mittheilungen  der  Dipl.  Beitr.  grossentheils  in  meinen  1850  erschie- 
nenen Nachrichten  von  Kölnischen  Künstlern  Aufnahme  gefunden.  Erst  nach 
1850  wurden  mir  die  Schreinsbücher  (damals  im  Archiv  des  Eönigl.  Landgerichts 
aufbewahrt)  zu  selbstständigen  Forschungen  zugänglich,  deren  erste  Frucht  1852 
das  Buch:  Die  Meister  der  altkölnischen  Malerschule,  war.  Auch  für  die  neuen 
Abhandlungen  über  die  Dombaumeister  ist  schon  zu  jener  Zeit  das  Material  von 
mir  gesammelt  worden. 

2)  Als  letzter  Erwerber  ist  1792  der  kurpfalzisc]^e  Geheimerath  von  Siegen 
eingetragen.  Die  Besitzer  lassen  sich  bis  auf  den  Brauer  Godescalk  ums  Jahr 
1200  in  ununterbrochener  Kette  zurückführen.  Und  dennoch  durften  die  Dipl. 
Beitr.  (S.  15,  Anm.  25)  die  Behauptung  aufstellen,  Godescalk  habe  keine  Bezie- 
hungen zum  „Hofe  Rile^'  gehabt,  sondern  sein  Beiname  sei  daher  entstanden, 
weil  er  aus  dem  „Dörfchen  Rile"  nach  Köln  in  die  „Curie  Ketwich''  einge- 
wandert sei. 


llft  Die  nombaumeiBter  von  Köln. 

sind  zwei  Blätter  von  massigem  Umfange,  eins  könnte  die  Fortsetzung 
des  anderen  sein),  wurden  von  den  Dipl.  Beitr.  nicht  unbeachtet  ge- 
lassen, da  sie  andere  Stellen  von  ebendenselben  Schreinskarten  im  Ab- 
drucke bringen,  die  diesen  Gerard  und  seine  Eltern  betreffen,  aber  — 
und  dass  niuss  doch  sehr  auflallen  —  gerade  nur  solche,  wo  Gerarrt's 
Stand  nicht  angegeben  ist. 

Der  Geistliche  Gerard  von  Rile  tritt  im  Jahre  124S  (demselben 
Jahre,  in  welchem  die  Grundsteinlegung  zum  Dome  stattfand)  nt-hon 
einer  Gertrudis  auf,  welche  die  Urkunde  (Nr.  XVIII)  als  „amasia  ma- 
gistri  Gerhardi  de  llile  filij  Godescalci"  bezeichnet.  Die  Dipl.  Beitr., 
diese  Stelle  auf  den  Domhaumeister,  den  Gatten  der  Guda.  anwendcnil, 
lassen  desshalb  denselben  zweimal  Bräutigam  gewesen  sein;  „Seine 
erste  Braut  hiess  Gertrud,  das  VcrlÖbniss  mit  ihr  wurde  rflckgnngig. 
Die  Ursachen  sind  nicht  zu  ermitteln.  Im  Jahre  1248  gab  sie  ihm  die 
Brautgeschenke  zurück."  Hier  bandelte  es  sich  jedoch  keineswegs  um 
eine  Brautschaft  und  Brautgeschenke,  die  Stellung  einer  Amasia  ist 
nicht  80  sauberer  Natur.  Die  Missbräuche  und  Ausartungen,  von  wel- 
chen auch  der  geistliche  Stand  nicht  frei  geblieben,  sind  allgemein  be- 
kannt und  branche  ich  zur  richtigen  Beui-theilung  des  fraglichen  Ver- 
hältnisses nur  auf  die  analogen  Fälle  zu  verweisen,  welche  meine  Ab- 
handlung über  Meister  Godefrid  Hagenc  (Jahrb.  d.  Vereins  v.  Alter- 
thunisfr.  im  Uhoinl.  Heft  LIX.  S.  123—124)  zur  Anzeiüe  brachte.  Rs 
unterliegt  danach  keinem  Zweifel,  dass  die  Gertrudis  nichts  anderes 
als  die  Concubine  des  geistlichen  Magisters  Gerard  gewesen  ist.  Wir 
verlassen  diesen  Sohn  des  Brauers  Godescalk;  jedes  Grundes  entbehrend 
und  lächerlich  wäre  die  Annahme,  dass  er  nach  1248  seine  Amasia 
Verstössen  und  den  geistlichen  Stand  verlassen  habe,  um  mit  Guda  eine 
rechtmässige  Ehe  einzugehen,  und  dass  dann  plötzlich  dieser  Mann  zum 
Leiter  des  Dombauwerkes,  zu  einem  der  gröss(£n  Baukünstler  aller 
Zeiten  geworden  sei.  —  Gehen  wir  zu 

Gerard  von  Eetwich 
aberl    Eben  so  willktlrUch  wie  hei  dem  vorigen  Falle,   ebenso  jedes 
stützenden  Grundes  ermangelnd  und  mit  den  vorhandenen  Urkunden 
in  Widerspruch  stehend,  geschah  seine  Identification  mit   dem  Dom- 
baumeister. 

Eine  nicht  geringe  Anzahl  von  Schreinseintragungen  gedenken 
seiner,  sowohl  bei  den  Besitzesumwandlungen,  welche  das  nach  ihm  be- 
nannte Haus  Ketwicb  (abwechselnd  heisst  es  domus,  curia  oder  curtis 
Ketwich)  betreffen,  als  zur  genaueren  Bezeichnung  der  Lage  benach- 


Die  Dombaomeister  von  Köln.  117 

barter  Häuser.  Er  wird  nie  als  Dombaumeister  oder  auch  nur  als 
Steinmetz,  sondern  stets  ohne  Standesangabe  genannt.  Er  war  mit  Ida 
verheirathet,  während  des  Dombaumeisters  Frau  Guda  hiess  —  zwei 
Taufnamen,  die  von  ganz  verschiedenen  Heiligen  hergenommen  sind. 
Die  Dipl.  Beitr.  freilich  wissen  sich  zu  helfen:  „Gerard  verheirathete 
sich  mit  Guda  oder  Ida"  (S.  19).  G.'s  v.  K.  Wittwe  Ida  lebte  noch 
im  Jahre  1311,  wie  man  aus  den  Urkunden  Nr.  XIX  —  XXI  mit  Be- 
stimmtheit ersieht.  Von  Guda,  der  Gattin  des  Dombaumeisters  Gerard, 
ist  erwiesen,  dass  sie  vor  der  1302  geschehenen  Beurkundung,  be- 
treffend ihren  und  ihres  Mannes  Nachlass,  aus  dem  Leben  geschieden 
war.  G.'&  V.  K.  Kinder,  die  ausschliesslich  seine  Hinterlassenschaft 
theilen,  sind  die  beiden  Töchter  Elizabet  und  Hadewig.  Von  letzterer 
sagen  die  Dipl.  Beitr.:  „Hadewig  sive  Margareta",  wahrscheinlich  um 
sie  mit  der  in  der  Urkunde  Nr.  V  v.on  1319  vorkommenden  Margareta 
in  Verbindung  zu  bringen,  aus  der  eine  zweite  Tochter  des  Dombau- 
meisters Gerard  gemacht  wird,  während  die  Urkunde  sie  ausdrücklich 
als  „neptis"  seines  Sohnes  Johann  bezeichnet.  Des  Dombaumeisters 
vier  Kinder,  drei  Söhne  und  nur  eine  Tochter,  lernten  wir  im  früheren 
Verlauf  dieser  Abhandlung  kennen  und  überzeugten  uns,  dass  aus- 
schliesslich ihnen  das  elterliche  Erbe  anerfiel.  G. .  v.  K.  und  der  Dom- 
baumeister begegnen  sich  zwar  darin,  dass  jeder  von  ihnen  eine  Tochter 
mit  dem  Namen  Elizabet  hatte,  die  auch  beide  dem  Klosterleben  sich 
widmeten.  Elizabet  von  Ketwich  aber  war  im  Catharinenkloster  zu 
Dortmund,'  des  Dombaumeisters  Tochter  hingegen  auf  dem  Gevelsberge 
aufgenommen  worden.  Die  Dipl.  Beitr.,  indem  sie  beide  in  nur  eine 
Elizabet  umformen,  wissen  wiederum  sich  zu  helfen:  „sie  war  zuerst 
Nonne  zu  Gevelsberg,  später  zu  St.  Catharina  in  Dortmund."  Von  G.'s 
v.  K.  beiden  Töchtern  hatte  im  Jahre  1310  nur  Hadewig  das  Alter 
der  Grossjährigkeit  erreicht  (Urk.  XX),  Elizabet  war  damals  noch  mi- 
norenn. Von  dem  Dombaumeister  Grerard  ist  erwiesen,  dass  er  im  Jahre 
1279  im  Amte  ersetzt,  also  wohl  bereits  verstorben  war,  so  dass  jedes 
der  von  ihm  hinterlassenen  Kinder  1310,  nach  mehr  als  dreissig  Jahren, 
längst  selbstständig  gewesen ;  auch  liegt  die  Urkunde  vor,  worin  schon 
1302  seine  Tochter  Elizabet  über  ihr  elterliches  Erbtheil  verfügen 
konnte.  G.  v.  K.  bewohnte  den  nach  ihm  benannten  Hof  Ketwich,  das 
frühere  Eigenthum  der  Jutta  de  Merke,  gelegen  gegenüber  dem 
AUod  des  Domcapitels;  ausdrücklich  bezeugt  dies  eine  Urkunde  von 
1319  (Nr.  XXIV),  wo  bei  Beschreibung  der  Lage  eines  anderen  Hauses 
gesagt  ist:  „sita  in  platea  sancti  Marcelli  in  allodio Ecclesie Golonien- 


aia  ex  opposito  domus  quam  quomlain  inagiBtcr  Gerardus  de  Eütwich 
inhabitauit",  sowie  anch  eine  Beurkundung  von  1310  (Nr.  XIX)  be- 
merkt, dasti  die  Besitzung  „in  platea  Marcelli  ex  opposito  quasi  cajK'Ile 
dancti  Marcelli"  lag.  Des  Dombaumeisters  Haus  aber  lag  auf  der  an- 
deren Strassenseite  innerhalb  des  Allods  des  Domcapitels:  „in 
platea  sancti  Marcelli  Cotonie  in  allodio  Ecclcsie  Colonieusis",  und  dass 
derselbe  dieses  Haus  fHr  seinen  eigenen  Gebrauch  schon  vor  1257  er- 
liclitet  habe,  dass  es  »ein  Wohnsitz  geblieben  sei,  das  behaupten  die 
Dipl.  Bcitr.  S.  I7~U'  mit  unzweifelhaftem  Rechte.  Einen  Umstand 
gibt  die  genannte  Schrift  an,  der  (wenn  man  von  den  vorhin  berflhrten 
widersprechenden  Verhältnissen  für  einen  Augenblick  absehen  will)  die 
Identification  des  Gerard  von  Ketwich  mit  dein  Steinmetzen  Gerard 
von  Rile,  keineswegs  aber  mit  dem  Dombaumeister,  allerdings  recht- 
fertigen würde  —  wenn  dieser  Umstand  in  der  Wirklichkeit  bestände. 
Es  heisst  nilmlich  S.  16—17  von  einem  Hause  in  der  Johannisslrasse, 
welches  erwieaenermasscu  von  einem  Steinmefzen  Gerard  von  Rile  er- 
baut worden,  dass  dieses  Haus  „in  allen  den  betreffenden  Verausserungs- 
noten  des  Schreins  als  die  ,domus,  quam  ediäcavit  magister  GerarduB 
de  Rile,  auch  wohl  de  Ketwich'  bezeichnet  werde."  Soll  die  her- 
vorgehobene Stelle  nur  eine  aus  der  Luft  gegriffene  Vermuthung  aus- 
sprechen, 30  trägt  sie  an  sich  selbst  den  Stempel  ihres  ünwerthes; 
soll  sie  aber  Behauptung  sein,  so  habe  ich  dagegen  zu  bemerken,  dass 
in  den  Schreinsbüchern  die  besagte  Abwechslung  bei  Bezeichnung  des 
fraglichen  Hauses  nicht  aufzufinden  ist. 

Was  nun  endlich  die  Identification  des  Dombaumeisters  mit  dem 
Steinmetzen  Gerard  von  Rile 
betrifft,  so  hat  sich  schon  Boisserße  (Gesch.  d.  Doms  S.  104—105) 
dem  etwas  verführerischen  Anschein  für  die  Identität  der  beiden  Männer 
nicht  verschliessen  können,  da  sie  nicht  nur  Zeitgenossen  waren,  son- 
dern auch  in  der  Eigenschaft  als  lapicida  zusammentreffen.  Aber  ihm 
war  nur  unsere  Urkunde  Nr.  XXVI  von  1248  bekannt  geworden,  die 
ausnahmsweise  den  Gerard  von  Rile  nur  als  „Gerhardus  lapicida"  mit 
Weglassnng  der  näheren  Bezeichnung  „de  Rile"  vorführt,  die  er  bei 
den  übrigen  dieselben  Geschäftsobjecte  betreffenden  Eintragungen  er- 
hält Eine  nähere  Prüfung  wird  auch  hier  zur  unbedingten  Zurück- 
weisung nöthigen. 

Der  SteinmetzGerard  von  Rile,  von  dem  man  nicht  erfährt,  dass 
er  verheirathet  gewesen,  erwarb  1247  eine  Grundfläche  in  der  Johannis- 
strasse, dem  Amtleutehausc  gegenüber,  die  er  mit  einem  Hause  be- 


Die  Dombaumei8ter  von  Köln.  119 

baute,  das  auch  in  der  Folge  dadurch  bezeichnet  wurde,  dass  man  ihn 
als  den  ersten  Besitzer  oder  als  Erbauer  namhaft  machte  (ürk.  XXV 
— XXXII).  Dieses  berechtigt  aber  keineswegs  zu  der  Deutung,  als  habe 
man  damit  das  Haus  als  eine  Merkwürdigkeit  hervorheben  wollen,  denn 
in  den  Schreinen  kommen  im  Allgemeinen  die  Fälle,  wo  man  Häuser 
Jahrhundertc  hindurch  nach  dem  ersten  Besitzer  benennt,  fast  eben  so 
oft  vor,  wie  solche,  wo  sachliche  Gegenstände  zur  Bezeichnung  gewählt 
werden.  Die  Urkunden  in  meinem  Buche  über  die  Meister  der  alt- 
kölnischen Malerschule  weisen  das  hinreichend  nach.  Jedoch  will  ich 
einem  Beispiele  aus  dem  Buche  Niderich :  Generalis  desshalb  hier  noch 
Platz  vergönnen,  weil  es  ebenfalls  einen  Steinmetz  mit  dem  Namen 
Gerard  betrifft.  Man  liest  beim  Jahre  1322 :  „domus  sita  in  vico  dicto 
Cederwalt  quam  Gerardus  lapicida  inhabitabat**.  Das  Buch  Niderich: 
Ab  hospitali  s.  Andr.  gibt  1304  und  1326  nähere  Aufschlüsse  über  ihn; 
er  war  mit  Elizabet  verheirathet  und  hat  mit  Gerard  von  Rile  nichts 
gemein.  Hinsichtlich  dieses  letzteren  findet  sich  in  dem  defecten 
Schreinsbuche,  welches  die  Erwerbungsurkunde  von  1247  enthält,  die 
Mutation  nicht  mehr  vor,  worin  sein  Haus  zuerst  in  eine  andere  Hand 
überging ;  1289  erscheint  es  als  Eigenthum  des  Stifts  zur  h.  Maria  ad 
gradus  und  wurde  dem  Steinmetzen  Egidius,  genannt  Achilius,  über- 
tragen, dessen  Sohn  Everard  es  1303  dem  Steinmetzen  Gerard,  genannt 
von  Humelgis  (verheirathet  mit  Alveradis)  verkaufte  *).  Wäre  bei  die- 
sen Anlässen  das  Haus  desshalb  als  die  „domus  que  fuit  quondam  Ge- 
rardi  de  Rile  lapicide''  bezeichnet  worden,  um  demselben  mit  Rücksicht 
auf  den  Ruhm  des  Dombaumeisters  gewissermassen  den  Charakter  einer 
Sehenswürdigkeit  anzuheften,  so  würde  man  nach  1248  sicher  nicht 
unterlassen  halben,  Gerard's  in  seiner  Eigenschaft  als  rector  fabrice 
oder  magister  operis  ecclesie  coloniensis  zu  gedenken,  wie  solches  bei 
dem  Hause  in  der  Marcellenstrasse  regelmässig  geschieht,  um  so  mehr, 
da  er  die  Eigenschaft  eines  lapicida  mit  mehreren  gleichnamigen  Zeit- 
genossen theilt  und  überhaupt  der  Name  Gerard,  nach  Ausweis  der 


1)  unter  den  späteren  Besitzern  des  Hauses  nennen  die  Dipl.  Beitr.  S.  16 
,1391  Johann  Frauenhofif,  aus  dem  Geschlechte  Schimmelpennig,  wie  das  Wappen 
am  Rande  kund  gibt.^*  Dem  ist  nicht  so.  Johannes  dictus  Yrouwen^o/f  (nicht 
Fnxienhoff)  kauft  an  der  bezogenen  Stelle  (Nid.  Gen.)  „vnam  domum  duarum 
domorum  sitarum  ex  opposito  domus  nostrorum  officiatorum,  illam  videlioet  do- 
mum uersus  sanctum  Lupum.'^  Am  Rande  sind  zwei  Schlüssel  gezeichnet,  aber 
keineswegs,  um  diesen  Mann  in  den  Adelstand  zu  erheben,  denn  er,  der  auch 
Nid.  A  domo  ad  port.  1851  und  1861  vorkommt,  war  nur  ein  ehrsamer  carpentarius. 


Die  Domliatiineister  von  Kola. 

Schreine,  einer  der  in  jeuer  Zeit  hierorts  am  häufigsten  vorkommenden 
ist,  also  um  so  eher  (ler  Hinzufilgunu  jener  priicisirenden  Eigenschaft 
bedurft  haben  würde.  Nimmt  man  noch  dazu  in  Erwägung,  dass  der 
Dombaumeister  Geranl,  wo  er  als  solcher  in  den  Urkuuden,  die  uns 
die  Schreinsbttcher,  die  Rathsverhandliingen  und  das  gladbacher  Nekro- 
logiuro  erhalten  haben,  nirgend  üerard  von  Kile  genannt  ist  und  dasa 
hingegen  dem  Steinmetzen  Gerard  von  Rile  niemals  die  Eigenschaft 
eines  Dombau meisters  an  die  Seite  gestellt  ist,  so  kann  auch  hier  die 
Identification  in  keiner  Weise  gerechtfertigt  erscheinen,  und  aus  den 
Werken  unserer  Kunstschriftsteller  wird  der  bedeutungslose  Gerard  von 
Eile  zu  verabschieden  sein. 

Die  wunderlichste  Leistung  der  Dipl.  Beitr.  bezOglieh  der  Geschichte 
des  kölner  Dombaues  würdigen  wir  zuletzt,  nämlich  das  Märchen  von 
einem  ersten  Dombaumeister 

Heinrich  Sunere. 
Drei  Personen,  zu  deren  Identification  nicht  im  entferntesten  ein  Grund 
anzutreffen  ist,  mussten  sich  zu  demselben  hergehen,  und  die  Wider- 
legung erscheint  desshalb  noch  erforderlich,  weil  mehrere  geachtete 
Schriftsteller  (unter  anderen  s,  m.  Kugler's  Eunstgcsch.  2.  Ausg. 
S.  575,  und  K.  Förätcr's  Oesdi.  d.  ikniiscli.  Kunst,  Tb.  I,  S.  15*2) 
sich  verleiten  Hessen,  ihm  Beachtung  oder  Glauben  zu  schenken,  und 
so  das  Nebelbild  eines  ersten  kölner  Dombaumeisters  Heinrich  Sunere 
bis  zur  Thürschwelle  der  Kunstgeschichte  vorgedrungen  ist,  während 
zu  diesem  Amte  sich  der  wirkliche  Sunere  wohl  weniger  als  zu  allem 
Anderen  geeignet  haben  mag.  Besonders  aber  deshalb  wird  man  auf 
die  Sache  zurückkommen  müssen,  weil  es  dem  ErSnder  gefallen  hat, 
noch  jüngst  in  einer  Schrift:  „Der  Kölner  Dom.  Eine  Gedenkschrift. 
zur  Feier  der  Vollendung  desselben  am  15.  October  1880"  (Düsseldorf) 
und  zwar  S.  21  in  dem  Abschnitt  „Geschichte  des  Dombaues"  seinen 
Helden  abermals  vorzuführen.  „Den  Preis  unter  den  entworfenen  Plä- 
nen", sagt  er,  „erhielt  ein  kölner  Steinmetz-Meister  Heinrich  Soyncre, 
der  im  Hofe  Soynere  in  der  Maximinenstrasse  wohnte  und  von  ihm  den 
Beinamen  führte." 

Für  ihre  Behauptung  haben  die  Dipl.  Beitr.  in  folgender  Weise 
eine  Beweisführung  zu  coustruiren  versucht: 

1.  Heinrich  der  Magister  wird  1248  als  petitor  structure  maioris 
ecclesie  coloniensis  aufgeführt.  Die  Eintragung  in  die  Schreine  erfolgte 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  121 

immer  wenigstens  ein  Jahr  später  als  die  Vertragshandlung  selbst  da- 
tirt  ^),  statt  1248  muss  man  also  mindestens  1247  lesen. 

2.  Im  Buche  A  sancto  Lupo  findet  sich  unter  dem  Jahre  1315 
ein  Notum  mit  zwei  daneben  befindlichen  Zeichen,  welche  sich  sofort 
als  die  rohen  Federnachbildungen  desjenigen  Handzeichens  darstellen, 
welches  der  Verfertiger  des  Haupt-Domrisses  auf  diesem  zurückgelassen 
hat.  Der  Rütger  Sunere  aber,  welcher  in  dem  genannten  Notum  von 
1315  als  die  Hauptperson  aufgeführt  wird,  ist  der  Enkel  des  oben  ge- 
nannten Heinrich  petitor.  Dieser  Heinrich  ist  also  der  wirkliche  Fer- 
tiger des  Planes  und  dabei  Magister,  das  heisst  Werkmeister.  Im  Jahre 
1247  konnte  er  nur  petitor  genannt  werden :  denn  zu  der  Zeit  war  der 
Bau  noch  nicht  begonnen,  der  Plan  vielleicht  noch  nicht  genehmigt, 
und  Heinrich  war  also  damals  nur  ein  petitor  structure,  d.  h.  im  echt 
lateinischen  Sprachgebrauch  derjenige,  qui  honores  petiit,  der  sich  für 
den  Dombau  um  das  Amt  des  Werkmeisters  bewarb. 

3.  Unser  Heinrich  ist  in  Airsbach:  Textorum  anno  1242  als  la- 
picida  aufgeführt.  (Letztere  Angabe  folgte  erst  nachträglich  im  Kölner 
Domblatt  Nr.  95  von  1844  und  S.  98  der  Zusätze  in  der  2.  Ausgabe 
der  Dipl.  Beitr.) 

Diese  ganze  Ausführung  mit  ihren  Scheingründen  löst  sich  jedoch 
in  ein  Nichts  auf,  sobald  man  mit  prüfendem  Blicke  sich  zu  den 
Schreinsbüchem  selbst  wendet.  Hier  ist  1248  ein  magister  Heinricus 
petitor  structure  maioris  ecclesie  coloniensis  genannt,  bei  dem  man  aber 
sowohl  den  Familiennamen  Sunere  als  die  Eigenschaft  eines  lapidda 
vermisst.  Er  wurde  zuerst  durch  Boisser^e  (Gesch.  d.  Doms,  2.  Ausg. 
S.  105)  bekannt,  der  in  ihm  einen  Sammler  für  das  Werk  des  Doms 
erblickt,  die  Deutung  auf  einen  Bewerber  um  den  Bau  aber  entschieden 
verwirft.  Nichts  kömmt  in  der  Urkunde  vor,  was  auf  die  Eigenschaft 
eines  Baumeisters  oder  Steinmetzen  schliessen  liesse:  ihm  wird  (Urk. 
XXXIII)  von  Rudolf,  dem  Sohne  der  „Megtheldis  de  vulpe"  *)  ein  Haus 


1)  loh  habe  diese  Wahrnehmung  nioht  gemacht,  und  die  Dipl.  Beitr.  wider- 
sprechen dem  auch  selbst  an  manchen  Stellen,  wo  sie  das  Jahr  der  Eintragung 
für  das  der  Vertragshandlung  ausgeben.  Häufig  mag  es  sich  so  verhalten,  aber 
nicht  immer,  besonders  da  nicht,  wo  die  Schlussformel  mit  „Äctum^  beginnt. 

2)  Sie  erscheint  in  den  Dipl.  Beitr.  abwechselnd  als  „Mechtildis  de  Wilre" 
(S.  52),  „do  Volpe"  (S.  95)  und  „deVnlpo''  (S.  96),  stets  mit  Hinweis  auf  dieselbe 
Urkunde.  Sie  wird  zu  einer  Adeligen  gemacht  und  soU  ihren  Namen  „yon  dem 
adeligen  Sitze  ad  vulpem,  Wolferhof'  geführt  haben,  der  in  der  Huhnsgasse  bei 
8t.  Mauritius  liegt.    In  YTirklichkeit  führte  sie  ihren  Namen  nach  der  „domus 


193  Di»  buinbnuineuUir  vou  Kutn. 

Übertragen,  das  er  aogleich  der  Üonikirchc  Überweist  —  eiDe  Thiltig- 
keit,  die  ganz  der  Eigenschaft  des  Sammlers  entspricht.  Und  vreon  die 
Aussage  der  Di|il.  Beitr.  S.  12  richtig  ist,  dasa  den  Schreinsbüchern 
alle  Titel,  soweit  sie  nicht  die  dauernde  bür('erlii:bc  Thätjgkeit  u&d 
Stellung  bezeichnen,  stets  fremd  sind,  so  konnte  wohl  nichts  zu  einem 
Titel  im  Schreinsbuche  weniger  sich  eignen,  als  die  Bewerbung  tun 
ein  Amt. 

Die  Schreine  nennen  zweitens  einen  Henricus  lapicida,  der  eine 
Tochter  Aleid  und  durch  sie  drei  Enkel  hatte,  die  so  arm  waren, 
dass  die  Nothdurft  des  Lebens  (,,pre  uecessitnte  uite")  sie  zwang,  sich 
im  Jahre  1242  zum  Verkaufe  ihres  aus  der  Hälfte  eines  Kramladens 
bestehenden  Besitzthums  gerichtlich  ermächtigen  zu  lassen  (Urk.  XXXIV 
— XXXVI).     Einen  Farailienoamen  fuhrt  dieser  Steinmetz  nicht. 

Drittens  nennen  die  Schreine  einen  sehr  wuhihäbigen  Kann  mit 
dem  Namen  Heinrich  Sunere,  dessen  Frau  Aleid  hiess  und  dessen  Fa- 
milie, gemäss  Angabe  der  Dipl.  Beitr,  S.  12 — 13,  in  derartigem  Ansehen 
stand,  dass  sie  mit  bedeutenden  Geschlechteru  zur  Verwandtschaft  ge- 
langte. Manche  Urkunden  sind  von  ihm  aufbewahrt,  keine  nennt  ilm 
als  magister  oder  deutet  in  anderer  Weise  auf  seine  Identität  mit  dem 
Petitor  von  1248.  Nirgend  ist  er  als  lapicida  vorgeführt,  und  wie  durfte 
man  in  ihm,  auf  den,  laut  den  Dipl.  Heitr.,  gegen  F,nde  des  zwölften 
Jahrhunderts  schon  in  der  Wiege  die  Sonne  des  GlQckes  gestrahlt, 
und  dessen  Descendenz  bis  ins  vierte  Glied  sich  zu  immer  höherem  Aa- 
sehen  aufschwang,  den  obscuren  Steinmetzen  Heinrich  vou  1242  auch 
nur  entfernt  vermuthen  wollen,  dessen  Tochter  und  Enkel  fast  dem 
Bettelstabe  verfielen.  Daher  sieht  denn  auch  die  Sunere'sche  Stamm- 
tafel in  den  Dipl.  Beitr.  S.  65,  freilich  nicht  ohne  arge  Inconsequenz 
zu  ihren  vorbertthrten  Unterstellungen,  aber  diese  Proletarier  vonietun 
hinweg. 

Als  Zeitgenossen  der  vorgenannten  bringen  die  Schreine  andere 
kölnische  Heinriche  zu  Hunderten,  die  unmöglich  sich  können  ferner 
gestanden  haben  als  die  obigen  drei.  Die  Dipl.  Beitr.  aber,  indem  sie 
jene  Verschmelzung  von  Drei  in  Eins  vornahmen,  unterliessen  es  gänz- 
lich, die  Urkunden,  welche  den  Henricus  lapicida  und  den  Henricns 

qua  dicitur  ad  uulpeni",  welche  Oben  MarBptortan  dem  Hftuae  Covoldaboven 
gegenäber  1^.  Sowohl  die  Dame  als  das  Haus  aind  im  Laurenz  schrei  db  Carla 
VIl  c».  1230,  Lib.  IV,  1238  and  Lib.  I  c«.  1240  aniutreffon.  Ueber  den  Wol- 
ferhor,  ad  lupum,  bericbtol  das  Buch  Wayeratraase,  Piiciaae. 


Die  Dombaameister  von  Köln.  128 

SuDere  betreffen,  mitzutheilen,  wie  auffallend  diese  Kargheit  bei  dem 
vorgeblich  ersten,  also  jedenfalls  wichtigsten  der  Dombaumeister  auch 
erscheinen  möge,  um  so  mehr,  da  das  Btichlein  in  Urkundenmittheilung 
über  spätereJ)ombaumeister  sich  ziemlich  freigebig  zeigt.  Freilich  wür- 
den die  Urkunden,  wie  sie  in  allem  anderen  den  Dipl.  Beitr.  wider- 
sprechen, so  auch  der  Angabe  S.  12,  dass  Heinrich  Sunere  gegen  (d.  h. 
hier  vor)  1254  gestorben,  und  S.  15,  dass  Meister  Gerard  im  Jahre 
1254  „nach  dem  Tode  Heinrich's  Soynere"  zum  Dombaumeister  ernannt 
worden  sei,  den  Beweis  entgegengestellt  haben,  dass  Heinrich  Sunere 
oder  Soynere  in  den  Jahren  1253,  1255,  1258,  1261,  1264,  1266  und 
1267  mit  seiner  Frau  Aleid  sich  fortwährend  des  Daseins  erfreute  und 
Geschäftshandlungen  vollzog  (Urk.  XXXVII). 

Eine  Hauptbeweiskraft  wollen  die  Dipl.  Beitr.  aus  einem  Notum 
von  1315  herleiten,  worin,  nach  dem  Tode  eines  Rutger  Sunere,  dessen 
Sohn  Heinrich  an  das  väterliche  Ansiedel  geschrieben  wird.  Dieser 
Rutger  wird  dann  S.  65  zu  einem  Enkel  des  sogenannten  ersten  Dom- 
baumeisters  Heinrich  Sunere  gestammtafelt,  indem  man  einen  Heinrich 
Sunere  II.  als  Sohn  des  letzteren  einschiebt,  von  dessen  Existenz  sich 
indessen  in  den  Schreinsbüchern  nirgend  eine  Spur  zeigt.  Bei  der  Ein- 
tragung von  1315  ist  auf  dem  Rande  an  jeder  Seite  ein  topfartiges 
Zeichen  beigefügt  und  in  demselben  wollen  die  Dipl.  Beitr.  ebendasselbe 
Zeichen  wiedererkennen,  welches  sich  auf  einem  alten  Thurmrisse  des 
Domes  vorfindet.  Nachdem  nun  jene  Töpfe  die  Gedanken  der  Dipl. 
Beitr.  auf  ein  Sunere'sches  Familiensiegel  gelenkt  haben,  wird  ohne 
weiteres  gefolgert,  „dass  der  Anfertiger  des  Risses  mit  der  gedachten 
Familie  dasselbe  Zeichen  führte  oder,  mit  Rücksicht  auf  die  Geschichte 
der  Wappen  ausgedrückt,  aus  dieser  Familie  war."  (Zusätze  S.  98.) 
Aus  allen  Umständen  ergibt  sich  hingegen,  dass  die  Töpfe  keineswegs 
eine  der  Familie  Sunere  anklebige  Bedeutung  haben.  Nicht  ein  einziges 
Mal  finden  sie  sich  bei  den  Urkunden,  in  welchen  der  vorgebliche  Dom- 
baumeister Heinrich  Sunere  selbst  und  Rutger  Sunere  bei  ihrer  Leb- 
zeit auftreten  und  ebensowenig  wiederholen  sie  sich  auch  nur  ein  ein- 
ziges Mal  bei  den  zahlreichen  Eintragungen,  welche,  wie  jene  von 
1315,  den  Sohn  des  Rutger,  der  Heinrich  hiess  und  mit  Blytza  ver- 
heirathet  war,  oder  wiederum  dessen  Kinder  betreflFen.  Ich  will  nur 
auf  folgende  verweisen:  Nid.  A  domo  ad  port.  1301,  1315;  Nid.  A  s. 
Lupo  1307,  1309,  1310,  1320,  1339,  1341,  1344,  1348,  1349,  1364, 
1382,  1383,  1384,  1389,  1393;  Nid.  A  domo  Ilild.  1358,  1382;  Nid. 
General.  1336,  1358,  1385;  Nid.  R«lig.  1344;  Nid.  A  pistr.  Max.  1340, 


134  Die  OumbBunioiBtGr  von  Kola. 

1362;  Ger.  et  Eigolst.  Vadini.  1307;  Petri  Caec.  1337,  133!>,  1344; 
Marl.  Eck.  1339,  1346,  1370;  Laur.  L.  IV.  1344;  Col.  Camp.  1352; 
Mart.  Lewenst.  1363;  Weyerstr.  Bip.  1388,  Unter  dem  Notum  von 
1315  zeigt  sich  übrigens  auch  noch  ein  drittes  Zeichen,  ajis  einem  Tri- 
angel gebildet,  woran  sich  rechts  der  Buchstabe  F  anlehnt,  das  sich 
1340  (Nid.  A  piatr.  Max.),  wo  Greta,  dieWittwe  desselben  Rutger  Su- 
nere,  auftritt,  in  helniartiger  Gestalt  wiederfindet,  und  anderwärts,  wo 
es  sich  unter  den  Sunere'scheu  Familionglicdern  um  üeberträge  oder 
gar  um  den  Besitzeswcchsel  des  Stammhauses,  der  „domus  et  curtis 
que  fuerunt  mansio  Suneri"  handelt,  kommt  ein  einem  Haken  äbnliches 
Zeichen  in  öfterer  Wiederholung  vor,  z.  B.  Nid.  As.  Lupo  1383,  84, 
89  und  03.  Die  beiden  Töpfe  sind  sonnch  nur  aus  einer  zufälligen 
Laune  des  Schreinsschreibers  hervorgegangen,  der  sich  dadurch  das 
Wiederauffinden  erleichtern  wollte,  wie  sich  denn  ganz  ähnliche  Topf- 
figuren  zu  gleichem  Zwecke  auch  in  anderen  SchreinsbUchern  antrefl'cn 
lassen,  wo  weder  von  Personen  noch  von  Liegenschaften  die  Rede  ist, 
die  zur  Familie  Suncre  in  Beziehung  stehen.  Ueberhaupt  war  es  ein 
Brauch  der  Schreinsschreiher  iu  jener  älteren  Zeit,  wo  die  Mutatiooen 
noch  nicht  bei  den  Urkunden  angemerkt  wurden,  sich  bei  Eintragungen, 
die  ein  besonderes  Interesse  für  sie  hatten,  eines  solchen  Erleiehterungs- 
niittels  zu  bedienen.  Bei  adelichen  Familien  bildeten  sie  dann  deren 
Wappen  nach,  gewöhnlich  in  ganz  einfachen,  unten  zugespitzten  Schild- 
eben;  im  Uebrigen  aber  hielten  sie  sich  eine  reiche  Auswahl  verschie- 
denartigster Zeichen,  z.  B.  Kreis,  Dreieck,  Rad,  Kreuz,  Pfeil,  Schlüssel, 
Hängeschlosa,  Kleeblatt,  Topf  u.  s.  w.,  in  Bereitschaft,  deren  Anwen- 
dung sich  unzählige  Male  wiederholt,  ohne  dass  damit  an  bestimmten 
Familien  oder  Häusern  festgehalten  wird.  Aber  auch  abgesehen  von 
alledem,  so  braucht  man  nur  die  Töpfe  von  1315  mit  dem  Zeichen  auf 
dem  Tburmrisse  zu  vergleichen,  um  eine  sofort  ins  Auge  fallende  sehr 
wesentliche  Verschiedenheit  wahrzunehmen,  .so  dass  an  einen  gemein- 
samen Ursprung  aus  dem  Siegel  einer  und  derselben  Famdie  nicht  ge- 
dacht werden  darf '].    Und   schliesslich  ist  denn  auch  daran  zu  er- 


1)  Die  Nachbildung  der  Schrei aazeicbon  in  den  Dipl.  Bcitr.  S.  52  iet  an* 
getreu.  Qenau  sind  aie  auf  der  drittcu  Munogrammentafel  (Nr,  124  u.  126)  in 
Ditiiiien  Nacbricbton  von  Eälcisclien  Künsllcm  wiedergegebeb,  und  auf  der  cr- 
Bten  Tafel  (Nr.  38)  befindet  sich  daeelbst  auch  das  Zeichen  vom  Thurtnrisse.  Die- 
eer  ist  der  Entwurf  des  südlichen  Thurmcs  nebst  dem  ganzen  mittleren  Giebel; 
er  wurde  durch  BoiBserec's  Schenkung  1640  dem  Dome  zurückgegeben. 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  «  125 

Innern,  dass  der  in  Rede  stehende  Thurmriss,  gemäss  dem  bei  dem 
gegenwärtigen  Stand  der  Forschungen  über  die  Baugeschichte  des 
Domes  kaum  noch  auf  Widerspruch  stossenden  Urtheile,  mindestens 
ein  Jahrhundert  nach  dem  Beginne  des  Neubaues  erat  angefertigt  wor- 
den ist. 

So  zerfallen  also  alle  Unterstellungen  der  Diplomatischen  Bei- 
träge und  mit  ihnen  alle  daraus  gezogenen  Folgerungen.  Die  Urkunden 
tiberzeugen,  dass  Heinrich  Sunere,  welcher  Besitzer  eines  grossen  Garten- 
gutes, mehrerer  Häuser,  Ländereien  und  Renten  gewesen,  mit  dem 
Dombaumeisterthum  von  Köln  nicht  das  mindeste  zu  schaffen  gehabt  hat 


Urkunden. 

Niderich:  A  sancto  Lnpo.  (1257.)  1302. 

1.  Iste  terminuB  incipit  ab  ecclesia  sanoti  Lnpi  a  domo  diota  ad  chorum 
et  iendit  secas  ecclesiam  sancti  Maximini  in  eodem  latere  vsque  saper  cumulnm 
in  konum  contra  sanctas  virgines.  et  deinde  per  plateam  MarceHi  in  iUo  latere 
versus  renum  vsque  ad  antiquum  summum.  et  deinde  plateam ')  Drancgasse.  vs- 
que ad  ecclesiam  sancti  Lupi.  et  conscribentur  in  hoc  omnes  remissiones  here* 
ditatum  infra  iacencium.  ab  Anno  domini  m^  occ^^o.  secundo.  in  antea.  Actum 
et  sie  positum  feria  quarta  post  Reminiscere.    Anno  predicto. 

Maior  ecclesia. 

Notum  sit  vniuersis  tarn  presentibus  quam  futuris  quod  Capitulum  colo* 
niense,  de  arcis  olim  vinee  sue  apud  sanctum  Marcellum  sitis,  eorum  liberum 
existentibus  allodium,  magistro  Oerardo  lapicide  rectori  fabrice  ipsius  ecdesie 
propter  meritorum  suorum  obsequia,  ipsi  ^)  ecclesie  facUff,  vnam  aream  latiorem 
et  maiorem  alijs  prout  ibi  iacet  et  comprehendit  magnam  domum  lapideam  quam 
idem  magister  Gerardus  proprijs  edificauit  sumptibos,  concesserunt,  Ita  videlicet 
quod  prefatus  magister  Gerardus  vel  Gada  uxor  ipsius,  aut  eorum  heredes,  Gen- 
sum  duodecim  solidorum  coloniensium  denariorum  eis  iure  hereditigrio  persoluent 
de  area  memorata,  Sicut  in  littera  ipsius  Capituli  coloniensis,  eisdem  magistro 
et  Gude  eius  uxori,  super  hoc  tradita,  et  in  scrinio  nostro  reposita,  continetur. 
Guiui  quidem  Httere  Capituli  tenor  talis  est  Capitulum  coloniense  vniuersis 
tam  presentibus  quam  futuris,  inspecturis  has  litteras,  volumus  esse  notum, 
quod  nos,  de  areis  olim  vinee  nostre,  apud  sanctum  Marcellum  sitis,  liberum 


1)  „platea<<  Dipl.  Beitr.  2)  „ipse"'  D.  a 


I2fl  Dio  Dombanmeietiir  von  Köln. 

nostTum  exiatentibuB  ailodium,  roagistro  G^rarda  lapictäe.  rectori  fatirice  noatn. 
propter  moritorum  obeequia  nobia  facta,  vnain  aream  latiorenj  et  matorem  nlg«, 
proDt  ibi  iacet  nt  compreheudit  magnam  domum  lapideai»,  quam  idem  inagister 
Qerardaa  propriia  edificauit  sumplibuB,  dtiitimnB  coacedendam  ').  Ita  videlicrt 
quod  prefatuB  magiater  vel  Guda  vxot  ipsius  aut  eoriim  horedes,  cenaam  nobia, 
duodocim  golidorum  coloaieasiiim  dcnariorum,  jure  herüditario  peraoluent  de  area 
momorala.  Ctiiui  enim  censiis  medieta«  iu  Sancto  Walbarg^s,  et  raliqua  medietai 
in  BäDcti  Remigij  fcstin,  annlB  aiDgulis  persoluoctur.  Si  vero  aliqao  terminorutn 
iatoram  poatea  infrn  meDaem  ceusus  non  fuprit  dobitiiB,  perBolutus,  extunc  prn 
pena  soliientiir  nobia  trea  Bolidi  denariorum,  et  similiter  do  vnoqiioque  mumw. 
püc  vnutn  anniim,  itea  aolidi  pro  pena  aoluentur.  ai  infra  totua  ccnaiia,  aiim 
pena  totali  neglecta,  non  fuerit  persolutua,  et  ad  hoc  census  siquis  neglectua  est, 
nichilominiiB  peraoluelur.  Anno  autem  elapao,  Bi  infm  mensen]  poatea  ad  l»n- 
giuB  omain  prejioripta  vsl  aliqua  coruin  non  fucrint  ndimplota,  dicta  area  cum 
domo  lapidea,  ad  nostram  et  ecclcaie  nostre  proprietalem  absoliite  et  libere  r^- 
uoluctur.  Post  obitum  vero  Tuiuscuiusqne  poascssoris  vel  heredis,  domus  et  aree 
aepedictc,  heres  aut  posaesBor  icstituendtia,  dabit  nobia  in  recepcToDem  dicWram 
bonorum  diiodecim  dcnarios  pro  iure  quod  gewprf  vulgariter  appellatur.  Et  si- 
militer  ab  emptore  domua  einadeni  et  aree  si  vendi  contigerit,  et  eandoni  primo 
nobia  ezhibitam  emere  recuHauerimiia,  duodecim  denarii  paraoluentur  Et  Bcieu- 
dum,  qiiod  emptor  dictam  domum  et  aream,  aub  omnibua  prenotntia  condieio- 
nibui,  tarn  eeiiBUB  quam  penariim,  libaro  perpetno,  optinebit  a  nobia.  Vt  aut«m 
predicta  omnia,  tarn  a  nobis  quam  noatria  BuccesaoribiiB  dicte  domna  pDBaeMon- 
bua  vel  ab  ipaia  nobia  et  ecclesie  noatre  itmiolobiliter  perpetno  obBementur, 
preaena  aeriptum  in  leatinionium  nostri  fecimua  eigilli  mimtmice  roborari,  Datam 
Atino  domini  ro".  ec^°.  quicquoigealmo  aeptimo. 

II.  Item  notum  sit  Tninersia  quod  ex  morte  qnondam  magiatri  Oerardi 
et  Gude^prediotorum  in  ')  prefata  domo  ')  lapidea  et  eins  area  ante  et  retro 
Biibtiia  et  snperiuB  prout  iacet,  et  ad  eoadem  magistrum  Gerardam  et  Gudam  ex 
cODoeBsione  predicta ')  pertinet.  Petro  monacbo  apud  aanctum  Pantaleonem, 
inagiatro  Wilhelme  canonico  aancti  Gereonis,  Eliiabet  moniali  apud  Qynelberg, 
et  lobanni  monaoho  absenti  in  Boemia,  pueria  eonindem,  Cuilibet  ipsomm  pue- 
ronim  accidit  vna  puerilia  poroio,  que  vulgariter  dicitur  kinzdeyl.  ante  et  retro 
subtua  et  laperiuB  proat  iacet  et  cuilibet  eorum  in  diuiaione  accidere  poterit '). 
Ita  quod  eam  iure  optinebunt.  It«m  notum  alt  quod  prefatt  pneri  eorundem  ') 
magiatri  Genrdi  et  Gude.  acilicet  ipse  magister  Wilhelmua')  pro  ae.  Petrua 
cum  abbate  et  connentu  aao  aancti  Pantaleonia  pro  se  et  Elizabet  Boror  iptorum 
cum  abbatissa  et  conuentu  auo  in  Gjuelberge  pro  ae  Salua  puerili  poreione  et 
iure  ipsiuB  lohannia  fratria  ipaorum  predicti  ai  venerit  et  requiainerit,  concor- 

1)  „concedendum"  D.  B.  2)  Die  D.  B.  Iwsen  „in"  weg- 

9)  „domuB"  D.  B.  i)  Die  D,  B.  lassen  „predicta"  weg.  5)  „potuit" 

D.  B.  G)  „ejufldem".D.  B.  7)  „Wilhelm"  D.  ß. 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  127 

dantes  in  hunc  modnm  Tradideront  et  remisemnt  donaoione  inter  viuos,  tam 
communiter  qaam  priuatc,  prefatam  domum  et  eins  aream,  ante  et  retro  tubtus 
et  supcrius  com  snis  attinencijs  prout  iacet.  Saneti  Gereonis.  et  sancti  Panta* 
leonis  ecoleeie,  et  ad  manus  abbatis  ipsius  monasterij  saneti  Pantaleonis.  nomine 
ipsios  monasterij,  et  ad  manus  Hugonis  de  Bore ')  et  lohannis  dicti  *)  de  korn- 
hus  oanonicorum  ecciesie  saneti  Gereonis,  nomine  ipsius  eoelesie,  Saluo  oensa 
hereditario  predicto  sub  omnibus  condicionibus  infra  soriptis.  Yidelioet  quod  ipse 
magister  Wilhelmus  censum  horeditarium  predictum  solaere  debeat  maiori  ecole- 
sie,  seu ')  Capitulo  predicto  *).  et  dictam  domum  et  eius  aream,  ante  et  retro 
snbtus  et  superius  prout  iacet  teuere  et  possidcre  debeat  et  prouentus  recipere, 
ad  dies  vite  sue  pacifioe  et  quiete.  et  ipsam  domum  tenere  debeat  in  edificio 
debito  et  oonsueto,  et  quod  nichilominus  dare  et  solaere ')  debeat,  ipse  magister 
Wilhelmus  quam  diu  vixerit,  de  diota  hereditates  Petro*)  fratri  suo  predicto 
▼nam  maroam  denariorum  vsualium  pro  tempore  siugulis  annis  ad  duos  terminos, 
soilioet.  Sex  solidos  in  festo  beati  Remigij.  et  alios  sex  solidos  in  festo  pasdhe, 
aat  infra  Quindenam  post  quemlibet  ipsorum  terminorum  sine  capcione.  Mortuo 
▼ero  dioto  magistro  Wilhelmo,  extunc  prefata  pensio  marce  predicte  ipsius  Petri') 
cum  eo  morietur  et  extincta  erit,  et  prefata  domus  et  eius  area  ante  et  retro 
subtus  et  superius  prout  iacet  et  prescripta  est,  ad  easdem  Ecdesias  scilicet  Ge- 
reonis et  Pantaleonis,  reuertetur.  Saluo  iure  et  porcione  dicti  lohannis  absentis. 
Ita  quod  dicte  Ecciesie,  dictam  hereditatem  tenere  et  diuertere  poterunt  pro  in- 
diuisa  secundum  condicioncs  infra  soriptas.  videlicet  quod  dicte  Ecciesie  dare 
et  soluere  debeant.  Capitulo  coloniensi  censum  suum  hereditarium  predictum, 
et  nichilominus  infra  scriptas  pensionee  hereditarias,  quas  dicti  fratres  et  soror, 
pro  Remedio  animarum  parentum  suorum,  et  ipsorum  propriarum*)  de  diota 
Lereditate  hereditarie  ^)  dari  constituerunt,  dabunt  et  persoluent  **)  singulis  annis 
in  anniuersario  ipsius  magistri  Wilhelmi  quocumque  tempore  hoc  acciderit.  Sci- 
licet maiori  ecciesie  coloniensi.  Sex  solidos '')  ysnalium  denariorum.  Item  **) 
monasterio  in  Siberg.  Sex  solidos  eorundem  denariomm.  et  Item  monasterio 
monialinm  in  Blayzheym  ").  Sex  solidos  eorundem  denariorum  Cum  hae  condi- 
done,  quod  erga  predicta  monasteria.  tam  in  Siberg  quam  in  Blayzheym. 
sui  sex  sol.  hinc  inde  predicte  pensionis  et  per  hoc  dicta  hereditas  absolni 
et  liberari  '*)  poterit,  ab  eis,  singuli  sex  solidi  pro  sex  marcis  brabantinorum 
denariorum.  Sed  sex  solidi  maioris  ecciesie  in  perpetuum  permanebunt  et  sol- 
uentur  cum  censu  suo  hereditario  predicto,  vt  est  prescriptum.  Et  preterea  si 
dicta  Elizabot  monialis  fratrem  suum  predictum  magistrum  Wilhelmnm  super- 
uixerit,  extunc  dicte  Ecciesie  saneti  Gereonis  et  saneti  Pantaleonis,  de  dicta 
hereditate  dabunt  et  soluent  in  anniuersario  eiusdem   magistri  Wilhelmi   dicte 


1)  „Bore'*  D.  B.  2)  Die  D.  B.  lassen  „dicti"  weg.          3)  «sue''  D.  B. 

4)  „antedicto"  D.  B.  5)  „persolvere"  D.  B.  6)  „eUam"  D.  B. 

7)  „penttiMf**  D.  a  8)  „propriorum"  D.  B.  9)  „hereditario"  D.  B. 

10)  „solvent''  D.  B.  11)  „solidi''  D.  B.  12)  „et  Item"  D.  B. 

18)  „Blatzheim"  D.  B.  14)  „liberare"  D.  B. 


tas 


Die  DornbaumciBter  v 


Köln. 


Eliiabet.  quam  diu  ipBs  vbcmt  «ingulia  auuiB.  Tret  marciB  denartorum  veu^ 
lium  pro  tempore  in  Colonia.  Sed  ip»H  Eliznbet  dofuncta,  extunc  dicta  pousio 
triiici  mBrcarum  cum  va  uorietur.  et  dicte  «ccl^sie  aancU  Geroouia  et  «ancti 
Pantaleouii  ipai  ')  Conuentuj  Id  Giuelberg.  siugiilia  annia  in  »nniuerMrio  ein»- 
dem  magistri  Wilholmj  pro  remedio  et  memoria  nuintariim  psrettttim  et  proge- 
nitorum  euorum  dabimt  et  porsolaent  daro  öt  persoluore  leuebuntur  in  |ierpe- 
tunm  Tnam  marcam.  et  ipsa ")  Eocleaia ')  de  Oyuelbärg  de  dict«  mnroa  coape- 
rari  debot  *)  proporcioonlitcr,  quod  dicta  domuB  teueatur  iii  edifido  debita  et 
consaeto.  et  oicliibiiiinuB  ei  dicte  Eccleaie  aaiicli  Gereouis  et  sniicti  PasUteoniB 
Bu]>er  ')  diota  hcreditate  impetiti  fuerint,  Bimlliter  cum  ipaia  expenBaa  proporcio- 
nalit^ir  BUstinebiiDt ").  Suliio  in  biJB')  otnaibus  iure  dicti  lobaunis  absenti»,  et 
iurn  ciiiuBÜbet  in  eadem,  ad  qnod  dicta  horeditaa  erit  oblig^ala.  et  si  officium 
et  officiati  super  ')  dicta  faaredilate  impetiti  fuerint  dx  parte  dicti  lobnaDis.  ab 
baa  impeticione  diote  eociesie  ipaum  officium  releuabimt  et  absoIueDt.  Aliaiuo 
iptum  officium  de  coDaeuBii  dictarum  ecckBiarum  et  personaruni  pri'dictanun 
qua  diotarum  ')  bereditatem  auacepenint,  nomine  earundcm  "*)  ao  cum  dicta  here- 
ditate  releaabit  et  abeoliiet.  At-tum  et  cocBcripttim  in  vigilia  palmaxum.  Anno 
domini  m",  coo°"*.  Secundo. 

Ibidem.  1304. 
III,  Notum  iit  vnrnerBis  tarn  preseatibua  quam  futuria  quod  frater  Lude- 
wious,  et  frotor  Lamhertus  fratrea  ")  gormani.  de  ordiae  prcdicatarnm '*),  filij 
quondam  Lamberti  dicti  de  cramhua  et  Megthildis  eiua  vKom  "),  heredit«t«in 
Euam  iafra  Bcriptam,  ad  quam  oonsoripti  ")  sunt  in  quaterno  anliqno  magno  tan- 
dento  a  turri  in  DraucgaaBin  vsquo  sd  Wurpelportzen.  scilicet  domiim  et  eins 
aream  sitam  iiixlo  capellam  qiie  dicitiir  ad  antiquum  sumraum,  (jue  quondam 
fuit  domoB  piatorea  et  nunc  brmxatorea  Item  ")  domum  et  eiuii  areara  dicte  do- 
muj  contignant  veraua  plat«am  Marcelli  (que  dicitur  zume  aldemedume  "),  cum 
caraeris  eidem  adiacentibua  verBus  eandem  plateam,  vaque  ad  domam  quondam  ") 
magialri  Oerardt  magistri  operis,  anttr  et  retro  aabtna  et  auperiua  prout  dicte 
hereditates  ibidem  iaoent  et  ad  eas  preaoripti  Bunt,  tradiderunt  et  remiserunt 
Godefrido  dioto  de  Tiola  et  Agneti  eius  viori  jta  quod  eas  iure  et  aine  contra- 
diotione  optinebunt  et  diuertere  (poterunt)  aaluo  bereditario  (oensu)  et  cnilibet 
iure  iuo  in  eiadem.  Et  aoiendum  quod  dicta  domna  zume  aldemedume  et  camere 
ftdiacentea  aoluunt  relicte  quondam  Conradi  de  atruasione  ant  eius  heredibna  De- 
cem  et  octo  lolidoa  hereditorij  cenana  coloniensea  singulia  annia  in  feeto  beaü 


1)  „ipae"  D.  B.  2}  „ipBam"  D.  B.  3)  „Eccledam"  D.  B. 

4)  „debent"  D.  B.  5)  „aupra"  D.  B.  6)  „sustenebunt"  D.  B. 

7)  „Wb"  D.  B.  6)  „aupra"  D.  B.  9)  „dictorum"  D.  B. 

10)  „eorundem"  D.  B.  11)  Die  D.  B.  laasen  „frfttros"  weg.  12)  Dieae 

8  Wörter  fehlen  ia  den  D.  B.  13)  „unor"  D.  B.  14)  „adaoripti"  D.  B. 

16)  nin"  D.  B.         16)  Die  eingeklammerten  4  Wörter  eind  irrthGmtioh  wieder- 
holt,   „zume  alden  dume"  D.  B.  17)  „tapideam"  sUtt  quondam  D.  B. 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  129 

Remigij  aut  infra  quatuor  septimanas  post,  sine  capoione  persoluendos  *)  alioquin 
extunc  dicia  domus  et  oiuB  area  proat  prescripta  est,  ad  cosdem  deuohietur, 
salno  etiam  ecclesie  sanoti  Andree  oensu  duornm  solidorum  in  domo  Aldendoyme 
predicta,  sicut  in  eodem  quaterno  antiquo  est  prescriptam  ^).  Actum  et  conscri- 
ptum  ')  Anno  domini  mo.  coc^.  quarto.    In  vigilia  palmaram. 

Ibidem.  1819. 

lY.  Item  notam  sit  qaod  frater  lohannes  monachus  monasterij  de  Wele- 
grat  ordinis  Cysteroiensis  Olomooensis  dyoceseos  cum  consensu  et  ratihabioione 
abbatis  et  conuentus  monasterij  stii  predicti  tradidit  et  remisit  Conegundi  de 
Carpena  filie  quondam  Wilhelmi  de  Gerstorp  ^)  et  Margarete  ')  nepti  fratris  lo- 
hannis  predicti  vnam  porcionem  siue  pueripartem  que  sibi  acoidit  de  domo  lapi- 
dea  et  eins  area  sita  in  platea  sancti  Marcelli  Golonie  in  allodio  Ecclesie  Ck)lo- 
niensis  ex  morte  quondam  parentum  suorum  magistri  Gerardi  rectoris  fabrice 
Ecclesie  Goloniensis  et  Gode  eius  vxoris,  Ita  quod  Conegundis  et  Margareta  pre- 
dicte  predictam  pueripartem  domus  prediote  et  eius  aree  pront  in  recta  diuisione 
sibi  aocidere  poterit  *)  jure  obtinebunt  et  diuertere  poterunt.  Saluo  censu  et  jure 
de  predicta  domo  et  eius  area  competentibus,  et  super  hijs  iacet  littera  abbatis 
et  conuentus  monasterij  predicti  in  scrineo  nostro  reposita.  Datum  anno  domini 
m9,  ccco.  xixo.  crastino  beati  Bamabe  apostoli. 

Niderich:  Carta  generalis.  1324. 

y.  Item  notnm  sit  tam  presentibus  quam  futuris  quod  Petras  dictus  Wihe 
comparens  in  figura  judicij  asseruit  quQd  ex  morte  quondam  Margarete  sororis 
sne  accidit  sibi  dimidietas  ynius  pueripartis  domus  lapidee  et  eins  aree  site  in 
platea  Sancti  Marcelli  (Kolonie  in  allodio  maioris  Ecclesie  Goloniensis  que  quon- 
dam fuit  magistri  Gerardi  rectoris  fabrice  Ecclesie  Goloniensis  Et  quia  dictus 
Petrus  omnes  dies  judiciales  sequebatur  nemine  contradicente  dictabat  hoc  scn- 
tentia  soabinorum  quod  iure  scribi  deberet  ad  eandem,  saluo  censu  hereditario 
inde  competente,  quod  comes  et  scabini  nobis  sunt  testificati.  Datum  anno  do- 
mini mo.  ccco.  xxiiij^.  feria  sexta  post  jnuocauit. 

Niderich:  A  sancto  Lupo.  1824. 

VI.  Item  notum  sit  tam  presentibus  quam  futuris  quod  Petrus  dictus 
Wihe  tradidit  et  remisit  Gonegundi  de  Garpena  filie  quondam  Wilhelmi  de  Ger- 
storp dimidietatem  vnius  pueripartis  domus  lapidee  et  eius  aree  site  in  platea 
sancti  Marcelli  in  allodio  maioris  Ecclesie  Goloniensis  que  fuit  quondam  magistri 


1)  „persoluendis"  D.  B.  2)  „prescripta«  D.  B.  8)  Die  D.  B. 

lassen  diese  drei  Wörter  weg  und  knüpfen  so  die  Jahreszahl  an  das  unrichtige 
Wort  prescripta.  4)  „Gustorp«  D.  B.  6)  Die  D.  B.  nehmen  hier,  statt 

des  Dativs,  den  Genitiv  an  und  berichten  daraufhin:  „Margaretha  verheirathete 
sich  gegen  1806  mit  Wilhelm  vonGüstorp,  dem  Knappen  des  kölnischen  Vogts." 
6)  „potuit«  D.  B. 

9 


Oeraräi  rcctoris  fakrioc  Bcciesic  Colonieoeu  Ita  qaod  Conegiindu  predictn  pur- 
ripartem  domus  ]<ri'dicl(i  ot  eias  aree  prout  in  recU  diuiiione  accidere  palerit  ^ 
juro  obtinobit   et  dioprtero   potörit.     Saluo  ceosu   hereditario   Inda   competciito, 
Dotom  nt  «upra  (Anno  domini  mc  occ"  xxüü), 

Ibidem,  1327. 
TII.    Itetn  ootum  ait  tarn  preientibiis  quam  futuris  quod  Concgundii  da  \ 
Carpena  filia  quoiidam  WUhelmi  de  Gerstorfi  trndidit  et  remiRit  domiiio  Hmrico  ' 

plobauü  Ecciosic  sitncti  Pauli  Cüloniensie  nci:noa  fratribiia  Golielino  diclo  ti\^<:T 
(it  Hcurico  dicto  Gryn  ordinis  prcilicatorunt  dotnua  ColoDiensia.  manufidelibiiB 
üt  extciitofibui  tcstamculi  aiii  Duaa  pucripartoa  domaa  Inpideo  et  eine 
in  pktca  aancti  Marcelli  in  allodio  maioi'ia,  Eccleaie  Colonicneit  que  fuit  quan- 
dam  ma^riatrl  Gerardi  rcctoris  fabriee  Eccleaie  Colonivnaia  et  Oude  ciuB  vxoria  ] 
qim  diio  puoripartca  reputate  aiiut  pro  (^iiarta  parte  lotiua  lirredit&tia  prcdict«, 
Ita  quud  niauiiüdulea  aui  prudictam  quartam  |>artoin  borediutls  prediote  pront 
in  repln  diuiaione  aibi  accidere  puteril  jure  oblinebimt  et  diuertore  potcnint 
Suliio  ceuau  et  jure  iude  compc-teütibua,  Saluo  t'tiam  dicte  Eonegaudi  quod  pro- 
misia  mutaie  potcrit  ei  voluoi-it.  Dalun  auuo  domini  m".  ccco.  xxvij.  i 
■Uno  beati  Bartholomei  apostob. 

Till.  Item  Dütuin  sit  tani  presentibuB  quam  futuria  quiid  dominus  Hen- 
ricua  plebanua  Ecclesie  aancti  Pauli  Calaniensia.  fnttrea  Gubelinus  djctua  nigor  i 
et  Ucnricus  dictus  Gryn  ordiula  prcdicatorum  domus  Colonii'iiEia  niaDiißdcIoa  et 
cjiooutorca  teiiamenti  qiionJani  Coiiegundis  d"  Carpima  lilic  qiioiidam  Willieltn 
de  Gerstorp  tradidurunt  et  rcmiaerunt  domino  Arnoldo  de  WeuilchoncD  vicario 
EcclCBiti  Cotonienaiii  qanrtani  partem  domus  Inpidce  et  eins  aree  tite  in  allodio 
maioris  Eccloaie  Colooiensis  que  fuit  quondam  magistri  Qerardi  rectoris  fabric« 
Kcclesiü  Colonicssia  prout  ibi  iacet  ante  et  retro  aubtus  et  eupra,  Ita  quod  Ar- 
noldus  predictus  quartam  partem  bnreditatia  predicte  prout  in  recla  diuiaione 
aibi  accidere  poterit  jure  obtiaebit  et  diuertere  poterit,  Saluo  ccneu  hereditario 
jndo  competento.    Datum  anno  domini  m°.  ccc°.  xsvijo.  in  dio  beati  Remigij. 

Ibidem.  1326. 
IX.  Notuni  sit  tarn  preaentibue  quam  futuria,  quod  Decanaa  el  Capital  um 
Ecclesie  Sancti  Gereouis  Coluuio  et  Abbos  et  Conucntua  monasterij  SaacU  Panta- 
Iconia  Culonie  rcnunciuueruut  eu|)or  quarta  parte  donius  illiua  lapidee  mague  in 
vico  aaiicti  Marcelli  cuiua  sunt  quatuor  manaiones  sub  vno  tecto.  videlicet  finali. 
excepta  vna  versua  oygilsteiiio.  qua  quotidam  fuit  magislri  Gerardi  rectoria  fa- 
brieo  Eculeeia  Colonienais.  ante  el  i'etro  aubtua  et  supra  prout  ibidem  iaoet.  ad 
Dianus  et  veus  Amoldi  An  Weuelkoucn  vicarij  Eculuaie  ColonJensia.  sicut  illa 
quarta  para  illiua  domua  ex  iuata  diuiBione  ad  ipaum  Arnoldum  est  deuoluta.  Ita 
quod  jure  obtiuebit  et  diucrtero  poterit.  Saluo  ceneu  bereditario  jure  auo.  i>a- 
tuiu  anno  domini  m".  ccc°.  xxviij».  cnutiuo  beati  Potri  ad  viiicula. 


I 


Die  Dombaumeister  von  Köln.  131 

Ibidem.  1334. 

X.  Not  um  sit  etc.  ^)  quod  dominus ')  Arnoldns  de  Weuilchouen  vicarius 
Ecclesie  Colouionsis  donauit  et  remisit  domino  Euerhardo  de  Reys  vicario  dicte 
Ecclcsie  quartam  partem  magne  domus  lapidee  site ')  in  vico  sancti  Marcelli 
cuius  sunt  quatuor  mausiones  sub  vno  tecto  videlicet  finalem  excepta  vna  versus 
Eygelsteyne  *)  que  fuit  quondam  magistri  Gerardi  rectoris  fabrice  Ecclesie  Colo- 
nicusis  prodictc  ante  et  retro  subtus  et  supra  ')  prout  ibidem  iacet  cum  mcdie- 
täte  cloace  siue  priunte  kamere  retro  iacentis,  quo  ad  vsumfructum  dicti  domini 
Euerhardi  ®).  Tali  condicione,  quod  dictus  dominus  Euerhardus  prefatam  quar- 
tam partem  domu»  et  medietatem  cloace  suis  expensis  quam  diu  vixerit  melio- 
rare  debebit,  et  non  doteriorare  ^ ).  et  quod  post  mortem  dicti  domini  Euerhardi 
predicta  quarta  pars  domus  et  medietas  cloace  ad  dictum  dominum  Arnoldum 
libere  reuertatur.  Saluo  hereditario  censu  jure  suo.  Datum  anno  domini  m^. 
occ^.  Tricesimo  quarto  In  die  beati  Ciriaci  martyris  et  sociorum  eins.  Et  saluo 
domino  Arnolde  ^)  predicto  accessu  ad  puteum  in  dicta  hereditate  situm  quam 
diu  ipsi  domino  Euerhardo  placuerit. 

Ibidem.  1334. 

XI.  Notum  Sit  etc.  quod  dominus  Arnoldus  de  Weuilchouen  predictus  donauit 
et  romisit  post  mortem  suam,  ad  fabricam  maioris  Ecclcsie  Coloniensis  prefatam 
quartam  partem  dicte  domus  lapidee  nunc  existentem  vna  mansio  cum  medietato 
cloace  retro  iacentis  vt  iacet  ante  et  retro  subtus  et  supra.  Ita  quod  prouisores 
fabrice  Ecclesie  predicto  jure  obtinebunt  et  diuertere  poterunt  quocumque  vo- 
luerint  in  vsus  fabrice  predicte,  Saluo  domino  Euerhardo  de  Reys  predicto  vsu« 
fructu  suo  in  eadem.  et  salua  dicto  domino  Amoldo  potestate  mutandi  quam 
diu  vixerit,  Et  saluo  hereditario  censu  jure  suo.    Datum  vt  supra. 

Aus  dem  ersten  Bande  der  Rathsprotokolle  der  Stadt  Köln:  1396 — 1440. 

Fol.  172. 

XII.  Dese  nageschreuen  Rente  gebeert  in  verseien  conuent  by  den  preit- 
gern  dat  nu  der  Studenten  schole  is  jnd  is  vyss  eynre  alder  tzedulen  geschrcuen. 

....  Meister  Gerart  der  werckmeister  vamme  doyme  besatte  vij  Schillinge, 
die  gheuent  h.  Loyfs  kynder  van  dem  erue  dat  hee  hadde  by  sent  marien  gar- 
den  in  verseien  conuent  alle  jaire,  dat  is  be^chreuen  in  der  gebuyr  huys  tzo  sent 
coliimben,  dat  gift  man  halff  tzo  kirssmissen,  jnd  halff  tzo  sent  Johans  missen. 

Dilles:  Liber  primus.  1305. 

Xni.  Notum  sit  vuiuersis  tarn  presentibus  quam  futuris  quod  ex  obitu  quon- 
dam Henrici  dicti  de  i«ancto  Trudone  quondam  Gerardo  filio   suo  accidit  tercia 


1)  „et  est''  D.  B.  2)  Die  D.  B.  lassen  „dominus«  weg.  8)  „site« 

lassen  die  D.  B.  weg.  4)  „eigelstein«  D.  B.  6)  „superius"  D.  B. 

6)  Diese  sechs  Wörter  fehlen  in  den  D.  B.  7)  Diese  drei  Wörter  fehlen  in 

den  D.  B.  8)  „domini  Arnoldi"  D.  B. 


\ 


IS2  Die  Dombaunmister  von  Eöln. 

pars  domus  et  eius  aree  alte  in  (oro  bntiri  ex  oppoiito  domue  de  Rodenburt; 
vereng  Smideguaten  ....  Item  aotnm  sit  qnod  ex  ol)itu  ilicti  ijiiondain  Oeranli 
et  eiuB  uxoria  legitime,  pneris  ipaonim  Bcilioet  Henrico  sncerdoti.  Sophie  nrori 
lohanniB.  Kalerlno  beggino.  et  Margarete.  Cnilibet  ipaonim  accidit  quarta  pars 
torcie  parti»  domus  et  eius  aree  predicte  ....  Actum  et  congcriptum  Anno  do- 
mini  m".  ccc*.  quinto.  Dominica  ante  Thome  apostoli.  Saluo  iure  ecclesie 
beate  Marie. 

Niderich;  Carlo.  Vor  1200. 
(Sie  iat  in  neuerer  Zeit  mit  ,,Niderich  No.  lY."  bezeichnet  worden.) 
XrV.  Notam  ait  tarn  futuris  quam  prenentibn«  quod  GodeicalcDS  de  Itile. 
et  vxor  8ua  Bertmdia.  Ememnt  domnro  et  arenm  contra  Duregyndam  qne  fnit 
usor  Itudolfi  de  Syadorp.  et  contra  ülius  auos  Ricolphum  et  Paynum  et  irxd- 
rem  Fayni.  et  Herimannum.  et  contra  filias.  et  omaea  oohercdes.  et  viros  filik- 
rnni.  perfecte  et  raolonabiliter  eine  omni  contradictiono.  boc  confirmatiiin  ett 
lestimonio  officialium,  Notum  alt  tarn  fiitnria  quam  preaentibua  quod  Godeicaluiit 
de  Kilo  et  nxor  aua  Bertradis  cmerunt  dimidiam  domum  et  aream  varBiia  monti- 
oulnm  poailBDi  contra  Darisgyiidam  qtie  Fuit  uxor  Rudoipbi  da  Syndorp.  et  con- 
tra filioa  BMoa.  Ricolpbum.  et  Payniim  et  uxorera  Payni.  et  Ilerimanniim  et 
contra  Alias  suaa  et  maritoB  filiariiin.  et  omnea  coeheredoa  (bic).  perfecto  et  ra- 
tionabilitar  aino  omni  contradictione.  et  hoc  confirmstum  est  teatimonio  offieia- 
lium.  Notum  ait  tarn  fiituria  quam  preaentibua  quod  Dargindis  venit  in  domiim 
BurgeoBium.  et  de  conailio  Burgenaitim  et  soabinorum  rfldijt  in  domum  cluium 
Niderich  et  cum  uno  cognato  auo.  et  cum  vno  cognatn  Rudoipbi  mariti  suj. 
lurauit  quod  optinere  nou  poaait.  et  ideo  predictam  bereditatem  vendidit  teati- 
monio burgenaium  perfecte  et  racionabiliter  et  boc  oonfirmatum  eat  teatimonio 
officialium '). 

Niderich:  Carta.  1336. 
(Dieae  Karte  bat  dieUeberachrift:  „H^ ')  cat  platea  incipiena  a  porta  cle- 
ricorum  et  procedena  uaque  contra  «anctea  uirginea.  aimiliter  et  platea  inoipiens 
a  uioea  Vogelonia  in  monticulo  procodcna  aecua  sanctam  Mariam  in  campia  us- 
que  ad  portem  ludeorum.  Similiter  et  platea  que  dicitur  itolgengaize.  Similiter 
et  -platea  que  protendit  a  latere  aaucte  Marie  in  Campia  ueque  in  Stolgengazxen." 
Die  folgenden  beiden  Nota  bilden  den  Schluis  der  Eehraeite.) 

XV.  Notum  Sit  tarn  futuris  quam  preeentibus  quod  Gerardua  papbe  filiui 
Godeacalci  braxatoria  dicti  de  Kilo  et  uxoria  aue  Berthradia  et  Hethildia  ßlia 
predictorum  Godeacalci  et  Berthradia  et   maritua  eiua  Hermannus  de  Munhcim 


1)  Diese  Scbluaaformel  iat  nur  durch  die  Anfangabuchataben  angedeatet. 
Beim  vorhergehenden  Notum  steht:  „et  b.  c.  e.  t.  off."  Die  Karte  „Niderich 
fol.  19"  hat  mehrmal  voll  au  ageach  rieben :  „et  boc  confirmatuin  eat  teatimonio 
officialium."  Die  Dipl.  Beitr.  verhinderte  diea  allea  nicht,  niedertoachreiben ;  „et 
hoc  oonfirmatum  est  teatimonio  ( 

2)  „Hoc"  D.  B. 


Die  Dumbauroeister  von  Köln.  133 

contradidorunt  et  remiserunt  dimidietatem  domus  et  areo  et  mansionis  Qodescalci 
et  Berthradis,  ante  et  retro  prout  ibi  iacet  ubicumque  ipsos  hcreditarie  in  par- 
ticione  contingit.  sitam  in  platca  sancti  Maroelli.  lohanni  filio  Godescalci  pre- 
dicti  et  Bortradis  et  uxori  eius  Gertrudi,  itaque  predicti  Johannes  et  Gertrudis 
quocumque  uoluerint  diuertendi  liberam  babebunt  potestatem. 

XVI.  Item  notum  sit  tarn  futuris  quam  presentibus  quod  Gerardus  cleri- 
0U8  filius  Godescalci  braxatoris  dicti  de  Rile  et  uxoris  eius  Bertradis,  et  Methil- 
dis  fllia  predictorum  Godescalci  et  Bertradis  et  maritus  eius  Hermannus  de  Mun- 
heim  oontradiderunt  et  remiserunt  lohanni  filio  Godescalci  predicti  et  Bertradis 
et  uxori  eius  Gertrudi  domum  et  aream  integram  suam  in  monticulo  cum  Omni- 
bus attinencijs  ante  et  retro  prout  ibi  iacet  .oontigua  domuj  sancti  spiritus  uer- 
sus  sanctum  Marcellum.  itaque  predicti  Johannes  et  Gertrudis  quocumque  uo- 
luerint liberam  diuertendi  babebunt  potestatem.  Actum  Anno  domini  m.  cc.  xxxv. 

Niderich:  Carta.  1235. 

(Sie  hat  in  neuerer  Zeit  die  Bezeichnung  erhalten:  ,,Niderich  folio  23.'' 
Fahne  hält  sie  für  die  Fortsetzung  der  obigen  Karte.  Ihre  Daten  gehen  von 
1228  bis  1275.) 

XVII.  Notum  sit  tam  futuris  quam  presentibus  quod  Johannes  ^)  filius 
Godescalcj  de  Rile.  et  Bertradis  uxoris  eius.  et  Gertrudis  uxor  lohannis  pre- 
dicti. et  Methildis  filia  predictorum  Godescalcj  et  Bertradis,  et  maritus  eius 
Hermannus  de  Munheim  oontradiderunt  et  remiserunt.  Gerardo  clerico  filio  pre- 
dictorum Godescalci  et  Bertradis  de  Rile  dimidietatem  domus  et  aree  mansionis 
predictorum  Godescalci  et  Bertradis,  ubicumque  ipsum  hereditarie  in  particione 
contingit.  ita  quod  quocumque  uoluerit  predictus  Gerardus  diuertendj  liberam 
habebit  potestatem.    Actum  anno  domi^j  m.  cc.  xxxv. 

Ibidem.  1248. 

XVIII.  Notum  sit  omnibus  tam  futuris  quam  presentibus  quod  Gertrudis 
amasia  magistri  Gerhardi  de  Rile  filij  Godescalci  renunciauit  omni  iuri  *)  quod 
ei  magister  Gerhardus  predictus  dederat  in  domo  que  fuit  mansio  patris  sui 
predicti  Godescalci.  que  sita  est  in  monticulo  iuxta  vineam  dominorum  maioris 
ecclesie  in  Colonia.  Jtem  notum  sit  quod  predictus  Gerhardus  contulit  lohanni 
fratri  suo  medietatem  domus  predicte  cum  area  prout  iacet  et  Aleidi  vxori  pre- 
dicti lohannis  ita  quod  diuertere  possunt.    Datum  anno  domini  m^  cc^  xlvi\jo. 

Niderich:  A  domo  pistorea  apud  forficem.  1310. 

XIX.  Notum  sit  vniuersis  tam  presentibus  quam  futuris,  quod  Elizabet 
et  Hadewigi  sororibus,  pueris  quondam  magistri  Gerardi  dicti  de  Eetwig  et  Ido 
eius  vxoris,  cuilibet  ipsarum  ex  morte  quondam  magistri  Gerardi  predicti  accidit 


1)  In  einem   späteren  Notum   (von  1273)   auf  derselben  Karte  wird  er 
„quondam  lohannes  de  Rile  brazator"  genannt. 

2)  „iure"  D.  B. 


134 


Die  Domliaumeisler 


1  Köln. 


medietaa  proprictatis  ')  dnmui  et  arec  aue  aite  ia  pUtea  Marcelli  ex  opposito 
quMi  CHpeile  sancti  Marccili,  et  erat  quondam  lutte  diote  de  Merke,  uecnou  et 
madietaa  duanim  mnDeioniHn  dicte  ilomuj  adiaccuciam  sub  vno  tecto  v(?rGUS  mh- 
ctaa  virjtinee  ante  ot  retro  aubtiiB  et  »upra  ')  prout  dict«  donius  ibidem  iaconl. 
Ita  quod  quelibct  earam  auam  medietatem  optinebunt  (aic)  et  diuert«re  poto- 
ront  (eic)-    Saluo  ccasu  lioreditario  inde  eompetenti. 

XX.  Item  notum  sit  quod  Hadewigis  prodicta,  ma  dictorum  BOrorum,  qa« 
Bui  iuris  efTeeta  est  qiiod  dictatiir')  aelfmundie  proat  in  litlera  plebani  sui  iaacl« 
Haric  ad  iodutgeiiciam  m  acHnio  iaceate  et  roposita  continotur.  Suam  medieta- 
tem propriolatis  *1  domomm  et  arearum  ananim  prediatarum  scitioet  domu«  *) 
lutte  ei  mansioniim  prediotaroni,  eicut  nd  eam  prcsoripta  eet  et  in  diaiBiooe  «iln 
conipetcre  pol«rit,  tradidit  et  remiait  ad  manua  Ide  matri«  lae  predicte.  tt« 
quod  ipsa  Ida  eandcni  medietatem  tenere  et  diuertcre  pnterit,  saluo  censu  harii' 
ditario  proportioualitör  indc  competeati,  —  Item  uotum  sit.  quod  prcfata  Ida 
mater  dicte  Uadewigia  prefatam  raedietateto  domus  et  maDBioniim  predictaruni 
et  ipsaram  arearum  ante  et  retro  aubtus  et  aupra  pruut  iacet  et  aibi  rcmisBa  ot 
eam  tcnet  et  acciderc  poterit  in  diiiisioue  tradidit  et  remiiit  lohamii  cellerario 
dccDni  maioria  fratri  auo.  et  Hadcnigi  dicte  de  Wiatubho  eins  vxori,  Ita  quoil 
ip8i  eandom  medietatem  iure  obtincbnnt  et  diuertere  poterunt.  bhIuu  oenau  here- 
ditario  inde  eompetenti  proportional) ter.  Actum  et  conscriplum  anno  domini 
m».  ccc°.  decimo.  feria  quinta  ante  Oerconis '}. 

Ibidem,  1311. 

XXI.  Xotum  ?il  vtiiiicrEis  t»m  prcaentibus  quam  fiitiiris  quod  loliannes 
celierarius  domini  decani  maioris  ccclesie  et  Hadewigis  dicta  de  Wistubbe  eiua 
vxor,  Dimidietatom  domua  et  eiua  aree  que  (erat)  Curtis  lutte  de  Marke  sita 
in  ]>latcn  Mai'celli,  et  dimidictatcm  duarum  maasionum  dicte  Curti  adiaccntium 
veraua  aanclas  virginea  eiim  ipearura  areis,  ant«  et  retro  aubtua  et  supra  pront 
iacent  et  dicte  hercditatea  ad  eoa  {lertinaiit  et  prescripti,  tradiderunt  et  rcmi- 
scrunt  Idu  rclicte  quondam  magiatri  (iorardi  dicti  da  Ketwich  anrori  dicti  celle- 
rarij,  Ita  quod  ipsa  c.iedem  diraidietatea  hcraditatiim  predictarum  iure  oblinebit 
et  diiiortcre  poterit  ....  Actum  et  oonacriptum  anno  domini  m".  ccc".  vodccimo. 
Sabbato  post  Agnetis, 

Ibidem.  131*. 

XXII.  Item  notum  eit  tarn  preaentibua  quam  futaria  quod  Elir.abet  filiu 
quondam  magietri  (ierardi  de  Ketwich  et  Idu  eiua  vxoria  moniali  roonasterii 
beato  Katherine  in  Trcroonia  ex  morte  Ide  matrie  ane  predicte  accidit  dimidie- 
taa  dimidietatia  Curtia  ot  eiua  areo  quo  fueruDt  quondam  lutta  de  Marke  et  daa- 


1 
I 


1)  „pucri  partie"  D.  B.  2)  ,^nperiu»"  D.  B 

4)  „piieripartia"  D.  B.  6)  „dict<*'  D.  B.  6)  „Gt 

Schrein BBclireiber  hielt  bei  dem  Genitiv  daa  Wort  featum 


Die  Dombaameister  von  Köln.  135 

rum  mansionum  sub  vdo  iecto  positarom  contigue  iacentium  dicte  ourti  cum 
earum  areis,  Ita  quod  Elizabeth  predicta  vna  cum  priorissa  et  conuentu  niona- 
steril  predicti  dimidietates  dimidietatum  hereditatura  prcdictariim  jure  obtinebit 
ot  diuertore  poterit.    Saluo  censu  hereditario  inde  competenti. 

XXIII.  Item  notum  sit  quod  Elizabeth  monialis  predicta  vna  cum  prio- 
rissa et  coDuenta  monasterii  beate  Katharine  in  Tremonia  sicut  patet  per  litteras 
priorisse  et  conoentns  monasterii  predicti  in  scrineo  nostro  repositas  Tres  quar- 
tas  partes  -Curtis  site  in  platea  Marcelli  et  eius  aree  et  duarum  mansionum  sub 
vno  tecto  positarum  versus  sanctas  virgines  prout  in  rccta  diuisione  sibi  acci- 
dere  poterit,  Item  Wilhelmus  famuhis  aduocati  Coloniensis  et  Hadewigis  eius 
vxor  filia  quondam  magistri  Gerardi  et  Ide  coniugum  predictorum  Quartcm  par- 
tom  hereditatum  prcdictarum  tradidcrunt  et  remiserunt  Berte  dicte  de  noua  ja- 
nua,  Ita  quod  ipsa  Berta  Tres  qnartas  partes  predictas  pro  se  et  rcsiduam  quar- 
tarn  partom  hereditatum  predictarum  et  sie  totam  hereditatem  predictam  jure 
obtinebit  et  diaertere  poterit  Saluo  censu  hereditario  inde  competenti.  Conscri- 
ptum  anno  domini  m^.  ccco.  xiiijo.  crastino  beati  Remigij. 

Niderich:  A  sancto  Lupo.  1819. 

XXiy.  Item  notum  sit  tarn  presentibus  quam  futuris  quod  Tilmannus  ot 
lohannes  filij  quondam  Tilmanni  de  Heymsbcrg,  nee  non  Emundus  dictus  de  Vela 
cum  Engilrade  vxore  sua  filia  quondam  Tilmanni  predicti  quilibet  ipsorum  suam 
pueripartem  siue  porcionem  que  dicitur  kynsdeyl  quam  habent  et  quilibet  ipso- 
rum habet  in  redditibus  duarum  marcarum  denariorum  Colonicnsium  pro  tem- 
pore in  emendo  et  vendendo  vsualium  solui  debitorum  de  domo  et  eius  area  sita 
in  platea  sancti  Marcelli  in  allodio  Ecclesio  Coloniensis  ex  opposito  domus  quam 
quondam  magister  Gerardus  de  Ketwich  inhabitauit  tradiderunt  et  remiserunt 
Demudi  Sanctimoniali  monasterij  de  monte  Sancte  Walburgis  filie  quondam  Til- 
manni predicti,  Ita  quod  Demudis  predicta  quam  diu  vixerit  vsufructum  (sie) 
suum  in  dictis  Tribus  partibus  reddituum  predictorum  obtinebit,  et  post  eius 
obitum  abbatissa  et  conuentus  monasterij  predicti  easdcm  obtinebunt  Sic  tameu 
quod  eosdem  ^)  redditus  vendero  obligare  vel  alienaro  vllo  vmquam  tempore  non 
poternnt  nee  ^)  debebunt  (Datum  anno  domini  m^.  ccco.  xix^.  crastino  beati  Bar- 
nabe apostoli). 


1)  „easdem'^  D.  B.  2)  „vel"  D.  B.    Unmittelbar  nach   dieser  Ein- 

tragung folgt  die  vorhin  mitgetheilte  Nr.  IV,  worin  der  Mönch  Johann,  Ge- 
rard's  des  Dombaumeisters  Sohn,  über  sein  Erbtheil  verfügt.  Beide  Nota  sind 
durch  Ucbergang  zu  einer  neuen  Zeile  vollständig  getrennt  und  ihr  Inhalt  steht 
sowohl  in  persönlicher  wie  in  objectiver  Beziehung  ausser  jeder  Verbindung.  Die 
Dipl.  Beitr.  S.  63 — 64  aber  lassen,  und  sicher  nicht  ohne  Absicht,  diese  beiden 
Nota  zusammengehen  und  hängen  auch  noch  ein  drittes  unmittelbar  daran,  wel- 
ches wiederum  des  Hauses  Ketwich  erwähnt,  im  Schreinsbuche  aber  durch  meh- 
rere Eintragungen  von  den  obigen  getrennt  ist. 


XXVI-    Notum  Sit  omnibus  tarn  futorii  quam  prsBentibui  qaod  Hoinricm 

i  Margareta  emeranl  domum  ot  oream  sitam  iuxta  domum 

1   Cvnibertam.    cum   redditibus   xxx^  donariorum   solaen- 

Fi  opposita  quam  editiuauit  Gcriiardus  tapicida.  tali  cod- 

j  HoinricuB   et  Margarets   uxor   lua.    Bolueat  Alberoni  diclo 

1  Natiuitate  lohannia  buptiste.  i.  marcam  ootonieDaium  de- 

XXVn.  Natum  Bit  etc.  quod  lohannca  da  porta  ciuia  ColoniensiB  et  Ely- 
XBbot  vxor  Bua  tradideruat  Bccieeie  Bancte  Marie  ad  gradiis  '\a  Colonia  dooE  so- 
lidoa  aiiigulis  anois  ip»i  Eccluaie  solueados  in  feata  puriljcationie  beate  Marie  du 
triginta   deuariis   reddituum   quos   habet   ipse  lohacnos  in  domo  uppoaita  domui 

.  quo  qQondnm  fuerat  Otrardi  tapicide  de  Rik,  ita  quod  dicta  Kcclesia 
pqrpetuo  optinebit.    Actum  Aono  domini  m°.  oc°.  Ixtertio. 

Nidoricb:  Vadimoniorum  antiq.  1261. 
XXVni,  Notum  Sit  omnibiiB  tarn  futurifl  quam  preaentibua  quod  Heinrii 
do  porta  et  vjor  eiua  Margarets  contradiderunt  et  ramiserunt  lotianni  de  porta 
ut  vxori  eins  EU?.ahet.  domiim  ut  artam  cum  pomario  retro  aJiflooute  \\i\tn  do- 
nium  ciuiuiu.  et  triginta  deuariorum  reditus  (sie)  aanuales  quos  soluit  Gerrardus 
ilc  Bilc  de  domo  opposita  diote  domui.  tali  oondicione  quod  idem  lohannea  boI- 
uet  dicte  Margarete  de  prescripta  hereditate  trigiata  solides  anuuatim  quam  du- 
duiu  ipaa  uixerit.  poat  obitum  uero  ipsiua  Margarete  lobannos  predictua  aoluet 
conuentui  de  veteri  monte  perpetuo  singuÜB  anaia  uuam  marcam  colonienaem 
quam  dictus  lohanoea  aut  gui  heredea  rediraere  poteruQt  a  conuentu  prefato  pro 
decem  marciB.     Actum  anno  domini  m"  cco  1°  primo. 

Nidericb:  A  domo  ad  portam,  1269.  1300.  1301.  1303. 

XXIX.  Notum  ait  vuiuerais  tarn  preseutibua  quam  futuris  quod  Docaiius  ot 
Capituliim  eccleaie  Sancte  Marie  ad  gradus  colouieoBiB.  Domum  et  eiua  aream 
aitam  ex  oppoaito  domuB  ciuium  de  Nlderich  concesserunt  per  manum  Camenirij 
Bui  Egidio  lapicide  qui  Achilius  dicitur  et  Ide  eiua  vxori ....  Actum  et  Conacri- 
ptum  jn  vigilia  bti-    Remigij  Anno  dni.  m",  oc».  octuageaimo  nono. 

XXX.  Notum  Bit  TuiuerBis  tarn  preseutibuB  quam  futuria  qnod  ex  obitu 
quondam  Egidij  lapicide,  Euerardo  filio  buo  accidit  medielas  proprietatia  domua 
et  eiua  aroe  sito  ox  oppoaito  contra  domum  Ciuium  qua  fuit  quondam  Oerardi 
de  EHe  lapicide ....  (Anno  dni.  m».   trecenteaimo  feria  quinta  pcst  pentecoiten.) 


Die  Bombaameister  von  Köln.  187 

XXXI.  Notum  sit  vniaersis  tarn  presentibus  quam  futuris  quod  Cristino 
filie  quondam  Egidij  lapioido  et  Ide  eins  vxoris  adhuc  viuentis  ex  morie  patris 
8ui  predicti  acoidit  medietas  proprietatis  domus  ei  eins  aree  site  ex  opposito 
contra  domiun  ofüciatorum  in  Niderich  que  fuit  quondam  Gerardi  dioti  de  Rile 
....  (mo.  cccnio.  primo.) 

XXXn.  Notum  sit  vniuersis  tam  presentibus  quam  futuris  quod  Euerardus 
lapicida  filius  quondam  raagistri  Egidij,  et  Gertrudis  eins  vxor,  Domum  suam 
et  eius  aream  sitam  ex  opposito  contra  domum  officiatorum,  que  fuit  quondam 
magistri  Gerardi  de  Bile  lapicide,  ante  et  retro  subtus  et  superins  prout  iacet, 
et  in  sua  tenent  proprietate,  tradiderunt  et  remiserunt  Gerardo  dicto  de  Humel- 
gis  lapicide  et  Alueradi  eius  vxori  ....  Actum  et  conscriptum  Anno  dni.  mo. 
cccvko.  tercio.  feria  sexta  ante  dominicam  letare. 

Niderich:  Liber  vadimoniorum.  1248. 

XXXIII.  Notum  sit  omnibus  tam  futuris  quam  presentibus  quod  Megthel- 
dis  dicta  de  vulpe  (wlpo)  emit  domum  et  aream  sitam  versus  vineam  doroinorum 
maioris  ecclesie  in  Colonia  erga  Hermannum  et  Engelradem  uxorem  suam  ita 
quod  in  continenti  obtinebit.  —  Item  notum  sit  quod  Budolfo  filio  eiusdem  Meg- 
theldis  cessit  predicta  domus  de  obitu  matris  sue  predicte  Megtheldis.  ita  quod 
diuertere  potest.  —  Item  notum  sit  quod  iamdictus  Rudolfus  tradidit  et  remisit 
eandem  domum  cum  area  prout  iacet  magistro  Heinrico  petitori  structure  ma- 
ioris ecclesie  colonieusis.  Actum  anno  domini  m^  cc^  xlviijo.  —  Item  notum  sit 
quod  prefatus  mag^ster  JETetnrictM  tradidit  et  remisit  prefatam  domum  cum  area 
prout  iacet  maiori  ecclesie  in  Colonia  ita  quod  in  continenti  obtinebit  Actum 
anno  domini  m<>  cc^  xlviij. 

Airsbach:  Textorum.  1242. 

XXXIY.  Notum  quod  Henricus  Lapicida  ')  dedit  et  remisit  filie  sue  Aleidi 
dimidietatem  camere  site  in  platea  textorum  prope  domum  Spannemanni  versus 
sanctum  lohaunem  ita  quod  jure  et  sine  contradictione  obtinebit. 

XXXV.  Item  notum  quod  predicta  Aleidis  cum  pueris  suis  Sophia,  Cune- 
gunde  et  Mathia  cum  cognatis  eorum  utriusque  linee  in  figura  judicii  comparen- 
tes  per  iuramentum  eorum  obtinuerunt  quod  dictam  camere  dimidietatem  pre 
nccessitate  uitc  obtinere  non  possent.  unde  per  sentenciam  scabinorum  obtinue- 
runt quod  eandem  camere  dimidietatem  quo  uellent  diuertere  possent. 

XXXVI.  Notum  quod  Bruno  buntebart  et  uxor  eius  Yda  emerunt  sibi 
dimidietatem  camere  supradicte,  erga  prescriptam  Aleidim  et  pueros  suos  So- 
phiam,  Cunogundim  etMathiam  Ita  quod  iure  et  sine  contradictione  obtinebunt. 
(Anno  domini  m©.  cc^.  xlijo.) 


1)  Lapicida  ist  von  anderer,  aber  alter  Hand  über  den  Namen  geschrieben. 


IL  Litteratur. 


1.  Die  St.-Nicolai-Pfarrkirche  zu  Calcar,  ihre  Kunstdenk- 
mäier  und  Künstler,  archäologisch  bertrbeitot,  mit  92  Original- 
Photographien  in  Gr.  4.  Ein  Beitrag  zur  niederrhein.  Kunstge- 
schichte der  Mittelalters,  von  J.  A.  Wolff.  Calcar  1880.  Selbst- 
verlag des  Verfassers. 

Für  uns,  die  wir  zur  älteren  Generation  der  Kunsthistoriker  ge- 
hören, ist  es  eine  Freude  zu  sehen,  wie  rüstig  heutzutage  eine  grosse 
Anzahl  jüngerer  Kräfte  sich  den  verschiedensten  Zweigen  dieser  Dis- 
ciplin  widmet.  Und  wie  viel  günstiger  sind  jetzt  die  äusseren  Yerhält- 
•  nisse,  wie  erleichtert  die  Communikationen,  wie  bequem  der  persönliche 
und  literarische  Verkehr,  und  welch  mächtiger  Bundesgenosse  ist  der 
Forschung  in  der  jüngsten  Tochter  unserer  Tage,  der  Photographie,  er- 
standen! So  begrüssen  wir  denn  auch  mit  Dank  das  oben  genannte 
Werk,  welches  in  einem  stattlichen  Quartband  von  photographischen 
Aufnahmen  vor  uns  tritt,  begleitet  und  erläutert  von  einem  Text,  der 
auf  91    Quai^tseiten   eine   Fülle  neuen  urkundlichen  Stoffes  bietet. 

Zwar  können  wir  der  im  Vorwort  ausgesprochenen  Ansicht  des 
Verfassers,  dass  die  Pfarrkirche  von  Calcar  „eine  grössere  Fülle  be- 
wundernswürdiger Sculpturen  ^  enthalte,  als  irgend  eine  andere  bekannte 
Kirche,  nicht  so  unbedingt  beipflichten,  da  eine  so  naive  Behauptung 
nur  möglich  ist,  wenn  man  sehr  wenig  andere  Kirchen  gesehen  hat ; 
auch  das  können  wir  dem  Verfasser  nicht  zugeben,  dass  man  die  aller- 
dings  sehr  bedeutenden  Calcarer  Werke  bis  jetzt  in  der  Wissenschaft  so 
gut  wie  übersehen  habe,  denn  bekanntlich  hat  Ernst  aus^m  Weerth 
in  seinen  „Kheinischen  Kunstdenkmälern"  bereits  vor  einem  Vierteljahr- 
hundert auf  die  „reiche  und  bedeutende  Bildschnitzerschule"  von  Calcar 
hingewiesen  (I,  24  u.  II,  zu  Anfang),  ihre  Entstehung  und  ihren  Zusam- 
menhang mit  Burgund  und  der  Eyck'schen  Schule  kunstgeschichtlich  er- 
schöpfend dargelegt  und  sogar  ihre  Verzweigung  bis  nach  Danzig  in 
schlagender  Weise  nachgewiesen.  Sollte  Herr  Wolff  diese  Thatsache 
und  überhaupt  das  grundlegende  Werk  des  älteren  Forschers  nicht  ge- 
kannt haben?  Sollte  er  nicht  gewusst  haben,   dass  sein  Vorgänger  mit 


HO  Dia  St.-Nicolai-1'fiUThirclio  xu  Culokr,  ilire  K uns tilaak male r  und  Eüuatler. 

richtigem  Blick  und  GrifT  bereite  dio  wicbtigaten  Denkmäler  der  Kirclic 
von  Calcar,  den  Hoclinltar,  den  Altfir  mit  den  Schmerzen  sowie  (leu  mit 
den  Freuden  Maria,  den  Altar  der  heiligen  Ann»,  sowie  die  Choratüble. 
den  praclitTulIen  hulzgesclmitzteu  Kronleuchter,  das  SacramentshäaBübBD, 
eine  silberne  MoDstranz  und  das  Vortragebreus  abgebildet  und  erlHu- 
tert  hat? 

Doch  ich  komme  auf  diesen  Punkt  noch  zurück.  Zunächst  wollte 
ich  nur  doriin  erinnern,  dase  die  Calcarer  Schule  keineswegs  so  unbe- 
kannt ist,  wie  der  jüngste  Bearbeiter  derselben  sein  Pablikam  glauben 
machen  möchte.  Der  Verfasser  hat  als  Curutpriester  an  der  geaaaiitfln 
Kiruhe  die  beste  und  bequemste  Getegeoheit  gehabt,  sich  nicht  bleu 
dem  Stadium  ihrer  Kunstwerke  eingehend  zu  widmen,  sondern  aach 
durch  urchivalische  Nachforachungen  die  urkundliche  Geschichte  dieser 
Kunstwerke  und  ihrer  Künstler  aufzuhellen.  Solches  Streben  ist  um  so 
löblicher,  da  es  eiu  schönes  Zeugniss  von  dem  neuerdings  im  Clerns  er- 
wachten Eifer  für  die  alten  Deukraüler  ablegt,  während  früher  der 
Clerus  nur  zu  oft  durch  Verwahrlosung,  ja  durch  Verschleuderung  sich 
an  den  alten  Kunstwerken  versilndigt  hat.  Bei  dieser  Gelegenheit  sei 
noch  eine  Bemerkung  am  Platze.  Der  Verfasser  wirft  am  SchJuas  seiner 
Einleitung  die  Frage  auf,  warum  iu  der  Pfarrkirche  zu  Calcar  mehr 
Kunatschätze,  Gem&lde  und  Schnititwerke  sich  erhalten  haben  als  in 
irgend  einer  andern  Stadt  (?)  und  beantwortet  dieselbe  dadurch,  daas 
dort  „Dank  einem  religiös-sittlicheo,  gebildeten,  couservativen  Bürger* 
thum  und  Clerus  die  Ghmhensei'neiKTungeu  keiaa  Wui7o!  liiseen  kocm- 
teu".  Diese  ganze  Auffassung  bezeugt  den  doch  gar  zu  befangenen  Stand- 
punkt eines  Kfannes,  dem  kein  Blick  über  das  Weichbild  seiner  Stadt 
hinaus  zu  Gebote  steht:  er  würde  sonst  wissen,  dass  grade  die  zur  Re- 
formation sich  bekennenden  Städte  wie  Lübeck,  Danzig,  Nürnberg  und 
so  viele  andere  dfb  alten  Kunstwerke  in  ihren  Kirchen  am  pietätvollsten 
geschont  und  erhalten  haben,  während  die  Mehrzahl  der  katboliacb  ge- 
bliebenen, eben  weil  sie  der  wechselnden  Mode  huldigten  und  dem  von 
den  Jesuiten  dazumal  begünstigten  Barocco  und  Zopf  Thor  und  Thür 
öffneten,  die  alten  Kunstwerke  als  werthlosen  Plunder  meistens  heraus 
warfen  und  durch  die  marktschreierisch en  Gebilde  des  Jesuitenstils  er" 
setzten.  Man  sieht  daraus  also,  dass  conservativ  und  conservativ  zweierlei 
ist.  Aber  das  wollen  wir  gern  zugeben,  dass  es  sehr  ehronwerth  and 
löblich  vom  Calcarer  Bürgerthum  war,  trotz  seines  Conservatismus  auf 
religiösem  Gebiet  sich  der  kirchlichen  Modekunst  des  17.  Jahrhunderts 
zu  verschliessen    und  die  alten    Monumente   treu  zu    bewahren. 

Gehen  wir  nun  naher  auf  die  Arbeit  des  Verfassers  ein,  so  ist 
ihm  vor  allem  dafür  Dank  zu  sageu,  dass  er  den  geschickten  Photo- 
graphen Brandt  von  Flensburg   zu   bestimmen   wusste,  in  einer  grossen 


Die  St.-Nicolai-Pfarrkirche  zu  Calcar,  ihre  Kunstdenkmäler  und  KünBÜer.  141 

Auzahl  von  Aufnahmen  sämmtliche  Kunstwerke  der  Kirche  darzustellen. 
Allerdings  fehlt  manchen  dieser  Blätter  die  wünschenswerthe  Klarheit 
und  Deutlichkeit  und  besonders  gilt  das  vom  Hochaltar,  bei  welchem 
auch  die  Grösse  des  angenommenen  Maassstabes  keineswegs  ausreichend 
erscheint.  Dazu  kommt  ferner  noch,  dass  von  den  sämmtlichen  Ge- 
mälden desselben,  diesen  wichtigen  Werken  des  Jan  Joest,  nur  ein 
einziges,  nämlich  die  Verkündigung  aufgenommen  ist,  was  in  der  That 
sehr  beklagt  werden  muss.  Indess  wissen  wir  recht  wohl,  welche 
Schwierigkeiten  dem  Photographen  bei  derartigen  Aufnahmen  in  Kirchen 
sich  bieten  und  so  wollen  wir  denn  diesen  Umständen  gern  Rechnung 
tragen. 

Zu  diesem  monumentalen  Material  erwuchs  nun  dem  Verfasser  aus 
seinen  ungemein  dankenswerthen  und  fleissigen  archivalischen  Studien 
eine  Fülle  urkundlicher  Nachrichten  über  die  Geschichte  des  Kirchen- 
baues  in  Calcar,  über  die  Entstehung  der  einzelnen  dortigen  Kunst- 
werke und  die  Persönlichkeit  der  dabei  beschäftigten  Künstler.  Es 
kann  wohl  keine  Frage  sein,  dass  hierin  der  eigentliche  Schwerpunkt 
der  Arbeit  ruht.  Kunst-  und  Kulturgeschichte  erhalten  durch  solche 
Publicationen  —  ich  erinnere  an  die  allerdings  noch  reichhaltigere  der 
Baurechnungen  von  S.  V  i  k  t  o  r  in  Xanten  —  werthvolle  Aufschlüsse. 
Alle  diese  Dinge  bietet  nun  aber  der  fleissige  Verfasser  lediglich  als 
Rohmaterial,  ohne  die  urkundlichen  Nachrichten  mit  den  monumentalen 
Anschauungen  zu  einem  einheitlichen  Bilde  zu  verschmelzen  und  kunst- 
geschichtlich  abzurunden.  Ein  kunsthistorisch  geschulter  Autor  hätte 
ohne  Frage  die  Monumente  als  Ausgangspunkt  genommen,  hätte  die 
Geschichte  und  Beschreibung  des  Kirchengebäudes  und  seiner  Kunst- 
werke zu  einem  Ganzen  verschmolzen,  die  über  die  betreffenden  Künstler 
ermittelten  Nachrichten  damit  verbunden  und  was  sonst  noch  an  Per- 
sönlichem zur  Ergänzung  der  Künstlergeschichte  beigebracht  werden 
konnte,  —  denn  wir  haben  auch  hier,  wie  es  so  oft  geschieht,  manche 
Künstlernamen,  ohne  dass  von  ihren  Werken  etwas  nachzuweisen  wäre, 
—  als  Anhang  gegeben.  Hätte  sich  damit  zugleich  eine  historische 
Anordnung  des  Stoffes  verbunden,  so  wäre  das  Ergebniss  eine  annähernd 
vollständige  Kunstgeschichte   von   Calcar  gewesen. 

Statt  dessen  muss  diese  ordnende  und  organisirende  Thätigkeit 
erst  auf  Grund  des  hier  gebotenen  Materials  erfolgen.  Hier  heischt 
nun  die  einfache  Gerechtigkeit  anzuerkennen,  dass  E.  aus^m  Weerth 
schon  vor  einem  Vierteljahrhundert,  mit  den  viel  bescheideneren,  ihm 
damals  zu  Gebote  stehenden  Hulfsmitteln,  viel  klarere  und  präoisere 
Anschauungen  über  die  Calcarer  Kunst,  ihren  Zusammenhang  mit  der 
Eyck 'sehen  Schule,  ihre  Förderung  durch  die  äusseren  Verhältnisse,  na- 
mentlich   durch    die    beiden     burgundischen    Heirathen,  Adolfs   von  der 


na  Die  St,-NicoI.ii-PfarrkirchQ  /u  C«Ii:nr,  ihre  KiiostdenkiDBler  unil  Künstler. 

ilurk  mit  Maria  nnd  seiites  Sohnes  Johann  mit  Elisabeth  von  Biirgniid, 
süwie  durch  rlie  Erhebung  Calcara  (1444)  zum  zeitweiligen  BiBcbofsritz 
gcwfihrt  hat.  Und  noch  Eins  kommt  hinzu.  Dor  neueste  Herausgeber 
hietut  sorgrtiltige  ße  schrei  hu  u  gen  und  archäologische  ErlSvtterung^n  der 
Kunstwerke,  abi^r  eine  kunatbiatorische  Schätzung  und  künstlerische 
Wfli'digung  derselben  zu  gehen,  ihren  Gegensatz  zur  fräheren  idealen 
Knnst  des  Niederrheins,  ihren  Umschwung,  kraft  der  aus  Flandern  er- 
haltenen Impulse,  ins  Realistische  und  Naturalistische,  den  durch  di« 
mllchtige  Kunst  der  Eyck'schen  Schule  auch  für  die  Plastik  erfolgten 
Umschlag  ins  Malerische  zu  schildern,  das  Alles,  was  schon  E.  aua'm 
Weerth  einsichtig  dargelegt  hat,  geht  ü&'enbar  über  die  Kräfte  unEeres 
Autors  hinaus.  Auch  dürfen  wir  nicht  verhehlen,  dass  wo  die  urkund- 
lichen Baten  ihn  im  Stich  lassen,  sein  Urtlioij  in  der  Zeitbeitimmunj; 
der  Werke  mit  grosser  Vorsicht  aufzunehmen  ist.  Wenn  er  z.  B.  das 
groasartige  Triumphkreuz  um  1445  setzt,  so  ist  dies  angesichts  der 
breit  ea  Form  beb  andlung  und  des  tiefen  Verständnisses  der  Anatomie 
einfach  unmöglich.  Ende  des  1  5.  Jahrh.  ist  das  denkbar  frfl.heRte  Da- 
tum. Ganz  so  verhält  es  sich  mit  dem  Georgsaltar,  den  er  um  1450 
setzt,  wShrend  schon  die  Kostümformen  eher  auf  den  Anfang  des  16., 
als  das  Endo  des  15.    Jahrhnnders  deuten. 

Allein  nach  dem  Grundsatz  „ultra  passe  nemo  obligatur"  dürfen  wir 
dem  Verfasser  aus  alledem  keinen  xa  hurten  Vorwurf  machen.  Sagen  wir  ihm 
vielmehr  Dank,  dass  er  uns  so  reiches  Materiitl  zur  Verfügung  stellt, 
um  einen  Bau  der  Calciirer  Kunstgeschichte  auf  solidem  Grunde  aufzu- 
fahren. Obwohl  die  Versuchung  dazu  sehr  lockend  ist,  so  mnss  ich 
derselben  doch  widerstehen,  um  das  Amt  des  einfachen  Berichterstatters 
nicht  zu  Überschreiten.  Der  Verfasser  gibt  zunächst  in  einer  Eiolei- 
tung  allgemeine  Bemerkungen  über  die  historischen  Verhältnisse,  welche 
eine  so  bedeutende  Eansthlüthe  in  Calcar  begünstigt  haben.  Hier  wird 
besonders  der  Wirksamkeit  der  Bruderschaft  Unsrer  lieben  Frau  mit 
Auszeichunng  gedacht,  und  manche  werthvolle  Notiz  über  die  Art  der 
EnnstpSege  durch  dieselbe  beigebracht.  Etwas  schärfer  hätte  wohl 
die  schon  durch  E.  ans'm  Weerth  hervorgehobene  Erhebung  Calcars 
zum  Bischofssitz  betont  werden  können,  denn  bekanntlich  wurde  Erz- 
bischof Dietrich  von  Köln,  der  Feind  der  Cleve'schen  Herzoge,  weil  er 
sich  znm  Gegenpapst  Felis  V.  neigte,  darcb  Papst  Eugen  in  den  Bann 
gethan,  der  dann  dem  Herzoge  die  Erlaubniss  ertheitte,  einen  Landes- 
bischof als  Snffragan  von  Utrecht  in  Calcar  zu  ernennen.  Wenn  sodann 
die  Behauptung  aufgestellt  wird,  in  keiner  Kunstgeschichte  lese  man, 
dass  in  Calcar  eine  Bildhauerschule  geblüht  habe,  so  ist  im  Hinblick 
anf  das  Werk  von  £.  aus'm  Weerth  diese  Angabe  als  eine  völlig 
irrige  zurückzuweisen. 


Die  St.-Nicolai-Pfarrkirche  zu  Ciilcar,  ihre  Konstdenkmäler  und  Künstler.  143 

Den  Inhalt  seines  Buches  theilt  der  Verfasser  nun  derartig  ein, 
dass  er  „Kunstgeschichtliches^  und  ^ Erläuterungen"  in  zwei  Hanptab- 
theilungen  auseinander  hält,  in  der  ersten  die  Baugeschichte  der  Kirche 
und  die  urkundlichen  Nachrichten  über  die  dortigen  Maler  und  Bild- 
hauer, in  der  zweiten  eine  eingehende  Beschreibung  der  Kunstwerke 
bringt.  Ich  habe  schon  gesagt,  dass  dadurch  der  StofiP  nnnöthig  aus- 
einander gerissen  und  die  klare  Uebersicht  erschwert  wird.  Auf  alles 
Einzelne  einzugehen,  würde  hier  zu  weit  führen;  ich  kann  nur  einige 
der  wichtigsten  Punkte  hervorheben.  Zunächst  ist  es  das  Verdienst  des 
Verfassers,  den  Jan  Jost,  den  Maler  des  Hochaltars  urkundlich  ermit- 
telt zu  haben.  Wir  wissen  jetzt,  dass  dieser  treffliche  Künstler,  dessßn 
Werke  mehr  mit  der  altholländischen,  als  mit  der  flandrischen  Schule 
Verwandtschaft  zeigen,  wahrscheinlicll^  um  1460  geboren  wurde,  von 
1505  — 1508  die  Flügelthüren  des  Hochaltars  malte,  dann  aber  nach 
Harlem  zog,  wo  er  1510  starb.  Wahrscheinlich  hat  er  seine  künst- 
lerische Ausbildung  nirgend  anders  als  in  Harlem  empfangen.  Hat  man 
ihn  früher  mit  dem  in  Italien  bekannten,  und  in  der  Schule  Tizians 
gebildeten  Jan  van  Calcar  verwechselt,  so  steht  es  jetzt  fest,  dass 
dieser  jüngere  Meister  mit  seinem  vollen  Namen  Johann  Stephan  oder 
Stevens  hiess. 

Unter  den  Bildschnitzern  ist  eine  ganze  Reihe  von  Namen  aus 
der  Vergessenheit  ans  Licht  gezogen  worden.  Was  zunächst  die  gross- 
artigen Bildwerke  des  Hochaltars  betrifi*t,  so  ist  als  Verfertiger  der  Passions- 
tafel (1498 — 1500)  Meister  Loede wich  ermittelt  worden,  während  Jan 
van  Haldern  die  Predella,  Derick  Jeger  nebst  seinem  Sohne  die  ein- 
fassenden Hohlkehlen  mit  ihren  Ornamenten  arbeitete.  Nach  der  fröh- 
lichen Sitte  der  Zeit  wurde  beim  Abscbluss  der  Contrakte  und  bei  Voll- 
endung der  Werke  ein  guter  Trunk  im  Weinhanse  gehalten.  Grrade 
bei  diesen  Werken  hat  der  naive  Naturalismus  der  Zeit  manchen  höchst 
eigenth  um  liehen  Zug  hervorgebracht.  Man  betrachte  z.  B.  wie  Christus 
hochgehobenen  Beines  mit  einem  Fusstritt  die  Pforte  der  Vorhölle 
sprengt.  Früher  schon  (1483 — 1493)  war  der  schöne  Siebenfreuden- 
altar   ausgeführt    worden,    als    dessen  Hauptkünstler    wir  Meister  Amt 

oder  Arnold  vermuthen   dürfen;  da   dieser    1491   starb,  so  wurde  Evcrt 

• 

van  Monster  mit  der  Vollendung  des  Werkes  betraut.  Die  klar  ange- 
ordneten Gruppen  dieses  schönen  Altars  mit  ihrer  lebensvollen  Schilde- 
rung, den  freifliessonden  Gewändern,  den  schlanken  Gestalten  und  den 
anmuthigen  Frauenköpfen  gehören  zu  den  vorzüglichsten  Werken  der 
Zeit.  Der  Charakter  der  weiblichen  Köpfe  mit  den  hohen  runden  Stirnen 
deutet  auf  holländischen  Einfluss.  Die  das  Werk  krönende  sitzende 
Statue  des  Jacobus  major  ist  eine  ungemein  grossartige  Conception, 
durch  mächtige  Züge  und  schön  behandeltes  Haupt-  und  Barthaar  aus- 


144  Dit!  St.-Niüblui-Pfiirrkii'uhe  xu  Caluiu',  ihre  KimstJenkmaler  und  Eüairtler. 

geuJctmet.  Zu  den  frülieron  Werken  gehört  sodann  der  Altar  dor  hei- 
ligen Anna,  1490  durch  Derrick  Bocgert  vollendet.  Hier  ist  beBondera 
die  Bftuptgruppe,  Mam  nnd  Ann&  mit  dem  Christuakind  in  energisch 
behiuidelteDi  Hochrelief  darstellend,  vortrefflich  plastiflch  gedacht  und 
besonders  durch  die  daIvc  Bewegang  des  lobhaft  stnr  Mutter  binetre- 
benden  Kindes  von  grossem  Reiz.  Auch  wie  der  heilige  Joseph  dem 
Kiade  eine  Traube   hinhält,    ist    ein  sinnig    erfundener  Zug. 

Als  der  Hochaltar  kaum  vollendet  war,  nahm  man  sofort  die  wei* 
tere  ÄuBstattung  des  Chorea  in  Angriff  und  lieas  von  1505  — 1506 
durch  Heinrich  Bernts  aus  Weeel  die  prächtigen  Chorstühle  arbeiten,  welch« 
durch  ihre  edle  klare  Anordnung  und  den  reichen  plaetiscbon  Schmuck  zu  dtn 
trefflichsten  Arbeiten  dieser  Art  gehören.  Von  naivem  Reiz  sind  manche 
der  figürlichen  Bildwerke,  die  übrigens  duruh  eigen thümlich  kurse  Ver- 
hältnisse sich  bemerkbar  machen.  Nach  Vollendung  dieser  Werke  trug 
man  demselben  Meister  die  Ausführung  des  Mut  t  ergo  ttes- Krön  leuchten 
auf,  wiederum  eine  der  prachtvollsten  Corapositionen  dieser  Art,  anwer* 
dem  durch  wunderbar  kühne  Technik  hervorragend.  Als  der  Meist«r 
vor  Vollendung  der  Arbeit  starb,  wurde  diese  durch  Kerstken  (Cliristiau) 
von  Ringenberch  ergünzt.  Eine  weitere  Stiftuug  war  der  grossartige 
Si ebenso hmerzenaltar,  bis  15  21  durch  Heinrich  Douwennann,  einen  in 
Calcar  ansässigen  Künstler,  ausgeführt.  In  diesem  Werke  schlägt  der 
RenlismoB  der  Zeit  seine  herbsten  ab<.-r  auch  ergreifendsten  Töne  an. 
Grell  und  derb  in  der  Schilderung  der  Widersacher,  Schergen  und  Henker , 
tief  empfindungavoll  im  Ausdruck  des  Leidens,  reich  abgestuft  in  der 
Charakteristik  der  Nebenfiguren,  ist  das  Werk  besonders  noch  durch  di© 
erataunlich  virtnosenhaft  durchbrochenen  Ornamente  der  Altarataffel  and 
der  geaammten  Umrahmung  ein  Meisterstück  der  Technik.  AufTaUend 
ist  in  den  Figoren  das  Kurze,  Untersetzte,  die  grossen  Köpfe  und  die 
noch  grüsseren  schweren  Hände.  In  allen  diesen  Funkten  ist  der  Sieben- 
freadenaltar  ungleich  edler.  Zu  den  bedeutendsten  Kunstwerken  gehört 
sodann  das  grossartige  Triumphkreuz  mit  den  Statuen  der  Maria  und 
des  Johannes,  Werke,  die  wegen  ihres  markigen  und  darchgebildet^n 
Natnralisrnna,  wie  schon  bemerkt,  frühestens  ins  Ende  des  15.,  wahr- 
scheinlich aber  sogar  in  den  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  zu  setzen  sind. 

Nicht  lange  darauf  ist  sodann  die  neue  Eunat  der  Renaissance 
aneh  nach  Calcar  gedrungen,  und  wir  begegnen  ihren  Spuren  zuerst  in 
dem  Johannesaltar,  dessen  Entstehung  wohl  mit  Recht  in  die  Zeit  nm 
1540  zu  setzen  iat.  Zun&chst  ist  hier  die  Einfassung  und  die  ge- 
sammte  Ornamentik  im  zierlichsten  Stil  der  Frührenaiesance  behandelt, 
sodann  zeigen  die  Statuen  der  beiden  Johannea  den  schwungvoll  ge- 
ordneten, nicht  ganz  manierfreien  Stil  der  Renaissance  mit  den  tief  aus- 
gehöhlten  Falten,   welche  ganz   im  Gegensatz  zur  mittelalterlichen  Kunst 


Die  St.-Nicolai-Pfarrkirche  zu  Galcar,  ihre  Kansidenkmäler  und  EünBtler.  145 

den  Körper  mehr  verratben  als  verhüllen.  An  der  Basis  Johannis  des 
Täufers  liest  man  den  Künstlernamen  des  Jan  Boegel;  er  dürfte  auch 
den  stilyerwandten  Evangelisten  Johannes  geschaffen  haben,  und  viel- 
leicht auch  die  beiden  oberen  Figuren  des  Matthäus  und  Lucas,  obwohl 
dieselben  weit  flüchtiger  behandelt  sind.  Der  heilige  Severus  im  Mittel- 
felde dagegen  ist,  wie  es  scheint,  ein  älteres  Werk,  oder  die  Arbeit 
eines  an  der  früheren  Kunst  festhaltenden  Meisters.  Eine  durchaus  ver- 
wandte stilistische  Behandlung  zeigt  der  Crispinusaltar.  Noc]^  reicher 
und  üppiger  in  seinen  ornamentalen  Formen,  die  zum  Geistreichsten 
unserer  Frührenaissance  gehören,  noch  durchgebildeter  und  raffinirter  in 
den  Gewändern  der  Hauptfiguren,  namentlich  der  Magdalena  in  ihrem 
coquetten  Modecostüm,  gehört  er  sicherlich  nicht,  wie  der  Verfasser 
meint,  in  den  Anfang  des  16.  Jahrhunde^s,  sondern  in  die  Zeit  um 
1540,  wohl  um   einige  Jahre  später  als  der  Johannesaltar. 

Damit  ist  das  Wichtigste  der  vorliegenden  Publikation  erschöpft. 
So  gern  ich  dem  Verdienste  derselben  Gerechtigkeit  widerfahren  lasse, 
80  muss  ich  zum  Schluss  doch  nochmals  meiner  Verwunderung  und  mei- 
nem Bedauern  darüber  Ausdruck  geben,  dass  der  Verfasser,  wie  es  doch 
die  literarische  Schicklichkeit  bei  wissenschaftlichen  Arbeiten  verlangt, 
die  Leistungen  seines  Vorgängers  nicht  mit  einer  Silbe  erwähnt  hat, 
obwohl  derselbe  doch  in  seinem  grossen  Werke  der  Kunstdenkmäler  in 
den  Bheinlanden  die  bedeutendsten  Monumente  C/ilcars  dargestellt  und 
kunsthisorisch  erläutert,  ja  sogar  mehrere  der  dort  beschäftigten  Künstler, 
namentlich  den  Jan  Boegel,  Arnold  Wicht  und  Heinrich  von  Holdt  be- 
reits in  die  Kunstgeschichte  eingeführt  hat.  Bedenkt  man  vollends  was 
es  heissen  wollte,  damals  ohne  Hülfe  der  Photographie,  ohne  irgend 
welche  Vorarbeiten,  nur  mit  mühsam  eingeübten  Zeichnern  solche  Mo- 
numente darzustellen,  so  muss  es  als  schwere  Undankbarkeit  bezeichnet 
werden,  wenn  in  einer  neuen,  unter  so  viel  günstigeren  Umständen  her- 
gestellten Publikation,  alles  das  was  früher  geschehen  verschwiegen  wird. 
Doch  diese  Erfahrung  macht  man  heutzutage  so  oft,  dass  man  sie  wohl 
als  ein,  allerdings   wenig  erfreuliches  Zeichen  der  Zeit  aufzufassen  hat. 

W.  Lübke. 

2.     Die  Wandgemälde  im  Dome  zu  Braunschweig.     Von  Dr.  A. 
Essenwein.     Nürnberg,  N.  E.  Sebald,  1881.   36  Seiten. 

Die  vorgenannte  Schrifb  des  hochverdienten  Direktors  des  Germani- 
schen Museums  in  Nürnberg  darf  in  mehrfacher  Beziehung  die  Aufmerk- 
samkeit der  Alterthumsfreunde  beanspruchen.  Es  handelt  sich  in  derselben 
zunächst  um  einen  Bericht  über  den  Befund,  in  welchem  die  alten,  dem 
13.  Jahrhundert  entstammenden  Wandgemälde  des  herrlichen,  von  Heinrich 
dem  Löwen  kurz  nach  seiner  Rückkehr  aus  dem   gelobten  Lande  erbauten 

10 


146  Die  Wandgemälde  im  Dome  zu  firaunsohweig. 

Brauoschweiger  Domes  auf  uns  gekommen  sind  und  über  die  Ergänzung 
derselben  durch  Director  Essen weiu,  der  auf  Wunsch  die  Pläne  zur  Wie- 
derherstellung der  alten  Reste  anfertigte  und  deren  Ausführung  überwachte. 
Es  muss  schon  an  und  für  sich  von  Interesse  sein,  von  so  zuständiger 
Seite  über  die  Malereien  Bericht  zu  erhalten,  mit  welchen  in  so  fern  ab- 
liegender Zeit  frommer  Glaube  und  tüchtiges  künstlerisches  Können  die 
Wandflächen  eines  so  hervorragenden  kirchlichen  Baudenkmals,  wie  des 
Braunschweiger  Domes,  geschmückt  hat.  Aber  doppelt  interessant  und  lehr- 
reich ist  es  zu  erfahren,  in  welcher  Weise  ein  das  ganze  einschlägige  Ge- 
biet wie  kein  Anderer  beherrschender  Gelehrter  und  Künstler  die  Ergänzung 
der  relativ  spärlichen  Reste  in  Angriff  genommen  und  durchgeführt  hat. 
Was  aber  der  vorliegenden  Veröffentlichung  ihren  dauernden  Werth  ver- 
leiht ist  der  Umstand,  dass  Director  Essenwein  die  Gelegenheit  benutzt 
hat,  in  klarer  und  bestimmter  Weise  die  Principien  darzulegen,  von  wel- 
chen nicht  blos  die  Malerei  -  Restauration  des  Braunschweiger  Domes,  son- 
dern überhaupt  jede  Wiederherstellung  alter  Wandmalereien  oder  die  Neu- 
ausmalung alter  kirchlicher  Monumentalbauten  auszugehen  habe. 

Er  stellt  an  die  Spitze  den  sehr  richtigen,  aber  noch  lange  nicht  all- 
gemein genug  anerkannten  Satz,  dass  unsere  Vorfahren  im  12.  und  13.  Jahrhun- 
dert ihre  Gedanken  und  ihre  Formen  weit  der  heutigen  Mehrheitsanschauung 
naturgemäss  nicht  anpassen  konnten,  und  dass,  wenn  wir  ein  Vermächtniss 
aus  ihrer  Zeit  zur  Geltung  bringen  und  vervollständigen  wollen,  wir  uns 
an  ihre,  nicht  an  die  heutige  Anschauung  anlehnen  müssen.  Würde  mau 
in  Künstlerkreisen  wie  auf  Seite  derjenigen,  welche  für  den  Schmuck  der 
alten  Monumentalbauten  zu  sorgen  haben,  diesen  Satz  ßtcts  beherzigen,  so 
wäre  uns  eine  grosse  Zahl  verfehlter  Arbeiten  erspart,  die  vielleicht  der 
urtheilslosen  Menge  gefallen,  den  Beifall  der  Kenner  aber  nimmer  linden 
können.  Sehr  richtig  hebt  Herr  Essenwein  weiter  hervor,  dass  die  Be- 
malung die  Architekturformen  nicht  verwischen  dürfe,  sondern  den  archi- 
tektonischen Gedanken  hervorheben  müsse,  dass  also  keine  selbständige, 
die  Fläche  verwischende,  dass  vielmehr  nur  eine  decorative,  streng  an  die 
Bauformen  sich  anschliessende  Malerei  ihre  Berechtigung  haben  könne. 
Als  weiteres  Erforderniss  bei  der  Ausschmückung  eines  solchen  Vermächt- 
nisses der  Vorzeit  wird  dann  verlangt,  dass  die  alte  Zeit,  nicht  der  heutige 
Zeitgeist  sich  darin  wiederspiegele  und  dass,  wo  Ergänzungen  des  Erhal- 
tenen nöthig  erscheinen,  diese  so  vorgenommen  werden,  wie  es  ehemals 
gewesen  sein  muss  oder  doch  gewesen  sein  kann,  nicht  wie  es  heute  nach 
Form  und  Inhalt  gefällt  und  Geltung  hat. 

Es  ist  nun  freilich  nicht  leicht,  die  Anschauung  des  12.  und  13.  Jahr- 
hunderts über  Alles  und  Jedes,  das  in  den  Bereich  der  bildlichen  Darstellung 
fallen  mag,  mit  Gewissheit  festzustellen.  Director  Essenweiu  hat  wie  kaum  ein 
Zweiter  alles  dasjenige  sich  anzueignen  und  kennen  zu  lernen  gesucht,  was 


Die  Wandgemälde  im  Dome  zu  Braunsohweig.  147 

uns  zar  Lösung  derartiger  Fragen  aus  dem  Mittelalter  überkommen  ist. 
Als  Resultat  des  Studiums  der  hierfür  massgebenden  Literaturerzeugnisse, 
der  Biblia  pauperum,  der  Concordantia  caritatis,  des  Speculum  humanae 
salvationis,  des  Physiologus  u.  a.,  bestätigt  Verf.  die  ja  auch  anderweitig 
bekannte  Thatsache,  dass  die  Kirche  das  grosse  Lehrmittel  der  bildlichen 
Darstellung  jener  Gedanken,  welche  das  Volk  in  sich  aufnehmen  sollte, 
in  hervorragendem  Masse  benutzt  und  ein  eigenes  ikonographisches  System 
ausgebildet  habe,  das  traditionell  weiter  verbreitet  wurde. 

Was  den  Inhalt  der  solcher  Weise  in  jener  Zeit  immer  wieder  zur 
Darstellung  gelangenden  Gedanken  betrifft,  so  ist  festzuhalten,  dass  sich 
die  scheinbare  Vermengung  von  Profanem  mit  Heiligem  in  der  kirchlichen 
Malerei  einfach  daher  erklärt,  dass  eigentlich  Profanes  in  unserem  Sinne 
dem  Mittelalter  nicht  bekannt  war.  Staat  und  Kirche  waren  Gewalten, 
von  Gott  gesetzt,  an  seiner  Statt  für  der  Menschen  zeitliches  und  ewiges 
Wohl  zu  sorgen,  die  ganze  Natur  ist  Gottes  Werk  und  bestimmt,  das  Lob 
des  Schöpfers  zu  verkünden,  welcher  der  Mittelpunkt  der  ganzen  Geschichte 
ist,  und  darum  hat  in  der  Kirche  das  Weltliche  ebenso  gut  seinen  berech- 
tigten Platz,  wie  das  Geistliche. 

In  Betreff  der  Formengebung  tritt  Verf.  mit  aller  Entschieden- 
heit dem  Verlangen  entgegen,  dass  die  künstlerischen  Errungenschaften 
der  Neuzeit,  perspektivisches  Zeichnen,  richtige  Vertheilung  von  Licht  und 
Schatten,  naturalistische  Auffassung,  auch  bei  jetzt  vorzunehmender  Ver- 
körperung der  dem  mittelalterlichen  Künstler  geläufigen  Gedanken  in  Aus- 
schmückung der  alten  Baudenkmale  zur  Geltung  kommen  müssten.  Er 
betont  nachdrücklichst,  dass  den  durch  den  Baumeister  gegebenen  Flächen 
ihr  Charakter  durch  perspektivische  und  naturalistische  Darstellungen  voll- 
ständig geraubt  würde.  Er  zeigt,  dass,  wenn  die  Alten  nicht  naturalistisch 
gemalt  haben,  dies  nicht  aus  Mangel  an  Können  geschehen  sei,  sondern 
einfach  desshalb,  weil  für  sie  die  bildliche  Darstellung  eine  Art  Schrift 
war,  mit  deren  Hilfe  man  möglichst  deutlich  und  verständlich  „sprechen^ 
wollte  und  dass,  hätten  die  mittelalterlichen  Künstler  und  beispielsweise 
auch  die  ägyptischen  naturalistisch,  formenrichtig  malen  wollen,  sie  das 
Können  dazu  sich  bald  genug  würden  angeeignet  haben.  Den  alten  Künst- 
lern waren  die  Figuren  Schriftzeichen,  die  nicht  entfernt  prätendirten,  den 
Eindruck  der  Wirklichkeit  hervorzurufen.  Den  Beispielen,  welche  Verf.  um 
dies  zu  illustriren  anführt,  möchten  wir  eines  aus  dem  Limburger  Dom 
anfügen.  Dort  ist  der  h.  Bartholomäus  dargestellt,  der  auf  dem  Arme,  als 
sprechenden  Hinweis  auf  die  Art  seines  Martyriums,  seine  eigene  Haut  trägt. 
Das  verletzt  bei  dem  streng  typischen  und  stilisirten  Bilde  absolut  nicht; 
wie  anders  aber  müsste  das  Urtheil  lauten,  wollte  ein  Künstler  sich  unter- 
fangen, 80  etwas  naturalistisch  zu  malen !  Da  können  wir  denn  nicht  umhin, 
dem  Verf.  durchaus  beizupflichten  und  anzuerkennen,  dass  er  im  Rechte  ist, 


148  Der  Bildsohmuck  der  Liebfraaeolciroho  in  Nürnberg, 

wo  er  sagt,  äasB  es  auch  ein  Fehler  sei,  bei  sachlicher  Äccommodation 
an  dia  Auffassung  der  Alten  Verbesseruagen  anznbriDgen,  weil  die  Grenze 
nie  za  beBtimmen  wäre  und  der  subjeotiven  oder  individnoUen  Willkür  Thür 
and  Thor  geüffnet  würde. 

Sollen  wir  euro  SchlnsB  auch  noch  Ober  die  eingehend  beschriebe- 
nen  Daretellnngen  nna  aussprechen,  die  vom  Verf.  für  die  Wände  und  Ge- 
wölbe des  Mittelschi fTes  gewählt  wurden,  welches  ganz  nea  za  bemalen  war. 
Bo  scheint,  uns,  dass  bei  dieser  Wahl  in  überens  glücklicher  Weise  die 
Verbindung  mit  den  ans  erhaltenen  alten  Malereien  im  Chor  und  Quer- 
schiff hergestellt  wurde,  und  können  wir  auf  das  über  beides  vom  Verf. 
S.  12  S.  und  S.  21   ff.  Gesagte  hier  einfach  verweisen. 

Da  Herr  Director  Eäsenwein  in  den  letzten  Jabren  siuh  aucii  der 
Leitung  der  Restaurationsarbeiten  der  gothischen  Frauenkirche  in  Nürn- 
berg nnterzDgen  und  hier  gewiss  mit  gleichem  Geschick  die  Polychromie 
!n  die  richtigen  Bahnen  gelenkt  hat,  so  wäre  es  wünsch  enswerth,  dass  er 
daraus  Veranlassung  nähme,  auch  über  die  bei  der  Ausschmüoltxing  gothi- 
scher  Kirchen  zn  befolgenden  Principien,  die  auf  so  durchaus  verschiedener 
Basis  sich  zu  entwickeln  haben,  Öffentlich  sich  auszusprechen.  Die  Frage,  wie 
polychromiren  wir,  resp,  wie  restanriren  wir  die  Malereien  gothischer  Kirchen, 
darf  ja  trotz  mehrfacher  Versuche  zn  ihrer  Lösung  noch  immer  als  eine 
offene  behandelt  werden  und  jeder  Beitrag  zu  ihrer  endgiltigen  Entschei- 
dnng  muss  den  bethetligten  Kreisen  willkommen  sein. 

Die  Verlags h an dlnng  von  N.  E.  Sabal  d  hat  die  Schrift  ungemein 
prilchtig  ausgestattet,  was  alle  Anerkennung  verdient. 

Viersen.  Aldenbiroheo. 

3.  Der  Bildschmuck  der  Liebfranenkirche  in  Nürnberg. 
Von  Dr.  A.  Essenwein.  Nürnberg,  Verlag  der  kathol.  Kirchen- 
verwaltung.   1881. 

Die  Besprechung  von  Dr.  Easenwein'a:  n^ie  Wandgemälde 
im  Dom  zu  Brannschweig"  war  bereits  gedruckt,  als  dem  Refe- 
renten die  hier  zor  Anzeige  gelangende  Schrift  über  den  Bildschmuck 
der  Liebfranenkirche  in  Nürnberg,  deren  Veröffentlichung  wir 
am  SchluBS  unserer  früheren  Recension  desiderirt  hatten,  vom  Tereins- 
voratande  zur  Besprechung  übermittelt  wurde.  Wenn  nun  auch  diese 
neueste  Schrift  dem  von  uns  geäusserten  Wunsch,  aus  Dr.  Essenwein'a 
kundiger  Feder  einen  autoritativen  Beitrag  zur  Lösung  der  brennenden 
Frage  nach  der  besten  Art 'gothischer  Eirchenpolychromie  za  erhatten, 
nicht  in  allweg  entspricht,  weil  sie  sich  auf  ein  Referat  über  das  in 
der  spätgothischen  Nürnberger  Franenlcirche  restaurirend  Geleistete  be- 
Bchränkt  und  allgemeine  Gesichtspunkte  nicht  ex  profesao  aufstellt,  so 
enthält  sie  doch  immerhin  des  InteresBanten  soviel,  daas  ein  koraer  Hin- 
weis auf  ihren  reichen  Inhalt  geboten  eraoheint. 


Die  Wandgemälde  im  Dome  za  Braonschweig.  149 

Die  am  7.  Aug.  1355  auf  Grund  eines  Befehls  Kaiser  EarPs  lY.  an 
Stelle  der  Synagoge  erbaute  und  „der  reinen  junkfrawen  Maria ^  geweihte 
Frauen-Kirche  zu  Nürnberg  wurde  1361  Yollendet.  Sie  enthielt  im  Aeussern 
und  Inneren  reichen  Schmuck,  der  aber  fast  gänzlich  zerstört  und,  so- 
weit er  der  Wandmalerei  angehörte,  durch  später  aufgetragene  Kalk- 
tünche jämmerlich  zugericlitet  war.  Dr.  Essenwein  übernahm  die  bau- 
liche Herstellung  und  künstlerische  Ausstattung  des  präclitigen  Gottes- 
hauses, wobei  er  von  tüchtigen,  auf  seine  Ideen  unter  Hintansetzung 
eigener,  selbst  entgegenstehender  Ansichten  eingehenden  Steinmetzen, 
Bildhauern  und  Malern  unterstützt  wurde. 

Nach  einem  kurzen  Referat  über  die  bei  Wiederherstellung  des 
baulichen  Zustandes,  des  plastischen  Schmuckes,  der  alten  Glasfenster, 
des  Bodenbelags  u.  s.  w.  ausgeführten  Arbeiten  kommt  Verfasser  zum 
eigentlichen  Zweck  seiner  Schrift,  der  Beschreibung  des  gesammten 
Bildschmuckes  der  Frauenkirche.  Der  Verfasser  weist  nach,  dass  wie 
überhaupt  bei  dem  Bildschmuck  des  Mittelalters,  so  auch  hier  in  der 
Fülle  des  bildnerisch  Gebotenen  im  Ganzen  keine  willkürliche  Häufung 
zufällig  gefertigter  Heiligenfiguren  vorliege,  sondern  dass  der  ganze, 
am  Aeussern  und  im  Innern  sich  zeigende  Bildschmuck  die  Veran- 
Bchaulichung  der  kirchlichen  Lehre  bezwecke,  hier  an  der  Marienkirche 
die  Darstellung  der  Marienverehrung  in  ihren  verschiedenen  Phasen. 
In  wie  trefflicher  Weise  dem  Verfasser  dieser  Nachweis  durch  einge- 
hende Darlegung  des  Zusammenhanges  der  Bildwerke  am  Aeussern,  in 
der  Vorhalle,  im  Mittelschiff  und  Chor  gelungen  ist,  davon  mögen  die 
dafür  sich  interessirenden  Mitglieder  unseres  Vereins  durch  Einsichtnahme 
der  auch  in  typologischer  und  ikonographischer  Beziehung  lehrreichen 
Schrift  sich  überzeugen. 

Viersen.  Aldenkirchen. 

4.  Mittheilungen  des  historischen  Vereins  der  Pfalz, 
IX.  u.  Katalog  der  historischen  Abtheilung  des  Museums 
zu  Speier.      254   S.  u.   42   S.  mit  3   Tafeln;  Speier   1880. 

Zu  den  auf  dem  Gebiete  der  Archäologie  rührigsten  Vereinen  der 
Rheinlande  gehört  neuerdings  der  historische  Verein  der  Pfalz.  Nicht 
nur,  dass  er  Ausgrabungen,  so  im  letzten  Jahre  die  zu  Erfweiler  und 
auf  Ruine  Schlosseck,  mit  erheblichen  Mitteln  unterstützt,  er  leistet  auch 
auf  dem  Gebiete  der  archivalischen  sowie  der  rein  historischen  Forschung 
recht  Ansehnliches,  und  Zeugniss  dessen  geben  die  uns  vorliegenden 
neuesten  Publikationen  des  Vereines,  dessen  Mitgliederzahl  in  den  letzten 
Jahren  auf  ca.   500  gestiegen  ist. 

Die  Mittheilungen  enthalten    vorerst    ein^   Abhandlung  von  Paul 


IBO  Hitth^iliiagea  des  biitoriiebeo  Vereins  der  Pfolx. 

Joseph  dbar  die  ResUmmnbg  mehrerer  HQnzen  der  rherinisohra  PfftlB> 
grafen  und  der  Mikinücr  ErzLiachöfe  aas  dem  13.,  14.  und  15.  Jahr- 
liondert.  Der  Chamktenstik  und  die  Topik  derselben  ist  mit  Stiefa- 
keDDtaifiB  und  Sorgfalt  durchgeführt.  Den  Hduptbestandlheil  der  „  Mit- 
thell luigeo "  bildet  eine  histüriHclie  MoDogrupfaic  von  A.  Staufaerfiber 
Kloster  und  Dorf  Loiubreoht.  Daa  Klostor,  gelegen  im  Neustädter 
Tbale,  wurde  977  vom  Hcrrog  (?)  Otto  III.  ron  WormB  im  Orte  Gre- 
vonliooson  zu  Ehren  dej  heiligoa  Lambert  gestiftet  und  den  Mönchen 
vom  Orden  des  h-.ßeDcdikt  tibergubmi.  Später  wcirde  e»  in  ein  Nonnen' 
klöltcr  uingewacdelt  und  1553  zu  Gnnston  äea  Kurfürsten  Fried- 
rich n.  sikularisirt.  Das  Itorf  Lnnibrocbt  hat  eine  weitere  Bedeutung 
durch  die  1566—1569  »üb  den  Niederlanden  Tertriebenen  Wallonen, 
welche  hier  den  Grttnd  legten  za  den  bestehenden  und  bIQbendei)  Tnch- 
fabriken.  Lambrecht  bat  nusserdem  in  den  Arcbiven  der  Pfalz  viel 
Staub  aufgewirbelt  durch  seine  langjährigen  Streitigkeiten  nm  Be- 
rechtigongen  in  den  benachbarten  Waldbestäiiden;  der  Streit  mit  der 
Stadt  Deidesheim  wurde  16.  Mai  1805  durch  eine  von  Napoleon  nn- 
terzeichnetc  Urkunde  entacbieden,  wonuch  die  Lambi-ecbter  für  das  Weida- 
recbt  bis  aaf  den  beatigen  Tag  einen  Book  mit  den  Attributen  „henv 
cornutaa  et  bene  capnbilis"  am  PßngBtdionstag  eu  Deidesheim  „franco"  ab- 
zuliefern hsbeo,  DenSchlua?  der  1  80  Seiten  enthaltenden  Abhandlung  bildet 
eine  Skizze  dos  gegennSrtigen  Bestandes  des  heutigen  Lambrecht.  AU  Bei- 
lagen sind  den  etwas  zu  nuaffthrlich  gebnltenen  Dnr8te!lung;en  mehrere  zum 
Theil  bisher  nnbekannte,  zum  Theil  nen  revidirte  Belege  und  Urknnden  bei- 
gegeben. Man  kann  darüber  verschiedener  AnBicht  sein,  ob  Monographien  tod 
solch'  ausgedehnter  Behandlung  für  einen  Vereinskreis,  der  noch  wichtigeres 
zu  erforschen  und  klarzustellen  hat,  am  Platze  sind,  znmal  zn  bedenken 
ist,  dass  von  F.  X.  Remlingund  J.  G.  Lehmann  schon  bezügliche 
Arbeiten  vorliegen,  und  an  Quellenmateria]  das  einzige  Novum  in  einem 
Kopialbuche  besteht,  das  im  Jahre  1311  im  Kloster  selbst  angelegt 
wurde  und  im  Archive  der  Uni verai tat  Heidelberg  aich  befindet ').  Aber 
die  Berechtigung  einer  solchen  Specialgeachicbte  in  extenso  zugegeben, 
musa  man  gestehen,  dass  der  Verfasser  mit  Benutzung  des  einschlägigen 
Materiales  allen  Ansprüchen  mikroskopischer  Geschieh tsforgchung  ge- 
nügt bat. 

Einen  proviaoriachen  Bericht  über  den  Fund  eines  reich  ornamen- 
tirten,  leider  fragmentirten  Grabmales  von  St.  Julian  im  Glanthale 
mit   dem  Versuche    einer  Restauration  bietet  der  bisherige    Conservator 

1)  Sollte  dieses  Kopialbucb  aus  dem  Nachlasse  des  vor  mehreren  Jahren 
veratorbenen  Historikers  J.  .0.  Lehmann  herrühren,  für  den  man  in  der  Pfalz 
so  viel  getban  hat?  D.  Bef. 


Mittheilongen  des  hiBtorisohen  Vereins  der  Pfalz.  151 

des  Vereins,  Dr.  Mayrhofer;  drei  Tafeln  beziehen  sich  hierauf .  Nach 
dem  Restaurationsversache  erhebt  sich  anf  einer  Plinthe  mit  scharfem 
Earnies  das  oblange  Mitteltheil,  das  auf  seiner  Vorderseite  en  haut  relief 
reiches  Rankenwerk  enthält  und  in  der  Mitte  ein  Seepferd  zeigt,  über 
welcher  sich  die  Grabinschrift  befand.  Eine  Platte  mit  senkrechten 
Kanten  deckte  wahrscheinlich  das  Ganze.  Ganz  klar  ist  die  Sache 
aber  noch  nicht,  und  da  Verfasser  nach  S.  231  selbst  noch  mehr 
Material  erwartet,  hätten  wir  es  lieber  gesehen,  wenn  man  nach  Ein- 
treffen desselben  von  einer  blos  hypothetischen  Behandlung  der  Sache 
Abstand  genommen  hätte.  Es  bieten  sich  übrigens  zu  Mainz  und  Bonn 
noch  mehr  Parallelen  zu  diesen  Altaranlagen,  als  nur  das  Grabmal  der 
NacYoleia  Tyche  zu  Pompeji  (Overbeck,  Pompeji,  Fig.  205).  Einige 
ziemlich  unbedeutende  Miscellen  kritischer  und  archivalischer  Natur  schlies- 
sen  sich  an  den  Fund  von  St.  Julian.  Der  Jahresbericht  wird  vom  Ver- 
einssekretär, Dr.  W.  H  a  r  s  t  e  r  erstattet  und  ist  diesmal  ziemlich  mager. 
Es  wird  das  Ersuchen  ausgesprochen,  Einzelfunde  dem  Museum  zu  über- 
machen und  dem  Ausschusse  Mittheilung  von  Eaufgelegenheiten,  Ge- 
legenheit zu  Ausgrabungen  etc.  zu  machen.  Das  Repertoir  der  Ge- 
schenke und  Erwerbungen  ist  ein  recht  reichhaltiges ;  mit  Verwunderung 
aber  lesen  wir,  dass  den  Sammlungen,  die  doch  einen  rein  archaeolo- 
gischen  Charakter  tragen,  ein  Mammuthsknochen,  ein  Backenzahn  vom 
Mammuth^  und  eine  Rippe  vom  Bos  primigenius  zukamen.  Wenn  doch 
in  der  Pfalz  ein  naturwissenschaftlicher  Verein  mit  nicht  unbedeutenden 
Sammlangen,  wie  die  PoUichia  zu  Dürkheim,  besteht,  sollte  man  doch 
so  viel  reciproce  Gollegialität  besitzen,  naturwissenschaftliche  Objekte 
dem  Nachbarvereine  zuzuweisen. 

Der  „Katalog"  enthält  eine  kurze  schematische  Aufführung,  jedoch 
ohne  durchgehende  Angabe  der  Inventar-  und  der  Katalognummern  der 
vorhandenen  Gegenstände.  Einzelne  Literatnrangaben  lassen  eine  syste- 
matische Citatenangabe  um  so  mehr  vermissen;  einzelne  technische  No- 
tizen (S.  4,  5,  8,  16,  27)  tragen  so  wenig  den  Charakter  wissen- 
schaftlicher Behandlung,  dass  solche  Apostrophen  an  die  Laienwelt 
am  füglichsten  unterdrückt  worden  wären.  Eine  archaeologische  Be- 
handlung der  Funde  kann  mit  solchen  Noten  nicht  erzielt  werden,  und 
zudem  sind  die  Funde  aus  vorhistorischer  Zeit  schon  wissenschaftlich 
zusammengestellt  und  ist  eine  gleiche  Behandlung  der  römischen  Pe- 
riode in   Vorbereitung, 

Hatten  wir  auch  einzelne  Ausstellungen  zu  machen,  so  geht  doch 
nicht  nur  der  gute  Wille,  sondern  auch  manch  schönes  Resultat  aus 
den  „Mittheilungen"  hervor.  Bedauernswerth  bleibt  immerhin,  dass  die 
Erforschung  einer  so  fundreichen  Provinz  wie  die  Rheinpfalz  nicht  zur 
Aufgabe  eigener  Konservatoren,    die   ad  hoc,    wie  anderwärts  ange- 


Mittheilnngen    doB    biatortsehen    Vereins      der       Pfalz, 
X.    166  S.   n.    2    Tafeln;  Speier    1S82. 

neue  Heft  enthält  deu  ebenso  fleisBigeD  wie  ftusfiihrlichen 
„Versuch  einer  Speierer  Manegeschicli tu"  vom  Sekretair  des 
Vereine,  Dr.  W.  Harster,  Gymnasiallehrer  in  der  Kreis  hau  ptstadt  der 
Pfalz.  Der  allgemeine  Theil  enthält  den  Nachweis  über  die  Verleifaong 
desMfinzregala.  H  arste  r  betrachtetes  alseebr  wahrscheinlich,  daea  schon 
von  Karl  dem  Grossen  zu  Speyer,  wo  bereits  7  87  ein  palatium  Nemetenae 
erwähnt  wird,  gemünzt  worden  sei,  Die  von  H.  Grote  für  unecht 
erklärte  Urkunde  des  Uerzogs  Konrad  von  Franken  von  946  hält  er 
für  echt;  darnach  erhielten  die  Bischöfe  von  Speyer  ex  regali  tradi- 
tione  et  donatione  das  Münzrecbt,  das  sie  mit  Beschränkungen  bis  aof 
die  Zeiten  der  französiachen  Revolation  nnd  der  Säcularisirung  des  Bia- 
thums  ausübten.  Eine  kurze  Beschränkung  des  bis cliti fliehen  Mänz- 
rechtes  bildete  die  von  der  Stadt  Speyer  1346  — 1421  ausgeübte  Prä- 
gang. Ein  weiterer  Abschnitt  handelt  von  den  Münzern  und  Hbub- 
genossen,  deren  Corporation  auf  die  römische  familia  monetalis  oder 
monetariorum  zurückgeführt  wird.  Im  späteren  Kaufliaus  iu  Speyer 
befand  eich  das  domus  monetae  oder  moaeta  schlechtweg  benannt;  von 
1189—1340  war  dies  Gebäude  zugleich  Hathhnus.  Ueber  den  Umfang 
und  die  Daner  des  Hünzbetriebes  gibt  ein  weiteres  Kapitel  ÄufschlusB. 
Die  meisten  Denare  Speyers  vom  10 — 12.  Jahrhundert  finden  sich  im 
Norden  Deutschlands,  sowie  in  Skandinavien.  Auffallend  er  weise 
verschwinden  dagegen  die  Münzen  mit  Speierer  Gepräge  vom  1 2.  bis 
Ende  des  14.  Jahrhunderts.  Sollte  hieran  das  Ueberhandnehmen  der 
sogenannten  „stummen  Münzen"  Schuld  sein?  Harster  hriugt  für 
diese  Ansicht  eine  Reihe  urkundlicher  Belege.  Die  Produktion  Speyers 
in  Hflnzen  legte  im  14 — 16.  Jahrhundert  das  Sinken  seiner  Blüthe,  sowie 
die  Pr&gung  der  rheinischen  Goldgulden  und  Silberdenare  durch  die  rheini- 
schen Kurfürsten  lahm.  Uit  Veränderungen  des  Münzfusses  beschäftigt  sich 
ein  5.  Capitel.  —  Die  Beilagen  enthalten  9  un gedruckte  Urkunden, 
welche  sich  auf  die  Speyerer  Münz  Verhältnisse  von  1324  — 1570  be- 
ziehen nnd  dem  städtischen  Archive  entnommen  sind.  Die  72  letzten 
Seiten  nimmt  ein  sorgfältig  aufgenommenes  Verzeichniss  der  Speyerer 
Münzen  ein,  deren  älteste  ein  Denar  des  Kaisers  Otto  I.  Die  Bischofs- 
münzen  beginnen  mit  Konrad  I.  (1056 — 1060)  und  enden  mit  Philipp 
Franz    Wilderioh     Nepomnk     (1797 — 1810),    dem    letzten    Dynasten. 


Miitheilongen  des  historischen  Vernns  der  Pfalz. 


168 


Ausser  den  wirklichen  Münzen  sind  auch  Medaillen  aller  Art  in  Be- 
rücksichtigung gezogen  worden.  Die  zwei  Tafeln  enthalten  den  Avers 
und  Revers  von  etwa  3  0  Münzen ;  leider  sind  die  Bilder  etwas  undeut- 
lich.  —  Das  Material  hat  der  Verfasser  mit  vieler  Mühe  den  Samm- 
lungen des  historischen  Vereins,  ferner  den  Eabineten  zu  München  und 
Donaueschingen  entnommen,  ebenso  musste  er  sich  die  meisten  literari- 
schen Hülfsmittel  von  Auswärts  kommen  lassen.  Um  so  mehr  verdient 
die  Sorgfalt  und  Umsicht,  mit  welcher  der  Verfasser  bei  der  ganzen 
Darstellung  zu  Werke  ging,  die  volle  Anerkennung  aller  Alterthums- 
freunde  im  Rheinlande. 

Dürkheim  a.  d.  Hart.  Dr.   G.  Mehlis. 


In  der  Südwand  der  Taufkapella  befindet  sich  umgekehrt  einge- 
mauert folgendes  luscbriftfragment: 

////lAE  WERW/II/ 
////AMENTO//// 

Von  der  zweiten  Zeile  ist  das  untere  Dritt«!  abgeachnitten ;  sie 
scheint  das  Wort  (teBt)amento  zu  enthalten,  während  die  obere  Zeile 
auf  zwei  Namen  schlieaaen  läast:  ...iae  dürfte  die  KnduDg  eioea 
Frauennamena  und  Veru(B)  der  Name  des  Erben  sein,  der  ex  testa- 
mento  den  Stein  setzen  liess. 

Bei  meinen  soeben  zwischen  Münster  und  Rathhaus  vorläufig  be- 
endigten Ausgrabungen  fanden  sich  eine  grössere  Anzahl  römisoher 
Ziegel  mit  dem  viel  bestrittenen  Stempel  der  Legio  tricesima  Ulpia 
victrix    (Leg.   XXX  V  V).  E.   ans'm  Weerth. 

2.  Andernach.  Anknüpfend  an  meine  Mittheilung  im  Jahrb. 
LXXII  S.  122  berichte  ich  im  Folgenden  über  einige  Münzen,  welch« 
mir  bei  der  in  diesem  Frühjahre  von  Herrn  Job,  Graef  bewerkstellig- 
ten Ausstellung  von  Fundatflcken  aus  Kerlioh  und  Andernach  im  Qast- 
hans  Wiebel  daselbst  aufgefallen  sind. 


Hiaoellen. 


1.  AthalaricuB  626 — 534.  Silberquinar.  Bei  der  lückenhaften 
Umscbrift  der  Eopfseiie  konnte  niuht  festgestellt  werden,  ob  dieselbe 
dem  Justin  I  oder  dem  Justinian  znzuBcbreiben  ist;  jedoch  vermntbe 
ich,  dasB  Sabatier  Nr.  11,  PI.  XVIII  Nr.  20,  mit  unserem  Exemplar 
äbereinstimmt. 

2.  Erraricus  541.  Silberqninar.  Sab.  I,  S.  205;  jedocb  zeigt  bei 
nnaerer  Münze  daa  Monogramm  einzelne  kleine  Abweichungen  von  der 
Abbildung  PI.  XVIII  Nr.  35.  Auch  bei  Pinder  und  Fricdländer 
finden  wir  dieses  Monogrnmm  nicht  ganz  genau  angegeben,  indem  ein- 
zelnes wie  Taf.  VI,  Nr.  10,  anderes  wie  Taf.  VI,  Nr.  11  dargestellt 
wurde.  Der  untere  Bogenstrich  des  R  ist  in  lang  gezogener  gerader 
Linie  bis  zum  unteren  Ende  des  Bankrechten  Striches  vom  E  weiterge- 
führt wie  bei  Nr.  11,  während  der  runde  Strich  des  D  nur  einen 
Theil   der  Höhe  des  E  einnimmt,  wie   bei  Nr.    10. 

Femer  fanden  sich:  Jnstinian.  Gefütterter  Goldqninar,  mit  dem 
Rv.  victoria  aug .  .  .  .;  Justinus,  Sab.  12  und  13,  beide  mit  dem  Mono- 
gramm Christi;  sowie  noch  mehrere  unbestimmbare  kleine  abgegriffene 
oder  unvollständig   geprägte   Siberaifiiizen  derselben  Epoche. 

Das  bekannte  Mittelcrz  von  M.  Agrippa  war  die  älteste  römische 
Münze,  welche  vorbanden;  merkwürdiger  Weise  sollte  dieselbe  in  dem- 
selben Grab  mit  einer  Kleinkupfer  münze  der  Constantinischen  Zeit 
gefunden  sein '),  eine  Angabe,  welche  berechtigte  Bedenken  erweckt. 
3h  noch :  Julia  Titi,  Trajanns  Declus,  Victorin, 
'.  aus  der  Consta ntini sehen  Zeit. 


Sonst    erwähne 
Diocletian  nnd  mehre 


Vlentei 


3.  Andernach.  Im  Anschlnss  an  die  Miscelle  über  die  Aus- 
grabungen in  Andernach  S.  120  im  LXXII.  Jahrbuch  verzeichnen  wir 
den  Fund  zweier  in  diesem  Sommer  zu  Tage  gekommener  militärischer 
Grabsteine  an  der  linken  Seite  der  Coblenzerstrasse  vor  dem  gleich- 
namigen Thore,  der  alten  römischen  Rheinstrnsse.  Beide  Steine  sind 
von  Jurakalk  und  stellen  die  Verstorbenen  in  stark  hervortretendem  Re- 
lief in  ganzer  Figur  dar.  Der  eine  Grabstein,  künstlerisch  bei  Weitem 
der  vorzüglichere,  ist  leider  nur  ein  Fragment,  dem  besonders  der  Kopf 
der  dargestellten  Figur  und  die  Inschrift  fehlen.  Der  andere  erscheint, 
den  fehlenden  Kopf  einer  der  drei  Figuren  abgerechnet,  zwar  voIIatäQ' 
dig,  hat  aber  sehr  gelitten.  Der  Verstorbene,  ein  Soldat  der  Raetiachen 
Cohorte,  steht  in  voller  Armatur  auf  einem  erhöhten  Postament  in  der 
Mitte.  Die  Rechte  hält  die  Lanze,  die  Linke  trägt  den  Schild.  Neben 
dem  Postament,  tiefer  stehend,  erblicken  wir  rechts  neben  der  Haupt- 
figur einen  Knaben,  dessen  fehlenden  Kopf,  wie  Andeutungen  erkennen  lassen, 
ehemals    eine    Kapuze     bedeckte.       In    beiden  Händen  hielt  der  Knabe 


1)  Nr.  D9  der  dortigen  Aufstellung. 


£twas.  Eine  Tasche  io  der   linken  Hand  ist  deuUich,  nicht  so  der  Gegen' 
stand,   irgendein   kleinem  GorÄth,   in  der  underD  Hand.   Eine  togtrte  mi  un- 
liebe Gestult  nimmt  die  andere   Seite  ein ;    sie   hält  in  der   Linken  eine 
Rolle,     wohl    Jas     Testament    des   Verstorbenen.     Auf  den  Schmalseiten 
des  Steines   befindet  sich  in  üacbereDi  Relief  je  eine  Ättystigur  mit  einem 
Amasonenschild  darüber,  und  bekrönt  wird  das  Relief  von  einem  mächtig 
vorspringenden   Giebel,  auf  welchem  in   der   Mitte  zwischen  zwei   Löwen 
I   Sphinx  ruht. 
Bie   9  zeilige  Iniichrift   endlich   besteht  ans    7   kürzern   Zeilen,     die 
sich  anf    dem  Postament    der    mittlem   Figur    beünden,    und    2    Zeilen, 
welche  die  ganze  Breite  des   Gi-absteineB    einnehmen.      Wiederholt«  Le- 
Bungen  bei   Tag-  und  Lnmpen-Licht  ergaben  folgenden    Test: 
.IRMVS 
ECCONIS.P 
MILEXCOH 
RAETORVW 
NATIONEM 
.  NTA  .  VS 
ANN  XXXVI 

FVSCVS.STIM.H [ 

SERV.  .HERES.XTES 

PO. 
Die  Ergänzung  der  beiden  ersten  Zeilen  in  FIRMVS  ECCO- 
NlS-F(iliuB)  ergibt  sich  auch  durch  den  Augenschein  als  wabrschein- 
lieh :  unser  Verstorbener  Namens  Firmns  ist  demnach  der  Sohn  des 
Ecco.  Schwieriger  ist  die  Beimathsbestimmang  in  der  5.  besw.  6. 
Zeile.  Man  ist  versacht  Montanus  zu  lesen.  In  der  letzten  Zeile 
wird  man  Heres  ex  testamento  poB(nit)  lesen  dürfen,  dagegen  die  Worte 
hinter  dem  Namen  des  Denkmal-Errichters  Fnscus ')  dahingestellt  sein  lassen. 
Ueber  die  bildnerische  Daretellung  and  die  Frage,  ob  die  Attya- 
figoren  und  übrigen  Embleme  dem  Steine  einen  mithräischen  Charakter 
verleihen,  wird  bei  eingehenderer  BeBcbreibang  und  Abbildung  deaselben 
an  reden  sein.  Vorläufig  gestattet  der  Besitzer  dieselbe  nicht,  weil  er 
dadurch  den  Verkauf  zu  schwindelhaftem  Preise  zu  beeintr&cbtigen 
fürchtet.  E.   ana'm  Weerth. 

4.  Caea  a.  d.  Mosel  (Ende  April).  loh  gestatte  mir  Ihnen  die  Mitthei- 
lang  za  machen,  dasB  in  vergangener  Woche  in  der  Nähe  von  Cues  an 
der  MoBel  eine  römische  Badee  in  rieht  ueg  aufgefunden  worden  ist  Etwa 
200  Schritte  oberhalb  des  Dorfes  Gnes  führt  die  im  Bau  begriffene  Eiaon- 


1)  Die  Namen  Firmus  wie  Fuscns  kommen   beide    auf  rheinisch«!  lo- 
sohriften  vor.    Vergl.  Jahrb.  Vill,  U;  XVI,  68;  LUl,  156;  SLIV,  «;  LT,  238. 


Miscellen.  157 

bahn  von  Wittlich  nach  Berncastel  fest  an  der  Landstrasse  vorbei.  Beim 
Abbrechen  einer  Weinbergsmauer  unmittelbar  an  der  Strasse  ist  man  auf 
römisches  Mauerwerk  gestossen.  Ich  sah  eine  aus  Hohlziegeln  von  ca. 
17  cm  Höhe,  16  cm  Breite  und  9  cm  Dicke,  welche  aufrecht  standen,  auf- 
gemauerte Wanne,  welche  innen  mit  ca.  3 — 4  cm  starken  Mörtelverputz 
versehen  war.  Die  Wanne  wird  ca.  1,50  m  bis  1,70  m  lang  und  ca.  85  cm 
breit  sein.  Unter  der  Wanne  und  dahinter  zeigt  sich  Mauerwerk  theils 
aus  Bruchsteinen,  theils  aus  Ziegel;  in  der  Nähe  derselben,  am  Berge,  be- 
findet sich  eine  Quelle.  W.  Fusbahn. 

5.  Düsseldorf.  In  dem  1.  Hefte  der  alten  Heer-  und  Handels- 
wege etc.  habe  ich  über  die  südliche  Fortsetzung  der  Trier-Metzer- 
Strasse  auf  Nancy  zu  einige  Yermuthungeu  gegeben,  denen  ich  keinen 
andern  Werth  beilege,  als  dass  sie  zu  ferneren  Nachforschungen  bei 
den  dortigen  Alterthumskundigen  anregen  sollen ;  namentlich  dürfte  von 
Herrn  F.  Möller  in  Metz,  dem  wir  bereits  interessante  Nachrichten 
über  dortige  Alterthumsfunde  verdanken,  weitere  Auskunft  zu  erwar- 
ten sein.  J.  Schneider. 

6.  Eisenschmelzöfen,  lieber  die  im  letzten  August  zu  Eisenberg, 
dem  Rufiana  des  Ptolemeus,  aufgedeckten  römischen  Eisenschmelzöfen  sei 
hier  folgendes  mitgetheilt.  Es  war  am  19.  Augast  gelegentlich  einer  Boden- 
untersuchung auf  Klebsand,  als  Bahnmeister  Kessler  an  einer  Stelle,  welohe 
etwa  200  m  nordöstlich  von  der  „Hochstadt",  an  Stelle  des  Römerkastells, 
und  13  m  nördlich  vom  Bahnkörper  unterhalb  des  Brückenübergangs  über 
die  Tiefenthaler  Strasse  liegt,  auf  den  Kopf  eines  der  Schmelzöfen  stiess. 
In  einer  Tiefe  von  1,20  m  in  einer  Schicht,  welche  von  einer  durchgehen- 
den Schlackhalde  gebildet  wird,  befand  sich  der  beste  Theil  des  nach  Osten 
gelegenen  Ofens.  Bahnmeister  Kessler  Hess  mit  gefälliger  Unterstützung 
des  Bezirksingenieurs  Kärner  die  ganze  etwa  2V2qni  haltende  betreffende 
Fläche  sorgfältig  aufräumen.  In  einer  Tiefe  von  2,35  m,  deren  Schichtung 
durchweg  von  Eisenschlacken  gebildet  wii-d,  stiess  man  auf  die  Horziontal- 
sohle,  auf  welcher  sich  die  beiden  Oefen  von  West  nach  Ost  erheben.  Der 
östlich  gelegene  hat  die  Form  eines  Zuckerhutes  und  bei  einer  Höhe  von 
1,15  m  einen  Bodendurchmesser  im  Lichten  von  30  cm.  Der  20  cm  dicke 
Mantel  besteht  aus  rothgebranntem  Thon,  der,  um  dem  Ganzen  Feuerbe- 
ständigkeit zu  geben,  mit  dem  unter  der  die  Soole  bildenden  80  cm  dicken 
Lehmschicht  gelagerten  Klebsand  stark  gemengt  erscheint.  Die  obere  Kappe 
des  Ofens  hat  eine  Oeffnung,  offenbar  dazu  bestimmt,  dem  Rauch  und  den 
Gasen  Raum  zu  lassen.  Im  Innern  des  Kegels  lagern  Holzkohlen  und 
Steine,  aber  nur  wenig  Schlacken.  Der  Ofen  war  offenbar  erst  neu  con- 
stmirt  zur  Eisenbereitung,  als  hemmende  Ereignisse  eintraten.  Der  zweite 
Ofen  liegt,  durch  einen  Raum  von  21  cm  getrennt,  nach  Westen  zu.  Er 
hat  die  Form   einer  dickern  Eihälfte    und  ist   nach  Südwesten   zu   leider 


158  ^  Miscellen. 

zerstört,  sodass  ein  Fünftel  des  Ganzen  fehlt.  Er  hat  nur  eine  Höhe  von 
80  cm  bei  einem  Bodendurchmesser  von  50  cm  im  Lichten ;  die  Wanddicke 
Yariirt  von  10  bis  15  cm.  Der  Mantel  ist  auf  gleiche  Weise  wie  bei  Nr.  1 
co'nstruirt.  Der  gröaste  Theil  des  Innern  sowie  die  Soole  ist  mit  ziemlich 
gut  ausgebrannten  Eisenschlacken  sowie  Holzkohlenresten  ausgefüllt,  welche 
am  Mantel  festhaften,  und  deren  Ansatz  einen  weitern  Gebrauch  des  Ofens  nn- 
möglich  machte.  Bei  einer  von  dem  Verfasser  am  22.  August  vorgeDom- 
menen  Untersuchung  konnte  man  constatiren,  dass  die  aus  gebranntem 
Thon  hergestellte  Ausgussröhre  für  das  geschmolzene  Erz  in  der  Richtung 
nach  Südwesten  lag.  Sehr  instructiv  war,  dass  mehrere  Eisenbrocken  auf 
ihrer  Fläche  den  Abdruck  der  Hohlzkohlen  aufwiesen,  auf  welchen  sie 
innerhalb  des  Ofens  gelagert  waren.  In  unmittelbarer  Nähe  ausserhalb  der 
Oefen  fanden  sich  ausser  grossen  und  relativ  schweren  Schlackenbrocken 
massenhafte  Stücke  des  gebrauchten  Rohmaterials  vor.  Dasselbe  färbt  stark 
ab  und  besteht  nach  der  Untersuchung  von  Hüttenwerkdirector  Dr.  Beck 
zu  Biebrich'aus  Rotheisenstein.  Bergwerkdirector  Härche  zu  Kreuznach  glaubt 
Quecksilbererz  damit  verbunden  und  findet  die  Ursprungsstätte  des  Materials 
in  der  Gegend  des  Königsberges  in  der  Nordwestpfalz.  Ein  dritter  Schmelz- 
ofen wurde  mehrere  Tage  darauf  südwestlich  von  Nr.  II  in  gleicher  Tiefe 
innerhalb  der  Schlackenhalde  vorgefunden.  Er  hat  dieselben  Dimensionen 
wie  Nr.  II  und  zeigt  gleichfalls  deutliche  Spuren  der  Benutzung.  Von  höchstem 
Werth  für  die  Zeitbestimmung  dieser  Eisenschmelzöfen  war  die  Thatsache, 
dass  sich  in  den  Bodcnsch lacken  sowie  in  dem  anlagernden  Rohmaterial  in 
gleicher  Höhe  mit  der  Sohle  der  Oefen  mehrere  Ziegel-  und  Gefässstücke 
vorfanden,  welche  offenbar  römischen  Ursprungs  sind.  Die  Pcriodo  der 
Benutzung  dieser  sogenannten  Rennüfen  ist  damit  für  Eisenherg  endgiltig 
festgestellt.  Nach  der  Mittheilung  dös  derzeitigen  Ortsbürgermeisters  Holz- 
bacher  fand  sich  vor  30  Jahren  heim  Roden  auf  demselben  Acker  ein  in 
gleicher  Weise  hergestellter  Sclimelzofen  inmitten  der  Schlackenliaklo,  so 
dass  hier  auf  beschränktem  Terrain  4  Scbmelz(">fen  konstatirt  sind.  Bemerkt 
sei  hier  noch,  dass  sich  die  Schlacken  bis  in  eine  Tiefe  von  4  m  von  dieser 
Fundstelle  nach  Osten  von  hier  nach  Norden  der  Eis  zu  ziehen.  Die  Felder 
bis  zur  „Hochstadt"  sind  mit  denselben  Kisenschlacken  dicht  besät,  und  es 
ist  kein  Zweifel,  dass  der  römische  f]isenbetrieb  ein  ebenso  intensiver  wie 
langandauernder  war.  Der  Befund  von  soh'hen  vollständigen  Schmelzöfen 
ist  unsers  Wissens  bisher  der  einzige  im  Rheinland;  im  Jura  sowie  an  der 
Saalburg  bei  Homburg  fanden  sich  nur  Reste  davon  vor.  Was  die  Ge- 
brauchsweise dieser  Rennöfen  betrifft,  so  nähert  sich  dieselbe  der  in  unsern 
Hochöfen  gebräuchlichen.  Auf  die  Sohle  des  Ofens  kam  eine  Schicht  Holz- 
kohlen zu  liegen,  darüber  schüttete  man  eine  Schicht  verkleinerten  Eisen- 
erzes, gelegentlich  mit  Zusatz  einzelner  Kalk.steine  als  Flussmittel,  darüber 
wieder  eine  Schicht  Kohlen  und  Erz  u.  s.  w.  bis  zur  Höhe  des  Ofeus.   Der 


Miicellen.  169 

Blasebalg  wurde  nuten  seitlicli  eingesetzt,  nnd  wenn  die  ganze  Masae  darcb- 
glUht  war,  flosB  das  glühende  Erz  zn  einer  Seitenöffnnng  heraus.  Solcher 
Oefen  waren  mit  Sicherheit  zu  gleicher  Zeit  eine  ganze  Reihe  .  in  Action, 
so  doss  die  Productionskraft  an  Schmiedeeisen  eine  ganz  bedeutende  war. 
Das  gewonnene  Material  wurde  sodann  gekühlt  and  sofort  in  Barrenform 
TOn  etwa  5  kg  Gewicht  gebracht,  welche  en  miiase  mittels  Maulthieren 
weiter  transportirt  worden.  Das  so  gewonnene  Eisen  besteht  in  einem  vor- 
trefdichen,  dem  Stahl  nahestobenden  Schmiedeeisen.  Noch  jetzt  wird,  wie  uns 
FrofesBor  Fraas  mitthcilte,  das  Verfahren  zur  Gewinnung  von  gotem  Schmiede- 
uaen  in  Gegenden  angewandt,  welche  Ueberflnss  an  Holzkohlen  besitzen.  Dies 
geschieht  noch  in  Indien,  Borneo,  im  Innern  von  Afiiks,  aaf  Madagaskar,  in 
Katalonien,  Korsika  mit  den  sogenannten  Osmundöfen  in  Norwegen  nnd 
Schweden  (vgl.  Percy:  „Metallurgie"  II.  Bd.  1.  Abth.  S.  489—667).  Eine 
Beibe  von  Eisenbarren  gleicher  Gestalt  und  gleichen  Gewichts,  deren  Fundort 
rings  um  Eisenherg  gelagert  ist,  belehrt  ans,  dass  der  Vertrieb  dieser 
Schmiede  eisen  bnrren  zur  Römerzeit  von  hier  aus  ein  sehr  starker  war.  Die 
bisher  bekannten  Fundplätze  solcher  Barren  sind  folgende :  Monzernheim 
in  Rheinhessen  (26  StUck),  Mainz,  Studernheim,  Wachenhurg  bei  Dürkheim, 
Forst  bei  Düi'kheim,  Ramstein  bei  Landstahl,  Ebernburg.  Moffontlich  bringt 
ans  ein  weiterer  glücklicher  Zufall  in  die  Lage,  zu  Eiscnbcrg-Hufiana  selbst 
das  Vorkommen  dieser  ohne  Zweifel  rümiscb -gallischen  Eisenbarren  nach- 
w«sen  zn  können.  Die  Industrie  an  sich  ist  durch  die  Siihlackenhaldcn, 
die  Schmelzöfen  nnd  die  peripherisch  gelegenen  Eisenborren  derselben  Form 
and  Struktur  auf  das  evidenteste  nachgewiesen.  —  Einer  der  Oefen  (Nr.  11) 
wurde  in  das  Provinzialmusenm  zu  Speier  von  dem  Unterzeiohneteo  über- 
bracht,  wo  er  mit  dem  Rohmaterial  und  den  Schlacken  eine  passende  Stelle 
im  Lapidarium  erhielt.  Dr.  C.  Mehlis. 

6.  Griet  im  Kreise  Eleve.  Zur  Zeit,  als  der  Rhein  sich  noch nn- 
terbalb  Xanten  in  mehrere  Arme  theilte,  bildeten  Griet,  Grieterort  undGrie- 
terboBch  mit  Wiesel  ein  zu  saram  anhangen  des  Ganze,  die  Insel  Wisse!  genannt. 
Dieselbe  wurde  im  Norden  und  Nordosten  dnrcli  den  von  Professor  Dedo- 
rich  in  seinem  Verlauf  beschriebenen  Mittelrheinarm  begrenzt,  welcher 
von  Rees  her  um  Grieterbuscb  herumfloBa  und  durch  das  sog.  Vulxgat 
zwisohcn  Beylerward  auf  der  Unken  und  Emmericher  Ward  auf  der 
rechten  Seite  hindurch  auf  Hnisberden,  Schmithausen,  Griethaasen  und 
Schenk enschanz  zuströmte  i).  Beylerward  (Beylar  -^  Bienenaof enthalt) 
liegt  nördlich  von  Wjssel  nnd  wird  von  demselben  durch  eine  Wasserstrasse 
geschieden,  deren  Tbeile  von  Osten  nach  Westen  die  Namen  BüUak,  Bird, 
Poll,  de  Griet  und  Endesomp  haben.  Gegen  Westen  nnd  Süden  bil- 
dete die  Grenze    die    nunmehr  Kaiflak    benannte  Wasserverbindong  zwi* 


1)  Dederioh,  Geseh.  d.  Rom.  u.  Deutsch,  am  Niederrhein,  S.  4. 


160  Miscellen. 

sehen  Emmerich  und  Elalkar,  welche,  wie  neuerdings  Dr.  Schölten 
mit  guten  Gründen  nachgewiesen,  trotz  der  Warnung  Dederichs  als 
ein  altes  Rheinbett  öder  Zwischenarm  betrachtet  werden  muss  ^).  Im 
Osten  und  Südosten  lässt  sich  die  Grenzscheide  nicht  mit  gleicher  Ge- 
nauigkeit bestimmen.  Wir  finden  hier  ausser  der  bereits  im  Jahre  1312 
in  Folge  einer  furchtbaren  Ueberschwemmung  verschlungenen  ,,  Insel  Hoen 
im  Bette  des  Rheines  zwischen  Rees  und  Wissel''  ^  das  durch  einen 
längs  der  Deiche  Ealenbergsdyk  und  Dünendyk  laufenden  und  beim  Hofe 
Fingerhut  in  den  Ealflak  mündenden  Wasserstrang  —  Eranegat,  Bahn  und 
Ley  genannt  —  von  unserer  Insel  gesonderte  Eiland  Wyschelrevert, 
Wisselward,   wozu   ehemals  noch  Reeserward  gehörte,  nebst  Ealdenhoven. 

Von  der  noch  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1260  erwähnten  „Insel 
Wissel^s)  wurde  zunächst,  wahrscheinlich  gegen  das  Ende  dasXY.  Jahr- 
hunderts, als  der  Rhein  die  Gemeinde  Griet  durchbrach,  Grieterbusch  ab- 
getrennt und  erst  im  Anfange  dieses  Jahrhunderts  durch  Aosgrabong 
eines  schiflfbaren   Eanals  ebenfalls  Grieterort. 

Was  bedeutet  wohl  der  Name  Griet?  Dass  Ableitungen  desselben, 
wie  die  von  Teschenmacher  und  Hopp  angegebenen,  denen  zufolge 
der  Ort  nach  einem  römischen  Feldherrn  Grino  oder  von  angeschwemm- 
tem Grind  (Eies)  benannt  sein  soll,  abzuweisen  sind,  bedarf  nicht  erst 
weiterer  Erörterung.  „Es  ist  sehr  wahrscheinlich",  heisst  es  mit  vollem 
Recht  in  den  Annalen  des  bist.  Vereins  für  den  Niederrhein ^),  „dass 
das  Wort  dem  Wasser  seine  Entstehung  verdankt,  da  man  es  nur  am 
Wasser  (Flusse?)  antrifft  oder  wo  vormals  ein  Stromlauf  gewesen,  der 
hernach  verlaufen  ist,  wie  Griethausen  bei  Kleve  und  Grieth  in  der 
Lymers  hinter  Zevenaar".  Sollte  es  nicht  vielleicht,  ähnlich  wie  das 
benachbarte  Rees  von  rys,  das  in  der  alten  niederrheinischen  Sprache 
Schilf,  Reis-  oder  Wardholz  bezeichnet,  von  der  Nebenform  ryet,  rieth 
mit  vorgeschlagenem  G  seinen  Namen  herleiten?  5).  Noch  heutzutage 
findet  ein  grosser  Theil  der  Einwohner  durch  Korbflechten  und  Anlage 
von  Kribbwerken,  wozu  das  mit  Schilfrohr  unterwachseue  Weidenholz 
vorzüglich  geeignet  ist,  seinen  Unterhalt.  Weil  die  Nachrichten  über 
Griet  im  Mittelalter  äusserst  spärlich  fliessen,  so  muss  jeder  Beitrag 
zur  Gescliichte  desselben  willkommen  sein.  Wir  theilen  deshalb  im 
folgenden  die  Privilegien  mit,  welche  Graf  Dietrich  VI.  von  Kleve 
dem    Städtchen  im  Jahre  1  244  verliehen  und  Herzog   Johann   IIL  15  22 

1)  Schölten,  Stadt  Kleve,  S.  308. 

2)  Lacomblet,  Urkunden  I.  S.  358,  359.  II.  n.  45. 

3)  Lac,  Urk.  li.  272. 

4)  Annalen,  Heft  VII.  S.  140. 

5)  Wenn  Gral  von  sang  real  abzuleiten  ist,  soll  dann  nicht  Gryet  aus 
„inger  ryet"  entstanden  sein  können  ? 


Miscellen.  161 

bestätigt  hat,  aassordem  verschiedene  Ordinationen,  deren  Yergleichung 
mit  den  von  Dr.  Bergrath  publicirten  Bestimmungen  der  Stadtrechte 
von  Eleve  and  Kaikar  ^)  in  mehrfacher  Hinsicht  interessant  genannt 
werden  darf. 

Dit  syn  die  privilegienn  der  Stat  van   Gryet. 

In  naeme  der  heiliger  dryvoldicheyt  Wy  Derick  Greve  vann  Cleve 
Innd  Derick  myn  aldste  soen  maeken  kondt  ind  kenlicken  allen  men- 
schen die  desenn  teghenwordigen  brye£f  sulleu  syenn  off  hoercnn  lesen 
dat  wi  um  rechter  gonstenn  die  onse  lyeve  Stat  van  Gryet  Ind  unse 
Burgher  der  voirs.  unser  lyever  Stat  ons  bewyst  Innd  gedaeun  hebben 
Innd  noch  naemaels  doeu  moegen  Derselver  onser  lyever  Stat  ind  all 
unsen  Burgherenn  die  dair  nu  in  woenaftich  syn  Innd  daer  ummerraeer 
in  wonenn  sullen  mit  guedenn  voirbedachteu  beraede  uns  selffs  unser 
maegen  frunden  Ind  unsenn  gemeynen  raedenn  gegeven  hebben  verleent 
Ind  vernyet,  geven  verlenen  Ind  vernyenn  als  hier  nae  van  woerde  toe 
woerde  volght  Ind  geschreven  steet. 

Item  luden  yerstenn  soe  wanneer  dair  yemant  stoerfft  Soe  sali  dat 
naeste  lytt  inder  maeghschappen  des  doedeun  erve  Ind  guet  beeren  sonder 
yemantz  weddersegghen,  Weer  ever  die  doede  van  buyten  incomen  Ind 
gheenn  erffgenoeten  en  hedt,  Soe  sali  unse  Amptman  die  daer  onse  Ampt- 
man  is,  des  doedenn  erve  Innd  guet  eenn  Jair  Ind  Sess  wekenn  halden 
Innd  waren  In  behuyff  des  goenen  die  des  binnen  deser  tyt  eyscht  Innd 
mitten  rechten  pruefft  Dat  hy  dat  erff  boerenn  sali  Innd  cn  quemo 
binnen  deser  tyt  alsoe  voirs.  nyemant  Soe  sali  ons  dat  erff  ind  ghuet 
toe  gehoerenn. 

Vort  soe  wye  syn  gheweldige  haut  sleet  aenden  anderenn  op  ffry- 
daoh  op  Saterdach  opdenn  Sonnendach  off  op  innigen  anderenn  heyligen 
vierdaegenn  die  verheert  Soeven  Indtwintich  Schillinck  munten  in  unser 
Stat  toe  gaennplegen  vanaldtz  die  hy  ons  tot  onser  genaedenn  bet^clen  sali. 
Mer  soe  wye  dat  dede  op  eenen  Siechten  dach  dye  verboerdenn  Dry 
Schillingh  derselver  munten  voirs. 

Item  Soe  wye  den  anderen  mit  eenen  s werde  gelavie  Mess,  offin- 
strumento  qweetst  off  wondt  Daer  mit  mi  eenen  anderen  doeden  mach 
Dye  verheert  tot  unser  genaede  henden  (banden)  hondert  Schillingh 
derselver  munten  vors. 

Item  Soe  wye  denn  anderen  lemden  mit  hant  ffuet  off  litt  afftohouwen 
offte  affteslaen  Dye  verheert  die  selve  pene  te  ontfanghenn,  Mer  soe 
wye  denn  onde  den  (anderen)  doet  Dye  hefft  syn  lyff  verheert  Innd 
syn  guet  halff  tot  unser  genaede. 

1)  Annalen  d.  bist.  Ver.  H.  VII,  17-28.  IX.  260-69. 

11 


189 


UiKsIleD. 


van   un  aldnir  dat  nnse 

'  Baeke  dat  si  eich  aaden 


i  anderen  Innden 


Wy  willenn  oick  ind  hebben  onsen  lyeveim  Bargberen  »oire.  toe  ge- 
gevcn  Dat  oir  lyeff  Ind  oer  gnet  tlioe  water  ind  toe  lande  tollvry 
weaenn  sali  lund  an  uyemant  yet  toe  eynacheo  bebbea  en  Ball  nenn  all 
nnse  tollenn  toe  lande  Inud  toe  water  dean  Rynstroem  uyt  Ind  iu  farende 
tot  Oraoy  tot  Smithuysen  tot  fluyssen  Innd  tot  Nyemegbea  Alsoe  dat 
wy  daer  vry   lad   loas  aüweeenn  Hallen   ala  voirB.  is. 

Vort  soe  en  aullenn  wy  noch  nyomant  anders  in  nnsen  lande  van 
Clove  unsen  voirs.  bürgeren  lyff  noch  ghuet  ergbent  becoramereo  off 
beeeattenu.  Mer  weer  yemant  un  wat  tiendo  Dye  sali  nnaen  Bargerenn 
velgen  tot  Gryet  aen  dye  bauck  Innd  nei 
Scbepenn  wysenn  dat  stede  recht  ia  Teun  ^ 
in   Sohepenn  brievean  verbondenn  beddenu. 

WEert  oiok  dat  anse  lyeve  Burgbere 
beaatt  off  becommert  werden  Daer  sallen  wy  ay  toe  beacbudden  Innd 
toe  beschermen  all  uuse  vordemias  Ind  gonato  doenn  mit  vlytt  Innd  mit 
trouweD. 

Vort  floe  enn  aallen  ona  lyoff  Bargheren  Toirs,  nyemant  ontvanghen 
tot  oerenii  mitbnrgher  By  enn  hebben  uq  yerat  gbepruefft  Innd  besocht 
te  Toeren  Acht  daeghe  lanck  Dan  ay  en  BuUen  gheen  eygenn  mannen 
tot  oereo  burgfaeren  ontfangen  dye  ons  offte  onaenn  dyenatmannen 
eygbenn  syn  off  vagetlnyde  et  enn  sy  mit  onaer  offte  onser  manne  denn 
ay  gehoerich   syn   wille  Ind   orloff. 

Vort  meer  aoe  verlaetenn  wy  Ind  verdraegen  onsen  lyevenn  Burg- 
heron  voirs  alle  schattinge  ind  bede  off  woe  ey  genuempt  ayn  dair  um 
ay  ona  acbuldich  sullenn  wesen  onae  lant  helpenn  te  beacbudden  ind  toa 
beachermen  binnen  unaeo  lande  Sess  wckenn  op  oerenn  coat  Thenn 
weer  aaeck  dat  onee  rechte  aoen  Rydder  wordenn  weer  offte  dat  wy 
onse  rechte  docliter  tot  wytlicken  hylicke  berichtenn  Als  dann  aullen  ay 
ona  ghevenn  Ind  schinckenn  eenn  bede  dye  ghenedelick  Ind  moegilick 
is,  die  sy  ons  mit  eerenn  achincken  moeghenn  Dair  um  wy  nn  verleent 
Ind  gegevenn  hebbenn  water  Ind  weyde  Ind  gberaeyote  sy  tot  ber  gbe- 
hadt  Innd  ghebrayckt  bebbenn  Innd  von  alds  gewoentlick  tother  toe  is 
Innd  geweat  hefft, 

Vort  raeer  Soe  wy  in  onser  voirB.  Stat  dat  Stede  recht  ghewon- 
nen  hefft  Innd  porteren  gewordenn  weren  Dye  hebbe  wannoer  ay  eeno 
Jair  Innd  Sesa  weken  dair  gewoent  hebbenn  oerenn  vryen  wille  mit 
oerenn  gnede  dair  toe  blyveun  Woemen  in  stede  recht  toe  bmyckean 
placli,   off  dair   mit  oerenn   guede   weder  dair  nyt  toe  varenn. 

Vort  meer  off  ynnighe  hoffatede  geslaegen  off  uytgegevenn  wor- 
denn in  unser  vrybeyt  vann  Oryet  Dair  äff  sullenn  sy  ona  Jairlis  Innd 
all  Jair  Tinabenn  Dye  hondert  Innd  veyrticb  fuetlanck  ia  Innd  vyerticfa 
fnet  breet  ia,    twee    honre   Innd    Sess    Coelsche    penningen  alsoe  alsmen 


Misoellen.  163 

ons  gee£Pt  yan  aldenn  haeffsteden  aldair  op  Sunte  Stephaens  dach  toe 
mydtwinter. 

Vortmeer  hebben  wy  all  nnsen  lyevenn  Bnrgherenn  voirs.  toe  ge- 
gevenn  Ind  verleent  dat  sy  alle  Jair  op  Jaersdach  dat  ons  heren  be- 
snydinge  geheytenn  ie  sonder  Argelist  kysenn  suUenn  Eenen  Bnrgher- 
meyster  Raede  Schepenn  Innd  Baede  Innd  ander  Amptluyde  der  onsc 
voirs.  Stat  tdoenn  heflft  Innd  oer  nut  syn  Innd  wy  sullenn  uu  eenen 
Richter  setten  Innd   stedighenn   Ind   (den)   sullen   wy  stode  haldenn. 

Alle  dese  voirschrevenn  dinghen  Innd  punten  syn  geschyet  in  Aut- 
wordt  Inn  teghenwordicheyt  voell  Edelre  Inn  Eyrsamer  mannenn  Hen- 
rick  Innd  Rutgher  van  Eveck,  Johann  Innd  Wilhem .  van  Huesdenn  ge- 
broedere,  Bertholt  Innd  Gherit  vann  Oy  gebroedere,  Henrick  van  Ghennep 
Innd  Gherit  van  Batenborch  gheedelinghe,  Stephaenn  van  Sulen,  Theo- 
dericus  van  Wissel,  Wessell  van  Galyn,  Ysbrant  vann  Ryneren,  Evert 
vander  Horst,  Derick  vandenn  venne,  Arndt  van  Nyell,  ifransh  van 
Benheym,  Derick  van  Bryenn,  Derick  van  flfonderenn,  Derick  de  Monu- 
mento,  Gherit  Ducere,  Henrick  van  Huessen  Innd  meer  andere  Innd  op 
dat  allet  dit  voirs.  alsoe  gehaldenn  sali  werdenn  stede  vast  innd  un- 
verbroekelick  gelyck  voirs.  Soe  hebben  wy  beyde  Greve  voirs.  onse 
Segele  aenn  desen  bryeff  doenn  hanghenn  mit  onser  rechter  weteuheit 
voir  ons  Innd  onsen  ervenn  Ind  naecoemelingen  Ghegevenn  tot  Calcker 
Indenn  Jair  ons  herenn  Dnysent  Twee  hondert  Innd  vyerlnndveyrtich 
Calendy  Marty.^ 

Een  beveystongh  unser  pryvilegienn  verleent  vann  unsenn 
aldenn    ffursten    annd    herenn,     hern    Johann    Hertoch    tot 

Cleve  etc. 

Wy  Johann  vann  Goetz  ghenaedeun  Hertoch  tot  Cleve  tot  Guylich 
Innd  tottenn  Berghe  Greve  totter  Marcke  Innd  tot  Ravensbergli  etc. 
Maekenn  kondt  Innd  kentlick  allenn  luydenn  Dat  wy  mit  Raede  uns 
selflfs,  Innd  unser  f runde  van  Raede  gegheven  vernyhet  Innd  verleent 
hebbenn  ghevenn  vernyehenn  Innd  verlenenn  unser  lyever  StÄt  vann 
Gryet  Innd  allenn  unsenn  lyevenn  Burgeren  toe  Gryet  dye  nu  syn  off 
naemaels  daer  tot  Burgheren  untfanghenn  werdenn  alle  alsulckerhande 
Rechtenn  Innd  vryheydenn  als  dye  pryvilegienn  Innd  bryeve  Inlialdenn 
dye  unn  van  unsenn  voiralderenn  Greve  voir  Innd  nae  Hertogen  vann 
Cleve  etc.  verleent  Innd  geghevenn  Innd  Durch  wilner  dem  hoychghe- 
baeren  ffursten  unsen  ffruntlicken  lyevenn  herenn  Innd  vader  Herenn 
Johann  Hertoghenn  van  Cleve  Innd  Greven  vander  Marke,  unlanx  ver- 
storvenn  denn  got  alle  benaede,  bestedicht  Innd  gheconfirmyert  syn  Dye 


1)  In  der  Dithmar'schen  Ausgabe  der  Annalen  von  Teschenmacher  ist  das 
GrieterStadtprivilegium  mit  dem  Datum  1254  abgedruckt,  cfr.  Cod.  dipl.  n.  XXXIII. 


UQU    gelaefft  Innd  ghcsekert  hebbetin  in 
.  nnverbroekeltck    toe    lialdenn    Sonder 

I  Aen  desen  bryeff  ghebangheti  Gogbevenn  luden  jaeren  nuns  bern 
DuyBent  VylTbondert  Twee  lod  twintich  op  Goensdach  Sunt  Ber&ardtx- 
dacb  des   hejUghean  Abtz. 

Dese   Copye    concordyert  »aa  Woerde 
tot  woerde   gelyck  den  principaell. 
Van   Eeden  der  Stat    Gryet. 
Dye   denn  koer  doenn   aullen. 
Dat   gy  kyaen  sult  Borger mey stör  ind   baedt,    Dne  gelegenheyt  der 
Stede  rechten   end-    bryoven    Der  atat  Tan    Gryet.     Ind    des    oyet  lueten 
Salt,    um   lye?  noch    um    lect,     nocli    um   Swagerechap,     noch  um   guust 
noch  nm   gaeff,    noch  um   yemantz  auxt,   Alsoe    vern  als  gi  dnt  mit  nweti 
vyff  sinnen  bei  best   kundt,   Sonder  argelist  Bat  w  got  alaoe  help  lund 
all  syn  heylligeo. 

Dat  gy  Tortmeer,  bent  Jairs  dauh  toe,  off  got  geeft  dat  gi  lefTt, 
Baedt  wesenu  ault  der  Stat  Gryet,  Ind  rechte  baetacbappe  doen  anlt, 
Ind  recht  gycht  woerde,  tusecbeoD  tweyer  luyde  tale  draegen  sult.  Der 
Stat  Innd  der  Sebepeu  beymelickheyt  helen  sult,  alsoe  lauge  als  gy 
lefft,  lud  ab  w  die  ricbter  off  Borgermeyater  off  Scbepen  baedt  sen- 
I  sult,  nnd  oer  baetscap  doan  sult.  Sonder  argelirt, 
Dat  w  got  alsoe  lielp  unnd   etc. 

Des   Burgermeysters  Eedt. 
Dat   gy  Vortmeer  Hent  Jairsdach   toe,    off  got  geyfft  dat  gy  lefft, 
Burgermeyster  wesen  sult,   oer  Stat   van   Gryet,   Ind  der  Stat  Segeil  Innd 
all  oer  bryeve  Innd   bueke,  hueden  Ind  waren  sult.     Ind  der  guet  Innd 
reuten,  Innd  oer  yervall,   apen. 

(Nun  folgen  zwei  leere  Blätter.) 

Der  koermeysteren  Eedt. 
/Hier  beündet  sieh  im  Teite\    D^t  gy  vortmeer  Hent  Jairs 
V  eia  Handzeichen.  }    ^^^^    ^^^    ^g  ^^^  ^^^    ^^^  ^^  ^^g^^ 

koermeysteren   wesen  sult,  der  Stat 
van  Gryet,  Ind  hyer  en  binnen,  tot 
alre  tyt,  alst  noet  is,    van  maeten 
qoaet  gewicht,  Byer  Innd  broet 
bneden  Innd  waren,  Innd  koere  sult, 
Ind  al   dat  □  dye  Burgermeyster  mit  syuen  gesellen  so  bevelende  wnrdt, 
te  koeren,    Ind   wes    van  den   koeren  cumpt.    Den   Burgermeyster  bant- 
reyken  sult  Ind    der  stat  best  doen  sult,   als  gi   mit    nwen  vyff  sinnen 
beeet  verwaren  kandt  Dat  w  got  alsoe  help  Ind  al  etc. 


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Misoellen.  165 

Der  Bnrgher  Eedt. 

Dat  gy  trouw  unnd  holt  wesen  aalt,  unssen  lantherenn  Hert- 
tocli  Wilhem  van  Cleve,  synen  rechten  naecoemelingen  herenn  tot 
Cleve  der  Stat  van  Gryet  Ind  allenn  Bargheren  dye  nu  eyn,  oflf 
naemaols  werden  sallen  Unnd  sult  den  bystaen  Dye  stede  rech- 
ten te  halden  und  oer  best  doenn,  UQnd  oer  erchste  waren,  na  aller 
awer    macht    Dat    u    got   alsoe    help,    Unnd   all   syn  heyligenn. 

Item  woemen  Appellyeren    nae    Calckerschen    rechtenn  Innd 
dat  te  geschien  als  hier  naobeschrevenn. 

Item  soe  wye  will  Appellyeren  soe  recht  Die  moet  comen  binnen 
tyen  climmende  Sonnen  mit  enen  Notario  Innd  tween  getuygen  voir  den 
gericht,  Innd  gesinnen  die  Appellatio  mit  Instrumentum  insinuationis 
Unnd  dair  bi  Apostolos  reverentiales  Soe  sullen  un  die  Schepenn  sulx 
gunnen  ind  geven  Innd  nemen  des  oick  ecnen  Notarium  Innd  ij  tuygen 
ind  protestyerenn  dair  bi  offte  voir,  dat  si  un  snlx  gegont  hebbenn,  Ind 
dat  um  salcken  orsaken  wille  Want  off  si  in  maten  voirg.  gesonnen  die 
appellatie  Innd  dann  der  nyet  enn  volchdenn  Dan  dair  nae  lieten  vallen 
Verboerden  si  onsen  Ghenedigen  lyeven  lieren  Innd  den  Schepenn  noch 
soe  voell  off  sy  gespraeken  heddenn  bovenn  Schepen  wysonghe  Dat  is 
syn  genaeden  xiiij  golden  gülden  Innd  den  Scepenn  xiiij  golt  gnlden 
Innd  want  sy  anders  mit  recht  volghenn  willenn,  Soe  moetenn  sy  comen 
binnen  Derttich  daeghen  mit  oer  gravamen  Innd  oer  Instramentnm  Ap- 
pellationis  voir  dat  gericht  Innd  brengen  snlx  inne  Ind  steellen  vort 
burgh  Innd  gelove  binnen  den  ghericht  voir  Dry  Ind  Sestich  goldenn 
guldenn,  off  legghen  die  inden  gericht  aenn  guedenn  goldenn  paymentt 
Inn  dair  mit  hebbenn  die  gocne  die  Appellyerenn  willenn  der  Appel- 
latienn  genoech  ghedayen. 

Item  als  dit  geschiet  is  Sullenn  die  Schepen  oerenn  Secretarium 
Acta  Innd  Actitata  Innd  alle  bedinge  mit  orenn  Ordell  Innd  dair  bi 
Instramentnm  Appellationis  mit  die  gravamina  Ind  alle  bedinge  tsamen 
ayt  doen  schryvenn  Innd  dan  toe  Segelen  Innd  soe  schickenn  aen  oer 
geboerlicke  hoeftfart  Innd  aldair  denn  Schepenn  mit  brengen  vyer  gol- 
den galdenn  Innd  eenn  quart  wyn  den  baed  aldair  Item  als  na  die 
Appellatio  vander  geboerlicker  hoeftfart  wedercumpt  Soe  letmen  sulx 
den  parthien  sulx  wetenn  dat  sy  comen  ten  neysten  gherichtzdach  men 
sali  un  sulx  apenen  Bevindet  sich  dan  dat  dair  qualick  appelliert  is  ge- 
west  Innd  wail  ghe wesen  n  Soe  is  vervallen  denn  here  die  helfft  van 
den  Ixiij  golden  guldenn  Innd  die  ander  helfft  den  Schepenn  toe  deylen 
Weert  oick  ever  qwellick  gewesenn  Innd  waill  appelliert  Soe  kryght 
dye  appellant  syn  gelt  weder  Unnd  hi  is  der  burghtalen  verlaeten  Unnd 
die  Schepenn    blyvenn    des    sonder    schaedenn     Want    si    moeghen  mit 


oeren  Ede  Habt  alTdrae^henn,  dnt  at  oae  oen-e  bester  witacliap  luud  nyvi 
anders  geweaeun  liebbua  Men  en  kundt  nii  daa  geriuhtlicltenQ  overtry- 
sunu  mit  recht  dat  sy  willens  mit  ganaher  wetenhejt  Valach  Innd  itn- 
recbt  goweMnu   lieddeim. 

Van    Pejodinghe. 

Item  Soe  wye  boghert  toe  poynden  vsaden  Richter  Soe  mach  die 
Bicbter  un  sulx  guuneo  wat  by  mit  recht  kan  Lyet  dnim  die  goeoe  die 
gepaut  wui'dt  die  peyndinge  oyet  Seggende  ick  byede  die  peyndin^ 
nlleen  vuir  binnen  Jaerescbeu  pncht  nier  nyut  voir  achterstedige  Soe 
Biilmen  slytcn  voer  binnen  Jairaschen  pacht  Innd  mnde  vair  die  achter- 
Stedighs  Innd  anderi  soe  mootmon  dat  achteratedich  besäet  vorderem) 
Innd  soB  vortpvocedyeren. 

Item  wye  gepaut  eall  Verden  Innd  dincket  dye  pandc  te  kyerenn 
Die  moet  eogghen  irk  kyer  dye  pandt  bis  si;iit  recht  Unnd  dan  blyvet 
hi  eulx   Sonder  scliaedo   Innd   verswyget   In  bqItc  dair  hroect  bi  aenn. 

Item  pindet  een  op  eeuen  heyligen  doch  Inud  die  ander  op  ceneu 
wercklickeu  dach  Soe  eall  die  nae  op  den  werckduch  gepant  iiefFt  yerst 
slytenn   Innd   die   ander  nae,    um   des  heiligen  dnechs  will. 

Item  twee  off  meer  die  voirechr,  syn  uyter  eenenn  erve,  Wye  ilon 
die  aldete  bryeff  befft  eall  voirgacnn  mit  recht  in  allen  Tindena  binnen 
Jairapacbt,  wye  dair  yerst  pindt  nae  Tcrrooegen  synre  bryeff  Ind  Segell 
Sali   nick  yerst  slyten  nae  unser   banck   recht. 

Ordiuuntie   van   dyckon  Ind  graven  geordeniert   van 
ffrunden   ona   G,   hen. 

Item  off  yemant  erve  Innd  guet  tot  eenen  lyve  gepacht  hefft  dat 
lyff  anll  geldenn  dye  helffte  vanden  dyckenn  lund  gravenn  Innd  die 
lanthuer  die  ander  helfft. 

Item  hedt  yemant  twee  lyve  aen  erve  ine  guet  Soe  aullenn  dye 
lyve   twee  deell  gelden   Innd  dye   lantheer  dat  Derdendeel. 

Item  hedt  yemnnt  dry  lyve  Dye  aall  gelden  dry  deel  Dye  lantbeer 
dat  vyerdendeell   Ind    vort  soe   nae   advenant   van    lyveno    tot  lyve. 

Item  bedt  yemantz  erve  off  gnet  in  pacht  Seaa  jair  off  dair  bo- 
venn   Dat  sali  dye  pechter  het  Sestendeel  dair  affgeldenn. 

Item  offt  yemnnt  Neghen  Jair  hedt  off  dair  boven  Dair  sali  dye 
pccbter  d.it  vyfftendeel   affgelden  lond   dye   lantheer  dut  ander. 

Item  off  yemantz  guet  twelff  iaer  in  pacbt  hedt,  off  dair  bovenn 
Sali  die  penliter  gelden  den  vierdenn  pcnninck  Unnd  die  lantheer  dat  ander. 

Item  off  yemanta  meer  Jaeren  daer  aen  hedde  Soe  aal)  dye  pechter 
gelden   elcker  dry  Jaeren  nae  beloep  als   voirschreveun  ateet. 

Item  off  enige  Bowninn  bouden  tlialff  off  ter  garvenn  Dye  lyve  off 
Jaeren  dair  aon   hedt   Die   Süllen   nae  geloop   geldenn   gelyck   voira. 


Misoellen.  167 

Item  o£P  yemant  lyffgewinne  hedt  Innd  nyet  dyckenn  ofP  grayenn 
en  wolde  als  voirs  steet  Soe  moecht  die  pechter  synen  Lantheer  op- 
geven  dat  ghewinn  Innd  soe  soldt  die  lantheer  Bat  dyckenn  Ind  graven 
Innd  woelde  dye  lantheer  dat  nyet  opnemen  Soe  soldt  die  lantheer  dat 
selyer  dyckenn  Ind  graven  Innd  die  pechter  soldt  dat  ghewinn  dan 
behaldenn. 

Eenn  Bastert  mach  nae  unser  Stat  Gryet  recht  mede 

erve  boerenn. 

Item  naeden  Calckerschen  rechtenn  dye  wy  daegelix  gebruyckenn 
Soe  en  moegen  dye  Basterdenn  van  moeder  weghen  der  moeder  naege- 
laetenn  erve  Innd  gaet  nyet  mede  beeren  Dann  wy  syn  dair  bovenn 
previgelyert  (sie)  dat  sy  erflf  Innd  guet  boerenn  sullen  vander  moeder 
wegenn  gelyck  denn  anderonn  kindernn  Und  off  dair  anders  geen  kin- 
der  enn  werenn  van  eenenn  echte  bedde  gecomen  Innd  dair  Basterdenn 
werenn  vander  moeder  wegen  Der  werenn  twee,  meer  off  minn  Dye 
sullen  der  moeder  naegelaeten  guet  Innd  erve  boerenn  gelyck  off  sy 
gheen  Basterden  en  werenn  Innd  nyet  die  here  vanden  lande,  nae  ver- 
moegen  der  Calckersche  rechtenn,  Innd  die  des  nyet  enn  weet  Die  macht 
vindenn  jn  unser  Stat  van  Gryet  pryvilegien. 

Woemen  een  guet  besettenn  sali. 

Item  die  een  guet  besettenn  will  mit  recht  Die  salt  tenn  Dryenn 
gerichten  nae  een  volgende  voir  die  banck  besettenn  Unnd  versuympt  hi 
der  gerichtenn  eenn  Soe  hefft  hi  si  all  versumpt  Dair  um  moet  hi  vor- 
deren  dat  hi  dat  tot  dryn  xiiij  daeghenn   off  nachten  Drywerff  besette. 

Item  nyemantz  en  is  schuldich  getuych  toe  draegen  op  syns  seffs 
(sie)  guet  het  sy  kondtschap  ter  wairheyt  offte  woet  oick  geschienn 
soldt  Dit  is  toe  Galcker  cortzledenn  drymael  gewesenn  Dat  lest  tusschen 
Braeckman  Innd  Derick  verwer. 

Item  presciptio   (sie)   van   Bryeven  terminyert  xxxv  Jaerenn  Innd 

van  Jairlixe  pacht  ungemaent  xxvj   Is  oick  prescriptio. 

Item   een   besatt  dat  nyet  vervolght  en   wurdt  in  veyrtien  dae- 

gen  is  bi  sich  seff  (sie)   desolaet. 

Dat  recht  vermach   vanden  uytlenssen. 

Dye  gevangen  is,  Innd  in  beslaeten  gefenckenish  gesatt  off  bi  ge- 
bodeu  op  lyff  Innd  guet  vangenisse  thalden  van  synen  vianden  Want 
untliep  hy  synenn  herenn  hi   en  behoerden   niet  beschermt  te   werdenn. 

Item  die  over  zee  is  teghen  denn  ungeloevigen  Innd  were  hi  oick 
getaegen  bi  synen  moetwille. 

Item  die  uytter  denn  lande  verbannen  syn  unnd  die  oir  lyff  ver- 
boert  hebben  um  meercklicke  scheudelicke  ^aekenn. 


ISS  Miseellen. 

Woemen  syn  kint  nnterveo  macb. 
Tlieo  yerstea   off  dut  kiiit  eyaea  vader  oITte   moeder  sluege,    Item 
ton    ttniiure    offhi    alyepe    by    syner    Styffraoeder    Thenn    Derdenn    offKi 
troedt    uyt    der   heiliger    korat'iiihoyt   It«iu    ten    vyerdenn  offliyt  mit  ordflU 
untid  rucht  verUerenu   liedt   Off  tot  den  doede   verordelt  were. 

Terwelp. 

8.  Karlsnibe.  Auf  der  Geras  rkung  von  Ettl  ingeüw*iler  bei 
EttUiigeti  zeigten  siuh  Ende  vorigen  Mon&ts  beim  UmpHiigen  eioeB 
Fclilen  nnf  diir  Gewann  „Bürgenäckor"  in  der  Tiefe  Spuren  von  Mau er- 
werk.  Auf  Anregnng  iW  in  Ettlingen  wohnenden  Mitglieder  des  KarU- 
rulior  Altorth um 8 Vereins,  der  Herren  Oheraratmaiiu  I.umpp,  Oberföreter 
Schrickel  nnd  Sömioardirektor  Ostor,  Hbbii  der  Groesli.  CoDserrator 
der  AltertliQmer  unter  der  Aufsiclit  der  genannten  Herren  GrabUDg«n 
anstellen.  Diese  legten  die  Fundainente  etnee  Hauses  bloss,  deaaen 
rnmiachor  Ursprung  durch  zahlreiche  dabei  gefundene  Fragmente  ron 
römischen  Ziegeln,  Ueizrühren,  Wandbewurf  mit  fnrbiger  Beualnng,  so- 
wie durch  eine  Schale  von  terra  sigillata  und  ein  Stück  eines  broDse- 
nen  ScblUasels  bewiesen  wurde.  Es  wurden  die  Grundmauern  von  vier 
GernUcliern  aufgedeckt,  in  deren  einera  noch  fast  vollständig  der  Boden 
erbalten  war,  gebildet  aus  4 — 5  cm  dicken,  30  cm  im  Geviert  bal- 
tendcn  Ziegeln,  diu  in  einem  Cementgnss  eingebettet  waren.  Ein  an- 
deres der  Gemächer  lag  etwa  50  cm  tiefer  als  die  übrigen;  von  hier 
aus  tiihrtpn  OelTnungc-n  in  die  beiden  aus  doppelten  Wunden  bestehen- 
den Seitenmauern,  in  deren  Innerem  in  der  ganzen  Ausdehnung  ein  hohler 
Kaum  hinlief:  wohl  die  Ueste  einer  Heizanlage.  An  zwei  Stellen  lagen 
noch  die  Thürachwellen;  starke  Quader  mit  vertieften  Rinnen  zur  Auf- 
nahme der  Thilrzapfen.  Die  ganze  Anlage  konnte  nicht  aufgedeckt 
werden,  da  die  Fundamente  in  den  benachbarten,  schon  angebauten  Acker 
sich  hineinzogen.  Immerhin  ist  damit  das  Vorhandensein  einer  rümischen 
Niederlassuna'  an  diesem  Orte  festgestellt,  eine  Thatsache,  die  bisher 
schon  vermuthet  wurde  aus  dem  häufigen  Vorkommen  von  Fragmenten 
römischer  Ziegel   und   Scherben   auf  deu   benachbarten   Feldern. 

9,  Mainz.  Einen  interessanten  Alterthumsfund,  der  die  bedeutende 
Sanmilung  der  römischen  Inschriften  unseres  Museums  auFs  neue  be- 
reichert, habeu  die  slndtischen  Kanalbauten  hinter  dem  Theater  dahier 
ergeben.  Am  25.  Sept.  wurde  er  durch  die  die  Bauten  beaufsich- 
tigenden Herren  vom  städtischen  Dauamte,  denen  der  Altert humsvcrein 
grossen  Dank  schuldet,  in  das  Museum  geschickt.  Es  ist  ein  Sarkophag 
aus  gelbem  Sandstein,  dessen  Inhalt  zwar  nichts  Bemerk enswerthes  bot.  Weit 
bedeutsamer  ist  der  Deckel  dieses  Sarkophags.  Es  ist  eine  Platte  aus 
rotheui   Sandstein   von    2,25  m    Länge,    55  cm   Breite  und    15  cm  Dicke. 


I 


Misoellen.  169 

Aaf  den  ersten  Blick  ist  ersichtlich,  dass  diese  Platte  ursprünglich 
keinenfalls  als  Deckel  eines  Sarkophags  gearbeitet  worden  war.  Viel- 
mehr war  es  das  lange  Vorderstück  eines  Grabsarges,  das  vermuthlich, 
weil  der  Sarkophag  selbst  wegen  irgend  einer  Verstümmelung  zum 
Bergen  eines  Todten  nicht  mehr  brauchbar  war,  zum  Deckel  zugehauen 
wurde.  Darum  ist  ein  ca.  12  cm  breiter  Streifen  von  der  unteren 
Längenkante  weggeschlagen.  Die  auf  dieser  Platte  eingehauene  Inschrift 
des  ursprünglichen  Sarkophages  ist  glücklicherweise  dadurch  nicht  ver- 
letzt worden.  Sie  ist  von  der  gewöhnlichen  einfachen  Randleiste  um- 
rahmt, deren  unterer  Streifen  aus  der  angegebenen  Ursache  fehlt.  Die 
erhaltene  Platte  ist  in  drei  Stücke  zerbrochen  (ein  grösseres  und  zwei 
kleinere),  die  jedoch  genau  zusammenpassen.  Die  vierzeilige  Legende, 
in  schönen  quadratischen  Buchstaben  ohne  Abbreviaturen  und  Ligaturen 
gehauen,  lautet: 

MEMORIAE  .  AETERNITATIS  .  QVINTIAE 

QVINTINAE  .  FESTI  .  VICTOR  .  ET  .  QVINTI 

NVS  .  FILI  .  MATRI  .  DVLCISSIMAE  .  FAC(I) 

VNDVM  .  CVRARVNT 
(Zum  Andenken  für  die  Ewigkeit  Hessen  der  Quintia  Qnintina,  ihrer 
geliebten  Mutter,  die   Söhne  Victor  Festus  und  Quintinus  Festus  (dieses 
Grabmal)  bereiten). 

10.  Neuss.  Ein  Römergrab  bei  Norf  und  ein  in  einem 
solchen  gefundenes  chinesisch  es  Giessgefäss  aus  der  Mitte 
des   ersten   Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung. 

Wir  unterlassen  es  nicht,  die  Aufmerksamkeit  archäologischer 
Kreise  auf  einen  Fund  zu  lenken,  der  in  seiner  Art  höchst  eigenthüm- 
lieh  ist  und   zu  wichtigen  Folgerungen  berechtigt. 

Von  dem  mittleren  Arm  der  Rh  ein- Römerstrasse,  welcher  vor  dem 
Oberthor  zu  Neuss  die  östliche  Rheinstrasse  verlässt,  um  über  Berges- 
häuschen nach  Norf  und  weiter  zu  leiten,  geht  am  Südende  letztge- 
nannter Ortschaft  ein  nach  meinen  Beobachtungen  römischer  Weg  in 
der  Richtung  Illinghausen,  über  die  Höhe  am  Norfbach  auf  Dormagen 
zu.  Auf  dem  Felde  (früher  „om  Dresch"  jetzt  „die  Dreispetz"  ge- 
nannt), das  in  dem  schiefen  Winkel  liegt,  der  durch  die  Strassen  ge- 
bildet wird,  wurden  von  Heinrich  Nilgen  schon  mehrfach  römische 
Gräber  aus  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung 
gefunden.  Im  Düsseldorfer  Localmuseum  befindet  sich  der  Inhalt  eines 
hier  um  das  Jahr  1866  von  Herrn  Schmitz  aus  Norf  biosgelegten 
Grabes,  der  aus  einer  grossen  gelblichen  Urne,  einem  einhenkeligen 
weissen  Thonkruge  mit  langem  Halse,  einer  reichverzierten  dünnwan- 
digen Schale  aus  fester  terra  sigillata  und  einer  barbarischen  Kupfer- 
münze von  Domitian    besteht.      Mit    der    Regierungszeit    dieses  Kaisers 


stimmt  auch  der  bestimmt  aufgeprägte  Charakter  der  Thongefässe  über- 
ein, eodasB  daa  ganze  Grab  ia  die  Mitt«  des  ersten  Jahrhimderta  ua- 
serer  Zi^itrechmiiig  gesetzt  werden  muea.  Bei  einer  Toa  mir  auf  dieBsr 
Begrab niaa stelle  vürgenommenen  Nachgrabung  kam  eine  römiache  ostrina 
,  zum    Vorschein. 

Dieser  Tage  ging  in  den  Gesitz  des  Herrn  0.  Rautert  in  Düsseldorf 
ein  Gegenstand  über,  der  von  genanntem  Nil  gen  im  Jahre  1873  zwischen 
rämiachen  Gefäasen  neben  dem  beschriebenen  Grabe  gefunden  wurde.  Es 
ist  ein  Qel'tlsa  in  Gestalt  eines  phantastisch  gebildeten  sitzenden  Vogels 
mit  nmgerichtetem  Kopfe.  Auf  dem  Rücken  desselben  befindet  sich 
eine  OeSnung,  die  zmn  Eingieasen  von  Flüssigkeiten  bestimmt  und  durch 
ein  kleines  Deckelchen  TerBchlgssen  ist.  Die  Brust  des  Vogels  zeigt 
ein  Röhrchen,  das  zum  Ausgiessen  des  GefSssinbalts  Verwendung  ge- 
funden haben  mag,  während  der  Schweif  des  Vogels  die  Anhaba 
bildet.  Die  Masse  der  Verfertigung  besteht  aus  jener  rothen, 
hellklingenden  Thonmasse,  wie  wir  sie  nüch  heute  an  der  bekannten 
chinesischen  Waare  benutzt  finden  ;  lie  ist  nur  etwas  duukler  in  de^ 
Farbe.  Mit  der  Masse  der  Vorfertigung  stimmt  auch  der  Stil  and 
höchst  eigentbümliche  Charakter  überein  und  zwar  so,  daas  man  das 
Gieasgofäsa  für  ein  modernes  chinesisches  Erzeugniss  halten  würde,  wenn 
nicht  die  Umstände  der  Auffindung  dasselbe  in  die  Mitte  des  ersten 
Jahrhunderts  setzen  würden;  denn  abgesehen  von  diesem  Funde  sind 
auch  anderwSrts  im  Rheinlande  Gefäsae  ciessolbon  Stils  in  römischen 
Gräbern  dieser  Zeit  gefunden  wordeu.  Zunächst  hat  Fiedler  Denk- 
mäler von  Vetera  etc.  Tab.  S  VI.  Fig.  8  ein  Giessgefäas,  wie  das  unarige 
und  unter  Fig.  5  und  6  zwei  Teller  dieses  Stils  abgebildet.  Solche 
Teller  befinden  sich  ebenfalls  im  Museum  zu  Wiesbaden  (man  vergl. 
auch  über  chinesische  Gefässfunde  das  lieft  in  d.  Jahrb.  S.  17).  Da  nun 
in  dem  Xantener  Grabe,  welches,  worauf  Fiedl  er  besonders  aufmerksam 
macht,  von  Houben  selbst  geöffnet  wurde,  eine  Münze  des  Doroitiaa 
aus  seinem  dritten  Consulat  (J.  7  7)  lag,  mit  welcher  Zeit  auch  der 
Charakter  der  Beigef^sae  übereinstimmt,  müssen  um  die  Mitte  des  er- 
sten Jahrhunderts  unserer  Zeitrechnung  in  irgendwie  einer  Weise  Ge- 
fässe  von  jenem  durch  die  Natur  von  allen  Ländern  abgesperrten  merk- 
würdigen Volke  in  das  Rheingebiet  gelaugt  sein,  falls  nicht  der  Nach- 
weis geliefert  werden  kann,  dass  eo  Gefässe  chineBiuchen  Stils  damals 
sonatwo  angefertigt   wurden. 

Zur  Zeit  der  b  ata  viachen  Freiheitskriege  fand  bekanntlich  ein 
Wechsel  der  rheinischen  Legionen  statt.  Es  kann  daher  recht  wohl 
möglieb  sein,  solche  Gefässe  aus  Asien  reknitirten  Mannschaften  zuzu- 
schreiben. Wahrscheinlicher  jedoch  acheint  mir  die  Möglichkeit,  dass 
diese   Gefäaae  auf  dem  Wege  des    Handels  in  derselben  Weise  wie  schon 


Miscellen.  171 

nachweislich  in  einer  Zeit,  in  der  die  Dampfrosse  noch  unbekannt  wa- 
i*en,  nach  hier  gebracht  worden  sind.  Freilich  sollen,  soweit  meine 
Kenntnisse  reichen,  die  ersten  Fremden  erst  unter  Huan-ti  (147 — 168 
nach  Chr.)  des  Handels  wegen  zur  See  nach  China  gedrungen  sein,  wäh- 
rend unter  Ling-ti  (168  — 189)  aus  demselben  Beweggrunde  eine  rö- 
mische Gesandtschaft  China  besuchte.  Wenn  wir  aber  die  W^fifen  der 
Chinesen  um  die  Zeit,  der  unsere  Giessgefässe  angehören,  bis  an  das 
Easpische  Meer  vordringen  sehen,  wenn  wir  ferner  wissen,  dass  dadurch 
China  zuerst  mit  fremden  Kulturgowächsen  versehen  wurde,  dann  sollte 
man  doch,  wie  nach  der  vergleichenden  Gefässkunde  so  auch  an  der  Iland 
der  Geschichte  jenen  Export  chinesischer  Waare  für  höchat  wahrschein- 
lich halten  dürfen. 

Auch  das  Feststehende  der  alten  Kunstformen  braucht  nach  kunst- 
geschichtlichen Zeugnisse  gar  nicht  aufzufallen.  Wir  sehen  eben  das 
chinesische  Volk  seit  den  frühesten  Tagen  seiner  Geschichte  bis  auf 
heute  auf  fast  gleicher  CuUurstufe  stehen,  so  dass  ein  Geschichtsschreiber 
mit  Recht  sagt:  „Man  möchte  sagen,  seine  ersten  Gesetzgeber  hätten, 
mit  ihren  Eisenarmen  die  Nation  ergreifend  und  an  ihre  Wiege  pres- 
send, ihr  eine  unverwüstliche  Gestalt  aufgedrückt,  —  sie  so  zu  sagen 
in  eine  eherne  Form  gegossen,  so  stark  ist  ihr  Gepräge,  so  dauerhaft 
bewährt  sich  ihre   Gestaltung". 

Wie  ich  früher  manche  bei  Neuss  gefundenen  Glasurgefässe,  so 
hatte  ich  auch  solche  unter  den  römischen  Gefässen  hiesiger  Gegend 
fremdartig,  ja  modern  erscheinende  Erzeugnisse  chinesischen  Stils  un- 
beachtet bei  Seite  gelegt.  Ich  darf  daher  annehmen,  dies  kommt  noch 
heute  bei  Andern  vor,  und  auf  die  Nothwendigkeit  weisen,  dass  man 
bei  antiquarischen  Funden  alle  Gegenstände,  selbst  diejeni- 
gen, welche  nach  unseren,  noch  sehr  im  Argen  liegenden 
archäologischen  Kenntnissen  modern  zu  sein  scheinen,  be- 
achten  und   bekannt  machen   muss. 

Constantin  Koenen. 

11.  Neuss.  Römisch  er  Grabfund  im  Gnadenthalbei  Neuss. 
In  Nr.  51  der  Neusser  Zeitung  befand  sich  folgende  Fundnotiz  über 
einen  im  Gnadenthal  bei  Neuss  gemachten  Grabfund,  welche  später  in 
Nro.  5  des  Correspondenzblatts  der  Westdeutschen  Zeitschrift  für  Ge- 
schichte und  Kunst  überging.  Da  vielfach  solche,  offenbar  nur  für 
das  grosse  Publikum  bestimmten,  flüchtig  hingeworfenen  Artikel  in 
archäologischen  Zeitschriften  Aufnahme  finden,  so  möchte  ich  durch  die 
Veröffentlichung  der  Fundnotiz  nebst  von  mir  nach  persönlicher  Be- 
sichtigung gemachter  Charakterisirung  der  einzelnen  Irrthümer  nicht 
nur  auf  die  Nothwendigkeit  einer  vorsichtigen  Aufnahme  solcher  Sachen 
weisen,    sondern    zugleich    an    die  Herren  Correspondenten    der  Lokal- 


173 


HiioelleiL 


blfttter  die  Bitte  richtsn,  doch  ttets  unter  fQi  arcbäologiBche  Zwecke 
verthvoIlB  Mittheilungen  ihren  N&men  zu  setzen,  damit  eveiituell  siuli 
die  Redakteure  der  FticiiKeitaehriften  mit  den  Correapondenten  in  Ver- 
bindung zu  setüen   im    Stünde  Bind. 

„Der  Herr  Gntabesitzer  Theodor  Melchera,  deaaen  Freigebigkeit 
Neusser  Alterthnmsverein  schon  so  manchee  schätzbare  Stück  aeiner 
Sammlung  verdankt,  hat  dieser  Tngc  auf  einer  Parzelle  Beines  Gute« 
Gnadenthal  wieder  einen  höchst  interessanten  Fund  gemaobt.  Die  Fund- 
stelle findet  sich  in  südwestlicher  Kichtung  von  der  EiBenbshnbrßoke 
über  die  Erft,  etwa  200  Schritte  von  dieser  Brücke  entfernt,  mitten 
in  einer  von  keinem  Wege  berührten  Ackerparzelle  '),  welche  vor  eini- 
gen Jahren  noch  Wald  war.  Etwa  1 1  Zoll  unter  der  Ackerkrumme 
stiesa  der  Pflug  auf  einen  10  zu  12  Fusb  grossen  rechteckigen  Be- 
lag von  TuiTsteinoii ').  Nachdem  diese  entfernt  woi-den,  zeigte  eicb. 
Schutz  über  eine  Leicheubrnndstätte  gebreitet 
Mitte  des  Rechtecks  stand  eine  30  Centimeter 
lUB  schwarz  grauem  Thon  von  der  gewöhnlichen 
line  kleine  von  ganz  gleicher  Gestalt*),  in  wel- 
eine  Bronzemünze  mit  der  Inschrift;  Tiherina 
I  Caesar  Auguatua  '')  lagen.  Ferner  fand  sich  ein  kleines  Bronse- 
ron  sehr  gefälliger  Form,     dessen   enger  Hals  sicli   oben  bedeu- 


dasB    dieser  Belag 
worden  war  *).      In   der 


Form  *) , 
eher  Km 
CkudiuE 
Gefäss  ' 


lische  Urne 
in  derselben 
dienoBche    uni 


tend  erweitert '').      Das    sehr    zierlicb     geformte    Uenkelchen    war  leider 


1)  Die  Fundstellu  lieftt  auf  der  rechten  Erfteeite,  c».  80  Schritte  eüdwcst- 
lich  der  EiBenliahnübergaogastelle  und  ca.  200  Schritte  nordwestlich  der  ober 
Bosellen,  Scbliolierum  und  Norf  leiteudeti  RömerBtraBSe,  welche  zwiacbeu  letz- 
lerem Orte  uud  Gnadenthal  die  über  Wevelinghoven  nach  Griiol  in  ({hausen  lei- 
tende Römerstraase  (Casteratraaae)  dur.cb  ach  neidet,  um  sich  daim  auf  der  rechten 
Erftseile  in  der  Nähe  von  Gnndenthal  in  den  über  Norf,  Bergnahäuschen  nach 
Neuss  leitenden  mittleren  Arm  der  Rheinrömeratraesa  zu  verlaufen. 

2)  Die  gewölbartig  aufgeführte  Schutzmauer  bestand  allerdinga  zumeist 
aus  rohen,  ohne  Mörtel  aufgeführten  Bruchatücken  von  Tuff,  jedoch  kam  darunter 
auch  Devonische  Grauwacka  und  Jurakalk  vor, 

3)  Nach  Aussagen  des  Herrn  Mutchers  war  jedoch  der  Grabinhalt  nicht 
vom  Leichen  brande  berührt. 

4;  Die  28  cm  hohe  und  20  cm  im  Durchmeieer  ballcode  Urne  ist  aus 
blauem  Thon  recht  dünnwandig  zugedreht  und  zeigt  dae  charakteristische  Rand- 
proül  der  Gcsichtaurnen  aus  der  Mitte  des  ersten  Jahrh.  Eine  ähnliche  Urne 
hat  Fiedler  „Denkmäler  von  Caatra  Vetera  etc.",  Tab.   II,  1   abgebildet. 

5)  Dieselbe  zeigt  einen  achmalen  Rand.  Die  Höhe  beträgt  10  cm,  der 
obere  Durchmesser  7  cm.  Vergl.  eine  gleichgeataltete  bei  Fiedler  a.  a.O.  Tab.  IV,  6. 

6)  A.  Nackter  Kopf  mit  Umschrift  Claudius  Caesar  Aug.  P.  M.  —  R.  Mi- 
nerva mit  Schild  und  Speer  im  Angriffe,  an  der  Seite  nach  unten  S.  C. 

7}  Die  Höhe  beträgt  etwa  11  cm,  der  stärkste  Umfang  21  om.    Es  hat  fast 


Miscellen.  17S 

abgebrocIieD.  Kaum  minder  interessant  ist  eine  neben  der  grossen  Urne 
aufgefundene  Schale  aus  terra  sigillata  mit  hübschen  erhabenen  Orna- 
mentem  auf  der  Aussenseite.  Leider  bt  auch  diese  Schale  zertrümmert 
und,  da  mehrere  Stücke  fehlen,  nicht  mehr  zusammenzusetzen  ^).  Ausser- 
dem fanden  sich  einige  Thränenfläschchen  '),  mehrere  kleine  Krüge  aus 
schmutzig  weissem  Thon  s)  und  ein*  paar  Teller  ^)  aus  terra  sigillata  etc. 
Alle  diese  Gegenstände  waren  in  Form  einer  Pyramide  aufgestellt  und 
der  Tuffstein-Belag  darüber  so  angeordnet,  um  ihnen  einen  möglichst 
wirksamen  Schutz  zu  bieten  ^).  Auf  dem  ganzen  von  dem  Tuffstein 
bedeckten  Platz  lag  eine  grosse  Menge  von  Holzkohlen,  welche  meh- 
rere Körbe  füllten  und  zum  Theil  faustdick  waren.  Die  Erde  darunter 
war  roth  wie  an  Ziegelöfen  und  zeigte  dadurch,  wie  durch  die  vielen 
Kohlen,  dass  an  der  Stelle  ein  sehr  starkes  Feuer  unterhalten  worden 
war  «). 

Wir  bemerken  noch,  dass  sowohl  der  Charakter  der  einzelnen  Ge- 
fasse,  als  auch  die  Art  und  Weise  der  Grabanlage  mit  dem  Alter  der 
Münze  übereinstimmt,  so  dass  man  mit  Sicherheit  den  Grabfund  in  die 
Zeit  zwischen   41  —  54   setzen   darf. 

Gonstantin  Koenen. 

12.  Steck  bor  n.  Der  im  verflossenen  Winter  so  ausserordentlich 
niedrige  Seestand  wurde  sehr  fleissig  zu  Nachforschungen  in  Pfahlbauten 
benützt.  Die  Station  Feldbach  bei  Steckborn  gehört  zu  den  wenigen, 
die  nicht  durch  Feuer  zerstört  worden  sind,  während  der  Pfahlbau 
oberhalb  des  Städtchens  sogar  zweimal  niedergebrannt  zu  sein  scheint, 
wie  aus  den   zwei  voneinander    getrennten    Kohlenschichten  hervorgeht. 


die  Gestalt  des  bei  Fiedler  a.  a.  0.  Tab.  I,  2  abgebildeten  einhenkeligen  Kruges, 
jedoch  ladet  der  Halsrand  weit  aus. 

1)  Diese  Schale  besteht  aus  festgebrannter  dünnwandiger  terra  sigillata 
und  zeigt  den  Stil  derartiger  Gefasse  aus  der  ersten  Hälfte  der  ersten  Jahrhun- 
derts unserer  Zeitrechnung.  Ihre  Höhe  beträgt  ca.  9  cm,  ihr  Durchmesser 
20  cm.    Yergl.  Fiedler  a.  a.  0.  Tab.  H,  5. 

2)  Zwei  Stück  von  cylindrischer,  sich  nach  unten  erweiternder  und  hier 
kuglig  abgerundeter  Form.     Vergl.  Fiedler  a.  a.  0.  Tab.  IV,  6. 

8)  Die  beiden  Krüge  zeigen  die  strengere  Form.  Hohe  16  cm.  Vergl. 
Fiedler  a.  a.  0.  Tab.  VI,  3. 

4)  Dieselben  gleichen  der  von  Houben,  Tab.  II,  4  abgebildeten,  jedoch 
fehlt  das  untere  Stäbchen  des  Aeusseren  der  Seitenwand,  und  diese  Letztere  ladet 
nach  einwärts.  Die  vorhandenen  Töpferstempel  sind  unleserlich.  Die  terra 
sigillata  trägt  den  Charakter  der  Mitte  des  ersten  Jahrhunderts. 

5)  In  ähnlicher  Weise  waren  viele  der  bei  Bergeshäuschen  gefundenen 
Römergräber  dieser  Zeit  geschützt.    Vergl.  Bonner  Jahrbücher,  Heft  II,  4. 

6)  Nichtgenannte  Fundstüoke  sind  8  fibnlae,  von  denen  2  Stück  5  cm 
und  eine  6  cm  Länge  hat.    Vergl.  ähnliche  bei  Fiedler  a.  a.  0.  Tab.  IX,  15. 


171  HiBeetlpD. 

B«i  Feläbach    tttai    nua    dMker    nsheza  keine  rerkoUtoa  < 

wohl  aber  lieferteo  die   Anegrabnngen    eine    prachtvolle   1 

Stein-  und  Knochen  werk  zeugen,    Zierrathen,    Harpunen,    gvaea    7SyS^, 

Kenlen.   Körbchen   nns  Weidengeäecht,    Bastgeflecht«,    Reste  vod   Bisoa, 

Biber,   Mnrmelthier,   Wild-  ontJ   Torfschwein,   Torfknh  n.   e.   w. 

In  den  anderen  Pfahlbanten  oberhalb  deü  Städtchens  Iebm»«!  cäne 
MasB«  Oeniten-  nnd  Weizeahömer.  Feldbacken  tod  Hincbbom,  StM>- 
and  Knochen  wer  ksenge,  eine  Harpune  aus  Ilirschhorn  von  ansgeseieh- 
neter  Schönheit,   Zierrntben  and  eise  Menge  Thierreste    znm   Vorscheia. 

Jenny. 

13.  Thon-Gewiehte.  In  Bezug  anf  meine  in  LXXU  Jahrbuch  S.9S 
geüiiBBerte  Anflicht  Über  die  BeBchwcrateioe  von  Thon  cooetatire  ich  dm 
Fund  sweier  weiterer  Stflcke  mit  kleinen  in  ^er  Godenßäche  hefiadlicben 
Löchern  zum  E^nguBs  von  Blei.  Dieselben  Btammen  aus  dem  Bonner 
Castrnm  und  der  römischen  Villa  zn  Waldorl'.  —  Unser  auswärtiger 
Secretär  in  Lins  Rector  Dr-  Pohl  benachrichtigt  mich.  Haas  aoch  er  die 
gleiche  Meinung  über  die  Verwendung  der  Thon-Gewichte  geäussert  hab«. 
Hätte  ich  davon  zeitig  Kcnntniss  gehabt,  wurde  ich  von  dieser  Ueberein- 
etimmung  mit  der  raeinerBeita  am  WinkelmannBffste  1879  euerat  ufieotlieh 
anigeaprocbeocn  Ansicht  gern  Notiz  genommen  haben.  Anderweitige  Beab- 
ftohtongen  werden  dorchans  erwttascht  aein. 

Ana'm  Woertb. 

14.  Mainz.  Nachtrag  zu  S.  H4  „Ein  römischer  floldring."  In 
Folge  meiner  Orientreiae  im  Frühjahr  1.  J.  erhielt  ich  nicht  rechtzeitig  Kennt- 
niss  von  einer  Mittheilung  in  dem  Correapondenzblatt  der  Westdeutschen 
ZtBohr.  f.  Geflch.  n.  Knnet  v.  1.  Mai  1882  Nr.  5  S.  35,  109,  wonach  ein 
Ring  gleicher  Art  in  der  Nähe  von  Zerf  gefunden  und  für  das  Provinzial- 
Muaeum  in  Trier  erworben  wurde.  Wie  ich  nun  inzwischen  mich  selbst  zu 
überzeugen  Gelegenheit  hatte,  alimmt  dieaea  Stück  vollständig  nach  Form, 
Behsadlungaweise  und  inachriftlicher  Bezeichuung  mit  dem  oben  S.  84  S.  be- 
sprochenen ilberein;  namentlich  theilt  die  la^chrift  durchaus  die  hervorgeho- 
benen Eigenthümlichkeiten  nach  Zeichnung  und  Ausführnng.  Die  Angabe  a.a.O., 
daas  der  eraterwähnte  Ring  in  der  Umgegend  von  Mainz  gefunden  worden, 
ist  nach  meinen  Belegen  zu  berichtigen.  Pofern  die  gleichzeitig  erwähnten 
Ringe  in  Peath  (CIL  III,  6019)  und  der  ehemnl.  Jansson'sche  {Janaaen, 
Gedenkt.  Taf.  16)  wirklich  von  deraelben  Beschaffenheit  sind,  so  wäre  deren 
Zahl  bereits  auf  fünf  geatiegeii,  die  von  den  entlegensten  Fundorten  her- 
rührend und  mit  den  unzweifelhaftesten  Merkmalen  der  Echtheit  versehen  den 
Gegenstand  und  dessen  eigentliche  Bedeutung  mir  um  so  merkwürdiger  er- 
scheinen lassen.  Friedrich  Schneider. 


IV.  Bericht  über  die  Anthropologen-Versammlung 
in  Frankfurt  a.  M.  yom  14.— 16.  August  1882. 


Mit  besonderer  Freade  zogen  die  Anthropologen  in  diesem  Jahre 
nach  der  alten  freien  Reichsstadt,  die  von  dem  mächtigsten  Stamme  der 
Deutschen  den  Namen  liat,  die  Jahrhunderte  lang  die  Wahl-  und  Krö- 
nungsstadt  der  deutschen  Kaiser  war  und  ein  Vorort  des  deutschen 
Handels  und  Geldverkehrs,  zuletzt  auch  Mittelpunkt  des  politischen 
Lebens,  Sitz  des  Bundestags  und  des  Parlamentes,  nach  der  Stadt,  in 
der  die  Wiege  unseres  gross ten  Dichters  stand.  Jetzt  ist  sie  eine  der 
schönsten  und  blühendsten  Städte  des  neuen  deutschen  Reiches,  aber 
noch  immer  schauen  von  den  Höhen  des  Taunus  die  altgermanischen 
Steinringe  herab  in  den  fruchtbaren  Maingau  und  der  römische  Grenz- 
wall mit  seiner  Saalburg  1 

Nach  einer  Vorfeier  am  Sonntag  Abend  in  den  Räumen  des  Palmengar- 
tens und  einer  am  andern  Morgen  schon  um  7  Uhr  vorgenommenen  Besichti- 
gung des  historischen  Museums  unter  Führung  des  Conserrators  Herrn  0.  G  or- 
n  i  1 1  wurde  um  9  V2  Uhr  in  der  grossen  Festhalle  des  Saalbaues  die  erste 
Sitzung  durch  den  Vorsitzenden,  Herrn  Prof.  Lucae  eröffnet.  Derselbe 
schildert  die  Entwicklung  der  anthropologischen  Wissenschaft  in  den 
letzten  Jahrzehnten,  in  denen  die  Forschungen  über  die  Abstammung 
des  Menschen,  über  den  Zusammenhang  von  Mensch  und  Thier,  über 
die  Schädelentwicklung  und  die  verschiedenen  Schädelformen  in  den  Vor- 
dergrund traten.  Hervorragende  Entdeckungen  gaben  die  Veranlassung. 
Im  Jahre  1847  wurde  der  Gorilla  gefunden  und  18Ö1  von  R.  Owen 
beschrieben,  zu  dem  schon  älteren  Höhlenfunde  von  Engis  kam  1856  der 
des  Neanderthaler  Schädels.  In  das  Jahr  1853  fällt  die  Auffindung  der 
Pfahlbauten.  Mit  dem  Neanderthaler  glaubte  man  sei  die  Brücke  ge- 
schlagen zwischen  Mensch  und  Thier,  aber  die  behauptete  Aehnlichkeit 
ist  in  Wirklichkeit  nicht  vorhanden.  Die  vorspringenden  Augenbrauen- 
bogen  sind  bei  jenem  durch  die  grossen  Stirnhöhlen  bedingt,  bei  den 
Affen  sind  sie  Knochenwucherungen.  Der  Engisschädel  gleicht  dem  eines 
Griechen  nnd  beweist,  dass  der  Mensch  der  Urzeit  die  gleiche  Bildung 


wie  der  lebende  hatte.      Anch  der  menacfaliche   Fusa  zeigt  nie 
n&beruDg    an    den  des    Affen.      Mit    Becbt  verwirft  Luoae  die   Ansicht 
Huicley'B,  welcher  zwischen   Mensch  and   Gorilla  geringere  ftDntomieche 

Unteracbiede  annimmt,  als  die  sind,  welche  zwischen  diesem  und  den 
nicdern  Afien  bestehen,  er  will  aber  auch  Haeckel  nickt  beipflichten, 
der  den  Menschen  durch  direkte  von  den  Moneren  durch  die  Tbierwelt 
aufsteigende  Descendenz  entatanilen  sein  lässt.  Er  nenot  loit 
Reymoud  diesen  Stammbaum  das  Gebilde  einer  fesBeUosen  Phantasie 
nnd  meint,   dsss  diejenigen,   welche  Darwin's  Lehre  in  weiteren  Kreisen 

;ern  suchen,  deu  Boden  der  exakten  Forschung  rerlassen  haben. 
Die  Apostel  der  Hypothese  Darwin's  gelangten  zum  Haterinl: 
milBsten  mit  Haeckel  schon  das  Protoplasma  für  beseelt  halten.  Zu 
'  diesem  Vortrage  sei  bemerkt,  dass  der  Engis-  und  Neanderthaler  Schä- 
del iiD  höchsten  Grade  verschieden  sind  und  dass  jener  keineswegs  älter 
ist.  Vogt's  Meinung,  dass  jener  das  Weib,  dieser  der  Mann  derselben  Rasse 
sei,  ist  ganz  unstatthaft.  Eine  üebereinstimmung  im  Bagittaleo  Umrias  de« 
Engis-  und  eines  Griechensehädels  ist  kein  Beweis  für  deren  gleiche 
Bildung,  für  deu  Grad  der  Intelligenz  ist  vorzüglich  die  Breitenentwick- 
lung des  Schädels  das  Bestimmende.  Der  Umstand,  dass  die  Augen- 
brauenbogen  des  Neandertlialers  hohl,  die  des  Gorilla  dichte  Knochen- 
Bubstanz  sind,  ist  nicht  wesentlich,  auch  hei  alten  Affen  giebt  ea  Stirn- 
höhlen.     Wenn   Lucae  beim  japanischen    Seiltänzer,    der  den   Fubb   wie 

id  gebrauchte,  keinen  anatomischen  Unterschied  fand,  so  ist  ein 
solcher,  der  die  grössere  Abstellbarkeit  der  grossen  Zehe  beweist,  beim 
Torgeechichtlichen  Menschen  bereits  nachgewiesen.  Dass  endlich,  wie 
Lucae  zeigte,  der  Schädel  des  Affen  und  der  des  Menseben  in  ent' 
gegen  gesetzter  Richtung  sich  fortentwickeln,  widerlegt  die  Thatsacbe 
nicht,   dass  sie  ursprünglich   einander  nahe  stehen. 

Hierauf  begrüsste  Oberbürgermeister  M  i  q  u  e  1  die  Versammlung 
im  Namen  der  Stadt.  Er  versichert,  dass  die  Bürgerschaft  den  anthro- 
pologischen Forschungen  das  grösate  Interesse  entgegenbringe  und  die 
Männer  bewundere,  die  aus  den  erhaltenen  Ueberresten  uns  ein  klares 
Bild  der  ältesten  Vergangenheit  durch  vorsichtige  Schlüsse  zu  entwerfen 
wussten.  Hier  sei  althistorischer  Boden,  von  kundigen  Männern  durch- 
forscht, welche  den  Gästen  die  Fuhrer  sein  werden.  Die  Samminngen 
der  Stadt  konnten  mit  denen  einer  Hauptstadt  nicht  wetteifern,  aber 
sie  seien  aus  der  Bürgerschaft  selbst  hervorgegangen.  Diese  werde  be- 
strebt sein,  sich  jede  neue  Errungenschaft  zu  eigen  zu  machen  and 
werde  den   Ruf  der  Stadt,   eine   gastliche  zu  sein,   zu   wahren  suchen. 

Sodann  begrüsst  Herr  Dr.  Fridberg  als  Geschäftsführer  die  Gäste 
im  Namen  der  wissenschaftlichen  Vereine  der  Stadt.  Ihr  gemeinsames 
Interesse  an  den  bevorstehenden  Verhandlungen  bezeichne  den  Geist  der 


vom  14.— 16.  ÄDgast  1882.  177 

hentigen  Anthropologie,  die  man  eine  nniversitas  literarnm  nennen  könne. 
Er  legt  die  von  den  Herren  A.  Hammeran,  Fr.  Kinkelin  and 
G.  Lucae  verfasete  Festschrift  vor.  Die  Reihe  der  Vortrage  begann 
Sohliemann,  der  unter  Vorlegung  von  Zeichnungen  und  Funden  über 
seine  neuesten  Ausgrabungen  in  Troja  berichtete.  Der  Gedanke,  dass 
das  alte  Ilios  grösser  gewesen  sein  müsse  als  die  von  ihm  in  8  m 
Tiefe  gefundene  kleine  Ansiedelung  von  höchstens  3000  Einwohnern, 
Hess  ihn  am  1.  März  mit  150  Mann  die  Arbeit  wieder  beginnen,  wo- 
bei ihn  diesmal  die  Architekten  Dörpfeld  und  Höfler  unterstützten. 
Beim  Freilegen  griechischer  und  römischer  Fundamente  wurde  ein  kleiner 
und  ein  grosser  dorischer  Tempel  entdeckt,  diesen  darf  man  für  das 
von  Strabo  (XIII  593)  erwähnte  Heiligthum  der  Pallas  Athene  halten, 
ferner  ein  dorischer  Portikus  und  ein  grosses  Thor  der  Akropolis,  an 
dem  auch  jonischer  und  korinthischer  Stil  sich  finden.  Ein  in  dem 
Fels  ausgehauenes  Theater  für  6000  Menschen  ist  mit  Trümmern  von 
Statuen  und  Säulen  gefüllt,  die  zum  Theil  zu  Kalk  gebrannt  sind,  da- 
runter ein  Relief  mit  Romulus  und  Remus.  In  der  untern  Stadt  wurde 
ein  grosses  Gebäude  biosgelegt,  wahrscheinlich  das  Forum.  Hier  lagen 
in  allen  Gräbern  und  Schachten  unter  den  hellenischen  und  römischen 
Gebäuden  grosse  Haufen  von  Thonscherben  der  ältesten  Ansiedelung, 
die  von  einer  2  m  dicken  Mauer  aus  mit  Lehm  verbundenen  kleinen 
Steinen  umgeben  war.  Von  hier  zeigte  er  eine  Axt  aus  Nephrit  und 
eine  Scherbe  mit  Eulengesicht.  Eine  Schuttmasse  verbrannter  Ziegel, 
die  Schliemann  auf  eine  Feuersbrunst  bezogen  und  der  3.  Stadt  zu- 
getheilt  hatte,  erwies  sich  als  der  Rest  von  1  m  20 — 25  dicken  Zie- 
gelmauem,  die  erst,  nachdem  sie  aus  rohen  Lehmklumpen  aufgebaut 
waren,  durch  grosse  auf  beiden  Seiten  angebrachte  Feuer  künstlich  ge- 
brannt worden  sind.  Zwei  Tempel  zeigen  dieselben  Mauern,  die  hier 
ausgesparte  Längs-  und  Querlöcher  haben,  die  vielleicht  mit  Holz  ge- 
füllt waren.  Der  Lehm  zwischen  den  Ziegeln  ist  hart  gebrannt  wie 
diese.  Die  obern  Theile  der  Mauern  sind  wenig  oder  fast  gar  nicht 
gebrannt.  Diese  Beobachtung  wirft  ein  unerwartetes  Licht  auf  die  in 
ihrem  Ursprung  dunkeln  verschlackten  Burgen  des  westlichen  Europa. 
Die  Tempel  hatten  eine  horizontale  Bedachung  aus  Holz  und  Lehm. 
Es  fanden  sich  darin  grosse  Bronzenägel,  Streitäxte,  Messer  und  Nadeln 
aus  Bronze,  Thonwirtel  und  Thoncylinder,  Schleudersteine  und  kleine 
Sachen  aus  Elfenbein.  Man  erkannte  die  Spur  von  Holzpfosten  an 
Mauern  und  Thoren.  Drei  andere  Gebäude  auf  der  Akropolis  konnten 
nicht  genau  aufgenommen  werden,  weil  der  türkische  Beamte  Verdacht 
schöpfte  und  glaubte,  es  handle  sich  um  Aufnahme  einer  in  der  Nähe 
befindlichen  türkischen  Festung.  In  der  obern  Stadt  wurden  nur  we- 
nige Gold-  und  Silbersachen,  aber  viele   bronzene  Armbänder,  Streitäxte, 

12 


^ 

V 


178         Beriolit  über  die  ÄnthTopologen- Versammlung  in  Frankfart  a,  M, 

Dolehmesser  and  ein  bronzenea  Idol  mit  Eulenkopf  gefunden,  vielleiobt 
eine  Nachbildung  des  in  Holz  geschnitzten  Palladiums,  femer  Steinäxte, 
Hnndmühl steine,  Kornquetacher,  SchleudergBachosao,  einea  von  1 1  3  0  gr 
Gewicht.  ScUliemanu  untersuchte  auch  4  Tumuli,  darunter  die  an- 
geblichen Gräber  dos  Achill  und  Patroolus.  Sie  sind  jünger  ab  der 
trojanische  Krieg.  In  dem  ersten  fand  sich  eine  bronzene  Pfeilspitze, 
Gin  Eiseonagel,  rohe  Topfaoherben,  aber  auch  gut  gebrannte,  schwarz, 
gelb  oder  roth  glanirte  Terrakotten,  Aehnlichea  lieferte  das  Grab  des 
Patroclua,  in  beiden  war  keine  Spur  von  Knochen,  Äacho  oder  Kohlen. 
Der  126  ni  lange  und  noch  10m  bohe  Uügel  des  Protetiilaos  ist  mit 
Scherben  schwarzer  Terrakotten  bedeckt,  deren  eingeschnittenes  Omft- 
ment  mit  weissem  TLon  gefüllt  ist.  8  chl  iemann  irrt  aber  wohl,  wenn  er 
glaubt,  dass  diese  Scherben,  die  ihren  Glanz  bewahrt  haben,  4000  Jahre 
sn  der  Oberfiücho  liegen.  Er  fand  auch  steinorae  Hummer.  Dia  weitere 
Arbeit  wurde  untersagt.  Auch  aaf  andern  alten  Stätten  der  Umgebung 
liesB  er  graben,  Kumal  in  den  Buinen  auf  dem  Bali  Dagh,  die  einst  fflr 
Ilioa  gehalten  wurden.  Er  unterschied  hier  aus  2  Epochen  Mauern  ans 
grossen  anbearbeiteten  Blöcken  und  solche  ans  behauonen  nnd  regel- 
mässig geschichteten  Steinen,  bei  jenen  lagen  rohe,  grobe  Scherben, 
bei  diesen  glacirte  aus  dem  4.  und  5.  Jahrhundert.  Als  Dauptergeb- 
nisB  bezeichnet  er  die  Auffindung  einer  grossen  Stadt  in  der  Ebene  von 
Troja,   die   auf  Hissarlik  nur   ihre   Akropolis   mit  den    Tempeln  hatte. 

Nun  sprach  Vircbow  über  Darwin  uad  die  Anthropologie.  Ei- 
sagt,  wenn  oinn  raiichtige  Gestalt,  witi  die  DarwLn'e,  aua  dem  Kreise 
der  Lebenden  scheide,  so  erbebe  sich  daa  Bedürfniss,  die  Gesammtbeit 
der  Eindrücke  zu  sammeln  und  zu  prüfen,  was  der  Mann  seiner  Zeit 
war  nnd  wie  viel  davon  für  die  Zukunft  von  Bedeutung  bleiben  wird. 
Schon  der  Vorsitzende  habe  es  ausgesprochen,  dass  qlie  anthropologische 
Gesellschaft  in  ihrer  Hajorit&t  die  strengere  Richtung  der  Wissenschaft 
vertrete  und  mehr  auf  dem  Boden  der  empirischen  Forschung  stehe. 
Er  glaubt,  dieselbe  werde  vielleicht  auch  in  Zukunft  es  als  einen  ibrer 
Ehrentitel  in  Anspruch  nehmen  können,  dass  sie  selbst  in  derjenigen 
Zeit,  wo  die  Wogen  des  Darwinismus  am  höchsten  gingen,  die  Besin- 
nung nicht  verloren  habe.  Schon  in  der  natu rphilosoph lachen  Scbule, 
deren  sich  die  älteren  M&nner  noch  erinnern,  sei  der  Gedanke  des  Trana- 
formismus  allgemein  angenommen,  nur  nicht  so  scharf  formniirt  gewesen, 
als  in  der  Lehre  Darwin's.  Aus  der  Stellung  der  Medizin  in  jener 
Zeit,  aus  der  sich  die  Zoologie  erst  herausgebildet  habe,  erkläre  es 
sich,  dass  gerade  in  der  Pathologie  der  Transformismus  in  seiner  voll- 
endetsten Gestalt  erschien,  wie  wir  es  bei  Friedr.  Ueckel  finden,  der 
schon  in  der  Entwicklung  der  höheren  Thiere  die  ganze  Entwicklung 
der  Natur  sich   wiederholen  liesa.    In  der  Erklärung  der  Missbildongen 


vom  14.— 16.  August  1882.  179 

Würde  das  Gesetz  durchgeführt  und  viele  wurden  als  Hemmungsbil- 
dungen bezeichnet.  Aber  die  Naturphilosophie  ging  weiter  und  fing  an 
zu  konstruiren  anstatt  zu  beobachten.  Da  er  schon  einmal  diese  Ent- 
wicklung durchgemacht,  so  sehe  er  mit  Aengstlichkeit  zu,  was  aus  den 
Dingen  werden  würde  und  trete  gelegentlich  dagegen  auf.  Habe  doch 
der  gewaltige  Aufschwung  der  Naturwissenschaft  erst  begonnen,  als  die 
naturphilosophische  Richtung  unterdrückt  war.  Er  fordert  mit  dem  Vor- 
sitzenden dazu  auf,  in  der  streng  empirischen  Richtung  zu  bleiben  und 
sich  nicht  durch  die  Sirenenklänge  der  poetischen  Naturanschauung  ver- 
führen zu  lassen.  Doch  möchte  er  etwas  abbrechen  an  der  herben 
Kritik,  die  Lucae  geübt  hat.  Man  müsse  sich  doch  bewusst  bleiben, 
dass  in  dem,  was  sich  immer  wieder  von  Neuem  so  gewaltig  vollzieht, 
ein  Kern  der  Wahrheit  stecken  müsse,  den  man  niemals  ganz  aus  den 
Augen  verlieren  dürfe.  Die  nachhaltige  Bewegung  der  Geister,  die  im 
Laufe  eines  Jahrhunderts  zweimal  auftrete,  knüpfe  an  gewisse  Forderungen 
und  Fragen  an,  denen  sich  Niemand  entziehen  könne.  Wo  kommen  wir 
her?  Gibt  es  eine  Entwicklung  vom  Niedern  zum  Höhern?  Schreiten 
wir  vorwärts  oder  zurück  im  Sinne  jener  Lehre  vom  verlorenen  Para- 
dies? Darwin  hat  zwei  Hauptfragen  in  seinem  Werke  über  die  Spccies 
eigentlich  unerörtert  gelassen,  die  nach  dem  Ursprung  des  Menschen  und 
die  nach  der  ersten  Entstehung  des  thierischen  Lebens.  Wenn  man 
annimmt,  dass  der  Mensch  aus  irgend  einer  andern  Lebensform  hervor- 
gegangen, die  nicht  menschlich  war,  so  ist  es  gar  nicht  nothwendig, 
dass  diese  gerade  ein  Affe  war.  Die  zweite  Frage,  wo  sind  die  Thiere 
hergekommen,  haben  erst  deutsche  Forscher  in  eine  Art  noth wendigen 
Zusammenliangs  mit  der  ersten  gebracht.  Yirchow  hält  beide  nur 
ftü*  koordinirt,  man  könne  ein  Transformist  sein,  ohne  an  die  generatio 
aequivoca  zu  glauben  und  umgekehrt.  Er  meint,  es  habe  wohl  selten 
eine  Periode  gegeben,  in  der  so  grosse  Probleme  auf  so  leichtsinnige, 
ja  thörichte  Weise  behandelt  worden  seien.  Jeder  Mensch  der  sich  be- 
mühe, ein  Thier  oder  eine  Pflanze  auf  dem  Wege  der  Urzeugung  her- 
vorzubringen, leide  Schiffbruch.  Das  gestehe  nun  auch  selbst  Haeckel 
zu.  Auch  die  Bacterien,  die  als  Ursache  so  vieler  Krankheiten  jetzt  beschul- 
digt werden,  kommen  von  aussen  her.  Die  Milzbrandbacterien  wachsen  viel- 
leicht auf  einer  sumpfigen  Wiese,  aber  nur  auf  Grund  der  erblichen  Fortpflan- 
zung, ebenso  wie  die  Gräser,  die  neben  ihnen  stehen.  Woher  weiss 
dies  Virchow?  Theoretisch,  sagt  er,  ist  die  generatio  aequivoca  ganz 
ausgezeichnet,  aber,  wo  wir  ein  minimales  Körperchen  sehen,  ist  es  eine 
Fortpflanzung  von  etwas  Früherem.  Hat  denn  dies  Jemand  beobachtet? 
Virchow,  der  sich  stets  auf  die  empirische  Forschung  beruft,  ist 
doch  hier  in  der  Theorie  befangen,  welche  die  Urzeugung  läugnet. 
Doch    nennt  er    sie  eine  Forderung  des  menschlichen  Geistes  und  lässt 


Bogat  die  Bibel  sich  zu  derselben  bekennen,  nach  der  der  M.eDscb  auf 
dem  Wege  mechaniscber  Entwickluag  aus  unorganischen  Stoffen  hervor- 
gegangen sei.  Er  vergisät  hierbei,  dasa  in  dieser  Darstellung  doch  erst 
Gott  dem  Erdeuklos  die  Seele  einbliea.  Anch  die  VorBtellung,  dass  der 
Menacb  aas  einem  niedern  Tbier  eutstandeu,  hält  < 
Postulat,    aber    thatsnchlich    bat    sich    nichts  von  den   Uebergangen   er- 

1  werdenden 
fertig.  Praktisch  hat  uüb 
starke  Behauptung, 
Igt.  Man  kann  doch  nicht  die 
zahlreichen  Merkmalen  des  Scbädele  und 
die  thieriacbe  Form  erkennen  l&sat 
sowol  als  bei  dem  Menschen  der  Vor- 
zeit begegnet,  so  ohne  Weiteres  ausser  Betrachtung  lai 
gar  nicht  vorbanden  wäre.  Es  muss  vielmehr  Jede  Untersuchung  über 
den  Ursprung  des  Menschen  an  diese  Thatsache  anknüpfen.  Virchow 
lässt    Darwin   sagen,  wenn  innerhalb  des  Thierreicbs  der  Transformia 


Menschen  gehen,   d 
Entwickini 

ren  Experimenten   auf  dei 
thieriscbe     Natur  hat. 


nn  der  Mensch 
l  der  Mediz 
Voraussetzung 
E)r   mochte   die 


Mikroscop 


r  auch  für  dei 
und   erkennt  an,  dass  d 

I  Physiologie  ta 

I    der   Menacb 

e  lieber  als  mit  dem  Stammbaum  mit  der  Frage  beschäftigt 
ind   die   einzelnen    Völker  her?      Dsa 

eist  nach,  daes  die  Braunen  und  die  Blonden  nur  durch  die 
des  braunen  Pigmentes  verschieden  sind,  aber  dass  dies  vom 
Klima  aijhängt,  sind  wir  zu  sagen  nicht  im  Stande,  denn  warum  giebt 
es  in  Amerika  keine  Blonden  und  keine  Schwarzen?  Doch  müsse  mao 
in  der  Untersuchung  fortfahren,  oh  nicht  die  Lebensverhältnisse  den  be- 
sonderen Typus  hervorbringen.  Er  verfolge  jetzt  die  Erscheinung  der 
Platyknemie  der  Tibia,  die  man  bei  sehr  alten  Bevölkerungen  und  hei 
Wilden  gefunden.  Es  sei  ein  Irrthum  Broca's,  diese  Form  pithekoid 
zu  nennen,  er  selbst  bezweifle,  dass  sie  ein  Zeichen  niederer  Entwick- 
lung sei,  er  habe  sie  in  Gräbern  Trans -K au kasiens  und  der  Troas  ge- 
funden, also  bei  Völkern,  die  in  der  Kunst  vorgeschritten.  Eine  be- 
sondere Art  der  Muskelaktion  müsse  sie  hervorgebracht  haben,  die  sich 
bei  jeder  Bevölkerung  entwickeln  könne,  während  Busk  eine  niedere 
platyknemische  Kasse  für  das  ganze  alte  Europa  angenommen  habe. 
Das  Studium  der  Schädel  zeige,  dass  er  sich  in  verschiedenen  Medien 
nicht  verändert  habe.  Kollmann  habe  alle  Haupttypen  der  Schädel- 
nnd  Gesichtsbildung  bis  zur  Mammuthzeit  zurück v erfolgt ,  von  da  an 
gebe  es  nur  Mischung.  Virchow  sagt,  er  sei  in  diesem  Punkt  mehr 
geneigt,     Darwinist  zu    sein.      Die    anthropologische    Wissenschaft    zeigt 


Tom  14.— 16.  Augfui  1882.  181 

ihm  überall  den  Gegensatz  zwischen  dem  logischen  Postulat  und  der 
praktischen  Erfahrung.  Die  inhaltreiche  Rede  Virchows  ist  nicht  frei 
yon  Widersprüchen,  er  liebäugelt  bereits  mit  dem  Transformismus  und 
man  darf  erwarten,  dass  er  in  nicht  gar  ferner  Zeit  sich  ihm  ganz  er- 
geben wird. 

In  der  Nachmittagssitzung  legt  zuerst  Frl.  von  Torma  zahl- 
reiche Funde  von  Stein-  und  Knocliengeräthen,  sowie  Thonwaaren  aus 
einer  1 — 3  m  mächtigen  alten  Culturschicht  bei  Broos  in  Siebenbürgen 
vor.  Gewisse  Zeichen  auf  den  Scherben  deutet  die  Kednerin  als  Schrift- 
züge und  vergleicht  sie  ähnlicheu,  die  Schliemann  zu  Hissarlik  aus- 
gegraben. Auch  andere  gebrannte  Thonsachen,  Figuren  und  Idole,  welche 
dieselbe  auf  den  Dienst  der  Artemis,  der  Astarte  und  des  Baal  be- 
zieht, gleichen  den  in  Ilios  und  auf  Cypern  gefundenen,  was  auf  die 
gleiche  Bevölkerung  an  diesen  Orten  und  im  alten  Dacien  schliessen  lasse. 
Sodann  zeigt  Dr.  Gross  seine  neuesten  Funde  von  AuvergDier 
am  Neuenburger  See.  Vierzig  Gussformen  beweisen  eine  hier  bestan- 
dene Metall giesserei.  Er  fand  ein  prächtiges  Schwert,  verzierte  Arm- 
bänder, Halsketten,  mit  Zinnplättchen  geschmückte  Töpfe  und  solche 
mit  Schnurverzierung,  von  Menschenresten  einen  dolichocephalen  Schädel 
mit  stark  vertiefter  Schläfe  und  orthognathem  Kiefer.  Eine  neu  ent- 
^deckte  Ansiedelung  zu  Finelz  am  Bieler  See  lieferte  2  0  Stück  kupferner 
Werkzeuge,  Dolche,  Meissel,  Nadeln  und  Amulette,  Feuerstein messer  in 
Holzfassung,  Geflechte  und  Netze.  Er  schliesst  daraus  auf  eine  der 
Bronzezeit  in  der  Schweiz  voraufgegangene  Kupferperiode,  die  in  Nord- 
amerika, in  Ungarn  und  Portugal  bereits  nachgewiesen  und  durch  manche 
Funde  auch  für  Deutschland  wahrscheinlich  geworden  ist.  Für  die 
Pfahlbauten  der  Westschweiz  nimmt  er  3  Perioden  an:  1)  eine  früheste, 
durch  roh  bearbeitete  Geräthe,  kleine  Steinbeile,  Hirschhorn  Werkzeuge 
und  spärliche  Nephrite  bezeichnet.  2)  die  Blüthezeit  des  Steinalters 
mit  vollkommnern  Werkzeugen  aus  Hirschhorn,  Holz  und  Feuerstein, 
schön  gearbeiteten  Serpentinbeilen,  zahlreichen  Nephrit-  und  Jadeitbeilen. 
3)  eine  Kupferzeit,  die  zwischen  die  jüngere  Steinzeit  und  die  Bronze- 
periode zu  setzen  ist.  Es  folgte  der  Jahresbericht  des  Generalsecretärs 
Ranke.  Er  gedenkt  einiger  erwähnenswerther  Ereignisse  des  verflos- 
senen Jahres,  der  festlichen  Begehung  des  ()0.  Geburtstags  Yirchow's 
in  Berlin,  des  Abschlusses  der  Untersuchungen  über  die  Yertheilung  des 
blonden  und  dunkeln  Haars  in  Deutschland  und  des  Umstandes,  4^^^ 
sich  die  meisten  deutschen  Craniologen  über  eine  gemeinsame  Methode 
der  Schädel messung  geeinigt  hätten.  Nachdem  er  der  zahlreichen  Un- 
tersuchungen auf  allen  Gebieten  der  Anthropologie  gedacht,  verweilt  er 
in  der  Aufzählung  von  Schriften,  welche  sich  auf  Gebräuche  und  Sitten 
unserer  Vorzeit    beziehen.     R,    Henning    betrachtet    das  heutige  ost- 


182        Bericht  ober  die  AnthropologeD-Vi'rsammlung  zu  Fraukfart  a.  M. 

friesische,  sächsische  nnd  holsteinisohe  BauerahaDB,  H.  Rauke  zeigt, 
dass  die  alte  Feidgemeinscbaft  lange  Zeit  sich  in  Baiern  erhalten  hat, 
von  Schulenburg  schildert  das  Spinnen  und  eeiue  Beziehungen  zum 
häüBliohpD  Lehen,  Barthels  die  altdeutechen  Spiele,  das  Verzehren  von 
Heiligenbildern,  das  Versüblueken  von  Kleiderreaten  Veratorbener,  Seh  warst 
den  himinliacheD  Liclitbaum  in  Sago  und  Cultus.  Erat  sah  man  ihn  io 
den  Wolken,  dann  übertrug  man  ihn  saf  irdiBcbe  BSame.  Zuletzt  weist 
er   auf  J.   Undset'a  Werk:    „das  erste    Auftreten    des   Eisens  in  Nord- 

irichte  erstattet.  Schaaffhau  sen 
legte  als  neue  Beiträge  zum  anthropologischen  Katalog  die  gedrackten 
Verzeichnisse  der  ethnologischen  Sammlnngen  von  Darrostadt  und  Frank- 
furt, sowie  die  von  Dr.  Ra bl-Rücfcb  ard  verfasste  1.  Abtheilung  des 
2.  Tbeils  des  Berliner  KutalogB  vor.  Aach  der  Münchener  ist  durch 
Prof.  Bndingor  fertig  gestellt.  Der  Umstand,  dass  in  der  erateren 
Arbeit  das  Geschteeht  von  37  Schädeln  unter  72  als  zweifelhaft  be- 
zeichnet ist,  vcraulasBt  ihn,  auf  die  Merkmnie  hinzuweisen,  die  er  ftls 
die  des  weiblichen  Schädels  bezeichnen  zu  können  glaubt  und  bei  der 
Versaromlnng  in  Berlin  besprochen  hat.  Je  mehr  sich  solche  vereinigt 
finden,  um  so  sicherer  ist  das  Urtheil.  Einzelne  kann  auch  der  Dtäno- 
Uohe  Schädel  an  sich  tragen.  Es  war  ihm  Auffallend  bei  Untersuchnng ' 
des  ScIjSdelabgnsses  Raphaek  in  Rom  Bolche  aufzufinden  und  er  steht 
nicht  an,  das  Zarte  und  Änmuthige  in  den  Schöpfungen  Rnphaels  da- 
mit in  Beziehung  zu  bringen.  Sprechender  kann  die  Verknüpfung  von 
Leib  und  Seele  im  Menschen  sich  nicht  äussern,  als  dass  in  der  knö- 
chernen Hülle  des  Seele corgans  und  dem  Gesichtsskelete  sich  die  beson- 
dere Art  der  psychischen  Thätigkeit  nach  erkennen  lässt.  Er  zeigte 
dann  eine  Handzeichnung  von  Leonardo  da  Vinci  mit  einer  durch  Linien 
bezeichneten  Eintheilung  des  menschlichen  Gesichtes.  Die  Horizontale 
des  gerade  nach  vorn  sehenden  Kopfes  schneidet,  vom  Ohrloch  aus  ge- 
zogen, das  untere  Drittheil  des  Nase.  Das  ist  die  schon  von  v.  Baer 
empfohlene  und  vom  Redner  für  den  wohlgebildeten  Sch&del  anerkannte 
Horizontale,  die  durch  Neuerungen  leider  verdrängt  worden  ist.  In 
Bezug  auf  die  Winkelmessungen  am  Kopfe  macht  er  auf  die  Kritik  der 
bisherigen  Verfahren  durch  F.  BoBsel-Hagen  aufmerksam,  der  mit 
Recht  einen  modificirten  Caniper'echen  Winkel  als  den  einzig  brauch- 
baren zur  Bestimmung  des  Gesichtsprofils  bezeichnet.  Dasselbe  muss 
aber  in  seiner  Neigung  gegen  die  natürliche  Horizontale  bestimmt  wer- 
den. Auch  ist  Gesichtsprofil  und  Prognathismus  nicht  dasselbe.  Cam- 
per legte  seine  schräge  Linie  auch  an  die  Stirne  an,  was  man  ganz 
übersieht.  Was  die  Volumbestimmung  des  Schädels  angeht,  so  hat  E. 
Schmidt    den    vom   Redner    vor    3    Jahren  gelieferten  Nachweis,   daas 


vom  14.— 16.  August  188d.  183 

das  Broca'sche  Verfahren  zu  hohe  Werthe  gibt,  durch  umsichtige  Versuche  be- 
stätigt, doch  ist  sein  Vorschlag,  dasselbe  wegen  seiner  Genauigkeit  bei- 
zubehalten unter  Anwendung  yon  Keduktionstabellen,  nicht  zu  empfehlen. 
In  Bezug  auf  primitive  Merkmale  am  Schädel  führt  er  die  Beobachtung 
E.  Roths,  dass  die  Verschmelzung  der  lamina  ext.  des  proc.  pterygoid. 
mit  dem  grossen  KeilbeinAügel  bei  niederen  Rassen  häufiger  ist  und  die 
neue  Untersuchungsmethode  der  Erhebung  der  Nasenbeine  von  Merej- 
kowsky  an,  welche  zwar  bestätigt,  dass  diese  mit  der  Cultur  zunimmt, 
aber  einer  Verbesserung  bedürftig  ist.  Virchow  legt  hierauf  mehrere 
neue  Karten  vor,  welche  die  Verbreitung  der  hellen  und  dunkeln  Haare 
und  Augen  in  Deutschland  zur  Anschauung  bringen.  Die  helle  Bevöl- 
kerung, die  so  deutlich  im  Norden  vorherrscht,  dringt,  wie  sich  zumal 
im  Kanton  Bern  zeigt,  bis  mitten  in  die  Schweiz  vor.  Von  Ost  und 
West  drangen  in  Süddeutschland  dunkle  Stämme  ein,  vielleicht  waren 
es  die  Kelten.  In  der  Schweiz  waren  es  nach  Kollmann  die  Rhätier, 
die  sich  besonders  im  Kanton  Tessin  crlialten  haben.  Fr  aas  berichtet 
über  die  Arbeiten  zur  prähistorischen  Karte.  Es  erscheine  als  das  Ge- 
eignete, für  die  einzelnen  Theile  Deutschlands  besondere  Karten  ausar- 
beiten zu  lassen,  mit  deren  Anfertigung  Major  v.  Tröltsch  unausgesetzt 
beschäftigt  sei. 

Am  zweiten  Tage  fand  der  Ausflug  nach  Bodenheim  statt,  wo 
auf  dem  alten  Rheinufer,  etwa  150  Fuss  über  der  Thalebene,  auf  wel- 
chem in  der  Nähe  noch  heute  Kirche  und  Begräbnissplatz  sich  befln- 
den,  fränkische  Reihengräber  eröffnet  wurden,  deren  Skelette  und  Bei- 
gaben den  am  Mittelrhein  so  zahlreichen  Grabfunden  aus  dem  5. — 7. 
Jahrhundert  sich  anschliessen.  Reste  von  Eisenwaffen,  ein  Glasbecher, 
ein  Bronzezängchen,  eine  schwarze  Vase  mit  Tupfen,  ein  Bronzering, 
Glasperlen  und  eine  spät  römische  Münze  waren  die  eben  nicht  reich- 
lichen Funde.  Die  Lage  dieser  Gräber  weist,  wie  an  andern  Orten, 
auf  eine  noch  viel  ältere  Zeit  zurück,  in  der  die  Ebene  noch  Sumpf 
oder  gar  noch  Flussbett  war.  In  Mainz  wurde  Mittagstafel  im  Gutten- 
berg  gehalten,  wo  Dr.  Wentzel  die  Gäste  begrüsste.  Lucae  liess 
die  Stadt,  in  der  im  Jahre  1870  die  anthropologische  Gesellschaft  ge- 
gründet wurde,  leben.  Virchow  den  hochverdienten  Lindenschmit, 
der  durch  Unwohlsein  am  Erscheinen  verhindert  war.  Den  Herren 
Bontant,  0.  Donner  und  Hammeran  wurde  für  ihre  Führung  ge- 
dankt. Gegen  4  Uhr  fand  die  Besichtigung  des  römisch-germanischen 
Museums  statt,  der  lehrreichsten  aller  Alterthümer-Sammlungen.  Im 
Hofe  waren  die  Pfeiler  der  römischen  Rheinbrücke  aufgestellt,  von  denen 
einige  noch  den  Stempel  der  14.  Legion  tragen,  auch  von  der  22.  fand 
sich  ein   Stempel.    Der  Extrazug  traf  um  1 0  Uhr  wieder  in  Frankfurt  ein. 

In  der  Morgensitzung  am   16.  August  sprach  zuerst  Herr  v.  Ran 


184         Baricht  über  die  Aothropologen-Versammiang  rn  Frankfurt  a.  M. 

über  den  Pflug,  deoaeu  verschiedene  Arten  er  in  zahlreichen  Uodellen 
ausgestellt  hatte.  Er  findet  sich  früh  in  Aejfypten,  Amerika  kannte  ihn 
nicht,  auch  nicht  das  Innere  von  Afrika.  Er  hält  ihn  in  aeinem  Ur- 
sprange für  eine  Kachahmnug  des  menschlichen  Fnsses.  Die  Haeke 
scheint  ebenso  alt,  ihre  4  Zinken  erinnern  an  die  i  Finger.  Man  er- 
kennt sie  auf  etruskischen  Vasen.  Solche  Gerät  he  dienten  anch  als 
Waffen,  wie  in  neueren  Zeiten  noch  die  iiolnische  Sense.  Alte  Völker 
lockerten   den   Bodeu  anch   mit   Thierhürnen   und  spitzen    Steinen. 

Kacb  diesem  Vortrag  fand  die  Yorstandewahl  statt.  Zam  ersten 
Vorsitzenden  wnrde  Vircho  w,  zum  zweiten  Lncae,  zum  dritten  Scbaaff- 
hanseu  gewählt,  als  Ort  der  nächsten  Versammlung  Trier,  eum  Oeschäft«- 
führer  daselbst  Direktor  üettner.  Den  Cassenheriolit  erstattete  Weis- 
mann.  Die  Gesellschaft  zählt  2250  Mitglieder  und  für  1882/83  ist  die 
Summe  von  TS83  Mark  für  Pahlikationen  und  Unterstützung  wissenscbaft- 
licher  Arbeiten  verfügbar. 

Es  folgte  der  Vortrag  von  Dr.  Neubürger  über  das  Verhaltniss  der 
Sprach forscliung  zur  Anthropologie.  Die  Empfindung  als  ein  Inneres  kann 
nicht  durch  Bewegungsgesetze  erkUrt  werden  und  das  menschliche  Denken 
wäre  wisBenschaftlich  nicht  zu  erforschen,  wenn  ea  sich  in  der  Sprache  nicht 
verkörperte.  Die  Sprache  aber  kann  zur  Aufstellung  einer  Urgeschichte 
des  Geistes  verwendet  werden,  wie  es  durch  Lazarus  Geiger  geschehen 
ist.  Das  Studium  des  Sanskrit  belehrte  uns,  dass  der  ganze  Wortreich- 
thuro  der  Sprache  aus  einer  geringen  Zahl  von  Wurzeln  entsprungen  ist, 
die  eine  selbststiindige  Efklilrung  verlanjjcn.  Dass  VVorte  durch  N'achah- 
mnng  von  Tliierlanten  entstanden  sein  sollen,  verspottet  M.  Müller  als 
W au- W au- Theorie.  Er  meint,  der  Mensch  habe  in  der  Urzeit  eine  jetzt 
Anschlag  von  i 
^er  zeigte,  dass 
hnet,  sondern  dl 
Zusamm 


verlorene  Fähigkeit  besessen,  auf  d 
mit  einem  Laut  zu  antworten.     G 
Lant  einen  bestimmten  Begriff  bez 
jeden  Laut    bezeichnet    werden    kann.     E 
stimmten  Lauten    und  Bogrifl'eD    besteht 
Worten  ihre  bestimmte  Bedeutung  gegebt 


icht. 


Metall 

nicht  ein  bestimmter 

}B  jeder  Begriff  dnreli 

in  hang    zwischen    be- 

der  Zufall    hat  den 

Die  Entwicklung  der  Bedeu- 


tung   eines    Wortes    folgt    übereinstimmenden    Gesetzen;    die    begrifflichen 


Uebergange  der  Wörter 
begriS'e  sind  nicht  Äbstraktio 
denen  das  Besondere  übersebi 
wisse  Farben  keine  Worte,  si 
Dieselbe  Armuth    findet    man 
Werkzeuge,    dii 
sind,  beweisen, 
ging    die  Sprach 


llen  Sprachen  dieselben.     Die  Allgemein- 
in,   sie  sind  die  ersten  Wahrnehmungen,    in 
wird.     Die    alten  Sprachen    haben  für  gn- 
nnterscheideu  noch  nicht  das  Blau  und  Grfis. 
bei    beutigen  Wilden,     Die  Namen  gewisser 
I  Verrichtungen  der  menschlichen  Hände  hergenommen 
die  Sprache  älter  ist,  als  das  Werkzeug.   Nach  Geiger 
Schrei  aus,    den   eine   Gesichts  Wahrnehmung 


hervorrief.     £r  lässt  die  Sprache    der  Vernunft  voiausgehen.     Der  Redner 


vom  U.— 16.  August  1682.  185 

bofilt,  dass  auf  6eiger*8  ForscbuDgen  sich,  wie  es  Locke  forderte,  eine 
Lehre  vom  Ursprung  der  Begriffe  werde  gründen  lassen.  Hierauf  sprach 
Dr.  Flesch  über  das  Gehirn  des  jüngsten  mikrocephalen  Kindes  der  Fa- 
milie Becker.  Dasselbe  konnte  mit  6  Jahren  nicht  sprechen  und  nicht 
gehen^  zeigte  aber  ein  gewisses  iSIaass  von  Intelligenz  und  Zuneigung  zum 
Vater.  Es  fanden  sich  Spuren  des  Hydrocephalus  internus,  der  Occipital- 
nnd  die  Parietal-Lappen  hatten  keine  Windungen.  Die  Mikrocepbalie  ist 
nicht  immer  auf  die  Mutter  zurückzuführen.  Ein  Fall  weist  auf  Ueber- 
tragung  durch  den  Vater.  Sie  ist  ein  krankhafter  Process  der  frühesten 
Lebensperiode  und  die  theromorphe  Bildung  eine  Folge  desselben.  Mehlis 
spricht  über  den  am  Gebirgspass  der  Hardt  gelegenen  „Eisenberg^S  das 
Rufiana  des  Ptolemäus.  Es  ist  eine  Fundgrube  werth voller  römischer 
Bronzen.  Man  findet  vorrömische  Gräber  mit  dazwischen  liegenden  Schlacken- 
halden. Wo  die  Römer  eine  lebhafte  Eisenindustrie  betrieben,  da  bestehen 
auch  heute  noch  bedeutende  Eisenwerke,  wie  die  von  Gicnanth.  Naue 
zeigt  Funde  aus  3  Grabhügeln  von  Pullach  bei  München,  ein  Eisenschwert 
mit  Bronzegriff,  eine  Spirale  und  Nadel,  Scherben  mit  schwarzen  und  rothen 
Zickzackstreifen.  Virchow  berichtet  über  seine  Reise  in  den  Kaukasus 
und  stellt  zahlreiche  Photographieen  von  Grabfunden  aus.  Diese  kommen 
ans  dem  Lande  der  Osseten,  die  man  für  die  Vorfahren  der  Germanen  ge- 
halten hat;  dieselben  zeigen  eine  Reihe  sich  kreuzender  Cultureinflüsse, 
die  in  den  Kaukasus  hineingetragen  sind.  Es  finden  sich  persische  Karneol- 
perlen, indische  Kanrismnscheln,  Bernstein.  Gewisse  Thierfiguren  machen 
orientalischen  Einfluss  erkennbar.  Die  Bronze  ist  Edelbronze,  zu  der  das 
Zinn  eingeführt  sein  musste.  Eine  Form  der  Fibula  mit  grossem  Bügel 
wird  auch  in  Italien,  am  schwarzen  Meer  wie  in  Gräbern  der  Troas  gefun- 
den. Eigentbümlich  sind  langgestielte  Bronzebleche,  die  sich  bei  den  Arau- 
kanem  Südamerika's  wiederfinden,  wo  sie  in  den  Haarschmuck  eingeflochten 
werden.  Es  hat  sich  keine  Thatsache  ergeben,  welche  über  die  Abstam- 
mung der  germanischen  Stämme  hätte  Licht  verbreiten  können.  Schaaff- 
hausen  lenkt  die  Aufmerksamkeit  auf  vorgeschichtliche  Denkmale  und 
Funde  im  Rheinland.  Innerhalb  des  Steinringes  auf  dem  Petersberge  im 
Siebengebirge  liegen,  bisher  von  Erde  bedeckt,  gewaltige  Basaltblöcke  in 
einer  Weise  aufeinandergethürmt,  dass  man  den  Steinhaufen,  der  nun  frei 
gelegt  ist,  nicht  für  eine  natürliche  Bildung  halten  kann,  sondern  als  ein 
megalithisches  Denkmal  deuten  darf.  Die  fernere  Untersuchung  wird  zeigen, 
ob  hier  eine  Grabstätte  ist,  wie  man  sie  selbst  unter  erratischen  Blöcken 
in  Frankreich  gefunden  hat,  oder  ein  Opferplatz  vermuthet  werden  darf. 
Die  Peterskapello  erinnert  an  den  Donardienst.  Südlich  vom  Siebengebirge 
befindet  sich  auf  dem  Asberg  ein  bis  dahin  nicht  beachteter  Steinkegel,  an 
den  sich  ein  den  Berg  hinaufziehender  Steinwall  anschliesst.  Die  regel- 
mässige kreisrunde  Böschung  und  die  fast  gleiche  Grösse  der  Steine,  lassen 

12* 


18G        Bericht  über  ilis  ADtbi-opologcn-YersammluDg  zu  Frankfurt  b.  M. 

hier  das  Menschen  werk  erkennen.  Hinter  dem  Walle  liegt  ein  Steinring. 
Er  erwähnt  dann  die  neu  entdeckte  HQhle  voa  Steeten  an  der  Lahn  und 
die  in  derselben  gefundenen  3  wohl  erhaltenen  Seh Sdel,  die  der  van  Brocft 
beschriebenen  Rasse  von  Cro-Maguon  sehr  iihnlich  sind,  aber  nicht  tcie  diese 
in  die  Mammuthzeit  gesetzt  werden  können.  Die  Schienbeine  der  Begra- 
benen siud  pUtyknemiBch.  Diese  Beltsame  Form  hnt  Broca  schon  1866 
als  durch  die  Muekelthätigkeit  hervorgebracht  gedeutet  und  der  Redner 
1873  mit  der  sciiwachen  Entwicklung  der  Wadenmuskeln  bei  rohen  Völkern 
in  Beziehung  gebracht.  Die  grossen  Seh ä de! -Volum in n  darf  mau  nicht  ohna 
Weiteres  mit  einer  hoch  entwickelten  Intelligenz  in  Zusammenliang  bringep. 
Zuletzt  berichtet  er  über  die  Auffindung  von  Menschen resten,  Kohlen  und 
Feuersteinmessörn  in  einer  Mergeigruhe  bei  Metternicb  an  der  Mosel.  In 
derselben  Anschwemmung,  aber  10  Fuss  tiefer,  liegeu  die  Knochen  quater- 
närer  Thiere,  so  dsss,  deutlicher  als  in  den  Höhlen,  beide  Funde  durch 
eine  lange  Zeit  getrennt  sich  erweisen,  denn  die  letzten  sind  angeschwemmt, 
jene  verrathen  eine  Ansiedelung  und  sind  von  aussen  in  die  Erde  einge- 
graben. Tiachlor  erklärt  eine  kunstvoll  verzierte  Bronzecyete  von  Watsch 
in  Krain,  es  ist  darauf  eine  Leichenfeier  dargestellt.  Dieselbe  scheint  der- 
selben Zeit  anzugehören,  wie  die  Funde  von  Hall  Stadt  und  die  der  Certoaa 
von  Bologna.  Fraas  zeigt  ein  grosses  flaches  Stein meaBer  von  Quarzit  aoB 
Michigan.  Diese  Form  kommt  bei  uns  nicht  vor.  Zwei  ähnliche  aus  Peon- 
sylvanien  besitzt  das  historische  Museum  in  Frankfurt.  Zum  Schlüsse  sprach 
noch  Dr.  Wilser  ßlier  Kelten  und  Germaueu.  Die  ersten  sollen  im  Norden 
und  Westen  Europas  gewohnt  und  sich  nach  Südeu  und  Osten  verbreitet 
haben.  Kelt  bedeute  soviel  als  Held.  Die  ältesten  Volks-  und  Ortsnamen 
in  Europa  seien  nicht  mit  der  heutigen  keltischen  Sprache,  sondern  mit 
dem  germanischen  Sprachschatze  zu  erklären.  Die  Kelten  seien  blond  und 
blauängig  gewesen,  wie  die  Germanen.  Diese  seien  nicht  von  Osten,  son- 
dern von  Korden  gekommen,  wo  der  blonde  Typus  am  häufigsten  sei.  Hen- 
ning widerspricht  dieser  Ansicht.  Die  Kelten  seien  von  den  Germanen 
verschieden,  sie  sassen  nach  Herodot  in  frühester  Zeit  auf  der  iberischen 
Halbinsel,  ihrem  abgesonderten  Wohnsitz  entspreche  die  von  allen  übrigen 
scharf  geschiedene  Sprache.  Er  rühmt  für  die  Kenntnisa  des  Keltischen 
die  nicht  genug  geschätzten  Arbeiten  von  Zeuss.  Wolgan,  Welsche  nannten 
die  Germanen  die  ersten  Kelten,  die  ihnen  entgegentraten,  wie  sie  die  west- 
lichen Nachbarn  Wenden  nannten.  Die  Grenze  beider  Völker  war  der 
herkynische  Wald,  südlich  von  ihm  sind  alle  Namen  keltisch.  Die  Regen- 
bogenschüsselchen werden  nnr  im  Keltenland  gefunden. 

In  der  Nachmittagssitzung  schildert  zunächst  Klopfleisch  Reste 
alter  Wohnungen,  Flach-  und  Hügelgräber  bei  Goaseck  unfern  Naumburg, 
die  er  mit  Mitteln  der  Gesellschaft  durchforscht  hat  und  bespricht  dann  die 
Grabhügelfunde  im  rotheu  Haag  und  auf  dem  Hundarflck,  bei  Stettea  und 


vom  14.— 16.  Augast  1882.  187 

Sondheim  vor  der  Rhön.  Krause  macht  Mittheilnngen  über  das  Reihen- 
gräberfeld yon  Rossdorf  bei  Göttingen,  das  er  einen  weit  nach  Norden  vor- 
geschobenen Posten,  den  Sachsen  angehörig,  nennt.  Hier  scheint  Theilbe- 
stattnng  vorzukommen,  wiewohl  Müller  die  Gräber  schon  für  christlich 
hält.  In  der  Nähe  ist  der  altdeutsche  Heerweg  und  der  Hünenstollen,  eine 
alte  Yerschanzüng.  Ein  Riesenstoin  zeigt  scheinbare  Fingereindrücke,  es 
sind  Auswachsungen.  Die  Ausbeute  der  Gräber  war  gering,  eine  Urne  hat 
das  Mammellen-Omament,  welches  auch  in  Cypern  vorkommt.  Jetzt  nahm 
Sepp  das  Wort.  Nicht  Höhlen,  nicht  Schädel  erforsche  er,  aber  Sagen 
und  Mythen  der  Urgeschichte.  Frankfurts  Gründung  reiche  in  das  germa- 
nische Alterthum  zurück,  das  bewiesen  die  Namen  der  ältesten  Kirchen. 
Leonhard  sei  der  Name  eines  alten  Gottes,  Nikolas  mit  den  3  Nornen  eine 
mythologische  Person,  ßartel,  Bartold  sei  ein  Beiname  des  Wodan.  Hier 
habe  die  Yggdrasil  gestanden,  die  heilige  Esche,  wonach  die  Eschenheimer 
Gasse  den  Namen  habe.  Der  nächste  Vortrag  führte  zurück  zur  Craniologie. 
K  oll  mann  fragt,  was  ist  eine  Rasse?  Stellt  ein  Volk  nicht  nur  nach 
Sprache  und  Sitte,  sondern  auch  anatomisch  eine  Einheit  dar?  In  diesem 
Sinne  glauben  Einige,  dass  die  germanische  dolichocephale  Rasse  die  Trä- 
gerin einer  bestimmten  Cultur  sei.  Er  habe  die  Ansicht,  dass  die  Germanen 
Abkömmlinge  mehrerer  Rassen  seien.  Alle  Nationen  seien  aus  Mischungen 
entstanden.  Die  Darwinische  Züchtung  sei  seit  der  Diluvialzeit  nicht  mehr 
wirksam.  Seine  Forschungen  hätten  ihn  gelehrt,  dass  der  Mensch  seit  jener 
Zeit  sich  nicht  mehr  verändert  habe.  Nur  vor  der  Glacialzeit  hätten  sich 
die  höheren  Formen  aus  niedern  entwickeln  können.  Das  bewiesen  auch 
die  Thiere,  das  Rennthier  sei  unverändert,  ein  sogenannter  Dauertypus. 
Nicht  in  der  Profillinie  des  Gesichtes  liege  ein  Fortschritt,  sondern  in  der 
Hirnbildung  des  Menschen.  Die  That  der  Geister  bringe  die  Einheit  in  die 
Rassen.  Man  darf  wohl  fragen,  ob  denn  Leib  und  Seele  keinen  Zusammen- 
hang haben,  die  menschliche  Cultur  hat  riesenhafte  Fortschritte  gemacht, 
und  Hirn  und  Schädel  sollen  dabei  sich  nicht  verändert  haben?  Wo  hat 
denn  Kollmann  den  Typus  des  Neanderthalers  und  den  von  la  Naulette 
heute  gefunden,  ist  nicht  selbst  der  schmale  lange  Schädel  der  germanischen 
Reihengräber  schon  verschwunden?  Ranke  bemerkt,  dass  das  Gehirn  in 
Folge  grösserer  Thätigkeit  auch  eine  grössere  Entwicklung  zeige,  das  der 
Stadtbewohner  sei  im  Durchschnitt  grösser  als  das  der  Landleute.  Die 
Blondheit  oder  ßraunheit  seien  somatische  Kennzeichen,  die  bei  Vermischung 
der  Rassen  sich  in  höherem  oder  geringerem  Grade  vererben.  Meissner 
habe  in  Schleswig  gefunden,  dass  die  Blonden  auch  einen  besondern  soma- 
tischen Menschenschlag  darstellen.  In  Baiern  lasse  sich  kein  Einfluss  der 
blonden  Beschaffenheit  auf  die  Körpergestalt  nachweisen,  was  für  eine  voll- 
kommene Mischung  spreche.  Vi  r  c  h  o  w  sagt,  die  Einheit  sei  mehr  ein  Bequemlich- 
keitsbedürfnisB  unseres  Geistes,    während  die  Erfahrung  uns  zur   Mehrheit 


188       Beriaht  über  die  Anthropologea-VerBammlimg  tu  Franlifiirt  a.  BI, 

ziehe.  Auch  er  glaube,  dass  die  Germanea,  als  sie  einwanderten,  nicht 
mehr  eine  reiae  Rasse  waren.  Er  halte  eine  Umwandlung  auch  in  der  Ge- 
genwart für  möglich,  dns  blosse  Zurück  verlegen  des  Transform  Ismus  nach 
Kollmann  hrioge  keiapn  Nutzen.  Darwin  habe  seiue  besteji  Beweise 
für  denselben  von  solchen  Thieren  liergenommeti,  welche  auf  kleine  Wohn- 
orte z.  B.  Inseln  beschränkt  seien.  In  gleicherweise  milsaten  solche  Inseln 
auch  das  Feld  der  anthropologischen  Untersuchung  werdou.  Er  gesteht 
seine  Begeisterung  für  die  Einheit  des  Menacbengeschl echtes,  doch  nennt  er 
sie  einen  sentimentalen  Gedanken!  Nachdem  noch  Becker  über  die  R&- 
merstrasson  im  Odcuwald  gesprochen,  wo  er  3  Strassenzüge  bezeichnet», 
war  um  6  Uhr  die  Reibe  der  Mittheilungen  erschöpft  nnd  Lucae  schloBs 
mit  einem  Danke  an  seine  Mitbürger,  die  ihn  so  thätig  unteretiltzt,  die 
Versammlung. 

Am  andern  Morgen  fuhr  man  um  S'/a  Uhr  unter  strömendem  Regen 
nnvenagt  nach  Hamburg,  wo  im  Saalburg-Muaeum  Herr  Curdirektoi  t. 
Schulze  die  Forscher  hegrüsste  und  der  Vereins  Vorsitzen  de  Herr  Jaoobi 
die  trefflich  geordnete  Sammlang  erklärte.  Dann  folgte  die  Auffahrt  va 
Saalborg.  Mit  doppeltem  Interesse  wurde  das  von  Herrn  v.  Cohansen  httchst 
zweckmässig  restaunrte  Caatruni  nnd  der  nahe  Pfahlgrabeu  besichtigt,  nach- 
dem das  Homburger  Muaeuo)  mit  seinen  reichen  Funden  ein  voilstöndig«* 
Bild  dea  römischen  Lehens  jener  Zeit  gegeben  hatte.  Auch  der  Steinwall 
auf  dem  Leibeskopf  wurde  noch  besucht,  den  indessen  Viele,  selbst  Schlie- 
msnn,  ,fQr  eine  natürliche  Bildung  halten  wellten. 

Schaaffhauaeu. 


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UniTcriiitiU-Bncbdrue 


D  Ou-l  Oaorgt  In  Bonn. 


hrb.  des  Verems  v.  AlterÜmmsfr.  im  Rbemi  Heft  LXXIll. 


Taf.  I. 


Minerva. 

gTATUETTE    VON    pRONZE. 


Iirb.  des  Vereins  T.  AUirlliums/r.  iv,  Rlietnl.  Heß  LXXIII. 


Tu/.  I.a. 


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