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Full text of "Bonner Jahrbücher"

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BONNER  JAHßBlTCHER. 


JAHRBÜCHER 


VEREINS  VON  ALTERTUMSFREUNDEN 


BHEINLANDE. 


aiT  B  TAmhH  DHU  n  mtmouBWi. 


II 0  N  N. 

rtEDKUCKT  AUF  KOSTEN  I>KS  VEREINS. 

BONN,  BEI  1.  MiÜClIS. 


1/  ^  ^  ^  ^  i  -  ' 


BONNER  JAHRBÜCHER. 


JAHRBÜCHER 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTUMSFREUNDEN 


IM 


EHEINLANDE. 


HEFT  102. 


UT  6  TAFELir  VND  27  TEXTnflDBEH. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

B0N5,  BEI  1.  HAKCDS. 

1898. 


Inhalts -Verzeichnis. 


I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

Seite 

1.  Die  Beurkundung  des  Civiistandes  im  Altertum.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte 

der  Bevölkerungsstatistik.    Von  Wilhelm  Levison 1 

2.  Zur  Okkupations-  und  Verwaltungsgeschichte  des  rechtsrheinischen  Römer- 
landes.   Von  E.  Herzog.    Hierzu  Tafel  I 83 

8.    Die  neueren  Ausgrabungen  vor  dem  Klever  Thor  zu  Xanten.    Von  J.  S  t  e  i  n  er. 

Mit  1  Textfigur 102 

4.  Die  Arretinischen  Töpfereien.    Von  Maxihm 106 

5.  Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein.    Von  A.  0x6.    Mit  2  Textfiguren  127 

6.  Die  Waldalgeshermer  Schmuckplatten.  Von  Cons tantin  Reenen.  Hierzu 
Tafel  II 158 

II.  L  i  1 1  e  r  a  t  u  r. 

1.  Die  Formen  der  römischen  Thongefässe  diesseits  und  jenseits  der  Alpen. 
Von  Prof.  Oscar  Holder.    Besprochen  von  Dragendorff 163 

2.  Die  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz.  Dritter  Band.  V.  Die  Kunstdenk- 
mäler des  Kreises  Grevenbroich.  Vierter  Band.  I.  Die  Kunstdenkmäler  des 
Landkreises  Köln.    Von  Paul  Giemen.    Besprochen  von  A.  Wiedemann    164 

8.    Bergische  Sagen.    Von  Otto  Schell.    Besprochen  von  A.  W 166 

4.  Die  kölnischen  Stadtpläne  des  Arnold  Mercator  und  des  Cornelius  ab  Egmont 
von  1571  und  1642.    Besprochen  von  R.  Schnitze 167 

5.  Rheydter  Chronik.  I.  Bd.  bearbeitet  von  Dr.  L.  Schmitz.  II.  Bd.  verfasst 
von  Dr.  W.  Strauss.    Besprochen  von  Constantin  Koenen 170 

6.  Neuere  Veröffentlichungen  über  das  Bauernhaus  in  Deutschland,  Österreich- 
Ungarn  und  der  Schweiz  von  Hans  Lutsch.  Besprochen  von  Constantin 
Koenen 171 

III.  M  i  s  z  e  1 1  e  n. 

1.  Römische  und  germanische  Funde  am  Rheinwerft  zu  Bonn.  Von  Knicken- 
berg • 174 

2.  Funde  aus  Bonn.    Von  Klein 178 

8.    Euskirchen.    Römische  Funde.    Von  Klein 180 

4.  Altes  und  Neues  vom  Weiler  an  der  römischen  Saarbrücke  beim  Halberg  182 

5.  Heddesdorf.    Römischer  Grabstein.    Von  Klein 187 

6.  Köln.    Römische  Grabschrift.    Von  Klein 188 

7.  Münstereifel.  Fund  von  Thongefässen.  Von  Schulteis.  Mit  Ab- 
büdung 188 

8.  Neuss.    Münzen  von  Nemausus  und  Vienna.    Von  van  Vleuten     .    .    .  190 

9.  Poulheim.    Funde  beim  Bau  der  Bahn  Köln-Grevenbroich 190 

10.    Bheydt.    Neue  Funde 190 


IV  Inhalts- Verzeichnis. 

Seite 

11.  Weissenthurm.    Prähistorische  und  römische  Funde.    Von  Klein   .    .    .  192 

12.  Zülpich.    Fränkische  Funde.    Von  Klein 193 

13.  Achtunddreissigste  Plenarsitzung  der  historischen  Kommission  bei  der  kgl. 
bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  am  11.  und  12.  Juni  1897  .    .    .  194 

IV.  Berichte. 

Jahresbericht  des  Vereins  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  zu  Bonn       .    .  196 
Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege  in 

der  Rheinprovinz 199 

Berichte  über  die  wichtigeren  der  ausgeführten  Restaurationsarbeiten  204 

Anfertigung  von  Kopien 257 

Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialmuseen  in  der  Zeit  vom  1.  Aprü  1896 

bis  31.  März  1897 261 

1.  Bonn 261 

2.  Trier       267 

Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  und  Geschichtsvereine  und  über  die 

Vermehrung  der  städtischen  und  Vereinssammlungen  innerhalb  der  Rhein- 
provinz        274 

1.  Die  grösseren  Vereine 274 

2.  Die  Vereine  mit  beschränktem  Wirkungskreis 278 

3.  Die  städtischen  Sammlungen 291 


I.  Geschichte  und  Denkmaler. 
Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum. 

Ein  Beitrag  zur  Geschichte  der  Bevölkerungsstatistik. 

Von 
Wilhelm  LeTison« 


Vorbemerkungen. 

Im  Mittelpunkte  dei-  folgenden,  von  Herrn'  Geheimrat  Professor  Nissen 
angeregten  und  mit  seiner  Unterstützung  vollendeten  Arbeit  stehen  Zusammen- 
stellungen von  Altersangaben,  die  sich  auf  den  Griechischen  und  Römischen 
Grabinschriften  finden;  sie  sind  gesammelt  und  geordnet,  um  eine  Grundlage 
zu  ihrer  Venvertung  für  die  Bevölkeruugsgeschichte  des  Altertums  zu  geben. 
Hier  ist  nur  die  Frage  nach  ihrer  Zuverlässigkeit  behandelt,  für  die  sich  in 
der  Geschichte  der  Civilstandsbeurkundung  ein  passender  Rahmen  darbot.  Da- 
gegen ist  die  Ausnutzung  für  die  Bevölkerungsgeschichte  nicht  versucht,  sondern 
der  Zukunft  vorbehalten.  Die  Zahl  der  Ergebnisse  dürfte  sich  als  nicht  allzu 
gross  erweisen;  wenn  irgendwo,  so  gilt  hier  Goethes  Wort: 

Was  man  nicht  weiss,  das  eben  brauchte  man. 
Und  was  man  weiss,  kann  man  nicht  brauchen. 

Dennoch  dürfte  die  Zusammenstellung  der  Altersangaben  auch  bei  der 
Aussicht  auf  nur  geringen  Ertrag  gerechtfertigt  erscheinen,  da  so  allein  ein 
Urteil  über  den  Wert  und  die  Brauchbarkeit  dieses  ausgedehnten  Materials 
möglich  wird. 

Die  Untereuchung  war  bereits  abgeschlossen,  als  mir  die  Abhandlung  von 
A.  G.  Harkness:  Age  at  marriage  and  at  death  (Transactions  of  the  American 
Philological  Association  XXVII,  1896,  S.  35 — 72)  bekannt  wurde.  Harkness 
hat  gleich  mir  die  Altersangaben  der  Grabinschriften  gesammelt  und  in  Tabellen 
geordnet,  ohne  dass  die  VeröflFentlichung  meiner  Sammlungen  überflüssig  er- 
scheinen könnte.  Das  beiderseitige  Verfahren  weicht  nämlich  in  verschie- 
denen grundsätzlich  wichtigen  Punkten  von  einander  ab.  Harkness  hat 
es  unterlassen,  die  Geschlechter  zu  scheiden,  und  doch  ist  meines  Er- 
achtens  das  Verhältnis,  in  dem  beide  vertreten  sind,  nicht  unwesentlich  fllr  die 
Beurteilung  und  Verwertung  des  ganzen  Materials.  Fenier  hat  er  sich  in 
seinen  Tabellen  eng  an  die  Einteilung  des  Corpus  inscriptionum  Latinarum  an- 
geschlossen, während  ich  es  vielfach  versucht  habe,  den  StofiT  nach  kleineren 
Bezirken  zu  zergliedern.  Somit  mnsste  ich  wegen  der  mangelnden  Überein- 
stiiiiiiiiing  unserer  Tabellen  nach  Form  und  Inhalt  darauf  verzichten,  die  Zu- 

Jakrb.  d.  Yer.  t.  Altertlufir.  im  Bheinl.  lOS.  1 


2  Wilhelm  Levison: 

yerlässigkeit  meiner  Zahlen  im  einzelnen  mit  Hilfe  der  Amerikanischen 
nachzuprttfen.  Ich  habe  ganze  Provinzen,  z.  B.  Achaja,  unberücksichtigt 
gelassen,  wenn  mir  das  Material  für  eine  statistische  Aufarbeitung  zu  beschränkt 
erschien,  während  eine  Tabelle  fttr  den  ganzen  Band  des  C.  I.  L,  keinen  Teil 
ausschliessen  konnte;  ma»  beachte  auch  die  verschiedene  Behandlung  der  In- 
schriften der  Flottensoldaten  und  der  christlichen  Monumente. 

Lehrreich  für  die  Frage  nach  der  Methode,  die  bei  der  Verwertung  dieses 
Materials  anzuwenden  ist,  erscheint  Harkness'  Versuch,  auf  Grund  von  sorg- 
fältigen Sammlungen  das  Durchschnittsalter  von  Männern  und  Frauen  bei  der 
Heirat  zu  bestimmen;  seine  Rechnung  ergiebt  eine  spätere  Lebenszeit,  als  man 
bisher  angenommen  hatte.  Die  Rechnung  ist  richtig;  aber  lassen  sich  daraus 
irgend  welche  Folgerungen  ziehen?  Es  ist  doch  bemerkenswert,  dass  nicht 
etwa  die  Reihe  der  Frauen,  die  mit  18  Jahren  geheiratet  haben,  am  stärksten 
besetzt  ist,  sondern  keine  Gruppe  so  zahlreich  vertreten  ist  wie  die  der  Jahre 
12  bis  15,  sowohl  einzeln  wie  in  ihrer  Gesamtheit,  dass  die  Frauen,  welche 
vor  vollendetem  16.  Jahre  geheiratet  haben,  50,3  ®/o  der  gesamten  Menge  ein- 
nehmen. Trotz  der  höheren  Durchschnittszahl  bleibt  also  die  Thatsache  zahl- 
reicher früher  Heiraten  bestehen.  Nicht  allgemeine  Durchschnittsberechnungen, 
bei  denen  allzu  leicht  die  äussersten  Enden  ausschlaggebend  werden,  dürften 
hier  von  Nutzen  sein,  sondern  eine  Zusammenfassung  des  Materials  nach 
kleineren  Gruppen  von  nicht  zu  grossem  Umfange. 

Die  benutzten  Quellen  sind  durchweg  veröflFentlicht  und  allgemein  zu- 
gänglich mit  zwei  Ausnahmen.  Herr  Professor  Dr.  Dessau  in  Berlin  gestattete 
mir,  die  vorhandenen  Korrektur-  und  Aushängebogen  des  3.  Ergänzungsbandes 
der  Afrikanischen  Inschriften  (Mauretanien)  einzusehen.  Herr  Professor  Dr. 
Wessely  in  Wien  teilte  mir  den  Wortlaut  mehrerer  nicht  vollständig  veröflFent- 
lichter  Totenscheine  der  Papyrussammluug  Erzheraog  Rainer  mit.  Beiden  sei 
an  dieser  Stelle  herzlicher  Dank  für  ihre  liebenswürdige  Förderung  meiner 
Arbeit  ausgesprochen! 


Nicht  der  Forschungsdrang  der  Wissenschaft  hat  die  ersten  statistischen 
Einrichtungen  ins  Leben  gerufen,  sondern  die  Anforderungen  des  praktischen 
Lebens.  „Aus  dem  Bedürfnis,  die  militärische  und  die  pekuniäre  Leistungs- 
fUhigkeit  eines  Staates,  seine  Wehrkraft  und  seine  Steuerkraft  zu  ermitteln  und 
die  Grundlage  für  eine  gerechte  und  zweckmässige  Verteilung  dieser  Lasten 
zu  gewinnen"*),  erwuchsen  die  Anfänge  der  Bevölkerungsstatistik.  In  der- 
selben Richtung  wirkte  das  natürliche  Streben  des  Bürgers  nach  Vorkehrungen, 
durch  die  der  Kreis  der  vollberechtigten  Glieder  des  Staatswesens  urkundlich 
festgestellt  und  gegen  das  Eindringen  Minderberechtigter  geschützt  werden 
konnte.    Sobald   daher   die  Ausdehnung   des   Staates  und   die   Zunahme   der 


1)  Eduard  Meyer  im   «Handwörterbuch  der  Staatswissenschaften*  von  Conrad, 
Elstbr,  Lexis  und  Löning  II,  1891,  S.  448. 


Die  Benrkundang  des  Civilstandes  im  Altertnni.  8 

Volkszahl  die  Möglichkeit  nahmen ,  allein  mit  Hilfe  des  Gedächtnisses  die 
Verteilung  der  Bevölkerung  nach  Rechten  und  Pflichten  vorzunehmen  und  die 
Berechtigung  aller  Ansprüche  auf  den  Besitz  des  BttrgeiTechts  zu  beurteilen 
und  zu  prüfen,  musstcn  jene  zwei  Ursachen  zu  statistischen  Aufnahmen  der 
Bevölkerung  führen,  die  Notwendigkeit  der  Kenntnis  der  Leistungsfähigkeit  des 
Staatsganzen  ^)  auf  der  einen  Seite^  auf  der  anderen  das  Bedürfnis,  den  Besitz 
des  Bürgerrechts  gegen  Anfechtungen  zu  sichern  und  Eindringlinge  von  dem 
Genüsse  seiner  Ehren  und  Vorteile  fernzuhalten.  Diese  Ursachen  treten  denn 
auch  in  Hellas  wie  im  Römischen  Reiche  in  allen  Einrichtungen  zu  Tage, 
deren  Aufgabe  es  war,  Stand  oder  Bewegung  der  Bevölkerung  festzustellen, 
wie  in  dem  KaraXoTO^  und  den  Censuserhebungen,  dem  XriEiapxiKÖv  Tpa|bi|biaTeTov 
und  ebenso  den  Geburtsurkunden,  die  die  Abstammung  der  Neugeborenen  und 
die  Zeit  der  Geburt  berücksichtigen  mussten.  Denn  wie  die  Herkunft  über 
den  Besitz  des  Bürgerrechts  entschied^  so  kam  auch  die  Zeit  der  Geburt  für 
die  verschiedensten  Fragen  des  öffentlichen  und  des  Privatlebens  in  Betracht, 
war  die  Feststellung  des  Alters,  die  probatio  aetatis,  bei  zahlreichen  Gelegen- 
heiten notwendig^).  Mündigkeit  und  Recht  zur  Eheschliessung,  Anfang  und 
Ende  der  Heerespflicht,  Zulassung  zu  den  Staatsämteiii  und  Befreiung  von 
manchen  öffentlichen  Lasten  hingen  davon  ab;  der  xaraXoTo^  und  die  tabnlae 
iuniorum  seniorumque  umfassten  bestimmte  Altersklassen,  ein  bestimmtes  Lebens- 
jahr bedingte  die  Einschreibung  in  das  Attische  Gemeindebuch  und  den  7riva£ 
^KKXiiaiaariKÖ^,  in  Rom  schrieben  leges  annales  für  die  Bekleidung  der  Staats- 
ämter ein  Mindestmass  von  Lebensdauer  vor.  Heute  würden  unsere  Gebnrts- 
listen  fllr  diese  Zwecke  eine  sichere  Grundlage  bieten  können ;  die  entsprechen- 
den Einrichtungen  des  Altertums,  besonders  des  Römischen  Reiches,  darzulegen, 
soll  Aufgabe  der  folgenden  Untersuchung  sein. 

Hellas. 

Athen  hat  eigentliche  Geburtslisten  niemals  gekannt.  Die  Phratrien,  seit 
Kleisthenes  rein  religiöse  Verbände,  führten  wohl  Bürgerverzeichnisse');  aber 
man  kann  sie  kaum  Geburtslisten  nennen,  da  es  dem  Vater  des  Neugeborenen 
freistand,  die  Anmeldung  seines  Kindes  in  dessen  erstem  Lebensjahre  vorzu- 
nehmen oder  erst  dann,  wenn  er  es  in  die  Phratrie  einführte  und  das  Opfer 
Koupciov  darbrachte.  Am  Feste  der  Koupeaixi^,  dem  dritten  Tage  der  Apa- 
turien,  im  Monat  Pyanopsion  fanden  die  Eintragungen  statt,  deren  Berechti- 
gung in  einer  eingehenden  biabixaaia  geprüft  wurde.     In  der  Phratrie  Armo- 


1)  „üt  publice  notae  sint  facultatos  nostrae",  bezeichnet  Kaiser  Claudius  als 
Zweck  des  Census  am  Ende  seiner  Rede  de  iure  bonorum  Gallis  dando. 

2)  Für  Rom  vgl.  Pardessus,  Memoire  sur  les  differents  rapports  sous  lesquels 
Yäge  6tait  consid^r^  dans  la  legislation  romaine,  in  den  M6moires  de  TAcad^mie  Royale 
des  inscriptions  et  belles-lettres  XIII,  1837,  S.  266—344;  Leonhard,  Aetas,  in  Pauly- 
Wissowas  Beal-Encyclopädie  I,  1894. 

3)  Hermann,  Lehrbuch  der  Griechischen  Staatsaltertümer  11^,  1892,  S.  324 f.; 
Wilamowitz,  Aristoteles  und  Athen  U,  1893,  S.  259  f. 


4  Wilhelm  Levison: 

Tiujvibai  ftthrten  nach  ihrem  Gesetze  vom  Jahre  396/5  ^)  der  Phratriarch  und 
der  Priester  des  Zeus  Phratrios  das  TpctMMaTeTov  und  eine  Abschrift  (dvTiTpa- 
q)ov)  desselben  und  nahmen  die  notwendigen  Eintragungen  und  Streichungen 
vor;  in  den  übrigen  Phratrien  wird  es  ebenso  gewesen  sein,  nur  dass  Ver- 
schiedenheiten in  der  Leitung  der  Phratrien  auch  Abweichungen  in  der  Ver- 
waltung der  Listen  zur  Folge  haben  mochten,  wie  etwa  das  Vorhandensein 
zweier  Phratriarchen  bei  den  AuaXeT?  *).  Die  Listen  hatten  nicht  die  Aufgabe,  die 
Zeit  der  Geburt  festzustellen  oder  die  Bewegung  der  Bevölkerung  für  die 
Zwecke  der  Verwaltung  erkennen  zu  lassen;  sie  sollten  die  Herkunft  der  Ein- 
getragenen aus  der  rechtmässigen  Ehe  eines  Bürgers  mit  einer  Athenerin  eben- 
falls bürgerlicher  Abkunft  bekunden,  seit  Perikles  (451/0)  Bedingung  für  den 
Besitz  der  Bürgerrechte.  Die  Phratrien  waren  so  die  Wächter  über  die  Rein- 
heit der  Abstammung;  sie  verlangten  für  die  Eintragung  in  die  Listen  nach 
Isaios'  Worten  ^)  den  Nachweis,  f\  juriv  dH  aaTx\<;  €i0dT€iv  Kai  TtTOvöia  öpBui?, 
und  Zeugen  mussten  diesen,  wie  das  Gesetz  der  Demotioniden  vorschreibt, 
durch  den  Eid  bekräftigen:  juapTupui  6v  el0dT€i  ^auiip  uöv  elvai  toötov  Tvrj- 
010V  dt  TctMeTTJ^.  Welcher  Art  die  Einschreibungen  waren,  zeigt  der  Zusatz  zu 
diesem  Gesetze,  der  um  die  Mitte  des  vierten  Jahrhunderts  fllr  die  Anmeldung 
beim  Phratriarchen  bestimmt,  d7TOTp6q)€(y9ai  tuj  TrpaiTiu  ?Tei  f\  di  &v  tö  Koupeov 
&^e\  TÖ  övo)Lia  iraTpöBeT  Kai  toö  brjiiiou  Kai  Tf\^  m^po^  TraTpöGev  Kai  to[0  br|])iOu. 
Hier  zeigt  es  sich  deutlich,  däss  es  sich  nicht  um  die  Beurkundung  des  dies 
natalis,  sondern  nur  der  natales  handelte.  Die  KOivd  Tpa)Li)iaT€Ta  der  Phratrien 
lassen  sich  so  nur  in  beschränktem  Masse  mit  unseren  Geburtslisten  vergleichen, 
ebenso  mit  den  Taufbüchern  *)  nur  insofern,  als  die  Eintragung  in  das  TpctMMa- 
T€Tov  zugleich  die  Aufnahme  in  die  Kultgemeinschaft  der  Phrateren  bedeutete. 
Dass  dieses  Verzeichnis  der  Phratriegenossen,  wie  man  behauptet  hat,  „der 
Rolle  der  Wehr-  und  Steuerpflichtigen,  dem  Gemeinderegister  des  Demos,  als 
natürliche  Grundlage  diente  wie  dieses  den  Wählerlisten  der  Ekklesia"  ^),  ist 
bei  der  trotz  mancher  Beziehungen  doch  verschiedenen  Natur  von  Phratrien 
und  Demen  kaum  wahrscheinlich  und  würde  die  biaiprjq)i0i5  bei  der  Eintra- 
gung in  das  Gemeindebuch  und  der  Aufnahme  unter  die  Epheben  ^)  überflüssig 
gemacht  haben;  dagegen  spricht  ferner,  dass  diese  Eintragung  an  die  Voll- 
endung des  18.  Lebensjahres  gebunden  war,  während  die  Phratrienlisten  kaum 
eine  genaue  Feststellung  des  Alters  gestatteten  oder  auch  nur  bezweckten. 
Im  besten  Falle  konnten  die  q)paT6piKd  TpoiMMOiTcia  den  XiiHiapxiKd  TPoimnaTeTa 
zur  Kontrolle  dienen,  aber  nicht  ihre  Grundlage  abgeben. 

Wie  die  Phratrienlisten  also  nur  bestimmt  waren,  ünbereclitigte  vom  Ge- 


1)  C.  I.  A.  II  2,  841b  und  IV  2,  841b  (S.  534  und  205). 

2)  C.  I.  A.  II  1,  600. 

3)  VII  16. 

4)  Töpffer,  Attische  Genealogie,  1889,  S.  17. 

5)  Scholl,  Die  kleisthenischen  Phratrien.    Münchener  Sitzungsberichte,  phil.-hist. 
Klasse,  1889  II,  S.  23. 

6)  Aristot.  'Aenv.  noX.  42. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  5 

nusse  der  Bürgerrechte  fernzuhalten,  nicht  auch  zum  Zwecke  der  Verwaltung 
die  Bewegung  und  die  Zunahme  der  Bevölkerung  festzustellen,  so  entspricht 
es  dem  durchaus,  dass  die  Ueberlieferung  nichts  von  Attischen  Sterbelisten 
weiss.  Zur  Zeit  des  Thukydides  bestanden  solche  sicherlich  noch  nicht,  da 
dieser  nur  die  Zahl  der  an  der  Pest  gestorbenen  Ritter  und  Hopliten  anzu- 
geben weiss,  nicht  die  der  übrigen  Toten  ^),  und  ebensowenig  meldet  ein  Zeug- 
nis in  der  Folgezeit  von  der  Führnng  Attischer  Totenlisten.  Die  Inschriften 
mit  den  Verzeichnissen  der  im  Kampfe  gefallenen  Krieger  finden  hinreichende 
Erklärung  durch  die  besondere  Gelegenheit,  die  den  Gedanken  nahelegen 
mochte,  das  Andenken  der  Tapferen  nicht  in  Vergessenheit  geraten  zu  lassen 
und  ihre  Namen  durch  eine  Inschrift  der  Nachwelt  zu  melden;  sie  gestatten 
aber  keinen  Schluss  fllr  die  Geschichte  der  Civilstandslisten,  sondern  sind 
blosse  Denkzeichen  Hellenischer  Tapferkeit,  wie  zu  Pausanias'  Zeit^),  so  auch 
für  uns'*). 

In  vielen  der  Griechischen  Staaten  mag  es  ähnliche  Standeslisten  ge- 
geben haben  wie  zu  Athen;  doch  kein  Zeugnis  berichtet  davon,  und  nur  für 
die  Insel  Kos  lässt  sich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  der  Gebrauch  von  Ge- 
burtslisten schon  für  das  fünfte  Jahrhundert  v.  Chr.  erechliessen  *).  Hippokrates 
war  hier  460  geboren;  noch  im  zweiten  Jahrhundert  n.  Chr.  konnte  Soranos 
für  seine  ßioi  iaipiüv  in  den  Archiven  von  Kos  die  Geburtszeit  des  Vaters  der 
Heilkunde  bis  auf  den  Tag  genau  feststellen  ^),  Kaid  be  tou^  TTeXoTrovvrityiaKOu^ 
flKjLiacTe  xpovou^,  heisst   es  von  Hippokrates,  T^wiiGei^,  ui^  q)r|(Tiv  IcTTOiiiaxo^  dv 

TUJ   a'  7T€pi  TTl^  'iTTTTOKpdTOU^   atp^0€U)^,    Kttia  TO   tt    fio^   ifj^   7t'   6Xu|i7ndbo^,     d)^ 

bfe  Zuipavö^  6  Käo^  dpeuvrjcra^  id  dv  Kiu  TPCtm^ctToq)uXaK€ia  7rpo(TTi9r|0i,  )iOvap- 
XOUVTO^  'Aßpidba,  iiinvö^  'Atpiaviou  kZ!'*  rrap'  6  Kai  dvaTiCeiv  dv  aurq  M^xpi  vöv 
'iTTTroKpdiei  q)ii0i  tou^  Kiuou^.  Dass  diese  Angabe  über  die  Geburtszeit  des 
Hippokrates  Geburtslisten  entstammt,  ist  eine  naheliegende  Vermutung,  die  an 
Wahrscheinlichkeit  gewinnt  durch  eine  Inschrift  dör  Kos  benachbarten  Insel 
Kalynma^).  Dieses  Denkmal  gehört  einer  Zeit  an,  in  der  Kalymna  von  Kos 
abhängig  war'),  und  enthält  ein  Verzeichniss  von  Personen,  wahrscheinlich 
der  zur  Teilnahme  am  Kult  des  Apollon  Delios  Berechtigten  ®),  in  dessen  Tempel- 

1)  Thuc.  III  87,  3:  T€TpaKoaiuüv  y^p  öttXitiüv  kqI  T€TpaKiaxiX(ujv  ouk  dXdaöou^  dir^- 
Oavov  ^K  Toiv  TdHeuüv  xal  TpiaKoaiuuv  linr^uüv,  toö  hk.  dXXou  öxXou  dveSeupexoq  dpiG^ö^.  V«rl. 
Müller-Strübing,  Aristophanes  und  die  historische  Kritik,  1873,  S.  642. 

2)  Paus.  I  29,  4  f. 

3)  C.  I.  A.  I  432  f.,  II  1673. 

4)  Vgl.  Wilamowitz,  Euripides  Herakles  I,  1.  Aufl.,  S.  3,  Anin.  4. 

5)  Westermann,  Biographi  Graeci  minores,  S.  449—450. 

6)  Colli tz-Bechtel,  Sammlung  der  Griechischen  Dialekt  -  Inschriften  III  3593 
(=  Bulletin  de  corr.  hell.  VIII,  1884,  S.  29-42),  und  die  vielleicht  zu  derselben  In- 
schrift gehörenden  Bruchstücke  Ancient  Greek  inscriptions  in  the  British  Museum  II, 
1883,  315—320. 

7)  Vgl.  Paten  and  Hicks,  Inscriptions  of  Cos,  1891,  S.  352—354;  CoIIitz-Bechtel 
a.  a.  O.  S.  324—325  (Mitte  des  2.  Jahrhunderts  v.  Chr.). 

8)  Der  Zweck  der  Inschrift  lässt  sich  erschliessen  aus  einer  ähnlichen  Liste  — 
doch  ohne  Angaben  über  die  Zeit  der  Geburt  —  aus  dem  Kölschen  Demos  Halasarna 


6  Wilhelm   Levison: 

bezirk  die  Inschrift  sich  fand.  In  ihrem  erhaltenen  Teile  werden  fivnßoi  und 
fcpilßoi,  TTapGevoi  und  T^vaiKC^  aufgezählt,  geordnet  nach  Phylen  und  Demen; 
in  derselben  Weise  waren  vermutlich  ävbpe^  genannt.  Zu  jedem  Namen  sind 
wie  in  den  Attischen  Phraterenlisten  genaue  Angaben  über  die  Abstammung 
von  beiden  Eltern  her  hinzugesetzt,  ausserdem  aber  regelmässig  das  Geburts- 
datum, indem  ein  eponymer  Beamter  des  Geburtsjahres  —  mag  nun  der  juiö- 
vapxo^  oder  der  aTe(pavr\cpöpo<;  gemeint  sein  —  und  der  Geburtsmonat  ange- 
geben werden,  z.  B.  (Zeile  44  f.  und  98  f.) : 
OavoKpiTii  l0OKpdTOu  TX.  Ik  TToGaia^,    liaipö?  be  0iXo0TpdTr|?   id?    KXeucpdvou 

TTa)Li.  d£  'OpKttTOu,  Y^TOvuTa  im  'AtXaoO,  AaXiou. 
TTXdiujv  A€U)0TpdTOu  TX.  Ik  TTavöpiLiou,  juaTpö?  bi  KpaTi0TOÖ^  id^  TTpagiiröXio^ 

Tlaix,  iK  TTavöpjiOu,  t^TOVO)?  dm  EuTuxiba,  Kapveiou. 

Da  so  eine  Angabe  über  ein  Geburtsdatum  vorliegt,  die  den  Archiven 
von  Kos  entnommen  ist,  da  femer  sich  im  Gebiete  von  Kos  eine  Inschrift  ge- 
funden hat,  die  zeigt,  dass  man  hier  nicht  nur  auf  die  Feststellung  der  Her- 
kunft, sondern  auch  auf  die  der  Geburtszeit  einigen  Wert  legte,  so  mag  die 
Vermutung  nicht  allzu  gewagt  erscheinen,  dass  auf  Kos  wirkliche  Geburts- 
listen im  Altertum  geführt  worden  sind. 

Damit  ist  aber  auch  alles  erschöpft,  was  wir  über  Hellenische  Civilstands- 
listen  wissen  und  mutmasscn  können. 

Rom. 

Der  Römische  Census  war  zugleich  Vermögenseinschätzung  und  Volks- 
zählung, der  Btirgercensus  der  Republik  wie  der  Provinzialcensus  der  Kaiser- 
zeit; so  bewirkte  er  die  Beurkundung  des  Personenstandes,  und  man  konnte 
sich  auf  sein  Zeugnis  berufen  ^),  das  über  Herkunft  und  Stand,  über  Alter  und 
damit  die  Zeit  der  Geburt  Auskunft  gab.  Nee  quotus  annus  eat  nee  quo  sit 
nata  require  consule,  quae  rigidus  munera  censor  habet,  mahnt  Ovid  bei  der 
Unterweisung  in  der  Liebeskunst*).  Beim  Btirgercensus  war  die  Angabe  des 
Alters  notwendig,  um  „die  noch  nicht  dienstßlhigen  Knaben  und  innerhalb  der 
Dienstfähigen  die  iuniores  und  die  seniores  zu  sondern"  ^),  bei  der  Einschätzung 


(Collitz  3706)  und  dem  Beschlüsse,  dem  diese  ihren  Ursprung  verdankt  (3705):  *'E6o[H]€ 
xatq  qpuXal^  att;  n^xeOTi  xiliv  lepOüv  'ATröXXuuvo^  xal  'HpaKXeO^  ^v  'AXaadpvqi,  Eöq)(Xr)TO(;  .  .  . 
elTr€**ETr€i6fi  auvßaCvei  buaeirixvuüaToq  f^iuev  röt;  dvaifCTpaMM^vo^  xtp  Betfi  b\ä  t6v  xP<^vov, 
ÖTTUj;  ouv  ^TTiTvujaGüüvTi,  xoT^  T€  (jirobcxon^voit;  eÖTrapaKoXoOGriTov  öirdpxij  tö  Tr[Xf^eoq]  xibv 
)neT€XÖvTiuv  Tou  Upoö  •  bcböxOai,  Kupuue^vrot;  xoöbe  xoö  \\fa<pia^aTo<^,  diroYpdqpcaOai  xö^  |li€x^- 
Xovxa<;  xoö  Upoö.  Doch  werden  weniger  Angaben  verlangt,  als  die  Liste  von  Kalymna 
bietet:  ' fiiifo-xpafpiaQwv  .  .  .  x6  övofia  Traxpiaoxl  .  .  .  4HaT€U|n^vo(;  xal  xdv  cpuXdv  xal  xö^ 
|naxpö<;  x6  Övojna  xal  xivoq  xüüv  iroXixäv  euydxnp  öirdpxei. 

1)  Dig.  XXn  3,  10:  Mareellus  libro  tcrtio  digestorum.  Census  et  monumeuta 
publica  potiora  testibus  esse  senatus  censuit.  Tertullian.  adv.  Marcion.  IV  7:  de 
censu  denique  Augusti,  quem  testem  fideiissimum  dominicae  nativitatis  Romana  ar- 
chiva  custodiunt. 

2)  ars  amat.  II  663. 

3)  Mommsen,  Römisches  Staatsrecht  II  1^,  S.  375. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum. 


(1er  Provinzialcn  um  der  Erhebung  der  Kopfsteuer  willen,  die  nur  innerhalb 
bestimmter  Altersgrenzen  gefordert  wurde  *).  Geburtsscheine  fehlten  —  bis  zu 
welcher  Zeit,  wird  noch  zu  zeigen  sein  —  zur  Kontrolle ;  schien  eine  Aussage 
unglaubwürdig,  so  musste  man  zum  Vergleiche  die  bei  früheren  Censusaufhahmen 
abgegebenen  Erklärungen  heranziehen,  wie  es  Kaiser  Claudius  that,  als  T.  Ful- 
lonins  sich  ein  Alter  von  150  Jahren  zuschrieb*).  Welcher  Art  die  Zuverlässig- 
keit dieser  Altersangaben  war,  zeigen  Zusammenstellungen  Hundert-  und  Mehr- 
jähriger aus  der  achten  Eegion  Italiens,  die  der  ältere  Plinius*)  und  Phlegon 
von  Tralles  *)  uns  erhalten  haben  und  die  auf  die  Listen  des  letzten,  74  n.  Chr. 
von  Vespasian  und  Titus  abgehaltenen  Bürgercensus  zurückgehen^).  Plinius 
und  Phlegon  geben  ftlr  die  einzelnen  Altersklassen  folgende  Zahlen: 


Alter 

in 

Jahren 

Zahl  der  Personen 
nach  Plinius 

nach 

Phlegon 

100 

54 

46 

101 

6 

102 

i                 ^ 

3 

103 

1 

1 

105 

— 

5 

im 

1 

1 

1 

107 

1 

1 

110 

! 

14 

2 

111 

— 

1 

113 

' 

1 

114 

— 

1 

120 

8 

1 

125 

2 

130 

4 

135 

und  137 

4 

1 

140 

1 

3 

Wie  der  Vergleich  lehrt,  sind  beide  Verzeichnisse  unvollständig;  Plinius 
und  Phlegon  haben  ihre  gemeinsame  Quelle  —  etwa  die  acta  urbis?  —  un- 
gleichmässig  benutzt,  Plinius  scheint  zudem  den  Stoif  in  wenige  Rubriken  zu- 
sammengezogen zu  haben  und  nicht  genau  wiederzugeben.  Aber  auch  nach 
Abzug  des  Teiles  der  üngeuauigkeitcn,  der  auf  Rechnung  der  Schriftsteller 
zu  setzen  ist,  erscheinen  die  beim  Census  gemachten  Altersangabeu  unzuver- 
lässig. Nicht  nur  ist  eine  solche  Menge  Hundertjähriger  in  so  beschränktem 
Gebiete  auflFallend  —  1881  betrug  in  ganz  Italien  die  Zahl  der  centenari  nur 
380^)  — ,  sondern  auch  das  starke  Überwiegen  der  runden,  durch  5  teilbaren 

1)  Ulpian.  Dig.  L  15,  3. 

2)  Plin.  nat.  hist.  VII  159:  In  Tinoli  montis  cacumine  quod  vocant  Tempsin 
CL  anuis  vivere  Mucianus  auctor  est,  totidein  annorum  censum  Claudi  Caesaris  cen- 
sura  T.  Fullonium  Bononiensem,  idque  eoUatis  censibus  quos  ante  detulerat  vitaeque 
argumentis  —  etenim  curae  principi  id  erat  —  verum  apparuit.  ViUie  argumenta  ist 
zu  allgemein  gehalten  und  zu  unbestimmt,  um  Folgerungen  zu  gestatten. 

3)  nat.  hist.  VII  162-164. 

4)  ircpl  MaKpoß(u)v,  bei  Müller,  Fragmenta  hist.  Graec.  III,  S.  608  f. ;  Keller,  Rerum 
naturalium  scriptores  Graeci  minores  I,  S.  85  f. 

5)  Mommsen  a.  a.  0.  S.  370,  Anm.  3;  Beloch,  Die  Bevölkerung  der  Griechisch- 
Römischen  Welt,  1886,  S.  45;  Rothstein,  Quaestiones  Lucianeae,  1888,  S.  126,  Anm.  3. 

6)  Statistik  des  Deutschen  Reichs,  N.  F.  XLIV,  1892,  S.  106. 


8  Wilhelm   Levison: 

Zahlen  auch  bei  Phlegon  lässt  auf  grosse  üngenauigkeit  der  Altei^sangaben 
schliessen,  eine  Erscheinung;  die  ebenso  in  neuester  Zeit  bei  Volkszählungen 
und  standesamtlichen  Meldungen,  freilich  in  beschränkterem  Masse,  zu 
Tage  trat,  soweit  nicht  die  Kontrolle  durch  Geburtsscheine  diesen  Übelstand 
beschränkte  ^).  Für  die  probatio  aetatis  konnten  die  Censuserklärungen  also 
nur  eine  wenig  sichere  Grundlage  bieten,  und  dazu  kamen  in  der  Kaiserzeit 
neue  Verhältnisse,  die  eine  regelmässige  Beurkundung  der  Geburten  zu  einem 
allgemeinen  Bedürfnisse  machen  mussten. 

Im  Vordergrunde  der  Massregeln,  durch  die  Augustus  eine  sittliche 
Wiedergeburt  Roms  herbeizuführen  suchte,  stehen  seine  Ehegesetze*),  gerichtet 
gegen  die  wachsende  Neigung  zur  Ehelosigkeit  und  die  Zunahme  der  kinder- 
losen Ehen.  Strafen  und  Nachteile  bedrohen  die  Ehe-  und  Kinderlosen,  vor 
allem  auf  dem  Gebiete  des  Erbrechtes;  der  Besitz  einer  Nachkommenschaft 
verschafft  Ehrenrechte  und  Vermögensvorteile.  Eine  grössere  Kinderzahl  giebt 
einen  Vorzug  bei  der  Bewerbung  um  ein  Amt,  die  mitbedachten  Familienväter 
erhalten  Erbschaften  und  Vermächtnisse,  die  Junggesellen  und  Kinderlose  nur 
noch  in  beschränktem  Masse  antreten  können,  und  so  machen  noch  mancherlei 
andere  Vorteile  den  Kinderbesitz  begehrenswert.  Daher  wurde  zum  Genüsse  dieser 
Vorzüge  der  Nachweis  von  iusti  liberi  notwendig,  und  was  hätte  diesen  mehr 
erleichtem  können  als  eine  regelmässige  Beurkundung  der  Geburten?  Auch 
vermehrten  die  Ehegesetze  die  Zahl  der  Fälle,  in  denen  eine  probatio  aetatis 
erforderlich  war;  der  Zwang  zur  Ehe  hört  mit  einem  bestimmten  Lebensjahre 
auf,  die  lex  Papia  Poppaea  verlangt  von  einem  bestimmten  Alter  an  das  Vor- 
handensein von  iusti  liberi. 

In  gleicher  Richtung  mussten  die  causae  liberales  wirken,  die  notwendig 
in  demselben  Masse  zunahmen,  in  welchem  die  zahlreichen  Freilassungen  und 
die  Mischung  der  Stände  und  Nationen,  vor  allem  in  der  Hauptstadt  selbst, 
die  Feststellung  der  Standesunterschiede  erschwerten,  dagegen  unberechtigtes 
Eindringen  in  höheres  Recht  und  unbegründete  Angriffe  auf  die  Ingenuität  er- 
leichterten. 

Alle  diese  Umstände  machten  es  wünschenswert,  an  die  Stelle  von  ge- 
legentlich vorhandenen  Schriftstücken,  aus  denen  sich  irgend  eine  Bemerkung 
zum  Beweise  heranziehen  Hess,  und  an  die  Stelle  von  Zeugenaussagen,  die  für 
den  einzelnen  Fall  eingeholt  wurden,  dauernde  Urkunden  zu  setzen,  deren  Re- 
cognition  jederzeit  den  Nachweis  der  Herkunft  uud  des  Alters  ohne  Schwierig- 
keiten gestattete. 


1)  Vgl.  z.  B.  Statistik  des  Deutschon  Reichs,  N.  F.  XXXII,  1888,  S.  54*.  Mayr, 
Die  Gesetzmässigkeit  im  Gcsellschaftsleben,  1877,  S.  160;  Bevölkerungsstatistik  (Hand- 
buch des  Öffentlichen  Rechts,  Einleitungsband  VI),  1897,  S.  75.  Ad.  Wagner,  Grund- 
legung der  politischen  Ökonomie  P,  1893,  S.  475,  482. 

2)  Heineccius,  Ad  legem  Juliam  et  Papiam  Poppaeam  commentarius,  1726.  Jörs, 
Über  das  Verhältnis  der  Lex  Julia  de  maritandis  ordinibus  zur  Lex  Papia  Poppaea, 
1882.    Bouch6-Leclercq  in  der  Revue  historique  LVII,  1895,  S.  241—292. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  9 

Die  litterarische   Überlieferung    über   die   Geschichte   der 

Geburtsurkunden   in   Rom^). 
Als  älteste  Nachricht  zur  Geschichte  der  Römischen  Civilstandslisten  hat 
man  vielfach  ein  Bruchstück  der  Annalen  des  L.  Calpurnius  Piso  (frg.  14  Peter) 
hingestellt,  das  Dionysios  von  Halikamassos  erhalten  hat  (antiq.  IV  15,5),  in- 
dem er  von  Servius  Tullius  berichtet: 

'Q^  bi  TT€i(Tu)v  AeuKio^  iv  rq  TrpuiTri  tüüv  dviau(Tiu)v  dvaTpaq)&v  i0TOp€T, 
ßouXö)ui€vo^  Ktti  TAY  dv  d(TT€i  biaTpiß6vTU)v   TÖ  TrXfiGoq  eibdvai,   tüüv  T€  T^VVUi- 
)i€vu)v  Ktti  TÜJV  dTroYivo)idvuJV  -Kai  tu)V  ei^  fivbpaq  dTTPaq)0)ievuJV,  ^ToEev  80ov 
?b€i  vö)ii0|Lia  KaTaq)€p€iv  urr^p    iKaaiov   tou^   7Tpo0riKOVTa^,    ei^    iikv    töv    Tf\<; 
EiXeiGuia^  9ii0aup6v,  fiv  'Pu))iaToi  KaXoömv  ''Hpav  q)U)(Tq)6pov,  urrtp  tuüv  tcvvuj- 
)Lidvu)V  eiq  bfe  töv  ifj^  'AqppobiTn?  Tfjq    dv   äX0ei   Ka0ibpu)ievr|?,   i^v    irpo^aTO- 
p€uou0i  AißiTiVTiv,    uTT^p  TÜ)V  dTTOTivojidvuiV  *    €1^  bk    Tov    Tfl^  NeöiriToq,    urrfep 
Tujv  el^  ävbpaq  dpxojidvujv  0uvTeX€Tv  il  «Lv  f^ineXXe  biaTVU)0€00ai  Ka9'  ?Ka(TTOV 
dviauTÖv,    8(Toi    T€    oi  (JujiTTavTe^  fi0av   xai  iive^  ii  autOüv  Tf|v  (JTpaTiE\j(Ti)iOv 
flXiKiav  eixov. 
Einige  Forscher  haben  auf  Grund  dieser  Stelle  den  Ursprung  von  Civilstands- 
registem  bis  in  die  Zeiten  der  Königsherrschaft  zurückverlegt,  jedoch  mit  Un- 
recht.    Der    Kern    von  Pisos  Angaben    ist    der  Bericht    über    eine    alte  Sitte, 
nach  der  man  bei  Geburten  der  Juno  Lucina  eine  Geldspende  darbrachte,   bei 
Todesfällen  der  Libitina,  bei  der  Anlegung  der  toga  virilis  der  Juventas,  drei 

1)  Für   diesen  Abschnitt  ist   ausser   den  Handbüchern   allgemeineren  Inhaltes 

folgende  Litteratur   anzuführen,   die   freilich   heute   nur  noch   teilweise   in  Betracht 

kommt: 

Trekell  stellt  in  seiner  Ausgabe  von  Brissonius'  opera  niinora,  1749,  S.  9   die  ältere 
Litteratur  zusammen,  wenn  auch  keineswegs  vollständig. 

Westenberg,  Opera  omnia  iuridica  III,  1758:  Divus  Marcus,  diss.  VII.  §  14,  S.  91— 92. 

Amtzen  in  den  Acta  literaria  societatis  Rheno-Trajectinae  I,  1793,  S.  146—149. 

Heyne,  Opuscula  academica  VI,  1812,  S.  75—76. 

Glück,  Ausführliche  Erläuterung  der  Pandecten  XXI,  1820,  S.  307-312,  322—325. 

Cramer,  In  D.  Junii  Juvenalis  satiras  commentarii  vetusti,  1823,  S.  367. 

Le  Clerc,  Des  joumaux  chez  les  Romains,  1838,  S.  198  f. 

Dirksen,  Die  Scriptores  Historiae  Augustae,  1842,  S.  185  f. 

Zell,  Ferienschriften,  N.  F.  I,  1857,  S.  68—77. 

Borghesi,  Oeuvres  completes  IV,  S.  149. 

Hildebrand,  Die  amtliche  Bevölkerungsstatistik   im   alten  Rom.    Jahrbücher   für  Na- 
tionalökonomie und  Statistik  VI,  1866,  S.  81—96. 

Becker-GöU,  Gallus  II,  1881,  S.  74  f. 

H.  Dum6ril,  De  constitutionibus  Marci  Aurelii  Antonini,  1882,  S.  86. 

Pöhlmann,  Die  Übervölkerung  der  antiken  Grossstädte,  1884,  S.  26. 

Beloch,  Die  Bevölkerung  der  Griechisch-Römischen  Welt,  1886,  S.  1  f. 

Memelsdorff,  De  archivis  imperatorum  Romanorum  qualia  fuerint  usque  ad  Diocletiani 
aetatem.    Haller  Dissertation  1890,  S.  37  f. 

Dazu  seien  der  Vollständigkeit   halber   zwei  Arbeiten  genannt,   die   mir  unzu- 
gänglich blieben: 

Bappard,  De  instnun.  natal.,  Lugd.  B.  1816. 

Tromp,  De  probat  famil.  apud  Rom.,  Lugd.  B.  1837. 


10  Wilhelm   Levison: 

Mächten  aus  der  Schar  jener  Römischen  Sondergötter^  die  das  menschliche 
Leben  von  der  Stande  der  Empfängnis  bis  zum  letzten  Laute  der  Totenklage 
mit  ihrem  Walten  begleiteten.  Was  Piso  ausserdem  berichtet,  hat  nicht  mehr 
Wert  als  die  vielen  anderen  Erzählungen  über  Roms  Urzeit,  deren  Aufgabe 
es  war,  an  die  einmalige  Handlung  eines  Gesetzgebers  den  Ursprung  von 
Einrichtungen  und  Sitten  anzuknüpfen ,  deren  Anfänge  sich  im  Dunkel 
der  fernen  Vergangenheit  verloren,  und  gehört  demselben  Gedankenkreise  an, 
dem  z.  B.  die  Geschichte  Numas  ihre  Ausgestaltung  verdankt.  M^n  mochte 
sich  zu  Pisos  Zeit  (um  125  v.  Chr.)  der  Möglichkeit  bewusst  sein,  aus  dem 
Jahresertrage  der  Geldspenden  den  Bevölkerungsstand  zu  ermitteln  *),  und  so 
wird  Piso,  dem  überhaupt  ein  rationalistischer  Zug  eigen  gewesen  zu  sein 
scheint*),  König  Servius  für  die  Einrichtung  der  Opfer  diese  praktische  Ab- 
sicht zugeschrieben  haben,  dabei  vielleicht  von  demselben  Gedanken  erfüllt, 
den  wenig  später  Sempronius  Asellio  auf  die  Zeitgeschichte  anwandte,  dass  es 
nicht  genüge,  quod  factum  esset,  id  pronuntiare,  sed  etiam,  quo  consilio  quaque 
ratione  gesta  essent,  demonstrare.  Von  wirklichen  Civilstandsregistem,  von 
einer  Beurkundung  des  Personenstandes  ist  bei  Piso  nicht  die  Rede,  und  es 
ist  nicht  gerechtfertigt,  diese  Geldopfer  in  irgend  einen  Zusammenhang  mit 
den  Geburtsurkunden  der  späteren  Kaiserzeit  zu  bringen,  die  ganz  anderen 
Beweggründen  ihre  Entstehung  verdankten,  so  leicht  dazu  auch  der  Umstand 
verfahren  könnte,  dass  später  in  der  That  die  täglichen  Sterbefälle  „in  rationem 
Libitinae"  eingetragen  wurden.  Für  die  Geburten  findet  aber  kein  derartiges 
Zusammentreffen  statt,  und  es  fehlt  jeder  Anhalt  für  einen  Zusammenhang 
der  Spenden  an  Lucina  mit  den  späteren  Geburtsurkunden^). 

Ebenso  ist  deren  Verknüpfung  mit  den  acta  urbis  abzulehnen*).  Aller- 
dings enthielten  diese  Geburtsanzeigen,  aber  ohne  jeden  amtliehen  Charakter, 
einfache  Privatmitteilungen  gleich  den  Todesanzeigen,  deren  subjektive  Fassung 
es  gestattete,  dem  Schmerze  Ausdruck  zu  geben  ^).  Dass  die  Geburtsanzeigen 
der  acta  urbis  lediglich  den  Zweck  hatten,  Familienereignisse  der  vornehmen 
Kreise  Roms,  namentlich  der  kaiserlichen  Familie,  zur  öffentlichen  Kenntnis  zu 
bringen,  keine  Geburtsstatistik  zu  geben  oder  öffentliche  Urkunden  darzustellen, 
zeigt  eine  Zusammenstellung  der  wenigen  überlieferten  Beispiele: 


1)  Ausser  biblischen  Analogien  lässt  sich  die  Berechnung  der  Volkszahl  Ägyptens 
aus  dem  Ertrage  der  Kopfsteuer  bei  Joseph,  bell.  Jud.  II  16,  4,  385  vergleichen.  Der 
Bericht  über  die  Geldspenden  bei  den  Paganalien  (Dionys.  IV  15,  4)  steht  auf  gleicher 
Stufe  mit  dem  Pisos. 

2)  Vgl.  Peter,  Historicorum  Romanorum  relliquiae  I,  1870,  S.  CLXXXXVf. 

3)  Vgl.  Dirksen  a.  a.  0.  S.  186  f.  Marquardt,  Privatleben  der  Römer  I«,  S.  86, 
Anm.  4. 

4)  Vgl.  Huebner,  De  senatus  populique  Romani  actis,  im  3.  Ergänzungsbande 
der  Jahrbücher  für  classische  Philologie  S.  611  f.  Marquardt  a.  a.  O.  S.  88.  Hermann 
Peter,  Die  geschichtliche  Litteratur  über  die  römische  Kaiserzeit  I,  1897,  S.  209-— 217. 

5)  Quintilian.  inst.  or.  IX  3,17:  et  iam  vulgatum  actis  quoque:  Saucius  pectus. 
Vgl.  Teuffei,  Geschichte  der  Römischen  Literatur  I»,  1890,  S.  454  (§  216,  2). 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  tl 

Sueton.  Tiber.  5:   Natus  est  (Tiberius)  Romae   in   palatio  XVI  kal.  Dec.  M. 

Aemilio  Lepido   iterum  L.   Munatio   Planco  consulibus  (42  v.  Chr.)   per 

bellum  Pbilippense.    sie  enim  in   fastos  aetaque   in   publica  relatum  est 

(Hübner  n.  16). 
Dio  Cass.  XLVIII  44,4:    Kai  auiöv  (Drusus)    6    KaT^ap    Km  dveiXeio  kqi  tä 

TTttTpi  ?7r€|üii|J€v,    auTÖ  TOÖTO  iq  TOI  u7ro|üivfi)LiaTa  ^)  dTTP^M^ci??    öti  Kaidap  tö 

T€VVTi9tv  Aiouiqi   t^  dauTou    y^vaiKi   Traibiov  N^pwvi    tijj    Traipi    änibwK^v 

(38  V.  Chr.;  Hübner  n.  17). 
Sueton.  Caligul.  8:  C.  Caesar  natus  est  pridie  kal.  Sept.  patre  suo  et  G.  Fon- 

teio  Capitone  consulibus  (12  n.  Chr.).     ubi  natus  sit,   incertum  diversitas 

tradentium  facit  ....  ego  in  actis  Antii  editum  invenio  (Hübner  n.  19). 
Lamprid.   Diadumen.   6,  7:    Gommodum    autem  Marens  Antoninum   appellavit 

atque  ita  in  publica  acta')  edidit  die  natalis  sui   (161  n.  Chr.;   Hübner 

Susp.  n.  6). 
Capitolin.  Gordian.  4,8:   lam  illud  satis  constat,   quod  filium,   Gordianum  no- 
mine, Antonini  signo  inlustraverit,    cum  ....  publicis  actis  eins  nomen 

insereret  (192  n.  Chr.;  Hübner  n.  43). 
Juvenal.  sat  IX  82 — 85  klagt  Nävolus: 

Nnllum  ergo  meritum  est,  ingrate  ac  perfide^  nuUum, 

quod  tibi  filiolus  vel  filia  nascitur  ex  me? 

tollis  enim  et  libris  actorum  spargere  gaudes 

argumenta  viri ;  und  richtig  fügt  ein  Scholiast  hinzu,  id  est  nominum  no- 
titiem  divulgare  contestatione  publica.  Nur  eine  Stelle  scheint  sich  dieser 
Reihe  nicht  einzufügen  und  dafür  zu  sprechen,  dass  die  acta  urbis  doch  regel- 
mässig Übersichten  über  sämtliche  Geburten  in  Bom  enthielten,  nicht  nur 
Anzeigen  von  Familienereignissen  brachten,  die  allgemeineres  Interesse  bean- 
spruchen konnten.  Bei  dem  Gastmahle  des  Trimalchio  (Petron.  sat.  53)  er- 
scheint ein  actuarius  des  Wirtes,  qui  tanquam  urbis  acta  recitavit;  sein  Be- 
richt, eine  Parodie  auf  die  Stadtzeitnng,  bringt  Neuigkeiten,  die  sich  auf 
Trimalchios  Gütern  zugetragen  haben,  und  hebt  an  mit  den  Worten:  VII.  ka- 
lendas  Sextiles  in  praedio  Cumano,  quod  est  Trimalchionis,  nati  snnt  pueri  XXX, 
puellae  XL.  Man  hat  aus  dieser  Stelle  geschlossen,  dass  die  acta  urbis 
„sunmiarische  Übersichten"  der  Geburten,  wenn  auch  ohne  Anftthrung  aller 
Einzelfälle,  veröffentlichten^),  und  diese  Annahme  hat  die  einer  regelmässigen 
Anmeldung  zur  notwendigen  Folge,  da  eine  solche  allein  die  Grundlage  für 
jene  Übersichten  abgeben  konnte.  Aber  ist  jener  erste  Schluss  notwendig? 
Wenn  man  den  Zweck  der  Vorlesung  des  actuarius  beachtet  und  bedenkt,  dass 
die  Parodie   hier   nicht  Selbstzweck   ist,    sondern   nur   als  Mittel   dient,    neue 


1)  Die  ganze  Fassung  der  Worte  veranlasst  mich,  in  den  ()1ro^vl^^aTa  hier  dio 
Stadtzeitung,  nicht  des  Augustus  Schrift  de  vita  sua  (fr.  13  Peter)  zu  sehen;  vgl. 
Peter,  bist  Rom.  fr.  S.  XXII. 

2)  So  schreibt  Hübner  statt  des  handschriftlichen  publicas. 

8)  Ad.  Schmidt,  Zeitschrift  für  Geschichtswissenschaft  I,  1844,  S.  350  (=  Abhand- 
lungen zur  alten  Geschichte,  1888,  S.  438);  Zell  S._74. 


13 


Wilh  elm   Levison; 


Farben  zu  dem  vorhandenen  Gemälde  hinziiziitragen,  durch  neue  Züge  das 
Biid  von  TrinaalchioB  grenzenloBem  Reichtum  zu  ergiiiizcn  und  anschaalich  za 
geetalten,  so  wird  man  sich  hüten,  mehr  als  allgemeine  ümriBsc  aus  der  Pa- 
rodie fur  die  Herstellung  der  Grundlage  zu  entnehmen.  Die  Thatsache  der 
Veröffentlichung  von  Geburtsanzeigen  in  der  Wtadtzeitung  stimmt  durebaus  zu 
dem,  was  wir  sonst  wissen.  Dass  dagegen  hier  zusanimentasaendc  Zahlen  fUr 
die  Menge  aller  Geburten  geboten  werden,  nicht  einzelne  Anzeigen,  auf  die 
alle  anderen  Naehricbteu  hinweisen,  bedarf  nicht  der  Znrtlckfflhrung  anf  das 
Vorbild  des  wirklichen  Tageblattes,  sondern  erklärt  «eh  einfach  als  neue  Ans- 
geetaltung  eines  Gedankens,  den  Petronius  vorher  in  anderer  Weise  zum  Aus- 
druck gebracht  hatte,  wenn  von  den  Sklavendecurien  Trimalchios  die  Rede 
ist '),  oder  wenn  er  einen  der  Gäste  ausrufen  läset  *} :  Faniilia  vero  babae  babae, 
non  meherculex  puto  decumam  partem  esse,  (juae  dominum  suum  noverit.  Die 
Absieht  der  Übertreibung  tritt  auch  in  der  bei  der  Ausdehnung  des  Cumaner 
Gebietes  unsinnigen  Hfibe  der  Geburtenziffer  hervor.  Die  Worte  der  Parodie 
finden  also  ihre  hinreichende  Erklärung  durch  des  Schriftstollera  Bestreben, 
Triraalchios  Sklavenhesitz  einen  ähnlichen  Umfang  zu  geben,  wie  Seneca  dem 
des  Demetrins  Pompejanus,  wenn  er  \'on  diesem  berichtet  *) :  Numerus  illi  co- 
tidie  servonim  velut  imperatori  exercitus  referebatur*). 

Zum  ersten  Male  ist  von  einer  wirklichen  Anmeldung  der  Gelmrteu  und 
der  Aufnahme  von  Urkunden  Uher  diese  die  Rede  in  des  Afrikaners  Apn- 
iejns  Verteidigungsrede  {apol.  ed.  Krueger  c.  89): 

De  aetate  vero  Pudentillac,  de  qua  post  ista  satis  eontidenter  mentttus 
es,  ut  eliam  sexaginta  annos  natam  diceres  nupsisse,  de  ea  tibi  paucis  re- 
spondebo;  nam  necesse  non  est  in  re  tani  perspicua  pluribus  disputarc.  pater 
eins  natam  sibi  filiam  more  ceferornm  professns  est.  tabulac  eins  partim 
tabulario  publieo  partim  domo  adservantur,  quae  iam  tibi  ob  os  obiciuntur. 
porrige  tu  Aemiliano  tabnias  istas;  linnm  consideret  signa  quae  impressa 
sunt  reeognoscat,  consnlcs  legat,  anuos  computet,  quos  sexaginta  mnlieri  ad- 
signabat,  probet  quinque  et  quinqnaginta:  lustro  mentitus  sit.  parnm  hoc 
est,  libcralins  agam;  nam  et  ipse  Pudentillae  mnitos  annos  largitns  est:  re- 
donabo  igitur  vieissim.  decem  annos  Mezentius  cum  Ulixc  enavit:  quinqua- 
ginta  saltem  annorum  niulierem  ostendat.  quid  multisV  nt  cum  quadnipla- 
tore  agaui,  bis  duplum  quinquennium  faeiam,  viginti  aunos  semel  detraham. 
iube,  Maxime,  consules  computari:  nisi  fallor,  invenies  nunc  Pudentillae  band 
multo  amplius  qundragesimum  annum  actatis  ire. 


1)  BUL  47. 

2)  sat.  37. 

3)  Seneca  de  Iranquill,  an.  8,  ß. 
i)  Hätte  es  zu  Petrons  Zeit  eine  (■eburtenBtatiittik  geg'cbcn,  deren  Ergebnisse 

L'n  arta  urbis  zur  Kcnntuin  weiterer  Ri'ei.se  gelnngteii.  so  liHltc  di^r  Schrirtstellcr 

in    aller  Erfahrung    widersprechendes  VerhftltuiB    der  Knaben-  und  Mädcheti- 

geburten  gewäUlt.    Selbstverständlich  beansprucht  dieser  Gedanke  keine  Beireiskraft. 


J 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  13 

Da  Apulejus  seine  Verteidigung  um  158^)  vor  dem  Proconsul  Claudius  Maxi- 
mus führte  und  da  nach  seiner  Angabe  Pudentilla  damals  das  vierzigste  Le- 
bensjahr nur  wenig  überschritten  hatte^  so  ergiebt  sich  etwa  118,  die  Zeit  der 
Anfinge  Hadrians^  als  Geburtsjahr  der  Frau.  Um  diese  Zeit,  so  lehren  Apu- 
lejus' Worte,  war  es  in  Pudentillas  Heimat,  wahrscheinlich  Oea  *),  allgemeiner 
Brauch  (more  ceterorum),  dass  die  Väter  über  die  Geburt  ihrer  Kinder  bei 
einer  Behörde  —  jedenfalls  am  Archive  —  eine  Erklärung  abgaben  (professus 
est) ')  und  vor  Zeugen  (signa  quae  impressa  sunt  recognoscat)  in  der  seit  Neros 
Zeit  vorgeschriebenen  Gestalt*)  eine  Urkunde  aufnahmen,  die  mindestens  in 
zwei  Exemplaren  ausgefertigt  wurde,  von  denen  das  eine  nach  Art  unserer 
Geburtsscheine  mitgegeben  wurde,  um  etwa  bei  einer  probatio  aetatis  oder 
Status  Verwendung  zu  finden,  während  das  andere  auf  dem  Archive  *)  verblieb, 
wohl  in  der  Absicht  —  wie  man  aus  anderem  Zusammenhang  übertragen  darf 
—  ut,  si  quando  exemplum  eins  interciderit,  sit  unde  peti  possit*),  ein  Vor- 
gang, für  den  das  Griechische  Archivwesen  vielleicht  das  Vorbild  abgegeben 
hat^).  Dass  auf  dem  Archive  wirkliche  Geburtslisten  auf  Grund  der  pro- 
fessiones  angefertigt  wurden,  wird  nicht  gesagt  und  lässt  sich  nicht  erweisen; 
Thatsache  ist,  dass  um  118  in  Pudentillas  Heimatstadt  eine  Beurkundung  der 


1)  Tissot,  Fastes  de  la  province  romaine  d'Afrique,  1885,  S.  101—105.  Rohde, 
Rhein.  Mus.  N.  F.  XL,  1885,  S.  67.  Pauly-Wissowa,  Real-Encyclopädie  11  247.  Proso- 
pographia  imperii  Romani  I,  1897,  S.  388. 

2)  Pudentillas  Heimat  wird  zwar  nirgendwo  ausdrücklich  genannt;  wäre  es 
aber  eine  andere  wie  Oea  gewesen,  wo  sie  zum  ersten  Male  verheiratet  war,  wo  sie 
als  Witwe  lebte  und  Apulejus  kennen  lernte,  so  hätte  Apulejus  dies  doch  wahrschein- 
lich irgendwo  erwähnt. 

3)  Über  „die  technische  Bedeutung  von  profiteri,  das,  ungefähr  wie  unser  *zu 
Protokoll  erklären',  immer  die  vor  der  zuständigen  Behörde  abgegebene  Erklärung 
bezeichnet'  vgl.  Mommsen,  Staatsrecht  P,  S.  471,  Anm.  1. 

4)  Sueton.  Nero  17:  Adversus  falsarios  tunc  primum  repertum,  ne  tabulae  nisi 
pertusae  ac  ter  lino  per  foramina  traiecto  obsignarentur.  Paul,  sentent.  V  25,  6: 
Ampllssimus  ordo  decrevit,  eas  tabulas,  quae  publici  vel  privati  contractus  scripturam 
continent,  adhibitis  testibus  ita  signari,  ut  in  summa  marginis  ad  mediam  partem  per- 
foratae  triplici  lino  constringantur,  atque  impositae  supra  linum  cerae  signa  impri- 
mantur,  ut  exteriori  scripturae  fidem  interior  servet;  aliter  tabulae  prolatae  nihil  mo- 
menti  habent.  Vgl.  die  Militärdiplome.  Über  diese  Seite  der  Apulejusstelle  handeln: 
Mommsen,  Über  die  Subscription  und  Edition  der  Rechtsurkunden  (Berichte  über  die 
Verh.  d.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  III,  1851)  S.  376—377;  Bruns,  Kleinere  Schriften  TI, 
1882,  S.  116. 

5)  Warum  Dziatzko  im  tabularium  publicum  das  aerarium  Saturni  erkennen 
will  (Pauly-Wissowa  II  561),  nicht  eins  der  zahlreichen  Archive  der  Provinzen  und 
Städte  (Marquardt,  Staatsverwaltung  IP,  S.  313),  vermag  ich  nicht  einzusehen. 

6)  Paul.  sent.  IV  6,  1 :  Tabulae  testamenta  aperiuntur  hoc  modo,  ut  testes  vel 
maxima  pars  eorum  adhibeatur,  qui  signa verint  testamentum:  ita  ut  agnitis  signis 
rupto  lino  aperiatur  et  recitetur  atque  ita  describendi  exempll  fiat  potestas  ac  deinde 
signo  publice  obsignatum  in  archivum  redigatur,  ut,  si  quando  exemplum  eins  inter- 
ciderit, Sit  unde  peti  possit. 

7)  Mitteis,  Beichsrecht  und  Volksrecht  in  den  Östlichen  Provinzen  des  Römischen 
Kaiserreichs,  1891,  8.  171  f. 


14  Wilhelm  Levison: 

Geburten  erfolgte.  Ob  es  sieh  am  eine  allgemeine  Einriebtmoig  oder  nur  einen 
Ortsbninch  bandelt,  gebt  ans  Apnlejns'  Worten  niebt  bervor;  das  gleiebsam 
zur  Erklärung  hinzugesetzte  more  eeterorum  scheint  mehr  f&r  die  zweite  Mög 
liebkeit  zu  sprechen  *). 

Während  also  um  118  mindestens  zu  Oea  bereits  Geburtsurkunden  zur 
Aufbewahrung  im  Archive  aufgezeichnet  wurden  und  eine  professio  der  Ge- 
burten erfolgte,  berichtet  Capitolinus  (M.  Antonin.  Phil.  9,  7 — 9)  von  Kaiser 
Marc  Aurel: 

Liberales   causas   ita   munivit,    ut   primus   iuberet   apud   praefectos 

aerarii  Satumi  unumquemque  civium  natos  liberos  profiteri  intra  tricensimum ') 

diem  nomine  inposito.    per  provincias  tabulariorum  publicorum  usum  instituit, 

apud  quos  idem  de  originibus  fieret,   quod  Romae   apud   praefectos  aerarii, 

ut,   si  forte  aliquis  in  provincia  natus  causam  liberalem  diceret,   testationes 

inde  ferret.     atque   hanc  totam  legem  de  adsertionibus  firmavit  aliasque  de 

mensariis  et  auctionibus  tulit.   de  statu  etiam  defunctorum  intra  quinquennium 

quaeri  iussit. 

Einrichtungen,   die  Apulejus   schon   in   den  Anfängen  Hadrians  bestehen  lässt, 

hat  nach  diesem  Berichte   erst  Marc  Aurel   „primus^^   ins  Leben   gerufen,    ein 

Widerspruch,  den  man  auf  verschiedene  Weise  zu  lösen  suchte.    Casaubonus*) 

glaubte  die  „commoda  interpretatio^'  anwenden   zu   dürfen:   Marcus  sane   non 

primus  huius  instituti  auctor:   sed   vetus   inventum   in   melius   reformavit.     Zu 

dieser  Auslegung   könnte   der  Umstand   bewegen,    dass   die   folgenden  Worte: 

De  statu  etiam  defunctorum  intra  quinquennium   quaeri  iussit,    nicht  auf  eine 

erste  Bestimmung  gehen,  sondern  auf  näheren  Ausftlbrungen  einer  solchen  durch 

Marc  Aurel    beruhen**),    deren   Kern    schon    durch  Erlasse    von  Titus^)    und 

Nerva®)  gegeben  war.    Aber  in  dem   vorliegenden  Falle  schliesst  der  Zusatz 

primus  Casaubonus'  Deutung  völlig  aus.    Femer  hat   man  primus   auf    einen 


1)  Wenn  professio  sich  auch  auf  die  Aussage  beim  Census  bezichen  kann,  so 
sei  doch  in  diesem  Zusammenhange  auf  die  Worte  des  Esels  bei  Apul.  metam.  VIII 
24  hingewiesen:  Bursum  requirit  annos  aetatis  meae,  sed  praeco  lasciviens:  Mathe- 
maticus  quidem,  qui  Stellas  eius  disposuit,  quintum  ei  nuraeravit  annura,  sed  ipse 
scilicet  melius  istud  de  suis  novit  professionibus. 

2)  Nur  die  editio  princeps  hat  die  Lesart  tertium. 

3)  Historiae  Aug.  scriptores  .  .  .  cum  integris  notis  Isaaci  Casauboni,  Gl.  Sal- 
masii  et  Jani  Gruteri,  Lugd.  Bat.  I,  1671,  S.  327. 

4)  Dig.  XL  15,  1,  3:  Sed  interdum  et  intra  quinquennium  non  licet  de  statu 
defuncti  dicere:  nam  oratione  divi  Marci  cavetur,  ut,  si  quis  ingenuus  pronuntiatus 
fuerit,  liceat  ingenuitatis  sententiam  retractare,  sed  vivo  eo  qui  ingenuus  pronuntiatus 
est^  non  etiam  post  mortem,  in  tantum,  ut  etiam,  si  coepta  quaestio  fuit  retractationis, 
morte  eius  extinguatur,  ut  eadem  oratione  cavetur.  16,  2:  Conlusionem  detegere  in- 
genuitatis post  sententiam  intra  quinquennium  posse  divus  Marcus  constituit.  Vgl. 
Dirksen  S.  195  f. 

5)  Suet.  Tit.  8:  Vetuit  ....  quaeri  .  .  de  cuiusquam  defunctorum  statu  ultra 
certos  annos. 

6)  Dig.  XL  15,  4:  Primus  omnium  divus  Nerva  edicto  vetuit  post  quinquennium 
mortis  cuiasque  de  statu  quaeri. 


Die  Beurknndung  des  Civilstande»  im  Altertum.  15 

einzelnen  Ansdruck  bezogen,  auf  die  Anmeldung  gerade  im  aerarium  Saturni; 
aber  von  liberales  eauBas  munire  konnte  doch  nur  dann  die  Rede  sein,  wenn 
eine  wirklich  wesentliche  Massregel  vorlag,  nicht  Nebenumstände  wie  die  Ein- 
ftihrung  eines  anderen  Standesamtes,  die  vielleicht  im  einzelnen  die  Handhabung 
ein  wenig  geändert,  aber  schwerlich  etwas  zum  Schutze  der  angegriffenen  In- 
genuität  beigetragen  hätte.  Die  einzige  ungezwungene  Auffassung  der  Worte 
ist  die,  primus  auf  die  ganze  berichtete  Handlung,  nicht  auf  einen  einzelnen 
Ausdruck  zu  beziehen,  und  man  hat  die  Wahl,  angesichts  des  Widerspruches 
mit  Apulejus  entweder  auch  in  diesem  Falle  die  in  neuster  Zeit  so  vielfach 
angegriffene  Zuverlässigkeit  und  Glaubwürdigkeit  der  historia  Augusta  zu 
leugnen  oder  die  Lösung  der  Schwierigkeit  auf  folgendem  Wege  zu  suchen. 
Die  Anordnung  Marc  Aureis  hatte  nach  Capitolinus  allgemeine  Geltung;  da- 
gegen ist  es  nicht  notwendig,  Apulejus*  Aussage  zu  verallgemeinem.  Des 
Kaisers  Bestimmung  schliesst  nicht  aus,  dass  dieselben  Bedürfnisse,  denen  sie 
ihren  Ursprung  verdankte,  bereits  vorher  in  einzelnen  Gegenden  selbständig 
ähnliche  Einrichtungen  ins  Leben  gerufen,  hie  und  da  entsprechende  Dinge 
erhalten  hatten,  die  vielleicht  vor  Menschenaltem  aus  ganz  anderen  Wurzeln  er- 
wachsen waren.  Wäre  Pudentillas  Heimat  wirklich  Oea  gewesen,  so  wäre  ge- 
rade hier  der  Gebrauch  von  Geburtsurkunden  den  Verhältnissen  angemessen 
und  nicht  unwahrscheinlich,  wie  die  Geschichte  der  Stadt  lehrt  ^).  Während 
ihr  Name  auf  vorphönikischen  Ursprang  zurückweist,  hatten  Punier,  Sicilische 
Griechen,  endlich  Römer  sich  hier  niedergelassen,  und  wie  die  Stadt  einst  zum 
Kampfe  gegen  Rom 

Trinacrios  Afris  permixta  colonos*) 
sandte,  so  trat  auch  noch  zu  Apulejus'  Zeit  der  verschiedene  Ursprang  der 
Bevölkerang  in  dem  Gebrauche  des  Punischen,  Griechischen  und  Lateinischen 
hervor'),  wie  denn  Pudentillas  Sohn,  der  nur  die  beiden  ersten  Sprachen  ver- 
steht, sich  die  Unkenntnis  des  Lateinischen  von  Apulejus  zum  Vorwurfe  machen 
lassen  muss.  Gerade  solche  Bevölkerungsverhältnisse  mochten  am  ehesten  den 
Anstoss  zu  Einrichtungen  geben  können,  welche  das  Eindringen  Unberechtigter 
in  die  Bürgerschaft  verhindem  sollten,  die  bis  in  die  Kaiserzeit  hinein  ein 
hohes  Mass  von  Unabhängigkeit  zu  behaupten  wusste  und  noch  zu  Vespasians 
Zeit  mit  Hilfe  der  Garamanten  gegen  die  Nachbarstadt  Leptis  Krieg  führen 
konnte  *),  Es  sind  dies  nur  Vermutungen,  die  dazu  auf  der  unbewiesenen  Vor- 
aussetzung berahen,  dass  Oea  Pudentillas  Vaterstadt  war;  aber  die  Auffassung 
der  von  Apulejus  berichteten  Einrichtungen  als  örtlich  beschränkter  würde 
sehr  an  Wahrscheinlichkeit  gewinnen,  wenn  es  gelänge,  ein  zweites  Beispiel 
daftlr  nachzuweisen,  dass  irgendwo  schon  vor  Marc  Aurel  die  Geburten  bei  der 
Behörde  gemeldet  wurden  und  zwar  aus  ganz  anderen  Ursachen  als  denen,  die 
nach  Capitolinus  zu  des  Kaisers  Anordnungen  den  Anstoss  gaben.     Damit  er- 

1)  C.  I.  L.  vni  1,  S.  5. 

2)  SU.  ItaUc.  m  257. 
8)  ApuL  apoL  82,  98. 

4)  Plin.  nat  hist.  V  5,  38.    Tacit.  bist.  IV  50. 


16  Wilhelm   Levison: 

giebt  sich  eine  Aufgabe  der  weiteren  Untersuchung;  eine  zweite  bietet  sich, 
da  die  Glaubwürdigkeit  der  Angabe  des  Capitolinus  zweifelhaft  ist,  in  einer 
Prüfung  der  Frage,  ob  sich  in  der  That  vor  Marc  Aurel  im  allgemeinen  keine 
Spuren  der  Anwendung  von  Geburtsurkunden  nachweisen  lassen,  wohl  aber 
solche  gerade  seit  seiner  Zeit  hervortreten. 

Lassen  wir  zunächst  die  Frage  unentschieden,  ob  erst  Marc  Aurel  die 
Beurkundung  der  Geburten  allgemein  durchgeführt  hat  oder  ob  etwa  nur  „die 
Grenzen  der  Anwendung  genauer  reguliert  wurden",  wo  Capitolinus  eine  neue 
Einrichtung  zu  sehen  glaubte  *),  jedenfalls  würde  eine  solche  Massregel  trefflich 
zu  anderen  Anordnungen  des  Kaisers  stimmen,  deren  Gegenstand  die  Sicheiiing 
der  Ingenuität  und  die  Verhinderung  ihrer  Anmassung  war  *).  Dass  er  auch 
bestrebt  war,  die  so  oft  notwendige  probatio  aetatis  zu  erleichtem,  zeigt  ein 
durch  ihn  veranlasster  Senatsbeschluss  ^),  der  diese  in  die  Reihe  derjenigen 
Geschäfte  stellte,  die  keinen  Aufschub  gestatteten  und  selbst  an  dies  feriatici 
erledigt  werden  sollten.  In  diesen  Zusammenhang  fügt  sich  Capitolinus'  Nach- 
richt gut  ein  und  gewinnt  an  innerer  Wahrscheinlichkeit.  Wie  die  Zusammen- 
setzung der  vita  lehrt*),  setzt  Capitolinus  die  Anordnung  Marc  Aureis  vor  den 
Tod  des  L.  Verus,  also  zwischen  die  Jahre  161  und  169;  eine  genauere  Zeit- 
bestimmung aus  der  Anordnung  zu  entnehmen,  scheint  mir  bei  der  Darstellungs- 
art der  historia  Augusta  nicht  zulässig. 

Aus  der  Zeit  nach  Marc  Aurel  lassen  sich  folgende  Zeugnisse  mit  Sicher- 
heit auf  die  Geburtsurkunden  beziehen  ^) : 
Jul.  Capitolin.  Gordian.  4,  8 :   lam   illud  satis  constat,  quod  filium,   Gordianum 

nomine,   Antonini  signo  inlustraverit,   cum,  apud  praefectum  aerarii  more 

Romano  professus  filium,  publicis  actis  eins  nomen  insereret  ^)  (192  n.Chr.). 
Dig.  XXVII  1,2:    Idem  (Modestinus)   libro    secundo    excusationum.     'Aq)i€VTai 

dTTlTpOini^    Kttl    KOUpaTOpia^     Kai     Ol    ^ßb0)ir|K0VTa     ItX]     7T€7TXr|pU)KÖT€^    .... 

1.  f|  bt  f|XiKia  beiKVUTtti  f\  iK  7Taib0Ypcxq)iu)v  f|  ll  ^lepujv  äirobeiHcuiv 
vo|ii)iujv  (frühestens  unter  Alexander  Se verus  geschrieben). 
Cod.  lustin.  IV  21,6:  Imperatores  Diocletianus  et  MaximianusAugusti  Luscidi. 
Statum  tuum  natali    professione  perdita  mutilatum  non  esse  certi 


1)  Vgl.  Dirksen  a.  a.  O.  S.  141. 

2)  Dig.  XXII  3,  29;  XL  12,  27;  15,  1,  3;  16,  2. 

3)  Dig.  II  12,  2:  Eadem  oratione  divus  Marcus  in  senatu  recitata  effecit,  de 
aliis  etiam  speciebus  praetorem  adiri  diebns  feriaticis,  ut  puta  ut  .  .  .  .  aetates  pro- 
bentur  .  .  . 

4)  H.  Peter,  Die  scriptores  historiae  Augustae,  1892,  S.  125—126. 

5)  Absichtlich  übergangen  sind  einige  Stellen  des  Corpus  Juris,  die  wegen  der 
ausgedehnten  Verwendung  von  professio  im  Siune  jeder  vor  der  Behörde  abgege- 
benen Erklärung  sich  nicht  mit  Sicherheit  hierher  ziehen  lassen,  wie  Dig.  XXII  3,  13; 
16;  29,  1;  Cod.  Just.  II  42,  1;  IV  19,  14;  VI  23,  5;  VII  16,  15.  Vgl.  Dirksen  S.  191  f. 
und  Marquardt  S.  87,  Anm.  2;  88,  Anni.  2. 

6)  Hübner  a.  a.  O.  S.  612:  „Haec  si  recte  interpretantur,  Gordianum  patrem 
duas  res  fecisse  adparet:  et  filiura  more  Romano  apud  praefectum  aerarii  professus 
est,  et  nomen  fiiii  actis  publicis  inseruit.^ 


Die  ßeurkuudnng'  des  Civilstandes  im  Altertum.  1? 

iuris  est.    D.  XIII  kal.  Febr.  Nieomediae  Maximo  II  et  Aquilino  eonsu- 

libus  (286  n.  Chr.). 
Serv.  in  Vergil.  Georg.  II  502:  „populi  tabularia",  ubi  actus  publiei  continentnr; 

significat  antem  teraplum  Saturni^  in   quo  et  aerarium  fuerat  et  repone- 

bantur  acta,  qaae  susceptis  liberis  faeiebant  parentes. 
Schol.  luvenal.  IX  84:  „et  libris  aetorum",  propter  profcssionem  scilicet,  quam 

apud  aerarium  patres  natonim  deferebant  filiorum^). 
Erläutert  werden  diese  Angaben  durch  die  Worte  des  Apulejus;  auch  sie  be- 
zeugen die  Anmeldung  der  Geburten  (professio)  und  die  Hinterlegung  von  Ur- 
kunden im  Archiv,  wo  vermutlich  ihre  Registrierung  erfolgte.  Dass  eigentliche 
Geburtslisten  auf  Grund  der  Beurkundung  angefertigt  wurden,  ist  möglieh, 
aber  auch  nicht  mehr^);  die  Aufnahme,  Einreichung  und  Aufbewahrung  der 
Geburtsurkunden  konnte  auch  ohnedies  im  allgemeinen  den  Bedürfnissen  ge- 
nügen. Doch  kamen  auch  Fälle  vor,  in  denen  die  Beurkundung  von  Geburten 
vei-säumt  wurde  und  unterblieb,  wie  Cod.  Just.  V  4,  9  zeigt: 

Imperator  Probus  Augustus  Fortunato.     Si  vicinis  vcl  aliis  scicntibus  uxo- 

rem  liberorum  procreandorum  causa  domi  habuisti  et  ex  eo  niatrimonio 

filia  suscepta  est,  quam  vis  neque  nuptiales  tabulae  neque  ad  natam 

filiam  pertinentes  factae  sunt,  non  ideo  minus  veritas  matrimonii  aut 

susceptae  filiae  suam  habet  potestatem; 
und  ebenso  berichtet  zur  Zeit  Justinians  Thaleläos  in  seinen  Erläuterungen  zu 
des  Kaisers  Gesetzbuch  wohl  von  einer  häufigen  Aufzeichnung  der  Geburtszeit, 
nicht  aber,  dass  sie  allgemein  erfolgte*).  Während  das  Amt  des  praefectus 
aerarii  Saturni,  bei  dem  die  professio  in  Rom  erfolgte,  spätestens  in  der  1. 
Hälfte  des  vierten  Jahrhunderts  unseren  Blicken  entschwindet*),  haben  die 
tabularii  fortgedauert,  wenn  auch  gerade  von  dieser  ihrer  Aufgabe  nicht  mehr 
die  Rede  ist;  noch  im  Jahre  401  befehlen  die  Kaiser  Arcadius  und  Honorius, 
diese  Beamten,  sive  solidis  provinciis  sive  singulis  eivitatibus  necessarii  fucrint 
tabularii,  nur  aus  Freien  zu  ergänzen^),  und  ganze  Titel  sind  ihnen  in  den 
Gesetzessammlungen  des  Theodosius  und  Justinian  gewidmet. 

So  ist  denn  als  Aufgabe  dieser  Untersuchung  geblieben,  wenn  möglich, 
noch  andere  Quellen  als  die  litterarische  Überlieferung  zur  Lösung  der  Frage 
heranzuziehen,  ob  in  der  That  nach  der  Angabe  der  historia  Aiigusta  eine 
urkundliche  Aufnahme  der  Geburten  allgemein  zuerst  zwischen  161  und  169 
eingeführt  wurde  oder  ob  sie  bereits  früher  Eingang  gefunden  hatte  und  allent- 
halben erfolgte.  Sollte  Capitolinus  Recht  behalten,  so  bliebe  als  zweite  Auf- 
gabe die  Beantwortung  der  Frage,  ob  sich  denn  vielleicht  ausser  in  Pudentillas 


1)  So  schreibt  Marquardt  statt  des  überlieferten  qua  —  deferebantur. 

2)  Mommsen,  Staatsrecht  II  1^,  S.  547,  Anm.  5. 

3)  Schol.  Basilic.  XLVIII  20,   15   (ed.  Heimbach  IV,  S.  774):    GaXcXaiou.  'H  äiro- 
ifpcup^  Tfjq  T€v^<J€Ui^ .  hoXXAkk  t^p  aimcioOvxaC  xivc^,  iröxe  ^T^xÖn<Jav. 

4)  Dessau,  Inscriptiones  Latinae  selectae  I,   1892,   n.  1233   (S.  271);    Hirschfeld, 
Verwaltungsgeschichte  I,  S.  23,  Anm.  1. 

5)  Ck)d.  Theod.  VIII  2,  5  (=  Just.  X  71,  3). 

Jabrb.  d.  Ver.  f.  Alterthsfr.  im  Rheinl.  102.  2 


18  Wilhelm  Levison: 

Heimat  äholiche  Einrichtungen;  örtlich  beschränkt^  sonst  irgendwo  nachweisen 
lassen.  Das  Material  für  diese  Aufgaben  bietet  sich  in  Tausenden  Römischer 
Inschriften  und  insbesondere  für  Ägypten  in  einer  Reihe  von  Papyrusurkunden. 

Die   Verwertung  von   Inschriften   für   die   Geschichte   der 
Geburtenbeurkundung   im   Römischen   Reiche^). 

Unmittelbar  tragen  die  Inschriften  nichts  zur  Lösung  der  Frage  bei,  da 
sieh  bisher  kein  Denkmal  gefunden  hat,  das  irgendwie  auf  Geburtsurkunden 
Bezug  nähme,  da  femer  die  Grabinschriften  mit  Angabe  von  Geburtsdaten  zu 
selten  sind,  um  hier  in  Betracht  zu  kommen.  Mittelbar  jedoch  lassen  sich 
gerade  die  Grabdenkmäler  für  die  vorliegenden  Fragen  verwerten,  allerdings 
nur  diejenigen,  welche  Altersangaben  enthalten.  .  Damit  ist  zugleich  eine  Grenze 
gegeben,  indem  die  Inschriften  aus  der  Zeit  des  Freistaates  mit  ihrer  ver- 
schwindend geringen  Zahl  von  Altersangaben')  ausserhalb  des  Kreises  dieser 
Untersuchung  fallen;  diese  muss  sich  daher  auf  die  Kaiserzeit  beschränken. 

Man  hat  schon  wiederholt  und  für  verschiedene  Gebiete  die  Wahrnehmung 
gemacht,  dass  die  Altersangaben  der  Römischen  Grabschriften  zum  grossen 
Teile  nicht  genau  sein  können^);  denn  nicht  nur  sind  zur  Bezeichnung  der 
Lebensdauer  der  Verstorbenen  meist  allein  ganze  Jahre  angegeben,  überschüs- 
sige Monate  und  Tage  übergangen,  sondern  es  sind  auch  unter  den  Jahren  die 
durch  Fünf  und  besonders  die  durch  Zehn  teilbaren  Zahlen  unverhältnismässig 
stark  vertreten,  ähnlich  wie  bei  den  Censuserhebungen.  Für  die  niederen 
Altersklassen  gilt  diese  Wahrnehmung  jedoch  nicht;  bis  etwa  zum  2L  Lebens- 
jahre treten  die  „ninden"  Jahreszahlen  nicht  über  das  Maass  der  Wahrschein- 
lichkeit hervor,  dagegen  von  da  ab  in  immer  steigendem  Verhältnisse,  und 
vielfach  nehmen  sie  auch  dann  einen  unverhältnismässig  grossen  Raum  ein, 
wenn  nicht  nur  Jahre,  sondern  auch  Monate  oder  Monate  und  Tage  angegeben 
werden.     Wie  sind  diese  Erscheinungen  zu  erklären? 

Wie  auf  allen  Gebieten  des  Lebens  übt  die  Sitte  auch  bei  der  Ausstat- 
tung  des  Grabdenkmals  ihren  beherrschenden  Einfluss   aus,  bei   der  Auswahl 


1)  Die  folgenden  Ausführungen  beruhen  teilweise  schon  auf  den  sich  anschliessen- 
den Tabellen,  sind  aber  vor  diese  gestellt,  weil  sie  deren  Heranziehung  begründen 
und  die  nötigen  Gesichtspunkte  für  ihre  Betrachtung  geben. 

2)  In  C.  I.  L.  I  fand  ich  nur  18  Altersangaben  auf  Grabschriften.  Eine  Aus- 
nahme bildet  Eturien. 

3)  Auf  diese  Thatsache  weisen  hin: 

Foy  im  Annuaire  de  la  soci6t^  arch6ologique  de  la  province  de  Constantino  (I)  1853, 
S.  137—142  (gegen  500  Inschriften  aus  der  Gegend  von  Lambäsis); 

Beloch  a.  a.  0.  S.  50  (1.,  2.  und  10.  Region  Italiens); 

Seidel,  Über  Römische  Grabinschriften  I.  Jahresbericht  des  Königlichen  katholischen 
Gymnasiums  zu  Sagan  1891,  S.  22  (Nordwestafrika); 

Gsell,  Recherches  arch^ologiques  en  Alg6rie,  1893,  S.  298  (Thubursicum  Numidamm) 
und  359  (Madaura).  Er  erwähnt,  dass  man  die  Beobachtung  auch  für  Karthago 
gemacht  habe;  doch  gelang  es  mir  nicht,  die  Quelle  dieser  Angabe  ausfindig 
zu  machen. 


Die  Beurknndung  des  Civilstandes  im  Altertum.  19 

des  Materials,  auf  die  Gestalt  des  Denkmals,  auf  die  Fassung  der  Inschriften. 
Dieselben  Formeln  finden  sich  über  weite  Gebiete  verbreitet  und  dauern  Jahr- 
hunderte lang  fort,  wenn  man  sie  längst  nicht  mehr  versteht  und  gedankenlos 
nach  altem  Brauche  verwendet,  wie  der  Christ  das  dis  manibus  einer  anderen 
Gedankenwelt.  Menge  und  Form-  der  inschriftlichen  Angaben  richten  sich, 
wenn  sich  auch  vielfach  individuelle  Züge  zeigen,  doch  im  allgemeinen  nach 
der  Sitte  des  Volkes  und  des  Gesellschaftkreises,  denen  der  Stifter  des  Denk- 
mals angehört,  und  tragen  in  vielen  Stücken  ein  typisches  Gepräge.  Der 
Gallier  ftlgt  hinzu,  dass  er  das  Grabmal  sub  ascia  dedicavit;  der  Südspanier 
bemerkt  gern,  dass  der  Dahingeschiedene  den  Seinen  teuer  gewesen  (carus 
suis,  vgl.  pius  in  suis),  der  Bewohner  Afrikas,  dass  der  Tote  fromm  gelebt 
habe  (pius  vixit  annos . . .).  Der  Soldat  nennt  die  Zahl  seiner  Dienstjahre,  der 
Athlet  zählt  seine  Erfolge  auf,  der  Beamte  seine  Ehren  und  Würden.  Nirgend- 
wo hat  es  Hellenischem  Brauche  entsprochen,  die  Lebensjahre  des  Verstorbenen 
auf  dem  Grabsteine  anzumerken,  und  einzig  steht  unter  den  Denkmälern  Athens 
der  Stein  des  Dexileos  da,  der  die  Zeit  der  Geburt  und  des  Todes  meldet^); 
aber  mit  dem  Römischen  Krieger  und  Kaufmann  zieht  auch  in  Hellas  die  Sitte 
ein,  in  der  Inschrift  das  Alter  des  Toten  anzugeben.  So  muss  denn  auch  bei 
der  Betrachtung  der  Altersangaben  der  Einfluss  der  Sitte  beachtet  werden; 
dass  sie  hier  eine  Rolle  spielen  konnte,  zeigt  das  Beispiel  der  christlichen  und 
später  heidnischer  Inschriften,  von  dem  noch  die  Rede  sein  wird.  Aber  wollte 
man  im  allgemeinen  das  Hervortreten  der  runden  Zahlen  aus  ihrem  Einflüsse 
herleiten,  ihr  auch  in  diesem  Falle  wesentliche  Bedeutung  zuschreiben,  so 
bliebe  unerklärt^  warum  mit  der  Zahl  der  Lebensjahre  auch  die  der  runden 
Zahlen  abnimmt,  unerklärt,  weshalb  diese  auch  in  solchen  Fällen  hervortreten, 
in  denen  die  Hinzufügung  von  Monaten  und  Tagen  das  Bestreben  zu  Tage 
treten  lässt,  eine  genaue  Altersbestimmung  zu  geben. 

Sicherlich  gaben  nicht  selten  Bequemlichkeit  und  der  Wunsch,  die  In- 
schrift möglichst  einfach  zu  gestalten^  den  Anlass  dazu,  keine  genaue  Alters- 
angabe in  diese  zu  setzen,  sondern  die  Lebenszeit  des  Verstorbenen  abzurunden. 
So  erklärt  es  sich,  dass  man  es  meist  unterliess,  Monate  und  Tage  anzugeben 
und  sich  auf  die  Anführung  der  Jahre  beschränkte;  denn  natürlich  kamen  nur 
vereinzelt  solche  Fälle  vor,  wie 

C.  I.  L.  VI    6182:  qui  die  natali  suo  hora  qua  natus  est  obiit, 

C- 1.  L.  VI  10185:  natali  suo  d(ecessit), 

C.  I.  L.  XIV  1706:  qui  anno  XX.  die  natali  suo  defunctus  est. 
Abmndungen  sind  sicherlich  oft  mit  Absicht  vorgenommen  worden,  und  manche 
Inschriften  lassen  dies  offen  zu  Tage  treten.  So  heisst  es  C.  I.  L.  VI  3453 
von  einem  Veteranen:  pro(batus)  an.  XXII,  mil(itavit)  an.  XXIII,  item  pos(t) 
mi8sione(m)  vix(it)  ann.  XXIIII  m(euses)  III  d(ie8)  XI;  er  lebte  also  69  Jahre 
3  Monate  mid  11  Tage,  während  die  Inschrift  als  Lebensdauer  einfach  70  Jahre 


1)  C.  J.  A.  II  3,  2084:  AeEiXew^  Auöaviou  OopiKio^  •  |  i^iveTO  inl  Tciadvbpou  äpxovxo^ 
(414/3),  I  dir^eav€  in'  E0pouX(6ou  (394/3),  |  ^t  KopCvGi^  tCüv  it^vtc  lirir^iuv. 


20  Wilhelm  Levis  on: 

angiebt;  mindestens  eine  der  Angaben  muss  also  ungenau  sein.  Derartige  Ab- 
rundungen  liegen  in  den  Inschriften  vor,  welche  auf  die  Ungenauigkeit  der 
Altersangaben  ausdrücklich  hinweisen  durch  einen  Zusatz  wie  das  in  nichtchrist- 
lichen Inschriften  seltene  plus  minns  und  das  noch  seltenere  circiter,  z.  B. 

C.  I.  L.  II  6127:  annis  plus  minus  XXV, 

C.  I.  L.  V  8278:  annor(um)  circiter  XXXX, 

C.  I.  L.  VIII  3934:  annor(um)  cir(citer)  n(umero)  XXXV. 
Ebenso  handelt  es  sich  um  absichtliche  Abrundung  in  solchen  Fällen,  in  denen 
der  Stein  die  Geburtszeit  des  Toten  genau  meldet,  bei  denen  man  aber  entweder 
eine  ins  Einzelne  gehende  Angabe  des  Alters  etwa  unter  dem  Einflüsse  der 
Sitte  nicht  angemessen  fand  oder  sich  nicht  die  Mfihe  nahm,  das  Alter  genau 
auszurechneu.  Und  sicherlich  war  die  Berechnung  der  Lebenszeit  umständlich 
genug;  wo  unsere  Jahreszählung  eine  einfache  Subtraktion  erfordert,  musste 
der  Reimer,  wenn  er  nicht  nach  einer  Provinzialära  rechnete,  eine  ganze  Reihe 
von  Konsulaten  zusammenzählen.  In  diesen  Zusammenhang  gehören  die  In- 
schriften 

C.  I.  L.  XI  3943:  C.  Calpuniius  Asclaepiades  Prusa  ad  Olympum  medicus 
....  natus  III  non.  Mart.  Domitiano  XIII  co(n)s(ule)  (87  n.  Chr.) .... 
vixit  annis  LXX,  oder 

C.  I.  L.  VIII  4330:  D.  m.  s.  |  C.  Julius  |  Victor  |  veteran(us)  |  ex  te8se(ra- 
rio)  I  natus  TerjtuUo  et  |  Sacerdo|te  co(n)8(ulibu8)  (158)  |  vixit  an|nis 
n(umero)  LXXX  |  se  vivo  |  sibi  et  |  coniugi  |  suae  fec(it)^). 
So  muss  denn  eine  absichtlich  und  bewusst  vorgenommene  Abrundung  in  vielen 
Fällen  als  Ursache  der  ungenauen  Angaben  gelten;  aber  wenn  dieser  Erklärungs- 
grund auch  überall  im  Auge  zu  behalten  ist,  er  genügt  nicht  zur  Erklärung 
der  ganzen  Erscheinung.  Er  macht  es  nicht  begreiflich,  warum  in  den  jüngeren 
Altersklassen  keine  Ungenauigkeit  zu  Tage  tritt  im  Gegensatze  zu  den  höheren, 
warum  ferner  die  runden  Jahre  vielfach  auch  dann  zu  stark  vertreten  sind, 
wenn  zu  ihnen  Monate  oder  Monate  und  Tage  zur  genaueren  Zeitbestimmung 
hinzugesetzt  sind  und  den  Wunsch  hervortreten  lassen,  das  Alter  genau  anzu- 
geben, also  eine  absichtliche  Abrundung  ausschliessen. 

Für  diese  Fälle  bietet  sich  die  einzige  Erklärung  in  der  Annahme,  dass 
man  das  Alter  Verstorbener  sehr  oft  einfach  nicht  genau  wusste  und  es  nur  in 
runder  Zahl  nach  blosser  Schätzung  angab.  Weit  eher  als  das  Geburtsjahr 
mochte  der  Geburtstag  bekannt  sein,  dessen  Feier  man  auch  nach  dem  Tode 
durch  Stiftungen  flir  ewige  Zeiten  zu  erhalten  suchte*);  berechnete  man  nun 
die  vom  letzten  Geburtstage  bis  zum  Tode  verflossene  Zeit  und  fügte  sie  zu 
der  auf  Schätzung  beruhenden,  runden  Jahreszahl  hinzu,  so  entstanden  jene 
scheinbar  genauen  Altersangaben,  deren  Entstehung  allein  Massenbeobachtungen 

1)  Bei  dieser  Inschrift  genügte  vielleicht  auch  der  zur  Ausfüllung  nach  dem 
Tode  hestimmte,  hinter  n(umero)  freigelassene  Raum  nicht,  um  eine  genauere  Zeit- 
bestimmung aufzunehmen. 

2)  Vgl.  die  in  den  Indices  des  C.  I.  L.  unter  notabilia  varia  zusammengestellten 
divisiones  ....  in  perpetuum;  Dig.  XXXIII  1,  23. 


Die  Beurkundung:  des  Civilstandes  im  Altertum.  21 


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erkennen  lassen.  Durch  dieselbe  Annahme  erklärt  sich  der  Unterschied  zwi- 
schen den  niederen  und  höheren  Altersklassen.  Meist  waren  es  die  Eltern,  die 
den  in  jungen  Jahren  Dahingerafften  den  Denkstein  setzten ;  sie  wussten  natür- 
lich das  Alter  ihrer  Kleinen  und  konnten  es  daher  auf  dem  Grabmale  genau 
angeben,  während  bei  grösserem  Abstände  zwischen  Geburt  und  Tod  diejenigen 
vielfach  aus  Unkenntnis  dazu  nicht  imstande  waren,  welche  Personen  höheren 
Alters  ein  Erinnerungsmal  aufrichteten.  Dieser  Unterschied  zwischen  den  un- 
teren und  oberen  Jahresreihen  tritt  nicht  nur  bei  Massenzusanimenstellnngen  zu 
Tage,  sondern  auch  auf  einzelnen  Steinen,  die  dem  Andenken  mehrerer  Per- 
sonen geweiht  sind.  So  finden  sich  Altersangaben  beisammen  wie 
C.  I.  L.  II      423:  4,  9,  30,  4a  Jahre, 

1030:  18,  45,  50 

1788:  18,  25,  45 
III     1651:  8,  60,  65 

5567:  18,  30,  45,  55 
VIII  20164:  21,  27,  40,  50,  55  Jahre.  Beispiele  dieser  Art,  die  sich 
mit  Leichtigkeit  vermehren  lassen,  beweisen  die  Richtigkeit  der  Annahme 
dass  die  Abrundungen  zum  grossen  Teile  nicht  auf  Absicht  beruhen  können 
sondern  dass  man  sehr  oft  das  Alter  Verstorbener  nicht  genau  feststellen  konnte 
und  sich  darum  mit  Annäherungswerten  begnügen  musstc. 

Dies  ist  die  Erscheinung,  bei  welcher  sich  die  Geschichte  der  Geburts- 
arkunden mit  den  Altersangaben  der  Inschriften  in  Zusammenhang  bringen 
lässt.  Es  fragt  sich,  ob  man  bei  jenen  Thatsachen  Halt  machen  muss  oder 
ob  es  möglich  ist,  auch  bei  diesen  einfachen  Erscheinungen  Entwicklungsstufen 
und  Wandlungen  nachzuweisen.  Hier  stelle  ich  nun  die  Vermutung  auf,  dass, 
wenn  wirklich  zuerst  Marc  Aurel  die  Anfertigung  von  Geburtsurkunden  allge- 
mein durchführte,  sich  dies  wegen  der  erleichterten  Altersfeststelhiug  in  einer 
grösseren  Genauigkeit  der  Altersangaben  und  der  Abnahme  der  runden  Zahlen 
auf  den  Grabdenkmälern  der  Zeit  nach  Marc  Aurel  äussern  musste,  so  dass 
Capitolinns'  Bericht  eine  Bestätigung  fände,  wenn  diese  Annahme  zutreffen 
sollte.  Es  sind  dies  nur  Vermutungen,  die  noch  der  Stütze  von  Thatsachen 
bedürfen;  dass  aber  in  der  That  die  Angaben  der  Grabinschriften  genauer  sind, 
wenn  Aufzeichnungen  amtlichen  Charakters  vorhanden  waren,  die  die  Möglich- 
keit boten,  gesicherte  Zahlen  festzustellen,  beweist  einmal  das  Beispiel  Ägyp- 
tens, von  dem  später  die  Rede  sein  wird,  dann  das  unbedeutende  Hervortreten 
der  runden  Zahlen  bei  den  inschriftlichen  Angaben  über  die  Dauer  der  Dienst- 
zeit verstorbener  Soldaten.  Hier  bietet  sich  ein  passender  Vergleich  zwischen 
dem  Beginn  des  Lebens  und  des  Heeresdienstes,  der  schriftlichen  Ästlegung 
beider  Zeitpunkte  und  dem  Grade  der  Genauigkeit  der  Angaben.  Dass  die 
Zeit,  in  der  der  Soldat  in  das  Heer  eintrat,  sorgfaltig  aufgezeichnet  wurde,  ist 
bei  der  fest  bestimmten  Dauer  des  Kriegsdienstes  in  der  Kaiserzeit  selbstver- 
ständlich und  steht  zudem  durch  ausdrückliche  Zeugnisse  fest^).     Wenn  nun 

1)  Vgl.  Mommsen,  Ephemeris  epigraphica  VII,  S.  456—467;  Agypt.  Urkunden 
aus  den  Kgl.  Museen  zu  Berlin^  Qriech.  Urk.  II,  n.  696. 


Wltlielm  Levison 


die  Annahme  eines  Zusammenhanges  zwischen  den  Angaben  der  Inschriften 
und  amtlichen  Aufzeichnungen  Oberhaupt  berechtigt  sein  soll,  bo  ist  bei  den 
Angaben  über  die  stipendia  Yerhältnismäs9ig  grosse  Genauigkeit  nnd  ein  nnr 
geringes  Hervortreten  der  rnnden  Zahlen  zu  erwarten.  Während  diese  bei  den 
Altersangaben  der  Soldaten  viel  zu  stark  vertreten  sind,  gewährt  eine  Zusam- 
menstellung der  Angaben  über  die  Dienstjahre  ein  viel  regelmtesigeres  Bild: 


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Eine  Zusammenfassung  dieser  Zahlen  ergiebt  folgendes  Bild: 


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Wenn  man  die  Möglichkeit  ahHichtlichcr  Abrundung  nicht  vergiBst,  so  dürfen 
diese  Zahlen  gegenüber  den  Altersangaben  anf  ein  hohes  Mass  von  Zuverlässig- 
keit Anspruch  machen.  Die  durch  10  teilbaren  Zahlen  erreichen  10  "/o  über- 
haupt nicht,  die  durch  5  teilbaren  Angaben  der  Römischen  und  Germaniseben 
Inschriften  sowie  der  Inschriften  der  Flottcnsoldaten  nicht  25  "/„ ,  bei  den 
Afrikanischen  Denkmälern  wenig  mehr  als  28 ''/g,  Zahlen,  die  eine  bedeutend 
grilssere  äuverlässigkeit  zeigen,  als  sie  bei  den  Altersangaben  hervortritt,  deren 
runde  Zahlen   z.  B.   bei   der  Besatzung  Roms  45*'/a,    bei    den  Flottensoldaten 


1)  C.  r.  L.  VI  1  ohii«  die  Inschriften  der  FlottensoldaU'r. 

2)  Aus   Brambaclis  Corpus   iuscriptionum   Rheuanarum    und    den  Bonuer  Jahr- 
büchern (biä  C  1,  1897). 

3)  C.  I,  L.  VIII  mit  den  beiden  ersten  Ergänzungsbanden. 

4)  Aus  C.  I.  L.  VI  1,  IX,  X,  XI  1  und  XIV. 


Die  Beurkuhdnn^  des  Civilstundes  im  Altertum.  23 

und  ihren  erwachgenen  Angehörigen  56**/o,  bei  der  über  20  Jahre  alten  Be- 
völkerung Nordwestafrikas  über  62®/o  einnehmen,  wie  die  später  folgenden 
Tabellen  lehren.  Da  also  die  grössere  Genauigkeit  der  Stipendienzahlen  und 
die  schriftliche  Festlegung  des  Beginnes  der  Dienstzeit  parallel  gehen,  so 
seheint  es  mir  nicht  zu  sehr  gewagt,  beide  Thatsachen  mit  einander  in  Zu- 
sammenhang zu  bringen  und  zu  schliessen,  dass  die  Angaben  über  die  stipendia 
darum  zum  grossen  Teile  ^)  weniger  Abrundungen  aufweisen,  weil  ihr  Gegen- 
stand zu  jeder  Zeit  genau  festgestellt  werden  konnte  und  so  auch,  als  man 
die  Inschrift  anfertigte.  Daher  muss  die  Vermutung  immerhin  berechtigt  er- 
scheinen, dass  im  Falle  der  Richtigkeit  der  Angabe  der  historia  Augusta  die 
Abnahme  der  Abrundungen  nach  Marc  Aurel  davon  Zeugnis  ablegen  wird. 
Nicht  als  ob  man  nun  bei  jedem  Todesfalle  den  Geburtsschein  des  Verstorbenen 
hervorgeholt  und  danach  sein  Alter  sorgfältig  berechnet  hätte;  diese  Behaup- 
tung wäre  ungereimt.  Auch  nach  der  Einrichtung  von  Geburtsurkunden  wird 
man  die  Lebenszeit  oft  genug  abgerundet  oder  sich  nicht  die  Mühe  genommen 
haben,  das  Alter  genau  festzustellen;  nicht  das  Verschwinden  des  Übergewichtes 
der  runden  Zahlen  kann  erwartet  werden,  aber  eine  Abnahme  gegenüber  der 
früheren  Zeit. 

Ehe  ich  nun  die  Fragen  erhebe,  die  von  diesen  Erwägungen  aus  an  das 
ioschriftliche  Material  zu  stellen  sind,  ist  noch  eine  andere  Möglichkeit  ins 
Auge  zu  fassen,  die  immerhin  Beachtung  verdient.  Man  könnte  vermuten, 
dass  die  vielen  runden  Zahlen  wesentlich  den  Inschriften  von  Unfreigeborenen, 
also  Sklaven  und  Freigelassenen,  angehören,  deren  Geburtszeit  sich  im  all- 
gemeinen nicht  genau  feststellen  lassen  mochte,  während  vielleicht  die  In- 
schriften der  freigeborenen  Bürger  grössere  Zuverlässigkeit  zeigen.  Um  diese 
Unterscheidung  auf  ihre  Berechtigung  zu  prüfen,  folgen  Zusammenstellungen 
zweier  grösserer  Gruppen  von  Altersangaben:  1)  Die  der  Columbarien  Roms*) 
unter  Einrechnung  der  wenigen  Inschriften  von  ingenui;  2)  die  Altersangaben 
der  als  servi  und  liberti  ausdrücklich  gekennzeichneten  Personen  der  sepulcreta 
familiae  domus  Augustae  von  Karthago'*).  Geschieden  sind  Männer  (m)  und 
Frauen  (f),  die  einfachen  Jahresangaben  (a)  und  die  Zeitbestimmungen,  die 
auch  Monate  oder  Monate  und  Tage  enthalten  (b).  Da  bei  den  Römischen 
Inschriften  die  niederen  Altersklassen  stark  vertreten  sind,  so  ist  ausser  der 
allgemeinen  Zusammenfassung  eine  besondere  Zusammenstellung  der  höheren 
Jahresreihen  nötig. 


1)  Selbstverständüch  kommen  noch  andere  Ursachen  hinzu.  Oft  genug  wird 
den  Soldaten  auch  ohnedies  die  Zahl  der  Dienstjahrc  eines  verstorbenen  Kameraden 
bekannt  gewesen  sein,  die  für  sie  in  mehrfacher  Hinsicht  ein  natürliches  Interesse 
haben  musste,  wie  in  Fragen  der  Beförderung,  im  Hinblick  auf  die  Zeit  der  Entlassung. 

2)  C.  I.  L.  VI  2,  3926-8210. 

3)  C.  I.  L.  VIII  suppl.  1,  12590-13214. 


Wilhelm  Lovii 


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Diese  Zahlen  zei^n  allcrdinge  grosse  Ungenauigkeiten  auf  den  Grab- 
steinen Unfreigeborener;  es  fragt  sich  aber,  ob  sie  bei  den  ingeniii  genauer 
sind-  Um  diese  Frage  zu  entscheiden,  sind  nun  die  dnreh  Angabe  des  Vaters 
und  der  Tribus  im  Namen  bestimmt  ab  eives  gekennzeichneten  Personen  ver- 
schiedener Gebiete  zusammengestellt: 


Die  Beurknnclunf  des  Civilstendes  im  Altertum. 


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35  —    ^^'    2|  71  -!'163l     4  1 167127 

Zahlreiche  Ungeiiauigkeitcn  finden  sieh  aleo  in  gleicher  Weise  auf  den 
Grabsteinen  freigeborener  Bürger  wie  auf  den  Denkmälern  der  Sklaven  nnd 
Freigelassenen.  Eü  läsat  sich  liier  kein  Unterschied  nacfaweixen,  nnd  man  ist 
nicht  berechtigt,  die  tlbergrosse  Menge  der  runden  Zahlen  allein  den  Unfrei- 
geborenen  ziizuBchreihen;  vielmehr  zeigt  es  eich,  dass  man  sehr  häutig  auch 
das  Älter  von  BUrgera  nicht  genau  festzustellen  vermochte. 

Daher  bleibt  die  Vermntnng  über  den  Znsammcnhang  der  Altersangaben 
mit  der  Geschichte  der  Geburtsurkunden  bestehen,  und  es  ergeben  sich  fol- 
gende Fragen  für  die  Behandlung  der  inschriftlicheu  Angaben  Ober  die  Lebens- 
/«it  der  Verstorbenen : 

1)  Findet  sich  das  Übergewieht  der  runden  Zahlen  nnd  der  damit  verbun- 
dene Mangel  an  Zuverlässigkeit  über  verschiedene  Gebiete  verbreitet  und 
wie  weit? 

2)  Bildet  Marc  Anrels  Zeit  eine  Scheidelinie,  tritt  also  dieser  Mangel  auf 
den  Grabsteinen  der  vor  dem  siebeuten  Jahrzehnt  des  zweiten  Jahrhun- 
derts geborenen  Pereonen  stärker  hervor  als  auf  den  Denkmälern  der 
nachher  geborenen,  ist  nach  Marc  Anrels  Zeit  eine  Abnahme  der  mnden 
Zahlen  bemerkbar? 

Am  einfachsten  ist  die  Untersnchnug  der  ersten  Frage;  es  genügt  dazu  die 
Aufarbeitung  der  Massen  von  Altersangaben,  welche  sieh  in  den  naeb  Provinzen 
geordneten  Inschriften  finden.  Mehr  Schwierigkeiten  bieten  sich  bei  der  Be- 
handlung der  zweiten  Frage  wegen  der  Art  des  Quelleumaterials,  weil  die 
grosse  Masse  der  Rümisehen  Inschriften  keine  Zeitbestimmung  enthält  nnd 
Schillsse  ans  dem  Schrifteharakter,  der  Verwendung  bestimmter  Formeln,  der 
Sprache  immer  nur  Wahrscheinlichkeit,  nicht  Sicherheit  bieten  können,  dazu 
aber  erst  in  geringem  Umfange  gezogen  sind.  Nnr  der  Sclirifteharakter  ist 
im  C.  I.  L.  in  ausgedehnterem  Masse  zur  Zeitbestimmung  benutzt,  und  dazu 
kommt  die  Möglichkeit,  mit  Hilfe  der  Heeresgesehiehte,  der  Geschichte  der 
Legionen  und  ihrer  wechselnden  Verteilung  und  Lagerung  hie  und  da  grössere 
Reihen  von  Soldateninsehrifteu  in  zeitliche  Grenzen  ciuzuschliessen.  Am  leich- 
testen ist  der  Nachweis,  wie  die  Inschriften  der  Zeit  vor  Marc  Aurel  sich  ver- 
halten, weil  die  Mehrzahl  der  Römischen  Inschriften  den  ersten  beiden  Jahr- 
hunderten angehört  und  sich  die  berichtete  Maasregel  des  Kaisers  erst  um  die 


Die  Beurkundung  des  Civilstandcs  im  Altertum.  27 

Wende  des  zweiten  und  dritten  Jahrhunderts,  wenn  die  aufgestellte  Vermutung 
zutrifft,  auf  den  Inschriften  bemerkbar  machen  konnte.  Die  Art  der  Gesamt- 
masse der  Inschriften  beweist  so  bis  zu  einem  gewissen  Grade  im  allgemeinen 
zugleich  für  den  Charakter  ihrer  Hauptmasse,  wenn  auch  die  Notwendigkeit 
bleibt,  in  möglichst  grossem  Umfange  eine  zeitliche  Scheidung  vorzunehmen. 
Darin  aber,  dass  wie  bei  allen  statistischen  Untersuchungen  auch  hier  wenige 
Einzelheiten  nichts  bedeuten,  sondern  nur  grössere  Massen  beweiskräftig  sind, 
liegt  die  Schwierigkeit  fttr  die  Untersuchung  der  Frage,  ob  sich  wirklich  für 
die  Zeit  nach  Marc  Aurel  grössere  Zuverlässigkeit  der  Altei-sangaben  erweisen 
lässt  oder  ob  das  Übergewicht  der  runden  Zahlen  in  derselben  Stärke  fort- 
dauert. Hier  wäre  die  Zusammenstellung  einzelner  datierter  oder  datierbarer 
Inschriften  zwecklos  ^) ;  nur  wo  eine  beträchtliche  Anzahl  von  Denkmälern  sich 
einem  bestimmten  Zeiträume  zuweisen  lässt,  können  Schlüsse  gezogen  werden. 
Aber  solche  Gruppen  von  nicht  allzu  beschränktem  Umfange  lassen  sich  für 
die  Zeit  nach  200  nur  selten  finden;  eine  Ausnahme  machen  die  christlichen 
Inschriften,  die  in  grosser  Zahl  vorhanden  und  oft  datiert  sind. 

Jedoch  bei  deren  Benutzung  bieten  sich  neue  Schwierigkeiten  dar  und 
machen  ihre  Altersangaben  in  den  meisten  Fällen  für  die  vorliegenden  Fragen 
unbrauchbar.  Ist  überall  neben  der  Annahme  von  Unkenntnis  auch  absichtliche 
Abrnndung  als  Gesichtspunkt  zur  Erklärung  der  zahlreichen  runden  Zahlen  im 
Auge  zu  behalten  und  darum  nach  Marc  Aurel  keineswegs  das  Verschwin- 
den ihres  Übergewichtes,  sondern  nur  dessen  Abnahme  zu  erwarten,  so  muss 
dieser  Gesichtspunkt  besonders  bei  den  christlichen  Inschriften  betont  werden. 
Während  der  heidnische  Römer  durch  Schenkungen  und  Stiftungen  das  Ge- 
dächtnis und  die  Feier  seines  Geburtstages  fortzuerhalten  wünschte,  war  fllr 
den  Christen  die  Zeit  der  Geburt  und  damit  das  Alter  der  Verstorbenen,  auch 
wenn  er  dieses  feststellen  konnte,  ziemlich  gleichgültig^).  Ihm  kam  es  darauf 
an,  nicht  den  irdischen,  sondern  den  himmlischen  Geburtstag  fort  und  fort  im 
Andenken  zu  erhalten;  depositionis  ipsa  dies,  sagt  eine  unter  Ambrosius'  Namen 
gehende  Predigt,  natalis  dicitur,  quod  delictorum  carcere  liberati  libertati  nasci- 
mur  salvatoris').  Sah  der  Heide  mit  Wehmut  auf  den  Tag  hin,  an  dem  er 
die  schöne  Welt  verlassen  sollte,  so  hegte  das  Christentum  andere  Anschau- 
ungen; so  antwortet  jene  Predigt  auf  die  Frage,  was  die  gefeierte  depositio 
sei:  Non  illa  utique  quae  sepeliendis  in  ten*a  membrorum  reliquiis  clericorum 
manibus  procnratur,  sed  illa  qua  homo  vinculis  carnalibus  absolutus,  liber  iturus 
ad  caelum,  terrenum  corpus  exponit,  und  eine  Inschrift  des  6.  Jahrhunderts*) 
erklärt : 


1)  Erst  recht  gilt  dies  von  den  Denkmälern  kaiserlicher  Freigelassener,  die 
zwar  sehr  häufig  in  dem  Namen  einen  terminus  post  quem  darbieten,  aber  als  In- 
schriften von  ursprünglich  unfreien  Personen  für  die  vorliegenden  Fragen  nichts 
beweisen. 

2)  Vgl.  Molinier,  Les  obituaires  fran^ais  au  moyen  äge,  1890,  S.  26. 

3)  Migne,  patrol.  XVII,  col.  721. 

4)  C.  I.  L.  XII  2094;  Bücheier,  Anthologia  Latina  II  2,  n.  1389. 


28  Wilhelm   Levison: 

Haec  sapprema  dies,  caelesti  in  limite  prima, 
quam  rapuit  saeclo,  hanc  dedit  ipsa  polo; 

pignora  desistant  lacrimis  planctaque  gravari; 
non  placeat  gemere  quod  celebrare  decet. 
Dieser  Gegensatz  zweier  Weltanschauungen  tritt  in  der  Sammlung  des  Chrono- 
graphen von  354  unvermittelt  zu  Tage,  wenn  auf  der  einen  Seite  die  natales 
Caesaruni,  auf  der  anderen  die  depositiones  episcoporum  und  martymm  zum 
dauernden  Gedächtnis  vermerkt  werden^).  Indem  so  der  Tag  betont  wurde, 
an  dem  der  Entschlafene  natus  est  in  eternum^),  musst«  das  Interesse  fQr  die 
Zeit  der  irdischen  Geburt  und  damit  fQr  die  Dauer  des  Erdenlebens  zurück- 
treten. Bei  Geistlichen,  namentlich  Bischöfen,  gab  man  auf  dem  Grabsteine 
meist  nur  die  Zeit  an,  die  der  Verstorbene  im  heiligen  Dienste  verbracht  hatte*), 
und  sonst  begnügte  man  sich  etwa  seit  der  Wende  des  dritten  und  vierten 
Jahrhunderts  in  immer  steigendem  Masse  im  allgemeinen  mit  runden  Zahlen, 
denen  man  den  Zusatz  plus  minus  gab^).  Indem  also  hier  die  Zahl  der  ab- 
sichtlichen Abrundungen  je  länger,  desto  mehr  zunimmt,  werden  die  christlichen 
Inschriften  fast  allgemein  fUr  die  vorliegende  Untersuchung  bedeutungslos  und 
können  in  den  meisten  Fällen  ausser  Acht  gelassen  werden.  Um  so  mehr  ver- 
dienen sie  aber  in  den  nur  zu  seltenen  Fällen  Beachtung,  in  denen  sich  trotz 
jener  Tendenz  eine  Zunahme  der  Genauigkeit  gegenüber  den  Inschriften  der 
vorhergehenden  Zeit  feststellen  lässt.  Man  könnte  dabei  an  die  Möglichkeit 
denken,  innerhalb  der  christlichen  Gemeinden  seien  die  Geburten  aufgezeichnet 
worden.  Allerdings  wurden  schon  mindestens  seit  dem  dritten  Jahrhundert 
Gemeindelisten  über  Taufen  und  Sterbefölle  geführt;  aber  von  einer  Aufzeich- 
nung der  Geburten,  die  für  das  religiöse  Leben  ohne  Bedeutung  waren,  weiss 
die  Überlieferung  kein  Wort*).  Wenn  also  Gruppen  christlicher  Inschriften 
grössere  Zuverlässigkeit  zeigen  als  die  älteren  Grabsteine  und  die  Formel  plus 
minus  auf  ihnen  noch  keine  Rolle  spielt,  so  treten  sie  in  eine  Linie  mit  den 
heidnischen  Inschriften  und  müssen  von  den  gleichen  Gesichtspunkten  aus  be- 
urteilt werden. 

Es  folgen  nun  Zusammenstellungen  der  Altersangaben  in  der  Gestalt  von 


1)  Monum.  Germ,  bist.,  auctores  antiquissimi  IX,  S.  41,  70. 

2)  De  Rossi,  Inscriptiones  christianae  urbis  Romae  1  36;  vgl.  361. 

3)  Le  ßlant,  Manuel  d'epigraphic  chrctieune,  1869,  S.  10. 

4)  Vgl.  Le  Blant  a.  a.  0.  S.  25,    Anm.  12,    der    freilich    den  Altersangaben  der 
heidnischen  InschrifUMi  eine  Genauigkeit  zuschreibt,  die  sie  gar  nicht  besitzen. 

5)  Vgl.  über  die  Geschichte  der  christlichen  Gcmeindelisten : 
Salig,  De  diptychis  veteruin,  Halle  1731 ; 

Gori,  Thesaurus  veterum  diptychorum  I,  1759,  S.  240—243; 

Binterim,  Commentarius  ...   de  libris   baptizatorum,   coniugatorum  et    defunctorum, 

1816;   Denkwürdigkeiten   der   Christ-Katholischen   Kirche  IV   2,    1827,    Anhang 

S.  60 f.; 
Uihlein,  Über  den  Ursprung  und  die  Beweiskraft  der  Pfarrbücher.    Archiv   für   die 

Civilistische  Praxis  XV,  1882,  S.  26  f. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  29 

Tabellen'),  die  im  wesentlichen  Ansprach  auf  Genauigkeit  erheben  dürfen, 
wenn  es  anch  schwerlich  vermieden  worden  ist,  daas  nnter  den  vielen  Tansenden 
von  Inschriften  nicht  bie  und  da  eine  einzelne  Altersangabe  übersehen  oder  in 
eine  falsche  Reihe  gestellt  worden  ist;  doch  durften  diese  Fehler  gering  sein 
and  die  Brauchbarkeit  der  Tabellen  kaum  beeinflussen.  Bertlcksichtigt  wurden 
allein  die  grossen  Inscliriftensanimlungen,  kleinere  Hammlungen  and  Zeitschriften 
nur  in  Ausnahmefällen;  dagegen  sind  additamenta  und  snpplementa  stets  benutzt. 


I.   Die  Stadt  Rom. 

1)  Die  Soldateninschi-iften  Roms  ansecr  denen  dci*  Flottensoldaten. 

C.  I.  L.  VI  2421—3670. 


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Gesamtzahl  der  Altersangaben 
nicht  durch  B  teilbar  .  .  , 
durch  6  teilbar 


durch  10  teilbar 


2)  Di( 

Hanptmaese  der  InschrifleT 

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1)  Ähnliche  Tabellen  geben  Beloch  a.  n.  O.  f>.  49  fOr  die  ].,  3.  und  10.  Region 
Italiens,  mr  Nordwestafrika  Seidel  S.  18-21. 


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25.7 

3)  Die  chrietlicbcn  Inschriften  der  Stadt  Rom. 
Die  datierten  christlicben  Inscbriften  Roms  (De  RoBsi,  InecriptioneB  chri- 
stianae  nrbiB  Romae  I)  kommen  fUr  die  voHiegendcn  Fragen  etwa  nach  dem 
zweiten  Drittel  des  4.  Jahrhunderte  nicht  mehr  in  Betracht,  da  die  Neigung, 
die  Zahlen  abzurnnden,  immer  mehr  znnimmt  und  in  der  häufigeren  Erscheinung 
Ton  plas  minns  zum  Anedruck  kommt.  Wichtiger  sind  die  christlieben  Inscbriflen 
der  Torhergebenden  Zeit  bis  zum  Jalire  360,  das  als  Grenze  gelten  darf,  wenn 
eine  solche  auch  wie  alle  Periodengliedei-ungen  sich  nicht  absolut  bestimmen 
lilsst  und  ebensogut  einige  Jahre  fmher  oder  später  im  Lanfe  der  Entwicklung 
angesetzt  werden  könnte.  Eine  Zusammenstellung  der  Altersangaben  dieser 
Inschriften  (de  Rossi  I,  n.  1 — 146)  ergiebt  folgendes  Bild: 


Die  Bcnrknndung-  des  Clvllstandes  im  Altertum. 


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ilbnr! 

Siebt  man  von  einer  Inschrift  ans  dem  Jahre  111  (de  Rossi,  n.  3)  ab, 
Bo  fallen  alle  diese  Inschriften  in  die  Jahre  234 — 360,  also  in  die  Zeit  nach 
Marc  Anrel  nnd  Caracallas  Constitutio  von  212,  die  den  Kreis  der  Römischen 
Borger  erweiterte  nnd  damit  der  Aufnahme  der  Gebnrtsurkunden  allge- 
meinere Verbreitung  geben  mneste.  Wenn  auch  das  Material  sehr  beschränkt 
ist  gegenüber  dem  ans  heidnischer  Zeit  nnd  darum  diese  Zahlen  allein  noch 
nichts  beweisen,  so  zeigt  sieb  doch  iu  Übereinstimmung  mit  der  aufgestellten 
Theorie  eine  nicht  unbedeutende  Zunahme  der  Genauigkeit.  Diese  Äussert  sich 
in  den  allein  in  Betracht  kommenden  AUersklassen  der  Erwachsenen  (von  21 
an  gerechnet)  einmal  in  der  Umkehmng  des  Verhältnisses  zwischen  den  ein- 
fachen Jahresangaben  und  den  genaueren  Altersbestimmungen  (dort  1947  :  903, 
hier  15 :  19),  dann  in  der  Abnahme  der  runden  Zahlen,  die  dort  47,9,  hier 
38^  "/(,  betragen.  Sind  die  Zahlen  auch  gering  und  besagen  in  ihrer  Verciii- 
telnng  noch  kaum  etwas,  so  gewinnt  die  Tbatsache  einer  grCsseren  Zuverläs- 
sigkeit der  Altersangaben  auch  so  au  Bedeutung,  wenn  man  die  starke  Neigung 
zu  Abmndungen  bedenkt,  die  sonst  auf  den  christlichen  Inschriften  zu  Tage 
tritt.    Wie  stark  diese  Tendenz  war  und  immer  mehr  wurde,  zeigt  eine  Ta- 


82  Wilfaetm  Levison; 

belle  der  Altersangaben,  die  sich  Ton  361  bis  zDin  Ende  des  sechsten  Jabr 
hunderts  anf  den  datierten  christlichen  Inschriften  Roms  finden  (de  Eossi  I, 
n.  148  sq.): 


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Die  jüngeren  Altersklassen  hehanptcu  auch  hier  grosse  Zuverlässigkeit; 
aber  im  übrigen  übersteigt  die  Zahl  der  Abmndiingcn  im  Verhältnis  sogar  die 
der  heidnischen  Zeit,  wie  denn  die  Formel  plus  niimiB  immer  häufiger  auftritt 
und  die  Zunahme  der  OleichgQltigkeit  gegen  genaue  Altersangabea  bekundet. 


Die  Bettrknndmig  dea  Civilstaniles  im  Altertum.  83 

4)  Die  Inscbriften  der  Griechiscli  redenden  Bevölkerung  Rome  nnd  seiner 
Umgebung.    Inseriptiones  Graeeae  Sieiüae  et  Italiae  (ed.  Kaibel),  d.  913 — 2238 '). 


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7),     ^  Gesamtealil 

Bus  uli^ht  durch  5  toilbnr  . 
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22  i    7     17  2  ■    ;W|     9     -481' 38,7 

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1)  Wegen  ilver  geriuf^en  Zahl  sind  die  Inxchriften  von  Personen   unbekannten 
GeecblechW,  wie  auch  spater  bieweileo,  unter  m  und  f  verteilt. 

3)  Die  Inschriften  der  Flottensoldaten  sind  ausgesondert  nnd  npHtcr  zUNammen 
mit  denen  aus  anderen  Teilen  Italiens  besonders  behandelt. 

Jahrb.  d.  Ver.  f.  Altenbsrr.  Im  Rbelnl.  101.  3 


Wilhelm   Levisnn: 


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Die  Benrknndanjf  des  Clvilstandes  im  Altertum. 


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144  Gl    305  43,4 

fiB  24     92  19,4 


Die  Insehriften  von  Pompeji,  deren  Zeit  durt-ii  den  Untergang  der  Stadt 
begrenzt  ist,  enthalten  nnr  wenige  Angaben  über  daß  Alter  Erwachsener: 
26,  29,  50  nnd  57  Jahre;  bo  gestatten  sie  keinerlei  Folgerungen. 


IV.  Lncanien  and  das  Gebiet  der  Brettier.     C.  I.  L.  X  l. 


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Wilhelm    Lerison: 


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V.    Die    zwei  te  Region   Italiens. 
C.  I.  L.  IX;    Inseript.  Graecac  Sic.  et  Italiae. 


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I>ie  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum. 


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10!  4:     14  11,9 


Das  Hervortreten  der  runden  Zahlen  ist  hier  verhältnismässig  gering. 
Da  nichts  darauf  hindeutet,  dass  ein  grosser  Teil  der  InBchriften  der  späteren 
Kaiserzeit  angehört,  und  da  die  Beschaffenheit  der  Altei-sangaben  allein  ohne 
die  Möglichkeit  der  Verbindung  mit  einem  anderen  Zeugnis  zu  keinerlei  Mut- 
masBnngen  über  eine  besondere  Entwicklung  der  Geburtenbeurkuiidung  be- 
rechtigt, 80  kann  hier  keine  Erklärung  auf  diesem  Wege  gesucht  werden. 
Dagegen  findet  die  gr^Jssere  Genauigkeit  der  Altersangabeii  gegenüber  den- 
jenigen anderer  Gebiete  ihre  hinreichende  Erklärung  in  der  geringen  Besetzung 
der  höheren  Altersklassen;  die  Zahl  der  Pei-souen,  welche  ÜO  Jahre  überlebte», 
beträgt  nur  43,  also  14,5 "/(,  der  Gesamtmenge,  so  daes  hier  diejenigen  Jahres- 
reiben  am  schwächsten  vertreten  sind,   die  sonst  die  Hauptmasse   der  runden 


38  Wilhelm  Levison: 

Zahlen  etelleii.  Dass  dieser  Ausweg  nicht  etwa  tiberall  anwendbar  ist,  sondern 
die  Verteilung  der  Altersgruppen  ins  Gewicht  fällt,  ist  z.  B.  bei  den  früheren 
christlichen  TßBchriften  Roms  zu  betonen,  bei  denen  dieselben  Jafaresreihen 
23,4%  einnehmen,  denen  hier  nur  14,5  %  zufallen. 


VII.   Die   fünfte   E 

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Hier  gelten  ähnliche  Itemerknngen  wie  fUr  die  Inschriften  der  vierten 
Region  Italiens,  nur  dass  nicht  allein  die  oberen  Altersgmppen  schwach  besetzt 
sind,  sondern  überhaupt  die  Gesamtsumme  gering  ist.  Wenn  die  mehr  als 
30  Jahre  alten  Personen  22,7  "/^  einnehmen,  also  doch  viel  stArker  vertreten 
sind  als  in  der  vierten  Region,  so  nimmt  eben  die  geringe  absolute  Zahl  dieser 
Thatsache  alle  Beweiskraft,  ebenso  wie  die  älteren  Inschriften  des  christheben 
Rom  aus  demselben  Grunde  allein  nichts  beweisen  und  erst  dann  an  Bedeutung 
gewinnen,  wenn  in  anderen  Gegenden  fUr  dieselbe  Zeit  si.cb  die  gleichen  Er- 
scheinungen nachweisen  lassen,  die  geringen  Zahlen  also  in  ihrer  Wieder- 
holnng  Stutze  finden.  Ohne  solche  Bestätigung  durch  entsprechende  und 
gleichartige  Verhältnisse  durften  die  vorliegenden  Zahlen  wegen  ihrer  schwachen 
Grundlage  kaum  beweiskräftig  sein. 


Die  Boarkundnng  des  Civilgttindes  i: 


VIII 

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kischer  Schrift  nnd  Sprache  vcrfassteii  Inschritteu'). 

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24 

1     ;,    38     1      3 

52     ;     -         66           1     '    80    !      2 

11 

25 

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53     1      2     .    67     1      1     ,     82     1      1 

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13 

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27 

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14 

28 

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1 

56 

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1}  Eine  filtere  ZmammeoHteUnng  der  Ältersangaben  der  Etruskiachea  Inachrilteu 
^ebt  Fabrettl,  Frimo  snpplemento  alla  raccoltn  doUe  antichissime  inuiizioni  italiche, 
1874,  B.  243,  Anm.  1.    Die  neue  ZuBammeustelluug  beruht  auf  der  SlatcrialsammluDg 


Wilholm 

LeviBon; 

Sitome 

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Summe 

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OeBamtzalil 

nicht  durch  5  teilbiir 

durch  5  teilbar 

durch  10  teilbar 

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67 
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27 

100 
69,8 
40,2 
24,1 

87 
52 
36 
21 

100 
69,8 
40,2 
24,1 

Bemerkeiiswert  ist,  dass  die  sehr  zahlreichen  Grabinschriften  von  Clnsium 
nnd  Perusis  keine  Altersangaben  enthalten  mit  einziger  Ansnahme  von  C.  I. 
Rtnisc.  1304  (Fabretti  726  ter  d).  Die  Altersangaben  verteilen  sieh  auf  ein 
nördliches  nnd  ein  südliches  Gebiet  und  gehören  dort  besonders  Volaterrae, 
hier  dem  ager  Sorrinensis,  Tuseana  und  Tarquinii  an.  Die  älteren  InBchriften- 
gmppen  Latinnis  wie  die  von  Präneste  (C.  I.  L.  XIV  3046—3310)  and  San 
Cesario  (C.  I.  L.  VI  8211—8397)  enthalten  noch  keine  AlteniangabeD;  sollte 
in  deren  Aufkommen  etwa  der  Einflnss  Etruskischer  Sitte  vorliegen? 


2)  Die  Lateinischen  Inscbriften  Etrnriens.    C.  I.  L.  XI  1. 


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von  Pauli,  Dia  Etniakiituhcu  Zahlwörter,  1883  (Deeckc  und  Pauli,  Etriukiaclm  For- 
schungen und  Rtudicn  III);  doch  ist  diese  erfrSiizt  und  berichtigt  auf  Grund  der 
ersten  Bcehs  Liolcrungen  den  Corpus  inscriptionum  Etmecaruni  von  Pauli,  18931'. 
{n,  1—3125).  Unberücksichtigt  sind  diejenigen  Inschriften,  welche  Dicht  Ziffern,  sondern 
auHgeüchriebene  Zahlwörter  enthalten,  weil  deren  Deutung  viellaeh  unsicher  ist. 

Die  Etruitkiächea  Inschriften  geben  nur  die  Lebensjahre  der  Toten  an;  Monate 
sind  allein  hinzugefügt  Fabretti,  Corpus  inscriptionum  Italicnruni  n.  2119,  wo  das 
Alter  eines  Verstorbenen  auf  avlls  XX  tivrs  gas  bestininit  wird. 


Die  Beurkundung  des  Clvilataades  im  Altertum. 


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24,6 

Die  älteren  christliehen  Inschriften  Etruriens  bis  zum  Beginne  des  5.  Jafar- 
buoderts  geben,  soweit  sie  zeitlich  bestimmt  oder  bestimiubar  sind  nnd  sich 
ftnf  Erwachsene  beziehen,  folgendes  Bild : 


Zeit  der  luBchrUt 

Nummer 
in  C.  I.  L.  XI 

Geschlecht 

Älter 

Geburts- 
jahr 

2533 

m 

28  J 

4  M.  9  Tg. 

_ 

2539 

m 

45  " 

4    - 

6   .  28    - 

— 

vgl  C.  r.  L.  XI  1, 
S.  4t» 

2538a 

m 

_ 

2538 

f 

70  - 

2538 

n  - 

8   >  10    X 

d.L.  XI  1,  S.  409: 
.Aetaa    huius    coe- 
mcterii    indicatur 
consnlatibus    auno- 

2560 
2549 
2562 
2659 
2561 
2667 

f 

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23  - 
37  . 
40  - 
60  > 
66  » 
80  . 

6    -    6    « 

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rum  303.  322.  338." 

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822 

2648 

6«  . 

256 

369 

3054 

f 

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8    -    8    - 

337 

376 

2834 

f 

34  - 

4   -    8    - 

342 

395 

4042 

f 

i*  n 

370 

401 

2872 

t 

56  ■ 

346 

Die  geringe  Zahl  dieser  Inschriften  mindert  zwar  ihre  Bedeutung;  doch 
verdient  es  Beachtung,  dass  wie  in  Rom  die  mnden  Ziffera  abnehmen  nnd 
gegenüber  den  45,9  "/^  der  heidnischen  Inschriften  nur  41 ,2  "/o  einnehmen. 
Soweit  also  diese  IT  Altersangaben  Überhaupt  einen  Schluss  gestatten,  zeigt 
sich  im  dritten  Jahrhundert  eine  Zunahme  der  Zuverlässigkeit,  die  im  Laufe 
des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts  wieder  gemindert  wird  nnd  runden 
Zahlen  mit  plns  minus  Raum  giebt: 


Zeit  der  Inschrift       I  C.  I.  L.  IX  n.  |  Geschlecht 


I  pI.  m.  75  Jahre 

34  Jahre 
■  pl.  m.  60  Jahre 
1  G8  Jahre 

24  Jahre 

pl.  m.  25  Jahre  . 
{  pl.  m.  65  Jahre 


Wilhelm  Levison: 


Zeit  der  Inschrift 

CLL.  XI  n. 

Geschlecht 

Alter 

Geburts- 
seit 

aeUtis  Theoderici 
53« 
536 
544 
547 
567? 
573-674? 

3571 
1692 
1540 
1408 
1G93 
3567 
1409 

f 

f 

f 

pl.  m.  70  Jahre 

68  Jahre  6  M.  20  Tg. 

66  Jahre 

pl.  m.  28  Jahre 

pl.  m.  50  Jahre 

pl.  m.  40  Jahre 

pl.  m.  2Z  Jahre 

4"78 
471 
516 
497 
517? 
561-552? 

Hier  nehmen  die  runden  Zahlen  57,1 "/(,  ein. 


X.   Sardinien.    C.  I.  L.  X  i 


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26 
27 

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1 

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44 
45 
46 
47 

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31 

1*1 

14  21 
G     14 

15  40 
6    19 

10    21 
5     14 

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94 
37 
57 
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50 
33 
17 
8 
27 

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91 
121 

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durch  10  teilbar 

^     1  Gesamtzahl       

S  *  c|  nicht  durch  5  teilbar    .     ,     . 
?  5  ■  1  durch  5  teilbar 

^        darch  10  teilbar 

28 

ö4 
18 

29,7 
100 
43.8 
56,9 
38 

Die  Beurkundung  des  CiTilatan^ea  im  Altertum.  43 

XI.  Sicilien. 

Die  Griecfaischen  (Inscr.  Graecae  Sic.  et  Ital.,  ed.  Kaibel)  und  die  Römiecfaen 

(G.  1.  L.  X  2)  Inschriften  eind  gesondert  behandelt: 


£ 

Griechische 
luBchrirten 

Römisclie 
Inschriften 

Griechische 
g  1'        Inschrift«!! 

Kömisdie 
Inschriftfiii 

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Griecbiitche  Inschriften 


GowinUahl       .    .    .  . 

nicht  durch  6  teilbar  . 

durch  6  teilbar    .    .  . 

durch  10  teilbar  .    .  . 


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30  35^ 


Wilhelm   Levlson: 


Römische  Inschriften 


Gesamtzahl  .  .  .  . 
nicht  darch  5  teilbar  . 
durch  5  teilbar  .  .  . 
durch  10  teilbar  .    .    . 


Griechische  und  SSoiische  Inschriften 


GeBamUahl 

nicht  durch  5  teilbar    .    .    .    . 

durch  b  teilbar 

durch  10  teilbar 

^     I  Gesamtzahl 

S  g  c:  nicht  durch  5  teilbar  . 
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1171  100 
51:  43,6 


Xn.    Die  Inschriften  der  Flottensoldaten  und  ihrer  AngehOri 
ans  C.  I.  L.  VI,  IX,  X,  XI  I  und  XIV. 


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Die  Beurkundung  des  Civihtandes  im  Altertum. 


XIII.    Die  zehnte  Region  Italiena.    C.  I.  L.  V  1. 


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XIV.  Die  nenute  nnd  elfte  Region  Italiens.     C.  I.  L.  V  S 


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16,3 

XV.  Die  christllcfaen  Inschriften  Unter-  und  MittelitalienB  and  der 
InBein  (Inscr.  Graec.  Sic.  et  Ital.;  C.  I.  L.  IX,  X,  XI  1315—4080,  XIV. 


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Die  Benrkundnng:  des  ClvilstiindeB  im  Altertum. 


hristlichen  luBchriften  Oberitatiens  (S.,  9.,  10.  nnd 
11.  Region).    C.  I.  L.  V  nnd  XI  1. 


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S  u  a    nicht  duich  (>  teilbar   .    .    ,  , 
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34   12  1  22 

(Jn  20  !  37 
34    U  1  S3 

59,1  217    100 
3Si    8^141 
26    12»'  69 
Hi     7aj33,G 

Diese  Inschriften,  unter  denen  die  datierten  von  der  zweiten  Hälfte  des 
'Vierten  Jahrhunderts  bis  gegen  Ende  des  sechsten  reichen,  die  also  zum  grossen 
l^eile  in  die  Zeiten  der  Barbarennot  und  der  Germanenherrschaft  fallen,  weisen 
eine  bedeutende  Znnahnic  der  runden  Zahlen  auf  gegenüber  den  heidnischen 
Orabsteinen,  nnd  es  erklärt  eich  diese  Thatsache  durch  den  Hinweis  auf  die 
t^ormel  plus  minus,  die  gegen  150  mal  bei  den  Altersangaben  begegnet  nnd  im 
allgemeinen  den  Scfalnss  aaf  absichtliche  Abruudung  gestattet.  Für  die  Ge- 
schichte der  Geburtenbetirkundang  lassen  sich  die  Inschriften  so  nicht  ver- 
werten. Fflr  den  RtJmer  mochte  sie  wegen  der  priTatrechtlichon  Bedeutung 
des  Alters  auch  dann  noch  Wert  haben,  als  der  OothenkOnig  an  die  Stelle  der 


Wilhelm  Levi. 


Cäsaren   getreten  war'),  nicht   fUr   den  Germanen:  Gothie  aetatem  legitimam 
virtns  facit  et  qni  valet  hoBtem  eonfodere,  ab  omni  se  iam  debet  vitio  vindicare  *). 

XVII.   Gallia  Narbonensis.   C.  I.  L.  XII. 


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XVIII.   Germanien. 

Corpus  inscriptionnm 

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1)  Vgl.  die  formnla  aetatis  veniae  hei  Casaiod.  Var.  VII  41  (Mon.  Germ,  bist., 
auct.  ant.  XII,  S.  222).  Mommsen,  Neuen  Archiv  der  Gesellschart  für  Mttere  deutsche 
Oeschfchtakunde  XIV,  1889,  S.  534,  Anm.  1. 

2)  Cassiod.  Var.  I  38,2  (S.  36). 


Die  Beurkundung  des  Civilst&ndes  im  Altertum. 


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73 

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Die  LegionBgeBchichtc  der  beiden  Gennanien  ermöglicht  eine  weitere 
Untersnchuiig.  Die  luBchrifteD  der  legiones  I  Gcmianica  und  Adintris,  II  An- 
gnata,  IUI  Macedoniea,  V,  X  Gemina,  XIII  nndXIV  Gemina,  XV  Primigenia, 
XVI,  XVIII,  XX  Valeria  Victrix  nnd  XXI  ßapax  fallen  alle  in  die  Zeit  vor 
Marc  Aorel;  dagegen  zieht  sich  der  GennaniBche  Anfentlialt  der  legiones  I 
Minervia,  VIII  Angnata  nnd  XXII  Primigenia  nocli  durch  das  dritte  Jahrhun- 
dert hin,  nnd  in  gleicher  Weise  erweitem  sich  die  zeitliclien  Grenzen  ihrer 
Denkmäler.  Es  folgen  nnn  die  Altersaugaben  der  Inschriften,  die  sich  auf 
Soldaten  der  ersten  nnd  der  zweiten  Gmppe  von  Legionen  beziehen,  wobei 
auBser  dem  Corpus  inscriptionum  Rhenananim  von  Brambach  auch  die  in  den 
Bonner  Jahrbüchern  verOfTentlichten  Inschriften  berücksichtigt  sind: 


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Jabrb.  d.  Ver.  t.  Altertbirr.  im  Rhelal.  in. 


Wilhelm   Levis 


I  Zahl  der  Angaben  l| 

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GeBauHzabl 102  I  28  jl 

nicht  durch  5  teilbar .[  30  |  1?  |i 

daruh  5  teilbar ,  72  11  il 

durch  10  teiibar |  34  |  G  |j 


Die  zweite  Reibe  weist  gegenüber  der  ersten  in  Bezug  auf  Genauigkeit 
einen  bedeateuden  Fortschritt  auf,  der  fUr  die  vorliegenden  Fragen  um  so 
hüber  anzuscblagen  ist,  &h  die  zweite  Reibe  nicht  etwa  nur  InBcliriften  des 
dritten  Jahrhunderts  enthält,  sondern  die  ganze  Zeit  von  Claudius  an  utnfasst. 
Allerdings  sind  auch  hier  die  Zahlen  gering;  aber  für  diesen  Mangel  tritt  die 
Übcreinsliiniiiung  der  Ergebnisse  mit  den  Verhältnissen  anderer  Gebiete  er- 
gänzend ein. 


XIX.    Die  christlichen  Inschriften  Galliens. 

Le  DIant,  Inscriptinns  chr^tienncs  de  la  Gaule,    18f)6 — 1865;  Noureau  recueil 

des  inscriptions  chretiemies  de  1a  Ganle,  1893'). 


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1)  Vgl.  neben  Le  ßlant  auch  Kraus,  Die  christlichen  Inschriften  der  Rheinlande 
90,  and  C.  l.  L.  XIl. 


Die  Beurkandang  des  Civilstandes  im  Altertum. 


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Gesamtzahl 192l  86 

nicht  durch  5  teilbar '■  7«  66 

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Diese  Inschriften,  die  xnm  weit  grosseren  Teile  Frankreich,  znm  kleineren 
ilcD  Rhcinlanden  angehörcu  nnd  unter  denen  die  datierten  Denkmäler  sieb  vom 
zweiten  Drittel  des  vierten  Jahrhunderts  bis  ztiin  Ende  des  sichenten  erstrecken, 
fallen  ihrer  Mehrzahl  nach  in  die  Zeiten  der  Auflösung  des  Weströmischen 
Reiches  und  die  ersten  zwei  Jahrhunderte  der  Frankenherrschaft  uud  komineu 
so  tüT  die  Geschichte  von  Einrichtungen  des  Römischen  Staates  nur  zum 
kleinsten  Teile  in  Betracht.  Die  Altersangabeu  der  Erwachsenen  sind  sehr  oft 
in  runder  Zahl  angegeben,  man  legt  keinen  grossen  Wert  auf  genaue  Angaben 
—  plus  minus  begegnet  etwa  90  mal  —  und  oft  ^nug  wird  die  Unmüglicb- 
keit,  die  Lebensdauer  eines  Verstorbenen  genau  festzustellen,  zn  rundcD 
Schätzungen  Aolass  gegeben  haben. 


XX.    Britannien.  C.  I.  L.  VII;  Ephemeris  epigrapbiea  III,  IV,  VlI. 


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Mit  Hilfe  <Ier  Legionsgeschichte  lasBcn  steh  die  InBckriflen  voo  acht  Sol- 
daten (C.  I.  L.  VII  48,  154,  155,  18»,  184,  185,  186,  243)  dem  ereten  Jahr- 
hundert znweiscn,  als  deren  Lebensdauer  20,  25,  28,  30,  30,  35,  38  nnd  40 
Jahre  angegeben  werden.  Diese  Inscbriftenzahl  ist  allerdings  sehr  gering; 
doch  stimmt  das  überwiegen  der  runden  Zahlen  auf  Grabsteinen  des  ersten 
Jahrhunderts  wieder  zu  den  fflr  andere  Gebiete  gewonnenen  Ergebnissen.  Die 
christliehen  Inschriften  (Inecriptiones  ßritanniae  ehristianae,  cd.  Huebner,  1876) 
niflssen  wegen  der  äusserst  geringen  Zahl  von  Altersangaben  unberücksichtigt 
bleiben. 


XXI.  Spanten.  C.  I.  L.  11  nnd  Ergänzungsband. 


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Die  Beurkandung  des  Civilstandes  im  Altertum. 


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durch  &  leilhar '  582;  14  .  446    20  40  l  1068  35  1103  55,9 

durch  10  teilbar I:  353:    H  '  ^53    10  25  l  G31  17,  648  32,4 

S     I  Gesamtzahl 790  40  ,:  579'  27  40  '     1  1409  68;1477|'  100 

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4     I  durch  10  teilbar.    .    .     .     292i     4     204      6  17  -  513'  9   522  : (5 ,3 

Auch  hier  lassen  sieb  auf  Grund  der  Heercegeschidite  oder  des  Scbrift- 
charakters,  der  besonders  im  Ergänzungsbande  verwertet  ist,  Inschriften  zeit- 
lich bestinunen ;  es  folgen  daher  diese  datierbaren  und  die  datierten ')  Angaben 
der  GrabBteine,  geschieden  in  diejenigen  der  beiden  ersten  Jahrhunderte  und 
die  der  späteren  Zeit  vom  Ende  des  zweiten  Jalirhnnderta  an: 


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1)  Doch  Bind  die  nach  der  aera  cos.  datierten  Inschriften  unbertick sieht! (^  ^- 
blieben,  da  deren  Epoche  noch  umstritten  isi;  vg-t.  Kubitschitk,  aera  in  Pauly- 
Wissowas  Realencyclopadio  T,  Sp.  639—640. 


54 


Wilhelm   Levison: 


Gesamtzahl 

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durch  5  teilbar 

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6          3 

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34,6 

21         18 

39 

3          1 

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30,9 

15,4 

48         33 

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16          4 

20 

100 

100 

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11 

2 

13 

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65 

30 

10 

40 

5 

2 

7 

49,4 

35 

15 

9 

24 

2 

1 

3 

29,6 

15 

Auch  hier  stehen  wieder  die  Altersangaben  der  beiden  ersten  Jahrhun- 
derte an  Zuverlässigkeit  zurück  hinter  denen  der  folgenden  Zeit;  haben  wir 
hier  einen  allmählichen  Übergang  anzunehmen  oder  eine  scharfe  Grenzlinie? 
Bisher  ergiebt  sich  noch  keine  Antwort  auf  diese  Frage. 

Die  christlichen  Inschriften  Spaniens^)  beginnen,  soweit  sie  eine  Zeit- 
bestimmung enthalten,  erst  in  der  2.  Hälfte  des  5.  Jahrhunderts  und  kommen 
daher  für  die  vorliegenden  Fragen  nicht  mehr  in  Betracht;  ihre  Zusammen- 
stellung ergiebt  folgendes  Bild  der  Alters  Verteilung  bis  zum  Ende  des  siebenten 
Jahrhunderts: 


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1)  Inscriptiones  Hispauiae  christianae,    ed.  Huebner,  1871;   Ergänzungen  hinter 
den  Inscriptiones  Britanniac  christianae. 


Dil'  Bi'urkiuiiluiig;  des  CivilKtandes  Jm  Altrrtum. 


XXII.   Byzacena. 

C.  I.  L. 

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nicht  durch  5  teilbar 181     71  152  48 

durch  6  teilbar 239    18  179  IH 

durch  10  teilbar 134      8  104  9 

^     '  Oesanuzahl 361-46  271  -JÜ 

Bo  ~,  nicht  durch  5  teilbar  .     .  137  ,36  117  17 

2ä  *'  durch  5  teilbar    ....  224     10  154  9 

4     I  durch  10  teilbar  ....  128      4  89  6 


780  157 1,937  100 

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435  ;t«"471  6O3 

249  19 ,  268  28,6 

655  74   729  100 

263  53   316  43,3 

392  21    413  66,7 

226  12   238,  32,7 


1)  Bei   der    Behandlung   Nordwi'stafrikas   ist    die    Kiiiti-ilun<;    der    Ergänzangii- 
**Ände  zu  Grunde  gelegt,  nicht  die  in  manchen  EinKolheileu  tibweichende  di-r  Haupl- 


Wilhelm  Levison: 


Die  christlichen  Inschriften  von  Byzacena  enthalten  folgende  Altereangaben : 


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durch  10  teilbar  , 

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XXUI.   Africae  provinciaproconsnlariB.  CLL.  VIII  nnd  snppl.  '. 


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Die  Beurkundung  des  Clvlbtandes  im  Altertum. 


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186  11318;  43^ 
122  1728  56^ 

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Auf  den  cbristlicben  Denksteinen  finden  aich  folgende  AUersangaben: 


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durch  5  teilbar 16 

durch  10  teilbar ,13 

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XXIIU.   Numidien.  C.  I.  L.  VIII  nml  suppl.  II. 


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Die  Beurkundung  des  Ci  vi  Inlandes  Im  Altertum. 


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91    4014 

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5:1  II 1299 

32,4 

-   1,2677! 

38  12715 

Hi,6 

-      1359 

13  , 1372 ; 

34,2 

XXV.   Mauretanieii.  C.  I.  L.  VIII  2  wod   anppl.  III,  von  dem  n.  •20201 
—20266,  20345—20871,  21011-21315  benutzt  werden  konnten. 

Bei  den  Maaretanisclien  Inschriften  sind  nicbt  nur  die  christliclien  ans- 
geschieden,  sondern  auch  die  Denkmäler  von  Altava,  l'oinarium  nnd  Nnmerau 
.Syrorniu '),  die,  wie  die  Zeitangaben  lehren,  dem  vierten  bis  siebenten  Jahr- 
hundert angehören  nnd  so  zeitlich  mit  den  christlichen  Grabsteinen  zusannnen- 
fallen,  wie  sie  auch  gleich  diesen  ausserordentlich  /.ahlreiche  runde  Zahlen 
enthaUea.    Die  übrigen  Inschriften  Manrctanieus  bieten  folgende  Altersangaben: 


1)  C.  I.  L.  VIII  2,  9831-9987. 


Wilhelm  LeviBon: 


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2    708 

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149     36,    H6    1<I  ,1    3 

1  3;t7 

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293,36,2 

S  5  ■*  1  durch  5  teUbar    .... 

277  ,    29 ,.  169  ,  15  1;  2ö 

1  m 

4ö    516  63,8 

."     1  durcli  10  teilbar.     .    .    . 

139 1    1» 

'(0 

11  |U 

-  ,'220 

249 

30,8 

Da  viele  der  Manretanischen  Inechriften  nach  der  Provinzialära  datiert 
sind,  bieten  sie  die  Müglicbkeit  einer  genaueren  Unterenchnng.  Dnrcb  Abzng 
der  Lebensdauer  vom  Todesjahre  ergiebt  sich  das  Geburt^ahr  der  einzelnen 
Toten.    Die  naeb   der  Wende  des  dritten  nnd   vierten  Jahrhunderts  gesetzten 


Die  BenrkaDdon^  des  Civilstandes  fm  Altertam.  61 

Inscbriften  bedOrfea  zosammeD  mit  den  cbristlicben  besonderer  Behandlung,  da 
in  ibnen  die  Abmndung  des  Altere  anaserordentlich  häafig  wird. 


tieburtjjahr 

Nummer 
j  vonCI.L.  VHI 

Qeachletht 

Alter 

Todesjahr 

196 

)    8831 

m 

85  J 

211 

186 

1    8831 

(■ 

76  . 

211 

137 

1    8998 

70  . 

207 

139 

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70  . 

209 

145 

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91  - 

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160 

1    911& 

100. 

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Mhestenu  l&l 

1    9086 

m 

85  , 

frÜheBtens  236 

IßO 

1    9623 

60  . 

3  M.  7 

Tg. 

220 

166 

1    20734 

r 

65  - 

231 

friihe^lens  166 

1    9111 

80  - 

6  M. 

169 

1    8999  =  20720 

56  - 

226 

169 

8997 

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227 

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20591  =  8T75 

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5  M.  3 

Tg. 

281 

frühestenB  172 

,    9091 

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...  M. 

(Vfibestens  231 

frühestens  173 

9111 

f 

73  , 

3  Std. 

fraheatena  346 

ft'Uhestens  185 

187 

frflhestenti  188 


spätestens  197 

200 

spateBtenx  206 


früheftens  312 
RpKteittenB  212 


9074 
8430 
9115 
9116 


9116 
20612 
S501 


,  7  Tg. 

,  8  M.  17  Tg. ; 

,  6  M.    7  Tg. 


,  6  M.  16  Tg. 

,  . . .  M. 

,  2  M.  6  Tg. 


fHibeetens  246 

259 

frühestens  259 


spHtestens  ' 
spfttestens  ! 


frähestens  234 
NpUtestens  360 


Dentlicb  acbeiden  sich  bier  die  Inscbriften  der  vor  dem  Jahre  169  ge- 
borenen Personen  von  den  späteren  ab.  Bei  jenen  fiberwiegen  die  mndea 
Zahlen,  bei  diesen  die  nicht  durch  Fünf  teilbaren  Altersangaben. 


6^ 


Wilhelm  Levisons 


Zahl  der  Angaben 


% 


Der  Tote^  waj^^g-eboren 

Gesamtzahl    .... 
nicht  durch  5  teilbar 
durch  5  teilbar     .    .     . 
durch  10  teilbar    .     .     . 


vor  169  '  nach  1681'  vor  169  |  nach  168 


0   ! 

42 

1 

28 

9 

14 

5   1 

10 

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10 
90 
50 


100 
66,7 
33,3 
23,8 


Bei  dieser  Sachlage  sei  auf  die  Norische  Inschrift  C.  I.  L.  III  5567  hin- 
gewiesen: D.  M.  I  Jul(iu8)  Victor  Martial(i8)  f(ilius)  |  ob(ita8)  an(norum)  LV. 
Bessa  Juvenis  f(ilia)  ux(or)  6  aii(nornm)  XLV.  |  Novella  Essibni  f(ilia)  ob(ita) 
a(nnorum)  XVIII.  |  Victorinus  parentib(n8)  et  coniugi  et  Victorinae  |  fil(iac) 
fecit,  I  qui  per  luem  vita  functi  sunt  Mamcrtino  et  Rufo  co(n)8(ulibus),  |  et 
Aur(elio)  Justino  fratri,  mil(iti)  |  leg(ionis)  II  Ital(icae),  stipend(ioruni)  X, 
6  a(nnoram)  XXX. 

Auf  diesem  in  mehrfacher  Hinsicht  bedeutsamen  Denkmale,  das  182  n. 
Chr,  oder  bald  nachher  gesetzt  ist  und  an  die  Zeiten  der  grossen  Pest  er- 
innert, wird  das  Alter  der  vor  den  60er  Jahren  geborenen  Personen  in  runden 
Zahlen  angegeben,  dagegen  dasjenige  Novellas  in  einer  nicht  durch  Fünf  teil- 
baren Zahl.  Doch  verliert  die  Inschrift,  abgesehen  von  ihrer  Vereinzelung,  an 
Bedeutung,  weil  jene  genauere  Angabc  schon  durch  den  Hinweis  auf  die  That- 
sache  hinreichende  Erklärung  findet,  dass  sich  überhaupt  bei  den  unteren  Jah- 
resreihen  grössere  Zuverlässigkeit  und  Genauigkeit  wahrnehmen  lässt  als  bei 
den  oberen. 

Die  datierten,  nach  dem  Beginne  des  vierten  Jahrhunderts  gesetzten, 
Grabsteine  Mauretaniens  enthalten  folgende  Altersangaben: 


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56 

1 

75 

3 

3 

Die  ßearknndnng:  des  CivllBtandes  im  AUertntn. 


GeBamtMhl .    .    . 
niclit  durch  ß  teilh 

7:   7: 

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11  j     30 
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^     1  durch  10  teilbar .     .     . 

.    .     44 
.     .  :   1-2 
.    .  ,  32 

100 
27,6 

XXVI,   Die  datierbareii  InBchriften  des  Osteus.    C.  I.  L.  III  «nd 

suppl.  fa8t^  1 — 3. 

Im   di-itten  Bande    des  Corpus   inscriptioniini  Latinarnm   lassen   sich  fol- 

^nde    Altersan§^ftben   auf  irgend    eine   Weise    (Datierung,    Legionsgeschicbte, 

Scliriftcbaraktcr)  den  zwei  ersten ')  oder  dem  folgenden  Jahrbundert  zuweisen : 


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26     1    -    -     1 

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nicht  durch  6  teilbar 
durch  5  teilbar.  ,  . 
durch  10  teilbar    .    . 

^     I  Gesauitzahl   . 
ö  c  g    nicht  durch  6  teilbai 
°,c  «I  durch  6  teilbar. 

,^     I  durch  10  teilbar 


me   ll  Jahrh.  ;  Jahrh. 


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100 

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63,2 

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100 

26,7 

52 

73,3 

48 

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20 

Auch   hier  zeigt  sich  wieder   eine  Zunahme  der  Genauigkeit  im  dritten 
Jahrhundert  gegentlber  der  früheren  Zeit. 


1)  Auch  die  Inschriften  von  Soldaten    i'iner   \f,gin  Severiana  sind    alte    dem  2, 
'  Ji^htindert  zugewieseu. 


Wilhelm  Leviaon: 


XXVII.   Moesie 

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Oesamtz&hl 

nicht  durch  5  teilbar     .     .    . 

dnrch  S  teilbar 

dnrch  10  teilbar 

Ö4  I  Gesamtzahl  .... 
3  s  e  nicht  dnrch  6  teilbar 
?|«    durch  5  teilbar     .    . 

£        dnrch  10  teilbar    .    . 


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41,8 
68,2 
40,7 
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31,5 
68.5 
48,6 


XXVIII.   Dacien. 


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100  1    1 

19 

2 

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59 

1 

— 

Die  Beurkundung  des  Civitstandes  im  Altertum. 


I    m     I     I  .'     j.oumin' 


Gesamtzahl jj  19:) 

nicht  durch  5  teilbar |  88 

durcli  5  teilbar ii  lOä 

(iarch  10  teilbar ||  7H 

^        Gesamtxalil 137 

E  «  ^  1  nii-ht  durch  b  tmlbiir .    .    .  u  44 

g.a  «    durch  S  teilbar 93 

£     i  durch  10  teilbar      ,    .    .    .  ii  70 


XXIX.    Daimatien 


0  '1    4  ]  -      - 


6  1  r.  !  4  I 

7  10  I  11   I 

8  !  6       H  \ 

9  9  I     4  I 

10  I  8       5  1 

11  1'  4  i     2 

12  .1  8       8  I 

13  I  gl     1   ' 

14  1  7       4  I 

16  i|  8       4  I 

17  .  4  I     f,  ' 


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durch  5  teilbar 

durch  10  teilbar 

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Summe  11 

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774 

100 

413 

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301      <: 

40,0 

210      , 

28,3 

100 

174 

38.0 

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61,4 

XXX.   Pannon 


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durch  10  teilbar I| 

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t^*\  durch  5  teilbar I 

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24,6 
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51,3 


XXXI. 

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13 

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1 

62 

1 

1 

Die  Benrknndnng  des  Civilstandes  im  Altertum. 


67 


Gesamtzahl 

nicht  durch  5  teilbar      .    .    . 

durch  5  teilbar 

durch  10  teilbar 

Gesamtzahl    .    .    .    . 

nicht  durch  5  teilbar 

durch  5  teilbar  .    .    . 

durch  10  teilbar     .    . 


B  o  ^ 
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347 
107 
240 
178 
245 
48 
197 
142 


236 

73 

163 

120 

165 

31 

134 

99 


27 
10 
17 
10 
17 

7 
10 

6 


Summe 

610 
190 
420 
308 
427 
86 
341 
247 


% 


100 

31 

69 

50,5 
100 

20 

80 

58 


Die  Ergebnisse  dieser  Zahlenreihen  für  die  vorliegenden  Fragen  lassen 
8ich  in  wenige  Sätze  zusammenfassen: 

1)  Abgesehen  von  den  Inschriften  der  vierten  und  fünften  Region  Italiens^ 
für  deren  besondere  Stellung  bereits  eine  Erklärung  versucht  wunle,  und  nach 
Ausscheidung  der  jüngeren  Altersklassen  zeigen  die  Altersangaben  der  Grab- 
steine aller  behandelten  Gebiete,  vom  Balkan  bis  zum  Atlantischen  Meere,  vom 
Rhein  bis  zu  den  Grenzen  der  Sahara,  grosse  Ungenauigkeiten,  die  in  der 
unverhältnismässigen  Menge  der  runden  Zahlen  zu  Tage  tritt;  bei  den  Er- 
wachsenen nehmen  die  durch  Fünf  teilbaren  Zahlen  35  bis  80  ®/o  ein,  die  durch 
Zehn  teilbaren  Jahreszahlen  16  bis  58  ^/q.  Sucht  man  die  Insehriftenmassen 
nach  Zeiträumen  zu  gliedern,  so  zeigen 

2)  Inschriften  Germaniens,  Britanniens,  Spaniens  und  der  östlichen  Pro- 
vinzen, dass  diese  üngenauigkeiten  auch  innerhalb  des  beschränkten  Kreises 
der  Denkmäler  der  ersten  beiden  Jahrhunderte  n.  Chr.  stark  vertreten  sind. 

3)  Im  Gegensatz  zu  dieser  Thatsache  bezeugen  christliche  Grabsteine  der 
Stadt  Rom  und  Etruriens,  femer  Inschriften  Germaniens,  Spaniens  und  des 
Ostens,  zwar  alle  an  Zahl  nur  gering,  aber  durch  ihre  Übereinstimmung  diesen 
Mangel  ersetzend,  dass  auf  den  Inschriften  des  dritten  Jahrhunderts  eine  Ab- 
nahme der  runden  Zahlen  und  damit  eine  Zunahme  der  Zuverlässigkeit  der 
Altersangaben  erfolgt,  im  Gegensatze  sowohl  zu  den  Inschriften  der  vorher- 
gehenden Jahrhunderte  als  auch  zu  den  Denkmälern  der  späteren  Zeit,  die  mit 
dem  häufigen  Auftreten  der  Formel  plus  minus  die  Thatsache  absichtlicher  Ab- 
mndnng  oft  bekunden,  bis  schliesslich  für  die  Zeiten  der  Verwirrung  und  neuer 
Staatenbildnngen  wie  in  Gallien  die  Abnahme  genauer  Altersbestimmungen  auch 
ohnedies  erklärlich  ist.  Eine  genauere  Grenze  zwischen  der  ersten  und  der 
zweiten  Masse  zeigen  die  Inschriften  Mauretaniens  gerade  vor  dem  Jahre  169; 
vorher  übenviegen  die  runden  Zahlen  bedeutend,  nachher  sind  die  anderen  im 
Übergevrichte. 

Da  nun  eben  um  diese  Zeit  nach  der  Angabe  der  historia  Augusta  Kaiser 
Marcus  eine  allgemeine  Beurkundung  der  Geburten  unter  den  Bürgern  einführte 
und  da  dadurch  die  Feststellung  des  Alters  erleichtert  werden  musste,  so 
scheint  es  mir  durchaus  begründet,  hier  einen  Zusammenhang  anzunehmen ;  die 
Geschichte  der  inschriftlichen  Altersangaben  findet  ihre  Erklärung  durch  Capi- 
tolimis'  Bericht,  dieser  seine  Bestätigung  durch  die  Inschriften.  Wie  so  oft,  er- 
gänzen  sich   auch  hier  Litteratur  und  monumentale  Überlieferung.     Dass  sich 


68  Wilhelm  Levison: 

die  Wirkung  der  Einrichtung  Marc  Aurels  nicht  für  alle  Provinzen  nachweisen 
lässt,  liegt  an  der  Natur  des  vorhandenen  Quellenmaterials  und  beweist  nichts 
gegen  die  Richtigkeit  der  gezogenen  Schlüsse. 

Damit  ergiebt  sich  denn  die  Notwendigkeit,  in  Apulejus'  Bericht  die 
Worte  more  ceterorura  zu  betonen  und  in  den  von  ihm  geschilderten  Einrich- 
tungen eine  in  ihrer  Verbreitung  beschränkte  Sitte  zu  sehen,  mag  diese  nun 
erst  im  Laufe  der  Kaiserzeit  aus  ähnlichen  Bedürfnissen  erwachsen  sein  wie 
Marc  Aurels  Bestimmung  oder  mag  sie  mit  ihren  Anfängen  in  frühere  Zeiten 
zurückreichen.  Für  diese  Auffassung  lässt  sich  eine  Analogie  nachweisen, 
die  sich  in  Einrichtungen  Ägyptens  bietet. 

XXXII.    Ägypten. 

Diodor  erzählt^),  nach  des  Sesoosis  Geburt  habe  dessen  Vater  alle  am 
selben  Tage  geborenen  Knaben  aus  ganz  Ägypten  zusammenbringen  lassen, 
um  in  ihnen-  dem  Sohne  eine  Schar  treuer  Genossen  zu  erziehen.  Engel  hat 
aus  dieser  Nachricht  auf  die  Entwicklung  und  Ausbildung  sorgfiiltig  geführter 
Civilstandsregister  Ägyptens  geschlossen*),  und  wenn  man  ihm  auch  schwer- 
lich in  der  Verwertung  jener  Erzählung  beistimmen  kann,  so  lässt  sich  doch 
eine  frühe  Anwendung  von  Civilstandslisten  in  Ägypten  mit  ziemlicher  Wahr- 
scheinlichkeit vermuten,  da  die  „Schreibwut"  der  Ägypter  schon  in  den  Zeiten 
des  alten  Reiches  über  alles  und  jedes  Protokolle  aufnahm  und  Listen  anfer- 
tigte ').  Wenn  daher  in  Römischer  Zeit  hier  Geburtsurkunden  erscheinen,  so 
mag  deren  Gebrauch  vielleicht  bis  in  die  Zeiten  der  Amenemha  und  Ramses 
zurückgehen  oder  wenigstens  der  Ptolemäer,  deren  Verwaltungsmechanismus 
Rom  aufrecht  erhielt.  Jedenfalls  gab  es  hier  schon  vor  Marc  Aurel  eine  An- 
meldung und  Aufzeichnung  der  Geburten,  und  wir  haben  es  dem  an  Schätzen 
so  reichen  Boden  des  Faijüm  zu  verdanken,  dass  hier  unsere  Kenntnis  nicht 
auf  dürftigen  Zeugnissen  beruht,  sondern  gleichzeitige  ürkimden  uns  unmittel- 
bare, lebendige  Kunde  geben.  Diese  Schriftstücke  sind  veröffentlicht  in  der 
Sammlung  der  „Ägyptischen  Urkunden  aus  den  Königlichen  Museen  zu  Berlin, 
Griechische  Urkunden  I",  1895,  n.  111,  110  und  28: 

1)  n.  111,  Zeile  4.  [Aejujvibr]  [koX]  Tp|Li[oT€iTOvi  TP(amLxciT€Ö(Ti)] 

5        |blTlTp0Tr6X€U)[q 

Tr]apd  KoXXou9[ou ]..[... 

To]ö  "Hpujvoq  |iTiT[pö^  Za]paTroö[Toq  . . 


1)  I  53,  2:  Y^WTiGdvToq  y^P  'toO  Zeaouüaioc;  diroiriaev  6  iraxi^ip  aöroO  netaXoirpciT^c; 
Ti  Kai  ßaaiXiKÖv  •  toO^  t^p  Kaxd  Tf|v  a<)ri\v  i'iiLi^pav  fewriö^vTac;  iraibac;  kl  ÖXr|^  Tfj<;  AItutttou 
auva^aTibv  koI  rpocpouc;  kqI  tou<;  ^Tn^€Xn(JO|Li^vou(;  lmaTY]aa(;  Tf|v  aÖTi^iv  ä'fvjfi]^  Kai  iratbciav 
Üjpt0€  TOl(;  TTöaiv .... 

2)  Engel,  Die  Volkszählungen,  ihre  Stellung  zur  Wissenschaft  und  ihre  Auf- 
gabe in  der  Geschichte.  Zeitschrift  des  Königl.  Preussischen  Statistischen  Bureaus  II, 
18G2,  S.  27. 

3)  Vgl.  Erman,  Ägypten  und  Ägyptisches  Leben  im  Altertum  I,  S.  165;  v.  Hartel, 
Über  die  Griechischen  Papyri  Erzherzog  Rainer,  188G,  S.  14  f. 


Die  Beurkundung'  des  Civilstandes  im  Altertum.  69 

Ka]i  TTiq  TOUTOU  T[vJvaiKÖq]  ZaTupo[ö- 

TOq    TTiq]    "HpUJVO^    [|bl€Ta    KjupiOU    ^[|bl]oO 
10        [tOU    d]v[bpÖq]    TUIV    [dJTTÖ    Tfiq    |iTl[TpOTr(ÖX€Ujq)] 

dvaTp(a(po|bi^vu)v)  [in]  d|iq)[öb(ou)]  Biö(uvd)v)  1[(Ti]ujvoq. 
'ATTOTpaqpöibieGa  [T]ouq  TevvTi0(€VTaq)  f^iieiv 

|bie[T]d  T^v  Toö  iq   (?tou^)  9eo0  'Ab[pi]avoö  131/2 

KttT*  oiK(iav)  [dTTojTpcwp^v  il  dXXr|X(ujv)  ulouq, 

15        TU»    )Lltv    K     (?T6l)    9€O0    'AbpittVOO    'A|Ll|LlU)[vi-  135/6 

ov],  öq  d(TTiv  e\q  tö  ß'  (froq)  'AvTUiVivou 

[K]ai(Tapoq  TOÖ  Kupiou  ijdjv  T€(T(Tdpuj[v],  138/9 

Kai  Tip  a'  (?T6i)  6|bioiujq  ?T€pov  uiöv  137/8 

lujTrjpixov,  öq  iöTW  eiq  tö  ß'  (^Toq)  138/9 

so     dTujv  buo  •  biö  dTribibojiev  tö  tti^ 

dmTevvricTeujq  ij[Tr]6|bivri|Lia. 

KoXXoOe(oc)  (dTuiv)  X'  d(TTi(|bio«s), 

ZaTupoö^  (dTÜüv)  K   d(TTi(|bioq) 

d7ribebu)K[a|i€v]  tö  Ti\q  i.m'xevf\ae,vjq 
So     uTTÖ|bi(vTi|Lia),  Ka0uj<;  7rp6K(eiTai) .  CEtci)  ß'  AuTOKpdTopoq  Kai- 

aapoq  138/9 

TiTOu  Ai[Xiou  *'A]bpiavoö  'AvTUivivou  ZeßacTTOÖ 

Euaeßoöq  [....]  Kb'. 
2)  n.  HO,  Zeile  4:  [Aeujvijbri  Kai  'Ep|LiOT€iT[ovi  Tp(a|Li|LiaT€Ö(Ti)] 

|iTlTp07r(ÖX€Ujq) 

5      irapd  GeoTeiTOvoq  toö  [ ] 

TOÖ  9eoT€iTOVo<;  |iTiT[pöq  TacTou]- 

Xapiou  Kai  Tri?  T^vaiKÖq  [Aio]- 

bcüpaq  TTiq  0eoT€iTOVoq  [0€o]- 

TCiTOVO?  jUCTd  Kupiou  t[oö  Trpo]- 
10      Y€TPCtMM^vou  dvbpöq  0eo[Tei]- 

Tovo?  dTTÖ  Tfiq  |i[Ti]TpoTT(öXeujq)  dva[Tpa]- 

qpoji^vujv  ^tt'  d|biq)öbou  Ai[vu]- 

qpiujv .  'A7roTpaq)ö|bi€Öa  t[öv] 

Te[v]Ti9€VTa  fiiiTv  il  dX[X(r|Xu)v)] 
15     Till  bi€XTiXueöT[i]  a   (fTCi)  [uiöv]  137/8 

M[. .  .]tiv  övTa  eiq  tö  d[ve(TTÖq] 

ß'  (^Toq)  AuTOKpdTopoq  [Ka]i[(Tapo?]  138/9 

TiTOu  AiXiou  'Abpiavoö 

'AvTUJveivou  Z€ß[a(TT0Ö  EöcTeßoöq] 
20      (dTUJv)  ß'  *  biö  dTrib(ibo|biev). 

0eoTi(TU)v)  (dTÜüv)  iix]    &ar]{}io(;),  Aiobuipa  (trOüv)  [....] 

dTribib(o|biev)  Kai  o  |biu  ö  . .  i[.  . . .] 

KCii [ ] 

Kai  .  .  .  TaTTO  ..€..[ j 


70  WilhelmLevison: 

U5     (frei)  ß'  AiiTofKpdTopo^  Kaiaapoq  Tiiou]  138/9 

AiX[iou  'Abpiavoö  'AvTiuvivou  Ze]- 
ßfaaioö  EucTeßoö^]. 
3)  n.  28:  AiOTtvrj  Kiü|bioTP(a|bi|iaT€i) 
TTttpct  TTaKÖmq  ZaTttßoÖTO^ 
Toö  TTaveqpp^jiK;  jitiTpö^ 
ZxoTÖTiTiq,  lepeuq  e' 
r>     qpuXfiq  ZoKVOTraiou  Geoö 
|bi€TaXou  |bi€T6Xou,  dtTrö 
KUü)Lir|^  ZoKVOTraiou 
NrjcTou,  Kai  xfiq  toutou 
TuvaiKÖq  TaßoÖToq  xfi^ 
10     ZTOTor|T€Ujq,  Upia^ 

a   qpuXfi^  TOÖ  auTOÖ  Geoö 
ZoKVOTraiou,  imeTd  Kupiou 
ToO  TrpoT€Tpa|i(|bi€VOu)  (ivb[p]ö^ 
TTaKÖaiq.  'ATroTP(aq)ö|i€9a)  T€T[o]vÖTa 
15      fiiiTv  il  dXX(r|Xuüv)  9uTa[T^p]a  . . 
Cr]Toq  TtVTi9^VTa  tuj 

bi€XnX(u06Ti)  in'  (fT€i)  Kai  övra  •    177/8 

eiq  Tö  iveOTÖq  kV  [(Ito<;)]  183/4 

(fiTi)  l '  bxö  imbibikh 
20      jLiev. 

(2.  Hand)  Aiot^vti^  KUj|LiOTp(a|Li|LiaTeuq)  laxov  touto(u)  tö  i(T[ov]. 
(1.  Hand)  C'ETei)  Kb'  MdpKOu  AupnXiou 
Kofiöbou  'AvTUJveivou 

ZeßaaTGö.  Oauicpi  (2.  Hand)  if.  11.  Oktober  183 

Wie  diese  Urkunden  lehren,  wurde  bereits  vor  Marc  Aurel  in  Ägypten 
über  die  Geburt  eines  Kindes  ein  uTrö|iVTi|bia  Tfiq  d7TiT€vvri(T€Uü<;  von  den  Eltern 
eingereicht,  von  Dortbewohnern  bei  dem  KUj|iOTpa|i|LiaT€u?,  in  der  Hauptstadt 
des  Nomos  bei  den  Tpa|bi|LiOTeTq  Tfiq  |iTiTpoTröX€Uü<;,  ausserdem  vielleicht  von  allen 
bei  dem  ßacTiXiKÖ?  fQaixixaiexx;  des  Nomos,  bez.  der  jiepi?,  wie  man  aus  der 
Analogie  der  Totenscheine  schliessen  kann.  Der  Meldeschein  enthielt  den  Na- 
men des  Kindes,  das  Jahr  seiner  Geburt  und  sein  Alter  zur  Zeit  der  Meldung. 
Bedeutende  Unterschiede  treten  zwischen  diesen  Urkunden  und  Marc  Aureis 
Einrichtung  zu  Tage.  Nach  dieser  musste  die  Anmeldung  innerhalb  der  ersten 
dreissig  Tage  nach  der  Geburt  erfolgen;  hier  werden  Kinder  im  Alter  von 
zwei,  vier  und  sieben  Jahren  gemeldet.  Es  ist  dies  nur  ein  äusseres  Merkmal, 
das  auf  einen  tieferliegenden  Unterschied  hinweist.  Kaiser  Marcus  traf  seine 
Anordnung  im  Interesse  der  Bürger  im  Hinblick  auf  die  causae  liberales;  dass 
diese  Urkunden  andere  Zwecke  verfolgen,  zeigen  die  Worte  der  ersten:  'Atto- 
Tpaq)ö|Li€0a  rovq  Y^vvTiGevTaq  fijLieiv  lierct  Tfjv  toö  iq'  ?TOuq  Geoö  'Abpiavoö  kqt' 
oiKiav  dTTOTpaqpfjv  d£  dXXrjXujv  uiou<;.  Die  Geburtenmeldung  erscheint  hier  nur 
als  Ergänzung  der  Kar'  okiav  dnoTpacpri,  des  Ägyptischen  ProvinzialcenBas^  der 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  71 

alle  vierzehn  Jahre  stattfand  und  der  Erhebung  der  Kopfsteuer  und  der  Aus- 
hebung zur  Grundlage  diente^).  Aetatem  in  censendo  significare  necesse  est, 
qnia  quibusdani  aetas  tribuit,  ne  tributo  onerentur,  veluti  in  Syriis  a  quattuor- 
decim  annis  maseuli,  a  duodecim  feminae  usque  ad  sexagesimum  quintum  annuni 
tributo  capitis  obligantur;  so  berichtet  ülpian*).  Bisher  spricht  keine  That- 
sache  dagegen,  dass  die  gleichen  Altersgrenzen  auch  für  Ägypten  galten,  und 
diese  Lebensjahre  boten  so  auch  die  äusserste  Grenze  für  die  Anmeldung  der 
Kinder.  Ob  diese  im  ersten  Lebensjahre  erfolgte  oder  später,  war  unwesentlich,  * 
wenn  sie  nur  so  früh  erstattet  wurde,  dass  der  Fiscus  zu  seinem  Rechte  kam.  Es 
ist  daher  auch  begreiflich,  dass  man  nicht  selten  eine  besondere  Anmeldung 
unterliess  und  die  seit  der  letzten  Schätzung  geborenen  Kinder  als  [xi]  äva^e- 
Tpa|bi)Li€voi  ^v  dTriTeT€VTi|i^voiq  beim  nächsten  Census  meldete;  mit  diesem  Zu- 
sätze werden  in  den  Kai'  olKiav  dTiOTpacpai  Kinder  von  einem  bis  zu  elf  Jahren 
aufgeführt  •'*),  in  einem  anderen  Falle  meldet  man  bei  Gelegenheit  des  Census 
einen  Knaben  als  Tcvföjievov  t]uj  iv€(TTU)[Ti  (frei)]*).  Die  Listen  der  dTriTCTe- 
VTiii^voi  ergänzten  so  die  dTroTpciq)cti ;  die  Ägyptische  Geburtenbeurkundung  stand 
im  Dienste  der  Steuerverwaltung.  Natürlich  fällt  damit  nicht  die  Möglichkeit 
fort,  dass  die  Geburtsscheine  auch  zu  anderen  Zwecken  verwandt  wurden,  etwa 
wie  wahrscheinlich  die  Totenscheine  als  Beweismittel;  aber  ihr  ursprünglicher 
Zweck  ist  doch  der  der  Ergänzung  der  letzten  Censusaufnahme. 

Wie  verhalten  sich  nun  die  Altersangaben  der  Ägyptischen  Grabsteine 
und  Mumien  täfeichen?  „Der  Tag  der  Geburt  wie  der  Todestag  wird  seit  der 
26.  Dynastie  genau  vermerkt,  wie  es  in  gleicher  Weise  auf  den  Gedenksteinen 
unserer  Gräber  zu  lesen;  zur  höheren  Bequemlichkeit  des  frommen  Lesers  aber 
berechnete  der  Ägypter  noch  genau  auf  Jahr,  Monat  und  Tag  die  Lebensdauer 
des  Verstorbenen  und  verzeichnete  das  Resultat  auf  dem  Steine*)."  Dies  gilt 
von  Ägyptischen  Inschriften;  Griechische  Inschriften  des  Landes  enthalten  fol- 
gende Altersangaben  ^): 


1)  Vgl.  Wilcken,  'AiroTpacpaf.  Hermes  XXVIII,  1893,  S.  230—251. 

2)  Dig.  L  15,  3. 

3)  Berliner  Griechische  Urkunden  1,  u.  55,  115,  128,  132,  182;  Papyrus  Erzherzog 
Rainer,  Führer  durch  die  Ausstellung,  1894,  S.  78,  u.  256. 

4)  Berliner  Gr.  Urk.  I,  n.  120. 

5)  Strack,  Die  Dynastie  der  Ptolemäer,  1897,  S.  158. 

6)  Die  Lateinischen  Inschriften  Ägyptens  bliehen  un!)erücksichtigt,  da  es  sich 
bei  ihnen  um  Ausländer  handelt,  ebenso  Griechische  Denkmäler,  wenn  die  Verstor- 
benen ausdrücklich  als  Fremdlinge  bezeichnet  werden.  Da  das  Material  ausserordent- 
lich zerstreut  i8t,"konnte  Vollständigkeit  nicht  erstrebt  werden.  Nur  folgende  Litte- 
ratur  wurde  benutzt: 

Corpus  inscriptionum  Graecarum; 

Zeitschrift  für  Ägyptische  Sprache  undAlterthumskuiide,  1  bis  XXXIIl,  Heft  2,  1896; 

Revue  ögyptologique,  I  bis  VII,  Heft  2,  1893; 

Athenische  Mitteilungen,  bis  XXI,  1896; 

Bulletin  de  correspondance  hellönique,  bis  XIX,  1895 ; 

Revue  archöologiquet  bis  Troisi^me  s6rie  XXVII,  1895; 


72 


Wilhelm  Levison: 


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32 

48 

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1 

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17 

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33 

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49 

1 

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65 

2 

— 

18 

— 

34 

1 

1 

50 

1 

— 

66 

1 

— 

3 

2 

19 

1 

35 

2 

1 

51 

— 

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67 

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4 

1 

1 

20 

2 

1 

36 

4 

— 

52 

68 

1 

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5 

2 

— 

21 

2 

1 

37 

— 

— 

53 

1 

— 

69 

— 

6 

1 

1 

22 

3 

38 

1 

— 

54 

2 

— 

70 

— 

7 

1 

— 

23 

4 

— 

39 

— 

55 

3 

72 

2 

8 

— 

24 

1 

1 

40 

6 

— 

56 

76 

1 

— 

9 

2 

— 

25 

5 

41 

— 

57 

— 

77 

1 

— 

10 

— 

— 

26 

3 

~ 

42 

1 

58 

— 

84 

1 

— 

11 

1 

27 

1 

— 

43 

— — 

— — 

59 

1 

— 

90 

1 

— 

12 

— 

— 

28 

2 

— 

44 

•  — 

1 

60 

2 

•— 

96 

1 

— 

13 

1 

29 

2 

1 

45 

1  — 

61 

1 

14 

2 

— 

30 

1 

1 

46 

!  2 

— 

62 

1 

— 

15 

— 

1 

31 

— 

— 

47 

— 

63 

1 

— 

Gesamtzahl 

nicht  durch  5  teilbar    .    .    . 

durch  5  teilbar 

durch  10  teilbar 

oi  Gesamtzahl  .... 
B  9  fi  nicht  durch  5  teilbar 
°  £  *    durch  5  teilbar    .    . 

^       durch  10  teilbar  .    . 


86 
61 
25 
13 
67 
46 
21 
11 


15 
11 
4 
2 
8 
6 
2 
1 


Summe 


101 
72 
29 
15 
75 
52 
23 
12 


Vo 


100 
71,3 
28,7 
14,9 

100 
69,3 
30,7 
16 


Diese  Zahlen  stehen  durchaus  im  Einklänge  mit  der  Thatsache,  dass  die 
Anmeldung  der  Geburten  und  des  Geburtsjahres  die  Feststellung  des  Alters  er- 
leichtern musste;  demi  die  durch  Fünf  teilbaren  Zahlen  nehmen  bei  den  höheren 
Jahresreihen,  von  der  vierten  und  fünften  Region  Italiens  abgesehen,  nirgend- 
wo einen  so  geringen  Procentsatz  ein  wie  hier,  sondern  im  Mindestfalle  34,7  ^/q. 
Zu  diesem  Ergebnis  stimmen  durchaus  die  datierten  Inschriften: 


American  Journal  of  archeology,  bis  X,  1895; 

Botti,  Notice  des  monuments  exposes  au  mus^e  Greco-Romain  d'AIexandrie^  1893. 

Dazu  kommen  einige  Inschriften,  die  mir  im  Laufe  der  Arbeit  gelegentlich  be- 
kannt wurden: 

Lumbroso,  L'Egitto  dei  Greci  e  dei  Romani,  2.  Aufl.,  1895,  S.  211—212; 
Kraus,  Christliche  Inschriften  der  Rheinlande  I,  S.  156; 
Krebs,  Nachrichten  von  der  Kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  1892, 

S.  532. 
Journal  des  Savants  1879,  S.  473—486. 

Die  Scheidung  der  Toten   nach   den  Geschlechtern   ist   unterblieben,   weil    sie 
häuflg  nur  dem  Agyptologen  möglich  ist. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum. 


73 


Jahr 
der  Geburt 


Ort  der  Veröffentlichung' 


(48) 


2 
3 
4 
5 
6 
7 
8 

9 
10 


(93) 

(95) 
(98) 
101 
118 
120 
(128) 

(176/7) 
(241/2) 


Alter 


Todes- 
jahr 


72  J. 


26  »   2  M.   9  Tg. 
21  V   4 

46  r, 
44  nlO 
4  ^    8 

6    r,     2 

54  « 

84  « 
4  » 


120 


"^2 


10 

8 


» 


109 
116 
144 
146 
123 
127 
182 

260/1 
245/6 


Zeitschrift  für   Agypt.  Sprache  XXXII, 

1894,  S.  36  n.  1 
C.  I.  Gr.  III  4823 
C.  I.  Gr.  III  4824 
Botti,  Notice  S.  189,  n.  2864 
C.  I.  Gr.  III  4827 
C.  I.  Gr.  III  4825 
C.  I.  Gr.  III  4826 
Revue  archöol.  N.  S.  XXIX,  1875,  S.  307, 

n.  90 
Revue  6gyptol.  yil,  1892,  S.  29,  n.  8 
Zeitschrift   für   Ägvpt.  Sprache  XXXII, 

1894,  S.  37,  n.  4  " 

In  Ägypten  gab  es  also  Geburtsscheine,  ehe  Marc  Aurcl  im  übrigen 
Reiche  die  Aufnahme  von  Geburtsurkunden  den  Bürgern  allgemein  vorschrieb. 
Dennoch  wäre  es  verfehlt,  in  Ägypten  das  Vorbild  für  des  Kaisers  Einrichtung 
zu  suchen.  Gemeinsam  ist  hier  wie  dort  nur  die  Thatsache  der  Anmeldung, 
aber  Ursachen  und  Ziele  sind  verschieden.  Marc  Aureis  Anordnung  sollte 
Interessen  der  freigeborenen  Bürger  sichern,  die  Verteidigung  bei  causae  libe- 
rales erleichtern;  die  Ägyptischen  Geburtsurkunden  dienten  den  Aufgaben  der 
Verwaltung,  sie  ermöglichten  zunächst  die  rechtzeitige  Heranziehung  der  Pro- 
vinzialen  zur  Kopfsteuer.  Wenn  also  auch  Ägypten  den  zeitlichen  Vorrang 
hat,  so  liegt  dennoch  kein  Zusammenhang  vor;  aus  verschiedenen  Ursachen 
und  zu  verschiedenen  Zwecken  ist  die  Ägyptische  Einrichtung  und  die  An- 
ordnung des  Kaisers  Marcus  erwachsen,  beide  mit  praktischen  Zielen,  nicht 
etwa    aus    wissenschaftlichem,   statistischem  Interesse    ins  Leben  gerufen  ^). 

Die  Sterbelisten  des  Römischen  Reiches^). 

Für  den  Forscher,  der  die  natürliche  Bewegung  der  Bevölkerung  verfol- 
gen will,  sind  neben  den  Geburten  —  abgesehen  von  den  Ehen  —  die  Todes- 

1)  Hier  sei  darauf  hingewiesen,  dass  die  Griechischen  Urkunden  Ägyptens  bei 
Personalbeschreibungen  auch  das  Alter  angeben,  meist  mit  dem  Zusätze  tbc;  in  runder 
Zahl;  das  älteste  mir  bekannte  Beispiel  gehört  dem  Jahre  237  vor  Chr.  an  (The 
Flinders  Petrie  Papyri  I,  1891,  n.  12  f.).  Diese  Angabe  findet  sicli  fortan  durch  die 
Zeiten  des  Hellenismus  und  der  Römischen  Herrschaft  hindurch  bis  zur  Wende  des 
3.  und  4.  Jahrhunderts,  zuletzt  meines  Wissens  290—304  (Grenfell-Hunt,  Greek  Papyri 
II,  1897,  S.  114,  n.  72)  und  321/2  n.  Chr.  (Corpus  papyrorum  Raineri  I,  1895,  n.  10) ; 
von  da  an  fehlt  sie  in  den  Urkunden.  Wie  überhaupt  dt'r  Agj^ptische  Urkundenstil 
sich  um  diese  Zeit  ändert  (Mitteis  a.  a.  0.  S.  177  f.)  und  in  den  Urkunden  der  Byzan- 
tinischen Zeit  „im  Unterschiede  zur  Ptolemäisch-Römischen  Zeit  auf  das  Signalement 
der  Person  kein  Gewicht  gelegt"  wird  (Wessely,  Denkschriften  der  Wien.  Akad.  d.Wiss. 
XXXVII,  1889  II,  S.  100),  so  mag  jene  Erscheinung  auf  der  Änderung  von  Urkunden- 
i'ormularen  in  der  Zeit  der  Reformen  Diocletians  und  Konstantins  beruhen. 

2)  Vgl.  Kirch  mann,  De  funeribus  Romanoi-um,  4.  Aufl.,  Frankfurt  1672,  S.  46; 
Becker-Göll,  Gallus  II,  S.  74;  Marquardt,  Privatleben  der  Römer  1,  2.  Aufl.,  S.  385; 
Friedländer,  Darstellungen  aus  der  Sittengeschichte  Roms  T,  (>.  Aufl.,  1888,  S.  39; 
Voigt  in  J.  Müllers  Handbuch  der  klassischen  Altertumswissenschaft  IV  2,  2.  Aufl., 
S.  384,  Anm.  86. 


74  Wilhelm  Levison: 

fUlle  Gegenstand  der  üntersuchnng;  ftlr  den  Staat  des  Altertums  musste  ihre 
Kenntnis  wünschenswert  sein,  um  die  Zahl  der  Btlrger  festzustellen,  die  für 
Leistungen  in  Anspruch  genommen  werden  konnten.  War  die  Überlieferung 
für  die  Geschichte  der  Geburtenbeurkundung  des  Römischen  Reiches  dürftig 
genug  und  konnten  auch  die  Inschriften  keine  neue  Thatsache  beibringen,  son- 
dern nur  bestätigend  und  ergänzend  scheinbare  Widersprüche  der  Quellen  auf- 
hellen und  den  notwendigen  Weg  zu  ihrer  Lösung  zeigen,  so  kommt  die  mo- 
numentale Überlieferung  für  die  Geschichte  der  Sterbelisten  überhaupt  nicht  in 
Betracht,  und  die  Angaben  der  Litteratur  sind  der  Zahl  nach  verschwindend 
gering  und  inhaltlich  überaus  dürftig.  Ägypten  allein  nimmt  wieder  mit  sei- 
nen Papyrusschätzen  eine  Ausnahmestellung  ein. 

Sueton  berichtet  (Nero  39)  von  der  Pest,  die  unter  Neros  Herrschaft  im 
Jahre  65  die  Hauptstadt  heimsuchte :  Accesserunt  tantis  ex  principe  malis  pro- 
brisque  quaedam  et  fortuita:  pestilentia  unius  autumni,  qua  triginta  funerum 
milia  in  rationem  Libitinae  venerunt.  Bei  dem  Heiligtume  der  Todesgöttin 
Libitina  hatten  die  libitinarii  ihren  Sitz,  hier  fand  sich  der  zur  Bestattung  nö- 
tige Apparat,  gab  man  Begräbnisse  in  Verding  (locare).  Nun  hat  man  aus 
Suetons  Worten  gefolgert  und  sie  dahin  ausgelegt,  dass  im  Tempel  der  Libi- 
tina allgemeine  Sterbelisten  geführt  wurden;  aber  mag  diese  Auffassung  bei 
der  Unbestimmtheit  des  Ausdruckes  auch  möglich  und  zulässig  sein,  es  liegt 
doch  näher  und  entspricht  mehr  den  Worten  Suetons,  an  Geschäftsbücher  der 
libitinarii  zu  denken,  in  die  die  übernommenen  Begräbnisse  eingetragen  wur- 
den und  in  denen  die  Einnahmen  zur  Verrechnung  kamen.  Man  kann  so  von 
Sterbelisten  reden,  insofern  die  von  der  Libitina  besorgten  Bestattungen  hier 
verzeichnet  wurden  und  Tag  für  Tag  die  Sterblichkeit  der  Stadtbevölkerung 
sich  mit  dieser  Beschränkung  ergab.  Wer  an  die  Leichengruben  auf  dem  Es- 
quilin^)  denkt,  die  allerdings  bereits  unter  Augustus  verschwanden,  wird 
dieser  Libitina  wenigstens  seit  der  Entwicklung  Roms  zur  Grossstadt 
einen  zwar  weiten,  aber  immerhin  beschränkten  Wirkungskreis  beilegen 
und  die  Bemerkung  Friedländers  für  berechtigt  halten:  Es  „können  Sklaven 
und  ganz  Unvermögende  wohl  unmöglich  durch  sie  bestattet  worden  sein,  am 
wenigsten  bei  einer  so  ungeheuren  Sterblichkeit."  Ist  diese  Auffassung  richtig 
—  einen  völlig  sicheren  Beweis  gestattet  die  dürftige  Überlieferung  nicht  — 
so  gaben  die  Bücher  der  Libitina  nur  mit  dieser  Einschränkung  Auskunft  über 
die  Sterblichkeit.  Mit  Recht  hat  man  wohl  auf  dieselben  Veraeichnisse  be- 
zogen, was  Hieronymus  a.  Abr.  2096  von  der  Pest  berichtet,  die  im  Jahre  80 
zu  Rom  wütete :  Lues  ingens  Romae  facta,  ita  ut  per  multos  dies  in  efemeridem 
X  milia  ferme  mortuorum  hominum  referrentur  *).  Doch  ist  auch  diese  Angabe 
unbestimmt  genug  und  bietet  nicht  die  Möglichkeit,  mehr  als  die  blosse  That- 
sache festzustellen,  dass  Sterbefälle  in  der  Hauptstadt  verzeichnet  wurden. 
Über  die  Art  und  den  Umfang  dieser  Listen  lassen  sich  nur  jene  Vermutungen 


1)  Vgl.  Lanciani,  Ancient  Bomc,  1889,  S.  64  f. 

2)  Eusebitts,  ed.  Schoene  n.  S.  159. 


Die  Beurkimdung  des  Civilstandes  im  Altertum.  75 

aufBtellen;  sichere  Nachrichten  und  genauere  Zeugnisse  fehlen  völlig,  für  die 
Hauptstadt  wie  för  die  Provinzen.  Dass  das  mit  den  Frumentationen  in  Zu- 
sammenhang stehende  Meldewesen  ^)  auch  die  Todesfälle  betraf,  kann  man  mit 
einiger  Wahrscheinlichkeit  vermuten,  ohne  dass  es  möglich  wäre,  sichere  That- 
sachen  zu  geben.  Nur  Ägypten  bildet  eine  Ausnahme  mit  einigen  Papyrusurkunden 
des  Faijüm,  die  ihrem  Wortlaute  nach  zunächst  folgen  mögen: 

1)  Berliner  Griech.  Urkunden  I,  n.  17: 

[Zapaiti]ujvi  ßaaiX(iKiü)  [Tp(a|i|iaTeT)  'Apai(voiTOu) 
*Hp]aK(X€ibou)  iLiepibo^ 

[Trapd  'A]TnJTX€U)^ 

5     Toö  'A7r[u]TX€U)^  MnTp[ö^] 
Gaiiaeu)^  tiöv  dirö  K[u))Liri^] 
<t>iXo7rdTopoq  Tfi?  [••••] 
T€vou^.  '0  auvT€v[ri]^  jiou 
TTaitovTib^  'Opaevoucpeui^ 

10       TOÖ   TTaTTOVTÜüTO^   MHTpö? 

TapjLiouOeu)^  XaoTPcwpou- 

|Li€VO[^]    im   TT^^    7rpOK€l|bl€- 

vri^  Kiwjiii^  iTe\evTr\a€ 
Ttp  'Emq)  jirivi  toö  ivea- 
15     [tä]to^  e'  (fiou^)  *AvTU)vivou  Juni/ Juli  142 

Kaiaapo^  TOÖ  Kupiou  •  biö 
dEiÄi  Td[<J<Je]<J6[ai  a]u[TÖv] 

dv   Tij    TÜÜV   T€T€[X€UTri]- 
k6tU)V   TdE€l    KQl    ö)Ll[vU)Lll] 

20     Tfjv  AuTOKpdTopo^  Kai<Jap[o^] 

TiTOu  AiXlou  'Abpiavoö  'AvTU)[vivou] 

ZeßacJTOö  Euaeßoö^  TÜx[nv] 

dXriGfi  elvai  tq  7rpoTeTpa[mLieva]. 
(2.  Hand)  'Attötxks  (^täv)  Xß',  o(uXf|)  TÖ(vaTi)  be[£iijj . . .] 
25     eiK°  q)a|Li€  )li  .  .b®  tP^[.  . . .] 

vö. 
(1.  Hand)  ("Etou^  e'  AuTOKpdTopoq  [Kaiaapo?] 

TiTOu  AiXiou  'Abpiavoö  ['AvTUivivou] 

ZeßaaToö  Euaeßoöq  'Emq)  [. .].  Juni/Juli  142 

2)  Papyrus  Erzherzog  Rainer  n.  2026  (Mittheilungen  aus  der  Sammlung 
der  Papyrus  Erzherzog  Kainer  V,  1892,  S.  12;  Führer  durch  die  Ausstellung, 
1894,  S.  71,  n.  222): 

Aioq>dv[Tiu  ßa<JiX(iKiu)  TP(amLiaTei)  'Ap(n(votTOu)] 
*Hpa[KX€ibou  ]L&€pi]bo^ 


1)  Vgl.  0.  Hirschfeld,  Philologus  XXIX,   1870,   S.  90—95;  Nissen,   Rhein.    Mus. 
N.  F.  XLV,  1890,  S.  103-104. 


76  Wilhelm  Levison: 

Trapct  TTa(Trj[)moq  Oariaeiuq  toO  <t>ar\]' 
(Teuüq  dirö  KUüjiTi^  Kapavibo^.  ['0] 
6      TTttTTip  )Liou  OdticTiq  <t)ari(T€[ujq  TOÖ] 
OarjcTeujq  MtiTpö?  Zor|p€Uj[q  dirjö 
Tflq  a\)Tf\<;  KUüjiTiq  XaoTpacpo[u|i€]- 

VO^    ^T€XeUTTl(T€V    TUJ   'A9Üp    [jiTlVl] 

TOÖ  dvecTTujToq  \V  (?TOuq)  'AvTUj[vivou]  153 

10      Kaicrapoq  toö  Kvpiou  '  h\ö  dEiu)  [ra]- 
TTivai  auT6[v]  iy  Tf)  täv  T€T€[Xeu]- 
TTiKÖTUJV  xd^ei. 
Eine  zweite  Hand  hat  noch  sechs  Zeilen  hinzugefügt,  aber  in  „flüchtiger 
Schrift  und  vielfach  zerstört"  (Wessely). 
3)  Berl.  Griech.  Urkunden  I,  n.  254: 

//  cp 

Ai(d)  Toupßuj(voq) . . .  Y^TPCamiev     )Xao(Tpa(pia^)  KÖX(XTi|ia)  v' 

. .  €  ^ e^  .  TdEeu)(q)  Trpo(Tq)(uüvr|(Teuüq?)  ib'  ^  k€  ^ 

(2.  Hand)  OuaXepitu  Aötth^  Kai  Zap[a7T]iujvi 
5      YO(ci|bi|biaTeö(Ti)  |LiTiTp07röX(euüq) 

Trapd  "Hpuüvo^  TTa|Li|bi^vouq 

TOÖ  Ktti  "Hpujvoq  "Hpuüvoq 

jiriTpöq  Mapujviboq  Tfiq  Kai 

ZOpaq  dvaTpacpö|i€voq 
10      in    dficpöbou  'Apdß(ujv).  '0 

öjLiOTrdTpioq  Kai  ö|iO|ir|Tpiöq 

liou  dbeXcpöq  N€|bie(Tiujv 

XaoTpacpoüjLievoq  [im]  toö  TrpoK(ei|ievou) 

d|Li(p6b[o]u  'Apdßujv  dTeXeu- 
15      Tr|(Tev  TUJ  M€xe[i]p  |Lir|vi 

TOÖ  iveOTVJToq  KT    (^Touq)  'AvTuüveivou  Februar  160 

Kai(Tapoq  toö  Kupi[ou]  •  biö 

d£ia)  TaTT^vai  a[uT6v  dm 

TÜÜV]    Ö|Ll(oiuJV)    dv    Tf)    TUIV    TeT€- 

20      X€utti[kötu)]v  Td£[6l]. 
"Hpujv  dmbebujKa. 
KT   'AvTUJveivou  Kai(Tapo<; 

TOÖ  Kupiou  Mexeip  X'.  24.  Februar  160 

(3.  Hand)  Toupßujv  ö  Kai  'A[)Li|biujvV]ioq  Ai[. . .] 

25     feuj .....  TO  [ ] . .  . . 

Neiaeaiujv  [dirö]  Tf](;  |bir|T(po7TÖXeiJü<;) 
T€TeXeuTr|K(€). 
Es  folgt    eine  von  vierter  Hand    geschriebene    zweite  Spalte,  von    deren 
Zeilen  nur  die  Anfangsbuchstaben  erhalten  sind;  erwähnt  seien  die  Worte: 

2       Td£[€l  . . . 

3      T€Xe[uTTi . . . 


Die  Beurknndung  des  Civilstandes  im  Altertum.  77 

8      "Etou^  KT   ['AvTiwveivou  Kaiaapo?  160 

i>      t]oO  Kupi[ou  . . . 

4)  Berl.  G riech.  Urkunden  I,  n.  79: 

'A(TKXTi[mdbr|  ßa(TiX(iKUj)  Yp(a|bi|biaT€i)  rfiq  'Hpa]- 
KXepbou  |Li€pibo^] 

Trapd  TTT[oXXä ] 

TTxoXXä  ÖTTÖ  Tfiq  )aTiTp[oTröX€u)<;] 
5     dvaYpa(po|bi€VOu  iti'  ä}xq>[6bov] 
'ATToXXuiviou  Trap€|iß[oXnq]. 

Ol  (TuvTCveiq  ixov  Aio[b ] 

'Ep|id  Toö  TTeGeu)^  |biTiT[pö^  . . .] 
upeujq  Kai  ZTrapxä^  TTo[ ] 

10      'A|i|blU)[vio]0TOq   Kttl  TTt[ ] 

Tpiiä  To[ö  TTejGeu)^  MnT[pöq  ....  lip]- 
€ujq  ,  Ol  CrpeTq)  XaoTpaq)ou)ae[voi  im  toö] 
aÖTOÖ  d|i[q)]öbou  'ATroXXuj[viou  Tia]- 

p[e|i]ßoXfiq  dT6XeuT[ri(T]av  [tuj ] 

ir,      |bi[Ti]vi  ToO  dv€(TTUJToq  i^'  (fTOu<;)  [AuptiXiou]  175/0 

'AvTUJV€iv[ou]  Kai(Tapoq  toö  [Kupiou]  * 
biö  dEiu)  T[aY]fivai  auTOuq  [iv  Tfj  täv] 
TeT€X(€UTriK6TUJv)  TdEi[u)]q  im  tüüv  6|bi[oiujv]. 
Es  folgen   sechs  von  anderer  Hand   geschriebene  Zeilen;  doch  „sind  die 
Lesungen  unsicher." 

5)  Papyrus  Erzherzog  Rainer  n.  1410  (Mittheilungen  V,  S.  12;  Führer  S. 
77,  n.  250),  Spalte  2: 

^ß 

TTapd  Aup[TiX(iou)  TTajTreipiou  KoXXouGou  dirö 

KU)|Liriq  Moux€vvu)|i0ou  .  'Ettci 

[ö]  (TuTT^vri^  jiou  TToußXio^  [Aupr|]Xioq 
5     dTeXeuTTiaev  tiD  dveaToiTi  t   (^tei)  [djvafpa-  2;>7 

cpö|i€vo^  im  Tfiq  7rpoKei|bi€VTi<; 

KiüjiTiq  Mouxevviü|i0ou,  [dEiÄ] 

TrepiaipeGfivai  ae  toöto  t[ö  övoiaa] 

bid  Toöq  Trapd  aoi  bT]|Lio(Tio[uq  täv  YpaMM«- 
10     T^]ujv  ib^  Ka9r|K€i. 

[fET€i)  T   AuTOKpdTopoq] 

Kaiaapoq  fatou  'lo[uXiou  Ouripou] 

MaHijieivou  [Eu](T€[ßoöq  EuTuxoöq 

ZJeßaaToö  rep|biaviK[oö  MeTi^TTOu  AaKiKOÖ] 
15     MeyicTTOu  Zap|biaT[iKOÖ  M€Ti(yTou] 

Kai  fatou  'louXiou  Ouripo[u  Ma£i|Li]ou 

fepiLiaviKOö  M€Ti(yT0u  A[aKiKOÖ] 

McTiCTTOu  ZapjiaTiKOÖ  M€Ti[cTTOu 

TOÖ  UpujTdTOu  Kai](Tapo^  Z6[ßa(TT0u  uioO 
20     TOÖ  ZeßacJTjoö,  'ETr[e]iq>  [.  .j.  Juni/Juli  237 


78  Wilhelm  LeTison: 


6)  Papvn»  Erzhenogr  Rainer  n.  1412  (MittlieiL  S.  12): 

[küfn\k\}üj  'AiToXXuiviui  ßacTiXi[iciu  Jpa^pLQtx€l] 

^poicXcio"  (?) 
[iTOpa]  AupnXtou  V€UK  Tcpou)  1-lpaicXciou  [dirö  . . . 
....].  "EiTCi  ö  boOXö^  ^ou[ou  TÖ  dvofia 

h      ...  CTTjiqHrv dT€X€UTi}<T€V  dva[Tpaq>ö^€Voq 

. . .  dv]TÖ^  Toö  <ppoupioUy  ä£tui  (T€  [ircpimpc]- 
Ofivai  TOUTO  TÖ  övofia  biä  tuiv  brmo[(Tiuiv 
Tpc^l^[Grr€ulv  lii^  koOtjkci  .  CEtci)  t'  A[uTOicpaTopo^ 
K]ai(Tapo^  fdiou  louXiou  Ourjpou  MaEi^{ivou 
10      reJpMOViKOu  McricTTOu  Euacßoö^  Eutux[oö^  ZcßcKTTOu 
KQt  fdiou  louXiou  (Khf)pou  Ma£i^ou  Zef ßa(T^lUlTdTOu  ?] 
KaicTopo^  ^€p^avlKOÖ  Mcticttou  ZcßacTToö 

[u]lOU  TOÖ  ZcßacTToö,  M€X€ip 

[HpaicX]€i(s  *inft(^bunca).  237 

7)  Anzeiger  der  Wiener  Akademie  der  Wissenschaften,  phil.-histor.  Classe, 
XXXI,  1895,  S.  7: 

[tui  beivi  ßaOtXnau  jiK^i^arix 

'ApaivoiTou  6€^latou  ^€pi^oq?] 

ITOpa  Mdp[KOu  A]up[T)Xiou 

d]TTÖ  1cul^1^  ZoKVOir(atou)  NrjcTou.  "O  <JUt[t€]- 

5        VT|^    flOU    ZtOTOITT]^    *ATpfi[T]oq 

TOÖ  ZTOToriTeui^  ^TlT(p6^)  Zorjpio^ 
Tcpfiumv  XaoTp(a(pou^€vo^)  im  tt)^  itpofKCi]- 
pilyr\^  KUl^1l^  ^TcXcuTTifae] 
Tiü  Tußi  ^Tlvi  TOÖ  ^v€<m£nro^ 
10     Jtou^  '  b\ö  dEiiw  Tcrrfivai  auTo[ö] 
TÖ  övopa  ^v  tQ  vjj[y  T€T]€X€vrrTi- 

KÖTUIV    TOEei    Ul^    ^TTl    TWY    Ö^0i[ulV]. 

„Ende,  ohne  Zusatz"  (Wessely). 
Wie  diese  Papyri  zeigen,  ^vnrden  in  Ägypten,  gleichwie  über  die  Gebur 
ten,  auch  über  die  Sterbefälle  von  Angehörigen  der  Verstorbenen  Urkunden 
eingereicht,  eine  bei  dem  ßamXiKÖ^  TpaMMorrcu^,  eine  zweite  von  den  Bewoh- 
nern einer  Kiiifiii  bei  dem  Dorfschreiber,  von  den  Bewohnern  der  Nomoshaupt- 
Stadt  bei  den  TpaMMcrrcT^  tt)^  ^l^Tpo^TÖXeul^.  Die  Meldung  erfolgt  in  Briefibmi ; 
an  die  Mitteilung  des  Todesfalles  sehliesst  sich  die  Bitte,  den  Namen  des 
Toten  in  die  Td£i^  tAv  t6T€X€uttik6tuiv,  doch  wohl  eine  Sterbeliste,  einzutragen 
oder,  wie  die  Urkunden  des  dritten  Jahrhunderts  sich  ausdrücken,  seinen  Na- 
men löschen  zu  lassen  (Trcpimpciv).  Die  älteren  und  die  jüngeren  Urkunden 
unterscheiden  sich  auch  durch  den  Satzbau,  indem  Meldung  und  Bitte 
dort  nebengeordnet  sind  (6  bcTva  iTcXeuTTicycv  —  biö  oEiiii),  während  hier  Unter- 
ordnung angewandt  ist  (iitei  ö  bciva  iTcXcuTnaev  —  älxw).  In  allen  bekannten 
Fällen  erfolgt  die  Meldung  noch  im  Todesjahre;  die  grössere  POnktlichkeit 
gegenüber  der  Anmeldung  der  Geburten   erklärt  sich   daraus,   dass  das  Kind 


Die  Benrkundungf  des  Civilstandes  im  Altertum.  79 

erst  mit  dem  Beginne  seiner  Leistungspflichten  nach  einer  Reihe  von  Jahren 
für  den  Staat  in  Betracht  kam,  während  der  Tod  sogleich  den  Anforde- 
rungen des  Fiskus  eine  Grenze  setzte.  Im  Hinblick  auf  die  Besteuerung  er- 
scheint auch  die  Anmeldung  eines  verstorbenen  Sklaven  (n.  6)  begreiflich,  in- 
dem auch  der  Sklavenbesitz  beim  Census  anzugeben  war^)  und  der  Ägypter 
sich  veranlasst  sehen  rausste,  die  durch  den  Verlust  eines  Sklaven  verursachte 
Verminderung  seines  Vermögens  ebenso  zur  Kenntnis  der  Behörde  zu  bringen, 
wie  er  Veränderungen  seines  Viehstandes  meldete.  Dass  die  Sterbestatistik  aber 
auch  anderen  als  fiskalischen  Zwecken  dienen  konnte,  lässt  sich  aus  den  Akten 
eines  Erbschaftsprozesses  vom  Jahre  135  n.  Chr.  erschliessen,  bei  dem  die  Fest- 
stellung des  Todesjahres  eines  Verstorbenen  von  Bedeutung  war.  Es  heisst 
hier  *) : 

XevaXeEä?  'AXeEdvbpou  AiT[u7T]Tia  xtjj  bieXriXuBÖTi  biaXoTi<T)LH|»  |  dbiKdaaro 
15     im  'HpttKXeibou  Kp[iTo]ö  irpd?  TT€T€<Toöxov  Geiov  ^auifi?  ||  Tipö?  Traipö?  Kai 
Aiovumov  [dvejiiiiöv  irepi  |Lia|Li|Liij)UJV  ÖTrapxövruiv,  |  div  f XeTOv  el?  töv  iraidpa 
d[au]Tfi^  änö  Tf\q  Miitpö^  duTOÖ   ^XriXuGdjvai.'ETTei   bt    o\  irepi  töv  TTeie- 
(y[o]öxov  bießeßaiuiCTavTO  dKeivofu]?  *)   7Tpo|T€T€X€UTTiKdvai   xfi?    ^nTpö?    [xJtD 
a'    (ftei)  'Abpiavoö    Kai(Tapo^    toO   Kupiou,  |  avri]    bk   xtu    le'  (frei)  toOto 
20     diTobeiEai  bid  Tpoim^dTUJV  utt^ctxcto,  u7T€p€T^9ii  i|  fi  bidTVUiCTi?  el^  ifjv  d7TÖb€i£iv. 
Da  Chenalexas  bei  der  zweiten  Verhandlung  ihr  Ziel  auf  anderem  Wege 
zu  erreichen  sucht  und  den  Gegnern  so  stillschweigend  zugiebt;  dass  ihr  Vater 
vor  seiner  Mutter   gestorben  sei,  so   muss  der  Beweis  bid  TpamixdTUJv  zu  ihren 
Ungunsten   ausgefallen  sein.     Zur  Erläuterung  der  Mittel,   deren   sich  die  Be- 
weisführung  bedient   haben   mochte,  hat  Mommsen^)  auf  die  erste,  unter  eid- 
licher Bekräftigung   erstattete  Todesanzeige  vom  Jahre  142   mit  Recht  hinge- 
wiesen. 

In  Ägypten  wurden  also,  vielleicht  schon  vor  den  Zeiten  der  Römischen 
Herrschaft,  sicher  sohon  vor  der  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  Geburten  und 
Todesfälle  bei  der  Behörde  angemeldet.  Im  übrigen  Reiche  führte  zuerst 
Kaiser  Marcus  für  die  Bürger  die  amtliche  Beurkundung  der  Geburten  ein,  die 
freilich  wie  in  Pudentillas  Heimat  an  einzelnen  Orten  schon  vorher  geübt  wor- 
den sein  mag.  Auf  die  Registrierung  von  Sterbefilllen  führen,  von  Ägypten 
abgesehen,  nur  wenige  dürftige  Zeugnisse,  die  allein  die  Hauptstadt  betreffen. 
Über  diese  Thatsachen  hinaus  führen  nur  mehr  oder  weniger  willkürliche  all- 
gemeine Erwägungen,  die  die  Verhältnisse  der  Gegenwart  auf  die  Vergangen- 
heit übertragen. 

Muss  es  im  allgemeinen  auch  zweifelhaft  bleiben,  ob  eigentliche  Geburte- 


1)  Dig.  L  15,  4,  5. 

2)  Berl.  Griech.  ürk.  I,  n.  19,  Spalte  1,  Zeile  13  f.;   Bruns,  Fontes  iuris  Romani 
antiqui,  6.  Aufl.,  S.  364. 

3)  ^Kcivou^  steht  fUlschlich  für  ^keIvov. 

4)  Zeitschrift  der  Savignystiftung  für  Rechtsgeschiclite,  Roman.  Abth.  XIV,  1893, 
S.  8,  Anm.  2. 


■f 


80 


Wilhelm   Levison: 


und  Sterbelisten  auf  Grund  der  Einxelurkunden  angefertigt  wurden,  so  hätten 
diese  doch  nicht  nur  den  Zwecken  der  Verwaltung  und  Rechtspflege  dienen, 
sondern  zusammen  mit  den  Ergebnissen  der  Censuserhebungen  auch  der  Wissen- 
schaft ein  reiches  Rohmaterial  zur  Erforschung  der  Bevölkerungsbewegung 
bieten  können;  aber  während  nicht  wenige  Zeugnisse  über  den  Stand  der  Be- 
völkerung in  einem  bestimmten  Zeitpunkte  Äufschluss  geben,  vernehmen  wir 
nur  allgemein  gehaltene  Klagen  über  die  Abnahme  der  Bevölkerung  in  der 
Kaiserzeit  oder  Schilderungen  der  J'olgen,  und  nur  vereinzelte  Spuren  weisen 
darauf  hin,  dass  man  für  die  Erscheinungen  der  Bevölkerungsbewegung  auch 
zahlenmässigen  Ausdruck  gesucht  hat.  Dahin  gehört  eine  Tafel  der  wahr- 
scheinlichen Lebensdauer,  die  Ulpian  bei  der  Behandlung  der  quarta  Falcidia 
aufstellt,  um  zu  zeigen,  welchem  Kapitalwerte  eine  dauernde  Leibrente  je  nach 
dem  Alter  des  Rentenempfängers  entspricht  ^).     Er  nimmt  dabei 


für 

eil 
bis 

1  Alter  von 

als  wahrscheinliche  Lebensdauer  an 

0 

20  Jahren 

30  Jahre 

20 

» 

25 

r, 

28 

u 

25 

r» 

30 

*» 

25 

rf 

.30 

» 

35 

» 

22 

r 

35 

V 

40 

r 

20 

1* 

40 

» 

19 

V 

41 

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18 

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42 

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17 

T) 

43 

»» 

16 

n 

44 

V 

15 

n 

45 

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14 

r 

4G 

» 

13 

» 

47 

r» 

12 

» 

48 

TJ 

11 

» 

49 

JJ 

10 

» 

50 

» 

55 

» 

9 

rt 

55 

n 

60 

V 

7 

n 

mehr  als  GO 

» 

5 

n 

Dass  Ulpians  Zahlen  bei  der  hohen  Bedeutung  des  Gegenstandes  nicht 
willkürlich  aufgestellt  sind,  darf  man  als  wahrscheinlich  bezeichnen*).  Wir 
wissen  freilich  nicht,  durch  welche  Berechnungsmethode  und  auf  Grund  wel- 
cher Menge  von  Material  er  zu  seinen  Aufstellungen  gelangte,  und  darum  sind 
Vergleiche  mit  den  Ergebnissen  der  modernen  Statistik  zwecklos^). 

Ferner  lässt  sich  hinweisen  auf  einen  Brief  des  Bischofs  Dionysios  von 
Alexandricn,  in  dem  dieser  zur  Zeit  des  Gallicuus  im  Hinblick  auf  die  Zu- 
stände seiner  Vaterstadt  ausruft*): 


1)  Dig.  XXXV  2,  68. 

2)  Eine  statistische  Grun(lla<re  nehmen  auch  Hildebrand,  Friedländer  und  Pöhl- 
niann  an.  Beloch  a.  a.  0.  S.  44  crklilrt  Ulpians  Zahlen  durch  die  Annahme  grosser 
Inkonsequenz  der  Aufstellungsweise  doch  zu  künstlich. 

3)  Vgl.  J.  L.  Casper,  Beiträge  zur  medicinischen  Statistik  II,  1835,  S.  116—118. 

4)  Eusob.  bist.  eccl.  VII  21,9. 


Die  Beurkundung  des  Civilstandes  im  Altertum.  81 

Elia  6au|Lid2[ou<Ti  Kai  biaTTOpoOcTi,  ttöBcv  o\  (TuvexeT^  Xoi|lxoi,  ttöGcv  a\ 
XaXerral  vöcroi,  ttöOcv  al  TTavTobaTrai  (pOopai,  ttöBcv  6  itoikiXo^  kqI  ttoXu^ 
Tüüv  dvGpüüTTUJV  dXeOpo^,  biä  ti  |litik€ti  toctoOto  TrXnGo?  okriTÖpujv  x]  |Li€Ti<TTTi 
iTÖXi?  dv  auT^  <P^p€iy  Attö  vriTTiujv  dpEajLidvTi  Traibujv  |lx^xP*  tüüv  ei?  ÄKpov 
T€TilpaKÖTUJV,  öcTou^  übiuoT^povra?  oö^  dKdXei  irpötepov  övxa^  ^tpecpev,  dXX' 
Ol  T€<TcyapaKOVTOÖTai  xai  in^xP*  täv  ^ßbo|Lxr|KOVTa  dtüüv  toctoOto  TrXeiove? 
TÖT€,  uKTre  |Lxf|  (Tu|LiTrXiipoO(T9ai  vöv  töv  dpidjiiöv  auTÄv,  iTpo<T€TTpct<P^VTUJV 
Kttl  (TuTKttTaXeTdvTUiV  el?  tö  briiLiöcTiov  (TiTiipdcriov  tOüv  ättö  T€(T(Tap€(TKaibeKu 
^Tüüv  iLi^xPi  tOüv  öyboriKOVTa,  kqi  fefövaOxv  olov  f^XiKiüüTai  tujv  iräXai  T^pai- 

tAtIüV   o\   Öl|l€l   V€U)TaTOl. 

Aber  sonst  wissen  wir  von  keinem  Versuche,  den  Verlauf  der  Bevölke- 
rangsbewegung  zu  zahlenmässigem  Ausdruck  zu  bringen.  Man  nahm  lieber 
seine  Zuflucht  zu  astrologischen  Spekulationen  und  suchte  durch  Zahlenspiele- 
reien kritische  Zeitpunkte  im  Menschenleben  zu  ergründen  ^);  oder  man  wandte 
nur  den  jLxaxpößioi  sein  Augenmerk  zu  und  fertigte  Listen  von  ihnen  an  ^),  wie 
es  Valerius  Maximus,  der  ältere  Plinius,  Phlegon  von  Tralles,  der  Verfasser 
der  zu  Caracallas  Zeit  entstandenen^)  Schrift  des  Pseudolukianos  und  ihre 
Vorgänger  thaten,  alle  mit  grösserem  oder  geringerem  Mangel  an  Kritik,  wie 
denn  z.  B.  Phlegon  die  Ergebnisse  des  Census  und  das  Alter  der  tausendjäh- 
rigen Sibylle  in  gleicher  Weise  verwertet.  So  ist  das  bevölkerungsgeschicht- 
liche Material  des  Römischen  Reiches  für  uns  bis  auf  wenige  Reste  verloren, 
und  auch  die  grossen  Inschriftenmengen  können  dafür  keinen  hinreichenden 
Ersatz  bieten.  Man  kann  wohl  die  Scharen  der  Toten  nach  Altersgruppen 
gliedern  und  über  deren  Verteilung  und  Verschiebungen  zwischen  den  einzelnen 
Ländern  und  Zeiträumen,  den  Frei-  und  ünfrcigeborenen,  den  Soldaten  und 
der  übrigen  Bevölkerung  Vergleiche  anstellen,  und  es  mögen  sich  so  einige 
Thatsachen  ergeben,  wie  die  grosse  Kindersterblichkeit  der  Hauptstadt*)  und 
die  lange  Lebensdauer  der  Bewohner  Nordwestafrikas").  Aber  über  die  all- 
gemeine Feststellung  solcher  Verhältnisse  und  im  besten  Falle  ihre  Verwertung 
und  Auffassung  als  symptomatische  Erscheinungen  wird  man  schwerlich  hinaus- 


1)  Wie  Censorin.  de  die  natal.  14. 

2)  Vgl.  Wachsmuth,  Einleitung  in  das  Studium  der  alten  Geschichte,  1895, 
S.  237—238;  F.  Münzer,  Beiträge  zur  Quellenkritik  der  Naturgeschichte  des  Plinius, 
1897,  S.  105-109. 

3)  Hirschfeld,  Die  Abfassungszeit  der  ^OKpößioi.  Hermes  XXIV,  1889,  S.  156-lGO. 

4)  Vgl.  Nissen,  Italische  Landeskunde  I,  1883,  S.  411  f. 

5)  Vgl.  Sallust.  lugurth.  17,  6:  Genus  hominum  salubri  corpore,  velox,  patiens 
laborum;  plerosque  senectus  dissolvit,  nisi  qui  ferro  aut  bestiis  interiere,  nani  morbus 
liAUt  saepe  quemquam  superat.  Jung,  Die  Romanischen  Landschaften  des  Römischen 
Reiches,  1881,  S.  158,  Anm.4.  Boissiere,  L'Algerie  roniaine  I,  2.  Aufl.,  1883,  S.  05-60. 
Schiller,  Geschichte  des  Römischen  Kaiserreichs  unter  der  Regierung  des  Nero,  1872, 
S.  602,  Anm.  4.  Tissot,  Geographie  compar6e  de  la  province  romaine  d'Afrique  I, 
1884,  S.  478—479.  Auch  in  der  Gegenwart  ist  nach  Duveyrier,  Les  Touareg  du  nord, 
1864,  S.  428—429,  die  durchschnittliche  Lebensdauer  in  diesen  Gebenden  <^rnss, 
das  Vorkommen  Hundertjähriger  nicht  selt(*n. 

jAhrlk  d.  Yer.  r.  Alterthsflr.  im  Rheinl.  108.  6 


82  Die  Beurkundung  etc. 

kommen  und  vergebens  nach  einem  genaueren,  zahlenmässigeu  Ausdruck  suchen, 
und  Fehlerquellen  wie  die  Unvollständigkeit  der  inschriftlichen  Angaben,  das 
Spiel  des  Zufalls  in  der  Auswahl  der  erhaltenen  Denkmäler,  ihre  oft  geringe 
Zuverlässigkeit  und  Genauigkeit,  endlich  die  Notwendigkeit,  Inschriftenmengen 
aus  ganz  verschiedenen  Zeiten  bei  der  Unsicherheit  oder  gar  Unmöglichkeit 
einer  Zeitbestimmung  als  einheitliche  Masse  zu  behandeln,  solche  und  ähnliche 
Umstände  werden  immer  den  Wert  der  aus  den  Inschriften  gezogenen  Ergebnisse 
beeinträchtigen.  Wenn  man  überhaupt  auf  einen  Ersatz  hoflfen  darf,  so  wird 
man  nur  von  dem  vielverheissenden  Boden  Ägyptens  bis  zu  einem  gewissen 
Grade  eine  Ausfüllung  der  Lücken  der  Bevölkerungsgeschichtc  des  Altertums 
erwarten  können. 


2.  Zur  Okkupations-  und  Verwaltungsgeschichte  des  rechtsrheinischen 

Rtfmerlandes. 


Von 
E.  Herzog. 


Hierzu  Tafel  I. 


Nahe  dem  Ausgang  eines  schmalen  Waldthals,  aus  welchem  zwischen 
den  württembergischen  Orten  Lorch  und  Gmünd  der  Röthenbach  in  die  Rems 
cinfliesst,  stossen  die  rätische  Grenzmauer  und  der  für  Obergermanien  das 
Römerreich  nach  aussen  begrenzende  Erdwall  zusammen.  Am  westlichen 
Abhang  jenes  Thals  geht  die  Mauer,  oflFenbar  als  Stütze  für  die  ziemlich 
steil  niedergehende  weiter  folgende  Erdaufschüttung,  noch  eine  kleine  Strecke 
aufwärts;  dann  schliesst  sich  völlig  unmittelbar  der  Wall  mit  seinem  Graben 
an.  An  derselben  Stelle  wurde  das  Obei*stück  eines  grösseren  Steindenkmals 
gefunden  ohne  Bild  und  Schrift,  weil  an  der  Oberfläche  verwittert.  Mau  kann 
von  jenem  Zusammenstossen  von  Mauer  und  Wall  aus  nicht  mehr  bezweifeln, 
dass  das  Röthenbachthal  mit  seinem  Auslauf  die  Grenze  von  Obergermanien 
und  Rätien  bildete,  und  es  liegt  nahe  zu  vermuten,  dass  jenes  Steindenkmal, 
ähnlich  wie  der  den  Fines  geweihte  Stein  am  Vinxtbäch  (Brambach  c.  i.  rh. 
n.  649)  beim  Zusammenstossen  von  Ober-  und  Niedergermanien  den  die  Grenze 
hütenden  Gottheiten  galt,  so  an  der  obergermanisch  rätischen  Grenze  den  Fines 
zu  Ehren  aufgestellt  war. 

Als  die  jüngsten  Reichsgrabungen  das  thatsäehliche  Verhältnis  klarlegten, 
verwunderte  man  sich  über  eine  so  wenig  im  Terrain  vorgezeichnete  Provin- 
zialgrenze  und. fand  ebenso  schwer  begreiflich,  dass  zwei  verschiedene  Systeme 
der  Grenzsperre  nach  aussen  gerade  hier,  und  zwar  durch  kein  Befestigungs- 
werk bezeichnet,  ganz  unmittelbar  einander  fortsetzten.  Man  hatte  gedacht, 
dass  die  zwei  Linien,  die  Mauer  vom  Osten,  der  Erdwall  vom  Norden, 
beim  Kastell  Lorch  zusammenliefen,  das  man  sich  auf  der  Höhe  beim 
heutigen  Kloster  gelegen  vorstellte.  Allein  es  hat  sich  gezeigt,  dass  das 
Kastell  nicht  auf  der  Höhe,  sondern  unten  im  Thale  bei  der  heutigen 
Ortskirche  lag,  an  der  Remsthalstrasse,  an  welcher  es  eine  Etappe  bildete, 
und  dass  der  obergermanische  Erdwall  einen  Kilometer  nördlich  davon  seine 
Wendung  nach  Osten  macht,  um  seinen  Lauf  bis  zum  Röthenbachthal  fortzu- 
setzen. —  Eine  zweite  Aporie  hinsichtlich  der  Grenze  zwischen  Rätien  und 
Obergermanien,  die  schon  älter  ist,  liegt  in  der  Thatsache,  dass  bei  dem 
Kastell  Aalen,   das,   hinter  der  rätischen  Mauer  gelegen,   zur  rätiseheu  Grenz- 


84  E.  Herzog: 

wehr  gehörte,  Ziegel  der  achten  Legion  (leg.  VIII  Aug.)  gefunden  wurden, 
die  doch  in  Obergernianien  stand  ^).  Wenn  das  Vorkommen  eines  Taippen- 
stempels  an  einem  Ort  einen  Sinn  haben  soll,  so  muss  es  bedeuten,  dass  dieser 
Platz  zur  Zeit,  da  der  Stempel  gebraucht  wurde,  in  administrativer  Beziehung 
zu  dem  durch  denselben  bezeichneten  Truppenkörper  stand,  woraus  für  ge- 
wöhnlich die  Zugehörigkeit  zu  der  Provinz,  welcher  jener  zugeteilt  ist,  notwendig 
sich  ergäbe.  Neben  dem  Verhältnis  zur  Mauer  spricht  aber  auch  die  in  Aalen 
bezeugte  ara  II  Flavia*)  für  die  Zugehörigkeit  zu  Rätien,  und  diesen  Platz 
Rätien  abzusprechen  und  gesttltzt  auf  die  Ziegel  der  8.  Legion  eine  Zeit  anzu- 
nehmen, in  welcher  Aalen  zu  Obergermanien  gehört  hätte,  geht  nicht  leicht. 
Um  die  Schwierigkeiten,  welche  die  Grenzabsteckung  zwischen  Rätien  und 
Obergermanien  bereitet,  zu  erledigen,  ist  es  nötig,  auf  die  Okkupationsgeschictite 
und  die  administrativen  Einrichtungen  der  hier  in  Frage  kommenden  Grenz- 
gebiete einzugehen;  auf  diesem  Wege  wird  man  aber  auch  die  Lösung  finden. 
Es  ist  jedoch  an  sich  schon  nicht  überflüssig,  eine  Revision  der  bisherigen 
Auffassung  dieser  Verhältnisse  vorzunehmen;  wir  sind  jetzt  doch  in  mancher 
Beziehung  in  der  Lage,  hierüber  genauere  Aufstellungen  zu  machen  und  rich- 
tiger zu  urteilen. 

I. 

Wenn  die  Römer  ein  erobertes  Gebiet  ihrem  Reiche  zufügten,  so  hatten 
sie  es  in  der  Regel  mit  einem  geschlossenen  Ganzen  zu  thun  sei  es  von  Stadt- 
oder völkerschaftlichen  Gemeinden.  So  weit  möglich,  behielt  man  das  so  Über- 
nommene  mit  der  bisherigen  Einteilung  bei;  schienen  Modifikationen  nötig,  so 
erfolgten  diese  nach  aussen  durch  Vertrag,  im  Bereich  der  eigenen  Herrschaft 
durch  Verfügung  der  römischen  Verwaltung;  immer  aber  war  die  Grenze  des 
Provinzialterritoriums  nicht  eine  einheitlich  entstandene,  sondern  gegeben  durch  die 
äusseren  Grenzen  der  administrativen  Teile.  Anders  jedoch  war  es,  wo  man  in 
unkultiviertes  Land  eindrang,  wie  in  Rätien  und  Germanien.  Dort  fand  man 
wohl  auch  Völkerschaften,  die  sich  gegen  einander  abgrenzten,  aber  die  Grenzen 
waren  unbestimmt,  kein  Vorgänger  hatte  die  Arbeit  einer  genügend  zweck- 
mässigen Abgrenzung  geleistet,  man  war  also  jedenfalls  teilweise  genötigt,  mit 
Berücksichtigung  der  natürlichen  Verhältnisse  und  des  den  Nachbarn  gegen- 
über Möglichen  eine  neue  Grenze  zu  schaffen.  Hier  tritt  nun  die  Terraination 
ein,  wie  sie  die  Agrimensoren  (Schriften  der  röm.  Feldmesser  I  p.  163,  20  ff.) 
für  die  Territorien  der  italischen  Munizipien  beschreiben  und  für  die  sie  auch  hin- 
sichtlich der  Art  der  termini  eingehende  Angaben  machen  (vgl.  die  Zusammen- 
fassung bei  Rudorff,  Sehr.  d.  röm.  Feldm.  2,  271  ff.).  Wenn  bei  solcher  Grenzziehung 
man  veranlasst  war,  von  den  nationalen  Territorialgrenzen  abzusehen,    so    zog 


1)  Drei  Exemplare   dieKer  Ziegel   befindon   sich   in   dem  Lapidarium   der  Rtntt- 
j>nrtor   Altertumssammlung    unter  n.    191a;    v«i:l.    Sixt,    Fiiin-or  dnreh    die  Sanunlun 
rÖmiHclior  Steindenkmillor  zu  Stuttgart  S.  4.1 

2)  Ebendaselbst  Nr.  191b. 


Zur  OkkupaCions-  u.  Verwaltun^sgescbichtc  des  rechtsrheinischen  Römerlandes.   85 

der  römische  Eroberer,  so  weit  er  dazu  die  Macht  hatte,  die  Grenzlinie  will- 
kürlich durch  das  Gebiet  der  unterworfenen  Völkerschaft  (vgl.  die  fines  dati 
r.  Feldm.  1,  164,  4).  Ein  Beispiel  haben  wir  auf  geniianischeni  Boden  an 
der  äussersten  Abgrenzung  der  Limeslinie  durch  den  sog.  Toutonenstein.  Genau 
eine  römische  Meile  von  dem  Anfang  der  Linie  am  Main  bei  Miltenberg^) 
wurde  auf  dem  Greinberg  20  Meter  hinter  der  Pfahlgrabenlinie  ein  spitzzulaufender 
Grenzstein  gefunden  mit  der  Inschrift:  INTER  TOVTONOS  C-AH-F^). 
Der  erste  Teil  der  Inschrift  bedeutet  nicht  die  Grenze  int«r  Toutonos  et  Bomanos, 
wie  mehrfach  gedeutet  wurde,  sondern  dass  die  Grenze  das  Gebiet  der  Toutoni 
durchschnitt.  Wie  es  mit  dem  Teil  des  Toutonengebiets,  der  infolge  dieses 
Grenzzugs  ausserhalb  des  Limes  fiel,  gehalten  wurde,  hing  von  den  örtlichen 
Verhälthissen  ab').  Die  litterae  singulares  C-A-HF,  ein  olFenes  (inschrift- 
liches) Feldmesserzeichen  (Sehr.  d.  r.  F.  1,  142.  2,  276),  sind  wohl  zu  deuten 
mit  dem  Schlüssel,  welchen  die  Schriften  der  Agrimensoren  1,  357  geben,  wo- 
nach A  =  primus,  F  =  fixus  ist,  also  c(ippus)  primus  h(ic)  fixus*). 

War  aber  auf  diese  Weise  eine  neue  Grenze  gezogen,  so  war  die  Ver- 
waltung sofort  darauf  bedacht,  innerhalb  derselben  Temtorien  zu  schaffen  als 
Verwaltungseinheiten  für  die  Übernahme  der  lokalen  Verpflichtungen,  und  so 
entstanden,  soweit  nicht  vorher  Völkerschaften  vorhanden  waren,  neue  Ver- 
bände, analog  den  munizipalen  Schöpfungen  in  kultivierteren  Provinzen,  als 
Organe  der  römischen  Administration,  und  zwar  damit  sie  dies  sein  könnten, 
so,  dass  die  Centralverwaltung  der  Provinz  möglichst  entlastet  war,  also  mit 
demjenigen  Grad  von  Autonomie,  der  sich  mit  der  Sicherheit  der  Provinz  ver- 
trug. Sobald  dies  geschehen,  setzte  sich  auch  hier  wieder  die  Provinzialgrenze 
zusammen  aus  den  äusseren  Grenzen  von  Teilterritorien.  Dies  hindert  nicht, 
von  einer  einheitlichen  Provinzialgrenze  zu  reden  und  namentlich  da,  wo  die 
Grenzen  gegen  die  Xachbari)rovinz  und  das  Ausland  zusammentrafen,  Grenz- 
steine als  provinziale  aufzustellen.  Die  Fines  am  Vinxtbach  (ob.  S.  83)  scheiden 
gegenüber  der  Stelle,  wo  der  rechtsrheinische  Limes  an  den  Rhein  stösst, 
gleichzeitig  Ober-  und  Niedergermanien  und  die  Territorien  der  Trevcrer  und 


1)  ÜisH  nach  einer  Kinzeichnung  des  Fundorts  durch  Hrn.  Kreisrichter  Conrady 
in  der  20000 teiligen  Karte. 

2)  Conrady  im  Korrespbl.  des  Gesanitver.  der  deutschen  Gesch.-  und  Altertuins- 
ver.  1878.  S.  68  ff.  —  E.  Hübner  in  Bonner  Jahrb.  H.  64  (1878)  S.  46-52.  Taf.  III.  - 
Meitzen,  Wanderunj^en,  Anbau  imd  Agrarrecht  der  Völker  Europas  nördlich  der 
Alpen  III.  S.  170  ff.  —  Die  vier  litterae  sin^culares  stehen  auf  dem  Stein  nicht  neben, 
sondern  unter  einander. 

3)  Der  Greinberg  ist  oben  mit  einem  Uingwall  umzogen;  dieser  wird  durch 
die  römische  Grenzlinie  geschnitten. 

4)  Nach  einer  Mitteilung,  die  icii  der  Freundlichkeit  des  Hrn.  Conrady  verdanke 
(vgl.  auch  Meitzen,  a.  a.  O.  1,  392)  lie<?t  ungefähr  19  Kilometer  (=  13  röm.  Meilen) 
vom  alteren  Mainufer  her  an  der  Limeslinie  gemessen  eine  Walldürner  Feldflur  'am 
langen  Markstein '.  Der  Markstein  selbst  aber  ist  seit  Menschengedenken  verschwunden. 
Die  Vermutung  Conradys,  dass  es  ein  dem  vom  Greinberg  entsprechender  Grenzstein 
gewesen  sei,  ist  gewiss  zutreffend. 


8(?  K.  H  0  r  z  o  jr  : 


f^ 


Ubier;  aber  die  zwei  Soldaten  der  30.  Legion,  welche  dort  den  Fines  in  Ver- 
bindung mit  dem  Genius  loci  und  Jupiter  ihre  Widmung  aufstellten;  dachten 
sicherlich  nur  an  die  Provinzial-  und  Auslaudsgrenze.  Dabei  ist  immerhin 
möglich,  dass  vom  Rhein  ab  westwärts  besondere  Zeichen  für  die  Grenze  von 
Ober-  und  Niedergermanien  nicht  mehr  vorkamen,  sondern  man  mit  den  Grenzen 
der  Völkerschaftsterritorien  auch  die  der  Provinzen  gegeben  sein  Hess;  dies 
war  praktisch  genügend,  denn  in  der  Administration  wusste  man  damit  auch 
für  die  letzteren  Bescheid^). 

Bei  der  Einrichtung  der  linksufrigeu  Rheingrenze  wurden  von  Cäsar  an 
Neubildungen  von  Völkerschaftsterritorien  notwendig.  Den  Fluss  entlang 
wurden  germanische  Stämme  mit  bestimmten  Gebieten  angesiedelt,  und  den  so 
gebildeten  civitates  wurde  eingeordnet,  was  vorher  schon  da  sass  und  l)elassen 
werden  wollte.  Als  die  Provinz  Rätien  eingerichtet  wurde,  war  die  Donau  wohl 
schon  die  von  den  Vindclikern  her  übernommene  Nordgrenze,  und  die  Römer 
konnten  sie  in  ihrem  ganzen  Oberlauf  als  solche  annclnnen.  Damit  stimmt,  dass  am 
Nordostende  des  Bodensees  Tasgätium  (Stein  a.  Rh.)  zu  Rätien  gehörte  und  zwar 
als  Grenzplatz^).  Man  zog  also  die  Westgrenze  des  vindelikischeu  Gebiets  mit 
einer  von  Tasgätium  aus  zu  dem  Quellgebiet  der  Donau  gehenden  Linie.  Wenn 
nun  aber  nicht  eine  bedenkliche  Lücke  in  dem  Grenzabschluss  zwischen  dieser 
Linie  und  den  Ausläufern  des  südlichen  Schwarzwalds  entstehen  sollte,  musste 
gleichzeitig  im  helvetischen  Vorland  nördlich  vom  Rhein  die  Grenze  vorge- 
rückt werden,  und  dass  dies  in  der  That  frühe,  ja  sogar  noch  unter  Augustus, 
geschah,  dafür  hat  man  als  Zeugnisse  die  Legiousziegel,  welche  in  jenem  Vor- 
land gefunden  werden,  und  den  Ortsnamen  Juliomagus.  Die  Ziegel  zeigen, 
dass   das  nordrheinische  Land   zum   Bereich    der  Festung  Vindonissa  gehörte. 


1)  Bergk,  Zur  Gesch.  u.  Topographie  der  Rheinlaude  in  röm.  Zeit  S.  126  sagt: 
„Mir  ist  nicht  bekannt,  dass  man  auch  die  Reichs-  und  Provinzialgreuzen  mit  Mark- 
steinen versehen  hat**.  Für  die  Reichsgrenze  giebt  nunmehr  einen  Beleg  die  Strecke 
Miltenberg-Walldürn,  für  Provinzialmarkierung  nehme  ich  die  Stellen  am  Vinxtbach 
und  am  Röthenbach  (oben  S.  83)  in  Anspruch.  Ein  Beispiel  von  Vermarkung  der 
Grenze  zweier  Gemeindeterritorien  geben  Aqua  Sextill  und  Arelatc  mit  einer  grösseren 
Zahl  von  Steinen  c.  i.  lat.  XII  n.  531  und  addit.  zu  n.  531  (p.  814).  (»b  die  Grenze 
zwischen  Ober-  und  Niedergermanien  wandelbar  war,  wie  Bergk  will,  ist  hier  nicht 
zu  erörtern.  Ks  ist  ja  möglich,  dass  zur  Zeit,  wo  es  noch  keine  germanischen  Pro- 
vinzen g.ab,  sondern  nur  zwei  grosse  Kommandos  am  Rhein,  die  Grenze  der  Kom- 
maudobezirke durch  die  Nahe  gebildet  war;  dann  gehörte  das  ganze  Gebiet  der 
Treverer  zu  Niedergermanien.  Von  da  an  jedoch,  wo  der  obergermanische  Limes 
der  Mündung  des  Vinxtbaches  gegenüber  endigte,  d.  h.  zugleich  von  da  an,  wo  die 
zwei  germanischen  Provinzen  bestanden,  bildet  der  Vinxtbach  die  Grenze  und  ge- 
hören die  Treverer  zu  Obergermanien.  Dass  ohne  Veranlassung  zu  Strafe  oder  zu 
Übung  des  Kriegsrechts  rein  aus  administrativen  Gründen  willkürlich  eingegriffen 
worden  wäre,  ist  nicht  anzunehmen. 

2)  Vgl.  Charles  Morel,  Kastell  und  Vicus  Tascätium  in  Rätien  in  comment. 
Mommsenianae  S.  159  ff.  —  In  der  daselbst  besprochenen  Inschrift  ist  abgekürzt  ge- 
schrieben TA  SC,  bei  Ptoleniäus  2,  13,  3  liegt  Tip6<;  Tr|  xcqpaXr)  toO  Tif^vou  iroTa^oö  der 
Ort  TaEtatTiov. 


Zur  OkkujiHtioii 


IIuii^-'H;;<!!>i.'lii(.'liti'  di's  riichtsrhdliiitclicii  KiJtm 


Jnliotuaf^iiH  nber  si^hejiil  eben  an  der  nürdlkben  Grenze  gelegen  7.11  Kein.  Der 
Ort,  nacb  der  Peutiiiger'Bcben  Karte  22  röm.  Meile»  (=  32,5  Kilometer)  von 
Vindouissa  (Windiseli)  entfernt,  ist  ohne  Zweifel  identiscb  mit  Schlcilbcim 
(Kant.  SchaftTianseD).  dessen  Entfernung  von  Windisch  35  Kibmi.  betragt  und 
da»  eine  Fundstätte  rßniiitchei-  Legiontiüiegel  ist.  Die  Erricbtung  dieser  Station 
nehme  ieb  ebenso  mit  der  Orcnzreguiiernng  in  dem  Gebiet  nfirdiieli  von  der 
Hfaeinlinie  Tasgätiiim  —  Augusta  Ranraeomm  zusammen,  wie  Druaomagus  in 
der  valliä  Poennina  mit  der  Eroberung  Räticna  und  der  dortigen  Abgrenzung 
der  Provinz  zusammenhilngt  (Momnisen  in  epbcui,  epigr.  4,  520).  Die  Grenz- 
linie wurde  wohl  gebildet  durch  eine  Strasse,  die  von  Basel  zur  oberen  Donau 
lief  und  von  dieser  ab  ah  Donanstrasse  stldlich  itieses  Flusses  iiinerbalb  Rätiens 
weiter  zog.  Wenn  Julian  naeb  Auimian  21,  8  i.  J.  361  diseedens  n  Ranraeis 
i§  Ij  profcctnrus  per  Marciauas  Silvas  viasque  iunctas  Histri  fluminis  ripig  f§  2) 
marschierte,  so  gab  ihm  diese  Htrasse  die  Kiebtung,  und  er  benützte  sie  ohne 
Zweifel,  so  weit  sie  ftlr  ihn  sicher  war  (inter  subita  vehementer  incertus). 

Bei  den  Vindelikern  landen  die  Römer  eine  Anzahl  von  Teilverbändeu 
oder  Gauen  vor,  wek-be  als  administrative  Einheiten  angenommen  werden 
konnten.  Die  Aufschrift  des  Slegesdcnkmals,  welches  nacb  Unterwerfung  der 
Alpenvöiker  i.  J.  7/6  v.  Cb.  in  der  Nähe  des  heutigen  Monaco  errichtet 
wurde  (c.  i.  lat.  5,  7811,  hei  Plinius  wiedergegeben  Nat.  Hist.  3,  136f.), 
zahlt  vier  solcher  Gaue  auf);  diese  hatten,  nachdem  sie  durch  WegfUhrung 
des  grösseren  Teils  der  watTcniiihigen  Mannschaft  (Dio  5Ö,  22i  Widerstands- 
unßlhig  gemacht  worden,  als  stipendiär  in  erster  Linie  lien  Unterhalt  der 
römischen  Besatzungen  zu  liefern.  Von  der  Unterbringung  der  Truppen  legen 
im  Innern  Vindelicieus  monumentales  Zeugnis  ab  die  zwei  grossen  ebenso  in- 
teressanten als  wenig  bekannten  Erdwerke  bei  Deisenhofen  südöstlich  von 
München  *J,  die  als  Legionslager  in  die  erste  Zeit  der  Okkupation  zu  verlegen 
sind.  Es  muss  aber  auch  cutlaug  der  Donauetrassc  eine  Reihe  von  P'e»ituugen 
errichtet  worden  sein,  Erdkastelle,  deren  Wälle  in  dem  offenen  Ufcrland  süd- 
lich des  Flusses  jetzt  eingeebnet  und  deshalb  ebenso  unbekannt  sind,  wie  die 
Lage  der  von  Drusus  am  Rhein  gebauten  Kastelle. 

Diese  befestigten  Plätze  sind  nun  aber  auch  fl)r  die  Administration  ins 
Auge  zu  fassen.  Jeder  feste  Platz  ist  nicht  bloss  als  ein  Punkt  anzusehen, 
sondern  wie  er  miliUlrisch  seinen  Verteidigimgs-  und  Überwachungsbezirk  hat, 
80  hat  er  administrativ  fUr  seine  ItedQrfnisse  einmal  sein  eigenes  Territorium 
in  unmittelbarster  Umgebung'),  sodann  da  der  von  dem  Kastell  aus  mögliehe 
Betrieb  von  Landbau  fllr  die  Versorgung  nicht  ausreichte,  mnss  er  einen  Hinter- 
landsbezirk  gehabt  haben,  von    dem    aus   ihm  Lieferungen  zukamen,   d.  h.  er 


1)  Vindelicorum  genlea  ifuattuor  Cosuanete».  Rucinatefi,  Licales,  Cat«uatGe. 

2)  Vgl.  WeishHUpt  im  Olierbayr.  Archiv  Bd.  III  (1841)  8.  80-36  Tal.  II  n.  4 
Ich  verdankt-  die  Anschauung  davon  der  trefflichen  FlUirung  des  Herrn  Gencr 
majnrH  a.  D.  Pupp. 

3)  Schulten,  dim  territorium  legionis  in  Hermes  29,  481—516. 


88  E.  Herzojr: 

nmsste  Beziehungen  zu  einem  oder  melireren  der  Stipendiären  nächstge- 
legenen  Gaue  haben  zum  Behufe  der  Beschaffung  des  Notwendigen.  Dass  die 
für  die  Bebauung  des  Landes  nötige  Bevölkerung  an  Ort  und  Stelle  gelassen 
wurde,  wird  ausdrücklich  hervorgehoben  (Dio  55,  22).  —  Denigemäss  setzte 
sich  die  äussere  Grenze  der  Provinz  gegen  Feindesland  zusammen  aus  den 
Abgrenzungen  der  von  der  römischen  Verwaltung  anerkannten  Völkerschafts- 
gebiete, wo  solche  bis  zur  äusseren  Grenze  gingen,  und  den  Grenzen  der 
Kastellterritorien,  wo  diese  die  Provinzialgreuze  bildeten.  Die  Weiterent- 
wicklung der  Völkerschaften  (gentes  bei  Plinius)  war  gedacht  in  derselben 
Weise  wie  bei  den  gallischen  civitates,  dass  die  civitas,  wo  irgend  ein  ent- 
wicklungsfähiger Vorort  da  war,  sich  zu  einer  munizipalen  Gemeinde  nach 
italischem  Muster  weiter  bilde,  und  in  einigen  Beispielen  wurde  dies  ja  auch 
erreicht. 

Wie  bei  der  ersten  Ordnung  die  rätische  Nordwestgrenze  im  Zusammen- 
hang mit  der  helvetischen  Nordgrenze  eingerichtet  wurde,  so  konnte  auch  ein 
Vorschieben  der  Grenze  nur  mittelst  gemeinsamen  Vorgehens  von  Helvetien  bezw. 
Obergermanien  und  Rätien  aus  sich  vollziehen.  Aber  mit  diesem  Vorschieben 
beeilten  die  Römer  sich  nicht.  Sie  hatten  nördlich  von  der  Donau  oder  genauer 
von  der  Donaustrasse  und  ihrer  westlichen  Fortsetzung  die  schwache  Bevölkerung, 
die  auf  der  Alb  und  im  Hegau  hauste,  sich  hinter  den  heute  noch  vielfach 
sichtbaren  Ringwällen  schützte  und  der  römischen  Greuzwehr  gegenüber  kaum 
offensiv  sein  konnte^).  Noch  weniger  war  der  Schwarzwald  bevölkert,  und 
so  lag  ein  Bedürfnis  zum  Vorgehen  zur  Beseitigung  von  Gefährdung  nördlich 
von  der  Linie  Augusta  Rauracorum- Juliomagus  nicht  vor.  Es  fehlen  denn 
auch  alle  Spuren,  dass  unter  den  Kaisern  des  julisch-claudischen  Hauses  die 
Grenze  vorgeschoben  worden  wäre,  und  es  hätte  dies  auch  wenig  gestimmt 
zu  der  Richtung  der  germanischen  Politik  dieser  Zeit,  in  der  man  ja,  was 
am  Mittel-  und  Niederrhein  noch  besetzt  gehalten  war,  wieder  aufgab  (Tac. 
ann.  11,  19).  General  v.  Kailee  in  seinem  vortreftlichen  rätischobergenna- 
nischen  Kriegstheater  der  Römer  S.  10  setzt  schon  unter  Tiberius  eine 
Periode  der  Besitzergreifung  bis  zum  Steilrand  der  Schwäbischen  Alb,  wie 
er  sich  von  der  Wörniz  zum  Schwarzwald  hinüberzieht;  die  Alb  hätte 
die  neue  Grenzlinie  beim  HohenzoUern  verlassen,  um  über  den  Kleinen  Heu- 
berg, den  oberen  Neckar  überschreitend,  bis  zum  Absturz  des  Kinzigthals  zu 
gehen.  Es  wäre  da  wohl  ein  Vorschieben  von  praesidia  zu  denken,  wie  es 
Tacitus  Agricola  14  in  Britannien  schildert.  An  sich  wäre  ein  solches  Vor- 
gehen in  der  „helvetischen  Wüste",  wie  dieses  Gebiet  bei  Ptolemäus  heisst,  wohl 
möglich  gewesen,  aber  es  giebt  keine  Zeugnisse  dafür,  und  verschiedenes 
spricht  dagegen.     Die  römische  Stteitmacht  in  Helvetien  wurde   damals  nicht 


1)  Nach  Holder  in  Sixt,  Fundber.  aus  Schwaben  2,  Ergänzuugsheft  S.  17  war 
nach  den  Grabhügel-  und  Verschanzungszeugnissen  vorzugsweise  der  südwestliche  und 
nordöstliche  Teil  der  schwäbischen  Alb  besiedelt,  im  aligemeinen  aber  die  Bevölke- 
rung dünn. 


Zur  OkkupHtions-  u.  Verwalluiigfsjrcschichtc  des  rechtsrheinischen  Röinerlandes.   89 

verstärkt.  Noi)en  dem  Legionslager  von  Vindoninsa  fehlte  femer  eine  Stütze, 
wie  sie  in  Britannien  die  veteranoruni  colonia  (Tac.  Agr.  14)  bot;  man  ttber- 
liess  die  Besetzung  der  Strassenkastelle,  welche  im  Innern  den  Verkehr  zu 
sichern  hatten,  der  helvetischen  Gemeinde,  deren  Vorort  Aventicum  war,  die 
hierfQr  Mannschaft  und  Geld  aufzubringen  hatte  (Tac.  bist.  1,  67);  offenbar 
war  die  Legion  durch  die  Besetzung  der  Grenzkastelle  genügend  in  Anspruch 
genommen,  durfte  sich  auch  nicht  zu  sehr  zersplittern,  da  sie  die  Stütze  auch 
für  die  rätischeu  Kohorten  und  Alen  bildete.  An  der  Grenze  allerdings  wurde 
gebaut,  wie  die  Ziegel  der  2L  Legion  in  Schleitheim  bezeugen,  die  in  der 
Zeit  zwischen  Claudius  und  dem  Jahr  69  ihr  Standquartier  in  Vindonissa 
hattet-  Das  Wirksamste,  was  man  für  den  Grenzschutz  thun  konnte,  war, 
dass  mau  die  Niederlassung  germanischer  Stämme  in  dem  fraglichen  Gebiet 
verbot,  während  der  vielbesprochene  levissimus  quisque  Gallorum  des  Tacitus, 
auch  wenn  man  darunter  Gruppen  von  Ansiedlern  zu  verstehen  hat,  ohne 
Bedenken  oder  sogar  geiiie  zugelassen  wurde. 

Wenn  demnach  ein  Vorschieben  der  Nordgrenze  von  Rätien  und  Ger- 
manien unter  den  julisch-claudischen  Kaisem  nicht  anzunehmen  ist,  so  sind 
wir  dagegen  jetzt  in  der  Lage,  ein  solches  dem  Vespasian  zuzuschreiben  und 
zwar  für  das  Jahr  73/4.  Vor  allem  war  unter  ihm  das  Hinterland  für  neuen 
Zuwachs  andere  als  bisher  bestellt;  denn  Vespasian  organisierte  die  helvetische 
Gemeinde  mit  Latinerrecht,  was  voraussetzt,  dass  völlig  zuverlässige  und  fried- 
liche Verhältnisse  herrschten*).  Es  war  also  möglich,  von  den  militärischen 
Kräften,  welche  im  Helvetierland  lagen,  einen  grossen  Teil  abzugeben.  Aus 
dem  Material  nun,  welches  Zangemeister  (Neue  Heidelb.  Jahrb.  3  (1893) 
S.  1  ff.)  für  die  Einstellung  eines  Feldzugs  gegen  die  Germanen  in  die  Ge- 
schichte des  Begründers  der  fiavischen  Dynastie  beibringt,  eines  Feldzugs,  ge- 
führt vom  Oberrhein  aus  unter  dem  Kommando  des  Statthalters  von  Ober- 
germanien Cn.  Pinarius  Cornelius  Clemens  mit  einem  kombinierten  Heer  von 
Hilfstruppen,  hebe  ich  für  meinen  Zweck  die  nachfolgenden  Momente  hervor. 

Ein  besonderer  einzelner  Vorgang,   der  das  Vorrücken   veranlasst  hätte. 


1)  H.  Meyer,  Gesch.  der  11.  und  21.  Leß^iou  in  Mitteil,  der  aiiti(|uar.  Gesellsch. 
in  Zürich  VIT.  S.  127.  Momrnsen  inscr.  hclvet.  lat.  in  Mitteil.  X.  p.  77.  81.  Zaugc- 
meister  (Westd.  Zeitschr.  für  Gesch.  und  Kunst  3,  254)  will  die  Beziehung  dvr  Schleit- 
heimer  Ziegel  auf  die  Zeit  vor  ()9  nicht  gelten  lassen,  weil  jene  Legion  noch  i.  J.  84 
m  Obergernianien  bezeugt  sei,  aber  diese  ZeugnisHe  sind  aus  Neuenheini  und  Fried- 
berg (Brambach  c.  i.  rhen.  1416,  p.  XXXI  zu  n.  1708.  Bergk,  zur  Gesch.  der  Rhcinl. 
S.  f>9),  weisen  also  auf  Mainz  als  gleichzeitigen  Garnisonsort  hin.  Wenn  Ziegel  der 
21.  Legion  in  der  NHhe  von  Vindonissa  {gefunden  werden,  so  können  sie  nur  der 
Zeit  vor  70  angehören.  Dass  aber,  wie  schon  oben  S.  84  bemerkt,  Ziegel  eines 
Truppenteils  nur  in  dessen  Überwachungsbereich  gebraucht  wurden,  verlangt  nicht 
nur  die  Natur  der  Sache,  da  die  Stempelung  sonst  überhaupt  zwecklos  war,  sondern 
zeigen  insbesondere  die  Schweizer  Ziegel,  auf  denen  zum  Teil  ausdrücklich  c(astra) 
ViCndonissensia)  zugefügt  ist,  H.  Meyer  S.  133  f.,  Momrnsen  a.  a.  O.  p.  79. 

2)  Mommsen  im  Hermes  16,  474.  479  ff. 


90  K.  Herzog?: 

ist  nicht  bezeugt,  dagegen  bieten  sich  allgemeinere  Kombinationen.  Zange- 
nieister  hat  Wcstd.  Zeitschr.  3,  246  ft*.  scharfsinnig  nachgewiesen,  dass  i.  J. 
74  die  Strasse  von  Strassburg  über  Offenburg,  von  da  über  den  Schwarzwald 
nach  Rätien  gebaut  wurde.  Die  Strasse,  die  durch  das  Kinzigthal  führt  und 
zu  der  die  Station  auf  dem  „Schänzle"  bei  Röthenberg  gehört  (Brambach  c. 
i.  Rh.  1626),  ist  nachweisbar  in  ihrem  Lauf  auf  der  Hochebene  des  Schwarz- 
walds über  Waldmössingen  nach  Rottweil;  von  da  muss  sie  quer  über  die 
Alb  zum  Kastell  von  Iledingen  bei  Sigmaringen  geführt  haben,  wenn  sie  als 
Strasse  „nach  Rätien"  bezeichnet  wurde  ^).  Sie  kann  aber  ohne  vorangegangene 
oder  gleichzeitige  Okkupation  des  oberen  Neckargebicts  nicht  gedacht  werden. 
Jene  Expedition  fand  femer  statt  mit  einem  kombinierten  Heer,  bei  dem 
ein  besonderes  Kommando  über  sämtliche  Hilfstruppen  errichtet  war*).  Wahr- 
scheinlich wirkten  hier  rätische  Kohorten  und  Alen  mit  den  germanischen  zu- 
sammen; denn  man  konnte  nach  Norden  nur  vorrücken  mit  Vorschiebung  so- 
wohl der  rätischen  Grenzlinie  über  die  Schwäbische  Alb  als  der  obergerma- 
nischen (helvetischen)  über  den  Heuberg  imd  das  Gebiet  des  oberen  Neckars. 
Ebenso  hatte  der  J^ührer  des  obergermanisehen  Heeres  Cäcina  i.  J.  70  die 
nächstliegenden  rätischen  Alen  und  Kohorten  zum  Kampf  gegen  die  Helvetier 
herangezogen,  so  dass  man  sieht,  dass  die  Truppenkörper  des  westlichen 
Rätien  Anschluss  an  die  Legion  von  Vindonissa  hatten.  Aus  diesen  Verhält- 
nissen folgt  aber,  dass  sich  bei  dem  Vorrücken  nicht  ergab  eine  Neckar- 
linie, die  von  Rottweil  an  eine  Zeit  lang  die  östliche  Grenze  Obergermaniens 
und  des  römischen  Reichs  bezeichnet  hätte,  sondern  dass  die  Okku- 
pation stattfand  in  der  ganzen  Breite  vom  Schwarzwald 
bis  über  die  östlichen  Ausläufer  der  Alb  hinüber.  Aller- 
dings setzt  die  Strasse  von  Strassburg  nach  Rätien  die  Besitznahme  von 
Rheinebene    und   Schwarzwald   voraus;    jene    wurde    von    Mainz    und    Strass- 


1)  Diese  Strasse  ist  von  Rottweil  aus  noch  zu  suchen;  gewiss  lagen  an  ihr 
Kastelle.  Vielleicht  gicbt  das  Ortsverzeichnis  bei  Ptolcnulus  2,  11,  15  von  itöXck  Trapa 
TÖv  Aavoußiov  Namen  der  Stationen.  Dieses  beginnt  allerdings  mit  Tapöbouvov  und 
Bujuol  <I>Xaouöoi,  d.  h.  wenn  Tarodunum  Zarten  bei  Freiburg  ist,  mit  einer  Route  von 
Augusta  Rauracorum  über  Zarten  nach  Rottweil,  die  aber  von  da  zur  Donau  hin- 
überging. Ein  Itinerar  dieser  Strasse  hätte  also  Ptolemäus  ausgeschrieben.  Rottweil 
war  ein  Knotenpunkt. 

2)  Nach  den  Inschriften  Wilmanns  ex.  inscr.  1148.  1149,  Zangemeister  N.  Heidelb. 
Jahrb.  3  S.  11.  —  Auf  dem  Felde  bei  den  Hochmauern  bei  Rottweil  fand  ich  am 
7.  Nov.  d.  J.  bei  Besichtigung  der  dort  vom  Altertumsvercin  unter  Leitung  der  Hrn. 
Rektor  Dr.  Eble  und  Bauinspektor  MHhrlen  vorgenommenen  Grabungen  ein  Ziegel- 
fragment mit  dem  Stempel  il  BITVR.  Der  Stempel  ist  also  der  gleiche  wie  der 
früher  auf  demselben  Platz  gefundene,  den  Hang,  Westd.  Zeitschr.  Korrespbl.  7,  Sp.  2 
co(h.  I.)  Itur(aeorum),  K.  Miller  Westd.  Zeitschr.  10  S.  12  A.  4  richtig  coh.  I  Bitur.  las. 
Die  coh.  I  Biturigum  ist  in  Obergermanien  durch  Militärdiplome  bezeugt  für  die 
Jahre  74,  90  und  134 ;  in  letzterem  Jahre  stand  sie  in  Neckarburken  vgl.  corp.  i.  lat.  3 
p.  852  dipl.  IX.  —  c.  i.  1.  3  p.  1965  dipl.  XXI  =  ephem.  5  p.  652.  —  Zangemeister  in 
Limesblatt  1892  n.  3  =  c.  i.  I.  3  p.  1979  n.  L.  Aus  dem  Fundort  des  letzten  Diploms 
V.  J.  134  ist  zu  schliessen,  dass  der  Rottweiler  Stempel  der  fla vischen  Zeit  zugehört. 


Zur  Okkupations-  u.  Verwaltiingsj^eschichto  des  rechtsrhciniBchcn  Römerlandes.    91 

bürg  aus  besetzt,  Übergänge  über  den  Schwarzwald  aber  wurden  erst 
gewonnen  in  Zusammenhang  mit  der  Bewegung  von  Süd  nach  Nord^). 
Der  Zweck  der  ganzen  Vonvärtsbewegung  sodann  kann  nicht  .wohl  die  Er- 
oberung und  Gebietserweiterung  an  sich  gewesen  sein;  denn  der  zu  erhoffende 
Gewinn  war  zu  gering,  und  was  man  an  Mitteln  aufwandte,  weist  auf  ein  von 
vornherein  beschränktes  Ziel  hin.  Vielleicht  war  die  eine  Absicht,  dem  damals 
lästigsten  germanischen  Feind,  den  Chatten,  auch  von  Süden  her  näher  zu 
kommen;  sicher  aber  war,  wie  die  Strassenanlage  nach  Rätien  zeigt,  der 
Hauptzweck  eine  kürzere  Verbin  düng  der  Donau- und  Rhein- 
armee. Wird  doch  auch,  was  Trajan  später  in  Germanien  und  Rätien  that, 
zusammengefasst  in  der  Notiz:  iter  conditum  per  feras  gentes,  quo  facile  ab 
nsque  Pontico  mari  in  Galliam  penneatur  (Vict.  Caes.  13).  Gerade  die  Vor- 
gänge; die  ihn  auf  den  Thron  führten,  legten  dem  Vespasian  nahe,  die  Ver- 
bindung von  Ost  und  West  so  günstig  wie  mriglich  zu  gestalten. 

Die  Feinde,  gegen  welche  der  Feldzug  des  Pinarius  Clemens  gerichtet 
war,  werden  als  Germani  bezeichnet;  es  sind  dies  vorzugsweise  die  Bewohner 
der  Schwäbischen  Alb.  Ihre  Übenvindung  konnte  für  ein  römisches  Heer 
nicht  schwer  sein;  aber  dass  man  auf  Widerstand  gefasst  war,  zeigt  die  Aus- 
rüstung eines  kombinierten,  also  stärkeren  Expeditionskorps.  Das  letzte  Ziel 
des  Unternehmens  war  aber  jene  eine  Strasse  von  Strassburg  zur  Donau  sicher 
nicht,  da  man  mit  ihr  die  Alb  nur  schnitt,  nicht  hinter  sich  bekam.  Feracr 
gewann  man  eine  viel  wesentlichere  Verkürzung  durch  eine  Remsthalstrasse,  die 
vom  heutigen  Cannstatt  am  Neckar  her  in  das  Remsthal  einlief  und  mit  dem 
Rhein  durch  zwei  Stränge  verbunden  war,  Cannstatt-Speyer  und  Cannstatt-Heidcl- 
berg-Mannheim.  Damit  entstand  allerdings  von  Cannstatt  abwärts  eine  Neckar- 
linie, ostwärts  von  Cannstatt  aber  fand  wiederum  eine  Bifurkation  statt,  indem 
neben  der  Remsthalstrasse  die  Route  Cannstatt- Köngen-Ürspring  zur  Donau  führte. 
Endlich  wurde  derselbe  Ceutralpuukt  Cannstatt  über  den  Schönbuchwald  nach 
Rottenburg  zu  mit  dem  obem  Neckar  verbunden.  Als  Knotenpunkt  war  Cann- 
statt bezeichnet  teils  durch  das  Kastell  auf  der  linksufrigen  Höhe  über  dem 
Neckar,  teils  durch  die  Station  der  beneficiarii,  welche  durch  die  Inschriften- 
funde unten  im  Thale  auf  dem  rechten  Ufer  bezeugt  ist,  da  wo  die  Thal- 
strassen zusammenliefen;  denn  die  Beziehung  nicht  der  beneticiarii  im  allge- 
meinen, aber  der  Stationen  von  solchen  zum  Kommunikationswesen  dürfte 
ausser  Frage  sein.  Dass  man  mit  diesen  Dispositionen  nur  den  natürlichen 
Verhältnissen  Rechnung  trug,  zeigt  die  Bedeutung,  welche  dereelbe  Knoten- 
punkt für  das  Strassennetz  der  späteren  Zeiten  hatte  und  für  das  heutige 
Eisenbahnwesen  noch  hat. 

Die  Remsthalstrasse  setzt  die  Vorrückung  der  rätischen  Nordgrenze  vor- 
aus, ein  Vorgehen,    dessen   strategische  Vorteile  v.  Kallee   (rätisch-obergerma- 


1)  Unter  Vespasiau  kam  die  8.  Legion  nach  Strassburg:  dass  au  einem  Ziel- 
punkt der  Expedition  des  Jahres  73/4,  in  Aalen,  sich  Ziegel  eben  dieser  Legion 
fanden  ist  ob.  S.  84,  A.  1  bemerkt. 


92  E.  H  e  r  z  o  ^  : 

nischcB  Kriegstheater  S.  9  f.)  einleuchtend  dargethan  hat.  Die  Annahme,  dass 
dies  alles  in  unmittelbarem  Anschluss  an  die  von  Vespasian  angeordnete  Expe- 
dition erzielt,  wurde,  wird  durch  Münzzeugnisse  zwar  nicht  bewiesen,  aber 
wenigstens  unte]*sttltzt,  sofern  die  Münzen  aus  der  Zeit  bis  zu  den  Flaviern  auch 
in  den  Remsthalkastellen  nicht  vereinzelt  sind*).  In  Rottweil  sind  sowohl  auf 
der  Lagerstelle  als  auf  der  auf  dem  rechten  Neckarufer  gelegenen  Nieder- 
lassung, bei  der  man  die  „Flavischen  Altäre"  v.u  suchen  hat,  Münzen  der 
Flavischen  Zeit  auffallend  vorherrschend.  Weiter  abwärts  bei  Rottenburg  fand 
sich  innerhalb  der  Lagerumwallung  auf  dem  rechten  Neckarufer  eine  Münze 
von  Otho  (Jaumann,  col.  Siimel.  S.  239  Nr.  3)  und  in  der  Nähe  davon  eine 
Legionsmünze  von  M.  Antonius  (ebendas.  238  Nr.  2). 

Die  definitive  Gestaltung  der  Reichsgrenze  liegt  ausserhalb  der  Grenzen 
dieser  Untersuchung.  Dagegen  gehört  zu  ihrem  Ziel  die  Erläuterung  der  Ab- 
grenzung zwischen  Obergermanien  und  Rätien.  Wenn  wir  hier  als  feste  Punkte 
haben  im  Süden  Tasgätium  als  westlichsten  Punkt  von  Rätien  und  Schieitheim 
als  zu  Obergermanien  gehörig,  im  Norden  an  der  Remsstrasse  den  Punkt,  an 
welchem  später  die  rätische  Mauer  mit  dem  obergermanischen  Erdwall  zu- 
sammenstiess,  so  müssen  wir  eine  Grenzlinie  ziehen,  welche  die  Westgrenze  des 
Territoriums  von  Tasgätium  mit  jenem  Punkt  an  der  Rems  verbindet.  Dazu 
stimmt,  dass  dann  die  Stelle  bei  Zwiefalten,  bei  der  die  Inschrift  des  Statt- 
halters von  Rätien  (c.  i.  1.  3,  5862)  gefunden  wurde,  wirklich  innerhalb  der 
rätischen  Provinz  fällt.  Da  endlich  der  nördliche  Grenzpunkt  sowohl  an  der 
Remsstrasse  wie  an  dem  späteren  Limes  liegt,  so  ist  der  Unterschied  zwischen 
der  Zeit,  in  welcher  jene  Strasse  die  Grenze  bildete  und  der,  in  welcher  der 
weiter  nördlich  laufende  spätere  Limes  eingerichtet  wurde,  für  diese  Frage 
indifferent.  Dagegen  kommen  nun  in  betracht  jene  Ziegel  der  achten  Legion, 
die  sicli  in  Aalen,  also  mehr  als  25  Kilometer  östlich  von  jenem  Grenz- 
punkt fanden  (oben  S.  84  A.  1).  Es  liegt  keine  Notwendigkeit  vor,  aus  diesen 
Legionsziegeln  auf  eine  ältere  anderweitige  Regulierung  der  Grenze  zwischen 
Rätien  und  Obergermanien,  bei  welcher  Aalen  noch  zu  letzterer  Provinz  ge- 
hört hätte,  zu  schliessen;  sobald  wir  annehmen,  dass  die  Ziegel  der  ersten 
Periode  des  Kastells,  der  der  Einrichtung  der  Grenzbefestigungen  an  der  neuen 
rätischen  Nordgrenze  durch  Teile  der  Okkupationsarmee,  entstammen,  erklärt 
sich  ihr  Vorkommen  aus  der  bereits  besprochenen  Zusammensetzung  des  Expe- 
ditionskorps. Führer  derselben  war  der  Statthalter  von  Obergermanien,  folg- 
lich waren  sicher  Legionstruppen  seiner  Provinz  dabei;  diese  blieben,  bis  die 
Grenzposten  errichtet  waren  und  drückten  dem  von  ihnen  bei  einem  hierzu 
nötigen  Bau  vei-wandten  Material  ihren  Truppenstempel  auf.  Später  trat  an 
ihre  Stelle    als    bleibende  Besatzung    die   ara  II   Flavia,    und    deren    Stempel 


1)  Das  im  Remsthalkastell  Unterböbingen  gefundene  Bruchstück  eines  Militär- 
diploms (corp.  i.  lat.  3  pag.  1994  n.  LXXVIII)  kann  auch  bis  zur  domitianischen  Zeit 
hinaufreichen.  Vgl.  Zangemeister  in  Limesbl.  n.  3.  Sp.  93  f.  Der  obergerm.-rät. 
Limes,  Käst.  Unterböb.  S.  6. 


Zur  Okkupations-  u.  Verwaltungsgeschichtedes  rechtsrheinischen  Römerlandes.     93 

tragen  die  Ziegel  der  späteren  Bauten,    so   die   des   neben  dem  Kastell   gele- 
genen Bades,  aus  dem  wir  sie  in  grösserer  Zahl  haben. 

In  welchem  Zusammenhange  aber  der  Berührungspunkt  der  beiden  Pro- 
vinzen gerade  beim  Ausfluss  des  Röthenbachthals  sieh  ergab,  ist  von  der  ad- 
ministrativen Seite  zu  erörtern. 

IL 

Als  die  römische  Vei-waltung  an  die  Einrichtung  des  mit  dem  Feldzug 
der  Jahre  73/4  neugewonnenen  Gebiets  ging,  hatte  sie  jedenfalls  in  dem  zu 
Obergermanien  geschlagenen  rechtsrheinischen  Gebiet  Verhältnisse  vor  sieh 
ganz  eigentünjücher  Art.  Es  fehlte  an  nationalen  Verbänden.  Zwar  nördlich 
vom  Main,  im  Rheingau,  war  ein  chattischer  Stamm,  die  Mattiaker ,  unterthänig 
und  fähig  ein  Gemeinwesen  zu  bilden,  das  stipendiär  und  aushebungspflichtig 
war.  An  der  nordöstlichen  Grenze  am  Main  waren  jene  Toutoni,  durch  deren 
Gebiet  der  Limes  gezogen  wurde  (ob.  S.  85).  Die  Völkerschaftsnamen,  welche 
Ptolemäus  2,  11,  6  und  die,  welche  das  Veronenser  Pro vinzial Verzeichnis 
giebt,  können  stipendiäre  selbständige  Gemeinden  anzeigen,  aber  weder 
giebt  es  monumentale  Spuren  ihrer  Siedlungen,  noch  erschienen  sie  unter  den 
römischen  Hilfstruppen  ^).  Dagegen  war  südlich  des  Mains  ein  suebischer 
Stamm  vorhanden,  der  am  unteren  Neckar  sass  oder  angesiedelt  wurde,  die 
Suebi  Nicrctes,  die  jetzt  inschriftlich  als  nationale  Gemeinde  bezeugt  sind*). 
Sonst  aber  hatten  in  diesem  Südgermanien  die  Bewegungen,  welche  unter 
Germanen  und  Kelten,  dann  zwischen  ^Römern  und  Germanen  stattgefunden 
hatten,  die  Stammverbände  aufgehoben  und  entfernt,  und  da  die  Römer  keine 
neuen  zuliessen,  so  war,  so  lange  sie  nicht  selbst  die  Einverleibung  vollzogen 
hatten,  hier,  wie  Tacitus  Germ.  29  sagt,  dubia  possessio.  Deutlich  stehen  in 
der  taciteischen  Stelle  die  gallischen  Einwanderer  im  Gegensatz  zu  den  populi, 
nnd  dieser  Gegensatz  ist  ein  dreifacher,  der  Nationalität,  des  Besitzes  und  der 
geographischen  Lage.  Denn  bei  Tacitus  vertreten  die  Mattiaken,  die  verbündet 
waren  (mente  animoque  cum  Romanis  agunt),  geographisch  das  transrhenanischc 
Römergebiet  nördlich  vom  Main  allein,  und  deutlich  setzt  er,  indem  er  eine 
Art  Pause  macht,  die  darauf  folgenden,  qui  decumates  agros  exerccnt,  südlich 
des  Mains.     Die  im  Provinzialverzeichnis   vom  J.  297   genannten,  sonst  unbe- 

1)  Frontin  berichtet  strateg.  2,  11,  7:  Imperator  Caesar  Domitianus  —  eo  belle 
quo  victis  hostibus  cognomeu  Germanici  meruit,  cum  in  ünibus  Cubiorum  castella 
poneret,  pro  fructibus  locorum,  quae  vallo  comprehendebat,  pretium  solvi  iussit,  atque 
ea  iuHtitutiae  fama  omnium  fidem  adstrinxit  Die  handschriftliche  Überlieferung  den 
Volksnamens  ist  Ctibiorum  ;  da  aber  dieser  Name  sonst  nicht  vorkommt,  so  wird  kor- 
rigiert Ubiorum,  Cattorum,  Usipiorum  —  Vermutungen,  die  wertlos  sind.  Die  Überliefe- 
rung hält  fest  Zangemeister  in  N.  Heidelb.  Jahrb.  8,  15  A.  56.  Aus  der  Überschrift 
des  Abschnitts  De  dubiorum  animis  in  fide  retinendis  geht  hervor,  dass  es  eine 
Völkerschaft  war,  welche  innerhalb  der  römischen  MachtsphHre  lag;  aber  wenn  sie 
dubii  waren,  werden  sie  der  Grenze  nahe  gewesen  sein.  Es  war  wohl  ein  einver- 
leibter  Chattenstamm.  —  Über  das  Provinzialverzeichnis  s.  Mommsen  Abh.  der  B«»rl. 
Akad.  1862  R.  489  ff.    Riese,  geogr.  lat.  Min.  p.  129. 

2)  Zang(»moister,  N.  Heidelb.  Jahrb.  3,  1  ff. 


94  E.  H  e  r  z  o  tr: 


r^ 


kannten  Stämme  werden  sämtlieh  nördlich  vom  Main  zn  suchen  sein^);  sie 
konnten  ursprünglich  administrativ  den  Mattiakem  zugeteilt  gewesen  sein 
oder  auch  den  Grenzkastellen;  später  konnten  sie  zu  selbständigen  civitates 
werden. 

Bei  dieser  Lage  der  Dinge  entschloss  sich  die  römische  Verwaltung,  alles 
nicht  von  einem  Volksstamm  innegehabte  Land  zu  kaiserlichem  Privateigentum, 
saltus  Caesaris,  zu  erklären  und  demgemäss  zu  organisieren.  Es  war  nicht 
der  zu  erhoffende  Ertrag,  welcher  zu  diesem  Verfahren  führte,  sondern  die 
Notwendigkeit,  den  zum  Unterhalt  der  in  den  Strassen-  und  Grenzkastellen 
liegenden  Truppen  erforderlichen  Bodenanbau  zu  sichern;  erst  im  Verlauf  einer 
längeren  Zeit  konnte  man  hoffen,  das  vielfach  wüst  liegende  Land  in  eine 
höher  kultivierte  und  einträgliche  Landschaft  zu  verwandeln.  Zugleich  war  es  die 
Zeit  Vespasians,  in  welcher  in  Italien  und  in  den  Provinzen  bereits  die  Klein- 
pacht bestand  ^),  in  der  insbesondere  in  Afrika  die  Bewirtschaftung  der  grossen 
Güterkomplexe,  namentlich  der  kaiserlichen  Domänen  (saltus)  mittelst  des 
Systems  der  Pacht  und  Afterpacht  (conductor  und  coloni)  sieh  ausbildete^). 
Das  Muster,  das  man  damit  hatte,  stellt  sich  folgendermassen  dar:  Die  Klein- 
pächter (coloni)  sind  freie  Leute,  deren  Personenrecht  ein  verschiedenes  sein 
konnte,  das  des  Peregrinen,  Latiners  oder  römischen  Bürgers.  Ihr  Verhältnis 
zum  Gut  ist  das  der  Zeitpacht,  die  thatsächlich  Erbpacht  wird.  In  Afrika 
ist  dieses  System  angewandt  in  wohlkultivierten  dichtbevölkerten  Gegenden, 
des  Gewinnes  halber,  gegenüber  von  Eingeborenen,  die  man  in  solchen  Ver- 
hältnissen festzuhalten  die  Gewalt  hatte,  ja  die  sich  gegen  fortwährende  Stei 
gerung  der  Abhängigkeit  nicht  wehren  konnten.  In  Afrika  ist  ferner  überall 
die  Kleinpacht  auf  den  saltus  Caesaris  mit  der  durch  die  Person  des  Proku- 
rators vertretenen  kaiserlichen  Verwaltung  vermittelt  durch  den  Grosspächter 
(conductor).  Der  Saltus  war  ein  Territorium  analog  dem  einer  munizipalen 
Gemeinde  mit  Gemeindevorständen,  die  jedoch  den  niedrigeren  Titel  ma- 
gistri  hatten,  und  einem  Gemeinderat  (ordo).  —  Mehrere  Gutskomplexe  (saltus) 
wurden  zu  einem  Bezirk  (tractus)  zusammengefasst  unter  einem  Prokurator 
höheren  Rangs. 

Sollte  nun  dieses  System  der  kaiserlichen  Domänenwirtschaft,  dieses 
Mittelding  zwischen  privat-  und  staatsrechtlichem  Verhältnis,  auf  dem  neu  er- 
worbenen Boden  in  Germanien  angewandt  werden,  so  konnte  man  nicht  ein- 
fach die  Art  des  afrikanischen  Saltus  hierher  übertragen.  Für  den  Anfang 
wenigstens  und  l\lr  die  schwieriger  zu   bebauenden  Landstriche  war   eine    mit 


1)  Ihre  Sitze  werden  bestimmt  trans  castellum  Mogontiuceiisium  LXXX.  leugas. 

2)  Mommsen  im  Hermes  20,  411  ff. 

3)  Schulten,  Die  römischen  Grundherrschaften  1890.  His,  Die  Domänen  der 
römischen  Kaiserzeit  1896.  —  Die  unten  folgenden  Auseinandersetzungen  über 
die  Kastellterritorien  berühren  sich  ferner  nahe  mit  Schiiltens  Abhandlungen  über 
das  territorium  legionis  in  Hermes  29,  481  ff.  und  über  die  Landgemeinden  im  röm. 
Reich  in  Philol.  fi^,  i}2^)  ff.  Nur  während  Schulten  diese  Verhilltnisse  im  allgemeinen 
behandelt,  sind  sie  hier  von  einem  bestimmten  eng  begrenzten  Bezirk  aus  untersucht. 


Zur  Okkupations-  u.  Verwaltun^sgeschichte  des  rechtsrheinischen  Römerlandes.   95 

Gewinn  verbundene  Grosspacht  nicht  denkbar;  der  conductor,  der  Privat-Gross- 
pächter,  Imttc  also  hier  keinen  Raum,  die  kaiserliche  Verwaltung  musste  selbst 
die  Leitung  des  Anbaus  und  das  Risiko  übernehmen,  etwa  in  der  Weise,  dass 
Gruppen  von  Kolonen  kaiserlichen  Aufsehern  unterstellt  wurden.  Dass  als 
Pachtzins  der  Zehnte  verlangt  wurde,  zeigt  die  Bezeichnung  agri  decumates  *) ; 
folglich  handelte  es  sich  auch  hier  um  Naturalabgaben  und  damit  um  Zeit- 
nicht  Erbpacht;  letztere  wurde  aber  thatsächlich  erzielt.  Auch  hier  war  der 
kaiserliche  Saltus  ein  Territorium,  und  wenn  mehrere  solche  da  waren,  so  er- 
gab sich  für  die  kaiserliche  Verwaltung  der  grössere  Bezirk  eines  Tractus. 
Nun  waren  aber  neben  diesen  Territorien  der  Domäne  auch  noch  andere,  die 
der  Kastelle  an  den  Strassen  und  am  Limes,  zusammengesetzt  aus  den  prata, 
dem  Weideland  für  die  dem  Kastell  unmittelbar  gehörigen  Tiere,  sowie  aus 
Wohnstellen  (canabae)  und  Land  der  die  Bedürfnisse  der  Besatzung  vermitteln- 
den Leute  und  der  Ackerbauer,  welche  mit  diesen  im  Lagerdorf  zusammen- 
wohnten und  das  unmittelbar  beim  Kastell  liegende  Ackerland  bestellten.  Wo 
wie  am  Limes  diese  Kastelle  sich  in  kurzen  Entfernungen  aneinander  reihten, 
stiessen  ihre  Territorien  zusammen  und  waren  identisch  mit  dem  militärischen 
Überwachungsbezirk.  Jene  Ackerbauern  werden  auch  hier  wie  coloni  gehalten 
worden  sein,  wobei  der  Kommandant  des  Kastells,  für  dessen  Bedarf  sie 
pflichtig  waren,  die  Stelle  des  Prokurators  ihnen  gegenüber  zu  übeniehmcn 
hatte.  Aber  über  die  nächste  Umgebung  des  Kastells  hinaus  etwa  über  weiter  im 
Innern  liegende  Gruppen  von  Kolonen  konnte  sich  diese  administrative  Funktion 
nicht  erstrecken;  dazu  fehlte  der  militärischen  Behörde  der  Venvaltungsapparat. 
Eher  könnte  man  sich  denken,  dass  der  kaiserliche  Prokurator  auch  die  Ab- 
gaben der  Kolonen  des  Lagerdorfs  fllr  das  Kastell  vermittelt  hätte.  Eigen- 
tümlich musste  endlich  von  vornherein  die  Behandlung  der  Kolonen  sein.  In 
dem  Grenzland,  in  welchem  ein  Entweichen  nicht  allzu  schwierig  war,  bei 
Anbauverhältnissen,  wo  auf  den  guten  Willen  sehr  viel  ankam,  wenn  man 
mit  der  spärlichen  Bevölkerung  den  Ackerbau  auch  nur  dem  unmittelbaren 
Bedürfnis  entsprechend  ausdehnen  wollte,  konnte  man  nicht  so  vorgehen,  dass 
man  die  Bauern  auf  der  niedrigsten  Stufe  der  Peregrinität  hielt;  man  musste 
Aussichten  auf  besseres  persönliches  Recht  eröffnen,  musste  eine  gewisse  Gleich- 
heit mit  den  gallischen  Civitates  anstreben,  und  wenn  unter  Domitian  einer 
Gemeinde  des  Grenzlands,  auf  deren  Gebiet  Kastelle  angelegt  wurden,  für  das 
dafür  in  Anspruch  genommene  Land  Entschädigungen  gezahlt  wurden,  um  sie 
in  Treue  zu  erhalten,  so  wird  man  auch  auf  die  Kolonen  der  agri  decumates 
mehr  Rücksicht  genommen  haben  als  auf  die  afrikanischen. 

Vergleichen  wir  nun  mit  diesen  allgemeinen  Sätzen,  was  wir  aus  dem 
rechtsrheinischen  Gebiet  an  konkreten  Zeugnissen  haben.     Sicher  bezeugt  ist 

1)  decumas  zu  decumanus  (Cic.  in  Verr.  II.  3,  6,  13.  c.  i.  1.  2,  1438)  wie  prinias 
zu  primanns,  Campans  oder  Campas  (Plaut.  Trin.  545)  zu  Campanus.  Die  Endung 
anus  wurde  durch  ans  zu  as  und  ging  in  die  Analogie  von  as,  atis  über.  Ein  decu- 
mas, decumatis  war  wohl  schon  zur  Zeit  Ciceros  veraltet  und  in  der  Schriftsprache 
weniger  üblichi  in  dem  taciteischen  Ausdruck  taucht  es  wieder  aul*. 


96  E.  Herzosr: 


» 


der  Ausdruck  saltus  als  angewandt  auf  ein  bestimmtes  Territorium  in  dem 
saltus  Sumelocenensis ;  dass  derselbe  in  anderem  Zeugnis  auch  als  civitas  be- 
zeugt ist,  kommt  hier  nocli  nicht  in  Betracht.  Bei  der  civitas  S.  7.  der 
*  Inschrift  Brambach  c.  1.  Rh.  1593  vermutet  Zangemeister  (Westd.  Zeitschr.  3, 
245  A.  1)  eine  civitas  8(altus)  T(outonorum);  aber  ehe  der  Ausdruck  civitas 
saltus  anzuerkennen  ist,  müsste  doch  ein  sicheres  Analogon  beigebracht  werden, 
und  ich  möchte  S.  T.  eher  deuten  als  S(uebi)  T.,  ob  diese  nun  zu  T(outoni)  oder 
einem  andern  mit  T  anfangenden  Namen  zu  vervollständigen  sind;  wir  hätten 
dann  neben  den  Suebi  Nicretes  noch  einen  andern  Suebenstamm,  und  der 
saltus  wäre  damit  ausgeschlossen.  Wenn  wir  aber  auch  nur  den  einen  Saltus 
von  Sumelocenna  direkt  bezeugt  haben,  so  ist  damit  nicht  ausgeschlossen,  dass 
es  mehrere  gab;  sie  können  als  Vorstufe  ftlr  spätere  civitates  bestanden  haben, 
die  wir  eben  zufällig  nur  als  solche  kennen.  Denn  wenn,  wie  wir  sehen  wer- 
den, der  saltus  Sumelocennensis  sich  zu  einer  civitas  entwickelte,  so  kann  der 
civitas  Alisinensium  (Brambach  n.  1593  von  Bonfeld  bei  Wimpfen)  ein  saltus 
desselben  Namens  vorangegangen  sein.  Dafür  spricht,  dass  die  Benennung 
nicht  von  einem  Volksstamm,  sondern  mit  der  Ableitungssilbe  ensis  von  einem 
FItisschen  Alisia  (der  heutigen  Elz)  herrührt^),  wie  Sumelocennensis  von  dem 
keltischen  Ort  Sumelocenna*). 

Als  weiteres  gewichtiges  Zeugnis  tritt  ein  der  [irnnpoiioq  ZießacTTJoO  x^- 
paq  [2!]ofi€XoK€vvricJiaq  Kai  [Ü7r]€pXifiiTdvri^  der  Inschrift  von  Dusa  in  Bithynien 
(Mommsen  in  Korrespbl.  der  Westd.  Zeitschr.  5  S.  260).  Es  fragt  sich  hier, 
was  x^P^  bedeutet.  Mommsen  übersetzt  es  mit  tractus,  es  ist  aber  wohl 
saltus.  Der  betreffende  Beamte  war  allerdings  procurator  tractus,  aber  letzterer 
bestand  aus  zwei  Saltus,  dem  von  Sumelocenna  und  dem  translimitanischen. 
Wenn  die  Mommsensche  Ergänzung  zu  uTrepXimTdvn^  richtig  ist,  wie  sie  es 
mir  zu  sein  scheint,  wenn  femer  die  Inschrift  noch  dem  Ende  des  ersten  Jahr- 
hunderts angehören  würde,  so  müsste  man  unter  limes  die  Remsthalstrasse  ver- 
stehen und  sich  denken,  dass  in  dem  nördlich  von  dieser  liegenden  Land  die 
Römer  mit  einer  Anzahl  vorgeschobener  Posten  (praesidia)  auch  für  den  Anbau 
des  Landes  jenseits  von  jenem  Limes  gesorgt  hätten  in  der  Voraussicht,  dass 
die  Annektierung  in  naher  Zeit  noch  weiter  nach  Norden  zu  greifen  hätte. 
Die  Spur  eines  solchen  Präsidiums  läge  möglicherweise  in  Folgendem:  nörd- 
lich vom  Remsthal,  ausserhalb  auch  der  äussersten  Limeslinie,  bei  Mönchshof 
0.  A.  Welzheim  liegt   eine  Schanze,    deren    römischer  Ursprung   durch  Münz- 


1)  Diesem  Saltus  würden  dann  die  Paehthöfe  angehören,  welche  K.  Schumacher 
in  Wostd.  Zeitschr.  15,  1  ff.  beschreibt. 

2)  Meitzen,  Wanderungen  u.  s.  w.  1,  390  verbindet  Sumeloceima  mit  den  nach 
Dio  77,  14  von  Caracalla  bekämpften  Cenni;  allein  diese  können  doch  nicht  innerhalb 
von  römischem  Provinzialland  gesucht  werden.—  Auch  die  civitas  Taunensium  könnte 
einen  .saltus  Taunensium  zur  Voraussetzung  gehabt  haben;  denn  wenn  auch,  was 
Tacitus  „agri  decumates"  nennt,  nach  seinem  Sinn  südlich  vom  Main  hxg^  so  kann  ja 
der  eine  oder  andere  saltus  auch  nördlich  vom  Main  eingerichtet  worden  sein. 


Zur  Okkupations-  u.  Verwaltungsgeschichte  des  rechtsrheinischen  Römerlandes.    97 

funde,  darunter  eine  von  Domitian  bezeugt  ist^);  ein  Römerweg  soll  in  west- 
östlicher Richtung  vor  der  Schanze  konstatiert  sein.  Es  ist  aber  zuzugeben, 
dass^dieses  Erdwerk  auch  von  dem  späteren  südnördlichen  Erdwall  aus,  der 
von  Lorch  nordwärts  zieht,  erklärt  werden  kann. 

Der  Saltus  zerfiel  in  Dörfer,  Komplexe  von  Höfen  und  einzelne  Pacht- 
höfe. Ein  Dorf  (vicus)  war  der  Ort  Sumelocenua  auf  dem  linken  Neckarufer 
an  der  Stelle  des  heutigen  Rottenburg;  das  Territorium  des  Kastells  ist  auf 
dem  rechten  Ufer  anzusetzen,  so  lange  überhaupt  ein  Kastell  da  war.  Gruppen 
von  Höfen  (casae)  und  einzelne  Höfe  haben  wir  in  den  zahlreichen  Nieder- 
lassungen, welche  in  den  durch  den  Strassenverkehr  und  die  Gunst  der  Lage 
bevorzugten  Teilen  des  Landes  entstanden  und  von  denen  neuestens  einzelne 
Beispiele  sowohl  hinsichtlich  der  Konstruktion  der  Wohnstätte  als  nach  der 
Art  der  Bewirtschaftung  beschrieben  worden  sind*).  —  Wie  weit  das  Terri- 
torium des  saltus  Sumelocenensis  sich  erstreckte,  lässt  sich  nicht  genauer  be- 
stimmen. Wahrscheinlich  umfasste  er,  da  gar  kein  anderes  Zeugnis  in  dem 
betreffenden  Gebiet  vorliegt,  mit  Ausnahme  der  Kastellterritorien  alles  ober- 
germanische  Land  von  der  Grenze  der  Helvetier  an  bis  zum  unteren  Neckar, 
an  welchem  es  sich  mit  dem  Territorium  Alisinense  berührte. 

Ein  grösserer  Ort,  der  nicht  mit  einem  Kastell  zusammenhing,  ist  ausser 
Sumelocenne,  dem  früheren  keltischen  Dorf,  das,  wie  schon  bemerkt,  unab- 
hängig vom  anfangs  vorhandenen  Kastell  blieb  und  Sitz  des  Prokurators  war, 
nicht  nachzuweisen;  es  scheint,  dass  bald  das  Kastell  überhaupt  wegkam,  um 
erst  am  Ende  des  dritten  oder  im  vierten  Jahrhundert  in  anderer  Weise  als  be- 
festigter Platz  wieder  aufgenommen  zu  werden.  Von  diesem  vicus  nun  — 
dieser  Titel  ist  zwar  für  Sumelocenna  nicht  überliefert,  aber  für  die  Zeit  des 
Saltus  anzunehmen  —  haben  wir  Zeugnisse,  welche  mit  Hilfe  der  Analogie 
die  Organisation  erkennen  lassen.  Er  war  der  Vorort  des  Saltus,  in  ihm  lässt 
der  Gemeinderat  desselben  durch  die  Vorsteher  die  namens  des  Saltus  be- 
schlossenen Monumente  aufstellen,  und  diese  Vorsteher  heissen  wie  in  Afrika 
magistri.     Die  wichtige  Inschrift,   die  uns  dies  kund  thut,  lautet^): 

1)  Oberamtsbeschreibung  von  Welzheim  1845  S.  114.  Von  Münzfunden  neuester 
Zeit,  die  verschleudert  wurden,  erfuhr  ich  jüngst  erst. 

2)  Schumacher,  römische  Meierhöfe  im  Limesgebiet  in  Westd.  Zeitschr.  XV 
(18%)  S.  Iff.  —  Meitzen,  Wanderungen  1,  352.  3,  147—160.  Anl.  Taf.  32—34.  Eine 
Übersicht  der  bis  jetzt  gefundenen  Niederlassungen  in  Württemberg  giebt  Haug  in 
.Das  Königreich  Württemberg"  (1882)  I  S.  191  flf.,  wo  die  Gesamtzahl  der  auf  württem- 
bergischem Boden  konstatierten  auf  532  berechnet  wird.  Dazu  ist  zu  vergleichen  die 
Paulus'sche  Archäologische  Karte  und  E.  v.  Paulus,  Die  Altertümer  in  Württemberg. 
Stuttg.  1876/7.  Natürlich  gehören  hierher  nur  diejenigen  Niederlassungen,  die  zu 
Obergermanien  gezählt  werden  können.  Die  Topographie,  welche  in  den  angegebenen 
Publikationen  gegeben  ist,  gewinnt  ein  neues  Interesse  durch  die  jetzt  mit  herein- 
tretenden administrativen  und  wirtschaftlichen  Gesichtspunkte. 

3)  Ich  gebe  sie  nach  eigener  Abschrift  und  nach  einer  trefflichen  Photographie, 

die  ich  Hrn.  Prof.  Dr.  Sixt,  dem  Vorstand  des  Stuttgarter  Lapidariums,   in   dem  sich 

die  Inschrift  befindet,  verdanke.    In    Z.  6  ist  nicht,   wie   bei  Brambach  n.  1633  und 

sonst  Teröffentlicht  wird,  G  zu  lesen,   sondern  C.    Das  C   hat   dieselbe  Form  wie   in 

DECBETO  in  Z.  3. 

Jahsb,  d.  Ter.  y.  Alterihsfir.  im  Rheinl.  lOS.  7 


98  E.  H  e  r  z  0  g : 

IN     .    H    0  N  0   R   EM 
DOMVSDIVIN 
EXDECRETO   ORDINIS 
SALTVSSVMELOCENNEN 
SIS-  CVRAM  AGENTIB 
IVLDEXTROTCTVRRAN 
MARCIANO  •  .  •  ^^'^  G 
Z.  7  giebt  Jaumann  (Neuere  zu  Rottenburg  a.  N.  aufgefund.  röm.  Altert. 
Nachtrag  zu  Col.  Sumel.  Stuttgart    1855,  S.  18),  der  die  Inschrift  zuerst  ver- 
öffentlichte, so:  MARCIANO  IIVIRIS  Cl 

und  bemerkt  dazu:  „Auf  dem  ausgebroehenen  Fragment  der  letzten  Zeile  war 
noch  deutlich  zu  lesen  IIVIRIS  (also  duumviris).  Leider  ist  bei  einem  Be- 
such dieses  ganze  Bruchstück  in  drei  zerbrochen  worden  und  die  Schrift  jetzt 
nicht  mehr  zu  lesen."  Dass  Jaumann  den  letzten  Buchstaben  G,  der  übrigens 
ganz  sicher  ist,  falsch  las  als  Cl,  begreift  sich;  was  aber  davor  noch  sichtbar 
ist  und  was  auch  Brambach  giebt,  sind  unzweifelhaft  die  oberen  Reste  von  M 
und  A;  also  IIVIRIS  kann  nicht  auf  dem  Fragment  mit  allen  Buchstaben  ge- 
standen haben ;  Brambach  nimmt  die  Lücke  viel  zu  gross  und  vermutet  gegen 
seine  eigene  Abschrift  |  ,|viris  Aug(ustalibus) ;  Hang  (Königr.  Württemb.  1 
S.  149)  lässt  nach  MARCIANO  eine  völlige  Lücke.  Der  Schluss  kann  nichts 
anderes  sein  als  mag(istris) :  nachdem  ich  mich  an  Ort  und  Stelle  hiervon  über- 
zeugt, sah  ich,  dass  schon  Schulten  (röm.  Grundh.  S.  104)  aus  Brambachs 
Wiedergabe  richtig  mag(istri8)  erschlossen  hatte;  dagegen  berücksichtigt  er 
die  Jaumannsche  Angabe,  dass  deutlich  IIVIRIS  zu  lesen  sei,  nicht,  ein  Zeug- 
nis, über  das  man  nicht  ganz  hinweggehen  kann.  In  der  Lücke  vor  M  hätte 
MV  Raum,  und  so  ist  duumv{iris)  magiistris)  Ah  möglich  zuzugeben,  was  analog 
wäre  den  afrikanischen  magistri  quinquennales  (c.  i.  lat.  8,  9317).  Jedenfalls 
aber  sind  nach  dem  Wortlaut  der  Inschrift  sowohl  der  ordo  als  die  magistri 
auf  den  ganzen  Saltus  zu  beziehen,  natürlich  aber  sind  die  letzteren  auch  die 
Beamten  des  vicus  Sumelocenna. 

Wie  diese  Inschrift,  so  zeigen  weitaus  die  meisten  andern  in  dem  frag- 
lichen Gebiet  gefundenen  lateinische  Personennamen;  Vermischung  von  Latei- 
nischem und  Keltischem  wie  in  der  Inschrift  Bramb.  n.  1558  vom  J.  169 
n.  Ch.  kommt  vor,  aber  nicht  häufig.  Das  hängt  wieder  damit  zusammen, 
dass  die  Bevölkerung  nicht  national  einheimisch,  sondern  zum  grössten  Teil 
aus  gallischem  Gebiet  eingewandert  war  und  daher  schon  eine  gewisse  Roma- 
nisierung  mitbrachte.  Von  Anfang  an  mögen  also  Bestandteile  mit  latini- 
schem Recht  darunter  gewesen  sein.  An  einzelnen  Orten,  wie  in  der  bürger- 
lichen Niederlassung  bei  Rottweil,  sind  durch  Münzzeugnisse  die  Zeichen 
der  römischen  Kultur  in  Hausbau  und  Hauseinrichtung,  in  Wandmalerei, 
Geräten,  Heizapparat  u.  dgl.  sehr  frühe,  noch  im  ersten  Jahrhundert  n.  Ch. 
zu  erfassen;  sonst  haben  wir  Zeugnisse  erst  aus  dem  zweiten  und  dem  An- 
fang des  dritten  Jahrhunderts  in  den  Hofstätten,  welche  vor  etwa  zehn  Jahren 
auf   dem    rechten  Neckarufer   bei  Rottenburg    ausgegraben   wurden   (Westd« 


Zur  Okkupations-  u.  Verwaltnngsgeschichte  des  rechtsrheinischen  Römerlandes.   99 

Zeitschr.  3  S.  331  flf.).  Diesen  äusseren  Zeichen  entspricht  nun  aber  auch  der 
Fortschritt  des  Munizipalwesens.  Der  saltus  wird  zur  civitas.  In  einer  der 
Zeit  nach  nicht  zu  bestimmenden  Inschrift  von  Köngen  (bei  Esslingen)  am 
Neckar  (ungefähr  40  Kilometer  vom  Vorort  Sumelocenna  entfernt)  ist  die  In- 
schrift eines  P.  Quartionius  Secundinus  decu(rio)  [c]ivi(tatis)  Suma(locennensis)  ge- 
funden worden.  In  der  22.  Legion  dienen  i.  J.  231  n.  Ch.  zwei  Reiter,  die 
aus  der  civitas  Sumel.  ausgehoben  sind  (Brambach  n.  1034);  ein  Veteran  der 
S.Legion  nennt  sich  civis  Sumel.  bei  Murat.  870,  2;  in  Rottenburg  macht  ein 
coUegium  iuventutis  der  civitas  Sumel.  eine  Dedikation  dßr  Diana  (Brambach 
n.  1629).  In  der  Zeit  also,  da  diese  Inschriften  gesetzt  wurden,  war  die  Ge- 
meinde eine  Civitas,  ohne  Zweifel  latinischen  Rechts.  Zugleich  erhellt,  dass 
die  Latinergemeindc  eben  die  des  ganzen  bisherigen  Saltus  ist  ohne  Bevor- 
zugung des  Vororts;  denn  das  Recht  im  Gemeinderat  zu  sitzen,  ist  nicht  ge- 
bunden an  den  Wohnsitz  in  demselben.  Wir  haben  also  hier  diejenige  Form, 
welche  Mommsen,  Hermes  16,  679  flf.  für  die  benachbarte  helvetische  Gemeinde 
beschrieben  hat^).  Ebenso  gilt  für  diese  Gemeinde  und  ihre  Verhältnisse,  was 
Mommsen  a.  a.  0.  474  flf.  über  den  Einfluss  der  Verallgemeinerung  des  römischen 
Bürgerrechts  durch  Caracalla  i.  J.  212  ausgeführt  hat.  Ist  jene  Erhöhung  des 
Gemeinderechts  vor  212  erfolgt,  so  galt  für  sie  das  Gesetz  Caracallas  in  dem- 
selben Umfang  wie  für  die  Latinergemeinden  ähnlichen  Rechts;  fällt  sie  nach 
(1.  J.  212,  so  war  auch  dann  noch  Konstituierung  mit  latinischem  Recht  möglich. 
Eine  Tribus  geben  die  Angehörigen  dieser  Orte  weder  vor  noch  nach  212  an. 

Dass  wir  diesen  Hergang  bei  dem  Territorium  von  Sumelocenna  heraus- 
stellen können,  verdanken  wir  lediglich  einigen  inschriftlichen  Zeugnissen. 
Man  wird  zugeben,  dass,  wie  oben  bemerkt,  für  die  civitas  Alisinensis,  das 
Gebiet  des  unteren  Neckars,  derselbe  Hergang  möglich  war,  ja  sogar  wahr- 
scheinlich ist,  da  die  Grundvoraussetzung,  der  Mangel  einer  nationalen  Ge- 
meinde, dieselbe  ist. 

Die  vorgegangene  Veränderung  erklärt  nun  aber  auch,  weshalb  in  dem 
Gebiet  des  saltus  Sumelocennensis  nicht  mehrere  Inschriften  von  Domänen- 
proknratoren  zu  Tage  gekommen  sind. 

In  der  gleichen  Weise,  wie  in  dem  Territorium  oder  den  Territorien,  die 
zur  kaiserlichen  Domäne  gehört  hatten,  vollzog  sich  der  Fortschritt  in  den 
Territorien  der  Kastelle.  Die  Kolonen  in  den  Lagerdörfem  wurden  wohl- 
habender; vielleicht  wurde  ihnen  Land,  das  sie  durch  Rodung  dem  Anbau 
gewonnen,  vertragsmässig  so  überlassen,  dass  es  durch  langjährigen  Besitz  zu 
Eigentum  wurde,  die  canabae  und  die  Wohnungen  der  Kolonen  werden  zum 
Vicus  und  dieser  erhält  eigene  Vorstände,  Magistri  mit  Quästoren  und  Ädilen. 
Diese  Entwicklung  haben  wir  am  Limes  in  dem  Lagerort  bei  Öhringen,  der 
zum  vicus  Aurelius  wird  (vgl.  die  Beschreibung  der  Kastelle  bei  Öhringen  in 
„Der  obergerm.-rät.  Limes  des  Römerreichs"  Lief.  5  S.  12  f.  21)  und  dessen 

1)  Dasselbe  gilt  von  der  civitas  Alisinensis.  In  der  Inschrift  aus  Neuenstadt 
Brambach  n.  1614,  Haug  1,  164  n.  3  steckt  vielleicht  ein  dec(urio)  c(ivitati8) 
AQisinensis),  der  dann  ebenfalls  nicht  im  Vorort  ansässig  gewesen  wäre. 


100  E.  H  e  r  58  o  g : 

Verwaltung  inschriftlich  durch  einen  Quästor  vertreten  ist  (a.  a.  0.  S.  27, 
Brambach  N.  1561).  Nach  der  allgemeinen  Analogie  des  Munizipalwesens 
sollte  nun  ein  solcher  Vicus  einer  Civitas  einverleibt  werden,  und  dafür  haben  wir 
auch  einen  Beweis  in  der  oben  (S.  99)  angeführten  Inschrift  von  Köngen  *).  Wenn 
in  dem  Dorf  bei  dem  dortigen  Lager  ein  decurio  civitatis  Sumalocennensis  wohnt, 
so  ist  der  frühere  Lagerort  von  dem  Lager  hinweg  zu  der  nächstgclegenen 
Civitas  geschlagen  worden.  Es  sind  aber  auch  Fälle  denkbar,  in  welchen 
dies  wegen  der  Lage  nicht  leicht  möglich  oder  nicht  zweckmässig  war;  in 
solchem  Fall  ist  denkbar,  dass  der  Vicus  eine  Art  munizipaler  Selbständigkeit 
erhielt  mit  einem  Anschluss  an  das  Lager,  bei  welcher  der  Lagerkonmiandant 
das  Hoheitsrecht  repräsentierte,  welches  sonst  die  Behörden  der  Civitas  hatten. 
Dafür  könnten  die  Beispiele  angeführt  werden,  welche  Schulten,  Hermes  29 
S.  502  aus  Ravenna  und  Misenum  beibringt  von  Verbindung  der  Flottenpräfektur 
mit  cura  der  Ortschaften  bei  den  Flottenlagern.  In  dem  Limesgebiet  ist  mir 
kein  solches  Zeugnis  bekannt.  Der  vicus  Aurelius  hatte  als  nächste  selbständige 
Gemeinde  die  civitas  Alisinensis. 

Mit  der  Erhöhung  des  Saltus  zur  latinischen  civitas,  der  canabae  der 
Kastelle  zu  vici  ist  eine  Veränderung  des  Bodenrechts  zu  verbinden.  Der 
Pachtacker  wurde  in  beiden  Fällen  zu  ager  privatus  vectigalisque,  provinziales 
Privateigentum,  für  das  an  die  Stelle  der  bisherigen  Naturalabgaben  und 
-Leistungen  die  Bodensteuer  trat.  Das  kaiserliche  Vermögen  verlor  dabei  wenig, 
da  nach  Abzug  der  Verwaltungskosten  der  Reingewinn  gering  gewesen  war;  dieser 
Reingewinn  kam  nun  dem  Fiskus  zu  gute  bei  geringerem  administrativem  Auf- 
wand. Die  Abtrennung  des  von  bisherigen  Lagerpächtern  bebauten  Felds  vom 
Lagerterritorium  kam  nur  für  den  Fiskus  in  betracht,  dem  der  Aufwand  für 
die  Truppe  oblag;  er  wird  durch  die  neue  Regelung  eher  gewonnen  haben. 
Nimmt  man  bei  solchen  Fällen  die  oben  besprochene  zweite  Alternative  eines  ge- 
wissen Anschlusses  an,  so  ist  nicht  notwendig  die  Konsequenz  zu  ziehen,  dass  der 
neue  Vicus  auch  Ort  der  origo  für  die  Ortsangehörigen  geworden  wäre;  es  konnte 
nach  wie  vor  das  Lager  als  die  origo  bestimmend  festgehalten  werden.  Die  Bevöl- 
kerung dieser  Orte  bestand  aus  den  durch  das  Kastell  angezogenen  Handels-  und 
Gewerbetreibenden,  Ackerbauern  und  den  Veteranen,  welche  sich  hier  nieder- 
liessen  und  leicht  Landeigentum,  sei  es  durch  Schenkung  oder  durch  eigene 
Rodung  noch  unkultivierten  Bodens  gewinnen  konnten.  Diese  sowie  die  unter 
den  Einwohnern  des  Vicus  befindlichen  römischen  Bürger  bildeten  mit  ihren 
korporativen  Verbänden  (collegium  und  conventus)  einen  privilegierten  Bestand- 
teil des  Orts,  so  z.  B.  in  Öhringen  nach  dem  Zeugnis  der  Inschrift  Oberg.-rät. 
Limes  Lief.  5.  Öhringen  S.  21.  —  W^enn  nun  auf  diese  Weise  der  grosse  rechts- 
rheinische Domänenbestand,  die  decumates  agri,  gewöhnliches  Provinzialland 
wurde,  so  konnte  deswegen  doch  noch  Domänenbesitz  in  beschränkterem  Masse 
zurückbehalten  werden.     Darauf  führt  der  von  mir  schon  Bonn.  Jahrb.  H.  59 


1)  Anders  liegt  der  Fall  bei  Sumelocenna  selbst,  da  dieser  Ort  nie  zu  dem  Ter^ 
ritorium  des  uuf  dem  andern  Ufer  gelegenen  Kastells  gehört  hatte  (ob.  S.  97). 


Zur  OkkupatioDS-  u.  Verwaltnngsgeschichte  des  rechtsrheinischen  Römerlandes.    101 

S.  59  angeführte  juristische  Fall,  der  in  den  Digesten  (21,  2,  11)  behandelt 
ist.  Di6  Stelle  lautet:  L.  Titius  praedia  in  Germania  trans  Rhenum  emit  et 
partem  pretii  intulit:  cum  in  residuam  quantitatem  heres  emptoris  conveniretur, 
quaestionem  rettulit  dicens  has  possessiones  ex  praecepto  principali  partim  di- 
stractas  partim  veteranis  in  praemia  adsignatas:  quaero  an  huius  rei  periculum 
ad  venditorem  pertinere  possit.  Paulus  respondit  etc.  Da  es  sich  hier  um 
Land  handelt,  das  zu  Veteranenassignationen  verwendet  und  über  welches 
ex  praecepto  principali  verfügt  wird,  so  ist  es  nicht  ager  privatus,  sondern 
Domänenland,  und  dann  sind  der  venditor  und  emptor  Grosspächter,  conduc- 
tores.  Dies  wtlrde  wohl  stimmen;  jetzt  wäre  für  die  noch  zurückbehaltenen 
jedenfalls  ertragreicheren  Domänen  der  conductor  am  Platz,  der  dann  unter 
dem  Prokurator  des  kaiserlichen  Vermögens  in  der  obergermanischen  Provinz  stand. 

Fassen  wir  das  hier  Erörterte  zusammen,  so  wäre  die  administrative  Ent- 
wicklung so  zu  denken.  Der  Mangel  einer  vorrömischen  sesshaften  nationalen 
Bevölkerung  führte  nach  der  Besitznahme  des  rechtsrheinischen  Gebiets  süd- 
lich des  Mains  zum  System  der  agri  decumates  sowohl  für  die  Gegenden  mit 
offenen  Siedlungen  wie  für  die  Kastellorte.  Nachdem  die  Fortschritte  der 
Kultur  im  Laufe  des  zweiten  Jahrhunderts  die  Bevölkerung  auf  eine  höhere 
Stufe  gebracht  und  wenigstens  in  den  günstiger  gelegenen  Gegenden,  den 
Flussthälern  und  ihrer  Umgebung  und  an  den  durchgehenden  Verkehrsstrassen 
Niederlassungen,  die  Dauer  und  weiteren  Fortschritt  versprachen,  gesichert 
waren,  wurde  das  Land  der  Provinzialverwaltung  einverleibt  und  erhielt  die 
in  Gallien,  speziell  in  dem  benachbarten  Helvetien  bestehenden  Einrichtungen. 
Das  Zehntland  der  kaiserlichen  Domäne  wurde  als  Ganzes  ein  munizipales 
Territorium.  Die  Lagerorte  bei  den  Kastellen  wurden  von  dem  Territorium 
derselben  abgetrennt  in  dem  Massstabe,  als  sie  zu  stattlichen  Dörfern  wurden 
und  als  die  Militärverwaltung  Sicherheit  dafür  hatte,  dass  sie  das  für  die 
Kastelltruppen  Nötige  auch  ohne  das  Pachtsystem  beschaffen  könne.  Bei  den 
meisten  Limeskastellen  scheint  diese  höhere  Entwicklung  nicht  erreicht  worden 
zu  sein;  denn  was  bei  ihnen  an  bürgerlichen  Niederlassungen  konstatiert  wird, 
ist  meist  sehr  dürftig.  Wie  dann  die  Grenze  im  dritten  Jahrhundert  beunruhigt 
wurde,  mussten  einerseits  die  Besatzungen  verstärkt  werden,  andererseits  litt 
die  Civilbevölkerung  und  wurde  geradezu  ungenügend.  Dies  veranlasste  den 
Severus  Alexander  zur  Einführung  des  Systems  der  fundi  limetanci  (vit.  Alex.58, 4). 

Jedes  Kastell  aber  behielt  zu  allen  Zeiten  ein  gewisses  Territorium,  wenn 
es  sich  auch  nach  Abtrennung  des  zum  Vicus  gehörigen  Landes  auf  eine  kleine 
Strecke  beschränkte.  An  der  Limeslinie  wird  jedenfalls  die  Strecke,  welche 
die  Überwachungsaufgabe  eines  Kastells  bildete,  mit  den  daranstossenden  prata 
zu  diesem  Territorium  gehört  haben,  während  der  rückwärts  nach  Innen  sich 
erstreckende  Teil  abgelöst  werden  konnte.  So  blieb,  um  zu  dem  Anfang  dieser 
Auseinandersetzung  zurückzukehren,  die  Grenze  zwischen  Rätien  und  Ober- 
germanien  da,  wo  die  Territorien  der  äussersten  Grenzkastelle  der  beiden  Provin- 
zen, des  Kastells  am  Schicrenhof  bei  Gmünd  (Obergenn.-rät.  Limes  Liofer.  7 
n.  64)  and  des  Kastells  Lorch  (ebeudas.  Liefer.  5  n.  63)  zusanmienstiessen. 


3.    Die  neueren  Ausgrabungen  vor  dem  Clever  Thor  zu  Xanten. 


Von 
J.  Steiner. 


Erst  im  Winter  1896/97  war  dem  niederrheinischen  Altertums -Vereine 
hierselbst  die  Möglichkeit  gegeben;  die  Ausgrabungen  wieder  aufzunehmen  an 
der  Stelle,  wo,  wie  der  Verfasser  im  Heft  87  dieser  Jahrbücher  S.  93  be- 
richtet hat,  ein  von  der  nordöstlichen  Umfassungsmauer  der  daselbst  beschrie- 
benen Niederlassung  abgehender  Ausbau  (bei  9  der  dort  S.  88  beigefügten 
Zeichnung)  seiner  Zeit  nicht  nachgegraben  werden  konnte,  weil  die  Grund- 
stücke nicht  weiter  zur  Verfügung  gestellt  wurden. 


Dieser  Ausbau  bei  a  obiger  Skizze  besitzt  eine  Breite  von  3,5  m  und 
geht  zuerst  in  einem  rechten  Winkel  von  der  Hauptmauer,  welche  im 
NO  die  Anlage  begrenzt,  ab  in  einer  Länge  von  7  m.  Dann  zweigen  sich  von 
ihm  bei  b  in  einem  stumpfen  Winkel  die  Fundamente  einer  Mauer  in  einer 
Stärke  von  1,30  m  ab  und  erstrecken  sich  geradelaufend  56  m  weiter,  an 
zwei  Stellen  c,  d  Pfeileransätze  zeigend. 

So  war  das  Ergebnis  der  im  Winter  1887/88  ein  Ziel  gesetzter  Ausgrabung. 
Die  neuerdings  wieder  aufgenommenen  Aufdeckungen  ergaben,  dass  die  Funda- 
mente bei  e  sich  etwas  schrägwärts  drehen  in  einer  Länge  von  r.  21  m.  Hier 
findet  sich  eine  Lücke  fim  Mauerwerk,  1,20  m  breit.  Ob  an  dieser  Stelle  ein 
Eingang  gewesen,  verrät  die  Bauart  nicht,  da  es  eher  schien,  als  ob  die 
Steine  ausgebrochen  worden  wären.  Die  nun  folgende  Fortsetzung  der  Mauer 
g  ist  nur  0,60  m  lang,   die  Breite  beträgt  1 ,20  m,   wie   die  Mauer  überhaupt 


Die  neueren  Ausgrabungen  vor  dem  Clever  Thor  zu  Xanten.  103 

hier  1,20  m  dick  ist.  In  einem  Zwischenraum  von  0,85  m  hiervon  ostwärts 
entfernt  beginnen  wieder  Fundamente  h,  die  sich  20  m  lang  hinziehen,  dann 
wieder  in  einem  rechten  Winkel  sich  umbiegen,  in  nordöstlicher  Richtung  bei  i 
10,50  m  weiter  gehend,  wo  dann  in  einem  Raum  von  3  m  alles  Steinmaterial 
ausgebrochen  ist  (bei  k  der  Karte).  Es  folgen  hierauf  in  der  gleichen  Flucht- 
linie ohne  nachweisbaren  Zusammenhang  drei  einzelne  Mauerstücke  1,  m  und  n, 
von  denen  das  letztere  3,50  m  Länge  hat,  während  die  beiden  ersten  ^2 — 1  ni 
lang  sind.  Die  Ecke  nach  dieser  Richtung  bildet  ein  Mauerblock  o  in  einer 
Stärke  von  2,70  m  zu  2,40  m.  Derselbe  hat  nach  aussen  eine  abgerundete 
Kaute. 

Von  diesem  Eckstüek  an  wurden  die  Bauüberreste  p  6,30  m  weiter  in 
nordwestlicher  Richtung  biosgelegt.  Dieselben  hier  weiter  zu  verfolgen  und 
ihren  Endpunkt  zu  bestimmen  hinderte  leider  wiederum,  ebenso  wie  bei  der 
früher  erwähnten  Aufdeckungsarbeit,  ein  mit  Wintersaat  bestelltes  Grundstück. 
Das  Hess  sich  eben  noch  feststellen,  dass  an  der  Grenze  dieses  Ackers  und 
des  Ausgrabungsfcldes  die  Mauer  sich  in  einem  rechten  Winkel  nach  oben  hin 
wendet. 

Vorläufig  müssen  wir  uns  nun  in  betreff  der  weiteren  Ausgrabung  auf 
eine  Zeit  vertrösten,  wo  der  Eigentümer  des  in  Frage  stehenden  Ackers  uns 
die  Nachgrabung  gestattet,  und  zur  Zeit  es  uns  versagen  über  die  Gebäude- 
anlage an  dieser  Stelle,  die  so  nahe  der  Umwallnngsmauer  ist,  ein  sicheres 
urteil  zu  fallen. 

Ob  überhaupt  die  vor  dem  Clever  Thor  entdeckten  Überreste  solche  der 
Colonia  traiana  oder  der  Tricesimae  des  Ammianus  Marcellinus  sind,  können 
wir  bis  jetzt  nur  als  blosse  Vermutung  annehmen.  Ein  bestimmtes  Urteil  hier- 
über wird  sich  erst  dann  fällen  lassen,  wenn  die  Ergebnisse  der  bereits  vor- 
genommenen und  der  noch  vorzunehmenden  Ausgrabungen  zusammen  nähere 
und  bestimmte  Anhaltspunkte  in  dieser  Hinsicht  ergeben.  Dazu  bedarf  es  aber 
noch  vieler  und  genauerer  Nachforschungen  in  der  von  einer  in  diesen  Jahr- 
büchern 87  S.  87  f.  beschriebenen  Mauer  eingeschlossenen  85  ha  grossen  Fläche, 
die  meist  noch  aus  Ackerland  besteht.  Zu  einer  solchen  Arbeit  reichen  aber 
die  Kräfte  und  Mittel  unseres  kleinen  Ortsvereins  bei  weitem  nicht  aus. 
Dringend  zu  wünschen  wäre  es  daher,  wenn  die  Provinz  sich  dieser  bei  der 
Wichtigkeit  unserer  Gegend  für  den  Anfang  und  den  weiteren  Fortschritt  der 
Römerherrschaft  in  üntergermanien  so  nötigen  und  allein  Aufschluss  bringenden 
Arbeit  unterzöge. 

Die  Bauart  und  insbesondere  das  Material  der  beschriebenen  Fundamente 
ist  dasselbe,  wie  das  der  anderen  Mauern  der  Anlage,  es  besteht  aus  Grauwacke 
und  Thonschiefer  mit  grobsandigem  Kalkmörtel  verbunden.  Dass  es  sich  um  ein 
Gebäude  an  dieser  Stelle  handelt,  beweist  der  Fund  von  einem  Säulenstück  aus 
feinem  weissen  Sandstein  mit  halbkreisförmigen,  durch  schmale  Flächen  getrennten 
Kannelierungen,  von  Dachziegeln,  Dachschiefer  mit  Nagelloch,  von  Stücken 
MauerbewurfS)  der  gelb  und  rot  bemalt  war,  und  dergleichen,  was  alles  auf 
ein  Gebäude  Schlüsse  zu  ziehen  gestattet. 


104  J.  Steiner: 

An  Kleinaltertttmern  fanden  sich  zunächst  viele  Münzen,  so  Mittelerze  von 
Tiberius,  Nero,  Vespasian,  Doniitian,  Antonios  Pins,  von  Traian  ein  wohl- 
erhaltenes Grosserz  (Coh.  386),  ansserdem  viele  nndentliche  und  schlecht  er- 
haltene Exemplare  von  Bronzemünzen. 

Die  aufgefundenen  Ziegelstempel  sind  folgende: 

1.  Dachziegelbruchstück  LECXXIIPPF. 

2.  Ein  ebensolches  |s|CXXI///,  welcher  Stempel  aber,  da  er  sich  mit 
dem  vorigen  Bruchstück  an  derselben  Stelle  fand,  auch  wohl  ein 
solcher  der  22.  Legion  sein  wird,  da  der  Bruch  gerade  mitten 
durch  II  hindurchgegangen  ist. 

3.  Ziegelbruchstück  gestempelt  |  F  | 

4.  Ein  ebensolches  mit  undeutlichem  Stempel  HNVIKII/// 

5.  Ein  solches  mit  eingeritztem  V. 

6.  Ein  Amphorahenkel  mit  Stempel  PORLAPA  darunter  eingeritzt 

X*) 

7.  Ein  Amphorahals  eingeritzt  XXI  und  IIV. 

An  sonstigen  Thonsachen  fand  man  eine  Kugel  von  Thon,  eine  Lampe, 
2  Krüglein  ohne  Henkel  von  weissem  Thon,  eine  graue  Urne,  verschiedene 
Thonperlen.  Auch  ein  Mühlstein  von  Lava,  sowie  mehrere  Bruchstücke  solcher 
wurden  entdeckt. 

Die  Zerstörungen,  welche  im  Laufe  der  Zeiten  hier  stattgefunden,  sind 
so  gründliche  gewesen,  dass  von  Thongegenständen  nur  einige  ganz  erhaltene 
Stücke  sich  vorfanden,  dagegen  eine  Unmasse  Thonscherben,  besonders  solche 
von  terra  sigillata-Sacheu,  welche  sämtlich  Spuren  zeigen,  dass  sie  gewaltsam 
zerkleinert  und  nicht  etwa  zufallig  zerbrochen  sind. 

Die  Stempel  auf  den  vorgefundenen  Sigillatasachen  sind  nachstehende: 

1.  Tasse  mit  Stempel  ///AVS//. 

2.  Fussscherbe  eines  ornamentierten  Napfes,  auf  der  Aussenseite  ver- 
kehrt Toa. 

3.  Ebensolche,  gestempelt  \ATVS0-FE. 

4.  Ebensolche,  gestempelt  ///IVLLIH. 

5.  Ebenso  ALBVS. 

6.  Tellerfussscherbe  mit  Stempel  HABITV8. 

7.  Ebenso  0FARDA. 

8.  Fussscherbe,  gestempelt  0FVITAI. 

9.  Ebenso,  Stempel  zweimal  durcheinander  VERVSFEC. 

10.  Ebenso  GALBINIM. 

11.  Ebenso  ME0ILLVS. 

12.  Ebensolche   RVSTICIC. 

13.  Ebensolche  ACRI. 


*)  Dr.  Hohn  in  Berlin  schreibt  mir  über  diesen  Stempel:  „Für  den  Anfang  ist 
die  Lesung  gestattet  Por(tu8)  oder  (de)  Por(tu),  d.  h.  Magazin.  Die  folgenden  Buch- 
staben, wahrscheinlich  einzeln  zu  fassen:  L.  A.(. . .)  Pa(.  .  .)  sind  nicht  aufzulösen,  wie  in 
vielen  Amphorastempeln^. 


J.  Steiner:   Die  neuereu  Ausgrabungen  vor  dem  Clever  Tiior  zu  Xanten.     105 

14.  Ebenso   ROGA///,. 

15.  Fußsscherbe  einer  Tasse  mit  Stempel  VITAL. 

16.  Ebenso  gestempelt  OFGEN. 

17.  Ebenso  GIA///1TF. 

18.  Bruchstück  einer  Tasse  mit  Stempel  SEN/////. 

19.  Ebensolches  ////SIVS. 

20.  Tellerbruchstttck  mit  Stempel  l  ^/^ 

21.  Hälfte  eines  Ktimpchens  mit  Strichverzierung  (Koenen,  Gefässkunde 
XVI,  23),  auf  der  Aussenseite  eingeritzt  FIIS. 

Anderweitige  zahlreiche  Scherben  zeigen  Verzierungen  verschiedener  Art, 
wie  Jagddarstellungen,  einen  liegenden  Hirsch,  einen  schreitenden  Hahn,  Kro- 
kodil, Esel  und  ein  erhabenes  Band,  worauf  ein  undeutlicher  Stempel,  eine 
Quadriga  mit  Löwen,  Blattornamente  und  dergleichen. 

Von  terra  nigra  sind  zwei  Tassen  vorhanden  und  der  untere  Teil  einer 
Urne,  auf  der  Aussenseite  gestempelt  OIIL'/.XV).  Von  Metallgegenständen  wurde 
eine  Menge  eiserner  Nägel  gefunden  von  5 — 22  cm  Länge,  ein  Eisenstück  mit 
Stielloch,  eine  viereckige  eiserne  Stange,  41 V«  cm  lang.  Von  Bronze  fanden 
sich  sechs  Gewandnadeln,  Haken,  Henkel,  Nadeln,  Sonden,  ein  kleiner  Spatel, 
Ringe,  Stifte,  Knauf  und  verschiedene  Beschläge. 

Ausserdem  sind  noch  als  Fundstücke  zu  envähnen  Bruchstücke  einer 
Schale  von  blauem  Glas,  von  Elfenbein  ein  Stilus,  sowie  eine  Haarnadel, 
deren  oberes  Ende  eine  kleine  weibliche  Büste  bildet. 


4.    Die  Arretinischen  Töpfereien. 

Von 
Max  Ihm. 


Von  der  uns  in  Menge  erhaltenen  rotglasierten  Thonwaare  italisehen 
Fabrikats  sind  am  bekanntesten  die  vasa  Arretina,  benannt  naeh  dem  Fabrikations- 
ort Arretium  in  Etrurien,  der  in  dieser  Beziehung  im  Altertum  einen  gewissen 
Ruf  hatte,  wie  aus  den  wenigen  Schriftstellerzeugnissen  zur  Gentige  erhellt. 
Viel  geben  diese  Zeugnisse  nicht  aus;  sie  liefern  keine  Beschreibung  der 
Fabrikate,  wir  erfahren  nicht  wie  alt  diese  Industrie  ist.  Es  sind  gelegent- 
liche Erwähnungen  und  Anspielungen,  die  älteste  bei  Plinius  n.  h.  35,  160, 
der  die  Arretinischen  vasa  terrena  unter  dem  Speisegeschirr  gleich  nach  den 
Samischen  nennt  ^).  Wir  dürfen  also  schliessen,  dass  zu  seiner  Zeit  und  auch 
noch  zur  Zeit  Martials*)  diese  Industrie  in  Arezzo  blühte,  wenn  auch  die 
Annahme  offen  bleibt,  dass  vasa  Arretina  mit  der  Zeit  Gattungsbegriff  ge- 
worden sein  kann  gerade  wie  vasa  Samia^).  Von  einem  unbekannten  Dichter 
abgesehen,  von  dem  das  Distichon  stammt 

Arretine  calix,  mensis  decor  ante  paternis, 
ante  manus  inedici  quam  hene  sanus  eras^), 
kommt  von  den  Zeugnissen   des  Altertums  nur^)  noch   die  antiquarische  Notiz 
bei  Isidor  Orig.  XX  4,  5  Arretina  vasa  ex  Arretio  municipio  Italiae  dicuntur 
übi  fiunt  in  Betracht®),  aus  der  natürlich  nicht  geschlossen  werden  darf,  dass 
noch    in  jener   späten  Zeit   die  Fabrikation  in  Arezzo    bestand.     Isidor   fügt 


1)  Samia  etiam  nunc  in  esculentis  laudantur.  Hetinent  hanc  nohilitatem  et  Ar- 
retium in  Italia  et  calicum  tantum  Surrenfum  u.  s.  w. 

2)  Epi<^r.  I  53,  6  sie  Ar  retinae  violant  crystallina  testae.  XIV  98  (Lemma  Vasa 
Arretina)  Arretina  nimis  ne  ^pemas  vasa  monemus :  lautus  erat  Tusds  Porsena 
fictilibus.  Hierauf  kann  sich  die  rubra  testa  XIII  7,  1  beziehen.  Vgl.  auch  MüUer- 
Deecke,  Die  Etrusker  II  p.  245. 

3)  Dragendorff,  Bonner  Jahrb.  96/97  p.  51  (wenn  im  folgenden  'Dragendorflf' 
zitiert  wird,  ist  immer  diese  grundlegende  Arbeit  über  Terra  sigillata  gemeint). 
Blümner,  Technologie  u.  s.  w.  II  p.  69. 

4)  Riese  A.  L.  259.     Bährens  PLM.  IV  p.  157. 

5)  In  der  Macrobiusstelle  Sat.  II  4,  12  möchte  Boruiann  CIL.  XI  p.  337  eine  An- 
spielung auf  die  vasa  Arretina  sehen  (lasar  Arretinum,  Cilniorum  Smaragde,  iaspi 
figulorum  bieten  die  Hss.). 

6)  Hieraus  das  Scholion  zu  P(»rsius  I  129  ex  Arretio  municipio  tibi  fiunt  Arre- 
tina vasa. 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  107 

hinzu,  dass  die  Gefasse  roth  gewesen  seien,  und  bezieht  auf  sie  den  Vers  des 
Sedulius  (carm.  pasch,  praef.  16)  rubra  quod  adpodtum  testa  ministrat  holus, 
womit  aber  durchaus  nicht  speziell  Arretinische  Waare  gemeint  zu  sein  braucht, 
da  ähnliche  Gefässe  ja  auch  an  anderen  Orten  Italiens  fabriziert  wurden^). 

Es  muss  unterschieden  werden  zwischen  „Arretinisch"  im  Allgemeinen 
als  Gattungsbegriff  und  „echt  Arretinisch",  d.  h.  in  Arezzo  selbst  hergestellt. 
Die  Art  der  Technik  wird  hier  niemals  massgebend  sein  können,  da  sich  auch 
andere  Orte  Italiens  dieser  Industrie  bemächtigt  haben  und  die  technische  Her- 
stellung im  Wesentlichen  tiberall  die  gleiche  war.  Es  entscheiden  die  an  Ort 
und  Stelle  gemachten  Funde.  „Echt  Arretinisch"  sollten  füglich  nur  diejenigen 
Gefässe  heissen,  die  in  Arezzo  selbst  oder  dessen  nächster  Umgebung  (z.  B. 
in  dem  Ort  Cincelli)  hergestellt  wurden.  Mit  Recht  hat  DragendorflF  darauf 
verzichtet,  seiner  verdienstlichen  Arbeit  ein  Verzeichnis  aller  sicher  Arretinischen 
Stempel  mit  allen  ihren  Varianten  beizugeben,  da  ihm  das  reiche  Material, 
das  Bd.  XI  des  CIL.  bringen  wird,  nicht  zur  Verfügung  stand.  Er  hält  sich 
im  Wesentlichen  an  das  Buch  von  Garaurrini*),  der  zuerst  und  bis  jetzt  als 
der  einzige  den  Versuch  gemacht  hat,  die  verschiedenen  in  Arezzo  befind- 
lichen Töpfereien  zu  sondern  und  zu  gruppieren,  die  Lokalitäten  der  Fabriken 
zu  bestimmen.  Spätere  Funde  haben  diese  Kenntnis  erheblich  vermehrt,  und 
heute  lässt  sich  mit  Hülfe  des  Materials  von  CIL.  XI  und  XV  ein  wesentlich 
deutlicheres  Bild  dieser  Industrie  gewannen.  Ich  halte  es  daher  für  nützlich, 
das  was  sich  sicheres  aus  den  Funden  ergiebt,  hier  in  Kürze  vorzutragen; 
denn  Dragendorffs  Darstellung  muss  in  mehr  als  einem  Punkte  berichtigt  und 
ergänzt  werden.  Als  Bearbeiter  der  betreffenden  Abteilung  für  Bd.  XI  des 
Corpus  hatte  ich  natürlich  mein  Hauptaugenmerk  auf  die  Inschriften,  die 
Fabrikstempel,  zu  richten.  Eine  erschöpfende  Behandlung,  auch  nach  der 
archäologischen  Seite  hin,  beabsichtige  ich  nicht.  Dazu  bedarf  es  einer 
erneuten  gründlichen  Untersuchung  der  im  Museum  von  Arezzo  aufgespeicher- 
ten Schätze  ornamentierter  Gefässe.  Auf  der  andern  Seite  muss  betont  werden, 
dass  auch  jetzt  noch  nicht  das  inschriftliche  Material  abgeschlossen  vorliegt, 
dass  neue  Funde  unsere  Kenntnis  der  Arretinischen  Industrie,  ihres  ümfanges 
und  ihrer  Verbreitung  über  Italien  und  die  Provinzen  zweifellos  bereichern 
werden^). 

Bevor  ich  mich  zu  den  einzelnen  figuli  wende,  wird  es  gut  sein,  um 
spätere  Wiederholungen  zu  vermeiden,  das  kurz  zusammenzufassen,  was  die 
bisherigen  Untersuchungen  über  das  Alter  dieser  Industrie,  über  Form  und 
Abfassung  der  Stempel  u.  s.  w.  ergeben  haben*).    Es  darf  jetzt  als  feststehend 


1)  Z.  ß.  in  Puteoli  (Dragendorff  p.  54). 

2)  Le  iscrizioni  degli  antichi  vasi  fittili  aretini  (Roma  1859). 

3)  Zu  besonderem  Danke  bin  ich  Heinrich  Dressel  verpflichtet,  dass  ich  die 
ausserordentlich  reichhaltige  Abteilung  der  in  Rom  gefundenen  vascula  Arretina 
(CIL.  XV)  verwerten  konnte. 

4)  Ich  verweise  hierfür  namentlich  auf  Drossel  CIL.  XV  p.  702  f.  und  Dragen- 
dorff p.  39  ff. 


108  Max  Ihm: 

gelten,  dass  die  Gefässfabrikation  in  Arezzo  schon  im  2.  Jhdt.  y.  Chr.  be- 
gonnen hat  nnd  dass  die  Hauptbltttezeit  das  ganze  erste  Jahrhundert  fHUt. 
Ein  Alterskriterium  bietet  namentlich  die  Farbe  der  GefUase;  die  mit  schwar- 
zem Firniss  überzogenen  sind  die  ältesten,  eine  Erkenntnis,  die  wir  hauptsächlich 
den  auf  dem  Esquilin  in  Rom  und  beim  Flusse  Castro  in  Arezzo  entdeckten 
alten  Nekropolen  verdanken^).  Die  auf  dem  Esquilin  gefundenen  Marken 
Q-Ar  und  C-V  stehen  auf  Gefässen  von  schwarzer  Farbe  und  kommen  auch 
auf  roten  Arretinischen  vor^).  Der  Übergang  von  den  schwarzen  zu  den  roten 
wird  gegen  Ende  des  2.  Jhdts.  erfolgt  sein ;  jedenfalls  aber  wurden  eine  Zeit- 
lang beide  Sorten  nebeneinander  hergestellt,  wie  es  auch  die  an  dem  'Orcio- 
laia'  genannten  Ort  gemachten  Funde  beweisen^).  Was  dann  die  roten  Gefässe 
anlangt,  so  weisen  nach  Dressel  diejenigen  Stempel  auf  ein  höheres  Alter  hin, 
welche  auf  dem  Boden  des  Gefässes  mehrfach  eingedrückt  sind.  Wir  finden 
eine  ganze  Anzahl  Stempel  vier-,  fünf-,  ja  siebenmal  wiederholt,  und  zwar 
nicht  nur  einzeilige,  sondern  auch  zwei-  und  dreizeilige*).  Die  Form  aller 
dieser  wiederholten  Stempel  ist  quadratisch  oder  oblong;  nie  findet  sich, 
wenigstens  soweit  ich  das  Material  übersehe,  die  sonst  so  häufige  Form  der 
Fusssohle  wiederholt.  Wir  müssen  danach  das  Aufkommen  der  Sohlenform 
einer  etwas  jüngeren  Zeit  zuschreiben.  Über  die  symbolische  Bedeutung  dieser 
Sohlenform  gehen  die  Ansichten  auseinander.  Wahrscheinlich  soll  sie,  wie 
schon  Gamurrini  angenommen  hat,  einfach  den  Besitz  bezeichnen^),  wenn  es 
auch  nicht  richtig  ist,  dass  die  Sohle  nur  mit  dem  Namen  des  Fabrikherm 
vorkommt.  Aber  wenn  auch  Sklaven  gelegentlich  in  dieser  Form  signieren, 
so  thun  sie  es  doch  auch  nur  im  Namen  ilires  Herrn.  So  steht  der  zweizeilige 
stadtrömische  Stempel  C.  XV  5791  Felix  \\  C,  Volu8{eni)  Mn  planta  pedis'  und 
in  C.  XI  wird  ein  Stempel  Aufnahme  finden,  der  nach  Gamurrinis  Zeugnis  die 
Gestalt  einer  doppelten  Fusssohle  hat:  Eroticius)  \\  C.  Volus.  Doch  sind  das 
Ausnahmen;  im  Grossen  und  Ganzen  bleibt  Gamurrinis  Beobachtung  bestehen, 
denn  die  Sohlenform  kommt  fast  nur  mit  dem  Namen  des  Fabrikherrn  vor^). 
Jedenfalls  muss  auch  den  Formen  der  Stempel  die  Beachtung  geschenkt  werden, 
die  ihnen  Dressel  im  CIL.  XV  hat  zu  Teil  werden  lassen.  Wie  mannigfaltig 
sie  sind,  zeigt  seine  p.  703  gegebene  Formentafel.  Es  überwiegen  bei  weitem 
das  Rechteck  und  die  Sohlenform,  aber  daneben  finden  sich  runde,  ovale, 
kreuzförmige,  halbmond-  und  kleeblattartige  u.  s.  w.  Es  muss  beachtet  werden, 
dass   in   den   verschiedenen  Fabriken  verschiedener  Gebrauch   herrschte.     Die 


1)  Dressel,  Annali  d.  Iiist.  1880  p.  265  ff.     Gamurrini  ebd.  1872  p.  270  ff. 

2)  Der  Stempel  GELT  auf  einem  Gefäss  'a  vernice  bruna'  (Dressel  a.  0.  p.  291) 
ist  gleichfalls  Arretinisch. 

3)  Gamurrini,  Not.  d.  scavi  1890  p.  63. 

4)  Z.  B.  Ä,  Tili  II  figu{li)y  A,  Tili  \\  figul{i)  \\  Ai-t*et{ini). 

5)  Loeschcke  bei  Dragendorff  p.  47  vermutet  apotropäische  Bedeutung. 

6)  Dragendorff  p.  47  will  einen  in  Sohlenform  vorkommenden  Stempel  deuten 
Krastus  C.  Ännif  was  sicher  unrichtig  ist.  Der  von  ihm  angeführte  Stempel  C.  II 
6257,  75  muss  in  Chrestus  C.  Anni  emendiert  werden  (vgl.  Dressel  zu  C.  XV  4967). 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  109 

ältesten  weisen  nie  Sohlenform  auf,  desgleichen  bedienen  sich  ihrer  niemals 
CalidiuSf  die  Annii,  TelliuSj  Tettius  und  andere  mehr,  während  umgekehrt 
eine  ganze  Anzahl  von  Firmen  ausschliesslich  oder  fast  ausschliesslich  die 
SohlenfoiTO  anwendet  (z.  B.  C.  Amurius,  P.  Clodius  Proculus,  C.  Clodius 
Sabinus)]  wie  es  scheint  geiiören  diese  sämtlich  der  jüngeren  Zeit  an.  Bei 
andern  schwankt  der  Gebrauch;  bei  A,  Manneius,  C.  Murr  ins  u.  a.  tiberwiegt 
die  Sohlenfonn,  bei  P,  Cornelius  das  Rechteck^). 

Es  war  Sitte,  die  Gefasse  mit  einer  Fabrikmarke  zu  versehen,  die  dem 
inneren  Boden  eingedrückt  wurde,  wenn  es  sich  um  gewöhnliches  Geschirr 
handelte,  während  sie  bei  Relicfgefässen,  auf  der  Aussenwand  angebracht, 
gewissenuassen  mit  zur  Dekoration  gehörte.  Entweder  dienten  dazu  bestimmte 
Marken*)  oder  aber,  und  das  ist  die  Regel,  der  Name  des  Fabrikanten,  und 
zwar  steht  dieser  bald  allein,  bald  in  Verbindung  mit  dem  Namen  des  Sklaven, 
der  das  Geföss  geformt  hat.  Aber  in  der  Namengebung  herrscht  willkürliches 
Schwanken.  Wir  finden  bald  die  tria  nomina  (häufig  abgekürzt),  bald  nur  das 
Nomen  und  endlich  das  blosse  Cognomcn^).  Die  bedeutendsten  unter  den 
Arretinischen  Fabrikanten  führen  kein  Cognomen,  und  das  bestätigt  die  oben 
gegebenen  Zeitansätze.  Name  oder  Namen  des  Herni  stehen  im  Genetiv,  nur 
ganz  vereinzelt  im  Nominativ,  wenigstens  soweit  es  sich  um  echt  Arretinische 
Waare  handelt;  in  vielen  Fällen  giebt  es  aber  keine  sichere  Entscheidung, 
weil  die  Namen  abgekürzt  sind.  Wird  der  Sklave  mitgenannt,  so  ist  der 
Stempel  fast  immer  zweizeilig,  und  zwar  gilt  als  Regel,  dass  der  Sklaven- 
name im  Nominativ  dem  Namen  des  Herrn  im  Genetiv  vorangeht;  nicht  selten 
folgt  er  aber  auch  nach  und  zwar  im  Genetiv,  so  dass  in  vielen  Fällen  der 
Zweifel  entsteht,  ob  wir  es  nicht  mit  einem  Freigelassenen*)  zu  thun 
haben,  der  mit  den  tria  nomina  signiert.  Da  aber  der  Sklavenname  in  einer 
ganzen  Anzahl  von  Fällen  auch  im  Genetiv  voransteht,  so  wird  man  auch  da, 
wo  er  folgt,  an  einen  Sklaven  zu  denken  haben,  ganz  abgesehen  davon,  dass 
eine  solche  Masse  angeblicher  Freigelassenen  von  vornherein  grossen  Bedenken 
unterliegt,  was  auch  Dressel  (CIL  XV  p.  703)  zugeben  muss.  Ich  begnüge 
mich  mit  einem  einzigen  Beispiel.    Wir  finden  nebeneinander 

Potus  P.  Com.  Pott  P.  Com. 

P.  Cor.  Potus  P.  Com.  Poti 

also  Potus,  Sklave  des  P.  Cornelius  signiert  auf  vier  verschiedene  Arten. 
Ausser   den  Namen  finden  sich   gelegentlich  sonstige  Zeichen  rein  dekorativer 


1)  Eine  eingehendere  Untersuchung  dieser  Frage  wird  von  CIL.  XI  u.  XV  auszu- 
gpehen  haben;  in  den  übrigen  Bänden  ist  die  Form  nur  vereinzelt  angegeben.  Auch  Mit- 
glieder der  nämlichen  Gens  gehen  im  Gebrauch  auseinander;  A.  Titi  steht  nie  in 
Sohle,  wohl  aber  C.  Titi  und  L.  Titi. 

2)  Eine  Übersicht  solcher  figürlicher  Fabrikmarken  giebt  Gamurrini,  Not.  d. 
scavi  1890  p.  69.  Auch  Zahlzeichen  finden  sich,  C.  XV  5803  ff.  Vgl.  Pasqui,  Not.  d. 
scavi  18%  p.  463. 

3)  Belege  bieten  die  weiteren  Ausführungen  zur  Genüge. 

4)  Sichere  Fälle  von  Freilassung  werden  unten  erwähnt  werden. 


110  Max  Ihm: 

Natur,  als  da  sind  Zweige,  kleine  Sterne,  Kränze^).  Weitere  inschriftliche 
Zusätze  gehören  bei  den  echt  Arretinischen  Gefässen  zu  den  Seltenheiten.  Für 
den  Zusatz  siei^vus)  weiss  ich  nur  einen  Beleg  in  dem  Stempel  Cinna  C.  L. 
Titiiprum)  siervus)  *),  denn  für  Suru8  Sari  L{uci)  s^ervus) ')  steht  Arretinische 
Provenienz  keineswegs  fest.  Dagegen  begegnen  wir  einige  Male  dem  Zusatz 
figulus  oder  figulus  Arretinus  oder  bloss  Arretinus^).  Auch  dass  mehrere  figuli 
sich  associierten,  wird  bezeugt  durch  Stempel  wie  Sura  et  Phüologua,  L» 
Oelli  II  L.  Sempironi),  Umbriciorumy  Vibienorum  ^).  Das  weibliche  Geschlecht 
kommt  auch  vor,  aber  ganz  vereinzelt,  sei  es,  dass  die  Patronin  genannt  ist, 
oder  eine  Sklavin. 

Aus  der  Form  der  Buchstaben  lässt  sich  für  die  Datierung  wenig  ge- 
winnen; sie  sind  bald  eleganter,  bald  roher,  selbst  wenn  es  sich  um  gleich- 
zeitige Erzeugnisse  handelt.  Auf  Formen  wie  A  und  a  möchte  ich  kein 
Gewicht  legen,  wohl  aber  verdient  in  einigen  Fällen  die  spitzwinklige  Gestalt 
des  l  hervorgehoben  zu  werden  (C.  XV  5323*.  5720*.  5770^  u.  a.).  Für  ver- 
tiefte Buchstaben  weiss  Dressel  nur  ein  Beispiel  anzuführen  C.  XV  5297*^ 
^•M-X33,  ein  Fabrikant,  der  schwerlich  seinen  Sitz  in  Arezzo  hatte.  Links- 
läufige Inschriften  sind  auf  den  echten  Arretina  selten.  Einzelne  Buchstaben 
stehen  öfter  verkehrt,  was  aber,  wie  Dressel  mit  Recht  hervorhebt,  nicht  aus 
dem  Gebrauch  beweglicher  Lettern  erklärt  werden  darf.  Die  Stempel  be- 
standen vielmehr  aus  einem  Stück  ^).  Für  die  zweizeiligen  Stempel  gilt  die 
Regel,  dass  eine  Zeile  den  Namen  des  Sklaven,  die  andere  den  des  Herrn 
enthält;  nur  selten  ist  davon  aus  Rücksicht  auf  den  Raum  abgewichen  worden'). 
Ligaturen  und  Abkürzungen  kommen  massenhaft  vor  und  finden  ihre  Erklärung 
in  dem  knappen  zur  Verfügung  stehenden  Raum. 

Dass  manche  Fabriken  mehrere  Generationen  hindurch  in  der  nämlichen 
Familie  blieben  ist  wahrscheinlich,  auch  dass  mit  den  Fabriken  ein  Teil  des 
Personals  durch  Kauf  in  andere  Hände  überging.  Doch  darf  man  das  letztere 
nicht  auf  einen  oder  zwei  Sklavennamen  hin  behaupten,  noch  dazu  auf  solche 
Sklavennamen,  die  zu  den  allergewöhnlichsten  zählen®). 


1)  Ein  Stempel  des  Rasinius  von  Zweigen  eingerahmt,  Not.  d.  sc.  1894  p.  119. 
Auch  bei  den  Titii  findet  sich  dergleichen,  was  Dragendorfif  p.  48  in  Abrede  stellen 
zu  müssen  glaubte. 

2)  Dressel  zu  C.  XV  5677. 

3)  Gamurrini  n.  347  (vgl.  n.  346).  In  C.  XV  5079»  ist  S  eher  Anfangsbuchstabe 
von  StrigoniSj  ebenso  unsicher  die  Deutung  5516.  5662.  5676. 

4)  Z.  B.  Senti  figuli^  A,  Tili  figuli  Arretini,  Über  die  Zusätze  officina  und  fecit 
vgl.  den  Schluss  dieses  Aufsatzes. 

5)  Vgl.  auch  C.  XV  5448. 

6)  Im  Museum  von  Arezzo  sah  ich  zwei. 

7)  Also  Eros  Cd^^di  Str{igoni8\  Romdji{u8)  L.  Titi  u.  ö.    Der  Stempel 

I'IILICIIIC^TMO 
bedeutet  Felicio  C,  T{itt)  N{epotis). 

8)  Die  beiden  von  Dragendorfif  p.  49  angeführten  Fälle  (die  Cornelii  und  Tettii 
betrefifend)  sind  als  zweifelhaft  zu  streichen. 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  111 

Was  die  Verbreitung  Arretinischer  Waare  in  Italien  und  den  Provinzen 
anlangt;  so  darf  selbstverständlich  'Verbreitung'  nicht  mit  'Export'  verwechselt 
werden,  denn  mancher  italische  Legionär  mag  sein  heimisches  Geschirr  mit 
in  die  Fremde  geschleppt  haben.  Aber  wo  Arretina  in  grösserer  Zahl  auf- 
treten, wird  man  mit  Export  zu  rechnen  haben.  Das  trifft  ausser  für  Italien 
(und  hier  besonders  Rom)  namentlich  zu  für  Spanien  und  Sudfrankreich, 
weniger  für  Afrika,  den  Orient,  die  Donauländer,  das  übrige  Gallien  oder  gar 
Britannien,  das  mit  Rom  erst  in  Verbindung  trat,  als  die  Blüte  der  Arretini- 
schen Industrie  bereits  erloschen  war,  wenn  auch,  wie  wir  sahen,  vasa  Arretina 
noch  zur  Zeit  Martials  einen  gewissen  Ruf  genossen. 

Nach  diesen  einleitenden  allgemeinen  Bemerkungen  wende  ich  mich  zur 
Besprechung  der  einzelnen  Arretinischen  Figlinen,  soweit  sie  sich  mit  Sicher- 
heit oder  Wahrscheinlichkeit  lokalisieren  lassen. 

Reste  antiker  Töpifereien  in  Arezzo  sind  bereits  im  Mittelalter  entdeckt 
worden.  Als  erster  berichtet  darüber,  wie  es  scheint,  Ser  Ristoro  d'Arezzo,  der 
um  die  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  sein  handschriftlich  erhaltenes  ^Libro  della 
compositione  del  Mondo"  verfasste  und  darin  des  Fundes  zahlreicher  Scherben 
Arretinischer  Töpferwaare  Erwähnung  thut,  unter  Berufung  auf  die  oben 
angeführte  Isidorstelle  ^).  Weitere  Funde  („e  ancora  se  trovano")  erwähnt 
kurz  (etwa  100  Jahre  später)  Giovanni  Villani*).  Aber  weder  er  noch  Ser  Ristoro 
melden  etwas  von  Inschriften,  die  sie  auf  diesen  Scherben  gesehen  hätten. 
Erst  im  Jahre  1492  wurde  in  Gegenwart  von  Johann  Medici,  dem  späteren 
Papst  Leo  X,  am  Ufer  des  Castro  bei  der  Brücke  „delle  Carciarelle"  ^)  ein 
ausgiebiger  Inschriftenfund  gemacht,  durch  den  wir  die  Offizin  des  Calidius 
Strigo  kennen  lernen.  Wir  haben  darüber  den  handschriftlichen  Bericht  des 
Attilio  Alessi  (CIL.  XI  p.  335),  aus  welchem  Gori,  Gamurrini  u.  a.  die  In- 
schriften mitgeteilt  haben.  Dass  sich  die  Fabrik  wirklich  an  jener  Stelle  be- 
funden hat,  ist  neuerdings  durch  weitere  Funde  bestätigt  worden*).  Ebendort 
scheint  die  Fabrik  eines  Domitius  gewesen  zu  sein,  der  aber  neben  Calidius 
kaum  in  Betracht  kommt ^),  da  wir  von  ihm  nur  wenige  Sklaven  kennen^),  während 
Calidius  über  mindestens  20  verfügte,  unter  denen  sich  des  meisten  Rufes 
erfreuten  Profus  und  Synistor,  Diese  beiden  Namen  kommen  öfters  allein 
ohne  den  Namen  ihres  Herrn  vor,  und  wahrscheinlich  sind  sie  später  frei- 
gelassen worden,  worauf  die  Stempel  Mam{a)  Sinisitoris)  und  Hil{  )  Pro{ti) 
hinzuweisen  scheinen,  falls  nicht  im  ersten  STRIG  statt  SINIS  zu  lesen  ist.    War 


1)  Pignotti,  Storia  della  Toscana  I  p.  144.  Fabroni,  Storia  degli  antichi  vasi 
fittlli  arctini  (Arezzo  1841)  p.  12  flf.  V.  Funghini,  Degli  antichi  vasi  üttili  aretini  (4.  ediz. 
Firenze  1893)  p.  8. 

2)  Pignotti  I  p.  146.   Fabroni  p.  16. 

3)  Vgl.  Gamurrini,  Notizie  degli  scavi  1890  p.  65  f. 

4)  U.  Pasqui,  Not.  d.  sc.  1894  p.  121  ff. 

5)  Es  wäre  übereilt,  die  verschiedenen  Domitii  (ein  Velox  DomiHoru(m)  CIL.  X 
8066,  370)  mit  dem  Arretinischen  figulus  zu  identifizieren. 

6)  Ly8imacu{8)  Dom(iti)  in  Rom,  C.  XV  5181. 


11^  Max  Ihm: 

der  in  Rom  erscheinende  I\  Calidiu^  Eros  C.  XV  5080')  früher  Sklave  unseres 
Calidius^),  so  hätten  wir  damit  das  Praenomen  des  Mannes;  Ganmrrini  (zu  n.  230) 
wollte  L[uciu8)  ersehliessen  aus  dem  Stempel  BVCCIL  ||  CALIDI  j  in  dessen  erster 
Zeile  eher  ein  Name  wie  Buccil{u8)  oder  Buccü{lä)  steckt').  Der  Fabrikherr 
signiert  häufig  allein  mit  dem  blossen  Nomen  {Calidi,  Calid.y  Cal,  u.  a.),  ein- 
mal mit  Nomen  und  Cognomen  Cdlidi  Strigionis).  Wird  der  Sklave  mit- 
genannt, so  ist  der  Stempel  in  der  Regel  zweizeilig.  Folgende  Beispiele  mögen 
die  verschiedene  Fassung  der  Stempel  veranschaulichen :  Felix  \\  Calidij  Meno- 
la{u8)  II  Strigoniis)  neben  Menola\\us  Cdlidi^)  und  Memelavos^)  ||  Calidiy  Sasa 
Calidi  neben  Sasa  Calidi  Str{igonis),  Telamo  Cdlidi  neben  Telamo  Cdlidi 
Sitrigonis)^),  Strigo  ist  gut  römisch  und  gehört  zu  den  zahlreichen  nomina 
pers.,  die  vornehmlich  der  Sprache  des  Volks  eigen  waren').  Die  Fabrik  des 
Calidius  fertigte,  wie  es  scheint,  nur  gewöhnliches  Tafelgeschirr  ohne  figürlichen 
Schmuck;  die  Verbreitung  der  Waare  beschränkt  sich  auf  Rom  und  vereinzelte 
Stücke  in  CIL.  II  4970,  492;  V  8115,  122;  X  8056,  177.  619»).  Die  Namens- 
form Memelavos  weist  noch  in  republikanische  Zeit,  was  durch  einen  Grabfund 
in  Vulci  eine  Stütze  erhält^).  Ausser  den  schon  erwähnten  Sklaven  nenne  ich 
noch:  Faustus,  Herm(  ),  Lysimaicus),  Mama^  Masa,  Nicepo{rus)^^)y  Onirus, 
Peleus,  Phile{ro8?),  Severus,  Stabili(8  oder  io),  also  eine  ganz  stattliche  Anzahl. 
Eine  neue  grosse  Fabrik  wurde  im  vorigen  Jahrhundert  von  dem  Arre- 
tiner  Francesco  Rossi  bei  dem  Orte  Cincelli  (etwa  8  km  von  Arezzo)  auf- 
gedeckt, die  des  P.  Cornelius,  eine  der  bedeutendsten  („trovö  le  fomaci,  i 
trogoli  0  vasche  e  gli  utensili  deir  arte")^^).  Wir  kennen  drei  Männer  dieser 
gens,  Marcus,  Lucius  und  Publius.  Der  erste  ist  bis  jetzt  für  Arezzo  und  Um- 
gebung nicht  nachgewiesen^^).    Da  aber  von  L.  Cornelius  eine  ^tazza  nerastra'^ 


1)  Gamurrini  Vasi  n.  380  liest  Causidius,  die  Abschrift  im  CIL.  XV  von  De  Rossi. 

2)  Vgl.  den  Stempel  Eros  Calidi  Str(igonis)  bei  Gamurrini  n.  267. 

3)  Vgl.  CIL.  III  1732.   V  6565.   XII  5686,  143. 

4)  Eph.  epigr.  VIII  p.  67. 

5)  So,  nicht  Menelavos  (C.  XV  5076),  mit  vulgärer  Aussprache. 

6)  Schwerlich  s{ervus)j  s.  oben. 

7)  Nicht  wenige  der  Appellativa  auf  o,  onis  kehren  bekanntlich  als  Eigennamen 
wieder;  der  Arretinische  Töpfer  ergänzt  also  die  von  Fisch  (Die  latein.  nomina  person. 
auf  o,  onis  cap.  VII)  gegebene  Liste  und  bestätigt  die  von  Turnebus  bei  Festus 
(p.  314)  und  Paulus  (p.  315)  vorgenommene  Änderung  (Paulus:  Strigones  i.  e.  densa- 
rum  virium  hamines).  Vgl.  Ribbeck,  Trag.  Rom.  fr.*^  p.  270.  Fisch  (p.  27  f.)  verwertet 
mit  Recht  das  Graffito  CIL.  XI  739  m. 

8)  Zu  emendieren  in  lucundus  Calidi, 

9)  Heibig,  BuU.  d.  Inst.  1883  p.  45.  Hier  wurden  mit  einem  Gefäss  des  Protus 
Calidi  zwei  republikanische  Asstückc  gefunden. 

10)  Kommt  auch  allein  vor  (Gamurrini  n.  242). 

11)  Pignotti,  Storia  d.  Toscana  I  p.  147  AT.     Fabroni  p.  21  ff.     Vgl.  Inghirami  Mo- 
num.  Etr.  vol.  V  p.  1  ff.  (Abbild,  scr.  V  tab.  I). 

12)  Ich  kenne  nur  die  stadtrömischen  Stempel  C.  XV  5114  Eros  M.  Cor(neli)  und 
5115  M.  Corne{li)  Phrasti  und  einen  aus  Tarent  Eph.  epigr.  VIII  n.  244,  2  M,  Cor,  \\  Samo. 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  Il3 

bei  der  Arnobrücke  'a  Buriano'  (unweit  Cincclli)  gefunden  wurde  ^),  und  Marcus 
und  Lucius  zeitweise  ihr  Geschäft  in  Compagnie  betrieben  zu  haben  scheinen^), 
wird  ihre  Heimat  wohl  in  der  Gegend  von  Arezzo  zu  suchen  sein.  Jedenfalls 
war  Publius  der  Hauptfabrikaut^).  Eine  gewaltige  Menge  von  Scherben  von 
gewöhnlichen  und  dekorierten  Gefässen  und  von  Formen  lieferten  die  Aus- 
grabungen, welche  der  Ingenieur  Vincenzo  Funghiui  1883  und  1892  ver- 
anstaltete; das  Museum  in  Arezzo  verdankt  ihm  manche  Bereicherung^).  Nahe 
bei  Cincelli  befand  sieh  die  Fabrik  eines  C.  Tellius  am  'ponte  a  Buriano'. 
Die  von  Gamurrini  veröffentlichten  Funde  (Not.  d.  sc.  1883  p.  138  flF.)  berech- 
tigen zu  dem  Schluss,  dass  diese  Fabrik  später  in  den  Besitz  des  P.  Cornelius 
überging  und  mit  ihr  die  Sklaven  Anteros,  Attice,  Epigonus,  Eros,  Gemellus, 
Germemus,  Inventus,  Phileros  und  wohl  noch  andere*^).  Im  Ganzen  kennen 
wir  bis  jetzt  von  P.  Cornelius  an  40  Sklaven,  unter  denen  folgende  vornehmlich 
Reliefgefässe  hergestellt  haben:  Antiocus%  Fausttis,  Heraclida'^),  Primus^) 
und  Rodo^).  Eines  der  von  Rodo  gefertigten  Geßlsse  verdient  besondere  Be- 
achtung, weil  zwischen  den  Oraamenten  in  mehrfacher  Wiederholung  ein 
Medaillon  mit  dem  Kopf  des  Octavian  und  der  Umschrift  AVGVSTVS  angebracht 
ist^®),  woraus  wir  sehen,  dass  die  Fabrik  noch  zur  Zeit  des  Augustus  bestand. 
Gamurrinis  Annahme,  dass  Cornelius  ein  Freigelassener  des  Sulla  war  und 
mit  den  Cornelischen  Colonisten  nach  Arezzo  kam,  kann  deshalb  doch  richtig 
sein^^.  Massenhaft  kommen  Gefässe  und  Scherben  mit  der  blossen  Signatur 
P.  Corneli  (so  und  mannigfaltig  abgekürzt)  vor,  wobei  die  grosse  Seltenheit 
der  Sohlenform  auffallt.  Häufiger  steht  das  blosse  Corneli  in  Sohlenform,  so 
dass  man  fast  zweifeln  kann,  ob  dieser  mit  Publius  identisch  ist,  zumal  sich 
das  blosse  Corneli  in  der  Umgebung  Arezzos  nur  selten  findet.  Der  Export 
des  F.  Cornelius  erstreckte  sich  hauptsächlich  auf  Rom  (C.  XV  5116 — 5151), 
aber  auch  andere  Corpusbände  weisen  Belege  auf,  besonders  II  und  X  (Eph. 
epigr.  VIII  n.  244,  3). 

Auch  die  Töpferei  des  C.  Cispius  (oft  ohne  Praenomen)  soll,  wie  Gamurrini 
annimmt,  später  in  den  Besitz  des  P.  Conielius  übergegangen  sein^^),  wofür 

1)  Gamurrini,  Not.  d.  sc.  1893  p.  141  n.  18. 

2)  CIL.  II  6257,  49  M.  Cor,  ||  L,  Corne  (ob  richtig  kopiert?). 

3)  Von  Lucius  kenne  ich  nur  noch  2  Stempel  aus  Rom  XV  5113  und  den  von 
Gamurrini  n.  9  ohne  nähere  Fundangabe  mitgeteilten  L,  Corneli  \\  Casart  (ob  Casa- 
rius?).   In  CIL.  II  4970,  149  ist  das  Praenomen  L.  in  P.  zu  ändern. 

4)  Funghini  a.  0.  p.  13  ff.   Vgl.  Gamurrini,  Not.  d.  scavi  1883  p.  140. 

5)  Ein  Monianus  in  Rom  C.  XV  5620.  Anteros  kehrt  wieder  C.  X  8056,  32  (pa- 
tera  uMguA,  auf  der  Insel  Ustica  bei  Sizilien).  Die  andern  Bände  des  Corpus  liefern 
kein  Material. 

6)  Abbild,  bei  Inghirami,  Monum.  Etr.  ser.  V  tab.  I  4.  Fabroni  Taf.  VIII.  Funghini 
Taf.  n.  63.    Von  demselben  rührt  her  CIL.  XV  4987  d  (aber  nicht  a.  b.  c.  e). 

7)  Mit  diesem  nicht  identisch  C.  XV  5250. 

8)  Fabroni  Taf.  I  6;   IX  112.  129. 

9)  Fabroni  Taf.  I  3 ;  IX  95. 

10)  Gamurrini,  Not.  d.  sc.  1894  p.  49.    Funghini  p.  22  (Abbild.  Taf.  n.  62). 
11}  Dragendorff  p.  50. 
Jalirb.  d.  Ver.  y.  Aiterthafr.  Im  Bheinl.  108.  8 


\ 


114  Max  Ihm: 

aber  zwingendere  Beweise  abgewartet  werden  müssen.  Seinen  Sklaven  Comunh 
kennen  \nr  als  Verfertiger  ornamentierter  Vasen').  Andere  Stempel  nennen 
als  Sklaven  des  Mannes  Cacinus,  Chrif{  ),  Corumbus,  Epapr{ä),  EroSy  Hüarus 
(oder  'io)j  Optatus,  Viel  Verbreitung  hat  sein  Fabrikat  nicht  gefunden  (CIL.  V. 
X.  XV).  Mehrfach  fand  sich  in  Arezzo  und  Cincelli  der  zweizeilige  Stempel 
C.  Cispi  II  L,  Cae^ius.  unter  Caesius,  dessen  Namen  ich  sonst  auf  Arretinischen 
Gefössen  nicht  nachweisen  kann,  können  wir  uns  mit  Gamurrini  (p.  49)  einen 
Pächter  des  Cispius  vorstellen.  Dragendorff  rechnet  (p.  40)  die  Geßlsse  des 
Cispius  zu  den  ältesten  diescM-  Gattung,  weil  von  ihm  auch  schwarze  GeßLsse 
vorkämen.  Das  gilt  aber  nur  für  die  Gefässe  mit  dem  oblongen  Stempel  Ruf. 
Cis.,  und  ob  hierfttr  Gamurrinis  Erklärung^)  Rufiufi)  Ch{pi)  das  Richtige  trifft, 
scheint  mir  nicht  so  selbstverständlich'). 

Die  Hauptschätze  einheimischer  Waare  verdankt  das  Museum  von  Arezzo 
der  Fabrik  des  M.  Perennius*)  und  seiner  Nachfolger.  Die  Hauptfundstelle 
liegt  bei  der  Kirche  S.  Maria  in  Gradi,  und  hier  haben  sich,  wie  die  zahlreichen 
Bruchstücke  von  Formen  beweisen,  die  Töpferöfen  befunden»'^).  Der  Schwer- 
punkt der  Offizin  lag  in  der  Herstellung  von  Reliefgefässen,  die  z.  T.  nach 
vortrefflichen  griechischen  Mustern  gearbeitet  sind'').  Exportiert  wurde  haupt- 
sächlich nach  Spanien  und  Südfrankreich.  In  Rom  sind  andere  Arretinische 
Fabrikanten  häufiger  vertreten  als  Perennius,  aber  neue  Funde  können  das 
Verhältnis  natürlich  umstossen.  Wie  es  scheint,  hat  Perennius  auch  in  Cincelli 
eine  Töpferei  besessen,  da  unter  den  Scherben  des  Cornelius  sich  auch  Formen- 
stücke des  Perennius  gefunden  haben').  Was  die  Fabrikstempel  im  Einzelnen 
anlangt,  so  finden  wir  zunächst  den  Namen  des  patronus  allein,  teils  aus- 
geschrieben,   teils    in    mannigfacher   Weise    abgekürzt*),    auf  der  Aussenseite 


1)  C.  X  805G,  93.  Fragmente  mit  CISPI  und  COMVNIS  kopierte  ich  in  Arezzo. 
Lautet  der  in  Paris  gefundene  Stempel  COMMVNIS  (Dragendorfif  p.  51),  so  haben  wir 
es  wohl  mit  einem  anderen  figuius  zu  thun;  denn  der  Arbeiter  des  Cispius  schreibt 
sich,  so  viel  ich  sehe,  nur  mit  einem  M. 

2)  p.  48  zu  n.  285. 

3)  Derselbe  Mann  signiert  auch  Ruf.  C.  in  Sohlenform  auf  roter  Waare. 

4)  Das  Cognomen  fehlt  wie  bei  den  meisten  bedeutenderen  Arretinischen 
Töpfern.  Mau  hat  es  willkürlich  aus  dem  Stempel  ^f.  1*.  Capito  erschliessen  wollen 
(Gamurrini,  Not.  d,  sc.  1883  p.  268,  dem  Dragendorff  p.  44  folgt). 

5)  Fundberichte  liefern  Gamurrini,  Not.  d.  sc.  1883  p.  265;  Bull.  d.  Inst.  1884 
p.  4i).  Pasqui,  Not.  d.  sc.  1884  p.  309  ff.  (Taf.  VII— IX).  1894  p.  93.  1896  p.  453  ff.  (hier 
p.  455  ein  Orientierungsplan).  Die  der  Kirche  benachl)arte  Örtlichkeit  hiess  im  Mittel- 
alter Campus  gratiziate  oder  gratizate,  die  Kirche  S.  Maria  in  graticiata,  in  craticulis, 
in  cratibus,  in  cratis,  modern  in  Gradi.  Der  XI.  Band  des  Corpus  wird  noch  mehr 
Material  bringen,  da  die  Funde  in  den  Notizie  nur  teilweise  veröffentlicht  sind.  Für 
die  Funde  von  1886  und  1887  existiert  ein  handschriftlicher  Katalog  von  Angelo 
Pasqui  im  Museum  von  Arezzo. 

6)  Für  das  Archäologische  verweise  ich  auf  Dragendorffs  Abhandlung,  Kap.  IX. 

7)  Nach  (lamurrini,  Not.  d.  scavi  1883  p.  269,  dem  Dragendorff  p.  50  beipflichtet, 
soll  auch  diese  Töpferei  in  die  Hände  des  Cornelius  übergegangen  sein. 

8)  M.  Perenniy  M.  Peren.,  M.  Pere.,  M.  Per.^  M.  Pe.\   zahlreiche  Ligataren  (z.  B, 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  115 

dekorierter  Gefässe  und  im  Boden  von  undekorierten.  CIL.  XI  wird  an  50 
Varietäten  aufweisen,  Sohlenform  kommt  nicht  vor.  Folgende  Sklaven  arbei- 
teten für  ihn:  1)  Argines  (vor-  oder  nachgesetzt,  das  Praenomen  des  Herrn 
fehlt  bisweilen).  2)  Cerdo.  Seine  Spezialität  bilden  die  mit  den  Bildern  der 
9  Musen  geschmückten  Vasen,  und  zwar  entstammen  diese  Musen  einem  Cyclus, 
in  dem  sie  mit  Herakles  vereinigt  waren.  Die  griechischen  Beischriften  lauten 
HpaKXii^  Mo<Ju)v,  EuiepTTfi,  KX^u),  KaXioirri,  Eparu),  TToXujuiveia,  ©epipiKopTi,  0aXTia, 
M€X7ro)i€VTi,  Ou[pavia]^).  Andere  Stücke  des  Cerdo  zeigen  figürliche  Darstellun- 
gen mit  den  Beischriften  KNGIAIA  und  AGCBGIA.  3)  Eros  (Arezzo  und  Cin- 
celli).  4)  Felix,  fertigte  Gefässe  mit  einfacheren  Ornamenten  2).  5)  Hüar{  ), 
6)  Homerusi?),  Fundort  unsicher  (Not.  d.  sc.  1883  p.  268).  7)  Man{  )?  Der 
Stempel  M.  Per.  ||  Man  auf  einfach  verzierten  Gefässen^).  8)  Nicephorus.  Seine 
Reliefs  weisen  u.  a.  Jagdsceuen  auf*).  9)  Pilades.  Vasen  mit  Darstellungen 
Dionysischer  Opfer  ^).  10)  Pilemo,  Fertigte  dekorierte  Gefässe.  11)  Sälvius, 
nur  durch  einen  vielleicht  nicht  richtig  kopierten  Stempel  bekannt  (Not.  d.  sc. 
1894  p.  121  n.  18).  12)  Saturninusy  welcher  ebenfalls  dekorierte  Getässe 
herstellte,  und,  wie  es  scheint,  später  freigelassen  wurde,  da  Stempel  M.  Pe.  Sa 
und  ähnlich  in  Sohlenform  vorkommen^).  Dasselbe  gilt  von  13)  Crescens 
oder  Crescent(  ),  dessen  Signatur  auf  einfachen  und  ornamentierten  Vasen 
ziemlich  häufig  wiederkehrt  und  öfter  in  Sohlenform  M.  Per.  Cr.  und  ähnlich '). 
Das  meiste  Renommee  unter  den  Arbeitern  des  Perennius  besass  jedenfalls 
14)  der  Asiat  Tigranes,  wobei  ich  aber  bemerken  muss,  dass  ich  bis  jetzt  keinen 
Stempel  kenne,  der  in  klarer  Weise  das  Verhältnis  des  Sklaven  zu  seinem  Patron 
ausdrückt,  denn  Tigrani  (oder  abgekürzt  Tigran.,  Tigra.,  Tigr.)  steht  immer  nach 
den  Namen  M.  Perenni  (oder  abgekür/.t  Peren.  und  ähnlich).  Er  signiert  nicht  in 
Sohlenform.  Die  Gestalt  der  Buchstaben  ist  auf  manchen  Stempeln  eine  ähnlich 
Dachlässige  wie  auf  denen  des  M.  Perennius.  Die  Möglichkeit  bleibt  somit  bestehen, 
dass  M.  Perennius  und  M.  Perennius  Tigranes  ein  und  dieselbe  Person  bezeichnen. 
Unter  den  Darstellungen  seiner  Vasen   hebe   ich   hervor:   kämpfende  troische 


M.  FE  in  einer  Gruppe);  das  Praenomen  fehlt  nie,  wie  es  scheint;  ein  zweizeiliger 
Stempel  lautet  Marc,  Peren.  Die  Buchstabenformen  schwanken,  auf  vielen  Stempeln 
hat  M  senkrechte  Hasten,  auch  die  ganz  schlechte  Form  (V)  ündet  sich. 

1)  Näheres  bei  Dragendorfif  p.  70,  der  seine  Liste  nach  Kai  bei  Inscr.  Gr.  It. 
2406,  28—46  hätte  vervollständigen  können.  Es  sind  nur  Bruchstücke  erhalten,  aber 
sehr  zahlreiche.  Abbildung  eines  Fragments  Not.  d.  sc.  1884  Taf.  VIII  2,  Roschers 
Lexikon  U  p.  3267. 

2)  Not.  d.  scavi  1896  p.  463. 

3)  Not.  d.  scavi  1896  p.  466  n.  26.   Wenn  richtig  kopiert,  vielleicht  Mancia. 

4)  Not.  d.  sc.  1884  Taf.  Vin  3.    Vgl.  Dragendorff  p.  73. 

5)  Dragendorff  p.  61. 

6)  Vgl.  C.  III 12014,  425.  X  8056,  253.  XV  5545.  Gazette  arch^ol.  1880  p.  219  t.  33. 
Der  Stempel  MP3  Bonn.  Jahrb.  101  p.  19  darf  schwerlich  auf  ihn  bezogen  werden. 

7)  Auf  Reliefgefässen  M.  Peren.  Crescent.  und  Crescenf.  M.  Peren.  Vgl.  C.  II 
4970,  380.   III  12014,  424.   V  8115,  88.   VIII  10479,  44. 


11^  Max  Ihm: 

Helden,  mit  den  lateiDiscben  Beis^'lirifteD  Acäes,  Hectory  Diomedes^j.  Ein 
Stock  weiift  den  Stempel  J/.  Perennl  Tigrani  auf  und  die  Beste  dreier  Mosen 
mit  den  Beiscbriften  TepiiiiKopn  nnd  OciXna«  offenbar  das  Werk  des  oben 
genannten  Cerdo,  dessen  Name  anf  dem  Gefäss  nicht  gefehlt  haben  wird. 
Wir  mfl»ien  also  entweder  annehmen,  dass  als  Name  des  Patronos  bald 
M.  Perenni  bald  J/.  Perennl  Tigrani  gewählt  wnrde,  oder  aber,  dass  der  Sklave 
Cerdo  später  in  den  Besitz  des  Tigranes  überging.  Dasselbe  gilt  von  Bargate» 
''oder  liargathes)  *;,  der  (meist  anf  Relief gefässen»  Bargate  M.  Peren.,  J/.  Pereni  i| 
Dargatiy  aber  auch  Bargate  M.  Ttgrianii  und  ähnlich  zu  signieren  pflegt'). 
Zu  dieser  Gruppe  gehören  femer  die  Sklaven  Bello  und  Menophilus\  denn 
neben  Bello  Peren{ni)  steht  Bello  Tigrani  (zweizeilig  auf  gewöhnliehen  Ge- 
fässeu'  und  neF>en  Menophil.  M.  Perenni)  Tigrani  (dreizeilig)  finden  wir  in 
Arezzo  Menophil(us)  Tigrani  'zweizeilig)  und  in  Spanien  Menoph.  Perenni*)j  eben- 
falls anf  undekorierten  Gefässen. 

Einer  sorgfältigen  Untersuchung  des  Stils  der  verschiedenen  Reliefgefässe 
wird  es  gelingen,  die  Zeitfolge  der  verschiedenen  Fabrikanten  genauer  zu 
fixieren.  Vielleicht  nimmt  sich  Dragendorff  der  Sache  an  und  entscbliesst  sich 
zu  einer  Umarbeitung  des  betreffenden  Abschnitts.  Pasqui  (Not.  d.  sc.  1896 
p.  464;  glaubt  folgende  Reihenfolge  feststellen  zu  können: 

1.  M.  Perennius,  signiert  im  Innern  von  Tassen  und  Tellern. 

2.  Hessere  Erzeugnisse  nach  griechischen  Vorbildern  liefern  seine  gleich- 
zeitig arbeitenden  Sklaven  Cerdo,  Piladesy  Pilemo,  Nicephorus. 

3.  Ihr  Nachfolger  ist   Tigranes. 

4.  Mit  Bargates,  einem  Arbeiter  des  M.  Tigranes,  als  dieser  freigelassen 
war,  beginnt  die  Dekadenz,  die  erreicht  wird  unter 

f).    (Jrescens  und  Saturnintis. 

Dass  diese  letzten  zu  den  jüngsten  gehören,  beweist  auch  die  Form  der 
Stempel,  denn  M.  Perennius  und  Tigranes  signieren  im  Boden  der  Gefösse  nie 
in  Sohlcnfonn,  wohl  aber  Saturninus  und  noch  häufiger  Crescens.  Den  M.  Pe- 
rennius setzt  Gamurrini  (Not.  d.  sc.  1883  p.  269)  in  Sullanische  Zeit  unter  Be- 
rufung auf  einen  in  seiner  Fabrik  gefundenen  as  uncialis. 

Annii  unter  den  Arretinischen  Töpfern  begegnen  drei,  von  denen  dem 
C\  AnniuH  die  meiste  Bedeutung  zukommt.  Seine  Fabrik  darf  mit  ziem- 
licher Sicherheit  in  der  Nähe  der  Kirche  S.  Francesco  an  der  via  Guido 
Monaco  angesetzt  werden^).    Er  hat  auch  Reliefgefässe  gearbeitet,  und  zwar 

1)  Hiernach  zu  ergänzen  die  Notiz  Dragendorffs  p.  70  Anm.  2. 

2)  Sei»  Landsmann  ist  der  Ityräer  Bargathes  Regehali  f[ilius)  eq{ue$)  alae  Äu- 
yitutffif)  Hyraeorum  domo  Ityraeus  C.  III  4371  (=  Dessau  2511).  Auch  Barcat.  findet 
sich,  (MII  .%r)8.    X  8214. 

:J)  V^ri.  c.  II  4971,  2.  9.  X  8056,  269.  XV  5422  (mehr  in  Bd.  XI).  Auch  in  Porapei 
hat  sich  der  Stempel  BARCAE  (lies  BARCA"E)  gefunden,  X  8055,  11.  Proben  seiner 
Kunst  sind  ab«^el)ildet  Notizie  degli  scavi  1896  p.  458  ff. 

4)  V  II  4970,  319b  (319c  gehört  nicht  dem  Perennius,  sondern  L.  Tettius). 

5)  (Janiunini  p.  28.  Ein  Töpferstempel  CISSVS  ||  C  ANNI  wurde  1868  auf  der 
piazza  (luido  Monaco  gefunden. 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  117 

f^ind  dieselben  signiert  teils  mit  dem  blossen  (7.  Anni  (vorausgesetzt^  dass  nicht 
auf  den  verlorenen  Stücken  noch  der  Sklavenname  gestanden  hat,  was  ich  für 
wahrscheinlich  halte),  theils  mit  Chrestus  (z.  B.  C.  XV  4967),  Cissus,  Crencens 
(II  6258,  4),  Pantagatus  (Not.  d.  sc.  1892  p.  375.  C.  XII  5686,  671).  Ausser- 
dem kommen  noch  über  20  andere  Sklavennamen  vor^),  griechische  wie 
römische.  Weniger  kennen  wir  von  L,  Annius,  der  ebenfalls  Reliefgefösse 
anfertigte.  Zwei  Formen  wurden  bei  der  Brücke  *a  Buriano'  gefunden  (siehe 
oben),  andere  Funde  weisen  auf  die  via  Guido  Monaco.  Die  Reihe  der  Sklaven, 
welche  C.  XI  bringen  wird,  muss  hauptsächlich  aus  C.  XII  und  XV  ergänzt 
werden.  Noch  weiterer  Verbreitung  erfreut  sich  die  Waare  des  Sex.  Annius^), 
von  dem  Reliefgefösse  nicht  vorzukommen  scheinen;  die  Zahl  der  bis  jetzt 
bekannten  Sklaven  ist  gering  (2 — 3).  Ausserdem  finden  wir  die  Signatur 
Anni  ohne  Praenomen  (allein  und  mit  den  Sklaven  Auctus  und  Menolaus), 
auch  auf  ornamentierten  Gefässen,  und  einen  Annius  Crisptis,  den  ich  für 
Arezzo  nicht  nachweisen  kann^).  Zeit  und  Verwandtschaft  dieser  Annii  zu 
bestimmen,  ist  vorderhand  aussichtslos;  vielleicht  sind  die  Stücke  ohne  Prae- 
nomen die  ältesten.  Übrigens  hat  kein  Stempel  der  Annii  Sohlenform,  was 
ebenfalls  für  bessere  Zeit  (1.  Jhdt.  v.  Chr.)  spricht. 

Wenn  dieses  Kriterium  gilt,  dann  gebührt  auch  unter  den  verschiedenen 
Mitgliedern  der  gens  Titia*)  die  Priorität  dem  A,  Tifius,  der  nie  in  Sohlen- 
form signiert.  A.  Titi,  A,  'Fiti  figul{i)y  A.  Tili  figul{i)  Arret(ini)  lauten  seine 
weitverbreiteten  Stempel^),  die  oft  mehrfach  auf  dem  Boden  der  Teller  wieder- 
kehren. Das  L  in  figuli  hat  einigemale  spitzwinklige  Form,  woraus  man  aber 
keine  tibereilten  chronologischen  Schlüsse  ziehen  darf.  Ob  der  Mann  seine 
Fabrik  an  der  'Fönte  Pozzolo'  genannten  Ortlichkeit  gehabt  hat,  bleibt  vor- 
derhand zweifelhaft.  Sklaven  kommen  nicht  vor^).  Die  wenigen  von  Sex. 
Titius  bekannten  Stempel  geben  zu  keiner  Erörterung  Anlass').  Ausserdem- 
begegnen  noch  die  Vornamen  C,  L.  und  Cw.,  der  letzte  sicher  ein  Spätling, 
mir  nur  bekannt  in  der  Form  Cn.  liti  lusculi^).  Was  den  Gaius  anlangt,  so 
liegt  es  nahe,  die  Stempel  C.  2W^)  auf  den  häufiger  vorkommenden  C.  Titius 
Nepos  zu  beziehen.  Auch  dieser  Nepos,  der  tria  nomina  wegen  wohl  jünger 
als  Lucius,  Sextus  und  Aulus,  ist  bis  jetzt  für  Arezzo  nicht  sicher  nach- 
gewiesen, obwohl  er  eine  ansehnliche  Fabrik  besessen  haben  muss.    Denn  aus 


1)  CIL.  IL  X.  XL  XII.  XV. 

2)  CIL.  IL  IIL  IX.  X.  XIL  XV. 

3)  CIL.  IL  XII.  XV.   Auch  am  Rhein,  Bonner  Jahrb.  101  p.  13. 

4)  Titii  aus  Arezzo  z.  B.  Brambach  336;    CIL.  VI  2661;    XI  1894. 

5)  CIL.  IL  VIII.  IX  (vgl.  Eph.  epigr.  VIII  p.  244).  X.  XI.  XII.  XV  (in  Bd.  XI 
hauptsächlich  Arezzo  und  Rimini). 

6)  C.  II  4970,  132  CINNi  A  TITI  ist  doppeldeutig,  wenn  richtig  kopiert;  ebenso 
kein  Verlass  auf  II  6257,  60  (vgl.  XV  5671),  und  6257,  198  muss  PLOVT  in  FIGVL 
geändert  werden. 

7)  Gamurrini  n.  27-29.   CIL.  IX  und  XV. 

8)  Xn  5686,  885.   XV  5666  (vgl.  5681  L.  Titi  lusdi). 

9)  In  Arezzo  nicht  sicher  nachweisbar;    C.  X.  XV. 


118  Max  Ihin: 

den  andern  Coi*pu8bänden  ergeben  sich  für  ihn  mindestens  15  Sklaven,  unter 
denen  envähnt  seien  Caca  (X.  XV  und  in  Bomarzo),  Felicia  (IX,  1  Exemplar 
vielleicht  aus  Arezzo),  Fortiunatu8?y)y  Herm{  )*),  Hilaru8{4o?y),  Nasta  (XV, 
1  Exemplar  vielleicht  aus  Arezzo),  Orestes  (XV  und  Bomarzo),  Phylad{  )*), 
PriscuSf  ProhatuSf  Seleucus^). 

Für  Lucius  endlich  liefert  zwar  Arezzo  eine  grössere  Anzahl  Fundsttlcke, 
aber  danach  die  Örtlichkeit  der  Fabrik  zu  bestimmen,  seheint  mir  zu  gewagt. 
Gamurrini  p.  16  setzt  sie  bei  der  'casa  Buffoni'  an  ('nella  parte  di  mezzo- 
gioiTio  bagnata  a  dcstra  dal  Castro  fuori  delle  antiche  mura  di  Arezzo'). 
Andere  Fundstellen  sind  S.  Maria  in  Gradi.  Fönte  Pozzolo,  Carciarelle.  Mehr 
als  einer  der  zahlreichen  Arbeiter  dieses  Mannes  scheint  seine  Freilassung 
erreicht  zu  haben,  z.  B.  ein  Copo  ^),  ein  Ia{vuarius?)  u.  a. ;  fest  steht  es  für 
Thyrsus,  denn  neben  dem  Stempel  Tyrsi  L.  Titi  finden  wir  L.  Titi  L,  l,  Jhyrsiy 
L.  Titi  Tyrsi,  L.  Tyrsi  und  ähnlich.  Es  ist  auflfallend,  wie  häufig  diese  und 
andere  Namen  in  abgekürzter  Form  erscheinen'').  Jedenfalls  verfügte  er  über 
eine  sehr  stattliche  Arbeiterzahl.  Reliefgefässe  hat,  wie  es  scheint,  keiner 
dieser  Tita  angefertigt.  Im  Museum  von  Arezzo  sah  ich  ein  schönes  Stück 
aus  der  Fabrik  des  Lucius,  ein  grosses  cylindrisches  Geföss  ohne  Verzierung, 
dessen  Deckel  den  Stempel  trägt.  Auf  die  Stempel,  welche  den  Vornamen  des 
Titius  verschweigen,  gehe  ich  hier  nicht  näher  ein;  zum  grössten  Teil  werden 
sie  wohl  auf  Lucius  zu  beziehen  sein®),  dessen  Waare  bis  an  den  Rhein  ge- 
langt ist.  Die  hier  bei  Neuss  gemachten  Funde  weisen  auf  Augustische  Zeit*). 
Vielleicht  ist  Aulus  der  Vater  der  Töpferfirma,  Lucius  der  Sohn  und  Gaius 
der  Enkel,  als  den  ihn  ja  auch  das  Cognomen  zu  bezeichnen  scheint. 

Ebenso  dürften  C.  und  L.  Tettius  irgendwie  mit  einander  verwandt  ge- 
wesen sein,  wenn  auch  bis  jetzt  für  den  ersten  Fundstücke  in  Arezzo  fehlen*®). 
.Ein  ornamentiertes   Fragment   mit  dem  Stempel  L-TETTEI  wurde  in  der  via 
Guido  Monaco  gefunden*^),    andere  au  der  piazza  S.  Agostino**),    ein  Stempel 


1)  II  4970,  203.   XV  5656.     Auf  keinen   Fall    darf  an    den   Lampenfabrikanten 
Fortis  gedacht  werden,  vgl.  Marquardt  Priv.*  p.  663. 

2)  XV  5664  C.  Titi  \\  Herm.^  also  unbrauchbar  als  Beleg  für  den  Namen  Hermes 
(Dragendorff  p.  49). 

3)  II  4970,  232.    XV  5657. 

4)  XII  5686,  883. 

5)  Diese  drei  in  Bd.  XV. 

6)  L.  Titi  Copo  und  dann  oft  abgekürzt  (auch  in  Sohlenform)  L.  Ti,  Co.,  L.  Ti,  C, 
und  L.  T,  C. 

7)  Fa.  L.  Ti.,    Oa.  L.  TL,    L.  TL  la.,    Ma.  L.  TL  u.  s.  w. 

8)  Der  Stempel    Titioi-tim  C.  III   6010,  220.    In   Rimini   Cinna{mus?)  C,  L.  Titi- 
{oruni)  s{ervus)?,  vgl.  Dressel  zu  XV  5677. 

9)  Bonner  Jahrb.  101  p.  21.    Dragendorffs  Bemerkung  p.  49  über  einen  Fund  in 
einem  Grabe  in  Vulci  beruht  auf  Versehen. 

10)  C.  XV  5628   C.  Tetti,  5629  C.  Tttti  \\  Prin{ceps).     In  C.  II  6257,  143  wird   C  für 
L  verlesen  sein. 

11)  Not.  d.  sc.  1894  p.  119  n.  40. 

12)  Hier  möchte  Gamurrini  p.  34  die  Fabrik  ansetzen. 


Die  Arretiuischen  Töpfereien.  119 

L.  Tetti  II  Samia  an  der  Brücke  delle  Carciarelle.  Also  auch  für  L.  Tettius 
reichen  die  Funde  nicht  aus,  um  den  Platz  seiner  Fabrik  zu  bestimmen,  die 
übrigens  nach  der  Zahl  der  Sklaven  zu  urteilen  nicht  unbedeutend  gewesen 
sein  kann.  Weitaus  am  häufigsten  begegnen  wir  dem  Namen  Samia^),  Da 
Tetti  mit  Samia  und  Menophilus  auch  ohne  Praenomen  vorkommt,  werden 
auch  die  wenigen  andern  Stempel,  die  das  Praenomen  auslassen^),  dem  Lucius 
zuzuschreiben  sein.  Die  Form  Tettei  (vgl.  Vergilei,  municipei  in  CIL.  I) 
spricht  für  republikanische  Zeit,  aber  noch  unter  Augustus  kann  die  Fabrik 
floriert  haben'). 

Zu  den  bekannteren  Arretiuischen  Töpfernamen  geliört  Rasinius,  der, 
was  die  Zahl  der  Sklaven  anlangt,  nur  hinter  P.  Cornelius  zurücksteht.  Auch 
diese  gens  liefert  vei-schiedene  Vertreter  der  Branche.  Frühestens  der  Augusti- 
8chen  Zeit  dürfte  L.  Rasinius  Plnanus  angehören,  dessen  Cognomen  nach  Pisa 
weist,  der  aber  doch  wohl  in  Arezzo  zu  Hause  gewesen  sein  wird.  Wenigstens 
ist  dort  ein  Formenfragment  mit  dem  Stempel  Pisan{i)  bei  der  Kirche  S.  Fran- 
cesco aufgetaucht*).  Sonst  sind  Funde  in  Arezzo  selten,  häufiger  in  Rom'*); 
die  Pompejanischen  (X  8055,  36)  bestimmen  den  terminus  ante  quem,  die 
Neusser  (Bonner  Jahrb.  101  p.  19)  führen  bis  auf  Augustische  Zeit  zurück. 
Viel  weniger  zahlreich  sind  die  Stempel  C.  Rasini^)  (ohne  Cognomen),  der 
etwas  älter  sein  mag  und  vielleicht  identisch  ist  mit  dem  ohne  Vornamen 
und  Beinamen  signierenden  Rasinius,  der  massenhaft  exportiert  und  etwa 
40  Arbeiter  beschäftigt  hat').  Fonnenbruchstücke  sind  mehrere  bei  der  Kirche 
S.  Maria  in  Gradi  gefunden  worden,  so  dass  hier  die  Fabrik  anzusetzen  ist, 
also  in  der  Nachbarschaft  der  Töpferöfen  des  Perennius.  Dekorierte  Gefässe  ®) 
fertigten  hauptsächlich  an  die  Sklaven  Isotimus,  Mahes,  Pantagatus,  Phar- 
naces,  Quartio   und   vielleicht  Salvius^).    Von  bemerkenswerteren  Namen  er- 


1)  C.  IL  V.  IX.  X.  XII.  XV  (hier  über  20  Ex.).  Eph.  epigr.  VIII  n.  244,  11.  Not. 
d.  sc.  1887  p.  293.  Bonner  Jahrb.  101  p.  21  (2  Ex.  bei  Neuss).  Von  andern  erwähne 
ich  Aqutus^  Crito,  Eutucus  (neben  Euticus),  Hilarus  (Not.  d.  sc.  1895  p.  404),  Meno- 
philus, Famphilus,  Phileros,  Quartio,  Rustivus  und  Sarivn  (C.  II  4970,  456  u.  XV  5636). 

2)  C.  XV  5639  Tetti,  5640  Cimhe[r)  \\  Tettif).  XII  5686,  873  Tetti.  Dagegen  C.  XV 
5641  gehört  dem  L.  Titius  und  in  5644  lautete  der  Vorname  wohl  C. 

3)  Vgl.  die  Neusser  Funde,  Bonner  Jahrb.  101  p.  21. 

4)  Die  Stempel  haben  mannigfache  Form,  auch  die  der  Fusssohlo;  ganz  aus- 
geschrieben sind  Nomen  und  Cognomen  selten,  auch  die  Stempel  L  R-P  werden  auf 
ihn  zu  beziehen  sein. 

5)  C.  XV  5496  (über  30  Ex.,  darunter  ornamentierte).  Ferner  C.  IL  III.  VII.  VIII. 
X.   XII. 

6)  Ein  Stück  in  Arezzo,  andere  in  Chiusi,  Rom  und  Spanien.  Ornamentierte 
Gefäsäe  sind  bis  jetzt  von  ihm  nicht  bekannt.  Neben  Suavis  C.  R{asini?)  kommt  vor 
Suavis  Rasini  (C.  XV  5494.  5513). 

7)  Zahlreiche  Beispiele  C.  XV,  ferner  II.  VIII.  IX.  X.  XII.  Eph.  ep.  VIII  n.  244,  9. 
Not  d.  sc.  1894  p.  371.    Der  Stempel  OF- RASINI  C.  XII  5686,  738a  ist  nicht  arretinisch. 

8)  Über  die  Art  der  Darstellungen  ist  wenig  bekannt. "!; 

9)  Gamurrini  u.  133  bietet  SALVIVS  RASIN  in  einer  Linie. 


120  Max  Ihm: 

Wähne  icb  noch  Ae8c{i)n(e8)f  Bosporus j  Carpus^),  DracOy  Ephebus,  Opüioi?), 
Philota(8)f   Tettianus. 

Einige  von  den  Sklaven  des  Rasinius  scheint  C.  Memmius  erworben  zu 
haben,  dessen  Name  allein  (mit  oder  ohne  Praenomen)  vorkommt  und  mit  den 
Sklaven  AnthuSj  ApoIo{  )*),  Oissus,  CommuniSy  Dario,  Eros,  Eraoös^\ 
Hilarus,  Phileros,  PHmus,  Secundus  u.a.*).  Wenn  von  den  Arbeitern  des  Rasi- 
nius einige  ebenso  heissen,  so  föllt  das  nicht  ins  Gewicht,  wohl  aber,  wenn  wir  den 
Stempel  C.  Memmi  C.  l{iberti)  Mahe{ti8Y)  zusammenhalten  mit  Rasini  Mahes^ 
wenn  wir  neben  Quartio  Rasinlj) ')  auf  einem  in  Toscanella  gefundenen  Gefäss 
lesen  Quartio  Rasini  Memmi  ®)  und  endlich  die  Stempel  Pantagatus  Rasini 
Memmi^)  in  Betracht  ziehen ^^).  Nach  Gamurrini")  entdeckte  man  die  Fabrik 
des  C.  Memmius  ^^)  'nel  fare  le  fondamenta  lungo  alla  Via  Guido  Monaco  di 
una  casa  del  Marchese  Alessandro  Albergotti';  in  einer  Tiefe  von  zwei  Meter 
stiess  man  auf  die  'reliquie  delle  ^figuline  di  Umbricio  e  di  Memmio',  unter 
denen  sich  auch  "assi  onciali  romani'  befanden.  Was  Gamurrini  über  angeblich 
schwarze  Gefässe  (*a  colore  nero  lucente')  berichtet,  vermag  ich  nicht  zu 
kontrollieren*^),  mir  sind  solche  nicht  zu  Gesicht  gekommen.  Jedenfalls  aber 
gehört  der  Mann  noch  in  das  erste  Jahrhundert  v.  Chr.**). 

Mit  dem  eben  genannten  Umbricius  kann  Gamurrini  nur  den  figulus 
C.  Umbricius  Philologus  meinen,  dessen  Cognomen  auch  allein^*),  ferner  mit 
einem  Genossen  Sura^^)  und  auf  'vasetti  decorati'  mit  einem  Sklaven  Hilario^'^) 
vorkommt.  Unter  Sura  sciieint  mir  L.  A villi us  Sura  verstanden  werden  zu 
müssen,  dessen  Gefässe  mit  denen  des  C.  umbricius  zusammen  vorwiegend  in 
der  via  Guido  Monaco  ausgegraben  wurden,  darunter  auch  eine  'forma  figurata' 


1)  Über  diesen  Namen  Lommatzsch,  Rhein.  Mus.  52  p.  303  f. 

2)  Eß  braucht   nicht   der  Name   des   Gottes   zu   sein   (Dragendorfif  p.  49);   vgl. 
C.  VIII  10479,  7  APOLON  ||  MEMA. 

3)  Wohl    Ierax{s),    Ein    C.  Memmius  Hierax   auf  der  Salonitaner   Qrabscbrift 
C.  III  2044. 

4)  Ausser  Band  XI  des  Corpus  kommen  in  Betracht  II.  III.  VIII.  IX.  X.  XII  und 
besonders  XV. 

5)  Gamurrini  n.  195. 

6)  Not.  d.  sc.  1883  p.  269  (Formenfragment). 

7)  In  Arezzo,  Formen fragment. 

8)  Bull.  d.  Inst.  1848  p.  60. 

9)  C.  X  8056,  248.   XV  5514. 

10)  Ein  bei  S.  Francesco   gefundenes  Formenstück  bietet  RASINI  MEMMI,   der 
Name  des  Sklaven  wird  nicht  gefehlt  haben. 

11)  Annali  d.  Inst.  1872  p.  293  (vgl.  Not.  sc.  1892  p.  376  u.  1894  p.  119). 

12)  Ein  C.  Memmius  Felix  in  Arezzo  C.  XI  1881.   Auch  die  Schreibung  mit  einem 
M  findet  sich. 

13)  Dragendorff  p.  49. 

14)  Der  Stempel  C  •  I^M  auch  in  Pompei,  C.  X  8055,  26. 

15)  Hierher  gehören  C.  XV  5435 b. cd. 

16)  Sura  et  Philolog.  und  Philolog.  et  Sur.,  Not.  d.  sc.  1894  p.  118. 

17)  Hilari{o)  \\  Philologi  ebd.  p.  118  n.  22, 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  121 

mit  dem  Monogramm  Sur.'^).  Ausserdem  kennen  wir  noch  andere  Avillii,  einen 
A.  Avüliu8%  C.  Avillius^),  Sextus  Avillius*),  endlich  L,  Avillius  ohne  Cognomen 
(aber  wohl  identisch  mit  L.  Av.  Sara)  und  Avillms  ohne  Praenomen  und  Cognomen 
und  mit  mehreren  hauptsächlich  aus  Rom  bekannten  Sklaven.  Arezzo  liefert  hierfür 
weniger  Material,  mehr  dagegen  für  ein  anderes  Mitglied  der  gens  Umbricia, 
för  L.  UmbriciuSy  der  auch  in  Rom,  Spanien,  Südfrankreich  und  sonst  ver- 
treten ist,  und  für  den  u.  a.  folgende  Sklaven  arbeiteten:  Hospes,  Icartis, 
LeostheneSj  Mancia,  PampMlus,  Philargtirus,  Philocteta,  Rufio,  Verus,  Zetus, 
Sein  Cognomen  Scaurus  setzt  er  selten  hinzu*),  einigemale  begnügt  er  sich 
auch  mit  dem  blossen  Scaurus*').  Dazu  kommen  dann  noch  eine  Anzahl  ein- 
zeiliger, selten  zweizeiliger  Stempel,  die  nur  die  Anfangsbuchstaben  der  Cog- 
nomina  eines  L.  Umbricius  aufweisen  und  die  z.  T.  wohl  frühere  Sklaven 
bezeichnen.  So  kann  also  L,  Um,  H,  sowohl  L.  Umbrici  Hospes  als  auch 
L,  Umbrici  Hospitis  bedeuten,  und  noch  mehrdeutiger  ist  der  Stempel  L.  Um- 
brici S,,  wo  in  8  Salutaris,  Scaeva,  Scaurus,  Sextio  stecken  kann.  Zur  Klärung 
dieser  Dinge  helfen  vielleicht  weitere  Funde,  aus  denen  sich  auch  ergeben 
kann,  welcher  Umbricius  gemeint  ist,  der  ohne  Cognomen  und  mit  den  Sklaven 
AucttM,  AcratuSy  Thyrsus  vorkommt.  Dass  mehrere  ümbricii  zusammen  ihr 
Geschäft  betrieben,  beweist  der  Spanische  Stempel  II  6349,  46  Umbriciorum. 
Die  Töpferei  eines  gewissen  Publius'),  dessen  Name  nur  in  Verbindung 
mit  Sklavennamen  in  zweizeiligen  oblongen  Stempeln  vorkommt  und  immer 
ohne  Praenomen  und  Cognomen  ^),  befand  sich  nach  älteren  und  neuen  Funden 
zu  urteilen,  an  der  piagga  di  Murello  unweit  der  Kirche  S.  Maria  in  Gradi, 
wofür  namentlich  auch  einige  Bruchstücke  von  Formen  sprechen^).  Bis  jetzt 
ergiebt  sich  folgende  Sklaveniiste:  Acutus {'^),  Antio{cus)^^),  Arch{  ),  Arconta{?}, 


1)  Not.  d.  sc.  1894  p.  118  n.  19.  Ein  anderen  Stück  bietet  den  StempeMrrch'n.i; 
Ij,  Surae. 

2)  Claras  Avili  in  Rom  XV  5038,  A.  Avilli  Clari  in  Arezzo;  Statins  A.  Avül. 
XV  5028  (vgl.  II  4970,  494). 

3)  Mit  dem  Sklaven  Eros  in  Arezzo,  auch  XV  5029  (vgl.  5040,  5045  u.  II  6257,  72). 

4)  In  Rom  mit  mehreren  Sklaven  XV  5032-35.  IX  6082,  15.  II  6257,  186.  Nicht 
in  Arezzo. 

5)  Z.  B.  Not.  d.  sc.  1892  p.  340  L,  ümbr{ici)  Sc{aiiri)  Zet{us). 

6)  Z.  B.  C.  XV  5771  Gala  Scau{ri). 

7)  Gamurrini  und  Dragendorflf  sprechen  von  einem  Piibli{cius\  was  an  sich 
möglich  wäre;  aber  Pvhlius  kommt  auch  als  Nomen  vor  (C.  VI  25201  f.  X  3494  und 
sonst),  und  dann  könnte  man  hier  auch  an  ein  einfaches  Praenomen  denken  (vgl. 
Mardpar,  Publipor  u.  s.  w.).  Nach  Cavedoni  (Bull.  d.  Inst.  1841  p.  143)  wären  {servi) 
publici  zu  verstehen. 

8)  Ein  sicherer  Beleg  für  den  von  Gamurrini  angenommenen  Vornamen  Lucius 
fehlt,  es  müsHte  denn  sein,  dass  sich  der  Pompejanische  Stempel  L-PVB  (in  Sohlen- 
form) auf  denselben  Mann  bezieht  (X  8055,  34;  vgl.  auch  Eph.  epigr.  VIII  n.  244,  7). 
Die  Stempel  bieten  PVB.,  PVBL.  und  PVBLI;  der  Sklavenname  steht  meist  voran. 

9)  Fabroni,  Bull.  d.  Inst.  1834  p.  103.  Die  neueren  Funde  werden  CIL.  XI  publi- 
ziert werden. 

10)  Auch  C.  II  4970,  415. 


122  Max  Ihm: 

Argonautes  ^)j  Auctus%  C\h)regtus^),  Chrys{anthust)y  Daci{mus\  FanMuSj 
Gratus,  H€racl{  )*),  Hilarius,  lasus,  MucrOy  Olym{pu8)^\  Samo,  Secu{ndus)y 
Suavis^),  Tauriscus'^),  Bei  dem  öfter  wiederkehrenden  Stempel  PVBTITI  ist 
die  Erklärung  zweifelhaft.  In  Arezzo  bis  jetzt  nicht  nachgewiesen  sind  DaHus, 
Diogenes  nnd  Xico{  )®).  Dass  die  Fabrik  zu  den  älteren  zählt,  beweisen  die 
in  Rom  gefundenen  dunkelfarbigen  und  schwarzen  Gefässfragmente  mit  dem 
Stempel  DIOG.  PVB,  dessen  altertümliche  Buchstabenform  Dressel  besonders 
hervorhebt  (XV  5475)*). 

C.  VolusenuS;  den  Gamurrini  der  letzten  Zeit  der  Republik  zuteilt,  hat 
nach  einem  Formenfragment,  welches  zwei  tanzende  Hierodulen  darstellt,  zu 
urteilen,  seine  Fabrik  bei  der  Kirche  S.  Francesco  gehabt*®).  Etwa  8 — 10 
Sklaven  sind  nachweisbar  (C.  IL  XI.  XV),  darunter  ein  Suavis,  von  dem  sich 
eine  Tasse  in  der  alten  Arretinischen  Nekropole  vorfand  in  Gesellschaft  von 
republikanischen  Münzen. 

Ebenso  fertigte  dekorierte  Gefasse  an  ein  C.  Vibienus,  wie  es  scheint 
bei  der  [Kirche  S.  Maria  in  Gradi.  Doch  sind  die  Funde  in  Arezzo  wenig 
zahlreich.  Dass  es  mehrere  Vibieni  gab,  geht  aus  den  Stempeln  Vibienorum 
und  Dasiuis)   Vibieno{rum)^^)  hervor. 

Bei  den  Stempeln  C.  Vibi,  C.  Vib.^^)  kann  man  zweifeln,  ob  ein  Vi  bin  s 
oder  Vibienus^  zu  verstehen  ist,  aber  Vibius  liegt  näher,  ebenso  für  die  in 
Arezzo  nicht  sicher  nachweisbaren  Stempel  i.  Vibi^^)  und  Sex.  Vibi^^\  Und 
sicher  ist  A.  Vibiua,  der  auch  mit  dem  Zusatz  figulus  und  dem  Cognomen 
Scrofa  signiert.  Von  seinen  Sklaven  kommt  am  öftesten  vor  ein  Diomedes. 
Die  üblichen  Kriterien  verweisen  auch  ihn  in  republikanische  Zeit*®). 

1)  Diese»  Namen  kann  man  aus  einem  ligaturenreichen  Stempel  herauslesen, 
wahrscheinlich  bietet  der  vorangehende  {Arcana  oder  Arconta  schien  mir  möglich) 
denselben  Namen. 

2)  Auch  C.  XV  5472  und  am  Bieier  See,  Dragendorff  p.  51. 

3)  C.  XV  5473  und  bei  Neuss,  Bonner  Jahrb.  101  p.  19. 

4)  Verfertigte  Reliefgefässe. 

5)  Auch  bei  Neuss,  Bonner  Jahrb.  101  p.  19. 

6)  Auch  C.  IX  6082,  68.    XII  5686,  851. 

7)  Derselbe  wie  es  scheint  Bonner  Jahrb.  101  p.  19. 

8)  Alle  drei  in  Rom,    Daaius  auch  X  8056,  120. 

9)  Die  Fabrik  kann  bis  zur  Zeit  des  Augustus  gearbeitet  haben,  vgl.  die  Neusser 
Funde,  Bonner  Jahrb.  101  p.  19. 

10)  Not.  d.  sc.  1889  p.  58.     Gamurrini    publiziert    hier    auch  die  bei  Arezzo   ge- 
fundene Grabschritt  eines  L.  Volusenus. 

11)  Annali  d.  Inst.  1872  p.  270  if. 

12)  Not.  d.  sc.  1883  p.  266.    C.  XV  5748.  5749.   Mehr  als  C.  XI  bieten  C.  U.  III.  X. 
XII.  XV. 

13)  CIL.  X.  XI.  XV. 

14)  C.  XV  5758.    Bonner  Jahrb.  101  p.  21.    Der  Sklave  Romanus  in  Viterbo  und 
C.  II  6257,  163. 

15)  C.  X  8056,  374. 

16)  Ein  schwarzes  GefRss  C.  XV  5756c.  Zwei  Exemplare  bei  Neuss,  Bonner  Jahrb. 
101  p.  21. 


Die  Arretiniachen  Töpfereien.  123 

Die  Töpferöfen  des  C.  Amurius,  P.  Clodius  Proculus,  C.  Clodius 
Sabinus,  L.  Gellius  und  T.  Rnfrenus  möchte  Gamurrini  auf  der  piazza 
S.  Agostino  ansetzen  ^j,  was  die  Funde  nicht  genügend  zu  rechtfertigen  scheinen. 
Die  beiden  Clodii  signieren  nur  in  Sohlenform  und,  ebenso  wie  Amurius^  ohne 
Sklaven,  gehören  also  der  jüngeren  Zeit  an;  von  den  beiden  letzten  kennen 
wir  auch  einige  Sklaven,  und  von  Gellius  haben  wir  dunkelfarbige  Stücke 
der  älteren  Epoche*).  Er  hat  eine  Zeitlang  mit  einem  L.  Semp(roniu8) 
in  Compagnie  gearbeitet,  falls  nicht  ein  anderer  Gellius  gemeint  ist^). 

Für  die  Ansetzung  der  Töpfereien  des  L.  legidius,  C.  Murrius, 
L.  Saufeius  und  P.  Hertorius  an  der  Fönte  Pozzolo  genannten  Örtlichkeit 
(an  der  nördlichen  Mauer  von  Arczzo)  fehlen  gleichfalls  genügende  Anhalts- 
punkte^). Einen  legidius  kennen  wir  auch  als  Lampenfabrikant,  der  aber 
mit  dem  Arretiner  nicht  identisch  zu  sein  braucht.  Von  C.  Murrius, 
der  die  Sohlenform  entschieden  bevorzugt  und  bald  mit  bald  ohne  Vor- 
namen signiert^),  kennen  wir  keine  Sklaven;  von  P.  Hertorius,  der  zu  den 
älteren  gehört  und  seinem  Stempel  die  mannigfachsten  Formen  und  Abkürzungen 
giebt®),  nur  einen  Erastus]  L.  legidius  dagegen  hat  mindestens  vier  beschäftigt, 
L.  Saufeius^)  mindestens  16,  darunter  eine  Sklavin  Namens  I^ochne. 

Auch  für  die  Fabriken  des  Sentius  und  Sertorius,  welche  Gamurrini 
bei  der  Kirche  S.  Francesco  ansetzt,  müssen  weitere  Funde  abgewartet  werden. 
Von  A»  Sentius  kenne  ich  nur  einen,  vielleicht  nicht  richtig  kopierten  Stempel 
(Gamunini  n.  140);  dagegen  sind  von  C.  Sentius  viele  Exemplare  bekannt®). 
Von  den  drei  Sertorii  kommt  Titas  bis  jetzt  nur  in  Rom  vor,  Gaius  und 
Quintus  auch  in  Arezzo  und  sonst  ^). 

Endlich  lassen  sich  noch  für  drei  Fabriken  die  Örtlichkeiten  in  Arezzo 
und  Umgebung   mit   Sicherheit   oder  ziemlicher   Sicherheit   nachweisen.     Die 


1)  p.  34.   Vgl.  Fabroni  p.  49.  51. 

2)  Dressel,  Annali  d.  Inst.  1880  p.  291.   C.  XV  5228. 

3)  C.  II  4970,  466.   XV  5562.  Bonner  Jahrb.  101  p.  17. 

4)  Gamurrini  p.  23.   Vgl.  Pasqui,  Not.  d.  sc.  1894  p.  120. 

5)  Das  Cognomen  lautete  Fe(  ),  denn  bei  den  Stempeln  (in  Sohlen  form)  Murri 
FE,  C.  Murri  F  u.  s.  w.  wird  man  kaum  an  fe{cit)  denken  dürfen.  Die  Stempel  CM-F 
beziehen  sich  wohl  auf  denselben  der  jüngeren  Zeit  zuzuweisenden  Mann. 

6)  Vgl.  besonders  C.  XV  5256.  5257.  Ein  Unicum  ist  der  in  grösseren  Buch- 
staben wiedergegebene  Stempel  HERTORIA  (vgl.  XV  5255),  wozu  mir  figlina  zu  er- 
gänzen scheint. 

7)  Zu  Dama  ||  JSaufei  C.  XV  5550  notiert  Dressel  Witteras  antiquiores*.  Das  Prae- 
nomen  fehlt  meist.  Der  'etruskische'  Name  Citlus  bei  Dragendortf  p.  49  ist  zu 
streichen  (lies  Clittis). 

8)  Auch  CIL.  II.  IX.  X.  XII.  XV  und  Bonner  Jahrb.  101  p.  20.  Er  signiert  mit 
und  ohne  Praenomen,  auch  mit  dem  Zusatz  figulus.  Sohlenform  ist  selten.  Nach 
Dragendorff  p.  50  gehören  die  Fabriken  des  Sentius  und  Domitius  (s.  oben)  in  die 
erste  Hälfte  des  1.  Jhdts.,  weil  von  ihnen  Stempel  auf  der  Stätte  des  alten  Bibracte 
gefunden  sind.   Die  Publikation  dieser  Funde  bleibt  abzuwarten. 

9)  Für  Gaius  arbeiteten  die  Sklaven  Ocella  und  Proculus, 


124  Max  Ihm: 

Hauptfiindstelle  der  Gcfasse  des  C.  Gavius*)  befindet  sieh  in  Cincelli,  wo 
auch  das  Bruchstück  einer  Form  auftauchte.  Dass  er  noch  der  Republik 
angehört,  scheint  durch  den  in  der  alten  Arretinischen  Nekropole  gefundenen 
Stempel  CA/1  gesichert*).  Von  Sklavennamen  liefert  der  stadtrömisehe  Band 
drei:  Ante{ro8),  Ploca{mu8)^)  und  Summacus*).  Ob  der  A.  Gavius  Primi- 
genius  C.  IX  6082,  36  Arretiner  ist,  steht  dahin.  —  Weiter  berichtet  Gamurrini 
(Not.  d.  sc.  1887  p.  438)  über  die  Entdeckung  einer  'piecola  fomace  di  un 
povero  figulo'  in  der  Via  degli  Albergotti,  in  welcher  schmucklose  Gefässe 
(piatelli,  larghe  coppe  e  bicchieri  di  colore  rosso)  fabriziert  wurden.  Die  Besitzer 
seheinen  zwei  Petronii  zu  sein,  ein  Lucius  und  ein  Gains;  von  ihrer  Waare 
haben  sich  Stücke  in  Rom,  Südfrankreich  und  Spanien  gefunden*),  und  end- 
lich müssen  hier  erwähnt  werden  die  an  dem  Ort  'Orciolaia*  (bei  Arezzo  am 
linken  Ufer  des  Castro)  gemachten  Funde  ^).  Hier  kamen  zahlreiche  schwarze 
und  rote  Scherben  zu  Tage,  denen  teils  die  Namen  der  Verfertiger,  teils  be- 
stimmte Fabrikmarken  aufgedrückt  waren.  So  fanden  sich  z.  B.  zwei  durch 
den  Brand  zusammengeschmolzene  Stücke,  von  denen  das  eine  den  Stempel 
Anto,  das  andere  ein  besonderes  Fabrikzeichen  trug;  sie  waren  also  gleich- 
zeitig in  den  Ofen  gekommen').  Wir  finden  hier  folgende  Sklavennamen: 
Antiochus,  ChaHtOy  ChatinuSy  Dassrns,  Hec{tor?),  HilaSy  Lus{ia8?)f  Nicephorus, 
PamphüuSj  Stephanus  (abgekürzt  Step.)  und  Trupho.  Der  Name  eines  patronus 
fehlt,  er  müsste  denn  in  dem  einigemale  vorkommenden  C-SE  zu  suchen  sein. 
Gamurrini  nimmt  daher  an,  dass  jene  figuli  ein  sodalicium  gebildet  und  den 
Platz  von  dem  Besitzer  des  Grundstücks  gemietet  hätten,  wofür  sichere  Anhalts- 
punkte fehlen.  Jedenfalls  gehört  die  Töpferei,  da  schwarze  Gefässe  neben 
roten  hergestellt  wurden,  zu  den  älteren,  etwa  in  die  erste  Hälfte  des  1.  Jahr- 
hunderts, wenn  man  einerseits  die  Schreibung  Lus.  und  lYupho,  andererseits 
die  durchgeführte®)  griechische  Aspiration  erwägt. 

Damit  wäre  die  Reihe  der  Arretinischen  Töpfereien,  deren  Örtiichkeit 
sich  genau  oder  annähernd  genau  bestimmen  lässt,  erschöpft.  Die  unbestimm- 
baren behandelt  Garaumni  im  9.  Kapitel  seiner  Abhandlung,  das  ebenfalls  einer 
gründlichen  Umarbeitung  unterzogen  werden  niuss.  Aus  der  im  CIL.  XI  ge- 
gebenen Sammlung  wird  sich  mit  Leichtigkeit  ersehen  lassen,  für  welche 
anderen  Fabrikstempel  noch  echt  Arretinische  Herkunft  sicher  oder  wahr- 
scheinlich  ist.     Ich    begnüge   mich   hier   mit   einer   kurzen  Registrierung   der 


1)  Ein   duovir   dieser   gens  aus   republikanischer  Zeit  CIL.  XI  1845  Q.  Gavius 
(nicht  Cavius)  L.  /*. 

2)  Annali  d.  Inst.  1872  p.  291.    Die  Schreibung  mit  C  kommt  mehrfach  vor,  die 
mit  G  überwiegt  aber  bei  weitem. 

3)  Auch  C.  ir  6257,  41. 

4)  C.  X  8056,  154  muss  emendiert  werden  in  C,  Gav[i\  Sum[m]ac[i\. 

5)  Vgl.  aucli  C.  XV  5427  L.  Petroini)  1\  ). 

6)  Gamurrini,  Not.  d.  sc.  1890  p.  63  flf. 

7)  Dragendorff  p.  42. 

8)  Es  ist  nicht  Stepanus  geschrieben,  wie  Gamurrini  a.  0.  p.  69  u.  70  augiebt. 


Die  Arretinischen  Töpfereien.  125 

wichtigeren,  wobei  ich  von  denen  fast  ganz  absehe,  die  nur  mit  den  Anfangs- 
buchstaben signieren. 

i.  AemiUuSy  mit  dem  Sklaven  Germanus, 

Q.  Af{  ),  einer  der  ältesten  Fabrikanten  schwarzer  Geßlsse^). 

Sex,  Afri{u8)  mit  den  Sklaven  Anteros,  Clitus,  Diomedes^). 

L.  Albius^)  (andere  Albii  in  Rom). 

Arvius,  allein  und  mit  verschiedenen  Voniaraen  C,  AL,  Q.,  ^Sex, 

Cn,  Ateius,  der  massenhaft  in  Rom  und  den  Provinzen*)  vorkommt 
mit  verschiedenen  Beinamen  imd  einer  Anzahl  Sklaven,  während  die  Funde 
in  Arezzo  derart  unerheblich  sind,  dass  man  fast  an  seiner  Arretinischen  Her- 
kunft zweifeln  möchte.  Es  sind  auch  Reliefgefässe  von  ihm  bekannt'*).  Dragen- 
dorflf  (p.  50)  setzt  ihn  in  das  erste  nachchristliche  Jahrhundert,  richtiger,  wie 
es  scheint,  0x6  in  die  Augustische  Zeit®). 

P.  Attius  (auch  ohne  Praenomen). 

C.  Bov{iu8?)  Oent{ianu8?)y  selten. 

a  Cae(  )  Clem{  ),  auch  CIL.  X.  XV. 

C.  Caen{  ),  Cincelli  und  Rom. 

CilniuSy  nur  in  Arezzo. 

L.  Crisp{  )  und  Crispinus,  auch  XV  und  sonst. 

Q.  FuficiuSy  mit  einem  oder  zwei  Sklaven. 

Sex.  Iul{iii8)  Apr{  ),  auch  XV. 

A  Manneius'^),  ziemlich  häufig,  auch  in  Rom,  vereinzelt  CIL.  III  u.  X; 
mit  mehreren  Sklaven  {Capella,  Castor,  Corinthus,  Cosmus,  Receptus). 

C.  Nonius,  auch  C.  X  u.  XV.  Dagegen  ist  L.  Nonius  mit  seinen  Sklaven 
BreucuSf  Cimber,  Eleuterus,  Suriscus,  SecunduSj  Verna,  Urbanua  aus  Arezzo 
bis  jetzt  nicht  bekannt^). 

M.  Fi  )  Capito% 

L.  Pomponiu8^^)f  auf  einem  Formfragment  in  Arezzo. 

A.  Sestius,  auch  C.  IL  X.  XII.  XV  mit  verschiedenen  Sklaven  (Acnfuif^f 
Argines,  Dama,  Epapra,  Hilarus,  Priamus  u.  a). 

P.  Sextilius  Clement  ). 

Eine  Dame  Statilia  mit  den  Sklaven  Blandus  und  Canoptis^^), 


1)  Auch  CIL.  II  4970,  11   (überliefert  Q-AL)  und  XV.  Vgl.  Dragendorif  p.  40.  49. 
92.  Dressel  C.  XV  p.  702.  Ebenso  gehören  zu  den  ältesten  die  nicht  deutbaren  Stempel 

V,  AV,  CV,  A-T. 

2)  CIL.  IL  V.  X.  XII.  XV.   Bonner  Jahrb.  101  p.  13. 

3)  Bonner  Jahrb.  101  p.  13  n.  270  ist  nicht  arretinisch. 

4)  Ein  Stück  in  Ägypten,  Bonner  Jahrb.  101  p.  149. 

5)  C.  XV  5007, 1. 1.5.  16.  5008. 

6)  Bonner  Jahrb.  101  p.  22  ff. 

7)  Gamurrini  p.  53  scheidet  davon  einen  Anneius. 

8)  C.  XV  5377  ff.   Funde  aus  Todi  Not.  d.  scavi  1885  p.  182. 

9)  S.  oben  unter  *Perennius*. 

10)  Q.  Pompanius  Serenus  gehört  nach  Puteoli,  Dragendorff  p.  55. 

11)  C.  X  8056,  64  (wahrscheinlich  =  Gamurrini  n.  394).   IX  6082,  19.   XV  5603. 


126  Max  Ihm:    Die  Arretinischen  Töpfereien. 

C.  und  L.  Tar(  ). 

C.   Ver(  ). 

Vettius  {A.  Vetti  \\  Optati). 

ViUiu8  und  Villius  Natalis  (dieser  auch  in  Pompeji  C.  X  8055,  44). 

C.  Vin(  ),   Vinicius, 

D.  Vol{  )  Sc€un{  ). 

Viel  grösser  ist  die  Zahl  der  unter  Ärretinischor  Flagge  segelnden  fignli^ 
denen,  so  lange  nicht  neue  Funde  anderes  lehren,  lediglich  'Arretinischer  Typus' 
zugesprochen  werden  darf.  Sicher  nicht  Arretinisch  sind  Stempel  wie  Atenio 
circitor  refi{ciendum)  curavit  (XV  5016),  Faustus  salinator  Seriae  (XII  u.  XV), 
femer  sämtliche  Stempel,  die  den  Zusatz  of{ficina)  führen  (in  Rom  of.  FeliciSy 
lucundi,  Secundi^  Silvani  u.  a.),  und  mindestens  als  sehr  verdächtig  müssen  alle 
die  gelten,  denen  fecit  oder  feci  beigefügt  ist,  oder  gar  das  griechische  epoei 
oder  epoi^).  Denn  aus  Arezzo  kenne  ich  nur  den  einen  irregulären  Stempel  Venicius 
fecit  hec^).  Für  andere,  wie  gesagt,  bleibt  die  Hoffnung  bestehen,  dass  weitere 
Funde  die  Arretinische  Provenienz  sicher  stellen,  z.  ß.  für  Af.  Gratidius,  der 
sich  einmal  das  Cognomen  oder  Ethnikon  Arretinus  beilegt  (XV  5237),  für 
Ancharius  (mit  mehreren  Sklaven j,  Basilius^),  Q,  Castriicius)  Ve(  ),  C.  Curtius, 
P.  Deloreius,  L.  Fastidienus,  S,  M{  )  Fest{  )*),  P.  Messenius,  C.  Roscius, 
iL  Serviliusy  verschiedene  Valerii,  L.  Vistiniun^  L.  Vergilius  und  viele  andere. 

Gamurriui  widmet  auch  den  etruskischen  und  etrusko-lateinischen  Stempeln 
ein  kurzes  Kapitel,  doch  sind  von  seinen  9  Nummern  nur  die  drei  ersten 
etruskisch,  n.  4 — 9  sind  lateinisch  und  z.T.  wohl  ungenau  kopiert*).  Nr.  1 — 3 
bieten  das  etruskische  Wort  atrane  {atranesy  atranesi)  und  stammen  aus  Vulci, 
Clnsium,  Volaterrae,  Perusia;  seitdem  sind  andere  in  Orbetello  und  Suaua  auf- 
ßretaucht^),  aber  nicht  in  Arezzo.  Dagegen  können  wirklich  Arretinisches 
Fabrikat  sein  die  mit  etnisk.  OEuE  oder  UEOE  signierten  Gefasse'). 


1)  XV  5211  epoei  Felix,    5398  Onesimus  epoi  (vgl.  Dragendorff  p.  25). 

2)  Die  Stempel  C-M-F,  C-MVRRI-F  (bezw.  FE)  kommen  hierfür  nicht  in  Betracht 
(8.  oben),  und  in  dem  Stempel  C.  XV  5107^  CL-SABF  ist  das  F,  wie  Dresse!  mit  Recht 
vermutcti  aus  den  Zehen  der  planta  pedis  herausgelesen. 

3)  Schwerlich  in  Arezzo  heimisch,  vgl.  XV  5057  u.  5058  b, 

4)  Ist  häufig,  meist  abgekürzt  S-M-F  (auch  in  Pompei).  Er  verfertigte  auch 
Reliefgefässe  roherer  Arbeit  (Dragendorff  p.  125). 

5)  n.  6  =  C.  XV  4960. 

6)  Milani,  Not.  d.  scavi  1885  p.  245;  Gamurrini  Append.  Fabr.  n.  757. 

7)  Funghini  p.  6,  Taf.  n.  1  (von  mir  in  Arezzo  kopiert).    Vgl.  Dragendorff  p.  40. 


5.  Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 

Von 
A.  Oxe. 


I. 

Grabstein  eines  eques  der  ala  Moeaica, 
gefunden  in  Asberg  (Asciburgium). 

Dieser  Fund  besteht  aus  etwa  25  Tuflfsteinstücken  ^),  die  höchstens  zwei 
oder  drei  Hand  gross  und  2  bis  4  cm  dick,  im  Herbste  1892  im  Garten  des 
Asberger  Landmannes  Gathmann  östlich  der  alten  ßömerstrasse  auf  dem  sog. 
Burgfelde  gefunden  wurden  und  durch  die  Bemtihung  des  Herrn  Dr.  Siebourg 
in  den  Besitz  des  Krefelder  Museums  gelangten.  Ein  Fragment,  unten  mit  c 
bezeichnet,  war  einige  Tage  früher  gefunden  worden  und  in  den  Besitz  des 
Herrn  Wilh.  Tappen  aus  Düsseldorf  übergegangen,  bei  dem  es  der  Vfr.  im 
Herbste  1896  zufällig  fand;  mit  den  Krefelder  Inschriftresten  verglichen,  wurde 
dies  Fragment  als  zugehörig  erkannt  und  von  Herrn  W.  Tappen  dem  Krefelder 
Museum  bereitwilligst  überlassen. 

Die  ornamentierten  Bruchstücke  gehören  zu  zwei  Reliefbildem  eines 
Steines.  Von  dem  ersten,  dem  oberen  Bilde  sind  Teile  des  lectus,  namentlich 
die  2  Füsse  in  der  linken  und  rechten  Ecke  erhalten.  Auf  demselben  liegt 
der  Verstorbene,  in  faltenreicher  Toga  als  dves  dargestellt,  bei  dem  Mahle 
(cena):  von  dieser  Figur  sind  Kopf,  1.  Arm,  auf  den  er  sich  stützt,  1.  Hand, 
in  der  er  die  Serviette  hält,  und  Gewandstücke  gerettet,  von  seiner  r.,  in  der 
er  wahrscheinlich  den  Trinkbecher  hielt,  ist  nichts  vorhanden.  Auch  von  der 
mensa,  die  vor  ihm  stand,  ist  nur  das  schneckenförmige  Ende  eines  Fusses 
zu  erkennen,  dagegen  nichts  von  den  Geiässen,  die  auf  derselben  standen, 
nichts  von  dem  grossen  cylindrischen,  einhenkligen  Weinkrug,  der  auf  ähn- 
lichen Darstellungen  nie  zu  fehlen  pflegt,  um  so  mehr  blieb  von  dem  jungen 
Sklaven,  dem  puer  übrig,  der  die  Hände  über  einander  geschlagen  und  die 
Schöpfkelle  in  der  r.,  am  Fussende  des  lectus  in  aufwartender  Haltung  steht: 


1)  Der  Umstand,  dass  der  Stein  in  so  viele  Stücke  zerschlagen  war,  dürfte  ihn 
vor  dem  Schicksal  seiner  Genossen  bewahrt  haben,  die  in  dem  steinarmen  Nieder- 
land als  wertvolles  Baumaterial  für  Neubauten  angesehen  und  wie  ans  einem  Stein- 
bruch ausgegraben  wurden,  um  zu  Wagen  und  zu  Schiff  weit  weggeschleppt  zu 
werden. 


128  A.  Ox^: 

er  Hess  sich  fast  vollständig  zusammenstellen.  —  Von  dem  zweiten,  anteren 
Relief  konnte  das  Pferd,  wie  es  gesattelt  und  gezäumt  stolz  aus  dem  Stalle 
schreitet,  ebenfalls  bis  auf  wenige  Lücken  zusammengefügt  werden,  während 
von  dem  Stallknecht,  der  auf  gleichen  Darstellungen  bald  vor,  bald  hinter 
dem  Pferde  einher  zu  gehen  pflegt,  keine  Spur  unter  den  Bruchstücken  zu 
finden  war. 

Diese  Reste  der  beiden  Reliefs  genügen,  um  erkennen  zu  lassen,  dass  sie 
von  dem  Grabsteine  eines  eques  herrühren.  Ähnliche  Darstellungen  finden  sich 
zahlreich  in  Rom  auf  den  Grabdenkmälern  der  equites  singulares  (vgl.  CIL 
VI  3176 — 3304)  und  sind  auch  im  Rheinlande  nicht  selten:  z.  B.  in  den 
Museen  zu  Trier  (Katal.  nr.  308),  Mainz  (nr.  222  p.  72),  Wiesbaden  (Kat.  p.  7) 
und  Köln  (Kat.  nr.  224). 

Zwischen  den  beiden  Reliefs  pflegt  die  Inschrift  zu  stehen.  Von  diesem 
Mittelstück    des   Asberger   Steines    sind   nur    vier    Fragmente    erhalten.     Ein 


DO 

MOE 


Glück  noch,  dass  der  Anfang  (a)  und  das  Ende  (d)  der  4  Zeilen  darunter 
ist.  Die  Buchstaben,  klar  und  schön,  sind  in  Zeile  I  5,9,  II  5,  III  4,5  und 
IV  4,9  cm  hoch.  Aus  diesen  Massen  folgt  mit  zweifelloser  Sicherheit,  dass 
frg.  b  mit  dem  5,9  cm  hohen  Q  zu  Zeile  I  und  entsprechend  frg.  c  zu  II 
gehörte,  eine  Thatsache,  welche  eine  weitere  Ergänzung  des  Textes  durch 
Conjectur  ermöglichte. 

In  Zeile  1  ist  ohne  Frage  EQ^S\-^E  zu  ergänzen,  während  den 
Namen  des  biederen  Reitersmannes  herzustellen,  bis  jetzt  nicht  gelungen  ist. 
Für  den  Namen  des  Vaters,  der  auf  einigen  ähnlichen  Steinen  hinter  dem  des 
Sohnes  folgt,  dürfte  der  Raum  zwischen  Dom . . .  und  eques  nicht  hinreichen, 
da  er,  wie  die  Heretellung  der  folgenden  Zeile  lehrt,  höchstens  4  Buchstaben 
enthielt.  Die  Zeile  2  muss  mit  dem  Namen  der  ala  begonnen  haben,  also 
Moesicae:  dieses  Wort  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ausgeschrieben  ge- 
wesen *),  da  es  auch  auf  den  drei  übrigen  Steinen  nicht  abgekürzt  wird,  aus 
denen  bis  jetzt  die  ala  Moesica  bekannt  war:    CIRh  438.    CIL  VI  3538  und 

i 

1)  Vielleicht  waren  A  und  K  zu  -E  legiert. 


Neue  römische  ^ande  vom  Kiederrhein.  129 

CIL  XI  709 ').  Ru . .  ni  ist  gemäss  der  obersten  Zeile  nur  durch  2  Buch- 
staben zu  RVFINI  zu  ergänzen.  Vor  diesem  Namen  ist  der  dreieckige  Punkt 
und  der  Rest  eines  R  zu  erkennen,  ofiFenbar  von  der  Abkürzung  TVR  (ma) 
herrührend.  Darnach  ist  diese  Zeile  vollständig  hergestellt  und  lässt  die  Breite 
der  ganzen  Inschrift  etwa  auf  74  cm,  die  des  ganzen  Steines  auf  78  cm  be- 
stimmen; es  ist  nämlich  nicht  anzunehmen,  dass  der  Stein  noch  die  Ehren- 
beinamen der  ala  felicis  torquatae  in  gekürzter  oder  gar  voller  Form  getragen 
habe,  da  auch  die  Reste  des  oberen  Reliefs  auf  eine  Breite  von  72 — 75  cm 
schliessen  liessen.  In  Zeile  3  ist  unter  dem  R  der  vorigen  Zeile  der  Rest 
eines  X  zu  erkennen:  da  der  Verstorbene,  wie  in  Zeile  4  zu  lesen  ist,  wenig- 
stens 20  Jahre  in  der  Front  stand,  so  muss  er,  wie  der  Vergleich  mit  andern 
Grabinschriften  von  equites  ergiebt,  ungefähr  40  Jahre  alt  gewesen  sein;  also 
stand  hier  entweder  XXXX  oder  XL,  und  zwar  ohne  Querstrich  über  der  Zahl. 
Letztere  Ziffer  verdient  den  Vorzug  wegen  ihres  kürzeren  Dmfanges  und  ist 
höchstens  durch  ein  III  oder  V  die  Lücke  bis  zu  [i]T\P{endiorum)  auszu- 
ftallen.  Davor  muss  AN -(worum)  gestanden  haben.  Die  Kluft  zwischen  cives 
und  annorum  ist  nicht  mit  Sicherheit  auszufallen:  6  Buchstaben  finden  etwa 
Platz,  so  dass  man  beispielsweise  an  eine  Ergänzung  wie  TR  EVE  R  denken 
könnte.  In  Zeile  4  mag  hinter  der  Ziffer  XX  entsprechend  unserer  Ergän- 
zung der  Lebensjahre  eine  III,  IUI  oder  V  gestanden  haben,  sicherlich  folgte 
ein  H(ic)  -  S{itu8)  •  E(8t)  -,  allenfaUs  noch  H  •  F  •  C  oder  H  -  EX  -  T  •  F  •  C.  Der 
Steinmetz  hatte  hier  noch  viel  Platz,  wie  sowohl  die  Grösse  der  Buchstaben 
als  auch  der  grössere  Abstand  von  dem  Rande  des  Steines  beweisen. 
Die  ganze  Inschrift  dürfte  demnach  etwa  so  gelautet  haben: 

DOM....  lEQVFS  *  A-'^  E   Dom( ),  eques  alae 

MOESIC/tfTVRfRVFIlsl   Moesicaey  turima)  Rufini, 

GVF S  • AN?  XLIII '  S  T  P   cives ,  an{norum)  XLIIIj  8tip{endiorum) 

XXIII  f  Hl  SfE  XXIIIy  Mic)  8{itu8)  eist). 

Die  bereits  angefahrte  Inschrift  GIRh  438  stellt  offenbar  die  Grabschrift 
des  Decurionen  Rufinus  dar,  in  dessen  Zug  iturma)  der  in  Asberg  bestattete 
Reitersmann  stand.  Nur  in  ihrer  rechten  Hälfte  erhalten,  in  den  Ruinen  eines 
Deutzer  Klosters  gefunden,  dann  der  Sammlung  der  Grafen  von  Blankenheim 
einverleibt,  ging  sie  verloren^)  und  ist  nur  in  Abschriften  auf  uns  gekommen, 
die  Brambach  so  wiedergiebt: 

Caput Da   die  beiden   Steine    zusammengehören, 

mag  auch  dieser,   so  weit  es  möglich  war,   er- 
gänzt und  erklärt  werden.     Der  obere  und  der 
"  rechte  Rand  der  Inschrift  scheinen  in  dieser  Form 
richtig  erhalten,  dagegen  können  die  ornamenta 
5.  |MICVS-ETF£  nicht   gleich   an   Zeile   5    sich    angeschlossen 

ornamenta  haben.    Hier   muss   ein  Raum  gelassen  werden 

1)  Auf  diesen  Stein  hat  Zangemeister  mich  aufmerksam  gemacht. 

2)  Br.  'e  ruinis  monasterii  Tuuitiensis  e  regione  Coloniae  Agrippinae  frgui.' 
GRVTER.   —   In  monumentis  Blankenheimiis  habet  SCHANNAT.  —  Periit. 

a«hrl>.  d.  Ver.  v.  Alterthafr.  im  Rheinl.  lox.  9 


\0 

•     R  V  F  1  N  0 

0 

-     EX 

•    DEC 

\s 

•    MOESIC  AE 

|nsvs-&-> 

•LEGG 

JM ICVS  • 

ET     fE 

130  A.  0x6: 

für  eine  sechste  Zeile,  die  zwar  in  der  erhaltenen  Hälfte  anbeschrieben  war, 
aber  auf  der  yerlorenen  die  Fortsetzung  von  Zeile  5  getragen  haben  muss  samt 
einer  der  geläufigen  Schlussformeln :  .  RES  •  POSVIT^ßT  oder  RES-EX-T.FC<2r 
oder  ähnlich. 

Die  Ergänzung  der  einzelnen  Zeilen  beginnt  am  besten  mit  Zeile  3;  denn 
hier  kann  nur  ALAE  und  davor,  da  dies  Wort  allein  zu  wenig  ist  im  Ver- 
gleich zur  Ergänzung  der  übrigen  Zeilen,  die  Fortsetzung  des  in  voriger  Zeile 
abgebrochenen  DlEC|'|VRIONE  gestanden  haben*).  Das  überlieferte,  ganz  un- 
verständliche S  vor  Moesicae  dürfte  lediglich  die  missverstandene  Hälfte  eines 
zerbrochenen  Interpunktionsblattes  <2r  sein.  Weniger  Wahrscheinlichkeit 
hat  die  Ergänzung  dieser  Zeile  zu  VET(crano)  ALAE,  da  veteranus  in  der 
Regel  vor  ea;  decurione  zu  stehen  pfiegt*).  Dazukommt,  dass  das 0 in  Zeile  2 
sich  schwerlich  anders  deuten  lässt  als  das  Ende  eines  VETERAN 0,  eines 
Wortes,  das  sehr  gut  die  ganze  Zeile  ausgefüllt  hat,  da  dieselbe  offenbar  mit 
grösseren  Buchstaben  als  die  folgende  geschrieben  war  —  ebenso,  wie  in  dem 
Asberger  Stein.  Für  Zeile  1  hat  schon  Brambach  grössere  Lettern  verwandt. 
Hier  ist  nur  Raum  für  praenomen  und  nomen  gentile:  eine  Abkürzung  des 
gentile,  die  so  wie  so  schon  selten  ist,  bat  neben  einer  ungekürzten  Schreib- 
weise veterano  und  decurione  erst  recht  keine  Wahrscheinlichkeit.  Mit  Sicher- 
heit muss  daher  geschlossen  werden,  dass  der  Name  des  Vaters  und  die  Tribus 
vor  dem  Cognomen  Rufino  nicht  erwähnt  waren,  ein  Fingerzeig  fllr  die  Zeit- 
bestimmung des  Steines.  In  Zeile  4  hat  Schannat  weder  das  hier  ganz 
unerklärliche,  quer  durchgestrichene  5  noch  das  zweite  G  am  Ende;  schon 
Brambach  vermutet  daher  mit  Recht  darin  zwei  unverstandene  Interpunktions- 
blättcr   J^.     Mag    nun    das   cognomen    des    dedicierenden   Centurionen   auf 

nstJLS  (Gr.)  oder  . . .  usus  (Seh.)  ausgegangen  sein,   bis  jetzt   ist  es  leider 

nicht  gelungen  einen  passenden  Centurio-Nanien  in  einer  Legion,  die  am 
Niederrhein  gestanden  hat,  ausfindig  zu  machen').  Damit  ist  vorläufig  die 
sichere  Ergänzung  dieser  und  der  folgenden  Zeile  unmöglich:  wir  können  nur 
behaupten,  dass  in  Zeile  4  die  tria  nomina  des  befreundeten  Centurionen  stan- 
den, während  in  letzterer  seine  Legion  benannt  wurde.  Nur  des  Beispiels 
wegen  mag  daher  dort  ein  [T  •  VLPIVS  -  DE]NSVS,  hier  ein  VT-  VI  C  -  P  -  F 
oder  XXX- VV.  oder  XXIIPRI-P  F  eingesetzt  werden,  geradeso  wie  in 
Zeile  1  ein  [M-VALERIJO.  Die  vollständige  Inschrift  hatte  somit  etwa  fol- 
gendes Aussehen: 


1)  Zangemeister  findet  diesen  Vorschlag  auch  plausibel,  aber  die  Abkürzung 
zu  ungewöhnlich  und  schlägt  daher  nur  RIONEALAE  zu  ergänzen  vor,  indem 
er  das  V  lieber  in  das  letzte  C  der  vorhergehenden  Zeile  verweist. 

2)  Vgl.  CIL  VIII  9052,  wo  in  Zeile  1  und  2  beide  Stellungen  wechseln.  Eben- 
dort  9358  und  9237  gegen  9797  und  III,  839,  846,  1203,  1383,  1552,  3221  gegen  das 
eine  Beispiel  770. 

3)  Auch  Zangemeister,  dem  ich  für  seine  liebenswürdige  Unterstützung  an 
dieser  Stelle  meinen  Dank  ausspreche,  bemühte  sich  um  die  Ergänzung  des  Namens 
vergcbtMirt. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 


131 


Caput 


fiore» 


6. 


m.  valeri  O  •  R  V  F  I  N  O 
VETERANO    EX-DEC 

RI0NE,2rALAE^iM0ESICAE 
t^nlpius^de  NSVS^>LEG^ 
vi-vic-p.f.  AMICVS-ET-fE 
RES-POSVIT^ 


fiore% 


ornamenta 


{AL   Valeri}o  Rufino, 

[veteran\o  ex  decu- 

[rione  cUae]  Moesicae, 

(T.   ülpius  De)nsuSj  c{enturio)  leg{ionis) 
5.  <  VI  vic(trici8)  p(iae)  jf^idelis)},  [a]micu8  et  he- 

[res  posiit.] 
Zeitlich  können  die  beiden  Steine^  wenn  derselbe  Wachtmeister  jßu/?nu« 
auf  beiden  genannt  ist,  nicht  weit  auseinander  liegen:  der  Deutzer  Stein  wird 
etwas  später  fallen  als  der  Asberger.  Wenig  wahrscheinlich  ist,  dass  der 
Deutzer  Stein  etwa  von  Asberg  oder  Dormagen  nach  Deutz  geschleppt  worden 
ist  (vgl.  S.  127,  Anm.);  eher  ist  anzunehmen,  dass  der  pensionierte  Herr 
Wachtmeister  sich  nach  Köln  zurückzog,  um  dort  den  Rest  seiner  Tage  zu 
verbringen.  Die  drei  Kriterien,  die  uns  einen  Anhalt  für  die  Zeitbestimmung 
an  die  Hand  geben  können,  Foiiii  der  Buchstaben,  Art  der  Abfassung  des 
Textes  —  namentlich  die  gebrauchten  Formeln,  Fehlen  der  Tribus,  des  Vater- 
namens, die  Abkürzungen  —  und  endlich  die  Art  des  ornamentalen  Schmuckes, 
weisen  die  Steine  dem  I.  Jahrh.  zu. 

Wo  die  ala  Moesica  im  Standquartier  lag,  war  bis  jetzt  nicht  bekannt. 
Nach  den  beiden  vorstehenden  Steinen  zu  urteilen,  befand  sich  dieses  Alenlager 
sicher  in  Untergermanien.  Für  diese  Annahme  spricht  auch  die  Inschrift  CIL 
XI  709,  in  der  hinter  |  praeflectus)  equitum  alae  \  Moesicae  \  als  nächster 
gradus  honoram|  censor  Oerm(aniae)  inferior {is)  \  folgt.  Es  ist  sehr 
gut  möglich,  dass  Asciburgium  die  Garnison  der  ala  Moesica 
war,  da  Tacitus  (bist.  4,  33)  in  der  Schilderung  des  Bataverkrieges  da- 
selbst ein  Alenlager  erwähnt:  hiberna  alae  Asciburgii  sita. 


II. 

Funde  aas  Gellep  (Gelduba). 

A.  Das  Kastell. 

Eine  weit  wichtigere  Bolle  als  das  Alenlager  zu  Asciburgium  spielte  im 
Bataveranf Stande  bekanntlich  das  13  km  südlich,  ebenfalls  am  Rhein  gelegene 
Cohortenlager  Oelduba.  Dass  dieses  römische  Kastell  in  dem  heutigen  Gellep, 
rund  20  km  von  Neuss  und  40  km  von  Xanten  entfernt,  zu  suchen  ist,  stand 


132  A.  0x6: 

nach  A.  R e i n s ^)  und  F.  Stollwercks*)  Arbeiten  ausser  Frage :  der  Be- 
richt des  Tacitus  (bist.  4,  33  und  36),  die  im  Itinerarium  Anlonin.  angege- 
benen Entfernungen,  der  heutige  Name,  die  sehr  vielen  römischen  Funde  und 
die  ausgezeichnete  Lage  sprachen  einhellig  dafür.  Die  Gelleper  Anhöhe,  wie 
sie  auf  unserem  Plane  skizziert  ist,  von  den  Leuten  der  Umgegend  der  'Berg' 
genannt,  etwa  5  m  über  seiner  Umgebung  und  10  m  über  der  Normalhöhe  des 
Eheines  erhaben,  so  dass  sie  allein  bei  grossem  Hochwasser  wie  eine  Insel 
aus  der  weiten  Wasserfläche  herausragt,  fällt  nach  dem  Rheine  hin,  der  in 
Römerzeit  dicht  vorbeigeflossen  sein  dürfte,  noch  heute  ziemlich  steil  ab, 
während  sie  nach  den  übrigen  8eiten,  namentlich  nach  SW.  allmählich  sich 
senkt.  Von  der  Chaussee  nach  Crdingen,  der  alten  Römerstrasse  Neuss-Xanten, 
liegt  sie  600  m  entfernt.  Der  ganze  Höhenrücken,  vielfach  mit  römischen 
Zicgelstücken  übersät,  ist  jedoch  offenbar  für  ein  römisches  Kastell  zu  umfang- 
reich; es  hatten  daneben  die  Cannabae  hinreichend  Platz.  An  welcher  Stelle 
aber  grade  das  Kastell  sich  erhob,  war  bis  jetzt  nicht  festgestellt.  Ja,  es 
wurden  Zweifel  rege,  ob  dort  oben  das  Kastell  oder  nur  römische  Ansied- 
lungen  zu  suchen  seien.  Denn  während  Stollwerck,  der  zuletzt  im  Zu- 
sammenhange Gellep  behandelt  hat,  die  Lage  des  Gräberfeldes,  das  sich  am 
ganzen  südwestlichen  Abhang  entlang  zieht,  richtig  bestimmt,  beruhen  seine 
Angaben  (S.  27 — 29)  über  Lage  und  Grösse  des  Kastells,  dem  er  eine  Front 
von  450  m  zumisst,  auf  unzulänglichen  Beobachtungen  und  Mutmassungen. 
Er  selbst  hat  keine  Grabungen  vorgenommen,  ist  bei  keiner  Umrodung  jener 
Felder  persönlich  zugegen  gewesen,  hat  keine  Umfassungsmauer  oder  Thore, 
kein' anderes  Mauerwerk^)  das  für  ein  Kastell  sprechen  könnte,  beobachtet; 
es^ist  ihm  nicht  gelungen  auch  nur  einen  einzigen  Legionsziegel  in  Gellep 
aufzutreiben,  geschweige  selbst  auszugraben.  Wehmütig  muss  dieser  rührige 
Sammler  und  Forscher  (S.  81)  bekennen:  „Wenn  ich  jetzt  mehrere  Legions- 
ziegel als  zu  Gellep  gefunden  folgen  lasse,  so  geschieht  dies  hauptsächlich, 
um  die  Glaubwürdigkeit  der  Angeber  nicht  in  Zweifel  zu  ziehen,  ich  darf 
aber  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dass  es  mir  ungeachtet  mehr  als 
hundertmaliger  Wanderungen  nach  Gellep  und  sehr  vieler  Bemühungen  am 
Orte  selbst,  in  dem  langen  Zeiträume  von  25  Jahren  nie  hat  gelingen  wollen, 
dort  einen  Legionsziegel  ausfindig  zu  machen.  Auch  Herr  G  u  n  t  r  u  m  ,  der 
noch  länger  in  Gellep  gesammelt,  hat  keinen  erlangen  können."  Von  welchem 
Punkte  GcUeps  die  wenigen  im  CIRh  245  und  bei  Stollwerk  S.  82  ange- 
führten Militärstempel,  die  heute  das  Schicksal  so  mancher  Privatsammlung 
teilend  verschollen  sind,  einst  gefunden  wurden,  ist  also  gänzlich  unbekannt  *). 


1)  Gelduba  und  die  nächsten  Rheinkastelle,  Krefeld  1851.  —  B.  J.  XX.  p.l— 20. 
—  Die  römischen  Stationsorte  und  Strassen.    Krefeld  1857. 

2)  Die  celtu])isch-römische  Niederlassung  Gelduba.     Urdingen  1877. 

3)  Über  die  eine  Mauer,  die  er  S.  28  unten  angiebt,  s.  S.  134. 

4)  Nur  S.  32  und  82  erwähnt  Stollwerck  von  dem  im  Kreis  geschriebenen 
Stempel  VEX  EX  GER,  dass  er  ihn  hinter  Kleutgens  Garten  neben  einem  um- 
gesetzten Ackerstück  des  Landmannes  Schönwasser  zwischen  einem  Haufen  von 
TufiF-,  Basalt-  und  Sandsteinen  gefunden  habe. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 


Seitdem  hatte  der  Boden  Gellcps  viele  römische  Mttnzen,  Fibeln  und  Gefässe, 
voD  denen  ein  grosBer  Teil  für  das  Krefelder  Musenm  erworben  wurde,  hervor- 


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gebracht,  aber  immer  noch  keinen  Legionsstempel."  Sollte  das  Kastellfwirklich 
auf  dieser  AnbOhe  geleg:en  haben?     Der  Spaten  musste  die  Antwort  bringen. 


134  A.  0  X  6 : 

Im  Herbste  1896  entschloss  ich  mich,  mit  Herrn  Wilhelm  Tappen 
aus  Düsseldorf  einige  Versuelisgrabungen  anzustellen.  Wir  wählten  den  auf 
dem  Plan  mit  a  bezeichneten  Punkt :  dort  stand,  nur  durch  den  Weg  getrennt, 
Eleutgens  Scheune,  in  deren  Fundament  römisches  Mauerwerk  stecken  solP), 
dort  sollte  laut  Aussage  der  Dorfbewohner  und  Stollwerks  eine  breite,  100 
Schritt  lange  Mauer  nur  V2  ^  unter  der  Oberfläche  dicht  neben  der  Garten- 
hecke entlang  laufen,  dort  stiessen  die  Knechte  mit  dem  Pfluge  vielfach  auf 
Steine,  dort  lagen  die  Ziegelfragmente  auf  dem  Acker  besonders  dicht.  In 
der  That  konnten  wir  zunächst  eine  5  m  breite  und  mindestens  30  cm  dicke 
Kies-  oder  Betonschicht,  die  sich  längs  der  Hecke  entlang  zog,  konstatieren, 
unmittelbar  nordöstlich  und  50 — 80  m  von  Kleutgens  Scheune  entfernt  stellten 
wir  die  Grabungen  an  und  stiessen,  nur  V2  bis  1  m  ins  Erdreich  eindringend, 
in  einer  starken  Brandschicht  auf  Überreste  schwacher  Fundamente,  die  zu 
jener  Betonschicht  teils  parallel,  teils  senkrecht  laufend  und  nur  kleine  recht- 
winklige Räume  einschliessend,  au  die  Manipelräume  des  Neusser  Lagers  er- 
innerten. Leider  konnte  bei  dem  Mangel  an  Zeit  und  unsem  beschränkten 
Mitteln  keine  Rede  von  einer  planmässigen  ^Ausgrabung*  sein-,  wir  waren  viel- 
mehr darauf  bedacht,  möglichst  schonend  zu  Werke  zu  gehen  und  einer  spä- 
teren Ausgrabung  nicht  störend  in  die  Quere  zu  kommen.  Die  Funde,  die 
wir  machten,  genügten,  um  die  Bedeutung  der  Stelle  aufzuhellen,  und  ermög- 
lichten eine  Zeitbestimmung. 

Ausser  einigen  quadratischen,  dicken  Ziegelplatten,  die  eher  zum  Belag 
des  Fussbodens  als  zum  Aufbau  von  Hypokaostensäulchen  gedient  haben,  fan- 
den sich  in  grosser  Menge  —  ziemlich  oben  liegend  —  die  Bruchstücke  von 
platten  Falz-  und  gewölbten  Firstziegeln.     Folgende  Stempel  waren  darunter: 

1.  Legio  I  Minervia  {Antoniniana) '^) 

a)  LEGI  MI  von  r.  nach  1.    2  Ex.  auf  gew.  Ziegeln. 

b)  j  I  •  M  von  r.  nach  1.  auf  flachem  Z. 

c)  LEGiMANTo    von  r.  nach  1.  auf  gew.  Z. 

2.  Exercitus  Germaniae  inferioris 

a)  E  X  G  R  I  N  sie.  3  Ex.  gewölbte  Z.,  erhabene  Schrift. 

b)EXGERINF  4  Ex.,  2  fl.  und  2  gew.  Z.  vertiefte  Sehr. 

c)  jERjlN|=     von  r.  nach  1.  Falzziegel  mit  erh.  Sehr. 

d)  |E  X  C  |E  R  I  ^^        von  r.  nach  1.  5    cm    dicker,    urspr.    quadratischer    (?) 

Ziegel  mit  erh.  Sehr. 


1)  Stollwerck  S.  28. 

2)  Das  Eigenartige  dieser  Legionsziegel  besteht  darin,  dass  sie  erstens  alle 
linksläufig  sind,  und  zweitens  die  Buchstaben  LEG  viel  breiter,  flacher  und  feiner 
bieten  als  die  folgenden  Buchstaben;  besonders  ist  dies  bei  c  der  Fall.  Offenbar 
rühren  diese  verschiedenen  Buchstaben  auf  der  Matrize  jener  Stempel  von  verschie- 
denen Händen  her.  Die  Annahme  scheint  mir  berechtigt,  dass  Matrizen,  die  nur  LEG 
und  dann  einen  freien  Raum  enthielten,  en  gros  in  Blei  oder  Bronze  gegossen  wur- 
den, und  dass  erst  später  die  Bezeichnung  des  Truppenteils  von  mehr  oder  weniger 
geübter  Hand  dahinter  eingeschnitten  oder  eingraviert  wurde. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein.  135 

3.  Vexülatio  exercüus  Oermaniiie  inferioris 

a)  VEX  EXfGiKF 

b)  VIXiXC///? 

4.  Officina  M.   Valerii  San .... 

a)  OFM»VfS      2  Ex.  Die  Stempel  dieser  Privatziegelei  stehen  nur 

b)  OEM-V-S  auf  Falzziegeln   von 'hellroter  Farbe.    Die  Exem- 

c)  MV:  SAA/o  plare  a  zeigen  sehr  sauber  gearbeite  scharfe  Buch- 
;M-V  SA/;               Stäben   und  dreieckige  Punkte,   b  schon  plumpere 

d)  \fiiV'  SAA/o  Formen,  c  und  d  recht  nachlässige  Buchstaben,  die 
iSA^o  mit  einer  geschnitzten  hölzernen  Matrize  hervor- 
gebracht zu  sein  scheinen:  z.  B.  berühren  sich  die  Hasten  in  A  und  N  nicht, 
der  Querstrich  von  A  sitzt  sehr  tief  und  das  o  verschmilzt  mit  dem  Rande 
des  Stempels,  so  dass  es  eher  wie  ein  C  oder  G  erscheint^).  Was  die  Lesung 
dieser  Stempel  betrifft,  so  las  man  bis  jetzt  a  und  b  als  officina  Atusi,  c  als 
Musani  officina  und  d  als  M.  Valsani  oder  Mualsina  officina.  Für  letztere 
Lesung  bricht  noch  St  oll  wer  ck  (S.  85)  männiglich  eine  Lanze  gegen  Bein, 
indem  er  in  anerkennenswerter  Weise  die  übrigen  Orte  aufführt,  wo  ausser  in 
Gellep  diese  niederrheinische  Ziegelfabrik  auftritt,  und  indem  er  den  von  Rein 
(S.  28)  citierten  Krefelder  Stempel  MI  ÄRA  NO  und  den  Clever  Stempel  (CIRh 
224,  q,  10)  VALS-A-A/G  zu  MVALSANO  emendiert.  Hätte  schon  die 
sonderbare  Namensform  Valsanus  oder  gar  Mualsanus  Bedenken  erregen 
müssen,  so  lassen  die  Interpunktion,  der  grosse  Zwischenraum,  der  in  c 
zwischen  V  und  S  auffällt,  und  der  gemeinsame  Fundort  an  der  Identität  des 
Fabrikanten  in  allen  4  Stempeln  keinen  Zweifel.  Wie  das  vollständige  Cog- 
nomen  lautete,  ist  nicht  zu  bestimmen,  vielleicht  hiess  es  Sano. 

5.  Graffito,  auf  einem  Ziegel  vor  dem  Brande  eingeritzt. 

inv  Es  scheint  das  Fragment  eines  Datums  zu 

[a.  d. . . .]  idu{8)[. . . .]  sein,  wie  solche  auch  sonst  auf  römischen  Ziegeln 
gefunden  wurden,  vgl.  z.  B.  CIRh  111 — 114  und  1046. 

Zugleich  mit  diesen  Ziegelstücken  würde  eine  Unmenge  von  Geßlssfrag- 
menten  der  verschiedensten  Art  zu  Tage  gefördert,  im  ganzen  ein  guter  Wasch- 
korb voll,  die  später  geordnet  und  nach  Drägendorffs  und  Koenens 
Arbeiten  gesichtet  ein  durchaus  einheitliches  Bild  ergaben,  indem  sich  alle 
als  Erzeugnisse  der  Antoninenzeit  auswiesen;  vergebens  suchte  ich  nach 
typischen  Vertretern  der  augustischen  oder  konstantinischen  Epoche^). 


1)  Der  im  Neusser  Lager  gefundene  Stempel  (Bonn.  Prov.-Mus.  nr.  7423) 
;AAl-SANo  bietet  deutlich  ein  0. 

2)  Die  weissen,  selten  rötlichen  Krüge  glichen  K.  XI,  23—26  oder  waren  Über- 
gänge zu  XV,  15.  Die  Randprofile  der  Urnen  waren  mehrfach  wie  K.  XV,  3,  c,  d 
und  Ä,  einmal  wie  3  i,  ältere  Profile  weniger  häufig.  Besonders  zahlreich  und  mannig- 
fach in  Grösse,  Feinheit  der  Kerbeinschnitte  und  Dicke  waren  die  rundbauchigen 
und  'eckig  ausgebauchten'  Becher  (XVI,  6);  nur  wenige  waren  mit  Sandkörnern 
beworfen,  aber  gröber  und  spärlicher  als  in  der  I.  Kaiserzeit.  Die  gewöhnlichen 
Kumpan,  Reibeschüsseln  und  Teller  waren  die  von  K.  auf  Tafel  XV,  8,  10,  11 


136  A.  0x6: 

Ansser  dicHeu  keramiBchen  Fnnden  b^tand  die  Ansbente  nnr  noch  in 
einciu  kleinen  Bronzerin^,  einem  Armband  von  demselben  Metall  nnd  zwei 
Denaren.  Das  Armband,  voIlBtändig  erbalten,  ist  ans  einem  vierkantig^en  Bronze- 
drabt  angefertigt,  dessen  mnde  Enden  tlbereinander  greifen,  dann  je  eine 
knopfartige  Rosette  bilden  nnd  sieb  endlicb  in  je  9  Spiralen  nrnwickeln'). 
Der  eine  Denar  war  gnt  erhaften:  A,  bärtiger  Kopf  (Commodus)  mit  Lorbeer- 
kran«, UmBchr.  M  COMM  [ANT]  P  F  [EL]  AVG  ßRIT  Rev.:  Jnstitia  in  der 
r.  eine  Wage,  in  der  I.  ein  Füllhorn  P  M  TRP  XIII  [IMP]  VIII  COS  VPP; 
die  andere  Mttnze,  deren  Bestimmung  ich  Heim  van.  Vlenteo  in  Bonn  verdanke, 
ist  ein  'gefutterter'  (fonrrö)  Denar  des  Septimins  Severns  (Cob.*  658). 

Welche  Scblflsse  gestatten  die  angeführten  Funde?  Ei-gtcns:  die  15  Militfir- 
ziegel  beweisen,  dass  hier  ein  Teil  eines  Kastells  angeschnitten  wnrde. 
Zweitons:  ans  dem  Beinamen  der  I.Legion  als  der  Antoniniechen,  aus  den 
beiden  MtlDzen  nnd  besonders  ans  den  vielen  GefUsstrtlmmeni,  die  ansnahms- 
los  den  Typns  der  Antoninenzeit  verraten,  folgt,  dass  diese  Stelle  des 
Kastells  gegen  200  n.  Chr.  zerstört  resp.  geränmt  worden  ist*). 

Den  Umfang  des  Kastells  zn  bestimmen,  war  bei  diesen  bescheidenen 
Versnehcn  nicht  möglieb;  doch  kamen  noch  an  3  andern  Pnnkten  in  derNllhe 
gestempelte  Ziegel  znni  Vorschein,  die  weiteren  Nachgrabungen  einen  Finger- 
zeig geben  können.  An  dem  Pnnkte  b,  etwa  100  m  östlich  von  der  nnter- 
snehton  Stelle  a  kamen  beim  Ackern  mehrere  rotgelbe  Ziegelstacke  herans, 
die  sieb  durch  ihre  hellere  Farbe  nnd  ihr  weicheres  Material  merklieb  vod 
den  andern  unterschieden.    Ein  weiteres  Nachgraben    brachte  in  kurzer  Zeit 

und  14b  (largeatelltcn.    Nicht  minder   zahlreich  war  das  Geschirr  aus  terra  Big>il- 
laln  verm-ten,  dlo  meistens  noch  dankelrot,  hart  und  glHnzend  war;  nur  sehr  wenige 
Stücke   zei^rten    eine   gel  blich -rote    Farbe    und    geringeren  Hürtegrad.    Barbotino- 
Bchmuek  (Hhuifcli  Dr.  35  u.  36)  und  Kellefschmuck  <Dr.  37.  K.  Xin,  8  und  XVI,  23) 
fehlten  nicht.    Eine  eingekerbte  Tasse  ll>r.  27.  K.  XIV,  10|  trug  den  Stempel  i 
[ft](w«7,  eine  ander«  (Dr.  33.  K.  XVI,  30)  SACB^F    Sacer  /Xeäl).     Eine  fein  j 
beitete    R^'ibeschüssel    (Dr.  4i\  K.  XVI.  lM)    innen    mit   Quarz  stück  eben    rauh  j 
macht,  aussen  mit  Löwenko|>f  als  Ausguüs,   war  Über   die  HsKto  erhalten  nnd  «' 
im  Kret^lder  Museum  zusammengesetzt.     Von  den  Tellern,  die  vorsiegend« 
Sl  K.  XVI,  2Ka  erinnerton    und  selten  einen  Übergang:   von  K.  Xt\',  &  n  it-Vl,  j^ 
bildeten,  trug  ein  frg.  den  Stempel    /CCOF  [Ii]ucco  f\etit),  eiu  ander»  j'PTVIJ 
[Ttr]tuiti. 

1^  Kin  gani  Ithuliehes  Armband.  ISO"*  tu  Mainz  in  der  kleinen  \ 
runden,  ist  Wd.  Z.  1893  (Museographie)  Taf.  II,  5  abgebildet    EJn  gleiche«  Am 
besitit  das  Kiilncr  Museum  [nr.  788).     Leider   ist  bei    beiden  nlcbt  resuuMeMen.  I 
welcher  Zeit  ungefähr  sie  stammen  mögou. 

•2\  Ks  ist  selir  gut  möglich,  dass  auch  der  vou  Stollir«T»fc  j 
genau»  angeführte  und  Taf.  I,  6  abgebildete  Stempel,   der  I "  "^ 
Xymwegen;  zuS>flDIDIOIVLlco«]    tu   ergänzen   is^j 
runden  wurdi-;  er  berichtet  nur,  dass  der  Gutsbi 
i:^  fand.    Zeitlich  deckt  sieb   dieser  Ziegel  | 
Funden. 


Neu«  roiiiiBchtr  Fmide  vom  Nlvd^rrhci 


oder  ^ 


137 


verstüniDieU 


I  berror,   die    tueh 
den  bis  jptzt  in  Gellcp  noch  nicht  nachgewiesenen  Stemiwl 

LEG  XXX  V  V  legio  XXX  U{lpia)  viictriir). 
trngeu.    Ebenda   kam    anch   ein    schwer   leserlicher,    im  KreJe   geschriebener 
StctDjiel  zu  Tape,  der  die  Fignr  eines  Hufeisens  neben  sieb   zeigte  und,  wie 
der  im  CIRh  60,  3  ans  Vechteii  verüffent lichte,  zn  lauten  scheint 
EX:  GER:  INF:  i«  mi-dio  glubulus 
Etwa  8(1  m  südlich  von  diesem  Pniikte  h  ist  ror  knrxein  ein  ziegelrotes 
BmchstUek  eines  latercnlus  gefunden  worden,    das   die  30.  Legion  ohne   ihre 
Ehrennamen  nennt:  XXX    (/?(/.]  -YXA' 

Dann  fand  Herr  Tappen  an  dem  Punkte  c  in  Krommcrs  Garten,  hart  äu 
iter  nach  dem  Hhcin  hin  abl'allendcn  Bf'isehnng  einen  Ziegel  mit  dem  klart>n 
Stempel  /fVRS;  derselbe  war  auf  dem  Bruelistflck  noch  ein  zweiieümal  ein- 
gcprcsst,  doch  sind  unr  die  oberen  Hälften  von  VRS  erhalten').  Was  er 
hedentet,  igt  bis  jetzt  nicht  festgestellt.  Endlich  ma^  nicht  unerwflhnt  bleiben, 
ilasB  nach  der  Angabe  des  Uelleper  Landniannes  Wtlh.  Httffkes  auch  andern 
sog.  UJimerbrnnucn  {Punkt  e)  ein  Ziegel- Stempel  des  M.  Vahrlun  Sano  gi>- 
funden  wurde. 

B.  Das  Gräberfeld. 
Die  Lage  de»  Gräberfeldes  hat  S I  o  1 1  w  e  r  e  k  riclitig  bestimmt :  es  zieht 
[lieh  an  dem  ganzen  westlichen  Abhänge  des  HUgela  entlang,     über  da»  Alter 
Jper  blossgclegten  Gräber  machte   i(;li  in   den    beiden   letzten  Jahren    folgende 
peobachtungeu. 

\n  dem  Funkte  d  legte  im  Herbste  1896  ein  Ackerer  eine  30  ni  lauge 

Rnheiignibc  an.     Er    fand    zunächst   Münzen    des  Nero    mit    einer    xicrlicb«u 

bme,  wie  sie  bei  K.  X,  22  abgebildet  in  Neronische  Zeit,  gesetzt  wird,  nnd  einen 

iTeller  von  terra  nigra,  gestempelt  VoCARAF  Vocara  f{ecit);  »uf  dorn  'roller 

•  eine  eiserne  Pfeilspitze.     Wenige  Tage   später  stiesü  er  auf  eine  gro>«e 

brne,  die  29  cm  hoch,   nicht  auf  der  Drehscheibe  hergeHtellt,   ledcrarlig  »ich 

lufUtilcud,  auBwn  nur  in  der  oberen  Hälfte  schwarzglänzend,  nntcu  aber  rauh 

p\iT  den   Unieu    der  Ilallstatt-Periode    iilmelt    (K.  VI,   Sa);    dabei    ein    barba- 

n-t.ralMT  üanipun,   ein   fnih-röni.  Thonkrng    und   Kochtopf,    rütlich- 

_..  peinige  Tage   darauf    fand    er    noeh   mehr    rüniistdie 

1  von    terra  sigillata,    den  Itand    mit  Horbotine- 

36)   und    mit   den   schwer   leserlichoii  Stempeln 

T  &  |i  p  e  n    einige  Meter   südlich    und 

idf^rttber  nns  der  A  n  t  o  n  i  n  c  n  zeit. 

[iichen  K.  \1,  LT)  und  XV,    In,   es 

tu  den  Kormcu  XII,  24  und  27 

mitr<>rUhrli*  iinii  Tul.  1,  3  ubi^eblldete, 

1    itiiuMiill<<rcn.      KhciiMD   Uielet 

'.ii-Kvl    niclil,    wie    er    S.  88    angiebi: 

^MB. 


138  A.  0x6: 

und  XVI,  5  und  6.  Eine  Tasse  von  t.  s.  (Dr.  33.  K.  XVI,  30)  war  CRACAF 
Craca  f(ecü)  gestempelt,  zwei  Teller  von  t.  s.  (Dr.  31.  K.  XVI,  28a) 
AVETIDOF  Avet[e]do  f{ecit)  und  MI/i^VTVS  Minutus  (fecit). 

Auch  im  Herbste  1897  wurde  im  Gelleper  Gräberfelde  gegraben.  Wieder 
stiess  man  an  einer  Stelle,  die  ganz  nahe  und  in  gleicher  Höhe  der  Tappen- 
sehen  Ausgrabungen  des  vorigen  Jahres  lag,  auf  ein  Grab  der  mittleren 
Kaiserzeit  ^),  während  die  Grabungen,  die  weiter  oben  angestellt  wurden, 
3  Gräber  aus  augusti  scher  Zeit *)  zu  Tage  förderten.  In  einem  lag 
eine  schwer  erkennbare  Münze  des  Augustus,  die  zu  bestimmen  Herr  von 
Vleuten  in  Bonn  die  Liebenswürdigkeit  hatte.  Der  Inhalt  dieser  vier  Gräber 
ging  in  den  Besitz  des  Landrates  Dr.  Limbourg  in  Krefeld  über,  dem  ich 
die  genaueren  Angaben  über  die  Fundumstände  verdanke. 

Noch  weiter  südlich,  in  dem  Garten  des  Ackerers  Klassen  (/*)  und  in 
dessen  Nähe  sind  mehrfach  Gefässe  aus  Constantinischer  Zeit  von  dem  Be- 
sitzer gefunden  worden,  die  meist  in  den  Privatbesitz  von  Liebhabern  über- 
gingen; u.  a.  vier  einfache  Glasbecher  und  zwei  schwarz  überzogene  Trink- 
becher von  Thon  (XVIII,  10  und  11),  die  —  wie  für  die  Zeit  charakteristisch 
—  weiss  aufgemalte  Aufschriften  trugen:  AVE  VITA^)  und  AMO  JE*). 

Diese  Übersicht  der  Gräber  lehrt,  dass  die  der  ersten  Kaiserzeit  dem 
bewohnten  Rücken  der  Anhöhe  möglichst  nahe  angelegt  wurden,  in  einer 
Höhe,  wo  die  stillen  Wohnungen  der  Toten  vor  dem  Hochwasser  noch  sicher 
waren*);  wenig  tiefer  die  der  mittleren  Kaiserzeit;  ganz  nahe  und  teilweise 
in  der  Ebene  die  der  späteren  Röraerzeit. 


1)  Dieses  Grab  enthielt:  einen  Krug  von  weissem  Thon  und  3  Gefässe  von 
t.  s.:  eine  Sehale  (Dr.  38,  K.  XIV,  14)  eine  Tasse  (Dr.  33.  K.  XVI,  30)  und  einen 
Teller  (Dr.  31.  K.  XVI  28a)  mit  dem  Stempel  SECVNDAN  Secundan{i). 

2)  Erstes  Grab:  eine  grosse  Urne  (K.  XII,  3),  ein  Krug  (XI,  26)  ein  Teller  von 
t.  nigra  (K.  IX  24)  mit  barbarischem,  unleserlichem  Stempel  und  ein  Lämpchen 
(XVIII,  38?)  Zweites  Grab:  ein  Krug  (XI  25),  Teller  von  t.  nigra  (K.  IX  24)  mit 
unleserl.  Stempel,  ein  Lämpchen  (ung^ef.  XVIII,  38)  ein  schöner  Teller  von  t.  sig. 
(Dr.  17.  K.  XIV,  2)  mit  dem  Stempel  AOVITAN  Äquitani  und  eine  Münze  des 
Augustus.  Drittes  Grab:  eine  zweihenklige  Urne  (K.  XII,  22),  eine  kleinere  Urne, 
eine  Flasche  von  t.  nigr.  (ähnlich  X,  6)  ein  zierliches  Schälchen  (ähnlich  XII,  18)  ein 
Lämpchen  der  sog.  republikanischen  Form  (XVIII,  28),  eine  kleine  Schale  von  t.  s. 
(Dr.  6.  K.  XIV,  12)  mit  dem  Stempel  oFIPR  ofi{cina)  Pr{imi?\  drei  gläserne  Salben- 
fläschchen,  eins  davon  in  Gestalt  eines  Vogels,  eine  kl.  schwarz  und  weiss  marmorierte, 
vierkantige  Flasche  aus  Glas  und  ein  Stilus  aus  Bronze.  Der  Glasvogel  sieht  genau 
aus  wie  das  bei  Fiedler-Houben  tab.  XIV,  6  abgebildete  und  mit  einer  Münze  des 
Claudius  gefundene  Exemplar.  Das  Gelleper  Exemplar,  von  einem  Chemiker  unter- 
sucht, zeigt  einen  silberhaltigen  Überzug  noch  an  einigen  Stellen  und  birgt  im 
Innern  eine  weisse,  ausgetrocknete  Masse,  die  hauptsächlich  aus  Kreide  besteht  und 
der  Rest  einer  Schminke  sein  dürfte. 

3)  Jetzt  im  Besitze  des  Färberei besitzcrs  Emil  Molenaar  in  Krefeld. 

4)  Jetzt  im  Besitze  des  Obersten  von  Carlowitz  in  Krefeld. 

5)  Auch  heute  legen  die  Landleute  von  Gellep  deshalb  möglichst  auf  der  An- 
höhe ihre  Rübengruben  an  und  vermeiden  tiefer  gelegene  Stellen,  wie  d  oder  f. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein.  139 


III. 

Keramische  Fnnde 

von  der  H.  Sels 'sehen  Ziegelei 

bei  Neuss. 

Die  römischen  Funde  auf  der  Sclsschen  Ringofen-^liegelei  liei  Neuss,  die 
imvorigen  Hefte  der  B.  J.  von  Koenen,  van  Vleuten,  Siebourg  und  mir 
eine  Besprechung  fanden,  haben  gemäss  dem  Fortgange  der  Ziegelarbeiten  auf 
dem  genannten  Grundstück  eine  weitere  Bereicherung  erfahren,  besonders  auf 
keramischem  Gebiet.     Im  Einverständnis  mit  den  Herren  Koenen  und  Siebourg 
habe  ich  die  Aufgabe   Übernommen,    ein  Verzeichnis   der    neuen  Stempel   auf 
terra  sigillata  aufzustellen:  es  sind  300  Nummern,  meist  kleine  Bruchstflcke. 
Sie  gehören,  wie  die  Liste  ohne  weiteres  lehrt,  einer  Epoche  an,  wo  in  ünter- 
germanien  bereits  die  gallischen   of{f)icinae   anfangen   die    italischen  figlinae 
vom  Markte  zu  verdrängen.     Wie  wichtig  daher  die  Funde  für  die  Geschichte 
der  Keramik  sind,  leuchtet  ein.     Gerade  wegen  der  weitgehenden  Bedeutung 
der  hier  ohne  wissenschaftliehe  Kontrolle  zu  Tage  geförderten  Überreste  früh- 
römischer  Kultur  wäre  es  sehr  wünschenswert,  dass  einmal  eine  planmässigc  Unter- 
snchnng  eines  noch  unberührten  Abschnittes  stattfände,  um  zu  konstatieren,  ob 
wirklich   alle    Scherben  u.  s.  w.   einer   Kulturschicht,   einer   Zeit   angehören. 
Denn  obwohl  98^/o  der  gefundenen  Münzen  solche  sind,  die  unter  Augustus 
im  umlaufe  standen  *),  obwohl  Material,  Farbe,  Form  und  Omamentierung  der 
Geftssreste   in    die   gleiche  Zeit   verweisen*),    obwohl    andenvärts   gemachte, 
datierbare  Funde    von    den   in  Neuss    erscheinenden  Töpfer-Firmen    derselben 
Epoche  angehören,   obwohl   die  Foim   der  Fibeln   und   Lämpchen   ebendahin 
denten,  darf  nicht  übersehen  werden,   dass  früher  schon  mehrere   und  in  den 
letzten  zwei  Jahren  etwa  10  Ziegel  der  leg.  XVI  auf  der  Ziegelei  gefunden 
wurden,  einer  Legion,  die  von  40 — 70  n.  Chr.  am  Niederrhein  stand.   Koenen 
hat  beobachtet,    dass   diese  Ziegel   in   der  obersten  Kulturschicht   lagen,    und 
nimmt  an,  dass  die  Legion  hier  die  Ziegeln    für  ihr  neues,    unfern    gelegenes 
liager  (bei  Grimmlinghausen)   gebacken    hat,   während    die  Augustus-Münzen, 
Scherben,  Fibeln  u.  s.  w.  in  verschiedenartig  gestalteten  Löchern  steckten,  die 
einer  älteren  Kulturschicht  angehörten. 

Der  alphabetisch  geordneten  Tabelle  der  Stempel  schicke  ich  einige  Be- 
merkungen zur  Erklärung  voraus;  besonders  sollen  sie  dazu  dienen  —  da  einmal 
die  Pundumstände  nicht  zweifellos  sicher  sind  —  Kriterien  für  die  Datierung  der 
^'^et.  und  anderen  Fabrikate  zu  gewinnen.    Mit  Erfolg  sind  D ragen dorff  (B. 
^'    96,  S.  49  u.  a.)    und   Ihm   'in    diesem   Hefte   der   B.  J.)   dieser   Aufgabe 


1)  Vgl.  B.  J.  101,  S.  9  und  S.  2  u.  G. 

2)  Funde  von  terra  nigra  und  rubra  (sog.  belg.  Ware)  sind  selten.    Unter  den 
tn  Fragmenten  von  t.  sig.  sind  mir  nur  2  Stücke  aufgefallen,    die   ich  einer  spä- 

^^^n  Epoche  zurechne :    Miccio  und  Fatr{ici). 


140  A.  0  X  6 : 

näher  getreten,  doch  sind  wir  noch  immer  von  einer  Lösung  derselben  weit 
entfernt. 

Als  die  südgallische  Sigillata-Fabrikation  ihren  Aufschwung  nahm,  ahmte 
sie,  wie  die  Neusser  Funde  lehren,  die  Formen  der  italischen  Teller  und 
Tassen  peinlich  nach  und  suchte  nur  durch  ein  intensiveres  Rot  und  erhöhten 
Glanz  die  italischen  Fabrikate  in  Schatten  zu  stellen.  Noch  heute  kann  man 
ohne  den  Stempel  gelesen  zu  haben,  gerade  an  diesen  zwei  Merkmalen  meistens 
die  beiden  grossen  Gruppen  der  Konkurrenten  unterscheiden.  Wenn  sich  nun 
auf  arret.  Stempeln  hinter  dem  Namen  des  Fabrikbesitzers  zuweilen  Znsätze 
wie  figul{i)  Arret(ini)  oder  nur  fig,  oder  Ar,  finden,  so  haben  m.  E.  diese 
Attribute  nur  Sinn  in  einer  Zeit,  wo  arret.  Ware  sich  bereits  eines  guten 
Rufes  draussen  erfreute  und  sich  einer  starken  Konkun-enz  erwehren  musste; 
der  Zusatz  figuUi)  oder  figli{na)  findet  nur  eine  Erklärung  in  dem  scharfen 
Gegensatz  zu  den  gallischen  of{f)icinae.  Die  anerkannt  ältesten  arret.  Firmen 
kennen  diese  Zusätze  nicht.  Es  ist  fraglich,  ob  schon  in  der  Neusser  Epoche 
diese  Sitte  bestand,  da  die  Auflösung  der  beiden  Beispiele  L.  Titi  f\iguli)  und 
L.  T{iti)  Ar(retini)  keineswegs  sicher  steht.  Aber  nur  sehr  wenig  später  kann 
sie  aufgekommen  sein,  da  gerade  die  in  Neuss  vertretenen  Firmen  anderwärts 
mit  diesen  Zusätzen  gefunden  wurden,  namentlich  in  Tarraco  in  Spanien,  einer 
Stadt,  die  auch  in  ihren  anderen  Arretina  grosse  Übereinstimmung  mit  Neuss 
zeigt.  Mir  sind  folgende  bekannt:  Cn»  Atei  Ar{retini)  meist  in  planta  pedis^), 
Senti  figul{i)  in  Arezzo  und  Rom,  Sesti  figul(i)  Opt{atu8)  in  Tarraco,  Titi] 
figu{li)  3  mal  dicht  unter  einander  wiederholt,  in  Toulouse,  A.  Titi  figul{i) 
A'rret{ini)  und  A.  Titi  figul{i)  in  Arezzo,  Rom  und  Tarraco,  C.  Titi  figul{i) 
Ar[ret]{ini)^)  in  Tarraco,  ebenda  Hilar{iu8)  Ti{ti)  fig{uli)  ein  aus  der  Fabrik 
des  Z.  Titius  bekannter  Sklave^),  A.  Vibi  figul{i)  in  Tarraco*),  C.  Vibi  f{iguli?) 
in  Südfrankreich,  Unteritalien  und  Rom,  L.  Umijbrici)  f(iguli?)  in  Tarraco, 
ünteritalien  und  Arezzo.  Das  Beispiel  des  Ateius  ist  wohl  das  jüngste  der 
angeführten,  da  es  'in  solea'  steht  und  in  Pompei  gefunden  wurde. 

Einer  Zeit,  in  der  draussen  arret.  Ware  nachgeahmt  wurde,  muss  auch 
der  bislang  nicht  befriedigend  erklärte,  zweimal  bezeugte  Stempel  ARRE||VERV 
angehören^):  es  liegt  nahe,  darin  ein  Arre(tinum)  veru{m)  (sc.  vas)  zu  sehen. 

Es  giebt  auch  Gefässe  die  ohne  jeden  Eigennamen  nur  die  Legende 
Ar(r)etin,  Ar(r)etio,  Ar{r)eti^)  und  ähnl.  bieten.  In  Neuss  und  in  CIL  XII 
d.  h.   in  Südfrankreich  fehlen  dieselben,   ein  Umstand,    der   auf  spätere  Zeit 


1)  Die  Beispiele  sind  von  mir  B.  J.  101,  S.  27  zusammengestellt. 

2)  Oder,  wenn  der  Stempel  richtig  wiedergegeben  ist,  C.  Titi  figularis. 

3)  Vgl.  Gamurrini  nr.  36  u.  37.  CIL  XV,  5262.  Er  signiert  im  Kreuz,  im  Kreis 
und  einzeilig  H-L*TI.    Ihm  liest  Hilar[io)  und  letzteres  Beispiel  Hylax. 

4)  Die  Stempel  Ävili  figul{i)  in  CIL  II.  III.  und  XV.  sind  mir  zweifelhaft  und 
scheinen  eher  A,  Vibi  figuli  zu  sein.  Eph.  ep.  VIII  n.  214,  13:  A  VIBI  ||  AR/EI  fügt 
Ihm  hinzu. 

5)  Garn.  p.  61,  n.  396    (wo    er    als  Arrenixis  Venis   erklärt   wird)   und   CIL  IX. 

6)  In  Arezzo,  wie  mir  Ihm  mitteilt,  bis  jetzt  nicht  nachgewiesen. 


Neue  römische  Fände  vom  Niederrhein.  141 

Bcliliessen  lässt;  in  Fusssohle  stehen  sie  nie.  In  dem  Schutte  poteolanischer 
und  arretinischer  Gefässe,  die  teilweise  aus  einer  etwas  späteren  Zeit  stammen, 
fanden  sich  9  Exemplare^).  Dass  sie  einen  Eigennamen  bedeuten,  seheint  mir 
unwahrscheinlich;  entweder  sind  sie  ähnlich  dem  ebengenannten  Stempel  als 
Arretinium  vas)    aufzufassen    oder    bedeuten    Arretin{ortim    servus  publicus) 

m 

und  stammen  nicht  aus  einer  Privat-,  sondern  staatlichen  oder  städtischen 
Fabrik.  Wenn  es  eine  solche  gab,  konnten  nur  servi  publici  darin 
beschäftigt  werden:  diese  mussten  so  gut  wie  in  den  Privatfabriken  ihre 
Stempel  haben:  wir  wissen  aus  den  arret.  Stempeln,  dass  die  Privatsklaven  in 
der  Regel  das  Wort  servus-  auslassen,  und  wissen  von  Steininschriften,  dass 
dieselbe  Sitte  bei  den  (servi)  publici  im  Schwange  war.  Es  war  nun  schon 
längst  aufgefallen,  dass  auf  zweizeiligen  arret.  Stempeln  der  Name  eines  gewissen 
Pul)li{cius)j  wie  Gamurrini,  oder  Publi{us)j  wie  Dressel  erklärt,  nur  m  Ver- 
bindung mit  Sklavennamen,  nie  mit  Praenomen  oder  Cognomen  und  gewöhn- 
lich in  der  2.  Zeile  erscheint,  während  der  Sklavenname  in  der  1.  steht.  Ich 
halte  eine  Lösung  publiicus)  sc.  servus  für  das  richtige«).  Dass  sich  ein 
Damis  publi{cu8)  und  Suav{i8)  puhl(icus)  noch  in  Südfrankreich  findet,  spricht 

für  ein  gewisses  Alter;  in  Neuss  kommen  C\h)re8fu8 pubijicus)  und  Olym(p ) 

pubUicus)  je  zweimal  vor;  die  meisten  Beispiele  sind  in  Arezzo  selbst  gefun- 
den worden*). 

Nicht  nur  in  Gallien  fanden  die  Arretiner  gefährliche  Nebenbuhler,  auch 
in  Italien.  Die  Neusser  Funde  lehren,  dass  auch  aus  Put  coli  schon  unter 
Augustus  Gefössc  bis  an  den  Rhein  gelangten.  Der  Fabrikationsort  anderer 
oflfenbar  auch  aus  Italien  stammenden  Neusser  Stempel  liess  sich  noch  nicht 
feststellen. 

Gemeinsam  sind  den  arret.  wie  puteol.  Stempeln  die  Beizeichen  des 
Kranzes  und  der  Palme*).  Wann  diese  Beizeichen  aufkamen,  ist  unbe- 
stimmt. Auf  den  nachweislich  ältesten  Stempeln  fehlen  sie;  die  'servi 
publici'  kennen  sie  nicht;  die  Privatfabriken  der  Neusser  Epoche  führen  sie 
gern.  Auf  Stempeln  Mn  pl.  p.'  stehen  sie  nur  noch  selten,  z.  B.  bei  C.  Amuri, 
Memi  und  Q.  Ser{tori)  *). 


1)  B.  d.  I.  1875,  251  ff. 

2)  Wie  der  Stempel  RASI||PVB  und  der  auch  noch  in  Süd  frank  reich,  Tarraco 
und  Rom  vorkommende  PVBL||TITI  zu  erklären  sind,  muss  vorläufig  dahingestellt 
bleiben.  —  Schon  Cavedoni  (B.  d.  I.  1841)  las  {senn)  publici. 

3)  Schon  Gamurrini  nahm  an,  dass  an  dem  Orte  Orciolaia  bei  Arozzo  ein  Soda- 
licium  von  ßguli  hätte  arbeiten  lassen.  Violleicht  ist  auch  dort  kommunaler  Betrieb 
gewesen.    Vgl.  dazu  Ihm  S.  124. 

4)  Beides  Attribute  des  Sieges,  sind  sie  mir  nur  verständlich,  wenn  sie  eine  Aus- 
zeichnung oder  Anerkennung  bedeuten  und  nicht  nur  als  Ornament  dienen  sollen. 
Für  diese  Erklärung  spricht  die  Darstellung  auf  einem  ornamentierten  Gefäss  des 
ALBI  II  PROTI  der  wahrscheinlich  aus  Arezzo  stammt  (vgl.  Ihm):  Dressel  veröffent- 
licht XV,  4544  diesen  Stempel  mit  dem  Vermerk:  'figulus  sinistrorsus  sedens  vas  prae- 
grande  stilo  fingit;  pone  Victoria  volans  caput  figuli  coronat.* 

5)  CIL  XV.  4955,  X.  5331.  5576e. 


142  A.  0x6: 

Das  anf  Steininschriften  seit  Angnstus  so  hänfig  bald  als  Interpunktions- 
zeichen, bald  als  Ornament  verwandte  Epheublatt^)  ^'erscheint  auf  den  ke- 
ramischen Stempeln  selten.  In  Neuss  bis  jetzt  nur  auf  dem  puteol.  Stempel 
des  Vitlus  (Naevi)  in  serto  cum  palma  et  foHo.  Da  dieses  Beizeichen  einen 
terminus  post  quem  uns  zu  geben  scheint,  mögen  hier  die  vier  arret.  Stempel 
genannt  sein,  die  ich  anderwärts  mit  diesem  Blatte  fand:  CN-A-A/2r  Cn.  Aitei) 
A(mandi?)  APELLES  ||  TITl<2f  Apelles  Tüi,  INGEN  ||  L^A/N  Ingen(ui)  L. 
Anni  und  L<2fR^P  L.  R{a8ini)  P{i8ani).  Vermutlich  findet  diese  Liste 
durch  CIL  XI  eine  Bereicherung. 

Noch  mehr  Beachtung  als  die  Beizeichen  verdienen  die  verschiedenen 
Arten  der  Umrahmung  des  Stempels;  sie  können  fflr  die  Bestimmung  der  Zeit 
und  der  Fabrik  von  Bedeutung  sein.  Da  nämlich  viele  Stempel  nur  den 
Sklavennamen  bieten,  wissen  wir  heute  in  den  meisten  Fällen  nicht,  zu  wel- 
cher Fabrik  sie  gehören;  wir  wissen  auch  noch  nicht,  zu  welcher  Zeit  und  in 
welchen  Fabriken  diese  kurze  Signierung  gebräuchlich  war*).  In  dieser  wich- 
tigen Frage  muss  uns  das  instrumentum  dom.  des  CIL  XI,  das  die  in  Arezzo 
gefundenen  Stempel  bringt,  und  eine  scharfe  Beobachtung  und  genaue  Wieder- 
gabe der  Gefäss-  und  Stempelformen,  wie  es  bis  jetzt  allein  durch  Dressel  ge- 
schehen ist,  weiter  bringen.  In  Neuss  erscheint  z.  B.  nur  der  Stempel 
Doni{iti  oder  itiorum)  mit  einer  leiterartigen  Verzierung  und  der  eines  Protus 
in  einer  ähnlichen  Umrahmung:  Profus  gehört  höchstvrahrscheinlich  der  Fabrik 
des  Calidius  Strigo  an;  Calidius  und  Domitius  gelten  beide  für  ältere  figuli; 
vielleicht  lässt  sich  allgemein  nachweisen,  dass  diese  Art  der  Umrahmung  älteren 
Datums  ist. 

Das  Kleeblatt  ist  für  die  Neusser  Epoche  und  für  die  Fabrik  des 
Ateius  charakteristisch^).  Bis  jetzt  Hessen  sich  die  Arbeiter  Crestus,  Mahes, 
Xanthus  und  Zoilus  in  Neuss  und  anderwärts  nachweisen*). 

Anscheinend  ein  wenig  später  als  die  Neusser  Epoche  kam  die  Manier 
auf,  den  Namen  des  Herrn  zu  dem  des  Sklaven  senkrecht  zu  schreiben, 
sodass  die  Kreuzform  entstand.  Beispiele  kenne  ich  von  Zoilus  und  Xanthtus 
des  AteiuSy  Hüarius  und  Chry8ant{h)us  des  L.  THtius  und  Soter  und  Her{...,) 

1)  Vgl.  Hübner,  röm.  Epigr.  H.  d.  kl.  AW.  I,  652. 

2)  Von  den  Neassern  alleinstehenden  Sklavennamen  gehören  Sini{8tor)  und 
ProttLS  vermutlich  der  Fabrik  des  Calidius  an;  nachweislich  Mahes,  Eufwdus,  Xan- 
thuSj  Zoilus  und  ein  Crest{u4t?)  der  des  Äteius,  ein  Äphr{odisiu>s?)  der  des  Sentius.  Es 
ist  möglich,  dass  die  von  Ihm  S.  124  angeführten  Sklavennamen,  bei  denen  manchmal 
G  S  E  gefunden  wurde,  derselben  Fabrik  angehörten.  Wenn  die  Namen  gewisser 
Fabrikbesitzer  selten  erscheinen,  so  mag  dies  auch  mit  dieser  Art  zu  signieren  zu- 
sammenhängen und  berechtigt  nicht  ohne  weiteres  zu  dem  Schluss,  dass  ihre  Firma 
unbedeutend  gewesen  sei. 

3)  Die  beiden  einzigen  Stempel  m.  W.,  die  'in  trifolio'  stehen  und  nicht  den 
Namen -4^eiM«  tragen:  XII,  6686  PMS  (M.  Perenni  Saturnini?)  und  II,  6349,  4 
L"T-F  (-L.  Titi  figuli?)f  bedürfen  einer  Revision.  Nach  Ihm  signiert  auch  Fastidienus 
in  trifolio. 

4)  Vgl.  die  Tabelle. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein.  143 

des  Sestius.  Das  Berner  Museum  [21260]  hat  einen  ans  Engiwald  ^)  stammen- 
den Stempel  in  Kreuzform,  dessen  Legende  ANTI  zu  [X]anti  zu  ergänzen  ist: 
an  Stelle  des  Herrennamen  stehen  zwei  senkrechte  Palmen.  Nicht  mit  dieser 
Form  zu  verwechseln  sind   die  durch  ein  Kreuz  gespaltenen  Stempel,  wie 


LTE 
SM 


TTI  ERO 

und 


SCA 


STR 


I A  LID 

Der  erstere  Name  ist  besonders  häufig;  er  findet  sich  in  Sttdfrankreich  noch 
7  mal  und  ebenso  oft  in  Neuss.  Die  Bedeutung  dieses  Spaltens  ist  unklar. 
Vielleicht  sind  diese  Formen  aber  die  Vorläufer  jener  Kreuzformen. 

In  derselben  Zeit  und  in  denselben  Fabriken,  wo  die  Kreuzform  beliebt 
Würde,  giebt  es  auch  Stempel,  die  kreisrund  (circulo)  geschrieben  sind.  Von 
Ateios  kennen  wir  die  Stempel  Atel,  Atel  Euhodi  circ.  scr.  in  medio  Cn^), 
Cresti  und  Xanti\  von  der  des  L,  Titiu8  aus  Arezzo  Hüarius  L.  Titi  circ. 
scr.  und  aus  Tarraco  Domi8ticu{8?)  circ.  scr.  in  medio  L,  Titi.  Da  femer 
aus  der  Fabrik  des  L.  Titius  die  beiden  SklsLvejiJanuarius^)  und  Eomanus^) 
bekannt  sind,  liegt  die  Vermutung  nahe,  dass  auch  die  Neusser  Stempel 
Januarius  feci  circ.  scr.  und  Romanus  circ.  scr.  dieser  Fabrik  zuzurechnen 
sind;  bezeichnend  für  die  Zeit  ist  die  Thatsache,  dass  kreisrunde  Stempel  des 
Januarius  noch  in  Südfrankreich  und  in  Tarraco  vorkommen,  hier  mit  der 
für  frühe  Zeit  charakteristischen  Abkürzung  fe  =  feci.  Von  Sestius  giebt  es 
in  Rom  Ses(H)  •  Argi(nes)  circ.  scr.,  von  Cornelius  nur  einmal  (V)  P,  Cornel{i) 
und  einmal  aus  Arezzo  M,  Perenni  circ.  scr.  In  Neuss  findet  sich  ausserdem 
kreisrund  geschrieben  Font{ei)  und  Sex,  Avili  Mani^),  beide  in  Arezzo  nicht 
nachweisbar;  den  Übergang  von  der  quadratischen  Form  zur  kreisrunden  bildet 
der  Stempel  des  Crestua  puh{licus),  der  in  einem  Quadrat  ringsum  geschrieben 
steht.  In  Südgallien  ist  die  Kreisform  der  Stempel,  wie  CIL  XII  mit  vielen 
Beispielen  lehrt,  auf  schwarzen  Gefässen  (vasa  nigra)  —  nicht  auf  Sigillaia  — 
die  gebräuchliche;  interessant  ist  dabei,  dass  stets  der  Nominativus  des  Ar- 
beiters steht,  dabei  oft  fecit  (auch  noch  in  der  alten  Abkürzung  /e),  nie  die 
Bezeichnung  officina  oder  der  Name  des  Fabrikherm.  Wie  es  scheint,  ge- 
hören diese  "vasa  nigra'  alle  sehr  früher  Zeit  an;  wahrscheinlich  sind  sie 
gleichzeitig  mit  den  Neussem. 

Die  Hufeisen-  oder  Halbmondform  ist  bis  jetzt  in  Neuss  nicht  gefunden 
worden;  vielleicht  ist  sie  jünger,  da  sie  m.  W.  auch   in  Südgallien  fehlt,  und 


1)  Die  Funde  des  Bemer  Museums  aus  Engiwald  sind,  was  die  Arretina  he- 
^^"^Ät,  mit  den  Neussern  gleichaltrig:  es  stammen  daher  Auctus/publiicus),  C.  Ti/grani 
cum  palma,  Ätei,  L.  Titi  und  Avil{i)  Die  Stempel  dieses  Museums,  die  in  Fusssohle 
stehen^  sind  jenseits  der  Alpen  (in  Orseüna)  gefunden  und  sind  aus  späterer  Zeit: 
Q-  X^  M.  P.  Crest,  S.  S,  B, 

2)  Beispiele  B.  J.  101.  8.  36.    Eins  aus  Tarraco. 

3)  XV,  5676  und  5680. 

4)  Gamurrini  nr.  43  und  44. 

5)  Diese  Firma  bevorzugt  auch  son.«*t  diese  Form.    In  Xanten  findet  sich  noch 
Ä^eizeilig  Sex  \  Avili. 


144  A.Oxe: 

mm 

bildet  einen  Übergang  Ton  der  Kreis-  zur  Fii»eohknform.  Ans  XV  kenne 
ich  X.  Raifini  Pisani  (S  ex.)  cnm  asteriscü  ond  3/.  Perem{m)  Itffran(i)  *) 
cum  asterisco  et  palma. 

Mehr  Beachtung  nnd  Würdigung  hat  bis  jetzt  bei  den  Editoren  die  Ein- 
fassung der  Stempel  in  einer  Fnsssohle  <*^in  planta  pedis'  oder  'in  solea*) 
gefanden.  Trotzdem  wissen  wir  noch  nicht  genan,  wann  ae  aufkam  und  wann 
sie  verschwand.  In  Pompei  ist  diese  Form  hanfig  Tcrtreten:  in  Neuss  fehlt 
sie.  Doch  kann  ihr  Aufkommen  nicht  riel  spater  als  die  Neusser  Epoche 
fallen.  Xicht  nur«  dass  Tiele  der  in  Neuss  Tcrtretenen  Firmen  anderwärts  — 
offenbar  denselben  Inhaber  bezeichnend  —  auch  'in  pL  p.'  erscheinen;  sogar 
dieselben  Arbeiter  kehren  'in  pl.  p.^  wieder:  so  ein  Xamthms  und  Zoüus.  Es 
ist  bezeichnend^  dass  in  XII  Cn.  Atei  \  ZoUi  2  mal  zweizeilig  und  Zaili  allein 
je  einmal  'in  solea^  und  freistehend  vorkommt,  Cm.  Atei  \  Xamt{h)i  3  mal  zwei- 
zweilig  und  Xant(hii  allein  12  mal  frei  und  einmal  'in  solea'*).  Die  'solea' 
kam  also  in  Crebrauch,  als  bereits  die  gallische  Ware  den  italischen  Import 
zurückgedrängt  hatte,  eine  wichtige  Thatsache,  die  durch  die  grosse  Seltenheit 
solcher  Stempel  in  XII  schlagend  bewiesen  wird:  von  den  Neusser  Finnen 
findet   sich  je   einmal    ausser  XoRthns  und  Zoilms  noch  RufremuSj  sonst  nur 

C.  Bov{...)  Gent{ )»);  höchst   fraglich   sind  Agenor  f  und  Fl.  C.  Räli^). 

Nach  Spanien  (II)  dauerte,  wie  das  häufigere  Vorkommen  dieser  Einfassung 
zeigt,  der  Import  der  itaUschen  Fabrikate  langer:  nach  den  Donaulindem  (III) 
scheint  ein  intensiver  Export  derselben  erst  begonnen  zu  haben^  ab  das  Absatz- 
gebiet Ton  Gallien  und  Germanien  verschlossen  war^). 

Die  Stempel  'in  solea^  sind  auf  einem  Gefass  nie  mehrfach  eingedrückt 
worden;  daraus  schliesst  man  mit  Recht,  dass  die  mehrfach  wiederholten  Stempel 
einer  älteren  Zeit  angehören  müssen^».  Dazu  kommt,  dass  schon  auf  einem 
schwärzliehen  arret.  Gefass,  das  in  der  Xekropole  am  EIsqnilin  gefunden  wurde, 
die  Marke  CV  viermal  wiederkehrt.  Diese  Art  der  Stempelung  reicht  bis  in 
die  Neusser  Epoche.     Hier  sind  es  immer  grosse,  schwere  Teller  (Dr.  la),  die 


1)  Was  die  Datierung  der  vielen  Stempel  dieses  Xamens  angeht,  so  ist  wichtig, 
dass  in  Arezzo  einmal  M.  Perenni  circ.  scr.  vorkommt  und  M.  Ptren{ni)  |  Tigran(i) 
noch  in  Südfrankreich  und  in  Tarraco  (3  ex.\  davon  ein  Stempel  in  TForm.  Auch 
M.  T\erenni)  S{aturn . .)  erscheint  noch  in  Südfrankreich  und  am  Niederrhein  (Xanten 
und  Neuss),  aber  auch  in  Zollfeld  ^Virunum).  ^L  Pertni  Bargati  fehlt  in  XU,  findet 
sich  in  Pompei  und  mehrfach  in  Rom,  davon  ein  Stempel  in  TForm.  Endlich  Af. 
Perienni)  Crest{  )  erscheint  ebenfalls  nicht  mehr  in  XII,  einmal  in  II  (Sagunt;  'in 
solea'?),  sonst  häufiger  und,  wie  es  scheint,  immer  '^in  solea'.  —  Während  des  Druckes 
wurde  in  Neuss  auch  Pilades  Perenni  gefunden,  vgl.  den  Nachtrag  S.  157. 

2)  Xn,  5686,  1098  (incertae  lectionis)  ergiebt  auf  den  Kopf  gestellt  ^TofiMi". 

3)  XII,  5686,  765a  (b  incertae  originis)  und  139. 

4)  XII,  5686,  22d  und  364. 

5)  Das  Fehlen  der  *solea'  in  einer  Fabrik  kann  nicht  ohne  weiteres  als  ter- 
minus  ante  quem  oder  post  quem  verwertet  werden;  es  ist  denkbar,  dass  nicht  alle 
Fabriken  dieser  gekünstelten  Einfassung  sich  bedienten. 

6;  Dressel  XV  und  Ihm  in  diesem  Heft  der  B.  J. 


Neut!  römische  Funde  voiu  Niederrliein.  146 

auf  dem  Boden  ein  fein  schrafiiertea,  kreisförmiges  Band  und  am  inneren 
Kande  dieses  Bandes  4  mal  und  i»  der  Mitte  1  mal  den  Stempel  tragen.  Ans 
Xens8  sind  bis  Jetzt  bekannt  Srt  |  Änni,  Ätei  i'nm   palm»,   Ün.  Atei,  P.  C.N. 

cum   piiltnji   (P.  Corneli  N ?),  Eros'u    L.  Gellt,   A.   Tiü   (auf  2  Tellern), 

/,.  Tiü  I  Copo  und  Thyrisus)  \  Umbryici).  Ana  SttdfrankreieU  (XII)  sind  mir 
nur  3  Beispiele  bekannt  L.  Tetti  \  Crito,  A.  Titi  und  L.  J\iti?)  Ar(retini?)*), 
4  ans  Spanien  (IIj  und  zwar  aus  Tarraco  Atel  (2  ex,),  /•■  Pietroni?),  L.  Te{tti) 
und  A.  Titi  \  ßgulii)  —  also  meist  Firmen,  die  aueb  aus  Neuss  bekannt  sind. 
In  ünteritalien  kommeu  Ätei  (in  Ponipei!)  und  A.  Sesii  \  Philog{....)  vor;  die 
meisten  sind  nns  ausRom  bekannt,  vielleicht  weilDressel  am  genauesten  dieWiedor- 
liolung  notiert:  L.  P.C'.(L.PetroniCor..?  oder  L...  P.  Cor  mit*),  od  C.Sert{ori) 
OceH...),  L.  T.  V.  (eber  L.  Ttti  Üopo  als  L.  Tetti  Crito),  L.  T.  G.  (violleicht 
«U-rselbe),  mehrfacb  L.  Tetti  allein,  Philadeilphus?)  \  L.  Tetti,  8  mal  L. 
Tetti  I  i^amia,  L.  Tili  \  JuhcuU  cum  »Bterisco  et  puluia,  2  mal  Sex  \  Titi, 
V.  V.  und  aus  der  Fabrik  des  L.  IJmbricius  Scaurus  Oala  \  Scau{ri),  L. 
Umbriki)  Salm  nnd  L.  Uni(brici)  Scae{va).  Wältrend  auf  gallischer  Sigillata 
ni.  W.  niemals  in  dieser  Weise  der  Stempel  wiederholt  wird,  fiode  ieh  wieder- 
um eine  Parallele  ku  dieser  italischen  Sitte  auf  Tellern  von  terra  nigra  oder 
rubra  (sog.  beig.  Ware  Dr.  Form.  19  und  20,  K.  XIII,  1):  auf  ihnen  ist  ge- 
wöhulieh  die  Matrize  1  mal  tn  der  Mitte  und  3  mal  an  den  konzentrischen 
Gurtringen  eingepresst;  auf  ihnen  konmien,  so  weit  ich  sehen  kann,  nie  die 
Zusätze  officina  uder  fecit  vor,  oft  sind  sie  zweizeilig  und  für  die  Nominativ- 
form US  pÜegt  u,  o  oder  os  zu  stehen.  Man  pflegt  diese  Tellerformen  in  die 
erste  Hälfte  des  I,  Jhdts.  oder  noch  früher  zu  setzen  ^).  Bruchstücke  eines 
solchen  Tellers  fanden  sivh  auch  in  Neuss,  aber  ohne  Stempel. 

Die  Form  der  Buchstaben  bat  bis  jetzt  nur  wenig  fUr  einen  Zeitansatz 
ergeben.  In  Neuss  sind  II,  I',  A  und  Af  nicht  selten,  auch  kleines  o  und 
offenes  O  fehlen  nicht:  jenes  z.  ß.  in  Dom[iti},  dieses  in  Profan  (Calidi?), 
offenbar  auf  Stempeln  älterer  Fabriken.  Besonders  altertümlich  oder  vulgär 
sind  die  Zeichen  des  Eros  C.  Avilli  11,  S,  A,  l  uud  (.  *). 

Ebensowenig  haben  die  Beobachtungen  inbetreS'  der  Gemination  der 
Konsonanten  und  der  Aspiricrung  der  mutae  uns  bis  jetzt  geför- 
dert. Noch  in  'pl.  p.'  findet  sich  z.  li.  Pereni  und  Geli  ohne  Oemination; 
iu  Neuss  Geli  neben  Gelli,  Avili  neben  AvUli  und  bei  nicht-arretiniseben 
Murani  und  Murrani,  stets  Maiius,  Scott  und  Scotti,  Maccari  und  Maca{ri)? 
Weder  Apex  noch  Sicilicus  sind  bis  Jetzt  auf  einem  arret.  Stempel  beob- 

1)  Er  gehört  vielleicht  iu  die  Fabrik  des  C.  Ävilliu»,  An  von  diesem  in  Neuss 
ein  Eros  sich  findet  und  zwAr  mit  demHelben  TulgSren  II  =^  e  und  2  =  ». 

2)  Oder  L.  Tarl . .),  da  Bwischen  T  und  A  nie  ein  Punkt  steht. 

3)  Drngendorrf  B,  J.  9fi,  S.  88-37.  Koi'.nen  OK  S.  88:  'Schon  in  der  Zeil 
des  Claudius  scheint  diese  Art  von  GetXssen  nm  Rhein  zu  verschwinden." 

4)  Dieser  C.  Ävilliua  ist  schwerlich  identisch  mit  dem  auf  'pl,  p.*  so  hftuHgen 
C.  Av.  Ni/m.  Dng'o'gen  kann  dnr  Stempel  CVI  iius  der  ntton  arret.  Nckropole  sehr 
piit  mit  ihm  identisch  sein  und  eher  ('.  Ai%li)  nb  Gavi  bedeuten. 

Jahrb.  d.  Ver.  y.  Alturtlisfr.  im  Rlieinl.  iOK.  10 


146  A.  0x6: 

achtet,  obwohl  gerade  letzteres  Zeichen  fttr  die  raumarmen  Stempel  willkommen 
sein  musste. 

Von  altertümlicher  Vokalisation  scheint  nur  ei  =  l  vorzukommen^). 
In  Neuss  nur  innerhalb  des  Wortes  in  Eicar{u  vel  us)  \  Scrof{ae);  derselbe 
Sklave  heisst  auf  einem  stadtrömischen  Stempel  Eicaru  \  A.  Vibi.  Daneben 
in  Neuss  aus  einer  anscheinend  jüngeren  Fabrik  —  A.  Vibius  kommt  nie  *in 
pl.  p/  vor,  wohl  L.  Umbricius  Scaurus  —  Icari  \  L.  Umb{rici).  In  der 
Genetivendung  kommt  in  Neuss  anscheinend  ei  für  i  nicht  mehr  vor.  Zwei  in 
Neuss  auf  t  auslautende  Namen  sind  anderwärts  noch  mit  ei  gefunden  worden:  Sels 
19  u.  597  G.  Tig\rani  (vielleicht  nicht  arretinisch),  in  Xanten  [Mus.  872]  und 
Heddernheim  [Dr.  II,  374]  ^)  noch  C  Tig\ranei\  in  Neuss  nur  L.  Tetti,  einmal 
sonst  auch  L.  Tettei  (vgl.  Ihm).  Ausserdem  ist  mir  diese  Genetivform  nur 
noch  von  der  in  Neuss  fehlenden  alten  Fabrik  des  (7.  Annius  bekannt:  V, 
8115,  8a  und  b  C  ANNEI  und  aus  Tarraco  (II,  4970,  70)  AVCTV  ||  C-ANNEI. 
Diomedes  bildet  in  Neuss  nur  den  Genetiv  Diomedi, 

Dass  der  Abwurf  des  s  im  Nominativus  der  IL  u.  III.  Deklination  noch  in  der 
Neusser  Epoche  vorkommt,  ist  sehr  wahrscheinlich,  lässt  sich  aber  nicht  mit 
unbedingter  Sicherheit  behaupten,  da  die  betreffenden  Formen  Caru,  Juniu, 
PrimUj  Suavi  L.  liti  und  vielleicht  Vitlu  Naevi  auch  als  Abkürzungen  be- 
trachtet werden  können.  Doch  auch  als  Abkürzungen  erklärt,  weisen  uns 
solche  Formen  in  frühe  Zeit.  Schon  oben  war  von  alten  Firmen  ein  Eicaru 
\  A.  Vibi  und  Auctu  \  C.  Annei  erwähnt;  von  letzterer  sind  noch  bekannt 
Salviu  (3  mal).  Gemein  und  Fantagatu,  von  P.  Cornelius  ein  Faustu  und 
Primu,  von  Domitius  ein  Lysimacu  und  Stabili  *),•  von  A,  Maneius  (in  diesen 
Beispielen  nur  mit  einem  n  geschrieben)  Corinthuy  Cosmu  und  BeceptUy  von 
Memmius  ein  Anthu  und  Cissu,  von  Rasinius  ein  CissUj  Euticu  (sonst  auch 
Eutficuft)  und  Salviu. 

Selten  kommt  es  vor,  dass  auf  arret.  Stempeln  ein  Wort  am  Ende  der 
ersten  Zeile  abgebrochen  wird,  um  im  Anfang  der  folgenden  fortgesetzt 
zu  werden.  Gewöhnlich  füllt  der  Name  des  Herrn  die  eine,  der  des  Sklaven 
(oder  auch  das  Cognomen  des  Herrn)  die  andere  Zeile.  Eine  auffallende  Aus- 
nahme von  dieser  Regel  macht  die  gens  Titia.  Hier  wird  getrennt  Anter  \  os 
Tit{i\  Cinn  \  a  Titi  %  Gerne  \  lli  Titi,  Lysim  \  ad  Tili,  Philosi  \  ti  im, 
Prince  j  ps  Titi;  Chresti  \  o  A.  Titi;  Secund  \  i  L,  Titi,  Roma  \  n{u8)  L.  Titi 
und  Anter  \  os  L,  Titi,  Sonst  habe  ich  diese  eigenartige  Trennung  auf  zwei- 
zeiligen Stempeln   nur  bei  Eros  A  \  vilUus,  Prise  \  us  Avili,  Eros  Ca  |  lid{i) 


1)  IT  bietet  A.  Titi  Plout{. . .),  was  unsicher  ist  und  von  Ihm  in  A.  Titi  figul(i) 
geändert  wird.      Die  beiden  Neusser  Stempel  Fouri  sind  nicht  sicher. 

2)  Dragendorff  bietet  C.  TY^rane«  irrtümlich,  wie  mirBohn  aus  den  Scheden 
des  CIL  XIII  mitteilt. 

3)  Vielleicht  auch  Stäbili{o)  aufzulösen. 

4)  Kann  auch  Cinn{ä)  \  A  Tili  heissen.  Er  ist  als  Sklave  der  C  L,  Titiorum 
bekannt.  Überhaupt  können  alle  obigen  Beispiele  ohne  Praenomen  auch  Titiorum 
aufgelöst  werden. 


Neue  römische  Fände  vom  Niederrhein.  147 

Stfiigonis)   und   Epaphro  \  dit{%)    Tet(t)  ^)    bemerkt.     Keins   dieser   Beispiele 
stammt  aus  Südfrankreich,  keins  ans  Neuss. 

"Auf  Zeitbestimmungen,  die  sich  aus  der  Nomenklatur  ergeben  können, 
weist  Ihm  in  seinem  Aufsatze  in  diesem  Hefte  mehrfach  hin.  Erwähnung  ver- 
dient noch  die  laxe  Manier,  neben  dem  Namen  des  Sklaven  nur  das  Cog- 
nomen  des  Fabrikherm  zu  nennen,  mir  nur  aus  den  drei  Fabriken  des 
Calidius  Strigo^  A,  Vibius  Scrofa  und  L.  Umbricius  Scaurus  bekannt: 
Eicar{u8)  Scrofae  aus  Neuss  war  bereits  erwähnt;  sonst  Pro(tu8)  Str{igoni8) 
und  Menolaipos)  Strigon(is)\  Leosithenes)  Sca{uri),  Gala(,..)  Scauiri)  quater 
Impressum,  Cerd(o)  Scau{ri)  und  Scauri  Icar(i).  Keins  dieser  Beispiele  findet 
sich  in  Sttdfrankreich. 

Oft  sind  auf  den  Stempeln  die  Namen  zweier  Fabrikanten  genannt.  Ge- 
rade die  in  Neuss  belegten  Namen  erscheinen  oft  in  solchem  Compagnie- 
geschäft.  Aus  Neuss  selbst  stammen  Alex8an(dri)  \  Diomedi,  L.  Gelli  \  L. 
Sempr{pni)y  Atel  Ma{h)e{tis)  et  Zoeli^  Sonst  sind  bekannt  Xanti  Zoili; 
Cresius  \  Vibior(um)y  Stator  Vibior{um),  Auctus  [  Vi]biorium)  und  [  V]ibior(um) 
[Ame]mptus^)]  ein  Cinna  \  C.  L.  Titi(orum)  lässt  auf  ein  gemeinsames  Ge- 
schäft ievjTitii  schliessen;  C.  Cispi  \  L,  Caesius]  Pantagattis  Basini  Memmi 
nnd[Quartio  Rasini  Memmi,  Von  Compagniegeschäften,  deren  Namen  in  Neuss 
bis  jetzt  unbekannt  sind,  giebt  es  nur  zwei:  Suva  et  Philolog{us),  in  denen 
Ihm  C,  Umbricius  Philologus  und  L.  Avillius  Sura  erblickt,  und  die  nur  in 
dem  einen,  mehrfach  bezeugten  Stempel  L.  C.  Pet{roniorum)  Cori{nthus?)  *) 
erscheinende  Fabrik  der  Petronii^). 

Andere  Anhaltspunkte  für  die  Zeitfolge  der  arretinischen  Industrie 
giebt  in  diesem  Hefte  bereits  Ihm  (so  S.  108  112  u.  a.).  Alles  in  allem,  sind  wir 
augenblicklich  noch  nicht  imstande,  einen  sicheren  Überblick  über  die  Ent- 
wicklung dieser  figlinae  zu  geben;  doch  steht  zu  erwarten,  dass  wir  diesem 
Ziele  näher  kommen  werden  durch  weitere  Veröffentlichungen  bereits  ge- 
sammelten Materials  und  weitere  Funde,  durch  genaue  Beobachtung  sowohl  in 
archäologischer  wie  epigraphischer  Beziehung  und  durch  Feststellung  des  Ab- 
satzgebietes. 

Noch  weniger  ist  uns  bis  heute  von  den  pateolanischen  Töpfereien  be- 
kannt. Dragendorf f  berührt  (B.J.  96,  S.  54)  dieselben  nur  kurz*)  und  er- 
wähnt namentlich  Q.  Pomponius  Serenus,  L,  Valerius  Titus  und  mit  seinen 
11  Sklaven  den  N.  Naevius  Hilari{u8?),  dessen  Praenomen  schon  in  das 
oskische  Sprachgebiet  weist.  Aus  einem  Vergleich  der  Ornamente  schlicsst  er, 
dasB  die  put.  Gefässe  jünger  seien   als   die  ältesten  arretinischen.     Ob  die  in 


1)  Vielleicht  Tiä? 

2)  X,  8056,  495  IDIOR  II  //MPTVS  emendiere  ich,  wie  oben  angegeben. 

8)  II,  4970,   9a    XII,    5686,    149.    XV,    5065a  et  b.    Ebenda   5   Exemplare   aus 

Arezzo. 

4)  In  Neuss  nur  ein  T.  Pet(ronius), 

5)  Hauptquelle  bleibt  noch  immer  Bull.  d.  J.  1875  p.  251  ff. 


148  A.  0x6: 

eiDem  grossen  Schutthaufen  gefundenen  puteol.  Gefässreste  alle  einer  Epoche 
angehören,  ist  mir  sehr  fraglich,  da  die  vereinzelt  darunter  gefundenen  Arre- 
tina,  von  denen  einige  auch  'in  solea*  stehen,  offenbar  verschiedenen  Epochen 
zuzurechnen  sind  ^).  Man  kann  aus  diesem  vereinzelten  Auftreten  der  arret. 
Fabrikate  m.  E.  nur  den  Schluss  ziehen,  dass  bei  der  hohen  Entwicklung  der 
einheimischen,  exportfähigen  Industrie  in  Puteoli  die  arret.  Ware  nur  wenig 
Eingang  gefunden  hat.  Für  die  Zeitbestimmung  halte  ich  andere  Wahrneh- 
mungen für  wichtiger:  einige  jener  Puteolaner  z.  B.  Anthus,  Oamus,  Maecius, 
Naevius,  Pomponius  und  L.  Urban{, . .)  kommen  noch  in  Stldgallien  vor; 
in  Neuss  Änthus,  Com{...y?j  Maecitis,  Naevius^),  Urban{...)  und  C.Tap(...)] 
femer  werfen  einige  im  Nominativ  noch  das  s  ab  Atticu,  Primu,  Suavij 
TertiUf  Secundu  (10  mal)  und  Vitulu.  Spezifisch  puteolanische  Sitte  ist  die 
Umrahmung  des  Stempels  mit  kreisrundem  Kranze:  so  namentlich  bei  den 
vielen  Sklaven  des  NaeviuSj  die  man  dadurch  ohne  weiteres  von  den  gleich- 
namigen Sklaven  anderer  Fabriken  tfhterschciden  kann,  bei  Naevius  selbst; 
Änthus^  Camus  oder  Gamus,  Q.  Pomponius  Serenus,  L.  Urban{. . .)  und  TUus 
{^  iL  Valerius  Titus?).  Nur  Q.  Pomp.  Ser.  steht  einmal  circ.  scr. »);  es 
fehlt  die  Fusssohle  ^).  Das  Beizeichen  der  Palme  ist  selten,  das  Epheublatt  ^ 
nur  bei   Vitulus  Naevi. 

Höchst  merkwürdig  ist  das  Auftreten  der  arret.  Firma  des  L,  Rasinius 
Pisanus  in  Puteoli.  Sein  Stempel  fand  sich  dort  auf  einer  Form,  auf  Gefässen 
kehrte  Cerdo  \  Rasini  5  mal  wieder  {Cerdo  allein  6  mal).  Nach  Ihm  findet 
sich  ein  Stempel  des  Rasinius  von  Zweigen  (Kranz?)  eingerahmt  und  sind  seine 
Funde  in  Arezzo  unbedeutend.  Alle  diese  Erscheinungen  sprechen  dafür,  dass 
L.  R.  P.  auch  in  Puteoli  hat  arbeiten  lassen.  Den  Zusatz  Ariretini)  oder 
figul{i)  arreti{ni)  gebraucht  er  nachweislich  nie. 

Italischer  Herkunft  mögen  auch,  nach  der  Gefäss-  und  Stempelform  zu 
urteilen,  folgende  Stempel  sein,  die  teils  zweizeilig,  teils  kreisförmig,  teils 
in  mehreren  Zeilen  auf  runder  Fläche  geschrieben  sind:  A.  Annius  und  Sex. 
AvilliuSf  die  sich  in  Arezzo  nicht  nachweisen  lassen;  Sex.  Afri  cum  palma, 
C.  Crispiini)  Pri(ncipis),  T.  Pet{roni)  Scaeivae),  D.  Rom(. .  ?)  Manc{ia), 
Faustus  Salinatoriae  ser(vus)  %  Font{ei)  circ.  scr. 

Die  Stempel  der  gallischen  Töpfereien    aus  Neuss   bringen  den  Namen 


1)  Es  tauchen  dort  die  Namen  auf  Cn.  Aftei)  A{mandi?),  Cerdo  üasini,  Ateiy 
P.  Come(li)  Firm(ii8),  Dom(iti),  Eros  C.  Anni^  Felicia  Saufei,  Gemelli  Titi,  Phar- 
naces    (Rasini?),   M,   Peren(ni)y    C,  Senti,    Hospe(s)   L.    Unibrßci),  C.  Volfusi?)   und 

Xanthi. 

2)  Sein  Sklave  Vitulus  sicher,  vielleicht  auch  Felix  und  Primus. 

3)  X,  8056,  273  aus  Puteoli  [jetzt  in  Berlin,  2  Ex.], 

4)  Der  6 mal  in  Puteoli  'inpl.  p.'  auftretende  Stempel  SEX-M'P  ist  schwerlich 
puteolanischen  Ursprungs. 

5)  In  Z.  4  ist  zwischen  R  und  I  eine  plumpe,  verschwommene  Interpunktion  in 
den  beiden  Neusser  Exemplaren.  Bohn  teilt  mir  von  einem  Beispiel  aus  Poitiers  v.  4: 
S  E  R  >  I  ^  niit  und  stellt  damit  die  Lesung  sicher. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein.  149 

des  Fabrikanten  oder  Arbeiten  bald  im  blossen  Genetiv  oder  Nominativ,  bald 
mit  vorgestelltem  oficina  oder  nachgestelltem  feci  (oder  fecit).  Für  die  Zeit 
ist  charakteristisch,  dass  oficina  —  gew.  ofj  häufig  auch  noch  ofi  oder  ofic 
abgekürzt  —  nie  mit  ff  geschrieben  wird  und  stets  vor  dem  Namen  des  Fabrik- 
besitzers steht;  ferner  dass  sich  nur  die  Abkürzungen  f,  fe  oder  feci  finden, 
nie  fec  oder  fecit.  Ob  nun  alle  Abkürzungen  in  dieser  Epoche  mit  feci  auf- 
zulösen sind,  muss  dahingestellt  bleiben,  scheint  aber  nicht  wahrscheinlich. 

Eine  spezifisch  gallische  Sitte  der  frühesten  Kaiserzeit  muss  hier  festge- 
stellt werden:  auf  einfachen  Tellern  und  Tassen  von  t.  sig.  in  der  Mitte  des 
Bodens,  wo  sonst  die  Fabrikmarke  angebracht  ist,  einen  Willkommen-  oder 
Abschiedsgruss  anzubringen  und  zwar  mit  einem  StempeP).  In  Neuss  er- 
scheint zweimal  SALVE  und  einmal  SALVE  TV.  Für  letzteren  Gruss  bringt  CIL 
XII  7  Beispiele,  zu  denen  der  Herausgeber  bemerkt  'fortasse  salve  tu*^  in 
Spanien  lassen  sich  2  nachweisen*);  je  einer  in  Mainz ^)  und  in  Trier,  dieser 
auf  einem  Teller  frührömischer  Form  (Dr.  17).  Den  Stempel  salve  kenne  ich 
nur  noch  von  einem  jüngst  in  Bonn  gefundenen  Teller  von  t.  sig.  (Dr.  Form 
17)*).  Ein  anderes  noch  nicht  erklärtes,  gleichzeitiges  und  gleichartiges  Bei- 
spiel für  diese  südgallische  Sitte  finde  ich  in  dem  Stempel  FELICENTE,  der 
im  Museum  zu  A  r  1  e  s  in  4  Exemplaren  auftritt  %  Nach  Dragendorff 
(B.  J.  96,  p.  98)  steht  dieser  ihm  rätselhafte  Stempel  ebenfalls  an  der  Stelle, 
wo  sonst  die  Firma  steht,  sowohl  auf  gewöhnlicher  Sigillata  als  auf  gelb  und 
rot  marmorierten  Gefässen,  die  aus  Arier  Fabriken  stammen  und  nach  ihren 
Formen  (Dr.  Form.  15-18,  22  und  27)  der  ersten  Hälfte  des  I.  Jhdts.  an- 
gehören. Der  Gruss  felicem  te  muss  in  der  ersten  Kaiseraeit  gang  und  gäbe 
gewesen  sein,  wie  die  Assimilation  des  m  vor  t  und  Beispiele  aus  der  zeitge- 
nössischen Litteratur  beweisen  %  Zwei  andere  Stempel,  die  ebenfalls  aus  Süd- 
gallien ')  stammen  und  vermutlich  durch  ihre  Form  dieselbe  frühe  Zeit  doku- 
mentieren werden,  tragen  den  klassischen  Abschiedsgruss  AVE  VAL  ave  val{e). 


1)  Diese  eingestempelten  Grüsse  finden  sich  nur  in  früher  Zeit  auf  terra  sig. 
und  dürfen  nicht  verwechselt  werden  mit  den  auf  schwarzen  Trinkbechern  weiss  auf- 
gemalten Wünschen  und  Sprüchen  der  späten  Kaiserzeit,  Auch  die  von  Dragendorff 
B.  J.  96,  101—103  angeführten  Beispiele  sind  anderer  Art  und  späterer  Zeit,  wenn 
auch  alle  südgaüischen  Ursprunges. 

2)  II,  4970,  451  und  545.  Letzteres  Beispiel  aus  Tarraco  wird  als  VE -TV 
wiedergegeben,  was  ich  nach  den  angeführten  eniendiere. 

3)  Korr.  d.  W.  Z.  1897,  10.  SAIVETI  ist  von  Körb  er  und  Bohn  richtig  ge- 
stellt und  erklärt. 

4)  Dieser  Teller  wurde  nördlich  von  Bonn  mit  anderen  Gefässen  der  ersten 
Kaiserzeit  1896  gefunden,  darunter  auch  eine  Tasse  von  t.  sig.  (Dr.  Form.  25)  mit 
dem  Stempel  OFLVCCEI.  Herr  Franz  in  Krefeld  hat  die  Gefässe  dem  Krefelder 
Museiun  geschenkt. 

5)  XII,  5686,  356. 

6)  Bücheier  wies  mich  gesprächsweise  auf  Tib.  III,  10,  25  und  Hör.  Sat.  II. 
7y  31  hin.    Die  Belege  dürften  sich  leicht  vermehren  lassen. 

7)  CIL  XII,  5686,  109a  Arausione.  b  Vasione  [Avignon  Mus.]. 


150 


A.  0x6: 


N. 


IL  Tabelle  der  Neusser  T.  8.-Stempen). 
Die  Zahlen  bedeuten  die  Nr.  der  Sei s sehen  Sammlung. 

Abkür Zangen : 

Tlb.  =  Tellerboden,  Tsf.  =  Tassenfoss,  Bst  =  Bodenstiick. 

Dr.  I,  Dr.  II  =  Dragendorff  B.  J.  %/97  und  99.    K.  XIV  3  =  C.  Koenen,  GefSsskunde 

Tafel  XIV,  3. 

554  OFIA 


404 


ofi{cina)  A( ) 

Teller  Dr.  17. 
229  OFIGACVTP)  ofic(,inä)AcutiT8f. 
592  i  ACVTI  Tlf. 

564  \.BH  Alban{i)  Tsf.  arret.  Typ. 
316  OFABIN»)  of[icina)Albinii)  Tlb. 
—    ALBVS  •  FE  ♦)       Albus  feiet). 

Ornamentierte  Schale 
Dr.  29.  K.  XIII,  6. 
ALEX8AN  ]     Alex8an{dri    et) 
DIOAAEDI    1     Diomedi^) 
304  A/Nl  ^ 

310  403  AIM      Anni 
385  S^INI  1 

438  M\M     Anni  (vel  Amni) 
684  iWN^  A.  Anni ») 

560  njjjppT    -4.  Ann{i)  Crispi 

CR  ISP  1       ^""*  Crispi^) 

Teller  wie  K.  XIII,  2.  Dr.  20, 
aber  von  terra  sigillata. 

SEX 

-«-*        Sexiti)  Anni  Tsf. 

A/Nl 

^EX     y^  1  ,       „^       SEX       «,  ,, 

AHHI     «^«*-      594IÄ-NN1     T^"' 


429  t 


SEX 

ANNI 


^  *Sfl  ^ 


Tlb. 
Tsb. 
Tlb. 

Bst. 

Bst. 
Tsb. 

Tsb. 


424 


Fnss  e.  gr.  Tellers 

'NHI       Fnss  eines  gr. 
TeUers,  worauf 


495    /DACI 


301 


340 


EX 

ursp.  der  St.  4  oder 
5  mal  wiederholt. 

—     Aphr{odisiu8)  cf.  Sentius. 

537  AQVITAN       Aquüani^)         Tlf. 

573  AQVITAh; 

Boden  eines  Reliefbeekens  ? 

280  OF  ARDAj    of{icina)    Arda[ci] ') 

Tlf. 

552  ARP^^  Tsb. 

Taudaci  oder 
T.  Auirem)  Daci «) 
Tasse  D.  25.  K.  XIV,  12. 

467    DACI  eher  [tau]daci  als  [ar]daci 

Bst. 

574  ATE  Ate{i)  Fuss  einer  gr.  Tasse. 
368  285  489       ATEI  Tlb. 

352  398  VuB»  eines  gr.  TeUers. 
373  493  500  413  568  575  Tsb. 
441  502  505  Bst. 

354  ATEI  Tsb. 

374  ]  Tsb. 

449   ATEI  Bst. 

593)  ^^      '  Tlb. 


1)  Die  I.  Tabelle  ist  in  den  B.  J.  101,  S.  13—21  veröffentlicht. 

2)  Genau  derselbe  Stempel  in  Tarraco:  II,  4970,  6a. 

3)  Vgl.  Dr.  II,  n.  10.     Genau  derselbe  Stempel  in  Tarraco  und  Ste.  Colombe: 
II,  4970,  18  und  XII,  5686,  i. 

4)  Dieses  Fragment   stammt   von   der  Selsschen  Ziegelei,  ist   aber    früher  dem 
Neusser  Museum  (im  Oberthor)  geschenkt  worden. 

5)  In  Tarraco   ALEX  ||  DION  und  AE  DION. 

6)  Vgl.  vorige  Tabelle.    B.  J.  101,  S.  13  ff.    Derselbe  Stempel   wurde  in  Gellep 
mit  einer  Münze  des  Augustus  gefunden.    Vgl.  oben  S.  138,  Aum.  2. 

7)  In  Tarraco,  Arausio,  Bregenz :  II.  XII.  in.    Ardacus   ist   ein  häufiger  galli- 
scher  Name. 

8)  Fehlt  in  Spanien.   Vgl.  vor.  Tab.   Bohn  hat  nach  einer  Kopie  Hirschfelds 
und  Zangemeisters  aus  Poitiers  und  Vechten  TA/DACI  und  liest  *  Tattdaci', 


Neue  römische  Fuude  vom  Niederrhein. 


151 


351  a  n.  b  ATEI     Fuss  eines  grossen 

Tellers;  Sturspr. 
niehrm.  wiederholt 


Tsf. 
Bst. 
Tsb. 
Tsf. 
Tlb. 
Tsb. 
Tsf. 
Tsb. 

Tsf. 

Tlb. 


359  376      ATEIt 

394  419  529 

505      ATEI* 

455  476       ATEI*  circ.  scr. 

284  461  481       T^EI 

317  433  491  566 

378  420      XTElt 

556  ATI  Tlb.  297  309  535  577 

380  iA~El| 

569  [ATI> 

448  jnEJJI  rpj^g  Dj   26. 

334  A"E4>    Bst.      602  A"E 
361  ATI  8: 

Atei  mit  Delphin 
oder  Atei  8(ervu8  feci)  *). 
347  CN"7^E  Tsf. 

485  @  •  A"EI  Fuss  e.  gr.  Tellers. 

486  Qi*?^!  am  ßande  eines  ge- 
strichelten £inge8  auf 
einem  gr.  Teller  urspr. 

mehrmals  wiederholt. 

296  504  CNT^I?  Tsb.  Bst. 


Tsb. 
Bst. 


mit  grossen 
0.  schonen 
Bachstsben 


290  CNÄElt 
314      ;  \lEI4^  Atei  oder 
526  jElt  [Cn]  Atei 

CRESTI 


Tsb. 
Tlb. 
Tsf. 


435  544 


CNATE 


Cresti  Cn,  Atei  *) 


461 


[CJw.  Atei  Cre{8ti) 
im  Dreiblatt  8).      Bst. 


—     vgl.  auch  Cresti. 

603  XEIEVHoDI 

Atei  Euhodi  Bst. 

339  M"EI       Maeti  Tsf. 

431  MI-ETI  Fuss  eines  gr.  T.  *). 

371  MAHETi8a  im  Kreis  ^).         Tsf. 

Mdhetis  oder  Maheti  mit  Delphin. 


372 


'\  Ma[eti\  mit  Palme«).  Teil, 
im  Dreiblatt. 


orjo  ^>>  >>  >>  Cn.  Atei  Xanthi  ^). 

X^H  I  Fuss  eines  ornamen- 

tierten Bechers.     Dr.  11. 


483  ^Xtl   X/STl^ 


Tellerfuss. 


1)  Vgl.  B.  J.  101.  S.  35.  Ausserdem  VAPVSONIiS-F  in  voriger  Tabelle  und 
NASSOI-SF  Dr.  I  145  und  II,  n.  256. 

2)  Gewöhnlich  steht  in  den  zweizeiligen  Stempeln  des  Cn,  Atems  das  Praenomen 
und  das  Qentile  in  der  ersten  Zeile. 

3)  II,  4970,  55  [Tarracone]:  CNEI  ||  CRES  ||  TI  in  triaugulo  ist  zu  emendieren  in 

CNATEI II  CRES  II  TL    Derselbe  Sklave  II,  6257,  58  [Emporiis]  CRES  ||  CN  ATEI  und 
II,  4970,  154  [Astigi]  CRESTIO  in  trifolio. 

4)  XII,  5686,  15  AEMIL  ist  so  unverständlich.    Am  wahrscheinlichsten  ist  eine 

Emendation  zu  ATEI  MÄHE  Ate{i)  Mahe{ti). 

5)  XII,  5686.  588  (Le  Luc)  METIS  ist  zu  MAETIS  zu  emendieren. 

6)  Derselbe  Stempel  in  Tarraco:  II  4970,  54. 

7)  Genau  derselbe  Stempel  in  Genf:  XII,  5686,  85  c.  Ahnlich  ist  der  bei  Schuer- 
manns  aus  Frankreich  angegebene  n.  3822:  C  NATTl  ||  XANTI  der  zu  CNATEI  ||  XANTI 
zu  emendieren  ist.  'In  trifolio'  steht  II,  4970,  311b:  MAX  (infra  globulus),  worin  ich, 
rückläufig  lesend,  ein  Xanti  vermute.  Rückläufig  nämlich  gelesen,  erklärt  sich 
ohne  weiteres  XII,  5686,  1133  [Narbone]  ITNAXI  sils^Xaiiti.  Der  Name  kommt 
BO  auch  'in  pl.  pedis'  vor:  XII  5686,  1098  [Arles]:  II-NAX  ist  rückwärts  gelesen 
Xan&i.  n,  4970,  29  b  'inpl.  p.'  ist  zu  [X]anthi  zu  ergänzen.  Auch  der  kreuzförmige 
Stempel  ausEngiwald  [Berner  Mus.  21260] :  ANTI  mit  senkrechter  Palme  darüber  und 
daronter;  ist  zu  [X]anti  zu  vervollständigen. 


162 


A.  Ox*: 


330  XANTHI  im  Kreis. 

325  XA-4'Ti 

302  XAV\ 

281  443  XITHI 

408  XVTHI 

454  X^-| 

C'N 
545  -^]  Cn.  Atei  Xanti? 


Tasse. 
Tsf. 
Tlb. 
Tsf. 

Tsf. 
ßst. 

Bst. 


AVILI 


519  532 
542  599 


) 


scheinen  Xanthi 
zu  lauten. 


292  j^  "  '^  ij  Cn.  Atei  [Z]oili. 


410  ZOILI 
450  ZOE 


Tsf. 

Bst. 
Bst. 


282 


Zoili  mit  Palme 
im  Dreiblatt 
Tsb. 


512  8  C  II  I  Ml  l-^  im  Dreiblatt.    Zoili? 

Tlb. 
531    iTEPO  Ate{i)  Po{    )?  Bst. 

427  P.ATTl  Fuss  eines  gr.  Gefässes. 

328  428*P-Vt1  Tsb. 

308  PÄTl  Bst.») 

550  NC  ?  Aucitus?)  Tsf. «) 

570  H I L  A/ 1 1      Hil{arius  ?)  Avi{li) ») 
eher  als  An{n)i.  Tlb. 


356 


338 


511 


ME  NA 
PHIE 
VIL 
IIR08( 


Aväi  Mena*)         Tsf. 


PhiU{mon)Aml{i) »).  Tlb. 
-  Eros  C.  AviUi «).    Tlb. 


—  cf.  Eros. 

434  SEX  AVILLI MANI-  Tsf. 

im  Kreis,  in  der  Mitte  ein 
Kflgelchen 

8ex{ti)  Avüli  ManV). 
445  BA.BI      BalM.  Tsf. 

565  BASSVS  Basms  {fed.)  Tsf. 
578  377  OF  BASSI  of{icina)Ba8si.  Tsf. 
553  ,!C0   [Ofiicinä)  Bassi]   Co{    )?«) 

Teller.    Dr.  18. 
585  P-  C •  N       P.  Ciorneli?)  N{. . .) ») 

Am  Rande  eines  gestr.  Kranzes, 
urspr.     mehrfacli     eingepresst. 

—  Calidius  cf.  ProtuSt  Sini. 

375  CATI      Cati  ^%  Tlf. 

323  CELER  Bst. 

471  a  CELER  Am    Rande 

b  AELA  od.  A1ELA  eines  gestr. 

Celer  A.  Tela{  ?)  Ringes    auf 

einem     grossen     Teller     je 

einmal    erhalten,     urspr.    je 

2  mal  eingepresst. 


1)  Genau  derselbe  Stempel  XV,  5021.  c. 

2)  Vgl.»  II,  4970,  69  [Tarraco]  und  6257,  26  [Citania]. 

3)  Die  Logende  ist  sicher.    Es  ist  nicht  PHIL  etwa  zu  erkennen  (=  Philemon), 

4)  XV  5042,  Rom:    MENA  ||  AVILI  wozu  Dressel  bemerkt:   Mneertum,   utrum 
Mena{    )  vel  Mena  Avili  intelegendum  sit  an  Men{    )  A.  Avili*. 

5)  II,  4970,  390  [Tarraco]  PHIE  ||  AVIB  und  X  8056,  582  (Ferentini)  PHIE  ||  AVII 

^^N  ^^V 

sind  darnach  zu  emendieren  und  nach  dem  stadtrömischen  XV  5043  PHILEM  ||  AVIL 
aufzulösen. 

6)  Derselbe  Stempel  in  Rom  XV,  5029.    In  Spanien  und  in  Rom  Eros  A^^viUius 
(sie). 

7)  Derselbe  Stempel  in  Tarraco  II,  4970,  78  und  demgemäss  zu  ergänzen.  Auch 
in  Rom  XV,  5033  (2  ex.)    In  Xanten  zweizeilig  SEX  ||  AVILI. 

8)  Vgl.  XII,  5686,  122  a  u.  b  und  II,  4970  [Tarraco]  OFBASSI  CO. 

9)  XV,  5064  Rom  PCN  und  PCN. 

10)  In  Tarraco  OFI  CAT,  ein  Stempel  der  nach  der  Abkürzung  Ofi{cina)  zu  ur- 
teilen dem  obigen  zeitlich  gleich  steht.  Dr.  I,  S.  146  und  II  71  (Form.  29)  OIICATI 
[St.  Germain]. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 


153 


679  j 


IILOSiT 


Tlb. 


|C  I  S  P  I 

[Ph\ao8it{t)  [C?]  Cispi 
557  C  CISPI     C.  Cispi  Tlb. 

523  MOO       CoTn{. . .) »)  Tsf. 

329  COR  Coriinthi?)  oder  Cor(neli?) 

Boden  einer  kl.  Tasse. 

Vgl.  Dr.  I,  S.  50. 
474  CRESi  Bst. 

Crestii)  eher  als  Cresiimi). 
349  384  477  571  596  CRESTI    Tsb. 
370  459  CRESTI  Tsb. 


478  CRE2T 

490  CREST*  im  Kreis. 
364  CRiSTi 
CRES 


Bst. 
Tsb. 
Bst. 


484 


CresUua. 


Tsb. 
Tsb. 


TIVS 
516  515  GRESTI  im  Kreis. 
—    Cf.  etiam  Jegidius. 
543  SI5I0  Crisipi)  od.  Crisipini)  Bst. 


287  CRISPl 

482  niKr  Crispini. 


327 

559 

331 

488 
525 


CRIS 
PIAI 


Bst. 
Teller,  Dr.  20, 
aber  von  terra 
sigillata. 

Tsb.  Dr.  26. 


«I8I5IO 
XIHI 


Boden  eines  gr.  Tellers. 


Crispini  *).  Tsb. 

rückläufig    und   sehr  j 
schlechte  Buchstaben. 


335  346 


CRIS 
440  r-  PK.  1    Phtl{  )  Crispini.    Tsb. 

P  I  N  I 
279  DARRAF  Darra  f{eci).        Tlb. 

—  Diomedi  siehe  Alexsandri  u.  Vibi. 
fy  ft  ft 

390  D  o  M  Dom{iti)  %  Bst. 

332  390"lIRO2  Eros.  Tlf. 

581  IIR03      Am    gestrichelten  Ring 

auf    einem    gr.    Teller,    urspr. 

mehrmals  eingepresst. 

—  Eros  cf.  C.  AvilUus. 
IVCV    Iucu{ndus) 
Q-nF|  Q.F{usci?)^) 

300  C  FASTI  C.  Fastiidi)^). 
307  FIDEL  IS  FE  Fidelis  fe{d)  Tlb. 
457  rOlT-  im  Kreis.  Font{ei)%  Bst. 
360  FÖVR  1  Es  ist  unsicher,  ob 
479  1«  OVR  1       Fo7it{ei)  od.  Four{i)  ') 

zn  lesen  ist.  Tsf. 

379  416  n?;^  ^  Fronto  feci.    Tsf. 
I'ECI  ' 

558  FRolToF  Fronto  f{eci).  Tasse. 
K.  XVI,  21,  aber  von  t.  sig. 

501  L   6ELLI      Am  Rande  des  ge- 

stricheltenRinges  anf 
einem  gr.  Teller, 
ursprtingl.  mehrfach 
eingepresst. 


Tsb. 
Bst. 


L.  Gelli 


442  ;lli 

369  L  Gr 

rv»    rv»    cx# 

283  L  GELL 

fv>    rxj     rvf 

480  L  GEt 


Bst. 
Tsb. 

Tlb. 

Bst. 


1)  Tarraco,  II    4970,    139.    Puteolanischen   Ursprunges  ist  der  Stempel  COMA, 
von  dem  52  Exemplare  in  Puteoli  gefunden  wurden,  die  jetzt  in  Berlin  sind. 

2)  Vgl.  XII,  5686,  1043  [Nemausi]  inter  mutilas. 

3)  In  Tarraco  DoM.   X,  8056,  12Gb:   Dom  darüber  Palme,  darunter  'oniamenta' 
ist  offenbar  derselbe. 

4)  XV,  5766  QV1V/////||I<VSCI  ist  vielleicht  Qui[nti]  Fusci. 

5)  In  Xanten  [Mus.  823]  auf  arret.  Gef.  C  FAS.     II,  6257,   77  [Carthagine  nova] 
FASTI.    Sonst  ist  L,  Fastidienus  bekannter  au    XII  u.  X. 

6)  In  Tarraco  FON.  —  In  Neuss  jüngst  auch  F  o  N,  vgl.  den  Nachtrag. 

7)  XII,  5686,  307  FOVRI. 


154 


A.  0  X  e  : 


407  QVAlS    ^'  ^^'^^^^*  Quadr{ati) ') 

Bst. 

40i|l-  SEM>r)  ^-^"^^  L.Semprioni). 

Bst. 
311  HABITVS?  Habitus.  Bst. 

286  L^EQjpi  Cresti  L.  legidi «)  Tlb. 

—     lucundus  cf.  Q.  F{     ). 

386  MaCCARI  Maccari.  Bst. 

509   -  ^    ^  -.    Donax  Maeci  ^).     Tsb. 
A^  L  1 

rORTJ  m.  kl.  Buchst,  im  Kreis.  Tsb. 

r.  Mal(iu8)   Fort{unatu8)  feci. 
lECI 
TM  ALI  TM  LI 

432  VS  FC*)T8b.  518IJ;70RTT8b. 

tv/Va;  ///////// 

vs 

alle  im  Kreis. 


580  II  M  Me{mmi?), 

C  /  V  lI  /     Aussen  aaf  einem 


Tsf. 
C'Melmmi\ 


555   ^    -     -,  .      ornÄmentierten    CMtbertt)) 
CLMA         Näpfchen. 

3/a[Ae](fw) 
537  OF  Md)  Ofiicina)  Mod{esti).  Tsf. 
444   OAAO  [M]omo.  Tsf.«) 

536  OF  MVRRAN  of{icina)  Murran{i) 

Tlf. 


348 


VITLVS 


im  Kranz.  Tsf.K.XIII,5? 


NAEV 

Vü(u)lu8  Naev{i)  ^) 


Tsf. 


Tlf. 


VITVUs    im  Kreis, 

8  ist  unsicher. 
582  N  G  R       Mflrr(i). 
475  OFNIGR  ofiicina)  Nigrii). 

533  NOBILIS  Tf.  arret.  Typ. 

551  ONATVS?  Bst. 

vielleicht  [D]onatu8?  ®) 
473  ONES-       Onesiimi).  Tsf. 

521  OF  PATR  of[ficinä)  Patr{ic...)^) 

mit  dicken  Buchstaben.  Tsf. 


1)  Derselbe  Stempel,  bald  mit  einem  bald  zwei  l  {Gelli),  fand  sich  in  Arezzo, 
Rom,  Spanien  und  Südfrankreich. 

2)  Cresius  ist  in  dieser  Fabrik  bis  jetzt  unbekannt.  Häufiger  ist  L.  legidi 
Calvio:  in  Arrezzo,  Rom,  Tarraco  und  Malga  in  Afrika.  VIII,  10475  ist  darnach 
richtig  zu  stellen. 

3)  Maecius  hatte  in  Puteoli  seine  Fabrik,  aus  der  uns  nur  die  Sklaven  Donax 
und  Hilar{ius?)  bekannt  sind:  X,  8056,  128  und  1G8.  Ausserdem  fand  sich  Donax 
noch  in  Arausio,  XII,  5686,  320. 

4)  X,  8056,  535  hatte  darnach  wohl  gleichfalls  das  sehr  schwer  erkennbare 
kleine  feci  als  Zeile  1.  Die  unverständlichen  2  Bruchstücke  XII,  5686,  137  und  1068 
scheinen  einen  dieser  3  Stempel  in  sich  zu  bergen. 

5)  Derselbe  Stempel  nur  noch  in  Arezzo  nachgewiesen.  Garn.  p.  39  nr.  95 
=  Fabroni  tab.  IX,  25. 

6)  Dr.  I,  Form.  18:  OF  MOM  [St.  Germain]  und  Form.  27  aus  Neuss.  B.  J. 
84,  263. 

7)  Numerius  Naemuts  Hilari{u8^\  dessen  Praenomen  schon  in  oskisches  Sprach- 
gebiet verweist,  hatte  in  Puteoli  seine  Fabrik.  Vgl.  Dr.  I,  S.  54  und  CIL  X,  8056. 
Ausser  in  Puteoli  sind  in  Tarraco  er  und  seine  Sklaven  Felix,  Hermiscus,  Princeps, 
Vitulu  und  Favor  (so  emendiere  II,  4972,  81  lect  incert.)  gefunden  worden.  Vitlus 
in  Xanten,  und  in  Südfrankreich  Carbo  und  Vitulus.  Dies  scheinen  die  ältesten 
Sklaven  dieser  Fabrik  zu  sein,  da  ihre  Ware  noch  in  Gallien  und  Germanien  Eingang 
fand.    Die  Stempel  stehen  sehr  oft  in  einem  Kranze  oder  auf  kreisrunder  Fläche. 

8)  VII,  1336,  751  [London]  ONATIVI. 

9)  Die  Dicke  des  GefUsses  und  der  Buchstaben  weisen  diesen  Stempel  einer 
späteren  Zeit  zu. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 


155 


528  OE  PATi? 


Bst. 


T  PET 
563  ^   '  ^    T.  Pet{roni)  Scae{vae) ') 

auf  hellrotem,  nicht  glänz.  Tsb. 

pT>  T 

319  : .  „        Pr»mtt(«)«). 


396 


M  V 

iiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiinii; 


PROTVs    Profus^). 


ininiiiiniiiiniiiiiriiiiiii 
illllllllinilllllllllillllllll; 


Tsb. 

Tlf. 


422  I  PROTVS  Bst. 

niiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiMi. 

458  iROTI  [P]roti?  Bst. 

381  p  }^^  ^  Olym{p..)publ(id?Y)  Tsf . 

468  QNART;      Quart{io?)^)      Teller 

K.  XIV,  5. 
365  RA;       Ra[8ini]?  Bst, 

397  RASIN  Grosser  Teller. 

540  SINI  [Ra]8ini?  od.  Siniistoris?)^) 

Bst. 
522  ROGATI  M  Tsf. 

Das  M  ist  unsicher. 
402  ,L-  RONi         im  Kreis  geschrieben. 
[Sex.  Avi?]l{i)  Eom[anus]?'')  Tsf. 

561 1„   ^   ^D.Rom{ani)M[a]nc{ia)^) 

Tlb. 


412  T.  RVFR  ^"^'^  ^**^  Rufrieni). 


520  539  322  verstümmelt. 


Tsb.  u.  Tlf. 


3^gT_RVFRE    ^^^ 
RVF   I   0 


298  };RVI///PVS{    Ru[p]pu8?  ») 

Gr.  Teller. 

549  SABINVS      Sabinus.  Tsf. 

S 

F  A  V  S 


Fau8[tu]8  Sali- 


586  Q  .    I  vr'    n[ator]t[a€]  ser{vu8)  ^^) 

Tab 
SER.I  ^®°' 

527  583  SALVE  salve ").  Tob. 
508  SALVE  TV  salve  tu.  Bst. 
562  OFIG  SCO  oficiinä)  Sco{ti).  Bst. 
447  SCOTI  Bst. 

466  SECVNDI      Secundi.  Tlb. 

437  SE/VICI       Senici{o)  i«).  Bst. 

306  362  461  SENTI  Tsb.  und  Tlb. 
315  C  SENTI  Tlb. 

414  I  /       gr.  Teller. 

567  590     c-  SENTI  Tlb. 

424  1  l  Tsb. 


1)  Bekannt  sind  C  und  L.  Petronius  als  arretinisch.    In  Tarraco  II,  4970  er- 
scheint auch  ein  Q.  Pet{roniu8?) 

2)  Genau  so  in  Tarraco  IT,  4970,  404  c. 

3)  Wegen  der  gleichen  Umrahmung  kann  er  in  die  Fabrik  des  Dotnitius  oder 
der  Domitii  gehören.  Doch  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  dass  er  aus  der  Fabrik  des 
Calidius  stammt.    Vgl.  oben  Ihm  S.  111. 

4)  Gamurrini  und  Dragendorff  lösen  Publi(ci)  auf,  Dressel  Publi. 

6)  Auf  Schalen  der  ersten  Raiserzeit .  (Dr.  I,  24  u.  25)  kommt  der  Stempel 
Quart{io?)  in  Trier  vor. 

6)  Es  ist  möglich,  dass  der  Stempel  auf  dem  etwas  gewölbten  Gefässboden 
nicht  vollständig  eingedrückt  wurde:  ähnlich  ist  X,  416  [Cagliari]  ASLYC  zu  JRasiini) 
Lyc{  )  zu  ergänzen.  Ist  er  aber,  was  weitere  Funde  entscheiden  müssen,  vollständig, 
dann  ist  er  Sini(8toris)  zu  lesen  und  bedeutet  den  Synistor  Calidi. 

7)  Sex»  Avillius  zeichnet  mit  Vorliebe  in  Kreisstellung*.  Der  Name  Romanus 
circ.  scr.  ist  aus  der  ersten  Neusser  Tabelle  bekannt;  vgl.  dazu  oben  S.  143. 

8)  Der  Punkt  zwischen  D  und  R  ist  nicht  ganz  sicher.  Der  Sklavenname 
Mancia  kommt  in  mehreren  arretinischen  Fabriken  vor. 

9)  Bekannter  ist  der  gallische  Name  Boppus^  vgl.  Dr.  II,  321. 

10)  Vgl.  oben  S.  148.  Anm.  5. 

11)  Vgl.  oben  Seite  149. 

12)  Derselbe  Stempel   auf  Tellern   der   ersten   Kaiserzeit:    Dr.  I,  Form   15—17. 


156 


A.  0x6: 


Tsb. 


337  389  4051 APHROD 
406  430  494/  C-  SENTI 

Apphrod{i8iu8?)  C.  Senti. 

383  APHR  Aphr(odi8iu8?)  Tsb. 

506  SEITRVS  F  Sentrus  fieciy).  Tlb. 
524  SILNi  Silviani)*).  Tsb. 
421  C-  TAP  C.  Tapi,  ) »).  Tsb. 
423  426  Li  TM  L.  Tar{qüini?)  aut 
L.  I\iti7)  Ar{retini?)  *).  Tsb. 
471  A.  Tela  Celer?  cf.  Celer. 
291 

L.  Tetti  Samia. 


342 
451 

514 
567 


LTTTI 
S  MIA 


L-TTJ 

s  mPI 

TETT  h 


Bst. 


Bst. 


SM  I  A 
CERDO 
TIT  I 
576  A  TITI 


452 


Tett{i)  Samia.      Tsf. 
Cerdo  Titi^).        Bst. 


A.  Titi     Tasse  (Dr.  7). 
296  333  341  363  Tsb. 

499  Teller  (Dr.l7).  507  439  Bst. 


472  A  TITI 
312  A  TITI 


Am  Rande  eines  ge- 
strichelten Ringes  auf 
einem  gr.  Teller  je 
einmal  erhalten,  urspr. 
mehrmals  eingepresst. 


517 


iTi 


[A.  T\iti? 


—    L.  TXiti  ?)  Aliretini  ?)  cf.  L.  Tar{,. . . .) 
392  L  TITI  F    L.  Titi  f{iguli)  «)  oder 

L.  Titi  Fielix) 
vel  F\au8ti?) 

1  mal  in  der  Mitte  und  S  mal 
ringsum  am  gestr.  Ringe 
auf  grossem  Tellerfuss. 

I  V  C  V    lucundus 


470 


I 


399 
469 
492 


Tsf. 


305 

393 
364 


Tsf. 


Bst. 


L  TITI    L.  Titi 

L  •  TITI^t  L.  Titi «) 
IVSCVLI    lusculi 

§_^'_'  Suavi(8) 

i  tit;  l.  2?«  9) 

:  THYRSI  L,  Tiiti)  Thyrri  Tsf. 

453  TTIV?  L.  T(iti)  Thurisi).  Bst. 

350  TITI  "HYR  TIf. 

534  L  flYRSI  Tsf. 

547  THR2I?  Thirsi?  Tsf. 

587  L-T  i  ^h  'K^      Tsf.  ar.  Typ. 
VA  LG   Valeirt) 

487  VAPV  Vapu[8o]{ni8)  Ta,&&eDT.2b. 

288  /APVi  Tlb. 


1)  In  Tarraco  II,  4970,  469:  SENTRVS  FE  und  derselbe  Stempel  in  London 
VII,  1336,  108L 

2)  Vgl.  vor.  Tabelle  und  den  Nachtrag. 

3)  Es  ist  der  Stempel  einer  Puteolanischen  Fabrik,  vgl.  B.  d.  J.  1875,  S.  252 
und  CIL  X,  8056,  344.  Es  fanden  sich  in  Puteoli  25  Exemplare;  in  Tarraco  nur 
eins  II,  4970,  507,  ebenso  in  Comi  V,  8115,  118. 

4)  Genau  derselbe  Stempel  XII,  5686,  865  aus  Nemausus,  auf  einem  Teller  4  mal 
wiederholt.  Auch  in  Arezzo,  Gam.  p.  61,  nr.  408.  Ihm  notiert  (S.  126)  einen  C  und 
L.  Tar{    ).    Es  steht  nie  ein  Punkt  zwischen  T  und  ar. 

5)  Mir  nur  aus  Tarraco  bekannt  II,  4970,  170. 

6)  Die  Sklavennamen  Felix  und  Faiistus  in  dieser  Fabrik  kommen  häufig  vor. 
II,  6257,  194  (Neu-Carthago)  L  TFI  spricht  für  fiiguli). 

7)  In  Rom  und  sehr  oft  in  Arezzo,  wo  er  sogar  bis  zu  LT  C  abgekürzt  er- 
scheint. 

8)  XV,  5681  L,  Titi  \  Juscli  (asteriscus,  palma)  quater  repetitum.  Häufiger  ist 
Jii^c{ü)ltis  als  Sklave  des  Cn.  Titius  XII  und  XV. 

9)  Aus  Arezzo,  Rom  und  Tarraco  bekannt. 
10)  Der  Stempel  ist  schlecht  aufgedrückt. 


Neue  römische  Funde  vom  Niederrhein. 


157 


353  387  vififpR   ^*^^^^(»)    ^'^^^ ') 
litterae  PR  haud  certae      Tsf .  U.  Tlf . 

EICAR       Eicar(u8)^)  m,. 

^^^  SCr^       Sc[rof]{ae)  ^*"- 

—     Vitlus  cf.  N,  Naevius. 

388  496  NAABRI       Umbri(ci). 
NA\BRICI  L,   Umbrici 
MChERI  Archeri?^) 

L  NAAB     L.  Umhriici) 


Tlf. 
Tlb. 

Tlb. 


321  ~  —\\c^ 


367 


460 


Tab. 


Est. 


L  NAABR      L'  Umbri(ci) 

RVFIO 

VNABRIC 
^g     THYR  Thyr{8m)  Am  Rande  eines 

VV\BR  Umbr(ici)  gestr.Ringesauf 
einem  gr.  Teller,  1  mal  erb., 
nrspr.  4  mal  eingedr. 

Bst. 


IUI 
293  V"ILIS   Utilis. 


Nachtrag. 

Während  des  Drucks  wurden  noch  folgende  Stempel,  die  oben  nicht  mehr  ein- 
gereiht werden  konnten,  gefunden. 

595  7^  E I  S ALV I     Atei  Salvi  % 
605  OFCALVI     of.  Calvi. 
598  FoFT     Font{ei). 
604  OFI  MACCA     ofi.  Macca{ri). 


588  PERENNI       PILADES 


inter  anaglypha. 
Piladea  Perenni  ^). 


591  |:REGENI:}      Regent. 

600  AS  EST        A.  Sesti^). 

601  SIL\A        Silvaini). 

CTIGf 
597  p  .  ji^       C.  Tigrani. 


1)  Ein  Sklave  des  A.  Vibiits,  In  Rom  und  Südfrankreich  öfters.  In  Vienne 
auf  schwarzem  Gefäss. 

2)  Scrofa  ist  das  Cognomen  des  Ä,  Vibius,  wie  Stempel  aus  Tarraco,  Rom  und 
Südfrankreich  beweisen.    Eicaru  A.  Vibi  in  Rom  (XV,  5753)  ist  derselbe  Sklave. 

3)  II,  4970,  42  [Tarraco]  isjt^  vielleicht  derselbe;  es  ist  ARCHE  ||  MER  überliefert. 
Ich  vermute   statt  dessen  ARCHE  ||  VMBR. 

4)  In  Tarraco  Ikar{i)  \  ümbr{ici)  und  Scauri  \  Icar{i).  Scaurus  ist  das  Cog- 
nomen des  L.  Umbridus.  VII 1336,  1354  (pravae  lectionis)  VMIK  dürfte  derselbe  sein. 

5)  Dieser  Sklave  bekannt  aus  Rom,  Vienne  und  Tarraco. 

6)  Dieser  Name  aus  der  Fabrik  des  C  Ateius  ist  aus  Arezzo,  Rom  und  Tarraco 
bekannt;  er  ist  bis  jetzt  seltener  konstatiert  als  andere  Cognomina  derselben  Fabrik, 
vielleicht  weil  der  Benannte  gewöhnlich  nur  Scüvi  signiert  hat. 

7)  Diese  Stempel  stehen  auf  einem  fast  vollständig  erhaltenen,  sehr  schönen 
Becher  (Dr.  Form  11)  zwischen  weinlesenden  Satyrn.  Die  4  Typen  von  Satyrn, 
wie  sie  von  DragendorfF  (B.  J.  96,  S.  62)  beschrieben  sind,  kehren  je  2  mal  in  ver- 
schiedener Zusammenstellung  wieder.  Die  Auflösung  des  in  Tabelle  I  mitgeteilten 
Stempels  MP8  zu  3f.  I\erenni)  S{atumini)  gewinnt  durch  diesen  Fund  an  Wahr- 
scheinlichkeit.   Vgl.  oben  S.  144  Anm.  1. 

8)  Dass  diese  Fabrik  mit  den  in  Neuss  vertretenen  gleichaltrig  sei,  wurde  also 
mit  Recht  bereits  oben  (S.  143)  aus  ckarakteristischen  Signierungsweisen  von  mir  ge- 
schlossen: sie  führt  einmal  den  Zusatz  figul{i?)j  signiert  in  Kreuzform,  erscheint  *bis 
repetitum*  (urspr.  wohl  quater),  kommt  noch  in  Südgallien  vor  und  steht  nie  in  solea. 


6.   Die  Waldalgesheimer  Schmuckplatten. 

Von 
CoBStantin   Koenen. 


Hierzu  Tafel  IL 


Die  auf  Tafel  II  unter  Nr.  1  und  Nr.  2  in  Phototypie  wiedergegebenen,  im 
Rheinischen  Provinzialmuseum  zu  Bonn  befindlichen  Fragmente  von  Schmuck- 
platten au8  dem  Waldalgesheimer  Grabfund  wurden  bisher  unrichtig  zusammen- 
gestellt;  ungenügend  sowie  mit  falscher  Ergänzung  abgebildet  und  ihrer 
Bestimmung  und  kulturgeschichtlichen  Bedeutung  nach  verkannt.  Eine  genaue 
Wiedergabe  und  ein  neuer  Hinweis  auf  diese  zur  Beurteilung  der  vorrömischen 
Geschichte  unseres  Landes  bedeutungsvollen  Stücke  dürfte  daher  willkommen 
erscheinen. 

Nach  dem  Berichte  von  Aus'mWeerth  (Der  Grabfund  von  Waldalges- 
heim, Bonn  1870)  glaubte  man  Teile  eines  Helm-Schirmbandes  gefunden  zu 
haben.  Von  den  beiden  Gesichtsmasken  unserer  Platten  vermutete  Aus'm 
Weerth,  dass  sie  einander  gegenüberstehend,  den  mittleren  Teil  des  Stirnbandes 
gebildet  hätten,  und  die  unteren  Teile  unserer  Platten  sollen  zusammen- 
geschoben der  Nackenschirm  des  Helmes  gewesen  sein  (Au s'm  Weerth  a.  a.  0. 
S.  21  u.  22,  dazu  Taf.  V  u.  VI,  Fig.  3).  Lindenschmit  bildete  (Alter- 
tümer unserer  heidnischen  Vorzeit,  B.  III,  Heft  I,  Taf.  II,  Fig.  9)  in  kleinem 
Massstabe  nur  den  unteren  Teil  einer  und  (a.  a.  0.  Fig.  10)  den  oberen  Teil 
der  zweiten  Platte  ab  (das  Übrige  kannte  er  nicht)  und  sagt  dazu:  „Die  Be- 
stimmung dieser  früher  durch  Nägel  befestigten  Bruchstücke  ist  ohne  jeden 
sicheren  Anlialt." 

Bei  einer  Zusammenstellung  der  Bruchstücke  ergab  sich  mir  zunächst, 
dass  Reste  von  drei  gleichen  Platten  vorhanden  sind.  Aus  der  beigefügten 
Phototypie  der  Originalplatten  und  meiner  diese  ergänzenden  Federzeichnung 
(Fig.  3  in  natürlicher  Grösse)  ersieht  man,  wie  jede  der  drei  Platten  ursprüng- 
lich beschaflfen  war.  Dieselben  sind,  wie  der  beigefügte  Querschnitt  zeigt, 
leicht  gewölbt  und  im  Längsschnitt  oben  und  unten  etwas  eingezogen.  Oben 
erkennt  man  einen  schmalen  Einschnitt,  und  an  dessen  Seite  sowie  am  unteren 
Teile  des  Randes  sind  kleine  Nietstiftchen  oder  wenigstens  die  Löcher  für 
solche  angebraclit. 


I 

I 


Die  Waldalgesheimer  Schmuck  platten.  159 

Die  riatten  waren  daber  eheuials  auf  einer  dllHDen  Wand  vermittelst  der 
Xietetiftchen  befestigt.  Die  Wandang  ninss  die  aus  dem  Längs-  nnd  Querschnitt 
der  Platten  erkennbare  Biegung  ntitgemacbt  haben.  Jeder  Gedanke  an 
Gnrtbescbläge  ist  somit  ausgescblossen.  Diese  würden  einen  mehr  gleieU- 
mässig  gestreekten  Längssebnitt  zeigen.  Dasselbe  gilt  bezüglich  des  von 
Ans'm  Weerth  (Grabfund  von  Waidalgeshcim.  Textfigur  8.  20  und  Taf.  V 
n,  VI,  Fig.  3)  rekonslrn leiten  Helm-Schirmhandes.  Mehr  werden  wir  an  die 
Biegung  der  Wangenplatten  antiker  Helme  erinnert  (vgl.  Dcinmin,  Kriega- 
waffen,  4.  Aufl.  S.  294,  Fig.  10;  S.  259,  Fig.  30,  l;  S.  256,  Fig.  24,  U; 
S.  260,  Fig.  30,  III;  S.  302,  Fig.  1,  III);  allein,  Helme  habeo  natilrlicü  nur  zwei 
BackenstUcke.  Wegen  der  Drei/.ahl  ist  man  schon  eher  berechtigt,  an  drei 
Schmtiekplatten  von  Pferdegescliirr  nu  denken  (a.  a.  0.  S.  211,  Fig.  24; 
S.  Müller,  im  2.  Hefte  der  Kordiske  Fortidsmiuder,  ndgiuue  af  det  Kgl.  Nor- 
diske  Oldskriftseiskab  im  J.  1892  Taf.  VI:  Reiter);  allein  auch  für  diese  Zwecke 
paast  die  Biegung  der  Platten  nicht  und  ebensowenig  für  Endstücke  der 
Brustriemeu  antiker  StUckpanzer  (Denimin  a.  a.  0.  S.  246,  Fig.  24).  Die 
einzig  denkbare  Verwendung  unserer  Platten  erkannte  vielmehr  G.  Loescbcke, 
der  sie  für  Reste  einer  Bronzesehale  derselben  Konstruktion  erklärte,  wie  sie 
der  Kessel  von  Guiidestrup  nud  verwandte  Gefösse  zeigen  (vgl.  u.  a.  Müller, 
a.  a.  0.  Textfigur  S.  35.  Bastian-P^stschrift,  Berlin  1896.  S.  370,  Fig.  1. 
Undset,  Das  erste  Auftreten  des  Eisens  In  Nord-Europa.  Deutsche  Aus- 
gabe von  J.  Mestorf,  Hamburg  1882  S.  425,  Fig.  132  u.  133),  iu  deren  Ent- 
stehungszeit es  Sitte  war,  GeiUsse  dnrch  aufgenietete  Schmnckplatten  zu 
versciiönem. 

Die  Vorderseite  unserer  Platten  ist  mit  einem  von  der  Rückseite  heraus- 
getriebenen Reliefhilde  geschmückt.  Das  Getriebene  wurde  mit  dem  Grab- 
stichel saaber  überarbeitet  und  stellenweise  noch  mit  besonderen  Veraemngen 
versehen.  Wir  sehen  den  Oberkörper  eines  festlich  gekleideten  Mensehen  ganz 
von  vorne  dargestellt.  Wie  in  den  Schnitzarbeiten  wilder  Viilkerschaften  ist 
ungeachtet  des  Barbarischen  der  künstlerischen  Mache,  ein  ausgesprochener 
Rftssentypue  nicht  zu  verkennen:  Der  Oberkörper  ist  kurü,  der  Kopf  kurz 
und  breit;  das  Gesicht  breit,  die  8tini  sehr  niedrig  und  über  den  stark  ge- 
schwungenen Augenbrauen  flach.  Die  Nase  ist  normal,  die  Augen  sieben 
horizontal,  der  Muud  ist  klein.  Anffallend  klein  sind  auch  die  nach  oben  er- 
hobenen Hände. 

Wie  der  Typus,  so  ist  auch  die  Tracht  sehr  zu  beachten.  Den  Kopf 
schmückt  eine  durch  eingepnnzte  kleine  Puuktkreise  verzierte  Haube,  an  deren 
rechter  nnd  linker  Seite  sich  zwei  wulstige  fischhlasenförmige  Teile  anlehnen. 
L.  Lindenschiiiit  )^n.  hielt  diese  Für  ein  seitlängs  des  Kopfes  herabfallendes, 
Aufgerolltes  Band  des  Kopfschmuckes  (Die  Altertümer  unserer  heidnischen  Vor- 
zeit. B.  HI.  Heft  1.  Nr.  9  u.  10).  Hauben  mit  seitwärts  herabhängenden  Bändern 
kommen  thatsächlicb  bei  weiblichen  Kopfbedeckungen  dieser  Zeit  vor,  wie 
beispielsweise  die  figüriichen  Darstellungen  des  Gnndestrup-Kessels  zeigen 
(vgl.  Müller  im  2.  Heft  des  Nordiske  Fortiaminder  vom  J.  1892,  Taf.  VHJ,  XHI, 


160  Constantin  Roenen: 

Fig.  1  und  XIV,  1.  Voss  in  der  Bastian-Festschrift,  S.  376,  Fig.  4;  S.  387, 
Fig,  11;  S.  389,  Fig.  12;  S.  390,  Fig.  13);  allein  Löscheke  bemerkte  mir 
gegenüber  mit  Recht,  dass  man  in  vorliegendem  Falle  wohl  nur  die  leere 
Fläche  zwischen  dem  Rande  der  Platten  und  dem  Kopf  habe  omamental 
füllen  wollen.  Ich  verweise  zur  Entscheidung  dieser  Angelegenheit  auf  die 
zahlreichen,  mit  solchem  Seitenschmuck  versehenen  brachykephalen  Kopf- 
bildungen an  gleichartigen  Bronzen,  welche  gelegentlich  L.  Lindenschmit  in 
seinen  Abhandlungen  über  Altertümer  unserer  heidnischen  Voraeit  (Anhang  zu 
Bd.  II,  2;  II,  4;  III  3;  Beilage  zu  III,  1)  gegeben  hat.  Das  lehrreichste  Bei- 
spiel dieser  Art,  welches  ich  kenne,  ist  die  eiserne  mit  Bronzeblech  über- 
zogene Schmuckplatte  des  Nationalmuseums  in  Prag;  sie  wurde  zu  Horavez 
in  Böhmen  gefunden  und  dürfte  demnächst  von  Dr.  J.  Ladislov  Pife  in  Prag 
veröffentlicht  werden.  Dieselbe  zeigt  um  einen  mittleren  Knopf  zwei  durch 
einen  Kreisstab  getrennte,  kreisförmige  Reihen  von  Reliefköpfen.  Die  innere 
Reihe  zählt  sieben,  die  äussere  vierzehn  Köpfe.  Die  Fischblasen  an  den 
Seiten  dieser  brachykephalen  Köpfe  rollen  sich  mit  ihren  unteren  Enden  nicht, 
dem  Ornament  unserer  Platten  gleich,  wie  das  Hörn  des  Moschusochsen  auf- 
wärts,  sondern  sie  legen  sich  um  das  Kinn  des  Kopfes  herum.  Diese  Lage 
vermied  man  bei  den  Köpfen  der  Waldalgesheimer  Schmuckplatten  offenbar 
nur,  um  den  weiten  freien  Raum  zwischen  Kinn  und  dem  gestrichelten  Platten- 
saume auszufüllen.  Freilich  halte  ich  es  nach  dem  Entwicklungsgange  der 
gallischen  Kunst  nicht  für  ausgeschlossen,  dass  man  ursprünglich  vorhandene 
Seitenbänder  des  Kopfputzes  später  zu  diesen  Fischblasen-Ornamenten  um- 
gebildet hat.  Beispiele  für  derartige  prähistorische  Metamorphosen  lieferte 
W.  von  den  Steinen  in  seinem  Aufsatze  der  Bastian-Festschrift  vom  Jahre 
1896  S.  249—288:  'Prähistorische  Zeichen  und  Ornamente'. 

Der  Oberkörper  unseres  Menschen  ist  bekleidet  mit  einem  eng  an- 
schliessenden, kurzen,  die  Oberarme  nackt  lassenden  Rock.  Derselbe  ist  reich 
geschmückt  durch  sich  schlangenartig  windende,  stellenweise  lotusblattfOrmig 
ausladende  Bänder.  In  der  Brustgegend  sieht  man  zwei  runde,  jetzt  durch- 
brochene, ursprünglich  jedoch  nur  flach  ausgestochene  Gruben,  die,  wie  schon 
L.  Lindenschmit  (Die  Altertümer  unserer  heidnischen  Vorzeit.  B.  III.  H.  L 
Nr.  9  u.  10)  annahm,  wahrscheinlich  mit  farbigem  Kitt  ausgefüllt  waren.  Die- 
selben bezeichnen  die  dargestellten  Menschen  als  Frauen,  worauf  mich 
Löscheke  unter  Hinweis  auf  die  durch  Kugeln  angedeuteten  Frauenbrüste 
der  Reliefbilder  des  Gundestrup-Kessels  (vgl.  S.  Müller,  in  der  Zeit- 
schrift Nordiske  Fortisminder  vom  Jahre  1892  S.  35—68,  Taf.  VI— XIV, 
dann  Voss  in  der  Bastian-Festschrift.  Berlin  1896.  S.  369 — 413)  aufmerksam 
machte.  Den  Hals  umgibt  ein  breiter  geöffneter  Ring  mit  knopfartig  erwei- 
terten Endstücken. 

Sowohl  den  enganschliessenden  Rock  als  auch  den  Halsring  mit  End- 
knäufen finden  wir  wieder  bei  den  Menschenbildern  des  schon  wiederholt 
herangezogenen  Gundestrup-Kessels.  In  deren  Umgebung,  auf  den  Hintergrund 
verteilt,   erscheinen   auch  Ranken,  oder  wir   finden  eine  barbarische  Imitation 


Die  Waldal^esheimer  Schmuckplatten.  161 

Ton  Lotusschmuck;  beide  sind  mit  den  auf  dem  Gewände  unserer  Figur  ver- 
teilten Ornamenten  typisch  identisch. 

Unsere  Schmuckplatten  gehören  Hiomit  zu  einem  Bronzegefässe,  aus 
derselben  Zeit,  in  der  auch  der  Gundestrup-Kesscl  hergestellt  wurde.  Voss 
sucht  nun  nachzuweisen,  dass  letzterer  ein  mithräischcs  Denkmal  im  Norden 
sei  und  setzt  dasselbe  in  den  Anfang  des  vierten  Jahrhunderts  nach  Christus 
(a-  a.  O.).  Allein  unsere  Schmuckplatten  lassen  diese  Deutung  nicht  zu;  deiin 
auch  hier  am  Rhein  ist  beider  Arbeiten  Stil  nachweisbar,  jedoch  nur. bei 
Brouzekesseln,  eigenartigen  Scliwertern,  bei  Hals-  und  Armringen,  auf  Fibeln 
und  anderen  Schmucksachen  der  Übergangsperiode  von  der  jüngeren  llallstätter 
in  die  La  Tfene-Zeit.  Das  mehr  Klassische  des  Ornamentutionstypus  unserer 
Erzarbeiten  finden  wir  besonders  klar  wieder  in  den  Situlac  der  Certosa  di 
Bologna,  die  bekanntlich  einer  Periode  zugesehrieben  werden,  welche  mit 
dem  um  400  v.  Chr.  erfolgten  Einbruch  der  Gallier  abschliesst,  während  in 
der  mittleren  Zeit  ihrer  Entstehung  Einflüsse  phönikisch-karthagischer  Kultur 
wahrgenommen  werden.  Für  diese  Zeit  passen  auch  der  mit  unseren  Schmuck- 
platten zusammen  gefundene  scliöne  griechische  und  der  Waldalgesheimer  auf 
dem  Hallstätter  Gräberfeld  in  sechs  Exemplaren  angetroflFene  etruskische 
Bronzeeimer.  Die  Schnabelkanne  von  Waldalgesheim,  die  goldenen  und  bron- 
zenen Arm-  und  Halsringe,  die  sogenannte  Fibula  und  die  übrigen  Sachen  des 
Waldalgesheimer  Fundes  sind  ebenfalls  charakteristische  Erscheinungen  der 
Übergangsperiode  aus  der  Hallstätter  in  die  ältere  La  Tene-Grnppe. 

Dafür,  dass  der  Gundestrup-Kessel  derselben  Zeit  angehört,  spricht  auch 
der  Schmuck  seiner  Relieffiguren  bei  einem  Vergleich  desselben  mit  dem 
Inhalte  des  datierbareu  Waldalgesheimer  Grabes.  Bekannt  ist  es  ja,  dass  in 
diesem  Grabe  nicht  nur  jene  knopfartig  ausladenden  ge^itfnetcn  Halsringe,  wie 
sie  von  den  Figuren  des  Gundestrup- Kessels  getragen  werden,  angetroffen 
wurden,  sondern  auch  die  v<m  Aus'm  Weerth  richtig  erkannten  Erzhömer 
eines  Helmes.  Dieselben  sind  aber  genau  der  Art,  wie  wir  sie  bei  den  Helm- 
zierden der  Reiter  des  Gundestru[)  Kessels  sehen  (a.  a.  0.  S.  371,  Fig.  2),  bei 
dem  (a.  a.  0.  S.  380,  Fig.  6)  dargestellten  Menschen,  wie  auch  bei  der  be- 
kannten Bronzefigur  aus  dem  Museum  in  Kopenhagen  (abgebildet  u.  a.  bei 
ündset.  Das  erste  Auftreten  des  Eisens  in  Nord-Europa.  Deutsche  Ausgabe 
von  J.  Mestorf.  Hamburg  1S82,  S.  369).  Der  Sporn  findet  sich  bekanntlich 
auch  auf  den  bekannten  Hallstätter,  unseren  in  mannigfacher  Beziehung  ähn- 
lichen Reliefbildern  wieder. 

Was  die  absolute  Chronologie  des  Kess(»ls  von  Gundestrup  betrifft,  so 
bemerkt  Loeschcke,  dass  er  nicht  älter  sein  kann  als  die  Mitte  des  4.  Jahr- 
hunderts V.  Chr.  Denn  damals  erst  wurde  die  ornamentale  Verl)indung  von 
Pflanzen  und  Tierformen  üblich,  wie  sie  uns  in  dem  in  Akanthusranken 
endenden  Seepferdchen  entgegentritt,  das  der  eine  der  Männer  in  der  ge- 
hobenen Hand  hält.     Vgl.  Pernice,  Griech.  Pferdegeschirre  S.  6  ff'. 

Durch  die  richtige  Zusammenstellung  der  Waldalgeshehner  Schmuck- 
plaiten,  durch  den  Nachweis  ihrer  Zeitstellung   und   die  Übereinstimmung  der 

Jahrl».  de«  Vor.  ▼.  Alterthsft'.  im  RheinL  lOt.  t 


162  Constantin  Koenen:    Die  Waldalgesheimer  Schmuck  platten. 

YOD  den  Figuren  des  Gundestrup-Eessels  getragenen  Schmuckstücke  mit  den- 
jenigen des  Inhalts  des  Waldalgesheimer  Grabes  treten  beide  Funde,  der  nor- 
dische und  der  rheinische  in  kulturgeschichtlich  nahen  Zusammenhang.  Die 
Reiterzüge,  Opferhandlungen,  mit  Symbolen  ausgestatteten  Götterdarstellungen 
beleuchten  eine  bestimmte  Art  von  höchst  eigenartigen  Kulturzuständen 
aus  dem  Anfange  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrtausends  vor  Christus. 
Diese  und  der  uns  hier  als  Träger  dei-selben  begegnende  kleine  brachykephale 
Menschenschlag,  verglichen  mit  den  Rassentypen  der  Gräber  jener  Zeit 
führt  unter  Berücksichtigung  gewisser  sprachlicher  Weisungen  zu  bedeutungs- 
vollen Gombinationen.  Auf  letztere  kann  man  aber  nur  in  besonderer  Ab- 
handlung näher  eingehen. 


n.  Litteratiir. 


1.  Die  Formen  der  römischen  Thongefässe  diesseits  und  jenseits  der 
Alpen.    Von  Professor  Oscar  Holder.    Stuttgart  1897.   4.  4  u.  38  S.  24  Tafeln. 

Die  Veröffentlichung  dieses  Buches^  welches  Holder  bei  seinem  Tode  unvollendet 
hinterlassen  hatte,  verdanken  wir  dem  württembergischen  und  rottweiler  Altertums- 
vereine. Es  giebt  Zeugnis  davon,  wie  der  Verfasser  die  in  seinem  ersten  Werke 
(,Die  römischen  Thongefässe  der  Altertumssammlung  Rottweil ;  Stuttgart  1889^)  be- 
gonnenen Studien  weiter  fortgesetzt  und  ausgedehnt  hat.  Sie  führten  ihn  zu  einem 
Vergleiche  der  heimischen  Funde  mit  auswärtigen,  namentlich  auch  italischen.  In 
erster  Linie  sind  es  die  Formen  der  Gefässe^  die  Holder  interessieren.  Auf  den 
sauber  gezeichneten  Tafeln  hat  er  alles,  was  ihm  an  Formen  römischer  Thongefässe  be- 
gegnete, zusammengestellt.  Diese  Formentafeln  geben  daher  ein  reiches  Material  aus 
einem  Gebiete,  das  bisher  noch  sehr  vernachlässigt  war,  und  mancher  wird  sie  dank- 
bar benutzen,  wo  es  darauf  ankommt,  sich  schnell  über  das  Vorkommen  einer  Form 
zu  unterrichten.  Eine  kurze  Erklärung  der  Tafeln,  die  über  Material,  Grösse  und 
Aufbewahrungsort  orientiert  sowie  auf  die  behandelnde  Stelle  des  Textes  verweist, 
erleichtert  die  Benutzung.  Diese  Tafeln  bilden  den  wertvollsten  Teil  des  Buches. 
In  ihrer  Anordnung  aber  und  mehr  noch  in  ihrer  Besprechung  (S.  16  ff.)  tritt  uns 
zugleich  auch  schon  der  Mangel  von  Hölders  Arbeitsweise  entgegen. 

Wie  Hölders  Interesse  zunächst  ein  rein  formales  ist,  so  erfolgt  auch  die  An- 
ordnung nach  rein  äusseren  Gesichtspunkten.  Die  Gefässe  siud  unter  grosse  Ru- 
briken, wie  „Töpfe",  ^Krüge",  „Urnen"  u.  s.  w.  geteilt.  Abgesehen  davon,  dass  diese 
Begriffe  sehr  dehnbare  sind,  mancher  als  „Topf*  bezeichnet,  was  ein  anderer  noch 
,Krug"  nennt,  ist  dies  meines  Erachtens  auch  ein  prinzipieller  Fehler.  Bei  einem 
Buche  wie  dem  vorliegenden,  das  unvollendet  geblieben  und  bei  dem  die  neuste 
Litteratur  nicht  mehr  benutzt  ist,  wäre  es  unbillig  bei  der  Hervorhebung  einzelner 
Versehen,  die  sich  leicht  berichtigen  lassen,  sich  aufzuhalten.  Nur  einige  Einwände 
allgemeiner  Natur  seien  mir  gestattet,  die  dem  Benutzer  zugleich  zeigen  sollen,  was 
er  von  Hölders  Buch  zu  erwarten  hat,  und  ihn  hindern  mit  falschen  Voraussetzungen 
an  dasselbe  heranzutreten. 

Was  uns  heutzutage  noch  fehlt,  aber  neuerdings  doch  schon  durch  Einzelarbeit 
angebahnt  wird,  ist  eine  Geschichte  der  römischen  Keramik  auf  historischer  Grund- 
lage. Eine  solche  zu  geben  lag  Holder  fern.  Er  selbst  hat  sein  Buch  bloss  als  eine 
Materialsammlung  betrachtet  wissen  wollen.  Aber  auch  schon  diese  darf  die  histo- 
rischen Gesichtspunkte  nicht  ausser  acht  lassen.  So  kann  meiner  Ansicht  nach  auch 
eine  Anordnung  und  Sichtung  der  Formen  nur  nach  historischen  Gesichtspunkten 
geschehen,  d.  h.  die  ihrem  Ursprünge  nach  mit  einander  verwandten  oder  aus  ein- 
ander abzuleitenden  Formen  müssen  zusammengefasst  werden,  ganz  abgesehen  von 
dem  Zweck,  dem  sie  dienen  sollen,  der  ja  überdies  nur  in  vereinzelten  Fällen  festzu- 
stellen ist.  Es  wird  sonst  zusammenhängendes  getrennt,  ursprünglich  verschieden- 
artigee  vereinigt,  charakteristisches  unter  nichtssagenden  Namen  verborgen.  Dafür 
IteMen  sich  ans  H(^lders  Buch  manche  Belege  anführen. 


164  Litteratnr. 

Der  Versuch,  eine  Entwicklung  einzelner  Formen  zu  geben,  ist  von  Holder  so 
gut  wie  garnicht  gemacht.  So  kann  man  aus  dem  Buche  wohl  mancherlei  Einzel- 
heiten, namentlich  eine  Menge  guter  technischer  Beobachtungen  schöpfen.  Ein  wirk- 
liches Bild  des  Stoffes,  das  es  behandelt,  giebt  es  nicht.  Aus  diesem  Mangel  der  Be- 
obachtungsweise erklärt  sich  auch,  dass  Holder  das  Verhältnis  von  römischem  zu 
griechischem  nicht  richtig  beurteilt  und  an  eine  prinzipielle  Verschiedenheit  der 
römischen  Keramik  von  der  griechischen  glaubt.  Jener  schreibt  er  Eigenschaften  als 
charakteristisch  zu,  die  sie  mit  der  hellenistischen,  deren  Abkömmling  sie  ist,  teilt. 
Eine  strenge  Scheidung  beider  ist  meines  Erachtens  nicht  durchzuführen,  die  Fäden 
führen  beständig  von  der  hellenistischen  zur  römischen  hinüber,  und  Holder  selbst 
giebt  mehrfach  griechisches  für  charakteristisch  römisch  aus. 

Aus  diesem  Grunde  ist  vielerlei  in  dem  ersten  Teile  von  Hölders  Arbeit  an- 
fechtbar und  der  Abschnitt,  der  auch  viel  gutes  enthält,  mit  einer  gewissen  Vorsicht 
zu  benutzen.  In  diesem  ersten  Teile  behandelt  Holder  zunächst  kurz  einige  der 
feineren  römischen  Vasensorten,  die  terra  sigillata  und  die  megarischen  Schalen,  wo- 
bei ihm  freilich  diese  Gattung,  von  der  er  nur  wenige  Exemplare  zu  kennen  scheint, 
etwas  römisches  dünkt,  während  in  Wahrheit  doch  die  Schalen  des  Popilius  und  ähn- 
liche mit  lateinischen  Stempeln  versehene  nur  vereinzelt  unter  unzähligen  Exemplaren 
griechischer  Provenienz  sind. 

In  einem  zweiten  Abschnitt  werden  die  Hauptdekorationsarten  behandelt,  die 
Reliefdekoration,  Barbotineverzierung,  wo  namentlich  auch  der  Gegensatz  zwischen 
Italien  und  dem  Norden  richtig  hervorgehoben  wird,  geschnittener  Zierrat  u.  s.  w., 
endlich  die  Glasur.  Das  letzte  Kapitel  handelt  über  die  Entwicklung  der  römischen 
Töpferei  in  Deutschland.  Auch  dieser  Abschnitt  enthält  zahlreiche  gute  Beobach- 
tungen, besonders  lokaler  Unterschiede  innerhalb  der  provinzialen  Topfware,  ein 
Gebiet,  auf  dem  noch  sehr  wenig  gethan  ist.  Auch  was  Holder  über  Import  und 
einheimische  Fabrikation  sagt,  ist  im  wesentlichen  richtig,  wenn  wir  auch  gerade  auf 
diesem  Gebiete,  wie  mir  scheint,  heute  schon  weiter  sind  und  genaueres  geben  können. 
Die  keltisch  germanische  Kultur,  der  wir  einen  Teil  des  besten  Vasenmaterials  ver- 
danken, unterschätzt  Holder  entschieden.  Neben  sicherem  italischen  und  gallischen 
Import  finden  wir  hier  eine  sehr  hochstehende  an  die  einheimische  La  Tenekunst  an- 
knüpfende Töpferei,  und  erst  aus  der  Mischung  mit  diesen  einheimischen  Elementen 
entwickelt  sich  seit  der  zweiten  Hälfte  des  I.  nachchristlichen  Jahrhunderts  ein  von 
dem   italischen  verschiedener   und  diesem  vielfach  überlegener  römischer  Provinzial- 

stil  in  der  Keramik. 

Dragendorff. 

2.    Die  Kunstdenkmäler  der  Rhein provinz.    Dritter  Band.    V.  Die  Kunstdenk- 
mäler  des   Kreises  Grevenbroich.  —  Vierter  Band.    I.   Die  Kunstdenkmäler  des 
Landkreises  Köln.    Im  Auftrage  des  Provinzialverbandes  der  Rheinprovinz  heraus- 
gegeben von  Paul  Giemen.    Düsseldorf,  L.Schwann.  1897.  VI  und  106  S.  5  Taf., 
36  Text- Abbildungen,  bez.  VI  und  206  S.  16  Taf.,  89  Textabbildungen.    Preis:  3 
und  6  Mk. 
Mit  der  Behandlung  des  Kreises  Grevenbroich   gelangt   der   erste  grosse  Teil 
der   Denkmälerstatistik   des   Rkeinlandes,   die   Besprechung   des   Regierungsbezirkes 
Düsseldorf  zum  Abschlüsse.    Mit  Befriedigung  können  der  Verfasser,  die  Kommission 
für  die  Denkmälerstatistik  und  die  Provinzialverwaltung  auf  die  stattlichen  drei  Bände 
zurückblicken,  die  diesem  Regierungsbezirke  gewidmet  sind.    Dieselben  sind  für  jeden 
unentbehrlich  geworden,    der   in   wissenschaftlicher  Weise   den  Kunstdenkmälem  des 
Rheinlandes  näher  treten  will  und  zugleich  für  jeden,  der  sich  einen  Überblick  schaffen 
will  über  die  Materialien,   die  für  die  Geschichte   und  Kulturgeschichte   der  Provinz 
und  ihrer  einzelnen  Teile  gedruckt  oder  auch  nur  handschriftlich  vorliegen.    Dabei 
ist  das  Werk  in  seiner  Anlage  und  Durchführung  dem  ursprünglichen  Programme 


Litteratnr.  166 

treu  geblieben,  wenn  auch  den  spätem  Heften  naturgemäss  die  Erfahrungen,  die  bei 
der  Durcharbeitung  der  altern  sich  ergaben,  in  vorteilhafter  Weise  zu  Gute  gekom- 
men sind.  Vor  allem  ist  das  regelmässige  Anwachsen  des  Illustrationsmateriales  und 
die  durch  die  im  Auftrage  der  Gesellschaft  für  rheinische  Geschichtskunde  von  Dr. 
Tille  vorgenommene  Inventarisation  der  kleinern  Archive  ermöglichte  vollständigere 
Aufführung  der  handschriftlichen  Quellen  ein  Vorzug  der  spätem  Hefte,  der  den 
nun  zu  erwartenden  weitern  Abteilungen  in  hoffentlich  immer  grösserem  Umfange 
zu  Teil  werden  wird. 

Der  Kreis  Grevenbroich,  bei  dessen  Beschreibung  einige  Orte  von  Dr. 
Polaczek  übernommen  worden  waren,  der  auch  das  angeheftete  Register  für 
den  dritten  Band  des  Werkes  zusammengestellt  hat,  ist  einer  der  heterogensten 
des  Rheinlandes.  Erst  im  Jahre  1816  sind  seine  verschiedenen  Teile,  die  einst  zum 
Herzogtum  Jülich,  zum  Kurfürstentum  Köln,  zu  den  reichsunmittelbaren  Herrschaften 
Dyck  und  Wickrath  und  zur  Deutschordenskommende  Elsen  gehört  hatten,  zu  einem 
Ganzen  vereint  worden.  Bis  dahin  hatten  sie  nur  das  gemeinsam,  dass  sie  bei  krie- 
gerischen Verwicklungen  der  umwohnenden  Mächte  in  gleicher  Weise  verwüstet  wur- 
den. Eine  grössere  Menge  von  Altertumsresten  ist  in  dem  Kreise  denn  auch  nicht 
zu  erwarten,  doch  birgt  er  immerhin  eine  Reihe  interessanter  Einzeldenkmäler  und 
architektonischer  Anlagen.  Für  letztere  wurde  gelegentlich  der  rötliche  Sandstein 
vom  Liedberge  verwendet,  sonst  griff  man  im  11.— 13.  Jahrhundert  gern  zum  Tuff 
und  Trachyt  aus  dem  Brohlthal  und  dem  Siebengebirge,  während  vom  14.  Jahrhun- 
dert an  der  Backstein  das  beherrschende  Baumaterial  wird. 

Römische  Funde  sind  in  dem  Kreise  vereinzelt  bei  Barrenstein,  Bedburdyck 
und  Gustorf  gemacht  worden,  während  bei  Grevenbroich  und  Schloss  Dyck  umfas- 
sendere Reste  dieser  Zeit  aufgedeckt  wurden;  besonders  die  letztern  sind  den  Lesern 
dieser  Jahrbücher  durch  die  eingehende  Besprechung  von  Koenen  im  Hefte  LXXXI 
bekannt  geworden.  Von  altem  kirchlichen  Anlagen  ist  wenig  erhalten,  und  das  Erhal- 
tene sehr  stark  umgebaut.  Elsen  hat  seinen  romanischen  Turm  bewahrt,  Gustorf 
eine  Reihe  durch  Tafeln  und  Zeichnungen  in  der  Beschreibung  wiedergegebener  inter- 
essanter romanischer  Reliefs  Inder  sonst  modernen  Kirche,  die  romanische  Lambertus- 
kapelle  zu  Ramrath  ist  fast  ganz  zu  Grunde  gegangen,  die  einst  romanischen  Kirchen 
zu  Oeckhoven,  Wickrath  und  Wickrathsberg  sind  ebenso  wie  die  gotische  katho- 
lische Pfarrkirche  zu  Grevenbroich  ganz  umgebaut.  Zu  nennen  ist  in  diesem  Zusam- 
menhang der  im  Barokstyle  aufgeführte  Backsteinrohbau  des  frühern  Klosters  zu 
Langwarden. 

Unter  den  Schlössern  stammt  das  zu  Hülchrath  zum  Teile  noch  aus  dem  14., 
das  zu  Grevenbroich  teilweise  aus  dem  15.  Jahrhundert,  während  das  geschmackvolle 
Schloss  zu  Dyck  seine  Errichtung  in  der  zweiten  Haltte  des  17.,  seine  reiche  Ein- 
richtung in  diesem  und  dem  folgenden  Jahrhundert  fand.  Der  Hauptbau  des  von 
Johann  Joseph  Couven  in  der  ersten  Hälfte  des  vorigen  Jahrhunderts  errichteten 
Schlosses  zu  Wickrath  musste  1859  leider  wegen  Baufälligkeit  abgetragen  werden. 
Von  Herrenhäusern  sind  in  dem  Kreise  hervorzuheben  Haus  Leusch  bei  Höningen 
(18.  Jh.),  Haus  Bontenbroich  bei  Kelzenberg  (16.  Jh.)  und  Haus  Noithausen  (um  1700).  — 
Von  Privatsammlungen  birgt  der  Kreis  solche  von  Gemälden  auf  Schloss  Dyck,  zu 
Bedburdyck  (im  Besitz  des  Dechanten  (^iersberg)  und  zu  Langwarden  (im  Besitz  der 
Familie  Maison).  —  Eine  längere  Reihe  von  Nachträgen  und  Berichtigungen  zum  dritten 
Bande  und  ein  eingehendes  Register  zu  demselben  beschliessen  das  Heft. 

Der  vierte  Band  beginnt  mit  dem  Landkreise  Köln  und  tritt  damit  in  ein  an 
Denkmälern  der  verschiedensten  Zeiten  besonders  reiches  Gebiet.  Die  Bearbeitung 
ist  dieses  Mal  nur  für  die  Einleitung  und  die  Orte  Brauweiler  und  Brühl  durch  den 
bisher  alleinigen  Herausgeber  Dr.  Giemen  erfolgt,  während  die  übrigen  Orte  nach 
dem  hergebrachten  Schema  von  Dr.  Polacze,k  behandelt  worden  sind.  Die  Vorbe- 
merkungen stellen  in  Aussicht,  dass  zunächst  die  links-  und  rechtsrheinischen  fernem 


166  Litteratur. 

Teile  des  Regierungsbezirks  Köln  folgen  sollen,  denen  sich  dann  als  besonderer  Band 
die  Stadt  Köln  anschliessen  wird. 

Die  Nähe  Kölns  hat  es  mit  sich  gebracht,  dass  die  Orte  des  Kreises  bereits  in 
römischer  Zeit  besiedelt  wurden  und  zahlreiche  Überbleibsel  dieser  Periode  der  rhei- 
nischen Geschichte  hier  erhalten  geblieben  sind.  Der  südliche  Teil  wird  in  der  Rich- 
tung von  Badorf  nach  Efferen  durch  den  Eifelkanal  durchschnitten,  won  dem  an 
einer  längern  Reihe  von  Stellen  Reste  zu  Tage  getreten  sind,  aber  auch  sonst  sind 
fernab  von  der  Linie  die«es  Kanals  Erinnerungen  an  die  Römerzeit  vielfach  gefunden 
worden^  es  braucht  da  ja  nur  an  die  Entdeckungen  zu  Worringen,  die  Inschriften 
von  Gleuel,  das  in  dem  besprochenen  Hefte  ausführlich  von  Klinkenberg  geschil- 
derte Römergrab  zu  Weiden,  ganz  abgesehen  von  zahlreichen  andern  Fundstätten, 
erinnert  zu  werden. 

Wichtiger  freilich  als  diese  sind  die  Werke  des  Mittelalters  und  der  beginnen- 
den Neuzeit,  aus  deren  Reihe  die  katholische  Pfarrkirche  zu  Brauweiler  und  das 
Schloss  zu  Brühl  besonders  hervorragen.  Erstere  als  Abteikirche  im  11.  Jahrhundert 
begonnen,  im  13.  Jahrhundert  fortgesetzt,  im  16.,  17.,  18.  umgebaut  und  restauriert, 
bildet  jetzt  mit  ihrer  reichen  Ausstattung  eine  der  bedeutendsten  kirchlichen  Anlagen 
des  Rheinlandes,  welche  seit  dem  Jahre  1866  in  umfassender  Weise  wiederhergestellt 
worden  ist.  In  dem  zugehörigen  Abteigebäude  sind  im  Kapitelsaale  noch  die  bekannten 
Deckengemälde  des  12.  Jahrhunderts  erhalten,  welche  an  die  Fresken  von  Schwarz- 
rheindorf erinnern,  aber  wohl  etwas  jünger  sind  als  diese.  Über  das  zweite  grosse 
Bauwerk,  das  Schloss  zu  Brühl,  haben  diese  Jahrbücher  in  Heft  100  eine  eingehende 
Behandlung  von  Renard  gebracht,  dasselbe  wird  hier  samt  dem  Park  und  dem  Schloss 
Falkenlust  in  topographischer  Anordnung  unter  Beifügung  zahlreicher  Tafeln  und 
Textbilder  geschildert. 

Zahlreich  sind  unter  den  Profanbauten  die  Herrenhäuser  rheinischer  Grossen 
erhalten;  dem  16.  Jahrhundert  entstammt  unter  ihnen  die  1836  renovierte  Burg  Alden- 
rath  zu  Gleuel,  dem  17.  Jahrhundert  die  Burgen  zu  Benzelrath,  Gleuel  und  teilweise 
Keldenich,  dem  18.  die  zu  Bachem,  die  malerische  Burg  Horbell  zu  Gleuel,  das  g^nd- 
lich  restaurierte  Haus  Arff  zu  Worringen  und  die  Burg  zu  EfTeren,  welche  einen 
gothischen  Turm  besitzt,  der  wohl  von  einer  am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  ange> 
legten  Befestigung  herstammt.  —  Eine  erhebliche  Zahl  älterer  Kirchen  ist  im  Verlaufe 
der  letzten  Dezennien  im  Gebiete  des  Kreises  niedergelegt  worden,  um  Neubauten 
Platz  zu  machen;  von  den  noch  erhaltenen  Aulagen  wären  etwa  ausser  den  bereits 
genannten  Brauweiler  hervorzuheben:  die  im  17.  Jahrhundert  umgebaute  Franzis- 
kanerkirche zu  Brühl;  die  im  Kerne  romanische,  aber  Mitte  des  16.  Jahrhunderts  im 
spätgothischen  Style  umgebaute  Kirche  zu  Esch;  die  wesentlich  dem  13.  Jahrhundert 
entstammende  Kirche  zu  Rheinkassel;  die  ursprünglich  romanische  alte  Kirche  zu 
Rodenkirchen;  die  nach  1100  begonnene,  später  vielfach  veränderte  und  vor  allem 
spätgothische  Formen  zeigende  Kirche  zu  Stommeln;  die  1885  erweiterte  Kirche  zu 
Poulheim,  deren  Turm  und  HauptschiflT  dem  12.  Jahrhundert  entstammen.  Die  Kapelle 
des  Hauses  Vorst  zu  Frechen  enthält  ein  Altarbild  aus  der  niederländischen  Schule 
der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 

A.  Wiedemann. 

3.  Bergische  Sagen.  Gesammelt  und  mit  Anmerkungen  herausgegeben  von 
Otto  Schell.  Mit  fünf  Lichtdruckbildern.  Elberfeld  1897.  Bädekersche  Buch- 
handlung.   80.    34  und  608  S. 

In  vorliegendem,  von  Dr.  Krauss,  dem  besten  Kenner  der  südslawischen  Volks- 
kunde, mit  einem  empfehlenden  Vorworte  versehenen  Werke  hat  sich  der  Verfasser 
das  Verdienst  erworben,  aus  einem  begrenzten  Teile  Deutschlands  alle  Sagen  zu- 
sammen zu  stellen,  welche  sich  in  der  Litteratur  verzeichnet  finden  und  welche  er, 
bei  eifrigem  Sammeln,  aus  dem  Munde  des  Volkes   selbst  schöpfen  konnte.    So  smd 


Litteratur.  167 

nahezu  LOGO  Sagen  zusammen  gekommen,  von  denen  freilich  manche  Doubletten  sind, 
in  denen  das  gleiche  Motiv  mit  leichten  Varianten  wiederkehrt;  andere  sind  nur 
Sagenansätzc  und  Traditionen,  die  als  Reste  grösserer  Sagen  betrachtet  werden 
müssen.  Aber  gerade  darin,  dass  alles  aufgenommen,  nichts  willkürlich  gestrichen 
wird,  liegt  der  Wert  einer  solchen  Sammlung,  das  Material  ist  dann  nicht  nach  sub- 
jektivem Ermessen  zurecht  gelegt,  sondern  in  seiner  ursprünglichen  Form  vorgeführt. 
Hierdurch  wird  das  Buch  zu  einem  Quellenwerke,  welches  der  Lokalhistoriker  der 
behandelten  Gebiete  ebensowenig  wird  entbehren  können,  wie  der  Sagenforscher,  der 
nach  Parallelen  sucht,  und  auch  der  sonstige  Leser  wird  in  vielen  Sagen  seine  Rech- 
nung finden  und  echt  volkstümliche  Poesie  nachempfinden  können. 

Die  ältesten  Sagen fassun gen  sind  Cäsarius  von  Heisterbach  entlehnt,  der,  wenn 
auch  manche  seiner  Berichte  mehr  didaktischen  Zwecken  zu  dienen  bestimmt  sind, 
als  reine  Volksüberlieferung  aufzuzeichnen,  doch  daneben  ein  reiches  volkskund- 
liches Material  enthält.  Dann  hat  die  Lokallitteratur  unseres  Jahrhunderts  manches 
ergeben,  mehr  jedoch  eigene  Erkundigung,  die  zugleich  zeigte,  dass  bis  heute  in 
diesen  Gegenden  die  sagenbildenden  Empfindungen,  besonders  das  ätiologische  Mo- 
ment, nicht  ausgestorben  sind.  Noch  an  die  Anlage  der  Eisenbahn  und  die  Kriegs- 
erklärung im  Jahre  1870  haben  sich  Sagen  angeknüpft  (S.  169,  160).  Ein  Motiv  in 
mehreren  Sagen,  dem  im  Zusammenhange  nachzugehen  interessante  Resultate  ver- 
spricht, ist  der  Teufel  als  Erzieher  zum  Guten,  ein  Amt,  das  er  hauptsächlich  Karten- 
spieleru  gegenüber  ausübt,  die  er  auf  dem  Heimwoge  erschreckt,  mit  ihm  zu  spielen 
veranlasst,  u.  s.  f.,  und  dadurch  von  ihrem  Laster  abbringt.  Andere  Sagenkreise 
werden  gleichfalls  zusammengefasst  zu  wichtigen  Schlussfolgerungen,  über  die  in 
ihnen  auftretenden  Typen  Veranlassung  geben  können.  AuflTallend  ist  das  fast  völlige 
Fehlen  der  sexuellen  Motive,  doch  ist  nicht  ersichtlich,  ob  dieselben  thatsächlich 
fehlen  oder  ob  die  hierher  gehörigen  Erzählungen  aus  äusseren  Gründen  übergangen 
worden  sind. 

Die  Anordnung  der  Sagen  erfolgt  topographisch  und  richtet  sich  meist  nach 
den  das  Gebiet  durchschneidenden  Wasserläufen;  die  Abschnitte  sind:  die  Ruhr,  der 
Deilbach,  der  Angerbach,  die  Düssel,  die  Itter,  die  Wupper,  die  Dhün,  der  Strunder- 
bach,  die  Sülz,  Agger  und  Wiehl,  Bröhlthal,  die  Sieg,  der  Rhein,  das  Siebengebirge, 
allgemeine  bergische  Sagen,  Nachtrag.  Als  Anhang  folgt  eine  Reihe  von  Bemer- 
kungen über  die  Orte,  Steine  u.  s.  f.,  an  die  einzelne  Sagen  anknüpfen.  Hinweise  auf 
Parallelsagen  aus  anderen  Gegenden  und  ähnliches  mehr,  doch  hat  sich  der  Verfasser 
hier  absichtlich  kurz  gefasst.  Lichtdrucke  von  Schloss  Burg  als  Ruine,  der  Beyen- 
burg,  Elberfeld  vor  dem  Brande  im  Jahre  1537,  dem  Alteuberger  Dom  als  Ruine,  der 

Klosterruine  Heisterbach  sind  dem  Texte  beigefügt. 

A.  W. 

4.  Die  kölnischen  Stadtpläne  des  Arnold  Mercator  und  des  Cornelius  ab 
Egmont  von  1571  und  1642. 
Ein  glückliches  Geschick  hat  in  den  letzten  Jahren  zwei  in  grossem  Massstabe 
und  in  vortrefflicher  Ausführung  hergestellte  alte  Stadtprospekte  von  Köln  ans  Licht 
gebracht,  deren  Erhaltung  bisher  den  Bearbeitern  der  Kölner  Stadtgeschichte  nicht 
bekannt  war.  Der  ältere  derselben,  welcher  im  Vorjahre  Seitens  der  Stadt  Breslau 
der  städtischen  Verwaltung  von  Köln  übersandt  wurde,  ist  ein  Kupferstich  des  Arnold 
Mercator,  nach  den  Inschriften  im  Jahre  1571  zu  Duisburg  vollendet  und  dem  Kölni- 
schen Erzbischof  Salentin  von  Isenburg  gewidmet.  Allerdings  befindet  sich  das  Ur- 
bild  dieses  Planes,  mit  Ölfarben  auf  Pergament  gemalt,  seit  alter  Zeit  im  Besitze  der 
Stadt  Köln,  jedoch  in  einem  derart  beschädigten  Zustande,  dass  ausser  den  Strassen- 
zägen  und  einigen  hervorragenden  Gebäuden  wenig  mehr  zu  erkennen  ist.  Der 
Kapferstich  ist  dagegen  bis  in  alle  Einzelheiten  von  vortrefflicher  Erhaltung,  er  be- 
sitat  eine  Grösse  von  170  :  109  cm  und  zeigt  uns  den  massstäblich,  so  genau  es  eben 


168  Litteratnr. 

die  Hilfsmittel  der  Zeit  erlaubten,  im  Verhältnis  von  etwa  1  :  2350  aufgetragenen 
Grundriss  der  Stadt,  in  welchen  alle  Ortlichkeiten  derselben,  insbesondere  die  Gebäude 
im  Aufriss  verzeichnet  sind. 

Der  gewaltige,  vom  Ende  des  12.  bis  zur  Mitte  des  13.  Jahrhunderts  errichtete, 
an  der  Landseite  durch  einen  tiefen  Graben  geschützte  und  durch  zwölf  Thorburgen 
mit  vorliegenden  Zwingern  bewehrte  Mauerring  umschloss  ein  Stadtgebiet,  welches 
im  Jahre  1571  noch  bei  weitem  nicht  durch  eine  zusammenhängende  städtische  Be- 
bauung eingenommen  war;  letztere  erstreckte  sich  noch  lediglich  auf  die  Römer- 
stadt, die  östlich  davor  liegende  Rheinniederung  und  die  seit  dem  11.  Jahrhundert 
der  Altstadt  angegliederten  Vorstädte  Niederich,  Westerich  und  Oversburg.  Ausser- 
halb dieses  Bezirks  lagen  mitten  in  Gärten  und  Weinbergen  die  bedeutenden  Klöster 
und  Stifte,  und  eine  bürgerliche  Bebauung  findet  sich  hier  im  wesentlichen  nur  im 
Zuge  der  Hauptthorstrassen.  In  klarer  Zeichnung  heben  sich  aus  dem  Stadtbilde  die 
öfiTentlichen  und  besonders  die  kirchlichen  Bauten  heraus:  die  dem  11.  Jahrhundert 
entstammenden,  mit  Minarettürmen  geschmückten  Westfronten  von  S.  Pantaleon  und 
Maria  im  Kapitol,  die  reichgegliederten  Turmgruppen  der  zahlreichen  romanischen 
Stiftskirchen,  der  hochstrebende  Domchor  mit  dem  Domkrahnen  auf  dem  Südturme, 
der  Rathausturm  als  Wahrzeichen  der  bürgerlichen  Gewalt  nebst  einer  grossen  Menge 
kleinerer  Kirchen  und  Klöster.  Die  Privathäuser,  namentlich  auch  die  turmgeschmück- 
ten Rittersitze  sind,  wie  wir  dies  aus  dem  Vergleich  der  anderweit  im  Bilde  oder  in 
der  Wirklichkeit  noch  erhaltenen  Schauseiten  feststellen  können,  im  Einzelnen  nach 
ihrer  Bauart  mit  grosser  Treue  abgebildet.  Mit  besonderer  Aufmerksamkeit  hat  der 
Zeichner  die  noch  sichtbaren,  bedeutenden  Baureste  der  Römerzeit  und  deren  ihm 
bekannte  Orte  aufgenommen  und  durch  Sternchen  angemerkt:  die  Teile  der  römischen 
Stadtmauer  an  der  Südseite,  die  Türme  und  Mauern  der  Westseite  und  die  damals 
fast  noch  vollzählig  erhaltenen  Befestigungstürme  der  Nordseite.  An  der  Ostseite  ist  die 
Stelle  des  ehemaligen  Römerthores  an  Obenmarspforten  vermerkt,  das  PfaflFenthor  am 
Dome  jedoch  leider  sehr  verkürzt  gezeichnet.  Am  Deutzer  Ufer  hat  Mercator  die  Stelle  der 
römischen  Rheinbrücke  angemerkt  und  sagt  in  der  beigedruckten  Beschreibung,  er  habe 
bei  der  Bearbeitung  des  Stadtplanes  die  Reste  des  äussersten  Endes  dieser  Brücke 
nahe  der  Kirche  S.  Urban  g(\sehen  und  die  Breite  derselben  mit  20  Fuss  gemessen; 
an  beiden  Seiten  hätten  sich  Spuren  von  Stufen  gefunden,  mittelst  deren  man  zum 
Wasser  hinabstieg.  Höchst  wahrscheinlich  ist  der  von  Mercator  gesehene  Brückenrest 
jenes  Grundmauerwerk,  welches  heut  noch  vor  der  Südwestecke  des  Deutzer  Römer- 
kastells bei  niedrigem  Wasserstande  im  Rheine  zu  beobachten  ist,  doch  wird  man 
Sicherheit  darüber,  ob  dieser  Baurest  einer  Römerbrücke  angehört  hat,  immerhin  erst 
von  der  Zukunft  durch  Forschungen  erwarten  können,  die  mit  den  vollkommeneren 
technischen  Hülfsmitteln  unserer  Zeit  im  Strome  selbst  angestellt  werden.  Die  Rheinfront 
der  Stadt  Köln  ist  auf  dem  Prospekt  durch  eine  grosse  Menge  von  SchiflFen  belebt, 
zahlreiche  Krahnen  sind  am  Rheinwerft  aufgestellt  und  eine  dicht  gereihte  Zahl  von 
Pforten  und  Thoreu,  welche  die  längs  des  Rheinstromes  verlaufende  Kehlmauer 
durchbrechen,  trägt  den  Bedürfnissen  des  regen  Handelsverkehrs  Rechnung.  Zwei 
Inseln  (Werthchen)  liegen  im  Rheinstrom  am  oberen  Ende  der  Stadt,  zwischen  ihnen 
sind  in  zwei  Reihen  die  Schiffmühlen  verankert;  Deutz  ist  unbefestigt  als  ein  noch 
wenig  angebautes  Städtchen  dargestellt. 

Der  Stadtplan  ist  geziert  mit  einer  Reihe  von  Wappen  und  Kartuschen,  links 
dem  grossen,  vortrefflich  gezeichneten,  mit  kleinodgeschniücktem  Heim  und  wehenden 
Helmdecken  gekrönten  Wappenschild  des  Erzbischofs  Salentin  von  Isenburg,  in  der 
Mitte  beiderseits  mit  dem  älteren  und  jüngeren  Stadt-Wappen,  rechts  mit  einer  von 
Rollwerk  umgebenen,  jedoch  leer  gelassenen  rechteckigen  Füllung. 

Die  beiden  Schmalseiten  des  Planes  zeigen  auf  10  cm  breiten  Streifen  eine 
Darstellung,  welche  der  von  früher  her  in  Köln  vorhandene  Pergamentplan  nicht 
besitzt,  nämlich  die  Abbildungen  einer  Anzahl   der   damals  in  der  Stadt  Köln  erhal- 


Litteratur.  169 

tenen  römischen  Altertümer,  darunter  den  Marzellenstein,  jenen  von  der  Sage  ver- 
herrlichten Rest  der  römischen  Wasserleitung",  ferner  zahlreiche  Weihesteine,  Sarko- 
phage und  Grabsteine,  Inschriften,  Statuen  und  Werke  der  Kleinkunst.  Bei  weitem 
nicht  alle  diese  Werke  sind  noch  in  Köln  erhalten;  von  Interesse  ist,  dass  sich  unter 
den  Abbildungen  auch  jenes  schöne,  der  Siegesgöttin  geweihte  Denkmal  befindet, 
welches  jetzt  im  Bonner  Provinzial-Museum  aufgestellt  ist. 

Unter  den  auf  uns  gekommenen,  überaus  zahlreichen  Stadtansichten,  Prospekten 
und  Plänen,  welche  seit  dem  14.  Jahrhundert  in  immer  neuen  Auffassungen  uns  das 
Bild  der  alten  Reichsstadt  Köln  vor  Augen  führen,  ist  der  Prospekt  des  Arnold  Mer- 
cator  als  der  erste  und  grösste  auf  geometrischer  Grundlage  beruhende  Plan  durch 
die  sorgfältige  Behandlung  aller  Einzelheiten  für  die  mittelalterliche  Ortskunde  und 
die  Erforschung  der  Baudenkmäler  der  Stadt  von  der  grössten  Bedeutung. 

Der  vom  Jahre  1642  datierte  Stadtplan  des  Cornelius  ab  Egmont  (Amstelodami, 
sumptibus  et  typis  eneis  Henrici  Hondy)  wurde  der  Stadt  Köln  im  Jahre  1894  von 
der  Stadt  Hildesheim  überlassen,  während  in  Köln  selbst  die  Kenntnis  von  dem  Be- 
stehen desselben  vollständig  entschwunden  war. 

Dieser  Plan  ist  nichts  anderes,  als  ein  überarbeiteter  Nachdruck  des  Mercator- 
schen  Planes  im  gleichen  Massstabe  wie  dieser  mit  Eintragung  der  wichtigsten,  im 
Laufe  von  siebenzig  Jahren  entstandenen  Veränderungen.  Von  letzteren  sind  her- 
vorzuheben die  neuen,  für  Geschützverteidigung  eingerichteten  Befestigungen  am 
Bayenturm,  am  Severinsthor,  am  Weierthor,  am  Rheinwerft  vor  dem  Fisch  markt,  sowie 
die  Befestigung  von  Deutz.  Um  letztere  vollständig  zur  Darstellung  zu  bringen,  hat 
der  Zeichner  die  Breite  des  Mercatorschen  Planes  um  11  cm  vergrössert.  Neu  ein- 
gefügt sind  in  den  Prospekt  die  nach  1571  entstandenen  Kirchen  und  Klöster,  wie 
das  Karmeliterkloster  mit  der  Kirche  im  Dau  an  der  Severinstrasse  und  die  Jesuiten- 
kirche mit  Kloster  an  der  Marzellenstrasse.  An  der  Rheinseite  ist  das  Osterwerth 
mit  Weiden  bepflanzt  angegeben  und  die  Lage  der  SchiflTsmühlen  geändert,  während 
die  Schiffsstaffage  beibehalten  ist.  Von  Interesse  ist  die  Ausfüllung  der  rechtsseitigen, 
auf  dem  älteren  Plane  leer  gelassenen  Kartuschenfüllung  mit  den  Zeichnungen  dreier 
beim  Bau  der  Verschanzungen  vor  dem  Severinsthore  im  Jahre  1632  gefundenen 
römischen  Grabsteine  mit  Architektur-Darstellungen  von  einer  Ausbildung,  welche 
sonst  nicht  an  den  Kölnischen  Grabsteinen  zu  beobachten  ist.  Leider  scheinen  auch 
diese  drei  Grabsteine  nicht  auf  uns  gekommen  zu  sein.  Auf  der  unteren  Verlän- 
'  gemng  der  Seiten füllungen  sind  weitere  Grabfunde,  welche  bei  den  Befestigungs- 
arbeiten vor  dem  Severinsthore  gemacht  wurden,  verzeichnet.  Der  Plan  ist  dem 
Kölnischen  Erzbischof  Ferdinand  von  Bayern  gewidmet,  dessen  Wappen  von  einem 
Löwen  und  einem  Greifen  gehalten  in  sehr  mittelmässiger  Zeichnung  die  Stelle  des 
auf  dem  Mercatorschen  Plane  so  frisch  und  schwungvoll  gezeichneten  Hauptwappens 
einnimmt. 

Das  historische  Archiv  der  Stadt  Köln  hat  beide  Pläne  in  Urbildgrösse  ver- 
vielfältigen lassen,  den  mehrfach  beschädigten  von  1642  nach  einer  Durchzeichnung 
von  0.  Rammelmeyer  durch  Meisenbach,  Riffarth  u.  Co.  in  München;  den  Plan  von 
1571  in  vortrefflicher  Wiedergabe  unmittelbar  nach  dem  Urbilde  durch  F.  Kaiser  in 
Köln-Lindenthal.  In  verdienstlichster  Weise  ist  somit  weiteren  Kreisen  für  die  wissen- 
schaftliche Erforschung  der  Stadtgeschichte  eine  neue  Quelle  eröffnet.  Darf  hieran 
noch  ein  weiterer  Wunsch  geknüpft  werden,  so  ist  es  derjenige,  dass  diesen  Plänen 
die  Herausgabe  eines  vollständigen  Verzeichnisses  aller  bekannten  Kölnischen  Stadt- 
ansichten,  Prospekte  und  Pläne  demnächst  folgen  möge. 

Bonn,  Oktober  1897.  R.  Schnitze. 


170  Litterator. 

5.  Rheydter  Chronik.  1.  Band,  bearbeitet  von  Dr.  Ludwig  Schmitz,  300  S. 
2.  Band,  verfasst  von  Dr.  Wilhelm  Strauss,  484  S.  Rheydt.  Verlag  von  0. 
Rob.  Langewische.    1897.    SP. 

In  diesem  Werke  finden  wir  zum  ersten  Male  den  Versuch  gemacht,  auf  Grund 
archivalischen  Materials  und  sonstiger  zuverlässiger  Quellen  eine  Darstellung  der 
Entwicklung  der  Herrschaft  und  Stadt  Rheydt  zu  geben.  Die  bisherigen  Schriften 
zur  Geschichte  dieser  Stadt  z.  B.,  „Das  Kloster  St.  Alexandri  zu  Rheydt^,  „Die  Kapelle 
zu  Ohler**,  Rheydt  1888  und  die  „Geschichte  der  Pfarrei  Rheydt*,  J.  1889,  haben  mehr 
den  Charakter  des  Vorläufigen.  In  der  vorliegenden  Arbeit  ist  das  Planlose  ver- 
mieden  und  was  sich  bei  der  Besprechung  des  geschichtlich  Überlieferten  nicht  durch 
Akten  und  Urkunden  belegen  lässt,  wurde  entweder  ganz  weggelassen  oder  aus- 
drücklich als  Vermutung  hingestellt. 

Der  erste  Band  umfasst  die  Vorgeschichte  und  die  Geschichte  bis  1813,  letztere 
in  zwei  Teilen,  nämlich  die  äussere  und  die  innere  Geschichte  Rheydts.  Zum  Schluss 
finden  wir  Urkunden  und  Aktenstücke. 

Unter  der  „Vorgeschichte**  hat  Schmitz  nicht  nur  die  vorrömische  Zeit,  son- 
dern auch  die  römische  und  fränkische  Periode  behandelt.  In  der  „Äusseren  Ge- 
schichte Rheydts**  bespricht  er  die  Lehnsherrn  Rheydts  und  die  Lehnsträger  des 
Schlosses  und  der  Herrlichkeit  Rheydt,  Rheydt  unter  französischer  Herrschaft  und 
den  Übergang  an  Preussen.  Die  „Innere  Geschichte  des  Ortes**  betrifft  das  Gebiet 
der  Unterherrschaft  Rheydt,  Herrn  und  Unterthanen,  Schöffengericht  und  Vogtgeding, 
die  Gemeinde  Rheydt  während  der  französischen  Herrschaft,  die  katholische  Gemeinde 
bis  1815,  die  evangelische  Gemeinde  bis  1815,  die  Schulen  bis  1815,  das  Tertiarierinnen- 
kloster  St.  Alexandri,  Kriegsdrangsale,  besonders  während  des  30jährigen  Krieges. 
Die  Urkunden  und  Aktenstücke  bestehen  aus  26  Nummern. 

Die  Behandlung  der  vorrömischen,  römischen  und  der  fränkischen  Zeit  ist  eine 
ganz  aligemeine:  Älteste  Besiedler  sind  Kelten,  es  folgen  Eburonen,  nach  deren 
Vernichtung  durch  J.  Caesar  Ubier  oder  Gugerner.  Als  Grenzscheide  dieser  beiden 
Völker  wird  als  feststehend  Gelduba  betrachtet.  Nach  meiner  Beobachtung  dürfte 
wohl  Novaesium  nordwestliche  Ubierscheide  gewesen  sein  (vgl.  meinen  Aufsatz  Bonner 
Jahrb.  H.  101,  S.  8.  Anm.  1).  Im  J.  53  v.  Chr.  beginnt  für  die  Rheydter  Gemarkung 
die  römische  Herrschaft,  von  der  zahlreiche  Funde,  zumeist  aus  der  mittleren  Kaiser- 
zeit Zeugnis  geben.  Für  ähnliche  Arbeiten  dürfte  es  sich  empfehlen,  bei  der  An- 
führung von  Fundstellen  die  Flur-  und  Parzellennummern  sowie  die  Flurnamen  an- 
zuführen. Bei  Inschriftenkunden  ist  die  Nummer  im  CIRh.  anzugeben.  So  ist  der 
von  Schmitz  angeführte  Grabstein  der  Ubierin  „Louba**  im  CIRh.  unter  Nr.  275  an- 
geführt und  nicht  „zwischen  Rheindahlen  und  M.-Gladbach**  sondern  bei  Grimling- 
hausen  und  zwar  nach  meinen  Informationen  westlich  des  Neusser  Legionslagers  ge- 
funden worden. 

Das  Neue  dieses  Buches  liegt  in  seinem  historischen  Teile.  Hier  finden 
wir  zum  ersten  Male  die  Geschichte  einer  jülichschen  Unterherrschaft  ausführlich 
nach  allen  Seiten  hin  behandelt,  sowohl  in  ihrem  Verhältnis  zum  Herzogtum  Jülich 
als  auch  als  abgeschlossenen  Herrschaftsgebietes  innerhalb  des  grösseren  Territoriums. 
Für  weitere  Kreise  hat  besonders  das  Kapitel  Interesse,  welches  die  Rechte  und 
Pflichten  der  Herren  und  der  Unterthanen  behandelt,  dann  auch  die  Schilderung  der 
Gemeinde  Rheydt  während  der  französischen  Herrschaft  (S.  110—124).  Schmitz 
hatte  für  letztern  Punkt  das  Glück,  die  Belege  in  seltener  Vollständigkeit  auf  dem 
Speicher  des  alten  Rathauses  zu  entdecken.  Zwar  war  die  Geschichte  der  kath.  Ge- 
meinde in  ihren  Hauptzügen  bereits  durch  Norrenberg  (Geschichte  des  Dekanats 
M.-Gladbach.  Köln  18H9)  dargestellt  worden,  allein  Schmitz  geht  viel  weiter;  denn 
die  Geschichte  der  protestantischen  Gemeinde  bis  1815  wurde  bisher  noch  gar  nicht 
geschildert,  während  Schmitz  sie  ausführlich  behandelt.  Hier  finden  wir  auch  die 
so  oft  wiederholte  Erzählung   von   dem   so   urplötzlichen    „Abfallendes  katholischen 


Litteratar. 


m 


Pfarrers  „Vitns  BongartB"  zum  ProteetantiBmUB  im  J.  1R32  (S.  132-133)  endgültig 
ztirUckgewißsen.  Nach  Schmitz  ist  der  Übergang  zur  Reformation  in  Rheyrtt^ein 
ganz  allmählicher  (S,  140—145).  Das  Jahr  1632  hat  rar  die  protestantische  Gemeinde 
DDr  die  Bedeutung  einer  Geatattung  öfTentlicher  Religionstibung.  Über  die  Sciiulen 
in  Rhpj-dt  war  bisher  so  gwt  wie  nichts  bekannt.  Schmitz  hat  es  verstanden  (S. 
177 — 193),  aus  den  seil  1033  erhaltenen  Konsislorialakten  ein  Itlares  Bild  heraus- 
zuüchülen. 

Unter  den  im  Anhange  abgedruckten,  bisher  unbekannten,  oder  wegen  Ihrer 
besonderen  örtlichen  Wichtigkeit  nüchtnals  abgedruckten  Urkunden  sehen  wir  bei 
Nr.  6  eine  bisher  unbekannte  Urkunde  des  Kaisers  Sigismund  vom  27.  Januar 
1434,  in  der  dieser  Johann,  Herrn  zu  Rheydt,  mit  der  Erbvogtei  der  Stadt  und  des 
Stiftes  Kein  belehnt.  Unter  Nr.  10  ist  eine  Urkunde  abgedruckt,  in  der  König 
Friedrich  III.  den  Gerhard,  Herrn  zu  Rheydt,  und  Arnold  von  H'oemen, 
Burggrafen  von  Odenkirchen,  ächtet,  weil  sie  trotz  dreimaliger  Vorladung  vor  das 
Hofgericht  auf  Klage  der  Stadt  Köln  nicht  erschienen  sind.  Das  unter  Kr  15  vor- 
geführte „SchatE'  und  Dienstbuch  der  Herrschal't  Rheydt"  ist  wohl  das  Hlteste  der- 
artige Verzeichnis,  welches  man  kennt;  wenigstens  ist  das  in  der  Zeitschrift  des 
Bergiachen  Geschichtsvereins  SXIV,  S.  85—89  abgedruckte  Schatzbuch  von  GrSfrath 
vom  Jahre  1492,  also  aus  einer  etwas  sp»teren  Zeit. 

Der  Text  ist  sauber  gedruckt  und  durch  16  Beilagen  und  Iliufltrationen  er- 
gänzt. Die  erste  Tafel  veranschaulicht  das  Strassenm-tz  zur  Römerzeit,  soweit  das- 
selbe nach  den  in  erster  Linie  durch  Professor  Sehneider  bestimmten  alten  Strassen 
zu  erkennen  ist.  Dann  finden  wir  die  Stammtafel  der  Herrn  von  Rheydt  aus  dem 
Gcschlechte  der  Heppendorfer  (S,  10).  Abgobiidel  erseheinen  die  Siegel  der  Herrn 
von  Rheydt.  Es  folgt  eine  sorgsam  zusammengestellte  Stammtafel  der  Herrn  von 
Byland-Rheydt  (S.  33).  Wir  sehen  das  Bild  des  Schlosses  Rheydt  von  1594-1645. 
Ferner  ist  anzuführen  eine  Stammtafel  des  Freiherrn  (Grafen)  von  ßyla  n  d  t-Ipel- 
dorf-Rheydt.  Nun  folgen  Abbildungen  der  Freiherren  Christoph  I.  von  B.Rh., 
Johann  Franz  v.  B.  Rh.,  Arnold  Christoph  II.  v.  B.  Rh,,  Carl  Caspar 
V.  B.  Rh.,  eine  farbige  Übersichtskarte  der  Unterherrschaft  von  1789,  das  Schloss 
Rheydt  in  geiner  heutigen  Beschaffenheit,  die  Rheydier  Schöffensiegel,  die  Stempel 
der  Mairie  Rheydt  und  die  der  Gemeinde  vom  Jahr  1614—1815,  die  Totentafeln 
zweier  Freiherrn  v.  B.  Rh,,  das  PortrÄt  der  Freifrau  Anne  Maria  Theresia 
V.  Byland,  geb.  Ingelheim.  Unter  den  Urkunden  ist  die  von  Johann  Herrn 
von  Reyde  im  Jahre  1390  ausgestellt,  in  Lichtdruck  hergestellt;  auch  die  meisten 
übrigen  Abbildungen  zeigen  dieses  Verfahren.  Die  herstellende  Firma  war 
Rümmler  u.  Jonas  in  Dresden. 

Der  zweite  Band  der  Chronik  behandelt  die  Entwicklung  der  Stadt  seit  1815, 
also  seit  der  Einverleibung  in  Proussen.  Strausa  giebt  aber  weniger  eine  histo- 
rische Betrachtung  dieser  Zeit  als  vielmehr  eine  Sammlung  statistischer  Nachriehten 
tiber  das  Anwachsen  der  Stadt,  ihre  Induatrie  u.  s.  v.  Der  zweite  Band  hat  81  Tafeln 
Beilagen  und  Illustrationen.  Ein  näheres  Eingehen  auf  diesen  Gegenstand  liegt  nicht 
itn  Bereiche  der  Jahrbücher. 

Constautin  Koenen. 


6.    Neuere   Veröffentlichungen   über   das    Bauernhaus   in    Deutschland, 

Oesterreich-Ungarn    und    der    Schweiz    von    Hans    Lutsch.    Berlin    1897. 

Verlag  von  Wilhelm  Ernnt  &  Sohn.    Gross  Oktav.    68  Seiten, 

Das  Ansschnss-Mitglied  des  Verbandes  der  Deutschen  Architekten-Vereine  zur 

Veröffentlichung  einer    Entwicklungs-Geschichte    des  Bauernhauses,    Hans  Lutsch, 

hat  in  der  Zcitaehrill  für  Bauwesen,  Jahrgang  1897,  und  in  dem  durch  die  Überschrift 

bezeichneten  Sonderdruck  sich  der  grossen  Mühe  unterzogen,  Äufschluss  über  das  bisher 

in  diesem  ('ache  Erschienene  zu  geben.    Für  unsere    Rheüü"")-  '«t   die  Einleitung 


ni.  Mlszellen. 


1.  Bömische  und  germanische  Funde  am  Rheinwerft  zu  Bonn.  Beider 
im  Jahre  1896  erfolgten  Ausschachtung  der  Baugrube  für  den  Pfeiler  der  links- 
rheiniachen  Viaduktöffnungen  der  Bonner  Rheinbrücke  wurde  auf  den  ehemaligen 
Grundstücken  von  Norrenberg  und  Sarter  (Burgstrasse  6  und  8)  der  Grund  und 
Boden  auf  eine  Länge  von  20  m,  eine  Breite  und  Tiefe  von  je  4  m  ausgehoben. 
Der  gewachsene  Boden,  bestehend  aus  lehmigem,  gelbem  Sande,  einem  Anschwemmungs- 
produkt des  Rheines,  lag  etwa  2,50—3  m  unter  der  damaligen  Gartenfiäche  der  ge- 
nannten Grundstücke.  In  der  den  gelben  Sand  bedeckenden  dunkeln  Erde  Hessen 
sich  deutlich  2  zeitlich  unterschiedene  Rulturschichten  erkennen.  Die  obere"*  zeigte 
manche  Ziegelbrocken  und  Scherben,  die  dem  Mittelalter  und  der  Neuzeit  angehören; 
die  untere,  mehr  humusartige,  stellenweise  grünlich-schwarz  gefärbte  Schicht  förderte 
römische  Scherben,  Ziegelbrocken,  Holzasche  und  Kohlen  u.  dgl.  zu  Tage  und  war 
von  der  oberen  durch  eine  an  vielen  Stellen  zu  verfolgende  Schicht  zahlreicherer 
römischer  Ziegel-  und  Mörtelstücke,  sowie  Schiefer  getrennt.  Der  im  Lauf  der  Zeit 
festgedrückte  Mörtel  machte  an  einer  Stelle  sogar  den  Eindruck  einer  römischen 
Ziegelbetonschicht  Dieselbe  Erscheinung,  die  sich  schon  öfter  längs  des  ganzen 
Bonner  Ebeinufers  gezeigt  hat,  bot  sich  auch  hier  dar:  zwischen  den  antiken  iind 
neueren  Rulturschichten  eine  starke  Lage  römischer  Bau-  nnd  anderer  Trümmer. 
(Vgl.  B.  J.  100,  S.  132). 

Als  man  die  Ausschachtung  weiter  in  den  gelben  Sand  fortsetzte,  liessen  sich 
eine  Anzahl  grubenartiger  Vertiefungen  von  mehr  oder  weniger  kreisrunder  Form 
wahrnehmen,  die  mit  demselben  dunkeln  Boden,  wie  er  in  der  nach  oben  fol- 
genden römischen  Kulturschicht  vorkommt,  gefüllt  und  etwa  1,5  m  durchschnittlich 
in  das  Alluvium  eingetrieben  waren.  Sie  fanden  sich  ohne  Regelmässigkeit  ange- 
ordnet, doch  so,  was  vielleicht  Zufall  sein  mag,  dass  von  sechsen  dreimal  je  2  und  zwar 
immer  eine  grössere  und  eine  kleinere  bei  einander  waren,  zwei  andere  vereinzelt 
lagen.  Im  ganzen  wurden  also  acht  solcher  Gruben  völlig  ausgegraben,  während 
Spuren  von  anderen  sich  in  den  senkrechten  Wänden  der  Baugrube  bemerken  liessen. 
Ihr  Inhalt  bestand  im  allgemeinen  aus  einigen  wenigen  unverletzten  Urnen,  sehr 
vielen  Sigillatascherben  früher  und  später  Zeit,  Knochen-  und  Kohlenresten,  sowie 
anderen  Trümmern  offenbar  späterer  germanischer  Gefässe,  kurz  aus  so  mannig- 
fachen Kulturresten,  dass  eine  Beschreibung  am  Platze  scheint,  um  eine  Vorstellung 
von  der  Eigentümlichkeit  der  Funde  zu  erhalten.  In  der  südwestlichsten  der  Gruben 
(Nr.  I)  fanden  sich  in  der  Tiefe  von  3,50  m  unter  der  ehemaligen  Bodenfläche  zu 
Unterst  zwei  gut  erhaltene  etwa  9  cm  hohe  bauchige  Näpfe  mit  nach  innen  gebogenem 
Rand,  die  aus  ziemlich  dickem  grauem  Thon  hergestellt  und  hart  gebrannt 
waren;  um  sie  herum  schwarze  mit  Knochenresten  und  Kohlen  vermischte  Erde. 
Von  den  Urnen  barg  die  eine  mehrere  gewöhnliche  Kiesel  der  Rheinanschwemmung 
(Grauwacke  und  Quarzit),  so  dass  sie  gänzlich  damit  angefüllt  erschien,  während  die 
andern  einen  einzigen,  fast  kugelrunden   Stein  aus  Tuff  fasste,   der  den  Hohlraum 


Miszellen. 


1TB 


r&st  völlig  aaefällt  and  mit  knapper  Not  aus  der  weiten  Öffauag  heran s^enommeu 
werden  kann.  Nach  oben  zu  folgten  in  der  acliwarzen  Erde  eine  Unmenge  Scherben 
der  verschiedensten  römischen  Gef^sse  Ton  allen  Grössen:  von  Ei-ügea  mit  und  ohne 
Henkel,  in  grauem  und  weissem  Thon,  zahlreiche  Sigillata-Sch erben  mit  und  ohne 
Ornamenliiirung,  darunter  Bruch stlicko  zweier  groseen  Näpfe  mit  Beliefschmuck  in 
der  Form  etwa  wie  Dragendorff,  B.  J.  ^e/äl  III  Nr,  37;  an  ihrem  Fusse  Blumen  bezw. 
Kosetten  in  Bogenstellungen,  darüher  Eierstab,  eine  spJltrö mische  Dekorationsart. 
Eine  kleine  Sigillalaschale  von  9  cm  Durchmesser  kam  ganz  zum  Vorschein.  Verhalt- 
nisniJUsig  reich  war  die  Ausbeute  an  geate  in  pellen  Scherben: 

1)  NESHIATVS       {nicht  bei  Dragendorff,  B.  J.  99,  S.  54 ff.  [Dr.]). 

2)  NASSOF  Innerhalb  eines  gestrichelli-n  Kreises  von  7— 8  cm  Durchmesser 

(Dr.    256,    ungeraiire    Form;    Dr.  B.  J.    96/97    Nr.    47,    doch 
bildet  die  Seite  eine  in  ganz  stumpfem  Winkel  gebrochene  Linie, 

3)  AMABILI8        (Dr.  13,  i). 

4)  PETRVLLVSF  (Dr.  292). 

6)  AT!  NVS  (nicht  bei  Dr.) 

6)  TA.fÄ7//AKE      innerhalb  eines  Kreises  von  5  cm  Durchmesser. 

7)  (^^AT////YII  innerhalb  eines  Kreises  von  3  om  Durchmesser;  MATERNI? 

.        (vgl.  Dr,  230—232).    Unter  dem  Boden  eingeritzt  M. 
Die  Scherbe  einer  kleinen,  reich  verzierten  Schale   aus  terra  sigillata   trug   auf  der 
Aussenseite  eingeritzt:    VKplA,  wohl  der  Name  ihrer  einstigen  Besitzerin. 

Des  weitereu  fanden  sich  in  der  oberen  Schicht  dieser  Grube  die  Bruchslücke 
eines  grospeu  dickwandigen  Getltsses  aus  gelbem  Thon,  das  mit  flachen  Reliefb&ndern 
im  Zickzack  und  Halbkreise  verziert  ist,  in  die  mehrere  Reihen  kleiner  viereckiger 
Grübchen  eingedrückt  sind,  ähnlich  wie  Kaenen,  WeHtd.  Ztschr.  1887  S.  354  Taf.  XI, 
1—4;  hier  wird  das  Ornament  der  späten,  fränkischen  Zeit  zuerteilt.  Ausserdem  kam 
endlich  eine  Anzahl  Tierknochen,  ein  Ochsenhorn,  einige  Eisen teilchen,  von  denen 
eines  wohl  eine  Lanzen-  oder  Pfeilspitze  gewesen  sein  kann,  zum  Vorschein.  Man 
sieht,  die  gehobenen  Fundstücke  sind  sowohl  in  sachlicher  Beziehung  wie  in  Rück- 
sicht auf  die  Zeit  ihrer  Entstehung  recht  mannigfach. 

Nahe  bei  dieser  ersten  Grube  wurde  durch  die  senkrechte  Westwand  der  Bau- 
grube eine  kleine  Grube  (Nr.  II)  durchschnitten,  die  nicht  im  gewachsenen,  sondern 
aufgeschütteten  Boden  sich  fand,  und  zwar  so,  dass  ihr  Fuss  etwa  in  der  Höhe 
der  erwähnten  Schicht  römischen  Bauschuttes  lag.  Sie  war  gänzlich  ausgefüllt  durch 
eine  gewaltige,  dickwandige  Amphora  aus  hellem  Thon.  Ausser  Brandresten  scheint 
sich  aber  nichts  gefunden  zu  haben.  Schon^die  Fundstelle  lässt  mit  Sicherheit  an- 
nehmen, dass  das  GefAss  späten,  nicht  römischen  Ursprungs  ixt. 

Südöstlich  hiervon  in  einer  dritti-n,  wieder  in  den  gelben  Sand  gegrabenen 
Grube  (Nr.  III)  fanden  sich  Scherben  von  Geschirren  der  verschiedensten  Art  und 
Form,  von  Siogelerde  und  gewöhnlichem  Thon.  Ganz  erhalten  blieben  zwei  kleine 
Näpfe  aus  geschwärziem  hellem  Thon,  sowie  ein  zierlicher  Trinkbecher  von  8*/}  cm 
Höhe  mit  schwarzem  Überzug.  Form:  Dr.  B.  J.  96/97,  III  Nr.  66.  Ferner:  Teil  eines 
Plachziegela  mit  dem  Legion sstempel  ^MPF,  sowie  das  Halsstück  einer  grossen  Am- 
phoraausrotem Thoamit zwei  breit6nHenkeln,auf  deren  einem  tief  eingegraben  ist:  XI W 
(XU  aemis).  Endlich  wieder  Eisen'  und  Kohlenstücke,  sowie  zwei  kleine  Schwelns- 
hauer.  Diese  Grube  hatte  einen  Durchmesser  von  2  m  und  erstreckte  sich  noch 
1^  m  in  den  gewachsenen  Boden  hinein.  Sie  hob  sich,  ebenso  wie  die  unten  noch 
beschriebenen,  deutlich  auf  der  Sohle  der  Baugrube  ab.  Bei  allen  musste  die  dunkel 
gefärbte  Ausfüllung,  die,  wie  gesagt,  durchweg  mit  Holzasche  durchsetzt  war,  ent- 
fernt werden,  um  den  weniger  traglähigen  Boden  durch  Beton  zu  ersetzen.  Der 
Durchmesser    der    grossen  Gruben  (Nr.  VI  und  VII)    betrug  2—2,60  m,    der  kleinen 


176  MiBBeUen. 

(IV  und  V)  1—1,20  m;  die  Tiefe  wechselte  zwischen  0,65  (Nr.  VII)  und  1,70  m  (Nr.  V). 
Diese  letztere  macht«  überhaupt  auch  inhaltlich  eine  Ausnahme  von  den  andern, 
abgesehen  von  ihrer  Tiefe  bei  nur  1,20  m  Durchmesser;  denn  ausser  vereinzelten 
Knochenreston,  die  sich  mehr  nach  der  Oberfläche  zu  fanden,  barg  sie  nur  den  unter 
Nr.  1  abgebildeten  bauchigen  Topf  von  16  cm  Höhe. 
Er  ist  aus  hart  gebranntem  grauen  Thon  hergestellt 
und  hat  einen  kleinen  Henkel,  der  nur  zum  Durch- 
ziehen einer  Schnur  geeignet  scheint,  sowie  einen  kurzen 
Ausguss;  rings  herum  läuft  eine  phantastische,  in 
schwarz  aufgemalte  Verzierung,  etwa  in  der  Gestalt 
von  Hirschgeweihen.  Augenscheinlich  gehört  er  einer 
sehr  späten,  fränkischen  Zeit  an. 

Grube  IV  barg  auf  ihrer  Sohle  in  der  Tiefe  von 
1,50  m  Stücke  von  Falzziegeln  und  Thonplatte.n,  die 
schon  tirsprünglich  flach  gelegt  waren;  darüber  die 
Trümmer  eines  Napfes  sowie  einen  einhenkligen  Krug  ^' 

spätrömischer  Form,  beide  aus  weissem  Thon,  und  eine  schwarze  Urne,  die  mit  gelber 
feiner  Erde  (Asche?)  gefüllt  war.  Alles  war  umstellt  mit  gewöhnlichen  rümischen 
First-  und  Falzziegeln,  diese  von  39  cm  Länge.  Gedeckt  war  diese  Grabstätte  —  so 
dürfen  wir  sie  wohl  ohne  Zweifel  nennen  —  mit  einer  ziemlich  starken  Schicht  sechs- 
eckig bchauener  Schicferplatten  von  beiläufig  33  cm  Länge  und  Breite  und  etwa 
1 — 2  cm  Dicke;  alle  waren  mit  ziemlich  grossen  Nagellöchern  versehen,  und  vordem 
also  in  Gebrauch  gewesen.  Die  weitere  Auffüllung  barg  wieder  Topfscherben  aller 
Art,  so  die  Reste  eines  spHtrömi sehen,  henkellosen  Kruges  aus  rötlichem,  schwarz 
übers  tri  ebenem  Thon.  am  Hals  drei  eingedrehte  Ringverzierungen;  ferner  das  Hals- 
stUck  und  andere  Teile  einer  Amphora;  am  Mündungsrand  und  auf  einem  Henkel 
sind  2  mal  gross  eingegraben:  VII. 

Eine  gewaltige  Masse  von  Scherben  lieferten  endlich  die  grossen  Gruben  VI 
und  VII;  sie  stammen  wiederum  von  Gefilssen  der  mannigfachsten  Art  und  Her- 
stellung. Die  eine  von  ihnen  (VI)  barg  sicher  ein  oder  zwei  Urnen  aus  gewöhn- 
lichem Thon,  und  wie  mir  der  bauleitende  Architekt,  Herr  Itegierungsbaume ister 
Frentzen,  dessen  Fürsorge  wir  die  genauen  Feststellungen  verdanken,  mitteilte,  waren 
die  zahllosen  Scherben  in  gewisser  RcgelmSssigkeit  zum  Schutze  um  die  Urnen  ge- 
legt, so  wie  es  bei  Nr.  IV  durch  die  grossen  Ziegel  geschah. 

An  Stempeln  fanden  sich: 

CAIVSF  iin  Kreise  (Dr.  51). 
SATVRNIMV  (Dr.  342). 

Auf  dem  Henkel  einer  Amphora  war  eingedrückt:  SABIN  in  groben  Zügen, 
auf  dem  Hais  einer  andern:  V.  Die  Randscherbe  eines  grösseren  SigiUatngeftlases 
zeigte  eingeritzt:  I  N  V' N  A  I ,  oder  umgekehrt  gelesen:  IYNIANI,  also  vielleicht 
einen  Trinksprueh  (in  vina  etc.?)  oder  den  Namen  des  Besitzers  (Juniani).  Ferner 
Scherben  einer  Sigi Ilatatasse  mit  VX  eingeritzt,  ein  Ziegelstück  mit  Lcgions- 
stempel  ^P.  Sodann  fanden  sich  viele  Knochenreste,  so  vom  Pferd  und  Huud,  ebenso 
wieder  Eisenteile.  Endlich  kam  ein  Bruchstück  einer  eonvcsen  Zierscheibe  aus 
Bronze  zu  Tage,  in  der  Form  eines  Amazonenschildes,  das  einzige  Schmuckstück 
unter  den  vielen  Fundgegenständen.  Sie  hai  grosse  Ähnlichkeit  z,  B.  mit  denen  «na 
dem  Limeskasteli  Osterburken  bekannt  gewordenen  Schmuckgegoustanden.  (Der 
obergerm.T«t.  Limes,  Lief.  II  Taf.  VI,) 

Ausser  den  Stempeln  nun,  die  uns  den  Namen  des  Töpfers  übei-mittelteu,  fan- 
den sich  noch  eine  ganze  Anzahl  von  solchen,  die  als  Fabrikmarke  zu  betrachten  sind; 
sie  sind  unter  a—t/  in  natürlicher  Grösse  abgebildet  und  erklären  sieh  daher  in  ihrer 
Form  von  selbst.    Es  ist  nur  zu  bemerken,  dass  b  von  einem  Kreis  von  6  cm,  c  von 


ilt 


einm  Doppolkrois  von  4  cm  Durchmesser  umgeben  iflt.  Der  umstand,  daas  sie  auch  nicht 
einen  Bnchslaben  im  Stempel  leipen,  hat  solche  Marke«  sn  Wertseh Rtzung  heutzutnj^c 
offenbar  verliereu  lassen;  unri  doch  meine  Ich,  dasB  auch  sie  der  Beach tun r  wert 
sind.  Bekannt  ist  ja,  dass  die  frühen  SigtllatagelUsse  von  Arezzo  oft  ähnliche  Fabrik- 
nirirkcn  tragen;  vgl-  die  Zusammenstellung  hei  Gamurrini,  Atti  dei  l.>incei  1890  S.  ß9. 


I 
I 


sowie  Dragendorff  B.  J.  96/97  S.  42,  lerntr  derselbe  in  B,  J.  101,  S.  14ü  f.  über  Fabrik- 
marken auf  sUd  russischen  Sigi  Ilatage  fassen.  In  uiiserro  Falle  handelt  es  sich  um 
Erzeugnisse  der  spAtcsten  römischen  Zeit;  der  Thou  ist  nicht  fein  geschlemmt,  die 
Farbe  durchweg  hell,  die  Glasur  blACIcrt  leicht  ab.  DragcndorfT,  an  den  ich  mich 
wandte,  hatte  die  Liebenswürdigkeit,  mir  die  wenigen  Marken  spatrömischer  Zeil  zu 
nennen,  die  ihm  bekannt  sind.  Es  ist  ein  Teller  in  schlechtem  Thon  und  schlechter 
lilasnr  im  Louvre  Nr.  417;  Stempel:  kleines  Rechteck  mit  gezogenen  Diagonalen,  in 
Jen  HO  entstandenen  vier  Dreiecken  je  ein  Pnnkt.  Ferner:  Teller  der  Form  Dr.  36 
in  Trier,  Jnv,  Nr.  17372;  Stempel:  in  2  konzentrischen  Kreisen  ein  kleines  Haken- 
krt-uz  nach  rechts  (Svaetika).  Aus  früher  Zt'it  (erstes  Jahrhundert)  kennt  Dragen- 
dorff  einen  Sigillata-Teiler  des  Louvre  (Nr.  416)  etwa  in  der  Form  Dr.  21,  der  4  mal 
al«  Stempel  2  konzentrische  Rechtecke  mit  kleinem  Punkt  in  der  Mitt^  hat.  Hierher 
«lürfte  auch  ein  der  augusteischen  Zeit  angehörtger  Teller  aus  Neuss  zn  rechnen 
»ein,  der  mit  einer  Art  Gemme  gestempelt  ist,  wie  Koencn  berichtet  B.  J,  101,  S.S.  Ich 
Jüge  noch  eine  spätrömische  kloine  Schale  aus  Bonner  Privatbesitz  an,  welche  in 
«inem  Kreis  ein  gedrungenes,  senkrecht  stehendes  Kreuz  mit  4  Punkten  in  den  übrig 
gebliebenen  Feldern  und  einen  in  der  Mitte  des  Kreuzes  als  Marke  hat,  ganz  ähnlich 
Akt  ersten  der  südrussiNchen  Marken,  DragendorfT  B.  J.  101,  S.  Hfl,  jedoch  ohne  Orna- 
ment. Es  scheint  also,  dass  in  der  spätesten  Zeit  der  Fabrikation  von  Sigi  Ilatage  fassen 
auf  die  alte,  arretinische  Art  der  Stempelung  mittelst  Warenzeichen  wieder  zurück- 
gegangen wurde.    Beobachtungen  dieser  Art  fehlen  vorderhand  noch. 

Fragen  wir  nun,  wann  kamen  die  Gegenstände,  die  so  merkwürdig  Römisches 
und  Germanisches  vermischt  zeigen,  in  die  Erde  an  das  Rheinufer,  ho  müssen  wir 
znnltchfit  reatstellen,  dass  fast  alle  Fundstücke  der  spSieren  röinisehen  Zeit  angehören, 
und  dass  femer  zu  einer  gewissen  frUnkischon  Zeit  die  Höhenlage  des  Ufers  eine  gleiche 
(lewesen  sein  muss,  wie  zur  Römerzeit.  Dies  ergiebt  »ich  aus  dem  Inhalt  der  Grube  V, 
lue  lediglich  ein  ganz  charakteriNtisches  l'rankisches  GeHUs  barg  und  mit  den  zweifel- 
los römischen  Gruben  in  einer  Höhe  lag.  Da  aber  auch  Grube  II  ein  ausgesprochen 
rrUnkiaches  Produkt  barg,  das  in  wesentlich  höherem  Niveau,  noch  überder  römischen 
Kchntitichicht  lag,  so  erhellt,  daHs  jitne  römische  Ralttirschicht,  die  alle  Gruben  ausser 
Nr.  II  überdeckte,  in  fränkischer  Zeit  aufgefüllt  worden  sein  muss.  Schwieriger  ist  die 
zweite  Frage  zu  beantworten:  Welchem  Zwecke  dii'nlen  die  Gruben?  Schon  oben 
Jahrb.  d.  Vcr  v.  Allertbarr.  Im  Itlitli.l.  lOt.  12 


178  Miflzellen. 

ist  angedeutet,  dass  die  eine,  Nr.  IV,  sicher  als  spätrömisches  Brandgrab  anzusprechen 
ist;  das  gleiche  dürfte  wohl  von  Nr.  I  gelten.  Ob  bei  Grube  Nr.  III  die  erhaltenen 
Urnen  nicht  zu  unterst  beisammen  sich  fanden,  konnte  nicht  mit  Sicherheit  mehr 
festgestellt  werden;  möglich  wäre  es,  und  so  würde  sich  auch  hier  die  Vermutung 
eines  ursprünglichen  Grabes  rechtfertigen.  Ebenso  sicher  aber  ist  es  auch,  dass  die 
ganze  Art  der  Bestattung,  sowie  die  Lage  am  Rheinufer  „armer  Leute  Kram^  war. 
Daher  kein  Schmuckstück,  keine  Münze.  In  diese  vielleicht  nur  notdürftig  zuge- 
deckten Gräber  wurden  dann  lange  Zeit  Scherben  und  Schutt  alier  Art  geworfen; 
daher  die  grosse  Menge  von  Trümmern  von  allen  möglichen  Gefässeu,  von  denen 
kaum  eines  sich  wieder  zusammensetzen  lässt.  Ich  meine  also,  in  der  Hauptsache  nahmen 
die  Gruben,  die  Gräber  waren,  nach  Beisetzung  der  Urnen  Schutt  auf,  der  bis  in  nachrömi- 
sche Zeit  aus  allen  möglichen  Abfällen  des  täglichen  Lebens  bestand.  Eine  willkommene 
Analogie  übrigens  bietet  sich  dar  in  den  Kulturresten,  die  sich  rechts  und  links  der 
Rölnerstrasse  zwischen  dem  römischen  Lager  und  der  Stadt  Neuss  auf  demSelsschen 
Besitztum  gefunden  haben,  und  worüber  Koenen  B.  J.  101  S.  1  ff.  berichtet.  Auch 
hier  am  Ufer  eines  (jetzt  trockenen)  Flusslaufes,  eine  grosse  Menge  von  Gruben  und 
Löchern,  mit  unendlich  vielen  Scherben  und  Trümmern  von  Gebrauchsgegenständen. 
Die  dortigen  Funde  sind  aber  ungleich  reicher  wie  in  Bonn,  so  dass  aus  Münzen 
und  einer  Reihe  von  trefflichen  Sigillata-Produkteu,  die  mit  Sicherheit  der  frühesten 
Römerzeit  zugesprochen  werden  müssen,  auf  das  erste  Jahrhundert  als  Benutzungs- 
zeit der  Gruben  geschlossen  werden  kann.  Nichts  aber  sagt  Koenen  davon,  ob  ihr 
Inhalt  oder  die  Anordnung  desselben  darauf  schliessen  lassen,  ob  auch  sie  teil- 
weise als  Grabstätten  dienten. 

Dr.  Knickenberg. 

2.  Funde  aus  Bonn.  1.  Der  Boden  von  Bonn  und  seiner  nächsten  Umgebung, 
welcher  bereits  so  manches  interessante  Stück  aus  dem  Altertum  gespendet  hat,  hat 
auch  in  dem  letzten  verflossenen  Jahre  nicht  mit  seinen  Gaben  gekargt.  Bei  Ar- 
beiten, welche  von  Seiten  der  Stadt  beim  Alt-Männer-Asyl  am  Rheindorferweg  aus- 
geführt wurden,  kamen  mehrere  Gegenstände  römischen  Ursprungs  zum  Vorschein, 
welche  dem  hiesigen  Provinzialmuseum  überwiesen  wurden.  Nämlich  ein  Ürnchen 
aus  rötlichem,  dunkelbraun  überzogenem  Thon  auf  schmalem  Fuss,  6  cm  hoch,  von 
der  Form,  wie  Koenen,  Gefässkunde  Taf.  XII  24,  ein  Schälchen  aus  Terra  sigillata 
mit  abgebrochenem  Rande,  wie  DragendorflP  B.  Jahrb.  XCVII  Taf.  II,  27  mit  dem 
Stempel  SILVI-OF  im  Innern  des  Bodens  und  eine  Scherbe  einer  grossen  Schale  aus 
demselben  Material  mit  reichem  Reliefschmuck.  Von  Bronze  fand  sich  eine  mond- 
sichelförmige  Hängeverzierung  mit  einer  Ose  auf  dem  Scheitelpunkt,  welche  auf  der 
Aussenseite  concav,  oben  dachförmig  gebildet  ist,  4  cm  hoch.  Hierzu  kommen  noch 
ein  stark  abgeriebenes  Grosserz  des  Hadriau  mit  der  Fortuna  auf  dem  Avers,  sowie 
ein  Mittelerz  desselben  Kaisers  mit  der  stehenden  Salus  und  der  Umschrift  Cos.  III, 
Cohen 2,  Hadrianus  369,  und  ein  Denar  des  Marcus  Aurelius  mit  der  Bona  Fides  und 
der  Umschrift  tr.  p.  II.  cos.  II,  Cohen*,  M.  Aurel.  602. 

2.  Bei  dem  Auswerfen  der  Fundamentgruben  für  den  Erweiterungsbau  der 
städtischen  Ober-Realschule  an  der  Ecke  der  Kapuzinerstrasse  und  der  Burgstrasse 
wurden  ebenfalls  römische  Funde  gemacht,  welche  durch  Vermittlung  des  Stadtbau- 
amtes ins  Museum  gelangten.  Das  interessanteste  Stück  ist  ein  leider  an  allen  Seiten 
verstümmelter  Block  aus  Kalkstein.  Derselbe  enthält  die  Überreste  einer  Grabinschrift 
mit  eleganten  Buchstaben,  welche  in  der  ersten  Zeile  6  cm,  in  der  2.  Zeile  6V2  cm 
hoch  sind.    Der  Zeilenabstand  beträgt  knapp  2  cm.    Das  Erhaltene  lautet: 

L    I   V       / 
VO  Lt  A 
T    0    I    T 


Von  den  vorhandenen  drei  Zeilen  stehen  die  Buchslaben  der  erslen  Zeile  auf  einor 
T  «m  breiten  geglätteten  Vertiefung  des  Stoinee,  welche  vielleicht  einer  nachträg- 
lichen Verbesserung  dos  ureprünglicheii  Wortlautes  ihren  Ursprung  verdankt,  Das 
einzige,  was  einigernia§Ben  eine  Deutung  zalftttst,  sind  die  Zeichen  der  '2.  Zeile,  indem 
sie  auf  den  voll  ausgeäehri ebenen  Tribusnamen  Voltin|ia]  hinweiRBn.  Zeile  3  lä^st 
vielerlei  Kombinationen  zu.  Am  nächsten  Hegt  in  den  ersten  beiden  Zeichen  die  En- 
dung eines  Cognoinens  wie  etwa  luslto  zu  neben.  Die  beiden  folgenden  Zeichen, 
von  denen  bloss  die  Köpfe  der  Striche  vorhanden  aind,  können  nur  I  and  V  gewesen 
sein.  Trifft  diese  Vermutung  das  Richtige,  so  läast  sich  an  die  Ergänzung  iti[veni] 
denken. 

Aueserdem  wurden  ein  First'^iegellVagment,  welches  jetzt  30  cm  laug  nnd  an 
dem  erhaltenen  Eode  16  cm  breit  ist,  nebst  zwei  Bruchstücken  von  Flacbaiegeln  au 
Tage  gefördert,  welche  beide  mit  Stempeln  der  Legio  I  Minervia  versehen,  bemer- 
kenswerte Eigentümlichkeiten  aufweisen.  Der  eine  derselben  lautet:  LYMs  wobei  das 
Zahlenzeichen  I  sich  der  Fonn  eines  Ypsilon  vollstAndig  nähert.  Diese  Schreibang 
bat  ihr  Pendant  in  den  zahlreichen  Ziegelstempoln  derselben  Legion,  in  welchen  das 
Zahlzeichen  das  Aussehen  eines  T  hat.  Der  andere  bietet  den  Stempel  in  rückläufiger 
Schrift  nämlich  vulMPF.  Ob  die  mit  den  Ziegeln  gefundenen  vier  Stücke  von 
Wandvei-putz,  welche  auf  dunklem  Hintergrund  in  liebten  Farben  aufgemalte  Blatt- 
omameate  aufweisen,  mit  jenen  Ziegel fragmenten  in  engere  Beziehung  gebracht 
werden  dürfen,  möchte  ich  in  Zweifel  ziehen,  weil  keine  sicheren  Anhaltspunkte  für 
die  Annahme  sich  ergeben  haben,  dass  an  jener  Stelle  ein  römisches  Bauwerk  ge- 
standen hat.  Es  mögen  vielmehr  einfach  verworfene  und  anderswoher  dorthin  ge- 
brachte Stücke  sein.  Denn  auch  die  übrigen  Fnndstücke,  wozu  auch  ein  ebendort 
ausgegrabener  hohlei',  nach  unten  sich  leicht  erbreiternder  Ständer  von  9  cm  Höhe 
gehört,  lassen  sich  nicht  für  die  Erhärtung  einer  solchen  Annahme  verwerten. 

Von  mittelalterlichen  Gegenständen  sind  zu  nennen  eine  Anzahl  grössere  und 
kleinere  Fragmente  von  Ofenkacheln,  teils  mit  grüner,  teils  mit  gelber  Glasur.  Alle  sind 
ornamentiert  und  zeigen  gothisierende  Verzierungen  und  gothisches  Masswerk,  Blatt- 
geranke mit  Vögeln  sowie  Re.ste  von  ÜgUrlichen  Darstellungen,  welche  über  das  ge- 
wöhnliche Mass  band  wer  kamäasiger  Kunstfertigkeit  hinausgehen.  Leider  sind  wir 
über  die  Fabrikationsorte  der  Fayencen,  Kachelöfen  und  Fliese  bei  uns  am  Rheine 
bis  jetzt  noch  sehr  mangelhaft  unterrichtet.  Es  ist  jedoch  nicht  unwahrscheinlich, 
das«  dieselben  in  nächster  Nähe,  nämlich  in  Poppelsdorf,  angefertigt  worden  sind. 
Denn  wir  wissen,  dass  dieser  Zweig  der  Töpferei,  welcher  besonders  im  16.  Jahr- 
hundert blühte,  auch  dort  labrlkmässig  betrieben  worden  ist. 

3.  Bei  Erdarbeiten  im  Körper  der  Eoblenzerstrasse  zur  Herstellung  eines  An- 
schlusses an  den  grossen  städtischen  Kanal  fand  man  einen  zwar  etwas  verbogenen 
aber  sonst  gut  erhaltenen  römisehou  Armring  aus  Bronze.  Derselbe  besteht  aus 
einem  runden,  nach  der  Mitte  hin  sich  leicht  verdickenden  Draht,  dessen  Enden  über- 
einand ergelegt  und  dann  spiralförmig  in  entgegengesetzter  Richtung  aufgerollt  sind. 
Jetziger  Durchmesser  8  cm. 

4.  Die  Legung  der  Ranalrohre  in  der  KÖlnstrasse  hat  ebenfalls  einige  Alter- 
tümer zu  Tage  gefördert.  Ausser  zahlreichen  wertlosen  Scherben  von  Tb  onge  seh  irren 
gewöhnlichster  Art  und  Ziegelstücken  wurde  eine  kleine  Lampe,  Trimyxos,  aus 
feinem  weissem  geschlemmten  Thon  von  V/t  cm  Länge  ausgegraben.  Dieselbe  bat 
eine  massive,  seitlich  durchbohrte  Handhabe,  welche  rückwärts  in  der  Längsachse 
aitzt,  Um  das  Eingussloch  zieht  sich  eine  kordierte  Einfassung,  welche  auch  die  drei 
Schnauzen  umrahmt,  die  sich  unvermittelt  aus  dem  Lampenkörper  entwickeln.  Ferner 
wurden  noch  vier  römische  lironzemünzen  gefunden.  Nämlich  ein  Mitlelerz  des 
Augusirus,  Rv.  Altar  m.  Rom.  et  Aug.,  Cohen^,  Augustus  '240.,  ein  gleiches  des  Do- 
mitian,  Rv.  Victoria  Augusti,  Cohen*,  Domitian  639,  ein  drittes  von  Traian  Rv, 
Traian  einen  Feind  niederreitend.  —  S,  p.  <[.  r,  optimo  principi,  Cohen*,  Traianiis 


180  Miszellen. 

506.  Endlich  ein  Kleinerz  des  Constans,  Rv.  Gloria  exercitus,  Cohen*,  Constans 
77.  Reine  dieser  Münzen  ist  jedoch  mit  der  Lampe  zusammengefunden  worden,  son- 
dern sie  sind  alle  vereinzelt  und  an  verschiedenen  Stellen  ausgegraben  worden.  Für 
die  Zeitstellung  der  Lampe  können  sie  also  nicht  in  Betracht  kommen. 

Klein. 

3.  Euskirchen.  Römische  Funde.  Bei  den  Erdarbeiten,  welche  für  die  Her- 
stellung von  Ziegeln  zu  Euskirchen  an  der  Landstrasse  nach  Commern  vorgenommen 
wurden,  stiess  mau  auf  fränkische  Grabstätten,  deren  Wände  aus  Steinplatten  zu- 
sammengesetzt  waren.  Unter  diesen  befanden  sich  auch  Überreste  von  römischen 
Skulpturen  und  Inschriftsteinen.  Obgleich  bereits  Herr  K.  Gissinger  über  sie  ge- 
legentlich der  Besprechung  der  gemachten  Gräberfunde  berichtet  hat  (Rhein.  Ge- 
schichtsbiätter  3,  1897,  S.  310  ff.),  so  mag  doch  deren  Veröffentlichung  auch  in  dieser 
Zeitschrift  nicht  ungerechtfertigt  sein.  Unter  den  Fundstücken,  weiche  durch  die  Be- 
mühungen des  obengenannten  Herrn  erhalten  geblieben  sind,  ist  vor  allem  zu  nennen 
eine  Platte  aus  rotem  Sandstein,  welche  bei  genauerer  Untersuchung  sich  als  ein 
Votivstein  ergab,  dessen  hintere  Hälfte  abgeschlagen  war,  um,  wie  das  häufig  mit 
römischen  Weihesteinen  geschehen  ist,  als  Werkstück  für  die  Grabeinfassung  benutzt 
zu  werden.  Durch  diese  Manipulation  sind  die  Blatt-  und  Blumen  Ornamente,  welche 
ehemals  die  leicht  vertieften  Schmalseiten  des  Denkmals  schmückten,  zum  grössten 
Teile  zerstört  worden.  Dasselbe  hatte  vorne  über  dem  Sims  eine  jetzt  stark  mitge- 
nommene dachförmige  Bekrönung,  die  an  der  Stirnseite  mit  einer  Rosette  verziert 
ist.  Da  es  oben  und  unten  abgehauen  ist,  so  beträgt  seine  jetzige  Höhe  59  cm,  seine 
Breite  44  cm  und  seine  Dicke  8  bis  9  cm.  Auf  der  Vorderseite  trägt  es  eine  sechs- 
zeilige  Widmung  an  eine  Matronengottheit  mit  folgendem  Wortlaut: 

M ATR  0  N  I  S 
FA^INEHIS•M 
..NIVS-PLACI 
.VST-BASSIA 

..\-QVIETA 
V    S  L  M 

Die  Höhe  der  Buchstaben,  welche  nach  unten  hin  abnimmt,  beträgt  in  der 
1.  Zeile  ÖVa  cm,  in  der  2.  Zeile  4V2  cm,  in  der  3.  bis  5.  Zeile  4V4  cm.  Für  die  letzte 
Zeile  lässt  sich  keine  bestimmte  Angabe  machen,  weil  die  untere  Hälfte  der  Buch- 
staben mit  dem  Steine  zerstört  ist.  Der  Abstand  zwischen  den  einzelnen  Zeilen  misst 
2  cm.  Die  Schriftzüge  selbst  sind  noch  ziemlich  gut  und  regelmässig.  Der  rechte 
Schenkel  des  A  ragt  über  den  linken  etwas  hinaus ;  die  beiden  Vertikalstriche  des  M 
sind  ziemlich  gerade.  Auch  hier  begegnen  wir  dem  abgekürzten  Zeichen  4  anstatt 
H,  freilich  nicht  zum  ersten  Male.  Wie  es  sonst  auf  Matronendenkmälern  häufig  ist, 
so  erscheint  es  auch  in  dem  hier  genannten  Matronennamen  bereits  zum  dritten 
Male  angewandt.  Die  Interpunktion  ist  regelmässig  gesetzt.  Um  so  auffallender  ist, 
dass  hinter  M  am  Ende  der  zweiten  Zeile  der  Punkt  fehlt. 

Da  der  Stein  an  der  linken  Seite  vom  Beschauer  stark  gelitten  hat,  so  haben 
infolgedessen  die  Anfänge  der  einzelnen  Zeilen  mit  Ausnahme  der  ersten  und  letzten 
Zeile,  wo  der  erste  Buchstabe  etwas  hineingerückt  ist,  ein  oder  zwei  Zeichen  einge- 
büsst.  In  Zeile  2  ist  der  Vertikalstrich  des  F  nur  noch  sehr  schwach  erkennbar. 
Zeile  3  im  Anfang  fehlen  zwei  Buchstaben,  welche  mit  Rücksicht  auf  den  vorhan- 
denen Raum  eher  durch  IV  als  durch  AN  zu  ergänzen  sein  dürften.  Die  von 
Gissinger  vorgeschlagene  Lesung  M[a]nius  wird  wohl  keine  Anhänger  finden.  Die 
Ergänzungen  der  folgenden  beiden  Zeilenanfänge  ergeben  sich  von  selbst. 

Was  den  Namen  der  auf  dem  Steine  genannten  Muttergottheiten  anlangt,  so  ist 


Miez  eilen. 


181 


demolbe,  wie  bcrtsita  oben  brwtthnt,  nit^lit  mehr  neu.  Denn  er  Hndcit  Bich  auf  uwei 
i  mir  In  dienen  Jnhrbüchyru  Heft  XCVI/XCVII,  S.  157  ff.  veröffentlichten  Weibe- 
attrinen  aus  Zingsheim,  deren  Erhaltung  ebeufalla  der  Verwendung  bei  fränkischen 
Grabbauteu  verdankt  wird.  Bemerkenswert  ist,  dass  auf  den  Zingaheimer  Steinen 
der  Matronunnumen  Faehineliae  und  Fachineihao  lautet,  während  auf  dem  Eua- 
klrchrucr  Fuhlneiliae  steht.  Den  Ort,  von  »-eldiem  der  Name  der  Matronen  seinen 
Ursprung  herleitet,  vermag  ieh  auch  jetzt  noch  ebensowenig  wie  früher  nachzuweisen. 
I  USchst  wahrscheinlich  ist  er  jedoch  in  der  Gegend,  welche  zwischen  den  beiden  Fund- 
uitea  der  drei  Volivsleine  liegt,  xa  suchen, 

Ebenl'allu  dureh  seine  Verwendung  bei  der  Einfassung  eines  fränkischen  Grabes 
isi  ein  xweiler  nuf  demselben  GrunilBluck  ausgegrabener  Stein  erhalten  worden, 
welcher  schon  IViiher  aufgefunden  worden  und  dann  beim  Äbbnich  eines  Hauses,  zu 
dem  er  verwendet  worden  war,  wii^der  zum  Vorsehein  gekommen  ist.  Derselbe  ist 
durch  eine  giltige  Schenkung  des  Herrn  Karl  Gissinger  in  Euskirchen,  welcher 
ihn  a.  a.  0,  S.  310  kurz  beschrieben  hat,  ins  hiesige  Proviuzialmiiseurn  gelangt.  Der 
B9  cm  hohe  56  cm  breite  und  18  cm  dicke  Stein  ist  die  durchsagte  Uftlfte  eines  Vier 
gtitLernllars  aus  feinkörnigem  gelbem  Sandstein,  welcher  Kudem  oben  und  nn  der 
linken  Seite  vom  Reschauer  verstümmelt  ist.  Da  die  Jetzige  Breitseite  nach  Massgabe 
der  auf  ihr  dargestellt-eu  Figur  etwa  um  stark  ein  Viertel  des  jetzigen  Masses  grosser 
gewesen  sein  muss,  die  Schmalseite  trotz  ihrer  geringen  Tiefe  von  18  cm  beinahe 
die  fiSlfte  einer  Figur  enlh&lt,  so  mag  die  Annahme  nicht  ganit  ungerechtfertigt  er- 
Bcheinen,  dass  der  Grundriss  des  Denkmales  nicht  quadratisch  sondern  ubloug  ge- 
bildet war,  eine  Eigen tttmlichkeit,  welche  auch  soust  bei  Momiinenten  dieser  Kate- 
gorie beobachtet  worden  ist. 

Auf  der  erhaltenen  breiten  Seite    ist   in    einer   Hacheu    3  cm   tiefen    und   jetzt 
41  cm  hohen  Nische  Minerva  dargestellt.    Die  Göttin,  von  welcher  die  Rückseite  des 
Oberkörpers  jetzt  fehlt,   sitat  nach  rechts  gewandt,    bekleidet   mit   einem   gegürteten 
Doppelcbiton,  welcher   in   langem    reichem    stark    markierten  Faltenwurf  bis  auf  die 
Füsse  herabreicht.    Ob  auf  der  Brust   das  Gorgonelon    angebracht  war,    welche.*)  bei 
einzelnen  Darstellungen,  wo  der  Panzer  fehlt,  ituf  dem  Chiton  selbst  sich  findet,  Ittsst 
sich  nicht  bestimmt  sagen,  weil  gerade  diese  Stelle   des  Steines  stark  abgerieben  ist. 
Dos  linke  Bein,  welche«  aus  der  Gewandung  sehr  deutlich  hervortritt,   ist  etwas  vor- 
gesetzt,   während    das    leicht    zurückgezogene    röchle   mit    der  Fussspllze    eben    den 
Boden  berUhrt,     Der  Kopf  und  der  rechte  Arm  nebst  Schalter  fehlen.     Mit  der  linken 
Uand  erfasst  sie  den  oberen  Rand  des  runden  Schilde-s,    welcher,    da    er   in  gleicher 
t  Hi^he  mit  dem  Oberkörper  sichtbar  ist,  nach  der  Analogie  anderer  Monumente  dieser 
l  Gattung  wohl  als  auf  einem  l'ostamenle  stehend  xu  denken  ist,  welches  durch  das  den 
I  UnterkÖnier  verhiiliende  faltige  Gewand  verdeckt  wird.   Unmittelbar  vor  dem  Schilde 
I  »itzt  auf  ihrem  linken  Oberschenkel    die   ziemlich    breit    gebildete  Eule.    In   der   der 
I  Oöttin  gegenüber  befindlichen  Ecke  der  Nische  ist  ein  Ölbaum  dargestellt. 

Auf  der  an  dieser   breiten  Seile   anatosscnden    Schmalseite    ist    der  Rest    einer 

\  Herkolestigur  sichtbar.    Da  diese  Figur  stehend  dargestellt  ist,    so   hat  der  erhaltene 

i  Teil  dieser  Nische  eine  Höhe  von  48  cm,    während  die  Nische    mit   der  Minervendar- 

I  Stellung  bloss  40  cm  hoch  ist  und  unterhalb  einen  28  cm   hohen  Sockel   hat,    welcher 

l  bei  der  austossendeu  Schmalseite  nur  21  cm  hoch  ist.    Von  der  Figur  des  Herkules  ist 

I  bloss  erhalten  der  rechte  Arm  mit  der  mächtigen  schief  auf  den  Boden  aufgestützten 

KouId,  der  Oberkörper  bis  zur  Bruat,    während  diese  nebot  Hals   und  Kopf  jetut  zer- 

^    »lort  sind,  und  endlich  das  kräftige  als  Spielbein    seitwärts  gestellte   rechte  Bein  mit 

leicht  zum  Ausschreiten    erhobenem  Vorderfuss.     Die    erhaltenen  Körperteile   deuten 

auf  einen  muskulösen,  überaus  starken  Körperbau  bin.    Von  den  sonstigen  Attributen 

,   ilca  Gottes  ist  nichts  zu  sehen. 

Wahrend  somit  die  Darstellung  des  Herkules,  soweit  die  mangelhafte  Erhaltung 
ein  Urteil  zulusst,  in  Stellung  und  Körperhaltung  mit  dem  auf  den  bisher  bekannten 


182  Miazellen. 

Viergötteraltären  vorherrschenden  Typus  übereinstimmt,  zeigt  die  Auffassung  der 
Minerva,  wie  sie  auf  unserem  Altare  erscheint,  ganz  bedeutende  Abweichungen  von 
allen  sonstigen  Darstellungen  solcher  Altäre.  Gegenüber  dem  einzig  vorkommenden 
ruhig  stehenden  Typus  erscheint  die  Göttin  hier  in  sitzender  Stellung  mit  nach  rechts 
gewandtem  Körper.  Sie  hat  ihre  Analogie  in  den  sitzenden  Thonfiguren  der  Minerva, 
welche  am  Rhein  so  häufig,  in  Italien  aber  gar  nicht  vorkommen.  Diese  Darstellung 
knüpft  offenbar  an  griechische  Vorbilder  an,  wie  es  denn  auch  nicht  blosser  Zufall 
ist,  dass  sitzende  Minervenstatuetten  aus  Bronze  bloss  in  der  unter  direkter  Einwirkung 
griechischer  Kunstübung  stehenden  Provence  bis  jetzt  nachgewiesen  sind.  Mit  dem 
Vorbild  hängt  es  auch  wohl  zusammen,  dass  hier  der  der  Athene  heilige  Ölbaum  als 
Symbol  ebenfalls  angebracht  ist.  Eine  besondere  Einzelheit  des  Euskirchener  Altares 
ist  es  endlich,  dass  die  Eule  auf  ihm  nicht  wie  gewöhnlich  auf  einem  Pfeiler  oder 
auf  der  Schulter,  sondern  auf  dem  Knie  der  Göttin  sitzt. 

Klein. 

4.  AltesundNeues  vom  Weiler  an  der  römischen  Sa  arbrücke  beim 
Halb  erg.  Die  milde  Witterung  im  Dezember  und  anfangs  Januar  dieses  Winters 
gestattete  in  Haus  und  Feld  ausnahmsweise  Arbeiten,  welche  sonst  in  dieser  Jahreszeit 
nicht  verrichtet  werden  können.  Bei  der  Vorbereitung  zur  Gartenkultur  eines  am 
Fusse  des  Halbergs,  in  dem  nach  Nordosten  streckenden  Geländedreieck  zwischen 
der  Mainzer  und  Brebacher  Strasse  gelegenen  Ackerfeldes  des  Frhm.  von  Stumm, 
durch  Rigolen  der  bis  1  m  starken  Humusschicht,  stiessen  die  Erdarbeiter  auf  aus- 
gedehnte Grundmauern  von  ehemaligen  Gebäuden.  Die  Fundamente  bestehen  grössten- 
teils aus  starken  Sandsteinquadern,  welche  ohne  Mörtel  zusammengefügt  sind  und 
auf  einer  starken  thonigen  Sandschicht  des  Untergrundes  ruhen.  Die  Mauerzüge  er- 
strecken sich  teils  von  Südwest  nach  Nordost  und  werden  von  andern  getroffen  oder 
durchschnitten,  welche  rechtwinklig  dazu  von  Nordwest  nach  Südost  liegen.  Viele 
römische  Dachziegel  (von  welchen  ein  Leistenziegel  den  Eindruck  einer  Hundepfote, 
ein  anderer  den  eines  Rehfasses  zeigt)  und  geriefelte  Ziegelplatten,  ein  Läufer  einer 
römischen  Handmühle  von  Basaltlava,  Scherben  von  Thongefässen,  zolldicke  Bruch- 
stücke eines  weitbauchigen  Doliums,  ein  Stück  Mosaik  rohester  Art  etc.  bekunden 
den  römischen  Ursprung.  Kalksteine  und  weisse  und  rote  Sandstein-Bruchsteine 
fanden  sich  haufenweise,  auch  ein  bearbeitetes  Werkstück,  anscheinend  von  einem 
Thürgewände,  an  der  südwestlichen  Ecke  neben  rauchgeschwärzten  Mauersteinen. 
Von  kleineren  Fundstücken  sind  zu  nennen  ein  eiserner  Nagel,  eine  Eisenschlacke, 
ein  Eisenstein,  ein  Gipsstein,  ein  Erzringelchen  und  eine  kleine  Bleikugel  (Klicker), 
Tierknochen  und  -Zähne.  Ausserdem  sollen  eine  Bronzeschale  und  eine  Münze  ge- 
funden sein.  Die  Fundstelle  wurde  auf  einem  Lageplan  (M.  =  1:11%)  eingezeichnet 
und  von  den  freigelegten  Grundmauern,  welche  sich  über  eine  Grundfläche  von  ca. 
9  Ar  ausdehnen,  ein  Grundriss  (M.  =  1 :  250)  aufgenommen  und  den  Fundnotizen  des 
historischen  Vereins  beigefügt. 

Die  Anordnung  der  Fundamente  ist  derartig,  dass  an  den  Ecken  und  an  den 
Stellen,  wo  Quermauern  anschliessen,  annähernd  quadratische  Platten  von  etwa  1  m 
Seitenlänge  und  25—30  cm  Dicke  als  Unterlager  für  grössere  Quader  von  70—90  cm 
Seitenlänge  und  35 — 45  cm  Höhe  dienen.  Zwischen  diesen  liegen  nach  den  Mauer- 
fluchten gestreckt  längliche  Quader  von  30  zu  40  und  50  cm  Stärke  und  verschiedener 
bis  1,30  m  messender  Länge.  Diese  Steine  sind  meistens  so  rauh  zur  Verwendung 
gekommen,  wie  sie  im  Steinbruch  gewonnen  wurden.  Das  Material  ist  ein  roter 
Buntsandstein  der  nächsten  Umgebung.  Wo  die  Flächen  der  Quader  eine  Bear- 
beitung zeigen,  ist  diese  mit  der  Zweispitze  bewerkstelligt.  Hier  und  da  sind  kleine 
etwa  30  zu  35  cm  messende  Rechtecke  in  den  oberen  Steinflächen  flach  vertieft  und 
horizontal  eingeebnet;  sie  bildeten  offenbar  die  Standflächen  für  aufragende  Holz- 
pfosten.   In  den  grossen  Eckquadern   sind   an   den  Seitenflächen   lotrechte  5,  6  und 


MtsselleD, 


M  cm  stark»  Faixe  eingrearbeitct,  welche  die  Zapfen  der  aaf  den  gestreckteD  Stein- 
Ingpn  ruhenilen  Halzsch wellen  aulbahmen  und  letzteren  seitlichen  Halt  geben.  Es 
innsE  daher  xn^eDOoimen  werden,  daas  dieae  Fundamentierungen  für  Fachwerke- 
gcbäude  ^dietit  hab^n,  and  dass  hier  die  römische  Bauweise  (Steinbau  mit  Ziegel- 
dach) in  Verbindung:  mit  der  einheimischen  (Holzriegelung,  die  Gefache  mit  Weli- 
sprosscn  und  Siro  hie  hm- Wickelung  oder  Lchmstein -Ausmauerung  und  Schilf-  oder 
Strohdach)  zur  Anwendung  gekommen  war.  Für  die  thatsjtchlich  üblich  gewesene 
gemischte  Bauweise  bei  landwirtschai't liehen  Anlagen  sprechen  viele  OebHuderetite 
nnaerer  Gegend,  und  dass  sie  selbst  in  der  Kriegsbaukunst  vorkamen,  geht  aus  der 
Darstellung  «ineB  Warlturms  vom  Pfahlgraben  auf  der  Trajanssilule  hervor.  Die 
Baulichkeiten,  deren  Grundlinien  hier  wieder  ans  Licht  kamen,  köimon  als  Scheunen 
und  Stallungen  gedient,  werden  jedoch  auch  teilweise  Wohnungen  enthalten  haben. 
Dies  geht  aus  dem  Fund  der  vielen  Ziegel  mit  jenen  ßtefelangen  hervor,  welche 
zwecks  besseren  Anhnflens  dc.a  Miirtels  in  die  geformten,  noch  in  feuchtem  Zustand 
befindlichen  Ziegel  mit  einer  Art  Kamm  wellenförmig  eingerissen  wurden,  Solche 
Ziegel  waren  En  Wohiuiiigen  an  die  uahe  beisammen  hegenden  Deckenbalken  mit 
iflirmig  geschmiedeten  Nägeln,  welche  durch  die  Ziegelfugen  in  die  Balken  einge- 
Ncldigcn  wurden,  hefeetigt;  an  der  rauh  geriefelten  Unterseite  dereelben  haftete  der 
angeworfene  Deckenputz.  In  recht  instruktiver  Weise  ist  diese  Deckenkonsiruktion 
im  Saalburg-Muaeum  zu  Homburg  v.  d,  Höhe  vor  Augen  geführt.  Rauchgesch würzte 
Mauersteine  an  der  Südwestecke  deuten  auf  eine  Feuerstatte  und  ein  Stuck  prinii- 
livstcii  Mosaiks  aus  zerstossenen  Ziegels teinen  (wie  ein  ähnliches  das  Antiquariuro 
des  historischen  Vereins  aus  der  römischen  Villa  bei  Wnstweiler  und  Dirmingen  auf- 
hewahrt),  giebt  Auskunft  über  die  Herstellung'H weise  der  Fussböden.  Eine  in  dieser 
Weise  ausgeführte  GebHudeanlage  deutet  dnrtrh  ihre  einfache  Ausstattung  auf  eine 
Niederlassung  zum  Betrieb  der  Landwirtschaft  und  Viehzucht.  Derartige  Ansied- 
laugen hat  zu  «einer  Zeit  Dr.  Fr.  Schröter  in  den  „Mitteilungen  des  historisch. an ti- 
ijOArinclien  Vereins"  auf  fast  allen  Gemarkungen  unserer  Gegend  nachgewiesen  und 
anch  im  I.  und  H.  Heft  für  den  einstigen  B«Btand  eines  röraisvhen  Vicus  hei  der 
ehemaligen  Saarbriicke  am  Fusse  des  Halbergs  den  Beweis  geliefert.  Danach  er- 
streckten sich  die  Geb&ude  des  Weilers,  vor  dem  Kiesel  buch  beginnend,  mit  geringen 
Üuterbrechwngen  beiderseits  der  allen  Brebacher  Strasse  bis  gegen  das  BahnwArter- 
haus,  welches  zwischen  dem  Halberg  nnd  der  Saar  steht.  Südwestlich  reichte  die 
hebaute  FiBche  bis  zu  den  Saarwiesen,  nordöstlich  in  dem  Dreieck,  welches  jener 
alte  Weg  mit  der  MainKerstrasse  und  dem  Halberg  elnschliessi,  bis  in  die  Niihe  des 
Pürsterhauses  au  der  Mainzerstrnsse,  nahm  mithin  eine  Geländeüäche  ein,  welche  mit 
in  Hektar  nicht  zu  hoch  bemessen  ist.  Die  Strosse,  welche  von  St.  Arnual  und  For- 
hach  her  über  die  rfimische  Saarbriicke  am  Holherg  diesseits  nordöstlich  ins  Seheidter- 
Ihal  fUhrle,  ist  von  O  berst  Heute  na  nt  Schmidt  als  Teilstrecke  einer  Metz-Mainzer 
Ramersirasse  erkannt  worden  und  war  im  Mittelaller  eine  königliche  Heerstrasse,  auf 
welcher  den  Grafen  von  Saarbrück  das  Geleilsrecht  bis  zu  dem  uralten  Rentrischer 
Stein  zustand.  Diese  Strasse,  von  welcher  das  Kalksteingestück  in  dem  Brnchsuhen 
Grundstück  am  Halberg  in  den  40er  Jahren  dieses  Jahrhunderts  gefunden  wurde, 
krenzli'  der  alte  Brebacher  Weg  beinahe  im  rechten  Winkel.  Sein  io  nordwestlicher 
Richtung  abzweigender  Arm  erreichte  mittelst  der  jot/,igen  Mainzers! rasse  den  Esels- 
prnd  und  mit  dessen  Fortsetzung  in  der  Richtung  des  Gerbergrahens  die  Flucht  der 
heutigen  Bahnhof  Strasse  in  der  Nähe  der  Betxenstrasse,  weiterhin  nordwestlich  aus- 
btegeud  mittelst  des  alten  Rothenhofer  Weges  die  Rnunstrasse.  Die  Nachweisung 
dieaw  Trace  hat  Scliröter  auf  Ornnd  heslimmender  Funde  a.  a.  0,  erbracht;  seinen 
tluitsAchliuheu  Anbal Ispunkten  ist  beilttullg  hinzuzuFügeu,  dass  im  August  1)^7  beim 
Verlegen  des  Rohrnetzes  «ur  Hochdruck- Wasserleitung  iti  der  Bahnhof  Strasse  an  der 
Kch«  der  Betzenstrasse,  in  einer  Tiefo  von  1,50  m  unter  dem  Strasse nnivcau  ein 
Bohlcuweg  gofundeu   wurdt^.     Derselbe   besteht  aus   aufgespaltenen   Eichenhölzern, 


184  Miszellen. 

welche,  wie  die  hölzernen  Eisenbahnsehwellen,  quer  zur  Weglinie  aber  dicht  anein- 
ander gereiht  liegen,  und  bei  ihrer  guten  Erhaltung  grosse  Mühe  verursachten,  um 
sie  zu  beseitigen,  soweit  sie  der  Rohrleitung  hinderlich  waren.  Gleichzeitig  an  der- 
selben Stelle  gefundene  drei  Hufeisen,  kleiner  Form  von  Saumtieren,  berechtigen  zur 
Annahme,  dass  hier  sumpfige  Stellen  des  Untergrundes  die  Verwendung  der  pontes 
zur  Befestigung  des  Weges  notwendig  gemacht  haben.  Die  Kreuzung  der  beiden 
Römerwege  vor  dem  Brückenkopf  am  Halberg,  angesichts  eines  weiten  Thaies  und 
in  einer  Höhenlage,  welche  vor  Überschwemmungen  der  Saar  sicherte,  mag  die  Ver- 
anlassung für  Kolonisten  gewesen  sein,  an  dieser  begünstigten  Stelle  sich  anzusiedeln. 
Die  noch  zu  erwähnenden  Münzfunde  lassen  die  Annahme  eines  Bestandes  dieser 
Niederlassung  von  der  Zeit  Kaiser  Trajans  bis  zum  sieghaften  Eindringen  der  Ale- 
mannen berechtigt  erscheinen.  Wenn  bei  den  welterschüttemden  Ereignissen,  welche 
das  Unterliegen  des  römischen  Reichs  zur  Folge  hatten,  unser  vicus  von  seinen  Be- 
wohnern verlassen  wurde  und  allen  Unbilden  entfesselter  Leidenschaften  ausgesetzt 
war,  so  ist  er  doch  nicht  gänzlich  untergegangen.  Die  Sage  von  der  Heidenbekeh- 
rung in  der  Einsiedelei  des  Bischofs  Arnold  von  Metz  um  das  Jahr  600  hat  so  viel 
Wahrscheinlichkeit,  dass  die  Existenz  des  Weilers  in  dieser  Zeit  nicht  einfach  von 
der  Hand  gewiesen  werden  darf,  um  so  weniger,  als  kein  Grund  vorliegt,  der  dem 
Erfahrungssatze  zuwider  ist,  dass  einmal  gewählte  und  bewährte  Besiedelungspunkte 
stets  wieder  benutzt  wurden,  wenn  auch  die  ältere  Kulturstätte  der  Vernichtung  an- 
heimgefallen war,  sofern  nur  die  Subsistenz-  und  Verkehrsbedingungen  erhalten 
bleiben.  Dies  war  hier  der  Fall,  und  erst  als  mit  der  Gründung  der  Burg  Saarbrück 
ein  neuer  Krystallisationspunkt  gegeben  wurde,  freizügige  Bewohner  der  Umgegend 
den  Schutz  der  Burg  und  der  Stadtumwallung  aufsuchten,  auch  der  Verfall  der 
Saarbrücke  am  Hallberg  die  Verlegung  des  Strassenzugs  der  via  regalis  über  Saar- 
brücken und  St.  Johann  veranlasste,  verödete  der  Weiler  an  der  alten  Saarbrücke. 
Er  wurde  anfangs  des  14.  Jahrhunderts  vom  Grafen  Johann  I.  von  Saarbrück  und 
Commercy,  nach  der  vom  Rechtshistoriker  Sittel  mitgeteilten  Überlieferung,  zerstört, 
offenbar  in  der  Absicht,  die  von  ihren  Bewohnern  verlassenen  Gebäude  nicht  zum 
Obdach  für  Räuber  und  ihr  Gesindel  werden  zu  lassen.  —  Die  Trümmerstätte  wird 
in  der  späteren  Zeit,  soweit  ihre  Baumaterialien  nutzbar  und  leicht  zu  erreichen 
waren,  einen  Steinbruch  für  die  Bauenden  der  näheren  Umgebung  abgegeben,  auch 
mögen  Schatzgräber  zeitweis  ihr  Wesen  daselbst  getrieben  haben.  Damit  ist  sicher 
manche  Urkunde  schriftlicher  und  anderer  Art  verschwunden,  welche  Licht  über 
diesen  Ort  und  seine  verschiedenen  Bewohner  zu  verbreiten  geeignet  waren. 

Einer  Nachricht  des  Registrators  Andrea  (geb.  1570)  zufolge  scheinen  zu  dessen 
Zeit  die  Ruinen  über  der  Erde  bis  auf  einzelne  Steine  und  Ziegelstücke  schon  ver- 
schwunden gewesen  zu  sein.  Die  Fläche  war  seitlich  des  Weges  zwischen  dem 
Kieselbach  und  der  Klinke  (worunter  Köllner  ein  Felsenriff  in  der  Saar  versteht),  mit 
Eichbäumen  bestanden,  teilweis  auch  schon  zu  Feldern  parzelliert.  Nach  einem 
späteren  Berichterstatter,  um  1762  (vgl.  Köllner),  gehörte  das  Gelände  damals  der 
Stadt  St.  Johann  und  man  begann  die  bisher  als  Ödland  gelegenen  und  stellenweis 
mit  alten  Eichen  und  Gestrüpp  bewachsenen  Felder  urbar  zu  machen.  Unter  vielen 
kleinen  Schutthügeln,  welche  man  einebnen  wollte,  fanden  sich  Gebäudereste  als 
Keller-  und  Fundaraentmauern,  welche  mit  Kalkmörtel  gebaut  waren,  Fussböden  aus 
gebrannten  Steinen  und  musivisch  in  verschiedenen  Farben  hergestellt,  zwischen- 
durch auch  kleine  Geräte  und  römische  Münzen.  Andere  Schutthaufen  bestanden 
nur  aus  Ziegel-  oder  Backsteintrümmern  ohne  eine  Spur  gemauerter  Fundamente, 
woraus  der  Referent  auf  Fachwerksgebäude  einer  späteren  Periode  schloss.  An  der 
Ostseite  der  ganzen  Trümmerstätte  wurden  grosse,  unbehauene,  viereckige  Steine 
ausgegraben,  welche  Köllner  für  Grundsteine,  sein  Gewährsmann  aber  für  Opfer- 
altäre hielt.  Neuere  Funde,  welche  zur  Ergänzung  dieser  älteren  dienen  können 
geben  unseres  Erachtens  eine  Entscheidung  in  dieser  Meinungsverschiedenheit,  worauf 


MibKcIlen. 


186 


'  bei  der  Erwälinung  des  BeslattungBorles  aurück  zukommen  Bein  wird.  1789  ver- 
sisichnet  der  Begieruiigsiat  Holl^  in  seiucn  Kolleklanc.i'n  die  Funde  voa  FundameDten 

I  ]iiehrcr<!T  Gebäude  und  gleicti zeitige  MUnzftiade,  wovon  der  zweite  alit  römisch 
cbnrskteriHiert  zu  Mein  ac^iieint.  Beim  Ausbessern  des  ulten  Brebncher  Weges  nahe 
bei  »einer  Einniündniigr  in  die  MainzerstrassB  wurden  1831  iu  der  Strasse  selbst  Ge- 
bandetrümmer  gefunden,  welche  durch  ihr  Aussehen  die  Zerstaning  durch  Brand 
bekundeten,  auch  die  Fuiidanieute  einer  Ringmauer  (?)  aus  Marken  Werkstiieken  nnd 
zwei  Ihfinerue  Larenbilder  werden  erwähnt;  hier  scheint  also  in  spftlerer  Zeit  eine 
Verlegung  des  rumiacheu  Weges  statljrefunden  zuhaben.  Weiterhin  berichtet  Kölincr 
vom  Fluide  eines  Münzsehatzes,  aus  Silbermünzen  bestehend,  leider  uhne  nähere  An- 
gaben als  die,  dass  der  Fund  in  einem  GetHsse  gelegen  habe  niid  nach  aussen  zum 
Wiederfinden  kenntlich  gemacht  geweaeu  sei.  Schröter  beHchreibt  nach  eigenen  Be- 
obachtungen und  den  Angaben  von  namliuft  gemachten  Gewährsmännern  verschiedene 
Bnustt*lien  länga  des  alten  Brebacher  Weges  und  neben  der  Mainzer  Strasse  un- 
mittelbar am  FuKNO  de«  Halberes.  Bei  diesen  Funden  kamen  Sand  Steinquader  und 
Mauersteine  mit  anhaltendem  Kalkmörtel  zu  Tage;  erstere  waren  teilweise  vierkantig 
oder  zu  Säulen  bearbeitet,  andere  zeigten  Pflanzenornaiuente  und  figürliches  Bild- 
werk. An  Waffen  aind  nur  einige  Pfeilspitzen  gefunden,  an  römischen  Münaeu  eine 
Reihe  von  Kaisermünzen  von  Trajan  bis  Konstantin,  wovon  itich  Exemplare  in  der 
Sammlung  des  historischen  Vereins  befinden.  Eisengeräle,  Schlüssel  und  Nägel 
wurden  dem  Autiquarium  eingereiht,  ebenso  farbige  MosaikwUrfel  nnd  die  Heizrohre 
eines  Hypokaustums,  welche  beweisen,  dass  auch  Gebäude  von  reicherer  Ausstattung 
vorhanden  waren.  Ziegel  mit  dem  bekannten  Fabrikanten  Stempel,  Fragmente  von 
Tbungerässen  verschiedener  Art,  von  der  zierlichen  Schale  aus  feiner  Sigillataerde 
bis  zu  dem  dickwandigen  Dolium  des  Vorratskellera,  Ein  Kcllergewiilbe  soll  seit- 
wHrts  des  altnn  Brebacher  Wegs  in  der  Nähe  des  Kiescigrabens  ausgehrochen  worden 
«ein,  ebenso  die  oberen  Mauerschichten  eines  Brunnens  von  1,25  Meter  Durchmesser, 
welcher  nachdem  wiedur  verschüttet  wurde,  Yen  Hausgerät  ist  noch  zu  erwähnen 
da»  Bruchstück  eines  Mühlsteines  aus  Basaltlava,  welches  im  Antiqua rium  aufbewahrt 
wird.  Schliesslich  miige  noch  ein  Fund  genannt  werden,  welcher  am  östlichen  Ab- 
hang   des   Kanin cheubergs   seinerzeit  gemacht    wurde   und   von  Schröter   ebenda  I. 

1  S.  90  mitgeteilt  ist.  Auf  einem  Ackerstück  an  genannter  Stelle  wurden  viele  soge- 
nannte Heidenschlacken  mit  der  eigentümlichen  getrü pleiten  Oberfläche  vorgefunden, 
welche  aus  der  frUhzcitlicheu  Eisengewinnung  in  kleinem  Massstabe  als  Abfall  her- 
vorgingen. Welcher  Periode  diese  Schlacken  augehöreu,  lässt  sich  mangels  bestim- 
mender Mitftinde  [Münzen  u.  dgl.)  nicht  nachweisen.  Immerhin  darf  angenommen 
werden,  dass  an  jener  Stelle  das  Roheisen  für  den  Bedarf  des  Weilers  an  der  Saar- 
brückn  aus  in  der  Nähe  gefundenen  Elsensteinen  zeitweise  gewonnen  wurde;  au 
Holzkohlen  dürfte  es  bei  der  unmittelbaren  Nähe  derWaldungen  nicht  gefehlt  haben. 
Notizen  über  Funde  oder  Beobachtungen  bei  der  Fuudamentierung  des  Durch- 

'  laseea  für  den  Kiesclgraben  beim  Bau  der  Saargemünder  Bahn  (1869)  fehlen;  aber 
beim  Bau  des  zweiten  Geleises  wurden  im  Juni  1886  östlich  vom  Elsenbahndamm 
und  endlich  vom  Kieaetgraben,  parallel  dem  Bahndamm,  unter  einer  etwa  1  m  hohen 
Uumusschicht,  au  zwei  stellen  in  30  Schritt  Entfernung.  Reste  von  fiömerbauten  an- 

[  gctrofTen.  Es  fanden  sich  romische  Dachziegel,  Thonscherben,  ein  Stück  Sigillata, 
mehrere  Sandsteinquader,  die  beiden  grossten  0,80  und  0,75  m  zu  40  cm  messend. 
Der  an  der  südöstlich  gelegenen  Stelle  befindliche  war  unmittelbar  auf  die  Sandlage 
des  Untergrundes   geheltet,   nebenan    unter  Thonscherben   und   Ziegel [rümmern    ein 

^flacher  Napf  (10  cm  nurchmesserl    von    grauer    Masse.    Der    nordwestlich    gelegene 

1  Quaderstein    war    auf   einem    etwa    8  cm    starken  Estrich    von  GnssmÜrtcl    versetzt. 

iLatzierer,   hellgrau  vou   Farbe,  enthielt   eingcinengte  Kiesel-    und   Ziegelstücke   und 

■  dehnte   sich    weiter    hinaus;    seine  Oberllfiche  war  glatt    gestrichen    und   diente  an- 

fcchoinend  als  Fussboden.     Unniitleibar  daneben  lag  ein  Trümmerhaufen  unregelmässig 


186  Miszellen. 

geschichteter  und  nur  rauh  bearbeiteter  Sandstein-Bruchsteine  ohne  Mörtelspuren, 
wohl  von  einer  zusammengestürzten  Trockenmauer  herrührend.  Eine  ganz  erhaltene 
Ziegelfliese  (20  zu  20  cm  gross  und  4  cm  dick)  mit  anhaftendem  Mörtel  wurde  mit 
charakteristischen  Stücken  der  Thongefässe  dem  Antiquarium  geschenkt,  ebenso  der 
Münzsammlung  2  dort  gefundene  Münzen  (Hadrian  und  Valerius). 

Die  baulichen  Anlagen  längs  der  Strasse  nach  dem  Scheidterthal  waren  östlich 
begrenzt  durch  das  dort  seitlich  der  Strasse  gelegene  Gräberfeld.  Dort  lagen  nach 
Köllners  Gewährsmann  grosse  Steine,  welche  er  für  Opferaltäre,  Köllner  aber  für 
Postamentsteine  nach  der  Art  der  jetzt  aufgedeckten  hielt.  Die  Bezeichnung  „Opfer- 
altäre^  lässt  uns  an  bearbeitete  Steine  mit  schalenförmiger  Vertiefung  denken.  Mit 
solchen  Steinen  waren  die  am  Ostende  der  Kuinenstätte  gefundenen  Aschenumen 
bedeckt,  so  zwar,  dass  die  Thongefässe  durch  die  Höhlung  im  Steine  gegen  den 
Eindruck  geschützt  waren,  was  man  auch  wohl  durch  Umstellen  mit  Ziegeln  zu  er- 
reichen suchte.  Für  unsere  Gegend  hat  Schröter  viele  solcher  Umendecksteine  nach- 
gewiesen. Sie  waren  noch  mit  Erde  bedeckt  und  mochten  bei  reicher  Ausstattung 
wohl  gleichzeitig  als  Unterlage  für  das  Grabmal  (cippus)  dienen.  Was  einst  an  ober- 
irdisch ragenden  Grabsteinen  etwa  vorhanden  war,  ist  wohl  schon  früh  abhanden  ge- 
kommen oder  zerstört  worden.  Umendecksteine  aber  wurden  noch  anfangs  der 
80er  Jahre  auf  und  neben  der  Baustelle  des  Försterhauses  freigelegt;  wo  dieGefässe, 
welche  sie  enthielten,  verblieben  sind,  ist  nicht  bekannt  geworden.  Einige  Jahre 
früher  waren  dort  Aschenkrüge  gefunden  worden,  wovon  einige  durch  den  damaligen 
Oberförster  Lamarche  in  das  Antiquarium  des  historischen  Vereins  gelangten.  Sind 
wir  so  über  den  Bestattungsort  und  die  Art  und  Weise,  wie  die  Einwohner  des 
Weilers  in  der  römischen  Periode  hier  ihre  Toten  beizusetzen  pflegten,  unterrichtet, 
so  sind  doch  mit  dem  Verschwinden  aller  inschriftlichen  und  bildlichen  Denkmäler  die 
inhaltlich  wertvollsten  Urkunden  für  immer  dahin.  Manches  dürfte  der  Erdboden 
noch  bergen;  mögen  die  Finder  stets  die  Öffentlichkeit  an  ihren  Entdeckungen  teil- 
nehmen lassen. 

Über  die  Stätte,  wo  die  heidnischen  Bewohner  unseres  Weilers  ihren  Göttern 
huldigten,  herrscht  seit  den  ausführlichen  Darlegungen  Schröters  im  2.  Hefte  seiner 
„Mitteilungen"  S.  144  u.  f.  wohl  kein  Zweifel,  dass  sie  in  der  sogenannten  Heiden- 
kirche, jener  weiten  Felsenhöhle  an  der  Westseite  des  Halbergs  zu  suchen  ist.  Ob 
die  Römer  hier  schon  ein  Heiligtum  der  Mediomatriker  vorfanden,  ist  zur  Zeit  noch  un- 
gewiss, da  hierauf  hinzielende  Untersuchungen  bisher  unseres  Wissens  nicht  unter- 
nommen wurden  oder  wenigstens  zu  keinem  Resultat  geführt  haben.  Im  Laufe  der 
Zeit  mag  manche  Veränderung  an  dieser  Stätte  eingetreten  sein,  namentlich  als  die 
bedeutungsvolle  Umwandlung  des  heidnischen  Sacellums  in  eine  christliche  Einsiedelei 
eintrat,  wobei  zweifelsohne  alle  Götzenbilder  gestürzt  und  zerstört  und  die  Spuren 
des  Heidentums  möglichst  verwischt  wurden.  Wenn  es  gewagt  werden  darf,  Ver- 
mutungen über  den  in  der  Grotte  geübten  Götzendienst  zu  äussern,  so  wäre  unter 
Berücksichtigung  der  wenigen  Anhaltspunkte,  welche  die  Nachrichten  des  Hofgärtners 
Köllner  aus  vorigem  Jahrhundert  gewähren,  unseres  Erachtens  an  den  Kult  des  Atys 
oder  die  Mithras-Mysterien  zu  denken,  wenn  nicht  ein  bisher  unbekannter  örtlicher 
Götterkult  von  den  in  dieser  Hinsicht  sehr  schmiegsamen  Römern  ihrem  eigenen  assi- 
miliert worden  ist. 

Weitere  Veränderungen  an  der  Heidenkapelle  wurden  vorgenommen,  als  der 
Fürst  Wilhelm  Heinrich  auf  der  Höhe  des  Halbergs  ein  Lustschloss  erbaute,  wobei  die 
Felsenhöhle  eine  wesentliche  Erweiterung  und  Umgestaltung  erfahren  hat.  Hierdurch 
ist  die  einstige  Einrichtung  der  Grotte  vollständig  verwischt  worden. 

Ein  Rückblick  auf  die  neueren  und  älteren  Funde  führt  zu  dem  Ergebnis,  dass 
diejenigen  aus  der  früheren  Periode  überwiegend  sind,  obschon  die  Zeitdauer  des 
römischen  Vicus  derjenigen  der  frühmittelalterlichen  Domäne  und  des  Weilers  an 
d^r  Saarbrücke  wesentlich  nachsteht.    Dies  ist  jedoch  erklärlich  unter  dem  Gesichts- 


Mis  Zellen. 


ullich  A,  N  und  P; 


pvmkle,  dasR  zunächet  die  römiechc  Bauweise  auch  hei  unlerge  ordne  teil  Anlagen  mit 
böberen  Aufwendungen  grössere  Soliditüt  verband.  Weiter  kommt  in  Betracht,  daas 
die  Bewohner  des  römischen  Vicus  beim  Andrangen  der  Germanen  viele  Gebrauchs- 
gegrenstande,  welche  sie  bei  der  Flucht  nicht  mitnehmen  konnten,  für  den  Fall  der 
Wiederkehr  im  Boden  verscharrt  haben,  wogegen  der  Wegitug  der  Bewohner  den 
Uli tiel alterlichen  Weilers  vermutlich  in  aller  Ruhe  vor  sii-h  ging  und  deshalb  jede 
Münze  und  alle  irgend  verwendbaren  Geräte  zum  neuen  Wohnorte  mitgenommen 
nerden  konnten. 

(Saarbrücker  Zeitung,  24.  u.  25,  Jan.  1898.) 

5.  Heddesdorf.  Römischer  Grabstein.  In  dem  Banne  von  Heddesdorf  bei 
Meuwied  wurde  vergangenes  Jahr  ein  Grab  mit  Leichenbrandrestcii  aufgedeckt,  anr 
dem  als  Deckstein  eine  Platte  aus  weichem  Ealketein  lag.  Bei  einer  Höhe  von  29  cm 
und  einer  Dicke  von  8  cm  hat  sie  eine  Breite  von  57  cm,  indem  sie  an  der  rechten 
SMte  vom  Beschauer  und  unten  zum  Teil  verstümmelt  ist.  Auch  ist  die  Oberfläche 
nach  den  Kanten  hin  stark  abgescheuert,  so  dass  die  Scbriftzüge  dort  ziemlich  ver- 
wisuht  sind.     Dieselbe  trjlgt  eine  vierzcillge  Inschrift,  welche  lautet: 

///ISMANIB-C-I-FE 

TRIB-MIL-COH- 

0,,,///CAPlTONIS 

//////ANNI8  XXVII 
Diu  Buchstaben  habeu  eine  schlanke  und  praziöse 
0  ist  kreisrund,  C  ziemlich  breit,  ebenso  B,  dessen  oberes  Rund  kleiner  als  das  untere 
ia.  In  den  ersten  drei  Zeileu  sind  sie  G  cm,  in  der  vierten  4  cm  hoch.  Die  Inter- 
punktion besteht  aus  Dreiecken.  Zeile  I  sind  vom  Anfangsworte  DIS  die  zwei  letzten 
Ruchstaben  nur  schwach  erkenntlich,  der  erste  dagegen  ganz  abgerieben;  ebenso  ist 
am  Schlüsse  E  ziemlich  undeutlich,  Zeile  2  siud  die  Rundung  des  R  und  die  beiden 
Vertikalstriche  des  H  vollends  verwittert.  Zeile  3  kann  das  erste  Zeichen  ebensowohl 
0  als  Q  gewesen  sein,  wenngleich  wegen  der  Beschädigung  im  8teiD  jetzt  von  der 
Schleife  des  Q  jedwede  Spur  getilgt  Ist.  Zwischen  diesem  ersten  Buchstaben  und  dem 
C  fehlt  trotz  des  grösseren  Zwischenraumes  nichts. 

Die  ausgeschriebene  Grabformel  Dis  manib(uB)  weist  s 
hin,  womit  auch  die  Form  der  Buchstaben  übereinstimmt 
Abkürzung  des  Nomen  gentilicium,  während  das  Ci 
Wesen  zu  sein  scheint  Es  ist  dies  namentlich  sehr  hJtufig  bei  dem  Gentilnamen 
Julius  der  Fall,  welcher  vielleicht  auch  hier  zu  ergänzen  ist.  Vgl.  CIL,  XII,  1740, 
2429.  1424.  5376.  In  den  Zeichen  FE  am  Schlüsse  der  Zeile  steckt  der  Anfang  eine« 
Cognomens,  etwa  Fe[licis]  oder  Fe[sti].  Da  in  der  folgenden  Zeile  die  von  dem  Ver- 
storbenen bekleidete  militärische  Charge  folgt,  also  nichts  fehlt,  so  können  die  ein- 
lelnen  Zeilen  an  dieser  Seite  keine  grössere  Einbusse  als  etwa  die  von  höchstens  5 
bis  6  Buchstaben  erhiteu  haben,  Zeile  2  fehlt  Jetzt  leider  der  Name  der  Cohorte,  in 
welcher  der  Verstorbene  als  Tribunus  gestanden  hat.  Ob  an  die  Cohors  IUI  Vinde- 
liconim,  von  deren  Anwesenheit  im  benachbarten  Kastell  von  Niederbieber  ihre 
Ziegel  zeugen,  gedacht  werden  darf,  lasse  ich  dahingestellt.  Mag  nun  eine  Cohorte 
hier  genannt  gewesen  sein,  welche  man  will,  jedenfalls  ist  die  Annahme,  dass  der 
Cohortenname  ausgefallen  sei,  der  Verbindung  des  Wortes  coh(»rtiH)  mit  dem  fol- 
genden Q,  Capitoni»  vorzuzieheu.  Wie  bereits  bemerkt,  besteht  die  Möglichkeit,  dass 
das  Zeichen  im  Anfang  der  dritten  Zeile  sowohl  O(lns)  als  auch  Q(uiutus)  gewesen 
sein  kann.  Mit  Kücksicht  auf  den  folgenden  grösseren  Zwischenraum,  in  welchem 
kein  Buchstabe  gestanden  hat,  welcher  aber  für  den  Schwanz  eines  Q  passt,  möchte 
ich  mich  für  Q  entscheiden.  Am  Ende  derselben  Zeile  scheint  die  Lücke  hinter  dem 
Worte  Capitonis  die  nähere  Angabe  des  verwandtschaftlichen  Verhältnisses,  in  welchem 
der  Verstorbene  zu  dem  genannten  Capito  gestanden  hat,  enthalten  zu  haben,    etwa 


Luf  die  frühere  Kaiserzeit 
Bemerkenswert  ist  die 
'oll  ausgeschrieben  ge- 


188  Miszellen. 

f(ilii)  oder  nepCotis).  Die  Stelle  freilich,  welche  ihr  dadurch  in  der  Anordnung^  des 
Wortlautes  der  Inschrift  angewiesen  wird,  weicht  von  der  Regel  ab,  ist  aber  nicht 
ohne  Beispiele.  Ob  im  Beginn  von  Zeile  4  vor  ANNIS,  von  dessen  Anfangsbuch- 
staben A  bloss  die  Oberteile  der  beiden  Schenkel  sichtbar  sind,  noch  ein  Wort  wie 
vixit  vorhanden  gewesen  ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden.  Ebenso  ist  die  Zahl  der 
Lebensjahre  des  Verstorbenen  nicht  völlig  sicher.  Der  Umstand,  dass  der  Stein  ge- 
rade an  dieser  Stelle  sehr  verwittert  und  dazu  gleich  nach  seiner  Auffindung  von 
mutwilliger  Hand  durch  moderne  Kritzeleien  entstellt  worden  ist,  erschwert  die  end- 
gültige Feststellung  der  Lesung  sehr.  Klein. 

6.  Köln.  Römische  Grabschrift.  Gegen  Ende  desSommers  vorigen  Jahres 
ward  an  der  Aachener  Strasse  zu  Köln  bei  dem  Ausheben  der  Fundamente  für  einen 
Neubau  ein  Grabdenkmal  aus  Kalkstein  zu  Tage  gefördert.  Dasselbe  hat  eine  Höhe 
von  92  cm,  eine  Breite  von  32  cm,  welche  nach  unten  um  1  cm  zunimmt  und  eine 
zwischen  IIV2  und  12  cm  schwankende  Tiefe.  Oben  weist  es  ein  bogenförmiges 
Giebelfeld  als  Abschluss  auf,  in  dessen  Mitte  sich  ein  rundes  von  einer  erhabenen 
Randleiste  eingerahmtes  Medaillon  von  4  cm  Tiefe  und  22V2  cm  Durchmesser  be- 
findet. Dieses  letztere  enthält  in  Hochrelief  das  Brustbild  eines  mit  der  Toga  beklei- 
deten jungen  Mannes  mit  gänzlich  zerstörtem  Gesicht.  Unmittelbar  darunter  ist  die 
nachstehende  sechszeilige  Inschrift  so  angebracht,  dass  die  Eingangsformel  D(i8) 
M(anibus)  fast  auf  gleicher  Linie  mit  dem  nach  unten  das  MedaiUon  abschliessenden 
Bogenrand  steht.    Die  Inschrift  selbst  lautet: 

D  M 

S  E  NVAT  I  0 

TERTIOBAS 

SIANIAFELI 

CYLACONIY 

GIKARISSIM 
Die  Inschrift  nimmt  bloss  einen  Kaum  von   25  cm  Höhe  ein,   so   dass   darunter   eine 
freie  Fläche  von  40  cm  bleibt.    Die  Buchstabenhöhe  beträgt  bei  der  Eingangsformel 
4  cm,   in   den    übrigen  Zeilen    bloss   3  cm.    Der  Abstand   der    einzelnen   Zeilen    be- 
trägt 1,8  cm. 

Die  Erhaltung  der  einzelnen  Zeilen  ist  eine  recht  gute  bis  auf  den  Schluss  der 
beiden  letzten  Zeilen,  wo  die  Buchstaben  IV  und  IM  durch  Reibung  des  Steines  zwar 
leicht  zerstört,  aber  noch  immer  zweifellos  erkennbar  sind. 

Das  Gentilicium  Senuatius  kommt  hier,  so  weit  ich  augenblicklich  die  ein- 
schlägige Litteratur  überschaue,  zum  ersten  Male  vor.  Es  deutet  auf  ein  Cognomen 
Senuatus  des  Vaters  hin,  aus  dem  der  Sohn  nach  dem  Prinzip  der  germanischen 
Nomenclatur  seinen  Personennamen  gebildet  hat.  Das  gleiche  ist  auch  von  dem 
Geschlechtsnamen  der  Frau  Bassiania  zu  bemerken.  —  Die  Casus-Endung  O  am 
Schluss  des  Wortes  Karissim,  welche  man,  weil  alle  Worte  der  Inschrift  voll  aus- 
geschrieben sind,  auch  hier  hinzugesetzt  erwarten  sollte,  hat  nie  auf  dem  Steine  ge- 
standen. Klein. 

7.  Münster  ei  fei.  Als  beim  Bau  eines  Weges  im  Flamersheimer  Walde  —  weit 
ab  von  den  heutigen  Ansiedelungen  —  ein  Hang  eingeschnitten  wurde,  stiessen  die 
Arbeiter  bei  1  m  Tiefe  auf  Thongefässe,  welche  von  schwarzer,  feiner  Erde  imigebcn 
waren  1).  Ein  Teil  der  Gefässe  war  offen  und  mit  der  schwarzen  Erde  gefüllt,  andere 
waren  mit  Platten  bedeckt  und  enthielten  etwas  dunkelgraue  „Erde".  Da  der  den 
ganzen  Fund  umgebende  natürliche  Boden  aus  verwitterndem  Gestein,  vermischt  mit 

1)  Ich  habe    die  Stelle    genau   auf  einem  Messtisch  blatte    vermerkt.     (Nr.  3155 
Altenahr.)  ' 


Miszellen. 


189^ 


Lehm,  bestand,  und  da  die  Arbeiter  kein  Verständnis  für  den  Fund  hatten,  so  g'ing 
der  grösste  Teil  der  Töpfe  in  Trümmer.  Herr  Forstassessor  Seiler,  welcher  den  Weg 
bauen  lässt,  brachte  die  ganz  gebliebenen  Geschirre  in  Sicherheit  —  bis  auf  eins, 
welches  von  einem  Arbeiter  verschleppt  und  noch  nicht  zurückgewonnen  ist  —  und 
zeigte  mir  die  Fundstelle.  Ich  sammelte  die  noch  an  derselben  vorhandenen  Scherben 
und  sorgte  für  deren  Bergung.  Aus  ihnen  lässt  sich  für  4  Geschirre  die  ursprüng- 
liche Form  erschliessen  und  feststellen,  dass  es  im  ganzen  10  Geschirre  gewesen  sind. 
Beistehende  Zeichnung,   welche   nach  Messungen  von    mir  entworfen  ist,  giebt 


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die  verschiedenen  Gefässe   im  richtigen   gegenseitigen  Verhältnis,   aber   in  zehnfach 
verkleinertem  Massstabe. 

I.  Zertrümmert,  von  gröberem,  graugelbem  Thon. 
U.  Zertrümmert,  von  gleichem  Stoff  wie  I. 
m.  Zertrümmert,  von  rötlichgelbem,  grobem  Thon. 

rV.  Ganz  erhalten,  von  gelblichem,   feinem  Thon,   an   der  Ausscnseite  stellen- 
weise glatt. 
V.  Ganz   erhalten,   abgesehen  von   einer   kleinen  Beschädigung   am   oberen 
Rande  und  einem  Barst,  von  gelblichem  Thon. 
VI.  Zertrümmert,  von  feinem,  gelblichgrauem  Thon.    Das  Gefäss  zeichnet  sich 
vor  allen  anderen  aus  durch  den  doppelten  Kranz  von  kurzen,  strichähn- 


190  Miszelleü. 

liehen  Vertiefungen  an  der  Aussenseite  und  eine  schwarze  matte  Färbung 
an  der  Innen-  und  Aussenfläche.    Ob  sie  graphitisch  ist,   wird   demnächst 
die  chemische  Untersuchung  ergeben. 
VIL  Unterer  Rest  eines  Topfes  aus  rötiichgelbem  Thon. 
Vnr.  Unterer  Rest  eines  Gefässes  aus  rötlichem  Thon. 
IX.  Unterer  Rest  eines  Topfes  aus  hellgrauem  Thon. 
Sobald  die  Witterung  die  Wiederaufnahme  der  Wegearbeiten  gestattet,  werde 
ich  die  Arbeiter  instruieren  und,  soweit  möglich,  acht  geben. 

Constantin  Schulteis. 

8.  Neuss.  Im  Jahrbuch  101  Seite  12  habe  ich  über  die  halben,  im  Altertum  geteilten 
Münzen  geschrieben,  welche  sich  unter  den  Fundstücken  des  Herrn  Sels  in  Neuss 
vorfanden.  Diejenigen  Leser  unserer  Jahrbücher,  welche  sich  für  die  Sache  inter- 
essieren, möchte  ich  auf  eine  Zusammenstellung  mehrerer  ähnlicher  Funde  hinweisen, 
welche  J.  Adrien  Blanchet  auf  S.  1  der  Pariser  Revue  numismatique  für  1897  ge- 
bracht hat.  Hier  wie  dort  handelt  es  sich  meist  um  Münzen  von  Nemausus  und 
Vienna.  Auch  die  Resultate  von  Blanchets  Forschungen  stimmen  im  grossen  und 
ganzen  mit  den  von  mir  an  besagter  Stelle  ausgesprochenen  Hypothesen  überein. 

F.  V  an  Vleuten. 

9.  Poulheim.  Laut  eines  gütigst  zur  Verfügung  gestellten  Berichtes  der  Eisen- 
bahn-Direktion Köln  an  die  Reichs-Limes-Kommission  wurden  im  Laufe  des  ver- 
gangenen Sommers  bei  Gelegenheit  des  Baues  der  Bahn  Köln-Grevenbroich  folgende 
Funde  gemacht: 

1.  Unweit  des  Ortes  Poulheim,  in  Station  103  +  75  der  Bahnlinie,  in  unmittel- 
barer Nähe  der  Provinzialstrasse  stiess  man  am  29.  April  auf  das  stark  vermoderte 
Skelett  eines  Menschen,  der  mit  dem  Gesicht  gegen  Osten  etwa  0,80  m  unter  der 
Terrainoberfläche  lag.  Bei  ihm  fanden  sich  zwei  flache  Schüsseln  von  220  mm  Durch- 
messer und  60  mm  Höhe,  bei  170  mm  Durchmesser  und  40  mm  Höhe;  zwei  ausge- 
bauchte, aussen  schwarze  Thonkrüge,  50  bez.  70mm  hoch;  eine  zweihenklige  Urne 
aus  weissem  Thon,  70mm  hoch;  vier  kleinere  ausgebauchte  Fläschchen,  70— 110mm 
hoch;  zwei  starke,  110mm  lange  Nägel,  von  denen  der  eine  zu  Häupten,  der  andere 
zu  Füssen  des  Skelettes  sich  vorfand,  so  dass  die  Leiche  demnach  wohl  in  einem 
Holzsarge  lag.  Die  Fundstücke  wurden  auf  das  Bürgermeisteramt  zu  Poulheim 
gebracht  ^). 

2.  Etwa  in  der  Mitte  zwischen  den  Orten  Stommeln  und  £ckum  bei  Rommers- 
kirchen  stiess  man  am  3.  August  in  Station  164  +  70  in  einer  Tiefe  von  1,5  m  unter 
dem  Gelände  auf  einen  Gefälle  zeigenden  Durchlass  mit  Plattenbelag,  dessen  Sohle 
und  Seitenwände  sich  in  fast  betonartigem  Zustande  befanden.  Der  im  Durchschnitt 
viereckige  Durchlass  hatte  unten  eine  Breite  von  40,  oben  von  35  cm,  eine  Höhe  von 
17  cm,  der  lichte  Innenraum  hatte  14  cm  im  Quadrat.  Die  Deckplatte  aus  Thon  war 
27  cm  lang,  28  breit,  4  dick.    Der  innere  Verputz  zeigte  hellrote  Farbe. 

3.  Etwa  10  m  weiter  bei  Station  164  +  80  fand  man  in  einer  Tiefe  von  1  m  unter 
dem  Gelände  verschiedene  menschliche  Knochen  und  zwei  sehr  gut  erhaltene  Gefässe 
mit  Henkel  von  130  mm  Höhe  und  80  mm  Breite,  welche  auf  dem  Dienstbureau  des 
Regierungs-Bauführer  Hunscheidt  deponiert  wurden. 

10.  Rhej'd  t.  1.  Einige  interessante  Funde  sind  in  den  letzten  Tagen  hierselbst  ge- 
macht worden.  Bei  den  Schachtarbeiten  für  den  Neubau  der  Luisenstrasse  stiess 
man  auf  römische  Ziegelsteine,  welche  sich  in  grossen  Mengen  etwa  einen  Meter 
unter  dem  jetzigen  Terrain  vorfanden.    Auch  fanden  sich  in  Vermengung  mit  diesen 


1)  Der  Fund  ist  kurz  erwähnt  bei  Giemen,  Kunstdenkmäler  IV,  S.  165. 


MlBzellen. 


Ticiu  Bi-ttchateino  ans  Liedberger  Sandstein  vor,  welelicr  v.in  den  Rümern  mit  Vor- 
liebe bei  den  FimdainentinRiiern  beDutzt  wurde.  Ein  weiterer  Fund  wurde  auf  der 
Baustelle  des  Diltlie.vsdien  Hauses  neben  der  Brauerei  von  Pungs  gemacht.  In  einer 
Tipfe  von  einem  halben  Meter  slie.ss  man  auf  eine  Wasserleitung  aus  irdenen  Rühren 
von  B  mm  Weite.  Dieselbe  lag  in  der  Richlung  von  Westen  nach  Osten.  Röhren 
von  derselben  Beschaffenheit  sind  auch  im  vergangenen  Jahre  in  Geneicken  in  der 
Sonnengasse  gefunden  worden;  es  ist  nicht  uiimfiglich,  dass  wir  en  mit  einer  fHiheren 
Wasserleitung  aus  dem  Rheydter  Bach  nach  dem  Schloss  Rheydt  zu  ihun  haben, 
deren  Vorhandensein  im  Volksmundo  stets  b«:hauptet  wird.  Dicht  neben  der  Wasser- 
leitung  fand  sich  eine  irdene  Schale  mit  tadellos  erhaltener  Glasur  mit  der  Jahres- 
zahl ISeO.  Die  Fuadd  werden  dem  städtischen  Museum  einverleibt  werden  (18.  Mai  1897). 

2.  In  der  LuisenetraBse  cind  neuerdings  wiederum  einige  interessante  Funde 
gemacht  worden.  In  einer  Tiefe  von  ungefHhr  1  m  fand  man  den  Teil  eines  noch 
gut  erhalteneu  Pluttenfussbndens,  dessen  Platten  aus  Ziegelcrde  gebrannt  sind  und 
Stempel  tragen.  Die  Grösse  der  Platten  war  ganz  verschieden,  jedoch  waren  die- 
selben HO  dicht  Hchliessend  an  einander  gepassl,  dass  die  Fugen  kaum  sichtbar  waren. 
Als  Unterlag«  diente  eine  Schicht  Ziegelm«hl.  Wührend  die  früher  gefundenen 
Platten  denselben  Stempel  trugen,  welclier  auf  den  in  Mülfnrt  gefundenen  römischen 
Ziegeln  eingebrannt  war,  so  Knden  wir  hier  einen  ganz  anderen  Stempel,  welcher  in 
seiner  Form  an  das  Rheydter  Schüffenkreuis  erinnert.  Die  Platten  tragen  vielfach 
Eindrücke  von  Tieren,  welche  vor  dem  Brennen  über  dieselben  gelaufen  sind.  In 
der  auf  dem  erwähnten  Fitssboden  lagei-uden  Schuitschicht  wurde  ein  Amulott  in 
Medaillonform  gefunden  ■)  (U.  Juni  1897). 

3.  Am  20.  Septei^'ier  1897  wurden  von  Mitgliedern  des  Vereine  für  Heimat- 
kunde XU  Rheydt  auf  einem  von  denselben  vor  kurzem  entdeckten  Orfiberfelde 
zwischen  Birgelen  und  Esselen  11  Hügel  geöffnet,  in  welchen  man  10  Urnen  vorfand. 

Das  Urnenfeld  liegt  an  der  von  Dalheim  nach  EfTeld-Linne  führenden  unbe- 
festigten Römerslrasse  und  ist  es  anzunehmen,  dass  letztere'  identisch  ist  mit  dem 
rümischen  Straesenzuge  No vesia-Mül fort- Wegberg- Li nne.  Die  Strasse  hat  noch  heute 
eine  Breite  von  ca.  12  Metern  und  führt  schnurgrade  ohne  Berücksichtigung  der 
T«rraiit Verhältnisse  von  Dalheim  nach  Effeld.  Als  weiteres  Charakteristikum  wird 
hervorgehoben,  dass  das  Gräberfeld  in  nächster  Nuhe  der  Landwehr  (heute  nieder- 
ländische Landesgrenze)  liegt.  Die  Abmessungen  des  Urneiiteldes  scheinen  sich 
zwischen  400  Meier  Länge  und  300  Meter  Breite  zu  bewegen.  Bei  der  sandigen  Boden- 
bcAchafTenheit  Ist  es  naiürUch,  dass  die  ehemals  runde  Form  der  Hügel  sirbon  viel- 
fach verwischt  war  und  es  infolgedessen  nicht  leicht  wurde  die  Mitte  derselben  zu 
bestimmen.  Em  massten  deshalb  umfangreichf  Abhebungen  der  Hügel  vorgenommen 
werden.  Lber  einzelnen  Urnen  fehlte  die  Holzkohlen  schiebt  (Aschen  sc  hiebt)  vollstsn- 
dig,  welche  über  den  im  Uoardter  Walde  ausgegrabenen  Urnen  stets  vorhanden  war. 
Die  Form  der  Urnen  war  im  allgemeinen  dieselbe  wie  die  der  Haardter  Urnen  und 
enUpricht  derjenigen  der  in  Koenens  .GefSeskunde"  dargestellten  germanischen  Urnen. 

Am  24.  Sept.  wurde  eine  zweite  Grabung  vorgenommen.  Es  wurden  weitere 
9  Urnen  gehoben.  Als  Beigabe  ku  einer  Urne  fand  sich  ein  Stück  zersetzter  Bronze 
vor,  zwei  Ösen  am  Rande  aufweisend,  wohl  der  Rest  einer  Spange.  Eh  fanden  sich 
ferner  in  einem  Hügel  über  der  Urne  die  Scberben  einer  starkwandigen  Schale  aus 
rotem  Thon,  deren  Rückseite  tief  eingegrabene  Verzierungen  in  Form  von  Wellen- 
linien trSgt. 

Bemerkenswert  ist  es  noch,  dass,  während  der  Inhalt  einiger  Urnen  als  Bei- 
inischong  zu  den  Knochen  Überresten  lehmigen  Sand  aufweist,  andere  Urnen  mit 
InunoBor  Erde  gefUIlt  waren,  welche  einem  damaligen  Kulturboden  entstammen  muss. 

1)  Von  den  in  der  Luisenstrasse  gefundenen  2  Terra  sigiUata-Frngmenteu  seigt 
das  eine  einen  TÖpferslempel,  das  andere  ein  Viergespann. 


192  Miszeüen. 

11.  Weissenthiirm.  Prähistorische  und  römische  Funde.  Die  nächste  Um- 
gebung der  wegen  ihrer  Lage  auf  dem  hohen  Rheinufer  weithin  sichtbaren  Kapelle 
„Am  guten  Mann**,  welche  seit  längerer  Zeit  als  eine  Fundgrube  von  Altertümern 
bekannt  ist,  hat  auch  in  dem  vergangenen  Spätsomfner  wiederum  einige  interessante 
Funde  geliefert. 

Bei  dem  Abdecken  des  Ackerbodens  behufs  Gewinnung  des  Bimssteinmaterials 
für  die  Fabrikation  von  Schwemmsteinen  kamen  zunächst  in  einer  Tiefe  von  1  m 
bis  1,50  m  unter  der  Oberfläche  mehrere  sog.  Margellen  zum  Vorschein,  wie  sie  auch 
schon  früher  daselbst  aufgedeckt  worden  sind.  Die  in  meiner  Gegenwart  geöffneten 
Gruben  enthielten  eine  schwarze  fettige  mit  Brandresten  durchsetzte  Erdmasse.  In 
derselben  lagen  nur  Scherben  von  ziemlich  roh  gearbeiteten  Gefässen  aus  dunkel- 
braunem Thon,  deren  einige  eine  beträchtliche  Grösse  gehabt  haben  müssen.  Ein- 
zelne zeigten  senkrecht  hinablaufende  Rippen,  andere  Tupfen  als  Ornamente.  In  der 
Nähe  einer  der  Gruben  wurden  auch  verbrannte  Lehmstücke  mit  Abdrücken  des 
lehmbeworfenen  Flechtwerkes  der  Wände  ausgegraben,  welche  die  Bestimmung  der 
Gruben  erkennen  lassen.  Ausserdem  fanden  sich  einige  gespaltene  Tierknochen, 
aber  keinerlei  Geräte  aus  Stein  oder  Knochen.  Und  doch  sind  nach  dem  Zeugnis 
von  Koenen  (Gefässkunde  S.  33),  der  vor  mehreren  Jahren  einige  Gruben  daselbst 
untersucht  hat,  deren  zu  Tage  gefördert  worden.  Denn  er  erwähnt  a.  a.  O.  neben 
Thonscherben  kleine  Messerchen  und  Glätter  aus  Bein,  Tierknochen  und  geglättete 
Steinbeile  als  Inhalt  der  von  ihm  geöfibeten  Gruben. 

Ausser  diesen  Überresten  aus  vorgeschichtlicher  Zeit  birgt  dasselbe  Terrain 
auch  die  Hinterlassenschaft  der  späteren  Bewohner  der  römischen  Periode,  von  deren 
Thätigkeit  die  auf  der  Oberfläche  zerstreut  umher  liegenden  Ziegelbrocken,  Mauer- 
bewurfstücke und  Gefässscherben  aller  Art  Zeugnis  ablegen.  Letzten  Herbst^ührten 
noch  wieder  die  Abraumarbeiten  zur  Entdeckung  von  Fundamentresten  von  Gebäuden, 
in  denen  einige  bemerkenswerte  Altertümer  aufgefunden  wurden.  Ausser  einer  be- 
trächtlichen Anzahl  von  ganzen  und  zerschlagenen  Thongeschirren  gewöhnlicher  Art 
verdient  zuvörderst  Erwähnung  ein  fragmentierter  Teller  aus  hellbrauner  Terra  sigillata 
mit  schräger  reich  profilierter  Wandung  ähnlich  wie  Koenen,  Gefässkunde  Taf.  XIV,  3, 
weil  er  noch  der  ersten  Kaiserzeit  angehört.  Im  Innern  des  Bodens  ist  der  Rest  eines 
Stempels  innerhalb  eines  grossen  Kreises  erhalten  ;LLIM)  welcher  entweder  Jujllin 
oder  Marcejllin  ergänzt  werden  kann.  Beides  sind  Fabrikantennamen,  welche  auf 
Sigillata-Erzeugnissen  der  Entstehungszeit  des  Tellers  vorkommen.  Unter  dem  Boden 
ist,  der  Rundung  desselben  folgend,  dasGraffito  J/AMYLI  =  Cin]namuli?  eingekratzt 
Ferner  erschien  die  Hälfte  eines  der  Länge  nach  gespaltenen  Amphorenhenkels  aus 
gelblichem  Thon,  auf  dessen  Rücken  in  erhabener  Schrift  der  Fabrikstempel 
CIVLREBVR  eingedrückt  ist. 

Dass  der  Luxus  den  Bewohnern  jener  Häuser  nicht  ganz  unbekannt  gewesen 
ist,  das  beweisen  die  aufgefundenen  Bronzegegenstände.  Zunächst  ein  offenes,  an 
dem  einen  Ende  beschädigtes  Armband  von  5  cm  Durchmesser.  Dasselbe  ist  aus 
einem  dünnen  bandartigen  Bronze-Blechstreifen  gemacht,  der  von  der  1  cm  breiten  Mitte 
allmählich  unmerklich  schmäler  wird.  Eingeschlagene  Punktlinien  bilden  die  Rand- 
verzierung, dazwischen  nehmen  das  Hauptfeld  des  Armbandes  fünf  eingestanzte 
Vogelfiguren  (Täubchen?)  ein,  von  denen  die  beiden  äusseren  und  die  mittlere  von 
rechteckigen,  die  zwei  übrigen  von  rautenförmigen  Einfassungen  eingeschlossen 
sind.  Zu  diesem  hübschen  Schmuckstück  kommen  drei  Gewandnadeln  aus  Bronze. 
Die  erste,  deren  Nadel  fehlt,  ist  eine  5  cm  lange  Scharnierfibula  mit  Kopfplatte.  Der 
nach  unten  sich  verjüngende,  gestreckte  Bügel  ist  durch  drei  halbkreisförmige  Wulste 
profiliert,  zwischen  denen  zwei  rechteckige  Platten  sitzen.  Auf  diesen  sind  je  zwei 
durch  einen  Steg  getrennte  kreisrunde  Grübchen  eingedreht,  welche  ursprünglich 
mit  Email  ausgefüllt  waren.  Der  Fuss  läuft  in  einen  Knopf  aus.  Etwas  besser  er- 
halten ist  eine  zweite  4V2  cm  lange  Gewandnadel  in  Gestalt  eines  nach  rechts  laufen- 


Miszellen.  193 

den  Leoparden,  dessen  Augen  und  Flanke  eine  weisse  zum  Teil  ausgebrochene 
Emailfüllung  trugen.  In  derselben  befindet  sich  an  Stelle  der  Hüfte  ein  kleines  eben- 
falls mit  weisser  Emailmasse  belegtes  Rundscheibchen.  Verschiedene  Anzeichen 
weisen  darauf  hin,  dass  das  Weisse  bloss  die  Unterlage  für  andersfarbige  Einlagen 
gebildet  hat.  Die  Nadel,  von  der  ein  kleines  Stück  noch  vorhanden  ist,  geht  im 
Scharnier  und  befindet  sich  in  der  Nähe  des  Schwanzes.  Endlich  eine  dritte  zierlich 
gearbeitete  Emailschamierfibula  von  5,3  cm  Länge.  Ihr  Grundriss  stellt  eine  leicht 
verschobene  Rautenform  in  durchbrochener  Arbeit  dar.  Diese  setzt  sich  zusammen 
aus  einem  länglichen,  oben  und  unten  bogenförmigen  Hauptstücke  mit  kreisrunden 
an  dem  Scheitelpunkt  der  Bogen  angesetzten  Scheibchen.  Die  Langseiten  des  Haupt- 
stücks bilden  einen  kräftigen,  4  mm  breiten  Steg,  welcher  an  dem  Rande  mit  einer 
kordierten  Einfassung,  in  der  Mitte  mit  einer  erhabenen  Wellenlinie  verziert  ist.  Er 
trennt  die  beiden  Seitenteile  in  Form  eines  spitzwinkeligen  Dreiecks,  dessen  Ecken 
ebenfalls  kreisrunde  Vorsprünge  aufweisen.  Diese  tragen  tiefblaue  Emaileinlagen, 
während  die  beiden  etwas  kleiner  gebildeten  Scheibchen  de^  Hauptstückes  ohne 
Schmelz  sind,  dafür  aber  eingedrehte  Kreisornamente  haben.  Die  Mitte  des  ge- 
schmackvoll angeordneten  Ganzen  nimmt  ein  kleines  quadratisches  Feld  ein,  in 
welchem  weisses  Email  mit  sechszehn  in  Reihen  zu  je  vier  gruppierten  dunkelbraunen 
Kügelchen  eingelassen  ist,  von  denen  vier  leider  zerstört  sind.  Alle  drei  Nadeln 
mögen  wegen  ihrer  Arbeit  und  Form  dem  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  angehören.  Über 
einen  Fund  von  Töpferöfen,  welcher  auf  demselben  Grundstück  gemacht  worden  ist, 
gedenke  ich  im  nächsten  Heft  dieser  Jahrbücher  zu  berichten. 

Klein. 

12.  Zülpich.  Fränkische  Funde.  Vor  einigen  Wochen  wurden  zu  Zülpich  in 
der  Nähe  der  ehemaligen  von  Zülpich  nach  Köln  führenden  Römerstrasse,  der  jetzigen 
Köln-Luxemburger  Bezirksstrasse,  beim  Lehmstechen  auf  der  Ziegelei  der  Geschwister 
Bank  in  einer  Tiefe  von  ca.  1  m  ein  interessanter  Fund  fränkischer  Waffen  gemacht, 
welchen  für  das  hiesige  Provinzialmuseum  zu  erwerben  gelungen  ist.  Dieselben  ent- 
stammen dort  angelegten  Gräbern.  Leider  haben  die  Arbeiter  den  Inhalt  der  ein- 
zelnen Gräber  nicht  streng  auseinander  gehalten,  so  dass  wir  nicht  mehr  imstande 
sind  festzustellen,  was  in  jedem  Grabe  zusammen  gefunden  worden  ist.  Jedenfalls 
haben  wir  es  mit  dem  Inventar  mehrerer  Gräber  zu  thun.  Auch  scheint  man  bei  der 
Sammlung  der  Fundstücke  nicht  mit  gehöriger  Sorgfalt  verfahren  zu  haben,  denn 
es  fehlen  unter  ihnen  Thongeschirre,  die  wahrscheinlich  wegen  ihres  defekten  Zu- 
Standes einfach  unbeachtet  geblieben  sind.  Noch  auffallender  ist,  dass,  da  es  sich 
offenbar  nur  um  Männergräber  handelt^  kein  einziges  der  leichten  Wurfbeile,  welche 
doch  sonst  in  einem  fränkischen  Männergrabe  nicht  leicht  fehlen,  gefunden  sein  soll; 
auffallend  auch,  dass  unter  den  Fundstücken  uns  kein  Kurzschwert  begegnet.  Unter 
den  erhaltenen  Stücken  sind  zunächst  zu  nennen  die  wohlerhaltenen  Klingen  von 
zwei  zweischneidigen  Langschwertern  von  je  75  cm  Länge.  Die  Breite  der  Klingen 
beträgt  bei  der  einen  Klinge  am  Griff  5^/2,  oben  4V2  cm,  bei  der  zweiten  am  Griff 
67s  c™  ^^^  oben  5^/2  cm.  Beide  Klingen  sind  ziemlich  flach.  Die  ebenfalls  erhal- 
tenen Hilzen  bei  der  ersten  9V2)  bei  der  zweiten  11  cm  lang.  Bei  dieser  letzteren 
ist  auch  das  Mundstück  der  jetzt  fehlenden  Scheide  erhalten  bestehend  aus  einem 
1,8  cm  breiten  Bande  von  Bronzeblech,  dessen  Vorderseite  eine  hübsch  cordierte 
Randeinfassung  zeigt.  Die  mitgefundenen  nicht  besonders  gut  erhaltenen  Schild- 
buckel  haben  die  am  Rhein  vorherrschende  Form  eines  Kugelsegmentes  mit  ziemlich 
schmalem  Befestigungsrand,  dessen  flache  Nagelköpfe  ebenso  wie  der  Knopf  auf  der 
Backelfipitze  mit  Silberblech  beschlagen  sind.  Denselben  Metallschmuck  tragen  auch 
die  breiten  Nagelköpfe  der  beiden  eisernen  Schildgriffe.  Von  den  Schilden  selbst 
ist  natürSbh  keine  Spur  mehr  aufgefunden  worden,  wofern  nicht  einige  längliche 
BeBchlagstücke  von  versilbertem  Bronzeblech,  für  die  sich  eine  anderweitige  passende 
Jalurb.  d.  Ver.  t.  Alterthsflr.  im  Rheinl.  10s.  13 


194  Miszellen. 

Verwendung  nicht  wohl  ausfindig  machen  lägst»  von  ihrer  Ausschmückung  her- 
rühren, da  wir  wissen,  dass  die  Schilde  mit  kleinen  über  die  Schildwand  verteilten 
Zierplatten  besetzt  zu  werden  pflegten.  Von  den  gefundenen  drei  Lanzenspitzen, 
welche  verschiedene  Formen  vertreten,  hat  die  kleinste  eine  kurze  blattförmige  Spitze 
und  eine  geschlitzte  beinahe  ebenso  lange  Tülle,  die  mittlere  ein  rautenförmiges 
Blatt,  in  das  sich  die  ebenfalls  geschlitzte  Tülle  als  schwach  hervortretende  Mittel- 
rippe fortsetzt  und  endlich  die  dritte  ist  schmal  und  scharfkantig.  Sie  zeichnet  sich 
ausser  ihrer  Lftnge  von  42  cm  durch  zwei  nicht  gerade  häufige  Besonderheiten  aus, 
einmal  durch  die  parallel  mit  der  stark  hervortretenden  Mittelrippe  auf  dem  Blatt 
einherlaufende  Blutrinne  und  dann  durch  die  beiden  schmalen  aus  der  Tülle  sich 
entwickelnden  Beschlagzungen,  durch  die  eine  stärkere  Verbindung  zwischen  Schaft 
und  Tülle  herbeigeführt  werden  soll.  Die  interessantesten  Stücke  jedoch,  welche  die 
Zülpicher  Gräber  geliefert  haben,  sind  zwei  gut  erhaltene  Hakenlanzen  (Angones), 
von  denen  die  grössere  1,5  m,  die  kleinere  90  cm  lang  ist,  von  denen  5  cm  auf  die 
vierkantige  Spitze  kommen.  Bei  beiden  findet  sich  die  scharf  ausgeprägte  Scheidung 
der  beiden  Bestandteile  der  Waffe,  der  Spitze  und  des  Speereisens,  auf  die  bereits 
Lindenschmit  (Alterth.  uns.  heidn.  Vorzeit  III,  9,  5)  als  eine  selten  vorkonmuende 
Eigentümlichkeit  hingewiesen  hat,  wenn  auch  bei  dem  einen  Exemplar  stärker  in  die 
Augen  springend  als  bei  dem  anderen.  Beide  zeigen  auch  die  bei  den  früher  ge- 
fundenen Exemplaren  beobachtete,  an  der  einen  Seite  offene  Tülle  sowie  die  zwei 
von  ihr  und  an  dem  Schaft  entlang  abwärts  laufenden  schmalen  Beschlagzungen  und 
die  Querrippen  auf  ihnen,  dazu  bestimmt,  den  die  Befestigung  der  Tülle  an  den 
Schaft  bewirkenden  Kingbändem  genügenden  Halt  zu  verleihen.  Die  verhältnis- 
mässig geringe  Länge  der  Beschlagzungen,  die  auch  bei  den  beiden  Zülpicher  Exem- 
plaren aufiUUt,  lässt  den  von  Oberstlieutenant  Dahm  erhobenen  Zweifel  an  der  Rich- 
tigkeit der  von  Agathias  2,  5  in  der  Beschreibung  des  Angon  gemachten  Bemerkung, 
wonach  vom  Schafte  nur  ganz  wenig  und  kaum  der  ganze  Schuh  sichtbar  gewesen 
sei,  vollends  gerechtfertigt  erscheinen.  Der  Um.stand,  dass  die  Funde  dieser  offenbar 
dem  römischen  Pilum  nachgebildeten  Wurfspiesse  sich  hauptsächlich  auf  Süddeutsch- 
land  und  den  austrasischen  Teil  des  alten  Frankenreiches  verteilen,  dagegen  aus 
niederrhe.inischen  Frankengräbern  meines  Wissens  bis  jetzt  kein  Stück  sicher  nach- 
gewiesen ist,  verleiht  dem  Zülpicher  Funde  zugleich  eine  erhöhte  Bedeutung. 

Klein. 

13.  AchtunddreissigstePlenarsitzung  der  historischenKommission 
bei  der  kgl.  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  am  11.  und  12. 
Juni  1897.  Seit  der  letzten  Plenarsitzung  im  Mai  1896  sind  folgende  Publikationen 
durch  die  Kommission  erfolgt: 

1.  Allgemeine   deutsche   Biographie.    Band  XLI,   Lieferung  2—5.    Band  XLII 
Lieferung  1—3. 

2.  Chroniken   der   deutschen   Städte.    Band  XXV,    Band  V   der   schwäbischen 
Städte:    Augsburg. 

3.  Die   Recesse   und    andere  Akten    der   Hansetage    1256—1430.     Band    VIII. 
(Schlussband). 

Die  Hanserecesse  sind  damit  von  Dr.  Koppmann,  den  nach  Junghans' 
frühem  Tod  noch  Lappenberg  im  Jahre  1865  zum  Herausgeber  bestimmt  hatte,  zum 
glücklichen  Ende  gebracht  worden. 

Auch  die  Chroniken  der  deutschen  Städte,  unter  der  Leitung  des  Ge- 
heimen Rats  von  Hegel,  nähern  sich  dem  Abschluss.  Als  26.  Band  soll  ein  zweiter 
Band  der  Magdeburger  Chroniken  erscheinen.  Der  erste  Band,  Band  7  der  ganzen 
Reihe,  hatte  die  Magdeburger  Schöffenchronik,  bearbeitet  von  Janicke,  gebracht. 
Für  den  zweiten  Band  ist  die  hochdeutsche  Fortsetzung  dieser  Chronik  bis  1566  und 
die  Chronik  des  Georg  Butz  1467—1551  bestimmt.    Als  vorläufiger  Schluss  des  ganzen 


Miszellei 


1  zweiter  Bnnd  der  Lübecker  CliroDiken  in 
ann,   sobald  er  die  nötige  Müsse  gewinnt, 


UntemehmenH,  Dämlich  als  Band  27,  ist  e 
Aussicht  gciiomnien,  welchen  Dr.  Kopp) 
bearbeiten  will. 

Von  deu  Jahrbüchern  des  deutschen  Reiche  unter  Friedrich  IL  wird 
in  der  aÜernHchslen  Zeit  der  zweite  Band  verüffentlicht  werden,  der  die  Jahre  1228 
—1233,  im  Manuskript   vom  Geheimen  Hofirat  Winkelmann    hinterlassen,   amfasst. 

Für  die  Jahrbücher  des  Reichs  unter  Otto  11.  und  Otto  III.  ist  Dr. 
Uhlirz  mit  der  Bearbeitung  des  geBammelten  StolTe,  für  die  Zeit  Friedrichs  I. 
Dr,  Simonsfeld  noch  mit  der  Sammlung  des  Stoffes  beschäftigt,  Professor  Meyer 
vonKuonau  arbeitet  unausgesetzt  am  dritten  Band  der  Jahrbücher  des  Reichs 
rniter  Heinrich  TV.  und  Heinrich  V. 

Betreffend  die  Geschichte  der  Wissenschaften  in  Deutschland  ist 
ins  für  dieses  Jahr  erhoifte  Erscheinen  der  Geschichte  der  Geologie  und  Paläonto- 
logie von  dem  Geheimen  Rat  von  Zittel  auf  das  nächste  Jahr  verschoben  worden, 
«eil  die  Schwierigkeit  der  Bewältigung  der  für  die  Geschichte  des  19.  Jahrhunderts 
vorliegenden  Littcratur  sich  als  allzu  gross  erwies. 

Die  Allgemeine  deutsche  Biographie,  unter  der  Leitung  dos  Freiherm 
TOB  LilioncroD  und  des  Geheimen  Rats  Wegele,  ist  in  diesem  Jahr  In  ausser- 
nrdentlicher  Weise  in  ihrem  Fortgang  aufgehalten  worden,  zuerst  durch  den  Tod 
vnn  Sjbels,  der  den  Artikel  „Kaiser  Wilhelm  I."  übernommen  hatte,  dann  durch 
den  Eintritt  des  neuen  Autors,  Professors  Erich  Marcks  in  Leipzig,  zuletzt  durch 
dss  Znsammeut reffen  der  Ausarbeitung  dieses  Artikels  mit  der  Centenarfeler  und  der 
rtwcb  dieselbe  hervorgerufenen  zahlreichen  Litteratur. 

Die  Reichstftgsakten  der  «Itereu  Serie  stehen  am  10,  und  11.  Band. 
Es  hat  sich  die  Zweckmässigkeit  einer  Teilung  der  Kaiserzeit  Sigmunds  (Mitte  1433 
bis  Ende  1437)  in  zwei  Bände  herausgestellt.  Der  11.  Band  soll  bis  zur  Mitte  des 
Jahres  I43&  reichen.  Die  Drucklegung  isl  von  Dr.  Beckmann  bis  zum  43.  Bogen 
geführt  worden.  Das  Erscheinen  des  Bandes  kann  für  deu  Herbst  dieses  Jahres  in 
Aussicht  gestellt  werden.  Der  Druck  des  13.  Bandes  soll  dann  sofort  sich  ansch Hessen , 

Für  die  Reichatagsak  tcn  der  Keformationszeit  sind  die  Arbeiten  wie 
bisher  von  Dr.  Wrede  mit  Üntcrstütiung  von  Dr.  Bernays  fortgeführt  worden. 
Das  Material  für  den  dritten  Band  ist  vervollständigt  worden. 

Die  ältere  bayerische  Abteilung  der  Wi  tt  elabach  er  Korrespon- 
denzen untej'  Leitung  des  Professors  Lossen  wird  demnächst  zum  Abschluss 
knmmen.  Von  den  durch  Dr.  Goelz  bearbeiteten  „Beiträgen  zur  Geschichte 
Herzog  AIhrechts  V,  und  des  Landsberger  Bundes"  sind  48  Bogen  gedruckt, 
die  bis  zum  Ende  des  Jahres  1570  reichen.    Nur  noch  10  bis  12  Bogen  sind  zu  drucken. 

Die  Jiltere  Pfälzische  Abteilung  der  Witielsbach  er  Korrespon- 
denzen konnte  auch  in  diesem  Jahre  keinen  Fortgang  gewinnen,  da  der  Heraus- 
geber, Professor  von  Bexold,  von  der  Vollendung  der  Briefe  des  Pfalzgrafen 
Johann  Casimir  neuerdings  durch  seine  Berufung  an  die  ÜniversitSt  Bonn  abgehalten 
wurde.  Derselbe  hofft  nun,  in  deu  nächsten  Ferieu  die  bisher  aufgeschobene  For- 
schungsreise nach  Kopenhagen  ausführen  zu  kbnnen. 

Die  Arbeiten  der  jüngeren  Bayerischen  und  Pfälzischen  Abteilung 
der  Wit teisbacher  Korrespondenzen  unter  Leitung  des  Professors  Stieve 
waren  in  gleicher  Weise  wie  früher  in  erl'reulicher  Entwicklung  begriffen.  Nur  war 
Professor  Slieve  selber,  durch  die  nämlichen  Gründe  wie  im  vorhergehenden  Jahr, 
an  der  gewohnten  Mitarbeit  gehindert;  er  wird  voraussichthch  erst  im  Frühling  1898 
ui  die  Herausgabe  des  7.  Bands  der  Briefe  und  Akten  gehen  können. 


Jahresbericht  des  Vereins  von  Altertumsfreunden  im  Rheinlande  zu  Bonn 

für  das  Jahr  1896/97. 


Die  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereins  hat  sich  im  Laufe  des  letzten  Ge- 
schäftsjahres, wie  sich  ans  dem  am  1.  Jnli  1897  anfgestellten,  im  Jahrbnche 
101  znm  Abdmcke  gebrachten  Mitglieder- Verzeichnisse  ergiebt,  nicht  wesent- 
lich verändert. 

Von  Publikationen  wurden  in  dem  gleichen  Zeiträume  ausgegeben :  Jahr- 
buch 100  mit  5  Tafeln  und  75  Textfiguren,  welches  zum  erstenmale  die  von 
Herrn  Provinzialconservator  Dr.  Giemen  zusammengestellten  ^Berichte  über  die 
Thätigkeit  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege  in  der  Rhein- 
provinz;  der  Provinzialmuseen  zu  Bonn  und  Trier,  der  rheinischen  Kunst-  nnd 
Geschichtsvereine  und  über  die  Vermehrung  der  städtischen  und  Vereins- 
sammlungen innerhalb  der  Rheinprovinz^  brachte,  und  Jahrbuch  101  mit 
7  Tafeln  und  30  Textfiguren.  Jahrbuch  102  wurde  vorbereitet  und  soll  An- 
fang 1898  zur  Ausgabe  gelangen. 

Die  Bibliothek  hat  besonders  durch  ihren  ausgedehnten  Tauschverkehr 
mit  andern  gelehrten  Gesellschaften  einen  gleichen  Zuwachs  wie  im  Vorjahre, 
d.  h.  von  etwa  200  Bänden,  zu  verzeichnen. 

Am  9.  Dezember  1896  beging  der  Verein  in  üblicher  Weise  im  Hotel 
Kley  zu  Bonn  das  Winckelmannsfest.  Den  Festvortrag  hielt  Provinzialconser- 
vator Dr.  Giemen  über  die  ältesten  Altertümersammlungen  in  den  Rheinlanden 
in  Blankenheim  und  Kleve.  Dann  erläuterte  Professor  Loeschcke  eine  Anzahl 
neuer  Erwerbungen  des  akademischen  Kunstmuseums,  unter  denen  eine  Mnmien- 
maske  aus  Ägypten  und  einige  attische  Thonfigürchen  hervorgehoben  wurden. 
Einige  neue  Fundstücke  aus  dem  Provinzialmuseum  waren  ausgestellt.  Ein 
gemeinsames  Abendessen  bildete  den  Schluss  der  Festversammlung. 

Vortrags- Abende  fanden  in  dem  gleichen  Winter  zweimal  statt,  an  denen 
folgende  Vorträge  und  Mitteilungen  zu  verzeichnen  sind: 

I.  am  28.  Januar  1897: 
Sonnenburg,  Die  domus  Vettiorum  in  Pompeji. 
Schnitze,  Bonner  Funde  des  letzten  Jahres. 
Bücheier,  Metrische  Grabinschrift  aus  St.  Ursula  in  Köln. 

IL  am  4.  März  1897: 
Strack,  Ein  Edikt  Ptolemaios'  II. 
Schorn,  Nicolaus  Cusanus. 
Koerte,  Spätrömische  Stadt-Befestigungen  in  Kleinasien. 

Am  4.  November  1897,  Abends  7  Uhr  wurde  die  General- Versammlung 
im  Provinzialmuseum  in  Bonn  abgehalten.     Zunächst  berichtete  der  Vorsitzende 


Jahresbericht  des  Vereins  von  Altertumsfr.  im  Rheinl.  zu  Bonn  für  1896/97.    197 

Herr  Geheimrat  Bücheier,  über  den  Stand  der  Vereins-Angelcgenheiten.    Die 
Vereins-Rechnung  war  von  dem  Bankhans  Goldschmidt  &  Cie.  geführt  worden 
mid  lag  der  Versammlnng  zur  Kenntnisnahme   vor.     Die  Einnahmen   betragen 
im  ganzen  6086  Mk.  80  Pf.,   sie   setzten   sich   ausser   ans   den  Beiträgen  der 
Mitglieder  zusammen  ans  einem  gütigst  bewilligten  ausserordentlichen  Znschnss 
der  Provinzial- Verwaltung  der  Rheinprovinz  von  800  Mk.   und   dem  Erlös  für 
verkaufte  Hefte  der  Jahrbücher   im  Betrag   von   381  Mk.     Die  Ausgaben  be- 
trugen 5458  Mk.  38  Pf.,  davon  kommen  2620  Mk.  57  Pf.  auf  den  Druck  der 
Jahrbücher,   Einladungskarten  u.  s.  f. ;   907  Mk.  70  Pf.   auf  Honorar   für  Bei- 
träge für  die  Jahrbücher;    719  Mk.  92  Pf.   auf  Zeichnungen   und  Clichds.  — 
Der  verbleibende  Rest  beti-ug  am  31.  Dezember  1896:  618  Mk.  42  Pf.  — Die 
Rechnung   war   von    den   Herren   Rentner  Henry    und   Oberetlieutenant  Heyn 
geprüft  und  rechnerisch   richtig  befunden  worden.     Die  Versammlung  erteilte 
der  Rendantur  Entlastung,  dankte  den  Herren  Revisoren  für  ihre  Mühewaltung 
und  ersuchte  sie,  auch  im  kommenden  Jahre   sich  der  Arbeit  der  Rechnungs- 
revision gütigst   unterziehen   zu   wollen.  —  Auf  Antrag   des  Herrn  Geheimrat 
Loersch  wurde  hierauf  der  bisherige  Vorstand  durch  Zuruf  wiedergewählt. 

Nach  Abschluss  der  Vereinsgeschäfte   fanden  Vorträge   statt   und    zwar 
besprachen : 
vanVlenten,  Römische  Falschmünzen  und  Fälschungen  römischer  Münzen. 
Loeschcke,  Die  neuesten  Forschungen  am  Limes. 


Berichte  über  die  Thätigkeit 

der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege  in  der 

Bheinprovinz, 

der  Provinzialmuseen  zu  Bonn  und  Trier, 

der  rheinischen  Altertums-  imd  Geschichtsvereine 

und 

Über  die  Vermehrimg  der  städtischen  imd  Vereins- 
sammlimgen  innerhalb  der  Bheinprovinz  1807. 


Vorbemerkung. 

Zum  zweiten  Male  erscheinen  hier,  in  dieser  Form  zusammengestellt,  die 
Berichte  über  die  gesamten  Bestrebungen  auf  dem  Gebiete  der  Denkmalpflege 
und  der  Erforschung  der  heimischen  Altertümer  innerhalb  der  Rheinprovinz. 
Das  Verwaltungsjahr,  über  das  die  Berichte  Aufschluss  geben,  läuft  vom 
1.  April  1896  bis  31.  März  1897.  Die  Referate  über  die  einzelnen  Restan- 
rationsarbeiten  sind  wie  bisher  von  den  Mitgliedern  der  Provinzialkommission, 
den  Leitern  der  Wiederheratellungsarbeiten  und  dem  Provinzialkonservator  auf 
Grund  des  amtlichen  Materials  verfasst  worden.  Nur  die  im  Berichtsjahre  ab- 
geschlossenen grösseren  Bauausführungen  sind  zur  Darstellung  gekommen;  über 
die  noch  im  Gange  befindlichen  Restaurationen  zu  Hochelten,  Mayen,  Nideggen, 
Oberwesel  und  Trier  soll  nach  ihrer  Vollendung  berichtet  werden.  Die  Re- 
ferate über  die  Thätigkeit  der  beiden  Provinzialmuseen  enthalten  die  offiziellen, 
an  den  Herrn  Landeshauptmann  der  Rheinprovinz  seitens  der  Herren  Museums- 
direktoren  erstatteten  Verwaltungsberichte.  Die  Mitteilungen  über  die  Thätig- 
keit der  Altertums  und  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz  und  über  die  Ver- 
mehrung der  städtischen  und  Vereinssammlungen  beruhen  auf  den  mit  dankens- 
werter Bereitwilligkeit  erstatteten  Berichten  der  Vereinsvorsitzenden  und  der 
Sammlungsdirektoren  an  den  Königlichen  Oberpräsidenten  der  Rheinprovinz. 

Der  Provinzialkonservator  der  Rheinprovinz 

Giemen. 


Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmal- 
pflege in  der  Rheinprovinz  vom  I.  April  1896  bis  31.  März  1897. 


In  der  Zusammensetzung  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege 
ißt  insofern  eine  Veränderung  eingetreten,  als  an  die  Stelle  der  zwei  ver- 
storbenen Mitglieder,  der  Herren  Geh.  Baurat  Cuno  in  Goblenz  und  Appella- 
tionsgerichtsrat  a.  D.  August  Reiebensperger  in  Köln  die  Herren  Regierungs- 
nnd  Geheimer  Baurat  Launer  in  Goblenz  und  Dompropst  Dr.  Parmet  in 
Monster  getreten  sind.  Das  Deeemat  für  Kunst  und  Wissenschaft  in  der  Pro- 
vinzialverwaltung  hat  an  Stelle  des  Herrn  Landesrats  Vorster  unter  dem  L  April 
1897  Herr  Landesrat  Klausener  übernommen.  Die  Kommission  ist  in  dem 
Rechnungsjahre  1896/97  zweimal  unter  dem  Vorsitz  des  Vorsitzenden  des  Pro- 
vinzialansschusses  Herrn  Landrats  a.  D.  Janssen  zusammengetreten,  am 
21.  Oktober  1896  und  am  13.  Januar  1897. 

In  der  Sitzung  vom  21.  Oktober  1896  wurden  aus  dem  zur  Verfügung 
des  Provinzialausschusses  stehenden  Etatsbetrage  für  Kunst  und  Wissen- 
schaft bewilligt: 

Für  die  Vollendung  d^r  Sicherungsarbeiten  an  der  Burgruine  zu  Blanken- 
heim,  zugleich  für  Aufnahme  der  Ruine  1000  M.,  für  Sicherungsarbeiten  an 
der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Wintersdorf  (Landkreis  Trier)  ein  Kredit  von 
2000  M.,  für  die  Vollendung  der  Restaurationsarbeiten  am  Turm  der  alten 
katholischen  Pfarrkirche  zu  Gruiten  (Kreis  Mettmann)  1535  M.,  als  weitere 
Beihttlfe  für  die  Erhaltung  der  Burgruine  Schmidtburg  (Kreis  Simmem)  200  M., 
ftir  die  Erhaltung  der  Burgruine  Dill  (Kreis  Simmern)  450  M.,  für  die  Wieder- 
herstellung eines  steinernen  Kreuzes  zu  Birgden  (Kreis  Lennep)  60  M.,  für  die 
Restauration  des  gothischen  Hochkreuzes  zu  Brauweiler  (Landkreis  Köln)  250  M., 
ftlr  die  Aufnahme  des  ältesten  romanischen  Hauses  in  Trier,  des  sogenannten 
Propugnaculums,  60  M.,  zur  Untersuchung  des  Chores  der  Abteikirche  zu 
Steinfeld  (Kreis  Schieiden)   100  M.,   zu  Vorarbeiten  für  die  Restauration   des 


200  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

Holzhanses  am  Markte  in  Baeharach  100  M.  Ftlr  die  von  dem  ProvinziaI> 
conservator  verfasste  und  in  einer  Auflage  von  4000  Exemplaren  gedruckte 
Broehüre  „Die  Denkmalpflege  in  der  Rheinprovinz^  wurden  die  Gesamtkosten 
in  der  Höhe  von  1362,60  M.  auf  den  Etat  für  Kunst  und  Wissenschaft 
fibemommen.  Endlich  wurde  für  die  Anfertigung  von  Kopien  der  mittelalter- 
liehen  Wandmalereien  in  der  Rheinprovinz  ein  weiterer  Kredit  von  2000  M. 
bewilligt. 

In  der  Sitzung  vom  13.  Januar  1897  wurden  von  dem  Provinzialaus- 
Schüsse  aus  dem  Etatsbetrage  fQr  Kunst  und  Wissenschaft  bewilligt: 

Für  die  Wiederherstellung  eines  dreiteiligen  Altargemäldes  in  der  evan- 
gelischen Pfarrkirche  zu  Schermbeck  (Kreis  Rees)  1500  M.,  zur  Anfertigung 
einer  Kopie  des  im  historischen  Museum  zu  Düsseldorf  befindlichen  grossen 
Planes  eines  Residenzschlosses  ftlr  Kurfürst  Johann  Wilhelm  vom  Jahre  1709 
800  M. 

Ausserdem  wurden  in  den  beiden  Sitzungen  die  Anträge  eingehend  durch- 
beraten, die  dem  40.  Rheinischen  Provinziallandtage  unterbreitet  werden  sollten. 
Über  die  sämtlichen  Anträge  lagen  der  Kommission  wie  dem  Landtage  die 
Gutachten  des  Provinzialconservators  vor,  die  in  den  Verhandlungen  des  40. 
Rheinischen  Provinziallandtages  S.  416—436  abgedruckt  sind.  Die  Anträge 
wurden  in  der  1.  Fachkommission  des  Landtages  nochmals  geprüft  und  dann 
in  der  Plenarsitzung  vom  15.  März  1897  en  bloc  angenommen. 

Ans  dem  Dispositionsfonds  des  Provinziallandtages,  dem  sog. 
Ständefonds,  ist  die  erhebliche  Summe  von  insgesamt  170350  M.  für  Wieder- 
herstellung von  Denkmälern  bewilligt  worden. 

Im  einzelnen  wurden  die  folgenden  Summen  bewilligt: 
Für  die  Wiederherstellung  der  Grabdenkmäler  der  Pfalzgrafen  von  Pfalz- 
Siramem  in  der  evangelischen  Pfarrkirche  zu  Simmern  2500  M.,  für  die  Wieder- 
herstellung des  Grabdenkmales  des  Herzogs  Wilhelm  des  Reichen  in  der  Lam- 
bertuskirche  zu  Düsseldorf  2000  M.,  als  Zuschuss  zum  Erwerb  der  alten  kur- 
fürstlichen Burg  zu  Coblenz  35000  M.,  zur  Erhaltung  des  Turmes  der  alten 
katholischen  Kirche  zu  ückerath  (Siegkreis)  3300  M,,  zur  Instandsetzung  der 
Clemenskirche  bei  Trechtingshausen  (Kreis  St.  Goar)  2500  M.,  zur  Restauration 
der  St.  Nikolauskirchc  zu  Kreuznach  20  000  M.,  zur  Instandsetzung  und  zum 
Wiederaufbau  des  Schlosses  Burg  an  der  Wupper  20000  M.,  zur  Restauration 
der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Nideggen  (Kreis  Düren)  10  000  M.,  zur  Wieder- 
herstellung des  Inneren  der  alten  katholischen  Pfarrkirche  zu  Niedermendig 
(Kreis  Mayen)  und  zur  Erhaltung  ihrer  Wandmalereien  6000  M.,  zur  Restau- 
ration des  Turmes  der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Süchteln  (Kreis  Kempen) 
6000  M.,  zur  Restauration  der  Martinskapelle  zu  Altenberg  (Kr.  Mülheim  a.  Rh.) 
6000  M.,  zur  Restauration  des  Chores  der  evangelischen  Pfarrkirche  zu  Kim 
(Kreis  Kreuznach)  5000  M.,  als  weitere  Beihülfe  zur  Restauration  der  katho- 
lischen Pfarrkirche  zu  Mayen  5000  M.,  als  weitere  Beihülfe  zur  Restauration 
des  Portales  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier  3850  M.,  als  weitere  Beihtllfe  zur 
Restauration   der  evangelischen  Peterskirche   zu  Baeharach  3200  M.,   zur  Re- 


für  die  DonkiiiftlpHff, 


1  der  Rheinprc 


äOt 


stanration  der  Doppelkirehe  zu  Schwarz rhoindorf  (Kreis  Bonn)  10000  M.,  /.nr 
Wiederherstellnng  des  Berliner  Thores  zu  Wesel  (Kreis  Rees)  20000  M.,  zur 
Behnug  und  zur  Wiederherstellung  des  Rhcintliures  zu  ÄDdemacb  iKreie  Mayen) 
10000  M. 

Die  Anträge  und  Projekte  waren  zum  Teil  seit  langer  Zeit  vorbereitet. 
Insbesondere  Qher  die  Denkmäler,  für  die  grössere  Suuimen  bewilligt  wurden, 
sind  längere  und  ausfuhrliche  Verhandlnngeu  zwischen  den  einzelnen  Behörden 
gepflogen  worden. 

Die  alte  kurfUrstliche  Burg  zu  Üoblenz,  an  der  Stelle  des  rOtnischen 
Kastelles  nnd  des  Palasles  der  austrasiseben  Könige  1276  dorcfa  den  Erzbischof 
Heinrieh  von  Vinatingen  errichtet,  1599  durch  den  eUdöstlieben  Flügel  er- 
weitert und  nach  dem  ilonibardemcnt  durch  die  Franzosen  im  Jahre  168K 
wiederhergestellt,  das  wichtigste  historische  Denkmal  und  zugleich  das  ältente 
profane  Bauwerk  der  Stadt,  in  seiner  fast  zweitausendjähngen  Geschichte  ein 
für  die  ganze  Rheinprovinz  bedeutsames  Monument,  befand  sich  seit  dem 
Jahre  1802  in  Privatbesitz,  und  es  drohte,  seit  die  darin  untergebrachte  Fabrik 
aufgelöst  war,  der  Abbruch  oder  die  Verwandlung  in  eine  Mietskaserne.  Der 
Kanfpreis  betrug  145  000  M.  Nachdem  sich  die  Möglichkeit,  die  Burg  zu 
einem  Kreishans  umzugestalten  nnd  fUr  den  Landkreis  Cublenz  zu  erwerben, 
zerschiageD  hatte,  war  die  Stadt  selbst  in  pietätvoller  Würdigung  der  Ehren- 
pflicht, ihr  ältestes  Denkmal,  mit  dem  Coblenz  gewachsen  und  gross  geworden, 
IQ  erhalten,  eingetreten.  Fdr  den  Ankauf  hatte  die  Stadt  70  000  M.- be- 
willigt, für  die  Restauration  besonders  noch  40000  M,  Der  Herr  Minister  der 
geistlichen  etc.  Angelegenheiten  hatte  staatlieherseits  einen  ZuHchoHS  von 
400OO  M.  in  Aussicht  gestellt.  Durch  die  Bewilligung  der  fehlenden  Summe 
von  35000  M.  durch  den  Provinziallandtag  war  es  möglich,  die  Burg  i» 
öffentlichen  Besitz  zu  aberfuhren  und  damit  dauernd  vor  dem  Untergang  zu 
retten. 

Die  St.  Nikolanskirche  zu  Kreuznach,  die  älteste  gotbiscbe  Kirche  ■□  dem 
Gegierongsbezirk  Cublenz,  schon  1266  begonnen  und  im  15.  Jahrhundert  ver- 
ändert, war  bei  der  Erbauung  einer  neuen  Pfarrkirche  zunächst  zum  Abbrach 
fiestimmt  worden;  die  Gemeinde  hatte  sich  aber  dann  bestimmen  lassen,  der 
Frage  einer  Wiederherstellung  näher  zu  treten.  Schon  im  Jahre  1894  war 
durch  den  damaligen  Künigliefaen  Landbaninspektor,  jetzigeu  StrasKbnrgcr 
Douibanmeister  Amt/,  ein  sorgfaltiger  Restanrationscntwnrf  ansgearbeitet  worden, 
der  Kostenanschlag  für  die  eigentliche  Wiederherstellung  scbloss  mit  der  Summe 
von  41  200  M.  ab.  Cm  die  Erballnog  des  knnstgeschichtlich  wichtigen  Bau- 
vrerkes  überhaupt  zu  ermöglichen,  war  ein  bedentender  Zuscbnss  aus  Öffent- 
lichen Fonds  notwendig. 

FOr  die  Erhaltung  und  den  Ausbau  des  Schlosses  Burg  an  der  Wnp|icr 
■war  nnr  ans  staatÜchen  Fonds  ein  einmaliger  Beitrag  von  15iXMj  M,  bewilligt 
worden,  während  durch  die  Opferwilligkeit  des  bergi^-hen  Volkes  fajst  2U0WK)  M. 
aus  Privatmitteln  aufgebracht  worden  waren.  Eine  schon  1891  zagetiicbert« 
Ünterstfitzung   durch   die    Provinzialverwaltnng  konnte   nicht  eher  isiKezablt 


202  Bericht  über  die  Thfttigkeit  der  Provinzialkommiflsioii 

werden,  weil  die  schon  seit  drei  Jahren  geplante  Obertragnng  an  den  Kreis 
Lennep,  der  zugleich  eine  dauernde  Garantie  f tlr  die  Unterhaltung  flbemehmen 
sollte,  nicht  dnrchgeftlhrt  war.  Mit  Rücksicht  auf  die  historische  und  archi- 
tektonische Bedeutung  des  Denkmales  und  auf  das  wachsende  Interesse  an 
dem  alten  bergischen  Residenzschlosse,  das  durch  die  stetig  steigende  Besuchs- 
ziffer (fast  40000  Besucher  im  Jahr)  am  besten  illustriert  wird,  beschloss  der 
Provinziallandtag  eine  Bewilligung  in  der  Höhe  von  20000  M. 

In  der  Doppelkirchc  zu  Schwarzrheindorf,  die  nach  den  Zerstörungen 
des  17.  Jahrhunderts  durch  den  Kurfürsten  Clemens  August  1747  notdürftig 
wiederhergestellt  und  1830—1832  gesäubert  und  oberflächlich  restauriert  worden 
war,  sind  allmählich  so  vielfache  Schäden  zu  tage  getreten,  dass  eine  gründ- 
liebe Wiederherstellung  ins  Auge  gefasst  werden  musste.  Im  Sommer  1895 
war  der  Königliche  Landbauinspektor  Amtz  mit  der* Aufnahme  des  Bauwerkes* 
und  der  Ausarbeitung  von  Restaurationsentwürfen  betraut.  Der  Kostenanschlag 
scbloss  mit  der  Summe  von  46  500  M.  ab.  Seit  dem  Jahre  1815  befand  sich  die 
Kirche  im  Besitz  des  Staates;  nach  der  Wiederherstellung  im  Jahre  1830  ist 
aber  die  ünterhaltungspflicbt  von  der  Gemeinde  Vilicb  übernommen  worden. 
Die  Kosten  ftlr  die  jetzige  umfängliche  Instandsetzung  fallen  in  erster  Linie 
dem  Staat  als  dem  Besitzer  zur  Last;  mit  Rücksicht  auf  den  ganz  hervor- 
ragenden Wert  des  einzigartigen  Kunstwerkes  wurde  aber  auch  seitens  des 
Provinziallandtages  ein  Zuschuss  be^-illigt. 

.  Das  Berliner  Thor  zu  Wesel,  der  bedeutendste  Festungstborbau  Preussens 
aus  dem  18.  Jahrhundert,  ein  Werk  Jean  de  Bodts  aus  den  Jahren  1718 — 1722, 
war  bei  der  Entfestigung  und  Erweiterung  der  Stadt  auf  den  Wunsch  der 
Staatsregieruug  erhalten  worden,  nur  die  beiden  Flügel  hatten  fallen  müssen. 
Die  Gesamtkosten  fär  die  Wiederherstellung  des  zumal  an  den  Skulpturen  sehr 
verwitterten,  seiner  Attika  beraubten  Thores  betragen  60500  M.  Die  Stadt 
Wesel,  die  schon  durch  den  Ausfall  an  zu  bebauendem  Terrain  grosse  Opfer 
gebracht  hat,  hat  10000  M.  übernommen,  Se.  Majestät  der  Kaiser  hat  für  das 
mit  dem  Namen  von  drei  HohenzoUem  verknüpfte  Monument  die  Summe  von 
25000  M.  aus  dem  Allerhöchsten  Dispositionsfonds  bewilligt,  mit  Rücksicht 
auf  die  historische  Bedeutung  des  Denkmales  speziell  ftir  die  klevisehen 
Lande  hat  der  Provinziallandtag  die  Summe  von  20000  M.  als  Zuschuss 
beigesteuert. 

Über  die  Ausführung  dieser  zur  Zeit  noch  nicht  eingeleiteten  Restaura- 
tionen soll  in  den  nächsten  Jahresberichten  Rechenschaft  erstattet  werden. 

Die  Durchführung  der  Instandsetzungs-  und  Restanrationsarbeiten  erfolgte 
in  jedem  einzelnen  Falle  unter  Beteiligung  des  Provinzialeonservators;  zur 
Vorbereitung  und  zur  Beaufsichtigung  einzelner  Arbeiten  in  Nideggen,  Xanten, 
Heisterbach,  Trier,  Wintersdorf,  Süchteln  wurden  wie  früher  Snbkommissionen 
eingesetzt,  die  aus  einzelnen  Sachverständigen  der  Provinzialkommission  und 
dem  Provinzialconservator  bestanden.  Ausser  den  regelmässigen  Besichtigungs- 
reisen des  Provinzialeonservators  fanden  wiederholt  gemeinsame  Bereisungen 
durch  Mitglieder  der  Provinzialkommission  statt;  in   dankenswerter  Weise  be- 


Iflr  die  Denkinal|iflege  in  ditr  Rheinprovinz.  303 

teiligten  sich  an  diesen  BereiHongen  auch  die  nicht  znr  Kommiseion  gehörigen 
Herren  Professor  voa  Gebhardt  und  Professor  Schill  in  Düsseldorf,  KanonikuB 
Gübhels  in  Aachen  und  Bildhauer  Mengelberg  in  Utrecht. 

Die  Einsetzung  der  Korrespondenten  für  Denkmalpflege  bat  sich  im  all- 
gemeinen vortrefrtich  bewährt.  Es  ergeht  an  sie  erneut  die  Bitte,  den  Pro- 
Tinzialconservalor  durch  Mitteilungen  aller  Art,  auch  Zusendung  einfacher 
Zeitungsnotizen  /.u  unterstützen,  und  in  ihrem  Kreise  persönlich  für  ^ie  Erhal- 
tung und  den  Schutz  der  Denkmäler  kräftig  einzutreten.  Mit  den  Altertums-, 
Geschichts-  and  Kunstvereiuen  der  Provinz  wurde  Fllhlnng  und  Verbindung 
angestrebt;  wiederholt  haben  Bemühungen  der  staatlichen  Denkmalpflege  fUr 
Erhaltung  eines  Bauwerkes  bei  den  lokalen  Vereinen  warme  und  kräftige  Unter- 
stützung gefunden. 

Das  im  Provinzialmuseum  zu  Bonn  untergebrachte  Denkmälerarchir 
der  Rbeinprovinz  ist  durch  Ankäufe  und  Überweisungen  auf  4300  Blatt 
angewachsen.  Neu  erworben  wurden  weitere  Messbildaufnabmen  rheinischer 
Bauwerke  der  unter  der  Leitung  des  Geh.  Baurates  Dr.  Meydenbauer  stehen- 
den McBsbildanstalt  zu  Berlin  und  eine  grössere  Anzahl  neuer  photographischer 
Aafnahmen  aus  dem  Regierungsbezirk  Köln.  Durch  die  Königlichen  Regie- 
ruDgea  wurden  vollständige  zeichnerische  und  photographiscbe  Aufnahmen  aller 
zum  Abbruch  bestimmten  oder  wesentlich  veränderten  Baudenkmäler  über- 
wiesen. Endlich  wurden  die  Aufnahmen,  Pläne,  Projektzeichnungen,  Photo- 
graphien von  den  mit  Unterstützung  der  Provinzialverwaltung  ausgeführten 
Bestaurationsarbeitcn  an  Baudenkmälern  dem  Denkraälcrftrehiv  einverleibt.  Von 
den  restaurierten  Glasgemälden  in  Xanten  und  Oberwesel,  den  Altargemälden 
in  Scbemibeck,  Kamp  und  Orsoy  sowie  den  Skulpturen  zu  Dflsseldorf,  Meiscn- 
beim  und  Trier  wurden  vor  dem  Beginn  der  Restauration  grosse  Photographien 
angefertigt,  die  den  alten  Znstand  genau  zeigen. 

Über  die  Anfertigung  von  Pausen  und  Kopien  der  mittelalterlichen  Wand- 
malereien in  der  Rheinprovinz  wird  unten  besonders  berichtet  werden. 

Giemen. 


204  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 


Berichte  über  die  wichtigeren  der  ausgeführten  Restaurationsarbeiten. 

1.  Aachen,  Wiederherstellung  und  Ausschmttckung  der 
Münsterkirche. 

Nach  dem  in  der  Generalversammlung  des  Karlsvereins  am  6.  December 
1896  erstatteten  Bericht  sind  an  den  äusseren  Seiten  des  Münsters  mehrere 
nicht  unerhebliche  Arbeiten  unternommen  worden.  Zunächst  wurde  der  Neubau 
des  Treppenhauses  zur  St.  Michaels-Treppe  in  Blaustein  an  Stelle  des  in  Ziegel- 
steinen ausgeführten  Baues  zwischen  der  Kreuzkapelle  und  der  Capeila  animamm 
ausgeführt.  Die  Fensteröffnungen  wurden  mit  bunten  Scheiben  verschlossen 
und  mit  eisernen  Gittern  versehen,  die  alten  Stufen  der  Treppe  durch  neue 
aus  belgischem  Granit  ersetzt.  Ein  stilgerechter,  eiserner  Gitterabschluss  nach 
einer  Zeichnung  des  Stiftsarchitekten  Peters  aus  der  Kunstschlosserei  von  Joseph 
Frohn  in  Aachen  hat  die  bisher  zum  Treppenabschluss  dienende,  morsche  Fach- 
wand ersetzt.  Die  beiden  alten  Thüren  oben  und  unten  am  Treppenaufgange 
haben  durch  neue  Thüren  in  Eichenholz  mit  stilgerechten,  eisernen  Beschlägen 
Ersatz  gefunden. 

Die  baufällige  Fa^ade  der  Capella  animarum  gegen  den  Chorusplatz  wurde 
nach  Beseitigung  zahlreicher  Einsätze  von  Ziegelsteinfen  mit  Material  aus  karo- 
lingischer  Zeit  restauriert  und  überall  ausgefugt.  Zugleich  wurde  das  bis  zum 
verflossenen  Jahre  zugemauerte,  wieder  geöffnete  und  mit  neuen  Stäben  ver- 
sehene gothische  Fenster  in  der  Altarnische  der  Kreuzkapelle  mit  neuer  Ver- 
glasung in  bunten  Farben  nach  einem  alten  vorgefundenen  Muster  geschlossen. 
Die  Verglasung,  sowie  diejenige  an  den  Fenstern  der  St.  Michaelstreppe  sind 
in  der  Werkstätte  des  Kunstglasers  Mathias  Dejosez  in  Aachen  ausgeführt 
worden. 

Zugleich  mit  diesen  Arbeiten  erfolgte  die  Restauration  des  Innern  der 
St.  Ilubertuskapelle,  derjenigen  Kapelle,  die  gegenwärtig  als  Vorhalle  beim 
Eintritt  durch  die  sog.  Krämerthür  dient.  Der  durch  eine  Mauer  bis  zur  halben 
Höhe  in  zwei  Teile  geschiedene  Raum,  dessen  hintere  Hälfte  im  bisherigen  ver- 
wahrlosten Zustand  zur  Gerätekammer  benutzt  wurde,  ist  ein  Bauwerk  von 
grosser  Schönheit.  Die  mit  dickem  Schmutze  bedeckten  Wände  wurden  sorg- 
fältig gereinigt,  wobei  alte,  leider  fast  ganz  zerstörte  Wandmalereien  zum  Vor- 
schein kamen.  Die  feinen  Rippen  des  Gewölbes  und  der  zart  modellierte 
Kammaufsatz  der  Trennungsmauer  wurden  ergänzt;  ein  Teil  der  Mauer  selbst, 
die  durch  irgend  eine  Erschütterung  verschoben  worden  war,  musste  aufs  neue 
aneinandergefügt  werden.  Der  grösstenteils  abgebröckelte,  gewaltige  Schluss- 
stein des  Gewölbes  ist  genau  in  der  Werkstätte  von  Johann  Peter  Radermacher 


für  die  Drnkmalpfleg'e  in  ilei-  Rheinprovin/.  205 

nachgeahmt  worden.  Diesen  Ersatz  hat  der  Meister  dem  Ksirlavereiu  zum  üe- 
scbenk  gemacht. 

Eine"  weitere  Arbeit  wurde  an  dem  Portal  zwischen  Kreuzkapelle  nnd 
OktogoD  vorgenommen.  Die  Schwierigkeit,  den  Ucbergang  aiie  der  Bogeu- 
stellnng  and  dem  lianstile  der  Krenzkapelle  in  den  Baustil  des  Münsters  zu 
yermitteln,  wurde  glUeklicb  gelfist.  Die  geringe  Verengung  des  Zuganges  ist 
durcb  Oeffnung  eines  zweiten,  bisher  durch  ein  Gitter  verschlossenen  Zuganges 
ausgeglichen. 

Die  Kestauratinii  der  West-  und  Siidfa(;ade  der  Kreuzkapelle  gegenüber 
dem  Fischmarktc  ist  begonnen.  Hier  hatten  die  Zeit  mid  auch  bedeutende 
Brände,  wovon  das  in  die  Mauorfugen  geflossene  Blei  zengte,  zerstörend  ein- 
gewirkt. Die  Zerstörungen  waren  durch  Ziegelsteinverblendungen  verdeckt 
worden.  Deshalb  erwiesen  sieb  neue  und  verstärkte  Verankerungen  als  not- 
wendig. Durchweg  wurden  alle  Ziegelsteine  beseitigt  und  durch  Blaustein- 
inaterial  ersetzt.  Gleichzeitig  wurde  ein  neues  Treppenhaus  zum  nftrdlichen 
Tnrmaufgnnge  mit  einem  neuen  Ausgange  direkt  auf  den  Dombof  gebaut. 
Dieser  vielfach  als  ein  Bedllrfnie  geforderte  Ausgang  soll  ebenso  sehr  dem 
DUtern  Teile  des  Münsters,  wie  auch  dem  HochmOnster  zu  Gute  kommen  und 
namentlich  für  letzteres  einen  bis  dahin  noch  fehlenden,  direkten  Verkehr  mit 
der  Strasse  vermitteln.  Ftlr  den  Tbürverschluss  an  dieser  Stelle  ist  eine  der 
beiden  Bronzethüren  in  Aussieht  genommen,  welche  auf  dem  HochmOnster  sich 
an  der  Karlskapclle  und  an  der  Annakapelle  vorfinden,  aber  an  beiden  Stellen 
wegen  eines  noch  vorhandenen  zweiten  Gittervei'scbluBses  tlbei-flüssig  sind,  wo- 
gegen eine  solche  Thllre  an  dem  neu  geschaffenen  Ausgange  auf  dem  Dom- 
hofe, neben  den  anderen  Bronzethüren  einen  ebenso  nützlichen  wie  prächtigen 
Verscbluss  bilden  würde.  Ein  Gesuch  um  Gewährung  der  an  der  Annakapelle 
betindlicben  Bronzethür  liegt  dem  Stiftskapitel  zur  Genehmigung  vor. 

Die  bis  zum  24,  November  d.  J.  ver^vendeten  Kosten  belaufen  sich  auf 
17  517  Mark  78  Pfg,  Zu  bemerken  ist  noch,  dass  sSnimtlicbe  Arbeiten  auf 
Vorlage  der  Kostenanschläge  und  Pläne  vom  Stiftskapitel  genehmigt  und,  mit 
Ausnahme  des  Neubaues  der  Michaelstreppe,  nicht  im  Akkord,  vielmehr  wegen 
nicht  vorauszusehender  Ausdehnung  im  Tagelohn  ausgeführt  worden  sind. 
Gleichwohl  ist  es  durch  sorgfÄltige  Kontrole  der  Tagelöhne  und  der  verwendeten 
Baumaterialien  gelungen,  solide  Arbeiten  mit  verhältnismässig  sparsamer  Aus- 
rabrung  zu  verbinden. 

Die  Arbeiten,  die  nun  noch  für  die  äussere  Eestanration  des  Mtlnsters 
atiBsteben  und  hoffentlicb  im  nächsten  Jabre  vollendet  sein  werden,  beziehen 
sieh  auf  die  Fa^ade  des  alten  Kapitelsaales  gegen  den  Domhof,  auf  das  Dach 
der  Krenzkapelle  und  auf  den  für  den  Garten  des  Quadruras  im  Kreuzgange 
in  Aussieht  genommeneu  Brunnen.  Wegen  der  Restauration  der  Fa^ade  des 
allen  Kapitelsaales  und  des  Daches  der  Kreuzkapelle  ist  die  Genehmigung  des 
Stiftskapitels  bereits  erfolgt.  Die  von  Herrn  Professor  Frentzen  entworfenen 
Zeiehnungen  des  Brunnens  sind  der  geistbehen  Behörde  und  dem  Ministerium 
vorgelegt  worden  und  sind  von  der  ersteren  bereits  genehmigt  worden. 


206  Bericht  über  die  Thäti.srkeit  der  Provinzialkommission 

Der  Vorstand  bat,  wie  im  Beriebt  ttber  das  Jahr  1895  mitgeteilt  worden 
ist,  in  der  Sitzung  vom  1.  Dezember  1895  einer  aus  den  Herren  P.  Stephan 
Beissel  S.  J.  in  Exaeten^  Kanonikus  M.  Göbbels  in  Aachen,  Domkapitular  A. 
Schnütgen  in  Köln,  Wirklicher  Staatsrat  Dr.  A.  von  SwenigorodskoX,  zur 
Zeit  in  Aachen,  bestehenden  Kommission  von  Sachverständigen  den  Auftrag 
erteilt,  die  fär  die  bildnerische  Ausschmückung  des  Oktogons  passenden  Dar- 
stellungen zu  bezeichnen.  Geheimrat  Loersch  in  Bonn  hatte  es  übemonmien 
den  Meinungsaustausch  zwischen  den  Kommissionsmitgliedem  zu  vermitteln  und 
ihre  Beratung  zu  leiten. 

Die  Mitglieder  der  Kommission  haben  zunächst  ihre  Anschauungen  in 
schriftlichen  Gutachten  niedergelegt  und  nach  eingehender  Besichtigung  des 
Oktogons  und  eines  dort  angebrachten,  den  Papst  Leo  III  darstellenden  Kartons 
am  3.  Januar  1896  mündliche  Beratung  gepflogen,  an  der  Herr  von  SwenigorodskoX 
eines  Unwohlseins  wegen  nicht  Teil  genommen  hat.  Es  wurden  von  den 
Anwesenden  die  folgenden  Beschlüsse  einstimmig  gefasst. 

1.  Jede  Aenderung  der  in  der  Kuppel  vorhandenen  Darstellung  der 
Maiestas  Domini  mit  den  24  Aeltesten  wird  als  ausgeschlossen  angesehen.  Das 
Innere  des  Oktogons  ist  als  eine  dem  Räume  einer  Concha  zu  vergleichende 
Einheit  aufzufassen  und  muss  deshalb  auch  einen  einheitlichen  Bilderkreis 
erhalten. 

2.  Die  noch  anzubringenden  Darstellungen  sind  demnach  zu  der  in  der 
Kuppel  vorhandenen  in  Beziehung  zu  setzen,  haben  daran  anzuknüpfen  und 
den  darin  enthaltenen  Gedanken  weiterzuführen  im  Sinne  des  Bilderkreises  und 
des  Stiles  der  karolingischen  Zeit,  deshalb  sind  ausgeschlossen: 

a)  die  in  einem  älteren  Gutachten  vorgeschlagenen,  den  verschiedensten 
Zeiten  und  Ländern  angehörigen  Königsiiguren.  Hierbei  ist  zu  bemerken, 
dass  das  im  Westbau  hinter  dem  Königsstuhl  auf  dem  Hochmünster  ge- 
legene Gewölbe  als  der  den  Erinnerungen  an  Karl  den  Grossen  und  das 
Königtum    ausschliesslich   zu    widmende  Raum    angesehen  werden   muss. 

b)  alle  alttestamentarischen  Persönlichkeiten^  die  auch  in  keinem  der  als 
Vorbilder  zu  benutzenden  Bilderkreise  vorkommen.  Die  in  S.  Vitale 
befindlichen  alttestamentarischen  Darstellungen  haben  nur  die  Bedeutung 
von  Vorbildern,  lieber  die  Deutung  einer  von  Manchen  für  Propheten 
gehaltenen  Serie  von  zweimal  16  Pei-sonen  in  S.  ApoUinare  nuovo  daselbst 
herrscht  grosse  üngewissheit.  Jedenfalls  würden  die  unmittelbaren  Be- 
ziehungen zur  Maiestas  Domini  fehlen.  Die  Gewölbe  des  obem  Umgangs 
bieten  die  geeigneten  Plätze  für  die  Anbringung  von  Persönlichkeiten 
des  alten  Bundes. 

c)  alle  nachkarolingischen  Persönlichkeiten,  da  deren  Berücksichtigung  zur 
Zeit  der  Errichtung  des  Münsters  selbstverständlich  unmöglich  gewesen 
wäre. 

3.  Der  fUr  die  Aufnahme  bildlicher  Daretellungen  zur  Verfügung  stehende 
Raum  besteht  lediglich  aus  den  im  Tambour  der  Kuppel  neben,  über  und  unter 
den  acht  Fenstern  vorhandenen  Flächen.    Es  ergeben  sich,  abgesehen  von  den 


rSr  die  Dpnkmalpflpgp  in  der  Itheinprnvinz.  207 

Kctimalen  Flachen  über  und  unter  den  Fenstern,  neben  jedem  Fenster  z«ei 
gröfsere  WanilstUcke,  die  sich  nach  unten  bis  zn  dem  die  grossen  Pfeiler  iu 
der  Mitte  teilenden  Kämpfcrgesinis  crstreL-keti.  Diese  16  Flächen  gcwfihren 
nnr  die  Mn^^Uebkcit,  neben  jedem  Fenster  Kwei,  in  ihrer  GrHsse  zn  den  in  der 
Kuppel  vorhiindcnen  Ucslnlten  iia»gcndc  Stnndfignrcn  anzubringen.  Es  sind 
somit  16  Gestalten  auszimjlhlen. 

4.  Die  vorhandene  Maicstas'  Domini  <?rheisebt  nnter  allen  Umstünden  die 
Aiibriiigang  der  beiden  bevorzngten,  durch  die  altchristlichc  Kunst  eingeführten 
Thronaesistentcn  des  Herra.  Es  sind  somit  die  h.  Jungfrau  und  S.  Johannes 
Baptist»  rechts  und  links  von  der  Fensteröffnung  direkt  unter  die  Christusägur 
zu  stellen  und  ihnen  haben  eich  auf  den  beiden  zunächst  folgenden  Mauerflächen, 
gemäss  demselben  alten  Kanon,  die  beiden  Erzengel:  Gabriet  (der  Bote  des  Heils), 
Miebael  (der  üeberwinder  des  Satans)  anznsebliessen. 

5.  Es  sollen  zu  den  Fflssen  Marias  Karl  der  Grosse,  zu  den  Füssen  des 
Täufers  Papst  Leo  III  in  knicender  Stellung  und  als  lebende  Persönlichkeiten 
gedacht  (deshalb  etwa  mit  dem  viereckigen  Nimbus  versehen)  angebracht 
werden,  um  die  Erinnerung  an  den  Consckrator  und  an  den  Erbauer  der  Pfalz- 
kapelle an  bevorzugter  Stelle  wachzurufen.  Ale  Vorbild  fllr  diese  Darstelluugeu 
sei  auf  das  bekannte  Mosaik  des  Triklininnis  vom  Lateran  verwiesen.  Die 
hierarchische  Stcllong  des  Papstes  wttrde  zwar  Anbringung  seines  Bildes  auf  der 
Evangelienseite  bedingen.  Es  ist  aber  im  vorliegenden  Falle  Karl  der  Grosse 
als  Stifter  der  Kirche,  die  er  der  Muttergottes  geweiht  hat,  m  Füssen  Marias 
am^nbringen. 

6.  Zur  Aussehmfickung  der  übrigen  Wandflächen  sind  im  weitem  An- 
Bchlnsa  an  die  unter  4  genannten  Gestalten  verschiedene  Figuronkreise  denkbar. 
Als  statthaft  erscheinen 

tt)  die  ZwOlfzabl  der  Apostel  als  der  Haupt vcrkUndiger  der  Heilsbotschaft, 
h)  je  zwei  Vertreter    der  durch    das  Missale    und    das  Brevier   anerkannten 

sechs  Hedigengmppen :     Apostel,    Märtyrer,    Bekenner   bischöflieben  nnd 

nichtbischöflieben  Charakters,  Jungfrauen  und  Frauen, 
c)  ein  Kreis  von  heiligen,  der  vorkarolingischen  Periode  angehörigen  Männern 

und  Frauen,   die    um    die  Einfithrung    des  Christentums   im   fränkischen 

Reiche  sieh  besondere  Verdienste  erworben  haben. 

Von  diesen  drei  ßilderkreisen  empfielilt  sich  der  unter  a)  genannte,  weil 
er  als  der  klarste ,  einfachste  und  gemeinverständlichste ,  ehrwürdigste  er- 
seheint. Er  entspricht  auch  zusammengenommen  mit  der  Haupttigur  der  Kuppel 
und  den  unter  Nr.  4  genannten  Figuren  im  Wesentlichen  der  iu  der  byzan- 
tinischen Kunst  vielfach  vertreteneu  sog.  grossen  DeSsis. 

Gegen  die  Anbringung  sämtlicher  Apostelgestalten  sprechen  jedoch 
einzelne  Gründe.  Diese  Figuren  gleichen  sich  sehr,  da  eine  Charakterisiernng 
der  einzelnen  Apostel  durch  die  erat  in  der  späteren  Kunst  angewandten  In- 
Bignien  in  karoliugischer  Zeit  ausgeschlossen  ist.  E£  fehlt  in  einem  gewissen 
Maaasc  die  für  den  Künstler  notwendige  Darstellbarkeit.  Es  würde  aber 
auch  unterhalb  der  schon  sehr  monoton  wirkenden  Reihe  der  24  Aeltesten  eine 


208  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

neue  Reihe  von  nnter  sich  fast  gleichen  und  jenen  wiederum  sehr  ähnlichen 
Figuren  entstehen  und  den  Eindruck  der  Monotonie  gewaltig  verstärken.  Ausser- 
dem ist  bei  der  Aufnahme  aller  Apostel  eine  Beziehung  der  Figuren  auf  den 
Ort  und  die  Gegend,  wo  sich  die  alte  Pfalzkapelle  befindet,  ganz  ausgeschlossen. 
Abgesehen  von  den  hier  aufgezählten  Bedenken,  muss  aber  doch  die  Anbrin- 
gung der  zwölf  Apostelgestalten  als  eine  zwar  etwas  schwielige,  aber  doch 
durchaus  statthafte  und  korrekte  Lösung  der  Frage  angesehen  werden.  Es 
erscheint  aber  wohl  richtiger,  auf  die  unter  b)  und  c)  aufgeftlhrten  Bilder- 
kreise zurückzugehen,  gegen  deren  ikonographische  Zulässigkeit  vom  Stand- 
punkte der  Kunstgeschichte  Bedenken  nicht  erhoben  werden  können.  Dass 
es  erlaubt  ist,  neben  die  Maiestas  auch  Spezialheilige  zu  setzen,  beweisen 
manche  alte  Mosaiken  wie  in  S.  Vitale  zu  Ravenna,  wo  im  Chor  neben  dem 
thronenden  Heiland  ausser  den  beiden  Engeln  der  h.  Bischof  Ecclesius  und 
der  h.  Vitalis  erscheinen. 

Es  werden  die  folgenden  Reihen  von  einander  gegenüberliegenden  Figuren 

vorgeschlagen: 

1.  Maria  2.  Johannes  Bapt. 

3.  Gabriel  4.  Michael 

5.  Petrus  6.  Paulus 

7.  Jakobus  Mai.  8.  Thomas 

9.  Stephanus  10.  Leopardus 

11.  Servatius  12.  Hubertus 

13.  Georg  14.  Quirinus 

15.  Odilia  16.  Gertnid  v.  Nivelles. 

Die  Wahl  der  Apostelfürsten  erscheint  selbstverständlich.  Bei  den  übrigen 
Figuren  waren  als  besondere  Umstände  ausschlaggebend:  die  Verehrung  in  der 
Aachener  Gegend  und  im  fränkischen  Reich  (7:  Jakobskirche  zu  Aachen  in 
der  Tradition  auf  Karl  d.  Gr.  zurückgeführt  —  der  Wallfahrtsort  zu  Com- 
postella  —  13  und  14:  S.  Georg  und  S.  Quirin  hatten  Kapellen  im  Atrium 
des  Münsters),  das  Vorhandensein  von  Reliquien  im  Münster  (8,  9,  10  —  bei 
dem  h.  Stephanus  kommt  vor  allem  das  berühmte  vorkarolingische,  zu  den 
Krönungsreliquien  gehörige  Kästchen  in  Betracht,  auf  dem  noch  im  15.  Jahr- 
hundert wichtige  Eide  der  Aachener  Bürgerschaft  abgelegt  worden  sind;  vergl. 
Kessel,  Gesch.  Mittheilungen  S.  159.  Dieses  Kästchen  dürfte  neben  dem 
Heiligen  oder  in  seinen  Händen  bildlich  dargestellt  werden.  —  Von  dem  Mär- 
tyrer Leopardus  bewahrte  die  Pfalzkapelle  den  ganzen  Leib;  die  zu  seinem 
Sarge  gehörige  alte  Inschrift  wurde  bei  den  Nachgrabungen  in  den  vierziger 
Jahren  gefunden ;  vgl.  K  r  a  u  s ,  Christi.  Inschriften),  die  Beziehung  zur  Lütticher 
Diözese,  der  Aachen  früher  angehörte  (11,  12),  die  Beziehungen  zur  fränki- 
schen Königsfamilie  und  zum  fränkischen  Reich  (15,  16). 

7.  Die  16  Figuren  sind  so  anzubringen,  dass  sie  auf  einem  in  gleicher 
Höhe  mit  der  unteren  Linie  der  abfallenden  Fensterbrüstungen  liegenden  Boden 
zu  stehen  scheinen.  Unter  dieser  Bodenlinie  ergeben  sich  somit  noch  nach 
unten  16  weitere  zwickelförmigc  Flächen.     Zwei    dieser  Flächen  werden   aus- 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Rheinprovinz.  209 

gefüllt  durch  die   knieenden  Figuren  Karls  d.  Gr.    und  Leos  III   (vergl.  oben 
Nr.  5),   auf  den  übrigen    sind   innerhalb   passender  Ornamente    14  Medaillons 
mit  Brustbildern  anzubringen,  welche  folgende  Heiligen  darstellen  sollen: 
(1.  Karl  d.  Gr.)  (2.  Leo  III) 

3.  Remigius  4.  Arnulfus  v.  Metz 

5.  Bonifatius  6.  Gregor  v.  Tours 

7.  Willibrordus  8.  Ludgerus 

9.  Aegidius  abbas  10.  S.  Amoldus  (der  Harfner). 

11.  Lioba  12.  Ida 

13.  Chlotilde  14.  Plectrudis 

(oder  Radegundis) 
15.  Genovefa  16.  Irmina. 

Es  sind  dies  Heilige,  die,  zum  Teil  den  Königsfamilien  der  Merowinger 
und  Karolinger  angehörend,  für  die  Ausbreitung  des  Christentums  im  fränki- 
schen Reich,  namentlich  aber  in  dessen  ripuarischen  Teilen  grosse  Bedeutung 
haben. 

8.  Bei  jeder  Figur  ist  der  Name  in  grossen  Buchstaben  und  in  der 
zur  karolingischen  Zeit  noch  üblichen  Weise  des  üntereinanderstellens  anzu- 
bringen. 

9.  Es  sind  zwei  Inschriften  anzubringen: 

a)  die  eine  kann  entweder  zur  Trennung  des  Tambours  von  der  Kuppel 
dienen  und  somit  unterhalb  der  Figuren  der  Aeltesten  ihren  Platz  finden, 
so  dass  unmittelbar  unter  ihr  die  16  grossen  Standfiguren  zu  stehen 
kommen  —  oder  unterhalb  der  Fensterbrtistung  angebracht  werden.  Rings 
umherlaufend  soll  sie  einen  zweckmässig  ausgewählten  Spruch  von  allge- 
meinerer Bedeutung  enthalten. 

b)  die  andere  ist  in  roter  Farbe  unterhalb  des  mächtigen,  die  unteren  von 
den  oberen  Bogenstellungen  trennenden  Kranzgesimses  auf  die  Mauer  zu 
malen.  Sie  soll  die  von  Einhard  erwähnte  mit  den  Worten  „Karolus 
princeps"  endigende  völlig  beglaubigte  Inschrift  wieder  herstellen,  deren 
Wortlaut  zu  rekonstruieren  sein  wird.  Vgl.  Einh.  Vita  K.  m.  Cap.  32 
(Jaff(6,  Mon.  Car.  p.  537):  Erat  in  eadem  basilica  in  margine  coronae, 
quae  inter  superiores  et  inferiores  arcus  interiorem  aedis  partem  ambie- 
bat,  epigramma  Sinopide  scriptum,  continens,  quis  auctor  esset  eiusdem 
templi;  cuius  in  extremo  versu  legebatur:  Karolus  princeps.  Ausser  den 
beiden  letzten  Worten  haben  auch  die  Worte  auctor  und  templum 
sicher  in  der  Inschrift  gestanden,  für  deren  Abfassung  im  Sinne  der 
Zeit  die  Vorbilder  in  den  Poetae  minores  Carolini  aevi  der  Monumenta 
Germaniae  zu  benutzen  sind. 

10.  Die  oben  aufgezählten  Figuren  mit  den  sie  umgebenden  Ornamenten, 
sowie  die  unter  Nr.  9  a  angeführte  Inschrift  sind  in  Mosaik  herzustellen.  Dies 
ergiebt  sich  mit  zwingender  Notwendigkeit  aus  dem  Vorhandensein  der  Kuppel- 
mosaik und  aus  dem  Zustand  des  Oktogons.    Neben  dem  Kuppelmosaik  würde 

Jahrb.  d.  Vor.  ▼.  Alfeerthsflr.  im  Rheinl.  108.  14 


210  Bericht  über  die  Thitigkeh  der  ProviiixialkoimBiaBioii 

jede  Art  ron  Malerei  und  Vergoldmig  TdlUg  wirkimgdoß  bleiben  nod  der  dn- 
heltliehe  Charakter  des  Bauwerks  aufgehoben  werden.  Der  notorische  Znstand 
des  Mauerwerks  des  Oktogons«  welches  die  Feuchtigkeit  in  stärksten  Maaase 
anzieht  und  festhält,  gefiihrdet  aber  auch  jede  Art  von  Malerei  und  die  Ver- 
goldung aufs  Aenaserste.  so  dass  sie  nur  auf  kurze  Zeit  erhalten  bleiben  würde. 
Es  kann  unmöglieh  ein  Wandschmuck  mit  grossen  Opfern  hergestellt  werden, 
der  gar  keine  Dauer  verheisst. 

11.  Die  jetzt  Torhandene  Lichtmenge  muss  in  ihrem  ToDen  Bestände 
erhalten  werden,  wenn  der  Bilderschmuck  sichtbar  und  die  Bointznng  too 
Gebetb&chem  in  der  Kirche  möglich  bleiben  soll.  Es  ist  daher  ron  der  An- 
bringung Ton  Bronzegittem  in  den  Fensteroffiiungen  abcosehen«  diese  sind 
Tiefanehr  mit  schmiedeeisernen  Umrahmungen  und  hcDer  Grisailleverglasung  zu 
schliessen,  bei  der  höchstens  schmale  farbige  Binder,  Sinme  und  Zwickelstfieke 
in  Anwendung  kommen  dfirften. 

Herr  Dr.  von  SwenigorodskoT  hat  sich  in  zwei  schriftlichen  Gntachtoi 
dahin  ausgesprochen,  dass  die  Darstellung  der  sog.  groesoi  Deesis,  wof&r  das 
Reliquiar  des  h.  Holzes  im  IXomschatze  zu  Limburg  a.  d.  Lahn  dn  naheliegendes 
Beispiel  biete,  aus  dem  Grunde  vorzugsweise  zu  empfehlen  sei.  weil  1.  dadurch 
eine  einheitliche  Idee  zur  Veranschaulichung  gelange,  2.  sie  ach  streng  im 
Ideenkreise  der  karolingischen  Zeit  bewege,  und  3.  es  nicht  nötig  sei,  Figuren 
in  den  Crklus  hineinzuziehen,  die  in  keiner  oi^anischen  Verbindung  mit  dem 
Mittelpunkte  des  Ganzen,  der  Maiestas  I>omini,  und  den  fibrigen  Figuren 
ständen.  Damit  aber  die  16  vorhandenen  Flachen  ohne  imoingi^nische  Ein- 
sehiebung  ausgefällt  würden,  und  um  die  monotone  Reihe  der  Apostel  zu 
unterbrechen,  sei  noch  je  nach  dreien  der^lben  ein  symbolisches  Zeichen  — 
etwa  Palmbaom.  Taube,  Phönix,  Hirsch  am  Wasser  u.  dgl.  —  einzuschieben. 
Durch  die  Beschlüsse  des  ökomeDiseheD  Coneils  von  Xiziui  sei  nicht  nur  der 
ikonographische  Typus  der  einzelnen  Figuren  fixirt,  sondern  auch  gerade  im 
Gegensatz  zu  der  vordem  in  der  Kunst  vielfach  herrschenden  Willkür  der  An- 
schauungen die  Znsammenfassung  der  Einzeltiguren  zu  bestimmten,  von  einer 
einheitliehen  Idee  getragenen  Cyklen  in  bindender  Weise  festgestellt  worden. 
Die  voniehmste  dieser  Zusammenfassuniren  bilde  aber  die  sog.  grosse  Deesis. 
Es  unterliege  auch  keinem  Zweifel,  da<5s  die  envähnten  Concilbeschlüsse  von 
den  ausführenden  Künstlern  des  achten  Jahrhunderts  als  durchaus  maassgebend 
angesehen  wonleu  seien.  Gegenwärtig  seien  aber  dieselben  künstlerischen 
Gesetze  zu  befolgen,  wenn  es  sich  um  eine  Restauration  des  Aachener  Münsters 
im  Geiste  der  Zeit  seiner  Entstehung  handele. 

Auf  Grund  dieser  Gutachten  hat  der  Vorstand,  namentlich  gestützt  auf 
die  in  erster  Reihe  auch  von  der  Begutachtungskommission  entwickelten  Grtinde, 
die  Ausführung  der  gn^ssen  Dei^is  einstimmig  beschlossen.  Dieser  Beschluss 
ist  in  Uel>ereinstimunuig  mit  ilem  Beschlüsse  des  Stiftskapitels  auch  von  dem 
hochwürdigsten  Herrn  Kardinal  und  Erzbischof  mit  der  Maassgabe  genehmigt 
worden,  dass  die  Api>stel  in  der  Reihenfolge  des  Missais  sich  Johannes  dem 
Täufer  und  dem  nebenstehenden  Erzengel  anzuschliessen  haben,   und  dus  der 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Rheinprovinz.  211 

ausfahrende  Kttnstler  zur  Beschränkung  allenfallsiger  Monotonie  in  der  Dar- 
stellung der  Apostel  bei  deren  Gewändern  die  Farben  gemäss  Apocal.  Cap. 
XXI,  14,  19  und  20  anwende. 

Auch  der  Herr  Kultusminister  hat  zu  der  erwähnten  Darstellung  mit  der 
Maassgabe  seine  Zustimmung  gegeben,  dass  von  einer  genauen  Nachahmung  der 
Figuren  des  Limburger  Reliquiars  abgesehen  werde  und  letzteres  dem  Künstler 
nur  als  Anhalt  für  seine  Arbeit  diene,  und  dass  der  von  Professor  Schaper  zu 
fertigende  Entwurf  zur  Vorlage  an  Allerhöchster  Stelle  eingereicht  werde. 

Hierauf  hat  der  Vorstand  des  Karlsvereins  Anfangs  November  1896 
Herrn  Professor  Schaper  den  Auftrag  erteilt,  innerhalb  4  Monaten  1)  2  Axen 
(4  Figuren)  in  Farbe  und  im  Maassstabe  von  1  :  10  ans  dem  genannten  Cyklus 
zu  entwerfen,  2)  eine  dieser  Figuren  unter  Darstellung  in  Farben  in  natürlicher 
Grösse  zum  Aufhängen  an  Ort  und  Stelle  anzufertigen  und  3)  einen  Durchschnitt 
—  womöglich  perspectivisch  —  im  Maassstabe  1  :  50  zur  Darstellung  der  Ge- 
sammtwirkung  zu  liefern. 

Die  Kosten  der  Ausführung  dieses  Teiles  des  Münsterschmuckes  sind 
durch  den  vorhandenen  Vermögensbestand  gedeckt.  Dagegen  fehlen  fast  alle 
Mittel  zur  würdigen  Ausschmückung  aller  übrigen  Teile  des  Münsters.  Dieser 
Umstand  hat  den  Vorstand  des  Karlsvereins  im  Einvernehmen  mit  dem  Stifts- 
kapitel veranlasst,  am  21.  April  1896  bei  den  Herren  Ressortministern  das 
Gesuch  um  die  Erlaubnis  zur  Veranstaltung  einer  Lottene  einzureichen  und 
dieses  Gesuch  damit  zu  begründen,  dass  die  bedeutenden  Mittel,  welche  bisher 
schon  im  Gesammtbetrage  von  mehr  als  P/4  Million  Mark  durch  Allerhöchste 
Geschenke,  durch  das  Stiftskapitel,  durch  die  Stadt  Aachen,  durch  die  Provinz 
und  durch  Beiträge  und  Geschenke  von  Vereinsgenossen  und  Privatwohlthätem 
beschafft  worden  sind,  nahezu  erschöpft  seien,  dass  es  aber  nicht  unbillig  er- 
scheinen könne,  wenn  zur  würdigen  Herstellung  des  für  die  weitesten  Kreise 
so  ehrwürdigen  und  bedeutungsvollen  Aachener  Kaiserdoms  auch  weitere  Kreise 
herangezogen  würden,  was  aber  erfahrungsmässig  nur  durch  eine  Geldlotterie 
erreicht  werde. 

Auf  dieses  Gesuch  war  ein  Bescheid  bis  Ende  1896  noch  nicht  einge- 
gangen. 

Der  Karlsverein  hatte  im  Jahre  1896  1402  Mitglieder.  Da  in  diesem 
Jahre  das  im  letzten  Berichte  erwähnte  Allerhöchste  Gnadengeschenk  von 
M.  15000  ebenso  wie  die  von  der  Provinz  zugesagte  Jahresrate  von  M.  11  000 
zur  Auszahlung  gelangt  sind,  stiegen  die  Einnahmen  auf  M.  42  710,87.  Die 
Ausgaben  betrugen  M.  18  069,68,  wovon  M.  17  517,78  für  Bauzwecke  verwendet 
worden  sind.  Das  am  24.  November  vorhandene  Vermögen  belief  sich  auf 
M.  123  030,35. 

Loersch. 


212  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  ProvinzialkommiBsion 

2.    Aachen.    Wiederherstellung  der  Pfarrkirche   zum   hl. 
Nikolaus. 

Die  Pfarrkirche  zum  hl.  Nikolaus  zu  Aachen,  ein  dreisehiflSger  grosser 
Hallenbau  mit  ausgedehntem  Chor,  wurde  im  Anfange  des  14.  Jahrhunderts 
als  Klosterkirche  der  Franziskaner  errichtet  und  verblieb  dieser  Bestimmung 
bis  zur  Aufhebung  des  Klosters  im  Jahre  1802.  Sie  war  mit  den  an  der  Nord- 
seite liegenden  Kloster-  und  Sakristeibauten  verbunden.  Im  Laufe  der  Zeiten 
ist  die  Kirche  mehrfach  restauriert  und  umgebaut  worden,  wobei  die  1390 
vorgenommene  Vergrösserung  des  Chores  am  wichtigsten  ist.  —  Bei  dem  grossen 
Stadtbrande  im  Jahre  1656  brannte  das  ganze  Kloster  und  das  Kirchendach 
ab.  Hierdurch  wurden  ganz  besonders  die  Nordseiten  der  Kirche,  weil  hier 
die  Klosterbauten  lagen,  durch  das  Feuer  beschädigt.  Da  damals  bei  dem 
gleich  vorgenommenen  Wiederaufbau  des  Klosters  und  der  Wiederherstellung 
der  Kirche  die  Mittel  sehr  beschränkt  waren,  wurden  die  nötigsten  Bauarbeiten 
nur  äusserst  primitiv  ausgeführt;  das  Kirchendach  wurde  entgegen  der  ur- 
sprünglichen Anlage  über  alle  drei  Schiffe  einheitlich  gelegt  und  die  Sakristei 
in  anderen  Verhältnissen  als  die  alte  aber  mit  Verwendung  alter  Bauteile  als 
Baumaterial  neu  errichtet.  Noch  sei  erwähnt,  dass  auch  an  der  Südseite  des 
Chores  nach  der  hier  liegenden  Grosskölnstrasse  hin  jedweder  verfügbare  Raum 
durch  winzige  Wohnhäuschen  verbaut  wurde,  die  sich  in  höchst  »unorganischer 
Weise  um  die  Chorstrebepfeiler  herumlegten,  wobei  man  sich  nicht  gescheut 
hatte,  diese  Strebepfeiler  beliebig  wegzuhauen,  wenn  sie  in  den  Räumen  hinder- 
lich waren. 

Dies  war  der  bauliche  Zustand  der  Kirche,  als  im  Jahre  1876  ein  starker 
Orkan  das  Kirchendach  vernichtete.  Hierdurch  wurde  die  erste  Veranlassung 
zur  gründlichen  Wiederherstellung  gegeben.  Dieselbe  wurde  umgehend  geplant 
und  erstreckte  sich  zunächst  auf  die  Neuerrichtung  des  Daches  in  seiner  ver- 
mutlich ursprünglichen  Form;  das  Chordach  blieb  ausgeschlossen,  da  es  vom 
Sturme  verschont  geblieben  und  die  Baumittel  sehr  beschränkt  waren.  Femer 
wurden  alle  Masswerke,  mit  alleiniger  Ausnahme  derjenigen  von  drei  Chor- 
feustern,  die  keiner  Ergänzung  bedurften,  sowie  die  Süd-  und  Westseite  der 
Kirche  wiederhergestellt.  Alle  diese  Arbeiten  würden  nach  dem  Plane  des 
Kölner  Architekten  Schmitz  von  dem  damaligen  Domwerkmeister  Baecker  bis 
zum  Schlüsse  des  Jahres  1877  vollendet. 

Nachdem  1894  nun  infolge  des  Durchbiniches  einer  neuen  in  nördlicher 
Richtung  am  Chor  vorbeiführenden  Strasse,  der  sog.  Minoritenstrasse,  und  durch 
den  hiernach  notwendigen  Abbruch  aller  die  Kirche  nach  dieser  Seite  hin  ver- 
deckenden hässlichen  Anbauten  das  Chor  und  die  ganze  Nordseite  der  Kirche 
freizuliegen  kam,  entschloss  sich  der  Kirchenvorstand  nunmehr  auch  die  bereits 
im  Jahre  vorher  geplante  Restauration  aller  dieser  Teile  sofort  vorzunehmen 
und  gleielizeitig  damit  die  an  der  Nordseite  liegende  baufällige  Sakristei  sowie 
den  ebenfalls  baufälligen  aus  dem  17.  Jahrhundert  stammenden  Kreuzgangs- 
flügel neu  zu  ci-setzcn.  Alle  diese  Arbeiten  wurden  in  den  Jahren  1894 — 96 
ausgeführt. 


fUr  die  Denkinalpfl«^  in  der  Rhelnprovina. 


214  Bericht  über  die  Thätisrkeit  der  Provinzialkommission 


O' 


Näheres  über  die  alten  niedergelegten  Bauten  siehe :  Aus  Aachens  Vorzeit 
(Mitteilungen  des  Vereins  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit)  Jhrg.  1895,  S.  92  ff. 

Die  Wiederinstandsetzung  der  alten  Fa^aden  war  stellenweise  eine  recht 
schwierige,  da  das  Mauerwerk  nur  nach  aussen  regelrecht  in  Verband  gemauert 
war,  während  der  Kern  an  vielen  Stellen  eine  schlecht  verbundene  Füllmasse 
bildete.  Da  durch  die  grosse  Feuersbrunst  im  Jahre  1656  aber  gerade  die 
nach  aussen  liegenden  Quadersteine  sehr  gelitten  hatten  und  stellenweise  fast 
ganz  zu  Staub  verbrannt  waren,  diese  Steine  also  durch  neue  ersetzt  werden 
mussten,  so  musste  mit  ausserordentlicher  Vorsicht  das  Mauerwerk  stückweise 
abgestützt  und  neu  ersetzt  werden.  Besonders  schwierig  gestaltete  sich  dieses 
bei  den  Chorstrebepfeilem,  die  in  der  angegebenen  Art  gemauert  waren  und 
wie  oben  erwähnt  bei  dem  Verbauen  der  Kirche  arg  geschwächt  worden  waren. 
Hierbei  wurde  immer  nur  ein  Strebepfeiler  allein  vorgenommen  und  zwar  erst 
die  eine  und  dann  die  andere  Hälfte  desselben.  Das  innen  verbleibende  alte 
Füllmauerwerk  wurde  vorsichtig,  in  entsprechenden  Zwischenpausen,  mit  Cement 
vergossen.  Bei  den  zur  Verwendung  kommenden  Materialien  konnte  das  an 
der  alten  Kirche  verwandte  Material,  das  in  der  Umgegend  von  Aachen  bei 
Herzogenrath  gewonnen  sein  muss,  nicht  zur  Verwendung  kommen,  da  die 
heutigen  Brüche  dieser  Gegend  kein  wetterbeständiges  Material  mehr  liefern 
können.  Die  Bauleitung  entschloss  sich  daher  Quader  zu  wählen,  die  möglichst 
mit  dem  alten  Charakter  übereinstimmen  und  mit  den  an  der  bereits  restau- 
rierten West-  und  Südseite  verwendeten  Steinen  harmonieren.  Da  auch  bei 
dem  alten  Mauerwerk  das  Material  wechselt  zwischen  hiesigem  Kohlensandstein 
und  dem  eben  erwähnten  Herzogenrather  Sandstein,  so  wurden  auch  bei  der 
Wiederherstellung  mit  Absicht  mehrere  Materialien  gleicher  Güte  nebeneinander 
verwendet,  auch  aus  dem  Grunde,  um  ein  zu  glattes  modernes  Aussehen  zu 
vermeiden. 

Zur  Verwendung  kamen  in  den  Strebepfeilern  Nahesandstein  sog. 
Rasberger,  in  den  Flächen  teils  Tuffstein  und  teils  grauer  Eifler  Sand- 
stein. Für  die  Sockelfläcben  wurde  belgischer  Granit  verwendet,  der  mit  dem 
früher  verwendeten  hiesigen  Blausteiu  im  Ansehen  ziemlich  übereinstimmt.  Bei 
den  Sakristei  bauten  und  dem  Aufbau  des  Kreuzgangsflügels  wurde  für  die 
Architekturteile  Euville  (Kalkstein),  für  die  Masswerke  Morlcy,  für  die  Flächen 
Tuffstein  verwendet. 

Die  sämtlichen  in  den  Jahren  1894 — 96  ausgeführten  Arbeiten  erforder- 
ten folgende  Summen: 

A)  Wiederherstellung  der  Chorfa^aden  und  der  Nord- 
seite etc.  rund 43  000  Mk. 

B)  Ausbau  und  Ergänzung  des  alten  Treppenhauses   .      3  100     „ 

C)  Neuerrichtung  des  Chordaches 4  800     „ 

D)  Neubau  der  Sakristei  etc 49  900     „ 

E)  Desgl.  des  Kreuzgaugflügels 24500     „ 

F)  Verschiedene  Reparaturen  etc 9  200     „ 

Summa  aller  Ausgaben  rund  134500  Mk. 


IUI'  di.'  DcTikiiirtliilli><.'o  in  <\ve  lihciiiprovini'..  215 

Diese  Ausgaben  wurilen  in  folgender  Weise  gedeckt: 
durch    eine    Bewüligung    des    Provinziallandtages    in 

der  Höl3e  von 6  000  Mk. 

durch  Sammlungen    des  8t.  Niitolaimbauvcrein   in   der 

Pfarre  in  der  Il.ihe  von 4000     „ 

durch  Geschenke  verschiedener  Personen  von  rund     .      8  000     „ 
durch  ein  Darlehen  der  Landesbank  von      ....     90000     „ 

(amortisiert  und  verzinst  durch  Umlage  von  25''/„) 
durch  ein  Privat-Uarlehen  von 26500     „ 

(durch  den  St.  Nikolausbauverein  zu  verzinsen). 
Die  Ausfahruiig  der  Arbeiten  lag  in  folgenden  Händen: 

1.  Wiedßrher8tcllniigs|iian  und  Entwurf   der  Neubauten  sowie   obere   uud 
s|iezielte  Bauleitung  Architekt  Jos.  Bnehkremer,  Aachen. 

2.  Auslllhrung   der  Bauarbeiten   sowie  Lieferung   aller  Materialien,   auch 
ilcr  Hansteiue:  Joh.  Pet.  Raderniacher  zu  Aachen. 

3.  AusHlhrnng  der  Glasmalereien:  Firma  Biitsfeld  n.  Jansen,  Trier. 

4.  Bildhancrariteiten,  soweit  figürlicher  Natur:  Bildhauer  Piedbocuf,  Aachen. 

Job.  Buchkremer. 


3,  Altenberg.  Wiederheretellung  und  Anssehmiicknng 
der  CiBtercieuserableikirche. 

Im  Anscblnss  an  seine  frühere  Tliätigkeit  und  in  Befolgung  der  bei  Be- 
ginn seiner  Arbeiten  aufgestellten  leitenden  Grundsätze  hat  der  Verein  auch 
in  diesem  Jahre  seine  llauptanfgabc  in  der  Wiederherstellung  und  Ergänzung 
der  kostbaren  Glasmalereien  erblickt. 

Im  Jahresbericht  von  1896  konnte  berichtet  werden,  dass  die  beiden 
äussersten  östlichen  Fenster  im  nördlichen  SeitensL-biff  restauriert  und  dass  drei 
neue  Fenster  in  Ansehluss  an  die  alten  Motive  neben  ihnen  eingesetzt  waren. 
Seitdem  sind  die  beiden  letzten  Fenster  der  Nordseite  nach  Westen  hin  her- 
(,'estellt  worden,  und  ebenso  haben  die  Westfenster  der  beiden  Seitenschiffe  ihre 
Glasgemälde  erhalten,  so  dass  also  jetzt  das  ntirdliche  SeitenschitT  vollständig 
in  dem  alten  farbigen  Schmuck  wieder  dasteht.  Das  nach  sorgfältigen 
Uutersuchnngen  der  erhaltenen  Reste  im  Anfang  aufgestellte  Prinzip  der  all- 
mählichen Steigerung  der  Farbe  von  Osten  nach  Westen  nmsstc  natürlich  auch 
hier  beibehalten  bleiben;  ausserdem  wurde  ein  leichter  Wechsel  von  kalten 
und  warmen  Tönen  in  den  einzelnen  Fenstern  angestrebt.  Im  gleichen  Maasse 
wie  die  Farbe  sich  allmählich  von  Osten  nach  Westen  steigerte,  wurde  auch, 
genau  im  Ansehluss  an  die  alten  Reste,  von  Osten  nach  Westen  ein  stärkeres 
Ilineinsickem  von  ügUrlicben  Motiven  in  die  Ornamente  angestrebt :  Köpfe, 
heraldische  Figuren,  endlich  in  dem  Mönchslenster,  dessen  Entwurf  mehrfach 
abgeändert  worden  war,  ganze  menschliche  Gestalten.  Da  die  ganze  West- 
seite der  Kirche  von  dem  grossen,  fast  die  volle  Breite  des  Mittelschiffes  ein- 


316 


Bericht  ttbcr  die  Th»tigk«il  der  Provln^finlkomtiiliisio 


nohmeniJcn  Westfi'nstcr  beberrscbt  wird,  mnssteu  die  beiden  dies  Fcuater  flan- 
kierenden Scitenschifffeuater  ftucli  im  Ton  sich  ibm  anBcblieseen  nnd  nntev- 
ordnen.  Sie  giod  dei^lialb  niif  das  iiu  Mitteifcnster  vorberrachende  Gelb  ge- 
stimmt wordeil,  aU  Gruud  ist  da«  gleichriille  dem  Mittelfeuater  entlehnte  grdn- 
rote  Scbachbrettmusler  f-e"'älilt  worden.  Die  Arbeiten  sind  wie  die  frilberen 
dnrcb  den  Glasmaler   Prol'essör   A,  [Jnncmanu   in    Frankfurt   a.  M.   zur   vollen 


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Fig.  2.     AJtenliBTK.     nrisnillefeiiMler  im  Chor. 
Znfriedenbeit  des  AugachusBes  nud   der  etaatlicben  Aufsichtsbehörden   durch- 
geflihrt  worden. 

Als  nächtite  Aufgabe  wurde  die  Kestiiuration  nnd  Ergänzung  des  growea 
Westfensters  im»  Aiigo  gefasst.  Das  itebt  Langttahnen  iinifasseude  Fenster  war 
am  Sehlnss  der  letzten  gronscn  HeHtanrationspcriodc  des  DomeB  in  den  Jahrca 
1864 — 1865  durch  das  Königliche  (Jlasmalerei-Institut  in  Berlin  notdürftig 
wiederhergestellt   worden.     Die   beiden   äusseren  Langhahnon   mit   ihren    vier 


rUr  di<;  Denkmalpflege  )u  der  Hhi^i 


217 


Heiligenfiguren  und  ilirea  Baldachinen  waren  hierbei  vUllig  neu  ani^efertigt 
worden;  im  Couronneinent  waren  auttscr  ornauieutalen  Resten  nur  die  untersten 
Reihen,  die  musizierenden  Engel  nud  die  vier  KirchcnvUter  erhalten  sowie  der 
den  Mittelpunkt  bildende  grosse  Chriälnskopf;  die  Ilbrigeti  Felder  waren  mit 
anfdringlieher  farbiger  Vevglasung  gefüllt,  die  die  harmonische  Wirkung  des 
Fensters  aufhob  und  den  ganxfn  Eindruck  der  Westseite  von  innen  erheblich 


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Fig.  3,    AUeoberg.     Grisaillcfciister  im  Clitr. 

beeinträciitigtc.  Die  Vorarbeiten  zur  Wiederherstellung  dieses  Fensters,  die 
dnrch  die  Kaiser  Wilhelm-Gedaclitnisstiftmig  ermöglicht  war,  fallen  noch  in 
das  Jahr  1896.  Nach  mtlndlichen  Überlieferungen  waren  die  oberen  Teile  des 
Cooronnements  in  den  sechziger  Jahren  entfernt  und  nach  Berlin  geschafft 
worden.  Die  HotTnungen,  in  dem  alten  Schloas  zu  Glienecke  diese  Reste  wieder 
aufzufinden,  erwietteu  sieb  als  trügerisch.  Die  seitens  des  Hofmarschallanites 
des    Prinzen  Friedrich  Leopold  von  Preiisscn   mit  dankenswerter    Bereitwillig- 


318 


Bericht  über  rtie  ThJltigkeii  (k'r  Provinxiulknmmissioi 


keit  gestattete  Nacliforsehnng  ergab  nur  (las  Vorliandenaein  älterer  Seheilten 
im  sogenannten  Klosterbot',  die  aber  nieht  aus  der  Kirche  herrührten.  Ei* 
musste  deshalb  im  Auschluss  an  die  vorhandenen  Darstellungen  die  Neukotu- 
position  des  ganzen  AbacbluHBes  unternommen  werden.  Das  Programm  hierfür 
wurde  von  dem  Aiisscbuss  mit  UntcrstUtzimg  von  namhaften  Autoritäten  auf 
dem  Gebiet  der  mittelalterliehen  Ikonographie  festgestellt:  um  den  alten 
Christnskopf  sollten  sieh  in  den  vier  Dreipässen  Engel  mit  don  Leidenswerk- 
zeugen Christi  gruppieren  \  in  den  zwei  Vierpäseen  sollten  die  Figuren  Jobannie 
des  Tänfers  und  der  Madomia  Platz  finden.  Der  .\nftrag  wurde  mit  Zustim- 
tnnng    der  Königlichen  Rcgiermig  dem  Glasmaler  Professor  Linnemauu  erteilt. 

Gleieh/.eitig  war  auch  die  Wiederherstellung  der  Fenster  im  Obergadeu 
de»  Hanptehores  in  Angriff  genommen  worden.  Von  den  sieben  Fenstern,  die 
hier  das  Chorpolygon  erlcuchteteu^  hcsassen  fünf  noch  teilweise  ihre  alte  Ver- 
glaaung.  aber  in  ganz  ungenügender  Weise  in  den  Fünfziger  Jahren  mit  modernen 
viel  zu  hellen  Ergäniiungeu  vereinigt,  die  beiden  liusueren  waren  nur  einfach 
verglast.  Ute  Wiederherstellung  dieser  in  einfacher  Grisaüle  ohne  starke  Farbe 
ausgeführten  Fenster  wurde  der  Anstalt  Schneiders  &  Schmolz  in  KiSln  Über- 
tragen. Die  alten  Scheiben  wurden  sorgfUItig  gereinigt  und  mit  getreuen  Er- 
gänzungen in  Antikglas  vereinigt;  der  vorhandene  Wechsel  von  leicht  bläulich, 
grünlich,  gelblich  uud  rötlich  augehauehten  Scheiben  wurde  beibehalten  and 
nachgeahmt.  Die  beiden  Fenster  zur  Seite  erhielten  mit  ßeuntznng  der  vor- 
handenen alten  Motive  und  in  derselben  einfachen  Zeichnung  neue  Glasmalereien. 
Die  Arbeiten  wurden  während  des  Winters  in  der  genannten  Auslalt  mit  grosser 
Sorgfalt  ausgeführt;  die  Einsetzung  der  Fenster  erfolgte  erst  im  Frühjahr  1897. 
Die  Zeichnung  der  Fenster  {Fig.  2  nod  3)  ist  bei  aller  Soblichtheit  von  grossei' 
monumeutaler  Wirkung  —  bei  der  Höbe,  in  der  die  Scheiben  sitzen,  muaate 
eine  mögliehst  klare  Einteiluug  der  Laiigbahnen  angestrebt  werden.  Da»  wurde 
erreicht  durch  die  dentlieh  jede  Dahn  gliedernde  geometrische  Einrahmung, 
die  in  den  einzelnen  Fenstern  verschieden  ist  uud  doch  einen  gleicbmässig 
ruhigen  Eindruck  bietet.  Ans  den  geometrischen  Gliedern  wachsen  dann  ganz 
organisch  die  Blütter  und  Ranken  hervor,  die  die  edelsten  und  sehünsten  fi-Qb- 
gothischen  Motive  zeigen.  Wieder  wegen  der  Höhe  der  Aufstellung  konnte  auf 
Angabe  der  Rippen  auf  den  Rlälteni  vollslüudig  verzichtet  werden.  Die  F>uster, 
die  denen  in  Heiligenkreuz  am  näclisteu  verwandt  sind,  gehören  uueh  den 
letzten  Jahrzehnten  dcK  13.  Jahrhunderts  an.  Genaue  pliotograpluscbe  Auf- 
nahmen der  Fenster,  sowie  sorgf)illige  l'ausen  hetiudeu  sich  im  Denkmäler- 
arehiv  der  Rheinprovinz  zu  Bonn. 

Die  im  Hoehchor  uud  im  nördlichen  Querschiff,  dem  Grafenchor  aufge- 
stellten Grabdenkmäler  der  bergiseheu  Grafen  und  Herzöge  waren  in  den  ersten 
beiden  Jahrzehnten  dieses  Jahrhunderts,  vor  allem  in  den  Jahren  1806  bis 
11^15  frevelhaft  verstümmelt  und  beschädigt  worden;  das  am  weitesten  Bildlich 
gelegene  Grabmal  lies  Grafen  .\dolpli  VIII.  ij  1S4S)  war  durch  den  Einsturz 
der  südlichen  Chorpartie  noch  liesomlers  bei^childigt :  die  Grabiigur  eclbst  war 
Tollstäudig  zertrümmert.     Die   Wiederherstellung    dieser    Denkmäler    —    Ittr 


rOr  <)ie  !)  eil  km  al  pflege  In  der  Rhein  pro  vi 


219 


die  Sc.  Mi^jesUit  der  Kniscr  und  KAnig  die  Summe  von  9762  M.  ans  dem 
Allerhriclinten  Dispositioiisfoiidii  bewilligt  hatte,  war  dem  Dombildhaner  Professor 
Fuchs  in  Köln  übertragen  worden.  Zunächst  wurden  in  Altenberg  seibat  die 
einzelnen  in  dem  Dome  und  in  seiner  tJmg:elmng  herumliegenden  StUeke  zu- 
sammengesucht und  thanliclist  /.nsanmiengeBetzt.  Die  oben  genannte  liegende 
Gestalt  des  Grafen  Adolph  VIII.  war  in  nicht  weniger  nlß  36  kleine  Bruch- 
stlletce  zertrflmmert,  nur  der  Torso,  der  Kopf  nnd  die  Beine  waren  In  grösseren 
Stilekon  erhalten.  Sodann  wnrden  nach  sorgfältigen  Aufnahmen  an  Ort  und 
Stelle  die  Rrnchettlcke  nach  Köln  transportiert,  wo  sie  im  Atelier  des  Professor 
Fuchs  aiiffe  neue  zusainmengeBetzt  wurden.  Die  fehlenden  Teile  wurden  znnächst 
in  Thon  hinznmodeUiert  nnd  dann  sorgfältig  in  feinem  Tuff  naeligebildet.  Bei 
den  Figuren  wnrden  alle  alten  Teile  wieder  verwendet  uud  nut  den  neuen 
durch  kupferne  Dollen  und  Patentkitt  verbunden;  ein  Nacharbeiten  der  allen  Teile 
blieb  auegescbloBBen.  Die  architektonische  Umrahmung  der  Platten  war  der- 
tnassen  «ertrllmniert,  das»  sie  gilnzlieh  neu  angefertigt  werden  musste.  Die 
alten  Beste  wnrden  dem  Provinzialniuseum  in  Bonn  (Iberwiesen.  Die  giinzlieb 
zcrstörfß  Grabplatte  des  Grafen  Adol|)l)  VIII.,  die  zu  den  besten  Arbeiten  aus 
der  Mitte  des  14.  Jh.  gehört,  ist  auf  diese  Art  in  mnstergtlUiger  Weise  wieder- 
hergestellt worden  (vgl.  die  Tafel).  Bei  der  WiederherstcUnng  des  Grabmales 
des  Erzbischofs  Bruno  (t  1200),  das  gleichfalls  aus  der  Mitte  des  14.  Jh. 
stammt,  fand  sich  unter  einer  Bemalung  des  17.  oder  18.  Jh.  die  auf  Kreidc- 
gnind  aufgesetzte  sorgfältige  ursprnngliche  Polyehromioning  vor.  In  Anbetracht 
dcw  grossen  kunstgeschichtlicbcn  Werte«,  die  diese  Bemalung  des  14.  Jh.  hat, 
wurden  die  Farben  sorgfältig  aufgenommen  uud  dann  auf  neuem  Kreidegrund 
genau  in  den  Originaltönen  wieder  aufgesetzt.  Ein  leichtes  Abtönen  des  ganzen 
Grabmales  steht  noch  aus.  Die  Umrahmungen  in  Tuff  und  die  Abschluss- 
gesimse  sowie  die  Sockel  in  Draehenfelser  Trachyt  wurden  in  dem  Atelier 
P.  Bachems  Witwe  in  Königswinter  nach  Zeichnungen  nnd  Modellen  des  Pro- 
fessor Fuchs  ansgeführt.  Das  Grabmal  Herzog  Gerhards  II.  (f  1475)  wurde 
gleichzeitig  gründlich  renoviert.  Die  ganze  Einfassung  in  Draehenfelser  Trachyt 
wurde  ernent;  die  zwölf  Erxplatten,  die  das  gravierte  Bildnis  des  Herzogs 
trugen,  wurden  von  dem  Erzgiesser  Louis  in  Köln  durch  Abglühen  wieder  in 
die  alte  Form  gerichtet,  dann  auf  vier  neuen  Sandsteinplatten  (an  Stelle  der 
ganz  zerstörten  alten  Sebieferplatte)  neu  aufgelegt  nnd  festgeniefet.  Die  Ar- 
beiten werden  im  Jahre  1897  fortgesetzt. 

Clemen. 


4.     Flatnniersfeld    (Kreis    Altenkirchen).     Restauration    nnd 
Umbau  der  evangelischen    Pfarrkirche. 
Die  Kirche,  eine  frUhromaniBche  flachgcdeekte  Pfcüerbasilika  des  II.  Jahr- 
hunderts von  dem  ftlr  die  Rheiidande    charakteristischen  Tj*pu8,  hatte  im  15. 
und    18,  Jahrhundert  vcrsehiedene  Veränderungen  erfahren;  im  15.   hatte  das 
nördliche    Seitenschiff  gotbisehe  Masswerkfenster  erhalten,  das  letzte   östliche 


220  Bericht  über  die  Thiitigkeit  der  ProTinzialkommiäsion 

Joch  ein  StemgewOlbe  mit  EngcIskSpfehen  aIb  Konsolen.     Dne  sUdlicIic  Seiten- 
echiff  war  im  18.  Jahrhundort  neu  aufgeführt. 

VeranlasBung  zn  den  Restaurationsarheiten  gab  der  baufällige  Zustand 
des  stidliehen  SeiteuBchtffes.  Der  Chorraiim  war  dmdi  Aufetellnng  von  Bänken 
für  die  Gemeinde  seiner  ursprUngticben  Bestimmung:  entzogen  nnd  das  Mittel- 
sehifF  durch  eine  an  seiner  HtUlwand  sich  hinziehende  Holzgallerie,  welche  die 
seitlichen  Rundbogen  und  zum  Teil  auch  den  Triumphbogen  verdeckte,  verun- 
staltet. Es  entstand  in  dem  Unterzeichneten  der  Gedanke,  das  den  Einstui?. 
drohende  Seitenschiff  in  einer  Weise  neu  aufzubauen,  dass  ohne  Venninderung 
der  SitzpUtzc  der  Chor  seiner  Bestimmung,  als  Ällarraum  zu  dienen,  znrllck- 
gegebeu  und  die  Holzgallerie  beseitigt  werden  kfinne.  Auf  Anraten  des  Ge- 
heimen Baurnts  Cuno  wurde    der  Architekt  Ludwig  Hofmann  in  Herborn   mit 


Fi{,'.  4.  Fliimnicrleld.  Orundriss  der  i!vaugeli»ichen  Pfarrkirche, 
der  AnsAlhrung  des  Projektes  betraut,  nach  dem  das  sUdliehc  Seitenschiff  ab- 
gebrochen nud  zweistückig  wieder  aufgebaut  werden  sollte;  in  seinem  oberen 
Teile  sollte  eine  geräumige  Empore  eingebaut  werden,  die  stldliche  .Scheide- 
mauer war  hierbei  zum  Teil  zu  durchbrechen;  in  den  Öffnungen  sollten  Säulen 
aufgestellt  werden.  In  diesem  Banplan  war  ferner  die  Versetzung  der  Kanzel 
von  dem  letzten  nördlichen  Pfeiler  an  die  nördliche  Ecke  des  Triumphbogens 
und  eine  zweckentsprechendere  Aufstellung  des  Gestühlt«  im  Mittelschiffe  vor- 
gesehen. 

Da  die  Gemeinde  zur  Aufbringung  der  Kosten  eines  solchen  Erneuerungs- 
nnd  Umbaues  aus  ihren  Mitteln  ausser  stände  war,  wandte  sich  das  Presby- 
terium  mit  der  Bitte  an  die  KcinigliLThe  Regierung  zn  Coblenz,  mit  Rücksicht 
auf  den  archäologischen  Wert  der  bestehen  bleibenden  Gebäudeteile  der  Ge- 
meinde fUr  den  Ban  üntcrstiltzuugeu    aus  provinziellen   und  staatlichen  Pondg 


rür  liie  DenkmHlpflc^ 


1  üer  Rhejuprnvi 


äSt 


ZU  erwirkeu,  Diese  Bitte  hatte  den  Erfolg,  dasg  vom  38.  Provinziallandtag 
eine  ßeibulfe  von  4000  M.  nnd  ane  ileui  Allerbßclifiten  Dispositionsfonds  ein 
Gnadengeschenk  von  3970  M.  bewilligt  wurden.  Nachdem  nun  die  Gemeinde- 
vertretung die  Anfhringiuig  de»  Resles  der  Bankonten  durch  Kirchensteuer  be- 
echloHHen  halte,  konnten  die  Bauftrbelten  dem  Unternehmer  Lenz  in  Alteu- 
kirchen  übertragen  werden,  der  sie  in  der  Zeit  von  Mitte  April  bis  Ende  Ok- 
tober vorigen  .fahres  nach  dem  oben  besehriebcneu  Plane  dee  Architekten 
HofiuAnn  ausgeführt  hat.  Die  Bauleitung  und  Anfsicbt  wurde  von  dem  letz- 
teren, die  lirtliche  Leitung  von  dem  PreBbyferium  ausgeübt. 

Der  Neubau  ist  in  Keldbramlxiegeln  mit  reicher  Verwendung  von  wester- 
wülder  Trachyt-Werketeinen  ausgeführt  und  hat  einen  ans  Kalkmörtel  herge- 
stellten Verputz  erhalten.  Fussboden  und  Decke  der  Empore  zeigen  sichtbare 
Holzkonstmktion.  Das  Fnndament  der  Pfeiler  iat  durch  eine  Cementbeton- 
sehicht,  das  Dach  des  Mittelschiffes  durch  ein  Sprengwerk  verstärkt.  Alle 
ScbUden  am  Mauerwerk  der  alten  Gebäudeteile  sind  sorgfältig  ansgebessert, 
die  ursprllngiicfa  in  der  alten  Stldfront  befindlichen  Fcnstermaeswerke  wieder- 
hergestellt und  ini  Neuban  verwandt,  die  Chorfeneter  mit  Glasmalerei  versehen. 
Ohne  Glasmalereien  und  sonstigen  Kirchenschmuck,  deren  AnBchafTmig  durch 
Geschenke  ermöglicht  wurde,  haben  die  Bankoston  la  Tö9  M.  28  Pf.  betragen, 
m  da»s  die  Gemeinde  ans  ihren  Mitteln  5789  M.  28  Pf.  beisteuern  muss.  Die 
im  Plane  des  Architekten  vorgesehene  Überwcjibung  konnte  mangels  der  nStigen 
Mittel  vorerst  leider  nicht  zur  AnsfQhvung  kommen.  Immerbin  macht  das 
Innere  der  Kirche  auch  jetzt  schon  zufolge  Beseitigung  der  nuschUnen  Iloiz- 
gallerie  und  durch  die  interessante  Verbindung  des  Mittelschitfs  mit  der  neu- 
augebauten  .Seitenempore  einen  harmonischen,  würdige«  Eindruck. 

Pfarrer  Berns. 


5.  6ode8berg  (Kreis  Bonn).  Instandsetzung  der  Michaels- 
kapel  le. 
Die  Michaelskapelle  im  Hofe  der  Vorhnrg  der  Godesburg  soll  um  das 
Jahr  1210  n,  Chr.  durch  Erzbischof  Theoilorich  von  Köln  hier  aufgeführt  worden 
sein.  Ihr  ursprünglicher  Standpunkt  befand  sieh  alten  Überlieferungen  nach 
auf  der  ßergesspitze,  wo  sieh  heute  der  gewaltige  runde  Turm  der  Ruine  er- 
hebt. Im  Jahre  1583  wurde  die  Kapelle  Kwecks  Verteidigung  der  durch  die 
Bajern  belagerten  Burg  ihres  Daches  beraubt  und  dnrch  Erdansdlllung  zur 
Bastion  hergerichtet.  Später  nahm  sich  im  Jahre  1691  Kurfürst  Joseph  Clemens 
des  Bauwerkes  an  nnd  liess  ihm  die  heutige  Gestalt  geben.  Das  Innere  wurde 
dnrch  den  Stuckatenr  .loh.  Peter  Caatelli  in  den  Jahren  1697  bis  1699 
reich  und  Überladen  ausgeschmückt.  Nur  der  unschöne  Glockenturm  über 
dem  Chor  ist  eine  Zuthat  späterer  Zeit.  Vgl.  über  das  Bauwerk  Dick, 
Kurze  Beschreibung  und  Geschichte  von  Godesberg  S.  24.  —  E.  Renard, 
Die  Bauten  der  Kurftirsten  Joseph  Clemens  und  Clemens  August  von  Kliln: 
Bouucr  Jahrbücher  XCIX,  S.  182. 


222 


Bericht  über  die  ThStigkeit  der  Provin^slolkommission 


Das  Kirchenschiff  ist  mit  einer  beinahe  halbkreisfönnigen  Tonne,  der 
Chor  unter  dem  Hanptturm  mit  einem  achtseitigen  Klostergewölbe  mit  oben 
eingelegtem  kleinen  Spiegel  überdeckt.  Der  Grundriss  des  Kloetergewölbes  ist 
ein  Rechteck,  dessen  Ecken  unter  40**  abgestumpft  sind.  Die  GewOlbe  sind 
mit  Stuck verziei-UDgen  und  Gemälden  in  Barockstilformen  beinahe  ganz  bedeckt. 
Die  Wandflächen  zeigen,  abgesehen  von  den  3  Barockaltären,  keinen  architek- 
tonischen Schmuck. 

Bei  seinem  Amtsantritt  im  Jahre  1890  fand  der  jetzige  Pastor  der  katho- 


Fig.  6.     Godesberg,    Aufriss  der  Michaelskapelle. 

lischen  Kirche,  Dr.  Winter,  die  Kapelle  vollständig  verwahrlost  vor.  Das 
Dach  war  so  undicht  geworden,  dass  durch  den  einströmenden  Regen  die  Ge- 
wölbe und  Mauern  dnrchnässt  wurden  und  Verputz  und  Stuck  sich  mehr  nnd 
mehr  lösten  und  in  Stücken  herabfielen.  Die  Langmauem  waren  am  West- 
giebel stark  ausgewichen,  so  dass  breite  Risse  entstanden  waren. 

Aus  freiwilligen  Gaben  der  Katholiken  und  Protestanten  Godesbergs  in 
Höhe  von  ca.  2400  Mk.  wurden  die  Wände  ausgebessert  und  verankert,  das 
Dach  wurde  beinahe  ganz  neu  eingedeckt.  Durch  den  Architekten  Karl  Hupe  in 
Bonn  wurde  sodann  ein  eingehender  Kostenanschlag  für  die  Instandsetzung  des 


für  d'ici  Denk  mal  pflegre  in  dir  Rheiii|)roviiiz.  22:i 

IniierPii  auBgearbeitel.  der  mit  der  Sninnie  von  3100  Mk.  abHi-liIitgs.  Der  Pro- 
vinzialausaehiiHH  der  Rliein|n'ovin/.  bewilligte  dazu  in  der  Sitzung  vom  6.  März 
185*5  eine  Beihiitc  von  1400  MV..  Die  Civtlgeiiieiiiile  Gndeabergs  beteiligte  sich 
an  den  Baukosten  mit  lOOU  Mk.  nnd  die  katbolische  Kirchengemeinde  mit 
filK)  Mit.  Ea  standen  hiernach  2900  Mk.  für  die  Reparaturen  znr  Verfflguug. 
Iin  KoBtcnaniichlagc  waren  vorgesehen:  I.  die  In»tandeetzuiig  der  Gewnibe, 
ilircr  StuckvcrRiertiugen  nnd  Geraftlde,  2.  In»<taDdKet/.nng  der  3  Altäre  nnd  der 
Miuhaelsgruppe  im  Hochaltar,  bestehend  aus  dem  heiligen  Michael,  einem  Bi- 
Hchof,  einem  Hirten  und  einem  Htier,  alle  Figuren  in  ca.  '/^  LebcnsgröBEC  nnd 
ferner  3.  Herstellung  eines  Kalkfarbeanatricbes  des  Kapelleninuern. 


Godesberg.    Grundriss  der  Michaekkapelle. 


Im  Frühjahr  1895  wnrden  die  Augbesserungen  in  Angriff'  genommen. 
Zncret  wurde  das  Schiff  eiugerllBtet  und  mit  den  Stuck reparaturen  und  Siehe- 
rung  des  Gewölbes  begonnen.  Letzteres,  wie  auch  das  Chorgewölbe  bestehen 
ans  einer  mit  ungeschälten  Pliesterruthcn  benagelten  TannenbretterverBchalung, 
vrelehe  an  kreisrund  ausgeschnittenen  Eichensparren  befestigt  ist.  Zwischen 
den  FliesteiTUten,  welche  mit  der  Rinde  an  der  Schalung  anliegen,  haftet  der 
GcwJllbepute  uud  an  diesem  die  StnckverKierungen.  Wo  sich  die  Bretterver- 
achalung  morsch  zeigte,  wurde  oben  auf  dieselbe  ein  Moniergewölbe  aufgelegt 
nnd  an  dicscB,  oder  an  anderen  Stellen  an  die  noch  gnt  erhaltene  ßrettersehalung 
die  loBC  hängenden  Stuckverzierungen  mittele  Schleifen  aus  verzinktem  Eieen- 
draht  nufgohnngen.  Fehlende  Teile  de»  Stuckes  wurden  durch  Modelleure  an 
Ort  nnd  Stelle  augetnigen.     Umfangreicher  gestalteten  »ieli  die  Reparaturen  an 


224  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

dem  Chorgewölbe  und  seinen  Stuekveraierungen.  Hier  mussten  ganze  Partien 
der  Stuck  Verzierungen  mittels  Leimformen  abgeformt,  neugegossen  und  an  voll- 
ständig in  Schalung  und  Sparren  erneuerter  ünterkonstruktion  angesetzt  werden. 
Die  grösste  Vorsicht,  Geduld  und  Geschicklichkeit  erforderte  aber  die  Befesti- 
gung des  Putzes  der  Deckengemälde.  Zwei  Versuche,  den  Putz  mittels  Ein- 
spritzung von  Wasserglas  und  von  Gipsmilch  durch  Bohrlöcher  von  oben  aus 
an  die  Schalung  zu  befestigen,  misslangen.  Die  losen  Putzflächen  mussten 
schliesslich  von  unten  mittels  Kleister  mit  Fliespapier  beklebt,  vorsichtig  mit 
dem  Spachteleisen  abgelöst  und  mit  Gipsmörtel  genau  an  alter  Stelle  wieder 
angesetzt  werden.  Diese  Arbeiten  wurden  durch  den  Stuckateur  A.  Kirchhoff 
in  Godesberg  mit  grossem  Geschick  ausgefllhrt.  Nachdem'  die  Putzflächen 
sämtlich  gesichert  waren,  wurde  zur  Restauration  der  Deckengemälde  geschritten. 
Mit  dieser  Arbeit  war  der  Maler  Thiel  aus  Aachen  betraut  worden,  welcher 
die  verblassten  Farben  glücklich  nachretouchirte  und  fehlende  Teile  ergänzte. 

Von  der  Michaelsgruppe  in  der  Hochaltarnische  war  nur  der  heilige  Mi- 
chael mit  dem  Drachen  schadlos,  abgesehen  von  der  etwas  abgeschlissenen 
Vergoldung.  Die  drei  übrigen  weissgestrichenen  Holzfiguren  waren  derart  vom 
Wurm  zernagt,  dass  sie  vollständig  enieuert  werden  mussten.  Die  Wieder- 
herstellung in  Holz  würde  zu  teuer  gekommen  sein,  deshalb  wurde  Stuckateur 
Kirchhoff  beauftragt,  die  Figuren  abzuformen  und  in  Gipshartguss  zu  giessen. 
Auf  diese  Weise  sind  die  ursprünglichen  Formen  treu  gewahrt  geblieben  bei 
verhältnismässig  geringem  Kostenaufwand. 

Da  die  Wände  der  Kapelle  nicht  gegen  Erdfeuchtigkeit  isoliert  sind,  das 
Einbringen  einer  Isolierschicht  in  das  stark  mit  Basaltsteinen  durchsetzte  Mauer- 
werk aber  zu  grosse  Kosten  verursacht  haben  würde,  wurden  im  Abstand  von 
5  cm  von  den  Wänden  3  bis  4  cm  starke  Cement-Rabitzwände  auf  1,50  m 
Höhe  aufgeführt  und  oben  mit  einem  Cementgesims  abgeschlossen.  Auch  diese 
Arbeit  führte  der  Stuckateur  Kirchhoff  aus. 

Zum  Schluss  erhielt  die  Kapelle  innen  noch  einen  Kalkfarbeanstrich. 
Die  Gewölbe  wurden  mit  einem  mit  Gelb  abgestumpften  Weiss,  die  Wände 
mit  abgestumpftem  Gelb  und  die  Altäre  in  der  alten  Farbengcbung  gestrichen. 

Die  vier  auf  Leinwand  gemalten  Oelgemälde  der  zwei  Seitcnaltäre  und 
einige  ebensolche  in  Rahmen  befindliche  und  an  den  Wänden  hängende  Ge- 
mälde des  17.  und  18.  Jahrhunderts  sind  durch  den  Restaurator  Carlos  Schmidt 
renoviert  und  auf  den  Rückseiten  imprägniert  worden.  Letztere  Arbeit,  wie 
auch  die  Herstellung  der  Rabitz-Cementwände  waren  nicht  im  Kostenanschlage 
vorgesehen. 

Im  September  1896  waren  sämtliche  Reparaturen  beendet,  die  Kapelle 
konnte  wieder  ihrer  Bestimmung  übergeben  werden.  Die  gesamten  Arbeiten 
sind  unter  Leitung  des  unterzeichneten  Architekten  ausgeführt  worden. 

Die  Baukosten  betnigen  für  sämtliche  Arbeiten  4400  Mk.  Der  Kosten- 
anschlag wurde  mithin  um  700  Mk.  und  die  vorhandenen  Mittel  im  Betrage 
von  2900  Mk.  mit  1500  Mk.  überschritten. 

K.  Hupe. 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Rheinprovinz.  225 

6.  Kirn  (Kreis  Kreuznach).  Restauration  und  Erweite- 
rung der  evangelischen  Pfarrkirche. 

Die  alte  Pancratiuskirche  zu  Kirn  bestand  bis  zum  Jahre  1893  aus  drei 
Teilen,  die  dem  13.,  15.  und  17.  Jahrhundert  angehörten.  Von  der  romanischen 
Basilika  stammte  noch  der  Turm  mit  hohem  trapezförmigen  Dach  über  Giebel- 
stelluugen,  in  den  ersten  Jahren  des  13.  Jahrhunderts  entstanden.  Bei  dem 
Erweiterungsbau  um  1467  wurde  der  Chor  in  spätgothischen  Formen  neu  auf- 
geführt und  das  romanische  Langhaus  wurde  neu  eingewölbt,  1680  und  1750  wurde 
dieses  restauriert,  das  Mittelschiff  ward  hierbei  mit  einem  Tonnengewölbe  überspannt. 
Bei  der  grossen  Breite  und  den  mangelhaften  Widerlagern  des  Mittelschiffes 
hatten  sich  schon  längst  Ausweichungen  gezeigt.  Das  grosse  Hochwasser  des 
Jahres  1875  hatte  die  Mauern  der  unmittelbar  an  der  Nahe  gelegenen  Kirche 
unterspült  und  die  Fundameute  angegriffen,  im  Jahre  1890  musste  endlich  die 
Kirche  wegen  der  Gefahr  des  Einsturzes  geschlossen  werden. 

Bei  den  im  Änschluss  hieran  nötigen  Verhandlungen  handelte  es  sich  nicht 
nur  um  die  Aufhebung  des  Simultanverhältnisses  und  die  Ablösung  von  der 
katholischen  Gemeinde,  sondern  auch  um  die  Frage,  ob  die  alte  Kirche  nicht 
ganz  abgebrochen  werden  und  ob  nicht  an  anderer  Stelle  eine  neue  evange- 
lische Kirche  errichtet  werden  sollte.  Vom  Standpunkte  der  Denkmalpflege 
konnte  dem  nicht  zugestimmt  «werden.  Der  mit  Netzgewölben,  im  Chorab- 
Bchluss  mit  einem  Sterngewölbe  überdeckte  schlanke  Chor  mit  seinen  feinen 
und  edlen  Profilen,  sowie  der  kräftige  romanische  Turm  mit  der  anstossenden 
Sakristei  waren  auf  alle  Fälle  beizubehalten.  Auf  Veranlassung  der  König- 
lichen Regierung  und  nachdem  sich  der  staatliehe  Conservator  der  Kunstdenk- 
mäler, Geheimer  Ober-Reg.-Rat  Persius,  für  die  Erhaltung  ausgesprochen 
hatte,  entschloss  sich  die  evangelische  Gemeinde,  der  katholischen  ihren  Teil 
für  21 000  Mk.  abzukaufen  und  im  Änschluss  an  Turm  und  Chor  ein  aus- 
reichendes Langhaus  aufzuführen.  Die  schwierige  Aufgabe  wurde  dem  Archi- 
tekten Heinrich  Wiethase  in  Köln  übertragen,  der  im  Einvernehmen  mit  dem 
verstorbenen  Geh.  Baurat  Cuno  ein  hohes  spätgothisches  Schiff  mit  nur  zwei 
freistehenden  Säulen  an  die  alten  Teile  anfügte,  das  sich  mit  diesen  auf  das 
Glücklichste  zu  einer  originellen  durch  Reichtum  der  Silhouette  ausgezeichneten 
Gruppe  vereinigte.  Die  westlich  vor  der  Kirche  vorüber  führende  Strasse  ver- 
bot eine  weitere  Ausdehnung. 

Gleichzeitig  mit  dem  Erweiterungsbau  wurde  die  Restauration  der  alten 
Teile  unternommen.  Am  Chor  wurden  Masswerk  und  Strebepfeiler  ausge- 
bessert; die  Strebepfeiler  wurden  unterfangen.  Das  veränderte  Verhältnis 
zwischen  Chor  und  Langhaus  erforderte  eine  Erhöhung  des  Turmes.  Auf 
das  ursprüngliche  obere  Stockwerk  wurde  ein  neues  in  den  gleichen  Formen 
mit  Wiederholung  der  gleichen  Fenstergliederung  gesetzt  und  auf  diesem 
wieder  die  Giebel  mit  dem  Trapezdach  aufgebracht.  Der  Turm  ist  dadurch 
um  sieben  Meter  erhöht  worden.  Die  grössere  Belastung  des  Mauerwerkes 
machte  aber  wieder  ein  Unterfangen  und  Verstärken  der  Fundamente  durch 
Einziehen  eiserner  Träger  notwendig.     Im  Inneren  wurde  am  Triumphbogen 

Jahrb.  d.  Ter.  v.  Alterthaftr.  im  Rheinl.  108.  15 


Ö28  Bericht  über  die' Thätig^keit  der  Provinzialkommission 

erbauten  Archiv-  und  Bibliothekgebäude  am  22.  März  1897  übernommen,  und 
es  soll  dieselbe  den  Künstlern  zum  Studium  jederzeit  zugänglich  bleiben. 

Nachdem  im  Frühjahre  1896  der  auf  Grund  des  allseitig  genehmigten 
Entwurfes  ausgeführte  Probe- Windfang  aus  Eichenholz  zu  einer  Seitenthür  des 
Nordportals  aufgestellt  war,  hat  das  hiesige  Meti'opolitan  -  Kapitel  unter  dem 
15.  Juni  1896  ersucht,  wegen  anderweitiger  Vorschläge  zur  Gestaltung  der 
Windfang- Vorbauten  im  Inneren  der  Domkirche  von  einer  Fortfühioing  der  Ar- 
beiten nach  dem  genehmigten  Plane  vorläufig  Abstand  zu  nehmen.  Eine  Ent- 
scheidung über  die  nunmehr  in  Vorschlag  gebrachte  Ausführung  der  Windfänge 
in  Haustein  sowie  über  die  in  Aussicht  genommenen  umfangreichen,  alle  drei 
Thüren  der  Portalwände  einschliessenden  steinernen  Windfang-Einbauten  konnte 
bisher  nicht  getroffen  werden,  da  die  vom  Metropolitan-Kapitel  in  Auftrag  ge- 
gebenen  Pläne  nebst  Kostenanschlägen  bis  zum   Schlüsse   des  Betriebsjahres 

1896/97  nicht  zur  Vorlage  gekommen  sind. 

Voigtel. 


8.  Kleve.  Instandsetzung  des  Seh wanenturmes  in 
der  Burg. 

Auf  der  Burg  zu  Kleve,  dem  Stamm-  und  Residenzschlosse  der  Grafen 
und  Herzöge  von  Kleve,  der  grössten  Burganlage  am  Niederrhein,  war  im 
Jahre  1439  der  alte  Hauptturm,  der  der  Tradition  nach  auf  den  Resten  eines 
Römerturmes  stand,  eingestürzt.  Noch  im  selben  Jahre  begann  Herzog  Adolph 
den  Neubau,  der  aber  erst  im  Jahre  1453  vollendet  war.  Auf  der  Spitze  wurde 
das  Wahrzeichen  der  Stadt  und  das  sagenhafte  Wappentier  der  Herzöge  von  Kleve, 
der  Schwan,  angebracht;  —  der  Turm  heisst  von  jetzt  an  der  Schwanenturm. 
Die  Burg  wurde  1560  durch  den  Anbau  eines  neuen  grossen  Flügels  und  1579 — 80 
durch  die  Errichtung  der  Gallerie  durch  den  Architekten  von  Pasqualin,  1664 
endlich  durch  Anlage  der  Arkaden  im  Hofe  und  Erbauung  eines  Zwischen- 
traktes unter  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  wesentlich  verändert  und  erweitert. 
Am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  wurde  der  Rittersaal  abgebrochen,  der  süd- 
östliche Teil  des  Schlosses  (Fig.  8  B  und  D)  1828  als  Untersuchungs-Gefängnis 
und  Arresthaus  eingerichtet  und  zu  diesem  Zwecke  umgebaut;  der  nordöstliche 
Teil  (Fig.  8  A,  B,  C)  dient  zur  Zeit  als  Landgerichtsgebäude.  Ausführliche 
Geschichte  und  Beschreibung  der  Burg  bei  R.  Schölten,  Die  Stadt  Cleve, 
Kleve  1879,  S.  601  und  bei  Giemen,  die  Kunstdenkmäler  der  Rheinprovinz  I, 
S.  533. 

Das  Dach  des  Seh  wanenturmes  war  bereits  im  18.  Jahrhundert  durch 
Brand  beschädigt  worden.  Bei  der  letzten  Wiederherstellung  in  den  zwanziger 
Jahren  dieses  Jahrhunderts  wurde  die  Helmspitze  in  niedrigerer  und  verein- 
fachter Gestalt  wiederaufgeführt;  wegen  ungenügender  Mittel  konnte  aber  der 
ursprüngliche  Zinnenkranz  nicht  wieder  hergestellt  werden,  das  Mauerwerk  wurde 
deshalb  oberhalb  des  Bogenfrieses  glatt  abgeschnitten  und  die  steinerne  Brüstung 
durch  ein  Geländer  ersetzt. 


MpMge  iu  dt'r  RhciuprovinK.  229 

Di>r  Turii]  iKt  mit  «ehr  starken  Mauern  (untere  Mouerstärkn  3,2ö  in),  in 
(Ich  AusäcnDitclien  teil«  in  Tuffsteinen,  teils  in  Zie^elateiuen  mit  Eckeinfa&^uiij^cn 
von  Sanilslein  aiirgefilhrt  und  bestellt  ans  einem  Erdgeschoss  und  7  Stock- 
werken. Von  dum  5.  Stockwerk  führen  drei  Stnfcn  auf  den  "beron  Umgang. 
Unterhalten  wird  der  Turm  teils  vom  Landgericht,  teils  von  der  Arresthann- 
Verwftltnng. 

Im  Laufe  der  Zeit  war  der  Sehwanenturm  so  schadhaft  geworden,  daes 
eine  gramlliehe  Ausbesserung  nnvenneidUcli  war.  Der  Zustand  des  Mancr- 
Werks  an  der  Südwestecke  des  Zimieiikranzes  und  unter  dem  Wehrgaiig  schien 
iurolge  der  verwitterten  KouBolen  bedeuklich,  die  Tuffsteine  waren  stark  vcr- 


Fig.  ^.  [Kleve.    OmndrisH  des  Schlossps. 

wittert  und  wie  die  Putzflächen  auf  deu  Ziegelsteinen  ahgeblättcrl.  Auch 
waren  die  Fenstereinfassungen  aus  Sandstein  sehr  schadbaft  und  die  hfilzerneu 
Zifferblätter  au  den  4  Tunnseiten  fast  gänzlich  angefault,  so  dass  eine  Er- 
Doneruuß  dieser  Teile  unbedingt  notwendig  wurde.  Die  Untersuchung  de« 
Daches  ergab,  dass  das  llolzwerk  der  obersten  Spitze  der  Laterne,  namentlich 
an  deu  Verbindungsstellen  sehr  angefault  war  und  so  stark  schwankte,  dasa 
Gefahr  vorhanden  war,  dass  die  Spitze  vom  Sturm  abgcwcht  werden  würde. 
•Um  einem  Unfall  vorzubeugen,  wurde  die  Spitne  iin  Jahre  1888  abgeuommen 
nud  durch  ein  Notdach  ersetzt,  damit  der  Unterbau  gegen  Witternngseinflflsse 
gewhutzt  wurde.     Zugleich  wurde  von  dem  Krcisbüuinspeklor,  Haurat  RadholT, 


230  Bericht  über  die  Tbätlgkcit  der  ProvinziAlkonuniSHioii 

aber  die  Erneuernng  der  Turmspitze  ein  erster  Kostenanechlag  aufgestellt,  dem 
bis  zum  Jahre  1893  noch  mehrere  folgten,  die  Bich  der  E^rsparais  halber  aber 
lediglich  auf  die  Erhaltung  der  Substanz  bezogen.  Von  der  Königlichen  Re- 
giemng  in  Dttsseldorf  wurde  dem  Minieterinm  der  Öffentlichen  Arbeiten  der 
Vorschlag  unterbreitet,  dem  Turm  bei  seiner  Erneuerung  müglicbst  annähernd 
seine  frühere  Foi-m  wieder  zu  geben.  Im  Ministerinm  der  Öffentlichen  Arbeiten 
wurde  daraufhin  eine  Skizze  angefertigt,  nach  der  aber  nur  die  Wiederher- 
stellung der  alten  Turmspitze  und  die  Erneuerung  des  unteren  Zinnenkranzes 


Fig.  8.    Kleve.    Ansicht  des  Schlosses. 

in  Aussicht  genommen  waren,   von  der  Ausführung  des  oberen  Zinnenkranzes 
nnd  der  Wiederherstellung  der  EcktUrmchen  war  ganz  Abstand  genommen. 

Nachdem  der  Conscrvator  der  Kunstdenkmäler,  Geh.  Ober-Eeg.  Kat 
Persius  in  einem  Gutachten  vom  14.  August  1892  betont  hatte,  dasa  wegen 
der  hervorragenden  Bedeutung  des  Schlosses  und  seiner  Beziehungen  zum 
preussiscbcn  KOiiigshause,  sowie  wegen  des  lebhaften  Interesses  der  Bewohner 
von  Kleve  und  der  ganzen  Landschaft  an  der  Instandsetzung  des  Turmes  die 
Wicderhei-stcUung  des  früheren  Zustande»  mögliehst  angestrebt  werden  möchte, 
traten  der  Herr  Minister  der  öffentlichen  Arbeiten  und  der  Herr  Justizminister  • 
dieser  Anschauung  bei  nnd  so  erhielt  der  Kreisbauinspektor  den  Auftrag  zur 
Aufstellung  eines  neuen  Kostenanschlages,  der  am  10.  Februar  1893  der  KOnig- 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Bheinprovinz.  231 

liehen  Regierung  zu  Düsseldorf  eingereicht  wurde  und  mit  einer  Summe  von 
24000  M.  abschloss.  Zur  Ausführung  von  Entwurfsarbeiten  war  dem  Kreis- 
Banbeamten  der  Regierungsbaumeister  Kerstein  überwiesen  worden.  Am  17. 
und  18.  Mai  1893  fand  eine  eingehende  Besichtigung  des  Schwaucnturmes 
durch  den  Geheimen  Oberbaurat  Nath  als  Kommissar  des  Herrn  Ministers 
der  öffentlichen  Arbeiten  unter  Beteiligung  des  Reg.-  und  Baurats  Hasenjäger, 
des  Kreisbauinspektors  Radhoff  und  des  Regierungsbaumeisters  Kerstein  statt, 
bei  der  folgende  Hauptpunkte  für  die  Ausführung  festgesetzt  wurden: 

1.  Die  Bogenfriese  einschl.  der  Übermauerung  sind  aus  Ziegelsteinen  zu 
erneuern. 

2.  Die  Brüstungen  sind  dem  Anschlage  gemäss  von  Werksteinen  herzu- 
stellen und  zwar  ist  für  die  Abdeckungen  ein  besonderes  wetterbeständiges 
Material  zu  verwenden. 

3.  Für  den  Belag  des  unteren  Wehrganges  sind  statt  der  Thonplatten 
möglichst  grosse  Platten  von  Basaltlava  zu  wählen. 

4.  Die  Ableitung  der  Niederschlagswasser  sollte,  wie  bisher,  durch  Abfall- 
rohre  erfolgen. 

5.  Die  Brüstung  des  unteren  Wehrganges  sowie  die  obere  Krönung  sind 
zu  verankern. 

6.  Für  die  Ausführung  der  Herstellung  der  beiden  Brüstungen  ist  eine 
feste  Rüstung  mit  Schwenkkrahn  auf  dem  unteren  Wehrgange  zu  errichten. 
An  diese  wird  die  fliegende  Rüstung,  welche  zu  der  Instandsetzung  des  unteren 
Tunuteiles  notwendig  ist,  angehängt. 

7.  Die  an  allen  4  Seiten  vorhandenen  Zifferblätter  der  Uhr  sind  ans 
Holz  zu  erneuern  und  zu  bemalen. 

Am  1.  Juli  1893  wurde  der  Vertrag  über  die  Herstellung  der  Rüstungen 
und  Ausführung  der  Maurerarbeiten  mit  dem  Maurermeister  Karl  Ihnc  zu  Kleve 
vereinbart.  Gleichzeitig  gelangte  die  Lieferung  der  erforderlichen  Haustein- 
arbeiten zur  Ausschreibung.  Im  Oktober  1893  war  der  Turmhelm  fertig  aufgestellt 
und  am  17.  desselben  Monats  erfolgte  die  Wiederaufbringung  des  Schwanes,  des 
Wahrzeichens  von  Kleve,  unter  grosser  Beteiligung  der  Bürgerschaft  und  unter  dem 
Klange  der  Militärmusik.  Alsdann  wurde  mit  der  Aufmauerung  der  Krönung  begon- 
nen. Nachdem  durch  Aufstellen  des  Gerüstes  eine  nähere  Untersuchung  des  Mauer- 
werks ermöglicht  war,  ergab  sich,  dass  die  ursprünglich  beabsichtigte  Beibe- 
haltung der  ausgekragten  Ecken,  welche  den  Unterbau  der  Eckttirmchen 
bilden,  ganz  unmöglich  war.  Zu  den  Verzierungen,  Bogenteilen,  wie  auch 
teilweise  zu  den  Mauerflächen  waren  Tuffsteine  in  kleinen  vorgeblendeten 
Stücken  verwendet,  welche  trotz  der  unverkennbaren,  bereits  in  früherer  Zeit 
vorgenommenen  Ausbesserungen  allenthalben  verwittert  waren.  Die  nach  dem 
Anschlage  beabsichtigte  einfache  Ergänzung  bezw.  Erneuerung  der  schadhaften 
Stellen  envies  sich  als  nicht  ausführbar,  um  so  mehr,  als  das  Mauerwerk  seiner 
ganzen  Beschaffenheit  nach  nicht  mehr  fest  genug  erschien,  um  die  vermehrte 
durch  den  Aufbau  der  Ecktürmchen  bedingte  Last,  welche  im  wesentlichen 
von  den  Kragsteinen   aufzunehmen  war,  mit  Sicherheit  zu  tragen.    Es  musste 


Bericht  über  die  Thftti^keit  der  ProvinztalkominiBBion 


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Vi^.  9.    Kiew.    IXt  Sclivan«uninn  vor  imd  nach  der  WtedeitaaslcOBi^. 


für  dici  DciiknmlpHojfo  in  der  Rlioiiiproviun.  333 

ilabcr  eine  vutlätändige  Ememirting  der  E<Tken  Platz  greifen,  auch  muasten  die 
Kragsteine  von  Basaltlava  nnd  Traclij't,  deren  Köpfe  stark  verwittert  waren, 
xnm  Teil  enienert  werden.  Die  vorgeseliene  einfache  Ringverankernnp  schien 
unter  den  gegebenen  TJnigtfindcn  nicht  ausreichend  xii  sein,  so  daes  die  Ban- 
leitnng  fticli  enIsehlosH,  durch  Ausftllinng  der  Ecken  eine  stürkere  Belastung 
der  einbindenden  Steine  herbeizuführen,  damit  hei  etwaigem  Abspringen  eines 
Kragsteinkopfea  der  Gefahr  des  Kippens  unter  allen  Umständen  begegnet 
wnrde.  Unvorhergesehene  Sehäden  nnd  Mängel  hatten  sieh  auch  an  den  Holx- 
teilen  der  Laterne  und  der  Krenzhalkenlage  ergeben,  auf  welche  die  Laterne 
aufgesetzt  ist,  so  daas  deren  vollständige  Erneuerung  unvermeidlich  wnr.  Das 
Ziegdsteinmauerwcrk  tlber  den  Bogenfriescn  niussfe  in  erheblicherer  Menge,  als 
angenouimen  war,  abgetragen  und  erneuert  werden,  so  dass  die  ausgeworfene 
Suinme  von  24000  M.  fllr  alle  diese  Melirarbeiten  bei  weitem  nicht  reichte. 
Es  war  daher  die  Anfstellung  eines  Naehansehlages  vom  10.  Mai  1894  erfor- 
derlich, die  Gesamtkosten  belicfen  sich  nach  diesem  auf  36500  M.,  ao  daBB 
noch  12500  M.  zur  Verfügung  gestellt  werden  nmasten. 

Da  das  Sfauerwerk  abwechselnd  Kilpfe  und  Läufer  zeigte,  so  war  ange- 
nommen, dnss  einzelne  Binderseh  ichten  in  den  aus  Ziegelsteinen  hergestcllteu 
Mauerwerkskem  einbinden  würden.  Das  war  jedoeh  nicht  der  Fall.  Die 
Binder  waren  höchstens  bis  zn  '/,  Stein  lang  und  stiessen  hart  an  das  Ziegel- 
manerwerk,  während  die  weiteren  Fugen  /wischen  den  Läufern  und  dem  Kem- 
mauerwerk  mit  Mrtrtel  und  Steinbrocken  ansgoftUlt  waren.  Um  die  Verbicndnng 
an  den  Kern  zn  befestigen,  waren  in  die  nft  3 — 4  cm  breiten  Engen  des  alten 
Mauenvcrks  zugespitzte  Bandeisen  von  '"/^i,  mm  Stärke  eingetrieben  worden, 
an  deren  nageJartig  anfgeschrauhten  Köpfen  ankersplintfthnliche  Bandeisen  von 
etwa  ^/ni,  mm  Stärke  befestigt  waren.  Die  im  Äussern  sichtbaren  Eisenteile 
waren  stark  verrostet,  auch  waren  die  Splinte  znm  Teil  abgefallen.  Eine  der- 
artige Verblendung  konnte  als  eine  sichere  üntersllltzung  der  Wehrgangs- 
hrllstung  nicht  angesehen  werden,  denn  die  Tuffsteine  erwiesen  sich  als  derart 
verwittert  und  morsch,  dass  sie  den  Manern  nieht  einmal  als  Unterstötzung 
für  die  Nulzriegel  sicher  genug  erschienen,  \-ielmehr  die  zum  Einlegen  der 
Riegel  erfordern  eben  Löcher  bis  in  den  Ziegelkeni  hinein  ausgestemmt  vmrden. 
Beim  Abbruch  des  Mauerwerks  stellte  eich  ferner  heraus,  dass  unter  der  alten 
Platten-  hezw.  Ziegelstpinabdeekung  ein  grosser  Teti  des  Mauerwerks  etwa  50  cm 
hoch  vollständig  fani  war,  sodass  eine  Beseitigung  dieses  Mauerwerks  bis  auf 
die  festen  gesunden  Teile  uncHässlicb  schien,  zumal  der  Mörtel  durch  Frost 
nnd  Fenchtigkeit  mürhe  geworden  war.  Ferner  waren  die  Kragsteinköpfc, 
die  von  unten  ein  durchaus  gesundes  Aueschen  zeigten,  teilweise  tiefer  einge- 
mauert, als  nach  einer  früheren  Untersnclinng  angenommen  werden  musste  und 
derart  mit  Frostrissen  durchsetzt,  dass  sie  bei  geringem  Schlag  herunterfielen. 
Auch  die  Ziegelsteine  hinter  der  Verblendung  hatten  teilweise  durch  die  Witte- 
roDgaeinflllssc  stark  gelitten  und  mussten  mit  den  Tuffsteinen  zugleich  entfernt 
■werden. 

Es  schien    fraglich,    oh    die   Eincncrung  der  Vcrblendfläche  unter  Ans- 


2M  Bericht  übur  diu  TbStiglcüil  ilor  rroviuÄialkoniiniBsiou 

beBseran^  der  einzelnea  schadliaften  Ziegelsteine  hinreichende  Sicherheit  zar 
UntcrBtfltzung  der  aufzaset7.ciideii  massiven  50  em  starken  Wehrgangsbrllstuuff 
bieten  würde,  dit  deren  Schwerpnukt  3  cm  von  der  Vorderkante  der  Verblen- 
dung entfernt  lag.  Um  ein  Umkippen  der  Brllstung  anf  alle  Fälle  zu  ver- 
hüten, innsete  zur  Gen-innung  eines  sicheren  Auflagers  für  die  Kragsteine  die 
1p8c  Tnffßteinverblendnug  und  daa  hiuter  dieser  liegende  Ziegelnianerwcrk  bis 
auf  den  gesunden  Mauerkern  abgebrophen  werden  nnd  die  Wiederaufmaucrung 
des  nenen  Mauerwerkes  in  frisch  bindendem  Mörtel  erfolgen.  Die  Ausführung 
dieser  Arbeiten  konnte  von  der  in  der  Verhandlung  vom  18-  Mai  1893  vorgeschrie- 
benen hängenden  Rllstung  aus  nicht  bewirkt  werden,  sondern  musste  von  einer 
StangenrUstnng  aus  geschehen.  Da  zur  Heretciiuug  einer  solchen,  ztinial  die  Emeae- 
mng  des  Mauerwerks  eine  wesentliche  Vermehrung  erfahren  inusste,  keine  Mittel 
vorhanden  waren,  so  sah  sich  der  mit  der  iirtlichen  ilauleitung  beauftragte  Ee- 
gierungsbaumeister  geniStigt,  im  Jnli  1894  die  Einstellung  der  Arbeiten  bis  zum 
Eingang  einer  hfiheren  Orts  getroffenen  Entscheidnng  auznordnen.  Am  18. 
Septeoiber  1894  erging  darauf  ein  Ministerial-Erlass,  nach  welchem  die  Instand- 
setzungen dem  Vorschlage  geiBias  ausgeführt  werden  sollten.  Eine  sofortige 
Wiederaufnahme  der  Arbeiten  erwies  sich  als  nicht  angängig,  weil  hierzu  zu- 
nächst eine  vollständige  EinrUstung  des  Tarmunterbfutes  notwendig  wurde  und 
weil  wegen  der  umbauten  des  an  den  Turm  austossenden  Landgerichts  bei 
dem  geringen  verfügbaren  Raum  eine  KUsIting  anf  der  Nordseite  nicht  Plati 
hatte.  Nachdem  das  Gerüst  im  Frühjahr  1895  fertig  gestellt  war,  wurde  mit 
dem  Abbruch  des  Mauerwerks  an  allen  4  Seiten  begonnen.  Die  Schäden  der 
Tnffsteinverblendung  zeigten  sich  weit  umfaugrcieher  als  nach  dem  Befund  an 
der  Nordost-Ecke  vennutet  werden  konnte.  Die  cüizelnen  Steine  waren  fast 
durchgängig  morsch.  An  den  dem  Luftzüge  weniger  ausgesetzten  Stellen  war 
die  Vorderfläche  3—4  em  stark  gut  erhalten,  hinter  dieser  war  der  Stein  jedoch 
mflrhe  nnd  morsch.  Vermutlich  trocknete  in  diesen  Fällen  nur  die  Oberfläche 
rasch  ab  und  diese  konnte  dann  vom  Frost  weniger  angegriffen  werden,  wäh- 
rend der  hintere  mit  Wasser  gesättigte  Teil  des  Steines  den  Frosteinwirknngen 
erliegen  muaste.  In  ähnlicher  Weise  lassen  sich  die  starken  Zerstörungen  an 
den  Kragsteinen  aus  Basaltlava,  ein  Material,  welches  allgemein  als  niiver- 
wQstlieh  angesehen  wird,  erklären.  Durch  die  Abbernfung  des  Regierungs- 
baumeisters Kerstein  im  Juli  wurden  die  Arbeiten  für  drei  Monate  unterhroehen, 
bis  der  Untenteiehnete  sie  im  Oktober  wieder  aufnahm.  Zunächst  wurde  das 
Gerüst  einer  eingehenden  Prüfung  unterzogen  «nd  alsdann  die  Abstemmungs- 
arbeit  fortgesetzt  nnd  mit  der  Aufmanerung  begonnen,  sobald  ein  sicheres 
und  festes  Auflager  gewonnen  war.  Dieses  wurde  erreicht  durch  Abstenimung 
der  schadhaften  Mauer  in  einer  Stärke  von  60 — 7Ü  cm,  so  dass  ein  guter 
Verband  der  Tuffsteine  mit  dem  neuen  Zicgelsteinmauerwcrk  hergestellt  werden 
konnte.  Bis  zum  Dezember  war  das  Mauerwerk  bis  zum  Bogenfriea  hochgefllhrt.  So- 
bald wie  mögticb.  Ende  Mäni  1 896,  wurden  die  Arbeiten  wieder  aufgenommen  nnd 
so  beschleunigt,  dans  am  1 1 .  Juli  desselben  Jahres  der  Schlussstein  des  Wehrgangcs, 
in    den  eine   den  Bau   betreffende  Beschreibung  eingemauert   wurde,  versetzt 


MEISENHEIM. 

SQdseite  der  Grabkapelle  in  der  Schlosskirchc. 


für  die  Denkmalpff^ 

werde»  konnte.  Die  Ernenenmg  der  Tu  ffwl  ein  Verblendung  ging  weit  über  das 
zuerst  gedachte  Mass  hinaus  und  nahm  auf  der  Hofseite  drei  Viertel  der  gau/.eu 
Fläche  ein.  Die  Verblendung  wurde  uiit«r  Verwendung  einiger  noch  gut  er- 
haltener Tuffsleine  sorgfältigst  ansgefUlirt  und  im  Sejitemher  beendigt.  Ab- 
weichend vom  ersten  Anschlage  wurde  statt  der  Aephaltisoliorung  unter  dem 
E'lattenbelag  des  Wchrganges  der  besseren  Dauerhaftigkeit  wegen  eine  Blei- 
isolierung nach  Patent  Siebel  gewählt.  Die  MehrkuHten,  die  durch  die  Her- 
»telinng  der  Slangeiirilstung,  die  erhebliehe  Erneuerung  der  Tuft'steinverblen- 
dung  und  des  Ziegelstcinmauerwerks  entstanden,  wurden  in  dem  Ergänzungs- 
außchlage  vom  30.  April  1895  auf  120Ü0  M.  festgesetzt,  so  daas  mithin  im 
gauzen  fflr  die  Instandsetzung  des  Scliwanenlurmes  24000  +  12500  +  12  000 
=  48  500  M-  aus  Kapitel  81  der  Justizverwaltung  zur  Verfügung  gestellt  und 
auch  ganz  aufgebraucht  wurden. 

Die  vielfachen  Hindernisse,  die  sich  einer  geregelten  Ausführung  der  Ar- 
beiten entgegenstellten,  hatten  zur  Folge,  dass  die  Arbeiten  ei'st  im  Herbst 
18%  beendet  werden  konnten. 

Die  Leitung  der  AnHfiiiirnng  lag  in  den  Händen  der  Kttnigtichcn  Regie- 
rung zu  Dflsseldorf.  Mit  der  Örtlichen  Leitung  war  von  Febraar  18113  bis 
Ende  Juni  1895  der  Kegiemngsbauineister  Kerstein,  von  Oktoher  1895  bis 
März  1897  der  Unterzeichnete  betraut. 

Regierungshaumeister  Ro h d e w al d. 


9.  Heiseiiheiin.  Instandsetzung  der  Grabka  pelle  au 
der  fSchlosskirebe. 

Die  sehUne  und  stattliche  Scldosskirchc,  eine  ilreisebiffige  Hallenkirche, 
hat  im  Jahre  1848  eine  AusbcsBcruug  des  Inneren  und  in  den  Jahren  1865 — 1880 
eine  durchgreifende  Wiedcrherstellnng  unter  Leitung  des  Architekten  nnd 
späteren  Strassburger  MUnsterbaunicistcrs  Franz  Schmitz  erfahren.  Hierbei 
wurde  die  Über  der  sogenannten  Ludwigsgruft  neben  dem  Altarebor  (eine  zweite 
Gruft,  die  Stephansgmft,  ist  unter  dem  MitlclBchifT  gelegen)  in  Verlängerung 
de»  südlichen  Seitenschiffs  erbaute  Grabkapelle  nur  insofern  berücksichtigt,  als 
man  das  Masswerk  der  Fenster  wiederherstellte  und  die  Fenster  neu  verglaste. 
Zu  Weiterem  fehlten  die  Mittel.  Die  in  der  Grabkapelle  vorhandenen  6  Grab- 
denkmäler und  Gcdenklafelu  blieben  in  ihrem  stark  beschädigten  Zustande  be- 
steben, ebenso  der  Fussboden,  dessen  Sandsteinplatlen  meist  zertrümmert  waren. 

Der  Wunsch,  dass  die  Grabkapclle  und  namentlich  die  Denkmäler  in 
Stand  gesetzt  würden,  war  seit  Langem  bei  allen,  welche  die  Kapelle  kannten, 
rege.  Ein  Anschlag  des  Baumeisters  Schmitz  lag  schon  aus  dem  Jahre  1879 
vor.  Der  Vorsitzende  des  Verwaltungsratcs  des  KirehenschafTueifonds,  der  hessen- 
faombnrgisebc  Rcutmcistcr  ft.  D.  M.  HobI,  hatte  schon  damals  Schritte  in  dieser 


S<16  Bericht  ühav  diu  TbälitTkcit  der  ProvinzialkDininitisioii 

Angelegenheit  gethan.  Durch  einen  Artikel  im  Kreimiacher  Generalanzeiger 
vom  14.  September  1893  wurde  die  Köuiglicbe  Regierung  auf  den  Zustand  der 
GrabkapcUe  aufmerksam  und  trat  der  Frage  der  InstaudBetzung  von  Neuem 
näher.  Zu  den  Kosten  beizusteuern,  war  der  KircbeiiBchafliieitbuds  uicbt  in 
der  Lage,  da  er  zur  Restanration  der  Kirehe  bedeutende  Mittel  beigotraf^cu 
hatte;  da  aber  die  in  der  Kapelle  beigeeetzten  Hei-zOge  und  Pfalzgrafen  von 
Pfalz -Zwei  brücken  die  direkten  Abnßn  des  Bayrischen  Künigsbauses  sind,  war 
schon  früher  durch  die  Königlieb  lia^Tisehe  Regierung  zu  Öpcicr  die  Aussicht 
auf  eiueu  Zuschuss  v(in  dieser  Seite  eröffnet  worden. 


Fig.  10.    Meisenheim.    Gewölbe  der  Grabkapelle  in  der  Schlosskirche. 


Im  Kostenanxehlage  des  Baumeisters  Kranz  Schmitz  war  die  Instand- 
setÄimgssumme  auf  132fi()  Mk.  augegeben,  wovon  4^50  Mk.  auf  die  Kapelle  und 
9000  Mk.  auf  die  Grabdenkmäler  |-erechnet  waren.  Das  Projekt  und  der 
Kostenanschlag  wurden  von  dem  Provinzial-Conservator  Dr.  Clemcn  in  Bonn 
geprüft  lind  der  Anschlag  für  zu  hoch  erklärt,  da  er  weit  über  das  hinausgehe, 
was  utttig  sei,  um  die  Kapelle  im  Sinne  der  Denkmalpflege  in  f^land  zu  setzen; 
es  wurde  daher  der  Kostenanschlag  auf  2000  +  4000  =  6000  Mk.  berabgcsetzt 
und  nnnmcbr  von  der  Königlichen  Regierung  unter  Zugrundelegung  des  neuen 
Kostenanschlages  dem  Herrn  Minister  für  geistt.  p.p.  Angelegenheiten  unter 
dem  6.  August  1H94  Bericht  erstattet.  Durch  Erla«»  vom  17.  Destember  18Ä5 
benachrichtigte  der  Herr  Minister  die  Königlicbe  Regierung,   „dass  Seine  Ma- 


u^UTOKmft^flege  in  der  Rhdnprovin».  337 

j«BWlt  der  Kaiser  and  König  mitteln  allcrküchatcii  Erlasses  vom  23.  Oktobei* 
1»95  zur  IiialandBetznug  der  Gra))kapellu  niid  WiedcrliersteUung  der  darin  be- 
findlichen Grabdenkmäler  in  der  Schlosskirehc  zu  Meisenlieim  ein  ftnadenge- 
»elienk  bis  zum  Betrage  von  30110  Mk.  /,n  bewilligen  geruLt  haben."  Nacb- 
dem  hiervon  dem  KönigUeli  Bayrisehen  Regierimgs- Präsidenten  Herrn  von  Aner 
in  Speier  Kenntnis  gegeben  war,  erfolgt«  unter  dem  16.  Januar  10%  gleich- 
falls die  Antwort,  „dass  Seine  Hoheit  Prinz-Regent  Luitpold  von  Bayern  Ailcr- 
hr>chst  geruht  haben,  von  dem  Projekte  der  Restauriernng  der  (irahkapellc 
nnd  der  darin  beündtichen  Ijrabdenkmälcr  in  der  Sehtosskirehe  zu  Meiseuheim 
Einsieht  zu  nehmen  und  zur  Deckung  d<T  Ko«ten  dieses  Unternehmens  einen 
Beitrag  von  3<KXi  Mk.  Allergnädigst  zu  bewilligen",  welcher  Antwort  der  Be- 
trag gleich  beigefügt  war. 

Nachdem  somit  die  Mittel  znr  Instandsetzung  znr  Verfügung  gestellt  waren, 
konnte  unter  dem  11.  Februar  HStlfi  der  Auftrag  zur  sofoiligen  Inangriffnahme 
der  Arbeiten  erfolgen. 

Der  Orundrise  der  Kapelle  bildet  ein  Rechteck  von  7,7  m  Länge  und 
5,0m  Breite;  ihre  Höhe  bis  zum  unteren  Gewölbe  betrügt  11,9 m.  Sie  öffnet 
sich  nach  dem  SeilensehifF  der  Kirche  in  einem  gothisehen  Bogen,  der  von 
spätgothischem  Masswerk,  dessen  Zacken  iu  Blumen  endigen,  umsänmt  ist. 
Unten  ist  die  Bogonöfinung  durch  ein  3,.5m  hohes  spätgothisches  Gitter  ans 
Schmiedeeisen  mit  sich  kreuzenden  Stäben  nnd  einer  Bekrflnung  tlber  dem  zwei- 
flflgeligeu  Thor  gefiehloeiJen.  Aeusserst  klln^tlich  ist  die  Wölbung,  welche  in 
der  Mitte  eine  sechseckige,  oben  durch  eine  böhmiMche  Kappe  mit  iu  Fisch- 
blasenformen  vorliegenden  Rippen  überdeckte  Erhöhung  zeigt,  unter  der  netz- 
artig ein  von  dem  unteren  Gewülbe  getragenes  Rippenwerk  mit  Fisehblasea- 
masHwerk  frei  schwebt.  Da  für  den  nach  oben  Schauenden  bei  jeder  Aende- 
rung  der  Stellung  das  Schlussgewölbe  und  das  darunter  freischwebende  Rippen- 
netz sich  gegen  einander  verschieben,  entsteht  eine  freilich  nnruhige  Wirkung, 
die  aber  eines  eigentümlichen  Reizes  nicht  entbehrt.  Die  Schlussstcine  in  den 
Kippenkreuznugen  habeu  Reliefs  biblischer  Darstellungen.  Das  Ganze,  ein  her- 
vorragendes Beispiel  kOnstlicher  Steinmetsarhcit,  war  wohl  erhalten.  Nur  an 
der  sUdögtlichen  Ecke  wurde  eine  Ausbesserung  der  ans  der  Wand  heraus- 
tretenden Rippen  nötig,  die  durch  einen  schlechten  Stein  hervorgerufen  war, 
vielleicht  veranlasst  durch  Feuchtigkeit.  Es  könnte  zweifelhaft  erecheinen,  ob 
die  Anlage  der  Kapelle  gleich  im  ursprünglichen  Kirchenplane  gelegen  hat. 
Die  GewiHbeanlage  unterscheidet  sich  von  den  übrigen  einfacheren  Gewölben 
der  Kirche  durch  die  oben  beschriebenen,  vielfach  verschlungenen,  gleichsam 
Masswerk  bildenden  Rippen,  ferner  aber  lassen  sich  die  beiden  vermauerten 
Btidlichcn  Fenster  des  Kirchencbors  in  ihren  Umrissen  deutlich  erkennen.  Viel- 
leicht ist  während  des  Bauens  (1479 — 1504),  als  die  Chormanem  mit  ihren 
beiden  sndliehen  Fenstern  schon  bestanden,  die  Kapelle  angelegt.  Die  Fenster 
sind  dann  wohl  anfangs  beibehalten,  später  aber,  als  die  Grabdenkmüler  er- 
richtet wurden   (das  etxte  1571),  zugemauert.     An  der  Ostwand  hat  ein  Altar 


Bet 


i'lil  über  die  TliUtigkcü  der  ProvinKialkommission 


gestanden,  dessen  Fundament  bei  der  Neubcplattnng  des  Fiiggliodens  vorge- 
funden wurde. 

Die  Ka]ielle  ist  ausser  im  Oew/ilhe  urBprÜnglicIi  auch  in  den  Wänden, 
wenigstens  im  unteren  Teile,  bemalt  gewesen,  diese  letztere  Malerei  alter,  von 
der  Bieli  noch  der  geringe  Rest  eines  eine  Kcr7,e  tragenden  Engels  unter  der 
Tünche  vorfand,  dnrch  die  Aufstellung  der  die  Wände  ganz  einnclinieuden 
Denkmäler  verdeckt  worden.  Auch  der  vorgenannte  Altar  niusete  den  Denk- 
mälern weichen.     Es  war  nicht  tliunlich,  den  Rest  der  Wandmalerei  zu  erhalten. 

Die  sechs  in  der  Grabkapelle  eich  befindenden  Denkmäler  sind  lieiTor- 
ragende  Praehtwerke  der  deutschen  SpätrenaisBaoce,  nahe  vei-wandt  den  in 
Simmern,  St,  Goar,  St.  Johannisberg  befindlichen  Grabniälem.  An  der  Nord- 
wand steht  zunächst  das  Denkmal  des  Herzogs  Wolfgang  von  Pfalz- Zwei  brücken 
(t  1569)  und  seiner  Getnahtin  Anna  von  Hessen  (f  lö91)j  um  1571  errichtet, 
in  der  Mitte  des  mächtigen  Anfbaues  den  Herzog  und  seine  Gemahlin  kniecnd 
unter  dem  Kruzifix  zeigend,  oberhalb  des  Kruzifixes  ein  Relief  mit  der  Dar- 
stellung der  Dreieinigkeit.  Gegenüber  an  der  Südwand  das  etwas  spätere 
Denkmal  des  Herzogs  Karl  I,  des  jüngeren  Sohnes  des  Herzogs  Wolfgang, 
GrUndci-9  der  Linie  Pfalz-Birkenfeld  (f  1600),  mit  der  lebensgrosscn  Figur  des 
Herzogs,  der  mit  dem  in  die  Seile  gcslemmteu  Kommandostab  in  der  Mittel- 
nische steht;  am  Aufsatz  ein  Relief  mit  der  Darstellung  der  Auferstehung 
Christi.  Sodann  sind  noch  von  Gedenktafeln  vorhanden:  ein  Epitaph  der  Pfalz- 
grätin  Anna,  vierten  Tochter  des  Herzogs  Wolfgang  (f  1576),  der  Pfalzgräfin 
Christine,  ältesten  Tochter  des  Herzogs  Wolfgang  (t  1618),  der  ifalxgräfin 
Carola  Friederike,  Tochter  des  Herzogs  Friedrieh  von  Pfalz-ZweihrUckcn  (f  1712), 
des  Pfalzgrafen  Friedrich,  Kind  des  Pfalzgrafen  Friedrich  Casimir  (f  1617). 
Genaue  Besehreibnng  der  Grabdenkmäler  bei  Lehfeldt,  Die  Bau-  und  Kunst- 
denkmäler des  Regierungsbezirkes  Coblenz,  S.  459. 

Die  Instandsetzung  hat  sich  auf  die  genannten  Grabdenkmäler,  auf  Ge- 
wölbe, Wände  and  den  Fussboden  erstreckt.  Es  wurde  angestrebt,  den  Zu- 
stand der  Kapelle  wieder  herzustellen,  in  dem  sie  sieh  nach  Aufstellung  der 
Denkmäler  befand.  Unter  der  TUiiche  des  Ucwülbes  fand  sich  die  alte  Be- 
nialung,  die  Schlusssteiue  der  Rippen  halten  ihre  Farben  behalten.  Diese  Be- 
malung besteht  in  den  Gewölbezwickeln  ans  StrahlenhUscheln,  über  denen  Blumen 
nnd  Kräuter  sieh  über  die  Kappen  verbreiten.  Sie  wurde  erneuert,  teiU  ge- 
paust und  nach  Ausbesserung  des  Putzes  genau  in  alter  Weise  aufgemalt;  die 
Farben  der  Scblusssteine  wurden  wieder  aufgefrischt.  Dieses  war  die  erste 
Arbeit,  dann  wurden  die  Wände  in  gelbliehcni  Steinton  bis  zu  den  Denkmälern 
herab  gestrichen  nnd  in  üblicher  Weise  gequadert.  Nun  erst,  nachdem  die 
Gerüste  entiernt  waren,  erfolgte  die  Instandsetzung  der  Denkmäler  und  zuletzt 
die  Erneuerung  des  Fussbodens.  Nach  Beseitigung  der  Tünche  an  den  Wänden 
zeigte  sich,  dass  die  Denkmäler  auf  der  Wand  eine  schwarze  Einfassung  oder 
vielmehr  einen  schwarzen  Hintergrund  hatten,  der  glciehsam  als  Trauerrand 
und  zugleich  dazu  diente,  sie  besser  von  der  Wand  ahznbeben.  Sonstige 
Malerei,  mit  Ausnahme   des  bereit«   erwähnten  Engels,   fand  sich  nicht  mehr. 


für  (lie  Denkroalpflpgro  in  der  ßheinprd 


S39 


Die  Umrisse  dieser  EinfasBUUR  folfrtcn  den  AuaBeiikanleu  der  Denkmäler  und 
zeigten  7.opli{;e  Formen,  die  bei  dem  Denkmal  des  Herzog«  Woli'gang  noeb 
eine  mnssvolle  künstlenBche  Behandlung  gefnnden  hatten,  bei  den  Gedenktafeln 
»ua  epiUcrer  Zeit  aber  immer  zop^er,  bei  einzelnen  geradezu  rob  waren,  so 
dass  von  der  Beibchaltnng  bezw.  Erneuerung  in  alter  Weise  Abstand  genoniinen 
werden  musste.  Den  TraueiTand  indessen  ganz  fortznlassen,  erschien  nicht 
ratsam  und  es  wurde  einfach  die  Quaderung  um  die  Denkmäler,  oben  mit  ab- 
getrepptem Abflcbluss  im  Ton  der  Niedermeudigcr  Basaltlava  gestrichen.  Die 
Wirkung  ist  eine  dem  Charakter  einer  Grabkapelle  entsprechend  düHtere  und 
Icierliehe. 

Die  Instandsetzung  der  Denkmäler  durch  den  Bildbaner  war  eine  sehr 
mQhBame  nnd  bei  dem  vielfach  zerstossenen,  feinen  Flacbomament,  den  vielen 
abgebrochenen  Spitzen  des  Blattwerks  und  abgestosseuen  StUekcbeu  der  Kanten 
nnd  Ecken,  was  alles  mit  peinlichster  deuauigkeit,  teils  unter  Verwendniig  von 
Patentkitt,  ersetzt  wurde,  sehr  zeitraubend. 

Am  meisten  rerstUmmelt  war  das  echOne  Denkmal  des  Herzogs  Wolf- 
gang und  seiner  Gemahlin  Anna  von  Hessen.  Dem  Herzog  war  der  vordere 
Teil  des  Kopfes  mit  dem  Gesichte  abgetrennt,  die  Anne  waren  abgeschlagen. 
Die  Oruameutierung  der  Rüatung  auf  dem  Oberkörper  war  abgestoasen  und 
zersehnnden,  der  Herzogin  Anna  fehlte  der  ganze  Oberkflrper,  dem  Gbristus 
Am  Kreuze  fehlten  die  Beine  und  von  den  beiden,  das  GebUlk  tragenden 
Pilastcrn  waren  die  Wappenschilder  vcrscbwunden.  Wohl  wurden  viele  kStlicke 
hinter  dem  Denkmal  nnd  in  den  Ecken  und  Winkeln  der  Kapelle  gefanden, 
aber  die  Ersetzung  aller  fehlenden  Teile  erforderte  ein  genaues  zeitraubendes 
.Studium.  Vergleichen  nnd  Anpassen.  Dem  hat  sich  der  Bildhauer  in  dankens- 
werter, erfolgreicher  Weise  unterzogen. 

Der  Stein,  ans  dem  das  Denkmal  besteht,  ist  ein  TulTstein  von  feinstem 
Korn,  dessen  Weichheit  (er  lässt  sich  mit  dem  Messer  schaben)  und  doch  wieder 
hinreichende  Festigkeit  dem  Künstler  (Jobannes  von  Trarbaeh)  den  Anlass 
nnd  die  MlSglichkeit  dargeboten  hatten,  ein  so  ungemein  feines  Flacbomament 
und  eine  so  zierliebc  Herstellung  der  zartesten  Blattformen  an  de«  Kapitalen 
und  Wappen  bei  flottester,  schwungvollster,  nirgends  steifer  Behandlung  aus- 
zamhren.  In  Meiseubeim  hatte  man  den  Stein  ftlr  eine  künstliche  Masse  ge- 
halten, wozu  die  Beschaffenheit  der  Bniebflächen  allerdings  verleiten  kann. 
Es  findet  sieh  dieser  Tuffstein  beim  Dorfe  Weibern,  Kreis  Adenan,  in  der 
Nfthe  des  Laacher  Sees  nnd  es  gelang,  Stücke  in  der  Grösse  zu  erhalteu,  wie 
nie  für  Ersetzung  der  OberkJiiper  nötig  waren. 

Von  den  zu  erneuernden  Kfipfen  und  Oberkörpern  beider  Figuren  wurden 
zuerst  Modelle  angefertigt,  auch  für  die  tiesichtsähnlichkcit  von  Porträts  der- 
selben ans  dem  Schlosse  Scbleissheim  Photographien  beschalft,  welche  jetzt  in 
der  Kapelle  ausliegen  nnd  beim  Herzog  die  Porträtähnliehkeit  dartbnn.  Bei 
der  Hcivogin  ist  dieses  weniger  der  Fall,  da  das  Porträt  ans  jüngeren  Jahren 
stammt.  Es  fand  sieb  noch  der  arg  veratllmmelte  Kopf  der  Herzogin  vor, 
nach  welchem  unter  ZubiUenabme  der  i^hotograpliic   lllr  Ausbildung  der  Stirn 


240  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

und  Nase  gearbeitet  wurde.  Viele  Teile,  so  der  Dolch  des  Herzogs,  die  Wappen 
und  sonstigen  Ornamente  waren  durch  Holzstifte  befestigt;  diese  Holzstifte 
wurden  durchgängig  durch  Messingstifte  ersetzt.  Die  übrigen  Denkmäler  waren 
weniger  beschädigt,  einige  bestehen  aus  demselben  Weibemer  Tuffstein,  andere 
aus  Sandstein  oder  beiden  Steinen  zugleich. 

Bei  dem  Herzog  Carl-Denkmal  war  die  ganze,  ziemlich  hoch  stehende 
Figur  noch  wohl  erhalten.  Es  handelte  sich  meist  um  Ergänzungen  abge- 
stossener  Ecken,  fehlender  Wappenschilder  und  Wiederherstellung  der  Gold- 
schrift der  Gedenktafeln.  Diese  Gedenktafeln  sind  eingelassene  Schieferplatten, 
in  welche  die  Schrift  eingemeisselt  und  vergoldet  ist. 

Nachdem  die  Denkmäler  wiederhergestellt  waren,  wurde  der  Fussboden 
in  alter  Weise  mit  Sandsteinplatten  belegt  und  dann  der  untere  Teil  der  Wände, 
soweit  sie  zwischen  den  Denkmälern  sichtbar  sind,  gestrichen. 

Die  Eisengitter,  das  vorgenannte,  welches  die  Kapelle  von  dem  Kirchen- 
schiff trennt,  und  eine  Gitterthür  vor  einer  vom  Kirchenchor  schräge  in  die 
nordostliche  Kapellenecke  führende  Thüröffuung,  Hessen  uhter  dem  schwarzen 
Anstrich  rote  Farbe  erkennen,  wurden  demgemäss  wieder  so  gestrichen  und  in 
den  Ornamenten,  Krabben,  Kreuzblumen  und  oberen  Endungen  vergoldet.  Es 
liegt  dieser  Behandlung  die  Idee  zu  Grunde,  dass  das  Eisengitter  von  Feuer 
angeglüht  erscheine,  wobei  die  vergoldeten  Spitzen  und  Enden  die  Weissglüh- 
hitze darstellen. 

Drei  in  den  bayerischen  Farben  gestrichene  Fahnenstangen,  eine  noch 
eine  Zeugtroddel  aufweisend,  welche  an  Trageeisen  von  der  Wand  unter  dem 
Gewölbe  in  den  Kapellenraum  hineinragen,  wurden  an  Ort  und  Stelle  belassen. 

Zu  der  Ausführung  ergingen  die  Anordnungen  durch  den  verstorbenen 
Regierungs-  und  Geheimen  Baurat  Cuno  zu  Coblenz.  Sie  stand  im  üebrigen 
unter  Leitung  des  Königlichen  Kreisbauinspektors  zu  Kreuznach,  Baurat  Lucas. 
Die  sehr  schwierige,  besonderes  technisches  Geschick  und  grosse  Pietät  er- 
fordernde Wiederherstellung  der  Denkmäler  wurde  durch  den  Bildhauer  Wüst 
von  der  Firma  Erfort  u.  Wüst  in  Stuttgart  mit  lobenswertem  Erfolge  ausge- 
führt. Die  Malerarbeiten  waren  dem  Maler  J.  Rauland  der  Firma  H.  Beyerle 
in  Coblenz  übertragen.  Zu  einzelnen  Putzarbeiten  und  der  Neubeplattung  des 
Fussbodens  waren  Meisenheimer  herangezogen.  Die  besondere  Leitung  an  Ort 
und  Stelle  hatte  der  Königliche  Regierungs-Bauführer  Peisker,  dessen  Thätig- 
keit namentlich  im  Aufnehmen  der  Denkmäler  und  der  vorbereitenden  Zu- 
sammenstellung und  Bestimmung  der  vielen  vorgefundenen,  oft  nur  kleinen 
Bruchstücke,  bestand. 

Die  von  den  Allerhöchsten  Donatoren  geschenkte  Summe  von  6000  Mk. 
wurde  durch  die  vorbeschriebenen  Ausführungen  nicht  in  Anspruch  genommen, 
sondern  2000  Mk.  gespart.  Auf  Veranlassung  des  Regierungs-  und  Geheimen 
Baurats  Launer,  im  Einverständnis  mit  dem  Provinzial-Conservator  sind  daher 
noch  die  folgenden  wünschenswerten  Anschaffungen  angeordnet  worden: 

Neue  Verglasung  der  Fenster,  Anbringung  des  grossen  Pfalz-Zweibrücken- 
schen  Wappens  in  Bronzeguss,  auf  der  sich  im  Fussboden  durch  4  Eisenringe 


kenntlich  inachendeu  (Irnftplatte  und  Beechaffung  einer  kUnstleriBcb  verzierten 
Ledcrdeckc  für  den  in  der  Kapelle  stebendeE,  kunetlosen,  einfach  angestrichenen 
bnlzerueu  Tixeli,  der  frllhor  in  der  Kirebc  lange  Zeit  als  Altartiecli  gedient 
hatte.  Auf  diesem  Tisch  sind  in  einem  GlaHkasteu  verschiedene  in  der  Grutt 
unter  der  firabkupelie  gefundene  Kleider-  iind  Gesehmeidereste  aufbewahrt  und 
femer,  wie  scbon  bemerkt,  die  Photographien  der  Porträts  des  Herzogs  Wolf- 
gang  und  Beiner  Gcniablin  aus  dem  Schlosse  zu  Scbleissheim  unter  Glas  nnd 
Kabinen  ausgelegt. 

Die  neue  Verglasung  der  3  Fenster,  von  denen  eins  in  der  Ostwand,  die 
anderen  in  der  Südwand  liegen  und  von  denen  das  hinter  dem  Denkmal  des 
Herzogs  Carl  fast  bis  zum  oberen  Masswerk  verdeckt  wird,  ist  wünschenswert, 
weil  sieb  die  jetzige  Verglasung  in  nichts  von  der  etwas  handwerksmässigeii 
Herstellung  der  tlhrigcn  Kirchenfenster  uoterseheidet,  während  sonst  die  Kapelle 
durch  die  Behandlung  der  Decke  und  Wände  und  durch  die  Denkmale  ein 
bevorzugter  Teil  der  Kirche  ist.  Es  wird  eine  Verglasung  mit  Antikglas  und 
massigem  »pälgothi»chcm  Zicrrat,  sowie  den  Wappen  der  Allerhöchsten  Dona- 
toren und  dem  Reicliswappen  beabsiebtigl. 

Lucas  nnd  Giemen. 


10.  Nenwork  (Kreis  Gladbach}.  Restauration  der  ehema- 
ligen Klosterkirche. 

Da»  Benedi ktinessenkloster  von  Nenwcrk  wird  urkundlich  im  Jahre  1135 
Äuerst  genannt;  in  diesem  Jahre  bestätigt  der  Erzbisehof  Bruno  II,  von  Köln 
die  Anordnung  des  Abtes  Walter  von  Gladbach,  der  auf  abteilichem  Besitz 
das  Kloster,  das  novum  Oratorium  oder  novum  opus,  Neuwerk,  hiess,  gestiftet 
hatte.  Die  Klosterkirche  ist  um  diese  Zeit  gebaut.  In  der  2.  Hälfte  des  13. 
Jahrhunderts  wurde  das  nürdlichc  SeitenschifT  neu  eingewölbt,  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  wurde  das  Mittelschiff  mit  einer  s|)ätgothischen  Wölbung  ver- 
sehen. Die  Kirche  wurde  wahrseheiulicli  in  den  Stürmen  des  truehscseischen 
Krieges  am  Ende  des  16.  Jahrhunderts  durch  Brand  zerstört.  Sie  ward  im 
17.  Jahrbnndcrt  notdürftig  wiederhergestellt,  das  Langhaus  neueingewölbt, 
der  Westgiebci  aber  nicht  neu  anfgefilhrt,  die  Westfaijadc  wurde  vielmehr 
geradlinig  abgeschlossen  und  über  dem  ganzen  Langhaus  ein  mächtiges  ge- 
hrocfaeues  Mansardendach  errichtet.  Der  Turm,  von  dem  nur  noch  zwei  Stock- 
werke standen,  erhielt  eine  Krönung  durch  eine  geschieferte  barocke  Haube, 

Die  Wiederherstellung  der  Kirche  in  den  alten  Foimen  begann  schon  im 
Jahre  1S7Ü.  Bis  zum  Jahre  1875  waren  im  ganzen  42  000  Mk.  verausgabt. 
Das  «adliche  SeitenschifT  wurde  fast  ganz  neu  aufgeführt  und  erhielt  eine  Ver- 
lÄugeruug  uaeh  Osten.  Im  Jahre  1886  wurde  der  Tunn,  der  bis  dahin  nur 
aus  zwei  Stockwerken  bestand  und  mit  eiiier  malerischen  barocken  Haube  ab- 
scbloss,  durch  den  Regieningsbaumeister  Jul.  Busch  aus  Neuss  um  ein  Stock- 
werk  erhöht,   die  Provinzialverwaltung   bewilligte   hierzu   einen  Znschuss  von 

Ithrb.  d.  Vor.  V.  AliBithsrr.  Im  UliuloL  l«.  16 


242  Bericht  Übor  dii-  ThÄtiKkeit  der  ProvinzialkominiSBion 

3000  Mk.  Im  Jahre  1894  wurden  die  Spitzbogenöffnungeo.  die  ein  paar  Jahr- 
zehnte vorher  zwistrhen  der  nördlichen  Empore  und  dem  MittelschifT  in  die 
Maner  gebrochen  waren,  in  romanische  Fenster  Tcrwandelt, 

Der  Westgiebel  befand  sich  immer  noch  in  dem  äusserst  verstümmelten 
Zustande,  in  wetehen  er  im  17.  Jahrhnndert  vei'sctzt  worden  war,  &h  das 
Hauptschiff  von  einem  grossen  Mansardendache  überbaut  n-nrde.  An  Stelle 
kleiner  Fenster,  in  der  Mitte  der  Front,  war  eine  grosse  Fensteröffnung  ge- 
brochen worden,  deren  Bogen  sich  auf  zwei,  leicht  vorspringende  Lisenen  aut- 
setzte. Zwei  seitliche,  den  Achsen  der  Seitenschiffe  der  Kirche  enlspreehende 
kleine  Fenster  waren   durch    grössere,  spitzbogige   ersetzt  worden   und  Kwei 


Fig.  11.    Neuwerk.     Gmndrias  der  Klnaterkirche. 

Blenden,  in  der  Form  und  Grösse  der  vorgenannten  Fenster,  bündig  mit  der 
Mauerfläche  vermauert. 

Das  Giebel-Dreieck,  welches  ureprüuglich  den  Giebel  abschloas,  war  bis 
znm  Fasse  des  Daches  abgebrochen,  das  Manflardendach  darüber  fortgeführt 
und  die  Stimmauem  der  Seitenschiffe  in  der  Höhe  des  verbliebenen  Mittel- 
schiff-Mauerwerkes erhöht  und  gradlinig  geschlossen. 

Das  Mansardendach,  bezw.  der  Dachraum  der  Kirche  war  durch  ein 
Zwischendach  niil  dem  slldlicb  gelegenen  Turme  verbunden,  während  das  nörd- 
liche Seitenschiff  nnd  ein  später  daran  angehautea  viertes  gotbisches  Schiff  in 
der  ganzen  Lunge  durch  ein  einziges  Dach,  welches  bis  unter  das  obere  Gesims 
doB  Manaardendaches  hinaufreichte,  überdeckt  wurden.  Die  Stirnflächen  dieser 
beiderseitigen  Dächer  bildeten  mit  der  steilen  Fläcbe  des  Mansardendacbcs 
über  dem  Westgiebel  eine  Ebene. 


für  die  Denkmalptiege^in  der  Kh&inproviiu.  I 

Glllckliclienvefse  zeigte  die  Fagade,  mit  Ausnahme  ilirer  Mitteipartie,  die 
Sparen  der  froheren  Duirisso,  sowie  der  Form  nnd  Grösse  der  ursprüngliclieu 
Feustercheu  und  Teile  des  Bogenfrieses  unterhalb  des  DftclifiisBes  {Fig.  13). 

Da  die  Üemeinde  zur  Reetauration  der  Kirche  schon  erbebliche  Kosten 
antgebracbt  hatte,  so  wandte  sich  der  Pfarrer  Tbill  Doebinals  an  die  Pro- 
vinzial-Verwaltiuig  uud  liess  den  Plan  und  Kostenanschlag  zur  Restauration 
des  Westpiebels  und  Erneuerung  des  ganzen  Hauptdacbes  durch  den  Regie- 
rungs- Baumeister  Jul.  Busch  in  Neuss  anfertigen.  Das  Projekt  wurde  durch 
den  Proviiizial-CoHservator  und  sodaun  durch  den  Königlictjen  Conservator  der 
KunstdentUBfileTr  Geb.  Oberregieningsrat  Pereius  geprllft,  nach  dereu  speziellen 


Fig.  lä.    Nmiwerk.    Süd' 


Angaben    und  Zeichnungen  die  Mittelpartie  und   die  Architektur  des  Giebel- 
Dreieckes  geändert  und  festgestellt  wurden. 

Nach  Bewilligung  eines  Zuschusses  von  3000  Mark  seitens  des  37.  Pro- 
vinxial-Landtages  erfolgte  die  AusfHhrnng  in  allen  Teilen,  Fenster,  Blenden, 
Gesims,  Bogenfries,  genau  nach  den  vorlandenen  Spuren,  Die  oben  erwähnten 
Linenen,  denen  Vorlagen  an  den  Ecken  entsprechen,  wurden,  weil  zum  ur- 
sprünglichen Bauwerke  gehürig,  bis  zum  Bogenfries  durchgeftlbrt,  welcher  sich 
genau,  in  gleieher  Teilung,  wie  die  vorhandenen  Stücke,  zwischen  dieselben 
einfQgte.  Oberhalb  des  Gesimses  sind  di*  Liseuen  in  dem  Giebel-Dreieck  weiter 
hinauf  gefuhrt  und  teilen  letzteres  in  drei  Blendenfelder,  'welche  mit  Bogen 
flberspannt  sind.  In  dem  Mittelfelde  der  Fa<;ade  sind  zwei  Fenster  in  gleicher 
Ilfihe  und  Grösse,  wie  die  nehenanliegenden  Blenden  angelegt,  und  das  Mittel- 
feld oben  im  Giebel  durch  eine  grössere  Sechspass-Roeette  belegt  worden  (Fig.  14). 


Beriebt  ttber  die  Thfttig'keit  der  Provlnzlalkoinmisalon 


Fig.  13.     Neuwerk.     Die  Westfaijade  vor  der  Restauration. 

Die  Haupteingangs-Öffnung  ist  mit  eiDem  mÄchtigeD  Thürsturze  versehen 
worden  und  darUber  mit  einer  halbkreisförmigen  Blend-Nische.    Die  Vorder- 


fUr  die  Deokmalpflege  in  der  BbeinproviDZ. 


f^nfenf— !■    t    t    f    t    f    ?    t    f    r    \    \  n — \-^:s. 

Fig.  14.     Neuwerk.    Die  WeHtfai;ade  nach  der  Rehtauiation. 

fläche  des  Sturzes  erhielt  nach    einer  Skizze  des  Provinzial-Conscrrators  den 
Scbmnck  eines  Medaillons  mit  dem  Gotteslaiuni. 


24f)  Bericht  über  die  Thätigrkeit  der  Provinzialkommission 

Die  ganze  Fa^ade  wurde  unter  Belassung  der  noch  genügend  gut  erhal- 
tenen Flächen  mit  neuen  Tuffblendem  ausgebessert  und  neu  gefugt.  Während 
bisher  das  ganze  Hauptschiff  nebst  dem  Chore  mit  dem  Mansardendache  über- 
deckt war,  erhielt  das  neue  Schieferdach  (Satteldach)  am  Chore  einen  neuen 
Giebel-Abschluss,  an  welchen  sich  jetzt  das  neue  Chor-Euppeldach  anschliesst. 

Somit  wäre  die  Restauration  der  Kirche  in  Neuwerk,  die  das  17.  Jahr- 
hundert uns  gänzlich  verstümmelt  überliefert  hatte,  als  vollendet  anzusehen. 

Ausführliche  Geschichte  und  Beschreibung  der  Kirche  bei  Giemen,  Knnst- 
denkmäler  der  Rheinprovinz  III,  S.  507. 

Busch  und  Giemen. 

11.    Trier.    Wiederherstellung  des  Domes. 

In  der  Zeit  vom  1.  April  18%  bis  31.  März  1897  erfolgte  ausser  der 
Fertigstellung  der  Dächer  und  der  Ausbesserung  schadhafter  Architekturglieder 
und  des  Mauerwerks  an  dem  Mittelschiff,  den  Seitenschiffen  und  den  Emporen 
auch  die  Wiederherstellung  des  nordwestlichen  Turmes  nebst  Treppenturm  und 
des  Westchores.  An  diesen  waren,  obgleich  nur  das  ersetzt  wurde,  was  in 
absehbarer  Zeit  den  Absturz  drohte,  doch  umfassende  Erneuerungen  erforder- 
lich, da  die  Gesimse,  Konsolen  etc.  stark  verwittert  waren.  Das  zweite  Glied 
des  mächtig  wirkenden  Hauptgesimses  an  dem  Westebor  fehlte  gänzlich.  Auch 
der  obere  Teil  des  Mauerwerks  daselbst  war  so  schadhaft,  dass  es  grösstenteils 
erneuert  werden  musste.  Der  schadhafte  Zustand  des  Daches  und  die  mangel- 
hafte Dachkonstruktion  hatten  im  Laufe  der  Jahre  diesen  Schaden  herbei- 
geführt« Zur  Verstärkung  des  Mauerwerks  hatte  man  s.  Z.  in  die  halbkreis- 
ftimiig  geschlossenen  Fensteröffnungen  in  der  Kämpferhöhe  flache  Segment- 
bögen oingesetxt  und  den  verbleibenden  Teil  des  Halbkreises  ausgemauert. 
Diese  Bögen  nebst  Ausmauerung,  sowie  die  Vermauerungen  der  Fensteröffnungen 
am  Nonhvesttunu  und  Treppenturm  wurden  beseitigt  und  allenthalben  der  ur- 
sprüngliche Zustand  wieder  hei^restellt« 

Der.  insbesondere  an  dem  Treppenturm  vorhandene  Abputz,  welcher  er- 
halten werden  sollte«  erwies  sich  nicht  als  ursprünglich.  Derselbe  ist  in  spä- 
terer Zeit,  als  die  Steine  bereits  inkrustiert  waren,  aufgebracht  worden.  In 
Folge  der  lukrustierung  hatte  der  Putz  auch  nicht  auf  den  Steinfläehen  ge- 
griffen. s<>ndera  nur  an  den  jedenfalls  frisch  aufgehauenen  Mörtelfngen.  Auf 
den  Steiuttächen  seihst  Ug  er  ganz  hohl  und  war  leicht  zu  entfernen.  Es 
wuTxle  daher  das  sämtlicho  Mauerwerk  gründlich  gereinigt,  unter  sorgfältiger 
Schonung  der  im  Laufe  der  Jahrhunderte  zu  stände  gekommenen  Deckschicht 
und  darnach  nur  auscefnct. 

Für  den  Xorxiwestiunu  war  eine  Xeudeckung  des  Helmes  mit  Schiefer 
TVMrjv^^hen,  Eine  genaue  rnter^uohung  der  Holrkonstruktion.  welche  erst  nach 
erf<>licier  Einrüstuiic  nuVrlioh  war,  en::ib  inde:$i>en.  da^^  auch  diese  der  Er- 
neaeruug  betiurtte.     Sie  wurde  daher  durvh  eine  Eü^enkonsiraktion  ersetzt. 

Für  die  iu:!is«<^re  Wiederher^eUung  wurden  bis  jetzt  rund  350  CmO  X. 
Ter;iia$;cabt.  Domlnunne^er  Wirti. 


für  die  Denk  mal  pflege  in  tier  Rlioinproviiiz.  24" 

12.  Wanderath  (Kreis  Adenau).  Erweiterung  der  katho- 
lischen Pfarrkirche. 

Die  katholisobe  Pfarrkirche  zu  Wanderath  hatte  echon  im  Mittelalter  vor- 
scliiedene  Wandlnngeu  dmehgemacht.  Sie  war  ursprünglich  ein  eiuschiffiger 
Bau,  wahrscheinlich  mit  qnadratiscbein  Chor  und  Westtumi. 

Sie  wird  zuerst  129(i  als  Jagdkapelle  in  Wombrechtrode  erwähnt.  Die 
Anlage  gehört  ohne  Zweifel  dem  Anfange  des  13.  Jahrhunderts  an,  da  die 
Tnrmfenster  schon  spitzhugige  Formen  zeigen.  Das  .Schiff  war  flach  gedeckt, 
da  die  Mauern  (0,ö5  m  stark)  ein  Gewölbe  nicht  getragen  hätten.  Die 
Seitenechifi'e  wurden  beide  1530  angebant  und  golhisch  gewilllit.    Die  Jahres- 


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Fig.  15.     Wanderath.    GrundrisB  der  katfa.  Pfarrkirche  nach  der  Erweiterung. 
y,ahl  befand  sich   anf  einem   verwitterten  Stein.     Die  Gewölbeform  lässt  auch 
keine  andere  Zeitbestimmung  zu. 

Als  man  1530  die  Kirche  vergrösaem  wollte,  mnssten  nattlrlieb  die  Seiten- 
wände durchbrochen  werden;  man  liesa  die  schweren  Pfeiler  hierbei  stehen. 
Die  EinWölbung  des  Mittelschiffes  schien  aber  bedenklich,  zumal  die  Seiten- 
schiffe  nur  etwa  halb  so  breit  wurden  als  das  Hauptschiff.  Man  setzte  deshalb 
schlanke  Sanlen  iu  das  Mittelschiff  und  wölbte  dasselbe  zweischiffig  ein.  Be- 
Hondcre  Bemerkung  verdient  das  östliche  Gewölbe  wegen  der  Verschiebung  der 
Ostlichen  Rippen.  Diese  Verscbiebong  hat  ihren  <.<rund  in  der  cigentUin liehen 
Anlage  kleiner  Fcuster  in  der  Nurduel-  und  Stldusteoke  des  Schiffes,  wodurch 


248  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

das  Gewölbe  sehr,  glücklicb  beleuchtet  wurde.  Zu  beachten  ist  auch  die  An- 
lage des  nördlichen  Seitenchores,  welches  breiter  ist  als  das  Schiff.  An  der 
Sttdseite  ging  das  Schiff  in  gleicher  Breite  durch.  Im  18.  Jahrhundert  wurden 
die  gothischen  Fenster  durch  Rundbogenfenster  ersetzt  und  die  Sakristei  um- 
gebaut. Vgl.  über  das  Bauwerk  Lehfeldt,  Bau-  und  Kunstdenkmäler  des  Re- 
gierungsbezirks Coblenz  S,  26. 

Die  Kirche  erwies  sich  schon  seit  Jahren  als  zu  klein  und  reichte  bei 
der  wachsenden  Seelenzahl  nicht  mehr  aus.  Die  Gemeinde  dachte  an  einen 
Neubau  und  hatte  deshalb  schon  seit  längerer  Zeit  keine  Mittel  mehr  auf  die 
Instandsetzung  verwendet.  Im  Jahre  1894  wurde  der  Bau  von  dem  unter- 
zeichneten Architekten  aufgenommen.  Nachdem  verschiedene  Projekte  zur 
Vergrösserung  sich  als  undurchführbar  erwiesen  hatten,  wurde  endlich  auf  Vor- 
schlag des  Provinzial-Conservators  das  Projekt  aufgestellt,  an  der  Südseite  ein- 
fach ein  breites  Schiff  anzulegen,  das  über  den  alten  Chor  hinausgriff  und  im 
Westen  mit  einer  Vorhalle  abschloss.  Auf  diese  Weise  brauchte  nur  das  alte 
südliche  Schiff  beseitigt  zu  werden.  Der  Hochaltar  und  die  Orgelbtihne  wurden 
in  das  neue  Schiff  verlegt.  Der  alte  Turm  tritt  noch  über  die  Westfront  vor, 
die  Silhouette  des  Bauwerkes  ist  durch  die  verschiedenen  Dachlinien  eine  sehr 
reiche  und  originelle  geworden.  Um  die  Erhaltung  des  hochinteressanten  und 
durch  die  mittlere  Säulenstellung  für  die  Eifelkunst  charakteristischen  Bau- 
werkes und  gleichzeitig  die  Restauration  der  alten  Teile  zu  ermöglichen,  be- 
willigte der  Provinzialausschuss  im  Jahre  1896  einen  Zuschuss  von  5000  Mk. 

Beim  Abbnich  des  südlichen  Seitenschiffes  zeigte  es  sich,  dass  die  Mauer- 
pfeiler gar  keinen  Zusammenhang  mehr  hatten,  es  wurden  deshalb  Säulen 
untergeschoben,  welche  schwierige  Arbeit  von  dem  Unternehmer  Schöneberg 
in  Ahrweiler  ohne  jede  Beschädigung  der  Gewölbe  ausgeführt  wurde.  Das 
neue  Schiff  wurde  in  demselben  Material  ausgeführt,  das  der  bestehende  Bau 
aufweist.  Der  Bruchstein  wurde  in  der  Gemeinde  gebrochen,  die  zugleich  alle 
Hand-  und  Spanndienste  leistete.  Die  Kosten  werden  ausser  durch  den  Zu- 
schuss seitens  der  Provinzialvervvaltung  durch  eine  Kirchen-  und  Hauskollekte 
sowie  sonstige  freiwillige  Gaben  gedeckt.  Die  Konsolen  des  alten  Seitenschiffes 
sind  im  Neubau  wieder  verwendet  worden.  Der  Bau  wurde  im  Jahre  1896 
begonnen  und  wird  in  diesem  Jahre  Mitte  August  1897  fertig  gestellt. 

Die  Anfertigung  der  Pläne  und  die  Bauleitung  lag  in  den  Händen  des 
Unterzeichneten. 

L.  von  Fisenne. 


13.     Wesel.     Wiederherstellung  der  Willibrordikirche. 

Der  Bau   der  Willibrordikirche  zu  Wesel,    der   bedeutendsten   gothischen 

Anlage   am    Niederrhein   nächst   dem    Xantener   Dome    und    der   glänzendsten 

Leistung   der  Klevischen  Bauschule,   schon    1424   begonnen,   aber   erst    1500 

energisch   weitergeführt,    war    1540    bei   dem   endgültigen   Siege   der   Refor- 


Wl-3c1,     Diu  NoixlsyiW  der  WJIIilirwJitirc-lje  vor  der  ItoMaumion  im  Jahre  ISS-'. 


für  dio  Denkinalpfle^ 


I  ilev  Rheinpiovinz. 


mation  liegen  geblieben.  Es  fehlte  an  dem  groBsartigen  Plane  noch  die  Aue- 
ftllimng  des  ganzen  Streliesysteiues;  MitteUcliiÖ',  Quei-Bchiff  und  Chor  hatten 
de-tlialb  auch  noch  nicht  eingewölbt  werden  kennen  und  waren  nur  durch  eine 
flache  Balkendecke  abgeBchlowien.  Der  Chor  war,  wie  sich  bei  den  Nach- 
grabnngon  ergab,  mit  Cliorumgang  und  Kapellenkrauz  geplant  gewesen,  doch 
waren  diese  Teile  nicht  zur  Autifltlirung  gekoinnien.  Die  ursprünglich  beab- 
dielitigteu  Querdäclier  llber  den  Seitenechiffeu  waren  nachträglich  durch  unge- 


Hft 


Pig.  16.     Wesel,     ÜBlansiehi  ikir  WilJilirordikirdie  i 


Bchickt  angeonlnete  Lftngsdacber  ersetzt  worden.     Es  felilten  endlieli  der  slld- 
liehe  QucrBchilTgiebel  und  die  Spitze  des  Weatturmes. 

Keines  der  an  dem  Bauwerk  verwandten  Materialien  hatte  sieh  als  wider- 
Rlandsnthig  erwiesen;  verschiedene  Brände  und  Restaurationen  im  Iti.  und  17. 
Jahrhundert  hatten  die  äubstanx  nur  nach  mehr  angegriffen  und  geschwächt. 
Wegen  Baufälligkeit  mnsete  1840  der  Giebel  der  Nordseite  zum  grossen  Teil 
niedergelegt  werden.  Der  Zustand  war  allmählich  uuhaltbar  geworden,  die 
ganze  Kirche  in  ihrem   weiteren  Bestände    bedroht   —   im  Jahre  1874  musste 


250 


Bcriclil  über  die  TIiJilip:koi 


i-  Pri>\ 


die  Kirche  ihres  gefahrdrohenden  baaÜL-hcn  Zastaiides  wegen  ganz  geschlossen 
worden. 

In  der  Gemeinde  war  die  Frage  der  Instandsetzung  schon  mehrfach  Ge- 
genstand der  Erörterungen  gewesen,  doch  reichten  die  Genieindemittcl  niebt 
entfernt  ans,  den  Anshan  durchznftlhren.  Bereits  1857  hatten  der  Geheime 
Oberbaurat  Stiller  und  der  Conservator  der  Knnstdenkniäler  von  Quast  sieh 
gutachtlich  über  die  hohe  Bedeutung  und  den  zunehmenden  Verfall  der  Kirche 
geilussert.  Die  Kirchengcuieinde  lieas  infolge  dessen  I8ÖH  durch  den  damaligen 
Kreisbaumeister  Giersberg  aus  Cleve  die  erste  architektonische  Aufnahme  des 
Bauwerkes  und  einen  Wiedcrherstellungsentwurf  ausarbeiten;  der  erste  Kosten- 
anschlag fUr  den  Ausbau  der  Kirche  sehloss  mit  der  Summe  vou  135000 
Tbaleni  ab. 

Durch  das  im  J.  1868  gefeierte  dreibunderljährige  Jubiläum  der  soge- 
nannten ersten  niederländischen  Synode  unter  dem  Kreuze  zu  Wesel  wurde  die 
geschichtliche  Bedeutung  der  Willi brordikirche  wieder  in  Erinnernng  gebracht 
und  ein  neuer  Antrieb  für  die  Wiederherstellung  des  Gotteshauses  gegeben. 

Im  J.  1870  wurde  der  Architekt  FlUggc  in  Essen  mit  der  Anfertigung 
eines  Entwurfes  fttr  den  Anabau  beauftragt,  am  1.  Mai  1872  wurden  von  ihm 
ir>  Blatt  Zeichnungen  nebst  Kostenaoschlag  eingereicht,  ohne  dass  davon  wei- 
terer Gebrauch  gemacht  wurde. 

Im  Jahre  1873  hatte  der  Conservator  von  Quast,  sowie  1878  der  Ge- 
heime Baurat  Giersberg  und  Professor  Bcrgau  aus  Ntlrnberg  sich  über  die 
Kirche  ausgesprochen,  doch  erst  naelideui  der  Pfarrer  Hasbaeh  auf  Fllrs|iraehc 
Sr.  Künigl.  Hoheit  des  Kronprinzen  Friedrich  Wilhelm  das  besondere  Interesse 
Sr.  Majestitt  des  Kaisers  Wilhelm  I.  erweckt  hatte  und  nachdem  auf  höhere 
Weisung  im  Jahre  1880  der  Geheime  Oberbaurat  Adler  in  einem  ausführliehen 
Gutachten  für  die  Erhaltung  des  Baudenkmales  eingetreten  war,  ergab  sich 
die  Möglichkeit,  die  erforderliehen  Baarmittel  soweit  sicher  zu  stellen,  daas  der 
AuslUhrung  näher  getreten  werden  konnte. 

Nunmehr  wurde  durch  den  Geheimen  Oberbaurat  Adler  ein  neuer, 
durch  Fortlassung  des  ursprilnglleh  beabsichtigten  Kapellenkranzes  mid  Ein- 
schränkung der  Strehesysteme  wesentlich  vereinfachter  Entwurf  im  Ministerium 
der  üS'entlichen  Arbeiten  aufgestellt.  Nach  seiner  Genehmigung  konnte  im 
Jahre  1882  das  Baubureau,  im  Frühjahr  1883  die  Bauhütte  ihre  Arbeit  be- 
ginnen. Die  Fertigstellung  der  Arbeiten  erfolgte  1896,  am  7.  August  1896 
fand  die  feierliche  Wiedereiuweihung  in  Anwesenheit  Ihrer  Majestät  der  Kaiserin, 
als  Vertreterin  Sr.  Majestät  des  Kaisers,  sowie  Sr.  Königl.  Hoheit  des  Prinzen 
Heinrich  statt. 

Der  ursiirUngliche  Bauplan  hat  während  der  vierzehnjährigen  BauausfOh- 
rung  verschiedene  wesentliche  Veränderungen  und  Erweiterungen  erfahren. 
Nach  dem  ersten  Plane  war  flbcriiaupt  nur  die  Wiederherstellung  des  eigent- 
lichen Kirchenge bändes,  unter  Ausschins»  des  Tunnes,  ins  Auge  gefasst  worden. 
Nur  das  Kirchengebäude  gehörte  der  evangelischen  Gemeinile,  der  Turm  war 
Eigentum  der  Stadt  Wesel.     Währcad  des  Baues  ging  auch  der  Turm  in  ( 


für  riic  DenUmHlp'!oi,'e  in  der  Rheinprovir 


Fig.  17.     Wesel.     Gruiidriss  der  Willibrordikircbe. 


254  Bericht  über  die  Thätig^keit  der  Provinzialkommiission 

eingesetzt,  auch  der  grösste  Teil  des  Flnrbelages  verlegt.  Zum  Temperieren 
der  Luft  an  kalten  Wintertagen  ist  eine  Mitteldruck-Wasserheizung  mit  Gas- 
feuerung angelegt.  Zum  Aufstellen  der  erforderlichen  Oefen  mussten  an  zwei 
Stellen  Kellerräume  geschaffen  werden. 

Im  Jahre  1895  wurden  alle  im  Inneren  der  Kirche  und  des  Turmes  noch 
rfickständigen  Arbeiten,  Ausmalung,  Verglasung,  Plattenbelag  u.  A.  fertiggestellt, 
die  Orgelempore  errichtet,  der  Orgelprospekt  mit  Gehäuse  für  das  Werk  und 
die  Blasebälge  aufgestellt  und  das  grosse  Orgelwerk  eingebaut. 

Im  Jahre  189ft  wurde  die  innere  Einrichtung  yollendet.  Am  Westportide 
wurden  die  Standbilder  von  Melanchthon,  Glarenbach  und  Heresbach  aufge- 
stellt, an  den  beiden  Kreuzschiffgiebeln  die  Statuen  des  grossen  Kurfürsten 
und  des  Kaisers  Wilhelm  I.  Zur  Regulierung  der  Umgebung  der  Kirche 
wurde  das  von  der  Gemeinde  angekaufte  Gebäude  der  Garnison- Verwaltung 
abgebrochen  und  neue  Trottoir-  und  Kanalanlage,  sowie  Pflasterung  der  Strassen- 
fahrbahn  ausgeführt.  Die  genehmigte  Freilegung  der  Westseite  ist  zurück- 
gestellt bis  zur  Bereitstellung  der  Geldmittel,  welche  die  Allerhöchsten  Ortes  bereits 
bewilligten  Lotterien  ergeben  werden. 

Die  zum  Bau  erforderlichen  Geldmittel  sind  in  der  folgenden  Weise  auf- 
gebracht worden: 

1.  Einmaliger  Zuschuss  aus  dem  Allerhöchsten  Dispo- 

sitionsfonds Sr.  Majestät  des  Kaisers    ....         270000  Mk. 

2.  Einmalige    Bewilligung    des    27.  Provinzial-Land- 

tages  (1881) 50000  Mk. 

3.  Sammlungen  des  Willi brordi-Sammel Vereins,  Ergeb- 

nis der  Hauskollekte  in  Rheinland  und  Westfalen  100000  Mk. 

4.  Beitrag  der  evangelischen  Gemeinde 120000  Mk. 

6.  Ergebnis  zweier  durch  Se.  Majestät  den  Kaiser  be- 
willigten Lotterien 700800  Mk. 

G.  Ergebnis    einer    dritten,    nachträglich    bewilligten 

Lotterie    .     .     .     .     , 800000  Mk. 

2040800  Mk. 

Die  alten  Hausteinarbeiten  im  Aeusseren  des  Kirchengebäudes  waren  zum 
grossen  Teil  in  Baamberger  Stein  (aus  der  Gegend  von  Münster  in  Westfalen) 
ausgeführt  worden.  Infolge  der  überaus  geringen  Wetterbeständigkeit  dieses 
weichen  Gesteins  waren  die  Gliederungen,  Profile  und  ornamentalen  Verzie- 
rungen der  äusseren  Architektur  vor  Beginn  des  Baues  fast  bis  zur  völligen 
Unkenntlichkeit  verwittert. 

Von  den  alten  Architekturteilen  des  Turmes  sind  die  Gewände,  Pfosten 
und  Masswerke  sämtlicher  Blendnischen,  mit  denen  die  Turmflächen  belebt 
sind,  aus  TufiFsteiue  gefertigt;  die  Wasserspeier,  die  Masswerkbrüstung  am 
obern  Ende  des  Turmes  (wovon  nur  noch  die  Reste  der  Fialenkörper  erhalten 
waren),  die  Masswerke  und  Pfosten  der  SchallöflFnungen  und  das  Westportal 
bestanden  aus  Baumberger  Material.  Aus  dem  gleichen  Gestein  war  früher 
jedenfalls  auch  das  Masswerk  des  grossen  sechsteiligeu  Westfensters  hergestellt, 


für  die  Deukmalpflcgo  in  der  Rlieinprovinz,  255 

das  vor  einigen  Jahrzehnten  bereits  erneuert  worden  ist.  Dagegen  sind  die  Ge- 
sinifie,  einige  grosse  Laubwerktonaolen,  das  Gewände  des  Westportales  nod 
die  Eckquadern  der  vier  Tnriiikanlen  aus  Draehenfelser  Trachj-t  gefertigt. 
Sowohl  am  Tunii  wie  am  Kirchcngebaude  sind  sämtliche  glatten  äusBeren 
Mauerfläehen  mit  TufTstcincii  in  Ziegelformat  (25:12:llem)  verblendet. 

Die  Rimdpfeiler  und  Dienste  {einscliliessbch  zweier  Vieriingspfeiler)  im 
Inneren  der  Kirche  sind  aus  einem  ziemlich  grobk<iriiigen  festen  .Sandstein  ge- 
arbeitet, welcher  anscheinend  aus  der  Riihrgegend  berrührt.  Die  beiden  grossen 
in  der  Kirehe  stehenden  östlichen  Tiirinpfeiler  jedoch  sind  mit  einem  starken 
Uausteinmantel  aus  Drachenfelser  Tracbyt  umkleidet;  ans  dem  gleichen  Material 
sind  anch  die  schweren  dazugehörigen  Selieidebögen  de^  Tunucs,  sowie  zwei 
von  den  Vicmngspfeilern  in  ihrem  unteren  Teile  (bis  zum  Kampfer  der  Scheide- 
bögen) hergestellt.  Das  Kem-Manerwerk  der  Turmpfeiier  besteht  in  der  Regel 
abwechselnd  aus  Ziegel-  und  TulTmaterial  und  ist  vielfach  nur  als  Fullmancr- 
werk  ohne  Verband  ausgeführt. 

Die  Kapitale  der  Pfeiler  und  Dienst«,  die  Laubwerkskonsolen,  wie  über- 
haupt alle  sonstigen  alten  ornamentalen  Arbeiten  im  Inneren  sind  teils  aus  Tuff- 
steiii-,  teils  ans  Baumbcrger  Material  hergestellt.  Ein  beträchtlicher  Teil  der- 
selben hat  erneuert  werden  müssen,  weil  sie  vielfacli  zerdrilckt  waren.  Die 
Rippen  nnd  Anfänger  der  in  grosser  Mannigfaltigkeit  ansgebildeten  alten  Stem- 
gewölbe  sind  durchweg  aus  Tuffstein  gefertigt. 

Das  an  der  Kirche  verwendete  Tuffmaterial  war  von  zienilicb  schlechter 
IkschaiTenheit,  denn  die  alte  Tnffsteinrerblendnng  der  äusseren  Wandflächen 
war  auf  eine  Tiefe  von  3 — 5  cm  so  ansgencttcrt,  dass  die  vollständige  Erneue- 
rung der  Verblendung  sich  nicht  hat  umgehen  lassen,  während  bei  zahlreichen 
anderen  mittelalterlichen  Bauwerken  des  Rheinlandes  im  gleichen  Falle  ein 
blosses  Abscharrieren  der  alteu  Tuffsteinverblendung  hingereicht  hat,  um  für  Jahr- 
hunderte aufs  neue  eine  gesunde  und  glatte  Mauertlttchc  zu  schaffen.  Ebenso 
mnssten  auch  im  Inneren  der  Kirche  zahlreiche  Rippensilicke  der  alteu  Ge- 
wOlbc  herausgebrochen  werden,  weil  dieselben  vielfach  zerdrUckt  und  völlig 
verfault  waren. 

Es  sei  femer  noch  erwähnt,  dass  beim  Abbrechen  alter  Manerteile  mehrere 
vermauerte  grosse  Ziegelformsteine  gefunden  worden  sind,  Fensterschmiegen  mit 
dem  Ansatz  der  Masswerkspfosten,  Auch'  anderweitig  haben  sich  vei-sehiedent- 
licb  Formsteine  im  Innern  unter  dem  alten  Putz  gefunden.  Es  erseheint  dar- 
nach fast,  als  hätte  seiner  Zeit  einmal  der  Gedauke  vorgelegen,  den  Bau 
ganz  als  Backsteiubau  aufzuführen. 

Bei  Beginn  der  jetzigen  Bauansführung  ist  binsiehtlicb  der  zu  verwenden- 
den Materialien  eine  möglichst  sorgfältige  Wahl  getroffen  worden.  Fü!'  die 
ganze  Anssenarcbitcktur  am  Kirchengebäude  imd  Turm  üel  die  Entschei- 
dung auf  das  Obernkirehener  .Sandsteiumatcrial,  welches  mit  einer  fast  marmor- 
artigen Feinkörnigkeit  eine  grosse  Festigkeit  und  Reinheit  des  Geftiges  ver- 
bindet und  daher  erfahrungsmässig  ganz  ausserordentliche  Wetterbeständig- 
keit  besitzt.     FUr   die   umfangreichen  Instandsetzungsarbeiten,   sowie  fUr  alle 


256  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

neuen  Architekturteile  im  Innern  der  Kirche,  abgesehen  von  den  Gewölben, 
ist  fast  ausschliesslich  üdelfanger  Sandstein,  aus  der  Gegend  von  Trier,  ver- 
wendet worden,  der  im  Material  und  in  der  Bearbeitung  billiger  kommt 
als  der  Obemkirchener  Stein,  sich  vortrefflich  zu  omamentalen  Sachen  bearbeiten 
lässt  und  dabei  eine  verhältnismässig  grosse  Druckfestigkeit  besitzt.  Zur  Ver- 
wendung im  Aeusseren  ist  dieser  Stein  jedoch  weniger  geeignet. 

Die  Anfänger  der  neuen  Hochschiffsgewölbe  sind  gleichfalls  aus  Üdel- 
fanger Stein  hergestellt,  ebenso  ein  grosser  Teil  der  in  den  Gewölben  zahlreich 
erneuerten  Rippen.  Im  übrigen  sind  die  Rippen  der  neuen  Hochschiffs-  und 
Chorumgangsgewölbe  aus  Tuffstein  gefertigt.  Das  Rohmaterial  für  diese,  wie 
auch  die  Tuffsteine  in  Ziegelformat  zur  Verblendung  der  äusseren  Mauerflächen 
wurde  aus  dem  Brohlthal  bezogen.     Das  Material  ist  als  Weibemtuff  bekannt. 

Der  oberste  Leiter  des  ganzen  Baues  war  der  Wirkliche  Geh.  Oberbaurat 
Adler,  der  im  Einvernehmen  mit  den  Königlichen  Conservatoren  der  Kunstdenk- 
mäler, Geh.  Baurat  von  Dehn-Rotfelser  und  Geh.  Oberregierungsrat  Persius, 
alle  Restaurationsarbeiten  und  Bauausführungen  anordnete.  Die  obere  Bau- 
leitung am  Orte  führten  nacheinander  Regierungs-Baumeister  Schroeder  1882 
— 1885,  Baurat  Mertens  1885 — 1887,  Regierungs-Baumeister  Mecum  1887, 
Baurat  Hillenkamp  seit  1887.  Mit  der  besonderen  Bauleitung  waren  betraut 
der  Architekt  Otter,  der  schon  an  der  Projektbearbeitnng  beteiligt  war,  und 
von  1889  an  ausserdem  der  Regierungs-Baumeister  Lehmgrübner;  in  den  Hän- 
den beider  lag  auch  die  Vorbereitung  der  gesamten  inneren  Ausstattung. 

Der  bei  weitem  grösste  Teil  der  Steinmetzarbeiten,  sowie  die  omamen- 
talen Bildhauerarbeiten  wurden  in  eigener  Hütte  ausgeflihrt,  welche  20 — 30, 
zeitweise  sogar  40  Steinmetzen  beschäftigte.  Meister  derselben  war  C.  Rein- 
hard und  nach  dessen  Tode  von  18H9  an  F.  Gleichmar.  Da  bei  Beginn 
der  Bauarbeiten  für  die  Willibrordikirchc  gerade  am  Kölner  Dom  wegen  Ein- 
schränkung des  dortigen  Betriebes  eine  grössere  Anzahl  von  Steinmetzen  und 
Versetzem  verfügbar  wurde,  so  wurden  dieselben  mit  einigen  Polieren  in  die 
neu  gebildete  Hütte  der  Willibrordikirchc  übernommen.  Die  Maurer-  und  Ver- 
setzarbeiten wurden  ebenfalls  in  Regie  ausgeführt  unter  Leitung  des  Meisters 
Eichberg.  Die  genannten  Meister  entstammten  alle  der  Hütte  des  Kölner  Domes. 
Die  Wiederherstellung  der  alten  Malereien  in  den  Gewölben  und  die  weitere 
Ausmalung  erfolgte  durch  den  Maler  Grimmer. 

Ausführliche  Geschichte  und  Beschreibung  der  Kirche  bei  Giemen,  Die 
Kunstdenkmälcr  der  Rheinprovinz  II,  S.  125.  —  Hillmann,  Die  evangelische 
Gemeinde  Wesel  und  ihre  Willibrordikirchc  S.  145, 180  ff.  —  üeber  die  Wiederher- 
stellung vgl.  Ccntralblatt  der  Bauverwaltung  XVI,  1896,  S.  371  und  Monats- 
schrift für  Gottesdienst  und  kirchliehe  Kunst  I,  1896,  S.  211.  —  Eine  aus- 
führliche Publikation  steht  durch  den  Wirklichen  Geh.  Oberbaurat  Adler  in 
der  Zeitschrift  für  Bauwesen  bevor. 

Otter. 


D^EinälpBege  in  der  Rheliiprovi 

14.     Anfertigung    von    Kopien    der    niiltclaltür lieben    Wand- 
malereien   der    Rbeinprovinz. 

Die  Provinzialkominiftsion  hat  selion  im  Jalire  1895  die  Anfertigung  von 
Kopien  und  Pansen  der  mitte latterliclien  Wandmalereien  der  Provinz  beacliloBBen, 
zunächst  um  diese  kunstgeBchiehtlicIi  ausBcrordentlich  wertvollen  Denkmäler, 
die  zum  Teil  in  ihrem  Bestände  gefklirdet  sind  und  immer  mehr  TcrBchwinden 
nnd  verbleichen,  in  ibrem  jetzigen  Zustande  festzulegen,  sodann  aber  um  auf 
diese  Weise  das  Material  flir  eine  grosse  Publikation  der  sämtlicben  Wand- 
malereien zu  sammeln,  die  im  Verein  mit  der  Gesellschaft  filr  rheinische  Ge- 
schichtskunde in  Aussicht  genommen  ist.  Von  der  grossen  Zahl  der  in  der 
Rheinprovinz  vorhandenen  älteren  Wandmalereien  sind  eigentlich  nur  drei 
Cyklen,  die  zu  Sehwarzrheindorf,  Brauweiler  nnd  Kainersdorf  in  genOgender 
Form  durch  aus'm  Weertb  publiziert;  selbst  von  den  wichtigsten  Malereien,  so 
den  in  der  Taufkapelle  der  Kirche  St.  Gereon  zu  Ktlln,  sind  nur  ganz  unzu- 
längliche und  dftrftige  Proben  verößfentlicht,  von  den  ganz  allein  stehenden  Ge- 
mälden auf  den  Chorschranken  des  Kölner  Domes  existieren  überhaupt  keine 
Abbildungen,  und  die  kunstgesebicbtiicb  besonders  wichtigeu  Wandmalereien 
zu  Aachen,  Werden,  Sayn,  Trier,  Oberwesel,  Eltz  haben  bisher  in  der  Litte- 
ratur  noch  gar  keine  Beachtung  gefunden.  Im  Rahmen  der  Denkmftterstatistik 
ist  für  eine  eingehende  Behandlung  dieser  malerischen  Reste  kein  Raum: 
hier  können  nur  einzelne  Proben  geboten  werden. 

Gerade  in  den  letzten  Jahren  sind  nun  eine  grössere  Anzahl  sehr  bedeu- 
tender Malereien  erst  entdeckt  oder  aufgedeckt  worden. 

lu  den  Kölner  Kirchen  sind  teilweise  systematische  Nachforschungen  an- 
gestellt worden.  In  der  Kirche  Ht.  Cäcilia  wurde  sehon  1894  unter  der  Lei- 
tung des  Stadtbaurats  Heimann  unter  zwei  späteren  Tünchen,  die  eine  Malerei 
des  16.  Jahrhunderts  und  eine  vom  Ende  des  18.  Jahrhunderts  trugen,  im 
Chorhaus  ein  vollständiger  Cyklus  von  Darstellungen  in  je  drei  Reihen  über- 
einander aufgedeckt,  auf  der  Nordseite  Scenen  aus  der  Geschichte  der  Heiligen 
Cäcilia,  Tiburtins,  Valerianus,  Masimus,  auf  der  Südseite  Scenen  aus  der  Ge- 
schichte Christi  von  der  Gehurt  bis  zum  Verhör  vor  Pilatus.  Die  Gemälde 
sind  ganz  besonders  wichtig,  weil  sie  zum  erstenmal  in  Köln  die  Herrschaft 
eines  freien  und  grosszflgigcn  golhiachen  Monumentalstiles  unter  deutlichem  fran- 
zösischen Einfluss  zeigen.  Sie  sind  knrz  nach  den  Malereien  in  Rameradorf, 
ungeßlhr  um  das  Jahr  13Ü0  anzusetzen.  Weitere  Reste  sind  au  dem  Triumph- 
bogen, an  den  Pfeilern  des  Langhauses  aufgedeckt  worden.  Die  erhaltenen 
Malereien  sind  photographisch  aufgenommen.  Alte  Reste  sind  gepaust  worden, 
für  das  Denkmälerarchiv  der  Rlieinprovinz  sind  ausserdem  von  einzelnen  Scenen 
farbige  Facsimiles  angefertigt  worden.  Der  ganze  Cyklus  ist  durch  den  Maler 
Bardenbewer  ergänzt  worden  nnd  soll  im  Sommer  1897  wiederhergestellt  werden. 
Über  die  Malereien  soll  nach  Abschluss  der  Restauration  der  Kirche  in  diesen 
Berichten  noch  besonders  gehandelt  werden. 

In  der  Kirche  St.  Andreas  zu  Köln  wurden   sodann  fast  in  sämtlichen 
Seitenschi ßkapellen    frUhgotbische  31alereien    aus    dem  Anfang    des    X^M 
Jahrb.  d.  Ver.  v.  Altertliifr.  Im  Blielal.  lOJ.  if  " 


258  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

hunderts  aufgedeckt;  in  dem  nördlichen  QuerschiiF  ausserdem  Gemälde  aus  dem 
Ende  des  14.  und  dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts.  Von  besonderer  Wich- 
tigkeit sind  hier  die  frtihgothischen  Werke,  vor  allem  die  in  doppelter  Lebens- 
grösse  ausgeführten  Darstellungen  der  Krönung  Maria  und  der  Dreieinigkeit  in 
der  einen  südlichen  Kapelle,  die  von  den  Malereien  in  St.  Cäcilia  zu  denen  im 
Dom  und  in  S.  Severin  zu  Köln  überleiten  und  die  Kette  schliessen,  die  direkt 
von  den  ersten  gothischen  Versuchen  zu  den  Werken  der  Kölner  Malerschule 
am  Ende  des  14.  Jahrhunderts  führt.  Die  Würdigung  der  Kölner  Malerschule 
ist  ohne  die  Hinzuziehung  dieser  Wandmalereien  einseitig  und  schief. 

In  der  Kirche  S.  Gereon  wurden  im  Winter  des  Jahres  1896/97  bei  der 
Restauration  des  Inneren  des  Langchores  in  der  Apsis  sehr  wertvolle  Gemälde 
entdeckt,  die  wohl  kurz  nach  der  Vollendung  des  Chores  um  1160  entstanden 
sind.  Die  Daretellung  in  der  Concha:  ein  grosser  Salvator  in  der  Mandorla, 
umgeben  von  den  vier  Evangelistensyrabolen,  an  den  Seiten  je  zwei  Einzel- 
figuren von  Heiligen,  war  durch  die  im  18.  Jahrhundert  hier  aufgeführte  Stuck- 
dekoration stark  beschädigt  und  nur  in  Bruchstücken  vorhanden;  dagegen 
waren  die  grossen  Einzelgestalten  von  gewappneten  Heiligen  aus  der  thebäischen 
Legion  und  die  Bischofsgestalten  in  den  Fenstergewänden  und  in  den  unteren 
Nischen  ganz  vortrefflich,  auch  in  der  Farbe,  erhalten.  Die  Malereien  in  der 
Concha  sollen  durch  den  Maler  Osten  mit  Benutzung  der  fast  gleichzeitigen 
Gemälde  in  der  Apsis  des  St.  Patroklnsmünsters  in  Soest,  denen  die  in  St. 
Gereon  auflfällig  verwandt  sind,  ergänzt,  die  übrigen  Figuren  sollen,  soweit  an- 
gängig, nur  sorgfältig  nachretouchiert  werden. 

In  der  Nunkirche  bei  Sargenroth  (Kreis  Siramem)  wurde  in  der  Turm- 
halle, leider  auf  sehr  schadhaftem  Putz,  die  ikonographisch  sehr  merkwürdige 
Darstellung  eines  jüngsten  Gerichtes  entdeckt,  die  um  die  Wende  des  12.  und 
13.  Jahrhunderts  entstanden  ist.  Sie  wurde  durch  den  Maler  Wilhelm  Batzem 
sorgfältig  kopiert.  In  der  Markuskapelle  zu  Altenberg  (Kreis  Mülheim  a.  Rh.) 
wurden  die  Spuren  einer  vollständigen  dekorativen  Ausmalung  in  den  Formen 
des  Cbergangsstiles  um  1230  aufgefunden,  dazu  an  der  Westseite  eine  grosse 
Krönung  Maria.  Auch  diese  Malereien  wurden  durch  den  Maler  Bardenhewer 
genau  aufgenommen.  Bei  der  Untersuchung  der  Apsis  der  ehemaligen  Abtei- 
kirche zu  Steinfeld  (Kreis  Schieiden)  sind  in  der  Concha  eine  grössere  Dar- 
stellung der  Krönung  Maria,  zwischen  den  Fenstern  Einzelgestalten  von  Aposteln 
und  Heiligen  zum  Vorschein  gekommen;  die  weitere  Aufdeckung  ist  in  Aus- 
sieht genommen. 

In  der  katholischen  Pfarrkirche  zu  Linz  (Kreis  Neuwied)  waren  schon  in 
den  sechziger  Jahren  im  ganzen  Langhaus  Wandmalereien  aufgedeckt  und  auf 
Veranlassung  des  damaligen  Conservators  der  Kunstdenkmäler,  von  Quast, 
wiederhergestellt  worden.  Da  infolge  der  hierbei  verwandten  schlechten  Farben 
rasch  eine  Zersetzung  der  Malereien  eingetreten  war,  wurden  sie  auf  Veran- 
lassung der  Königlichen  Regierung  in  Coblenz  durch  den  Maler  Bttschkens  ein 
zweites  Mal  restauriert.  Die  Malereien,  die  um  1220  entstanden  sind  (die 
Kirche   ist  vor  1217    vollendet),   zeigen  über   den  Arkaden   des   MittelschiflFes 


ttr  die  Denkmiilpfiege  in  der  ßheinprovinz. 


260  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  t^rovinzialkommission 

unter  dem  Hauptgesims  einen  durchlaufenden  Fries;  über  die  Pfeiler  treten 
regelmässig  unter  einfachen  Baldachinen  Einzelgestalten.  Auf  der  Südseite  im 
ersten  Joch  die  grosse  Gestalt  Christi  en  face,  der  mit  den  beiden  Händen  zwei 
in  Pilgertracht  erscheinenden  Gestalten,  einer  bärtigen  männlichen  und  einer  weib- 
lichen, wohl  den  Donatoren,  Kronen  aufsetzt.  Von  beiden  Seiten  strömen  Pilger, 
Bettler  und  Krankeraschen  Laufes  nach  der  Mitte  zu  (Fig.  18).  Auf  der  Nordseite 
am  selben  Joch  in  der  Mitte  die  h.  Ursula,  unter  ihrem  Mantel  sechs  Jung- 
frauen bergend,  drei  Engel  mit  Kronen  und  Palmen  auf  sie  zuschreitend,  in 
dem  Zwickel  rechts  weitere  elf  Jungfrauen.  In  den  ferneren  Jochen  an  der 
Nordseite  die  grossen  Einzelfiguren  der  heiligen  Margaretha,  Katharina,  Bar- 
bara, an  der  Südseite  die  heiligen  Martinus  und  Petrus,  jede  Figur  umgeben 
von  Engeln  mit  Kerzen  und  Rauchfässern,  stehend,  schreitend  oder  schwebend, 
in  schönen  reichen  flatternden  Gewändern.  Durch  den  Maler  Bardenhewer  sind 
mit  Benutzung  der  Pausen  ümrisszeichnungen  nach  diesen  Malereien  hergestellt; 
auf  die  farbige  Wiedergabe  musste  hier,  da  die  Gemälde  eben  schon  z>vei 
Restaurationen  erduldet  hatten,  verzichtet  werden. 

Für  die  übrigen  Aufnahmen  ist  die  Aquarelltechnik  gewählt  worden.  Die 
Gemälde  sind  mit  Benutzung  von  Photographien  aufgenommen  und  mit  allen 
Schäden  des  Originales  wiedergegeben,  ähnlich  den  im  Auftrage  der  commission 
des  monuments  historiques  angefertigten,  im  Museum  des  Trocadero  zu  Paris 
aufbewahrten  Blättern.  Über  die  durch  den  Maler  Otto  Vorländer  angefertigten 
Kopien  der  Wandmalereien  zu  Boppard  ist  bereits  im  letzten  Jahresbericht 
der  Provinzialkommission  berichtet  worden.  Der  Maler  Vorländer,  der  für  die 
Sommermonate  1896  dauernd  zum  Zwecke  solcher  Aufnahmen  in  der  Provinz 
beschäftigt  war,  hat  weiterhin  Kopien  der  romanischen  Wandmalereien  zu 
Bacharach  und  der  gothischen  Wand-  und  Gewölbemalereien  zu  Oberdiebach 
(Kreis  St.  Goar)  angefertigt.  Durch  den  Maler  Friedrich  Stummel  in  Kevelaer 
wurden  die  romanischen  Malereien  in  der  Krypta  der  Martinskirche  zu  Emmerich 
und  einzelne  der  romanischen  und  gothischen  Gemälde  in  der  Mttnsterkirche  zu 
Essen  kopiert.  Die  Maler  Ehrich  und  Döringer  haben  die  im  Chor  der  Lieb- 
frauenkirche zu  Trier  befindlichen  Reste  frühgothischer  Malereien  sorgfaltig 
aufgenommen.  Der  Maler  Wilhelm  Batzem  hat  endlich  noch  Kopien  der  ver- 
schiedenen Wandgemälde  in  Mtinstereifel,  Oberwesel  und  Andernach  ausge- 
führt. Die  sämtlichen  Aufnahmen  sind  dem  Denkmälerarchiv  zu  Bonn  einver- 
leibt, dem  auch  die  Origiualpausen  der  Wandmalereien  zu  Sayn,  Linz,  Boppard, 
Oberpleis  übenviescn  worden  sind.  Die  Arbeiten  werden  im  Jahre  1897  fort- 
gesetzt. 

Giemen. 


Berichte 

Aber  die  Thätlgkelt  der  Provlnzlalmaseen  In  der  Zeit  vom  1.  April  1896 

bis  31.  März  1897. 


I.   Bonn. 

Die  Unternehraungen  des  hiesigen  Provinzialmuseums  konzentrierteD  sieh 
diesmal  hauptsächlich  auf  die  Aufdeckung  des  Römerlagers  bei  Neuss,  welche 
dank  der  reichlichen  Bewilligungen  seitens  der  Museumskommission  und  des 
Provinzialausschusses  beträchtlich  gefördert  werden  konnte.  Zunächst  wurde 
in  dem  nordöstlichen  Teile  des  Lagers  die  von  der  via  principalis  zum  Nord- 
thore  führende  Strasse  auf  deren  ganzer  Länge  von  c.  140  m  durch  Quer- 
schnitte untersucht,  welche  feststellten,  dass  der  mittlere  Damm  der  Strasse  an 
der  Sohle  aus  festgestampftem  Lehm  bestand,  über  dem  mehrere  Kieslagen 
aufgetragen  waren,  und  ihre  Gesamtbreite  c.  14  m  betrug.  Eine  zweite  den 
Decimanus  rechtwinkelig  schneidende  Strasse  von  6  m  Breite  wurde  106  m 
südlich  der  Umfassungsmauer  festgestellt,  nebst  der  sie  begleitenden  49  cm  im 
Lichten  breiten  Rinne,  deren  Sohle  aus  Ziegelplatten  und  deren  Wände  aus 
TuflF  hergestellt  waren,  alsdann  das  Intervallum  durch  Quergräben  in  seiner 
Breite  von  c.  29  m  mit  dem  in  seinem  Rücken  angebrachten,  in  den  früheren 
Berichten  erwähnten  Abschlusskanal  ermittelt  und  die  Umfassungsmauern  der 
Nordflanke  auf  eine  Länge  von  79  m  blossgelegt.  Ein  dabei  gefundenes  Stück 
des  Aufbaues  ergab,  dass  dereelbe  über  dem  1 ,20  m  breiten  aus  Rheingeschiebe 
und  Lehm  bestehenden  Fundamente  von  behauenen  TuflFsteinquadeni  von  30  cm 
Höhe  und  60  cm  Breite  gebildet  war,  welche  durch  Eisenklammern  mit  ein- 
ander verbunden  waren.  Ebenso  fand  die  Frage,  ob  auch  an  der  Nordseite 
ein  Umfassungsgraben  vorhanden  war  oder  der  Rhein  hier  diesen  Zweck  er- 
füllte, ihre  Lösung,  indem  das  Vorhandensein  eines  solchen  ermittelt  wurde, 
dessen  Profil  jedoch  wegen  der  hier  in  der  französischen  Zeit  angelegten  Ziegel- 
öfen zerstört  war.  Wichtig  war  die  Feststellung  des  Nordthores,  bei  dem  eine 
ältere  und  eine  jüngere  Anlage  beobachtet  wurde.  Die  ältere  Anlage,  welche 
von  den  äusseren  Mauerkanten  gemessen  eine  Breite  von  29V2  ™  ^^^  einer 
Tiefe  von  ca.  13^»  ni  hatte,  zeigte  einen  von  dem  östlichen  Teil  der  Um- 
fassungsmauer nach  innen  gehenden  bogenförmigen  ca.  1,15  m  starken  Mauer- 


362  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialmuseen 

arm,  dem  vielleicht  aof  der  anderen  Seite  ein  gleicher  Arm  entsprach.  Ein  in 
der  Mitte  aufgedecktes  Maaerfnndanient  bewies^  dass  der  Thordarchgang  ge- 
teilt war.  Auf  den  fast  bis  zur  Fnndanientsohle  ansgebrochenen  Teilen  dieser 
älteren  Thoranlage  war  ohne  Benutzung  ihrer  Mauern  die  jüngere  von  26V2  ™ 
Breite  und  15  m  Tiefe  errichtet  mit  zwei  2,90  m  breiten,  durch  mächtige 
Pfeiler  getrennten  Thoröffhungen,  die  an  jeder  Seite  durch  einen  Turm  von 
15  :  9  m  Seitenlänge  flankiert  waren.  Während  die  Fundamente  des  älteren 
Thores  aus  Tuff  bestanden,  bildete  Sandstein  das  Material  bei  dem  jüngeren 
Thore,  an  dessen  Stelle  im  Aufbau  Tuff  und  in  den  omamentalen  Teilen  Jura- 
kalk getreten  zu  sein  scheint.  In  einem  Abstände  von  57^  m  vor  der  Um- 
fassungsmauer kam  ein  etwa  8,70  m  langes  Fundament  zum  Vorschein,  mit 
rechtwinkelig  abgehenden  Seitenmauem,  welche  in  ihrem  Verlaufe  durch  die 
oben  erwähnten  Ziegeleien  zerstört  waren,  so  dass  der  Grundriss  unaufgeklärt 
bleiben  musste.  Indem  die  Grabungen  nun  sich  dem  Inneren  des  nordöstlichen 
Lagerteils  zuwandten,  wurden  zunächst  zwischen  der  zum  Nordthor  f&hrenden 
Strasse  und  dem  Intervallum  die  Fundamente  eines  grossen  Baues  von 
78V2  •  66  ro  Seitenlänge  freigelegt,  der  einen  inneren  Hof,  mit  einer  Säulen- 
Stellung  auf  allen  4  Seiten  umschloss,  um  den  sich  13,32  m  tiefe  Käume  her- 
umzogen. Die  Aussenseite  der  Mauern  war  mit  60  cm  breiten  Pfeilern  ver- 
sehen. Von  der  Mitte  der  Nordseite  f&hrte  ein  Kanal  das  Abflusswasser  des 
offenen  Hofes  in  den  grossen  Kanal  des  Intervallums  ab.  Auf  den  Fundament- 
resten dieses  Baues,  welcher  nach  der  Analogie  ähnlicher  Anlagen  als  ein 
Horreum  anzusehen  ist,  ist  in  späterer  Zeit  ein  anderes  Magazin  mit  einem 
ca.  64  m  langen  und  21,10  m  breiten  von  Säulen  eingefassten  Binnenhofe  er- 
richtet worden,  den  an  allen  Seiten  Räume  von  7,70  bis  8,50  m  Tiefe  um- 
geben. An  beiden  Seiten  der  Mauern,  welche  1,20  m  stark  waren,  befanden 
sich  in  Abständen  von  SV*  bis  4  m  Wandpfeiler  von  1,48  ra  Breite  und  70  cm 
Tiefe.  Die  östlichen  Teile  dieses  jüngeren  Baues  bedeckten  ausser  den  Resten 
des  älteren  Horreum  noch  einen  dieses  östlich  begrenzenden  Weg  und  den 
grössten  Teil  von  zwei  an  diesem  Weg  liegenden  Kasernen.  Dieselben  gehören 
zu  einer  Gruppe  von  vier  kleineren  35,20  bis  35,70  m  langen  und  18,30  m 
breiten  Kasernen,  welche  durchschnittlich  14  Räume  verschiedener  Grösse  ent- 
hielten. Ihre  schmalen  Grundmauern  waren  aus  Schiefer  und  Grauwacke  er- 
richtet, während  für  den  Aufbau  Tuff  v^erwendet  war.  Beide  Kasernen  wurden 
durch  eine  schmale  Gasse  getrennt,  während  eine  zweite  an  ihrer  östlichen 
Langseite  vorbeilaufende  Gasse  sie  von  einer  dritten  Kaserne  scheidet,  welche 
zwar  die  Beschaffenheit  der  früher  blossgelegten  Kohorten-Kasernen  hatte,  aber 
wegen  ihrer  geringen  Dimensionen  nur  Raum  für  eine  Centurie  bot.  Dadurch 
wurde  das  wichtige  Ergebnis  gewonnen,  dass  in  der  Xordosteeke  des  Lagers 
bloss  6  Ccnturien,  also  gerade  eine  Kohorte  lagerten.  Südlich  des  späteren 
Horreum  wurde  dann  ein  Kolossalbau  aufgefunden,  welcher  sich  als  die  Bade- 
anlage des  Lagers  er^vies.  Mit  Rücksicht  auf  die  grossen  Kosten,  welche  die 
Freilegiing  der  Fundamente  wegen  ihrer  grossen  Tieflage  verursacht  haben 
würde,  beschränkten  sich   die  Grabungen  auf  die  Feststellung  der  Breite  des 


1  (lur  Zuit  ^ 


1.  Aiiril  189Ü  bis  31.  Mllra  Iö97. 


Gebäudes,  welche  88,80  m  betrügt  nnd  die  Aufdeckung  einzelner  Teile  wie 
z.  B.  zweier  grosser  Säle  mit  halbkreisförmigen  Anbauten,  welche  mit  Ziegel- 
eatrich  versehen  waren.  In  dem  ästlicheD  Teile  wurde  ein  Ofen  von  5,50 : 6  m 
Seitenlänge  blossgelegt  mit  dem  Praefumiom,  über  dem  in  höherer  La^e  ein 
Heizkaaal  vuu  18  cm  lichter  Rreitc  und  2U  cm  lichter  Höbe  angetrüffcn  wurde. 
Die  Wände  desselben  waren  uiil  Tuffstein,  die  Sohle  und  die  Abdeckung  aus 
Ziegeln  mit  dem  Stempel  EXGERINF  hergestellt,  was  für  die  Zeitbestimmnng 
der  Badcaulage  vun  Bedeutung  ist.  Aus  einem  30  m  langen  und  6V«  m  breiten 
Gemach  der  SUdostecke  der  Anlage,  welches  durch  einen  2,9ü  m  breiten  Gang 
nördlich  von  einem  über  25  m  langen  und  15,30  m  breiten  Saale  getrennt 
wurde,  kam  ein  in  westlicher  Richtung  verlaufender  sorgfältig  aus  Tuffstein 
gearbeiteter  Abflusskanal  von  60  ciu  lichter  Höhe  und  40  cm  lichter  Breite, 
dessen  Sohle  und  Wände  mit  Ziegelplatten  verkleidet  waren. 

We«!lieh  der  zu  dem  Nordtlior  fUhrendcn  Strasse  wurden  Teile  von  zwei 
durch  eine  Quergasse  getrennten  Bauten  aufgedeckt;  zunächst  nördlich  der 
Gasse  die  Ostseite  eines  78,50  m  langen  Gebäudes,  dessen  Tiefe  bis  zu  20  m 
verfolgt  werden  konnte.  Ein  4,44  ni  breiter  Eingang  in  der  Mitte  führte  zu 
einem  41  m  breiten  Mittelraum,  an  den  sich  rechts  und  links  17  m  breite 
Räume  anschlössen.  Über  die  Einteilung  dieses  sowie  eines  zweiten  südlich 
der  Quergasse  angetroffenen  grösseren  Gebündes  kennen  die  weiteren  Grabungen 
erst  genaueren  Anfschluss  bringen. 

Die  im  Spätherbst  in  dem  südlich  der  Kölner  Chaussee  gelegenen  Lager- 
teile vorgenommenen  Grabungen  stellten  die  Beschaffenheit  der  via  quintana, 
des  Intervallum,  der  Umfassungsmauer  auf  dieser  Strecke,  sowie  das  Vorhan- 
densein eines  3,20  m  tiefen  und  3  m  breiten  Turmes  an  derselben  fest.  Von 
Gebäuden,  vrelche  emiitteit  wurden,  sind  zu  nennen  die  Rückseiten  von  6  Ka- 
sernen von  11,50  m  Breite,  deren  Vorderteile  bereits  bei  früheren  Grabungen 
blossgelegt  worden  waren,  femer  nördlich  der  via  Quintana  und  östlich  von  den 
erwähnten  Kasernen  ein  grosser  Bau  von  89,20  :  50  m  Seitenlänge  mit  einem 
Hof,  ura  den  sich  zwei  Reiben  durch  5  m  breite  Gänge  geschiedener  Zimmer 
gruppieren.  Ein  Teil  dieses  Gebäudes,  über  dessen  Bestimmung  die  Fortsetzung 
der  Grabungen  auf  dem  Nacbbargrundstflck  Aufklärung  bringen  kann,  ist  durch 
den  ümfassungsgraben  der  Westecke  des  späteren  Alenlagers  zerstört  worden. 
Auch  dieser  Graben,  welcher  wie  die  Lagerecke  selbst  abgerundet  war,  wurde 
durch  Grabungen  als  ein  doppelter  Spitzgraben  bestimmt,  während  von  dei" 
Umfassungsmauer  des  Alenlagers  nur  geringe  Spuren  ermittelt  wurden.  Südlich 
der  via  ijuintana  wurden  ferner  die  Hinterteile  von  vier  Gcnturienkasernen  aus- 
gegraben, welche  dieselbe  Einrichtung  wie  die  früher  aufgedeckten  Kasernen 
hatten.  Dieselbe  Beschaffenheit  ergaben  auch  drei  an  der  Sfldflanke  aufge- 
deckte Cenlnrienkaseruen,  deren  völlige  Offenlegung  für  die  Bestimmung  der 
hier  lagernden  Truppenmasse  von  Wichtigkeit  war.  Östlich  von  den  eben  ge- 
nannten Centuricnkaseriien  wurden  an  der  via  quintana  Teile  von  zwei  grossen 
nBscheinetid  iu  naher  Beziehung  zu  einander  stehenden  Gebäuden  freigelegt, 
von  denen  das  eine  50  m,  das  andere  77,70  m  Länge    hat.     Die  Feststcllnng 


261 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  ProviiiEiAlmiiBeen 


der  Breite  nnd  des  GrnndrisBes  im  eiozelnen  mnss  tod  dea  weiteren  Grabongen 
erwartet  werden.  Nach  den  aufgefundenen  starken  Brandschictiten  und  Eisen- 
Bcfalacken  durften  sie  Arbeltszweeken  gedient  haben.  Unter  überaus  schwierigen 
Verhältnissen  erfolgten  endlieh  Grabungen  in  den  Gärten  der  an  der  Stldseite 
der  Kölner  Chaussee  gelegenen  Häuser,  welche  den  Zweck  hatten,  die  Grösse 
des  Praetoriuins  festzustellen.  Die  Östliche  Abschlassmaner  des  Praetorinrns 
Würde  gefunden  und  seine  ganze  Breite  auf  88,80  m,  also  genau  auf  3000  rö- 
mische Fuss  festgestellt,  femer  die  dasselbe  begrenzende  ^etliche  Seitenstrasse 


Fig.  19.  Bonn.  Erwerbungen  auH  d.  J.  1895—96. 
sowie  die  Nordgrenze  der  liinter  dem  Praetorium  liegenden  Bauten  nebst  der 
an  ihr  vorbeifuhrenden  Gasse  ermittelt.  Das  Ergebnis  der  Grabungen,  welche 
Herr  Geheimrat  Professor  Nissen  leitete,  war  auch  diesmal  an  Eiozelfundeo 
ein  reiches.  Unter  den  Fiiudstüeken  (10508—10757.  10789—10883.  10901 
—  10960.  11139—11235.  11326—11361.  11372—11436),  deren  Zahl  sich 
auf  .597  Nummern  belauft,  sind  ausser  vielen  Stirnzicgeln  mit  figürlichen  Dar- 
Kfellungcn,  gestempelten  Ziegeln,  ornamentierten  ArchitekturatUekcn,  Waffen, 
Henkeln,  Griffen,  Bcsch  lagst  ticken,  chirurgischen  Instnimeuten  nnd  Münzen  be- 
sonders hervorzuheben :    aus  Bronze    ein  Fingerring  mit  Gemme,    auf  der  Her- 


in  der  Zeit  vom  1.  April  1896  bis  31.  März  1897. 


265 


knles  dargestellt  ist  (10612),  zwölf  Zierknöpfe  (11333),  eine  versilberte  Zier- 
scheibe (10882),  eine  emaillierte  Scheibenfibula  (10  881),  ein  emaillierter  Messer- 
griflf  (10883),  ein  Würfel  mit  Augen  in  gelbem  und  blauem  Email  (10613), 
eine  httbsche  Pincette  (10  611),  eine  offene  Lampe  (11  326),  ein  Sehiebschltissel 
(10691),  ferner  Gnssformen  für  Bronzeornamente  nebst  Schmelztiegel  (11231 
—11234.  11344—11345)  sowie  mehrere  Inschriftfragmente  (10  817—10823). 
Bei  Weitersburg  unweit  Bendorf  wurde  im  Spätherbst  von  der  Reichs- 
Limes-Kommission  ein  grösserer  Gebäudecomplex  entdeckt,  dessen  weitere  Un- 
tersuchung von  dem  Museum  auf  seine  Kosten  übernommen  wurde.  Die  bis 
Ende  Oktober,  soweit  die  Felder  zugänglich  waren,  fortgesetzten  Ausgrabungen 


U^^si-f^^;. 


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Fig.  20.    Weitersburg.    Grundriss  des  römischen  Gebäudes. 

ergaben  ein  ca.  62  m  langes  ländliches  Gehöfte  mit  Wohn-  und  Wirtschafts- 
räumen, welches  ausser  einer  Kelleranlage  mit  Nischen  in  allen  vier  Wänden 
und  einem  mit  Hypocaustum  ausgestatteten  Räume  nichts  Aussergewöhnliches 
bot  (Fig.  20).  Die  Ausgrabung  stand  unter  der  örtlichen  Leitung  des  Herrn 
Dr.  Ritterling.  Die  Veröffentlichung  der  Resultate  wird  nach  ihrer  Vollendung 
erfolgen.  Unter  den  Fundstücken  sind  ein  Schälchen  (11072)  und  der  Halb- 
deckel eines  GeiUsses  aus  Bronze  (1 1  076)  hervorzuheben. 

Innerhalb  des  römischen  Lagers  bei   Bonn  wurden   bei   den  Fundamen- 
tiemngsarbeiten  für  den  Neubau  einer  Braureei  an  der  Nordstrasse '  Teile  eines 


266  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialmuseen 

bedeutenden  Bauwerks  gefunden,  welche  deshalb  besonderes  Interesse  erregten, 
weil  sie  sich  unmittelbar  an  bereits  früher  auf  dem  Nachbargrundstück  ge- 
fundene Mauerzüge  anschliessen.  Der  aufgedeckte  Teil  enthielt  zu  beiden 
Seiten  eines  Mittelganges  eine  Reihe  kleiner  Räume,  von  denen  die  nördlichen 
nach  Norden,  die  südlichen  nach  Süden  sich  öffneten.  Die  Nordseite  der 
ganzen  Baugruppe  war  durch  eine  Stellung  von  abwechselnd  grossen  und 
kleinen  Pfeilern  begrenzt,  welche  auf  einen  ausgedehnten  offenen  Binnenhof 
hindeuten.  Die  Ausgrabungen  wurden  vom  Museum  beobachtet  und  von  Herni 
Stadtbaurat  Schulze  aufgenommen.  Von  den  ins  Museum  gelangten  Fundstücken 
(10  933—11016)  ist  namentlich  ein  Messergriff  aus  Bronze  in  Gestalt  eines 
Pferdekopfcs  (11007)  zu  nennen.  Die  Veröffentlichung  des  Grundrisses  liegt 
in  dem  Jahrbuch  101  S.  169  f.  des  hiesigen  Altertumsvereins  vor. 

Der  Zuwachs  der  Sammlung  beläuft  sich  auf  944  Nummera,  von  denen 
folgendes  eine  besondere  Erwähnung  verdient: 

I.   Praehistorische   Abteilung: 

Eine  Anzahl  von  Grabfunden  der  Hallstattperiode  aus  dem  Gemeinde- 
walde von  Weis  bei  Engers  (11037—11053.  11122—11138.  11369—11371), 
darunter  eine  Schale  mit  Graphitverzierung  auf  rotbraunem  Grunde  (11  138), 
Geschenk  des  Herrn  Professor  Loeschcke;  ferner  ein  becherförmiges  Thongefäss 
mit  Schnurverzierungen  aus  Urmitz  (10501). 

II.   Römische  Abteilung: 

1.  Steindenkmäler:  Statue  der  Minerva  (10495),  gefunden  in  den 
Steinbrüchen  von  Plaid t  (besprochen  in  den  Bonner  Jahrb.  18.  75),  Bruchstück 
eines  grossen  Altars  mit  Reliefs  aus  Moselkem  (1 1  029).  Mehrere  Basen  und 
SimsstUcke,  gefunden  in  den  Ruinen  eines  römischen  Gebäudes  zu  Worringen 
(10  884 — 10  888),  Geschenk  des  dortigen  Gemeinderats,  Trommel  einer  Halb- 
säule, gefunden  in  den  Fundamenten  der  Kirche  zu  Bessenich  (10  759),  Ge- 
schenk des  Herrn  Wirz  in  Sinzig. 

2.  Gräberfunde:  Thonurne,  Henkelkrug,  nebst  zwei  verzierten  Arm- 
ringen und  fünf  Fibeln  aus  Bronze,  gefunden  zu  Bonn  (11020 — 11028).  Grab- 
fund aus  Seh waf heim  bei  Moers,  bestehend  in  einem  Steinsarg,  drei  Henkcl- 
krügen,  einer  Sigillataschüssel  und  einem  gewöhnlichen  Teller  (11030 — 11036), 
Geschenk  der  dortigen  Gemeindevertretung. 

3.  Einzelfunde  von  Kleinaltertümern,  a)  aus  Bronze:  Statuette 
eines  Lar,  gefunden  beim  Klinikenbau  zu  Bonn  (10496),  ruhender  Herkules, 
gefunden  bei  Bingerbrück  (10900),  frührömische  Fibula,  gefunden  zu  Bonn  und 
geschenkt  von  Herrn  Dr.  Compernass  (10497),  emaillierte  Fibula  in  Gestalt 
einer  Fusssohle  (11366),  Schüssel  mit  Verzierungen  (10892),  Deckel  einer 
Büchse  mit  Reliefbüste  (11367),  Griff  mit  Habichtkopf  (10962).  b)  aus  T hon. 
Henkelkanne  mit  braunrot  aufgemalten  Ornamenten  aus  Andernach  (10502), 
schwarzer  Trinkbecher  mit  weisser  Aufschrift  Sitio  (10968),  Lampe  mit  ge- 
flügeltem Greif  (11096),  und  eine  andere  mit  Silenskopf  (10982),  Urne  mit 
Lotosblattverzierung  (10965).  c)  aus  terra  sigillata:  Eine  Anzahl  von  Krügen, 
Tellern,  Tassen,  Schüsseln  und  Schalen  aus  Bonn,  Köln,  Friesdorf  und  Wor- 


in  der  Zeit  vom  1.  April  1896  bis  31.  März  1897.  267 

rlDgen^  geschenkt  von  Frau  Baumeister  Laurentius,  und  den  Herren  Gemeinde- 
vorsteher Mentis  und  Bürgermeister  Bender,  darunter  Teller  mit  Stempel:  Of. 
Mont  (10974),  Sehale  mit  dem  Stempel:  Germani  of  (10764)  und  eine  andere 
mit  Stempel  Of  Coto  in  Spiegelschrift  (10773).  d)  aus  Glas:  Drei  kugel- 
förmige Flaschen,  von  denen  eine  von  besonderer  Grösse,  gefunden  in  Köln 
(10761 — 10762.  10767),  Kuppe  mit  eingeschnittenen  geometrischen  Mustern, 
gefunden  in  Bonn  (10788). 

4.  Münzsammlung:  Die  Sammlung  römischer  Münzen  wurde  durch 
einen  Fund  von  Kleinerzen  von  Gallienus,  Salouina  und  Saloninus  aus  Bonn 
(10780—10787)  bereichert.  Ausserdem  ist  ein  Bronzemedaillon  des  Antoninus 
Pius,  gefunden  in  Köln  (11320)  und  ein  Grosserz  des  Marc  Aurel  (11324)^ 
beide  von  vorzüglicher  Erhaltung,  zu  erwähnen. 

III.  Fränkische  Abteilung: 

Grabfunde,  bestehend  in  drei  Ohrringen,  fünf  Schnallen  aus  Bronze,  Thon- 
perlen  und  EisenwaflFeu  vom  Grabfelde  zu  NiederdoUendorf  (11293 — 11316), 
geschenkt  von  Herrn  Oberst  z.  D.  Wulff  in  Oberkassel. 

IV.    Mittelalterliche  und  moderne  Abteilung: 

Zwei  Vortragkreuze  aus  Rotkupfer,  14.  und  15.  Jahrhundert,  sowie  eine 
Bischofsstabcurvatur  von  vergoldetem  Kupfer  (10492 — 10494),  Geschenk  des 
Königlichen  Kammerherm  Grafen  von  Fürstenberg-Stammheim,  gotischer  Mess- 
kelch aus  Aachen  (10507)  und  vier  Siegelstampfen,  darunter  eine  schöne  von 
Hambom  (11093—11095.  11363). 

Der  Besuch  des  Museums  an  öffentlichen  Tagen  ist  ein  ziemlich  reger 
gewesen,  dagegen  an  den  übrigen  Tagen  sehr  hinter  den  Erwartungen  zurück- 
geblieben. An  Eintrittsgeldern  wurde  bloss  eine  Einnahme  von  212  Mark 
75  Pfg.  erzielt. 

An  mehreren  Seminarkonferenzen  hielt  der  Unterzeichnete  auch  in  dem 
abgelaufenen  Jahre  Vorträge  archäologischen  Inhaltes  und  erklärte  mehreren 
wissenschaftlichen  Vereinen  der  Provinz  die  Altertümer  des  Provinzialmuseums. 

Der  Museumsdirektor:    Klein. 


II.  Trier. 

Im  verflossenen  Etatsjalire  wurden  nur  in  Trier  selbst  Ausgrabungen 
unternommen,  welche  über  verschiedene  wichtige  Einzelheiten  der  römischen 
Topographie  von  Trier  interessante  Aufschlüsse  brachten. 

Westlich  von  den  Ruinen  des  römischen  Kaiserpalastes  und  zwar  ziemlich 
genau  in  der  Hauptachse  dieses  Gebäudes  wurde  innerhalb  des  vermutlich  ur- 
sprünglich zum  Kaiscrpalast  gehörigen  Bezirkes  bei  Fundamentarbeiten  für 
Neubauten  an  der  Agnetenkaserne  ein  römisches  Badegebäude  aufgefunden. 
Dank  dem  Entgegenkommen  der  Garnisonvcrwaltung  konnte  das  Museum  die 
Anlage  vor  der  durch  die  .Neubauten  notwendigen  Zerstörung  genau  unter- 
suchen  und   aufmessen.     Auch   wurden   wohlgelungene   photographische   Auf- 


568  Berichte  über  die  Tli&ligkeit  il«r  Proviuaialinuseen 

nabnieu  vou  der  Geeaintatüage  nnd  von  vcrBchiedenen  Einzelheiten  gemacht. 
Vollständig  freigelegt  wurde  der  noch  vortrefflich  erhaltene  Plattenboden  des 
AuBkleiderauiiies  i,A  auf  der  beigofü|?ten  PlanskizKe),  aus  welchem  man  nach 
Norden  nnd  iiaeh  Süden  durch  kleine  Treppen  in  je  ein  ebenfalls  wohlerbal- 
teucH  Badehasein  Ü  uml  C  gelangte.  Die  beiden  Bassins  waren  rechteckig 
und  von  dicken  Mauern  niiiächlosscn,  die  nach  der  Innenseite  mit  weissen 
Marmor  platten  verkleidet  waren;  auch  der  ßodeu  zeigte  einen  Belag  teils  aus 
Zum  Kaisvrpnlast         EngeUber^weg  Zur  Weberb  ach  Strasse 


Fig.  21.  Trier.  Gruudriss  des  ri^inischen  Bade». 
Mannor-  teils  ans  weissen  Kalksteinplatten.  Die  Platten,  von  denen  sich  noch 
eine  Menge  ansehnlicher  Bruchstücke  landen,  waren  mit  langen  Brouzestiftcn 
befestigt.  Molir  als  ein  Dntxeiid  dieser  Stifte  wurde  im  Museum  anfhewahrt. 
Bleirfihrcn  fltbrlcn  das  verhranebtt;  Wasser  liei  d  nnd  f  aus  den  beiden  Baseins 
in  zwei  Kanäle,  welche  unter  dem  Boden  des  Anskleideraumee  bei  c  sich  zn 
einem  Kanal  vereinigten,  der  in  der  Richtung  nach  Westen  sich  geradltoig 
fortsetzte.    Während  nun  im  Sddwcstt^b  des  Ansklcideranmes  nur  noch  fin  heiz- 


n  der  Zeit  vom  1.  April  ISSfi  bis  31.  März  1S97.  269 

barer  Raum  D  festgestellt  werden  konnte,  tla  moderne  Gcbände  dort  der  wei- 
teren [Intereacbnng  Halt  geboten,  setzt  eich  die  Anlage  naeli  Osten,  also  nach 
dem  Kaiserpalaet  -/.u,  noch  weiter  fort.  Ans  dem  Auskleideraum  nätniicti  trat 
man  dnrcli  eine  1,70  ra  breite  TliUr,  deren  Scbwelle  noch  crlialten  war,  in 
ein  heizbares  Zimmer  E  von  7  m  m  r>  m  lichter  Weite,  in  dessen  östlicher 
Wand  zwei  Heizkanäle  angebracht  waren.  Eine  2  ni  weite  Thltr  fuhrt  als- 
dann in  ein  Östlich  aii^tossendes  anscheinend  noch  etwas  geräumigcreg  Zimmer, 
welches  noch  nicht  nntersueht  ist.  Haben  wir  in  den  beiden  Bassins  K  und  C 
die  Alllage  fllr  kalte  liüder  (Frigidariuni )  zn  erkennen,  so  worden  wir  Ranni 
E  wohl  als  Caldarium  ansprechen  dürfen.  Es  fanden  sich  nicht  nnr  in  dem- 
selben zahlreiche  grosse  .Stücke  von  Wasserbeton,  sondern  vor  allem  weist 
aaf  die  Rugedentete  ßestimmnng  eine  Rinne  in  der  zum  Apodyterinin  A  lllh- 
renden  Schwelle,  welche  augenscheinlich  ein  Wasserabflnssrobr  enthalten  hat. 
Dass  das  Abwasser  des  Ranmes  E  thatsilehtich  Über  den  Plattenboden  von  A 
weglief,  beweist  auch  ein  in  diesem  bei  b  angebrachtes  rnndes  Einfallloch, 
welches  das  Wasser  in  das  nnterirdische  Kanalsystem  führte.  Der  Raum  D 
wird  dann  vielleicht  das  Tepidarium  gewesen  sein.  Besonders  wichtig  ist,  dase 
aus  zahlreich  gefundenen  Münzen,  welche  teils  in  den  Abzugskanälen,  teils  in  den 
Zimmern  lagen,  ja  sogar  in  den  MOiiel  des  einen  Bassins  festgebacken  waren,  und 
welche  sfimtlicb  der  Zeit  der  sogenannten  30  Tyrannen  angehören,  sich  mit 
Wahrscheinlichkeit  die  Erbaunngszeit  des  Bades  ergiebt.  Bestimmbar  sind  bisher 
je  ein  Kleinen  des  Piaonius  Victorinus  und  des  Tetricus,  sowie  drei  Kleinerze 
des  Clandins  Gothicus.  Zu  den  wichtigeren  Einzelfunden  gehört  aneh  ein 
Ziegel  mit  dem  Stempel  der  XXII.  Legion,  in  Trier  bekanntlich  eine  grosse 
Seltenheit  (21034). 

Dieses  allem  Anscheine  nach  der  zweiten  Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  an- 
gehörige  Badegebände  ist  nun  teilweise  über  und  neben  den  Resten  eines 
filteren  Bades  erbaut,  wie  die  weitere  Dntorsuchuug  im  Südosten  ergab. 
Dieses  ältere  Bad,  van  dem  bisher  nur  ein  ziemlich  kleines  Bassin  G  nnd  ein 
daran  anstosaendes  Zimmer  F  gefunden  wurden,  dHrffe,  nach  den  darin  gefun- 
denen Gefässscherben  zn  urteilen,  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts 
n.  Chr.  angeboren.  Es  wurde  durch  Brand  zerstört.  Der  Wasserabzugskanal 
des  jüngeren  Bades  a,  b,  c,  d,  e,  g  läuft  quer  über  die  beiden  bisher  gefun- 
denen Räume  des  älteren  Bades  weg  und  ist  auf  dessen  Brandschutt  errichtet. 
Die  Fortsetzung  der  Ausgrabung  gegen  (Jen  Kaiserpalast  hin  wird  alsbald  be- 
ginnen; man  darf  hoffen,  dass  sich  noch  mit  Sicherheit  ergeben  wird,  ob  der 
jwaiserpalast  mit  dem  jüngeren  Bade  zasammenbängt  oder  einer  anderen  Pe- 
riode angehört. 

Ueber  die  bisherigen  Resultate  der  Anagrabung  der  römischen  Stadt- 
befestigung  von  Trier  ist  durch  den  Unterzeichneten  in  der  Westdeutschen 
Zeitschrift  XV.  1896.  S.  iMl  ff.  eingehend  berichtet  worden.  Die  Fortsetzung 
der  Grubungen  im  verflossenen  Jahre  hatte  im  wesentlichen  folgende  Ke«nltJite. 
Znnäehat  wurde  die  bisher  noch  wenig  nntersuchte  Strecke  nördlich  vom 
Amphitheater  in  Angriff  genommen.     Der  allgemeine  Lauf  der  Mauer  auf  dieser 


270  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialmtiseen 

Strecke  der  Bergstrasse  entlang  war  schon  durch  mehrere  feste  Punkte  be- 
kannt, doch  war  hier  namentlich  noch  kein  einziger  Turm  entdeckt  worden. 
Wir  fanden  alsbald  einen  solchen  etwa  200  m  nördlich  vom  Nordausgange  des 
Amphitheaters  in  der  Nähe  des  Schützenhauses.  Obwohl  nur  im  Fundament 
erhalten,  liess  er  sich  noch  genau  messen;  es  war  ein  Rundturm  von  8,63  m 
äusserem  Durchmesser,  stimmt  also  in  Grösse  und  Anlage  mit  den  übrigen 
schon  entdeckten  Türmen  übereiu.  Die  Versuche,  von  diesem  Turm  aus  auf 
den  im  Süden  der  Stadt  ermittelten  Distanzen  weitere  Tüime  zu  finden,  w^aren 
bisher  noch  nicht  erfolgreich,  indessen  lässt  sich  jetzt  schon  sagen,  dass  die 
Türme  auf  dieser  Strecke  jedenfalls  nicht  enger  gestanden  haben,  als  auf  der 
Südseite  der  Stadt.  Die  Breite  des  Stadtmauerfundamentes  beträgt  3,63  m  an 
dieser  Stelle.  Reste  des  roten  Fugenverputzes  wurden  im  Schutt  gefiiiid€a[i, 
auch  ein  Mörtelbrocken  mit  dem  Abdruck  einer  genagelten  Schuhsohle  (20924). 
An  einer  Stelle  lagen  etwa  200  römische  Falschmünzformen  aus  Thon  (20660 
—20852)  haufenweise  im  Schutt. 

Sehr  wichtig  war  die  Untersuchung  einer  etwa  90  m  südlich  des  Turmes 
gelegenen  Stelle  der  Stadtmauer,  wo  dieselbe  früheren  Beobachtungen  zufolge 
von  der  ans  dem  Ruwerthal  kommenden  römischen  Wasserleitung  durch- 
schnitten werden  musste.  In  der  That  fand  sich  auch  der  Schnittpunkt  der 
einen  erhaltenen  Kante  der  Wasserleitung  mit  der  Aussenseite  der  Stadtmauer. 
In  sehr  spitzem  Winkel  trifft  das  Grünsteinmauerwerk  des  Kanals  auf  die  Kalk- 
steinverkleidung  der  Stadtmauer,  deren  Steine  an  der  Schnittstelle  deutlich  mit 
Rücksiebt  auf  die  Wasserleitung  abgeschrägt  sind.  Dieser  Umstand  führte  zur 
Vermuthung,  dass  mit  dem  Bau  der  Stadtmauer  auf  die  schon  vorhandene 
Wasserleitung  Rücksicht  genommen  werden  musste,  dass  also  die  Wasserleitung 
älter  sei  als  die  Stadtmauer.  Um  dieser  für  die  Chronologie  wichtigen  Frage 
noch  weiter  nachzugehen,  wurde  nunmehr  ein  langes  Stück  der  Wasserleitung 
gegen  den  Petersberg  hin  verfolgt,  da  man  erwarten  durfte,  aus  der  Art,  wie 
die  Wasserleitung  den  römischen  Festungsgraben  durchquerte,  weitere  Anhalts- 
punkte für  das  zeitliche  Verhältnis  der  beiden  Anlagen  zu  einander  zu  be- 
kommen. Wenn  es  nun  auch  vorderhand  noch  nicht  gelungen  ist,  zu  einem 
abschliessenden  Ergebnis  zu  gelangen,  so  hatte  die  Grabung  doch  wichtige  Re- 
sultate. —  Der  vorzugsweise  aus  Grünstein  erbaute  Wasscrleitungskanal  hat 
74  cm  lichte  Weite  und  87  cm  lichte  Höhe.  Im  Innern  mit  dickem  Wasser- 
beton verkleidet,  zeigt  er  in  den  Fugen  die  charakteristischen  Mörtelwulste 
(Viertelrundstäbe).  Aussen  reicht  das  Mauerwerk  vom  Gewölbeansatz  1,37  m 
weit  in  die  Tiefe,  die  Dicke  des  Kanalbodens  beträgt  also  50  cm.  Oben  ist 
der  Kanal  rundbogig  überwölbt.  Das  Fundament  ruht  stellenweise,  wo  es  der 
weiche,  nasse  Grund  nötig  machte,  auf  einem  Pfahlrost,  dessen  Pfostenlöcher 
an  einer  Stelle  noch  deutlich  erhalten  sind.  Sehr  merkwürdig  und  noch  nicht 
genügend  erklärt  ist  die  Erscheinung,  dass  der  Kanal  auf  der  einen  Seite  von 
einer  langen  Reihe  mächtiger  Kalk-  und  Sandsteinquaderu  begleitet  ist,  welche 
augenscheinlich  den  Zweck  der  Festigung  der  einen  Kanalwand  haben.  Da 
diese  Festigung  gerade  an  demjenigen  Teile   des  Kanals  angebracht   ist,    wel- 


in  der  Zeit  vom  1.  April  1896  bis  31.  März  1897.  ^1 

eher  yermiitlich  durch  den  Graben  geführt  hat;  so  ist  es  möglich^  dass  hierin 
die  Erklärung  der  auffallenden  Erscheinung  zu  suchen  ist,  doch  kann,  bevor 
ein  gesichertes  Grabenprofil  an  der  Stelle  ermittelt  ist,  noch  nichts  bestimmteres 
hierüber  gesagt  werden.  Der  Lauf  der  Wasserleitung  wurde  auf  etwa  100  m 
durch  die  Ausgrabungen  festgestellt;  sie  ist  an  einigen  Stellen  dieser  Strecke 
noch  sehr  gut  erhalten,  an  anderen  dagegen  fast  spurlos  verschwunden. 

Ganz  neuerdings  wurde  der  ebenfalls  noch  wenig  untersuchte  Teil  der 
Befestigung  östlich  von  der  porta  nigra  an  der  Bahnhof-  bezw.  Christophstrasse 
in  Angriff  genommen.  Zunächst  stellte  sich  heraus,  dass  auch  auf  dieser 
Strecke  das  Stadtmauerfundaraent  die  übliche  Breite  von  etwa  3,50  m  hat. 
Dann  gelang  es,  einen  Teil  des  aufgehenden  Mauerwerks  zu  finden,  welcher, 
genau  wie  bei  der  Südmauer,  eine  vierschichtige  Dossierung,  die  Verkleidung 
des  Schieferbruchmauei-werks  mit  sauber  zugerichteten  Kalksteinen  und  deut- 
liche Spuren  des  auch  sonst  beobachteten  roten  Fugenverputzes  zeigte,  so 
dasB  die  Gleichartigkeit  dieses  Mauerteils  mit  den  übrigen  vollständig  gesichert 
ist.  Etwa  100  m  von  der  porta  nigra  fand  sich  in  allerletzter  Zeit  ein  Turm, 
der  allem  Anschein  nach  dieselbe  Beschaffenheit  hat,  wie  die  übrigen  Türme. 
Mit  seiner  Freilegung  wird  fortgefahren.  (Vergl.  Korrbl.  d.  Wd.  Z.  XVI, 
1897  Nr.  40.) 

Eine  günstige  Gelegenheit  zur  weiteren  Untersuchung  des  nördlichen 
römischen  Gräberfeldes  von  Trier  bot  sich  gerade  gegenüber  der  porta 
nigra  auf  der  andern  Seite  der  Nordallee,  wo  die  Fundamentgrube  für  ein 
grosses  Hotel  ausgeschachtet  wurde.  Es  fanden  sich  31  römische  Urnengräber 
des  ersten  und  zweiten  Jahrhunderts,  welche  sämtlich  unter  Aufsicht  der  Mu- 
seumsdirektion gehoben  und  genau  verzeichnet  wurden.  Dank  dem  Entgegen- 
kommen des  Besitzers,  Herrn  Kühlwein,  war  es  möglich,  fünf  von  den  Gräbern, 
die  besonders  wichtig  sind,  weil  sie  Münzen  enthielten,  ftlr  das  Museum  zu  er- 
werben. Es  sind  die  Nummern  des  Inventars:  21041  mit  4  Mittelerzen  der 
Antonia  Augusta  und  des  Tiberius;  21042  mit  2  Mitteleraen  des  Tiberius; 
21043  mit  einem  Kleinerz  des  Caligula  vom  Jahre  40  (Coh.  7);  21044  mit 
einem  Mittelerz  des  Traian  und  21045  mit  einem  Mittelerz  des  Nero.  —  Es 
wurde  femer  beobachtet,  dass  das  Gräberfeld  nur  bis  etwa  60  m  zur  porta 
nigra  heran  erhalten  ist,  dagegen  näher  zur  porta  nigra  immer  tiefer  werden- 
den Schuttschichten  Platz  macht;  eine  Erscheinung,  die  man  mit  Wahrschein- 
lichkeit  der  Anlage  des  römischen  Festungsgrabens  zuschreiben  darf.  Über 
die  auf  der  anderen  Seite  des  Grabens  dicht  an  der  porta  nigra  gefundene 
Fortsetzung  des  Gräberfeldes  ist  bereits  im  vorjährigen  Berichte  gehandelt 
worden. 

Unter  den  Erwerbungen  des  Museums,  welche  sich  insgesamt  auf 
638  Nummern  belaufen,  ist  folgendes  hervorzuheben. 

A.  Römische  Abteilung. 

I.  Steindenkmäler.  Inschriften:  Weihinschrift  an  den  Gott  Mars 
intarabuB;  gef.  in  Trier-Loewenbrücken  (21040,  besprochen  im  Korrespondenz- 
blatt der  Westd.  Zeitschrift  XV.  1896  Nr.  39).     Abguss  der  berühmten  Ehren- 


272  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialmtiseen 

und  Dankinschrift  der  civitas  Treyerorum  an  die  XXII.  Legion,  gef.  in  Mainz 
(20483  8.  Westd.  Zeitsch.  XV.  1896  S.260).  Zwei  christliche  Grabinschriften 
des  Agricius  und  der  Rusticola,  gef.  in  Maximin  bei  Trier  (20446  und  20544, 
bespr.  im  Korrbl.  XV.  1896  Nr.  87  b  und  c). 

Skulptur-  und  Architekturstücke:  Wohlerhaltener  Kopf  ans  weissem 
Marmor,  darstellend  einen  lockigen  Knaben  mit  Lorbeerkranz,  gef.  in  Trier  an 
der  Agnetenkaserne  (21038).  Dreiseitig  skulpierter  Block  von  einem  grösseren 
Denkmal,  darstellend:  Apollo  und  Daphne,  den  delphischen  Dreifussraub  und 
einen  früchtenaschenden  Eros,  gef.  in  Trier  an  der  Agnetenkaserne  (20616 
s.  Korrbl.  XV.  1896  Nr.  87a);  Kopf  aus  Metzer  Kalkstein,  darstellend  einen 
bärtigen,  älteren  Mann  mit  verhülltem  Hinterhaupt,  vielleicht  einen  Priester, 
gef.  in  Trier  (20600).  Bekränzter  Kopf  eines  bärtigen  Gottes  aus  Sandstein, 
vielleicht  von  einer  Gruppe  des  Reiters  mit  dem  Giganten,  mit  mehreren  kleinen 
Skulpturfragmenten  in  Dudweiler  bei  Saarbrücken  gefunden  (20612).  Abguss 
der  Eponastatue  des  Saarbrücker  Museums  (20484  abgeb.  Westd.  Zeitsch.  XIV. 
1895  S.  397).  —  Kleines,  feinverziert'es  Kapitell  aus  weissem  Marmor  (20466), 
ein  sehr  schön  erhaltenes  Kompositakapitell  aus  Kalkstein  (20465)  und  mehrere 
Bruchstücke  sogenannter  toskaniseher  Säulen  aus  Sandstein  (20467 — 20470), 
sämtlich  in  Trier  gefunden. 

IL  Grabfunde.  Ein  Umengrab,  bestehend  aus  einer  Urne  mit  Schuppen- 
Verzierung,  zwei  Sigillataschalen,  einem  Henkelkrug  und  einem  vortrefflich  er- 
haltenen bläulichen  Glasbecher  mit  der  gegossenen  Darstellung  von  vier  Wagen- 
lenkern mit  ihren  Quadrigen  sowie  einer  Hasenhetze;  am  oberen  Rand  des 
Glases  stehen  die  Namen  der  Wagenlenker  (21008 — 21013),  gef.  bei  Jacobs- 
Knopp  an  der  Strasse  Mttrlenbach-Schönecken  (Eifel).  Die  fünf  durch  Münzen 
datierten  Umengräber  (21041 — 45),  welche  schon  oben  erwähnt  sind,  aus  dem 
nördlichen  Gräberfeld  von  Trier.  Mehrere  Urnengräber  aus  Gusenberg  (bei 
Hermeskeil),  in  einem  befand  sich  eine  emaillierte  Fibel  (20631 — 40).  Der  In- 
halt eines  Sarkophaggrabes,  bestehend  aus  drei  vorzüglich  erhaltenen  Henkel- 
flaschen aus  Glas,  von  denen  eines  mit  einem  Glasfaden  umsponnen  ist,  zwei 
schwarzen  Thonbechern  mit  Aufschriften:  „bibe"  und  „dos",  einem  schwarzen 
und  einem  grauen  Becher  ohne  Aufschrift  und  einem  Sigillatanäpfchen,  gef. 
in  Maximin  bei  Trier  (20545—52  s.  Korrbl.  XV.  1896  Nr.  87b). 

III.  Einzelfunde  von  Kleinaltertümern. 

a)  aus  Bronze:  Kleine,  ziemlich  rohe  Minervastatuette,  gef.  in  Trier- 
Loewenbrücken  (20472),  eine  Marsstatuette,  gef.  in  Tholey  (20480),  ein  Votiv- 
täfelchcn  mit  Weiheinschrift  an  Apollo  und  ein  Wagescbälchen  mit  Stempel 
„Bannaf."  (20619  und  20618),  gef.  in  Loewenbrücken  (s.  Korrbl.  XVI.  1897, 
Nr.  21),  zwei  emaillierte  Fibeln,  wovon  eine  in  Gestalt  eines  Frosches,  aus 
Dahlheim  (20620,  20622),  eine  emaillierte  Fibel  aus  Trier  (20572),  ein  Kan- 
delaberfuss  aus  Trier  (20610)  und  ein  Gewicht  mit  silbereingelegtem  Unzen- 
zeichen aus  Trier  (21031). 

b)  aus  Gold:  ein  sehr  dicker  Fingerring  mit  Nicologemme,  worauf  die 
Darstellung   einer   grösstenteils   nackten  weiblichen  Figur   mit  einem  Helm   in 


in  der  Zeit  vom  1.  April  1896  bis  31.  März  1897.  278 

der  Rechten,  einer  Lanze  in    der  Linken,   yermntlich  Venus   mit   den  Waffen 
des  Mars;  gef.  in  Ehlenz  in  der  Eifel  (20479). 

c)  ans  Thon:  eine  Reibschale  mit  Löwenkopf  aus  terra  sigillata,  gef.  in 
Trier  (21021);  ein  Lämpchen  mit  Darstellung  eines  galoppierenden  Pferdes 
und  eines  mit  springendem  Widder  (20478,  20531),  gef.  in  Trier. 

d)  aus  Glas:  ein  Becher  mit  umgebogenem  Rand,  gef.  in  Maximin  in 
einem  Steinsarg  (20649);  ein  kugelförmiges  Gefäss  aus  sehr  dünnem,  blass- 
grQnem  Glase  mit  umgelegter  Spiral  Verzierung,  gef.  in  Trier  (21014). 

B.  Mittelalterliche  und  moderne  Abteilung. 

Reichyerziei*tes,  romanisches  Kapitell  mit  figürlichen  Darstellungen,  gef. 
in  Trier  (20464).  Frühmittelalterliches  Gürtelblech  mit  reichen  Ornamenten 
und  figürlicher  Darstellung:  „Hirt  mit  Heerde",  gef.  wahrscheinlich  in  Trier 
(20476).  Gotische  Grabplatte  mit  weiblicher  Figur  in  flachem  Relief  mit  Um- 
schrift. War  in  Trier  in  einem  Hause  der  Brodstrasse  vermauert  (21039). 
Porzellantasse  mit  Datum  1817  und  kleine  Porzellangruppe  aus  der  ehemaligen 
Trierer  Porzellanfabrik  (20462—63). 

G.  Münzsammlung. 

L  Römische  Münzen.  Prachtvoll  erhaltenes  goldenes  Medaillon  des 
Diocletian  und  Maximianus  Hercules  (Coh.  VL  Nr.  7),  gef.  bei  Morbach  im 
Kreis  Bernkastei  (20570).  Goldmünze  des  Maximianus  (ähnl.  Coh.  Nr.  326), 
gef.  in  Wallhausen  (20617).  Bronzemünze  des  Licinins  und  Constantin  (Coh. 
VII.  S.  211),  unbekannten  Fundortes  (20473). 

n.  Kurtriersche  Münzen:  Thaler  von  Lothar  von  Mettemi ch  vom 
Jahre  1612  (21018).  Dukat  von  Cari  Caspar  von  der  Leyen  von  1654  (21019). 
Dnkat  von  Franz  Ludwig  von  der  Pfalz  von  1721  (21620). 

Der  Besuch  des  Museums  und  der  Thermen  in  St.  Barbara  war  auch  im 
verflossenen  Jahre  sehr  lebhaft.  An  Eintrittsgeldern  wurden  insgesamt 
2029,60  Mark  erzielt,  wovon  818,50  Mark  auf  das  Museum  und  1211,10  Mark 
auf  die  Thermen  entfallen.  Eine  Reihe  hiesiger  und  auswärtiger  Vereine,  ins- 
besondere die  Teilnehmer  an  den  Festlichkeiten  des  Trierischen  Gesangvereins, 
der  Fleischeriunung  und  des  Photographentages  erhielten  freien  Eintritt,  von 
welchem  erfreulicher  Weise  ein  sehr  lebhafter  Gebrauch  gemacht  wurde. 

Von  dem  illustrierten  Katalog  der  römischen  Steindenkmäler  wurden 
13  Exemplare  verkauft,  aus  dem  Verkaufe  von  Dubletten  85  Mark  gelöst. 

In  der  Woche  nach  Pfingsten  wurde,  wie  alljährlich,  der  archäologische 
Ferienkursus  für  westdeutsche  Gymnasiallehrer  durch  Herrn  Professor  Hettner 
und  den  Unterzeichneten  abgehalten.  Ausserdem  hielt  der  Unterzeichnete  ar- 
chäologische Vorträge  im  wissenschaftlichen  Verein  und  in  der  Gesellschaft  für 
nützliche  Forschungen  und  erklärte  den  Schülern  mehrerer  Oberklassen  hiesiger 
ond  auswärtiger  Gymnasien  das  Museum  und  die  römischen  Bauten  von  Trier. 

Der  Museumsdirektor. 
I.  V.: 
Lehner. 


Jibrb.  d.  Ver.  v.  AltertbsAr.  Im  RheinL  108.  18 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  und  Geschichtsvereine 
und  über  die  Vermehrung  der  städtischen  und  Vereinssammlungen 

innerhalb  der  Rheinprovinz. 


I.  Die  grösseren  Tereine. 

1.    Bergischer   Geschichtsverein. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  ist  auf  625  gestiegen.     Im  Laufe  des  Berichts- 
jahres sind  die  folgenden  Vorträge  gehalten  worden: 

Matthias  Bethany:  Cäsarius  von  Heisterbach. 
Oberlehrer  Dr.  Felke:  Plaudereien  über  bergische  Namen. 
Baumeister  Fischer:  Kunsthandwerk  sonst  und  jetzt. 
Oberlehrer  Leithäuser:  Volksglauben  und  Volksbrauch  am  Niederrhein. 
Oberlehrer  Dr.  Nebe:  Philipp  Melanchthon. 
Lehrer  Otto  Schell:  Über  den  Bergischen  Adel  im  13.  Jh. 
Derselbe:  Über  die  Franzosenzeit  von  1795 — 1801  im  Bergischen. 
Professor  Schleussner:  Johann  Georg  Jacobi. 

Lehrer  Schönneshöfer:  Johann  Weyer,  Der  erste  Bekämpfer  des  Hexen- 
wahnes. 
Adolf  Werth:   Johann   Monheim,    der  Rektor   der  Landesschule   in 
Düsseldorf. 
Gelegentlich   einer   Festfahrt,   deren  Ziel   das  Oberbergische  Land   war, 
sprachen  ausserdem  noch  Herr  Golds trass  über  Gimbom  und  Herr  Kreisschul- 
inspektor Jäsche  über  Gummersbach. 

Sowohl  die  Bibliothek,  als  auch  die  Vereinssammiungen  haben  im  Berichts- 
jahre stattlichen  Zuwachs  zu  verzeichnen.  Zu  nennen  sind  ausser  einer  Reihe 
ortsgeschichtlich  wertvoller  Stücke  namentlich  ein  aus  prähistorischer  Zeit 
stammender  Steinmeissel,  der  vor  mehreren  Jahren  im  Dönberg,  unfern  Horath, 
gefunden  wurde.  Der  keramischen  Abteilung  wurden  zwei  Siegburger  Krüge, 
ein  Frecheuer  Bartmannskrug  und  eine  Anzahl  zum  Teil  sehr  beachtenswerter 
Steingutfragmente  einverleibt. 

Die  Summe  von  600  Mark,  die  bisher  als  Reservefond  der  Vei:ein8zeit- 
schrift  gedient  hatte,  wurde  der  Bibliothek  überwiesen. 

Der  vom  Bergischen  Geschichtsverein  gegründete  und  geförderte  Museums- 
verein, der  etwa  600  Mitglieder  zählt,  wirbt  vorläufig  durch  gelegentliche  Vor- 
träge und  Ausstellung  von  Ölgemälden. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  275 

Der  Jahrgang  1896  der  im  Namen  des  Vereinsvorstandes  vom  Geh.  Ar- 
chivrat  Harless  herausgegebenen  Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins 
enthält  ausser  einer  Anzahl  kleinerer  Beiträge  zur  Geschichte  des  bergischen 
Landes  auch  einige  grössere  Abhandlungen.    Zu  nennen  sind  u.  a. 

Centralarchiv-Direktor  A.  Mörath:  Beiträge  zur  Korrespondenz  des  Kur- 
prinzen Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg  mit  dem  Grafen  Adam  zu  Schwar- 
zenberg  (1634-1640). 

Geheimer  Archivrat  Harless:  Bericht  über  die  Heimfahrt  des  Kurprin- 
zen Georg  Wilhelm  von  Brandenburg  nebst  Gemahlin  nach  Kleve  (Juli  und 
August  1616). 

Geheimer  Archivrat  Friedländer:  Rechnungen  des  Cistercienserklosters 
Mariawald  aus  dem  Ende  des  15.  Jahrh. 

J.  Wolter:  Chronologie  des  Theaters  der  Reichsstadt  Köln. 

E.  Pauls:  Kulturgeschichtliches. 

Archivassistent  Dr.  Redlich:  Frankreichs  Rheingelüste  im  J.  1492. 

Geheimer  Archivrat  Harless:  Ungedruckte  klevische  Urkunden. 

Derselbe:  Ein  Gedicht  auf  die  Gründer  des  Kreuzbrüderklosters  zu 
Düsseldorf. 

Die  von  Otto  Schell  herausgegebene  „Monatsschrift  des  Bergischen  Ge- 
schichtsvereins" bringt  auch  in  ihrem  dritten  Jahrgange  (1896)  eine  Menge 
kleiner  Notizen  meist  kulturgeschichtlichen  Inhalts.  Von  umfangreicheren  Ab- 
handlungen sind  hervorzuheben: 

Goldstrass:  Gimborn. 

Albert  Weyersberg:  Solinger  Schwertschmiede  des  16.  und  17.  Jh.  und 
ihre  Erzeugnisse. 

2.    Historischer  Verein   für  den   Niederrhein. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  beträgt  763,  darunter  123  Vereine.  Abgesehen 
von  den  Vorstandssitzungen  fanden  im  Berichtsjahre  zwei  Versammlungen  statt. 
In  der  Frühjahrsvereamralung,  die  am  10.  Mai  zu  Andernach  abgehalten  wurde, 
verbreitete  sich  nach  Erledigung  der  geschäftlichen  Angelegenheiten  zunächst 
Progymnasial  -  Direktor  Dr.  Brüll  über  die  Mayf eider  Genofeva  -  Legende ; 
nach  ihm  hielt  Oberlehrer  Stürmer  einen  Vortrag  über  das  sogenannte  Juden- 
bad in  Andernach.  Der  Vortragende  kam  zu  dem  Schlüsse,  dass  möglicher- 
weise an  dieser  Stelle  wirklich  einmal  ein  Judenbad  war  und  dass  der  Name 
blieb,  als  das  noch  erhaltene  turmartige  Gebäude  an  derselben  Stelle  entstand. 
Dr.  Aloys  Meister  hatte  zum  Gegenstande  seines  Vortrages  die  Entwicklung 
der  Kaiser-Weissagungen  bis  auf  Karl  den  Grossen  gewählt.  Den  Schluss  bil- 
dete die  Besichtigung  der  örtlichen  Bau-  und  Kunstdenkmäler  unter  Führung 
des  Domkapitulars  Schnütgen.  —  Die  Herbstversammlung  fand  am  14.  Ok- 
tober 1896  zu  Brauweiler  statt.  Auf  dem  Wege  zum  Versammlungsort  wurde 
das  Bömergrab  zu  Weiden  unter  Führung  des  Dr.  Klinkenberg  besichtigt, 
der  dann  in  Brauweiler  selbst  seine  Erläuterung  fortsetzte.  Sodann  hielt  Pro- 
Tinzialconservator  Dr.  Giemen  einen  Vortrag   über  die  Abteikirche  zu  Brau- 


276  Berichte  über  die  Tbätigkeit  der  Altertums*  u.  Qeschichtsvereine  der  Bheinprovinz. 

weiler,  in  dem  ftlr  die  Datierung  der  einzelnen  Bauteile  neues  Material  bei- 
gebracht wurde.  Stadtarchivar  Prof.  Dr.  Hansen  sprach  sodann  über  das 
Gutachten  der  Kölner  theologischen  Fakultät  vom  J.  1487  über  den  malleus 
maleficarum  und  Dr.  Kellet  er  über  die  Clematianische  Inschrift  zu  St.  Ursula 
in  Köln.  Mit  der  Besichtigung  der  Abteikirche  und  ihrer  Schätze  war  der  wis- 
senschaftliche Teil  der  Versammlung  zu  Ende. 

Von  den  ,,Annalen  des  Historischen  Vereins  fllr  den  Niederrhein",  deren 
Redaction  der  Privatdocent  an  der  Bonner  Universität,  Herr  Dr.  Aloys  Meister 
übernommen  hat,  ist  im  Berichtsjahre  ausser  der  zweiten  Hälfte  des  60.  Heftes, 
die  den  Schluss  des  Gesamtregisters  für  die  Hefte  41—59  enthält,  auch  das 
62.  Heft  mit  den  folgenden  grösseren  Abhandlungen  erschienen: 

Hermann  Hü  ff  er.   Die  Gemäldesammlung  der  Brüder  Boisser^e  im  J. 
1810.     Der  Verfasser  giebt  ein  Verzeichnis  jener  Bilder,   die  sich 
die  Brüder   bei   ihrer  Übersiedlung  nach   Heidelberg  nachschicken 
Hessen.    Dr.  Firmenich-Richartz  hat  für  die  meisten  der  angefahrten 
Bilder  den  gegenwärtigen  Verbleib  festgestellt.     Den  Schluss  bildet 
eine  Vertheidigung  der  Brüder  Boisserie  gegen  die  wider  sie  erho- 
bene Beschuldigung,  sie  hätten  als  Kunsthändler  die  Gelegenheit  be- 
nutzt, den  Bilderschmuck  kölnischer  Kirchen  zu  unverhältnismässig 
geringen  Preisen  an  sich  zu  bringen. 
Hermann  Hüffer,   Sechs  Briefe  des  Freiherm  Josef  von  Lassberg  an 
Sulpiz  Boisser^e.     Sie  betrefTen  grossenteils  Hans  Memling,  die  Hol- 
beins und  die  Lassberger  Nibelungenhandschrift. 
Paul  Wagner,  Die  Entwicklung  der  Vogteiverhältnisse  in  der  Siegbur- 
ger Propstei  zu  Hirzenach. 
Johann  Esser,  Das  Dorf  Kreuzau. 

AI.  Meister,  Das  städtische  Freiheitsprivileg  für  Dinslaken. 
Armin  Tille,  Zur  Verteilung  des  Grundbesitzes  im  Kirchspiele  Rommers 

kirchen  am  Ende  des  18.  Jh. 
F.  W.  E.  Roth,   Handschriften    zu   Darmstadt  aus  Köln  und  der  alten 

Erzdiöcese  Köln. 
Leonhard  Korth,  Urkunden  zur  Verfassungsgeschichte  niederrheinischer 

Landstädte. 
Als  Beiheft  wurde  den  Vcreinsmitgliedern  das  erste  Heft  der  im  Auftrage 
der  ^Gesellschaft  für  rheinische  Geschichtskuude"  von  Dr.  Armin  Tille  be- 
arbeiteten Übersicht  über  den  Inhalt  der  kleineren  Archive  der  Rheinprovinz, 
enthaltend  die  Kreise  Köln  -  Land,  Neuss,  Krefeld  -  Stadt  und  Land ,  St.  Goar 
überreicht. 

Das  63.  Heft  der  Annalen  enthält  unter  andern  die  folgenden  grösseren 
Arbeiten : 

AI.  Meister,  Die  humanistischen  Anfänge  des  Nikolaus  von  Cues. 

E.  Pauls,   Der  Exorcismus  an  Herzog  Johann  Wilhelm  von  Jülich  1604 

und  1605. 
E.  Pauls,  Zur  Geschichte  der  Suitbertus-  und  Willeicusreliquien  in  Kai- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  277 

serswerth.  Der  Artikel  enthält  einen  Bericht  des  Kölner  General- 
vikars Johann  Gelen  über  die  im  J.  1626  vorgenommene  Öffnung 
des  Kaiserswerther  Rcliquienschreines. 

Hermann  Eeussen  sen.,  Beiträge  zur  Geschichte  Krefelds  und  des 
Niederrheins. 

Armin  Tille,  Tauf-,  Trau-  und  Sterberegistcr  am  Niederrhein. 

Kaspar  Keller,  Die  historische  Litteratur  am  Niederrhein. 

Das  zweite  Beiheft  bringt  die  Uebcrsicht  über  den  Inhalt  der  kleineren 
Archive  in  den  Kreisen  M.-Gladbach"  Stadt  und  Land,  Grevenbroich,  Berg- 
heim, Düsseldorf  Stadt  und  Land. 

3.   Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  in  Trier. 

Für  das  im  Herbst  durch  Versetzung  ausgeschiedene  Vorstandsmitglied 
Herrn  Professor  van  Hoffs  steht  die  Neuwahl  noch  bevor.  Die  Zahl  der  Mit- 
glieder ist  im  Wesentlichen  dieselbe  geblieben,  gegen  300. 

Die  Gesellschaft  hielt  im  verflossenen  Jahre  zwei  Sitzungen  ab.  In  der 
Sitzung  der  ordentlichen  Mitglieder,  die  am  18.  Juni  1896  stattfand,  wurden 
nur  geschäftliche  Dinge  beraten.  —  Die  Hauptversammlung  war  am  19.  Juli 
1896.  Eis  wurden  zwei  Vorträge  gehalten,  Gymnasialdirektor  Asbach  aus 
Prüm  sprach  über  Kaiser  Domitian,  seine  Persönlichkeit  und  seine  Erfolge, 
unter  besonderer  Hervorhebung  seiner  Thätigkeit  am  Rheine,  Dr.  Lehn  er  be- 
richtete über  die  Unternehmungen  und  Neuerwerbungen  des  Provinzialmuseums 
im  verflossenen  Jahre. 

Ein  Auszug  aus  dem  ersteren  Vortrage  erschien  im  Korrespondenzblatt 
der  Westdeutschen  Zeitschrift  XV,  1896,  Nr.  107,  der  wesentliche  Inhalt  des 
letzteren  Berichtes  ist  in  den  verschiedenen  in  der  Westdeutschen  Zeitschrift 
und  dem  Korrespondenzblatt  enthaltenen  Museumspublikationeu  zu  finden. 

Die  von  der  Gesellschaft  ausgegebenen  Jahresberichte  erscheinen  in  Zwi- 
schenräumen von  mehreren  Jahren.  Der  letzte  im  Jahre  1894  erschienene 
Jahresbericht  enthielt  ausser  Vereinsnachriehten  eine  Abhandlung  von  Dr.  L eb- 
ner über  vorgeschichtliche  Grabhügel  in  der  Eifel  und  im  Hochwalde. 

Im  verflossenen  Jahre  gelangte  an  sämmtliche  Mitglieder  der  Gesellschaft 
die  Publikation  von  Dr.  Lehncr  „Die  römische  Stadtbefestiguug  von  Trier '^ 
als  ausserordentliche  Vereinsgabe  zur  Verteilung.  Dieselbe  erschien  in  der 
Westdeutschen  Zeitschrift  XV  und  gesondert  bei  Liiitz,  Trier. 

Das  Westdeutsche  Korrespondenzblatt  mit  dem  Limesblatt  wird  monatlich 
an  sämtliche  Mitglieder  versendet. 

4.  Architekten-  und  Ingenieur-Verein  für  Niederrhein 

und  Westphalen. 

Infolge  des  Ablebens  des  Oberbaurats  Rüpp eil  wurde  Oberbaurat  Jung- 
becker zum  ersten  Stellvertreter  des  Vorsitzenden  gewählt.  Die  Zahl  der  Mit- 
glieder beträgt,  wie  im  Vorjahre,  239.     Über  den  Verlauf  der  im  Berichtsjahre 


278  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  AUertama-  o.  Greschichtsvereine  der  Rlieinproyiiiz. 

abgehaltenen  16  Sitzungen  geben  die  gedmckten  ^^ofiKeicbnnngen'',  die  anch 
den  Inbalt  der  Vorträge  anszogsweise  wiedergeben,  Aa&chlnss.  Die  Verein»- 
angflflge  batten  die  Besicbtigang  gewerblicher  üntemebmungen  in  der  ümge- 
bong  Ton  Köhi  zum  Zwecke.  In  der  Angelegenheit  der  Porta  Paphia  nahm 
der  Verein  in  einer  Immediateingabe  an  Seine  Majestät  im  Sinne  der  Erhal- 
tung dieses  bedeutenden  Denkmals  Stellang.  Die  Architekten  Below  nnd 
Schreiterer  haben  Seiner  Majestät  einen  Wiederherstellnngsentwnrf  Ar  das 
Thor  vorgelegt. 

Die  Vorträge  bebandelten  die  folgenden  Gegenstände: 
2.  März  1896:  Banrat  Stubben  über  Aosta,  seine  römischen  and  mittel- 
alterlichen Bauten. 
16.  März  1896:  Baurat  Stabben  ttber  Siena. 
30.  März  1896:   Stadtbaurat  Hei  mann  flber  das  Sehloss  des  deutschen 

Bitterordens  zu  Marienburg  in  Westpreussen. 
1.  Juni  1896:  Ingenieur  Hintze  über  Kopenhagen. 
19.  Oktober  1896:  Oberbaurat  Jungbecker:  Aus  Altägypten. 
7.  und  21.  Dezember  1896:   Begierungsbaumeister  Schilling:  Über  die 
topographische  und  geschichtliche  Entwicklung  der  Stadt  Köln.    Im 
ersten  Vortrag  wurde  die  Entwicklung  Kölns  während  der  Bömerzeit 
und  bis  zum  11.  Jahrhundert  behandelt,   in  dem  zweiten  zumal  die 
Ausbreitung  der  Befestigungen  und  deren  spätere  Schicksale. 
Eine  Reihe  weiterer  Vorträge  behandelte  technische  Fragen. 
In  Aussicht  genommen  ist  eine  Publikation  der  älteren  Privathäuser  der 
Stadt  Köln,  über  die  im  nächsten  Vereinsjahr  weiter  berichtet  werden  soll. 


il.  Die  Vereine  mit  beschränktem  Wirkungskreis. 

5.  Aachen.    Aachener  Geschichtsverein. 

Der  Vorstand  ist  in  seiner  Zusammensetzung  unverändert  geblieben.  Die 
Zahl  der  Vereinsmitglieder  beträgt  570. 

Im  Laufe  des  Vereinsjabres  haben  vier  Monatsversammlungen  stattge- 
funden, in  denen  Vorträge  gehalten  wurden.  Die  Generalversammlung  hat  am 
21.  Oktober  1896  stattgefunden.  Über  die  bei  diesem  Anlass  gehaltenen  Vor- 
träge berichtet  Bd.  XVIII  der  Vereinszeitschrift,  S.  401.  Im  Laufe  des  Sommers 
hat  der  Verein  zwei  wissenschaftliche  Ausflüge  nach  Raeren  und  Düren  unter- 
nommen. 

Der  XVIII.  Band  der  im  Auftrage  der  wissenschaftlichen  Kommission 
von  Dr.  E.  Fromm  herausgegebenen  „Zeitschrift  des  Aachener  Geschichts- 
vereins" enthält  ausser  kleineren  Mitteilungen,  Bticherbesprechungen  und  einer 
Litteraturübersicht  für  1895  und  1896  von  F.  Wissowa,  eine  Reihe  grösserer 
Arbeiten.  G.  von  Below  bespricht  die  Leistungen  des  Amtes  Wassenberg 
zum  Jülicher  Festungsbau  i.  J.    1576,     E.   Pauls   behandelt  Geschichte,   Be- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  279 

Pflanzung  und  Namen  des  Lousbergs  bei  Aachen.  Th.  Lindner  ergänzt  seine 
Kritik  der  Fabel  von  der  Bestattung  Karls  des  Grossen.  H.  Veitmann  giebt 
die  zweite  Abteilung  des  Verzeichnisses  der  Aachener  Prozesse  am  Reichs- 
kammergericht, welches  auch  die  sonstigen  Orte  des  Regierungsbezirks  Aachen 
berücksichtigt.  Die  Geschichte  von  Düren  ist  durch  die  Abhandlungen  von 
Seh 00 p  über  die  Entwickelung  der  Dürener  Stadtverfassung  zwischen  1457 
und  1692  und  von  Redlich  über  die  St.  Annen-Reliquie  vertreten.  F.  W.  E. 
Roth  veröflFentlicht  eine  Briefsammlung  des  Propstes  Ulrich  von  Steinfeld  aus 
dem  12.  Jahrhundert. 

6.  Aachen.     Verein  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

Der  Verein,  dessen  Mitgliederzahl  sich  auf  der  Höhe  von  220 — 230  hält, 
veranstaltete  im  Berichtsjahre  eine  Reihe  von  wissenschaftlichen  Sitzungen  und 
Ausflügen.  Der  erste  Ausflug,  am  4.  August  1896,  hatte  die  Burg  Schimper 
im  Geulthale  zum  Ziele;  daran  schloss  sich  eine  Besichtigung  des  Altcnberger 
Domes.  Pfarrer  Schnock  hielt  einen  Vortrag  über  das  neutrale  Gebiet  von 
Moresnet.  Am  4.  Oktober  wurde  unter  Führung  des  Herrn  Rhoen  die  Ruine 
Wilhelmstein  besichtigt.  Bei  diesem  zweiten  Ausfluge  hielten  Pfarrer  Schnock 
und  Referendar  Schollen  zu  der  Geschichte  Bardenbergs  und  der  Burg 
Wilbelmstein  in  Beziehung  stehende  Vorträge.  In  der  Sitzung  vom  15.  Januar 
1896  hielt  HeiT  Oppenhoff  einen  Vortrag  über  militärische  Revolten  unter 
der  Besatzung  Aachens  im  Jahre  1795,  Referendar  Schollen  über  den  Empfang 
einer  Gesandtschaft  der  Hansastädte  in  Aachen  im  Jahre  1606.  In  der  Sitzung 
vom  11.  März  1896  sprach  Herr  C.  Rhoen  über  alte  Ansichten  von  Befesti- 
gungswerken in  Aachen,  Dr.  Brüning  über  Freiherrn  v.  d.  Trenck  und 
Pfarrer  Schnock  über  die  Diözesanangehörigkeit  Aachens  und  Burtscheids. 
In  der  Generalversammlung  vom  11.  November  1896  wurde  zunächst  der 
Jahresbericht  erstattet,  dann  hielt  Referendar  Schollen  einen  Vortrag  über 
Aachener  Strafrechtspflege  im  Mittelalter  und  Dr.  Brüning  über  Beziehungen 
Eugens  von  Savoyen  zu  Aachen. 

Der  neunte  Jahrgang  der  im  Auftrage  des  Vereins  vom  Pfarrer  Schnock 
herausgegebenen  Zeitschrift  ^Aus  Aachens  Vorzeit"  enthält  u.  a.  eine  auch 
sittengeschichtlich  interessante  Abhandlung  über  Burg  Schoenau  bei  Aachen 
von  H.  J.  Gross,  einen  vom  Herausgeber  stammenden  Artikel  über  das  Zu- 
sammenleben der  Stiftsgeistlichkeit  zur  Zeit  der  Karolinger"  und  eine  von  J. 
Fey  verfasste  Lebensschilderung  des  Aachener  Malers  Johann  Adam  Eberle, 
der  in  Düsseldorf  Schüler  von  Peter  Cornelius  war,  dann  seinem  Meister  nach 
München  folgte,  wo  er  sich  an  der  Ausführung  der  diesem  gestellten  monu- 
mentalen Aufgaben  beteiligte.  Im  Jahre  1829  ging  er  nach  Rom,  wo  er  1832 
starb.  —  Ausserdem  enthält  das  Heft  noch  eine  Reihe  kleinerer,  meist  kultur- 
§^chichtlicher  Mitteilungen. 


280  Berichte  über  die  Tbätigkeit  der  Altertums-  o.  Geschicbtsvereine  der  Rheinprovins. 

7.  Bonn.     Verein  Alt-Bonn. 

Der  Verein  veranstaltete  am  26.  Oktober  1896  seine  Generalversammlang, 
in  welcher  Herr  Dr.  Hauptmann  über  die  Geschichte  des  ehemaligen  Cassius- 
stiftes  in  Bonn  und  Herr  W.  Fusbahn  über  die  im  Torigen  Jahrhundert  nach 
Bonn  gekommenen  Türkenfahnen  Vorträge  hielten.  Der  zweite  Vortrag  ist  im 
Auszug  gedruckt  im  General- Anzeiger  für  Bonn  und  Umgegend  vom  29.  Okto- 
ber 1896;  der  erste  vollständig  bei  F.  Hauptmann,  Allerlei  aus  alten  Tagen, 
Bilder  aus  der  Geschichte  von  Bonn  und  Umgegend,  S.  89 — 128.  Die  Vereins- 
sammlungen haben  sich  um  eine  Anzahl  lokalgeschichtlich  bedeutsamer  Stücke 
vermehrt,  unter  denen  eine  auf  die  Reformation  in  Bonn  bezflgliche  Schrift 
Bucers,  eine  gedruckte  Relation  über  die  Einnahme  Bonns  1584,  ein  Fayence- 
Öfchen  aus  der  kurfürstlichen  Privatwohnung,  ein  Miniaturporträt  des  Kurfiirsten 
Clemens  August,  das  geschnitzte  Thor  des  Metternicher  Hofes,  sowie  vor  allem 
eine  der  in  der  Truchsess'schen  Belagerung  geschlagenen  Notklippen  Hervor- 
hebung verdienen. 

8.  Düsseldorf.     Düsseldorfer  Geschichts-Verein. 

Der  Verein,  der  340  Mitglieder  zählt,  trat  im  Laufe  des  Berichtsjahres 
—  abgesehen  von  der  Generalversammlung,  die  nur  der  Erledigung  geschäft- 
licher Angelegenheiten  dient  —  sechsmal  zu  Sitzungen  zusammen.  Am  21. 
Januar  hielt  Professor  Dr.  R.  Hassencamp  einen  Vortrag  über  das  Thema: 
„Der  englische  König  Karl  IL  in  Düsseldorf  (1654)  und  seine  Beziehungen 
zum  Pfalzgrafen  Philipp  Wilhelm"  (abgedruckt  in  der  Deutschen  Zeitschrift 
für  Geschichtswissenschaft  1896/97,  S.  238).  Kulturhistorische  Schilderungen 
gab  Herr  Ditges  am  14.  Februar  in  seinem  Vortrage  über  „Düsseldorf  im 
Anfang  dieses  Jahrhunderts".  Am  10.  März  sprach  Herr  Gymnasialoberlehrer 
Dr.  Gramer  über  „Rheinische  Ortsnamen"  und  HerrBloos  über  „Düsseldorfs 
ältesten  lebenden  historischen  Zeugen".  Der  Vortrag,  den  Professor  Dr. 
Hassencamp  am  27.  Oktober  hielt,  galt  Karl  Immermann  (abgedruckt  im 
Jahrbuche  des  Vereins  Bd.  XI,  S.  1).  Gymnasiallehrer  Marseille  sprach  am 
17.  November  über  „Die  zweite  Heirat  des  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm 
1631".  Der  Vortrag  des  Dr.  Küch  am  8.  Dezember  behandelte  „Die  Bau- 
thätigkeit  des  Kurfürsten  Jobann  Wilhelm  in  Düsseldorf".  Der  Vortragende 
schilderte  zunächst  an  der  Hand  zeitgenössischer  Berichte  die  Veränderung,  die 
sich  in  dem  Äusseren  der  Stadt  durch  Johann  Wilhelms  Wirken  vollzogen  hatte 
fasste  dann  zunächst  die  Männer  ins  Auge,  die  dem  Kurfßrsten  zur  Seite  ge- 
standen hatten  —  Graf  Matteo  Alberti,  Aloysius  Bartoly,  den  Bologneser  Ber- 
nardi,  Jakob  Dubois  und  Ferdinand  Orban  —  und  ging  dann  zur  Besprechung 
der  einzelnen  Gebäude  über,  an  denen  sich  die  Baulust  und  der  Kunstsinn 
des  Kurfürsten  besonders  bethätigt  hat.  Auf  seine  Veranlassung  wurden  Ko- 
lonnaden im  Schlosshofe  errichtet,  fiir  die  rasch  wachsende  Gemäldesammlung 
wurde  ein  eigenes  Gebäude  aufgeführt,  von  dem  noch  der  die  Landesbibliothek 
bergende  Trakt  erhalten  ist.     Das  Pagenhaus,  die  „alte  Kanzlei",  das  Gmpello- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  28t 

HanSy  das  Hontheimsehe  Haus,  ein  Opernhaus,  der  „Jägerhof ^  —  alle  diese 
und  viele  andere  verdanken  ihre  Entstehung  Johann  Wilhelm,  desgleichen  eine 
ganze  Reihe  kirchlicher  Gebäude,  so  vor  allem  die  jetzige  Garnisonkirche.  Sie 
ist  ein  Werk  des  Jesuiten  Ferdinand  Orban. 

Im  Laufe  des  Sommers  wurden  drei  Ausflüge  unternommen.  Am  3.  Juni 
besuchte  der  Verein  Haus  Bürgel  und  Schloss  Benrath,  am  18.  Juli  wurde  die 
Abteikirche  von  Werden,  am  8.  August  das  Römerlager  in  Grimlinghausen  be- 
sichtigt. 

Der  zehnte  Band  des  Jahrbuches  des  Düsseldorfer  Geschichts-Vereins 
„Beiträge  zur  Geschichte  des  Niederrheins"  enthält  unter  andern  die  folgenden 
grösseren  Aufsätze: 

Dr.  Otto  Redlich,  Düsseldorf  und  das  Herzogtum  Berg  nach  dem 
Rückzuge  der  Österreicher  aus  Belgien  1794  und  1795. 

Dr.  Franz  Gramer,  Niederrheinische  Ortsnamen. 

Dr.  F.  Küch,  Pfalzgraf  Wolfgang  Wilhelm  in  Brüssel  1632. 

Prof.  Dr.  R.  Hassencamp,  Ein  brandenburgisch-bergisches  Eheprojekt 
im  Jahre  1641. 

—  Das  Zerwürfnis  zwischen  Goethe  und  F.  H.  Jacobi. 

Ans  dem  Inhalt  des  elften  Bandes  seien  die  folgenden  Stücke  hervor- 
gehoben : 

F.  Schaarschmidt,  Fürstliche  Bildnisse  in  der  Gemäldesammlung  der 
Egl.  Kunstakademie  zu  Düsseldorf.  Der  Verfasser  sucht  die  dar- 
gestellten Persönlichkeiten  festzustellen  und  giebt  auch  vielfach 
Hinweise  auf  die  Künstler. 

Dr.  F.  Küch,  Beiträge  zur  Kunstgeschichte  Düsseldorfs. 

1.  Das  Grabdenkmal  Herzog  Wilhelm  III.  (V.)  in  der  Lambertuskirche. 
Das  Denkmal,  das  als  eine  römische  Arbeit  des  Gilles  de  Rivifere 
und  Nicolö  Pippi  von  Arras  galt,  wird  als  Werk  eines  sonst  völlig 
unbekannten  kölnischen  Künstlers,  namens  Gerhard  Scheben,  fest- 
gestellt.    Vollendet  wurde  es  im  Jahre  1599. 

2.  Zur  Baugeschichte  der  Andreaskirchc.  Der  Verfasser  schildert  den 
persönlichen  Anteil,  den  der  Pfalzgraf  Wolfgang  Wilhelm  an  dem 
Baue  genommen.  Den  Entwurf  schreibt  Küch  dem  Hofarchitekten 
Antonio   Serro   genannt    Krauss   zu,   die   Stuckarbeiten    rühren    im 

^  wesentlichen  von   dem   Strassburger  Kalkschneider   Johannes  Kuhn 

her.     Der  Hochaltar  ist  eine  Arbeit  Couvens. 
Fr.   Paulus    Maria    de   Loe,    Ord.  Praed.,    Reformation»- Versuche  im 

Dominikaner-Kloster  zu  Wesel  in  den  Jahren  1460 — 1471. 
Dr.  Otto  R.  Redlich,  Französische  Vermittlungspolitik  am  Niederrhein 

im  Anfang  des  16.  Jahrhunderts. 
Zum  Jahrestage  der  Stadterhebung,  dem  14.  August,    wurde  eine  beson- 
dere Gtedenkschrift  ausgegeben: 

F.  Schaarschmidt,  Gabriel  Ritter  von  Grupello  und  seine  Bronzestatuette 

des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm  im  Jägerhof  zu  Düsseldorf. 


Der  tteh  thmm  Jakmi  §rfhatUm  Hcnuvgmbe  tcs  üi 
der  gwtfidbeB  Stiftiigca  de»  Xiederrhcns  Aehca 


9.  Estern.     Hiftoriseher  Verei«   fir   Stadt   «ad   Stift  Essern. 

Die  ZaU  der  Veiriiiitgüeder  iit  aaf  165  gcstie^eB.  !■  der  aB^rmtmtm 
TfriBi— tiife  T<Mi  24.  Febfw  ^praeh  Heir  Fraaz  Areas  ibcr  da»  Hoqpital 
mm  U.  Gciit  Toa  seiner  GrüaJaD^  bis  mm  Jahr  1^03.  —  Voa  dea  ^Bcitrieca 
lar  GeseUehte  roa  Stadt  aad  Stift  Enea"^  kat  der  Vereia  zwei  Hefle 
la»n:  Heft  16  eatkUt  dea  entea  Tcfl  eiaer  GeseUchte  des  EacMi 
— 1564  Toa  Dr.  Koarad  Ribbeek,  Heft  IT  foi^cade  Aafisatae:  Aas  deai 
aiitteiaherfiehea  Ewea,  ron  Dr.  Ferd.  Sehroeder:  die  Siccier  aad  S^eDea- 
berger  Glasblttea,  roa  Wilhelm  Grerel:  das  Hospital  mm  U.  Gcst  ia  Eoea, 
Tmk  Fraaz  Areas:  die  Fssrafr  AiBeeordaaag'  t.  J.  1581:  die  Statatca  des 
Griiidbea  Daneakapitck  des  Stiftes  Eawa,  beides  wt^eih  roa  Fraaz 
Areas.  —  Die  Saaualaagea  des  Vereins  siad  dareh  Aakaaf  aad  Znareadaag 
Toa  Biekera,  Abbikiaa^a,  Handsekriftea  aad  Urkaadea  reni^rt  worden. 

10.  Geldera.      Historiseker    Vereia    fir    Geldera    aad    üai* 

gebaag. 

Der  Vereia.  deana  Mitgüederzabl  aaf  139  aagewaeksea  ist.  kat  in  Be- 
riektsjakre  zwei  Sitzaagen.  eine  in  Gddern  nnd  eine  in  AUekerk  abgekabea. 
Die  dabei  gekaheaea  Vortrag«  bezogen  sieb  aaf  die  Ckroaik  der  Stadt  and 
des  ahea  Landes  Geklem  nnd  aaf  die  römiseken  Straneaaalagcn  ia  Gebiete 
des  Kreises.  Die  Mftnzengammhing  nnd  die  BibUolbek  werden  fortwlkrend 
erweitert.  Ansserdem  hat  der  Verein  aaeh  mehrere  kleine  Antiquitäten:  Bilder, 
Sehiesj^gerathe.  Th&r^chkitsser  und  -Angeln.  Gewichte,  Herdplatten  an  äeh 
gebracht. 

11.    Kempen.     Kunst-  und  Altertumsverein. 

Die  2Iahl  der  Mitglieder  beträgt  102.  Die  Sammlung  des  Vereins  soll 
im  Laufe  des  Herbstes  in  das  Kuhthor  übertragen  werden,  dessen  Restaaration 
und  Ausbau  endlich  nach  zweijähriger  Arbeit  abgeschlossen  ist.  VTährend  des 
Jahres  wurden  der  Sammlung  die  folgenden  Gegenstände  einTcrleibt:  Mehrere 
alte  Mfinzen.  ein  Kästchen  aus  Elfeubein,  mehrere  Figuren,  rer^ehiedene  Krüge 
und  SchOsseln.  mehrere  Leuchter.  Gegenstände  aus  Zinn  Känncben  etc.  nnd 
Kupfer,  ein  sehr  schöner  Thüj^riff  aus  Bronze  Löwenkopf  mit  Ring\^  Porzellan- 
gegenstände.  s->wie  einige  alte  geschriebene  und  gedruckte  Bücher. 

12.  Kleve.     A  1  ter tumsverein. 

Im  Berichtsjahre  ist  die  Neukonstiiuierung  des  Vereins  erfolgt-  Zum  Vor- 
sitzenden wurde  Professor  Dr.  Mestwerdt  gewählt. 

Im  Frühjahr  1896  wurden  in  der  ehemaligen  Klosterkirche  za  Bedburg 
wertvolle  Funde  gemacht.      Ein  nunmehr  gestorbener  Bedbnrger  behaoptete. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereinc  der  Rheinprovinz.  283 

sich  noch  lebhaft  erinnern  zn  können,  dass  ein  grosser  Sargstein  vom  Chor  der 
Kirche  entfernt  und  vor  dem  Westeingang  vergraben  worden  sei.  Infolge  dessen 
wurde  eine  Nachgrabung  veranstaltet.  Man  stiess  in  geringer  Tiefe  auf  die 
Grabplatte,  die  deutlich  die  Vertieftingen  zeigte,  worin  zwei  Reliefstatuen  ge- 
legen  haben  mussten.  Sodann  wurden  die  Überreste  der  beiden  Figuren  zu 
Tage  gefordert.  Es  handelt  sich  um  das  Grabmal  des  Grafen  Otto  von  Cleve 
(1305 — 1311)  und  seiner  Gemahlin  Mechthildis,  die  nach  den  Chronisten  beide 
in  der  ehemaligen  Klosterkirche  in  einem  Hochgrab  beigesetzt  waren.  Leider 
ist  man  bei  der  Versenkung  des  Grabes  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts  mit 
barbarischer  Rohheit  verfahren,  die  Figuren  sind  mehrfach  zertrümmert.  Zwei 
gothische  Gehäuse,  mit  Engelsköpfchen  geziert,  umgeben  die  beiden  Grabmal- 
figuren. Der  Graf  ist  dargestellt  in  Ringelpanzer  und  langem  Gewand  und 
mit  mächtigem  Wappenschild,  die  Gräfin  in  langem,  wallenden  Kleide,  mit  auf 
2  Hunden  ruhenden  Füssen.  So  gut  es  sich  ermöglichen  Hess,  sind  die  vielen 
aufgefundenen  Stücke  zu  einem  Ganzen  zusammengesetzt  worden.  Die  Bild- 
hauerarbeit ist  von  hohem  Verdienst,  die  aus  der  1.  Hälfte  des  14.  Jh.  stammenden 
Grabmäler  sind  dem  Denkmal  des  Grafen  Adolph  VIII.  in  Altenberg  nahe  ver- 
wandt. Die  Details  sind  mit  grosser  Sorgfalt  ausgeführt.  Die  Figuren  haben 
eine  Länge  von  circa  2  m,  das  Gehäuse  eine  Länge  von  circa  3  m  und  eine 
Breite  von  IV«  ni. 

Femer  wurde  neben  der  Römerstrasse  in  der  Nähe  des  Monterberges  und 
der  alten  römischen  Niederlassung  Burginatium  südlich  von  Calcar  eine  Nach- 
grabung veranstaltet.  Man  stiess  an  einer  Stelle,  die  früher  schon  manche 
Spuren  eines  römischen  Grabfeldes  gezeigt  hatte,  auf  eine  Anzahl  kreisförmig 
sich  aneinander  reihender  Aschenamen,  die  freilich  fast  sämtlich  nur  als  Scher- 
ben aufgedeckt  wurden,  aber  mehrfach  die  am  Niederrhein  gewöhnlichen  Bei- 
gaben enthielten. 

Die  aus  diesem  Fimde  für  unsere  Altertumssammlung  gewonnenen  Gegen- 
stände sind:  4  weisse  Thonkrüge  (1  verletzt  und  wiedergestellt),  2  graue  Aschen- 
nraen  (1  grosse  mit  Knochenresten,  1  kleine  leer  und  verletzt),  1  weisse  kleine 
ürae,  2  Töpfe  von  gelbrotem  Thon,  2  Lämpchen  von  Thon,  1  Töpfchen  von 
terra  sigillata,  2  Schalen  (1  grosse,  1  kleine)  von  terra  sigillata,  Teile 
eines  Metallspiegels,  1  gut  erhaltenes  Salbfläschchen  von  grünem  Glas,  1  Schild- 
bnckel,  1  halbe  Schale  aus  weissem  Thon,  1  halbes  Schälchen  von  Eisen, 
1  grosse  Schale  mit  Ausguss  (sehr  verletzt)  und  viele  Scherben. 

13.   Koblenz.     Kunst-,   Kunstgewerbe-   und   Altertumsverein 

für  den  Regierungsbezirk  Koblenz. 

Nach  dem  Rücktritte  des  bisherigen  Voreitzenden,  Geh.  Kommerzienrates 
Wegeier  wurde  Staatsarchivar  Herr  Archivrat  Dr.  Becker  zum  Vorsitzenden 
gewählt  Der  Vorstand  wurde  durch  die  Neuwahl  von  drei  Mitgliedern  ergänzt. 
Die  Zahl  der  Mitglieder  ist  auf  132  zurückgegangen. 

Während  des  Jahres  1896  hat  der  Verein  zwei  Versammlungen  abgehalten, 
mit  welchen  zugleich  die  ordentlichen  Jahresversammlungen  für  1895  bezw.  1896 


284  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

yerbnnden  waren.  Die  erste  Versammlnng  fand  am  16.  April  y.  Js.,  die  zweite 
Versammlung  am  7.  Deeember  v.  Js.  statt.  In  beiden  Versammlungen  bat  der 
Direetor  des  Central-Gewerbevereins  zu  Düsseldorf,  Herr  Frauberger  Vor- 
träge gehalten,  und  zwar  in  der  ersten  über  die  „Errichtung  einer  Vorbilder- 
Sammlung  in  Koblenz^,  in  der  zweiten  über  die  Frage  „Wie  lässt  sich  ein 
städtisches  Museum  fllr  eine  Stadt  nutzbringend  gestalten?'*  Die  Verwirklichung 
der  hier  gegebenen  Anregungen  ist  leider  noch  nicht  möglich  gewesen. 

14.  Köln.     Verein  von  Altertums  freunden. 

In  der  Zusammensetzung  des  Vorstandes  des  Vereins  der  Altertumsfreunde 
sind  keine  Veränderungen  eingetreten;  die  Mitgliederzahl  beträgt  58. 

Es  sind  vom  1.  Mai  bis  Mitte  März  1896  zehn  Sitzungen  abgehalten  worden, 
von  denen  zwei  allein  der  Erhaltung  des  römischen  Nordthores  in  Köln  gewid- 
met waren;  in  den  übrigen  wurden  folgende  Vorträge  gehalten: 

Rector  Schwoerbel:  Geschichte  des  Ballspiels  und  seine  einstige  Pflege 
in  Eöhi. 

Hofrat  Aldenhoven:  Der  Salon  1896. 

Direetor  Dr.  von  Falke:  üeber  niederrheinisches  Steinzeug. 

Baurat  Stubben:  Ragusa  und  Cattaro. 

Derselbe:  Spoleto. 

Stadtarchivar  Professor  Dr.  Hansen:  Die  Universität  Köln  und  der  Hexen- 
hammer. 

Derselbe:  Deutsche  Kaisersiegel. 

Dr.  Kisa:  üeber  moderne  Radierungen. 

Diese  Vorträge  sind  auszugsweise  im  Kölner  Stadt-Anzeiger  wiedergegeben. 

15.   Kreuznach.    Antiquarisch-historischer  Verein  für  Nahe 

und  Hunsrück. 

Der  Verein,  dessen  Mitgliederzahl  sich  auf  130  erhöhte,  hielt  im  Berichts- 
jahre eine  allgemeine  Sitzung  ab;  ausserdem  haben  mehrere  Vorstandssitzungen 
stattgefunden.  Die  siebzehnte  Veröffentlichung  des  Vereines  ist  betitelt:  Die 
Reichsherrschaft  Bretzenheim  a.  d.  Nahe;  ihr  Verfasser  ist  A.  Held  mann. 
Aus^^egraben  wurde  in  der  Flur  von  Kreuznach  ein  roh  behauener  fränkischer 
Sarkophag  aus  gelblichem  Saudstein,  203  cm  lang,  56  cm  breit,  65  cm  hoch. 
Die  Seiten  waren  rechts  und  links  gerundet,  der  Deckel  abgeschrägt.  Das 
Innere  war  leer.  Wie  dieser  Sarkophag,  so  wurde  auch  der  im  Vorjahre  bei 
Weinsheim  gefundene  fränkische  Steinsarg  samt  seinem  Inhalte:  Bronzevei^ 
zicrungsstticke  eines  Gürtels  und  ein  spätrömisches  oder  fränkisches  Glasgefats 
der  Vereinsaammlung  einverleibt.  Unter  den  sonstigen  neuen  Erwerbungen  ist 
ein  Bronzemesser  und  eine  Nadel  aus  der  Gegend  von  Bingerbrück  besonders 
zu  nennen. 


Berichte  über  die  TbHtigkeit  der  Altertums-  n.  Gescbichtsvereine  der  Rheinprovinz.  285 

16.    Neuss.    Altertumsyerein. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  beträgt  50. 

Da  das  vor  den  Thoren  von  Neuss  gelegene  grosse  römiscbe  Lager  seit 
Jahren  dureh  das  Bonner  Provinzialmuseum  ausgegraben  wird  (vergl.  dessen 
Bericht),  wurden  Ausgrabungen  seitens  des  Vereins  nicht  unternommen.  Bei 
der  Anlegung  von  Ziegeleien  und  bei  der  Ausschachtung  eines  Teiles  des  Stadt- 
grabens fand  man  eiserne  und  steinerne  Kugeln,  eine  Wallbüchse,  römische 
Münzen  und  GefUsse,  von  denen  ein  Teil  der  Vereinssammlung  überlassen  wurde. 
Auch  die  Urkunden-Sammlung  ist  durch  einige  Gesclienke  vennehrt  worden. 

Die  in  Aussicht  genommene  Neuordnung  der  Sammlungen  hat  erst  zum 
Teil  ausgeführt  werden  können. 

17.    Prüm.     Gesellschaft  für   Altertumskunde. 

Sitzungen  wurden  im  ganzen  fünf  abgehalten.  In  der  Sitzung  vom  10. 
Mai  1896  wurde  vorgelegt:  ein  Doppelgulden  Philipps  IV.  von  Spanien  aus 
dem  Jahre  1635,  gefunden  in  Schönecken,  Kreis  Prüm,  und  ein  in  der  Nähe 
von  Prüm  zum  Vorschein  gekommener  halber  Gulden  von  Albert  und  Isabella, 
ausserdem  ein  vorzüglich  erhaltenes  Exemplar  des  Philipp  IL  von  Spanien  ge- 
widmeten Theatrum  oder  Schaubuch  des  Abraham  Ortel  vom  Jahre  1580. 

In  der  Sitzung  vom  8.  Oktober  1896  sprach  der  Vorsitzende  Direktor 
Dr.  Asbach  im  Anschluss  an  eine  bei  Urft  gefundene  Münze  Diokletians  über 
die  römische  Wasserleitung  in  der  Eifel,  sodann  verbreitete  er  sich  über  die 
römische  Villenniederlassung  bei  Blankenheim ;  er  wünscht  eine  Herstellung  des 
Katalogs  der  Sammlung  des  Museums  der  Grafen  von  Blankenheim,  aus  wel- 
chem manches  Stück  in  das  Wallraff- Richartz- Museum  in  Köln  übergegangen, 
manches  wohl  im  Besitze  des  Grafen  Lobkowitz  auf  Schloss  Vraez  bei  Prag 
sei.  Vorgezeigt  wurden  zwei  gusseiseme  Platten  mit  bildlichen  Dai*stellungen,  die 
eine  aus  dem  Kloster  Niederprüm,  die  andere  aus  einem  zur  Burg  Schönecken 
gehörigen  Hause  stammend,  ausserdem  der  Lehner'sche  Plan  des  römischen 
Trier. 

In  der  Sitzung  vom  27.  Nov.  1896  hielt  der  Vorsitzende,  Dr.  Asbach, 
einen  eingehenden  Vortrag  über  Georg  Barsch  und  die  Eiflia  illustrata  nach 
Bärschs  „Erinnerungen  aus  meinem  vielbewegten  Leben",  in  welchem  er  inter- 
essante Mitteilungen  über  die  Entstehung  des  Tagendbundes,  über  sein  Ver- 
hältnis zu  Schill,  über  die  Ursache  des  veranglückten  SchilPschen  Zuges,  über 
den  Ursprung  der  Erhebung  Preussens  i.  J.  1813  u.  dgl.,  endlich  über  die 
Bearbeitung  der  Eiflia  illustrata  von  Job.  Friedr.  Schannat  machte.  In  der- 
selben Sitzung  sprach  Kreisbaumeister  Schrader  über  die  Ruinen  von  Baal- 
beck, dem  alten  Heliopolis  in  Syrien.  Er  wies  nach,  dass  die  menschliche 
Kraft  hier  staunenswerte  Massen  bewältigt  und  zusammengefügt  habe.  Die 
Übeireste  des  dortigen  Sonnen-  und  Zeustempels  seien  mächtiger  als  irgend 
ein  ähnlicher  Bau  in  Griechenland,  entbehren  aber  den  Zauber  der  Anmut  und 
des  edlen  Masses.    Vortreffliche  Photographien  veranschaulichten  den  Vortrag. 


Hcir  Obererer  Dovsbach  hielt  im  der  Stammg  tob  13w  Febmr  1897 
urffekliebeB  Vortrag  iber  den  MitImdieMt  n  KUnechc»  Seicke,  refe- 
rierte iMbetoiidere  iber  d»  den  MithnedicBSt  iiiifMH  adi?  Werk  Ton  CoaiMMt 
^Text»  et  BouHMBtB  ig^nres  de  )ütbn»'^.  Der  Vorstzcade  wies  wodMam  mmt 
eiBen  Artikel  der  Kötmehen  Volkateihn^  bin.  wcsjeb  tos  wurhkMudigcr  Seite 
den  Ardenncn  das  linksBoselaniiehe«  rbeinieehe  Sekiefagebiigey  der  Eifel  das 
besehrankte  Gebiet  zwis^en  Mteslereifei.  KTÜbv]^}.  Orsost.  Xirbv^p  lag^ 
wiesen  warde^  S^S^^  welebe  AaCunnp  sieh  der  Yorsitzcndey  gestiUI  aaf  ge- 


In  einer  Vocataadssitza]^  tcm  22.  Febraar  le^e  Dr.  A^baeh  eine  Ab- 
k^w^n—p  ^or.  in  der  er  an»  Taeitns  den  Xaehweis  zn  fi^em  snehte.  dns  die 
ScUnekt  dar^  St  GeriaEs  L  J.  10  n.Ckr.  die  BaiaTO^  and  ihre 
Ton  Trier  zartektrieb,  aaf  dem  rechten  Moseiafier  anicr 
lonie  entacUeden  warde. 

Die  Yottrage  warden   aidkr  oder  Binder  aasÜMieh  in  der  KöluBden 
ZtÜMMg,  der  Eifder  Toikneitn^  and  dem  Korrespondenzblalt  der 


Die  BibBoth^  hat  eiaigcn  Zawaeha  bek 

\^.  Saarbrieken.    Historiseh-aatiqaariseher  Yereia  ftr  die 

Saargegend. 

In  den  Sitinngcn  des  Yercias  warden  aeht  Vottrige  gehalten.  Ton  denen 
aeh  zwei  aaf  die  Saargegend  beawgen.  Rektor  Jaagk  spra^  1.  Über  die 
Hexcnproeesse  der  Saaigegcnd.  2.  Über  den  Streik  der  V<ALlinga'  Banem  im 
J.  1566  and  sone  Folgen. 

Von  den  TereiBanitgliedeni  ist  Rektor  Jungk  mit  der  Aa&teDang  der 
Saarbrüeker  Regesten  besehäftigt:  die  Ko^en  der  dazu  erforderlichem  Reisen 
nach  Paris,  Xancj  nnd  Metz  wurden  vom  Vereine  bestritten.  Aach  gab  er 
eine  arkondliche  Crescfaichte  dei»  Dorfes  Kschmisheim  heraas.  Oberlehrer 
Rappersberg  bearb«tet  aaf  Kosten  des  Kreises  die  Xeoaosgabe  der  KoDner* 
sehen  Werke  ftber  Saarbrücken.  Dr.  Krohn  rerfasste  dne  Chronik  des  Saar- 
brtcker  Kasinos  mit  Xotizen  iber  das  Leben  in  Saarbrneken.  In  Heft  6  der 
Mitteüangen  soDen  darch  denselben  Beiträge  znr  Saarbrüeker  Crcschiehte  rer- 
5ffentlieht  werden. 

In  Dndwefler  wnrde  in  der  Strasse  mitten  im  Orte  eine  rooiisehe  Aedi- 
eala  aut  wenigen  Trümmern  bei  Anlegnng  der  Wasserleitung  anfgedeekt  ;TgL 
St  Johanner  Zeitnng  1^96.  Xr.  196.  223>.  Einige  Stücke  davon  kamen  nach 
Trier,  andere  warden  der  Saarbrückener  Sammlnng  einverleibt.  In  Bezug  aaf 
den  im  Toijährigen  Berichte  erwähnten  Rentrischer  Stein  ist  noch  nichts  Wei- 
teres geschehen. 

Von  den  im  Wiesbadener  Staatsarchiv  befindlieben  Schli^ss^plänen  aus  dem 
18.  Jh.  wnrden  photographische  Aufnahmen  angefertigt.  Davon  beziehen  sich 
6  anf  Saarbrückm,  5  aaf  Philipsbom  Xeohaos  ,  4  auf  Xennkirchen,  3  aaf 
Ottwdler,  2  aaf  Ilombarg    Ffalz'. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  287 

19.   Werden.    Historischer  Verein  für  das  Gebiet  des 

ehemaligen  Stiftes  Werden. 

Anstelle  der  verstorbenen  Herren  Bürgermeister  Sold  an  und  W.  Flügge 
sowie  des  ausgeschiedenen  Herrn  vom  Dorp  sind  die  Herrn  Bürgermeister 
Trapp,  Ernst  Huf  f  mann  und  H.  Siepenkothen  in  den  Vorstand  getreten. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  ist  auf  148  gestiegen. 

Der  Verein  hat  seine  Generalversammlung  am  13.  November  abgehalten, 
wobei  Provinzial-Conservator  Dr.  Giemen  einen  Vortrag  über  das  Thema  hielt: 
„Die  ältesten  Wandmalereien  der  Rheinprovinz  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Malereien  in  der  Werdener  Luciuskirche".  Als  praktischer  Erfolg  dieser  Ver- 
sammlung verdient  hervorgehoben  zu  werden,  dass  die  Übertragung  der  Lucius- 
kirche,  die  bis  dahin  im  Besitze  des  Herrn  Kaplan  Hellings  war,  in  das  Eigentum  der 
katholischen  Kirchengemeinde  behufs  Erhaltung  der  darin  noch  erhaltenen  hoch- 
wichtigen Gemäldereste  als  dringend  notwendig  besprochen  und  lebhaft  be- 
fürwortet wurde;  die  Uebernahme  ist  seitens  der  kirchlichen  Corporationen 
schon  erfolgt  und  steht  zur  Auflassung  im  Grundbuche  nur  noch  die  Geneh- 
migung der  höheren  Behörden  aus. 

Im  fünften  Hefte  der  vom  Vereine  herausgegebenen  Beiträge  zur  Ge- 
schichte des  Stiftes  Werden  veröffentlicht  P.Jacobs  unter  dem  Titel  „Werde- 
ner Annalen"  eine  Reihe  chronistischer  Aufzeichnungen  zur  Geschichte  von 
Werden.  Den  Beginn  macht  die  Historia  regalis  et  insignis  monasterii  et  ab- 
batiae  Werthinensis,  die  Heinrich  Duden,  vom  J.  1573 — 1601  Abt  zu  Werden, 
aufgezeichnet  hat.  Ihr  folgen  die  Chronik  des  Pfarrers  Saldenberg,  die  Annalen 
Gregors  Overham,  der  im  J.  1687  als  Probst  von  Helmstedt  starb  und  der 
Abtskatalog  des  Conventualen  Bernhard  Roskamp.  Dem  lateinischen  Texte  ist 
eine  deutsche  Übersetzung  gegenübergestellt. 

Trotz  seiner  beschränkten  Geldmittel  hat  der  Verein  im  abgelaufenen 
Jahre  in  Gemeinschaft  mit  Professor  Effmann  (Freiburg,  Schweiz)  die  Reste 
der  im  X.  Jahrhundert  erbauten  St.  Clemenskirche  am  hiesigen  Pastoratsberge 
ausgraben  lassen.  Durch  die  Aufdeckung  sind  die  Mauerzüge  derselben  in 
solchem  Umfange  freigelegt  worden,  dass  die  Grundrissanlage  ziemlich  klar 
hervortritt.  Das  Bauwerk  stellt  sich  dar  als  eine  dreischiffige  Basilika  mit 
westlicher  Vorhalle,  östlichem  über  die  Flucht  der  Seitenschiffmauem  nicht  her- 
austretendem Querhause  und  drei  in  die  nach  aussen  gerade  geschlossene  öst- 
liche Querechiffmauer  eingetiefte  Altarconchen.  Von  der  Ostmauer  bez.  den 
Chorapsiden  steht  das  Mauerwerk  noch  vollständig  in  einer  Höhe  von  1,50  m 
über  dem  Fussboden,  von  dem  im  Querschiffe  und  besonders  in  der  Vorhalle 
und  im  Langhause  umfangreiche  Ueberreste  enthalten  sind.  Auch  die  Funda- 
mente des  wahrscheinlich  später  eingebauten  Turmes  sind  noch  vorhanden. 

Die  Abräumungsarbeiten  und  eine  entsprechende  Ausschmückung  des  Ter- 
rains hat  der  hiesige  Verschönerungsverein  übernommen ;  jedoch  dürfte  zur  Er- 
haltung der  Mauerreste  und  vorzugsweise  der  Altarconchen,  die  durch  eine  neue 
Verblendung  gegen  das  Eindringen  von  Wasser  gesichert  werden  müssen,  eine 


288  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Oeschichtsyereine  der  Bheinprovinz. 

kräftigere  Hülfe  notwendig  sein.  Ein  dieses  bedeutsame  Baudenkmal  behan- 
delnder Aufsatz  ist  von  Herrn  Professor  Effmann  in  der  Zeitschrift  fOr  Christ- 
liehe  Kunst,  Jahrgang  1896,  Spalte  341—348  veröflFentlicht  worden. 

20.  Wesel.     Niederrheinisches  Museum  für  Orts-  und 

Heimats-Kunde. 
Der  Übergang  der  Sammlungen  des  Niederrheinischen  Vereins  für  Orts- 
und Heimatskunde  in  das  Eigentum  der  Stadt  Wesel  ist  im  Laufe  des  Jahres 
1896  thatsächlich  vollzogen  worden.  Mit  der  Verwaltung  ist  ein  aus  fünf 
Mitgliedern  bestehendes  Kuratorium  betraut  worden,  das  aus  drei  Angehörigen 
der  Stadtverordneten- Versammlung,  den  Herren  Westermann,  Rigaud  und  Tons, 
und  aus  zwei  frei  dazugewählten  Mitgliedern,  den  Herren  Luyken  und  Prof. 
Mummenthey,  zusammengesetzt  ist 

21.  Xanten.    Niederrheinischer  Altertumsverein. 

Im  Winter  1896 — 1897  bot  sich  dem  Vereine  Gelegenheit,  auf  einem 
brachliegenden  Ackerstücke  die  Untersuchung  der  Mauer,  die  von  der  nord- 
östlichen Umfassungsmauer  der  früher  aufgedeckten  Niederlassung  vor  dem 
Klever  Thore  (B.  J.  LXXXVII,  S.  88  und  93)  abzweigt,  fortzusetzen.  Diese 
Mauer  warde  jetzt,  soweit  thunlich,  blossgelegt,  leider  noch  nicht  in  ihrer 
ganzen  Ausdehnung,  da  sie  sich  in  das  angrenzende,  mit  Wintersaat  bestellte 
Grundstück  erstreckt,  welches  dem  Vereine  nicht  zur  Verfügung  gestellt  wurde. 
Soviel  kann  man  aber  aus  dem  Verlaufe  der  Fundamente  schliessen,  dass  es 
sich  hier  um  eine  grosse  Gebäudeanlage  handelt.  Es  fand  sich  ein  Stück 
einer  Säule,  Teile  von  gefärbtem  Mauerbewurf,  Dachschiefer  mit  Nagelloch  und 
anderes,  was  auf  das  Bestehen  eines  Hauses  an  dieser  Stelle  Schlüsse  zu  ziehen 
gestattet.  Das  Mauerwerk  ist,  wie  das  früher  hier  aufgedeckte,  aus  Grau- 
w^acke  und  Thonschiefer  mit  grobem  Kalkmörtel  errichtet  und  ziemlich  gut  er- 
halten. Die  Zerstörungen  aber,  die  im  Laufe  der  Zeit  hier  stattgefunden,  sind 
so  gründliche  gewesen,  dass  von  Thonsacheu  sich  nur  einige  ganz  erhaltene 
Stücke  fanden,  dagegen  eine  grosse  Zahl  Scherben,  besonders  von  terra  sigil- 
lata,  die  sämtlich  Spuren  zeigen,  dass  sie  mit  Gewalt  zerkleinert  sind. 

Der  Fund  an  Kleinaltertümern  war  gross.     Es  fanden  sich 

A.  Münzen.     Mittelerze    von   Tiberius,    Nero,  Vespasian,    Domitian,   Antoninus 

Pius,   ein  wohlerhaltenes  Grosserz  von  Trajan  (Coh.  386).     Mehrere  un- 
deutliche, noch  nicht  bestimmte  Münzen. 

B.  Ziegel.     1.  Bruchstück  der  22.  Legion,  gestempelt  LEGXXIIPPF 

2.  Ein  gleiches  der  22.  Legion,  gestempelt  KEGXXIi/// 

////// 

3.  Bruchstück  mit  Stempel  F 

4.  Ebensolches  mit  Stempel  d AM  KIT/// 

5.  Ebensolches,  zeigt  eingeritzt  V 

C.  Terra  sigillata.     1.  Tasse,  wohl  erhalten  mit  Stempel  ///AVS// 

2.  Fussscherbe  eines  roh  ornamentierten  Napfes,  auf  der  Aussenseite  ein 
verkehrter  Stempel  TOS 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereino  der  Rheinprovinz.  289 

3.  Fussscherbe  eines  Napfes  mit  Stempel  \A P I S O  •  FE 

4.  Fussscherbe  eines  Kumpens  mit  Stempel  ALBVS 

5.  Teller,  beschädigt,  mit  Stempel  HABITVS 

6.  Fussscherbe  mit  Stempel  I V  Li  I  M 

7.  Fussscherbe  mit  Stemperc  A  L  B  I  N  I  M 

8.  Teller,  halb,  mit  Stempel  OF-ARDA/// 

9.  Fussscherbe  eines  Kumpens  mit  Stempel  ME©ILLVS 

10.  Fussscherbe  einer  Tasse  mit  Stempel  VITAL 

11.  Tasse,  Bruchstück,  mit  Stempel  SEN///// 

12.  Tasse,  beschädigt,  mit  Stempel  ////SIVS 

13.  Fussscherbe  mit  Stempel  ROGWJl 

14.  Fussscherbe  mit  Stempel  0FVITA 

15.  Fussscherbe  mit  Stempel  R  V  S  T I C  1 0 

16.  Fussscherbe  eines  Kumpens  mit  Stempel  VERVSFEC 

17.  Napf,  halb,  mit  Strich  Verzierung,  auf  der  Ausseuseite  eingeritzt  Fl  IS. 

18.  Wandscherbe  eines  ornamentierten  Napfes  mit  Quadriga  und  Löwen. 

19.  Ebensolche  mit  Jagddarstellung. 

20.  Ebensolche  mit  einem  liegenden  Hirsch,  mit  einem  schreitenden  Hahn, 
Krokodil,  Reiher,  mit  einem  Esel  und  einem  erhabenen  Band,  worauf 
ein  undeutlicher  Stempel. 

21.  Wandscherbe  eines  Napfes  mit  Blattornament. 

D.  Terra  nigra. 

1.  Unterer  Teil  einer  Urne,  auf  der  Ausseuseite  Stempel  DIILIAXVT 

2.  Tasse. 

3.  Tasse,  beschädigt. 

E.  Andere  Thongegenstände. 

1.  Eine  Kugel. 

2.  Amphorahenkel  mit  Stempel  POREAPA 

darunter  eingeritzt :  *  X 

3.  Henkelstück  mit  Hals,  auf  dem  Henkel  eingeritzt  XII,  auf  dem  Hals- 
rand  MV 

4.  Lampe  aus  weisslichem  Thon,  beschädigt. 

5.  Lampe  aus  rötlichem  Thon,  ebenso. 

6.  2  Vasen  ohne  Henkel,  weiss. 

7.  Urne,  grau. 

F.  Glas. 

1.  Bruchstück  einer  blauen  Schale  mit  dicken  Rippen. 

2.  Ring  von  blauem  Olas. 

O.  Elfenbein.     1.  Stilus,  Spitze  abgebrochen. 

1.  Eine  Haarnadel,  oberes  Ende  Büste  einer  Frau  mit  hoher  Frisur. 
H.  Gegenstände  aus  Metall,     a)  Eisen. 

1.  Eiserne  Nägel  von  5 — 22  cm  Länge. 

2.  Eisenstück  mit  Stielloch. 

3.  Viereckige  eiserne  Stange,  41*/^  cm  lang. 

Jilirli.  d.  Ver.  y.  Alterthsfr.  im  Rheinl.  108.  19 


290  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereinc  der  Rheinprovinz. 

b)  Bronze.     1.     6  Gewandnadeln. 

2.  Henkel. 

3.  Haken. 

4.  3  Nadeln. 

5.  2  Sonden,  eine  mit  einem  kleinen  Spatel. 

6.  Ring. 

7.  Knauf. 

8.  Beschläge. 

I.  Gegenstände  aus  Stein. 

1.  Mühlstein  aus  Lava. 

2.  Säulenstück    aus    weissem  Sandstein    mit    halbkreisförmigen,    durch 
schmale  Flächen  getrennten  Kannelierungen,  25  cm  hoch. 

3.  Dachschiefer. 

Durch  Ankauf  und  Geschenke  vermehrte  sich  die  Sammlung  um  folgende 
Stücke: 

1.  Scherbe  von  weissgrauem  Thon  mit  Stempel  LEG  TM!  vermutlich  von 
einer  Wasserleitungsröhre  herrührend.     Fundort:  Birten. 

2.  Einhenkelige  Thonkrüge,  Lampe  mit  Stempel  VIT  F.    Gefunden  auf 
dem  Kirchhof  vor  dem  Marsthor. 

3.  Amphorahenkelstück  mit  Stempel  Q  P  P  hf{.  Gefanden  in  einem  Garten 
vor  dem  Klever  Thore. 

4.  Bruchstück   eines  Acrotheriums   von   rotem  Thon,   ein  Gesieht  dar- 
stellend.   Fundort:  Gastra  vetera. 

L  V 

5.  Ziegelbruchstück  der  5.  Legion,  mit  Stempel  PMIORIO.   Fundort: 
Castra  vetera. 

LEG  V 

6.  Ebensolches,  mit  Stempel  NHCERFE,  derselbe  Fundort. 

7.  Dachziegel  mit  Stempel  LEGXXXAA.    Fundort:  Garten  vor  dem  Mars- 
thor. 

8.  Bruchstück  mit  Stempel  KXXXVV 

9.  Ebensolches  mit  Stempel  <XXX/// 

10.  Randstück  einer  Schale  mit  Stempel  ///ILCKI.  Fundort:  alte  Burg. 
Münzen. 

11.  ATr  des  Tiberius  (Coh.  15).     Fundort:  Fürstenberg. 

12.  ATr  des  Valentinian  IIL  (Coh.  19).     Fundort:  Vyuen  am  Rhein. 

13.  Ä  des  Trajan  (Coh.  140).     Fundort:  alte  Burg. 

14.  M  des  Gordian  (Coh.  4).     Fundort:  alte  Burg. 

An  Gemmen  wurden  8  Stück  angekauft,  welche  teils  auf  der  Flur  „alte 
Burg"  vor  dem  Klever  Thor,  teils  auf  dem  Fürstenberg  gefunden  sind.  Hervor- 
zuheben ist  eine  sechseckige  braune  Glaspaste.  Die  obere  Fläche  ist  weiss- 
lich,  auf  derselben  befindet  sich  die  Darstellung  einer  Henne,  auf  jeder  der  sechs 
Seitenflächen  je  ein  Buchstabe,  die  zusammen  das  Wort  SV  AVIS  bilden. 

Die  Sammlung  wurde  durch  die  Fundstücke  bei  den  Ausgrabungen,  durch 
Ankauf  und  Geschenke  um  337  Nummern  vermehrt. 


Berichto  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Ge»chichtävereine  der  Rheiuproviuz.  291 


III.  Die  städtischen  Sammlungen. 

1.  Aachen.     Städtisches  Suerraondt-Museum. 

Bei  den  durch  das  Stadt-Bauamt  1896  ausgeführten  Grabungen  zur  An- 
higc  von  Kanälen  sind  Bruchstücke  von  römischen  und  älteren  Gefässen  ge- 
funden und  dem  Museum  überwiesen  worden.  Nach  Beendigung  der  Kanal- 
arbciten  soll  eine  übersichtliche  Zusammenstellung  der  Funde  vorgenommen 
werden. 

Aus  Mitteln  des  Museums  und  des  Museumsvereins  wurden  ausser  ver- 
schiedenen Tafelwerken  eine  Sammlung  von  Ansichten  Alt-Aachener  Häuser 
und  drei  Gemmen  erworben,  die  sich  früher  im  Domschatz  befanden  und  zu 
Anfang  des  Jahrhunderts  von  dort  abhanden  kamen,  endlich  die  Handschelle 
des  früheren  öffentlichen  Ausrufers  von  Aachen.  Von  den  privaten  Zu- 
wenduDgen,  die  dem  Museum  gemacht  wurden,  seien  die  folgenden  her- 
vorgehoben: Der  Prinz  von  Oranien,  von  der  Jagd  zurückkehrend,  Gemälde 
von  Jan  Weenix,  Geschenk  des  H.  Karl  Suermondt;  Arbeiterfamilie  in  der 
Romagna,  Gemälde  von  A.  Moradei;  Geschenk  des  H.  Moritz  Honigmann, 
eine  moderne  Bronzemedaille,  Geschenk  des  H.  Alfred  Eich  hol  tz,  Kästchen 
mit  Goldwage  und  Gewichten  verschiedener  alter  Münzen,  Geschenk  des  H. 
Jakob  Fellinger;  Strauss  mit  Hufeisen  im  Schnabel  aus  gebranntem  Thon 
mit  farbigem  Schmelzfluss,  Wahraeichen  von  Ulm,  Geschenk  des  H.  Arthur 
Saermondt. 

2.  Düsseldorf.     Historisches  Museum. 

Der  Bestand  der  Sammlungen  ist  im  J.  1896  um  59  Nummern  vermehrt 
worden.  Ausser  einer  Anzahl  von  älteren  Druckwerken  und  geographischen 
Karten  von  Jülich,  Berg,  Kleve  sowie  älteren  Plänen  von  Düsseldorf  wurden 
ei"worben :  hölzerne  Medaille  zur  Feier  der  2.  Vermählung  des  Kurf üreten  Johann 
Wilhelm,  Goldgulden  des  Herzogs  Arnold  und  des  Herzogs  Karl  von  Geldern, 
Goldmünze  des  Grafen  von  Brotzenheim  v.  J.  1790,  silberne  Medaille  auf  den 
Frieden  von  Ryswyk,  Medaille  mit  den  Brustbildern  Johann  Friedrichs  von 
Sachsen  und  seiner  Gemahlin  Sibylla  von  Jülich.  An  römischen  Funden  wurden 
dem  Museum  einverleibt:  eine  Bronzekanne  und  zwei  Bronzeschalen,  der  Bronze- 
griff einer  Opferschale,  eine  thönerne  Vase,  Reste  gläserner  Gefässe,  Scherben 
von  Thon  und  terra  sigillata. 

3.  Düsseldorf.     Kunstgewerbemuseum. 

Im  vergangenen  Berichtsjahr  wurde  zur  Unterbringung  der  Arbeitsmittel 
des  Central- Gewerbe- Vereins  für  Rheinland,  Westfalen  und  benachbarte  Gebiete 
der  Neubau  des  Kunstgewerbemuseums  am  Friedrichplatz  vollendet,  der  am 
30,  Oktober  1896  in  Gegenwart  der  Minister  der  geistlichen,  Unterrichts-  und 


292  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  AltertumB-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

Medicinalangelegenheiten  und  fttr  Handel  und  Gewerbe  sowie  der  beiden  Ober- 
präsidenten der  Rheinprovinz  und  Westfalens  feierlich  eingeweiht  werden  konnte. 

Ein  Überblick  über  die  Sammlungen  ist  erst  seit  der  Vollendung  der  Auf- 
stellung ermöglicht  worden.  Im  Anfang,  nach  Gründung  des  Central-Gewcrbe- 
Vereins  im  J.  1882  konnten  nur  eine  kleine  Sammlung  von  Gypsabgüssen  nach 
guten  Originalen  und  eine  kleine  Sammlung  guter  moderner  Arbeiten  aus  Oester- 
reich,  Bayern,  Sachsen  sowie  einige  ältere  Proben  angeschafft  werden.  Im 
März  1883  wurde  dann  die  Eduard  Böninger- Sammlung  als  Geschenk  über- 
wiesen, die  besonders  reich  an  ethnographischen  und  kunstgewerblichen  Gegen- 
ständen aus  China,  Indien,  Türkei,  Mexiko  und  vor  allem  Japan  war.  Durch 
den  Entschluss  der  Provinzialverwaltungen  der  Rheinprovinz  und  Westfalens, 
dem  Central-Gewerbe- Verein  laufende  Zuschüsse  zu  gewähren,  wurde  es  mög- 
lich, weitere  Erwerbungen  von  älteren  kunstgewerblichen  Gegenständen  zu 
machen.  Von  Dr.  Franz  Bock  in  Aachen,  mit  dem  der  Central-Gewerbe- 
Verein  zur  Schaffung  eines  grossen  rheinisch-westfölischen  Centralmuseums  ein 
festes  Abkommen  traf,  wurde  1884  eine  mehrere  tausend  Nummern  zählende 
Textilsammlung  erworben,  1885  eine  Sammlung  von  Ledertapeten,  Teppichen 
und  eine  reichhaltige  Bestecksammluug,  1886  sehr  umfangreiche  Collektionen 
von  Holzfüllungen,  Schmuckkästchen,  Fayencen,  Eisen-  und  Bronzearbeiten 
deutschen  und  italienischen  Ursprungs,  sowie  Arbeiten  aus  Kupfer  und  Eisen, 
1887  eine  sehr  reiche,  auf  alle  Zweige  des  Kunstgewerbes  ausgedehnte  Samm- 
lung orientalischer  Gegenstände,  1888  eine  höchst  bemerkenswerte  Sammlung 
koptischer  Stoffe,  Gewänder  und  Fussbekleidungen,  ferner  eine  Collektion  von 
Drechslerarbeitcn,  1889  eine  umfangreiche  Sammlung  spanischer  und  portu- 
giesischer Altertümer  und  1890  eine  anregende  Sammlung  alter  Küchengeräte. 
Durch  die  Güte  des  Herrn  Franz  Pascha  in  Kairo  erhielt  das  Museum 
Muscharabien,  durch  das  Entgegenkommen  des  Herrn  Brugsch  Bey  altägyp- 
tischc  Stoffe  und  Glasmosaiken,  unter  Mithülfe  vieler  Herren  wurde  eine  sehr 
reiche  Sammlung  von  mittelalterlichen  Stoffen  zusammengebracht,  und  eine 
recht  ausgiebige  Vermehnmg  ergab  die  im  Jahre  1890  vom  Direktor  Frauberger 
unternommene  Reise  in  den  Orient,  ausser  dem  Damascener  Zimmer  und  verschie- 
denen Kupfer-,  Zink-,  Leder-,  Holz-  und  keramischen  Objekten  auch  eine  reich- 
haltige Kollektion  von  antikem  Goldschmuck  aus  Cypern.  So  konnte  am  Schluss 
des  Verwaltungsjahres  —  30.  Juni  1896  —  das  Inventar  die  sehr  bedeutende 
Zahl  von  17038  Gegenständen  aufweisen;  dazu  kommen  noch  etwa  1000  Gyps- 
abgüsse  nach  vortrefflichen  Originalen. 

Die  Bibliothek  und  die  Vorbildersammlung,  auf  die  der  Central-Gewerbe- 
Vereiu  von  Anfang  an  ganz  besonderes  Gewicht  gelegt  hat,  zählt  jetzt  27000 
Vorlageblätter  in  235  Mappen,  eine  Reihe  kostbarer  Textwerke  (gegeji  1000) 
und  an  60  verschiedene  Fachzeitschriften. 

Über  die  einzelnen  Abteilungen  und  ihre  Gescliichtc  sowie  über  die  jetzige 
Aufstellung  orientieren  die  Festschrift  zur  Einweihung  des  neuen  Museumsge- 
bäudes in  Düsseldorf  1896  und  der  Führer  durch  das  Kunstgewerbemuseum  in 
Düsseldorf  1896. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Bheinprovinz.  293 

Die  Erwerbungen  während  der  Bauzeit  förderten  den  Plan,  bestimmte 
Stile  erläuternde  Zimmereinrichtungen  —  einzelne  Kulturbilder  —  zu  schaffen. 
So  wurden  eine  vollständige,  holländische  Fischerstube — Hindelooper  Kammer — 
mit  B\issbodenplatten,  Wandfliesen,  eingebauten  Bettstellen,  Kamin,  mit  farbigen 
Möbeln,  Porzellanen  und  Fayencen ;  ferner  Teile  eines  vläraischen  Zimmers,  Teile 
eines  deutschen  Spätrenaissanceerkers,  Teile  eines  Zimmers  in  Tiroler  Gothik 
und  Ergänzungsstttcke  zur  altertümlichen  Küche  angeschafft. 

Für  Erwerbungen  von  Arbeitsmitteln  besteht  ein  Fonds,  der  am  1.  Juli 
1896  Mk.  45562,88  betrug  und  während  des  Jahres  durch  freiwillige  Beiträge 
vermehrt  wurde.  Ein  Teil  dieses  Fonds  wurde  zur  Bildung  einer  plastischen 
Vorbildersammlung  verwendet;  der  Ankauf  der  an  romanischen,  gothischen  und 
Renaissance-Vorbildern  überaus  reichen  Cesar  Leers' sehen  Gypssammlungen 
ist  hervorzuheben. 

Seit  1896  wurden  unter  Anderem  angekauft  oder  geschenkt: 

Aus  der  Metallabteilung :  Zwei  f rühgothische  Kirchenlcuchter  in  Schmiede- 
eisen, aus  Tirol. 

Sonnenuhr  von  Messing  und  Silber,  reich  mit  Gravieningcn,  für  den  kur- 
fürstlichen Hof  gemacht   von  Claude  Dunod  in  Düsseldorf  a.  d.  17. /18.  Jh. 

Kollektion  altjapanischer  Stichblätter,  Schwertgriffe,  Netzkes  und  kleine 
Appliken  in  reichster  Silber-  und  Goldtauschierung. 

Ans  der  Textilabteilung : 

Zwei  Streifen-  und  eine  Wappen-Goldstickerei  aus  Frankreich,  a.  d.  16.  Jh. 

Aus  der  Möbelabteilung: 

Tmhe  mit  geschnitzten  westftllischen  Wappen,  a.  d.  16.  Jh. 

Truhe  mit  Flachschnitzerei,  rheinisch,  a.  d.  17.  Jh. 

Schiebladkästchen,  friesisch,  18.  Jh. 

Waschkästchen,  Tiroler  Gothik. 

Holländischer  Stuhl,  17.  Jh. 

Die  Zeit  zwischen  der  Eröffnung  des  Museums  und  dem  Abschluss  des 
Berichtes  war  ausser  den  Betriebsarbeiten  der  Ordnung  der  mehrere  tausend 
Nummern  zählenden,  im  Depot  befindlichen  Reservesammlungen  gewidmet. 

4.  Köln.     Museum  Wallraf-Richartz. 

Die  Neuordnung  der  Sammlungen  wurde  gefördert  durch  die  Voll- 
endung der  Umbauten  im  Ostflügel  des  oberen  Stockwerkes.  Durch  die  Ent- 
fernung von  Zwischenwänden  wurden  zwei  neue  grössere  Ausstellungssäle  ge- 
wonnen^ mit  Oberlicht  versehen  und  zur  Aufnahme  der  Gemälde  moderner 
Schalen  hergerichtet,  welche  nun  sechs  Räume  füllt.  Der  erste  enthält  aus- 
schliesslich die  Stiftung  von  Erben  des  verstorbenen  Geheimrates  Dagobert 
Oppenheim,  meist  kleinere  Bilder  deutscher  und  italienischer  Künstler,  im  an- 
stossenden  Erkerraume  und  in  drei  folgenden  Sälen  sind  in  möglichst  histori- 
scher Anordnung  die  übrigen  modernen  Gemälde  untergebracht.  Das  Kabinet 
am  Ende  des  Flüg^els  ist  zur  Aufnahme  von  modernen  Handzeichnungen  reser- 


294  Berichte  über  die  Thätigkcit  der  Altertums-  u.  GeschichtBvereine  der  Rheinprovinz. 

viert.  Der  Oberlichtsaal  im  Westflügel  wird  für  die  italieDischeu ,  ein  Raum 
im  nördlichen  für  die  holländischen  Gemälde  hergerichtet,  zwei  Säle  des  Erd* 
geschosses  sind  für  Gipsabgüsse  nach  antiken  Skulpturen  bestimmt. 

Die  Katalogisierung  wurde  weitergeführt  und  für  dieGrappe  der  christ- 
lichen Plastik  und  die  der  römischen  Steinaltertümer  vollendet. 

Neue  Erwerbungen.  Die  Gemäldesammlung  hat  ausser  einem  Archi- 
tekturbilde von  Francesco  Guardi  und  einem  männlichen  Bildnisse  in  der  Art 
des  Tintoretto  eine  wertvolle  Bereicherung  durch  die  Wandgemälde  aus  dem 
ehem.  Hause  Glesch  in  Köln  (um  1420)  zu  verzeichnen.  Sie  stellen  Szenen 
aus  der  Geschichte  vom  lieblosen  Sohn  vor  und  wurden  dem  Museum  von  dem 
jetzigen  Besitzer  des  Hauses,  Herrn  Weiler,  geschenkt.  —  Für  die  Sammlung 
von  Holzskulpturen  wurde  ein  Antwerpener  Schnitzaltar  mit  Christus  und  Magda- 
lena (um  1500)  erworben.  —  Von  Gipsabgüssen  sind  hervorzuheben:  Zwei 
Reliefs  vom  Altare  des  Meisters  Arnold  in  Calcar,  die  Nike  von  Samothrake, 
die  Aphrodite  des  Praxiteles  im  Vatikan,  der  Augustus  von  Prima -Porta,  der 
sterbende  Gallier,  Mars  Ludovisi,  der  Diskobolos  des  Myron,  eine  Karyatide 
vom  Erechtheion  und  die  Thauschwestem  vom  Parthenon.  Hierzu  kommt  als 
Geschenk  von  Herrn  Arthur  vomRath  cinAbguss  desHylas  aus  dem  Museum 
Diocletianum  in  Rom.  —  Hervorragende  Bereicherung  wurde  der  Kupferstich- 
sammlung zu  teil.  Von  Dürerschen  Stichen  wurden  in  vorzüglichen  Abdrücken 
und  Zuständen  envorben:  Adam  und  Eva,  die  Melancholie,  Melanchthon,  die 
Madonna  im  Grünen,  die  Genofeva,  das  Schweisstuch  der  Veronika,  die  Hei- 
lung des  Lahmen  und  sechs  Blätter  aus  der  kleinen  Passion. 

Von  Rembrandtschen  Radierungen :  der  grosse  Coppenol,  die  Mutter  Rem- 
brandts,  das  Selbstbildnis  mit  Federhut,  die  Darstellung  im  Tempel,  die  heil. 
Familie  im  Zinmier,  die  heil.  Familie  mit  Josef  zum  Fenster  hineinschauend, 
Christus  in  Eniaus,  die  drei  Hütten,  die  Landschaft  mit  dem  viereckigen  Turme, 
die  Landschaft  mit  der  Turmruiue.  Von  W.  Hondius:  das  grosse  Bildnis  des 
Admirals  Longk. 

Den  Zuwachs  an  römischen  Altertümern  bilden,  da  grössere  Ausgrabun- 
gen 1896  nicht  stattgefunden  haben,  meist  Grab-  und  Einzelfunde.  Hervorzu- 
heben ist  der  Aufsatz  eines  Grabmales  mit  der  Figur  einer  Sphinx  zwischen 
zwei  Löwen,  welcher  in  der  Severinstrasse  gefunden  und  dem  Museum  von 
Herrn  M.  Schaaf  geschenkt  wurde ,  der  Fund  von  zwei  Ziegelplatten  mit 
dem  Fabrikstempel  TRANS 

RHENANA 
und  einer  mit  dem  Stempel  TRARENA 

FECMILLX 

SVPNEPOS 
in  der  Vogelsangerstrasse  zu  Elirenfeld,  ein  Grabfund  von  St.  Katharinen  mit 
Sigillatagefässen  und  Gläsern  vom  Ende  des  3.  Jahrli.  u.  Chr.  und  ein  Grab- 
fund der  Bonner  Strasse  mit  etwa  gleichzeitigen  Gläsern.  Von  Einzelfunden 
sind  die  wichtigsten :  ein  Glasgefäss  in  Form  einer  Pilgerflasche  mit  vier  Durch- 
brechungen, in  welchen  Vögel  sitzen,  eine  KugelHasche  aus  weiss  und  gelb  ge- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  295 

bändertem  Chaleedonglase,  mehrere  Kugelvasen  mit  azurblauen  Henkeln  und 
Zickzackfäden;  eine  Traubenkanne  u.  A. 

Von  Thongeräten  die  Statuette  eines  Stieres.  —  Von  Bronzen  ein  etrus- 
kischer  Spiegel  mit  Menelaus  zwischen  Helena  und  Aphrodite,  ein  Geschenk 
des  Herrn  Commerzienrates  Emil  vom  Rath,  eine  Strigilis  und  eine  Apis- 
statnette. 

Durch  Herrn  H.  Kappes  erhielt  das  Museum  einen  grossen,  auf  dem 
„Brande"  gefundenen  Mörser  aus  Jurakalk.  —  Unter  dem  Zuwachse  an  ger- 
manischen Altertümern  ist  eine  goldene  Kreisfibel  mit  Goldfiligran,  Saphiren 
und  Almaudinen  aus  Kyllburg  bemerkenswert. 

Sonderausstellung.  Aus  dem  Besitzstande  des  Museums  waren  circa 
1200  Stiche  des  18.  Jahrh.  ausgewählt  und  nach  Stecherschulen  gruppiert.  Am 
besten  vertreten  war  der  farbige  Kupferstich,  der  französische  und  deutsche 
Porträtstich,  die  Aquatinta  und  die  Schabkunst. 

Vorträge.  Direktor  Aldenhoven  hielt  1896  Vorträge  tlber  „Savonarola" 
im  Gfirzenich  und  im  Altertumsverein  über  den  „Pariser  Salon";  Dr.  Kisa 
über  „Antikes  Kunsthandwerk  am  Rhein'*  im  Altertumsverein,  über  „Kunst  im 
Karneval"  im  Gtirzenich  und  über  „die  Anfänge  der  rheinischen  Glasindustrie" 
im  Knnstgewerbevereine. 

5.   Köln.     Städtisches  Kunstgewerbemuseum. 

Die  Anzahl  der  Neuerwerbungen  aus  Ankäufen,  Übei-weisungen  und  Ge- 
schenken betrug  im  Berichtsjahr  1896/97  nach  dem  Zuwachs  -  Verzeichnis  150 
Nummern  im  Gesamtwert  von  27244,20  Mark.  Davon  entfallen  auf  städtische 
Mittel  einschliesslich  der  Zuschüsse  von  der  Kgl.  Staatsregiei*ung  und  aus  dem 
Dispositionsfonds  des  Herrn  Oberbürgermeisters  16150  Mark,  auf  die  Mittel  des 
kölnischen  Kunstgewerbe  -  Vereins  6407,70  Mark  und  anf  Geschenke  und  Über- 
weisungen 4686,50  Mark. 

In  der  Abteilung  der  Möbel:  Ein  italienischer  Klapptisch  der  Frühre- 
naissance,  Cedemholz,  geschnitzt  um  1460;  eine  gothische  Bettstatt  aus  Süd- 
fmly  Zirbelholz^  geschnitzt  und  bemalt  und  eine  Truhe  mit  Untersatz  von  glei- 
cher Art  und  Herkunft  wie  das  Bett,  Ende  des  15.  Jahrhunderts;  einige  Ve- 
netianer  Kirchenmöbel,  geschnitzt  im  Stil  Louis  XV,  um  1750,  vergoldet;  eine 
Gruppe  rheinischer  Bauernmöbel  des  18.  Jahrb.,  geschnitzt  in  Eichenholz  und 
z.  T.  bemalt;  schliesslich  ein  Lütticher  Eckschrank  mit  Verglasung,  Eichenholz 
im  Rokokostil  geschnitzt,  18.  Jahrh. 

In  der  Abteilung  der  Keramik:  Vier  Fayenceöfen  aus  Zürich,  Salzburg 
and  Franken,  teils  mit  feinster  Blaumalerei,  teils  in  denFoimcn  des  18.  Jahrh. 
modelliert  und  farbig  glasiert,  eine  grosse  PorzcUanterrine  mit  Deckel  und  Schüssel, 
dier  reiche  Figurenschmuck  daran  modellirt  von  Kandier,  die  Malereien  in  der 
Art  des  Herold;  ein  Hauptwerk  ersten  Ranges  aus  der  Meissener  Manufaktur, 
um'  1735^  Porzellanfiguren  von  Berlin  und  Frankenthal;  eine  spanische  Majo- 
UkamdlllMel  von  Valencia,  mit  Goldlüstrebemalung,  um  1500  (Geschenk  eines 
Vngenaiinten) ;  eine  Majolikaschüssel  von  Faenza,  um  1490  (Geschenk  des  Herrn 


296  Berichte  über  die  Tliätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinproviiiz. 

G.Bourgeois);  Kölner  Steinzeugfunde  d.  16.  Jahrb.  In  der  Abteilung  GlaR: 
Eine  Sammlung  von  c.  20  Pokalen  und  Bechern  mit  geschliffenen  und  geschnit- 
tenen z.  T.  auch  mit  dem  Diamant  geritzten  und  punktierten  Verzierungen.  Die 
Sammlung  enthält  nur  tadellose  und  gewählte  Exemplare  und  ist  dadurch  von 
besonderem  Wert,  dass  darin  alle  Hauptsitze  der  deutschen  Glasschneidekunst 
des  18.  Jahrb.,  Schlesien,  Böhmen,  Nürnberg,  Potsdam,  Berlin  mit  charakte- 
ristischen und  z.  T.  bezeichneten  Arbeiten  vertreten  sind. 

In  der  Abteilung  Metalle:  Ein  kleiner  Flügelaltar  mit  Kreuzigung,  die 
Figuren  Silber  geschnitten,  das  Gehäuse  mit  punktierten  Figuren  kupfervergoldet, 
eine  seltene  und  bedeutende  Arbeit  der  Kölner  Goldschmiedekunst  des  15.  Jahr- 
hunderts; eine  Augsburger  Silberkanne  von  1618,  mit  biblischen  Darstellungen; 
ein  Nürnberger  Silberpokal  um  1600;  ein  grosser  Messingkronleuchter  reichster 
Foim  aus  der  ersten  Hälfte  des  16.  Jahrb.;  eine  grosse  Kölner  Zinnkanne,  reich 
graviert,  vom  Jahre  1554  (Geschenk  des  Freiherrn  Albert  von  Oppenheim);  ein 
tadellos  erhaltenes  Exemplar  der  berühmten  Zinnschüssel  mit  der  Temperantia 
und  anderen  allegorischen  Figuren,  Formschnitt  von  C.  Enderlein  nach  Fr.  Briot, 
gegossen  in  Nürnberg  1611  von  SebaldStoy;  ein  schmiedeisernes  Balkongitter 
aus  Köln,  um  1770. 

In  der  Abteilung  der  Textilien:  Westen,  Fracks,  Frauenröcke  mit  Platt- 
stichstickerei im  Stil  Louis  XVI;  Lyoneser  BrokatstofFe  der  Zeit  Louis  XIV; 
ein  alter  Sumakteppich  aus  Daghestan  (Geschenk  des  Herrn  Commerzienrats 
Emil  vom  Rath);  ein  Empireantependium  mit  Nadelmalerei  und  Metall- 
stickerei aus  Düsseldorf. 

6.   Köln.    Historisches  Museum  der  Stadt  Köln. 

Im  Berichtsjahre  sind  die  Sammlungen  teils  durch  Ankäufe,  teils  durch 
Schenkungen  erheblich  vermehrt  worden,  besonders  die  Abteilungen  städtische 
und  rheinische  Topographie,  Portraits  und  französische  Fremdherrschaft.  In 
Bezug  auf  die  städtische  Topographie  besteht  die  Absicht,  allmählich  das  ge- 
samte noch  vorhandene  Material  an  kölnischen  Stadtplänen  und  -Ansichten 
hier  zu  vereinigen,  ein  Ziel,  welches  rücksichtlieh  des  grössten  Teiles  dieser 
Gegenstände  heute  bereits  verwirklicht  ist.  Besondere  Erwähnung  verdient 
die  Erwerbung  der  Originalkopien  und  -Pausen  der  aus  dem  14.  Jahrhundert 
stammenden,  von  Vielen  dem  Meister  Wilhelm  zugeschriebenen  Fresken  im 
Hansasaal  des  Rathauses,  welche  seiner  Zeit  (1878)  vom  Maler  Martin  ange- 
fertigt worden  sind. 

Durch  Überweisung  aus  dem  Museum  Wallraf-Richartz  erhielt  das  Histo- 
rische  Museum:  a)  ein  Ölgemälde  auf  Holz,  St.  Gereon  und  die  Pfarrkirche 
St.  Christoph  im  Jahre  1644,  b)  ein  Ölgemälde  auf  Leinwand,  Festzug  bei 
Volleiidung  des  Domes  1880,  c)  eine  grössere  Anzahl  von  Plänen  und  Grund- 
rissen von  Kölner  Gebäuden,  Kirchen  u.  s.  w. 

Durch  private  Zuwendungen  erhielt  das  Museum  an  hervorragenden  Ge- 
genständen vonseiten  des  Rentners  Herrn  A  n  t  o  n  Sc  heben:  a)  ein  Spinett,  b) 
einen   hölzernen  Fahnenhalter   in  Armform,   c)  ein  Kistchen   mit  Überzug  von 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Gefichichtsvereine  der  Rheinprovinz.  297 

gepnbztem  Leder  aus  dem  16.  Jahrhundert.  Die  Erben  Berntgen  schenkten 
das  lebensgrosse  Kniestück  des  kürzlich  verstorbenen  Herrn  Berntgen  sen.,  in 
der  Uniform  der  1848er  Bürgerwehr. 

7.  Krefeld.    Städtisches  Kaiser  Wilhelm-Museum. 

Der  Krefelder  Museumsverein,  in  dessen  Vorstand  an  Stelle  des  Herrn 
Lagel^e  Justizrat  Hundt  gewählt  wurde,  zählt  etwa  1240  Mitglieder. 
Seine  Sammlungen  wurden  dem  neugegründeten  städtischen  Museum  über- 
wiesen, zu  dessen  Leitung  der  bisherige  Assistent  am  Hamburger  Kunstge- 
werbe-Museum,  Dr.  Deneken,  berufen  wurde.  Nach  der  Vereinbarung, 
die  zwischen  der  Stadt  und  dem  Museumsverein  abgeschlossen  wurde,  bleibt 
diesem  die  Mitwirkung  an  der  Verwaltung  auch  fernerhin  gewahrt. 

Die  Sammlungen  des  Vereins  haben  sich  im  Berichtsjahre  um  275  Num- 
mern vermehrt;  davon  entfallen  120  Nummern  im  Gesamtwerte  von  5290  M. 
auf  Zuwendungen  von  Seiten  verschiedener  Privatpersonen.  155  Nummern  sind 
käufliche  Erwerbungen,  für  die  insgesamt  4500  M.  bezahlt  wurden.  Der  zwölfte 
Bericht  des  Krefelder  Museumsvereins  enthält  ein  ausführliches  Verzeichnis  der 
neuen  Erwerbungen. 

Unter  den  Schenkungen  sind  ausser  verschiedenen  Münzen,  Büchern  und 
Tafelwerken  und  mehreren  Gegenständen  von  lediglich  örtlichem  Interesse  eine 
niederrheinische  Madonna  aus  dem  15.  Jh.,  ein  Zinnteller  aus  dem  16.  Jh. 
und  eine  grössere  Anzahl  römischer  Funde  zu  nennen.  Von  den  Ankäufen 
seien  die  folgenden  erwähnt: 

1.  Für  die  Gallerie:  Schulz  -  Briesen,  Der  Feinschmecker  und  acht 
Gouachen  und  Pastelle  von  G.  Casciaro. 

2.  Für  die  kunstgewerblichen  Sammlungen:  Ein  Schrank  Hamburger 
Schappes  vom  Ende  des  17  Jh.;  eine  Anzahl  Bronzeor%amente :  Thürklopfer, 
Gehänge,  Leuchter,  Plaketten,  japanische  Schwertverzierungen,  Stichblätter 
u.  dgl.;  Thon-  und  Steingutgeräte:  Fliese,  Kacheln,  Leuchter,  Schüsseln  aus 
Siebenbürgen  und  niederrheinischen  Bauembäckereien,  darunter  ein  Muttergottes- 
bild vom  Jahre  1716.  Eine  Kanzel  aus  derselben  Zeit;  altes  Meissner,  Fürsten- 
berger  und  chinesisches  Porzellan;  Delfter  Vasen  und  Geräte.  Gipsabgüsse 
nach  zwei  ßeliefs  des  Calcarer  Marienaltars. 

3.  Für  die  Bibliothek:  Bücher  und  Photographien. 

Die  Sammlung  der  römischen  Altertümer  erfuhr  durch  Funde  aus  Asberg, 
aus  Grimlinghausen  und  namentlich  aus  Gellep  wertvollen  Zuwachs,  der  teils 
den  Zuwendungen  der  Herren  F.  Camphausen  in  Krefeld  und  Wilhelm  Tappen 
in  Düsseldorf,  teils  den  von  diesem  letzteren  und  Dr.  Oxe  vorgenommenen  Ver- 
suchsnachgrabungen zu  verdanken  ist.  Nach  dem  Bericht  des  Dr.  Ox&  sind 
hierbei  für  das  Museum  gewonnen  worden: 

A.  Steindenkmäler:  Tuffstein  mit  Inschrift  (Bruchstück  eines  Reiter- 
grabmak).    Vgl.  darüber  oben  S.  127  ff. 

_  B.  Ziegel, 
a.  aus  Gellep. 

1.  der  legio  I  Minervia. 

JttrK  d.  Ytr.  T.  Alterth8ft>.  im  Rheinl.  108.  Id* 


^8  Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinproyinz. 

a)  LEGI  MI  in  rückläufiger  Schrift. 

b)  ///////lAAl  in  rückläufiger  Schrift. 

c)  LEGIMANT?  in  rückläufiger  Schrift. 

2.  der  legio  XXX  Ulpia  Victrix. 

a— g)  LEG XXX VV  nicht  alle  vollständig  erhalten. 

3.  der  Vexillatio  exercitus  Germaniae. 

a  u.  b)  VEXEXGR  im  Kreis  geschrieben. 

4.  des  Exercitus  Germania)  inferioris. 

a  u.  b)  EXGRIN  mit  hohen  scharfen  Buchstaben. 

d — g)  EX  GER  INF  mit  vertieften  Buchstaben. 

h — k)  Derselbe  Stempel  mit  kräftigeren  Buchstaben. 

1.  EX:GER:INF  im  Kreis  geschrieben  und  kaum  leserlich.   Darunter 

ein  kleines  Hufeisen  eingedrückt. 

5.  der  Officina  Marci  Valerii  Sau  .  .  . 
a— d)  OF-M-V-S 

eu.f)  M-VSANO 
g)  MVAL-SANO 

6.  mit  dem  Fragment  eines  eingeritzten  Datums. 

[    IDV    ] 
b)  aus  Grimlinghausen.    (Geschenke  des  Herrn  W.  Tappen.) 

1.  der  legio  XVL 

a— d)  LEG  XVI       - 

2.  der  legio  VI  Victrix. 
au.b)  LEGVI 

c)  legvivic-r 

d)  VICR 

3.  der  Fabrik  des  Rufius  Priscus. 
RVFIPR///f 

C.  Gefösse. 
a)  aus  Gellcp. 

1.  Teller  von  Terra  nigra,  Form  Koenen  IX  23.    Stempel  VOCARAF. 

2.  Kleine  Urne,  Typus  der  Neronischen  Zeit,  Form  und  Verzierung 
Koenen  X,  22. 

3.  Urne,  rötlich-gelb,  mit  eingezogenem  horizontalem  Bande.  Form  un- 
gefähr K,  IX,  2.     Zeit  Caesar- Augustus. 

4.  Kleiner  Thonkrug,  einhenkelig,  weiss-gelb,  Form  der  frühesten  Kaiser- 
zeit. Mit  Nr.  3  und  4  wurden  zugleich  noch  die  Nr.  5  und  6  ge- 
funden, die  —  nicht  auf  der  Dreh-Scheibe  hergestellt  —  in  Form, 
Farbe  und  Material  germanischen  Ursprung  verraten. 

5.  Grosse,  30  cm  hohe  und  breite  Urne,  teilweise  mit  Graphit  geschwärzt, 
Form  etwa  K.  VI,  8a. 

6.  Plumper  Kumpen,  innen  schwarz,  aussen  rot  gebrannt,  mit  Qnarz- 
steinchen  durchsetzt. 

7.  Gefässboden  von  terra  sigillata  (Tasse?)  mit  dem  Stempel  SAC31F 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.  299 

8.  Eine  Menge  Scherben  von  römischen  Geßlsseu,  wie  sie  in  der  mitt- 
leren römischen  Kaiserzeit;  namentlich  zur  Zeit  der  Antonine,  im  Ge- 
brauch waren.  Z.  B.  Formen  wie  K.  XV,  10.  26.  XVI,  3.  22.  24. 
25.  26.  27.  28a.  28b.  Der  Typus  der  Thonkrüge  ähnelt  mehr  den 
auf  Tafel  XI,  23—26,  als  den  auf  XV,  15—21  abgebildeten, 
b)  ans  Asberg. 

1.  Gefässboden  aus  terra  sigillata  mit  dem  Stempel  CATVSF,  gefunden 
mit  einer  Münze  des  Kaisers  Domitian. 
D.  Gegenstände  aus  Metall, 
a)  ans  Gellep. 

1.  Eine  eiserne  Pfeil-  oder  Lanzenspitze. 

2.  Eine  gut  erhaltene  Armspange  au8  Bronze. 

3.  Ein  kleiner  Bronzering. 

4.  Silbermünze  (Quadrant)  des  Kaisers  Commodus  aus  dem  Jahre  186. 
Avers:  Kopf  mit  Lorbeerkranz  und  Umschrift  M  COMM  [ANT]  P  FEL 
AVG  BRIT.  Revers:  Weibliche  Figur  (Justitia),  in*  der  Rechten  eine 
Wage,  in  der  Linken  ein  Füllhorn  und  Umschrift  PM  TR  P  XIU 
IMP  VIII  COS  V  PP. 

5.  Silbermünze  (Quadrant)  des  Kaisers  Septimius  Severus. 


Die  Berichte  des  Karlsvereins  zur  Restauration  des  Aachener  Münsters, 
des  Altenberger  Domvereins,  des  Kölner  Domvereins  sind  in  dem  Jahresbericht 
der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege  enthalten. 


Unlversltäts-Bnchdrnckerei  von  Carl  Oeorf?i  io  Bonn. 


Die  Venvaltuiijr  der  Kasse  des  Vereins  von  Altcrlnms- 
frfiunik»  hat  «la»  Haiiklian»  OoliJNclimlilt  &  Cle.  Itinui, 
Kniw-nilalvi  nberiuininifn,  nml  werden  dip  Vi-rcins-Mitfilifdcr 
beliufft  Erlvii-Iiterunj;  der  K^ieeonfUliruii);  ersuclil.  iiireii  Jalircs- 
beitrat  (IH  Mk.)  tlitinliciiKt  am  AHfanpc  de»  KalfJidcrjiUires 
an  dasselbe  cinziiseitdeii. 


Der  Bcsueli  dua  ProvfDEtal-IHoRemns  xu  Bonn  (Colinmil- 
slrasae  tfi)  int  di-n  Vvrciiii>iiiJtf;liedcni  aii  allen  Ta^cn,  aiuacr 
Montag,  von  9  \m  I  Uhr  morgen»  «nd  2  bin  4  Dhr  (im  Wiiitov) 
rtiftp.  hii  6  übr  (im  Summer)  imclimittai^  unvnlgeldlidi  ^e- 
staltal. 


Die  Yt^rHiisbfbliotlii^b  \nl  im  Pruvium1-Mai»cmii  xu  Bonn 
anfgcstelll.  iinil  werden  ItUclier  an  die  MitglicdiT  Mittwoch  thh 
3  bis  f)  Uln-  nai^lintitta^^ä  dnreli  den  Bibliothekar  «iisgef^ehi'n. 


.iMAIIII» 


BONNER  JAHRBÜCHER. 


JAHRBÜCHER 


VEREINS  VON  ALTERTUMSFREUNDEN 


RHEINLANDE. 


11T  i-j  TtnuK  DK»  «t  TKXTnairani. 


BONN. 

OBDttUCKT  KVf  KtlSTKN  DR3  VEIIGINS. 
MMN,  BBI  k.  lilH-Iii. 


BOMER  JAHRBÜCHER 


JAHRBÜOHEE 


DES 


VEREINS  VON  ALTERTUMSFREUNDEN 


IM 


EHEINLANDE. 


UEFT  103. 


■IT  12  TAFELN  DKD  68  TBXTFIODBBir. 


BONN. 

GEDRUCKT  AUF  KOSTEN  DES  VEREINS. 

BONX,  BEI  1.  HIBCIIS. 

1898. 


Inhalts-Verzeichnis. 


I.  Geschichte  und  Denkmäler. 

Seite 

1.  Römische  Bronzen  aus  Deutschland.    Von  A.  Furtwängler.    Hierzu  Tafel  I 

und  5  Textfiguren 1 

2.  Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rhei ulandeu.  Von  Dr.  Schulten. 

Mit  6  Textfiguren 12 

3.  Zur  Geschichte  des  Frankenköuigs  Chlodowech.    Von  Wilhelm  Levisou    .      42 

4.  Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  Verhältnis  zur  augusteischen  Kunst.  Vortrag, 
gehalten  in  der  Sitzung  des  Bonner  Altertums  Vereins  am  24.  Februar  ^1898. 
Von  Hans  Dragendorff.    Hierzu  Tafel  II—V  und  12  Textfiguren     ...      87 

5.  Römisches  Siegesdenkmal  in  Beuel.    Von  H.  Nissen 110 

€.    Karlingisch- fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf.    Von  Constantin  Koenen. 

Hierzu  Tafel  VI 115 

7.  Ein  gnostisches  Goldamulet  aus  Gellep.  Von  Max  Siebourg.  Hierzu 
Tafel  VII  und  3  Textfiguren 123 

8.  Fundbericht  über  die  Reste  der  „Porta-Paphia"  bei  Niederlegung  derselben 
im  Dezember  1897.  Von  Stadtbaurat  Steuer  nagel  in  Köln.  Hierzu  Tafel  VIII 
und  9  Textfiguren 154 

II.   Litteratur  und  Miscellen. 

a)  Litteratur. 

1.  Das  Amphitheater  Vindonissa.    Von  Otto  Hauser.    Besprochen  von  H.  D.      164 

2.  Arthur  Engel  et  Raymond  Serrure,  Trait^  de  numismatique  moderne 

et  contemporaine.    Besprochen  von  vanVleuten 164 

3.  W.  Brüll,  Chronik  der  Stadt  Düren.   Besprochen  von  Constantin  Koenen    166 

b)  Miscellen. 

1.  C  ob  lenz.    Römerstrasse   und  Meilenstein  mit  Inschrift  an  derselben.    Von 

A.  Günther 167 

2.  Zur  Etymologie  der  Matronae  Fachinehae.    Von  Dr.  Pohl 168 

3.  Herten  bei  Eitorf.    Reste  einer  Wasserleitung 168 

III.  Berichte. 

-Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalpflege  in 

der  Rheinprovinz 169 

Berichte  über  die  wichtigeren  der  ausgeführten  Restaurationsarbeiten  .    .    175 

Anfertigung  von  Kopien 224 

Mit  4  Tafeln  und  27  Texttiguren. 


rV  InhaltB-Verzeichnis. 

Seite 

Berichte  über  die  Thätigkeit  der Provinzialmuseen  in  der  Zeit  vom  I.April  1897 
bis  31.  März  1898 

1.  Bonn 228 

2.  Trier.    Mit  1  Textfignr 234 

Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altertums-  und  Geschichtsvereine  und  über  die 

Vermehrung    der  städtischen  und  Vereinssammlungen    innerhalb  der  Ehein- 

provinz 239 

I.  Die  grösseren  Vereine 289 

II.  Die  Vereine  mit  beschränktem  Wirkungskreis 246 

III.  Die  städtischen  Sammlungen 259 


I.   Geschichte  und  Denkmüler. 


I.   Römische  Bronzen  aus  Deutschland. 

Von 
A.  Fnrtwängrler. 


Hierzu  Tafel  1. 


Es  ist  anf  dentschem  Boden  schon  manche  fein  und  schön  gearbeitete 
römische  Bronzestatuette  gefunden  worden;  doch  pflegte  das  Beste  dieser  Art 
leider  ins  Ausland  zu  wandern.  Unter  den  unseren  Museen  erhaltenen  guten 
Bronzen  ist  eine  der  vorzüglichsten  und  interessantesten  die  auf  Taf.  I  in  drei 
Ansichten  wiedergegebene  Statuette  des  Museums  der  ülrichskirche  zu  Re- 
gensbnrg.  Der  Gefälligkeit  des  Vorstandes  des  Museums  verdanke  ich  es, 
dass  ich  die  Bronze  im  Originale  mit  aller  Müsse  studiereu  konnte  ^). 

Sie  ist  nicht  unbekannt.  Schon  1837  wurde  sie  in  den  Verhandlungen  des 
Historischeu  Vereins  des  Regenkreises,  Regensburg,  Jahrg.  4,  Heft  1  S.  143  if. 
von  Michael  Rödig  veröffentlicht  unter  Beigabe  nicht  eben  schlechter  Litho- 
graphieen,  und  1888  hat  Fr.  Wieseler  im  35.  Bande  der  Abhandlungen  der 
kgl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  ihr  unter  dem  Titel  „Archäolog. 
Beiträge,  Abth.  I,  über  einige  Antiken  in  Regensburg,  namentlich  eine  Bronze- 
statuette des  Mercurius"  eine  ausführliche  und  gelehrte  Besprechung  zu  Teil 
werden  lassen.  Die  diesen  Abhandlungen  beigegebenen  Abbildungen  sind  in- 
dcss  doch  so  ungenügend  und  einige  Angaben  über  das  Thatsächliche  nament- 
lich bei  Wiesel  er  so  unzutreflFend,  dass  eine  neue  Publikation  und  Bespre- 
chung nichts  Überflüssiges  ist. 

Die  Statuette  ward  auf  einem  „der  Koiger"  genannten  Grundstücke  bei 
Rogging  in  der  Nähe  von  Regensburg  gefunden.  Man  hatte  hier  vorher  „ein 
ganzes  Lager  der  schönsten  Mauersteine"  gefunden;  dann  kam  der  Mercur 
zwischen  „Kohle  und  Asche,  Gebeinen  von  Tieren  und  Stücken  von  Eisen  und 
Nägeln**  hervor;  sonst  fand  sich  „nichts  von  Belung"  und  die  Ausgrabung  ward 
eingestellt.  Wohl  mit  Recht  nimmt  der  erste  Herausgeber  an,  dass  an  der  Stelle, 
wo  zwei  römische  Strassen  sich  gekreuzt  zu  haben  scheinen,  eine  Niederlassung 


1)  Das  Mainzer  Centralrauseum  hat  dieselbe  formen    lassen    xmd  sind  Abgüsse 
Von  dort  su  beziehen,  ebenso  wie  von  der  unten  S.  (>  bcKprocheuen  Statuette. 
Jalurb.  d.  Ver.  y.  Alterthsf^.  im  Rhelnl.  103.  1 


2  A.  Furtwängler: 

bestand,  ans  dereu  kleinem  Heiligtum  die  Statuette  stammte;  die  Tierknochen, 
Kohlen  und  Asche  an  der  Fundstelle  erklärte  er  für  Reste  der  Opfer. 

Die  Figur  ist  14  cm  hoch  und  natürlich  voll  gegossen;  sie  ist  nach  dem 
Gusse  in  allen  Teilen  auf  das  sorgfältigste  ciseliert  und  ganz  vortrefflich  er- 
halten. Die  Oxydation  hat  nirgends  die  Oberfläche  angegriffen;  der  goldene 
Ton  des  Metalls  schimmert  mehrfach  unter  der  dunkeln  Patina  hindurch;  nur 
an  tiefliegenden  und  rauhen  Stellen  ist  grünliche  Oxydation  sichtbar.  Von  den 
langen  Flügeln  des  Petasos  ist  das  Ende  des  einen  verbogen,  das  des  anderen 
abgebrochen.  Nach  einwärts  verbogen  ist  auch  der  linke  Zeigefinger  nebst 
dem  Ende  des  Stabes  auf  der  Linken,  über  welchen  gleich  noch  näher  zu 
sprechen  ist.     Die  Spitze  der  Nase  ist  etwas  beschädigt. 

Das  Band,  an  welchem  der  Köcher  hängt,  ist  mit  der  Figur  in  Bronze 
gegossen,  allein  darauf  ist  ein  starker  Streif  Silber  gelegt,  der  sich  nun  sehr 
hübsch  abhebt  vom  dunkeln  Köi'per.  Die  Augäpfel  sind  indess  nicht  eingesetzt  und 
nur  die  Pupillen  durch  Gravierung  hervorgehoben.  Dagegen  waren  die  Brust- 
warzen, wie  so  häufig,  aus  rotem  Kupfer  eingelassen ;  erhalten  ist  nur  die  geschützt 
liegende  linke,  während  an  der  rechten  der  Kupfereinsatz  herausgefallen  ist. 

Sehr  sorgfältig  ciseliert  sind  die  kurzen  Locken  des  Haares.  Die  kleine 
mit  der  Spitze  nach  oben  gerichtete  dreieckige  Pubes  ist  nur  durch  gravierte 
Punkte  bezeichnet.  In  gleicher  Weise,  durch  eng  gestellte  gravierte  Punkte, 
ist  der  Stoff  des  Hutes  charakterisiert;  und  das  gleiche  Verfahren  hat  der 
Künstler  endlich  auch  am  Gewände  angewendet,  dessen  schweren  Wollestoff 
er  durch  weiter  gestellte  gravierte  Punkte  belebt  hat,  um  das  Gewand  vom 
Nackten  noch  stärker  abzuheben.  Es  ist  dies  ein  Verfahren,  das  wir  schon 
an  altgriechischen  Bronzen  zuweilen  bemerken,  vgl.  Samml.  Somz6e  Nr.  83  und 
die  im  Texte  dazu  S.  52  abgebildete  Pariser  Bronze,  ferner  die  gewiss  nicht 
einen  Diadochen,  eher  Pan  darstellende  griechische  Bronze  Arndt,  Porträts 
Nr.  355/356.  Sauber  eingraviert  ist  endlich  auch  das  Gefieder  an  den  Flü- 
geln des  Petasos  wie  an  den  kleinen  Fussflügeln. 

Die  Figur  hat  zunächst  ein  künstlerisches  Interesse.  Wie  die  meisten 
der  guten  römischen  Mercur-Bronzcn  benutzt  auch  sie  in  freier  Weise  einen 
statuarischen  Jünglingstypus  der  klassischen  Zeit  des  fünften  Jahrhunderts  (vgl. 
Meisterwerke  S.  426  flF.  und  in  diesen  Jahrbüchern  Heft  90,  S.  58  ff.,  sowie 
über  Statuenkopicen  I,  Abh.  d.  Münchner  Akad.  1896  S.  56).  Den  hier  zu 
Grunde  liegenden  Typus  der  Stellung  und  Haltung  (rechtes  Standbein,  Kopf 
nach  der  Spielbeinseite  gewendet,  rechter  Arm  gesenkt,  linker  vorgestreckt) 
kennen  wir  in  verschiedenen  Brechungen.  Er  ward  im  polykletischen  Kreise 
mehrfach  benutzt;  allein  hier  pflegt  der  Kopf  mehr  gesenkt  und  der  linke  Fuss 
im  Schritte  zurückgezogen  zu  sein  (Dresdener  Knabe  und  seine  Verwandten, 
s.  Meisterwerke  S.  475  ff.) ;  auch  ist  der  Typus  in  diesem  Kreise  offenbar  nicht 
erfunden,  sondern  aus  der  attischen  Kunst  übernommen.  Hier  finden  wir  ihn 
zunächst  mit  dem  nach  älterer  Weise  mit  voller  Sohle  zur  Seite  gestellten 
linken  Fusse  und  energischem  Blick  in  die  Ferne;  so  an  einer  Meisterwerke 
S.  517  besprochenen  jugendlichen  Helden- oder  Herniesstatue.     Der  Typus  lässt 


Römische  Bronzen  aus  Deutschland.  3 

sich  im  attischen  Kreise  bis  ins  vierte  Jahrhundert  verfolgen,  wo  der  Herakles 
Lansdowne  (ebda  S.  515  f.)  das  grossartigste  Beispiel  ist.  Mit  im  Sehritte  zu- 
rückgesetztem linkem  Fusse,  aber  in  besonders  lebens-  und  energicvoller  Ge- 
stalt erscheint  er  am  Diomed,  der  vermutlich  auf  Kresilas  zurückgeht,  einem 
Werke,  das  dann  einer  vortreflSichen  römischen,  bei  Zürich  gefundenen  Mercur- 
statuette  zur  Grundlage  gedient  hat  (Meisterwerke  S.  324),  die  eines  der  glän- 
zendsten Beispiele  der  Benutzung  eines  klassischen  Meisterwerkes  bei  einer 
römischen  Mercur-Bronze  ist.  Dem  Diomcd  verwandt  ist  eine  Aresstatue  atti- 
scher Erfindung  (Meisterwerke  S.  126).  Zahlreiche  andere  Werke,  freilich  viel- 
fach nur  Torse  (vgl.  besonders  was  Meisterw.  S.  518  genannt  ist;  dazu  eine 
schöne  Hercules-Bronze  des  Louvre),  zeugen  von  der  Verbreitung  des  Typus 
im  attischen  Kreise  in  der  zweiten  Hälfte  des  5.  und  der  ersten  des  4.  Jahrh. 

Unser  Mercur  schliesst  sich  durchaus  den  attischen  Vorbildern  an.  Der 
linke  Fuss  ist  nicht  im  Schritte  zurückgezogen,  sondern  nur  entlastet  zur  Seite 
gesetzt  mit  kaum  etwas  gehobener  Fei-se.  Die  Körperformen  haben  die  allge* 
meinen  Kennzeichen  der  Periode  gegen  Ende  des  5.  und  Anfang  des  4.  Jahrb.; 
allein  von  den  polykletischen  unterscheiden  sie  sich  durch  geringere  Flächig- 
keit und  mehr  weiche  saftige  Fülle,  wie  sie  an  attischen  Werken  begegnen. 
Auch  die  Pubes  in  ihrer  dreieckigen  Gestalt  ist  durchaus  unpblykletisch.  So- 
wohl fSr  Körperformen  wie  für  Pubes  sind  als  verwandte,  auf  attische  Originale 
zurückgehende  Werke  zu  nennen  der  Torso  Sammlung  Somz6e  Nr.  20  und  der 
dazu  im  Text  abgebildete  Pariser  Torso. 

Die  Sorgfalt  und  die  stilistische  Einheitlichkeit  unserer  Bronze  stellen  sie 
zu  jener  kleinen  Serie  ausgezeichneter  Mercur-Statuetten,  welche,  wie  jene 
Züricher  oder  die  Meisterwerke  S.  427.  428  besprochenen  Bronzen,  sich  ziem- 
hch  treu  an  das  klassische  Vorbild  halten.  Wie  dort  ist  dies  auch  hier  nicht 
am  Körper  allein,  sondern  auch  am  Kopfe  deutlich;  erkennt  man  an  jenen  Bei- 
spielen in  Haar  und  Gesichtsschnitt  deutlich  das  Vorbild  polykletischer  Werke 
oder  jenes  Diomed,  so  zeigt  unser  Mercurkopf  in  den  krausen  kleinen  Locken 
und  dem  rundlichen  Gesichte  im  allgemeinen  deutlich  das  Vorbild  attischer 
Typen  derselben  Epoche,  der  wir  die  Herkunft  der  Körperstilisierung  zuschrie- 
ben. Der  römische  Künstler  hat  es  übrigens  sehr  gut  verstanden  einen  ge- 
wissen Ausdruck  liebenswürdig  lächelnder  Schlauheit  hinzuzufügen,  durch  den 
er  den  Mercur  passend  zu  charakterisieren  suchte. 

Nach  der  stilistischen  Würdigung  betrachten  wir  die  Attribute  unserer 
Statuette.  Auf  dem  Kopfe  trägt  sie  den  an  den  römischen  Mercur-Bronzen  ge- 
wöhnlichen kreisrunden  flachen,  mit  grossen  Flügeln  ausgestatteten  Hut,  der 
hier,  wie  häufig,  in  einer  sehr  elegant  wirkenden  Weise  an  vier  Stellen  aufge- 
stülpt ist.  Ganz  denselben  Hut,  auch  mit  den  den  Filz  charakterisierenden 
gravierten  Punkten  trägt  z.  B.  die  schöne  Mercur-Bronze  in  Paris,  B  a  b  e  1  o  n- 
Blanchet,  catal.  des  bronzes  ant.  nr.  335;  vgl.  auch  v.  Sacken,  d.  Bronzen 
in  Wien  Taf.  11,  3. 

Die  Linke  trägt  ein  Attribut,  das  Wieseler  zu  den  längsten  Ausführungen 
Teranlaflst  bat;  er  erkannte  in  ihm  ein  „kurzes  Scepter^,  um  welches  hier  die 


4  A.  Furtwängler: 

Schlange  der  Heilgottheiten  gewunden  sei;  Mercur  sei  also  hier  als  Heilgott 
gefasst.  Irgend  ein  wirkliches  Beispiel  eines  Mercur  mit  Schlangenstab  weiss 
er  indess  nicht  anzuführen. 

Eine  genaue  Betrachtung  des  Originales  löst  diese  Schwierigkeit  leicht. 
Man  sieht  einen  nach  oben  etwas  dicker  werdenden  glatten  i-unden  Stab,  der 
oben  glatt  abschliesst.  Um  ihn  ist  nicht  eine,  sondern  sind  zwei  kleine  Schlan- 
gen gewunden,  deren  Leib  da  abgebrochen  ist,  wo  er  sich  zu  beiden  Seiten 
des  Stabes  von  demselben  entfernte.  Es  war  also  ein  Kerykeion  ganz  normaler 
römischer  Gestalt,  genau  übereinstimmend  in  der  Form  (bis  auf  die  hier  fehlen- 
den Flügel)  wie  in  der  Art,  wie  es  getragen  wird,  mit  dem  jener  Pariser  Bronze 
Babelon-Blanchet  Nr.  335,  die  wir  schon  wegen  des  völlig  gleichen  Hutes 
verglichen  haben. 

Die  Sandalen  mit  den  P'lügeln  sind  sehr  geschmackvoll  ausgeführt,  bieten 
aber  keinerlei  Besonderheit.  Bis  hierher  sind  die  Attribute  —  zu  denen  auch 
die  Chlamys  auf  der  linken  Schulter  zu  rechnen  ist  —  die  bei  Mercur  ganz 
gewöhnlichen.  Anders  ist  es  mit  dem  an  silbernem  Bande  über  dem  Rücken 
getragenen  kleinen  eleganten  Köcher  mit  dem  üblichen  spitzen  Deckel.  Er 
kann  nur  eine  Vermischung  des  Hermes  mit  Apollo  bedeuten.  Schon  Wie- 
se 1  e  r  hat  als  Analogie  auf  eine  kleine  Bronze  der  früheren  Sammlung  Milani 
(Nr,  440  im  Auctionskatalog,  Frankfurt  1883)  hingewiesen,  wo  Mercur  der  Be- 
schreibung des  Kataloges  nach  „einen  Pfeilköcher  über  der  Achsel,  in  der  R. 
das  Fragment  einer  Börse"  trägt;  feiner  auf  zwei  von  Caylus,  rec.  H,  78  publi- 
zierte Bronzen,  wo  der  jugendliche  Gott  nur  den  Beutel  von  Mercur,  dazu  ein- 
mal den  Köcher  allein,  das  andre  Mal  aber  Köcher,  Helm  und  Ägis  trägt,  also 
einen  starken  Synkretismus  oifenbart. 

Hermes  und  Apollon  stehen  sich  im  Mythus  wie  im  Kultus  so  überaus 
nahe,  dass  eine  Verschmelzung  beider  nicht  unverständlich  ist.  Wurden  doch 
beide  z.  B.  in  Olympia  an  einem  gemeinsamen  Altare,  beide  als  musische  Götter 
verehrt  (Paus.  5, 14,  8).  Denn  es  ist  vor  allem  das  musische  Element,  welches 
das  einigende  Band  der  beiden  Gottheiten  ausmacht.  Auf  welchem  Wege  unser 
römischer  Künstler  aber  dazu  gekommen  sein  mag,  den  Mercur  mit  Apoll  zu 
verschmelzen,  wird  uns  später  vielleicht  noch  etwas  deutlicher  werden. 

Wir  haben  das  letzte  und  merkwürdigste  Attribut  der  Bronze  zu  be- 
trachten: die  gesenkte  Rechte  umfasst  einen  kurzen  cylindrischen  Gegenstand, 
der  vorn  nicht  abgebrochen,  sondern  vollständig  ist  Man  wird  zunächst  die 
Möglichkeit  erwägen,  dass  hier  das  normale  Attribut  der  rechten  Hand  Mer- 
curs,  der  Beutel,  nur  in  fragmentierter  Gestalt  vorliege  (vgl.  zur  Haltung  Ba- 
belon-Blanchet Nr.  326.  328;  v.  Sacken  Tf.  19,  8);  man  müsste  dann  anneh- 
men, dass  der  herabhängende  Teil  des  Beutels  abgebrochen  und  die  Bruchfläche 
schon  im  Altertum  sauber  geglättet  worden  sei.  Allein  abgesehen  von  der 
Bedenklichkeit  einer  solchen  Annahme  spricht  dagegen  auch  der  Umstand,  dass 
der  Zeigefingerrand  ein  klein  wenig  über  die  Absclilussfläche  jenes  Gegenstan- 
des in  unverletzter  Rundung  herausragt,  sowie  ferner,  dass  die  Form  des  Ge- 
genstandes dem  Ende  eines  Beutels  nicht  entspricht,  indem  sie  jeder  Biegung 


Sömiache  Bronzen  aus  Deutschland.  S 

nod  aacli  der  Öffnung  am  oberen  Ende  entbehrt.  Es  bleibt  sonacb  nur  übrig 
eine  Rolle  zu  erkennen,  deren  Rand  freilich  nicht  sichtbar  gemacht  ist.  Eine 
ähnlich  gebildete  nnd  gehalteoe  Rolle  kommt  indcas  auch  sonst  an  rOmiechen 
Bronzen  vor;  so  z.  B.  an  dem  Pariser  Asklepios^  Babelon-BlaDchet  Nr.  598 
(vgl.  Über  Statuenkopieen  I,  S.  58). 

Die  Rolle  als  Attribut  des  Hermes  ist  bis  jetzt  sonst  nirgends  sicher  nach- 
gewiesen. Auch  Wieseler  a.  a.  0.  S.  31  hat  kein  sicheres  .Beispiel  beizu- 
briugen  gewusst;  nur  in  modernen  Ergänzungen  und  in  mehr  als  zweifelhaften 
Fällen  kaon  er  die  Rolle  bei  Hermes  anfuhren;  so  ist  bei  der  Bronze  v.  Sacken 
Taf.  11,  1  offenbar  nur  der  Rest  des  üblichen  Beutels  zu  erkennen.  Nur  die 
HQDze,  die  Wieseler  zoletzt  sehr  zweifelnd  anfuhrt,  zeigt,  wie  ich  glaube, 
wirklich  die  Rolle.  Wieseler  zitiert  die  Publikation  des  Museum  Sanclemen- 
tianum,  nom.  sei.,  p.  II  Rom  1809,  tab.  35,  395,  wo  eine  unter  Oallienns  ge- 
prägte Münze  von  Tyrus  gegeben  ist.  Wieseler  vermutet,  dass  das  dort  ge- 
zeichnete Attribut  der  rechten  Hand  des  Hermes  immer- 
hin eine  Rolle  bedeuten  könne.  Durch  die  nie  vcraagende 
Gcftllligkcit  von  Imhoof-Blumer  bin  ich  im  Stande, 
einen  Abdruck  der  Mttnze  in  pbotographischcr  Repro- 
duktion hier  zu  veröffentlichen;  derselbe  macht  mich 
zugleich  aufmerksam,  dass  der  Typus  jener  Münze  von 
Tyrus  auch  onter  Pbilippus  nud  Salonina  vorkommt  (Ba- 
belon,  eatal.  des  monn.  gr.,  les  Perses  Acbäm^nides  nr.  2273 
pl.  37,  17;  nr.  2358).     Nach  dem  mir  vorliegenden  Ab-  ^' 

guBse  der  Münze  zweifle  ich  nicht,  dass  Wieseler's  Vermutung  richtig  war 
nnd  wirklich  eine  Schriftrolle  in  der  Hand  des  Hermes  dargestellt  ist. 

Dieser  MDnztypus  ist  aber  zugleich,  was  Wieseler  nicht  bemerkt  hat, 
entscheidend  für  den  Sinn  der  Schriftrolle.  Hermes  ist  hier  nicht  nur  ^  unge- 
wöhnlicher Weise  mit  einem  kurzen  Mantel  um  den  MittelkOrper  bekleidet, 
sondern  neben  ihm  steht  ein  Ibis:  kein  Zweifel,  Hermes  ist  hier  identifiziert 
mit  Thoth,  dem  ägyptischen  Gotte,  dessen  heiliger  Vogel  der  Ibis  ist.  Dass 
die  Griechen  in  Thoth  ihren  Hermes  wiedererkauntea  tind  beide  Gottheiten 
identifizierten,  ist  bekannt.  Schon  Herodot  2,  138  erwähnt  den  Bermes  der 
Ägypter  und  Diodor  1,  16,  2  schildert  den  ägyptischen  Hermes  ausfuhrlieh 
mit  den  Eigenschaften  des  Thoth. 

Dass  jener  MUnztypus  von  Tyrus  wirklich  grie- 
chisch-ägyptischer Herkunft  ist,  beweist  eine  Kupfer- 
münze von  Alexandrieii,  unter  Antoniuus  Plus,  von 
der  mir  ebenfalls  darch  die  Gute  Imhoof-Blumer's 
ein  AbgusB  vorliegt,  der  hier  wiedergegeben  wird. 
Hier  erscheint  genau  derselbe  Hermestypus  mit  dem- 
Hclbeo  Gewände,  das  Kerykeion  im  linken  Arm;  unten 
neben  ihm  der  Ibis;  die  Rechte  hält  hier  aber  den 
^wohnlichen  Beutel,  nicht  die  Rolle.  DafUr  ist  ein 
interessanter  Zierrat  anf  dem  Kopfe  hier  deutlich ;  es 


Fiff.  2. 


6  A.  Furtwängler: 

ist  eine  emporetehende  Feder.     Dieselbe   kommt  anch   bei   dem  Henneskofife 
vor,  den  eine  andere  nnter  Aotoninns  Pins  gc^bla- 

#geDe  Kopfennflnzc  Alexandricna  lei^,  die  heittlc- 
bend  nach  Imhoof-iilnnier'ii  Abgnss  gegcl>eu  ist. 
Auf  anderen  MUnzen  als  diesen  von  Alexaudrin 
kommt  nacb  Imboof's  gati{;cr  Mitteiinng  dieser 
Kopfschmuck  nicht  vor. 
Eine  zweite  Ilrunzestaluclte  des  Museums  zd 
R  c  g  e  n  B  li  n  r  g,  die  wir  beistehend,  Fig.  4,  gel>eii 
(sie  ist  12  em  bocb),  kann  dcb  mit  der  ersten  kUnst- 
^*8r-  3-  leriscb  gar  oicht  entfernt  messen;  sie  gehört  zu  iler 

gcwöhnliehen  Dutzendwaare  der  Hronzestatuetteu  <ler  Kaiserzeit.    Ancli  ilir  Tyjius 
und  die  Attribute  sind  ganz  gewölinUch  —  »nd  denuoeb  ist  eine  Hauptsaelie 

an  diesem  Typus  kaum  be- 


achtet und  noch  gar  nicht 
irgend  befriedigend  erklärt 
worden.  Ich  meine  die  Fe- 
der, die  über  dem  Kopfe 
emporstcbt. 

Betrachten  wir  die  Fi- 
gur näher;  sie  stand  auf  dem 
rechten  Fnssc,  der  verloren 
ist;  der  linke  ist  enttastet; 
auf  der  rechten  Schulter  ist 
die  Chlaniys  geknüpft,  die 
nach  dem  linken  Arme  her- 
(ti)ergczogeu  und  um  densel- 
ben gcwiekelt  ist;  das  herab- 
hängende Ende  und  die  linke 
Hand  fehlen.  Im  .\rmc  ruht 
das  Kerykcion.  Die  vorge- 
streckte Keehte  hält  den  ge- 
füllten Beutel.  Der  Kopf  ist 
nneh  der  Seite  des  Stand- 
beines gewendet ;  er  zeigt  kur- 
zes emporstrebendes  Haar; 
die  Augen  sind  niebt  cingc- 
'  '"'  "  setzt,    die  Pupillen  sind  ein- 

graviert. Der  schlanke  K<jrperli.iu,  die  Anordnung  der  Chlamys,  die  Bildung 
des  Kopfes  mit  dem  etwas  erregten  Ausdruck  un<i  dt'u  znsanniieugezogeneu 
Brnncn  lehren,  das»  hier  die  Formgebung  der  hellcni^^tischen  Epoche  zu  Oruude 
liegt.  Im  Haare  liegt  ein  Kranz  von  langen  spitzen  Blättern,  ohne  Zweifel 
von  Lorber.  Ferner  erkennt  man  die  beiden  am  Kopfe  ansetzenden  Flügel 
und  in  der  Mitte  zwisehen  diesen  und  den  Blättern  des  Kranzes  einen  gerade 


Römische  Bronzen  aus  Deutschland.  7 

emporstebenden  Gegenstand  mit  einer  tiefer  liegenden  Mittelrippe,  der  nur  eine 
Feder  sein  kann.  Diese  Erklärung  wird  durch  andere  Exemplare  bestätigt, 
wo  die  Feder  nocb  deutlicher  ist.  Zumeist  ist  das  Attribut  der  Feder  auch 
mit  dem  Lorberkranze  verbanden.  Es  stimmt  femer  auch  die  Anordnung  der 
Cblamys  sehr  häufig  überein  und  die  Bildung  des  Kopfes  und  der  Körperfor- 
men  ist  immer  in  der  Art  der  Regensburger  Bronze,  also  auf  der  Basis  helle- 
nistischen Stiles.  Die  Fundorte  der  Bronzen  dieses  Typus,  die  bekannt  sind, 
gehören  den  verschiedensten  Gegenden  an:  Athen,  Italien,  namentlich  Pompeji, 
Gallien  und  Germanien.  Man  vergleiche  Babclon  et  Blanche t,  catal.  des 
bronzes  ant.  nr.  356. 357.  358. 359.  360.  Sal.  Reinach,  ant.  uation.^  bronzes 
figur^  de  la  Gaule  rom.  nr.  48.  49.  Schumacher,  Samml.  ant.  Bronzen 
in  Karlsruhe  Nr.  934  (aus  Athen).  Antich.  d'Ercol.  VI,  bron/i  II,  p.  125,  t^v. 
33,  1.  3;  p.  129,  tav.  34,  1.  Montfaucon,  antiqu.  cxpl.  I,  pl.  68,  5;  69,  3. 
V.  Sacken,  Bronzen  in  Wien  Taf.  XI,  1.  Arch.  Anzeiger  1889,  S.  105f.,  in 
Dresden  (Kranz,  Flügel  und  Feder  wie  an  der  Regensburger  Figur  nach  freund- 
licher Mitteilung  P.  Herrmann 's).  Rom.  Mitteil.  IV,  1889,  Taf.  11,  S.312, 
aus  Ruvo,  sehr  oxydiert,  wodurch  die  Feder  etwas  undeutlich  geworden  ist- 
Endlich  befindet  sich  ein  dem  Regensburgcr  völlig  gleichendes  Stück  in  Zürich 
(Ulrich  und  Heizmann,  Catal.  d.  Samml.  d.  antiqu.  Ges.,  2.  Teil,  Taf.  1, 
Nr.  2857,  S.  16)  und  ein  sehr  ähnliches,  nur  geringeres  und  kleineres  Exemplar, 
an  dem  wie  öfter  der  Kranz  nur  durch  einen  runden  Reif  angedeutet  ist,  im 
Antiquarium  zu  München  (Nr.  93). 

Diese  Bildung  des  Hermes  mit  der  emporstehenden  Feder  ist  bisher  mei- 
nes Wissens  kaum  beachtet  und  jedenfalls  nicht  erklärt  worden.  Babelon 
nennt  diesen  Typus  „Herm-ApoUon^S  indem  der  Lorberkranz  von  Apollon,  die 
Feder  von  den  Musen  entlehnt  sei.  Allein  wie  man  dazu  hätte  kommen  sollen, 
Mercur  mit  einem  Attribute  der  Musen  auszustatten,  weiss  er  nicht  anzugeben. 
Ich  hatte  längst  die  Vermutung,  dass  jene  Feder  alexandrinischer  Herkunft 
sei  und  auf  der  Identifikation  mit  Thoth  beruhen  müsse.  Da  gaben  mir  die 
Münzen  die  Gewissheit,  deren  Kenntnis  ich  der  Gefälligkeit  Imhoof-Blumer's 
verdanke.  Sie  beweisen,  dass  der  Hermes  mit  dem  Ibis,  also  der  Hemies-Thoth 
in  Alexandrien  mit  der  Feder  auf  dem  Kopfe  dargestellt  ward. 

Den  regelmässigen  ägyptischen  Typen  des  Thoth  ^)  gehört  allerdings  die 
einzelne  auf  dem  Kopfe  emporstehende  Feder  nicht  an,  obwol  Thoth  auch  mit 
Federn  auf  dem  Kopfe  erscheint  (Lanzone,  dizion.  di  mitol.  egiz.  tav.  402,  3. 
403.  404,3);  allein  er  trägt  die  Feder  öfter,  wie  die  Schreibtafel  in  der  Hand, 
und,  vor  Allem,  in  der  Gestalt  als  Ibis  auf  dem  Gestell  ist  regelmässig  eine 
einzelne  Feder  vor  ihm  aufgepflanzt  (z.  B.  ebenda  Taf.  405,  3).  Ferner  ist 
die  einzelne  emporstehende  Feder  das  regelmässige  Attribut  auf  dem  Kopfe 
der  Ma,  der  Göttin  der  Wahrheit,  die  schon  im  Totenbuche  (Cap.  141,  111) 
Gattin  des  Thoth  genannt  wird.     Sonst  heisst  sie  auch  seine  Schwester,  wäh- 


1)  Die  Kenntnis  dieser  ward  mir  durch  die  gütige  Unterstützung  von  Georg 
Eb«rs  wesentlich  erleichtert. 


8  A.  Furtwängler: 

rend  Thoth  fortwähreDd  „der  auf  der  Ma  (Wahrheit)  Ruhende^  genannt  und 
ganz  gewöhnlieh  mit  Ma  zusaromen  dargestellt  wird.  Der  Ma  aber  ist  die  ein* 
zelne  Feder  so  sehr  charakteristisch,  dass  sie  manchmal  nur  durch  sie  darge- 
stellt wird,  wie  Thoth  durch  den  Ibis  mit  der  Feder  davor, 

Thoth  ist  bekanntlich  der  Gott  aller  Klugheit,  der  Herr  und  Erfinder  aller 
Wissenschaft  und  aller  Kunst,  auch  der  Musik,  und  insbesondere  der  Herr  und 
Erfinder  alles  Schriftenwesens.  Als  Gott  der  Klugheit  identifizierten  die  Grie- 
chen ihn  mit  ihrem  Hermes.  So  entstand  jener  ägyptisch-griechische  Hermes, 
der  Erfinder  aller  Rede,  Schrift  und  Musik,  6  täv  Xötujv  fiT€mI)v,  6  YPcijijiictTi- 
KTiq  Kol  ^oucTiKTi^  eup^TT]^  (Plut,,  dc  Is.  ct  Osir.  3),  der  Schöpfer  der  Worte,  der 
Schrift,  der  Götteropfer,  der  Sternkunde,  der  Palästra,  der  Körperpflege,  der 
Lyra  und  des  Ölbaums  (Diodor  1,  16,  2).  Er  galt  daher  im  alten  Götterstaat 
als  der  kpoTpa^^oxeii^,  der  heilige  Schreiber  (Diodor  a.  a.  0.).  Der  kpOTpa^- 
jnaxeii^  der  Wirklichkeit  aber  hatte  bei  den  Ägyptern,  wie  wir  aus  Clemens, 
ström.  VI,  4,  erfahren  und  ein  römisches  Relief  mit  ägyptischer  Priesterprozes- 
sion, Visconti  mus.  Chiaram.  tav.  2  bestätigt,  iiTepä  dm  xfi^  KCcpaXfi^,  aufrecht 
stehende  Federn  auf  dem  Kopfe. 

Weniger  aus  den  ägyptischen  Kultbildern  als  aus  der  volkstümlichen  Vor- 
stellung des  Hermes-Thoth  als  heiligen  Schreibers,  als  kpoTpammaTeu^  scheint 
also  die  Feder  auf  dem  Kopfe  seines  alexandrinischen  Typus  entstanden  zu 
sein,  obwohl  jene  auf  den  ägyptischen  Bildern  vorkommende  Verbindung  der 
einzelnen  emporstehenden  Feder  mit  Thoth  und  vor  allem  die  mit  seiner  Ge- 
nossin Ma  entschieden  mitgewirkt  hat.  Die  Feder  bezeichnet  den  Hermes  als 
den  Erfinder  von  Wort  und  Schrift  und  als  den  Herrn  der  Klugheit. 

Dass  der  Lorberkranz  hinzugefügt  zu  werden  pflegte,  darf  uns  nicht  wun- 
dem; denn  jener  Hermes-Thoth  ist  ja  auch  ein  musischer  Gott,  ist  Erfinder 
aller  Musik,  und  auf  diese  Seite  seines  Wesens  wies  die  alcxandrinische  Kunst 
durch  den  apollinischen  Lorberkranz  hin. 

Es  liegt  nahe  zu  vermuthen,  dass  das  Attribut  der  auf  dem  Kopfe  empor- 
stehenden Feder  auch  an  der  zweiten  Stelle,  an  der  es  im  griechisch-römischen 
Kunstbereiche  erscheint,  die  gleiche  Bedeutung  und  Herkunft  habe  wie  an  der 
ei'stcn.  Jenes  zweite  Vorkommen  ist  das  bei  den  Musen.  Wie  vom  Hermes 
mit  der  Feder  besitzen  wir  auch  von  den  Musen  mit  diesem  Attribut  nur  Denk- 
mäler römischer  Zeit,  die  frühestens  auf  hellenistische  Vorbilder  zurückgehen. 
Die  Sage  vom  Kampfe  der  Musen  und  Sirenen,  nach  welchem  jene  sich  mit 
letzterer  Pudern  schmückten,  erseheint  literarisch  erst  bei  Pausanias  (9,  34,  3) 
und  in  der  Kunst  nur  in  Denkmälern  der  Kaiserzeit.  Es  kann  diese  Sage  sehr 
wohl  nur  zur  Erklärung  des  Kunsttypus  der  Musen  mit  den  Federn  auf  dem 
Kopfe  entstanden  sein.  Der  Ty])us  selbst  aber  wird  in  Alcxandrien  gebildet 
sein.  xVuch  hier  bedeutete  die  Feder  auf  dem  Kopfe  nichts  anderes  als  bei 
Hermes:  sie  bezeichnet  die  Musen  als  die  Herrinnen  alles  Geisteslebens,  der 
Wissenschaft  und  der  Kunst. 

Die  Genossinnen  des  ägyptischen  Hermes-Thoth  in  seiner  heiligen  Stadt 
Hermupolis  nannten  die  Griechen,  wie  aus  Plut.,  de  Is.  et  Osir.  3  hervorgeht, 


Römische  Bronzen  aus  Deutschland.  9 

„Musen";  unter  diesen  nahm  die  Ma,  mit  der  Feder  auf  dem  Kopfe,  die 
Göttin  der  Wahrheit  und  Gerechtigkeit,  ohne  Zweifel  eine  besonders  hervor- 
ragende Rolle  ein:  von  ihr  wird  das  Federattribut  dann  allen  Musen  der  ale- 
xandrinischen  Religion  zugekommen  sein. 

Wenn  wir  jetzt  zu  der  ersten  Regensburger  Bronze  zurückkehren,  so 
werden  uns  nun  erst  seine  zwei  merkwürdigen  Attribute  verständlich.  Er  trägt 
zwar  die  Feder  nicht,  allein  auch  er  ist  von.deji  alQx^indrinisidien  Identifikatipn 
mit  Thoth  beeinflusst.  Statt  des  apollinischen  Lorberkranzes  ist  ihm  der  apol- 
linische Köcher  gegeben,  ihn  als  Herrn  apollinisch-musischen  Wesens  zu  be- 
zeichnen, und  die  Rolle  in  der  Rechten  ist  ganz  aus  jener  Vorstellung  des  Her- 
mes Thoth  als  des  heiligen  Schreibers,  des  Erfinders  und  Herrn  alles  Schrift- 
wesens geflossen.  Sie  ist  frei  aus  dieser  Idee  geschaflTen,  nicht  etsva  ägyptischen 
Kunst  Vorbildern  nachgeahmt;  aber  gerade  darin  zeigt  sich  acht  alexandrinisch- 
griechische  Weise.  Dass  die  Rolle  alexandrinisch  und  nur  aus  der  Identifika- 
tion des  Hermes  mit  Thoth  herzuleiten  ist,  beweist  jener  Münztypus  mit  dem 
vom  Ibis  begleiteten  Hermes  mit  der  Rolle. 

Dies  Resultat  erklärt  das  Attribut  auch  bei  dem  zweiten  Gotte,  bei  dem 
es  in  der  griechisch-römischen  Kunst  vorkommt,  bei  Asklepios  ^).  Denn  auch 
mit  Asklepios  ward  Thoth,  als  der  Erfinder  auch  der  Heilkunst,  identifiziert. 
Aus  dem  reinen  griechischen  Begriff  des  Askjepios,  seinem  Kult-  und  Heilge- 
brauch, dem  Tempelschlaf  und  der  Art  von  Hilfe,  die  er  und  seine  Genossen 
gewähren,  ist  die  SchriftroUe  nicht  zu  erklären.  In  Alexandricn  konnte  sie 
ihm  sehr  leicht  durch  Mischung  mit  dem  Wesen  des  Thoth,  des  Herrn  aller 
Schrift  und  alles,  auch  des  ärztlichen  Wissens  zugeteilt  werden.  Eine  bedeu- 
tende statuarische  Schöpfung,  von  der  noch  erhaltene  Kopieen  und  freiere  Nach- 
bildungen zeugen,  stellte  Asklepios  sinnend  mit  der  Rolle  in  der  Hand  dar*). 
Die  Charakteristik  in  Kopf  und  Körper,  die  sich  von  dem  klassischen  Stile 
völlig  entfernt  und  altes,  welkes  Fleisch  nachbildet,  scheint  mir  unmöglich  vor- 
hellenistischer Zeit  ^).  Wir  haben  hier .  vermutlich  eine  der  bedeutendsten 
Schöpfungen  alexandrinischer  Götterbildung  vor  uns. 

So  zeigt  sich  immer  mehr  und  mehr,  wie  vieles  in  der  uns  erhaltenen 
römischen  Kunst  auf  jene  in  Alexandricn  erfolgte  Vereinigung  der  griechischen 
Kultur  mit  der  des  alten  Wunderlandes  Ägypten  zurückgeht. 


Noch  eine  dritte  Bronze  aus  Deutsehland  sei  hier  kurz  besprochen,  obwohl 


1)  Die  Beispiele,  sämtlich  aus  römischer  Zeit,  zuletzt  gesammelt  in  Pauly-Wissowa, 
Reallexikon  II,  1680.  Eine  kleine  Marmor<j:ruppe  des  Asklepios  und  der  Hy^ieia  von 
Athen  aus  der  Kaiserzeit  giebt  dem  Gotte  ebenfalls  die  Rolle;  ich  habe  die  Gruppe 
im  Kunsthandel  notiert. 

2)  Vgl.  Amelung,  Führer  durch  Florenz  Nr.  186.  Arndt- Am elung,  Einzelverk. 
Nr.  219-221. 

3)  Dies  scheint  auch  Am  elung 's  Meinung;  entschieden  unrichtig  urteilt  Arndt 
a.  a.  0. 


.  Furtwniipler: 

Bie  einem  giiDZ  anderen  Kreise  angehört.  Eb  ist  keine  der  gewühnliehen  für 
den  Kuhns  gearbeiteren  Fignreu,  sondern  eine  der  in  der  Klasse  der  kleinen 
Bronzen  seltenen  Kopiecn  eines  knnstgcsehielitlicli  berllbmten  Werkes,  einer 
Athlctenstatue  (vgl.  tljcr  Htatnenkopieen  1,  Abb.  Bayr.  Akad.  1896,  S.  58U  f.). 
Die  Bron'/.e  lieündet  bIcIi  im  Provinzialmnseum  zu  Trier,  wo  ich  im  ver- 
{^aiigcncil  Jabrc  7.wrnt  m\(  sio  nufmerksam  mirde.  Der  Gefälligkeit  von 
1'".  H  e  1 1  n  c  r  verdanke  ich  die  Pliotii- 
graphie,  die  er  hierzu  publizicrön  freund- 
lichst gestattete.  Leider  ist  die  Figur 
in  sehr  schlechtem  Zustande  und  durch 
Oxydation  ganz  entstellt.  Man  kann 
nur  eben  das  Motiv  noch  erkennen;  allein 
dies  bildet  hier  auch  das  Hauptinteresse. 
Ich  habe  „  Meisterwerke"  8.  470  die 
schiine  Florentiner  Atbletenslatnc '),  die 
mit  einer  abscheulichen  Vase  in  den 
Händen  restauriert,  aber  von  Leo 
Rloeh  in  einer  noch  viel  gcschmack- 
und  urteilsloseren  Weise  (Rom.  Mitt. 
1892,  S.86)  ergänzt  worden  war,  mit  Hilfe 
einer  Nachbildung  auf  einer  Gemme  als 
Apoxyomenos  mit  der  Strigilis  erklärt; 
ich  wies  nach,  dass  die  Rechte  den 
Griff  der  Strigilis  hielt  und  die  Linke 
in  die  Schneide  derselben  fasste,  wie 
ich  damals  glaubte  erklären  zu  rotlssen, 
„um  den  Sehenkel  energischer  absn- 
kratzen,"  Eine  Berichtigung  dieser  letz- 
teren Erklärung  des  Motivs,  zugleich 
aber  eine  Bestätigung  meiner  Feststel- 
lung desselben,  brachte  dann  ein  von  P. 
Hartwig  in  der  Berliner  Philol.  Wochenschrift  1897,  S.  30  besprochener  Fund. 
Es  war  dies  eine  Marmorstatnette  von  Frascati,  eine  kleine  Wiederholung  der 
Florentiner  Statue  mit  vollständig  erhaltenen  Armen,  wo  denn,  genau  wie  ich 
es  verlangt  hatte,  die  Rechte  den  Griff  der  Strigilis  fasst,  während  die  Linke 
berein  greift,  indem  „dev  Daumen  der  Linken  in  der  Schneide  der  Strigilis 
ruht",  jedoch,  wie  Hartwig  bemerkt,  nicht  um  den  Schenkel  zu  reinigen,  den 
die  Strigilis  nicht  berührt,  sondern  um  den  Schmutz  aus  dem  Geräte  zu  ent- 
fernen. 

Jetzt  kommt  die  Trierer  Bronzcfigtir  als  neue  Wiederholung  derselben,  im 
Altertum  offenbar  berühmten  Statue  hinzu.  Auch  hier  hält  die  Rechte  den 
Griff  der  Strigilis,   während  die  Linke  in  die  Schneide  faset,    und  auch  hier 


big.  b. 


1)  Vgl.  jetzt  Amelnng,  Führer  durch  die  Antiken  in  Florenz  Nr.  2B. 


Komische  Bronzen  ans  Deutschland.  11 

ist  deutlich,  dass  es  sich  nicht  nm  das  Reinigen  des  Schenkels,  der  kanm  be- 
rührt wird,  sondern  um  das  des  Gerätes  selbst  handelt^). 

Eine  kleine  Abweichung  von  der  Gemme  und  vermutlich  auch  von  dem 
Originale  des  Florentiner  Marmors  besteht  darin,  dass  der  rechte  Unterarm 
mehr  gesenkt  ist,  während  dort  die  rechte  Hand  über  den  Unterleib  zu  stehen 
kommt.  Die  Handlung  bekommt  dadurch  mehr  Energie  als  sie  in  der  Bronze 
hat.  Ferner  ist  an  der  Trierer  Figur  der  Oberkörper  aufrechter  und  der  Kopf 
weniger  nach  vorae  als  nach  seiner  linken  Seite  geneigt.  Auch  dies  ist  ge- 
wiss eine  Abweichung  vom  ursprünglichen  Original;  sie  nimmt  dem  Motiv  die 
gespannte  Aufmerksamkeit,  die  für  diese  Schöpfung  so  charakteristisch  ist. 
Die  Formen  des  Körpers  und  Kopfes  der  Bronze  sind  zu  sehr  zerstört,  als  dass 
sie  sich  näher  vergleichen  Hessen.  Am  Kopfe  ist  das  aufstrebende  Stinihaar  nicht, 
wohl  aber  der  rundliche  attische  Gesamtlypus  deutlich.  Die  Beinstellung  stimmt 
mit  dem  Marmor;  die  FUsse  sind  indess  zerstört.  Die  Bronze  ist  also  eine  et- 
was freie,  im  Einzelnen  nicht  ganz  treue  Kopie  jenes  Meisterwerkes,  das  in 
Grösse  des  Originales  in  der  Florentiner  Statue  kopiert  erhalten  ist,  deren  Motiv 
so  lange  misverstanden  ward. 

Von  der  dem  Vernehmen  nach  neuerdings  in  Ephcsos  gefundenen  Bronze- 
statue, die  eine  Wiederholung  der  Florentiner  sein  soll,  habe  ich  keine  nähere 
Kenntniss. 


1)  Dasselbe  Motiv,  das  Auswischen  der  Strigilis  mit  dem  Finger,  aber  bei  mehr 
gehobener  Armhaltung,  zeigt  der  Pcleus  auf  der  schönen,  in  die  letzten  Dezennien  des 
5.  Jahrh.  gehörigen  Vase,  Musco  ital.  di  ant.  class.  II,  tav.  2  A;  die  Linke  hält  hier 
die  Strigilis,  während  der  Daumen  der  Rechten  den  Schmutz  herausstreift. 


2.  Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden. 


Von 

Dr.  Schslten, 

Privatdocent  in  Göttingen. 


1.  Scamnum  auf  einer  kölnischen  Inschrift. 

Den  Anlass  zn  den  nachstehenden  agrimensorischen  Dntersachongen  gab 
eine  im  Wallraf-Richartz-Mnseam  zu  Köln  befindliche  kölnische  Inschrift^  die, 
soviel  ich  sehe,  bisher  noch  ohne  die  verdiente  Würdigung  geblieben  ist.  Die 
Inschrift  ist  am  Besten  mitgeteilt  bei  ßrambach,  C.  Inscript.  Rhenanar.  348. 
Gefunden  wurde  der  Stein,  wie  es  scheint,  in  der  Gereonstrasse.  Der  Liebens- 
würdigkeit des  Herrn  Dr.  Kisa,  Assistenten  am  genannten  Bluseum,  verdanke 
ich  die  Übersendung  eines  Abklatsches  und  einer  Zeichnung  der  Inschrift  mit 
den  zugehörigen  Angaben. 

Die  Inschrift  lautet  wie  folgt. 

1  SL       '  -^., 

2  T////7.V  "      ' 

3  POSSESSOR 

4  EXVICOLVCR 
o  TIOSCAMNO 
6  PRIMO  EXIMPL 
T  RIO     I  PSI VS 

Der  Stein  —  Jurakalk  —  ist  oben  und  rechts  abgeschlagen.  Seine  Höhe 
beträgt  1,05,  seine  Breite  0,37  und  seine  Dicke  0,14  Meter.  Auf  der  linken 
Schmalseite  ist  ein  Lorbeerbaum  in  Relief,  auf  der  Vorderseite  oben  als 
Rest  eines  viereckigen  Reliefs  das  Stück  eines  cylindrisehen  Altars  und 
der  rechte  Fus8  einer  Figur  zu  sehen.  Der  erste  Buchstabe  der  ersten  erhal- 
tenen Zeile  ist  ein  S,  der  zweite  wohl  ein  E.  Darunter  sind  Spuren  eines  T 
und  eines  zweiten,  durchaus  zerstörten  Buchstaben  0  oder  R  nach  Kisas 
Antrabe  zu  erkennen.  Hinter  POSSESSOR  Z.  3  mOifseu  noch  Buchstaben 
gestanden  haben:  eri  ist  POSSESSO R[es].  zu  ergänzen:  hinter  LVC  R  fehlt 
das  E:LVCR[e].  Wm  dem  0  in  SCAMNO  Z.  o.  fehlt  rechts  ein  Stück, 
ebenso  von  dem  E  in  lN\PE.  Unter  der  Inschrift  ist  ein  freier  Raum  ge- 
lassen. Wie  viel  oben  tehlt,  lasst  sich  nicht  sa^en.  Der  erhaltene  Teil  der 
Inschrift  lautet  also:  /?o^'^f^^*or[e,<J  ex  tko  LHcr[e]tio  scamno primo  ex  im- 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  13 

perio  ipsitis.^  Vorangestanden  mass  also  haben  der  Name  einer^Gottheit  und 
das  Verzeichnis  der  dedicierenden  possessores.  Das  Relief  stellte  wohl  den 
neben  einem  Altar  stehenden  Gott  dar.  Über  die  Zeit  der  Inschrift  teilt  mir 
Herr  Professor  Zangemeister  mit,  dass  sie  dem  Schriftcharakter  nach  erst 
ins  2.  Jahrhundert  n.  Chr.  zu  gehören  scheine,  bezeichnet  aber  diese  Bestim- 
mung als  nicht  ganz  sicher. 

Das  Hauptinteresse  des  Steins  beruht  auf  dem  Begriff  SCAMNO  PRIMO. 
Von  ihm  ist  auszugehen.  Sehen  wir  also  zu,  was  ein  scamnum  ist.  Wenn  ich 
mich  nicht  begnüge,  auf  Rudorffs  treffliche  „Gromatische  Institutionen" 
(Schriften  der  röm.  Feldmesser,  herausgegeben  von  Blume,  Lechmann,  Ru- 
dorff  2.  Band  p.  229—464)  zu  verweisen  —  er  handelt  von  scamnum  p.  290  f. 
und  419  f.  —  so  geschieht  das,  weil  der  Gegenstand  eine  neue,  eingehende  Be- 
handlung erforderte,  die  ich  schon  jetzt  geben  möchte,  da  eine  Neubear- 
beitung der  Agrimensoren,  welche  ich  vorbereite,  noch  nicht  so  bald  erschei- 
nen wird. 

Zunächst  lasse  ich  die  Stellen  der  Feldmesser  folgen,  welche  von  dem  scam- 
num und  der  ihm  correlaten  striga  handeln.  Es  sind  folgende  (citirt  sind 
die  Seiten  des  ersten  Bandes  der  Feldmesser,  der  den  Text  enthält) : 

1.  p.  2,  1  (Frontinus  de  agrorum  qualitate):  j,Ager  ergo  diinsus  ad- 
signatus  est  coloniarum.  Hie  habet  condiciones  duas:  unam  qua  plerumque 
limitibus  continetur,  alter  am  qua  per  proximos  possessionum  rigor  es  ad- 
signatum  est  sicut  in  Campania  Suessae  Auruncae.  Quidquid  autem  secun- 
dum  hanc  condidonem  in  longitudinem  est  delimitatum  ^^per  strigas'^  ap- 
peUatur,  quidquid  per  latitudinem  (codd.  altitudinem)  ,,per  scamna^^. . . . 
ager  per  strigas  et  scamna  divisus  et  adsignatus  est  more  antiquo  in  hanc 
similitudinem  qua  in  provinciis  arva  publica  coluntur''  (folgt  Figur,  welche 
die  scamna  und  strigae  als  langgestreckte  Rechtecke  darstellt:  die  vertical 
gezeichneten  sind  kürzer  als  die  horizontalen.  Der  Vergleich  mit  den  eben- 
falls die  Anlage  von  scamna  und  strigae  illustrierenden  Figuren  200  f.  zeigt, 
dass  die  kürzeren  Oblongen  die  scamna  sind. 

2.  p.  110,  2  (Hyginus,  de  limitibus)^):  „Strigatu^  ager  est  qui  a 
septetUrione  in  longitudinem  in  meridianum  (cod.  G:  meridiano)  decurrit, 
seamnatus  autem  qui  eo  modo  ab  occidente  in  orientem  crescit/* 

3)  p.  206,  7  Hyginus,  de  limitibus  constituendis  (für  die  Herstellung 
des  Textes  vgl,  Momrasen,  Hermes  XXVII  S.  100):  „Omnium  rigorum 
(so  G;  AB:  agrorum)  latitudines  velut  limitum  observäbimus  interstitione 
limitari;  versuras  {mensuram:  O.)  per  strigas  et  scamna  agemus.  Sicut 
antiqui  latitudines  däbimus:  decimano  maximo  et  k{ardini)  pedes  XX,  eis 
{et:  G)  limitibus  transversis,  intet  quos  bina  scamna  et  singulae  strigae  in- 
terveniunt,  pedes  duodenos  itemque  prorsis  limitibus,  inter  quos  scamna 
quattuor  et  quattuor  strigas  (so  BG ;  A ;  scamna  quattuor  strigae)  cluduntur, 


1)  Von  Lachmann  entnommen  aus  dem  „commentum'^  des  Agennius  (cod.  G. 
fol.  18). 


H  Schulten: 

■ 

pedes  duodenoSy  reliqtUs  rigoribus  linearm  ped.  octonos.  Omnem  mensurae 
huius  culturam  (so  B ;  G :  quadraturam)  dimidio  longiorem  sive  latiorem 
facere  debebimus:  et  quod  in  latitudinem  longius  fuerit  sc-amnum  est^ 
quod  in  longitudinem  striga.  Primum  constituemus  decimanum  maximum 
et  Jcardinem  maximum  et  ab  eis  strigas  et  scamna  cludemu^.  Actuarios 
autem  limites  diligenter  agemus  et  in  eis  lapides  inscriptos  defigemus  ad- 
iecto  scamnorum  numero,  Primum  a  d{ecumano)  m{aximo)  et  k{ardine) 
incipiemus  inscriptiones  velut  in  quintariis  ponere.  Primo  lapidi  inscribe- 
mus  D.  M.  K.  M.  Ab  hoc  deinde  singulis  actuariis  limitibus  simüüer  per 
ipsos  inscribemus  D.  M.  LIMES  II.  K.  M.  LIMES  SECVNDVS.  Hac  signi- 
ficatione  omnium  quattuor  regionum  limites  comprehendemus.  His  deinde 
quartis  (so  G;  partis:  A,  partes:  B)  ^)  quadrarum  [quadratum:  AB)  angulis 
lapides  clusaris  (so  Mommsen;  codd.  eius)  generis  ponemus  sub  hac  in- 
scriptione  litteris  singularibus:  D.D.  V.<K.>«)  STRIGA  PRIMA  SCAMNO 
(B:  scamna)  II.  Hoc  in  lateribus  lapidum:  in  fronte  autem  regionis  indi- 
dum  D.  D.  V.  K.  Nunc  quadrarum  angulis  lapides  inscriptos  inspiciamus. 
Intra  has  strigas  et  scamna  omnem  agrum  separavimuSy  cuius  totam  posi- 
tionem  ad  verum  formatam  inspiriemus,  secundum  quod  rei  praesentis  for- 
mam  describamus." 

4.  p.  217,  17  {liber  coloniarum  I):  „Colonia  Sutrium...  licet  omnes 
agri  ad  modum  iugerationis  sint  adsignati,  tamen  pro  parte  (A :  pro  partem) 
naturam  loci  secuti  artifices  agros  censuerunt,  id  est  fecerunt  gammaios  et 
scamnatos  riparum  et  coronarum  natura  et  iuga  collium  sunt  emensU'' 

5.  p.  230,  7 :  ^^Alatrium . . .  ager  eius  per  centurias  et  strigas  est 
assignatus." 

6.  p.  230,  15:  y^Anagnia  .. .  ager  eius  per  strigas  est  veteranis  assig- 
natus.^ 

7.  p.  231,8  (ibid.):  ^^Bovianum,  oppidum  . . ,  ager  eius  per  centurias 
et  scamna  est  adsignatus.^ 

8.  p.  236,  7  :  y^Ostiensis  ager  ah  impp,  Vespasiano  Traiano  et  Uadriano 
in  praecisuris  in  lacineis  et  per  strigas  colonis  eorum  est  adsignatu^."' 

9.  p.  238,  14:  y^Terebentum  (=  Tervcntum  in  Samnium)  oppidum. 
Ager  eius  in  praecisuras  et  strigas  est  adsignatus  . . .  limitibus  Julianis,"' 

10.  p.  255,  17  {liber.  col,  II):  y^Ecicylanus  {= Aequiculanus)  ager  per 
strigas  et  scamna  in  centuriis  est  adsignatus . .  .  sed  et  signa  {constituta 
sunt)  quibus  ager  arcifinius  finitur.^*^ 

11.  p.  257,5  (ibid.):  y^Nursia.  Ager  eius  per  strigas  et  scamna  in 
centurÜH  est  adsignatus,     Finittir  sicut  ager  Asculanus/^ 


1)  Sollte  nicht  quattuor  zu  schreibon  sein?    Im  Archetypus  stand  yrohl  IUI. 

2)  Zu  dem  überlieferten  D.  D.  V.  ^^-ehört  doch  wohl  (K.>,  so  dass  die  auf  der 
Stirnseite  des  Steins  aufgebrachte  Inschrift:  D(extra)  D(ecumanum)  V(ltra)  K(ardinein) 
auf  den  Seitenflächen  neben  der  Angabe  der  scamna  und  strigae  wiederholt  sein 
würde,  was  doch  recht  wohl  möglich  ist. 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  15 

12.  p.  257,  26  (ibid.) :  „Rente.  Ager  eins  per  strigas  et  per  scamna 
est  assignatus.^' 

13.  p.  259,  17  (ibid.):  ,^Afidena  (=  Aufidena).  Muro  ducta . . ,  ager 
eiu8  per  centurias  et  scamna  est  assignatus,^^ 

14.  p.  260,10  (ibid.):  Istoniis  ( =  Histonium)  colonia;  ager  eins  per 
centurias  et  scamna  est  assignatus" 

15.  p.  293,11  (M.  Jnnins  Nipsus):  y^Est  ager  scamnatus  qui  appel- 
latury  qui  in  longitudinem  maiorem  (iugerum^  (von  Lacbm.  ergänzt)  nume- 
rum  Jiabebit  quam  in  latitudinem,  Hi  quoque  agri  non  nisi  in  re  praesenti 
depraehenduntur  vel  ex  forma  regionis.  Hdbent  enim  agri  scamnati  in  cen- 
turiis  singulis  iugera  ducentena  quadragena  quae  per  latitudinem  habent 
actus  XX  et  per  longitudinem  actus  XXIIII.^' 

16.  p.  326,  1  {casae  litterarum):  „J  in  scamnum  iacet  per  iugum  in 
lanceolam/^ 

17.  p.  397,  20  {[Boethii]  demonstratio  artis  geometricae):  „Omnem 
mensuram  huius  culturae  mediam  longiorem  sive  latiorem  facere  debes:  et 
quod  in  latitudine  longius  fuerit  scamnum  est,  quod  vero  in  longitudinem 
langius  fuerit,  striga.^^  {^Hygin  p.  206,  15). 

Sehen  wir  zu,  was  die  einzelnen  Stellen  lehren.  Der  ersten  Stelle 
(Frontin)  ist  Folgendes  zu  entnehmen:  Frontin  handelt  von  den  drei  „quali- 
totes  agrorum^'y  dem  ager  divisus  et  adsignatus,  ager  mensura  per  extremi- 
totem  comprehensus  und  dem  ager  arcifinius  qui  nulla  mensura  continetur. 
Zuerst  bestimmt  er  das  Charakterisehe  des  ager  divisus  adsignatus.  Er  ist 
typisch  für  die  Colonien.  Es  giebt  zwei  Vermessungsarten :  1 .  die  Vermessung 
durch  Limitation,  indem  das  zu  assignirende  Land  durch  ein  Netz  öffentlicher 
Wege  eingeteilt  wird  {qua  limitibus  continetur),  2.  indem  die  einzelnen  Loose 
ipossessiones)  abgegrenzt  werden  {qua  per  proximos  possessionum  rigores  ad- 
signatum  est). 

Die  Art  der  Richtwege  ist  das  Charakteristische.  Den  limites  stehen 
die  rigores,  also  den  öffentlichen  Wegen  die  Orcnzrainc  gegenflber.  Wie  in 
der  deutschen,  besteht  auch  in  der  römischen  Agrargeschichte  der  Gegensatz 
zwischen  der  Separation  mit  Eoppelwegen  (=  ager  limitatus)  und  der  „ge- 
mengen  Lage",  bei  der  es  keine  öffentlichen  Wege,  sondern  nur  private  Grenz- 
raine  {rigores)  giebt.  Der  Vergleich  bezieht  sich  wohlverstanden  nur  auf  das 
Wegesystem:  im  übrigen  ist  die  Anweisung  eines  geschlossenen  Grundstücks 
ifundus)  bei  der  römischen  Assignation,  die  Zersplitterung  des  Landanteils  in 
viele  getrennt  liegende  Parzellen  (in  jedem  Gewann  eine)  bei  der  germani- 
schen Landteilung  bezeichnend  für  die  Verschiedenheit  der  römischen  und 
germanischen  Bodenteilung.  Auch  bei  der  Limitation  sind  die  einzelnen  Acker- 
loose  abgegrenzt,  natürlich!  aber  ihre  Begrenzung  hat  keine  öffentlich  recht- 
liche Bedeutung,  wird  nicht  auf  der  Flurkarte  {forma)  eingetragen.  Die  Flur- 
karte verzeichnet  nur  die  Centurien,  also  die  von  den  limites  gebildeten  Complexc 
tmd  den  modus,  den  Umfang  der  einzelnen  Loose,  nicht  aber  ihre  concrete 
Lage/   Umgekehrt  konnte  man  aus  der  forma  des    yjper  strigas  et  scamna^ 


16  Schulten: 

geteilten  Landes  die  j^proocimi  possessorum  rigor ea^^  den  concreten  Grund- 
besitz des  einzelnen  Loosempfangers,  aber  nicht  den  modus  ersehen.  Assigniert 
wurde  also  bei  Centuriation  strenggedacht  der  CenturiC;  nicht  dem  Einzelnen, 
dagegen  giebt  es  bei  Vergebung  von  Land  per  strigas  et  scamna  nur  indivi- 
duelle  Landparzellen^  nicht  grössere  durch  öffentliche  Wege  abgegrenzte  Com- 
plexe.  Die  Centuriation  bedeutet  eine  genossenschaftliche  Siedelung,  die 
Assignation  per  rigores  wie  die  assignatio  virüana  (die  A.  ohne  Coloniean- 
läge)  eine  individualisierende  Landvergebung.  Vielleicht  waren  die  hundert 
Loosteile  der  Centuric  ursprünglich  sogar  Gemeingut  der  Hundertschaft,  so 
dass  jeder  wohl  einen  Anteil  pro  parte  virili,  aber  nicht  ein  individuelles 
Stück  Land  gehabt  haben  würde.  Am  Anfang  der  römischen  Geschichte 
finden  sich  geroeinwirtschaftliche  Institutionen  auch  sonst  bezeugt.  Sind  doch 
die  bina  iugera,  das  älteste  Individualeigentum,  ohne  das  GoiTclat  der  ge- 
meinsam bewirtschafteten  oder  wenigstens  gemeinsam  besessenen  Allmende 
nicht  zu  verstehen. 

Der  ursprünglich  ungemein  präzise  Gegensatz  der  Landvergebung  an 
eine  Gemeinschaft  von  je  hundert  Assignataren  und  der  individualistischen 
Assignation  an  die  einzelnen  Empfilnger  ist  später  verdunkelt  worden.  Ur- 
sprünglich stehen  die  von  staatlichen  Wegen  umzogenen  Centurien  den  von 
privaten  Rainen  geschiedenen  Einzelloosen  gegenüber,  später  hat  man  auch 
das  y^per  proximos  possessorum  rigores^  vergebene  Land  in  grössere  Com- 
plexe  geteilt.  Davon  handelt  Frontin  im  Folgenden  (p.  3  Zeile  2  f.).  Wir 
erfahren  andeutungsweise  —  die  Sache  wird  als  bekannt  vorausgesetzt  —  dass 
das  per  pr.  poss,  rig.  assignirte  Land  in  Oblonge  eingeteilt  war,  die  je  nach 
ihrer  Lage  strigae  (wenn  „iw  longitudinem^  d.  h.  in  nordsttdlicher  Richtung 
angelegt)  oder  (bei  ostwestlicher  Ausdehnung  =  „/;er  latitudinem  deUmitatum^) 
Hcamna  genannt  wurden.  Diese  rechteckigen  Bodenflächen  sind  aber  nicht 
öffentlich  rechtliche  Einheiten,  sind  nicht  wie  die  Centurien  limitirt  d.  h. 
mit  staatlichen  Wegen  umgeben,  sondern  sie  bilden  nur  Complexe  einer 
wahrscheinlich  variablen  Anzahl  von  Parzellen.  Bei  der  Centuriation  ist  die 
Centurie,  bei  der  Assignation  „per  prox.  poss,  rig.^  das  Grundstück  des  Ein- 
zelnen das  Prius.  Dort  ist  die  Abgrenzung  der  Parzellen  (ursprünglich  hun- 
dert, später  weniger),  hier  die  der  scamna  und  strigae  secundär. 

Im  dritten  Teil  der  Behandlung  des  ager  divisus  assignatus  sagt  Fron- 
tin, dass  die  Landteilung  in  scamna  et  strigae  auf  den  arva  publica  der 
Provinzen  zur  Anwendung  gekommen  sei  (p.  4,  1).  Mit  arva  publica  sind 
gemeint  die  ehedem  zum  ager  picblicus  gehörigen  aber  vom  Staat  (oder  Kaiser) 
den  Gemeinden  ccdirten  agri  cectigales,  d.  li.  das  Gemeindeland  der  provin- 
zialcn  Städte,  welches  gegen  ein  vectigal  in  eine  Art  von  Erbpacht  gegeben 
zu  werden  pflegte  (s.  Mommscn,  Hermes  XX VII,  84).  ,Die  Hyginstelle 
(Nr.  i])  giebt,  wie  wir  gleich  selicn  werden,  den  Coninientar  zu  der  kurzen 
Bemerkung  Front  ins. 

2.  Die  zweite  Stelle  (Hygin  de  limitibus)  sagt  nur,  dass  man  unter  striga 
ein    Ackerbeet,    dessen  grösste  Ausdehnung  nordsüdliche  Richtung  hat  {longi- 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  17 

tudo)f  versteht)  während  beim  scamnum  die  Längsansdehnung  in  ostwestlicher 
RichtODg  liege  (latitudo)  (vgl.  Feldmesser  II,  290). 

3.  Eis  folgt  nun  die  ungemein  wichtige  zweite  Hyginstelle  (p.  206,  7  f.). 
Sie  ist  zuerst  von  M.  Weber  (Rom.  Agrargeschichte  p.  22  f.),  dann  von  Momm- 
sen  (Hermes  XXVII,  95  f.  „Zum  römischen  Bodenrecht")  behandelt  worden, 
ohne  dass  eine  allseitig  befriedigende  Erklärung  gefunden  wäre.  Beide  Inter- 
preten bedürfen  ziemlich  gewaltsamer  Conjecturen:  Weber  nimmt  in  der  Stelle 
p.  206,  10  f.  eine  Verwechslung  der  limites  transversi  und  prord  an  (p.  24), 
Mommsen  schlägt  vor  Z.  13  fftr  yyscamna  quattuor  et  quattuor  strigae''  (soBG; 
A:  scamna  quattuor  strigae):  scamna  zu  schreiben,  jedenfalls  aber  et  quattuor 
gtrigae  zn  streichen.  Mir  will  scheinen,  dass  hier  gar  keine  Anzeichen  für  eine 
Corruptel  vorliegen.  Dass  hier  die  Cardinal-,  vorher  (Z.  11)  die  Distributivzahl 
gesetzt  ist^  dürfte  doch  wohl  angehen  können.  Hygin  berichtet,  dass  zwischen 
den  limites  transversi  2  scamna  nnd  2  strigae,  zwischen  den  limites  prorsi 
4  scamna  nnd  4  strigae  gelegen  seien:  wie  das  zu  zeichnen  ist,  mag  schwer 
zu  sagen  sein;  an  der  Angabe  ist  deshalb  jedenfalls  nicht  zu  rütteln,  weil  wir 
mit  den  gegebenen  Daten  keine  befriedigende  Zeichnung  zu  stände  bringen.  Die 
einem  völligen  Verlust  fast  gleichkommende  Corruption  der  die  Feldmesser 
erläuternden  Zeichnungen  ist  grösser  als  man  anschlägt  und  ohne  die  Zeichnungen 
ist  Manches  nicht  mehr  zu  verstehen.  Man  wird  also  versuchen,  mit  dem 
Überlieferten  auszukommen,  und,  gelingt  das  nicht,  auf  eine  Erklärung  ver- 
zichten. 

Dasselbe  gilt  in  verstärktem  Masse  von  Webers  Vermutung:  wenn  man 
das  Schwarz  der  Überlieferung  weiss  macht,  indem  man  {iXr  prorsos:  transversos 
setzt,  dann  sind  wir  mit  »der  Erklänmg  der  römischen  Agrimensorcn  am  Ende. 

Hygin  handelt  von  der  Vermessungsfonn  des  ager  arcifinius  vectigalis 
(p.  204,  16 — 208,  4).  Wie  für  den  ager  colonicus  die  Centurien,  so  sind  für 
den  ager  arcifinius  vectigalis  die  scamna  nnd  strigae  charakteristisch:  „nam 
quemadmodum  Ulis  condicio  (Rechtslage)  diversa  est,  mensurarum  quoque 
actus  dissimilis  esse  debet^  (205,  5). 

Eb  ist  oben  ausgeführt,  dass  bei  der  Vermessung  nach  scamna  und  strigae 
die  einzelnen  fundi  zur  Evidenz  kamen.  Deshalb  kam  diese  Vermessungsart 
zur  Anwendung  auf  dem  ager  vectigalis,  denn  hier  galt  es,  die  Grenze  jedes 
einzelnen  steuerpflichtigen  Grundstückes  festzustellen  ^),  während  beim  ager 
colonicus j  soweit  er  immun  war  (nur  diesen  meint  Hygin,  wenn  er  kurzweg 
den  ager  colonicus  dem  a.  vectigalis  gegenüberstellt),  die  einzelnen  Grundstücke 
keiner  staatlichen  Fixierung  bedurften.  Von  Zeile  9  (S.  206)  ab  beschreibt 
Hygin  die  Art  der  Vermessung  j^per  strigas  et  scamna^.  Zunächst  werden 
wie  bei  der  Centuriation  zwei  grosse  Richtwege:  decumanus,  die  West-Ost- 
Linie,  cardo,  die  Nord-Süd-Linie,  gezogen.  Sie  erhalten  auch  hier  die  Breite 
von  20  Fuss.   Wie  dann  bei  der  Limitation  die  limites  quintarii,  d.  h.  die  im 


1)  Gute  Ausführungen  über  die  Beziehung  zwischen  der  Asaignation  „per  prox. 
pos$.  rigores^  und  der  Besteuerung  bei  Weber,  a.  a.  O.  p.  28. 

Jahrbi  d,  Yer.  t.  Alterthsflr.  im  Rhelnl.  lOS.  2 


18 


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Abstand  von  je  4  Centarienbreiten  gezogenen  limüesy  eine  grössere  Brdte  als  die 
übrigen  Wege  erbalten  (12  Fuss),  so  hier  gewisse  limites  troMversi,  d.  b.  dem 
cardo  maximus,  und  prorsiy  d.  h.  dem  decamanas  maximns  parallel  laafende  Wege. 
Wenn  Hygin  sagt,  dass  zwischen  je  zwei  der  betreffenden  12  Fuss  breiten 
limites  transversi  je  zwei  scamna  und  eine  striga,  zwischen  je  zwei  der  limites 
prorsi  je  4  sCamna  und  4  strigae  lägen,  so  mass  er  damit  den  Abstand  der 
limites  bezeichnen  wollen,  wie  ja  auch  bei  der  Gentariation  die  Distanz  der 
limites  durch  die  Angabe  bezeichnet  werden  könnte,  dass  zwischen  je  zwei 
quintarii  5  Centurien  liegen.  Die  gemeinte  Figur  auf  Grund  der  Überlieferung 
herzustellen,  scheint  unmöglich  (s.  Figur  1).    Wenn  man  gemäss  den  Angaben 


A 

litnes  transversus 

B 

striga 
1 

H 

»i 

i 

2 

O 

s 

s 

•N« 

scam- 
nutn 

1 

2 

3 

4 

1 

2 

3 

4 

cardo  mos 

c. 

C 

Fig.  1. 

des  Textes  in  den  von  cardo  und  decumanus  max.  gebildeten  Winkel  2  scamna 
und  1  striga  einträgt,  würde  man  in  AB  den  limes  transversus  von  12  Fuss 
Breite  erhalten.  Um  den  l.  prorsus  BC  zu  gewinn^,  hat  man  an  4  scamna 
4  strigae  anzureihen.  Das  so  entstehende  von  cardo,  decumanus,  limes  trans- 
versus und  prorsus  begrenzte  Rechteck  lässt  sich  aber  nicht  mit  scamna  und 
strigae  des  angegebenen  Seitenverhältnisses  (2:3,  s.  S.  206,  15)  ausfllllen;  es 
bleibt  vielmehr  die  ^/g  eines  scamnum  oder  einer  striga  betragende  schraffierte 
Fläche  übrig.  In  der  Überlieferung  muss  also  ein  Fehler  stecken;  welcher, 
ist  aber  nicht  zu  sagen.  Mommsens  Figur  (a.  a.  0.  S.  100;  s.  unten  Figur  3) 
wird  nur  der  ersten  Forderung,  dass  zwischen  cardo  und  limes  transversus  2 
scamna  und  1  striga  liegen  sollen,  gerecht,  nicht  der  zweiten,  dass  zwischen 
decumanus  und  1.  prorsus  4  scamna  und  4  strigae  liegen.  In  M.s  Figur  sind 
die  4  strigae  (welche  er  im  Text  streicht)  ignoriert.  Damit  ist  die  Überliefe- 
rung verlassen  und  die  construierte  Figur  rein  hypothetisch. 

Um  seine  Figur  mit  dem  Text  in  Harmonie  zu  bringen,  vermutet  Mommsen 
^scamna  quaterna  strigaeve  senae^.  Durch  diese  Vermutung  wird  der  Figur 
nicht  geholfen,  da  die  6  strigae  derselben  nicht  eine  Fortsetzung  der  4  scamna 
bilden,  sondern  neben  ihnen  herlaufen,  während  doch  die  Angabe  des  Textes, 
dass  die  limites  so  und  so  viele  scamna  und  strigae  von  einander  entfernt 
seien,  verlangt,  dass  die  strigae  mit  den  scamna  eine  fortlaufende  Reihe  bilden, 
also  wie  Figur  2,  nicht  wie  Figur  3  (nach  Mommsen). 

Weber  hat  die  ganze  Stelle  völlig  missverstanden.     Er  nimmt  an,   dass 


FlurteilUDg  und  Territorien  in  den  römischen  Bheinlanden. 


19 


Hygin  eme,  wie  er  irrtümlich  meint,  einmal  von  Nipsns  erwähnte  Combi- 
nation  der  Centnriation  mit  Scamnation  und  Strigation  (s.  oben  N.  15)  behandle, 
während  Hygin  dort  nur  von  der  Anfmessung  des  einfachen  ager  scamnatus- 
strigatos  bandelt.  Weber  ist  auf  die  verfehlte  Idee  dnrch  die  Annahme  der 
Lesart  quadraturam  (206,  15)  statt  cuUuram  gekommen,  indem  er  quadratara 
mit  centnria  wiedergibt  (p.  23).  Es  handele  sich  also  am  die  Teilung  einer 
Centarie  mit  dem  Seitenverhältnis  2:3^)  in  scamna  und  strigae.  So  inter- 
pretiert er  die  Angabe  (p.  205,  15),  dass  das  in  Frage  kommende  Flurmass,  also 
scamna  und  strigae,  das  Verhältnis  2  :  3  haben  sollte.  In  seiner  Figur  (Anlage  II) 
schliessen  die  limites  transversi  also  nicht  eine  2  scamna  und  1  striga  breite 
Fläche,  sondern  eine  aus  2  scamna  und  strigae  bestehende  Centnrie  (s.  Figur  4)  ein. 
Zum  mindesten  hätte  er  doch  sehen  müssen,  dass  diese  Centurien  in  keiner  Weise 
der  Angabe,   dass   die  limites   transversi  um  die  von  2  scamna  und  1  striga 


scamna 


strigae 


Fig.  3. 


• 

s 

Vi 

scamna 

• 

•s 

§3 

2 

§5 

Fig.  2. 

/.  prorsus 


dcc.  max. 


Fig.  4. 

gebildete  Distanz  von  einander  entfernt  seien,  gerecht  werden.  Da  Weber 
die  überlieferten  Verhältniszahlen  2 : 3  statt  auf  die  scamna  und  strigae  auf 
eine  aus  ihnen  zusammengesetzte  Centurie  bezieht  (20 :  30  actus),  haben  natür- 
lich seine  scamna  und  strigae  ein  falsches  Seitenverhältnis.  Dieser  Fehler 
resultiert  aber  aus  dem  ersteren,  bedurfte  also  keiner  besonderen  Censur,  wie 
sie  Mommsen  (S.  101  Anm.)  giebt. 

Über  den  Flächeninhalt  resp.  die  Länge  der  Seiten  der  scamna  und  strigae 
sagt  Hygin  nichts.  Woher  Weber  (p.  23)  die  Angabe  nimmt,  dass  die 
Seiten  der  nach  ihm  aus  2  scamna  und  1  striga  bestehenden  Centurie  20 :  30 
und  demnach  die  der  scamna  und  strigae  10  :  20  actus  lang  gewesen  seien, 
weiss  ich  nicht ;  vielleicht  ist  er  durch  das  für  die  limites  actuarii  angegebene 
Mass  (20pedes)  irregeleitet  worden.    Dagegen  will  Mommsen,  indem  er  das 


1)  Budorff  sagt  irrtümlich  (p.  290),  das  Verhältnis  sei  1:2  gewesen;  denselben 
Fthler  macht  Nissen,  Templum  p. 21. 


20  Schulten: 

Seitenverhältnis  16 :  24  ansetzt,  nur  mit  einem  Beispiel  das  flberlieferte  Verhältnis 
2 : 3  darstellen,  ans  welchen  Seitenzahlen  sich  ein  Bechteck  von  384,  also  an- 
nähernd 400  actus  =  200  iugera  ergibt,  eine  Fläche,  die  der  normalen  Centnrien- 
fläche  entspricht  und  mit  Recht  gewählt  ist,  weil  das  scamnum  und  die  striga 
im  letzten  Gmnde  nichts  anderes  als  oblonge  Genturien  sind.  Die  scamna 
des  Nipsus  (Stelle  N.  15)  —  der  übrigens  longitudo  und  latitudo  verwechselt  — 
haben  bei  20  :  25  actus  Seitenlänge  (Verhältnis  4 :  5)  240  iugera  Fläche. 

Nach  der  Beschreibung  der  bei  der  Scamnation  zu  ziehenden  limites 
schildert  Hygin  (S.  207,  7  f.)  die  Bezeichnung  der  Grenzsteine.  Die  auf  dem 
decumanus  max.  stehenden  Steine  erhalten  die  Aufschrift  D.  M.,  die  des  cardo 
max.  die  Aufschrift  K.  M. 

Der  auf  dem  Schnittpunkt  des  dec.  max.  und  kardo  max.  mit  dem  1. 
limes  transversus  resp.  prorsus  gesetzte  Stein  wird  ausser  mit  D.  M.,  K.  M.  be- 
schrieben mit  LIMES.  IL  (seil,  transversus  oder  prorsus).  Die  seitlich  von 
kardo  und  decnmanus  stehenden  Steine  tragen  die  Bezeichnung  der  j^regio^, 
also  D.  D.  C.  K.  (dextra  decimanum  citra  kardinem),  D.  D.  V.  K.,  S.  D.  C.  K., 
S.  D.  V.  K.  Der  Inschrift  D.  D.  limes  II,  C.  K.  limes  II  entspricht  auf  centu- 
riiertem  Lande  D.  D.  II  C.  K.  II.  Das  heisst  ^rechts  (vom  decumanus  max.)  der 
2.  limes",  „diesseits  (des  Kardo  max.)  der  2.  limes",  denn  die  Formel  D.  D.  II 
(=  dextra  decumanum  secundum)  bedeutet  y^dextra:  decumanus  II",  wie 
j^ante  diem  III  idu^^  gesagt  wird  für  j^ante  idus  die  tertio^,  „D.  D.  II"  = 
jydextra  decumanum  secundum''  bedeutet  nicht  etwa  den  rechts  vom  zweiten 
decumanus  liegenden  dritten,  denn  die  Formel  soll  auf  dem  zweiten  (den  de- 
cumanus max.  mitgerechnet)  stehen.  Eis  heisst  ja  auch  (s.  o.)  bei  der  Scam- 
nation: „dextra  decumanum  limes  11*'.  In  beiden  Fällen  ist  also  1)  die  Region 
(einmal  mit  blodsem  dextra,  das  andere  Mal  mit  dextra  decumanum),  2)  die  Zahl 
des  limes  angegeben  („ir'  =  „decumanusll"  oder  „limes  IP').  Ausser  der  regio  (dex- 
tra, sinistra,  citra,  ultra)  und  dem  limes,  sollen  ferner  die  Ordnungsnumniern  der 
scamna  und  strigae  auf  den  Grenzsteinen  notiert  werden.  Wie  das  gemeint  ist, 
kann  man  der  Überlieferung,  die  hier  offenbar  korrupt  ist,  kaum  noch  entnehmen. 

Mommsen  (p.  102)  verbessert  den  Text  so,  dass  die  Zahl  der  zwischen 
den  limites  liegenden  scamna  und  strigae  angegeben  sein  würde ;  er  vermutet  zu 
S.  207,  14  statt  des  tiberlieferten  „D.  D.  V.  STRIGA  PRIMA  SCAMNO  11": 
scamna  quattuor  (statt  des  interpolierten,  wie  er  meint,  D.  D.  V.)  als  In- 
schrift der  einen,  „striga  I  (=  una),  scamna  II  (=  duo)"  als  Inschrift  der 
anderen  Seite  des  Steins.  Wahrscheinlich  ist  diese  Verbesserung  kaum  zu 
nennen.  Wenn  wir  nicht  ganz  willkürlich  sein  wollen,  müssen  wir  doch 
wenigstens  an  den  Ordinalzahlen  festhalten.  Der  Stein  kann  wohl  nur  dort, 
wo  das  als  „scamnum  11"^  bezeichnete  scamnum  mit  der  „striga  prima''  zu- 
sammcnstiess,  gestanden  haben.  Dass  die  Parzellen  nummeriert  waren,  zeigt 
ja  auch  der  kölnische  Stein  („possessor[e8]  scamno  primo").  Ein  mit  der  In- 
schrift „scamno  II  striga  /"  versehener  Stein  würd^  in  Punkt  A  der  umstehen- 
den Figur  5  am  Platze  sein. 

Ich  komme   nun   zu  den  N.  4 — 14  zusammengestellten  Erwähnungen  der 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Kheinlanden. 


21 


scamna  und  strigae  iu  den  libri  coloniamm.  Über  sie  bandelt  Mcitzen  (Sied- 
lung und  Agrarweseu  I  [1895]  p.  294).  Das  Auftreten  der  scamna  und  strigae 
neben  Genturien  erklärt  er  mit  Recht  aus  schwierigem  Terrain,  welches  eine 
Vermessung  des  ganzen  Landes  in  Genturien  nicht  zugelassen  habe.  In  der 
That  waren  die  grossen  Quadrate  der  Genturien  (mit  2400  pedes  =  c.  710  Meter 
Seite)  nur  in  weiten  Ebenen  bequem  anwendbar,  während  sich  die  oblongen 
scamna  und  strigae  zur  Aushülfe  vortrefflich  eigneten  wo  immer  das  zu  limi- 
tierende Land  zu  schmal  für  Genturien  war,  wie  z.  B.  auf  schmalen  Hügel- 
rücken. In  solchen  Fällen  fahrte  man  die  limites  der  Genturiation  wohl  nicht 
über  das  Hindernis  hinweg,  indem  man  sübsiciva,  d.  h.  nicht  assignierbare  En- 
claven^  entstehen  Hess,  sondern  nur  bis  zu  ihm  hin,  indem  die  nicht  als  Gen- 
turie  ausgelegte  Fläche  scamniert  oder  strigiert  wurde. 

Die  Stelle  p.  218,  3  f.  liefert  für  diese  Auffassung  den  besten  Beleg.  Im 
Gtebiet  der  Golonie  Sutrium  (heute  Sutri)  war  in  der  üblichen  Weise  centuriiert 
worden  —  das  muss  j^agri  ad  modum  iugerationis  sunt  adtngnati^  wegen  des 


scam.  II 


Sir. 
I 


m 

Fig.  5.  Fig.  6. 

Folgenden  tarnen  bedeuten  —  daneben  aber  trug  man  der  natura  loci  durch 
snbsidiäre  Anlage  von  agri  ganimati,  d.  h.  gammaförmigen  (f)  und  agri  scam- 
nati  also  oblongen  Parzellen  Rechnung.  Im  Gebiet  von  Boviannm  kamen 
ebenfalls  unter  den  Genturien  scamna  vor  (N.  7).  Dasselbe  wird  bei  Aufidena 
(N.  13)  and  Histonium  (N.  14)  gesagt,  in  Alatrium  sind  es  strigae  (N.  5). 
Wenn  bei  Nnrsia  (N.  11)  angegeben  wird,  sein  Gebiet  sei  „j?er  strigas  et 
scamna  in  centuriis^  assigniert,  so  bedeutet  das  natürlich  ebenfalls  Anlage 
▼on  Oblongen  neben  den  Genturien:  „iw  centuriis^  ist  beileibe  nicht  zu  beziehen 
auf  Einteilung  einer  Gen  turie  in  scamna  und  strigae,  wie  sie  Weber  aus  der 
gleich  zu  besprechenden  Stelle  des  Nipsus  (N.  15)  herausgelesen  hat  (s.  o.). 


22  Schu  Iten: 

• 

Strigae  und  scamna  nebeneinander,  wie  wir  sie  bereits  in  Hygins  theo- 
retischer Beschreibung  der  Vermessung  y^'per  proximos  possessionum  rigor es^' 
fanden,  sollen  ausser  in  Nursia  in  Reate  vorgekommen  sein  (N.  12),  aber  hier 
nicht  auf  im  übrigen  centuriiertem  Boden,  sondern  selbständig.  Dies  ist  das 
einzige  Beispiel,  welches  die  libri  coloniarum  für  reine  Scamnation  bieten. 
Strigae  als  alleinige  Vermessungsart  sind  bezeugt  für  Anagnia  (N.  6)  und 
Ostia  (N.  8). 

Neben  scamna  und  strigae  als  aushülfsweise  angelegten  Figuren  werden 
als  verwandte  Kategorien  praecisurae  (Schnitzel)  und  laciniae  (Fetzen)  ge- 
nannt (s.  Feldm.  II,  361).  Im  Gegensatz  zu  den  oblongen  scamna  und  strigae 
werden  das  gradlinig  begrenzte,  aber  uuregelmässige  Figuren  gewesen  sein. 
Das  zeigen  die  Namen  und  Figuren,  wie  z.  B.  Fig.  3  des  Über  diazografus. 
Von  den  subsiciva  unterscheiden  sie  sich  nur  insofern,  als  sie  assigniert  wurden, 
was  bei  den  subsiciva  nicht  der  Fall  ist,  nicht  etwa  durch  die  Art  der  Begren- 
zung, denn  auch  die  subsiciva  sind  —  soweit  sie  nicht  an  Flüssen  liegen  — 
gradlinig  begrenzt,  da  die  Grenze  des  Territoriums  wohl  im  Ganzen  eine  krumm- 
linige ist,  aber  die  Grenzlinie  sich  doch  aus  rigores  zusammensetzt,  wie  meine 
Figur  6  zeigt  (a — m  sind  Grenzsteine) ;  die  an  der  Grenze  ausserhalb  der 
vollen  Genturien  liegenden  Dreiecke  sind  solche  laciniae. 

Ich  komme  nun  zu  der  Stelle  aus  Junius  Nipsus  (N.  15),  der  Weber 
seine  Theorie  von  den  in  scamna  und  strigae  zerlegten  Genturien  entnommen 
hat.  Nipsus  sagt,  dass  der  ager  scamnatus  grössere  Länge  als  Breite^  d.  h. 
oblonge  Form  habe. 

Unter  ager  scamnatus  versteht  er  sicherlich  die  Elemente  des  ager  scamnatus : 
die  scamna,  denn  der  ager  hat  überhaupt  keine  regelmässige  Form,  sondern 
ist  ager  arcifinius  und  krummlinig  begrenzt.  Von  Länge  uud  Breite  kann 
man  bei  ihm  gar  nicht  reden,  denn  diese  Begrifife  beziehen  sich  auf  eine  recht- 
eckige Figur. 

Wenn  Nipsus  dann  sagt,  dass  die  agri  scamnati  ^in  centuriis  singvlis^ 
240  iugera  enthalten,  welche  Genturien  20  X  24  actus  lang  seien,  so  durfte 
hieraus  nimmermehr  eine  in  Oblonge  geteilte  Centurie  construiert  werden,  „ein 
limitierter  ager  scamnatus,  welcher  in  Genturien  aufgemessen  ist"  (Weber 
p.  22).  Das  ist  denn  doch  mehr  als  „eine  späte  Zwitterbildung",  das  ist  ein 
Unding,  ein  agrimensorisches  Monstrum. 

Nipsus  hat  nur  die  Leichtfertigkeit  begangen,  die  scamna  als  Genturien 
zu  bezeichnen,  weil  es  oblonge  Genturien  gab,  die  den  scamna  aufs  Haar  ähn- 
lich sahen,  oder  —  seien  wir  nicht  zu  schnell  im  Tadel  —  er  hat  mit  eben- 
soviel Recht  als  man  oblonge  Genturien  Genturien  nannte,  die  oblongen 
scamna  so  genannt.  Was  ist  denn  der  Unterschied  zwischen  einer  oblongen 
Genturie  und  einem  scamnuni?  Man  muss  schon  sehr  viele  Freude  am  Aus- 
einanderspalten  gleicher  Dinge  haben,  um  nicht  zu  sehen,  dass  die  Genturie 
quadratisch  sein  muss  und  wenn  sie  oblong  ist,  zum  mindesten  äusserlich  scam- 
num  ist.  Ist  denn  ein  aus  oblongen  Genturien  bestehender  ager  noch  ager  centu- 
riatus?    Sicherlich   nicht!    Doch  der  „in  Genturien  aufgemessene  ager  scam- 


Flnrteiluug  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  23 

natns"  mag  noch  hingehen  und  in  einem  agrimensorischeu  Begriffshimmel  eine 
Stätte  finden,  wie  aber  will  Weber  seine  auf  die  Hy ginstelle  basierte  in  1 
striga  und  2  seamna  geteilte  Centurie  (p.  23)  legitimieren?  Wozu  denn  eine 
Centurie  ausser  in  Loose  noch  in  seamna  und  strigae  zerlegen?!  Das  hätte 
doch  gar  keinen  praktischen  Zweck  gehabt  und  die  Kunst  der  Feldmesser  ist 
doch  nun  einmal  eine  recht  praktische  Disziplin.  Die  irrige  Lesart  quadra- 
turam  (statt  culturam)  und  die  falsche  Deutung  des  Wortes  als  Centurie  hat 
Weber  eine  reiche  Ernte  von  grundverkehrten  Aufstellungen  gebracht  (s.  o.). 

Das  scamnum  des  Nipsus  enthält  bei  20:24  actus  Seitenverhältnis  480 
actus  =  240  iugera.  Dies  ist  die  einzige  überlieferte  Notiz  über  den  Flächen- 
inhalt eines  scamnum.  Hier  verhalten  sich  die  Seiten  wie  4:5;  bei  Hygin  wie 
2:3;  mau  sieht,  das  scamnum  konnte  sehr  verschiedene  Formen  haben.  Aber 
sie  genügt;  um  zu  zeigen,  dass  das  scamnum  denselben  Flächeninhalt  wie  die 
reckteckigen  Centurien  hat,  dass  es  nichts  anderes  als  eine  rechteckige  Cen- 
turie ist.  Die  Stelle  hätte  Weber  sagen  müssen,  dass  seine  seamna  und 
strigae  von  10 :  20  actus  oder  200  actus  =100  iugera  Fläche  eine  Unmöglich- 
keit sind. 

Die  Stelle  ans  den  casae  litterarum  (N.  16)  beschreibt  ein  Grundstück, 
welches,  weil  auf  einem  langgestreckten  Hügel  (per  iugum)  gelegen,  scam- 
nirt  ist. 

Die  Boethinsstelle  (N.  17)  ist  aus  Hygin  p.  206,  15  entnommen. 

Dies  sind  die  bei  den  Feldmessern  überlieferten  Angaben  über  die  Assig- 
nation  j^er  strigas  et  seamna^.  Fassen  wir  nun  die  einzelnen  Punkte  zu- 
sammen. Um  von  der  Etymologie,  wie  billig,  auszugehen,  so  hat  das  jfScam- 
nwmf^  seinen  Namen  von  dem  zwischen  zwei  Furchen  liegenden  Ackerbeet  *). 
Der  Vergleich  der  lang  fortlaufenden  Rechtecke  mit  den  beim  Pflügen  ent- 
stehenden Beeten  (s.  Rudorff,  Feldm.  II,  296)  lag  nahe  genug.  Den  Fur- 
chen, welche  diese  Beete  begrenzten,  entsprechen  die  rigoresj  die  Greuzraine 
der  seamna.  Die  Ackerbeetc  führen  ihren  Namen  ihrerseits  wegen  der  Ähn- 
lichkeit mit  einer  Bank,  denn  sie  bilden  eine  von  den  Furchen  begrenzte  Er- 
höhung. Eine  Vorstellung  von  den  römischen  seamna  vermögen  vielleicht  die 
„Hochäck^r^'  zwischen  Isar  und  Lech  zu  geben,  schmale  und  sehr  ausgedehnte 
(Breite:  9 — 18  m,  Länge:  300  m)  Ackerbeete  in  den  breiten  Flussbetten  der 
Alpengewässer  (s.  Meitzen  a.  a.  0.  I  p.  358,  III  p.  161  f.).  Fast  möchte  man 
sie  mit  den  seamna  (oder  strigae)  identifizieren. 

Das  Gegenstück  des  scamnum,  die  nach  dem  cardo  max.,  also  nach  N.  S. 
orientierte  ,yStriga^^  bedeutet  den  „Streifen",  hat  also  keinen  spezifisch  agra- 
rischen Namen  ^). 

Seamna  und  strigae  kommen  wie  centuria  auch  im  römischen  Lager  vor 
und  bezeichnen  hier  ebenfalls  oblonge  Bodenflächeu.  Die  striga  hat  eine  Breite 
von  BOFuss  bei  verschiedener  Länge  (s.  v.  Domaszewski  in  der  Ausgabe  des 

1)  Vgl.  z.  B.  Columella  2,  4. 

2)  striga  kann  zwar  auch  die  Furche,  welche  der  Pflug  giebt,  bezeichnen,  aber 
davon  nicht  das  Flurmass  genannt  sein  (vgl.  Rudorff,  Feldm.  II,  291  Anm.). 


26  Schulten: 

signati  qua  usque  tunc  solum  uüle  visum  est,     Propter  magnüudinem  enim 

agrorum  veteranos  circa  extremum  fere  finem  vdut  terminos  disposuit  pau- 

cissimos  circa  coloniam  et  flumen  Anam;  reliquum  («cod.:  flumina  reliquum) 

ita  remanserat  ut  postea  repleretur^  etc. 

p.  122;  8  sagt  Hygin,  dass  in  Spanien  nach  einem  j^centuria^  genannten 

Flarmaass  gemessen  wurde;  p.  171,  1  (idem):  Angnstus  legt  in  Beturia  in  Eme- 

rita  Centurien  von  400  iugera  Fläche  an  „quibus  divisionibus  decimani  hahent 

longitudinis  actus  XL  kardines  actus  XX,   decimanus  est  in  orientem"'.  — 

p.  171;  6:  j,In  EineriteiMium  finibus  aliquae  sunt  praefecturae  quarum  decimani 

aeque  in  orientem  diriguntur,  kardines  in  meridianum:  sed  in  praefecturis 

MuUicensis  et    Turgaliensis  regionis  decimani  habent  actus  XXy   kardines 

actus  XL/^ 

p.  367,  26  (aus  Isidorus):  „Actus  quadratu^  undique  finitur  pedibus  CXX, 
cxx 


ita:  cxx\_\  cxx;  hunc  Betici  arapennem  dicunt  ab  arando  scilicet  0-  •  •  •    Ac- 
cxx 

tum  provinciae  Beticae   agnam  vocant.     Porcam  idem  Betici  XXX  pedum 

LXXX 

latidudine  et  LXXX  longitudine  definiunt  ita:  xv\ \xv^^   (für  XV  ist   in 

LXXX 

der  Figur  XXX  zu  setzen). 

Afrika: 

p.  57,  1  (Frontinas):  ,yNam  et  de  aedibus  sacris  quae  constüutae  sunt 
in  agris  simües  oriuntur  quaestiones  sicut  in  Africa  inter  Adrumentinos 
et  Tysdritanos  de  aede  Minervae  de  qua  iam  multis  annis  litiguntJ^ 

p.  36,  19  spricht  Frontin  von  dem  in  Afrika  geltenden  Wasserrecht,  p. 
47,  8  f.  von  den  afrikanischen  controversiae  de  modo,  p.  122,  15  handelt  Hygin 
von  den  agri  regii  der  Provinz  Cyrene.  —  p.  180,  1  (Hyginus  de  limitibus 
constit.):  y^Quibusdam  coloniis  postea  constitutis  sicut  in  Africa  Admederae 
decimanus  maximus  et  kardo  a  civitate  oriuntur . . ."  p.  307,  24  (Faustus 
et  Valerius  vv.  pp.  auctores):  jfDum  per  Africam  assignaremus  circa  Char- 
taginem  in  aliquibus  locis  terminos  rariores  constituimus  ut  inter  se  habeant 
pedes  IIGCGC.''  etc. 

6  a  1 1  i  a : 

p.  29,  10  (Frontinus):  j^Haec  vocdbula  (limites  „prorsi*'  und  „transversi*') 
in  lege  quae  est  in  agro  Uritano  in  Gällia  adhuc  permanere  dicuntur/'  — 
p.  353,  1 :  ffln  Africa  et  in  Galliis  et  Sirmium  (=  Sirmii)  übi  pertica  nostra 
definivity  tälia  signa  constituimit^s'^  \  —  p.  370, 6:  „. . .  Gallii  lewas  (=  leugas)"  \ 
p.  323,  16:  „miliarius  et  dimidius  apud  Gallis  levam  facit"\  —  p.  122,  6 
(Hygiu):  „/n  provincia  quoque  Narhonensi  varia  sunt  vocabula:  alii  appel- 
lant  libram,  alii  parallelam/^ 


1)  vgl.  p.  372,  17  (excerpta  de  mensuris):  ^Arapennis  vero,  quem  semHuge- 
rum  dicunt,  idem  est  quod  et  actus  inaior  habens  undique  versum  pedes  CXX,  per- 
ticas  vero  XIL 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  27 

Germania: 

p.  123,  9  (Hygin):  ,Jtem  dicitur  in  Germania  in  Tungris  pes  Drusianus 
qui  habet  monetalem  pedem  et  sescunciam^^  \  —  p.  373,  18:  ,yDuae  levae 
(=  leugae)  sive  miliarii  tres  apud  Germanos  unam  rastam  effieüuU.^^ 

Donaaländer. 

p.  121,  7  f.  bericbtet  Hygin,  dass  jüngst  ein  Agrimensor  in  Paunonien 
jedes  assignierte  Ackerloos  von  Staatswegen  abgesteckt  habe  (was  gewöhnlich 
den  Loosempfängern  überlassen  wurde) :  j^sed  et  extrema  linea  unius  cuitisque 
modum  comprehendit.^^ 

p.  205,  3  f.  berichtet  der  jüngere  Hygin,  dass  man  in  Pannonien  miss- 
bräuchlich  statt  per  scamna  et  striga^s  in  Centurien  veimcsseu  habe.  Dies  ist, 
wie  gesagt,  das  einzige  Beispiel  für  die  Scamnation  des  ager  provincialis. 
p.  353,  1 :  „In  Africa  et  in  Galliis  et  Sirmium  (=  Sirmii)  talia  signa 
eonstituimtis.'^  p.  122,  1  (Hygin)  wird  ein  in  Dalmatia  übliches  Flurmass 
„voraus"  erwähnt,  der  8640  D-Fuss  enthalte. 

Dies  ist  die  ganze,  gewiss  bei  der  Fülle  des  den  Feldmessern  zu  Gebote 
stehenden  Materials  recht  dürftige  Ausbeute  ihrer  Sammlung  ^). 

Für  das  römische  Germanien  finden  wir  nur  eine  allerdings  recht  wich- 
tige Notiz  bei  Hygin  (p,  123,  9):  im  Gebiet  der  „Tungri  in  Germania"  wurde 
ein  pes  Drusianus  als  Masseinheit  angewandt,  der  P/g  römische  pedes  misst 
„qui  habet  monetalem  {pedem)  et  sescundam^ 

Ich  kehre  nach  dieser  Voruntersuchung  über  die  scamna  zu  der  kölner 
Inschrift,  um  derentwillen  sie  angestellt  wurde,  zurück. 

Der  Stein  ist  gefunden  in  Köln.  Damit  ist  freilich  keineswegs  gesagt, 
dass  er  ins  Territorium  der  colonia  Agrippinensis  gehört.  Er  kann  als  Bau- 
stein weither  verschleppt  sein.  Der  vicus  Lucretius  gibt  keinen  Ausschlag 
pro  und  contra,  denn  vici  kann  es  in  jeder  Stadtfiur  geben.  Sie  kommen  am 
Rhein  kaum  auch  als  selbständige,  höchstens  einem  Gau  {pagus)  untergeord- 
nete Landgemeinden,  wie  in  Afrika,  vor  *),  da  das  römische  Germanien  (ab- 
gesehen von  den  Batavern)  an  die  zwei  hier  bestehenden  Stadtgemeinden  (Köln 
und  col.  Traiana  bei  Xanten)  und  die  Legionslager  —  als  „territorium  legio- 
nis'^  8)  —  aufgeteilt  gewesen  ist  (s.  u.).     Wenn  also  das  scamnum  primum  auf 

1)  Es  ist  bezeichnend,  dass  nur  die  besten  Vertreter  der  Feldmesskunst  Angaben 
über  die  agrimensorischen  Verhältnisse  provincialer  Territorien  machen:  Frontin 
über  Admedera  in  Afrika,  Emerita^  die  Palatini  und  Salmaticenses  in  Spanien; 
Hygin  über  Admedera,  den  ager  üritanus  in  Gallia  und  Emerita.  Das  Interesse 
für  die  Individualität  der  Bestandteile  des  Weltreichs  hat  den  Kömern  gefehlt:  das 
war  die  Folge  der  Centralisierung.  Wichtig  für  die  Beurteilung  des  von  den  Gro- 
matici  verarbeiteten  Materials  ist  der  Umstand,  dass  Hygin  und  Frontin  mit  denselben 
Städten  (Admedera,  Emerita)  operieren. 

2)  Wie  es  in  meinem  Aufsatz  „die  Landgemeinden  des  röm.  Reiches'  (Phllologus 
LIII  p.  629  f.)  angenommen  ist.  Ein  Fall  ist  allerdings  durch  die  „fines  terrae  vici^ 
bezeugt  (s.  diese  Jahrb.  Bd.  57  p.  6). 

8)  S.  meinen  Aufsatz  „das  territorium  legionis',  Hermes  1894. 


28  Schulten: 

das  Territorinm  der  colonia  Agrippinensis  zu  beziehen  ist,  so  bildet  das  Factam, 
dass  das  Land  einer  colonia  iuris  Italici  —  das  ist  Köln  ^)  —  in  scamna  auf- 
geteilt ist  (ganz  oder  zum  Teil)  einen  wertvollen  Beitrag  zu  den  anderen  Zeug- 
nissen für  das  Vorkommen  von  scamna  auf  ager  colonicus. 

Das  scamnum  primum  ist  zusammenzustellen  mit  der  Angabe  Hygins, 
dass  die  einzelnen  scamna  und  strigae  gezählt  und  darnach  bezeichnet  worden 
seien  (s.  o.)'  Nachdrücklich  abzuweisen  ist  die  auf  den  ersten  Blick  vielleicht 
scheinbare  Combination  *)  von  „ex  vico  Lucretio"  mit  ^^scamno  primo"  und  die 
Annahme  einer  in  scamna  geteilten  Dorfflur  wie  etwa  die  Flar  des  germani- 
schen Dorfs  in  Gewanne  geteilt  war.  Etwas  Ähnliches  ist  fttr  römische  Ver- 
hältnisse unerhört,  denn  der  römische  vicus  hat  kein  Territorium.  Die  den 
vicanen  possessores  gehörigen  Grundstücke  bilden  keine  Dorfflur,  keine 
,juniversitas  agrorum^  wie  die  municipalen  fundi,  sondern  einen  nur  durch 
den  gemeinsamen  Wohnsitz  ihrer  Besitzer  einheitlichen  Complex,  nicht  anders 
wie  etwa  die  zu  einer  Centurie  gehörigen  Colonisten.  So  wenig  wie  ihre 
Grundstücke  sind  die  possessores  vici  eine  ,fUniversüas".  Wie  die  Posses- 
soren eines  Dorfs  können  sich  auch  die  anderer,  benachbarter  Grundstücke 
also  z.  B.  die  Inhaber  von  Teilen  derselben  Centurie  zusammenthnn.  Ver- 
einigungen von  Possessoren  eines  Dorfs  kommen  mehrfach  vor  (s.  den  Aufsatz 
über  die  römischen  Landgemeinden  a.  a.  0.  p.  657).  Innerhalb  des  grossen  Ver- 
bandes der  municipes  konnten  sich  beliebige  Gruppen  bilden  z.  B.  die  Anwohner 
einer  Strasse,  etwa  mit  dem  Kult  der  Lares  compitales,  die  y^municipes  intramu- 
rani^^y  d.  h.  die  innerhalb  der  Stadt  wohnenden  Bürger,  die  ^^municipes  extramvr 
rani"  (Veji,  Corpus  XI,  3798),  d.  h.  die  Bewohner  des  platten  Landes  (=  vicani, 
soweit  es  Dörfer  auf  der  Feldmark  gibt)  und  als  kleinerer  Kreis  ländlicher 
municipes  die  Einwohner  eines  vicus.  Wenn  sich  diese  possessores  vici  oder 
vicani  niagistri  wählen,  so  sind  sie  darum  nicht  minder  eine  rein  private  Ge- 
meinschaft als  die  Corporation  etwa  der  j^negofiatores  fori  pecuariV^  in  Rom 
(Wilmanns,  Exempla  2518).  Nichts  ist  verkehrter,  als  den  Begriff  der  deutschen 
Dorfgemeinde,  von  jeher  des  vollberechtigten  Correlats  der  Stadtgemeinde  —  ab- 
gesehen natürlich  von  gutsherrlichen  und  in  städtischem  Banne  befindlichen 
Dörfern  —  auf  den  römischen  vicus  zu  übertragen:  im  römischen  Reich  gibt 
es  Landgemeinden  nicht;  was  dergleichen  vorkommt,  ist  Ausnahme,  Über 
diese  Dinge  kann  ich  auf  die  genannte  Abhandlung  verweisen. 

Die  Formel  jjpossessores  ex  vico  Lucretio^^  ist  neu  für  das  sonst  übliche 
„possessores  vici..''.  Die  neue  Formel  beweist,  dass  nur  ein  Teil  der  Possessoren 
sich  an  der  Dcdication  beteiligt.  Offenbar  ist  ebenso  die  Formel  ,possessore8 
vici . . ."  zu  verstehen.  Alle  Possessoren  eines  vicus  zusammen  nennen  sich 
kaum  possessores  vici,  sondera  ,, vicani''.  Die  der  obigen  Inschrift  sehr  ähn- 
liche Dcdication  der  ^jpossessores  vici  Vindoniani"  aus  dem  Gebiet  von  Aquin- 
eum  (C.  III,  3776)  nennt  etwa  10  Possessoren.  Das  sind  sicherlich  nicht  alle, 
denn  nur  dann  kann  man  annehmen,  dass  im  Dorf  nur  10  Possessoren  gewohnt 

1)  Di^.  50,  15,  8,  2:   „in  Germania  inferiore  Agrippinenses  iuris  Italici  sunt.^* 
"2)  Wie  ich  sie  selbst  vorgetragen  habe  (Laudgeoieinden  p.  657  Anra.  23). 


FlarteiluDg  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  29 

haben,  wenn  man  die  possessores  als  eine  besondere  Klasse  von  vicani,  etwa 
als  die  Grossgrundbesitzer,  aufifasst,  was  aber  possessores  nicht  heisst.  Sicher- 
lich hat  es  nie  ein  Dorf  mit  nur  10  Hüfnern  gegeben.  Bei  der  auf  unserer 
Inschrift  erscheinenden  Gruppe  von  Possidenti  ist  nicht  der  Wohnsitz  im  Dorf, 
sondern  die  Zugehörigkeit  zum  scamnum  I  das  Verbindende,  weil  die  5 — 10 
Grundbesitzer,  welche  an  der  Dedication  teilgenommen  haben  mögen,  nicht  als 
possessores  ex  vico  L,,  sondern  als  Inhaber  der  ein  scamnum  bildenden  Grund- 
stücke eine  Einheit  bilden.  Denn  possessores  gab  es  im  vicus  L.  mehr  als 
5 — 10,  zu  einem  scamnum  aber  werden  kaum  mehr  Hufen  gehört  haben,  da 
die  200 — 240  iugera,  welche  wir  als  gewöhnliche  Fläche  der  scamna  ansetzen 
dürfen  —  240  iugera  ist  einmal  überliefert:  Feldm.  1, 293, 11  s.  o.  S.  15  —  kaum  an 
mehr  als  5 — 10  Höfe  gefallen  sein  können:  24  iugera  ist  schon  ein  kleiner 
Gmndbesitz.  Gegen  den  Einwand,  dass  auch  die  j^possessores  scamno  primo^^ 
keine  natürliche  Einheit  zu  sein  brauchen,  kann  ich  deshalb  wohl  betonen,  dass, 
wenn  die  5 — 10  Besitzer  nur  einen  Teil  des  scamnum  primum  innegehabt  haben 
sollen,  ein  zu  kleiner  Grundbesitz,  eine  zu  grosse  Zerstückelung  des  scamnum 
resultiert.  Ausserdem  thun  sich  zu  solchen  Dedicationen  meist  feste  Gruppen 
zusammen,  nicht  lose  für  den  Moment  gebildete  Pe]*sonenyerbände.  In  der  Be- 
zeichnung „possessores  ex  vico  Lucretio  scamno  /"  ist  also  „ex  vico  Z."  eine 
secundäre  Angabe;  aber  die  doppelte  Bezeichnung  der  Dedicanten  zuerst  nach 
ihrem  Wohnort,  dann  nach  dem  Medium,  welches  sie  verbindet,  kann  nicht 
auffallen.  Correcter  und  einfacher  wäre  die  Bezeichnung  „possessores  scamni 
primi^'  gewesen. 

Der  vicus  Lucretius  ist  eins  der  zahlreichen  inschriftlich  bekannten  Dörfer 
der  römischen  Rheinlande  (s.  Landgemeinden  p.  670).  Nicht  wenige  von  ihnen 
haben  römische  Namen,  wie  der  vicus  Apolline(n)sis  und  v.  Salutaris  bei  Mainz  und 
der  V.  Aurelianus  (Öhringen).  Aus  Cäsar  wissen  wir,  dass  die  Kelten  wenige 
befestigte,  den  römischen  Städten  vergleichbare  Orte  (pppida)  hatten  und  im 
Übrigen  in  offenen  Dörfeni  —  der  vicus  ist  nie  befestigt,  sonst  heisst  er  „cos- 
tellum'^  —  oder  Einzelhöfen  siedelten.  So  haben  die  Helvetier  12  oppida  und 
400  vici  (Cäsar  de  b.  G.  I,  5).  Diese  oppida  und  vici  finden  sich  auch  in  den 
römischen,  ehedem  keltischen  Eheinlanden:  ich  nenne  nur  als  evident  keltische 
vici  den  vicus  Lopodunum  (Ladenburg)  und  den  vicus  Altiacns  (Alzey),  deren 
Namen  schon  den  keltischen  Ursprung  verbürgen. 

Die  römischen  Namen  mancher  vici  sind  natürlich  nicht  auf  römische 
Dorfgründung,  sondern  auf  Umnennung  zurückzuführen.  Dörfer  entstehen  bei 
der  römischen  Siedlung  nie,  sondern  Städte  oder  villae.  Die  in  den  Abruzzen 
häufigen  vici  sind  rudimentär  und  Gründungen  der  Marser,  Sabiner  etc. 

Die  Inschrift  bietet  einen  passenden  Ausgangspunkt  für  eine  Betrachtung 
der  in  den  römischen  Rheinlanden  (Germania  inferior  und  superior)  ^)  vorliegen- 
den agrimensorischen  Verhältnisse. 

1)  Der  Kürze  halber  wende  ich  im  Folgenden  auch  auf  das  erste  Jahrhundert 
diese  Bezeichnungen  an,  die  im  technischen  Sinne  erst  nach  der  Gründung  der  Pro- 
vinzen Germania  sup.  und  inf.  auftreten  (vgl.  Riese,  Westd.  Zeitschr. Correspondenzbl, 
1895,  p.  146  f.). 


30  Schulten: 


2.    Die  Territorien  in  den  beiden  Germanien. 

Die  ältesten  römischen  Anlagen  am  Rhein  sind  die  Festangen  —  so  mnss 
man  die  castra  stativa  bezeichnen  —  Gastra  Vetera  and  Mogontiacam.  Vetera 
ist  das  Lager  der  anter-,  Mainz  das  der  obergermanischen  Legionen.  So  war 
es  im  Jahre  14  n.  Ch.  (Tacitas  ann.  I;  31).  Diesen  Standlagem  mass,  wie  das 
üblich  war;  ein  Streifen  Land:  das  ,;territoriam  legionis^',  welches  wir  ans 
mehreren  Inschriften  kennen,  zugewiesen  worden  sein  (s.  meinen  Aufsatz  ;;Das 
territorium  legionis^'  im  Hermes  1894;  p.  481  f.).  Einen  Teil  des  Territoriums 
der  in  Vetera  stehenden  Legionen  werden  wir  in  den  nördlich  der  Lippe  ge- 
legenen „agri  vacui  et  müitum  usui  seposiW^y  die  Tacitus  (Ann.  13,  54)  zum 
Jahre  58  erwähnt,  erkennen  dürfen.  Das  römische  Germanien  ist  bekanntlich 
erst  spät  Provinz  geworden.  Vorher  steht  es  unter  den  beiden  legeUi  Aug. 
exercitus  Oermaniae  inferioris  und  superioriSj  ist  also  militärisches  Gebiet. 
Ich  glaubC;  dass  man  sagen  kann,  Germanien  bestand,  abgesehen  von  dem 
Gebiet  der  Bataver  und  Ubier  im  J.  14  n.  Chr.  aus  den  beiden  Territorien 
der  Legionen  von  Vetera  und  Mainz.  Die  Grenze  der  Sprengel  würde  als- 
dann die  spätere  Grenze  der  provincia  inferior  und  superior:  der  Vinxtbach 
gewesen  sein.  Analoge  Verhältnisse  liegen  vor  in  Nnmidien.  Wenn  die  in 
Lambaesis  liegende  legio  III  Augusta  im  ganzen  südlichen  Nnmidien  Bauten 
ausführte  —  nach  dem  Zeugnis  ihrer  Legionsziegel  —  so  kann  das  nur  auf- 
gefasst  werden  als  eine  Änsserung  des  Hoheitsrechts,  welches  die  Legion  bez. 
ihr  Legat  in  Nnmidien  innehatte.  Nur  auf  ihrem  Territorium  konnte  die  Legion 
bauen.  Im  Bereich  der  ^^quattuor  coloniae  Cirtenses'^,  dem  gewaltigen  Gebiet 
von  Girta,  fehlen  denn  auch  die  Bauinschriften  der  Legion  völlig  ^). 

Nnmidien  bestand  ans  zwei  Temtorien:  dem  der  legio  III  Aug.  und  dem 
von  Cirta.  Bei  einer  Termination  zwischen  den  beiden  Gebieten  würde  ent- 
sprechend der  Formel  der  spanischen  und  pannonischen  termini  „inter  terri- 
torium legionis  et  agrum  IUI  coloniarum^'  terminiert  worden  sein. 

Im  Jahre  50  wurde  das  „oppidum  Ubiorum^^  —  einen  Namen  scheint  es 
nicht  gehabt  zu  haben;  die  Bezeichnung  ^oppidum  Üb."  schlechthin  zeigt,  dass 
es  die  einzige  Stadt  der  Ubier  war  —  zur  colonia  Agrippinensis  erhoben 
(Tacitus,  ann.  12,  27).  Der  neuen  Colonie  musste  ein  Territorium  assigniert 
werden.  Ihr  Gebiet  wurde  entweder  das  ganze  bis  dahin  der  civitas  Ubiorum 
überlassene  Land,  welches  eine  Enclave  des  territorium  legionis  der  Festung 
Vetera  darstellte:  so  sind  in  den  Tres  Galliae  allmählig  die  Gaue  in  Territorien 
ihres  zur  römischen  Stadt  entwickelten  Hauptortes  umgewandelt  worden  (s. 
meinen  Aufsatz  „Die  peregrinen  Gaugemeinden  des  röm.  Reichs^'  im  Rhein. 
Mus.  L.  p.  398  f.),  oder  aber  die  neue  Colonie  erhielt  nur  einen  Teil  des  Ubier- 


1)  Der  legatus  Aug.  pr.  pr.  der  Legion,  welcher  zug-leich  Statthalter  für  ganz 
Numidien  ist,  wird  natürlich  auf  Inschriften  des  cirtensischen  Gebiets  genannt  (vgl. 
C.  VIII,  p.  XV),  genau  so  gut  wie  die  Statthalter  anderer  Provinzen  in  dem  der  Städte 
ihrer  Provinz. 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  31 

gebiets  nnd  der  Gau  der  Ubier  blieb  neben  ihr  bestehen,  wie  die  Segusiavi 
neben  Lugdunam.  Letzteren  Modus  nimmt  Nissen  (in  diesen  Jahrb.  1895,  150) 
an.  Seine  Vermutung,  dass  die  Ubier  der  Colouie  attribuiert  worden  seien  wie 
die  subalpinen  Gaue  den  benachbarten  römischen  Städte  Brixia,  Verona  etc., 
scheint  mir  überzeugend,  weil  sich  nur  so  erklärt,  dass  ubische  Soldaten  pere- 
grines  oder  latinisches  Recht  haben,  wie  aus  ihrem  Dienst  bei  den  equites  singu- 
lares  hervorgeht.  Denn  eine  attribuieite  Gemeinde  hat  stets  minderes  Recht  als 
die  Stadt,  der  sie  attribuiert  ist  (s.  Mommsen,  Staatsrecht  III,  767).  Durch 
Nissens  These  erledigt  sich  die  von  Mommsen  mit  gewohnter  Consequenz 
aus  dem  Auftreten  ubischer  oder  kölnischer  equites  singulares  gezogene  Folge- 
rung (Hermes  19,  70),  dass  Köln  nicht  römisches,  sondern  latinisches  Recht  ge- 
habt habe.  Dieser  Lösung  steht  nicht  im  Wege,  dass  die  pereginen  oder  la- 
tinischen Soldaten  statt  der  civitas  Ubiorum  die  „colonia  Ära*'  als  ort^o  nennen, 
denn  solche  Leute  führen  oft  abusiv  als  origo  eine  Stadt  an  (Mommsen, 
Hermes  19,  p.  26).  Das  beste  Beispiel  bietet  ein  aus  dem  attribuierten  Gau 
der  Tmmplini  gebürtiger  Soldat,  der  sich  bezeichnet  als  „domo  Trumplic^^ 
(Mommsen,  Staatsrecht  III,  768  Anm.  4).  Man  wird  also  lieber  ein  Fort- 
bestehen des  Ubiergaus  als  attribuierter  Gemeinde  annehmen,  als  der  col.  Agrip- 
pinensis  die  Qualität  einer  römischen  Colonie  absprechen. 

Wie  es  bei  attribuierten  Gemeinden  natürlich  war,  sind  die  Ubier  bald 
ganz  mit  den  Colonisten  verschmolzen.  Die  Attribuierten  hatten  zwar  ein  eigenes 
Territorium,  aber  dasselbe  galt  in  praxi  als  Teil  des  Gebiets  der  herrschenden 
Gemeinde.  Die  factische  Identität  des  Gebiets  von  Köln  mit  dem  ehemaligen 
Gebiete  der  Ubier  geht  daraus  hervor,  dass  j^fines  Ubiorum*^  und  yyfines  Agrip- 
pinemium^*  promiscue  gesagt  wird  (vgl.  Tacitns  bist.  4,  28  mit  79)  und  dass 
sich  die  Ubier  „Agrippinenses'^  nannten  (Tac.  bist.  4,  29).  Dasselbe  folgt, 
wie  Nissen  (in  diesen  Jb.  XCVIII  [1895]  p.  150)  mit  Recht  hervorhebt, 
daraus,  dass  Ptolemaeus  statt  der  sechs  von  Plinius  (N.  H.  IV,  106)  genannten 
linksrheinischen  Völker  nur  4  nennt  (Ptol.  II,  9) :  die  fines  Ubiorum  waren  das 
Gebiet  von  Köln,  die  fines  Cugernorum  das  der  col.  Traiana  geworden. 

Dass  die  Ubier  nicht  mehr  Germanen,  sondern  Römer  sein  wollten,  zeigt 
Tac.  bist.  4,  28 :  infestius  in  Ubiis,  quod  gens . . .  eiurata  patria  Agrippinenses 
vocarenlur.^  Die  Verschmelzung  der  Ubier  mit  der  Colonie  erhellt  deutlich 
ans  der  Stelle  Tacitus  bist.  4,  65,  wo  er  die  Agrippinenses  (=  Ubii)  sagen 
lässt,  sie  fühlten  sich  mit  den  deducierten  Colonisten  eins:  „«i  qui  ex  Italia 
aui  promnciis  alienigenae  in  finibus  nostris  fuerunt^  eos  bellum  absumpsit 
vel  in  8uas  quisque  sedes  refugerunt.  Deductis  olim  et  nobiscum  per  connur 
bium  sodatis  quique  mox  provenerunfj  haec  patna  est , ,  ,^  Man  wird  bei 
dieser  Stelle  erinnert  an  das,  was  die  der  Stadt  Tridentum  attribuierten  Völker 
ausfahren  (Edict  des  Claudius  C.  V,  5050):  ^. . .  icf  hominum  genus  (die  Attri- 
buierten) . .  .üa  permixtum  cum  Tridentinis,  ut  diduci  ab  is  sine  gravi 
splendidi  munidpi  iniuria  non  possU/^ 

Die  Attribution  an  die  Colonie  und  die  daraus  resultierende  Umwandlung 
der  Gau-   in   eine  Stadtgemeinde   war   der  Lohn   für  den  Übertritt  der  Ubier 


32  Schulten: 


auf  römisches  Gebiet  (im  Jahre  38  v.  Chr.;  als  Agrippa  am  Rhein  kommandierte: 
Tae.  ann.  12,  27;  Strabo  p.  194  Casaub.;  Tacitus  Germ.  28) »). 

Die  j^colofUa  Claudia  Ära  (oder  ^Augtista^^)  Agrippinensium^  (s.  N  i  s  s  e  n 
a.  a.  0.  p.  169  f.),  wie  das  römische  Köln  mit  vollem  Namen  heisst,  hat 
im  III.  Jahrhundert ')  die  bevorzugte  Stellung  einer  colonia  iuris  Italici,  d.  h. 
Steuerfreiheit  und  privatrechtliche  Gleichstellung  mit  den  italischen  Städten. 
Es  wird  anzunehmen  sein,  dass  Köln  <4iese  Qualität  gleich  bei  seiner  Erhe- 
bmig  zur  Colonie  erhalten  hat. 

Um  das  Gebiet  des  römischen  Köln  zu  bestimmen,  haben  wir  leider  nur 
zwei  Anhaltspunkte,  indem  Tacitus  Tolbiacum  (Zülpich) ')  und  Harcodurum 
(Düren)  als  „in  finibus  Ubiorum^  gelegen  bezeichnet  (bist.  4,  28;  79). 
Nach  Westen  scheint  demnach  das  kölnische  Gebiet  sich  bis  zur  Roer  — 
an  der  Düren  liegt  —  ausgedehnt  zu  haben.  Nach  Süden  zu  liegt  Zülpich 
auf  der  Höhe  von  Bonn.  Ob  darum  Bonn  ebenfalls  ubisch  war,  ist  frag- 
lich; die  Grenze  kann  a  priori  zwischen  Zülpich  und  Bonn  nach  Norden  um- 
gebogen sein  ohne  den  Rhein  zu  erreichen;  wahrscheinlicher  ist  aber,  dass 
man  dem  Gebiet  der  neuen  Colonie  natürliche  Grenzen,  also  im  Osten  den 
Rhein,  im  Westen  die  Roer  gegeben  und  im  Süden  diese  beiden  Grenzlinien 
durch  eine  gerade,  „recto  rigore^j  laufende  Linie  verbunden  hat.  Ob  dieser 
südliche  Grenzzug  kurz  unterhalb  Zülpich  oder  —  wie  Nissen  a.  a.  0.  p.  147 
meint  —  längs  der  Grenze  von  Germania  inferior  und  superior,  also  längs  des 
Vinxtbaches  lief,  ist  nicht  auszumachen.  Ganz  ohne  sichere  Punkte  sind  wir 
für  die  nördliche  Ausdehnung  des  Gebiets.  Dass  Geldnba  (Gellep  bei  Crefeld) 
ubisch  gewesen  sei,  lässt  sich  nicht,  wie  Nissen  thut  (p.  147),  mit  Sicherheit 
ans  der  Stelle  Tacitus  bist.  4,  26  entnehmen ;  dort  steht  nur,  dass  das  römische 
Heer  von  Novaesium  nach  Gelduba  gerückt  sei  und  „proximos  Cugernorum 
pagos^  verwüstet  habe.  Vom  Gebiet  der  Ubier  ist  direct  keine  Rede.  Man 
kann  die  Stelle  übersetzen:  „die  Gaue  der  Ciigerner,  die  in  der  Nähe  lagen": 
dann  befanden  sich  die  Legionen  in  der  Nähe  des  Cagernergebiets,  also  in  dem 
der  Ubier.  Man  kann  aber  auch  tibersetzen  —  und  so  wird  man  es  zunächst 
thun  — :  „diejenigen  Gaue  der  C,  welche  zunächst  lagen",  so  dass  Gelduba  selbst 
schon  cugcrnisch  gewesen  wäre.  Wenn  die  Vermutung  Könens  (Jahrgang 
1897  dieser  Jahrbücher  p.  1  f.),  dass  die  „iw  finibus  Ubiorum^^  (Tac.  ann.  I,  31) 
belegenen  castra  aestiva  bei  Neuss  zu  suchen  seien  (zwischen  dem  römischen 
Lager  Novaesinm  und  dem  heutigen  Neuss),  zutrifft,  so  würde  mit  Neuss  ein 
fester  Punkt  auch  für  die  nördliche  Ausdehnung  der  fines  übiorum  gewonnen 
sein.   Im  Norden  grenzte  an  das  Gebiet  der  agrippinensischen  Colonie  das  Gebiet 


1)  „JVe  Ubii  quidem  ..origine  erubescunt  transgressi  olim  et  experimento  fidei 
super  ipsam  Rheni  ripam  coUocati  .  .'* 

2)  Paulus:  Dig.  50,  15,  8,  2. 

3)  Das  Itin.  Antonini  (p.  372)  nennt  Tolbiacum  j,i'icius  Supernorum^^,  Super- 
norum  in  Übiorum  zu  cmendicron  wird  kaum  an«2:(>hen:  das  Itinerar  meinte  wohl  die 
Cugerni\  aber  dass  der  südwestlich  von  Köln  gelegene  Ort  ubisch  war,  unterliegt 
darum  nicht  weniger  keinem  Zweifel. 


Flurteiluno:  und  Territorien  in  den  römischen  Kheinlanden.  33 


'O 


der  Cugerner  resp.  das  Territorium  der  Festung  Vetera.  Ehedem  wird  es  die 
ganze  Germania  inferior,  wie  Mainz  die  supcrior,  umfasst  haben  (s.  o.);  nach 
der  Deduction  der  Sugambrer  (Cugerner)  in  diese  Gegend  (nach  9  v.  Chr.  s. 
Sueton,  Tiber.  9)  und  der  Gründung  der  Colonie  wurde  es  auf  den  Norden 
beschränkt. 

Oben  ist  bereits  ausgeführt,  dass,  wenn  Ptolemaeus  am  Niederrhein  nur 
die  Batavi  nennt,  während  Pliuius  noch  die  Cugerni  und  Ubii  anführt,  dies  nur 
durch  die  Verwandlung  der  fines  übiorum  in  das  Gebiet  von  Köln,  der  fines 
Cugemorum  in  das  der  colonia  Traiana  zu  erklären  ist  (s.  Nissen  a.  a.  0.  p.  150). 
Neue  Veränderungen  der  territorialen  Verhältnisse  in  Germania  inferior  brachte 
also  die  Regierung  Trajans.  Er  gründete  die  colonia  Traiana  (s.  die  Stellen  der 
Itinerarien  bei  Riese,  das  rhcin.  Germanien  in  der  antiken  Litteratnr  p.  389  f.). 
Sie  lag  1  röm.  Meile  nördlich  der  castra  Vetera  (s.  It.  Auton.  p.  368:  colonia 
Traiana  —  Veteribus  M.  P.  /.)^).  Ebenso  gründete  Trajan  für  die  neuge- 
schaffene legio  XXX  Ulpia  Victrix  ein  neues  Lager;  dies  lag  wohl  nicht  an 
der  Stelle  des  alten  im  Bataverkrieg  zerstörten  Lagers  (auf  dem  Fürstenberg), 
aber  in  seiner  Nähe,  denn  im  Itin.  Antonini  (p.  250)  steht  j^casfra  leg.  XXX^^ 
neben  Vetera  als  eine  Station. 

Es  ist  möglich,  dass  Trajan  den  bei  der  legio  tricensima  entstandenen 
canabae  Stadtrecht  verliehen  und  sie  zur  colonia  Traiana  gemacht  hat,  wie 
das  mit  den  Lagerorten  bei  den  Donaufestungen  Aquincum,  Apulum  etc.  ge- 
schehen ist.  Die  Entfernung  der  col.  Traiana  vom  Lager  der  legio  XXX  — 
eine  Milie  =  1,5  Kil.  —  entspricht  der  Distanz  zwischen  Lager  und  Lageratadt 
Lambaesis.  Bei  Gründung  der  colonia  Trajana  muss  das  Territorium  der 
Cugerner  ihr  attribuiert  worden  sein,  denn  die  neue  Stadt  musste  eine  Feld- 
mark haben.  Wenn  hier  die  Cugerner  ihr  Gebiet  an  eine  neue  Stadtgemeinde 
abtreten  mussten,  so  ging  zwischen  dem  Jahr  14  und  69  *)  ein  Teil  des 
kölner  Gebiets  an  die  beiden  neuen  Legionslager  Novaesium  (zwischen  Neuss 
und  Grimlinghausen)  und  Bonna  (Bonn)  über.  Wahrscheinlich  wurden  diese 
Lager  angelegt,  als  im  Jahre  43  im  Zusammenhang  mit  der  britannischen  Ex- 
pedition Veränderungen  in  den  beiden  germanischen  Corps  eintraten.  Durch 
Novaesium  muss  das  Gebiet  von  Köln  eine  Einbusse  im  Norden,  durch  Bonna 
im  Süden  erlitten  haben.  Das  bonner  Festungsgebiet  grenzte  am  Vinxtbach 
an  den  obergermanischen  Sprengel  und  zwar  an  das  Territorium  der  Festung 
Mogontiacum.  Auf  der  rechten  Rheinseite  muss  ebenfalls  den  Legionen  und 
den  beiden  Städten  Gebiet  assigniert  worden  sein,  wie  ja  rt^gH  in  usum  mili* 


1)  Die  tab.  Peutingeriana  gibt  m.  p.  XI.  Das  ist  eine  evidente  Corruptel.  Die 
Ausgrabungen  haben  die  Lage  der  col.  Traiana  in  nächster  Nähe  des  heutigen  Xanten 
—  welches  1  römische  Milie  vom  Fürstenberg,  dem  Ort  der  castra  Vetera  entfernt 
ist  —  festgestellt  (s.  meinen  Aufsatz  das  „Tcrrit.  legionis"  Hermes  1894,  p.  493 
Anm.  2). 

2)  Im  J.  14  liegt  noch  das  ganze  niederrheinische  Heer  in  Vetera  (T  ac.  Ann. 
I,  36),  im  Bataverkrieg  dagegen  verteilt  in  Bonna^  Novaesium,  Vetera. 

Jahrb.  d.  Ver.  ▼.  Altorthsfr.  im  Rheinl.  103.  3 


d4  Schulten: 

tum  sepositi^  auf  dem  anderen  Ufer  gegenüber  Vetera,  also  als  Teil  des  zu 
Vetera  gehörigen  territorium  legionis,  bezeugt  sind  (s.  oben). 

Im  Inneren,  im  westlichen  Teil  von  Germania  inferior  lag  nach  der  ge- 
wöhnlichen Annahme  das  Gebiet  der  Tungri  (deren  Hauptort  später  vom  Gau 
den  Namen  erhält  =  Tongern)  und  Batavi  (mit  Nijmegen  =  Noviomagus).  Das 
Gebiet  der  Bataver  grenzte  südlich  an  das  der  Festung  Vetera.  Auch  die 
civitas  Menapiorum  wird  zu  Germania  inferior  gerechnet,  wenigstens  von  den 
Neueren.  Plinius  (N.H.  4, 58)  und  Ptolemaeus  (2, 9, 8)  nennen  nur  die  Bataver,  nicht 
Tungri  und  Menapii.  Da  nur  diese  Autoren  eine  wirkliche  Statistik  geben  — 
Strabo  vermengt  Gallien  und  Germanien,  s.  pag.  193  Gas.  — ,  wird  es  angezeigt 
sein,  die  Germania  inferior  mit  der  Maas  zu  begrenzen ;  eine  natürliche  Grenze 
ist  schon  a  priori  ein  Erfordernis.  Es  wäre  endlich  einmal  an  der  Zeit,  dass 
die  Kartographen  sich  um  diese  Dinge  kümmeilen,  statt  wie  bisher  die  Sprengel 
Germania  inferior  und  superior  oder  gar  die  Provinzen  mit  den  Namen  der  bei 
Cäsar  genannten  Völkerechaften  (z.  B.  der  Coiidrusi)  zu  versehen.  Mit  einer 
Karte  lässt  sich  allerdings  die  Geschichte  des  rheinischen  Germaniehs  nicht 
erläutern,  sondera  es  sind  für  jede  Epoche  verschiedene  anzulegen.  Die  Namen 
aller  in  der  Litteratur  vorkommender  Gaue  auf  ein  Blatt  zu  zeichnen,  ist  ein 
grober  historischer  Verstoss,  denn  in  Germanien  sind  nicht  alle  von  den  Geo- 
graphen genannten  Gaue  auch  politisch  anerkannt  und  den  Provinzen  einver- 
leibt. Nur  diejenigen  j^quibus  fines  adsignati  sunt^  gehören  auf  eine  histo- 
rische Karte  der  Provinz  Geimanien. 

Der  obergermanische  Sprengel  muss  unter  die  Festung  Mainz  und  die 
Gaue  der  Vangiones  (mit  Worms),  Nemetes  (mit  Speier)  und  Triboci  (mit  Ar- 
gentoratum  [Strassburg])  ^)  geteilt  gewesen  sein.  Den  äussersten  Süden  nahm 
seit  der  Gründung  des  Legionslagers  von  Argentoratum  (Strassburg)  das  Ter- 
ritorium der  legio  VIII  Aug.  ein.  Auf  der  anderen  Rheinseite  lag  gegenüber 
dem  Gebiet  der  Festung  Mainz  der  Gau- der  Mattiaci,  die  j^civitas  Mattiacorum^^ 
(oder  Taunensium  nach  dem  Gebirge)  mit  dem  Hauptort  ^)  aquac  Mattiacae 
(Wiesbaden).  Auf  den  Karten  (auch  im  Text  bei  Moramsen  Rom.  G.  V,  109) 
findet  man  als  zu  Germania  superior  gehörig  noch  verzeichnet  die  Rauraci  (mit 
Augusta  Rauracorum  =  Äugst  bei  Basel),  Helvetii,  Sequani  und  Lingones  ^).  Alle 
diese  Völker  sind  Gallier,  woran  noch  niemand  gezweifelt  hat.  Nun  ist  aber 
nichts  sicherer,  als  dass  in  die  beiden  germanischen  Provinzen  nur  germanische 
Gaue  —  wohlverstanden  Gaue:  die  j^levissimus  qtiisque  Gallorum'^  der  agri 
decumates  (Tacitus  Germ.  29)  haben  wohl  keine  Gaue  gebildet  —  aufgenommen 
sind.  Der  Irrtum  beruht  auf  Ptolemaeus  (2,  9,  9) :  man  hat  nämlich  die  von 
ihm  als    den    Rauraci  —  die   er    allerdings    fehlerhaft   zu   Germania    superior 


1)  Die  Ortschaften  dieser  Gaue  verzeichnet  Ptolemaeus  *2,  9,  9.  Die  drei  Gaue 
bei  TacitUH  Ger.  28;  Plinius  N.  H.  4,  98;  Ptolem.  a.  a.  0.;  Amin.     Marcell.  15,  11,  6. 

2)  s.  Westd.  Zeitschrift  1896,  Correspondenzblatt  p.  196. 

3)  Kiclitig  ist  die  Grenze  gezo<^en  in  Kieperts  Atlas  antiquus,  falsch  in  der 
Karte  zu  Mommscns  Köm.  Geschichte  dem  Text  (p.  109)  zuliebe.  Zu  demselben  Re- 
sultat kommt  A.  Riese  (Westd.  Ztschr.  1895  p.  148). 


Flurteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  35 

rechnet  —  benachbart  genannten,  aber  zu  Belgien  gehörigen  Gaue  der  Lin- 
gones,  Helvetii,  Sequani  zur  germanischen  Provinz  bezogen.  Wie  Ptolemaeus 
nennt  auch  Plinius  (4, 98)  als  Gaue  der  Germania  superior  die  Vangiones,  Nemeti, 
Triboci;  Ammiauus  (15,  11,  6)  nennt  als  Gemeinden:  Mogontiacus,  Vangiones, 
Nemetae,  Argentoratus.  Die  Triboci  fehlen,  weil  ihr  Gebiet  Temtorium  der  le- 
gio  VIII  Aug.  von  Strassburg  geworden  ist  (vgl.  den  ähnlichen  Fall  oben  p.  31, 33). 

Das  Gebiet  der  Mattiaci  wird  kaum  den  Main  überschritten,  sondern 
im  Norden  bis  zum  Taunus,  im  Süden  bis  zum  Main  gereicht  haben.  An  sie 
grenzte  wohl  die  dvitas  Sueborum  Nicrefium,  deren  Existenz  Zangemeister 
so  glücklich  festgestellt  hat  (N.  Heidelberger  Jahrb.  III,  p.  1  f.) ;  denn  ihr  Haupt- 
ort ist  Ladenburg  am  unteren  Neckar,  der  vicus,  später  die  civitas  Ulpia  Lo- 
podunum  ^), 

Von  anderen  Gaugemeinden  des  Decumatenlands  wissen  wir  nichts,  aber 
es  mag  doch  noch  mehr  davon  —  etwa  andere  Gaue  des  grossen  Stammes 
der  Suehi  —  gegeben  haben,  wenn  man  in  y^Nicretes^  das  Distinctiv  eines  Gaues 
von  andern  sieht,  wie  man  doch  wohl  muss.  Das  Gebiet  dieser  Suebengaue 
wird  die  nördliche  Hälfte  des  Decumatenlaudes  eingenommen  haben,  denn  im 
Süden  war  kaiserliches  Domänengebiet.  In  Rottenburg  am  Neckar  hat  man 
folgende  Inschrift  gefunden  (Brambach  1633):  „in  h.  d.  d»  .  .  ex  decreto 
ordinis  saltus  Sumelocennensis  .  .  .  cura  agentibus  (folgen  2  Namen)  ma- 
giistris)  *)^.  Es  gab  also  hier  ein  domaniales  Territorium  {saltus,  s.  meine  „Grund- 
herrschaften" p.  17  f.),  benannt  nach  dem  Ort  Sumelocenna,  in  dem  sich  wohl 
die  Verwaltung  befand. 

Völlig  Singular  ist  nun  aber,  dass  diese  Domäne  einen  ordo,  einen  Ge- 
meinderat, hat.  Die  magistri  sind  weniger  auffallend,  denn  auch  auf  den  afri- 
kanischen saUus  stehen  die  gutsherrlichen  Colonen  unter  magistri  (Grundherr - 
Schäften  p.  100).  Für  eine  solche  gutsherrliche  Ortschaft  würde  uns  auch  die 
Existenz  eines  ordo  nicht  zu  sehr  befremden,  obwohl  durchgeführte  Gemeinde- 
verfassung sich  nicht  ganz  mit  centraler  Verwaltung  verträgt,  denn  einen  ordo 
finden  wir  auch  in  den  afrikanischen  castella,  den  befestigten  Dörfern.  Hier 
aber  gehört  wenigstens  in  der  Formulierung  der  Inschrift  der  ordo  nicht  zum 
vicus  Sumelocenna,  sondern  zum  saltus  Sumelocennensis.  Diese  Auffassung 
lässt  sich  nur  aus  der  von   mir   öfters  dargestellten  (vgl.  z.  B.  Grundh.  p.  21) 


1)  Sehr  wahrscheinlich  ist  v.  Herzogs  (in  diesen  Jahrb.  Heft  102  p.  %)  Ver- 
mutung, dass  civitas  S.  T.  der  Inschrift  Brambach  1593  vielleicht  civitas  Sfuebo- 
rum)  T( , . .)  zu  lesen  sei;  die  Ähnlichkeit  der  Siglen  (S.  N.  =  Suebi  Nicretes)  spricht 
sehr  dafür.  An  Suebi  T(outone8)  zu  denken,  liegt  nahe  genug.  Dann  würde  das 
Land  zwischen  dem  Main  und  unteren  Neckar  (Miltenberg— Ladenburg)  suebisch  ge- 
wesen 'sein. 

2)  Die  neueste  Lesuug  der  Inschrift  findet  sich  bei  v.  Herzog  a.  a.  0.  p.  98. 
MAGCistris),  wie  ich  (Grundherrschaften  p.  104)  bereits  hergestellt  hatte,  ist  trotz  der 
Zerstörung  der  beiden  ersten  Buchstabon  sicher.  —  In  dem  oben  über  den  saltus  Su- 
melocennensis gesagten  berühre  ich  mich  vielfach  mit  v.  Herzog  (a.  a.  0.  p.  96  f.), 
dessen  vortrefflicher  Aufsatz  „Zur  Occupations-  u.  Verwaltungsgesch.  d.  rechtsrhein. 
Bömerlandes"  mir  erst  bei  der  Drucklegung  vorlag. 


^  Schulten: 

Tendenz,  ein  gutsherrliches  Territorium  als  Territorium  des  Vorortes  der  Domäne 
aufzufassen,  ableiten.  Der  Abschluss  dieser  Entwicklung  liegt  vor  in  den  nach  einem 
Gut  benannten  Städten,  wie  sie  besonders  in  Gallien  vorkommen:  Floirac  ist  aus 
ftmdus  Floriacus,  Savigny  aus/*.  Säbiniacus  enstanden^);  die  römische  villa  wurde 
zur  französischen  y^ville^.  Man  wird  den  Gemeinderat  auf  den  ganzen  saltus, 
nicht  etwa  nur  auf  den  Vorort  zu  beziehen  haben,  ebenso  wie  die  beiden  ma- 
gistrL  Dann  haben  wir  also  einen  wie  eine  Gemeinde  organisierten  saltus. 
Das  ist  bisher  freilich  ein  Unicum,  aber  ein  durchaus  in  die  Entwicklung  pas- 
sendes. Die  Competenz  der  localen  Verwaltung  gegen  die  der  kaiserlichen 
Domauialhehörde,  des ^rocwra^or,  abzugrenzen,  wird  kaum  möglich  sein;  es  ge- 
nügt, festzustellen,  dass  kaiserliche  und  quasimunicipale  Administration  hier 
konkumerten.  Den  kaiserlichen  Procurator  dieser  Domäne  hat  uns  eine  asia- 
tische Inschrift  kennen  gelehrt.  Sie  ist  mitgeteilt  von  Mommsen,  Westd. 
Ztschr.  1886,  p.  260  (vgl.  auch  Jahrbuch  des  arch.  Instituts  1889,  archäol.  An- 
zeiger p.  41).  Der  Anfang  lautet:  .  .  .  .  ou  x^P«? |  ^] OM^XoKevvricia^  xai  ,  .  . 
cpXijiiTdvTi^  .  Mommsen  ergänzt  am  Anfang  [dTTiTpoTTOv  creßacTJoC  und  in 
Zeile  3  [uirJepXiMiTdvTi^.  Xiipa^  gibt  er  wieder  mit  „frac^w«"  und  hält  den 
Procurator  —  der  zweifelsohne  genannt  gewesen  ist  —  für  einen  procurator 
tractua  von  Ritterrang,  welche  Domanialbehörde  wir  aus  Afrika  (s.  Grundherr- 
schaften p.  62  f.)  kennen.  Tractus  war  in  Afrika  ein  domanialer,  mehrere  saltus 
umfassender  Verwaltungssprengel.  Wegen  des  zweiten  BegriflFs  [uirJepXiMiTdvTic 
(=  translimitani)  wird  man  x^pac  mit  tractus ,  nicht  mit  saltus  wiedergeben 
müssen,  da  man  nicht  wohl  einen  saltus  translimäanus  annehmen  kann  und 
andernfalls  statt  x^P^^c  '  x^P^^v  stehen  müsste  (xujpiov  =  saltus,  vgl.  Ramsay 
bist.  Geography  of  Asia  Minor,  p.  176  f.).  Die  x^P«  ZopeXoKCvvTicia  xai  unep- 
XipiTdvTi  =  tractus  Sumelocennensis  et  translimitanus  muss  also  ein  grösserer 
Sprengel  gewesen  sein,  in  dem  sich  der  saltus  ISumelocennensis  befond,  wie 
die  saltus  des  Bagradasthals  (Burunitauus  etc.)  im  tractus  Carthaginicnsis.  Nur 
so  lässt  sich  der  saltus  Sum.  mit  dem  tractus  Sum.  combinieren.  Das  Adjectiv 
y^transUmitanus'^  zeigt,  dass  das  Domäucngebict  über  den  Limes  hinausreiclite, 
der  ja  auch  nur  eine  militärische,  keine  Provinzialgrcnze  war  (s.  Mommsen 
zur  Inschrift). 

Das  Dccuniatenland  stellt  sich  uns  also  nach  den  bisher  vorhandenen 
Urkunden  dar  als  bestehend  aus  einem  peregrinen  Gaugebiet  (dem  der  Suehi 
Nicretes)  und  kaiserlichem  Domanialland. 


1)  Vg-l.  die»  vortreffliche  Darstellung  von  Fustel  de  Coulanges,  Instifufions 
pol'it.  de  la  France  IIT,  1  (la  villa  «iallo-romainc»)  und  A.  de  Jubainville,  Rechei^ches 
sur  Voriijine  de  In  propriefe  fonciere  et  des  noms  des  lieux  hnbites  de  la  France  (livre 
II:  rech,  sur  rori'4'ino  des  noms  des  liiuix  habit(''s  on  France). 


Flurtoilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  37 


3.    Andere  Urkunden  der  römischen  Flurteilung  am  Rhein. 

Die  wichtigste  Urkunde  der  römischen  Flurteilung  im  Rheinlande  bildete 
den  Ausgangspunkt  dieser  Abhandlung.     Es  giebt  noch  eine  Inschrift  derselben 
Gattung.     Sie  ist  gefunden  in  Obrigheim  am  Neckar. 
Die  Inschrift  (Brambach  N.  1724)  lautet: 

IN.     H  •  D  •  D 
MERCVRIO 
AED-  SIGN-  \GR 
>     IUI  .  L  .  BELLONIVS 

?  MARCVS    AMER 

?  IVSSVS  ECIEL  CONS 

?  VII 

Die  drei  letzten  Zeilen  sind  corrupt.  Die  Inschrift  sagt,  dass  ein  L.  Bello- 
nius  dem  Mercurius  einen  Tempel:  aed{em),  Statuen:  sign{ä)  und  „agr(um) 
centuriarum  (das  ist  >)  IUI"  dediciert  habe.  Unser  Interesse  ruht  natürlich 
auf  „agr{um)  >  IUP*.  Dies  kann  kaum  anders,  als  eben  geschehen  ist,  gelesen 
werden ;  >  kann  z.  B.  nicht  das  Zeichen  für  iugera  sein.  An  die  militärische 
Centurie  ist  erst  recht  nicht  zu  denken.  Vier  Centurien  Ackerland,  also  in 
dubio  800  iugera  —  es  gab  auch  grössere  Centurien  (Feldmesser  II,  352)  — , 
sind  freilich  als  Grundbesitz  eines  Possessor  ein  enormer  Bestand,  als  Geschenk 
vollends  fast  unerhört  viel  ^),  aber  im  Decumatenland  —  ihm  gehört  der  Stein 
an  —  mag  das  Land  in  solch  grossen  Beständen  vergeben  worden  sein.  Hier 
sind  keine  Städte  mit  stark  parzelliertem  Territorium  gegrtlndet  worden,  man 
scheint  vielmehr  dies  Vorland  von  Obergermanien  occupatorisch  haben  besie- 
deln lassen.  Charakteristisch  für  das  Decumatenland  sind  die  römischen  Ein- 
zelhöfe, deren  oft  sehr  bedeutender  Umfang  *)  sicherlich  einem  ausgedehnten 
Grundbesitz  entspricht.  Einzelhöfe  (viUae)  und  Grossgrundbesitz  sind  in  der 
Geschichte  der  römischen  Siedlung  in  den  Provinzen  correlate  BegriflTe.  Auf 
städtisch  besiedelten  Landstticken  herrscht  der  Kleinbesitz;  die  grossen  Herr- 
schaften —  „saltus^^  —  sind  schon  äusserlich  kenntlich  an  den  Resten  der 
Einzelhöfe,  der  villae,  und  der  Colonendörfer.  Wir  kennen  diese  Dinge  jetzt 
sattsam  aus  dem  römischen  Afrika:  im  Norden  der  Proconsularis,  des  heutigen 
Tunesien,  ist  das  Land  mit  den  Resten  zahlreicher  Städte  bedeckt,  im  Stlden, 
in  der  Region  der  „Schotts"  (grossen  Salzseen),  findet  man  dagegen  die  Reste 
von  Villen  und  Dörfern:  hier  war  das  Land  in  „saltus^^  besiedelt.  Dieselbe 
Erscheinung   wie   der   Süden  Tunesiens   zeigt   das  Decumatenland,   das  Land 


1)  Über  solches  Tempelland  („fines  templares^^)  vgl.  Feldm.  II,  263.  Ich  erinnere 
nur  an  das  Gebiet  der  Diana  vom  Tifata  in  Campanien  (C.  X  p.  367,  und  an  die  dem 
Silvanus  resp.  dem  collegium  Silvani  geschenkten  Grundstücke  (C.  X,  444  =  Bruns 
Fontes«  p.  355). 

2)  8.  Schumacher,  Westd.  Ztschr.  1896,  p.  1—17  („Die  Meierhöfe  im  Lime«- 
gebiet"). 


38  Schulten: 

zwischen  dem  Rhein  und  dem  Limes.  Je  spärlicher  die  Siedlungscentren  — 
Städte,  Dörfer,  Höfe  —  desto  ausgedehnter  der  Grundbesitz :  das  ist  ein  wich- 
tiger Erfahrnngssatz  der  Agrargeschichte.  Was  wir  von  der  BesiedluDg  der 
agri  decumates  wissen,  bestätigt  die  aus  der  Verteilung  der  Einzelhöfe  sich 
ergebenden  Folgerungen,  ursprünglich  war  die  römische  Grenze  der  Rhein; 
das  jenseitige  Land  galt  höchstens  als  Vorland  des  obergermanischen  Militär- 
sprengels.  Eine  agrimcnsorische  Bezeichnung  kommt  ihm  für  jene  Zeit  noch 
nicht  zu,  da  es  nicht  römisches  Land  ist.  Seit  Vespasian  wurde  die  Grenze 
über  den  Rhein  vorgeschoben  und  immer  weiter  verlegt,  bis  sie  schliesslich  im 
Limes  ihre  endgültige  Fixierung  erhielt. 

Die  klassische  Stelle  des  Tacitus  über  die  Besiedelung  der  agri  decu- 
mates  (Germ.  29)  lautet:  „iVbw  numeraverim  inter  Germaniae  populos,  quam- 
quam  trans  Rhenum  Danuviumque  consederint  eos  qui  decumates  (codd.  B  c: 
decumathes)  agros  exercent,  Levissimus  quisque  Gallorum  et  inopia  audax  du- 
biae  posftessionis  solum  occupavere,  mox  limite  acto  promotiaque praesidiis 
sinus  („Ausbuchtung",  Vorland)  imperii  et  pars  provinciae  habentur.^  Wenn  die 
römische  Regierung  gallischen  Schaaren  die  Occupation  des  rechtsrheinischen  Vor- 
landes ihrer  Provinz  erlaubte,  wird  sie  den  eigenen  Bürgern  erst  recht  das  ius  occu- 
pandi  zugebilligt  haben  d.  h.  das  freie  Anbaurecht,  wie  es  auf  dem  ager  pu- 
blicus  der  Republik  galt:  den  Landerwerb  possessorischen  aber  faktisch  dem 
vollen  Eigentum  gleichwertigen  Rechts.  Wie  die  alten  possessores  müssen  die 
Occupanten  des  Decumatenlandes  eine  Quote  gezahlt  haben.  Man  wird  daran 
festhalten  müssen  (trotz  Riese,  d.  röm.  Germ.  i.  d.  Litt.  p.  471)^),  dass  die 
agri  decumates  von  einer  decuma  pars,  dem  von  den  Occupanten  zu  entrich- 
tenden Zehntel  des  Bodenertrags,  ihren  Namen  haben.  Von  dem  ager  publicus 
der  Republik  wurde  nach  Appian  (b.  c.  1,  7)  ein  Zehntel  bei  Anbau  mit  Saat, 
ein  Fünftel  bei  Anbau  mit  Pflanzung  geleistet.  Mit  Recht  betont  Mommseu 
(R.  G.  V,  138  Anm.),  dass  ein  solches  Oceupationsrecht  nur  für  die  Republik 
bezeugt  ist;  vielleicht  bieten  aber  eben  die  agri  decumates  des  Neckargebiets 
einen  Beleg  für  die  Fortdauer  jener  Institution  in  der  Kaiseraeit.  Die  In- 
schriften aus  den  afrikanischen  saltus  haben  ja  gezeigt,  dass  auf  den  kaiser- 
lichen Gütern,  deren  Verwaltung  sich  vielfach  mit  älteren  Normen,  wie  sie 
unter  der  Republik  galten,  berührt  ^),  ein  sichtlich  dem  alten  Oceupationsrecht 
auf  dem  ager  publicus  nachgebildetes  ius  occupandi  mit  Qnotenleistung  (meist 
„tertiae  partes''^)  existierte. 

Stellt  man  für  die  agri  decumates  die  Frage,  welcher  Bodenkategorie  sie 
angehören,  so  kann  kein  Zweifel  sein,  dass  sie  ager  arcifinius  d.  h.  weder  an 
Private  noch  an  Gemeinden  assignirtcs  Land  sind.  Die  beiden  anderen  Kate- 
gorien (vgl.  über  sie  Mommsen,  zum  röm.  Bodenrecht,  Hermes  XXVII,  82  f.), 


1)  „.  .  von  einem  Namen  Decuma  oder  Äd  decumam  (sc.  lapidem),  den  der  ur- 
sprüngliche Hauptort  des  mittelrheinischen  Gebiets  ji^eführt  haben  muss.** 

2)  Vgl.  meine  Erklärung  der  lex  Manciana  (Abhandl.  der  Kgl.  Ges.  d.  Wiss.  zu 
Göttiugen,  phil.-hist.  Klasse.    N.  F.    Band  II,  Heft  3  [1897]). 


Flurteiluug  uud  Territorien  in  den  römischen  Rheiulanden.  39 

der  ager  dwisus  adsignattis  und  der  ager  per  extremitatem  metisura  compre- 
herntus  sind  ausgeschlossen,  da  beiden  gemeinsam  ist  die  Vergebung  von  Land 
an  (8tadt-)Gemeinden,  indem  der  ager  div,  ads,  sieh  auf  das  an  die  Coh)nisten 
vergebene  ^),  der  a,  p.  extr.  m.  compr.  sich  auf  das  der  Gemeinde  als  Samt- 
eigentum übergebene  Land  (den  „ager  vectigalis^)  *)  bezieht.  Rom  hat  aber 
Gemeinden,  das  Substrat  dieser  beiden  ^qualitates  agrorum^,  auf  den  agri 
decumates  nicht  gegründet.  Nur  das  den  peregrinen  Gemeinden  wie  der 
j^civitas  Suehorum  Nicretium^  (s.  o.)  tiberlassene  Land  wird  man  als  .,ager 
p.  extr.  mensura  compr ehensus,  cuius  modus  universus  civitati  est  adsignatus^^ 
bezeichnen  müssen,  denn  die  dieser  Gemeinde  überlassenen  Landstriche  sind 
^fines  genti  adsignati^:  so  heisst  solches  Land  nach  Ausweis  einer  afrikani- 
schen Inschrift  ^).  Der  ager  arcifiniusj  wie  der  a.  püblicus  in  der  Kaiserzeit 
heisst,  bedurfte  weder  der  Feststellung  der  Grenzlinie  noch  der  Ausmessung 
seines  Areals:  er  galt  in  dubio  als  nach  dem  Ausland  hin  unbegrenzbar  und 
benötigte,  da  Anweisung  an  Gemeinden  oder  Private  fehlte,  auch  nicht  eine 
die  Assignation  einleitende  Limitation  oder  Vermessung  des  Landes  in  Centu- 
rien.  Aber  zulässig  war  sowohl  Grenzfeststellung  als  Vermessung  —  das 
wird  ausdrücklich  betont  —  und  sie  kamen  oft  genug  vor  (s.  Mommsen 
a.  a.  0.  p.  83).  So  finden  wir  z.  B.  das  ehemals  dem  Staat,  später  dem  Kaiser 
gehörende  Land  am  Bagradas  im  proconsularischen  Afrika  in  Centurien  vermessen 
(s.  meinen  Aufsatz  „die  lex  arae  Hadrianae"  Hermes  1894  p.  220  und  lex  Manciana 
p.  19).  Damit  haben  wir  die  Bestimmung  der  auf  dem  oben  behandelten  Stein  ge- 
nannten Centurien  gewonnen:  es  sind  die  Centurien,  in  welche  das  Decumatenland 
eingeteilt  war.  Meitzen  (Siedlung  III  p.  157)  will  in  der  Feldmark  von  Fried- 
berg in  der  Wetterau  (Oberhessen)  noch  Reste  der  römischen  Centuriation  erkennen. 
In  der  That  sind  auf  der  von  ihm  mitgeteilten  Karte  (Anlage  34  zum  3.  Band) 
mehrere  Centurien  deutlich  zu  erkennen.  Für  den  römischen  Ursprung  dieser 
Feldteilnng  spricht,  dass  sich  innerhalb  der  Centurien  die  Reste  römischer 
Villen  gefunden  haben.  Spuren  der  Limitation  weist  besonders  stark  das  Ge- 
biet von  Parma,  Padua  und  Capua  auf.  ^  Auch  bei  Carthago  sind  die  Centurien 
erhalten  (vgl.  über  die  Reste  der  römischen  Flurteilung  meinen  demnächst  in 
den  Abhandlungen  der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Göttingen  erscheinen- 
den Aufsatz). 

Die  Existenz  einer  kaiserlichen  Domäne,  des  sdltus  Sumelocennensis  (s.  o.) 
in  dieser  Gegend  passt  vortrefflich  zu  der  Annahme,  dass  dieses  Gebiet  ager 
püblicus  gewesen  ist.  Wie  in  Afrika  wird  auch  hier  der  Kaiser  die  Domäne 
vom  Aerar  überkommen  haben. 


1)  ager  divisus  adsignatus  coloniarum, 

2)  a.  viensura  comp,  cuius  ujiiversus  modus  civitati  est  adsignatus. 

3)  CIL.  VIII,  8813:  .  .  .  fines  adsignati  genti  Numidarum.  Ein  ähnlicher  Fall 
liegt  C.  VIII,  8369  vor,  welche  Inschrift  dem  Stamm  der  Zimizes  ein  Gebiet  zuweist. 
Über  diese  Territorien  vgl.  meinen  Aufsatz  „d.  peregr.  Gaugemeindeu"  a.  a.  0.  p.  538  f. 


40  Schulten: 

So  spärlich  auch  die  Zeugnisse  für  die  römische  Flurteiluug  in  den  Rhein- 
landen sind  ^\  so  wichtige  Schlüsse  scheinen  sie  mir  doch  zuzulassen. 

Das  einzige  Zeugniss,  welches  das  agrimensorische  Corpus  für  „Germania" 
anführt,  ist  die  Erwähnung  des  pes  Drusianus,  als  der  im  Gebiet  der  Tungri 
angewandten  Maasseinheit  (s.  o.  S.  27).  Da  die  Tungri.  nicht  zu  Germanien  ge- 
hörten (s.  0.),  könnte  ich  die  Stelle  tibergehen;  sie  sei  aber  iv  Trapöbiu  mitbe- 
handelt. Der  Name  kann  wohl  nur  auf  den  älteren  Drusus,  den  Begründer 
der  römischen  Herrschaft  am  Rhein,  zurückgeführt  werden.  Der  von  Drusus 
angewandte  Fuss  differiert  von  dem  römischen  (pes  Drusianus  =  1  ^/g  pedes), 
muss  also  ein  einheimisches  Maass  gewesen  sein,  wie  sich  deren  die  Agrimen- 
soren  mehrfach  bedient  haben.  So  wurde  z.  B.  in  den  keltischen  Ländern 
nach  der  arapenniSj  dem  heutigen  Arpent,  gemessen^),  im  Osten  nach  TrXeGpa; 
in  Kyrene  war  der  pes  Ptolemaicus  (=  ff  röm.  Fuss)  die  Maasseinheit  (s. 
Feldm.  II,  282). 

So  viel  ich  sehe,  ist  die  Erwähnung  des  pes  Drusianus  in  ihrer  Bedeu- 
tung für  die  Geschichte  der  römischen  Occupation  am  Rhein  noch  nicht  gewür- 
digt worden.  Der  pes  Drusianus  führt  zu  der  Folgeioing,  daes  bereits  Drusus 
am  Unterrhein  vermessen  und  zwar  offenbar  Land  vermessen  hat;  denn  bei 
der  Absteckung  von  Distanzen  zu  anderen  Zwecken  würde  er  sich  natürlich 
nicht  eines  peregrinen  Maasses  bedient  haben.  Die  Anwendung  desselben  kam 
nur  in  Frage,  wo  im  Anschluss  an  die  bestehende  einheimische  Flurteilung  — 
die  ^consecratio  vetu^^,  wie  die  Feldmesser  sagen  (Feldmesser  II,  277)  — , 
die  römischen  Ansprüche  mit  der  Messrute  geltend  gemacht  oder  die  peregrinen 
Messungen  nachgeprüft  wurden.  Das  Bestehende  zu  schonen  and  aufzunehmen 
ist  der  Grundsatz  der  römischen  Colonisation. 

Die  Vermessung  des  Gebiets  der  Tungri  kann  nur  geschehen  sein  bei  dem 
von  Drusus  i.  J.  13  u.  ff.  v.  Chr.  vorgenommenen  Ccnsus  der  gallischen  Pro- 
vinzen, dessen  Grundlage  die  Vermessung  des  Landes  zur  Anlage  der  Grund- 
steuer (vectigal)  bildete. 

Befragt  man,  wie  das  für  Galliefi  mit  solchem  Erfolge  geschehen  ist,  die 


1)  Nicht  hierher  gehört  wohl  die  Inschrift  Brambach  N.  640  (Oberwintor  bei 
Rema<reii),  in  dereine  PERTIC[a]  VIATORIA  (?)  erwähnt  wird.     Die  Inschrift  lautet: 

SECVNDVS 

DECCOLAVG. 

EX-EVOC-A/G  . 

CVM.PERTIC. 

gllATORIA 

V-S  -  L  •  /VN- 
Ich  weiss  mit  ihr  nichts  anzufangen. 

2)  Die  arapeniiis  als  Landmaass  in  der  Inschrift  C.  XII.  1657.  Sie  kommt  vor 
in  der  Narbonensis,  in  Pannonien  (C.  III,  10275:  vhiede  arp.  CCCC)  und  in  der  Poebeiie 
(0.  V,  6587:  are\2)€nnes\):  das  sind  alles  keltische  Länder.  Für  (^lallien  bezeu«^t 
den  Arpent  Columella  (1,  5,  5),  für  die  Baetica  (?)  Isidorus  (ori<»-.  15,  15,  4  =  Feldmesser 
I,  368,  1):  jfhunc  Betici  [oder  Boetici]  arapennevi  diciint^). 


Florteilung  und  Territorien  in  den  römischen  Rheinlanden.  41 

Ortsnamen,  so  findet  sieb,  dass  die  auf  einen  fundus  zurückführenden  und 
aus  dem  Namen  eines  römischen  possessor  und  der  Endung  -ianus  (oder 
Plural  -iana)  zusammengesetzten  Ortsnamen  am  Rhein  fast  ganz  fehlen, 
ebenso  wie  die  mit  der  keltischen  Endung  -acus  gebildeten.  Juliacum  (Jü- 
lich) ist  zwar  benannt  nach  dem  Gentile  Julius,  aber  das  ist  wohl  nicht 
der  Name  eines  Grundbesitzers,  sondern  des  divus  Julius,  Ebenso  heisst 
der  Ort  Tiberiacum  (It.  Ant.  p.  375)  wohl  vom  Kaiser  Tiberius.  Da- 
gegen dürfte  Geminiacum  (It.  Ant.  p.  377)  auf  den  fundus  Geminiacus  eines 
possessor  Geminius  zurückzuführen  sein.  An  Ortsnamen  auf  -ianus  finde  ich 
nur  Rufiniana  (seil,  praedia)  im  Gebiet  der  Nemeter  (Ptolem.  2,  9,  9).  Die 
Seltenheit  solcher  auf  römische  Landgüter  zurückzuführenden  Namen  ist  ver- 
glichen mit  ihrer  Häufigkeit  in  Gallien  und  Italien  auffallend  und  verlangt 
eine  Erklärung.  Es  wird  zu  sagei\  sein,  dass  am  Rhein  grosse  Güter  römi- 
scher Possessoren  mit  eigenen  Colonendörfern  wenige  bestanden  haben.  Im 
Decumatenland,  wo  es  sie  gab  (s.  oben),  haben  die  Possessoren  nicht  Dörfer  — 
auf  denen  jene  Namen  beruhen  —  sondern  Höfe  angelegt,  deren  Namen  nur 
dann  zu  Ortsnamen  werden,  wenn  sich  aus  der  villa  ein  viais  entwickelt,  was 
dort  unten  nicht  geschehen  ist.  Von  allen  den  vici  der  Rheinprovinzen  (s. 
S.  29)  trägt  wohl  nur  der  vicus  Lucretius  den  Namen  eines  Grundherrn. 


3.   Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Ghlodowech')- 


Von 
Wilhelm  Levison. 


Immer  mehr  ist  vor  dem  prüfenden  Auge  der  Forschung  der  Umfang 
der  Thatsachen  zusammengeschwunden,  die  als  zuverlässige  Überlieferung  über 
Chlodowechs  I.  Thaten  und  die  Begründung  des  Frankenreiehes  gelten  dürfen, 
und  immer  ausgedehnter  erwies  sich  der  Kreis  der  Erzählungen,  die  vor  der 
Aufzeichnung  durch  das  Prisma  der  lebendigen  Überlieferung  des  Volkes*) 
oder  der  Kirche  hindurchgegangen  waren.  Während  so  der  Bericht  Gregors 
von  Tours,  der  einzige,  der  —  von  abgeleiteten  Quellen  abgesehen  —  Chlodo- 
wechs ganze  Herrscherzeit  umfasst,  zum  grossen  Teile  als  sagenhaft  erkannt 
wurde,  schienen  lange  Zeit  wenigstens  seine  spärlichen  Zeitangaben  und  die 
von  ihm  eingehaltene  Ordnung  der  Ereignisse  als  fester  Kern  bestehen  zu 
können.  Aber  im  Laufe  der  letzten  zwei  Jahrzehnte  drohten  auch  diese  ein- 
zigen Stützen  des  Gebäudes  dahinzusinken,  und  man  bemühte  sich  nun,  aus 
einzelnen  Trümmern  einen  neuen  Aufbau  zustande  zu  bringen.  Noch  Richter^) 
hatte  die  Zeit  der  Ereignisse  aus  Chlodowechs  Herrschaft  im  wesentlichen  im 
Anschlüsse  an  Gregor  bestimmt;  aber  dann  folgte  eine  Reihe  von  Unter- 
suchungen über  des  Königs  Alamannensieg  und  Taufe,  die  bald  diese,  bald 
jene  Zeitangaben  Gregors  fallen  Hessen  oder  von  allen  absehen  zu  können 
glaubten.     Nach    dem  Vorgange  Useners'*)    setzte    von    Schubert^)    neben 


1)  Die  Werke  Gregors  von  Tours  sind  angeführt  nach  der  Ausgabe  von  Arndt 
und  Krusch  (scr.  Merov.  I).  Von  Abteilungen  der  Monumenta  Gerinaniae  historica 
werden  mit  Abkürzungen  bezeichnet  die  Scriptores  (scr.);  Scriptores  reruni  Merovin- 
gicarum  (scr.  Merov.);  Auetores  antiquissinii  (auct.  ant.);  Epistolae  (epist.);  Leg-um 
Sectio  II:  Capitularia  regum  Francorum  (capit.);  Legum  sectio  III:  Concilia  (eoncil.); 
Legum  Sectio  V:  Forinulae  (forniul);  Diplomata  (dipiom.);  Poetae  Latini  medii  aevi 
(poet.  med.  aev ).  Var.  =  Cassiodori  Variae,  ed.  Mommsen  (auct.  ant.  XII).  N.  A.  = 
Neues  Archiv  der  Gesellschaft  für  ältere  deutsche  Geschichtskunde. 

2)  Vgl.  besonders  Godefroid  Kurth,  histoire  poetique  des  Mörovingiens,  1893. 

3)  Gustav  Richter,  Annalen  der  Deutschen  Geschichte  im  Mittelalter  I,  1878, 
S.  33-45. 

4)  Hermann  Usener,  anecdoton  Holderi,  1877,  S.  39—40. 

5)  Hans  von  Schubert,  Die  Unterwerfung  der  Alamanneu  unter  die  Fran- 
ken, 1884. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  43 

die  AlamanneDSchlacht  des  Jahres  496  eine  zweite  in  die  ersten  Jahre  des 
sechsten  Jahrhunderts;  Hodgkin^),  Schnitze*),  Boos^)  und  Hauck*)  schlössen 
sich  seinen  Ausführungen  an.  Weiter  ging  Vogel*);  er  verwarf  alle  Jahresangaben 
Gregors  und  setzte  den  Alamannenkrieg  506,  die  Taufe  auf  Weihnachten  des- 
selben Jahres;  aber  er  bestritt  ihren  Zusammenhang  mit  dem  Siege  ^),  wie 
dies  auch  Hauck'')  that.  Während  Busch®)  die  Zeit  des  Krieges  nach  Vo- 
gels Abhandlung  für  „nicht  mehr  zweifelhaft'*  erklärte,  erhob  Krusch^)  gegen 
deren  Beweisführung  und  Ergebnisse  nachdrücklichen  Einspruch,  und  auch 
Cipolla^®),  Mommsen")  und  Hartmann")  hielten  sich  an  Gregors  Zeitbe- 
stimmung der  Alamannenschlacht,  für  die  Ruppersberg")  eintrat.  Gund- 
lach^*)  verwarf  496  als  Zeit  der  Taufe;  nach  seiner  Ansicht  hing  Chlodowech 
mit  seinem  Volke  bereits  486  dem  Christentume  an,  „als  er  zur  Eroberung 
des  Römischen  Reiches  in  Gallien  auszog".  Auch  Krusch^*)  löste  die  Taufe 
aus  dem  Zusammenhange  mit  dem  Siege  und  Hess  sie  erst  508  nach  dem 
Westgothenkriege  zu  Tours  —  nicht  zu  Reims  —  erfolgen.  Dagegen  hat  Kurt h ^*) 
wieder  die  herkömmlichen  Ansätze  vertreten,  Schlacht  und  Taufe  496  gesetzt 
und  Reims  als  Schauplatz  der  letzteren  in  Anspruch  genommen,  unter  der  Zu- 
stimmung von  Demaison"),  der  die  Stätte  der  Taufe  innerhalb  Reims  näher 
zu  bestimmen  suchte.    In  Bezug   auf  Alamannenkrieg  und  Bekehrung  Chlodo- 


1)  Thomas  Hodgkin,  Italy  and  her  invadors  III,  1885,  S.  389—391. 

2)  Walt  her  Schul  tze,  Deutsche  Geschichte  von  der  Urzeit  bis  zu  den  Karo- 
lingern II,  1896,  S.  64-65. 

3)  Heinrich  Boos,  Geschichte  der  rheinischen  Städtokultur  I«  1897,  S.  111-113. 

4)  Albert  Hauck,  Kirchengeschichte  Deutschlands 2,  1898,  S.  318 f. 

5)  Friedrich  Vogel,  Chlodwig's  Sieg  über  die  Alamanncn  und  seine  Taufe. 
Historische  Zeitschrift  LVI,  1886,  S.  385-403. 

6)  Zuletzt  hat  Vogel  N.  A.  XXIII,  1897,  S.  74  Anni.  1.  die  Ansicht  ausgespro- 
chen —  die  Beweise  stehen  noch  aus  —  „dass  Chlodwig  die  Alaniannen  erst  im  Herbst 
507  niederwarf,  Weihnachten  darauf  die  Taufe  nahm  und  erst  im  Frühjahr  508  den 
Krieg  gegen  die  Westgothen  eröffnete". 

7)  Albert  Hauck,  Kirchengeschichte  Deutschlands  I,  1887,  S.  108  f;  2.  Aufl.,  1898, 
S.  111  f.,  579  f. 

8)  Wilhelm  Busch,  Chlodwigs  Alamannenschlacht  (I).  Programmbeilage  des 
Gymnasiums  zu  M.  Gladbach  1894,  S.  14. 

9)  Bruno  Kruse h,  Chlodovechs  Sieg  über  die  Alamannen.  N.  A.  XII,  1886, 
S.  289-301. 

10)  Carlo  Ci pol la,  memorie  della  Reale  Accademia  delle  Scienze  di  Torino,  serie 
II,  t.  XLIII,  1893,  S.  105-108. 

11)  Theodor  Mommsen,  auct.  ant.  XII,  1894,  p.  XXXII— XXXIV. 

12)  Ludo  Moritz  Hartmann,  Geschichte  Italiens  im  Mittelalter  I,  1897,  S.  155 
und  171. 

13)  A.  Ruppersberg,  Über  Ort  und  Zeit  von  Chlodwigs  Alamannensieg.    Bonner 
Jahrbücher  CI,  1897,  S.  38-61. 

14)  Wilhelm  Grundlach,  N.  A.  XIII,  1888,  S.  380-382;  XV,  1890,  S.  245*). 

15)  Bruno  Krusch,   Die  ältere  V.  Vedastis  und    die  Taufe  Chlodovechs.    Mit- 
theilungen des  Instituts  für  Oesterreichische  Geschichtsforschung  XIV,  1893,  S.  427—448. 

16)  Godefroid  Kurth,  Clovis,  1896. 

17)  L.  Demaison,  le  lieu  du  baptßme  de  Clovis  (Kurth,  Clovis  p.  616—628). 


44  Wilhelm  Levison: 

wechs  fendcn  Gregors  Erzählungen  im  allgemeinen  auch  Wiedergabe  bei  Hau- 
decoeurM  und  Stein*),  wie  in  den  Werken  von  Dahn^)  und  Lamprecht*). 
Bei  diesem  Stande  der  Forschung*)  mag  es  vielleicht  angebracht  erscheinen, 
die  Ursachen  der  vielen  entgegengesetzten  Ergebnisse  darzulegen  und  aufs 
neue  zu  untersuchen,  wieweit  die  dürftige  Überlieferung  tlberhaupt  eine  sichere 
Erkenntnis  gestattet. 

Das  zweite  Buch  der  Frankengeschichte  Gregors  von  Tours  enthält  bei 
der  Darstellung  von  Chlodowechs  Herrschaft  folgende  Zeitbestimmungen  und 
folgende  Anordnung  der  Hauptereiguisse: 

1.  anno  autem  quinto  regni  eiua  Sturz  des  Syagrius,  der  durch  den 
Westgothenkönig  Alarich  ausgeliefert  wird  (c.  27,  p.  88). 

2.  decimo  regni  sui  anno  Thoringis  bellum  intulit  eosdemque  suis  dicci- 
onibus  subiugavit  (c.  27,  p.  89). 

3.  Heirat  von  Chlodowech  und  Chrotechildis  (c.  28,  p.  89 — 90). 

4.  Bekehrungsversuche  Chrotechildens;  Geburt  und  Taufe  zweier  Söhne, 
Tod  des  ersten,  Krankheit  des  zweiten  (c.  29,  p.  90 — 91). 

5.  Chlodowechs  Bekehrung  in  einer  Alamanncnschlacht:  actum  anno  15. 
regni  sui  (c.  30,  p.  91 — 92). 

6.  Chlodowech  und  Remigius,  seine  Taufe  (c.  31,  p.  92 — 93). 

7.  Krieg  gegen  Gundobad,  Ende  Godegisels  (c.  32 — 33,  p.  93 — 96). 

8.  Zusammenkunft  Chlodowechs  und  Alarichs  (c.  35,  p.  98). 

9.  Krieg  gegen  die  Westgothen ;  Rettung  eines  Klosters  bei  Poitiers 
durch  den  Abt  Maxentius:  Anno  25.  Chlodovechi.  Interea  Sieg  des  Königs 
über  die  Feinde  (c.  37,  p.  99—102). 

10.  Chlodowech  in  Tours  (c.  38,  p.  102). 

11.  Beseitigung  des  übrigen  Fränkischen  Fürsten  (c.  40—42,  p.  103—106). 

12.  Chlodowechs  Tod:  migravit  autem  post  Vogladinse  beUum  anno 
quinto.  fueruntque  omnes  dies  regni  eins  anni  30;  aetas  tota  45  anni.  a 
transitu  ergo  sancti  Martini  usque  ad  transitum  Chlodovechi  regis,  qui  fuit  11. 
anni  episcopatus  Licini  Turonici  sacerdotes,  supputantur  anni  112  (c.  43,  p.  106). 

Die  Folge  der  Ereignisse  bei  Gregor  enthält  in  sich  keine  Widersprüche; 
gelegentliche  Bemerkungen  über  die  Teilnahme  Chloderichs  an  der  Gothen- 
schlacht  (c.  37,  p.  101),  über  Ragnachars  (c.  27,  p.  88)  und  Chararichs  (c.  41, 
p.  104)  Verhalten  beim  Kampfe  gegen  Syagrius  stimmen  zu  der  Stellung,    die 

1)  A.  Haudecoeur,  Saint  Remi,  1896  (vielfach  Auszug  aus  Kurths  Werk). 

2)  Friedrich  Stein,  Die  Urgeschichte  der  Franken  und  die  Gründung  des 
Frankenreiches  durch  Chlodwig.  Archiv  des  Historischeu  Vereins  von  Uuterfranken 
und  Aschaffeuburg  XXXIX,  1897,  S.  1—220. 

3)  Felix  Dahn,  Deutsche  Geschichte  12,  1888. 

4)  Karl  Lamprecht,  Deutsche  Geschichte  I^,  1894. 

5)  Unzugänglich  blieben  mir  folgende  Schriften  des  Jubiläumsjahres  1896:  Ed. 
d'Avenay,  Saint  Remi  de  Keims;  L.  Carl i er,  Vie  de  S.  Remi;  0.  Havard,  Clovia 
ou  la  France  au  5.  siecle;  J.  B.^Klein,  Clovis;  Tournier,  Clovis  et  la  France  au  bap- 
tistere  de  Reims;  ebenso  G.  Kurth,  Sainte  Clotilde,  1897,  und  Jubaru,  Clovis  a-t-il 
et6^.baptise  k  Reims?    (Etudes  rcligieuses  LXVIII,  189ij,  p.  292—320.) 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  45 

Gregor  der  Er/ählung  ihres  Endes  im  Laufe  der  Daretellung  anweist.  Die 
knappe  Foim  der  Jahresangaben,  ihre  zum  Teil  an  ürkundensprache  erin- 
nernde Fassung  lässt  die  Zeitbestimmungen  sieh  deutlieh  von  ihrer  Umgebung 
abheben  und  namentlich  vor  den  auf  mündlicher  Überlieferung  beruhenden 
ausführlichen  Eraäblungen  hervortreten.  So  glaubten  JunghansM,  Monod*), 
Arndt^)  und  Kurth*)  in  jenen  Zeitangaben  Reste  von  Jahresaufzeichnungen 
zu  besitzen,  die  Kurth  näher  als  Annalen  von  Tours  bestimmte,  Aufzeichnungen, 
die  den  Schluss  zu  gestatten  schienen,  ^que  si  le  detail  des  ^venements  du 
rfegne  de  Clovis  et  de  ses  fils,  a  ete  fourni  k  Gr^goire  par  la  tradition  orale, 
il  poss6dait  pourtant  dans  des  documents  historiques,  precis  et  dignes  de  foi, 
la  mention  s&che  et  sommaire  des  faits  principaux,  et  la  date  cxacte  de  quel- 
ques-uns  d'entre  eux.  Nous  pouvons  par  consequent  accorder  notre  coniiance 
ä  Tensemble  de  son  recit"^).  Dennoch  haben  diese  Jahresangabeu  Bedenken 
erregt*)  und  mit  vollem  Rechte;  musste  doch  die  merkwürdige  Rolle  auffallen, 
die  die  Ftinfzahl  in  Chlodowechs  Geschichte  spielt:  Der  König  besiegt  im  5. 
Jahre  seiner  Hen-schaft  den  Syagrius,  im  10.  die  Thoringer,  im  15.  die  Ala- 
mannen,  im  25.  Alarich;  er  stirbt  im  5.  Jahre  nach  dem  Gothenkriege,  nach 
SOjähriger  Herrschaft  und  einer  Lebensdauer  von  45  Jahren.  So  zerfällt  sein 
Leben  in  drei  gleiche  Abschnitte,  geschieden  durch  Thronbesteigung  und  Be- 
kehrung. Diese  Bedeutung  der  Fünfzahl  im  Berichte  Gregors  erscheint  höchst 
sonderbar  und  muss  Verdacht  gegen  die  Glaubwürdigkeit  der  Zahlen  erregen. 
Verschiedene  Möglichkeiten  .bieten  sich  dar.  Sind  die  Angaben  gänzlich  un- 
begründet und  mit  Vogel  völlig  zu  verwerfen,  etwa  hervorgegangen  aus  künst- 
licher Berechnung,  einer  Art  Zahlenspielerei,  die  Chlodowechs  Thaten  in  glei- 
chen Abständen  über  die  Zeit  seines  Lebens  verteilen  wollte?  Oder  entsprechen 
sie  der  Wirklichkeit  und  verdanken  dem  Spiele  des  Zufalls  ihre  auffällige 
Gruppierung?  Oder 'ist  der  Mittelweg  der  richtige,  sind  die  Zahlen  etwa  un- 
genau und  ihre  seltsame  Gleichartigkeit  bedingt  durch  die  Anlage  von  Gregore 
Quelle?  Derart  urteilte  Arndt,  der  eine  solche  Anordnung  vermutete,  „ut 
post  annum  regis  promotum  quatuor  qui  insecuti  sunt  annorum  spatium  va- 
caret".  Kurth  dachte  an  „fastes  quinquennalices**  und  hielt  es  für  wahr- 
scheinlich, „que .  . .  Tauteur  des  Annales  Turoniennes . . .  partageait  son  6crit 
en  periodes  de  cinq  ann6es"  und  dass  Gregor  „aurait  rapporte  par  erreur 
chaque  fois,  k  Tann^e  initiale  de  ces  periodes  quinquennales,  la  date  des  faits 
qu'il  trouvait  mentionnes  comme  s'^tant  passes  pendant  chaque  pcriodc'^ 

1)  Wilhelm  Junghans,   Geschichte   der  Fränkischen  Könige  Childerich   und 
Chlodovech,  1857,  S.  151—152. 

2)  Gabriel  Monod,  ^tudes  critiques  sur  les  sources  de  rhistoirc  m6rovingienne 
I,  1872,  S.  85-86. 

3)  Wilhelm  Arndt,  scr.  Merov.  I,  p,  22. 

4)  Godefroid  Kurth,  les  sources  de  Thistoire  de  Clovis  dans  Gr6goiro  de  Tours. 
Revue  des  questions  historiques  XLIV,  1888,  S.  388-396;  Clovis  S.  590—591. 

5)  Monod  a.  a.  0.  S.  86. 

6)  Arndt  a.  a.  0.  Anm.  5  und  in  der  Jenaer  Literaturzeitung  1875,  n.  48,  S.845; 
von  Schubert  S.  147,  Anm.  4;  Vogel  S.  386;  Kurth,  sources  S.  396, 


46  Wilhelm  Levison: 

Stellen  so  Gregors  Zeitbestimmungen  schon  in  ihrer  Gesamtheit  diese 
Fragen,  so  kommen  dazn  noch  besondere  Bedenken  för  zwei  der  Jahresan- 
gaben, die  2ieiten  der  Alamannensehlacht  nnd  des  Gothenkrieges,  die  nnr  in 
einem  Teile  der  Handschriften  vermerkt  werden.  So  fehlen  die  Worte:  ,,actQm 
anno  15.  regni  sni'^  nnd  ,,anno  25.  Cblodovechi''  in  dem  wertrollen  Codex 
AI,  finden  sich  aber  in  den  Handschriften  der  Reihe  B,  der  die  ältesten  Gre- 
gortexte, solche  des  siebenten  Jahrhunderts,  angehören.  „Omnes  Historiae 
Francorum  Codices  lacunis  quidem  laborant^'  ^).  Hat  man  diesen  Gesichtspunkt 
auch  hier  anzuwenden,  sind  die  in  keinem  Zusammenhange  mit  dem  Fort- 
gange der  Erzählung  stehenden,  ursprünglich  vielleicht  an  den  Rand  gesetzten 
Worte  in  A  1  durch  Versehen  des  Schreibers  oder  mit  Absicht  weggelassen 
worden,  oder  liegt  in  den  anderen  Handschriften  ein  späterer  Zusatz  vor?  Die 
historia  epitomata  des  sogenannten  Fredegar  kennt  beide  Zahlen  nicht;  aber 
ihr  Schweigen  beweist  nichts  für  die  zweite  Möglichkeit,  da  sie  nnr  einen 
Auszug  darstellt  und  z.  B.  auch  die  Worte  über  den  Thoringerkrieg  nicht  wie- 
dergiebt,  die  sich  in  allen  Gregorhandschriften  finden.  Der  über  historiae 
Francorum  enthält  keine  Zeitangabe  zum  Gothenkriege  —  wohl,  weil  er  auch 
die  vorhergehende  Geschichte  vom  Abte  Maxentius  übergeht  —  jedoch  zum 
Alamannensiege  bemerkt  er*):  acta  sunt  Jiaec  anno  15.  Chlodoveo  regnante, 
Worte,  die  aus  dem  727  geschriebenen  Buche  nicht  in  Gregorhaudschriften 
des  siebenten  Jahrhunderts  eingeschoben  worden  sein  können,  mithin  eben  aus 
Gregors  Werk  entnommen  sein  werden.  So  erweist  sich  die  eine  Zahl  als 
ursprünglicher  Besitz  Gregors,  und  damit  wird  das  Gleiche  für  die  andere 
Zahl  wahrscheinlich  ').  Mit  der  Annahme  eines  späteren  Zusatzes,  der  doch 
sehr  früh  erfolgt  sein  müsste,  wird  die  Frage  nicht  gelöst,  sondern  nur  ver- 
schoben. Sollte  man  dennoch  beide  Angaben  nicht  für  ursprünglich  halten, 
vielmehr  vermuten,  die  Zahlen  15  und  25  verdankten  ihre  Einfügung  dem 
Wunsche,  die  Reihe  5,  10,  30  zu  vervollständigen,  so  ist  dann  nicht  einzu- 
sehen, warum  nicht  auch  das  20.  Jahr  —  der  Burgunderkrieg  bot  eine  passende 
Gelegenheit  —  eingeschoben  wurde.  Dieses  Fehlen  der  Zahl  20  in  der  Jahres- 
reihe spricht  entschieden  auch  gegen  die  Annahme  einer  durch  Gregor  vorge- 
nommenen künstlichen  Datierung.  So  vermag  ich  nur  anzunehmen,  1.  dass 
jene  beiden  Zeitbestimmungen  zum  ursprünglichen  Bestände  des  Gregortextes 
gehören;  2.  dass  alle  diese  Zahlen  nicht  einer  schematischen  Anordnung  Gre- 
gors ihren  Ursprung  verdanken,  sondern  von  ihm  einer  seiner  Quellen  ent- 
nommen wurden;  3.  dass  ihre  seltsame  Einförmigkeit  wahrscheinlich  auf  der 
Anlage  dieser  Quelle  beruht.  Mau  hat  sich  diese,  wie  schon  Arndt  und 
Kurth  vermuteten,  so  angelegt  zu  denken,  dass  immer  jedes  fünfte  Königsjahr 
hervorgehoben  war  und  in  die  so  entstehenden  Abschnitte  von  Jahrfüuftcn  Er- 


1)  Arndt,  scr.  Merov.  I,  p.  18. 

2)  c.  15  (scr.  Merov.  II,  p.  2G2). 

3)  Vgl.  c.  43  (p.  106):   migravit  autem  post  Vogladinse  bellum  anno  quinto,    fu- 
eruntque  omnes  dies  regni  eius  anni  30. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  47 

eignisse  eingetragen  wurden;  diese  mochten  zum  Teil  wirklich  dem  Anfangs- 
jahre  des  Lustrums  entsprechen,  teilweise  aber  einem  der  vier  folgenden  Jahre 
angehören  und  vielleicht  erst  durch  ein  Missverständnis  Gregors  insgesamt 
auf  das  erste  Jahr  bezogen  worden  sein.  So  bedarf  es  in  jedem  einzelnen 
Falle  der  Untersuchung,  ob  wir  uns  mit  Gregors  Zeitangaben  ohne  weiteres 
zufrieden  geben  mtlssen  oder  ob  wir  imstande  sind,  sie  durch  Heranziehung 
anderer  Quellen  auf  ihre  Genauigkeit  und  Zuverlässigkeit  zu  prüfen. 

Zu  diesem  Zwecke  ist  es  notwendig,  Chlodowechs  Königsjahre  in  Jahre 
n.  Chr.  umzusetzen  und  dafür  zunächst  einen  geeigneten  Ausgangspunkt  zu 
gewinnen.  Dieser  bietet  sich  im  Todesjahre  des  Königs.  Nach  Gegor  starb 
Chlodowech  112  Jahre  „a  transitu  sancti  Martini'*^),  im  elften  Jahre  des 
Bischofs  Licinius  von  Tours.  Aber  diese  Synchronismen  sind  unbrauchbar, 
weil  sie  sich  widersprechen.  Vom  Todesjahre  Martins  von  Tours  aus,  dem 
Jahre  397*),  führt  ein  Abstand  von  112  Jahren  auf  509.  Dagegen  ergiebt 
die  Summe  der  von  Gregor,  bist.  X  31  für  die  einzelnen  Bischöfe  von  Tours 
gegebenen  Zahlen  bis  zum  11.  Jahre  des  Licinius  nicht  112,  sondern  mehr  als 
123  Jahre,  führt  also  auf  521.  Mindestens  eine  der  beiden  Zeitangaben  mass 
also  falsch  sein.  Somit  ist  Chlodowechs  Todesjahr  auf  anderem  Wege  zu  be- 
stimmen. 

König  Theudebert  starb  nach  der  Chronik  des  Bischofs  Marius  von  Aven- 
ticum  548  (auct.  ant.  XI,  p.  236),  nach  Gregor.  III  37  (p.  140)  und  IV  51 
(p.   188)  37  Jahre')    „a  transitu  Chlodovechi",    Chlothar  I.    nach   Marius  561 


1)  Vgl.  IV  51  (p.  188):  a  transitum  sancti  Martini  usquc  ad  transitum  Chlodovcchi 
regis  anni  112. 

2)  Gregor,  hist.  I  48  (p.55),  X  31  (p.  444);  de  virtut.  s.  Martini  I  3  (p.589).  Rein- 
kens, Martin  von  Tours,  1866,  S.  245— 257,  hat  für  die  Bestimmung  von  Martins  Todes- 
jahr gegenüber  den  Daten  des  viel  späteren  Greg^or  an  sich  durchaus  methodisch  die 
Angabe  des  Zeitgenossen  Sulpicius  Severus  zu  Grunde  gelegt,  dass  Martin  nach  dem 
Trierer  Priscillianistenhandel  (385)  „sedeeim  postea  vixit  annos**  (dialog.  III  13,  6,  ed. 
Halm  p.  211),  und  danach  Martins  Tod  ins  Jahr  401  gesetzt  (vgl.  scr.  Merov.  I  p.  589, 
n.  8).  Da  aber  397  von  Gregor  in  doppelter  und  übereinstimmender  Weise  bezeichnet 
wird,  einmal  durch  das  Consulat  des  Atticus  und  Cäsarius,  dann  als  2.  Jahr  des  Ar- 
cadius  und  Honorius  (offenbar  nach  einer  Chronik,  die  395  nur  als  letztes  Jahr  des 
Theodosius  anführte  und  die  Jahre  seiner  Söhne  erst  mit  396  begann),  da  femer  das 
von  Gregor  gegebene  Verzeichnis  der  Bischöfe  von  Tours  (X  31)  allein  zum  Jahre  397 
wenigstens  annähernd  stimmt,  so  halte  ich  doch  mit  Duchesne  (les  anciens  catalo- 
gues  ^piscopaux  de  la  province  de  Tours,  1890,  S.  24,  Anm.  1)  397  für  Martins  Todes- 
jahr, indem  ich  mich  seiner  Vermutung  anschliesse,  dass  „sedecim"  bei  Sulpicius  Se- 
verus auf  den  einfachen  Schreibfehler  XUI  statt  XIII  zurückgeht.  Andere  Angaben 
Gregors,  die  auf  das  Jahr  401  (de  virt.  s.  Martini  I  32,  p.  603;  II  1,  p.  608)  führen, 
erklären  sich  hinreichend  durch  falsche  Rechnung  Gregors,  und  wenn  er  endlich  ,,a 
pasBione  domini  usque  ad  transitum  sancti  Martini"  einen  Zeitraum  von  412  Jahren 
annimmt  (hist.  I  48,  p.  56;  IV  51,  p.  188;  X  31,  p.  449),  so  kann  dioise  Zahl  zur  Zeit- 
bestimmung überhaupt  nicht  in  Betracht  kommen. 

3)  Vgl.  III  23  (p.  131)  und  37  (p.  140):  Theuderich  I.  stirbt  „vicinsimo  tertio  regni 
soi  anno*^,  Theudebert  ,14.  regni  sui  anno". 


48  Wilhelm  Levison: 

(p.  237),  nach  Gregor.  IV  21  (p.  158)  „anno  quinquaginsimo  primo  regni  sui"^). 
Diese  Angaben  bestätigen  und  ergänzen  einander:  sie  führen  auf  511  als 
Cblodowechs  Todesjahr.  Näber  wird  die  Zeit  seines  Dabinscheidens  bestimmt 
durch  die  Unterschrift  der  zu  des  Königs  Lebzeiten  gefassten  Beschlüsse  der 
ersten  Kirchenversammlung  von  Orleans  (concil.  I,  p.  9):  „Cyprianus  episcopus 
de  Burdigala  suscribsi  in  die  VI.  idus  mensis  qainti,  Feiice  v.  c.  cunsule ; 
Chlodowech  starb  also  nach  dem  10.  Juli  511.  Noch  weiter  führt  eine  Unter- 
schrift des  5.  Konzils  von  Orleans  (concil.  I,  p.  108):  ,,notavi  die  V.  kal.  No- 
vembris,  anno  XXXVIII  regni  domni  Childeberthi,  indictione  tertia  decima". 
Die  13.  Indiction  umfasste  die  Zeit  vom  1.  September  549  bis  zum  31.  August 
550 ;  es  kann  sich  also  nur  um  den  28.  Oktober  549  handeln.  Da  dieser  nun 
in  Childeberts  38.  Jahr  fiel,  der  König  aber  mit  seinen  Brüdern  511  den  Thron 
bestiegen  hat,  so  kann  seixi  erstes  Jahr  erst  nach  dem  28.  Oktober  511  be- 
gonnen haben,  Chlodowech  also  erst  nach  diesem  Tage  gestorben  sein  ^).  Dazu 
stimmen  trefflich  die  Angaben  von  Kaiendarien  der  Bibliothfeque  Sainte  Gene- 
vieve  zu  Paris;  sie  melden  zum  27.  November  (V.  kal.  Decembres)  den  Jahres- 
tag des  grossen  Königs  Chlodowech  (magni  regis  Clodovei)^).  Dass  man  in 
der  später  der  h.  Genovefa  geweihten  Apostelkirche,  die  dieser  gegründet  und 
in  der  er  seine  letzte  Ruhestätte  gefunden  hatte*),  den  Todestag  des  Stifters 
nicht  vergass,  ist  mehr  als  wahrscheinlich;  vergleichen  lässt  sich  Saint-Germain- 
des-Pr6s,  wo  man  die  „depositio^'  seines  Sohnes  Childebeii;  I.,  des  dortigen 
Stifters,  feierte^).  Da  Chlodowech  jedenfalls  nach  dem  28.  Oktober  starb,  so 
liegt  gegen  die  Annahme  des  27.  November  keinerlei  Bedenken  vor,  auch  wenn 


1)  Chlotliar  I.  starb  561  nach  dem  28.  November,  wie  das  Datum  des  Vertrages 
von  Andelot  (28.  November  587)  lehrt:  „facta  pactio  sub  die  4.  kalcndas  Dccembris, 
anno  26.  regnum  domni  Gunthchramni  regis  (dessen  erstes  Jahr  also  nach  dem  28. 
November  561  begann),  domni  Childcberti  (seit  Dezember  575;  scr.  Mer.  I,  p.  191)  vero 
12.  anni"  (scr.  Merov.  I,  p.  377);  v<>;l.  Krusch,  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte 
XXII,  1882,  S.  455. 

2)  Diese  Zeitangabe  kann  als  einer  der  von  Mommson  (N.  A.  XV^I,  1891,  S.  61, 
Anra.  3)  gewünschten  Beweise  für  die  Annahme  gelten,  dass  die  Fränkischen  Köni<i!:s- 
jahre  vom  Tage  der  Thronbesteigung  bis  zu  dessen  kalendarischer  Wiederkehr  ge- 
rechnet wurden,  sich  aber  nicht  an  das  bürgerliche  Jahr  anschlössen.  Denn  im  letz- 
teren Falle  zählte  als  Childeberts  erstes  Jahr  die  Zeit  vom  Tode  Cblodowechs  bis  zum 
nächsten  Neujahrstage,  also  bis  zum  1.  Januar  oder  1.  März  512,  und  der  28.  Oktober 
549  fiele  nicht  in  Childeberts  38.,  sondern  39.  Herrscherjahr. 

3)  Biblioth^que  Sainte  Genevi^ve,  Codices  saec.  XllI/XIV  n.  90  (fol.  70  et  1259 
(fol.  8»*),  über  die  ich  der  Liebenswürdigkeit  von  Herrn  Dr.  Ernst  Die  hl  nähere  Mit- 
teilungen verdanke.  Vgl.  Hadriauus  Valesius,  rerum  Francicarum  libri  VllI,  1G46, 
p.  313;  Antonius  Pagi,  critica  historico-chronologica  in  universos  annales  ecclesiasti- 
coH  Baronii  II,  1727,  p.  491;  Dubos,  histoire  critique  de  l'etablissement  de  la  monar- 
chie  frauQoise  III,  1734,  p.  50—51;  Via  Hon,  Clovis  le  Grand,  1788,  p.  473;  Kurth, 
Clovis  p.  552,  n.  1. 

4)  Gregor.  Tur.  bist.  II  43  (p.  106). 

5)  Usuardi  martyrologium  ad  X  kal.  lan.  (Migne,  patrologiae  ser.  II,  tom.  CXXIV, 
col.  829). 


Zur  Geschichte  dos  Frankenkönigs  Chlodowech.  49 

sich  des  Königs  Anniversarien  erst  im  neunten  Jahrhundert  nachweisen  lassen 
sollten  ^). 

Chlodowech  starb  also  am  27.  November  511 2),  quinto  anno  nach  dem 
Siege  über  die  Gothen,  den  Gregor  in  das  25.  Jahr  des  Königs  setzt.  Mithin 
sind  die  Worte:  fueruntqtie  omnes  dies  regni  eins  anni  30,  so  aufzufassen, 
dass  der  Tod  Chlodowechs  in  sein  30.  Jahr  fiel,  dass  dieses  aber  nicht  voll- 
endet wurde.  Da  er  erst  gegen  Ende  des  Jahres  511  starb,  so  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  sein  29.  Jahr  in  das  Jahr  511  hineinreichte  und  dass  Gregors 
Zeitangaben  in  folgende  Jahre  n.  Chr.  umzusetzen  sind^): 

Geburt  466/7  15.  Jahr  496/7 

Antritt  der  Herrschaft  482/3  25.  Jahr  506/7 

5.  Jahr  486/7  Tod  Nov.  511 

10.  Jahr  491/2 

Es  gilt  nun,  die  aus  Gregor  gewonnenen  Zeitbestimmungen  an  der  Hand 
anderer  Quellen  zu  prüfen.  Die  Angaben  tlber  Chlodowechs  Alter*)  und  den 
Thoringerkrieg  müssen  von  vornherein  unberücksichtigt  bleiben,  weil  sie  ver- 
einzelt dastehen  und  entsprechende  Nachrichten  fehlen. 

Über  die  Zeit  der  Anfänge  Chlodowechs  lässt  sich  nur  das  sagen,  dass 
das  Jahr  482  zu  den  im  Grabe  Childerichs  I.  gefundenen  Münzen  stimmt, 
deren  späteste  Zenon  (474—491)  und  Basiliskos  (475—477)  angehören^),  so 
dass  sich  für  Childerichs  Tod  und  den  Beginn  von  Chlodowechs  Herrschaft 
475  als  terminus  post  quem  ergiebt. 

Ebensowenig  ist  es  möglich,  genau  die  Zeit  des  Falles  von  Syagrius  zu 
prüfen  (486/7).  Dieser  flieht  nach  Tolosa  zum  Westgothenkönig  Alarich  IL, 
der  Ende  484  seinem  Vater  Eurich  gefolgt  war^).    Gegen  Gregors  Zeitangabe 


1)  A.  Molinier,  les  obituaires  franQais  au  nioyen  Äge,  1890,  p.  29:  „Les  celfebres 
anniversaires  de  Dagobert  k  Saint-Denis,  de  Childebert  k  Saint-Germain-des-Pr6s,  de 
Clovis  Ä  Sainte-Genevieve  paraissent  ^galement  dater  du  IXe  siecle". 

2)  Bin  ding  (Das  Burgundisch-Romauische  Königreich  I,  1868,  S.  213)  hat  also 
folgende  Inschrift  aus  Coudes  mit  Unrecht  511  gesetzt:  In  hoc  touio|lo  quieseit  bo|ne 
memoriae  |  Palladius  |  vixit  annus  |  XVII  |  transiet  klenjdas  Septem] bris  indictio  |  qinta 
regis  I  Teudorici  (Le  Blant,  inscriptions  chr^tiennes  de  la  Gaule  II,  1865,  p.  343,  n.  570). 
Da  Theuderich  I.  am  1.  September  511  noch  nicht  König  war,  so  kommen  von  den 
drei  an  sich  möglichen  Jahren  511,  526  und  601  nur  die  beiden  letzten  in  Betracht. 

3)  Auffallend  ist  —  ohne  dass  diese  Thatsache  weiter  führt  —  dass  diese  Jahre 
zugleich  den  durch  5  teilbaren  Indictionen  entsprechen: 


486/7      5.  Jahr    ind.  X 

496/7    15.  Jahr    ind.  V 

491/2    10.  Jahr    ind.  XV 

506/7    25.  Jahr    ind.  XV. 

4)  Vergleichen  lassen  sich  nur  die  Wendungen,  die  Theoderich  Var.  III  2  (p.  79) 
und  4  (p.  80)  im  Jahre  507  von  Chlodowech  und  Alarich  II.  gebraucht:  regii  iuvenes, 
florida  aetate  ferventesy  aetate  florentes. 

5)  Chiflet,  anastasis  Childerici,  1655,  p.  255—256;  Cochet,  le  tombeau  de  Chil- 
d^ric  I«r,  1859,  p.  411,  432 — 433;  Soetbeer,  Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  I, 
1862,  S.  548. 

6)  Gegenüber  den  schwankenden  Angaben  der  Chroniken  lehrt  die  Unterschrift 
des  Konzils  von  Agde   (Sirmond,  concilia  antiqua  Galliae  I,   1629,   p.  173):    „not.  Bub 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterihsftr.  im  Rheinl.  lOS.  4 


60  Wilhelm  Levison: 

spricht   also   nichts^    wenn    sich    freilich   auch  ihre  Genauigkeit  nicht  darthun 
lässt. 

Mehr  Bedenken  hat  die  Zeit  des  von  Chlodowech  an  unbekanntem  Orte  ^) 
errungenen  Sieges  über  die  Alamannen  (496/7)  erregt  wegen  ihrer  Erwähnung 
in  einem  Schreiben  des  Ostgotenkönigs  Theoderich  an  Chlodowech.  Dieses 
findet  sich  in  Cassiodors  Briefsammlung  (Var.  II 41,  p.  73),  deren  einzelne 
Stücke,  wie  üsener  gezeigt  hat*),  erst  nach  500  geschrieben  sein  können 
und  nach  M o mm se ns  ^)  Ausführungen  nicht  über  den  Anfang  von  507  zurück- 
reichen. Theoderich  weist  in  seinem  Briefe  Chlodowech  hin  auf  die  grossen 
Erfolge,  die  dieser  gegenüber  den  Alamannen  errungen  habe;  aber  nun  solle 
der  Franke  mit  den  erreichten  Lorbeern  zufrieden  sein  und  die  erschöpften 
Reste  des  Volkes  schonen,  die  sich  auf  Theoderichs  Gebiet  geflüchtet  haben: 
„Memorabilis  triumphus  est  Alamannum  acerrimum  sie  expavisse,  ut  tibi  cum 
cogas  de  vitae  munere  supplicare;  sufficiat  illum  regem  cum  gentis  cecidissc 
snperbia,  sufficiat  innumerabilem  nationem  partim  ferro,  partim  servitio 
subiugatam.^  Sei  mit  dem  Errungenen  zufrieden  und  massige  dich!  ist  der 
Grundgedanke  des  Briefes,  in  dem  Theoderich  dem  Frankenkönige  nicht 
etwa  zu  einem  erfochtenen  Siege  Glückwünsche  sendet,  vielmehr  ihn  warnt, 
die  Alamannen  auf  gothischem  Boden  zu  beunruhigen.  Die  von  Cassiodor  er- 
wähnte Niederlage  des  Volkes  kann  keine  andere  sein  als  die  von  Gregor 
berichtete;  dies  beweist  der  von  beiden  erzählte  Fall  des  Königs,  auf  den  auch 
Ennodius  anspielt*).  Das  Schreiben  ist  etwa  Anfang  507  verfasst;  aber  es 
ist  darum  keineswegs  nötig,  die  Schlacht  von  496/7  um  ein  Jahrzehnt  zu  ver- 
schieben. Mit  vollem  Rechte  hat  Mommsen^)  betont:  „Omnino  separandae 
sunt  duae  res,  victoria  illa  Francorum  et  receptio  Alamannorura  intra  fines 
regni  Theodericiani";  zwischen  beiden  Ereignissen  können  sehr  wohl  einige 
Jahre    verflossen    sein  ^).     Nirgendwo   ist  in  dem  Briefe  angedeutet,    dass  der 


die  III  idus  Septembris  Messala  v.  c.  cousule  (506),  anno  XXII.  reg:ni  domni  nostri 
Alarici  regis",  dass  Alarichs  I.Jahr  vor  dorn  11.  September  485  begann.  Da  nun  die 
continuatio  Prosperi  Havniensis  (auct.  ant.  IX,  p.  313)  —  wenn  auch  zum  falschen 
Jahre  —  berichtet:  „Euricus  rex  Gothorum  penes  Areias  urbem,  quam  ipse  ceperat, 
moritur  locoquc  eius  Alaricus  fiiius  eius  confirmatur  V  k.  Jan,^,  eine  Zeitangabc,  an 
deren  Richtigkeit  zu  zweifeln  kein  Grund  vorliegt,  so  ist  Alarichs  Herrschaftsanfang 
auf  den  28.  Dezember  484  anzusetzen.  Die  Neueren  haben  zwischen  483  und  den 
beiden  folgenden  Jahren  geschwankt,  zuletzt  hat  Yver  (etudes  d'histoire  du  moyen  Age 
dedi6es  k  Gabriel  Monod,  1896,  p.  41)  sich  für  485  entschieden. 

1)  Zuletzt  ist  Ruppersberg  a.  a.  0.  wieder  für  Zülpich  eingetreten,  ohne  dass 
aber  die  Identität  von  Chlodowechs  Siege  mit  dem  von  Sigbert  ausgefochtcnen  Kampfe 
bei  Zülpich  (Gregor.  II  37,  p.  101)  sich  als  mehr  denn  eine  blosse  Möglichkeit  er 
weisen  Hesse,  die  bei  der  Dürftigkeit  der  Quellen  ebensowohl  bestritten  wie  behauptet 
werden  kann.  —  Die  vita  Vedasti  (scr.  Merov.  III,  p.  406— 408)  kommt  nach  Kruschs 
Untersuchung  für  die  Geschichte  des  Alamannenkrieges  nicht  mehr  als  selbständige 
Quelle  neben  Gregor  von  Tours  in  Betracht. 

2)  Usener  a.  a.  0.  S.  70.  3)  auct.  ant.  XII,  p.  XXVII  seq. 

4)  panegyric.  15,  72  (auct.  ant.  VII,  p.  212).  5)  a.  a.  0.  S.  XXXIII. 

6)  Ob  man  Fredegar.  III  21  (scr.  Merov.  II,  p.  101):  „novem  ann.  exolis  a  sedibus 


Zur  Geschichte  des  Fraukenkönigs  Chlodowech.  51 

Sieg  eben  erst  erfochten  sei;  Cassiodors  Hinweis  auf  die  ruhmvolle  Schlacht 
soll  nur  die  Aufforderung  zur  Mässigung  begründen  und  rechtfertigen.  So  be- 
weist das  Schreiben  nichts  gegen  Gregors  Jahresangaben;  aber  es  ergänzt 
seinen  Bericht.  Es  zeigt,  dass  mit  dem  Siege  von  496/7  Chlodowechs  Vor- 
dringen gegen  die  Alamannen  nicht  sein  Ende  fand,  sondern  dass  er  ein 
Jahrzehnt  später  —  von  der  Zwischenzeit  wissen  wir  nichts  —  aufs  neue  gegen 
sie  vorging.  Es  sind  Bewegungen  des  Frankenkönigs,  deren  Kenntnis  wir  allein 
diesem  Briefe  verdanken,  die  aber  mit  Theoderichs  Warnung  wohl  ihren  Ab- 
schluss  fanden,  da  Chlodowech  sich  bald  darauf  gegen  Alarich  wandte  und 
die  unter  Gothischem  Schutze  stehenden  Alamannen  dem  Frankenreiche  erst 
ein  Menschenalter  später  anheimfielen,  als  für  die  Ostgothen  bereits  der  letzte 
Kampf  ums  Dasein  begonnen  hatte  ^). 

Zwischen  die  Alamannenschlacht  und  den  Westgothenkrieg  fällt  nach 
Gregor  der  schliesslich  ergebnislose  Kampf  Chlodowechs  gegen  den  Burgunder- 
könig Gundobad,  also  zwischen  die  Jahre  496/7  und  506/7,  Grenzen,  die  sich 
von  anderer  Seite  her  als  richtig  erweisen.  Zum  Konsulate  des  Patricius  und 
Hypatius,  d.  h.  zum  Jahre  500  berichtet  Marius  von  Avenches  auf  Grund 
Borgundischer  Annalen,  die  auch  Gregor  benutzt  hat,  von  der  Schlacht  bei 
Dyon,  Gundobads  Flucht  nach  Avignon  und  seiner  Wiedererhebung  (auct. 
antiq.  XI,  p.  234).  Dazu  kommt  eine  Bemerkung  in  der  dem  7.  Jahrhundert 
angehörigen  Gothaer  Handschrift  der  Ostertafel  des  Victorius  zum  Jahre 
501 :  „Gundubadus  fuit  in  Abinione"  (auct.  ant.  IX,  p.  729).  Da  nun  diese 
Angabe  sicherlich  auf  Gundobads  Aufenthalt  nach  seiner  Niederlage  geht  *) 
und  da  Marius  ohnedies  seinen  Bericht  nicht  auf  das  eine  Jahr  500  beschränkt, 
sondeiii  mit  einem  Hinweise  auf  Gundobads  letzte  Jahre  schliesst  ^),  so  scheint 
es  mir  nicht  unwahrscheinlich  —  wenn  auch  nicht  sicher  —  dass  der  Rück- 
schlag auf  den  500  erfochtenen  Sieg  der  Fränkischen  Waffen  erst  im  folgen- 
den Jahre  erfolgte  *).  Jedenfalls  hat  Gregor  dem  Burgunderkriege  in  der  Folge 
der  Ereignisse  den  richtigen  Platz  angewiesen  ^). 


eorum^,  hiermit  in  Zusammenhang  bringen  darf,  muss  bei  dem  Charakter  der  Quelle 
zweifelhaft  erscheinen. 

1)  Agathias  I  6  (historici  Graeci  minores,  ed.  Dindorf  II,  p.  150). 

2)  Vgl.  Marius  a.a.O.:  „Gundobagaudus  Avinione  latebram  dedit**,  und  Gregor 
II  32  (p.  94):  „at  illc  ....  terga  dedit  fugamque  iniit  Rhodanitidesque  ripas  pcrcur- 
rens  Avinionem  urbem  ingreditur". 

3) regnumque,    quem  perdiderat,    cum  id  quod  Godegeselus  habuerat, 

receptum  usque  in  diem  mortis  suae  (516)  feliciter  gubernavit. 

4)  AUerdiugs  verbindet  Marius  die  Erzählung  von  Gundobads  Wiedererhebung 
mit  der  vorhergehenden  Darstellung  durch  „eo  anno",  womit  er  sonst  regelmässig 
zu  Ereignissen  desselben  Jahres  überleitet.  Doch  ist  der  Bericht  zum  Jahre  500 
besonders  ausführlich,  und  es  finden  sich  auch  einige  Fälle,  in  denen  mit  „eo  anno'' 
ein  neues  Jahr  beginnt  (548,  556,  577,  580).  Vgl.  Wilhelm  Arndt,  Bischof  Marius 
von  Aventicum,  1875,  S.  25. 

5)  Ob  überhaupt  and  wann  Chlodowechs  Zusammenkunft  mit  Gundobad  statt* 
gefunden  hat,  von  der  die  vita  Eptadii  8  (scr.  Merov.  III,  p.  189)  erzählt,  lässt  sich 
nicht  sagen;  die  vita  scheint  nach  11  (p.  190)  an  die  Zeit  vor  494  zu  denken. 


52  Wilhelm  Levison: 

Endlich  wird  die  von  ihm  gegebene  Zeitbestimmung  des  Westgothenkrieges, 
die  auf  506/7  führt,  durch  andere  Quellen  durchaus  bestätigt.  Die  Chronik 
von  Saragossa  meldet  zum  Jahre  507:  ^His  diebus  pugna  Gotthorum  et 
Francorum  Boglada  ^)  facta;  Alaricus  rex  in  proelio  a  Francis  interfectus  est: 
regnum  Tolosanum  destructum  est"  (auct.  ant.  XI,  p.  223)  *),  und  die  fälsch- 
lich dem  Sulpicius  Severus  zugeschriebene  chronica  Gallica  a,  DXI  berichtet 
zum  15.  Jahre  des  Kaisers  Anastasius:  „Occisus  Alaricus  rex  Gothorum  a 
Francis"  (auct.  ant.  IX,  p.  665).  Da  diese  Chronik  des  Kaisers  19.  Jahr  statt 
des  21.  und  das  Jahr  547  der  Spanischen  Ära  von  38  v.  Chr.  statt  des  Jahres 
549  dem  Konsulate  des  Felix  und  Secundinus  (511)  und  der  4.  Indiction  (510/1) 
gleichsetzt  ^),  so  führt  Anastasius'  15.  Jahr  ebenfalls  auf  507,  und  dieselbe  Zeit 
ergiebt  sich,  wenn  einerseits  Alarichs  Herrschaftsdauer  auf  23  Jahre  angegeben 
wird*),  andererseits  seinem  Nachfolger  Gesalich  4  Jahre,  Theoderieh  dem 
Grossen  (f  526)  15  Jahre  der  Herrschaft  über  die  Westgothen  zugeschrieben 
werden  *).  Gregors  Angabe  erweist  sich  mithin  als  richtig  ^). 

Fassen  wir  nun  die  bisher  gewonnenen  Ergebnisse  zusammen,  so  haben 
sich  allerdings  Gregors  Synchronismen  zum  Todesjahre  Chlodowechs  als  un- 
brauchbar erwiesen.     Als   richtig  aber  ergab  sich  die  Zeit  des  Gothenkrieges, 


1)  Über  die  Frage  nach  dem  Orte  der  Schlacht  vgl.  zuletzt  A.  F.  Li 6 vre,  Revue 
historique  LXVI,  1898,  p.  90-104. 

2)  Allerdings  würde  diese  Angabe  allein  das  Jahr  507  nicht  sichern,  da  einige 
Ereignisse  zum  unrichtigen  Jahre  vermerkt  sind;  vgl.  450,  513,  525. 

3)  p.  666:  XIX.  Anastasi  imperatoris  anno  consulatus  fuit  Fclicis  et  Seeundini, 
indictio  fuit  quarta,  era  DXLVII. 

4)  23  Jahre  geben  an  die  Chronik  von  Saragossa  (auct.  ant.  XI,  p.  222)  zum 
Jahre  485  und  nach  ihr  Isidorus  (auct.  aiit.  XI,  p.  281),  ferner  das  vor  der  Westgothi- 
schen  Gesetzessammlung  stehende  Königsverzeichnis  (auct.  ant.  XIII,  p.465;  cf.  Zeu- 
mer,  leges  Wisigothorum  antiquiores,  1894,  p.  315).  507  als  23.  Jahr  Alarichs  wird  be- 
stätigt durch  das  Datum  der  Konzilsbeschlüsse  von  Agde  (506):  „anno  XXII.  regni 
domni  nostri  Alarici  regis".  Da  er  sein  23.  Jahr  nicht  vollendete,  erklärt  sich  Gregor. 
Tur.  II  37  (p.  102):  „Regnavit  autem  Alaricus  annos  22**. 

5)  Isidor  p.282— 283;  auct.  ant.  XIII,  p.465  (Zeumer  p.  315).  Die  Bruchstücke 
der  Chronik  von  Saragossa  geben  Theoderich  richtig  15  Jahre  (p.  223),  dagegen  Ge- 
salich 7  Jahre,  wohl  infolge  eines  Verschreibens :  Uli  statt  IUI  (vgl.  ihren  Alisschreiber 
Isidor,  dem  die  vollständige  Chronik  vorlag:  regnans  annis  quattuor\  womit  es  zu- 
sammenhängen wird,  dass  sie  von  Gesalichs  letzter  Zeit  513  statt  511  erzählen.  In 
Isidors  Gothengeschichte,  deren  Zahlen  vielfach  entstellt  sind,  giebt  die  kürzere  Fas- 
sung als  Anfangsjahr  Gesalichs  aera  DXLV  (507),  die  ausführlichere  als  das  Theode- 
richs DXLVIIII  (511);  die  anderen  Zahlen  DXLIIII  (506),  bezw.  DXLV  (507)  können 
unmöglich  richtig-  sein  und  müssen  auf  Schreibfehlem  beruhen.  Als  Theoderichs  erstes 
Jahr  wird  511  gesichert  durch  die  Daten  der  Konzilien  von  Tarragona  und  Gerona 
(Mansi,  conciliorum  collectio  VIII,  p.  541,  549):  „anno  sexto  Theuderici  regis,  consulatu 
Petri  (516),  sub  die  octavo  idus  Novembris"  und  „anno  VII.  Theoderici  regis,  VI.  idus 
lunias,  Agapeto  viro  clarissimo  con.sule"  (517). 

6)  Bei  dem  zweifelhaften  Werte  der  vita  Severini  verzichte  ich  darauf,  ihre  Zeit- 
angabe gegen  Gregors  Bericht  geltend  zu  machen  (scr.  Merov.  III,  p.  168):  Eodem 
tempore  cum  Chlodoveus  rex  Francorum  anno  XXV.  regnaret  in  urbe  Parisiu.s,  tunc 
in  corpore  suo  gravis  obvenit  infirmitas,  typus  frigoris,  per  duos  annos. 


Zur  Geschichte  des  Frankeukönigs  Chlodowech.  53 

und  ebensowenig  bot  die  Überliefening  eine  den  übrigen  Zahlen  widersprechende 
Thatsache.  Wegen  ihrer  auffallenden  Gleichförmigkeit  mag  man  an  ihrer  Ge- 
nauigkeit zweifeln;  aber  der  Mangel  anderer  Quellen  nötigt,  bei  den  von  Gregor 
gegebenen  Daten  stehen  zu  bleiben  *). 

Aber  in  einer  anderen  Hinsicht  ist  es  möglich,  über  ihn  hinauszukommen; 
wir  sind  imstande,  seine  Nachrichten  hie  und  da  zu  ergänzen,  wie  es  bereits 
in  Bezug  auf  die  Alamannenkämpfe  geschehen  ist.  Gregors  Bericht  über  den 
Westgothcnkrieg  weiss  nur  von  Erfolgen  der  Fi-änkischen  Waffen,  nicht  von 
Misserfolgen;  er  erzählt  nichts  von  dem  Rückschlage,  der  durch  das  Eingreifen 
der  Ostgothen  gegen  die  vordringenden  Franken  und  Burgunder  —  deren  Teil- 
nahme am  Kriege  Gregor  ebenfalls  nicht  erwähnt  —  geübt  wurde.  Zeitbe- 
stimmungen für  diese  Kämpfe  geben  die  Chroniken  des  Cassiodor  und  Marius 
(auct.  ant.  XI,  p.  160,  234):  „Venantius  iun.  et  Celer.  his  conss.  (508)  contra 
Francos  a  domno  nostro  destinatur  exercitus,  qui  Gallias  Francorum  depraeda- 
tione  confusas  victis  hostibus  ac  fugatis  suo  adquisivit  imperio";  und:  „Inpor- 
tuno.  hoc  consule  (509)  Mammo  dux  Gothorum  partem  Galliae  depraedavit". 
Die  Anfangszeit  des  Ostgothischen  Feldzuges  bestimmt  sich  innerhalb  des  Jahres 
508  noch  genauer  durch  Theoderichs  Gebot  zum  Aufbruche  nach  Gallien,  der 
auf  den  24.  Juni   angesetzt   wurde  (Var.  I  24,  p.  27 — 28)  *).     Die  Niederlage 


1)  Dagegen  ist  es  fraglich,  ob  die  Beseitigung  der  übrigen  Frttnkischen  Fürsten 
durch  Chlodowech  von  Gregor  völlig  mit  Recht  zwischen  507  und  51 1  eingereiht  wor- 
den ist  —  bei  Ragnachar  und  Chararich  kann  man  zweifeln  —  da  die  zusammen- 
hängende Darstellung  der  ganzen  Reihe  von  Mordthaten  auf  der  Herkunft  aus  einer 
einheitlichen  Sagenbildung  als  Quelle  beruhen  mag;  vgl.  Kurt h,  histoire  po6tique 
p.  314—315  und  Clovis  p.  283—285.  Wenn  übrigens  auch  der  sagenhafte  Charakter 
dieser  Erzählungen  unbestreitbar  ist,  so  ist  doch  zugleich  zu  betonen,  dass  wir  hier 
bei  dem  Maugel  jeder  anderen  Nachricht  Sage  und  Geschichte  nicht  mit  Sicherheit 
scheiden  können,  mithin  ebensowenig  berechtigt  sind,  zu  Chlodowechs  Gunsten  von 
diesen  Dingen  völlig  abzusehen  wie  ihm  alle  Einzelheiten  zuzuschieben.  Das  Beispiel 
seiner  Söhne  und  Enkel  spricht  jedenfalls  nicht  für  die  erste  Auffassung,  und  es  muss 
daher  eine  Anschauung  mindestens  sehr  gewagt  erscheinen,  wie  sie  vielleicht  am  krasse- 
sten bei  Haudecoeur  a.  a.  0.  S.  130  ausgesprochen  ist:  „Sur  la  foi  de  legendes  dont 
la  critique  moderne  a  fait  justice,  on  a  döpeint  Clovis  sous  des  traits  deforables,  on  Ta 
accuse  d'avoir  vers6  le  sang  par  ambition  et  d'avoir  conscrv6  aprfes  son  bapt6me  les 
moeurs  des  barbares.  Mais  ce  n'est  pas  \k  le  Clovis  de  l'histoire,  c'est  le  Clovis  de 
r^pop^e  barbare,  qui  a  enlaidi  sa  physionomie  cn  la  dessinant  d'aprfes  un  id6al  bar- 
bare, et  qui  a  mis  un  type  de  Convention  ä,  la  place  du  vrai  h^ros."  Sollte  hier  nicht 
zum  guten  Teile  der  Wunsch  Vater  des  Gedankens  gewesen  sein! 

2)  Verzögert  war  Theoderichs  Eingreifen  wohl  durch  die  drohende  Haltung 
Ostroms,  dessen  Flotte  508  die  Küste  Unteritaliens  verheerte  (Marceliin.  com.,  auct. 
ant.  XI,  p.  97;  vgl.  Cassiod.  Var.  I  16,  p.  23  und  II  38,  p.  67).  Dass  bei  den  Unter- 
nehmungen der  Franken  und  Oströmer  Einverständnis  herrschte,  ist  anzunehmen; 
vgl.  Gregor.  Tur.  II  38  (p.  102)  und  Gasquet,  Tempire Byzantin  etla  monarchie  franque, 
1888,  S.  laS;  Kurth,  Clovis  S.  414 f.;  Hartmann,  a.  a.  0.  S.  160.  Ansprechend  ist 
die  Vermutung  von  Kurth  (S.  421),  in  Theoderichs  Schreiben  an   Chlodowech  (Var. 

^.^         in  4»  p.  80—81)  seien   die  Worte:    „ut  uullatenus  inter  vos  scandala  seminet  aliena 
(j,  malignitas^S  und:  „qui  vult  alterum  in  praecipites  casus  mittere,  eum  certum  est  fide- 


54  Wilhelm  Levison: 

der  Franken  erfolgte  spätestens  510,  da  in  diesem  Jahre  Ibbas,  der  sie  be- 
siegt ^),  sich  bereits  gegen  Gesalich  wenden  konnte  *).  Ferner  war  Arles,  das 
durch  Franken  und  Burgunder  belagert,  von  dem  Heere  Theoderichs  entsetzt 
wurde  %  vor  dem  1.  September  510  frei,  da  der  König  der  Stadt  nach  ihrer 
ruhmvollen  Verteidigung  „per  indictionem  quartam  (1.  September  510—511) 
die  Abgaben  erleichtert:  „Non  decet  statim  de  tributis  esse  sollicitum,  qui 
casum  vix  potuit  declinare  postremum.  a  quietis  ista,  non  obsessis  inquirimus. 
quid  enim  a  domino  agri  exigas,  quem  cum  non  colnisse  cognoscas?"  (Var. 
III  32,  p.  96).  Vor  allem  aus  diesem  statim  hat  Binding*)  schliessen  wollen, 
dass  zur  Zeit  des  Erlasses  der  Kampf  kaum  beendet  war,  den  er  darum  An- 
fang 510  setzte,  entgegen  der  Angabe  Cassiodors,  der  „in  seinen  Worten  den 
ganzen  Erfolg  des  Krieges"  zusammenfasse.  Die  Möglichkeit  wird  man  zugeben 
müssen,  aber  keineswegs  die  Notwendigkeit  dieser  Annahme.  Arles  war  vor 
Eröffnung  der  Schiffahrt  entsetzt,  da  Theoderich  der  befreiten  Stadt  Geld  für 
die  Herstellung  der  Mauern  und  Türme,  sowie  Lebensmittel  schicken  will,  „cum 
tempus  navigationis  arriserit"  (Var.  III  44,  p.  100 — 101).  Die  Stadt  war  also 
im  Winter  frei,  und  da  nach  dem  Siege  kaum  lange  mit  der  Neubefestigung 
gezögert  worden  sein  wird,  doch  wohl  bereits  im  Winter  508/9  oder  509/10 
(vor  1.  September  510).  Da  femer  die  Entscheidungsschlacht  und  der  Entsatz 
von  Arles  schwerlich  während  des  Winters  stattfanden,  also  spätestens  509  an- 
zusetzen sind,  so  scheint  es  mir  überflüssig,  weil  nun  Befreiung  und  Steuer- 
nachlass  doch  nicht  unmittelbar  aufeinander  folgen  ^),  von  der  Angabe  des  über 
diese  Zeit  sicherlich  genau  unterrichteten  Cassiodor  abzugehen;  ich  sehe  daher 
in  jenen  Worten  Theoderichs  nur  eine  jener  allgemeinen  Wendungen,  deren 
unzählige  Cassiodors  Briefe  erfüllen  und  die  man  nicht  allzu  genau  nehmen  darf. 
Auch  zwei  Jahre  nach  dem  Entsätze  mussten  sicli  die  Folgen  der  immerhin 
langwierigen  Belagerung  noch  bemerkbar  machen,  zumal  der  Krieg  auf  Galli- 
schem Boden  mit  Ibbas'  Siege  sein  Ende  noch  nicht  erreichte,  wie  der  Zug 
des  Mamnio  509    und   die  letzten  Kämpfe  mit  Gesalich  zeigen,  der  in  Gallien 


liter  non  monere,"  eine  Anspielung  auf  Byzantinische  Umtriebe;  vgl.  Var.  IUI  (p.  78): 
„ne  videamini  eorura  inmissione  laborare,  qui  mali«i;;ne  gaudent  alieno  certamine." 

1)  Jovdanis  Get.  58  (auct.  ant.  VI,  p.  135);  vgl.  Var.  IV  17  (p.  122)  an  Ibbas: 
Este  contra  talia  onniino  sollicitus,  ut  qui  es  hello  clarus^  civilitate  quoque  reddaris 
eximius  ....  omnes  tibi  libenter  cedunt,  quem  gloriosum  in  bellorum  certainine  cogno- 
verunt. 

2)  chron.  Caesaraugust,  ad  a.  510  (p.  223):  „quo  anno  idem  Gesalecus  ab  Heb- 
bane  Theodorici  Italiae  regis  duce  ab  Hispania  fiigatus  Africam  petit".  Vgl.  Isidor 
und  Var.  V  43-44  (p.  170/1). 

3)  Vita  Caesarii  1  28—34  (scr.  Merov.  III,  p.  467-470);  Var.  VIII  10  (p.  240). 

4)  Binding  a.  a.  0.  S.  202,  Anm.  699,  und  S.  207,  Anm.  712.  Seine  Ausfüh- 
rungen haben  vielfach  Zustimmung  gefunden. 

5)  Var.  JII  32,  das  Schreiben  betreffs  des  Steuererlasses  für  510/1  ist  an  Ge- 
mellus  gerichtet,  den  Theoderich  nach  erfochteuem  Siege  in  das  neuerworbene  Gebiet 
gesandt  hatte;  \^^\.  Var.  III  16  (p.  88):  „in  Gallias  nobis  deo  auxiliante  suhiectas  vi- 
cariuin  te  praefectorum  nostra  mittit  auctoritas."  Auch  so  wird  ein  grösserer  Abstand 
zwischen  Ibbas'  Erfolge  und  dem  1.  September  510  wahrscheinlich. 


Zur  Geschichte  des  FrankenkönigB  Chlodowech.  55 

an  der  Durance  511  den  Untergang  fand.  Nicht  nur  den  Bewohnern  von 
Arles,  sondern  „universis  provincialibus  in  Galliis  constitutis"  wird  für  die  4. 
Indietion  (510/1)  ein  Steuernachlass  zu  teil  (Var.  III  40,  p.  99).  So  setze  ich 
den  Entscheidungskanipf  und  den  Entsatz  von  Arles  bereits  508  nach  dem  Vor- 
gange besonders  von  Jung h ans  ^)  und  Momrasen  *).  Freilich  sind  es  wesent- 
lich Wahrscheinlichkeitsgrtinde,  die  für  diese  Ansicht  sprechen;  aber  zu  völliger 
Sicherheit  wird  sich  hier  kaum  ein  Weg  darbieten.  Gehört  dem  Jahre  508 
die  Abwehr  der  vordringenden  Feinde  an,  so  gehen  die  Ostgothen  509  ihrer- 
seits angreifend  vor  und  verwüsten  unter  Mammo  feindliches  Gebiet  (Burgun- 
dien),  worauf  sich  dann  Ibbas  510  gegen  Gesalich  nach  Spanien  wenden  kann. 
Es  bleibt  noch  die  Frage  übrig,  zu  welcher  Zeit  die  weltgeschichtlich 
bedeutendste  That  Chlodowechs  erfolgt  ist,  sein  Übertritt  zum  Christentume. 
Die  einzige  eingehendere  Darstellung  der  Bekehrung  und  Taufe  des  Königs 
bildet  die  bekannte  Erzählung  Gregors  von  Tours  (II  29 — 31).  Er  berichtet 
von  den  Vereuchen  Chrotechildens,  den  Gatten  für  ihren  Glauben  zu  gewinnen, 
von  der  Taufe  und  dem  Tode  ihres  Erstgeborenen  Ingomer,  von  der  Taufe 
und  Krankheit  des  zweiten  Sohnes  Chlodomer,  von  Chlodowechs  Bekehrung  in 
der  Not  der  Alamannenschlacht  von  496/7,  von  seiner  Taufe  durch  den  Bischof 
Remigius  von  Reims.  Der  Bericht  scheint  „dem  Gedanken  und  der  Form  nach 
ein  einheitliches  Ganzes"  zu  sein,  „auch  einheitlich  in  der  Ausführung"  ^),  reich 
an  rhetorischen  Wendungen  und  an  einzelnen  Stellen  sich  zu  rhythmischem 
Schwünge  erhebend.  Aber  bei  näherer  Betrachtung  schwindet  dieser  Schein 
der  Einheitlichkeit  *).  Die  Erzählung  vom  Alamannensiege  (c.  30)  lässt  sich 
ausschalten,  ohne  dass  der  Zusammenhang  im  mindesten  zerrissen  würde;  es 
ergeben  sich  zwei  Darstellungen  von  Chlodowechs  Bekehrung,  die  sich  deutlich 
scheiden  lassen.  „Auf  der  einen  Seite  weiss  der  Geschichtschreiber  von  einer 
Einwirkung  der  Königin,  die  unterstützt  wird  durch  Remigius  von  Reims  und 
durch  ihn  endlich  zum  Ziel  kommt;  auf  der  andern  Seite  kennt  er  die  in 
der  namenlosen  Alamannenschlacht  geschehene  Entscheidung  des  Königs"  ^). 
Innere  Widersprüche  gebieten  diese  Zerlegung  der  Erzählung  Gregors.  Im  Ge- 
tümmel des  Kampfes  erhebt  der  König  unter  Thräneu  seine  Hände  gen  Himmel 
und  spricht  das  Gelöbnis  aus,  im  Falle  des  Sieges  an  Christus  glauben  und 
sich  taufen  lassen  zu  wollen;  er  weist  hin  auf  die  Ohnmacht  seiner  Götter, 
die  ihren  Anhängern  keinen  Beistand  gewähren.  Siegreich  kehrt  er  aus  dem 
Felde  zurück  und  erzählt  der  Gattin,  „qualiter  per  invocationem  nominis  Christi 
victuriam  meruit  obtenire".  Aber  die  Bekehrung  in  der  Schlacht  „ist  keine 
Bekehrung;  denn  Remigius  muss  ihm  nach  derselben  noch  zureden,  die  Götzen 
zu  verlassen  und  ihm  vorstellen,  dass  sie  weder  sieh  noch  anderen  nützen 
können";    er  ermahnt  ihn,  „ut  deum  vei-um,  factorem  caeli  ac  terrae,  crederit, 

1)  Junghans  a.  a.  0.  S.  100  und  150—151. 

2)  Mo m rasen  S.  XXXI-XXXII. 

3)  von  Schubert  S.  134  f. 

4)  Vgl.  Haucki  S.  108,  Anm.  2. 

5)  Hauck  S.  108. 


56  Wilhelm  Levison: 

idola  neglegerit,  quae  neque  sibi  ncque  aliis  prodesse  possunt",  als  ob  Chlodo- 
wcch  kein  Gelübde  gethan  und  es  nicht  selbst  von  seinen  Göttern  ausgesprochen 
hätte,  „608  nullius  esse  praeditos  potestatis".  In  der  Schlacht,  also  im  Bei- 
sein seines  Heeres,  legt  er  sein  Gelöbnis  ab;  aber  nachher  bedarf  es  der  Heim- 
lichkeit (clam),  als  Chrotechildis  Remigius  kommen  lässt,  um  dem  Könige  das 
Wort  des  Heils  zu  predigen.  Oflfen  verspricht  dieser,  im  Falle  des  Sieges  zur 
Taufe  zu  schreiten,  ohne  irgend  ein  Bedenken,  ohne  den  mindesten  Vorbehalt, 
ohne  auch  nur  mit  einem  Worte  die  Besorgnis  anzudeuten,  auf  Widerstand  des 
Volkes  zu  stossen.  Als  ihm  aber  nach  der  Rückkehr  Remigius  zuredet,  da 
macht  er,  wie  wenn  niemand  von  seinem  Gelübde  wisse,  das  Bedenken  geltend : 
„Populum,  qui  me  sequitur  ^),  non  patitur  relinquere  deus  suos".  Noch  ehe 
der  König  ein  Wort  gesprochen,  bekennt  sich  die  ganze  Menge  („omnes  po- 
pulus")  durch  ein  Wunder  zum  Glauben  an  den  unsterblichen  Gott;  aber  es 
ist  nicht  der  Gott,  der  seine  Macht  im  Sturme  der  Feldschlacht  allen  geoffen- 
bart hat,  sondern  der  Gott,  „quem  Remegius  praedicat",  obwohl  der  Bischof 
insgeheim  („clam")  zu  Chlodowech  gekommen  war  und  ihm  heimlich  zugeredet 
hatte  („secritius")'  Von  einer  Einwirkung  des  Remigius  auf  das  Volk,  die 
doch  hier  vorausgesetzt  wird,  hat  Gregor  vorher  nichts  berichtet.  Diese  That- 
sachen  nötigen  zu  der  Annahme,  dass  in  seiner  Erzählung  —  von  ihm  selbst 
oder  seiner  Quelle  —  zwei  selbständige  Darstellungen  der  Bekehrungsgeschichtc 
zusammengearbeitet  sind.  Beide  erzählten  von  Bemühungen  Chrotechildens; 
denn  auch  der  Bericht  über  die  Alamannenschlacht  setzt  sie  voraus  in  dem 
Gelübde  an  Jesus  Christus,  „quem  Chrotchildis  praedicat  esse  iilium  dei  vivi"; 
aber  sie  sind  hier  nicht  ausschlaggebend.  Dagegen  weiss  die  andere  Darstel- 
lung nichts  von  der  Alamannenschlacht;  hier  bringen  die  Anstrengungen  der 
Königin  und  des  Bischofs  den  gewünscliten  Erfolg.  Auf  der  einen  Seite  steht 
eine  Er/ählung,  die  kriegerischen  Charakter  atmet;  so  mochte  sich  das  kampfes- 
frohe Volk  die  Art  und  Weise  vorstellen,  wie  sein  König  nach  den  Prolog- 
worten der  lex  Salica  „torrens  et  pulchcr  et  primus  recei)it  catholicam  bap- 
tismi";  wie  ein  Gottesurteil  entsclieidet  der  Ausgang  des  Kampfes  über  die 
Wahrheit  des  neuen  Glaubens.  Einen  ganz  anderen  Charakter  tragen  die  zwei 
Kapitel,  die  die  zweite  Darstellung  von  des  Königs  Bekehrung  erhalten  haben. 
Nach  den  Einwirkungen  der  Königin,  der  Genesung  des  zweiten  Sohnes  giebt 
Remigius  den  Ausschlag,  willig  hört  Chlodowech  seine  Ermahnungen  an  und 
lässt  sich  von  ihrer  Wahrheit  überzeugen,  und  nachdem  ein  Wunder  ihm  die 
Zustimmung  des  Volkes  verschafft  hat,  schreitet  er  als  ein  zweiter  Constantinns 
zur  Taufe.     Euhemeristische  Betrachtungen  über  die    alten  Götter,    von    denen 


1)  Mit  Kurth,  Clovis  S.  331  f.  und  Stein  S.  178  hior  in  popuhis  nur  die  Antru- 
stionen  zu  scluni^  ist  Willkür,  die  dorn  Wuuderbcrichtc  Greirors  das  Wunderbare  ab- 
streift und  ihn  durch  rationalistische  Gründe  l)e;irciHich  zu  machen  sucht,  statt  ihn 
in  dem  Sinne  zu  verstehen,  in  welchem  er  verstanden  sein  w'iW  {praecurrente  pofentia 
(fei)  und  in  welchem  ihn  der  Verfasser  des  liber  historiae  Francorum  c  IT)  (scr.  Merov. 
IT,  p.  2(53)  mit  vollem  Rechte  aufgefasst  hat,  wenn  er  von  ofunis  popuhis  Francorum 
redet. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  57 

Saturnas,  Jupiter,  Mars  und  Mercurius  im  Hinblick  auf  ihre  Schwächen  und 
Schandthaten  genannt  werden,  stehen  dem  Hinweis  auf  den  einen  Gott  gegen- 
über, der  Himmel  und  Erde  geschaffen  hat,  dem  jegliches  Wesen  sein  Dasein 
schuldet.  So  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  diese  Darstellung  kirchlichen 
Kreisen  ihren  Ursprung  verdankt.  Einzelne  Ausschmttckungcn  mögen  auf  Rech- 
nung Gregors  zu  setzen  sein,  so  Vergilrcminiscenzcn ;  aber  im  wesentlichen  wird 
er  den  Charakter  seiner  Quelle  getreu  wiedergeben,  mag  man  nun  an  eine  vita 
Chrotechildis  denken  oder  mit  aller  Gewalt  an  einer  verlorenen  vita  Remigii  fest- 
halten oder  am  besten  Bescheidung  üben  und  auf  ihre  Benennung  verachten. 

So  fragt  es  sich,  welcher  der  beiden  Darstellungen  der  Vorzug  zu  geben 
ist;  aber  es  knüpfen  sich  noch  weitere  Fragen  an  den  Bericht  Gregors.  Den 
Ort  der  Taufe  giebt  dieser  nicht  an;  erst  gegen  642  nennen  die  vita  Vedasti 
des  Abtes  Jonas  (scr.  Merov.  III,  p.  408)  und  Fredegars  historia  epitomata 
(scr.  Merov.  II,  p.  101)  Reims.  Da  beiden  Gregors  Erzählung  zu  Grunde  liegt, 
so  kann  diese  Angabe,  die  von  der  Folgezeit  als  richtig  anerkannt  worden  ist, 
ihren  Ursprung  lediglich  einem  Schlüsse  aus  der  hervorragenden  Rolle  verdanken, 
die  der  Bischof  von  Reims  bei  Gregor  spielt.  Aber  es  bleibt  auch  die  Mög- 
lichkeit, dass  die  von  beiden  Quellen  selbständig  überlieferte  Nachricht  nicht 
auf  einer  unberechtigten  Folgerung  ihrer  Verfasser  beruht,  sondern  einer  wirk- 
lichen Überlieferung  entsprochen  hat.  Gregors  Worte  entscheiden  die  Frage 
nicht,  sein  Schweigen  legt  jenen  Schluss  nahe;  der  Ausdruck  arcessere  (c.  31) 
lässt  sich  ebensowohl  von  einem  Wege  zur  Königin  innerhalb  der  Stadt  Reims 
verstehen,  wie  von  einer  Berufung  des  Remigius  aus  Reims  in  eine  andere 
Stadt. 

Was  die  Zeit  der  Taufe  angeht,  so  lässt  Gregor  sie  unmittelbar  auf  den 
Alamannenkrieg  folgen;  sie  fiele  also  in  das  Jahr  496/7.  Es  fragt  sich  jedoch, 
ob  diese  Zeitbestimmung  bestehen  bleibt,  nachdem  Gregors  Erzählung  auf  zwei 
Quellen  zurückgeführt  ist,  deren  eine  nichts  von  der  Schlacht  weiss  ^). 

1)  Das  Glückwunschschreiben  des  Papstes  Anastasius  IL,  der  von  November  496 
bis  November  498  den  Stuhl  Petri  innehatte  (Jaffe,  regesta  pontificum  Romanorum  I*, 
p.  95,  n.  745),  kommt  für  die  Zeitbestimmung  der  Taufe  nicht  mehr  in  Betracht  — 
gleich  der  „collatio  episcoporum"  für  die  Geschichte  des  Burgimderkrieges  —  nach- 
dem Julien  Havet  1885  die  F«*il.schungen  Ji'*r6me  Vigniers  aufgedeckt  hat  (Oeuvres  I, 
1896,  S.  19—90).  Man  kann  an  sich  Ruppersborg  (a.  w.  O.  S.  53)  beistimmen,  wenn 
er  von  diesen,  zuerst  in  d'Acherys  spicilegium  veröffentlichten  Schriftstücken  sagt: 
„Selbst  wenn  die  Unecbtheit  einiger  Stücke  der  Sammlung  d'Achery*8  erwiesen  sein 
sollte,  so  brauehon  darum  nicht  alle  verworfen  zu  werden;  eine  solche  Sammlung  kann 
sehr  wohl  Falsches  und  Echtes  enthalten".  Zweifellos;  aber  es  fehlt  die  Möglichkeit, 
beides  zu  scheidc'n.  „Toutes  ces  pieces  ne  sont  parvenues  k  notre  connaissanco  que 
par  les  copies  de  Jcrome  Vignier.  Elles  ^taient  rest^es  ignorees  avant  lui;  elles  n'ont 
pas  ete  retrouv6es  apres  lui'*  (Havet).  Dies  gilt  von  allen  diesen  Schriftstücken.  Nach- 
dem die  grösseren  als  zweifellos  unecht  erwiesen  sind,  wird  man  auch  diejenigen  unter 
ihnen  nicht  verwerten  dürfen,  die  bei  ihrem  geringen  Umfange  an  sich  keinen  be- 
sonderen Anlass  zum  Verdachte  darbieten,  wie  der  Brief  des  Anastasius.  Vignier  ist 
ein  geschickter  Fillscher  gewesen;  um  so  mehr  wird  man  die  Quellen,  deren 
Kenntnis  wir  ihm  allein  verdanken,  in  ihrer  Gesamtheit  unbenutzt  lassen,  nicht  aber 
einzelne  herausgreifen,  weil  sie  echt  sein  können. 


58  Wilhelm  Levison: 

Dagegen  läset  sich  mit  Sicherheit  über  den  Tag  der  Taufe  urteilen. 
Fredegar  giebt  Ostern  an;  aber  sein  spätes  Zeugnis  fallt  weg  gegenüber  dem 
gleichzeitigen  Briefe  des  Bischofs  Avitus  von  Vienne,  der  Weihnachten  als 
Zeit  der  Taufhandlung  mit  Nachdruck  hervorhebt  *). 

Wie  erfolgte  also  Chlodowechs  Bekehrung?  Besteht  ein  Zusammenhang 
mit  der  Alamannenschlacht,  lässt  sich  das  Jahr  496/7  festhalten,  war  Reims 
der  Schauplatz  der  Taufe? 

Eine  ältere  *)  Quelle  als  in  der  Darstellung  Gregors  von  Tours  besitzen 
wir  in  einem  Briefe,  den  Bischof  Nicetius  von  Trier  in  den  60  er  Jahren  des 
6.  Jahrhunderts  an  Chlothars  L  Tochter  Chlodosuinda,  die  erste  Gattin  des 
Langobardenkönigs  Alboin,  gerichtet  hat  (epist.  III,  p.  119 — 122).  Nicetius 
hat  seine  Jugend  noch  unter  Chlodowechs  Herrschaft  verbracht,  er  wurde  be- 
reits 525  Bischof  von  Trier ')  und  steht  so  Chlodowech  zeitlich  nahe.  Dazu 
kommen  seine  engen  Beziehungen  zum  Merovingerhause  *),  die  seiner  Aussage 
besondere  Bedeutung  verleihen.  In  dem  Schreiben  sucht  er  Chlodosuinda  aufs 
eindringlichste  zu  Bemühungen  anzufeuern,  ihren  Gatten  Alboin  von  der  Lehre 
des  Arius  zum  rechten  Glauben  zu  bekehren.  Er  beschwört  sie  „per  tremen- 
dum  diem  iudicii";  er  weist  auf  die  Wunder  hin,  die  an  den  Gräbern  der 
Gallischen  Heiligen  geschehen  und  von  der  Wahrheit  des  Katholizismus  Zeug- 
nis ablegen;  er  ruft  ihr  das  Beispiel  ihrer  Grossrautter  Chrotechildis  ins  Ge- 
dächtnis: Audisti,  ava  tua,  domna  bone  memoriae  Hrodehildis,  qualiter  in 
Francia  venerit,  quomodo  domnum  Hlodoveum  ad  legem  catholicam  adduxerit; 
et,  cum  esset  homo  astutissimus,  noluit  adquiescere,  antequam  vera  adgnosceret. 
Cum  ista,  quae  supra  dixi,  probata  cognovit,  hurailis  ad  domni  Martini  limina 
cccidit  et  baptizarc  sc  sine  mora  promisit,  qui  baptizatus  quanta  in  hereticos 
Alaricum  vel  Guudobadum  regum  fecerit,  audisti;  qualia  doua  ipse  vcl  filii 
sui  in  saeculo  possiderunt,  non  ignoratis. 

Bei  der  Verwertung  dieser  Aussage  ist  nicht  zu  vergessen,  dass  es  nicht 
die  Aufgabe  des  Briefes   war,   eine    vollständige  Beschreibung    der  Bekehrung 


1)  auct.  ant.  VI  2,  p.  75:  et  occiduis  partibus  in  rege  non  novi  iubaris  lumen 
effulgurat.  cuius  splendorem  eongriia  redemptoris  nostri  nativitas  inchoavit:  ut  con- 
sequenter  eo  die  ad  salutem  regeneratrix  unda  vos  pareret,  quo  natum  redeinptionis 
Huae  caeli  dominum  mundus  accepit.  igitur  qui  celebcr  est  natalis  domini,  sit  et  vester: 
(juo  vos  scilicet  Christo,  quo  Christus  ortus  est  mundo. 

2)  Vgl.  Gregor.  Tur.  Hb.  vit.  patrum  17  (p.  727):  Unde  et  ego  aliqua  de  saucti 
Niceti  Treverici  sacerdotis  virtutibus  .  .  .  scripturus,  reprehendi  ab  aliquibus  vereor, 
dicentibus  mihi:  Tu  cum  sis  iunior^  (juomodo  senioruvi  gesta  poteris  scire.  aut  qua- 
liter ad  te  eorum  facta  venerunt? 

8)  Nicetius  wurde  zur  selben  Zeit  Bischof  von  Trier  wie  Gallus  Bischof  von 
Clermont  (lib.  vitae  patrum  6,3;  p.  682),  also  525  (scr.  Merov.  I,  p.  685,  n.  2). 

4)  Vgl.  Gregor,  lib.  vitae  patrum  17,1-3  (p.  728—730)  über  sein  Verhältnis  zu 
Theuderich,  Theudebert,  Chlothar  und  Sigbert,  so  c.  1  (p.  728):  „Venerabatur  autem 
cum  et  rex  Theodoricus  magno  honore,  eo  quod  saepius  vitia  eins  nudaret,  ac  eri- 
mina  castigatus  emendatior  redderetur.'*  Vgl.  die  Bitte,  seinen  Einfluss  bei  Hofe  für 
andere  geltend  zu  machen  (epist.  III,  p.  117,  n.  6;  vielleicht  auch  p.  138,  n.  24). 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  50 

und  Taufe  Chlodowcchs  zu  geben;  ferner  ist  der  Zusammenliang  der  Worte 
mit  den  andern  Teilen  des  Schreibens  nicht  ausser  acht  zu  lassen.  Mit  keinem 
Worte  gedenkt  Nicetius  der  Alamannenschlacht.  Man  könnte  zur  Erklärung 
dieses  Schweigens  daran  denken,  dass  es  für  ihn  nur  darauf  ankam,  Chrote- 
cbildens  Beispiel  hervorzuheben,  ibre  Thätigkeit  bei  des  Königs  Bekehrung 
zu  betonen,  um  in  ihr  Chlodosuinda  ein  Vorbild  zu  zeigen.  Aber  er  weist 
dann  darauf  hin,  wie  grosse  Siege  Clodowech  nun  als  Bekenner  des  wahren 
Glaubens  nach  der  Taufe  über  die  Ketzer  Alarich  und  Gundobad  gewonnen 
habe,  welcher  Lohn  (dona)  ihm  und  seinen  Söhnen  auf  Erden  zu  teil  geworden 
sei.  Da  Nicetius  so  Chlodowcchs  Siege  als  Folge  der  Bekehrung  hinstellt,  so 
hätte  er  doch  in  erster  Linie  desjenigen  Erfolges  gedenken  müssen,  mit  dem 
in  Gregors  einer  Quelle  die  Bekehrung  unmittelbar  verknüpft  erscheint,  der 
Alamannenschlacht,  wenn  er  überhaupt  von  einem  Zusammenhange  zwischen 
dieser  und  des  Königs  Übertritt  etwas  wusste;  in  diesem  Falle  jenen  Sieg  un- 
erwähnt zu  lassen,  „das  hiesse  doch  das  Feraeliegende  erzählen  und  das  Nächst- 
liegende übergehen"  (Hauck).  Nicetius  ist  der  älteste  Zeuge,  keine  Thatsaehe 
spricht  gegen  seine  Glaubwürdigkeit,  sein  Schweigen  stimmt  zu  dem  der  einen 
Quelle  Gregors.  So  fällt  der  m'sächliche  Zusammenhang  zwischen  Alamannen- 
krieg  und  Taufe,  damit  jedoch  nicht  die  Möglichkeit,  dass  beide  Ereignisse 
einander  zeitlich  nahestanden. 

Nicetius  bringt  den  Übei-tritt  Chlodowcchs  in  Beziehungen  zu  Tours; 
denn  an  einen  anderen  Ort  kann  nicht  gedacht  werden.  Wie  die  „limina 
apostolorum"  Rom,  so  sind  die  „limina  domni  Martini"  Tours  *).  Aber  welcher 
Art  sind  diese  Beziehungen,  was  besagen  die  Worte:  „humilis  ad  domni  Mar- 
tini limina  cecidit  et  baptizare  se  sine  mora  promisit?"  Die  einen  haben  hier 
einen  ausdrücklichen  Hinweis  auf  Tours  als  Ort  der  Taufe  sehen  wollen; 
andere  *)  haben  eine  Wallfahrt  angenommen,  die  der  König  nach  der  Bekehrung, 
aber  vor  der  Taufe  in  Reims  zu  den  Gebeinen  des  heiligen  Martin  unternommen 
habe.  In  der  That  nennt  Nicetius  Tours  wenigstens  nicht  ausdrücklich  als 
Schauplatz  der  Taufe  ^),    vielmehr  nur   als  Ort  des  Versprechens,    sich  unver- 


1)  Vgl.  z.  B.  Gregor.  Tur.  bist.  IV  21  (p.  158):  „Rex  vero  Chlotharius  .  .  .  cum 
multis  muneribus  limina  beati  Martini  expetiit  et  adveniens  Toronus  ad  sepulcbrum 
antedicti  autestetis";  lib.  II  de  virtut.  s.  Martini  7  (p.  611):  „beati  Martini  limina  rer 
quirebat";  Venant.  Fortunat.  de  virtut.  s.  £Ularii  6,17  (auct.  ant.  IV  2,  p.  9):  „ad  beati 
Martini  limina."  Von  älteren  Anschauungen  über  die  Frage  vgl.  Valesius,  rerum 
Francicarum  libri  VIII,  1646,  p.  262—264,  wo  an  eine  Martinskirebe  bei  Reims  gedacht 
wird,  und  die  ähnliche  Ansicht  von  Marlot,  metropolis  Remensis  bist.  I,  1666,  p.  158 
— 159,  der  sich  gegen  Zeitgenossen  wendet,  die  bereits  Zweifel  über  Reims  aussprachen 
und  Tours  in  Erwägung  zogen.  Erwähnt  sei  auch  die  unwahrscheinliche  Vermutung, 
„domni  Martini**  sei  eine  falsche  Auflösung  aus  „d(ivae)  M(ariae).*' 

2)  Lecoy  de  la  Marche,  Clovis  et  les  origines  politiques  de  la  France  (rUni- 
versite  Catholique  N.  S.  III,  1890,  p.  22);  Kurth,  Clovis  p.  339—340.  Das  vonKurth 
genannte  Buch  von  Lecoy  de  la  Marche:  ,,Saint  Martin"  (p.  362)  war  mir  unzu- 
gänglich. 

3)  In  diesem  Sinne  wäre  die  Stelle  nur  dann  aufzufassen,  wenn  „permisit*^  statt 


60  Wilhelm  Levißon: 

ztiglich  taufen  zu  lassen;  er  spricht  von  einem  Besuche  des  Königs  an  der 
Grabstätte  Martins  und  in  Verbindung  damit  von  seinem  Gelöbnisse  des  Über- 
trittes. Dagegen  lassen  seine  Worte  die  Frage  nach  dem  Orte  der  eigent- 
lichen Tauf  handlung  offen  ^). 

Gegen  die  Auffassung,  welche  diese  nach  Tours  verlegt,  spricht  ein 
schwerwiegendes  Bedenken,  das  Schweigen  Gregore  von  Tours,  freilich  ein 
argumentum  ex  silentio,  das  so  oft  gefährlich  ist,  dem  man  aber  in  diesem  Falle 
kaum  seine  Bedeutung  wird  abstreiten  können.  Wenn  Chlodowechs  Taufe 
wirklich  in  Tours  stattgefunden  hatte,  so  konnte  die  Erinnerung  daran  dort 
noch  nicht  erloschen  sein,  als  Gregor  den  Stuhl  des  heiligen  Martiuus  bestieg, 
musste  auch  er,  wenn  nicht  vorher,  so  doch  in  Tours  Kunde  von  dem  Ereig- 
nis erhalten.  Und  wenn  er  davon  wusste,  so  ist  sein  Stillschweigen  einfach 
unverständlich;  er,  der  zu  Martins  Ruhme  vier  Bücher  mit  allen  möglichen 
und  unmöglichen  Wundergeschichten  füllte,  die  der  Heilige  bewirkt  haben 
sollte,  er  hätte  nicht  an  irgend  einer  Stelle  wenigstens  eine  Andeutung  darüber 
machen  müssen,  dass  Chlodowech  in  Tours  „leprae  veteris  morbum  sordentes- 
que  maculas  gestas  antiquitus  recenti  latice"  zerstört  habe,  in  Tours  zu  einem 
neuen  Konstantin  geworden  sei;  er  hätte  dies  Ereignis  unter  den  „virtutes" 
Martins  nicht  besonders  hervorheben  müssen?*)  Ich  halte  das  Schweigen 
Gregors  in  dieser  Frage  für  ausschlaggebend  und  glaube,  dass  seine  Aus- 
schreiber in  der  Schilderung  der  Thütigkeit  des  Remigius  Reims  als  Schauplatz 
der  Taufe  mit  Recht  zwischen  den  Zeilen  gelesen  haben,  falls  für  sie  dieser 
Ort  nicht  ohnedies  bereits  vorher  nach  mündlicher  Überlieferung  feststand  '). 
Wenn  man  also  für  Tours  nur  eine  geringere  Rolle  aus  Nicetius  Aussage  er- 
schliessen  darf,  wenn  es  sich  nur  um  einen  Aufenthalt  kurze  Zeit  vor  der 
Taufe  handelt,  der  hinter  den  glänzenden  Tagen  von  508  (Gregor,  bist.  II  38) 
in  Vergessenheit  geraten  sein  muss,  wie  kam  dann  Nicetius  dazu,  in  seinen 
wenigen  Worten  einen  Ort  zu  erwähnen,  der  in  der  Bekehrungsgeschichte  zu- 
rückgetreten war  hinter  Reims?  Der  Zusammenhang  des  Briefes  giebt  die 
Antwort  auf  diese  Frage.  Nicetius  hatte  unmittelbar  vorher  auf  die  Wunder 
hingewiesen,  die  sich  an  den  Gräbern  der  Heiligen  Galliens  ereigneten,  und 
dabei  an  erster  Stelle  Martins  gedacht  und  Alboin  aufgefordert,  Leute  dorthin 
zu  senden,  um  als  Augenzeugen  der  Wunder  die  Wahrheit  des  Katholizismus 
zu  erkennen:  pHie  si  iubet  ad  donninni  Martinnni  per  festivitate  sua,  quod 
undccima  dies  facit  November,  ipsos  mittat,  et  ibi,  si  audcnt,  aliquid  presu- 
niant,    ubi    eaecos    Iiodie    inluminarc   conspicinius,    ubi  surdis  auditum  et  mutis 

„promisif*  zu  lesen  wHre  (vgl.  epist.  III,  j).  122,  n.  b);  aber  diese»  Annahme  ist  nicht 
notwendig. 

1)  So  auch  Hauckä  S.  582. 

2)  Kruse h  hat  (Mitth.  XTV,  S.  447)  eine  Erklärung  von  Gregors  Schweigen  ver- 
sucht, die  mir  aber  niclit  ausreichend  erseheint. 

3)  Es  sei  aber  andererseits  auch  daraufhingewiesen,  dass  sieh  wie  gegen  Tours 
das  Schweigen  Gregors,  so  «regen  Keims  das  der  Hitesten  vita  Remedii  (auct  ant.  IV  2, 
]..  64-G7)  anführen  IHsst  (vgl.  Krusch,  N.  A.  XX,  1H95,  S.  512-513;  Hauck«  S.  579); 
doch  fjillt  dies  bei  dem  geringen  Umfange  der  vita  nicht  schwer  ins  Gewicht. 


11 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  61 

Sanitätern  recipere."  So  konnte  Nicetius  wenige  Zeilen  nachher  leicht  an  Tours 
erinnert  werden,  auch  wenn  diese  Stadt  nicht  Schauplatz  der  Taufe  seihst  war, 
sondern  nur  den  König  vor  dem  förmlichen  Übertritte  das  Versprechen  der 
Taufe  in  ihrem  Heiligtume  hatte  ablegen  sehen. 

Nun  ist  aber  Tours  erst  durch  den  Krieg  von  507  Fränkisch  geworden, 
und  noch  auf  dem  Westgothischen  Konzile  von  Agde  erscheint  506  ein  Ver- 
treter des  Bischofs  Verus  von  Tours  ^).  Dagegen  ergiebt  sich  aus  Gregor 
496/7  als  Jahr  der  Taufe,  und  auch  Nicetius  setzt  diese  vor  Chlodowechs  Siege 
über  Gundobad  und  Alarich,  also  vor  500.  Wie  ist  dieser  Widerspruch  zu 
lösen?  Ist  es  notwendig,  mit  Kruseh  Nicetius'  Angaben  nur  halb  für  richtig 
zu  halten  und  die  Taufe  508  zu  setzen,  oder  hat  man  von  Tours  ganz  abzu- 
sehen? Beides  ist  unnötig  und  ebenso  abzuweisen  wie  die  unwahrscheinliche 
Annahme,  dass  Chlodowech  den  Boden  des  Westgothcnreiches  mit  Erlaubnis 
Alarichs  nur  betreten  habe,  um  als  einfacher  Pilger  dem  Heiligen  seine  Ver- 
ehrung zu  erweisen.  So  dürftig  und  trümmerhaft  die  Überlieferung  auch  ist, 
in  diesem  Falle  ist  es  wenigstens  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit  möglich,  die 
Schwierigkeiten  zu  heben  und  den  scheinbaren  Widerspruch  in  Nicetius  Worten 
zu  beseitigen. 

In  den  Jahren,  die  dem  entscheidenden  Kriege  von  507  unmittelbar  voran- 
gehen und  nachfolgen,  scheint  man  es  vielfach  versucht  zu  haben,  die  Gesin- 
nungen in  die  That  umzusetzen,  von  denen  Gregor  II  35  (p.  98)  erzählt:  ,,Multi 
iam  tunc  ex  Galliis  habere  Francos  dominos  summo  desiderio  cupiebant." 
Wegen  des  Verdachtes  des  Landesverrates  an  die  mit  den  Franken  verbündeten 
Burgunder  muss  um  505  Gäsarius  von  Arles  nach  Bordeaux  in  die  Verbannung 
wandern*);  Verus  von  Tours  stirbt  um  508  im  Exil,  weil  man  ihm  verräte- 
rische Umtriebe  zu  Gunsten  der  Franken  vorwirft^);  bald  nach  Chlodowechs 
Tode  muss  Quintianus  von  Rodez  fliehen,  „exprobrantibus  civibus,  quod  velit 
se  Francorum  ditionibus  subiugare"  '*).  Ein  ähnliches  Ereignis  erfolgte  ein 
Jahrzehnt  früher,  zwischen  496  und  499,  die  Verbannung  des  Bischofs  Volu- 
sianus  von  Tours,  der  im  Verdachte  steht,  „quod  sc  Francorum  ditionibus  sub- 
dere  vellet"  ^).     Handelte  es  sich  um  eine  vorübergehende  Spannung  zwischen 


1)  Sirmond  a.  a.  0.  S.  174;  „Leo  diaconus  missus  a  domino  meo  Vero  opiscopo 
Turonicae  civitatis  subscripsi;"  Brief  des  Cäsarius  von  Arles,  auct.  ant.  VIII,  p.  274 
(=  Corpus  scriptorum  ecclesiasticorum  Latinornm  XXI,  p.  448). 

2)  Vit.  Caesarii  I  21  (scr.  Merov.  III,  p.  465);  auct.  ant.  VIII,  p.  LXIV. 

3)  Gregor,  bist.  X  31  (p.  446). 

4)  Gregor  II  36  (p.  99)  berichtet  das  Ereignis  vor  dem  Gotlienkriege  von  507. 
Aber  wie  zu  Agde  506  (Sirmond  a.  a.  0.  S.  174:  „Quintianus  episcopus  Kutcnae  civi- 
tatis subscripsi"),  so  unterschreibt  Quintianus  auch  noch  zu  Orleans  511  als  „episcopus 
de  Rotenus"  (concil.  I,  p.  9).  Andererseits  wird  er  Bischof  von  Clermont  wenige  Mo- 
nate nach  dem  Tode  des  Eufrasius  (lib.  vitao  patrum  4,  1,  p.  675;  bist.  III  2,  p.  110), 
der  Chlodowech  um  vier  Jahre  überlebte  (bist.  III  2,  p.  109),  also  515/6  starb.  Vgl 
Longnon,  g6ographio  de  la  Gaule  au  VIe  si^cle,  1878,  S.  518. 

5)  Gregor,  bist.  II  26  (p.  87):  „a  Gothis  suspectus  habitus  ...  in  Hispaniis  est 
quasi  captivus  adductus,   sed  protinos  vitam  finivit;*'  X  31  (p.  446):   „huius  tempore 


62  Wilhelm  Levison: 

Franken  und  Gothen,  oder  hat  sie  bereits  diesmal  wie  später  ihre  Entladung 
in  einem  Kriege  gesucht? 

Die  continuatio  I^osperi  Havniensis,  die  freilieh  erst  um  625  geschrieben 
ist,  aber  gerade  über  die  Westgothcn  gute  Nachrichten  aufgenommen  hat^), 
bringt  zu  den  Jahren  496  und  498  zwei  merkwürdige  Angaben  (auct.  ant. 
IX,  p^31):  

p.  c.  Viatoris  v.  c.  consulis.  Alaricus  ann.  XII  regni  sui  [SJantones 
obtinuit. 

Paulino  v.  c.  consule.  ann.  XIIII  Alarici  Franci  Burdigalam  obtinuernnt 
et  a  potestate  Gothorum  in  possessionem  sui  redcgerunt  capto  Suatrio  Gotho- 
rum  duce*). 

Die  zweite  Nachricht  hat  besonderen  Anstoss  erregt;  Bordeaux  sollte  be- 
reits 498  in  Fränkische  Gewalt  geraten  sein,  das  noch  506  Gothisch  erscheint*)! 
So  haben  denn  auch  Richter  *)  und  Holder-Egger ^)  die  Angabe  verworfen 

iam  Chlodovechufl  regnabat  in  aliquibus  urbibus  in  Galliis;  et  ob  hanc  causam  hie  pon- 
tifex  suspectus  Habitus  a  Gothis,  quod  se  Francorum  ditionibus  subdere  vellet,  apud 
urbem  Tholosam  exilio  condompnatuSf  in  eo  obiit/'  Duchesne  a.  a.  O.  S.  25  setzt 
Volusiauus'  Verbannung  498  oder  499;  doch  kann  es  sich  ebensowohl  um  496  oder  497 
handeln.  Denn  Gregor  giebt  als  Gesaratsumme  der  von  Martins  Tode  bis  zu  seinem 
eigenen  21.  Bischofsjahre  (593/4)  verflossenen  Zeit  richtig  197  Jahre  an  (bist.  X  31, 
p.  450),  während  die  Summe  der  Einzclzahlen  über  199  Jahre  ergiebt.  Es  fragt  sich 
also,  wo  dieser  Fehler  anzusetzen  ist.  Duchesne  hat  die  2  Jahre  der  Zeit  des  Ve- 
rus  abgezogen,  obwohl  Gregor  diese  bis  auf  den  Tag  genau  angiebt.  Mir  scheint  es 
wahrscheinlicher,  dass  der  Fehler  in  der  mehrfach  zusammengesetzten  Zahl  des  Bri- 
cius  zu  suchen  ist  (p.  59—60;  444)  oder  bei  Perpetuus,  für  den  Gregor  die  runde  Zahl 
von  30  Jahren  angiebt  (p.  87;  445).  Jedenfalls  kann  Tours  —  wenn  meine  Ausfüh- 
rungen überhaupt  begründet  sind  —  erst  nach  Volusianus'  Verbannung  in  Fränkischen 
Besitz  gekommen  sein,  da  sie  noch  die  Herrschaft  der  Gothen  voraussetzt. 

1)  Vgl.  die  Jahre  457,  476  und  486/7  (auct.  ant.  IX,  p.  305,  309,  313). 

2)  Über  die  unlösbare.  Frage,  ob  diese  Nachrichten  auf  Consularia  Italica  zu- 
rückgehen oder  einer  Gallischen  Quelle  entstammen,  vgl.  zuletzt  Mommsen,  auct.  ant. 
IX,  p.  IX  (=  XIII,  p.  720).  Eine  Zeitbestimmung  nach  Königsjahren  findet  sich  auch 
in  dem  Zusätze,  den  der  continuator  beim  Jahre  453  zum  ursprünglichen  (hier  einge- 
klammerten) Texte  Prospers  macht  (p.  302):  „[Apud  Gothos  intra  Gallias  consistentes 
inter  filios  Theodoris  regis,  quorum  Thorisraodus  maximus  natu  patri  successerat]  ter- 
tioque  iam  anno  regni  sui  [orta  dissensio  est,  et  cum  rex  ea  moliretur,  quae  et  Ro- 
manao  paci  et  Gothicae  adversarentur  quieti,  a  germanis  suis  ....  occisus  est.]  in 
eius  locum  Theodoricus  confirmatur  frater  Thorismoti  iunior."  Vgl.  Gregor.  Tur.  bist. 
II  20  (p.  83):  „Eoricus  autem  Gothorum  rex  Victorium  ducem  super  Septem  civitatis 
praeposuit  anno  quarto  deci7no  regni  sui/'  Wenn  Gregor  gleich  darauf  Eurichs  Tod 
erfolgen  lässt  „anno  vicissimo  septimo  regni  sui,"  so  dürfte  diese  Angabe  auf  seiner 
eigenen  Berechnung  beruhen,  und  der  Fehler  —  Eurich  herrschte  nicht  volle  19  Jahre 
—  sich  so  erklären,  das  Gregor  zu  den  14+4  Jahren  (4  Jahre  giebt  er  Eurich  nach 
Victorius'  Tod)  irrtümlich  die  neun  Jahre  hinzurechnete,  die  Victorius  in  Clermont 
zubrachte. 

3)  Sirmond  p.  173:  „Cyprianus  episcopus  de  Burdigala  metropoli  subscripsi" 
(Konzil  zu  Agde). 

4)  Richter  a.  a.  0.  S.  38,  Anm.  3. 

5)  HolderEgger,  über  die  Weltchronik  des  sogenannten  Severus  Sulpicius  und 
ffüdgallische  Annalen  des  5.  Jahrhunderts,  1875,  S.  67—68;  N.  A.  I,  1876,  S.  261. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  63 

und  vermutet:  „Wahrscheinlich  ist  die  Zahl  XIIII  aus  XXIIII  verschrieben, 
obwol  Alarich  zur  Zeit  der  Einnahme  von  Bordeaux  nicht  mehr 
am  Leben  war."  Erst  Kurth  ^)  und  Krusch^)  haben  die  Nachrichten, 
jener  die  erste,  dieser  die  zweite,  als  richtig  aufgenommen  und  mit  vollem 
Rechte.  Bei  der  Dürftigkeit  unserer  Quellen  ist  es  von  vornherein  mindestens 
sehr  gewagt,  eine  Angabe,  weil  sie  vereinzelt  dasteht,  durch  Annahme  eines 
doppelten  Fehlers  umändern  zu  wollen,  eines  Verschreibens  der  Zahl  und  eines 
Irrtums;  denn  ein  24.  Jahr  Alarichs  hat  es  nie  gegeben.  Man  bedenke  doch, 
wie  wenig  wir  nach  dem  Abschlüsse  der  Chroniken  des  Prosper  und  Hydatius 
für  die  nächsten  Jahrzehnte  über  die  Geschichte  des  Westgothenreiches  unter- 
richtet sind.  Nicht  nur  die  zweite,  sondern  auch  die  erste  Nachricht  lässt  auf 
Kämpfe  im  Westgothischen  Gallien  schliesseu,  und  Kurth  hat  mit  Recht  be- 
merkt, „que  Saintes  faisait  partie  de  cette  Aquitaine  seconde  qui  6tait  le  noyau 
des  possessions  visigothiques  en  Gaule,  et  que,  pour  qu'  Alaric  doive  la  re- 
conqu6rir  en  496,  il  faut  qu'elle  lui  ait  et6  enlevee  pröcödemment."  496  nahm 
also  Alarich  Saintes,  498  erobern  die  Franken  Bordeaux;  kurz  vor  seiner  Taufe, 
die  nach  Gregor  496/7  erfolgte,  war  Chlodowech  nach  Nicctius  in  Toure. 
Sollte  hier  ein  Zusammenhang  vorliegen,  ist  etwa  Tours  in  der  Zeit  jener 
Kämpfe  in  den  Händen  der  Franken  gewesen? 

Bei  Nicetius  erscheint  Clodowechs  Bekehrung  nicht  als  Folge  eines  äusseren 
Ereignisses;  bei  Gregor  verbindet  sich  mit  dieser  Auflfassung  eine  zweite,  die 
den  Übertritt  mit  dem  Alamannensiege  verknüpft.  Dazu  kommt  eine  dritte 
Überlieferung,  die  die  Taufe  mit  einem  Gothenkricge  in  Zusammenhang  bringt, 
der  nur  jener  gegen  Ende  des  5.  Jahrhunderts  geführte  sein  kann  ^), 

Diese  Überlieferung  findet  sich  in  der  Lebensbeschreibung  des  Bischofs 
Sollemnis  von  Chartres,  die  in  ihrer  heutigen  Gestalt  vielleicht  erst  der 
ersten  Hälfte  des  neunten  Jahrhunderts  angehört,  aber  zweifellos  alte  Tradi- 
tionen enthält.  Chlodowech  kommt  auf  einem  Feldzuge  gegen  die  Gothen 
nach  Chartres  und  gelobt  hier  dem  Bischof  Sollemnis,  im  Falle  des  Sieges 
sich  und  sein  Volk  der  Taufe  zu  unterwerfen.  Siegreich  kehrt  er  aus  dem  Felde 
zurück  und  empfängt  zusammen  mit  364  vornehmen  Franken  durch  Sollemnis 
and  Remigius  die  Taufe.  Die  Einzelheiten  der  Erzählung  mögen  vielleicht 
späterer  Ausschmückung  ihren  Ursprung  verdanken;  aber  bemerkenswert  ist 
doch  ihr  Kern,  die  Thatsache,  dass  man  in  Chartres  die  Bekehrung  des  Königs 
als  Folge  eines  Sieges  über  die  Westgothen,  nicht  über  die  Alamannen  auf- 
fasste^).   Kann  es  sich  hier  um  den  Feldzug  von  507  handeln,  so  dass  Kruschs 


1)  Kurth,  bist.  po6t.  p.  290-292;  Clovis  p.  447,  n.  1. 

2)  scr.  Merov.  HI,  p.  465,  n.  1. 

3)  Zum  Folgenden  vgl.  den  Anhang. 

4)  Auch  die  vitae  Deodati  abbatis  Blesensis  (Acta  sanctoioim  Aprilis  III,  p.  273 
—276)  bringen  die  Taufe  mit  einem  Gothenkriege  in  Zusammenhang,  worauf  Hauck^ 
(S.  110)  hingewiesen  hat,  kommen  aber  gegenüber  der  vita  Sollemnis  nicht  in  Betracht. 
Denn  die  zweite  vita  Deodati  hat  aus  dieser  geschöpft,  und  ihre  Hltere  Fassung,  die 
zudem  frühestens  unter  Karl  dem  Kahlen  entstanden  ist  (p.  274),  erweckt  dadurch 


64  Wilhelm  Levisou: 

Ansicht  eine  Bestätigung  filndc,  nach  der  die  Taufe  508  stattgefunden  hat? 
Diese  Auflfassung  ist  unmöglich.  Sollemnis  wird  Biscliof  dreissig  Tage,  ehe 
Chlodowech  nach  Chartres  kommt;  er  bekleidet  seine  Würde  bis  zum  Tode 
drei  Olympiaden  lang,  also  zwölf  Jahre.  Da  nun  sein  im  voraus  bestimmter 
Nachfolger  Aventinus  bereits  511  zu  Orleans  erscheint^),  so  war  Sollemnis  da- 
mals schon  gestorben,  muss  also  im  spätesten  Falle  499  den  Bischofssitz 
der  Camuten  bestiegen  haben,  und  damit  werden  wir  eben  in  die  Zeit  jener 
Kämpfe  geführt,  von  denen  die  Langobardenchronik  meldet. 

Eine  Erinnerung  an  diese  kann  man  vielleicht  mit  Kurth  auch  darin 
sehen,  dass  Fredegar  II  58  (p.  82)  in  einer  sagenhaften  Erzählung,  der  aber 
geschichtliche  Thatsachen  zu  Grunde  liegen  ^),  die  Zusammenkunft  Chlodowechs 
und  Alarichs  IL  „post  multa  prilia,  quae  invicem  gesserant",  verabredet  wer- 
den lässt;  doch  ist  darauf  kaum  Gewicht  zu  legen. 

Fasst  man  alle  diese  Thatsachen  zusammen:  Alarichs  Kampf  um  Saintes 
496;  die  Eroberung  von  Bordeaux  durch  die  Franken  498;  die  Verbannung 
eines  Bischofs  von  Tours  in  diesen  Jahren,  der  im  Verdachte  steht,  zu  Gunsten 
der  Franken  Ven*at  begehen  zu  wollen;  die  Angaben  der  vita  Sollemnis  über 
einen  gegen  Ende  des  Jahrhunderts  geführten  Gothenkrieg,  so  scheint  mir 
kein  Grund  vorzuliegen,  an  der  Thatsächlichkeit  dieses  Krieges  zu  zweifeln, 
obgleich  unsere  Überlieferung  nur  dürftige  Kunde  von  ihm  giebt  und  es  schwer- 
lich möglich  ist,  mit  Sicherheit  über  diese  hinauszukommen,  wenn  sich  hier 
auch  eine  Reihe  von  Fragen  darbietet,  die  vergebens  der  Lösung  harren. 
Wann  hat  der  Krieg,  der  ergebnislos  verlaufen  sein  muss,  sein  Ende  gefunden, 
etwa  bei  jener  Zusammenkunft  auf  einer  Loircinsel,  über  die  Gregor.  II  35 
(p.  98)  berichtet?  Hängt  es  mit  diesen  Kämpfen  zusammen,  dass  Gundobad 
nach  der  Einnahme  von  Vieune  die  gefangenen  Franken  an  Alarieh  sandte 
(II  33,  p.  06)?  Trug  der  Krieg  dazu  bei,  dass  Alaricli  gegenüber  der  Opposi- 
tion der  katholischen  Bisehöfe  seines  Reiches  eine  freundlichere  Politik  ein- 
schlug, die  lex  Romaua  506  erliess  und  die  Kirehcnversannnlungen  von  Agde 
und  Toulouse  506  und  507  gestattete?  496  kämpfen  die  Gotlien  erfolgreich  um 
Saintes,  498  nehmen  die  Franken  Bordeaux;  woher  dieser  Umschwung?  Es 
liegt  nahe,  zur  Erklärung  auf  die  Chronik  von  Saragossa  hinzuweisen,  die  zum 


kein  besonderes  Vertrauen,  dass  sie  den  König  nach  dem  Sie^^e  das  Gebet  des  frommen 
Mannes  mit  reichen  Schenkungen  lohnen  lässt;  ausser  (Jold  und  Sin)er  ist  es  ein  ,,ager 
amplissimus,"  den  Chlodowech  „sij^illo  suo  larg'itione  conimiinita"  gewährt.  Aber  ausser- 
dem weiss  die  vita  von  dem  ganzen  Feldzuge  fast  nichts  zu  sagen,  nichts  von  einer 
Bekehrung,  sondern  sie  knüpft  ganz  unvermittelt  an  die  Schenkungen  die  Worte: 
„Quibus  rite  perfectis,  ad  b.  Remigium  adiit  et  sacrum  baptisma  suscepit".  Die  ganze 
dürftige  Erzählung  macht  einen  wenig  selbständigen  Kindruck;  man  wird  Kurth  bei- 
stimmen (Clovis  p.  598),  der  die  Ansicht  ausspricht:  „Ce  document,  en  ce  qui  conccrne 
la  partie  relative  a  Clovis,  semble  s'inspirer  de  la  vie  de  saint  Solein,  dont  on  gar- 
dait  le  corps  h  Blois". 

1)  Vgl.  den  Anhang. 

2)  Nämlich  die  Zusammenkunft  der  beiden  Könige  (Gregor.  II  35)  und  Theode- 
richs Vcrmittlung^s versuche  (Var.  II T  1—4). 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  65 

Jahre  496  berichtet:  „his  coss.  Burdunelus  in  Hispania  tyrannideni  assumit'^, 
und  zum  folgenden  Jahre:  ;,his  coss.  Gotthi  intra  Hispanias  sedes  acceperunt, 
et  Burdunelus  a  suis  traditus  et  Tolosam  directus  in  tauro  aeneo  impositus 
igne  crematus  est."  Erstand  den  Gothen  derart  in  ihrem  Rücken  ein  neuer 
Gegner,  gegen  den  sie  sich  wenden  mussten,  so  sind  die  Fortschritte  der 
Fränkischen  Waflfen  begreiflich. 

Wenn  so  die  Franken  498  bis  Bordeaux  vordrangen,  so  ist  es  keines- 
wegs unwahrscheinlich,  dass  auch  das  unmittelbar  an  der  Grenze  gelegene 
Tours  sich  damals  in  ihrem  Besitze  befand.  Auf  der  einen  Seite  stehen  die 
Nachrichten  über  die  Kämpfe  mit  den  Westgothen,  auf  der  anderen  die  Angabe 
über  Chlodowechs  Aufenthalt  zu  Tours.  Wie  die  auseinandergerissenen  Glieder 
einer  Kette  fügen  sich  diese  Thatsachen  zusammen  durch  Einschaltung  eines 
verbindenden  Gliedes,  die  Annahme,  dass  Tours  während  des  Krieges  zeitweilig 
in  Fränkischen  Händen  war.  Bei  Gelegenheit  eines  Feldzuges  gegen  die  Gothen 
wird  Chlodowech  die  Stadt  aufgesucht  und  hier  am  Grabe  Martins  das  Ver- 
sprechen der  Taufe  abgelegt  haben,  die  dann  Weihnachten  zu  Reims  glanzvoll 
erfolgte,  so  dass  hinter  dem  Eindrucke  der  feierlichen  Handlung  das  zu  Tours 
abgelegte  Gelöbnis  des  Königs  allmählich  aus  der  Erinnerung  verschwand, 
gleichwie  das  Gedächtnis  an  den  früheren  Gothenkrieg  verblasste  unter  dem 
machtvollen  Eindrucke  der  Katastrophe  von  507.  Diese  Auffassung  entspricht 
dem  Zeugnisse  der  ältesten  Quelle:  Sie  legt  in  Nicetius'  Worte  nicht  mehr 
hinein,  als  sie  thatsächlich  besagen;  sie  steht  im  Einklänge  mit  der  Gesamt- 
heit seiner  Angaben  und  ist  nicht  genötigt,  willkürlich  einen  Teil  derselben  zu 
verwerfen,  die  Zeitbestinmiung  oder  die  Ortsangabe.  Zweifellos  ist  jene  An- 
nahme unbeweisbar  und  nicht  über  ein  bestimmtes  Mass  von  Wahrscheinlich- 
keit zu  erheben;  aber  bei  dem  trümmerhaften  Charakter  der  Überlieferung 
wird  man  hier  nicht  ohne  Hypothesen  auskommen  können.  Kämpfte  Chlodo- 
wech 497  gegen  die  Westgothen,  496/7  gegen  die  Alamannen,  fand  eben  in 
diesen  Jahren  seine  Taufe  statt,  so  ist  es  durchaus  natürlich,  dass  in  dem  le- 
bendigen Flusse  der  mündlichen  Überlieferung  allmählich  aus  dem  rein  zeit- 
lichen Verhältnis  ein  ursächliches  wurde,  dass  man  die  Erklärung  für  die  Be- 
kehrung des  Kriegshelden  hier,  in  diesen,  dort  in  jenen  Kämpfen  suchte,  ganz 
im  Geiste  jener  sinnlichen  Aufliissung  der  Religion,  die  bei  Gregor  von  Tours 
auf  Schritt  und  Tritt  begegnet  und  den  wahren  Glauben  vor  allem  in  äusseren 
Zeichen  und  Wundem  bestätigt  sah. 

In  Wirklichkeit  war  also  Chlodowechs  Übertritt  weder  die  Folge  der 
Alamannenschlacht,  noch  beruhte  sie  auf  einem  vor  dem  Gothenkriege  geleisteten 
Gelübde;  nicht  allzu  wenige  Thatsachen  zeigen  deutlich,  dass  der  König  schon 
geraume  Zeit  vor  der  Taufe  dem  Christentum  und  seinen  Vertretern  freundlich 
gegenüberstand^).  Hier  sei  nur  auf  die  bezeichnenden  Worte  des  Avitus  hin- 
gewiesen (auct.  ant.  VI  2,  p.  76):  „Numquid  fidem  perfecto  praedicabimus,  quam 
ante  perfectionem  sine  praedicatore  vidistis?  an  forte  humilitatem,  quam  iam 


1)  Vgl.  besonders  Hauck  S.  105 f.;  2.  Aufl.,  1898,  S.  110 f. 
Jftbrb.  d.  Ver.  v.  Alterthsfr.  im  Rheinl.  108. 


66  Wilhelm  Levison: 

dudum  nobis  devotione  impenditis,  quam  nnnc  primam  professione  debetis?^ 
So  wird  es  begreiflich,  dass  schon  bei  Chlodowechs  Anfangen  die  Syrapathien 
der  katholischen  Romanen  sich  dem  Könige  zuwandten,  dass  schon  während 
«einer  ersten  Jahre  ^),  „cum  iam  terror  Francomm  resonaret  in  bis  partibus  et 
omnes  eos  amore  desiderabili  cupirent  regnare^,  Bischof  Abrunculus  von  Langres 
wegen  des  Verdachtes  solcher  Gesinnungen  aus  dem  Burgunderreiche  fliehen 
musste  (Gregor,  bist.  II  23,  p.  86).  Unterscheidet  man  nur  zwischen  dem  förm- 
lichen Übertritte  und  Chlodowechs  innerer  Überzeugung,  die  nicht  das  Werk 
eines  Augenblickes  war,  sondern  sich,  wie  man  der  Überlieferung  glauben 
darf,  unter  der  stetigen  Einwirkung  seiner  Gattin  allmählich  entwickelte,  so 
versteht  man  es  auch,  w  ie  Remigius  bereits  beim  Regierungsantritte  des  Königs 
an  diesen  ein  Schreiben  richten  konnte  (epist.  III,  p.  113;  cf.  p.  719),  in  dem 
er  —  ohne  ihn  auch  nur  mit  einem  Worte  ausdrücklich  als  Christen  zu  be- 
zeichnen —  Chlodowech  die  Pflege  christlicher  Tugenden  ans  Herz  legt,  ihm 
den  Rat  der  Bischöfe  empfiehlt  und  ihm  überhaupt  das  Ziel  setzt:  „Hoc  in- 
primis  agendum,  ut  domini  iudicium  a  te  non  vacilletur^.  So  ist  es  unnötig, 
wegen  dieses  Briefes  mit  Gundlach  Chlodowechs  Übertritt  vor  486  zu  setzen*). 
Dass  dieser  nicht  einer  augenblicklichen  Regung  entsprang,  sondern  ei*8t  nach 
reiflicher  Erwägung  erfolgte,  tritt  auch  darin  zu  Tage,  dass  vor  der  Entschei- 
dung Arianische  Einflüsse  auf  den  König  einwirkten  und  ihn  auf  ihre  Seite 
zu  ziehen  suchten,  bis  er  sich  endlich  für  den  katholischen  Glauben  erklärte; 
dies  zeigen  die  Worte  des  Avitus  (p.  75):  „Vestrae  subtilitatis  acrimoniam  quo- 
rumcumque  scismatum  sectatores  sententiis  suis  variis  opinione,  diversis  multi- 
tudine,  vacuis  veritate  Christiani  nominis  visi  sunt  obumbratione  velare.  dum 
ista  nos  aeternitati  committimus,  dum,  quid  recti  unusquisque  sentiat,  futuro 
examini  reservamus,  etiam  in  pracsentibus  interlucens  radius  veritatis  emicuit. 
invenit  quippe  tempori  nostro  arbitrum  quendam  divina  provisio.  dum  vobis 
eligitis,  Omnibus  iudicatis;  vestra  fides  nostra  victoria  est".  Wenn  Avitus  er- 
klärt, er  wolle  dem  Könige  nicht  „misericordia"  predigen,  „quam  solutus  a 
vobis  adhuc  nuper  populus  captivus  gaudiis  mundo  insinuat,  lacrimis  deo**,  so 
mag  man  diese  Worte  immerhin  wie  früher  auf  den  Alamannenkrieg  beziehen 
können;  für  wahrscheinlicher  halte  ich  jedoch  mit  Krusch  eine  Hindeutung  auf 
die  Gallo-Romanen,  die  die  Herrschaft  der  Arianer  drtickend  empfanden  und 
nun  in  Chlodowechs  Erfolgen  die  ersehnte  Befreiung  erblicken  mochten.  Chlo- 
dowechs Versprechen  gerade  zu  Tours  erklärt  sich  aus  der  religiösen  Bedeu- 
tung des  Ortes;  es  liegt  aber  auch  der  Gedanke  nahe,  dass  die  Wahl  von  Zeit 
und  Ort  darauf  berechnet  war,  dem  Könige  die  Herzen  der  Katholiken  des 
Westgothenreiches  noch  enger  zu  verbinden. 


1)  Vgl.  Grundiach,  N.  A.  XV,  1890,  S.  246  Anm. 

2)  Über  den  Brief  v^l.  auch  Lecoy  de  la  Mar  che,  bibliotheque  de  Tecole  des 
chartcs,  VIe  serie,  t.  II,  18ß(;,  p.  .^9-74;  Kurth,  Clovis  p.  241,  n.  2;  Hauck«  S.  580  f. 
Hält  man  dennoch  den  Brief  mit  Chlodowechs  Heidentume  für  unvereinbar,  so  liegt  es 
immer  noch  näher,  mit  Junghans  und  Löning*  den  Brief  nicht  an  den  König,  son- 
dern einen  seiner  Söhne  gerichtet  zu  denken. 


Zur  Geschichte  des  Frankonkönigs  Chlodowech.  67 

Gegen  diese  Ausführungen,  die  Annahme  eines  fast  verschollenen  Gothen- 
krieges  und  die  darauf  beruhende  Erklärung  von  Chlodowechs  Aufenthalt  zu 
Tours  vor  der  Taufe,  wird  man  vielleicht  das  Schweigen  Cassiodors  in  Theo- 
derichs Vermittlungsschreiben  (Var.  III  1 — 4)  anführen;  aber  diese  Thatsache 
beweist  kaum  etwas.  Man  betrachte  nur  den  Anfang  des  Briefes  an  Alarich 
(III  1,  p.  78):  „Quamvis  fortitudini  vestrae  confidentiam  tribuat  parentum 
vestromm  inuumerabilis  multitudo ,  quaravis  Attilam  potentem  reminiscamini 
Wisigotharum  viribus  inclinatum,  tamen  quia  populorum  ferociura  corda  longa 
pace  mollescunt,  cavete  subito  in  aleam  mittere,  quos  constat  tantis  temporibus 
exercitia  non  habere".  Nur  den  Kampf  gegen  Attila  erwähnt  Cassiodor,  mit 
keinem  Worte  die  zahlreichen  Kriege  Theoderichs  II.  und  Eurichs;-  in  dem 
Bestreben,  um  der  Erhaltung  des  Friedens  willen  die  Waflfentüchtigkeit  der 
Westgothen  als  gering  hinzustellen,  mochte  er  über  die  Kriegsthaten  der  letz- 
ten Vergangenheit  mit  Absicht  stillschweigend  hinweggehen,  so  dass  sein 
Schweigen  nichts  beweist,  und  das  Gleiche  gilt  von  Gregor.  Wer  bedenkt, 
wie  unvollständig  dessen  Daretellung  ist,  wie  er  z.  B.  den  Ostgothischen  Krieg 
von  508  gar  nicht  erwähnt,  wer  beachtet,  einen  wie  breiten  Raum  unter  seinen 
Quellen  für  die  Zeit  Chlodowechs  und  seiner  Söhne  die  mündliche  Überliefe- 
rung einnimmt  und  wie  in  dieser  frühere,  ergebnislose  Kämpfe  vor  dem  ent- 
scheidenden Schlage  von  507  zurücktreten  mussten,  für  den  wird  Gregors 
Schweigen  Tiichts  Überraschendes  haben. 


Anhang. 

Tita  Sollemnis  episcopi  Carnotensis. 

unser  Wissen  von  dem  Leben  des  Bischofs  Sollemnis  .  von  Chartres  be- 
ruht einzig  auf  einer  kleinen  Lebensbeschreibung  eines  unbekannten  Verfassere, 
da  die  Angaben   in   dem  Martyrologium  des  Hrdbanus  Maurtts^)   aus  ihr  ge- 


1)  Die  Verwaltungen  der  Stiftsbibliothek  zu  St.  Gallen  (cod.  n.  457,  saec.  IX, 
p.  135-136;  n.  458,  saec.  IX,  p.  168—169)  und  der  Stadtbibliothek  zu  Mainz  (II  n.  66, 
saec.  XI  exeunt.,  fol.  39)  haben  mir  in  liebenswürdigster  Weise  Kollationen  zu  dem 
betreffenden  Abschnitte  (Migne,  patrolog.  ser.  II,  t.  CX,  col.  1170— 1171)  zur  Verfügung 
gestellt.  Hrabanus  berichtet  zum  24.  September  (VIII  kal.  Octobr.):  Eodem  die  de- 
positio  Sollemnis  episcopi,  qui  ab  infantia  del  servitio  devotus  fuit,  quod  etiam  mira- 
culis  claruit.  nam  cum  quadam  die  itineris  sui  proficisceretur  callem,  obvium  habuit 
hominem  a  nativitate  caecum,  surdum  et  mutum,  quem  coroplexus  collo  osculavit  et 
cito  Sanum  reddidit.  hie  etiam  cum  defuncto  Carnotensis  nrbis  episcopo  electus  est 
ad  episcopatum,  quem  ergo  invitus  accepit.  Hludowicum  vero  regem  adhuc  paganum, 
qui  eodem  tempore  Francis  imperabat,  cum  vellet  contra  Gothos  in  bellum  pergere, 
signo  crucis  in  fronte  et  in  pectore  armavit  et  sie  victoria  de  hostibus  potitnm  ac 
domi  reversum  simul  cum  sancto  Remigio  Remonsium  urbis  episcopo,  divina  favente 


(iS  Wilhelm  Levison: 

Bchöpfl  sind^)  nnd  auch  die  kürze  Erwähnung  des  Bischofs  in  der  Chronik 
Sigiberts  von  Genibloux^)  wohl  aof  ihrer  Kenntnis  beniht.  Allerdings  ge- 
denkt Gregor  von  Tours  einmal  eines  Heiligen  dieses  Namens;  er  erzählt 
von  der  wundersamen  Auffindung  seines  Grabes  zu  Maille  (heute  Lujncs  an 
der  Loire  unterhalb  Tours)  und  erwähnt  Heilungen,  die  sieh  dort  zugetragen; 
aber  sein  Bericht  ergiebt  nicht  das  Mindeste  über  die  Zeit  und  die  Lebensver- 
hältnisse des  Heiligen').     So   sind    wir   allein  auf  jene  Vita  angewiesen,    und 


virtute,  cum  gratiae  alacritate  b«iptizavit  et  cum  eodem  trccentos  septnaginta  nobiles 
satrapas  sacro  foute  regeneratos  in  spiritu  sancto  adoptionis  parturivit  tilios;  sicque 
memoratns  sanctus  dei,  tres  olimpiades  gerens  in  episcopatn,  de  hac  lace  migravit 
ad  Christum. 

1)  Die  Ansicht  von  Kurth,  Clovis  p.  609:  „La  Vie  de  ce  saint  ....  n'est,  selon 
moi,  qn'une  amplification  faite  au  XII«  on  XIII«  si^cle  sur  le  texte  de  Raban-Maur^, 
widerspricht  allen  Analogien  und  wird  zum  Teil  unmittelbar  widerlegt  durch  einen 
Blick  auf  die  Handschriften;  die  einzige  Abweichung:  370  statt  364  Franken,  erklärt 
sich  am  einfachsten  als  ungenaue  Wiedergabe  der  Zahl  durch  Hraban.  Dieser  giebt 
selbst  an,  dass  er  sein  Martyrologium  nach  schriftlichen  Quellen  verfasst  habe;  vgl. 
die  Widmung  an  Abt  Ratleik  (Forschungen  zur  Deutschen  Geschichte  XXV,  1885, 
S.  198):  „Singulis  diebus  nomina  sanctorum,  quac  scripta  sive  notata  ab  antecossori- 
bus  in  libeUis  repperi,  ibidem  inserui  et  cuiuscumque  sancti  obitum  sive  martyrium, 
qualiter  praesentem  vitam  ßnierint,  legi,  breviter  prout  potui  notavi";  und  die  Wid- 
mung an  Abt  Grimold  (poet.  med.  aev.  II,  p.  169):  „Hunc  ergo  ex  scrjptis  confeci 
rite  libellum  |  sanctorum  patrum,  frater  amate,  tibi''.  Auf  Hrabans  Rechnung  kom- 
men „nur  wenige  spätere  Zusätze''  (Dumm  1er,  Forschungen  z.  D.  Gesch.  XXV,  1885, 
S.  200). 

2)  Sigiberti  Gemblacensis  chronica  ad  ann.  6.  Chlod.  (scr.  VI,  p.  313)  r  „Sollemnis  Car- 
notensis  episcopus  claret,  qui  in  predicando  Francis  Christum  non  segniter  institit'. 

3)  Gregor.  Tur.  in  glor.  confess.  21  (p.  760— 761):  Et  licet  de  Turonica  urbe  ali- 
qua  iam  scripserimus,  tarnen  quoniam  nuper  sancti  Sollemnis  scpulchrum  aspexinius, 
silere  nequivinms,  quod  apud  Malliacensim  nionasterium  —  iu  cacumine  montis  est 
constitutum,  ab  antiquis  vallatum  aedificiis  iam  erutis  —  factum  cogiiovimus.  nam 
ferunt,  in  eo  loco,  cum  cripta  adhuc  haberetur  occulta,  et  nullo  chrisliauorum  locus 
ille  esset  revelatus,  per  singulas  dorainicarum  solemnitatum  noctes  ab  habitatoribus 
lumen  cernebatur  accensum.  sed  nullus  sciebat,  quid  sibi  hoc  velit  mysterium;  tantum 
suspicio  retonebat  homines,  aliquid  ibidem  retenere  divinum,  interea  advenerunt  duo 
inergumini  ex  basilica  sancti  Martini,  qui,  conlisis  in  sc  palmis,  clamare  coeperunt, 
dicentes:  'Hie  requiescit  Sollemuis  beatissimus  in  cripta  abdita.  reserate  igitur  se- 
pulchnnn  amici  dei.  quod  cum  reppereritis,  velis  tegite,  lumen  accendite  cultumque 
debitum  exibete.  erit  regioni  huic  salubre,  si  quae  loquiuiur  adimpletis*.  et  haec  di- 
centes, cum  clamore  magno  eflfodere  tellurem  ungulis  nitebantur.  tunc  videntes  in- 
colae  quae  gerebantur,  accepto  sarculo  eflfodentes  aperuerunt  criptam,  in  qua  per 
seriem  graduum  discendentes,  reppererunt  sepulchrum  magnum,  de  quo  testabantur 
illi  adhuc  mente  infirnii,  hunc  esse  sepulchrum  Sollemuis  beatissimi.  qui  mox  sensu 
discesserunt  recepto.  post  haec  autem  coeperunt  ad  eum  diversorum  morborum  aegroti 
confluere  et  accepta  sanitate  redire  incoloraes.  sed  et  Litomeris  urbis  ipsius  indigena, 
cum  ab  illius  quartani  typi  aegrotatione  fatigaretur,  acceptis  ex  hospiciolo  suo  cereis, 
surrexit  cum  uno  tantum  puero  accessitque  ad  locum.  fusa  vero  oratione,  accensis 
cereis  manu  propria  per  totam  noctem  detentis,  vigilias  celebravit.  dato  igitur  mane, 
redivit  ad  propria  n(»c  ultra  ab  hoc  morbo  frigorae  vel  confractionis  ullius  pertulit 
gravitatem. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  69 

es  ist  daher  notwendig,  nach  Möglichkeit  ihre  Abfassungszeit  festzustellen 
und  ihre  Glaubwürdigkeit  zu  untersuchen. 

Sie  ist  bestimmt,  am  Jahrestage  des  Bischofs  vorgelesen  zu  werden,  wie 
der  Schluss  zeigt  ^),  und  im  Kreise  des  Klerus  von  Chartres  verfasst,  wo  Sol- 
lemnis  nach  der  Ansicht  der  Vita  begraben  lag,  wie  man  ohne  Bedenken  aus 
ihrem  Schweigen  über  eine  Übertragung  der  Reliquien  nach  einem  anderen 
Orte  —  Maille,  Blois  —  schliessen  darf.  Sie  enthält  keinerlei  Angaben  über 
ihre  Abfassungszeit;  dass  aber  zwischen  Sollenmis'  Tode  und  ihrer  Nieder- 
schrift einige  Zeit  verflossen  war,  zeigen  die  Worte:  „ut  ritus  priscorum 
erat",  und  „ubi  multa  signa  et  virtutes  usque  in  hodiernum  diem  esse  vi- 
dentur". 

Weiter  führt  vielleicht  ihr  Inhalt.  Er  ist  dürftig;  ausser  zwei  Wundern, 
die  an  den  Glauben  des  Lesers  grosse  Anforderungen  stellen,  aber  in  der 
Litteratur  jener  Zeit  zahlreiche  Parallen  finden*),  weiss  die  Vita  nur  von  der 
Wahl  des  Heiligen  zum  Bischöfe  und  von  seiner  Thätigkeit  bei  Chlodowechs 
Bekehrung  und  Taufe  Näheres  zu  berichten. 

Ein  „edictum"  Chlodowechs  befiehlt  die  Wahl  des  Sollemnis  zum  Bischöfe ; 
Bischöfe  versammeln  sich  darauf  in  Chartres,  um  ihn  zu  konsekrieren,  ganz 
entsprechend  dem  Verfahren  der  Merowingerzeit,  in  der  das  Bestätigungsrecht 
des  Königs  oft  zur  thatsächlichen  Ernennung  führte^).  Nach  bekannten  Vor- 
bildern entzieht  sich  Sollemnis  der  Wahl  durch  die  Flucht;  an  seine  Stelle 
wird  der  Archidiacon^)  Aventinus  gewählt.  Sollemnis  kehrt  zurück;  auf  das 
lärmende  Verlangen    des  Volkes,    dessen   Einfluss  mehr   noch   als  nach  recht- 


1)  Der  gleiche  Zweck  ist  ausgesprochen  z.  B.  in  der  vita  s.  Naamatii  7  (analecta 
Bollandiana  XIV,  1895,  p.  201)  und  in  der  vita  Lucii  confessoris  1  (scr.  Merov.  III, 
p.  2).  Vgl.  vita  s.  Eligii,  prol.  (Migne,  patr.  s.  II,  LXXXVII,  p.  479/80):  Quotiescuuque 
ergo  sanctorum  solemnia  anniversario  circulo  celebramua,  aliqua  ex  eorum  gestis  ad 
aedificationem  Christianae  plebiö  convenientia  in  Christi  laudibus  recitare  debemus. 

2)  Zum  Wunder  bei  Sollemnis'  Bestattung  vgl.  z.  B.  Gregor.  Tur.  lib.  vitae  pa- 
trum  7,  3  (p.  689)  in  Bezug  auf  die  Gelegenheit  und  de  virtut.  s.  Martin.  IV  26  (p.  655 
—656)  in  Bezug  auf  die  Art  des  Wunders. 

3)  Vgl.  Lee  bell,  Gregor  von  Tours  und  seine  Zeit«,  1869,  S.  266-278;  Hin- 
s  Chi  US,  Kirchenrecht  II,  1878,  S.  517—519;  Löning,  Geschichte  des  Deutschen  Kir- 
chenrechts II,  1878,  S.  174—186;  Waitz,  Deutsche  Verfassungsgeschichte  II  2^,  1882, 
S.  61—65;  Hauck,  Die  Bischofswahlen  unter  den  Merovingern,  1883,  und  Kirchen- 
geschichte Deutschlands  I,  1887,  S.  141  f;  FustcldeCoulanges,  la  monarchie  franque, 
1888,  S.  534—562;  Weyl,  Das  fränkische  Staatskirchenrecht  zur  Zeit  der  Merovinger, 
1888  (Gierke,  Untersuchungen  XXVII),  S.  51—60;  Brunn  er,  Deutsche  Rechtsgeschichte 
II,  1892,  S.  313;  Krusch,  Mittheilungen  XIV,  1893,  S.  431;  Dahn.  Könige  der  Ger- 
manen VII  3,  1895,  S.  230—242;  Kurth,  Clovis  S.  519—522;  Vacandard,  Revue  des 
questions  historiques  XXXII,  1898,  S.  321—383.  Bezeichnend  ist  die  Änderung,  welche 
sich  in  der  jüngeren  Bearbeitung  der  Vita  findet:  „Ut  iam  dictae  civitatis  cathedram 
venerandus   vir  Sollempnis  susciperet,    clerus   omnis   vel  populus  urbis  Carnotensis 

auribus  i'egis  Chlodovei  unaniniiter  suggessit annuens  itaque  praecibus  clerico- 

rum  et  populi  rex  Chlodoveus  praecepit"  etc. 

4)  Über  die  hervorragende  Stellung  des  Archidiaconus  in  dieser  Zeit  vgl.  Lö- 
ning H,  S.  333—342;  Hinschius  II,  S.  183—187;  Fustel  de  Coulanges  S.  516 f. 


70  Wilhelm  Levison: 

liehen  Gesiebtspunkten  durch  die  Maeht  der  Thatsaehen  anf  den  Ausfall  der 
Bischofswahlen  häufig  allein  bestimmend  einwirkte*),  wird  er  auch  jetzt  noch 
zum  Bischof  konsekriert.  Dafür  wird  Aventinus  zu  seinem  Nachfolger  bestimmt 
und  erhält  einstweilen  Dunum  (Chäteaudun)  zum  Wohnsitze.  Eine  passende 
Analogie  bietet  sich  bei  Gregor,  bist.  V  5  (p.  196) :  „Interea  beatus  Tetricus 
(Bischof  von  Langres)  a  sanguine  sauciatur.  cui  cum  nulla  medicorum  fomenta 
valerent,  conturbati  clerici  et  a  pastore  utpote  destituti,  Mondericum  expetuut. 
qui  a  rege  indultus  ac  tonsoratus,  episcopus  ordinatur,  ^sub  ea  specie,  uty 
dum  beatus  Tetricus  viveret,  hie  Ternodorensem  castrum  ut  archipresbiter 
regerit  atque  in  eo  commoraretur,  migrante  vero  decessore,  iste  succederet^^ 
(gegen  570).  Dass  aber  Aventinus  gerade  Chäteaudun  zum  Sitze  angewiesen 
erhält,  erinnert  an  einen  Versuch,  den  später  König  Sigbert  machte,  als  er 
Chäteaudun  von  der  grösstenteils  zu  Gunthchramns  Reich  gehörigen  Diöcese 
Chartres  loszureissen  suchte  und  dort  einen  eigenen  Bischof  Promotus  ein- 
setzte, der  sich  gegen  die  Beschlüsse  des  Pariser  Konzils  von  573*)  bis  zu 
Sigberts  Tode  575  behauptete,  dagegen  584  seine  Stellung  vergebens  wieder- 
zuerlangen suchte^).  Die  Angaben  der  Vita  finden  ferner  eine  erwünschte  Be- 
stätigung in  den  Unterschriften  der  Konzilbeschlüsse  von  Orleans  511,  an 
denen  Aventinus  teilnahm*).  Die  einen  Handschriften,  dabei  die  älteste,  nennen 
ihn  dort  Bischof  von  Chartres,  zeigen  ihn  also  als  Nachfolger  des  SoUemnis; 
dagegen  giebt  ihm  eine  Handschrift  noch  des  7.  Jahrhunderts  (K)  den  Titel 
„episcopus  de  Duno'*,  eine  des  neunten  (P)  „episcopus  eclesiae  Dunensis". 
Man  möchte  den  Schluss  ziehen,  dass  Aventinus  in  der  Urschrift  der  Beschlüsse 
von  511  seiner  früheren  Stellung  gemäss  seine  Würde  nach  beiden  Orten  be- 
nannte; jedenfalls  erscheint  sein  Bischofsamt  entsprechend  den  Angaben  der 
Vita  in  Beziehungen  sowohl  zu  Chartres  wie  zu  Chäteaudun. 


1)  Vo^l.  z.  B.  Fustel  de  Coulanges  S.  536:  „Le  droit  est  que  les  evc^ques  nommcnt 
leiir  ein  inoyeniiant  qu'ils  aient  rasscntiment  gen^ral;  le  fait  est  que  la  population  ira- 
pose  son  choix  aux  evöques." 

2)  Concil.  I,  p.  146-151.  Vgl  Hefele,  Conciliengeschichte  III,  1858,  S.  28—29; 
Löninp;'  II,  S.  124—126;  Lon^non  S.  327.  Vielleicht  ist  es  derselbe  Promotus,  der 
585  zu  MAcon  unter  den  „episcopi  .  .  .  non  hahentes  sedes"  unterschrieb  (p.  173). 

3)  Gregor,  hist.  VIT  17  (p.  301):  „Promotus  vero,  qui  in  Dunense  Castro  ordiuante 
Sy^ibertho  rege  episcopus  fuerat  institutus  et  post  mortem  regis  araotus  fuerat,  eo 
quod  castrum  illud  esset  diocisis  Carnotena;  contra  quem  ita  iudicium  datum  fuerat, 
ut  praesbiterii  tantum  officium  fungeretur;  accessit  ad  regem,  depraecans,  ut  ordina- 
tionem  episcopatus  in  antedicto  castro  reciperet.  Sed,  obsistente  Pappolo  Carnotene 
urbis  episcopo  ac  dicente,  quia:  'Diocisis  meae  est',  ostendente  praesertira  iudicium 
ej)iscoporum,  nihil  aliud  potuit  obtinere  cum  rege,  nisi  ea  quae  sub  ipsius  castri  ter- 
mino  propria  habebat  reciperit,  in  qua  cum  genetrice  adhuc  superstite  moraretur." 
Man  könnte  denken,  während  dieser  Streitigkeiten  sei  die  Vita  aus  praktischen  Ge- 
sichtspunkten geschrieben  worden;  doch  lässt  sich  diese  Annahme  nicht  durchführen. 
Ein  Anhänger  des  ]*romotus  würde  Aventinus  nicht  die  Pflicht  auferlegt  haben,  Sol- 
lemnis  bei  dessen  Lebzeiten  zu  gehorchen  („tuo  sit  obtemperans  principatui"),  ein 
Mitglied  der  Gegenpartei  ihm  nicht  die  Nachfolge  eingeräumt  haben, 

4)  Concil.  I,  p.  10  seq. 


Zur  Geschichte  des  .Frankeiikönigs  Chlodowech.  71 

Was  SoIIeniDis'  Verhältnis  zu  Chlodowech  angeht,  so  wird  darauf  nichts 
zu  geben  sein,  dass  die  Bekehrung  des  Königs  als  das  Werk  des  Bischofs 
hingestellt  wird.  Die  Überlieferung  der  Kirche  von  Cliartres  mochte  begreif- 
licherweise ihrem  Bischöfe  ähnliche  Beziehungen  zu  Chlodowech  zuteilen,  wie 
man  sie  an  anderen  Orten  Remigius  oder  Vedastes  zuschrieb.  Dagegen  kann 
seine  Teilnahme  an  der  Taufe  des  Königs  sehr  wohl  der  Geschichte  ange- 
hören, da  hier  nach  dem  Briefe  des  Avitus  (auct.  ant.  VI  2,  p.  75)  „adunatorura 
numerosa  pontificum  manus"  mitwirkte. 

Wie  die  Bekehrung  mit  einem  Gothcnkriege  in  Verbindung  gebracht  wer- 
den konnte,  habe  ich  bereits  oben  zu  erklären  versucht;  es  ist  der  Krieg  der 
90er  Jahre,  von  dem  der  continuator  Prospcri  Havniensis  dürftige  Kunde  er- 
halten hat.  Ganz  im  Geiste  der  Zeit  liegen  die  „Auspicien",  die  dem  Könige 
zu  Chartres  im  Psalmengesang  zu  teil  werden,  gleichwie  Gregor  solche  507  zu 
Tours  erfolgen  lässt  (bist.  II  37,  p.  99—100). 

Schwierigkeiten  scheint  zunächst  eine  Angabe  der  Vita  über  diesen  Krieg 
zu  bereiten:  Der  Sieg  über  die  Gothen  ist  erfochten,  und  das  Frankenheer 
fordert  den  König  auf,  die  Verfolgung  der  Feinde  zu  beginnen  und  ihr  Reich 
zu  erobern.  Der  König  billigt  ihre  Absicht,  wie  auch  sonst  das  Heer  unter 
den  Merovingern  —  selbst  gegen  den  Willen  des  Königs  —  vielfach  seine 
Wünsche  durchzusetzen  weiss  ^).  Aber  in  der  nächsten  Nacht  erscheint  Sol- 
lemnis  dem  Könige  im  Traume  und  verbietet  ihm  den  Weitermarsch.  Chlodo- 
wech teilt  dem  Heere  die  Worte  des  Bischofs  mit,  der  Rückweg  wird  ange- 
treten. Die  Frauken  rücken  in  Aquitanien  ein  und  verwüsten  es  weit  und 
breit  auf  dem  Heimwege.  Mithin  war  die  Schlacht  über  die  Gothen  nach  der 
Anschauung  der  Vita  an  den  Grenzen  Aquitaniens,  also  im  äussersten  Süden 
Galliens,  geschlagen  worden;  oder  man  mUsste  annehmen,  der  König  habe 
gegen  den  Willen  des  Bischofs  den  Krieg  fortgesetzt,  und  es  handle  sich 
nicht  um  den  Rückweg,  sondern  um  ein  weiteres  Vordringen,  was  einen  Wider- 
spruch in  der  Vita  bedeutete.  Der  Schreiber  der  Pariser  Handschrift  hat  hier 
eine  derartige  Schwierigkeit  empfunden  und  deshalb  die  Angabe  über  die  Ver- 
wüstung Aquitaniens  gestrichen.  Die  Bedenken  heben  sich,  wenn  man  Aqui- 
tanien nicht  in  der  umfassenderen  Bedeutung  versteht,  sondern  im  Sinne  der 
späteren  Römischen  Provinzialeinteilung,  die  das  Gebiet  südlich  der  Garonne 
als  besondere  Provinz  Novempopulana  von  den  zwei  Aquitanien  schied*).     In 


1)  Vgl.  z.  B.  Gregor,  bist.  IV  14  (p.  152);  49  (p.  184-185).  Waitz  II  1«,  S.  191 
—  193;  Brunner  II,  S.  127;  Wilhelm  Sickel,  Die  merovingische  Volksversammlung  5 
(Mittheilungen  des  Instituts  tür  Oesterreichische  Geschichtsforschung,  Ergänzungs- 
band II,  1888,  S.  304-307). 

2)  Vgl.  z.  B.  Hieronym.  cpist.  123,  IG  (vom  Jahre  409):  „Aquitaniae  Novemque 
populorum,  Lugdunensis  et  Narbonensis  provinciae  praeter  paucas  urbes  populata 
sunt  cuncta"  (Migne,  patrol.  XXII,  col.  1058);  den  laterculus  des  Polümius  Silvius  von 
449  (auct.  ant.  IX,  p.  537);  Gregor  bist.  II  25  (p.  87)  von  Eurichs  angeblicher  Katho- 
likenverfolgung: „Maxime  tunc  Novimpopulanac  geininaeque  Gernianiae  urbes  ab 
hac  tempestate  dcpopulatae  sunt,^^  wo  Germaniae  zweifellos  aus  Aquitaniae  verschrie- 
ben ist. 


72  Wilhelm  Leyison: 

diese  Gegenden  weist  auch  die  Langobardenchronik,  wenn  sie  die  Franken 
498  Bordeaux  nehmen,  also  an  der  Südgrenze  der  Aquitania  secunda  kämpfen 
lässt. 

So  würde  der  Inhalt  der  kleinen  Vita  nicht  hindern,  ihre  Entstehung  in 
die  frühere  Merowingerzeit  zu  setzen,  etwa  zwei  Menschenalter  nach  dem  Tode 
des  Bischofs,  und  dafür  scheint  zu  sprechen,  dass  sie  im  Gegensatze  zu  Gregor 
von  Tours  noch  nichts  von  dem  Sollemnisgrabe  in  Maille  weiss.  Die  Ansicht 
von  Kurth,  der  in  ihr  ein  Machwerk  des  12.  oder  13.  Jahrhunderts  sieht*), 
widerlegt  ein  Blick  auf  die  Handschriften.  Johannes  Cleus  sprach  ihr  ein 
hohes  Alter  zu*),  und  Krusch  verglich  ihre  Sprache  mit  der  des  Venantius 
Fortunatus*).  Der  Annahme,  sie  sei  ein  Werk  des  6.  Jahrhunderts,  scheinen 
aber  die  Worte  entgegenzustehen:  „Chlodoveus  tunc  tempore  rex  in  eodem 
solo  tenebat  imperio  principatura**.  Von  dem  „imperium**  der  Frankenkönige 
konnte  erst  seit  800  die  Rede  sein*);  aber  ist  es  denn  notwendig,  hier  an 
die  engere  Bedeutung  des  Wortes  zu  denken?  Es  hindert  nichts,  es  in  wei- 
terem Sinne  aufzufassen,  in  dem  imperium  ebensogut  wie  von  den  Römischen 
Imperatoren  von  Germanischen  Königen  gebraucht  werden  konnte  und  auch 
wirklich  gebraucht  worden  ist^).  Aber  auch  bei  Ablehnung  dieser  Möglich- 
keit darf  es  als  sicher  gelten,  dass  die  Vita,  die  zweifellos  vor  Hrabans  Martyro- 
logium,  also  vor  der  Mitte  des  9.  Jahrhunderts^),  verfasst  ist,  aus  einer  selb- 
ständigen und  keineswegs  verächtlichen  örtlichen  Überlieferung  geschöpft  hat, 
wie  die  Angaben  über  Aventinus  zeigen.  Vielleicht  liegt  sie  uns  nicht  völlig 
in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  vor;  gerade  bei  ihrer  Bestimmung,  am  Jahres- 


1)  Clovis  p.  609. 

2)  Acta  sanctoruin  Scpteinbris  VIT,  1760,  p.  65:  esse  ea  valde  antiqua,  mihi  fit 
omnino  verisimilo. 

3)  scr.  Merov.  I,  p.  760,  n.  3:  vitam  a  scriptorc  autiquo  corapositam,  cuius  sermo 
Fortunatiano  non  adeo  dissimilis  est. 

4)  Vgl.  z.  B.  die  bezeichnenden  Worte  der  vita  Johann.  Reom.  15  (scr.  Merov.  III, 
p.  513):  Cumque  iam  Gallias  Francorum  regis  sue  dictione,  suhlato  wiperii  iure,  gu- 
bernacula  ponerent  et,  postposita  rei  publice  dominatione,  propria  fruerentur  pote- 
State  .... 

5)  Vgl.  die  Worte  Childeberts  I.  (capit.  I,  p.  2):  „Et  quia  necesse  est,  ut  plebs, 
quae  sacerdotes  praeceptum  non  ita  ut  oportit  custodit,  nostro  etiam  corrigatur  im- 
perio, hanc  cartam  .  .  .  decrevimus  emittendam",  und  die  „781  oder  kurz  darauf* 
(Zeumer,  N.  A.  VI,  1881,  S.  81)  geschriebene  11.  Formel  von  Bourges  (formul.  p.  173): 
in  quantum  v(5strum  pollet  imperium  vel  principatum.^'-  Cassiodor  redet  von  einem 
imperium,  Theoderichs  (auct.  ant.  XII,  p.  548),  und  auch  der  Sprachgebrauch  des  Jor- 
danes  zeigt  die  Anwendung  des  Wortes  auf  andere  Fürsten  als  den  Römischen  Kaiser; 
vgl.  Mommsen,  auct.  ant.  V  1,  p.  190:  „imperator  non  dicitur  nisi  Romanorum:  im- 
perare,  imperiuin  ad  reges  quoque  pertinent,  praesertim  Attilam."  Krusch  geht  also 
zu  weit,  wenn  er  gegen  die  Worte  der  vita  Aviti  12:  „Childebertus  Francorum  prin- 
ceps,  qui  Gallias  suo  imperio  coercebat"  (scr.  Merov.  III,  p.  385)  bemerkt:  „imperio 
autem  suo  Gallias  coercebat  rex  Francorum  nullus  ante  Karolum  M.  imperatorem" 
(p.  381). 

6)  Dümmler  a.  a.  0.  S.  199:  Abfassung  des  Martyrologiums  zwischen  842 
und  854. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech. 


73 


tage  des  Heiligen  dem  Vortrage  zu  dienen,  mochte  sie  leicht  mancherlei  Um- 
gestaltungen ausgesetzt  sein. 

Dies  zeigt  auch  ihre  spätere  Geschichte.  Je  mehr  die  von  Gregor  und 
seinen  Ausschreibern  vertretenen  Überlieferungen  an  Verbreitung  gewannen, 
um  so  eher  musste  die  andere  Wege  gehende  Darstellung  der  Vita  Verände- 
rungen unterliegen.  So  zeigen  die  Handschriften  der  Reihe  B  ungeschickte 
Interpolationen  aus  der  vitaVedasti,  die  gegen  642  durch  den  Abt  Jonas  von 
Susa  mit  Benutzung  von  Gregors  Geschichtswerk  verfasst  worden  war.  Wenn 
die  Einfügung  des  Vedastus  neben  Remigius  und  Sollemnis  („assumpsit  secum 
sacre  legis  cultores  Remigium  et  Vedastum  anstitites  venerandos"  statt  „ad- 
iuncto  sibi  sancto  Remedio  Remensium  urbis  episcopo")  jene  Annahme  schon 
unmittelbar  nahelegt,  so  findet  sie  ihre  Bestätigung  bei  folgendem  Vergleiche : 


vita  Sollemnis  6 

vita  Vedasti  7  (scr. 

Ursprünglicher  Text 

Interpolierter  Text 

Merov.III,  p.411) 

inclite  rex 

0  inclite  rex  et  decus 
Francorum 

0  rex,  tuorum  decus 
Francorum 

und  namentlich  durch  die  Thatsache  der  Einflickung  des  Alamannenkrieges, 
den  sowohl  Hrabamis  Maurus  wie  der  Verfasser  der  gleich  zu  besprechenden 
jüngeren  Vita  in  ihren  Handschriften  noch  nicht  erwähnt  fanden,  eine  so  un- 
geschickte Interpolation,  dass  sie  sich  als  solche  schon  aus  den  wenigen  Mitteilungen 
von  Cleus  über  abweichende  Lesarten  mit  Leichtigkeit  ergeben  konnte. 


vita  Sollemnis  7 

vita  Vedasti  2 

Ursprünglicher  Text 

Interpolierter  Text 

(p.  406—407) 

Yovitque    rex    dicens : 
y,In  his  armis  abiero  et 
populi  si  percepero  bra- 
vium, 

me  meumque  baptismi 
gratiae  trado".  talibus 
lumbos  armis  succmc- 
tus  pergit  ad  praelium. 

cumque 

acies 
contra  aciem  utrimque 
tela  emissa  iactarent, 

momen- 
to   Gothorum    agmina 
prostrantur. 

Yemtqtie   dicens:    „/?* 
his  armis  vadens,  si  a 
Gothis    vel   Alamannis 
superatus    non     fuero, 
sed    rediero    in    pace, 
statim    ad    baptismnm 
convolabo".  talibus  ar- 
mis Siccinctus   per  git 
dimicaturusa/Zbellum 
statimque      f  e  r  o  c  e  m 
Alamannorum    gen- 
t  e  m    debellavit   atque 
subegit.  cumque  contra 
sc  Gothorum  agmina  in- 
struxissent,  qui  contra 
eum  bellum  paraverant, 
acie^que    illius    contra 
aciem  inimiconim  tela 
iniceret  acriterque  bel- 
lum instaret,  in  momento 
Gothorum  agmina  pro- 
strantur. 

Evenit,  ut . . .  adversum 
Alamannos    gentem 
ferrocem  bellaturus 
pergerit. 

74  Wilhelm  Levison: 

In  umfassenderem  Masse  wurde  die  Vita  durch  Vereinigung  mit  den  An- 
gaben Gregors  von  Tours  umgestaltet,  und  man  muss  dem  Verfasser  dieser 
jüngeren  Vita  zugestehen,  dass  er  sich  nicht  ohne  Geschick  bemüht  hat,  die 
Abweichungen  und  Widersprüche  zu  vereinigen.  Ausser  zahlreichen  Aus- 
schmückungen, die  mehr  die  Form  als  den  Inhalt  betreflFen,  erweiterte  er  die 
Geschichte  der  Taufe  im  Anschlüsse  an  Gregor,  hist.  II  31;  vor  allem  aber 
suchte  er  die  Erzählung  vom  Sollemnisgrabe  in  Maille  mit  der  alten  Vita  in 
Einklang  zu  bringen  und  musste  daher  zuerst  die  Frage  lösen:  Wie  kam  der 
Bischof  von  Chartres  dorthin  ?  Die  Antwort  findet  er  in  folgender  Weise :  Nach 
Chlodowechs  Taufe  kehrte  Sollemnis  zu  seiner  Bischofsstadt  zurück  und  lenkte 
nun  seine  Herde  „in  longa  pace",  eine  Zeitangabe,  die  der  Verfasser  wohl 
vergessen  haben  muss,  wenn  er  fortfährt:  „Non  multo  post  tempore  interiecto 
rursus  motum  est  bellum  inter  Chlodoveum  regem  et  Alaricum.  congregans  rex 
itaque  Chlodoveus  omnem  exercitum  Francorum,  devenit  in  pagum  Turonensem, 
ducens  secum  cum  aliis  episcopis  beatum  Sollemnem^^  So  war  dieser  an  den 
Ort  gebracht,  wo  Gregor  von  Tours  sein  Grab  gesehen  hatte,  und  der  Bear- 
beiter hatte  nun  weiter  nichts  zu  thun,  als  ihn  nach  einer  Eimahnungsrede  an 
die  Seinen  und  nach  frommem  Gebete  sterben  zu  lassen.  „Sepultus  est  in 
Malliacensi  monasterio".  Wie  konnte  aber  das  Grab  des  Heiligen  in  Vergessen- 
heit geraten,  um  in  so  wunderbarer  Weise  wieder  aufgefunden  zu  werden? 
Auch  hier  weiss  die  jüngere  Vita  sich  zu  helfen:  „Multo  tempore  quievit,  us- 
que  quo  iam  dictum  monasterium  a  paganis  desolatum  est.  postquam  autem  per- 
secutio  quievit,  praetiosum  eins  corpus  et  sepulchrum,  quod  diutius  hnmanis 
latebat  obtutibus,  qualiter  ad  laudem  et  gloriam  nominis  sui  id  ipsum  dominus 
revelare  dignatus  sit,  beato  Gregorio  Turonum  pontifice  referentc  cognoscimus''. 
Folgt  zum  Schlüsse  eine  Abschrift  von  Gregors  Erzählung.  So  hat  diese  Be- 
arbeitung der  Vita  nicht  den  mindesten  selbständigen  Quellenwert. 

Die  Handschriften  der  älteren  Vita  (I)  zerfallen  in  zwei  Klassen: 
A.  Handschriften,  die  den  Text  ohne  grössere  Interpolationen  darbieten: 
W)  Codex  bibliothecae  regiae  Bruxcllensis  sign.  n.  7984,  saec.  X,  fol. 
209^' — 213^  (Catalogus  eodicum  hagiographicorum  bibliothecae  regiae  Bruxcl- 
lensis I  2,  1889,  p.  183),  die  wertvollste  Handschrift.  „Fol.  1  in  margine  infe- 
riori  leguntur  sequentia:  CoUegii  Soc,  Jesu  Molshem.  Sed  permutatione  ali- 
orum  librorum  domus  professae  Antverpiens^is  factum,  procurante  P.  Petro 
Richarty  et  ut  conjicere  licet,  etiam  scripta  erat  haec  alia  nota  quam  rasuris 
delere  conati  sunt:  Codex  Sancti  Petri  in  Wissemburg ;  quae  nota  repetitur 
fol.  119''  in  margine  inferiori:  Codex  monasterii  S,  Petri  in  Wissenburg  Or- 
dinis  S.  Benedicti^'  (p.  178). 

C)  Codex  bibliothecae  Nationalis  Parisiensis  sign.  n.  12612,  saec.  XIII, 
fol.  35^' — 38^'  (Catalogus  codieum  ha^nographieoruin  Latinoruni  qui  asservantur 
in  bibliotlieca  Nationali  Parisiensi  HI,  1893,  p.  164).  „Olim  ex  libris  Cor- 
heiensis  monasterii,  deindc  San-Germ."  (p.  162). 

Ma)  Cod.  bibl.  reg.  Bruxellensis  n.  98—100,  saec.  XIII,  fol.  210''— 21 P 
(Catalogus  I  1,  1886,  p.  48;  cf.  p.  108).    Nahe  verwandt  ist 


Zur  Geschichte  des  Frankeukönigs  Chlodowech.  75 

Mb)  Codex  s.  Maximini  Trevirensis,  nicht  in  der  Trierer  Stadtbibliothek 
vorhanden  und  mir  nur  aus  den  wenigen  Mitteilungen  der  Acta  Sanctorum 
bekannt.  In  beiden  Handschriften  ist  der  Text  stilistisch  nicht  unwesentlich 
überarbeitet  und  geglättet. 

B.  Die  zweite  Handscliriftenreihe  ändert  den  Text  durch  Interpolationen 
aus  der  vita  Vedasti,  gestaltet  ihn  aber  auch  sonst  durch  zahlreiche  stilistische 
Abweichungen  und  kleinere  Einschiebsel  um;  z.  B.  kehren  Zusätze  mehrmals 
wieder  wie:  meuioratus,  vir  dei,  domino  opitulante,  divina  opitulante  gratia. 
Eine  mit  Ma  und  Mb  verwandte  Handschrift  liegt  zu  Grunde,  wie  folgende 
Beispiele  zeigen: 
c.  2  de  siderio  tegebatur  auxilio:  desiderio  enim  tegebatur  divino  et  auxilio 

Ma;  desiderio  tegebatur  auxilio  divino  B. 
c.  3  LX Villi:  sexagesimo  VII  Ma;  LXVII  B. 
c.  3  0  ineffabilem  mercationem:  o  ineffabilis  mercatio  Ma  B. 
c.  9  claro  lumine  decorata:  clari  luminis  decoratus  M  B. 
c.  9  compages:  compago  Ma  B. 

c.  10  recolite:    recondite  Ma  B.     Zu  dieser  Reihe  gehören  2  Handschriften, 
die  sehr  nahe  verwandt  sind: 

H)  Cod.  bibl.  reg.  Hagensis  L.  29,  saec.  XV,  fol.  185^—187«^  (analccta 
Bollandiana  VI,  1887,  p.  181); 

ü)  Codex  8.  Salvatoris  Ultraiectensis,  in  den  Acta  Sanctorum  nach  einer 
Abschrift  wiedergegeben. 

Von  der  jtlngeren  Gestalt  der  Vita  (II),  in  der  die  Angaben  Gregors  von 
Tours  mit  denen  der  älteren  Fassung  vereinigt  sind,  konnte  ich  Abschriften 
zweier  Codices  benutzen: 

Pa)  Code^  bibl.  Nationalis  Paris,  n.  15437,  saec.  XI,  fol.  igO»"— 192-^ 
(Catalogus  III,  1893,  p.  324); 

Pb)  Cod.  bibl.  Nat.  Paris,  n.  5666,  in.  saec.  XII,  fol.  116^—126'-  (Cata- 
logus II,  1890,  p.  530).  Die  zweite  Handschrift  schliesst  sich  in  manchen  Ein- 
zelheiten enger  an  die  ursprüngliche  Vita  an  als  die  ältere;  z.  B.  bewahrt  sie 
c.  5  holocaustum  (sacrificium  ä),  summo  repleti  gaudio  (sunimo  cum  gaudio  a). 
Die  Handschrift,  welche  der  Bearbeitung  zu  Grunde  lag,  enthielt  einen  besseren 
Text  als  die  erhaltenen  Handschriften  beider  Reihen;  dies  zeigt  folgender 
Vergleich : 

I  II 


c.  4:  nie  latebat  in  antro,  iste 
replebatur  mestitia;  ille  solemnes 
fundebat  ad  dominum  praeccs,  iste 
consolatione(m)  tristis  quaerebat  pro 
abdito. 

wo  die  jüngere  Vita  den  ursprünglichen  Sinn  besser  bewahrt  hat^). 


Ille  latebat  in  antro,  isti  (illi  ä) 
replehantur  mesticia;  ille  sollempnis 
fundebat  domino  praeces,  isti  tristes 
querebant  absconditum. 


1)  Von  anderen  Handschriften  der  zweiten  Vita  sind  mir  drei  Codices  biblio- 
thecae  civitatis  Carnotensis  bekannt:  N.  68,  saec.  XI,  fol.  144r~14ev;  n.  104,  saec.  XI, 


76  Wilhelm  Levison: 

Herausgegeben  sind  die  Viten  durch  Johannes  Cleus  in  den  Acta  Sanc- 
torum  Septembris  VII,  1760,  p.  68 — 70  und  72—75,  die  ältere  im  wesentlichen 
nach  ü;  daneben  sind  die  Handschriften  W  und  M^  wenig  berücksichtigt. 

unter  dem  Texte  der  neuen  Ausgabe  sind  alle  abweichenden  Lesarten 
der  Handschriftenklasse  A  verzeichnet;  doch  sind  kleine  orthographische  Ver- 
schiedenheiten der  Handschriften  C  und  M,  wie  tnte  statt  vitaey  sompnis  statt 
8omnis,  michi  statt  mihiy  nicht  aufgenommen.  Auch  ist  zu  beachten,  dass 
mir  M^  nur  unvollständig  bekannt  war,  dass  also  Schweigen  über  diesen  Codex 
nicht  immer  seine  Zustimmung  zu  dem  in  den  Text  aufgenommenen  Wortlaut 
bedeutet. 

Bei  dem  Versuche,  die  Abfassungszeit  der  Vita  zu  bestimmen,  ist  die 
Sprache  absichtlich  unberücksichtigt  geblieben.  Auf  Schritt  und  Tritt  treten 
die  Mittel  der  Rhetorik  des  ausgehenden  Altertums  zu  Tage,  Parallclismus  des 
Satzbaues,  Antithesen,  Homoioteleuta,  wohlfeile  Wortspiele  mit  dem  Namen 
des  Bischofs  und  vor  allem  die  Formen  des  cursusj  des  rhythmischen  Satz- 
schlusses').  Die  Regel  ist  durchgeführt,  dass  zwischen  den  accentuiertcn  Silben 
der  beiden  letzten  Wörter  zwei  oder  vier  unbetonte  Silben  stehen.  Am 
häufigsten  ist  der  sogenannte  cursus  planus  der  dictatores  des  Mittelalters 
verwandt  (<<,  oo,  oo  «x»  oo  sanctus  Sollemnis,  sürdo  et  müto),  an  zweiter  Stelle 
der  cursus  tardus  (rio  «^,  «^  r^  ^  *>j  piigna  certäminis,  fr6mit  in  str6pitu);  es  fol- 
gen der  cursus  velox  (cL»  ^  *^,  *^  *^  -^  -^  fecibus  involüti,  6culi  ad  vid6ndum) 
und  die  Form  rio  ^  <x»,  oL,  <v»  (cl4rior  flde,  plüviae  giittas).  Weit  weniger  häufig 
begegnet  der  Satzschluss  oL»  w  <x»,  «^  ^  oo  (v6lvitur  mächina,  c6ncrepant  laudibns), 
und  ganz  selten  ist  endlich  der  Fall,  dass  drei  Accentsenkungen  zwischen  die 
betonten  Silben  der  beiden  letzten  Wörter  treten  (.-^^  oo,  oo  oo  jf  oo  sanitati  re- 
stitüta).  Die  Anwendung  dieser  Regel  bietet  au  manchen  Stellen  der  Kritik 
ein  willkommenes  Hilfsmittel.  Im  allgemeinen  zeigt  die  älteste  Handschrift 
einen  glatten  und  lesbaren  Text;  aber  hie  und  da  finden  sich  Vulgarismen,  in 
Orthographie  wie  Grammatik.  Die  Vokale  e  und  i  gehen  durcheinander,  z.  B. : 
Christi  copulabatur  amore,  iste  replebantur,  luc/(n)s,  tristis  (luaerebant,  sidereo, 
tartar/o;  halant^e  steht  statt  halante,  pector^e  für  pectori,  wrbe  statt  orbe. 
Das  Schluss-m  wird  willkürlich  abgeworfen  und  zugesetzt:  in  finem  .  . .  pro- 
baretur,  Carnotensio  urbis,  punirentur  sententiam,  consolatione  ([uaerebant,  ad- 
prchenso  duxennit.  Da  der  Unterschied  zwischen  canisj  canit  und  canes, 
canet    für    die    Aussprache  verschwunden   ist,    tritt  canent  durch  Analogie  an 


fol.  2r-llr;  n.  190,  saec.  XII,  fol.  186r-188r  (aiialecta  Bollandiana  VIII,  1889,  p.  100, 
121,  151;  v^l.  den  Catalo<^ue  «j^eneral  des  manuscrits  des  bibliotheqiies  piibliques  de 
France,  departemcnts  XI  [Chartres],  p,  13,  (JG,  222).  Dazu  kommt  eine  Handschrift 
der  Pariser  Nationalbihliothek,  n.  5333,  saec.  XIV,  l'ol.  273v— 288r  (Catalo^^^us  II,  1890, 
p.  251);  sie  enthält  eine  „Vita  interpolata,  diversa  ab  edita  Act.  iSS.,  ad  d.  25  Sept., 
tom.  VII,  p.  72—75,  lon^e  scilicet  oratorio  fuco  amplior." 

1)  Y}x].  Wilhelm  Meyer,  Göttin^^  f^^elehrte  Anzei-en  1893,  I,  S.  1—27;  Eduard 
Norden,  antike  Kunstprosa  II,  1898,  S.  908—960.  Über  den  Gallischen  Stil  des  6.  Jahr- 
hunderts vgl.  Norden  S.  631—642. 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  77 

die  Stelle  von  canunt.  Man  schreibt:  anna  in  qua  (quibus),  tnnc  tempore,  opu 
dum  cognominawfe  Dunum.  Zum  absoluten  Ablativ  gesellen  sich  absoluter 
Nominativ  und  Akkusativ,  das  Präsenspartizip  wird  fast  zum  selbständigen 
Prädikat.  Ut  und  cum  werden  ohne  Unterschied  mit  Indikativ  und  Kon- 
junktiv verbunden,  vor  einem  Folgesatze  kann  ut  fortbleiben.  Spuren  scheinen 
darauf  hinzuweisen,  dass  die  Vita  einst  mehr  Vulgarismen  enthielt;  wenn  W 
pro  äbditOj  C  rapide  tum  hat,  so  lässt  dies  auf  ursprüngliches  pro  abditum 
schliessen  (c.  4),  totam  (W)  und  tute  (C)  auf  tutam  (c.  8).  Im  einzelnen  lässt 
sich  freilich  kaum  sagen,  was  dem  Verfasser  der  Vita,  was  späteren  Abschrei- 
bern angehört;  doch  stimmen  alle  sprachlichen  Besonderheiten  zu  dem,  was 
die  Sprachdenkmäler  des  6.  Jahrhunderts  lehren^),  ohne  dass  aber  von 
diesem  Gesichtspunkte  aus  bei  dem  geringen  Umfange  der  Vita  eines  der 
nächsten  Jahrhunderte  ausgeschlossen  würde. 

Der  folgende  Text  hat  vor  allem  die  älteste  Handschrift  zur  Grundlage 
und  giebt  daher  im  wesentlichen  auch  ihre  Inkonsequenzen  in  Grammatik  und 
Orthographie  (praehendere,  prehendere;  praeces,  preces)  wieder.  Doch  ist  für 
den  Namen  des  Bischofs  die  in  den  Inschriften  weitaus  häufigere  Form  Sol- 
lemnis  angenommen,  da  sie  sich  bei  den  ältesten  Zeugen,  in  den  Handschriften 
Gregors  von  Tours  und  Hrabans,  findet.  Der  Codex  W  hat  die  Form  Solemnis, 
die  auf  den  Steindenkmälern  seltener  auftritt  (z.  B.  Bonn.  Jahrb.  99,  1896, 
S.  150);  C  schreibt  meist  Sollempnius,  M  Sollempnisj  H  Solempnw,  P*  Sol- 
lempnis  und  Sollemnisj  P^  Sollempnis,  So  spricht  auch  die  Mehrzahl  der 
Handschriftea  für  die  Schreibung  mit  Doppel-Z^). 

Die  Neuherausgabe  der  älteren  Vita  wurde  mir  ermöglicht  durch  die 
Liebenswürdigkeit  von  Herrn  Geheimrat  Professor  Usener  in  Bonn,  der  für 
mich  die  Beschaffung  von  Kollationen  vermittelte  und  mir  wiederholt  mit 
seinem  Rate  wertvollen  Beistand  leistete.  Es  sei  mir  gestattet,  an  dieser  Stelle 
sowohl  ihm  herzlichen  Dank  zu  sagen  wie  den  Herren,  welche  die  Mühe  des 
Kollationierens  auf  sich  genommen  haben.  Es  sind  dies  die  Herren  Professor 
Dr.  Franz  Cumont  von  der  Universität  Gent  (W,  M*),  Dr.  Ernst  Diehl  in 
Bonn  (C),  Oberbibliothekar  Dr.  Byvanck  und  Handschriftenkonservator  Dr. 
Brugmans  von  der  Königlichen  Bibliothek  im  Haag  (H),  endlich  Herr  Pro- 
fessor Henri  Lebfegue  von  der  Ecole  pratique  des  hautes  6tudes  zu  Paris, 
dessen  ausserordentlicher  Zuvorkommenheit  ich  vollständige  Abschriften  von 
P*  und  P**  verdanke.     Ihnen  allen  vielen  Dank! 


1)  Vgl.  besonders  die  Indices  zu  auct.  ant.  V  1  (Jordanes)  und  scr.  Merov.  I, 
sowie  Max  Bonnet,  le  Latin  de  Gr6goire  de  Tours,  1890. 

2)  Über  die  Ursachen  der  verschiedenen  Schreibweise  des  Wortes,  in  dem  zwei 
ursprünglich  verschiedene  Wörter  zusammengeflossen  sind,  vgl.  Thurney  sen  in  Kuhns 
Zeitschrift  für  vergleichende  Sprachforschung  XXVIII,  S.  160;  Wilhelm  Schulze, 
quaestiomim  Homericarum  specimen,  1887,  p.  29,  n.  87. 


Iiicipit  vita  titiati "  Solleninis  epii^eopi  et  confessoria. 
id ''  est  Till  kal.  Octobris. 

1.  DivinoruDi  igitur  miraculonim  csf^  inlueri  nc  perpeiidere  discrefioiiis 
arbitriuiii,  cum  i.am,  eaelitiis''  ttuffragaiite"'),  in  cstrema  actalc,  muiKli  canee- 
cente  iii^  margiiie,  in  qua^  ninndi  volvihir  maehiiia,  ita  sanctorani  vitae*)  rtis- 
crepaiitur  cxordiu,  iit  coiura  sicquipcdce'"),  terrcnia  fecibns  iiivoliiti,  »d  re^a 
possent '  Bupcrna  pertiiigere,  qnia  magni  ^  pugna  certaminis,  ubi  de  Gbristi  vie- 
toria'  triumpliatur. 

2.  Fnit  quidaiti  sacerdo»  inerito^  nomine  et  gauctitate  Sollcmnis,  natali- 
bus  nobilis  sed  nobilior  mente,  clarne  opcribne  ecd  clarinr  fidc.  puerilis  coni- 
putabatur  iufantia,  sed  erat  mentis  eius  scnectus  in  doniino;  non  immerito 
niincupatur  Solleninifi,  cuius  Bollemnitas'',  fidci  candorc''  lucens",  aniicta*  cari- 
tatia  fervoie,  Christi  copulabatur  amore^  vigiliis  et*  oratinnibna  praeBtanfi**, 
gcnua'  cordia''  Hectcna  ad  dominum,  mundana'  linquens""  studia,  divinis  lec- 
tionibus  vacabat.  ieiunüs  potius  quam"  pascebatur  eibo.  trihuebat  eseas  csti- 
rientibna,  elymtisiuara "  pauperihus  iugiterP  ex"  suis  opibns''  largiebainr.  tale' 
mcuB  saucta  smiipsit  initium',  in"  finem  rei  verilas  probarctar**).  ncc",  valida 
mundi  dum*  mergeretur^  procella  in"  pelagi  fluctus",  pcrtimeseehat  naufrapia'' 
nee*,  dnm  gcrebat  navale  prelium'',  tempcstatc  submcrgi*),  qnia,   Holidatiis  in 

a)  sancti  M«.    h)  que  C;  id  — Octobris  am-  M». 

Cap.  l.  c)  opus  est  C,  d)  deo  add.  C,  dei  M.  e)  gratia  add.  Mj,.  f)  om.  AB. 
g)  quo  M».  h)  sequi  pedes  A  B.  i)  possint  C,  possunt  M".  k)  rnngna  est  pngna  C, 
magnae  sunt  pugnse  M",    I)  victoria  vicCoriao  triumpLnuCur  M. 

Cap.  S.  a}  meritis  M°';  et  add.  C.  b)  soletniiitna  W.  c)  candorem  C.  d)  lucis 
(=  lucls,  Incins}  WC,  luceus  M».  e)  anienitatem  imritatis  prestat  fervorein,  hie  nsra- 
que  Christi  C.  f)  amori  M».  g)  om.  W.  h)  praestas  W,  instans  C,  erat  praestans  et 
per  M.  i)  ieiuiiia  Mb.  k)  cor  M.  I)  iDundanaque  C,  et  innndana  M«.  m)  relinqaena 
C.  n)  quamcibopascebatur  C,  pascebatur  quam  cibu  M".  o)  elcniosinam  CM",  p)  et 
iugiter  suis  operibus  multie  divinam  largiebatur  opem  M».  q)  et  W.  r)  operibos  C. 
a)  in  talibue  C.  t)  ul  add.  CM»,  u)  finem  C,  in  fliie  M".  v)  probaret  C.  w)  iiec  (c 
de/.}  C,  nam  üIp  M»,  nam  illa  M''.  x)  om.  WC,  d(icitu)r  M",  dum  MK  y)  lurbatetur 
M.  z)  om.  W.  a)  fluctibus  CM;  non  add.  MK  h)  naulragari  M.  c)  nam  M;  sed  non 
Te(«batnr  pro  tempestato  eubmergi  C.    d)  et  poseet  add.  M. 


1)  er.  Jordan.  Bom.  385  (auct.  ant.  V  1,  p.  Bl):  diu  intercedente. 

2)  Zu  sanciorum  vitae  exordia  vgl.  Gregor.  Tut.  IIb.  vila«  patrum  praef.  (p.  Ö62), 

3)  Vgl.  Du  Cangß,  glossarium  raediao  et  inflmae  Latinitatis  VI,  p.  198—199. 
conctl.  r,  p.  101;  133.  Liber  diumus  n.  83;  84  (ed.  Slckel  p.  92;  102).  epist.  Ill,  p.  232. 
Passio  B.  Desiderii  2  (scr.  Merov.  111,  p.  638).  Acta  s.  Jnliani  praef,;  1,  4;  7,29  (Acta  SS. 
Jan.  I,  p.  575;  676;  581).     Vita  a.  SulpitÜ  PÜ  Bitur.  6,  27  (Acta  SS.  Jan.  11,  p.  171). 

4)  Bonnot  a.  a.  O.  S.  r>87:  „Les  propositious  compl^tives  qu'on  a  uoutume  d'in- 
troduire  pat  la  conjonction  ut,  se  pr6sentent  quelquefols  chez  Grfigoire  sous  une  forme 
qui  ne  lui  est  pas  exciusivement  propro,  mais  qui  est  rare  et  qui  peut  därouter  le 
lectaiir;  le  verbo  en  est  mis  nu  subjonctif,  saus  ßtre  prect'.dä  de  u^." 

5)  Nee  pertimoscebat  naufrngia,  dum  validä  procella  mundi  in  üuctus  pelagi 
mergeretnr,  nee  pertimescabat  tempeetate  submergi,  dum  gerebat  navale  proeliam, 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Chlodowech.  79 

solida®  petra,  ad  portum  salutis  placidi^^)  veniebat.  erat  enim  lorica  praecinc- ^^JJ^- *^^ 
tus  iustitiae  et  galea  salutis  comatus^^;    de^*  siderio^)  tegebatur  auxilio*  et,  ia- 
cula^  crucis  emissa^),  perforans  pectora  adversariorum  prostravit  catervas^ 

3:  Tali  armatus  fide  adletha*  Christi  paluiam^^)  vietoriae  triumphavit®. 
angelico^  vultu  divinitus  radiabat  oculis®  prae^  splendore,  fons  sapientiae  flue- 
bat  e  pectore*^.  sed  quantum  inter  humana  consortia  exigua^  consistebat  fra- 
gilitaS;  tantum  vigor  fortitudinis  in  eodem  caelestis*  gratiac  coruscabat.  sed^ 
tremendam^  attestationem  non  taeeani;  sed™  huiuscemodi  referam;  ad**  plebeni 
narrentur  mysteria.  videlicet  quadani  vcro  die,  cum  itineris°  sui  proficisceretur 
callemP,  obviavit^  homini  a  nativitate  caeco  surdo  et  muto;  nisi*"  tantum  ha- 
lante^  spiritu^),  inpresso*  pedis  vestigio  ruina  corporis  vehebatur  eratque  ruina 
ipsius",  ut  submersus^  pondere  in  foveani^  mergeretur.  cuius  vir  dei  adprae- 
hendcns  manum  dexteram,  elevatis  sursum  oculis  in  caelum,  canebat  enim^, 
sicut  in  psalmo  LXVIIIiy  legitur:  DeuSj  in  adiutorium  meura  intende^;  do- Psalm.  69, 
miney  ad  adiuvandum  me  festina;  et  complexns  colla^  osculatns  est  eum. 
ilico  autem  lingua^  soluta  est  ad  loquendum,  oculi  ad  videndum  auresque 
eins®  ad  audiendum.  o  ineffabilem^  mercationem!  ^)  praestolatur '')  adiutorium 
et  tribuitur  a  domino  medicina,  porrigitur  osculum  et  caelesti  medela  purgan- 
tur®  simul  corporis  et  animae  cicatrices.  sed  hoc  fuit  praesagiura  quod  postea 
rei  conprobavit  eventus. 

4.    Tum*  ergo  gentilium**  populus,    quem  Franciae  matris  mundo  partu- 

e)  valida  W^\  erat  add.  M».  f)  placide  CM.  g)  in  coma  tutus  Ma.  h)  desiderio  WM», 
sidereo  C;  enim  add,  M».  i)  divino  et  auxilio  M».  k)  iaculo  —  emisso  CM».  1)  ipso- 
rnm  cidd.  M^. 

Cap.  3.  a)  athleta  CM^.  b)  cum  palma  CM^.  c)  triumphabat  M&.  d)  angeli- 
cum  vultum  C,  ex  angelico  eius  vultu  M.  e)  lux  et  ex  oculis  eius  splendor  fonsque 
M.  f)  splendorem  W.  g)  eius  add.  M».  h)  eius  add.  M*.  i)  celesti  gratia  C.  k)  sub 
CM».  1)  igitur  add.  M».  m)  sub  tremendam  —  videlicet  manu  %U  videtur  prima  del. 
C;  huius  eam  referam  ad  plebom  videlicet  ut  eius  narrentur  mysteria  M».  n)  plebi  C. 
o)  in  itinere  suo  C.  p)  om.  C.  q)  obvium  habuit  hominem  —  cecum  surdum  et  mu- 
tum  C,  obviavit  ei  homo  —  cecus  surdus,  et  mutus  M».  r)  nisi  —  spiritu  om.  C;  et 
nichil  in  t(antu)m  alantem  spiritum  habens  M».  s)  halantae  W.  t)  qui  in  presse  C. 
u)  tanta  add.  M.  v)  si  submersus  esset  M.  w)  totus  add.  M.  x)  om.  CM»,  y)  LXVIII 
W,  LX  nono  C,  sexagesimo  VII  M».  z)  intentende  W.  a)  colium  eius  C,  eius  Collum 
M».    b)  eius  add.  M».    c)  om.  C.    d)  ineffabilis  mercatio  M*.    e)  purgantur  (n  del.)  C. 

Cap.  4.    a)  cum  WCM^.     b)  gentilium  —  gleba  om,  C. 


1)  placide.  2)  sidereo. 

3)  Über  den  absoluten  Akkusativ  vgl.  Bonnet  S.  561  f. 

4)  palmä,  cum  palma. 

6)  Einschränkung  zu  ruina  corporis, 

6)  Cf.  vita  8.  Remedii  4,  13  =  Venant.  Fortun.  vit.  s.  Albini  13,  37  (auct.  ant. 
IV  2,  p.  65;  31):  0  ineffabilis  gratia  pietatis,  a  qua  dum  substantia  sola  petitur,  tri- 
plex  remediuni  obtinetur:  victu  pavit  egenum,  muneravit  visu  caecatum,  reddidit  li- 
bertati  captivum. 

7)  In  passivem  Sinne;  vgl.  Bonnet  S.  407. 


80  Wilhelm  Levison: 

rit*  gleba^  —  CblodoYeiis^  tunc  tempore' ')  rex  in  eodem  solo  tenebat'  im- 
perio**  principatnin  —  nihiP  aliud  quam  idolornm  exercebat  eoltnras  et,  ot  mos 
eraty  deos  anreos  et  argenteo«.  ligneos  atqoe  lapideos  adorabant^^  et  com- 
I1.1S4.  i».pietar'  sermo'"  in  illis^  quem  David  in  psalmis  canit  dicens:  Simile^  Slis  fiantj 
qui  faciuni  ea^  et  omnes,  qui  confidunt  in  eis.  et  iternm  sancta  scriptnra 
h.  83,11.  dieit:  Nolo  mortem  peccatoris^,  sed  ut  convertatur^  et  riro/.P*)  domini  vero** 
.  iob.i«9.gratia,  qni'^  inlnminat  omnem  hominem  venientem  ad  se,  defoncto'  Carnoten- 
»io**)  nrbiß  epiBcopo,  sneeendit*)  in"  »piracolmu  ^)  scintillae^  vivae  corda^ 
regiSy  nt  non  alins^  nisi  Sollemnis  sacraretnr  episcopns.  interrogayerat  enim 
faniam  eins,  et^  vnlgata  fnerat  in  universo^  nrbe  ^).  andiens  itaqne  venerabilis 
Sollemnis  edietnm  principis  cernen^que  pontifices,  qoi  enm  ad  eonsecrandnm^ 
Tenerant,  fugit  latenter,  tridno  qnoque** ')  in  speleo*  latitavit.  qnaerebatnr 
enim**  et  non  inveniebatnr.  ille  latebat  in  antro®,  iste'®)  replebantnr^  mestitia; 
ille  sollemnes**  fundebat  ad  dominum  praeces,  iste'  ^)  consolatione^  tristis*  qnae- 
rebant"  pro"  abdito.  verebantur**  iussa  principis,  ne^  mortis  punirentur**  sen- 
tentiam"^»^). 

c)  parturivit  M.  d)  dum  et  add,  M.  e)  Clodovicus  W,  Ludewicus  M»,  Ludovicus  M*>. 
f)  temporcis  (e  del,)  Francorum  rex  C,  tempore  rex  cxistens  M.  g")  teneret  CM.  h)  im- 
perii  C.  i)  gentilium  populus  nichil  C.  k)  adorabat  M^.  1)  conplebatur  M».  m)  in 
iliis  sermo  CM»  n)  peccatorum  C.  o)  couvcrtantur  C.  p)  \ivant  C.  q)  hoc  provenit 
gratia  vero  M»,  vero  hoc  provenit  gratia  Mb.  r)  quae  CM*»,  s)  igitur  acLd.  M.  t)  Car- 
notcmsium  C,  Camotensiorum  M.  u)  dei  M.  v)  et  scintillave  WM»,  scintille  vive  C, 
scintillave  Mb.  w)  cor  M.  x)  ibi  add.  M».  y)  ipsa  add.  M».  z)  universa  WCM». 
a)  ^o  requirandum  C.  b)  triduoque  CM«,  c)  speluncaWM«;  quadam  arfd.  M».  d)  antem 
M».  e)  atrio  W.  f)  isti  Pb,  ilH  Pa.  g)  replebatur  AB,  replebantur  P.  h)  solemnes 
W.  i)  isti  P.  k)  coiisolationem  CMa.  1)  tristes  P.  m)  quaerebat  AB,  querebaiit  P. 
n)  Kapide  tum  C,  abdite  M'^  o)  gerebantur  AB.  p)  quis  add,  M\  q)  puniretur  WM». 
r)  sententia  CM«. 

1)  Vgl.  Bonnet  S.  341. 

2)  Vgl.  ähnliche  Ausführungen  bei  Gregor  hist.  II  10  (p.  77—79).  Ezechiel  33, 
11  ist  oben  nicht  nach  der  Vulgata  (nolo  mortem  impii,  sed  ut  convertatur  inipius  a 
via  Hiia  et  vivat)  wiedergegeben,  sondern  nach  einer  älteren  Übersetzung;  vgl.  ähn- 
liche Fassungen  der  Worte  bei  Sabatier,  bibliorum  sacrorum  Latinae  versiones  anti- 
(juae  II,   17.^)1,  p.  817.     Der  gleiche  Wortlaut  findet  sich  Gregor,  vit.  patr.  10,2  (p.  707). 

3)  Carnotensium. 

4)  et'.  Vit.  8.  Leobini  ep.  Carnot.  14,  44  (auct.  ant.  IV  2,  p.  77):  rex  caoli  domi- 
nus, in  cuius  manu  cor  regum  est,  Childebcrti  regis  cor  ita  sua  inspiratione  inflexit. 
ut  de  bcato  Leohino  monacho  pontificem  in  successorem  eligendo  regale  daret  de- 
crrtum. 

f))  Ul)er  den  Gebrauch  von  sjnraculum  im  Sinne  von  TTvori  vgl.  Ron  seh,    Itala 
und  Vulgata-,  1875,  S.  38;  Goelzer,  Latinite  de  saint  Jerome,  1884,  S.  91 
(»)  orbe. 

7)  Vgl.  Bonnet  S.  314:  qxie.  a  trouve  un  concurrent  en  quoque. 

8)  isti. 

9)  isti  consolationem  tristes  quaerebant. 
10)  sententia. 


Zur^ Geschichte  des  FrankenkÖnigs  Clilodowecli.  81 

5.  Cousiderantes  igitar  oves^  qaas  sancta  mater  Ecclesia  parturit,  ne  ra- 
pacis  lupi  faucibus  et*^  rapido  morsu  lauiarentur^  Aventiimm  arcbidiaconum 
iaudibus^  acelamantes,  ut^  pastorcm^  siiuul  et  sacerdotcm  instituerunt®.  cum^ 
episeopalc*^  *)  fuisset  iunctus**  consortium*,  dilcetio^*)  scparavit  sacerdotum^ 
öoiivivio"".  audivit  itaque  beatus  ISoUcmDis  in  caverna,  ubi  latebat,  quasi  au- 
ram"  *;  leuem  per"  siieiitia  uoctis  curreutem,  fremitui'  voeif eraiitem ^  choortis'^^): 
Aventinus  episcopus  holocaustara^  obtalit^  deo;  et  cum"  haee  audisset^  ita  fudit 
ad  doiiiinum  preces:  Üouiiiie,  da  lueeruam  verbi  lueere  pedibus  meis  ad  senii-  ^^  ^^^^^^ 
tarn  iuciö,  ut  beuedicat  auima  mea  noniiui  saueto  tuo.  cgrcssusque  ibat  oceur-  li»'  i<^- 
rere^  sacerdoti.  exspectabatur^^  euim*  desideratus^  sicut  aria^ '•)  sitieus  pluviae  ^ 

guttas.  et'^  rogautcs  cum  biuc  plebis  sonat  in  voeibus,  ex*  binc*'  ruiiior  populi  cccic»ia«H<-. 
t'remit  in  strcpitu,  deindc  cuucti^  concrepant'^  laudibus:  Ecee  Öollemnis,  diguus 
est*'),  episeopus  ordinciur!  ad  quorum  laudes  cxieruut*'  episcopi  et*  suiunio 
replcti  gaudio  dixeruiit:  Diguus  est,  episcopus  consecretur.  nondum  adbuc  lue- 
raut  egressi  de  templo.  et  adprebeuso  ^' ^)  duxerunt  ad  aras  tempii  et  indue- 
ruut'*  Stola  caudida  et  corouam  pretiosaui  posueruut^  capiti,  tradentes  et^  ba- 
culuiu  pastoralem,  ut  dispersas  oves  cougregaret  ad  lidem  sanctitatis. 

13.  Dicit-'  sanctus  Öoliemuis:  Quid  ergo  facieums  de  Aventino  episcopo? 
respouderunt  omues:  6i  post  tuum  superstes  luerit  obitum,  diguitatis  obtineat 
ioeum;  sin  autem,  tuo  sit  obtempcrans  prineipatui.  et  tum  ^  eomplebitur^  sermo, 
quem  dominus  intonat  diceus:    Veni^),  serce  bone  et  fidelis,  intra  in  gaudium 

25,  21  (23) 

»  1  ^Cap.  5.  a)  om,  CM».  b)  dignis  add.  M.  c)  om,  CMa.  d)  eum  sibi  add.  M*. 
e)  instituerent  WM»,  t)  hie  cum  C.  g)  episcopali  C;  igitur  add.  M.  h)  nactus  WM, 
vinctus  C.  i)  consortio  C.  k)  Sollempnis  add.  M.  1)  sacerdotcm  W>.  m)  a  convivio 
WM.  n)  om.  W,  aurcm  C,  auram  M^^P.  o)  pro  sileutio  VVMa  p)  fremituque  M^. 
q)  vocil'erante  in  W.  r)  cho  o*-tis  (s  e  co/t.)  W,  om.  CM»,  s)  holocausta  W.  t)  optuiit 
W.  u)  cum  —  audisset  orn.  C.  v)  occm-re  W,  ut  occurreret  C.  w)  expectans  pluvic 
guttas  C.  x)  autem  M«.  y)  arida  WM»^.  z)  et  —  cum  om.  C;  et  oaincs  rogantes  erant 
deum  •  Hinc  plebes  souaut  M'^.  a)  et  C.  b)  om-  C.  c)  tunc  W,  om.  C.  d)  concrepac 
C  d)  excitaii  episcopi  lidc  summi  repleti  C.  t)  om.  WC.  g)  adprehensum  CM**^. 
h)  eum  add.  M*^.    i)  iinposuerunt  eins  M^.    k)  ei  M^. 

Cap.  G.    a)  itaque  add.  M.     b)  cum  W,  om.  CM.     c)  completm*  CM;  iu  eo  add.  M. 

1)  cum  episcopali  consortio  iuuctus  fuisset. 

2)  dilectio  (Soiiemnis)  separavit  (Aveutinum)  convivio  sacerdotum. 
'S)  auram  .  .  .  vocit'erantem  t'remitu  cohortis. 

4)  Über  die  Schreibung  von  coAor«  .vgl.  Vol.  Long,  de  orthogr.  (Keil,  Grammat. 
Lat.  VI1|  p.  74):  talis  quaestio  est  et  circa  cohortes  et  coortesj  ubi  diversam  volueruut 
signiticatiouem  esse  grammatici,  ut  coortes  sint  villarum,  unde  homines  cooriantur  pa- 
riter.  .  .  .  at  cohortes  miiitum  a  mutua  cohortatione.  nam  cliortes  audimus  quidem 
vulgo,  sed  bar  bare  dici. 

5)  area. 

6)  Über  die  Acciamation  Dignus  est  im  Gallikanischen  Ritus  vgl.  Duchesne, 
origines  du  culte  chretien,  1H89,  S.  359. 

7)  adprehensum. 

b)  Der  Anfang  des  hier  woiil  aus  dem  Gedilchtnisse  wiedcrgogebenen  Vorsos 
lautet  sonst,  dem  Griechischen  Urtexte  entsprechend,  euye. 

JtUirb.  d.  Ver.  v.  Altcrthsrr.  im  Rhciul.  idU.  6 


^  Wilhi*>lm  LeTisoa: 


i**  tmi;  quia  9Mper  pamca  fmbfti^  fiddU,  *mper  mmlta  omsiitMam^  te. 
!i^  prifftea  9S(u  pietate  eommoCiGi^,  ne  «anda  Buevlarctnr  reüpo,  dedh^  ho- 
fiMi^  rei^  ^  r^pidom '  eo^nominante '^  Dumm,  in  qno^  Titae  nae  reli^onis^ 
i^^^fnniA  exeri^ret  cnltiiru. 

P^t  ter  denri«»  «ciKcet"  die?  ChlodoTeos*  rex  contra  Gothornm  aeiem 
armatnm   tende^faf^   exercitüm:   comqne  CanHXinani^   fniäset  nrbeni  in^icnpi, 

p'^ktm.  u.  t  ot  riti»  prii^cornin  erat,  «ab  te^?miiie  "^  eeele$iae  taliter  pe^ebatnr:  Apprehemle 
arm/t  et  Mmfum  et  ejtJturge  in  adiatoriHm  mihi,  dieant  enhn''  ptocercs  re^s*: 
Ma^a  nobiA  or/rana  relijsi<>!saqae*  eanent"^  aQ>picia:  et  ÜMfurrlHit  rex,  qnd- 
riam  iKic""  esm^,  dieant  ei:  CHrcorre  SoUemni  epk^enpo,  ipw  namqae  tibi  narra- 
Mt  niiAteria«  tanc  occarsam^  dedit  rex  sanas^  el^  «n  satdKtcs  ^>rio$o  Soi- 
lemni,  oni  S^fllemnis  ait:  Qao  pergis^?  rex  att:  Contra  Gotborom  re^ni  ad 
praelinm.  regpondeih^  beatas  .Sollemnis  et**'»  ait*:  Inelite**  rex,  si  velis,  e^ 
te  indao  arma^,  in  qna  adversarioram  prri^temas^  catervas.  et  niiratns  est  rex, 
objier'rabat'*  enirn,  nt  haec*^  illi  arma  praeeingeret.  qai^  dixit  ei^:  Nisi  signatns 
far-ri?**^  Mignacnlo  cracis,  ot  de  tropheo  Christi  triamphes,  non  aeeipies  iialiiiam. 

f:r  ffj'.\t'*\:^  7-    Confeiitini*  cam  fletn  flectensi  cerviceni  eordis  petiit,    at  ei  qacwl  pro- 

i\i  dpi  ofUL  W.  e)  fidelis  faiftti  C.  fi  constiamte  W,  constimante  M>,  te  coiistitiiaiii  M**. 
^}  rnotuft  C.  h)  adiit  opidam  co^oniinatam  Dunnm  M.  i)  hnios  cerei  C.  k)  qua  WC. 
I;  nrlioiiiH  W,  ar  ndi^i^ionis  C.  m)  vero  M*.  n>  Hindowicos  W,  Lndewicas  M*.  o)  niisit 
M*.  p>  Caniotinnm  W,  Camotum  M*.  q)  teg-men  C.  r)  antem  M».  s)  ro«^i  C.  t)  re- 
\\ii;v)%j\  C  U)  cannnt  C,  i«ti  cannnt  M*.  v)  hec  C.  w)  in  occursuin  dedit  se  rex  M. 
X)  om.  C  y)  f;t  (del.)  cum  »uis  satellitibus  C.  z)  om.  CM*,  a)  dixit  CM»,  b)  inclit^ 
p.x\  M*.  c)  armiM  quibu«  M*.  d)  ohsecrans  eum  C.  rogabatque  enni  M*.  e)  bec  illum 
arma  C,  hi«  illuin  armin  M*  f;  cui  W.M*.  ;:)  om.  M».  h)  fuerit  W. 
Cap.  7.     a;  autom  add.  M». 

1)  llniuHfe  rei  ist  wohl  nach  Analogie  von  huhisce  modi  gebildet,  im  Sinne 
von  hr/r  re,  hac  de  cnnsa. 

2)  C'hateaudun  heisst  .sonst  casfrum  oder  casfeUumj  nicht  npidum^  unter  dem 
On*^-or  von  Tour«  „une  ville  forte  d'une  iniportance  ordinairement  superieure  A  celle 
du  raMfrttm**  versteht  fF^ongnon  S.  14).  Doch  kann  man  hier  an  eine  weitere  Bedeu- 
tun;c  denken:  „le  mot  oppidum  etait  pris  ;i  l'epoque  merovingienne  dans  le  sens  de 
paf/uM  ou  de  t(*rritoire"  tl-.ongnon);  die  jüngere  Vita  <!:iebt  also  mit  Dunum  castruift 
ff  Hiihnrhaiui  fjus  den  Sinn  vii'lleicht  richtig  wieder. 

:»;  (:ber  den  Clebrauch  des  aktivischen  Präsenspartizips  in  passivischer  Geltung 
v;^^l.  IjMiMMT,  Jahrbücher  für  classische  IMiiloloj^^jo  CXVll,  187H,  S.  55—56;  Neue,  For- 
nHiilehre  der  Latrinischen  Sprache  III^  S.  12  f.  Coj^nominante  findet  sich  in  glei- 
cher Verwrtidun;^  di|)lom.  I,  p.  IG  (6.*J2/;^):  rilfa  coynoinennnte  Ificinascoam,  p.  91  (um 
<;.'>();:  /ttrt/  r(n/nfmihianfe  (ifinniniaco;  ebenso  luincupante.  vit.  Theudarii  10  (scr.  Merov. 
III,  p.  Wl't*>),  vit.  (lau^e.riri  \)  (scr.  Merov.  III,  p.  655)  und  sehr  hilufig  in  diplom.  I,  zu- 
«•rnt    p,    ID:   ///   htcn  jionrtf/fdfifc.   ('ofirrtco. 

A}         cannnt;  v;;!.  Bonn  et  S.  4'JO. 

5)  \';^l.  lUninet  S.  650:  „Lc  participe  present  devient  ainsi  pre.sque  un  äquiva- 
lent de  rindicatif;  il  hu  Hit  a  loriner  des  |)ropositions  principales,  non  pas  tout  k  fait 
in<lepcndantes,  a  la  verite,  inais  jointes  par  que  ou  et  j\  d'autres  principales."  Vgl. 
c.  .'I:  lulpnn'hcvdf'nH  .  ,  .  ranehaf  enim. 


Zur  Gesehichto  do8  FrankenkÖnigs  Cblodowech.  83 

miserat  adimplcrct.  extimplo^  autcm^  sanctus  Sollemnis  fronti**  eins  vixilluin 
crucis  signaculum  et  pectori®  fecit.  vovitque^rcx  dicens:  in  his*^  armis  abiero** 
et*  populi  ßi  percepero  bravium,  memet^  usque  baptismi  gratiam  trade,  tali- 
bus  luinbos^  ^)  armis  siiccinctiis'",  pergit"  ad  praelium.  ciimque^  acics  centra 
aciem  utrimqucP  tela**  emissa  iactarent,  momento''  Gothorum  agmina^  prostran- 
tur,  pectora^  perf odiuntur "  et  dorsa  gladio^  cum^'  terga  dederunt.  micabaf^ 
eniui  crux  in  pectore,  et  coniscabat  inucro  victoria.  fallax  Gothonim  gens  ferro 
praeciditnr,  et  firmiter  Francoruni^  exercitus^'  Christum '^  dominum  eonlauda- 
bant*"^.  sed  cum  victoria  accepta^  ipsi  Gothi,  qui  rcmanserant*^,  fuga  lapsi  *) 
fuerunt**,  et^  Francorum  exercitus  ad  regem  dixerunt^,  ut  ipsos  persequi«?  de- 
bcrcnt  -^j  et  rcguum  eorum  pereiperent^'.  quae*  rex  gaudens^,  eonlaudans*  eo- 
runi'"  consilium  et  fortitudinem,  dixit"  eis,  ut  crastina  die°  ingrederentur  re- 
giones(|ue  vastarent. 

8.  Sed  cum  i|)sa  nocte  se*^  sopori  dedisset,  appjiruit  ei  in  sonmis  vir 
beatissimus'*  Sollemnis  episcopus  et  dixit  ei:  Quid  agis  rex?  ne  ingrediaris*^ 
in  lianc  regifmem,  quia  dominus  non  permisit  tibi  amplius  ut  ingrediaris.  sed 
dum  Franci  in  ipso  fcrvore*^  ad  praeliandum  ire  volebant*',  rex  dixit  eis:  Ne 
ingrediamini',  (piia  sacerdos  ille  Sollemnis,  qui  fecit  nobis  vixillum^  crucis  in 
fronte  veP'  in  pectore,  per  cpiam*  accepinuis  palmam**,  in  viso*  apparuit  mihi  et 
ait:    Ne   ingrediaris'",    rex,    ([uo  cupis,  quia  dominus  non  permisit  tibi  amplius 


b)  tunc  C.  c)  om.  C.  d)  fronti  ci  vixilluin  manu  prima^  eins  vcxillum  manu  altera 
W;  Irontein  eins  et  pcctus  vexillo  crucis  signavlt  C;  fronti  eins  vcxilli  M^.  e)  poctorao 
WM«,  f)  vovit  itaquc  M.  g)  hec  arma  C.  h)  si  abicro  et  populi  percepero  bravium 
(ßpa߀lov)  mc7»ct  (m  e  corr.)  usque  ad  C;  abiboM.  i)  et  populi  si  percepero  victoriani 
W;  et  si  percepero  victoriam  M.  k)  nie  meunique  (populum  add.^A)  baptismi  gratiae 
WM.  I)  lumbi  W,  om.  CM.  m)  accinctus  M^.  n)  perrexitM^;  rex  atfd.  M.  o)  cum  M*». 
p)  utrique  WM»,  om,  Wk  q)  tela  laccrarent  (er  superscr.  manu  prim^a  ut  videtur) 
emissa  iactarent  W,  tela  iacerent  C,  tela  emissa  iactarent  M.  r)  memento  W,  in  mo- 
mento  C.  s)  agmina  —  fallax  Gothorum  om,  M.  t)  per  acquora  W,  per  latcra  C. 
u)  perfunduntur  W,  perfoduntur  domino  opitulant43  C.  v)  cum  terga  om.  C.  w)  pu- 
gnabat  C.  x)  eorum  W,  istius  C.  y)  vincens  add.  M».  z)  patrem  add,  M».  a)  coiir-. 
laudabat  CMa.  b)  esset  accepta  et  ipsi  M.  c)  remanserunt  WM*>.  d)  fuissent  CM. 
e)  om,,  M.  f)  diceret  C,  dixit  M.  g)  persequerentur  M«^.  Ii)  acciperent  CM»,  i)  qui 
W,  om.  C,  rex  vero  M'\  k)  et  add.  M».  I)  conlaudavit  C.  m)  tale  Ma.  n)  dixitquc 
C.     o)  terram  eorum  add.  M». 

Cap.  8.  a)  rex  add.  M».  b)  beatissimis  episcopus  (-us  Sollempn-  om.)  M*.  c)  iii- 
gredieris  C.  d)  suo  add.  M^.  e)  vellent  CM»,  f)  ingrediemini  W,  ingrcdimini  M«^. 
g)  vixiilum  W  manu  prima  corr,  in  vcxillum.  h)  et  M».  i)  quem  M^.  k)  victorie 
palmam  Ma.    1)  visu  CM»,    m)  ingredieris  VV. 


1)  Cf.  prov.  30,31;  gallus  succinctus  lumbos;  Epbes.  G,  14:  succincti  lumbos  ve- 
stros;  1.  Petr.  1,  13:  succincti  lumbos  mentis  vestrae. 

2)  Vgl.  Bonnet  S.  254:    Lo  verbe  simple  fugere  est  rcmplac6  souvcnt  par  uno 
locution  assez  bizare,  per  fugam  labi  ,  .  .  fuga  läbi, 

3)  Vgl.  Bonnet  S.  691:  Chez  Gr<^,goire  le  verbe  debere  .  .  .  dovient  un   vrai 
verbe  anxiliairc  de  mode,  n'ayant  plus  qu'un  faible  restc  de  sa  signification  propre. 


84  Wilhelm  Levison: 

ad"  ingrediendnm  vel®  devastandum,  sed  utP  remeares  cuni*i  cxercitu  ad  pro- 
pria.  ingressusque*"  Aquitaniam  totamque*  igni  fen-o  pracdaiido*  vastavit,  nee 
poteraf*  quisquam  erueeiu^*  devincere,  in  qua  cunctum  ^'  tortuosi  serpentis  virus 
depellitnr  et  tartaria*  iura^  siraul  et*  invidiae  refrcnantur.  tale*  tropheum  cm- 
ceni^  ^)  rex  obtinuit  triumphum^  progressus*^  ab  Aquitania,  misit  legatos  suos® 
ad  beatum  äollemneni;  ut  eum  baptismi  unda  perfunderet,  in  qua  vitae'*  cri- 
mina  expiantur.  qui,  adiuncto  sibi  saneto  Remedio^  ^)  Remensium  urbis  epi- 
scopo,  divina  favente**  virtute*,  cum  summa  alacritate  baptizatus^  ^)  abstcrsit^ 
atram  cordis  caliginem  et"^  cum  eodem  CCCLXIIII"  nobiles  satrapes^^),  quos 
regeneratos  fönte '^  baptismatis**  sancta  mater  Ecelesia*"  in  spiritu  saneto***  adop- 
tionis  parturit  iilioS;  ut  aureus  anni  cireulus  dierum  compleretur  in  numero. 

9.  Magnam  ergo  vobis  referam  questioncm^  homo^*  ille  a  nativitate  cac- 
cus  surdus  et  mutus  forma  gentilium  erat,  quorum  nativitas  necdum  inluminat^ 
fuerat  baptismi  gratia  nee  auribus^  audierat  autea  praedicantem  prophetam^ 
nee  verbo®  loquebatur*'  de  deo,  quia^  nondum  erat  fides**  ad  ercdendum  in- 
structa.  originali  ergo  peccato  pracponderata  in  interitu*  mcrgebatur. 

Sauctus  vero  SoUemnis^  eum  sex^  lustra  et  quattuor^  aristaruni  vitae  vol- 

n)  ingrcdi  ad  devastandum  C.  o)  ad  add.  M^.  p)  remeabis  C,  remea  M''^.  q)  tun 
add.  M«^.  r)  ingrcssus  itaque  M*^.  s)  tute  siguifer  prelio  domum  pervenit,  nee  potorat 
C;  illam  totam  Ma.  t)  praelio  domuit  et  vastavit  M*.  u)  quisquam  poterat  M«.  v)  do- 
inini  add,  M^.  w)  cunctus  W  in  margine.  x)  tartara  C,  tartarea  Ma.  y)  om,  C. 
z)  et  invidiae  ovi.  C.  a)  talem  CM»;  igitur  add.  Ma.  b)  per  cruccm  CM«,  c)  del.  C, 
om.  Ma.  d)  regressnsque  C,  regressus  vero  M».  e)  om.  CMa.  f)  vite  eins  criniina 
expiarentar  C,  vita  eius  a  crimine  expiaretur  M».    g)  Remigio  CM.     h)  faventc  Hra- 

banus  B,  Hervente  W,  fYequente.  (fre  del.)  C,  scrvcntem  M»,  fervonte  Mb.  i)  regem 
add.  M.  k)  baptizaverunt  CM.  1)  abstersit  —  et  07n.  C;  abstersit  autein  dominus  et 
terram  cordis  eius  ealiginem  M'^  m)  cum  eodem  itaque  re<^e  M'i.  n)  CCCLXIII  \V. 
o)  satrapas  CM»;  purgavenmt  add.  M».  p)  fons  WM\  q)  baptismatis  sancta  om. 
WM'i.     r)  om.  WMk     s)  in  add.  M-K 

Cap.  9.  a)  de  homine  iam  illuminato  add.  M^^  b)  enim  add.  M'^  c)  audierat 
aiiribus  ante  M^.  d)  prophetum  W.  e)  verbuin  C.  1)  loquenteni  M.  |»)  quoriim  M. 
h)  fides  (s  del.)  C.  i)  interitum  CM.  k)  sex  om.,  lustris  ijuattuor  vite  eius  C.  1)  more 
add.  M. 


1)  eruce,  per  crucem. 

2)  Über  die  Form  Uemedius  gegenüber  Reniigius  vgl.  Bonnet  S.  173,  735 1 
Krusch,  scr.  Merov.  III,  p.  2G2  n.  1:  In  epistulis  nomen  suum  liemegius  scripsit  .  .  . 
At  iam  Gre«j;orius  nomen  ad  vocabuhim  remedimn  rettulisse  videtur. 

3)  Vielleicht  ist  hier  absoluter  Nominativ  beabsichtigt;  vgl.  Bonnet  S.  5G5  — 5()8 
und  z.  B.  Gregor,  bist.  II  21  (p.  81):  „signo  crucis  sanctae  munitus,  nihil  ei  inimicus 
nocere  potuit."     Doch  ist  der  ganze  Satzbau  verworren. 

4)  Wegen  der  Verwendung  von  satrapa  bei  Deutschen  Verhältnissen  vgl.  Beda, 
bist.  eccl.  V  10  (Sachsen);  Wright-Wülcker,  Anglo-Saxon  and  old  English  vocabularies 
r-,  1.SH4,  S.  521)  und  epist.  111,  p  424  (Angelsachsen);  epist.  111,  p.  51;")  (Langobarden); 
vita  s.  Kminerammi  33  (analecta  Bollandiana  V'lll,  188i),  p.  245)  und  Urkunde  bei 
Meichelbeck,  historia  Frisiugensis  12,  1724,  p.  31  (Baiern);  vita  Dagoberti  IIL,  c.  3  (scr. 
Merov.  11,  p.  513,  eine  sehr  späte  Quelle:  Franken). 


Zur  Geschichte  des  Frankenkönigs  Cblodowech.  85 

verentur™  curricula",  pontificale*^  promulgatußP  honore*J,  florebat  enini'  —  ec- 
clesia  claro*  liimiue  decorata  —  fulgorc;  tres*  quoque  olimpiadas"  gcrcns  cnra^' 
triiiinpho  de  hac  luce  migravit  ad  Christum^.  VIII  kal.  Octobrinni  reddidit* 
terrae  cori)U8  de  corpore^  snniptum.  illa  scilicet''  hora,  qua  gpiritiim  corpus* 
8U0  reddidit  crcatori,  tantnm^  domus  replcta  est  de  odore  suavitatis,  iit  mentis 
nostrae*^  eapacitas  iion^^  possit  euarrare;  videriintque®  columbam  candidam  de 
ore  eius  egredientem  et  inter  ehoros  angeloriim  psallentium  ^  e volare  ad  astra*^. 

Cum  igitur  eorpusculum  **  feretro  impositum  ad  tuniulum  duceretur,  erat  qui- 
dam  latro,  nomine  Tar8ius^  iam  triennio  carcere^  sitiis  et  vinculis  ferreis  colla* 
manns  plantas  ita  constrictus,  nt  oninis  natura"™  putrefaeta  fetebat",  sed  cum 
feretro**  membra  saneta  dedncercntnri*,  aspiciens  latro  exclaraavit*^  voce  magna 
dicens:  0  pie  Sollemnis,  qui  caecis  visum,  siirdis  anditnm  restituisti  et  mutis 
linguam,  eriie  me  de  bis^  vincnlis,  in  quibus*  omnis  membrorum  meornm  com- 
pages*  marcida  fetet.  10.  ilieo  autem  catenae,  disniptae*  e  gressibus^^)  per<^ 
media  cnlmina  tecti  in*^  plateam  rugientes*  *)  exilierunt,  et  universa  plebs  ter- 
rore  coucussa*",  latroque^  egressus  de  carcere,  extendens^  manum,  adprehen- 
dit  spondam,  in  qua  venerabilis  Sollemnis  iacebat,  et  confestim  putredo  eins 
sanitati  restituta  est.  cum  veneranda  videlicet'  celebritate  productus,  conditus^ 
est  in  tnmnlo,  ubi  multa  signa  et  virtutes^  nsqne  in  hodiernmn  diem  esse"* 
videntur. 

Cernite,  fratres,  quantam"  famniis  suis  benignitas  salvatoris  domini  nostri 
Jesu  Christi  contulit*^  gratiamP,  quantum  in  vita  et  post  obitum  divina  in^  eis 

m)  volveretur  W,  volveret  M.  n)  curlicula  W.  o)  ad  pontificaleni  C,  pontificalem  M. 
p)  promotus  M^»;  est  add.  C.  q)  honorem  sub  quo  C,  in  honore  M»^,  in  honorem  M*». 
r)  om.  C,  in  M.  s)  clari  luminis  dccoratus  M.  t)  trium  quoque  oHinpiadum  C;  per 
tres  M.  u)  oliinpididiadas  W.  v)  triumphum  CM.  w)  dominum  M;  et  add.  C.  x)  et 
redditus  est  terrae,  spiritu  de  corpore  Humpto  Ma.  y)  eadem  ore  (del)  C.  z)  vero  Ma. 
a)  07».  C.  b)  tanta  W.  c)  nonduin  W,  cuiusquam  M*.  d)  om.  W.  e)  viderunt  itaque 
Ma;  qui  aderant  add.  C.  f)  psallentem  et  W,  psallentes  C,  psallentem  M»,  psallcn- 
tium  B.  «r)  ct'luin  M».  h)  curpusculum  W.  i)  Tharsis  M^.  k)  in  carcere  C.  1)  per 
Collum  et  maniis  et  M*.  m)  eius  add.  M».  n)  feteret  CM»,  o)  in  feretro  CMa.  p)  de- 
ducentur  W.     q}  clainavit  C.    r)  hoc  vincnlo  C.     s)  quo  C.     t)  compago  M». 

Cap.  10.  a)  sunt  add.  CM».  b)  egressus  W,  egressique  C,  egressusque  M». 
c)  per  medium  culmen  C,  de  medio  culraine  M«.  d)  in  plateum  W,  in  platea  C,  pla- 
team M».  e)  rugiens  exilivit  M«.  f)  est  add.  C;  perculsa  concurrebat  Mk  g)  latro 
itaque  M».  h)  extendensque  Ma.  j)  autem  CM».  k)  est  conditus  M»;  est  om.  W. 
1)  ostenduntur  add.  W.  m)  om.  M*.  n)  quanta  in  W,  quantam  in  (del.)  C.  o)  con- 
ferat  Ma.  p)  gratia  •  In  quantum  vita  et  W;  gratiam  et  quantum  in  vita  et  C;  gra- 
tiam  •  In  quantum  in  vita  ipsonim  et  M».    q)  meis  W. 

1)  Vielleicht  lässt  sich  e  gresstis  halten  im  Hinblick  aufstellen  wie  Gregor,  bist. 
II  10  (p.  79):  ex  aliud,  V  43  (p.  235):  ex  adsumptum  hominem;  Jordan.  Get.  51,  267 
(auct.  ant.  V  1,  p.  127):  ex  vicina  loca\  60,  316  (p.  138):  ex  eortim  latissima  prata. 
Zu  gressus  vgl.  bist.  VI  9  (p.  254):  ut  .  .  .  debili  usum  gressuum,  caeco  restituerit  Vi- 
sum; virtut.  8.  Mart.  I  18  (p.  598):  absolutis  ^Tessibus  .  .  .  incolomcs  exilivit. 

2)  Rugirc  in  ähnlicher  Bedeutung  Fredegar  IV  5  (scr.  Merov.  II,  p.  125):  Eo 
anno  signum  apparuit  in  caelum,  fglobus  igneos  decedens  in  terram  cum  scintellis  et 
rugetoJx\\^\\M). 


86  Wilhelm  Levison:    Zur  Geschichte  des  Fraukenkönigs  Chlodowech. 

refulgeaf  virtus.  recolite^,  fratres,  quod  auditis;  sie*  anniversariura  celebrate 
buDC  diem  et  sie  huic  diel  debitum  exspeetate  sermonem,  ut,  eius  gratiae" 
participes^  in  paradiso^  unde  vetus  Adam  calliditate  serpeutis  eieetus  est, 
novus  Adam  introducat^  vos  in  regnura  caelorum,  cni  est  honor  et  gloria, 
laus^  potestas  in  saeeula  sempiterna^y  amen. 

r)  operetur  C.  s)  recondite  M».  t)  sicque  M».  u)  gratiam  CM»,  v)  participetis  pa- 
radiso  •  Ut  unde  C;  participemini  et  paradiso  M».  w)  iiitrodui*at  nos  et  in  regnuin 
celorum  collocet  M».    x)  laus  potestas  om,  CM*,    y)  seculoruin  CM». 


Nachträglich  erhalte  ich  durch  Herrn  Stadtbibliothekar  Dr,  Max  Keuffer 
in  Trier  die  Nachricht,  dass  die  Handschrift  M^  sich  in  der  Bibliothek  des 
dortigen  Priester-Seminars  befindet.  Nähere  Mitteilungen  verdanke  ich  Herrn 
Dr.  Jakob  Marx,  Professor  am  Seminar,  sowie  meinem  Commilitonen  Herrn 
cand.  phii.  Rudolf  Weynand.  Die  Vita  findet  sich  im  Cod.  n.  35  (saec.  XIII, 
fol.  124'" — 126^),  der  einst  einen  Teil  des  grossen  Legendariums  von  St.  Maxi- 
min bildete  (vgl.  Sauer land;  Trierer  Geschichtsquellen  des  XI.  Jahrhunderts, 
1889,  S.  57;  Krusch,  N.  A.  XVIH,  1893,  S.  618— 628).  Eine  Untersuchung 
der  Handschrift  hat  durchaus  die  Annahme  bestätigt,  dass  der  von  ihr  gebo- 
tene Wortlaut  der  Vita  Sollemnis  mit  M"^  aufs  engste  verwandt  ist;  die  Ab- 
weichungen sind  unbedeutend  und  kommen  für  die  Textkritik  kaum  in  Be- 
tracht. 


4.  Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  Verhältnis  zur  augusteischen  Kunst. 

Vortrag,  gehalten  in  der  Sitzung  des  Bonner  Altertumsvereins 

am  24.  Februar  1898 '). 

Von 
Hans  Dragendorff« 


Hierzu  Taf.  II— V  und  12  Textfiguren. 


Einige  Bemerkungen  über  die  arretinischen  Vasen,  die  schönsten  Er- 
zeugnisse der  Terra-sigillata-Industrie,  dürfen  auch  im  Rheinlande  Interesse 
beanspruchen,  da  diese  Vasen  für  das  Verständnis  unserer  einheimischen  Fnnde 
von  grundlegender  Bedeutung  sind.  In  meiner  Arbeit  über  die  Terra  sigillata 
habe  ich  auch  den  dekorierten  Gefässen  von  Arezzo  schon  einen  besonderen 
Abschnitt  gewidmet  ^).  Aber  das  Material,  das  mir  damals  zur  Verfügung  stand, 
war  ein  geringes.  Auch  beurteile  ich  es  jetzt,  nachdem  ich  selbst  Italien  und 
seine  Sammlungen  besuchen  konnte,  in  mancher  Hinsicht  anders,  sodass  ich 
gern  die  Gelegenheit  benutze,  auf  diese  Frage  zurückzukommen  % 

In  Arezzo  wurden  schon  seit  dem  Mittelalter,  dann  aber  namentlich  in 
neuester  Zeit  durch  die  Forschungen  Gamurrinis,  massenhaft  Scherben  de- 
korierter Sigillata-Gefasse  und  Bruchstücke  von  Formen  zu  ihrer  Herstellung 
gefunden,  die  sieh  jetzt  im  Museum  der  Stadt  befinden.  Es  sind  die  Scherben- 
haufen der  grossen  Töpfereien  selbst,  welche  man  aufgedeckt  hat,  und  zwar 
stammt  fast  das  ganze  Material  aus  den  Töpfereien  des  M.  Perennius  und  des 
P.  Cornelius*). 


1)  Der  Vortrag  kommt  hier  im  Wesentlichen  in  der  Form  zum  Abdruck,  in  der 
er  gehalten  wurde,  nur  mit  einigen  Bemerkungen  und  Zusätzen  versehen. 

2)  B.  J.  96.  55  flr. 

3)  Eine  Neubearbeitung  des  ganzen  Materiales  und  eine  sorgfUltige  Unter- 
suchung des  Stiles  der  verschiedenen  arretinischen  Reliefgefässe^  würde  sicher  die 
Möglichkeit  geben  die  einzelnen  Fabriken  genauer  in  ihrer  Aufeinanderfolge  fest- 
zulegen und  einen  Stilwandel  noch  innerhalb  der  ganzen  Gruppe  zu  erkennen.  Diese 
Arbeit  ist  aber  erst  möglich,  wenn  ein  grösserer  Teil  der  Funde  im  Museum  von 
Arezzo  veröffentlicht  sein  wird,  sodass  wir  einen  wirklichen  Überblick  über  das  Vor- 
handene erhalten.  Bis  dahin  müssen  wir  uns  begnügen,  mit  der  Vasenklasse  als 
Ganzem  zu  arbeiten. 

4)  Vgl.  B.  J.  102.  111  ff.  (Ihm). 


88  Hans  Dra^endorff: 

G  a  um  r  r  i  u  i  bat  die  Ergebnisse  seiner  ForsebuugeU;  die  nocb  manche 
interessante  Einzelheit  bringen  werden,  noch  nicht  zusammenfassend  publiziert. 
Es  stehen  uns  daher  für  die  Frage,  welcher  Zeit  diese  Fabriken  angehören, 
nur  wenige  äussere  Anhaltspunkte  zur  Verfügung.  Sicher  ist,  dass  die  Fabri- 
kation der  roten  Töpferwaare  in  Arczzo  in  der  zweiten  Hälfte  des  II.  vor- 
christlichen Jahrhunderts  beginnt  und  dass  sich  die  Industrie  zur  Zeit  der  Zer- 
störung Pompeis  in  Italien  schon  in  tiefem  Niedergang  befindet  ^).  In  den 
nördlichen  Provinzen  kommen  dekorierte  Scherben  bester  arretinischer  Art 
nur  sehr  selten  und  nur  in  ältesten  Schichten  vor^). 

Ihm  hat  jetzt  zusammengestellt,  was  sich  aus  dem  von  ihm  für  das 
CLL.  XI  gesammelten  Matcrialc  crschlicsscn  lässf*).  Seine  Untersuchungen 
bestätigen,  dass  die  Blüte  der  arrctiuischen  Töpfereien  in  das  I.  vorchristliche 
Jahrhundert,  die  Zeit  bis  zum  Tode  des  Augustus  etwa,  fiillt.  Namentlich  ge- 
hören die  Fabriken,  welche  die  schönsten  dekorierten  Gcfässe  gefertigt  haben, 
dieser  Zeit  an.  Zu  demselben  Resultate  war  auch  P  a  s  q  u  i  durch  seine  Be- 
obachtungen der  Funde  bei  Sta.  Maria  in  Gradi  in  Arczzo  für  eine  einzelne 
Fabrik,  die  des  M.  Perennius,  die  dann  von  seinem  Freigelassenen  Tigranes 
übernommen  wird,  gekommen*).  Den  Perennius  datiert  Gamurrini  in  die 
Zeit  des  Sulla,  was  wohl  den  Anfang  seiner  Tätigkeit  bezeichnen  wird.  Die 
besten  Gcfässe  verfertigen  seine  Sklaven  Cerdo,  Pilades,  Pilcmo,  Nikephorus. 
Es  folgt  die  Thätigkeit  des  Tigranes,  die  nach  einer  zwischen  den  Scherben 
gefundenen  Münze  in  die  Zeit  des  Augustus  fiillt.  Dann  beginnt  sofort  der 
Verfall,  der  schnell  fortschreitet.  Die  Hauptarbeiter  dieser  Zeit  sind  Bargates, 
dann  Crescens  und  Saturninus. 

Gleichzeitig  mit  diesen  arrctinischcn,  namentlich  den  jüngeren,  arbeiten 
die  Töpfereien  in  Puteoli.  Ihre  Dekorationsweisc  untcrscboidet  sich  von  der 
der  arretinisclien  Werkstätten  nur  durch  geringere  Feinheit  der  Ausführung 
und  dadurch,  dass  ihr  eine  Reihe  der  besten  Typen  fehlen  ^}. 

Die  Frage  ist  nun:  giebt  uns  etwa  die  Dekoration  der  Gcfässe,  geben 
uns  die  Figuren  und  Ornamente  seihst  einen  Anhalt  dafür,  die  Zeit  der  Fa- 
briken genauer  zu  bestimmen? 

Mustern  wir  die  Elemente,  die  der  arrctinische  T(">pfer  zur  Schmückung 
seiner  Gcfässe  verwendet,  so  finden  wir  da  eine  grosse  Mannigfaltigkeit,  nicht 
nur  gegenständlich,  sondern  es  ist  auch  die  Art  und  Weise,  wie  die  einzelnen 
Dekorationsclemente  aufgefasst  und  stilisiert  sind,  eine  ganz  verschiedenartige; 
so  verschiedenartig,  dass  schon  dies  allein  beweist,  dass  die  Töpfer  hier  mit 
übernommenen  Vorlagen  arbeiten. 

1)  H.  J.  !)G.  40.  125. 

2)  X('U('r(liii«;s  ist  v\u  (i.i:iiri'n^'"('sclniiü(.-kt('s  (lotass  bCvStcr  Art  in  Neuss  <::ol'iinden, 
auf  i\:\^  C.  Kot' neu  iiiicli   aurincrUsaui   macht. 

.*>)   n.  .].   102.  10»»  tV.     Für  alle   Kinzcllifitru   verweise  ich  auf  diesen  Aufsatz. 
li  Xnt    tl.  seavi.  A^"ost<)-\ov«'Uihre  ISIUJ.    \'):\  tV. 

5)  Pie  Sch«'i(lun^',  die  ieli  früher  ii«Miiaeht  habe,  lässt  sieh  nicht  aufrecht  erhalten, 
>vie  mich  die  Funde  im  Museum  von  Arez/o  gelehrt  haben. 


Dte  «rretlnlsehen  Vm 


ml  ilir  Verhältnis  jnr  jingoätflBi-hen  Kunst. 


M9 


Da  ist  /.unitcliHt  i'iiJe  Rcilif  von  rif!nron,  lüe  dcascihen  VorlaKon  entnmn- 
nien  gind.  wie  die  der  ungenannten  nciiattiBolien '")  nnd  Caiiipanai'i'lipr».  Eh  iKt 
ein  ganx  hestiinmtor  enKlieprenzter  Typpnscliatz,  mit  dem  diese  Künstler  deko- 
rieren, Dieser  ist  zum  irTßSBtihn  Teil  Vorlfif*eii  ans  Älterer  Zeit  enlnmnmen. 
Die  atrenge  Stilimerniifr  snehen  aiieli  die  Koiiisten  festen  halten,  nnd  wo  nie 
jtliigore  Vorlafren  lienntzen,  wird  iliiieii  äntaerlieli  ein  al teil (imti che«  Oeprilpe 
fteBebe».  Dadurch  erhalten  din  Fijfnren  vielfneli  etwas  alTektiertes,  7m  den 
SraKifisen  Reweiriuisen  passen  die  auffallend  flehlankeii  Krtrpcr  der  Figuren,  die 
lieBondera  pern  in  leieliteni  Tanzschritt  dargestellt  werden.  Nur  selten  wird 
eine  wirklielie  Handlnng  gesehilderl.  Die  raenaeliliche  Gestalt  ist  pleichsam 
nrnamental  verwandt  nnd  dazn  passt  die  etwas  nnlehendige  Stilisiernnf::  dann 
sehr  pnt.  Dargcutcllt  sind  Müdehen  mit  kurzen  Rßckehen  nnd  einem  peflneh- 
tcnen  Kalathos  auf  dem  Kiipfe,  die  einen  Tanz  vor  einem  avchaisehen  fiWter- 
bild  nder  einem  relieff^eselim tickten  Altar  auffuhren,  Creflilfielte  Oenien  he- 
krftnxen  einen  Altar  nder  Candelahcr.  oder  spenden  einen  Trank;  Nike  kniet 
auf  dem  Stier,  um  ihn  zn  opfern.  GeflUcelte  sit/ende  Genien  mit  entlddsstem 
Oberkilriier  spielen  Leier  nder  blasen  die  Flute;  an  ihrer  Stelle  erseheint  bis- 
weilen ein  bftrtiper  Mann.  Dann  finden  sieh  RehHärmendo  Satyrn  nnd  Münaden *). 
Satyrn  bei  der  Weinlese,  die  Ilnren  mit  ihren  Gaben  nnd  ähnliehcs.  Das  Bei- 
werk ist  bei  diesen  DarstelhuiKen  anf  (las  .\nsser8te  besehrJUikt. 

Daneben  haben  wir  eine  zweite  flrnppe,  Darstcllnnfren  wie  .lapdHZcnen. 
die  sieh  in  Seliilf  nnd  Sumpf  abspielen:  ilie  Landsehaft  ist  {ranz  realistiseli 
wiederzugeben  versucht*!.     Opfeinzenen   aus   dem   dionysisehen  Kreis  mit  rea- 


n  Vi 

21  Zu  (ti 

rior  rcclite  Ar 


Ha 


ier.  Di.'  Ni'uatlischen  Relief».  -  B,  J.  96.  S8  fr. 
.1.  !M{,  filh  HUlfff>:»h»pn  Typen  kommen  hiiiKn:  InriKondn  Milnntlp; 
mit   dem  Thyrsr.«  «urückffent reckt.  —  nttrtfser  Rikm,   sitiitinil  um) 


illn  Doppelfliilp  blnüi-nd,  inilrro  nr  ilen  Obcrklirpcr  rflcUw«rtn  dreht.  —  THnastuter 
bXrti^er  Silcn  mit  Her  Doppel  flöte,  rter  in  der  Slulluns  iianz  dem  tanisenden  Silpn  in 
Villa  Bor^fheBe  entspricht  (Priedrichs-Woltcrs.  QipsahifüHse  14271.  —  Stehende  Ma- 
nade  in  kurzem  fie wand  mit  hohen  Stiefeln,  difiNehris  iiuo.r  über  die  Brust  grrliunden. 
Aorgebundenn?  Haar.  Dtsr  linke  Arm  hHlt  den  Tliyrsns  mit  gesenkter  Spitze:  — 
Esel  mit  ffeHp.nktem  Kopf,  darauf  aitxt  ein  Reiter,  von  dem  nur  ein  Fnss  erliHlten  ist. 
Vielleicht  Silen. 

3)  B.  J.  M.  73.  Hinmi  kommen  auf  Stfluhen  des  MnKCBins  in  Arezüo:  ein  Eher, 
dem  der  Hund  auf  den  ßQL^ke^  tresprunKen  i«'-  —  l^i"  Löwe,  der  auf  einen  Oernllenon 
ger<pruu{rt'u  ist.  —  Ein  ^rrosser  MnlnHseHutiid  tnfl  nalsbnnit  —  Eine  angreifende  Lö- 
win. —  Ein  .lünfi'iujr  mit  dem  breitrandigen  Ja(rdhut.  Er  steht  (linkes  Rlandheln), 
nackt  bis  anf  eine  über  den  Rücken  liHn^endo  Chlamys.  Der  linke  Arm  ist  vorffu- 
»reekt,  der  Speer  rechts  «reschultcrt,  —  Ein  vollständig:  erhaltimex  Enemplar  de»  Rid- 
tera  sel^,  daati  er,  ebenso  wie  der  unter  dum  Riiubtior  liegende  Jll^er,  den  macedo- 
nbcheu  FiUhui  trug-,  wodnreh  nein«  Übcreinstlmmun«  mit  dem  Reiter  des  Me«»oni- 
flehen  Reliefs  im  Louvra  (Arcli.  JHhrl).  III  190;  Loeschcke)  noch  prösser  wirrt.  Eine 
Variante  ist  es.  weim  dir  Reiter  «ich  zurückwendet  und  das  Sc! i wert  Über  dem  Knpfe 
schwingt,  »ndiisB  die  Flfruriu  ihinr  Stcllnnfi' der  Alexnndersl.ituelte  au»  Pompei  sleieht. 
—  Wir  hnbpn  hii-r  also  Kxccrpte  aus  einf-r  jrrosaen  H-rnrcnreichm  Jajrddarstellunjr  hel- 
leniattschpr  Ziil,  nnch  dpr  wir  im«  wohl  eine  VorwiflUinü'  von  den  venaliones  dos 
Akragna   machen    kiJnnen.      Die    mitcednniHche  TrHi'ht   und  dii'  ZttsanimenhUn^e  mit 


90  Hans  Dragendorff: 

listischer  Wiedergabe  aller  Einzelheiten  der  Kleidang,  Andeutung  des  Lokales 
durch  Pfeiler,  kleine  Götterbilder  auf  Säulen,  Felsblöcke,  Kränze^).  Kämpfe 
zwischen  Kentauren  und  LApithen,  auf  felsigem  Terrain,  unter  knorrigen  Bäu- 
men, deren  ausgebreitetes  Laubwerk  sorgfältig  wiedergegeben  ist  *).  Im  (Jegen- 
satz  zu  der  ersten  Gruppe  haben  wir  hier  frei  bewegte  kräftige  Gestalten. 
Erinnerte  uns  die  erste  Gruppe  an  die  neuattischen  Reliefs,  die  als  Nach- 
ahmungen von  Metallbeschlägen  meist  an  Basen,  Kandelaberftlssen  u.  s.  w.  an- 
gebracht waren,  so  diese  zweite  Gruppe  an  die  hellenistischen  Reliefbilder, 
die  feinen  Marmorreliefs,  die  an  Stelle  von  Tafelbildern  in  die  mit  Marmor  be- 
kleideten Wände  eingelassen  waren'). 

Neben  Figürlichem  nimmt  nun  auch  das  Omamentale  einen  breiten  Raum 
ein.  Und  auch  hier  finden  wir  ganz  verschiedene  Auffassungen  neben  einander. 
Um  nur  einiges  charakteristische  hervorzuheben,  so  zeigt  uns  zum  Beispiel  das 
Fragment  Taf.  II  1  noch  ganz  streng  stilisiertes  Phantasierankenwerk,  zwischen 
dem  ein  kleiner  Eros  schwebt.  Andere  Fragmente  haben  stilisierte  Ranken 
mit  Blumenkelchen,  aus  denen  Tiere  herauswachsen  (z.  B.  Taf.  II  2).  Zahl- 
reiche andere  zeigen  uns  Blätter,  Beeren,  Früchte  in  vollkommen  naturalistischer 
Ausführung,  die  zu  botanischer  Bestimmung  lockt.  Neben  lockeren  Kränzen, 
die  aus  ganz  verschiedenartigem  Blatt-  und  Blütenwerk  zusammengesetzt  sind, 


dem  messenischen  Relief  einerseits,  der  Alexanderstatuette  andererseits  sprechen  wie- 
der dafür,  dass  Loeschcke  mit  Recht  für  das  messenische  Relief  auf  die  Gruppe  in 
Delphi  hingewiesen  hat. 

1)  Zur  Ergänzung  des  B.  J.  96.  61  IT  gesa«:ten:  Die  unter  3  genannte  Frau 
trägt  einen  Ärmelchiton;  die  unter  7  genannte  Fiorur  ist  sicher  weiblich.  —  Hierzu 
kommen' folgende  Typen:  8)  Variante  von  5.  Das  Mädchen,  dessen  linke  Schulter  ent- 
blÖHst  ist,  trä^t  einen  Teller  mit  Früchten  auf  der  Hand.  Den  Kopf  bedeckt  das 
kleine  Kopftuch,  welches  z.B.  der  Berliner  und  Florentiner  Hermaphrodit  und  manche 
Fi«:uren  auf  hellenistischen  Reliefbildern  tra«:en;  z.  B.  Schreiber,  Wiener  Brunnen- 
reliefs p.  30.  —  9)  Mädchen  trä«:t  mit  beiden  verhüllten  Händen  einen  Getrenstand,  wahr- 
scheinlich eine  Ciste  wie  die  schöne  Marmorstatue  des  capitolinischen  Museums  im 
Saal  des  sterbenden  Galliers.  Ähnlich  B.  J.  96.  Taf.  IV  42.  —  10)  II  4  kommt  auch 
stehend  vor.  —  11)  Mädchen,  das  ein  viereckig  zusammen<refaltetes  Gewand  oder 
Tuch  auf  dem  Kopfe  heranträg-t.  —  12)  Mädchen,  das  Haar  in  ein  Netz  zusammen- 
^refasst,  steht  hinter  einem  p:r()8sen  Tuch,  das  es  vor  sich  ausbreitet  und  hebt,  sodass 
nur  der  Kopf  zu  sehen  ist.  —  13)  Mädchen,  das  sich  vorbeuget  und  ein  Schweinchen 
an  den  Hinterbeinen  hält,  sodass  es  nur  mit  den  Vorderbeinen  den  Boden  berührt. 
Auf  der  linken  Hand  hält  das  Mädchen  eine  Schale.  —  14)  Bärtiger  Priester  in  langem 
Ärmelüfewand,  das  unter  der  Brust  mit  einer  breiten  Schäri)e  <regürtet  ist.  Das  Haar  ist 
im  Nacken  heraufjrestrichen  und  in  eine  Holle  zusammeng'efasst.  Auf  der  linken  Hand 
hält  er  eine  Sehale,  in  der  frcsenktcn  rechten  eine  Kanne,  aus  der  er  auf  den  Altar 
spendet.  —  Kleine  Modifikationen  der  Typen  finden  sich  auf  Schritt  und  Tritt.  Hier 
wird  eine.  Vollständi«;keit  der  Sainnilun^i:  nie  mr»«^lich  sein  und  ist  auch  unnütz,  da 
dies  Willkürliehkeiten  der  Kopisten  sind,  die  Grundtypen  nicht  treffen.  Eine  voll- 
ständi<^e  Sanimlunj^  der  Haupttypen  ist  erreichbar  und  wird  hoffentlich  bald  durch 
Ganiurrini  ^e<;*eben  werden. 

2)  Die  Typen,  die  ich  früher  nur  von  puteolanischeu  Gefässen  kannte,  kommen 
auch  in  Arezzo  vor. 

3)  Schreiber,  hellenistische  Relief bilder.    Ders.,  Wiener  Bruunenreliefs. 


iHCIien  Vnaen  x 


■  «ur  ftug^nsteischen  uniigt. 


finden  wicli  dit-ke  Frncht^irlanden,  die  das  fiefll«!  nmziebes  —  alle»  soi^ältig 
aU8gef[Ibrte  nalurnlietbclic  EinzellieitRii,  währcud  der  Gewunmteindrnrk  doch 
Dieist  ein  reiu  (■rnAniCDlaler  bleibt,  der  der  Katar  niclit  selir  nahe  kfimiiit.  (Taf. 
113.4.5.)  Wieder  andere  zeigen  nnn  deutlich  dieses  Ktrelicn,  Hier  ist  cinfaeb 
ein  Lorbeer-,  ein  Eielien-,  öl-,  Eplicu-  o^ler  Reli/.weig  nui  da»  Gefftss  gescldnngen, 
di«  Blätter  sind  auf  der  Flllcho  des  Gefilssea  ausgebreitet,  ilire  Form,  ilire 
feine  Äderiing  auf  das  sorgföltigi'te  der  Natur  n«chgeahmt.  Als  Beispiel  ma^ 
die  Abbiltinng  nach  dem  AupgHBS  einer  arretiniscben  Ftirni  ans  der  Fabrik 
des  M.  Perennins  (Ht.  M  PEREN)  dieneu  (Taf.  II  6).  Ähnliche  Fragmente,  z.  T. 
au»  derselben  Fabrik,  sab  ieb  im  rrtmisc-lien  Kunsthandel. 

Schon  dieser  knappe  Üherbliek  zeigt  klar,  daso  hier  abaolnt  versehicdon- 
artigcs,  prinzipiell  verschiedenes  znaamnienkommt;  dass  diese  Töpfereine  Mnatcr- 
samudung  benutzen,  die  ihre  Vorlagen  yerschiedenartigster  Kunstrichtung  ent- 
nimmt, mit  lanter  Überkommenem  Gnt  frei  schaltet  und  waltet. 

Wir  müssen  uns  nun  die  Frage  Btcllcn,  ob  es  aoch  Honst  eine  Richtung 
in  der  Kunst  giebt,  die  derjenigen  gleich  ist,  weiche  sieh  auf  den  arretinisehen 
Gefässen  aussprieht,  ob  wir  auch  stmat  im  Verlaufe  der  antikeu  Knnfitgescliieblc 
eine  Periode  finden,  in  der  diese  scheinbar  so  verschiedenartigen  Elemente 
neben  einander  hergehen,  sieh  mannigfach  mischen  und  kreuzen.  Der  Punkt 
in  der  Entwicklung  dekorativer  Kuust,  wo  die  arretinisehen  GefHssc  einzuoi-dncn 
sind,  läsBt  sich,  wie  ich  glaube,  mit  vollkommener  Sicherheit  finden. 

Di«  Richtung  der  Knnst,  an  deren  Anfang  als  ihr  Ralinbrecher  Lysipp 
steht,  die  dann  während  des  III.  Jahrhntiderts  zahlreiche  so  glanzende  Werke 
geschaffen,  hatte  sieh  im  II.  Jahrhundert  überlebt.  Die  virtuose  Reberrscbung 
der  Natnrformen,  die  Fähigkeit,  «ie  wiederzugeben  fllhrt  zu  ihrer  Übertreibnng, 
Die  mächtige  Leidenschaft  und  Kr&ft,  der  Schwung,  die  Lebendigkeit,  wie  sie 
in  den  älteren  Werken  pergamenineber  Schule,  Werken  wie  den  Galliergrnppen 
vor  allem,  sich  zeigt,  wird  zu  einem  gewissen  konventionellen  Pathos.  Nicht 
mehr,  weil  der  dargestellte  Vorgang  sie  zu  fordeni  schien,  sondern  weil  ihre 
Wiedergabe  reizte,  wählt  man  eine  komplizierte  Stellung.  Und  die  Vorgänge 
wählt  man  so,  dass  sie  Gelegenheit  geben,  diese  äusseren  Effcktmittel  zu  ver- 
werten, die  ganze  technische  Fertigkeit  zu  zeigen,  den  Beschaner  zu  packen 
durch  aufregende  Szenen,  wie  den  Dntereang  des  Laokoon,  die  Schleifung  der 
Dirke,  die  Tttdtung  der  Gelehrten  des  Odysseus  durch  die  Skylla  n,  a.  Auf 
diesen  gewaltsamen,  alles  bis  an  die  austaerstcn  Grenzen  treibenden  Stil  mnsste 
eine  Reaktion  folgen,  eine  Art  Emöchterung.  Und  genau  wie  auf  die  Kunst 
des  Baroeco  der  Empiresld  folgt,  s»  geschah  es  auch  damals.  Dass  er  eine 
reiche  Entfaltung,  einen  bleibenden  Einäuss  fand,  erklärt  sich  genugsam  ans 
den  ZeitverliiUtnissen.  Denn  dies  ist  der  Zeitpunkt,  wo  die  griechische  Knnst 
dauernd  in  Rom  Wurzel  fasat,  und  Rom  in  knrzcr  Zeit  das  Kunstzentmm  wird. 
So  gut  die  Künstler  in  der  Zeit  nach  Alexander  ans  dem  Mutterlande  an  die 
Diadoehenhore  übersiedeln,  an  denen  ihnen  vou  kunstsinnigen  und  pracht- 
liehenden  Fürsten  reiche  Gelegenheit  zur  Ausübung  ihrer  Thätigkeit  gegeben 
wurde,  Sil  jet/f  niii-h  R-irn,  wo  wieder  einmal  Aufträge  in  Hlillc  und  Fülle  an 


92  Han8  Dragendorff: 

sie  ergingen.  Sehen  wir  zu,  wie  sie  dieser  schnell  sich  steigernden  Nachfrage 
gentigten. 

Die  Entwicklung  dieses  griechischen  Empirestiles  in  allen  einzelneu  Phasen 
zu  verfolgen,  sind  wir  noch  nicht  im  Stande.  Er  heginnt  schon  im  IL  vor- 
christlichen Jahrhundert.  Werke,  wie  die  der  späteren  attischen  Künstler,  des 
Polyklcs  und  seiner  Söhne,  zeigen  schon  diese  Umkehr  und  Anlehnung  an 
Älteres.  Ausgebildet  aber  liegt  er  uns  vor  in  Rom  in  der  augusteischen  Zeit, 
im  weitesten  Sinne  gefasst  als  die  Zeit,  in  der  Octavianus  Augustus  lebte. 

Hier  in  Rom  kam  ihm  noch  ein  zweites  Moment  zu  Htilfe.  Die  Kriege 
hatten  Rom  in  dauernde  Fühlung  mit  dem  griechischen  Osten  gebracht.  Mit 
reicher  Beute  beladen  waren  die  römischen  Legionen  heimgekehrt.  Tausende 
von  Statuen,  Massen  kostbaren  Metallgerätcs  hatten  sie  nach  Rom  gebracht^), 
Kunstschätze  aus  allen  Zeiten.  Man  fand  Gefallen  an  dem  schönen  Besitz. 
Es  erwacht  ein  Interesse  an  diesen  Sachen  und  allmählich  eine  gewisse  Kenner- 
schaft. Freilich  eine  Kennerschaft,  die  nicht  in  gleichzeitiger  heimischer  Kunst- 
Übung  wurzelt.  Sie  hat  einen  gelehrten  Beigeschmack.  Man  interessiert  sich 
für  einzelne  Künstler,  man  sucht  ihre  Eigenart  kennen  zu  lernen,  man  sucht 
in  den  Besitz  ihrer  Werke  zu  kommen  und  wenn  das  nicht  möglich  war,  we- 
nigstens in  den  Besitz  einer  Copie.  Kunsthistorische  Forschung  und  künst- 
lerische Produkti(m  beeinflussen  sich  gegenseitig.  Das  war  der  Boden,  auf 
dem  Künstler  wie  Pasitcles  und  seine  Schule  gedeihen  konnten.  An  Stelle 
eigener  Neuschöpfungen  setzen  sie  Copien  alter  Werke  und  Umbildungen  sol- 
cher, die  umsomehr  auf  Anerkennung  hoffen  konnten,  je  genauer  sie  den  Stil 
irgend  eines  der  beliebten  alten  Meister  wiedergaben.  Zeitlich  entfernt  liegen- 
des kopiert  man  immer  nur  in  Zeiten,  denen  es  an  eigener  Schaffenskraft  ge- 
bricht, in  Zeiten  des  Niederganges.  So  ist  denn  auch  die  uns  beschäftigende 
Zeit  in  Bezug  auf  künstlerisches  Sclmtfen  arm  -).  Vor  Allem  aber  ist  zu  kon- 
statieren, dass  von  charakteristisch  national  römisclieni  in  dieser  Kunst  sich 
noch  keine  Spur  findet.     Sie  ist  vollkommen  hellenistisch. 

An  ein  paar  Beispielen  wollen  wir  uns  die  Eigenarten  der  Werke  dieser 
Zeit  klar  zu  machen  suchen. 

Ich  greife  da  zunächst  das  vornehmste  uns  erhaltene  Denkmal  augustei- 
scher dekorativer  Plastik  heraus,  zu  dessen  Ausführung  gewiss  einer  der  her- 
vorragendsten Künstler  seiner  Zeit  berufen  wurde,  die  Ära  Pacis  Augustae,  die 
13 — 9  V.  Chr.  errichtet  wurde  ^).  Dieses  Monument  in  seiner  kunstgeschicht- 
liclien  Bc<leutung  ins  rechte  Licht  gerückt  zu   haben,    ist    das    bleibende  Ver- 


1)  Das  Material  ;i,iel)t  L.  Urlichs:  Griecliisclie  Statuen  im  republikanischen  Rom. 
13.  Pro^zr.  d.  von  Wa^nerschen  Kunstinstitutes.     Würzhur^-  1880. 

2)  V^l.  auch  Furtwän;iler:  StatucnUopien  im  Altertum.  Abh.  d.  bayr.  Akad. 
phil.-liist.  Klas.se.  20.  544  ff*. 

3)  Die  Ivekonstruktion  der  Ära  hat  Petersen:  Köm.  Mitt.  IX  u.  X  <^egeben.  Auf 
seine  abschliessende  Arbeit  ist  für  alles  Aeussere,  Anordnung*  und  Zusammengehörigkeit 
des  Reliefs  zu  verweisen.  Seiner  P^-eundlichkeit  verdanke  ich  auch  die  Photographien 
der  im  Foliienden  benutzten  Fragmente. 


ITi^rTSuSiScDl'ii  Vasen  und  Ihr  Verhältnis  «ur  nugUHtcischcn  Kunst. 


9.f 


dietiBt  Wink  hoff  8,  der  in  seinor  Einleitung  xiir  1'iiblikatiViii  der  Wiener  Ge- 
nesishaniUcbrift  mit  sicheren  Linien  und  feinstem  KiiimlvL'rBUindniH  wnn  i-in 
Itild  der  Eiitwieklniig'  der  romischen  Knnst  entworfen  luiI.  Es  ist  eim'  der 
aiirogenilBteu  kunst^cscliichttichuii  Arbciluu  neueren  Datums,  und  weiiuWiek- 
hoff  auch  bisweilen  llbcr  dns  Zie!  hiunusschiestil,  viele  Prägen  nur  nbcnliin 
berührt '),  anderes  gau/,  ausser  Acht  läsRt,  bo  tbtit  das  dein  Werte  eciucr  Ar- 
beit, keinen  Abbruch  und  eine  -/.UBammenfnaifeude  Behandlung  der  augUHteiHchcn 
Kunst,  die  jetzt  einuml  versucht  werden  ninss,  wird  nnf  Sehriit  nnd  Tritt 
'Wiokh«»ff9  Anregiiii^ii  zu  folgen  haben. 

Die  Aus»cn8eite  der 
Mauer,  welche  die  .\  i 
1'aeis  umgab,  war  mit  K' 
liefs  verziert,  die  in  ?.\\i.. 
Streifen  Übereinander  an 
geordnet  waren.  Von  dem 
«ntoren  Streiten  mag  dn' 

in  rbm;ny,  befindliche 
Platte     eine     Vorslcllnn^ 
geben.     [Abgcb.    Fig.   I.: 
In    eleganten    Windun^'eii 

sind  schon  gtilLsierie 
schlanke  AkautbuBraukeii 
über  den  Reliefgmnd  aus- 
gebreitet, von  grosserFeiii- 
beit  der  Auüfilhrung,  bald 
frei  »ich  fast  vom  Grnnde 
iJiKend,  bald  nur  wie  ant" 
ihn  graviert,  mit  ihm  ver- 
Bchwimnicnd.  Üben  «tet 
auf  einem  DlUtenkelehe  ein 
Schwan  mit  ausgebreiteten 

FlUgeln,  jede  Feder  Borg- 

fU!ligdargestelIt,dasgiinu'     ;>...>;,},■,  ■V^.l(,k*.U*^ViU>v>^i/>.**^<.*v>l*i.nit\lf"^'l'J.>rJ- 
Uild  aber  doch   bei   aller  .  . 

Naturbeobachtung  im  Ein-    ^fAAftÄfA£:t:fc^.^i.t^ 
zcinen  wieder  rein  orna-  Fig  i 

mental  wirkend.    Ein  clia- 

l-akteristisoher  Zug  tritt  ans  schon  hier  entgegen,  hei  aller  Feinheit  eine  ge- 
wiasc  Uärte,  bewirkt  durch  die  grooge  Sorgfalt  der  .\usfllhrung.  Es  ist  auch 
kein  eigentlicher  Marmorstil,  er  iat  nicht  an  das  Material  gebunden.  Wie  ans 
Uctall  getrieben  und  naehziselicrt  neben  diese  Ranken  und  Blütter  ans.  Wie 
auH  Ulech   gescbuiltcn   und    anf  den  Unuui    geheftet  die  Flltgcl  des  Vogels. 


ilfP 


t^^ki£^. 


1)  Vgl, 


<ntli>.'li  <li>' 


,  Min.  X.  237  er. 


94 


Hhiih  tlriigptiiliirlT: 


Zum  Vergleich  fllr  Mlil  mul  AiisnUirmiK  bieten  sieh  uietieniui  di 
Reliefs  und  Gcrüte. 

In  dem  nlieren  .Streifen  ist  dio  Festpi 
stellt ').     Die  Mitglieder  des  kaiscrliulie»  Hause 
fcicrlielicin  Zuge  zuui  (<vf--     ■'■'•■.-    ''        '■"iv    ■ 


niiii  das  Festopfor  darge- 
und  die  Voruehmen  xicbeii  in 


nehmen  Leuten  bei  einer  snlehcn  Oelegoiilicit  ziemt,  liegt  Itber  dem  GAn/en,'in 
jeder  Bewegung.  Und  zn  ilir  stimmt  die  AuBfllhning  in  ihrer  pcinlieben  Sorgfalt 
und  Sauberkeit  anfs  Olllekliehste.  Mehr  Lohen  lierrselit  in  den  cigentliclmu 
Opfersitcneu,  wn  miielilige  Stiere  und  Sebweiiie  von  den  Dienern  hernngefllhrl 
werden.  (Fig.  3.j  Unif  hier  werden  wir  aueli  sofort  an  eine  andere  Monu- 
menten-Ktiiesc  erinnert,  nn  die  hclleuiBtisehen  ßcliefbibler.  Man  vergleiche 
diutnl  nur  ciinnnl  z.  H.  die  Grinianisehcn  Relief«,  wie  Wiekbuff  es  geth&n. 
Da  finden  wir  dieselbe  Art  die  Landselinfl  dnrKiistellcn.  We  Weiee,  wie  der 
felsige  lliiitergrnnd  höhlenartig  /.nrllekiritt,  \»t  hier  wie  dort  gleich.  Auf  dem 
Felsen  das  perHpektivieeh  dargestellte  Hans,  in  das  man  Idneinhiiekf,  dnvm 
der  knorrige  Hnumast  mit  den  sorgtÄltigst  auHgofilbrton  Dlitttern,  eine  gewisse 
llngeiDinigkeit  in  der  Hcoliaebtuiig  des  Mnsi^tnbet:,  hier  wie  dort  ist  es  dfW- 
»elbe,  Und  wie  die  gleiehe  Anlage,  so  linden  wir  aueh  dienelhe  Art.  der  Aus- 
l^ibnmg,  denselben  Naturatismns  bei  der  Darstellung  der  hnrten  Maut  de« 
Seiiweinew  und  der  lockigen  Stindiaare  der  Stiere  wie  hei  dem  tloekigen  Foll 
des  Sebafe»  an   den  Orinianischcir  Hrnnncnreliefs.      Es   int   kein  Zweifel   tnög- 


1)  Stack«  des  Frifsi 
siuil  iTipiHt  erg&nv.l. 


;  b(-linili-n  Hk-Ii  [II  Kk 


t.  wui  iti  Villii  M<'<lin.     Die  Käpffi 


96  Hana  Pr>g«ii^ilorrr: 

PUasten  vsagvSamnt  MttteIpbUr  ilei-  BOcLwile,   Üt  Dnr^eElDng  der  drei  Ele-  | 
OK-atP,  ODtcr  seine  bcUeDistbrhcn  RHicEs  anfgranaunoi ''.     '.Fig'.  i.) 


Die  aiTetiülsdiBH  Vasfin  und  ihr  Verhältnis  sur  nugusli'Uchen  Rimst. 


97 


fatt  sein  —  ist  ans  Pakzzo  CHrnrcIti  in  das  Berliner  Mnsentn  ^ekoiiinicn.  Mit 
;lltiger  Erlanlmla  der  MuseiiniBvenvaltung  wird  er  hier  auf  Tafel  III  abgebildet. 
!r  ist  nicht  nur  ein  schönes  nnd  cbaraktcmtisches  Beispiel  der  Skulptur  jener 
!cit,  »»ndeiTi  gleichzeitig  inleressant  als  eines  der  wenigen  Beispiele  eines 
Bniigehcn  Sarkophags  aiis  der  frdhstcn  Kaiserzeit. 

Andere  Monmnciite  rei- 
ten sieb  nn,  bei  denen  uns 
Itetielben  Kennzeichen  den 
Itile»  entgegentreten  nnd  nns 
ihren,  dass  es  sieh  niebt 
Iwa  nm  eine  einmalige  Lainio 
ineH  eiiyelnen  Künstlers  han- 
iclt.  leb  will  nur  knr/,  auf 
{d  paar  Beispiele  hinweisen, 
Ke  jeder   Icieht    vermehren 

Einer  der  rciKVollsteii 
tesitKC  des  ThenneninuseiiniH 
i  Rom  Bind  die  .Stnekrcliefs, 
[ie  neben  der  Villa  Farnesc 
icfunden  wurden,  wo  sie  die 
PonncngewiHbc  zweier  kl  einer 
kmücber  eines  vornebmcn 
BmiBohen  Hauses  scbinück- 
6n  ')■  IJnrch  feine  Leisten 
Ind  die  Deeken  in  grüssere 
jid  kleinere  Kelder  und  Stroi- 
Mi  gegliedert,  die  teil«  mit 
Jiirstcllnngen,  tcitfi  mit  Or- 
jftmenten  gefüllt  sind.  Olc 
^miptfelder  werden  von  Bil- 
|em  mit  laudHeliHrtlichoni 
lintcrgrund  eingenmunien, 
lie  vollkommen  im  Chivrakicr 
ler  bellenistischen  Relicfliil 
Icr  gehalten  sind.    Die  Zwi-  °' 

chenfelder  sind  mit  Kandelabern  gefüllt,  an  denen  dieselben  neUattiscUen  Ge- 
lien  beschäftigt  sind,  in  ihren  zierlieh  gefalteten  fiatternden  Eöckchen,  mit 
|gi)  «ebarf  gezeichneten  FlUgeln,  In  den  Streifen  länft  sclimflchtiges  Ranken- 
ferk,  ans  welchem  Tiere,  geflügelte  spbhixartige  Wesen  u.  dergl.  herauswncli- 
en,  eine  Dekoration,  gegen  die  Vitruv  (VIl  ft,  3)  rIh  eine  absurde  Neuerung 
piaer  Zeit  auftritt  nnd  die  wir  gleiebzcilig  jn  aueh  auf  arretiuieehcn  Gefassen 
:retcn  sahen. 

1)  Mon.  d.  J.  Soppi.  Tnf.  32  ff. 
J«1>l'b  a.  Vor.  V,  AlWnlufr,  Im  Rliulnl    l 


Ha 


»  Di-ngtindorff: 


Diese  Decken  gehttren  zn  Wüiificii,  die  in  «lern  »ogcnannlcn  zwcileii  Htili 
betualt  Htnil,  und  zwar  x-älilen  die  Wände  zu  den  scliilnstcu  und  Hin  wcitc»t(» 
fnrtgegch ritteneu  Itcispielen  dic^oe  ätilen ').  .Schon  hei  flUehtigster  DiirdiRien 
liejjegnen  niiB  dieselben  Elemente  der  Dekoration,  die  oben  ilie  8tui'krclicfl| 
boten.  DaBselhe  Rankeuwei-k,  dieselben  Fabeltiere,  dieüellieu  Bleirgrnziilsei 
dekorativ  verwandten  Figuren,  welebe  Uuirlanden  hatten,  die  genau  wie  i 
der  Ära  Paei»  aus  den  vcrsdnedenartigHtcn  trcn  nacligebiidelen  BImiiuu 
samnien    gewnnden    sind.     Oder   Blattkrünze   in    p'tri'iwsfcr  Nntiirnnelialimniigi 

/ioijii-b  auBt;obreitet 
"  ii'  an  der  Plat* 
iK-iiiira,  die  Wie 
li..n'  abbililet.  Daj 
/.iviscben  sind  Taft^ 
iiililer  eiii^clawiei! 
iialil  mil  allen  re^ 
lisiischcn  Zügen  da 
liflleiii^tiHelien  Roj 
lii'Diilder  iiu«gei(iatl 
ii't.  bal<l  mit  ciiM^ 
larlK-u  ZeiebiiiiniiitHl 
m  wenig  Farben  vcA 
^rlii-ii,  mit  denen  wu 
iii<-btfi   VL'r{,'k'idiPnl 

il.ir  :ittittclten  ' 
-niiidipen  Lckytlicl 
'li-rt  V.  Jnltrbunilisrli 
i)iT/,wi!lreStil' 
nnn  wtit  in  C' ' 
oiwavoniiullain 
Zeit  au  >ii' 
Xnit  il»  ^ 

.'i4  IHt  t\U 


Und  ivcifL'ii  wir  »■iiillii'li  riiien  Illirk  tiv.< 
am  nildmten  steliemle  Denkniiilerkla^^f  .      i 
gewahr,  dans  ancb  ilir  nllc  A\?^p  Dek.. 
•Stuck  und  Malerei  kenneu  gdcrrti  tiJ 

1)  Miiii,  Oiwh.  .1.  ilwov.it 
U.  Tnf.  «.  Xtl.  5  ff.    Aur  (lIoLi.. 


■  ileiie 

Am 

Slill- 

die 


0 


9" 


vir  kaum  sonst  in  einer  KniisL 

1  iiT  Jalirbninlerteu ')  und  wisHcu 

:i-   ueiier  Weise  zu  vertiiiidcn.      Auf 

<lic  IUI  »ltfitti»chc  Knust  erinnern  nnd 

'    Natur  iiiKrtiahinou,   ohne  jedca  Ver- 

u  Figuren   scheut  der  Künstler  sieb 

.  ■  ^omu^Fustffi^eberZi-lt  nii;ri'hörtuii(Schrui* 
i(~li  iiii'.lit  iva^on.  Znisclieii  dor  VurHcliUltiiu',' 
lobchBnZoit  liegt  nudi  sdiuii  mehr  alti  ein  Julir- 

-hi'im  wüiiijTBr  einheitficli  ist,   Imi  Wiiid-r  Ai'cli. 
ii"it(ni,    nkt  Entsteh ttnjrszoit  rii'r  einxcliicu  Stücki« 

^  klit    noch  bt;8oiiil('rs    auf  die  StUmiBchung 
■■  t'igiir  6kli  flmiet. 


100 


1  DragPiniorff; 


aclien  Aiideututi^  tlcr  LandHcliart,  Diit  den  Felsen,  Altären,  Pfeilern,  Kränzen, 
den  knorrigen  ßäunii^n,  dem  bald  vollkommen  rund  ansj^eflilirten,  bald  nnr 
leieht  angedeuteten  Keücf  veranBcliauHclieii  Stücke,  wie  die  Kentaurcnbeehcr  1 
ans  Ilornay  und  Ponipei  (von  dem  einen  der  letzteren  eine  Ansielit  aut'Taf,  IV) 
und  der  Krater  ans  Ilildeslicim  (Fij;.  10).  der  diesen  Sebniuck  wieder  iu  Ver- 
bindung mit  dem  stiliaiertcn  Akanthnsrankcnwork  und  den  ilarntid  hervorwacli- 
senden  Tieren  zeigt '). 


Flg.  9. 

Neben  diesen  Stücken,  deren  Dekoration  sii'h  ganz  in  dem  in  atigii^teiselier 
Zeit  i.'eljfufisen  Kreise  bewehrt,  finficn  sieli  in  den  grossen  Silberachätzcn  von 
''.-'■■:■  ,'  ■  ■  ...i  iir.'i  -■  ,  Ii,  ■, .  nhi/.i'It  iiiicli  snliOio.  die  entacliieden  jtlngcrcn  und 
:ilu>ien  Charakter  tragen.  Bei  der 
lii;ri!ichen  Atlienaselialc,  vicllcielrt 
iliiii  vollendetsten  Stückgi-iecliischcr 
Torcuteiiarlieit,  dae  auf  uns  pe- 
klimmen  ist,  wird  nieinand  /.wei- 
tilii,  dass  wir  es  mit  einem  Ori- 
i.'iiinhverkc  Itellenißtiscber  KiinBl  zu 
tliiiLi  liaben.  Dem  geponllber  vcr- 
II. .teil  die  Stil  lieben  bet-lier  ans 
(WisL-oreale  (Fig.  1 1. 12)  scboii  den 
Mil  der  letzten  Zeit  Porapeis'). 
I 'iinc  Scliiltzc  sind  eben  niclit  ein 
I  iiilit-itlicbes  Tafolserviee,  sondern 
-  Ijiindclt  sicli  um  Sammlangcu, 
'  von  Kennern  nnd  Liebhnlicra 
i-itiiimcngehraclit  sind  und  deren 
ui ii'/.clne ätUeke  vcrscliiedcnster  Zeit 

1)  Arch.  Anz.  Xll.  130. 

2)  Vergl  Winter,  An-Ii.  An*.  XI.  78, 


Die  arretlniachen  Vasen  und  Ibr  TerbOltnis  snr  KugOGt^achen  Sanet. 


101 


«ng^ehOren  kOuneii.  Einen  äDssereii  Beweis  giebt  allein  sclioii  der  vfrecliiedene 
£rhaltntig8/.a8taDd.  Neben  vollkonimei)  neuen  Stücken  Htclicu  solche  mit  starken 
(>ehraacrl]S8piiren,  sogar  Rejiaraturen.  Es  ist  gewiss  ktin  Zufall  das»  du  Still 
lebeiiboclici"  wio  eben  aus  der  Werkstatt  kommend  ansaelitu  willirend  die 
Kannen  mit  dem  Stieropler  oder  die  Kentanrenbet her  aus  Pompei  stark  abgo 
nutzt  sinil').     Einen  nnuiittclbaren  Anlialt,  die  Eutitehiinpwoit  des  einzelnen  zn 


Aneli  darf  da  M  ^b  hkcit  hilIiI  ^tkuguot 


ermittoln,  yriebt  das  nattlrbeli  nieht. 
werden,  dass  manche  dieser  Geffisse 
treue  Kopien  Jllterer  Vorlagen  sein 
kflnncn.  Metsdlgefilsse  Jiessen  »ich 
ja  nieht  allxiiseliwer  kopieren  und 
Bind  ja  aneh,  wie  uns  überliefert 
ist,  vielfach  kopiert  worden.  Em 
mag  deshalb  an  dieser  Stelle  gu 
ntigen,  daran  ku  erinneni,  das«  die 
meisten  dieser  Oefösse  ihrer  Uc 
koratiun  nach  iu  da»  1.  vorcliii^l 
liehe  Jahrhundert  hineinpassen 'i. 
Also  in  Marmor,  in  Erz,  in 
Stuck,  in  Malereien  —  überall  tritt 
nns  in  dicM^r  augusteischen  Zeit  dio- 
selhe  Kunatwcixe  entgegen,  ilberaJl 
diesclheu  vereehiedcuartigen  Ek- 
Diente,  aus  denen  sieh  das  Gan/o 
Diotwikartig  zusammensetzt.  Es  ist 
eine  Kunst,  die  in  ihrer  Art  ynv- 
KUgliches  leistet.  Neben  einer  Teil] 
nik,  die  jedes  Material  bewälli^'l, 
«in  dekoratives  Talent,  eine  Fähi^' 
keit,  gefällig  ZQ  wirken,  die  .Staunen  ^'fc'-  '-■ 

erregen  muss.  Dabei  ein  Reichtum  an  Motiven,  wie  kaum  sonst  in  einer  Kunst. 
Denn  die  Künstler  arbeiten  mit  den  Motiven  von  vier  Jabrhunderten  ")  und  wissen 
da»  scheinbar  verschiedenartigste  iu  immer  neuer  Weise  zu  verbinden.  Auf 
Ägyptischen  Ptlanzensäulen  stehen  Figuren,  die  an  altattinehe  Kunst  erinnern  und 
sie  halten  Guirlandeu,  die  unmittelbar  die  Natur  nachahmeii,  ohne  jeden  Ver- 
such der  Stilisierung.     Den   altgriechischcn  Figuren   scheut  der  Künstler  sich 

1)  Daraut)  mi  Hchliesiieu,  risss  letztere  voraugusloischprZeit  an;^hörten(ScbTi!i- 
ber,  hoUonist.  Toremik  414).  würde  ich  nicht  wagen.  Zwisfhtin  der  Vu-euliüttUDg 
Poinpeis  und  dum  Beginn  der  augUKt dächen  Zeit  liegt  auch  nctiun  nielir  alä  riu  Julir- 
bQHdert. 

2)  Dasa  der  Schatz  von  Hlldpsheim  weniger  einheitlich  ist,  hnl  Winter  Areh. 
Anz.  XII,  lä3  mit  Keclii  hervorgehoben.     Die  EnUtehuu^Kxeil  di^r  eiuxelneu  Stücke 

logt  hier  weiter  auseinander. 

3)  Feteriten,  Köm.  Mitt.  X.  145,  liut  noch  bcsondiTs  auf  die  Stllmischung 
hingewiesen,  wie  sie  oft  an  ein  «iid  derscllien  Fisur  sich  lindet. 


102  Hanß  Drageudorff: 

nicht  eine  ägyptische  Federkrone,  wie  sie  Osiris  trägt,  auf  den  Kopf  zu  setzen, 
mit  steifstilisierten  Lotosbändem  hellenistische  idyllische  Bilder  einzurahmen. 

Zugleich  liegt  hier  die  Schwäche  dieser  Kunst.  Sie  bringt  nichts  eigenes, 
nichts  empfundenes.  Es  ist  alles  gelernt,  übernommen.  So  kann  sie  wohl 
elegant  sein.  Aber  bei  allem  dekorativen  Reiz  bleibt  sie  kühl.  Verlor  die 
pergamenische  Kunst  durch  das  Zuviel  ihre  Wirkung,  so  ist  die  Kunst  der 
augusteischen  Zeit  zu  gehalten.  Es  fehlt  ihr  die  Innerlichkeit,  das  Tempera- 
ment, das  sich  auch  in  der  Ruhe  ausdrucken  kann.  Und  wo  sie  einmal  wirk- 
lich neues  zu  schaffen  gezwungen  ist;  Ober  den  Rahmen  des  Dekorativen  hin- 
ausgehen muss,  wie  bei  dem  Zuge  der  kaiserlichen  Familie  an  der  Ära  Pacis, 
da  verliert  sie  auch  ihren  dekorativen  Reiz  und  wird  langweilig. 

Das  unstilisierte,  natumachahmende  Pflanzenornament  hält  Wickhoff 
für  eine  Errungenschaft  augusteischer  Zeit  und  in  der  Plastik  dürfte  es  früher 
auch  kaum  vorkommen.  Aber  auch  dies  ist  keine  Neuschöpf nng  der  augustei- 
schen Kunst.  Ihr  wird  nur  diese  Übertragung  in  die  Plastik  angehören. 
Winter  hat  auf  die  vollkommen  naturalistischen  Goldkränze  aus  sUdrussischen 
Gräbern  des  III.  Jahrh.  hingewiesen  0,  und  bemerkt,  dass  es  nur  ein  weiterer 
Schritt  war,  solche  Kränze  nun  um  die  GefUsse  zu  schlingen.  Zum  Teil  wird 
auch  die  Malerei  beeinflusst  haben.  Ganz  in  dieser  Weise  sind  schon  die  Blu- 
menkränze gearbeitet,  die  die  Mosaiken  der  Casa  del  Fauno  umgeben.  Diese 
sind  zweifellos  von  Malereien  hellenistischer  Zeit  abhängig^). 

Immerhin  sind  diese  Blumen  und  Blattgewinde  mit  das  erfreulichste,  was 
die  augusteische  Kunst  geleistet  hat.  Und  in  der  technischen  Routine,  den 
Stoff  wiederzugeben,  hat  sie  wohl  kaum  ihres  Gleichen.  Doch  auch  hier  zeigt 
sich  ihre  Beschränkung.  Auch  hier  haben  wir  kein  eigentliches  Nachempfinden, 
sondern  ein  Abschreiben  der  einzelnen  Naturforraen.  Es  ist  ein  etwas  trockener 
Naturalismus  und  schliesslich  macht  ein  Werk,  wie  der  von  Rosen  umrankte 
Pfeiler  des  Hateriergrabes,  trotzdem  seine  Rosen  statt  5  nur  4  Blätter  haben 
einen  lebendigeren  Eindruck,  als  die  sorgfältig  der  Natur  nachgebildeten  aber 
auch  sorgsam  zurechtgelegten  und  ausgebreiteten  Blätter  der  Kränze  auf  Denk- 
mälern augusteischer  Zeit. 

Das  Angelernte  dieser  Kunst  zeigt  sich  auch  darin,  dass  sie  an  kein  Material 
gebunden  ist,  in  allen  Materialien  gleich  arbeitet.     Sie  ist  materiallos.     Damit 


1)  Arch.  Anz.  XII.  124.    Comptc  rcndu  1880.    Taf.  I  u.  III. 

2)  Diese  müssen  einmal  zusammenfassend  bearbeitet  werden.  Sie  sind  p^ewiss 
alle  von  einer  Hand.  Bei  allen  finden  sich  die  »ifleichen  warmen  bräunlichen  Farbtöne. 
Ein  richtiges  Blau  fehlt  bei  Allen.  Und  auch  ihre  Vorbilder  sind  «gewiss  alle  einem 
Kunstkreis  entnommen,  wie  gewisse  Eigentümlichkeiten,  die  bei  allen  wiederkehren, 
zeigen.  Sie  sind  alle  ohne  eigentlichen  Hintergrund,  die  Alexanderschlacht  so  gut 
wie  die  Stilllebcn.  —  Auf  die  Entwicklung  des  hellenistischen  naturalistischen  Pflanzen- 
ornamentes hoffe  ich  bei  anderer  Gelegenheit  zurückkommen  zu  können.  Sie  lässt 
sich  Schritt  für  Schritt  verfolgen.  Anfänge  finden  sich  auf  den  unteritalischen  Vasen, 
während  die  attischen  Maler  stets  stilisieren.  Der  Alexandersarkophag  hat  zwar  schon 
unstilisierte  Weinblätter.  Der  Rebzweig  aber,  den  der  Künstler  uns  aus  ihucu  zu- 
sammengesetzt hat,  verzichtet  noch  ganz  auf  naturgetreue  Wiedergabe. 


Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  Verhältnis  zur  augusteischen  Kunst.  103 

verzichtet  sie  auf  alle  die  kleinen  Feinheiten,  die  durch  das  geschickte  Be- 
nutzen der  Eigenheiten  des  Materials  gegeben  werden,  auf  alle  die  kleinen 
Nuancen^  die  die  verschiedene  Licht-  und  Schattenwirkuug  hervorbringt.  Sie 
scheut  sich  nicht  Metallformen  in  Marmor  nachzubilden^  Marmorreliefs  in  Stuck. 
Sie  bildet  auch  toreutische  Werke  in  Thon  nach,  ohne  wie  frühere  Genera- 
tionen gcthan,  durch  den  Farbüberzug  den  Vorbildern  wenigstens  noch  sich 
zu  nähern.  Dass  die  arretinischen  GefUsse  toreutische  Arbeiten  nachahmen, 
lässt  sich  auf  Schritt  und  Tritt  erweisen.  Und  dass  die  Vorbilder  der  besten 
unter  ihnen  auch  gerade  in  dieser  Periode  der  Kunst  liegen,  haben,  wie  ich 
hoffe,  diese  Ausfuhrungen  gezeigt.  In  der  That,  sie  können  auch  nach  ihrer 
Dekoration  nicht  anders  datiert  werden,  als  in  das  I.  vorchristliche  Jahrhundert, 
in  die  Zeit  etwa  von  Sulla  bis  Christi  Geburt.  Was  für  die  Fabriken  ans 
anderen  Gründen  eingangs  erschlossen,  bestätigt  die  kunstgeschichtlichc  Be- 
trachtung vollkommen.  Nicht  die  arretinischen  Töpfer  haben  sich  ihre  mannig- 
fachen Vorbilder  da  und  dort  aus  den  verschiedensten  Stilen  zusammengesucht, 
sondern  sie  sind  absolut  schon  abhängig  von  der  Mischknnst  ihrer  Zeit.  Und 
so  gut  sich  in  dieser  eine  Reaktion  gegen  die  hellenistische  Kunst  zeigt,  so 
bilden  auch  die  schlichten  reinen  Formen  der  arretinischen  Vasen  einen  Ge- 
gensatz zu  den  barocken  Formen  der  späteren  hellenistischen  Keramik. 

Ich  muss  auch  die  untere  Zeitgrenze,  die  ich  soeben  gegeben,  noch  kurz 
begründen. 

Im  Verlaufe  des  I.  nachchristlichen  Jahrhunderts  entwickelt  sich  aus  dem 
Naturalismus  der  augusteischen  Zeit  ein  illusionistischer  Stil.  Nicht  mehr  die 
äusseren  Foraien  in  geschlossenem  Zusammenhange  getreu  wiederzugeben  ist 
das  Streben,  sondern  den  Eindruck,  den  sie  in  einem  Augenblick  machen. 
Wie  dieser  Illusionismus  in  Plastik  und  Malerei  sich  ausbildet,  hat  Wickhoff 
eingehend  zu  zeigen  versucht  ^). 

Auch  in  der  Toreutik  können  wir  ihn  verfolgen.  Becher,  wie  die  Still- 
Icbenbecher  aus  Boscoreale  sind  gearbeitet,  wie  die  illusionistisch  gemalten 
pompejauischen  Wandbilder.  Aus  der  ganzen  Menge  unserer  arretinischen  6e- 
fässe  aber  wüsste  ich  kein  Stück  anzufahren,  das  diesen  Illusionsstil  aufwiese. 
Diesen  Wandel  hat  die  arretinische  Ornamentik  nicht  mehr  mitgemacht.  Ihre 
Blüte  wenigstens  war  vorher  zu  Ende.  Und  wir  erinnern  uns  jetzt,  dass  uns 
die  dekorierten  arretinischen  Vasen,  abgesehen  von  denen  des  Atcius,  in  den 
nördlichen  Provinzen  sehr  selten  begegnen,  während  undekorierte  noch  in  ziem- 
licher Menge  vorkommen.  Die  Nachfrage  nach  feinem  Thongeschirr  —  denn 
das  waren  die  arretinischen  Vasen  —  war  mit  dem  steigenden  Luxus  ge- 
sunken und  damit  starb  ihre  Fabrikation  in  Italien  bald  ab.  Nur  ganz  kümmer- 
liche Nachläufer  finden  wir  hier.  Schon  im  ersten  nachchristlichen  Jahrhundert 
—  das  zeigen  uns   die  Funde  von  Pompei  —  steht   hier   die  Terra  sigillata- 

1)  Dass  der  Illussionsstil  schon  im  II.  d.  pomp.  Stile  vorkommt,  hat  Mau,  Rom. 
Mitt.  X.  227fr.  bemerkt.  Danach  sind  Wickhoff*s  Bemerkungen  einzuschränken. 
Die  Übertragung  dieses  in  der  Malerei  ausgebildeten  Stiles  auf  Plastik  und  Toreutik 
scheint  aber  der  nachaugusteischen  Zelt  anzugehören. 


104  Haus  Dragendorff: 

Industrie,  so  weit  es  ornanieutierte  Gefässe  angeht;  auf  einem  so  tiefen  Niveau, 
dass  man  von  einem  wirklichen  Stil  der  einzelnen  Figur  oder  des  einzelnen 
Ornamentes  gamicht  mehr  reden  kann  ^).  Ganz  anders  ist  es  in  den  Provinzen. 
Hier  in  den  bescheideneren  Verhältnissen  fanden  auch  die  hübschen  roten  Re- 
liefgefässe  noch  Abnehmer  genug,  und  hier  blüht  denn  auch  bald  eine  ein- 
heimische Industrie.  Interessant  ist  nun,  dass  während  die  undekorierten  Teller 
und  Näpfe  einfach  die  arretinischen  Formen  fortsetzen,  die  ornamentierte  Schale 
gänzlich  andere  Form  und  andere  Dekorationsweise  zeigt.  Die  schönen  stark 
profilierten  Schalen  ^)  mit  der  feinen  flachen  Rankendekoration  und  dem  wie  bei 
Metallgefässen  geriefelten  unteren  Teil,  wie  sie  in  unseren  frühesten  Nekropolen 
vorkommen,  haben  mit  den  arretinischen  dekorierten  Gefässen  gamichts  zu  thun. 
Aber  auch  von  dem  römischen  Stile  des  I.  nachchristlichen  Jahrhunderts  ist 
nichts  darin  zu  fühlen.  Es  ist  eben  ein  eigener  Proviuzialstil,  der  sich  hier 
zeigt  und  der  ganz  augenscheinlich  auf  älteres  zurückgreift.  Diese  streng  sti- 
lisierten Ranken,  die  Blätter,  die  sich  wohl  an  Naturformen  anlehnen,  sie  aber 
nicht  wirklich  nachahmen,  erinnern  ebensogut  wie  die  Skulpturen  des  Julier- 
Denkmals  an  griechisches,  das  etwa  200 — 300  Jahre  älter  ist.  Auch  die  Aus- 
wahl der  Pflanzenmotive  ist  die  nämliche.  Gegenüber  der  Fülle  augusteischer 
Blattornamentik  beschränken  sich  diese  Gefässe  wieder  auf  den  alten  Kreis: 
Lorbeer,  Epheu,  Wein  und  wenig  anderes'). 

Woher  dieser  provinziale  Stil  seine  Anregungen  empfangen  hat,  das  bleibt 
noch  eine  offene  Frage.     Aus  dem  augusteischen  Rom  aber  sicher  nicht. 

Excurs  I. 

Wo  die  Primärqucllen  dieser  „augusteischen"  Kunst  liegen,  welchen  Kunst- 
zentren  sie  ihre  Anregungen  verdankt,  das  ist  eine  Frage,  die  ausserhalb  des 
Rahmens  dieses  Vortrages  liegt.  Al)er  sie  ist  wichtig  und  niüsstc  jetzt  einmal 
in  weiterem  Zusammenhange  mit  Berücksichtigung  des  ganzen  Materiales  ein- 
heitlich behandelt  werden.  Nachdem  wir  durch  grundlegende  Arbeiten  wie 
Ilausers  neuattische  Reliefs,  Schreibers  hellenistische  Relicfbilder  und  helle- 
nistische Toreutik,  Mau 's  Geschichte  der  Wandmalerei  über  einzelne  Denk- 
mälerklassen  genauer  orientiert  sind  und  das  Material  übersehen,  muss  jetzt 
die  Zusammenarbeit  erfolgen.  Dann  erst  werden  wir  definitiv  über  diese  Kunst- 
periode urteilen  können.  Mit  wenig  Worten  nur  möchte  ich  meinen  Standpunkt 
andeuten. 

Ich  bin  nach  wie  vor  der  Ansicht,  dass  der  Einfluss  Alexandrias  über- 
schätzt wird').      Ich  halte  den  Mischstil,    den    wir   als  dem  I.  vorchristlichen 

1)  cf.  B.  J.  9().  108  f. 

2)  B.  J.  9G.  Taf.  II.  29.  30. 

3)  Vergleichen  iHsst  sich  für  die  Stilisierung  der  Blätter  das  kleine  SchHlchen 
des  Hildesheinier  Fundes,  das  Arch.  Anz.  XII.  121.  Fig.  6.  abgebildet  ist  und  gewiss 
zum  ältesten  Bestände  dieses  Schatzes  gehört. 

4)  Schreiber,  Wiener  Brunnenreliet's  91.  Anni.  95.  Hell.  Toreutik  170.  Vgl. 
B.  J.  96.  51. 


Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  Verhältnis  zur  augusteischen  Kunst.  106 

Jahrhundert  eigen  erkannt  hatten,  für  römisch,  d.  h.  für  in  Rom  unter  dem 
Einflüsse  der  dort  zusammengeschleppten  Kunstwerke  von  griechischen  Kttnst- 
lera  zur  Ausbildung  gebracht  Unterstützt  wurde  ihre  Richtung  durch  das  kunst- 
historische Interesse  und  die  dadurch  geförderte  klassizistische  Strömung  der 
ganzen  Zeit  einerseits,  den  Mangel  eigener  Erfindungsgabe  andererseits.  Dieser 
Stil  hat  sein  Zentrum  in  Rom,  wo  eben  damals  der  künstlerischen  Produktion 
massenhaft  Gelegenheit  gegeben  wurde  sich  zu  bethätigen.  Ausserhalb  Italiens 
ist  er  so  gut  wie  ganz  unbekannt.  Wenn  sich  auch  ein  und  das  andere  neu- 
attische Stück  oder  hellenistische  Rcliefbild  ausserhalb  Italiens  und  Roms  nach- 
weisen lässt,  so  fehlen  doch  Werke  des  eigentlich  augusteischen  Mischstiics  hier 
ganz.  Und  einen  grösseren  Gegensatz  als  zwischen  der  kühlen  voraehmen 
Prozession  der  Ära  Pacis  und  den  Bildern  wilden  malerischen  Kampfgetümmels 
an  dem  Julierdenkmal  von  St.  Remy  kann  man  sich  kaum  denken.  Das  eine 
ist  stadtrömische  Kunst,  die  andere  hängt  direkt  von  griechischer  Kunst  ab 
und  zwar  wohl  von  kleinasiatischer,  wohin  die  Form  des  Denkmales  im  letzten 
Grunde  weist*).  Die  Vorbilder  für  diese  Reliefs  hat  die  griechische  Malerei 
geliefert,  wie  Wickhoff  a.  a.  0.  S.  39  richtig  ausführt.  Die  nächste  Analogie 
bieten  die  Alexanderschlacht  aus  Pompei  ^)  und  etruskische  Aschenkisten.  Wenn 
Wickhoff  deslialb  weiter  toskanische  Künstler  in  Gallien  annimmt,  so  kann 
ich  ihm  darin  nicht  folgen.  Etrusker  und  massiliotische  Künstler  haben  hier 
die  gleiche  Quelle,  und  diese  ist  zu  aller  Zeit  in  erster  Linie  die  ostgriechische 
Kunst  gewesen. 

Unter  den  Vorbildern,  nach  denen  die  römischen  Künstler  im  I.  vor- 
christlichen Jahrhundert  arbeiten,  sind  zweifellos  mancherlei  alexandrinische  oder 
doch  auf  alexandrinische  Anregung  zurückgehende.  Zunächst  sondert  sich  ja 
leicht  alles  das  aus,  was  aegyptische  Motive  zeigt.  Ferner  halte  ich  es  für 
sehr  wahrscheinlich,  dass  gerade  in  den  sogenannten  Reliefbildcm  Schreibers 
manches  alexandrinische  Gut  steckt,  obgleich  mir  der  zwingende  Beweis  für  die 
ganze  Gruppe  nicht  erbracht  zu  sein  scheint  ®).  Weniger  klar  liegt  die  Frage  bei 
den  neuattischen  Reliefs.  Hausers  erste  Gruppe  ist,  wie  er  selbst  ausgeführt 
hat,  zum  grossen  Teile  abhängig  von  attischen  Vorbildern  und  die  Künstler,  die 
sich  auf  Werken  dieser  Gruppe  nennen,  sind  ja  auch  Attiker.  Für  die  zweite 
Gruppe  nimmt  Hauser  alexandrinische  Vorbilder  an.  Aber  Beziehungen  zu 
den  attischen  Werken  sind  ebenso  vorhanden.     Die  Kalathiskostänzerinnen  der 


1)  Loeschcke,  B.  J.  95.  260flF.    ef.  Newton  Discoveries  I.  31. 

2)  Gleichartig  komponiert  ist  ein  Mosaikfragment  des  Neapler  Museums  (120618), 
ebenfalls  aus  Pompei,  auch  in  den  Farben  ganz  mit  der  Alexanderschlacht  überein- 
stimmend. Offenbar  war  der  Leukippidenraub  dargestellt.  Über  einen  Gefallenen 
weg  stürmt  ein  Gespann  nach  rechts  hin.  Erhalten  sind  die  Beine  eines  auf  den 
Wagen  springenden  nackten  Mannes,  der  Rest  einer  mit  langem  weissem  Gewand 
bekleideten  Frau,  deren  Fuss  den  Boden  nicht  berührt,  die  also  getragen  wird.  Da- 
hinter ist  noch  der  Rest  eines  zweiten  Mannes  erhalten. 

3)  Der  Arbeit  nach  sind  sicher  zahlreiche  dieser  hellenistischen  Reliefbilder 
augusteisch.  Auch  Amelung  (Bull.  comm.  25.  1897.  p.  125  Anm.)  hält  die  grimanischen 
Brunnenreliefs  für  augusteisch  wenigstens  in  der  Ausführung. 


106  Hau8  Dragendorff: 

zweiten  Gruppe  kann  man  von  den  Mänaden  der  ersten  stilistiseh  nicht  trennen. 
Nenattiker  and  Alexandriner  haben  also  gleiche  Vorbilder.  Ich  denke  mir 
den  Hergang  so,  dass  die  erste  Grappe  die  sogenannte  neuattisehe  Kunst  im 
eigentlichen  Sinne  darstellt,  Werke  attischer  Steinmetzen,  und  eines  der  Ele- 
mente, aus  denen  sich  das  Mosaik  der  augusteischen  Kunst  zusammensetzt, 
noch  frei  von  Zuthaten  aus  fremden  Stilen,  während  die  zweite  Gruppe  durch- 
aus schon  der  römisch-augusteischen  Mischkunst  angehört.  Daher  die  laxere 
äusscrlichere  Behandlung  des  Archaismus,  die  grössere  Freiheit,  mit  der  die 
einzelnen  Figuren  wiedergegeben  werden.  Daher  hier  der  Eklektizismus,  der 
neben  attischem  auch  sicher  alexandrinisches  verwendet.  Es  wäre  also  der 
Unterschied  der  beiden  Gruppen  Hansers  in  erster  Linie  ein  zeitlicher. 

Ebenso  ist  das  naturalistische  Pflanzenomament  wohl  nicht  alexandrinisch. 
Es  tritt  in  Pompci,  wie  oben  ausgeführt,  an  Denkmälern  auf,  die  der  klein- 
asiatischen Kunst  anzugehören  scheinen.  Das  einzige  griechische  Schmuckstück 
aus  Aegypten,  das  aus  einem  naturalistischen  Kranz  besteht^),  reicht  an  Na- 
turwahrheit doch  noch  lange  nicht  an  die  südrussischen  Kränze  heran,  die  ge- 
wiss dem  kleinasiatischen  Kunstkreis  entstammen.  Es  steht  stilistisch  auf  der 
gleichen  Stufe,  wie  der  Blattfries  am  Alexandersarkophag.  Das  einzelne  Blatt 
ist  zwar  naturalistisch  ausgeführt,  nicht  aber  die  Kanke. 

Das  alexandrinische  ist  zweifellos  ein  Element  der  augusteischen  Kunst, 
aber  es  ist  nicht  das  einzige,  vielleicht  nicht  einmal  das  wichtigste.  Es  ist 
zunächst  der  griechische  Osten,  zu  dem  Rom  in  dauernde  Beziehung  tritt.  Die 
Beute  an  Statuen  schleppen  die  römischen  Heere  vornehmlich  aus  Griechenland 
und  Kieinasien  nach  Rom  *).  Scipio  bringt  aus  dem  Krieg  gegen  Antiochus 
massenhaft  toreutische  Sehätze  dorthin;  133  kommt  die  attalischc  Erbschaft  hinzu. 
Sollten  alle  diese  Kunstwerke  ohne  nachhaltigen  Eintluss  geblieben  sein  und 
die  in  und  für  Rom  arbeitenden  Künstler  sich  wirklich  alle  ihre  Anregungen 
aus  Alexandria  geholt  haben?  In  Kleinasien,  namentlich  Rhodos,  blüht  bis  ins 
erste  vorchristliche  Jahrhundert  hinein  ein  reiches  Kunstlcben^);  Alexandria 
tritt  dagegen,  nachdem  es  anfangs  offenbar  eine  Rolle  in  der  Kunst  gespielt 
hat,  in  der  späteren  Ptolemäerzcit  auffallend  zurück.  Wir  kennen  kaum  einen 
alexandrinischcn  Künstler  mit  Namen.  Und  das  wenige  sieher  alexandrinische 
aus  dieser  Zeit  ist  wenig  geeignet  uns  einen  hohen  Begriff  von  alexaudrini- 
seher  Kunst  zu  geben.  Es  ist  ein  venvcieliliehtcr  attischer  Stil,  den  diese 
Werke  zeigen,  ganz  versehieden  von  dem,  den  Schreiber  Alexandria  zu- 
schreibt*).    Ähnlich  liegt  es  auf  den  einzelnen  Kunstgebieten. 

Schreiber  hat,  von  einer  ÄuHscrliehkeit  der  Henkelform  ausgehend,  eine 
Menge  Mctallgeräte  zusaiinnengestellt  und  sie  alle  alexandriniseher  Kunst  zu- 
geschrieben.    So   einleuehtend  seine  Argumentation  im  ersten  Augenblick   ist. 


1)  Schreiber,  hclleiiist.  Torcutik  302. 

2)  Vgl.  IJrlichs  a.  a.  0. 

3)  Vgl.  auch  Rizzo,  Rom.  Mitt.  XII.  298  ff. 

4)  Vgl.  Ainelung  bull,  comni.  25.  1897. 


Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  VerhAltnis  zur  augusteischen  Kunst.  107 

kann  das  Resultat  meiner  Ansicht  nach  in  dem  Umfange  doch  nicht  gelten. 
Die  Schuabelhenkel  und  was  damit  zusammenhängt  sind  zweifellos  von  den 
alexandrinischcn  Toreuten  verwendet  worden.  Aber  nichts  zwingt  uns  anzu- 
nehmen, dass  sie  gleichsam  ein  Monopol  der  Alexandriner  waren.  Schreiber 
selbst  giebt  ja  auch  für  eine  Reihe  seiner  Gefässe  zu,  dass  sie  in  römischer 
Zeit  erst  in  Anlehnung  an  alexandrinische  Muster  gearbeitet  seien.  Wenn  wir 
aber  Schreiber  folgen,  so  sind  eigentlich  alle  uns  erhaltenen  dekorierten 
Prachtgefässe  alexandriuisch.  Schreiber  erkennt  sehr  richtig  die  Stilmischung 
im  I.  Jahrhundert  und  stellt  die  Vermutung  auf,  dass  wie  alle  anderen  Künstler 
dieser  Zeit,  so  auch  die  Toreuten  bald  jonisch-kyzikenische,  bald  attisch-per- 
gamenische,  bald  alexandrinische  Vorlagen  benutzt  hätten  ^).  Die  Künstler  sind 
damals  Kopisten,  und  sie  haben  sicher  nicht  nur  alexandrinische  Muster  ko- 
piert. Aber  mustern  wir  die  uns  erhaltenen  toreutischen  Arbeiten  und  sondern 
alles,  was  Schreiber  für  alexandrinisch  erklärt,  aus,  so  bleibt  eigentlich 
nichts  mehr  übrig,  was  jene  anderen  Kunstschulen  repräsentieren  könnte.  Es 
würde  hier  der  eigentümliche  Fall  eintreten,  dass  nur  aus  der  einen  Gruppe 
uns  Beispiele  erhalten  geblieben,  die  anderen  vollkommen  verschwunden  wären. 

Wenn  wir  unserer  litterarischen  Überlieferung  folgen,  so  ergiebt  sich  dem- 
gegenüber als  ein  Faktum,  dass  alle  berühmten  Toreuten,  soweit  ihre  Heimat 
bekannt  ist,  Kleinasiaten  waren  *).  Kein  einziger  Alexandriner  wird  genannt. 
Deshalb  und  wegen  der  Herkunft  der  römischen  Silberschätze  aus  Kleinasien, 
müssen  notwendigerweise  auch  Werke  dieser  Kunstrichtung  in  unserem  Denk- 
mälervorrat sein.  Und  es  lassen  sich  zweifellos  solche  auf  kleinasiatische  Vor- 
bilder zurückgreifende  Werke  nachweisen.  Ich  erinnere  an  die  Athenaschale 
des  Hildesheimer  Fundes,  deren  kleinasiatischen  Ursprung  Winter  mit  Recht 
gegen  Schreiber  verteidigt  hat  3). 

Bei  dem  Becher  mit  den  Störchen  aus  dem  Fund  von  Boscoreale  hat 
Michaelis  (Preuss.  Jahrb.  85.  p.  54)  daran  erinnert,  dass  die  Störche  in  Aegypten 
nicht  brüten,  wohl  aber  in  Kleinasien,  und  der  Becher  daher  eher  dem  dortigen 
Kunstkreise  zuzuweisen  sei. 

Stücke,  die  dem  neuattischen  Typenkreise  angehören,  sind  ebenfalls  nicht 
alexandrinisch,  und  so  Hesse  sich  noch  mancherlei  hinzufügen. 

Mit  Recht  hat  Rizzo  (Rom.  Mitt.  XII  296)  gerade  auch  auf  Rhodos  hin- 

1)  Plinius  bezeugt  ja  auch  ausdrücklich  (33.  139),  dass  die  Mode .  beständig 
wechselte.  Zu  seiner  Zeit  lag  die  Toreutik  danieder.  Wann  dieser  Niedergang  einge- 
treten, sagt  er  nicht.  Es  kann  das  gerade  so  gut  erst  nach  der  Zeit  des  Augustus, 
wie  vor  derselben  geschehen  sein. 

2)  Zu  beachten  ist,  dass  auch  unter  den  inschriftlich  bekannten  italischen  Gold- 
schmieden, die  Schreibor  (hell.  Toreutik  133)  aufzählt,  mehrere  sind,  deren  Namen 
nach  dem  griechischen  Osten  weisen.  So  finden  wir  einen  Antigonus,  Seleucus,  Po- 
lynices  natione  Lydus.  Es  ist  ganz  dieselbe  Erscheinung  wie  in  den  arretinischen 
Töpfereien.    (B.  J.  96.  69.) 

3)  Winter,  Arch.  Anzeiger  XII.  127  ff.  Der  Felsen  und  der  Kranz  daran  erin- 
nern wieder  sehr  an  die  hellenistischen  Relief  bilder,  sind  also  auch  nicht  ausschliess- 
lich alexandrinisch. 


108  Hans  Dragendorff: 

gewiesen,  als  Heimat  der  Toreutik.  Die  von  der  Toreutik  völlig  abhängige 
Reliefkeramik  zeigt,  soweit  ich  das  Material  übersehe,  mehr  Beziehungen  zor 
griechisch- kleinasiatischen  Kunst  als  gerade  zur  alexandrinischen.  Die  Funde  in 
Ägypten  sind  hier  sehr  wenig  ergiebig  und  die  Fundstttcke  selten  erfreulich. 

Dass  die  Mannorinkrnstation,  die  einen  so  entscheidenden  Einfluss  auf 
die  Wandmalerei  ausübt,  ans  Alexandrien  nach  Rom  gekommen  sei,  wie 
Schreiber  annimmt,  ist,  scheint  mir,  noch  nicht  bemesen.  Die  Technik  ist 
schon  früh  im  Orient  beliebt,  sie  ist  dort  schon  im  IV.  Jahrh.  im  griechischen 
Knlturkreis  angewandt  im  Palast  des  Maussolos  ^),  doch  sicher  von  griechischen 
Künstlern,  und  ist  zweifellos  auch  an  den  Diadochenhöfen  Kleinasiens  geübt. 
Sie  kann  also  gerade  so  gut  von  dort  nach  Italien  gekommen  sein^). 

Meiner  Ansicht  nach  arbeiten  in  Rom  zunächst  attische  und  kleinasia- 
tische Künstler.  Erst  allmählich,  namentlich  seit  der  Eroberung  Aegyptens, 
macht  sich  der  dortige  Einfluss  geltend.  Die  sicher  alexandrinischen  Elemente 
sehen  wir  erst  während  des  Verlaufes  der  von  uns  geschilderten  Kunstepoche 
eindringen.  Das  scheint  mir  der  beste  Beweis  dafür,  dass  die  Grundelemente 
dieses  Stiles  nicht  alexandrinisch  sind.  Auf  den  späten  Wänden  II.  Stiles  finden 
wir  sie.  Das  stimmt  wieder  zu  den  Zeitverhältnissen.  Denn  diese  Wände  fallen 
ja  gerade  in  die  Zeit,  in  welcher  Aegypten  dem  römischen  Reiche  einver- 
leibt wird,  die  Beziehungen  also  direkte  und  enge  werden.  Und  ebenso  gehören 
denn  auch  alle  arretinischen  Vasen,  welehe  sicher  alexandrinische  Motive  ver- 
wenden, die  Grylloi,  karrikierten  Figuren,  die  Gerippe,  ägj^ptischen  Tiere  u.  a. 
nach  ihren  Stempeln  sicher  der  letzten  Zeit  der  arretinischen  Manufaktur  an. 

Der  in.  Stil  ist  das  Endresultat  dieses  Eindringens  alexandrinischer  Kunst 
in  die  Wandmalerei.  Dass  aber  daneben  selbständig  sich  ans  dem  II.  Stil  der 
IV.  entwickelt,  der  dann  in  Italien  zur  Geltung  kommt,  spricht  auch  für  die 
Existenz  anderer  nnalexandrinischer  Strömungen  in  der  Kunst  jener  Zeit  ^).  Vor 
allen  Dingen  scheint  mir  auch  dieser  Umstand  wieder  dagegen  zu  sprechen, 
dass  die  Kunstrichtung,  von  der  der  II.  Stil  ein  Teil  ist,  rein  alexandrinisch  sei. 


Excurs  II. 

Interessant  für  den  Unterschied  zwischen  der  Kunst  der  Hauptstadt  und 
der  Landstadt,  sind  2  Ornamentlcisten,  die  auf  Tafel  V  abgebildet  sind.  Die  eine 
befindet  sich  in  Florenz,  stammt  also  jedenfiills  aus  Rom,  und  ist,  wie  ein  Blick 
'iQVf^ty  stilistisch  und  in  der  Ausführung  dem  Akauthosornament  der  Ära  Pacis 
aufs  nächste  verwandt.  Das  sind  dieselben  eleganten  Ranken,  die  scharf  ge- 
zeichneten Akauthosl>lätter  und  Blüten,   bis  zur  kleinsten  Ader  und  Faser  fein 

1)  Plinius  Sil  47.  Vitr.  2.  8.  10.     Schreiber,  a.  a.  O.  4. 

2)  In  Alexandria  ist  sie  natürlich  in  weitem  Umfange  angewandt,  vielleicht  auch 
in  besonders  priichtiger  Weise.  Wir  haben  aber  in  Kleinasien  kein  annähernd  so 
jrutes  Beobachtunpjterrain  wie  den  mit  Marmorbroeken  übersäten  Meeresstrand  an 
den  Ptolemäerpalästen. 

3)  Vgl.  Mau's  Bemerkungen.  Rom.  Mitt.  X.  234. 


Die  arretinischen  Vasen  und  ihr  VcrhAltnis  zur  augusteischen  Kunst.  109 

ausgeführt,  wie  dort.  Auch  die  sauber  gefiederten  Vögel  finden  sieh.  Das 
Gegenstück  stammt  von  der  Halle  der  Eumachia.  Es  ist  dieselbe  Rauke,  die 
abwechselnd  in  eine  Blüte  und  in  ein  Blatt  endet.  Auch  hier  schlingen  sich 
um  die  Hauptranken  einige  feinere,  in  Blüten  endende  Stiele.  Aber  bei  ge- 
nauerer Betrachtung  treten  die  Unterschiede  klar  hervor.  Es  fehlt  die  feine 
Detailausfllhrung,  die  ja  auch  schon  auf  geringe  Entfernung  für  das  Auge  ver- 
schwindet. Es  fehlt  auch  jene  etwas  trockene  Genauigkeit  und  Schärfe  in 
der  Begrenzung  der  einzelnen  Formen  gegen  den  Grund.  Weicher  und  ge- 
drungener ist  alles  geworden.  Aber  wenn  auch  das  technische  Können  des 
Künstlers  nicht  an  das  des  Meisters  des  Florentiner  Reliefs  heranreicht,  so  hat 
doch  auch  dieser  pompeianische  Steinmetz  seine  Aufgabe  nicht  schlecht  gelöst 
und  wer  den  Fries  aus  einiger  Entfernung  betrachtet,  wird  keinen  grossen 
Unterschied  bemerkt  haben.  Der  pompeianische  Künstler  führt  sein  Relief  ge- 
rade so  weit  aus,  wie  es  nötig  ist,  um  den  richtigen  Eindruck  zu  geben.  Ist 
das  Florentiner  Stück  zweifellos  stadtrömische  Kunst  aus  der  Zeit  des  Augustus, 
aufs  nächste  der  Ära  Pacis  verwandt,  so  gehört  das  zweite,  wie  die  Halle  der 
Eumachia  überhaupt,  in  die  Zeit  des  Tiberius,  und  neben  dem  Unterschied 
zwischen  stadtrömischer  und  italischer  Kunst  tritt  uns  hier  noch  eines  entgegen, 
schon  ein  gewisser  Übergang  zu  der  Kunst  der  folgenden  Periode,  in  der  die 
Künstler  wieder  lernen,  auf  den  Eindruck  hin,  illusionistisch  zu  arbeiten. 


5.    Römisches  Siegesdenkmal  in  Beuel. 


Von 
H.  Nissen. 


Beim  Ziehen  der  Gräben  für  die  Fundamente  der  Caplanei,  die  an  der 
neuen  Kaiserstrasse  in  Benel  gebaut  wird,  stiessen  die  Arbeiter  auf  einen  mäch- 
tigen Steinblock  und  wollten  ihn  der  bequemeren  Fortschaffung  wegen  zer- 
schlagen. Daran  wurden  sie  durch  Hinweis  auf  die  Schrift  des  Steines  ver- 
liindert;  mit  Genehmigung  des  Kirchenvorstandes  gelangte  er  am  Tage  der 
Entdeckung  25.  Juni  zu  später  Stunde  in  Sicherheit,  d.  h.  ins  Provinzialmuseum  ^). 
Der  Fund  war  geeignet  Aufsehen  zu  erregen;  denn  unter  den  Fundstätten 
rheinischer  Altertümer  kommt  Beuel  bisher  nicht  vor^),  „das  Fehlen  der  rö- 
mischen Militärinschriften  am  ganzen  rechten  ünterrhein"  stellt  Mo m rasen  als 
gemeingültigen  Satz  hin  ^).  Da  der  Direktor  zur  Herstellung  seiner  Gesundheit 
in  diesen  Monaten  beurlaubt  und  die  Leitung  des  Museums  meinen  Händen  an- 
vertraut war,  liegt  es  mir  ob  über  den  Stein  und  die  durch  ihn  veranlassten 
Nachforschungen  zu  berichten. 

Beuel  nimmt  eine  langgestreckte  Insel  von  etwa  2  km  Länge  und  ^/g  km 
Breite  ein,  die  erst  in  der  Neuzeit  verlandet  ist.  Die  Mulde,  die  das  Dorf  vom 
Bahnhof  trennt,  wird  noch  jetzt  vom  Hochwasser  überflutet.  In  den  Bela- 
gerungen, die  Bonn  im  IG.  und  17.  Jahrhundert  zu  bestehen  hatte,  bildete  die 
hier  errichtete  Schanze  den  Schlüssel  der  linksrheinischen  Festung.  Als  die 
Römer  diese  besetzt  hielten,  wird  der  jenseitige  Uferrand  ähnlich  ausgesehen 
haben  wie  heutigen   Tages  Nonnenwerth.     Mithin   wird   die   von   M  o  m  m  s  e  n 


1)  Die  Leitung  des  Museums  erfüllt  eine  angenehme  Pflicht,  indem  sie  dem  Haupt 
des  Kirchenvorstandes  Herrn  Pastor  C  1  a  r  e  n  sowie  Herrn  Caplan  Heyes  für  ihr 
Ent<]^egenkommen,  Herrn  Oberpostassistenten  Berghoff  für  mannichfache  dienst- 
bereite Unterstützung  öffentlich  dankt. 

2)  Nach  dem  Boneschen  Register  wird  im  Jb.  G6.  97  von  einem  neueren 
Münzfund  gehandelt;  jedoch  ist  dieser  eine  Stunde  landeinwärts  von  Beuel  gemacht 
worden. 

3)  Römische  Geschichte  V  115. 


Komisches  Siegesdenkmal  in  Beuel.  111 

angenommene  Regel  durch  unseren  Fund  nicht  erschüttert.  Freilich  ist  die 
Aufgabe  des  rechten  Rheinnfers  durch  Kaiser  Claudius  nicht  in  dem  Sinne  zu 
vei-stehen,  als  wäre  fortan  der  Strom  die  mit  peinlicher  Strenge  innc  gehaltene 
Grenzlinie  des  Reiches  gewesen.  Ohne  Weiteres  leuchtet  ein,  dass  das  Armee- 
corps in  Xanten,  die  beiden  Divisionen  von  Neoas  und  Bonn,  die  Grossstadt 
Köln  über  ein  jenseitiges  Vorland  geboten  haben.  Aber  der  Umfang  des  Vor- 
landes hat  stark  geschwankt,  es  bedarf  sorgfältiger  Untersuchungen  um  ihn 
im  Einzelnen  zu  bestimmen.  Dahin  gehört  z.  B.  für  unsere  Gegend  die  etwas 
mühsame  Frage,  ob  die  Römer  wirklich  im  Siebengebirge  Bau-  und  Inschrift- 
steine gebrochen  haben,  wie  man  so  oft  liest,  oder  ob  die  Erschliessung  dieser 
Brüche  erst  von  den  Franken  herrührt.  Darüber  haben  die  Geologen  das  ent- 
scheidende Wort,  nicht  die  Techniker.  Unserem  Bender  Stein  wiesen  die  letz- 
teren seinen  Ursprung  auf  der  Wolkenburg  an.  Da  ich  diesem  Bescheid  miss- 
traute, wandte  ich  mich  an  die  erste  Autorität  über  vulkanische  Vorkommnisse 
am  Rhein.  Laspeyres  antwortete:  „es  unterliegt  keinem  Zweifel,  dass  die  Ge- 
steinsprobe  aus  den  grossen  Brüchen  an  der  Hohenburg  bei  Berkum  unweit 
Mehlem  stammt.  Der  dortige  für  den  Kölner  Dom  vielfach  gebrochene  Tra- 
cliyt  ist  sehr  charakteristisch  und  hat  sieh  bisher  an  keinem  anderen  Orte  ge- 
funden (vgl.  von  Dechen  Siebengebirge  1861  S.  86  ff.).^  Ohne  andere  Schlüsse 
zu  ziehen  lehrt  doch  dieser  Einzelfall,  dass  bei  Angaben  über  die  Herkunft 
römischen  Materials  einige  Voi*sicht  angebracht  sei. 

Der  Fundort  befindet  sich  auf  dem  Scheitel  des  Uferrandes  und  ist  hoch- 
wasserfrei. Der  Stein  lag  reichlich  1  m  unter  der  Oberfläche,  um  welchen  Be- 
trag der  Boden  seit  dem  Altertum  gewachsen  ist.  Sein  Gewicht  wie  seine 
Erhaltung  schliessen  die  Möglichkeit,  dass  er  vom  Strom  angeschwemmt  sei, 
unbedingt  aus.  Ebenso  unfassbar  ist  der  Gedanke,  dass  er  vom  jenseitigen 
Ufer  hierher  verschleppt  sein  könnte.  Viehnchr  empfehlen  die  begleitenden 
Umstilnde  in  dem  Fundort  zugleich  den  ursprünglichen  Standort  zu  erblicken. 
Neben  dem  Denkmal  hoben  sich  von  den  Rheinkieseln  des  Untergrundes  meh- 
rere vulkanische  Stücke  scharf  ab,  die  offenbar  als  Keile  dazu  gedient  haben 
jenes  zu  stützen  und  zu  befestigen.  Sei  es  von  Menschenhand  sei  es  durch 
die  Elemente  ist  das  Denkmal  später  umgestürzt  und  allmählich  begraben 
worden.  Es  ist  ein  Pfeiler  von  1,45  m  Höhe,  0,72  m  Breite,  0,45  m  Dicke,  der 
oben  einen  5  cm  breiten  Rundstab,  darüber  einen  18  cm  hohen  Aufsatz  mit 
Voluten  an  den  Seiten  und  einer  stumpfen  Spitze  in  der  Mitte  hat.  Der  Auf- 
satz enthält  die  Widmung  an  den  besten  höchsten  Juppiter,  dann  folgen  18 
Zeilen  von  17—22,  im  Durchschnitt  18 — 19  Buchstaben.  Die  Rückseite  ist  nie 
bearbeitet  gewesen.  Die  rechte  Seite  (vom  Beschauer  aus)  hat  unbedeutende 
Beschädigungen  erlitten,  dagegen  ist  an  der  linken  ein  grosses  Stück  abge- 
hauen. Dies  scheint  in  ziemlich  alter  Zeit  geschehen  zu  sein,  als  der  Stein 
mit  der  Schriftseite  nach  unten  am  Boden  lag:  deshalb  ist  diese  glimpflicher 
davon  gekommen  als  die  Rückseite.  Dagegen  hat  das  Wetter  das  untere  Drittel 
der  Inschrift  arg  beschädigt,  indem  das  eindringende  und  gefrierende  Wasser 
die  Schriftfläche  des  Trachyt  lossprengte  oder  auch  die  Zeichen  zerstörte«    Als 


112  H.  N  i  s  8  e  n  : 

der  Stein  ins  Mos^nni  gelangte,  fehlten  rnnd  120  von  340  Buchstaben  und 
zwar  in  der  historisch  wichtigen  letzten  Hälfte.  Am  27.  Jnni  wnrde  ein  Stück 
mit  21,  am  30.  Jnni  ein  anderes  mit  4  Buchstaben  nachgeliefert.  Nach  Aus- 
sage der  Arbeiter  waren  viele  Stücke  bei  der  Ausschachtung  fortgeworfen 
worden  und  in  einem  Erdhaufen  von  50  chm  Inhalt  oder  mehr  versteckt,  der 
auf  der  Kaiserstrasse  zu  weiterer  Verwendung  lagerte.  Ich  habe  mich  gesträubt 
aber  zuletzt  doch  entschliesen  müssen  den  ganzen  Haufen  planmässig  durch- 
suchen zu  lassen:  was  zwei  Mann,  die  Loeschckes  Gefälligkeit  von  der 
Limesgrabung  fttr  eine  Woche  beurlaubt  hatte,  diese  Frist  hindnreli  vollauf 
beschäftigte.  In  der  That  kamen  kleine  Splitter  dutzendweise,  vereinzelt  auch 
grossere  zum  Vorschein,  aber  die  Masse  rührte  von  der  unbeschriebenen  Rück- 
seite her.  Der  Reinertrag  beschränkte  sich  auf  drei  Buchstabenreste,  die  an 
der  Schriftfläche  haften  blieben  und  (ein  freundlicher  Zufall  lohnte  den  Aufwand 
an  Zeit  und  Geld)  den  Schlüssel  zum  Verständnis  des  Textes  lieferten.  End- 
lieh  wurde  an  der  mittlerweile  anfgemauerten  Wand,  bei  deren  Fundierung  die 
Inschrift  aufgefunden  war,  aussen  ein  Graben  gezogen,  um  festzustellen  ob  etwa 
hier  Trümmer  davon  auftauchen  mochten.  Mit  dem  negativen  Ergebniss  waren 
die  Aussichten  erschöpft.  Der  diesen  Sommer  herrschende  Arbeitermangel  ver- 
zögerte und  behinderte  alle  Untersuchungen  in  unliebsamer  Weise. 

In  ihrem  Verlauf  drängte  sich,  auf  eine  falsche  Ergänzung  der  Inschrift 
gestützt,  die  Vermutung  auf,  dass  der  Stein  vor  einer  Acdicula  gestanden  habe. 
Demgemäss  wurden  schwache  Spuren,  die  auf  das  einstige  Vorhandensein  einer 
Kapelle  hinzudeuten  schienen,  verfolgt.  Indessen  trog  der  Schein,  römische 
Fundamente  wurden  nicht  entdeckt.  Ausserdem  lehrt  der  Text  und  lehrt  die 
rauhe  Hinterseite,  dass  der  Gedenkstein  ohne  Bezug  zu  irgend  einem  Bauwerk 
für  sich  allein  errichtet  worden  ist. 

Die  Schrift  ist  gut  und  sorgfältig,  die  Intcq)unktion  regelmässig.  In  den 
Kaisernanion  kommen  Z.  4.  h  drei  Ligaturen  vor,  vielleicht  auch  Z.  IT)  in 
.  Flavio,  sonst  werden  sie  vermieden.  Das  Bestreben  tritt  klar  zu  Tage  das 
Ende  der  Zeilen  dem  Sinn  anzupassen.  Unter  Beiriigung  der  nötigen  Ergän- 
zungen in  eckigen  Klannuern  und  Auflösung  der  Abkürzungen  in  Knndklamniern 
lautet  der  Text: 

[lovij  o(ptinio)  niaxinio)  —  [Marti]  |)ropugnatori  [sacnun].  [Victojriae 
Saluti  imi)(eratorisi  [Sevejri  Alexandri  Ang  ustij  [nostrij,  [et  MJaineae  Ang^ustae- 
matri  eius  [et  ejxereitns  M(arei)  Aureli  S[everji  Alexandri  Pii  Felicis  [Invjirti 
Augusti  totin8[quJe  domus  divine  eius,  [le]g(io  prima)  M'inervia)  [pia]  fiidelis) 
Severiana  Ale[xand]r[ia]na  cum  auxiliis,  [pu]gna  r[ejbus  peractis,  [c]umqu[e] 
T[it]io  Rufin[o]  [clarissimo]  v(iro)  leg(ato)  [l]egionis  eiu[sde]m  ag[ent]e  sub 
Fla(vio)  [Tit]ian[o  legato  Augusti  pro  praetore  c]o(n js(ulari)  n(ostro)  po[n]endara 
[eur]avit  VI  kal[enda8  N]o[vembres]  imp' eratore)  AI[exandro  et  Dione]  co(n)- 
8(ulibu8). 


Komisches  Siegesdenkmal  in  Beuel.  113 

i  -  0  .  M 

marti    P  R  O  P  V  G  N  ATO  R  I  •  8 

victo  RIAE«  SALVTI  .  IMP 

seveRI-ALEXAhORIAVQ.N 

5     et  mAh€AEAVGMTR|.EIVS 

et  eXERCITVSM-AVRELI-Se 

Verl-  ALEXANDRIPII-  FELICIS 

invICTI-  AVGVSTI-TOTIVS 

quE-DOMVS-DIVINE-EIVS 

10    leG-l-MpF.  SEVERIANA-ALE 

xandRiaNACVMAVXILIIS 

puGNA-ReBVS-PERACTIS 

cVMQVe  •  TitIO   •  RVFINo 

cV-  LEG  lEGIONIS  •  EIVs 

15     deMAGentE-SVB-FLAvio 

titlANo  1.  a.  p.  p.    cOS-  NPO 

nENDAM  curA  VI  T  •  VI  •  K  AL 

end   nOvembres  IMP- ALe 

xandro    et    dione    COS 

Im  Einzelnen  ist  Folgendes  zu  bemerken: 

Z.  2.  Bekannt  ist  aus  den  Münzen  der  Severe  sowie  durch  ans  den  J.  197 
— 238  stammende  Acten  eines  vornehmen  CoUegiums,  das  in  Palatio  in  aede 
lovis  Propugnatoris  zusammentrat  (CIL.  VI  2009  =  Dessau  466),  dass  das 
Beiwort  dem  höchsten  Gotte  zukommt.  Nach  der  Stellung  desselben  auf  der 
Inschrift  muss  ein  Hauptwort  vorangehen,  man  hat  die  Wahl  zwischen  lovi  und 
Marti.  Ersteres  scheint  durch  das  vorangehende  lOM  ausgeschlossen,  letzteres 
ist  durch  kein  Beispiel  belegbar  aber  dem  Sinn  nach  ohne  Anstoss.  Am  Schlnss 
ist  Raum  fttr  einen  Buchstaben,  schwache  aber  unsichere  Spuren  eines  S  werden 
wahrgenommen.  Wenn  man  zu  Anfang  nur  4  Zeichen  ergänzt,  wird  der  Raum 
frei  bleiben  müssen. 

Z.  3.     Vom  Schlussbuchstaben  ist  nur  der  senkrechte  Strich  erhalten. 
Z.  4.     Das  R  zu  Anfang  ist  bis  auf  den  Schwanz  zerstört,  ebenso  das  N 
am  Ende  bis  auf  den  ei*sten  Strich. 

Z.  5.  Die  Kaiserinmutter  wird  mit  den  Göttern  auf  gleiche  Stufe  gestellt; 
wohl  aus  keinem  anderen  Grunde  als  um  die  Häufung  der  von  einander  ab- 
hängigen Genetive  von«  3  auf  2  zu  er  massigen. 

Z.  10.  Den  Anfang  ergab  ein  Splitter  mit  dem  Rest  eines  G  dann  I  und 
halbem  M.  Die  Beiworte  Severiana  Alexandriana  der  Legio  Minervia  waren 
bereits  bezeugt. 

Z.  12.  Die  Lesung  steht  nach  Anschluss  eines  grösseren  und  kleineren 
Stückes  an  den  Stein  fest.  Da  nach  dem  ersten  Punkt  ein  zwar  verstümmeltes 
aber  sicheres  R  folgt,  hierauf  ein  in  schwachem  Rest  erhaltenes  geradeliniges 
Zeichen,  muss  rebus  ergänzt  werden.  Davor  steht  -GNA-  Dies  kann  nach 
Z,  17  nicht  Accusativ,  muss  also  Ablativ  sein.  Derart  gewinnen  wir  die  That- 
sache,   dass   die  Bonner  Division  einen  Handel   mit   den   deutschen  Nachbarn 

Jfthrb.  des  Vor.  v.  Alterthsfr.  fin  Rheinl.  103.  8 


114  H.  Nissen:  Römisches  Siegesdenkmal  in  BeacL 

nicht  nach  dem  daznmal  üblichen  Verfahren  dnrch  Geld  und  gute  WortCj  son- 
dern mit  den  Waffen  zum  Austrag  gebracht  und  einen  erfochtenen  Sieg  durch 
unseren  Stein  verewigt  hat. 

Z.  13  —  16  fahren  die  Generalität  auf.  Es  mag  eine  Äusserung  von 
Respekt  sein,  dass  der  Schreiber  Namen  und  Titel  sperrt  und  der  einzelnen 
Zeile  nur  17  Buchstaben  zuteilt. 

Z.  13.  Zu  Anfang  fehlt  wahrscheinlich  nur  ein  Zeichen,  VM  sind  sicher, 
dann  folgt  0  oder  Q,  hierauf  ziemlich  sicher  V,  endlich  nach  einem  aus- 
gefallenen Zeichen  ein  Punkt.  Die  Mitte  des  ersten  Namens  ist  zerstört,  nach 
den  vorhandenen  Spuren  indess  eine  andere  Lesung  als  die  gegebene  aus- 
geschlossen. Somit  begrüssen  wir  in  dem  Legionslegaten  einen  alten  Bekannten, 
der  auch  Curator  von  Köln  gewesen  ist.  Beide  Würden  nebst  der  ganzen 
Ämtcrfolge  des  M.  Marius  Titius  Rniinus  zählt  die  Beneventaner  Inschrift  CIL. 
IX  1584  auf.  Hatte  man  ihn  bisher  unbestimmt  in  die  Zeit  von  Marc  Aurel 
bis  einschliesslich  Alexander  Severus  gesetzt  (Klein,  Verwaltungsbeamte  von 
Sicilien  p.  122),  so  erweist  sich  jetzt  die  untere  Zeitgrenze  als  richtig. 

Z.  lö.  Das  M  steht  nur  zur  Hälfte  da.  Am  Schlnss  scheint  A  mit  V 
ligiert  zu  sein. 

Z.  16.  Der  Name  des  anher  unbekannten  Statthalters  lässt  kaum  eine 
andere  Ergänzung  zu.  Wie  sein  Titel  gefasst  war,  ist  nicht  zu  sagen  und  hier 
als  blosse  Vermutung  hergesetzt  worden.  Aber  es  sei  ausdrücklich  betont,  dass 
die  letzten  5  Zeichen  so  scharf  und  deutlich  sind  wie  man  wünschen  kann. 

Z.  17.  Ein  Splitter  mit  halbem  M  schliesst  an  das  grössere  Stück  mit 
ENDA  an.  Folglich  darf  das  Object  nicht  Z.  12  in  GNA  gesucht  werden, 
ist  vielmehr  aram  der  Stein.  Der  Schi uss  ist  verwittert:  AVI  sicher,  die  näch- 
sten 3  Zeichen  wahrscheinlich,  dann  K  mit  kurzen  Schrägbalken,  A  sicher, 
endlich  gerader  Strich. 

Z.  18.  Den  Jlonat  giebt  ein  hier  haftender  Splitter  mit  0  an.  Ob  das 
Datum  27.  Oktober  für  die  Eniclituiig  des  Steines  wegen  der  in  Rom  ge- 
feierten ludi  Victoriae  gewählt  ward,  steht  dahin.  Der  Rest  ist  zerstört.  Vom 
Ende  angefangen  erkennt  man  einen  geraden  Strich,  A  sieher,  P  wahrschein- 
lich, ebenso  halbes  M  und  I.  Nach  vielerlei  wenn  auch  unter  ungünstiger  Be- 
leuchtung angestellten  Proben  glaube  ich  sagen  zu  dürfen,  dass  kein  anderes 
der  Consulate  222 — 35  mit  den  Schriftresten  und  Mafsen  des  Steins  überein- 
stimmt. Die  beiden  Altäre  Branibacli  866  1446  sind  gleichfalls  229  zu  Ehren 
des  Kaiserhauses  geweiht  worden. 

Unser  Denkmal  bringt  denjenigen,  die  Aufschlüsse  über  Caesars  Rhein- 
brücke, den  niederrheinisclien  Limes  und  ähnliche  Dinge  erwartet  hatten,  eine 
Enttäuschung.  Doch  werden  auch  sie  diesen  Beitrag  zur  lückenhaften  Geschichte 
der  Germaneukricge  unter  dem  armen  jungen  Kaiser  Alexander  Severus  will- 
kommen heisscn.  Die  bauliehe  Umgestaltung,  der  Beuel  entgegen  geht,  seit- 
dem der  stolze  Bogen  einer  deutschen  Brücke  sich  über  den  Strom  wölbt,  lässt 
auf  neue  Funde  hoffen.  Die  dortigen  Altertumsfreunde  werden  darüber  wachen 
und  wie  im  vorliegenden  Fall  auch  in  Zukunft  die  Wissenschaft  fördern  wollen. 


6.   Karlingisch-fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf. 

Von 
Constantin  Koenen« 


Hierzu  Tafel  VI. 


In  der  Zeit  vom  6.  bis  8.  Juni  1898  nahm  das  Rheinische  Provinzial- 
mnseam  Bonn  unter  der  stellvertretenden  Direktion  des  Geheimrats  Professor 
Dr.  Nissen  eine  recht  erfolgreiche  Untersuchung  karlingisch  -  fränkischer 
Töpferei-Überreste  vor.  Von  Nissen  mit  der  örtlichen  Leitung  und  mit  der 
VeröfiFentlichung  beauftragt,  habe  ich  zu  berichten: 

Die  Fundstelle  liegt  in  Pingsdorf  (Reg.-Bez.  Köln,  Landkreis  Köln),  in 
der  nordwestlichen  Ecke  zwischen  der  Trierer  Bezirksstrasse  und  der  Busch- 
gasse ^),  auf  dem  Hofe  der  Wirtschaft  von  Anton  Klein,  Haus  Nr.  51.    Die 


^)  Von  der  Trier-Bonner  Römerstrasse  zweigt  sich  bei  Eickerscheid  eine  Strasse 
ab  und  geht  durch  das  Erftthal  über  Münstereifel  nach  Pingsdorf.  Hier  fUUt  sie  mit  der 
Hauptstrasse  des  Ortes,  der  Trierer  Bezirksstrasse,  zusammen  und  zwar  früher  unter 
dem  Namen  ^Ulstrasse*  (Töpferstrasse).  So  heisst  sie  auch  in  ihrer  Fortsetzung  durch 
Brühl,  von  wo  aus  sie  sich  nach  Köln  hinzog  (Schneider,  Bonner  Jahrbücher,  Heft  67, 
S.  25).  Im  Verfolge  dieser  Linie  hat  man  innerhalb  Pingsdorf  an  mehreren  Stellen 
ältere  Culturrcsto  gefunden:  bei  dem  Neubau  für  Herrn  Sonntag  zwei  Steingeräte, 
bei  Bauten  zur  Wirtschaft  „Im  Jägerhaus"  Skelette,  Waffen,  Gläser  u.  s.  w.,  also 
wohl  merovingisch-fränkische  Gräber,  an  mehreren  Stellen  entlang  der  Strasse  auch 
karlingisch-fränkische  Töpferei -Überreste.  Mit  dieser  Römerstrasse  kreuzt  sich  in 
Pingsdorf  eine  zweite.  Die  von  Birteu  über  Alpen  an  Repeln  vorbeigehende  Strasse 
teilt  sich  nämlich  bei  Mors  in  zwei  Arme;  der  östliche  führt  über  Borkum,  dem  Fusse 
des  Vorgebirges  entlang  durch  Pingsdorf  (Schneider  a.  a.  0.,  Heft  73,  S.  1).  An  der 
Nordseite  des  Dorfes  liegt  in  beschriebener  Linie  die  „Buschgasse'*,  an  der  Südseite, 
südlich  der  Ulstrasse  den  Namen  „Knüppelgass**  führend,  in  weiterer  Fortsetzung 
oberhalb  Pingsdorf  „alte  Bonner  Strasse**  genannt.  Im  Verfolge  dieser  Strasse  wurden 
in  der  Pingsdorfer  Gemarkung  ebenfalls  Altertümer  gefunden:  bei  dem  Bau  der 
Trierer  Bahnlinie,  dicht  am  Kirchberg  zwei  Steinsärge,  bei  der  Anlage  der  Vorgebirgs- 
bahn karlingische  Töpfereireste;  auf  dem  Felde  von  Segschneider  in  Badorf  ein  grosser, 
noch  nicht  untersuchter  Töpferofen  karlingischer  Zeit;  auf  dem  katholischen  Kirchhofe 
Gefässe  und  Ausschussware  karlingischer  Töpfereien.  Von  letzterer  Stelle  befinden 
sich  einige  Gefässe  in  den  Altertümer-Sammlungen  der  Herren  O.  Rautert  in  Düssel- 
dorf und  W.  Fussbahn  in  Bonn.  Bei  den  Grundarbeiten  zu  der  Klein'schen  Wirtschaft 
wurden  neben  zahlreichen  karlingischen  Gefässresten  viele  unzerbrochene,  etwas  ver- 
backene Töpfe  gefunden. 


116  Constantin  Koenen: 

Ausschachtung  wurde  auf  dem  Hofe  vor  der  dort  befindlichen  Bäckerei  vorge- 
nommen und  förderte  eine  Schuttmasse  von  6  m  Länge,  7  m  Breite  und  2  m 
Tiefe,  also  von  rund  84  Kubikmeter  zu  Tage. 

Die  Oberfläche  zeigt  hier  Humus,  dann  bis  zu  2  m  Tiefe  Mergel  und  als 
dessen  Liegendes  ein  mächtiges  Thonlager. 

In  den  Mergel  schien  man  die  eigentlichen  Oefen  eingeschnitten  zu  haben, 
denn  wir  fanden  ausser  mehr  oder  weniger  runden,  kesseiförmigen  Einschnitten 
hart  gebackene,  zum  Teil  verglaste  Wandstücke,  aber  keine  Spur  von  Mauer- 
ziegeln oder  Kalkbewurf.  Sicheres  über  die  Ofenaulage  Hess  sich  freilich  dort 
nicht  feststellen.  Aber  alles  schien  auf  eine  gewaltsame  Störung  und  daraufhin 
erfolgte  dauernde  Aufgabe  des  Betriebes  zu  deuten.  Der  Boden  war  mit 
Scherben,  mit  halb  und  ganz  verbackenen  Gefassen  bis  wohl  über  Dreiviertel 
seiner  Masse  vermischt.  Diese  über  63  Kubikmeter  Gefässreste  zeigten  folgende 
Eigentümlichkeiten. 

a.  Zubereitung  des  Thones.  Der  am  Pingsdorfer  Vorgebirgsrand 
reichlich  vorhandene  Thon  wurde  geschlämmt,  mit  Saud  vermischt,  geknetet 
und  auf  der  durch  Achsendrehung  der  Tretscheibe  in  schnellste  Kreisbewegung 
versetzten  kleinen  Scheibe  mit  den  Händen  gedreht,  wobei  auch  wohl  mit  dem 
Modellierholz  nachgeholfen  wurde.  Darauf  hat  man  die  Gefasse  mit  einer 
Schnur  abgeschnitten. 

b.  Standplatte.  Die  so  in  ihrer  Form  fertig  gestellten,  abgeschnitte- 
nen Gefässe  wurden  auf  die  obere  Öffnung  gestülpt.  Dann  stellte  man 
den  Standring  durch  Herauskneten  der  dicker  gelassenen  Bodenmasse  ver- 
mittelst Daumens  und  Zeigefingers  her,  wobei  er  so  geformt  wnrde,  dass  er, 
schräg  nach  aussen  gerichtet,  an  allen  äusseren  unteren  Seiten  gerade  aufstand, 
während  der  übrige,  nach  der  Mitte  zugekehrte  Teil  gehöhlt  erschien.  Hier- 
durch erreichte  man  einen  festeren  Stand  als  den,  welchen  wir  bei  merovingiscli- 
fränkischen  Gefassen  finden,  die  unten  derart  glatt  abgeschnitten  sind,  dass  die 
ganze  Bodenfläclie  aufrubt.  Der  gehöhlte,  in  der  frülikarliugischen  Zeit  zuerst 
auftretende  Standring  geht  auf  den  römischen  Fuss  zurück:  Der  Römer  ver- 
stand es,  seine  Gefässe  tadellos  abzudrehen.  Der  Franke  versuchte  dasselbe 
aus  freier  Hand,  allein  die  Standfläche  wurde  dadurch  uneben,  und  um  das 
Gefäss  gerade  zu  stellen,  drückte  er  den  Standring  hier  oder  da  stärker  aus. 
Auf  diesem  Wege  entstand  die  karlingische  WcUenplatte  (Gefässkunde,  Tafel 
XXI,  23),  welche  noch  roli  gehöhlt,  dünn  und  mit  scharfen  Rändern  ver- 
sehen ist;  sie  bildet  ein  zuverlässiges  Unterscheidungsmittel  der  Pingsdorfer 
und  verwandter  karlingischer  Ware  von  der  vorkarlingischen.  Bei  dem  mero- 
vingischen  Ausgusstopfe  fehlt  die  Standplatte;  der  Boden  ist  einfach  glatt  ab- 
geschnitten, bei  dem  im  Provinzialmuseum  zu  Bonn  befindlichen  karlingischen  des 
Pingsdorfer  Typus  (vgl.  S.  119,  3)  zeigt  sich  der  erste  Versuch  einer  gehöhlten 
Bodenplatte,  allein  noch  fehlen  die  eigentlichen,  eckig  ausladenden  Wellen. 

c.  Gefässrändcr  (Taf.  VI  Fig.  1 — 271).  Eine  weitere  Neuerung  bei 
den  Pingsdorfer  Gefassen  bieten  die  oberen  Gefässrändcr.  Man  ging  bei  deren 
Herstellung  von  dem  glatten,  zuweilen  an  der  Ausscuseite  mit  einem  Stäbchen 


Karlin^ißch-fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf.  117 

versehenen  merovingisch-fränkischen  Rande  aus  und  suchte  denselben  nach 
römischer  Weise  durchzubilden.  Es  erscheinen  mehrfach  gegliederte,  mit  Stab 
und  Hohlkehle  versehene  Ränder,  ja  wir  sehen  —  wenn  auch  in  barbarischer 
Form  —  alle  Arten  römischer  Randformen  von  den  glatten  der  Frühzeit  bis 
zu  den  reich  gegliederten  der  mittleren  und  späteren  Kaiseraeit.  Eine  grosse 
Zahl  der  Ränder  ist  derart,  dass  nur  ein  geübtes  Auge  sie  von  den  gleich- 
artigen römischen  unterscheiden  kann.  In  vereinzelten  Fällen  ist  es  nicht  die 
Form  des  Randes  allein,  die  das  Neue  oder  Eigenartige  erkennen  lässt,  son- 
dern es  wirken  andere  Ursachen  mit:  das  mehr  Abgerundete  oder  das  Scharf- 
kantige gewisser  Flächen,  die  Weise  des  Brandes,  die  Art  des  Gekörnten  der 
Oberfläche,  und  vor  allem  das  mehr  Ungerade  der  Linienführung,  doch  muss 
für  die  Unterscheidung  auf  Originale  verwiesen  werden;  Worte  und  Abbildungen 
allein  genügen  hierfür  nicht. 

d.  Schnurhenkel  (Taf.  VI  Fig.  15  u.  17).  Den  Töpfern  von  Pings- 
dorf scheint  die  Fertigstellung  ordentlicher  Henkel  besondere  Schwierigkeit  ge- 
macht zu  haben.  Gegenüber  der  zumeist  elegant  gebogenen  weiten  Form  des 
römischen  Henkels,  ist  die  vorliegende  gedrungen,  sodass  sie  nur  den  Namen 
Schnurhenkel  verdient.  Dieser  kommt  zwar  auch  bei*  einigen  römischen  Ge- 
fässen  vor,  z.  B.  bei  dem  Masskruge,  allein  er  ist  hier,  wie  alle  römischen, 
verhältnismässig  elegant  geformt.  Dann  lässt  der  römische  Henkel  den  oberen 
Rand  des  Gefässes  frei  abgerundet.  Das  ist  auch  noch  bei  den  meisten  mero- 
vingischen  Henkeln  der  Fall.  Die  Pingsdorfer  Schnurhenkel  hingegen  sind  alle 
von  der  Innenseite  des  Gefässes  aus  breit  an  den  oberen  Rand  angeknetet  und 
biegen  sich  von  hier  aus  flach  gebogen  nach  unten;  sie  sind  mit  dem  oberen 
Rande  wie  verwachsen.  Man  duldete  keine  Vertiefung  zwischen  Henkel  und 
oberem  Rande.  Sehr  scharf  finden  wir  diesen  Typus  ausgesprochen  in  den 
Henkeln  der  karlingischen  Reliefbandschmuck-Amphoren  von  Neuss  (Gef&ss- 
kunde  XXI,  1). 

e.  Henkelgriff  (Taf.  VI  Fig.  22).  Merkwürdig  ist  der  nach  Art  des 
Gerashornes  gekrümmte  lange  Griff  eines  Kugeltopfes.  Ich  habe  zum  Vergleich 
den  mit  einem  solchen  Henkel  versehenen  92  mm  hohen  Kugeltopf  des  Provinzial- 
museums  zu  Bonn  Inv.  Nr.  7096  auf  der  Tafel  VI  Fig.  22  wiedergegeben. 
In  beiden  Fällen  ist  der  Henkel  gleich  unterhalb  *des  oberen  Randes  von  aussen 
angesetzt.  In  der  Mitte  der  Ansatzstelle  sieht  man  im  Innern  des  GefUsses 
eine  später  verschmierte  Öffnung,  die  offenbar  von  der  Herstellungsweise  des 
Griffes  herrührt.  Der  Pingsdorfer  Henkelgriff  ist  95  mm  lang;  er  eignet  sich 
vorzüglich  zur  festen  Einlage  der  vier  Finger,  sodass  der  Daumen  die  linke 
Seite  des  Griffes  berührte  und  die  obere  Fläche  an  die  Hand  selbst  dicht 
anschloss. 

f.  Bemalung.  Die  Gefässwände  sind,  wie  die  beigegebene  Tafel  ver- 
anschaulicht, fast  durchgehends  mit  roher  rotbrauner  Malerei  versehen.  Eine 
solche,  wenn  auch  weit  regelmässigere  Bemalung  erscheint  bereits  bei  Gefässen 
aus  spätrömischen  Gräbera  (Gefässkunde  XVII,  21,  21a,  21b,  22,  22a).  Bei 
diesen  sieht  man  horizontale,  schmale  Gnrtbänder,  auch  wohl  Kreise  und  runde 


118  Constantin  Koenen: 

Tupfen;  wir  finden  feraer  christliche  Symbole,  wie  z.  B.  die  Palme;  allein 
alles  hat  hier  noch  etwas  Sinn.  Die  Pingsdorfer  Töpfe  zeigen  die  Malereien 
ebepso  sinnlos  and  flüchtig  hingeworfen,  wie  dies  wieder  unsere  handwerks- 
massig  geschulten  Töpfer  seit  dem  vorvorigen  Jahrhundert  zu  thun  pflegen. 
Wir  sehen  schiefe  Reihen  von  kurzen  Strichen,  Tupfen,  die  bald  rund,  bald 
kolonartig,  oder  halbkreis-  oder  halbmond-  oder  hufeisenförmig  gestaltet  sind. 
Es  erscheinen  ferner  Reihen  von  Schuppen-,  von  Zickzack-  und  Wellenlinien; 
wir  flnden  schräg  gegeneinander  gestellte  kurze  Striche,  rohe  Zweige,  quadrat- 
förmig  gestellte  Striche,  netzförmige  Ornamente.  Es  werden  sogar  in  sinnloser 
Weise  aufgerichtete  netzförmig  ausgefüllte  Zacken  oder  wie  Zacken  gestellte 
Zweige,  in  einem  Falle  einem  breiten  rautenförmig  ausgefüllten  Bande  auf- 
gesetzt (Fig.  25),  eine  Schmuckweise,  die  wie  der  römischen  und  merovingi- 
schen,  so  auch  der  nacbfränkischen  Keramik  fremd  ist. 

g.  Ausguss  (Taf.  Vi  Fig.  15  u.  15b).  Die  Ausgüsse  erscheinen  fast  nur 
in  Begleitung  der  Schnurhenkel;  sie  sind  nicht  mit  einer  Zutte  versehen  wie 
die  merovingisch-fränkisehen  dieser  Art,  sondern  völlig  röhrenartig  rund  und 
erbreitem  sich  oben  ringförmig.  Auch  ist  das  Bestreben  erkennbar,  das,  durch 
die  Zutte  gewiss  zu  rechtfertigende,  Anlehnen  an  den  Gefasskörper  (Gefäss- 
kunde  XX,  29)  zu  vermeiden.  Der  Ausguss  ist  mehr  in  eine  schräge  Richtung 
gebracht  und  der  ÖiTnungsrand  ebenfalls  schräger  gestellt,  als  dieses  bei  dem 
mehr  horizontal  gestellten  merovingischen  Ausguss  üblich  war. 

h.  Brand,  Oberfläche  und  Farbe.  Der  Brand  der  Gefösse  ist  derart, 
dass  ein  Anschlag  klingt.  Ein  Einritzen  der  Oberfläche  mit  dünner  Stahlspitze 
erscheint  unmöglich.  Die  Härte  übertrifft  die  der  römischen  und  merovingi- 
schen Gefässe.  Die  Bruchfläche  ist  jedoch  nicht  so  porenlos  als  das  Steingut 
der  Kunsttöpfcrcien  des  Mittelalters;  es  fehlt  der  Pingsdorfer  Ware  noch  die 
glasige  Zusammenfrittung,  obwohl  eher  Steinzeug  als  jene  irdene  Ware  vorliegt. 
Die  Gefasse  haben  zumeist  eine  vom  weiss-  oder  graugclb  bis  in  das  kräftigste 
Goldgelb  übergehende  Farbe;  viele  sind  auch  durch  Dämpfe  blau-  oder  grau- 
schwarz gefärbt.  Durch  diese  Brandart,  durch  die  Art  der  Behandlung  auf 
der  Drehscheibe  und  die  Sandzusät/e  ist  die  Oberfläche  mit  horizontalen  flachen 
Rinnen  versehen,  die  häufig  freilich  kaum  zu  sehen  sind  und  nichts  gemein 
haben,  mit  den  scharf kantigcfn  Rinnen  einer  etwas  späteren  Periode  oder  mit 
den  schön  gewölbten  regelmässigen  Erhöhungen  des  15.  Jahrhunderts.  Die 
Sandzusätze  machen  die  Oberfläche  fein  gekörnt,  nicht  glänzend;  auch  fehlt 
dem  Gefösse  jede  Spur  einer  wirklichen  Glasur. 

i.  Der  Gestalt  nach  sind  folgende  Arten  zu  unterscheiden: 

1.  Taf.  VI  Fig.  27a — e.  Urnenförniigc  Töpfe,  nur  in  Bruchstücken 
vorgefunden,  Ränder  bald  einwärts  bald  auswärts  gebogen,  glatt,  mehr  oder 
weniger  wulstig,  bisweilen  recht  scharfkantig,  auch  wohl  mit  Vorkehrung  zum 
Deekclverschluss  verseilen.  Diese  Gefässe  sind  zu  vergleichen  mit  den  mero- 
vingisch-fränkisehen Töpfen  in  meiner  Gefässkundc  Taf.  XX,  1 — 5,  ^,  8  u.  12; 
in  ihrer  Weiterentwicklung   zur   frühkailingisehen  Zeit  nehmen   sie    die  Form 


Rarlingiseh-fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf.  119 

(a.a.O.)  XX,  26  u.  27  an;  in  vorliegendem  Falle  zeigen  sie  den  spätkarlingi- 
sehcn  Typus  (a.  a.  0.)  XXI,  4. 

2.  Taf.  VI  Fig.  1,  21  u.  22  Kugeltöpfe.  Vgl.  in  der  Gefässkunde 
XX,  28  den  frübkarlingisehen  Typus  dieser  Art,  Pingsdorfcr  Kugeltopf  unten 
völlig  gewölbt,  also  spätkarlingischer  Typus  in  Gefässkunde  XXI,  3.  Der 
kleinste  Pingsdorfer  Kugeltopf  hat  bei  80  mm  Höhe  113  mm  Bauch-  und  88  mm 
oberen  Randdurchmesser,  der  grösste  180  mm  Höhe,  212  mm  Bauch-  und  128  mm 

Randdurchmesser. 

3.  Taf.  VI  Fig.  15a— c  Doppelhenkeltöpfe  mit  Ausguss.  Merovin- 
gische  Töpfe  dieser  Art  vgl.  Gefässkunde  XX,  6.  Die  Pingsdorfer  Töpfe 
zeigen  jedoch  rohen  scharfkantigen  Wellenfuss,  während  die  merovingischen 
unten  glatt  abgeschnitten  sind.  Fig.  15  a  zeigt  die  obere  Ansicht  dieser  Art, 
Fig.  15  die  Seitenansicht,  Fig.  15  b  einen  Ausguss  und  Fig.  15  c  das  obere 
Randstüek  eines  solchen  Gefässes.  Das  Bonner  Provinzialmuseum  besitzt  unter 
der  Inv.Nr.  11270  einen  Topf,  der  in  der  Technik  völlig  mit  den  Pingsdorfer 
Gefässcn  übereinstimmt,  auch  die  merkwürdige  braunrote  Bemalung  zeigt,  allein 
der  Schnurhenkel  nähert  sich  mehr  als  die  Pingsdorfer  dem  merovingischen 
Henkel;  die  karlingisch  gehöhlte  Bodenplatte  ist  schon  vorhanden,  allein  es 
fehlt  ihr  die  zackige  Ausbiegung,  dann  hat  das  Gefäss  nur  einen  Schnurhenkel 
da  wo  der  merovingische  Henkel  angebracht  ist,  nämlich  dem  Ausgussrohr 
gegenüber. 

4.  Doppelhenkelkrüge,  Taf.  VI  Fig.  16  u.  17.  Hier  nur  in  Bruch- 
stücken, welche  jedoch  auf  die  zum  Vergleich  punktiert  angegebenen  Umrisse 
hinweisen  (Gefässkunde  XXI,  12).  Augenscheinlich  barbarische  Umgestaltung 
der  spätrömischen  Amphora  (a.  a.  0.  XVII,  15 — 16).  Das  Bruchstück  des 
grösseren  Kruges  (Fig.  4)  zeigt  folgende  Verhältnisse:  60  mm  Randdurchmesser, 
35  mm  breiter,  geriefter  Henkel,  20  mm  Halshöhe.  Der  kleine  Krug  Fig.  4a 
hat  46  mm  Halsdurchmesser,  20  mm  Halshöhe,  32  mm  Schnurhenkelbreite. 

5.  Kannen,  Taf.  VI  Fig.  4  u.  5.  Das  Unterschiedliche  im  Vergleich  zu 
der  römischen  und  der  nachkarlingisch-mittelalterlichen  Ware  ist,  dass  diese 
Kannen  keinen  Henkel  und  den  gehöhlten  scharfkantigen  Wellenfuss  haben. 
Ihre  Anfänge  liegen  in  der  etwas  älteren  karlingisch-fränkischen  Becberform, 
Gefässkunde  Taf.  XX,  25  (vgl.  dazu  Bonner  Jahrb.  LH,  Taf.  VI  u.  VII,  Fig. 
4  u.  5);  doch  fehlt  der  älteren  Form  noch  der  gehöhlte  Wellenfuss.  Die  ab- 
gebildeten Kannen  haben  folgende  Verhältnisse:  Fig.  4  245  mm  hoch,  110  mm 
Bodcndurchraesser,  100  mm  Halsdurchmesser;  Fig.  5  256  nun  hoch,  90  mm 
Bodendurchmesser,  88  mm  oberer  Randdurch messen  Ein  ähnlicher  hat  bei 
150  mm  Höhe,  69  mm  Durchmesser  der  Bodenplatte;  ein  zweiter  zeigt  185  mm 
Höhe,  70  mm  Bodenplatte;  oberer  Randdurchmesser  80  mm. 

6.  Becher krüge,  Taf.  VI  Fig.  6.  Zum  Vergleich  ihrer  durch  viele 
Bruchstücke  erkennbaren  Form  habe  ich  den  wohlerhalteuen  Becherkrug  Inv. 
Nr.  907  des  Provinzialmuseums  zu  Bonn  wiedergegeben.  Dass  sich  diese  Form 
aus  der  merovingisch-f ränkischen  Becherform   entwickelt  bat,   ist  wohl  sieher; 


120  Constantin  Koenen: 

doch    zeigen   die   Pingßdorfer   Becher   den   gehöhlten  Wcllenfnss  und   andere 
karlingische  Eigenai*ten. 

7.  Becher,  Taf.  VI  Fig.  2  u.  3.  Zumeist  kleine  GefUsse  von  100  bis 
115  mm  Höhe,  50 — 73  mm  Boden-  und  65—79  mm  Randdurchmesser.  Ent- 
standen ist  diese  Form  aus  der  merovingisch-fränkischen  Becherform  (Gefäss- 
kunde  XX,  9  u.  10  vgl.  mit  XXI,  8);  allein  der  merovingischen  fehlt  noch 
die  bei  den  Pingsdorfcr  Bechern  stets  vorhandene  rohe  scharfkantige,  gehöhlte 
Wellenplatte. 

8.  Eiförmiger  Becher,  Taf.  VI  Fig.  1  u.  20,  wurde  hier  nur  in  diesen 
zwei  Exemplaren  angetroffen.  Unter  den  Bruchstücken  mögen  freilich  noch 
weitere,  nicht  mit  Sicherheit  bestimmbare  Reste  sein.  Die  Übergänge  von  dieser 
zu  der  älteren,  in  die  merovingisch-fränkische  Zeit  hineinreichenden  Form  zeigt 
der  Becher  des  Provinzialmuseums  Inv.-Nr.  CLXXII,  welcher  eine  sehr  schmale 
abgerundete  Standfläche  hat.  Nur  das  Eckige  und  das  glänzend  Schwarze  des 
Überzuges  der  Gefässe  aus  der  Meroviugerzeit  ist  in  karlingischer  Zeit  in  Weg- 
fall gekommen.     Höhe  des  Pingsdorfcr  Bechers  135  mm. 

9.  Ausgussbecher,  Taf.  VI  Fig.  25.  Es  wurde  nur  ein  Stück  dieser 
Art  gefunden,  bei  dem  die  Beschaffenheit  des  Fusses  nicht  zu  ermitteln  war. 
Höhe  78  mm.  In  merovingischen  Gräbern  wurde  diese  Form  noch  nicht  beob- 
achtet. 

10.  Cylinderbecher,  Taf.  VI  Fig.  10  u.  11.  Wir  können  solche  mit 
flachem  (Fig.  11)  und  solche  mit  eiförmig  abgerundetem  Fuss  (Fig.  10)  unter- 
scheiden. Die  Entwicklung  ist  mit  der  des  eiförmigen  Bechers  zu  vergleichen. 
In  merovingischen  Gräbern  wurden  diese  beiden  Formen  nicht  gefunden.  Höhe 
zwischen  170 — 180  mm,  oberer  Randdurchraesser  85 — 100  mm;  flacher  Fuss: 
durchschnittlich  48  mm. 

11.  Becken,  Taf.  VI  Fig.  12— 13d.  Die  Pingsdorfcr  Becken  lassen 
mehrere  Arten  erkennen:  die  abgerundeten  mit  glattem  oberen  Rande  Fig.  12, 
die  glatten  mit  einwärts  ausladendem  Rande  Fig.  13a — d  und  drittens  die  ge- 
schweiften mit  auswärts  gebogenem  Rande  Fig.  13— 14d.  Die  Ränder  haben 
reich  gegliederte  (Fig.  14a),  oft  auch  einfache,  glatt  abgeschrägte  Form  (Fig. 
14  c).  Dieselben  sind  augenscheinlich  hervorgegangen  aus  dem  merovingisch- 
fränkischen  Becken  (Gefässkundc  Taf.  XX,  1,  2,  7,  12,  13,  14—17),  wenn 
auch  die  Grundform  im  wesentlichen  den  altgernianisclicn  Typus  (a.  a.  0. 
Taf.  XIX,  4  u.  6)  beibelialten  hat.  Der  gcliöhlte  rohe  scliarfkantigc  Wellen- 
fuss  tritt  aber  in  merovingisch-fränkischen  Gräbern  noch  nicht  auf,  auch  keine 
neue  P^igcntünilichkeit  des  Randes,  der  Brennweise  und  des  Ornamentes,  auf 
welche  ich  bereits  aufmerksam  machte.  Das  abgerundete  Becken  Fig.  12  hat 
78  mm  Höhe,  140  mm  Randdurchniesser,  55  mm  Durchmesser  des  Fusses.  Die 
Becken-Scherben  Fig.  8  u.  9  sind  mit  scharf  eingeschnittenen  unregelmässigen 
Furchen  bedeckt,  und  Fig.  13  hat  einen  gehöhlten  Wcllenfuss;  Höhe  115  mm, 
Randdurchmesser  181  mm,  Fuss  84  mm  Durchmesser.  Ein  gleichartiges  Becken 
ist  115  mm  hocli,  hat  1G5  mm  Randdurchmesser  und  80  nnn  Hodendurchmesser; 
ein  kleineres  derselben  Form:  115  mm  hoch,  165  mm  Rauddurchmesser,  80  mm 


Earlingisch-fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf.  121 

Fussdnrchmesser.     Fig.  23  101  mm  hoch,    193  mm  Randdurchmesser,   65  mm 
Fnssdurchm.     Fig.  14a  zeigt  verschiedenartige  Randprofile  von  solchen  Becken. 

12.  Fussbecher,  Taf.  VI  Fig.  23.  In  ihren  allgemeinen  Formen  bereits 
in  allen  vorfränkischen  Culturperioden  vorhanden.  Die  vorliegende  Fussbehand- 
lung  in  ihrer  ürsprünglichkeit  nachweisbar  erst  bei  dem  Taf.  VI  Fig.  24  dar- 
gestellten Becher  aus  den  sich  der  Karlingenzeit  nähernden  spätmerovingischen 
Gräbern  von  Trippeisdorf  bei  Sechtem  (6120  d  Bonner  Inventars).  Die  Form 
des  Pingsdorfer  Fussbechers  ist  schlanker,  der  Fuss  am  äussersten  Rande 
flächig  und  oben  schärfer  eingeschnitten;  auch  ist  der  Pingsdorfer  Fussbecher 
im  Innern  mit  den  scharfkantigen  Ausbiegungen  der  schneckcnfih'mig  auslaufen- 
den Fingerwirkung  (durch  die  Achsendrehung  der  Tretscheibe  verursacht)  ver- 
sehen, während  der  Trippelsdorfer  glatt  erscheint.  Den  Übergang  zwischen 
beiden  Arten  vermittelt  ein  Fussbecherrest,  der  in  dem  Habichtswalde  zwischen 
Natrup-Hagen  und  Velpe  gefunden  und  mir  von  Professor  Knoke- Osnabrück 
vorgelegt  wurde.  Alle  drei  Becher  haben  einen  nach  ihrer  Herstellung  auf 
der  Scheibe  vermittelst  eines  Bindfadens  (von  der  Scheibe)  abgeschnittenen 
Fuss;  man  sieht  den  Ansatz  der  Schnur  deutlich  und  wie  sich  die  Schnur  bei 
dem  Anziehen  nach  der  Zugstelle  hin  verengte;  dagegen  fehlen  die  regelmässig 
konzentrisch  verlaufenden  Rinnen  des  Abdrehens.  Aber  die  Härte  des  Backens, 
die  gelbliche  Farbe  und  andere  Eigenarten  lassen  bei  dem  Pingsdorfer  Becher 
seine  nachmerovingische  Herkimft  erkennen.  Höhe  58  mm,  Bodendurchmesser 
18  mm. 

13.  Giessgefäss  in  Tiergcstalt,  Taf.  VI  Fig.  19.  Der  cylindrische 
Bauch  105  mm  lang,  das  HalsstUck  35  mm  lang,  die  vier  Beinchen  30  mm. 
Der  obere  Grifl^  70  mm  lang,  18  mm  im  Lichten  weit  geöfl^net.  Auf  dem 
Rücken  ist  ein  Loch  rund  eingeschnitten  von  20  mm  i.  L.  Durchmesser.  Dieses 
diente  zum  Einguss  des  Wassers,  während  der  rohrartig  geöffnete  Hals  als 
Ausguss  desselben  verwendet  wurde.  Der  Durchmesser  der  hinteren  Bauchseite 
58  mm. 

Was  die  Zeitstellung  der  Pingsdorfer  Ware  betrifft,  so  ist  zu  beachten, 
dass  in  der  untersten  Schuttmasse  die  S.  118,  1  und  S.  120,  11  beschriebe- 
nen urnenförmigen  Töpfe  und  Becken  erschienen.  In  den  höheren,  oben  zu 
Tage  tretenden  Lagen  fanden  sieh  besonders  häufig  die  Reste  von  blau- 
schwarzen  Kugeltöpfen,  wie  sie  S.  119,  2  besprochen  wurden.  Die  Doppel- 
henkeltcipfe  mit  Ausguss  erscheinen  sowohl  hier  wie  auch  in  den  tiefsten  Lagen 
und  es  kamen  auch  die  übrigen  Thonarbeiten  in  einer  Weise  vor,  welche  be- 
stimmt erkennen  Hess,  dass  man  es  hier  mit  der  Ausschussware  einer  bestimmten 
Periode  zu  thun,  in  deren  letzter  Zeit  die  völlig  abgerundeten  Kugeltöpfe  Mode 
wurden,  während  die  Becken  ausser  Gebrauch  traten.  Ein  weiteres  chronologi- 
sches Bestimmungsmittel  wird  geboten  durch  den  bereits  in  allen  Lagen  vorhan- 
denen ältesten  Typus  der  gehöhlten  Bodenplatte  mit  Wellenfuss.  Die  Pingsdorfer 
Ware  stimmt  in  diesen  wie  überhaupt  in  allen  Einzelheiten  überein  mit  der 
in  meiner  Gefässkunde  S.  139 — 145  beschriebenen  spätkarlingischen  Ware ;  die 
von  mir  als   der  frühkarlingischen  Periode  zugehörig  betrachtete  Gefässmasse 


122  Const.  Koenen:  KarÜDgisch-fränkische  Töpfereien  bei  Pingsdorf. 

(a.  a.  0.  S.  134 — 139)  fehlt  hier.  Die  Übergänge  von  dieser  in  die  spät- 
karlingische  Zeit  sind  jedoch  in  reichster  Ausstattung  vorhanden  und  es  ist 
sehr  bezeichnend,  dass  sich  die  in  die  Zeit  Karls  des  Grossen  gesetzten  Rand- 
profile der  Meckenheimer  Brandschicht  (Rautert,  Bonner  Jahrb.  Heft  XCIII, 
dazu  Gefässkunde  S.  134 — 139)  nur  in  ihren  späteren  Typen  und  selbst  diese 
zumeist  in  einer  etwas  späteren  Art  vorgefunden  haben.  Die  mit  den  kleinen 
flachen  Grübchen  versehenen  und  mit  der  eingeritzten  Wellenlinie  ausgestatteten 
ältesten  frühkarlingischen  Gefässarten  (Gefässkunde  Taf.  XX,  25,  29,  30,  32  b 
u.  e)  fehlen  unter  der  Pingsdorfer  Ware.  Ebenso  fehlt  das  auf  blauschwarzem 
Grunde  leicht  eingestrichene  Rautenwerk  (a.  a.  0.  unterhalb  29  links).  Die 
blauschwarzen,  noch  die  merovingische  Technik  zeigenden  Gefässarten  des 
Typus,  Gefässkunde  XX,  24  sind  ebenfalls  bereits  ausser  Mode.  Wir  werden 
deshalb  nicht  fehl  gehen,  wenn  wir  die  Erbauung  der  Pingsdorfer  Öfen,  welche 
die  hier  besprochene  Ware  herstellten,  etwa  in  die  letzte  Zeit  der  Regierung 
Karls  des  Grossen  setzen,  ihre  eigentliche  Wirksamkeit  jedoch  der  fol- 
genden Zeit  zuschreiben.  Von  nachkarlingischer  Ware:  Glasur,  gewölbtem 
Wcllenfuss,  eigentlichem  Steingut,  fand  sich  keine  Spur.  Die  tlberaus  reichen 
Thonlager  der  Fundstelle  boten  keinen  Grund,  ein  bltthendes  Gewerbe  auf- 
zugeben, während  andererseits,  wie  gesagt,  die  Aufgabe  augenscheinlich  mit 
einer  gewaltsamen  Zerstörung  der  Öfen  zusammenhängt.  Da  nun  die  zuletzt 
hergestellte  Ware  bis  in  das  Ende  des  9.  Jahrhunderts  zurückreicht,  so  dürften 
es  wohl  die  in  der  Umgebung  Kölns  alles  verheerenden  Normannenzüge  vom 
Jahre  881  gewesen  sein,  welche  die  Pingsdorfer  Töpfereien  zerstörten  und  dem 
dortigen  Betrieb  ein  plötzliches  Ende  bereiteten.  Archäologisch  liegt  wenigstens 
bis  jetzt  nichts  vor,  was  dieser  Auflfiissung  widersprechen  könnte. 


7.    Ein  gnostisches  Goldamulet  aus  Gellep. 


Von 
Max  Siebour^« 


Hierzu  Tafel  VII  und  3  Figuren  im  Text. 


Das  Gräberfeld  des  ehemaligen  römischen  Cohortenlagers  Gelduba,  welches 
in  dem  heutigen  Dorfe  Gellep  am  Niederrhein  lag,  hat  uns  wiederum  einen 
Fund  gespendet,  der  die  Aufmerksamkeit  der  Altertumsfreunde  in  hohem  Masse 
verdient.  Am  4.  Januar  1897  grub  dort  der  Ackerer  Klassen  auf  seinem 
Grundstück  mehrere  Gefässe  von  Thon  und  Glas,  zwei  Kupfermünzen,  einen 
eisernen  Ring  und  vor  allem  zwei  goldene  Schmucksachen  aus.  Die  Gefässe 
sind  schon  von  A.  0x6  in  diesen  Jahrbücheni,  Heft  102,  S.  138  erwähnt, 
die  Fundstelle  trägt  auf  der  von  ihm  S*  133  gegebenen,  sehr  zweckmässigen 
Karte  den  Buchstaben  f,  Sie  liegt  also  ziemlich  am  südlichen  Ende  des 
antiken  Friedhofes,  der  den  westlichen  Abhang  des  Hügels  einnimmt,  auf 
dem  einst  Gelduba  stand.  Das  Klassensche  Grundstück  hat  bereits  seit' 
dem  Anfang  der  50er  Jahre  seinen  Besitzern  bei  ihren  zufälligen  Grabungen 
reichen  Ertrag  an  Altertümern  geliefert,  die  natürlich  veratreut  sind;  Stoll- 
werck  hat  aber  wenigstens  darüber  Tagebuch  geführt  und,  soweit  es  in  sei- 
nen Kräften  stand,  in  seiner  Schrift  über  Gelduba  ^)  von  den  Funden  berichtet 
Was  das  für  uns  zunächst  Wichtigste,  die  Münzen,  anbetrifft,  so  sind  ihm  ans 
dem  1.  Jahrh.  ausser  zwei  Familienmünzeu  Stücke  von  Augustus,  Vespasian 
und  Domitian  bekannt  geworden,  aus  dem  2.  Jahrh.  solche  von  Traian,  Fau- 
stina, Septimius  Severus,  Julia  Domna,  aus  dem  3.  Jahrh.  Postumns,  Claudius 
Gothicus  und  Tetricus  pater  „häufiger".  „Am  häufigsten  sind  die  Münzen  des 
4.  Jahrh.,  die  Constantine,  Constautinopolis  und  die  Valentiniane,  meistens 
Kleinerze,  Gratianus  ziemlich  häufig,  doch  die  Mehrzahl  verdorben;  Magnus 
Maximus,  Mittelerz  einmal  gefunden,"  Zwar  sind  Stollwercks  Mitteilungen 
über  die  keramischen  Funde  ziemlich  wertlos,  da  er  nur  Beschreibungen  gibt, 
die  sich  schwer  identifizieren  lassen ;  doch  sind  die  von  ihm  S.  45,  46  unter  1 ,  2 
geschilderten  Terrinen  aus  Terra  sigillata  mit  Reliefschmuck  wohl  von  dem  Typus 
Dragendorff  37,  also  aus  späterer  Zeit,  die  S.49,s2-38  genannten  „13  cm  hohen 


1)  Die  celtabisch-römische  Niederlassung  Gelduba.    Ürdingen  1877.  S.  45—57. 


\ 


124  Max  Siebourg: 

Urnen  von  rothgelbem  Tbon  mit  schwarzer  Glasur"  und  8  muldenförmigen  Ein- 
bauchungen  von  der  Art,  die  Koenen^)  „charakteristisch  für  die  Gräberfelder 
der  Antoninenepoche"  nennt;  die  gestempelten  Terra  sigillata  Teller,  die  ich 
aus  dem  epigraphischen  Teil  herauslese,  weisen  auch  frühestens  ins  2.  Jahrhundert; 
es  sind  vier  Firmen,  für  die  D  r  a  g  e  n  d  o  r  f  f  ^)  die  nötigen  Nachweisungen  gibt : 

a.  C/NLVINIM  p.  91,  5;  Taf.  II  6  =  Dr.  II  56, 

b.  MARINV8  p.  94,  19;  Taf.  II  15  =  Dr.  II  223b  I  150, 

c.  ^  PRISCVS  F  ^  p.  96,  27;  Taf.  II  19  =  Dr.  II  302, 

d.  eOCCOFQ  p.  97,  31;  Taf.  II  21   =  Dr.  I  149. 

Nur  zwei  Gefösse  von  Glas  erwähnt  Stollwerck,  dagegen  mehrere  interessante 
Kleinbronccn,  danmter  ein  würfelspielendes  Mädchen,  das  in  die  Sammlung 
Guntrum  gekommen  ist,  die  vor  einiger  Zeit  dem  historischen  Museum  in 
Düsseldorf  Übermacht  wurde.  Im  ganzen  genommen  haben  wir  es,  besonders 
in  Hinsicht  auf  das  Vorwiegen  der  Münzen  des  3.  und  4.  Jahrb.,  jedenfalls 
auf  dem  Klassenschen  Grundstück  mit  dem  Teile  des  Gräberfeldes  zu  thuu, 
der  gegen  Ende  der  mittleren  und  in  der  späteren  Kaiserzeit  im  Gebrauch 
war.  Ob  bereits  Skeletgräber  vorliegen,  darüber  sagen  die  bisherigen  Beob- 
achtungen nichts.  Vielleicht  erfahren  wir  darüber  etwas  aus  unserm  neuen 
Funde,  der  sich  zeitlich  in  den  Rahmen  des  bisher  Ermittelten  einfügt. 

Das  Nähere  über  die  Fundumstände  verdanke  ich  A.  Oxe,  dem  ich  auch 
für  den  ersten  Hinweis  auf  den  ganzen  Fund  und  die  Vermittelung  der  photo- 
graphischen Aufnahme  verpflichtet  bin.  Er  schreibt  mir  Folgendes:  „Die  Fund- 
stelle, die  ungefähr  in  einer  Tiefe  von  1  m  sich  auch  nur  1  m  lang  erstreckt 
haben  soll,  liegt  fast  in  der  westlichen  Ecke  des  von  einer  Hecke  umfriedigten 
Grundstückes,  d.  h.  etwa  90  m  von  der  Strasscufront  und  1  m  von  der  nord- 
westlichen Hecke.  Genauere  Angaben  sind  nicht  zu  ermitteln,  da  die  Gegen- 
stände beim  Einstossen  von  Erdmassen  zu  Tage  kamen.  Darnach  lässt  sich 
nicht  entscheiden,  ob  die  Funde  aus  einem  Brand-  oder  Skeletgrab  herrühren^) 
.  .  .  Der  Finder  hielt  lange  Zeit  seine  Funde  ängstlich  geheim.  Erst  durch 
Herrn  Färbereibesitzer  Emil  Moleuaar  in  Krefeld,  der  die  Gegenstände^)  käuf- 
lich erworben  hatte,  erfuhr  ich  anfangs  dieses  Jahres  von  den  metallenen 
Stücken,  den  zwei  goldenen  Schmucksachen,  Münzen  und  dem  eisernen  Ring." 

Bevor  ich  mich  zu  der  Beschreibung  der  einzelnen  Gegenstände  wende, 
ist  e^  mir  eine  angenehme  Pflicht,  Herrn  E.  Molenaar  für  das  liberale  Ent- 
gegenkonnnen  zu  danken,  mit  dem  er  mir  die  Abbildung  des  ganzen  Fundes 
und  ein  längeres  Studium  des  Originals  der  Inschrift  ermöglicht  hat. 


1)  Gefas.sk  linde  S.  101,  3  a. 

2)  Dr.  I  =  B.  J.  96/97  S.  141  ff.     Dr.  II  =^  B.  J.  99,  S.  54  ff. 

3)  Dasö  die  Wahrscheinlichkeit  lür  ein  Skeletgrab  spricht,  wird  sich  unteu 
ergeben. 

4)  Nur  der  Becher  2  auf  Tafel  VII  kam  in  den  Besitz  des  Herrn  Obersten  von 
Carlowitz  in  Krefeld,  der  ihn  mit  dankenswerter  Bereitwilli«jrkeit  für  die  photogra- 
phische Aulnahme  hergelieheii  liat.  Die  letztere  rührt  von  Herrn  Turnlehrer  Otto 
Scharf  her. 


Ein  gfnostisches  Goldamulet  aus  Gellep.  125 

Von  den  beiden  ziemlich  unkenntlich  gewordenen  Kupfermünzen  gehört 
nach  Herrn  van  Vleutens  Bestimmung  die  eine  dem  Hadrian,  die  andere 
dem  Antoninus  Pius.  Sie  sind  nach  der  ganzen  Art  der  Fundumstände  für 
den  Zeitansatz  nur  mit  Vorsicht  zu  verwenden  und  können  höchstens  den  ter- 
minus  post  quem  ergeben.  Sichereres  lehren  die  Keramischen  Stücke,  die 
Tafel  VII  wiedergibt.  Es  sind  zwei  schwarzgefärbte  Trinkbecher  mit  weissen 
Aufschriften  von  dem  bekannten  Typus,  den  Koenen,  Gefässkunde,  Taf.  XVIII 
10  und  11  abbildet.  Auf  Fig.  1  liest  man  AVEVITA,  auf  Fig.  2  AMOTE. 
Diese  Becher,  die  sich  meist  in  Skeletgräbern  und,  wie  auch  in  unserm  Fall, 
zusammen  mit  Kugelbauchflaschen  finden,  gehören  zum  grössten  Teil  der  zweiten 
Hälfte  des  3.  Jahrhunderts  und  dem  4.  Jahrhundert  au.  „Gefässe  von  beson- 
ders feinem  Glanz,  für  deren  Bemalung  ausschliesslich  Weiss,  kein  Gelb  ver- 
wendet worden  ist,  scheinen  indes  etwas  früher  zu  fallen,  sie  finden  sich  auch 
im  Limesgebiet  mehrfach"  ^).  Da  diese  Kriterien  für  unsern  Becher  zutreflFen 
und  ferner  die  Schrift  ohne  Trennungspunkte  dick  Mn  der  Barbotine  Technik' 
aufgetragen  ist  —  was  K  o  e  n  e  n  ^)  als  Charakteristikum  der  älteren  Exemplare 
angiebt  — ,  so  werden  wir  mit  Sicherheit  nicht  über  das  3.  Jahrhundert  hinaus- 
zugehen haben,  eine  Zeitbestimmung,  die  im  wesentlichen  für  die  Würdigung 
des  Hauptfundstückes,  des  Amulets,  genügt.  —  Von  der  Art  der  bereits  vorher 
als  dieser  Epoche  eigentümlich  bezeichneten  Kugelbauchfiaschen  sind  die  Glas- 
gefasse  Tafel  VII,  Fig.  4  und  6;  andere  Form  zeigen  Fig.  3  und  5. 

Figur  9  stellt  in  natürlicher  Grösse  eine  kleine  Goldhülse  mit  drei  Ösen 
dar,  so  wie  sie  der  Besitzer  zuerst  erhielt.*  Da  die  Vermutung  nahe  lag,  dass 
sie  einen  Inhalt  berge,  so  wurde  der  Deckel  an  der  linken  Seite  entfernt  und 
dann  von  Herrn  Molenaar  ein  gerolltes  Goldplättchcn  hervorgezogen,  das  auf- 
gerollt und  geglättet  sich  als  mit  griechischen  Buchstaben  beschrieben  erwies. 
Der  Besitzer  sandte  es  zur  Entzifferung  vergebens  nach  München,  Berlin,  Lon- 
don ^).  Erst  als  es  von  hier  zurückkehrte,  erfuhren  0x6  und  ich  von  dem 
Fund.  Da  wir  noch  weiteren  Inhalt  in  der  Hülse  zu  sehen  glaubten,  so  wurde 
sie  auf  unsere  Veranlassung  zu  einem  Goldarbeiter  geschickt  und  so  die  Kon- 
struktion der  Hülse  ermittelt,  wie  sie  Figur  10  und  11  zeigt.  Darnach  sind 
es  zwei  gleich  lange  Röhren  aus  reinem  Gold,  die,  kreisrund  im  Durchschnitt 
und  beide  mit  einem  Deckel  versehen,  sich  in  einander  schieben  lassen.  Die 
innere  Röhre  hat  eine  Öse,  die  äussere  deren  zwei,  sowie  einen  Aus- 
schnitt, der  der  Öse  der  inneren  Hülse  Platz  lässt.  Schon  mit  dieser  äusseren 
Gestaltung  des  offenbar  zum  Tragen  bestimmten,  wertvollen  Schmuckstückes 
ist  für  den  Kenner,  auch  wenn  er  den  Inhalt  der  Aufschrift  des  Goldblättchens 
nicht  wttsste,  die  Bedeutung  gegeben:  es  ist  ein  Amulet.     Ganz  entsprechende 


1)  Hettner,  Westd.  Korrespondenzblatt  X  (1891)  S.  233  Anm.  1. 

2)  GefRsskundo  S.  110a. 

3)  Zwei  von  den  LesungB versuchen  liegen  mir  vor;  es  ist  nicht  einmal  erkannt, 
dass  abgesehen  von  einer  Zeile  die  Buchstaben  in  senkrechten  Kolumnen  stehen. 


126  Max  Siebourg: 

Funde  sind  im  Römerreich  selten  —  schon  allein  des  kostbaren  Metalls  wegen; 
haben  doch  die  beutegierigen  Barbaren  auch  nicht  die  Gräber  und  ihren  wert- 
volleren Inhalt  verschont.  Insbesondere  wüsste  ich  aus  dem  Rheingebiet  kein 
völliges  Analogon  anzuführen.  Aber  aus  dem  Altertum  selbst  haben  wir  noch 
Vorschriften  zur  Anfertigung  solch  schützenden  Schmucks,  die  ganz  auf  unser 
Stück  passen.  Eine  steht  bei  dem  Gallier  Marcellus,  dem  sogenannten  Empi- 
rien s,  einem  hohen  Beamten  und  guten  Christen^  der  um  die  Wende  des  4. 
Jahrh.  n.  Chr.  als  Laie  zu  Nutz  und  Frommen  der  Fremden  und  Armen  ein 
Arzneibuch  zusammenstellte,  indem  er  die  Vorschriften  des  Scribonius  Largus 
u.  a.  vermischte  mit  Rezepten  des  Aberglaubens  und  volkstümlicher  Heilkunst, 
an  denen  unsre  Kurpfuscher  und  praktizierenden  Schäfer  ihre  Freude  haben 
würden.  Da  heisst  es  p.  319,  26  (ed.  Helmreich):  Ad  coli  dolorem  scribere 
debes  inlamina  aurea  de  graßo  au  reo  infra  scriptos  char  acter  es  ^)  luna  prima 
vigensima,  et  laminam  ipsam  mittere  intra  tubulum  aureum.  Also  gegen  die 
Kolik  soll  man  mit  goldenem  Griffel  auf  ein  Goldblättchen,  wie  in  unserm  Fall, 
griechische  Buchstaben  schreiben  und  es  in  eine  goldene  Röhre  stecken,  die 
dann  zu  tragen  ist  —  wie  und  wo,  das  geht  uns  zunächst  hier  nichts  an. 
Ganz  ähnlich  ist  die  Anweisung,  die  sich  bei  dem  griechischen  Arzt  des  6. 
Jahrh.  n.  Chr.  Alexander  von  Tralles  II  p.  583  findet.  Ein  Mittel  gegen  die 
Gicht  gibt  er  mit  den  Worten :  TTpoq)uXaKTripiov  TTobdpTac.  Aaßibv  ir^raXov  xpw- 
coöv,  ceXrjviic  XriTOucric,  Yp6q)€  iv  auTifi  ra  u7T0K€i|Li€va  ^),  kqi  dvbrjcac  €ic  V€upa 
Y€pdvou,  elia  5]ytotov  tiJ*  TTcrdXiu  cu)Xrivdpiov  (also  tubulum  aureum)  TTOirjcac  Kaxd- 
KXeicov  Kai  qnSpei  irepl  touc  dcTpaYdXouc. 

In  Übereinstimmung  damit  stehen  ein  paar  Funde,  die  ich  hier  gleich 
erwähnen  möchte.  „Bei  dem  Ausbau  des  südwestlichen  Traktes  des  Gebäude- 
komplexes, der  den  Rurgplatz  in  Wien  umschlicsst  —  so  schreibt  Wesscly, 
Wiener  Studien  8,  175  f.  —  sticsscn  am  28.  Jänner  1662  die  Arbeiter  auf  einen 
roh  gearbeiteten  Steinsarg,  der  ausser  den  Totengebeinen  noch  enthielt : 
einen  kleinen  Helm,  zwei  Kettchen,  den  Kopf  eines  Satyr,  einen  kleinen  Krug, 
alles  aus  Bronee,  ein  eisernes  Messer,  eine  Münze  aus  dem  dritten  Jahr- 
hundert n.  C  h  r.  und  ausser  anderm  eine  l  ä  n  g  1  i  c  h  e  H  ü  1  s  e  a  u  s  G  o  1  d, 
in  der  eine  andere  aus  Bronee  cinges(*blossen  war,  in  dieser  eine 
dritte  aus  Silber  und  endlich  in  dieser  wieder  ein  zartes  Goldblätt- 
c  h  e  n,  das  eng  zusammengerollt  war.  Es  war  mit  feinen  Schriftzügen  bedeckt, 
die  aber  verkratzt  waren"  ^).  —  Der  zweite  Fund  stammt  aus  Regensburg; 
er  wurde  anfangs  der  70er  Jahre  auf  dem  (iebiete  des  sogenannten  Urnen- 
feldes ^)   an   der  Augsburger  Strasse    gemacht   und   ist  jetzt   im   Privatbesitz. 

1)  Di«  vorgeschriebenen  griechischen  Buchstaben  s.  p.  137  Nr.  16. 

2)  Den  Text  s.  unten  p.  138  Nr.  20. 

3)  Erwähnt  auch  bei  Kopp,  palaeogr.  crit.  III  165  und  besprochen  IV  384.  Über 
den  Text  vgl.  unten  p.  134  Nr.  2. 

4)  Der  Ausdruck  ist  zuerst  von  Janner,  Geschiclite  der  Bischöfe  von  Regens- 
burg, darum  gebraucht  worden,  weil  auf  diesem  Teil  des  He^ensburj^er  Gräberfeldes 
die  Brandbestattung  vorherrschte.  Die  Gräber  reichen  von  Marc  Aurel  bis  zum  Ende 
des  3.  Jahrh.     Ebner  a.  a.  0. 


Ein  gnostisches  Goldamulet  aus  Gellcp.  127 

Ebner,  der  ihn  in  der  Römischen  Quartalschrift  VI  (1892)  Taf.  X  abbildet 
und  p.  162  bespricht,  berichtet  darüber:  „Ein  weibliches  Skelet,  dessen  Be- 
gräbnis nach  Ausweis  der  Lage  des  Grabes  etwa  in  die  M i 1 1 e  des  3.  Jahr- 
hunderts fiel,  trug  am  Halse  ein  cylindrisches  Büchschen  aus  Silber 
von  2,5  cm  Länge  und  0,8  cm  Durchmesser,  in  welchem  in  einander  gerollt 
ein  Kupfer-,  ein  Silber-  und  zuinnerst  ein  Goldblättchen  lagen.  Ersteres, 
ganz  oxydiert,  Hess  sich  nicht  herausnehmen,  ohne  die  Kapsel  zu  zerstören  und 
befindet  sich  noch  im  Innern.  Das  silberne  und  das  goldene  Plättchen  aber 
wurden  alsbald  nach  der  Auffindung  herausgezogen,  aufgerollt  und  bedauer- 
licher Weise  mittels  eines  harten  Gegenstandes  geglättet,  wodurch  der  grösste 
Teil  der  darauf  befindlichen,  zumeist  in  griechischen  Buchstaben  abgefassten 
Inschriften  ^)  verwischt  wurde."  Gemäss  der  Abbildung  hatte  das  Büchschen 
zwei  Ösen,  die  sich  als  Reifen  um  die  Hülse  fortsetzten;  nur  die  rechte  Öse 
ist  erhalten.  Ich  vermute,  dass  das  Kupferblättchen,  welches  sich  nicht  heraus- 
nehmen Hess,  eine  zweite  Hülse  sein  wird.  —  Ferner  erwähne  ich  noch  das 
Amulet  unbekannter  Herkunft,  welches  F  r  ö  h  n  e  r  veröffentlicht  hat,  das  ich 
aber  nur  aus  der  Besprechung  von  F.  X.  K  r  a  u  s  in  den  Annalen  des  Vereins 
für  Nassauische  Altertumskunde  9, 123  flf.  kenne  ^).  Ein  Blatt  von  geschwärztem 
Silber,  64  mm  lang,  34  mm  breit,  das  19  Zeilen  griechischen  Text  enthält, 
war  in  einer  goldenen  Hinsenföimigen  Kapsel'  eingeschlossen,  die  Kraus 
S.  124  mit  den  bullae  vergleicht,  welche  die  Kinder  der  vornehmen  Römer  trugen. 

Besonders  klar  lässt  uns  endlich  die  Verwendungsart  unseres  Amulets  der 
Grabfund  erkennen,  der  in  der  Gemeinde  Ripe  san  Ginesio  in  Picenum  ge- 
macht und  in  den  Notizie  degH  scavi  1887,  S.  157  beschrieben  ist.  Das  Grab 
enthielt  die  Reste  eines  Skelets,  zu  seinen  Füssen  Gefässe  von  Glas,  keine 
von Thon ;  neben  dem  Skelet  fanden  sich  1 1  Stücke  eines  goldenen  Hals- 
schmuckes,  mit  Löchern  zum  Aufreihen  versehen.  Als  einen  Teil  dieses  Schmuckes 
sieht  der  Herausgeber  mit  Recht  eine  'kleine  Röhre  aus  Goldblech' 
an,  die  oben  auf  in  drei  kleine  Schamiere  endet  (terminante  dl  di  sopra  in 
tre  piccole  cerniere  per  appenderlo).  Nach  diesem  zwar  etwas  unklaren  Aus- 
druck niuss  sie  vöUig  der  Gelleper  Hülse  gleichen.  Eingeschlossen  war  im 
Innern  ein  gerolltes  Goldblättchen,  das  geglättet  0,034X0,047  m  miset 
und  in  lateinischer  Schrift  und  —  soweit  verständlich  —  auch  Sprache  ein 
Rezept  gegen  Augenschmerzen  ^)  enthält. 

Bei  dreien  von  den  bisher  beschriebenen  vier  Funden  ist  das  Skeletgrab 
ausdrücklich  bezeugt,  der  erste  und  zweite  gehören  nach  sicheren  Indizien  dem 
3.  Jahrh.  an  —  gerade  so  wie  der  Gelleper.  Für  diesen  ist  es  darnach,  zu- 
mal bei  dem  Charakter  der  Beigaben  an  Gefässen,  höchst  wahrscheinlich,  dass 
auch  er  einem  Skeletgrabe  entstammt. 


1)  S.  unten  p.  135  Nr.  6. 

2)  Kraus  giebt  an,  die  Publikation  sei  im  Bulletin  de  la  Soci^t^  des  Antiqunires 
de  Normandic,  1^  ann6e,  p.  217  fr.  erfolgt.  Das  Citat  ist  fulsch;  ich  bin  hier  nicht  in 
der  Lage,  es  zu  verifizieren.    Weiteres  s.  unten  p.  135  Nr.  4. 

3)  S.  unten  p.  135  Nr.  3. 


128  Max  Siebourg: 

Zusammen  mit  der  Hülse  wurde  ein  kleines  Anhängsel  ans 
Gold  gefunden,  das  auf  Tafel  VII  Fig.  8  wiedergegeben  ist.  Seine  Öse 
gleicht  völlig  denen  der  Eöhre;  es  wird  also  wie  diese  als  Halsschmuck  ge- 
dient haben,  welcher  dem,  eher  noch  der  Toten  mit  ins  Grab  gegeben  wurde. 
Zu  seiner  richtigen  Würdigung  muss  ich  hier  etwas  näher  auf  die  Amulete  des 
Altertums  eingehen.  Gemäss  dem  ihm  innewohnenden  Kausaltrieb  sah  und  sieht 
noch  vielfach  heute  der  Mensch  in  den  ihn  tiberall  umgebenden  Gefahren  und  den 
tagtäglich  ihn  treffenden  Zufälligkeiten  den  Ausfluss  des  Waltens  dämonischer 
Wesen:  seit  uralten  Zeiten  haben  sich  die  Völker  vom  Zauber  des  Wortes  und 
Blicks,  gewisser  Tiere  und  Vorgänge  bedroht  geglaubt  —  und  nicht  nur  sich, 
sondern  auch  ihr  Hab  und  Gut,  Haus  und  Hof,  Garten  und  Feld  *).  Dagegen  suchte 
man  sich  zu  schützen  teils  durch  mancherlei  sühnende  Gebräuche  im  einzelnen 
Fall,  teils  durch  schutzgewährende  Symbole,  Amulete,  welche  man  an  Gebäu- 
den und  Mauern  anbrachte  oder  frei  auf  Grundstücken  errichtete,  oder  durch 
solche,  die  man  am  Leibe  trug:  TrepiaMMaia  —  wie  Basilius,  der  Erzbischof 
von  Caesarea  (371 — 379)  sagt^)  —  Kaid  idc  xeipac  koi  touc  ßpaxiovac  Kai 
Touc  aux^vac,  also  Anhängsel  für  Arm  und  Hals,  die  mit  dem  Nütz- 
lichen das  Angenehme  verbanden,  indem  sie  nicht  blos  schützten,  sondern 
auch  schmückten  und  daher  häufig  aus  edlen  Metallen  und  Steinen  verfertigt 
wurden.  Bei  Griechen  und  Römern  spielen  sie  namentlich  in  der  Welt  der 
Kinder  eine  grosse  Rolle;  ihr  noch  schwaches  Leben  ist  ja  besonders  in  den 
ereten  Jahren  ihres  Daseins  den  verschiedensten  Gefahren  ausgesetzt,  und  die 
sorgende  Liebe  ihrer  Umgebung  begnügt  sich  nicht  damit,  jeden  Schritt  ihres 
Wachstums  in  den  Schutz  von  Indigitamentengöttern  ^)  zu  stellen,  auch  zauber- 
kräftige Amulete  sollen  ihnen  helfen.  Zu  den  T^veöXiai  böceic,  die  bei  den 
Griechen  den  Neugeborenen  am  10.  Tage  von  den  Verwandten  dargebracht 
werden*),  gehören  besonders  Amulete,  und  aus  Plaulus"')  lernen  wir,  was  für 
Dinge  das  waren:  ein  Möndchen,  ein  Ringlein,  ein  kleines  Schwert  mit  dem 
Namen  des  Vaters,  ein  kleines  Heil  mit  dem  der  Mutter  darauf  —  das  alles 
aus  Gold.  Bekannt  ist  die  Indla  aurea,  die  die  Kinder  der  vornehmen  Römer 
trugen.  Besonders  interessieren  uns  hier  die  Uinulae,  die  ceXnvia  —  wie  sie 
Basilius  a.  a.  0.  nennt  —  xp^cea  Kai  dpxupea  f|  Kai  Tf|c  euieXeciepac  üXr|c,  die 
von  den  alten  Mütterehen  den  Säuglingen  uingeliängt  würden,  unter  Gemurmel 
zum  apotropäischen  Zweck.  Wir  kennen  sie  aucli  aus  der  monumentalen  Über- 
lieferung.    Der  Knabe  aus  Xanten,  den  F  i  edl  e  r- H  oubc  n,  Römisches  Anti- 


1)  Für  diese  Frage  ist  noch  immer  zu  verweisen  auf  0.  Jahns  grundlegende 
Arbeit:  Über  den  Aberglauben  des  biisen  Blicks  bei  den  Alten,  ßericlite  der  säch- 
sischen Gesellschaft  der  Wissenschaften,  VII  (18r35)  28—110.  Vgl.  neuerdings:  Bieu- 
kowski:  Malocchio,  P'.ranos  Vindobonensis  p.  28;')  ff. 

2)  Bast  zu  Greg.  Cor.  ed.  Schaefer  p.  874 ;  Jahn  a.  a.  0.  p.  41. 

;3)  Dass  auch  die  griechische  Keli^ion  diese  ' di  cerfT  des  Varro  besass,  hat 
Usener,  Götternamen  p.  122  ff.  erwiesen. 

4)  Hermann   Blümner,  Griech.  Privataltertümer,  p.  282/.*]. 
f))  Epidic.  040.     Kudens  115G. 


Ein  gnostisches  Goldamnlet  ans  Gellep.  129 

quanum  Taf.  XXV;  2  abbilden^  trägt  einen  Halbmond  an  einem  Bande  um  den 
Hals;  ihrer  mehrere  gehören  zu  dem  Halsschmuck  bei  Arneth,  Gold-  und 
Silbermonumente  IX  105.  In  jeder  Sammlung  römischer  Altertümer  kommen 
sie  namentlich  in  der  Form  vor^  in  der  ihr  Amuletcharakter  am  deutlichsten 
wird,  nämlich  versehen  mit  phallischen  Attributen.  Bei  Frauen  und  Männern 
waren  solche  ^r|vicKoi  —  lunulae  auch  hier  am  Rhein  in  römischer  Zeit  üblich. 
Bemerkenswert  ist  da^  dass  die  Matronen  mitunter  den  halbmondförmigen  Hals- 
schmuck haben*),  so  die  Matronae  Axsinginehae  aus  Köln  B.  J.  83  Nr.  281, 
von  den  Matronae  Octocannae  des  Gipswalder  Steins  Ibid.  Nr.  322  deutlich 
die  linke  und  die  mittlere.  Das  Kölner  Museum  besitzt  zwei  männliche  Terra- 
kotten mit  lunulae*).  Eine  Keltin,  die  sich  unter  den  Hermen  von  Welsch- 
billig befindet,  trägt  den  Halbmond  mit  einer  Öse  an  einer  Kette  befestigt 
um  den  Hals^).  Noch  heute  hat  man  in  Neapel  am  Arm  silberne  Halb- 
monde zum  Schutz  gegen  Epilepsie;  sie  müssen  von  selbst  gesammelten 
Almosen  gemacht  und  vom  Priester  eingesegnet  sein^).  In  dem  medizini- 
schen Aberglauben  des  Altertums  —  und  auch  dem  anderer  Völker,  bis  in  die 
Gegenwart  hinein  —  spielt  eben  der  Mond  eine  grosse  Rolle,  da  er  nicht  nur 
manche  Krankheiten,  vor  allem  die  Epilepsie,  verursacht,  sondern  dafür  auch 
wieder  die  Gesundheit  fördert  und  erhält  *).  So  begreift  man  die  Verwendung 
seines  Bildes  zu  Amuleten.  Nun,  ich  meine,  das  halbmondförmige  Schmuck- 
stück, das  zugleich  mit  dem  Gelleper  Büchschen  gefunden  wurde,  ist  gleich- 
falls eine  solche  lunula.  Das  Material  bedingt  die  Stilisierung.  Zwei  Gold- 
fäden sind  halbmondförmig  gebogen  und  durch  Lötung  verbunden.  Die  Enden 
des  inneren  sind  spiralförmig  aufgedreht;  die  des  äusseren  stecken  in  einem 
kleinen  Stückchen  Malachit,  das  um  ihre  Achse  drehbar  ist.  Zur  Verzierung 
sind  ferner  Kerben  eingekniflfen,  nicht  eingefeilt,  und  12  Goldkügelchen  auf- 
gelöthet.  Ganz  ähnliche  Gestalt  —  ich  meine  besondei-s  die  Hinzufügung  des 
Steinchens  als  Schlussstück  —  zeigt  die  lunula  einer  weiblichen  Terracotta- 
büste,  die  das  Kölner  Museum  jüngst  erworben  hat  und  die  der  Frisur  nach 
ins  zweite  Jahrh.  gehören  wird*^);  ferner  auch  die  kopflose  Thonbüste  des 
Bonner  Museums  Inv.  Nr.  2895,  sowie  die  Bronzelunula  Inv.  Nr.  9761,  die 
im  Neusser  Lager  gefunden  wurde. 

Dass  gerade  das  Gold  bei  der  Anfertigung  des  Amulet-Schmuckes  bevor- 
zugt wird  —  eine  Tatsache,  die  durch  die  unten  zusammengestellten  Beispiele 
noch  klarer  wird  —  das  gründet  sich  auf  die  Anschauung  des  antiken  Aber- 


1)  B.  J.  83  p.  39,  wo  die  Bedeutung  nicht  erkannt  ist. 

2)  Terrakottenschrank  VH  344,  2941. 

3)  Hettner,  Trierer  Katalog  Nr.  808.  Falsch  ist  es,  wenn  Hettner  bei  Nr.  803 
von  einem  'keltischen  Halbmond'  spricht,  wenn  ihn  auch  der  Madrider  Kelte  gleich- 
falls trägt. 

4)  Jahn  a.  a.  0.  p.  42,  48  nach  Winckelmann  Werke  II  p.  60. 

6)  Das  Nähere  bei  W.  H.  Röscher,  Über  Selene  und  Verwandtes  p.  67fif.  p.  185. 

6)  Inv.  Nr.  28.  Eine  Photographie  davon  verdanke  ich  Herrn  Dr.  Kisa.  Sie 
stammt  aus  dem  Kunsthandel,  ist  aber  nach  Risas  Mitteilung  'höchst  wahrscheinlich* 
Kölnischer  Herkunft. 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterihsfir.  Im  Rhelnl.  108.  9 


IdO  Max  Siebonrg: 

glaabeiWy   da»  jenem  Metall   eine   i^chfitzende  Z^aoberkraft   beiwohnt.     Sicher 
stecken  dahinter  mythologische  Vorstellon^n,  auf  die  ich  hier  nicht  eingehen 
kann  V;  doch  f$pielt  aoch  die  Kostbarkeit  des  Materials  dabei  eine  nicht  geringe 
Rolle.    Je   teorer   eine  Medizin  ist,   fflr  am  so  wirksamer  hält  sie  noch  hent- 
zotage  der  Patient.     Wir  erwähnten  schon  die  irepto^ficrra  xP^^a  f{  dpTupd, 
die    nach  Basilios   von  den  Kindern  den  Zanber  abhalten;    die  Geschenke  in 
den  Plaatnsstellen  sind   von  Gold.      Platarch   erzahlt  ans  ^}y   dass  Salla,    der 
'GIflckliehe'y  in  allen  Schlachten  ein  goldenes  Bildchen  des  Apoll  im  Basen 
trog;    in  der  Schlacht  am  kollinischen  Thor,   wo  er  einen  Schinmiel  ritt  and 
so   weithin   erkannt   wurde,    wäre  er   ams  Haar  von  den  feindlichen  Lanzen 
durchbohrt  worden;    seine  Rettang   schrieb   er   nar  dem  ära^M^niov  za.     Ge- 
naneres  lehrt  ans  Plinias.  NH.  33,  84  schreibt  er:  Aurum  pluribus  niodis  pollet 
in  rem'ediiSy^tolneratisque  et  infantibus  adplicatuTy  ut  minus  noceanty  quae 
inferantur  veneficia.  Demgemäss  heisst  es  33,  85,  Gold  sei  nach  der  Lehre  des 
M.  Varro  gat  gegen  Warzen;   33,81:  Pokale  aas  natfirliehem  Weissgold,   das 
c.  80  electrum  heisst  and  mit  Vs  Silber  vermischt  ist,    zeigen  darch  Farben- 
spiel Gift  im  Tranke  an.    10, 109:  Will  man  die  Taaben  sesshaft  machen,  so 
mass  man  ihnen  die  Flttgel  mit  Gold  statzen,  sonst  heilt  die  Wände  nicht  (auro 
insectis  alarum  articulisy  non  aliter  innoxiis  vulneribus).  20, 29 :  Einige  meinen, 
za  Heilzwecken   müsse   man   die  Warzel   des  Eibisch ')   mit  Gold   aasgraben. 
Schon  oben  S.  126  hiess  es  in  dem  Rezept  des  Marcellas,  man  solle  mit  golde- 
nem Griffel  die  Schrift  aaf  das  Goldblättchen  einritzen.     Aach  dem  Silber 
wird  Heilkraft  zageschrieben ;  siegeln  mit  einem  silbernen  Ring  —  so  heisst  es 
in  den  Geoponika  XIII  9,  —  heilt  den  Skorpionstich.     Wir  werden  das  Ma- 
terial  nachher  wiederholt  za  Amaleten  verwandt  finden.     Im  diametralen  Ge- 
gensatz  zu   dem   zauberabwehrenden   Gold    steht   das   Blei,    das   dem   bösen 
Saturn  zugewiesene  Metall;  es  ist  recht  eigentlich  das  Material  für  den  Schaden- 
zauber, für  die  devotiones  oder  defixiones,  über  die  wir  durch  Wünsch»  Ar- 
beiten belehrt  worden  sind^).     In  die  Gräber,  also  in  den  Machtbereich  der  di 
inferi  wurden  diese  "Briefe  an  die  Unterwelt'  gelegt  und  in  ihnen  die  chthoni- 
schen  Götter  ersucht,  den  gehassten  Gegner  —  so  z.  B.  den  Joekey  der  Gegen- 
partei im  Cirkus  —  zu  'binden',  kalt  und  schwer  wie  das  Blei  zu  machen. 

Fragen  wir  uns  jetzt,  was  uns  denn  das  in  dem  Gelleper  Büchschen  ein- 
geschlossene Goldblättchen  zu  sagen  hat.  Tafel  VII  Fig.  7  gibt  dasselbe  in 
natürlicher  Grösse  nach  einer  photographischen  Aufnahme  wieder,  die  ich  der 
liebenswürdigen  Bereitwilligkeit  des  Herrn  Dr.  Jürges  verdanke.  Man  sieht 
gleich,    dass  die  Glättung  des  Blättchcus    nicht    völlig   gelungen   ist,    dass  es 


1)  Ich  denke  dabei  daran,   dass  Gold  das  stehende  Attribut  der  Lichtgötter  ist, 
8owi(*  an  die  Unterordnung  des  Paieon  unter  ApoUo.     Usener,  Götternamen  p.  333. 

2)  Piut.  Sull.  c.  29. 

3)  radicem  hihisci  (d.  i.  Althaca  officinalis  L.)   auro  effodiendam. 

4)  CIA.  Appendix:    Defixionum  tfÄbcUae  Atticae  ed.  R.  Wünsch,  p.  III;  Sethia- 
nische  Veriluchungstai'eln  aus  Rom  p.  71/72. 


Ein  gnostischGS  Goldamnlet  ans  Oellep. 


131 


Fig.  1. 


vielmehr  manche  Falten  nnd  Fältchen 
eothält,  die  die  Lesung  nicht  gerade 
erleichtern.  Immerhin  ermöglicht  diese 
Abbildung  eine  Kontrolle  der  hier  bei- 
gcffigtCQ  UmrissKcichnnng.  Dass  diese 
möglichBt  genau  und  treu  ausgefallen 
ist,  verdanke  ich  ebenfalls  der  Beleh- 
rung des  Herrn  Dr.  jQrges.  Er  machte 
mir  von  der  photographischen  Platte  eine 
Kopie  auf  blansaurem  Eieenpapicr.  Der 
ümriaa  und  die  Buchstaben  wurden  dann 
von  mir  mit  schwarzer,  unvcrluscbbarer 
Tusche  nachgezogen,  resp.  ergänzt  und 
endlieh  der  Blaudiiiek  durch  Eintauchen 
in  eine  4  '*/oige  Lösung  von  oxalsaurem  Kali  zum  Verschwinden  gebracht,  so 
das»  nur  die  Bchwarzeu  Striche  auf  dem  weissen  Papiergrunde  stehen  blieben. 
Das  Blätteben,  dessen  Masse  0,084X0,057  sind,  hat  die  Obliche  recht- 
eckige Form,  nur  unten  ist  es  nicht  grad  abgeschnitten.  Darauf  hat  eine  nicht 
allzu  geschickte  Hand  griechische  Buchstaben  und  Linien  eingeritzt;  mitunter 
ist  der  Griffel  ausgeglitten  oder  der  Schreiber  bat  sich  korrigieren  müssen. 
Allmählich  ging  es  besser  von  Statten;  die  Kolumnen  5 — 9,  sowie  die  Striche 
rechts  zeichnen  sich  vor  dem  Anfang  durch  gerade  Richtung  nnd  sicherere 
Fuhrung  aus.  —  Mit  den  Linien  beabsichtigte  wohl  der  Verfasser  oder  seine 
Vorlage  eine  architektonische  Verzierung  der  Blattfläche  herzustellen,  etwa  in 
der  Art  eines  Naiskos.  Diese  Form  hat  z.  B.  ein  Amulct  aus  Sjrakus^),  eine 
Thonplatte,  in  deren  Mitte  Artemis  steht,  während  der  freie  Raum  mit  Zeilen 
von  noch  nicht  gedentetem  Griechisch  bedeckt  ist.  An  den  Seiten  sind  Pi- 
laster,  das  Ganze  wird  von  einem  dreieckigen  Giebel  gekrOnt.  So  sehen  wir 
auf  unserem  Blätteben  auf  gleicher  Grundlinie  mit  dem  Umrissreehteck  in  der 
Mitte  eine  Art  Nische,  die  mit  7  senkrechten  Kolumnen  beschrieben  ist;  an 
beiden  Seiten  wird  sie  von  einem  pilasterartigen  Streifen  eingefasst,  von  denen 
der  linke  nur  halb  so  breit  wie  der  rechte  geraten  ist;  offenbar  blieb  dem 
Schreiber  mehr  Raum,  als  er  gedacht  hatte.  Jeder  der  beiden  Pilaster  trägt 
wieder  eine  Kolumne  Buchstaben.  Die  Zeichnung  schlieset  links  und  rechts  ein 
schmaler  Streifen  ab,  während  die  obere  Grundlinie  gewissermassen  als  Archi- 
trav  dient.  Auf  ihm  steht  die  einzige  horizontale,  von  rechts  nach  links  lau- 
fende Zeile,  deren  Buchstaben  grosser  und  tiefer  als  die  übrigen  eingeritzt  sind. 
Die  beiden  Abschlussstreifen  sind  über  dem  Architrav  mit  ein  paar  nicht  sehr 
klaren  Strichen  fortgesetzt;  ich  kann  darin  nur  die  Ansätze  zu  einer  kapital- 
artigen  Bekrönnng  jener  beiden  Streifen  sehen.  —  Viel  einfacher  ist  die  Glie- 
derung auf  dem  Goldblätteben  des  oben  erwähnten  Regensburger  Amuleta;  hier 
ist  der  horizontal  geschriebene  griechisehe  Text  durch  5  Querstriche  in  6  Gruppen 


1)  Bulletin  hist.  phil.  de  l'acad.  de  St.  Pätersbourg  1819,  d.  17.  IS  (Stephani). 


132 


Max  Siebonrg: 


von  1,  5,  2,  3,  5,  3  Zeilen  zusanimengefasst.  Kanstvoller  ist  schon  die  Um- 
rahmung, die  ein  Zauberpapyrus  des  Britischen  Museums ')  für  zwei  Amnlete 
vorschreibt. 


CüßkdVaßxv^tiKßti. 


r 


61 

A 


•^  ß  ß  V  ®  tL,T 


OXp  H  U.f/i<k)^Xt/i«Lßa 


Fig.  2. 


c 

n 

L 
Cf 

«. 

0 

e 
& 


•  •• 


^  l/S(XJJiV9L 
OL  Kf  Cf/A/üL  0C 


ny 


Fig.  3. 


Zum  Schutz  gegen  Feinde,  Ankläger,  Räuber  und  Traumerscheinungen 
soll  man  auf  ein  Gold-  oder  Silberblättchen  Fig.  2  zeichnen  und  das  Amulet 
dann  tragen.  Ein  Zinnblättchen,  auf  dem  mit  einem  Erzgriffel  Fig.  3  einge- 
graben ist,  verhilft  zur  Gewinnung  von  Gunst  und  Freundschaft. 

Indem  ich  mich  jetzt  zur  Feststellung  der  Lesung  wende,  gehe  ich  nur 
auf  die  Buchstaben  ein,  die  nicht  klar  sind  oder  verschiedene  Auffassung  zu- 
lassen. Ich  habe  das  Original  längere  Zeit  in  Händen  gehabt  und  wiederholt 
geprüft;  darnach  kann  ich  meinen  Text,  abgesehen  von  wenigen  Zeichen,  als 
sicher  hinstellen. 

In  der  horizontalen  Architravzeile  kann  über  die  sieben  Vocalc  ae tu ouiu 
kein  Zweifel  sein;  die  Querstriche  von  aeri  sehe  ich  auf  dem  Original  deutlich. 
Das  uj  ist  kleiner  und  dünner  eingeritzt;  auch  ist  meines  Erachtens  am  Schluss 
der  Griffel  nach  unten  abgeglitten  und  so  das  X  ähnliche  Zeichen  entstanden. 
Wäre  ein  X  oder  a  beabsichtigt,  so  hätte  es  der  Schreiber  an  dieser  Stelle 
grösser  geschrieben  —  ich  will  nicht  geltend  machen,  dass  seine  Bedeutung 
hier  neben  den  bekannten  Vokalen  unerkläriich  ist.  Dass  am  Anfang  der  Zeile 
über  dem  Pilaster  nicht  an  jix  oder  tu  zu  denken  ist,  beweist  die  Dünnheit  und 
Zartheit  der  Linien,  die  genau  mit  denen  der  Umrahmung  stimmen.  —  Ich 
lese  also  die  Zeile  Aeriiouuj. 

Von  den  9  vertikalen  Kolumnen  bieten  1  und  2  die  meisten  Schwierig- 
keiten. 

Kol.  L  Die  ersten  6  Buchstaben  sind  klar  Xa)Lir|puj;  zu  der  Form  des 
H  mit  der  bloss  halb  gezeichneten  rechten  hasta  vergleiche  man  denselben  Buch- 


1)  Ken  von,  Greek  Papyri  in  the  British  Museum  p.  122,  24  ff.  und  p.  91,  215  ff. 
Über  Fig.  2  siehe  unten  p.  137  Nr.  12.  Auf  Fi^.  3,  unten  S.  137  Nr.  14  steht  ausser 
magischen  Zeichen  und  Buchstaben  der  Dilmonennamc  Aa^va^€V€uq,  sowie  das  be- 
kannte 'AKpa|i|iaxa|iap€i,  das  Wiedemann  B.  J.  79  p.  225  f.  bespricht. 


Ein  gnostisches  Qoldamulet  aus  Gellep.  133 

Stäben  in  Kol.  5  ^).  Die  zwei  schrägen  Strichelchen  nach  r|  gehören  zu  keinem 
Buchstaben.  Nach  uj  ist  c  für  mich  sicher;  der  dazwischen  liegende,  etwas 
grössere  Raum  ist  besonders  iimzelig,  trägt  aber  kein  Schriftzeichen.  Der  dann 
folgende  Buchstabe  ist  am  ersten  ein  nicht  besonders  geratenes  c,  dann  kommt 
ein  sicheres  tt,  während  der  Schluss  zweifelhaft  bleibt;  hier  in  der  Ecke  ist 
die  Glättung  sehr  wenig  gelungen.  Steht  überhaupt  ein  Buchstabe  da,  so  lese 
ich  N.     Die  Kolumne  gestaltet  sich  also  folgendermassen:  Xqmtipujc  c  tt  v  (?). 

Während  über  den  Inhalt  von  Kol.  2  kein  Zweifel  sein  kann,  macht  die 
Lesung  im  einzelnen  Schwierigkeiten.  Sie  ist  am  schlechtesten  geschrieben. 
Nach  dem  ersten  c  mit  lang  ausgeglittenem  Querbogen  folgt  ein  Zeichen,  das 
einem  c  ähnelt,  aber  schon  seiner  Kleinheit  wegen  kein  Buchstabe  sein  kann, 
sondern  einen  misslungenen  Versuch  darstellen  wird.  Nach  einem  zweifellosen 
€  folgt  ein  sicheres  fx,  das  aber  merkwürdig  venitzt  ist^);  es  macht  den  Ein- 
druck, als  ob  der  Schreiber  mit  dem  Auge  nach  der  folgenden  Kolumne  der 
Vorlage  abirrend  zuerst  ein  f  geplant  habe.  Denselben  Eindruck  habe  ich  bei 
dem  folgenden  Buchstaben;  das  Zeichen  deute  ich  am  ersten  als  ein  mit  f 
ligiertes  €,  wobei  dann  f  fehlerhaft  wäre;  Ligaturen  kommen  sonst  in  dem 
Text  nicht  vor.  Sieht  man  darin  ein  H,  so  bleibt  der  an  der  rechten  Hasta 
stehende  Querstrich  unerklärt.  An  TT  ist  nicht  zu  denken  gemäss  Kol.  6. 
Der  Rest  ist  zweifellos  cxeiXaM;  beim  c  ist  der  Griffel  nicht  ganz  sicher  gewe- 
sen, so  dass  es  fast  einem  e  ähnelt.  Die  ganze  Kolumne  wäre  also  zu  lesen 
C€fi<T)€ceiXafi. 

Kol.  3  ergibt  ohne  Schwierigkeit  und  Zweifel  Cecevre^ßapqpap, 

Kol.  4  enthält  gleichfalls  sicher  cacei  BTiXcapcfxi. 

Klar  ist  femer  in  Kol.  5  die  Lesung  'Iduj  eriouiaeu, 

in  Kol.  6  TtavxouxiOacc, 

in  Kol.  7  CiIiG  <t>pf\  itrav.  Darnach  giebt  es  eine  doppelte  Möglichkeit. 
Entweder  ist  x  zu  lesen,  oder  die  von  links  nach  rechts  gehende  Hasta  ist 
durch  Ausgleiten  bei  der  ersten  Hasta  von  N  entstanden,  die  andere  gehörte 
dann  zu  dem  folgenden  c-Zeichen.  uj  bildet  den  Scbluss.  Wir  erhalten  also 
C&e  0pf\  i7ravx(?)caj. 

Kol.  8.  Zwischen  6  und  B  ist  ein  auffallend  grosser  Zwischenraum,  der 
aber  kein  Zeichen  trägt.  Der  Rest  ist  klar:  X  (x  allenfalls  möglich)  iiaßau. 
Ich  will  nicht  verschweigen,  dass  andere  statt  der  beiden  I  I  zwei  P  lesen; 
nach  wiederholter  Prüfung  und  Vergleichung  mit  den  P  in  Kol.  4  und  7  ist 
mir  meine  Lesung  sicher:  OßXiiaßau. 

In  Kol.  9  kann  man  endlich  nur  beim  letzten  Zeichen  schwanken  zwischen 
0  und  0;  ich  entscheide  mich,  wie  meine  Zeichnung  schon  erweist,  für  0  und 
lese  also  OOujcouO.    Das  Ganze  wäre    ako    folgendermassen  umzuschreiben: 


1)  Dieselbe  Form  bei  Wünsch,  Sethian.  Verfluchungstafeln  p.  53  B  4. 

2)  Ganz  ähnlich  ist  des  Schluss-^  bei  Parthey,  zwei  griech.  Zauberpapyri  des 
Berliner  Museums,  AdBA  1865,  p.  155  II  168,  wo  c€|iiociXa|ii  steht,  was  Parthey  nach 
dem  Index  für  ccjnoctXaoc  ansieht. 


134  Max  Siebourg: 

Aetiiouuj 

1.  AafiTipwccTTV  (?)  2.  C€fi(T>ec€iXafi 

3.  Cecevre^ßapqpap  4.  cacei  BfiX  capc^ii 

5.  Iduj  er|ou  laeu  6.  TTavxouxiöacc 

7.  CuiO  0pn  i7Tavx(?)ciü  8.  ©ßXiaaßau 

9.  OOujcoue 
Ehe  wir  an  die  Interpretation  dieses  zunächst  recht  dunkel  erecheinendeu 
Textes  gehen,  wird  es  sich  empfehlen,  zuvor  eine  Reihe  anderer  Gold-  (oder 
Silber-)  Blättchen  mit  Aufschriften  kennen  zu  lernen.  Wessely  hat  bereits  in 
den  Wiener  Studien  VIII  p.  175flf.  7  Beispiele  aus  dem  Corp.  Inscr.  Graec.  und 
3  andere  gesammelt  und  ist  dabei  zu  dem  Schlüsse  gekommen,  dass  derartige 
Fundstücke  Amulete  seien.  Ihre  Zahl  lässt  sich  heute  vermehren;  ohne  Voll- 
ständigkeit mir  zur  Aufgabe  zu  machen,  die  Sache  des  Herausgebers  eines 
Zauberkorpus  wäre,  stelle  ich  im  Folgenden  eine  Reihe  von  Beispielen  aus 
der  monumentalen  und  der  littcrarischen  Überlieferung,  die  von  Wessely 
nur  eben  gestreift  wird,  zusammen  und  wähle  vor  allem  solche  Stücke,  die 
den  Zweck  des  Täfelchens  recht  klar  machen.  Das  wird  am  ersten  die  rich- 
tige Würdigung  unseres  Textes  ermöglichen. 

1.  Wiener  Studien  VIII,  ISOflF.  (Wessely). 

Goldblättchen  aus  Saloniki,  jetzt  im  Kaiserl.  Münz-  und  Antikenkabinet 
zu  Wien.  Mit  12  Zeilen  beschrieben.  Es  ist  ein  Lieb  es  am  ul  et.  Nach  einem 
dunkeln  Anfang  und  der  Aufzählung  von  Göttern,  unter  denen  'Acppobirr]  und 
Miöpnc  zu  erkennen  sind,  folgt  der  Wunsch:  iroiricaTai  (=  7roir|caTe)  ^trixopeiv 
(=  dtrixapiv)  Euobiav^)  Tiäciv  dvöpiUTroic*)  Kfe  (=  xai)  fvvd£i  (=  T^vaiHi),  fidXicta 
be  TTpöc  8v  0^Xi  (=  GeXei)  auir)^).  Wessely  setzt  es  nach  dem  Schriftcha- 
rakter ins  zweite  oder  dritte  Jahrb.  n.  Chr. 

2.  Ibid.  8,  175ff.  186.     Oben  S.  126. 

Goldblättchen,  gef.  in  Wien  unter  den  oben  geschilderten  Umständen; 
jetzt  verloren  und  nur  noch  in  Abschrift  erhalten.  Der  lateinisch  geschrie- 
bene Text  hat  die  unglaublichsten  Deutungen  erfahren,  die  man  bei  Wessely 
des  Näheren  zur  Ergötzung  lesen  mag.  Äthan.  Kircher  fand  Kolchisches, 
Griechisches  und  Türkisches  in  den  paar  Zeilen;  Katancsisch  erklärte  es 
1792  für  Slavisch,  und  Th.  von  Karajan  suchte  es  1854  als  Ostgothisch  zu 
erweisen  —  'Wiener  Gothisch*  sagt  Wessely  mit  humorvoller  Ironie.  Er 
selbst  erkennt  mit  Recht  in  Z.  2 — 5  die  vielfach  vorkommenden  magischen 
Gottesnamen  l)arnna\7neneu  Ahlanatanalba  Acramihavian,  3.  Jahrh.  ii.  Chr. 
Der  Zweck  des  Amulets  ist  nicht  ausdrücklich  angegeben. 


1)  Wessely  schreibt  eOobiav;  ich  fasse  es  als  Eigennamen,  der  mehrfach  vor- 
kommt; vgl.  Pape-Benseler,  Wörterbuch  der  griech.  Eig'cnnamen  s.  v. 'iMacht  wohl- 
gefällig: die  Euhodia  bei  allen  Männern  und  Frauen*.  Dazu  vg;l.  man  den  Leydener 
Papyrus  J  384  ed.  Dieterich,  Supjjl.  zu  Fleckeisens  Jahrbb.  XVI  p.  810, 32:  Durch  das 
Tragen  eines  Ringes  mit  dem  Drachen  als  Sonnensymbol  ^irixapic  iräciv  ^cei,  u.  a. 

2)  ävGpiüTToc  =  dvnp  auch  unten  p.  14G  Anm.  1. 

3)  Wessely  aöxri. 


Ein  gnostisches  Goldamulet  aus  Gellep.  135 

3.  Notizie  degli  Scavi  1887,  p.  157.  Eph.  epigr.  VIII  n.  238.  Oben 
S.  127. 

Goldblättchen  ans  Picennm,  Ripe  san  Gincsio.  Fundamstände  oben. 
Der  Anfang  des  lateinischen  Textes  Ad  oculo(rum)  dolorem  erweist  es  als 
Mittel  gegen  Augensehmerz. 

4.  Oben  S.  127. 

Silberblättchen,  unbekannter  Herkunft,  einst  im  Besitze  eines  römi- 
schen Antiquars,  jetzt  im  Mus6e  Napoleon  III.  In  18  Zeilen  wird  Schutz 
gegen  alle  bösen  Geister  gesucht,  gegen  Fieber,  Fett-  und  Wassersucht,  gegen 
Gift  und  Malocchio.  —  Derselbe  Text  ist  wieder  ediert,  ohne  Wissen  von 
Fröhners  Publikation,  von  Pellicioni  in  den  Atti  e  Memorie  della  Rtt.  •  ; 
depntazionj  di  storia  patria  per  le  provincie  deir  Emilia.  Modena  1880.  Nuova  /  ^ 
Serie  V  parte  II  p.  177  flf.  und  zwar  nach  einer  faksimilierten  Abschrift  des 
Abbate  Girolamo  Amati  aus  Savignano.  In  einzelnen  Worten  wird  dadurch 
Fröhners  Lesung  berichtigt.  In  der  kurzen  Erwähnung  in  Bursians  Jah- 
resbericht 1883  p.  150  ist  die  Identität  nicht  erkannt. 

5.  Oben  S.  126. 

Silberbüchsehen  ans  ßegensbnrg,  enthaltend 

a.  Ein  Silberblättchen 9  das,  soweit  lesbar,  mit  magischen  Zeichen  und 
Buchstaben  bedeckt  ist.  Wegen  des  Schwankens  des  Herausgebers  stelle  ich 
noch  besonders  fest,  dass  erstlich  in  Z.  3  c/jOT  nicht  zu  SOTER  (=  durrip) 
zu  ergänzen  ist,  und  dass  zweitens  in  Z.  4  von  Xw  (=  XpicToö!)  Hcou,  also 
Jesus  Christus,  keine  Rede  sein  kann.  Das  vermeintliche  X  ist  das  häufig 
voiH^ommende  magische  Zeichen  ^,  das  z.  B.  auch  oben  auf  Fig.  2  in  der 
ersten  Zeile  steht. 

b.  Ein  Goldblättchen  mit  19  griechischen  Zeilen  in  6  Gruppen;  es 
beginnt  mit  magischen  Zeichen  und  Buchstaben.  Abteilung  2 — 4  ist  vom  Her- 
ausgeber nicht  gelesen.  In  Abschnitt  5  erkenne  ich  dann  auf  dem  Faksimile 
die  Gottesnamen  0ap9iaaj,  'laßox,  Map[|ia]p€uj0,  Idw,  Caßaiü[0]  'Abuiveai,  in 
Abt.  6  den  Akkusativ  Aae^ova.  Jedenfalls  handelt  es  sich  also  um  Schutz 
gegen  Dämonen ;  das  Nähere  ist  nicht  ersichtlich.  —  3.  Jahrhundert. 

6.  Kraus,  christl.  Inschriften  des  Rheinl.  I,  Nr.  13.  Wiedemann  BJ.  79, 
215  ff. 

Silberblättchen  gefunden  in  den  Thermen  von  Badenweiler.  Nach 

.  magischen  Zeichen  und  Buchstaben  folgen  die  Götter-  und  Dämonennamen  Ma 

CaßaiJü9    ['Abujvai  'Aß]Xava9avaXßa    'AKpa[Maxa^api    CJejuieciXafi    CTiCTiVT€^[ßapq)a- 

paJvTTic  und  die  griechisch  geschriebene  lateinische  Aufforderung,  einen  Lucio- 

lus  vor  jeder  Gefahr  zu  schützen  (cepouate  aß  ofivi  TiepeKouXu)) '). 

7.  Kopp,  pal.  crit.  III  p.  158,  nach  Gruter,  inscr.  app.  p.  XXI,  ein 
Citat,  das  ich  nicht  verifizieren  kann. 


1)  Das  von  Kraus  p.  9  aus  King,  the  gnostics  and  their  remains  'p.  9  zitierte 
'Blftttchen*  aus  Neapel  ist  ein  rnndcs  Bronccmedaillon ;  die  aus  Ducange  ed.  Hen- 
scliel  I  p.  28  zitierte  Inschrift  der  Ulpia  Paulina  steht  auf  einer  Gemme,  nicht  auf 
einem  Blättchen. 


136  Max  Siebourg: 

Goldblättchen,  in  einem  Skeletgrabe  gefanden.  An  der  Stelle  des 
Herzens  habe  gelegen  'bractea  ex  purissimo  auro  parva  et  perquam  tcnuisy 
cui  inscriptae  essent  Septem  vocales  Graecae,  totidem  repetitae  versibtis,  sed 
ordine  semper  alio\    Die  Inschrift  wird  demnach  so  gelautet  haben: 

a  €  r|  i  0  u  (jü 
€  r|  i  0  u  uj  a 

Tl  l  0   U  UJ  a  € 

i  o  u  UJ  a  €  Tl 

O  U  UJ  a  €  Tl  i 

U  UJ  a  €  Tl  i  o 

UJ  a  €   Tl  i  o  u 

Hieran  reihe  ich  zunächst  ein  paar  Vorschriften  zur  Anfertigung  von 
Amuleten,  die  in  den  Zauberpapyri  ^)  stehen. 

8.  DWA  36,  p.  51,  256.     Silberblättchen  als  cpuXaKTripiov. 

€{c  XcTTiba  dpTupäv  soll  man  mit  ehernem  GriflFel  auTÖ  tö  övofxa*)  TP(a|Li- 
juttTiüv)  p',  also  den  Namen  von  100  Buchstaben  einritzen  und  es  tragen  ijidvTi 
6vou,  an  einem  Riemen  aus  Eselshaut. 

9.  DWA  36^  p.  112,  2705:  OuXaicTTipiov  elc  TrdtaXov  dpTupoOv,  auf  das 
man  zwei  Zeilen  magischer  Zeichen  vermischt  mit  griechischen  Buchstaben 
schreiben  soll. 

10.  DWA  36  p.  90,  1840.     Goldblättchen  für  den  Liebeszauber. 

Aus  dem  Holz  des  Maulbeerbaumes  soll  man  einen  geflügelten  Eros  ma- 
chen, angethan  mit  der  Chlamys,  den  rechten  Fuss  vorgesetzt.  In  den  hohlen 
Rücken  der  Figur  soll  man  dann  xP^^oCv  Ti^TaXov  werfen,  auf  das  man  mit 
'kupfernem  Griffer  ^)  eingeritzt  hat:  inapca  ßouTapOe  t^voö  |lioi  trdpebpoc  kqi 
TrapacTctTTic  kqi  öv€ip0TT0)HTr6c.  Damit  gehe  mau  spät  abends  zum  Haus  der 
Liebsten,  klopfe  mit  dem  Eros  an  die  ThUr  und  spreche  den  Zauberspruch. 

11.  DWA  3(5  p.  100,  2226.     Goldblättchen  als  Liebesamulet. 

Das  Rezept  weist  an,  ev  xP^crj  Xeiribi  die  unverständlichen  Zauberworte: 
^upi  Mupivec  iLiaxecvujv  zu  schreiben    und    es   zu   tragen  Ka0apiuj[c].     Den  Sinn 


1)  Hier  und  im  folgenden  zitiere  ich  diese  mit  folgenden  Abkürzungen: 
Parthey  PB  I  und  II:  Abhandlungen  der  Berliner  Akademie,  1865,  S.  120 ff.  und  150  ff. 

Darin  die  Berliner  Papyri. 
DWA  =  Denkschriften  der  Wiener  Akademie,  philosophisch-historische  Klasse.  XXXVI 

(1888).     Darin  Wesselys  Publikation  von  Pariser  und  Londoner  Papyri. 
Dieterich  PLI  =  Fleckeis.  Jb.  Supplem.  XVI  p.  79:J  ff.  Leydener  Papyrus  J.  384. 
Abraxas  =  A.  Dieter  ich,  Abraxas.     Studien    zur  Reliirionsgeschichte  des  späteren 

Altertums.  Leipxiir  1891.  S.  1G9  ff.  der  Leydener  Papyrus  J.  395. 
Kenyon  =  F.  G.  Kenyon,    Greek   papyri   in   the   British  Museum.     Catalogiie   with 

Texts.     London  1893. 
Wessely.  eph.  gr.  =  K.  W esse ly,  Ephesia  Grammata.    XII.  Jahresbericht  des  k.  k. 

Franz  Joseph-Gymnasiums  in  Wien.     Wien  1880. 
2^  D  der  Papynis;   über    den  Xamen   von    100  Buchstaben    vgl.  Heim,    iucan- 
tamenta  magica,  Flockeis.  Jb.  Suppl.  XIX  p.  5-13. 

3)  KuiTpiuj  Tpa^ptiu),  unten  in  N.  17  acu  cuprea. 


Ein  gpiostisches  Goldamulet  aus  Gellep.  137 

dieses  Zusatzes  erläntern  die   unten   angefühi-ten   Rezepte  Nr.   16  und  17   aus 
Marcellus,  wo  "mundtcs'  und  'observata  castitate'  zur  Bedingung  gemacht  wird. 

12.  Kenyon  p.  122,  24;  oben  abgebildet  S.  132  Fig.  2.  Gold-  oder 
Silberblättchen. 

Gegen  Feinde,  Ankläger,  Räuber  und  Traumbilder  hilft  die  zu  tragende 
Xdfiva  xp\)c&  f\  dpTupä,  auf  die  man  ausser  magischen  Zeichen  und  Buch- 
staben die  schon  S.  132  Anm.  2  erwähnten  Gottesnamen  'AßXavaOavaXßa, 
'AKpamiaxajiapei  und  die  7  Vokale  in  verschiedenen  Gruppierungen  einritzen 
soll.     Von  den  Vokalen  wird  nachher  des  längeren  die  Rede  sein. 

13.  Kenyon  p.  102,  579.  Als  (puXaKTripiov  cojfiaTOcpuXoH  Tipöc  baifio- 
vac,  TTpöc  cpavrdcfiaTa,  Tipöc  Ttäcav  vöcov  Kai  irdöoc  wird  empfohlen  auf  ein 
Blättchen  von  Gold,  Silber  oder  Zinn  oder  auf  'hieratisches  Papier'*) 
Zauberworte  und  Gottesnamen  (darunter  Iduj)  zu  schreiben,  einen  Drachen  *)  und 
Zeichen  (xapaKTfip€c)  zu  setzen  und  mit  dem  Gebet  zu  schliessen:  biacpuXacce  )liou 
TÖ  cwiia  [Ktti]  -rfjv  ipuxnv  öXÖKXripov,  d^ioö  toö  beiva  ^).  Das  Ganze  ist  zu 
tragen. 

14.  Kenyon  p.  91,  215.  Zur  Gewinnung  von  Freundschaft  und  Beliebt- 
heit soll  man  auf  ein  Zinnblättchen  (irdTaXov  Kaccitepivöv)  die  oben 
S.  132  Fig.  3  abgebildeten  Namen  und  Zeichen  mit  ehernem  Griffel  ritzen 
und  es  tragen. 

15.  Kenyon  p.  99,  462.  Als  Liebesamulet  wird  ein  zu  rollendes  Zinn- 
blättchen besonders  empfohlen  (cpiXtpov  KdXXicrov),  auf  das  magische  Zeichen, 
Buchstaben,  Namen  und  die  Fonnel  zu  setzen  sind :  iroiricaTe  tfjv  beiva  *)  91- 
Xeiv  iiiL 

Ich  schliesse  diese  Aufzählung  mit  ein  paar  Rezepten  aus  dem  bereits 
erwähnten  Arzneibuch  des  Marcellus  und  einem  aus  den  ©epaTteuTiKd  des  Ale- 
xander von  Tralles. 

16.  Schon  S.  126  ist  das  Mittel  ad  coli  dolorem  erwähnt,  gemäss 
dem  man  auf  das  Goldblättchen  mit  goldenem  Griffel  am  21.  des  Monats^) 
folgende  characteres  einritzen  soll: 

A  VM0  Kl  A 

AVM0KI  A 

AVMeKI  A 
Welche  Bedeutung  dahinter  stecken  mag,  weiss  ich  nicht ;  möglicherweise 
eine  Zahlcnspielerei*^).     Ich  bemerke,  dass,  wenn  man  für  die  einzelnen  Buch- 
staben die  Zahlen  einsetzt  (A  =  30,  V  =  700,  M  =  40,  6  =  9,  K  =  20,  I  = 
10,  A  =  1)  und  addiert,    dass    dann    sich    als   Summe    810   =   9   X   90    er- 


1)  Vgl.  darüber  Parthey  PB  zu  I  233. 

2)  Vgl.  Nr.  22. 

3)  4  <ier  Papyrus. 

4)  4  der  Papyrus. 

5)  Bei  abnehmendem  Mond  nimmt  alles  ab.    Röscher,  Selene  p.  185. 

6)  Einiges  darüber  bei  Heim,  incantamenta  magica  p.642.  Bekanntlich  ergiebt 
die  Quersumme  von  aßpacoE  die  Zahl  der  Jahrestage  365. 


138  Max  Siebourg: 

giebt.  Das  Goldblättchen  ist  in  Ziegcnfell  einzuhüllen  und  mit  einem  Rie- 
men aus  Ziegenleder  an  den  rechten  oder  linken  Fuss  zu  binden^  je  nach  der 
Seite  des  Körpers,  wo  der  Schmei-z  sitzt.  Hinsichtlich  der  Diät  wird  ver- 
langt: sed  dum  utetur  quis  hoc  praeligamine,  abstineat  venere  et  ne  mulierem 
aut  praegnantem  contingat  aut  sepulcrum  ingrediatur,  omnino  observare  debe- 
bit.  Als  Radikalmittel  gegen  Kolik  wird  endlich  am  Schluss  empfohlen,  immer 
zuerst  den  linken  Fuss  zu  beschuhen.     Probatum  est. 

17.  Marcellus  p.  69,  31  (VIII,  59):  Goldblättchen  gegen  Trief- 
äugigkeit. 

Auf  eine  lamella  aurea  soll  man  acu  cuprea^)  schreiben  opuui  oopujbii 
und  es  dem  Triefäugigen  mit  einem  Faden  um  den  Hals  hängen  —  quod  po- 
tenter et  diu  valebity  si  obftervata  castitate  die  lunae  illud  facias  et  pona^. 

18.  Id.  p.  202,22  (XX,  66)  Silberblättchen  gegen  Magenschmerz. 
Als  grosses  sympathetisches  Mittel,  remedium  physicum^)  magnumj  ad- 

versum  dolorem  stomachi  soll  man  in  lamina  argentea  schreiben:  AritmcUho 
auf  er  dolores  stomachi  Uli,  quem  peperit  illa^).  Dies  Blättchen  ist  in  Wolle 
von  einem  lebenden  Schaf  zu  wickeln  und  um  den  Hals  zu  hängen  unter  Wie- 
derholung des  eingeschriebenen  Spruches. 

19.  Alex.  Trall.  II  p.  581*).    Goldblättchen  gegen  Podagra. 
Darauf  soll  man  den  Homervers  B  95  schreiben 

TCTprixei  b'  dTOprj,  uttö  b'  krovaxiZcTO  TCtia, 
und  zwar  ouctic  ceXrivric  tv  Ivfib,  KciXXiov  bk  ttoXü,  läv  dv  X^ovri  €up€8r|.  Dass 
dem  Klang  der  Homerverse  Zauberktaft  beigeschrieben  ward,  ist  bekannt;  eine 
Reihe  von  Belegen  giebt  Kenyon  p.  83 — 88.  Das  Wiesbadener  Museum  ent- 
hält in  der  Form  einer  Bulla  einen  Serpentinstein  in  Silberfassung  mit  Oese. 
Darauf  steht  der  zuerst  von  Rumpf  erkannte  Homervers  €291 

^eiva  Tiap'  6(p6aX]Li6v,  [X]euKOuc  b'  [djirepricev  ö[b6v]T[ac]^ 

20.  Alex.  Trall.  II  p.  583.  Oben  S.  126.  Goldblättchen  als  TipocpuXaK- 
TiKÖv  TTobdYpac.  Der  Zauhertext  beginnt  mit  den  Bezeichnungen  der  12  Stern- 
bilder: |Li€i  0peu  )Li6p  cpöp  TeüH  la  Idjv  Od  Xou  xpi  T^  ^^  ^v  und  fährt  fort:  d)c 
CTcpeoÖTai  6  f^Xioc  ^v  toTc  6v6)Liaci  toutoic  koi  dvaKaiviZieTai  kqG'  ^KdcTr|v  fijLiepav, 
ouTUü  cTepeüücaie  touto  tö  TrXacjixa,  Ka6djc  fjv  tö  TTpiv  f[br\  r^bri,  laxu  raxu  *^). 
'Ibou  yoip  Xeyuj  tö  juefa    övojaa,    iv.öj  dvaTTau6)Lieva    CTepeoöiai    xal    älvcp   Cuujv 


1)  Oben  in  N.  10  Tpa9€{uj  KUTrpdu. 

2)  q)uciKöc  =  magisch  schon  beim  Scholiast  zu  Aristoph.  Pliit.  883,  wo  der  Zauber- 
ring baKTuXioc  q)uciKÖc  und  q)ap)naK{Tnc  heisst.  Th.  Weidlich,  Die  Sympathie  in  der 
antiken  Litteratur  (Pro«;-!*,  des  Stutt<^arter  Gymnasiums  1894)  p.  68. 

3)  =  TU)  beivi,  f\  Ö€iva.  Die  Bezeichnung*  der  Herkunft  mit  dem  Namen  der  Mutter 
ist  in  diesen  Dokumenten  die  übliche.  Vgl.  darüber  zuletzt  Wünsch,  Sethian.  Ver- 
lluchungstafeln  p.  64. 

4)  Diese  und  die  folgende  Stelle  verdanke  ich  Heim,  incantamenta  magica 
p.  516,  152;  534,  204. 

5)  IGST.  12580,  2.     Rumpf  in  Fleckeis.  Jb.  1866  (93)  p.  716  ff. 

6)  Bekannte  Schlussformel  der  Beschwörungen  als  Aufforderung  zur  Beschleu- 
nigung. 


Ein  gnostisches  Qoldamulet  aus  Gellep.  139 

Bp^T^  ßaivxwujK  ^),  CTCpeiicare  tö  trXdcjia  toOto  KaOibc  fjv  tö  TtpuiTOV  f{br\  f{br\, 
xaxö  Taxu. 

Schliesslich  reihe  ich  noch  zwei  Mittel  aus  Marcellus  an,  die  zwar  nicht 
die  Verwendung  eines  Goldblättchens  vorsehen,  aber  doch  des  Materials  und 
der  sonstigen  Vorschriften  wegen  für  unsere  Zwecke  dienlich  sind. 

21.  Marc.  p.  309,  6  (XXIX,  23)  Goldring  gegen  Kolik. 
Ausdrücklich   wird  verlangt,    dass    der  Eing  von    reinem  Gold  —  holo- 

chrysus  —  sei,  dessen  Heilkraft  wir  oben  S.  130  kennen  gelernt  haben.  'Vice 
gemmae^  sei  darauf  ein  Fisch  oder  Delphin  einzugravieren;  ferner  soll  rings 
umlaufend  innen  und  aussen  (in  mnhitu  rutunditatis  utriusque,  id  est  interius 
et  exterius)  Graecis  litteris  der  Vers  stehen: 

0€Öc  KeXeuei  \x^  ku€iv  köXov  tiövouc. 
Wie  bei  Rezept  Nr.  16  ist  er  je  nach  dem  Sitz  der  Schmerzen  an  der  1. 
oder  r.  Hand  zu  tragen;    luna  autem  decrescente  die  lovis  primum  in  usum 
habendus  erit  anulus^). 

22.  Marc.  p.  208,  22  (XX,  98).  Ad  stomachi  dolorem  remedium 
physicum  sie:  In  lapide  iaspide  exculpe  draconem^)  radiatum,  ut  habeat 
Septem  radios  et  Claude  auro  et  utere  in  collo. 

Überschauen  wir  einen  Augenblick,  was  uns  diese  Liste  lehren  kann. 
Metallblättchen  mit  meist  griechischen  Aufschriften  finden  sich  in  den  verschie- 
densten Teilen  der  antiken  Welt  als  Araulet  verwandt  oder  werden  in  der 
Litteratur  dazu  empfohlen.  Das  Gold  ist  dabei  bevorzugt;  von  Silber  sind  nur 
4,  5  a,  6,  8,  9,  18;  als  Ersatz  für  Gold  kann  es  eintreten  bei  12,  13,  in 
letzterem  Fall  ist  auch  Zinn  oder  'hieratisches  Papier'  zulässig.  Sehen  wir 
von  14,  15  des  Materials  wegen  (Zinn)  ab,  so  dienen  bloss  1,  10,  11  alsLie- 
besamulet.  Nr.  2,  5 ab,  7  enthalten  blosse  Götternamen  ohne  Angabe  des 
Zweckes.  Alle  übrigen  sollen  Schutz  vor  Gefahren  jeglicher  Art,  besonder» 
vor  Krankheiten  gewähren*);  dabei  haben  12,  16,  17  nur  Dämonennamen, 
magische  Zeichen  und  Buchstaben,  21  den  Homervers.  Ihren  sanitären  Zweck 
ergiebt  die  Einföhrung  in  dem  Zauber-  oder  Eezeptbuch.  Schrift  und  Sprache 
sind  fast  ausschliesslich  griechisch;  nur  das  Rezept  Nr.  18  sieht  Lateinisch  vor. 
Die  Badenweiler  Tafel  Nr.  6  hat  lateinische  Sprache  in  griechischer  Schrift*). 
Was  die  Zeit  anbetrifft,  so  werden  wir  da,  wo  sie  sich  bestimmen  lässt,  in 
das  2. — 5.  Jahrh.  n.  Chr.  gew^iesen.  1  setzt  Wessely  nach  der  Schrift  ins 
2.  oder  3.  Jahrhundert,  2  und  5  gehören  ins  3.     Die  Papyri  gehören  dem  3. 


1)  ßaivxu)aiK  vielfach  vorkommender  Dämouenname. 

2)  Vgl.  S.  137  Anm.  5. 

3)  Vgl.  Nr.  13. 

4)  Augenleiden  in  3,  17,  Kolik  in  16,  21,  Magenschmerzen  in  18—19,  Gicht  in 
20;  allgemein  gehalten  sind  4,  3,  13. 

5)  Ebenso  der  Liebeszauber  auf  der  Bleitafel  von  Hadrumet  bei  G.  Mas  per  o, 
Biblioth.  Egyptol.  II  297  ff.  Umgekehrt  zeigt  die  an  gleicher  Stelle  p.  103  behandelte 
Bleitafel  mit  Liebeszauber  griechische  Sprache,  aber  anfangs  lateinische  Schrift.  Vgl. 
die  Bearbeitung  von  Deissmann,  Bibelstudien  I  (Marburg  1895)  p.  23 ff. 


140  Max  Siebourg: 

und  4.  Jahrb.  an,  ihre  Quellen  sind  älter.  Marcellus  und  Alexander  von  Tralles 
erweisen  den  Gebrauch  für  ihre  Zeit,  wenn  auch  ihre  Quellen  viel  älter  sind. 

Jetzt  werden  wir  allmählich  gerüstet  sein,  die  Interpretation  des  Gelleper 
Blättchens  in  Angriff  zu  nehmen.  Gleich  die  erste  Zeile,  die  durch  die  Grösse 
der  Buchstaben,  durch  ihre  Stellung  auf  der  Architravlinie  und  den  dadurch 
bedingten  horizontalen  Verlauf  vor  den  übrigen  ausgezeichnet  ist,  weist  uns  in 
die  richtige  Sphäre,  aus  der  wir  uns  Rat  zu  holen  haben.  Sie  enthält  die  7 
Vokale  und  damit  ein  Hauptmysterium  der  sogenannten  ^Gnosis'. 

Ich  verstehe  darunter  in  der  üblichen  Weise  jene  Glaubensform  der  er- 
sten christlichen  Jahrhunderte,  die  wesentlich  im  Zeichen  des  Synkretismus 
steht  und  aus  heidnischen,  jüdischen  und  christlichen  Elementen  ihr  System, 
besser  ihre  Systeme  aufbaut.  Freilich  haben  wir  es  hier  nicht  zu  thun  mit 
jenen  kühnen,  oft  poetisch  schwungvollen  Spekulationen  über  Weltschöpfung 
und  Seelenerlösung,  wie  sie  uns  in  den  Schriften  der  dagegen  eifernden  Kir- 
chenväter oder  in  Kulthymnen  und  Berichten  entgegentreten,  die  in  dem  Wust 
der  Zauberbücher  vergraben  liegen.  Das  oft  zitierte  Wort  Jakob  Grimms,  dass 
„der  Aberglaube  gewissermassen  eine  Seligion  für  den  ganzen  niedem  Haus- 
bedarf bildet"  ^),  passt,  wenn  schon  für  alle  Völker  und  Zeiten,  so  doch  erst  recht  für 
diese  Periode  religiösen  Lebens.  Sie  hat  sich  der  Magie  ergeben  —  in  welch 
riesigem  Umfange,  das  haben  uns  erst  klar  jene  Zauberpapyri  gelehrt,  die  in 
den  letzten  Jahrzehnten  aus  den  Gräbern  Ägyptens  an  das  Licht  des  heutigen 
Tages  gekommen  sind.  Sie  vor  allem  liefern  uns  die  Mittel,  um  die  noch  er- 
haltenen Monumente  jener  gnostischen  Magie  zu  deuten;  ein  Blick  auf  die 
bereits  oben  daraus  vorgebrachten  Stellen  lässt  erkennen,  dass  die  Papyri  viel- 
fach die  allgemeine  Formel  enthalten,  nach  der  das  einzelne  Denkmal  gemacht 
ist.  Wir  brauchen  nicht  mehr  ganz  in  das  resignierte  Wort  des  grossen  Sca- 
liger einzustimmen,  der  an  M.  Velser  schreibt:  'Amuleta  ista  nemo  intellegit, 
niifi  qui  facienda  curavit  et  frustra  Ulis  interpretandis  opera  datur^  ^). 

Gleich  bei  der  Erklärung  der  Vokalreihe  unserer  ersten  Zeile  haben  wir 
wohl  zu  berücksichtigen,  dacs  wir  es  mit  einem  gegen  den  Zauber  schützenden 
Instrument  zu  thun  haben.  Die  sieben  Vokale^)  dienen  der  Gnosis  zur  Be- 
zeichnung der  sieben  Himmelssphären,  der  Sonne,  des  Mondes  und  der  5  Pla- 
neten; TuJv  ^TTTct  dciepujv  sagt  der  Leydener  Papyrus  (Abraxas  p.  185,  118)  aus- 
drücklich. A  bezeichnet  den  Mond,  €  Merkur,  ti  Venus,  i  die  Sonne,  o  Mars, 
u  Juppiter,  uj  den  Saturn.  Jeder  dieser  sieben  Planeten  untersteht  der  Herr- 
schaft eines  Geistes,  des  fipxujv,  deren  Namen  und  Natur  bei  den  verschiedenen 
Sekten  wechseln.  Ich  führe  als  Beispiel  eine  ophitischc  Liste  hier  an:  'laXba- 
ßauü6,  'Idtü,  Caßauj6,  'AbujvaToc,  'eXujaioc,  'QpaToc,  ^AciacpaToc.  Derjenige  freilich, 
der  die  sieben  Planetenvokale  an  erster  Stelle  auf  unser  Goldtäfelchen  schrieb. 


1)  Deutsche  Mythologie  11^  p.  926. 

2)  Citicrt  bei  Kopp,  pal.  crit.  III  p.  16. 

3)  Zuletzt  darüber  Wünsch,  Seth.  Verfluchungstafeln  p.  77  fif.,  wo  auch  Litteratur 
angegeben  ist. 


Ein  gnostisches  Goldamtilet  aus  Gellep.  141 

hat  sicherlich  dabei  nicht  an  die  Bedeutung  gedacht;  die  sie  innerhalb  der 
gnostisch  -  philosophischen  Spekulation  über  Schöpfung  und  Erlösung  hatten. 
Nicht  daran,  dass  —  wie  der  Yalentinianer  Markus  gelehrt  hat  —  der 
Klang  der  Vokale  '  Bilder  und  Erzeuger  der  Dinge  auf  Erden  geworden  sei '  *), 
noch  daran,  dass  die  Seele,  ehe  sie  zur  ewigen  Wonne  eingehen  kann,  erst 
jene  sieben  Sphären  durchdringen  und  dabei  den  Nachstellungen  der  sie  be- 
herrschenden Archonten  entgehen  muss,  ein  Ziel,  zu  dem  eben  die  tvoicic, 
die  Kenntnis  der  Geistemamen  und'  der  sie  bannenden  Formeln  nötig  ist  ^). 
Nicht  war  es  ihm  eines  der  höchsten  Mysterien,  wie  der  koptischen  Gnostik, 
die  zu  uns  aus  dem  Buche  Pistis-Sophia  spricht-,  als  die  Jünger  den  Herrn 
nach  den  liucxripia  der  verschiedenen  Taufen  fragen,  ut  KXiipovofiujfiev  nos 
quoque  regnum  tut  patris,  da  sagt  Jesus:  nihil  praestantius  his  fiucxTi- 
pioic  quae  exploratis  —  eijuiiTi  jiXucTripiov  septem  cpujviüv^).  Der  Schreiber 
wie  der  Träger  unseres  Amulets  hatte  schützende,  dienende  Geister  nötig,  und 
die  Planetendämonen,  die  sie  mit  ihren  sieben  Vokalen  meinen,  sind  ihnen  das, 
genau  in  der  Geltung,  die  sie  in  ihrem  Heimatslande  haben  —  in  Babylonien. 
'Auf  Schritt  und  Tritt  sah  sich  auch  der  Babylonier  von  schädlichen  Dämonen 
umgeben  *) ;  an  der  Strasse  lauem  sie,  die  Stadt  umtoben  sie,  von  Haus  zu 
Haus  ziehen  sie  umher;  '^ keine  Thür  schliesst  sie  aus,  kein  Siegel  hält  sie  ab, 
durch  die  Thür  schlüpfen  sie  wie  eine  Schlange,  durch  die  Angel  fahren  sie 
wie  der  Wind".  In  jeder  Krankheit  sieht  man  ihr  unheilvolles  Wirken* 
u.  s.  w.  Gegen  diese  Unholde  hilft  nur  die  alles  beherrschende  Macht  der 
sieben  Planetengötter  und  die  ihren  Schutz  herbeirufende  Magie.  Aus  Babylonien 
kam  diese  Lehre  nach  Ägypten  und  drang  von  da  in  die  hellenisch-römische 
Welt.  Man  lese  nur  den  Eingang  der  Beschwörung,  durch  die  die  Ent- 
deckung eines  Diebes  herbeigeführt  werden  soll,  in  einem  Londoner  Papyrus 
bei  Kenyon  p.  67,  76flF.:  dEopKiZuj  ce  Kaxa  toiv  axiiiv  övoiidiujv  —  folgen  un- 
verständliche Zaubei*worte  —  Kai  Katd  tüjv  cppiKTuiv  övofidTUJv  a  ee  Tir|ii 
Uli  00000  uuuuuu  ujujujujujuiiü  .  .  .  Trapdboc  töv  kX^tttiiv.  Schauder  soll  also 
den  Dämonen  fassen  bei  dem  Klang  der  Vokale,  die  eben  hier  die  symboli- 
schen Namen  der  mächtigeren  Geister  sind.  'Es  ist  ja  in  der  Magie  bis  heute 
eine  der  wichtigsten  Vorstellungen  geblieben,  dass  durch  die  Nennung  heiliger 
Namen  die  Dämonen  oder  die  Geister  bezwungen  werden'  —  qppiKxöv  övofia 
ToO  0eou^).  .Was  freilich  dazu  geführt  hat,  die  Vokale  für  die  Planetengeister 
zu  verwenden,  inwieweit  griechische  Anschauungen  von  der  Sphäreuharmonie 
hier  hereinspielen,  das  ist  schwierig  zu  sagen  und  braucht  uns  hier  nicht  auf- 


1)  A.  Dieterich,  Abraxas  p.  22. 

2)  W.  Anz,  Zur  Frage  nach  dem  Ursprung  des  Gnostizismus  (v.  Gebhardt- 
Harnack:  Texte  und  Untersuchungen  zur  Geschichte  der  altchristlichen  Litteratur 
XV  4,  1897)  S.  56  sieht  darin  die  '  Centrallehre '  des  Gnostizismus. 

3)  Pistis-Sophia  ed.  Schwartze-Petermann,  lat.  vers.  p.  378. 

4)  Ich  zitiere  hier  W.  Anz,  der  a.  a.  0.  p.  68  die  nötigen  Belege  giebt. 

5)  Deissmann,  Bibelstudien  I  p.  42,  wo  auch  das  griechische  Citat  aus  Joseph. 
Bell.  lud.  V  lO,. 


U2  Max  Siebonrg: 

zuhalten ').  Wenn  Wünsch*)  ihren  Gebrauch  'natürlich  als  Griechisch'  er- 
klärt, so  werden  wir  doch  hinzusetzen  müssen,  dass  es  hellenistische  Zuthat 
Ägyptens  ist  —  wenn  anders  wir  dem  Demetrios  tt.  ^pfiiiveiac  c.  7 1  Glau- 
ben schenken  dürfen:  dv  AiTUTtTUi  hi  kqi  Oeouc  u^voOci  bid  tüjv  ircrä  qpuj- 
vii^VTiuv  o\  \€p€Tc  ^qpcHfic  1^X00 VT€C  autd,  kqi  dvri  auXoO  kqi  dvri  KiOdpac  täv 
Ypa^^dTujv  TOÜTiuv  6  f\xoc  dKOuerai  utt'  euqpuüviac^). 

Den  unholden  Dämonen  sind  die  Planetengeister  furchtbar  und  dadurch 
eben  den  Menschen  günstig.  Mitunter  werden  sie  mit  den  Erzengeln  gleich- 
gesetzt*), und  wird  durch  die  Niederschrift  der  Vokale  der  Schutz  der  dpxdtr^Xoi 
angerufen.  Oft  ist  dafür  zitiert  die  Inschrift  vom  Theater  in  Milet^),  wo  auf 
ursprünglich  sieben  Feldern  jedesmal  die  Anrufung  &f\e  qpuXatov  xfiv  ttöXiv  MiX?i- 
ciu)v  KQI  Trdvrac  touc  KatoiKOuvrac  und  darüber  in  sieben  Umstellungen  die 
Vokale  acniouuj  stehen.  Zusammenfassend  heisst  es  dann  am  Schluss:  dpxdT- 
T€Xoi  q)uXdcceT€  Tf|v  ttöXiv  MiXncjduv  u.  s.  w. 

Die  schützenden,  helfenden  Planetengeistcr  sind  es  also,  die  der  Schreiber 
unseres  Amulets  an  erster  und  hervorragenderstelle  meint.  Er  war  desselben 
Glaubens,  wie  der  Jüngling  bei  Ammianus  Marcellinus  ^),  dem  freilich  im  Jahr 
371  die  Bekundung  desselben  schlecht  bekommen  ist.  Im  Bad  empfindet  er 
Magenschmerzen,  gleich  wendet  er  das  erprobte  Hausmittel  an:  abwechselnd 
berührt  er  mit  den  ausgestreckten  Fingern  beider  Hände  den  Marmor  und  seine 
Brust  und  sagt  dabei  die  sieben  Vokale  her.  Drob  wird  er  vor  das  Ketzergericht 
gebracht,  gefoltert  und  nachher  enthauptet.  Freilich,  nicht  immer  sollen  die 
Planetengeister  nur  gegen  Dämonen  helfen,  auch  zum  Schadeuzauber  müssen 
sie  ihre  Dienste  leihen.  Zahlreich  ist  die  Verwendung  der  Vokalreihen  auf 
den  Verfluchungstafeln  aus  Rom,  die  Wünsch  herausgegeben  hat;  auch  die 
dpxdTT^Xoi  fehlen  da  nicht.  Sie  sollen  im  Bunde  mit  den  vielen  andern  Göt- 
tern den  Jockey  der  Gegenpartei  im  Cirkus  unschädlich  machen  oder  dem 
Tode  überliefern.  Wünsch  hat  selbst  schon  S.  78  bemerkt,  dass  man  aus  der 
Anrufung  der  Planetengeistcr  beim  Schadenzauber  nicht  darauf  schliessen  dürfe, 
dass  die  Verfertiger  der  Blcitafeln  dabei  noch  eine  hewusste  Vorstellung  von 
der  menschenfeindlichen  Natur  der  Archonten  gehabt  hätten ;  sie  sind  eben 
nur  dienstbare  Geister,  die  zu  Gutem  und  Schlimmem  helfen  können. 

Mehr  Schwierigkeiten  bietet  Kolumne  1;  auf  ein  volles  Verständnis  werden 
wir  wohl  verzichten  müssen.  In  einer  brieflichen  Mitteilung  meint  Wünsch, 
selbst  zweifelnd,  das  X  am  Anfang  könne  X(ötoc)  bedeuten,  in  der  Weise,  wie 

1)  ßaudissin,  Studien  zur  semitischen  Religionsgeschichte  I  246  ff.  Di  et  er  ich 
Abraxas  p.  42  f. 

2)  Wünsch,  Seth.  Verfl.-Tafeln  p.  114. 

3)  Wenigstens  hinweisen  mochte  ich  hier  auf  die  merkwürdige  Vorschrift,  die 
in  einem  Londoner  Papyrus,  Kenyon  p.  66,  24  fF.,  über  die  Aussprache  der  Vokale 
gegeben  wird  und  die  mir  nur  zum  Teil  verständlich  ist. 

4)  So  lautet  eine  andere  ophitische  Liste  der  Planeten-Archonten  Mixa»iX  Coupif^X 
•Patpai'iX  raßpii^iX  GauGaßadje  'Epaxaibe  Gapeapauje.     W.  Anz  a.  a.  0.  p.  14. 

5)  CIQ.  2895  Lebas-Waddington  III,  1,  218,  PI.  XIII,  1. 

6)  XXVIII  2^.    Wünsch,  Seth.  Verfl.  p.  78  f. 


Ein  gnostisches  Goldamulet  ans  Qellep.  143 

es  am  Anfang  seiner  Verfluchungstafeln  teils  ausgeschrieben,  teils  in  der  den  Pa- 
pyri geläufigen  Abkürzung  X  vorkommt.  Dann  folgt  allerdings  auch  die 'Rede', 
die  regelrechte  Anrufung,  beginnend  mit  u^Tc  hie  u.  s.  w.  Das  Gelleper  Blätt- 
chen kennt  das  nicht  und  hat  ausserdem  blosses  X.  Weiterhin  ist  man  natflr- 
lich  versucht,  bei  der  Lautgruppe  npujcc  an  die  f^pwec  zu  denken,  an  die  ab- 
geschiedenen Geister,  die  der  antike  Seelcnkult  sich  'als  festgehalten  im 
Bereich  der  bewohnten  Erde,  im  Grabe  oder  in  dessen  Nähe  dauernd  oder 
zeitweilig  sich  aufhaltend  und  darum  den  Gaben  und  Bitten  der  Ihrigen  er- 
reichbar denkt'*).  Sie  spielen  desshalb  eine  Rolle  in  den  Beschwörungen. 
Angerufen  werden  z.  B.  in  dem  Pariser  Papyrus  DWA  36  p.  79,  408  die  f^pu)€c 
dTux€Tc,  0*1  ^v  Tuj  ^  TÖTTUi  cuv^x^cOc  XiipicpujTec,  äXXoio^öpoi  diuxeic  oder  1443 
'€p^fi  xöövie  Kai  '€KdTr|  xöovia  Kai  'Ax^pujv  xöövie  Kai  ibinöcpaTOi  xöövioi  Kai  6^€ 
X0övi€  Kai  f^pu)€c  xöövioi.  Diese  Heroen  auf  dem  Gelleper  Amulet  wiederau- 
finden  ist  erstens  darum  nicht  angängig,  weil  die  Lesung  nicht  feststeht,  und 
zweitens,  weil  das  Amulet  gar  nichts  Chthonisches  enthält;  wir  haben  es  eben 
nicht  mit  einer  Defixion  zu  thun.  Wir  werden  vielmehr  eines  oder  mehrere 
jener  dunkeln  Zauberworte  vor  uns  haben,  die  man  gewöhnlich  unter  dem 
schon  im  Altertum  geläufigen  Namen  '€q)^cia  fpa}i\xaTa  zusammenfasst^).  Der 
Name  kommt  nach  einer  Nachricht  des  Lexikographen  Plutarch  von  den  Worten 
her,  die  auf  den  Füssen,  dem  Gürtel  und  dem  Diadem  der  Diana  von  Ephesus 
standen;  als  Beispiel  solcher  Wörter  führt  Hesych  s.  v.  die  Liste  an  acKi  Ka- 
TacKi  XiE  T€TpaH  ba^va)üi€V€uc  —  das  letzte,  ein  Gottesname  ist  uns  schon 
oben  S.  132  Anm.  1  begegnet.  Die  Verwendung  solcher  Zauberworte  ist  durch- 
aus nicht  etwa  blos  der  gnostischen  Magie  eigen ;  sie  hat  ihn  anderswoher  über- 
nommen. An  den  ufern  des  Nil,  wie  am  Gestade  des  schwarzen  Meeres,  auf  griechi- 
schem wie  auf  italischem  Boden  ertönten  seit  Alters  in  Nöten  und  Gefahren 
solche  dunkelen  Worte,  die  ßdpßapa  övö^ata,  wie  sie  mit  Vorliebe  heissen.  Je 
dunkler,  desto  kräftiger  waren  sie.  Mit  dem  heilenden  Klang  des  daris  dar- 
daries  asidarides  oder  des  huat  hauat  huat  ista  pista  sista  besprach  der  la- 
tinische Bauer  sein  Vieh,  wenn  es  sich  verrenkt  hatte'*).  Wir  wissen  alle, 
dass  dieser  'Hocus  pocus'  auch  heute  noch  lebenskräftiger  ist,  als  man  es 
gerne  Wort  haben  will.  Was  die  Behandlung  dieser  Ephesia  grammata  betrifft, 
so  ist  klar,  dass  man  dabei  zu  scheiden  hat  zwischen  solchen,  die  sinnlose 
Lautgruppen  darstellen  —  von  derma  övö^ata  ist  bei  den  Alten  wiederholt  die 
Rede  —  und  solchen,  die  irgend  welche  Worte  und  Stämme  aus  dem  Grie- 
chischen, Hebräischen,  Ägyptischen  u.  a,  enthalten.  So  wird  doch  wohl  in 
dem  Gottesnamen  Aa^va^eveuc  das  Verbum  bdjuvrmi  stecken.     Freilich,    wenn 


1)  Roh  de,  Psyche  p.  650. 

2)  Eine  ganze  Sammlung  aus  der  monumentalen  und  der  litterarischen  Über* 
lieferung  hat  Wessely  in  dem  S.  136  Anm.  1  zitierten  Programm  vereinigt.  Nä- 
heres bei  Dieterich  PL  I  p.  768,  Heim,  incant.  mag.  p.  525  ff.,  Wünsch  im  CIA. 
Append.  praef.  p.  XX. 

3)  Gate  de  agricult.  c.  160,  zuletzt  von  Wessely,  Wiener  Studien  1898,  p.  135£f. 
behandelt. 


144  Max  Siebourg: 

ii^endwOy  so  hat  vor  allem  hier  die  ars  nesciendi  Geltung  zn  beansprachen. 
So  will  ich  denn  in  Rfickeicht  auf  nnsre  Kolumne  1  nar  bemerken,  dass  die 
Silbe  Xc^i  häufiger  in  den  Eph.  gr.  vorkommt,  so  gleich  als  Schlnss  in  der  fol- 
genden Zeile  C€^€C€lXa^,  in  Wörtern  wie  XaiXa^,  Xa^q)6€vouu>0,  XG^ii|iour)p,  Xcx^- 
i|ioupTi,  Xa^l|louu)p,  zu  denen  der  Index  of  magical  words  bei  Eenyon  p.  261 
die  Belege  giebt.     Ich  wörde  also  Xa^iripuüc  zusammenfassen. 

Besser  bekannt  sind  wir  schon  mit  dem  seltsam  klingenden  Inhalt  der 
beiden  folgenden  Kolumnen,  mit  C€^€C€lXa^  und  C€C€VT€^  ßapq>ap.  Es  sind 
kurz  gesagt  Gottesnamen. 

Der  erstere  von  beiden  kommt  in  den  Formen  ^)  C€^€C€lXa^,  C€fi€aXo^i,  Cc^c- 
coXc^x,  C€^€C€lXa^q)  (Kenyon,  Index  mag.  s.  y.),  Cc^eciXajLiiiia,  Cc^cciXa^iirc  (Dieterieh 
PLI  p.  797,  25/26)  vor.  Die  erste  Form,  die  auch  unser  Täfelchen  hat,  ist 
bei  weitem  die  vorherrschende.  Dass  das  Wort  ein  Dämonenname  ist,  kann 
z.  B.  schon  die  Baden weiler  Silbertafel  lehren,  auf  der  nach  Sabaoth  u.  a. 
unsre  beiden  [C]€^€ClXa^  und  Ctictivtc^  [ßapq)apa]vTiic  folgen  mit  der  anschlies- 
senden Aufforderung:  sercate  den  und  den.  Aus  Dieterich  PLI  p.  797  1125/26 
lernen  wir,  welche  Kraft  dem  so  benannten  Gott  wenigstens  in  einem  einzelnen 
Fall  beigelegt  wird.  Zum  Zwecke  eines  Liebeszaubers  wird  er  da  angemfen 
mit  den  Worten:  cu  el  6  biaXuiuv  Kai  b€c^€uu)v  Ce^eciXa^ire:  er  vermag  zu 
lösen  und  zu  binden.  Was  die  Etymologie  ^)  anbetrifft,  so  scheint  ja  sicher 
zu  sein,  dass  er  das  hebräische  D'n?  vr^m  wiedergiebt  und  'die  ewige  Sonne' 
heisst.  Das  Wort  findet  sich  auch  auf  Gemmen,  welche  das  Bild  des  Sonnen- 
gottes auf  seinem  von  vier  Pferden  gezogenen  Wagen  zeigen.  Und  dazu 
stimmen  würde  auch  die  Vorstellung  in  der  seltsamen  Kosmopoiie,  die  Diete- 
rich im  Abraxas  S.  16  ff.  aus  einem  Leydener  Papyrus  hergestellt  hat,  jenem 
merkwürdigen  Bericht,  der  aus  dem  Lachen  des  Schöpfers  die  Welt,  aus  seinen 
Thränen  die  Menscbenseele  werden  lässt.  Beim  dritten  Lachen  (V.  42)  entsteht  der 
Neue  Kaie'xuiV  Kapbiav  kqi  ^KXr|6Ti  *6p)Lific,  bx  oö  id  Trdvra  )Lie9€p)üniV€U€Tai  •  fcxiv 
b€  €Tri  tOüv  cppevOüv,  bx'  ou  öiK0V0)Lir|9Ti  tö  iräv :  ^kXiiGti  be  ce)LieciXa|Liv|j.  Wie  aber  dieser 
Hermes  in  jener  Zeit  des  Synkretismus  geradezu  zum  Sonnengott  geworden  ist, 
das  lese  man  Abraxas  S.  63/64. 

Etwas  mehr  Schwierigkeit  macht  der  folgende  Gottesname.  Zunächst  ist, 
wie  ich  gegen  Wiedemann  und  Kenyon^)  betone,  Cecevre^  ßapqpapaTTtc 
nicht  zu  trennen,  sondern  stellt  einen  einzigen  Namen  dar,  wenn  auch  in 
zwei  Worten.  Das  beweisen  z.  B.  die  Papyrusstellen,  die  ich  gleich  zur  Er- 
klärung heranziehen  werde.     Der  Hauptwert  scheint  allerdings  dem  ersten  Teil 


1)  Wessely  Eph.  gr.  18.  Sicherlich  sind  manche  Lesefehler  hierbei  untergelau- 
fen. Parthey  PB  II  168  ist  bereits  oben  S.  133  Anm.  2  aus  c€.uociXaoc  in  ce^iociXan 
emendiert. 

2)  Wiedemann,  B.  J.  79  p.226.  Wünsch  CIA.  App.  praef  p.  XX  will  in  dem 
zweiten  Teil  das  griechische  Verbum  XdfiTTeiv  wiederfinden.  Das  ist  mir,  ab<^esehcu 
von  der  Misslichkeit,  die  die  Annahme  solcher  hybriden  Bildungen  hat  schon  darum 
zweifelhaft,  weil  die  bei  weitem  üblichste  Endung  -XajLi,  nicht  -Xajiiq),  -XauTrc  ist. 

3)  Wiedemann  a.  a.  O.  p.  228;  Kenyon,  Index  mao-ical. 


Ein  gnostisches  Goldanmlet  aus  Gellep.  145 

zuznkommen;  denn  er  findet  sich  häufig  allein  in  den  verschiedensten  Schrei- 
bungen: C€C€TT^)üi,  C€C€VT€^,  C?iCTiVT€^,  C€C€VT€V,  C€ic€VTcpapaYYTlc  (Dieterich  PLI 
p.  811  IX,  15)  C€C€v  cpapavTTic  (oben  S.  135  auf  Nr.  4).  Nie  allein  tritt  dagegen 
der  zweite  Teil  auf,  an  dem  jedoch,  wie  die  beiden  letzten  Beispiele  zeigen, 
die  Silbe  ßap  fehlen  kann.  Wenn  Kenyon  richtig  gelesen  hat,  so  hat  sie  bei 
ihm  p.  115,  6  die  Form  ßop.  unser  Blättchen  bietet  blos  ßapcpap,  eine  Ab- 
kürzung, die  ich  noch  einmal  zu  erkennen  glaube  in  dem  cpuXaKtripiov  bei  Ke- 
nyon p.  94,  311:  'Iduj  CaßaibO  ['Abuj]vai,  'AßXavaOavaXßa,  'AKpammaxa^apei  be- 
ginnt es,  dann  schreibt  Kenyon  weiter  ecevTCV  ßap  .  .  .  C€cppa2!aijü0  u.  s.  w. 
In  die  Lücke  von  drei  Buchstaben  passt  vortrefflich  das  qpap  hinein.  Gegenüber 
dem  häufigen  Vorkommen  des  ganzen  Namens  glaube  ich  freilich  das  ßapq)ap 
zu  ßapq)apavTTic  ergänzen  zu  müssen,  —  Was  die  Bedeutung  dieses  Dämonen- 
namens anbetrifi't,  so  wird  ihm  im  PLI  Dieterich  p.  803,  29  die  gleiche  Macht, 
wie  dem  CcjuecciXaii  zuerteilt,  nämlich  die,  von  Fesseln  befreien  zu  können. 
€iceX0€  —  heisst  es  da  —  Kai  Xöcov  töv  fy  Kai  böc  auTiIi  öböv  diöbou  [C€C€v]t€v 
ßapcpapaxKTic,  ö  biaXiiujv  Trdvta  Kai  biaXiiujv  töv  TrepiKeifüievov  [cibtipjöv  tuj  4, 
und  zwar  soll  er  das  thun,  weil  ihm  gebeut  ö  ^ifac  Kai  fippriToc  Kai  öcioc  Kai 
biKaioc  Kai  cppiKjöc  Kai  icxupöc  Kai  äcpOevKTOC  Kai  cpoßepöc  Kai  dKaTaq)pöviiTOc  toö 
lieTdXou  9€ou  baifüiujv.  In  einem  Pariser  Papyrus  DWA  36,  70, 1019  wird  er 
beschworen  mit  den  Worten  €ic€X9e,  cpdvriOi  fioi,  Kupi€ '),  6  dv  irupl  Tf|v  bii- 
va^iv  Kai  Tr|v  Icxöv  ?x^v  C€C€VTe)üißapq)apaTY^c.  Mir  ist  nicht  recht  klar, 
was  mit  dieser  'Macht  und  Kraft  im  Feuer'  gemeint  ist.  —  Hinsichtlich  der 
Etymologie  sagtWi  ed  emann  2),  dass  sich  über  den  ersten  Teil  nicht  einmal 
Hypothesen  aufstellen  Hessen,  'in  keiner  der  uns  bekannten  Religionen  des 
Orients  findet  sich  ein  nur  irgendwie  anklingender  Göttemame  oder  Titel'. 
Über  den  zweiten  Teil  sind  zwar  Hypothesen  genug  aufgestellt  worden;  man 
findet  sie  bei  Wiedemann  a.  a.  0.  und  mag  noch  hinzunehmen,  dass 
Kraus^)  das  auf  dem  Amulet  oben  S.  135  Nr.  4  schwerlich  richtig  ergänzte 
Wort  q)[apd]vTnc  heranzieht,  das  hier  die  Bedeutung  Schlund,  Gurgel  haben 
soll,  und  daher  meint,  'vielleicht  hinge  der  Name  des  Dämon  als  Beschützer 
gegen  Halskrankheiten  damit  zusammen'.  Während  somit  ein  non  liquet  am 
Platze  ist,  möchte  ich  doch  darauf  hinweisen,  dass  die  Silbe  ßap  fehlen  kann. 
Kraus  iührt  a.  a.  0.  p.  8  als  Analogie  mit  Recht  ßapocpTta  und  Bepabujväi 
an,  und  Wiedemann  denkt  p.  228  an  das  chaldäische  und  syrische  na  = 
der  Sohn;  ich  stelle  aus  Kenyons  Index  dazu  Formen  wie  ßaOiaßiiX,  ßap- 
ßaOiauj. 

Für  den  Anfang  der  Kolumne  4  weiss  ich  wenig  Rat;  nur  scheint  mir 
die  Lautgruppe  cac€i  wiederzukehren  in  einem  Eph.  gr.  des  PLI  Dieterich 
p.  797,  33.  Angerufen  werden  da  alle  Götter  im  Himmel,  in  der  Luft,  auf 
und  unter  der  Erde,  zu  verleihen  x^piv,  fibuxXujcciav,  dTtacppobiciav  irpöc  irdvtac 


1)  K6  Pap. 

2)  a.  a.  0.  p.  228. 

3)  F.  X.  Kraus,  christl.  Inschriften  des  Rheiniandcs  1  p.  8. 

Jahrb.  d.  Ver.  v.  Alterthsfr.  im  Rhefnl.  103.  10 


146  Max  Siebonrg: 

dvOpuiTTOuc^)  KQi  Trdcac  T^vaiKac,  auf  dass  sie  dem  Sprecher  in  allem  antertban 
seien,  weil  er  ist  boOXoc  toö  uipicrou  OeoO  toO  kqt^xovtoc  töv  ic6c|ük>v  xai  irctv- 
TOKp[d]Topoc  —  folgen  seine  Namen  >iap^apiu)9  Xacl^lulXr|6  ap^a  cacr\  ßap 
ßvaO.     Das  cacTi  ist  bei  itazistischer  Aussprache  gleich  nnserm  cac€i. 

Wohl  bekannt  ist  uns  der  nun  folgende  Gottesname  Bf\Ky  der  oberste  Gott 
der  Babylonier,  der  Herr  des  Himmels  und  des  Lichtes  ^)y  der  Baal  der  Pbö- 
niker.  Der  letztere  erscheint  in  voller  Erkenntnis  seines  Wesens  wiederholt  in 
den  Beschwörungen  der  Papyri,  nämlich  als  BaXcdfiiic,  der  B^lschamem,  der 
Himmelsherr.  DWA  36,  70,  1015  nimmt  der  Zauberer  seine  Gestalt  an:  ^tui 
clfii  6  Tr€q)UKÜJC  ^ktoO  o{;pavoO,  dvo^a  ^oi  BaXcä^r|c.  Damit  vergleiche  man 
die  Nachricht  des  Philo  vonByblos'),  die  Besiedler  Phönikiens  hätten  bei  einer 
Dürre  die  Hände  €lc  oupavöv  gestreckt,  irpöc  t6v  i^Xiov.  Toötov  Yap  Geöv  dvö- 
^ittov  ^övov  oupavoö  Kupiov,  B€eXcd)iiiv  KaXouvrec,  8  ?cti  irapd  toic  <t)oivigi  Kupioc 
oupavoO,  Z€öc  bk  Trap'  "exXiiciv.  —  Auf  unserm  Täfelchen  hat  der  BfiX  den  Zu- 
satz cap  c^t;  das  ist,  wie  man  mir  sagt,  phönikisch  und  heisst  'Herr  meines 
Namens  \ 

'Idui  erö£Fnet  Kolunme  5,  der  weitaus  am  häufigsten  in  der  Magie  ge- 
brauchte Gottesname;  kaum  in  einer  der  zahlreichen  Listen,  ^ie  die  Beschwö- 
rungen in  den  Papyri  enthalten,  fehlt  er,  auf  Gemmen,  Ringen,  Plomben  und 
Nägeln,  die  der  Abwehr  des  Zaubers  dienen,  erscheint  sein  Name.  In  einer 
bekannten  Abhandlung  hat  Baudissin^)  nachgewiesen,  —  gegenüber 
früheren  Anschauungen,  die  in  lao  den  weinfrohen  Dionysos  sahen,  dem  das 
€uot  erschallt  —  dass  'Iduj  Jahtoe,  den  Gott  der  Juden  bezeichnet,  dass  es 
unbestreitbar  das  hebräische  Tetragramm  nin^  wiedergeben  will.  Man  lese  nur 
die  Worte  des  Diodor*),  wo  er  von  den  grossen  Gesetzgebern  und  ihrer  gött- 
lichen Legitimation  spricht:  napa  )li^v  xdp  toTc  *ApiavoTc  Za9paucTr|v  ktopoöci 
TÖV  dxaGöv  baifiova  npocTTOiricacGai  touc  vÖ)liouc  auTui  bibövai  ....  Trapd  bk 
ToTc  loubaioic  Mujucf^v  töv  'Iduj  ^)  dmKaXouiLievov  Geöv.  —  1duj  ist  übrigens 
nicht  die  einzige,  rein  vokalische  Wiedergabe  des  Tetragramms;  die  verschie- 
denen Formen,  die  bereits  B  a  u  d  i  s  s  i  n  zusammengestellt  hatte,  sind  von 
Deissmann,  Bibelstudien  I  p.  1  flF.  aus  dem  inzwischen  bedeutend  vermehrten 
Papyrimaterial  belegt  worden.  Mit  Recht  bemerkt  er  p.  13,  dass  die  mannig- 
faltigen vokalischen  Transskriptiouen  für  die  Ermittelung  seiner  Aussprache  nur 
geringe  Bedeutung  haben.  Besondern  Wert  legt  er  auf  die  gleichfalls  in  der 
Zauberlitteratur  belegte  konsonantische  Transskription  laße,  in  der  er 
die  Aussprache  der  samaritanischen  Juden  erkennt  und  auf  die  ich  gleich  unten 
zurückkommen  muss.     Wenn  in  dem  Londoner  Papyrus  bei  K  e  n  y  o  n  p.  66, 26 

1)  övGpuuTToc;  =  dvrip  bereits  oben  S.  134  in  N.  1. 

2)  Roschers  Lexikon  s.  v. 

3)  FHG.  III  566. 

4)  Studien  zur  semitischen  Relig'ions<j;eschichte  I  181  ff. 

5)  1  94,  2. 

6)  Cod.  D    hat  richtig  iäw,    trotzdem  schreibt  F.  Vogel   in   def  Teubnerschen 
Ausgabe  'laiü. 


ICIn  gnoBtit 

die  Vorsflirift  gepcben  wird,  tö  töiÜ  solle  man  yf],  A^pi,  oüpavip  sageu,  so  wird 
das  ni.  E.  klar.,  ans  der  Schilderung  des  PL!  Dieterit-li  p.  808  VII  32:  zitiert 
wird  da  6  iiavTOKpäTuJp  6e6c,  und  von  itiiu  gesagt,  dasB  oupavüc  ^^v  KeipoXii, 
aiOrip  (=  ÖHp)  hi  QWita,  ff\  nöftec,  tö  bfe  Trepi^ujjia  liiMuvöc.  Mit  dem  wan- 
dernden Volk  der  Jnden  ist  sein  Jahwe  nxtch  Ägypten  gekommen,  da  hat  er 
wohl  Bcin  griecliiaehes  Gewand  erhalten  iiod  von  dort  seinen  Zng  in  die  belle- 
nisch-rHmisehe  Welt  gemacht.  Ana  Ägypten  hat  ihn  anch  die  Gnosis'),  ohne 
da88  er  etwa  immer  da«  hfichste  Weeen  bezeichnete.  Bei  den  Ophiten  ist  er 
z.  B.  einer  der  Flaneteudämonen  *),  nnd  auf  nnserm  Tüfelehen,  wo  er,  wie  in 
so  manchen  Zaubersprüchen  der  Papyri,  mitten  unter  anderen  Namen  steht, 
wird  er  nur  als  seblltzender,  hiirskräftiger  Geist  auxusebcn  sein. 

Hinter  den  nun  folgenden  Vokalgruppen  enou  laeu  darf  man  keinen  be- 
sonderen  Sinn  »neben.  Bei  der  grossen,  oben  erklärten  Bedeutung,  den  die 
sieben  Vokale  in  der  Magic  gehabt  haben,  ist  ihre  massenhafte  Verwendnng 
bo^eiflich,  nnd  fast  auf  jeder  Seite  der  Papyii  tinden  sie  sieb  in  allen  nur 
denkbaren  Permutationen  als  Zauberwoile  gehraucbt.  Um  das  auschaultcb  zn 
machen,  3et7.e  ich  das  schon  von  Deisemann*)  als  instruktiv  verwandte 
Beispiel  aus  Abcaxas  200,  fi  her:  iiriKaXoüiiai  ce  lueuo  uiaeniaui  aeii  aicr]aii 
lOuwEu  leou  ariuitit  ujriuaii  lujou  T]avri  v\]a  iiuuuai  luim  tun  «  ou  iiui  aw,  tö  fiifa 
6vo\ia.  Wer  das  einmal  abgeschrieben  hat,  wird  begreifen,  wieviel  Fehler  erst 
unsere  Papyri  in  diesen  Dingen  entballen  mögen. 

Nur  weniges  weiss  ich  znrErklilruDg  der  folgejiden  Kolumne  beizubringen, 
die  da«  Wort  navxmJX'Bcicc  enthält;  an  /.wei  Stellen  der  Papyri  finde  ich  sie 
wieder.  Kenyon  p.  99,  478  (f.  giebt  einen  Liebeszauber,  der  im  einzelnen 
wenig  klar  ist  nnd  sicher  der  Emendation  bedarf;  jedenfalls  ist  da  die  Rede 
von  einem  Thnn  im  Auftrage  einer  Gottheit:  iTTOit]ca  Kar'  ^iriTaTnv:  Travxouxi: 
öaccou:  dip"  ou  ^iriTaccöjitvoc  noiriHic ')  n.  s.  w.  Der  Papyrus  scheint  also 
hier  den  Namen  zu  teilen  in  iravxouxi :  6accou.  In  etwas  anderer  Form  ent- 
hält denselben  Namen  der  Leydener  Papyrus  W  21  a  P)  mitten  unter  einem 
Sehwall  meist  unverständlicher  Worte.  Zuerst  nennt  er  töv  "HXiov  iiifay 
iivaov  £q]9upT0V,  dann  nach  einigen  Vokalspielcreien  und  auderm  den  Cepca- 
Xaiiipa,  im  weitereu  Verlauf  erschallt  sogar  der  Kuf  Aiövoce  \mKap  euic,  spä- 
terhin folgt  die  Form  nuvxoxiTac  oue.  Ich  halte  es  im  Hinblick  auf  die  eben 
angeführte  Stelle  nicht  für  zufällig,  dass  auf  das  ac  wieder  ou  folgt.  Die  Ab- 
weichungen dieser  Form  machen  keine  Schwierigkeiten;  zum  Wechsel  von  o 
und  ou  verweise  ich  auf  PLI  Dieterich  ind.  gramm.  p.  820,  der  Ersatz  der 
Aspirata  durch  die  Tennis  ist  gradcdem  ägyptischen  Griechisch  ganz  geläufig. 
Ich  lese  also  auch  auf  unsrer  Tafel  TTavxouxiöa«(ou )  in  Erinnerung  an  die  am 
Ende    gleicbFalts    abgekürzte  Kolumne  3.     Zum  Verständnis    der  Bildung    und 


1)  Näheres  bei  Bnudlssin  «. 

2)  Orig.  c.  CelB.  VI  81. 

3)  BilielstudieQ  p.  12  Anm.  I. 

4)  Kenyon:  itoirjc  <ic. 

B)  Wessely,  Ejib.  gr.  .%. 


,  O.  p. 


148  Max  Siebonr^: 

Heimmt  den  Namens  bemerke  ich,  da»  die  Anweisoiig  bd  Wesselr  Eph.  gr. 
397  dan  Zauberwort  OoXoa  ^€^apa  x^X^^  gi^bt,  daaa  Xouxui')  neben  laXbaßcniiO 
in  den  kopftiaeben  Bflcbem  Jen  der  Arcbont  des  dritten  Aion  ist,  den  die  Seele 
aof  ibrem  Anfrtieg  zor  Seligkeit  zn  passieren  hat  Ikidlicb  ist*)  'pa-n  der 
ägyptische  AttribntiT- Artikel  masc.  sing,  nnd  bedeutet  ''der  (pa)  des  bez.  der 
(n>";  dann  folgt  ein  Gottes-  oder  Göttinnenname.  So  gebildete  Xamen  nnd 
bis  in  späte  Zeit  hinein  hänfig;  der  Namensträger  wird  dnrch  das  Praefix 
in  nahe  Verbindung  zn  dem  Gotte  gestellt  \  Das  scheint  mir  nicht  auszo- 
schliessen,  dass  in  nnserm  Wort  ein  ägyptischer  Dämonenname  steckt  f&r  einen 
Geist,  der  einem  andern  nnterthan  ist.  Jedenfalls  —  nnd  das  ist  immerhin 
wichtig  genug  —  werden  wir  nach  Ägypten  gewiesen'). 

Nach  Ägypten  weist  uns  auch  wieder  die  folgende  Kolumne,  soweit  sie 
verständlich  ist.  In  GuO  sehe  ich  eine  abgekflrzte  Form  fflr  Cui^c  und  ver- 
gleiche die  Form  (Xrcip,  in  der  Osiris  erscheint  in  dem  Zauberrezept  zum 
Unsichtbarwerden  bei  Parthey  PB  I  251.  Der  Theurg  giebt  sich  da  wieder  — 
diesmal  mit  dem  ägyptischen  Pron.  personale  absolntum  der  1.  Person  ovok  — 
als  den  Gott  aus:  ävoK  'Avoim,  ävoK  Oucip  <t>pf).  Auf  den  sethianischen  Ver- 
fluchungstafeln aus  Rom  ist  der  Vokativ  MvcO  die  regelmässige  Form,  in  der 
der  heilige  Stier  MvcOic  erscheint^).  Die  Form  CuiOi  steht  in  der  Anrufung  an 
die  Kvpta  ^ki  bei  Kenyon  p.  100,  495:  ^Ici  CüMi,  wie  auch  sonst  (Horap.  1 3) 
Isis  mit  dem  Sothis-Steme,  dem  Sirius,  der  in  der  ägyptischen  Chronologie 
eine  grosse  Bolle  spielte,  in  Verbindung  gebracht  wird^). 

Nun  folgt  der  alte  ägjrptische  Sonnengott  Ra  in  der  koptischen  Namens- 
form <t>pf),  der  vielfach  in  der  Zanberlitteratnr  verwandt  wird.  In  voller  Er- 
kenntnis seines  Wesens  steht  er  z.  B.  in  dem  Rezept,  das  für  alles  gut  ist,  der 
*ApKTiKf|  TTctvTa  iTOiouca  DWA  36  p.  77,  1280:  dirdKOucöv  jioi,  "HXie  <t>pfi,  [tov 
lepov]  6  Tcx  6Xa  cvyixmv  Kai  JIujotovujv  töv  cufiTTavTa  Kocfiov.  So  erhält  denn 
auch  Osiri»  im  Eingangsgebet  der  meisten  Verfluchnngstafeln  ans  Rom  ausser 
den  Beinamen  seiner  beiden  heiligen  Stiere  '"Arne  und  Mveöic  den  Zusatz  <t>Qf\: 
€uXd)Liujv  K(iT€X€  Oucipi  'Am  Mveö  <t>pr\^).  Als  6  ^^yicTOc  baijLiujv  erscheint  er 
in  der  Dänionenlifite  bei  Kenyon  p.  76,  351,  der  also  schreibt:  q)0ou9 .  euxppri 
o  )Li€TiCTOc  bai)Liu)v  I  lauü  caßauüG  u.  s.  w.  Das  offenbar  als  Glosse  zugesetzte 
6  fi^ficToc  bai)Liujv  ziehe  ich  zu  Opfi,  nicht  zu  'Idtj,  weil  dies  eine  neue  Zeile 
beginnt  und  die  Erklärung  doch  nicht  vorangeht. 


1)  W.  Anz  a.  a.  0.  S.  27.  • 

2)  Nach  freundlicher  Mitteilung  Wiedemanns. 

3)  A.  Dietorich  denkt  nach  einer  brieflichen  Mitteilung  Wünschs  an  den 
Ott  gebrauchten,  offenbar  viel  geltend(»n  Gottesnamen  ßaivxujuux;  dem  steht,  abgesehen 
von  lautlichen  Schwierigkeiten  (ai  statt  a)  die  oben  dargelegte  Zusammensetzung  des 
Wortes  mit  trav  entgegen. 

4)  Wünsch  p.  82. 

f))  Mitteilung  Wiedemanns. 
6)  Wünsch  p.  82. 


Ein  gnoBtisches  Goldamulot  ans  Gellep. 


149 


Der  Kest  der  Kolumne  ist  mir  nicht  verständlich;  ich  wage  nicht,  den 
AnfangHbuchstaben  der  folgenden  Kolumne  0  binüuziizichcu  nud  navcu)6  zu 
lesen,  etwa  gcBtützt  auf  das  S,  148  Über  das  Präfix  nav-  Gesagte,  Gleich  dunkel 
ist  mir  Kolumne  8.  Doch  will  ich  zwei  Dinge  nicht  verschweigen.  Dciss- 
mann')  führt  unter  den  Korrnptiouen  der  konsonantischen  Transskriptiou 'laße 
auch  die  häufiger  eich  findende  Schreibung  laßu  au,  feiner  laßouvri  und  mßoux; 
vielleicht  stellt  auch  der  Schluss  unserer  Kohunne  laßau  eine  solche  Korruii- 
tel  dar.  Der  Umstand,  dass  'läuj  bereits  vorangegangen  ist,  wllrde  kein  Hindernis 
bilden.  Andererseite  wird  auch  das  Wort  ßau  in  Beschwörungen  verwandt. 
Kenyon  p.  96,  377:  iJopKiIui  ce,  Xuxvt,  kotö  ttjc  unTpöc  cou  ''ecTiac  jiri- 
paXXq^  ß*)  KOI  Kara  toö  iiaTpöc  cou  'HvaicTou  jaeXißou  yeXi  ßou  ^eX^ßau  ßau  ...; 
bald  darauf  sagt  der  Zauberer  von  sich:  if\h  -f«P  t^M'  neXißou  ntXißau  (leXi- 
ßau  ß[au  .  .  .  Jedenfalls  bildet  also  hier  die  Silbe  ßau  den  Bestaudteil  eines 
D&monennamens. 

Das  Wort  der  let/.ten  Kolumne  06u)cou6  mutet  mit  seiner  Endnog  auch 
jlgyptisch  an.  Es  scheint  mir  wiederzukehren  im  Anfang  des  Wettersegens, 
der  auf  einer  Bron^etafel  des  Museums  von  Avignon  steht  und  von  Fröhner 
im  Philologits  Suppl.  V  S.  45  ediert  ist. 

®eC0C0YA6PKYii)®  |  oXujtiv  oumi  £aiv|eti  \t\oz  xpe^ov  iK  \  toOtou  toö 
Xujpiou  I  Ttäcav  xuXalav  kü'i  |  näcav  vi<pdbav*)  Klai  öca  ßXäTrrei  x^üpo  |  K^Xeue 
ßtöc  wapou.  I  0a  Kai  tu  cuvepxei  'AßlpacdE   'Idii  'law. 

Die  beiden  durch  kreuzten  Kreise  am  Anfang  and  Ende  der  1.  Zeile 
wnd  magische  Zeichen.  Zum  Fehlen  des  <t>  vergleiche  ich  bei  Kenyon  p.  72, 
239/40  die  Formen  6  (pvouvoxöovioc  i^  oi  vouvoxöovioi,  wo  in  der  .\nmcrkung 
das  4)  als  der  ägypt.  Artikel  des  Mase.  erklärt  wird. 

Überschauen  wir  jetzt  einen  Augenblick,  was  uns  die  Inschrift  unseres 
Goldblättchens  gelehrt  hat.  Was  wir  verstehen  künuen,  sind  Gottesnameu: 
Semiten  und  Ägypter  haben  dazu  beigesteuert,  der  Grieche  seine  Schrift  ge- 
geben. An  hervorragender  Stelle  sind  die  Planetengeister  Babylouieua  genanni, 
in  dem  gnostiaehen  Gewände  der  Vokalreihe,  die  auch  Kolumne  5  heherrseht. 
Verwandter  Herknuft  ist  der  Belsarsmi.  Von  den  Juden  kommt  Jahwe  als 
'Idüj,  und  ihre  Sprache  klingt  jedenfalls  in  dem  Namen  Semcsilam  wieder.  Vor 
allem  werden  wir  nach  .'Vgypten  gefuhrt:  Phre,  Sothis,  TTavxouxi9acc  (teiucoue 
weisen  uns  in  das  Land  des  Nil,  zu  dem  klassischen  Boden  der  Magie  und 
des  Synkretismus.  Bedenken  wir  femer,  dass  unser  Amulet  dem  3.  Jahrh. 
n.  Chr.  entstammt,  so  wird  es  uns  nicht  unbedeutsam  sein,  dass  gerade  bei  den 
koptischen  Gnostikern  das  Mysterium  der  wiebcn  Vokale  zu  den  unumgäuglich 
notwendigen  gehurt*)  —  hier  stehen  sie  an  hervorragender  Stelle,  iu  grösserer 
Schrift. 


1)  BIbelfitudien  I    p.  IG/17. 

2)  =  61c. 

3)  Frühiior  viipuXav,     Beisiiiuli;  für  ilcu 
lad.  p.  8S&. 

4)  W,  Ana  n.  «,  O.  p.  30. 


H'taplasi,  AkkasFitiv  l'LI    Di. 


Ma 


Siebouri 


Nor  Namen  enthält  daa  Amniet;  kein  Verbniu,  kein  Satz  verrät  seinen 
Zweck.  Darin  gleicht  es  also  völlig  den  ohen  S.  139  angefulirteii  Beispielen. 
Eb  wild  den  Träger  oder  die  Trägerin  vor  Gefahren  jeder  Art  haben  schützen 
eoUen.     Wenn  Faust  sagt: 

Name  ist  Uaueh  und  Schall^ 

UmDcbelnd  Qimnielsglut, 
Bo  ist  die  Annehaunng,  die  unser  Amulet  und  die  ähnlichen  belierrscht,  grade 
entgegengesetzt.  Der  blosse  Name  Gottes  ist  von  grösster  Krafl  und  Wirk- 
samkeit, vor  ihm  schaudern  die  bösen  Geister').  Besonders  dem  Ägypter  war 
die  Bedeutung  der  Namen  lebendig*),  sie  sind  ihm  so  wirklieb  wie  das  Indi- 
viduum selbst,  und  spricht  nicht  die  gleiche  Vorstellung  ans  unserm  Bei- 
sarsmi,  wenn  anders  es  'Herr  meines  Namens'  heisstV  Wer  den  Namen 
kannte,  besass  damit  die  Herrschaft  Ilber  das  Wesen  und  konnte  es  verwenden 
naeU  Belieben.  Die  Hauptkunst  der  Magier  bestand  eben  in  der  Kenntnis  der 
Namen,  durch  die  die  Götter  zur  Dienstleistung  gezwungen  werden.  Das  ist 
ihre  'tviIicic'.  Darum  durfte  aber  aneh  an  diesen  zauberkräftigen  Worten  nicbtg 
geändert  werden,  sonst  verlieren  sie  ihre  Wirksamkeit,  und  es  gebt  einem,  wie 
dem  tiocthischen  Zauberlehrling,  der  'das  Wort  vergessen  hat'*).  Wenn  nnser 
Amniet  Phönikisch,  Ägyptisch  und  Hebräisch  beibehält,  so  entspricht  das  der 
Ansicht,  die  wir  bei  Origenes')  finden,  dass  nämlich  eine  Übersetüung  die  Wir- 
kung vereiteln  würde:  (övöfiaTa)  neiaXaMßavÖM^va  ek  ä\\T\v  tnä\tKtov,  xä  ne- 
q)UKäTa  bOvacöoi,  ^v  Tfl  beivi  bmWKTUJ  oüksti  Ävüfi  ti,  üjc  f^vucEv  ^v  TOic  oi- 
Kciaic  qjujvatc.  Dabei  haben  der  Verfasser  wie  der  Besitzer  unseres  Amu- 
lets  schwerlich  gewuast,  was  denn  jene  Namen  bedeuteten;  so  wenig,  wie 
heute  der  schlichte  Mann,  der  den  hl.  Viktor  um  seine  Fürbitte  bei  Gott  angeht, 
weise,  dass  Viktor  der  Sieger  heisst.  Auch  die  Isisdiener  am  Rhein  faabea 
keine  Kenntnis  von  der  wirklichen  Bedeutung  der  von  ihnen  verehrten  Dinge 
gehabt  ^). 

Leicht  erklärlich  ist  endlich  die  Verwendung  der  griechischen  Schrift; 
sie  begreift  sicb,'wenn^  unser  Anmlet  ägyptischer  Herkunft  ist.  In  Ägypten 
flössen  die  Religionen  des  Orients  zusammen,  dort  eignete  sie  sich  der  Helle- 
nismus au  und  verbreitete  sie.  Hier  erwuchs  die  kosmogonisehe  Spekulation 
der  hflhern  Gnosis  und  blühte  die  schwarze  Kunst  der  Magie.  Hier  sprach  man 
griechisch  und  gab,  was  man  hatte,  auch  in  dieser  Form  der  römischen  Welt 
weiter.  Aus  der  Herkunft  der  Anmiete  erklärt  sich  also  die  voruehmliche 
Verwendung  der  giiecbischen  Sprache,  auf  die  schon  oben  hingewiesen  wurde; 
es  ist  nicht  nötig,  darin  noch  eine  besondere  Bedeutung  zu  suchen.    Dagegen 


[_  ■  ;  J)  Deiflsmann  a.  a.  0.  p.  42. 

2)  Nach  G.  Maspero,   Bibl.  Eg.vptol.  II  S.  29S:    Collcctions   du   Musee    Alaoul  \ 
p.  64/65;  Wiedemnnn,  Le  Mus6ou  XViP-  49  fl'. 

3)  Usener,  GoUernameu  p.  336,  Anm.  10,  eriniiürC  in  trufftintl«'  Weise  au  A&a  \ 
March«n  vom  Simeliberg. 

4)  c.  CelB.  V  45. 

5)  Wiedemann,  B.  J.  78  p.  89. 


Ein  gno.stiücheB  Goldamulet  aus  Gellep. 


151 


ist  m.  E.  etDC  andere  Äiisserlichkeit  an  nuBerm  Amnlet  nicbt  ohne  Absicht. 
Die  sieben  Vokale  Btehcn  über  ilem  Ganzen;  9=3x3  vertikale  Kolumnen 
folgen,  1  davon  stehen  in  der  eingerahmten  Nisehe.  Das  Wort  des  rechten 
Pilasters  Oöujcouö  enthält  7  Biicbstabon,  der  linke  scheint  ihrer  9  zu  tragen. 
Bekannt  int  es,  welche  grosse  Rolle  die  Znlilenmyslik  in  aller  Magie  gespielt 
hat  und  noch  spielt.  Grade  7  ist  die  beiligste  Zahl  und  in  ihrer  Zauberver- 
wendung sieber  aus  Babylonien  gekommen. 

Darf  unser  Amulet  schon  wegen  seines  werthvollen  Materials  und  der 
Seltenheit  griechischer  Insebriften  am  Rhein  Beachtung  beanspruchen,  bo  ver- 
dient es  diese  in  besonderem  Masse  wegen  der  religiösen  Anscliauuug,  die  aus 
diesem  Denkmal  des  3.  Jahrb.  n.  Chr.  spricht,  Bis  in  diese  Zeit  hinein  haben 
Bonst  der  ubiscbe  Baner  wie  der  sessbaft  gewordene  römische  Veteran  oder 
Kanfniaiin  mit  Vorliebe  zu  den  heimischen  Schutzgottheiten,  den  Matronen  ge- 
betet und  um  ihren  Segen  fllr  Feld  und  Flur,  Haus  und  Hof,  'fUr  sich  und 
die  Ihrigen'  gefleht.  Ich  erinnere  nur  an  die  schUnen  Votivsteine  der  Matronae 
Octocannae '),  die  eine  halbe  Stunde  von  Gellep  entfernt  anf  dem  Gut  Gripa- 
wald  bei  Ossum  gefunden  worden  sind  und  jetzt  zum  Teil  im  Bonner  Provinzial- 
musenm  stehen.  Freilich  war  bei  diesem  Kult  auch  schon  ein  gut  Teil  Synkre- 
tismus wirksam  gewesen;  in  römischem  Gewände  nach  Sprache  und  Verehrungs- 
weise erscheinen  uns  die  schützenden  drei  Mütter  der  Kelten  und  Germanen, 
mit  dem  Beiwort  Augustae  sind  sie  in  den  grossen  Kreis  der  römischen  Ge- 
nien aufgenommen  und  assimiliert  worden*).  Aber  hier,  auf  dam  Gelleper 
Amnlet,  treten  uns  die  fremdartig  klingenden  Namen  des  Orients  entgegen; 
die  Götter  der  Juden,  Babylonier,  Phöniker  und  Ägypter  sollen  im  Dienste 
der  Magie  dem  Menschen  helfen  und  ihn  schdfzen  vor  jeglicher  Fährnis.  Dass 
die  gewaltige  Bewegung  der  Geister,  die  wir  unter  dem  Namen  'Gnosis'  be- 
greifen nnd  die  gerade  im  3.  Jahrhundert  ihren  Höhepunkt  erreichte,  auch  an 
den  Rhein  gedrungen  ist,  das  wussten  wir  bisher  —  abgesehen  von  den  Abraxas- 
gemnien,  deren  Herkunft  oft  zweifelhaft  ist —  einzig  und  allein  aus  dem  Silber- 
täfelchen von  Badenweiier;  ihm  stettt  sich  jetzt  als  zweites  gewichtiges  Zeugnis 
das  Goldamnlet  aus  Gellep  zur  Seite.  Bei  diesem  vereinzelten  Vorkommen  ist 
es  nicht  müssig,  sieh  die  Fragen  vorznlegen:  Wie  ist  es  an  den  Niederrhein 
gekommen?    Wer  hat  es  getragen?    Berechtigt  es  zu  weitergehenden  Schlflssen? 

Die  altenide  Welt  des  griecbisch-römischen  Heidentums  hatte  sich  längst 
Ton  den  lichlnmflossenen  Bewohnern  des  Olympus  abgewandt  und  fand  auch 
in  dem  Rationalismus  kein  Genüge  mehr.  Die  Sehnsucht  der  kranken  Herzen 
nach  Erlösung,  nach  einem  neuen  Heil  suchte  Befriedigung  in  der  Mystik  und 
Magie.  Nicht  vergessen  darf  man  dabei,  dass  die  drei  ersten  christlichen 
Jahrhunderte  eine  Periode  hoher  materieller  Blüte  darstellen.  Unter  dem  fried- 
Tollen,  staatsklugen  Regiment  der  römischen  Cäsaren  wuchs  der  Wohlstand 
und  damit  auch  die  Werthschätzung  der  materiellen  Gflter,  die  Sucht  nach  Gc- 

1)  B.  J.  83  Nr.  321-327. 

2)  Siebourg,  Westd.  Zoilsehrift  VII  p.  100,  ](B. 


152  Max  Siebourg: 

nuBS  und  mühelosem  Erwerb  der  Mittel.  Wer  konnte  sie  besser  gewähren,  sia 
die  Zauberkunst,  die  die  Götter  aller  Völker  zu  ihrem  Dienst  zwang  und  sie 
beschaffen  liess,  was  gut  ist:  l{Dr\v,  iiTi€iav,  cuirripiav,  ttXoOtov,  cureKviav,  ^vri^r|v, 
xdpiv,  )iopq>iiVy  KdXXo^  ktX.^).  So  begegnen  sich  materieller  Sinn  und  mystisches 
Bedürfnis  in  der  Wertschätzung  der  Magie.  Die  Kaiser  auf  dem  Throne,  wie 
Hadrian  und  Mark  Aurel,  der  spekulierende  Philosoph  wie  der  gemeine  Mann 
—  sie  alle  haben  ihr  gehuldigt.  Sie  ist  für  ganze  Gemeinden,  namentlich  in 
ihrem  Heimatslande  Ägypten,  der  Mittelpunkt  gewesen.  In  den  Papyri  haben 
wir  noch  ihre  heiligen  Lieder  und  Ceremonien  —  des  Zaubers  voll.  Der  rö- 
mische Soldat  und  in  seinem  Gefolge  der  fahrende  Händler  und  Kaufmann, 
die  überall  die  Pioniere  der  antiken  Kultur  gewesen  sind,  haben  sie  nach  dem 
Westen  gebracht:  in  Italien,  Spanien  und  Gallien,  an  Donau  und  Rhein  finden 
wir  ihre  Dokumente.  Die  Person  —  wohl  sicher  eine  Frau  — ,  die  das  Gelleper 
Goldamulet  getragen  hat  und  schon  des  Materials  wegen  nicht  arm  gewesen 
sein  kann,  mag  aus  Ägypten  hergekommen  sein,  als  das  Weib  eines  Soldaten, 
oder  der  jüdische  Händler  hat  es  ihr  gebracht.  Jedenfalls  hat  die  Trägerin  —  das 
ist  mir  sicher  —  nicht  selbst  die  Buchstaben  eingeritzt,  etwa  nach  der  Vorschrift 
eines  Zauberbuches.  Solche  Dinge  sind  gewerbsmässig  hergestellt  worden,  so  gut 
wie  es  heutzutage  Industrie  und  Handel  in  Devotionalien  und  ähnlichen  Sachen 
gibt.  Wie  das  Amulet  die  Besitzerin  im  Leben  vor  aller  Gefahr  beschützt  hatte, 
so  ward  es  ihr  auch  im  Grabe  belassen;  denn  auf  der  weiteren  Fahrt  bedurfte 
sie  erst  recht  des  Schutzes. 

Der  Gelleper  Fund  zusammen  mit  dem  Badenweiler  berechtigt  uns  natür- 
lich durchaus  nicht  dazu,  etwa  auf  das  Bestehen  von  magisch-gnostischen  Ge- 
meinden am  Rhein  zu  schliesseri;  dafür  ist  er  zu  vereinzelt,  wenn  ich  andrer- 
seits auch  überzeugt  bin,  dass  die  Zeugnisse  jenes  Glaubens  sich  bei  grösserer 
Aufmerksamkeit  verniehreu  werden.  Und  doch  hat  er  eine  grosse  religions- 
geschichtlicbe  Bedeutung.  Das  ßlättchen  entstammt  dem  3.  Jahrh.  n.  Chr., 
Jahwe  erscheint  auf  ihm  im  Verein  mit  babylonischen,  phönikischen  und  ägyp- 
tischen Göttern.  Von  Christlichem  nicht  die  Spur,  und  so  bestätigt  sich  abermals  die 
Beobachtung  Baudissins  ^),  dass  auf  keinem  der  Anmiete  mit  dem  Namen  'Idu)  ein 
christlichcrAusdruck  oder  ein  christliches  Symbol  steht;  dass  auch  das  Regensburger 
Amulet  dazu  stimmt,  hal)en  wir  oben  S.  135  Nr.  5  gegenüber  dem  Schwanken 
Ebners  besonders  betont.  Also  nichts  Christliches,  sondern  eine  Mischung  von 
Jüdischem  und  Heidnischem  stellt  jene  magische  Gnostik  dar:  die  Gnostiker 
sind  eben  'ursprünglich  nichts  weniger  als  christliche  Sektirer  gewesen,  sondern 
von  heidnischen  Gocteu  ausgegangen'  ^).  Aber  mögen  die  Kirchenväter  noch 
so  sehr  gegen  die  gottlosen  Bräuche  dieses  Aberglaubens  eifern,  er  war  nötig, 
um  dem  Christentum  den  Boden  zu  bereiten.  Indem  der  herrschende  Synkre- 
tismus alle  möglichen  Götter,  mit  Vorliebe  die  der  Semiten  und  Ägypter,  heran- 


1)  Abraxas  p.  151. 

2)  a.  a.  0.  1   187. 

3)  A.  D  i  e  t  e  r  i  c  h,  Abraxas  p.  148. 


Ein  gnoBtisches  Goldamulet  aus  Gellep.  153 

zog,  mnsBte  der  Gedanke  sich  Bahn  brechen,  dass  das  alles  doch  nur  ver- 
schiedene Namen  und  Auffassungsformen  ein  und  desselben  Wesens  seien.  Nicht 
unerwähnt  will  ich  lassen,  dass  in  0pf),  Bf^X  und  Ze^eceiXa^  unsrer  Tafel  der 
Sonnengott  erscheint,  er,  der  als  Mithras  viele  Verehrer  auch  hier  am  Rhein 
hatte  und  in  dem  die  grössten  Götter  der  Völker  zusammenflössen:  Zeus  und 
SarapiS;  Osiris  und  Dionysos^).  Mithras-  und  Isiskult  haben  im  Verein  mit 
dem  Synkretismus  der  gnostischen  Magie  auch  hier  am  Rhein  den  Weg  bereitet, 
auf  dem  christlicher  Monotheismus  und  christliche  Gesinnung  einzogen.  Dass 
unser  Gelleper  Amulet  ein  wenn  auch  nur  vereinzeltes  Zeugnis  aus  dieser  Pe- 
riode des  Übergangs  ist,  darin  liegt  seine  besondere  Bedeutung. 

1)  Vgl.  z.B.  Kenyon  p. 65, 4 ff.:  'EiriKaXoCiiiai  c€,  Zcu  "'HXic  M(6pa  Cdpairi  <iv(KT|T€. 
Oben  S.  147  erschienen  Helios  und  Dionysos. 


8.    FuniHiericht  Ober  die  Reste  der  ^Porta-Paphia^  bei  Niederlegung 

derselben  im  Dezember  1897. 


Von 

Stadtbaurat  Stevemagel 
in  Köln. 


(Hierzu  Taf.  VUI  und  9  Textfiguren.) 


Die  Stadtverordneten -Versammlung  yon  Köln  hatte  die  Mittel  bewilligt, 
um  yor  der  beschlossenen  Beseitigung  der  Porta-Paphia  die  Mauerreste  einer 
Mrissenschaftlichen  Dntersaehung  zu  unterziehen.  Die  hierzu  yorgenommenen 
Aufgrabungen  mussten  sich,  um  den  Strassenverkehr  nicht  zu  stören,  auf  den 
Ostlich  von  der  Strasse  Dnter  Fettenhennen  gelegenen  Teil  des  Thores,  auf 
den  östlichen  Seitendurchgang  und  den  Eckthurm  mit  Anschluss  an  die  römische 
Stadtmauer  beschränken.  Mit  Bezugnahme  auf  den  Plan  (Taf.  VUI)  und  die 
im  Texte  wiedergegebenen  Abbildungen  ist  über  den  Fund  wie  folgt  zu  be- 
richten : 

Wenn  nach  der  Sachlage  auch  von  vorneherein  kaam  weitgehendere  Er- 
gänzungen der  früheren  Forschungen  (Colonia  Agrippinensis  von  Schnitze 
und  Stcuernagel,  Bonner  Jahrb.  Heft  98)  erwartet  werden  durften,  so  sind 
doch  noch  einige  immerhin  interessante  neuere  Ergebnisse  erzielt  worden.  In 
erster  Linie  wurden  die  gewaltigen  Fundamente,  welche  das  aufgehende  Mauer- 
werk des  Thurmes  getragen  haben,  auf  grössere  Länge  und*in  ganzer  Tiefe 
freigelegt  (vgl.  Taf.  VIII).  Es  zeigte  sich  dabei,  dass  sie  etwa  1,45  m  hoch 
sind,  eine  auffallende  Breite  haben  im  Verhältnis  zur  Stärke  des  aufgehenden 
Mauerwerks,  und  dass  sie  den  ganzen  östlichen  Seitendurchgang  des  Thores  auf 
ganze  Breite  desselben  unterfangen.  An  der  nördlichen  Aussenseite  des  Thurmes 
sind  diese  Fundamente  (Schnitt  a  b)  2,40  m  oder  etwa  8  römische  Fuss  stark 
und  springen  nach  innen  etwa  0,70  m  und  nach  aussen  0,52  m  vor  das  auf- 
gebende Mauerwerk  vor.  An  der  Ostseite  (Schnitt  c  d)  betrug  die  Fundament- 
breite 2,62  m,  die  Vorsprüuge  0,39  m  und  1,05  m,  während  an  der  2,75  m 
starken  Westfront  der  äussere  Vorsprung  1,57  m  beträgt  und  der  innere  Vor- 
sprung ganz  fehlt.  Die  innere  Mauerfläehe  der  Westfront  ist  sehr  unregel- 
mässig gemauert  und  hat  nach  unten  einen  schwachen  Anzug.  An  der  Süd- 
seite des  Thurmes  wurde  der  äussere  Fundamentansatz  am  Anschluss  an  die 


Weetfront  zu  1,07  m  gemessen,  ob  ein  innerer  Voreproug:  vorhanden  war,  konnte 
hier  nicht  fesigeetellt  weiden.  An  der  Nordfront  des  eig:eutlichen  Thorbanea 
tritt  das  Fnndament  1,20  ni  vor  das  auFg-ehende  Mauerwerk  vor.  Die  Funda- 
luentHohle,  weiche  etwa  60 — 80  eni  in  den  gewachsenen  Lelim  eingeschnitten 
ist,  liegt  im  Mitte!  auf  +]it,ör)  m  Kölner  Pegel,  die  obere  Fläche  der  Ausätze, 
die  überall  mit  Mörtel  glatt  abgeglichen  ist,  liegt  auf  +15,10  m.  Letztere 
bildet  im  Seitendurchgang  des  ThoroB  gleichzeitig  die  feste  Unterlage  fllr  den 
Fnsmweg  und  i»t  daselbiit  kein  besonderer  Ketonbelag  verbanden.  Das  auf- 
gehende Thurmmauerwcrk,  das  fast  ganz  seiner  änsscren  Bekleidung  beraubt 
war,  stand  an  dem  vorderen  Teile  der  Ostfront,  der  ganzen  Nordfront  und  dem 
vorderen  Teile  der  Westfront  noch  bis  zu  1,42  m  hoch  an,  bis  zur  Höhe  der 
ersten  Ziegeldurchschussschicht  des  Thores.  Es  hat  einschliesslich  der  etwa 
26  cm  starken  Verblendung  eine  >Stärke  von  1,IS  m  oder  3  römischen  Fnsa 
und  zeigt  auf  der  Innenseite  tlherall  Verputz.  Der  Übergang  vom  Fundament 
zom  anfgehenden  Mauerwerk  wird  durch  einen  einfach  profilierten  Sockcliiuader 
(vgl.  Taf.  VIII)  vermittelt,  welcher  0,28  m  in  das  Mauerwerk  einbindet  nnd 
an  der  östlichen  Tliorseite,  am  Anschlnss  an  die  Stadtmauer,  wie  bereits  frUher 
festgestellt  wurde,  noch  auf  eine  Länge  von  1,76  m  erhalten  ist.  Bei  dem 
vorhandenen  guten  Baugrnud  nnd  der  vergleiehsweiso  massigen  Stftrke  des 
aufgehenden  Mauorwerka  ist  die  grosse  Breite  des  Grundmanerwerks  nnd  der 
Fundamentansätze  dabin  zu  erklären,  dass  sie  ein  Unterminieren  des  Tborcs 
durch  den  Peind  erschweren  sollte.  Im  übrigen  zeigen  Form  und  Stärke  der 
Fnndierung  Ähnlichkeit  mit  derjenigen  der  porta  nigra  ta  Trier,  wenn  auch 
daselbst  ein  äusserer  Vorsprang  des  Grundmanerwerks  nicht  festgestellt  wor- 
den ist.  Es  scheint  daher  die  beschriebene  Fundierungsart  flblich  gewesen  zu 
sein.  Die'  lichte  Weite  des  Thurmes  wurde  zu  ö,30  m  und  die  Tiefe  desselben 
zu  4,84  m  bestimmt.  Anffallend  erscheint,  dass  das  Fundament  der  östlichen 
Thurmfront  sQdlich  etwa  1  m  Itber  dasjenige  der  Stldfriint,  wie  solches  am 
Westende  festgestellt  wnrde.  hinausgeht.  Leider  konnten  an  dieser  Stelle 
weitere  Aufgrabungen  zur  Aufklärung  dieser  Curegelmässigkeit  nicht  statt- 
finden. 

Anschliessend  an  das  Fundamentmanerwerk,  nur  etwas  tiefer  als  die  obere 
Fläche  desselben  (Kchnirt  a  b  und  c  d),  fand  sich  au  der  Nordseite  ein  etwa 
30  cm  starker  Kalkbeton  von  nngleielier  Krcitc  und  nach  Aussen  zerstört;  ob 
derselbe  als  FuBssteig  gedient  oder  etwa  ebenfalls  ein  Unterminieren  de»  Thor- 
mauerwerks  erschweren  sollte,  mag  dahin  gestellt  bleiben.  Vor  dem  Thor- 
etngang  zeigte  sieli  dieser  Beton  noch  anf  melirero  Meter  Breite  erhalten. 

Mit  Rücksicht  anf  die  Veröffentlichung  von  Raschdorff  im  37.  Bande 
der  Bonner  Jahrbücher,  wonach  er  beim  Neubau  des  Hotel  St.  Paul  die  Fun- 
damcnircsle  eines  runden  Thurmes  zu  erkennen  glaubte,  niusste  die  Frage  er- 
neut anftauchen,  ob  das  Thor  etiva  später  als  die  Stadtmauer  errichtet,  die 
Stadtmauer  daher  früher  unter  demselben  durehgcgiftigcn  und  jene  Manerreste 
einem  der  typischen  Rundtbllrme  derselben  zuzuschreiben  seien.  Zur  möglieb- 
Bleu  Feststellung  dieses  ümslandes  wurdea  von  Norden  aus  unter  das  Fuudament 


156 


Sto 


:.»: 


des  kleinen  Ostdurchgangea,  sowie  an  zwei  Stelleu  unter  djiBJenige  der  Nonl- 
front  des  Thurmes  Stollen  getrieben,  welche  etwa  vorLandene  Fundamente  der 
Stadtmauer  unbedingt  hätten  antreffen  müssen.  Es  zeigten  sich  aber  keinerlei 
Mauerreste,  der  vorgefundene  gewachsene  Sandboden  war  vollständig  unbe- 
rührt, mit  keinerlei  Spur  einer  Verunreinigung.  Es  ist  daher  unbedingt  aas- 
geschlossen,  dass  etwa  früher  bestandene  Mauerreste  in  der  Riehtung  der  Stadt- 
mauer vorhanden  gewesen  oder  ausgebrochen  sein  könnten.  Die  früher  fest- 
gestellten Mauerwerke  (Col.  Agripp.)  aus  Basaltsteinen,  welche  an  dieser  Stelle 
bei  der  ersten  Üatersucliung  nur  nnvollkonimcn  untersacht  werden  konnten, 
haben  sich  hei  der  jetzt  vorgenommenen  umfangreichen  Aufgrabung  als  die 
innerea  Vorsprüngc  der  Thurmfundaniente  erwiesen  und  haben  mit  der  Stadt- 
mauer niclits  zu    thnn.     Da  eich  also  keinerlei  Spuren  der  Stadtmauer  oder 

Abbrucbreste  derselben  un- 
ter dem  Thore  gefunden 
haben  und  der  Boden  unter 
den  Thorlundamenten  voll- 
ständig rein  und  unberührt 
war,  so  steht  fest,  dasa  die 
Stadtmauer  keinesfalls  älter 
als  das  Thor  ist,  sowie  fer- 
ner, dass  das  Thor  über- 
haupt das  erste  Bauwerk 
ist,  welches  an  dieser  Stelle 
errichtet  worden  ist. 

Es  bliebe  nunmehr  noch 
zu  untersuchen,  ob  Thor  uud 
Mauer  gleichzeitig  errichtet 
sind  oder  ob  etwa  das  Thor 
ein  höheres  Alter  aufzuwei- 
sen hat.     Um  diese  Frage 

möglichst  aufzuklären, 
wurde  sowohl  die  technische 
Ausführung  wie  auch  das 
Material  beider  Mauerwerke 
oiiiem  genauen  Vergleiche 
unterzogen  und  namentlich 
auch  der  Anschluas  des 
Thurmes  an  die  Stadtmauer 
uiuer  gründlichen  Unter- 
siK'liung  untenvorien.  Hier- 
°'    '  zu   wurde    die    Mauer    auf 

mehrere  Meter  Länge  uni  ganze  Tiefe  freigelegt  (Fig.  1).  Sie  zeigte  das  be- 
kannte Profil  (Taf.  VIII,  Schnitt  e  f)  und  Material  und  hatte,  ähnlieh  wie  dies 
auch  an  der  Breitestrasse  neben   dem   dortigen  Thor  gefunden  war,    auf  der 


Fnndbericht  über  d.  Resto  der  .Portn-Pnphiii''  bvi  Niederlegung  Hei 


tiDcx.1897.    157 


vorderen  Seite  einen  Dopiielsockel,  von  welchen  der  nnterc  anf  Rtlhe  des  ge- 
waf.liaenen  Bodens,  auf  +14,39  nj,  und  der  obere,  der  Sclirägsockel,  auf 
+  15,15  IQ  liegt  und  in  Ililhenlajre  und  Bearhcitnng  orgaiiisch  an  den  Thunn- 
Bookelquader  aDBcblieH»t  (Taf.  VIII,  Sclinitt  c  d). 

ßetraclitet  man  die  technische  AnsFdbrnog  beider  Manerwerke,  so  siebt 
man,  dass  das  Fundament  der  Stadtmauer  auf  eine  RollBcbieht  von  grossen 
Basalten  aufgesetzt  nnd  mit  ziemlieb  ebenen  Aassenflächen  zwischen  Brettern 
bis  zum  onteren  Sockel  nnd  von  da  ab  bis  zum  Scbrägsoekel  ganz  glatt  anf- 
gemauert  war.  Sockel  sowohl  wie  aufgebendes  Mauerwerk  zeigten  eine  tadellos 
hergestellte  regelmäseige  Schichtsteinverkleidnng  und  im  Innern  das  bekannte 
Gussmaucrwerk  in  einzelnen  Lagen,  reichlich  mit  dem  grobkiesigen  Mörtel  ver- 
sehen in  gleichmässiger  Durchführung  und  vollständig  dicht,  ohne  jeglichen 
Zwischenraum.  Abweichend  hiervon  ist  das  Fundamentmanerwerk  der  ThUrmc 
ohne  RoIlBcbicbt,  nnregelmässig  und  uneben  im  Äugacren  hergestellt.  Das  Quss- 
mauerwerk  ist  zwischen  den  vorher  gesetzten  Sehichtsteinen  in  Lagen  von  15 
bis  20  em  Höhe  trocken  aufgesetzt  nnd  sodann  mit  Mörtel  Übergossen  und  letz- 
terer auch  abgeglichen  worden.  Der  Mörtel  ist  nicht  überall  in  die  Fugen  ein- 
gelaufen, sodass  viele  Hohlräume  vorgefunden  wurden  und  das  Mauerwerk  sich 
verhältnismässig  leieht  abbrechen  licss.  Das  Blendmanerwerk  ist  viel  nnregel- 
mässiger  als  an  der  Stadtmauer  und  zeigt  wechselnde  Schichthöhen  von  6  bis 
12  cm.  —  Das  Fundamentmauerwerk  der  Stadtmauer  besteht  aus  Basalt,  Grau- 
wacke  und  Trachyt,  willirend  dasjenige  des  Tfaores  ebenfalls  Basalt  und  etwa 
ein  Drittel  Traehyt,  aber  keine  Grauwacke  enthält.  Auffallender  ist  dieses 
noch  bei  dem  aufgehenden  Mauerwerk,  denn  während  die  Stadtmauer  nur  ans 
Graawaeke  und  vereinzelten  Trachytstüeken  besteht,  ist  das  Thormauerwerk, 
einschliesslich  der  Schiehtsteinverkleidung  nur  ans  Trachyt  und  vereinzelten 
Bftsaltbrocken  hergestellt,  die  Giauwackc  fehlt  ganz.  WUre  die  Stadtmauer 
früher  unter  dem  Thor  hindurchgegangen  und  später  abgebrochen  worden,  so 
wären  von  den  grossen  Abbruchmassen  gewiss  Granwackereste  mit  in  das  Thor- 
mauerwerk hineingekommen  oder  es  mlissten  sieb  Spuren  im  Bauschutt  finden. 
Ein  gleiches  würde  der  Fall  gewesen  sein,  wenn  Mauer  und  Thor  dicht  nebcu- 
einander  anf  derselben  Baustelle  zo  gleicher  Zeit  errichtet  worden  wären. 

Der  Mörtel  des  Thonnauerwerks  enthält  zumeist  Sand  mit  wenig  Kies, 
der  Kalk  ist  schlecht  gelöscht  und  zeigt  häutig  nueh  nicht  zerfallene  Kalk- 
stücke.  Die  chemische  üntersncbnng  ergab,  dass  der  Mörtel  des  Thores  durch- 
schnittlich 21  Teile  hydraulische  Substanzen  und  79  Teile  Kalk,  und  derjenige 
der  Mauer  etwa  46  Teile  und  54  Teile  enthielt.  Der  Mörtel  der  Mauer  ist 
,  daher  ein  anderer  nnd  von  nel  hydrauliaeherer  Beschaffenheit  wie  derjenige 
des  Thores. 

Bei  der  sonst  vollständig  gleichmässigen  Beschatfenbett  der  Stadtmauern 
einschliesslich  der  ThUrme  in  Technik  und  Material  müssen  diese  Unterschiede 
ttubodingt  auffallen  und  zu  der  Ansicht  hindrängen,  dass  Mauer  und  Thor  nicht 
gleichzeitig  errichtet  worden  sind. 

Bezüglich  der  Beschaffenheit  der  am  Thorc  zur  Verwendung  gekommenen 


1B8  Sfeuernagel: 

Basalte  möge  bemerkt  sein,  dass  dieselben  von  dunkelblauer,  fast  schwarzer 
Farbe  waren,  von  äusserst  zäher  Structur  und  muscheligem,  kurzsplitterigem 
Bruche.  Nach  den  von  Herrn  Ingenieur Jp au  1  Wagner  durch  die  Basalt- 
actiengesellschaft  zu  Linz  freundlichst  angestellten  Untersuchungen  kann  das 
Material  nur  den  Brüchen  des  Unkelstein  am  Rhein,  gegenüber  von  Unkel,  ent- 
stammen. Der  zur  Verwendung  gekommene  Trachyt  enthält  Glimmer,  Blende 
und  häufig  Feldspathkrystalle,  und  ist  hiemach  mit  Sicherheit  den  Brüchen 
am  Drachenfels,  wo  bekanntlich  auch  später  die  zum  Dombau  venvendeten 
Trachyte  gebrochen  worden  sind,  entnommen  worden.  —  Betrachtet  man  den 
Anschluss  der  Stadtmauer  an  die  Ostseite  des  Thurmes  (Taf.  VIII.  c  d),  so  sieht 
man,  dass  die  Fundamente  der  Mauer  etwa  30  cm  tiefer  heruntergehen  als  die- 
jenigen des  Thurmes  und  dass  die  letzteren  einschliesslich  des  Sockelquaders 
getrennt  durch  die  Mauer  hindurchsetzen,  sodass  die  Stadtmauerfundamente 
also  stumpf  mit  Trennfuge  an  das  Thurmmauerwerk  anschliessen.  Die  3  Schicht- 
steine des  Schrägsockels  sind  dabei  organisch  und  in  sorgfältiger  Bearbeitung 
an  den  Sockelquader  des  Thuimes  angegliedert. 

Der  Anschluss  des  aufgehenden  Teiles  der  Mauer  an  den  Thurm  konnte 
nicht  festgestellt  werden,  weil  derselbe  wahrscheinlich  beim  Bau  der  Domkurie 
hier  abgebrochen  war. 

Das  Durchsetzen  des  Thurmfundaments  einschliesslich  des  Sockelquaders 
unter  der  Stadtmauer  hindurch,  sowie  die  vollständig  getrennte  Ausführung 
beider  Bauwerke  lassen  erkennen,  dass  das  Thor  zuerst  fertiggestellt  war  und 
erst  dann  die  Stadtmauer  angeschlossen  worden  ist. 

Zieht  man  hierbei  noch  die  vorerwähnte  auffällige  Verschiedenheit  der 
Ausführung  und  des  Materials  der  Stadtmauer  und  des  Thores,  sowie  das  gänz- 
liche Fehlen  der  Grauwacke  in  dem  Thormauerwerke  in  Betracht,  so  dürfte 
man  berechtigt  sein,  dem  Thor  ein  höheres  Alter  als  wie  der  Stadtmauer  zu- 
zuschreiben. Ob  der  Zwischenraum,  welcher  zwischen  der  Errichtung  beider 
Bauwerke  liegt,  voraussichtlich  ein  grösserer  ist,  oder  sich  nur  auf  eine  kurze 
Zeitspanne  erstreckt,  möge  weiterer  Untersuchung  überlassen  bleiben. 

Die  bereits  früher  erwähnten  Ziegeldurchschussschichten  am  Thore  sind 
bei  der  Niederlegung  desselben  herausgenommen  worden;  es  zeigte  sich  dabei, 
dass  an  dem  östlichen  Thorwiderlager  nach  Innen  eine  Reihe  und  nach  Aussen 
zwei  Reihen  Ziegelplatten  der  Länge  nach  nebeneinander  gelegt  waren,  wäh- 
rend der  Zwischenraum  zwischen  beiden  Reihen  mit  Bruchsteinmauerwerk  aus- 
geglichen war. 

Jeder  einzelne  Ziegel  wurde  genau  untersucht,  es  konnte  jedoch,  wie  auch 
früher,  auf  keinem  derselben  eine  Spur  von  einem  Legionsstempel  oder  einem 
der  späteren  Fabrikantenstempel  festgestellt  werden. 

Bezüglich  des  Vorkommens  der  Militärstempel  möge  aus  der  einschlä- 
gigen Littcratur  und  den  freundlichen  Mitteilungen  der  Herren  Prof essor  K 1  e  i  n- 
Bonn  und  Professor  Wolff -Frankfurt  am  Main  folgendes  hier  kurz  Erwäh- 
nung finden : 

E.  Ilübner  macht  darauf  aufmerksam,  dass  in  Britannien  vor  dem  Ende 


Fundbericht  über  il.  Reste  tler  „Porta- Pap hia"  bei  Niederlegung  ders.  im  Dez.  1897.     1B9 

des  1.  Jahrlmnderts  die  dort  liegenden  Legionen  keine  Ziegeleien  für  ihren 
Redarf  angelegt  bähen').  Weiter  erwähnt  Mo  mm  sc  n,  daes  die  .Sitte,  Militär- 
ziegel zu  stempeln  in  Pannonicn  erst  am  Ende  dcB  1.  Jahrhunderts  beginoc 
and  dasB  in  Dalmatien  vor  Veepasian  keine  Figlituie  militaris  angelegt  seien '). 
G.  Wo)  ff  sehliesst  sieh  Vorstehendem  im  ganzen  an  nod  kommt  anf  Grund 
Keiner  eingehenden  Cntersuphungen  zu  dem  Keaultate,  dass  am  Rhein  die  Sitte, 
Militär/iegel  mit  dem  Stempel  des  Truppeuteils  zu  versehen,  kurz  vor  dem  Jahr 
70  n,  Chr.  aufgekommen  ist  und  sieh  von  dort  erst  später  nach  Britannien  ver- 
breitet hat,  sodass  z.  B.  die  XIII.  Legion,  als  dieselhe  im  Jahre  70  aus  Bri- 
tannien nach  Obergermanien  zurückkehrte,  dort  noch  keine  gestempelten  Ziegel 
zurflcklieas.  Die  in  der  Varianischen  Niederlage  untergegangenen  Legionen 
XVII,  XVIII  und  XIX  baben  keine  Stempel  liinterlaBseii.  Ebensowenig  schei- 
nen von  den  beiden  im  Jahre  43  nach  Chr.  naeh  Britannien  geftlhrten  Legionen 
II  Äng.  und  XX  Val.  Victr.  Stempel  am  Rhein  vorhanden  zu  sein.  Dagegen 
hat  die  Legion  VIII,  die  unter  Nero  nach  Fannnonien  verlegt  wurde,  nach  der 
Überlieferang  von  Fuchs  in  der  Umgebung  von  Mainz  Stempel  hinterlassen'). 
Nach  B.  M.  L  e  r  s  e  h  soll  ein  Ziegel  der  Legion  XX  zu  Holledoom  gefunden 
worden  sein*). 

CouBt.  Koenen  berichtet  in  seinem  Aufsatz  über  die  Cnltnrreste  der 
Ehene  zwischen  dem  Mecrthal  und  dem  Lcgionslager  zu  Neuss,  dass  unter 
der  Menge  der  dort  gefundenen  Dachziegelplatten  aus  der  Augusteischen  Zeit 
keine  solchen  mit  Heeresbezeicbnuugen  enthalten  gewesen  seieu.  Es  wurden 
nur  ein  Paar  Stempel  angetroffen,  wek'he  der  XVI.  Legion  angehören.  Letz- 
tere ist  nuter  Caligula  an  den  Niederrhein   versetzt  worden ''). 

Hiernach  würde  man,  wie  mir  Professor  Wolff  auf  Anfrage  nochmals 
freundliehst  beslätigte,  das  Ende  der  Regierung  des  Claudius  als  frühesten  Ter- 
min für  das  Vorkommen  der  Militärstempel  bezeichnen  dürfen.  In  spätrfl- 
miscber  Zeit  wurden  auf  den  Ziegeln  keine  Legionsstempel  mehr  angebracht. 
Die  Litteratnr  schweigt  sich,  soviel  mir  bekannt,  über  eine  Zeitangabe  indeseea 
ganz  aus,  da  eine  solche  naturgemäss  noch  viel  schwieriger  ist,  als  wie  die- 
jenige über  da«  erste  Auftreten  der  Stempel  und  aneh  vielleicht  örtlich  ver- 
schieden sein  mag.  Hie  und  da  wird  dieser  Zeitpunkt  auf  die  Mitte  dea  3. 
Jabrbnuderts  versetzt. 

Ob  das  Fehlen  dieses  Stempels  anf  den  Platten  des  Nordthoree,  wie  ja 
mrigtich,  ein  rein  zufulligcs  ist  oder  ob  man  daraus,  itn  Zusammenhang  mit 
den  übrigen  Fundumständen,  etwa  scbliessen  darf,  dass  das  Thor  der  Zeit 
vor  Claudius  entstammt,  möge  dahingestellt  bleiben. 

Die  Ausbeute  au  Ärehiteeturstücken  bei  den  Aufgrahnngen  hat  den  er- 
warteten Hoffnungen  nicht  entsprochen,  dieselbe  war  leider  nnr  äusserst  gering. 


1)  Hermes  XIII  621  u.  631. 

2)  Corp.  inecr.  lat.  lU  482  u.  416, 

3)  Archiv  für  Frankfurter  Geschichte  und  Knnst.  HT.  Folge.  8.  336  n.  :S39, 

4)  Zeitschrift  des  Aachetier  Geschichts verein».  7.  Band.  S.  168. 
fi)  Bonner  Jnlirbücher.  Heft  101. 


160  Steuernagel: 

Sie  bestand  ans: 

1.  einem  stark  ausladenden  Rundkapitell  mit  doppeltem  Kranz  ungeglie- 
derter, überhängender  Blätter  von  0,25  m  unterem  und  0,34  m  oberem 
Durchmesser  aus  grauem  Sandstein.  Gefunden  an  der  Südseite  des  Ost- 
thurmes  hinter  der  Tuffsteintreppe,  im  Bauschutt; 

2.  einer  Säulentrommel  von  0,14  m  Höhe  und  0,39  m  Durchmesser  mit  qua- 
dratischem Dollenloch,  aus  gelblichem  Sandstein.  Gefunden  in  einer 
alten  Zwischenmauer  der  Domkurien  in  Richtung  der  Ostfront  des  Thurmes; 

3.  einer  Säulentrommel  von  0,45  m  Durchmesser  aus  grauem  Sandstein. 
Gefunden  in  der  südlichen  Frontmauer  der  Domkurien; 

4.  einen  sehr  roh  bearbeiteten  Säulenkopf,  mit  glattem,  doppeltem  abge- 
schwellten Wulst,  dessen  scharfe  Einziehung  durch  ein  dünnes  Plättchen 
bewirkt  wird,  aus  gelblichem  Sandstein.  Gefanden  in  der  Nähe  von  2. 
in  der  alten  Mauer; 

5.  einem  kleinen  Stück  einer  korinthischen  Säulentrommel  mit  durch  Steg 
getrennten  Canneluren,  aus  Kalkstein.  Gefunden  vor  der  Nordseite  des 
östlichen  Thorthurmes,  3  m  tief  im  Schutt. 

Von  sämmtlichen  vorbezeichneten  Stücken  möchte  nach  Bearbeitung  oder 
Material  keines  zum  römischen  Thorbau  gehören,  da  auch  die  Rundung  des 
Stückes  5  auf  eine  Säule  von  allzugrossem  Durchmesser  hinweist.  Bei  einer 
so  bewegten  Baustelle  wie  die  vorliegende  erscheint  dieses  weiter  nicht  auf- 
fallend. 

Zum  Schlüsse  möge  nochmals  knrz  auf  das  bei  der  früheren  Aufgrabung 
in  der  südlichen  Frontmauer  der  Domkurie  gefundene  Kapitell  (Col.  Agripp.  39 
Taf.  XVII)  zurückgekommen  werden.  Wie  bereits  früher  bemerkt,  zeigt  das- 
selbe 2  Reihen  von  Akanthusblättern  und  eine  Schilfblattreihe,  worüber  ein 
Perlstab  mit  Blattwelle  ruht.  Eine  genaue  Untersuchung  hat  nunmehr  ergeben, 
dass  aus  der  Blattwelle  herauswachsend  an  den  vier  Ecken  Valutenansätze  vor- 
handen waren.  Das  Kapitell  muss  daher  als  Compositform  angesehen  werden, 
wenn  es  auch  nicht  den  vollendeten  Charakter  des  „römischen"  Kapitells  auf- 
weist, wie  solches  nach  den  Angaben  von  W.  L  ü  b  k  e  *),  H.  Strack^)  und 
anderer  Kunsthistoriker  zum  erstenmale  an  dem  Triumphbogen  des  Titus  (70 
nach  Chr.)  beobachtet  worden  ist.  Die  doppelte  Reihe  von  Akanthusblättern, 
die  den  Kern  des  Kelchkapitells  straflf  umziehenden  schilfartigen  Blätter  ^),  die 
direkt  aus  dem  Eieretab  herauswachsenden  kleinen  verkrümmten  Voluten,  das 
Fehlen  des  Wulstes  der  jonischen  Kapitellfonn,  scheinen  der  römischen  Archi- 
tcctur  am  Rhein  und  der  Mosel  geläufig  gewesen  zu  sein,  wie  die  verhältniss- 
mässig  zahlreichen  Architecturreste  im  Provinzialmuseum  zu  Trier  und  dem 
Wallraf-Richarz  Museum  zu  Köln  beweisen. 

Es   ist    hier   eine  Reihe   von  Abbildungen  dieser  und   ähnlicher  Formen 


1)  Geschichte  der  Architektur. 

2)  Baudenkmäler  des  alten  Rom. 

3)  Vgl.  Hettner,  Die  römischen  Steindenkmäler  des  Prov.-Mus.  zu  Trier.  S.  205  f. 


Fundbericht  über  d.  Reato  der  ,Porla-Paphia"  bei  Niederleguug  ders.  im  Dea.  1897.     ICl 

beigefügt,  vou  denen  die  Trierer  Fundätticke  «lem  Kataloge  des  Provinzial-Mu- 
setima  dortselbst  entiioinmeD  worden  sind  ')■ 

Ea  müge  hier  zuerst  anf  Fig.  2  hingewiesen  weiden,  welche  ein  Kapitell 
xcigt,  das  nnter  Nr.  545  (V)  im  Kataloge  beschriebeu  nud  1879  in  Trier  nn- 
weit  des  Kaiserpalastes  gefunden  worden  ist.  Es  zeigen  sieb  auch  hier  die 
AkautbUBblätter  und  die  Schilfblattreibe,  überlagert  von  ilem  Pcrlstab  und  der 


Fig.  2.  Fig.  3, 

Ftlattwclle,  ans  welcher  die  Voluten  heranswacbsen.  Letztere  sind  abgebrochen, 
deren  Stiele  aber  noch  deutlich  zwischen  den  Cannelcn  sichtbar.  Viel  Ähn- 
lichkeit mit  rorstebender  Form  zeigt  das  Kapitell  Fig.  3,  welches  im  Kataloge 
nnter  Nr.  543  (V)  angegeben  ist.  Der  Fundort  ist  unbekannt.  Anstatt  des 
Perlstahes  ist  ein  mit  Blattürnanient  versehenes  Band  angebracht.  In  Fig.  4 
ist  eine  Form  verzeichnet,  welche  in  ihrem  Aufbau  viel  Ähnlichkeit  mit  dem 
oben    besproeheaen    Kölner    Kapitell    hat.      Dieselbe    ist     im    Kataloge    unter 


Fig:,  4.  Fig.  6. 

Nr.  542  (V)  beschrieben.  Die  Schilfblattreibe  fehlt  hier,  anstatt  des  schmalen 
Perlstaheß  ist  ein  breites  mit  Blattwerk  veraertes  Band  vorbanden.  Kleine 
Voluten  nnd  Rosetten  am  Abakus  waren  vorbanden.  Der  Fundort  ist  die  Pa- 
lastkaserne zu  Trier. 

Fig.  5  (Nr.  517  XI).     Bei  diesem  Kapitell  fehlt  der  untere  korinthische 


1)  Hettoer,  Die  römischen  SteindenkmfUer  im  Prov.-Mua.  iu  Trier.  —  Herrn 
ProfesHür  Dr.  Ilettner  miielilen  wir  aucli  nii  dieser  Stelle  für  die  freundliche  Übor- 
ItUBung  der  IjetrefTonden  Clicb^s  unsern  besten  Dank  nusspreclien.    Die  Red. 

JUirb.  <1,  Ver.  r.  AllerUiafr.  Im  Rlieiul.  103.  II 


CWr 


ri^6.    Amtk  Uer  tadrt  aeh  «c 
Pcrfatab  n4  BItftwtfc,  am  wdcAcr  dk  klexDes  Ygluai,  \ 
ciM  riddar  irt,  bCTTonradKa. 

AmA  n^.  7,  «tkhe  wiederm  ei>  FQMlCfk^ildl  lOBf,   ktf  dM 
IkiKefce  GotallaBK.    Die  SeUIfUittfäm  kt  dv«k  cä  ndon  rckkns 
ctMtcL    AjmUU  da  Perbtabcs  irt  cm  aä  decauttgeB  Bütten 
Bui  vorfcudoi.    [^  fficlitbaR  Une  Tetate  «ftcbt  av  des  Eientab  bawn. 

Ttg.  a  zeigt  eia  Kapitdl  na  uaitAMMmtem  Fndort  (Sr.  1<0  des  Kats^ 
logt),  wekbo  tnr  eine  Keibe  AkaaCiiaibtittCT  taSwöBL  Der  Iniwnkfifper 
Kspildb  irt  dorcb  einferitzle  Stiidbe  ä  BcbÜfblattifaaHcbe  ä(r«tfeB  e** 
da«  Bltnircrfc  iM  aaf  dai  KspAeOcB  mr  ^anz  lose  MTgel^  Aieh  Uv  wftcM 
die  kleine  Vtdale  au  dem  Eicntab  berror  md  filtt  kso»  Iber 
urier.  Etat  VetWaditag  der  Voluten  mit  den  Akaatknsblätteni  ist  M  keäner 
der  vorbeMbrielMAen  KapiteUfumco  irabrzmiebDea. 

Fig.  Ö  i'Nr.  103/164  den  KataJogs)  zeigt  eine  imter  Torgcfclmlteoe  Form 
dei  KspticUa,  im  dbrigeo  aber  bezOglieh  des  los«  aof  d^  Inornkürper  *af- 
gek^en  Hlaitwcrke«  cowie  der  eingerititei]  Srbilfhläner  Ähiiliciikcit  mit  d«r 
Form  yig.  H.    Die  Volnten  Bind  hier  grüner  nnd  dereo  Entwickelan^  ciDe  andere. 

Die  räfnikclie  strenge  CtitapfmiXtnTm  mit  dem  korinthiwheD  Evlch  nnd  detn 
«direbgehildeten'*  Aufsatz  der  j'toiscben  Form  kommt  iredef  bei  den  TriO'er 
iK»eb  Kßlner  l-'DDrIrn  vur,  aneli  findet  eicli  kein  einziges  jonisebea  Eapilell. 

Gberwiegeod  ivi  daa  Kurinl bisclie  Kapitell  rorkanden  nnd  namoolfieh 
In  Köln,  Mainx,  titnm  nod  Trier  iDcbrCacb   iu   aebr  sehDoer  Fonn 


Fuudboricilt  über  d.  Heule  der  „Poria-Paphia"  bei  Niedurlcguiig  dei 


n  Dez.  1897.     IG3 


Vergleicbt  luau  dieee  letztere  Thatsache  mit  dem  Änftreten  der  m  biiufig  mit 
iiiaiigelliaflem  KuusIgefUliI,  veraUudniBlos  nnd  uiiorganiscli  znsatiiiuengefligten 
Compositforiueii,  so  muss  sich  hier  die  Frage  attfdriiogeu,  ul)  mao  es  aas- 
Bcliliesslich  mit  entarteten  Schöpruugen  der  Spätzcit  oder  etwa  auch  mit  Übcr- 
gAQgsformen  zum  rötnisclieu  Coinpositkn|iitell  zn  lüun  tiat.  Leider  sind  die 
vorliaudenen  Quellen  bc/.llglioh  der  Fundorte  uud  Ilcrkinift  der  Areliitekturtetle 


Fig.  8.  Fig.  9. 

in  den  Museen  sehr  spärlich  und  nur  nocb  so  wenige  rOmischc  Baureste  in  sitn 
vorhanden,  dass  eine  Datierung  oder  eine  Feststellung  bezüglich  des  Ganges  der 
Entn-ickclang  der  römischen  Architektur  in  den  Rheiulanden,  wenn  Überhaupt 
möglich,  80  doch  mit  grossen  Schwierigkeiten  verbunden  sein  wird.  Vielleicht 
gibt  vorstellende  Mitteilung  die  Anregung,  der  Frage  in  weiteren  Kreisen  näher 
zu  treten  und  würde  damit  der  Zweck  derselben  erfüllt  sein. 


n.    Litteratur  und  Miscellen. 


a)Litteratar. 

1.  Das  Amphitheater  Vindonissa.  Verfasst  als  erste  vorläufige  Publikation  der 
Gesellschaft  pro  Vindonissa  von  Otto  Haus  er,  cand.  arch.  Staefa.  Buchdruckerei 
E.  GuU.   1898.   8».  16  S.  2  Tafeln. 

In  den  ersten  Abschnitten  dieser  kleinen  Schrift  wird  kurz  über  die  Geschichte 
und  die  Schicksale  von  Vindonissa  referiert,  dann  über  den  Gang  der  Ausgrabungen 
unter  der  Leitung  Hausers  im  Jahre  1897  berichtet.  Durch  dieselben  wurde  zunächst 
ein  Gebäude,  nach  den  Inschriften  ein  Heiligtum  des  Mars,  freigelegt;  dann  das  Amphi- 
theater erforscht,  dessen  Grundmauern  soweit  festgestellt  werden  konnten,  dass  eine 
Aufnahme  des  sehr  umfangreichen  Baues  möglich  war.  Von  diesen  Ausgrabungen 
soll  das  Büchlein  ein  kurz  zusammenfassendes  Bild  geben,  das  durch  die  beiden  bei- 
gegebenen Tafeln  mit  Plan  und  Aufrissen  erläutert  wird.  Für  alle  Einzelheiten  wird 
auf  die  grosse  Publikation,  die  Haus  er  in  Aussicht  genommen  hat,  verwiesen.  Dem 
Verfasser  ist  Dank  zu  sagen  dafür,  dass  er  durch  diese  rasche  vorläufige  Publikation 
auch  weiteren  Kreisen  Gelegenheit  gegeben  hat,  sich  über  die  Hauptftinde  zu  orien- 
tieren. Wichtige  Einzelfonde  waren  bei  dem  Charakter  des  Baues  ja  kaum  zu  er- 
warten. Um  so  erfreulicher  ist  ein  zufälliger  Fund  im  Theater,  der  uns  wieder  eines 
jener  Silbergefässe  mit  Reliefverzierung  im  Stile  der  „hellenistischen  Reliefbilder" 
geschenkt  hat,  von  denen  wir  schon  eine  ganze  Reihe  aus  den  Provinzen  besitzen. 
Die  Darstellungen  auf  dem  Griffe  der  Kelle  beschreibt  Hauser  auf  S.  12.  Das  Ge- 
fäss  trägt  den  Stempel:  0-  CALVIMERATORIS(sic!)  ANTO  -  SALONINI.  Hauser 
transscribiert  „mercatoris"  ohne  eine  Bemerkung  über  die  obige  Schreibung,  die  also 
wohl  nur  zu  den  auifallend  zahlreichen  Druckfehlern  und  Flüchtigkeiten  zählt,  die  das 
Buch  auszeichnen  und  in  der  abscliliessendcn  wissenschaltlichen  Bearbeitung,  in  wel- 
cher Haus  er  hoffentlich  auch  einen  etwas  anderen  Ton  anschlagen  wird,  vermieden 
werden  müssen.  Auch  die  Übersetzung  des  Stempels  wird  er  sich  dann  wohl  noch 
einmal  überlegen.  Leider  geht  aus  (Jiesem  Bericht  hervor,  dass  der  Verfasser  sich 
nicht  im  Einverständnis  mit  den  leitenden  Kreisen  der  Erforschung  der  Altertümer 
befindet.  So  erfreulich  es  ist,  dass  die  Arbeit  in  Vindonissa  energisch  in  die  Hand 
genommen  wird,  so  ist  doch  gerade  das,  was  wir  brauchen,  die  einheitliche  Erfor- 
schung der  Stätte  in  weitem  Umfange,  dadurch  gefährdet.  Man  kann  nur  hoflFen, 
dass  die  Zwistigkeiten  beigelegt  werden  und  dadurch  die  Arbeit  Hausers  in  den 
Rahmen  der  plaumässigen  Erforschung  Vindonissas  eingereiht  wird.  H.  D. 

2.  Artur  Engel  et  Raymond  Serrure,  Trait6  de  numismatique  moderne 
et  contemporaine.  Premiere  partie,  t^poque  moderne  (XVIe—XVIIIe  siöcles), 
363  iliustrations  dans  le  texte.  Paris  1897,  bei  Ernest  Leroux.  VIII  u.  611  Seiten, 
80.  20  Fr. 

Die  Verfasser  haben  1891  und  1894  die  ersten  Bände  der  Numismatik  des  Mittel- 


Llttoro-tTir. 


166 


altera  verörrenllkht.  welebe  ich  in  unseren  Jahrbüchern,  Heft  90  8.  183  und  Heft  » 
S.  238,  liosprochen  halns.  Ich  hahv  mich  durclt  hänHgeä  BemitKCn  von  der  Brauch- 
bni'keit  und  Zuverlilsäigkeit  dieser  Arbeiidii  immer  mühr  überzeugt  unil  kann  aag;en, 
dnNfi  ich  dem  dritten  und  iKitten  Bnudc  über  die  Münzen  des  Mittelalters,  welcher  die 
Zeit  des  s.  g.  breiten  Großcbens  behandeln  eollte,  mit  grosser  Erwartung  entgegen- 
nah.  An  Stelle  dieses  dritten  Bandes  erscbiea  nun  der  oben  angeführte  erste  Band 
über  die  neueren  Münzen,  der  zwar  nicht  dns  Erwartete,  aber  sehr  Willkommenes  und 
Gutes  bietet.  Etwas  abweichend  von  der  in  der  Geschichte  üblichen  Zeiteinteilung 
beginnt  dies  trait^  de  numiamntiqne  moderne  für  jedes  einzelne  Land  verschieden 
und  zwar  mit  dem  Zeitpunkt,  an  weichem  die  grossen  Silberstücke,  diu  Thaler 
u.  8.  w.  zuerst  in  die  Erscheinung  treten.  Ich  kann  dies  Vorgehen  nur  loben,  denn 
es  wird  dadurch  alles  ZusammengehGrige  zusammen  gelassen,  und  nicht  zerrissen, 
WAS  doch  gerade  für  die  Übersichtlichkeit  von  grossem  Werte  ist. 

Die  Urteile,  die  ich  von  Münzveratän digen  über  das  neue  Buch  gehört  habe, 
gehen  etwas  auseinander,  je  nachdem  der  Bflurteüer  im  Besitz  einer  grossen,  mit  Ver- 
stAndnis  sclion  von  früherer  Zeil  her  reich  ausgestatteten,  numismatischen  Bibliothek 
ist,  bezw.  eine  solche  zur  bequemen  Benutzung  erreichen  kann,  oder  nicht.  Jeder 
aber,  der  nicht  in  der  glücklichen  Lage  ist,  eine  solche  Bibliothek  zur  Verfügung  «u 
haben,  wird  das  Buch  mit  grosser  Freude  hegrüssen,  denn  —  und  hierin  erblicke  ich 
den  Hauptwert  des  traitä  de  nnmismatique  moderne  —  es  macht  eine  ganze  Bi- 
bliothek überflüssig.  Der  Sammler,  der  heute  in  der  Lage  ist,  eine  numlsmatischo 
Bibliothek  einzurichten,  heute,  wo  viele  dui'chans  ni)lhigen  Bücher  im  Buchhandel 
vergrifTen  und  nur  antiquarisch  zu  oft  recht  unvernünftigen  Preisen  erworben  wer- 
den können,  wird  sich  sehr  freuen,  wenn  ihm  hier  alles  unumgänglich  Nötige  für  die 
betreffende  Zelt  zu  einem  massigen  Preise  geboten  wird.  Will  Jemand  SpezialStudien 
über  ein  bestimmtes  Land  treiben,  und  sollte  ihm  das  Gebrachte  doch  nicht  genügend 
erscheinen,  so  bieten  die  jeder  Abteilung  nnd  Unterabteilung  beigegebenen  Litteratur- 
übersichten  auch  hierfür  sehr  geeignete  Fingerzeige. 

Dasa  auch  diesem  Bande  ein  ntphabetisches  Register  fehlt,  ist  ein  sehr  grosser 
Ühelstaad  (Heft  95  S.  539),  und  hier  noch  mehr  als  in  den  Bünden  über  das  Mittel- 
alter. Ein  Beispiel  wird  dies  klarer  machen  :  Die  Herren  Verfasser  haben  für  Deutsch- 
land die  Einteilung  in  10  Kreise  zu  Grunde  gelegt,  wie  sie  unter  Maximilian  L  nach 
früheren,  teilweise  gescheiterten  Versuchen  fest  begründet  wurde.  Nach  dieser  Ein- 
teiinng  gehört  nun  das  Kurfürstentum  Köln  zum:  Untern  Rhein-Kreise,  wlihrend  die 
Stadt  Köln  sum  Westfälischen  Kreise  gerechnet  wird;  und  so  finden  wir,  volletKndig 
folgerichtig,  die  Münzen  von  Kurköln  S.  144-147  nnd  die  BtadtkölniKchen  S.252  und 
253  behandelt.  Man  wird  mir  aber  zugeben,  dass  mancher  Sammler  —  und  für  diese 
scheint  mir  das  Buch  vorzugsweise  zum  Gebrauch  und  zur  Information  berechnet  — 
nicht  über  die  geschichtlichen  Detailkeuntnisse  verfügt,  welche  nöthig  sind,  um  hier 
das  Gesuchte  ohne  Mühe  und  ohne  ^  Register  zu  finden. 

Die  Regentenreihen  sind  bei  den  einzelnen  L.^ndern  und  LSndchen  übersicht- 
lich geordnet,  die  als  Mänzherren  auftretenden  Namen  durch  einen  beigedruckten 
Stern  besonders  hervorgehoben.  Bei  den  Regentenfamilien,  welche  in  viele  Linien 
geteilt  auftreten,  ist  die  Entwicklung  der  Dinge  durch  eine  klare  schematischc  Zeich- 
nung  erläutert,  wie  a.  B,  bei  Sachsen  S,  990,  bei  Reusa  S.  3)0  nnd  vielen  anderen, 
Viele  Monogramme  sind  S.  134  aufgelöst.  Besonders  interessante  Mtinsen  wurden  ab- 
gebildet und  manche  in  oft  geradezu  tollen  Abkürzungen  gtiprägteo  Umschriften  er- 
lUutnrt;  auch  hierfür  möchte  ich  einige  B«ispiele  anführen.  (Die  Ergänzungen  in 
Klammern) : 

C(lemen8)  A(ugn8tus)  D(üi)  0[ratia)  A{rcht)  E(piscöpus)  C(oloniensia)  S(acri) 
R[omani)  limpcril)  P(cr)  I(taliam)  A(i'chi)  C(anceUriufi)  ET  Eflector)  M(agni)  Mfagisterü) 
P(erl  B(orussiam)  A(dmi nistrat or)  O(rdiniB)  T(«utoniei)  P{er)  G(ermanianiJ  E(t)  I(laliam) 
S(upremu3)    Mtagister)    E(plscopas)    M(ona.sleriensiB]     U(itdesieusis)    r(aderbomcusis) 


166  LItteratur. 

V(triu8qTio)  B(avariae)  S(uperiori8)  P(alatinatu8)  A(ngariae)  ET  W(estphallae)  D(ux). 
(S.  136.)  Als  zweites  Beispiel  wähle  ich  einen  Thaler  von  Maria  von  Jever:  MARIA 
G(eborne)  D(ochter)  V(nd)  F(räulein)  TO  lEVER  RV(ßtringen)  OS(tringen)  WA(ngerland). 
S.  235. 

Sehr  sorgfältig  wurden  die  verschiedenen  Münzsysteme  entwickelt  und  der  Wert 
der  einzelnen  Stücke  zur  Zeit  ihres  Umlaufes  klargestellt,  dagegen  vermisse  ich  Hin- 
weise auf  den  heutigen  Handelswert  der  besprochenen  Münzen.  Ich  bin  weit  davon 
entfernt  zu  wünschen,  dass  nach  dem  Vorgange  von  Mionnet,  Cohen,  Sabatier 
und  anderen  für  jede  Münze  ein  genauer  Handelswert  angegeben  werde.  Abgesehen 
davon,  dass  durch  diese  Mitteilungen  ein  Werk,  welches  die  Müuzthätigkeit  aller 
Kultur-Staaten  während  mehrerer  Jahrhunderte  umfasst,  viel  zu  umfangreich  werden 
würde,  so  läuft  bei  diesen  Schätzungen  auch  so  viel  Unzuverlässiges  und  Willkür- 
liches mit  unter,  dass  ich  darauf  keinen  zu  grossen  Wert  lege.  Dagegen  wären  ein- 
zelne Notizen  über  die  Preise,  welche  besonders  interessante  Münzen  in  bekannten 
und  genau  zu  bezeichnenden  Auktionen  erzielt  haben,  sehr  erwünscht.  Das  Vorgehen 
würde  jetzt  folgendes  sein  müssen :  nachdem  man  eine  Münze  mit  Hülfe  des  Buches 
bestimmt  hat,  muss  man  in  den  verschiedensten  Verkauf-Katalogen  nachsuchen,  um 
über  den  heutigen  Wert  einigen  Anhalt  zu  gewinnen.  Je  seltener  die  Münze  ist,  um 
so  zeitraubender  wird  dies  Beginnen  werden,  denn  leicht  kann  es  vorkommen,  dass 
man  das  Gesuchte  erst  im  zwanzigsten  oder  dreissigsten  Katalog  findet.  Dies  würde 
durch  die  gewünschten  Notizen  aber  vermieden  werden. 

Das  Buch  auf  etwaige  kleine  Fehler  zu  prüfen,  muss  ich  für  jetzt  unterlassen, 
da  mir  für  eine  solche  Durchsicht  Zeit  und  Litteratur  fehlt;  nur  die  Besprechung  der 
Kur-Kölnischen  Münzen  und  die  der  nächstliegenden  Territorien  habe  ich  darauf  hin 
durchgesehen,  und  ist  mir  dabei  aufgefallen,  dass  S.  145  der  bekannte  Kurfürst  Sa- 
lentin  von  Köln  1562—1668  nicht  Salentin  von  Isenburg,  sondern  S.  von  Salm  genannt 
wird,  ein  Vorkommen,  welches  auf  ein  Versehen  zurückzuführen  sein  dürfte.  Noch 
eines  möchte  ich  bemerken:  auf  S.  424  und  425  werden  bei  Tassarolo  und  den  Be- 
sitzungen der  Familie  Doria  die  Imitationen  der  Silberstücke  der  Prinzessin  Anna 
Maria  Louise  von  Dombes  besprochen  und  abgebildet.  Dies  interessirte  mich  und 
ich  blätterte  deshalb  zurück,  um  auf  S.  46  ff.  unter:  Dombes  die  Original-Typen  zu 
suchen,  fand  hier  aber  auch  die  Kopien  reproduziert  —  ich  meine,  an  letzterer 
Stelle  wären  Abbildungen  der  Originale  am  Platze  gewesen. 

Aber  solche  kleine  Ausstellungen  sollen  den  gediegenen  Wert  des  Buches  nicht 
beeinträchtigen;  jeder  der  neuere  Münzen  sammelt,  oder  dieselben  für  andere  Wissen- 
schaften verwerten  will,  wird  in  dem  traitc  u.  s.  w.  eine  reiche  Fundgrube  für  wissens- 
werte Aufschlüsse  erkennen. 

van  Vleutcn. 


3.     W.  Brüll,  Chronik  der  Stadt  Düren.    Mit  12  Holzschnitten  und  einem  litho- 
graphirten  Stadtplan.    Düren.   L.  Vetter  &  Co.    8^.  234  S. 

Diese  Chronik  bildet  im  Wesentlichen  „eine  zusammengedrängte  Sichtung  und 
Neubearbeitung**  der  in  den  Jahren  1835  —  1854  in  Düren  erschienenen  „Sammlung  von 
Materialien  zur  Geschichte  Dürens  und  seiner  nächsten  Umgebung",  welche  von 
M.  M.  Bonn,  D.  Kumpel  und  P.  J.  Fischbach  verfasst  wurde.  Wenn  nun  auch, 
wie  der  Verfasser  sagt,  „hierbei  auf  Grund  weiterer  Forschungen,  sowohl  für  die 
ältere  wie  die  neuere  Zeit,  manches  hinzugefügt  und  ergänzt  werden  konnte,  so  soll 
diese  Chronik  doch  auch  nur  erscheinen,  als  Vorarbeit,  niimlich  als  erster  Versuch 
einer  Disposition,  deren  einzelne  Teile  weitere  Ausarbeitung  ebenso  erheischen  wie 
verdienen**.  Brüll  hofft,  die  bereits  1895  begonnene  Ordnung  dos  Stadtarchivs  werde 
lür  die  Zeit  nach  der  Zerstörung  Dürens  vom  Jahre  1543  späterhin  hierfür  noch  reiche 
Ausbeute  liefern.     Die  Arbeit  ist   in    acht  Abschnitte  eingeteilt,    welche    behandeln: 


Miscellen.  167 

Düren  zur  Römerzeit,  den  Ort  in  Fränkisch-Karlingischer  Periode,  den  Ort  als  freie 
Reichsstadt  (?),  die  Statt«  anter  der  Herrschaft  der  Herren  von  Jülich,  den  Landesteil 
unter  pfalz  -  neuburgischer  Herrschaft,  Düren  unter  pfalz  -  sulzbachscher  Herrschaft, 
Düren  dargestellt  unter  französischer  Herrschaft,  Düren  unter  prcussischer  Herrschaft. 

Constantin  Koenen. 


b)  Miscellen. 

1.  Coblenz.  Römerstrasse  und  Meilenstein  mit  Inschrift  an  der- 
selben. Herr  Constantin  Koenen  stellt  der  Rednction  folgenden  Bericht  zur  Ver- 
fügung, welchen  der  Hochbau-Techniker  der  Stadt  Coblenz,  Herr  A.  Günther,  ihm 
mitgeteilt  hat  d.  d.  Coblenz  6.  Juli  1898:  Ende  verflossener  Woche  wurden  auf  dem 
Baugrundstücke  des  Lehrers  Zimmermann  zu  Coblenz  am  Engelsweg,  südlich  des 
Löhrthores,  von  letzterem  ca.  970  m  entfernt,  bei  der  Ausschachtung  der  Kellergrube 
zwei  Säulen  aus  Kalkstein  aufgedeckt.  Sobald  ich  davon  erfuhr,  ging  ich  am  Montag 
Morgen  nach  der  Baustelle  und  fand  die  südliche  Säule  noch  senkrecht,  zur  Hälfte 
im  Boden  steckend  stehen,  während  die  nördliche  bereits  von  den  Arbeitern  heraus- 
genommen war.  Von  dem  Maurerpolier  konnte  ich  jedoch  genaue  Angaben  über 
ihren  Standort  erhalten. 

Die  beiden  Säulen  standen  auf  der  Westseite  des  Weges,  von  letzterem  30^/^  m, 
von  einander  0,.^0m  entfernt.  Die  nördliche  Säule  bestand  aus  dem  vierkantigen 
Unterteil  von  60  cm  Höhe  und  44  cm  Wandseito  und  dem  cylindrischon  Schaft  von 
1,30  m  Höhe  mit  42— 44  cm  Durchmesser,  ziemlich  rauh  bearbeitet,  an  der  Westseite 
abgeplattet,  auf  der  Nordseito  mit  einer  7V2  c>^  breiten,  2  cm  tiefen  senkrechten  Rille, 
auf  der  Ostseite  glatt,  auf  der  Südseite  mit  senkrechtem  Wulst  entsprechend  der  Rille 
auf  der  Nordseite,  so  dass  es  den  Anschein  gewinnen  kann,  als  ob  dieselbe  nicht 
fertig  gestellt  sei,  bezw.  aus  altem  Material  hergerichtet  werden  sollte.  Eine  Inschrift 
fand  sich  darauf  nicht  vor.  Der  Oberteil  der  Säule  steckte  1,85  m  unter  der  Boden- 
oberfläche. 

Die  andere  südliche  Säule  ist  vollständig  regelmässig  bearbeitet,  Sockel  75  cm 
hoch,  unten  50,  oben  47  cm  Waudseite,  der  Schaft  1,45  m  hoch  mit  45—48  cm  Durch- 
messer. Auf  der  Ostseito  flndet  sich,  in  schönen  Buchstaben  eingehauen,  folgende 
Aufschritt: 

—     V 
\  E  S  A  R  C]aesar 

0  N  T  M  A  :  :  I  B  pjont.  ma[x.  tr]ib. 

P  OTIIIIIMP  VIII  pot.  IV  imp.  VIII 

C  0  S  D  ESI  G  IUI  P  P  cos.  desig.  IV  p.  p. 

ABMOGMP  ab  Mog(untiaco)  m(ilia)  p(assuum) 

LIX  LIX 

Die  Buchstabenreihe  AESAR  begann  20  cm  unter  dem  beschädigten  Kopfende,  nach 
den  Spuren  —  V  stand  über  derselben  noch  eine  oder  mehrere  Zeilen.  Die  Buch- 
stabenhöhe der  ersten  lesbaren  Zeite  AESAR  ist  =  7  cm,  der  zweiten  6Va»  der  dritten 
7,  der  vierten  und  fünften  6Vacm,  der  Zahl  LIX  =  UV^cm.  Diese  6  Zeilen  zusammen 
nehmen  eine  Höhe  von  64  cm  ein. 

Der  Kopf  dieser  SUuIe  steckte  1,60  m  unter  Bodenoberfläche. 

Von  dem  Eigentümer  des  Grundstückes,  Herrn  Zimmermann,  Hess  ich  mir  die 
beiden  Meilensteine  für  das  Museum  des  Schölfenhauses  schenken   und  veranlasste 


168  Miscellen. 

darauf  sofort  .das  vollsiändige  Ausheben  des  südlichen  und  den  Transport  beider 
nach  dem  Schöffenhaus.  Um  auch  die  Strasse  feststellen  zu  können,  Hess  ich  gleich- 
zeitig einen  Graben  in  östlicher  Richtung  anlegen,  es  fand  sich  aber  keine  Pflasterung, 
sondern  in  IVs  ^  Abstand  von  der  Säule  ein  5,00  m  breiter  Kiesweg,  dessen  obere 
Schichte  aus  10  cm  hoher  Kieslage,  die  untere  aus  einer  15  cm  hohen  Mischung  von 
Kies  und  Lehm  bestand. 

Zu  erwähnen  ist  noch,  dass  sich  auf  Schloss  Stolzenfels  der  56.  Meilenstein  be- 
findet, welcher  s.  Z.  bei  Capellen  aufgefunden  wurde. 

2.  Zur  Etymologie  der  Matronae  Fachinehae  (Fachineihae,  Fahi- 
neihae).  Die  auf  den  bei  Zingsheim  (vgl.  diese  Jahrbb.  96/97,  S.  156  ff.)  und  Eus- 
kirchen (Jahrbb.  102  S.  180  f.)  gefundenen  Inschriftsteinen  vorkommenden  Matronen- 
namen Fachinehae,  Fachineihae,  Fal^ineihae  hangen  wahrscheinlich  mit  dem  Namen 
des  Feybachs  (Feibachs,  Veibachs)  zusammen.  Der  Zingsheimer  Fundort  liegt  von  der 
Quelle  dieses  Baches  ungefähr  4  km  südöstlich,  der  Euskirchener  von  seiner  Mündung 
in  die  Erft  etwa  2  km  südwestlich  entfernt.  An  dem  Bache  selbst  oder  in  dessen 
unmittelbarer  Nähe  liegen  in  der  Reihenfolge  von  Süden  nach  Norden  die  Dörfer 
bezw.  Burghäuser  Urfey,  Eiserfey,  Burgfey,  Katzfey,  Satzvey  und  Veinau.  Streicht 
man  die  bei  Matronennamen  nicht  selten  vorkommende  Endung  -nehae  (neihae)  ab, 
so  deckt  sich  der  übrig  bleibende  Stamm  Fachi  (Fahi)  genau  mit  Fei.  Letzterer 
Name  aber  soll  nach  K.  Simrock  (Handbuch  der  Deutschen  Mythologie,  4.  Aufl., 
S.  345;  vgl.  Freudenberg  in  diesen  Jahrbb.  18,  128»  f.)  identisch  sein  mit  Fee, 
welches  nach  Grimm  D.  W.  nach  dem  frz.  f6e  aus  fata  entstanden  ist,  wie  n^e, 
arm6e  aus  nata,  armata.  F.  Kluge,  Etymolog.  Wörterbuch  der  deutschen  Sprache, 
5.  Aufl..  S.  101  führt  dafür  aus  dem  Jahre  1588  noch  „Fay,  Veh,  Fäh,  Fein,  Feinin" 
an,  womit  auch  engl,  fay,  fairy  stimmen. 

Volksetymologische  Anlehnung  an  ital.  gemeinroman.  fata  (eigentlich  „Schicksals- 
göttin^  zu  lat.  fatum)  wird  umsomehr  zuzugeben  sein,  als  hierzu  einigermassen  auch 
sachlich  die  von  E  i  c  k.  Die  römische  Wasserleitung  aus  der  Eifel  nach  Köln,  S.  53  f. 
mitgeteilte  Sage  von  der  „Juffer  Fey**  passt,  aber  vom  sprachwissenschaftlichen  Stand- 
punkte aus  erregt  mir  doch  das  Fehlen  der  in  Fachi  (Fahi)  enthaltenen,  in  fata  (fatum) 
fehlenden  Gutturalis  die  schwersten,   um  nicht  zu  sagen  unüberwindliche  Bedenken. 

Ich  glaube  vielmehr,  dass  Fach  (Fah)  dasselbe  Wort  ist  wie  Bach.  Für  die  hier- 
durch entstehende  Tautologie  in  Feybach  giebt  es  zahlreiche  Analogieen,  z.  B.  Erft  = 
urkundi.  Arnapa  (Arnus  von  der  Sanskrit- Wurzel  sru,  daher  srav-ftmi,  tiiesse;  apa, 
Wasser;  t  ist  unorganisch).  Wegen  der  Lautverschiebung  von  F  zu  B  vgl.  Grimm 
a.  a.  O.  I  Sp.  1049  ff.  und  wegen  der  Ableitung  von  Bach  ebendaselbst  Sp.  1057. 

Kempen  (Rhein).  Dr.  Pohl,  Gymnasialdirector. 

3.  MertenbeiEitorf.  In  den  letzten  Tagen  wurden  auf  dem  Besitzthum 
des  Gastwirts  Wilh.  Werner  die  Reste  einer  Wasserleitung  ausgegraben.  Dieselbe 
besteht  aus  60  cm  langen,  mit  der  Hand  in  der  einfachsten  Weise  angefertigten,  in 
einander  gesteckten  Thonröhren.  Die  Leitung  hatte  den  Zweck,  die  neben  dem  ehe- 
maligen Kloster  liegenden  uralten  Befestigungen  mit  frischem  QucUwasser  zu  ver- 
sehen und  gleichzeitig  die  Wallgraben  mit  Wasser  gefüllt  zu  halten. 

(Bonner  General-Anzeiger  29.  April  1898.) 


Berichte  über  die  Thätigkeit 

der  Provinzialkommission  für  die  Denkmalspflege  in  der 

Rheinprovinz, 

der  Provinzialmuseen  zu  Bonn  und  Trier, 

der  rheinischen  Kunst-  und  Qeschichtsvereine 

und 

Über  die  Vermehrung  der  städtischen  und  Vereins- 
sammlimgen  innerhalb  der  Bheinprovinz  1898. 


Vorbemerkung. 

Der  vorliegende  dritte  Bericht  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmal- 
pflege umfasst  die  Ereignisse  im  Verwaltungsjahre  1897/98.  Die  Referate  über 
die  einzelnen  Restaurationsarbeiten  sind  wie  bisher  von  den  Leitern  der  Wieder- 
herstellungsarbeiten  und  dem  Provinzialconservator  auf  Grund  des  amtlichen 
Materials  verfasst  worden.  Nur  einzelne  grössere  Restaurationen,  bei  denen  es 
sich  um  knnstgeschichtlich  besonders  wichtige  Denkmäler  handelt  und  die 
durch  die  dabei  gemachten  Erfahrungen  für  ähnliche  Arbeiten  von  Wert  sind, 
sind  hier  zur  Darstellung  gekommen.  Über  die  Wiederherstellung  des  Domes 
zu  Trier  soll  der  nächste  Jahresbericht  ein  ausführliches  Referat  bringen, 
ebenso  über  die  Arbeiten  an  der  Liebfrauenkirche  zu  Trier,  an  den  ehemaligen 
Stiftskirchen  zu  Hochelten,  Nideggen,  Mayen,  den  Kirchen  zu  Niedermendig, 
Kreuznach,  Trechtingshausen.  Die  Darstellungen  der  Thätigkeit  der  beiden 
Provinzialmuseen  enthalten  die  offiziellen  an  den  Herrn  Landeshauptmann  der 
Rheinprovinz  seitens  der  Herren  Museumsdirektoren  erstatteten  Verwaltungs- 
berichte. Nach  einem  Beschluss  des  Provinziallandtages  werden  die  gesamten 
Berichte,  die  gleichzeitig  auch  in  den  Jahrbüchern  des  Vereins  von  Altertums 
freunden  im  Rheinlande  abgedruckt  werden,  auch  den  Mitgliedern  des  Pro- 
vinziallandtages und  den  Königlichen  Behörden  der  Rheinprovinz  zugänglich 
gemacht. 

Bonn,  im  August  1898. 

Der  Provinzialconservator  der  Rheinproviuz 

Giemen. 


170  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 


Bericht  Über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission  für  die  Denkmal- 
pflege in  der  Rheinprovinz  vom  I.  April  1897  bis  31.  März  1898. 


In  der  ZnsammeDSCtznng  der  Provinzialkonimission  fttr  die  Denkmalpflege 
ist  im  Rechnungsjahre  1897/98  eine  Veränderung  nicht  eingetreten.  Die  Kom- 
mission ist,  wie  üblich,  zweimal,  im  Sommer  und  im  Frühjahr  zusammen- 
getreten, am  27.  Juli  1897  unter  dem  Vorsitz  des  Vorsitzenden  des  Provinzial- 
ausschusses,  Herrn  Landrats  a.D.  Janssen  und  am  23.  März  1898  unter  dem 
Vorsitz  des  stellvertretenden  Vorsitzenden  des  Provinzialausschusses,  Herrn 
Grafen  Beissel  von  Gymnich. 

In  der  Sitzung  vom  27.  Juli  1897  wurden  aus  dem  zur  Verfügung  des 
Provinzialausschusses  stehenden  Etatsbetrag  fttr  Kunst  und  Wissenschaft  be- 
willigt: 

Für  die  Instandsetzung  des  alten  Holzhauses  zu  Bacharach  (Kreis  St.  Goar) 
2100  M.,  für  die  Erhaltung  eines  romanischen  Portals  an  der  Pfarrkirche  zu 
Olpe  (Kreis  Wipperfürth)  500  M.,  zur  Vollendung  der  Instandsetzungsarbeiten 
der  Chorruine  zu  Heisterbach  (Siegkreis)  550  M.,  für  Restaurationsarbeiten  am 
Kreuzgang  und  Kapitelhause  zu  Garden  (Kreis  Cochem)  1500  M.  als  erste  von 
zwei  gleichen  Raten,  zur  Restauration  der  Pfarrkirche  zu  Cronenburg  (Kreis 
Schleideu)  2000  M.,  zur  Instandsetzung  der  St.  Mauritiuskapelle  zu  Mülheim 
(Kreis  Coblenz)  2600  M.,  zur  Herstellung  des  Turmes  der  römischen  Wacht- 
station  an  dem  Limes  auf  dem  Hormorgcn  bei  Sayn  (Kreis  Coblenz)  700  M., 
für  Reparaturarbeiteu  an  der  Burgruine  Hartelstcin  in  der  Eifcl  (Kreis  Prüm) 
100  M.,  für  das  Einmauern  einer  Grabplatte  in  der  Kirche  zu  Weyer  (Kreis 
Schieiden)  75  M.  Ausserdem  sprach  die  Kommission  ihre  Bereitwilligkeit  aus, 
für  die  Restauration  der  katholischen  Pfarrkirche  in  Crancnburg  (Kreis  Cleve) 
die  Summe  von  10000  M.  bei  dem  nächsten  Provinziallaudtag  zu  beantragcu. 
Für  den  Erwerb  einer  grösseren  Zahl  von  Originalaufuahmen  rheinischer  Denk- 
mäler von  dem  jetzigen  Dombaumeister  Arntz  zu  Strassburg  i.  E.  für  das 
Denkniälcrarchiv  wurde  weiterhin  die  Summe  von  992,50  M.  bewilligt  und 
dem  Proviuzialcouservator  zu  den  laufenden  Erwerbungen  für  das  Denkmäler- 
archiv ein  Jahreskredit  von  300  M.  zur  Verfügung  gestellt.    Dem  Architekten- 


für  die  Denkmalspflege  tn  der  Rheinpi'ovinis, 


171 


und  Ingenieur-Verein  fUr  Nieilerrhein  und  Westfalen  zu  Küln  wurJe  für  die 
Poblikation  eines  Werkes  über  die  älteren  Kölner  Privathänscr  die  Swinnie  von 
KX)0  M.  bewilligt  und  500  M.  fUr  das  näichste  Jahr  in  Außsicht  gestellt. 

In  der  Sitzung  vom  23.  Mär/.  1898  wurden  ebenso  aus  dem  EtatBlwtrÄgo 
fllr  Kunst  uud  Wissenschaft  bewilligt: 

Für  den  Enveib  des  Johannisaltars  in  der  Kircbe  zu  Lindern  (Kreis 
Geilenkirchen)  and  seine  Anfstellung  im  Provinzialmuseum  zu  Bonn  900  M., 
für  die  weitere  WiederberBtellnng  des  Uoclikreuzes  auf  dem  Kirchhofe  in 
Brauweiler  175  M.,  für  die  Restauration  eines  Renaissauce-Bildstockes  bei 
Ippendorf  {Kreis  Bonn)  250  M.,  fUr  die  Wiederherstellung  der  Grabdenkmäler 
der  (irafen  von  Nassan-SaarbrUckcn  in  der  Sehlosskirobo  7.u  Haarbrllekcu  und 
zur  Herslelhing  grosser  Aufnahmen  derselben  1200  M.,  für  die  Erhaltung  des 
Chores  der  ehemaligen  Pfarrkirehe  zu  Üattcnberg  (Kreis  Neuwied)  6iX)  M.,  zur 
Vollendung  der  Wiederherstellungsarbcilen  an  der  alten  Pfarrkirehe  zu  Köln- 
Niehl  3000  M.  (dazu  824  M.  für  die  nileliste  Sitzung  zugesichert),  für  die 
äicherung  nnd  Instandsetzung  des  Turmes  der  alten  Kirche  zu  Serrig  (Kreis 
Saarbarg]  400  M.,  für  die  Sicherung  nnd  Instandsetzung  der  Vorburg  der 
Burgruine  Gerolstein  (Kreis  Daun)  1200  M.,  für  die  Instandsetzung  des  Berg- 
friedes der  Bnrg  Hartelstein  eine  weitere  Beihilfe  von  löO  M.,  für  die  Wieder- 
hei'stcUnng  den  Kreuzganges  nnd  des  Kapitel  banges  zu  Garden  (Kreis  Coehcm) 
weitere  1500  M.,  für  dringliche  Sicherungaarbeiten  an  der  Kloeterruine  zn 
SehSnstatt  (Kreis  Gohlenz)  400  M.,  zum  Abscbluss  der  WiederherBtcIlnngs- 
arbeiten  an  der  evangelischen  Kirche  za  ItDebaraeb  (Kreis  St.  Goar)  700  M. 
Ausserdem  wurde  für  die  Anfertigung  von  Anfnahnien  mittelaltcriiolier  Wand- 
malereien in  der  Kheinprovinz  dem  Proviunialcouservator  ein  weiterer  Credit 
von  2000  M,  zur  Verfügung  gestellt. 

Die  Provinzialkooiniission  nahm  in  ihren  Sitzungen  aneb  mederbolt 
Stellung  -/.n  Einzelfragen,  in  denen  es  sich  um  die  Bedrohung  wichtiger  Mo- 
numente handelte.  In  der  ersten  Sitzung  wurde  über  das  Projekt  berichtet, 
auf  dem  vorderen  Schlossbof  der  erzbi schMiehcn  Burg  zu  Andernach  den 
Neubau  eines  Amtsgerichtsgebäudes  zu  errichten,  ein  Projekt,  gegen  das  bis* 
her  die  Denkmalpflege  vergeblich  ankämpfte.  Die  Pro^Hnzialkominission  sprach 
sich  einstimmig  dahin  aus,  dass  die  Ausführung  dieses  Planes,  durch  die  der 
Eindruck  der  Kuinen  daaernd  beeinträchtigt  würde,  im  Interesse  der  Denkmal- 
pflege mögliebst  zu  verhindern,  und  dasa  der  projektierte  Neubau  an  anderer 
Stelle  zu  errichten  sei.  Die  Bemühungen  nach  dieser  Richtung  haben  unter- 
dessen den  erhofften  Erfolg  gebäht:  der  Justizflskus  bat  den  Plan,  innerhalb 
des  Burgterraius  den  Neubau  aufzuführen,  endgllltig  aufgegeben. 

In  der  zweiten  Sitzung  nahm  die  rruvinzialkommiseion  ebenso  Kenntnis 
von  dem  bedauerlichen  Vorgehen  des  Kircheuvurslandes  zu  Oberwesel,  der  den 
wertvollen  Renaissance  Altaraufsatz  Über  dem  Ilochatlare  der  Liebfrauenkirche 
(fllr  deren  Wiederherstellung  Seitens  des  Provinziallandtjiges  die  Hälfte  der 
Kosten,  20000  M,,  bewilligt  worden  waren)  beseitigt  hatte  und  ihn,  weil  er 
.ngcblicb   nicht   zun]  Stil    der  Kirche    passe,    wicderaufzustelien    sieh    (lauernd 


172  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

weigert,  obwohl  er  sieh  mit  diesem  Widerstand  im  Gegensatz  zu  allen  Behörden, 
auch  den  kirchlichen,  befindet.  Auch  hier  nahm  die  Provinzialkommission 
gegen  diese  Beeinträchtigung  des  Bauwerkes  und  gegen  den  falschen  und 
längst  überwundenen  Standpunkt  der  Stileinheit  Stellung.  Der  Provinzialaus- 
schuss  hat  in  seiner  Sitzung  vom  17.  Mai  sich  noch  weiter  mit  dieser  Ange- 
legenheit  befasst  und  dem  Kirchenvorstaud  eröffnet,  dass  bei  fortgesetzter 
Weigerung,  dem  berechtigten  Verlangen  der  Provinzialverwaltung  zu  entsprechen, 
von  einer  Unterstützung  aus  Provinzialfonds  für  die  weitere  Wiederherstellung 
der  Liebfrauenkirche  oder  anderer  der  Kirchengemeinde  gehörender  kirchlicher 
Bauwerke  nicht  mehi-  die  Rede  sein  könne. 

Neben  dem  grossen  unternehmen  der  Denkmälerstatistik  der  Rheinprovinz, 
das  seit  9  Jahren  unter  der  Leitung  einer  eigenen  Kommission,  an  deren  Spitze 
der  Herr  Geh.  Justizrat  Professor  Dr.  Loersch  steht,  durch  den  Provinzial- 
conservator  durchgeführt  wird,  sind  seitens  der  Provinzialkommission  zwei 
einzelne  Veröffentlichungen  bestimmter  Denkmälergruppen  gefördert  worden, 
die  die  Denkmälerstatistik  zum  Teil  ergänzen  und  entlasten  sollen. 

Zunächst  ist  eine  besondere  Veröffentlichung  der  kunstgeschichtlich  ausser- 
ordentlich wertvollen  und  von  Jahr  zu  Jahr  mehr  verschwindenden  älteren 
Privathäuser  der  Stadt  Köln  in  Anregung  gebracht  worden.  Der  Architekten- 
und  Ingenieurverein  für  Niederrhein  und  Westfalen  hat  diese  Publikation  auf 
sich  genommen.  Den  Grundstock  bildet  eine  Sammlung  von  etwa  60  Auf- 
nahmen älterer  Privathäuser,  die  in  den  Jahren  1893—1896  durch  den  jetzigen 
Münsterbaumeister  zu  Strassburg,  Herrn  Arntz,  angefertigt  worden  sind:  die 
Aufnahmen  sind  Eigentum  des  Denkmälerarchivs  der  Rheinprovinz,  werden 
aber  dem  Verein  für  die  geplante  Veröffentlichung  zur  Verfügung  gestellt.  Die 
neu  herzustellenden  Aufnahmen  sind  von  Mitgliedern  des  Architektenvereins 
bereitwilligst  übernommen  worden.  Für  die  auf  rund  7000  M.  berechneten 
Kosten  der  Herstellung  hat  der  Provinzialausschuss  die  Summe  von 
1500  M.  bewilligt,  der  gleiche  Betrag  ist  seitens  der  Stadt  Köln  zugesagt 
worden. 

Daneben  ist  eine  monumentale  Veröffentlichung  der  mittelalterlichen  Wand- 
malereien in  den  Rheinlanden  ins  Auge  gefasst  worden.  Der  Provinzialaus- 
schuss hat  bereits  seit  einer  Reihe  von  Jahren  dem  Provinzialconservator,  der 
auch  diese  Publikation  vorbereitet,  die  Mittel  zur  Anfertigung  von  Kopien  und 
Pausen  dieser  Wandmalereien  als  der  nötigen  Vorlagen  zur  Verfügung  gestellt 
und  noch  in  der  letzten  Sitzung  wieder  einen  Credit  von  2000  M.  für  diese 
Zwecke  bewilligt.  Die  Kosten  für  die  Veröffentlichung  und  insbesondere  die 
farbige  Wiedergabe  einer  Reihe  von  Tafeln  werden  für  die  romanischen  Wand- 
malereien bis  zum  J.  1250,  deren  Herausgabe  zunächst  allein  beabsichtigt  ist, 
gegen  25000  M.  betragen.  Die  Veröffentlichung  wird  unter  die  Publikationen 
der  Gesellschaft  für  rheinische  Geschichtskunde  aufgenommen  werden,  den 
grössten  Theil  der  erforderlichen  Mittel  hat  ein  bekannter  rheinischer  Mäcen 
zur  Verfügung  gestellt. 

Von  grösseren  Arbeiten,    an  denen  die  Denkmalpflege  direkt,    nicht  nur 


fär  die  Dcnkmnlspflege  in  der  Kheinprovinz. 


173 


von  Aufsicbtswegcn,  beteilig;!  ist,  standen  im  letzten  Jahr  im  Vordergrund  de« 
Interesses  die  Wiederherstellung  des  Domes  zu  Trier,  de»  Berliner  Thorea  la 
Wesel,  des  Deutschordenshauses  zu  Coblenz,  der  St,  Kikolauskirebe  zu  Kreuz- 
nach, der  ehemaligen  Stiftakirehen  zu  Nideggen  und  IlotbeUen,  der  Clemens- 
kirehc  za  Treehtings hausen.  Fllr  die  Wiederberatellnng  der  Salvatorkirehe  -in 
Duisburg  und  der  Kirchen  zu  Ravengiersburg  und  Tholey  sind  die  Vorarbeiten 
erledigt;  die  InangrifTuahme  der  Arbeiten  an  der  Doppelkirehe  xu  Schwarz- 
rheindorf mnsste  bis  zum  J.  1899  aufgescbohen  werden.  Eine  besondere  Für- 
sorge hat  die  provinziale  Denkmalpflege  von  Anfang  an  aueb  der  Erhaltung 
und  Sicherung  der  wichtigsten  Burgruinen  zugewandt;  für  die  Bargen  /,n 
Gerolstein,  Blankenbctm,  Schinidtbnrg,  Dill,  Hartelstein,  Burg  an  der  Wnpper, 
Saarburg  sind  Aufwendungen  gemacht,  wegen  Montjoie,  Sponheim,  Castellaun, 
Nideggen,  Andemaeb  sind  Verhandlungen  eingeleitet.  Es  muss  dankbar  her- 
vorgehoben werden,  dass  der  Staat  in  gleicher  Weise  für  die  Erhaltung  von 
Burg  Freusburg  und  —  nach  langem  Zögern  —  der  Löwenburg  eingetreten  ist. 

Die  DorchfOhrung  der  Instandsctznnge-  und  Restaurationsarbeiten,  t'Ur  die 
Mittel  aus  provinzialen  Fonds  bewilligt  waren,  erfolgte  in  jedem  einzelnen  Falle 
unter  Betheiligung  des  Provinzialconservators.  Ausser  den  regelmJlssigen  Be- 
sicbtigungsrcisen  des  Provinzialeonservators  fanden  gemeinsame  Bereisungen 
durch  Mitglieder  der  ProvinzialkoramiEsion  statt;  der  Decernent  für  Kunst  und 
Wissenschaft  in  der  Provinzialverwaltnng,  Herr  Landesrat  Klause  n er,  nahm 
an  einer  ganzen  Reihe  der  Besichtigungen  und  auswärtigen  Verhandlungen  Teil. 

Da  die  Zahl  der  von  der  Provinzialkommission  eingeleiteten  und  unter- 
stützten Arbeiten  ständig  im  Wachsen  ist  und  da  ihre  Überwachung  und  Kon- 
irolle—  bei  dem  Mangel  eigener  Organe  für  diese  Zwecke  —  immer  schwieriger 
wird,  hat  es  sich  immer  mehr  als  erwünscht  herausgestellt,  die  Königlichen 
Regierungen  mehr  als  bisher  um  die  specielle  Beaufsichtigung  auch  dieser 
Arbeiten  zu  ersuchen  und  die  Königlichen  Kreisbauinspektoren  mehr  zur  thä- 
tigcn  Anteilnahme  an  den  Arbeiten  der  provinzialen  Denkmalpflege  bcranzu- 
zieben.  Die  Herren  Reg.-  und  Bauräte  der  Königlichen  Regierungen  haben 
persönlich  diesen  Wünschen  gegenüber  ein  weitgebendes  und  höchst  dankens- 
wertes Entgegenkommen  gezeigt. 

Auch  die  Einsetzung  der  Correspondenten  für  Denkmalpflege  hat  sich 
wie  bisher  tretBich  bewährt.  Immer  wieder  von  Neuem  mass  aber  die  Bitte 
ausgesprochen  werden,  den  Provinzialeoneervator  und  die  Direktoren  der  beiden 
Provinzialmuscen  durch  thunliclist  rasche  Mitteilungen,  auch  durch  Zusendung 
einfacher  Zeitungsnotizen  und  kleinerer  Druckschriften  zu  unterstützen.  Be- 
sonders wünschenswert  würde  auch  ein  noch  stärkeres  Interesse  der  grossen 
und  verdienstvollen  ganzen  Landschaften  gewidmeten  Vereine,  voran  des  Eifel- 
vereins  und  des  Hochwald-  und  Hunsrückveroins,  für  die  Aufgaben  der  Denk- 
malpflege sein.  Als  vorbildlich  für  die  Organisation  und  Tbätigkeit  kleinerer 
Vereine  muss  noch  immer  der  von  dem  Küniglichen  Landrat  als  Vorsitzendem 
geleiteten  Verein  für  Denkmal-  und  Landschaftspllcge  im  Kreise  St,  Goar  be- 
zeichnet werden.     Die  Gründung  ähnlicher  Vereinigungen,  zumal  an  der  Mosel, 


174  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

durch  die  eine  dauernde  Schutztmppe  auch  gegen  grobe  Verunstaltungen  der 
Landschaft  geschaffen  werden  könnte,  würde  allenthalben  anzustreben  sein. 

Das  im  Provinzialmuseum  zu  Bonn  untergebrachte  Denkmälerarchiv 
der  Rheinproyinz  ist  durch  Ankäufe,  Schenkungen  und  Überweisungen  auf 
5Ö00  Blatt  angewachsen.  Neu  erworben  wurden  vor  allem  380  Aufnahmen 
rheinischer  Baudenkmäler  aus  den  Regierungsbezirken  Coblenz  und  Köln,  von 
dem  jetzigen  Dombaumeister  Arntz  zu  Strassburg  i.  d.  J.  1893—1896  ange- 
fertigt, darunter  insbesondere  Zeichnungen  der  yon  Abbruch  und  Zerstörung 
am  meisten  bedrohten  Privathäuser  und  Fachwerkbauten  an  Mittelrheiu  und 
Mosel,  und  eine  Anzahl  weiterer  Messbildaufnahmen  rheinischer  Bauwerke  der 
unter  der  Leitung  des  Herrn  Geh.  Baurates  Dr.  Meydenhauer  stehenden 
Messbild-Anstalt  zu  Berlin.  Durch  die  Königlichen  Regierungen  wurden  voll- 
ständige zeichnerische  und  photograpbische  Aufnahmen  aller  zum  Abbnich 
bestimmten  Baudenkmäler  überwiesen.  Unter  den  Überweisungen  ist  mit  be- 
sonderem Dank  hervor/uheben  eine  Sammlung  von  22  photographischen  Auf- 
nahmen der  älteren  Gebäude  der  Stadt  Emmerich,  die  im  Auftrage  der  Stadt- 
verwaltung angefertigt  worden  sind.  Von  den  restaurierten  Glasgemäldcn  in 
Altenberg  und  den  AltarflOgeln  in  Oreoy,  Calcar  u.  s.  w.  wurden  grosse  photo- 
graphische Aufnahmen  angefertigt,  die  den  alten  Zustand  genau  zeigen.  Von 
einzelnen  Teilen  der  Grabdenkmäler  in  Meisenheim,  Altenberg,  Düsseldorf  und 
der  Altäre  zu  Calear  wurden  dem  Denkmälerarchiv  Abgüsse  mverleibt. 

Über  die  Anfertigung  von  Kopien  der  mittelalterlichen  Wandmalereien  in 
der  Rheinprovinz  wird  unten  besonders  berichtet  werden. 

Giemen. 


für  die  Denkmalapflof 


i  der  Rhoinproviiiz. 


Berichte  über  die  wichtigeren  der  ausgeführten  Restaurationsarbeiten. 

1.  Aachen.  Wiederherstellung  itud  AuEScIimUekung:  der 
Müiisterkirche. 

Unter  reg'ster  iteteilignn^  der  Einwohnerschaft  Aachens  hat  der  Karls- 
vercin  am  21.  November  1897  zum  AbscLIuss  seiner  fllnr/.igjlihrigcn  Thütigkcit 
eine  Dank-  mid  Jubelfeier  begangen,  für  die  auch  alle  zu  ihm  in  ßezichnng 
stehenden  geistliehen  nud  weltlichen  Behörden  ihre  Teiliinhrae  durch  anerkennende 
Glltckwünsclie  bekundeten.  Narh  dem  durch  den  hochwürdigsten  Herrn  Weiii- 
biscluif  Dr.  Fischer  im  Münster  gelmitenen  Pnnlittkalamt  fand  die  rcgelmjlssigc 
Gencralverwimmlnng  im  Karlsiianso  stnit,  in  der  der  Vorsitzende,  Herr  Staats- 
prnkurator  a,  I).  Dubusc  über  alle  Vorgänge  des  Vereinsicbcns  eingehenden 
Kerichl  erstnttet  und  allen  denjenigen,  die  irgendwie  die  vom  Verein  verfolgten 
Zwecke  goFürdcit  hnhen,  den  gehUhrenden  Dank  aiii^gefiprnciicn  hat.  Der  mit 
vier  Lichltlruekcu  gcschniUcktc,  durt'h  den  Verein  versandte  gedruckte  Uoricht 
des  Vorstandes  Über  das  fUnfv-igstc  Vcrcinsjalir  1897  giebt  eine  Bn&nihrlicbc 
Darstellung  der  Feier. 

In  Ausfllhrung  des  ihm  im  November  1896  erteilten  Auftrags,  dcesen 
Einzelheiten  aus  der  vorjährigen  Veriitfcntliehung  der  Provinzialkomniission  zn 
ersehen  sind,  hat  Herr  Professor  Schaper  Entwürfe  zn  den  im  Oktogon  des 
MQuaters  herzu  stelle  uden  Mosaiken  eingeliefert,  von  denen  insbesiindere  die 
Figur  des  Erzengels  Gabriel  in  zwei  verschiedenen  AuBführuugeu  an  Ort  und 
Stelle  zur  Anschauung  gebracht  worden  ist.  Der  Vereinsvorstand  hat  zur  Be- 
gutachtung dieser  Entwürfe  eine  aus  den  Herren  Wirkl.  Geheimer  Oberbanrat 
Adler,  Pater  .Stephan  Beissel,  Provi nziaiconservator  Giemen,  Professur 
Frentzen,  Kanonikus  Goebbels,  Geheimrat  Loerseh,  Geheimer  Ober-ße- 
gicrungsrat  Persius,  Prälat  Friedrich  Schneider,  Domknpitular  Schntlt- 
gen  und  Wirklicher  Staatsrat  a.  D.  von  SwenigorodskoY  bestehende  Kom- 
mission gewählt,  welche  am  22.  Oktober  1897  in  Aachen  zusammengetreten 
ist,  an  deren  Beratungen  jedoch  die  Herren  PerBius  und  Schneider  wegen 
Krankheit  nicht  Teil  genommen  haben.  An  Stelle  des  Herrn  Pcrsiua  hatte 
der  Herr  RuItnsmiDister  den  Herrn  Geheimen  Baurat  Spitta  und  ausserdem 
noch  die  Herren  Geheimer  Oberregierungarat  Müller,  Professor  Dobbcrt  und 
Akademiedirektor  Jans&en  konmiiltiert.  Nach  eingehender  Besichtigung  und 
Beratung  aller  Alteren  und  neuereu  Entwürfe  bat  die  Kommission  mit  allen 
Stimmen  gegen  die  des  Herrn  von  SwenigorodakoT  folgende  Beschlllsse 
gefasst: 

„Mit  Bezug  auf  die  ktlnstterische  Oestaltnng  empfiehlt  die  Korainission 
Anlehnung  an  die  Glanzzeit  der  musiviweheu  Malerei,  für  die  Ikonographie 
Anlehnung  an  die  karolingische  Zeit,  gestattet  jedoch  bezüglich  der  Attribute 
grössere  Freiheit  im  Ansehlusa  an  die  kirchlichen  Vorbilder  der  folgenden 
Jahrhunderte." 


176  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  ProYinsialkommission 

;,Die  Kommission  empfiehlt  dem  Karlsverein,  Herrn  Professor  Schaper 
nunmehr  den  Auftrag  zur  Ausschmückung  des  Tambours  zu  erteilen;  sie  em- 
pfiehlt die  Anfertigung  einer  einfachen  Gesamtskizze,  welche  den  später  aus- 
zuführenden Kartons  zu  Grunde  gelegt  werden  soll." 

„Im  Anschluss  hieran  empfiehlt  die  Kommission  weiter^  eine  aus  drei 
Personen  bestehende  kleine  Kommission  zu  ernennen,  welche  als  steter  Beirat 
des  Künstlers  fungieren  und  mit  der  der  Künstler  engste  Verbindung  unter- 
halten soll;  sie  empfiehlt  als  Mitglieder  dieser  Kommission  zu  ernennen  Herrn 
Geheimrat  Persius  mit  der  Ermächtigung  sich  vertreten  zu  lassen,  Herrn  Dom- 
kapitular  Schnütgen  und  Herrn  Pater  Beissel." 

Der  Vorstand  des  Karlsvereins  hat  diese  Beschlüsse  in  allen  Punkten  an- 
genommen. 

Im  Laufe  des  Jahres  1897  ist  die  Herstellung  des  Quadermauerwerks  an 
der  Westseite  der  Kreuzkapelle  vollendet  worden.  Ausserdem  wurde  eine  den 
Zutritt  zur  Vorhalle  der  nördlichen  Turmtreppe  vom  Vorhofe  des  Münsters  aus 
vermittelnde  Thüre  angelegt  und  die  hier  im  rechten  Winkel  anstossende 
Fa^ade  des  sogenannten  Kapitelsaales  unter  Erhaltung  und  Verwendung  der 
noch  vorhandenen  karolingischen  Bauteile  hergestellt.  Über  die  bedeutsamen 
Ergebnisse  der  bei  diesem  Anlass  veranstalteten  Nachgrabungen,  die  zur  Auf- 
deckung der  Ueberbleibsel  eines  Teiles  der  das  Atrium  der  Pfalzkapelle  in 
karolingischer  Zeit  bildenden  Bauten  geführt  haben  und  die  Kekonstruktion 
der  den  Vorhof  umgebenden  Bogengänge  ermöglichen,  erstattet  Herr  Architekt 
Privatdocent  Joseph  Buchkremer  den  hier  folgenden  selbständigen  Bericht. 

Auf  das  im  vorigen  Bericht  erwähnte  Gesuch  des  Vorstandes  vom  21.  April 
1896  um  Gewährung  einer  Lotterie  ist  unterm  8.  Dezember  1896  ein  sehr  er- 
freulicher Erlass  der  an  dieser  für  den  Fortgang  der  Münsterrestauration  so 
wichtigen  Angelegenheit  beteiligten  vier  Herren  Ressortminister  ergangen,  in 
welchem  deren  Geneigtheit,  den  Antrag  Allerhöchsten  Ortes  zu  befürworten, 
ausgedrückt  ist. 

Der  Verein  zählt  etwa  1400  Mitglieder.  Die  jetzt  vorliegende  endgültige 
Rechnung  des  Jahres  1896  weist  eine  Einnahme  von  M.  51  218,15,  eine  Aus- 
gabe von  M.  47  848,06  und  einen  Kassenbestand  von  M.  3370,49  nach.  Für 
Bauten  und  Bauleitung  wurden  M.  22  546,27  ausgegeben,  über  M.  24  000  zins- 
tragend angelegt.     Der  Vermögensbestand   belief  sich  am  1.  Januar  1897  auf 

M.  119  290,67. 

Loersch. 

Atrium  am  Karolinger-Münster  zu  Aachen. 

Bei  der  Instandsetzung  des  sog.  Kapitelsaales  (Fig.  1 H),  der  in  der 
Nordostecke  des  Domhofes  liegt,  fand  man  Baureste  des  karolingischen  Atriums. 
Die  daraufhin  vom  Karlsverein  auf  Anregung  und  unter  spezieller  Beaufsichti- 
gung des  Herrn  Stadtrats  Schmitz  und  unter  Mitwirkung  des  Unterzeichneten 
systematisch  vorgenommenen  Untersuchungen  deckten  eine  weitere  Reihe  von 
Bauresten  dieser  Anlage  auf,  die  um  so  wertvoller  waren,  als  die  in  den  60  er 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Kheinprovinz.  IdS 

vom  3.  Jali  bis  zum  6.  Augnst  1897.    Das  Eisengitter  der  an  der  Südseite 
des  Schlosses  gelegenen  Terrasse  wurde  ans  Priyatmitteln  beschafft. 

Nach  Abschluss  der  Wiederheretellung  wurden  durch  den  Provinzialcon- 
servator  die  Anfertigung  grosser  Aufnahmen  des  Schlosses  veranlasst,  die  durch 
den  Architekten  Joseph  Renard  in  Köln  hergestellt  und  dem  Denkmälerarchiv 
der  Rheinproyinz  einverleibt  worden  sind. 

Giemen. 


5.    Branweiler   (Landkreis  Köln).     Wiederherstellung  des 
Hochkreuzes  auf  dem  Kirchhofe. 

Das  jetzt  auf  dem  Brauweiler  Kirchhof,  ehemals  an  dem  Brandweiher 
des  Klosters  Brauweiler  stehende  Hochkreuz  aus  Trachyt  ist  ein  merkwürdiges 
Werk  des  ausgehenden  15.  Jahrhunderts;  ein  kräftiger  in  drei  Geschosse  zer- 
legter Pfeiler,  von  denen  das  mittlere  über  Eck  gestellt  ist,  trägt  das  mit 
Maasswerknasen  und  schmiedeeisernen  Blumen  an  den  Kreuzesenden  geschmückte 
Kreuz;  der  Christuskörper  besteht  aus  vergoldeter  Bronze.  Das  Werk  ist  durch 
die  Einheitlichkeit  des  Aufbaues  und  durch  edle  und  charaktervolle  Detail- 
formen  ausgezeichnet.    Vgl.  Kunstdenkmäler  des  Landkreises  Köln  S.  69. 

Die  Gemeinde  Freimersdorf  beabsichtigte  die  Wiederherstellung  des  Hoch- 
kreuzes durch  Ausflicken  mit  Ccment  und  einen  neuen  Anstrich;  da  eine  solche 
Reparatur  die  Schäden  nur  verdeckt  und  den  Charakter  des  Denkmals  beein- 
trächtigt haben  würde,  so  wurde  die  Gemeinde  zu  einer  sorgfältigeren  Repara- 
tur durch  Ablaugen  und  massiges  Abscharrieren  und  Einsetzen  der  abgestossenen 
Ecken  in  Trachyt  veranlasst.  Zu  den  auf  500  M.  veranschlagten  Kosten  be- 
willigte der  Provinzial-Ausschuss  am  2L  Oktober  1896  die  Summe  von  250  M. 
Die  Arbeiten  wurden  dem  Bildhauer  Wilhelm  Fassbinder  in  Köln  übertragen. 
Bei  der  Ausführung  der  Arbeiten  in  dem  Atelier  des  Herrn  Fassbinder  ergab 
sich  jedoch,  dass  der  reich  profilierte  Sockel  und  ein  Zwischenteil  des  Kreuzes 
sehr  stark  verwittert  waren,  sodass  ihre  Benutzung  bei  dem  Wiederaufbau 
ausgeschlossen  schien;  diese  Teile  mussten  in  Trachyt  neu  angefertigt  werden. 

Ferner  stellte  sich  heraus,  dass  über  dem  unteren  Geschoss  des  Aufbaues 
der  dem  Fusssockel  entsprechende  Sockel  schon  früher  verloren  gegangen  war, 
aus  dem  sich  das  zweite  Geschoss  organisch  entwickelt;  dieser  Teil  musste 
gleichfalls  ganz  neu  hergestellt  werden.  Die  4  grossen  Eisenstreben,  die  das 
Kreuz  hielten,  erwiesen  sich  als  alt  und  wurden  wieder  verwendet,  weil  eine 
dauernde  Sicherung  des  Hochkreuzes  ohne  die  Streben  zweifelhaft  erschien. 
Zu  den  infolge  der  genannten  Arl^eiten  entstandenen  Mehrkosten  bewilligte  der 
Provinzial-Ausschuss  am  23.  März  1898  eine  weitere  Beihülfe  von  175M.  Das 
Hochkreuz  ist  im  August  1897  wieder  auf  dem  Kirchhof  aufgestellt  worden; 
die  Gesamtkosten  der  Wiederherstellung  betrugen  850  M. 

Giemen. 


Jahrb.  des  Vor.  v.  AUerfchsfr.  tin  Rhoinl.  103.  13 


194  Bericht  ^ber  die  Tfafttiglceit  der  ProTinsialkomtnission 

6.  Düsseldorf.  Wiederherstellnng  des  Grabdenktnals 
Herzog  WiTbelms  desReichen  in  der  Lambertus- 
kirche. 

Die  Lambertaskirche  in  Düsseldorf  bewahrt  in  dem  im  Chorumgang  ao 
der  Ostwand  aufgestellten  Grabdenkmal  Herzogs  Wilhelm  des  Reichen  von  Jülich- 
Berg  ein  Monument,  das  die  glänzendste^  nach  Aufwand  von  Arbeit  und  Material 
kostbarste  und  zugleich  auch  die  künstlerisch  bedeutsamste  Schöpfung  der 
Spätrenaissance-Skulptur  am  Niederrhein  darstellt.  Nicht  die  niederländischen 
Bildhauer  Gilles  de  Rivifere  und  Niccolo  Pippi  von  Arras  sind  die  Verfertiger 
dieses  Werkes,  wie  bis  vor  kurzem  immer  angenommen  wurde,  sondern  der 
Kölner  Meister  Gerhard  Scheben,  der  das  Denkmal  in  den  Jahren  1595 — 1599 
in  Köln  fertigte  (vgl.  Giemen,  die  Kunstdenkmäler  der  Stadt  und  des  Kreises 
Düsseldorf  S.  40  mit  Ansicht  des  Denkmals  und  Küch  in  den  ^Beiträgen  zur 
Geschichte  des  Niederrheins'  XI.  S.  1).  Das  Material  bildet  schwarzer,  weisser, 
rpter,  gelber  und  brauner  Marmor;  alle  figürlichen  Teile  sind  aus  feinem,  gelb- 
lich getöntem  Alabaster  hergestellt.  Auf  dem  im  unterbau  vortretenden  Sar- 
kophag ruht  die  lebensgrosse  Figur  des  Herzogs  in  freier  ungezwungener 
Haltung,  der  vornehme  und  geistreiche  Kopf  ist  meisterhaft  behandelt,  darüber 
findet  sich  zwischen  einer  Stellung  von  4  korinthischen  Säulen  ein  grosses 
ReUef  mit  der  Darstellung  des  jüngsten  Gerichtes,  in  den  Nebennischen  die 
Figuren  der  4  Kardinaltngenden,  im  Aufsatz  wieder  allegorische  Gestalten,  der 
ganze  Aufbau  ist  gekrönt  durch  die  Figur  des  Auferstandenen. 

Obwohl  das  Denkmal  bereits  verschiedene  Wiederherstellungen  erfahren 
hatte,  eine  erste  durch  den  Hofbildhauer  Müller  im  Jahre  1634,  eine  zweite 
durch  den  Hofbildhauer  und  Akademie-Professor  Bäumgen  im  Jahre  1785  und 
endlich  eine  umfassende  Wiederherstellung  für  2038  Thlr.  in  den  Jahren 
1825 — 1834  durch  C.  Kamberger,  war  dasselbe  doch  wieder  stark  in  Verfall 
geraten.  Zumal  die  aus  Alabaster  hergestellten  figürlichen  Teile  waren  von 
unendlich  vielen  Sprüngen  durchzogen;  eine  ganze  Reihe  der  vorstehenden 
Glieder,  Attribute,  Gewandzipfel,  Ornamente  war  abgestossen  oder  abgebröckelt 
und  ganz  ungenügend  befestigt. 

Bereits  1894  waren  auf  Anregung  des  Provinzialconservators  Kosten- 
anschläge und  Gutachten  von  verschiedenen  Bildhauern  eingefordert  worden, 
im  Verlauf  der  Vorarbeiten  wurde  der  Bildhauer  Gustav  Sobry,  der  sich  bei 
den  Wiederherstellungsarbeiten  der  Renaissance-Epitaphien  in  Trier  vortreflflich 
bewährt  hatte,  mit  den  Arbeiten  im  Gesamtbetrage  von  6000  M.  betraut.  Die 
Kosten  wurden  zu  gleichen  Teilen  auf  Staat,  Provinz  und  Stadt  verteilt.  Nach- 
dem bereits  die  Stadt  Düsseldorf  in  pietätvoller  Würdigung  der  historischen 
Bedeutung  des  Monuments  einen  Zuschuss  von  2000  M.  bewilligt  und  nachdem 
der  Herr  Minister  der  geistlichen  etc.  Angelegenheiten  aus  dem  Allerhöchsten 
Dispositionsfonds  die  gleiche  Summe  zugesichert  hatte,  beschloss  der  40.  Pro- 
vinziallandtag  am  15.  März  1897  die  Bewilligung  des  Restbetrages  von  2000JM. 

Die  Wiederhcrstellungsarbeiten  wurden  durch  den  Bildhauer  Sobry  im 
Herbst  1897  und  im  Frühjahr  1898  ausgeführt.     Hierbei  wurden  die  sämtlichen 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Hlieinproviuz.  195 

Figuren  sorgfältigst  gereinigt  nnd  rCBlaiiricrt,  die  fehlendea  Glieder  nach  an- 
gefertigteu  Modellen  in  Alabaster  ergänzt  nnd  sorgfültigst  mit  Kupferdollen 
Hngesetzt,  kleinere  Teile  nur  in  Vierungen  eiugeHetzl  und  verkittet.  Da  die 
Figuren  mit  in  ßlci  eiogelassenen  Dllbeln  mit  dcrRUckwaud  und  dem  marniorucn 
Aufbau  verbunden  waren,  konnteu  sie  nicbt  herabgenommeu  werden;  die  Ar^ 
beiten  mugüten  desbalb  durchweg  an  Ort  nnd  Stelle  ausgeführt  werden.  Bi^ 
sondere  MUbe  maebte  das  grosse  Relief,  aii  dem  eine  ganze  Reihe  von  einzelnen 
Gliedern  fehlten.  Zum  Öchluss  wurden  die  Inscbriften  autgefrisebt  und  die 
Hanptsänlen  glänzend  poliert,  während  die  (ibrigeu  Teile  matt  gehalten  wurden. 
Die  Arbeit  ist  durch  den  Bildhauer  Sobry  mit  rühmenswerter  Gewissenhaftig- 
keit auegeführt  worden. 

Neben  dem  Denkmal  wurde  eine  kleine  Marmortafel  eingelassen,  die  fol- 
gende luBcbril^  trägt:  Dieses  DenkmnI,  ein  Werk  des  Gerbard  Scheben  a.  d.  J. 
1595— lf>99,  wurde  /.um  1-  Mal  wiederhergCBtellt  1634  durch  P.  Müller,  zum 
2.  Mal  1785  durch  J.  Ilaemgen,  zum  3.  Mal  1825—1834  dmcb  C.  Kamberger, 
zum  4.  Mal  1897—1898  durch  G.  Sobrj. 

Giemen. 


5.  Grillten  (Kreis  Mettmann).  Wiederherstellung  des 
Turmes  der  alten  katholischen  Pfarrkirche. 

Die  seit  dem  Jaliie  1879  verlassene  alte  katiinliscbe  Pfarrkirche  iuGruiten 
(Fig.  11)  gehörte  einer  grösseren  Gruppe  von  romanischen  Bauten  an,  die  Über 
das  ganze  bergisehe  Land  verstreut  sind.  Sie  stellte  den  ältesten  Typus  dieser 
Gruppe  dar  —  einschiffige  Anlage  mit  dem  in  einer  Flucht  mit  dem  Turme 
liegenden  Langhause,  —  doch  war  die  Bedeutung  des  Bauwerkes  als  eines 
kaust  historischen  Dokuments  gegenüber  den  in  unmillelbarer  Nähe  liegenden 
ausgedcbutercn  rumänischen  Kirchen  der  gleichen  (iattuug  beschränkt  (vgl. 
Giemen,  Knnst^lenkmäler  der  Rheiuprovinz  III,  S.  64).  Da  eine  nur  notdürf- 
tige Wied^rbei'slellung  des  ganzen  Baues  wegen  des  ziemlich  baulosen  Zu- 
standes  des  Langhauses  und  der  Apsis  eine  Summe  von  mehr  als  5000  M.  erfordert 
haben  würde,  die  Gemeinde  sich  aber  weigerte,  einen  Beitrag  zu  einer  Re- 
stauration zu  zahlen,  so  wurde  es  für  richtig  erachtet,  das  Langhaus  und  die 
Apsis  abzubrechen  und  nur  den  Turm  zit  erhalten.  Die  malerische  Wirkung 
der  Kirche  beruhte  mm  grösstcn  Teil  in  ihrer  freien  Lage  auf  dem  Kirchbofs- 
hUgel,  die  Erhaltung  des  Turmes  allein  beliess  demnach  die  äilhonette  des 
Orte»  in  ihrer  charakteristischen  Form.  In  ähnlicher  Weise  ist  wiederholt  bei 
dem  Abbruch  von  Kirchen  Gewicht  darauf  gelegt  worden,  daas  der  Turm 
stehen  bleibe:  so  sind  mit  üntei-stUtzung  der  Provinzialkommission  die  Türme 
zu  Büderich,  Scrrig,  ückerath  in  den  letzten  Jahren  erhalten  worden. 

Für  die  Wiederherstellung  des  Turmes  wurden  vom  Pvovinzial-Ausscbnsa 
der  Rheinprovinz  am  18.  Mai  1894  800  M.  bewilligt.  Die  Abbrnehsarbeitcu 
wurden  auf  Orund  eines  Vertrages  einem  Unternehmer  aus  Mettmann  zu  650  M. 
übertragen,  ans  dem  Abbruclismaterial  sollten  2M  M.  gewonneu  werden,  so  dass 
tUr  dio  Wiederherstellung  des  Turmes  noch  ca.  350  M.  blieben. 


106 


Bericht  Über  die  ThBtigkeit  der  Frovinztalkommisston 


Nach  dem  GntachteD  des  Provinzialconaervators  waren  folgende  Arbeiten 
vorgesehen:  Die  mndbogige  2,27  m  breite  Oeffnong  des  Tnrmes  nach  dem 
Laogbause  sollte  g^chlossen  und  in  diese  das  Bildliche  Hanptportal  des  Lang- 
banses  eingesetzt  werden.  Das  nach  Westen  an  der  Stelle  des  nrsprflnglicfaeD 
Fortals  belegene  Fenster  sollte  an  seiner  Stelle  belassen  and  nach  Innen  mit 
Holzladen   versehen    werden.    Die    in    dem    Gewölbe    der  Tnrmhalle   dir   die 


Fig.  11.    Gniitcn,  kntliol.  Pfnrrkirclie  vor  drm  Abbrueh.1 


Glockenseilc  gebrochenen  Lüclicr  sollten  vcmianert,  die  Tiillr  zn  der  bislier 
vom  Langhange  aus  in  der  Mauorstärkc  eniporfllhrendeii  Treppe  zu  den  oberen 
Tnrmgesehosseii  sollte  mit  einer  IJolilenthUr  geseblossen,  ausserdem  sollte  am 
Turm  seibat  die  durch  den  Blitz  bescliiuligtc  Slldwestecke  erneuert  werden. 
In  der  auf  diese  Weise  entstandenen  Kiipelle  sollten  sodann  das  spätgothiscbe 
Sakrain"  '  '  "nsclien  aus  dem  GhorhauH  mit  seiner  schmiedeeisernen  Tbtlr  eio- 


für  dte  Denkmalpfl^fe  In  der  RhsliiprovJiis.  197 

gemauert,  auBBerdem  die  bisher  vor  dem  Altar  helcgenen  Grabstein  platten  an 
den  Wänden  befestigt  werden.  Der  gaoze  Uaani  Bellte  dann  als  Kirchhofa- 
knpelle  weiter  dienen. 

Im  Frühjahr  1895  wurden  dnun  das  Langhaus  und  die  Apsis  der  Kirche 
niedergelegt.  Bei  den  seitens  des  mit  der  Aufstellung  eines  speziellen  Kosten- 
anschlages rnr  die  Instandsetzungen  des  Turmes  beauftragten  KreißbauingpekturB 
Baurat  Thielen  in  Elberfeld  vurgenummeneu  gründliehen  Untersuchungen  des 
Tnrmea  nnd  der  wieder  zn  verwendenden  Aichitek turteile  des  RUdportals  am 
früheren  Langhansc  stellte  sieh  nun  lieraas,  dass  die  romanischen  Sänlen  mit 
dem  verbindenden  Rundstahe  an  genanntem  Portale  vollständig  verwittert  waren. 
Eine  Wiederverwendung  dieser  Teile  war  deshalb  völlig  ausgeschlossen;  von 
einer  Ersetzung  der  verwitterten  Architcktiirteile  durch  neue  Werkstücke  musste 
wegen  der  damit  verbundenen  hohen  Kosten  Abstand  genommen  werden,  da 
die  Kosten  für  die  anderweitigen  als  dringend  notwendig  zu  bezeicl inenden 
Instandsetzungen  am  Turme  schon  die  für  die  Wiederherstellung  desselben  be- 
willigte Summe  weit  überschritten.  Ferner  ergab  sich  bei  diesen  Untersuchungen, 
dass  eine  vollständige  Erneuerung  sowohl  der  Schalung  wie  der  Sehieferein- 
deckung  notwendig  war.  Die  Gesamtkosten  för  die  Instandsetzung  des  Turmes 
wurden  daraufhin  in  dem  aufgestellten  Speziatanschlage  zu  1785  M.  ermittelt. 
Da  nun  für  das  Jahr  1895  nur  mit  der  verfügbaren  Summe  von  höchstens 
350  M.  gerechnet  werden  konnte,  so  wurden  in  diesem  Jalire  nur  die  Arbeiten 
bei  Schliessung  der  TurmOtTnung  nach  dem  früheren  Langhanse,  die  Arbeiten 
am  Fenster  an  der  Westseite,  die  notwendigsten  Ausbesserungen  am  äusseren 
Turnimauerwerk,  die  Herstellung  einer  Bohlentliürc  an  der  Treppe  zu  den 
oberen  Turmgeaehossen,  die  kleineren  Arbeiten  am  alten  Turrahallenge wölbe, 
an  den  Wänden  des  entstandenen  Kapcllenranuies,  die  Herstellung  eines  Platten- 
belages  daselbst,  die  Anbringung  des  Sakramentshänscbens  ebendaselbst  und 
sonstige  kleinere  Instandsetzungen  ausgeführt.  Die  Kosten  beliefen  sich  hier- 
für auf  35Ü  M. 

Nachdem  der  Provinzial-Ausschuss  anf  Grnnd  des  Kostenanschlages  des 
Königlichen  Kreisbaninspektors  am  28.  Oktober  1896  eine  weitere  Beihilfe  von 
1535  M.  bewilligt  hatte,  wurden  die  Arbeiten  im  Sommer  1897  wieder  aufge- 
nonmieu.  Neu  hergestellt  wurde  die  ganze  Schalung  nnd  Schiefereindeckung 
einschl.  der  Einfassung  der  Grate  mit  Blei,  auch  wurde«  schadhafte  Holzteile 
an  der  Turmkonstruktion  ausgewechselt.  Der  Anstrich  des  eisernen  Tnrm- 
krenzcs  nebst  Kugel  und  Bleimantcl  wurde  erneuert.  An  Stelle  des  verwitterten 
alten  Hahnes  aas  Eisenblech  wurde  ein  neuer  kupferner  Hahn  in  den  gleichen 
Abmessungen  wie  beim  alten  Hahn  angebracht.  Ferner  wurden  neue  Jalousien 
aus  Holz  für  die  Schalltöeher  hergestellt,  soweit  solche  fehlten,  die  andere» 
haben  einen  neuen  Anstrich  erhalten.  Sehliesslich  wurden  die  schadhaften 
Stellen  an  den  Aiiseenaeiten  des  Turmmatierwerks  gründlichst  ausgebessert. 

Die  Gesamtkosten  für  die  WiederherBtellung  des  Turmes  haben  1777  M. 
betragen.  Die  Arbeiten  wurden  unter  Leitung  des  Kreisbauinspektors  Banrat 
Thielen  zu  Elberfeld  aufgeführt.  Giemen. 


rhHHglteit  der  Proviml« 


8.  Heisterbach.  Wiederherstellung  des  Clioresder 
A  b  t  c  i  k  i  r  e  h  c. 
Hal(t  nachdem  im  J.  1803  die  CistercienBcrabtei  Heisterbach  anrgehobcn 
worden  war,  hatle  die  Rcgiernng  des  GrossiierzogttiniB  Berg  Verhandlungen 
angekiitliift  wegen  des  AbbrndicB  der  Kirche  und  der  Klostergeliände.  In 
den  Jahren  1808  und  1809  wurde  eine  eingehende  Materialtaxatiou  anfgestellt, 
(erhalten  imStanloarcliiv  xn  Düsseldorf),  worin  der  Wert  des  Kircliengcbämfes 
selbst  auf  3»7ÜTbaIer  aligeschätKt  wurde.  Im  J.  1809  wurde  daraufhin  durch 
die  Regierung  die  Kirche  für  den  genannten  Preis  „mit  Aussrlilnss  aller  auf 
den  Gottesdienst  sich  beiEiehcnden  Geräte  au  Altiircn.  lieicbt-  und  HetstQhlcn, 
Bildern,  Crueifisen,  Bänken  u.  s.  w."  an  den  Unternehmer  Piauta/,  auf  Ab- 
bruch verkauft.  Die  Kirchenglocken  waren  bereits  i.  d.  J.  IHOö  n.  I80ti  ver- 
kauft und  nach  DüsBcldorf  Ilhcrfubrt  wurden,  das  Eisengitler  mit  dem  RelJ- 
()uii-nit1tar  war  dem  Prior  von  NcumHlIer  für  die  HtilHkircbü  in  Obeqdeis 
tlberla^xen  worden,    auch  der  Ilochaltar    und  das  Übrige    vom  Verk^uT  .lusgc- 


für  flle  Denlcninl pflege  In  der  RhelnproHni 


199 


:  Inventar  sollte  in  der  gleichen  Weise  an  Kardien  abgegeben  werden. 
Die  ganze  Ausstaltung  der  Kirche  im  Augenblick  der  Aufhebung  ist  in  einem 
noch  erhaltenen  Inventar  v.  J,  I8Ü3  einzeln  aufgezählt  (DUsBcldorl',  Staatsarchiv, 
Landeslierrliche  Aufhebungsakten  betr.  Heisterbaeh). 

Im  J.  1810  begann  der  ünteniehm*r  Piaulaz  das  Werk  der  Zerstürung. 
Das  Baumaterial  —  lirohlthaler  Tuff  und  Stenzelbcrger  Trneliyt  für  die  Hnu- 
stcinteile  —  war  urspriinglieh  ttlr  den  Festungsbau  in  Jülich  bestimmt;  duch 
ist  nicht  (las  gesamte  Material  dorthin  gewandert,  sondern  /um  Teil  anch  nach 
Neuss  und  Küln.  Der  Abbruch  sehritt  von  Westen  nach  Osten  vor  —  man 
ging  sehr  gröndlich  vor;  aneh  die  Fiindaniente  wurden  7.um  grosaeu  Teil  be- 
seitigt; die  aur&teheiidcn  Mauern  niusslcn  durch  Minen  gesprengt  werden. 
Nachgrabungen,  die  im  J.  1896  nach  meinen  Angaben  auf  dem  westticlica 
Vorplatz  augestelll  wurden,  ergaben,  daes  die  Fundamente  gründlich  /.erstOrt 
waren;  der  kryptejiartige  Keller  unter  dem  Weslbau,  den  Borsser^e  ge- 
zeichnet hat,  war  nicht  auf/utinden.  Nur  durch  einen  Zufall  blieb  der  Chor 
erhalten  —  wahrscheinlich  durch  die  eiagetrcteuc  Stockniig  an  dem  Festnngs- 
hau  /u  JUlieh.  unter  den  barbarischen  Verwüstungen,  dencu  in  den  ersten 
beiden  Jahrzehnten  unseres  Jabrliunderts  eine  ganze  Reihe  der  wertvollBten 
Denkmäler  des  Rbeiulaudes  -/.um  Opfer  fielen,  war  diese  die  barbarischste,  na- 
verständ Heilste,  unberechtigtste,  achinipflieliste. 

Es  nicht  Aufgabe  dieHcs  Berichtes,  eine  ausführliche  Geschichte  des 
merkwllrdigen  Denkmales  zu  geben.  Eine  eingehende  Untersuchung  darüber 
wird  die  in  Vorhereilung  befindliche  Denkmälerslatistik  des  Siegkreises  bringen. 
Die  von  Himmerode  ausgezogenen  Cistercienaer  halten  /.nrüchst  auf  dem  Strora- 
beig  im  Siebfngebirge  eine  Niederlassung  gegründet,  waren  aber  schon  nach 
wenigen  Jahren  in  das  angrenzende  Heisterbachcr  Thal  heruntergezogen,  das 
]et/.t  zu  einer  zweiten  clara  vallis  wurde.  Die  neue  Kirche  war  1202  begonnen 
worden,  war  bereits  1227  soweit  fortgesoliritten,  dass  eine  grossere  Reihe  von 
AltSren  geweiht  werden  konnte,  der  Bau  der  Kirche  ward  aber  erst  1237 
abgeschlossen,  und  am  18.  Oktober  der  Hochaltar  eingeweiht. 

Über  die  Geschichte  der  Kirche  vor  allem  zu  vergleichen:  Jongeliiius, 
Notitiae  ahbatiaruni  nnliuis  Cistertiensis  EI,  p.  334.  Die  ältere  Littcratnr  vull- 
zilhlig  hei  L.  Janaoschek,  Origines  Cistereiensium,  Wien  1877,  I,  S.  189 
und  in  den  Studien  und  Mitteilungen  a.  d.  Benediktiner-  und  Cistercienser- 
orden  XI,  S.  464.  Von  neuen  Darstellungen  ist  in  erster  Linie  zu  verweisen 
auf  W.  Harless,  Heigterbaeh:  Bonner  Jahrbfleher  XXXVII,  S.  45.  —  von 
Strainberg,  Rheinischer  Antiquarius  3.  Abfeilung,  Bd.  VIII,  S.  558  ff.  — 
0.  n.  Ch.  Maassen,  Geschichte  der  Pfarreien  des  Dekanates  Königswinlor, 

a.  323  fr. 

Auch  die  eminente  Bedeutung,  die  die  Abteikirche  zu  Heisterbaeh  fllr 
die  rheinische  und  für  die  ganze  dcnlsclie  Knnstgegcbichle  hat.  braucht  hier 
nicht  besonders  hervorgehoben  zu  werden.  Die  Kirche  war  die  umfangsreicbsle 
und  künstlerisch  wertvollste  aller  rheinischen  CHstercicnscrbaulen  vor  der  Er- 
richtung   des   Alteubergcr  Domes    und    unter   allen  Versuchen,    innerhalb    der 


fttr  die  Deidtinalpfle^  In  dar  BhelnproTias. 


SOI 


Fciniieu  iiud  der  Fesseln  dea  rbeinJRcheii  Übergangsstiles  doch  eclion  (leu  Ge- 
HCtzcu  der  an  die  Thore  der  Rlieinlaude  pochenden  frauzögisclicn  Gotliik  zn 
entepreehen,  der  wichtigste,  der  originellste,  gesehioBsenste  und  künstlerisch 
reichste,  bei  dem  man  noch  mit  dem  relativ  grössten  Recht  von  einer  deutsehen 
l'rotopothik  reden  dürfte.  Es  scheint,  meint  Dohnie  nicht  mit  Unrecht,  als  ob 
der  Meister,  mit  dem  Wesen  der  gothischen  Constrnktion  vollständig  vertraut, 
den  Nachweis  liabe  liefern  wollen,  wie  man  dieselbe  ungeschmälert  sieh  zn 
Nutzen  machen  nnd  doch  das  offene  Strebewerk  vermeiden  kiinne.  Es  dürften 
hier  nber  auch  in  der  Grund rissdi^position  und  im  Aufbau  noch  stärkere  Ein- 
wirkungen französischer  Ordenskirchen  zu  konstatieren  sein.  Im  Aufbau  steht 
der  Ileisterbacher  Kirche  kein  Bau  näher  als  die  Cistercienserabteikirehe  m 
Poutigny,  die  ein  halbes  Jahrhundert  frUlier  vollendet  war,  und  die  merkwürdige 
Form  des  halbrunden  Chores  mit  den  kapellenarfigen  Nischen  darin  entspricht 
fast  vollständig  der  Chorbildung  an  der  Abteikirchc  zn  Dommartin  (Baron  A.  de 
Calonne,  Histoire  desAbhayes  de  Doinmartin  et  Saint-Andre-an-Bois,  1875.  — 
C.  Enlart,  Monuments  religieux  de  l'arehiteeture  romnne  et  de  transition  dans 
la  region  Picarde.  Anciens  diocfeses  d'Amiens  et  de  Boulogne,  Amiena  1895, 
p.  104.  Auf  p.  107  lleisterhach  neben  Dommartin  abgebildet).  Nur  ist  in 
Heisterbaeh  diese  Nisehcnanlage  (vgl.  den  Gnindriss)  auch  im  ganzen  Langhaus 
durchgeführt  und  iu  einer  ganz  genialen  Weise  ausgenutzt,  um  die  gleichsam 
nach  innen  gezogenen  Strebepfeiler  zu  maskieren. 

Von  dem  abgebrochenen  Bau  sind  nur  die  Aufnahmen  erhalten,  die  Sulpice 
Boisser^e  (Denkmale  der  Baukunst  am  Niederrhein,  München  18.33,  Taf.  39 — 44) 
veröffentlicht  hat.  Nach  der  Boisser^eschen  Aufnahme  ist  der  beiliegende 
Grandrisa  (Fig.  13)  kopiert  und  mit  Benutzung  dieser  Aufnahmen  sind  von  dem 
Herru  Dombaumeister  Baurat  Tornow  in  Metz  die  beiden  Perspektiven  (Fig.  12 
u.  14i  angefertigt.  Den  hochinteressanten  Anfbau  des  Chores  endlich  führen 
die  drei  Orundrisse  vor,  die  von  Herrn  Baurat  Eschweiler  in  Siegbnrg  auf- 
genommen sind  (Fig.  15).  Die  Aufnahmen  sind  in  dankenswerter  Weise  ftlr 
die  DenkmiilerBtatistik  zur  Verfügung  gestellt  worden. 

Die  Ruine  hat  in  den  letzten  drei  Jahrzehnten  eine  ganze  Reihe  von 
Sichernngsarbeiten  nötig  gemacht.  Im  J.  1870  wurde  das  schadhafte  Halbkuppel- 
gewöibc  der  Apsis,  das  ganz  olfen  lag,  mit  einer  Cementabdecknng  versehen. 
Eine  erste  gründliche  Wiederherstellung  erfolgte  dann  in  den  J.  1878 — 1880. 
Im  J.  1879  wurde  zunächst  der  Choruingang,  der  bis  zur  Höhe  der  Wölbung 
de»  Kapellenkranzes  vollständig  verschüttet  war,  freigelegt.  Im  Anschluss 
daran  wurden  die  beiden  grossen  Strebepfeiler  zu  beiden  Seiten  des  Triumph- 
bogeuB  wiederhergestellt,  cbeuso  wurde  das  ganze  äussere  Mauerwerk  an  der 
Ostsette  repariert,  die  daselbst  befindlichen  sieben  Chorfenstcr  und  die  sechs 
grossen  Strebepfeiler  wurden  ausgebessert,  die  vier  Gewdlbeanfänger  nach  dem 
Mittelschiff  und  den  Seitenschiffen  wurden  abgedeckt  nnd  wiederhergestellt. 
Bei  der  Freilegniig  des  Choruragangcs  hatte  es  sieh  ergeben,  dass  die  äussere 
Dmmantcinng  grfisstenteils  aufgebrochen  war;  nur  am  Sockel  nnd  an  einigen 
kleineren  Stellen  fand  sich  der  alte  Mantel  in  Stenzclberger  Trachyt  noch  vor. 


Im  J.  1885  wurde  dieBe  ümmantelung  genau  nach  dorn  Magtcr  der  noch  vor- 
handcuoß  Teile  und  im  gleioUcn  Material  wiederbergeBtellt;  gleichzeitig  wurden 
die  Wölbungen  der  Biehcn  Nischen  des  Chörumgangea  wiederlierffeHtellt  und  ea 
wurde  der  ganze  Chorumgang  mit  einem  Schieferdacli    versehen   (im  nntoraten 


für  die  Denkmalpflege  In  tier  ftheinprörUia. 


»8 


Ornndiiss  sind  die  wiederhergestellten  Teile  heller  eingezciehnet).  Die  Kosten 
betrugeu  in  der  Banperiode  1078—1880:  2960  M.,  zu  denen  der  Provinzial- 
vcrwaltniigsrat  15Ü0  M.,  der  Besitzer,  Se.  Erlaut-lit  der  Graf  zur  Lippe- 
Bieaterfeld,  500  M.,  der  Veraphönerungavercin  für  das  Siebcugebirge  lOOUM. 
bemlligtcn;  in  den  J.  1885 — 1886  betrugen  die  Kosten  41n4  M.:  hierzn  be- 
willigte der  Provinzialverwaltungsrst  2200  M.,  der  Besirzcr  und  der  Versehflne- 
rnngsverein  je  1000  M.  Die  Arbeiten  wnrden  seit  dem  J.  1818  unter  der 
Leitung  des  Herrn  Battiats  Eschweiler  zu  Siegburg  ausgeführt. 

Die  im  J.  I87ü  über  dem  Kuppelgewölbe  angeUracIite  äussere  Cenientab- 
dccknng  hatte  nur  einige  Jahre  hindnrcli  gut  gehalten;  naeh  und  nach  stellten 
sieb  aber  immer  mehr  Risse  ein,  die  fortgesetzte  Reparaturen  veranlassten.  Das 
Tngewa8»er  drang  durch  die  sich  immer  wieder  ßffuendcn  Risse  und  durch  neue 
.Sprtlngeduich  und  veranlasste  den  Beginn  der  Verwitterung  def  Tuffstein  Wölbung, 
in  diesem  Zustand  stellte  die  ganze  .Abdeckung  geradezu  eine  Gefahr  fllr  das  Ge- 
wölbe selbst  dar,  da  in  den  Rissen  und  HidilrUnmen  das  Wasser  festgehalten 
und  immer  von  Neuem  auf  die  selion  schadhaften  .Stellen  geleitet  wurde.  Auf 
einen  Antrag  des  Vorstandes  des  Verse hCmerungB verein«  für  das  Siebengcbirge 
hin  bewilligte  der  IVovinzialsnusaehnsB  unter  dem  4,  M8r/.  1896  fUr  die  nötige 
Instandset/.ung  die  Summe  von  2000  M.,  und  setzt  gleichzeitig  eine  aus  den 
Herren  Geb.  Baurat  Cuno  in  Cublenz,  Geh.  Baurat  Htübben  in  Köln  und 
dem  i'rovinzialeonser Vfltor  bestehende  Subknmmission  ein,  um  über  die  Art  des 
Schutzes  der  Ruine  uocli  weitere  Cntersueliungen  anzustellen. 

Bei  einer  Zusammenkunft  in  ticistcrbaeli  am  7.  Juni  1896  wurde  nun  zii- 
nSchst  festgestellt,  dass  die  ganze  Ruine  sich  in  Bewegung  befaud.  Auf  der 
Abdeckung  des  Kuppelgewölbes  waren  nene  Risse  siehlbar  geworden,  das  Ge- 
wölbe selbst  war  feneht  und  wies  eine  Anzahl  von  mllrben  und  sehadhaflcn 
Stellen  auf.  Es  handelte  sich  hiernach  um  eine  doppelte  Aufgabe:  Reparatur 
der  schadhaften  Stellen  und  dauernde  Sicherung  des  Gewülbes  durch  einen 
bessere  Gewähr  versprechenden  Schutz.  Im  Interesse  der  Wirkung  der  Ruine 
erschien  es  natürlich  zunächst  erwünscht,  keine  neue  Zuthat  zu  schalfen,  die 
den  jetzigen  Eindruck  beeintrJiebtigen  oder  auch  nur  verändern  würde.  Als  Ab- 
dcekungsmiltel  konnten  mir  noch  Asphalt  und  Blei  in  Betracht  kommen.  Aber 
auch  bei  dem  orstcrcn  war  ein  Zerspringen  und  Rissigwerden  nicht  zn  ver- 
meiden und  ein  wirkliches  Trockenlegen  des  Gewölbes  selbst  «ar  aneb  bei 
Bleiabdeckung  ansgesehlossen.  Es  wunle  deshalb  nach  dem  Vorschlage  und 
Plane  des  Herrn  Bnurals  Eschwciler  ein  niedriges  Halhkcgcldacb  direkt 
über  dem  Gewölbe  in  Aussicht  genommen,  von  der  Anbnugnng  einer  Dachrinne 
sollte  aber  bei  der  Iciebten  Mfiglichkeit  einer  Verstopfung  und  bei  der  Schwierig- 
keit einer  rogeluiilssigen  Beaufsichtigung  und  Reinigung  ganz  abgesehen  werden. 
Der  Dach  überstand  sollte  direkt  über  d^-in  alten  Daehgesinis  aufsitzen,  die  in 
Cement  ansgeführte  höbe  Rinne,  die  bei  der  letzteu  Rcslaurnlion  hergestcJlt  war, 
war  zu  diesem  Zweek  wieder  zn  entfernen. 

Das  Dach  wurde  im  Laufe  des  J.  1896  in  der  Form  ausgeführt,  wie  e* 
die  Ansicht  und  der  Schnitt  Fig.   16  zeigen.     Der    Dachslubl    besteht    ans  16 


904  Berii^ht  fiber  die  Tbßtiskeit  der  Provlnzlatkommlsslon 


Fig.  15.    Heislerbach,  Alileikirche.    Grundrlsu?  von  Obergaden,  VmgAng  u 
EapeUeukiBDz  der  Cbonuia«. 


für  (lio  Denkmalpfiege  in  der  Hheioproi 


205 


(inreli laufenden  Sparren  und  15  Halbeparren,  die  Sparrcneehwellen  sind  mit 
Bolzen  direkt  an  das  Mauerwerk  befestigt,  bei  der  geringen  Neigung  des  Daches 
erhielt  die  Bedachung  zunächst  ein  ünterlager  von  asphaltierter  Dachpappe  und 
wurde  dann  mit  Schiefer  dicht  eingedeckt.  Die  Spitze  des  Daches  wurde  imeh 
der  Westseite  zu  durch  eine  etwa  40  cm  hoho  Aiifmauerung  in  Tuffsteinen  mit 
nnrogelmässigen  Urnnsscn  verborgen,  so  dass  das  ganze  Dach  von  dem  west- 
lichen Wicsenvorplatz  aus  überhaupt  nicht  in  Erecbeinung  tritt.  Es  ist  ledig- 
lich von  dem  U8tlichen  Bergabbaiig  und  von  einem  kurzen  Abschnitt  der  Land- 
etrasse aus  sichtbar. 

Im  Laufe  des  Jahres  189T  wurden  die  verwitterten  Teile  des  Kuppelge- 


Pi^.  16.    Heisterbach,  Abteikirche.    Ansicht  der  Chorruine  and  Schnitt  durch  dos 
Chorgewolbo  mit  dem  18&6  errit-liteteii  Si-hutiiduuh. 


wfllbes,  das  unterdessen  ansgetrocknet  war,  wiederliergestellt.  Die  in  der  Sub- 
stanz angegriffenen  Tuffsteine  wurden  sorgfältig  ausgezwickt  und  durch  neue 
ersetzt.  Das  Gewölbe  hatte  eine  ganze  Reibe  von  Löchern,  in  denen  Fleder- 
mäuse eicli  ange^iiedelt  hatten.  Die  Löcher  wurden  durch  neue  Tuffsteine 
ersetzt  und  alle  Fugen  in  Kalk-Cementniörtel  verstriehen.  Dann  wurde  der 
Putz  an  den  Sohlbänken  und  in  den  Laibungen  der  Apsidenfenster  in  verlänger- 
tem Kalkcementmörtel  erneuert,  wobei  der  Ton  des  neuen  Putzes  dem  alten 
tfaunlichst  augepasst  wurde.  Eine  besondere  Sorgfalt  verlangte  noch  die  Siche- 
rung der  beiden  GewölheaniUnger  des  Mittelschiffes,  die  uebst  den  noch  erhalte- 


206  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  ProTinzialkommission 

nen  Teilen  des  Obergadens  den  Einsturz  drohten.  Im  Anfang  dos  Jahres  1896 
waren  hier  ganze  Particen  heruntergestürzt,  so  dass  die  eine  Seite  der  Buino 
hatte  gesperrt  werden  müssen.  Diese  Manerteile  ganz  zu  opfern  schien  nicht 
angängig,  weil  sie  eben  noch  das  System  des  Langhauses  zeigen  und  dadurch 
einen  ganz  besonderen  Wert  haben.  Die  den  Einsturz  drohenden  Teile  wurden 
deshalb  herabgenoiumen  und  mittelst  einer  unsichtbaren  Eisenkonstruktion  wieder 
befestigt,  die  oberen  Schichten  sämtlich  mit  dichten  Fugen,  aber  ohne  künst- 
liche Abdeckung,  die  den  malerischen  Charakter  der  Ruine  verwischt  hätte« 
Ebenso  wurden  die  schadhaften  und  losen  Steine  an  den-  Resten  der  beiden 
Rosettenfenster  abgenommen  und   mittelst  Dübeln  und  Klammern  neu  befestigt. 

Die  Gesamtkosten  dieser  Reparaturen  betrugen  2550  M.,  die  Kosten  des 
Daches  beliefen  sich  auf  760  M.,  die  der  Sicherungs-  und  Ergänzungsarbeiten 
am  Mauerwerk  auf  1640  M.  Die  Provinzialkommission  bewilligte  unter  dem 
27.  Juli  1897  noch  den  Betrag  der-  Mehrkosten  gegenüber  der  ursprünglichen 
Anschlagsumme  von  2000  M.  in  der  Höhe  von  550  M.  Die  örtliche  Leitung 
lag  wieder  in  den  Händen  des  Herrn  Baurat  Eschweiler  von  Siegburg;  die 
Ausführung  wurde  dem  Bauunternehmer  Scheidgen  in  Königswinter  über- 
tragen. Die  Erhaltung  der  Ruine  ist  in  vorderster  Linie  dem  dauemden  Interesse 
und  der  liberalen  Förderung  seitens  des  Eigentümers,  Sr.  Erlaucht  des  Herrn 
Grafen  zur  Lippe-Biesterfeld,  Regenten  in  Lippe,  zu  danken. 

Die  Chorruine  von  Heisterbach  erscheint  durch  diese  weitgehenden  Mass- 
nahmen vorläufig  in  ihrem  Bestand  durchaus  gesichert.  Der  ganze  Bau  be- 
findet sich  aber  seit  langer  Zeit  in  Bewegung;  durch  den  Abbruch  des  Lang- 
hauses ist  insbesondere  die  Widerstandskraft  des  Triumphbogens  erschüttert. 
Sollten  an  der  Giebehnauer  des  Triumphbogens  weitere  Schäden  eintreten,  so 
würde  oberhalb  des  Kuppelgewölben  auf  der  Ostseite  ein  langer  Anker  anzu- 
bringen sein,  der  auf  beiden  Seiten  mit  grossen  Schlüsseln  einen  möglichst 
breiten  Teil  des  Mauerwerkes  zu  fassen  haben  würde.  Das  Denkmal  erheiöcht 
jedenfalls  dauernde  sorgfältige  Überwachung  und  Unterhaltung. 

Giemen. 


9.     Koblenz.     Wiederherstellung  des  ehemaligen  Deutsch- 
Ordenshauses. 

Neben  dem  Castorhof,  aiii  deutschen  Eck,  auf  der  Insel  an  der  Mündung 
der  Mosel  in  den  Rhein,  die  erst  bei  der  zweiten  Umfestigung  von  Coblenz 
um  das  Jahr  1280  mit  der  Altstadt  in  Verbindung  gebracht  wurde,  hatte  der 
deutsche  Orden  im  Jahre  1216  unter  dem  grossen  Hochmeister  Hermann  von 
Salza  eine  erste  Niederlassung  errichtet.  Es  war  zugleich  die  erste  Besitzung 
des  Ordens  in  den  Rheinlanden,  der  spätere  Sitz  der  Commende  Coblenz  und 
der  Hauptsitz  der  Bailei  Coblenz,  der  bedeutendsten  der  Balleien  des  Ordens 
in  ganz  Westdeutschland.  Es  stand  an  der  Stelle  schon  ein  Spital  des  St. 
Florinsstiftes,  von  dem  in  dem  Moselflügel  noch  Reste  erhalten  sind.     Unmittel- 


für  die  Diiiiik  mal  pflege  in  der  Rhoinprovit 


207 


bar  nach  der  GrOnJang  waren  die  ereten  Neuliaiiten  in  den  Formen  dee 
riioiniiiohen  ÜbergangsHlilcs  aurget'Ithrt  worden,  am  Ende  dca  JahrLunderts  war 
dann  die  fruligotliisclie  Ordenskirclie  erriclitet  worden;  weitere  Neubauten  und 
OinbantcD  braeliteii  das  14.  «nd  15.  Jahrhundert;  im  Jahre  1676  nnd  auch 
in  der  2.  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  fanden  weitere  bauliebe  Umgcstal- 
tiingen  statt. 

Kurz  naeh  Anflösang  des  Deutschen  Ordens  iiu  Anfang  dieses  Jahrliundcrts 
wurde  unter  französiselier  Herrechaft  durch  den  General  Guerin,  der  die  aus- 
gedehnten Räume  des  Üeutsch-Ordenshanses  xii  seinem  Wohnsitze  umgestalten 
wollte,  die  Ordenskirche  niedergerissen.  Dem  Zersttirungswerke  setzte  der  Gang 
der  Geschiehte  ein  baldiges  Emie,  so  dass  Reste  der  Ordenskircbe  und  ein 
kapellen artiger  Anbau  glücklicherweise  erhalten  blieben. 

Seit  der  Besitzergreifung  der  Rheinprovinz  durch  Freussen  dienten  die 
Banliebkeiten  bis  zum  1.  Juli  I89ö  lediglich  als  Maga/.ine  mid  Kornspeicher 
fllr  die  Militärverwaltung. 

Das  gauze  Gebäude  war  zu  diesem  Zwecke  mit  neuen  Buden  durchzogen 
worden,  die  Wände  waren  Uberputzt,  die  reizvolle  Werksteinarchitektur  wie 
die  Wandmalereien  waren  gänzlich  verdeckt;  das  ganze  Gebäude  machte  dazu 
nach  aussen  einen  verwahrlosten  und  unscheinbaren  Eindruck, 

Als  das  Gerncht  sich  verbreitete,  der  Militärfiskus  beabsichtige  die  Ver- 
äusscrung  der  Baulichkeiten,  die  den  an  ein  Proviantmagazin  zu  stellenden 
Aufordernngen  nicht  mehr  entsprachen,  wurde  der  Abbruch  der  dUsteren  Ge- 
bändemassen  in  weilen  Kreisen  als  nahe  bevorstehend  angesehen.  Ihre  Majestät 
die  Kaiserin  Augusta  war  die  erste  gewesen,  die  auf  die  Bedeutung  des  Baues 
wieder  hingewiesen  hatte:  sie  hatle  die  Erhaltung  des  OeutschÜrdenshanses 
als  historische  Ptliclit  bezeichnet.  Aber  noch  nachdem  Se.  Majestät  Kaiser 
Wilhelm  ]I.  die  Entscheidung  getroffen  halle,  dass  das  von  der  Rheinprovinz 
zu  errichtende  Denkmal  für  Kaiser  Wilhelm  I.  am  „Deutsehen  Eck"  seine 
Stelle  erhalten  sollte,  wurden  .Stimmen  laut,  die  den  Abbruch  des  Dentsch- 
Ordenshausee  als  wOnschcnswert  bezeichneten,  da  die  Gebäude  angeblich  nicht 
in  die  ümgebnng  des  zu  errielitenden  Kaiserdenkmales  passlen. 

Die  Erhaltung  des  geschichtlich  bedeutsamen  und  baukUnstleriscIi  wert- 
vollen Dfutsch-Ordenshauses  war  erst  gesichert,  als  die  prcussische  Süiatsver- 
waltuug  das  Interesse  der  Dcnkmalptlege  wahrnahm  und  das  Deutsch-Ordens- 
haus von  der  Reichsverwaltung  ankaufte. 

Dem  um  die  Denkmalpflege  der  Rheinlande  hochverdienten  verstorbenen 
Geheimen  Baurat  Cuno  gebnhrt  der  Dank  dafür,  dass  dem  ehemaligen  Ürdens- 
gebäude  eine  würdige  Bestimmung  und  Ausgcstaltuug  zu  teil  wurde. 

Da  die  liisher  dem  Staatsarchiv  zugewiesenen  Räume  in  dem  Ktintglicben 
ßegierungsgebäude  schon  längst  nicht  mehr  ausreichten,  wurde  der  Umbau 
des  Deutsch-Ordenshanses,  das  naeh  seiner  isolierten  Lage  hierfür  besonders 
geeignet  war,  fUr  die  Zwecke  des  Staatsarchivs  ins  Auge  gefasst. 

Dieser  umbau  und  die  damit  verbundene  Wiederherstellung  der  Baulich- 
keiten des  Dentsch-Ordcnshauscs  erfolgte  iu  den  Jahren   1890  bis  1897   nach 


SOB  Bericht  Aber  (be  Tbtti^MU:d«r  PiOTinsüdkoiublarioa 


Flg.  17.    Koblenz,  ehemal.  Deatscb-OrdensluiiU'    OrnndrlsB. 


für  (iie  Peiikinal  pflege  iu  licr  RheloproviiiK.  209 

den  im  Ministcriiun  der  öffentlichen  Arbeiten  geprüften  Entwürfen.  Die  spezielle 
Pi-üfnng  in  dem  genannten  Ministerium  fand  dureli  den  Geli.  Banrat  TliOr 
8tntt;  der  im  allgemeinen  dnreb  die  Aufdeckungen  vorgezeiehncte  Weg  /.nr 
Wiederherstellung  des  früheren  Znstandes  im  Sinne  der  Denkmalpflege  wurde 
im  besonderen  durch  den  Conservator  der  Künstdenkmäler,  Hen-n  Geb.  Olier- 
Keg.-Rat  Pcrsius,  festgelegt. 

Die  Oberleitung  des  Umbauet^  lag  in  den  Händen  des  Geheimen  BanrateB 
Cuno  bis  zu  seinem  Tode  im  Juli  1896  nnd  ging  alsdann  llber  auf  den  Ge- 
heimen Baurat  Launer. 

Die  spezielle  Bauleitung  war  dem  Regiernngs- Baumeister  Haltermann 
übertragen,  der  auch  unter  Leitung  des  Geheimen  Banrafcs  Cuno  mit  der  Auf- 
Ktellung  des  Entwurfes  betraut  gewesen  war. 

Für  den  Entwurf  bildete  die  spätere  Zweckbestimmung  des  Baues  die 
besondere  Grundlage. 

Wenn  auch  bei  Anfstelluug  des  Entwurfes  auf  eine  rafiglicbBt  getreue 
Wiederherstellung  des  alten  Zustandes  des  DeiitBeli-Ordensbauses  gcrücksiehtigt 
wurde,  so  konnte  doch  au  eine  Restauration  in  des  Wortes  eigentlicher  Be- 
deutung von  vornherein  nicht  gedacht  werden. 

Den  wesentlichsten  Anhalt  für  die  zunächst  ins  Ange  gefassten  Wieder- 
herstellungen boten  die  von  dem  jetzigen  Münsterbanmeister  in  Strassburg, 
damaligen  KOnigl.  Landhauinspektor,  Ludwig  Arntz,  gefertigten  Aufnahmen 
de»  Deutseh-Ordenshaiises,  die  auch  die  Grundlage  bei  den  Verhandlungen 
wegen  der  Beetirauiung  des  Gebäudes  für  die  Zwecke  des  Staatsarchivs  ge- 
bildet hatten. 

Bald  nach  Inangriffnahme  der  Bauausführungen  wurden  beim  Abbnieh 
von  Mauern  und  bei  Entfernung  alten  Putzes  Architckturtoile  und  Bemalungen 
frei  gelegt,  welche  die  gehegte  Hoifnung  auf  bcnicrkens werte  Funde  hestärkteu. 
Das  Haiiplangenmerk  der  Bauleitung  war  nun  darauf  gerichtet,  soweit 
es  sich  mit  dem  Baubetrieb  und  den  Bauausführungen  vereinbaren  Hess,  wo 
nur  irgemi  ein  Anhalt  für  erfolgreiche  Aufdeckung  vorlag,  zur  Freilegung  von 
Mauerwerk  nnd  Putz  zu  schreiten.  Hierbei  fand  die  Bauleitung  dankenswerte 
UuterstUtznng  dnreli  die  zeitweilig  überwiesenen  Regiernngs- Bauführer  Colley, 
Miehol,  Sackur,  Pcisker  und  Hötig,  welche  die  Freilegung  von  Architektur- 
teilen  und  Malereien  sieh  angelegen  sein  liesseu  und  mit  Eifer  dabei  mit- 
wirkten, die  mit  Rücksicht  auf  die  Zweckbestimmung  der  Räumlichkeiten  nicht 
zur  Ausführung  zu  bringenden  Wiederh erstellnngcn  und  Ergänzungen  durch 
Aufnahmczeichnungen  für  später  festzulegen. 

Die  ganze  Anlage,  wie  sie  bei  den  Aufdeckungsarbeiten  festgestellt  wurde, 
und  wie  sie  im  weseutlichen  bei  dem  Cuobau  wiederhergestellt  werden  konnte, 
ist  von  ganz  ausserordentlichem  baugeschichtlichen  nnd  hnnstgcschiehtliclien 
Wert:  es  ist  die  einzige  frühe  Deutsch-Ordensanlage  in  Westdeutschland,  die 
Überhaupt  vollständig  erhalten  ist,  von  hfichstera  Interesse  durch  das  Vorwalten 
der  Formcnsprache  des  Profanbaues  gegenüber  den  gleichzeitigen  Anlagen  der 
geistlichen  Orden  in  den  Rheialauden    und    durch  die  deutlichen  Beziehungen 

Jalirb.  ilus  Var.  v,  Altärthifr.  tin  Baolnl.  lOJ.  1( 


! 


filö  Bflrieht  Aber  die  "RiUlskelt  der  ProvinzUlkommlsBloii 

zu  den  ostpreiissiacben  Schfipftangen  des  OrdeDB.  Die  Anlage  wird  darch 
die  beigefügten  Illustrationen  rerdeatlieht,  die  nach  den  Inventarienzrach- 
nuiigcn  angefertigt  sind  (Fig.  17 — 21).  Die  Tafel  mit  der  Ansieht  des  Dentach* 
Ordenäliauses  voui  Rhein  her  zeigt  den  Bau  in  Verbindung  mit  dem  grossen 
Denkmal  KaiBer  Willichns,  das  die  Bbeinprovinz  am  Dentschen  Eck  errichtet 
hat.  Auf  die  Wirkung  gegenüber  dem  Denkmal  nnd  im  engeren  Zssammen- 
bang  mit  dem  weiteren  Stadtbild  muaste  bei  der  DurchfOhning  der  Arbeiten 
besondere  EUcksicbt  genommen  werden:  Die  Ansicht  zeigt,  dasa  das  Deatsch- 
Ordenshaus  mit  der  schweren  Bastion  sich  auf  das  Gltteklichste  dem  ganzen 
Städtebild  eingliedert. 

Das  Omndstflck  des  Dentsch-Ordenshanses  in  Coblenz  wird  nach  Korden, 
Osten  nod  Westen  von  der  Hoselwerft,  der  Bheinwerft  nnd  dem  Castorplalze 
begrenzt,  gegen  Snden  dehnt  sich  der  zogehorige,  etwa  23  ha  grosse  Garten 
ans,  m  welchen  die  Schatten  des  ehrwürdigen  Castordomes  fallen.  Der  Hanpt- 
zugang  zur  Anlage  liegt  gegenwärtig  am  Castarplat/..  Von  ihm  ans  betritt 
mau  einen  Hot',  auf  dem  sieb  ebemals  die  frUbgotbisebe  Ordenskirche  erhob. 
Von  der  Kirche  selbst  igt,  wie  Eingange  erwäbiit,  bei  dem  Abbrach  zu  An- 
fang dieses  Jahrhunderts  nur  noch  ein  Teil:  die  bis  zur  KftmpferhShe  der 
Fensterbügen  niedergelegte  sUdlicbe  Feusteiwand  und  eine  Kapelle,  das  soge- 
nannte Oratorinm  (Fig.  HD),  erhalten  geblieben. 

Die  nach  Freilegung  der  vermauerten  Fcngteröffnimgen  malerische,  mit 
rankendem  GrUu  bewacbsene  Feustcrwand  und  die  Kapelle  bilden  den  Ab- 
schluBB  des  Hofes  gegen  den  grossen  Garten. 

Die  Wand  weist  noeb  einige  bemerkenswerte  Werksteinarbeiten  o.  a. 
reichausgebildctc  Kragsteine  mit  der  mittelalterlichen  Bemalung  anf.  Die  sich 
ehemals  an  den  Chor  der  Ordenskirche  anlehnende  gut  erhaltene  einschiffige 
Kapelle  zeigt  reizvolle  InneDausbildnng. 

Die  fUr  den  Umbau  des  Deutsch-OrdensbaueeB  bereit  gestellten  Mittel 
omfassten  nicht  die  Wiederherstellung  des  Oratoriums. 

Auf  Anregung  des  Königlichen  Ober-Präsidenten  der  Rheinprovinz,  Herrn 
Nasse,  Excellenz,  sind  Staatsmittel  erbeten,  um  auch  dieses  Oratorium,  ein 
wirkliches  Kleinod  der  mittelrheinischen  Gothik,  in  seiner  reichen  Formen-  nnd 
Farbengebnng  wiedererstehen  zu  lassen. 

Vom  Eingangshof  gelangt  man  durch  eine  im  vorigen  Jahrhundert  ange- 
legte Durchfahrt  im  WestflUgel  —  deren  Einfahrtsbögen  im  Schlnssstein  das 
Wappen  eines  Gomthura  des  deutseben  Ordens  von  Mirbach  tragen  —  nach 
dem  Hanpthofe.  Dieser  Hanpthof,  von  drei  Seiten  durch  die  Baulichkeiten 
des  Ordenshaoses :  den  West6Ugel,  den  MoselflUgel  im  Morden  nnd  den  Rhein- 
dUgel  im  Osten  eiogeBchloesen,  Öffnet  sich  an  der  SQdseite  nach  dem  grossen 
Garten  nnd  giebt  den  Blick  auf  die  Castorkirche  frei. 

Der  WestflUgel  (vgl.  den  Gmndriss  Fig.  17C  nnd  den  Schnitt  Fig.  18 
von  Osten  her  gesehen)  mit  geräumigen  Kellerränmen  war  frUber  in  seinem 
oberen  Geschosse  angenseheiolich  zu  Wohnzwecken  bestimmt.  In  ihm  sind 
nunmehr  die  Arbeitsränme  der  Archivbeamten  untergebracht 


für  die  Denk miti pflege  in  rler  Uhcinprovinz.  211 

Er  enthält  den  ülteeten  Teil  iler  Anlage,  den  sogenannten  „alten  Ban". 
Der  alle  Bau  war,  bevor  er  mit  einem  nacli  Süden  sieb  erstreckenden  Anliau 
den  jetzigen  Westflfigel  bildete,  von  quadratischer  Gnindrissform  und  eutbicU 
ausser  einem  tief  gelegenen  Keller,  ein  GesehoHS  zu  ebener  Erde  und  ein 
Obergeseboss. 

Die  ältesten  Teile  dieses  „alten  Baues"  gehören  noch  der  ersten  Ban- 
]icriodc  des  Deutsch-Onleusbanses  unmittelbar  nach  1216  an.  Den  besten 
Begriff  von  der  ursprünglichen  reichen  Ansbildung  dieses  Baues  geben  zwei 
reichbemalte  gekoppelte  Fenster  des  Obergescbossos  in  der  früheren  nördlichen 
AoBSenwand  des  alten  Baues,  die  aufgedeckt  und  in  ihrer  ursprünglichen  Ge- 
stalt und  Benialung  als  Blenden  in  der  gegenwärtigen  Vorhalle  zu  den  Arbeits- 
ränmcu  wiederhergestellt  wurden.  Die  Vorhalle  selbst  wurde  den  aufgefnndeuen 
Resten  entsprechend  ausgemalt  (Fig.  20,  der  Tcppiehfries  der  Abbildung  ist 
nicht  znr  Ausführung  gekontmen). 


pig. 


KobienK,  nhemal.  DeutBch-Ordenshaus.    Schnitt  durcli  den  UV-slflügpl, 


Der  zu  ebener  Erde  gelegene,  auf  vier  —  nicht  mehr  der  romanischen 
Zeit  angehörenden  —  Basaltsatdcn  überwölbte  Raum  ist  von  den  ihn  durch- 
querenden Mauern  —  gleichfalls  Einbauten  späterer  Zeit  —  befreit  und  als, 
znrn  Teil  offener,  ballenartiger  Vorraum  am  Hauptzu-  und  aufgange  zu  den 
jetzigen  Archivräumen  ausgebildet.  Durch  Mauerausbrüehe  sind  parehblicke 
in  die  an  die  Halle  anschliessenden  Keller  gcschalTen,  welche  jetzt  zur  Auf- 
nahme der  zahlreich  in  den  ausgebrochenen  Manem  anfgefundenen,  nicht 
wieder  zur  Verwendung  gekommenen  Architekturreste  dienen. 

An  dem  alten  Bau  konnte  mit  Sicherheit  eine  frühere  Bemalung  der 
Aussenflächeu  fesigestollt  werden  sowohl  unter  den  deckenden  Putzschichten 
als  auch  an  den  Ecken  dieses  Bauwerks,  da  wo  bei  nachmaligen  Erweiterungen 


212  Bericht  über  die  Tlilttigkeil  der  ProviiutialkommisBion 

die  FroutaDScblnssinaucr  der  Anbauten  stumpf  gcgengeBelxt  waren.  Die  Be- 
malnng  bestand  au»  Qnaderuug,  rot  mit  anfg^sctzteii  weissen  HoriznntalBtrichen ; 
dieselbe  Betnalnng  fand  sieb  aneb  am  Än»ecm  dee  MaselllUgels  wieder.  Hier 
sind  die  freigelegten  Bruchstücke  der  Bemalung,  aneb  solche  der  Bögen  von 
Öffnungen  und  Niselieii  an  den  vor  Einfltlssen  der  Witterung  geeehutzten 
Stellen  nnveriinilert  erbalten  und  durch  Aussparungen  in  den  neuen  Putzfläcbeu 
sichtbar  geblieben. 

Der  Moi^clfldget,  dessen  ITauptraum  beute  die  Bibliothek  des  Staats- 
archivs aufnimmt,  enthielt,  nie  sicher  anzunehmen  ist,  in  seinen  Kellern  Kltcfaen- 
and  Voiratsräuine,  im  übrigen  die  Comlhurei  (vgl.  die  Schnitte  Fig.  19,  die 
den  Zustand  nach  der  Wicderberstellutig  zeigen). 

Auch  die  ursprüngliche  Anlage  des  MoselflUgels  gehörte,  wie  die  des 
alten  Baues,  noch  der  romanischen  Zeit  an;    der   ganze  FlUgel   hatte  aber  im 


;Fig.  19.    Koblenz,  fbenial.  Deuisch-Orden»h«Hfl.    Sflmitle  durch  den  Moselflugel. 

15.  Jahrhundert  eine  durchgreifende  Umgestaltung  erfahren,  bei  der  sogar  die 
alten  Geschosebühcn  verändert  worden  waren.  Bei  der  Frage  Qber  die  Atte- 
gestaltung  des  MoBelflügeU  wurde  die  Entscheidung  getroffen,  dass  die  zo 
Tage  liegendcu  gotbiscben  Formen  für  die  Wiederherstellung  massgebend 
sein  sollten. 

Ursprünglich  erinnerte  bei  dem  verbauten  Zustande  des  MoselflUgels  nichts 
an  die  Formen  der  romanischen  Anlage.  Ei'st  nach  und  nach  wurde  bei  den 
Abbruchsarbeiten  die  ursprüngliche  Disposition  in  allen  Teilen  erkennbar.  In 
der  nitrdlicbcn  Längsfront  des  früher  sechsachsigen  Baues  mit  rechteckiger 
firnudrissform  wurden  Reste  von  sämtlichen  romanischen  Fenstern  an  Ort  and 
Stolle  aufgefunden.     Ein  vollständig  erbalteucs  gekuppeltes  Fenster  des  Ober- 


alpaege  In  der  l 


inproviiiB. 


geseliiJsscB  in  der  üstlicbcii  Giebelwand  wurde  freigelegt  und  in  seiner  ursprüng- 
liclien  Foriiiengebnug  and  Bomalung  wiederbergcstellt. 

Von  einer  Bemalnng  der  Wände  ina  Innern  aus  romanischer  Zeit  waren 
wegen  des  späteren  mehrfaelien  Überlüneheiis  und  ÜberputKena  nur  geringe 
nnzUBaiiiuieubiingende  Spuren  zu  entdecken. 

Die  Giebel  des  romantseben  Baues  waren  Btaffelföiiuig  ausgebildet.  Ibre 
gegenwärtige  Form  erhielten  die  Giebel,  wie  festgestellt  wurde,  dnreh  spätere 
Aufmauerung.  Die  Staffeln  und  Spuren  ihrer  Bemiiluug  sind  am  Mauerwerk 
im  Inncru  des  Dachgeschosses  noch  jetzt  ku  erkennen. 

Für  die  Eiuriebtung  des  Moselflllgels  zur  Bibliothek  schien  die  vollständig 
erkennbare  und  in  allen  Einzelheiten  uacbznweisende  guthisehe  Anlage  die 
zweckentsprechendste  zu  sein.  Der  9  m  zu  16  m  messende  Inneuraum  ist  mit 
sechs  spitzbogigen  Kreuzgewölben  überdeckt. 

Die  bochgestocbenen  (luadratiBclien  Gewölbe  ruhen  auf  zwei  in  der  Längs- 
achse des  Raumes  stehenden  scblauken  Basaltsäidcn  und  auf  Wand-  und  Eck- 
Consolen.  Bei  der  Wiederherstellung  des  Baumes,  der  unverkenubar  den  Cha- 
rakter der  Remter  der  Ordensbauten  in  iler  Provinz  Preusseu  trug,  haben  auf 
Veranlassung  des  Geheimen  Baurat  Launer  fdr  die  Ausbildung  die  Motive  des 
Comtliurremters  zu  Locbstedt  als  .\nbaltspuukte  gedient. 

Die  ursprünglichen  Formen  des  Masswerkes  der  drei  grossen  Nordfenster 
konnten  nach  den  aufgefundenen  BruebstUcken  vollständig  festgestellt  werden. 

Der  Fussbodenbelag  ist,  wie  in  fast  sämtlichen  Räumen  des  Umbaues  mit 
Ausnahme  der  Arbeitsrilume,  welche  Holzfussboden  erhalten  haben,  aus  hell- 
gelben Thonplatten  hergestellt.  Thonplatten  bildeten  auch  in  alter  Zeit  den 
Fussbodenbelag  in  den  Bäumen  des  Deutscb-Ordenshauses.  An  mehreren 
Stellen  sind  solche  Beläge  aufgedeckt.  Es  wurden  nnglaaierte  Platten  mit 
einfachen  Mustern  und  gelb-  und  grünglasierte  Platten  mit  reicheren  Mustern 
gefnnden.  Für  den  gegenwärtigen  Fussbodenbelag  sind  Thonplatten  verwendet, 
welche  die  Färbung  und  die  Muster  der  alten  einfachen  Platten  tragen. 

In  der  südlichen  Frontwand  öffnet  sich  eine  Thür  nach  einem  kleinen, 
beim  Umbau  hergestellten  und  mit  einem  schmiedeeisernen  Gifter  abgeschlossenen 
Balkon.  Diese  Thtlr  war  früher  Ausgang  auf  eine  im  18.  Jahrhundert  ange- 
legte, nicht  mehr  vorhandene,  breit  vor  der  Front  gelagerte  zweiarmige  Frei- 
treppe, welche  hinunter  nach  dem  Haaptliofe  tllhrte. 

Die  Wände  des  Remters  waren  mil  reichen  Malereien  versehen.  Es  fanden 
sich  solche  auf  den  mehrfach  übereinanderliegenden  Putzschichten  aus  den  ver- 
schiedensten Zeitabsebnitten  vor. 

Gut  erhalten  ist  eine  unterhalb  des  östlichen  SchildlKtgens  auf  der  Süd- 
wand freigelegte  Kreuzigung.  Die  in  Umrissen  gezeichneten  Gesichter  des 
Heilands,  der  Maria,  des  Johanne'^  u.  s.  w.  zeigen  gut  gelungenen  Ausdrnck. 
Die  Figuren  heben  sich  wirkungsvoll  von  einem  teppichartig  gemalten  Grunde 
ab,  dessen  Motive:  Lßwe,  Adler  und  Fif*ch  in  eigenartiger  ornamentaler  Vc^ 
bindung  verwendet  sind.  Diese  Darstellung  ist  an  der  aufgefundenen  Stelle 
belassen  und  mit  einer  »chützcnden  Laekschicht  verschen. 


tankmalpflega  ii 

Soweit  die  übrigen  Wandmalereien  zusamnienbäDgendc  Muster  erkennea 
liesseu,  sind  diegelben  nnch  genauen  Anfnahnicn  in  einem  Ranme  dea  ebe- 
innli^^n  Tlioibaues  als  Wand-  nnd  Dcckenbemalung  verwertet. 

Die  lar  grUiidlicben  Wiederherstellung  und  Erhaltung  der  anFgefundenen 
Malereien  crTorderlJche  AuFüicbt  der  Aiisflibriingsarbeiteu  lag  in  den  Händen 
deti  Maler»  J.  Ranland. 

Der  vorgenannte  ehemalige  Tborban  (vgl.  die  Ansicht  von  Norden 
Fig.  21)  ist  ein  Bau  geringerer  Abmessungen,  welebor  Moselflflgel  und  Rhein- 
fiUgel  mit  einander  verbindet;  derselbe  zeigt  auf  der  Nordfront  erneuerte,  dem 
früheren  Zustande  entsprechende  Faebwetkausbildang  des  oberen  Geschosses. 
Der  niedrigere  Thorbau  mit  dem  rot  gestriehenen  Fachwerk  steht  im  wirkungs- 
vollen Gegensatz  zu  der  hochragenden  Giebeldäche  des  Rbeinflilgels  und  der 
Nordfront  des  Moaelflllgels.  Diese  dem  Kaiser  Wilhelm-Denkmal  zugewendeten 
Banten  werden  fllr  den  von  der  IIoehteiTasse  des  Denkmal«  auf  dieselben  ge- 
richteten Blick  im  unleren  Teile  von  der  Bastion,  „dem  deutschen  Eck",  und 
den  hieran  beiderseits  sieh  anschliessende  u  vielumstrittenen  Befestignngsmanem 
gleichsam  zusammcngeliiBSt. 

Der  nicht  unterkellerte  Rbeiufldgel,  gegenwartig  zur  Anl'bcwabrung 
der  Bestände  des  Staatsarchives  hergerichtet,  dürfte  ohne  Zweifel  als  Spital- 
bau gedient  haben.  Ans  verschiedenen  konstruktiven  Aidialt.s))nnkten  ist  zu 
schliessen,  dass  das  Erdgeseboss  grössere  und  kleinere  Ränme  enthielt  nnd 
dass  aber  denselben  sich  ein  Saal  befand,  welcher  nach  Art  der  grossen  mittel- 
alterlichen Spitäler  mit  einer  bis  ins  Dach  reichenden  Hulzdecke,  hier  auf 
Kragsteinen  ruhend,  bedeckt  war.  Diese  Kragsteine  sind  in  dem  alten  Mauer- 
werk der  Längswände  noch  erhalten. 

Bemerkenswert  ist  die  bei  der  Erneuerung  des  Anssenpntzes  erfolgte  Auf- 
deckung von  Gewölbe  Widerlagern  an  dem  Slldgiebcl  des  Rheinflügels.  Ans  der 
Spannweite  der  Gewölbe  nnd  den  sonst  gefundenen  Spuren  wurde  das  Vor- 
handensein eines  Vorbaues  am  Südgiebel  nachgewiesen.  Die  Fundamente  für 
diesen  Vorhau  wurden  in  einer  bestimmten  Entfeniiing  vom  Giebel  vermutet 
und  bei  den  hiernach  vorgenommenen  AnFgrabnngen  an  den  betreffenden  Stellen 
gefunden. 

Die  weitere  Annahme,  dass  dieser  Vorbau  ein  Unterbau  für  einen  Altan 
gewesen  sei,  auf  welchen  die  Kranken  aus  dem  Saal  direkt  hinaustreten 
konnten,  nm  den  zur  Genesung  stlirkendcn  Aufenthalt  im  Freien  in  der  warmen 
sonnigen  Lage  nach  Süden  unter  dem  Schatten  der  hohen  Bäume  des  grossen 
Gartens  r.a  gemessen,  wurde  durch  einen  weiteren  Befund  erhärtet.  Eine  znr 
Verbindimg  des  Saales  mit  dem  Altan  notwendige  Tbilröffnung  wurde  gefunden. 
Es  befanden  sich  in  ihr  noch  Teile  der  durch  die  Mauer  reichenden  Balken 
und  Fussbodenbretter,  die  beim  Vermanern  der  Tbüröffnung  gelegentlich  der 
Beseitigung  des  Altans  in  der  Flucht  der  Ansaenseite  des  Giebels  abgeaebnitten 
und  dann  überputzt  waren. 

Ansser  den  vorstehend  aufgeführten  umbauten  sei  noch  die  Errichtung 
eines  in  mittolalterlicbe»  Formen  gehaltenen  Neubaues  am  Eingang  vom  Castor- 


Sl« 


Bericht  Über  dls  tUtlgkdt  der  ProvinBlaikommiMlon 


hof  BDB  erwähnt,  welcher  die  Archivdieuer- Wohnung  eutbäll.  Üeraelbe  dient 
zugleich  als  Fförtncrhaug. 

Die  Einfahrt  iiii  Thortunue  daselbst  iat  mit  eiuem  schwereu  schmiede- 
eisernen Gitter  abgeschlossen,  dessen  Formougebnng  im  Sinne  uiiltclalterlidier 
Wehrhftftigkeit  gewählt  ist. 

Die  nach  Nordosten  vorspringenden  späteren  Befestigungen,  vor  allem 
die  mächtige  Bastion,  das  eigentliche  „Deutsche  Eck",  die  den  Absclilass  hier 
bildet,  wnrden  natrli  längeren  Verbandlnngen  und  nach  den  sorgfältigsten  Er- 
wägungen über  ihre  Wirkung  im  Gesamthilde  in  der  Form  belaKBen,  in  der 
sie  überliefert  waren.  Die  ganze  Befestigungslinie  erhebt  sich  auf  den  Grund- 
mauern, die  von  der  zweiten  grossen  Stadtbcfcatigung  um  das  .Talir  1280 
Btammen :    ihre  Reste  sind  noch  an  der  Bastion  selbst   erkennbar.     Naiib  den 


Fig.  21.    Koblenz,  ebeiiiRl.  Deuts ch-Ordeneb aus.    Ansicht  dva  elieinali^') 


Abbildungen  in  Braun  und  Hogenbergs  8tädtcbuch  vom  Jahre  157)5  and  in 
Merians  Topographia  ardiiepiscopataum  Moguntinensis,  Trevirensis  et  Colo- 
nieusis  vom  Jahre  1632,  auch  schon,  obwohl  undeutlicher,  in  Sebastian  MQnstera 
Cosmographey  vorn  Jahre  1541  und  auf  dem  Hintergrund  eines  Wandgemälde)» 
mit  der  Darstellnng  des  h.  Martin  in  der  Liebfraueukircbe  zu  Oberwesel  be- 
stand an  dieser  Ecke  ein  viereckiger  etwas  über  die  Mauer  vorspringender 
Turm,  der  auf  den  Abbildungen  des  17.  Jahrhunderts  ein  .Satteldach  Irtlgt. 
Die  Bastion  wurde  dann  nach  dem  SOjfthrigcn  Krieg  bei  der  dritten  Stadt- 
befestigung umgestaltet  und  erliielt  zivischen  1657  und  1671  eiueu  neuen 
Anfsatz,  von  dorn  der  Mittelteil  stammt,  ihre  jetzige  Gestalt  erhielt  sie  endlieh 
bei  der  letzten,  vierten,  preussisuhen  Umfestigung  in  den  Jahren  1H]9^1831. 
Die  ganze  Anlage,  diß  eine  abgektlr/.te  Geschichte  der  Stadt  Coblcnz  git^t, 
und  nicht  zuletzt  auch  jene  erste  prenssittche  Fortiükation  erschien  doch  als 
historisch  bedeutsam  genug,    um   sie    unangetastet  zu  erhalten  und  von  einer 


für  die  Denk  mal  pfleg'o  tu  der  RheiaprorinK. 


sn 


Wiprtei'hcrstellang  dereolben  im  Sinne  niittelalterliclier  Befestigung  abzuseilen. 
Oerade  die  Rücksicht  auf  die  cyklopisclie  ArcUitektnr,  die  Bruno  Scbmitz 
für  den  Unterbau  und  die  Pcrgrola  meines  KaiaerdcukmalB  ^ewSldt  hatte,  ließs 
es  als  einen  besondere  gl(leklicln.'n  Umstand  erscheinen,  dass  hier  in  unmitlel- 
harc  Nähe  des  Denkinaics  ein  ähnlieh  groes  und  wnchtig  wirkender  Mauerklotz 
trat.  Auch  der  Aroliitekt  des  Denkmals,  Banrat  Bruno  Schmitz,  hatte  sich 
infolgedessen  für  die  Beiliehaltung  der  Bastion  ausgesprochen.  Ähnlielie  Er- 
wägungen fllhrteu  auch  dazu,  die  niedrige  mit  Schiessseharten  versehene  Ab- 
scblnssmauer  naeh  dem  Rhein  zu  nicht  vollständig  niederzulegen.  Sie  wurde 
nur  bis  auf  die  Höhe  der  Schiessaeharten  ahgebrocUen,  dann  sorgfilltig  abge- 
deckt und  fasst  jet-/.t  glllcklieh  die  nun  einmal  eine  historische  Gruppe  bildenden 
Banten  der  Castorskirehe  und  des  Deutseh- Ordenshauses  zusammen.  Über  der 
Bastion  selbst  ist  die  Laub-Pergola  wieder  angelegt  worden,  die  anf  das  Aa- 
mntigste  den  oberen  Abschluss  belebt. 

Über  die  Geschiehte  des  Deutgeh-Ordenshauaes  vgl.  J.  H.  Hennea,  Die 
Commcnde  Coblenz:  Picks  Monatsschrift  für  rheinisch-westfälische  Gesehichts- 
forscimng  und  Altertumskunde  III,  1877,  S.  514,  —  Ders,,  Commenden  des 
deutschen  Ordens,  Mainz  1878,  S.  3,  fi  ff.  —  Die  Urkunden  bei  Hennes, 
Codex  diplomaticus  ordinis  s.  Mariae  Theutonieorum  I,  p.  22,  24,  30  ff.  — 
Wegcler,  Beiträge  zur  Geschichte  der  Stadt  Coblenz  1882,  S.  49.  —  Leh- 
i'eldt,  Die  Bau-  und  Kuustdenkmäler  des  Regiernngsbezirks  Cobleuz,  Dössel- 
dorf  1886,  S.  173. 

IlaEtermanu. 


10.     Köln.     Fortban   des    Domes   im   Baujahre  1897/98. 

Die  irn  Jahre  1890  begonnene  Ausfuhrung  der  Mosaikbeflnrnng  der  Vie- 
rung luid  des  Doniehora  ist  nunmehr  im  Laufe  des  Monats  Mai  d.  J.  durch 
Fertigstellung  der  Hliftmosaik  auf  dem  Presbyterium  in  der  Umgebung  des 
Hochaltars  znm  Abschluss  gebracht.  Die  Mitte  des  Presbyteriums  nimmt  die 
auf  dem  Throne  sitzende  Gestalt  des  Papstes  als  Repräsentanten  der  geistlichen 
Macht  ein,  umgeben  von  den  vier  Paradi esflUssen,  welche  das  aus  Urnen  aus- 
fliessende Wasser  zu  einem  .Strome  vereinigen,  der,  vom  .\ltare  ausgehend,  die 
Darstcllnngen  der  christlichen  Kirche  und  der  in  ihr  vereinigten  Nationen  durch- 
fliesst  und  durch  die  in  ihm  schwinmiemlen  Fische  den  Weg  zum  Altare  zeigt. 
Zn  beiden  Seiten  des  Hochallars  sind  nach  dem  vom  hiesigen  Metropolitau- 
Kapitel  aufgestellten  Programme  die  sieben  geistlichen  und  sieben  weltlichen 
Stände  angeordnet.  Auf  der  Nordseite,  vor  dem  eiv-bischöflieben  Throne  die 
typischen  Figuren  der  geistlichen  Würdenträger:  in  der  Mitte  der  Papst,  um- 
geben von  dem  Kardinal,  dem  Erzbischofj  dem  Kanoniens,  dem  Priester,  einem 
Mfinch  und  einem  Einsiedler.  An  der  Stldseite  die  Gestalten  des  Kaisers,  dos 
Fürsten,  des  Ritters,  des  Kaufmanns,  des  Kunsthandwerkers,  des  Landmanns 
und  des  Bettlers. 

Mit  Ausfuhrung  der  farbigen  Detail -Skizzen  für  die  MoKaikbeflnrung 'des 
Domchores  wie  der  Kartons  in    natürlicher  Grösse  war  bekanntlich    der   ehe- 


218  Bericht  über  die  Thätigkeit  der  Provinzialkommission 

malige  Direktor  des  Germanischen  Mosenrns  in  Nürnberg  y.  Essenwein  betrant. 
Längeres  Unwohlsein  des  Genannten  verzögerte  die  Fertigstellang  dieser  Kunst- 
aafgabC;  nnd  bei  seinem  im  Jahre  1892  erfolgten  Tode  hinterliess  Essenwein 
die  Arbeit  für  das  Chorinnere  unvollendet  zurück.  Durch  Vertrag  von  1892 
und  1895  tibertrug  die  Dombau-Verwaltung  die  Fertigstellung  der  Vorlagen  für 
den  Raum  zwischen  den  Chorstühlen  und  für  den  östlichen  Teil  der  Chorbe- 
flurung  dem  Maler  Prof.  G  e  i  g  e  s  in  Freiburg  i.  B.,  der,  unter  Zugrundelegung 
der  Essenw einschen  Vorarbeiten,  sämtliche  Kartons  bis  zum  Schlüsse  des 
Jahres  1897  vollendete.  Mittels  Vertrages  vom  7.  Januar  1890  übernahm  die 
unter  Leitung  des  Direktors  Bingler  stehende  Mosaik-Fabrik  von  Villeroy 
und  Boch  in  Mettlach  die  Anfertigung  der  Stiftmosaiken  im  Bereiche  des  Chor- 
umgangs, der  Vierung  wie  des  Chorinneren  einschliesslich  des  Presbyteriums 
und  förderte  diese  Arbeit  in  mustergültiger  und  kunstvollendeter  Weise  bis  zum 
gegenwärtigen  Jahre. 

Für  die  Skizzen  und  Kartons  sind  aus  der  Dombaukasse  an  den  Direktor 
V.  Essenwein  10300  Mark  und  an  den  Professor  Geiges  13963,10  Mark  ge- 
zahlt, sodass  für  die  Entwürfe  im  ganzen  eine  Summe  von  24263,10  Mark  ver- 
ausgabt wurde.  Die  Herstellung  der  gesamten  von  Villeroy  und  Boch  ausge- 
führten Arbeiten  erforderte  einen  Geldbetrag  von  55198,1  Mark.  Für  diese 
Summe  wurden  834,234  qm  Bodenflächc  in  reichem  farbigem  Stiftmosaik  ge- 
fertigt und  verlegt.  Der  Durchschnittspreis  für  1  qm  Mosaik,  teils  Ornament, 
teils  figürliche  Darstellungen   enthaltend,   hat   somit  etwa  66,2  Mark  betragen. 

Im  Äusseren  der  Domkirche  wurde  im  Laufe  des  Baujahres  1897/98  die 
stark  verwitterte  Wandfläche  des  Chorbaues  zunächst  der  Sakristei  sorgfältig 
ausgebessert,  und  die  verwitterten  Gesimse,  Profile  und  Friesblätter  wurden 
durch  neu  eingesetzte  Obcnikirchener  Werksteine  ersetzt. 

Nachdem  unter  dem  15.  Juni  1896  das  hiesige  Motropolitan-Kapitel  wegen 
anderweitiger  Vorschläge  zur  Gestaltung  der  Windfangvorbauten  das  Ersuchen 
gestellt,  von  der  ferneren  Ausführung  der  Windfänge  in  Eichenholz  gemäss 
den  allseitig  genehmigten  Plänen  vorläufig  Abstand  zu  nehmen,  sind  die  Pläne 
und  Kostenanschläge  zu  den  beabsichtigten,  alle  drei  Thüren  der  Portalwände 
umfassenden  lettnerartigen  Vorbauten  vom  genannten  Kapitel  bisher  nicht  vor- 
gelegt worden.  Seit  zwei  Jahren  haben  daher  die  dafür  in  den  Betriebsplänen 
1896/97  und  1897/98  angesetzten  Geldbeträge  keine  Verwendung  gefunden. 

Voigtel. 


11.    Köln-Niehl  (Stadtkreis  Köln).     Wiederherstellung   der 
alten  katholischen  Pfarrkirche. 

Die  alte  Pfarrkirche  zur  h.  Katharina  in  Nichl  ist  neben  der  zu  Kriel 
einer  der  frühesten  romanischen  Bauten  in  der  näheren  Umgebung  von  Köln. 
Der  dreist(ickige  Turm  mit  den  leicht  eingerückten  oberen  Stockwerken,  im 
zweiten  Stockwerk  durch  Vertikal-Lisenen  und  Rundbogenfrics  gegliedert,  und 
das  einzige  nördliche  Seitenschiff  gehören  noch  dem  ältesten  Bau  an,  der  wahr- 


fOr  dia  Denkmalpflege  la  der  Rbdnprovlns. 


S19 


sclieiiilioli  aus  ilcr  crstcu  HälAc  des  II.  JaltrhuDderts  stanunt;  das  Hauptschiff 
statniiit  ans  deui  14.  Jahrhundert.  Die  Formoii  der  Anssenareliitektor,  die 
Froülc  der  Gliederuii^en  luaehen  dcu  Dan  zu  einer  interessaiitun  roiiianiBclien 
Anlage.  Das  Masswerk,  die  Fenster,  die  Rippen,  Kapitelleiien  und  Cüusolen 
iu  dem  frllliyotliischen  Teil  eind  von  feinen  und  zierlielien  Profilen,  die  letzteren 
mit  gut  gearbeitet  etil  Laubwerk  uud  figürlichen  Darstellungen  ausgesehmückt. 
Dazu  kommt  der  malerische  Werl,  den  die  Kirehe  besitzt;  sie  ist  iu  der 
Tliat  Fast  der  schönste  Piuikt  des  Rheinpanoramas  zwischeu  Köln  und  DUBsel- 


Fig.  22.    KBhi-Niehl,  alte  katholische  Pfarrkirche.    Nordunaicht  nach  der  Wieder- 
herstellnng. 

dorf,  über  der  Uferböschung  auf  einem  leicht  anfgemauerten  Hügel  gelegen, 
beherrscht  sie  die  ganze  Umgegend  (Fig.  22). 

Für  die  Erhaltung  des  Baues  war  seit  der  Erbauung  der  uenen  Pfarr- 
kirche nichts  mehr  geschehen,  Mauerwerk  und  Dächer  waren  schadhaft  geworden. 

Der  Kirchen voi-stand  Hess  im  Jahre  1893  durch  den  Architekt  Theodor 
Kremer  in  Köln  einen  Kostenanschlag  zur  Wiederherstellung  der  Kirche  auE- 
stellen,  der  mit  lOnOO  M.  abschloss;  auf  das  Gesuch  des  Kirchen  Vorstandes  vom 
Ende  des  Jahres  1H93   bewilligte   der  Provinzial-Ausschuss  am    18.  Mai  1894 


SaO  B«lcht  fiber  die  TbKigkttt  der  ProtliulalkoiiHBlaatoii 

einen  ZmobiiM  ron  6000  H.  zn  den  in  dem  Koeteiuuuohlag  niedergelegten  not- 
wendigen Wiederlieratenni^iBarbeiten.  Diese  Arbeiten  sollten  lach  im  Wesrait- 
lieben  aat  das  Abebarrieren  des  TDfiMeinmsaerwerks  nnd  Ergbiznng  desaelben 
an  sehr  schadhaften  Stellen,  an{  Ansbessernng  des  Daches,  Emeuenmg.der 
TbUren,  sowie  auf  den  Abbmch  des  westlichen  Vorbaues  erstrecken;  anasw- 
dem  kam  eine  BegnHemng  des  Kirebplatzes  binm. 

Die  Ansfflhrnng  der  Arbriten,  die  im  Sommer  1895  begonnen  and  hn 
Scnnmer  1896  f(Htg<yetzt  warden,  ergab,  da«  die  Kirche  sich  in  einem  wesent- 
lich schlechteren  baalichen  Zostand  befand,  als  in  dem  Kostenanschlag  ange- 
nommen war.  Das  nSrdlicbe  Seitenschiff  war  so  stark  ansgewiehen,  dass  es 
abgetragen  nnd  von  Grand  auf  nen  aof gemasert  werden  mnsete;  der  Tormhelm 
war  so  schadhaft,  da^  er  beim  Beginne  der  Arbeiten  einstOizte  tmd  gleich- 
falls voIlkomDien  ernenert  werden  ninsste.  Die  Augbesserauj^  des  Manerweii:s 
nahm  aiicli  einen  grösseren  Umfang  an,  als  voransznselien  war,  namentlich  an 
dem  Tnrm  mnssten  sehr  grosse  Particen,  die  durcli  eine  Putzscbicbt  verdeckt 
gewesen  waren,  in  der  Tuff- Verblendung  vollkommen  ernenert   werden. 

Die  dadurch  verursaclite  UeherBcli reitung  des  ersten  Kostenanscfalages 
war  die  VeranlaBsnng  zn  einer  Unterbreeliiing  der  Wiederlierstellnngsarbeiten 
im  Sommer  1897;  es  blieli  neben  kleineren  Arbeiten  im  Wesentlichen  noch  die 
Restauration  des  Chores  zurück.  Aus  diesen  Gründen  hat  sieb  der  Provinzial- 
Anssehnss  für  die  Denkmalpflege  veranlasst  gesehen,  unter  dem  23.  MArz  1898 
eine  weitere  Beihtllfe  von  3824  M.  zur  Vollendung  der  Wiederherstellnngs- 
arbeiten  bereit  zu  stellen.  Mit  Hlllfe  dieser  letzten  Bewilligung  und  eines  Zn- 
Bcbnsses  der  Stadt  Köln  in  der  H(lhe  von  625  M.  ist  die  Wiederherstellnng 
im  Sommer  1898  endlich  zu  Ende  geftthrt  worden,  so  dasa  das  interessante 
Baawerk  in  seinem  weiteren  Bestand  als  gesichert  bezeichnet  werden  darf. 

Giemen. 


12.  Oberdollendorf  (Kreis  Steg).  Wiederherstellnng  des 
Turmes  der  katholischen  Pfarrkirche. 
Der  Tnrm  der  katholischen  Pfarrkirche  in  Oberdollendorf  mit  der  an- 
stoßenden Apside  ist  der  Östliche  Teil  einer  romanischen  Anlage  des  12.  Jahr- 
hunderts, deren  Langhaus  in  den  Jahren  1792 — 1793  durch  einen  einschiflSgen 
schmucklosen  Saalbau  ersetzt  wurde.  Die  mit  einem  Kreuzgewölbe  tlberspanotc 
Tnrmhalle  mit  der  im  Omndriss  segmentförmigen  Apside,  der  ursprOnglichen 
Anlage  als  Chorhans  dienend,  wird  jetzt  nur  als  Sakristei  benutzt.  Der  Turm, 
der  in  seinen  einfachen  Formen  anf  die  zweite  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  als 
Entstehnngszeit  hinweist,  umfasst  drei  Geschosse,  von  denen  das  Erdgeschoss 
mit  der  Apside  von  einem  einfachen  Rundbogenfries  abgeschlossen  wird.  Die 
beiden  unteren  Gescbosse  haben  nur  kleine  Licbtßffnungen,  das  zweite  Ober- 
gcschoss  zeigt  Je  ein  dreiteiliges  Säulenfenster  in  rnndbogiger,  von  kräftigem 
Wulst  cingefasster  Blende,  darüber  erheben  sieb  auf  kräftigem  WOrfcIfries  die 
mit  RnndbogeDfries  und  Wllrfelfrieg  umrahmten  Giebel  des  stumpfen  Rhomben- 


für  die  Denkmal |iflegc.  iu  licr  RlieiDprovinz,  291 

(lacheB;  jedes  Giebelfeld  zeigt  ein  üweiteiligea  SiUileufeiiBtev  in  niiidbogif^er 
Rlende. 

Ein  vollkommenes  Gegfeiistück  findet  diese  eigcourtige  Anlage  in  der 
gleiulizettigen  Kirche  des  benaclibarten  Nicderdollendorf,  niilircnd  die  gldcli- 
zeiligon  Oflttnrni-Anlageii  in  den  nahegelegenen  Orten  KUdinghoven  und  Ober- 
kasscl  wenigstens  in  der  Geeanitanlage  mit  OlierdoUendorf  und  NiederiloUendorf 
tlbcreinstimmen.  Die  Gleicbmässigkeit  der  Anlage  erklärt  8ich  aus  der  gemein- 
schaftlicbeu  1144  erfolgten  Einverleibung  der  vier  Kirchen  in  das  Stift  Vilicli 
bei  Bonn.  {Vgl.  Eft'mann,  Die  alten  Teile  der  Pfarrkirche  zn  OberdoIIendorf 
in  der  (Zeitschrift  für  ehrisfüche  Ktinst'  VI,  Sp.  257.)  Ein  ferner  liegendes 
intercBsanles  Heispiel  einer  Ostturni-Anlage  in  der  Rheinprovinz  bietet  die  Kirche 
in  Wintersdorf  (Kreis  Trier). 

Der  Turm  befand  sieb  nicht  nnr 
in  einem  schlechten  baulichen  Znstand, 
sondern  war  auch  durch  spätere  Zu- 
tbaten  seines  nrsprttngliehen  Charaktere 
zum  Teil  entkleidet.  Der  schlechte  han- 
liche  Zustand  lag  einmal  an  der  mangel- 
haften Fund  amen  tierung,  wurde  aber 
noch  durch  den  Umstand  verschlimmert, 
diiBB  die  Glocken,  in  einem  schadhaflen 
Gloekenstuh!  ruhend,  bei  dem  Lünleu 
an  das  Tumiraanerwerk  anschlugen. 
Ausserdem  waren  die  Gesimse,  die  sämt- 
lich aus  TntTslein  bestehen,  zum  Teil 
bis  znr  Unkenntlichkeit  verwittert;  die 
MauerSächcn  trugen  eine  sehr  schad- 
hafte Putxschicht.  Zu  dem  zweiten  Turm 
geschoss  bezw.  zu  dem  auf  die  Apside 
aufgesetzten  niedrigen  Geschoss  führte 
eine  gemauerte  Freitreppe  in  einem  Lauf 
empor,  sie  zeigte  beiderseitig  gemauerte 
BrHstangcu  und  ein  Pultdach  llber  der 
Oe£fnnng  im  Turm.  Diese  gleichfalls 
aus  dem  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
stammende  Anlage  war  zwar  von  male- 
rischer Wirkung,  durclisehnilt  und  ver- 
deckte aber  einen  erheblichen  Teil  des 

Turmes.  Vor  allem  auch  entstellte  eine  rnhe  ümmantelnng  des  Erdgeschosses 
von  Turm  und  Apside,  die  bei  der  schlechten  Fundamentierung  grösseren 
Hall  gewähren  sollte,  die  Auslebt  des  Bauwerks  (Fig.  23). 

Da  der  Bestand  des  Bauwerks  gcfUhrdet  erschien,  so  war  Abhilfe  dringend 
erforderlich.  Bereits  1  «93  hatte  der  Königliche  Kreisbauinspektor,  Banrat  Escb- 
wciler  in  Siegbnrg,  einen  Kostenanschlag  der  nothwcndigeu  WicderhorstelluDga- 


■ 

1 

Fi^^.  23.    Ober(li>lioiiiioJl.  kaili.  IT.irrkirche. 

Ansicht  des  Turmes  vor  der  Wieder- 

hiTStellimg. 


saa 


Bericht  über  die  Thiitif^koit  der  Provinsialkoi 


arbeiten  au^estelU,  der  mit  der  Samine  von  6700  K.  abscfaloss;  dieser  wurde! 
am  2tJ.  November  1894  dnrch  die  Königliche  Regierung  in  Köln  geprüft.  Diel 
verausi-blaglcn  Arbeiten  ereti-eekten  sich  im  Wesentlichen  auf  das  Unterfangea  1 
der  Fundamente,  Eiiiencrong  des  Glockcnstulils,  Entfernung  der  späteren  An- 
bauten lind  Wiedcrberstollnug  des  Aeusscrcn,  sowie  den  Anbau  eines  Treppen-  I 
tOrmchens  zum  Ersatz  fUr  die  zu  beseitigende  Freitreppe  (Fig.  24). 


^1^3  @>[ff«u^i^  I 


.1^4.^><»iJ<^  <U>  fvJ^uX^. 


»J..^  J„  %U 


Fig.  24.    OliardoHendorf,  kAtfioI.  PfArrklrclie.    Ornndrlssp,  Aufrisse 
lies  Tiirinesi  nach  der  Wiedorherstellong. 


Zu  diesen  Arbeiten  bewilligte  auf  das  Gesuch  des  Kircbenvorgtandes  der  j 
ProTiuMal-AuBschuBS  am  18.  Mai  1804  eine  Beihilfe  von  2000  M.,  durch  Aller- 
böclistcn  Erlaas  vom  23.  Oktober  1895  kam  ein  Gnadengeschenk  in  der  HSbc  J 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Hheinprovinz.  2^3 

von  2000  M.  hinzu.  Nachdem  im  März  1896  die  Arbeiten  dem  Unternehmer 
Seheidgen  in  Königswinter  verdungen  worden  waren,  wurde  im  April  1896 
mit  der  Ausführung  begonnen.  Dabei  ergab  sieb,  dass  unter  dem  Verputz  des 
Turmes  gutes  Tuffsteinmauerwerk  sass;  es  wurde  deshalb  an  Stelle  der  im 
Kostenanschlag  vorgesehenen  Erneuerung  des  Verputzes  eine  Ausbesserung 
bezw.  Auswechselung  des  Tuffmauerwerks  ausgeftthi-t.  Ebenso  ergab  sich,  dass 
die  unteren  Teile  des  Mauerwerkes  aus  Basalt  bestanden;  es  wurde  deshalb 
der  Verputz  entfernt,  die  Fugen  gereinigt  und  mit  Cement-Mörtel  ausgegossen. 
Besondere  Vorsicht  erheischte  die  Beseitigung  der  unteren  Ummantelung  des 
Turmes  und  der  Apside;  dabei  mussten  die  Fundamente,  die  nicht  durchweg 
bis  auf  tragfähigen  Boden  herabgeftlhrt  waren,  unterfangen  werden,  darnach 
wurde  ein  neuer  Sockel  aufgemauert. 

Bei  den  stark  verwitterten  Gesimsen  Hess  sich  die  ursprüngliche  Profilie- 
mng  nur  dadurch  genau  feststellen,  dass  auf  Anordnung  des  Bauleiters  einzelne 
herausgenommene  Stücke  von  weniger  beschädigten  Stellen  vorsichtig  durchsägt 
wurden;  bei  der  Erneuerung  der  Gesimsteile  und  der  Rundstäbe  der  Fenster- 
blenden fand  feiner  Weiberner  Tuff,  bei  der  Ergänzung  einiger  Kapitelle  und 
Fenster-Säulchen  Stenzelberger  Trachyt  Verwendung. 

Der  alte  hölzerne  Glockenstuhl  wurde  durch  einen  solchen  aus  Walzeisen 
ersetzt,  der  für  die  Unterbringung  der  drei  Glocken  von  1,31  m,  1,22  m  und 
1,04  m  Durchmesser  hinreichend  Raum  bietet. 

Da  der  Turm  von  dem  Kirchenboden  nicht  zugänglich  ist,  so  musste  an 
der  Nordseite  nach  dem  Entwurf  des  Baurats  Eschweiler  ein  rundes  Treppen- 
türmchen  in  einfachen  romanischen  Formen  aus  regelmässigem  Tuffsteinmauer- 
werk angefügt  werden;  es  ist  bis  zum  ersten  Obergeschoss  hochgeführt  und 
mit  kurzem  geschiefertem  Kegeldach  abgedeckt. 

Im  Mai  1897  waren  die  Wiederherstellungsarbeiten  vollendet;  die  Leitung 
der  Arbeiten  lag  in  den  Händen  des  dei*zeitigen  Königlichen  Kreisbauinspektors, 
Baurat  Kosh  ab  in  Siegburg.  Die  Kosten  betrugen  für  die  Bauausführung 
7574,20  M.,  für  die  Bauleitung  280,73  M.,  also  insgesamt  7854,93  M.  Die 
Üeberschreitung  des  Kostenanschlages  von  6700  M.  liegt  hauptsächlich  in  der 
während  der  Ausführung  sich  ergebenden  Notwendigkeit  begründet,  an  Stelle 
des  vorgesehenen  neuen  Verputzes  eine  Ausbesserung  des  regelmässigen  Tuff- 
stein-Mauerwerkes treten  zu  lassen. 

K  0  s  b  a  b. 


Beifdit  ttber  di« /Hiltti^fllt  der  ProriiuialkDiiiliilMlon 


Fig.  25.    Kiiln,  S.  Ciereon.    Malerei  von  Je»  Arknilpji  des  Kapelleiik 


13.  Airfertigung  von  Kopien  der  mittelalterlichen  Wandmalerelen  der 
Rkeinprovinz. 

Im  Recfanim^afare  1897/98  rind  nach  d^  im  vorigen  Jahresbericht  ans- 
Alfarlich  dargestdlten  Grandafttzeo  vor  aliem  io  den  Kölner  Kirchen  systema- 
tiRfdi  die  Aofnahmeii  dw  mittelalterlichui  Wandmalereien  verröllat&ndigt  worden« 

Znnachat  tnuidelte  es  sich  um  die  Aafnabmea  Aer  Wand-  und  GewQlbe* 
malereien  in  der  Kirche  S.  Uaria  Lyakirchen  in  Köln.  Die  ans  dem  Ende  der 
1.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  stammenden  Malereien  an  den  drei  Krenz- 
gewölben  des  Mittelschiffes  zeigen  in  jedem  GewOlbefelde  zwei  Dar8tellang:en 
nebeneinander,  zumeist  ans  dem  neuen  Testamente,  ron  der  Verkttndigung  bis 
zum  Pfingstfest  und  dazu  eine  Reihe  von  typologischen  Scenen  ans  dem  alten 
Testamente,  in  den  Zwickeln  in  allen  Feldern  grossartig  aufgefasste  Fignren 
von  Propheten  und  Heiligen  mit  Spruchbändern  und  um  den  SchlussBtein  in 
dem  ersten  Joch  in  allen  Feldern,  im  zweiten  in  zweien  die  Halbfignren  von 
Tugenden.  Dazu  kommen  noch  zwei  ähnliche  Gewölbe  mit  kleineren  Dar^ 
Stellungen,  aber  in  der  gleichen  Anordnung,  in  den  beiden  Seitenschiffen.  Die 
Malereien  waren  sämtlich  durch  den  Kanonikus  Göbbels  restauriert  und  z.  T. 
ergänzt  worden,  die  drei  Hanptjoche  im  Mittelschiff  sind  jetzt  durch  den  Maler 
Otto  Vorlaender  sorgfältig  in  grossen  Blättern  in  ümrisszeiehnung  aufge- 
nommen worden.  Über  dem  Westportal  auf  der  Innenseite  der  Kirche  befindet 
eich  dann  eine  grosse  Darstellung  der  Anbetung  der  Könige,  die  den  Vorzog 
bat,  in  der  Farbe  gänzlich  unberührt  zu  sein.  Das  Bild,  das  wahrscheinlich 
schon  in  der  2,  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  aber  von  einem  älteren  conser- 
vativen  Meister  geschaffen  ist,  von  der  glücklichsten  Geschlossenheit  nnd  Ab- 
rnndung  in  der  Komposition,  zeigt  in  der  Mitte  die  Madonna  auf  dem  Thron, 
noch  ganz  archaisch,  en  face  sitzend,   von  links  nahen  sich  die  drei  Könige, 


.Ispflege  fn  Abt  Rh  ein  pro  vi  nz.  935 

von  rechts  zwei  nk'bt  näher  bezeicbDCte  Heilige,  wohl  Propheten.  Das  Bild 
ist  von  dem  Maler  Gerhard  Schoofs  aus  Ktvelaer  farbig  aufgenominen  worden. 
Der  Maler  Schoofs  war  während  einer  ganzen  Reihe  von  Monaten 
danemd  angestellt  und  hat  nnter  der  Leitung  des  Provinzialconservatora  in  den 
Kölner  Kirchen  weitere  Kopien  gefertigt.  In  der  Krypta  von  St.  Maria  im 
Kapitol  wurden  die  Malereien  an  dem  Gewülhe  in  der  mittelsten  [östlichen) 
Kapelle,  ktlnstleriseb  wie  ikonographisch  gleich  merkwördigc  und  bedeutende  Dar- 
stellungen aus  dem  Leben  des  b.  Johannes  dos  Täufers,  wohl  die  ältesten  in  Köln 
erhalteneu  romanischen  Malereien,  farbig  aufgenommen.  Die  Darstellungen  an  der 
Nord-  und  Südwand  waren  dagegen  so  weit  zerstört,  dass  nur  noch  unbestimmte 
Furbenfiecke  erkennbar  sind.    In  der  Kircbc  St.  Pantalcou  sind  in  den  östlichen 


Fig.  26.     Köln,  S.  Cücilin.    Fr  uhg'o tische  Malereien  von  der  Nordwand  des  Laaghanacfl. 


Teilen  noch  eine  Reihe  von  romanischen  Malereien  aus  der  1.  Hälfte  des  13.  Jahr- 
hnndertfl  gänzlich  uDberlIhrt  erhalten,  deren  Untersuchung  wegen  der  Technik 
und  Farbengcbung  besonders  wichtig  war:  Über  dem  Tjmpanon  des  Seitenportals 
im  nördlichen  QnerschitF  eine  thronende  Madonna,  zwischen  zwei  Engeln  in 
feierlicher  Haltnng  auf  einem  romanischen  Kissentbron  sitzend,  die  Fiisse 
gegtotzt  von  zwei  nackten  Halbtiguren  mit  aufgelösten  Haaren  als  die  Verkör- 
perungen von  Erde  und  Meer,  anf  dem  SchooHSc  das  Kind  haltend,  das  die 
fieohte  segnend  erhebt,  in  der  aasgestreckten  Linken  die  Erdkugel  trägt.    Dann 

Jslirb.  dal  Ver.  v.  AltorllialV.  tu  Rh«inl.  i 


^  Bericht  Aber  die  ThäÜgkeit  der  ProvinsialkommisBion; 

im  sfldlichen  SeitenchOrchen,  in  der  Apsis  eine  grosse  Darstellung  des  thro- 
nenden SalTators  in  einer  Mandorla,  die  Bechte  segnend  erhebend,  in  der  Linken 
ein  offenes  Buch  auf  dem  linken  Knie  haltend,  umgeben  von  yier  Heiligen, 
die  dem  Mittelfelde  zugewendet  sind,  und  den  vier  EvangelistensTmbolen.  End- 
lieh in  einer  Blende  in  der  Ostmauer  dieses  ChOrchens  ein  weiteres  Bild  der 
Madonna,  umgeben  von  zwei  Einzelfiguren  von  Heiligen  und  zwei  fliegenden 
Engeln,  schon  aus  der  2^  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts,  und  über  dem  südlichen 
Eingang  noch  ein  flberlebensgrosser  Salvatorkopf  von  strenger  Schönheit«  Alle 
Malereien  sind  gleiehfiiUs  farbig  aufgenommen  worden. 

In  der  Kirche  St.  Qereon  wurden  femer  die  Malereien  über  den  grossen 
Arkaden  des  unteren  Kapellenkranzes,  die  durch  die  dort  bis  zur  letzten 
Bestauration  und  zur  Ausmalung  der  Kirche  durch  Essenwein  befindlichen 
hölzernen  Beliquienk&sten  ziemlich  gut  erhalten  waren,  aufgenommen«  Sie 
zeigen  in  der  Mitte  je  das  Brustbild  eines  der  ältesten  Kölner  Bischöfe  in 
einem  Medaillon,  umgeben  von  Engeh,  die  auf  stilisierten  Wolken  schweben 
und  Weihrauchfässer  und  Kerzen  schwingen  —  die  Darstellung  von  grosser 
Kunst  der  Baumfflllung.  In  der  zweiten  der  sfldlichen  Kapellen  des  Polygons 
wurden  ausserdem  die  einzigen  alten  Malereien,  die  hier  im  Polygon  selbst  er- 
halten waren,  Darstellungen  aus  der  Legende  des  h.  Dionysius,  in  Umrisszeich- 
nungen aufgenommen.  Von  den  Bischofsportraits  ist  als  Vignette  hier  eine 
kleine  Probe  in  ümrisszeichnung  gegeben  (Fig.  26)^  dazu  noch  von  den  schon 
im  vorigen  Jahresbericht  beschriebenen  frflhgothischen  Wandmalereien  in  der 
Kirche  St  Cäcilia  in  KOln  eine  Probe  mit  zwei  Darstellungen  von  der  Nord- 
wand aus  der  Legende  der  h.  Cäcilia,  um  von  dem  Stilcharakter  dieser  kunst- 
geschichtlich so  interessanten  Malereien  eine  Probe  zu  bieten.  Die  Scenen 
stellen  dar  die  Unterweisung  des  Maximas  und  seiner  Haasgenossenschaft  in 
der  christlichen  Lehre  and  die  nachfolgende  Bekebrnng  dnrch  Cäcilia  und  das 
Brüderpaar  Tiburtius  und  Valerianus  (Fig.  26). 

In  der  Nähe  von  Köln,  in  der  romanischen  Pfarrkirche  zu  Lipp  (Kreis 
Bergheim)  ist  das  Kreuzgewölbe  des  Chorhauses  ganz  mit  Malereien  aus  der 
Legende  der  h.  Ursula  bedeckt,  die  aus  der  2.  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts 
stammen.  Leider  sind  die  Malereien  selbst  durch  den  Maler  Müller  aus  Bed- 
burg sehr  stark  restauriert  worden^  so  dass  ihre  Farbe  keine  Aathenticität  mehr 
besitzt.  Die  Umrisse  sind  aber  noch  gut  erhalten  und  die  Darstellungen  von 
grossem  gegenständlichen  Interesse.  Als  Probe  ist  hier  das  zweite  Feld,  mit 
der  Ankunft  der  Heiligen  und  ihres  Verlobten  gegeben  (Fig.  27). 

Durch  den  Maler  Otto  Vorlaender  sind  endlich  in  den  beiden  letzten 
Jahren  vollständige  Kopien  aller  Reste  der  Wand-  und  Gewölbenialereien  an- 
gefertigt worden,  die  sich  in  dem  Nonnenchore  des  Essener  Münsters  befinden. 
Die  nach  der  Zcitstellung  —  sie  sind  nach  den  dürftigen  Resten  im  Aachener 
Münster  und  in  der  St.  Luciuskirche  zu  Werden  die  frühesten  in  den  Rhein- 
landen —  wie  durch  die  ikonographischen  Beziehungen  —  Verbindung  der 
traditionellen  neutestamentliehen  Darstellungen  mit  Bildern  aus  der  Engelsge- 
schichte —  gleich  wichtigen  Malereien  sind  schon  wiederholt  behandelt  und 


für  die  Denkmalpflege  in  der  Kheinprovinz.  227 

besprochen  worden  (W,  TCnnisecn  in  den  Bonner  Jahrbüchern  LXXXII, 
S.  134  nnd  in  Prüfers  Archiv  für  kirchliebe  Kunst  XI,  Nr,  11.  —  Giemen 
in  den  Knnatdenkmälern  der  Stadt  und  des  Kreises  Essen  S.  35).  Sie  sind 
jetzt  auf  zehn  grossen  farbigen  Blättern  aufgenommen,  die  jede  Überhaupt 
noch  erhaltene  Farbspur  zeigen.  Die  Blätter  sind  ebenso  vrie  eine  Anzahl 
ErgänznngsentwUrfe  des  Malers  Vorlaender  dem  Denkmälerarcbiv  einverleibt 
worden. 

C I  e  m  e  n. 


Fig.  27.    Lipp,  katliol.  Pfarrkirche.    Gewölbefeld  des  Chorhanses. 


Berichte 

aber  die  Thätigkeit  der  ProTinzialmuseeii  in  der  Zeit  Tom  1.  April  1897 

bis  31.  März  1898. 


I.    Bonn. 

Im  yerflossenen  Etatsjahre  wurden  Ausgrabungen  nur  innerhalb  des  Römer- 
lagers bei  Neuss  vorgenommen;  welche  den  Zweck  hatten,  über  die  im  nord- 
westlichen Teile  desselben  vorhandenen  Bauwerke  Aufschlnss  zu  verschaffen. 

Zunächst  wurde  der  ümfassungsgraben  der  Nordfront  untersucht,  welcher 
bei  einer  Tiefe  von  3,40  m,  einen  Durchmesser  von  10  m  am  Rande  zeigte  mit 
einer  vorliegenden  Berme  von  2,80  m  Breite.  Die  ebenfalls  gefundene  Um- 
fassungsmauer hatte  hier  eine  Stärke  von  1,90  m  gegenüber  der  sonstigen 
Breite  von  1,40  m.  In  ihr  wurde  ein  Mauerturm  in  Trapezform  von  2,10: 
2,80  m  Breite  und  2,50  m  Tiefe  aufgedeckt,  dessen  Seitenmauern  1,25  m  stark 
sind,  dessen  Rückenmauern  jedoch  eine  Breite  von  1,45  m  und  ausserdem  zwei 
Pfeiler  zur  Verstärkung  haben.  In  seinen  Fundamenten  fanden  sich  mehrfach 
Ziegelstücke,  darunter  auch  eines  mit  dem  Stempel  CLAV  ....  (11921) 
eingemauert.  Von  Gebäuden  wurde  zuvörderst  zwischen  dem  Nordthor  und 
dem  eben  beschriebenen  Turm  im  Intervallum  ein  aus  einem  37  m  langen  und 
7^2™  breiten  Mittelbau  mit  5  gleich  grossen  Räumen  und  zwei  14,80  m  langen 
und  7  m  breiten  vorspringenden  Flügeln  bestehendes  Bauwerk  aufgedeckt, 
dessen  1,45  m  starke,  sorgfältig  aus  Tuff  mit  Kalk  errichtete  Fundamente  durch 
40  Pfeiler  ringsum  verstärkt  sind.  Wie  sich  von  der  inneren  Ausstattung 
nichts  erhalten  hat,  ebensowenig  ist  auch  im  Inneren  etwas  wahrgenommen 
worden,  aus  dem  sich  seine  Bestimmung  erschliessen  lässt.  Da  jedoch  seine 
Mauerzüge  zum  Teil  die  Wallstrasse  durchschneiden,  so  fällt  seine  Erbauung 
später  als  die  der  Wallstrasse.  Nach  dem  Lagerinnern  hin  kamen  alsdann 
hintereinander  liegend  zwei  in  gleicher  Richtung  mit  dem  erstgenannten  Bau- 
werk verlaufende,  völlig  gleichartig  angelegte  Bauten  von  etwa  33,30  m  Länge 
und  13,80  m  Tiefe  mit  mächtigen  Eckpfeilern  von  2,50  m  Seiteulänge  und 
einer  grossen  Anzahl  von  Verstärkungspfeilern  in  den  Fundamenten  zum  Vor- 
schein. Das  Innere  beider  durch  eine  6  m  breite  Gasse  getrennter  Bauten 
weist  eine  grosse  Anzahl  schachbrettartig  verteilter  Steinfundamente  von  etwa 
0,70  m    Seitenlänge    auf,    welche    teils   aus   demselben    Material    wie  die  um- 


BeriirhCe  ttbor  die  ThilUg'kdt  <l»r  ProviiizialmuHeeti.  229 

faesiiii^mauer,  teils  aua  hochkant  g;estcllten  Ziefjelßt (leiten  hergestellt  sind,  von 
denen  mehrere  den  Stempel  der  16.  Legion  tragen.  Nach  dJeeer  Einrichtung 
nnd  nach  den  in  ihnen  gefundenen  Getreidereslen  zn  «chlieRsen,  haben  beide 
Baulichkeiten  als  Getreideniagazine  gedient.  Eine  iu  der  Westecke  des  ersten 
Oebändes  angetroffene  tiefe  Grube  ergab  sich  als  eine  Drunnenanlage,  die  bei 
der  Einäscherung  des  älteren  Lagers  im  Jahre  70  n.  Chr.  tersehüttet  worden 
zu  sein  scheint.  An  den  Schmalseiten  beider  Gebäude  lief  ein  auf  je  8  Säulen 
von  1,50  ni  Seitenlange  ruhender  gedeckter  Gang  von  4,60  m  lichter  Breite 
einher.  Auf  der  Ostseite  dieser  Bauten  wurde,  geschieden  dnreh  eine  6  ra 
breite  Gasse,  eine  dritte  bauliche  Anlage  von  65.20  m  Gesamtlänge  und  einer 
zwisehen  31,20  m  bis  36  rn  schivankenilen  Breite  angetroffen,  welelie  im  Norden 
bis  Kum  Intervallum  sich  erstreekt  und  im  Osten  von  der  /.um  Nordthor  fllhren- 
den  Strasse  begrenzt  wird.  Dieselbe  seheint  ans  3  Teilen  zu  bestehen.  Ob 
jedoch  diese  Dreiteilung  im  nrsprönglichen  Plane  gelegen,  oder  einer  itn  Laufe 
der  Zeit  vorgcnoninienen  Erweiterung  des  Grundrisses  ihren  Ursprung  verdankt, 
liess  sich  mit  Sicherheit  nicht  ermitteln.  Die  Fundamente  des  Mittelbaues 
zeigten  an  der  Nord-  nnd  Ostseite  starke  Verstärkungen,  während  solche  bei 
dem  NordflUgel  bloss  an  der  Ostmauer  äu  sehen  waren,  ebenso  einen  4,50  m 
i.  L.  breiten  Eingang  mit  ziemlieh  kräftigen  Pfeilern,  Ob  aus  den  gefundeneu 
Steinksgeln  ein  Rllckschlnss  auf  seine  Beatimnmng  gestattet  ist,  mag  unent- 
schieden bleiben.  Jedenfalls  lässt  sich  ilem  Mittelbau  und  dem  nJlrdlichcn 
tlügel  ein  magazinartiger  Charakter  nicht  absprechen.  Anders  dagegen  der 
WestftUgel;  er  hat  keinesfalls  iu  seiner  ursprünglichen  Anlage  dem  gleichen 
Zweck  gedient.  Denn  sein  Inneres  birgt  eine  Reihe  älterer  Mauerztlge,  welche 
leils  unter  den  jüngeren  liegen,  teils  von  diesen  durchschnitten  werden.  So 
weit  sich  ein  Urteil  ans  ihnen  bilden  lässt,  scheinen  die  älteren  Fundamente 
einer  Kaserne  anzugehören,  deren  Umbau  jedenfalls  noch  während  der  Zeit 
erfolgt  sein  muss,  wo  die  16.  Legion  die  Garnison  bildete,  weil  ihre  Ziegel 
sich  im  Mauerwerk  gefunden  haben.  Westlich  dieses  eolossalcn  Bauwerkes 
kamen  im  Rücken  der  Eingangs  besprochenen  Magazine  drei  Kasernen  zn  Tage, 
eine  grössere  nnd  zwei  kleinere.  Bei  der  gleichen  Länge  von  31,80  m  hat  die 
grossere  17,10  nr,  die  beiden  kleineren  8,65  m  Breite.  In  der  grosseren,  welche 
durch  eine  5,80  m  breite  Strasse  von  dem  Kolossalban  getrennt  wird  und 
strassenwärts  mehrere  2,30  i.  L.  weite  Eingänge  bat,  wurden  17  dnreh  Gänge 
zum  Teil  verbundene  Zimmer  ermittelt.  Eine  1,70  m  breite  Gasse  trennt  sie 
von  den  beiden  kleineren,  selbst  durch  eine  5,30  m  breite  Strasse  geschiedenen 
Kasernemenls,  welche  die  gleichen  Grflsaenverhältnissc,  Einteilung  und  Zahl 
der  Räume  haben,  nämlich  am  Nordende  einen  die  ganze  Breite  des  Gebäudes 
einnehmenden  Raum  von  4,60ni  Tiefe,  daran  anschliessend  einen  langgestreck- 
ten, in  zwei  Hälften  geschiedenen  Trakt  mit  je  7  Räumen,  von  denen  die  Öst- 
lichen 4,40  ra,  die  westliehen  3,80  m  lang  sind.  Bei  dem  fünften  Raum  ist  die 
Scheidewand  durch  eine  Mancriinterbrcchiing  zu  einem  I  m  breiten  Durchgang 
gestaltet.  In  einer  Entfernung  von  2,70  m  westlich  liegt  eine  77,70  m  lange 
Centarienkaseme.    Ihr  nördlicher,    die  Centnrionenwohnnng  enthaltender  12  m 


910  Berielite  flber  die  Thfttigkeit  der  ProTi]isiiümiiBee& 

imiter  Teil  nmfasst  8  bis  9  TerBchiedentlich  grosse  Bftamei  zu  welcli^  yoü 
der  Strasse  her  ein  Hanpteingang  von  1,10m  Weite  und  ein  zweiter  unmittel- 
bar daneben  lieg^der  0,70  m  breiter  Nebeneingang  führen.  Ein  in  der  Nord- 
ostecke aufgefundener  Kanal  leitet  die  Abwftsser  in  den  grossen  das  Intervallum 
begleitenden  Hauptkanal.  Der  hintere  fOr  die  Mumsehaften  bestimmte  Flflgel 
^thftlt  drei  hintereinander  liegende  Beihen  von  je  12  Bäumen  mit  durch- 
schnittlich 3,26  m  Breite.  Die  der  Strasse  zunächst  liegende  Beihe  besteht 
aus  einer  auf  Holzpfosten  ruhenden  Halle,  d^en  einzehie  Bäume  2,60  m  Tiefe 
haben,  während  diese  bei  der  mittleren  Beihe  2,20  m  und  bei  der  hinterra 
4,60  m  beträgt.  Nordwesdich  vcm  dieser  Kaserne  wurde  eine  6,60  m  breite 
Gasse  und  die  Anfänge  einer  zweiten  Kaserne  festgestellt,  deren  Grundriss  erst 
durch  die  Fortsetzung  der  Grabungen  auf  dem  Nachbargrundstflck  Auftlärnng 
finden  wird.  Sehr  wichtig  fflr  die  Zeitbestimmung  dieses  Lagerteiles  ist  die 
Auffindung  mehnsrer  Gräber  (12060—12086),  welche  in  dem  Schutt  der  ge- 
nannten Bauwerke,  namentlich  der  Magazine,  angelegt  waren.  Eines  derselben 
ist  sogar  in  dne  Mauer  derselben  eingeschnittra.  Sie  zeigen,  dass  das  Lager 
in  der  mittlere  Kaiserzdt,  der  die  in  den  Gräbern  aufgefundenen  Thongefässe 
sämtlich  uigehOren,  bereits  als  solches  aufgegeben  war.  Da  die  Gräber  aber 
auch  ausserhalb  des  späteren  Alralagers  liegen,  so  kOonen  me  sehr  wohl  von 
seiner  Besatzung  herrfihren.  Endlich  kamen  südwestlich  von  den  eh^n  be- 
schrieben^! Kaserne,  getrennt  durch  eine  6  m  breite  Querstrasse,  vier  weitere 
Kasemenbauten  von  33,60  m  Länge  zu  Tage,  von  denen  die  beiden  äusseren 
9  m,  die  inneren  18,60  m  breit  sind.  Bei  der  Ostlichsten  von  ihnen,  von  deren 
Mauerwerk  der  aus  Tuffstein  hergestellte  Aufbau  stellenweise  etwa  26  cm 
erhalten  war,  Hessen  sich  sowohl  die  Eingänge  zu  den  einzelnen  Zimmern  als 
auch  der  Hanpteingang  noch  deutlieh  erkennen.  Sie  enthielt  13  ungleich  breite 
Räume  in  zwei  Reihen,  von  denen  die  der  östlichen  5,20  m  und  die  der  west- 
lichen 3,40  m  tief  sind.  An  der  Innenwand  des  nordöstlichen  Eckraumes  fand 
sich  eine  Anzahl  kleiner  runder  Gruben,  deren  Form  und  Beschaffenheit  deut- 
lich zeigte,  dass  sie  zur  Aufstellung  von  Amphoren  gedient  haben.  Der  da- 
rauf folgende  Bau  weist  vier  Reihen  von  je  8  Zimmern  auf  mit  Eingängen 
von  1,15  bis  1,30  m  lichter  Weite.  Wie  derselbe  im  nördlichen  Teile  gestaltet 
war,  darüber  liess  sich  keine  rechte  Klarheit  gewinnen.  Die  dritte  Kaserne 
stimmte  im  Grundriss  und  in  der  Bauart  mit  der  zweiten  ttberein.  Von  der 
vierten  konnte  bislang  nur  die  Ostseite  in  ihrer  ganzen  Länge  blossgelegt 
werden,  weil  der  grösste  Teil  in  das  nicht  zur  Verfügung  stehende  Nachbar- 
grundstflck sich  hineinzieht. 

Auf  der  Südseite  dieser  Kasernen  stiessen  die  Grabungen  auf  eine  3,20  m 
breite  Gasse^und  auf  die  daran  anstossende  Rückseite  dreier  grosser  Bauten, 
von  denen  vor  der  Hand  nur  ein  schmaler  Streifen  untersucht  werden  konnte. 
In  dem  östlichen  Bau,  welcher  eine  Breite  von  36,10  m  hat,  liess  sieh  ein  3,10  m 
breites  Badegemach  feststellen  mit  einem  Estrich,  dessen  Rand  mit  einem 
Viertelrundstab  versehen  war.  Während  dieser  Bau  von  dem  zweiten  34,20  m 
breiten  Gebftude  1,30  m  entfernt  ist,  trennt  dieses  und  das  dritte  Gebäude  nur 


rUr  die  Zeit  \ 


.  April  18!)7  bis  81.  Murz 


231 


ein  Zmselienranm  von  0,95  m.  Die  sorgfältip  ans  Baealt  hergestellten  Funda- 
mente, das  ans  Tnfffiteinen  gnt  gofilgte  anflehende  Maaerwerk,  sowie  die  Spnrcn 
farbigen  Waiidverput/es  weisen  auf  Qnarliere  hftliercr  Offiziere  tiin.  Endlich 
wurde  auch  noch  die  von  der  via  priucipalis  zum  Nordthore  flllirendc  Strasse 
sowie  der  in  ihr  liegende  Kanal  untei-sucht. 

Im  Laufe  dos  Winters  wandten  sich  die  Grabungen  der  Anfsuchung  der 
in  dem  südlich  der  ProvinzialstraBsc  liegenden  Haupgarten  des  Sehnslers  Pajw 
vorhandenen  Oetflanke  des  Praetorinms  zu.  Es  gelang,  so  weit  dies  die  vor- 
handene Banrnknllur  gestattete,  eine  von  Süden  nach  Norden  laufende  Mauer 
aus  Basalt  und  Tnfl',  welche  vier  grosse  Räume  bcgren/t,  bloss  zu  legen.  Ein 
a,50  m  i.  L.  breiter  Oang  iTcnntc  diese  Käume,  deren  Tiefe  noch  nicht  fest- 
gestellt werden  konnte,  von  einem  27,32  ni  langen  Flllgel.  Zwischen  diesem 
BÜdltehen  und  dem  nördlichen,  noch  der  Aufdeckung  harrenden  Teile  der  Ost- 
flanke  des  Praetoriums  fand  sieh  ein  6  m  breiter  Eingang,  dessen  wirkliche 
Breite  jedoch  durch  einen  Einbau  an  der  Nordseite  auf  3,7.t  m  vermindert 
wird.  In  dem  anBchliessenden  HdberacheD  Garten  wurden  eine  etwa  SfiO  m 
breite  Strasse  und  Teile  /.weier  mit  den  Langseiten  dem  Praclnrinm  parallel 
laufender  Kasernen  eimittelt  mit  je  zwei  Reiben  von  Zimmern.  Der  nördliche 
Trakt  der  zweiten  Kaserne  war  zum  Teil  zerstört  durch  später  an  seiner  Stelle 
errichtete  Fundamente,  welche,  wie  eine  nähere  üntersnebung  ergab,  Reste  des 
Ostthorcs  des  späteren  Alenlagers  waren,  von  dessen  Anlage  ein  befriedigendes 
Bild  erst  durch  weitere  Grabungen  gewonnen  werden  kann.  Die  Ausbeute  an 
kleineren  Funden  war  auch  diesmal  eine  beträchtliche  (11774 — 12021,  12036 
—12108,  12256—19289,  12304—12320).  Darunter  verdienen  eine  besondere 
ErwShnung  ein  Griff  in  Gestalt  eines  springenden  Pferdes  (11785),  eine 
Hängevcrziernng  mit  punktierten  OrnHnienten  (11847),  eine  GefässbekrOnung 
in  Gestalt  eines  Dreizacks  mit  Dcipbineo  (11914),  ein  Zierstück  in  durch- 
brochener Arbeit  (12263)  nnd  eine  emaillierte  sechseckige  Schmnckplatte 
(12268). 

Die  ErilfTnong  zufällig  zu  Niederdollendorf  im  vorigen  Sommer  aufge- 
fundener frfinkiseber  Gräber,  die  der  Eigcntflmer  des  Terrains  gelegentlich 
einer  Fabrikanlage  selbst  vornehmen  lies»,  wurde  vom  Museum  beobachtet.  Die 
Fundstfleke  gelangten  durch  Schenkung  des  rierm  Fabrikbesitwrs  Zürbigins 
Museum  (12169—12220),  Ahdeekungsarlieiten  auf  den  Bimssteingrnben  bei 
Weissenthurra  führten  zur  Auffindung  von  Wohnstätten  aus  vorrömischer  und 
römischer  Zeit,  wodurch  die  Örtliebkeit  der  dortigen  Ansiedlungen  genauer 
ermittelt  wurde  (s.  Bonn.  Jahrh.  102,  S.  19:^).  Von  den  bei  dieser  Gelegen- 
heit bloBSgelegten  Töpferöfen  wurde  einer,  der  besonders  gut  erhalten  war, 
vom  Museum  genauer  untersucht  und  aufgenommen,  unsere  Kenntnis»  des 
römischen  Bonn  hat  auch  in  diesem  Jahre  eine  Bereicherung  erfahren,  indem 
sowohl  innerhalb  des  römischen  Lagers  in  unmittelbarer  Nähe  des  im  vorigen 
Jahresbericht  erwähnten  Bauwerkes  (s,  Bonn.  Jahrb.  101,  S.  ]6nf.)  Teile 
eines  zweiten  Geliäudes,  als  auch  an  der  Coblenzerstrasse  Reste  einer  Villcn- 
Mtlage  aufgedeckt    wurden,    welche   zweifellos    mit  den  im  Jahresbericht  für 


232  Berichte  über  die  Thäligkeit  der  Proviuzialmuseen 

1895/flG  bcBeliriebenen  Gebäulichkeiten  im  Garten  des  Erzbischöflitheii  CouvietB 
in  Zusammenhang::  stehen.  Von  beiden  Ansgrabnn^n  wurden  durch  Herrn 
Stadtbaurat  Sehultze  g'enaiie  Aufnahmen  gemacht. 

Aus   den    Erwerbungen  des    Museums,    welche  sieh    insgesamt  auf  901 
Nummern  belaufen,  sind  besonders  folgende  hervorzuheben. 
1.     Praehiatorische  Abteilung. 

Ein  Grabfund  mit  Thongefössen  der  Hallstattzeit  vom  Brilekberg  bei 
Siegbnrg  (12027— 12040)  und  zwei  rohe  germauiscbc  Gcfasse  (11675— 11676), 
Oesehenke  der  Stadt  Homberg, 

II.     Römische  Abteilung. 

1.  Steindenkniäler.  InBcbriften:  Weibinsebriftan  die  Matronac  Fahineibae, 
gel.  in  Enskirfben  (117Ü7),  besproeben  in  Bonn.  Jahrb.  103,  S.  180 f.;  Grab- 
denkmal des  Seiiuatius  Tertius  mit  dem  Bildnis  des  Verstorbenen  aus  Köln 
(121 10),  Grabstein  des  Militärtribunen  einer  Cohorte,  gef,  in  Heddesdorf 
(11680),  sowie  zwei  Grabinschriften  aus  Köln  und  Bonn  (12293,  12261), 
9.  Bonn.  Jahrb.   102,  S.  188  ff. 

2.  Skulptur-  und  Architektnrstfleke :  Statuette  eines  sitzenden  Jupiter 
ans  Bonn  (11717),  die  Hülfte  eines  Viergfittersteines  ans  rothem  Sandstein 
mit  Minerva,  gef.  in  Euskirchen  (11708),  a.  Bonn.'Jabrb.  102,  S.  181  und 
ein  Pilasterkapitäl  mit  einem  männlichen  Kopf  aus  Köln  (12111). 

3.  Grabfunde.  Zwei  reich  ausgestattete  Urnengräber,  deren  eines  durch 
eine  Mitnze  des  Vespasian  datirt  ist,  ans  Bonn  (11728 — 11756),  Geschenk  der 
Lese-  nnd  Erbolnngsgescllschaft  hicrselbst.  Zwei  ebenfalls  durch  die  Mttnz- 
beif;atiCTi  datierbare  rialtciiyrilbcr  uns  Bnmi  ( 1 1  iMI4  —  1 1  G'."l9).  Dlt  Inhalt  eines 
Skelettgrabes,  gef.  zn  Köln  mit  reichen  Beigaben  von  Thon  und  Glas,  sowie 
eines  verzierten  Bronzearmbandes  (12041  —  12049).  Ein  spätrömiseher  Grab- 
fund von  Mastershansen  (12295—12303)  mit  charakteristischen  Thongescbirren 
und  einer  Zierscheibe  aus  Silber  in  durchbrochener  Arbeit, 

4.  Einzelfnade  von  KleinaltertUmem :  a)  ans  Bronze:  Mercnrstatnette, 
gef.  bei  Ncnss  (12160),  Geschenk  des  Herrn  Tappen,  zwei  AppUken  mit 
den  Büsten  einer  Victoria  und  eines  Atys  aus  Köln  (11702.  11706),  eine 
Doppcllampe  ans  Call  (Eifel)  (11701),  ein  Armband  mit  eingestanzten  Vogel- 
fignren  (12152)  und  ein  solches  mit  spiralförmig  aufgerollten  Enden  (11767), 
s.  Bona.  Jahrb.  102,  S.  179  nnd  drei  emaillierte  Fibeln  aus  Weissenthurm  (12149 
-12159)  besprochen  in  den  Bonn.  Jahrb.  102,  S.  192. 

b)  ans  Thon:  eine  Terrakotte  der  Venus  mit  Amor,  26  cm  h.,  und  eine 
Fortuna,  16'/,  em  h.  (12115  — 12116),  ein  Becher,  mit  Thierßguren  in  Barbotin- 
teehnik  (11437)  nnd  ein  solcher  mit  weiss  aufgemalter  Aufschrift  „Felix" 
(11439),  ein  steilwaudiger,  mit  Gruppen  horizontaler  Parallellinien  verzierter 
Becher  aus  Eich  bei  Andernach,  Nachbildung  eines  ähnlichen  Glasbechers  ( 1 1689) 
nnd  zwei  Lampen,  die  eine  mit  drei  Brennern,  die  andere  mit  der  Darstellung 
eines  Schafes  (11678-12294). 

c)  Ans  Glas:  eine  vierseitige  Flasche,  27  cm  hoch,  mit   der   Fignr  dea 


für  die  Zeit  vom  1.  April  1897  bis  31.  März  1898.  233 

Mercur  und  einem  Fabrikstempel  im  Boden  (11692),  eine  Phiole  aus  violettem 
Glas  (11719)  und  eine  Schale  mit  umfallenden  Rand  (11720),  Nachbildung 
eines  ähnlichen  Thongefässes. 

III.    Fränkische  Abteilung. 

Waffen  und  Schmucksachen  aus  fränkischen  Gräbern  bei  Oberkassel 
(11721-11727;  11758-11764),  geschenkt  vom  Oberst  z.  D.  Wulff  daselbst. 
Der  Inhalt  eines  Frauengrabes  aus  Bacharach,  bestehend  aus  einem  goldenen 
vierseitigen  Haarnadelknopf,  welcher  oben  mit  Einlagen  farbiger  Glasflüsse  be- 
deckt ist,  einem  silbernen  Ohrring,  einer  Perlenkette  und  einem  Napf  aus 
schwarzem  Thon  (12023—12035.  12031),  ferner  eine  Anzahl  Waffen,  darunter 
zwei  wohlerhaltene  Langschwerter  und  zwei  seltene  Wurflanzen,  Angonen,  aus 
einem  Gräberfelde  bei  Zülpich  (12228-12248),  s.  Bonn.  Jahrb.  102,  S.  193  f. 

IV.     Mittelalterliche  und  moderne  Abteilung. 

Eine  hübsche  romanische  Fenstersäule  mit  Kapitell  und  eine  Fussboden- 
fliesse  mit  romanischen  Ornamenten  (11546—11547),  Geschenk  der  Stadt 
Bonn,  s.  Bonn.  Jahrb.  101,  S.  173.  Bruchstücke  von  Kacheln  mit  gothisieren- 
den  Verzierungen,  wahrscheinlich  Poppelsdorfcr  Fabrikat  (12160),  s.  Bonn. 
Jahrb.  102,  S.  169;  eine  kleine  schmiedeeiserne  Truhe  (11716),  ein  reich 
verzierter  Sporn  aus  Kupfer  (12118),  sowie  Reste  von  Grisaillemalereien  des 
13.  Jahrhunderts  aus  den  Chorpolygonfenstem  des  Altenberger  Domes  (11757), 
als  Depositum  überwiesen  von  der  Königl.  Regierung  zu  Köln. 

V.     Münzsammlung. 

a)  Die  römischen  Münzen  wurden  bereichert  durch  einen  Münzfund  vom 
Hunsrück  mit  585  Mittel-  und  Kleiner/en  von  Gallien  bis  Constantius  II. 
(11548-11668)  und  einen  Aureus  des  Honorins  (11679). 

b)  Für  die  mittelalterliche  Sammlung  wurde  ein  Oberweseler  Goldgulden 
des  Erzbischofs  Werner  von  Falkenstein  (11773)  erworben. 

Der  Besuch  des  Museums  an  den  öffentlichen  Tagen  war  besonders  rege, 
an  Eintrittsgeldern  wurden  insgesamt  267  Mark  vereinnahmt.  Einer  Anzahl 
von  Vereinen,  deren  Mitglieder  an  in  Bonn  abgehaltenen  Festversammlungen 
Teil  nahmen,  wurde  freier  Eintritt  gewährt.  Ausserdem  erläuterte  der  Unter- 
zeichnete den  Lehrern  verschiedener  Kreise  der  Provinz  sowie  den  Schülern 
von  Lehrerseminaren  und  höherer  Schulen  die  Denkmäler  des  Museums  und 
behandelte  an  der  Hand  der  Sammlungen  des  Museums  in  einer  für  Studierende 
bestimmten  Vorlesung  die  Culturentwicklung  des  Rheinlandes  in  vorrömi- 
scher Zeit. 

Der  Museumsdirektor 
Klein. 


234  Berichte  über  die  ThHtigkeit  der  Provinzialmuseen 

IL  Trier. 

Die  Hauptthätigkcit  des  Provinzialniuseums  galt  im  verflossenen  Jahre 
der  Ausgrabung  eines  römischen  Wohnhauses  in  Trier.  Das  Gebäude  liegt  im 
Centrum  des  römischen  Trier,  gegentlber  dem  Kaiserpalast  auf  einem  Grund- 
stück des  Herrn  Fabrikbesitzers  Schaab,  der  die  Ausgrabung  in  liberalster 
Weise  gestattete  und  förderte.  W^ährend  im  Norden  die  jetzige  SQdallee,  im 
Westen  ein  Privatweg,  im  Süden  die  Rücksicht  auf  moderne  Bauten  der  gänz- 
lichen Freilegung  des  römischen  Bauwerkes  Halt  geboten,  konnte  wenigstens 
die  östliche  Hausfa^ade  genau  untersucht  werden.  Einer  römischen,  in  nord- 
südlicher Richtung  verlaufenden  Strasse  entlang  (vgl.  Fig.  28)  standen  hier 
zunächst  die  mächtigen  Sandstcinsubstruktionen  einer  geräumigen  Vorhalle  and 
mit  ihnen  verbunden  die  Vorrichtungen  für  den  Ablauf  des  Regenwassers. 
In  dem  2^l^m  breiten  Hausthor,  dessen  Pfeilerfundamente  noch  erhalten 
waren,  lag  noch  ein  grosser  Teil  der  Sandstcinschwelle  (a).  Betritt  man  durch 
dieses  Thor  das  Haus,  so  hat  man  zur  Rechten  (nördlich)  die  ausgedehnte 
Badeanlage,  zur  Linken  (südlich)  die  Wohn-  und  Wirtschaftsräume.  Von  der 
ersteren  war  schon  im  Jahre  1895  das  Apodyterium  (l)  und  Frigidarium  (2) 
freigelegt  worden,  jetzt  fand  sich  auch  das  Tepidariura  (3)  und  Caldarium  (4) 
mit  mehreren  wohlerhaltencn  Badczellen  und  grossen  Teilen  der  Heizanlage 
samt  dem  Hcizkanal.  Von  der  Schwelle  des  Apodyterium  aus  führt  ein  Haus- 
gang  in  südlicher  Richtung  (5)  zu  den  Wohn-  und  Wirtschaftsräumen.  Von 
den  ersteren  ist  zunächst  zu  nennen  ein  geräumiges,  nicht  heizbares  Zimmer 
von  7  V2  •  5  Dl  lichter  Weite  (6),  welches  vollständig  unterkellert  ist.  Ein 
doppeltes  Kreuzgewölbe,  welches  grosseuteils  noch  erhalten  war,  trug  den 
Ziniracrboden.  Dieses  ist  aber  erst  in  einer  späteren  Bauperiode  an  die  Stelle 
einer  Balkendecke  getreten,  wie  deutliche  Spuren  von  Balkenlageni  nach  dem 
Entfernen  der  Gewölbebogen  zeigten.  Nacli  Süden  schliesst  sich  an  dieses 
Zimmer  durch  einen  schmalen  Korridor  (7)  getrennt,  ein  rot  verputzter  Licht- 
hof (8)  an,  um  welchen  sich  drei  Wohnzimmer  gruppieren.  Zunächst  südlich 
von  dem  Lichthof  liegt  ein  grosser  Saal  (9),  der  augenscheinlich  die  Form 
eines  griechischen  Kreuzes  hatte.  Seine  grösste  bisher  ermittelte  Ausdehmmg 
beträgt  9^1^  m  im  Lichten.  Der  grösste  Teil  des  Saales  hatte  Hypocausten- 
vorrichtung,  die  ebenso,  wie  die  Heiz-  und  Ranchzttge  in  den  Wänden  noch 
in  ansehnlichen  Resten  erhalten  war.  Unter  dem  nördlichen,  nicht  heizbaren 
Teil  des  Saales  befindet  sich  der  Keller  (9a),  aus  dem  die  Heizung  des  Sa<iles 
besorgt  wurde.  Von  dem  Mosaikboden  des  Saales  waren  nur  spärliche  Reste 
erhalten.  Westlich  von  dem  grossen  Saal  liegt  ein  kleines,  quadratisches,  un- 
geheiztes Zimmer  vonSV^ni  lichter  Weite,  vollständig  unterkellert.  Dies 
Zimmer  (10)  zeichnete  sich  durch  einen  prachtvoll  erhaltenen  Mosaikboden  aus, 
der  mit  einem  sehr  aparten  Muster  geziert  ist.  (Vergl.  die  Tafel.)  Herr 
Schaab  hatte  die  Freundlichkeit,  diesen  Mosaikboden  dem  Provinzialmuseum 
zu  schenken.  Südlich  stösst  an  dieses  Gemach  ein  grösseres,  heizbares,  aber 
nicht  völlig  ausgegrabenes  Zimmer  (11),  nördlich  ein  kleines  heizbares  Zimmer, 


Trier.     Mosjikboder 


i  dem  römischen  Wohnhaus  gegenüber  dem  Kiiiserpalasi, 
jetzi  im  Provinzialmuseum. 


für  die  Zeit  vom  1.  April  1897  bis  31.  März  1898.  235 

dessen  Heizvorriehtung,  sowohl  Boden-  als  Wandheizung,  noch  sehr  gut  erhalten 
war  (12).  Auch  dieses  Zimmer  besass  einen  Mosaikboden,  wie  einige  Reste 
zeigten.  Sein  Licht  empfing  es  durch  ein  2  Meter  breites  Fenster  (b)  aus  dem 
oben  erwähnten  Lichthof.  —  Weiter  nördlich  schliesst  sich  ein  geräumiger 
Hof  an,  dessen  Boden  mit  grobem,  gestampftem  Kies  bedeckt  war  (13).  —  Im 
südöstlichen  Teil  des  Gebäudes  fanden  sich  zunächst  zwei  kleine  gewölbte 
Keller  (14  u.  15),  welche  in  frühere  Wohnräume  hineingebaut  waren,  und 
südlich  davon  noch  zwei  Gemächer,  deren  eines  (17)  heizbar  war,  während 
das  andere,  unheizbare,  über  einem  wohlerhaltenen  Kellergewölbe  liegt.  Da 
diese  Räume  aber  eret  zum  Teil  freigelegt  werden  konnten,  so  lässt  sich  über 
ihre  Ausdehnung  und  Bestimmung  noch  nichts  mitteilen.  Bereits  vor  zwei 
Jahren  aber  ist  festgestellt  worden,  dass  die  Kellereien  des  Gebäudes  noch^ein 
gutes  Stück  weiter  nach  Süden  führen  und  so  darf  man  von  einer  Fortsetzung 
der  Grabung  bis  zu  dem  neuen  Fabrikgebäude  des  Herrn  Schaab  noch  man- 
ches wichtige  Resultat  erwarten. 

Bezüglich  der  Erbauungszeit  der  ausgegrabenen  Räume  kann  hier  nur 
kurz  festgestellt  werden,  dass  einzelne  Teile  des  Bauwerkes  in  weit  ausein- 
anderliegenden Zeiträumen  gebaut  sind.  Mit  grösserer  oder  geringerer  Klarheit 
lassen  sich  einige  frühere  Räumlichkeiten  herausschälen,  die  höchst  wahrschein- 
lich schon  im  1.  Jahrh.  n.  Chr.  gebaut  sind.  Dagegen  kann  der  späteste  um- 
bau des  mehrfach  veränderten  Bades  nicht  vor  das  letzte  Viertel  des  4.  Jahrh. 
n.  Chr.  fallen,  da  unter  dem  noch  wohlerhaltenen  Estrich  des  Tepidariums 
eine  Bronzemünze  des  Kaisers  Valentinian  L  gefunden  wurde.  Auch  sonstige 
Münzenfunde  im  Bade  bestätigen  diesen  Ansatz.  Genauere  Mitteilungen  hier- 
über müssen  einem  durch  Pläne  und  Abbildungen  illustrierten  Berichte  vorbe- 
halten bleiben. 

Da  das  Terrain  bebaut  werden  soll  und  die  römischen  Ruinen  also  gänz- 
lich vom  Erdboden  verschwinden  müssen,  so  ist  es  doppelt  erfreulich,  dass 
ausser  genauen  Aufnahmen  und  Photographien  des  Ganzen  und  seiner  Teile 
zwei  Gypsmodelle  hergestellt  werden  konnten,  wozu  Se:  Excellenz  der  Herr 
Graf  von  Fürsten  berg-Stammheim  die  Mittel  zur  Verfügung  stellte.  Das  eine 
Modell  im  Massstabe  1 :  50  stellt  das  ganze  Gebäude  (Fig.  28),  das  andere,  im 
Massstabe  1 :  25  die  Badeanlage  gesondert  dar.  Ausser  dem  Provinziaimnseum 
haben  noch  andere  wissenschaftliche  und  technische  Anstalten  solche  Modelle 
erworben.  Ein  vorläufiger  Bericht  des  Unterzeichneten  über  die  Ausgrabung 
erschien  in  der  wissenschaftlichen  Beilage  zur  Münchener  Allgemeinen  Zeitung 
vom  30.  August  1897  Nr.  194. 

Zwischen  Biewer  und  Eh  rang  wurde  ein  sehr  interessantes  Gräber- 
feld  untersucht,  dessen  Begräbnisse  der  Übergangszeit  aus  der  einheimischen 
in  die  römische  Kultur  angehören.  Es  liegt  etwa  in  der  Mitte  zwischen  den 
genannten  Orten  auf  der  die  Mosel  begleitenden  Höhe  am  Rande  eines  Fichten- 
waldes und  in  der  Nähe  des  dort  endigenden  Feldweges  Lay  auf  Biewerer 
Bann.  Etwa  50  Gräber  wurden  ausgegraben,  sie  ergaben  eine  Menge  von 
spätgallischen   und   frührömischen   Thongefässen,   ferner  La  Tino-  und  früh- 


^M 

ffle                           Borlchte  über  die  Thatigkelt  der  I'rovlnzialmaseeii                          ' 

römiaehe  Bro»zc-   und  EiscDfibeln,   sowie  Bronzeringe    und  Eisenwaffen,    unte 
inderem  eine  eiserne  Feile. 

Ein  grosser  Teil  der  WintemioTiate  wnrde  znr  Sichtnng,  Anfetellung  nm 
InTentarisation  der  ncnanfgcnoniracnen    Sammlung    koptischer    Stoff' 
nnd    knnstgewerblicljer    Gegenstände    verwendet,    welche    durel 
rrierer  Herren  von  Herrn  Dr.  Book  in  Aachen  erworheu  im  Musenm  deponier 
wnrde.     Die  sehr  reichhaltige  nnd  nach  vielen  Richtniigen  interessante  Sainm 
liing,  welche  ausser  einer  prachtvollen  Auswahl  koptischer    Gewebe    aus  frllh 
•hriölliehen  Grfibern  Oberägvptens  eine  grosse  Anzahl  genaBsterter  Seidenstoffe 

1 

^^UiSl^ 

L 

Fig:.  2S.    Trier,  rSmischee  Haus  {jpgpnüber  dem  Kaiserpiilast,  nach  dem  im 
Provinzial-Museum  zu  Trier  befindlichen  Modell. 

Stickereien  inid    Spitzen,    ferner  Holzmöbel,    Tralieu   nnd  KSstcbeu    ans  Holz 
jeder  und  Eisen,  keramische   Erzeugnisse,  schmiedeeiserne  Arbeiten,    kostbAP 
Jucheinbämle,   kleinere  Sclmitz-    nnd  DrechBolarbeiteii  u.  a.  m.    umfasst,    ut» 
velehe  dem  Kunstgewerbe  in  mancher  Beziehung  Anregung  zu  bieten  im  Stande 
lein  wird,  konnte  mit  den  vorbandeneu  Mitteln  im  verflossenen  Jnlirc  erst  zdh 
feil  aufgestellt  und  zum  geringsten  Teile  restauriert  werden.     Es  ist   sehr  zi 
vilnsebcn,   dass   die  Mittel   znr  Vollendung   dieser   Arbeit  möglichst  bald  zn. 
iTerfOgang  stehen  m'ichten. 

1 

für  die  Zeit  vom  1.  April  1897  bis  31.  März  1898.  237 

Unter  den  sehr  zahlreichen  Ei nzeler Werbungen  des  Museums  seien  fol- 
gende besonders  hervorgehoben: 

A.  Vorrömische  Altertümer. 

Ausser  dem  Inhalt  der  Biewerer  Gräber,  soweit  er  hierher  gehört,  sind  zu 
nennen  die  Spät-La-Tfene-Grabfunde  aus  zwei  Gräbern  bei  Grügelborn  (Kreis 
St.  Wendel)  bestehend  aus  Urnen,  Näpfen  und  einem  eisernen  Beil  (21216 — 
21228,  s.  Korrespondenzblatt  der  Westd.  Zeitschrift  XVII.  1898.  Nr.  11). 

B.  Römische  Altertümer. 

I.  Steindenkmäler.  Grabinschrift  des  Mascellionius  Marcellinus,  gef. 
bei  Heiligkreuz  (21592  s.  Korrbl.  XVII.  22).  Block  von  einem  Grabdenkmal 
aus  rotem  Sandstein,  auf  der  Vorderseite  nur  teilweise  erhalten  die  Figur  eines 
Erwachsenen,  daneben  ein  Kind  mit  Weintraube  und  Vogel,  auf  den  beiden 
Schmalseiten  je  ein  Baum,  an  dem  eine  Schlange  emporzüngelt,  gef.  ebenda 
(21593).  —  Eine  sehr  rohe  Gruppe  des  Reiters  mit  dem  Giganten,  gef.  auf  der 
Grenze  zwischen  Euren  und  Trier  (21314  vergl.  Westd.  Ztschrft.  XVII.  S.  296  fif. 
und  Taf.  21,  Fig.  1  und  2). 

II.  Bauteile.  Mosaikboden  mit  reicher  ornamentaler  Verzierung;  Wand- 
heizung aus  einer  halbrunden  Badenische,  die  Schwelle  des  Hausthores  und 
mehrere  Säulenfragmente  aus  der  oben  beschriebenen  Ausgrabung  eines  römischen 
Hauses.    Sämtlich  Geschenke  des  HeiTn  Schaab. 

III.  Einzelfunde  von  Kleinaltertümern. 

a)  aus  Stein:  ein  Spielsteiu  aus  grauem  Marmor  mit  eingeritzter  Dar- 
stellung eines  Pferdes  und  Inschrift:  Aurora  Auspicitts  var,  gef  in  Trier 
(21209,  s.  Korrbl.  XVII.  1898  Nr.  21);  ein  Baisamarium  aus  Alabaster,  gef.  bei 
der  Ausgrabung  bei  Schaab  (21313). 

b)  aus  Metall:  Goldring  mit  Intaglio,  darstellend  einen  Delphin,  gef.  in 
Trier  an  der  Saarstrasse  (21229);  Löwenkopf  aus  Bronze  (21280),  Bronzeschnalle 
mit  Email  (21290),  gef.  in  Trier  bei  Schaab;  Bronzescheibe  mit  Löwenkopf, 
Glocke,  sowie  mehrere  andere  Bronze-  und  Eisengegenstände,  gef.  in  der  Gegend 
von  Quint  (21545—53),  eine  Bronzewaage  mit  Gewicht  und  Hängevorrichtung, 
gef.  in  Trier  (21119). 

c)  aus  Elfenbein:  Messergriff,  der  in  einen  Delphin  ausgeht,  gef.  in 
Trier,  Saarstrasse  (21120),  Messergriff  mit  schöner  durchbrochener  Veraierung, 
gef.  in  Trier  bei  Neubauten  des  Priestereeminars  (21236). 

C.  Münzsammlung. 

I.  Römische  Münzen:  Goldsolidus  des  Maximianus  Hercules,  Rv. 
Herculi  victori  PTR  (21151);  Goldsolidus  Constautin  I.  Rv.  3  Feldzeichen  SPQR 
optimo  principi  (21150);  Goldsolidus  des  Jovinus,  in  Trier  geprägt  Rv.  (21149).  — 
Em  Münzfund  von  103  Kleinerzen  von  Valentinian,  Valens  und  Gratian,  gef.  bei 
Trier,  1.  Moselufer  (21192). 

IL  Kurtrierer  Münzen. 

Merovingischer  Goldtriens.     Av.  Kopf  n.  r.  Treveris  civitate,  Rv.  stehende 


988  Berichte  tber  die  ThMgkeit  der  ProvinüAliiiiueeiL 

Victoria   mit  nicht  ganz   dentlicher  Umschrift  (21135).    Silbermfinze  mit  Av. 

T 
VERIS  (Treyeris  ins  Erenz  gestellt),  Ry.  Kirchenfa^ade  (21136).    Drei  Denare 

E 

nnd  ein  halber  Denar  Alberos  (21137  bis  21141),  yierzehn  Qoldgalden  Cnnos 
yon  Falkenstein  (21171—84);  eine  Mflnze  Ottos  yon  Ziegenhain,  Conyention 
yon  1425  (21142);  Doppelthaler  Lothars  yon  Mettemich  yon  1610,  bisher  un- 
bekannt, ygL  Bohl  Nr.  14,  geschenkt  yon  Herrn  Bechnimgsrat  Nnsbanm  (21143). 

Der  Besuch  des  Proyinzialmasenms  war  im  yerflossenen  Jahre  sehr  rege. 
Die  genaue  Zählung  sämtlicher  Besucher  ergab  die  Anzahl  13277  Personen. 
Demgemäss  waren  auch  die  Einnahmen  ans  Eintrittsgeldern  sehr  hoch.  Sie 
beliefen  sich  insgesamt  auf  2466,30  M.,  woyon  auf  das  Museum  1082,75  M., 
auf  die  Thermea  in  St  Barbara  1383,55  M.  entfalle.  Von  dem  illnstrierten 
ffatubg  der  Steindenkmftler  wurden  16  Exemplare,  yon  dem  Ende  September 
erschienenen  Führer  92  Exemplare  yerkauf  t.  Von  den  oben  erwähnten  Modellen 
des  römischen  Oebäudes  wurden  6  an  auswärtige  Anstalten  geliefert  Der  Er- 
lös aus  Katalogen,  Fflhrem   und  ModeOen  beUef  sich  insgesamt  auf  190  M. 

In  der  Woche  nach  Pfingsten  wurde  der  archäologische  Ferienkursus  für 
westdeutsche  Gymnasiallehrer  durch  Herrn  Professor  Hettner  und  den  Unter- 
zeichneten iibgehalten.  Ende  September  erschien  „Fflhrer  durch  das  Proyinzial- 
museum  zu  Trier^  yon  dem  Unterzeichneten. 

Der  Museumsdirektor 

L  V. 

Dr.  Lehner. 


Berichte   Über  die   Thätigkeit   der  Altertums-   und    Geschichtsvereine 

und  über  die  Vermehrung  der  städtischen  und  Vereinssammtungen 

innerhalb  der  Rheinprovinz. 

I.    Die  grösseren  Vereine. 

1.     Vcreiu  vod  AI  t  er  t  nm  sir  c  umleii  im  R  li  ein  land  c. 

Seit  Aufstellung  des  im  Jahrbuch  101  abgeiliuckteu  M  i  tgiieder-Vcr- 
zeichnisses  vom  2.  Juli  1897  hat  der  Verein  einen  Verlost  von  39  orilent- 
licben  Mitgliedern  zu  verzeichnen  gehabt,  dem  ein  Gewinn  von  48  neuen  Mit- 
gliedern gegenüber  steht,  gn  dass  die  Zahl  nm  9  gewachsen  ist.  Der  Verein 
zählte  demnach  Ende  August  d.  J.  512  ordentliche  Mitglieder,  wozu  noch  5 
Ehren-Mitglieder  nud  3  aUBSernrdentlichc  Mitglieder  kommen. 

Von  Publikationen  wurden  seit  der  Iet;£ten  (ieneral-Vei-sainmlung  Jahrbuch 
102  mit  G  Tafeln  und  27  TexChguren  und  das  vorliegende  Jahrbuch  103  mit 
12  Tafeln  und  63  Texttiguren  ausgegeben. 

Die  Bibliothek  vermehrte  sich  dureh  den  Tauschverkehr  mit  andern  Ver- 
einen in  tlhlieher  Weise;  angeschuCTt  wurden  nur  einige  Fortsetzungen.  Es  uitiss 
jedoch  an  dieser  Stelle  eines  Übelstandes  gedacht  werden,  der  bereits  bei  dem 
Einzug  des  Vereines  iu  seine  neuen  Käume  befürchtet  wurde,  des  wachsenden 
Platzmangels  in  dem  zur  Aufstellung  der  liUchcr  bestimmten  Uaume.  Die 
Bücher  füllen  jetzt  die  Fächer  reichlich,  so  dass  die  Einreibung  des  jedes  Jahr 
etwa  21)0  Bände  betragenden  Zuwachses  in  absehbarer  Zeit  unmöglich  werden 
wird.  Uerr  Dr.  Sounenhurg,  der  seit  lütiS  in  dankenswertester  Weise  die 
Bibliothek  verwaltet,  deren  Umzug  in  die  neuen  Räume  geleitet  und  eine  ge- 
ordnete Benutzuug  der  Bücher  müglich  gemacht  hatte,  musste  2U  Ostern  d.  J. 
zu  dem  lebhaften  Bedauern  des  Vereines  ans  dem  Vorstände  ausscheiden,  da 
er  einem  Rufe  ab  l'rufessor  au  die  Akademie  zu  Münster  Folge  leistete.  Die 
Bibliiithcks-VerwaUiuig  wurde  nunmehr  von  Herrn  Universitäts-Bibliothekar 
Dr.  Masslow  übernommen. 

Abo  9.  Dezember  1897  beging  der  Verein  in  (ibticher  Weise  Abends  7  Ülir 
im  Hdlel  Kley  zu  Hunn  das  Winekeliuaiius-Fest.  Den  Festvortrag  halte 
Berr  Prof.  Dr.  E 1 1  e  r   llbernommen,   der    unter  Vorlage  zahlreicher  Karten, 


840   Boriehte  über  die  ThlUgkeit  der  Altort-  vl  OeeelilelitoTereiiie  der  BlieliiproTliUb 

Pläne  und  Abbüdungen  Aber  „Das  alte  Rom  in  der  Vorstellnng  des  Mittel- 
alters^ spraeb.  Dann  maebte  Herr  Prof.  Dr.  Loesebeke  ipe  Bdbe  von 
Mitteünngc»!  Aber  ansgesteUte  AHertflmer.  Eän  gemeinsebaftUebes  Abendetten 
bildete  den  Seblnss  der  Feier. 

An  den  Yortragabenden  wurden  im  lanfenden  Jabre  folgende  Yortrige 
gebalten: 

I.   am  20  Januar: 
üsener,  Über  SflndflnÜegenden. 
Giemen,  Über  das  Mfinster  zn  Aaehmi. 

U.  am  24.  Februar: 
Dragendorffy  Über  die  arretinteeben  Yasm  und  ibr  Yerbftltnis 

zur  augusfeiseben  Euistt^). 
Loesebeke,  UcSier  die  GtormanendarsfeOungen  in  der  rOmk^ben 

Kunst, 
üsener,  Über  das  neu  gefundene  Mosaik  Ton  Torre  Annunziatay 
welebes  die  Platbnisebe  Akademie  Erstelle. 
Die  Yer^insreebnung  batte  Ende  1896  mit  einem  Bestuid  von  618  Mk. 
42  Pfg.  abgesehloesen.    Im  Jahre  1897  betrug  die  Einnabme  6881  Mk.  69  Pfg. 
Dieselbe  bestand  wesentffieb  in  den  JabresbeiMigen  der  Mitglieder,  zu  Aeaen 
der  efaimaUge  Beitrag  tines  lebenslängiieben  Mitgliedes  (250  Mk.)  und  der  ErlOs 
flir  verkaufte  I^eksebriftra  (135  Mk.)  kamen. 

Die  Ausgabe  war  3680  Mk.  74  Pfg.,  davon  kamen  auf  den  Druek  des 
Jabrbucbs,  Einladungen  u.  s.  f.  1818  Mk.  66  Pfg.,  auf  Honorar  ftr  fieitrige 
zu  den  Yereinspublikationen  613  Mk.  20  Pfg.,  für  die  HersteOung  von  Zeieh- 
nuDgen,  Tafeln  und  Glicht  759  Mk.  55  Pfg.,  Bnchbinderarbeit  and  Versenden 
der  Hefte  501  Mk.  70  Pfg.,  Vereinsbibliothek  377  Mk.  15  Pfg.  Als  Rest  ver- 
blieben der  Kasse  Ende  1897  2200  Mk.  95  Pfg.  Die  Rechnung  wurde  nach 
ihrem  Abschlüsse  von  den  Herren  Oberstlieutenant  Heyn  und  Rentner  Henry 
geprüft  und  richtig  befunden. 

2.    BergiscberGeschichts-Verein. 

Der  Verein  zählt  600  Mitglieder,  ausserdem  ca.  50  korrespondierende  Mit- 
glieder. 

Ausser  den  Generalversammlungen  fanden  in  Elberfeld  8  Sitzungen  statt, 
es  sprachen  die  Herren: 

M.  Bethany  über  einen  Aberglauben  der  Gelehrten, 

Oberlehrer  Dr.  Burgass  über  Elberfelder  Familiennamen, 

Prof.  H.  Hengstenberg  über  die  Entwickelungsgeschichte   der  Städte 

Neuss,  Düsseldorf  und  Elberfeld-Barmen, 
Oberlehrer  Leithäuser-Barmen  über  Sparen  des  Donarmythus  in  Tolks- 
tümlichen  Sagen  und  Ueberlieferunged, 


*)  Abgedruckt  im  Jahrbuch  103,  S.  87  ff. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvercine  der  Rheinprovinz.    241 

Oberlehrer  Dr.  Marseille- Düsseldorf  über  Katharina  Charlotte,  die  zweite 
Gemahlin  des  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  von  Neuburg, 

Oberlehrer  Dr.  Nebe  über  Konrad  von  Heresbach, 

Dr.  Ludw.  Salomon  über  Karl  Simrock, 

B.  Schönneshöfer-Lennep  über  Theodor  Joseph  Lacpmblet, 

Adolf  Werth-Baimen  über  Johannes  Monheim. 

Ausserdem  veranstaltete  der  Verein,  um  das  Interesse  für  die  heimische 
Geschichte  zu  beleben  und  in  immer  weitere  Kreise  zu  tragen,  zu  Beginn  des 
Winters  einen  für  jedermann  zugänglichen  besonderen  Vortrags-Cyklus  über  die 
Geschichte  Elberfelds  im  vorigen  Jahrhundert.  Herr  Otto  Schell  verwertete 
in  demselben  wichtige,  bisher  unbenutzte  Quellen,  die  er  mit  glücklicher  Hand 
im  Stadtarchiv  entdeckt  hatte,  und  behandelte:  Elberfeld  im  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts, Elberfelds  Wehr  und  BewaflFnung  in  früherer  Zeit,  Elberfeld  im  sieben- 
jährigen Kriege,  Geschichte  der  Zünfte  in  Elberfeld  vor  100  Jahren.  Ebenso 
wie  dieser  Cyklus  fanden  zwei  gleichfalls  von  HeiTU  Otto  Schell  im  Auftrag 
des  Vereins  gehaltene  Vorträge  in  Wülfrath  (Aus  Wülfraths  Vorzeit)  und  in 
Mettmann  (Bilder  aus  der  Geschichte  Mettmanns)  statt. 

Die  Februar-Sitzung  des  Barmener  Zweig-Vereins  galt  dem  Gedächtnis 
des  400jährigen  Geburtstags  Melanchthons,  indem  Oberlehrer  Dr.  Nebe  „Me- 
lanchthon  in  seinen  Beziehungen  zum  Niederrhein **  behandelte.  In  der  März- 
Sitzung  hielt  Herr  A.  Werth  einen  Vortrag  „Zum  Andenken  Kaiser  Wilhelms  I." 
im  Anschluss  an  eine  reichhaltige  Ausstellung  von  Erinnerungsgegenständen  aus 
seiner  Zeit.  Und  schliesslich  in  der  November-Sitzung  sprach  HeiT  A.  Werth 
im  Hinblick  auf  den  200  jährigen  Geburtstag  Tersteegens  über  Gerhard  Ter- 
steegen,  die  mit  der  Gedenkfeier  verbundene  Ausstellung  enthielt  eine  grosse 
Anzahl  von  wertvollen  Stücken,  besonders  eine  Fülle  von  Originalbriefen  aus 
dem  Kreise  Tersteegens  und  seiner  Freunde.  In  den  anderen  Sitzungen  des 
Barmener  Zweigvercins  sprachen  die  Herren: 

Baumeister  Fischer  über  eine  kunsthistorische  Reise  durch  Jülich-Berg, 

Oberlehrer  Leithäuser  über  Wuppcrthaler  Familiennamen, 

Professor  Schlcusner  über  die  Bedeutung  Johann  Georg  Jacobis. 

Die  erste  Generalversammlung  des  Vereins  fand  am  12.  März  statt. 
Sie  ward  eingeleitet  durch  eine  Ansprache  des  Herrn  Direktors  Prof.  Evers- 
Barmen  zum  Gedächtnis  Kaiser  Wilhelms  I.,  deren  Dnicklegung  und  Zusendung 
an  alle  Mitglieder  beschlossen  wurde.  Ein  von  Herrn  Baumeister  Fischer 
ausgearbeiteter  Entwurf  für  das  Cäsarius-Denkmal  fand  die  Billigung  der  Ver- 
sammlung, die  für  die  Einweihung  desselben  die  im  Juni  stattfindende  Festfahrt 
ins  Siebengebirge  in  Aussteht  nahm. 

Bei  Gelegenheit  der  Festfahrt  nach  dem  Siebengebirge  am  20.  Juni  1897 
hielt  am  Vormittag  in  Königswinter  Herr  Bethany  einen  Vortrag  über  Cäsarius 
von  Heisterbach,  am  Nachmittag  fand  in  Heisterbach  die  Einweihung  des  von 
dem  Verein  mit  einem  Kostenaufwand  von  1200  Mk.  errichteten  Denkmals  des 
Cäsarius  von  Heisterbach  statt. 

Die  3.  Generalvei*sammlung  fand  am  3.  Dezember  in  Elberfeld  statt;   in 

Jahrlk  des  Ver.  v.  Alterthsftr.  im.Rheinl.  109.  16 


242    Berichte  über  die  Thätig^keit  der  Altert-  u.  Oeschicbtsvereine  der  RheinproTinz. 

ihr  berichtete  Herr  Clement  über  die  Thätigkeit  der  Siegel-Kommission,  Herr 
A.  Werth  über  die  Arbeiten  an  Schloss  Burg  und  Herr  Prof.  Hengstenberg 
über  den  Altenberger  Domverein.  Ausserdem  wurden  zwei  neue  Kommissionen 
gebildet,  um  Andenken  an  den  Krieg  1870/71  zu  sammeln  und  die  Portrait- 
Sammlung  des  Vereins  zu  ergänzen. 

Der  Jahrgang  1897  der  im  Namen  des  Vereinsvorstandes  vom  Geh.  Arehiv- 
rat  Harless  herausgegebenen  „Zeitschrift  des  Bergischen  Geschichtsvereins" 
enthält  ausser  kleineren  Beiträgen  an  grösseren  Abhandlungen  zur  Geschichte 
des  bergischen  Landes: 

Dr.  L.  Schmitz:  Das  Inventar  des  Wert-Nachlasses  des  Herzogs  Johann  H. 
von  Cleve. 

E.  Pauls:  Zur  Geschichte  der  Krankheit  des  Herzogs  Johann  Wilhelm  von 
Jülich-Cleve-Berg  (f  1609). 

Derselbe :   Kulturgeschichtliches  (Fortsetzung). 

Archivrat  Dr.  Sauer:  Zur  Geschichte  der  Besitzungen  der  Abtei  Werden. 

Geh.  Archivrat  Harless:  Relation  über  die  Hochzeit  des  Pfalzgrafen  Jo- 
hann Kasimir  mit  Elisabeth  Herzogin  zu  Sachsen  in  Heidelberg  (1570). 

Derselbe :   Aktenstücke^  betreffend  die  Bestattung  der  Herzogin  Maria  von 
Jtilich-Cleve-Berg  in  Qeve  (1582). 

Von  der  durch  Otto  Schell  herausgegebenen  „Monatsschrift  des  Bergischen 
Geschichtsvereins"  erschien  der  vierte  Jahrgang  (1897);  derselbe  enthält  ausser 
einer  Fülle  von  kleineren  archivalischen  Mitteilungen  an  grösseren  Abhandlungen : 

Bethany:  Das  Leben  Engelberts^  Übersetzung  aus  Cäsarius  von  Heisterbach. 

Aegidius  Müller:   Windeck. 

Schell:    Historische  Wanderungen  durchs  Bergische  Land. 

Die  Sammlungen  des  Vereins  erfuhren  eine  sehr  werthvolle  Bereicherung 
durch  die  Zuwendung  von  12  Ahnenporträts  der  bergischen  Familie  Tesche- 
macher,  ausserdem  wurden  erworben  eine  Anzahl  bergischer  Silbermünzen, 
einige  Waffen,  Siegburger  Krüge  und  verschiedenes  Hausgerät. 

Der  Verein  bat  die  systematische  Anlegung  einer  auf  das  Bergische  Land 
sich  cretreckenden  Siegelsanimlung  begonnen. 

3.     Historischer  Verein  für  den  Niederrhein. 

Die  Mitgliedcrzabl  des  Vereins  beträgt  ca.  700,  darunter  ca.  125  Vereine. 

Abgesehen  von  den  Vorstandssitzungen  wurden  im  Berichtsjahr  zwei 
General-Versammlungen  abgehalten,  die  erste  zu  Düsseldorf  am  2.  Juni.  Der 
Bericht  darüber  findet  sich  im  65.  Heft  der  Vereins-Annalen  S.  273  fg. 

Vorträge  hielten  Conservator  Fr.  R.  Seh  a  arsch  mid  t  über  die  histo- 
rische Entwicklung  der  Stadt  Düsseldorf  in  künstlerischer  Hinsicht,  Professor 
Hüffer  über  die  Beziehungen  Sulpiz  Boisserccs  zu  Goethe,  Dr.  Tille  über 
die  Repertorisierung  der  kleineren  Archive  der  Rheinprovinz.  An  die  Ver- 
sammlung schloss  sich  eine  Besichtigung  des  Gewerbe-Museums,  der  Kunst- 
akademie und  der  vorzüglichsten  Kirchen  Düsseldorfs. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsyereine  der  Hheinprovinz.    243 

Die  zweite  VersammluDg  fand  zu  Essen  am  13.  Oktober  gemeinschaftlich 
mit  dem  historischen  Verein  für  Stadt  and  Stift  Essen  statt.  Einen  Bericht 
enthält  das  65.  Heft  der  Annalen  S.  276 fg.  Vorträge  hielten:  Kammer- 
präsident Schorn  über  die  Etymologie  des  Namens  „Essen",  Rector  Franz 
Arens  über  den  Liber  Ordinarius  der  Essener  Stiftskirche,  Oberlehrer  Dr. 
Ribbeck  über  das  Essener  Stift  unter  den  sächsischen  und  salischen  Kaisern. 
Es  folgte  eine  Besichtigung  der  Münsterkirche  und  ihrer  Schätze. 

Von  der  Vereins-Zeitschrift:  ^Annalen  des  historischen  Vereins  für  den 
Niederrhein"  erschien  das  64.  Heft,  dasselbe  enthält  die  von  Herrn  Stadtarchivar 
Prof.  Dr.  Hansen  herausgegebenen  Inventare  der  zum  Teil  recht  bedeutsamen 
niederrheiuischen  Stadtarchive  zu  Kempen,  Goch,  Kaikar,  Rees,  Neuss  und 
Düren.  Das  65.  Heft  der  Vereins-Zeitschrift  enthält  neben  kleinereu  Beiträgen 
die  Aufsätze: 

Postrat  Sautter:  Die  französische  Post  am  Niederrhein  bis  zu  ihrer 
Unterodnung  unter  die  General-Postdirektion  in  Paris,  1794—1799. 

Dr.  Herm.  Keussen(t):  Beiträge  zur  Geschichte  Crefelds  und  des 
Niederrheins  (Fortsetzung). 

Dr.  Bettgenhäuser:  Drei  Jahresrechnungen  des  kölnischen  Offi- 
zialatsgerichts  in  Werl,  1495—1516. 

Dr.  Knipping:  Ungedruckte  Urkunden  der  Erzbischöfe  von  Köln  aus 
dem  12.  und  13.  Jahrhundert. 


4.  Gesellschaft  für  nützliche  Forschungen  in  Trier. 

Der  Vorstand  wurde  im  Berichtsjahr  durch  die  Wahl  der  Herrn  Prof. 
Hettner  zum  zweiten  Sekretär  und  F.  Lintz  zum  Kassierer  ergänzt.  Die 
Gesellschaft  zählt  15  Ehrenmitglieder,  24  ordentliche  und  240  ausserordentliche 
Mitglieder. 

Es  fanden  zwei  Sitzungen  statt,  in  der  Sitzung  der  ordentlichen  Mitglie- 
der am  11.  Mai  wurden  nur  geschäftliche  Dinge  beraten. 

Am  5.  Juli  fand  die  Hauptversammlung  im  Provinzialmuseum  statt.  Herr 
Rechtsanwalt  Dr.  Görtz  hielt  einen  Vortrag  über  die  Trierer  Stadtverfassung 
zu  Ende  des  13.  Jahrhunderts.  Ausgehend  von  der  Bedeutung,  die  Trier  schon 
in  römischer  Zeit  als  Stadt  und  Vcrwaltungscentrum  gehabt  hatte,  schilderte 
der  Vortragende  die  wechselnden  Schicksale  der  Bedeutung  Triers  im  Mittel- 
alter. Dann  besprach  er  den  wirtschaftlichen  Aufschwung  im  10.  Jahrhun- 
dert, die  Entwicklung  der  Gewerbe,  Stadtrechte  und  städtischen  Pflichten  und 
der  politischen  Bedeutung  vom  11.  bis  13.  Jahrhundert. 

Alsdann  berichtete  der  erste  Sekretär,  Herr  Dr.  Lehn  er,  über  die  wich- 
tigsten Ausgrabungen  und  Ei*werbungen  des  Provinzialmuseums  im  vergangenen 
Jahre  unter  Vorzeigung  der  Originalfundstücke  und  vieler  Pläne  und  Photo- 
graphien. (Bericht  in  der  Museographie  der  „Westdeutschen  Zeitschrift  für 
Geschichte  und  Kunst"  Band  16,  S.  360.) 

Nach  Schluss  der  Sitzung  begaben   sich  die  Teilnehmer  unter  Führung 


244    Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschicht^vereine  der  RheiDprovin2. 

des  stellvertretendeD  Museamsdirektors  za  den  Ausgrabungen  der  römischen 
Wasserleitung  an  der  Sckützenstrasse  und  zu  dem  soeben  freigelegten  römischen 
Gebäude  an  der  Sttdallee.  Beide  Ausgrabungen  wurden  eingehend  und  mit 
grossem  Interesse  besichtigt. 


5.    Architekten-   und  Ingenieur-Verein   für   Niederrhein 

und  Westfalen. 

Der  bisherige  erste  Stellvertreter  des  Vorsitzenden,  Oberbaurat  Jung- 
b  eck  er,  wurde  zum  Vorsitzenden  gewählt,  während  der  bisherige  Vorsitzende, 
Geheimer  Baurat  StUbben,  in  die  Stelle  des  Stellvertreters  einrückte. 

An  Stelle  des  Eisenbahn  -  Bau-  und  Betriebs  -  Inspektors  Zieger  wurde 
Stadtbauinspektor  Schilling  zum  Mitgliede  des  Vorstandes  gewählt  und  dem- 
selben das  Amt  des  Schriftführers  übertragen. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  stieg  von  239  auf  245. 

Ueber  den  Verlauf  der  im  Berichtsjahr  abgehaltenen  15  Sitzungen  geben 
die  gedruckten  „Aufzeichnungen",  die  auch  den  Inhalt  der  Vorträge  auszugs- 
weise wiedergeben,  Aufschluss.  Von  den  Vorträgen  haben  die  folgenden  auch 
ein  historisches  Interesse: 

25.  Januar  1897:  Geh.  Baurat  Stubben  über  Dalmatien  und  seine 
Bauten. 

17.  Mai  1897:  Stadtbaurat  Heimann  über  römische  Eindrücke. 

14.  Juni  1897:  G.  Heuser  über  die  Entstehung  architektonischer  Stil- 
formen. 

22.  November  und  6.  Dezember  1896:  Stadtbauinspektor  Gerlach  über 
das  römische  Gräberfeld  an  der  Luxemburgerstrasse  in  Köln. 

Die  im  Sommer  stattfindenden  6  Vereinsausflüge  hatten  die  Besichtigung 
von  Neubauten  und  gewerblichen  Anlagen  zuui  Zweck;  ausserdem  fand  ein 
grösserer  Ausflug  nach  Brüssel  zur  Teilnahme  an  dem  internationalen  Archi- 
tekten-Kongress  statt. 

Der  im  Jahr  1896  gewählte  Ausschuss  für  die  Veröffentlichung  alter 
Kölner  Wohnhäuser  hat  einen  üeberschlag  über  den  Umfang  und  die  Gesamt- 
kosten der  Publikation  aufgestellt;  den  Grundstock  bildet  eine  Sammlung  von 
etwa  60  Aufnahmen  älterer  Privathäuser,  die  in  den  Jahren  1893 — 96  durch 
den  früheren  Königlichen  Landbauinspektor,  jetzigen  Münsterbaumeister  in 
Strassburg,  Herrn  Arntz  angefertigt  worden  sind.  Die  Aufnahmen  sind  Eigen- 
tum des  Denkmälerarchives  der  Rheinprovinz  und  wurden  dem  Verein  für 
die  geplante  Veröffentlichung  zur  Verfügung  gestellt.  Das  Werk  soll  insge- 
samt 80  Blatt  umfassen ,  die  neu  herzustellenden  Aufnahmen  sind  von  Mit- 
gliedern des  Architektenvereins  bereitwilligst  übernonmien  worden.  Die  Her- 
stellungskosten sind  auf  rund  7000  Mk.  berechnet.  Hierzu  hat  der  Provinzial- 
ausschuss  in  seiner  Sitzung  vom  27.  Juli  1897  die  Summe  von  1500  Mk.  be- 
willigt, der  gleiche  Beitrag  ist  von  der  Stadt  Köln  zugesagt. 

Der  Ausschuss  zur  Herausgabe  des  Werkes  über  die  „Entwickelung  des 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.    245 

deutschen  Bauernhauses^  hatte  bis  zum  Mai  1897  die  Aufnahme  von  7  Bauern- 
häusern bewirkt;  es  verpflichtete  sich  eine  Anzahl  von  Vereinsmitgliedern  noch 
je  2  Aufnahmen  anzufertigen.  Die  Aufnahmen  werden  dem  Verband  zur  Her- 
ausgabe des  Werkes  eingeliefert  werden. 


IL    Die  Vereine  mit  beschränktem  IVirkangskreis. 

6.     Aachen.    Aachener  Geschichtsverein. 

Der  Vorstand  ist  in  der  Generalversammlung  vom  20.  November  1897 
auf  drei  Jahre  wiedergewählt  worden;  an  Stelle  der  ausscheidenden  Herren 
Gymnasialdirektor  Dr.  Schwenger  und  Direktor  der  Lehrerinnen-Bildungs- 
anstalt Dr.  Wacker  wurden  die  Herren  Oberbürgermeister  Veit  man  und 
Architekt  Rhoen  als  Beisitzer  gewählt. 

Die  Zahl  der  Vereinsmitglieder  beträgt  580. 

Im  Laufe  des  Jahres  haben  drei  Monatsversammlungen  stattgefunden  und 
ein  wissenschaftlicher  Ausflug  nach  der  holländischen  Stadt  Valkenburg  bei 
Maastricht.  Ueber  die  in  der  Generalversammlung  und  in  den  Monatsver- 
sammlungen gehaltenen  Vorträge  wird  der  20.  Band  der  Vereinszeitschrift 
berichten. 

Es  erschien  der  19.  Band  der  Zeitschrift^  der  mit  besonderer  Unter- 
stützung der  Stadtverwaltung  anssergewöhnlich  umfangreich  hergestellt  und  mit 
zahlreichen  Illustrationen  verstehen^  als  Festschrift  zur  Eröffnung  der  Stadt- 
bibliothek ausgegeben  worden  ist.  Der  erste  Teil  des  Bandes  enthält  die  fol- 
genden Aufsätze: 

Stadtbaurat  J.  Laurent:  Das  neu  errichtete  Archiv-  und  Bibliothek- 
Gebäude  der  Stadt  Aachen. 

Dr.  E.  Fromm:     Geschichte  der  Stadtbibliothek. 

Dr.  A.  Richel:  Astrologische  Volksschriften  der  Aachener  Stadt- 
bibliothek. 

Dr.  E.  Fromm:  Die  Dante-Sammlung  der  Alfred  von  Renmont'- 
schen  Bibliothek. 

Dr.  A.  Richel:  Zur  Geschichte  des  Puppentheaters  in  Deutschland  im 
18.  Jahrhundert. 

Die  zweite  Abteilung  des  Bandes  umfasst  neben  kleineren  Mitteilungen 
an  Abhandlungen  ortsgeschichtlicben  Inhalts: 

Major  E.  v.  Oidtman:     Das  Wappen  der  Stadt  Aachen. 

Dr.  0.  Redlich:  Urkundliche  Beiträge  zur  Geschichte  Aachens  im  15. 
Jahrhundert. 

E.  Pauls:    Zur  Geschichte  des  Archivs  des  Roerdepartements  in  Aachen. 

Dr.  Th.  Lindner:  Zur  Fabel  von  der  Bestattung  Karls  des  Grossen. 
Nachtrag. 


246    Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  iL  Geschichtsvereine  der  Bheinprovins. 

Kaplan  F.  X.  Bosbach:  Gründung  und  Gründer  der  Burtseheider 
Benediktioner-Abtei. 

Kanonikus  Dr.  Beiles  heim:  Beiträge  zur  Geschichte  Aachens  im  16. 
Jahrhundert. 

Prof.  Dr.  M.  Schmid:    Zur  Geschichte  der  Familie  von  Trier. 

Dr.  W.  Brttning:  Aachen  während  der  Fremdherrschaft  und  der  Be- 
freiungskriege. 

7.    Aachen.    Verein  für  Kunde  der  Aachener  Vorzeit. 

An  Stelle  des  als  Seminardirektor  nach  Saarburg  versetzten  ersten  Vor- 
sitzenden Dr.  Wacker  wurde  der  Direktor  der  Lehrerinnen -Bildungs-Anstalt^ 
Herr  Dr.  Kellet  er,  in  der  Generalversammlung  vom  28.  October  1897  gewählt. 
Die  Zahl  der  Mitglieder  hielt  sich  auf  der  Höhe  von  ca.  220. 

In  den  Sitzungen  des  Vereins  wurden  die  nachfolgenden  Vorträge  ge- 
halten : 

21.  Januar  1897:  Herr  Staatsanwaltschafts-Sekretär  Schollen  gab  Kultur- 
bilder aus  der  Geschichte  Aachens  im  15.  Jahrhundert.     Herr  Land- 
gerichts-Sekretär J.  Fey  sprach  über  den  Musiker  und  Xylophonisten 
Gussikow,  der  im  Jahre  1837  in  Aachen  ein  frühes  Grab  fand. 
16.  März  1897:  Herr  Schollen  schildert  den  Besuch  Napoleons  in  Aachen 
nach  dem  Bericht  eines  Augenzeugen.     Herr  Fey   sprach   über   den 
Aufenthalt  Fr.  Aug.  von  Klinkowströms  in  Aachen  im  Jahre  1814^  der 
hier  als  chef  de  bureau  des  Generalgouvemeurs  Sack  bei  der  Organisie- 
rung der  Landwehr  thätig  war.   Herr  Dr.  Brüning  teilte  das  Protokoll 
einer  Stadtratssitziing  aus  dem  Jahre  1819  mit,  nach  dem  die  Strassen- 
beleuchtung  in  Aachen  abgeschafft  wurde.    Herr  Oberlehrer  Oppen- 
hoff  sprach  über  M.  KOrfgen  und  seine  grossen  Verdienste   um    die 
Schöpfung  der  Anlagen  auf  dem  Lousbcrg  im  Jahr  1818. 
3.  Juni    1897:    Herr    Schollen   hielt    einen    Vortrag    über    Aachener 
Strassen-,  Flur-  und  Ortsnamen.    Herr  Architekt  Rhoen  sprach  über 
italienische  und  Aachener  Mosaiken. 
28.  October  1897:    Herr  Dr.  Brüning  teilte  einen  Original-Bericht  über 
die  Feierlichkeiten  bei  einer  der  letzten  Königskrönungen  in  Aachen 
mit,    sodann   den  Bericht  eines  Augenzeugen  über  die  Überbringung 
des  Leichentuches  Ludwigs  XV.  nach  Aachen  durch  den  General-In- 
tendanten  Ludwigs  XVI.     Herr  Fey   sprach    über   den   ehemaligen 
Zciclicnlelirer  Salm,   in   Aachen   un(J   legte   dessen    Zeichnungen   von 
Aachener  historischen  Gebäuden  vor. 
Am  30.  Juni  1897  veranstaltete  der  Verein  einen  wissenschaftlichen  Aus- 
flug  nach    dem   ehemaligen  Prämonstratenserkloster  Wenau,    dessen  Erklärung 
Herr  Pfarrer  Schnock  übernommen  hatte,    und  nach  den  Ruinen  des  Klosters 
Schwarzenbroich. 

Von  der  im  Auftrag  des  Vereins  herausgegebenen  Zeitschrift  yjAxis  Aachens 


Berichte  über  die  Tbätigkeit  der  Altert.-  u.  Qeschichtsvereiue  der  Rheinprovinz.    247 

Vorzeit^  ist  der  10.  Jahrgang  erschienen.  Derselbe  enthält  neben  einer  Anzahl 
von  kleineren  Mitteilungen  an  grösseren  Aufsätzen: 

H.  J.  Gross:  Schönau  (Fortsetzung). 

W.  Brüning:  Zum  Rastatter  Gesandtenmord. 

Franz  Sehollen:  Ein  „gemeiner  Bescheidt"  des  Aachener  SchöflFen- 
stuhls. 

H.  Schnock:  Aufzeichnungen  eines  Haarener  Kirchenbuchs  aus  den 
Kriegsjahren  1792—1795. 

J.  Fey:  Zur  Geschichte  Aachener  Maler  des  19.  Jahrhunderts. 

K.  Wacker:  Max  von  Schenkendorf  am  Rhein  und  in  Aachen. 

A.  Bommes:  Zur  Geschichte  des  Ortes  Schevenhütte. 


8.     Bonn.     Verein  Alt-Bonn. 

Die  Zahl  der  Vereinsmitglieder  betrug  154.  Am  18.  November  1897 
hielt  der  Verein  seine  Generalversammlung  ab,  in  derselben  sprach  zunächst 
Herr  Dr.  Armin  Tille  über  das  Archidiakonat  Bonn,  sodann  Herr  W.  Fuss- 
bahn  über  ein  Spottgedicht  auf  den  letzten  Kurfürsten  von  Köln.  Eingehende 
Berichte  über  die  Vorträge  erschienen  in  der  „Deutschen  Reichszeitung"  vom 

19.  November  und  in   dem  „General-Anzeiger  für  Bonn  und  Umgebung"  vom 

20.  November  1897. 

Die  Archivalien  des  Vereins  sind  durch  HeiTn  Dr.  Tille  geordnet  und 
katalogisiert  worden.  Unter  den  Erwerbungen  für  die  Sammlungen  des  Vereins 
sind  zwei  seltene  Druckschriften  „Kurtze  Relation  über  die  Einnahme  von  Bonn 
1584"  und  Meinertzhagen  „des  evangelischen  Bürgers  Handbüchlein,  Bonn  1544" 
sowie  eine  silberne  Medaille  auf  Friedrich  III  von  Brandenburg  und  den  Feld- 
zug des  Jahres  1689  gegen  Bonn  hervorzuheben. 

9.    Düsseldorfer  Geschichtsverein. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  betrag  am  Ende  des  Berichtsjahres  333. 

An  Stelle  des  Herrn  Prof.  Bone,  der  durch  Krankheit  gezwungen  war, 
den  Vorsitz  niederzulegen,  wurde  Herr  Prof.  Dr.  Hassenkamp  zum  Vorsitzenden 
gewählt;  an  die  Stelle  des  wegen  Ueberbürdung  ausscheidenden  Vorstandsmit- 
gliedes, des  Herrn  Landtagsabgeordneten  Kirsch,  trat  Herr  Regierungsrat  Dr. 
von  Krüger. 

In  den  Verearamlungen  des  Vereins  wurden  die  folgenden  Vorträge  gehalten : 

19.  Januar  1897:  Herr  Pauls  sprach  „über  den  Hexenwahn  am  Nieder- 
rhein". 

16.  Februar  1897:  Herr  G.  Bloos:  Zur  Geschichte  der  Pest  und  der  Rochus- 
kapelle. Der  Redner  behandelte  zunächst  im  Allgemeinen  das  Auftreten  der 
Pest  in  Deutschland  vom  Mittelalter  an  und  den  Zusammenhang  zwischen  den 
Pest-Epidemien  und  den  Gründungen  von  Rochuskapellen.  Für  Düsseldorf 
speziell  wies  er  dann  die  Erbauung  einer  ersten  Rochuskapelle  um  1350  nach* 


248      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

Herr  Bio  ob  sprach  dann  ausführlich  über  das  öftere  Auftreten  der  Pest  in 
Düsseldorf  im  17.  Jahrhundert  bis  zu  ihrem  letzten  Auftreten  im  J.  1669.  Im 
Zusammenhang  mit  dieser  letzten  Epidemie  steht  die  Erbauung  der  noch  he- 
stehenden  Rochuskapelle  in  den  Jahren  1667 — 1670^  deren  Baugeschichte  von 
dem  Redner  auf  Grund  eines  reichen  Aktenmaterials  eingehend  behandelt  wurde; 
der  Vortrag  schloss  mit  einer  künstlerischen  Würdigung  des  Bauwerks  und  seiner 
Einrichtung. 

9.  März  1897:  Herr  Oberlehrer  Dr.  Bützler:  Die  Belagerung  von  Neuss 
durch  Karl  den  Kühnen. 

3.  April  1897:  Herr  Archivar  Dr.  Redlich:  Wilhelm  L,  Herzog  von 
Berg  (t  1408).  —  Herr  Ditges:  Das  Eisenbahnwesen  vor  fünfzig 
Jahren. 

28.  Oktober  1897:  Herr  Pauls:  Zur  Geschichte  der  Herzogin  Jakobe 
von  Baden  und  der  Geisteskrankheit  ihres  Gemahls,  des  Herzogs  Johann 
Wilhelm  von  Jülich-Cleve-Berg. 

23.  November  1897:  HerrDr.Küch:  Die  Stadt  Düsseldorf  in  ihrer  wirt- 
schaftlichen Entwicklung. 

19.  Dezember  1897:  Herr  Oberlehrer  Dr.  Bützler:  Israel  Ory  und  die 
armenischen  Königspläne  des  Kurfürsten  Johann  Wilhelm. 

Zwei  Ausflüge  wurden  im  Sommerhalbjahre  unternommen,  die  sich  beide 
einer  zahlreichen  Beteiligung  erfreuten.  Der  erste  fand  statt  am  16.  Juni  und 
galt  der  Besichtigung  von  Mülheim  a.  d.  Ruhr,  des*  Schlosses  Broich  und  des 
interessanten  Museums  des  Herrn  R.  Rh  einen  am  Kahlenberge.  Am  4.  August 
wurde  zugleich  mit  dem  Bergischen  Geschichtsverein  das  Schloss  Burg  a.  d. 
Wupper  besucht. 

Am  14.  August,  dem  Tage  der  Stadtgründiing,  wurde  eine  Festschrift 
vom  Vereine  herausf!:c^cben,  welche  das  in  der  Königlieben  Kunstakademie  neu 
aufgefundene  Portrait  der  grade  vor  300  Jahren  verstorbenen  Herzogin  Jakobe 
von  Baden  den  Mitgliedern  zugänglieli  machte  und  ausserdem  zwei  im  hiesigen 
Königliclicn  Staatsarchive  aufbewahrte  Geistesprodukte  der  unglücklichen  Fürstin 
publizierte.  Der  erläuternde  Text  ist  von  Herrn  Conservator  Schaarschmidt 
verfasst. 

Der  1897  ausgegebene  XII.  Band  des  Vereins  -  Jahrbuchs  „Beiträge  zur 
Geschichte  des  Niedcrrlicins"  enthält  hauptsächlich  eine  Abhandlung  von  Dr. 
F.  Küch  „Die  Politik  des  Pfalzgrafen  Wolfgang  Wilhelm  163l>  bis  163().  Zu- 
gleich ein  Beitrag  zur  Geschichte  von  Jülich  und  Berg  während  des  dreissig- 
jährigeu  Krieges'',  ausserdem  von  Prof.  Dr.  Ilassenkamp,  „Beiträge  zur  Ge- 
schichte der  Gehrüder  Jacobi.  IV.  Die  Beziehungen  Joh.  Jak.  Wilh.  Heinses 
zu  den  Gebrüdern  Jacobi"  und  von  Dr.  Franz  Z  am  er  „Zwei  denkwürdige  Orts- 
namen am  Niederrhein  (Xanten  und  Birten)." 

Auf  die  Darlegungen  des  Vercinsvorstandes  vom  13.  September  1897  hat 
die  Stadtverwaltung  den  jährlichen  Zuscliuss  auf  800  Mk.,  also  auf  das  doppelte, 
erh(')ht  und  diesen  auf  weitere  3  Jahre  bewilligt.  Es  wird  nunmehr  möglich 
sein,  die  Vorarbeiten    zu  der  schon   lange  geplanten  Publikation,    der  Heraus- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  a.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz.      249 

gäbe  der  Urkunden  der  bergischen  Klöster,  zu  beginnen.  Mit  der  Drucklegung 
einer  diese  ürkundenbücher  betreffenden  Deukscbrift  soll  in  der  nächsten  Zeit 
der  Anfang  gemacht  werden. 


10.     Essen.     Historischer  Verein  für  Stadt  und  Stift  Essen. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  des  Vereins  stieg  auf  169.  Der  Verein  hielt  im 
Laufe  des  Jahres  3  Sitzungen  ab,  bei  denen  die  nachfolgenden  Vorträge  ge- 
halten wurden. 

22.  Januar  1897:     Herr  Oberlehrer  Dr.  Ribbeck   sprach    über  die  Blüte 
des  Essener  lutherischen  Gymnasiums  unter  dem  Direktor  Joh.  Heinr. 
Zopf  (1719-1774),    Herr  Julius  Bädecker   über  die  Anfänge  des 
Buchdrucks  in  Essen  und  dessen  Entwicklung  im  18.  Jahrhundert  (ge- 
druckt in  Heft  18  der  Vereins-Zeitschrift). 
26.  März  1897:     Herr  Franz  Arens  sprach   über   das   Essener  Siechen- 
haus und  seine  Kapelle  (gedruckt  in  Heft  18  der  Vereins-Zeitschrift). 
Am  13.  Oktober    1897    fand    eine    gemeinschaftliche    Sitzung    mit    der 
Herbstversammlung   des    historischen   Vereins    für    den   Niederrhein   in    Essen 
statt.     In  derselben  sprachen  Herr  Kammerpräsident    Schorn  über    die   Ety- 
mologie   des    Wortes    Essen,  Herr   Franz   Arens  berichtet  über  das  in  zwei 
Exemplaren   —  aus  dem  Anfang  des  14.  Jahrhunderts  und  aus  dem  15.  Jahr- 
hundert —  erhaltene   „Liber   Ordinarius"    der    Essener    Stiftskirche;    dasselbe 
enthält  die  Anweisungen  zur  Abhaltung  des  Gottesdienstes  unter  genauer  Angabe 
aller  Ceremonien  u.  s.  w.,    Herr  Oberlehrer  Dr.  Ribbeck  hielt  einen  Vortrag 
über  die  Glanzzeit    des    Essener  Stiftes,    der   zugleich    als  Einleitung   zur  Be- 
sichtigung der  Münsterkirche  und  ihrer  Schätze  diente. 

Das  18.  Heft  der  Vereins-Zeitschrift:  Beiträge  zur  Geschichte  von  Stadt 
und  Stift  Essen  enthält  folgende  Aufsätze: 

G.  Humann:     Gegenstände    orientalischen    Kunstgewerbes    im    Kirchen- 
schatze des  Münsters  zu  Essen. 
Dr.    L.  Wirtz:     Die    Essener   Äbtissinnen   Irmentrud    (ca.  1140  —  1150) 

und  Hadwig  II.  von  Wied  (ca.  1150-1180). 
Franz  Arens:  Das  Essener  Siechenhaus  und  seine  Kapelle.  Der  Ver- 
fasser behandelt  zunächst  auf  Grund  eines  reichen  Urkunden-Materials 
die  Geschichte  des  aus  dem  14.  Jahrhundert  stammenden  Leprosen- 
hauses,  dessen  Bau  indessen  verschiedentlich  durch  Neubauten  ersetzt 
wurde;  im  Anschluss  daran  giebt  er  die  Geschichte  der  in  der  ersten 
Hälfte  des  15.  Jahrhunderts  erbauten  und  noch  bestehenden  Siechen- 
kapelle, die  jedoch  in  den  Jahren  1628  und  1760  weitgehende  Wieder- 
heretellungen  erfuhr, 
Dr.  F.  Schroeder:     Sittliche    und   kirchliche  Zustände   Essens   in    der 

ersten  Hälfte  des  16.  Jahrhunderts. 
Julius  Bädecker:     Über    die   Anfange   des    Buchdrucks    und  des  Zei- 
tungswesens   in   Essen    und    beider  Entwicklung  im  18.  Jahrhundert. 


250      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvereine  der  Bheinprovinz. 

Das  19.  Heft  der  Vereins-Zeitschrift  bildet: 

Dr.  Eonrad  Ribbeck:    Geschiebte  des  Elssener  GyrnDasioms.    IL  Teil: 

Die  lutherische  Stadtschule  1564-1611. 
Auf  Veranlassung  des  Vereins   sind   ca.   50  photographische  Aufnahmen 
von  älteren  Strassen  und  Gebäuden  Essens  hergestellt  worden. 


11.    Geldern.    Historischer  Verein  für  Geldern  und  Umgegend. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  stieg  auf  150.  In  den  drei  Sitzungen 
des  Vereins  wurden  die  folgenden  Vorträge  gehalten: 

27.  Mai  1897  in  Geldern:     Herr  Ehrenbürgermeister  Freiherr  von  Geyr: 
Über  Hexenprocesse. 
1.  August  1897   in   Camp:   Jlerr  Real:    Entstehung  und   Entwicklung 
GampS;  insbesondere  der  ehemaligen  Gisterzienser-Abtei. 
Derselbe:    Die  Schlacht  bei  Klostercamp  am  16.  Oktober  1760. 
8.  December  1897  in  Geldern:   Herr  Ehrenbürgermeister  Müllenmeister: 
Die  römischen  Befestigungen   am  Niederrhein,   EastellC;   Marschlager 
und  Standlager. 

Herr  Bürgermeister  Hambachs:    Das  Rathaus  zu  Geldern. 
Von    den    beiden    letztgenannten    Vorträgen    sind    Druck-Ausgaben    er- 
schienen. 

Die  Vereinssammlungen  erfuhren  eine  Bereicherung  um  eine  Anzahl 
preussischer  Münzen,  einige  alte  Ansichtwerke,  Bilder  u.  s.  w. 

Im  Lauf  des  Jahres  hat  der  Verein  Verbindungen  angeknüpft  mit  zwei 
in  Holland,  im  Bezirk  des  alten  Herzogtums  Geldern,  bestehenden  Altertumsver- 
einen, Dämlich  „Provinciaal  Genötehap  voor  geschiedkundige  Wetenchapen, 
taal  en  kuiist"  zu  Roermond  und  „Vereeniging  Gelrc'^  in  Arnheim. 


12.    Kempen.    Kunst-  und  Altertumsverein. 

Die  Zahl  der  Vereinsmitglieder  betrug  in  dem  Berichtsjahr  105,  die  der 
Vorstandsmitglieder  15. 

Der  Verein  hielt  eine  Generalversammlung  ab,  ausserdem  versammelte 
sich  der  Vorstand  regelmässig  alle  drei  Monate  und  dann  noch  nach  Bedürfnis 
zur  Besprechung  von  Vereinsangelegenheiten. 

Im  Laufe  des  Jahres  erfuhren  die  Sammlungen  im  wesentlichen  die 
folgenden  Vermehrungen:  ein  Kabinetsschrank  (Intarsia-Arbeit),  geschnitzte  Holz- 
figuren, Sttihlc,  Krüge  (Racrencr  Henkelkrug  und  ägyptischer  Krug),  chinesische 
Tassen,  Schüssel  und  Kanne  aus  Zinn,  Laterne  aus  Kupfer,  schöne  alte  Münzen 
aus  Silber  und  Kupfer,  Denkmünzen,  eine  gothische  Stickerei,  zwei  Bücher  mit 
Illustrationen  der  Schlachten  des  Prinzen  Eugen,  ein  Zunftbrief,  ein  Glaspokal 
mit  Deckel,  zwei  Römer,  eine  gebrannte  Scheibe,  ein  McssergriflF  im  Renais- 
sance-Stil. 


Berichte  aber  die  Thatig-kuit  der  Altert,-  u.  GoschlchtsvereJno  der  Rhclnprovlna.     251 


13,    Kleve.     Altert  ums  verein. 

Die  Zahl  der  Vercinsmilglieder  betrug  108.  Eb  fand  am  20.  Januar  1898 
eine  Vereinasitznng  statt,  in  der  der  Vorsitzenile  über  das  römische  Bindern 
und  die  dort  vom  Verein  veraustaltclca  Ansgraban^en  spraeh. 

Nach  der  Lage  der  Stadt  Kleve  ist  anicunebmeii,  dass  in  römischer  Zeit 
eine  Heerstrasee  nahe  vorbei  führte.  ZnnäcliBt  sachte  nun  der  Klevieehe  Verein 
die  Spuren  des  rümisetien  Gräberfeldes,  welebes  eicb  schon  längst  in  der  Nähe 
dieser  Strasse  vrestlich  von  Moyland  nachweisen  Hess,  weiter  zu  verfolgen. 
Über  frllhere  Fnnde  in  jener  Gegend  vgl.  Bonner  Jahrb.  IX,  41  ff.  und  Kunst- 
denkmülcr  der  Rbeinprovinz,  Kreis  Kleve,  S.  91  u.  135.  Mit  Erlaubnis  des 
Bo^itzers  der  Ländercien,  auf  denen  die  Tfaätigkeit  einsetzen  musste,  konnte 
der  Verein  im  Juli  1897  seine  Nacbforschangen  beginnen.  Etwa  50  Meter  von 
der  KCmergtrasae  entfernt,  deren  eigentflmi iche  Anlage  sich  noch  jetzt  aus  den 
zum  Teil  durch  Getreidefelder  sich  hindurch  ziehenden  Kiesschiehten  feststellen 
lässt,  findet  sich  eine  mit  Kiefern  bewachsene  Hügelkette  von  etwa  12  m  Höhe, 
die  ein  weites  Plateau  nach  Osten  hin  gegen  die  Rheinebene  abgrenzt,  nach 
dieser  hin  ziemlich  steil  abfällt  und  vom  Kamm  bis  zum  Fuss  an  der  Hochebene 
sieh  etwa  170  m  ausdehnt.  Sie  ward  auch  vor  30  Jahren  durchforscht,  und 
68  kamen  bei  den  damaligen  Ausgrabungen  Gegenstände  zum  Vorsehein,  die 
zum  Teil  zu  den  selteneren  Beigaben  der  Gräber  gehören,  so  namentlich  eine 
flache,  runde,  stark  versilberte  Sehllssel  und  eine  viereckige  Tafel  von  Blei 
von  etwa  5  cm  Breite  und  Höhe  mit  einem  in  der  Mitte  eingeschnittenen  Kreis, 
um  welchen  die  Inschrift  eingegraben  ist:  Cape  pignns  ameris.  Albaune  . . .  tes. 
{Vergl.  «her  diese  und  ähnliehe  Tafeln  Bonner  Jalirbb.  XLVII.,  XLVIII, 
L,  LI,) 

Die  Bemühungen  fahrten  zum  Aufdecken  von  Krügen,  Thonschflsseln, 
GlasBcherhen,  Umenrcsten,  wie  sie  sonst  auch  sich  beisammen  zu  finden  pflegen, 
aber  nicht  in  der  Qblichon  Lage  zu  einander.  Auf  dem  Kamm  des  Hltgelrllckous 
waren  die  Gräber  in  der  geringen  Tiefe  von  etwa  1  m  zu  finden,  während 
nach  dem  Fasse  zu  die  Tiefe  bedeutend  zunahm,  was  mit  dem  Umstände  zu- 
Banimenhangt,  dass  im  Laufe  der  Jahrhunderte  die  oberen  Erdschichten  nach 
der  Seite  zu  abgeschwemmt  sind.  Man  kam  der  Römerstrasae  näher  als  frflher. 
Es  scheint,  dass  die  Gräber  unmittelbar  an  diese  anschlössen,  denn  es  ist  durch 
manche  Erfahrung  bestätigt,  dass  auf  dem  schmalen  Felde  zwischen  der  Htlgel- 
kette  und  der  Strasse  von  den  Bauern  solche  Gefässe  gefunden  und  oft  mut- 
willig zerbrochen  sind,  die  nur  ans  römischen  Gräbern  stammen  können.  Die 
ganze  römische  Ansicdlungsetelle  bei  Moyland  bleibt  auch  fernerhin  ein  Gegen- 
I  stand  aufmerksamer  Nachfürsohnng  seitens  des  Klevischen  Vereins;  dieser  hofft 
in  diesem  Jahre  dort  seine  Thätigkcit  fortsetzen  zu  können. 

An  dieser  alten  Rhein-  oder  "Waaletrasse  fand  man  schon  frtlher  im  heu- 
tigen Dorfe  Rindern  iinsehnlichc  Überreste  einer  rämisehen  Ansiedinng;  et)  sei 
hier  nur  hingewiesen  auf  die  Abhaudlungen  in  den  Bonner  Jahrbb.  X,  Gl  ff., 
I  XVU,  221  ff.,  XXIII,  32  fl".,  XXV,  7  ff.,  XXXI,  121  fl".,  XXXVI,  80  ff-,  XXXIX, 


252      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

168  ff.,  XL  VI,  173  ff.,  LXI,  60  ff.,  Knnstdenkmäler  der  Rheinprovinz,  Kreis 
Kleve,  S.  145,  Dederich,  Geschichte  der  Römer  und  der  Deutschen  am  Nieder- 
rhein S.  102  ff. 

Als  in  den  Jahren  1870 — 72  in  Rindern  ein  Neubau  der  Kirche  vorge- 
nommen wurde,  fand  man  unter  und  ganz  nahe  an  der  alten  Kirche  sehr  feste 
römische  Grundmauern:  einen  Flur  aus  Gussmauerwerk  mit  10  Reihen  von 
Pfeilerchen,  die  dort  eine  Badeanlage  (suspensura)  vermuten  Hessen,  ferner  ein 
Gewölbe  von  demselben  Material  auf  einer  aus  Ziegelplatten  hergestellten  Boden- 
fläche. Das  Ende  dieses  Gewölbes  hat  man  damals  nicht  erreicht;  aber  ganz 
zweifelos  erstreckt  es  sich  weiter  nach  Norden  unter  dem  Kirchhof. 

Im  vorigen  Jahre  versuchte  der  Klevische  Verein  durch  Ausgrabungen 
weitere  Aufschlüsse  zu  gewinnen.  Diese  waren  durch  neue  Gräber,  die  in- 
zwischen an  jener  Stelle  nördlich  von  der  Kirche  angelegt  worden,  ausser- 
ordentlich erschwert.  Ein  abschliessendes  Urteil  über  das  Gefundene,  viereckige, 
von  festen  Grundmauern  umschlossene  Räume,  verschiedenartige  Bodenbeläge, 
Kies-  und  Betonschichten,  Hess  sich  noch  nicht  geben.  Unter  den  kleineren 
Gegenständen,  die  innerhalb  der  ummauerten  Räume  zu  Tage  traten,  seien 
2  Ziegel  mit  dem  Stempel  der  22.  Legion  erwähnt:  LEG  XXII  PRI  (primi- 
genia). 

14.     Koblenz.     Kunst-,   Kunstgewerbe-   und  Altertumsvereins 

für  den  Regierungsbezirk  Koblenz. 

An  Stelle  des  aus  Gesundheitsrücksichten  aus  dem  Vorstand  des  Vereins 
ausscheidenden  Herrn  Geheimen  Regierungsrates  Breden  wurde  der  Herr  Re- 
gierungs-  und  Gelieime  Baurat  Launer  gewählt.  Die  Zahl  der  Mitglieder  ist 
auf  110  zurückgegangen. 

Während  des  Jahres  1897  hat  der  Verein  nur  eine  Versammlung  abge- 
halten, mit  welcher  zugleich  die  ordentliche  Jahres-Versamnilung  für  1897  ver- 
bunden war.  In  dieser  Versammlung,  welche  am  20.  Deccmber  1897  stattfand, 
hielt  der  Direktor  des  Central-Gewerbe-Vereins  in  Düsseldorf,  Herr  Frauberger, 
einen  Vortrag  über  „Email." 

Der  Vorstand  des  Vereins  veranlasste,  dass  von  den  in  den  Bimssand- 
felderu  des  Herrn  Oelligs  7Avischcn  Urmitz  und  Weissenthurm  aufgedeckten 
Töpferöfen  einer  erhalten  blieb,  damit  eine  Aufnahme  durch  das  Provinzial- 
Museum  in  Bonn  erfolgen  konnte. 

Die  Sammlungen  des  Vereins  haben  die  nachfolgenden  Vennehrungen  er- 
fahren: 

An  römisclien  Funden  Ziegel,  Gefässe,  Münzen  u.  s.  w.,  die  in  der  Stadt 
Koblenz  bei  Kanalisationsarbeiten  gefunden  und  von  dem  Stadtbauamt  über- 
wiesen wurden,  eine  kleine  Urne  und  Gefässstücke  aus  einem  römischen  Grab 
im  Koblenzer  Stadtwald.  Am  wertvollsten  sind  die  Funde,  die  in  den  oben 
genannten  Birassandfeldcrn  zwischen  Urmitz  und  Weissenthurm  gemacht  wurden 
und  teils   durch  Kauf,    teils  durch  Schenkung  an  den  Verein  kamen;    es  sind 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  a.  Geschichts vereine  der  RheinproYinz.      253 

hauptsächlich  eine  Anzahl  Spangen  und  Schiffszinken  (zum  Dichten  der  Schiffe)^ 
ein  25  cm  langes  Gewandstück  einer  Bronzefigur,  eine  Anzahl  von  Mühlsteinen 
aus  Mendiger  Basaltlava,  ein  seltener  Mühlstein  aus  rotem  Sandstein,  femer  eine 
Reihe  von  Bronze-Werkzeugen,  die  mit  einem  Modellier-Stichel  aus  Hom  zu- 
sammen gefunden  wurden.  Der  Verein  erwarb  an  Gegenständen  der 
späteren  Zeit  zwei  in  Koblenz  gefundene  fränkische  Urnen  und  zwei 
schmiedeeiserne  Oberlichtgitter  der  Renaissancezeit  aus  Ehrenbreitstein. 


15.     Köln.     Verein  von  Altertumsfreunden. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  beträgt  58.  Es  fanden  in  dem  Vereins- 
jahr (Mai  1897  bis  Mai  1898)  9  Sitzungen  statt;  in  denselben  wurden  die  fol- 
genden Vorträge  gehalten: 

Stadtbaurat  Heimann:  Die  Peterskirche. 
Derselbe:  Der  Vatikan. 

Stadtbauinspektor  Moritz:  Wanderungen  durch  englische  Kathedralen. 
Derselbe:  Regensburg  und  seine  Bauten. 

Stadtarchivar  Prof.  Dr.  Hansen:  Inquisition  und  Hexen wahn. 

Dr.  Kisa:  Orpheus. 

Direktor  Dr.  von  Falke:  Altkölnisches  Steinzeug. 

Kaufmann  Stedtfeld:  Römisches  Münzwesen. 

Stadtbauinspektor  Gerlach :  Römisches  Gräberfeld  an  der  Luxemburger 
Strasse.  Die  Erbreiterung  der  Luxemburger  Strasse,  der  alten  nach  Zülpich 
führenden  Römerstrasse,  Hess  von  vornherein  eine  Reihe  von  römischen  Funden 
erwarten;  als  sich  bei  den  Arbeiten,  die  im  Juni  1898  an  der  südöstlichen 
Seite  der  Strasse  begonnen  wurden,  die  ersten  Spuren  eines  römischen  Gräber- 
feldes zeigten,  bewilligte  die  Stadt  einen  Zuscbuss  zur  systematischen  Ausbeu- 
tung; die  Arbeiten  standen  unter  der  Leitung  des  Redners  und  des  Museums- 
Assistenten  Herrn  Dr.  Kisa.  Das  aufgedeckte  Gräberfeld  hatte  bei  einer 
Länge  von  300  Meter  eine  Breite  von  10 — 12  Meter.  Der  Strasse  entlang 
lagen  die  vornehmeren  Gräber,  weiter  zurück  die  der  ärmeren  Bevölkerung. 
Die  Ausbeute  war  über  Erwarten  reich ;  die  Anlage  wies  die  verschiedensten 
Grab- Arten  auf,  sie  besteht  aus  Brand-  und  Skelettgräbern,  zeigt  Grabkam- 
mem  mit  Architekturresten,  eine  grosse  Anzahl  von  Steinkisten,  Skelettgräber 
mit  Steinsarkophagen  und  Spuren  von  Holzsärgen  bis  zu  den  einfachen  Platten- 
gräbem,  bei  denen  die  Aschenume  durch  einige  Steinplatten  geschützt  wurde. 
Es  ergab  sich  ferner,  dass  die  Begräbnisstätte  während  der  grössten  Zeit  der 
römischen  Herrschaft  in  Benutzung  gewesen  ist.  Über  die  überaus  reiche 
Ausbeute  an  Insehriftsteinen,  Skulpturen  und  Grabbeigaben,  Töpfereiarbeiten, 
Glas,  Bronze,  Bein-  und  Bemsteinschnitzereien,  über  die  der  Redner  auch  aus- 
führlich sprach,  vergleiche  den  Bericht  des  städtischen  Museums  Wallraf-Richartz 
in  Köln. 


254      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinproviiiz. 

16.    Erenznacb.     Antiquarisch-historischer  Verein 

für  Nahe  nnd  Hnnsrück. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  betrug  130  wie  im  Vorjahr.  Eis  wurden 
in  dem  Berichtsjahr  zwei  Vorstandssitzungen  und  eine  General- Versammlung 
abgehalten.  Zur  Instandsetzung  und  Erhaltung  des  Turmes  der  Burg  Sponheim 
bewilligte  der  Verein  einen  Zuschuss  von  100  M.  Eine  von  dem  Verein  veran- 
staltete Sammlung  ermöglichte  die  Erwerbung  der  von  dem  Bildhauer  Cauer 
modellierten  Bronzebüste  des  Dichters  des  Nahethaies,  G.  Pfarrius;  die  Stadt 
Kreuznach  hat  die  Kosten  der  Aufstellung  des  Denkmals  übernommen.  Für  die 
Vereins-Bibliothek  wurden  eine  Anzahl  von  Druckschriften,  darunter  sämtliche 
Werke  von  G.  Pfarrius,  und  an  Handschriften  namentlich  notarielle  Akten  aus 
der  französischen  Zeit  Kreuznachs  erworben.  Ausserdem  Hess  der  Verein  pho- 
tographische Aufnahmen  von  den  Grabsteinen  der  St.  NicolausKirche  und  der 
englischen  Kirche  anfertigen.  An  Erwerbungen  für  die  Sammlung  sind  römische 
Münzen  und  GefUsse  sowie  Glas-  und  Thonperlen  zu  nennen,  die  in  der  Nähe 
von  Kreuznach  gefunden  wurden.  Mit  dem  Besitzer  des  neuerdings  bei  Münster 
gefundenen  grossen  römischen  Mosaikbodens  unterhält  der  Verein  Fühlung,  um 
eine  Veräusserung  des  Fundes  möglichst  zu  verhindern. 

17.    Neuss.    Altertumsverein. 

In  dem  abgelaufenen  Berichtsjahre  ist  weder  in  Zusammensetzung  des 
Vorstandes  noch  in  der  Zahl  der  Mitglieder  eine  Änderung  eingetreten. 

In  den  gewöhnlichen  Sitzungen  wurden  Lokalfragen  behatidelt,  so  alte 
Heer-  und  Handelsstrassen  im  Kreise  Neuss,  das  Merdal  (Marthal)  vor  dem 
Oberthor  der  Stadt,  einige  als  Lach  bezeichnete  Niederungen,  Wallhecken  an 
der  Grenze  des  Burgbaues  u.  a. 

Ausgrabungen  hat  der  hiesige  Verein  auf  seine  Kosten  nicht  unternommen. 
Dagegen  sind  von  anderen  Seiten  teils  planmässige  Grabungen  teils  mehr  zu- 
fällige Aufdeckungen  in  der  Feldmark  bei  Neuss  bewirkt  worden.  So  hat  zu- 
nächst das  Bonner  Provinzialmuscum  das  Römcrlager  Novaesium  weiter  unter- 
suchen lassen  (vergl.  dessen  Bericht).  Ferner  sind  auf  einem  Ziegelfelde 
zwischen  jenem  Lager  und  der  Stadt  viele  und  zum  Teil  recht  wertvolle  Sachen 
gefunden^  diese  sind  von  dem  Eigentümer  jenes  Feldes,  Herrn  Heinrich  Sels, 
zu  einer  besonderen  Sammlung  vereinigt  worden  (eingehender  Bericht  darüber 
in  den  Bonner  Jahrbüchern,  Heft  101).  Auch  auf  einem  noch  näher  bei 
Neuss  liegenden  Felde  sind  bei  Planierungsarbeitcn  manche  Altertümer  aus 
römischer  Zeit  aufgedeckt  worden.  Die  Eigentümer  hat  sich  bisher  nicht  be- 
reit finden  lassen,  die  Sachen  dem  Verein  abzutreten. 

18.    Prüm.      Gesellschaft  für  Altertumskunde. 
Im  Vereinsjahr  1897/98  fand  nur  eine  ordentliche  Sitzung  statt,   die  Ge- 
neralversammlung vom  22.  Juni  1897.     In  dieser  wurde  zunächst  der  alte  Vor- 
stand wiedergewählt;    an  die  Stelle  des   ausscheidenden  Oberlehrers    Rad  er- 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  n.  Oeschichtsvereine  der  Rheinprovinz.      255 

mach  er  trat  Prof.  Dr.  Hermes  als  1.  Schriftführer.  Dann  berichtete  der 
1.  Vorsitzende^  Herr  Gymnasialdirektor  Dr.  As b ach,  über  einen  grossen  Münz- 
fiindy  den  der  Ortsvorsteher  Bretz  in  Dackscheid,  Kreis  Prüm,  am  16.  Mai 
gemacht  hatte.  Im  Anschlüsse  daran  wurden  30  Münzen  ans  dem  gefundenen 
Münzschatze  vorgezeigt.  Der  stellvertretende  Vorsitzende,  Herr  Landrat  Dom- 
bois,  teilte  mit,  dass  er  den  Finder  bestimmt  habe,  die  Münzen,  etwa  5000 
an  der  Zahl,  auf  dem  hiesigen  Landratsamte  niederzulegen,  wo  sie  von  dem 
schon  früher  benachrichtigten  Herrn  Dr.  Lehner  aus  Trier  eingesehen  und 
geordnet  wurden. 

Im  weiteren  Verlauf  der  Sitzung  wurden  sodann  4  spanische  Silbermünzen 
von  Philipp  IL  und  Philipp  III.  vorgezeigt,  die  ein  Ackerer  aus  Fleringen  bei 
Prüm  beim  Pflügen  gefunden  hatte.  Ausserdem  wurden  3  in  Bleialf  gefundene 
Münzen  vorgezeigt,  2  burgundische  aus  dem  14.  Jahrhundert  mit  der  Umschrift 
Philippus,  eine  spanische  aus  dem  Jahre  1666  und  eine  wenig  deutliche,  wahr- 
scheinlich römische.  Dann  hielt  Oberlehrer  Donsbach  einen  Vortrag  über  die 
Erziehung  des  Adels  vor  200  Jahren,  indem  er  über  ein  Kapitel  des  „Oeco- 
nomus  pimdens  et  legalis  continuatus^  des  Franciscus  Philippus  Florinus  (Nürn- 
berg 1719)  referierte. 

Infolge  der  im  Herbst  1897  erfolgten  Versetzung  des  Herrn  Gymnasial- 
direktors Dr.  Asbach  trat  eine  Unterbrechung  in  der  Thätigkeit  der  Gesell- 
schaft für  Altertumskunde  ein.  Erst  in  einer  im  Mai  1898  abgehaltenen  Sitzung 
wurde  an  seine  Stelle  Herr  Gymnasialdirektor  Dr.  Brüll  zum  1.  Vorsitzenden 
gewählt. 

19.     Saarbrücken.     Historisch-antiquarischer  Verein  für  die 

Saargegend. 

Die  Zahl  der  Ausschussmitglieder  betrug  in  dem  Berichtsjahr  10,  die  der 
Mitglieder  270.  In  den  Sitzungen  des  Vereins  wurden  9  Vorträge  gehalten; 
darunter  zu  nennen: 

Herr  Dr.  Lehn  er,  Trier:  Über  die  altheimischen  Gottheiten  und  Götter- 
bilder, namentlich  im  Anschluss  an  der  Vereins-Sammlung. 

Herr  Köhler:  Über  den  gegenwärtigen  Stand  des  Volksliedes  in  der 
Saar-Gegend. 

Herr  Schaede:     Über  den  Rhein-Mosel-Kanal. 

Herr  Pfarrer  Schütte:  Über  die  deutschen  Burschenschaften  und  ihre 
Verfolgungen. 

Die  Vereins-Sammlung  wurde  im  wesentlichen  vermehrt  um  ein  Bronze- 
kelt,  in  Burbach  gefunden,  einige  kleine  Funde  vom  sogen.  Quellenheiligtum 
zu  Dudweiler  und  einen  in  Saarbrücken  gefundenen  Degen  mit  geschweifter 
Parierstange.  Der  HI.  Teil  des  Bibliothek-Katalogs  ist  in  Arbeit,  derselbe 
soll  als  Heft  6  der  Mitteilungen  des  Vereins  erscheinen. 

Die  Stadt  Saarbrücken  hat  dem  Verein  vom  1.  Oktober  1897  ab  ein 
Vereinslokal  von  5  Zimmern   zunächst  auf  5  Jahre   kostenfrei   zur  Verfügung 


256      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.«  u.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

gestellt.  Die  Sammlungen  des  Vereins  sind  in  diesen  Räumen  zweekent- 
sprechend  aufgestellt  worden;  die  2500 M.  betragenden  Kosten  der  Neuein- 
richtung und  Aufstellung  wurden  durch  eine  freiwillige  Beisteuer  aufgebracht. 

20.     Werden.     Historischer  Verein  für  das  Gebiet  des 

ehemaligen  Stiftes  Werden. 

Die  Zahl  der  Mitglieder  ist  auf  153  gestiegen^  namentlich  traten  sämt- 
liche Gemeinden  des  ehemaligen  Stiftes  Werden  mit  grösseren  jährlichen  Bei- 
trägen  dem  Verein  bei. 

Das  im  Druck  befindliche  6.  Heft  der  Vereins-Zeitschrift:  Beiträge 
zur  Geschichte  des  Stiftes  Werden  enthält  ausser  kleineren  Mitteilungen  fol- 
gende Aufsätze: 

Pfarrer  Dr.  Jacobs:  Rechnungen  des  Kirchspiels  Born  in  den  Jahren 
1599—1603. 

Prof.  Dr.  Gallee,  Utrecht:  Einige  Pflichten  des  Kellners  und  Küsters 
in  Werden. 

Dr.  Kranz:     Das  Gasthaus  und  das  alte  Rathaus  in  Werden. 

Pfarrer  Sierp,  Venne:     Die  Verhältnisse  der   alten  lateinischen  Schule. 

Prof.  Dr.  Jostes,  Münster:  Über  die  vita  ^  Lucii. 

Die  Vereins-Bibliothek  wurde  um  eine  Reihe  voa  Druckschriften  und 
Urkunden  bereichert. 

21.    Wesel.    Niederrheinisches  Museum  für  Orts-  und  Heimatskundc. 

Das  Kuratorium  des  im  Jalir  1896  in  städtischen  Besitz  übergegangenen 
Museums  hielt  im  Berichtsjahr  vier  Sitzungen  ab,  am  9.  Januar,  am  22.  Februar, 
am  29.  März  und  am  14.  Mai  1897.  In  der  zweiten  Sitzung  wurde  von  dem 
Kuratorium  der  Entwurf  zur  Verfassung  des  Museums  beschlossen.  Da  die 
Verfassung,  die  der  Organisation  des  von  dem  Gründer,  dem  Herrn  Professor 
K.  Munimenthcy,  früher  ins  Leben  gerufenen  Vereins  für  Orts-  und  Heimats- 
kundc im  Süderlande  in  Altena  eng  verwandt  ist,  für  die  ganze  Gruppe  der 
niederrlieinischen  Geschiclitsvereine  von  Interesse  sein  dürfte,  so  folgt  dieselbe 
hier  im  Wortlaut: 

Verfassung  des  Niederrheinischen  Museums  für  Orts- 
und Heimatskundc  zu  Wesel. 

§  1.  Das  Museum  zu  Wesel  ist  aus  den  Sammlungen  des  im  Jahre  1889 
gegründeten  Niederrheinisehen  Vereins  für  Orts-  und  lleiniatskunde  hervorge- 
gangen und  seit  dem  14.  November  189()  Eigentum  der  Stadt  Wesel.  Sein 
Zweck  besteht  in  der  Pflege  und  Förderung  der  Orts-  und  Heimatskunde  am 
Niederrhein,  insbesondere  in  den  Kreisen  Kees,  Horken,  Cleve,  Geldern,  Mors 
und  Ruhrort;  sein  amtlicher  Name  lautet:  „Xiedcrrheiniselies  Museum  für  Orts- 
und Heimatskunde  zu  Wesel". 

§  2.  Die  Mittel,  durch  welche  das  Museum  seinen  Zweck  zu  erreichen 
sucht,  sind:    1.  Uebersichtlich  geordnete  Sammlungen    sinnlich   wahrnehmbarer 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Geschichtsvereine  der  RheiDprovinz.      257 

Gegenstände;  welche  sich  auf  die  Niederrheinische  Heimat  beziehen;  2.  die 
Herausgabe  von  Jahrbüchern,  VeröflFentlichungen  durch  die  Tagesblätter  und 
mündliche  Vorti'äge;  3.  ein  fortlaufender  jährlicher  Zuschuss  von  mindestens 
300  Mark  aus  der  Stadtkasse;  4.  freiwillige  Beiträge. 

§  3.    Die  Sammlungen  des  Museums  enthalten  folgende  Abteilungen: 
I.  Die  geschichtliche  Zeit  des  Niederrheins. 

1.  Abteilung:  Kunst.  1)  Gegenstände  der  bildenden  Kunst:  a)  Bild- 
hauer-, Schnitz-,  Bildgiesserkunst ;  b)  Malerei;  c)  Zeichnende  Kunst. 

2)  Bilder  und  Abbildungen,  welche  auf  mechanischem  Wege  (durch 
Oelfarbendruck,  Photographie,  Lichtdruck  u.  a.  Verfahrungsarten) 
hergestellt  sind. 

2.  Abteilung:    Gewerbefleiss.      (Geschichtliches    Gewerbe -Museum.) 

1)  Gegenstände  des  niederrheinischen  Kunstgewerbes.  2)  Gegen- 
stände des  sonstigen  Gewerbefleisses  am  Niederrhein. 

3.  Abteilung:  Das  Leben  am  Niederrhein  in  Haus  und  Feld,  Ge- 
meinde  und  Staat.  1)  Das  niederrheinische  Bauernhaus  und  die 
Geräte  des  wirtschaftlichen  Lebens.  2)  Die  niederrheinische  Stube. 

3)  Gegenstände,  welche  sich  auf  Volksbräuche,  Volksfeste,  auf 
Gemeinde-Einrichtungen   und   Rechte   am   Niederrhein  beziehen. 

4)  Gegenstände,  welche  die  Zugehörigkeit  des  Niederrheins  zu 
dem  jedesmaligen  Staate  darstellen,  insbesondere  Erinnerungs- 
zeichen an  die  grossen  vaterländischen  Kriege,  sowie  an  die 
Kämpfe,  welche  zur  Verteidigung  der  Heimat  stattgefunden  haben. 

4.  Abteilung:  Die  umgebende  Natur.  1)  Die  Lufthülle  und  der  ge- 
stirnte Himmel,  des  Niederrheins   (astro-physikalischc  Abteilung). 

2)  die  Pflanzenwelt  des  Niederrheins.  3)  Die  Tierwelt  des  Nieder- 
rheins. 4)  Der  Boden  des  Niederrheins  (Mineralien,  Gesteine, 
Gewässer). 

5.  Abteilung:  Büchersammlung.  1)  Handschriften  und  Karten. 
2)  Druckschriften. 

6.  Abteilung:  Münzen. 

7.  Abteilung;  Der  Wandertrieb  der  Bewohner  des  Niederrheins,  dar- 
gestellt an  Erzeugnissen  der  neuen  Heimat. 

IL  Die  vorgeschichtliche  Zeit    und    die  Urgeschichte  des  Niederrheins. 

1.  Abteilung:  Fundstücke,  Zeichnungen,  Modelle  von  Gegenständen, 
welche  sich  auf  das  Dasein  des  Menschen  und  auf  seine  Thätig- 
keit  in  der  vorgeschichtlichen  Zeit  und  Urzeit  des  Niederrheins 
beziehen. 

2.  Abteilung:  Fundstücke  der  vorweltlichen  Pflanzenwelt. 

3.  Abteilung:  Fundstücke  der  vorweltlichen  Tierwelt. 

§  4.  Mit  der  Verwaltung  des  Museums  ist  ein  besonderer  städtischer 
Ausschuss  beauftragt,  welcher  den  Namen :  „Kuratorium  des  Niederrheinischen 
Museums  für  Orts-  und  Heimatskunde"  führt  und  sich  aus  fünf  Personen  zu- 
sammensetzt, nämlich:    a)  aus  drei  Mitgliedern  der  Stadtverordneten-Versamm- 

Jabrb.  des  Ver.  v.  AlterthsfV.  im  Rheinl.  103.  17 


258      Berichte  über  die  ThÄtigkeit  der  Altert.-  tt.  Geschichtsvereine  der  Rheinprovinz. 

long,  b)  aus  zwei  Nichtmitgliedem  der  Stadtverordneten- Versammlung.  Diese 
fünf  Personen  werden  anf  die  Daner  von  6  Jahren  von  der  Stadtverordneten- 
Versammlung  gewählt. 

In  der  vierten  Sitzung  wurde  beschlossen,  die  Gründung  eines  Museums- 
vereins in  der  Art  des  Göttinger  Geschichtsvereins  anzubahnen. 

Im  Anschluss  an  die  vier  Sitzungen  haben  in  dem  Berichtsjahr  die  Be- 
mühungen des  Kuratoriums  um  Beschaffung  eines  geeigneten  Raumes  für  die 
Sammlungen,  um  Erhöhung  der  jährlichen  Geldmittel,  um  Einrichtung  öffent- 
licher Sitzungen  und  Herausgabe  eines  Jahrbuches  begonnen. 

Die  Sammlungen  des  Museums  wurden  um  eine  Anzahl  von  Druckschriften, 
Plänen  und  Ansichten  von  Wesel  vermehrt;  ausserdem  überwies  die  Gasanstalt 
in  Wesel  eine  Armillar-Sphäre  der  astro-physikalischen  Abteilung  des  Museums 
als  Geschenk.  Die  Weseler  Liebfrauen- Kompagnie  übergab  dem  Museum  ihre 
Vereinsgegenstände  (Fahnen,  Trommeln  u.  s.  w.)  zur  Aufbewahrung. 

22.     Xanten.    Niederrheinischer  Altertums-Verein. 

Die  Mitgliederzahl  des  Vereins  beträgt  20. 

Es  fanden  zwei  Sitzungen  des  Vereins  statt,  am  15.  August  und  am  20.  No- 
vember 1897.  Ausgrabungen  hat  der  Verein  seit  den  umfassenden  Arbeiten 
vor  dem  Clever  Thor  im  Winter  1896/97  nicht  unternommen. 

Die  Vereinssammlungen  erfuhren  folgenden  Zuwachs: 

Ein  goldener  Fingerring  mit  einer  Gemme,  roter  Jaspis,  bonus  eventus 
darstellend;  gefunden  wurde  derselbe  von  einer  Arbeiterin  auf  der  sogen, 
„alten  Burg". 

Eine  Gemme,  Carneol,  nach  links  gewendete,  stehende  weibliche  Figur. 
Der  Fundort  ist  derselbe. 

Ein  Carneol,  springender  Ziegenbock,    auf  dem  „Fürstenberg"  gefunden. 

Ein  blauer  Glasflnss,  Frau  mit  einem  Kinde  auf  dem  Schoosse,  von  der- 
selben Fundstelle. 

Von  rr»niisclicn  Münzen  ist  zu  erwähnen  ein  Grosserz  des  Severus  Alexan- 
der, ein  Denar  desselben  Kaisers. 

An  Bronzen  wurden  mehrere  Gewandnadeln,  Ringe  nnd  Beschläge  erworben. 

Auf  der  sogen,  „alten  Burg"  wurden  bei  dem  Umsetzen  eines  Acker- 
stückes einige  Sigilhitasclierben  entdeckt  und  dem  Verein  als  Geschenk  über- 
wiesen.    Dieselben  haben  folgende  Stempel: 

OFCRGSI 
OFCOGLI 
OFVITAL 
BFKATVLLVSF 
T/Ä///TALVS  =  Ta[n]talus, 
ferner  ein  Ziegclbruehstüek  mit  dem  Rundstempel  LXGPFTVfVST. 

Die  Schrift  passt  zum  Ende  des  1.  Jahrhunderts  n.  Chr.  Der  Töpfer- 
name (vielleicht  [T?]ntus)  ist  bisher  noch  nicht  bekannt. 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert-  u.  Geschichtsvereino  der  Hheinprovinz.      259 

III.    Die  städtisehen  Sammlangeii. 

1.     Aachen.    Städtische»   Suermondt-Museum. 

Die  Sammlungen  des  Museums  haben  aus  dem  Jahre  1897  folgende  Er- 
werbungen zu  verzeichnen: 

Aus  den  Mitteln  des  Museums  und  des  Museums -Vereins  wurden  erworben: 

1.  Männlicher  Kopf  (bemalt),  Holzskulptur  des  16.  Jahrhunderts, 

2.  Kaiser  Karl  V.  betritt  das  Kloster  St.  Just,  Karton  von  Alfred  Rcthel. 
Von  der  Stadt  wurden  tiberwiesen : 

3.  Ein  kleines  Gemälde,  Flusslandschaft,  von  Caspar  Scheuren, 

4.  eine  alte  Geldtruhe  aus  Burtscheid. 

Als  Geschenke  einzelner  Pereonen  envarb  das  Museum: 
von   den  Erben    Dr.  St  rät  er   ein    männliches   Bildnis,    Oclgemälde   von 

Pottgiesser  aus  dem  Ende  des  17.  Jahrhunderts, 
aus  dem  Nachlass    des  Professors  Dr.  Degen  ein  Elfenbein-Kruzifix  aus 

der  Zeit  der  Spätrenaissance  und  12  Gemälde  neuerer  Meister, 
von  Herrn  Franz  Husmann  Stura  der  Verdammten,   Kupferstich  nach 

Rubens  von  Snyderhof,  1642, 
von  Hcrni  Joseph  Schillings  eine  Büste  von  Alfred  Rethel, 
von  Herrn  Franz  Roderstein  ein   kleines  Gemälde,   die  hl.  Theresia, 

Jugendarbeit  von  Caspar  Scheuren. 
An  kleineren  Geschenken,    die   dem  Museum  zugingen,   sind  erwähnens- 
wert 6  Ansichten  von  Aachen,    eine  Karrikatur   auf  das  Musikfest  von  1854, 

das  Modell  eines  Seeschiffes,  ein  römisches  Glasgefäss  u.  s.  w. 

«' 

2.    Düsseldorf.     Historisches  Museum. 

Der  Bestand  der  Sammlungen  ist  im  Jahre  1897  um  48  Nummern  ver- 
mehrt worden.  Die  Sammlungen  erfuhren  im  Wesentlichen  die  folgenden  Ver- 
mehrungen: an  Münzen:  dreifacher  Dukat  Karl  Theodors  vom  J.  1787, 
Dukat  des  Kurfürsten  Friedrich  Wilhelm  von  Brandenburg,  Dinslakener  Denar, 
Bielefelder  Denar,  Turuose  Wilhelms  IL  von  Berg,  Thalerklippe  zum  Andenken 
an  die  Belagerung  von  Jülich  und  eine  Brouzemcdaille  mit  den  Brustbildern 
Kaiser  Leopolds  und  seiner  Gemahlin,  an  Gemälden:  4  Porträts,  Ölgemälde 
von  Maucourt,  und  2  Porträts  in  Aquarellmalerei,  sämtlich  Angehörige  der 
Familie  Custodis  darstellend  (Geschenk  der  Familie  Custodis);  an  römischen 
und  fränkischen  Funden  einige  Terra  sigillata-Gefässe  mit  Blattornamcnten, 
in  Neuss  auf  der  Niederetrasse  gefunden,  und  eine  schlanke  fränkische  Grab- 
urne mit  weitem,  mit  punktiertem  Ornament  verzierten  Hals,  auf  dem  neuen 
Friedhofe  gefunden;  ferner  Grundstein,  Stiftungsurkunde  und  Ansichten  der 
alten  Rochuskapelle.  Der  Grundstein  ist  eine  quadratische  Steinplatte,  mit  einer 
flachen  Vertiefung  in  der  Mitte  zur  Aufnahme  der  Bleiplatten  mit  der  Stiftungs- 
urknnde,  an  den  Ecken  finden  sich  vier  Kreuze. 


9ea     fiericfata  «bcr  di#  TbitiglEell  deriJt«rL-«.Cteidd^sTereiiie  dar  BkeiopfOTlBiL 

Von  deo  llbrigai  Erw^tangen  and  erwihiieiuiwert  zwei  in  DüMeldorf 
geftmdeiie  Hnmmntzilmei  Ardutektttr-Fragmenie  Ton  dem  alten  Dttaddorf^ 
SeMon,  sowie  dnige  Stadtansiehtea  imd  Photograplden  alter  Hiaser  in 
DOaaeldorl 

Die  Sammhmg«  sind  im  Yerlanf  des  Beriehtqahres  in  das  von  der  Stadt 
nmgelNHite  diwialige  Lag^bans  RenterkasCTne  Nr.  1  ftberfUirt  word^i. 

8.    Köln.    Mvsenm  Wallraf-Biehartz. 

Die  Kenordnnng  der  Sammhmgen  wurde  doreh  Yollendnng  der  Sile 
für  die  itaHeniseh«,  hollindiseben  nnd  flanuselien  Malerschül^i  gefördert  Nen 
erworben  worden: 

Ffir  die  Gemäldegalerie  eine  Landsebaft  von  J.  van  Goyen  (Ge- 
sebenk  des  Landgeriditwates  Nakatenns),  dne  Landschaft  mit  Tobias  nnd  dem 
Engel  Ton  C.  Troyon,  eine  Marine  von  Tb.  Weber  nnd  ein  Aquarell  „Spaniseber 
Gddurter^  ron  Fr.  Pradilla  (beide  Gesebenke  des  Mnseoms- Vereines),  ein 
Kldnis  Ton  C.  Sobn  (Gescbenk  des  Gebeimrates  Kublwetter). 

Für  die  Sammlung  von  Gypsabgflssen  eine  Beibe  yon  Reproduktionen 
antiker  Skulpturen. 

Grosse  Bereieberung  erfnbr  die  Sammhmg  römiseber  Altertflmer,  ror 
ADem  dureb  die  neuCT  Grabfunde  von  der  Luxem|l)urger  Strasse.  Die 
Vorarbeiten  zum  Bau  der  Vorgebirgsbabn  erschlossen  hier  in  den  Sommer-  und 
Herbstbionaten  1897  eine  Strecke  des  Gräberfeldes  von  etwa  250  m  Länge  und  6  m 
durebsebnittlicher  Breite.  Es  enthielt  ca.  350  Grabstätten  yom  1.— 4.  Jahrb., 
Brand-  und  Skelettgräber  in  den  verschiedensten  Formen  der  Bestattung,  einige 
mit  Resten  grösserer  arcbitektonischer  Anlagen,  andere  mit  Steinsetznngen, 
welche  eine  fortlaufende  Reihe  von  Kammern  bildeten.  Da  die  Ordnung  und 
Bearbeitung  der  sehr  zahlreichen  und  zum  Teil  hoehbedeutenden  Funde  noch 
nicht  abgeschlossen  ist,  kann  hier  nur  auf  einige  der  wichtigsten  kurz  hinge- 
wiesen werden. 

Grabstein  aus  Jurakalk  mit  Giebeldreieck  und  Inschrift: 

Q     •     P    0    M    P    E    I 

vs  •  q  .  a  n  i  e  n 
sis  .  fo  ro  .  i  vli 
bvrrvs-nL-ex 
l  e  g  •  x  v.ann  .  l 
stip.xxh.s.e.h.f-c 

Grabstein  aus  Jurakalk,  mit  Rest  eines  Brustbildes  und  Relief  und  der 
Inschrift: 

QVETINIOVERO 
MATER.  QVINtlNIA 
MATRNAFILIODVL 
CISSI/V\0-9<  COLFA-TI 
CEN.  IM    ANN- XXXI. 
M-VII-D-XXVI.FE 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert-  u.  Geschichte  vereine  der  Bheinprovinz.      261 

Grab8teiu  aus  Jurakalk  mit  Sehuppenstreifen,  Gicbeldreieck  und  Inschrift: 

D  •)•  M 
C.FRONTINIo 
C  A  N  DIDO 

AGRIPINEn 
C.CANDIDI 

ER 

Von  grösseren  Skulpturen  sind  hervorzuheben  der  Torso  einer  Kalkstein- 
gruppe des  Aeneas  mit  Anchises  und  Ascanius,  eine  Replik  des  bereits  zwei- 
mal früher  in  Köln  gefundeneu  Typus;  ein  Grabaufsatz  mit  einer  Harpyie  zwischen 
zwei  Löwen,  eine  Gruppe  aus  Kalkstein,  wie  sie  in  Köln  schon  dreimal  ge- 
funden wurde;  ein  lebensgrosscr  Matronenkopf,  ein  männlicher  bärtiger  Kopf, 
drei  Frauenköpfe,  der  Torso   einer  Mercurstatuette,   sämtlich    aus  Kalkstein. 

Von  den  Grabbeigaben  sind  namentlich  die  reichen  Funde  von  Gläsern 
bemerkenswert,  unter  ihnen  eine  Reihe  der  spezifisch  kölnischen  Schlangen- 
gläser des  2.  Jahrb.,  verziert  mit  farbigen  Glasfäden  in  phantastischen  Win- 
dungen, eine  flache  Schale  aus  Krystallglas  mit  eingeschlifl^ener  Gladiatoren- 
gruppe, eine  Oelflaschc  in  Form  eines  Gladiatorenhelmes.  In  drei  Särgen  wurden, 
an  Güiiielhaken  befestigt,  je  zwei  bronzene  Strigiles  neben  einem  kugeligen  Oel- 
fläschchen  aus  Bronze  gefunden;  ausserdem  Tintenfässer  und  Schreibgeräth, 
Spiegel,  Schmuckgerät,  ein  zierlicher  Kerzcnleuchter  in  Form  eines  Drcifusses 
und  eine  kleine  Dose  mit  Grubenschmelz.  Von  einem  durch  den  Leichenbrand 
zerstörten  Kästchen  aus  Elfenbein  haben  sich  zahlreiche  Bruchstücke  von  Amo- 
retten, Masken,  Säulchen  und  ornamentierten  Friesstreifen  erhalten,  aus  gleichen 
Materiale  Messergrifl^e ,  einer  z.  B.  in  Form  eines  menschlichen  Beines,  ein 
anderer  mit  Apollo  und  Greif;  aus  Bernstein  Fingerringe,  gewundene  stabartige 
Griffe,  eine  Schmuckschale  in  Form  einer  Muschel  mit  Fischen  in  Relief,  eine 
Spiegelkapsel  mit  Amor  u.  A.  —  Unter  den  Thongeräten  ist  Sigillata  vom 
1. — 4.  Jahrb.  an  vertreten,  die  älteren  Exemplare  zumeist  gestempelt.  Auch 
die  zahlreichen  Lampen  gehören  allen  Perioden  der  Römerherrschaft  an.  Be- 
sonders hervorgehoben  seien  zwei  kleine  Amphoren  aus  hellgrün  glasirtem  Thon 
mit  Reliefverzierung  —  Bacchus  und  Ariadne  zwischen  Weinranken. 

Grössere  Grabfunde  wurden  ferner  gemacht:  Am  Eigelstein  ein  Brand- 
grab mit  einer  Gesichtsurne,  Thongefässen  und  Lampen  vom  Anfange  des 
2.  Jahrh.  —  In  der  Schillingstrasse  Skelettgräber  mit  Thongefässen  und  Gläsern 
des  3.  Jahrh.  —  An  der  Kreuzung  der  Aachener  Strasse  mit  dem  Lindenthaler 
Sammelkanal  eine  Grabkammer  von  etwa  quadratischer  Form  und  1,40  m  Höhe, 
aus  Bruchsteinen  von  Basalt,  Tuff,  Schiefer  und  aus  Ziegelstücken  aufgemauert, 
mit  einer  gläsernen  Urne  und  Thongeräten  von  der  Wende  des  L  und  2.  Jahrh. 
Daneben  lagen  zwei  andere  Brandgräber  mit  Thon-  und  Glasbeigaben  dereelben 
Zeit,  sowie  ein  Grabstein  aus  Jurakalk  mit  weiblichem  Medaillonbildnis  und 
der  Inschrift: 


868     Berichte  ttber  die  TUMykett  der  Altert.-  o,  Qesehiditovereiiie  der  Bheioprovins^ 

0  M 

ET.PERPETVE 
SECVR ITATI 
IVLBVRSP  R^ 
IVL.HALVISIVS 

SORORI.F.O 

Auf  dem  Maria-Abla88platze  wurden  Brandgrftber  des  2.  und  3.  Jahrh. 
gefunden^  welche  Sigülatagefässe  in  späteren  Formen,  auch  mit  eingeschnittenen 
Mustern,  Gläser ,  darunt^  eine  scfaüne,  26  cm  hohe  Kanne  aus  Eobaltglas, 
Lampen,  Thonkrfige,  Haaniadehi  u.  A.  enthielten.  Die  Funde  kamen  als  Ge- 
schenk der  Grundeigentttmerin,  der  Yersicherungsgesellschaft  Golonia,  an  das 
Museum.  Die  Anlage  d^r  neuen  Pietä  -  Kapelle  an  St.  Gereon  ergab  neben 
Grabfunden  der  mittleren  Kaiserzeit  Beste  einer  Säulenbasis,  ein  Stück  dner 
Gewai^gur  und  eine  Kalksteinstatuette  einer  thronenden  Göttin  mit  einem 
Tier  auf  dem  Schoosse. 

Von  Einzelfunden  sind  erwähnenswert:  Ein  Fingerring  aus  Goldfiligran, 
ein  solcher  aus  geschmiedetem  Golde  mit  Traubasomament  und  einer  Impera- 
torengemme, ein  goldeitös  Ohrgehänge  mit  einem  Smaragd;  bronzene  Zi^bci 
schlage  in  Form  eines  Delphines,  eines  Löwenkopfes,  eines  Pegasus,  eines 
Schififes,  ein  Gerätf  uss  mit  Pantherkopf,  ein  Rundbeschlag  mit  Trompetenmuster, 
ein  sog.  Athletenring,  ein  Armband  aus  wellenförmigem  Bronzedrahte;  ein  grosses 
Bmchstäck  einer  flachen  Schale  aus  Millefioriglas,  ein  Anhänger  aus  bunter 
Glaspaste  in  Form  einer  Fratze,  eine  Reihe  von  Gläsern  mit  farbigen  Zickzack* 
fäden;  unter  den  Thonlampen  eine  mit  Jupiter  und  Antiope,  eine  andere  mit 
Jupiterbüste  und  Adler;  unter  den  Thongefässen  ein  grosser  Barbotinebecher 
mit  einer  JagdsceuC;  eine  Urne  aus  Terra  nigra  mit  aufgelegter  Kettenver- 
zierung u.  A. 

Ausser  Lokalalterttimern  erhielt  das  Museum  durch  Herrn  Herst att-Müngers- 
dorf  eine  Sammlung  von  spätrömiseheu  Grabfunden  aus  Palästina,  Gläser,  Tbon- 
gefasse,  Lampen  und  Münzen. 

Sonderausstellungen.  Von  Januar  bis  April  1897  war  eine  Aus- 
stellung von  Maler-Radirungen  deutscher  Künstler  der  Gegenwart  veranstaltet, 
welche  550  Nunuuern  zählte.  Ihr  folgte  eine  Ausstellung  von  ca.  500  Aqua- 
rellen, Pastellen  und  Zcicbnungen  von  Anton  de  Peters  (1723 — 1795),  einem 
tüchtigen,  jetzt  ganz  vergessenen  Kölner  Künstler,  der  in  Paris  bei  Greuze  ge- 
schult, den  grösstcn  Teil  seines  Lebens  daselbst  und  am  Hofe  zu  Brüssel  ver- 
bracht hatte. 


4.     Köln.     Städtisches   Kunstgewerbemuseum. 

Die  Anzahl  aller  Neuerwerbuugen  des  Museums  aus  Ankäufen,  Ueber- 
weisungen  und  Gcscbeuken  betrug  im  Jahr  1897/98  209  Nuraniern  im  Gcsamt- 
buckwert  von  49627  Mk.  gegen  150  Nummern  zu  27  244  Mk.  im  Vorjahr. 
Davon   entfallen   auf  städtische  Mittel   einschliesslich   der  Zuschüsse   von   der 


Berichte  über  die  Tliktigkeit  der  Altert.-  u.  Gescliiclitsvereiue  der  Rlieinprovinz.      263 

königl.  Staatsregierung  nud  ans  dem  Dispositionsfonds  des  Herrn  Oberbttrger- 
uieisters  16407  Mk.,  auf  die  Mittel  des  Kuustgcwerbevereins  einschliesslich 
des  3000  Mk.  betragenden  Zuschusses  der  Provinzialverwaltung  7840  Mk.  und 
auf  Geschenke  und  Ueberweisungen  25245  Mk.  (im  Vorjahr  4886  Mk.)  Der 
wertvollste  Zuwachs  ist  den  Sammlungen  der  Glasgemälde  und  des  nieder- 
rheinischen Steinzeugs  zu  Teil  geworden. 

In  die  erstcre  Abteilung  wurde  von  der  Stadtverwaltung  mit  Zustim- 
mung des  Herrn  Provinzialconservators  überwiesen  ein  Glasgcmälde  mit  der 
Anbetung  der  heiligen  3  Könige  und  dem  Kölner  Wappen  aus  der  Kathaus- 
kapellc,  kölnische  Arbeit  aus  dem  15.  Jahrhundert.  Angekauft  wurde  das  sog. 
Kaiserfenster,  stammend  aus  der  Karmclitcrkirche  zu  Boppard  (vergl.  Dr.  Oidt- 
manU;  Die  Glasmalerei,  Köln  1898,  S.  244).  Das  Fenster  von  über  4  Meter 
Höhe  gehört  der  Zeit  um  1400  an  und  zeigt  eine  Mariendarstellung  und  die 
Zehn  Gebote.  Dadurch  ist  wenigstens  eines  der  berühmten  Bopparder  Fenster 
wieder  fttr  das  Rheinland  zurückerworben.  Als  Geschenk  erhielt  das  Museum 
ferner  ein  dreiteiliges  Fenster  vom  Jahre  1528,  früher  im  Kloster  St.  Blasien 
im  Schwarzwald,  das  auf  der  Auction  Douglas  in  Köln  für  den  Betrag  von 
21 780  Mk.  erworben  wurde.  Der  Kaufpreis  wurde  dem  Museum  von  den 
Herren  A.  Camphausen,  C.  Eltzbacher,  M.  Guilleaume,  L.  Hagen, 
J.  Heidemann,  H.  Leiden,  G.  Mallinckrodt,  G.  Michels,  A.  v.  Oppen- 
heim, Emil  vomRath,  E.Rautenstrauch,  H.Stein,  R.Stein,  J.  Vorster 
und  J.  van  derZypen  und  vom  Kunstgewerbe- Verein  zur  Verfügung  gestellt. 

Die  keramische  Sammlung  erhielt  eine  durch  Ausgrabung  in  der  Maxi- 
minenstrasse  zu  Köln  erworbene  Colleetion  von  ca.  100  Steinzeugkrügen  kölni- 
scher Arbeit,  der  Zeit  von  1520  bis  1550  angehörend.  Sie  vertritt  die  bisher 
fehlende  Epoche  der  Frtthrenaissance  in  der  rheinischen  Keramik  und  ist  da- 
durch, abgesehen  von  der  hohen  künstlerischen  Bedeutung,  von  grösster  Wich- 
tigkeit für  die  Geschichte  dieses  Kunstzweiges.  Ein  kurzer  Vorbericht  ist  ent- 
halten in  „Kunst  und  Kunsthandwerk ^ ,  Zeitschrift  des  k.  k.  österr.  Museums 
in  Wien,  Januar  1898,  HeftI;  eine  ausführliche  Behandlung  wird  in  den  „Jahr- 
büchern der  königl.  Museen  zu  Berlin"  erscheinen. 

Unter  den  weiteren  Erwerbungen  sind  hervorzuheben: 

Ein  LUtticher  Kamin,  in  Eiche  geschnitzt,  um  1750;  eine  Renaissance- 
truhe von  1590  mit  alter  Bemalung,   aus  Overath;    italienische  Majoliken  des 

16.  Jahrhunderts;  ein  Rococoofen  mit  Figuren  aus  Trient;  ein  Baldachinbchang, 
gestickt,  ausKyllburg,  um  1520;  ein  persischer  Knüpfteppich  mit  Thierfiguren, 

17.  Jahrb.  (Geschenk  des  Herrn  Dr.  Rieh,  Schnitzler  in  Köln). 

Von  der  Büchcrsammlung  der  Bibliothek  des  Museums  wurde  ein  ge- 
druckter Katalog  herausgegeben. 

Vorträge  wurden  von  dem  Direktor  Dr.  v.  Falke  abgehalten  im  Gürzc- 
nich  über  den  Bronzeguss  und  seine  Patinierung,  ferner  über  die  Geschichte 
der  deutschen  Trachten  im  Mittelalter. 


264      Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert-  u.  Geschichteverelne  der  Bheinprovinz. 

5.    Köln.    Historisches  Museum  der  Stadt  Köln. 

Von  den  Sammlungen  erfiihr  in  dem  Berichtsjahr  1897/98  besonders  die 
Münzsammlung,  welche  die  Stadt-Kölnischen  und  die  Kurkölnischen  Münzen  um- 
fasst,  eine  ausserordentlich  wertvolle  Bereicherung.  Die  von  dem  bekannten 
Kölner  Sammler  Karl  Farina  (f  21.  August  1896)  hinterlasscne  grosse  Samm- 
lung Kölnischer  Münzen,  welche  einen  Taxwert  von  M.  51,500  besitzt,  wnrde 
in  der  Weise  erworben,  dass  die  Wittwe  sie  für  den  Preis  von  30,000  M.  über- 
liess;  von  dieser  Summe  wurden  15,500  M.  durch  freiwillige  Beiträge  von  Seiten 
einer  Reihe  von  (achtzehn)  Gönnern  gedeckt,  während  der  Rest  der  Kanfsumme 
in  der  Höhe  von  14,500  M.  aus  städtischen  Mitteln  bezahlt  wurde.  Die  Namen 
dieser  Gönner  sind:  1)  Herr  Caspar  Bourgeois,  2)  Herr  Arthur  Camphausen, 
3)  Herr  Max  Guilleaumc,  4)  Herr  Louis  Hagen,  5)  Herr  J.  M.  Heimann, 
6)  Herr  Geh.  Rat  Aug.  Heuser,  7)  Herr  B.  Liebmann,  8)  Herr  Comm.- 
Rat  G.  Mallinckrodt,  9)  Herr  Geh.  Rat  Dr.  von  Mevissen,  10)  Herr  Geh. 
Rat  G.  Michels,  11)  Herr  Dr.  Jos.  Neven-Du  Mont,  12)  Herr  Friedrich 
Oehme,  13)  Herr  Willi.  Peill,  14)  Herr  Arthur  vom  Rath,  15)  Herr  Comm.- 
Rat  Emil  vom  Rath,  16)  Herr  Comm.-Rat  Eugen  Rautenstrauch,  17)  Herr 
Franz  Schultz,  18)  Herr  Julius  van  der  Zypen.  Das  Historische  Museum 
ist  auf  diese  Weise  in  den  Besitz,  einer  der  kostbarsten  existierenden  Sammlun- 
gen Kölnischer  Münzen  gelangt,  die  durch  seine  älteren  Bestände  in  erwünsch- 
tester Weise  ergänzt  wird. 

Die  systematische  Sammlung  der  Pläne  und  Ansichten  sowohl  der  ganzen 
Stadt  als  einzelner  Teile  derselben  wurde  mit  gutem  Erfolg  fortgesetzt,  auch 
die  Sammlung  der  historischen  Portraits  wiederum  reich  vermehrt.  Besondere 
Erwähnung  verdienen  der  Ankauf  eines  grossen  Oelportraits  des  Kölner  Bürger- 
meisters Peter  Oecklioven  (f  1640),  sowie  dreier  Oelportraits  des  Patriciers 
Thomas  Beywegli  nebst  seiner  Schwester  und  des  Bannerlierrn  Johann  Mültgens. 
Von  einer  gW'jssern  Anzahl  von  altern  Kölner  Häusern,  welche  im  Laufe  des 
Jahres  abgebrochen  worden  sind,  sind  Photographien  angefertigt  und  der  Samm- 
lung des  Museums  einverleibt  worden. 

Endlich  konnte  auch  die  Rheinische  Topographische  Sammlung,  deren 
Grundstock  von  dem  verstorbenen  Sammler  J.  J.  Merlo  gelegt  worden  ist, 
durch  eine  grössere  Zahl  von  Ankäufen  wesentlich  vermehrt  werden.  Es  be- 
findet sich  darunter  u.  a.  die  Ilandzeiehnung  des  Schlosses  zu  Brühl  von  J.  M. 
Met/,  welelie  als  Vorlage  zu  einem  Blatt  aus  der  bekannten  Kupferstiehfolge 
von  Nieolaus  Mette!  gedient  hat. 

6.     Krefeld.     Städtisches  Kaiser  Wilhelm-Museum. 

Nach  A'olleudung  des  Neubaues  am  Karlsplatz  und  nach  Einordnung  der 
Sannnhingcn  wurde  das  Kaiser  Willielni-]\hisenm  am  6.  November  1897  der 
(Hfcntliclien  Benutzung  ül)crgei)cii;  die  städtischen  Behörden,  das  Kuratorium  des 
Museums,  der  Vorstand  des  Mnseumsvereins  und  die  Architekten,  die  den  Bau 
geleitet  hatten,  wohnten  der  Erötlnung  bei.     Nachdem   der  Schlusssteiu  gelegt 


Berichte  über  die  Thätigkeit  der  Altert.-  u.  Gescliichtsvereine  der  Rheinprovinz.      265 

war,  übergab  der  Vorsitzende  des  Museumsvereins  Herr  C.  W.  Crous  die 
Sammlungen  des  Vereins  der  Stadt  Krefeld.  Der  Oberbürgermeister  Herr  Ge- 
heimer Regierungsrat  Ktiper  nahm  sie  im  Namen  der  Stadt  entgegen  und  tiber- 
gab die  Leitung  des  Museums  dem  Direktor  Dr.  Dencken,  welcher  in  kurzen 
Zügen  seine  Ziele,  soweit  sie  die  Förderung  des  Kunsthandwerks  bezwecken, 
darlegte.  Die  Feier  endete  mit  einem  Rundgang  der  Anwesenden  durch  die 
Räume  und  Sammlungen. 

Die  Sammlungen.  Den  Grundstock  der  Sammlungen  des  Kaiser 
Wilhelm-Museums  bilden  die  vom  Krefelder  Museumsvcreiu  erworbenen  Bestände 
au  Gemälden,  Eraeugnissen  des  Kunsthandwerks  alter  und  neuerer  Zeit  sowie 
an  römischen  Altertümern  aus  Krefeld  und  Umgebung.  Eine  Sammlung  von 
Gipsabgüssen  der  Antike  und  der  Renaissance  wurde  durch  Vermittelung  der 
Generalverwaltung  der  Königlichen  Museen  in  Berlin  aus  städtischen  Mitteln 
angeschafft.  Dazu  kam  die  kostbare  Sammlung  alter  niederrheinischer  Kunst- 
arbeiten, welche  der  Stadtverordnete  Herr  Albert  Oetker  vom  Conservator 
Conr.  Kramer  in  Kempen  erworben  und  dem  neuen  Museum  zum  Geschenk 
gemacht  hatte  (vgl.  über  die  Sammlung  Giemen,  Kunstdenkmäler  der  Rhein- 
provinz, I,  S.  99  ff.). 

Bei  der  Verteilung  der  Sammlungen  auf  die  Museumsräume  wurden  die 
antiken  Gipsabgüsse  in  dem  durch  das  Oberlicht  des  Treppenhauses  erhellten 
üntergeschoss  und  in  der  westlichen  Galerie  des  Obergeschosses,  die  Abgüsse 
der  Renaissance  im  Korridor  des  Hauptgeschosses  aufgestellt.  In  einem  der 
kleineren  Oberlichte  des  Obergeschosses  fand  die  Sammlung  neuerer  Gemälde 
Platz. 

In  der  Anordnung  der  alten  Kunstarbeiten  wurde,  soweit  diese  im  Haupt- 
geschoss  Aufstellung  fanden,  von  der  üblichen  kunstgewerblichen  Einteilung  ab- 
gewichen. Die  geschnitzten  Möbel  und  Figuren,  die  Gemälde,  Waffen,  die 
Steinzeugarbeiten  und  Gläser  der  0 et k ersehen  Schenkung  und  ein  Teil  der 
Vereinssammlungen  wurden  dazu  verwendet,  eine  Reihe  von  Zimmern  mit  ein- 
heitlichen kulturhistorischen  Gruppen  in  chronologischer  Folge  auszustatten. 
Für  grössere  Museen  hat  es  gewiss  seine  volle  Berechtigung,  wenn  Fachsamm- 
lungen der  verschiedenen  Zweige  alten  Kunsthandwerks  zur  Schau  gestellt 
werden.  Die  Erforschung  der  Geschichte  der  Fayence,  des  Porzellans,  der 
Metallarbeit  u.  s.  w.  kann  des  greifbaren  urkundlichen  Materiales  nicht  entraten. 
Es  ist  aber  nicht  zu  billigen,  wenn  diejenigen  kleineren  Museen,  deren  Aufgabe 
die  künstlerische  Erziehung  des  lokalen  Handwerks  und  der  heimischen  In- 
dustrien ist,  nach  denselben  Grundsätzen  sammeln  und  gruppieren.  Denn  an 
alten  Arbeiten  ist  überhaupt  nicht  mehr  so  viel  in  freien  Händen,  als  nötig 
wäre,  die  vielen  kunstgewerblichen  Sammlungen  zu  einiger  historischen  Voll- 
ständigkeit auszugestalten,  und  den  wissenschaftlichen  Sammlungen  wird  das 
Material,  das  sie  dringend  gebrauchen,  durch  die  planlose  Zersplitterung  in 
bedauerlicher  Weise  entzogen.  Vor  allem  aber  war  es  ein  verhängnisvoller 
Irrtum,  zu  glauben,  dass  mit  kunstgewerblichen  Massen  dem  Handwerk  erspriess- 
liche  Anregungen  zu  geben  sind.    In  der  verflossenen  kunstgewerblichen  Periode 


2öS     Beridite  Aber  die  Tbitigkett  der  Aftert^  IL  GesdiiebttTeniiie  A^ 


kraute  man  sieh  niclite  Höheres  Aeskea  ab  das  gebeoe  Ki^iereii  aller  «Vchw 
büder**.  IMeaea  yon  den  Kimalgewerbe-Miiaera  aad  -Sehnlm  geiiifarte  ewjge 
Kofkatea  all^  Arbeiten  bat  jetzt  n  einem  gewiaeen  Üb^dmaa  g^Bhrt.  Man 
•ieht  nael^;era4e  mit  Beaehimnng  zorHek  anf  eine  Methode,  die  den  L^rnend^ 
^jratematveh  znr  ünadbetftndigkeit  erzog,  nnd  man  gesteht  sieh,  dass  die  N^h 
anflag»  der  Möbel  nnd  Geräte  des  16.  nnd  17.  Jdudmnderis  mit  den  teehni- 
sehen  Ermngensebaften  unserer  Zdt  nnd  mit  nnsem  modamen  Bedürfnissen 
denn  doch  wenig  im  Einklang  stcJten.  Die  jflngere  G^seration  nasser  Künstler 
bat  Wandel  geschafft  Sie  wendm  sieb  ab  von  den  historischen  Stilen  nnd 
faogen  soznsag^i  von  yom  an,  indem  m  bei  jedem  G^it,  das  sie  entwarfen, 
anCs  nene  die  Frage  stellen,  wie  den  Bedingungen  des  Zweckes,  des  Materials 
nnd  der  BQcksicht  anf  edie  Gestaltung  zu  genügen  ist  An  Stelle  der  Nach- 
abmnng  ist  die  Erfindung  das  lebengebende  Elanrat  bei  äßtk  Künstkm, 
die  für  das  Handwerk  schaffen,  geworden. 

Die  Künstler,  die  diese  Bewegung  angebahnt  haben,  betrachten  die  Ar- 
beiten des  Alteren  Kunsthandwerks  mit  einer  gewissen  Gteringschützung.  Das 
ist  begreiflich  nnd  yerzeiblich.  Sie  glauben  in  ihrer  stürmoiden  Erfinderkraft, 
die  Problane,  die  sie  sich  stellen,  ohne  fremde  Hülfe  lüsen  zu  können,  nnd  es 
scheint  ihnen  abgeschmackt,  das,  was  den  Lebensbedingungen  einer  ferneren 
Vergangenhdt  diente,  in  die  Gewohnheiten  des  modernen  Lebais  hineinzu- 
zwfogen. 

Aber  die  grundsätzliche  Abwendung  Ton  den  Kunsterzeugnissen  alter  Zdt 
wird  nicht  yon  Dauer  sein.  Künstler  und  Handwerker  werden  einsehen  lernen, 
dass  man  sehr  wohl  von  den  Werken  der  alten  Meister  lernen  kann.  Nur  muss 
man  sich  nicht  mit  einer  änsserlichen  Aneignung  ihrer  Formen  begnügen,  son- 
dern Sinn  und  Auge  an  ihren  kQnstieriscben  Qnalitäten  schärfen.  Eine  derartige 
tiefere  Auffassung  der  alten  Kunstwerke  ist  aber  nur  möglich,  wenn  man,  wie 
J.  Brinckmann  bereits  nachdrücklich  gefordert  hat,  die  Möglichkeit  giebt, 
die  Erzeugnisse  in  ihrem  zeitlichen  Zusammenhang  nnd  in  ihrer  gegenseitigen 
Bedingtheit  zu  begreifen.  Die  Museen  der  Praxis  werden  daher  gut  thun,  das 
kunstgewerbliche  Prinzip  zu  verlassen  und  ihren  Besitz  in  den  Znsammenhang 
zu  bringen,  aus  dem  er  herausgerissen  ist,  d.  i.  das  vereinigen,  was  aus  dem 
Geiste  eines  Zeitalters  hervorgegangen  ist.  Wenn  man  die  Arbeiten  der 
verschiedenen  Gewerbe  zu  geschlossenen  Grappen  vereinigt,  so  giebt  man  eine 
Reihe  von  kulturgeschichtlichen  Querschnitten,  die  ein  eindringendes  Studium 
der  Stile  ermöglichen.  Für  alle  diejenigen,  die  für  die  Kunst  des  Hauses  ar- 
beiten, sind  solche  Gruppierungen  unendlich  viel  wichtiger  als  die  nummem- 
reichen  Fachsammlungen. 

Man  wird  indes  die  technologischen  Sammlungen  nicht  ganz  beseitigen 
dürfen.  Man  wird  zwar  ihre  Reihen  an  Umfang  beschränken,  dafür  aber  das 
lehrhafte  Moment,  die  Demonstration  der  technischen  Verfahren  stärker  hervor- 
heben. Und  während  es  bei  den  kulturhistorischen  Gruppen  darauf  ankommen 
wird,  Arbeiten  von  ausgezeichnetem  Werte  vorzuführen,  kann  es  sich  in  der 
technologischen  Abteilung  nur  darum  handeln,  zahlreiche  Kunsttechniken  alter 


Berichte  über  die  Thäti|>^keit  der  Altert.-  u.  Geschicht8vereiue  der  HlieiDprovinz.      267 

und  besonders  neuerer  Zeit  vorzuführen,  an  denen  Handwerk  und  Industrie 
ihre  Kenntnisse  bereichern  und  ihre  Leistungsfähigkeit  steigen!  können. 

Es  schien  geboten,  über  diese  Fragen  bei  der  Einrichtung  des  Kaiser 
Wilhelm-Museums  zur  Klarheit  zu  kommen,  da  dem  Museum  von  vornherein 
das  Ziel  gesteckt  war,  auf  Handwerk  und  Industrie  in  Krefeld  belebend  und 
neubildend  zu  wirken. 

So  wurden  denn  die  eben  dargelegten  Gesichtspunkte  massgebend  für  die 
Anordnung  der  Saumilungen  älterer  und  neuerer  Kunstarbeiten  im  Ilauptgeschoss. 

Nach  einem  Zimmer,  das  dem  Krefelder  Kunsthandwerk  eingeräumt  ist, 
folgt  die  Reihe  der  kulturhistorischen  Zimmer.  In  dem  ersten,  das  Arbeiten 
der  gothischen  Zeit  enthält,  und  im  zweiten,  in  dem  Arbeiten  der  nieder- 
rheinischen Renaissance  aufgestellt  sind,  haben  die  meisten  und  bedeutendsten 
Stücke  der  Oetk ersehen  Schenkung  Platz  gefunden:  in  der  gothischen  Ab- 
teilung ein  grosser,  zweithüriger  Kirchenschrank  aus  Gladbach  (Giemen  a.  a.  0. 
Nr.  1),  ein  Stollenschrank  aus  Wachtendonk  mit  ausgezeichneten  Eisenbeschlägen 
(ebd.  7,  mit  Abb.),  ein  kleinerer  Schrank  mit  zierlich  durchbrochenen,  farbig 
hinterlegten  Füllungen  (ebd.  8)  und  in  zwei  Schauschränken  eine  grosse  Zahl 
geschnitzter  Figuren,  treffliche  Beispiele  der  niederrheinischen  Holzplastik  vom 
Ende  des  14.  Jahrhunderts  bis  in  das  erste  Viertel  des  16.  Jahrhunderts. 
Als  Ergänzungen  kommen  hinzu  holzfarbene  Abgüsse  von  Meister  Arnolds 
Marieualtar  in  Kaikar  und  von  Teilen  des  Brügge  mann  sehen  Domaltars  in 
Schleswig.  An  der  Wand  hängen  zwei  Gemälde  der  Kölnischen  Schule  aus 
dem  Anfang  des  15.  Jahrhunderts. 

Für  die  Einrichtung  des  Renaissancezimmers  stand  ein  vielseitiges  Material 
zu  Gebote.  Ausser  den  Möbeln,  zwei  reichgeschnitzten  Schränken  des  soge- 
nannten Bocholter  Meisters  (Giemen  a.  a.  0.  4  u.  5),  einem  einthürigen  Schrank 
mit  gut  ausgeführten  Wappen  und  drei  Stollenschränken  (ebd.  9  u.  11),  konnten 
hier  auch  einige  charakteristische  Waffen  der  Zeit  aufgestellt  werden,  Rüstungen, 
Helme,  Speere,  Hellebarden,  Armbrüste  u.  a.  Die  Keramik  der  rheinischen 
Renaissance  ist  durch  eine  Sammlung  von  Steinzeuggeschirren  vertreten;  in  den 
Fenstern  hängen  gemalte  Scheiben;  ein  grosses  Gemälde  eines  niederländischen 
Meisters,  die  Anbetung  der  Könige  darstellend,  dient  als  Wandschmuck. 

Von  den  Renaissancearbeiten  kommend,  betritt  der  Besucher  das  Zimmer, 
das  die  Kunst  des  18.  Jahrhunderts  vorführt.  Dieser  Stil  kommt  zum  Ausdruck 
in  goldgerahmten  Gemälden,  in  Möbeln  und  in  einer  Sauimlung  der  damaligen 
höfischen  Keramik,  des  Porzellans.  Auch  den  geschnittenen  Gläsern  des  18. 
Jahrhunderts  ist  ein  Schauschrank  eingeräumt. 

Im  folgenden  Zimmer,  das  für  die  Kunst  des  19.  Jahrhunderts  bestimmt 
ist,  findet  man  neben  Arbeiten  der  Empirezeit  auch  neuzeitige  Möbel  und  ke- 
ramische Erzeugnisse.  Unmittelbar  daran  schliesst  sich"  ein  kleiner  Raum,  der 
eine  modenie  englische  Zimmereinrichtung  enthält. 

Die  Reihe  der  Ausstellungsräume  im  Hauptgeschoss  schliesst  mit  der 
chinesisch-japanischen  Abteilung,  die  noch  im  Werden  ist,  aber  doch  schon 
einige  treffliche  Metall-  und  Thonarbeiten  enthält. 


S88     BerMili  fibet  ikb  Thii%kcil  der  Ate<tt> »,  Qeieiiidrtgywine  der  Bhginpwxflüm 

Dar  grOBSte  Baum  des  Hau^tgesdioaMS  ist  ab  Leswaal  in  AaqynMii  ge- 
nommen. Anf  den  Leedisehen  *  U^pen  S2  ZeHs^riflMi  ftr  EnnstwusenBehafly 
Afeiiiolog^e  vnd  KnnsflmndwolL  mtf •  Den  Bemehern  des  Lesexfanmers  steht 
fern^  eine  liirtoriseh  geordnete  Blitterssnunlnng  fw  Yeifilgmig:,  die  Abirildu^en 
der  namhaftesten  Kvnstwerke  aHor  Zriten  entiiilt  Die  Bt^^rttndnng  dn«r 
MotiTensarnmlnng  fflr  Knnsthandwerker  ist  in  Angriff  graommen,  abcar  noeh 
nieht  yoUendet  Andi  die  knnstwissensdiaflüehe  Bibliodiek  des  Mnseoras  be- 
findet sieh  noeh  in  dra  Anfangsstadira. 

Im  üntergesehpss  rind  anss^  dm  antiken  Gipeabgissen  die  rtaiisehea 
Altertflmer,  die  teehnc^ogimAra  Samminngen  nnd  ein  niederrheinisehes  Baimn- 
Zimmer  des  18.  Jahrhnnderfs  anfgestellt.  Aneh  eine  in  stidtischem  Besitz  be- 
findliehe Mineraliensamminng,  dne  Stiftung  des  1854  zn  Krefeld  yerstorbaien 
Friedrieh  Wilhelm  HorainghiMiSy  hat  hier  yorlftnfig  Unterkunft  gefanden« 

Erster  Znwaehs.  Fflr  die  innere  Ansstattong  des  Mnsenms  war  ein 
Fondi  yon  insgesamt  33000  M.  yerfllgbar.  Ans  diesem  Fonds  konnte  aber 
aneh  dn  namhafter  Betrag  zur  Ergänzung  der  Sammhn^ien  yerwendet  werdoi. 
6200  M.  wurden  ftlr  die  Besehaffbng  der  OipsabgOsse  yarwendet,  auf  320Ö  M. 
beliefen  sieh  die  Kosten  flUr  die  Ausstattung  des  en^isehen  Zimma«,  ein 
kleinerer  Betrag  wurde  ausgeworfesy  um  einige  ausgezeiehnte  englisehe  Bueh- 
einbände  yon  Cobden,  Sanderson  und  Eiyiirci  ft  Son,  London,  zu  er- 
werben, Arbeiten,  die  als  erst^  Anfang  dner  Sammlung  modernen  Budigewerbes 
anzusehen  sind. 

Zu  diesen  Ankäufen  kamen  wertvolle  Sehenkungen :  fflr  den  Schmuek  des 
Lesesaales  schenkte  die  Gebrflder  J.  und  L.  Wintgens  drd  Kopien  nach 
den  Originalen  der  Galleria  Pitti  in  Florenz:  Raffaels  Madonna  del  Grandaca, 
Tizians  Bella  und  Murillos  grosse  Madonna.  Ein  yiertes  Ölgemälde  stiftete 
Herr  A.  von  Randow,  eine  Kopie  nach  Murillos  Spielern  in  der  Pinakothek 
zn  München. 

Ferner  wurden  der  Sammlung  neuerer  Gemälde  willkommene  Schenkungen 
zuteil:  von  Herra  Rud.  Krahnen  das  Gemälde  „Seesturm"  von  Herm.  Hendrich^ 
von  Frau  Wilh.  Jentges  ein  Gemälde  von  Professor  Wilhelm  Camphansen, 
Friedrich  der  Grosse  auf  der  Schlossterrasse  zu  Sanssouci,  von  Herrn  Alfred 
Molen  aar  „Tanzstunde  im  Spreewald*'  von  0.  Piltz.  Der  Kunstverein  für 
die  Rheinlande  und  Westfalen  stiftete  das  nachgelassene  Kolossalgemälde  des 
Professors  Julius  Roeting  „Die  Grablegung  Christi'*;  der  Maler  Herr  Alfred 
Mohrbutter   in  Altona  sein  grosses  Ölgemälde  „Eine  junge  Dame". 

Auch  einige  plastische  Werke  wurden  dem  Museum  vor  der  Eröffnung 
zugewendet.  Herr  Max  Heydweiller  tiberwies  eine  Marmorbtiste  Napoleons  I. 
auf  Marmorsockel,  eine  gute  Arbeit  von  idealistischer  AuflFassung,  die  zu  An- 
fang dieses  Jahrhunderts  nach  einem  Original  Cauova's  ausgeführt  ist.  Herr 
Adolf  von  Becker ath  in  Berlin,  ein  geborener  Krefelder,  schenkte  die  holz- 
geschnitzte Gruppe  eines  flandrischen  Meisters  des  XV.  Jahrhunderts  „Die  h. 
Anna  selbdritt",  Herr  Aurel  von  Beckerath  in  Moskau  eine  interessante 
Sammlung  russischer  Bronzemedaillen. 


Berichte  Über  die  Tbätigkeit  der  Altert.-  n.  Oeschichtsvereine  der  tlheinprovinz.      269 

KuDstaüBBtellung  bei  Eröffnung  des  Museums.  Es  gelang; 
zur  Beteiligung  an  der  Ausstellung  zahlreiche  Künstler  Deutschlands  und  des 
Auslandes  zu  gewinnen.  Ausgestellt  wurden  346  Gemälde,  32  Skulpturen, 
152  keramische  und  14  verschiedene  Kunstarbeiten,  im  Ganzen  544  Gegenstände. 

Unter  den  Malern  waren  die  benachbarten  Düsseldorfer  in  der  Mehrzahl. 
Erschienen  waren  u.  a.  A.  und  0.  Achenbach,  W.  von  Beckerath,  Berg- 
mann, von  Bochmann,  Brütt,  Dücker,  Frenz,  Günter,  Heimes,  Her- 
manns, A.  und  E.Kampf,  Chr.  und  Magda  Kröner,  Liesegang,  Oeder, 
F.  von  Wille.  Aus  Karlsruhe  kamen:  Eschke,  Grcthe,  Graf  von  Kalck- 
renth,  von  Volkmann;  aus  München:  von  Berlepsch,  von  Canal,  Co- 
rinth,  Eckmann,  Harburger,  Kubierschky,  von  Lenbach,  Stuck, 
von  Uhde;  aus  Aibling:  Leibl  und  Sperl;  aus  Frankfurt  a.  M. :  Hans 
Thoma;  ans  Berlin:  Alberts,  Fehr,  Gude,  Leistikow,  Liebermann, 
Menzel,  Meyerheim,  Noster,  Schlabitz;  aus  Woi-pswede:  H.  am  Ende, 
Mackensen,  Modersohn,  Overbeck,  Vogeler;  aus  Hamburg:  Helene  und 
Molly  Gramer,  Eitner,  Henriette  Hahn,  Kuths,  Siebelist;  aus  Holstein: 
Burmester,  Mohrbutter,  Olde. 

Von  den  ausländischen  Künstlern  hatten  besonders  die  Dänen  eine  Reihe 
bemerkenswerter  Arbeiten  gesandt.  Vertreten  waren:  Viggo  Johansen,  Wal- 
demar  Irminger,  L.  A.  Ring,  Fritz  Syberg,  J.  F.  Willumsen.  Aus 
Grossbritannien  waren  nur  Walter  Crane  und  Macanlay  Stevenson  er- 
schienen; aus  Holland:  H.  Mesdag  und  v.  d.  Waay;  aus  Belgien:  Boudry, 
Joors,  Laermans;  aus  Frankreich:  J.  W.  Alexander,  Louise  Breslau, 
Jules  Breton,  Harrison,  H.  Martin;  aus  Italien:  Bergamini,  Benlliure 
und  Segantini. 

In  der  weniger  umfangreichen  Abteilung  der  Skulpturen  hatten  neben 
deutsehen  und  dänischen  Künstlern  die  Belgier  Paul  Dubois,  Constantin 
Mennier  und  Gh.  van  der  Stappen  ausgezeichnete  Bildwerke  ausgestellt. 

Einen  ganz  internationalen  Charakter  hatte  die  keramische  Abteilung,  die 
den  östlichen  Frontsaal  ganz  einnahm.  Im  Mittelpunkt  standen  die  Arbeiten 
des  dänischen  Bildhauers  J.  F.  Willumsen  und  seiner  Gattin.  Daran 
schlössen  sich  andere  Arbeiten  der  neuerdings  zu  so  hoher  künstlerischer  Be- 
deutung entwickelten  dänischen  Keramik:  Herm.  Kahle rs  metallisch  glän- 
zende Gefässe  und  Tierfiguren,  die  glasierten  Steinzeugarbeiten  des  Bildhauers 
N.  Hansen-Jacobsen  und  die  vielbewunderteu  Erzeugnisse  der  König- 
lichen Porzellanfabrik  und  der  Porzellanfabrik  von  Bing  &  Gröndahl  in 
Kopenhagen.  Ferner  sah  man  Fayencen  des  Engländers  William  de  Mor- 
gan, glasierte  Steinzeuggefässe  der  Franzosen  Bigot,  Dalpeyrat,  Dam- 
mouse,Delaherche,Revernay,  Rousseau,  Stoltenberg-Lerche. 
Minder  zahlreich  waren  die  Arbeiten  der  deutschen  Kunstkeramik:  Porzellane 
der  Königliche  Porzellanmanufaktur  in  Berlin,  Fayencevasen  von  Th.  Schmu  z- 
Baudiss  und  der  Familie  von  Heider,  München.  An  die  keramischen 
Erzeugnisse  reihten  sich  Gruppen  der  geschnittenen  Glasarbeiten  Emile 
G  a  1 1 6  8  y  Nancy,  und  der  geblasenen  Gläser  T  i  f  f  a  n  y  s ,  New  York,  sowie 
yon  MosaikverglasQngen  des  Hamburgers  K.  Engelbrecht, 


Uro     Beriehlt  iber  die  ThiUgkeit  der  Attart-  iL  Oeschiehtsrerdne  der  Bheii^roTini. 

bi  AttKMwsB  an  die  ansgertdlten  Arbetteo  der  k^nmisehen  AMdhing 
ikh  d^  Direktor  im  Leeeiaal  des  Miuenng  tot  den  Mi^edem  des  MiiseBii»- 
Y6reiii8  ftwei  Vortrftge  tber  y^Dtaiadies  Porzellan^  und  ,^odenie  Kmnttöpferd'^ 

Zuwaebs  aus  der  Enttstansstelliiiig.  Eänen  merkbaren  Gewiim 
truf  das  Mnaeimi  von  der  Erdfbm^jfsaiiflrtellmig  daron,  insofern  eme  Beibe  der 
bestm  aasgesldltra  Arbeiten  dm  Sammlongoi  dnreh  Sebenlrang  oder  dnreb 
Ankanf  Terblieb. 

fine  Anzabl  jnnger  Krefelder  Damen  yereinigte  sieb,  nm  das  Ölgem&lde 
des  dinisebra  Ualen  Georg  Aeben  ^^Gewitter  bd  Sonnennntei^sng''  ffir 
das  Mttsenm  zn  erw^ben.  Die  Malerin  Frl.  Helene  Gramer,  Hamlnnrg^ 
sdbeidLte  ibr  BlnmenstlldiL  i^Magndtra'^  Ein  angenannter  Frennd  des  Mnsenms 
stiftete  6000  M.  zor  Erwerbung  von  zwei  ölgemäldeii:  A.  MobTbntter  ,,S<Hne- 
h0äfi  Daiiings^'  nnd  W.  Leistikow  y^Dämmerang  in  Ostfriedand^  sowie  der 
Temkottagnippe  ^ntt^  nnd  Kind''  yon  dem  amerikaniseben,  in  Norwegen 
lebenden  Bildbaner  Signrd  Neandros.  Die  Krefelder  Handebdeammer 
sebenkte  one  grosse  Vase  der  KgL  Porzellanmannfaktnr  zn  Berlin.  Fran 
Mofits  vom  Brnek,  Eisäiaeb,  q)endete  einen  nambaftra  Betrag,  ffIr  den 
twei  Yasm  nnd  die  Fignr  eines  g&bnenden  Eäsbftren  ans  der  KgL  Porzellan- 
fabrik an  Koprabagra  angduMift  werden  konnten. 

Ans  Mnsenmsmittefai  worden  mrwinrb^i:  dn  Ölgemälde  „Gebirgslandsebaff' 
Tön  Prof.  G.  Oeder,  ein  Aquarell  „Im  Dampf  von  Obr.  Kröner,  Stucks 
Brmizefignr  „Atblet'^,  oidlicb  Töpferarbeiten  von  Bing  &  Gröndabl,  J.  F. 
Willumsen,  Sebmuz-Baudiss,  De  Morgan,  Bigot,  Dalpeyrat,  Dam- 
mouse  und  Glasarbeiten  von  E.  GalH  und  K.  Engelbrecbt 

Der  Gesammtwert  dieser  Erwerbungen  betrug  ca.  30000  M.  Ausserdem 
wurden  in  der  Ausstellung  Gemälde  und  Kunstwerke  zum  Betrage  von  24500  M. 
verkauft;  sodass  das  finanzielle  Gesamtergebnis  sieb  auf  rund  54500  M.  belief. 

Wechselnde  Ausstellunge d.  Nachdem  die  Eröffnungsansstellung 
geschlossen  war,  wurde  die  früher  vom  Museumsverein  besorgte  „Permanente 
Kunstausstellung^'  vom  Museum  fortgesetzt  und  hierfür  der  grosse  Oberlichtsaal 
in  Anspruch  genommen.  Auf  eine  Ausstellung  der  Worpsweder  Vereinigung  folgte 
eine  Serie  von  Bildern  jüngerer  Düsseldorfer  Maler  wie  Jernberg,  Wendung, 
Klein-Chevalier,  Fritzel,  Liesegang,  Thoeren,  Fr.  von  Wille.  Dann 
konnten  einige  Werke  der  Berliner  Secession  gezeigt  werden:  von  Alberts, 
Dora  Hitz,  Liebermann,  Leistikow  und  Curt  Herrmann.  Zwei 
der  Stillleben  des  letzteren,  „Citronen*'  und  „Äpfel",  wurden  von  Herrn  Notar 
Gustav  Schelleckes  erworben  und  dem  Museum  geschenkt.  Um  mit  der 
Anlage  einer  Sammlung  neuerer  Kunstdrucke  einen  Anfang  zu  machen,  erwarb 
das  Museum  Otto  Eckmanns  Holzfarbendrucke  und  eine  erhebliche  Anzahl 
von  Steindrucken  Hans  Thomas.  Die  letzteren  regten  die  Veranstaltung 
einer  kleinen  Sonderausstellung  von  Werken  dieses  Meisters  an,  die  neben  zwei 
Ölgemälden  die  erworbenen  und  mehrere  geliehene  Steindrucke  erhielt.  Von 
den  geliehenen  Blättern  wurden  einige  angekauft.  Zwei  ausgezeichnete  Abzüge 
der  nicht  im  Handel  befindlichen  Blätter  „Porträt  seiner  Mutter"  nnd  ^;Selb6t- 


tp 


Berichte  über  die  Tbätigkeit  der  Altert.-  u.  Oeschicbtsvercine  der  Rheinprovinz.      271 

porträt"  erhielt  das  Museum  vom  Künstler  geschenkt.  Im  Februar  und  März 
fand  im  Ostsaal  eine  Ausstellung  alter  Kupferstiche  aus  der  Sammlung  des 
Herrn  Kommerzienrat  Heinr.  Seyffardt,  Krefeld,  statt,  nnd  zwar  wurden 
zunächst  drei  Serien  je  zwei  bis  drei  Wochen  zugänglich  gemacht:  Dürer  und 
seine  Zeitgenossen,   die   deutschen  Kleinmeister,   Rembrandt  und  seine  Schule. 

Beziehungen  zu  Krefelder  Kunstvereinen.  Um  in  Krefeld 
neue  Betriebe  ins  Leben  zu  rufen,  schien  es  nötig,  ein  Organ  zu  schaffen,  das 
ohne  Einschränkung  befugt  war,  unmittelbar  und  thatkräftig  einzugreifen.  Dieser 
Aufgabe  zu  gentigen,  trat  im  Juli  1897  unter  dem  Vorsitz  des  Herrn  C.  W.  Crous 
ein  Kreis  von  Kunstfreunden  zur  Gründung  der  „Vereinigung  zur  Förderung 
der  Kunstarbeit  in  Krefeld"  zusammen.  Laut  den  Satzungen  will  diese  Ver- 
einigung ihr  Ziel  erreichen:  durch  Unterstützung  der  bestehenden  und  Begrün- 
dung neuer  Kunstbetriebe;  durch  Herbeiführung  von  Aufträgen  auf  künstle- 
rische Arbeiten;  durch  Ausbildung  tüchtiger  Künstler  und  Kunsthandwerker 
sowie  durch  andere  zweckdienliche  Mittel.*'  Ihre  fördernde  Thätigkeit  begann 
die  Vereinigung  damit,  zur  Gründung  einer  Werkstatt  für  Mosaikverglasung, 
die  F.  W.  H oller,  Krefeld  übernahm,  beizutragen;  dieselbe  arbeitet  nach  dem 
Vorbilde  der  gleichartigen  Anstalt  von  K.  Engelbrecht  in  Hamburg,  vorzugs- 
weise mit  amerikanischen  in  der  Masse  gefärbten  Gläsera.  Die  ersten  künstle- 
rischen Arbeiten  wurden  nach  Entwürfen  von  Professor  Otto  Eckmann  aus- 
geführt. In  der  kurzen  Zeit  seines  Bestehens  hat  das  neue  Unternehmen  so 
guten  Erfolg  gehabt,  dass  es  der  ferneren  Unterstützung  der  Vereinigung 
nicht  mehr  bedarf,  sodass  diese  sich  nunmehr  anderen  Aufgaben  zuwenden  kann. 

In  Verbindung  mit  dem  Museum  steht  ferner  die  im  Oktober  gegründete 
„Kunstvereinigung",  deren  Mitglieder  sich  regelmässig  im  Lesezimmer  des  Mu- 
seums vcraammeln,  um  durch  Vorträge  und  Mitteilungen  über  das  Gesamtgebiet 
der  Kunst,  im  besonderen  der  neueren  Kunst,  sich  gegenseitig  anzuregen  und 
zu  belehren,  und  deren  Mitglieder  bemüht  sind,  das  Interesse  für  die  Ziele  des 
Museums  in  weitere  Kreise  zu  tragen. 

Mit  Anerkennung  muss  drittens  des  Museumsvereins  gedacht  werden. 
Seine  Mitglieder  haben  unausgesetzt  dafür  gewirkt,  immer  reichere  Mittel  für 
die  Sammelthätigkeit  des  Museums  zu  beschaffen.  Einzelne  Voretandsmitglieder 
haben  durch  persönliches  Werben  dem  Verein  nicht  nur  eine  ganze  Zahl  neuer 
Mitglieder  zugeführt,  sondern  auch  viele  bewogen,  ihre  Jahresbeiträge  beträcht- 
lich zu  erhöhen.  Ausser  den  4200  M.,  die  der  Verein  zur  ersten  Einrichtung 
des  neuen  Gebäudes  beisteuerte,  hat  derselbe  für  das  erste  Halbjahr  noch 
5000  M.  an  die  Museumskasse  abgeführt. 


Universltäts-Buehdraekerei  von  Carl  Oeorgi  in  Bonn. 


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Gnosüsclies  GoU-AniuIet, 
Glas-  und  Thongefacsse  aus  Gc\W\i 


'er.  V.  Alterthsfr.  im  Rheinl.    Heft  103. 


Taf.  Vin. 


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Die  Venveltung  der  Kasse  des  Vereta»  roa  Altertuiua- 
rreunden  bat  das  ßankbans  Gntdächmidt  &,  CIc.  Doon, 
Kaieerplatz  tlbernommen,  und  werden  die  Vereinä-Mit^licdcr 
bbLufs  Rrleictiteruiig  der  KtifveiifUhniiig  erencht,  ihren  Jahres- 
beJtrng  (10  Mk.)  rltimljcbst  mu  AnfiiuKi.-  do?  Kiilfiiilurjahn^ 
au  dasselbe  ciiisusiendcii. 


Der  Beeach  des  ProvInxial-MnsenmH  /n  Bonn  (Colinanl- 
straane  16)  ist  dcu  Vereiui^iiiitgliederu  au  allen  Tagen,  ausser 
KIoDtag,  \'0D  9  bia  l  Ulir  morgens  und  2  bis  4  Ubr  (im  Wiiitcr) 
resj).  t)rs  6  Gbr  (im  Sommer)  uaclimittags  unentgeldlicfa  ge- 
stattet. 

Die  Verelnsblbllotlh'l  ist  im  l'rüvinxial-MuHeitni  y.u  Hmin 
anfgestcllt  und  werden  Hucber  au  die  Mitglicdi*r  Mittwoch  von 
3  bis  ö  Uhr  imebniittugs  diirL'b  den  [tibliotbokar  aaisgt-^'beii. 


Stanford  University  Lil 
Stanford,  Californii 


R«tuni  thü  book  on  or  before  d 


6niWG1984