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Full text of "Bonner Jahrbücher"

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BONNER JAHRBUCHER. 

JAHRBÜCHEE 

DES 

VEREINS VON ALTERTUMSFREUNDEN 

m 

RHEINLANDE. 



ht u tarlr um «« nzmcinn. 



BONN. 

GEDRÜCKT AUF KOSTEN DES VEREINS. 



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InhaHs-Verzeichnts. 



I. 6e§chicbte und Denkmaler. 

Seite 

1. RSmfsche Bronzen aus Deatschland. Von A. Puit wangler. Hierzu Tafel I 
und & Textflguren 1 

2. Flurtei lang und Territorien in den römischen Bbeiiilanden. Von Dr. Scliulten. 

Mit 6 Teilfiguren 12 

3. Zur Geschichte des Frankenköuiga Clilodowech, Von Wilhelm Levisou , 43 

4. Die arretinisehen Vasen und ihr Verhältnis zur augosteixchen Kunst. Vortrag, 
gehalten in der Sitzung des Bonner Altertums Vereins am 24. Februar 1898. 
Von Hans Dragendorff. Hierzu Tafel II— V und 12 Tcz«gnren . . .87 

5. Komisches Siege sdenkm&l in BeaeL Von K Niasen 110 

6. KarlingiBch'frCnldsche Töpfereien bei Piugadorf. Von Constantin Eoenen. 
HfeixB Tafel VI HS 

7. Ein gnoaüachea Giridamiilet ain Gellep. Von Max Siebourg. Hierzu 
Tafel Vn und 8 TcTtflguren 123 

8. Fniulbertcht fiber die Reste der „Porta-Paphia" bei Niederlegnng derselben 
imDesflmber 1897. Von Stadtbaurat Steuernagel fn Köln. Hierzu Tafel VIII 
und 9 Textfiguren IM 

IL LItteratur und Miscellen. 

a) Litteratur. 

1. Das Amphitheater Vindonissa. Von Otto Haaser. Besprochen von H. D. 164 

2. Arthur Engel et Raymond Serrare, Traitä de numiBmalJque moderne 

et coutemporaiue. Besprochen von van VIeuten 164 

S. W. Brau, Chronik der Stadt Düren. Besprochen von Constantin Koenen 166 

b) Miscellen. 

1. Coblenz. Römerstrasse und Meilenstein mit Inschrift au derselben. Von 

A. Günther 167 

2. Zur Etymologie der Matronae Fachlnehae. Von Dr. Fohl 168 

8. Herten bei Eitorf. Reste einer Wasserleitung 168 

in. Berichte. 
Bericht ttber die Thätigkelt der Provinzlalkommlssion für die Denkmalpflege In- 
der Rheinprovinz 169 

Berichte über die wichtigeren der ausgefiihrten Resiaurationsarbeiten . . 175 

Anfertigung von Kopien 224 

Mit i Tafeln und 27 Textfigureu. 



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IV InhaltS'VerzeicfaniB. 

B 

Berichte Über die Thatigkeit der Provinzialmuüeeu in der Zeit vom 1. April 1897 
biB 31. März 1898 

2. Trier. Mit 1 Textflgur 

Berichte tiber dfe Thttti^keit der Altertums- und Geschichtavereine und Über die 
Vermehmng der städtischen und VereinasAinmliingen innerhalb der Bhein- 

provinz 

1. Die grösseren Vereine 

II. Die Vereine mit beüchrHnktem Wirkungskreis 

III. Die städtischen Sammlnngen 



Djgiljzed 



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/ 



I. Geschichte und Denkmäler. 



I. Römische Bronzen aus Deutschland. 

Von 
A. Fort wfin gier. 



Hierzu Tafel I. 

^ Es ist auf deutschem Boden gchon manche fein und schön gearbeitete 
rOniiBche Bronzestatnette gefunden worden; doch pflegte d»s Beste dieser Art 
leider ins Auslnnd zn wandern. Unter den unseren Mnscen erhaltenen guten 
Bronzen ist eine der TorzUgliehstcn und intcressantcgten die auf Tsf. I in drei 
Ansichten wiedergegebene Statuette des Mnsenms der Ulrichskirehe xu. Re- 
gensburg. Der Gefälligkeit des Vorstandes des Museums verdanke ich es, 
dasB ich die Bronze im Originale mit aller Müsse studieren konnte '). 

Sie ist nicht unbekannt. Schon 1837 wurde sie in den Verhandlungen des 
Historisehen Vereins des Regenkreises, Regcnsbnrg, Jahrg. 4, Heft 1 S. 143 ff. 
von Michael Rödig verüffentlieht unter Beigabe nicht eben schlechter Litho- 
graphieen, mid 1888 hat Fr. Wieseler im 35. Bande der Abhandlungen der 
kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Gfittingen ihr unter dem Titel „Archäolog. 
Beiträge, Abth. I, über einige Antiken in Regeusburg, namentlich eine Bronze- 
Statuette des Merenrins" eine ausführliche und gelehrte Besprechiing zu Teil 
werden lassen. Die diesen Äbbandhingen betgegebenen Abbildungen sind in- 
dcBS doch so ungenflgend und einige Angaben Über das Thatsächliche nament- 
lich bei Wieseler so unzutreffend, dass eine neue Publikation und Bespre- 
chung nichts Überflüssiges ist. 

Die Statuette ward auf einem „der Koiger" genannten Grundstücke bei 
Rogging in der Nähe von Regensburg gefunden. Man hatte hier vorher „ein 
ganzes Lager der schönsten Mauersteine" gefunden; dann kam der Mereur 
zwischen „Eohle und Asche, Gebeinen von Tieren und StUcken von Eisen und 
Nägeln" hervor; sonst fand sieh „nichts von Belang" und die Ausgrabung ward 
eingestellt. Wohl mit Recht nimmt der erste Herausgeber an, dass an der Stelle, 
wo zwei rOmiscbe Strassen sich gekreuzt zu haben scheinen, eine Niederlassung 

1) Das Mainzer Central museum hat dieselbe formen lassen und sind Abgüsse 
von dort zu beziehen, ebenso wie von der nnten S. G besprochenen Statuette. 
Jabrb. d. Ter. t. Altortbsfr. Im Rhelnl. lOS. 1 



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2 Ä. Fnrtwängler: 

bestand, ans deren kleinem Heiligtum die Statuette stammte; die Tierknochen, 
Kofalen und Asche an der Fundstelle erklärte er fur Reste der Opfer. 

Die Figur ist 14 cm hoch und nattlrlieh voll gegossen; sie ist nach dem 
Gusse in allen Teilen auf das sorgfältigste ciBeliert und ganz vortrefflich er- 
halten. Die Oxydation hat nirgeads die Oberfläche angegriffen; der goldene 
Ton des Metalls schimmert mehrfacb unter der dunkeln Patina hindurch; nur 
an tiefliegenden und rauheu Stellen ist grUnliehe Oxydation sichtbar. Von den 
langen FlUgeln des Petasos ist das Ende des einen verbogen, das des anderen 
abgebrochen. Nach einwärts verbogen ist auch der linke Zeigefinger nebst 
dem Ende des Stabes auf der Linken, Aber welchen gleich noch näher vm 
sprechen ist. Die Spitze der Nase ist etwas beschädigt. 

Das Band, an welchem der Köcher hängt, ist mit der Figur in Bronze 
gegossen, allein darauf ist ein starker Streif Silber gelegt, der sieb nun sehr 
hllbscb abhebt vom dunkeln Körper. Die Augäpfel sind indess nicht eingesetzt nud 
nur die Pupillen durch Gravierung hervorgehoben. Dagegen waren die Brust- 
warzen, wie so häuflg, ans rotem Knpfer eingelassen; erhalten ist nur die geschätzt 
liegende linke, während an der rechten der Kupfereinsatz herausgefalleu ist. 

Sehr sorgfältig ciseliert sind die kurzen Locken des Haares. Die kleine 
mit der Spitze nach oben gerichtete dreieckige Pubes ist nur durch gravierte 
Funkte bezeichnet. In gleicher Weise, durch eng gestellte gravierte Punkte, 
ist der Stoff des Hntes charakterisiert; und das gleiche Verfahren bat der 
Künstler endlich auch am Gewände angewendet, dessen schweren Wollestoff 
er durch weiter gestellte gravierte Punkte belebt hat, um das Gewand vom 
Nackten noch stärker abzuheben. Es ist dies ein Verfahren, das wir schon 
an altgriechischen Bronzen zuweilen bemerken, vgl. Samml. Somz^e Nr. S3 und 
die im Texte dazu S. 52 abgebildete Pariser Bronze, ferner die gewiss nicht 
einen Diadochen, eher Fan darstellende griechische Bronze Arndt, Porträts 
Nr. 355/356. Sauber eingraviert ist endlieh auch das Gefieder an den Flü- 
geln des Petasos wie an den kleinen FnssflUgelii. 

Die Figur hat zunächst ein künstlerisches Interesse. Wie die meisten 
der guten römischen Mereur-Bronzen benutzt auch sie in freier Weise einen 
statuarischen JUnglingstypus der klassischen Zeit des fünften Jahrhunderts (vgl. 
Meisterwerke S. 426 ff. und in diesen Jahrbüchern Heft 90, S. 58 ff., sowie 
über Statuenkopieen I, Abb. d. Münchner Akad. 1896 S. 56). Den hier zu 
Grunde liegenden Typue der Stellung und Haltung {rechtes Standbein, Kopf 
nach der Spielbeinseite gewendet, rechter Arm gesenkt, linker vorgestreckt) 
kennen wir in verschiedenen Brechungen. Er ward im polykletischen Kreise 
mehrfach benutzt; allein hier pflegt der Kopf mehr gesenkt und der linke Fuss 
im Schritte zurückgezogen zu sein {Dresdener Knabe nnd seine Verwandten, 
8. Meisterwerke S. 475 ff.); auch ist der Typus in diesem Kreise offenbar nicht 
erfunden, sondern aus der attischen Kunst übernommen. Hier finden wir ihn 
zunächst mit dem nach älterer Weise mit voller Sohle zur Seite gestellten 
linken Fusse und energischem Blick in die Ferne; so an einer Meistcnverke 
S. 517 besprochenen jugendlichen Helden- oder Hennesstatue. Der Typus lässt 



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Römische Bronzen aus Deutschland. 3 

sich im attischen Kreise bis ios vierte Jahrhnndert verfolgen, wo der Herakles 
Lansdowne (ebda S. 515 f.) das ^ossartigste Beispiel ist. Mit im Schritte za- 
rUckgesetztem linkem Fuase, aber in besonders lebens- and encrgievoller Ge- 
stalt erscheint er am Diomed, der vermutlich auf Kresilas zurückgeht, einem 
Werke, das dann einer vortrefflichen römischen, bei Zürich gefundenen Merent^ 
statnette zur Grundlage gedient hat (Afeistcrwerkc S. 324), die eines der glän- 
zendsten Beispiele der Benutzung eines klassischen Meisterwerkes bei einer 
römischen Mercur-Bronze ist. Dem Diomed verwandt ist eine Aresstatne atti- 
scher Erfindung (Meisterwerke S. 126). Zahlreiche andere Werke, freilich viel- 
fach mir Torse (vgl. besonders was Meisterw. S. 518 genannt ist; dazu eine 
schöne Hercules-Bronze des Louvre), zeugen von der Verbreitung des Typns 
im attischen Kreise in der zweiten Hälfte des 5. und der ersten des 4. Jabrh. 

Unser Mercnr schlieset sich durchaus den attischen Vorbildern an. Der 
linke Foss ist nicht im Scbritte zurückgezogen, sondern nur entlastet zur Seite 
gesetzt mit kaum etwa« gehobener Ferse. Die Körperformen haben die allge- 
meinen Kennzeichen der Periode gegen Ende des 5. nnd Anfang des 4. Jabrh.; 
allein von den polykletischen unterscheiden sie sich durch geringere Flächig- 
keit nnd mehr weiche saftige Fülle, wie sie an attischen Werken begegnen. 
Auch die Pubes in ihrer dreieckigen Gestalt ist durchaus unpolykletisch. So- 
wohl für Kbrperformen wie für Pubes sind als verwandte, auf attische Originale 
zurückgehende Werke zu nennen der Torso Sammlung Somz^e Nr. 20 und der 
dazu im Text abgebildete Pariser Torso. 

Die Sorgfalt und die stilistische Einheitlichkeit unserer Bronze stellen sie 
zu jeuer kleinen Serie ausgezeichneter Mereur-Statuetten, welche, wie jene 
Züricher oder die Meisterwerke S. 427. 428 besprochenen Bronzen, sich ziem- 
lich treu an das klassische Vorbild halten. Wie dort ist dies auch hier nicht 
am Körper allein, sondern auch am Kopfe deutlich; erkennt man an jenen Bei- 
spielen in Haar und Gesiehtsschnitt deutlich das Vorbild polykletischer Werke 
oder jenes Diomed, so zeigt unser Mercurkopf in den krausen kleinen Locken 
und dem rundlichen Gesichte im allgemeinen deutlich das Vorbild attischer 
Typen derselben Epoche, der wir die Herkunft der Eörperstilisiernng zuschrie- 
ben. Der römische Künstler hat es Übrigens sehr gut verstanden einen ge- 
wissen Ausdruck liebenswürdig lächelnder Schlauheit hinzuzufügen, durch den 
er den Mercnr passend zu charakterisieren suchte. 

Nach der Btilistischen Würdigung betrachten wir die Attribute unserer 
Statuette. Auf dem Kopfe trägt sie den an den römischen Mereur-Bronzen ge- 
wöhnlichen kreisenden flachen, mit grossen FlUgeln ausgestatteten Hut, der 
hier, wie häufig, in einer sehr elegant wirkenden Weise an vier Stellen aufge- 
stülpt ist. Ganz deneelbeo Hut, anch mit den den Filz charakterisierenden 
gravierten Punkten trägt z.B. die schöne Mercnr-Bronze in Paris, Babelon- 
B 1 a n e h e t, catal. des bronzes ant. nr. 336; vgl. aueb v. S a c k e n, d. Bronzen 
in Wien Taf. 11, 3. 

Die Linke trägt ein Attribut, dasWicseler zu den längsten Ausführungen 
veranlasst hat; er erkannte in ihm ein „kurzes Scepter", um welches hier die 



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4 A. FurtwKn^ler: 

HchlaDge der Heilgottheiten gewunden sei; Mercnr sei also hier als Hcitgott 
gefaest. Irgend ein wirkliebes Beispiel eines Mercnr mit Schlangenstab weiss 
er indesB nicht anzuführen. 

Eine genaue Betraefatnng des Originales löst diese Schwierigkeit leicht. 
Man sieht einen nach oben etwas dicker werdenden glatten runden Stab, der 
oben glatt abschliesst. Um ihn ist nicht eine, sondern sind zwei kleine Schlan- 
gen gewunden, deren Leib da abgebrochen ist, wo er sich zu beiden Seiten 
des Stabes von demselben entfernte. Es war also ein Kerykeion ganz normaler 
rümiscber Gestalt, genau Übereinstimmend in der Form (bis auf die hier fehlen- 
den PlUgel) wie in der Art, wie es getragen wird, mit dem jener Pariser Bronze 
Babelon-Blancbet Nr.335, die wir schon wegen des völlig gleichen Hutes 
verglichen haben. 

Die Sandalen mit den Flügeln sind sehr geschmackvoll ausgeführt, bieten 
aber keinerlei Besonderheit. Bis hierher sind die Attribute — zn denen anch 
die Ghlamys auf der linken Schulter zu rechnen ist — die bei Mercur ganz 
gewöhnlichen. Anders ist es mit dem an silbernem Bande über dem Kticken 
getragenen kleinen eleganten Kücher mit dem Obliehen spitzen Deckel. Er 
kann nur eine Vermischung des Hermes mit Apollo bedeuten. Schon W i e- 
seler hat als Analogie auf eine kleine Bronze der früheren Sammlung Milani 
(Nr. 440 im Auetionskatalog, Frankfurt 1883) hingewiesen, wo Mercur der Be- 
schreibung des Kataloges nach „einen Pfeilköcher tlber der Achsel, in der R. 
das Fragment einer Börse" trägt; ferner auf zwei von Caylns, rec. II, 78 publi- 
zierte Bronzen, wo der jugendliche Gott nur den Beutel von Mercur, dazu ein- 
mal den Köcher allein, das andre Mal aber Köcher, Helm und Ägis trägt, also 
einen starken Synkretismus offenbart. 

Hermes und Äpollon stehen sich im Mythus wie im Kultus so Ilberaus 
nahe, dasa eine Verschmelzung beider nicht unverständlieh ist. Wurden doch 
beide z. B. in Olympia an einem gemeinsamen Altare, beide als musische Götter 
verehrt (Paus. 5, 14, 8). Denn es ist vor allem das musische Element, welches 
das einigende Band der beiden Gottheiten aasmacht. Auf welcbcm Wege unser 
römischer Künstler aber dazu gekommen sein mag, den Mercur mit Apoll zu 
verschmelzen, wird uns später vielleicht noch etwas deutlicher werden. 

Wir haben das letzte und merkwHrdigste Attribut der Bronze zu be- 
trachten: die gesenkte Rechte umfasst einen kurzen cyliudrischcn Gegenstand, 
der vom nicht abgebrochen, sondern vollständig ist. Man wird zunächst die 
Möglichkeit erwägen, dass liier das normale Attribut der rechten Hand Mer- 
enrs, der Beutel, nur in fragmentierter Gestalt vorliege (vgl. zur Haltung Ba- 
belon-Blanehet Nr. 326. 328^ .v. Sacken Tf. 19, 8); man müsste dann anneh- 
men, dass der herabhängende Teil des Beutels abgebrochen und die Brucbfläche 
schon im Altertum sauber geglättet worden sei. Allein abgesehen von der 
Bedenklichkeit einer solchen Annahme spricht dagegen auch der Umstand, dass 
der Zeigefingerrand ein klein wenig über die AbschluBsfläche jenes Gegenstan- 
des in unverletzter Rundung herausragt, sowie femer, dass die Form des Ge- 
genstandes dem Ende eines Beutels nicht entspricht, indem sie jeder Biegung 



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RSmiBche Bronzen aiu Deutschland. & 

nnd auch der Öffnung am oberen Ende eotbehrt. Es bleibt. sonach nur ttbrig 
eine Rolle zu erkennen, deren Rand fVeilieh nicht sichtbar gemacht ist. Eine 
ähnlich ^bildete und gehaltene Rolle kommt indcBS auch sonst an römischen 
Bronzen vor; so z. B. an dem Pariser Asklepios, Babelon-Blancbet Nr. 598 
(vgl. Über Statuenkopieeo I, S. 58). 

Die Rolle als Attribut des Hermes ist bis jetzt sonst nirgends sicher nach- 
gewiesen. Auch WicBcler a. a. 0. S. 31 bat kein sicheres Beispiel beizu- 
bringen gewusst; nur in modernen Ergänzungen und in mehr als zweifelhaften 
Fällen kann er die Rolle bei Hermes anfahren; so ist bei der Bronze v. Sacken 
Taf. 11, 1 offenbar nur der Rest des üblichen Beutels zu erkennen. Nur die 
Münze, die Wieseler zuletzt sehr zweifelnd anführt, zeigt, wie ich glaube, 
wirklich die Rolle. Wieseler zitiert die Publikation des Museum Sanclemen- 
tiannm, num. sei., p. II Rom 1809, tab. 35, 395, wo eine unter Gallienus ge- 
prägte Munze von Tyrus gegeben ist. Witfseler vermutet, dass das dort ge- 
zeichnete Attribut der rechten Band des Hermes immer- 
hin eine Rolle bedeuten könne. Durch die nie versagende 
GcfUiligkcit von Imhoof-Blumer bin ich im Stande, 
einen Abdruck der Münze in photographischer Repro- 
duktion hier zu veröffentlichen; derselbe macht mich 
zugleich aufmerksam, dass der Typas jener Münze von 
Tyrns auch unter Philippus und Salonina vorkommt (Ba- 
belon, catal. des roonn. gr., les Perses Ach^menides nr. 2273 
pl. 37, 17; nr. 2358). Nach dem mir vorliegenden Ab- ^' 

gnsse der Münze zweifle ich nicht, dass Wieseler's Vermutung richtig war 
nnd wirklich eine SchrinroIIe in der Hand des Hermes dargestellt ist. 

Dieser MUnztypns ist aber zugleich, was Wieseler nicht bemerkt hat, 
entscheidend fUr den Sinn der Schriftrollc. Hermes ist hier nicht nur unge- 
wöhnlicher Weise mit einem kurzen Mantel um den Mittelköi'per bekleidet, 
sondern neben ihm steht ein Ibis: kein Zweifel, Hermes ist hier identifiziert 
mit Thoth, dem ägyptischen Gotte, dessen heiliger Vogel der Ibis ist. Dass 
die Griechen in Thoth ihren Hermes wiedererkannten und beide Gottheiten 
identifizierten, ist bekannt. Schon Herodot 2, 138 erwähnt den Hermes der 
Ägypter und Diodor 1, 16, 2 schildert den ägyptischen Hermes ausführiich 
mit den Eigenschaften des Thoth. 

Dase jener Münztypns von Tyrus wirklich grie- 
chisch-ägyptischer Herkunft ist, beweist eine Kupfer- 
münze von Alexandrien, unter Antoninns Plus, von 
der mir ebenfalls durch die Güte Imhoof-Blumcr's 
ein Abgass vorliegt, der hier wiedergegeben wird. 
Hier erseheint genau derselbe Hermestypus mit dem- 
selben Gewände, das Kerykeion im linken Arm ; unten 
neben ihm der Ibis; die Rechte hält hier aber den 
gewöhnlichen Beutel, nicht die Rolle, Dafllr ist ein 
interessanter Zierrat auf dem Kopfe hier^^deutlich ; Jes '^' " 



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6 A. FurtwKngler: 

ist eine emporstetaeDde Feder. Dieselbe kommt aach bei dem Hermeskopfe 
Yor, dcD eine andere unter ÄDtoniiins Piua geschla- 
gene Knpfennllny.e Alexandricns zeigt, die beiste- 
llend nach Imhoof-Biumer's Abguss gegeben ist. 
Auf anderen Münzen als diesen von Alexaudria 
I kommt nach Imhoof'8 gütiger Mitteilung dieser 
Kopfschmuck nicht vor. 

Eine zweite Bronzestaluetfe des MuscumB zu 
Regeuslinrg, die wir beistehend, Fig. 4, geben 
(sie ist 12 cm hoch), kann sich mit der ersten kllnst- 
*^'?' ^' leriaeb gar nicht entfernt messen ; sie gehört zu der 

gewöhnlichen Dntzendwaare der Bronzestatnetten der Kaiserzeit. Auch ihr Typus 
und die Attribute sind ganz gewöhnlieh — und dennoch ist eine Hauptsache 
* an diesem Typus kaum be- 

achtet nnd noch gar nicht 
irgend befriedigend erklärt 
worden. Ich meine die Fe- 
der, die über dem Kopfe 
emporstcht. 

Betrachten wir die Fi- 
gur näher; sie stand auf dem 
rechten Fusse, der verloren 
ist; der linke ist entlastet; 
auf. der rechten Schulter ist 
die Chlaniys geknüpft, die 
nach dem linken Arme her- 
übergezogen und um densel- 
ben gewickelt ist; das herab- 
hängende Ende und die linke 
Hand fehlen. Im Arme ruht 
das Kerykeion. Die vorge- 
streckte Rechte hält den ge- 
füllten Beutel. Der Kopf ist 
nach der Seite des Stand- 
beines gewendet; er zeigt kur- 
zes emporstrebendes Haar; 
die Augen sind nicht einge- 
°* ■ setzt, die Pupillen sind ein- 

graviert. Der schlanke Körperbau, die Anordnung der Chlamys, die Bildung 
des Kopfes mit dem etwas erregten Ausdruck und den zusammengezogenen 
Brauen lehren, dass hier die Formgebung der hellenistischen Epoche zu Grunde 
liegt. Im Haare liegt ein Kranz von langen spitzen Blättern, ohne Zweifel 
von Lorber. Ferner erkennt man die beiden am Kopfe ansetzenden Flügel 
und in der Mitte zwischen diesen und den Blättern des Kranzes einen gerade 



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RSmische Bronsen ans Dentschlaod. 7 

emporsteheuden GtegeDstand mit einer tiefer liegenden Mittelrippe, der nur eine 
Feder sein kann. Diese Erklärnng wird dnrch andere Exemplare bestätigt, 
wo die Feder noch deatlicher ist. Zumeist ist das Atlribnt der Feder anch 
mit dem Lorberkranze verbanden. Es stimmt ferner ancli die Anordnung der 
Cblamys sehr faänfig ttberein und die Bildung des Kopfes und der E<trperfor- 
men ist immer in der Art der Regensburger Bronze, also auf dei' Basis liclle- 
nistiscben Stiles. Die Fundorte der Bronzen dieses Typna, die bekannt sind, 
gehßren den verschiedensten Gegenden an: Athen, Italien, namentlich Pompeji, 
Gallien und Germanien. Man vergleiche Babelon et Blanche t, cntnl. des 
bronxes ant. nr. 356. 357. 358. 359. 360. Sal. Reinach, anl. nation., bronzes 
figur^s de la Gaule rom. nr. 48. 49. Schumacher, Samml. ant. Bronxcn 
in Karlsruhe Nr. 934 (aus Athen). Antich. d'Ercoi. VI, bronzi II, p. 125, tav. 
33, I. 3; p. 129, tav. 34, 1. Montfancon, antiqn. expl. I, pl. 68, 5; 69, 3. 
V. Sacken, Bronzen in Wien Taf. XI, 1. Arcb. Anzeiger 1889, S. 105 f., in 
Dresden (Kranz, FlQgei und Feder wie an der Rcgenaburgcr Figur nach freund- 
licher Mitteilung P. Herrmann's). Rom. Mitteil. IV, 1889, Taf. 11, S. 312, 
aus Ruvo, sehr oxydiert, wodurch die Feder etwas undeutlich geworden ist. 
Endlich befindet sich ein dem Regensbnrger völlig gleichendes Stflck in ZUrieh 
(Ulrich und Heizmann, Catal. d. Samrol. d. antiqu. Ges., 2. Teil, Taf. 1, 
Nr. 2857, S. 16) und ein sehr fthnliches, nnr geringeres nud kleineres Exemplar, 
an dem wie öfter der Kranz nur dnreb einen runden Reif angedeutet ist, im 
Antiqnarinm zu Mflnehen (Nr. 93). 

Diese Bildung des Hermes mit der emporstehenden Feder ist bisher mei- 
nes Wissens kaum beachtet nnd jedenfalls nicht erklärt worden. Babelon 
nennt diesen Typus „Herm-Apollon", indem der Lorberkranz von Apollon, die 
Feder von den Musen entlehnt sei. Allein wie man dazu hätte kommen sollen, 
Mercnr mit einem Attribute der Musen auszustatten, weiss er nicht anzugeben, 
leb hatte längst die Vermutung, dass jene Feder alexandriuisclier Herkunft 
sei und anf der Identifikation mit Tfaoth beruhen mllsee. Da gaben mir die 
MUnzen die Gewissheit, deren Kenntnis ich der Gefälligkeit Imhoof-Blumer's 
verdanke. Sie beweisen, dass der Hermes mit dem Ibis, also der Hermes- Thoth 
in Alexandrien mit der Feder auf dem Kopfe dargestellt ward. 

Den regeUnässigen Sgyptisehen Typen des Thoth *) gebort allerdings die 
einzelne anf dem Kopfe emporstehende Feder nicht an, obwol Thoth anch mit 
F6dem auf dem Kopfe erscheint (Lanzone, dizion. di mitol. egiz. tav. 402, 3. 
403. 404,3); allein er trägt die Feder öfter, wie die Schreibtafel in der Hand, 
und, vor Allem, in der Gestalt als Ibis auf dem Gestell ist regelmässig eine 
einzelne Feder vor ihm aufgepflanzt (z. B. ebenda Taf. 405, 3). Ferner ist 
die einzelne emporstehende Feder das regelmässige Attribut auf dem Kopfe 
der Ma, der Göttin der Wahrheit, die schon im Totenbuche (Cap. 141, 111) 
Gattin des Thoth genannt wird. Sonst heisst sie auch seine Schwester, wäh- 

1) Die Kenntnis dieser ward mir durch die gütige Unterelützung von Georg 
Ebers wesentlich erleichtert. 



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8 A. Furtwangler: 

rend Thoth fortwährend „der anf der Ma (Wahrheit) Rnheade" genannt und 
ganz gewöhnlich mit Ma zuBammen dargeetellt wird. Der Ma aber ist die ein- 
zelne Feder eo sehr charakterigtisch, daBS sie manchmal nnr durch sie darge- 
stellt wird, wie Thoth durch den Ibis mit der Feder davor. 

Thoth ist bekanntlich der Gott aller Klugheit, der Herr and Erfinder aller 
Wiseenschaft und aller Kunst, auch der Musik, und inabesondere der Herr und 
Erfinder alles Scbriftenwesens- Als Qott der Klugheit identifizierten die Grie- 
chen ihn mit ihrem Hermes. So entstand jener ägypttBch-griecbische Hermes, 
der Erfinder aller Rede, Schrift und Musik, 6 tlDv Xötujv fiTejiütv, ö tpommoti- 
KH? Kcl fiou<TiKf|; €ip^Tii5 (Plut., de Is. et Osir. 3), der Schöpfer der Worte, der 
Schrift, der Götteropfer, der Sternkunde, der Palästra, der Körperpflege, der 
Lyra und des Ölbaums (Diodor 1, 16,3). Er galt daher im »Iten Götterstaat 
als der l£pOTpa^^aT£Ü;, der heilige Schreiber (Diodor a. a. 0.). Der WpoTpaFi- 
WOTeüc der Wirklichkeit aber hatte bei den Ägyptern, wie wir aus Clemens, 
Strom. VI, 4, erfahren und ein römisches Relief mit ägyptischer Priesterprozes- 
sioü, Visconti mus. Cfaiaram. tav. 2 bestätigt, nrepä im rfi^ KCtpaXf^^, aufrecht 
stehende Federn auf dem Kopfe. 

Weniger ans den ägyptischen Eultbildem als aus der yoIkstOmlichen Vor- 
stellung des Henncs-Thoth als heiligen Schreibers, als ItpOTpaM^areO^ scheint 
also die Feder anf dem Kopfe seines alexandrinischen Typus entstanden zu 
sein, obwohl jene auf den ägyptischen Bildern Torkommende Verbindung der 
einzelnen emporstehenden Feder mit Thoth und Tor allem die mit seiner Ge- 
nossin Ma entschieden mitgewirkt hat. Die Feder bezeichnet den Hermes als 
den Erfinder von Wort und Schrift und als den Herrn der Klugheit. 

Dass der Lorberkranz hinzugefügt za werden pflegte, darf uns nicht wun- 
dem; denn jener Hermes-Thoth ist ja auch ein musischer Gott, ist Erfinder 
aller Musik, und auf diese Seite seines Wesens wies die alexandrinische Kunst 
durch den apollinischen Lorberkranz hin. 

Es liegt nahe zu vermutben, dass das Attribut der auf dem Kopfe empor- 
stehenden Feder auch an der zweiten Stelle, an der es im griechisch-römischen 
Eunstbereiche erscheint, die gleiche Bedeutung und Herkunft habe wie an der 
ersten. Jen^ zweite Vorkommen ist das bei den Musen. Wie vom Hermes 
mit der Feder besitzen wir auch von den Musen mit diesem Attribut nnr Denk- 
mäler römischer Zeit, die frühestens auf hellenistische Vorbilder zurückgehen. 
Die Sage vom Kampfe der Musen und Sirenen, nach welchem jene sich mit 
letzterer Federn schmückten, erscheint literarisch erst bei Pausanias (9, 34, 3) 
und in der Kunst nnr in Denkmälern der Kaiser/eit. Es kann diese Sage sehr 
wohl nnr zur Erklärung des Kunsttypus der Musen mit den Federn auf dem 
Kopfe entstanden sein. Der Typus selbst aber wird in Alexandrien gebildet 
sein. Auch hier bedeutete die Feder anf dem Kopfe nichts anderes als bei 
Hermes: sie bezeichnet die Musen als die Herrinnen alles Geisteslebens, der 
Wissenschaft nnd der Kunst. 

Die Genossinnen des ägyptischen Hermes-Thoth in seiner heiligen Stadt 
Hermupolis nannten die Griechen, wie aus Plut., de Is. et Osir. 3 hervorgeht, 



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RSmfsche BroDzen aus Deutschland. 9 

„HusflD"; unter diesen nahm die Ma, mit der fedcr auf dem Kopfe, die 
Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, ohne Zweifel eine besonders hervor- 
ragende Rolle ein; von ihr wird daa Federattribut dann allen Mnsen der ale- 
xandrioischeD Religion zugekommen sein. 

Wmin wir jetzt zu der ersten Regensbnrger Bronze zurückkehren, so 
werden nns nun erst seine zwei merkwürdigen Attribute Terständlich. Er trägt 
zwar die Feder nicht, allein aneh er ist VQn der alexandrinischen Identifikation 
mit Thoth beeinfliiBst. Statt des apollinischen LorbcrkrauKcs ist ihm der apol- 
linische Köcher gegeben, ihn als Herrn apoUiniBeb-miisischen Wesens zu be- 
zeichnen, und die Rolle in der Rechten ist ganz aus jener Vorstellnng des Her- 
mes Thoth als des heiligen Schreibers, des Erfinders und Herrn alles Schrift- 
wesene geflosaen. Sie ist frei ans dieser Idee geschaffen, nicht etwa ägyptischen 
Kunstvorbildern nachgeahmt; aber gerade darin zeigt sich acht alexandrinisch- 
griechisehe Weise. DasB die Rolle alexandriniscfa und nur ans der Identifika- 
tion des Hermes mit Thoth herzuleiten ist, beweist jener Mdnztypus mit dem 
vom Ibis begleiteten Hermes mit der Rolle. 

Dies Resultat erklärt das Attribut auch bei dem zweiten Gotte, bei dem 
es in der griechiscb-rOmiBchen Knust vorkommt, bei Asklepios '). Denn auch 
mit Asklepios ward Thoth, als der Erfinder auch der Heilkuust, identifiziert. 
Aus dem reinen griechischen Begriff des Asklepios, seinem Kult- nud Heilge- 
bratich, dem Tempelfichlaf und der Art von Hilfe, die er und seine Genossen 
gewähren, ist die Schriftrolle nicht zu erklären. In Alexandrien konnte sie 
ihm sehr leicht durch Süsehung mit dem Wesen des Thoth, des Herrn aller 
Schrift und alles, auch des ärztlichen Wissens zugeteilt werden. Eine bedeu- 
tende statuarische Schöpfung, von der noch erhaltene Kopieen und freiere Nach- 
bildungen zeugen, stellte Asklepios sinnend mit der Rolle in der Hand dar '). 
Die Charakteristik in Kopf und Rjlrper, die sich von dem klassischen Stile 
völlig entfernt nnd altes, welkes Fleisch nachbildet, scheint mir unmöglich vor- 
hellenistischer Zeit '). ^Wir haben hier vermutlich eine der bedeutendsten 
Schöpfdngen alexandrinischer Götterbildung vor uns. 

So zeigt sich immer mehr und mehr, wie vieles in der uns erhaltenen 
römischen Kunst auf jene in Alexandrien erfolgte Vereinigung der griechischen 
Kultur mit der des alten Wunderlandes Ägypten zurflckgeht. 



Noch eine dritte Bronze aus Deutschland sei hier kurz besprochen, obwohl 

1) Die Beispiele, aüintlicli aus römischer Zeit, zuletzt gesamiiiult in Paulv-Wissowa, 
Reallexikon II, 1680. Eine kleine Marmorgruppe doe AHklepios und der Hygieia von 
Athen aus der Kaiserzeit giebt dem Gotte ebenfulls die Bolle; ich habe die Gruppe 
im Kunsthandel notiert. 

2) Vgl. Amelung, Führer durch Florenz Nr. 186. Arndt-Ämeluiig, Einzelverk, 
Nr. 219-221. 

3) Dies scheint auch Amelung's Meinung; entschieden anrichtig urteilt Arndt 



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10 A. Partwanfrier! 

sie einem ganz anderen Kreise angehört. Es ist keine der gewöhnlichen für 
den Kultus gearbeiteten Figareu, sondern eine der in der Klasse der kleinen 
Bronzen seltenen Kopieen eines knostgeHchichtlicIi berühmten Werkes, einer 
Athletenstatue (vgl. Über Statuenkopieen I, Abh. Bayr. Akad. 1896, S. 580 f.). 
Die Bronze befindet sich im Provinzialmnsenm zn Trier, wo ich im yer- 
fjangcccn JaLro znerat auf sio aufmerksam wurde. Der Gefälligkeit von 
F. Hettner verdanke ich die Photo- 
graphie, die er hier ZH publizieren freund- 
iiehst gestattete. Leider ist die Figur 
in sehr schlechtem Zustande und durch 
Oxydation ganz entstellt. Man kann 
nur eben das Motiv noch erkennen; allein 
dieß bildet hier aueh das Hauptinteresse. 
Ich habe „Meisterwerke" S. 470 die 
sebOne Florentiner Athletenstatue *), die 
mit einer abscheulichen Vase in den 
Bänden restauriert, aber von Leo 
Bloch in einer noch viel gesehniack- 
und urteilsloseren Weise (Rom. Mitt. 
1892, S. 86) ergänzt worden war, mit Hilfe 
einer Nachbildung auf einer Gemme als 
Apoxyomenos mit der Strigilis erklärt; 
ich wies nach, dass die Rechte den 
Griff der Strigilis hielt und die Linke 
in die Schneide derselben fasste, wie 
ich damals glaubte erklären zu mUssen, 
„um den Schenkel energischer abzu- 
kratzen." Eine Berichtigung dieser letz- 
teren Erklärung des Motivs, zugleich 
p. g aber eine Bestätigung meiner Feststel- 

lung desselben, brachte dann ein von P. 
Hartwig in der Berliner Philol. Wochenschrift 1897, S. 30 besprochener Fand. 
Es war dies eine Marmorstatuette von Frascati, eine kleine Wiederholung der 
Florentiner Statue mit vollständig erhaltenen Armen, wo denn, genaa wie ich 
es verlangt hatte, die Rechte den Griff der Strigilis fasst, während die Linke 
herein greift, indem „der Daumen der Linken in der Sehneide der Strigilis 
ruht", jedoeb, wie Hartwig bemerkt, nicht um den Schenkel zu reinigen, den 
die Strigilis nicht berührt, sondern um den Schmutz aus dem Geräte zu ent- 
fernen. 

Jetzt kommt die Trierer Bronzefignr als neue Wiederholung derselben, im 
Altertum offenbar berühmten Statue hinzu. Auch hier hält die Rechte den 
Griff der Strigilis, während die Linke in die Schneide fasst, und auch hier 

1) Vgl. jetzt Amelung, Führer durch die Aatiken in Florenz Nr. 26. 



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RCmlsche Bronzen ans DentBchl&nd. 11 

ist deutlich, dass es sich nicht um däs Eeinigen des Schenkels, der kanm be- 
rührt wird, sondern um das des Gerätes selbst handelt^). 

Eine kleine Abweichung von der Gemme und vermutlich anch von dem 
Originale des Florentiner lUarmors besteht darin, dass der rechte Unterarm 
mehr gesenkt ist, während dort die rechte Hand über den Unterleib za stehen 
kommt. Die Handlang bekommt dadurch mehr Energie als sie in der Bronze 
hat. Ferner ist an der Trierer Figur der Oberkörper aufrechter und der Kopf 
weniger nach vorne als nach seiner linken Seite geneigt. Auch dies ist ge- 
wiss eine Abweichung vom ursprtlngliehen Original; sie nimiut dem Motiv die 
gespannte Aufmerksamkeit, die für diese Sehöpfnng so cbarakteristisch ist. 
Die Formen des Körpers und Kopfes der Bronze sind zu sehr zerstört, als dass 
sie sich näher vergleichen liesseu. Am Kopfe ist das aufstrebende Stirnhaar nicht, 
wohl aber der rnndliche attische Gesamtlypus deutlich. Die Beinstellung stimmt 
mit dem Marmor; die Füsse sind indess zerstört. Die Bronze ist also Qine et- 
was freie, im Einzelnen nicht ganz treue Kopie jenes Meisterwerkes, das in 
Grösse des Originales in der Florentiner Statue kopiert erhalten ist, deren Motiv 
so lange misverstandcn ward. 

Von der dem Veroehmen nach neuerdings in Epbcsos gefundenen Brorize- 
statue, die eine Wiederholung der Florentiner sein soll, habe ich keine nähere 
Kenntniss. 

1) Dasselbe Motiv, das Auswischen der Sirigllis mit dem Finder, nbur bei mehr 
gehobener Arinhttltung, zeigt der ^eietui auf der xchönen, in die letzten Dezennien des 
5. Jahrli. gehörigen Vase, Museo ital. di ant. dass. II, tav. 3 A; die Linlie hall hier 
die StrigUis, wahrend der Daumen der Rechten den Si-bmuta herausstreift. 



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2. Flurteilung und Territorien in den rtfmischen Rheinlanden. 

Von 
Dr. Schulten, 

Privatdotent in Qöttingen. 

1. Scamnum auf einer kölniBchen Insebrift. 

Den Aolass zu den nachstehenden agrimensoriBchen Untersuchungen g;ab 
eine im Wallraf-Rjchartz-MuaeDm zu Köln befindliche kölnische Inschrift, die, 
soviel ich sehe, bisher noch ohne die verdiente Würdigung geblieben ist. Die 
Insebrift ist am Beaten mitgeteilt bei Branibach, G. Inseript. Rhenanar. 348. 
Gefunden wurde der Stein, wie es scheint, in der Gereonstrasse. Der Liebens- 
wtlrdigkeit des Herrn Dr. Kisa, Assistenten am genannten Museum, verdanke 
ich die Übersendung eines Abklatsciies und einer Zeichnung der Inschrift mit 
den zugehörigen Angaben. 

Die Inschrift lantet wie folgt. 



1 


S L ~~~~^ 


2 


VIII II II "■ --, 


3 


POSSESSO b; 


4 


EXVICOLVCR: 


5 


TIO SCAMNO; 


6 


PRIMO EXIMPL! 


7 


RIO IPSPVS 



Der Stein — Jurakalk — ist oben und rechts abgeschlagen. Seine Höhe 
beträgt 1,05, seine Breite 0,37 und seine Dicke 0,14 Meter. Auf der linken 
Schmalseite ist ein Lorbeerbaum in Relief, auf der Vorderseite oben als 
Rest eines viereckigen Reliefs das Stück eines cylindrisehen Altars und 
der rechte Fuss einer Figur zu sehen. Der erste Buchstabe der ersten erhal- 
tenen Zeile ist ein S, der zweite wohl ein E. Darunter sind Spuren eines T 
und eines zweiten, durchaus zerstörten Buchstaben (0 oder R nach Kisas 
Angabe) zu erkennen. Hinter POSSESSOR {'/'. B) mllssen noch Buchstaben 
gestanden haben: es ist P0SSESS0R[e8]. zu ergänzen; hinter LVC R fehlt 
das E:LVCR[e]. Von dem in SCAMNO (Z. 5) fehlt rechts ein Stllck, 
ebenso von dem E in IMPE. unter der Inschrift ist ein freier Raum ge- 
lassen. Wie viel oben fehlt, lässt sich nicht sagen. Der erhaltene Teil der 
Inschrift lantet alsoi „...po8sessor[es\ ex vico Lucr[e]tio scamno primo ex im- 



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Flurteilnng and Territorien in den römischen Kheinlanden. IS 

perio ipsius." VoraDgestaDden mnBB also haben der Name einer Gottheit und 
das Verzeichnis der dedieierenden posseesores. Das Relief stellte wohl den 
neben einem Altar stehenden Gott dar. Über die Zeit der Inschrift teilt mir 
Herr Professor Zan^emeister mit, dass sie dem Schriftcharakter nach erst 
ins 2. Jahrhundert n. Chr. zu gehören sebcine, bezeichnet aber diese Bestim- 
mung als nicht ganz sicher. 

Das Hauptinteresse des Steins beruht auf dem Begriff SCAMNO PRIMO. 
Von ihm ist auszugehen. Sehen wir also zu, was ein scamnum ist. Wenn ich 
mich nicht begnUge, auf Rudorffs treffliche „Gromatische Institutionen" 
(Schriften der rOm. Feldmesser, herausgegeben von Blume, Lechniann, Ru- 
dorff 2. Band p. 229—464) zn verweisen — er handelt von »camnum p. 290 f. 
und 419 f. — so geschieht das, weil der Gegenstand eine neue, eingehende Be- 
handlung erforderte, die ich schon jetzt geben möchte, da eine Neubear- 
beitung der Agrimensoren, welche ich vorbereite, noch nicht so bald erschei- 
nen wird. 

Znn&chst lasse ich die Stellen der Feldmesser folgen, welche von dem scam- 
num und der ihm correlaten striga handeln. "Ea sind folgende (citirt sind 
die Seiten des ersten Bandes der Feldmesser, der den Text enthält): 

1. p. 2, I (Frontinus de agrorum gualitate): „Ager ergo diviaus ad- 
aignatUB est coloniarum. Hie habet condicione^ duas: unam qua plerumque 
limitibus continetur, aÜeram qua per proximos possessionum rigores ad- 
signatum est sicut in Campania Suessae Auruncae. Quidquid autem secun- 
dum hanc condicionem in longüudinem est delimitatum „per strigas" ap- 
peUeUur, quidquid per latitudinem (codd. altitudinem) ,jaer scamna".... 
ager per strigas et scamna divisus et adsignatus est more antiquo in hanc 
similitudinem qua in provinciia arva publica coluntur" (folgt Figur, welche 
die scamna and strigae als langgestreckte Rechtecke darstellt: die vertical 
gezeichneten sind kürzer als die horizontalen. Der Vergleich mit den eben- 
falls die Anlage von scamna und strigae illustrierenden Figuren 200 f. zeigt, 
dass die kürzeren Oblongen die scamna sind. 

2. p. 110, 2 (Hygious, de UmitibusJ'): „Strigatus ager est qui a 
septentrione in longitudinem in meridianuTti (cod. G: meridiano) decurrit, 
scamnatus autem qui eo modo ab occidente in orientem crescit." 

3) p. 206, 7 Hyginns, de limitibus coTistitueTtdia (fUr die Herstellung 
des Textes vgl. Mommsen, Hermes XXVH S. 100): „Omnium rigorum 
(so G ; AB : agrorum) latitudines velut limitum observäbimus interstitione 
limitari; versuras (mensuram: Ö.) per strigas et scamna agemua. Sicui 
antiqui latitudines dabimus: decimano maximo et }c{ardini) pedes XX, eis 
{et: G) limitibus transversis, inter guos bina scamna et aingulae strigae in- 
terveniunt, pedes duodenos itemque prorsis limitibus, inter quos scamna 
quattuor et guattuor strigae (so BG; A." scamna quattuor strigae) duduntur, 



1) Von Lftchmann entnomraen aus dem „commentum" des Agennius (cod. G. 
fol. 18). 



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14 Schulten: 

pedes duodenos, reliquis rigorihus lintariis ped. octonos. Omnem mensurae 
huitis culturam (so B ; G: quadraturam) dimidio longiorem aive laiwrem 
facere dehebimus : et quod in latitudinem longius fuerit seamnum est, 
quod in longitudinem striga. Primum cotutituemus decimanum maadmum 
et kardinem maximum et ab eis strigas et scamna cludemua, Actuarto» 
autem limites düigenter agemus et in eis tapides inscriptoa defigemus ad- 
iecto scamnorum numero. Primum a d{ecumano) m{cummo) et k[ardine) 
incipiemus inscriptiones velut in quiniariis ponere. Primo lapidi inscribe- 
mus D. M. K. U. Ab hoc deinde singults actuariis limitibus similiter per 
ipsos inacribemus D. M. LIMES II. K. M. LIMES SECVNDVS. Hac signi- 
ficatione omnium quattuor regionum limites comprehendemua. His deinde 
quartis (so G; partis: A, partes: B) ') quadrarum {quadratum: AB) angulis 
lapides clusaris (bo Mommaen; codd. eius) generis ponemua sub hac in- 
scriptione Utteris singularibus : D.D. V. <K.>') STRIGA PKIMA SCAMNO 
(B : scamna) II. Hoc in lateribus lapidum : in fronte autem regionis indi- 
cium D. D. V. K. Nunc quadrarum angulis lapides inscriptos inspiciamus. 
Intra has strigas et scamna omnem agrum separavimus, cuius totam posi- 
tionem ad verum formatam inspidemus, secundum quod rei praesentis for- 
mam describamus.'^ 

4. p. 217, 17 (lU}er colomarum I); „Colonia Sutrium... licet omnes 
agri ad modum iugerationts sint adsignati, tamen pro parte (A : pro partem) 
naturam loci secuti artifices agros censuerunt, id est fecerunt gammatos et 
scamnatos riparum et coronarum natura et iuga collium sunt emensi.^ 

5. p. 230,7: „Älatrium . , . ager eius per centurias et strigas est 
assignatus." 

6. p. 230, 15: „Anagnia . . . ager eiu^ per strigas est veteranis assig- 
natus. " 

7. p. 231,8 (ibid.): ^Bovianum, oppidum... ager eius per centurias 
et scamna est adsignatus.'^ 

8. p. 236, 7 : „Ostiensis ager ab impp. Vespasiano Traiano et Hadriano 
in praecisuris in laäneis et per strigas colonis eorum est adsignatus." 

9. p. 238, 14: „Terebentum (= Tervenlum in Samniuin) oppidum. 
Ager eius in praeäeuras et strigas est adsignatus . . . limitibus Julianis."' 

10. p. 255, 17 (Jliher, eol. II): ^Edcylanus {= Aequiculanus) ager per 
strigas et scamna in centuriis est adsignatus . . . sed et signa {constituta 
sunt) quibus ager ardfinius finitur." 

11. p. 2Ö7, ö (ibid.): j,Nursia. Ager eius per strigas et scamna in 
eenturüs est adsignatus. Finitur sicut ager Asculanus." 



1} Sollte nicht quattuor zu schreiben sein? Im ArchctypUH stand wohl IUI. 

2) Zq dem überlieferten D. D. V. gehört doch wohl ^K.X bo dass die auf der 
Sllmseite dea Steinig angebrachte Inschrift: D(ei:tra) D(ecumanum) V(!trit) K(ardinem) 
auf den Seitenflächen neben der Angabe der scamna und auigae wiederholt sein 
würde, was doch recht wohl möglich ist. 



dbyGoot^le 



Fturteilnng und Territorien in den rötnisciien Rheinlanden. 15 

12. p. 257, 26 (ibid.) : „Reate. Äger eins per strtgaa et per seamna 
est assignatus." 

13. p. 259, n (ibid.): „Afidena (= Anfideoa). Muro dncta . . . ager 
eius per centurias et acamna est assignatus." 

14. p. 260, 10 (ibid.): Istoniis (=Histonium) colonia; ager eins per 
centurias et seamna est assignatus." 

15. p. 293, 11 (M, JnninH Nipsus) : „Est ager scamnatus qui appd- 
latur, qui in longitudinem maiorem (iugerum) (von Laehm. ergänzt) nume- 
mm habebit quam in latitudinem. Hi quoque agri non nisi in re praesenti 
depraehenduntur vel ex forma regionis. Habent enim agri scamnati in cen- 
turiis aingulis iugera ducentena quadragena quae per latitudinem habent 
actus XX et per longitudinem actus XXIIII." 

16. p. 326, 1 (casae litterarum): „J in gcamnum iacet per iugum in 
lanceolam." 

17. p. 397, 20 ([Boetkii] demonstratio artis geometricae): „Omnem 
mensuram kuias culturae m.ediam longiorem sive latiorem facere debes : et 
quod in latitudine longius fuerit scamnum est, quod nero in longitudinem 
longius fuerit, atriga." {=Hygin p. 206, 15). 

Sehen wir zn, was die einzelnen Stellen lebten. Der ersten Stelle 
(Frontin) ist Folgendes zu entnehmen : Frontin bandelt von den drei „quali- 
tates agrorum", dem ager divisus et adsignatus, ager mensura per extremi- 
totem comprehensus und dem ager arcifinius qui nulla mensura continetur. 
Zuerst bestimmt er das Charakterische des ager divisus adsignatus. Er ist 
typisch fdr die Colonien. Es giebt zwei VermesBnngsartcn : 1. die Vermessung 
durch Limitation, indem das zn assignirende Land durch ein Ketz AfTentlicfaer 
Wege eingeteilt wird (qua limitibus continetur), 2. indem die einzelnen Loose 
{possessiones} abgegrenzt werden {qua per proximos poaaessionum rigores ad- 
signatwn est). 

Die Art der Bichtwege ist das ObarakteristiBche. Den limites stehen 
die rigores, also den Öffentlichen Wegen die Grenzraine gegenüber. Wie in 
der deutschen, besteht auch in der römischen Agrargeschichte der Gegensatz 
zwischen der Separation mit Koppelwegen (= ager Ümitatus) nnd der „ge- 
mengen Lage", bei der es keine öffentlichen Wege, sondern nur private Grenz- 
raine (rigores) giebt. Der Vergleich bezieht sich wohlverstanden nur anf das 
Wegesystem: im übrigen ist die Anweisung eines geschlossenen Grundstücks 
(fundus) bei der römischen Assignation, die Zersplitternng des Landanteils in 
viele getrennt liegende Parzellen (in jedem Gewann eine) bei der germani- 
sehen Laodteilung bezeichnend für die Verschiedenheit der römischen nnd 
germanischen Bodenteilung. Aach hei der Limitation sind die einzelnen Acker- 
loose abgegrenzt, natürlich I aber ihre Begrenzung bat keine Öffentlich recht- 
liehe Bedeutung, wird nicht anf der Flurkarte (forma) eingetragen. Die Flnr- 
karte verzeichnet nur die Centnrien, also die von den limites gebildeten Complexe 
nnd den modus, den umfang der einzelnen Loose, nicht aber ihre concreto 
Lage. Umgekehrt konnte man aus der forma des ^er strigas et seamna" 



Djgiijzedby VjOOQIC 



geteilten Landes die „proximi possessorum rigores", den cöncreten Gniod- 
besitz des einzelnen Loosempfängers, aber nicht den modus ersehen. Aasigniärt 
wurde also bei Centnriation strenggedaeht der Centurie, niclit dem Einzelnen, 
dagegen giebt es bei Vergebung von Land per strigas et scamna nur indivi- 
duelle Landparzellen, nicht grössere durch öffentliche Wege abgegrenzte Com- 
plexe. Die Centuriation bedeutet eine genossenschaftliche Siedelnng, die 
Assignation per rigores wie die assignatio viritana (die A. ohne Coloniean- 
lage) eine individualisierende Landvergebung. Vielleicht waren die hundert 
Loosteile der Centurie ursprünglich sogar Gemeingut der HundertBchaft, so 
dass jeder wohl einen Anteil pro parte virili, aber nicht ein individuelles 
Stück Land gehabt haben würde. Am Anfang der römischen Geschichte 
finden sieh gemeinwirtsehaftliehe Institutionen auch sonst bezeugt. Sind doch 
die bina iugera, das älteste ludividualeigentam, ohne das Gorrelat der ge- 
meiusara bewirtschafteten oder wenigstens gemeinsam besessenen Allmende 
nicht zQ verstehen. 

Der ursprünglich ungemein präzise Gegensatz der Landvergebung au 
eine Gemeinschaft von je hnndert Assignataren und der individualistischen 
Assignation an die einzelnen EmpiUnger ist später verdunkelt worden. Ur- 
sprünglich stehen die von staatlicbea Wegen umzogenen Centurien den von 
privaten Kainen geschiedenen Einzelloosen gegenüber, später bat man auch 
das „per proximos possessorum rigores" vergebene Land in grössere Cöm- 
plese geteilt. Davon handelt Frontin im Folgenden (p. 3 Zeile 2 f.). Wir 
erfahren andeutungsweise — die Sache wird als bekannt vorausgesetzt — dass 
das per pr. poss. rig. assignirte Land in Oblonge eingeteilt war, die je naefa 
ihrer Lage strigae (wenn „in longitvdinem'^ d. b. in nordsüdlieher Sichtung 
angelegt) oder (bei ostwestlicher Ausdehnung = „per latitudinem deümitatum") 
scamna genannt wurden. Diese rechteckigen Bodenflächeu sind aber nicht 
öffentlich rechtliehe Einheiten, sind nicht wie die Centurien limitiit d. h. 
mit staatlichen Wegen umgeben, sondern sie bilden nur Com pl exe einer 
wahrscheinlich variablen Anzahl von Parzellen. Bei der Centuriation ist die 
Centurie, bei der Assignation „per prox. poss. rig." das Grundstück des Ein- 
zelnen das Frins. Dort ist die Abgrenzung der Parzellen (ursprünglich hun- 
dert, später weniger), hier die der scamna und strigae secnndär. 

Im dritten Teil der Behandlung des ager divisus assignattis- nagt Fron' 
tin, dass die Landteilnng in scamna et strigae auf den arva publica der 
Provinzen zur Anwendung gekommen sei (p. 4, 1). Mit arva puiUca sind 
gemeint die ehedem zum agerpublicus gehörigen aber vom Staat (oder Kaiser) 
den Gemeinden cedirten agri vectigales, d. h. das Gemeindeland der provini 
zialcn Städte, welches gegen ein vectigal in eine Art von Erbpacht gegeben 
zu werden pflegte (s. Mommsen, Hermes XXVII, 84). Die Hyginstelle 
(Nr. 3) giebt, wie wir gleich sehen worden, den Commentar zu der kurzen 
Bemerkung Frontins. 

2. Die zweite Stelle (Hygin de limitibns) sagt nur, dass man unter striga 
ein Aekerbeet, dessen grösste Ausdehnung nordsüdliehe Richtung hat {longi- 



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Flurteilung und Territorien in den römischen BheinUnden. 17 

tudo), versteht, während beim seamnum die Längsanadelinung in oatweetlicher 
Richtung liege {latitudo) (vgl. Feldmesser II, 290). 

3. Es folgt nun die ungemein wichtige zweite Hyginstelle {p. 206, 7 f.). 
Sie ist zuerst von M, Weber (Rom. Agrargeschichte p. 22 f.), dann von Momm- 
een (Hermes XXVII, 95 f. „Zum rüniisehen Bodenrecht") behandelt worden, 
ohne dase eine allseitig befriedigende Erkläinng gefanden wäre. Beide Inter- 
preten bedürfen ziemlich gewaltsamer Conjectnren: Weber nimmt in derStelle 
p. 206, 10 f. eine Verwechslung der limites transversi und prorai an {p, 24), 
Mommeen schlägt vor Z. 13 für „scamna quattuor et quattuor utrigae" (soBQ; 
A: scamna quattuor strigae): ncamna zu schreiben, jedenfalls aber etgitattuor 
strigaezu streichen. Mir will scheinen, dass hier gar keine Anzeichen für eine 
Corruptel vorliegen. Dass hier die Cardinal-, vorher (Z. 11) die Distributivzahl 
gesetzt ist, dSrfte doch wohl angehen kännen. Hygin berichtet, dass zwischen 
den limites transversi 2 scamna und 2 strigae, zwischen den limites prorsi 
4 scamna und 4 strigae gelegen seien: wie das zu zeichnen ist, mag schwer 
zu sagen sein; an der Angabe ist deshalb jedenfalls nicht zu rütteln, weil wir 
mit den gegebenen Daten keine befriedigende Zeichnung zu stände bringen. Die 
einem völligen Verlust fast gleichkommende Corruption der die Feldmesser 
erläntemden Zeichnungen ist grOsser als man anschlägt und ohne die Zeichnungen 
ist Manches nicht mehr zu verstehen. Man wird also verenchen, mit dem 
Überlieferten anazukommen, und, gelingt das nicht, auf eine Erklärung ver- 
zichten. 

Dasselbe gilt in verstärktem Masse von Webers Vermutung: wenn man 
das Schwarz der Überlieferung weiss macht, indem man ftlr prorsos: transversos 
setzt, dann sind wir mit der Erklärung der rOmiechen Agrimensoren am Ende. 

Hygin handelt von der Vermessungsfonn des ager ardfinius vectigaJis 
(p. 204, 16 — 208, 4). Wie für den ager colonicas die Centuricn, so sind ftlr 
den ager ardfinius veetigälis die scamna und strigae charakteristisch: „nam 
quemadmodum Ulis condicio (Rechtslage) diveraa est, mensurarum quoque 
actus dissimilis esse debef* (205, 5). 

Es ist oben ausgeführt, dass bei der Venneaeung nach scamna und strigae 
die einzelnen fundi zur Evidenz kamen. Deshalb kam diese Vermcaaungsart 
zur Anwendung auf dem ager veetigälis, denn hier galt es, die Grenze jedes 
einzelnen ateuerpflichtigen GrundatUckes festzustellen *), während beim ager 
colonicus, soweit er immun war (nur diesen meint Hygin, wenn er kurzweg 
den ager colonicus dem a. veetigälis gegenüberstellt), die einzelnen Grundstücke 
keiner staatliehen Fixierung bedurften. Von Zeile 9 (S. 206) ab beschreibt 
Hygin die Art der Vermessung „per strigas et scamna". Zunächst werden 
wie bei der Centariation zwei grosse Richtwege: decumanus, die West-Oet- 
Linie, cardo, die Nord-Sfld-Linie, gezogen. Sie erhalten auch hier die Breite 
von 20 Fuss. Wie dann bei der Limitation die limites quintarii, d. h, die im 



1) Qute Ausführungen über die Beziehung zwischen der Assignation ^er prox. 
poBS. rigores' und der Bestenemng hei Weher, o. a. 0. p. 28. 



Jkhrb. d. Ver. v. Allerthsfr. Im Rhelol. IM. 



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Abstand von je 4 Centnrienbreiten gezogenen Umite8, eioe grössere Breite als die 
Ubrigeo Wege erhalten (12 Fnes), so hier gewisse limites transversi, d. h. dem 
eardo mazimna, uudprarsi, d. h. dem decomanus maximnB parallel laafende Wege. 
Wenn Hygin sagt, dass zwischen je zwei der betreEfenden 12 Fuss breiten 
limües transversi je zwei ecamna nnd eine striga, zwischen je zwei der limites 
pi'orsi je 4 scamna and 4 strigae lägen, so mnss er damit den Abstand der 
limites bezeichnen wollen, wie ja auch bei der Centnriation die Distanz der 
limites durch die Angabe bezeichnet werden könnte, dass zwischen je zwei 
quintarii 5 Centurien liegen. Die gemeinte Figur auf Gnind der Überliefemng 
herzustellen, seheint nnmßglich (s. Fignr 1). Wenn man gemäss den Angaben 



J 










limes IroHsv, 


TSI 


.. 










B 




striga 
1 












B 




l 


2 
















! 


1 










"* 


1 


2 


8 


i 






1 


2 


8 


4 
















cardo ma. 














c 



Fig. 1. 

des Textes in den von eardo nnd decnmanna max. gebildeten Winkel 2 scamna 
nod 1 striga einträgt, würde man in AB den limes transversua von 12 Fnss 
Breite erhatten. Um den l. prorgtte BC zn gewinnen, hat man an 4 scamna 
4 Btrigae anzureihen. Das so entstehende von cardo, deenmanns, limee trans- 
versns und prorana begrenzte Kechteck lässt sich aber nicht mit scamna und 
strigae des angegebenen Seitenrerhältnissea (2:3, s. S. 206, 15) ausfllllen; es 
bleibt vielmehr die */, eines scamnam oder einer striga betragende schraffierte 
Fläche fibrig. In der Überlieferung muss ^o ein Fehler stecken; welcher, 
ist aber nicht za sagen. Mommsens Fignr (a. a. 0. S. 100; s. unten Figur 3) 
wird nur der ersten Forderung, dass zwischen cardo und limes transyersus 2 
scamna und 1 striga liegen sollen, gerecht, nicht der zweiten, dass zwischen 
deenmanns nnd 1. prorsus 4 scamna und 4 strigae liegen. In M.s Fignr sind 
die 4 strigae (welche er im Text streicht) ignoriert Damit ist die Überliefe- 
rung verlassen nnd die constmierte Fignr rein hypothetisch. 

Um seine Figur mit dem Text in Harmonie zn bringen, vermutet Mo mm sen 
„aeatnna quatema glrigaeve genae". Durch diese Vermutung wird der Figur 
nicht geholfen, da die 6 strigae derselben nicht eine Fortsetzung der 4 scamna 
bilden, sondern neben ihnen herlanfen, während doch die Angabe des Textes, 
dasB die limites so und so viele scamna nnd strigae von einander entfernt 
seien, verlangt, dass die Btrigae mit den scamna eine fortlaufende Reihe bilden, 
also wie Figur 2, nicht wie Fignr 3 (nach Mommsen). 

Weber hat die ganze Stelle vOllig misaverotanden. Er nimmt an, dass 



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Flnrtoilan^ nod Tenitorieti in den römischen Rheinl&nden. 



19 



Hjgin eine, wie er irrtflmlicti meint, einmal von Nipsna erwähnte Gombi- 
natioD der Centariation mit Scamnation und Strigation (s. oben N. lö) behandle, 
während Hygin dort nur von der Anfmessang des einfacheo ager scaniDatng- 
strigatns handelt. Weber ist anf die verfehlte Idee durch die Annahme der 
Lesart quadraturam (206, 15) statt culturam gekommen, indem er qnadratara 
mit centnria wiedergibt (p. 33). Es handele sich also nm die Teilung einer 
Centurie mit dem Seitenrerhältnia S : 3 <) in scamna and etrigae. So inter- 
pretiert er die Angabe (p. 205, 15), daas daB in Frage kommende FlnrmaSB, also 
scamna nnd strigae, daa VerbältntB 2 : 3 haben sollte. In seiner Figur (Anlage II) 
scbliessen die limiteg tranaverei also nicht eine 2 ecamna und 1 striga breite 
Fläche, sondern eine aas 2 scamna nnd strigae bestehende Centurie (s. Figur 4) ein. 
Zum mindesten hätte er doch sehen mOssen, dass diese Centnrien in keiner Weise 
der Angabe, dass die limitee transTerei um die tod 2 scamna und 1 striga 



I I I 



Fig. 4. 
gebildete Distanz von einander entfernt seien, gerecht werden. Da Weber 
die Überlieferten Verhältniszahlen 2 : 3 statt auf die scamna und strigae auf 
eine aus ihnen zusammengesetzte Centurie bezieht (20 : 30 actus), haben natOr- 
lieb seine scamna nnd strigae ein falsches SeiteoTerhäUnis. Dieser Fehler 
resultiert aber aus dem ersteren, bedurfte also keiner besonderen Censur, wie 
sie Mommsen (S. 101 Anm.) giebt. 

Über den Flächeninhalt resp. die Länge der Seiten der seamna und strigae 
sagt Hygin nichts. Woher Weber (p. 23) die Angabe nimmt, dass die 
Seiten der naeh ihm aus 2 scamna und 1 striga bestehenden Centurie 20 : 30 
und demnach die der scamna und strigae 10 : 20 actus lang gewesen seien, 
weiss ich nioht; vielleicht ist er durch das fUr die limües Mtuarii angegebene 
Mass (20pede8) irregeleitet worden. Dagegen will Mommsen, indem er das 



]) Rndorff sagt irrtümlich (p. 290), du VerhHitme sei 1:2 gewesen; denselben 
Fehler macht Itlseen, Templnm p. 31. 



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20 Schulten: 

SeitenverhältniB 16:24 ansetzt, nur mit einem Beispiel das flberlieferte Verhältnis 
2 : 3 darstellen, aus welchen Seiten/^blen sich ein Bechteck von 384, also an- 
nähernd 400 actus = 200 iugera ergibt, eine FlSche, die der normalen Genturien- 
fläche entspricht nnd mit Recht gewählt ist, weil das scamnnm und die striga 
im letzten Grunde nichts anderes als oblonge Gentnrien sind. Die scanina 
des Nipsns {Stelle N. 15) — der Übrigens lortffitudo und latitudo verwechselt — 
haben bei 20 : 25 actus Seitenlange (Verhältnis 4 : ö) 240 ingera Fläche. 

Nach der Beschreibung der bei der Scamnation zn ziehenden limites 
schildert Hygin (S. 207, 7 f.) die Bezeichnung der Grenzsteine. Die auf dem 
decnmanns max. stehenden Steine erhalten die Aufschrift D. M., die des cardo 
max. die Aufschrift K. M. 

Der auf dem Schnittpunkt des äec. max. und kardo max. mit dem 1. 
limeg traruversus resp. prorsus gesetzte Stein wird ausser mit D. M., K. M. be- 
schrieben mit LIMES. II. (seil, transversus oder prorsus). Die seitlich von 
kardo und decnmanus stehenden Steine tragen die Bezeichnung der „regio'^, 
also D. D. C. K. (dextra decimanum citra kardinem), D. D. V. K., S. D. C. K., 
S. D. V. K. Der Inschrift D. D. limes II, G. K. limea II entspricht auf eentu- 
riiertem Lande D. D. U C. K. II. Das heisst „rechts (vom decnmanns max.) der 
2. limes", „diesseits (des Kardo max.) der 2. limes", denn die Formel D.D. II 
(= dextra decumanum secundum) bedeutet „dextra: decuToanus II", wie 
„ante dient III idaa" gesagt wird für „ante idus die tertio'^. „D. D. II" = 
„dextra decumanum secundum" bedeutet nicht etwa den rechts vom zweiten 
decnmanus liegenden dritten, denn die Formel soll auf dem zweiten (den de- 
cnmanus max. mitgerechnet) stehen. Es heisst ja auch (s. o.) bei der Scam- 
nation: „dextra decumanum limes II". In beiden Fällen ist also 1) dicBegion 
(einmal mit blossem dextra, das andere Mal mit dextra decumanum), 2) die Zahl 
des limes angegeben („n"=„decnmanu8U'' oder ,, limes 11"). Ausser der regio (dex- 
tra, sinistra, eitra, ultra) und dem limes, sollen ferner dieOrdnungennmmern der 
scamna und strigae anf den Grenzsteinen notiert werden. Wie das gemeint ist, 
kann man der Überlieferung, die hier offenbar korrupt ist, kaum noch entnehmen. 

Mommsen (p. 102) verbessert den Text so, dass die Zahl der zwischen 
den limites liegenden scamna nnd strigae angegeben sein würde ; er vermutet zu 
S. 207, 14 statt des überlieferten „D. D. V. STRIGA PRIMA SCAMNO II": 
scamna quattuor (statt des interpolierten, wie er meint, D. D, V.) als In- 
schrift der einen, „striga I (= una), scamna II (= duo)" als Inschrift der 
anderen Seite des Steins. Wahrscheinlich ist diese Verbesserung kaum zn 
nennen. Wenn wir nicht ganz willkürlich sein wollen, müssen wir doch 
wenigstens an den Ordinalzahlen festhalten. Der Stein kaun wohl nur dort, 
wo das als „scamnum II" bezeichnete scamnnm mit der „striga prima" zu- 
sammenstiess, gestanden haben. Dass die Parzellen nummerieil waren, zeigt 
ja auch der kölnische Stein I„posaes8or[e8] scamno primo"). Ein mit der In- 
schrift „scamno II striga 7" versehener Stein würde in Punkt A der umstehen- 
den Figur 5 am Platze sein. 

Ich komme nnn zu den N. 4 — 14 zusammengestellten Erwähnungen der 



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FlnrteiluD^ and Territorien in den römischen Rheinlanden. 



21 



scamna und 8trigse in den libri coloniarum. Über Bie handelt Meitzeo (Sied- 
lung: und Agrarwesen I [!895] p. 294). Das Anftreten der scamna nnd strigae 
neben Centnrien erklärt er mit Recbt aos echwierigem Terrain, welches eine 
Verniessang dee ganzen Landes in Centnrien nicht zagelassen habe. In der 
Thai waren die grossen Quadrate der Centurien (mit 2400 pedes = c 710 Meter 
Seite) nur in weiten Ebenen beqtieiQ anwendbar, während sieh die oblongen 
scamna und strigae zur Anshfllfe TOrtrefHich eigneten wo immer das zu limi- 
tierende Land zu schmal für Centurien war, wie z. B. auf schmalen HUgel- 
rllcken. In aolcheu Fällen fUhrte man die limites der Centuriation wohl nicht 
über das Hindernis hinweg, indem man subsidva, d. h. nicht assignierbare En- 
claven, entstehen Hess, sondern, nur bis zn ihm hin, indem die nicht als Gen- 
turie ausgelegte Fläche scamniert oder stngiert wurde. 

Die Stelle p. 218, 3 f. liefert für diese Auffassung den besten Beleg. Im 
Gebiet der Colonie Sutrium (heute Sntri) war in der Ublicben Weise centuriiert 
worden — das muss „agri ad modum iagerattonia sunt adsigntUi'* wegen des 




Fig. 5. Fig. 6. 

Folgenden tarnen bedeuten — daneben aber trug man der natura loci durch 
subsidiäre Anlage von agri gammati, d. h. gammaförmigen (f) und agri 8camr 
nati also oblongen Paraollen Rechnung. Im Gebiet von Bovianum kamen 
ebenfalls unter den Centurien scamna vor (N. 7). Dasselbe wird bei Aufidena 
(N. 13) und Hifltoninm (N. 14) gesagt, in Alatrium sind es strigae (N. 5). 
Wenn bei Nnrsia (N. 11) angegeben wird, sein Gebiet sei „per strigas et 
scamna in centuriia" assignicrt, so bedeutet das natürlich ebenfalls Anlage 
von Oblongen neben den Centnrien: „in centurüs'^ ist beileibe nicht zu beziehen 
auf Einteilung einer Centurie in scamna und strigae, wie sie Weber aus der 
gleich zu besprechenden Stelle des Nipsus (N. 15) herausgelesen hat (s. o.). 



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Strigae und acamoa nebeoeinaDder, wie wir sie bereits in Hygins theo- 
retischer Beschreibung der Vermessung „per proxtmo« poasessionum rigorea" 
fanden, sollen ansser in NnrBta in Keate vorgekonimen sein (N. 12), aber hier 
nicht anf im übrigen centuriiertem Boden, sondern selbständig. Dies ist das 
einzige Beispiel, welches die libri coloniamm für reine Seamnation bieten. 
Strigae als alleinige Vermessimgeart sind bezeugt für Anaguia (N. 6) nnd 
Ostia (K. 8). 

Neben scamna und strigae als anshflifsweise angelegten Figuren werden 
als verwandte Kategorien praeäaurae (Schnitzel) und laciniae (Fetzen) ge- 
nannt (s. Feldm. II, 361). Im Gegensatz zu den oblongen sesmna nnd strigae 
werden das gradlinig begrenzte, aber nnregehnässige Figuren gewesen sein. 
Das zeigen die Kamen und Figaren, wie z. B. Fig. 3 des liber diazografus. 
Von den aubskwa unterscheiden sie sich nur insofern, als sie assigniert worden, 
was bei den eubsiciva nicht der Fall ist, nieht etwa durch die Art der Begren- 
zung, denn aach die subsicira sind — soweit sie nicht an Flttssen liegen — 
gradlinig begrenzt, da die Grenze des Territoriums wohl im Ganzen eine krumm- 
linige ist, aber die Grenzlinie eich doch aus rigores zusammensetzt, wie meine 
Fignr6 zeigt {a—m sind Grenzsteine); die an der Grenze ausserhalb der 
vollen Centnrien liegenden Dreieehe sind solche ladniae. 

Ich komme nun zu der Stelle ans Janius Nipsus (N. lö), der Weber 
seine Theorie von den in scamna und strigae zerlegten Centurien entnommen 
hat. Nipsna sagt, dass der ager acamnatua grössere Länge sls Breite, d. h. 
oblonge Form habe. 

Unter ager scamnatns versteht er sicherlich die Elemente des a^r scamnatns : 
die scamna, denn der ager hat Überhaupt keine regehnässige Form, sondern 
ißt ager arcißnius und krummlinig begrenzt. Von Länge und Breite kann 
man bei ihm gar nicht reden, denn diese Begriffe beziehen sich anf eine recht- 
eckige Figur. 

Wenn ffipBQB dann sagt, dass die agri scamnati „in centuriia aingtdia" 
240 iugera enthalten, welche Centurien 20 X 24 actus lang seien, so durfte 
hieraus nimmermehr eine in Oblonge geteilte Centurie construiert werden, „ein 
limitierter ager scamnatns, welcher in Centurien aufgemessen ist" (Weber 
p. 22). Das ist denn doch mehr als „eine späte Zwitterbildung", das iet ein 
Unding, ein agrimensorieches Monstrum. 

Nipsus hat nur die Leichtfertigkeit begangen, die scamna ale Centurien 
zu bezeichnen, weil es oblonge Centurien gab, die den scamna aufs Haar ähn- 
lich sahen, oder — seien wir nicht zu schnell im Tadel — er hat mit eben- 
soviel Recht als man oblonge Centnrien Centurien nannte, die oblongen 
flcamna so genannt. Was ist denn der Unterschied zwischen einer oblongen 
Centurie und einem scamunm? Man muss schon sehr viele Freude sm Ans- 
einanderspalten gleicher Dinge haben, um nicht zu sehen, dass die Centurie 
quadratisch sein muss und wenn sie oblong ist, zum mindesten äusscrlicb scam- 
num ist. Ist denn ein aus oblongen Centurien bcstebendei' ager noch ager centu- 
tiatus7 Sicherlich nicht! Doch der „in Centnrien aufgemessene ager scam- 



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Ftnrteilung .und Territorien in den römiacben Bheinlanden. 23 

natos" mag noch hing^ehen and in einem agrimenBorischen Btigriffafaimmel eine 
Stätte finden, wie aber will Weber seine anf die Hyginstelle basierte in 1 
Btriga nnd 3 scamna geteilte Centnrie (p. 33) legitimieren? Woza denn eine 
Centnrie ausser in Loose noch in scamna and strigae zerlegen?! Das bätte 
doch gar keinen praktischen Zweck gehabt and die Kunst der Feldmesser ist 
doch nun einmal eine recbt praktische Disziplin. Die irrige Lesart guadra- 
iuram (statt calturam) und die falsche Deotong des Wortes als Centnrie hat 
Weber eine reiche Ernte von gmudverkehrten Aufstellungen gebracht (s. o.). 

Das scamnum des Nipsns enthält bei 20:34 actus Seitenrerbfiltnis 480 
actoB = 240 iugera. Dies ist die einzige überlieferte Notiz über den Flächen- 
inhalt eines scamnum. Hier verhalten sieb die Seiten wie 4:5; bei Hygin wie 
2:3; man sieht, das scamnum konnte sehr verschiedene Formen haben. Aber 
sie genügt, nm zu zeigen, dass das scamnum denselben Flächeninhalt wie die 
reckteckigen Centurien hat, dass es nichts anderes als eine rechteckige Cen- 
tnrie ist. Die Stelle hätte Weber sagen müssen, dass seine scamna und 
strigae von 10 : 20 actna oder 200 actus = 100 ingera Fläche eine Unmöglich- 
keit sind. 

Die Stelle aus den casae litterarum (N. 16) beschreibt ein Grandstflck, 
welchen, weil auf einem langgestreckten Hügel (per iugum) gelegen, scam- 
nirt ist. 

Die Boethiosstelle (N- 17) ist aus Hygin p. 206, 15 entnommen. 

Dies sind die bei den Feldmessern überlieferten Angaben über die Assig- 
nation ^er strigas et scamna''. Fassen wir nun die einzelnen Punkte zu- 
sammen. Um von der Etymologie, wie billig, auszugehen, so hat das „scam- 
num" seinen Namen von dem zwischen zwei Furchen liegenden Ackerbeet •). 
Der Vergleich der lang fortlaufenden Rechtecke mit den beim Pflügen ent- 
stehenden Beeten (a. Radorff, Feldm. II, 296) lag nahe genug. Den E^ir- 
chen, welche diese Beete begrenzten, entapreehen' die rigores, die Grenzraine 
der scamna. Die Ackerbeete führen ihren Namen ihrerseits wegen der Ähn- 
lichkeit mit einer Bank, denn sie bilden eine von den Furchen begrenzte Er- 
höhung. Eine Vorstellung von den römischen scamna vermögen vielleicht die 
„Hochäcker" zwischen Isar und Lech zu geben, schmale and sehr ausgedehnte 
(Breite: 9 — 18 m, Länge: 300 m) Ackerbeete in den breiten Flussbetten der 
Alpengewässer (s. Meitzen a. a. 0. I p. 358, III p. 161 f.). Fast möchte man 
sie mit den scamna (oder strigae) identifizieren. 

Das Gegenstück des scamnum, die nach dem cardo max., also nach N. S. 
orientierte ,^triga" bedeutet den „Streifen", bat also keinen spezifisch agra* 
rischen Namen *). 

Scamna and strigae kommen wie centuria auch im römischen Lager vor 
und bezeichnen hier ebenfalls oblonge Bodenflächen. Die striga bat eine Breite 
von 60 Fuss bei verschiedener Länge (s. v. Domaszewski in der Aasgabe des 

1) Vgl. z. B, Columella 2, 4. 

3) striga kann zwar anch die Furche, welche d«r Pflug giebt, bezeichnen, aber 
davon nicht das Flarmass genannt §ein (vgl. Rudorff, Peldm. II, 291 Anm.)- 



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24 Schulten: 

lä)er de munitionibus castroram p. 42); die scamna sind 70 oder 80 Fuss 
breit und 600 Fusb lang (b. Rudorff, Feldm. II, 291). Eb ist ja bekannt, 
dass die Castrametation nach denselben Grandeätzen wie die Limitation der 
Feldflnr yollzogen wuide. Bemerkenswert ist, dass das Lager sowohl in qua- 
dratiBcfae Centurien als in scamna ond strigae eingeteilt ist, während in der 
agrimensorischen Praxis die beiden Teilnngsarten sich ansschlieBsen und nur 
ansnahmswelBe nebeneinander ersclieinen. 

Das Gebiet der Strigation nnd Seamnatioo ist nicht eigentlich der ager 
colanicue — auf ihm kommen scamna und strigae nnr BnbBidiär, meist nur 
neben den Centurien, vor — sondern der ager arHßniua vectigalis der Pro- 
vinzen (b. Hygin p. 204), d. h. das nicht zu qniritai-ischem Eigentum assignierte 
Prorinzialland. Der ager eolonicue optimi iuris der Provinzen war ceoturiiert, 
sogut wie der italische, alles andere provinziale Land sollte von rechtswegen 
in Bcamna uud strigae geteilt sein. Die Scamnation des ager pi'ovincialis be- 
zieht sich aleo sowohl auf assignierlen wie niehtaasignierten Pravinzialboden. 
Für beide Fälle bieten die Feldmesser Belege, Frontin sagt (p. 4), dass^er 
strigas et scamna geteilt würde, „qua in promndis arva publica coluntur". 
Arva publica ist das den Gemeinden zugewiesene (assignierte), aber Allmend ge- 
bliebene Land, gewöhnlich ager vectigalis genannt. Hygin bezeugt die Scam- 
nation fUr den anderen Teil des den Provinzialstädten assignierten Landes, ftlr 
das an die Bürger verteilte Land {b, p. 205). Die trotzdem auch auf ager vectigalis 
vorkommende Ccnturiation war abusiv (Hygiu p. 205) '). Hygins „debet enim 
Interesse inter agrum immunem et vectigedem" zeigt, dass nnr Aas Land der 
coloniae iuris Italid, die wie die italischen stenertiei waren, centnriiert werden 
sollte; der gewöhnliche ager colonicus provincialis, der sogut wie alles andere 
Frovinzialland steuerpflichtig war, mnsBte per scamna et strigas vermeBBeD 
werden. Wenn also die, Fliirkarte von Arausio, welches nicht colonia iuris 
Italici ist (s. das Verzeichnis der coloniae iur. It. bei Mommsen, StaatBrecht III, 
807), Ccnturiation zeigt, bo ist das eine von den durch Hygin bezeugten 
Ausnahmen *). 

Den Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, wie ihn das Vorkommen von 
scamna und strigae anf itaÜBchem Boden, von Centurien auf ager vectigalis 
bildet, wird man ans dem Recht des praktischen BedttrlnisseB erklären 
müssen. Wenn man auch bestrebt war, alles zu vollem Eigentum assignierte 
Land dareh die Ccnturiation, den ager vectigalis durch Scamnation und Stri- 
gation kenntlich zu machen, so lag doch eine Durchbrechnng dieses Prinzips 
nahe genug. Vielleicht ist sogar ursprünglich die Scanmation in deraelben 

1) multi buius modi agrum, more colonico (d. h. wie in den coloniaB iuris Italic!) 
dectmani» et cardinibus diviserunt hoc est per centurias, mihi videtur tiuius sali 
mensura alia ratione agenda: debet Interesse inter immunem, et vectigalem. 

SJ) Auch die Flur von Carthag'o ist centuriiert, wie noch deutlich zu sehen. Nun 
ist zwar Carthag-o seit Severus colonia iuris Italici (Dig. 50, 15, 8, 11), aber die Cen- 
turiatioii sicher JÜter. Evident abusiv sind die Centurien des Baffradasthaies, deren 
Vor handeo sein durch die lex arae Hadrianae (Hermes XXIX p, 220) direkt und durch 
das Vorkommen von mbsiciva in der lex Mauciana indirekt bezeugt ist. 



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Flurteilung und TerritorieD fn den römischen Bheinlanden. 25 

Äusdehonng zur Anwendung gekommen wie die Centnriation ; sie Bcfaeint die 
ältere Feldteilung gewesen zu sein, da eie von Frontin als more antiquo 
Torzanehmcn bezeichnet wird (p. 3, 7 : ager per strigas et per scamna divUua 
et adsignatus est more antiquo . . .). 

Nur wenn mau ursprUngliclie Gleiefaberechtigang der beiden Teilungs- 
gysteme annimmt, lässt eich Frontins Angabe, dass die Teilung per „strigas 
et Bcamna" neben der „per centurias" dem Lande besten Kechts, dem y,ager di- 
visus adsignatus coloniarum" (p. 2, 1) zukomme, mit Hygins Forderung (p. 204), 
Bie nur auf ager arcifiniaa vectigälia anzuwenden, vereinigen. Zu demselben 
Schluese führt die gleichmäesige Verwendung beider Figuren im Lager (s. o.). 

Was Rudorff (Feldmesser 11, 296) von der symbolischen Bedeutung der 
Scamnation sagt, ist zn streichen. Er meint, da£s scamna und strigae ur- 
sprünglich die Ackerbeete und Furchen bedeuten, welche der Pflug des Siegers 
auf dem Boden der zerstörten feindlichen Stadt gezogen habe. Offenbar haben 
ihn die neben der Scamnation angewandten — aber keineswegs mit ihr zu- 
sammenfallenden! — praedsttrae, laciniae nnd die limites intercisivi auf seine 
symbolistische Idee gebracht. Er nimmt an, diese Ausdrucke bezögen sich anf 
das Zerschneiden der alten Limitation, während sie doch die harmlose Bedeu- 
tung des ZersebneidenB der Feldflur in gewisse Flnrteile haben! Noch weiter 
ist im selben Sinne der von Eadorff citierte Pfundt (Italische Rechtsalter- 
tUmer) gegangen, der den Beinamen von Alba longa auf die Scamnation der 
zerstörten Stadt bezieht, was freilieb auch Rudorff znrttckweist (p. 297 Anm.). 

Bezeugt ist dnreh die libri coloniamm das Vorkommen von scamna und 
strigae in folgenden italischen Territorien: inEtmrien: Sutri; in Latinm: Ale- 
trinm, Anagnia, Ostia, Suessa, Anrunca; im Gebiet der Aeqner: ager Aeqai- 
enlanns (= Cicolano); im Land der Sabiner: Nnrsia, Reate; in Samninmi Bo- 
vianum, Terveutum, Aufldena; im Qebiet der Frentanen Histoniura. Im Norden 
und Snden von Italien kommen die oblongen Feldmaa^e nicht vor. Es ist ein 
schlimmer Mangel, dass die Feldmesser nicht auch eine Statistik der Provinzial- 
gemeinden nnd der dort angewendeten Landvermessung gegeben haben. Erst 
dann würden wir beurteilen können, wo nnd warum Gentnrien einer-, scamna 
nnd strigae andererseits angewandt worden sind. So erfahren wir nur bei- 
läuflg, dass in Pannonien entgegen der Regel, die hier als anf ager vectigcdis 
Scamnation verlangt, centnriiert worden ist (Hygin p. 205). um zn zeigen, 
wie wenig sich die agrimenBoriaclie Theorie um die Provinzen bekümmerte, stelle 
ich zusammen, was sich in unserem Corpus von Notizen über agrimensoriache 
Dinge ausserhalb Italiens findet. 

Spanien: 

p. 4, 3 (Frontin): T,ager est mensura comprehensus cuius modus uni- 
versus dvitati est adsignatus sicut in Lusitania Salmaticensibus aut Hispania 
citeriore Patatinis." 

p, 5], 20 (idem): „seto in Lusitania, finibus Emeriiensium, non exiguum 
per mediam coloniae pertieam ire flumen Anton, circa quod agri sant ad- 



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26 Schulten: 

signati qua uaqae tunc 8olum utile msum est. Propter magniiudinem enim 
agrorum veteranos circa extremum fere finem vebd terminoa disposuit pau- 
dsaimos circa coloniam et fiumen Anam; reliquum ^cod.: fiumina reliquum} 
ita remanserat ut postea rephretur" etc. 

p. 122, 8 sagt Hygin, dass in Spuiien nach einem „centuria" genannten 
Flnrmaass gemessen wnrde; p. 171, 1 (idem): Angastns legt in Betnria in Eme- 
rit« Ceatnricn von 400 ingera Fläche an „quibua division&us decimani habent 
longitudinis actus XL kardines actus XX, dedmanus est in orientem". — 
p. 171,6: „In Eineritenaium finä>us idiquae sunt praefecturae quarum decimani 
aeque in orientem diriguntur, Jeardtnes in meridianum: sed in praefecturts 
Mttlücenais et Turgalienna regionis decimani habent actus XX, kardines 
actus XL." 

p. 367, 26 (aas Isidorna) : „Actus qaadratus undigue finitur pedibus CXX, 
cxz 
ita: cxx\_\cxx; hunc Betici arapennem dicunt a6 arando scilicet ^). . . . Ae- 

CXX 

tum provinciae Betteae agnam vocant. Porcam tdem Betici XXX pedum 

LXX X 

latidudine et LXXX longitudine definiunt ita: xyi_ jxv^' (för XV ist in 

LXXX 

der Fignr XXX zu setzen). 

Afrika: 

p. 57, 1 (Frontinns): „Ntan et de aedibus sacris quae constitutae sunt 
in agris simües oriuntur quaestiones sicut in Africa inter Adrwmenfinos 
et T^sdritanoa de aede Minercae de qua tarn multis annis litigunt." 

p, 36, 19 Bpricfat Frontin von dem in Afrika geltenden WaSBerrecht, p. 
47, 8 f. von den afrikanischen controversiae de modo. p. 122, 15 handelt Hygin 
von den agri regit der Provinz Cyrone. — p. 180, 1 (Hyginns de limitibaB 
cODStit.); „Quibusdam eoloniia postea constitutis sicut in Africa Admederae 
dedmanus maximus et kardo a civitate oriuntur . . ." p. 307, 24 (Fanstns 
et ValerioB vv. pp. anctores): „Dum per Africam assignaremus circa Char- 
taginem in aliquibaB locis temUnos rarioree constituimu« tU inter se habeant 
pedes IICCCC." etc. 

Gallia: 

p. 29, 10 (Frontinns): „Haec voccända (limites „prorsi" und „transverai") 
in lege quae est in agro Uritano in Qallia adhuc permanere dicuntur," — 
p. 353, 1 : „In Africa et in GaMiis et Sirmium ('= Sirmii) übt pertica nostra 
deßnimt, talia signa constituimus" ^ ■ — p. 370, 6: „. . . Gallii letcas (= leugas)"\ 
p. 323, 16: „müiarius et dimidius apud Gallia levam facit"; — p. 122, 6 
(Hygin): „In promncia quoque Narbonensi varia sunt vocfüiula: aÜi appel' 
lant Ubram, aUi parallelam." 



1) v^l. p. 372, 17 (excerpta de mensiiriH) : „Arapennis vero, quem aemiiuge- 
rum dicunt, idem est quod et actus maior Habens undique versum pedes CXX, per- 
tieas vero XII. 



dbyGoot^le 



Flnrteitung und Territorien in den römischen Rheinlanden. 37 

GermaDia: 

p. 123, 9 (Hygin): „Item dicitur in Germania in Tungris pea Drusianua 
qui hahet monetalem pedem et se8cuneiam"\ — p. 373, 18: „Daae levae 
(= leagae) sive miliarii tres apud Germanos unam ragtam efßciunt." 
Donauläoder. 

p. 121, 7 f. berichtet Hygin, dass jüngst ein Agrimensor in Pannonien 
jedes aasignierte Ackerloos von Staatswegen abgesteckt babe (was gewöhnlich 
den LooBempfängern Qberlassen wurde) : „sed et extrema linea unius cuitwjue 
modum comprehendit." 

p. 205, 3 f. berichtet der jüngere Hygin, dass man in Panuonien misa- 
br&ncblich statt per scamna et strigas in Gentnrien vermessen habe. Dies ist, 
wie gesagt, das einzige Beispiel für die Scamnation des ager provineialis. 
p. 353; 1: f,In- Africa et in Galliis et Sirmium (= Sirmii) talia Hgna 
eonstituimut." p. 122, 1 (Hygtn) wird ein in Dalmatia Übliches Flurmass 
„Torens" erwähnt, der 8640 D-Fase enthalte. 

Dies ist die ganze, gewiss bei der Fülle des den Feldmessern zu Gebote 
stehenden Materials recht dürftige Ausbeute ihrer Sammlung >}. 

Für das römische Germanien finden wir nur eine allerdings recht wich- 
tige Notiz bei Hygin (p, 123, 9): im Gebiet der „Tungri in Germania" wurde 
ein pea Drusianua als Masseinheit angewandt, der IVe römische pedes misst 
„gut habet monetalem (pedem) et aeacunciam." 

Ich kehre nach dieser Voruntersuchung Ober die acamna zu der kölner 
Inschrift, um derentwillen sie angestellt wurde, zurück. 

Der Stein ist gefunden in Koln. Damit ist freilich keineswegs gesagt, 
dass er ins Territorium der colonia Agrippiuensis gehört. Er kann als Bau- 
stein weither verschleppt sein. Der vicus lAfcretiua gibt keinen Ausschlag 
pro und contra, denn vici kann es in jeder Stadtflur geben. Sie kommen am 
Rhein kaum auch als selbständige, höchstens einem Gau (pagua) untei^eord- 
nete Landgemeinden, wie in Afrika, vor *}, da das römische Germanien (ab- 
gesehen von den Batavern) an die zwei hier bestehenden Stadtgemeinden (Köln 
und col. Traiana bei Xanten) und die Legionslager — als „territorium legio- 
nia" ^) — anfgeteilt gewesen ist (a. u.). Wenn also das scamnmn primum auf 

1) Es ist bezeichnend, dass nur die besten Vertreter der Feldmesakunst Angaben 
über die agrimeusori sehen Verhaltninse prövincialer Territorien machen: Frontin 
Über Ad med era in Afrilia, Emerita, die Palatini und Salmaticenses in Spanien; 
Hygin über Admedera, den ager Urilanua in GaUia und EineriCft. Da« Interesse 
ffir die Individualität der Bestandteile des Weltreichs hat den Rämern gefehlt; das 
war die Folge der CentralisieniDg. Wichtig für die Beurteilung des von den 6ro- 
matici verarbeiteten Materials ist der Umstand, dass Hygin und Frontin mit denselben 
Studien (Admedera, Emerita) operieren. 

2} Wie es in meinem Aufsatz „die Landgemeinden des rfim. Seiches* (Philologue 
LIII p. 629 f.) angenommen ist. Ein Fall ist allerdings durch die „/fnes terrae vici' 
bezeugt <a diese Jahrb. Bd. 67 p. 6). 

3) S. meinen Aufsatz „das territorium leglonis", Hermes I8M. 



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28 Schulten: 

dos Territorinm der colonia Ag^rippinensis zn beziehen ist, so bildet das Factum, 
dass das Land einer colauia iuris Italic! — das ist Eülu *) — in scamna auf- 
geteilt ist (ganz oder «um Teil) einen wertvollen Beitrag zu den andereu Zeng- 
nissen fQr das Vorkommen von scamna auf ager colonicus. 

Das acamnum primum ist zusammenzustellen mit der Angabe Hygins, 
dasB die einzelueu scamna und strigae gezählt und daroach bezeichnet worden 
seien (s. o.)- Nachdrücklich abzuweisen ist die auf den ersten Blick vielleicht 
scheinbare Combination ') von „ex tico Lucretio" mit j,scamno primo" nnil die 
Annahme einer in «camna geteilten Dorfflur wie etwa die Flur des gennani- 
Bcheo Dorfs in Gewanne geteilt war. Etwas Ähnliches ist fUr römische Ver- 
hältnisse unerhört, denn der rtimiBchc vicua hat kein Territorium. Die deu 
vicanen possessores gehörigen Grundstücke bilden keine Dorfflnr, keine 
„universitas agrorum'^ wie die municipaleu fundi, sondern einen nur_ durch 
den gemeinsamen Wohnsitz ihrer Besitzer einheitlichen Complex, nicht anders 
wie etwa die zn einer Centurie gehörigen Colonisten. So wenig wie ihre 
Grundstücke sind die possessores viel eine „universitas" . Wie die Posses- 
Boren eines Dorfs können sich auch die anderer, beuaebbarter Grundstücke 
also z. B. die Inhaber von Teilen derselben Centurie zusammenthun. Ver- 
einigungen von FoBBessoren eines Dorfs kommen mehrfach vor (s. den Aufsatz 
Aber die römischen Landgemeinden a. a. 0. p. 657). Innerhalb des grossen Ver- 
bandes der municipes konnten sich beliebige Gruppen bilden z. B. die Anwohner 
einer Strasse, etwa mit dem Kult der Larcs compitalcs, die „municipes intramu- 
rani", d. h. die innerhalb der Stadt wohnenden Bürger, die „municipes extramu- 
rani" (Veji, Corpus XI, 3798), d. h. die Bewohner des platten Landes (= vicani, 
soweit es Dörfer auf der Feldmark gibt) und als kleinerer Kreis ländlicher 
municipes die Einwohner eines vicus. Wenn sich diese possessores vici oder 
vicani magistri wählen, so sind sie dämm nicht minder eine rein private Ge- 
meinschaft als die Corporation etwa der „negotiatores fori pecuarii" in Rom 
(Wilmanns, Exempla 2518). Nichts ist verkehrter, als den Begriff der deutschen 
Dorfgemeinde, von jeher des vollberechtigten Correlals der Stadtgemeinde — ab- 
gesehen natürlich von gutsherrlicben und in städtischem Banne befindlichen 
Dörfern — anf den römischen vicus zn Übertragen: im römischen Reich gibt 
es Landgemeinden nicht; was dergleichen vorkommt, ist Ausnahme. Über 
diese Dinge kann ich auf die genannte Abhandlung verweisen. 

Die Formel ,^ossessore8 ex vico Lucretio" ist neu für das sonst flbliche 
f^posaessores vici . ." . Die neue Formel beweist, dass nur ein Teil der Fossesaorea 
sich an der Dedication beteiligt. Offenbar ist ebenso die Formel ,^osses8ores 
vici . . ." zu verstehen. Alle Possessoren eines vicus zusammen nennen sieb 
kaum possessores vici, sondern „mcani'K Die der obigen Inschrift sehr ähn- 
liche Dedication der „possessores vici Vindoniani" ans dem Gebiet von Aquiu- 
cum (C. in, 3776) nennt etwa 10 Possessoren. Das sind sicherlich nicht alle, 
denn nur dann kann man annehmen, dass im Dorf nur 10 Possessoren gewohnt 

1) Big. 60, 15, 8, 2: „in Germania inferiore Agrippinenses iuris Italiä sunt." 

2) Wie ich »ie selbst vorgetragen habe (Landgemeinden p. 657 Anm. 23). 



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Flnrtelluug and Territoriea in den rfimischen Bheinlanden. 39 

haben, wenn man die posaessores ale eine besondere Klasse von vieani, etwa 
ale die Grosa^rundbesitzer, anffasst, was aber posaeseores nicht lieiBSt. Sicher- 
lieb hat es nie ein Dorf mit nnr 10 Hflfnern gegeben. Bei der auf unserer 
Inschrift erscheinenden Gruppe von Possidenti ist nicht der Wohnsitz im Borf, 
sondern die Zugehörigkeit zum seamnum I das Verbindende, weil die 5—10 
Grundbesitzer, welche an der Dedication teilgenommen haben mögen, nicht als 
possessores ex vtco L,, sondern als Inhaber der ein seamnnm bildenden Grund- 
stöcke eine Einheit bilden. Denn possessores gab es im vicus L. mehr als 
5 — 10, zu einem seamnum aber werden kanm mehr Hafen gehQrt faabeu, da 
die 200 — 240 iugera, welche wir als gewöhnliche Fläche der scamna ansetzen 
dürfen — 240ingerai8t einmal überliefert: Feldm. 1,293, 11 s. o. S. 15 — kaum an 
mehr als 5 — 10 Böte gefallen sein kOnnen: 24 iugera ist schon ein kleiner 
Grundbesitz. Gegen den Einwand, dass auch die „posteasorea scamno primo" 
keine natürliche Einheit zu sein brauchen, kann ich deshalb wohl betonen, dass, 
wenn die 5 — 10 Besitzer nar einen Teil des seamnum primum innegehabt haben 
sollen, ein zu kleiner Grundbesitz, eine zu grosse Zerstückelung des seamnnm 
resultiert Aussei-dem thnn sich zu solchen Dcdicationen meist feste Gruppen 
zusammen, nicht lose für den Moment gebildete Personenverbände. In der Be- 
zeichnung j^ossesaores ex vico Lucretio scamno I" ist also „ex tnco L." eine 
seeundäre Angabe; aber die doppelte Bezeichnung der Dedicanten zuerst nach 
ihrem Wohnort, dann nach dem Medium, welches sie verbindet, kann nicht 
auffallen. Correcter und einfacher wäre die Bezeichnung „posnesgores scamni 
primi" gewesen. 

Der vicus Lucretius ist eins der zahlreichen inscbriftlich bekannten DOrfer 
der romischen Rheinlande (s, Landgemeinden p. 670). Nicht wenige von ihnen 
haben römische Namen, wie der vicus Apolline(n)8is und v. Salutaris bei Mainz und 
der Y. Aurelianus (Öhringen). Aas Cäsar wissen wir, dass die Kelten wenige 
befestigte, den römischen Städten vergleichbare Orte (oppida) hatten und im 
Übrigen in offenen Dörfern — der vicus ist nie befcBtigt, sonst heisst er „cas- 
teUum" — oder Einzelhöfen siedelten. So haben die Helvetier 12 oppida und 
400 Ttci (Cäsar de b. G. I, 5). Diese oppida und vici finden sich auch in den 
römischen, ehedem keltischen Bheinlanden: ich nenne nur als evident keltische 
vici den vicus Lopodunnm (Ladenbnrg) und den vicus Altiacns (Alzey), deren 
Kamen schon den keltischen Ursprung verbürgen. 

Die römischen Namen mancher vici sind natürlich nicht auf rCmieche 
Dorfgründung, sondern anf Umnennnng zurückzuführen. Dörfer entstehen bei 
der rUmischen Siedlung nie, sondern Städte oder villae. Die in den Abmzzen 
häufigen vici sind rudimentär und Gründungen der Marser, Sabincr etc. 

Die Inschrift bietet einen passenden Ausgangspunkt für eine Betrachtung 
der in den römischen Kheinlanden (Germania inferior und superior) *) vorliegen- 
den agrimensoriachen Verhältnisse. 

1) Der Kürze halber wende ich im Folgenden auch auf das erste Jahrhundert 
dieae Bezeichnungen an, die im technischen Sinne erst nach der Qrfindnng der Pro- 
vinzen Germania snp. und Inf. auftreten (vgl. Riese, Westd. Zeitscbr.Correspondenzbl. 
1895, p. 146 f.). 



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2. Die Territorien io den beiden Germanien. 

Die ältesten römischen Anlagen am Rhein sind die Festungen — bü mnss 
man die castra attUitia bezeichnen — Castra Vetera nnd Mogontiacam. Vetera 
igt das Lager der unter-, Mainz das der obergermanischen Legionen. So war 
es im Jahre 14 n. Ch. (Tacitus ann. I, 31). Diesen Standlagem ninss, wie daa 
flblich war, ein Streifen Land: das „territoriam legionis", welches wir ans 
mehreren Inschriften kennen, zngewiesen worden sein (a. meinen Änfsatz „Das 
territorinm legionis" im Hermes 1894, p. 481 f.). Einen Teil des Territorinnw 
der in Vetera stehenden Legionen werden wir in den nördlich der Lippe ge- 
legenen „agri r<teui et militum usui sepositi", die Tacitna (Ann. 13, 64) znm 
Jahre 58 erwähnt, erkennen dürfen. Das römische Germanien ist bekanntlich 
erst spät Provinz geworden. Vorher steht es anter den beiden legatt Aug. 
eseereiius Germaniae inferioris und superioris, ist also milit&risebes Gebiet. 
Ich glaube, dass man sagen kann, GermanicD bestand, abgesehen von dem 
Gebiet der Bataver nnd Ubier im J. 14 q. Chr. ans den beiden Territorien 
der Legionen tod Vetera nnd Mainz. Die Grenze der Sprengel würde als- 
dann die spätere Grenze der provincia inferior und snperior: der Vinxtbach 
gewesen sein. Analoge Verhältnisse liegen vor in Knmidien. Wenn die in 
Lambaesis liegende legio III Angnsta im ganzen sfldlichen Nnmidien Bauten 
ausführte — nach dem Zeugnis ihrer Legionsziegel — so kann das nnr anf- 
gefasst werden als eine Äusserung des Hoheitsrechts, welches die Legion bez. 
ihr Legat in Nnmidien innehatte. Nnr aaf ihrem Territorium konnte die Legion 
bauen. Im Bereich der „quattuor coloniae (Hrtenses", dem gewaltigen Gebiet 
TOD Cirta, fehlen denn auch die Bauinschriften der Legion vOlIig *). 

Nnmidien bestand aus zwei Territorien: dem der legio III Aug. und dem 
von Cirta. Bei einer Tennination zwischen den beiden Gebieten würde ent- 
sprechend der Formel der spanischen und pannonischen termini „inter terri- 
torium legionis ti agrum IUI coloniarum" terminiert worden sein. 

Im Jahre 50 wurde das „oppidum Ubiorum" — einen Namen scheint es 
nicht gehabt zu haben; die Bezeichnung „oppidum Db." schlechthin zeigt, dass 
es die einzige Stadt der Ubier war — zur colonta Ägrippinensig erhoben 
(Tacitos, ann. 13, 27). Der neuen Colonie musste ein Territorium assigniert 
werden. Ihr Gebiet wurde entweder das ganze bis dahin der civitas Dbiomm 
Uberlassene Land, welches eine Enclave des territorium legionis der Festung 
Vetera daratetlte: so sind in den Tres Galliae allmählig die Gane in Territorien 
ihres zur rOmischen Stadt entwickelten Hanptortes amgewandelt worden (s. 
meinen Aufsatz „Die peregrinen Gangemeinden des rCm. Reichs" im Rhein. 
Mus. L. p. 398 f.), oder aber die neue Colonie erhielt nnr einen Teil des Ubier- 

1) Der UgatusAag, pr. pr. der Legion, welcher zugleich Statthalter fiii- gans 
Nnmidien ist, wird natürlich aaf Inschriften dos cirtenfiiRchen Qebieta genannt (vgl. 
C. VIII, p. XV), genau so gut wie die Statthalter anderer Provin Ben in dem der Städte 
ihrer Provinz. 



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Flarteilun? und Territorien in den römischen lUieiulanden. 81 

gebieta nnd der G&n der Ubier blieb neben ihr bestebea, wie die Segasiari 
neben Lugdannm. Letzteren Modus nimmt Nissen (in dieaen Jahrb. 1895, 150) 
an. Seine Vemintnng, daas die Ubier der Colonie attribniert worden Beien wie 
die snbalpinen Gaue den benachbarten römischen Städte Brixia, Verona etc., 
scheint mir tiberzengend, weil sich nnr so erklärt, dass nbische Soldaten pere- 
griaea oder latinisches Recht haben, wie aas ihrem Dienst bei den eqnites aingn- 
lares hervorgeht. Denn eine attribaierte Oenieinde hat stets minderes Reebt ab 
die Stadt, der sie attribniert ist (s. Monimsen, Staatsrecht III, 767). Durch 
Nissens These erledigt sieh die von Mommsen mit gewohnter Conseqnenz 
ans dem Auftreten ubischer oder kölnischer eqnites singnlaree gezogene Folge- 
rang (Hermes 19, 70), dass Köln nicht römisches, sondern latinisches Recht ge- 
habt habe. Dieser Lösung steht nicht im Wege, dass die pereginen oder la- 
tinischen Soldaten statt der civitas übiornm die „colonia Ära" als origo nennen, 
denn solche Lettte fahren oft abnsiv als origo eine Stadt an (Hommsen, 
Hermes 19, p. 26). Das beste Beispiel bietet ein aus dem attribnierten Gau 
der Tmmplini gebürtiger Soldat, der sieb bezeichnet als „domo Trumplie^' 
(Hommsen, Staatsrecht III, 768 Anm- 4). Man wird also lieber ein Fort- 
bestehe des Ubiergans als attribnierter Gemeinde annehmen, als der eol. Agrip- 
pinensis die Qnalität einer römischen Colonie absprechen. 

Wie es bei attribnierten Gemeinden natflrlicb war, sind die Ubier bald 
ganz mit den Colonisten verschmolzen. Die Attribnierten hatten zwar ein eigenes 
Territorinm, aber dasselbe galt in praxi als Teil des Gebiets der herrschenden 
Gemeinde. Die factische Identität des Gebiets von EOln mit dem ehemaligen 
Gebiete der Ubier geht darans hervor, dass „finet übiorum" nnd „fines Agrip- 
pinennum" promiscne gesagt wird (vgl. Tacitns bist. 4, 28 mit 79) nnd dass 
sich die Ubier ,^grippinemes" nannten (Tao. bist. 4, 29). Dasselbe folgt, 
wie Nissen (in diesen Jb. XCVIII [1895] p. 150) mit Recht hervorhebt, 
daraus, dass Ptolemaens statt der sechs von Plinins (N. H. IV, 106) genannten 
linksrheinischen Volker nnr 4 nennt (Ptol. II, 9) : die fines Ubiomm waren das 
Gebiet von EOln, die fines Cugernornm das der col. Traiana geworden. 

Dass die Ubier nicht mehr Germanen, sondern BOmer sein wollten, zeigt 
Tac. bist. 4, 28 : infestius in Ubii«, quod gens , . . eiurata patria Agrippinenses 
vocarentur.'* Die Verschmelzung der Ubier mit der Colonie erhellt deutlich 
aus der Stelle Tacitns bist. 4, 65, wo er die Agrippinenses (= Ubii) sagen 
Iftsst, sie iftblten sich mit den deducierten Colonisten eins: „«i qui eas Italia 
aut provincm älienigenae in finibu« noatria fuerunt, eoa bellum abmmpsü 
vel Im maa quiggue aede» refugerunt. Deducti» olim et nobiacum per eonnu- 
bium aociatia guigue mox provenerunt, haec patria est . . ." Mao wird bei 
dieser Stelle erinnert an das, was die der Stadt Tridentnm attribnierten Völker 
ausführen (Edict des Claudius C. V, 6050) : „...«/ hominum genu» (die Attri- 
bnierten) . . .Ua permixtum cum Tridentinia, ut diduci ab ia aine gravi 
aplendidi municipi iniuria non poaait." 

Die Attribution an die Colonie nnd die daraus resultierende Umwandlnng 
der Gau- in eine Stadtgemeinde war der Lohn fUr den Übertritt der Ubier 



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32 Schölten: 

xat riimittcbee Gebiet (im Jsbre 38 y. Chr., als Agrippa am Rbein kommuidierte : 
Tac. aon. 12, 27; Strabo p. 194 Caranb.; Tacitns Genn. 28. '). 

Die j,eolonia Claudia Ära (oder „Augasta'^) AgrippineHnufn" (s. N ieseo 
a. a. 0. p. 169 f.), wie das römische Köln mit vollem Namen beisst, bat 
im ITI. Jabrbnndert *) die bevorzugte Stellung einer colonia iuris Italici, d.h. 
Sienerfreiheit nnd priratrecbtliche Gleicbstcllnng mit den italischen Städten. 
Es wird anzunehmen sein, dass Kolo diese QualitAt gleich bei seiner Erhe- 
boDg zw Colonie erhalten hat. 

Cm das Gebiet des romischen KOtn zn bestimmen, haben wir leider nnr 
zwei Anhaltsponkte, indem Tacitas Tolbiacnm (Zfllpicb) ') and Marcodarnm 
(Düren) als „in ßn&us Ubioram" gelegen bezeichnet (bist. 4, 28; 79). 
Nach Westen scheint demnach das kölnische Gebiet sich bis zar Roer - — 
an der Dflren liegt — ansgedehnt zn haben. Nach SSden zn liegt Zfllpicb 
aaf der Hohe von Bonn. Ob dämm Bonn ebenfalls nbiscb war, ist frag- 
lich; die Grenze kann a priori zwischen Zttlpicb and Bonn nach Norden am- 
gebogen sein ohne den Rhein zn erreiche; wahrscheinlicher ist aber, dass 
man dem Gebiet der nenen Colonie natflrliche Grenzen, also im Osten den 
Rhein, im Westen die Roer gegeben and im Sflden diese beiden Grenzlinien 
durch eine gerade, „recto rigore", lanfende Linie verbunden bat. Ob dieser 
sUdlicbe Grenzzng knrz nnterbalb Zfllpicb oder — wie Nissen a. a. 0. p. 147 
meint — längs der Grenze von Germania inferior and saperior, also ISngs des 
Vinxtbacbes lief, ist nicht anszamacben. Ganz ohne sichere Punkte sind wir 
für die nördliche Ausdehnung des Gebiets. Dass Geldaba (Gellep bei Crefeld) 
nbiscb gewesen sei, Iftsst sich nicht, wie Nissen thnt (p. 147), mit Sicherheit 
ans der Stelle Tacitas bist. 4, 26 entnehmen ; dort steht nur, dass das römische 
Heer von Novaesium nach Geldaba gerOckt sei nnd „proximon Cugemorum 
pagog'^ verwüstet habe. Vom Gebiet der Ubier ist direct keine Rede. Man 
kann die Stelle Übersetzen: „die Gaue der Cugemer, die in der NSbo lagen**: 
dann befanden sich die Legionen in der Nähe des Cagemei^bicts, also in dem 
der Ubier. Hau kann aber auch flbersetzea — und so wird man es zunächst 
thnn — : „diejenigen Gaue der C, welche zunächst lagen", so dass Geldaba selbst 
schon cugemiseh gewesen wfire. Wenn die Vermutung Künens (Jahrgang 
1897 dieser Jahrbflcber p. 1 f.), dass die „in finibus Ubiorum" (Tac. ann. I, 31) 
bel^^nen castra aestiva bei Neuss zu suchen seien (zwischen dem römischen 
Lager Novaennm und dem heutigen Neuss), zntriflt, so würde mit Neuss ein 
fester Punkt auch ffir die nOrdItche Aasdehnnng der fines Dbionim gewonnen 
sein. Im Norden grenzte an das Gebiet der agrippinensischen Colonie das Gebiet 

1) „Ne Übii quidem ..origine erubescimt Iransgrtsn olim et experimento fidei 
guper iptam Sheni ripam coUotati . ." 

2) Panlna: Di^. 50, 15, 8, 2. 

3( Da« Itin. Antonini (p. 372) nennt TolbiÄCum ^victis Supemorum". Super- 
norunt in Übiorum zu cniendieren vird kanm angehen: das Itinerar meinte wohl die 
Cugtmi; aber dftss der südwestlich von Köln gelegene Ort nbisch war, unterlieg;! 
dämm nicht weniger keinem Zweifel. 



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Florteilun^ und Territorien in den römiechen Rheinlanden. 33 

der Cugerner resp. das Territorinm der FeBtnng: Vetera. Ehedem wird es die 
^anze Germania iDferior, wie Mainz die superior, nmfasst haben (s. o.); nach 
der Dedaction der Sugambrer (Cagerner) in diese Gegend (nach 9 v. Chr. s. 
Sneton, Tiber. 9) nnd der Gründung der Colonie wui'de e» auf den Norden 
beflchränkt. 

Oben ist bereite ausgeführt, dass, wenn Ptolemaeas am Niederrbein nur 
die Batavi nennt, während Plinins noch die Cngerni und übü anfUhrt, dies nur 
durch die Verwandlung der fines übiornm in das Gebiet von Kdln, der (ines 
Cngemorum in das der colonia Traiana zu erklären ist (s. Nissen a. a.0. p. 150). 
Neue Veränderungen der territorialen Verhältnisse in Germania inferior brachte 
also die Regierung Trajane. Er gründete die colonia Traiana (s. die Stellen der 
Itinerarien bei Riese, das rhein. Germanien in der antiken Litteratnr p. 389 f.). 
Sie lag 1 Tom. Meile nOrdlich der castra Vetera (s. It. Auton. p. 368: colonia 
Traiana — Veteribus M. P. I.) '). Ebenso gründete Tnyan fllr die neuge- 
schaffene legio XXX Ulpia Victrix ein neues Lager; dies lag wohl nicht an 
der Stelle des alten im Bataverkrieg zerstörten Lagers (auf dem FUrstenberg), 
aber in seiner Nähe, denn im Itin. Antonini (p. 250) steht „castra hg. XXX'^ 
neben Vetera als eine Station. 

Es ist möglich, dass Trajan den bei der legio tricensima entstandenen 
canabae Stadtrecht Terliehen uud sie zur colonia Traiana gemacht hat, wie 
das mit den Lagerorten bei den Donaufestungeu Aquincnm, Apulum etc. ge- 
schehen ist. Die Entfernung der col. Traiana vom Lager der legio XXX — 
eine Milie = 1,5 Eil. — entepricbt der Diatanz zwischen Lager and Lagerstadt 
Lambaesis. Bei ÖrOndung der colonia Trajana mues das Territorium der 
Cugerner ihr attribuiert worden sein, denn die neue Stadt musste eine Feld- 
mark haben. Wenn hier die Cugerner ihr Gebiet an eine neue Stadtgemeinde 
abtreten mnasten, so ging zwischen dem Jahr 14 und 69 *) ein Teil des * 
külner Gebiets an die beiden Denen Legionslager Noraesinm (zwischen Neuss 
und GnmlinghauBcn) nnd Boona (Bonn) Über. Wahrscheinlich wurden diese 
Lager angelegt, als im Jahre 43 im Zusammenhang mit der britannischen Ex- 
pedition Veränderungen in den beiden germanischen Corps eintraten. Durch 
Novaesinm muss das Gebiet von Köln eine Einbnsse im Norden, durch Bonna 
im Süden erlitten haben. Das bonner Festungsgebiet grenzte am Vinxtbacb 
an den obergennanischeu Sprengel nud zwar an das Territorium der Festung 
Mogontiacnm. Auf der rechten Rheinseite muss ebenfalls den Legionen und 
den beiden Städten Gebiet assigniert worden sein, wie ja „agri in usum miU- 



1) Die tab. Pentingeriana gibt m. p. XI. Das ist eine evidente Cormptel. Die 
Ausgrnbnngen haben die Lage der col. Traiana in . nächster Nfthe des heutigen Xanten 
— welches 1 römische Milie vom Fürstenberg, dem Ort der castra Vetera entrernt 
ist — festgestellt (s. meinen Anfsat» das ,Territ. legionis' Hermes 1894, p. 493 
Anm. 2). 

2) Im J. 14 liegt noch das ganze niederrheinische Heer in Veter» (Tac. Ann. 
I, 3G), im Bataverkrieg dagegen verteilt in Bonna, Novaesinm, Vetera, 

jaJirb. d. Ver. t. Alterthitr. im Bheinl. 103. 3 



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S4 Schalten: 

tum sepositi" anf dem anderen Ufer gegenüber Vetera, also als Teil des zu 
Vetera gehörigen territormm legionis, bezeugt sind (a. oben). 

Im Inneren, im weatltcfaen Teil von Germania inferior lag nach der ge- 
wObnlichen Annahme das Gebiet der Tungri (deren Hanptort später vom Gan 
den Namen erhält — Tongern) und Batavi (mit Nijmegen = Novlomagns}. Das 
Gebiet der Bataver grenzte südlich an das der Festung Vetera. Auch die 
civitas Menapiorum wird zn Germania inferior gerechnet, wenigstens von den 
Neueren. Plinins (N. H. 4, 58) und Ptolemaeas (2, -9, 8) nennen nur die Bataver, nicht 
Tungri und MenapÜ. Da nur diese Autoren eine wirkliche Statistik geben — 
Strabo vermengt Gallien und Germanien, s. pag. 193 Gas. — , wird es angezeigt 
sein, die Germania inferior mit der Maas zu begrenzen; eine natürliche Grenze 
ist schon a priori ein Erfordernis. Es wäre endlich einmal an der Zeit, daas 
die Kartographen sich um diese Dinge kümmerten, statt wie bisher die Sprengel 
Germania inferior und superior oder gar die Provinzen mit den Kamen der bei 
Cäsar genannten Volkerschaften (z.B. der Gondrnsi) zu versehen. Mit einer 
Karte lässt sich allerdings die Geschichte des rheinischen Germaniens nicht 
erläutern, eondein es sind ftlr jede Epoche verschiedene anzulegen. Die Namen 
aller in der Litteratur vorkommender Gaue auf ein Blatt zu zeichnen, ist ein 
grober historischer Veratoss, denn in Germanien sind nicht alle von den Geo- 
graphen genannten Gaue auch politisch anerkannt und den Provinzen einver- 
leibt. Nur diejenigen „quibus finea adsignati «*»(" gehören auf eine histo- 
rische Karte der Provinz Germanien. 

Der obergermaniscbe Sprengel mnss unter die Festung Mainz und die 
Gaue der Vangiones (mit Worms), Nemetes (mit Speier) und Triboci (mit Ar- 
gentoratum [Straasbnrg]) ') geteilt gewesen sein. Den äuesersten Süden nahm 
seit der Gründung des Legionslagers von Argentoratnm (Strassbarg) das Ter- 
* ritoriam der legio VIII Aug. ein. Auf der anderen Kheinseite lag gegenüber 
dem Gebiet der Festnng Mainz der Gan der Mattiaci, die „civitas Matfiacorum'^ 
(oder Taunenaium nach dem Gebirge) mit dem Hanptort ') aqnae Mattiacae 
(Wiesbaden). Auf den Karten (auch im Text bei Mommsen ROm. G. V, 109) 
findet man als zn Germania superior gehörig noch verzeichnet die Rauraci (mit 
Augusta Ranracomm = Angst bei Basel), HclvctÜ, Sequani und Lingones '). Alle 
diese Volker sind Gallier, woran noch niemand gezweifelt hat. Nun ist aber 
nichts sicherer, als dass in die beiden germanischen Provinzen nur germanische 
Gaue — wohlverstanden Gaue: die „leviasimus quisque Gallorum" der agri 
decamates (Tacitus Germ. 29) haben wohl keine Ganc gebildet — aufgenommen 
sind. Der Irrtum beruht auf Ptolemaens (2, 9, 9): mau hat nämlich die von 
ihm als den Rauraci — die er allerdings fehlerhaft zn Germania snperior 

1) Die Ortschaften diesc^r Gaue veraeichnet Ptolemat^oa '2, 9, 9. Die drei Gaue 
bei Tacitus Oer. 28; Pliaiua N. U. 4, 98; Ptolem. a. a. 0.; Amm. Mnrcelt. 15, 11, 6. 

3} s. Westd. Zeitqcbrift 1896, Cnrrespondenzblalt p. 19«. 

3) Ricittig ist die Grenze gezogen in Kieperts Atlns antiqnnx, falsch Jn der 
Karte va MominsonN Rom. Geschichte dem Text (p. 109) zuliebe. Zu demselben Ite- 
Butlat kommt A. Riese (Westd. Ztschr. 1895 p. 148). 



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Flurteilun^ nnd Territorien in den römischen Rheinlanden. 36 

rechnet — beoacbbart genaiiDten, aber zu Belgien gehtirigen Gaue der Lin- 
gones, Helvetii, Se<inani zor germanischen Provinz bezogen. Wie Ptolemaeus 
nennt anch Flinius (4, 98) als Gaue der Germania saperior die Vangiones, Nemeti, 
Triboci; Aoimianns (15, 11, 6) nennt als Gemeinden: Mogontiacus, Vangiones, 
Nemetae, ArgentoratuB. Die Triboei fehlen, weil ihr Gebiet Territorinm der le- 
gio VIII Aug. von Strassbnrg geworden ist (vgl. den ähulicben Fall oben p. 31, 33), 

Das Gebiet der Mattiaci vrird kaum den Main Itberschritten, sondern 
im Norden bis znm Taunns, im Süden bis zum Main gereicht haben. An sie 
grenzte wohl die civitas Sueborum Nicretium, deren Existenz Zangemeister 
so glücklich festgestellt hat (N. Heidelberger Jahrb. III, p. 1 f.) ; denn ihr Hanpt- 
ort ist Ladenbnrg axo nnteren Neckar, der mcus, spater die dvitas Uljpia Lo- 
podunum '). 

Von anderen Gangemeinden des Decumatenlands wissen wir nichts, aber 
es mag doch noch mehr davon — etwa andere Ganc des grossen Stammes 
der Suehi — gegeben haben, wenn man in n^icretes"' das Distinctiv eines Ganes 
TOD andern siebt, wie man doch wohl muss. Das Gebiet dieser Suebengaue 
wird die nördliche Hälfte des Decninatenlandcs eingenommen haben, denn im 
Stlden war kaiserliches Domänengebiet. In Bottenburg am Neckar hat man 
folgende Inschrift gefunden (Brambach 1633): „in h. d. d. . . ex decreto 
ordinis saltus Samelocennensis . . . cura agentibus (folgen 2 Namen) Tna- 
giütria) *)". Es gab also hier ein domaniales Territorinm (aaltus, s. meine „Grnnd- 
herrschaftcn" p. 17 f.), benannt nach dem Ort Snmetocenna, in dem sich wohl 
die Vcrwaltong befand. 

Völlig singolär ist nun aber, dass diese Domäne einen ordo, einen Ge- 
meinderat, hat. Die magiatri sind weniger auffallend, denn auch anf den afri- 
kanischen saltua stehen die gntsberrlichen Colonen unter magistri (Grnndlierr- 
Bcbaften p. 100). Für eine solche gntsherrliche Ortschaft würde uns auch die 
Existenz eines ordo nicht zu sehr befremden, obwohl durchgeführte Gemeinde- 
Verfassung sich nicht ganz mit centraler Verwaltung verträgt, denn einen ordo 
finden wir anch in den afrikanischen castella, den befestigten Dörfern. Hier 
aber gehört wenigstens in der Formulierung der Inschrift der ordo nicht zum 
vicus Sumelocenna, sondern zum saltus Sumelocennensis. Diese Auffassung 
lässt sich nur aus der von mir öfters dargestellten (vgl. z. B. Grundh. p. 21) 

1) Sehr wahrscheinlich ist v. Herzogs {in diesen Jahrb. Heft 102 p. 96) Ver- 
nintung, dass civüag S. T. der Inschrift Brambach 1R93 vielleicht civitas S(uebo- 
rum) T( .. .) zu lesen sei; die Ähnlichkeit der .Sij^len (S. N. = Suebi Nicretcs) spricht 
sehr dafür. An Suebi T(outonea) zu denken, liegt nahe genug. Dann würde das 
Land Kwischen dem Main und unteren Neckar (Miltenberg— Laden bnrg) sueblsch ge- 
wesen sein. 

3) Die neueste Lesung der Inschrift findet sich bei v. H e r z o g a. a. 0. p. 98. 
MAG(ietris), wie ich {Grundher rscbaften p. 104) bereits hergestellt hatte, ist trotz der 
Zerstörung der beiden ersten Buchstaben sieher. — In dem oben über den saltus Su- 
metocatnenaia gesagten berühre ich mich vielfaeh mit v. H e r z* a- {a. a. 0. p. 9G f.), 
dessen vortrefflicher Aufsatz „Zur Occupationa- u. Verwaltungs^esch. d, rechtsrhein. 
Bbmerlaudes" mir erst bei der Drucklegung vorlag. 



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Tendenz, ein gntBherrliches Territoriuni als Territorium des Vorortes der Domäne 
aufzafassen, ableiten. Der Ahscblnsa dieser Entwieklnng liegt vor in den nach einem 
Gnt benannten Städten, wie sie besonders in Gallien vorkommen: Floirac ist ans 
fundua Flonacua, Savigny aus/", Sabiniacus enatanden') ; die römische vüla wnrde 
zur französischen „ville". Man wird den Gemeinderat anf den ganzen saltns, 
nicht etwa nur anf den Vorort za beziehen haben, ebenso wie die beiden ma- 
gistri. Dana haben wir also einen wie eine Gemeinde organisierten saltus. 
Das ist bisher freilich ein Unicum, aber ein durchaus in die Entwicklung pas- 
sendes. Die Competenz der localen Verwaltung gegen die der kaiserlichen 
Domanialhehörde, des jirocurator, abzugrenzen, wird kaum möglich sein; ee ge- 
ntigt, festzustellen, dass kaiserliebe und quasimunicipale Administration hier 
konkurrierten. Den kaiserlit-hcn Procnrator dieser Domäne hat uns eine aeia- 
tische Inschrift kennen gelehrt. Sie ist mitgeteilt von Mommsen, Weatd. 
Ztschr. 1886, p. 260 {vgl. auch Jahrbuch des areh. Institut« 1889, archäol. An- 
zeiger p. 41). Der Anfang lautet: . . . . ou xü>P«cl^]oMEXoKevvncia( Kai { . . 
EpAiMiTävn; . Mommsen ergänzt am Anfang [fniTponov deßocTJoü und in 
Zeile 3 [ünJepXi^iTäviic. Xtüpa^ gibt er wieder mit „tractus'^ und hält den 
Procnrator — der zweifelsohne genannt gewesen ist — für einen proctirator 
tracttt» von Ritterrang, welche Domanialbehörde wir aus Afrika (s. Grundherr- 
Bchaften p. 62 f.) kennen. Tractus war in Afrika ein domanialer, mehrere saitua 
umfassender Verwaltnngssprengel. Wegen des zweiten Begriffs [ÜTi]€pXifiiTävnc 
(= translimitani) wird man X'^P°^ niit tractus, nicht mit saltun wiedergeben 
müBsen, da man nicht wohl einen saltm transUmÜanua annehmen kann und 
andernfalls statt xybpac : xtupiiuv stehen mflsste (xiupiov = acdtua, vgl. Ramsay 
bist. Geography of Asia Minor, p. 176 f.). Die t}üpa £o^€\oK€Wrlcia koI utiep- 
Xl^lTdvr) — tractun Sumelocennensis et translimitanus muBS also ein grösserer 
Sprengel gewesen sein, in dem sich der saltus Sumelocennensis befand, wie 
die saltus des Bagradasthals (BumnitanuB etc.] im tractus Cartbaginiensis. Nur 
so lässt sich der saltus Snm. mit dem tractus Snm. combinteren. Das Adjectiv 
„tramlimitantta" zeigt, dass das Domänengebiet über den Limes hinansreiehte, 
der ja auch nur eine militärische, keine Provinzialgrenze war (s. Mommsen 
zur Inschrift). 

Das Decnmatenland stellt sich uns also nach den bisher vorhandenen 
ürk&nden dar als bestehend ans einem peregrinen Gaugebiet (dem der Suebi 
Nieretes) und kaiserlichem Domanialland. 



1) Vgl- die vortreffliche Darstellung von Pustel de CoulAnges, Insttlutions 
polit. de la France III, 1 (la villa gallo-romaine) und A. de Jubainville, Recherdies 
sur l'origine de la proprüti foneiire et des nomii des Ueitx habMn de la France (livre 
II: rech, enr l'origine des noms de« lieux habitäs en France). 



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Flurteilun^ und Territorien in den rfimJachen Bheinlanden. 



3. Andere Drknnden der römiBchen Flurteilnng am Rhein. 
Die wichtigste ürknode der römischen Flarteilnng im Rheinlande bildete 
den AnsgaDgBpunkt dieser Abhandlang. Es giebt noch eine Inschrift derselben 
Gattung. Sie ist gefunden in Obrigheim am Neckar. 
Die Inschrift (Brambacb N. 1724) lautet: 
IN. H - D ■ D 
MERCVRIO 
AED- SIGN- AGR 
> IUI ■ L- BELLONIVS 

? MARCVS AMER 

? IVSSVS ECIEL CONS 

? VII 

Die drei letzten Zeilen sind cormpt. Die Inschrift sagt, dass ein L. Bello- 
nins dem Mercurius einen Tempel: aed{em), Statuen: 8ign{a) und „agr{um) 
centuriarum (das ist >) IIU" dedioiert habe. Unser Interesse ruht natürlich 
auf „agr{um) > IUI". Dies kann kaum anders, als eben geschehen ist, gelesen 
werden; > kann z.B. nicht das Zeichen fttr iugera sein. An die militArische 
Centurie ist erst recht nicht zu denken. Vier Centurien Ackerland, also in 
dubio 800 iugera — es gab auch grössere Centurien (Feldmesser II, 352) — , 
sind freilich als Grundbesitz eines Possessor ein enormer Bestand, als GeseheDk 
vollends fast onerhsrt viel *), aber im Decumatenland — ihm gehOrt der Stein 
an — mag das Land in solch grossen Beständen vergeben worden sein. Hier 
sind keine Städte mit stark parzelliertem Territorium gegründet worden, man 
scheint vielmehr dies Vorland von Obergermanien occnpatorisch haben besie- 
deln lassen. Charakteristisch für das Decumatenland sind die römischen Ein- 
zelhöfe, deren oft sehr bedeutender Dmfang *) sicherlich einem auBgedehnten 
Grundbesitz entspricht. EinzelhOfe {vitl-ae) nnd GrosBgrnndbesitz sind in der 
Geschichte der römischen Siedlung in den Provinzen correlate Begriffe. Auf 
BtädtiBch besiedelten Landstücken herrscht der Kleinbesitz; die grossen Herr- 
schaften — „saltus'* — sind Bchon äusserlich kenntlich an den Resten der 
Einzelhofe, der villae, und der Golonendörfer. Wir kennen diese Dinge jetzt 
sattsam ans dem römischen Afrika: im Norden der Proconsnlaris, des hentigen 
Tunesien, ist das Land mit den Resten zahlreicher Städte bedeckt, im Saden, 
in der Region der „Schotts" (grossen SalzBeen), findet man dagegen die Reste 
von Villen und Dörfern: hier war das Land in „atütus" besiedelt. Dieselbe 
Erscheinung wie der SQden Tunesiens zeigt das Decumatenland, das Land 

1) Ober solches Tempelland (jfnes templarea") vgl, Feldm. ü, 263. Icli erinnere 
nur an das Gebiet der Diana vom Tifata in Cnmpanien (C. X p. 367, und an die dem 
Silvanus resp. dem coUegium Silvani gescheiil<ten Grundstüclce (C. X, 444 = Bruns 
Fontes« p. 36B). 

2) a. Schumaclier, Weetd. Ztachr. 1896, p. 1—17 („Die Meferliöfe im Limes- 
gebiet"). 



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zwiBchen dem Rhein nad dem Limes. Je epärlieher die Siedlangscentren — 
Stftdte, Dörfer, Höfe — desto ansgedehnter der Grundbesitz: das ist ein wich- 
tiger Erfahrangssatz der Agrargeschichte. Was wir von der Besiedlang der 
agri decumates wissen, bestätigt die ans der Verteilung der EinzelhSfe sieh 
ergebenden Folgemngeu. Ursprünglich war die rOniische Grenze der Rhein; 
das jenseitige Land galt höchstens als Vorland des obergermanischen Militär- 
sprengels. Eine agrimensorische Bezeichnung kommt ihm f^r jene Zeit noch 
nicht zn, da es nicht rfimisches Land ist. Seit Vespasian wurde die Grenze 
fiber den Rhein voi^escboben und immer weiter verlegt, bis sie Bcfaliesslich im 
himeB ihre endgültige Fixierung erhielt. 

Die klassische Stelle des Tacitus Hber die Besiedelnng der agri decu- 
mates (Germ. 29) lautet: „^on numeraverim inter Germaniae populos, quam- 
quam trans Ekenum Danuviumgue consederint eos qui decumates (codd. B c: 
decumathes) agros exercent. Levissimus quisque Gallorttm et inopia audax du- 
bia^ possessionis solum occupavere, rnox limite acto promotisque praegidüs 
sinus („Ansbuchtung", Vorland) imperii et pars provineiae habentur." Wenn die 
römische Regierung gallischen Scbaaren die Occnpation des rechtarheiDischeu Vor- 
landes ihrer Provinz erlaubte, wird sie den eigenen Bürgern erst recht das tue occu- 
pandi zugebilligt haben d. h. das freie Anbanrecht, wie es anf dem ager pu- 
blicus der Republik galt: den Landerwerb possessorischen aber faktisch dem 
vollen Eigentum gleichwertigen Rechts. Wie die alten possessores mtlBsen die 
Occupanten des Decumatenlandes eine Quote gezahlt haben. Man wird daran 
festhalten mtlssen (trotz Riese, d. röni. Germ. i. d. Litt. p. 471)*), dasa die 
agri decumates von einer decuma pars, dem von den Occupanten zu entrich- 
tenden Zehntel des Bodenertrags, ihren Namen haben. Von dem ager publieus 
der Republik wurde nach Appian (b, c. 1, 7) ein Zehntel bei Anbau mit Saat, 
ein Fünftel bei Anbau mit Pflanzung geleistet. Mit Recht betont Mommsen 
(R. G. V, 138 Anm.), dass ein solches Oecupationsreeht nnr für die Republik 
bezeugt ist; vielleicht bieten aber eben die agri decumates des Neckargebiets 
einen Beleg fUr die Fortdauer jener Institution in der Kaiserzeit. Die In- 
schriften aus den afrikanischen saltns haben ja gezeigt, dass auf den kaiser- 
lichen Gdtem, deren Verwaltung sich vielfach mit älteren Normen, wie täe 
unter der Republik galten, beröhrt *), ein sichtlich dem alten Oecupationsreeht 
auf dem ager publicua nachgebildetes ius occupandi mit Quotenleistung (meist 
„tertiae partes") existierte. 

Stellt man für die agri decumates die Frage, welcher Bodenkategorie sie 
angehj^ren, so kann kein Zweifel sein, daes sie ager arctfinius d. h. weder an 
Private noch an Gemeinden assignirtes Land sind. Die beiden anderen Kate- 
gorien (vgl. über sie Mommsen, zum röm. Bodenrecht, Hermes XXVII, 83 f.), 



1) „. . von einem Namen Decuma oder Ad decumam (sc. lapidem), den der n 
sprüngliche Hauptort dus mittel rheinischen Gebiet» j^eführt hftben muBS." 

2) Vgl. nieine Erklärung der lex Manciana (Abhandl. der Egl. Qe». d. Wiss. s 
Göttingen, phil.-hiflt. Klaase. N, F. Band II, Heft 3 [1897]). 



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Flurteilung und Territorien in den rSmiiichen Rhelulaodeu. 39 

der ager diviatis adsignattis nnd der ager per extremitatem meneura compre- 
hensus sind ansgeechloasen, da beiden i^meinsam iBt die Ver^bnng von Land 
an (Stadt-)Genieinden, indem der ager div. ad^. sich anf das an die Colonisten 
vergebene '), der a. p. extr. m. compr. sich anf das der Gemeinde als Samt- 
eigentnm ttbergebene Land (den „ager vectigalis'*) *) bezieht. Rom bat aber 
Gemeinden, dxs Substrat dieser beiden „qutditatea agrorum", anf den agri 
decnraates nicht gegründet. Nor das den peregrinen Gemeinden wie der 
„civitas Sueborum Nicretium" (s. o.) flberlassene Land wird man als „ager 
p. extr. mensura comprehensus, cutus modus univer^ts civitati est adsignaius" 
bezeichnen mUssen, denn die dieser Genseinde Uberlassenen Landstriche sind 
„fines genti adsignati" : so heisst solches Land nach Answeis einer afrikani- 
schen Inschrift *). Der ager arciflniue, wie der a. pubUcus in der Kaiserzeit 
heisst, bednrfte weder der Feststellung der Grenzlinie noch der Ansmessting 
seines Areals: er galt in dubio als nach dem Ausland hin nnbegrenzbar nnd 
benötigte, da Anweisnng an Gemeinden oder Private fehlte, auch nicht eine 
die Assignation einleitende Limitation oder Vermessung des Landes in Centn- 
rien. Aber zulässig war sowohl Grenzfeststellung als Vermesenng — das 
wird ansdracklich betont — und sie kamen oft genug vor (s. M o m m s e n 
a. a. 0. p. 83). So finden wir z. B. das ehemals dem Staat, später dem Kaiser 
gehörende Land am Bagradas im proeonsularischen Afrika in Centarien vermessen 
(s. meinen Aufsatz „die lex arae Hadrianae" Hermes 1894 p. 220 und lex Manciana 
p, 19). Damit haben wir die Bestimmung der auf dein oben bebandelten Stein ge- 
nannten Centnrien gewonnen: es sind die Centurien, in welche das Decumatenland 
eingeteilt war. Meitzen (Siedlung III p, 157) will in der Feldmark von Fried- 
berg in der Wetterau (Oberheseen) noch Reste der römischen Genturiation erkennen. 
In der That sind anf der von ihm mitgeteilten Karte (Anlage 34 zum 3. Band) 
mehrere Centnrien deutlich zu erkennen. Ftlr den römischen Ursprung dieser 
Feldteilung spricht, dass sich innerhalb der Centnrien die Reste römischer 
Villen gefunden haben. Spuren der Limitation weist besonders stark das Ge- 
biet von Parma, Fadua und Capna auf. Auch bei Carthago sind die Centurien 
erhalten (vgl. aber die Reste der römischen Flurteilnng meinen demnächst in 
den Abhandlungen der Gesellschafl der Wissenscbaften za Göttingen erscheinen- 
den Aufsatz). 

Die Existenz einer kaiserlichen Domäne, des aaltua SumelocennensU (s. o.) 
in dieser Gegend passt vortrefflich zu der Annahme, dass dieses Gebiet ager 
publiais gewesen ist. Wie in Afrika wird anch hier der Kaiser die Domäne 
vom Aerar tiberkommen haben. 



1) ager divisaa adngnatut coloniarum. 

2) a. mensura comp, cuius uninertus modus civitati est adsignatua. 

S) CIL. VIII, 8818: . . . fines adsignaii genti Nvmidarum. Ein ähnlicher Fall 
liegt C. VIII, 8369 vor, welche Inschrift dem StAmm der Zimizes ein Gebiet 2 
Über diese Territorien vgl. meinen Änfiiatz„d. pei-egr, Gnugemeinden" a. ä. 0. p. I 



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M Schtilten: 

So spärlich anch die Zengnisee fUr die rßmiache Flurteilnug in den Rhein- 
landen sind '), so wichtige Schlileee scheinen sie mir doch zuzulaBsen. 

Das einzige Zengniss, wekihes daa agrimensoriBche Corpus ftlr „Germania" 
anführt, ist die Erwähnung des pes Drusianus, als der im Gebiet der Tiuigri 
angewandten Maasseinheit (s. o. S. 27). Da die Tktngri nicht 20 Germanien ge- 
hörten (b. 0.), kßuDte ieb die Stelle flbergehen; sie sei aber £v nopöiKp mitbe- 
handelt Der Name kann wobl nur auf den älteren Draens, den Begründer 
der römischen Herrschaft am Rhein, ztirUckgefHhrt werden. Der von Drasos 
angewandte Fn^ differiert von dem römischen (pes DruBianns = 1 '/g pedes), 
mnse also ein einbeimieches Maaes gewesen sein, wie Bich deren die Agrimen- 
soren mehrfach bedient haben. So wnrde z. B. in den keltischen Ländern 
nach der arapennis, dem heutigen Arpent, gemessen *), im Osten nach nX^Spa; 
in Kyrene war der pes Ptolemaicus (= |t rfim. Fnss] die Maasseinheit (s. 
Feldm. II, 282). 

So viel ich sehe, ist die Erwähnung des pes Drusianug in ihrer Bedeu- 
tung fflr die Geschichte der römischen Occnpation am Rhein noch nicht gewflr- 
digt worden. Der peg Drugianm ftthrt zu der Folgerung, dass bereits Drusus 
am Unterrhein yermessen und zwar offenbar Land Tcrmessen hat; denn bei 
der Absteckung von Distanzen zu anderen Zwecken wflrde er sich natflrlieh 
nicht eines peregrinen Maasses bedient hai>en. Die Anwendung desselben kam 
nur in Frage, wo im AnscblnsB an die bestehende einheimiBche Flurteilung — 
die fiConaeo'atio vettig", wie die Feldmesser sagen (Feldmeraer II, 377} — , 
die römiBChen Ansprüche mit der Messmte geltend gemacht oder die peregrinen 
Hessnngen naehgeprtlft wnrden. Das Bestehende zu Bchonen und aufzunehmen 
ist der Grundsatz der römischen Colonisation. 

Die Vermessung deB Gebiets der Tungri kann nor geBcbeben sein bei dem 
von DniBus i. J. 13 u. ff. v. Chr. vorgenommenen Census der gallischen Pro- 
vinzen, dessen Grundlage die Vermessung des Landes znr Anlage der Grund- 
steuer (vectigal) bildete. 

Betragt man, wie das fflr Gallien mit solchem Erfolge geschehen ist, die 



1) Nicht hierher urehört wohl die Inschrift Brstnbach N. 640 (Oherwinter bei 
Remagen), in dereine PERTIC[a] VIATORIA (?) erwähnt wird. Die Inschrift lautet: 
SECVNDVS 
OECCOL.AVQ. 
EX-EVOCA/G- 
CVM-PERTIC- 
flATORIA 
V-S- L- M- 
Ich weiss mit ihr nicht« anzufangen. 

2} Die arapennis als Landmaass in der Inschrift C. XII, 1657. Sie kommt vor 
in der Narhonensia, in Pannonien (C. III, 10275: vineae arp. CCCC) und in derPoebene 
(C. V, 6587: arelpennes]): das sind «lies keltistho Lander. Für Gallien bezeugt 
den Arpent Columella (1, 5, 5), für die Baetica (?) leidorus (orig. 15, 15, 4 = Feldmesser 
I, 368, ]}: ghunc Betici [oder Boetiä] ari^ennem dicufW). 



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Flurteilunf^ und Territorien in den römischen Rheinlanden. 41 

Ortsnamen, so findet eicli, dass die aaf einen fundus zurOckfflhrenden and 
auB dem Namen eines rOmiscben possessor und der Endung -ianus (oder 
Plural -iana) zasammengesetzten Ortsnamen am Rhein fast ganz fehlen, 
ebenso wie die mit der keltiBchen Endnng -acus gebildeten. Juliacum (JU- 
lich) ist zwar benannt nach dem Gentile Julius, aber das ist wobl nicht 
der Name eines Grnndbesitzers, sondern des divug Julius. Ebenso heisst 
der Ort Tiberiacam (It. Ant. p. 375) wohl vom Kaiser Tiberins. Da- 
gegen durfte Geminiacum (It. Ant. p. 377) anf den fnndus Geminiaeus eines 
possessor Geminins znrUckznfQfaren sein. An Ortsnamen auf -ianus finde ich 
nur Rufiniana (seil, praedia) im Gebiet der Nemeter (Plolem. 2, 9, 9). Die 
Seltenheit solcher anf römische Landgüter zurttekznfUbrenden Namen ist ver- 
glichen mit ihrer Hänögkeit in Gallien nnd Italien auffallend und verlangt 
eine Erklärung. Es wird zn sagen sein, dass am Rhein grtfflse Güter römi- 
scher Possessoren mit eigenen ColonendOrfern wenige bestanden haben. Im 
Decumateoland, wo es sie gab (s. oben), haben die Possessoren nicht Dörfer — 
tuif denen jene Namen berabeu — sondern Höfe angelegt, deren Nainen nur 
dann za Ortsnamen werden, wenn sich aus der villa ein ticus entwickelt, was 
dort unten nicht geschehen ist. Von allen den vici der Kheinprovinzen (s. 
S. 29) trägt wohl nur der vicus Lucretius den Namen eines Grundherrn. 



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3. Zur Geschichte des FrankenkOnigs Chlodowech '). 



Von 
TVflhelm LevlMii. 



Immer mehr ist vor äem prüfenden AD£:e der Forsclinng der Umfang 
der Thatsacben Kns&mmengescbwuDden, die als znverläseige Überlieferung Aber 
CblodowecbB I. Thaten nud die Begründung des Frankenreiches gelten dQrfen, 
wid immer auBgedebnter ei-wies sich der Kreis der Entäblungen, die vor der 
Anfzeicbnnng durcb das Prisma der lebendigen Überlieferung des Volkes^) 
oder der Kircbe bindnrcbgegangen waren. Während so der Bericbt Gregors 
von Tonrs, der einzige, der — von abgeleiteten Quellen abgesehen — Cblodo- 
weehs ganze Herrscher/eit umfasst, znm grossen Teile als sagenhaft erkannt 
wurde, schienen lange Zeit wenigstens seine apärlicbeu Zeitangaben und die 
von ihm eingehaltene Ordnung der EreigniBse ah fester Kern bestehen m 
können. Aber im Lanfe der letzten zwei Jahrzehnte drohten anch diese ein- 
zigen Stutzen des Gebäudes dabinznsinken, und man bemUhte sich nun, ans 
einzelnen TrQmmem einen neuen Aufbau zustande zu bringen. Noch Richter') 
hatte die Zeit der "Ereignisse anä Chlodowecbs Herrschaft im wesentlichen im 
Anschlüsse an Gregor bestimmt; aber dann folgte eine Reihe von Dnter- 
sncbnngen Aber des Königs Alaniannensieg und Taufe, die bald diese, bald 
jene Zeitangaben Gregors fallen Hessen oder von allen abseben zu kOnnen 
glaubten. Nach dem Vorgange Useners*) setzte von Schnbert') neben 

1) Die Werke Gregors vonTourtt aind angeführt nach der Ausgabe von Arndt 
und Erusch (scr. Merov. I). Von Abteilungen der Monumenta Oermaniae historica 
werden mit Abkürzungen bezeichnet die Scriptores (sei*.); Scriptores reruin Merovin- 
gicarum (scr. Merov.); Aactores antiquissimi (auct. ant.); Epistolac (epist.); Legrum 
eectio II: Capitularia regum Francorum (capit.); Lcgum eectio III: Concilia (concil,); 
Legum tiectio V: Formulae (formnl.)i Diplomata (diploni.)j Poetae Latint medii aevi 
(poet. med. aev ). Var. ^ CaBeiodoii Variae, ed. Mommsen (anct. ant. XII). N. A. ^ 
Neues Archiv der Geseilachaft für ältere dentecbe Geschieh tsknnde. 

2) Vgl. beaoodera Oodefrotd Kurth, hialoire poMque des H^rovingiens, 1898. 

3) GuBtav Richter, Annalen der Deutechen Geschichte im Mittelalter I, 1S78, 
S. 33-45. 

4) Hermann Usener, anecdoton Holderi, 1877, S. 39-40. 

b) Haus von Schubert, Die Uuterwerfung der Alamannen unter die Fran- 
ken, 1884. 



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Zur Geschichte des Frankenkünlgs Chlodowech. 48 

die AlamaooeDScblacht dea Jahres 496 eine zweite in die ersten Jahre de« 
sechBtenJahrhonderts; Hodgkin'), Schnitze'), Boos^) nnd Hanck*) acfalossen 
sieb seinen AnsFDhrnngeD a». Weiter ging Vogel'^); er verwarf alle Jahresangaben 
Gregors und setzte den Alamannenkrieg 506, die Tanfe anf WeihnacbteD des- 
selben Jahres; aber er bestritt ihren ZnsammenbaDg mit dem Siege'), wie 
dies anch Haack') that. Während Busch*) die Zeit des Krieges nach Vo- 
gels Abhandlung fttr „nicht mehr zweifelhaft" erkUiie, erhob Ernacb') gegen 
deren Beweisfflhmng nnd Ergebnisse nachdrücklichen Einsprach, und auch 
Cipolla'**), Mommsen") und Hartmann") hielten sieb an Gregors Zeitbe- 
Btimmong der Alamannenseblaeht, für die Ruppersberg") eintrat. Gnnd- 
lach'*) verwarf 496 als Zeit der Tanfe; nach seiner AnBicht hing Chlodoweeh 
mit seinem Volke bereits 486 dem Gbristentnme an, „als er znr Erobernng 
des Römischen Reiches in Gallien auszog". Auch Krusch") löste die Taufe 
ans dem Zusammenhange mit dem Siege und liess sie erat 508 nach dem 
Westgotbenkriege zu Tours — nicht zu Reima — erfolgen. Dagegen hatKnrtb'*) 
wieder die herkömmlichen Ansätze vertreten, Sefalacbt und Taufe 496 gesetzt 
und Reims als Schauplatz der letzteren in Ansprach genommen, unter der Zu- 
stimmung von Demaison*'), der die Stätte der Taufe innerhalb Reims näher 
zu bestimmen suchte. In Bezng auf Alamannenkrieg und Bekehrang Ghlodo- 

1} Thomas Hodgktn, Italy and her invadors III, 1885, S. 389—891. 

2) Walther Schultze, Deutnche Geschichte von der Urzeit bis zu deu Karo- 
lingern II, 1896, S. G4-G6. 

3) Heinrich B 009. Geschichte der rheinischen Städtekultur I» 1897,8.111-118. 

4) Albert Hauck, Klrcheuj^eschichte Deutschlands t, 1898, S. 318 f. 

6) Friedrich Vogel, Chlodwig's Sieg über die Alamaunea und seine Taufe. 
Historische Zeitschrift LVI, 18S6, S. 385-403. 

6) Zuletzt hat Vogel N. A. XXIII, 1897, S. 74 Anm. 1. die Ansicht ausgespro- 
chen — die Beweise stehen noch aus — „dass Chlodwig die Alamannen erst iin Herbst 
fi07 niederwarf, Weihnachten darauf die Taufe nahm uud erst im FrUhjnhr 508 den 
Krieg gegen die Westgotheu eröffnete*. 

7) Albert Hauck, Kirchengeschichte Deutschlands I, 1887, S. 108 f; 2. Aufl., 1898, 
S. 111 f., 579 f. 

8) Wilhelm Busch, Chlodwigs Alamannenscblacht (1). Pragrammbeilage des 
GymnasiamB zu M. Gladbach 1894, S. 14. 

9) Bruno Erusch, Chlodovechs Sieg Über die Alamannen. N. A. XII, 1886, 
S. 289-301. 

10) Carlo Cipolla, memorie della Reale Accademla delle Scienze dl Torino, serie 
II, t. XLIIl, 1893, S. 106—108. 

11) Theodor Mommsen, auct. aut. XII, 1894, p. XXXII— XXXIV. 

12) Ludo Moritz Hartmann, Geschichte Italiens im Mittelalter I, 1897, S. ISö 
nnd 171. 

13) A. Buppersberg, Über Ort und Zelt von Chlodwigs Alamannensieg. Bonner 
Jahrhflchet CI, 1897, S. 38-61. 

14) Wilhelm Grundlach, N. A. XIH, 1888, S. 380-382; XV, 1890, S. 246'). 
16) Bruno Krusch, Die altere V. Vedastls und die Taiife Chlodovechs. Mit- 

thelluugen des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung XIV, 1893, S. 427—448. 

16) Godefroid Kurth, Clovis, 1896. 

17) L. Demalson, le lieu du baptftme de Clovis (Kurth, Clovis p. 616—628). 



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44 Wilhelm LeTison: 

wecbs fanden Gregors ErzähluDgen im »llgemeiueD anch Wiedergabe bei Haa- 
deeoeur*) und Stein*), wie in den Werken von Dahn*) und Lamprecht*). 
Bei diesem Stande der Forschung ") mag es vielleicht angebracht erscheinen, 
die Ursachen der vielen entgegengesetzten Ergebnisse darxnlegen und aufs 
neue za tmtersnchen, wieweit die dflrftige Überlieferung fiberhatipt eine sichere 
Erkenntnis gestattet. 

Das zweite Bncb der Frankengescbichte Gregors von Tours enthält bei 
der Darstcllnug von Chlodowecbs Herrschaft folgende Zeitbestimmungen und 
folgende Anordnnng der Hauptereignisse: 

1. anno antem quirtto regni etug Sturz des Syagrius, der durch deo 
WestgothenkOnig Alarich ausgeliefert wird (c. 27, p. 88). 

2. decitno regni sui anno Thoringis bellum intulit eosdemque suis dicci- 
onibuB snbiugavit (c. 27, p. 89). 

3. Heirat von Chlodowech ond Chrotechildis (c. 28, p. 89 — 90), 

4. Bekehrnngsrerauche Chrotechildens; Geburt und Taufe zweier Söhne, 
Tod des ersten, Krankheit des zweiten (c. 29, p. 90 — 91). 

5. Gblodowechs Bekehmng in einer AlamaDnenschlaeht: actum anno 15. 
regni sui (c. 30, p. 91—92). 

6. Chlodowech und Remigins, seine Taufe (c, 31, p. 92 — 93). 

7. Krieg gegen Gundobad, Ende Godegisels (c. 32—33, p. 93—96). 

8. Zusammenkunft Chlodowecbs und Alarichs (c. 35, p. 98). 

9. Krieg gegen die Westgothen ; Rettung eines Klosters bei Poitiers 
durch de» Abt Maxentius: Anno 25. Cklodoveehi. Interea Sieg des KOnigs 
Ober die Feinde (c. 37, p. 99—102). 

10. Chlodowech in Tours {c. 38, p. 102). 

11. Beseitigung des übrigen Fränkischen forsten (e. 40—42, p. 103—106). 

12. Chlodowecbs Tod: migravit autem pogt Vogladinse bellum anno 
quinto. fueruntgue omnes dies regni eitis anni 30; aetas tota 45 anni, a 
transitu ergo sancti Martini nsqne ad transitnm Chlodovechi regis, qui fuit II. 
anni episcopatns Licini Tnrouici sacerdotes, supputantur anni 112 (c. 43, p. 106). 

Die Folge der Ereigni^e bei Gregor enthält in sich keine Widersprüche ; 
gelegentliche Bemerkungen Ober die Teilnahme Chloderichs an der Gothen- 
sehlacht (e. 37, p. 101), über Ragnachars (c. 27, p. 88) und Chararichs (e. 41, 
p. 104) Verhalten beim Kampfe gegen Syagrius stimmen zu der Stellung, die 



1) A. Haudecoeur, Saint Remi, 1896 (vielfach Auszug aus Kurtbs Werk). 

2) Friedrich Stein, Die Urgeachlchte der Frnnlien und die Griinduni; des 
Frankeureicfaet) durch Chlodwig. Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken 
und Äschaffenburg XXXIX, 1897, S. 1-220, 

3) Felix Dahn, Deutsche Geschichte 12, 1888. 

4) Karl Lamprecht, Deutsche Geschichte l*, 1894. 

5) Unsugänglich blieben mir folgende Schriften des JubiiHumnJahres 1896: Ed. 
d'Avenay, Saint Remi de Reims; L. Carlier, Vio de S. Remi; 0. Havard, Clovis 
ou la France au 6. siöcle; J. B.,Klein, Clovis; Tonrnier, CIovib et la France au bap- 
tistöre de Reims; ebenso Q. Kurth, Sainte Clotilde, 1897, und Jubaru, Clovis a-t-il 
ktb baptise h Reims? (^tudes religicuses LXVIII, lS9<i, p, 292—320.) 



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Znr Oeschicbt« des Frank enkönigs Cblodowech. 4& 

Gregor der Enählnog ihres Endes im Lanfe der Darstellung anweist. Die 
knappe Form der Jaliresangaben, ihre xiim Teil an Urkandensprache eriu- 
nemde Fassnng lässt die ZeitbeetimiimDgea sich deutlich von ihrer Umgebung 
abheben und nameutlicb vor den auf mllndlieher Überlieferung beruhenden 
ansfAhrlichen Erzähluiigeo hervortreten. So glaubten Junghans')) Monod^, 
Arndt*} und Kurth*) in jenen Zeitangaben Reste von Jahresaufzeichnungen 
zo besitzen, die Kurth näher als Annalen von Tours bestimmte, Anr^eiehnungen, 
die den Schloss zu gestatten schienen, „qne si le detail des ^v^nements du 
r&gne de Clovis et de ses fils, a it€ foumi & Gregoive par la tradition orale, 
il poBs^dait pourtant dans des documents historiques, pr^eis et dignes de foi, 
ta mention s&che et aommaire des faits principaux, et la date exaote de quel- 
ques-nns d'entre enx. Nous pouvone par consäquent accorder notre eoDÜanee 
k l'ensemble de son r^cit" ^). Dennoch haben diese Jahresangaben Bedenken 
erregt*) und mit vollem Rechte; mnsste doch die merkwtlrdige Rolle auffallen, 
die die FOnfzahl in Chlodoweehs Gesehiehte spielt: Der Künig besiegt im 5, 
Jahre seiner Herrschaft den Syagrins, im 10. die Thoringer, im 15. die Ala- 
mannen, im 25. Alarich; er stirbt im 5. Jabre nach dem Gothenkriege, nach 
30jäbriger Herrschaft nnd einer Lebensdauer von 45 Jahren. So zerfällt sein 
Leben in drei gleiche Abschnitte, geschieden durch Thronbesteigung und Be- 
kehrung. Diese Bedeutung der Fflnfzahl im Berichte Gregors erscheint htiehst 
sonderbar and rnttss Verdacht gegen die Glaubwürdigkeit der Zahlen erregen. 
Verschiedene MOgliebkeiten bieten sich dar. Sind die Angaben gänzlieb un- 
begrflndet und mit Vogel völlig zu verwerfen, etwa hervorgegangen aus kSnst- 
lieber Bereehnnng, einer Art Zahlenspielerei, die Chlodoweehs Tbaten in glei- 
chen Abständen über die Zeit seines Lebens verteilen wollte? Oder entsprechen 
sie der Wirklichkeit und verdanken dem Spiele des Zufalls ihre aufflllltge 
Gruppierung? Oder ist der Mittelweg der richtige, sind die Zahlen etwa un- 
genau und ihre seltsame Gleichartigkeit bedingt durch die Anlage von Gregors 
Quelle? Derart urteilte Arndt, der eine solche Anordnung vermutete, „ut 
post annum regis promotnm quatnor qni insecutl sunt anuorum spatiam va- 
caret". Eurth dachte an „fastes quinquennaliees" nnd hielt es fitr wahr- 
scheinlich, „que . . . l'anteur des Annales Turoniennes . . . partageait son 6crit 
en pdriodes de cinq annäes" nnd dass Gregor „aurait rapportä par errenr 
cbaque fois, k I'annäe initiale de ces periodes quinqneanaies, la date des faits 
qu'il trouvait mentionnis eomme s'^tant pass^ pcndant cbaque p^riode". 

1) Wilhelm Jnng'hans, Geschichte der Fränkischen Könige CfaUderich nnd 
Chlodovech, 1857, S. 151—152. 

2) Gabriel Monod, Stades critiques aur les sonrcex de Thistoire m^rovingienne 
I, 1872, S. 86-86. 

3) Wilhelm Arndt, scr. Merov. I, p. 22. 

4) Godefroid Kurth, los sources de l'histoire de Clovia dana Orggoire de Tours. 
Revue des qneationa hiatorlques XLIV, 1888, S. 888-396; Clovia S. 690—691. 

6) Monod a. a. 0. S. 86. 

6) Arndt a. a. O. Anm. 5 und in der Jenaer Li teraturzeitnng 1875, n. 48, S. 845; 
von Bchnbert 8. 147, Anm. 4; Vogel S. 886; Kurth, sonrc^ S. 396. 



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46 Wilhelm Levison: 

Stellen so Gregors Zeitbestimmungen Bcfaon io ihrer Gesamtheit diese 
Fragen, so kommen dazu noch besondere Bedenken ftlr zwei der Jahresan- 
gaben, die Zeiten der Älamaanenschlacbt nnd des Gothenkrieges, die nur in 
einem Teile der Handschriften vermerkt werden. So fehlen die Worte: „actum 
anno lö, regni sni" und „anno 25. Gblodovecbi" in dem wertvollen Codex 
A 1, finden sich aber in den Haudschriften der Reihe B, der die ftltesten Gre- 
gortexte, solche des siebenten Jahrhunderts, angeboren. „Omoes Historiae 
Frauconim Codices lacunis qnidcm laborant" *). Hat man diesen Gesichtspunkt 
auch hier anzuwenden, sind die in keinem Zusammenhange mit dem Fort- 
gange der Er/ähtnng stehenden, ursprünglich vielleicht an den Rand gesetzten 
Worte iu A 1 durch Versehen des Schreibers oder mit Absicht weggelassen 
worden, oder liegt in den anderen Handschriften ein späterer Zusatz vor? Die 
historia epitomata des sogenannten Fredegar kennt beide Zahlen nicht; aber 
ihr Schweigen beweist nichts fUr die zweite Möglichkeit, da sie nur einen 
Auszug darstellt ond z, B. auch die Worte über den Tboringerkrieg nicht wie- 
dergiebt, die sich in alten Gregorhandsehrifteo finden. Der liber historiae 
Francorum enthält keine Zeitangabe zum Gothenkriege — wohl, weil er ancb 
die vorhergehende Geschichte vom Abte Haxentins flbergeht — jedoch zum 
Alamannensiege bemerkt er*): acta mnt Tiaec anno 15. Chlodoveo regnante, 
Worte, die aus dem 727 geschriebenen Buche nicht in Gregorbandschriften 
des siebenten Jahrfannderts eingeschoben worden sein können, mithin eben aus 
Gregors Werk entnommen sein werden. So erweist sich die eine Zahl als 
urgprflnglicher Besitz Gregors, und damit wird das Gleiche fUr die andere 
Zahl wahrscheinlich *). Hit der Annahme eines späteren Zusatzes, der doch 
sehr frflb erfolgt sein müsste, wird die Frage nicht gelöst, sondern nur ver- 
schoben. Sollte man dennoch beide Angaben nicht ftlr ursprllnglicb halten, 
vielmehr vermuten, die Zahlen 15 und 25 verdankten ihre Einfügung dem 
Wunsche, die Reihe 5, 10, 30 zu vervollständigen, so ist dann nicht einzn- 
sehcn, warum nicht auch das 20. Jahr — der Burgnnderkrieg bot eine passende 
Gelegenheit — eingeschoben wurde. Dieses Fehlen der Zahl 20 in der Jahres- 
reibe spricht entschieden auch gegen die Annahme einer dnrch Gregor vorge- 
nommenen künstlichen Datierung. So vermag ich nur anzunehmen, 1. dass 
jene beiden Zeitbestimmungen zum ursprünglichen Bestände des Gregortextea 
gehören; 2. dass alle diese Zahlen nicht einer schematischen Anoi-dnung Gre- 
gors ihren Ursprung verdanken, sondern von ihm einer seiner Quellen ent- 
nommen wurden; 3. dass ihre seltsame Einförmigkeit wahrscheinlich auf der 
Anlage dieser Quelle beruht. Man hat sich diese, wie schon Arndt and 
Kurth vermuteten, so angelegt zu denken, dass immer jedes fünfte Königsjabr 
hervorgehoben war nnd in die so entstehenden Abschnitte von Jahrfünften Er- 



1) Arndt, scr. Merov. I, p. 18. 

2) c. 15 (Bcr. Merov. II, p. 262). 

3) Vgl. c. 43 (p. 106): tnigrr&vit autem post Vogladin 
emntque omnes dies regnl eins aani 30. 



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Zur Oeechlchte des Frankenkönige Chlodowech. 47 

eignieee eingetrageD wnrden; diese mochten znm Teil wirklich dem Anfangs- 
jahre des Lnetninis entaprechen, teilweise aber einem der Tier folgenden Jahre 
angehören nnd vielleicht erBt durch ein Missverständnis Gregore iDsgeeamt 
anf das erste Jahr bezogen worden sein. So bedarf es in jedem einzelnen 
Falle der Untersnchung, ob wir ans mit Gregors Zeitangaben ohne weiteres 
znfrieden geben mitssen oder ob wir imstande sind, sie durch Heranziehung 
anderer Qnellen aaf ihre Genauigkeit und Zarerlässigkeit zu prttfen. 

Zu diesem Zwecke ist es notwendig, Chlodowechs Königsjabre in Jahre 
n. Chr. umzusetzen und dafttr zunächst einen geeigneten Änegangspunkt za 
gewinnen. Dieser bietet sich im Tode^ahre des Königs. Nach Gegor starb 
Chlodowech 112 Jahre ,,a transitn sancti Martini"'), im elften Jahre des 
Bischofs Licinius von Toars, Aber diese Synchronismen sind unbrauchbar, 
weil sie sieh widersprechen. Vom Todesjahre Martins von Tours aas, dem 
Jahre 397*), führt ein Abstand von 112 Jahren auf 509. Dagegen ergiebt 
die Summe der von Gregor, bist. X 31 für die einzelnen Bischöfe von Toars 
gegebenen Zahlen bis zum U. Jahre des Licinius nicht 112, sondern mehr als 
123 Jahre, fahrt also auf 521. Mindestens eine der beiden Zeitangaben muss 
also falsch sein. Somit ist Chlodowechs Todesjahr auf anderem Wege zu be- 
stimmen. 

KUnig Theudebert starb nach der Chronik des Bischofs Marins von Aren- 
ticum 548 (auct. ant. XI, p. 236), nach Gregor. III 37 (p. 140) und IV 51 
(p. 188) 37 Jahre*) „a transitu Chlodovechi", Chlothar I. nach Marias 561 



1) Vgl. IV 51 (p. 188): a transitnm sancti Martini usqne ad transitam Chlodovechi 
regia anni 112. 

2) Gregor, hist. I 48 (p. 55), X 31 (p. 444); de virtut. 8. Martini I 3 (p. 689). Reln- 
kens, Martin von Tours, 1866, S.245~K7, hat für die BcBtimmung von Murtlns Todes- 
jfifar gegenüber den Daten des viel aptiteren Gregor an sich dnrchans metliodiacti die 
Angabe des Zeitgenossen Sulpicius Sevems za Grunde gelegt, dase Martin nach dem 
Trierer PriBciilianistenhaudel (385) „sedecim posten vixit annos" (dialog. ITI 13, 6, cd. 
Halm p. 211), und danach Martina Tod ins Jalir 401 gesetzt (vgl. scr. Merov. I p. 589, 
n. 8). Da aber 397 von Gregor in doppelter und übereinstimmender Weise bezeichnet 
wird, einmal durch das Consnlat des Atticus und CtlBarins, dann als 2. Jahr des Ar- 
cadiuB und Honorius (offenbar nach einer Chronik^ die 395 nnr als letztes Jahr des 
Theodosius anfahrte und die Jahre seiner Sölme erst mit 396 begann), da femer das 
von Gregor gegebene Verzeichnis der Bischöfe von Toui-s (X 31) allein zum Jahre 397 
venigstens annähernd stimmt, so halte ich doch mit Duchesne (les anciens catalo- 
gnes äpiscopaux de la province de Tours, 1890, S. 24, Änm. 1) 397 für Martins Todes- 
jahr, indem ich mich seiner Vermutung anflohliesse, dass „eedecim' bei Sulpicius Se- 
vems aaf den einfachen Schreibfehler XUI statt XIII znrtickgeht. Andere Angaben 
Gregors, die auf dos Jahr 401 (de virt. s. Martini I 32, p. 603; II 1, p. 608) führen, 
erklaren sich hinreichend durch falsche Rechnung Gregors, und wenn er endlich ,a 
passione dominl nsque ad traaaitum sancti Martini" einen Zeitraum von 412 Jahren 
annimmt (hisL I 48, p. 56; IV 51, p. 188; X 31, p. 449), so kann diese Zahl zur Zeit- 
bestimmung überhaupt nicht In Betracht kommen. 

3) Vgl. III 23 (p. 131) und 37 (p. 140): Theuderich I. stirbt „vicinsimo tertio regni 
Bui anno", Theudebert ,14. regni sul anno". 



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48 Wilhelm Levleon: 

(p. ^37), nach Gregor. IV 21 (p. 158) „anno quinquaginsimo primo regni Biii">). 
Diese Aogaben bestätigen and ergänzen eioander; sie fuhren anf 511 »U 
Ghlodowechs Todesjahr. Näher wird die Zeit seines Dahinecheidens bestimmt 
dnreh die Unterschrift der zu des Königs Lebzeiten gefaasten Beschlüsse der 
ersten KirehenversammlnDg von Orleans (concil. I, p. 9): „CyprianuB episcopos 
de Bordigala sascribsi in die VI. idns mensis qointi, Feiice v. c. cuDBiilei 
Chlodowech starb also nach dem 10. Jnli 511. Noch weiter Fuhrt eine Unter- 
sefarift des 5. Konzils tod Orleans (concil. I, p. 108): „notavi die V. kal. No- 
vembris, anno XXXVIII regni douini Chiidebertbi, indictione tertia decima". 
Die 13. IndictioD nmfasste die Zeit vom 1. September 549 bis znm 31. Augnst 
550 ; es kann sich also nur nm den 28. Oktober 549 handeln. Da dieser nan 
in Childeberts 38. Jahr fiel, der KOnig aber mit seinen BrUdem 511 den Thron 
bestiegeD bat, so kann sein erstes Jahr erst nach dem 28. Oktober 511 be- 
gonnen haben, Chlodowech also erst nach diesem Tage gestorben sein*). Daza 
stimmen trefflich die Angaben von Kaiendanen der Biblioth&que Sainte Gene- 
riere zn Paris; sie melden zum 27. November (V. kal. Decembres) den Jahres- 
tag des grossen Küuigs Chlodowech (magni regia Clodovei)'). Dass man in 
der später der h. Genovefa geweihten Apostelkirehe, die dieser gegründet und 
in der er seine letzte Rnhestätte gefunden hatte*), den Todestag des Stifters 
nicht rergass, ist mehr als wahrscheinlich; vergleichen läsat sich Saint-Germain- 
des-Pr^, wo man die „depositio" seines Sohnes Chitdebert I., des dortigen 
Stifters, feierte"). Da Chlodowech jedenfalls nach dem 28. Oktober starb, so 
liegt gegen die Annahme des 27. November keinerlei Bedenken vor, aoeh wenn 



1) Chlotliar I. starb 561 nach dem 28. November, wie das Datum des Vertrages 
von Andelot (28. November 587) lehrt; „facm pactio sub die i. kalendas Decembris, 
anno 26, regnum domni Gunthchramni reg<s (dessen erstes Jahr alao Dach dem 28. 
November 661 begann), domni Childeberti (seit Dezember 575; scr. Mer. I, p. 191) vero 
12. anai" (scr. Merov. I, p.STT); vgl. Krusch, Forschungen zur Deutschen Geschichte 
XXII, 1882, S, 466. 

2) Diese Zeitangabe kamt als einer der von Mommsen (N.A. XVI, 1691, S. 61, 
Anm. 3} gewünschten Beweise für die Aunahine gelten, dass die Fränkischen Kfinigs- 
jahre vom Tage der Thronbesteigung bis su dessen kalendarischer Wiederkehr ge- 
rechnet worden, sieb aber nicht an das bürgerliche Jahr anschlössen. Denn im letz- 
teren Falle zählte a,]a Childeberts erstes Jahr die Zeit vom Tode Chlodowecbe bis znm 
nächsten Nei^ahrstago, also bis zum 1. Janaar oder 1. Hftrz 512, und der 28. Oktober 
549 Hele nicht in Childeberts 38., sondern 39. HeiTscherjabr. 

3) Bibliothfeque Sainte Genevifeve, Codices saec. XlIl/XIV n. 90 (fol. 7') et 1269 
(fol.Sr), über die ich der Liebenswürdigkeit von Herrn Dr. Ernst Diehl nähere Hit- 
tellungea verdanke. Vgl. Hadrianas Valesiua, rerum Fraucicarum libri VIII, 1G46, 
p. 313; Antonius Pagi, critica historlco-chronologica in universos annales ecclesiasti- 
cos Baronii II, 172T, p. 491; Dubos, histoire critique de l'^tablisaement de la monar- 
chie fran^oise III, 1734, p. 50—51; Viallon, CJovis le Grand, 1788, p. 473; Kurth, 
Clovis p. 662, n. 1. 

4) Gregor. Tur. bist. II 43 (p. 106). 

5) Usnardi martyrologium ad X kal. lan. (Migne, patrologiae ser. II, tom. CXXIV, 
col. 829). 



yGoot^le 



Zur Geschichte des Frankenkfinlgs Chlodowcch. 49 

sich des KCnigB Anniverearien erat im nennten Jahrhundert nachweiBen lawien 
sollten *). 

Chlodowech starb also am 27. Noreniber 511*), quinto anno nach dem 
Siege über die Gothen, den Gregor in das 25. Jabr des Königs setzt. Mithin 
sind die Worte: fueruntque omnes dies regni eius anni 30, so anfznfasaen, 
dass der Tod Chtodowecha in sein 30. Jahr fiel, dass dieses aber nicht voll- 
endet wurde. Da er erst gegen Ende des Jahres 511 starb, so ist es wahr- 
scheinlich, dass sein 29. Jahr in das Jahr 511 hineinreichte nod dass Gregors 
Zettangaben in folgende Jahre n. Chr. umzusetzen sind"): 

Gebart 466/7 15. Jahr 496/7 

Antritt der Herrschaft 482/3 25. Jahr 506/7 

5. Jahr 486/7 Tod Not. 511 

10. Jahr 491/2 

Es gilt nun, die ans Gregor gewonnenen Zeitbestimmungen an der Hand 
anderer Quellen zu prüfen. Die Angaben über Chlodoweehs Alter*) und den 
Thoringerkrieg müssen von Tomherein unberücksichtigt bleiben, weil sie ver- 
einzelt dastehen und entsprechende Nachrichten fehlen. 

Über die Zeit der Anfänge Chlodoweehs iässt sich nur das sagen, dass 
das Jahr 482 zu den im Grabe Childerichs I. gefundenen MUnzcn stimmt, 
deren späteste Zcnon (474 — 491) und Basiliskos (475—477) angehören'), so 
dass sieh für Childerichs Tod und den Beginn von Chlodoweehs Herrsebaft 
475 als tenninns post quem ergiebt. 

Ebensowenig ist es mOglich, genau die Zeit des Falles von Syagrius zu 
prüfen (486/7). Dieser flieht nach Tolosa zum Westgothenk^oig Alarich II., 
der Ende 484 seinem Vater Eurich gefolgt war'). Gegen Gregors Zeitangabe 



1) A. Molinier, les obitnaires franqais au moycn fkge, 1^90, p.29: ,Les cöl^bres 
anniversairea de Dagobert i, SaiDt-Denis, de Childobert ä Saiiit-Germain-des-Pr6s, de 
Clovls ä. Sainte-Qenevi^ve paraiasent ägaleinent dater du IX.« stiele". 

2) Blnding (Das Burgundiach-Romaniache Königreich I, 1868, S. 213) hat also 
folgODde Inschrift aus Coudea mit Unrecht 511 geactzt; In hoc toino'lo quioscit bo|ne 
memoriae { Paüadiua | vixit annus | XVII | transiet ktenidaa Septein|hris indictio | qiuta 
regia | Tcudorici (Le Blant, inscriptions chr^tiennea de la Gauli^ IT, 1865, p. 343, n. 570). 
Da Theuderich I. am 1. September 511 noch nicht König war, so konimen von deo 
drei an sich möglichen Jahren 5tl, 536 und 601 nur die beiden letzten In Betracht. 

8) Auffallend ist — ohne dass diese Thalsache weiter führt — daas diese Jahre 
zugleich den durch 5 teilbaren Indictionen entsprechen: 

486/7 6. Jahr ind. X ]| 496/7 15. Jahr ind. V 
491/2 10. Jahr ind. XV 1 506/7 26. Jahr ind. XV. 

4) Vergleichen lassen sich nur die Wendungen, die Theoderich Var, III 2 (p. 79) 
und 4 (p. 80) im Jahre 507 voq Chlodowech und Alarich IL gebraucht; regit iuvenes, 
fiorida aelate ferventes, aetale florentes. 

5) Chifict, anastasis Childerici, 1655, p. 255— 256; Cuchet, le tombeau de Chil- 
d6ric l«', 1859, p. 411, 432—433; Soetbeer, Forachungon zur Deutschen Geschichte I, 
1862, S. 548. 

6) Gegenüber den schwankenden Angaben der Chroniken lehrt die Untorachrift 
des Konzils von Agde (Sirmond, concilla nnttqua Galliae I, 1629, p. 173); „not. sub 

Jahrb. d. Ver. v. Alterlhitr. im Rhsinl. IM. 4 



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50 Wilhelm Levisoo: 

Bpricht also nichts, wenn BJch freilich auch ihre Genauigkeit nicht dartlmn 

läBSt. 

Mehr Bedenken bat die Zeit des toq Chlodowech au anbekanntem Orte >) 
errungenen Sieges über die Alamanoen (496/7) erregt wegen ihrer Ei-wähuung 
in einem Schreiben des OstgotcnkSuigs Theoderich an Chlodowech. Dieses 
fiodet sich in Caasiodors Bricfsammlnng (Var. II 41, p. 73), deren einzebe 
Stacke, wie Usener gezeigt hat^), erst nach 500 geschrieben sein kßnneii 
und nach Mommeens ") Ausführungen nicht über den Anfang von 507 zurQck- 
reicheo. Tbeoderich weist in seinem Briefe Chlodowech hin auf die gTossen 
Erfolge, die dieser gegenüber den Alamannen errungen habe; aber nnn solle 
der Franke mit den erreichten Lorbeern zufrieden sein und die erschöpften 
Reste des Volkes schonen, die sich anf Theoderichg Gebiet geflftchtet haben: 
„Memorabilis trinmphus est Alamannum acerrimam sie expavisse, Itt tibi enni 
cogas de vitae munere supplicare; Huffioiat illnm regem cum gentis cecidisse 
supcrbia, safGciat innnmerabilem nationem partim ferro, partim servitlo 
subingatam." Sei mit dem Errungenen zufrieden und massige dich! ist der 
Grundgedanke des Briefes, in dem Theoderich dem Frankenkönige nicht 
etwa zu einem erfochtenen Siege Glückwttnsche sendet, nelmehr ihn warnt, 
die Alamannen auf gothischem Boden zu beunruhigen. Die von Cassiodor er- 
wähnte Niederlag? des Volkes kann keine andere sein als die von Gregor 
berichtete; dies beweist der von beiden erzählte Fall des KOnigs, auf den auch 
Ennodins anspielt*). Das Schreiben ist etwa Anfang 507 verfasst; aber es 
ist darum keineswegs nßtig, die Schlacht ron 496/7 um ein Jabmehnt zu ver- 
schieben. Mit vollem Rechte bat Mommsen'} betont: „Omnino separandae 
sunt dnae res, victoria illa Francorum et receptio Alamannornm intra fincs 
regni Theodericiani" ; zwischen beiden Ereignissen kOnnen sehr wohl einige 
Jahre verflossen sein ^). Nirgendwo ist in dem Briefe angedentct, dass der 



die ni idua Septembris MessalR v. c. console (506), anno XXII. regni domni noslri 
Alarici regia", da&s Alaricbs I.Jahr vor dem 11. September 486 begann. Da nun die 
continaatio Prosperi Bavniensia (auct. ant IX, p. 313) -~ wenn auch znm falschen 
Jahre — berichtet: .Euricus res Oothorum penes ArelM urbem, quam ipae eeperat, 
moritar locoque eiua Alaricos Slitu eine confirmatnr V k. Jan.', eine Zeitangabe, an 
deren Richtigkeit zu zweifeln kein Grund vorliegt, so ist Alarlchs Uerrschnftsanfang 
auf den 28. Dezember 484 anzusetzen. Die Neueren haben zwischen 488 und den 
beiden folgenden Jahren geschwankt, zuletzt hat Yver (itudes d'hiatoire du moyen Ago 
d^di^es 4 Gabriel Monod, 1896, p. 41) sich für 485 entschieden. 

1) Zuletzt tat Ruppersberg a. a. O. wieder für ZUlpich eingetreten, ohne dass 
aber die Identität von Chiodowechs Siege mit dem vou Sigbert ausgefochtenen Kampfe 
bei Zülpiuh [Gregor. 11 37, p. 101) sich als mehr denn eine blosse Möglichkeit er- 
weisen liesse, die bei der Dürftigkeit der Quellen ebensowohl bestritten wie behauptet 
werden kann. — Die vita Vedasti (acr. Merov. III, p.406 — 408) kommt nach Kruacha 
Untersuchung fUr die Geschichte dea Älamaunenkrieges nicht mehr als selbständige 
Quelle neben Gregor von Tours in Betracht. 

2) Uaener a. a. 0. S. 70. 3) auct, ant XII, p. XXVII seq. 

4) panegyrlc. 15, 72 (auct. ant. VII, p. 212). 6) a. «. 0. 8. XXXIII. 

6) Ob man Fredegar. III 21 (acr. Merov. II, p. 101): „novem ann. cxolis a sedibus 



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Zur Oeschicbte des F ranken könljfa Chlodowech. 61 

Sieg ebeo erst erfochten sei; GaBsiodors Hinweis auf die rnlimvolle Schlacht 
soll Dar die AuffordernDg znr Mässigung begründen und rechtfertigen. So be- 
weist das Schreiben nichts gegen Giegors Jahresangaben ; aber es ergänzt 
Beinen Bericht. Es zeigt, dass mit dem Siege von 496/7 Chlodowechs Vor- 
dringen gegen die Alamannen nicht sein Ende fand, sondern dase er ein 
Jahrzehnt später — von der Zwischenzeit wissen wir nichts — aufs neue gegen 
sie vorging. Es Bind Bewegungen des Frankenkönigs, deren EenntniB wir allein 
diesem Briefe verdanken, die aber mit Theoderiohs Warnnng wohl ihren Ab- 
scblnss fanden, da Chlodowech sich bald darauf gegen Alarich wandte und 
die unter GothiBchem Schutze stehenden Alamannen dem Frankenreichc erst 
ein Henschenalter später anheimfielen, als fUr die Ostgotben bereits der letzte 
Kampf ums Dasein begonnen hatte >). 

Zwischen die Alamannenschlacht und den Westgothenkrieg fällt nach 
Gregor der schliesslich ergebnisloae Kampf Chlodowechs gegen den Bnrgnnder- 
kOnig Gtindobad, also zwischen die Jahre 496/7 und 506/7, Grenzen, die sich 
von fuiderer Seite her als richtig erweisen. Zum Konsulate dea Patricins und 
Hypatins, d. b. znm Jahre 500 berichtet MariuB von Avenehee auf Grnnd 
Burgandischer Annalen, die auch Gregor benutzt bat, von der Schlacht bei 
Dijon, Gundobads Flucht nach Avignon und seiner Wiedcrerhebung (auct. 
antiq. XI, p. 1^34). Dazu kommt eine Bemerkung in der dem 7. Jabrbnndert 
angehOrigen Gothaer Handschrift der Ostertafel des Victorius zum Jahre 
501 : „GundnbaduB fnit in Abinione" (auct. ant. IX, p. 729). Da nun diese 
Angabe sicherlieh anf Gundobads Aufenthalt nach seiner Niederlage geht*) 
und da Harius ohnedies seinen Bericht nicht auf das eine Jahr 500 beschränkt, 
Bondom mit einem Hinweise auf Gundobads letzte Jahre schliesst >), so scheint 
es mir nicht unwahrscheinlieb — wenn auch nicht sicher — daas der Rtlck- 
schlag auf den 500 erfochtenen Sieg der Fränkischen Waffen erst im folgen- 
den Jahre erfolgte *). Jedenfalls hat Gregor dem Burgunderkriege in der Folge 
der Ereignisse den richtigen Platz angewiesen ^)- 



eomm*', hiermit in Znsammenhang bringen darf, mnss bei dem Charakter der Quelle 
zweifelhaft erBcheinen. 

1) Agathlas I 6 (historici Qraeci minores, ed. Dindorf IT, p. 150). 

2) Vg'l. Marina a. a. 0.: „OundoliagaudaH Avinione latebram dedit", und Gregor 
11 32 (p. 94): pftt illo .... terga dedit fugamque iniit RhodanUidoeqne ripas percnr- 
rena Avinionem urbem ingrcditnr". 

3) regnnmqne, quem perdlderat, cum id quod Godegeselua habuerat, 

receptom aaque in diem mortia anae (516) feliciter gnbernavit, 

4} Allerdings verbindet Marius die Erzählung von Gnndobadi) Wtedererhebung 
mit der vorhergehenden Daratallnng dnrch ,eo anno', womit er aonst regelmÄsaig 
zu Ereignfasen deaaelben Jahrna überleitet. Doch ist der Bericht zum Jahre 600 
besonders ausführlich, Und ea finden sich auch einige Fälle, in denen mit ,eo anno' 
ein nenea Jahr beginnt (648, 656, 677, 580). Vgl. Wilhelm Arndt, Bischof Marina 
von Aventicnm, 1875, S. 25. 

6) Ob überhaupt and wann Chlodowechs Zusammenkunft mit Qundobnd statt- 
gefunden hat, von der die vita Eptadii 8 (acr. Merov. III, p. 189) erzählt, Iftaat alch 
nicht sagen; die vita acheint nach 11 (p. 190} an die Zeit vor 494 zu denken. 



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62 Wilhelm Levison: 

Endlich wird die von ihm gegebene Zeitbeatimmang dee Westgothenkriegeg, 
die anf 506/7 führt, durch andere Qaellen durchaus bestätigt. Die Chronik 
von Saragossa meldet '/,nm Jahre 507: „His diebus pngna Gotthornm et 
Francorum Bog^Iada ') facta; Alaricus rex in proelio a Francis interfectne est: 
regDum Tolosanuni destrnetnm est" (auet. ant. XI, p. 323) '), und die fälsch- 
lich dem SnlpicinH Sevcrus zugeschriebene chronica Gallica a. DXI berichtet 
zum 15. Jahre dea Kaisers Anastasius: „Occisus Alaricus rex Gotbornm a 
Francis" (auct. ant. IX, p. 665). Da diese Chronik des Kaisers 19. Jahr statt 
des 21. und das Jahr 547 der Spanischen Ära von 38 v. Chr. statt des Jahres 
549 dem Konsalate des Felix und Seenndinus (511) und der 4. Indiction (510/1) 
gleichsetzt^), so führt Anastasins' 15. Jahr ebenfalls anf 507, und dieselbe Zeit 
ergiebt sich, wenn einerseits Alariehs Herrschaftsdauer auf 23 Jahre angegeben 
wird *), andererseits seinem Nachfolger Gesalich 4 Jahre, Theoderich dem 
Grossen (f 526) 15 Jahre der Herrschaft Über die Westgothen zugeschrieben 
werden *). Gregors Angabe erweist sieh mithin als richtig *). 

Fassen wir nno die bisher gewonnenen Ergebniese zusamme», so haben 
sich allerdings Gregors Synchronismen zum Todesjahre Chlodowechs als on- 
brauchbar erwiesen. Als richtig aber ergab sich die Zeit des Oothenkrieges, 

1) Über die Frage nach dem Orte der Sclilacbt v^. zuletzt A. F. Lidvre, Rovuo 
historiqne LXVI, 1898, p. 90-104. 

3) Allerdings würde diese Angabe allein das Jahr 507 nicht sichern, da einige 
EreigniBEe zum unrichtigen Jahre vermerkt sind; vgl. 4&0, ßl3, 525. 

3) p. 666: XIX. Anastasi imperatoris anno consniatns hiit Foiicis et Socundini, 
indictto fUit quarta, era DXLVII. 

4) 23 Jahre geben an die Chronik von Saragossa (auct. ant. XI, p. 232) sum 
Jahre 485 und nach ihr Isidorus (auct. ant. XI, p. 281), ferner das vor derWeel^thi- 
schen Gesetzesaamnilung stehende Köuigsrerzeichnis (auct. ant. XITI, p.465; cf. Zen- 
raer, leges Wisigothorum antiquiorcs, 1894, p. 315). 507 als 33. Jahr Alariehs wird bc' 
stätigt durch das Datum der Konzilsbeschlüsse von Agde (506): „anno XXII. regni 
domni nostri Alarici regis". Da er sein 23. Jahr nicht voUendete, erklärt sich Gregor. 
Tur. II 87 (p. 102): „Regnavit antem Alaricus annos 22". 

5) laldor p.282— 283; auct. aut. XIII, p.465 (Zeumor p. S15). Die Bruchstücke 
der Chronik von Saragossa geben Theoderich richtig 15 Jahre (p. 223), dagegen Qe- 
salich 7 Jahre, wohl infolge eines Verschreibens : Uli statt IUI (vgl. ihren Ausschreiber 
Isidor, dem die vollständige Chronik vorlag: rtgncms annia quatlttor), womit es zu- 
sammenhängen wird, das8 sie von Gesalichs letzter Zeit 513 statt 511 erzählen. In 
Isidors Gothengcschichte, deren Zahlen vielfach entstellt sind, gieht die kürzere Fas- 
sung als Anfaugsjahr Qesalichs aera DXLV (507), die ausführlichere als das Theode- 
richs DXLVim (51I)i die anderen Zahlen DXLIIH (606), bezw. DXLV (507) können 
nnmfiglich richtig sein und müssen auf Schreibfehlem beruhen. Als Theoderichs erstes 
Jahr wird 611 gesichert durch die Daten der Eonzihen von Tarragona und Gerona 
(Mansi, conciliorum collectio VIII, p. 541, 549): ,anno sexto Theuderici regis, cousulatn 
Petri (616), snb die octavo Icfns Novembria" und „anno VII, Theoderici regis, VI, idus 
lunlas, Agapeto viro clarissimo consule" (517), 

6) Bei dem zweifelhaften Werte der vita Severini verzichte ich darauf, ihre Zeit- 
angabe gegen Gregors Bericht geltend zu machen (scr. Merov. III, p. 168): Eodem 
tempore cum Chlodoveus rex Francorum anno XKV. regnaret in urbe Paristus, tunc 
in corpore sno gravis obvenit inürmitas, tjpus IVigoris, per duos annos. 



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Zur Oeachfcble des Frsukenkönigs OUodowech. 58 

nnd ebensowenig bot die Überlieferung eine den übrigen Zahlen widersprechende 
Thatsache. Wegen ihrer anfallenden Gleichförmigkeit mag mao an ihrer Ge- 
nauigkeit zweifeln; aber der Mangel anderer Quellen nötigt, bei den von Gregor 
gegebenen Daten stehen zq bleiben •). 

Aber in einer anderen Hinsicht ist es rafiglich, Ober ihn hinauszukommen; 
wir sind imstande, seine Nachrichten hie und da zu ergänzen, wie es bereits 
in Bezug auf die Alamannenkämpfe gCBchehen igt. Gregors Bericht Aber den 
Westgothenkrieg weiss nur von Erfolgen der Fränkischen WaflFen, nicht von 
Misserfolgen; er erzählt nichts von dem Rückschläge, der durch das Eingreifen 
der Ostgothen gegen die vordringenden Franken und Burgunder — deren Teil- 
nahme am Kriege Gregor ebenfalls nicht erwähnt — geltbt wurde. Zeitbe- 
stimmungen tür diese Kämpfe geben die Chroniken des Cassiodor und Marius 
(anct. ant. XI, p. 160, 234): „Venantius inn. et Celer, his conss. {508) contra 
Prancos a domno nostro destinatnr exercitus, qni Galliae Francomm depraeda- 
tione confnsas victis hostibus ac fugatis suo adquisivit imperio"; nnd: „Inpor- 
tnno. hoc oonsule (ö09) Mammo dnx Gothorum partem Galliae dei>raedBvit''. 
Die Anfangszeit des Ostgothischen Feldznges bestimmt sich innerhalb des Jahres 
508 noch genauer durch Theoderichs Gebot zum Aufbruche nach Gallien, der 
auf den 24. Juni angesetzt wnrde (Var. I 24, p. 27 — 28) *). Die Niederlage 



1) Dagegen ist es tVaj^llch, ob die Beseitignng der übrigen FrHnkischcn FUrsten 
durch Chlodowech von Gregor völlig mit Recht zwischen 507 und 511 eingereiht wor- 
den tflt — bei Ragnachar and Chararich kann mau zweifeln — da die zuHammen- 
hlingcnde Darstellung der ganzen Reihe von Mordthaten auf der Herkunft aus einer 
einheitlichen Sngenbildung als Quelle beruhen mag; vgl. Kurth, histoire po6tiqne 
p. 314—315 und Clovis p. 283—285. Wenn übrigena auch der sagenhafte Charakter 
dieser Erzählungen unbestreitbar ist, so ist doch zugleich zu betonen, dass wir hier 
bei (.It^m Mangel jeder anderen Nachricht Sage und Geschichte nicht mit Sicherheit 
scheiden können, mithin ebensowenig berechtigt sind, zu Chlodowechs Gunsten von 
diesen Dingen völlig abzusehen wie ihm alle Einzelheiten zuzuschieben. Das Beispiel 
seiner Söhne und Enkel spricht jedenfalls nicht für die erste Auffassung, und es muss 
daher eine Anschauung mindestens sehr gewagt erscheinen, wie sie vielleicht am krasse- 
sten bei Haudecoeur a. a. O. S. 130 ansgosprochen ist: „Sur la foi de legendes dont 
la critique moderne a fait justice, on a d^peint Clovis sous des traits d^forablcs, on l'a 
accusä J'avoir veraft le sang par amhition et d'avoir conserv6 aprfes son bapt6me lea 
moeurs dea barbares. Mais ce n'est pas \k le Clovis de l'histoire, c'est le Clovis de 
l'^popäe barbare, qui a enlaidi sa physionomio cn la deasinant d'apr&s un idäal bar- 
bare, et qui a mis un type de Convention & la place du vrai häros." Sollte hier nicht 
znm guten Teile der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sein! 

2) Verzögert war Theoderichs Eingreifen wohl durch die drohende Haltung 
Ostroms, dessen Flotte 508 die Küste Unteritaliens verheerte (Marcellin. com., auct. 
ant. XI, p. 97; vgl. Casslod. Var. I 16, p. 23 und 11 38, p. 67). Dass bei den Unter- 
nehmungen der Pranken und Oströmer EfnverstXndnis herrschte, ist anzunehmen; 
vgl. Gregor, Tur. II .^8 (p. 102) und Gasquet, Tempire Byzantin etla monarchie franque, 
1888, S. 133; Kurth, Clovis S. 414f.; Hartmann, a. a. 0. S, 160. Ansprechend ist 
die Vermutung von Kurth (8. 421), in Theoderichs Schreiben an Chlodowech fVar. 
HI 4, p. 80—81) seien die Worte: ,ut nullatenus iiiter voa scundala acminet aliena 
malignitas", und: „qui vult alterum in praecipites casus mittere, enin certum est flde- 



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M Wilhelm LovIbob: 

der Franken erfolge spätestens 510, da in diesem Jahre Ibbas, der sie be- 
siegt'), sich bereits gegen Gesalieh wenden konnte*). Femer war Arles, da« 
dnrch Franken und Burgunder belagert, von dem Heere Theoderichs entsetzt 
wurde*), vor dem 1, September 510 frei, da der König der Stadt nach ihrer 
mhmTolIen Verteidigung „per indictionem qnartam (1, September 510—511) 
die Abgaben erleichtert: „Non decet staiim de tribatis esse sollicitum, qni 
casam vix potnit declinare postreninm. a quietis ista, non obsessis inqnirimaB. 
quid euim a domino agri exigafi, quem eum non eolnisse cognoacas?" (Var. 
111 32, p. 96). Vor allem aus diesem atatim hat Binding*) schliessen wollen, 
dass zur Zeit dee Erlasses der Kampf kaum beendet war, den er darum An- 
fang 510 setzte, entgegen der Angabe Gassiodors, der „in seinen Worten den 
ganzen Erfolg des Krieges" zusammenfasse. Die Möglichkeit wird man zugeben 
mOssen, aber keineswegs die Ifotwendigkeit dieser Annahme. Arles war vor 
Eröffnung der Schiffahrt entsetzt, da Theoderich der befreiten Stadt Geld für 
die Herstellung der Mauern und Ttlrme, sowie Lebensmittel schicken will, „eum 
tempns navigationis arriserit" (Var. III 44, p. 100 — 101). Die Stadt war also 
im Winter frei, und da nach dem Siege kaum lange mit der Nenbefestigung 
gezögert worden sein wird, doch wohl bereits im Winter 508/9 oder 509/10 
(vor 1. September 510). Da femer die Entscheidungsschlacht und der Entsatz 
von Arles schwerlich während des Winters stattfanden, also spätestens 509 an- 
zusetzen sind, so scheint es mir Uherflflssig, weil nun Befreiung und Stener- 
nachlasB doch nicht unmittelbar aufeinander folgen ^), von der Angabe des über 
diese Zeit sicherlich genau unterrichteten üassiodor abzugehen; ich sehe daher 
in jenen Worten Theoderichs nur eiue jener allgemeinen Wendungen, deren 
unzählige Cassiodors Briefe erfüllen und die man nicht allzu genau nehmen darf. 
Auch zwei Jahre nach dem Entsätze mussteu sich die Folgen der immerhin 
langwierigen Belagerung noch bemerkbar machen, zumal der Krieg auf Galli- 
schem Boden mit Ibbas' Siege sein Ende noch nicht erreichte, wie der Zug 
des Mammo 509 und die letzten Kämpfe mit Gesalich zeigen, der in Gallien 



liter non monere," efoe Anspielung auf Byzantinische Umtriebe; vgl. Var. Uli (p. 78): 
„ne videamfni eorum inmisBione laborare, qui maligne gaudent alieno certamine." 

1) Jordania Get. 58 (auet. «nt. VI, p. 135); vgl. Var. IV 17 (p. 122) an Ibbas: 
Este contra talia omnino sollicitus, ut qui es hello clarua, civilitate quoque reddariH 
Bximius .... omueH tibi libenter cedunt, quem glorioaum in beüorum certamine cogno- 
verunt. 

2) chron. Caesaraugust, ad a. 510 (p. 233): „quo anno Idcm Oesalecus ab Heb- 
bane Theodorlci Itallae regis duce ab Hispania fugatus Ardcam petit". Vgl. Isidor 
und Vor. V 43-44 (p. 170/1). 

3) vita Caesarii I 28-34 (scr. Merov, III, p. 467-470); Var. VIII 10 (p. 240). 

4) Binding a. a. 0. S. 202, Aum. 699, und S. 207, Aum. 712. Seine Austtth- 
rungen haben viellach Zustimmuug gefunden, 

5) Var. JII 32, das Schreiben betreffs des Steuererlasses für 510/1 ist an Ge- 
melluB gerichtet, den Theoderich nach erfoc.htenem Siege in das nenerworbcne Gebiet 
gesandt hatte; vgl. Vnr. III IS (p. 88): gin GaUias nobis duo auxilinnto subiectas vi- 
carium te praefectorum nostra mtttit auetoritas." Auch bo wird ein grösaerfr Abstand 
zwischen Ibbas' Erfolge und dem 1. September 510 wahrscheinlich. 



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Zur Geschichte dea Frankenkönlgs Chlodowech. 56 

SD der Dnrance 511 den unterging Fand. Nicht nnr den Bewohnern von 
Arles, sondern „universis proviucialibns in Galliis congtitntis" wird für die 4. 
[ndietion (510/1) ein Steueniachlass zu teil (Var. 111 40, p. 99). So setze ich 
den EntBclieiduug:8kanipf und den Entsatz von Arles bereits 508 nach dem Vor- 
gänge besonders von Junghans ^) nnd Mommsen *). Freilieh sind es wesent- 
lieh WabrecheinliehkeitfigrUnde, die für diese Ansicht sprechen; aber zn völliger 
Sicherheit wird sich hier kaum ein Weg darbieten. Gehurt dem Jahre 508 
die Abwehr der vordringenden Feinde an, so gehen die Ostgothen 509 ihrer- 
seits angreifend vor und verwüsten unter Mamtno feindliches Gebiet (Bnrgun- 
dien), worauf sieh dann Ibbas 510 gegen Gesalich nach Spanien wenden kann. 
Es bleibt noch die Frage tlbrig, za welcher Zeit die weltgesehichtlich 
bedeutendste That Ghlodowecha erfolgt ist, sein Übertritt zam Christentnine. 
Die einzige eingehendere Darstellung der Bekehrung und Taufe des Königs 
bildet die bekannte Erzählung Gregors von Tours {II 29 — 31). Er berichtet 
von den Versuchen Chrotechildens, den Gatten fUr ihren Glauben zu gewinnen, 
von der Taufe und dem Tode ihres Erstgeborenen Ingomer, von der Taufe 
und Krankheit des zweiten Sohnes Chlodonter, von Ghlodoweehs Bekehrung in 
der Not der Alamannensehlacht von 496/7, von seiner Taufe durch den Bischof 
ßemigius von Reims. Der Bericht scheint „dem Gedanken und der Form nach 
ein einheitliches Ganzes" zu sein, „auch einheitlieh in der AnsfahruDg" '), reich 
an rhetorischen Wendungen und an einzehien Stellen sich zu rhythmischem 
Schwünge erhebend. Aber bei näherer Betrachtung schwindet dieser Schein 
der Einheitlichkeit *). Die Erzählung vom Alamannensiege (c. 30) lässt sich 
aasschalten, ohne dass der Zusamnienhang im mindesten zeirissen würde; es 
ergeben sich zwei Darstellungen von Ghlodoweehs Bekehrung, die sieh deutlich 
scheiden lassen. „Auf der einen Seite weiss der G^chiehtschreiber von einer 
Einwirkung der Königin, die unterstützt wird durch ßemigins von Reims und 
durch ihn endlich zum Ziel kommt; auf der andern Seite kennt er die in 
der namenl<»en Alamannensehlacht geschehene Entscheidung des Königs" "). 
Innere Widersprüche gebieten diese Zerlegung der Erzählung Gregors. Im Ge- 
tümmel des Kampfes erhebt der KOnig unter Thränen seine Hände gen Himmel 
und spricht das Gelöbnis aus, im Falle des Sieges an Christus glauben und 
sich taufen lassen zu wollen; er weist hin auf die Ohnmacht seiner Götter, 
die ihren Anhängern keinen Beistand gewähren- Siegreich kehrt er aus dem 
Felde zurück und erzählt der Gattin, „qualiter per invocationem nominis Christi 
victuriam meruit obtenire". Aber die Bekehrung in der Schlacht „ist keine 
Bekehrung; denn Remigins muss ihm nach derselben noch zureden, die Götzen 
zu verlassen und ihm vorteilen, dass sie weder sich noch anderen nützen 
können"; er ermahnt ihn, „ut deum verum, factorem caeli ac terrae, crederit, 

1) Junghans a. a. O. S. 100 und 150—151. 

2) Mommsen S. XXXI— XXXII. 

3) von Schubert S. 184 f. 

4) Vgl. Hftuok' S. 108, Anm. 2. 

5) Hauck S. 108. 



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56 Wilhelm Leviaon: 

idola neglegerit, qnae Deque eibi neque aliis prodcsse possant", als ob Chlodo- 
wecb kein Gelübde gethan und es nicht selbst von Beinen Göttern ausgesprochen 
hätte, „eoB nullius esse prtieditos potestatis". In der Schlacht, also im Bei- 
sein seines Heeres, legt er sein Gelöbnis ab; aber nachher bedarf es der Heim- 
lichkeit (elam), als Chroteehildis Remigins kommen lässt, am dem Könige das 
Wort des Heils zu predigen. Offen verspricht dieser, im Falle des Sieges znr 
Taufe zu schreiten, ohne irgend ein Bedenken, ohne den mindesten Vorbehalt, 
ohne ancb nnr mit einem Worte die Besorgnis anzudeuten, auf Wideretaod des 
Volkes ZD stossen. Als ihm aber nach der Rückkehr Remigius zuredet, da 
macht er, wie wenn niemand von seinem GeMbde wisse, das Bedenken geltend: 
„Popnlum, qui me sequitur '), non patitur relinquere dens suoa". Noch ehe 
der KOnig ein Wort gesprochen, bekennt sich die ganze Menge („omnes po- 
pulus") durch ein Wunder zum Glauben an den unsterblichen Gott; aber es 
ist nicht der Gott, der seine Macht im Sturme der Feldschlacht allen geoffen- 
bart hat, sondern der Gott, „quem Remegins praedicat", obwohl der Bischof 
insgeheim („elam") zu Chlodoweeh gekommen war und ihm heimlich zngeiedct 
hatte („secritins")- Von einer Einwirkung des Remigins auf das Volk, die 
doch hier vorausgesetz-t wii'd, hat Gregor vorher nichts berichtet. Diese That- 
sachen nötigen zu der Annahme, dass in seiner Erzählung — von ihm selbst 
oder seiner Quelle — zwei selbständige Darstellungen der Bekehrungsgeschichte 
zusammengearbeitet sind. Beide erzählten von Bemühungen Chrotechildens; 
denn auch der Bericht über die Alamannenschlacht setzt sie voraus tu dem 
Gelübde an Jesus Christus, „quem Cbrotchildis praedicat esse üHum dei vivi"-, 
aber sie sind hier nicht ausschlaggebend. Dagegen weiss die andere Darstel- 
lung nichts von der Alamannenschlacht; hier bringen die Anstrengungen der 
Königin und des Bischofs den gewünschten Erfolg. Auf der einen Seite steht 
eine Er/^hlung, die kriegerischen Charakter atmet; so mochte sich das kampfes- 
frobe Volk die Art und Weise vorstellen, vrie sein König nach den Prolog- 
worten der lex Salica „torrens et pulcher et primus recepit catholicam baj)- 
tismi"; wie ein Gottesurteil entscheidet der Ausgang des Kampfes über die 
Wahrheit des neuen Glaubens. Einen ganz anderen Charakter tragen die zwei 
Kapitel, die die zweite Darstellung von des Kljnigs Bekehrung erhalten haben. 
Nach den Einwirkungen der Königin, der Genesung des zweiten Sohnes gicbt 
Remigius den Ausschlag, willig hört Chlodoweeh seine Eimahnungen an und 
lässt sieh von ihrer Wahrheit überaeugen, und nachdem ein Wunder ihm die 
Zustimmung des Volkes verschafft hat, schreitet er als ein zweiter Constantinns 
zur Taufe. Euhemeristiscbe Betrachtungen Über die alten Götter, von denen 

1) Mit Kurth, Clovla S 331 f und Stein S. 178 hier in populus nur die Antra- 
sUonen zu sehen, ist Willkür, die dem Wunderberic hce Grcgura das Wunderbare ab- 
streifl: und ihn durcli lationalibtuehe Gründe begri-eiftieh zu machen sucht, statt ihn 
in dem Sinne zu verstehen, iii welchem er verstanden sein will {praecurrente pofentia 
dei) und in welchem ihn der Verfasser dos libcr historiae Francorum c. 1.5 (Ki;r. Mcrov. 
II, p. 263) mit vollem Rechte auf^efasst hat, wenn er von omnis populus Francor%im 



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Zur Qeschicbte des Frank enkönfga Chlodowecb. 57 

Satnnous, Jupiter, Mars und Mcreurius im Hinblick auf ihre Schwächen und 
Schaodtbaten genanut werden, stehen dem Hinweis auf den einen Gott ^egen- 
äber, der Himmel und Erde gcBchalTeu hat, dem jeglicheB Wesen sein Dasein 
schuldet. So liegt die Annahme nahe, das» diese Darstellung kirchlichen 
Kreisen ihren Uraprnng verdankt. Einzelne Ausschmückungen mOgen auf Rech- 
nung Gregore zu setzen sein, so Vergih-emtniscenzen ; aber im wesentlichen wird 
er den Charakter seiner Quelle getreu wiedergeben, mag man nun an eine vita 
Chrotecbildis denken oder mit aller Gewalt an einer verlorenen vita ßemigii fest- 
halten oder am besten Bescheidung Üben und auf ihre Benennung verzichten. 

So fragt es sich, welcher der beiden Darstellungen der Vorzug zu geben 
ist; aber es knüpfen sich noch weitere Fragen an den Bericht Gregors, Den 
Ort der Taufe gicbt dieser nicht an; ei-st gegen 642 nennen die vita Vedasti 
des Abtes Jonas (scr. Merov. IH, p. 408) und Fredegare historia epitomata 
(scr. Merov. II, p. 101) Reims. Da beiden Gregors Eraäblung zu Grunde liegt, 
so kann diese Angabc, die von der Folgezeit als richtig anerkannt worden ist, 
ihren Ureprung lediglich einem Schlüsse aus dei' hervorragenden Rolle verdanken, 
die der Bischof von Reims bei Gregor spielt. Aber es bleibt anch die Mög- 
lichkeit, dasB die von beiden Quellen selbständig Überlieferte Nachricht nicht 
auf einer unberechtigten Folgerung ihrer Verfasser beruht, aoudem einer wirk- 
lichen Überlieferung entsprochen hat. Gregors Worte entscheiden die Frage 
nicht, sein Schweigen legt jenen Schlass nahe; der Ausdruck arcessere (c. 31) 
läset sich ebensowohl von einem Wege zur Königin innerhalb der Stadt Reims 
verstehen, wie von einer Berufung des Remigius aus Reims in eine andere 
Stadt. 

Was die Zeit der Taufe angeht, so lässt Gregor sie unmittelbar auf den 
Alaraannenkrieg folgen; sie fiele also in das Jahr 496/7. Es fragt sich jedoch, 
ob diese Zeitbestimmung bestehen bleibt, nachdem Gregors Erzählung auf zwei 
Qnellen znraekgefDhrt ist, deren eine nichts von der Schlacht weiss >). 

1) Drs Glück wünsch schreiben des Papstes Anastaslus II., der von November 496 
bis November 498 den Stuhl Petri Innehatte (Jaffö, regesta pontfficum Romanorum I», 
p. 95, n. 745), kommt für die Zeitbestimmung der Taufe nicht mehr in Betracht — 
gleich der „collatio episcoporum" für die Geschichte des Burgunderkrieges — nach- 
dem Julien Havel 1885 die Fftlschungen J(r6me Vigniera aufgedeckt hat (Oeuvres I, 
1896, S. 19—90). Man kann an sich Ruppersberg (a. a. O. S. 53) beistimmen, wenn 
er von diesen, zuerst in d'Acherys spicilegium veröffentlichten Schriftstücken sagt: 
„Selbst wenn die Unechtheit einiger Stücke der Sammhing d'Achöry's erwiesen sein 
sollte, so brauchen darum nicht alle verworfen zu werden; eine solche Sammlung kann 
sehr wohl Falsches und Echtes enthalten". Zweifellos; aber es fehlt die Möglichkeit, 
beides zu scheiden, „Toutes ccs pi6ces ne sont parvenu^ A notre connaissance que 
par les copies de Järöme Vigrnier. EUes ötaient rest^es ignor^es avantlul; elles n'ont 
pas 6t6 retrouvtes aprfes lui" (Havet). Dies gilt von allen diesen Schriftstücken. Nach- 
dem die grösseren als zweifellos unecht erwiesen sind, wird man auch diejenigen unter 
ihnen nicht verwerten dürfen, die bei ihrem geringen Umfange an sich keinen be- 
sonderen Anlass zum Verdachte darbieten, wie der Brief des Ann.stasins. Vignier ist 
ein geschickter Falscher gewesen; um so mehr wird man die Quellen, deren 
Kenntnis wir ihm allein verdanken, in ihrer Gesamtheit unbenutzt lassen, nicht aber 
einzelne herausgreifen, weil sie echt sein können. 



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&8 Wilhelm Levlgon: 

Dagegen lässt sich mit Sicherheit Ober den Tag der Taufe urteilen. 
Fredegar giebt Oatero an; aber sein spätes Zeugnis ffiUt weg gegenüber dem 
gleiehzeitigeu Briefe des Bischofs Ävitas von Vienne, der Weihnachten als 
Zeit der Taufhandlung mit Nachdrack hervorhebt >), 

Wie erfolgte also Chlodowechs Bekehrung? Besteht ein Zusammenhang 
mit der Alamannenschlacht, Iftsst eich das Jahr 496/7 festhalten, war Reims 
der Schauplatz der Taufe? 

Eine ältere ') Qoelle als in der Darstellung Gregors von Tours besitzen 
wir in einem Briefe, den Bischof Nicetius von Trier in deü 60er Jahren des 
6. Jahrhunderts au Chlothai-s I. Tochter Chlodosuinda, die erste Gattin des 
LangobardenkOnigs Alboin, gerichtet hat (epist. III, p. 119—122). Nicetius 
hat seine Jugend noch nnter Chlodoweclis Herrschaft verbracht, er wurde be- 
reits 525 Bischof von Trier ^) nnd steht so Chlodowcch zeitlich nahe. Daza 
kommen seine engen Bezichnngen zum Merovingerhause *), die seiner Aussage 
besondere Bedeutung verleihen. In dem Schreiben sucht er Chlodosuinda aufs 
eindringlichste zu Bemühungen änztifenem, ihren Gatten Alboin von der Lehre 
des Arius zum rechten Glanben za bekehren. Er beschwort sie „per tremen- 
dum diem iudicii"; er weist anf die Wunder hin, die an den Gräbern der 
Gallischen Heiligen geschehen nnd von der Wahrheit des Katholizismus Zeug- 
nis ablegen; er mft ihr das Beispiel ihrer Grossrautter Chrotechildis ins Ge- 
dächtnis: Andisti, ava tua, domna hone memoriae Hrodehildis, qnaliter in 
Francis venerit, qnomodo domnnm Hlodovcnm nd legem catholicnm adduxerit; 
et, cum esset homo astutissinius, nolutt adquiescere, antequam vera adgnosceret. 
Cum ista, qnae sopra dixi, probata cognovit, humilis ad domni ifartini limina 
cecidit et baptizarc se sine mora promisit, qui baptizatus quanta in hereticos 
Alaricum vel Gundobadnm regum fecerit, audisti; qnalia dona ipse vel filii 
sni in saecnio possideront, non ignoratis. 

Bei der Verwertnng dieser Anssage ist nicht zu vergessen, dass es utcbt 
die Aufgabe des Briefes war, eine vollständige Beschreibung der Bekehrung 



1) auct. ant. VI 2, p. 75: et occiduis partibus in rege non novi iubaris Inmea 
effulgurat. cnias eplendorem coDgrua redemptoris noiitri uativitHs inchoavit: nt con- 
eequeiiter eo die ad »alutcm Ti-.gcneratrix unda vos pareret, quo natum redemptionis 
miao caeli dominum mundoii accepit. i^tur qui celeber est natalis doinini, sit et vester: 
quo voB scilieet Ciiristo, quo Cliriatus ortus cet nmndo. 

2) Vgl. Gregor. Tur. lib. vit. patnim 17 (p. 727): Unde et ego aliqua de aancti 
Nicetl Treverici snccrdotia virlutibus , . . BL-ripiurus, peprehendi ab ntiquibus vereor, 
dicentibus mihi: Tu cum uis iunior, quomodo seniorum gesta poteris acire. aut qua- 
liter ad te eorom facta venerunt? 

3) Nicetius wurde zur selben Zeil Bischof von Trier wie Oallus Bischof von 
Clormont (lib. vitae patrum 6,3; p. 682), also 525 (scr. Mcrov. I, p. 685, n. 2). 

4) Vgl. Gregor, lib. vitjie pHtnim 17,1-3 (p. 728—730) über sein Verhllltnis zu 
Theuderich, Theudebert, Chlothar und Sigbcrl, so c. 1 (p. 728): „Venerabatur autem 
eum et res Theodoricuu magno honore, co quod saeplus vitia eius nudaret, ac crl- 
mina castigatuB emeudatior redderetur." Vgl. die Bitte, seinen Eiufiusa bei Hofe für 
andere geltend zu machen (epiat. III, p. 117, n. 6; vielleicht auch p. 138, n. 24). 



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Zur Geschichte des FrankeükSnlgs Chlodowech. B9 

nnd Taufe Chlodoweehß zu geben; ferner ist der ZusammenliaDg der Worte 
mit deu andern Teilen des Scfareibens nicht aoBeer acht zn lassen. Mit keinem 
Worte gedenkt Nicetiua der AlamanuenBchlaclit. Man könnte znr Erklärnng 
diesea Schweigens daran denken, dasB es für ihn nur darauf ankam, Cbrote- 
cLildens Beispiel hervorzniiehen, ihre Thatigkeit bei des Köni^ Bekehrung 
zu betonen, um in ihr Chlodosuinda ein Vorbild zu zeigen. Aber er weist 
dann darauf hin, wie grosse Siege ClodowecL nun als Bekenner des wahren 
Glaubens nach der Taufe über die Ketzer Alarich und Gundobad gewonnen 
habe, welcher Lohn (doua) ihm und seinen Söhnen auf Erden zu teil geworden 
sei. Da Nicetius so Chlodowech« Siege als Folge der Bekehrung hinstellt, so 
hätte er doch in erster Linie desjenigen Erfolges gedenken müssen, mit dem 
in Gregors einer Quelle die Bekehrung unmittelbar verkntipfl erscheint, der 
Alamauucnschlacht, wenn er Überhaupt von einem Zusammenhange zwischen 
dieser nud des Königs Übertritt etwas wusste; in diesem Falle jenen Sieg un- 
erwähnt zu lassen, „das hiesse doch das Ferneliegende erzählen nnd das Nächst- 
liegende Ubcrgehen" (Hauck). Nicetius ist der älteste Zeuge, keine Thatsaehe 
spricht gegen seine Glaubwürdigkeit, sein Schweigen stimmt zu dem der einen 
Quelle Gregors. So fällt der ursächliche Zusammenhang zwischen Alamannen- 
krieg und Taufe, damit jedoch nicht die Möglichkeit, dass beide Ereignisse 
einander zeitlieh uahestaudeu. 

Nicetius bringt den Übertritt Cblodowechs in Beziehungen zu Tours; 
denn an einen anderen Ort kann nicht gedacht werden. Wie die „limina 
apostolorum" Born, so sind die „limina domni Martini" Tours '). Aber welcher 
Art sind diese Beziehungen, was besagen die Worte: „humilis ad domni Mar- 
tini limina cecidit et baptizare sc sine mora promisit?" Die einen haben hier 
einen ausdrücklichen Hinweis auf Tours als Ort der Taufe sehen wollen; 
andere *) haben eine Wallfahrt angenommen, die der König nach der Bekehrung, 
aber vor der Taufe in Reims zu den Gebeinen des heiligen Martin untemommea 
habe. In der That nennt Nicetius Tours wenigstens nicht ausdrücklich als 
Schauplatz der Taufe '), vielmehr nur als Ort des Versprechens, sich unver- 



1) Vgl. %. B. Gregor. Tur. bist. IV 21 (p. 158): „Res vero Chlothftriua . . . cum 
multJB mnueribuH ftmtna h^ati Martini expetiit et ndveniens Toronus ad sepulchram 
antedicti anteBtetis" ; üb. 11 de virtut. s. Martioi 7 (p. RH): „beati Martini livtina r<y 
quirebat"; Venant. Fortuunt. de virtut. a. Hilarii 6,17 (auct. ant. IV2, p. 9): „ad beati 
MaTtini limina." Von älteren Anschauungen über die Frage vgl, VaUgitta, i-erum 
Francicarum libri VIII, 164S, p, 2G2-264, wo an eine Martinskirdie bei Reims gedacht 
wird, und die äholiche Ansicht von Marlot, metropolis Bemensis bist, I, 1666, p. 158 
—15^ der sich gegen ZeitgenoBseu wendet, die bereits Zweifel über ReimB aussprachen 
und Tours in ErwSgung zogen. Erwähnt sei auch die unwahrscheinliche Vermutung, 
„domni Martini" sei eine falsche Auflösung aus „d(ivae) M(aTiae)." 

2) Lecoy de la Marche, Clovis et les origines politiques de la France (ITIni- 
versitö Catholique N. S. III, 1890, p. 221; Kurth, Clovis p. 339-340. Das vonKurth 
genannte Buch von Lecoy de la Marcho: „Saint Martin" (p, 362) war mir unzu- 
gänglich. 

3) In diesem Sinne wäre die Stelle nur dann aufzufassen, wenn „permisit" statt 



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60 Wilhelm Lerison: 

ztiglich taafen za lasseo; er spricht von einem Bcsnche des KOnigs an der 
Grabstätte Martine und in Verbindung damit von seinem GelCbnisse des Über- 
trittes. Dagegen laBsen seine Worte die Frage nach dem Orte der eigent- 
liehen Taufliandlung offen •). 

Gegen die Anffaesung, welcbe diese nach Tours verlegt, epriebt ein 
sehwerwiegendes Bedenken, da« Schweigen Gregore von Toors, freilich ein 
argnmcntnm ex silentio, das so oft gefährlich ist, dem man aber in diesem Falle 
kanm seine Bedcntnng wird abstreiten kflnnen. Wenn Ghlodoweebs Taufe 
wirklich in Tonrs stattgefunden hatte, bo konnte die Erinnemng daran dort 
noch nicht erloschen sein, als Gregor den Stuhl des heiligen Martinas bestieg, 
mnsstc auch er, wenn nicht vorher, so doch in Tours Kunde von dem Ereig- 
nis erhalten. Und wenn er davon wusste, so ist sein Stillschweigen einfach 
unverständlich-, er, der zu Martins Rnhme vier Buefaer mit allen möglichen 
und unmöglichen Wundergeschichten ftlllte, die der Heilige bewirkt haben 
sollte, er hätte nicht an irgend einer Stelle wenigstens eine Andeutung darttber 
machen müssen, dass Chlodowech in Tours „leprae veteris morbum sordentcs- 
quc maculas gestas antiquitus recenti laticc" zeretöi-t habe, in Tours zn einem 
neuen Konstantin geworden sei; er hätte dies Ereignis nuter den „virtutes" 
Martins nicht besonders hervorheben mflssen? ') Ich halte das Schweigen 
Gregors in dieser Frage für ausschlaggebend und glaube, dass seine Ans- 
sebreiber in der Schilderung der ThStigkeit des Remigius Reims als Schauplatz 
der Taufe mit Recht zwischen den Zeilen gelesen haben, falls für sie dieser 
Ort nicht ohnedies bereits vorher nach mündlicher Überliefernng feststand '). 
Wenn man also fUr Toors nur eine geringere Rolle aus Nicetius Aussage er- 
schliesaen darf, wenn es sich nur um einen Aufenthalt knrze Zeit vor der 
Taufe handelt, der hinter den glänzenden Tagen von 508 (Gregor, bist. II 38) 
in VergeFsenheit geraten sein mnss, wie kam dann Nicetius dazu, in seinen 
wenigen Worten einen Ort zu erwähnen, der in der Bckehrungsgeschichte zu- 
rückgetreten war hinter Reims? Der Zusammenhang des Briefes giebt die 
Antwort auf diese Frage. Nicetius hatte unmittelbar vorher auf die Wunder 
hingewiesen, die sich an den Gräbei-n der Heiligen Galliens ereigneten, und 
dabei an erster Stelle Martins gedacht und Alboin aufgefordert, Leute dorthin 
zn senden, um als Augenzengen der Wunder die Wahrheit des Katholizismus 
zu erkennen: „Hie si inbet ad domnnm Martinnm per festivitate sna, quod 
Tindecima dies faeit November, ipsos mittat, et ibi, si audent, aliquid presn- 
mant, ubi caecos liodie ininminare eonspicimus, nbi surdis auditum et mntis 

„promisit" zu lesen wäre (vgl epist. III, p. 122, n. b); aber diese Annahme ist nicht 
notwendig, 

1} So auch Haucki 8. 582. 

2) KrUBch hat (Mitth. XIV, S. 447) eine Eiklllrung von Gregors Schweigen ver- 
sucht, die mir aber nicht ausreichend erscheint. 

3) Eh eci nber Andereraeit» auch darauf hingewiesen, dass sieh wie gegen Tours 
das Schweigen Gregors, so gegen Reims da» der ältesten vita Kemedii (auet ant IV 3, 
p. 64-67) anfiihreu lÜKSt (vgl. Krusch, N. A. XX, lö95, S. 513-513; Hauck* S. fi79); 
doch fKllt dies bei dem geringeu Umfange der vita nicht schwer ins Gewicht. 



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Znr Geschichte des Fraakenkönlgs Chtodowech. Gl 

Sanitätern recipere." So konnte Nicetine wenige Seilen nachher ieieht an Tonre 
erinnert werden, anch wenn diese Stadt nicht Schauplatz der Taufe selbst war, 
aondero nur den KOnig vor dem förmlichen Übertritte das Vei-sprechen der 
Tanfe in ihrem Heiligtnme hatte ablegen sehen. 

Nun ist aber Tours erst durch den Krieg von 507 FräDkiseb geworden, 
und noch auf dem Weetgothisehen Konzile von Agde erBcheint 506 ein Ver- 
treter des Bischofs Venia von Tours '}. Dagegen ergiebt sich ans Gregor 
496/7 als Jahr der Taufe, und auch Nicetius setzt diese vor Chlodowecbs Siege 
Über Gundobad und Alaricb, also vor ÖOO. Wie ist dieser Widerspruch zu 
lösen? Ist es notwendig, mit Kruscb Nicetius' Angaben nur halb fUr richtig 
zu halten und die Taufe 508 zq setzen, oder hat man von Tours ganz abzu- 
sehen? Beides ist unnötig und ebenso abzuweisen wie die unwahrscheinliche 
Annahme, dass Chlodowech den Boden des Weatgothenreiches mit Erlaubnis 
Alaricbs nur betreten habe, um als einfacher Pilger dem Heiligen seine Ver- 
ehrung ZQ erweisen. So dürftig und trUmnierhaft die Überlieferung auch ist, 
in diesem Falle ist es wenigstens mit hoher Wahrscbeintiebkeit müglich, die 
Schwierigkeiten zu heben und den scheinbaren Widerspruch in Kicetius Worten 
au beseitigen. 

In den Jahren, die dem entscheidenden Kriege von 507 unmittelbar voran- 
gehen iind nachfolgen, scheint man es vielfach versucht zu haben, die Gesin- 
nungen in die That umzusetzen, von denen Gregor II 35 (p. 98) erzählt: „Multi 
iam tuno ex Galliis habere Francos dominos sommo desiderio cupiebant." 
Wegen des Verdachtes des Landesverrates an die mit den Franken verbOndeten 
Burgunder muss um 505 Cäsarius von Arles nach Bordeaux in die Verbannung 
wandern ')\ Verus von Tours stirbt um 508 im Exil, weil man ihm verräte- 
rische Umtriebe zu Gunsten der Franken vorwirft^); bald nach Chlodowecbs 
Tode muss Quintianns von Rodez fliehen, „exprobrantihus eivibus, quod velit 
se Francorum ditionibus subiiigare"'*). Ein ähnliches Ereignis erfolgte ein 
Jahi-zehnt früher, zwischen 496 und 499, die Verbannung des Bischofs Vola- 
sianns von Tours, der im Verdachte steht, „quod se Francorum ditionibuB sub- 
dere vellet" *). Handelte es sich nm eine vorübergehende Spannung zwischen 



1) Sirmond a. a. 0. S. 174: „Leo diacoDUS miwus a domioo meo Vero episcopo 
Tnronlcae civitatis snbscripsi;" Brief des Cftsarius von Arles, auct. ant. VIII, p. 274 
(= Corpus scriptonim occlesiasticorum Latinomm XXI, p. 448). 

2) Vit. Caesarii I 21 (scr. Merov. III, p. 465); auct. aoL VIII, p. LXIV. 

3) Gregor, bist. X 31 (p. 446). 

4) Gregor II 36 (p. 99) berichtet das Ereignis vor dem Got^enk^fege von &07. 
Aber wie zu Agde 506 (Sirmond a. a. 0. S. 174: „Qaintiaous episcopua Ruteuae civi- 
tatis BUbscripsi"), so unterschreibt QnintiauiiB auch noch zu Orleans 511 als „eplscopiis 
de Rotenus" (concil. I, p. 9). Andererseits wird er Bischof von Clermont wenige Mo- 
nate Dach dem Tode des Enfraslus (Hb. vitae patmm 4, 1, p. 676; hist III 2, p. HO), 
der Chlodowech nm vier Jahre überlebte {hist. III 2, p. 109), also &1B/6 starb. Vgl 
Longnon, gäographic de la Oaule au VIe siftcle, 18^8, S. 518. • 

5) Gregor, hist. II 26 (p. 87): „a Gothis suspectus Habitus ... In HispanÜs est 
quasi captivas adductns, sed protinns vitam flnivlt;" X 31 (p. 446): „huins tempore 



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62 Wilhelm LeyUon: 

FrankoD und Gothen, oder hat sie bereits diesmal wie später ihre Entladung: 
in einem Kriege gesneht? 

Die continttatio I'rosperi HavniensU, die freilich erst am 625 geschrieben 
ist, aber gerade ober die Wcstgothen gute Nachrichten anfgenommen hat '), 
bringt zu den Jahren 496 und 498 zwei merkwürdige Angaben (anct. ant. 
IX, p- 331): 

p. c. Viatoris V. c. consulis. Alaricos ann. XII regni sni [S]antoneB 
obtinnit. 

Paulino v. e. consule. ann. XIIII Alarici Franci Burdigalam obtinnernnt 
et a potostate Gotborum in possessionem sni redegerant capto Saatrio Gotho- 
rum dnce*). 

Die zweite Nachricht hat besonderen Anstoss erregt; Bordeaux sollte be- 
reits 498 in Fränkische Gewalt geraten sein, das noch 506 Gotbiseh erschdnt *)! 
So haben denn auch Richter *) und Holder-Eggor'*) die Angabe verworfen 
iam ChlodovechuB rcgnabat in aliquibua urbibns In Galliis; et ob haue causRni hie pon- 
tffex suspectus habitus a Ootbis, qnod ae Francorum dUionibus snbdere vellet, apud 
nrbem Tholosam exilio condempnatus, in eo obiit.'' Duchesne a. a. 0- S. 25 setzt 
Volusiauus' Verbannung 498 oder 499; doch kann es sich ebensowohl um 49fi oder 497 
handeln, Denn Gregor giebt als Gesamtauninie der von Martins Tode bis zu sKinein 
eig'enen 21. Bischofsjahre (593/4) verflossenen Zeit richtig 197 Jahre an (bist. X 31, 
p. 450), wflhrend die Summe der Einzelzahlen über 199 Jahre ei'giebt. Es fragt sich 
also, wo dieser Fehler anzusetzen ist. Duchesne hat die 2 Jahre der Zeit des Ve- 
ras abgezogen, obwohl Gregor diese bis auf den Tag genau angiebt. Mir scheint es 
wahrscheinlicher, dass der Fehler in der mehrfach zusammengesetzten Zahl des Bri- 
cius zu suchen iHt (p. 59—60; 444) oder bei Perpetuua, für den Gregor die runde Zahl 
von 30 Jahren angiebt (p. 87; 445). JedenfallH kann Tours — wenn meine Ansfüh- 
run^n überhaupt begründet sind — erst nach Volttsianus' Verbannung in Fränkischen 
Besitü gekommen sein, da sie noch die Herrschaft der Gothen voraussetzt. 

1) Vgl. die Jahre 457, 476 und 48G/7 (auct. ant. IX, p, 305, 309, 313). 

2) Über die unlösbare Frage, ob diese Nachrichten auf Consularia Italica zu- 
rückgehen oder einer Gallischen Quelle entstammen, vgl. zuletzt Mommsen, anct. ant. 
IX, p. IX (= XIII, p. 720). Eine Zeitbestimmung nach König sj ah ren findet sich auch 
in dem Zusätze, den der continuator beim Jahre 453 zum arsprüngiichen (hier einge- 
klammerten) Texte ProBpers macht (p. 302): „[Apnd OothoB intra Goilias consistentes 
inter fliios Theodoris regia, quorum Thorismodus maximus natu patri successerat] ter- 
lioqiie iam anno regni sai [orta dissensio est, et cum rex ea moliretur, quae et Bo- 
manae paci et Gothicae adveraarentur quieti, a germanis suis .... occisus est.] in 
eins locum Theodoricus conflrmatur frater Thorismoti iuuior." Vgl. Gregor, Tur, bist, 
II 20 (p. 83); „Eoricufl autem Gothorum rex Victorium ducem super Septem civitatis 
praepoBuit anno quarto decUno regni »ui." Wenn Gregor gleich darauf Eu rieh s Tod 
erfolgen Iftsst „anno vicissimo septimo regni sni," so dürfte diese Angabe auf seiner 
eigenen Berechnung beruhen, und der Fehler — Eurich herrschte nicht volle 19 Jahre 
— sich so erklaren, das Gregor au den 14+4 Jahren (4 Jahre giebt er Eurich nach 
Vlt^orius' Tod) irrtümlich die neun Jahre binzarechnete, die Victorius in Clermont 
znbrachte. 

8) Sirmond p. 173: „Cyprianus episcopus de Bnrdigala metropoli ßubscripai" 
(Konzil zu Agde). 

4) Richter a. a. 0. S. 38, Anm. 3. 

6) Holder-Egger, über die Weltchronik des sogenannten Sovenis Sulpicins nnd 
Btidgallische Annalen des 5. Jahrhunderts, 1875, 8. 67—68; N. A. I, 1876, S. 261. 



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Znr G«Bcbfchte des FrankeukÖnigs Chlodowecb. 63 

und Termntet: „Wahrscheinlicb ist die Zahl XIIII auB XXIIII verschrieben, 
obwol Alarieh znr Zeit der Einnahme vod Bordeanx nicht mehr 
am Leben war." Erst Enrth ') und Ernach ^) haben die Nacbricbten, 
jener die erete, dieser die zweite, als richtig anfgenommeu und mit vollem 
Rechte. Bei der Dürftigkeit unserer Qaellen ist es von vombereiu mindestens 
sehr gewagt, eine Angabe, weil sie vereinzelt dasteht, durch Annahme eines 
doppelten Fehlers umändern zu wollen, eines Verschreibens der Zahl ood eines 
Irrtums; denn ein 24. Jabr Alariehs hat es nie gegeben. Han bedenke doch, 
wie wenig wir nach dem Abschlüsse der Chroniken des Prosper and Hydatius 
ftlr die nächsten Jahrzehnte über die Geschiebte des Westgotbenreichee unter- 
richtet sind. Nicht nur die zweite, sondern anch die erste Nachricht lässt auf 
Kämpfe im WestgothiBchen Gallien schltesseii, und Enrth hat mit Reclit be- 
merkt, „qne Saintes faisait partie de cctte Aquitaine seconde qui ätait le noyau 
des possessions vieigotbiques en Gaule, et qne, ponr qn' Alane doive la re- 
conqn^rir en 496, il fant qu'elle lui ait ite enlevde präc^deuiment." 496 nahm 
also Alarieh Saintee, 498 erobern die Franken Bordeaux ; kurz vor seiner Taufe, 
die nach Gregor 496/7 erfolgte, war Cblodowech nach Nicetius in Tours, 
Sollte hier ein ZuBammenhang vorliegen, ist etwa Tours in der Zeit jener 
Eämpfe in den Händen der Franken gewesen? 

Bei Nicetius erscheint Clodowechs Bekehrnng nicht als Folge eines äusseren 
Ereignisses; bei Gregor verbindet sich mit dieser Auffassung eine zweite, die 
den Übertritt mit dem Alamannensiege verknüpft. Dazu kommt eine dritte 
Überlieferung, die die Tanfe mit einem Oothenkriege in Zusammenhang bringt, 
der nnr jener gegen Ende des 5. Jahrbnnderts geführte sein kann '). 

Diese Überlieferung findet sieh in der Lebensbeschreibung des Bischofs 
SoUemnis von Chartres, die in ihrer heutigen Gestalt vielleicht erst der 
ersten Hälfte des nennten Jahrhunderts angehört, aber zweifellos alte Tradi- 
tionen enthält. Cblodowech kommt auf einem Feldznge gegen die Gothen 
nach Chartres und gelobt hier dem Bischof Sollcmnis, im Falle des Sieges 
sich und sein Volk der Taufe zu unterwerfen. Siegreich kehrt er ans dem Felde 
zurück nnd empfängt zusammen mit 364 vornehmen Franken durch SoUemnis 
und RemigiuB die Taufe. Die Einzelheiten der Erzählung mügen vielleicht 
späterer Ausschmückung ihren Ursprung verdanken; aber bemerkenswert ist 
doch ihr Eem, die Thatsache, dass man in Chartres die Bekehrung des Eönigs 
als Folge eines Sieges über die Westgothen, nicht über die Alamanuen auf- 
fasste*). Kann es sich bier um den Feldzug von 507 handeln, so dass Krnschs 



1) Enrth, hiet. po6t. p. 290-292; Clovis p. 447, n. 1. 

2) Bcr. Merov. III, p. 465, n. I. 

8) Znm Folgenden vgl. den Anhang. 

4) Auch die vitae Deodati abbatis Blesensis (Acta Banctonim Aprilis III, p. 273 
—276) bringen die Taufe mit einem Gotbenkriege in Zusainmenhang, worauf Haack' 
(S. 110) bingewicaen bat, kommen aber gegenüber der Vit» SoUemnis nicht in Betracht. 
Denn die zweite vjta Deodati hat ans dieser geschöpft, und ihre ältere Fassung, die 
xudem frühestens anter Karl dem Kahlen entstanden ist (p. 274), erweckt dadurch 



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H Wilhelm Levisou: 

Ansicht eioe Beetätignug fäude, nach der die Tanfe 508 stattgefnndeii hat? 
Diese Anffassung ist nnmöglich. SoUemnis wird Bischof dreissig Tage, ehe 
Chlodowech nach Chartres kommt; er bekleidet seine Würde bis zntn Tode 
drei Olympiaden lang, also zwölf Jahre. Da nun sein im voraus bestimmter 
Nachfolger AventinwB bereits 511 zu Orleans ei-scheint '), so war Sollemnis da- 
mals schon gestorben, muss also im spätesten Falle 499 den Bischofssitz 
der Oamnten bestiegen haben, nnd damit werden wir eben in die Zeit jener 
Kämpfe gefhhrt, von denen die Langobardenchronik meldet. 

Eine Erinnerung an diese kann mau vielleicht mit Kurth auch darin 
sehen, dass Fredegar II 58 (p. 82) in einer sagenhaften Erzählung, der aber 
gcsehichtliche Thatsachen zu Grunde liegen'), die Zusammenkunft Chlodowechs 
und Alarichs II. „post multa prilia, quae invicem geseerant", yerahredet wer- 
den lässt; doch iet darauf kaum Gewicht zu legen. 

Fasst man alle diese Thatsachen zusammen: Alarichs Kampf am Saintes 
496; die Eroberung von Bordeaux durch die Franken 498; die Verbannung 
eines Bischofs von Tours in diesen Jahren, der im Verdachte steht, zu Gunsten 
der Franken VeiTat begehen zu wollen; die Angaben der vita Sollemnis über 
einen gegen Ende des Jahrhunderts geführten Gothenkrieg, so scheint mir 
kein Grund vorzuliegen, an der Thatsächlichkeit dieses Krieges zu zweifeln, 
obgleich nosere Überlieferung nur dUrftige Kunde von ihm giebt und es schwer- 
lieh möghch ist, mit Sicherheit über diese hinauszukommen, wenn sich hier 
auch eine Reibe von Fragen darbietet, die Vergehens der LOsnng harren. 
Wann hat der Krieg, der ergebnislos verlaufen sein muss, sein Ende ge^nden, 
etwa bei jener Zusammenkunft auf einer Loireinsel, Über die Gregor. II 35 
(p. 98) berichtet? Hängt es mit diesen Kämpfen zusammen, dass Gundobad 
nach der Einnahme von Vienne die gefangenen Franken an Älarich sandte 
(II 33, p. 96)? Trug der Krieg dazu bei, dass Alarich gegenüber der Opposi- 
tion der katholischen Bischöfe seines Reiches eine freundlichere Politik ein- 
schlug, die lex Eomana 506 erliess und die Kirchen Versammlungen von Agde 
und Toulouse 506 und 507 gestattete? 496 kämpfen die Gothcn erfolgreich um 
Saintes, 498 nehmen die Franken Bordeaux; woher dieser Umschwung? Es 
liegt nahe, zur Erklärung auf die Chronik von Saragossa hinzuweisen, die zum 



keiD besonderes Vertrauen, dass sie den König anch dem Siege das Gebet des frommen 
Mannes mit reichen Schenkungen lohnen ISsst; ausser Gold und Silber ist es ein „ager 
amplissimuB," den Chlodowech „sigillo suo largitione communita" gewährt. Aber ausser- 
dem weiss die vita von dem ganzen Feldzuge fast nichts zu sagen, nichts von einer 
Bekehrung, sondern sie knüpft ganz unvermittelt an die Schenkungen die Worte: 
„Quibus rite perfectis, ad b. Kemigium adiit et sacrum baptisma suscepit". Die ganze 
dürftige Erzählung macht einen wenig selbständigen Eindruck; man wird Kurth bei- 
stimmen (CIo via p. 598), der die Ansicht ausspricht: „Ce docnment, en ce qui concerne 
la partie relative A Clovis, semble s'inspirer de U vie de saint Solein, dont on gar- 
dait le Corps k Blois". 

1) Vgl. den Anhang. 

2) Nämlich die Zusammenkunft der beiden Könige (Gregor. 11 35} nnd Thcode- 
riclis Vermittlungaversuche (Var. III 1—4). 



dbyGoot^le 



Zar Oeachichte des Frank enkönigs Cblodowfich. 65 

Jahre 496 beliebtet: „bis com. Bnrdnnelus in Hispania tyrannideiu aBsumit", 
und znm folgenden Jabre: „bis cobs. Gottbi intra Hispaniae sedes acceperuot, 
et BnrduDelaB a suis traditus et Tolosam directus in tauro aeneo imposituB 
igae crematog est." Erstand den Gothen derart in ibrem Racken ein neoer 
Gegraer, gegen den sie üch weaden mossten, so sind die Fortgebritte der 
Fränkiseben Waffen begreiflieb. 

Wenn so die Franken 496 bis Bordeanx vordrangen, so ist es keines- 
wegs nnwabrscheiDticb, dass anch das unmittelbar an der Grenze gelegene 
Tours sieb damals in ihrem Besitze befand. Auf der einen Seite stehen die 
Nachrichten über die Kämpfe mit den Westgothen, auf der anderen die Angabe 
tlber Chlodowecbs Aufenthalt zn Tours. Wie die ansei nandergerissenen Glieder 
einer Kette fügen sieb diese Thatsachen zusammen durch Einschaltung eines 
Terbindenden Gliedes, die Annahme, dass Tours während des Krieges zeitweilig 
in Fränkischen Händen war. Bei Gelegenheit eines Feldzuges gegen die Gothen 
wird Chlodowech die Stadt aufgesucht and hier am Grabe Martins das Ver- 
sprechen der Taufe abgelegt haben, die dann Weihnachten zu Reims glanzvoll 
erfolgte, so dass hinter dem Eindrocke der feierlichen Handlung das zu Tours 
abgelegte Gelöbnis des Königs alimäblich aas der Erinnerong verscbwand, 
gleichwie das Gedächtnis an den froheren Gotbenkrieg verblasste unter dem 
machtvollen Eindrucke der Katastropbe von 507. Diese Anffassung entspricht 
dem Zeugnisse der ältesten Quelle; Sie legt in Micetius' Worte nicht mehr 
hinein, als sie thatBächlicb besagen; sie steht im Einklänge mit der Gesamt- 
heit seiner Angaben und ist nicht genötigt, willkürlich einen Teil derselben zn 
verwerfen, die ZeitbestinunoDg oder die Ortsangabe. Zweifellos ist jene An- 
naCme unbeweisbar und nicht Hher ein bestimmtes Mass von Wahrscbeinlieh- 
keit zn erheben; aber bei dem trUmmerhaften Charakter der Überiiefernng 
wird man hier nicht ohne Hypothesen auskommen können. Kämpfte Chlodo- 
wech 497 gegen die Westgothen, 496/7 gegen die Alamannen, fand eben in 
diesen Jahren seine Taufe statt, so ist es durchaus natQrlich, dass in dem le- 
bendigen Flusse der mttndlichen Überlieferung allmählich ans dem rein zeit- 
lichen Verhältnis ein ursächliches wurde, dass man die Erklärung tDr die Be- 
kehrung des Kriegshelden hier in diesen, dort in jenen Kämpfen snehte, ganz 
im Geiste jener sinnlichen Auffassung der Religion, die bei Gregor von Tours 
auf Schritt und Tritt begegnet und den wahren Glauben vor allem in äusseren 
Zeichen und Wundem bestätigt sah. 

In Wirklichkeit war also Chlodowecbs Übertritt weder die Folge der 
Alamannensehlacbt, noch beruhte sie auf einem vor dem Gothenkriege geleisteten 
Gelübde; nicht allzu wenige Thatsachen zeigen deutlich, dass der Kßnig schon 
geraume Zeit vor der Taufe dem Christentum und seinen Vertretern frennditch 
gegenüberstand'). Hier sei nur auf die bezeichnenden Worte des Avitas hin- 
gewiesen (auet. ant. VI 2, p. 76): „Nnmqnid fidem pcrfecto praedicabimus, quam 
ante perfectionem sine praedicatore vtdistis? an forte bumilitatem, quam tarn 

1) Vgl. besouders Eauclc S. 105 f.; 3. Aufl., 1898, S. UOf. • 

J»brli. d. Var. t. AICerthafr. Im Bbelnl, lOS. & 



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66 Wilhelm Levieon: 

dudum nobia devotione impenditie, qnani nnno primam profesaione debetis?" 
So wird es begreiflich, dasB schoD bei Ghlodoweebs Anföngcn die Sympathien 
der katholischeo Romanen sich dem Könige zuwandten, dasa schon während 
seiner ersten Jaiire'), „cum iam terror Franconun resonaret in hie partibns et 
omnes eoB amore desiderabili cupirent regnare", Bisehof AbrnnculnB von Langres 
wegen des Verdaefates solcher Gesinnungen ans dem Burgnnderreiche fliehen 
muBste (Gregor, bist. II 23, p. 86). Unterscheidet man nnr zwischen dem förm- 
lichen Übertritte und Chlodowechs innerer Überzeugung, die niclit das Werk 
eines Augenblickes war, sondern sieb, wie man der Überlieferung glauben 
darf, unter der stetigen Einwirkung seiner Gattin allmählich entwickelte, so 
versteht man es auch, wie Remigius bereits beim Regierungsantritte des Königs 
an diesen ein Schreiben riebten konnte (epist. III, p. 113; cf. p. 719), in dem 
er — ohne ihn auch nur mit einem Worte ausdrUcklicb als Christen zu be- 
zeichnen — Chlodowech die Pflege cfaristUcber Tugenden ans Herz legt, ihm 
den Rat der Bischöfe empfiehlt und ihm überhaupt das Ziel setzt: „Hoc in- 
primis agendum, nt domini indicinm a te ood vacillctur". So ist es nnnOtig, 
wegen dieses Briefes mit Gundlaeh Chlodowechs Übertiitt vor 486 zu setzen *). 
Dass dieser nicht einer augenblickliehen Regnng entsprang, sondern erst nach 
reiflicher Erw&gung erfolgte, tritt auch darin zu Tage, dass vor der Entschei- 
dung Arianische Einflüsse anf den König einwirkten und ihn auf ihre Seite 
zu ziehen suchten, bis er sich endlich für den katbolischen Glanben erklärte; 
dies zeigen die Worte des Avitns (p. 75): „Veatrae enbtilitatis acrimoniam qno- 
mmcnmqne scismatum sectatores sententiis suis variis opinione, diversis multi- 
tudine, vacuis reritate Christian! nominis visi stmt obnmbratione velare. dum 
ista nos aeternitati committimus, dum, quid recti nnosqnisque sentiat, futnro 
examini reservamns, etiam in praesentibus interlncens radtus veritatis emicuit- 
invenit quippe tempori nostro arbitmm quendam divina provisio- dum vobis 
eligitis, Omnibus iudicatis; vestra fides uostra vicloria est". Wenn Avitus er- 
klärt, er wolle dem K&nige nicht „misericordia" predigen, „qnam sotutns a 
vobis adhae nnper populns eaptivus gandiia mundo insinnat, lacrimis deo", so 
mag man diese Worte immerhin wie früher auf den Alamannenkrieg beziehen 
können; flir wahrscheinlicher halte leb jedoch mit Kmsch eine Hindeutnng auf 
die Gallo-Roraanen, die die Herrschaft der Arianer drückend empfanden und 
nun in Chlodowechs Erfolgen die ersehnte Befreiung erblicken mochten. Chlo- 
dowechs Versprechen gerade zu Tours erklärt sich ans der religiösen Bedeu- 
tung des Ortes; es liegt aber auch der Gedanke nahe, dass die Wahl von Zeit 
nud Ort darauf berechnet war, dem Könige die Herzen der Katholiken des 
Weatgothenreicbea noch enger zn verbinden. 



1) Vgl. Grundlach, N. A. XV, 1890, S. 246 Änm. 

2) Ober den Brief v};l. auch Lecoy de la Marchp, biblioth6qne de l'^colc das 
chartes, VIe sörie, t. 11, 1866. p. 59—74; Kurth, Clovis p. 241, ii, 2; Hauck» S. 580 f. 
Halt man dennoch den Brief mit Chiodowechfl Heidentume für unvereinbar, so liegt e§ 
immer noch näher, mit Junghans und Löning den Brief nicht fin den König, son- 
dern einen seitter Söhne gcriclitet zu denken. 



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Zar Öeschichte des Prankenkönigs Chiodowech. 67 

Gegen diese AnsfOhningen, die Annahme eines fast verschollenen Gothen- 
kricges und die daranf bemhende Erklärung ron Chlodowechs Aufenthalt zn 
Tours vor der Tanfe, wird mau vielleicht das Schweigen Cassiodore in Theo- 
derichs Vermittlungsschreiben (Var. III 1 — 4) anfahren; aber diese Thatsache 
beweist kaum etwas. Man betrachte nur den Anfang des Briefes an Alarieh 
(III 1, p. 78): „Quamvis fortitndini vestrae confidentiam tribuat parentnm 
vestromm inunmerabilie multitndo , quamvis Attilam potentem reminiseamini 
Wisigotharum viribus inclinatnm, tarnen quia populorum ferocinm corda longa 
pace moUescnnt, cavete snbito in aleam mittere, quos constat tantis tempoiibus 
exereitia non habere". Nur den Kampf gegen Attila ei-wähnt Caseiodor, mit 
keinem Worte die zahlreichen Kriege Theoderichs II. and Eurichs; in dem 
Bestreben, um der Erhaltung des Friedens willen die WafiFentBchtigkeit der 
WMtgothen als gering hinznstellen, mochte er tlber die Kriegsthaten der letz- 
ten VergaugCDheit mit Absicht stillschweigend hinweggehen, so dass sein 
Schweigen nichts beweist, und das Gleiche gilt von Gregor. Wer bedenkt, 
wie nnvollständig dessen Darstellung ist, wie er z. B. den Ostgotbischeu Krieg 
von 508 gar nicht erwähnt, wer beachtet, einen wie breiten Raum unter seinen 
Quellen fQr die Zeit Chlodowechs und seiner Söhne die mQndliche Überliefe- 
rung einnimmt und wie in dieser frühere, ergebnislose Kämpfe vor dem ent- 
scheidenden Schlage von 507 zurttcktrcten massten, fUr den winl Gregore 
Schweigen nichts Überraschendes haben. 



Anhang. 



Tita Sollemnis eplseopt Carnotensis. 

Unser Wissen von dem Leben des Bischofs Sollemnis von Chartres be- 
ruht einzig auf einer kleinen LebeDsbeschretbung eines unbekannten Verfassers, 
da die Angaben in dem Martyrotogium des Hrabanua Mauru«^) aus ihr ge- 



I) Die Verwftltnngon der Stiftsbiblfothek zu St. GaUen (cod. d. 457, saec. IX, 
p. jm-13S; u. 458, aaec. IX, p. 168—169) und der Stadtbibliothek zu Mainü (II n. 66, 
saec. XI exeunt., fol. 39) haben mir in liebenswürdigster Weise Kollationen zu dem 
betreffenden Abschnitte (Migne, patrolog. ser. 11, t. CX, col. 1170-1171) zur Verfügung 
gestellt. Hrabanus berichtet zum S4. September (VIII kal. Octobr.): Eodem die de- 
positto Sollemnis episcopi, qui ab infantia dei servitio dovotus fuit, quod etiam mira- 
culis clarttit. nam cum quadam die itineris sui proficisceretar callem, obvlnm habult 
hominem a nativitate caecum, surdum et mutum, quem complexus collo oaculavit et 
cito Sanum reddidit. hie cliam cum defuncto Cnmotonsls urbis episcopo electus est 
ad episcopntum, quem ergo invitus accepit. Hludowicum vero regem adbuc pagaouin, 
qui eodem tempore Francis imperabat, cum vellet contra Gothos in bellum pergere, 
signo crneis in front« et in pectoro armavlt et sie victnria de hnstibus pntitum ac 
dornt reversum simnl cum sancto Remlgio Remcnsium arbis episcopo, divina favente 



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schöpft siod') nnd auch die kurze Erwähnnng des Bischofs in der Chronik 
Sigiberts von Gembloux') wohl auf ihrer Kenntnis bembt. Allerdings ge- 
denkt Gregor von Tonrs einnial eines Heiligen dieses Namens; er erzählt 
Ton der wundersamen Anffindung seines Grabes za Maülä (heute Layncs an 
der Loire unterhalb Tours) und erwähnt HeiluugeUj die sich dort zugetragen; 
aber sein Bericht ergiebt nicht das Mindeste über die Zeit und die Lebensver- 
hältnisse des Heiligen^). So sind vrir allein anf jene Vita angewiesen, und 



virtute, cum gratiae alacritate baptisavit et cum eodem trecentos septaagintA nobile» 
satrapas sacro foiite rsgeneratos in apiritu aancto adnptionis partnrivit filloB; Bicquc 
memoratus sanctus dei, tres ollmpiades gerens in episcopatu, de hac luce migrarit 
ad CiiriHtüm. 

1) Die Ansicht von Kurth, Clovis p. 609: „La Vie de ce saint .... n'est, solon 
moi, qu'une ampliflcation faite an XII« ou XIII« sificle Bur le texte de Baban-Maur", 
widerspricht allen Analogien und wird zum Teil unmittelbar widerlegt durch einen 
Blick auf die Handschriften; die einzige Abweichung: 370 statt 364 Franken, erklärt 
flieh am einfachsten als ungenaue Wiedergabe der Zahl durch Hraban. Dieser giebt 
selbst an, dass er sein MarCyralogium nach schriftiichen Quellen verfaest habe; vgl. 
die Widmung an Abt Ratleik (Forschungen zur Deutschen Geschichte XXV, 1885, 
S. 196): „Singulis diebus nomina sanctorum, quae tcripta sive notata ah antecrsRori- 
bns In libellis repperi, ibidem inserui et culuscumque sancti obituro sive martyrium, 
qnaliter praesentem vitam flnierint, legi, hreviter prout potui notavi"; und die Wid- 
mung an Abt Grimold (poet. med. aev. II, p, 169); „Hunc ergo ex xcripti» coufeci 
rite libellnm | sanctorum patrum, frater amate, tibi". Auf Hrabans Rechnung kom- 
men .nur wenige spHtere Znsätze' (Dttmmler, Forschungen z. D. Gesch. XXV, 1885, 
S. 200). 

2) Sigiberti Qemblacensia chronica ad ann. 6. Chlod. (scr. VI, p. 313) r „Sollemnis Car- 
notensis episcopus ciaret, qui in predicando Francis Christum non aegniter institit*. 

3) Gregor. Tur. in glor. confess. 21 (p. 760-761): Et licet de Turonica urbe ali- 
qua iam acripaerimus, tarnen quoniam nuper sancü SoIIemnis scpulchrum aspeximus, 
silere nequivjmus, quod apud Malliacensim monasterium — in caciimine montis est 
constitutum, ab antiquis vallatum aediflcils iam erutls — factum cognovimus. nam 
ferunt, in eo loco, cum cripta adhuc baberetur occalta, et nailo christianorum locus 
ille esset revelatus, per singulas dominicarum sotemnitatum noctes ab habitatoribns 
lumen cernebatur accensnm, sed nuUus sciebat, quid eibi hoc velit mysterinm; tantnm 
RUBpIcio retenebat homines, aliquid ibidem retenere divinum, int^rea advenerunt duo 
iuergamini ex basllica sancti Martini, qui, conlisls in se palmis, clamare coeperuat, 
dicentes: 'Uic requiescit Sollemnis beatisslmns in cripta abdita. reserate igitar se- 
pulchrnm ami<;i dei. quod cum reppereritis, velis tegite, lumen accendite cultumque 
debitura ezibete. erit regioni huic salubre, si quae loquimur adimpletis*. et haec di- 
centes, cum clamore magno effodere tellurem ungulis nltebantur. tone videntes iu- 
colae quae gerebantur, accepto sarcuto effodenten aperuerunt criptam, in qua per 
aeriem gradunni discendentea, repporerunt sepulchram magnum, de quo teatabantur 
Uli adhuc mente Infirml, hunc esse sepulchrum Sollemnis beatissimi. qui mox senan 
discesserunt recepto. post haec autem coepernnC ad eum diversoruin morborum aegroti 
confluere et accepta snnitate redire incolomes. sed et Litomeris urbis ipsius indigena, 
cum ab illius quartani typi aegrotatione fatigaretur, acceptis es hospiciolo suo ccreia, 
aurrexit cum uno tantum pncro acceasitque ad locum. fusa vero oratlone, accenais 
cereis manu propria per totam noctem detentis, vigiliaa cclebravit. dato igitar mane, 
redivit ad propria nee ultra ab hoc morbo frigorae vel confractionis ullins pertulit 
g^avitatem. 



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Zur Geacblcht« des Frank enkönigs Chlodowech. 69 

es ist daher notwendig, ■ oacb Möglichkeit ihre Abfassangszeit feetznstellen 
und ihre GlaobwUrdigkeit zu nntersnchen. 

Sie ist bestimiDt, am Jahrestage des Bischofs vorgelesen zn werden, wie 
der Schluss zeigt >), und im Kreise des Klerns von Cbartres verfasst, wo Sol- 
lemniB nach der Ansicht der Vita begraben lag, wie mao ohne Bedenken ans 
ihrem Schweigen Aber eine Übertragung der Reliquien nach einem anderen 
Orte — MailM, Blois — Bchlieesen darf. Sie enthält keinerlei Angaben Über 
ihre Abfaasnngezeit; dass aber zwischen Sollemnie' Tode und ihrer Nieder- 
schrift einige Zeit verflossen war, zeigen die Worte : „nt ritns priscorum 
erat", nnd „ubi multa signa et virtotes nsqne in hodiernam diem esse vi- 
dentur". 

Weiter führt vielleicht ihr Inhalt. Er ist dürftig; ausser zwei Wundern, 
die an den Glauben des Lesers grosse Anforderungen stellen, aber in der 
Litteratur jener Zeit zahlreiche Parallen finden*), weiss die Vita nur von der 
Wahl des Heiligen zum Bischöfe and von seiner Thätigkeit bei Chlodowecbs 
Bekehrnng nnd Taufe Näheres zu berichten. 

Ein „edictam" Chlodowecbs befiehlt die Wahl des SoUemnis zum Bischöfe; 
Bisehöfe versammeln sieb darauf in Chartres, um ihn zu konsekrieren, ganz 
entsprechend dem Verfahren der Merowingerzeit, in der das Best&tignngsrecht 
des Königs oft znr thateächlichen Ernennung fahrte'). Nach bekannten Vor- 
bildern entzieht sich Soliemnis der Wahl durch die Flucht; an seine Stelle 
wird der Archidiacon ^) Aventinus gewählt. Hollemnis kehrt zurttck; auf das 
lärmende Verlangen des Volkes, dessen Einfluss mehr noch als nach recht- 



1) Der gleiche Zweck ist aaegesprochen z. 6. in der vita s. Naainatii 7 (analecta 
Bollandiana XIV, 1895, p. 201) und in der vlta Lucil confessoria 1 (scr. Merov. III, 
p. 2). Vgl. Vita e. FMgii, prol. (Migne, palr. b. II, LXXXVII, p. 479/80): Quotieseunque 
er^o sanctorum solemnia anniveraario circulo celebramuH, aliqna ex eonim gestis ad 
aciliflcationem Chrt§tianae plebis convenientia in Christi laudihus recttare debemiu. 

2) Zum Wnnder bei Soliemnis' Bestattung vgl. z. B. Gregor. Tur. lib. vitae pa- 
tnim 7, 3 {p. 689) in Bezug auf die Gelegenheil und de virtut. s. Martin. IV 26 (p. 665 
— G56) in Bezng auf die Art des WunderB, 

3) Vgl. Loebell, Gregor von Tours nnd seine Zeit", 1869, S. 266-278; Hin- 
schius, Kirchenre.:ht II, 1Ö78, S. 617—519; Löning, Geschichte des Deutschen Kir- 
chenrechlB 11, 1878, S. 174—186; Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte II 2», 1882, 
S. 61—66; Haack, Die Bischofs wählen anter den Merovingern, 1883, und Kirchen- 
geschichte Deutschlands I, 1887, R. 141 f; Fustel de Coulanges, la monarchic franque, 
1888, 8. 534—562; Weyl, Das fränkische Staatakirchen recht zur Zeit der Merovinger, 
1888 (Gierke, Untersuchungen XXVII), S, ßl— 60; Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte 
II, 1892, S. 313; Kruach, Mittheilungen XIV, 1893, S. 431; Dahn, Könige der Ger- 
manen VII 3, 1895, S. 230-242; Kurth, CIovls S. 619-522; Vacandard, Revue des 
questiona historiques XXXII, 1898, S. 321—383. Bezeichnend ist die Äaderung, welche 
sich in der jüngeren Bearbeitung der Vita tindet; „Ut iam dictae civitatis cathedram 
vencrandus vir Rollempule üuaciperet, clerus omnis vei populus urbis Carnotensis 

auribus regia Chlodovei unaniniiter suggesalt annuena itaque praecibus clerico- 

rum et populi rex Chlodoveua praecepit" etc. 

4) Über die hervorragende Stellung des Archldiacouns in dieser Zeit ygl. Lö- 
ning 11, S. 333-342; Hinschiue II, S. 183-187; Fustel de Coulanges S. 516 f. 



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70 Wilhelm Levison: 

liehen QesiehtBpnnkten dnreh die Macht der Thatsajjhen auf den Änsfali der 
Bisebofswahlen hänfig allein bestimmend einwirkte'}, wird er auch jetzt noch 
7.nm Bischof konnekriert. DafUr wird Aventinas «n seinem Nachfolger bestimmt 
und erhält einstweilen Dnnum (Chäteaudun) zum Wohnsitze. Eine passende 
Analogie bietet sich bei Gregor, bist. V 5 (p. 196} : „Interea beatns Tetricus 
(Bischof von Langres} a aanguine saueiatur. cni cum nulla medieorum fotnenta 
valereut, conturbati clerici et a pastore utpote destituti, Mondericnm cspetant. 
qui a rege indultus ac tonaoratns, episcopua ordinatur, aub ea specie, ut, 
dum beatue Tetricus viveret, hie Ternodorensem castrum ut archipresbiter 
regerit atque in eo eommoraretur, migrante vero decesaore, iste succederet" 
(gegen 570}. Dass aber Arentinus gerade Chäteaudnu zam Sitze angewiesen 
erhält, erinnert an einen Versuch, den später König Sigbert machte, als er 
Chäteaudun von der grüBstenteils zu GunthehraniQs Keich gehöriges Diöcese 
Chartres loszureissen suchte und dort einen eigenen Bischof Promotus ein- 
setzte, der sich gegen die Beschlösse des Pariser Konzils von 573*} bis zu 
Sigherts Tode 675 behauptete, dagegen 584 seine Stellung vergebens wieder- 
zuerlangen suchte'). Die Angaben der Vita finden ferner eine erwünschte Be- 
stätigung in den Unterschriften der EouKilbesehlUsee von Orleans 511, an 
denen Aveutinns teilnahm'). Die einen Handschriften, dabei die älteste, nenneu 
ihn dort Bischof von Chartres, zeigen ihn also als Nachfolger des Sollemnis; 
dagegen giebt ihm eine Handschrift noch des 7. Jahrhunderts (K} den Titel 
„episcopuB de Duno", eine des neunten (P) „episcopus eciesiae Dunensis". 
Man möchte den Scblnss ziehen, dass Aveutinus in der Urschrift der Beschlüsse 
von 511 seiner früheren Stellung gemäss seine Würde nach beiden Orten be- 
nannte; jedenfalls erseheint sein Bischofsamt entsprechend den Angaben der 
Vita in Beziehungen sowohl zu Chartres wie zu Chäteaudun. 



1) Vgl. z. B. Fustel de Coulan^es S. 536: ,,Le droit est que lee 6 v^ques nominell t 
iBur 6la moyennaDt qu'ils aient raseenCimont ^6ii6ral; le fait eat quu la population im- 
pose aoa choix aus ävfiqneR." 

2) Concil. r, p. 146—161. Vgl. Hefele. Conciliengeschiehte ITI, 1858, S. 38—29; 
Lönlnjf U, S. 124—126; Longnon S. 327. Vielleicht ist es derselbe Promotua, der 
585 zu Mät^on unter den „episcopi . - . non habentes sedes" unterschrieb (p. 173). 

3) Gregor, bist. VII ]7 (p. 301); „Promotua varo, qui in Dunense Castro ordiuante 
Sygibertho rege episcopus fnerat inatitutus et poat mortem regis amotus Tuerat, eo 
quod cnati'um illud esset dindaia Carnotena; tontra quem ita iudicium datum fXtorat, 
ut praeabiterii tantutn officinoi fungeretur; accnasit ad regem, depraecana, ut ordhia- 
tionem "piscopatua in antedicto Castro reciperet. Sed, ohsistente Pappolo Carnotene 
urbis episcopo ac dicente, quia: 'Diociais raeae est', ostendento praesertim iudicium 
episcoponim, nihil niiud potuit obtinere cum rege, nisi ea quae aub ipaias caetri ter- 
mino propria ha^ebat reciperit, in qua cum genetrice adhuc superatite morarotur." 
Mau liönutQ denken, während dieser Streitigkeiten sei die Vila aus pral;tischen Ge- 
stchtspunkton geschrieben worden; doch Ifisst sich diese Annahme nicht durchführen. 
Ein Anhänger des Promotua würde Aveutinus nicht die Pflicht auferlegt haben, Sol- 
lemnis bei dessen Lebzeiten zu gehorchen („tuü Sit obtemperana principatui"), ein 
Mitglied der Gegenpartei ihm nicht die Nachfolge eingeräumt haben. 

4) 'Concil. 1, p. XO aeq. 



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Zur Geschichte deu FrankeiiktSnigs Cblodowech. 71 

Was SoDemDis' Verbflltnis zn Chlodowecb angebt, so ^ird darauf Dichte 
zu geben sein, dass die Bekehrung des Kflnige als das Werk des Bischofs 
hingestellt wird. Die Überlieferung der Kirche von Cluirtres mochte begreif- 
liclierweiae ihrem Bischöfe ähnliche Beziehnngen zu Ghlodowech zateilen, wie 
man sie ao anderen Orten Remigins oder Vedastea zuschrieb. Dagegen kann 
seine TeÜDahme an der Taufe des KOnigs sehr wohl der Geschichte ange- 
hören, da hier nach dem Briefe des Avitus (auct. ant. VI 2, p. 75) „adunatomm 
numerosa pontificum manus" mitwirkte. 

Wie die Bekehrnng mit einem Gothenkriege in Verbindung gebracht wer- 
den konnte, habe ich bereits oben zu erklären versucht; es iBt der Krieg der 
90er Jahre, von dem der continuator Prospcri HaviiiensiB dürftige Kunde er- 
halten bat. Ganz im Geiste der Zeit liegen die „AuBpicien", die dem Künige 
zu Chartres im Psalmengesang zu teil werden, gleichwie Gregor solche 507 zu 
Tours erfolgen läest (bist. II 37, p. 99—100). 

Schwierigkeiten scheint zunächst eine Angabe der Vita über diesen Krieg 
zu bereiten: Der Sieg über die Gotben ist erfochten, und das Frankenheer 
fordert den König auf, die Verfolgang der Feinde zu beginnen und ihr Reich 
zu erobern. Der König billigt ihre Absicht, wie anch sonst das Heer unter 
den Merovingem — selbst gegen den Willen des Königs — vielfach seine 
WUnsebe durchzusetzen weiss*}. Aber in der nächsten Nacht erscheint Sol- 
leniDis dem Könige im Traume und verbietet ihm den Weitermarsch. Cblodo- 
wech teilt dem Heere die Worte des Bischofs init, der Rückweg wird ange- 
treten. Die Franken rücken in Aqnitaoien ein und verwBsten es weit und 
breit auf dem Heimwege. Mithin war die Schlacht tlber die Gothen nach der 
Anschauung der Vita an den Grenzen Aqnitaniens, also im äusserBten Süden 
Galliens, gegchlagen wordeu; oder man mUsste annehmen, der König habe 
gegen den Willen des Bischofs den Krieg fortgesetzt, und es handle weh 
nicht um den Rückweg, sondern um ein weiteres Vordringen, was einen Wider- 
spruch in der Vita bedeutete. Der Schreiber der Pariser Handschrift hat hier 
eine derartige Schwierigkeit empfunden und deshalb die Angabe Ober die Ver- 
wüstung Aqnitaniens gestrichen. Die Bedenken beben sich, wenn man Aqui- 
tanien nicht in der umfassenderen Bedeutung versteht, sondern im Sinne der 
späteren Römischen Provinzialeinteilung, die das Gebiet sUdlich der Garonne 
als besondere Provinz Novempopnlana von deu zwei Aqnitauien schied*). In 



1) Vgl. z. B. Gregor, bist. IV 14 (p. 152); 49 (p. 184-185). Waitz It 1", S. 191 
— 193; Brunnerll, 8. 127; Wilhelm Sickel, Die merovingiBche Volksversammlung 5 
(Hittbeilnngea des Instituts für Oesteireichische Gflschtcbtsforscbang, Ergftnzucgs- 
bund II, 1888, S. 304-307). 

3) Vgl. z. B. Hieronym. epist. 123, 16 (vom Jahre 409): „Aquitanlae Novemqne 
populoruin, LugdunenEis et Narbonensis provinciae praeter paucas urbea populata 
sunt cuDcta" (Mignc, paCrol. XXII, col. 1068); den laterculns des Polemius Süviua von 
449 (auct. ant. IX, p. 537); Gregor hist. II 25 (p. 87) von Eurichs angeblicher Katho- 
liken Verfolgung: „Maxime tunc Novimpopulauae geiiilnaeque Qerinanlae urbes ab 
hac tempestate depopulatae sunt," wo Germaniae zweifellos aus Aquitoitiae verschrie- 
beo ist. 



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72 Wilhelm LeviBont 

diese Gegenden weist auch die Langobardenchronik, wenn sie die Franken 
496 Bordeaux uehmen, also an der Südgrenze der Aquitania secnnda kämpfen 
Ifint. 

So würde der Inhalt der kleinen Vita nicht hindern, ihre Entstehnng in 
die frühere Merowingerzeit zu setzen, etwa zwei Uenscbeoalter nach dem Tode 
des Bisehofs, und dafUr scheint zn sprechen, daaa sie im Gegensatze zu Gregor 
von Tours noch nichts von dem SoUemnisgrabc in Ataill6 weiss. Die Ansicht 
von Kortb, der in ihr ein Machwerk des 12. oder 13. Jahrhunderts siebt'), 
widerlegt ein Blick auf die Handschriften. Johannes Cleus sprach ihr ein 
hohes Alter zu*), und Krusch verglich ihre Sprache mit der des Venantins 
Fortunatns'). Der Annahme, sie sei ein Werk des 6. Jahrhunderts, scheinen 
aber die Worte entgcgcnzuBtehen: „Chlodovens tunc tempore rex in eodem 
solo tenebat imperio principatum". Von dem „imperium" der FrankenkOnige 
konnte erst seit 800 die fiede sein^); aber ist es denn notwendig, hier an 
die engere Bedentang des Wortes zu denken? Es hindert nichts, es in wei- 
terem Sinne aufzufassen, in dem imperium ebensogut wie von den Rßmischen 
Imperatoren von Germaniechen Königen gebraucht werden konnte und auch 
wirklieh gebraucht worden iet^). Aber auch bei Ablehnang dieser Möglich- 
keit darf es als sicher gelten, dass die Vita, die zweifellos vor Hrabans Hart;ro- 
loginm, also vor der Mitte des 9. Jahrhunderts*), verfasst ist, aus einer selb- 
ständigen und keineswegs veräcbtlichen örtlichen Überlieferang geschöpft bat, 
wie die Angaben Über Aventinus zeigen. Vielleicht liegt sie nns nicht vCllig 
in ihrer ursprünglichen Gestalt vor; gerade bei ihrer Bestimmung, am Jahres- 



1) Clovis p. 609. 

2) Acta sanctorum Septembris VH, 1760, p. 65: ease ea valdo aQtiqua, mihi flt 
) veriHimile. 

3) 8cr. Merov. I, p. 760, d. 3: vitaiu a scriptore antiquo compoxitam, cuios sermo 
Fortnnatiano non adeo dlssimills est. 

4) Vgl. z. B. die bezeichnenden Worte der vita Johann. Keom. 15 (scr. Merov. III, 
p. 513): CamqQB iaib Oalllaa Francomm regis sne dictione, aublato imperii iure, gn- 
bemacula poneretit et, postpoaita rei publice dominatione, propria tVuerentnr pote- 

6) Vgl. die Worte Chüdeberts I. (capit. I, p. 2): „Et quia necesae est, tit pleba, 
quae sacerdotes praeceptura non ita ut oportlt custodtt, nostro Miam corrigatur im- 
perio, hanc cartam . . . decrevirnus Mnittendam", und die „781 oder kurz darauf 
(Zeumer, N. A. VI, 1881, S. 81) geschriebene 11. Formel von Bourges (formul. p. 173)i 
In quantum veatrum poUet imperium vel prindpatum.'^ Cassiodor redet von einem 
imperium ThcodcrichH (anct, ant. XII, p. 548), und auch der Sprachgebrauch des Jor- 
danes zeigt die Anwendung des Worte« auf andere FUraten als den Römischen Kaiser; 
vgl. Mommaen, anct. ant. V 1, p. 190: „imperalor non dicitur nisi Romanorum; im- 
perare, imperium ad reges quoqne pertinent, praesertim Attilam." Kruach geht also 
zu weit, wenn er gegen die Worte der vita Aviti 12: „Chiidebertus Francorum prin- 
cepa, qiii Gallias suo imperio coercebat" (scr. Merov. III, p. -385] bemerkt: „imperio 
autem suo Galliafi coercebat rex Francorum nullus ante Karolum M. imperatorem" 
(p. 381), 

6) Dfimmler a. a. 0, S. 199: Abfaasung des Martyrologiums zwischen 842 
and 854. 



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Znr Geschichte des FrankenkttnlgB Cblodowech. 78 

tage dea Heiligen dem Vortrage zn dienen, mochte sie leicht mancherlei Um- 
gestaltungen anegesetzt sein. 

Die« zeigt auch ihre spätere Geschichte. Je mehr die von Gregor and 
seinen Ansschreihern vertretenen Überlieferangen an Verbreitung gewannen, 
am so eher mnsste die andere Wege gehende Darstellnng der Vita Verftnde- 
rongen nnterllegen. So zeigen die Handschriften der Reihe B ungescbickte 
Interpolationen ans der vitaVedasti, die gegen 642 durch den Abt Jonas von 
Saea mit Benutzung von Gregors Geschichtswerk verfasst worden war. Wenn 
die Einfügung des Vedastns neben Bemigias und Sollcmnis („assumpsit secum 
saere legis cultores Kemigiom et Vedaatum anstitites venerandoB" statt „ad- 
inncto sibi sancto Kemedio Kemensium urbis episcopo") jene Annahme schon 
unmittelbar nahelegt, so findet sie ihre Bestätigung bei folgendem Vergleiche : 



vita SoUemnis ( 



Ursprüngl icher Text | Interpoli e rter Text 



vita Vedasti 7 (scr. 
Merov. III, p. 411) 



inclite res o inclite rex et decus o rex, tuorum decus 

j Franeomm ] Franeorum 

und namentlich durch die Thatsache der Einflickung des AlamanoenkriegeB, 
den sowohl Hrabanus Haurns wie der Verfasser der gleich za besprechenden 
jfingeren Vita in ihren Handschriften noch nicht erwähnt fanden, eine so un- 
geschickte Inteqwlation, dass sie sich als solche schon aus den wenigen Mitteilnngen 
von Cleus über abweichende Lesarten mit Leichtigkeit ergeben konnte. 



vita SoIIemnis 7 


vita Vedasti 2 


Üraprflnglieber Text 




(p. 406-407) 


Vovit^e rex dieens : 


Yenitque dicens: „In 




„In his armis abiero et 


his armis vadens, si a 




populi si percepero bra- 


Gothis vel Alamannis 




vium, 


snperatus non fnero, 
sefl rediero in pace, 










statim ad baptismam 




gratiae trailo". talibus 


convolabo". t(üibus ar- 


Evenit, ut . . . adversum 


lumboB armis saecinc- 


mis accinctus pergit 


Alamannos gentem 


tus pergit ad praelium. 


dimicaturusadbellum 


ferrocembellaturus 




statimque ferocem 


pergerit. 




AlamauDornm gen- 






tem debellavit atque 




cumque 


subegit. cuTnque contra 
se Gothorum agmiua in- 
struxissent, qni contra 
eum bellum paraverant, 




acies 


acte«que illius contra 




contra aciem utrinique 


aciem inimicorum tela 




tela emissa iactarent, 


inieeret acriterque bel- 




momen- 


lum instaret, inmomento 




to Gothorum agmiiw. 


Gothorum agminapro- 




progtrantur. 


strantur. 





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74 Wilhelm Levtson: 

In umfassenderem Masse warde die Vita, durch Vereinignug mit den äd- 
gaben Gregors tob Tours umgestaltet, and maa mnsa dem Verfasser di^er 
jüngeren Vita zugestehen, dass er eich nicht ohne Geschick bemüht hiit, die 
Abweichungen und Widersprüche zu vereinigen. Ausser zahlreichen Aub- 
schmOckiiDgen, die mebr die Form als den Inhalt betreffen, erweiterte er die 
Geschichte der Taufe im Anschlüsse an Gregor, bist. II 31; vor allem aber 
suchte er die Erzählung Tom Sollemnisgrabe in Maill^ mit der alten Vita in 
Einklang zu bringen ond musste daher zuerst die Frage lösen: Wie kam der 
Bischof von Chartres dorthin? Die Antwort findet er in folgender Weise: Nach 
Chlodowechs Taufe kehrte Sollemnis zu seiner Bischofestadt zurück und lenkte 
nun seine Herde „in longa pace", eine Zeitangabe, die der Verfasser wohl 
vergessen haben muss, wenn er fortführt: „Non multo post tempore interieeto 
mrsus motnm est bellum inter Cblodovenm regem et Alaricum. congregans rex 
itaqne Clilodoveus omnem exercitnm Francorum, devcnit in pagnm Tnronensem, 
ducenn secnm cum aliis episcopis beatnm Sollemnem". So war dieser an den 
Ort g:ebracht, wo Gregor von Tours sein Grab gesehen hatte, und der Bear- 
beiter hatte nun weiter nichts zu thuu, als ihn nach einer Ermabnungsrede an 
die Seinen und nach frommem Gebete sterben zu lassen. „Sepnltus est in 
Malliacensi monasterio". Wie konnte aber das Grab des Heiligen in Vergessen- 
heit geraten, um in so wunderbarer Weise wieder aufgefunden zu werden? 
Auch hier weiss die jUngere Vita sieh zu helfen: „Multo tempore quievit, os- 
que quo iam dictum monasterium a paganis desolatum est. postquam auton per- 
seeutio quievit, praetiosum eius corpus et sepulehrum, qaod diutius hamanis 
latebat obtutibus, qnaliter ad laudeni et gloriani noiiiinis sui id ipsum dominus 
revelare dignatus sit, beato Gregorio Turonum pnntifice referente cognoscirnns". 
Folgt zum Schlüsse eine Abschrift von Gregors Erzählung. So hat diese Be- 
arbeitung der Vita nicht den mindesten selbständigen Quellenwert. 

Die Handschriften der älteren Vita (I) zerfallen in zwei Klassen : 
A. Handschriften, die den Teilt ohne grossere Interpolationen darbieten: 
W) Codex bibliothecae regiae Bruxellensis sign. d. 7984, saec. X, fol. 
209"— 213'' {CatalogQS codicum hagiographicorum bibliothecae regiae Braxel- 
Icnsia I 2, 18S9, p. 183), die wertvollste Handschrift. „Fol. 1 in margine infe- 
rior! legnntur sequentia: CoUegii Soc. Jesu Molshem. Sed permutatione aU- 
orum Ubrorum domua profeasae Antverpiensia factum, procurante P. Petro 
Richart, et nt conjicere licet, etiam scripta erat baec alia nota quam rasaris 
dcicre conati sunt: Codex Sanctt Petri in Wüsemhurg ; quae noia repetitur 
fol. 119'' in margine inferiori: Codex monasterii S. Petri in Wiseenburg Or- 
dinia S. Benedicti" {p. 178). 

C) Codex bibliothecae Nationalis Farisiensis sign. n. 12612, saec. XIII, 
fol. 35^—38" (CataioguB codicum hagiographicorum Latinornm qui asservantnr 
in bibliotlieca Nationali Parisiensi III, 1893, p. 164). „Olim ex libria Cor- 
beiengis monagterü, deinde San-Germ." (p. 162). 

Ma) Cod. bibl. reg. Bruxellensis n. 98—100, saec. XIII, fol. 210'— 211' 
(Catalogus I 1, 1886, p. 48; cf. p. 108). Nahe verwandt ist 



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Zur Geschichte des FrankeukSnigB Chlodowech. 75 

Mb) Codex «. Maximini TVevirenais, nicht in der Trierer Stadtbibliothek 
vorhanden und mir nur ans den wenigen Mittcilnngeu der Acta Sanctoram 
bekannt. In beiden Handschriften ist der Text etilistiach niebt anwesentlich 
überarbeitet and geglättet. 

B. Die zweite HandBcliriftenreihe ändert den Text durch Interpolationen 
ans der vita Vedasti, gestaltet ihn aber auch sonst durch zahlreiche stilistiHche 
Abweichungen und kleinere Einschiebsel um; z. B. kehren Zusätze mclimiale 
wieder wie: nieiuoratus, vir dei, domino opitulante, divina opitulanle gratia. 
Eioe mit Ma und Mb verwandte Handschrift Hegt zu Gruude, wie folgende 
Beispiele zeigen: 
e. ^ de siderio tegebatur auxilio: desiderio enim tegebatur divino et auxilio 

Ma; desiderio tegebatur auxilio divino B. 
c. 3 LXVIIII: aexagesimo VII Ma; LXVII B. 
e. 3 o ioeffabilem mercationem : o ineffabilis mercatio Ma B. 
c. 9 claro Inmine decorata: clari luminis decoratus M B. 
c. 9 compages: compago Ma B. 

c. 10 recolite: recondite Ha B. Zu dieser Reihe gehören 2 HandschrifteD, 
die sehr nahe verwandt sind: 

H) Cod. bibl. reg. Hagensis L. 29, saee. XV, fol. 185"— 187' (analecta 
Bollandiana VI, 1881, p. 181); 

ü) Codex B. Salvatoris VUraiectensis, in den Acta Sanctornm nach einer 
Abschrift wiedergegeben. 

Von der jtlngeren G^talt der Vita (11), in der die Augaben Gregore von 
Tours mit denen der älteren Fassung* vereinigt sind, konnte ich Abschriften 
zweier Codices benntzen: 

Pa) Codex bibl. Nationalis Paria, n. 15437, saee. XI, fol. 190'— 192' 
(Oatalogus III, 1893, p. 324); 

Pb) Cod. bibl. Nat. Paris, n. 5666, in. saee. XII, fol. 116"— 126' (Cata- 
loguB II, 1890, p. 530). Die zweite Handschrift schliesst sich in manchen Ein- 
zelheiten enger an die nrsprtiDgliche Vita an als die ältere; z. B. bewahrt sie 
c. 5 holocanstam (Baerificinm a), snmmo repleti gaudio (sunimo cum gaudio a). 
Die Handschrift, welche der Bearbeitung zu Grunde lag, enthielt einen besseren 
Text als die erhaltenen Handschriften beider Reihen ; dies zeigt folgender 
Vergleich : 

l I " 



c. 4: nie latebat in antro, iste 
replebatur mestitia; ille solemnes 
fondehat ad dominum praeces, iste 
eon8oIatione(m) tristis quaerebat pro 
abdito. 
wo die jüngere Vita den ursprünglichen Sinn besser bewahrt hat »). 



Illc latebat in antro, t^ (illi a) 
replebantur mesticia; ille sollempnis 
fundebat domino praeces, isti tristem 
querebant absconditnm. 



1) Von anderea Uandschrinen der zweiten Vita sind mir drei Codices bibllo- 
thecae civitatis Carnoteusie beltatiiKi N. 68, sacc. XI, fol. 144''— 146v; n. 104, saee. XI, 



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76 Wilhelm Levison: 

Herausgegeben sind die Viten dnrch Johannes Clens in den Acta Sane- 
toniiu Septembris VII, 1760, p. 68 — 70 nnd 72 — 75, die ältere im wesentlichen 
nach ü; daneben sind die Handschriften W und M*" wenig berücksichtigt. 

Unter dem Texte der neuen Ausgabe sind alle abweichenden Lesarten 
der Handschrifteiiklasse A verzeicliiiet ; doch sind kleine orthographische Ver- 
schiedeDheiten der Handschriften C und M, wie vite statt vitae, sompnU statt 
somnis, michi statt mihi, nicht aufgenommen. Aach ist zn beachten, dass 
mir M** nur nnvollBtändig bekannt war, dass also Schweigen Über diesen Codex 
nicht immer seine Znstimmnng zu dem in den Text aufgenommenen Wortlaut 
bedeutet. 

Bei dem Versuche^ die Abfassungszeit der Vita zu bestimmen, ist die 
Sprache absichtlich unberücksichtigt geblieben. Auf Schritt nnd Tritt treten 
die Mittel der Rhetorik des ausgehenden Altertums zu Tage, ParallelismuB des 
Satzbanes, Antithesen, Homoioteleuta, wohlfeile Wortspiele mit dem Namen 
des Bischofs und vor allem die Formen des cursus, des rhythmischen Satz- 
schlusses '). Die Hegel ist durchgeführt, dass zwischen den accentnierten Silben 
der beiden letzten Wörter zwei oder vier unbetonte Silben stehen. Am 
häutigsten ist der sogenannte curnus planus der dictatores des Mittelalters 
verwandt (.i. «j, rvi «x. .-« sinetns SoU^mnis, sürdo et müto), an zweiter .Stelle 
der cuTStts tardus (rij "j, "o rij ^ •-« pngna eertäniinis, f'r^mit in stripitu); es fol- 
gen der cursu« velox (rii u ~) "^ «^ .£. "^ fficibus involnti, öcnli ad vid^ndum) 
und die Form ^ „ n-, r^ p« (clArior fide, pliiviae giittas). Weit weniger häufig 
begegnet der Satzschlnss olj - r«, r^ „ <-o (völvitur mäcbina, eöncrepant laädibns), 
nnd ganz selten ist endlich der Fall, dass drei Aeeentsenknngen zwischen die 
betonten Silben der beiden letzten Wörter treten {.^ "-, ~ «^ ^ ~ sanititi re- 
stitüta). Die Anwendung dieser Regel bietet an manchen Stellen der Kritik 
ein willkommenes Hilfsmittel. Im allgemeinen zeigt die älteste Handschrift 
einen glatten und lesbaren Text; aber hie und da finden sieh Vulgarismen, in 
Orthographie wie Grammatik. Die Vokale e nnd i gehen durcheinander, z. B. : 
Christi copulabatur amore, iste replebautur, luci(n)s, tristts quaerebant, siderto, 
tarlarto; balantae steht statt balante, pectorae fdr pectori, urbe statt orbe. 
Das Schlnas-m wird willkltrlieh abgeworfen nnd zugesetzt: in finem . . . pro- 
baretur, Carnotensio nrbis, pnnirentur sententiam, consolatione qoaerebant, ad- 
prehenso dnxemnt. Da der Unterschied zwischen canis, canit und canea, 
canet fUr die Aussprache verschwanden ist, tritt canent durch Analogie an 

fol. ar-U'; n. 190, saec. Xlt, fol. ISGr— 188r (analocta BoIlandiRn» Vin, 1889, p. 100, 
121, 151; vgl. den Catalogue g^n^ral des manuscrits des bibliothäques publique» de 
France, d^partementa XI [Chartres], p. 13, 66, 22-2). Dazu kommt eine Haudschrift 
dflr PariBer Nslionalbibliothek, n. 5333, saec. XIV, Ibl. 273v-288r {Catalogus II, 1890, 
p. ^1); sie enthält oine „Vita inttfrpolata, diveraa ab edita Act. SS,, ad d. 25 Sept., 
tom. VII, p. 72—75, loiige sdlicM oratorio fuco amplior." 

1) VgrI. Wilhelm.Meyer, Güttins- gelehrte Amfeif,'en 1893, 1, S. 1—27; Eduard 
Norden, autike Kunatprosa II, 1898, S. 908—960. Über den Gallisch™ Stil des 6. Jahr- 
hunderts vgl. Norden S. 631— S42. 



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Zur Geschichte dea Frank eukönigs Chlodowech. 77 

die Stelle von canunt. Man schreibt: aima in qua (qatbas), tnnc tempore, opi. 
dorn cognomiDänfe Dunnm. Zum absoluten Ablativ gesellen sich abeolnter 
Nominativ uod Akkosativ, das Präsenspartisip wird fast znm selbständigen 
Prädikat. Ut und cum werden ohne Unterschied mit Indikativ und Kon- 
jnnktiv verbunden, vor einem Folgeeatze kann ut fortbleiben. Spnren scheinen 
darauf hinzuweisen, dass die Vita einst mehr Vulgarismen enthielt; wenn W 
pro abdito, C rapide tum bat, so lässt dies anf uraprtlngliches pro abditum 
Bchliessen (c. 4], totam (W) und tute (C) auf tutam (e. 8). Im einzelnen lässt 
sieh freilich kaum sagen, was dem Verfasser der Vita, was späteren Abschrei- 
bern angehUrt; doch stimmen alle sprachlichen Besonderheiten zu dem, was 
die Sprachdenkmäler des 6. Jahrhunderts lehren'), ohne dass aber von 
diesem Gesichtspunkte aus bei dem geringen Umfange der Vita eines der 
näehsten Jahrbonderte ausgeschlossen wtlrde. 

Der folgende Text hat vor allem die älteste Handschrift zur Grundlage 
und giebt daher im wesentlichen anch ihre Inkonsequenzen in Grammatik nnd 
Orthographie (praehendere, prebendere; praeces, preces) wieder. Doch ist fUr 
den Namen des Bischofs die in den Inschriften weitaus häufigere Form Sol- 
lemnis angenommen, da sie sich bei den ältesten Zeugen, in den Handschriften 
Gregors von Tours und Hrabans, findet. Der Codex W hat die Form Solemnis, 
die auf den Steindenkmälern seltener auftritt (z. B. Bonn. Jahrh. 99, 1896, 
S. 160); C schreibt meist Sollempniua, M Sollempnis, H Solempnis, P' Solr 
lempnix nnd SoUemnis, P** Sollempnis. So spricht auch die Mehrzahl der 
Handschriftea für die Schreibung mit Doppel-I'). 

Die Neuberausgabe der älteren Vita wurde mir ermöglicht dnrch die 
Liebenswürdigkeit von Herrn Geheimrat Professor Usener in Bonn, der fUr 
mich die Beschaffung von Kollationen vermittelte und mir wiederholt mit 
seinem Rate wertvollen Beistand leistete. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle 
sowohl ihm herzlichen Dank zu sagen wie den Herren, welche die Mtthe des 
Kollationierens anf sich genommen haben. Es sind dies die Herren Professor 
Dr. Franz Cumont von der Universität Gent (W, M'), Dr. Ernst Diebl in 
Bonn (C), Oherbibliothekar Dr. Byvanck nnd Handschriftenkonservator Dr. 
Brngmans von der Königlichen Bibliothek im Haag (H), endlich Herr Pro- 
fessor Henri Leb^gue von der Ecole pratique des hautes 6tudes zu Paris, 
dessen ausserordentlicher Zuvorkommenheit ich vollständige Abschriften von 
P' und P** verdanke. Ihnen allen vielen Dank I 



1} Vgl. besonders die Indicea %u auct. ant. V 1 (Jordanes) and scr. Mcrov. I, 
sowie Max Bonnet, le Latin de Gr^goire de Tonrs, 1890. 

S) Über die Ursachen der verschiedenen Schreibweise des Wortes, in dem zwoi 
ursprünglich verschiedene Wörter zusammen gefloBsen sind, vgl. Tharney sen in Kuhns 
Zeitschrift für vergleichende Sprachforschung XXVItT, S. 160; Wilhelm Schulze, 
quaestlonurn Homericnrnm sj)ccimen, 1887, p. 29, n. 87. 



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Wilhelm Leviso 



Incfplt Tita beatl* Sollemnls episcopi et eonfessoris, 
idt> est TIIIlLal. Oetobris. 

1. Divinornm igitur miracaloram est' intueri ac perpendere discretionis 
arbitrinm, cum iam, caelitiis'' suffragante*'), in estrema aetate, mandi canee- 
cente iti^ margine, in qua« niundi volvitm- niachiua, ita sanctoruni vitae*] dis- 
crepautar exordia, ot eoruiu scqnipedea''*), terrenm fecibus iiivolnti, ad regna 
possent' snperna pertingere, qiiia magni'' pngna certamiuis, ubi deCbrieti vic- 
toria' triumphatur. 

2. Fuit quidam sacerÖos merito * nomiDe et eauctitatc SollemniB, Datali- 
buB nobilis sed nobilior mente, claras operibua sed clarior fide. puerilis com- 
putabatur infantia, eed erat mentis cina seoectua in domino; non Jmmerito 
nuncupatnr SoUeninis, cuius Bolleninitas**, Sdci candore*^ lucem'', amieta' cari- 
tätig fervore, Christi eopuUbatur amore^ vigiliia ct^ orationibuB pracBtanB**, 
genua' coidis'' flectens ad dominum, mundana' linquens™ etudia, diviniB lec- 
tionibne vacabat. ieinniis potiiis quam" paaeebatur cibo. tribiiebat escas esn- 
rientibns, elymosiuam° pauperihus ingiter" e\t suis opibns'' largiebatnr. tale' 
mens sancta Bnrapsit inittum*, in" finem rei veritas probaretnr"*). nee"', valida 
mnndi dum' mergeretur' procella in' pelagi flactuB", pertimeseebat naufragia'' 
Dec^, dum gerebat navale prelium*^, tempestate snbmergi^), quia, solidatns in 

a) sancti M». b) qne C; id — Oetobris om. Ma. 

Cap. 1. c) opus est C. d) deo add. C, dei M. e) gratia add. M». f) om. A B. 
g) quo M». h) sequi pedes A B. i) poasint C, possunt M». k) magna est pugna C, 
magnae sunt puguae M"'. 1) victoria viutoriao triumphantur M. 

Cap. 2. ft) meritis M»; et add. C. b) aolemiiltas W. c) candorem C, d) lucis 
(= lucls, lucins) WC, lucens M«. e) amenitat«ni caritatis prestat fervorem, hie nam- 
qae Cbristi C, f) amori M». g) om. W, h) praeatua W, instans C, erat praestaas et 
per M. l) ieiunia Mb, k) cor M. 1) mundanaque C, et mundana M». m) relinquena 
C. n) quam cibo pttBcebatur C, pascebatur quam cibo M>. o) elemoKioam CM", p) et 
iugiter suis operibus multis diviuam largiebatur opem M«. q) et W. r) opcribns C. 
b) in talibus C. t) ut add. CM», u) fluetn C, in fine M». v) probaret C. w) nee (c 
dei.) C, nam (lle M^ nam illa Mb. x) om. WC, d(icitu)r M", dum Mb. y) tui'baretur 
M. z) om. W. a) fluctibus CM; non add. MK b) naufragari M. c) nam M; sed non 
Tetebatm- pro tempestate snbmergl C. d) et posset add. M. 



1) Cf. Jordan. Rom. 385 (auct. ant. V 1, p. 51): diu intercedente. 

2) Zu sanclomm vitae exordia vgl. Gregor. Tur. Üb. vilae pntriim praef. (p, 662). 

3) Vgl. Du Gange, gloasarium mediae et infimae Latinitatis VI, p, 198—199. 
concil. I, p. 101; 133. Liber diurnuB n. 83; 84 (ed. Sickel p. 92; 102). epiel. III, p. 232. 
Paesio B. Desiderii 2 (ecr. Merov. 111, p. 638). Acta b. Julian! praef.; 1, 4; 7,29 {Acta SS. 
Jan. I, p. 575; 576; 581). Vita a, Sulpitii Pii Bitur. 6, 27 (Acta SS. Jan. U, p. 171). 

4) Bonnet a. a, 0. S. 687: „Les propositipns corapL*tives qu'on a couturae d'in- 
trodnire par la conjonction ut, se prfeaentent quelquofoia chi-z ßrfegoire aous une forme 
q»ii ne lui est pas exclufiivement propre, mais qui esl rare et qui peut derouter le 
lecteur; le vnrbe en eat mia au subjonctif, aana Hve pröcedä de ut." 

5) Nee pertimeacebat nanfragia, dum valtdä procella mundi in fluctus pelagi 
mergeretur, nee pertimeacebat tempestate »ubmergi, dum gerebat navale proeltnm. 



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Zar Oeachichte des PrankenkÖDif^ Chlodowech. 79 

solida" petra, ad portum salutiß plaeidi^*) veniebat. erat enim lorica praecinc- g^^Jj'g^^'j^y,; 
tne iustitiae et galea salatis comatuse; de" siderio*) tegebatar anxilio' et, ia- 
cnla^ crneis emisea^), perforans peetora adversarionim proBtravit caterras'. 

3: Tali armatus fide adletha^ Gbristi palniam'' ') victoriae trinmpbavit°. 
angelico'^ Totta dirinitna radiabat ocnlis^ prae^ splendore, foDS aapientiae flne- 
bat e pectore^. sed qnantnm inter hnmana consortia exigna** coosistebat fra- 
gilitas, tantam vigor fortitadinis in codeni caelestis' gratiae cornscabat. sed^ 
tremendam' attestationem non taceam, sed™ fauiiiscemodi referam; ad" plcbeoi 
narreotnr myBteria. videlicet qnadam vero die, eum itineris° sai profieiseeretur 
callemi', obTiavit*! hotnini a Dativitate eaeco sardo et mnto; nigi' tantum ha- 
lante* spiritn"), inpreeso' pedis veetigio raina corporis rehebatnr eratqne mina 
ipains", «t sabmersas^ pondere in foveam" mergeretur. cnina vir dei adprae- 
Iieodens manum dexteram, elevatig sarsum oculis io caelnoi, canebat enim ', 
siCDt Id pealmo LXVIIIl' legitnr: Deug, in adiutorium meum intende'; (2o-P"ln>. «9, 
mine, ad adiuvandum me fegtina; et eomplexaa colla* oscnlatua est enm. 
ilico aatem lingna'' solnta est ad loqneodoni, ocnli ad videndam anresque 
eins* ad audiendnm. o ineffabilem^ niercationem! *} praestolatar ^) adiutorinm 
et tribuitQr a domino medicina, porrigitni- oscalnm et caelesti medela purgan- 
tnr" simnl corporis et animae cicatrices. sed Uoe fnit praesaginin qnod postea 
rei conprobavit eventns. 

4. Tnm" ergo geDtiliaiD** popnlna, quem Franciae matrie mnndo partn- 

e) valida VL^; etat add. M*. f) placide CM. g) fn coma tutns H*. h} desiderio WM>, 
Bidereo C; enim add. M*. i) divino et auxilie M>. k) iAcnlo — emlsso CM>. 1) ipso- 
rnm add. M«, 

Cap. 3, a) athl«ta CM', b) cum patma CM*, c) triumphabat }\<^. d) angeli- 
cara voltam C, ex an^elico eins vultu M. e) lux et ex oculis eius splendor fonsque 
M. f) splendorem W. g) oius add. M". h) eius add. M». i) celesti gratia C. k) Bub 
CM>. 1) igitar add- M'. m) sub tremendam — videlicet mantt vi videtur prima del. 
C; huius eam rcferam ad plebcm videlicet ut eius narrentur mysteria M>. n) plebi C. 
o) in itinere suo C. p) om. C. q) obvium habuit hominem — cecum surdum et mu- 
tum C, obvisvit ei homo — cecns surduB et mututi M», r) nisl — apiritu om. C; et 
nichil in t(antu)m alantem apiritum habens Mb. s) halantae W. t} qui inprcsso C. 
n) tant« add. M. v) bi subraerBUB esset M, w) totua add. M. x) om. CM», y) LXVIII 
W, LX nono C, sexagesimo VII M>. z) intentende W. a) collum e.lus C, eiuB Collum 
M*. b) eins add. M>. c} om. C. d] ineffabilis niRrc;atio M». e) pnrgantur (n del.) C. 

Cap. 4. a) cum WCM''. b) gentilium — gleba om. C. 



1) placide. 3) sidereo. 

8) Über den absoluten Akkusativ vgl. Bonnet S. 661 f. 

i) palma, cum palma. 

6) Einschränkung zu rttina corpori». 

6) er. vita s. Remedii 4, 13 = Venant. Portun. vit s. Albini 13, 87 («uct. ant. 
IV 2, p. 65j 31): O ineffabilis gratia pletatia, a qua dum eubstantia sola petltur, tri- 
plex remedinm obtinetur: victu pavit egenum, muneravit visu caecatum, reddidit li- 
bertati captivum. 

7] Id paBBivem Sinne; vgl. Bounet S. 407. 



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80 Wilhelm Levison: 

rit* gleba^ — Chlodoveus* tnne tempore' ') rei in eodem solo tenebat^ im- 
perio'' priDcipatuin — nihil' aliud qnara idolorum exercebat cultanm et, nt mos 
erat, deos anreoa et argenteos, ligneos atqae lapideos adorabant^, et com- 
parim. ii»,i8.pletur' 86™!©"" io illis, qnem David in psalmis eanii dicena: Similea üli» fiant, 
qui faciunt ea, et otnnes, qüi confidunt in eis. et itemm sancta Bcriptnra 
Eaeoh. »3.11. dicit: Nolo mortem peccatoris°, sed ut convertatur" et vinat.^*) doniini vero*i 
cr.ev,iah.i.s.gratia, qtii'^ inlnminat omnem hominem venientem ad Be, defuncto' Camoten- 
sio**) nrbiB episeopo, snccendit*) in" spiracnlum ') Bcintillae^ vivae corda* 
regis, nt non alins'' nisi Sollemnis sacraretnr epiBcopns. interrogarerat eDim 
famam eins, et^ Tulgata fuerat in universo* nrbe "). audieus it&que venerabilis 
Sollemnis edictam principis cernensque pontilices, qui enm ad eonseeiandnm' 
veoerant, fugit latenter, . tridno quoqne^ ^) in speleo" latitavit. quacrebatur 
enim*' et non inveniebatnr. ille iatebat in aotro", iBte^") replebantnr^ mestitia; 
ille sollcmnes'' fundebat ad domionm praeces, iste* ') consolatione " tristis' qnae- 
rebant"* pro" abdito. verebantar'* iusea principiB, ne^ mortiB paoirentnr'' sen- 
tentiam""). 

c) partnririt M. d) dum et add. M. e) Clodovicus W, Ludewicas M^ Ludovicus M>>. 
f) temporeifl (e del.) Francomm rex C, tempore rex existens M. g) teneret CM. h) im- 
perii C. i) gentilium populus nithil C. k) adoraliat M». 1) conplebatur M». m) in 
illis sermo CM», n) peccatonim C. o) convertantur C. p} vivaut C. q) hoc provenit 
gratis vero M», vero hoc provenit gratia Mb. r) qnae CMb. b) igitur add. M. t) Car- 
notensium C, Carnotensfoitim M. u) dei M. v) et scintillave WM>, scintille vive C, 
ecintlUave Mb. w) cor M. x) ibi add. M>. y) ipsa add. M>. z) universa WCMi^. 
a) i;o requirsndum C. b) tridnoqae CM», c) spelunca WMi^; quadam atfd. M>. d) autem 
M». e) atrio W. t) isti P>>, illi P>. g) replebatur AB, replebantnr P. h) Bolemneü 
W. i) isti P. k) conBolationem CM». I) tristes P. m) qnaerebat AB, querebant P, 
n) Kapide lam C, abdite M>. o) gerebantur AB. p) quis add. H^. q) puniretur WM', 
r) sententia CHa. 



1) Vgl. Bonnet S. 341. 

2) Vgl. ahnliche Ausführungen bei Gregor bist. II 10 (p. 77—79). Eaechfel 33, 
11 ist oben nicht nach der Vnlgata (nolo mortem impii, sed m convertatnr impios a 
via Hua et vlvat) wiedergegeben, sondern nach einer älteren Übersetzung; vgl. ähn- 
liche Faesungen der Worte bei Sabatier, bibliorum sacromm Latinae versiones anti- 
qnae II, 1751, p. 817. Der gleiche Wortlaut findet sich Gregor, vit. patr. 10, 2 (p. 707). 

3} Camotensium. . 

4) Cf. Vit. s. Leohini ep. Carnot. 14, 44 {auct. ant. IV 2, p. 77): vex caeli domi- 
nus, in cuius manu cor regum est, Childeberti regis cor ita sua inspirationo infiexit. 
ut de beato Leobino monacho pontificem in successorem eligendo regale daret de- 
cretum. 

6) Über den Gebrauch von spiraculum im Sinne von trvoif| vgi. Rfinsch, Itala 
und Vnlgata', 1875, S. 88; Ooelzer, Latinit6 de saint J6rome, 1884, S. 91 

6) orbe. 

7) Vgl. Bonnet S. 314: que a trouvö nn concnrrent en qwtque. 

8) isti. 

9) isti consotationem tristes qnaerebant. 
10) sententia. 



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Zur Geschichte des FrankeDkönigH Chlodowech. 81 

5. GooBiderantes igitur oves, qnas sancta mster Ecclesia partarit, ne ra- 
pacis Ittpi fancibns et* rapide niorau laniarentnr, Äventiimm arcbidiaconnm 
landibne" acclamautes, ut*^ pastorem'' simnl et sacerdotent institueruDt". cnm'^ 
episcupale K *J fuisset iunctns'' coDsortium ', dilectio^*) separavit gacerdotam ' 
coDTiTio'". audivit itaque bcatus äollemDis in caverna, abi latebat, quasi au- 
ram" ^J lenem per° Biientia noctis cnrrentem, fremitui' vocif erantem ^ choortis''^): 
Äveatiuna episcopue bolocau&tum' obtnlit' deo; et cum" baec andisset, ita fudit 
ad dominam preces: Domine, da luceruam verbi Incere pedibne nieie ad setni- 
tau laeiB, tit beuedieat auiiua mea nommi sancto tuo. egi'cssusque ibat occur- n". k». 
rere" sacerdoti. exspectatiatur ^ euini' deeidcratns, eicut aria^) sitiens piuviae 
guttas. et* rogantes eum hinc piebia sonat in vocibus. ex' hiuc^ rumor populi ecriPxiAH 
t'remit iu atrepitu, deinde cuucti<= concrepant*' landtbus: Ecce Uollemnia, tlignus 
est '^j, epiacopuB ordiuetur! ad quorum laudes exierunt" cpiscopi et' anmnio 
repleti gaudio dixerunt: Diguua est, epiacopn» conaecrctur. nondum adbuc t'ne- 
rant egresei de teiuplo. et adprehensC 'J duxerunt ad aras templi et iudue- 
runt'' Stola caudida et coronatn prutiosaBi posneruut' capitis tradentes et" ba- 
culum pastoratem, ut dispersas oves cougregaret ad tidein sanctitatis. 

U. Oicif^ sauctus tiollemoia: Quid ergo tacieuius de Aveutiuo episcopo? 
respoudernut omuea: Üi post toaui superstea tuerit obitum, digiiitatia obtiueat 
iocum; siu aatem, tuo sit obtemperaus priucipatui. et tum'' couiplebitar° sermo, 
quem dominus intonat diceus: Veni"), aeree bone et fidelis, intra in gaudium 

Cap. b. a) om. CU". b) dignis add. M. . c) om. CM». d) eum sibi add. M». 
e) [DBlituereut V/ÜK fj hie cum C. g) episcopali C^ igitur add. M, b) nactus WM, 
viDdtus C. i; conitortio C k) SoUempnis add. M. 1) äauerdoüeoi M''. m) a. coDvivio 
WM. n) om. W, aureoi C, auram Map. o) pro sileiitio WM». p) fremiCuque M». 
qj vociterante in W. r) cho ontia (s e corr.) W, om. CM», a) holocausta W, t) oplulit 
W. u) cum — audiHsei om. C. vj occuir« W, ut octurrcret (J, w) ejtpeetans pluvle 
guttoa V. 3t) auum M». y) arida WM», z) ol — eum om. U; ot omuea roganiea uraut 
deum ' Uinc plebe.it soaaut M^^. a) et C. b) om- C. e] tune W, om, C. d) voncrepai 
(J. d) exciiaii episeopi tide snmmi repleti C. t) om. WC. g) adprcheusum CM^. 
ti) euu) add. M'>. i) imposuerunt eius M". k) ei M". 

Cap. b. a) itaque add. M. b) cum W, om. CM. c) completur CM; in eo add. M. 

1) cum episcopali consortig iunctus fuisset. 

•2) dileutio (SollomoiB) separavit (Aventiaum) convivio sacerdotura. 

'6) auram . . . voeil'orantem fremiCu cohortis. 

4) Über die Schreibung von cohars vgl. Vel. Long, de orthogr. (Keil, Granimat. 
Lat. VII, p. 74)! talis quaeslio est et circa co/iortes et coorlea, ubi diversam voluerunt 
eignificaiionem esse grammatici, ut coortes sint villarum, unde homines cooriantur pa- 
rtier. . . . at cohortes milltum a matua cobortatione. nam chortes audimus quidem 
vulgo, sed barbare dici. 

5) area. 

Ü) Über die Acclamation Dignits est im Gallikanischen Ritus vgl. Duchesno, 
origines du culto chretien, lüHä, S. 35!). 

7) adprebensum. 

ti) Der Anfang des liier wob! aus dem Qodächtuisae wicdergegcbeneu Verses 
lautet soDül, dem Griechiucbea Ui'textB entsprcclieud, eui/e. 

Jourb. U. Vur. v. AlturtlisCr. Im Hbeliil. iwl. 6 



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82 Wilhelm Levison: 

domini^ tut; quia super pauca faisH" fidelis, super multa congtituam' te. 
sed poBtca B«a pietate commotiisK, oe aancta macnlaretnr reli^o, dedit'' hu- 
iüsce rei' ') opidum ') cognominante *) Dnnum, \a qao^ vilae snae reÜgionis' 
securUH exerceret culturas. 

Post ter denos seilicet™ dies Clilodovens" lex contra Gothorani aciein 
animtntn tcndebaf exercituni; cunique Carnotinami' fnJBset nrbem iiigresBUs, 

PBain. 31, i iit ritus priscomni erat, snb teginine '>) ccciesiac tatiter psallebatur: Äpprehende 
arma et seutum et exsurge in adiutoHum mihi, dicunt enini'' proecres rcgis": 
Magna nobis Organa religiofiaque* caneat"*) anspicia; et inqnirebat res, qnid- 
nam lioe*' esset, dicunt ei; Occurre Sollerani episcopo, ipse namqne tibi narra- 
bit misteria. tunc occurBnm"' dedit res saaus^ et^ sui satellitcs glorioen Sol- 
leniui. cni Sollemnia ait: Qao pergis? rex ait: Contra Gotborom regem ad 
praelium. respondens beatus SollemniB et' ^} ait": Inclite'' rcx, si velis, cgo 
te induo arma°, in qua adventariorum prosternas eatervas. et miratns est rcx, 
obsccrabat^ enim, ut haec '' iili anua praccingcret. qui^ dixit ci'^: Nisi sigimliw 
facris'' signacnio crucis, nt die tropbco Christi triumphes, non accipies pabiiam. 

er. RccicHi« 1. Confestim' cum fletu flectens cervicem cordis petiit, nt ei qnod pro- 

dl dci add. W. o) fidelis t^isti C. f) cinnl.iAmte W, ennstituante M*, te coiislitimm M''. 
g) motus C. h) ftdiit opidnm co^omiiiatum Dunnm M. i) huius corei C. k) qun WC. 
1) rulioiils W, «c religlonia C. m) vero M». n) Hladowicns W, Ludewicus M«. o) misit 
JA"-, p) CHrnotinum W, Carnotum M^. q) tngmea C. r) aiitem M». a) tc.gi C. t) re- 
ligiosa C, n) ciinutit C, iati cunnnt M». v) hec C. w) in occnrauin dedit se rex M. 
x) om. C. y) et (del.) cum sais satellilibus C. x) om. CM>. a.) dlxit CMi. b) inclitt 
oxi M". c) armis quibus M». d) ol>»iecrana eum C, rogabatque eum M". e) liec illum 
arma C, his illnm armis M". f) cui WM», g) om. M». h) fuerit W. 
Cap. 7. a) AUtem add. M». 



1) Huivsce rei ist wohl nach Analogie von huiunce modi gebildet, im Sinne 
von hac re, hac de causa. 

2) ChJltcaudun hcisat sonst castrum oder cnx/ellum, nicht optdum, unter dem 
Gregor von Tours „une villo forte d'une iniportance ordinairemcnt superieure ä eelie 
du cattrum" veratclit (Longnon S. 14). Doch kann man hier an eine weitere Bedeu- 
tung denken: „le mot oppidum ätait pria A I'^ipoque merovingienne dans le sens de 
pagun ou de tcrritoire" (Longnon); die jüngere Vita giebt also mit Dunum caatrum 
et sulturbana eiu» d^.n Sinn vielleicht richtig wieder. 

3) Über den Gebrauch des nklivischen Fräaenspnrtizips in pa.ssivischer Geltung 
vgl. Uaener, Jahrbücher für claaBlBche Philologie CXVU, 1878, S. öfi-M; Neue, For- 
menlehre der Lateinischen Sprache IIP, S. 12 f. Cngmiminante findet aicb in glei- 
cher Verwendung diploro. I, p. IG (032/3): villa (ognomenante Iticinaacuam, p. 91 (um 
650): loco cognominante Gervdniaco; ebenso nuncupante vit. Theudarii 10 (Bcr. Merov. 
III, p. 528), Vit. Oaugerici 9 (sur. Merov. III, p. 655) und aehr bHnRg in diplom. I, zu- 
erst p. 19: in loco noncopanle Cotiraco. 

4) = eanunt; vgl. Bonnet S. 430. 

6) Vgl. Bonnet S. 650: „Le participe präsent devicnt ainsi pi-esque un äquiva- 
lent de l'indicatif; ü aulBt k former des propositions principnles, non pas tont k fait 
ind^pendantes, A la väritä, mais jointes par que on et k d'antres principales." Vgl. 
c. 3: adpraehendenx . . . canebat enim. 



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Zar Geschichte den Frankenkönlgs Chlodowech. 63 

miserat adimpleret, extimplo^ antem*^ sanctns Sollemnis fronti*' eins vixillntu 
enicis signacnlnm et pectori ' fecit. vovitqne' rex dieenn: in his^ armis abiero*' 
et' popali 81 percepero bravinm, memet'^ neque baptismi gratiam trado. taii- 
bns Inmboe") armie enccinctns *", per^t" ad praelium. cnmqne" acies oontra 
aciem utrirnque^ tela*) emissa iactarent, momento'' Gothorum agmina* prostran- 
tnr, peetora' perfodiuntnr" et dorsa gladio, cnm^' terga dederunt. micabat" 
enim crox in pectore, et coruscabüt mucro victoria. faltax Gothornm gens ferro 
praeciditur, et firmiter Francomm* exercitus^' Christam* dominum conlaiida- 
bant*. scd eum victoria acceptti^ ijisi Gotbi, qui rcmanseraut <^, fuga iapBi ^) 
faerunt'', et" Francomm exercitus ad regem dixeruiit'^, nt ipsoa persequi^ de- 
bcreiit *) et rcgiinm corum pcreipcreHt''. qnac' rex gaiidens'', coiilaudnus' eo- 
riim'" confliliuiii et fortiliidiiiciD, dixit" eis, ut crastioa die" ingredcrentur re- 
gione»qnc vastarent. 

8. Scd cnni ipsa noctc sc" sopori dedissct, appamit ei in somnis vir 
beatisBimus'' Sollcnmis cpiseopiis et dixit ei: Quid agia rox? nc ingrcdiaris' 
in lianc rcgioncin, quia tlomimm iion permisit tibi anipliiis ut iiigrcdtaria. scd 
dnni Franrri in ipso fcrvore^ ad pracliaudiini Ire volcbant", rex dixit eis: Ne 
iiigrcdiamini '', quia saccrdoB ille Sollemnis, qui fc<;it nobis vixillnm'^ crucin in 
Tronic vcl'' in pectore, per quam' accepinms paluiam'', in viso' apparuit milii et 
alt: Ke iiigrcdiaria'", rex, quo ciipie, quia dominus non permisit tii)i amplius 



b) tnnu C. c) om. C. d) fronti ei vixillum manu prima, eiufl vexilluin manu altera 
W; front«m i'ius et pcctuR vexillo crucin signavit C; fronti ciufl vcxilli M». e) poctorae 
WM«, n vovit Uaque M. g) liec arma C. h) rI abicro H populi percepero hrnvium 
(ßpopttov) memet (m e corr.) uequcadC; abiboM. i) et populi si percepero vlctoriam 
W; et si percepero victoriam M. k) me meumque (populum add.Wj baptismi gratiae 
WM. 1) lumbi W, om. CM. m) aceinctna Mb. n) perruxit M^; rex ad<f. M. o) cum Mb. 
p) utrique WM«, om. W*. q) tela lacerarent (er miperscr. manu prima ut videtur) 
emiftBa iactnrent W, tela iacerent C, tela einissa iactarent M. r) mcmentn W, in mo- 
mento C. s) agRiina — fallax Gothorum om. M. t) per aequora W, per latera C. 
n) perrunduntur W, pcrloduntur dnmino opitulante C. v) cum tcrjja om. C. w) pu- 
gnabat C. x) eorum W, iötiuB C. y] vincens add. M". k) patrem add. M\ a) eon- 
landabat CM«, b] ceset accepta et ipai M. c) remanecrunt WM>>. d) fuis.ient CM. 
e) om. M. f) dicerct C, dixit M. g) persequercntur M^. b) acciperent CM», i) qui 
W, om. C, rex vcro M«, k) et add. Mi. l) conlaudavit C. m) tiile M", n) dixitque 
C. o) terram eorum add. M«, 

; Cap. 8. a) rex add. M«. b) beatisBimis episcopus (-ua Sollempn- om.) Mi. c) in- 

gredieris C. d) sno add. M«. e) vellent CM«, f) ingrediemini W, Ingredimini M». 
g) vixiltum W manu prima corr. in vexillnra. h) et M«. i) quem M". k) victorle 
palmam M«. 1) visu CM«, m) ingredieria W. 



1) Cf. prov. 80,31; gallua auccinctua lutnboa; Ephcs. 6, 14; Buccincti lumboe i'e- 
atroa; 1. Petr. 1, 13: succincti lumbos mentis vestrae. 

2) Vgl, Bonnet S. 254: Le verbe simple fugere est remplacö souvcnt par une 
locution aasez bizare, per fugam labt . . . fuga labt. 

3) Vgl. Bonnet S. 691: Chea Gregoire le verbe debere . . . devient un vrai 
verbe anxiliaire de mode, n'ayant plna qu'un fälble reste de Ka signification propre. 



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84 Wilhelm LevUon; 

ad" iDgredieDdnm vel° devaatandnin, aed atc remear^ cumi exercitu ad pro- 
pria. ingressnsque' Aqnitaniam totamqne" igui ferro praedando^ vaetavit, nee 
poterat" quiequam crucem'' devincere, in qna cunctum "■" tortuoßi serpentis virus 
depellitar et tartaria^ iura'' simnl et» invidiae refrcnantur. tale* troplieum ci-n- 
ecni'* ') res obtinuit triumphnm'^. progreysus '' ab Aquitania, misit legatos suob' 
ad beatuiD äoUemnem, ut eum baptismi onda perfunderet, in qna ritae^ cri- 
mina expiantnr. qui, adiancto eibi sancto Remedio^ *) RemenBiun) nrhis cpi- 
seopo, diviua faventc'' virtute', com summa alacritate baptj/.atiis'' ^) absterait' 
atram cordis caliginem et™ cum eodem CCCLXIllI" Bobilcs satrapes"^), quog 
rcgeneratos fontei* baptismatis'' saDcta mater Eccleeia'' in spiiitn sancto^ adop- 
tioDis parturit filios, ut anreuB anni cireulas dieriim complerctur in nnmero. 

9. Mag^nam ergo robis reFeram questioneu '. homo'' ille a natiTilatc cac- 
cus surdus et mutuu forma gentilium erat, quorum nativitas necdnm inlumiiiatn 
fnerat baptiemi gratia nee auribus'^ audlerat antea pracdicantcm prophctani*' 
nee verbo' loquebatur' de deo, quia« nondum erat fides*' ad crodendnm in- 
strueta. originali ergo peccato praeponderata in intevitu' mergebatur, 

SanctUB vero Sotlemnis, cum sex'' luHtra et quattnor' aristaruni vitae toU 

n) iDgredi nd devastandnin C. o} ad add. M'. p) renieabis C, remea M". q) tuo 
add. Mit. r) iagressuB itaque M>. s) tuto nignifur prelio domum pervenil. nee potttrat 
C; lllam totam M'. t) pranlio domuit et vastavU M>. u] quisquam poterat M". v) do- 
inini add. M". w) cunciUB W in margine. x) tnrtara C, tartarea M», y) om. C. 
z) et invidiat5 om. C. a) talem CM«; igitur add. M*. b) per cracem CM^ c) del. C, 
om. M", d) regresBusque C, regreMus vero M«. e) om. CM», f) vite eiua crimina 
expiarentur C, vita eins a crimine expiaretur M^^. g) fiemigio CM. h) favente Hra- 



banus B, servente W, ffeqaente (fre del.) C, serventera M», fervente Mi", i) regem 
add. M. k) baptizaverunt CM. I) abstersit — et om. C; abstersit autem domimiH et 
terram cordis eins ealiginem M". m) cum eodcm itaquo rege M». n) CCCLXIII W. 
o) eatrapBB CM>^ purgaverunt €idd. M>. p) fons WM". q) bapti§matis sancta om. 
WM", r) om. ^NU■\ a) in add. M«. 

Cap. 9. a) de bomine iam iliuininato add. M». b) euim add. M>. c) audlerat 
auribas ante Mi>. d) proplietum W. e) verbum C. f) loquontem M. g) quorum M. 
h) fldea (b del.) C. i) interitum CM. k) sex om., luBtris quattnor vite eiua C. 1) more 
add. M. 

1) cruce, per cracem. 

2) Über die Form Remedius gegenüber Semigiug vgl. Bonnet S. 173, 735{ 
Krusch, scr. Merov. III, p, 362 n. 1: In cpistuliB nomen auum Remegitis scripsit . . . 
At iam Gregoriua nomen ad vocabulum remedium rettuIJBBe videtnr. 

3) Vielleiclit ist liier absoluter Nominativ beabsichtigt; vgl, Bonnet S. 5*>5— &68 
und K. B. Gregor, biet. II 21 (p. M): „Bigno crucis snnctau munitns, nihil ei ininiicus 
uocere potuit." Doch ist der ganze Satzbau verworren. 

4) Wegen der Verwendung von satrapa bei Deutschen VerhSltnisaen vgl, Beda, 
bist. eucl. V 10 (Sachsen); Wright-Wülcker, Anglo-Saxon and old Bnglish vocabulariea 
13 1884, S. 529 und epist. lli, p 424 (Angelsachsen); epist. III, p. 615 (Langobarden); 
vita s. Emmerammi 33 (analecta Bollandiana VIII, 1889, p. 245) und Urkunde bei 
Melchelbock, liistoria Frisingensis 12, lT2i, p. 31 (Baiern); vita Dagobert! III., c. 3 (scr. 
Merov. II, p. 513, eine sehr späte Quelle: Franlcen). 



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Zur Geschichte des FrankenkönigB Chlodowech. 85 

vereDtar"" emricnU", pontificale" promulgatugi' honore*], florebat enim'' — ec- 
cleBia elaro' Inmine decorata — fulgore; ti-es* qnoijue olimpiadae" geiene »am^ 
triumplio de hac Idc* migravit ad Christum". VIII kal. Oetobrinni reddidtt" 
terrae corpns de corpore^ siimptum. illa scilicet* hora, qua gpiritum corpus' 
sno reddidit creatori, tantnm'' domas repleta est de odore Bnavitafia, ut mcntts 
nostrae" capacitaa iion** possit enarrare; videruntqne" coiumbam candidam de 
orc cinB effiedieiitem et inter choros angelornm psallentiam' cvolarc ad astra«. 

Cum igitnr corpnsculnm '' feretro impoeitum ad turanlmn dnceretur, erat qni- 
dam latro, nomine Tarsiiis', iaui triennio carcere'' aitas et vincnlis fcrreis colla' 
manns plantas ita constvictna, ut omnis natora™ putrefacta fetebat". sed cum 
feretro" membra saneta deducerentorP, aspicienH latro exclamavif voce magna 
diccns: pie Sollcmnia, qui caccis visnm, aurdiB anditnm restituisti et mutie 
Mngaam, erne me de bis"" vincuÜB, in quibns' oniniB membrorum meorum com- 
pages' marcida fetet. 10. ilico antem catenae, disruptae» e gressibuB^ ') per'^ 
media calmina tecti in** plateam rug:ienfee* *) exiliemnt, et nniversa pleba ter- 
rore coneusBa'', latroque^ egreBsns de carcere, cxtendens'' manum, adprehen- 
dit spondam, in qua venerabilis Sollemnis iacebaf, et confeetim putredo eins 
eanitati rcstitnta est. cum veneranda videlicet' celebritatc productuB, condttas'' 
est in tumnlo, ubi mnlta Bigna et virtntes' usqne in hodiernum d:em eBse"* 
videntnr. 

Cernitc, fratres, qnantam" famnÜB suis benignitas saWatoriB domini nostri 
Jesu Christi contulit° gratiamP, qnantnm in vita et post obitum divina in^ eis 

m) volvcretnr W, volveret M. n) curlicula W. o) ad pontificalein C, pontificalem M. 
p) proiDotus 'W'; est add. C. q) honorem sab quo C, in honnre }il\ in honorem M*>. 
r) om. C, in M. s) dar! Iiiminis decoratua M. t) trium quoque olimpiadum C; per 
tres M. v) olimpididiadas W. v) trinmphnm CM. w) domfmiin M; et add. C. i) et 
red liitu 9 est terrae, spiritu de corpore ntimpto M». y) eadem ore fdel.) C. z) vcro Ma. 
a) om, C. b) tanta W. c) nondum W, cuiusquam M". d) om. W. e) viderunt ftaquo 
Mb; qui aderant add. C. f) psallentem et W, psallentes C, psallentem M^, psallen- 
tinm B. g) eelum M«. h) curpusculum W. i) Tharsia HP', k) in carcere C. i) per 
Collum et manutt et M». m) eius add. M«. n) feteret CM», o) in feretro CMa. p) dc- 
dncentnr W. q) clamavit C. r) hoc vinculo 0, 8) quo C. t) compago M». 

Cap. 10. a) aunt add. CM». b) egrossus W, egressique C, e^reRsusque M». 
c) per medium calmen C, de medio culroine M». d) in plateum W, in platea C, pla- 
team M». e) rugiens eiilivit M«. f) est add. C; perculaa concurrebat M», jf) latro 
itaque M». h) extendensque M». i) autem CM». k) est conditus M»; est om. W. 
I) ogtenduntur add. W. ni} om. M«. n) qnanta in W, quantam jn (det.) C. o) con- 
ferat M», p) gratia ■ In qnantnm vita et W; gratiam et quantum in vita et C; gra- 
tiam ' In quantnm in vita ipsonim et M>. q) meis W. 

1) Vielleicht lässt sich e gressus halten im Hinblick auf Stellen wie Gregor. hisL 
II 10 (p. 79): ex aliud, V 43 {p. 235): ex admimptum hominem; Jordan. Gct. 51, SÄ7 
(auct. ant. V 1, p. 127): ex vicina loca; 60, 316 (p. 138): ex eorum latinsima prata. 
Zu greseuK vgl. bist. VI 9 (p. 254): ut . . . deblli usum groKHuum, caeco rcstituerit Vi- 
sum; vlrtut. 8. Mart. I 18 (p. 598): absolutia fcressibnR . . . incölomca exilivit. 

2) Rugirc in ähnlicher Bedeutung Fredegar IV 5 {acr. Mo.rov. II, p. 125): Eo 
anno Signum apparuit in caclum, Fglobus igneos decedens in terram cum scintellis et 
rugelo'Jragitn). 



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86 Wilhelm Levjson: Zur Geschichte des Frankenkönlgs Chtodowech. 

refulgeaf virtns. recolite^, fratres, quod auditU; sie' anniversarioni celebrate 
hnnc diem et aic haic diei debitnm exspectate sermonem, nt, eine gratiae" 
participes^ iu paradiso, unde vetuti Adam ealliditate serpeutis eiectne est, 
noviis Adam introdocat" vo8 in regntnu caeiornm, cui est bonor et gloria, 
laus' potestaB in saecula sempiterna^, amen. 

r) oporetur C. s) recondite M>. t) sicque M*'. u) gratiam CMa, v) participctis pa- 
radiso ' Ut unde C; pürticipomlni et paradiso M>. w) iittroducat hob et in regnuin 
celonim collocet M». x) laus potestas om. CM", y) gcculoi-um CM», 



Nachträglich erhalte ich dnrch Herrn Stadtbibliothekar Dr. Max Kenffer 
in Trier die Nachriebt, dags die Handschrift M** eich in der Bibliothek des 
dortigen Prieeter-Seminars befindet. Nähere Mitteilungen verdanke ich Herrn 
Dr. Jakob Marx, Professor am Seminar, sowie meinem Commilitonen Herrn 
cand. phil. Rudolf Weynand. Die Vita fiödet sich im Cod. n. 35 (saec. XTII, 
fol, 124''— 126*), der einst einen Teil des grossen Lcgendariums von St. Maxi- 
min bildete (vgl. Sanerland, Trierer Oescbichtsqnellen des XI. Jahrhunderts, 
1889, S. 57; Kruscb, N. A. XVIII, 1893, S. 618— 628). Eine Untersiicliung 
der Handschrift hat durchaus die Annahme bestätigt, dass der von ihr gebo- 
tene Wortlaut der Vita Sollemnis mit M^ aufs engste verwandt ist; die Ab- 
weichungen sind unbedcDtend und kommen fQr die Textkritik kauQi iu Be- 
tracht. 



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4. Die arrelinischen Vasen und ihr Verhältnis zur augusteischen Kunst. 

Vortrag, gehalten in der Sitznng des Bonner AltertnmBvereina 
am 24. Februar 1898 '). 

Von 
Haas Dr^eadorff. 

Hierzu Taf. II— V und 12 TextBguren. 

Einige Bemerkungen Über die arretinisehen Vasen, die Bchönsten Er- 
zeugniese der Terra-sigillata-Industrie, dürfen auch im Rheinlande Interesse 
beanspruchen, da diese Vasen fttr das Verständnis unserer einheimischen Pnnde 
von grundlegender Bedeutung sind. In meiner Arbeit Über die Terra sigillata 
habe ich auch den dekorierten Gefässen von Arezzo schon einen besonderen 
Abschnitt gewidmet*). Aber das Material, das mir damals zur Verfügung stand, 
%Yar ein geringes. Auch beurteile ich es jetzt, nachdem ich selbst Italien und 
seine Sammlungen besuchen konnte, in mancher Hinsicht anders, sodass ich 
gern die Gelegenheit benutze, auf diese Frage zurückzukommen ^). 

In Arezzo wurden schon seit dem Mittelalter, dann aber namentlich in 
neuester Zeit durch die Forschungen Garourrinis, massenhaft Seherben de- 
korierter Sigillata-Gef^se und Brnchstttcke von Formen zu ihrer Herstellung 
gefunden, die sich jetzt im Museum der Stadt befinden. Es sind die Scherben- 
haufen der grossen Tüpfereien selbst, welche man aufgedeckt hat, und zwar 
stammt fast das ganze Material aus den Topfereien des M. Perennins und des 
P. Cornelius*). 

1) Der Vortrag komint hier im Wesentlichen in der Forto zum Abdruck, io der 
er gehalten wurde, nur mit e,inigen Bemerkungen und Zusätzen versehen. 

2) B. J. 96. &5 ff. 

3) Eine NeubeaL'beitung dos giuzen MaturialoB und eine Borgfiiltigc Unter- 
Buciiung de» StileB der vcrechiedenen arretinisehen Relief jfcräBse, würde sicher die 
Möglichkeit geben die einzelnen Fabriken gi^nauer in ihrer Aufeinanderfolge Test- 
suiegen und einen ätilwandel noch innerhHlb der ganzen Gruppe zu erkennen. Diese 
Arl>eit ist aber erst möglich, wenn ein grösserer Teil der Funde im Museum vod 
Arezzo veröffentlicht sein wird, Hodass wir einen wiiklichen Überblick über das Vor- 
handene erhalten. Bis dahin mUsBeu wir uns begnügen, mit der Vasenklasse als 
Ganzem zu arb«iten. 

4) Vgl. B. J. 102. 111 ff. (Ihm). 



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88 Hsus Dragcndorff: 

G a m u r r i n i hat die ErgebniBBe seiner ForHchuDgen, die noch manche 
interessante Einzelheit bringen werden, noch nicht zusammenfassend publiziert. 
Es stehen nns daher ftlr die Frage, welcher Zeit diese Fabriken angeboren, 
nnr wenige äussere Anhaltspunkte zur Verfltgung. Sicher ist, dass die Fabri- 
kation der roten Tflpferwaare in Ärczxo in der zweiten Hälfte des II. ?or- 
christlieben Jahrhunderts beginnt und dass sich die Industrie zur Zeit der Zer- 
störung Pompeis in Italien schon in tiefem Niedergang befindet >). In den 
nördlichen Provinzen kommen dekorieile Scherben bester arretinischcr Art 
nur sehr selten und nur in ältesten Schiebten vor *). 

Ihm bat jetzt zusammengestellt, was sich aus dem von ihm fQr das 
C. I. L. XI gesammelten Materiale crscbliessen lässt'). Seine Untersuchungen 
bestätigen, dass die Blüte der arretinischen Töpfereien in das I. vorchristliehe 
Jahrhundert, die Zeit bis zum Tode des Augnstus etwa, fUllt. Namentlich ge- 
hören die Fabriken, welche die schönsten dekorierten Gefässc gefertigt haben, 
dieser Zeit an. Zu demselben Resultate war auch Pasqui durch seine Be- 
obaebtnngen der Funde bei Sta. Maria in Gradi in Arezzo für eine einzelne 
Fabrik, die des M. Perennius, die dann von seinem Freigelassenen Tigranes 
übernommen wird, gekommen*). Den Perennius datiert Gamurrini in die 
Zeit des Snila, was wohl den Anfang seiner Tätigkeit bezeichnen wird. Die 
besten Gefässc verfertigen seine Sklaven Cerdo, Pilades, Pilemo, Nikephorus. 
Es folgt die Thätigkeit des Tigranes, die nach einer zwischen den Scherbon 
gefundenen Münze in die Zeit des Augustus fUllt. Dann beginnt sofort der 
Verfall, der schnell fortschreitet. Die Hauptarbeiter dieser Zeit sind Bargates, 
dann Crescens und Satuminus. 

Gleichzeitig mit diesen arretinischen, namcutlicb den jüngeren, arbeiten 
die Topfereien in Puteoli. Ihre Dekorationswelse unterscheidet sieb von der 
der arretinischen Werkstätten nnr durch geringeie Feinheit der Ausführung 
und dadurch, dass ihr eine Reihe der besten Typen fehlen *}. 

Die Frage ist nun: giebt uns etwa die Dekoration der Gefässe, geben 
uns die Figuren und Ornamente selbst einen Anhalt dafür, die Zeit der Fa- 
briken genauer za bestimmen? 

Mustern wir die Elemente, die der arrctinische Töpfer zur Sehmücknng 
seiner Gefässc verwendet, so finden wir da eine grosse Mannigfaltigkeit, nicht 
nur gegenständlich, sondern es ist auch die Art und Weise, wie die einzelnen 
Dekorationselemcnte aufgcfaest und stilisiert sind, eine ganz verschiedenartige; 
so verschiedenartig, dass schon dies allein beweist, . dass die Töpfer hier mit 
übernommenen Vorlagen arbeiten. 

1) B. J. 96. 40. 125. 

2) Neuerdings ist ein fiffuren^esclimückti"-» GefllHS bcKtur Art in Nouss gi-fuiidcii, 
auf dati C. Koenen mich aufmerlü^nm macht. 

3) B. J. 102. 106 ff. Für alle Eiüzcllidtcii vurwoisc ieli auf dirseii Aufsatz. 
4] Not. d. scAvi. Agosto-Novcmbrn 1896. 453 ff. 

5) Die Süheidung, die ich früher gcmaclit habe, lösst sieh nicht aufrecht ^-rhaltcn, 
wie mich die Funde im Museum von Arezzo gelehrt haben. 



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Die nrretiDUcben VAsen und ihr VerhAltnls zur augnsteischen Knost 89 

Da ist zBoächst eioe Reihe von Figuren, die denselben Vorlagen entnom- 
men sind, wie die der sogenannten nenattisclien '} und Campim*f6lief8. Es ist 
ein ^nz bestimmter en;!;hegren7.ter Typenschatz, mit dem dieee Künstler deko- 
rieren. Dieser ist znm ^Hasten Teil Vorlagen ans älterer Zeit entnommen. 
Die strenge Stili^iemlig sncheti auch die Kopisten festxnhalten, und wo sie 
jüngere Vorlagen hennt7,en, wird ihnen änsserlich ein alfertllmliclies Oeprftge 
gegeben. Dadurch erhalten die Fignren vielfnch etwas affektiertca. Zu den 
graziösen Bewegungen passen die anlTallcnd schlanken Knrper der Fignren, die 
besonders gern in leichtem Tanzschritt dargestellt werden. Nnr selten wird 
eine wirkliche Handinng geschildert. Die menschliehe Gestalt ist gleichaam 
omamental verwandt nnd daKO passt die etwas nnlebendige Stilisiernng dann 
sehr ga(. Dargestellt sind M&dchen mit kurzen Röekchen nnd einem gefloch- 
tenen KalathoB auf dem Kopfe, die einen Tanz vor einem archaischen Götter- 
bild oder einem rcliefgeschmflcktcn Altar anfTflhren. GeflU|^elte Genien be- 
kränzen einen Altar oder Candelaber. oder spenden einen Trank; Xike kniet 
auf dem Stier, um ihn zn opfern. Geflflgelte sitzende Genien mit entblOsstem 
Oberkörper spielen Leier oder blasen die Flöte; an ihrer Stelle erscheint bis- 
weilen ein bärtiger Mann. Dann finden sich schwärmende .Satyrn und KTänaden'), 
Satyrn bei der Weinlese, die Hören mit ihren Gaben nnd ähnliches. Das Bei- 
werk ist bei diesen Darstellungen anf das Äusscrste beschränkt. 

Daneben haben wir eine zweite Gruppe, Darstellungen wie Jagdszenen, 
die sich in Schilf und Sumpf abspielen; die Landschaft ist ganz realistisch 
wiederzngeben versucht *). Opferszenen aus dem dionysischen Kreis mit rea- 

11 Vgl. Hauser, Die Neuftttlschen Rrlfefa. — B. J. 96, BS ff. 

31 Zn den B. J. 96. 6tb anffr^xAMti^n Typen kommen hinzu; tanzende MAnnde; 
der rechte Arm ist mit d«tm Thyrsos zurück^Rtreckt. — BHrti^er Sllcn, »itzend und 
die DoppelHöte blnsend. (ndem er den Oberkörper rückwärts dreht. — Tmizender 
bKrti<;er Silen mit der Doppelfinte, der in der Stellun;; frnnz dem tanzenden Silen in 
Villa Borghese entspricht (Friedrichs-WoIterM, Glpaabprüsse 1427). — Stehende Mfl- 
nade in kurzem Gewand mit hoben Stiefeln, di« Nebris quer über die Bmst gebunden. 
Aufgebundenea Haar. Der linke Arm hHlt den Thyreos mit gesenkter Spitze. — 
Esel mit gesenktem Kopf, darauf sitzt ein Reiter, von dem nur ein Fuss erhalten iitt. 
Vielleicht Silen. 

3) B. J. 96. 78. Hinzu kommen auf Stücken dpj Museums in Arozzo: ein Eber, 
dem der Hund auf deu Rücken gesprungen Ist. ~ Ein Löwe, der auf einen Oefallenen 
gesprungen Ist. — Ein grosser Molosserhund mit Halsband. — Eine angreiftmde Lö- 
win. — Ein Jüngling mit dem breitrandigen Jagdhut. Er steht [linkes Standbein), 
nackt bis auf eine über den Rücken hÄnffonde Chlamys. Der linke Arm ist vorge- 
streckt, der Speer rechts geschultert. — Ein vollständig erhaltenes Exemplar des Rei- 
ters zeigt, daas er, ebenso wie der unter dem Raubtier liegende JHger, den macedo- 
nlschen Filzhut trug, wodurch seine Übereinstimmung mit dem Reiter des Messeni- 
schen Reliefs im Louvre (Arch. Jahrb. III 190; Loeschcke) noch grosser wirrt. Eine 
Variante ist es, wenn der Reiter sich zurückwendet und das Schwert über dem Kopfe 
schwingt, sodass die Figur in ihrer Stellung der Alexanderstntuctte aus Pompei gleicht. 
— Wir haben hier also Excerpte ans einer grossen figuren reichen Jngddarstellung hel- 
lenistischer Zeit, nach der wir uns wohl eine Vorstellung von den venationes des 
Akragas machen können. Die macedonische Tracht und die Znsammenbftnge mit 



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90 Hans Dragendorff: 

listificber Wiederg;abe aller Einzelheiten der Kleidong, Andeuton^ des Lokales 
dnreh Pfeiler, kleine Götterbilder auf Sftnlen, Felsblöcke, Krftnze»). Kämpfe 
zwischen Kentauren und I^pitben, auf felsigem Terrain, unter knorrigen Bän- 
men, deren ausgebreitetes Laubwerk sorgfältig wiedergegeben ist*). Im Gegen- 
satz zu der ersten Grnppe haben wir hier frei bewegte kräftige Gestalten. 
Erinnerte uns die erste Gruppe an die neuattischen Heliefs, die als Nach- 
ahmungen von Metallbeselilftgen meist an Basen, KandelaberfllsBen u. s. w, an- 
gebracht waren, so diese zweite Gruppe an die hellenistischen Reliefbilder, 
die feinen Marmorreliefs, die an Stelle von Tafelbildern in die mit Marmor be- 
kleideten Wände eingelassen waren»). 

Neben Figtirlichem nimmt nun auch das Ornamentale einen breiten Baum 
ein. Und auch hier finden wir ganz vereebiedene Auffassungen neben einander. 
Um nur einiges charakteristische hervonuheben, so zeigt uns zum Beispiel das 
Fragment Taf. II 1 noch ganz streng stilisiertes Phantasierankenwerk, zwischen 
dem ein kleiner Eros schwebt. Andere Fragmente haben stilisierte Ranken 
mit Blumenkelchen, aus denen Tiere herauswachsen (z. B. Taf. II 2). Zahl- 
reiche andere zeigen uns Blätter, Beeren, Frflcht« in vollkommen naturalistischer 
Ansfnhrung, die zu botanischer Bestimmung lockt. Neben lockeren Kränzen, 
die ans ganz verschiedenartigem Blatt- und Blütenwerk zneammengesetzt sind, 



dem messeniachen Relief einoraeits, der Alex and erstaCnette anderorseilu sprechen wie- 
der dnfUr, dftSB Loeschcke mit Recht für daa mesueniticlie Selief auf die Grnppe in 
Delphi hing'ewicsen hat. 

1) Zur ErgAnnuiig des B. J. 96. 6t II gesanften: Di« unter 3 genannte Frau 
trHfpt einen Ärmelchiton; die nnter 7 genannte Fisrur ist «icher weibHch. — Hierzu 
liOtnnieTi folgende Typen ; 8) Variante von B. Das Mädchen, densen linke Schalter ent- 
hlÜHKt ist, tragt einen Teller mit Früchten auf der Hand. Den Kopf bedeckt das 
kleine Kopftuch, welches z.B. der Borllner and Florentiner Hermaphrodit und manche 
Figuren anf helleniHtlHchen Reliefblldcrn tragen; z. B. Schreiber, Wiener Brunnen- 
reliefti p. 30. — 9) Mftdchen trftgt mit beiden verhüllten HSnden einen Gegentitand, wahr- 
scheinlich eine eiste wie die schöne Marmor shatue des capitolinischen Museums im 
Snal des sterbenden Galliers. Ähnlich B. J. 96. Taf. IV 43. — 10) II 4 kommt auch 
Htehend vor. — 11) Mädchen, das ein viereckig zuaRmmen^efaltetee Gewand oder 
Tuch« auf dem Kopfe herantragt. — 12) Madeheu, das Haar in ein Netz zuaammen- 
gefasst, steht hinter einem grossen Tuch, das es vor sich ausbreitet und hebt, sodass 
nur der Kopf zu sehen ist. — 18) Mädchen, das Rieh vorbeugt und ein Schweinchen 
an den Hinterbeinen halt, sodass es nur mit den Vorderbeinen den Boden berührt. 
Auf der linken Hand hält das Mädchen eine Schale. — 14) Bailiger Priester in langem 
virmelgewand, das unter der Brust mit einer breiten Schärpe gegürtet ist. Das Haar Ist 
im Nacken heraufgesttichon und in eine Rollo zusammengefasst. Auf der linken Hand 
hält er eine Schale, in der gesenkten rechten eine Kanne, aus der er auf den Altar 
spendet. — Kleine Modifikationen der Typen finden sich auf Schritt und Triti. Hier 
wird eine Vollständigkeit der Sammlung nie möglich sein und ist auch unnüta, da 
dies Willkürlichkeitcn der Kopisten sind, die Grundtypen nicht treffen. Eine voll- 
ständige Sammlung der HaupttypcU ist erreichbar und wird hoffentlich bald durch 
Gamurrini gegeben werden. 

S) Die Typen, die ich früher nur von puteol an i sehen Gefässcn kannte, kommen 
auch in Arezzo vor. 

a) Schreiber, hellenistische ßeliefbilder. Ders., Wiener Bruunenreliefs. 



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Die arretinischen Vasen nnd ihr VerhÄlmU zur au^Btelaehen Kunst 91 

finden sich dicke Frochtgnirlanden, die das GefUss umziehen — alles sor^filtig 
ausgeführte naturalistische Einzelheiten, während der Gesammteindrnck doch 
meist ein rein ornamentaler bleibt, der der Katnr nicht sehr nahe kommt. (Taf. 
II 3. 4. 5.) Wieder andere zeigen nun deutlich dieses Streben. Hier ist einfach 
ein Lorbeer-, ein Eichen-, Ö^, Epheu- oder Rebzweig um das Gefäsa gcBchlnngen, 
die Blätter sind auf der Fläche des Gefösscs aasgebreitet, ihre Form, ihre 
feine Ädernng auf das sorgfältigste der Natnr nachgeahmt. Als Beispiel mag 
die Abbildung nach dem Ausguss einer arretinischen Form auB der Fabrik 
des M.Perennius(St.M-PEREN) dienen (Taf. II 6). Ähnliche Fragmente, z.T. 
aus derselben Fabrik, sah ich im römischen Kunsthandel. 

Schon dieser knappe Überblick zeigt klar, dass hier absolut verschieden- 
artiges, prinzipiell veracbiedenes zusammenkommt; dase diese Töpfer eine Muster- 
sammlung benutzen, die ihre Vorlngen verschiedenartigster Kanstriehtung ent- 
nimmt, mit lanter Überkommenem Gut frei schaltet und waltet. 

Wir müssen uns nun die Frage stellen, ob es auch sonst eine Richtung 
in der Kunst giebt, die derjenigen gleich ist, welche sieb auf den arretinischen 
Gefässcn ausspricht, ob wir auch sonst im Verlaufe der antiken Kunstgeschichte 
eine Periode finden, in der diese scbeiubai' so verschiedenartigen Elemente 
neben einander hergehen, sich mannigfach mischen und kreuzen. Der Punkt 
in der Entwicklung dekorativer Kunst, wo die arretinischen Gef^c einzuordnen 
sind, lässt sich, wie ich glaube, mit vollkommener Sicherheit finden. 

Die Richtung der Kunst, an deren Anfang als ibr Bahnbrecher Lysipp 
steht, die dann während des III. Jahrhunderts zahireicbe so glänzende Werke 
geschaffen, hatte sich im II. Jahrhundert flberlebt. Die virtnose Beherrschung 
der Natnrformen, die Fähigkeit, sie wiederzugeben filhrt zu ihrer Übertreibung. 
Die mächtige Leidenschaft und Kraft, der Schwang, die Lebendigkeit, wie «e 
in den älteren Werken pergameniscfaer Schule, Werken wie den Galliergrappen 
vor allem, sich zeigt, wird zu einem gewissen konventionellen Pathos. Nicht 
mehr, weil der dargestellte Vorgang sie zu fordern schien, sondern weil ihre 
Wiedergabe reizte, wählt man eine komplizierte Stellung. Und die Vorgänge 
wählt man so, dass sie Gelegenheit geben, diese änsscren Effektmittel zu ver- 
werten, die ganze, technische Fertigkeit zu zeigen, den Beschauer zu packen 
durch aufregende Szenen, wie den Untergang des Laokoon, die Schleifung der 
Dirke, die Tödtung der Gefährten des Odysseus durch die Skylla u. a. Auf 
diesen gewaltsamen, alles bis an die äassersten Grenzen treibenden Stil mnsste 
eine Reaktion folgen, eine Art Enflchternng. Und genau wie auf die Kunst 
des Baroeco der Empirestil folgt, so geschah es auch damals. Dass er eine 
reiche Entfaltung, einen bleibenden Einänss fand, erklärt sich genugsam ans 
den Zeityerhältnissen. Denn dies ist der Zeitpunkt, wo die griechische Knnst 
dauernd in Rom Wurzel fasst, und Rom in kurzer Zeit das Kunstzcntnim wird. 
So gut die Künstler in der Zeit nach Alexander aus dem Mutterlande an die 
Diadochenhnfe übersiedeln, an denen ihnen von kunstsinnigen und praclit- 
liebenden Fürsten reiche Gelegenheit zur AusQbung ihrer Thätigkeit gegeben 
wurde, so jetzt nach Rom, wo wieder einmal Aufträge in Htllle und Fülle an 



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93 Hans Drageodorff: 

sie ergingen. Seheu wir zn, wie sie dieser eclinell sich steigernden Nachfra^ 
genügten. 

Die Entwicklung dictiee griechiechen Empirestiles in allen einzelnen Phasen 
zn verfolgen, sind wir noch nicht im Stande. Er beginnt schon im II. vor- 
christlichen Jahrhundert. Werke, wie die der späteren attischen Künstler, des 
Polyklcs tind seiner Söhne, zeigen schon diese Umkehr und Anlehnung an 
Jäheres. Ausgehildet aber liegt er uns vor in Rom in der angusteiscfaen Zeit, 
im weitesten Sinne gefasst als die Zeit, in der Oetavianus Augustus lebte. 

Hier in Eom kam ihm noch ein zweites Moment zu Hülfe. Die Kriege 
hatten Rom in dauernde FßhluDg mit dem griechischen Osten gebracht. Mit 
reicher Beute beladen waren die römischen Legionen heimgekehrt. Tausende 
von Slatucn, Massen kostbaren Metallgerätcs hatten sie nach Rom gebracht*), 
Kunstscfaätze aus allen Zeiten. Man fand Gefallen an dem schönen Besitz. 
Es erwacht ein Interesse an diesen Sachen nnd allmählich eine gewisse Kenner- 
schaft. Freilich eine Kennerschaft, die nicht in gleichzeitiger heimischer Kunst- 
ttbung wurzelt. Sie hat einen gelehrten Beigeschmack. Man interessiert sich 
für einzelne Künstler, man sucht ihre Eigenart kennen zu lernen, man sucht 
in den Besitz ihrer Werke zu kommen und wenn das nicht möglich war, we- 
nigstens in den Besitz einer Copie. Knnsthistorische Forschung und künst- 
lerische Produktion hecinflussen sie]) gegenseitig. Das war der Boden, auf 
dem Künstler wie Pasiteles und seine Schule gedeihen konnten. An St«Ue 
eigener Neuseh öpfungen setzen sie Copien alter Werke und Umbildungen sol- 
cher, die umsomehr auf Anerkennung hoffen konnten, je genauer sie den Stit 
irgend eines der beliebten alten Meister wiedergaben. Zeitlich entfernt liegen- 
des kopiert man immer nur in Zeiten, denen es an eigener Schaffenskraft ge- 
bricht, in Zeiten des Niederganges. So ist denn auch die uns beschäftigende 
Zeit in Bezug auf künstlerisches Schaffen arm *). Vor Allem aber ist zu kon- 
statieren, dasB von charakteristisch national römischem in dieser Kunst sich 
noch keine Spur findet. Sie ist vollkommen hellenistisch. 

An ein paar Beispielen wollen wir uns die Eigenarten der Werke dieser 
Zeit klar zu machen suchen. 

Ich greife da zunächst das vornehmste uns erhaltene Denkmal aagnetei- 
scher dekorativer Plastik heraus, zu dessen Ausführung gewiss einer der her- 
vorragendsten Künstler seiner Zeit berufen wurde, die Ära Pacis Augastae, die 
13 — 9 V. Chr. errichtet wurde'). Dieses Monument in seiner kunstgesehicht- 
lichen Bedeutung ins rechte Lieht gerückt zu haben, ist das bleibende Ver- 



1) Das Material gicht L.Ui'lichid: Qriechiäche Statuen im republikaiiiüchen Rom. 
13. Progr. d. von Wagnerschen Kuiistinstituteij. Wiirzbiirg 1880. 

2) Vgl. auch Furtwängler: Slatuenkopien im Altertum. Abh. d. bajr. Akad. 
phil.-hiBt. Klasüe. 20. 644 ff. 

3) Die Rekonstniklion der Ära hat Petersen: Rom. Mitt. IX u. X gegeben. Auf 
seine abBtlili essend e Arbeit ist für alte» Aeusscre, Anordnung und Zusammengehörigkeit 
des Reliefs z» verweisen. Soiner Freund Hclikcit verdanke ich auch die Photographien 
der im Folgenden benutzten Fragmente. 



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Die arretinischen Vasen und ihr VerhUltnis zur nugUHteischen Kunst. 93 

dieost Wickhoffs, der in seiner Eioleitnng zur Publikation der Wiener Gc- 
nesiebandscbrift mit sicheren Linien und feinstem Kunstverständnis uns ein 
Bild der Entwicklung der römischen Kunst entworfen hat. Es ist eine der 
anregendsten kunstgeschichtlichen Arbeiten neueren Datums, und wenn Wick- 
hoff auch bisweilen über da» Ziel hinaiisschicsst, viele Fra^n nur obenhin 
berührt'), anderes ganz ausser Acht läsat, so thut das dem Werte seiner Ar- 
beit keinen Abbrnch und eine Kusammcnfansende Behandhing der augusteischen 
Kunst, die jetzt einmiil versucht werden muss, wird auf Schritt und 'IVitt 
Wickhoffs Anregungen zu folgen haben. 

Die Aussenseile der 
Mauer, welche die Ära 
Pacis umgab, war mit Re- 
liefs verziert, die in zwei 
Streifen Übereinander an- 
geordnet waren. Von dem 
unteren Streiten mag die 

in Florenz befindliehe 
Platte eine Vorstellung 
geben. (Abgeb. Fig. 1.) 
In eleganten Windungen 

sind schon stilisierte 
schlanke Akanthnsranken 
Über den EeUefgrund aus- 
gebreitet, von grosser Fein- 
heit der AnsftlbriiDg, bald 
frei sich fast vom Grunde 
losend, bald nur wie auf 
ihn graviert, mit ihm ver- 
sehwimmend. Oben sitzt 
auf einem Blutenkelche ein 
Schwao mit ausgebreiteten 
Flügeln, jede Feder sorg- 
fältig dargestellt, das ganze 
Bild aber doch bei aller 
Natarheobachtung im Ein- 
zelnen wieder rein orna- j^_ 1, 
mental wirkend. Ein eha- 

rakteristiseher Zug tritt uns schou hier entgegen, bei aller Feinheit eine ge- 
wisse Härte, bewirkt durch die grosse Sorgfalt der Ausführung. Es ist auch 
kein eigentlicher Marmorstil, er ist nicht an das Material gebunden. Wie aus 
Metall getriehen und nachziseliert sehen diese Ranken und Blätter aus. Wie 
aus blech geschnitten und auf den Grund geheftet die FlUgcl des Vogels. 



1} Vgl. namenciicii die Kritik von Maa: Rom. Mitt. X. 227 ff. 



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M Hans Dmgeudorff: 

Zum Vergleich für Stil nnd Ausfabrang bieten sieb wiederum die neuattischeu 
Reliefa nnd (Geräte. 

In dem oberen Streifen ist die Featprozession und das Festopfcr darge- 
stellt '). Die Mitglieder des kaiserlichen Hauses imd die Voinehmen ziehen in 
feierlichem Zuge zum Opfer. (Fig. 2.) Eine gemessene Ruhe, wie sie vor- 



Fig. 2. 

nehmen Leuten bei einer solchen Gelegenheit ziemt, liegt llber dem Gaitzeii, in 
jeder Bewegung. Und zu ihr stimmt die AuBfllhrung in ihrer peinlichen Sorgfalt 
und Sauberkeit aufs Glücklichste. Mehr Leben herrscht in den eigentlichen 
OpfcrszcneH, wo mäclilige Stiere und Schweine von den Dienern berangefflhrt 
werden. {Fig. .t.) Und hier werden wir auch sofort an eine andere Moira- 
rocnten-KIftssc erinnert, au die bclIcmBtiseben Rclicfbihler. Man vergleiche 
damit nur einmal z. B. die Grimaniscben Reliefs, wie Wickhoff es gctban. 
Da finden wir dicscthe Art die Landschaft darzustellen. Die Weise, wie der 
felsige Hintergrund höblcnartig /.nrllektritt, ist hier wie dort gleich. Auf dem 
Felsen das perspektivisch dargestellte Haus, in das man hineinblickt, davoi 
der knorrige BaumaRt ndt den sorgfältigst aufigcfllhrten Blättern, eine gewisse 
Ungeiiauigkcit in der Iteoliachtung des Slftssstahes, liier wie dort ist es das- 
selbe, und wie die gleiche Anlage, so finden wir auch dieselbe Art der Aus- 
nihrung, denselben Naturalismus bei der Darstellung der harten Haut des 
Schweines nnd der lockigen Stirnhaare der Stiere wie hei dem flockigen Fell 
des Schafes an den Grinmniseben ßrnnncnreliefs. Ei? ist kein Zweifel miig- 



I) Stück« des Frieses befinden sich in Florenz und in Villa Medici. Die Köpfe 
sind nieiBt ergänzt. 



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Die «rretiniBchen VaHen und ihr Verhältnis zur RUgusteischen Kunst. 95 

lieh, das ist wirklich gleiche Ktinetweise. Weckte das Relief des unteren 
Streifens in uns die Erinnerung an die neuattiaeheu Reliefs, so mURsen wir 



FifT. 3. 
diese Szenen hier, herausgelöst aus dem Ganzen, direkt als ein „hellenistisches 
Eeliefbild" bezeichnen. Ohne weiteres hat denn auch Schreiber die von zwei 



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90 Hans Drageu Jorff: 

Pilastem eingefasste Mittelplatte der Rückseite, die Darstellung der drei Ele- 
mente, unter seine hellenistischen Reliefs aufgenomoien'). (Fig. 4.) 



Fig. 4. 

Das Streben, die Einzelheiten natnrwahr Dachzaahmeu, der Versuch, den 
Eindraek der Natur wiederzugeben, indem man sie in allen kleinen Details 
nachmacht, jedes Äderchen gewissenhaft wiederholt, und gleiehzeitig; die Fähig- 
keit, solche Feinheiten in dem harten spröden Material auch wirklich zustande 
zu bringen, tritt imn ganz besonders au den Reliefs der Rückseite dieser Platten 
her\'or. (Fig. 5.) Hier hängen Btierschädel an der Wand, verbunden darch 
}>>uchtguirlandeu. Es sind wirkliehe, anatomisch getreu nachgebildete Schädel; 
der sprtide Charakter des Knochens ist vortrefflich zur Darstellung gebracht. Die 
Kränze sind ans maonigfaltigeD Blumen und Fruchten zusammengesetzt, die 
bald vollkommen rund herausgearbeitet, bald nur flach angelegt, immer aber 
mit grösster Sorgfalt ausgeführt sind und jedes f(lr sich botanisch bestimmbar 
scheinen. Die Bänder flattern leicht umher, der Stoff, aus dem sie bestehen, 
das feine balbdurcbscheinende Gewebe, ist auch hier auf das geschickteste 
wiedergegeben. Ein römischer Sarkophag in genau derselben Weise geschtnUckt, 
und ohne Zweifel dereelbeu Zeit angehörig — er könnte aus derselben Werk- 

1) Hell. Relief bUder. Tafel 31. Petersen, Rom. Mitth, 1894. 183. Wenn Schreiber 
(Arch. Jahrb. XI. 84 IT.) das in Karthago gefundene Relief, deH^en Mittclgiuppe mit 
der der Ära Pacis iibercinHtiinmt, für ein griei;h. Original halten will, das Relief der 
Ära PaciB für die Kopie, uo iHt das wohl soweit riuhtig, al» das Kartti. Relief dein nr- 
sprüugüuhen Vorbild näher steht. Für die Zeit der Ausfuhrung des Karth. Reliefs selbtit 
aber haben wir keinerlei Anlialt. 



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DIfl arretinJBchen Vasen und ihr Verhältnis zur angUBteiBcben Kunst. 97 

statt seiD — ist ana Palazzo CafarelH in das Berliner Mnsenm gekommen. Mit 
gütiger Erlaubnit) der Museumsvenvaltnng wird er hier auf Tafel III abgebildet. 
Er ist nicht nur ein schönes und charakteristisches Beispiel der Sknlptnr jener 
Zeit, sondern gleichzeitig interessant als eines der wenigen Beispiele eines 
römischen Sarkophage aus der frühsten Kaiserzeit. 

Andere Monumente rei- 
hen sich an, bei denen uns 
dieselben Kennzeichen des 
Stiles entgegentreten und uns 
lehren, dass es sich nicht 
etwa nm eine einmalige Laune 
eines einzelnen Künstlers ban- 
delt. Ich will nur kurz auf 
ein paar Beispiele hinweisen, 
die jeder leicht vermehren 
kann. 

Einer der reiKvollsteu 
Besitze des Themienniuseums 
in Rom sind die Stuckreliefs, 
die neben der Villa Famesc 
gefunden wurden, wo sie die 
Tonnengcwütbe zweier kleiner 
Gemächer eines vornehmen 
rdmiechen Hauses schmück- 
ten '). Durch feine Leisten 
sind die Decken in grössere 
nnd kleinere Felder und Strei- 
fen gegliedert, die teils mit 
Darstellungen, teils mit Or- 
namenten gcfllllt sind. Die 
Hauptfelder werden von Bil- 
dern mit landschaftlichem 
Hintergrund eingenommen, 
die vollkommen im Charakter 
der hellenistischen Relicfbil- 

der gehalten sind. Die Zwi- °' 

Bchenfelder sind mit Kandelabern gefüllt, an denen dieselben nenattisehen Ge- 
nien beschäftigt sind, in ihren zierlich gefalteten flatteniden Röekchen, mit 
den scharf gezeichneten Flügeln. In den Streifen lauft schmttchtiges Ranken- 
werk, aus welchem Tiere, geflügelte sphinxartige Wesen u. dergl. herauswach- 
sen, eine Dekoration, gegen die Vitrav (VII 5. 3) als eine absurde Neuerung 
seiner Zeit auftritt und die wir gleichzeitig ja auch auf arretinischen Geissen 
anftreten sa hen. 

1) Mon. d. J. Suppl. Tat. 82 ff. 
J»lirb. d. Var. v. Altorlhth'. Im Rhninl. loa. t 



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98 Sans Drftgendorff: 

Diese Decken gehören zo Wänden, die in dem sogeDanntCD zweiten Stile 
bematt sind, und zwar zählen die Wände zn den schönsten und am weitesten 
fortgeschrittenen Beispielen dieses Stiles '). Schon hei flUcbtiggter Dnrchsicht 
begegnen aus dieselben Elemente der Dekoration, die oben die Stuckrcliefs 
boten. Dasselbe Rankenwerk, dieselben Fabeltiere, dieselben steif graziüsen 
dekorativ verwandten Figuren, welche Guirlanden hatten, die genau wie an 
der Ära Pacis ans den verschiedenartigsten tren nachgebildeten Blumen zu- 
sammen gewunden sind. Oder Blattkrftnze in getreuester Naturnachahmung, 

zierlich ausgehrcitet, 
wie an der Plata- 
nenara, die Wick- 
hof f abbildet. Da- 
zwischen sind Tafel- 
bilder eingelassen, 
bald mit allen rea- 
listischen Zügen der 
hellenistischen Ke- 
liefbilder ausgestat- 
tet, bald mit ein- 
fachen Zeichnungen 
in wenig F'arben ver- 
sehen, mit denen wir 
nicht« vergleichen 
können, als die Bilder 
der attischen weiss- 
grundigen Lekythen 
dcsV. Jahrhunderts. 
Der zweite Stil 
nun war in Übung 
etwa von sullanischer 
Zeit an bis in die 
Zeit des Vitruv — 
es ist also wieder die 
Zeit des Angnstus, 
in die uns diese Ma- 
lereien nnd Stuck- 
f'g- «■ reliefs führen. 

Und werfen wir endlich einen Blick auf die unseren arretinisehen Vasen 
am nächsten stehende Denkmälerklasse, die toreutiscben Werke, so wei-dcn wir 
gewahr, dase auch ihr alle diese Dekorationsweisen, die wir in Thon, Marmor, 
Stuck und Malerei kennen gelernt haben, geläufig sind. 

1) Man, Gesch. d. decorat. Wandmalerei p. 8 u. 124. Mon. Ined. XI. Taf. 22 ff. 
n. Taf. 44. XII. &ff. Auf die Übereinstimmung dar Innenseite dnr Schranken der Ar« 
Pacis mit diesen Wandmalereien hat Petersen Rom. Mitt. IX. 211 hingewiesen. 



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Die arretiniuchen Va§en tuid ihr Verhältnis zur au^steiBchen Kunst. 99 

Da haben wir z. B. zwei Kannen auS dem EMnde von Boscoreale (Fig. 6), 
die UDS in den Kreis der neuattischen Reliefs versetzen. Die Mitte nimmt ein 
archaisches Götterbild ein, neben diesem haben wir die bekannte Szene des Stier- 
opfers, eine Nike n. s. f. Am Halse Akanthnskelehe, aus denen Genien, welche 
gebtirnten Greifen den Trank reichen, hervorwachsen — alles Motive, die auch 
die arretinisehen Töpfer und die Verfertiger der Thon- und Stackreliefs kennen. 

Zahlreich sind die Gefässe, deren Schmuck in naturalistisch wiedergege- 
benen Blätterzweigen besteht, welche 
zart Über die Fläche ausgebreitet " 
sind. Strenger und ganz im Charakter - 
der arretinisehen Gefässe, ist noch 
der Lorbeerbecher ans Hildesheim ^}. 
(Fig. 7.) Fest schmiegen sich hier ' 
Zweige ond Blätter noch dem Grunde 
an. Ähnlich sind die Zweige an dem 
Maskcnbecher ans Hildesheim auf den 
Grand gelegt*). (Fig. 8.) Ein beson- 
ders elegantes StUck ist ein Becher in U 
St. Germain (Fig. 9), wo die Binde, j-j -j 

welche die Zweige zusammenhält, 

wieder besonders fein, wie an der Ära Pacis und dem Sarcophag Caffarelli iu 
ihrem stofflichen Charakter wiedergegeben ist. 

Andere Stücke gehen schon weiter. Die Blätter lösen sich vom Grunde. Das 
Streben geht nicht mehr nur dahin, das 
einzelne Blatt naturgetreu nachzubilden; 
der Künstler bemtlht sich bereits, den Ein- 
druck wiederzugeben, den ein Becher macht, 
um den man einen Zweig mit reichem 
Blattscbmuck geschlungen hat. Diese Stufe 
vertreten u. A. die beiden köstlichen Epbeu- 
bccher aus Pompei, 7on denen der eine 
auf Taf. IV nach einer Photographie von 
Esposito abgebildet ist. 

Auch die Blumengnirlanden. wie sie 
an der Ära Pacis und anderen Denkmälern 
dieser Zeit vorkommen, haben ihre Parallele 
in der Toreutik. Als Beispiel mag der 

zierliche Becher ans Hildesheim Arch. Anz. XH 124 Fig. 11 dienen, ein StUck 
von besonderer Feinheit der Ausführung, an dem namentlich die zarte an den 
Grund sich anschmiegende Binde wieder meisterhaft ciseliert ist 

Den Charakter der hellenistischen Reliefbilder mit ihrer etwas phRotaeti- 

1) Arch. Anz. XL 75. XII. 134. Danach mit gütiger Rrlftubnis der Redaktion 
und des Verlegers, wie auch Fig. 8. 10. 11. 12 hier wiederholt. 

2) Arch. Anz. XI. 77. 



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ItN) Bana Dragendorff: 

sehen Andeutung der Landschaüt, mit den Felsen, Altären, Pfeilern, Kränzen, 
de)i knorrigen Bäumen, dem bald vollkommen rnnd ausgeftlhrten, bald nnr 
leicht angedeuteten Relief veranschaulichen StUckc, wie die Keutaurenbecher 
ans Bemaj und Fompei (von dem einen der letzteren eine Ansicht auf Taf. IV) 
und der Krater aus Hildesheim (Fig. 10), der diesen Schmuck wieder in Ver- 
bindung mit dem stilieierten Akauthngrankenwerk nnd den daraus hervorwach- 
seuden Tieren zeigt '). 



Fig. 9. 
Neben diesen Stücken, deren Dekoratiou sich ganz in dem in augusteischer 
Zeit gelänfigCD Kreise bewegt, finden sich in den grossen Silbersch&tzen von 
Boscoreale und Hildesheim vereinzelt auch solche, die entschieden jüngeren und 
älteren Charakter tragen. Bei der 
herrlichen Athenaschale, vielleicht 
dem vollendetstenStUck giiechischer 
Toreuteuarheit, das anf uns ge- 
kommen iBt, wird niemand zwei- 
feln, dasB wir es mit einem Ori- 
ginalwerke hellenistischer Kunst zu 
thuu haben. Dem gegenüber ver- 
treten die Stilllebenbechcr ans 
Boscoreale (Fig. 11. 12) schon den 
Stil der letzten Zeit Pompeis ^). 
Diese Schätze sind eben nicht ein 
einheitliches Tafciservice, sondern 
es handelt sieh um Sammlungen, 
die von Kennern und Liebhabern 
p. jQ — ■ zusammengebracht sind und deren 

einzelneStQcke verschiedenster Zeit 



1) Arch. Anz. Sit. laa 

2) Vergl. Winter, Arch. Ana. XL 78, 



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Die arretinlschen Tasen und Ihr Verhättnie zur augrnsteiBchen Eonet. 101 

angeboren könoeD. Einen äasseren Beweis giebt allein schon der verschiedene 
ErhaltungszuBtand. Neben voUkommen neuen Stücken stehen solche mit starken 
Gcbranchsspnren, sogar Reparaturen. Es ist gewiss kein Zufall, dass die Still- 
Icbenbechcr wie eben ans der Werkstatt kommend aussehen, während die 
Kannen mit dem Stieropfer oder die Eentaarenbecher aus Pompei stark abge- 
nutzt sind '). Einen unmittelbaren Anhalt, die Entstehnngszeit des einzelnen zu 
ermitteln, giebt das natürlich nicht. Auch darf die Mögliebkeit nicht geleugnet 
werden, dass manche dieser Gef&sse 
treue Kopien filterer Vorlagen sein 
können. Metallgefässe Hessen sich 
ja nicht allznschwer kopieren und 
sind ja auch, wie uns überliefert 
ist, vielfach kopiert worden. Es 
mag deshalb au dieser Stelle ge- 
nügen, daran zu erinnern, dass die 
meisten dieser Gefllsse ihrer De- 
koration nach in das I. vorchrist- 
liche Jahrhundert hineinpassen '). 

Also in Marmor, in Erz, in Fig. 11.' 

Stuck, in Malereien — überall tritt 
uns in dieser augusteischen Zeit die- 
selbe EuDstweise entgegen, tiberall 
dieselben verschiedenartigen Ele- 
mente, aus denen sich das Ganze 
mosaikartig zusammensetzt. Es ist 
eine Kunst, die in ihrer Art vor- 
Kflgiiehes leistet. Neben einer Tech- 
nik, die jedes Material bewältigt, 
ein dekoratives Talent, eine Fähig- 
keit, gefällig zu wirken, die Staunen ^'S- ^^■ 
erregen muss. Dabei ein Reichtum an Motiven, wie kaum sonst in einer Knnst. 
Denn die Künstler arbeiten mit den Motiven Von vier Jahrhunderten *) und wissen 
das scheinbar verschiedenartigste in immer neuer Weise zu verbinden. Auf 
ägyptischen Pflanzensftulen stehen Figuren, die an altattische Kunst erinnern und 
sie halten Guirlanden, die nnmitteibar die Natur nachahmen, ohne jeden Ver- 
such der Stilisierung. Den altgriechiscben Figuren scheut der Künstler sich 

1) DarauH EU schliessen, dass letztere vorangusteischor Zeit aiigehi>rten(Sctirei- 
bur, iiollenist. Torentik 414), würde ich nicht wagen. Zwischen der Verschiittung 
Pompeis und dem Beginn det augostelschen Zelt liegt auch schon mehr al» ein Jahr- 
hundert. 

2) Dase der Schatz von Hüdeshelm weniger einheitlich ist, hat Winter Arch. 
Anz. XII. 123 mit Recht hervorgehoben. Die Entstehungszeit der einzelnen Stücke 
liegt hier weiter auiteinander. 

3) Petersen, Rom. Mitt. X 146, hat noch besonders auf die Stiimiachung 
hingewiesen, wie sie oft an ein und derselben Figur sich findet. 



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102 H*ns Drageudorff: 

nicht eine ägyptiscbe Federkrone, wie sie Oeiris trägt, auf den Kopf zu setzen, 
mit etei^ilisierten Lotosbändem hellenistiscbe idyllische Bilder einzarahmen. 

Zugleich liegt hier die Schwäche dieser Rnnst. Sie bringt nichts eigene«, 
nichts empfundenes. Es iat alles gelernt, QbemommeQ. So kann sie wohl 
elegant sein. Aber bei allem dekorativen Reiz bleibt sie kühl. Verlor die 
pergameniscbe Kunst durch das Zuviel ihre Wirkung, so ist die Kunst der 
augusteischen Zeit zu gehalten. Es fehlt ihr die Innerlichkeit, das Tempera- 
ment, das sich auch in der Eubc ausdrttcken kann. Und wo sie einmal wirk- 
lich neues zu scbaifen gezwungen ist, über den Rahmen des Dekorativen hin- 
ausgehen tnnss, wie bei dem Zuge der kaiserlichen Familie an der Ära Pacis, 
da verliert sie auch ihren dekorativen Seiz und wird langweilig. 

Das nnstilisierte, natnmacli ahmende Pflanzenomament hält Wickhoff 
fBr eine Errungenschaft aagnsteischer Zeit und in der Plastik dürfte ea früher 
auch kaum vorkommen. Aber auch dies ist keine Nenschöpfung der angnstei- 
schen Kunst. Ihr wird nur diese Übertragung in die Plastik angehören. 
Winter hat auf die vollkommen naturalistischen Goldkränze aus südrussischen 
Gräbern des III. Jahrh. hingewiesen •), und bemerkt, d^s es nur ein weiterer 
Schritt war, solche Kränze nun um die GefUsse zu schlingen. Zum Teil wird 
auch die Malerei beeinflusst haben. Ganz in dieser Weise sind schon die Blu- 
menkränze gearbeitet, die die Mosaiken der Casa del Fanno arogeben. Diese 
sind zweifellos von Malereien hellenistischer Zeit abhängig *). 

Immerhin sind diese Bhimen und Blattgewinde mit das erfreulichste, was 
die augnsteiscbe Kunst geleistet hat. Und in der technischen Routine, den 
Stoff wiederzugeben, bat sie wohl kaum ihres Gleichen. Doch auch hier zeigt 
sich ihre Beschränkung. Auch hier haben wir kein eigentliches Nachempfinden, 
sondern ein Abschreiben der einzelnen Natnrformen. Es ist ein etwas trockener 
Naturalismus und schliesslich macht ein Werk, wie der von Rosen umrankte 
Pfeiler des Hateriergrabes, trotzdem seine Kosen statt 5 nur 4 Blätter haben 
einen lebendigeren Eindruck, als die sorgfältig der Natur nachgebildeten aber 
auch sorgsam zurechtgelegten und ausgebreiteten Blätter der Kränze auf Denk- 
mälern augusteischer Zeit. 

Das Angelernte dieser Knnst zeigt sich auch darin, dass sie an kein Material 
gebunden ist, in allen Materialien gleich arbeitet. Sie ist materiallos. Damit 

1) Arch. Ana. XII. 124. Compte rendu 1880. Taf. I u. III. 

2) Diese müssen einmal zngammen fassend bearbeitet werden. Sie sind gewiss 
aiie von einer Hand. Bei allen finden sich die (rleiuben warmen bräunlichen Farbtöne. 
Ein richtiges Blau felilt bei Allen. Und auch ihre Vorbilder sind gewiss alle einem 
Kunstkreis eatnommen, wie gewisse Eigentümlichkeiten, die bei allen wiederkehren, 
zeigen. Sie sind alle ohne eigentlichen Hintergrund, die Alexanderschlacht so gut 
wie die Stillleben. — Auf die Entwicklung des h eilen Istf sehen natura lislischen Pflanzen- 
ornamentes hoffe Ich bei anderer Gelegenheit zurückkommen zu können. Sie lässt 
sich Schritt für Schritt verfolgen. Anfänge finden sich auf den unteritalischen Vasen, 
während die altischen Maler stets stilisieren. Der Alexandersarkophag hat zwar schon 
unstflisierte Wainblätter. Der Rebzweig aber, den der Künstler uns aus ihnen zu- 
sammengesetzt bat, verzichtet noch ganz auf naturgetreue Wiedergabe. 



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Die arretlnischeu Vasen und ibr Terhältnis zur augusteischen Kunst. 103 

verziehtet sie auf alle die kleinen Feinheiten, die durch das geschickte Be- 
nntzcn der Eigenheiten des Materials gegeben werden, auf alle die kleinen 
Nuancen, die die verschiedene Licht- and Schattenwirknng hervorbringt. Sie 
scheut sich nicht Metallformen in Marmor nachzubilden, Marmorreliefs in Stack. 
Sie bildet auch toreutische Werke io Thon nach, ohne wie frohere Genera- 
tionen gethan, durch den FarbUberzug den Vorbildern wenigstens noch sich 
zu näiiem. Dass die arretinischen GetUsse toreutische Arbeiten nachahmen, 
lässt sich auf Schritt und Tritt erweisen, und dass die Vorbilder der besten 
unter ihnen auch gerade in dieser Periode der Ennst liegen, haben, wie ich 
Iioffe, diese Ansftihrnngen gezeigt. In der That, sie kfinnen aueb nach ihrer 
Dekoration nicht anders datiert werden, als in das I. vorchristliche Jahrhandert, 
in die Zeit etwa von Sulla bis Christi Gebnrt. Was für die Fabriken aus 
anderen Gründen eingangs erschlossen, bestätigt die kanstgeschicbtiiche Be- 
trachtung vollkommen. Nicht die arretinischen TiVpfer haben sich ihre mannig- 
fachen Vorbilder da und dort aus den verschiedensten Stilen zusammengesucht, 
sondern sie sind absolut schon abhängig von der Miscbkunst ihrer Zeit Und 
so gut sieh in dieser eine Reaktion gegen die heilenistisebe Kunst zeigt, so 
bilden aoch die schlichten reinen Formen der arretinischen Vasen einen Ge- 
gensatz zu den barocken Formen der späteren hellenistischen Keramik. 

Ich ffiuas aucb die untere Zeitgrenze, die ich soeben gegeben, noch kurz 
begrflnden. 

Im Verlaufe des I. naehebristlichen Jahrhunderts entwickelt sich ans dem 
Naturalismus der augusteischen Zeit ein illusionistisclier Stil. Nicht mehr die 
änssereu Formen in geschlossenem Znsammenbange getreu wiederzugeben ist 
das Streben, sondern den Eindruck, den sie in einem Augenblick machen. 
Wie dieser Illusionismus in Plastik und Malerei sich ausbildet, hat Wickhoff 
eingehend zu zeigen versucht *). 

Auch in der Torentik können wir ihn verfolgen. Becher, wie die Stül- 
lebenbecber aus Boscoreale sind gearbeitet, wie die illusionistisch gemalten 
pompejauiechen Wandbilder. Aus der ganzen Menge unserer arretinischen Ge- 
fasse aber wUsste ich kein Stück anzuführen, das diesen Illusionsstil aufwiese. 
Diesen Wandel hat die arretinische Ornamentik nicht mehr mitgemacht. Ihre 
Bltlte wenigstens war vorher zu Ende. Und wir erinnern nns jetzt, dass uns 
die dekorierten arretinischen Vasen, abgesehen von denen des Ateius, in den 
nördlichen Provinzen sehr selten begegnen, während nndekorierte noch in ziem- 
licher Menge vorkommen. Die Nachfrage nach feinem Thongeschirr — denn 
das waren die arretinischen Vasen — war mit dem steigenden Luxus ge- 
sunken und damit starb ihre Fabrikation in Italien bald ab. Nur ganz kümmer- 
liche Nachläufer finden wir hier. Schon im ersten nachchristlichen Jahrhundert 
— das zeigen uns die Fnnde von Pompei — steht hier die Terra sigillata- 

1) Dass der Illussionsstil schon im II. d. pomp. Stile vorkommt, hat Mau, Rfim. 
Mitt. X. 227 ff. bemerkt Danach sind Wickhoff's Bemerkungen einzuschränken, 
Die Übertragung dieses in der Malerei ausgebildeten Stiles auf Plastik nnd Torentik 
acheint aber der nach augusteischen Zeit aDzugehören. 



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104 Hans Drngendorff: 

IndüBtrie, bo weit es ornnmeutierte Gefilsse angeht, anf einem so tiefen Niveau, 
dasB man ron einem wirkliehen Stil der einzelnen Figur oder' des einzelnen 
Onuunentefl garnicht mehr reden kann '). Ganz anders ist es in den Provinzen. 
Hier in den bescheideneren Verhältnissen fanden anch die htthschen roten Re- 
liefge^Bse noch Abnehmer genug, nnd hier hluht denn anch bald eine ein- 
heimische Indastrie- Interessant ist nan, dass während die andekorierten Teller 
und Näpfe einfach die arretinischen Formen fortsetzen, die ornamentierte Schale 
gänzlich andere Form und andere Dekorationsweisc zeigt. Die schOnen stark 
profilierten Schalen ') mit der feinen flachen Eankendekoration nnd dem wie bei 
Uetallgefässen geriefelten unteren Teil, wie sie in unseren frühesten Nekropolen 
vorkommen, haben mit den arretinischen dekorierten Gefftssen gamicbts zu thun. 
Aber auch von dem römischen Stile des I. nachchriBtIichen Jahrhunderts ist 
nichts darin zu fuhlec. Es ist eben ein eigener Frovinzialatil, der sich hier 
zeigt und der ganz augenscheinlich auf älteres zurückgreift. Diese streng sti- 
lisierten Banken, die Blätter, die sich wohl an Natnrformen anlehnen, sie aber 
nicht wirklich nachahmen, erinnern ebensogut wie die Skulpturen des Julier- 
Denkmals au griechisches, das etwa 200—300 Jahre älter ist. Auch die Aus- 
wahl der Fflanzenmotive ist die nämliche. Gegenüber der Fülle augusteischer 
Blattomamentik beschränken sich diese Gefässe wieder auf den alten Kreis: 
Lorbeer, Epheu, Wein nnd wenig anderes '). 

Woher dieser provinziale Stil seine Anregungen empfangen hat, das bleibt 
noch eine offene Frage. Aus dem auguBteischen Rom aber sicher nicht. 

Excnrs I. 

Wo die Frimärquellen dieser „augusteischen" Kunst liegen, welehen Kunst- 
zentren sie ihre Anregungen verdankt, das ist eine Frage, die ausserhalb des 
Rahmens dieses Vortrages liegt. Aber sie ist wichtig und mflsste jetzt einmal 
in weiterem Zusammenhange mit Berücksichtigung des ganzen Materiales ein- 
heitlich behandelt werden. Nachdem wir durch grundlegende Arbeiten wie 
Hausers neuattische Reliefs, Schreibers hellenistische Relief bilder und helle- 
nistische Torentik, Mau 's Geschichte der Wandmalerei über einzelne Denk- 
mälcrklassen genauer orientiert sind und das Material übersehen, muss jetzt 
die Zusammenarbeit erfolgen. Dann erst werden wir definitiv über diese Kunst- 
periode urteilen kUnnen. Mit wenig Worten nur möchte ich meinen Standpunkt 
andeuten. 

Ich bin nach wie vor der Ansicht, dass der Einflnss Alexandrias über- 
schätzt wird*). Ich halte den Mischstil, den wir als dem I. vorchristlichen 

1) cf. B. J. 96. 108 f. 

2) B. J. 96. Taf. Tl. 29. 30. 

3) Vcr^leicben lUHst »eh für die Stilisierung der Blätter das kleine ScbHlclien 
des Hildesheinier Fundes, das Arch. Ana. XII. 121. Fig. 6. abgobUdet ist und gewiss 
zum ältesten Bestände dieses Schatzes gehövt. 

4) Schreiber, Wiener Brunnen reliefs 91. Anin. 95. Hell. ToreuUk 170. Vgl. 
B. J. 96. 51. 



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Die arretinlechen Vasen und ihr VctliSitnia zur nnguBtelscIitin Kunst. 105 

Jahrhundert eif^ erkannt hatten, tflr rCmisch, d. b. fUr in Born unter dem 
EinflnBse der dort KUBatninengeBchleppten Kunstwerke von griechischen Kdnst- 
lern zur Ausbildung gebracht. Untersttltzt wurde ibre Richtung durch das knust- 
historische Interesse und die dadurch geförderte klassizistische StrOmnng der 
ganzen Zeit einerseits, den Mangel eigener Erfindungsgabe andererseits. Dieser 
Stil hat sein Zentrum in Rom, wo eben damals der kflnstlerischcn Produktion 
massenhaft Gelegenheit gegeben wurde sich zu bethätigen. Ausserhalb Italiens 
ist er so gut wie ganz unbekannt. Wenn sich auch ein und das andere nen- 
attisebe Stttek oder helleniBtische Reliefbild ausserhalb Italiens und Roms nach- 
weisen läset, so fehlen doch Werke des eigentlich augnsteischen MiBchstiles hier 
ganz. Und einen grosseren Gegensatz als zwischen der ktlhlen vornehmen 
Prozession der Ära Pacis und den Bildern wilden malerischen Kampfgetttmniels 
an dem Julierdenkmal von St. R^my kann man sich kaum denke». Das eine 
ist stadtrömisebe Kunst, die andere hängt direkt von griechischer Knnst ab 
und zwar wohl von kleinasiatischer, wohin die Form de« Denkmales im letzten 
Grunde weist'). Die Vorbilder fUr diese Reliefs hat die griechische Malerei 
geliefert, wie Wickboff a. a. 0. S. 39 richtig. ansfubrt. Die nächste Analogie 
bieten die Alexanderschlaebt aus Pompei *) und etruskisehe Ascbenkisten. Wenn 
Wickhoff deshalb weiter toskanische KQnstler in Gallien annimmt, so kann 
ich ihm darin nicht folgen. Etrusker und massiliotische Etlnstler haben hier 
die gleiche Quelle, und diese ist zu aller Zeit in erster Linie die ostgrieehische 
Kunst gewesen. 

unter den Vorbildern, nach denen die rümischen Künstler im I. vor- 
ebristlieben Jahrhundert arbeiten, sind zweifellos mancherlei alexandriniscbe oder 
doch auf alexandriniscbe Anregung zurückgehende. Znofichst sondert sich ja 
leicht alles Ana aus, was aegyptische Motive zeigt. Femer halte ich es für 
sehr wahrscheinlich, dass gerade in den sogenannten Reliefbildem Schreibers 
manches alexandriniscbe Gut steckt, obgleich mir der zwingende Beweis für die 
ganze Gruppe nicht erbracht zu sein scheint >). Woniger klar liegt die Frage bei 
den neaattischen Reliefs. Hansers erste Gruppe ist, wie er selbst ausgeführt 
hat, zum grossen Teile abhängig von attischen Vorbildern und die Künstler, die 
sich auf Werken dieser Gruppe nennen, sind ja auch Attiker. Fttr die zweite 
Gruppe nimmt Hanser alexandrinische Vorbilder an. Aber Beziehnngen zu 
den attischen Werken sind ebenso rorhauden. Die Kalathiskostänzerinnen der 

1) Loeschcke, B. J. 95. 260ff. cf. Newton Diacoverie« I. 31. 

2) Gleichartig komponiert ist ein Moaaikfrag:nient des Neapler Museums (120618), 
ebenfalls aus Pompei, anch iu deu Farben ^anz mit der Atoxanderschlacht übereiu- 
stimmend. Offenbar war der Leukippidenraab dargestellt. Über einen Gefallenen 
weg stürmt «in Gespann nach rechts hin. Erhalten sind die Beine eines auf den 
Wagen springenden nackten Mannes, der Rest einer mit langem weissem Gewand 
bekleideten Frau, deren Fuas den Boden nicht berührt, die also getragen wird. Da- 
hinter ist noch der Rest eines zweiten Mannes erhalten. 

3) Der Arbelt nach sind sicher zahlreiche dieser hellenistischen Reliefbilder 
augusteisch. Auch Amelung (Bull. comm. 25. 1897. p. 125 Anm.) halt die grimanlschen 
Brunn enreliefs für augusteisch wenigstens in der Ansf&hrung. 



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106 Hsns Dragendorff: 

zweiten Grappe kann man von den Mänaden der ersten stilistiBcb nicht trennen. 
Nenattikcr und Alexandriner haben ^8o gicicbe Vorbilder. Ich denke mir 
den Hergang so, dass die erste Gruppe die sogenannte neuattische Kunst im 
eigentlichen Sinne darstellt, Werke attischer Steinmetzen, ud<I eines der Ele- 
mente, aus denen sich das Mosaik der nugnsteischeii Kunst zusammensetzt, 
noch frei von Zathaten aus fremden Stilen, während die zweite Gruppe durch- 
aus schon der rßmisch-augnsteisclien Mischknnst angehört. Daher die laxere 
kusscrlichere Behandlung des Archaismus, die grossere Freiheit, mit der die 
einzelnen Figuren wiedergegeben werden. Daher hier der Eklektizismus, der 
neben attischem auch sicher alexandrinisches verwendet. Es wäre also der 
Unterschied der beiden Gruppen Hausers in erster Linie ein zeitlicher. 

fibenso ist das naturalistische Pflanzenomament wohl nicht alesandrinisch. 
Es tritt in Pompci, wie oben ausgeführt, an Deokmalem auf, die der klein- 
asiatischen Kunst anzugehören scheinen. Das einzige griechische Schmuckstück 
aus Aegypten, daa aus einem naturalistischen Kranz besteht >), reicht an Ka- 
turwahrbeit doch noch lange nicht an die südrossisehen Kränze heran, die ge- 
wiss dem kleinasiatischen Kunstkrcis entstammen. Es steht stilistisch auf der 
gleichen Stufe, wie der Blattfries am Alexandersarkophag. Das einzelne Blatt 
ist zwar naturalistisch ausgeführt, nicht aber die Ranke. 

Das alexandrinische ist zweifellos ein Element der aagusteischcn Kunst, 
aber es ist nicht das einzige, vielleicht nicht einmal das wichtigste. Es ist 
zunächst der giiechische Osten, zu dem Rom in dauernde Beziehung tritt. Die 
Beute an Statuen schleppen die römischen Heere vornehmlich ans Griechenland 
und Kleinasicn nach Rom *). Scipio bringt aus dem Krieg gegen Antiochus 
massenhaft toreutische Schätze dorthin ; 133 kommt die attalische Erbschaft hinzu. 
Sollten alle diese Kunstwerke ohne nachhaltigeu Einäuss geblieben sein und 
die in und für Rom arbeitenden Künstler sich wirklich alle ihre Anregungen 
aus Alexnndria geholt haben? In Kleinasien, namentlich Rhodos, blüht bis ins 
erste vorchristliche Jahrhundert hinein ein reiches Kunst leben '); Alexandria 
tritt dagegen, nachdem es anfangs offenbar eine Rolle in der Kunst gespielt 
hat, in der späteren Ptolem&erzeit auffallend znrtlck. Wir kennen kaum einen 
alexandrinischen Künstler mit Namen. Und das wenige sicher alexandrinische 
aus dieser Zeit ist wenig geeignet uns einen hohen Begriff von aiexandrini- 
scher Kunst zu geben. Es ist ein verweichlichter attischer Stil, den diese 
Werke zeigen, ganz verschieden von dem, den Schreiber Alexandria zu- 
schreibt*). Ähnlich liegt es auf den einzelnen Knnstgebictcn. 

Schreiber hat, von einer Äusscriicbkeit der Henkelform ausgehend, eine 
Menge Metallgerätc zusammengestellt und sie alle alexandrinischer Kunst zn- 
geschrieben. So einleachtend seine Argumentation im ersten Augenblick ist, 



1) Schreiber, bellcnist. Toreutik 303. 

2) Vgl. Urlichs r. a. O. 

3) VgL auch Rizzo, Eöm. Mi«. XII. 298 ff. 

4) Vgl. Aaiülung bull. comm. 25. 1897. 



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Die arretiniscben VnEen und ibr Verhältnis zur anguateiBchen Kumt. 107 

kann das ßesnitat meiner Ansicht nach in dem umfange doch nicht gelten. 
Die Schnabelhenkel nnd was damit zusammenhAn^ sind zweifellos von den 
aiexandrinisehcn Toreoten verwendet worden. Aber nichts zwingt uns anzn- 
nehmeo, dass sie gleichsam ein Monopol der Alexandriner waren. Schreiber 
selbst giebt ja auch für eine Reihe seiner Gefässe zn, dass sie in römischer 
Zeit erst in Anlefannng an alexandrtnische Muster gearbeitet seien. Wenn wir 
aber Schreiber folgen, so sind eigentlich alle uns erhaltenen dekorierten 
Prachlgefflsse alcxandrintsch. Schreiber erkennt sehr richtig die Stilmischnng 
im I. Jahrhondert nnd stellt die Vermutnng anf, dass wie alle anderen KUnstter 
dieser Zeit, so anch die Toreuten bald joniscb-ky-zikeiiiscbe, tiald attiscli-per- 
gamenische, bald alesandrinische Vorlagen benutzt hätten '). Die Künstler sind 
damals Kopisten, nnd sie haben sieher nicht nur alexandrinische Muster ko- 
piert. Aber mustern wir die uns erhaltenen toreutischen Arbeiten und sondern 
alles, was Schreiber ftlr alexandrinisch erklärt, ans, so bleibt eigentlich 
nichts mehr Dbrig, was jene anderen Kanstschulen repräsentieren könnte. Es 
wflrde hier der eigentümliche Fall eintreten, dass nur ans der einen Gruppe 
nns Beispiele erhalten geblieben, die anderen vollkommen verschwunden wären. 

Wenn wir unserer litterarischen Überlieferung folgen, so ergiebt sich dem- 
gegenüber als ein Faktum, dass alle berühmten Torenten, soweit ihre Heimat 
bekannt ist, Kleinasiaten waren *). Kein einziger Alexandriner wird genannt. 
Deshalb und wegen der Herkunft der römischen Silherschätze ans Kleinaaien, 
müssen notwendigerweise auch Werke dieser Kunstrichtung in unserem Denk- 
mälervorrat sein. Und es lassen sich zweifellos solche auf kleinasiatische Vor- 
bilder zurückgreifende Werke nachweisen. leli erinnere an die Athenaschale 
des Hildesheimer Fnndes, deren kleinasiatischen Ursprung Winter mit Recht 
gegen Schreiber verteidigt hat^). 

Bei dem Becher mit den Störchen aus dem Fund von Boscorealo bat 
Michaelis (Preuss. Jahrh. 85. p. 54) daran erinnert, dass die Störche in Aegypten 
nicht brtlteu, wohl aber in Kleinasien, nnd der Becher daher eher dem dortigen 
Knnstkreise zuzuweisen sei. 

Stücke, die dem neuattischen Typenkreise angehören, sind ebenfalls nicht 
alexandrinisch, nnd so Hesse sieh noch mancherlei hinzufügen. 

Mit Recht hat Rizzo (Rom. Mitt. XII 296) gerade auch aaf Rhodos hin- 

1) Plinius bezeugt ja ancb ausdracklicb (33, 139), dass die Mode besttlndig 
wechselte. Zu seiner Zeit lag die TorcutJk danieder. Wann dieser Niedergang einge- 
treten, sagt er nicht. Es kann das gerade so gut erst nach der Zeit des Augustus, 
wie vor derselben geschehen sein. 

2) Zu beachten ist, dass anch unter den iuschrllttich bekannten italischen Gold- 
schmieden, die Schreiber (hell. Toreutik 133) aufzählt, mehrere sind, deren Namen 
nach dem griechischen Osten weisen. So finden wir einen Antigonus, Seleucus, Po- 
lynices natione Lydus. Es ist ganz dieselbe Erscheinung wie in den arretinischcn 
Töpfereien. (B. J. %. 69.) 

3) Winter, Ärch. Auzelger XIl. 127 ff. Der Felsen nnd der Kranz daran erin- 
nern wieder sehr an die bellen istischen Reliefbilder, sind also aueb nicht auascbliess- 
lich alexandrinisch. 



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108 Hans Dragendorff: 

gewiesen, als Heimat der Torentik. Die von der Toreatik völlig abhäDgige 
Reliefkeramik zeigt, soweit ich das Material Übersehe, mehr Beziehnogen znr 
griechisch' kleinasiatischen Kunst als gerade znr alexandrinischen. Die Fnnde in 
Ägypten sind hier sehr wenig ergiebig nnd die FaudstUcke selten erfreulich. 

Dass die MsrinoHnkmatation, die einen so entscheidenden Einflnss anf 
die Wandmalerei ausübt, aus AleKandrien nach Rom gekommen sei, wie 
Schreiber annimmt, ist, scheint mir, noch nicht bewiesen. Die Technik ist 
scholl früh im Orient beliebt, sie ist dort schon im IV. Jabrh. im griechischen 
Knltnrki-eis angewandt im Palast des Maussolos '), doch sicher von griechischen 
KüDstleru, und ist zweifeltos auch an den Diadocbenhofen Klcioasiens geUbt. 
äio kann also gerade so gut von dort nach Italien gekommen sein *). 

Meiner Ansicht nach arbeiten in Rom zunächst attische und kleinasia- 
tische Künstler. Erst allmählich, namentlich seit der Eroberung Äegyptens, 
macht sich der dortige Einfluss geltend. Die sicher alesandrinischen Elemente 
sehen wir erst während des Verlaufes der von uns geschilderten Kunatepoche 
eindringen. Das scheint mir der beste Beweis dafOr, dass die Grundelemente 
dieses Stiles nicht alexandrinisch sind. Auf den späten Wänden 11. Stiles finden 
wir sie. Das stimmt wieder zu den Zeitverhältnissen. Denn diese Wände fallen 
ja gerade in die Zeit, in welcher Aegypten dem rJtniischen Reiche einver- 
leibt wird, die Beziehungen also direkte nnd enge werden, und ebenso gehOren 
denn auch alle arretiniscfaen Vasen, welche sieher alexandrinische Motive ver- 
wenden, die Grylloi, karrikierten Figuren, die Gerippe, ägyptischen Tiere u. a. 
nach ihren Stempeln sicher der letzten Zeit der arretiniecheD Manufaktur an. 

Der in. Stil ist das Endresultat dieses Eindringens alexandrinischer Kunst 
in die Wandmalerei. Dass aber daneben selbständig sich ans dem II. Stil der 
IV. entwickelt, der dann in Italien zur Geltung kommt, spricht auch fOr die 
Existenz anderer uDalezandriniscber Strömungen in der Kunst jener Zeit ^). Vor 
allen Dingen scheint mir auch dieser Umstand wieder dagegen zu sprechen, 
dass die Kunstrichtung, von der der II. Stil ein Teil ist, rein alcxandrinisch sei. 



EhEcnrs 11. 

Interessant für den unterschied zwischen der Kunst der Hauptstadt und 
der Landstadt, sind 2 Omamentlcisten, dieauf Tafel V abgebildet sind. Die eine 
befindet sieh in Florenz, stammt also jedenfalls aas Rom, und ist, wie ein Blick 
zeigt, etilistisch und in der AusfQhrung dem Akauthosomament der Ära Pacis 
aufs nächste verwandt. Das sind dieselben eleganten Ranken, die scharf ge- 
zeichneten Akanthosblätter und BiUten, bis znr kleinsten Ader und Faser fein 

1) Plinius 36. 47. Vitr. 2. 8. 10. Schreiber, a. ». 0. 4. 

2) In Alexandria ist sto natürlich in weitem Umfange angewandt, vielleicht auch 
in besonders prächtiger Weise. Wir haben aber in Klelnasien kein annähernd so 
gutes Beobachtungsterrain wie den mit M arm orbrocken übersäten Meeresstrand an 
den Ptolemäorpalästen. 

3) Vgl. Mau'a Bemerkungen, ßöm. Mitt. X. 334. 



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Die arretlniBchen Vasen und ihr Verhältnis zur angustdechen Enust. 109 

aas^fUbrt, wie dort. Auch die sanber getiederteo VOgel finden sieb. Das 
Gegenstück stammt von der Halle der Eamacbia. Es ist dieselbe Ranke, die 
abwecliBelnd in eine Blnte nud in ein Blatt endet. Ancb hier scblingen sieb 
nm die Haaptranken einige feinere, in BlOten endende Stiele. Aber bei ge- 
nanerer Betrachtung treten die unterschiede klar hervor. Es fehlt die feine 
Detailansnibrnng, die ja auch schon anf geringe Entfernung fdr das Auge ver- 
schwindet. Es fehlt auch jene etwas trockene Genauigkeit und Schärfe in 
der Begrenzung der einzeben Formen gegen den Grund. Weicher und ge- 
drungener ist alles geworden. Aber wenn auch das technische Können des 
Ktlnstlers nicht an das des Meisters des Florentiner Keliefs heranreicht, so hat 
doch auch dieser pompeianischc Steinmetz seine Aufgabe nicht schlecht gelOst 
und wer den Fries ans einiger Entfernung beti-aehtet, wird keinen grossen 
Unterschied bemerkt haben. Der ponipcianische Künstler fflhrt sein Relief ge- 
rade so weit aus, wie es nUtig ist, um den richtigen Eindruck zu geben. Ist 
das Florentiner Stück zweifellos stadtrömisclie Kunst aus der Zeit des Augnstns, 
anfa nächste der Ära Pacis verwandt, so gehört das zweite, wie die Halle der 
Enmachia Qberhaapt, in die Zeit des Tiberins, und neben dem Unterschied 
zwischen etadtrömiscber nnd italischer Kunst tritt uns hier noch eines entgegen, 
schon ein gewisser Übergang zu der Kunst der folgenden Periode, in der die 
Künstler wieder lernen, anf den Eindruck hin, illusionistisch zu arbeiten. 



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5. Romisches Siegesdenkmal in Beuel. 



Von 
H. Nlasei. 



Beim Ziehen der Gräben fUr die Fundamente der Caplanei, die an der 
neuen KaiserBtrasBe in Benel gebaut wird, stiessen die Arbeiter auf einen mäeb- 
tigen Steinblock und wollten ifan der bequemeren FortsehalTnng wegen zer- 
BchlHgeo- Daran wurden sie durch Hinweis auf die Schrift des Steines yer- 
bindert; mit Genebroignug des Kirchen Vorstandes gelangte ei- am Tage der 
Entdeckung 25. Juni zu später Stunde in Sicherheit, d. h, ins ProTinzialmnseum '). 
Der Fund war geeignet Aufsehen zu eri-egen; denn unter den Fundstfttten 
rheiniBcher Altertümer kommt Beuel bisber nicht vor % „das Fehlen der rö- 
mischen Militärinsebriften am ganzen rechteu ünterrhein" stellt Mommsen als 
gemeingültigen Satz hin *). Da der Direktor zur HerBtellnng geiuer Oesnadheit 
in diesen Monaten beurlaubt und die Leitung des Museums meinen Händen an- 
vertraut war, liegt es mir ob Ober den Stein und die durch ihn veranlassten 
Nachforschungen zu berichten. 

Benei nimmt eine langgestreckte Insel von etwa 2 km Länge und '/s ^eu 
Breite ein, die erst in der Ncuzeic verlandet ist. Die Mulde, die das Dorf vom 
Bahnhof trennt, wird noch jetzt vom HochwasHer überflutet. In den Bela- 
gerungen, die Bonn im 16. und 17. Jahrhundert zn bestehen hatte, bildete die 
hier errichtete Schanze den Schlüssel der linksrheinischen Festung. Als die 
ROmer diese besetzt hielten, wird der jenseitige Uferrnnd ähnlich ausgesehen 
haben wie heutigen Tages Nonnenwerth. Mithin wird die von Mommsen 



1) Die Leitung defi MuseumB erfüllt eine Angenehme Pflicht, indem sie dem Haupt 
des KirchenTOrstandes Herrn Pastor Clären sowie Herrn Caplan Heyes lür ihr 
Ent^gen kommen, Herrn OberpostÄSBistenten Beryhoff für mannicbrache dienst- 
bereite Unterstützung fiffentlich dankt. 

2] Nach dem Boneschen Register wird im Jb. G6, AT von einem neueren 
Münzrund gehandelt; jedoch ist dieser eine Stunde landeinwllrts von Beael gemacht 

8) Römische Geschichte V 115. 



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RSmischflB Siegeadfinkioiil in Beuel. 111 

an^Domnietie Regel durch unseren Fund nicbt erschottert. Freilich ist die 
Au%abe des rechten Rheiunfers durch Kaiser Claudius nicht in dem Sinne zu 
verstehen, als wäre fortan der Strom die mit peiidicher Strenge iuue gehaltene 
Grenzlinie des Reiches gewesen. Ohne Weiteres leuchtet ein, dass das Annec- 
corps in Xanten, die beiden Divisionen von Neuss und Bonn, die Grossstadt 
Köln über ein jenseitiges Vorland geboten haben. Aber der Umfang des Vor- 
landes hat stark geschwankt, es bedarf sorgfältiger Untersncbangen um ihn 
im Einzelnen zu bestimniea. Dahin gehört z. B. fUr unsere Gegend die etwas 
mUbsame Frage, ob die Rümer wirklich im Siebengebirge Bau- und Inschrift- 
flteine gebrochea haben, wie man so oft liest, oder ob die ErschlieBsung dieser 
Brtlcbe erst von den Franken herrUhrt. Darllber haben die Geologen das ent- 
scheidende Wort, nicht die Techniker. Unseren) Beaeler Stein wiesen die letz- 
teren seinen Ursprang auf der Wolkenburg an. Da ich diesem Bescheid mies- 
traute, wandte ich mich an die erste Autorität aber vulkanische Vorkommnisse 
am Rhein. Laspejres antwortete: „es unterliegt keinem Zweifel, dass die Ge- 
steinsprobe aus den grossen Brllcben an der Hohenbnrg bei Berknm anweit 
Mehlem stammt. Der dortige fUr den Kölner Dom vielfach gebrochene Tra- 
chyt ist sehr eharakteristisch und hat sich bisher an keinem anderen Orte ge- 
funden (vgl. von Decken Siebengebirge 1861 S. 86 ff.)." Ohne andere Schlüsse 
zu ziehen lehrt doch dieser Einzelfall, dass bei Angaben tlber die Herkunft 
römischen Materials einige Voreicht angebracht sei. 

Der Fundort befindet sich anf dem Scheitel des Uferrandes und ist hoch- 
wasserfrei. Der Stein lag reichlich 1 m unter der Oherftäehe, um welchen Be- 
trag der Boden seit dem Altertum gewachsen ist. Sein Gewicht wie seine 
Erhaltung schliessen die Möglichkeit, dass er vom Strom angeschwemmt sei, 
unbedingt ans. Ebenso nnfassbar ist der Gedanke, dass er vom jenseitigen 
Ufer hierher verschleppt sein könnte. Vielmehr empfehlen die begleitenden 
Umstände in dem Fundort zugleich den ursprünglichen Standort zn erblicken. 
Neben dem Denkmal hoben sich von den Rheinkicseln des Untergrundes meh- 
rere vulkanische Stocke scharf ab, die offenbar als Keile dazu gedient haben 
jenes zu stutzen und zn befestigen. Sei es von Menschenhand sei es durch 
die Elemente ist das Denkmal später umgestürzt und allmählich begraben 
worden._ Ea ist ein Pfeiler von 1,45 m Höhe, 0,72 m Breite, 0,45 m Dicke, der 
oben einen 6 cm breiten Rundstab, darüber einen 18 cm hohen Aufsatz mit 
Voluten an den Seiten und einer stumpfen Spitze in der Mitte hat. Der Auf- 
satz enthält die Widmung an den besten höchsten Juppitcr, dann folgen 18 
Zeilen von 17 — 22, im Durchschnitt 18 — 19 Buchstaben. Die Rückseite ist nie 
bearbeitet gewesen. Die rechte Seite (vom Beschauer ans) hat unbedeutende 
Beschädigungen erlitten, dagegen ist an der linken ein grosses Stück abge- 
hauen. Dies scheint in ziemlich alter Zeit gescbeben zu sein, als der Stein 
mit der Scbrtftseite nach nnten am Boden lag: deshalb ist diese glimpflicher 
davon gekommen als die Rückseite. Dagegen hat das Wetter das untere Drittel 
der Inschrift arg beschädigt, indem das eindringende und gefrierende Wasser 
die Scbriftfläche des Traehyt lossprengte oder auch die Zeichen zerstörte. Als 



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112 H. N i a B e n : 

der Stein ina Musenni gelangte, fehlten rund 120 von 340 Bnclistaben und 
zwar in der historisch wichtigen letzten Htllfte. Am 21. Jnnt wnrde ein Stück 
mit 21, am 30. Jnni ein anderes mit 4 Bnchstahen nachgeliefert. Nach Aus- 
sage der Arbeiter waren viele StDeke bei der Ansschacht«ng fortgeworfen 
worden nnd in einem Erdhanfen von 50 chm Inhalt oder mehr versteckt, der 
auf der Kaiserstrasse zu weiterer Verwendung lagerte. Ich habe mich gesträubt 
aber zuletzt doch cntschliesen mOssen den ganzen Haufen planm&ssig durch- 
suchen zu lassen: was zwei Mann, die Loeschckes Qefälligkeit von der 
Limesgrahnng fQr eine Woche beurlaubt hatte, diese Frist hindareh vollauf 
beschäftigte. In der That kamen kleine Splitter dutzendweise, vereinzelt auch 
grössere zum Vorschein, aber die Masse rllhrte von der unbeschriebenen Rtlck- 
seite her. Der Reinertrag beschränkte sich auf drei Buchstabenreste, die an 
der Sehriftfläche haften blieben und (ein freundlicher Zufall lohnte den Aufwand 
an Zeit und Geld) den Schllissel zum Verständnis des Textes lieferten. End- 
lieh wnrde an der mittlerweile aufgemauerten Wand, bei deren Fundicruiig die 
Inschrift aufgefunden war, aussen ein Graben gezogen, nm festzustellen oh ctn-a 
hier Trümmer davon auftauchen mochten. Mit dem negativen Ergehniss waren 
die Aussiebten erschöpft. Der dicBen Sommer herrsehende Arbeitermangel ver- 
yJigcTte und behinderte alle Untei'suchungen in unliebsanier Weise. 

In ihrem Verlauf drängte sich, auf eine falsche Ergänzung der Inschrift 
gestutzt, die Vermutung auf, dass der Stein vor einer Aedicnia gestanden habe. 
Demgemäss wurden schwache Spuren, die auf das einstige Vorhimdeusein einer 
Kapelle hinzudeuten sebiencn, verfolgt. Indessen trog der Sehein, rümisehe 
Fundamente wurden nicht entdeckt. Ausserdem lehrt der Text und lehrt die 
rauhe Hinterseite, dass der Gedenkstein ohne Bezug zu irgend einem Bauwerk 
fdr sieh allein errichtet worden ist. 

Die Schrift ist gut nnd sorgfältig, die Interpunktion regelmässig. In den 
Kaisernamen kommen Z. 4. 5 drei Ligaturen vor, vielleicht auch Z, 15 in 
Flavio, sonst werden sie vermieden. Djts Bestreben tritt klar za Tage das 
Ende der Zeilen dem Sinn anzupassen. Unter Keifitgung der nötigen Ergän- 
zungen in eckigen Klammem und Auflösung der Abkürzungen in Rundklanmicrn 
lautet der Text: 

[lovi] o(ptimo) m(aximn) — [Marti] pr<»pugnatori [saerum], [Victo]riae 
Saluti imp(eratori8) [Sevejri Atexandri Aug(u9ti) [nostri], [et MJanieae Aiig(n8tae) 
matri eius [et e]xcrcitns M{arci) Aureli S[ever]i Alexandri Pii Felieis [Invjieti 
Angnsti totiuB[qn]e doraus divine eius, [le]g(io prima) M(inervia) [pia] f^idelis) 
Scveriana Ale[xand]r[ia]na cnm aaxiliis, [pujgna r[ejbus peractis, [c]umqu[e] 
T[it]io Hufinfo] [elarissimo] v(iro) leg(ato) [IJegionis eiu[8de]ni ag[cnt]c sub 
Fla(vio) [Tit]ian[o legato Angnsti pro praetore c]o(n)s(ulari) n(ostro) po[n]endam 
[eur]avit VI kal[eDdas N]o[vembres] imp(eratore) AI[exaudro et Dione] eo(n)- 
s(Dlibns). 



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Kömisches Siegesdetikiiial in Benel. 118 

i - ■ M 

marti P R P V G N ATO R I ■ b 

victo RIAE- SALVTI ■ IMP 

seveRI-ALEXAfORlAVG-N 

5 et mAr-EAE AVG MTRi-EiVS 

et eXERClTVS-M-AVRELI-Se 

. Verl- ALEXANDRI-PII-FELICIS 

invICTI- AVGVSTI-TOTIVS 

qnEDOMVS-DIVINE'EIVS 

10 leG-l-MpF-SEVERlANAALE 

xandRiaNA-CVMAVXans 

pnQNA-ReBVS-PERACTIS 

cVMQVe ■ TitIO ■ RVFINo 

c- V- LEG lEQIONIS ■ EIVb 

15 deMAGentE-SVBFLAvio 

titlANo l.a. p. p. cOS-N-PO 

nENDAM curAVlT ■ VI • k AL 

end nOrembres IMP- ALe 

xandro et dione COS 

Im Einzelnen ist Folgendes zu bemerken: 

Z. 2. Bekannt igt ans den Münzen der Severe sowie darch ans den J. 197 
— 238 stammende Acten eines vornehmen Colleginms, das in Falatio in aede 
lovis Fropngnatoris zusammentrat (CIL. VI 2009 = Dessau 466), dass das 
Beiwort dem höclisten Gotte zukommt. Nacb der Stellung desselben auf der 
Inecbrift mose ein Hauptwort vorangeben, man bat die Wabl zwischen lovi nnd 
Marti. Ersteres sebeint durch das vorangebende lOM anegeschlossen, letzteres 
iet dareb kein Beispiel belegbar aber dem Sinn nach ohne Anstoss. Am Scbluss 
ist Kaum für einen Buchstaben, sehwacbe aber unsichere Spuren eines S werden 
wahrgenommen. Wenn man zu Anfang nur 4 Zeichen ergänzt, wird der Raum 
frei bleiben mtlssen. 

Z. 3. Vom Sehlussbnchstaben ist nur der senkrechte Strich erhalten. 
Z. 4. Das R zu Anfang ist bis auf den Schwanz zerstört, ebenso das N 
am Ende bis auf den ersten Strich. 

Z. 5. Die Eaiserinmatter wird mit den GOttem auf gleiche Stnfe gestellt; 
wohl aus keinem anderen Gmnde als am die Häufung der von einander ab- 
hängigen Genetive von 3 auf 2 zu ermässigen. 

Z. 10. Den Anfang ergab ein Splitter mit dem Rest eines Q dann I nnd 
halbem M. Die Beiworte Severiana Alexandriana der Legio Minervia waren 
bereits bezeugt. 

Z. 12. Die Lesung steht nach Anschluss eines gröBseren und kleineren 
Stückes an den Stein fest. Da nacb dem ersten Funkt ein zwar verstOmmeltes 
aber sicheres R folgt, hierauf ein in schwachem Rest erhaltenes geradeliniges 
Zeichen, muss rebus ergänzt werden. Davor steht --GNA- Dies kann nach 
Z. 17 nicht Äccusativ, muss also Ablativ sein. Derart gewinnen wir die That- 
Bache, dass die Bonner Division einen Handel mit den deutsehen Nachbarn 

Jkhrb. dM Ver. v. Alterthsfr. Im Rhelnl. lOS. 8 



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114 H. Nissen: Römisches Sieges denkmal in Beuel. 

Dicht nach dem dazumal Üblichen Verfahren durch Geld nnd gnte Worte, son- 
dern mit den Waffen zum Äuetrag gebracht und einen erfochtenen Sieg durch 
unseren Stein yerewigt hat. 

Z. 13 — 16 fahren die Generalität auf. £b mag eine ÄuBsernng von 
Respekt sein, daea der Schreiber Namen nnd Titel sperrt und der einzelnen 
Zeile nnr 17 Buchstaben znteilt. 

Z. 13. Zu Anfang fehlt wahrecheinlich nur ein Zeichen, VM sind sicher, 
dann folgt oder Q, hieranf ziemlich sieber V, endlich nach einem aus- 
gefallenen Zeichen ein Punkt. Die Mitte des ersten Namens ist zerstöi-t, nach 
den vorhandenen Spuren indess eine andere Lesung als die gegebene aus- 
geschlossen. Somit begrUssen wir in dem Legionslegaten einen alten Bekannten, 
der auch Carator von Köln gewesen ist. Beide Würden nebst der ganzen 
Ämterfolge des M. Marius Titins Rnfinns zählt die Beneventaner Inschrift CIL. 
IX 1584 auf. Hatte man ihn bisher unbestimmt in die Zeit von Marc Anrel 
bis einschliesslieb Alexander Sevems gesetzt (Klein, Verwaltnngsbeamte von 
Sicilien p. 122), so erweist sich jetzt die untere Zeitgrenze als richtig. 

Z. 15. Das M steht nur zur Hälfte da. Am Schluss scheint A mit V 
ligiert zn sein. 

Z. 16. Der Name des anher unbekannten Statthalters lässt kaum eine 
andere Ergänzung zu. Wie sein Titel gefasst war, ist nicht zu sagen und hier 
ahi blosse Vermutung hergesetzt worden. Aber es sei ausdrücklich betont, dass 
die letzten 5 Zeieben so scharf und deutlieh sind wie man wünschen kann. 

Z. 17. Ein Splitter mit halbem M schliesst an das grössere Stück mit 
ENDA an. Polglich darf das Object nicht Z. 12 in GNA gesucht werden, 
ist vielmehr aram der Stein. Der Schluss ist verwittert: AVI sieher, die näch- 
sten 3 Zeichen wahrscheinlich, dann K mit kurzen Schrägbalken, A sicher, 
endlich gerader Strich. 

Z. 18. Den Monat glebt ein hier haftender Splitter mit an. Ob das 
Datum 27. Oktober fUr die Errichtung des Steines wegen der in Rom ge- 
feierten ludi Victoriae gewählt ward, steht dabin. Der Rest ist zerstört. Vom 
Ende angefangen erkennt man einen geraden Strich, A sicher, P wahrschein- 
lich, ebenso halbes M nnd I. Nach vielerlei wenn auch unter ungünstiger Be- 
leuchtung angestellten Proben glaube ich sagen zn dürfen, dass kein anderes 
der Consukte 222—35 mit den Schriftresten und' Mafsen des Steins überein- 
stimmt. Die beiden Altäre Bramhach 866 1446 sind gleichfalls 229 zu Ehren 
des Kaiserhauses geweiht worden, 

Unser Denkmal bringt denjenigen, die Aufschlüsse über Caesars Rlicin- 
brücke, den niederrheinischen Limes und ähnliche Dinge erwartet hatten, eine 
Enttäuschung. Doch werden auch sie diesen Beitrag zur lückenhaften Geschichte 
der Germanenkriege unter dem armen jungen Kaiser Alexander Severus will- 
kommen heissen. Die bauliehe Umgestaltung, der Benel entgegen geht, seit- 
dem der stolze Bogen einer deutschen Brücke sieh über den Strom wölbt, lässt 
auf neae Funde hoffen. Die dortigen Altertumsfreunde werden darüber wachen 
und wie im vorliegenden Fall auch in Zukunft die Wissenschaft fördern wollen. 



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6. Karlingisch-fränkische Töpfereien bei Pingsdorf. 

Von 
CouBtaatiB Koenen. 

Hierzu Tafel VI. 



In der Zeit voni 6, bis 8. Juni 1898 nahm das Rheinische Provinzial- 
mnsenm Bonn anter der Btellvertretenden Direktion des Geheimrats Professor 
Dr. Nissen eine reebt erfolgreiche ünterauchung karlingiscb - fränkischer 
Töpferei-Überreste vor. Von Nissen mit der Ertlichen Leitnng nnd mit der 
Veröffentliebnng beauftragt, habe ieh zu berichten: 

Die Fandstelle liegt in Pingsdorf (Reg.-Bez. Kflin, Landkreis Köln), in 
der nordwestlichen Ecke zwischen der Trierer Bezirksatrasse nnd der Bascb- 
gasse'), a«f dem Hofe der Wirtschaft von Anton Klein, Haus Nr. 51. Die 



1) Von der Trier-Bonner Römerstrasse zweigt sich bei Eickersclieid eine Strasse 
ab und geht durch das Erftthal über Münstereifel nftch Pingsdorf. Hier tUllt sie mit der 
HaaptstraBBB des Ortes, der Trierei' Bezirksstrasse, zusammen und zwar frUher unter 
dem Namen „Ulstrasse" (TiSpferstrasse). So heisst Bie auch in ihrer Fortsetzung durch 
Brühl, von wo aus sie sich nach Köln hinzog (Schneider, Bonner Jahrbücher, Heft 67, 
8. 25). Im Verfolge dieser Linie hat man innerhalb Pingsdorf an mehreren Stollen 
Ältere Cnlturreste gefunden: bei dem Neubau für Herrn Sonntag zwei Steingeräte, 
bei Bauten zur Wirtschaft „Im JAgerhans" Skelette, Waffen, GINser n. s. w., also 
wohl merovingisp.h- fränkische Gräber, an mehreren Stellen entlang der Strasse auch 
karllngiBch-ßränkiBche Töpferei -Überreste. Mit dieser Römerstrasse kreuzt sich in 
Pingsdorf eine zweite. Die von Birten über Alpen nn Repeln vorbeigehende Strasse 
teilt sich nämlich bei Mors in zwei Arme; der östliche führt über Borkum, dem Fussc 
des Vorgebirges entlang durch Pingsdorf (Schneider a. a. O., Hefl 73, S. I). An der 
Nordseite des Dorfes liegt in beschriebener Linie die „Buschgaaae", an der Südseite, 
südlich der Ulstrasse den Namen .Snüppelgass' führend, in weiterer Fortsetzung 
oberhalb Pingsdorf „alte Bonner Strasse* genannt. Im Verfolge dieser Strasse wurden 
in der Pingsdorfer Gemarkung ebenfalls Altertümer gefunden; bet dem Bau der 
Trierer Bahnlinie, dicht am Kirchberg zwei Steinsörge, bei der Anlage der Vorgebirgs- 
bahn karlingische Töpferei reste; auf dem Felde von Segschneider in Badorf ein grosser, 
noch nicht untersuchter Töpferofen karlingischer Zeitj auf dem katholischen Kirchhofe 
GefUsse und Ausschussware karüngischcr Töpfereien. Von letzterer Stelle befinden 
sich einige GefÄsse in den Altertümer-Sammlungen der Herren 0. Rauteit in Düssel- 
dorf nnd W. Fussbnhn in Bonn. Bei den Grundarbeiten zu der Klein'schen Wirtschaft 
wurden neben zahlreichen karlingischen GefUssresten viele unzerbrochene, etwas ver- 
backene Töpfe gefunden. 



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116 ConstaDtin Koeuen: 

Ausschachtung wttrde anf deni Hofe vor der dort befiDdlichen Bäckerei vor^- 
Qommen and fSrderte eine Scirnttmasse von 6 m Länge, 7 m Breite und 2 m 
Tiefe, also von mnd 84 Kubikmeter zn Tage. 

Die Oberfläche zeigt hier Hnmus, dann bis zn 2 m Tiefe Mergel nnd als 
dessen Liegendes ein mächtiges Thonlager. 

In den Hergcl schien man die eigentlichen Oefen eingeschnitten zn haben, 
denn wir fanden ausser mehr oder weniger runden, kesseiförmigen Einschnitten 
hart gebackene, zum Teil verglaste Wandstücke, aber keioe Spur von Mauer- 
ziegeln oder Ealkbewarf. Sicheres Über die Ofenaiilage liess sieh freilich dort 
nicht feststellen. Aber alles schien auf eine gewaltsame Störung und daranfhin 
erfolgte dauernde Aufgabe des Betriebes zu deuten. Der Baden war mit 
Scherben, mit halb und ganz verbackenen GcfUssen bis wohl über Dreiviertel 
seiner Masse vermischt. Diese über 63 Kubikmeter Gefässreste zeigten folgende 
Eigentümlichkeiten. 

a. Zubereitung des Thones. Der am Pingsdorfer Vorgebir^rand 
reichlich vorhandene Thon wnrde geschlämmt, mit Sand vermischt, geknetet 
und anf der durch Achsendrehung der Tretscheibe in schDcIlste Kreisbewegung 
versetzten kleinen Scheibe mit den Händen gedreht, wobei auch wohl mit dem 
Modellierholz nachgeholfen wurde. Darauf hat man die Gefösse mit einer 
Schnur abgeschnitten. 

b. Standplatte. Die so in ihrer Foiiu fertig gestellten, abgeschnitte- 
nen Gefässe wurden auf die obere Öffnung gestülpt. Dann stellte man 
den Standring durch Herauskneteu der dicker gelassenen Bodenmasse ver- 
mittelst Daumens und Zeigefingers her, wobei er so geformt wurde, dass er, 
schräg nach aussen gerichtet, an allen äusseren unteren Seiten gerade anfstand, 
während der übrige, nach der Mitte zugekehrte Teil gehöhlt erschien. Hier- 
durch erreichte man einen festeren Stand als den, welchen wir bei merovingisch- 
fränkischen Gefässen finden, die unten derart glatt abgeschnitten sind, dass die 
ganze Bodenfläche anfruht. Der gehöhlte, in der frUhkarliugischen Zeit zuerst 
auftretende Standring geht auf den römischen Fuss zurück: Der Römer ver- 
stand es, seine Gefässe tadellos abzudrehen. Der Franke versuchte dasselbe 
ans freier Hand, allein die Standfläche wurde dadurch uneben, und um das 
GefäsB gerade zu stellen, drückte er den Slandring hier oder da stärker aus. 
Auf diesem Wege entstand die kartingische Wellenplatte (Gefässkunde, Tafel 
XXI, 23), welche noch roh gehöhlt, dünn und mit scharfen Rändern ver- 
sehen ist; sie bildet ein zuverlässiges ünterecheidiingsmittel der Pingsdorfer 
und verwandter karlingischer Ware von der vorkailingischen. Bei dem mero- 
vingischen Ausgusstopfe fehlt die Standplatte; der Boden ist einfach glatt ab- 
geschnitten, bei dem im Provinzialmuseum zu Bonn befindlichen karlingisehen des 
Pingsdorfer Typus (vgl. S. 119, 3) zeigt sich der erste Versuch einer gehöhlten 
Bodenplatte, allein noch fehlen die eigentlichen, eckig ausladenden Wellen. 

c. Gefässränder (Taf. VI Fig. 1—271). Eine weitere Neuerung bei 
den Pingsdorfer Gefässen bieten die oberen Gefessränder. Man ging bei deren 
Herstellung von dem glatten, zuweilen an der Ansscnseite mit einem Stäbchen 



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Karlingisch-fräDkische TöpfereicD bei Piogsdorf. 117 

verseheDen merovingiscli-frilnkischen Kande aos und sachte dcDselben nach 
röraiscber Weise durchzubilden. Es erscheineu mehrfaeb geghederte, mit Stab 
nud Hohlkehle vei'sebeue Känder, ja wir sehen — wenn auch in barbarischer 
Form — alle Arten rOmischer Randformen von den glatten der FrUbzeit bis 
KU den reich gegliederten der mittleren uad späteren Kaiserzeit. Eine grosse 
Zahl der Ränder ist derart, dass nur ein geübtes Ange sie von den gleich- 
artigen rüraiscben nntei'scbeiden kann. In vereinzelten Fällen ist es nicht die 
Form des Randes allein, die das Neue oder Eigenartige erkennen lässt, son- 
dern es wirken andere Ursacbeu mit: das mehr Abgerundete oder das Scharf- 
kantige gewisser Flächen, die Weise des Brandes, die Art des GekOmten der 
Oberfl&che, nnd vor allem das mehr Ungerade der Linienführung, doch mu»s 
für die Unteracbeidung auf Originale verwiesen werden; Worte und Abbildungen 
allein genügen hierfür nicht. 

d. öchnurhenkel (Taf. VI Fig. 15 n. 17). Den Töpfern von Pings- 
(lorf scheint die Fertigstellung ordentlicLer Henkel besondere Schwierigkeit ge- 
macht zu haben. Gegenüber der zumeist elegant gebogenen weiten Form des 
römischen Henkels, ist die vorliegende gedrungen, sodass sie nur den Namen 
Schnurhenkel verdient. Dieser kommt zwar auch bei einigen rOmischen Ge- 
fässen vor, z. B. bei dem Masskmge, allein er ist hier, wie alle römischen, 
verhältnismässig elegant geformt. Dann lässt der rOmische Henkel den oberen 
Rand des Oefässes frei abgerundet. Das ist auch noch bei den meisten mero- 
vingischen Henkeln der Fall, Die Pingsdorfer Schnurhenkel hingegen sind alle 
von der Innenseite des Gefässee aus breit an den oberen Rand angeknetet nnd 
biegen sich von hier aus äaeh gebogen nach unten; sie sind mit dem oberen 
Rande wie verwachsen. Man duldete keine Vertiefung zwischen Henkel und 
oberem Rande. Sehr scharf finden wir diesen Typus ausgesprochen in den 
Henkeln der karlingischeu Reliefbandschmuck-Ämphoren von Neuss (Gefllss- 
kande XXI, 1). 

e. Henkelgriff (Taf. VI Fig. 22). Merkwürdig ist der nach Art des 
Gemshorues gekrümmte lange Griff eines Kugeltopfea. Ich habe zum Vergleich 
den mit einem solchen Henkel versehenen 92 mm hohen Kugeltopf des Provinzial- 
museums zu Bonn Inv. Nr. 7096 auf der Tafel VI Fig. 22 wiedergegeben. 
In beiden Fällen ist der Henkel gleich unterhalb des oberen Randes von aussen 
angesetzt. In der Mitte der Ansatzstelle sieht man im Innern des Gefässes 
eine später verschmierte Öffnung, die offenbar von der Herstellungsweise des 
Griffes herrührt. Der Pingsdorfer Henkelgriff ist 95 mm lang; er eignet sieb 
vorzüglich zur festen Einlage der vier Finger, sodass der Daumen die linke 
Seite des Griffes berührte und die obere Fläche an die Hand selbst dicht 



f. Bemalnng. Die Gefässwände sind, wie die beigegebene Tafel ver- 
anschaulicht, fast durchgehende mit roher rotbrauner Malerei verschen. Eine 
solche, wenn auch weit rcgelmässigere Bemalung erseheint bereits bei Gelassen 
aus spätrömischen Gräbern (Gefässkunde XVII, 21, 21a, 21b, 22, 22a). Bei 
diesen sieht man horizontale, schmale Gurtbänder, auch wohl Kreise und runde 



dbyGoot^le 



118 CoDBtantin Koenen: 

Tnpfen; wir finden femer christliche Symbole, wie z. B. die Palme; allein 
alles bat hier noch etnae Sinn. Die Pingsdorfer Töpfe zeigen die Malereien 
ebenso sinnlos und Htlchtig hingeworfen, wie dies wieder unsere handwerks- 
mäBsig geschulten Töpfer seit dem vorvorigen Jahrhundert zu thun pHegen. 
Wir sehen schiefe Reihen von kurzen Sfriehen, Tnpfen, die bald rund, bald 
kolonartig, oder halbkreis- oder halbmond- oder hufeisenförmig gestaltet sind. 
Es erscheinen ferner Reihen von Schuppen-, von Zickzack- und Wellenlinien; 
wir finden schräg gegeneinander gestellte kurze Stricke, rohe Zweige, quadrat- 
förmig gestellte Striche, nctzi^i-mige Ornamente. Es werden sogar in sinnloser 
Weise aufgerichtete netzförmig ausgefällte Zacken oder wie Zacken gestellte 
Zweige, tn einem Falle eineui breiten rautenförmig ausgefüllten Bande auf- 
gesetzt (F^g. 25), eine Sehmuckweise, die wie der römischen und merovingi- 
schen, so auch der nachfränkischen Keramik fremd ist. 

g. Ausgnss (Taf. VI Fig. 15 u. 15b). Die AusgUsse erscheinen fast nur 
in Begleitung der Scbnnrbenkel; sie sind nicht mit einer Zntte verseben wie 
die merovingisch-fränkiscfaen dieser Art, sondern völlig röhrenartig rund und 
erbreitem sieb oben ringförmig. Auch ist das Bestreben erkennbar, das, durch 
die Zutte gewiss zn rechtfertigende. Anlehnen an den GefUsskörper (Gefäss- 
künde XX, 39) zu vermeiden. Der Ausguss ist mehr in eine schräge Richtung 
gebracht und der öffnungsrand ebenfalls schräger gestellt, als dieses bei dem 
mehr horizontal gestellten merovingischcn Ausguss üblich war. 

h. Brand, Oberfläche und Farbe. Der Brand der Gefässe ist derart, 
dass ein Anschlag klingt. Ein Einritzen der Oberfläche mit dünner Stahlspitze 
erscheint unmöglich. Die Härte ttbertrifi't die der römischen und merovingi- 
schcn Geffisse. Die Brnehfiäche ist jedoch nicht so poreulos als das Steingut 
der Knnsttöpfereien des Mittelalters; es fehlt der Pingsdorfer Ware noch die 
glasige Zusammenf rittung, obwohl eher Steinzeng als jene irdene Ware vorliegt. 
Die Gettlsse haben zumeist eine vom weiss- oder graugclb bis in das kräftigste 
Goldgelb Übergebende Farbe; viele sind auch durch Dämpfe blau- oder grau- 
schwarz geiUrbt. Durch diese Brandart, durch die Art der Behandlung auf 
der Drehscheibe und die Sandzusät/e ist die Oberfläche mit horizontalen flachen 
Rinnen versehen, die häufig freilich kaum zn sehen sind und nichts gemein 
haben, mit den scharfkantigen Kinnen einer etwas späteren Periode oder mit 
den schön gewölbten regelmässigen Erhöhungen des 15. Jahrhunderts. Die 
Sandznsätze machen die Oberfläclie fein gekörnt, nicht glänzend; auch fehlt 
dem Geföese jede Spur einer wirklichen Glasur. 

i. Der Gestalt nach sind folgende Arten zn unterscheiden: 

1. Taf. VI Fig. 27a— e. Urncnförniige Töpfe, nur in Brochstttcken 
vorgefunden, Ränder bald einwärts bald auswärts gebogen, glatt, mehr oder 
weniger wulstig, bisweilen recht scharfkantig, auch wohl mit Vorkehrung zum 
Deckel verschluss versehen. Diese Geisse sind zu verglciclien mit den mcro- 
vingisch-fränkisclien Töpfen in meiner Gefässkunde Taf. XX, 1 — 5, 1, 8 u. 12; 
in ihrer Weiterentwicklung zur frObkailingischcii Zeit nehmen sie die Form 



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Karlingisch-fränkische Töpfereien bbi Plngudorf. 119 

(a. a. 0.) XX, 36 a. 21 an; in Torliegendem Falle zeigen sie den epätkarlin^i- 
sehen Typus (a. a. 0.) XXI, 4. 

2. Taf. VI Fis. J, 21 u. 22 KngcltÖpfe. Vgl. in der Gcfässknnde 
XX, 28 den frfllikarlingiBchen Typns dieser Art, Pingsdorfer Kugeltopf unten 
vüllig gewOlbt, also spätksrlingiecker Typns in Gefäsekunde XXI, 3. Der 
kleinste Pingsdorfer Kugeltopf hat bei 80 mm Höhe 1 13 mm Baach- und 88 mm 
oberen Randdnrchraesser, der grdsete 180 mm HOlie, 212 mm Bauch- and 128 mm 
Randdnrclmicsser. 

3. Tat. VI Fig. löa — c Doppelhenkeltöpfe mit Ansgass. Merorin- 
gieclie Töpfe dieser Art vgl. Gefässkande XX, 6. Die Pingsdorfer Töpfe 
zeigen jedoch rohen scharfkantigen Wcllenfuas, während die merovingisehen 
unten glatt abgeschnitten sind. Fig. 15a zeigt die obere Ansicht dieser Art, 
Fig. 15 die Seitenansicht, Fig. lob einen Ansguss und Fig. 15e das obere 
BandstUck eines solchen Gefässes. Das Bonner Frovinzialmusenm besitzt nnter 
der Inv.-Nr. 11270 einen Topf, der in der Technik völlig mit den Pingsdorfer 
GefüBscn Übereinstimmt, auch die merkwflrdige brannrote Bemalnng zeigt, allein 
der Schnnrhenkel nähert sich mehr als die Pingsdorfer dem merovingisehen 
Henkel; die karlingisch gehöhlte Bodenplatte ist schon vorhanden^ allein es 
fehlt ilir die zackige Ausbiegung, dann hat das Qefäss nur einen Schnurbenkel 
da wo der mcrovingische Henkel angebracht ist, nämlich dem Ansgnssrohr 
gegenllber. 

4. Doppelhenkelkrüge, Taf. VI Fig. J6 u. 17. Hier nur in Bruch- 
stücken, welche jedoch auf die zum Vergleich punktiert angegebenen Umrisse 
hinweisen (Gefässkunde XXI, 12). ÄugeDscheinlich barharische ümgeataltong 
der spätrömiachen Amphora (a, a. 0. XVII, 15 — 16). Das Brnchstllck des 
grönseren Kruges (Fig. 4) zeigt folgende Verhaltnisse: 60 mm Randdurebmesser, 
35 mm breiter, geriefter Henkel, 20 mm HalshOhe. Der kleine Krug Fig. 4a 
hat 46 mm Halsdnrchmesser, 20 mm Halshohe, 32 mm Schnurhenkelbreite. 

5. Kannen, Taf . VI Fig. 4 u. 5. Das Unterschiedliche im Vergleich zu 
der römisehcD und der uachkarliDgiseh-mittelaltcrlichen Ware ist, dass diese 
Kannen keinen Henkel und den gehöhlten scharfkantigen Wellenfnss haben. 
Ihre Anfänge liegen in der etwas älteren karlingisch-fränkischen Becherform, 
Gefässkunde Taf. XX, 25 (vgl. dazu Bonner Jahrb. LH, Taf. VI n. VII, Fig. 
4 u. 5); doch fehlt der älteren Form noch der gehöhlte Wellenfnss. Die ab- 
gebildeten Kannen haben folgende Verhältnisse: Fig. 4 245 mm hoch, 110 mm 
Bodendurchmesser, 100 mm Halsdurclimesser; Fig. 5 256 mm hoch, 90 mm 
Bodendurchmesser, 88 mm oberer Randdurchmessei'. Ein ähnlicher hat bei 
150 mm Höhe, 69 mm Durchmesser der Bodenplatte; ein zweiter zeigt 185 mm 
Höhe, 70 mm Bodenplatte; oberer Randdnrehmesser 80mm. 

6. BecherkrUge, Taf. VI Fig. 6. Zum Vergleich ihrer durch viele 
Bruchstücke erkennbaren Form habe ich den wohlcrhaltenen Becherkrug luv. 
Nr. 907 des Provinzialmnsenms zu Bonn wiedergegeben. Dass sich diese Form 
aus der merovingisch-fränkischen Beeberform entwickelt hat, ist wohl sicher; 



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ISO CoDBtaDtiu Koenen: 

doch zeigen die PiDgsdorfer Becher den gehöhlten Wcllenfnss nnd andere 
karlingische Eigenarten, 

7. Becher, Taf. VI Fig. 2 n. 3. Zumeist kleine Gef&Bse von 100 bie 
115 mm Höhe, 50 — 73 mm Boden- und 65—79 mm Randdnrchmesser. Ent- 
standen ist diese Form aus der meroTingisch-fränkiBchen Becherform (Getiiss- 
kundc XX, 9 n. 10 vgl. mit XXI, 8) ; aUein der merovlngischen fehlt noch 
die bei den Pingsdorfer Bechern stets vorhandene rohe scharfkantige, gehtihlte 
Wellenplatte. 

8. Eiförmiger Becher, Taf. VI Fig. 1 u. 20, wurde liier nur in diesen 
zwei Exemplaren angetroffen. Unter den Bruchstücken mögen freilich noch 
weitere, nicht mit Sicherheit beetimmbare Reste sein. Die Übergänge von dieser 
zn der filteren, in die merovingisch-fränkischc Zeit hineinreichenden Form zeigt 
der Becher des Provinzialmnsenms Inv.-Nr. CLXXII, welcher eine sehr schmale 
abgernudete Standfläche hat. Nur das Eckige nud das glänzend Schwarze des 
Überzuges der Geßlsse aus der Merovingerzeit ist in karlingischer Zeit in Weg- 
fall gekommen. Höhe des Pingsdorfer Bechers 135 mm. 

9. Ansgussbecher, Taf, VI Fig. 25. Es wurde nur ein Stflck dieser 
Art gefunflen, bei dem die Beschaffenheit des Fusses nicht zu ermitteln war. 
Höhe 78 mm. In merovlngischen Grfibeni wurde diese Form noch nicht beob- 
achtet. 

10. Cyiinderbeeher, Taf. VI Fig. 10 o. II. Wir können solche mit 
flachem (Fig. U) und solche mit eiförmig abgernndetem Fnss (i'^g. 10) anter- 
scheiden. Die Entwicklung ist mit der des eiförmigen Bechers zu vergleichen. 
In merovlngischen Gräbern wurden diese beiden Formen nicht gefunden. Höhe 
zwischen 170 — 180 mm, oberer Randdurchmcsser 85 — 100 mm; flacher Fnss: 
durchschnittlich 48 mm. 

11. Becken, Taf. VI Fig. 12— 13d. Die Pingsdorfer Becken lassen 
mehrere Arten erkennen: die abgerundeten mit glattem oberen Rande Fig. 12, 
die glatten mit einwärts ausladendem Rande Fig. 13a — d und drittens die ge- 
sehweiften mit auswäi-ts gebogenem Rande Fig. 13— 14d. Die Ränder haben 
reich gegliederte (Fig. 14a), oft auch einfache, glatt abgeschrägte Form (Fig. 
14 c), Dieselben sind augenscheinlich hervorgegangen ans dem merovingisch- 
fränkischen Becken (Gefässknnde Taf. XX, 1, 2, 7, 12, 13, 14-17), wenn 
auch die Grundform im weEentlichen den altgermanischen Typus (a. a. 0. 
Taf. XIX, 4 n, 6) beibehalten hat. Der gehöhlte rohe scharfkantige Wellen- 
fuBs tritt aber in merovingisch- fränkischen Gräbern noch nicht auf, auch keine 
neue Eigentümlichkeit des Randes, der Brennweise und des Ornamentes, auf 
welche ich bereits aufmerksam machte. Das abgerundete Becken Fig. 12 hat 
7ä mm Höbe, 140 mm Randdurchmesser, 55 mm Durchmesser des Fasses. Die 
Becken-Scherben Fig. 8 u. 9 sind mit scharf eingeschnittenen unrcgelmässigcn 
Furchen bedeckt, nnd Fig. 13 hat einen gehöhlten Wellenfuss; Höhe 115 mm, 
Randdurchmesser 181 mm, Fnss 84 mm Durchmesser. Ein gleichartiges Becken 
ist 115 mm hoch, hat 165 mm Kanddiirchmcsger und 80 mm Bodendurchmesser; 
ein kleineres derselben Form: 115 mm hoch, 165 mm Randdurchmesser, 80 mm 



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EarbngiBch-fFSnkische Töpfereien bei PlD^orf. 121 

Fassdarchmesser. Fig. 23 101 mm hoch, 193 mm Randdnrclimesser, 65 mm 
FuBsdarchm. Fig. 14a zeigt veraehiedenartige RandprofiJe von solcben Becken. 

12. Fusabecher, Taf. VI Fig. 23. In ihren allgemeinen Formen bereits 
in allen Torfränkiachen Culturperioden vorhanden. Die vorliegende Fussbehand- 
laog in ihrer Ürsprttngtichkeit nachweisbar erat bei dem Taf. VI Fig. 24 dar- 
geatellten Becher ana den sieh der Knriingenzeit nähernden apätmerovingisehen 
Gräbern von Trippelsdoif bei Sechtem (6120d Bonner Inventars). Die Fonn 
dee FingHdorfer Fnaabechers ist schlanker, der Fuhb am äusseraten Rande 
flächig und oben acbärter eingeacbnitten ; auch ist der Pingadorfer Fnsabeeher 
im Innern mit den scharfkantigen Ausbiegnngcn der schneckenförmig analaufen- 
den Fingerwirknng (dnrcli die Acheendrehong der Tretscheibe verursacht) ver- 
geben, während der Trippeladorfer glatt eracheint. Den Übergang zwischen 
beiden Arten vermittelt ein Fussbeeherreat, der in dem Habichtawalde zwischen 
Natrup-Hagen und Velpe gefunden und mir von Professor Knoke-Oanahrflck 
vorgelegt wurde. Alle drei Becher haben einen nach ihrer Heratellang anf 
der Scheibe vermittelst eines Bindfadens (von der Scheibe) abgeachnittenen 
Fnsa; man aieht den Ansatz der Schnnr deutlich und wie sich die Schnnr bei 
dem Anziehen nach der Zugstelle hin verengte; dagegen fehlen die rcgelmSasig 
konzentriaeh verlaufenden Binnen des Abdrehcns. Aber die Härte des Backens, 
die gelbliche Farbe und andere Eigenarten laaaen bei dem Pingadorfer Becher 
seine nachmerovingische Herkunft erkennen. Höhe 58 mm, Bodendurchmegser 
18 mm. 

13. GieasgefäsB in Tiergestalt, Taf. VI Fig. 19. Der cylindrische 
Bauch 105 mm lang, das Halssttick 35 mm lang, die vier Eteincben 30 mm. 
Der obere Griff 70 mm lang, 18 mm im Lichten weit geöffnet. Auf dem 
Rücken ist ein Loch rund eingeschnitten von 20 mm i. L. Diirchmeaaer, Dieses 
diente zum Eingusa des Wassers, während der rohrartig geütfncte Hals als 
AusguBS desaelben verwendet wnrde. Der Dnrchmesacr der hinteren Baucbaeite 
58 mm. 

Was die Zeifetellung der Pingsdorfer Ware betrifft, ao iat zu beachten, 
dass in der untersten Schuttmasge die S. 118, 1 und S. 120, 11 beschriebe- 
nen nmenförmigen Töpfe nnd Becken erschienen. In den höheren, oben ku 
Tage tretenden Lagen fanden sich besonders häufig die Reste von blao- 
schwarzen Kngeltöpfen, wie sie S. 119, 2 besprochen wurden. Die Doppel- 
henkeltöpfe mit Ausguss erscheinen sowohl hier wie auch in den tiefsten Lagen 
und es kamen auch die flbrigen Thonarbeiten in einer Weise vor, welche be- 
stimmt erkennen liesa, daaa man es hier mit der Ansschussware einer bestimmten 
Periode zn thnn, in deren letzter Zeit die völlig abgerundeten Kugeltöpfe Mode 
wurden, während die Becken ansser Gebrauch traten. Ein weiteres chronologi- 
sches Bestimmungami itel wird geboten dnrch den bereits in allen Lagen vorhan- 
denen ältesten Typus der gehöhlten Bodenplatte mit Wellenfusa. Die Pingsdorfer 
Ware stimmt in diesen wie Oberhaupt in allen Einzelheiten Ubereln mit der 
in meiner Gefässkunde S. 139 — 145 beschriebenen spätkarlingischen Ware; die 
von mir als der frUhkarlingischen Periode zugehörig betrachtete Gefäasniasse 



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128 Const. Koenen: Karlingisch-fVankische Töpferelen bei Pingsdorf. 

(a. a. 0. S. 134 — 139) fehlt hier. Die Übergänge von dieser in die Bpät- 
karlingieeho Zeit sind jedoch in reieheter Ausstattung vorhanden und ea ist 
sehr bezeichnend, dass sich die in die Zeit Karls des Orossen gesetzten Raud- 
profile der Meckenheimer Brandschtcht (Kantert, Bonner Jahrb. Heft XCIII, 
dazu Gefässknnde S. 134 — 139) nur in ihren späteren Typen und selbst diese 
zumeist in einer etwas späteren Art vorgefunden tiaben. Die mit den kleinen 
flachen Grübchen vereehenen und mit der eingeritzten Wellenlinie ausgestatteten 
ältesten frühkarlingisehen Gefässarteu (Gefässkunde Taf. XX, 25, 29, 30, 32b 
u, e) fehlen unter der Pingsdorfer Ware. Ebenso fehlt das auf blauscbwarzem 
Grunde leicht eingestrichene Kautenwerk {a. a. 0, unterhalb 29 links). Die 
blauschwanten, noch die merovingisehe Technik zeigenden Geiassarten des 
Typus, Gefässkunde XX, 24 sind ebenfalls bereits ansser Mode. Wir werden 
deshalb nicht fehl gehen, wenn wir die Erbauung der Pingsdorfer Öfen, welche 
die hier besprochene Ware heratellleu, etwa in die letzte Zeit der Eegiernng 
Karls des Grossen setzen, ihre eigentliche Wirksamkeit jedoch der fol- 
genden Zeit zuschreiben. Von naehkarlingischer Ware: Glasur, gewölbtem 
WcllenfnBS, eigentlichem Steingut, fand sich keine Spur. Die Überaus reichen 
Thonlager der Fundstelle boten keinen Grund, ein blllheudes Gewerbe auf- 
zogeben, wählend andererseits, wie gesagt, die Aufgabe augenscheinlich mit 
einer gewaltsamen ZeiiitOi-ung der Öfen zusammenhängt. Da nun die zuletzt 
hergestellte Ware bis in das Ende des 9. Jahrhunderts zurückreicht, so dürften 
es wohl die in der Umgebung Kölns alles verheerenden NormannenzQge vom 
Jahre 881 gewesen sein, welche die Pingsdorfer Tüpfereien zerstörten nnd dem 
dortigen Betrieb ein plötzliches Ende bereiteten. Archäologisch liegt wenigstens 
bis jetzt nichts vor, was dieser Auffassung widersprechen könnte. 



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7. Ein gnostisches Goidamulet aus Gellep. 

Vott 
Max äleboarg. 

Hierzu Tafel VII und 3 Figuren im Text. 

Das Gräberfeld des ehemaligen römischen CohortcnlagersGeldaba, welches 
in dem ticntigea Doife Gellep am Niederrhein lag, liat niia wiedernm einen 
Fnnd gespendet, der die Aufmerksamkeit der Altertumsfrennde in hohem Masse 
verdient. Am 4. Jannar 1897 grub dort der Ackerer Klassen anf eetuem 
Grundstück mehrere Gefässe von Thon uud Gtaa, zwei KupfermfiDKen, einen 
eisemcD Ring und vor allem zwei goldene Schmucksachen aus. Die Gefässe 
sind schon von A. Oxä in diesen Jahrbüchern, Heft t02, S. 138 erwähnt, 
die Fnudetelle trägt auf der von ihm S. 133 gegebenen, sehr zweckmässigen 
Karte den Buchstaben f. Sie liegt also ziemlich am südlichen Ende des 
antiken Friedhofes, der den westlichen Abhang des Htlgels einnimmt, auf 
dem einst Gelduba stand. Das Klassensche Grundstück hat bereits seit 
dem Anfang der 50er Jahre seinen Besitzern bei ihren zufälligen Grabungen 
reichen Ertrag an Altertflmem geliefert, die natürlich verstreut sind; Stoll- 
werek bat aber wenigstens darüber Tagebuch geführt nnd, soweit es in sei- 
nen Kräften stand, in seiner Schrift über Gcldnba ') von den Funden berichtet. 
Was das für uns zunächst Wichtigste, die Münzen, anbetrifft, so sind ihm aus 
dem 1. Jahrh. ausser zwei FamilienmUnzen Stücke von Augustus, Vespasian 
und Domitian bekannt geworden, aus dem 2. Jahrh. solche von Traian, Fau- 
stina, Septimius Severns, Julia Domna, aus dem 3. Jahi-Ii. Postnmns, Claudius 
GothicuB und Tetricus pater „hantiger". „Am häuGgsten sind die Münzen des 
4. Jahrh., die Gonstantine, Constantinopolis und die Valentiniane, meistens 
Kleinerze, Gratianus ziemlich häufig, doch die Mehrzahl verdorben; Magnus 
MaximuH, Mittelerz einmal gefunden." Zwar sind Stollwereks Mitteilungen 
über die keramischen Funde ziemlich wertlos, da er nnr Beschreibungen gibt, 
die sich schwer identifizieren lassen; doch sind die von ihm S. 45, 46 unter 1, 2 
geschilderten Terrinen aus Terra sigillata mit Eeliefsehmnck wobi von dem Typus 
Dragendorff 37, also aas späterer Zeit, die S. 49 ,m_3s genannten „13 cm hohen 



1) Die celtubisch-römische Niederlasating Gelduba. Ürdiiigen 1877. S. 45—67. 



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134 Max Siebourg: 

Urnen von rotligelbem Thoii mit schwar/er Glaanr" und 8 muldenförmigen Ein- 
bauchnngen von der Art, die Koencn') „eliaraktenatisch fttr die Gräberfelder 
der Antonineuepoelie" nennt; die gestempelten Terra eigillata Teller, die ich 
auB dem epigvaphisehen Teil heranslese, weisen auch frühestens ins 2. Jahrhundert; 
es sind vier Firmen, für die Dragendorff *) die nötigen NachweisuHgen gibt: 

a. C*LVIN1M p. 91, 5; Taf. II 6 = Dr. II 56, 

b. MARINV8 p. 94, 19; Taf. II 15 = Dr. II 223b I 150, 

c. & PRISCVS F .^ p. 96, 27; Taf. II 19 = Dr. II 302, 

d. 20CC0Fa p. 97, 31; Taf. II 21 = Dr. I 149. 

Nur zwei GeOtssc von Glas erwähnt Stollwcrek, dagegen mehrere interessante 
Klciiibroncen, darunter ein wltrfelspielendcs Mädchen, das in die Sammlung 
Guntrum gekommen ist, die vor einiger Zeit dem historischen Museum in 
DllHseldorf Übermacht wurde. Im gnnzen genommen haben wir es, besonders 
in Hinsicht auf das Vorwiegen der MOnzen des 3. und 4. Jahrb., jedenfalhi 
auf dem Klassensehen Grundstück mit dem Teile des Gräberfeldes zu thun, 
der gegen Ende der mittleren und in der späteren Kaiserzeit im Gebrauch 
war. Ob bereits Skeletgräber vorliegen, darüber sagen die bisherigen Beob- 
achtungen nichts. Vielleicht erfahren wir darüber etwas aus unserm neuen 
Funde, der sich zeitlich in den Rahmen des bisher Ermittelten einfflgt. 

Das Nähere Aber die Fundumstande verdanke ich A. 0x6, dem ich auch 
fttr den ersten Hinweis auf den ganzen Fnnd und die Vermittelnng der photo- 
graphischen Aufnahme verpäiehtet bin. Er schreibt mir Folgendes: „Die Fund- 
stelle, die ungefähr in einer Tiefe von 1 m sich auch nur 1 m lang erstreckt 
haben soll, liegt fast in der westlichen Ecke des von einer Hecke umfriedigten 
GrundstQckeg, d. h. etwa 90 m von der Strassenfront und 1 m von der nord- 
westlichen Hecke. Genauere Angaben sind nicht zu ermitteln, da die Gegen- 
stände beim Eiustossen von Erdmassen zn Tage kamen. Darnach lässt sich 
nicht entscheiden, ob die Funde ans einem Brand- oder Skeletgrab herrühren*) 
. . . Der Finder hielt lange Zeit seine Funde ängstlich geheim. Erst durch 
Herrn Färbereibesitzer Emil Molenaar in Krefeld, der die Gegenstände*) käuf- 
lich erworben hatte, erfuhr ich anfangs dieses Jahres von den metallenen 
Stllcken, den zwei goldenen Schmucksachen, Münzen und dem eisernen Ring." 

Bevor ich mich zu der Beschreibung der einzelnen Gegenstände wende, 
ist es mir eine angenehme Fßicht, Herrn E. Molenaar für das liberale Ent- 
gegenkommen zu danken, mit dem er mir die Abbildung des ganzen Fundes 
und ein längeres Studium des Originals der Insclirift ermöglicht hat. 

1) Qefnsskande S. 101, 3a. 

2) Dr. I = B. J. 96/97 S. Hl ff. Dr. II = B. J. 99, S. 54 ff. 

3) Das» die Wahrschciiilkhkeit für ein Skelutgrab spricht, wird skh «iitcn 
erjftjben. 

4) Nur der Becher 2 aul" Tnfel VII kam in den Besita des Herru ObcrMten von 
Catlowitz in Krefeld, der ihn mit dankenswerter Bereitwillifrkcit für die iihotogra- 
phiijche Aufnahme horgelieheu hat. Die letztere rührt von Henn Turnlehrer Otto 
Scharf her. 



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Ein poetisches Ooldamatet hqs Geilep. IS6 

Von den beidco ziemlich unkenotlich gewordenen Knpfermünzen gehßrt 
nach Herrn van Vleutena Beatimmnng die eine dem Hadrian, die andere 
dem Antoninus Pins. Sie sind nach der ganzen Art der FnndnmBtände fflr 
den Zeitansatz nur mit Vorsicht zn yerwenden und können höehetens den tcr- 
minas post quem ergeben. Sichereres lehren die Keramischen Stücke, die 
Tafel VII wiedergibt. Es sind zwei schwarzgefärbte Trinkbecher mit weissen 
Aufschriften von dem bekannten Typus, den Koenen, Gefässkunde, Taf, XVIII 
10 und 11 abbildet. Auf Fig. 1 liest man AVEVITA, auf Fig. 2 AMOTE. 
Diese Becher, die sich meist in Skeletgräbem und, wie auch in nnsenn Fall, 
zusammen mit Kugelbauchftaschen finden, gehören zum gröseten Teil der zweiten 
Hälfte des 3. Jahrhunderts nnd dem 4. Jahrhundert an. „Gefässe von beson- 
ders feinem Glanz, für deren Bemainng ausschliesslich Weiss, kein Gelh ver- 
wendet worden ist, scheinen indes etwas früher zu fallen, sie finden sich auch 
im Limesgebiet mehrfach" •). Da diese Kriterien für ansem Becher zutreffen 
und ferner die Schrift ohne Trennungspunkte dick 'in der Barbotine Technik ' 
aufgetragen ist — was Koenen^) als Charakteristikum der älteren Exemplare 
angiebt — , so werden wir mit Sicherheit nicht Ober das 3. Jahrhundert hinaus- 
zugehen haben, eine Zeitbestimmung, die im wesentlichen far die Würdigung 
des Hauptfundstuckes, des Amulets, genügt. — Von der Art der bereits vorher 
als dieser Epoche eigentümlich bezeichneten Kugelbauchflaschen sind die Glas- 
gefösse Tafel VII, Fig. 4 nnd 6; andere Form zeigen Fig. 3 und 5. 

Figur 9 stellt in natürlicher Grösse eine kleine Goldhülse mit drei Ösen 
dar, so wie sie der Besitzer zuerst erhielt. Da die Vermutnng nahe lag, dass 
sie einen Inhalt berge, so wurde der Deckel an der linken Seite entfernt und 
dann von Herrn Molenaar ein gerolltes Goldplättchen hervorgezogen, das auf- 
gerollt nnd geglättet sich als mit griechischen Buchstaben besehrieben erwies. 
Der Besitzer sandte es zur Entzifi'ernng vergebens nach München, Berlin, Lon- 
don *). Erst als es von hier zurQckkehrte, erfuhren 0x6 und ich von dem 
Fund. Da wir noch weiteren Inhalt in der Hülse zu sehen glaubten, so wurde 
sie auf unsere Veranlassung zu einem Goldarbeiter geschickt und so die Kon- 
struktion der Hülse ermittelt, wie sie Figur 10 und 11 zeigt. Damach sind 
es zwei gleich lange Röhren aus reinem Gold, die, kreisrund im Durchschnitt 
und beide mit einem Deckel vei'sehen, sich in einander schieben lassen. Die 
innere Röhre hat eine Öse, die äussere deren zwei, sowie einen Aus- 
schnitt, der der Öse der inneren Hülse Platz Iflsst. Schon mit dieser äusseren 
Gestaltung des offenbar zum Tragen bestimmten, wertvollen Schmuckstückes 
ist für den Kenner, auch wenn er den Inhalt der Aufschrift des Goldblättchens 
nicht wUsste, die Bedeutung gegeben: es ist ein Amulet. Ganz entsprechende 



1) Hettner, Westd. RorreBpondenzblatt X (1691) S. 333 Anm. 1. 

2) GefHBBkunde S. 110a. 

3) Zwei von den Leanngsversnchen liegen mir vor; es ist nicht einmal erkannt, 
da§a abgesehen von einer Zeile die Buclistaben in senkrechten Kolumnen stehen. 



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126 Max Siebonrß: 

Funde sind im Römeireich selten — BcboQ allein des kostbaren Metalls wegen; 
haben doch die beutcgieri°;en Barbaren auch nicht die Gräber nnd ihren wert- 
volleren Inhalt Teraehont. Insbesondere wllsate ich aus dem Rbeingobiet kein 
völliges Analogon anzuführen. Aber aus dem Altei-tnm selbst haben wir noch 
Vorschriften zur Anfertigung solch schützenden Schmucks, die ganz auf nnser 
Stück passen. Eine steht bei dem Gallier Marcellus, dem sogenannten Empi- 
rieus, einem hohen Beamten und guten Christen, der um die Wende des 4. 
Jahrb. d. Chr. als Laie zu Nutz und Frommen der Fremden und Armen ein 
Arzneibuch zusammenstellte, indem er die Vorschriften des Scribonina Largns 
u. a. vermischte mit Rezepten des Aberglanbens nnd volkstümlicher Heilkunst, 
an denen unsre Kurpfuscher nud praktizierenden Schäfer ihre Freude haben 
würden. Da heisSt es p, 319, 26 (ed. Helmreich): Ad coli dolorem scribere 
dehea inlamjnaaurea degraßo aureo infra scripton characteres^) luna prima 
vigensima, et lammam ipsam mittere iiitra tubulum aureum. Also gegen die 
Kolik soll man mit goldenem Griffel anf ein Goldblättchen, wie in nnserm Fall, 
griechische Buchstaben schreiben und es in eine goldene Rühre stecken, die 
dann zu tragen ist — wie und wo, das geht uns zunächst hier nichts an. 
Ganz ähnlich ist die Anweisung, die sich bei dem griechischen Arzt des 6. 
Jahrb. q. Chr. Alexander von Tralles II p. 583 findet. Ein Mittel gegen die 
Gicht gibt er mit den Worten : TTpotpuXaKTripiov tiob&pfac. Aaßdiv n^xaXov xpo- 
coöv, ceXr|VTic Xnxoüctic, TPÖ(p6 iv aÜTi^ td ÜTfOKtineva *), Kai 4vt>rjcac eic veOpa 
Tepdvou, elra ö^olOv Tt^ nej&h^t cujXnviipiov (also tubulum aureum) ttoir|cac Korii- 
kX€IC0v Kai ip6p£i nepl toOc dcTpoTÖXouc. 

In Übereinstimmung damit stehen ein paar Funde, die ich hier gleich 
erwähnen möchte. „Bei dem Ausbsn des südwestlichen Traktes des Gebäude- 
komplexes, der den Burgplatz in Wien umsclilieast — so schreibt Wessely, 
Wiener Studien 8, 175 f. — stiessen am 28. Jänner 1662 die Arbeiter anf einen 
roh gearbeiteten Steinaarg, der ausser den Totengebeinen noch enthielt : 
einen kleinen Helm, zwei Kettchen, den Kopf eines Satyr, einen kleinen Krug, 
alles aus Bronce, ein cisernea Mesaer, eine Münze aua dem dritten Jahr- 
hundert D. C h r. nnd ausser anderm eine längliche Hülse aus Gold, 
in der eine andere ans Bronce eingeschlossen war, in dieser eine 
dritte ans Silber und endlich in dieser wieder ein zartes Goldblätt- 
chen, das eng zusammengerollt war. Es war mit feinen Sebriftzügen bedeckt, 
die aber verkratzt waren"'). — Der zweite Fund stammt aus Regensburg; 
er wurde anfange der 70er Jahre auf dem Gebiete des sogenannten Urnen- 
feldcs*) an der Angsbnrger Strasse gemacht und ist jetzt im Privatbesitz.. 

1) Die vorgeschriebenen griechischen Buchstaben s. p, 137 Nr. 16. 

3) Den Text s. unten p. 138 Nr. 20. 

3) Erwähnt auch bei Kopp, palfteogr. crit. Hl 166 und besprochen IV 384. Über 
den Test vgl. unten p, 134 Nr. 2. 

4) Der Ausdruck ist zuerst von Jnnncr, Goüchlchte der Bischöfe von Regons- 
burg, dfirum gcbraneht worden, weil auf diesem Teil des Regens« burger Gräberfeldes 
die Brand bestattung vorherrschte. Die Gräber reiclicn von Marc Aure! bis zum Ende 
des 3. Jahrh. Ebner a. a. 0. 



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Ein gnosttachea Qoldamulet aus Gellep. 127 

Ebner, der ihn in der Römischen Quartalschrift VI (1892) Taf. X abbildet 
nnd p. 162 bespricht, berichtet darüber: „Ein weibliches Skelet, desseo Be- 
gräbnis nach ÄUBweis der Lage des Grabes etwa in die Mitte des 3. Jahr- 
hunderts fiel, trug am Halse ein eylindrischea Büehsehen aus Silber 
von 2,5 cm Länge und 0,8 cm Durchmesser, in welchem in einander gerollt 
ein Eopfer-, ein Silber- und zuinnerst ein Goldblättchen lagen. Ersteres, 
ganz oxydiert, liess sich nicht herausnehmen, ohne die Kapsel zn zerstören und 
befindet sich noch im Innern. Das silberne und das goldene Flättchen aber 
worden alsbald nach der Auffindung herausgezogen, aufgerollt und bedaner- 
licher Weise mittels eines harten Ge^nstandes geglättet, wodurch der grOeste 
Teil der darauf befindlichen, zumeist in griechisclien Buchstaben abgefasgten 
Inschriften ') yerwischt wurde." Gemäss der Abbildung hatte da« BUchschen 
zwei Ösen, die sich als Reifen um die Hülse fortsetzten; nur die rechte Öse 
ist erhalten. Ich vermute, dass das Kupferblättcheii, welches sich nicht heraus- 
nehmen liess, eine zweite Hülse sein wird. — ferner erwähne ich noch das 
Amulet unbekannter Herkunft, welches Fröhner Tcrtifi'eutlicht hat, das ich 
aber nur ans der Besprechung von F.'X. Kraus in den Annalen des Vereine 
fdr Nassauiscbe Altertumskunde 9, 123 ff. kenne*). Ein Blatt von geschwärztem 
Silber, 64 mm lang, 34 mm breit, das 19 Zeilen griechischen Text enthält, 
war in eiuer goldenen 'linsenförmigen Kapsel' eingeschlossen, die Kraus 
S. 124 mit den bullae vergleicht, welche die Kinder der vomehmen Römer trugen. 

Besonders klar lässt uns endlich die Verwendungsart unseres Amulet« der 
Grabfund erkennen, der in der Gemeinde Ripe san Ginesio in Picenum ge- 
macht and in den Notixie degli scavi 1887, S. 167 beschrieben ist. Das Grab 
enthielt die Reste eines Skelets, zu seinen Füssen Gefässe von Glas, keine 
TonThon; neben dem Skelet fanden sieh 11 Stücke eines goldenen Hals- 
Bchmuckes, mit Löchern znm Aufreihen versehen. Als einen Teil dieses Schmuckes 
sieht der Herausgeber mit Recht eine 'kleine Röhre aus Goldblech' 
an, die oben auf in drei kleine Scharniere endet {terminajite al di sopra in 
tre piccole cemiere per appenderlo). Nach diesem zwar etwas unklaren Ans- 
drnek muss sie völlig der Gelleper Hülse gleichen. Eingeschlossen war im 
Innern ein gerolltes Goldblätteben, das geglättet 0,034X0,047 m misst 
nnd in lateinischer Schrift und — soweit verständlich — auch Sprache ein 
Rezept gegen Augenschmei'zen ^) enthält. 

Bei dreien von den bisher beschriebenen vier Funden ist das Skeletgrab 
ausdrücklich bezeugt, der erste und zweite gehören nach sicheren Indizien dem 
3. Jahrb. an — gerade so wie der Gelleper. Für diesen ist es darnach, zu- 
mal bei dem Charakter der Beigaben an Gefäasen, höchst wahi-scheinlich, dass 
auch er einem Skeletgrabe entstammt 

1] S. unten p. 135 Nr. 5. 

2) Kraus giebt an, die Publikation sei im Bulletin de 1« Soci6t6 des Anliquaires 
do Normandie, 7« annie, p. 217 ff. erfolgt. Das Citat ist; falsch; icli bin hier nicht in 
der Lage, es zu verifizieren. Weiteres s. unt(^n p. 1-% Nr. 4. 

3) S. unten p. 133 Nr. 3. 



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128 M*x Siebourg! 

Zusammeo mit der Hülse wurde ein kleines Anhängsel aas 
Gold gefunden, das anf Tafel VII Fig. 8 wiedergegeben ist. Seine Öse 
gleicht vlsUig denen der ROlire; es wird also wie diese als Halsschmuck ge- 
dient haben, welcher dem, eher noch der Toten mit ins Grab gegeben wurde. 
Zu seiner richtigen WUrdiguug rauss ich hier etwas näher auf die Amulete des 
Altertums eingehen. Gemäss dem ihm inuewobnenden Kausaltrieb sah und sieht 
noch vielfach beute der Mensch in den ihn überall umgebenden Gefabren und den 
tagtäglich ihn treffeDden Zufälligkeiten den Ausßuss des Waltens dämonischer 
Wesen : seit uralten Zeiten haben sich die Völker vom Zauber des Wortes und 
Blicks, gewisser Tiere und Vorgänge bedi-oht geglaubt — und nicht nnr sich, 
sondern auch ihr Hab und Gut, Haus und Hof, Garten und Feld '). Dagegen suchte 
man sich zu schützen teils durch mancherlei sühnende Gebräuche im einzelnen 
Fall, teils durch schutzgewährende Symbole, Amulete, welche man an Gebäu- 
den und Mauern anbrachte oder frei anf Grundstücken errichtete, oder durch 
solche, die man am Leibe trug: TTcplä^^aTa — wie Basilius, der Erzbischof 
von Caesarea (371 — 379) sagt*) — KOtä tdc x^ip«« ko' foi>c ßpaxiovac Kai 
Toüc aüx^vac, also Anhängsel für Arm und Hals, die mit dem Nütz- 
lichea das Angenehme verbanden, indem sie nicht blos schützten, sondern 
auch schmückten und daher häufig aus edlen Metallen und Steinen verfertigt 
wurden. Bei Griechen und Rümern spielen sie namentlich in der Welt der 
Rinder eine grosse Rolle; ihr noch schwaches Leben ist ja besondera in den 
ereten Jahren ihres Daseins den verschiedensten Gefahren ausgesetzt, und die 
sorgende Liebe ihrer Umgebung begnügt sich nicht damit, jeden Schritt ihres 
Wachstums in den Schutz von IndigitamentengOttern ^) zu stellen, auch zauber- 
kräftige Amulete sollen ihnen lielfen. Zu den -f^v^OXiai &6ceic, die bei den 
Griechen den Neugeborenen am 10. Tage von den Verwandten dargebracht 
werden *), gehören besonders Amulete, und aus Plautus *) lernen wir, was für 
Dinge das waren: ein Mündchen, eiu Eiuglein, ein kleines Schwert mit dem 
Namen des Vaters, ein kleines Beil mit dem der Mutter darauf — das alles 
aus Gold. Bekannt ist die bulla aurea, die die Kinder der vornehmen Römer 
trugen. Besonders interessieren uns hier die hmulae, die ceXrivia — wie sie 
Basilius a. a. 0. nennt — xpücea xai dpTÜpeo f| Kai xf^c eöxeXecT^pac xiXric, die 
von den alten Mütterchen den Säuglingen umgehängt würden, unter Gemurmel 
zum apotropäischen Zweck. Wir kennen sie auch aus der monumentalen Über- 
lieferung. Der Knabe aus Xanten, den Fiedier-Houben, Römisches Anti- 



1) Für diese Frage ist noch immer zu verweisen auf 0. Jahne grundlegende 
Arbeit: Über den Aberglauben des bösen Blicks bei den Alten. Berichte der säch- 
sischen GesellHchaft der Wissen anhaften, VII {1865) 28—110. Vgl. neaerdings: Bion- 
kowski: Malocchio, Ernnos Vindobonensis p. 285 tf. 

2) Baat zu Greg. Cor. ed. Schaefer p. 874; Jahn a. a. 0. p. 41. 

3) Dnas auch die griechische Eeligion diese 'di cerW des Varro besaes, hat 
Usoner, Qötternamen p, ]S2ff. erwiesen. 

4) Hermann Blümner, Griech. Privatalt<TtÜmer, p. 282/3. 

5) Epidlo. 640. Südens 1156. 



dbyGoot^le 



£in gnoatisches Goldftmnlet ans Gellep. 129 

quariom Taf. XXV, 2 abbildeo, trägt einen Halbmond an einem Bande nm den 
Hals; ihrer mehrere gehören zu dem Halsschmnck bei Arneth, Oold- und 
Silbermonnmente IX 105. In jeder Sammlung römischer Altertümer kommen 
sie namentlich in der Form vor, in der ihr Amuletcharakter am dentlicbBten 
wird, nämlich versehen mit phalliBchen Attributen. Bei Frauen und Männern 
waren solche |invicKoi — lunuJ^te auch hier am Rhein in römischer Zeit üblich. 
Bemerkenswert ist da, daes die Matronen mitunter den halbmondFfirmigen Hala- 
schmuck haben >), so die Matronae AxsiTtginehae aas Köln B. J. 83 Nr. 281, 
Ton den Matronae Octocannae des Gipswalder Steins Ibid. Nr. 322 dentlich 
die linke nnd die mittlere. Das Kölner Mnsenm besitzt zwei männliche Terra- 
kotten mit Innalae*). Eine Keltin, die sich nnter den Hermen von Welsch- 
billig befindet, trägt den Halbmond mit einer Öse an einer Kette befestigt 
um den Hals'). Noch heute hat man in Neapel am Arm silberne Halb- 
monde zum Schutz gegen Epilepsie; sie mUssen von selbst gesammelten 
Almosen gemacfat und vom Priester eingesegnet sein*). In dem medizini- 
schen Aberglauben des Altertums — und auch dem anderer Völker, bis in die 
Gegenwart hinein — spielt eben der Mond eine grosse Rolle, da er oieht nnr 
manche Krankheiten, vor allem die Epilepsie, verursacht, sondern dafDr auch 
nieder die Gesundheit fördert und erhält ^}. So begreift man die Verwendung 
seines Bildes zu Amuleten. Nun, ich meine, das halbmondförmige Schmuck- 
stück, das zugleich mit dem Gelleper BUchschen gefunden wurde, ist gleich- 
falls eine Bolehe lunula. Das Mateiial bedingt die Stilisierung. Zwei Gold- 
fäden sind halbmondförmig gebogen und durch Lotung verbunden. Die Enden 
des inneren sind spiralfönnig aufgedreht; die des äusseren stecken in einem 
kleinen Stückchen Malachit, das um ihre Achse drehbar ist- Zur Verzierung 
sind femer Kerben eingekniffen, nicht eingefeilt, und 12 GoldkOgelehen anf- 
gelöthet. Ganz ähnliehe Gestalt — ich meine besondere die Hinzufllgung des 
Steinchens als Schlnssstüek — zeigt die lunula einer weiblichen Terracotta- 
büste, die das Kölner Museum jüngst erworben hat und die der Frisur nach 
ins zweite Jahrb. geboren wird^); femer auch die kopflose Thonbüste des 
Bonner Museums Inv. Nr. 2895, sowie die Bronzeknnla Inv. Nr. 9761, die 
im Neusser Lager gefunden wurde. 

Dass gerade das Gold bei der Anfertigung des AmnIet-SchmHckeB bevor- 
zugt wird — eine Tatsache, die durch die unten zusammengestellten Beispiele 
noch klarer wird — das gründet sich auf die Anschauung des antiken Äber- 



1) B. J. 83 p. 39, wo die Bedeutung nicht erkannt Ist. 

2) Terrakottenschrank VII 3«, 2941. 

3) Hettaer, Trierer Katalog Nr. 808. Falscli ist es, wenn Hettner bei Nr. 803 
von einem 'keltischen Halbmond' spricht, veno ihn auch der Madrider Kelte gleich- 
falls trägt 

4) Jahn a. a. O. p. 43, 48 nach Wlnckelmann Werke II p, 60. 

6) Das Nähere bei W. H. Röscher, Über Seltne nnd Verwandtes p.ßTff. p. 185. 

6) Inv. Nr. 28. Eine Photographie dnvon verdanke Icli Herrn Dr. Kisa. Sie 
stammt aus dem Knnsthandel, ist aber nach Kisas Mitteilung 'höchst wahrscheinlich' 
KöluiGcher Herkunft. 

Jkbrb. d. Vor. t. Alt«rUu(1r. Im RbalnL 103. 9 



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lao Max Siebourg; 

glanbene, dass jeDem Metall eine schOtzende Zauberkraft beiwohnt. Sicher 
stecken dahinter mTthologische Voretelltmgen, auf die ich hier nicht eingehen 
kann ') ; doch spielt auch die Kostbarkeit des Materials dabei eine nicht geringe 
Rolle. Je teurer eine Medizin ist, fttr nm so wirksamer bftlt sie noch heat- 
zntage der Patient. Wir erwähnten schon die mpiÄ^Maxa xpucä f\ dpTupä, 
die nach Basilins tod den Kindern den Zauber abhalten; die Geschenke in 
den Flantusstellen sind von Gold. Plutareh erzählt uns ^, dass Sulla, der 
'GlQckliche', in allen Schlachten ein goldenes Bildchen des Apoll im Busen 
trug; in der Schlacht ain kollinischen Thor, wo er einen Schimmel ritt nnd 
so weithin erkannt wurde, wäre er ums Haar von den feindliehen Lanzen 
durchbohrt worden; seine Rettang schrieb er nur dem äfaX^iiTiov zu. Ge- 
naueres lehrt uns Plinius. NH. 33, 84 schreibt er: Aurum pluribus modis poUet 
in remediia, volneratisque et infantibus adplicatur, ut minus noceant, quae 
inferantur veneßcia. Demgemäss heisst es 33, 85, Gnld sei nach der Lehre des - 
M. Varro gut gegen Wanten; 33,81: Pokale aus natürlichem Weissgold, das 
c 80 electrum heisst und mit '/b Silber vermischt ist, zeigen durch Farben- 
spiel Gift im Trünke an. 10, 109: Will man die Tauben sesshaft machen, so 
muss man ihnen die FiOgel mit Gold stutzen, sonst heilt die Wunde nicht (auro 
insectia alarum articulia, non aliter innoxüs vulneribus). 30, 29 : Einige meinen, 
zu Heilzwecken müsse man die Wurzel des Eibisch ^) mit Gold ausgraben. 
Schon oben S. 126 hiess es in dem Rezept des Marcellus, man solle mit golde- 
nem Griffel die Schrift auf das Goldblättchen einritzen. Auch dem Silber 
wird Heilkraft zugeschrieben ; siegeln mit einem silberne» Ring — so heisst es 
in den Geoponika XIII 9, — heilt den Skorpionstich. Wir werden das Ma- 
terial nachher wiederholt zu Amuleten verwandt finden. Im diametralen Ge- 
gensatz zu dem zauberabwehrenden Gold steht das Blei, das dem bflsen 
Saturn zugewiesene Metall; es ist recht eigentlich das Material fBr den Schaden- 
zaaber, fOr die devotiones oäer defixiones, Über die wir durch WOnschs Ar- 
beiten belehrt worden sind^). In die Gräber, also in den Machtbereich der di 
inferi wurden diese 'Briefe an die Unterwelt' gelegt und in ihnen die chthoni- 
schen Götter ersucht, den gehassten Gegner — so z. B. den Jockey der Gegen- 
partei im Cirkns — zu 'binden', kalt und schwer wie das Blei zu machen. 

Fragen wir uns jetzt, was uns denn das in dem Gelleper Büchschen ein- 
geschlossene Goldblättchen zu sagen hat. Tafel VII Fig. 7 gibt dasselbe in 
natürlicher Grtisse nach eiuer pliotographiscben Aufnahme wieder, die ich der 
liebenswürdigen Bereitwilligkeit des Herrn Dr. Jorges verdanke. Man siebt 
gleich, dass die Glättung des Blättcbens nicht völlig gelungen ist, dasa es 



1] Ich denke dabei daran, dass Gold das stehende Attribut der Lichtgjjtter ist, 
sowie an die Unterordnuntf dea Paieon onter Apollo. Usener, Göttemamen p. 833. 

2) Plnt. Sull. c. 29. 

3) radicem, hibisci {d. i. AJthaea offlcinalis L.) auro effodiendam. 

4) CIA. Appendix: Defixionsm tabellae Atticae ed. H. Wünsch, p. \ll\ Sethia- 
nische Verfiuchunga tafeln ans_Bom p. 71/72. 



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Gin gnostisches Ooldamniet aus Oellep. 



131 




vielmehr manche Falten nnd Fältcbeo 
enthält, die die Lesnn^ nicht ^rade 
erleichtern. Immerhin ermflglicht diese 
Abbildting eine Kontrolle der hier bei- 
gefügten Umrisszeicbnong. Daas diese 
möglichst genau und tren ansgefallen 
ist, verdanke ich ebenfalls der Beleh- 
mog des Herrn Dr. jDrges. Er machte 
mir von der photograpbischcn Platte eine 
Kopte anf blausaurem EiBenpapicr. Der 
UmriBS und die Buchstaben wnrden dann 
von mir mit schwarzer, unverlöschbarer 
Tusche nachgezogen, resp. ergänzt und 
endlich der Blaudmck durch Eintancheo 
in eine 4 "/oige Lösung von oxalsaurem Kali zum Verschwinden gebracht, so 
dass nur die schwarzen Striche auf dem weissen Papiergrunde stehen blieben. 
Das Blättchen, dessen Masse 0,084x0,057 sind, hat die abliebe reeht- 
eekige Form, nur unten ist es nicht grad abgeschnitten. Darauf hat eine nicht 
allzn geschickte Hand griechische Buchstaben und Linien eingeritzt j mitunter 
ist der Griffel ausgeglitten oder der Schreiber hat sieh korrigieren mösseD. 
Allmählich ging es besser von Statten; die Kolnranen 5—9, sowie die Striche 
rechts zeichnen sieh vor dem Anfang durch gerade Richtung nnd sicherere 
Führung ans. — Mit den Linien beabsichtigte wohl der Verfasser oder seine 
Vorlage eine architektonische Verzierang der Blattfläehe herzustellen, etwa in 
der Art eines Naiskos. Diese Form hat z. B. ein Amulet aus Syrakns >), eine 
Thonplatte, in deren Mitte Artemis steht, während der freie Raum mit Zeilen 
von noch nicht gedeutetem Griechisch bedeckt ist. An den Seiten sind Pi- 
laster, das Ganze wird von einem dreieckigen Giebel gekrönt. So sehen wir 
auf unserem Blättchea auf gleicher Grnndtinie mit dem Umrissrechteck in der 
Mitte eine Art Nische, die mit 7 senkrechten Kolumnen beschrieben ist; an 
beiden Seiten wird sie von einem pilasterartigen Streifen eingefasst, von denen 
der linke nur halb so breit wie der rechte geraten ist; offenbar blieb dem 
Schreiber mehr Ranm, als er gedacht hatte. Jeder der beiden Pilaster trägt 
wieder eine Kolunme Buchstaben. Die Zeichnung schliesst links und rechts ein 
schmaler Streifen ab, während die obere Grundlinie gewissermassen als Archi- 
trav dient. Auf ihm steht die einzige horizontale, von rechts nach links lau- 
fende Zeile, deren Buchstaben grösser und tiefer als die Übrigen eingeritzt sind. 
Die beiden Abschlu^streifen sind Aber dem Architrav mit ein paar nicht sehr 
klaren Strichen fortgesetzt; ich kann darin nur die Ansätze zu einer kapital- 
artigen BekrOnung jener beiden Streifen sehen. — Viel einfacher ist die Glie- 
derung auf dem Goldblättchen des oben erwähnten Regensbnrger Amulets; hier 
ist der horizontal geschriebene griechische Text durch 5 Querstriche in 6 Gruppen 



1) BaUetin bist. phil. de I'acad. de St. Päterabourg 1849, n. 17. 18 (Stephani). 



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182 Mai Stebonrg: 

von 1, 5, 2, 3, b, 3 Zeilen zosammeit^faest. Kunetvoller ist schon die Dm- 
rahmnng, die ein Zanberpapynis des Britischen Museums ') fOr zwei Anmiete 
vorschreibt. 



a.ßkaVaSoj'aXßoi. 



^ ß B V 8 UT 



OXp X- u-^o-.)^^<toiit 






ftt ay\ ^CTt \tfi. räftj 




Fig. 2. 



Fig. 3. 



Zum Schutz gej^en Feinde, Ankläger, Räuber und TraumerBcheinungeu 
soll man auf ein Gold- oder Silberblättchen Fig. 2 zeichnen und das Amulet 
dann tragen. Ein Zinnblättchen, auf dem mit einem Erzgriffel Fig. 3 einge- 
graben ist, verhilft zur Gewinnung von Gunst und Freundschaft. 

Indem ich mich jetzt zur Feststellung der Lesung wende, gehe ich nur 
auf die Buchstaben ein, die nicht klar sind oder verBcbiedenc ÄnffaBsung zn- 
laeseo. leb habe das Original längere Zeit in Händen gehabt und wiederholt 
geprüft; darnach kann ich meinen Text, abgesehen von wenigen Zeichen, als 
sicher hinsteUen. 

In der horizontalen Architravzeile kann über die sieben Vocale aerjiouu) 
kein Zweifel sein; die Querstriche von aer| sehe ich auf dem Original dentlich. 
Das ui ist kleiner und dUnner eingeritzt; auch ist meines Erachtens am ScblusB 
der Griffel nach unten abgeglitten und so das \ ähnliche Zeichen entstanden. 
Wäre ein X oder a beabsichtigt, so hätte es der Schreiber an dieser Stelle 
grosser geschrieben — ieh will nicht geltend machen, dass seine Bedeutung 
hier neben den bekannten Vokalen unerklärlich ist. Dass am Anfang der Zeile 
Ober dem Pilaster nicht an ^ oder uj zu denken ist, beweist die DUnnheit und 
Zartheit der Linien, die genau mit denen der Umrahmung stimmen. — Ich 
lese also die Zeile Aetitouuj. 

Von den 9 vertikalen Kolumnen bieten 1 und 2 die meisten Schwierig- 
keiten. 

Kol. 1. Die ersten 6 Buchstaben sind klar Xafirjpu); zu der Form dea 
H mit der bloss halb gezeichneten rechten hasta vergleiche man denselben Buch- 



1) Konyon, Greek Papyri in the British Mnseum p. 123, 34 ff. and p, 91, 215 ff. 
Über Fig. 2 Bieho. unten p. 137 Nr. 12. Auf Fig. 3, unten S. 137 Nr. 14 eteht auHSer 
magischen Zeichen und Buchstaben der Dämonenname Aa^va^ievcui;, sowie das be- 
lianiite 'AKpannoxanapei, das Wicdemann B. J. 79 p. 226 f. beepricht. 



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Ein gnoBtieches Ooldamnlet ane Gellep. 188 

Stäben in Kol. 5^). Die zwei schrägen Striclielchen nach i] geboren zn keinem 
Bnefastaben. Naeh lu ist c fUr mich eicber; der dazwischen liegende, etwas 
grössere Raum ist besonders run'/elig, trägt aber kein Schriftzeichen. Der dann 
folgende Buchstabe ist am ersten ein nicht besonders geratenes c, dann kommt 
ein sicheres tt, während der Schlnßs zweifelhaft bleibt; hier in der Ecke ist 
die GläUung sehr wenig gelangen. Steht flberhaupt ein Bnchstabe da, so lese 
ich N. Die Kolnmne gestaltet sich also folgendermassen: Xafitipu«: c ti v (?). 

Während über den Inhalt von Kol. 2 kein Zweifel sein kann, macht die 
Lesung im einzelnen Sehwierigkeiten. Sie ist am schlechtesten geschrieben. 
Nach dem ersten c mit lang aasgeglittenem Querbogen folgt ein Zeichen, das 
einem c ähnelt, aber schon seiner Kleinheit wegen kein Buchstabe sein kann, 
sondern einen misslungenen Versuch darstellen wird. Nach einem zweifellosen 
e folgt ein sicheres }i, das aber merkwürdig verritzt ist'); es macht den Ein- 
druck, als ob der Schreiber mit dem Ange nach der folgenden Kolumne der 
Vorlage abirrend zuerst ein T geplant habe. Denselben Eindruck habe ich bei 
dem folgenden Bochstabea; das Zeichen deute ich am ersten als ein mit T 
ligiertes C, wobei dann f fehlerhaft wäre; Ligaturen kommen sonst in dem 
Text nicht vor. Sieht man darin ein H, so bleibt der an der rechten Hasta 
stehende Querstrich unerklärt. An TT ist nicht zu denken gemäss Kol. 6. 
Der Rest ist zweifellos ueiXafi; beim c ist der Griffel nicht ganz sicher gewe- 
sen, so dass es fast einem e ähnelt. Die ganze Kolumne wäre also zn lesen 
C£n<T>eceiXan. 

Kol. 3 ergibt ohne Schwierigkeit und Zweifel Cecevre^ßapcpap, 

Kol. 4 enthält gleichfalls sicher cac£i BriXcapc^i. 

Klar ist femer in Kol. 5 die Lesung '\äw etiouioeu, 

in Kol. 6 TiavxouxiÖacc, 

in Kol. 7 Ciiiö <t>pi1 iirav. Darnach giebt es eine doppelte Möglichkeit. 
Entweder ist x ZQ lesen, oder die von links nach rechts gehende Hasta ist 
durch Ausgleiten bei der ersten Hasta von N entstanden, die andere gehörte 
dann zn dem folgenden c-Zeiehen. uj bildet den Schlnss. Wir erhalten also 
Cüiö *pfi nravx{?)cu). 

Kol. 8. Zwischen Ö und B ist ein auffallend grosser Zwisebenranm, der 
aber kein Zeichen trägt. Der Rest ist klar: X (x allenfalls möglich) iiaßau. 
Ich will nicht verschweigen, dass andere statt der beiden I I zwei P lesen; 
nach wiederholter Prüfung und Vergleichung mit den P in Kol. 4 und 7 ist 
mir meine Lesung sicher: dßXuaßau. 

In Kol. 9 kann man endlich nur beim letzten Zeichen schwanken zwischen 
6 und 0; ich entscheide mich, wie meine Zeichnung schon erweist, für 6 und 
lese also <t>6iucou6. Das Ganze wäre ahio folgendermassen umzuschreiben: 



1) Dieselbe Form bei WQDsch, Sethian. Verfluch ungstaf ein p. 53 B 4. 

2) Ganz ahnlich ist des Schluas-M bei Parthey, zwei griech, Zaubcrpapyri dps 
Berliner Musenm», AdBA 1865, p. 156 II 1C8, wo ce^ociXa^ steht, was Parthey nach 
dem Index für cs^ociXaoc ansieht 



Djgiijzedby VjOOQIC 



184 Max Siebourg: 

Aer)iouuj 
1. Aa|ir|pu)CCTiv {?) 2. CeM(T)€«iXa^ 

3. CEC£VTe^ßapq}ap 4. cctcei Bn^.capc^i 

5. Idiu Eiiou iQEu 6. TTovxouxiöacc 

7. Ciiie *pii inavx(?)cuj 8. eßXiaaßau 

9. *euicoue 

Ehe wir an die Interpretation dieses zunächst recht dunkel erscheinenden 
Textes gehe», wird es sich empfehlen, zuvor eine Reihe anderer Gold- (oder 
Silber-) Blättchen mit Aufschriften kcünen zn lernen. Wessely hat bereite in 
den Wiener Studien VIII p. 175 ff. 7 Beispiele aus dem Corp. luBcr. Graec. und 
3 andere gesammelt und ist dabei zu dem Schlüsse gekommen, dass derartige 
Fondstücke Ämniete seien. Ihre Zahl lässt steh heute vermehren; ohne Voll- 
ständigkeit mir zur Aufgabe zu machen, die Sache des Heransgebers eines 
Zaaberkorpus wäre, stelle ich im Folgenden eine Keihe von Beispielen ans 
der monnmentalen und der litteranschen Überlieferung, die von Wessely 
nnr eb^ gestreift wird, zusammen und wähle vor allem solche Stucke, die 
den Zweck des Täfelcbens recht klar naacben. Das wird am eisten die rich- 
tige Würdigung unseres Textes ermöglichen. 

1. Wiener Studien VIII, 180ff. (Wessely). 

Goldblättchen ans Saloniki, jetzt im Kaiserl. MUnz- und Antikenkabinet 
zn Wien. Mit 12 Zeilen beschrieben. Es ist ein Liebesamniet. Naeb einem 
dunkeln Anfang und der Anfzäblnng von Gfittern, unter denen 'Avpobirri und 
Miöpric zn erkennen sind, folgt der Wunsch: itoiricaTai (== noiticaT«) irrixopEiv 
(= ^TTixapiv) Güobiav') ttöclv iiv6piimoic*) rf {= Kai) -nJv^Ei (= TwvaiE\), fiäXicxa 
bt npöc &v eeXi (= öeXei) aÜTii'). Wessely setzt es nach dem Sehrifteha- 
rakter ins zweite oder dritte Jahrb. n. Chr. 

2. 'ibid. 8, 175ff. 186. Oben S. 126. 

Goldblättehen, gef. in Wien unter den oben geschilderten Umständen; 
jetzt verloren und nur noch in Abschrift erhalten. Der lateinisch geschrie- 
bene Text hat die unglaubliebsten Deutungen erfahren, die man bei Wessely 
des Näheren zur Ergßtznng lesen mag. Äthan. Kircher fand Kolchisches, 
Griechisches und TOrkisches in den paar Zeilen; Eatancsisch erklärte es 
1792 fQr Slaviseb, und Th. von Karajan suehte es 1854 als Ostgotbisch zu 
enveisen — 'Wiener Gothisob* sagt Wessely mit humorvoller Ironie. Er 
selbst erkennt mit Recht, in Z. 2 — 5 die vielfach vorkommenden manschen 
Gottesnamen Damnalmeneu Ablanatana'lba Acramihama\ri. 3. Jabrh. n. Chr. 
Der Zweck des Amnlets ist nicht ansdrücklich angegeben. 



1) Wessely schreibt «öoblov; ich faese es als Eigennamen, der mehrfach vor- 
kommt; vgl. Pape-Benseler, Wörterbuch der gric eh. Eigennamen s. v. 'Macht wohl- 
gefSilig die Euhodia bei allen MAnnern und Frauen*. Dazu vgl. man den Leydener 
Papyrus J 384 ed. Dieterich, Suppl.zu Fleckeisens Juhrbb. XVI p. 810,32: Durch das 
Tragen eines Ringes mit dem Drachen als Soiinensvmbol ^nlxapic irdciv l«i, u. a. 

2) äv9piiiTTot = dvfip auch unten p. 146 Anra, 1. 
8) Wessely aörn. 



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Ein fnoBtiBchee Goldamulet aiu Oellep. 13K 

3. Notizie degli Scavi 1887, p. 157. Eph. epigr. VIII d. 238. Oben 
S. 127. 

Goldblättchen aas Ftcennm, Ripe aan Ginesio. Fundumstände oben. 
Der Anfang des lateiniechen Textes Ad ocuto(rum) dolorem erweist es als 
Mittel 'gegen Angenschmerz. 

4. Oben S. 127. 

Silberblätteben, unbekannter Herknnft, einst im Besitze eines rfimi- 
Bchen Antiquars, jetzt im Mnsöe Napoleon III. In 18 Zeilen wird Schatz 
gegen alle bösen Geister gesucht, gegen Fieber, Fett- und Wassersucht, gegen 
Gift und Malocchio. — Derselbe Text ist wieder ediert, ohne Wissen von 
FrC^hners Publikation, ron Pellieioni in den Atti e Memorie della RR. 
deputazioni di storia patria per le provincie dell' Emilia. Modena 1880. Nuova 
Serie V parte II p. 177 ff- und zwar nach einer faksimilierten Abschrift des 
Abbat« Girolamo Amati aus Sarignano. In einzelnen Worten wird dadurch 
Fröhnera Lesung berichtigt. In der kurzen Erwähnung in Bursians Jah- 
resbericht 1883 p. 150 ist die Identität nicht erkannt. 

5. Oben S. 126. 

Silberbtlehscheö aus Regensburg, enthaltend ' ' 

a. Ein Silberbiättcheu, das, soweit lesbar, mit magischen Zeichen und 
Bucbstaben bedeckt ist. Wegen d^ Schwankens des Herausgebers stelle ich 
noch besonders fest, dass erstiicb in Z. 3 coOT nicht zu SOTER (= cwn^p) 
zu ergänzen ist, und dass zweitens in Z. 4 ron Xiu (= XpicToO!) Hcou, also 
Jesus Cbristns, keine Rede sein kann. Das Tenneintliche X ist das häufig 
vorkommende magische Zeichen ^, das z. B. auch oben auf Fig. 2 in der 
ersten Zeile steht. 

b. Ein Goldblättchen mit 19 griechischen Zeilen in 6 Gruppen; es 
beginnt mit magischen Zeichen und Buchstaben. Abteilung 2—4 ist vom Her-"" 
ansgeber nicht gelesen. In Abschnitt 5 erkenne ich dann auf dem Faksimile 
die Gottesnamen 4>op6iaiu, 'laßox, Map[pa]ptujö, 'tdui, Caßaiö[ä] 'Abiuveai, in 
Abt. 6 den Akkusativ Aae^ova. Jedenfalls handelt es sich also nm Schatz 
gegen Dämonen; das Nähere ist nicht ersichtlich. — S.Jahrhundert. 

6. Kraus, christl. Inschriften des Rheinl. I, Nr. 13. WiedemannBJ. 79, 
215 ff. 

Silberblättchen gefunden in den Thermen von Badenweiler. Nach 
magischen Zeichen und Buchstaben folgen die OStter- und Dämonennamen 'la 
Caßaüje ['A&ujvai 'AßJXavaöavaXßa 'AKpa[waxiXMOpi C]eM€cika^ CiicrivT€n[ßapq)a- 
paJvTTic nnd die griechisch gcBchriebene lateinische Anffordernng, einen Lucio- 
lus Torjeder Gefahr zu schätzen (»pouare aß o^Vl irepeKcuXu))'). 

7. Kopp, pal. crit. III p. 158, nach Gruter, inscr. app. p. XXI, ein 
Citat, das ich nicht verifizieren kann. 

1) Das von Krana p. 9 aus King, tbe gnostics and their i'omains * p. 9 zitierte 
*BHlttchen' an» Neapel ist ein rnndes Broncemedaillon ; die ans Dncan^o ed. Hen- 
scitel I p. 28 zitierte Inschrift der Ulpia Faulina steht auf einer Oemme, nicht auf 
einem Blättchen. 



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186 Max Siebourg: 

Goldblättchen, in einem Skeletgrabe geftindeD. An der Stelle des 
Herzens habe gelegen 'bractea ex purissimo auro parva et perquam tcnuis, 
ctti inscriptae essent septem vocales Graecae, totidem repefitae versibus, sed 
ordine aemper alio'. Die Inschrift wird demnach so gelautet baben: 

a e ti I o u lu 

(. y\ \ v^\ü a 

ti I o u uj a e 

1 u u>a e n 

u w a e Ti I 

u uj a E r) i 

uj a E T^ I o u 
Hieran reihe ich zunächst ein paar Vorsehriften znr Anfertigung von 
Amuleten, die in den Zauberpapyri i) stehen. 

8. DWA 36, p. 51, 256. Silberblättehen als <puXaKTr|piov. 

€ic XETTiba dpTvpäv soll man mit ehernem Griffel aärö xä SvoMa'] TPC^fi- 
Maiujv) p', also den Namen von 100 Buchstaben einritzen und es tragen iMdvrt 
ävou, an einem Riemen ans Eselshant. 

9. DWA 36, p. 112, 2705: *uXaKTTJpiov «ic tt^toXov äpTwpoOv, auf das 
man zwei Zeilen magischer Zeichen vermischt mit griechischen Bnchstaben 
sehreiben soll. 

10. DWA 36 p. 90, 1840. Goldblättehen für den Liebeszauber. 

Ans dem Holz des Maulbeerbaumes soll man einen geäugelten Eros ma- 
chen, angethan mit der Chlamys, den rechten Fuss vorgesetzt. In den hohlen 
Klicken der Figur soll man dann xpucoOv tt^tuKov werfen, anf das man mit 
'kupfernem Griffel'') eingeritzt hat: ^apca ßouxapfle -ftvoO noi TTcipEbpoc Ka\ 
TrapacTÄTTic Kai övfipoiropnöc. Damit gehe man spät abends zum Hans der 
Liebsten, klopfe mit dem Eros au die Thtlr and spreche den Zanberspmeh. 

11. DWA 36 p. 100, 2226. Goldblättchen als Liebesamulet. 

Das Rezept weist an, i\ ys>\K,(\ Unibi die unverständlichen Zauberworte: 
Mupi jiupivEC Mox^cvujv zu sehreiben und es zu tragen Ka6opiuj[c]. Den Sinn 

1) Uier und im folgenden zitiere ich diese mit folgenden Äbkilrznngen ; 
Parthey PB I und II: Abhandlungen der Berliner Akademie, 1865, S. 120 ff. und I50ff. 

Darin die Berliner Papyri. 
DWA = Denkschriften der Wiener Akademie, philosophisch-historiBche Klasse. XXXVI 

(1888). Darin Wesaei.vs Publikation von Pariser und Londoner Papyri. 
Dieterich PLI = Fleckeis. Jb. Supplem. XVI p. 793 ff. Leydcner PapyruB J. 384. 
Abraxas =; A. Dicterich, Abraxas. Studien zur Religionsgeschichte des späteren 

Altertums. Leipaig 1891. S. 169 ff, der Leydener Papyrus J. 395. 
Eenyon = F. G. Kenyon, Oreek papyri in the British Museum. Catalogue with 

Texts. London 1893. 
Wessely, eph. gr. = K. Wessely, Epbesia Grammata. XII. Jahresbericht des k. k. 

Franz Joseph-Gymnasiums in Wien. Wien 1886. 

2) D der Papyrus; über d^^n Namen von 100 Buchstaben vgl. Heim, incan- 
tamenta magica, Fleckeia. Jb. Suppl. XIX p. 513. 

3) Kuirpliy TPiV^^i nuten in N. 17 acu cupreu. 



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Ein ^ostiBches Qoldamulet aus Qellep. 137 

dieses Zosatzee erläntern die nnten angefühlten Rezepte Nr. 16 und 17 ans 
MarceiluB, wo 'mundus' und 'observata castitate' zur Bediugang gemacht wird. 

12. Kenyon p. 122, 24; oben abgebildet S. 132 Fig. 2. Gold- oder 
Silberblättchen. 

Gegen Feinde, Ankläger, Rfittber nnd Traumbilder hilft die zu tragende 
\6.iiva xp<^ä f| dpTupä, auf die man ausser magischen Zeichen nnd Buch- 
staben die schon S. 132 Anm. 2 erwähnten Gottesnamen 'AßXavaöavaXßo, 
'AKpoMMaxaiiapEi und die 7 Vokale in Terschiedenen Grappiernngen einritzen 
soll. Von den Vokalen wird nachher des längeren die Rede sein. 

13. Kenyon p. 102, 579. Als <puXaKTr|ptov cuiMaiotpüXaE irpöc ^al^o- 
vac, np6c qjavrdcfiaxa, irpöc näcav v6cov koi ttdöoc wird empfohlen auf ein 
Blättehen von Gold, Silber oder Zinn oder auf 'hieratisches Papier"') 
Zauberworte und Gottesnamen (darunter 'Idiu) zu schreiben, einen Drachen*) und 
Zeichen (xapaKifiptc) zu setzen und mit dem Gebet zn schliessen: !iia<püXacc^ |Jou 
TÖ ciöna [xal] Tf|v H"JX^v 6XÖKXr|pov, ijioö Toö beTvo '). Das Ganze ist zu 
tragen. 

14. Eenyon p. 91, 215. Znr Gewinnung von Freundschaft und Beliebt- 
heit soll man auf ein Zinnblättchen (Tr^raXov KcAiTepivöv) die oben 
S. 132 Fig. 3 abgebildeten Namen nnd Zeichen mit ehernem Griffel ritzen 
und es tragen. 

15. Kenyon p. 99, 462. Als Liebesamulel wird ein zu rollendes Zinn- 
blättchen besonders empfohlen ((piXtpov KäXXicrov), auf das magische Zeichen, 
Bucbetaben, Namen und die Formel zu setzen sind : noiiV^aTe tftv beiva *) <pi- 
X€iv Itii. 

Ich scbliesse diese Aufzählung mit ein paar Rezepten aus dem bereits 
erwähnten Arzneibuch des Marcellus und einem aus den OepaneuTiKÖ des Ale- 
xander von Tralles. 

16. Schon S. 126 ist das Mittel ad coli dolorem erwähnt, gemäss 
dem man auf das Goldblättchen mit goldenem Griffel am 21. des Monats') 
folgende ckaracterea einritzen soll: 

AVMeKIA 

AVMeKtA 

AVMeKIA 
Welche Bedeutung dahinter stecken mag, weiss ich nicht; möglicherweise 
eine Zableuspielerei^). Ich bemerke, dass, wenn man für die einzelnen Buch- 
staben die Zahlen einsetzt (A = 30, V = 700, M = 40, = 9, K = 20, I = 
10, A = 1) und addiert, dass dann sich als Summe 810 = 9 X 90 er- 



1) Vgl. darüber Parthey PB zu 1 233. 

2) Vgl. Nr. 22. 

3) 4^ der Papyrus, 

4) 4 der Papyma. 

5) Bei abnehmendem Mond nimmt alles ab. Röscher, Selene p. 18&. 

6) Einiges darüber bei Heim, incantamenta magica p.542, Bekanntlii:li crgiebt 
die Quersumme vou aßpacnE die Zahl der Jahrestage 365. 



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138 . Max Siebonrg: 

giebt. Das Goldblättchen iet in Ziegeufell einzahflllen nnd mit einem Rie- 
men aus Ziegeoleder an den recbteu oder linken Fuss zn binden, je nach der 
Seite de« KOrpers, wo der Schmerz sitzt. Hinsichtlich der Diät wird ver- 
langt: aed dum utetur quis hoc praeligamine, absHneat venere et ne muüerem 
aut praegnantem contingat aut sepulcrum ingrediatur, omnino ohaervare debe- 
bit. Als Radikalmittel gegen Eulik wird endlich am Schlnss empfohlen, immer 
zuerst den linken Fnss zu beschuhen. Probatnm est. 

17. Marcellua p. 69, 31 (VIII, 59): Goldblättchen gegen Trief- 
fiugigkeit. 

Anf eine lameUa aurea soll man acu caprea ') schreiben opuiu oupwbt} 
nnd 68 dem Triefäugigen mit einem Faden nm den Hals hängen — quod po- 
tenter et diu ttalebit, si obuervata castitate die lunae ülud facias et ponas. 

18. Id. p. 202,22 (XX, 66) Silberblättchen gegen Magenschmera. 
Als grosses sympathetisches Mittel, remedium pkysicum') magnum, ad- 

versum dolorem, stomachi soll man in lamina argentea schreiben: Aritmaiho 
aufer dolores stomachi Uli, quem peperit illa'). Dies Bl&ttcben ist in Wolle 
Ton einem lebenden Schaf zu wickeln und am den Hals zn hängen unter Wie- 
derholung des ein^chriebenen Spruches. 

19. Alex. Trall. H p. 581*). Goldblättchen gegen Podagra. 
Darauf soll man den Homervers B 95 schreiben 

Ti7pi\xei b' äTOpl^, Ciiri b* ^CTOvaxKtTO Taio> 
nnd zwar oücnc ceX^vric ^v IvfSi, köXXiov bfe tioXü, i.&\ iv \iovT\ eöpeefj. Das« 
dem Klang der Homerverse Zauberkraft beigescbrieben ward, ist bekannt; eine 
Reihe von Belegen giebt Kenyon p. 83— 88. Das Wiesbadener Museum ent- 
hält in der Form einer Bulla einen Serpentinstein in Silberfassung mit Oese. 
Darauf steht der zuerst yon Rumpf erkannte Homervers €291 

^eiva irap' öq)6aX^äv, [X]euKOÜc b' [i]Tr^pr|C€V d[biSv]T[ac] ". 

20. Alex. Trall. II p.583. Oben S. 126. Goldblättchen als Tipo(puXaK- 
TtKÄv TiobdTpac. Der Zaubertext beginnt mit den Bezeichnungen der 12 S{em- 
bilder: fiü dpeü yt6p cpöp teOE ^ä liSiv Bi \oO XP> T^ <^^ üiv und fährt fort: tbc 
CTepeoÜTai 6 iiXtoc ^v toTc ävömoci toiItoic koI ävaKaivii^ETai koÖ' ^köctiiv fm^pav, 
OÖTUJ CT£peiiicaTE toOto tö TrXÄc^a, Ka6djc fjv tö irpiv ribti ffit], laxü xaxü *)- 
'Iboü T^P \ifai TÖ niya övofio, ^v iL äva^au6^€va cieptoÖTai \dZ älvff Ivtuv 

1) Oben in N. 10 Tpivcff Kuirplifj. 

3) <puciKdc =^ magisch schon beim Scholiast zu ATl§toph. Flut. 883, wo der Zauber- 
ring ftüKTöXioc qjuciKÖc und (papnaKl-nic heisst, Th. Weidlich, Die Sympathie in der 
antiken Litteratur (Progr. des Stuttgarter Gymnasiums 1894) p. 68. 

3) = Tiii btivi, i\ bilva. Die Bezeichnung der Herkunft mit dem Namen dcv Mntter 
ist in diesen Doltnmenten die übliche. Vgl. darüber zuletzt Wiinsch, Sethian. Ver- 
fluchongstafeln p. 64. 

4} Diese und die folgende Stelle verdanke ich Heim, incaotamenta magica 
p. 516, 152; 534, S04. 

5) IGSI. 12580, 2. Rumpf in Pleckeis. Jb. 1866 (93) p. TlGtf. 

6) BelianDte Schlnssformel der Beschwörungen als Aufforderung zur Beschleu- 
nigung. 



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Ein gnoBtlBChes Goldamulet aua Oellep. 1S9 

ep^T^ ßaivxiuiUK '), CTepeiOcaTE tö irXdc^a toGto koöiIk fjv ri npuiTOV fjbri flbrj, 
TKXÜ TOXO. 

Scblieaslicfa reibe ich noch zwei Mittel ans Marccllua an, die zwar nicht 
die Verwendang eines Ooldblättcbens roreehcn, aber doch des Materials nnd 
der BODstigen Vorscbriften wegen ftlr unsere Zwecke dienlich sind. 

21. Marc. p. 309, 6 (XXIX, 23) Goldring gegen Kolik. 
Aosdrflcklich wird verlangt, daBs der Bing von reinem Gold — holo- 

chrysua — sei, dessen Heilkraft wir oben S. 130 kennen gelernt haben. 'Vice 
gemmae^ sei daranf ein Fisch oder Delphin einzugravieren; femer soll rings 
umlaufend innen und aussen {in ambitu jvtanditatia utriuaque, id est interius 
et exterius) Graects litteris der Vei-s stehen: 

6eöc KEXcüei }xi\ xOeiv köXov kövouc. 
Wie bei Rezept Nr. 16 ist er je nach dem Sitz der Schmelzen an der 1. 
oder r. Hand zu tragen; luna auiem decrescente die lovis primum in utum 
habendut erit anulug*). 

22. Marc. p. 208, 22 (XX, 98). Ad stomacki dolorem remedium 
physicum sie: In lapide iaspide exculpe draconem^) radiatum, ut habeat 
Septem radios et claude auro et titere in eollo. 

Überschauen wir einen Augenblick, was uns diese Liste lehren kann. 
Metallblättcben mit meist griechischen Aufschriften finden sich in den rerschie- 
densten Teilen der antiken Welt als Amulet verwandt oder werden in der 
Litteratur dazu empfohlen. Das Gold ist dabei bevorzugt; von Silber sind nur 
4, 5a, 6, 8, 9, 18; als Ersatz für Gold kann es eintreten bei 12, 13, in 
letzterem Fall ist auch Zinn oder 'hieratisches Papier' zulässig. Sehen wir 
von 14, 15 des Materials wegen (Zinn) ab, so dienen blo^ 1, 10, 11 alsLie- 
besamulet. Kr. 2, 5a b, 7 enthalten blosse Gfltternamen ohne Angabe des 
Zweckes. Alle übrigen sollen Schutz vor Gefahren jeglicher Art, besonders 
vor Erankbeiten gewähren*); dabei haben 12, 16, 17 nur Dämonennamen, 
magische Zeichen nnd Buchstaben, 21 den Homervers. Ihren sanitären Zweck 
ergiebt die Einftthrung in dem Zauber- oder Rezeptbnch. Schrift nnd Sprache 
sind fast ansschlieBslicb griechisch; nur das Rezept Nr. 18 sieht Lateinisch vor. 
Die Badenweiler Tafel Nr. 6 bat lateinische Sprache in griechischer Schrift*). 
Was die Zeit anbetrifft, so werden wir da, wo sie sieh bestimmen lässt, in 
das 2. — 5. Jahrb. n. Chr. gewiesen. 1 setzt Wesaely nach der Schrift ins 
2. oder .^J. Jahrhundert, 2 und 5 gehören ins 3. Die Papyri gehören dem 3. 



1) ßaivxtuuiK vielfach vorkommender Dsmonenaame. 

2) Vgl. S. 137 Anm. 5. 

3) Vgl. Nr. 13. 

4) Augenleiden in 3, 17, Kolik in IG, 21, Magenschmerzen in 18—19, Gicbt in 
20; allgemein gehalten sind 4, 3, 13. 

5) Ebenso der Liebeszauber auf der Bleitafel von Hadrnmet bei G. Maspero, 
Bibiiotfa. Egyptol. 11 297 ff. Umgekehrt zeigt die an gleicher Stelle p. 103 behandelte 
Bleilafel mit Liebeszauber griechische Sprache, aber anfangs lateinische Schrift. Vgl. 
die Bearbeitung von Deissmaan, Bibelstudien I (Marburg 1895) p. 23 ff. 



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140 Hax Siebonrg: 

nnd 4. Jahrb. an, ihre Qaellea sind älter. Mareellas and Alexander von Tralles 
erweisen den Gebranch fttr ihre Zeit, wenn auch ihre Qnellen riel älter sind. 

Jetzt werden wir alimäblich gerüstet sein, die Interpretation des Gelleper 
Blättchens in Angriff zn nehmen. Gleich die erste Zeile, die dnrcb die GrOsse 
der Bncfastaben, dnrch ihre Stellnng anf der Arcbitravlinie and den dadurch 
bedingten horizontalen Verlauf vor den übrigen ansgezeicbnet ist, weist uns in 
die richtige Sphäre, ans der wir uns Rat zn holen haben. Sie enthält die 7 
Vokale und damit ein Hauptmysterinm der sogenannten 'Gnosis'. 

Ich verstehe darunter in der tibiichen Weise jene Glanbensform der er- 
sten christlichen Jahrhunderte, die wesentlich im Zeichen des Synkretismus 
steht und auu heidniBchen, jtldischen und christlichen Elementen ihr System, 
besser ihre Systeme aufbant. Freilich haben wir es hier nicht zn thun mit 
jenen kühnen, oft poetisch schwungvollen Spekulationen tlber Weltschfipfung 
nnd Seelenerlösung, me sie uns in den Schriften der dagegen eifernden Kir- 
chenväter oder in Kulthymncn und Belichten entgegentreten, die in dem Wnst 
der ZaubcrbUcher vergraben liegen. Das oft zitierte Wort Jakob Grimms, dass 
„der Aberglaube gewisBermassen eine Religion für den ganzen niedera Hans- 
bedarf bildet" ^), passt, wenn schon für alle Völker und Zeiten, so doch erst recht für 
diese Periode religiösen Lebens. Sie hat sich der Magie ergeben — in welch 
riesigem umfange, das haben nns erst klar jene Zauberpapyri gelehrt, die in 
den letzten Jahrzehnten aas den Gräbern Ägyptens an das Licht des heutigen 
Tages gekommen sind. Sie vor allem liefern uns die Mittel, um die noch er- 
haltenen Monumente jener gnostischen Magie zu deuten; ein Blick snf die 
bereits oben daraus vorgebrachten Stellen lässt erkennen, dass die Papyri viel- 
fach die allgemeine Formel enthalten, nach der das einzelne Denkmal gemacht 
ist. Wir branchen nicht mehr ganz in das resignierte Wort des grossen Sca- 
liger einzustimmen, der an M. Vels er schreibt: ' Amuleta ista nemo intellegit, 
nun qui facienda curavit et frustra Ulis interpretandis opera d«(ur'*). 

Gleich bei der Erklärung der Vokalreihe unserer ersten Zeile haben wir 
wobi zu berücksichtigen, dass wir es mit einem gegen den Zauber schützenden 
Instrument zn thnn haben. Die sieben Vokale*) dienen der Gnosis zur Be- 
zeichnung der sieben Himmelssphären, der Sonne, des Mondes nnd der 5 Pia- 
neten; tüiv imä dcT^piuv sagt der Leydener Papyrus (Abraxas p. 185, 118) aus- 
drücklich. A bezeichnet den Mond, e Merkur, j] Venus, i die Sonne, o Mars, 
u Juppiter, uj den Saturn. Jeder dieser sieben Planeten untersteht der Herr- 
schaft eines Geistes, des äpxu>v, deren Namen und Natur bei den verschiedenen 
Sekten wechseln. Ich führe als Beispiel eine ophitiscbe Liste hier an: 'laXba- 
ßaiüö, 'Iduj, Caßatü6, 'Abiuvatoc, 'eXiuaioc, 'Qpaioc, 'Acxovaioc. Derjenige freilieh, 
der die sieben Planetenvokale an erster Stelle auf unser Goldtäfelchen schrieb, 



1) Deutsche Mythologie II* p. 926. 

2) atiert bei Kopp, pal. crit. III p. le. 

3) Zuletzt darüber WUasch, Seth. Verfluchungstafclu p. 77 ff., wo auch Littnratur 
angegeben ist. 



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Ein gDostJacbea Ooldamvlet aas Getlep. 141 

hat sicherlich dabei nicht au die Bedeutung gedacht, die sie innerhalh der 
gnostiBch - philosophischen Spekulation Über Schöpfung und Erldeung hatten. 
Nicht daran, dass — wie der Valentiniaaer Markus gelehrt hat — der 
Klang der Vokale 'Bilder und Erzenger der Dinge auf Erden geworden aei"'), 
noch daran, dass die Seele, ehe sie zur ewigen Wonne eingehen kann, erst 
jene sieben Sphären durchdringen und dabei den Nachstellnngen der sie be- 
herrechendeo Archonten entgehen mues, ein Ziel, zu dem eben die tvüicic, 
die Kenntnis der GeiBternamen und der sie banuenden Formeln nötig ist ^). 
Nicht war es ihm eines der hfiehsten Hysterien, wie der koptischen Gnostik, 
die zu uns aus dem Buche Pistis-Sophia spricht; als die Jünger den Herrn 
nach den fJucTi^pia der verschiedenen Taufen fragen, ut KXrlpavo^lit^Ev nos 
quoque regnum tut patria, da sagt Jesus : nihü praestantius his ^1JCTrl- 
pioic qttae exploratis — etmiTi nucxiipiov Septem cpuuvüJV*), Der Schreiber 
wie der Träger unseres Amnlets hatte schützende, dienende Geister nOtig, und 
die Planetendämonen, die sie mit ihren sieben Vokalen meinen, sind ihnen das, 
genau in der Geltung, die sie in ihrem Heimatslande haben — in Bab;lonien. 
'Auf Schritt ond Tritt sah sich aoch der Babylouier von schädlichen Dämonen 
urogebeo*); an der Strasse lauem sie, die Stadt umtoben sie, ron Haue zu 
Haus ziehen sie umher; "keine Tbür schlieset sie ans, kein Riegel hält sie ab, 
durch die Thür schlüpfen sie wie eine Schlange, durch die Angel fahren sie 
wie der Wind". In jeder Krankheit sieht man ihr unheilvollee Wirken' 
n. 8. w. Gegen diese Unholde hilft nur die alles beherrschende Macht der 
sieben FlaoetengOtter und die ihren Schutz berbeirofende Magie. Aus Babylonien 
kam diese Lehre nach Ägypten und drang von da in die faellenisch-rCmisehe 
Welt. Man lese nur den Eingang der Beschwörung, durch die die Ent- 
deckung eines Diebes herbeigeführt werden soll, in einem Londoner Papyrus 
bei Kenyon p. 67, 76 ff.: ^EopKiZuj ce Kard niiv «tiuiv ÄvojidTiuv — folgen un- 
veretändliche Zauberworte — Kol Kaxö tiSv qipiKTiJöv dvofidtujv a ee iinn 
IUI 00000 uuuuuu (jjLULuujwuJuj . . . nopöboc TÖv KX^imiv. Schauder soll also 
den Dämonen fassen bei dem Klang der Vokale, die eben hier die symboli- 
schen Namen der mächtigeren Geister sind. "Es ist ja in der Magie bis heute 
eine der wichtigsten Vorstellungen geblieben, dass durch die Nennung heiliger 
Namen die Dämonen oder die Geister bezwungen werden' — ippiio-öv övofia 
ToO 6£o0'). Was freilich dazu geführt hat, die Vokale fllr die Planetengeister 
zu verwenden, inwieweit griechische Anschauungen von der SphärenhannoDie 
hier bereinspielen, das ist schwierig zu sagen und braucht uns hier nicht auf- 

1} A. Dieterich, Abraxas p. 22. 

2) W. Anz, Zur Frage nach dem Ursprung: des Gnostizismus (v. Oebhardt- 
Harnack: Texte aod tTnlersac hangen znr Geschichte der altchmtlichen Litteratur 
XV 1, 1897) S. 56 sieht darin die 'Centr allehre* des Gnostizlsmns. 

3) Pistla-Sophia ed. Schwartze-Petermann, lat. vers. p. 378. 

4) Ich zitiere hier W. Anz, der a. a. 0. p. 68 die nötigen Belege giebt. 

5) Deissmann, Bibelstndien I p.43, wo auch dos griechische Citat aas loaeph. 
Bell. lud. V 10,. 



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112 ^ Max Siebourg: 

anhalten*). Wenn Wünsch *) ihren Gebrauch 'natürlich als Griechisch' er- 
klärt, Bß werden wir doch hinzuBetzen mtlBsen, dass es hellenistische Znthat 
Ägyptens ist — wenn anders wir dem Demetrioe tt, ip^iiivEiac c. 71 Glau- 
ben schenken dürfen: ^v Al-pmTiu bi koI Aeoüc önvoGci biä xiBv iirTÖ <puj- 
VTi^vTujv o\ icp€Tc i.<p^f\c i^xoOvTCC ttÜTii, KKi ävtI aüXoO Kol dvrl Kiddpoc TÜJV 
■fpanMÖTWv toÜTUJV ö ?ixoc dKoüetai iin' eüpuivioc*). 

Den anhoiden Dämonen sind die Planetengeister forchtbar nnd dadurch 
eben den Menschen günstig. Mitunter werden sie mit den Erzengeln gleich- 
gesetzt*), und wird durch die Niederschrift der Vakale der Schatz der äpx&TT^^o' 
angemfen. Oft ist dafür zitiert die Inschrift vom Theater in Milet ''), wo auf 
ursprunglich sieben Feldern jedesmal die Anrufung &jii. <pO\aTOv t^v tiöXiv MiXt]- 
ciujv Ka\ TTdvrac loiic xaToiKoüvrac und darttber in sieben Umstelinngcn die 
Vokale aeriioinu stehen. Znsammenfaseeud heisst es dann am Schlnss: ipx&i- 
YtXoi ipuXäcccTE Tf|v TTÖXiv MiXT]Cidiv n. s. w. 

Die Bchützenden, helfenden Planetengeistor sind es also, die der Schreiber 
unseres Amulets an erster nnd herrorrageuder Stelle meiot. Er war desselben 
Glaubens, wie der jQngling bei Ammianng Marcellinus ^, dem freilich im Jahr 
371 die Bekuodintg desselben schlecht bekommen ist. Im Bad empfindet er 
Magenschmerzen, gleich wendet er das erprobte Hausmittel an: abwechselnd 
berflhrt er mit den ausgestreckten Fingern beider Hände den Marmor und seine 
Brust und sagt dabei die sieben Vokale her. Drob wird er vor das Ketzergericht 
gebracht, gefoltert und nachher enthauptet. Freilich, nicht immer sollen die 
Planetengeister nur gegen Dämonen helfen, auch zum Schadenzanber müssen 
sie ihre Dienste leihen. Zahlreich ist die Verwendung der Vokalreihen auf 
den Verflucbnngstafeln aus Rom, die Wunsch herausgegeben hat; auch die 
äpx<iTTE^<» fehlen da nicht. Sie sollen im Bunde mit den vielen andern Göt- 
tern den Jockey der Gegenpartei im OirkuB unschädlich machen oder dem 
Tode Überliefern. Wünsch hat selbst schon S. 78 bemerkt, dass mau ans der 
Anrufung der Planetengeister beim Schadenzauber nicht darauf schliessen dUrfe, 
dass die Verfertiger der Bleitafeln dabei noch eine bewnsste Vorstellung von 
der menschenfeindlichen Natur der Archonten gehabt hätten ; sie sind eben 
nur dienstbare Geister, die zu Gutem und Schlimmem helfen können. 

Mehr Schwierigkeiten bietet Kolumne 1 ; auf ein volles VerständniB werden 
wir wohl verzichten müssen. In einer brieflichen Mitteilung meint Wünsch, 
selbst zweifelnd, das X am Anfang könne X(ö-roc) bedeuten, in der Weise, wie 



1) Bandiasin, Stadien zur semitischen Beligtonsgeschichte I 316 ff. Dieterich 
Ahraxas p. 42 f. 

2) Wünsch, Seth, Verfl.-Tafeln p. 111. 

8) Wenigstens hinweisen möchte ich hier auf die merkwürdige Vorschrift, die 
in einem Londoner Papyrus, Kenyon p. 66, 24 ff., über die Aussprache der Vokale 
gegeben wird und die mir nur zum TcEl verständlich ist, 

4) So lautet eine andere ophitischo Liste der Planeten.Ärchonten Mixa'lX Coupii^X 
'Paipa^X Taßpi^X OauSaßadiS 'Epatadie OapSapailiS. W. Anz a. a. 0. p. 11. 

6) CIG. 2895 Lebas-Waddington III, 1, 218, PI. XIII, 1. 

6) XXVIIl 2^. Wünsch, Seth. Verfl. p. 78f. 



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Ein gnoetischea Ooldsmulet ans Gellep. 148 

ea am Anfang; seiner Verflnchungstafeln teils ausgeschrieben, teils in der den Pa- 
pyri gelftnfigen Abkürzung X Torkommt. Dann folgt allerdings auch die 'Rede*, 
die regelrechte Anrufung, beginnend mit ünTc bit u. s. w. Das Gelleper Blätt- 
chen kennt das nicht und hat ausserdem blosses X. Weiterhin ist man nattlr- 
lieb verencht, bei der Lautgmppe iipuicc an die i^piuec zu denken, an die ab- 
geschiedenen Geister, die der antike Seelenkult sich 'als festgehalten im 
Bereich der bewohnten Erde, im Grabe oder in dessen Nähe dauernd oder 
zeitweilig sich aufhaltend und daram den Gaben und Bitten der Ihrigen er- 
reichbar denkt' >). Sie spielen desshalb eine Rolle in den Beschwörungen. 
Angerufen werden z. B. in dem Pariser Papyrus DWA 36 p. 79, 408 die i^piuec 
ÄTuxetc, o^ ^v Tip ^ t6tii(j cvvix&iQi XniinpoiTCC, dXXoioniipoi dtiixeic oder 1443 
'EpMi) xöövie Kai 'EKd-rri xöovia Ka\ 'Ax^pujv xQ6vi€. Kai linöcpOTOi x6<Svioi Kat 6^e 
xeövie KOI j^pwec xöövioi. Diese Heroen auf dem Gelleper Amulet wiederau- 
finden ist erstens darum nicht angängig, weil die Lesung nicht feststeht, und 
zweitens, weil das Amnlet gar nichts Chthonisches enthält; wir haben es eben 
nicht mit einer Defision zu tbao. Wir werden vielmehr eines oder mehrere 
jener dunkeln Zauberworte vor uns haben, die man gewöhnlich unter dem 
schon im Altertum gelänfigen Namen '£q>^cia ypänLjiaia znsammenfassf). Der 
Name kommt nach einer Nachricht des Lexikographen Plntareb von den Worten 
her, die auf den Füssen, dem Gürtel und dem Diadem der Diana von Ephesus 
standen; als Beispiel solcher Wörter fuhrt Hesych s. v. die Liste an ocki ko- 
TttCKi Xi£ TeipoE iJtmvaMeveuc — das letzte, ein Gottesname ist uns schon 
oben S. 132 Anm. 1 begegnet. Die Verwendung solcher Zanberworte ist durch- 
aus nicht etwa blos der gnostischen Magie eigen \ sie hat ihn anderswoher Über- 
nommen. An den Ufern des Nil, wie am Gestade des schwarzen Meeres, auf griechi- 
schem wie auf italischem Boden ertönten seit Alters in Nöten und Gefahren 
solche dunkelen Worte, die ßäpßapa 6v6\iaTa, wie sie mit Vorliebe beissen. Je 
dunkler, desto kräftiger waren sie. Mit dem heilenden Klang des daris dar- 
daries asidarides oder des huat hauat huat Uta piata aista besprach der la- 
tinische Bauer sein Vieh, wenn es sich verrenkt hatte'). Wir wissen alle, 
dass dieser 'Hocns pocus' auch heute noch lebenskräftiger ist, als man es 
gerne Wort haben will. Was die Behandlung dieser Ephesia grammata betrifft, 
B<f ist klar, dass man dabei zu scheiden hat zwischen solchen, die sinnlose 
Lantgmppen darstellen — von äcr^a övÖMaxa ist bei den Alten wiederholt die 
Rede — und solchen, die irgend welche Worte und Stämme aus dem Grie- 
chischen, Hebräischen, Ägyptischen u. a. enthalten' So wird doch wohl in 
dem Gottesnamen Aa^va^veuc das Verbum bdfivrmt stecken. Freilich, wenn 



1) Rohde, Psyche p, 660. 

3) Eine ganze Sammlang ans der monnmentalen nnd der litterarischen Über- 
lieferung hat Wessely in dem 8. 136 Anm. 1 zitierten Programm vereinigt Nä- 
heres bei Dieterich FL I p. 768, Heim, incant. mag. p. 525 fr., Wünsch im CIA. 
Append. praef. p. XX. 

3) Cato de agricnlt. c. 160, zuletzt von Wessely, Wiener Studien 1898, p. 135 ff. 
behandelt. 



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144 Mftx Sieboarg: 

irgendwo, bo hat vor allem hier die ars nesciendi Geltung za beanepracben. 
So will ich denn in RQcksicht auf unsre Eolnmne 1 nnr hemerken, dass die 
Silbe \(m häufiger in den Eph. gr. vorkommt, so gleich als Schloss in der fol- 
genden Zeile Ce^ecEiXa^, in Wörtern wie XaiXafi, XafipdEvouuiö, XaMH)outip, Xa^ 
VOupT], XapMJOuutp, zu denen der Index of magical words bei Kenyon p. 261 
die Belege giebt. Ich würde also Xafitipiuc zusammenfassen. 

Besser bekaont sind wir schon mit dem seltsam klingenden Inhalt der 
beiden folgenden KolnmneD, mit CEfieceiXa^ und Cccevtem ßapqxip. Es sind 
kurz gesagt Gottesnameu. 

Der erstere ron beiden kommt in den Formen ') Ce^ecelXa^, Ce^eciXaii, Ce^e- 
coXofi, C€fiECEiXa|Jcp (Kenyon, Index mag. s. t.), CEfiEciXa^ipa, C€^EClXafi^E (Dieterich 
PLI p. 797, 25/26) 7or. Die erste Form, die auch unser Täfeltihen hat, ist 
bei weitem die vorherrBcbeude. Dass das Wort ein Dämonenname ist, kann 
z. B. scböD die Badenweiler Silbertafel lehren, auf der nach Sabaoth u. a. 
unsre beiden [C]£^EClXa^ und CricrivrEM [ßaptpapaJvTric folgen mit der anschlies- 
senden AufFordernng : servate den uud den. Aus Dieterich PH p. 797 II 25/26 
lernen wir, welche Kraft dem so benannten Gott wenigstens in einem einzelnen 
Fall beigelegt wird. Zum Zwecke eines Liebeszanbers wird er da angerufen 
mit den Worten: cü el 6 biaXOuiv xal becMCiiiuv CE^ECiXaiiTiE : er vermag zu 
lösen und zu binden. Was die Etymologie *) anbetrifft, so scheint ja sicher 
zu sein, dass er das hebräische abv «o» wiedergiebt nad 'die ewige Sonne* 
heisst. Das Wort findet sich auch auf Gemmen, welche das Bild des Sonnen- 
gottes auf seinem von vier Pferden gezogenen Wagen zeigen. Und dazu 
stimmen wOrde auch die Vorstellung in der seltsamen Kosmopoiie, die Diete- 
rich im Abrasas S. 16 fif. aus einem Leydener Papyrus hergestellt hat, jenem 
merkwürdigen Bericht, der aus dem Lachen des Schöpfers die Welt, ans seinen 
Thränen die ^fenschenseele werden lässt. Beim dritten Lachen (V. 42) entsteht der 
Noüc Kaiixuiv Kapbtav Kai dKXr|9ii 'Epjifjc, bi' ofl ^ä nävia ^leeEp^tlvtlJ£Tal ■ ?CTiv 
bk ini TLÜv (ppevLLiv, bi' ou öiKOvoniier) TÖ näv; ^KXrieri bt ctfieciXaniy. Wie aber dieser 
Hermes in jener Zeit des Synkretismus geradezu znm Sonnengott geworden ist, 
das lese man Abrazas S. 63/64. 

Etwas mehr Schwierigkeit macht der folgende Gottesname. Zunächst ist, 
wie ieb gegen Wiedemann und Kenyon*) betone, CecEVfen ßapqsaparr" 
nicht zu trennen, sondern stellt einen einzigen Namen dar, wenn auch in 
zwei Worten. Das beweisen z. B. die Papyrnsstellen, die ich gleich zur Er- 
klärung heranziehen werde. Der Uanptwert scheint allerdings dem ersten Teil 

1) Wessely £ph. gi. 18. Sicherlich sind manche Losefehler hierbei untergelau- 
fen. Parthey PB II 168 ist beielU oben S. 133 Anm. 2 aus cemociXodc in c£^ot:IXo^ 
emendiert. 

2) Wiedemann, B. J. 79 p.226. Wünsch CIA. App. praef p. XX will in dem 
zweiten Teil das g^riechische Verbum Xd^nctv wiederßnden. Das ist mir, abgesehen 
von der Misslichkelt, die die Annahme solcher hybriden Bildungen hat, schon darum 
zweifelhaft, well die bei weitem üblichste Endung -Xa^, nicht -Xa^q>, -Xa^ire ist. 

3} Wiedemann a. a. 0. p. 238; Kenyon, Index magical. 



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Ein gnostiBches Goldaraulet &tib Gellep. ' lU 

zuzukommen; denn er findet sich häufig allein in den versehiedensteii Schrei- 
bungen f C€C€TT€Mi Cecevrem dictmeM. CecevTCv, Ceicevr^aparmc (Dieterich PLI 
p. 81 1 IX, 15) Cec€v cpapavTric (oben S. 135 auf Nr. 4). Nie allein tritt dagegen 
der zweite Teil auf, an dem jedoch, wie die beiden letzten Beispiele zeigen, 
die Silbe ßap fehlen kann. Wenn Kenyon richtig gelesen hat, so hat sie bei 
ihm p. 115, 6 die Form ßop. unser Blättcben bietet bl(» ßapcpap, eine Ab- 
kfirznng, die ich noch einmal zo erkennen glaube in dem (piiXatcrripiov bei Ke- 
njon p. 94, 311: 'läuj Caßaiiüö ['Atwjvai, 'AßXavaOavoXßa, 'AKpap^axa^cipei be- 
ginnt es, dann schreibt Kenyon weiter tcevr^v ßap . . . ct(ppala\uQ n. s. w. 
In die Lücke von drei Buchetaben passt vortreffiich das (pap hinein. Gegenüber 
dem häufigen Vorkommen des ganzen Namens glaube ich freilich das ßap<pap 
zu ßap(papavTTtc ergänzen zu müssen. — Was die Bedeutung dieses D&monen- 
namenB anbetrifft, so wird ihm im PLI Dieterich p. 803, 29 die .gleiche Macht, 
wie dem Ce^ECEtXafi zuerteilt, nämlich die, von Feseeln befreien zu k{)nnen. 
£TceX6€ — heisflt es da ~ kqI XOcov töv 4 xal böc aünjj 6böv Üüboxi [CecevJTCV 
ßapcpapoTplc, ö biaXüujv irövra kqI biaXüuuv xöv nEpiKEi^evov [cibr|p]öv x^i 4, 
und zwar soll er das thnn, weil ihm gebeut 6 txifac Kai fippiiToc xat ficioc xal 
blKaioc Kol qipiKTÖc Kol icxupÄc Kai ä(p9evKTix Kai «poßepöc Kai 6KOTa(pp(SviiTOC toO 
(leTÄXou Öeoü baipuiv. In einem Pariser Papyma DWA 36, 70, 1019 wird er 
beschworen mit den Worten KceXBe, cpävriSi poi, KÜpie'), 6 ^v nvp\ Ti\v hü- 
vapiv Kai TJiv icx<Lrv l.\\uv CecevTE^ßap<papaTTr]<^- Mir ist nicht recht klar, 
was mit dieser 'Macht und Kraft im Feuer' gemeint ist. — Hinsichtlich der 
Etymologie sagtWi edemann*), dass sich Ober den ersten Teil nicht einmal 
Hypothesen aufstellen Hessen, 'in keiner der uns bekannten Eeligionen des 
Orients findet sich ein nur irgendwie anklingender GOttemame oder Titel'. 
Über den zweiten Teil sind zwar Hypothesen genug aufgestellt worden; man 
findet sie bei Wicdemann a. a. 0. und mag noch hinzunehmen, dass 
Kraus*) das auf dem Amniet oben S. 135 Nr. 4 schwerlich richtig ergänzte 
Wort cpfapäjvrnc heranzieht, das bier die Bedeutung Schlund, Gurgel haben 
soll, und daher meint, 'vielleicht hinge der Name des Dämon als Beschützer 
gegen Halskrankbeiteu damit zusammen'. Während somit ein non liquet am 
Platze ist, mOchte ich doch darauf hinweisen, dass die Silbe ßap fehlen kann. 
Kraus führt a. a. 0. p. 8 als Analogie mit Recht ßapocptra und Bepabujvät 
an, und Wiedemann denkt p. 2^8 an das ehaldäische und syrische *i3 = 
der Sohn; ich stelle aus Kenyons Index dazu Formen wie ßaötaßiiX, ßap- 
ßa6iauj. 

Für den Anfang der Kolumne 4 weiss ich wenig ßat; nur scheint mir 
die Lautgruppe cacei wiederzukehren in einem Eph. gr. des PLI Dieterieh 
p. 797, 33. Angerufen werden da alle Götter im Himmel, in der Luft, auf 
und unter der Erde, zu verleihen x^piv, *i&UT^uJcciav, tTTaq)pobic(av npöc Tiivrac 



1) M Pap. 
3) B. a. 0. p. 328. 

3} F. X. Kraus, christl. Inschriften des Rlieinlandes I p. £ 
Jftbrb. d. Vor. V. AlEerthtfr. Im BholnL 103. 



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146 * Max SIeboargi 

dvSpüJiToiK: ') Ka\ Tt&cCK. füvaixac, anf dafis sie dem Sprecher io allem nnterthan 
seien, weil er iat boOXoc toü äi^icTou Oeoü xoO kot^xovtoc töv köc^ov koI ttav- 
TOxp[c(3Topoc — folgen seine Namen ftap^apiiu6 Xaapiu>XT]6 appa cacr\ ßap 
ßva6- Das cacT] iat bei itazistiseher Ansaprache gleicb nnserm cacEt. 

Wohl bekannt ist uns der DUn folgende Gottesname BfjX, der oberste Gott 
der Babylonier, der Herr des Himmele und des Lichtes'), der Baal der Phfl- 
niker. Der letztere erscheint in voller Erkenntnis seines Wesens wiederholt in 
den BeschwSmngen der Papyri, nSmlicb als BaXcdi^nc, der B^lschamem, der 
Himmelsherr. DWA 36, 70, 1015 nimmt der Zauberer seine Gestalt au: iyih 
ei^i b TtetpuKihc Iktov oOpavoO, dvo>ia |ioi BctXcä^nc- Damit rergleiehe man 
die Nachricht des Philo tou Bybios'), die Besiedler PhSnikiens hätten bei einer 
Dürre die Hände clc oOpavöv gestreckt, Tipic töv fjXiov. ToOtov t^p Öeöv iv6- 
lifZov ^6vov odpavoO xüpiov, BeeXc&fJiiv KaXoCvrec, & fcti nagä toic 0oivi£i KÜpioc 
oöpavoO, ZeOc b^ nap' "CXXrtciv. — Anf anserm Täfelchen hat der BfiX den Zu- 
satz cap c^i; das ist, wie man mir sagt, phönikiscb und heisst 'Herr mein« 
Namens'. 

'\&ai eröffnet Kolumne 5, der weitaus am häufigsten in der Magie ge- 
brauchte Gottesuame; kaum in einer der zahlreichen Listen, die die Beschwö- 
rungen in den Papyri enthalten, fehlt er, auf Gemmen, Bingen, Plomben und 
Nägeln, die der Abwehr des Zaubers dienen, erscheint sein Name. In einer 
bekannten Abhandlung hat Bandissin*) nachgewiesen, — gegenüber 
früheren Anschauungen, die in lao den weinfrohen Dionysos sahen, dem das 
EÜoi erschallt — dass 'iduj Jahwe, den Gott der Juden bezeichnet, dass es 
nnbestreitbar das hebräische Tetragramm mn-- wiedergeben will. Man lese nur 
die Worte des Diodor^), wo er von den grossen Gesetzgebern and ihrer gött- 
lichen Legitimation spricht: napä }iiv f^ rok 'Apiavoic ZaepaücTT^v IcropoOci 
TÖV dfxiBöv bal|iova Trpocnoii'icaceai toöc vöhouc oiüti^ bibövai .... irapd hk 
Tok 'loxjöaioic Miuucfiv töv 'löiu^) ^TnKaXoüfiEvov eetSv. — 'Idw ist übrigens 
nicht die einzige, rein vokalische Wiedergabe des Tetragramms ; die verschie- 
denen Formen, die bereits Bandissin zosammengestellt hatte, sind von 
Deissmann, Bibelstudien I p. Iff. ans dem inzwiecfaen bedeutend vermehrten 
Papyrimaterial belegt worden. Mit Recht bemerkt er p. 13, dass die mannig- 
faltigen vokalischen Transskriptionen für die Ermittelung seiner Aussprache nur 
geringe Bedeutung haben. Besondern Wert legt er auf die gleichfalls in der 
Zauberlitteratur belegte konsonantisehe Transskription 'laße, in der er 
die Aussprache der samaritaniscben Juden erkennt und' auf die ich gleich unten 
zurückkommen mnss. Wenn in dem Londoner Papyrus bei Kenyon p. 66,26 

1) dv9pujico; = äv^p bereits oben S. 1S4 in N. 1. 

2) RoBchers Lexikon s. v. 
8) FHG. III 566. 

4) Stadien zur semitischeD Religionsgescbichte I 161 ff. 
6) 1 94, 2. 

6} Cod. D hat richtig idui, trotzdem schreibt F. Vogel In der TenbnerBchen 
Ausgabe 'IoUj. 



dbyGoot^le 



Ein gnostisches Goldsmulet kus Gellep. 14T 

^ .VorBchrift gegeben wird; xö fäüj solle maii Tfl. <i^pi. o^pav<^ sagen, so wird 
das m. E. klar ao8 der SchildeniDg des PLI Dietench p. 808 VII 32: zitiert 
wird du it TmvroKpdTiup Ocdc, utd von ihm gesagt, dass odpav6c niv K.e(f>a\f\, 
a\&f\p (= &f\f)) t^ cüi|iCt, T^l TTÖbec, ii> t>k nepi^ui^n diKeavdc. ' Mit dem waiir 
demden Volk der Jndeu ist sein Jahwe nach Ägypten gekommen, da hat er 
wobl sein griechisches QewaQd erhalten und ron dort seinen Zag in die helle- 
Diflch-römische Welt gemaebt. Ans Ägypten hat ihn auch die Gnosts'), ohne 
dwa er etwa immer das höchste Wesen bezeichnete. Bei den Ophiten igt er 
z. B. einer der Planetendämonen *), nnd auf anserm Täfelchen, wo er, wie in 
so manchen Zaubersprüchen der Papyri, mitten unter anderen Namen steht, 
wird er nar als schfltzender, hilfskräftiger Geist anzusehen sein. 

' Hinter den nnn folgenden Vokalgrnppen eiiou laeu darf miui keinen be- 
sonderen Sinn suchen. Bei der grossen, oben erklärten Bedeutung, den die 
sieben Vokale in der Hagle gehabt haben, ist ihre massenhafte Verwendung 
begreiflieb, und fast auf jeder Seite der Papyri finden eie sich in allen nur 
deidtbaren Permntationen als Zauberworte gebraucht Uip d^ anschaulich zu 
machen, setze ich das sebon von Deissmann') als instruktiv verwandte 
Beispiel aus Abrasas 200, 8 her: ^TiiKaXoCpai ce iueuo iuaciiiaw oer) aieriari 
louujeu leou ar)uitit tuniiari luwu tio^r) ui^a luiiuKti tuiat uii] e€ ou tu)t au>, tö )iiya 
6voyka. Wer das einmal abgeschrieben hat, wird begreifen, wieviel Fehler erst 
unsere Papyri in diesen Dingen enthalten mOgen. 

Nur weniges weiss i<;|i zur Erklärung der folgenden Kolumne beizubringen, 
die das Wort ravxouxiöacc enthält; an zwei Stellen der Papyri finde ich sie 
wieder. Kenyon p. 99, 478fr. giebt einen Liebeszauber, der im einzelnen 
wenig klar ist und sicher der Emendation bedarf; jedenfalls ist da die Bede 
von' einem Thun im Auftrage einer Gottheit: ^Troiiica kot' ^mTaffiv: iravxouxi: 
6accou: dtp' oÖ ^TIlTacc:6^EV0<: TiOir|Ctic*) u. s. w. Der Papyrus scheint also 
hier den Namen zu teilen in iravxoux» : öaccou, In etwas anderer Form ent- 
halt denselben Namen der Leydener Papyrus W 21 a 1 ') mitten anter einem 
Schwall meist unverständlicher Worte. Zuerst nennt er töv "HXiov fiiyay 
d^voov ä(p9apTov, dann nach einigen Vokalspielereien und anderm den CcfiEci- 
XofKjja, im weiteren Verlauf erschallt sogar der Ruf ^lövuce ^dxap eOie, spä- 
terhin folgt die Form Travxoxixac oue. Ich halte es im Hinblick auf die eben 
angefahrte Stelle nicht fUr zufällig, dass auf das ac wieder ou folgt. Die Ab- 
weichungen dieser Form machen keine 'Schwierigkeiten; zum Wechsel von o 
und ou verweise ich auf PLI Dieterich ind. gramm. p. 820, der Ersatz der 
Aspirata durch die Tennis ist grade dem ägyptischen Griechisch ganz geläufig. 
Ich lese also auch auf ut^rer Tafel iTavxouxi^<KC(ou) in Erinnerung an ^ie am 
Ende gleichfalls abgekürzte Kolumne 3. Zum Verständnis der Bildung und 

1) NSIieres bei Bandfssin a. a. 0. p. 188. 

2) Orlg.,c. Cels. VI 31. 

3) Bibelstadlen p. 12 Aum. 1. 

4) Kenyon: ttoiiic eic. 

5) Weasely, Eph. gt. 36. 



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14d Max Siebonrg: 

Heimat des Kamena bemerke ich, dass die Änweieung bei Wessely Eph. gr. 
397 das Zanberwort öaXaa fie^apa x^X'^ giebt, dasB Xoüxiu^) neben 'laXtKißaiiie 
in den koptischen Bflchem Jen der Archont des dritten Aion ist, den die Seele 
auf ihrem Aufstieg zur Seligkeit zn paaaieren hat. Endlieh ist') 'pa-n der 
ägyptische Attribntiv-Artikel masc. sing, und bedeutet "der (pa) des bez. der 
(n)"; dann folgt ein Gottes- oder Gottinnenname. So gebildete Namen sind 
bis in späte Zeit bioein häufig; der Karoensträger wird durch das Praefix 
in nahe Verbmdnng za dem Gotte gestellt". Das seheint mir nicht auszu- 
schlieasen, dass in nnserm Wort ein ägyptischer Dämooenname eteekt für einen 
Geist, der einem andern unterthan ist. Jedenfalls — nnd das ist immerhin 
wichtig genug — werden wir nach Ägypten gewiesen*). 

Nach Ägypten weist uns auch wieder die folgende Kolumne, soweit sie 
verständlich ist. In Cöiö sehe ich eine abgekürzte Form fflr CdWic und ver- 
gleiche die Form Oöcip, in der Osiris erscheint in dem Zauberrezept zum 
Unsichtbarwerden bei Parthey PB I 251, Der Tbeurg giebt sich da wieder ~ 
diesmal mit dem ägyptischen ProD. personale abaolntum der 1. Person qvok — 
als den Gott ans : dvoK 'Avoun, civoK Oöctp <t>pf|. Auf den setfaianischen Ver- 
flachnngstafeln ans Eom ist der Vokativ MvcO die regelmässige Form, in der 
der heilige Stier MvcOic erscheint*). Die Fq/rm Ciädi steht in der Anmfbng an 
die Kupia *kt bei Kenyon p. 100, 495: *ki CiMi, wie auch sonst (Horap. 1 3) 
Isis mit dem Sothis-Steme, dem Sirius, der in der ägyptischen Chronologie 
eine grosse Rolle spielte, in Verbindung gebracht yird '). 

Nun folgt der alte ägyptische Sonnengott Ra in der koptischen Namens- 
form <t>pf), der vielfach in der Zanberlitteratnr verwandt wird. In voller Er- 
kenntnis seines Wesens steht er z. B. in dem Rezept, das für alles gut ist, 4er 
'ApKTitrfi irövra noioOca DWA 36 p. 77, 1280: indKoucöv noi, "HXie <t>pf\, [tov 
lepov] ö TÖ SXa cuv^xiuv kqI JCujotovüiv t6v Cb^T^avTa k6cjiov. So erhält denn 
auch Osiris im Eingangsgebet der meisten Verflnehnngstafeln aus Rom ausser 
den Beinamen seiner beiden heiligen Stiere 'Attic und Mveüic den Zusatz <t>pf|: 
€OXä^u)v KÖTexc Oücipi 'Am Mv€Ö *pfl*). Als b h^T'Ctoc baE^wv erscheint er 
in der DämonenliBte bei Kenyon p. 76, 351, der also schreibt: (pöeuö . euwppTi 
o ^efiCTOc bal^u}v ] mw caßawO n. s. w. Das offenbar als Glosse zugesetzte 
5 n^T'CToc baijiujv ziehe ich zu <t>pf|, nicht zu "liw, weil dies eine neue Zeile 
beginnt und die Erklärung doch nicht vorangeht. 



1) W. Anz a. a. 0. S. 27. 

2) Nacb freundlicher Mitteilung Wiedemanns. 

3) A. Dieterich deiikt nach einei brieflichen Mitteilung Wünechs an den 
oft g^brftnchCen, offenbar viel geltenden Oottean amen ßaivxuiwxi dem stellt, abgesehen 
von lautlichen Schwierigkeiten (ai statt a) die oben dargelegte ZnaamtnensetKnng des 
Wortes mit itav entgegen. . 

4) Wünsch p. 82. 

ß) Mitteilung Wiedemanns. 
6) Wünsch p. 83. 



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Ein gDDStfBcbee Goldamnlet ans Gellep. 149 

Der Rest der Kolumne ist mir nicht Terst&ndlicti*, ich wage nicht, den 
AnfangBbnchBtabeD der folgenden Eolninne hinzuzuziehen and navciuö zu 
lesen, etwa gestutzt auf das 8. 146 Aber das Präfix ttov- Gesagte. Gleich dunkel 
ist mir Kolumne 8. Doch will ich zwei Dinge nicht yersebweigen. Deiss- 
m a n n ^) ftthrt unter den Korruptionen der kouBonantischen Transskription 'laße 
auch die häufiger sich findende Schreibung laßa an, femer laßouvrt und laßoux; 
vielleicht stellt auch der Schlnss unserer Kolumne laßau eine solche Kormp- 
tel dar. Der CmstEDd, dass 'läiu bereits vorangegangen igt, würde kein Hindernis 
bilden. Andererseits wird anch das Wort ßau in Beschworungen verwandt. 
Kenyon p. 96, 377; tEop^Hw ce, XOxve, xatii rflc ^nTpöc cou 'EcTiac }xr\- 
paXXi^X ß') Ka\ xarä toü naTpöc cou 'HqiaEcTou ^eXißou fieXi ßou ^eXtßau ^au . . .; 
bald darauf sagt der Zauberer von sich: ifit T^P eImi M^^'ßc'u peXtßau (leXt- 
ßau ß[au . . . Jedenfalls bildet also hier die Silbe ßau den Bestandteil eines 
Dämonennamens. 

Das Wort der letzten Kolumne (t>euKOu0 mutet mit seiner Endung auch 
ägyptisch an. Es scheint mir wiederzukehren im Anfang des Wettersegens, 
der auf einer Bronzetafel des Unseums von Avignon steht und von FrOhoer 
im Philologns Snppl. V S. 45 ediert ist. 

06OXOYA€PKYui0 | aXiuriv ou^i HuivlOei Xnoc Tp^ipov £k | toutou toü 
Xuipiou I TTäcav x<^^aZ^av ical | irctcov vitpäbov") K|al jka ßXäTrret xüipa | K^Xeue 
6eöc uiajiou. | 6a xat cü cuv^pfei 'Aß|pacd£ 'lär| Iduj. 

Die beiden durchkreuzten Kreise am Anfang und Ende der 1. Zeile 
sind msgieche Zeichen. Zum Fehlen des <t> vergleiche ich hei K e d y o n p. 72, 
239/40 die Formen 6 ipvouvoxöovioc f| ol vouvoxöovioi, wo in der Anmerkung 
das als der ägypt. Artikel des Masc. erklärt wird. 

Überschauen wir jetzt einen Augenblick, was uns die Inschrift unseres 
Goldblättchens gelehrt hat. Was wir verstehen kSnnea, sind GottesDamen: 
Semiten und Ägypter haben dazu beigesteuert, der Grieche seine Schrift ge- 
geben. An hervorragender Stelle sind die Planetengeister Babyloniens genannt, 
in dem gnostischen Qewaade der Vokalreihe, die auch Kolumne 5 beherrscht. 
Verwandter Herkunft ist der Belsarsmi. Von den Juden kommt Jahwe als 
Idiu, und ihre Sprache klingt jedenfalls in dem Nunen Semesilam wieder. Vor 
allem werden wir nach Ägypten geführt: PhrS, Sothis, TTavxouxiöacc <t>eujcou6 
weisen uns in das Land des Nil, zu dem klassischen Boden der Magie und 
des Synkretismus. Bedenken wir femer, dass unser Amulet dem 3. Jahrb. 
n. Chr. entstammt, so wird es uns nicht nnbedeutsam sein, dass gerade bei den 
koptischen Gnostikem das Mysterium der sieben Vokale zu den unumgänglich 
notwendigen gehört*) — hier stehen sie an hervorragender Stelle, in grösserer 
Schrift. 

1) Bibelstudien I p. 16/17. 

2) = 6lc. 

3) Pröhner viipaXav. Beispiele fOr den metaplast. ÄkknBativ PLI Dieterich, 
Ind. p. 825. 

4) W. Ans a. a. O. p. 30. 



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150 Max Siebonrg: 

Nnr Namen enthält das Amulett kein Verbnin, kein Satz verrät seinen 
Zweck. Darin gleicht es also völlig den oben S. 139 angefdfarten Beispielen. 
Efl wird den Träger oder die Trägerin Tor Qefahren jeder Art haben schützen 
Bollen. Wenn Paust sagt: 

Name ist Baach and Schall, 
Umnebelnd Himmelegint, 
so ist die Anschauung, die unser Amnlet und die ähnlicheD beherrscht, grade 
entgegengesetzt. Der blosse Name Gottes ist tou grösster Kraft und Wirk- 
samkeit, vor ihm schaudern die bösen Geister'). Besonders dem Ägypter war 
die Bedeutung der Namen lebendig*), sie sind ihm so wirklich wie das Indi- 
viduum selbst. Und spricht nicht die gleiche Vorstellung aus nuserm BeU 
sarsmi, wenn andere, es 'Herr meines Namens' heisst? Wer d^i Namen 
kannte, besass damit die Herrschaft Ober das Wesen und konnte es verwenden 
nach Belieben. Die Hauptkuust der Magier bestand ebeu in der Kenntnis der 
Namen, durch die die Gfltter zur Dienstleistung gezwungen werden. Das ist 
ihre 'fvij&cic'. Damm durfte aber auch an diesen zauberkrflftigen Worten nichts 
geändert werden, sonst verlieren sie ihre Wirksamkeit, und es geht einem, wie 
dem Goethiscben Zauberlehrling, der 'das Wort vergessen hat''). Wenn unser 
Amulet Pbönikisch, Ägyptisch und Hebräisch beibehält, so entspricht das der 
Ansieht, die wir bei Origenes*) finden, dass nämlich eine Übersetzung die Wir- 
kung vereiteln würde: (övönaia) liCTaXajjßavöiaeva tlc ä\\r\v biiiXeKTov, tä rc- 
«pUKÖTO bijvacöai, ^v t^ beivt biaX^icru) oOk^ti dvüei ti, Jk i^vucev ^v lafc ol- 
Keiaic (pwvaTc. Dabei haben der Verfasser wie der Besitzer unseres Amu- 
leta schwerlich gewusst, was denn jene Namen bedenteten; so wenig, wie 
heute der schlichte Mann, der den hl. Viktor um seine Fürbitte bei Gott angeht, 
weiss, dass Viktor der Sieger heisst. Auch die Isisdiener am Rhein haben 
keine Kenntnis von der wirklichen Bedeutung der von ihnen verehrten Dinge 
gehabt ^). 

Leicht erklärlich ist endlieh die Verwendung der griechischen Schrift; 
sie begreift sich, wenn unser Amnlet ägyptischer Herknnft ist. In Ägypten 
flössen die Religionen des -Orients zusammen, dort eignete sie sich der Helle- 
nismus an und verbreitete sie. Hier erwnehs die kosmogonische Spekulation 
der hühern Gnosis und biflhte die schwarze Kunst der Magie. Hier sprach man 
griechisch und gab, was man hatte, auch in dieser Form der römischen Welt 
weiter. Aus der Herkunft der AronJete erklärt sich also die vornehmliche 
Verwendung der griechischen Sprache, auf die schon oben hingewiesen wurde; 
es ist nicht nötig, darin noch eine besondere Bedeutung zu suchen. Dagegen 

1) Deisamann a. a. 0. p. 12. 

2) Nach G. Maspero, Bibl. Egyptol. II S. 29Ö: CoUectious du Muböo Alaoui 
p. 64/65; Wiedemann, Le Mus6oq XV^p. 49 ff. 

8) Usener, Götternamen p. 336, Anm. 10, erinnert in treffender Weise an das 
Mlirthen vom Simeliberg. 

4) c. Geis. V 46. 

5) Wiedemann, B. J. 78 p. 89. 



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Ein gnosÜBcheB Goldamolet aus OeUep. Ul 

ist m. E. eine andere Änsserliehkeit an nnserm Amalet nicht ohne Absicht 
Die sieben Vokale stehen Ober dem Ganzen; 9=3X3 vertikale Kolnmnen 
folgen, 7 davon stehen in der eingerahmten Nische. Das Wort des rechten 
Pilasters <t>euKoue enthält 7 Bnchetaben, der linke scheint ihrer 9 za tragen. 
Bekannt iet es, welche groese Holle die Zahlenmystik in aller Magie gespielt 
hat nnd noch spielt. Grade 7 ist die heiligste Zahl und in ihrer Zaaberver- 
wendnng sicher ans Babylonien gekommen. 

Darf nnser Amniet schon wegen seines werthYoUen Materials nnd der 
Seltenheit griechischer Inschriften am Rhein Beachtung beanspruchen, so ver- 
dient es diese in besonderem Masse wegen der religiösen Anschauung, die ans 
diesem Denkmal des 3. Jahrb. n. Chr. spricht. Bü in diese Zeit hinein haben 
sonst der nbische Bauer wie der sesshaft gewordene rSmische Veteran oder 
Kaufmann mit Vorliebe zu den beimischen Schatzgottheiten, den Matronen ge- 
betet und um ihren Segen für Feld nnd Flur, Haus nnd Hof, 'fflr sieh und 
die Ihrigen' gefleht. Ich erinnere nur an die schönen Votivsteine der Matrortae 
Octocannae^), die eine halbe Stunde von Geliep entfernt auf dem Gat Grips- 
wald bei Ossnm gefunden worden sind und jetzt zum Teil im Bonner Frovinzial- 
musenm stehen. Freilich war bei diesem Kult auch schon ein gut Teil Synkre- 
tismus wirksam gewesen ; in römischem Gewände nach Sprache nnd Verehmngs- 
weise erscheinen uns die schfitzenden drei Mfltter der .Kelten und Germanen, 
mit dem Beiwort Äugustae sind sie in den grossen Kreis der römischen Ge- 
nien aufgenommen und assimiliert worden'). Aber hier, auf dem Gelleper 
Amulet, treten uns die fremdartig klingenden Namen des Orients entgegen; 
die Götter der Juden, Babylonier, Phöniker und Ägypter sollen im Dienste 
der Magie dem Menschen helfen nnd ihn schützen vor jeglicher Fahrnis. Daes 
die gewaltige Bewegung der Geister, die wir unter dem Namen 'Gnosis* be- 
greifen und die gerade im 3. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichte, auch an 
den Rhein gedrungen ist, das wnssten wir bisher — abgesehen von den Abraxas- 
gemmen, deren Herkunft oft zweifelhaft ist — einzig und allein aus dem Silber- 
täfelchen von Badenweiler ; ihm stellt sieh jetzt ab zweites gewichtiges Zeugnis 
das Goldamulet ans Geliep zur Seite. Bei diesem vereinzelten Vorkommen ist 
es nicht mtlseig, sich die Fragen vorzulegen: Wie ist es an den Niederrhein 
gekommen? Wer hat es getragen? Berechtigt es zu weitergehenden Scblüseen? 

Die alternde Welt des griechisch-römischen Heidentums hatte sich längst 
von den lichtumflossenen Bewohnern des Olympas abgewandt und fand auch 
in dem Rationalismus kein Genüge mehr. Die Sehnsncht der kranken Herzen 
nach Erlösung, nach einem neuen Heil suchte Befriedigang in der Mystik und 
Magie. Nicht vergessen darf man dabei, dase die drei ersten christlichen 
Jahrhunderte eine Periode hoher materieller BlQte darstellen. Unter dem fried- 
vollen, staatsklngen Regiment der römischen Cäsaren wuchs der Wohlstand 
und damit auch die Werthsohätzung der materiellen Gflter, die Bucht nach Ge- 



1) B. J. 83 Nr. 821-327. 

2) Siebonrg, Westd. Zeitschrift VII p. 100, 105. 



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152 Max SIebourg: 

nuaa und mOhelosem Erwerb der Mittel. Wer konnte sie besser gew&hren, aU 
die Zatiberknnat, die die Götter aller Volker zn ihrem Dienst zwang nnd sie 
beBchafFen lieaa, was gut ist: l\uf[V, iifitmy, ciu-nipiav, ttXoötov, evTtKviav, ^vriMtiv, 
xäpiv, MOpq))iv, KäXXo^ ktX.*). So begegnen sieb materieller Sinn and mystisches 
Bedärfnis in der Wertschätzung der Magie. Die Kaiser auf dem Throne, wie 
Hadrian and Mark Anrel, der epeknlierende Philosoph wie der gemeine Mann 
— sie alle haben ihr gebaldigt. Sie ist für ganze Gemeinden, namentlicb .in 
ihrem Heimatalande Ägypten, der Mittelpnnkt gewesen. In den Papyri haben 
wir noch ihre heiligen Lieder und CeremoDien — des Zanbers voll. Der rö- 
mische Soldat und in seinem Gefolge der fahrende Händler nnd Kaufmann, 
die tiberall die Pioniere der antiken Kultur gewesen sind, haben sie nach dem 
Westen gebracht: in Italien, Spanien und Gallien, an Donan und Rhein finden 
wir ihre Dokumente. Die Person — wohl sicber eine Frau — , die das Gelleper 
Goldamulet getragen bat und schon des Materials wegen nicht arm gewesen 
sein kann, mag aus Ägypten bergekominen sein, als das Weib eines Soldaten, 
oder der jüdische Händler bat es ibr gebracht. Jedenfalls bat die Trägerin — das 
ist mir sieher — nicht selbst die Buchstaben eingeritzt, etwa nach der Vorschrift 
eines Zauborbuches. Solche Dinge sind gewerbsmässig bergcstellt worden, so gut 
wie es heutzutage Industrie und Handel in Derotionalien und ähnlichen Sachen 
gibt. Wie das Amulet die Besitzerin im Leben ror aller Gefahr beschützt hatte, 
so ward es ibr auch im Grabe belassen; denn auf der weiteren Fahrt bedurfte 
sie erst recht des Schutzes. 

Der Gelleper Fund zusammen mit dem Badenweiler berechtigt uns natUi^ 
lieh durchaus nicht dazu, etwa auf das Bestehen von magisch-gnostischen Gi- 
meinden am Rhein zu scbliessen; dafOr ist er zu vereinzelt, wenn ich andrer- 
seits auch überzeugt bin, dase die Zeagnisae jenes Glaubens sieh bei grösserer 
An&nerksamkeit vermehren werden, und doch hat er eine gi-osse religions- 
geschichtliche Bedeutung. Das Blättchen entstammt dem 3. Jahrh. d. Chr., 
Jahwe erscheint auf ihm im Verein mit babylonischen, pbCnikischen und ägyp- 
tischen Göttern. Von Christlichem nicht die Spur, und so bestätigt sich abermals die 
Beobachtung Bandissius '), dass auf keinem der Amulete mit dem Namen 'läuj «in 
christlicberAusdrack oder ein cbristlicbesSymbol steht; dass auch dasBegensburger 
Amulet dazu stimmt, haben wir oben S. 135 Nr. 5 gegenüber dem Schwanken 
Ebners besonders betont. Also nichts Christliches, sondern eine Mischung von 
Jüdischem und Heidnischem stellt jene magiecbe Gnostlk dar: die Gnosttker 
sind eben 'nrsprUng^lieh nichts weniger als ckristltcbe Sektirer gewesen, sondern 
von heidnischen Goeten ausgegangen' '). Aber mögen die Kirchenväter noch 
so sehr gegen die gottlosen Bräuche dieses Aberglaubens eifern, er war nötig, 
um dem Christentum den Boden zu bereiten. Indem der herrschende Synkre- 
tismus alle möglichen Götter, mit Vorliebe die der Semiten und Ägypter, heran- 



1) Abraxaa p. 151. 

2) a. a. 0. I 187. 

3) A. Dieterich, Abraxas p. 148. 



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Ein gnoBtischeB Goldamulet aoB Gellep. ICiS 

zog:, mnaste der Gedanke eich Bahn brechen, daae das alles doch nar ver- 
Bchiedene Kamen and Auffassungsformen ein und desselben Wesens seien. Nicht 
unerwähnt will ich lassen, dass in 4>pfi, Bf^X nnd Ze^cceiXati nnsrer Tafel der 
Sonnengott erscheint, er, der als Mitfaras viele Verehrer anch hier am Rhein 
hatte und in dem die grfissten GOtter der Völker zusammenflössen: Zeus und 
Sarapis, Osiris und Dionysos ')• Mithras- und Isiekult haben im Verein mit 
dem Synkretismus der gnostischen Maggie auch hier am Rhein den Weg bereitet, 
auf dem christlicher Monotheismus uoä christliehe Gesinnung einzogen. Dass 
unser Gelleper Amulet ein wenn auch nur vereinzeltes Zeugnis aus dieser Pe- 
riode des Übergangs ist, darin liegt seine besondere Bedeutung. 

1) Vgl. z.B. Kenyon p.65,4ff.: "EtriKoXoOjial C€, ZiO "HXie MWpa Cdpaiti dvlKTi«. 
Oben S. 147 erschienen Helioe und Dionysos. 



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Fundbericht Über die Reste der „Porta-Paphia" bei Niederlegung 
derselben im Dezember 1897. 



Sladtbaurat Stenentag«! 
in Köln. 

(Hierzu Tftf. VIII and 9 TextÜguren.) 

Die Stadtverordneten -Veraammlnng ron Köln hatte die Mittel bewilligt, 
am TOr der bescblossenen Beseitigung der Porta-Paphia die Mauerreate einer 
wiasenscba^ichen Untereucliang za nnterxiehen. Die bierzn Torgenommenen 
Anfgrabongen mneeten sicli, am den Strassenverkehr nicht zn stören, anf den 
östlich von der Strasse Unter Fettenhennen gelegenen Teil des Thores, anf 
den östlichen Seitendarchgang und den Eokthurm mit Anechlass an die römische 
Stadtmauer beschränken. Mit Bezugnabme auf den Plan (Taf. VlII) and die 
im Texte wiedergegebenen Abbildungen ist aber den Fand wie folgt zu be- 
richten : 

Wenn nach der Sachlage auch von vorneherein kanm weitgehendere Er- 
gänzungen der früheren Forschungen (Colonia Agrippinensis von Schnitze 
und Stenernagel, Bonner Jahrb. Heft 98} erwartet werden durften, so sind 
doch noch einige immerhin interessante neaere Ergebnisse erzielt worden. In 
erster Linie wurden die gewaltigen Fundamente, welche das aufgehende Mauer- 
werk des Thnrmes getragen haben, anf grössere Länge and in ganzer Tiefe 
freigelegt (vgl. Taf. VIII). Es zeigte sich dabei, daes sie etwa 1,45 m hoch 
sind, eine aufTallende Breite haben im Verhältnis zur Starke des aufgebenden 
Hauerwerks, und dass sie den ganzen östlichen Seitendnrchgang des Thores auf 
ganze Breite desselben unterfangen. An der nördlichen Aussenseite des Thnrmes 
sind diese Fundamente (Schnitt a b) 2,40 m oder etwa 8 römische Fnss stark 
und springen nach innen etwa 0,70 m und nach ansäen 0,52 m vor das auf- 
gehende Mauerwerk vor. An der Ostseite (Schnitt c d) betrug die Fundament- 
breite 2,62 m, die Vorsprünge 0,39 m und 1,05 m, während an der 2,75 m 
starken Westfront der äussere Vorsprang 1,57 m beträgt und der innere Vor- 
sprung ganz fehlt. Die innere Manerfläche der Westfront ist sehr anregel- 
mässig geniaaert nnd bat nach unten einen schwachen Anzug. Au der Süd- 
seite des Thunnea wnrde der äussere Fnndamentansatz am Anschluss an die 



Djgiijzedby VjOOQIC 



Fuudberlcht ttber d. Rest« der „PortvPaphla* bei Kiederlegung dere. Im Dez. 1897. 1&5 

Westfront za 1,01 m gemessen, ob ein innerer Vorsprang vorlmndeD war, konote 
hier nicht festgestellt werden. An der Nordfront des eigeotlichen Thorhanes 
tritt du Fundament 1,20 m vor das aufgehende Mauerwerk vor. Die Fnnda- 
mentsohle, welche etwa 60 — 80 em in den gewachsenen Lehm eingeschnitten 
ist, liegt im Mittel auf +13,6ö m Kfliner Peg6l, die obere Fläche der Ansätze, 
die Oberall mit Mörtel glatt abgeglichen ist, Hegt anf +15,10 m. Letztere 
bildet in) Seitendnrchgang des Thores gleichzeitig die feste Unterlage ftlr den 
Fneeweg und ist daselbst kein besonderer Betonbelag rorhanden. Das auf- 
gehende Thfirmmanerwerk, das fast ganz seiner äusseren Bekleidung beraubt 
war, stand an dem vorderen Teile der Ostfront, der ganzen Nordiront Und dem 
vorderen Teile der Westfront noch bis zu 1,42 m hoch an, bis zar Hohe der 
ersten Ziegeldurchscbasssohicht des Thores. Es hat einschliesslich der etwa 
28- am starken Verblendung .eine Stärke von 1,18 m oder 3 römischen Fnss 
nnd zeigt anf der Innenseite fiberall Verputz. Der Übergang vom Fundament 
znm aufgebenden Mauerwerk wird durch einen einfach profilierten Sockelquader 
(vgl. Taf. VIII) vermittelt, welcher 0,28 m in das Mauerwerk einbindet und 
an der östlichen Thorseite, am Anschlnss an die Stadtmauer, wie bereits früher 
festgestellt wurde, noch auf eine Länge von 1,76 m erhallen ist. Bei dem 
Torhandeoen guten Bangmnd nnd der vergleichsweise massigen Stärke des 
ansehenden Mauerwerks ist die grosse Breite des Grundmauerwerks nnd der 
Fnndamentansätze dahin zu erklären, dass sie ein Unterminieren des Thores 
durch den Feind erschweren sollte. Im übrigen zeigen Form nnd Stärke der 
Fundiemng Ähnlichkeit mit derjenigen der porta nigra zu Trier, wenn auch 
daselbst ein äusserer Vorsprang des Grundmauerwerks nicht festgestellt wor- 
den ist. Es seheint daher die beschriebene Fundiemngsart flblich gewesen zu 
sein. Die lichte Weite des Thnrmes wurde zu 5,30 m and die Tiefe desselben 
zu 4,84'm bestimmt. Auffallend erscheint, dass das Fundament der östlichen 
Thnrmfi'ont sädlicfa etwa 1 m aber dasjenige der Stidfront, wie solches am 
Westende festgestellt wurde, hinansgeht. Leider konnten an dieser Stelle 
weitere Aufgrabungen zur Aufklärung dieser Unregelmässigkeit nicht statt- 
finden. 

Anschliesaend an das Fundamentmauerwerk, nur etww tiefer als die obere 
Fläche desselben (Schnitt a b und c d), fand sich an der Nordseite ein etwa 
30 cm starker Kalkbeton von ungleicher Breite und nach Aussen zerstört; oh 
derselbe als Fasssteig gedient oder etwa ebenfalls ein Unterminieren des Thor- 
mauerwerks erschweren sollte, mag dahin gestellt bleiben. Vor dem Thor- 
eingang zeigte sich dieser Beton noch auf mehrere Meter Breite erhalten. 

Mit Rficksicht auf die Veröffentlichung von Raschdorff im 37. Bande 
der Bonner Jahrbücher, wonach er beim Neubau des Hotel St. Paul die Fun- 
damentreste eines runden Thurmes zu erkennen glaubte, mnsste die Frage er- 
neut auffauchen, ob das Thor etwa später als die Stadtmauer errichtet, die 
Stadtmauer daher frOher unter demselben durchgegangen nnd jene Mauerreste 
einem der typischen Rnndthflrme derselben zuzuschreiben seien. Zur möglich- 
sten Fest^tallnng dieses Umstandes wurden von Norden ans unter das Fundament 



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156 Stevemsgel: 

des kleinen OstdurchgaDges, sowie an zwei Stellen unter da^enige der Nord- 
front dee Tharmes Stollen getrieben, welche etwa vorbandene Fandamente der 
Stadtmauer unbedingt bätten antreffen müssfen. Es zeigten sieh aber keinerlei 
MauerreBte, der rorgetiindene gewachsene Sandboden war Tollständig unbe- 
rührt, mit keinerlei Spur einer Verunreinigung. Es ist daher unbedingt ana- 
geschlossen, dass etwa früher bCBtandeue Mauerreste in der Richtung der Stadt- 
mauer rorhanden gewesen oder ausgebrochen sein konnten. Die früher fest- 
gestellten Mauerwerks (Col. Agripp.) aus Baealtsteiuen, welche an dieser Stelle 
bei der ersten Untersuchung nur nnvoUkommen untersucht werden kounten, 
haben sich bei der jetzt vorgenommenen umfangreichen Anfgrabung als die 
inneren VorsprUnge der Thnrmfundamente erwiesen und haben mit der Stadt- 
mauer picbte sn tbnn. Da eich also keinerlei Sporen der Stadtmauer oder 

Abbruchreste derselben un- 
ter dem Thore gefunden 
haben und der Boden unter 
den Thorfnndamenten Toll- 
ständig rein und nnberfihrt 
war, so steht fest, dass die 
Stadtmauer keinesfalls älter 
als das Thor ist, sowie fer- 
ner, dass das Thor tlber- 
haupt das erste Bauwerk 
ist, welches an dieser Stelle 
errichtet worden ist. 

Es bliebe nunmehrnoch 
zu untersuchen, ob Thor und 
Maner gleichzeitig errichtet 
sind oder ob etwa das Thor 
ein höheres Alter anfznwei- 
sen bat Um diese Frage 

mdglichst anfznkl&ren, 
warde sowohl die technische 
AusfUhmng wie auch das 
Material beider Mauerwerke 
einem genauen Vergleiche 
unterzogen und namentlich 
auch der Ansehlnss des 
Thurmes an die Stadtmauer 
einer grOndlichen Unter- 
suehnug unterworfen. Hier- 
^' ' zu wurde die Mauer auf 

mehrere Meter Länge und ganze Tiefe freigelegt (Fig. 1). Sie zeigte das be- 
kannte Profil (Taf. VIII, Schnitt e f) und Material and hatte, ähnlich wie dies 
auch an der Breiteetrasse neben dem dortigen Thor gefunden war, aof der 



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Fundberlcht fiber d. Beste der .Porta-Paphia* bei Niederlegnng den. Im Dez. 1897. 16^ 

vorderen Seite einen Doppelsoekel, ron welchen der untere auf Höhe des ge- 
wachsenen Bodens, auf -{-14,39 m, und der obere, der Schrägsockel, auf 
-f-15,15ni liegt and in Höhenlage und Bearbeitung organisch au den Tfaurm- 
Bockelquader anschliesst (Taf. VIII, Schnitt c d). 

Betrachtet man die technische Ausfühning beider Mauerwerke, so sieht 
man, doss das Fundament der Stadtmauer auf eine Rollschicht von grossen 
Basalten aufgesetzt und mit ziemlieh ebenen Aussenflfichen zwischen Brettern 
bis zum unteren Sockel und von da ab bis zum Schrägsoekel ganz glatt auf- 
gemauert war. Sockel sowohl wie aufgehendes Mauerwerk zeigten eine tadellos 
hergestellte regelmässige SchiehtsteinTerkleidang und im Innern das bekannte 
Gussmanerwerk in einzelnen Lagen, reichlich mit dem grobkiesigen MOrtel ver- 
sehen in gleichmässiger Durchnthmng und vollständig dicht, ohne jeglichen 
Zwisohenraum. Abweichend hiervon ist das Fundamentmanerwerk der ThQrme 
ohne Rollschicbt, nnregelmftssig und uneben im Äusseren hergestellt. Das Guss- 
manerwerk ist zwischen den vorher gesetzten Sehichtsteinen in Lagen von 15 
bis 20 em Höhe trocken aufgesetzt und sodann mit MOrtel übergössen und letz- 
terer auch abgeglichen worden. Der Mörtel ist nicht flberall in die Fugen ein- 
gelaufen, sodass viele Hohlränme vorgefunden wurden and das Mauerwerk sich 
verhältnismässig leicht abbrechen Hess. Das Blendmanerwerk ist viel unregel- 
mäsaiger als an der Stadtmauer und zeigt wechselnde Schichthöhen von 6 bis 
12 cm. — Das Fnadameutmauerwerk der Stadtmauer besteht aus Basalt, Grau- 
wacke und Trachyt, während dasjenige des Thores ebenfalls Basalt and etwa 
ein Drittel Trachyt, aber keine Graawacke enthält. Auffallender ist dieses 
noch bei dem aufgehenden Mauerwerk, denn während die Stadtmauer nur ans 
Granwacke und vereinzelten Trachytstücken beateht, ist das Thormauerwerk, 
eiDSchliesalich der Schichtsteinverkleidimg nur ans Trachyt nnd vereinzelten 
Basaltbrocken hergestellt, die Granwacke fehlt ganz. Wäre die Stadtmauer 
frflber unter dem Thor hindurchgegangen nnd später abgebrochen worden, so 
wären von den grossen Abbruchmassen gewiss Grauwackereste mit m das Thor- 
mauerwerk hineingekommen oder es mtlssten sieh Spuren im Bansebutt finden. 
Ein gleiches wfirde der Fall gewesen sein, wenn Maner und Thor dicht neben- 
«nander auf derselben Baustelle zu gleicher Zeit errichtet, worden wären. 

Der Nortel des Thormaaerwerks enthält zumeist Sand mit wenig Kies, 
der Kalk ist schlecht gelöscht nnd zeigt häufig noch nicht zerfallene Kalk- 
Btneke. Die chemische Untersnchnng ergab, dass der MOrtel des Thores durch- 
Bchnittlich 21 Teile hydraulische Substanzen und 79 Teile Kalk,- und derjenige 
der Mauer etwa 46 Teile und 54 Teile enthielt. Der Mörtel der Mauer ist 
daher ein anderer und von viel hydraulischerer Beschaffenheit wie derjenige 
des Thores. 

Bei der sonst vollständig gleichmässigen Beschaffenheit der Stadtmauern 
einschliesslich der Thürme in Technik und Material mtlssen diese Unterschiede 
unbedingt auffallen und zu der Ansicht hindrängen, dass Hauer und Thor nicht 
gleichzeitig errichtet worden sind. 

BezQglich der Beschaffenheit der am Tbore zur Verwendung gekommenen 



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IM Sfenernagel: , ' > ' 

Baealte müge bemerkt eein, dasa dieselben von dunkelblatter',- heit sebwöner 
Farbe waren, von äneserst säher Stractnr rimd muBcbeligem, korzsplitterigem 
Bruche. Nach den von Herrn Ingenienr Panl Wagner dnreh die Baaalt- 
aetieogesellscbaft zu Linz freundlichst angestellten Untersnchnngen kann das 
Material nur den Brtlcben des Unkelstein am Rhein, gegenüber von Unkel, ent- 
atammen. Der znr Verwendung gekommene Trachyt enthält Glimmer, Blende 
und häufig Feldspathkrystalle, und ist hiemach mit Sicherheit den Brachen 
am Drachenfels, wo bekanntlich auch später die zum Domban verwendeten 
Trachjte gebrochen worden sind, entnommen worden. — Betrachtet man den 
Ansehluas der Stadtmaaer an die Ostseite des Thurraes {Taf, VIII. c d), so sieht 
man, dasa die Fandamente der Mauer etwa 30 cm tiefer heruntergehen als die- 
jenigeu des Thurmes und dass die letzteren einschlieBslich des Sockelqnadera 
getrennt durch die Mauer hiadurchsetzen, sodass die Stadtmauerfundamente 
also stumpf mit Trennfnge an das Thurmmauerwerk anacbliessen. Die 3 Sebicht- 
steine des Schrägsockels sind dabei organisch und in sorgfältiger Bearbeitung 
an den Sockelquader des Thurmee angegliedert. 

Der Ansehluas des aufgehenden Teiles der Mau^r an den Thurm konnte 
nicht festgestellt werden, weil derselbe wahrscheinlich beim Bau der Domkurie 
hier abgebrochen war. 

Das Durchsetzen des Thurmfundaments einschliesslich des Sockclqnadera 
unter der Stadtmauer hindurch, sowie die vollständig getrennte Ausführung 
beider Bauwerke lassen erkennen, dass das Thor zuerst fertiggestellt war und 
erst dann die Stadtmauer angeschlossen worden ist. 

Zieht man hierbei noch die vorei-wähnte auSäUige Verschiedenheit der 
Ausführung und des Materials der Stadtmauer und des Thore^, sowie das gänz- 
liche Fehlen der Grauwacke in dem Thormauerwerke in Betracht, so durfte 
man berechtigt sein, dem Thor ein höheres Alter als wie der Stadtmauer zu- 
zuschreiben. Ob der Zwischenraum, welcher zwischen der Errichtung beider 
Bauwerke liegt, voraussichtlich ein grÖBserer ist, oder sich nur auf eine kurze 
Zeitspanne erstreckt, möge weiterer Untersuchung überlassen bleiben. . 

Die bereits früher erwähnten Ziegeldarchschussschichten am Thore sind 
bei der Kiederlegung desselben herausgenommen worden; es zeigte sich dab^, 
dasa an dem östlichen Thorwiderlager nach Innen eine Reihe und nach Aussen 
zwei Reihen Ziegelplatten der Länge nach nebeneinander gelegt waren, wäh-- 
rend der Zwischenraum zwischen beiden Reihen mit Bruchsteinmauerwerk aus- 
geglichen war. 

Jeder einzelne Ziegel wurde genau untersucht, es konnte jedocji, wie auch 
früher, auf keinem derselben eine Spur von einem Legionsstempel oder einem 
der späteren Fabrikantenstempel festgestellt werden. 

Bezüglich des Vorkommens der Militäratempel möge aua der einschlä- 
gigen Litteratur und den freundlichen Mitteilungen der Herreu Professor Elein- 
Bonn und Professor Wolff -Frankfurt am Main folgendes hier kurz Erwäh- 
nung finden : 

£. Hübner macht darauf aufmerksam, dass in Britannien vor dem Ende 



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Fnndberlcht Aber d. Reste der „Portai-Paphia' bei Niederleg^ung ders. Im Dez. 1897. 169 

des 1. Jahrhunderts die dort liegenden Legionen keine Ziegeleien für ihren 
Bedarf angelegt haben*)' Weiter erwähnt Mo mm sen, dass die Sitte, Militär- 
ztegel 7,0 stempeln in Fannonien erst am Ende des 1. Jahrhnnderts beginne 
nnd dass in Dalmatien tot Veepasian keine Figlinae militarie angelegt seien *). 
Or. W o 1 f f schliesst sich Vorstehendem im ganzen an nnd kommt anf Grnnd 
seiner eingehenden Untersnchnngen sn dem Resultate, daas am Rhein die Sitte, 
HilitArziegel mit dem Stempel des Truppenteile zn versehen, knrz vor dem Jahr 
70 n. Chr. aufgekommen ist nnd sich von dort erst später nach Britannien ver- 
breitet hat, sodass z. B. die XIIL Legion, als dieselbe im Jahre 70 ans Bri- 
tannien nach Obergermanien znrdckkehrte, dort noch keine gestempelten Ziegel 
zarOckliess. Die in der Varianiachen Niederlage antergegangenen Legionen 
XVII, XVIIl nnd XIX haben keine Stempel hinterlassen. Ebensowenig schei- 
nen von den beiden im Jahre 43 nach Chr. nach Britannien geführten Legionen 
II Ang. und XX Val. Victr. Stempel am Rhein vorhanden zu sein. Dagegen 
bat die Legion VIII, die nnter Nero naeh Pannnonien verlegt wurde, nach der 
Überliefernng von F n c h s in der Umgehung von Mainz Stempel hinterlassen '). 
Nach B. M. Lersch soll ein Ziegel der Legion XX zu Holledoom gefanden 
worden sein*). 

Gonst. Koenen berichtet in seinem Aufsatz über die Oultarreste der 
Ebene zwischen dem Meerthal und dem Legionslager zn Neoss, dass nnter 
der Menge der dort gefundenen Dachziegelplatten ans der Aug^teischen Zeit 
keine solchen mit Heeresbezeichnnugen enthalten gewesen seien. Es wurden 
nur ein Paar Stempel angetroffen, welche der XVI, Legion angehören. Letz- 
tere ist nnter Galigula an den Niederrhein versetzt worden '). 

Hiemach würde man, wie mir Professor Wolff auf Anfrage nochmals 
freundlichst bestätigte, das Ende der Regierung des Clandins als frUbestcn Ter- 
min für das Vorkommen der Militärstempel bezeichnen dürfen. In spätrü- 
mischer Zeit wurden auf den Ziegeln keine Legionsstempel mehr angebracht 
Die Litteratur sehweigt sich, soviel mir bekannt, Über eine Zeitangabe indessen 
ganz atia, da eine solche naturgemäss noch viel schwieriger ist, als wie die- 
jenige über das erste Auftreten der Stempel und auch vielleicht Mlich ver> 
schieden sein mag. Hie nnd da wird dieser Zeitpnnkt anf die Mitte des 3, 
Jahrhunderts versetzt. 

Ob das Fehlen dieses Stempels auf den Platten des Nordtbores, wie ja 
möglich, ein rein zufälliges ist oder ob man daraus, im Zusammenhang mit 
den übrigen Fundnmständen, etwa schliessen darf, dass das Thor der Zeit 
vor Claudius entstammt, möge dahingestellt bleiben. 

Die Ausbeute an Arohiteeturstücken bei den Anfgrabungen hat den er- 
warteten Hoffiiongen nicht entsprochen, dieselbe war leider nur äussent gering. 

1) Hermes Xni B21 o. &81. 

2} Corp. insGT. lat. III 482 o. 416. 

S) Archiv für Frankfurter Geschichte und Sonst. IIL Folge. 8. SS8 n. 339. 

4) Zeitschrift des Aachener QeschichtgTerelng. 7. Band. S. 168. 

5) Bonner Jahrbtteher. Heft 101. 



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160 ' Stenernagrel: 

Sie bestand ans: 

1. einem stark ansladenden Rundkapitell mit doppeltem Kranz nngeglie- 
derter, flberhängender Blätter von 0,25 m unterem und 0,34 m oberem 
Durchmesser aus grauem Sacdstein. Gefunden an der Südseite des Ost- 
thnrmes hinter der Tnffsteintreppe, im Banschutt; 

2. einer Säolentrommel von 0,14 m Hohe tuid 0,39 m Durchmesser mit qaa- 
dratischem Dollenloch, ans gelblichem Sandstein. Gefunden in einer 
alten Zwischenmauer der Domkurien in Richtung der Ostfront des Thnnnes; 

3. einer Sftnlentrommel tod 0,45 m Dnrcbmesser aus grauem Sandstein. 
Gefunden in der südlichen Frontmaner der Domkurien; 

4. einen sehr roh bearbeiteten Säulenkopf, mit glattem, doppeltem abge- 
Bchvrellten Wulst, dessen scharfe Einziehung durch ein dünnes Plättchen 
bewirkt wird, aus gelblichem Sandstein. Gefunden in der Nähe von 2. 
in der alten Mauer; 

5. einem kleinen Stück einer korinthischen Sänlentrommet mit durch Steg 
getrennten Ganneluren, aus Kalkstein. Gefunden vor der Nordseite des 
östlichen Thorthurmes, 3 m tief im Schutt. 

Von sftmmtlichen Torbezeichneten Stücken mOchte nach Bearbeitung oder 
Material keines zum rümiscbeQ Thorbau gehören, da auch die Rundung des 
Stückes 5 auf eine Säule von alb.Dgrossem Darchmesser hinweist. Bei einer 
so bewegten Baustelle wie die vorliegende erscheint dieses weiter nicht auf- 
fallend. 

Znm Schlüsse müge nochmals kurz auf das bei der früheren Aufgrabung 
in der südlichen Frontmaner der Domknrie gefundene Kapitell (Col. Agripp. 39 
Taf. XVII) zurückgekommen werden. Wie bereits früher bemerkt, zeigt das- 
selbe 2 Reihen von Akanthusblättern and eine Schilfblattreibe, worüber ein 
Perlstab mit Blattwelle mht. Eine genaue Untersuchung hat nunmehr ergeben, 
dass aus der Blattwelle herauswachsend an den vier Ecken Valntcnansätze vor- 
handen waren. Das Kapitell mnss daher als Compositform angesehen werden, 
wenn es auch nicht den vollendeten Charakter des „römischen" Kapitells auf- 
weist, wie solches nach den Angaben von W. L ü b k e '), H. Strack') und 
anderer Kuusthistoriker zum erstenmale an dem Triumphbogen des Titus (70 
nach Chr.) beobachtet worden ist Die doppelte Reihe von Akanthnablättern, 
die den Kern des Kelchkapitells straff umziehenden schilfartigen Blätter b), die 
direkt aus dem Eierstab herauswachsenden kleinen verkrümmten Voluten, das 
Fehlen des Wnlstes der jonischen Kapitellform, scheinen der römischen Archi- 
tectur am Rhein und der Mosel geläufig gewesen zu sein, wie die verhältoiss- 
mässig zahlreichen Architecturreste im Frovinzialmuseum zu Trier und dem 
Wallraf-Richarz Museum zu Köln beweisen. 

Es ist hier eine Reihe von Abbildungen dieser und ähnlicher Formen 



1) Geschichte der Archltektnr. 

2) BnudenkmHler des alten Rom. 

3) Vgl. Hettner, Die römischen Steindenk mKl er des Pro v.-Mofl. zn Trier. S. S(£f. 



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Fnsdbericht über d. Reete der ,Porta-Paphla* bei Nlederlegung dera, im Dez. 1897. 161 

beigefügt, ron denen die Trierer Fundsttlcke dem Kataloge des Provinzial-Mn- 
eeams dortselbst entnommen worden sind '). 

Eb möge hier znerst anf Fig. 2 hingewiesen werden, welche ein Kapitell 
zeigt, das unter Nr. 545 (V) im Kataloge beeebrieben nnd 1879 in Trier un- 
weit des Kaiserpalast^ gefunden worden ist. Es zeigen sich auch hier die 
Akanthosblätter und die Schilfblattreibe, aberlagert von dem Perlstab nnd der 



Fig. 2. Fiff. S. 

Blattwelle, ans welcher die Voluten herauswachsen. Letztere sind abgebrochen, 
deren Stiele aber noch deutlich zwischen den Cannelen sichtbar. Viel Ähn- 
lichkeit mit vorstehender Form zeigt das Kapitell Fig. 3, welches im Kataloge 
nnter Nr. 543 (V) angegeben ist. Der Fundort ist unbekannt. Anstatt des 
Perlstabes ist ein mit Blattornament rersebenes Band angebracht. In Fig. 4 
ist eine Form verzeichnet, welche in ihrem Aufbau viel Ähniiebkeit mit dem 
oben besprochenen Kölner Kapitell hat. Dieselbe ist im Kataloge anter 



Fig- 4. Pig. 5. 

Nr. 542 (V) beschrieben. Die Schilfblattreihe fehlt hier, anstatt des schmalen 
Perlstabes ist ein breites mit Blattwerk verziertes Band vorhanden. Kleine 
Voluten and Rosetten am Abakas waren vorhanden. Der Fundort ist die Pa- 
lastkaserne zu Trier. 

Fig. 5 (Nr. 517 XI). Bei diesem Kapitell fehlt der untere korinthische 

1) Hettner, Die römischen Stein den kmäler im Prov.-Mus. m Trier. — Herrn 
Professor Dr. Hettner möchten wir anch an dteaer Stelle für die frenndlicho Übor- 
lABsong der betreffenden Clichäs unaern besten Dank aassprechen. Die Red. 
Jahrb. d. Var. v. AltuUufr. Im Rhelnl. lOB. 11 



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162 Stenern&g:el: 

Kelch. Über einem vemierten Reif lagert der Eierstab, darüber eine einfache 
Platte, aus welcher 4 kleine Voluten herTorwachsen, von welchen noch eine 
vorhanden ist. Der Fnndort ist unbekannt. 

Fig. 6—9 sind dem Wallvaf-Richartz-Museum entnommen. Dieselben sind 
teils an der Nordostseite des Domes im Jahre 1866 gefunden (Nr. 163/164), 
teils mögen sie andei-s woher stammen (Nr. 103). 



Fig. 6. Fig. 7. 

Fig. 6. Auch hier findet sich ein doppelter Kran» von Äkauthusblättem, 
Perlstab und Blattwellc, ans welcher die kleinen Voluten, von welchen noch 
eine sichtbar ist, hervorwachsen. 

Auch Fig. 7, welche wiederum ein Pilasterkapitell zeigt, hat eine ganz 
ähnliche Gestaltung. Die Schilf blattform ist durch ein anderes reicheres Blatt 
ersetzt. Anstatt des Perlstabes ist ein mit eigenartigen Blättern geschmücktes 
Band vorhanden. Die sichtbare kleine Volute wächst aus dem Eieratab hervor. 

Fig. 8 zeigt ein Kapitell von nnbekanntem Fundort (Nr. 103 des Kata- 
logs), welches nur eine Reihe Akanthusblättcr aufweist. Der Innenkfirper des 
Kapitells ist durch eingeritzte Striche in schuf blattähnliche Streifen gefeilt, 
das Blattwerk ist auf den Kapitellen nur ganz lose aufgelegt. Auch hier wächst 
die kleine Volute aus dem Eierstab hervor und fällt kaum über denselben her- 
unter. Eine Verbindung der Voluten mit den Akanthusblättcrn ist bei keiner 
der vorbeschriebenen Kapitellformen wahrzunehmen. 

Fig. 9 (Nr. 163/164 des Katalogs) zeigt eine weiter vorgeschrittene Form 
des Kapitells, im übrigen aber bezüglich des lose anf den Innenkörper auf- 
gelegten Blattwerkes sowie der eingeritzten Schilfblätter Äbniicbkeit mit der 
Form Fig. 8. Die Voluten sind hier grösser und deren Entwickelung eine andere. 

Die römische strenge Compositform mit dem korinthischen Kelch und dem 
„durchgebildeten" Aufsatz der jonischen Form kommt weder bei den Trierer 
noch Kölner Funden vor, auch findet sich kein einziges jonisches Kapitell. 

Überwiegend ist das Korinthische Kapitell vorhanden und namentlich 
in Köln, Mainz, Bonn und Trier mehrfach in sehr schöner Form vertreten. 



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Pundbcricht über d. Rente der „Porta-Paphia" bei Niedorlegnng ders, im Dez. 1897. 163 

Vergleicht man diese letztere Thatsache mit dem Anftreten der eo häufig mit 
mangelhaftem KanstgcfUhl, verständnislos und unorganisch zusammengefügten 
Compositformeu, so muss sich hier die Frage aufdrängen, oh man es aus- 
Bcbliesslicb mit entarteten Schöpfungen der Spätzeit oder etwa auch mit Über- 
gangsformen zum römischen Compositkapitell /,n thuii hat. Leider sind die 
vorhandenen Quellen bezüglich der Fundorte und Herkunft der Architekturteile 



Fig. 8. Fig. 9. 

in den Mnseen sehr spärlich und nur noch so wenige römische Baureste in situ 
vorhanden, dass eine Datierung oder eine Festateihmg hezilglich des Ganges der 
Entwiekelung der römischen Architektur in den Rhcinlanden, wenn überhaupt 
möglich, so doch mit grossen Schwierigkeiten verbunden sein wird. Vielleicht 
gibt vorstehende Mitteilung die Anregung, der Frage in weiteren Kreisen näher 
zu treten und wUrde damit der Zweck derselben erfüllt sein. 



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n. Litteratur und Miscellen. 



a) Ui 1 1 e r a t o r. 

1. Das Amphitheater VlndonisA. Verfasst als erste vorl&afige Publikation der 
Gesellschaft pro TindoDissa von Otto Haas er, cand. arch. Staefa. Bnchdmckcrei 
E. Gull. 1898. ff. 16 S. 2 Tafeln. 

In den ersten Abschnitten dieser kleineu Schrift wird kurz über die Geschichte 
und die Schicksale von Vindonissa referiert, dann über den Gang der Ausgrabungen 
unter der Leitung Hausers im Jahre 1897 berichtet. Durch dieselben wurde zuDächBt 
ein Gebäude, nach den Inschriften ein Heiligtum des Hars, frei^relegt; dann das Amphi- 
theater erforscht, dessen Grundmauern soweit festgestellt werden konnten, doss eine 
Annahme des sehr nmfan^eichen Baues möglich war. Von diesen Ausgrabungen 
soll das Biichlein ein kurz zusammenfassendes Bild geben, das durch die beiden bei- 
gegebenen Tafeln mit Plan und AufVissen erläutert wird. Für alle Einzelheiten wird 
auf die grosse Publikation, die Häuser in Aussicht genommen hat, verwiesen. Dem 
■Verfasser ist Dank zu sagen dafür, dass er durch diese rasche vorläufige Publikation 
anch weiteren Kreisen Gelegenheit gegeben hat, sich über die Hauptfunde zu orien- 
tieren. Wichtige Einzelfnnde waren bei dem Charakter des Baues ja kaum zu er- 
warten. Um so erfreulicher ist ein zufälliger Fund im Theater, der uns wieder eines 
jener Silbergefässe mit Relief Verzierung im Stile der , hellenistischen Relief bilder" 
geschenkt hat, von denen wir schon eine ganze Reihe aus den Provinzen besitzen. 
Die Darstellungen auf dem GrifTe der Kelle beschreibt Häuser auf S. 12. Das Ge- 
fäss trägt den Stempel: 0- CALVIMERAT0R18[Bic!) ANTO- SALONINI. Häuser 
transscribiert „mercatoris" ohne eine Bemerkung über die obige Schreibung, die also 
wohl nur zu den auffallend zahlreichen Druckfehlern und Flüchtigkeiten zählt, die das 
Buch auszeichnen und in der abschliessenden wissen sc ha ttli eben Bearbeitung, in wel- 
cher Hauser hoffentlich auch einen etwas anderen Ton anschlagen wird, vermieden 
werden miisseu. Auch die Übersetzung des Stempels wird er sich dann wohl noch 
einmal überlegen. Leider geht ans diesem Bericht hervor, dass der Verfasser tdch 
nicht im Einverständnis mit den leitenden Kreisen der Erforschung der Altertümer 
beflndei So erfreulich es ist, dasa die Arbelt in Vindonissa energisch in die Hand 
genommen wird, so ist doch gerade das, was wir brauchen, die einheitliche Erfor- 
schung der Statte in weitem Umfange, dadurch gefährdet Mau kann nur hoffen, 
dass die Zwistigkeiten beigelegt werden und dadurch die Arbeit Hausers in den 
Rahmen der planmässigeu Erforschung Vindonissas eingereiht wird. H. D. 

2. Artur Engel et Raymond Serrure, Trait6 de numismatique moderne 
et oontemporaine. Premiere partie, äpoque moderne (XVI«— XVlIle sifedes), 
363 illnstrations dans le texte. Paris 1897, belEmestLeronx. VIII n. 611 Seiten, 
8». 20 Fr. 

Die Verfasser haben 1891 und 1894 die ersten Bände der Numismatik des Mlttel- 



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Lltteratur. 165 

alters verÖff«iitlicht, welche ich in unserea Jahrbüchern, Heft 90 S. 188 und Heft 96 
S. 238, besprochen habe. Ich habe mich durch hüuflgeB Benutzen von der Branch- 
barkeit and Zuverlässigkeit dieser Arbeiten immer mehr überzeugt und kann sagen, 
dass ich dem dritten and letzten Bande über die Münzen des Mittelaltera, weicher die 
Zeit des s. g. breiten Groschens behandeln sollte, mit grosser Erwartung entgegen- 
sah. An Stelle dieses dritten Bandes erschien nun der oben angeführte erste Band 
ütiei die neueren Münzen, der zwar nicht das Erwartete, aber sehr Willkommenes und 
Gutes bietet. Etwas abweichend von der in der Geschichte itbltchen Zeiteinteilung 
beginnt dies tralti de numismatlque moderne für jedes einzelne Land verschieden 
nnd zwar mit dem Zeitpunkt, an welchem die grossen Silberstücke, die Thaler 
u. s. w. zuerst in die Erscheinung treten. Ich kann dies Vorgehen nur loben, denn 
es wird dadurch alles Zusammengehörige zusammen gelassen, und nicht zerrissen, 
was doch gerade für die Übersichtlichkeit von grossem Werte ist. 

Die Urteile, die ich von Münz verständigen über das neae Buch gehört habe, 
gehen etwas auseinander, je nachdem der Beurteiler im Besitz einer grossen, mit Ver- 
ständnis schon von früherer Zelt her reich ausgestatteten, numismatischen Bibliothek 
ist, bezw. eine solche zur bequemen Benutzung erreichen kann, oder nicht. Jeder 
aber, der nicht in der glücklichen Lage ist, eine solche Bibliothek zur Verfügung zu 
haben, wird das Buch mit grosser Freude begrüssen, denn — und hierin erblicke ich 
den Hanptwert des traitä de numismatlque moderne — es macht eine ganze Bi- 
bliothek überflüssig. Der Sammler, der heute in der Lage ist, eine numismatische 
Bibliothek einzurichten, heute, wo viele durchaus nöthlgen Bücher im Buchhandel 
vergriffen und nur antiquarisch zu oft recht unvernünftigen Preisen erworben wer- 
den können, wird sich sehr freuen, wenn ihm hier alles unumgänglich Nötige für die 
betreffende Zeit sn einem massigen Preise geboten wird. Will Jemand Spezialstudien 
über ein bestimmtes Land treiben, nnd sollte ihm das Gebrachte doch nicht genügend 
erscheinen, so bieten die jeder Abteilung und Unterabteilung beigegebenen Lftteratur- 
überslcbten anch hierfür sehr geeignete Fingerzeige. 

Dass auch diesem Bande ein alphabetisches Register fehlt, ist ein sehr grosser 
Übelstand (Heft 96 S. 239], und hier noch mehr als In den Bänden über das Mittel- 
alter. Ein Beispiel wird dies klarer machen; Die Herren Verfasser haben für Deutsch- 
land die Einteilung In 10 Kreise zu Grunde gelegt, wie sie unter Maximilian I. nach 
früheren, teilweise gescheiterten Versuchen fest begründet wurde. Nach dieser Ein- 
teilung gehört nun das Kurfürstentum Köln zum: Untern Rhein-Kreise, während die 
Stadt Köln zum Westfälischen Kreise gerechnet wird; und so finden wir, vollständig 
folgerichtig, die Münzen von Kurköln S. 144— U7 und die stadtkölnischeu S. 95S und 
253 behandelt. Man wird mir aber zugeben, dass mancher Sammler — und für diese 
scheint mir das Buch vorzugsweise zum Gebrauch und zur Information berechnet — 
nicht über die geschichtlichen Detailkenntnlsse verfügt, welche nöthig sind, um hier 
das Gesuchte ohne Mühe und ohne — Register zu finden. 

Die Regentenreihen sind bei den einzelnen Ländern und Ländchen übersicht- 
lich geordnet, die als Mflnzherrea auftretenden Namen durch einen beigedruckten 
Stern besonders hervorgehoben. Bei den Regen tenf am illen, welche in viele Linien 
geteilt auftreten, ist die Entwicklung der Dinge durch eine klare schematische Zeich- 
nung erläutert, wie z. B. bei Sachsen S. 290, bei Reuss S. 310 und vielen anderen. 
Viele Monogramme sind S. 134 aufgelöst. Besonders interessante Münzen wurden ab- 
gebildet und manche in oft geradezu tollen Abkürzungen geprägten UmschrlAen er- 
läutert; auch hierfür möchte ich einige Beispiele anführen, (Die Ergänzungen in 
Klammem) : 

C(lemens) A(ugustus) D<ei) G(ratia) A(rchl) E(piscopus) C(oIoniensiB) S(acrl) 
R(omanl) I(mperli) P(er) I(taliam) A(rchl) C(ancelarlus) ET Edector] M{agni} M(agisteril} 
P(er) B(ornsslam) A(dmIni8trator) 0(rdlnia) T(eutonIcl) P(er) G(ermanlam) E(t) l(taliam) 
S(upremus) M(agister) E{piscopus) M(onaBteriensie) H(ildesiensi8) P(aderbomenBis) 



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V(triiiBqae) B(avaria«) S(nperIorlH] P(alatiaatuB) A(ngarlae) ET W(eBtphallae) D(iix). 
(S. 136.) Als zweites Beispiel wähle ich einen Thnler von Maria vou Jever: MARIA 
G<eborne) D(ochter) V{nd) F{rUulein) TO lEVEB BV(8tringen) OS(tringen) WA{ngcrland). 
S. 235. 

Sehr sorgfältig wurden die verschiedenen Münzsysteme entwickelt und der Wert 
der einzelnen Stficke zur Zeit ihres Umlaufea klargestellt, dagegen vermisse ich Hin- 
weise auf den heutigen Handelswert der besprochenen Mänzen. Ich bin weit davon 
entremt zu wünschen, dass nach dem Vorgange von Mionnet, Cohen, Sabatier 
und anderen für jede Münze ein genauer Handelswerl angegeben werde. Abgesehen 
davon, dass durch diese Mitteilungen ein Werk, welches die Münzthsti^heit aller 
Kultur-Staaten während mehrerer Jahrhunderte umfasst, viel zu umfangreich werden 
würde, so läuft bei diesen Schätzungen auch so viel Unzuverlässiges und WiJlltür- 
liches mit unt^^r, dass ich darauf keinen zu grossen Wert lege. Dngegen waren ein- 
zelne Notizen über die Preise, n'elche besonders interessante Münzen in bekannten 
und genau zu beKeichnendon Auktionen erzielt haben, sehr erwünscht. Das Vorgehen 
würde Jetzt folgendes sein müssen: nachdem man eine Münze mit Hülfe des Buches 
bestimmt hat, muss man in den verschiedensten Verkauf-Katalogen nachsuchen, um 
Über den heutigen Wert einigen Anhalt zu gewinnen. Je seltener die Münze ist, um 
80 zeitraubender wird dies Beginnen werden, denn leicht kann es vorkommen, dass 
man das Gesuchte erst im zwanzigsten oder dreissigsten Katalog findet. Dies würde 
durch die gewünschten Notizen aber vermieden werden. 

Das Buch auf etwaige kleine Fehler zu prüfen, muss ich für jetzt unterlassen, 
da mir für eine solche Durchsiebt Zeit und Litteratur fehlt; nur die Busprechnng der 
Knr-KÖlnischen Münzen und die der nächstliegenden Territorien habe ich darauf bin 
durchgesehen, und ist mir dabei aufgefallen, dass S. 145 der bekannte Kurfürst Sa- 
lentin von Köln 1B62— 1568 nicht Salentin von Isenburg, sondern S. von Salm genannt 
wird, ein Vorkommen, wekhes auf ein Versehen zurückzuführen sein dürfte. Noch 
einea möchte ich bemerken: auf S. 434 und 425 werden bei Tassarolo und den Be- 
sitzungen der Familie Doria die Imitationen der Silberstückc der Prinzessin Anna 
Maria Louise vou Dombes besprochen und abgebildet. Dies interessirte mich und 
ich blätterte deshalb zurück, um auf S. 46 IT. unter: Dombes die Original-Typen zu 
suchen, fand hier aber auch die Kopien reproduziert — ich meine, an letzterer 
Stelle wären Abbildungen der Originale am Platze gewesen. 

Aber solche kleine Ausstellungen sollen den gediegenen Wert des Bnches nicht 
beeinträchtigen; jeder der neuere Münzen sammelt, oder dieselben für andere Wissen- 
schaften verwerten will, wird In dem traitö u. s. w. eine reiche Fundgrube für wissens- 
werte Aufschlüsse erkennen. 



3. W. Brüll, Chronik der Stadt Düren. Mit 12 Holzschnitten und einem litho- 
graphirten Stadtplan. Düren. L. Vetter & Co. &>. 234 S. 
Diese Chronik bildet im Wesentlichen „eine zusammengedrängte Sichtung und 
Neubearbeitung" der in den Jahren 1835—1854 in Düren erschienenen , Sammlung von 
Materialien zur Geschichte Dürens und seiner nächsten Umgebung", welche von 
M. M. Bonn, D. Kumpel und P. J. Fischbach verfasst wurde. Wenn nun auch, 
wie der Verfasser sagt, „hierbei auf Grund weiterer Forschungen, sowohl für die 
ältere wie die neuere Zeit, manches hinzugefügt und ergänzt werden konnte, so soll 
diese Chronik doch auch nur erscheinen, als Vorarbeit, nämlich als erster Versuch 
einer Disposition, deren einzelne Teile weitere Ausarbeitung ebenso erheischen wie 
verdienen'. Brüll hofft, die bcrcils 1895 begonnene Ordnung des St.idlarchivs werde 
für die Zeit nach der Zerstörung Dürens vom Jahre 1543 splUerhin hierfür noch reiche 
Ausbeute liefern. Die Arbeit ist in acht Abschnitte eingeteilt, wolcha behandeln: 



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MiBCellen. 167 

Düren znr Rßmerzeit, den Ort In Frünkisch-Rarliiij^lschcr Periode, den Ort als freie 
Reichsstadt (?), die Stittte unter der Herrschaft der Herren von Jülich, den Land osteil 
unter pfalz - neuburgischer Herrschaft, Dären unter pfalz - snti:hachsdici' Herrschaft, 
Düren dargestellt unter französischer Herrschaft, Düren unter preussiBcher Herrschaft. 

Constantin Koenen. 



b) Miscellen. 

1. Coblenz. Römerstrasse und Meilenstein mit Inschrift an der- 
selben. Herr Constantin Koenen stellt dej' Kedaction folgenden Bericht zurVer- 
fügung, velchen der Hochbau-Techuil<er der Stadt Coblenz, Herr A. Günther, ihm 
mitgeteilt hat d. d. Coblenz 6. Juli lUSd: Ende verflossener Woche wurden auf dem 
Baugrundstücke des Lehrers Zimmermann zu Coblenz am Engelsweg, südlich des 
Löhrthores, von Iftzteicm ca. 970 m entfernt, bei der Ausschachtung der Kellcrgrube 
zwei SKulen aus Kalkstein aufgedeckt. Sobald ich davon erfuhr, g-iiR ich am Montag 
Morgen nach der Baustelle und fand die südliche Säule noch Henkrecht, znr Hälfte 
im Boden steckend stehen, wahi'end die nördliche bereits von den Arbeitern heraus- 
genommen war. Von dein Maurerpolier konnte ich jedoch genaue Angaben über 
ihren Standort erhalten. 

Die beiden Säulen standen auf der Westseite des Weges, von letzterem 30>/i m, 
von einander 0,50 m entfernt. Die, nördliche Säule bestand aus dem vierkantigen 
Unterteil von 60 cm Höhe und 44 cm Wandscite und dem cylindrischen Schaft von 
1,30m Höhe mit 42— 44cm Durchmesser, ziemlich rauh bearbeitet, an der Westseite 
abgeplattet, auf der Nordseite mit einer 7'/^ cm breiten, 2 cm ticrcn senkrechten Rille, 
auf der Ostseite glatt, auf der Südseite mit senkrechtem Wulst entsprechend der Kille 
auf der Nordseite, so dass es den Anschein gewinnen kfinn, als ob dieselbe nicht 
fertig gestellt sei, bezw. aus altem Material hergerichtet werden sollte. Eine Inschrift 
fand sich darauf nicht vor. Der Oberteil der Säule steckte 1,85 m unter der Boden- 
oberfläche. 

Die andere südliche Säule ist vollständig regelmässig bearbeitet, Sockel 75 cm 
hoch, unten 50, oben 47 cm Wandseite, der Schaft 1,45 m hoch mit 45— 48 cm Durch- 
messer. Auf der Ostseite flndet sich, in schönen Buchstaben elngehnuen, folgende 
Aufschritt: 

- V 
\ E S A R CJaesar 

ONT MA : : I B pjont. ma[x. tr]ib. 

POTinilMPVIH pot. IV imp. VIII 

COSDESIGIIII PP cos. desig. IV p. p. 

ABMOG'H-P ab Mog(unliaco) m(ilia) p{assnum) 

L I X LIX 

Die Buchstabenreiiie AESAR begann SO cm unter dem beschädigten Kopfende, nach 
den Spuren — V stand über derselben noch eine oder mehrere Zeilen. Die ßnch- 
stubenhöhe der ersten lesbaren Zeite AESAR ist := 7 cm, der zweiten ti</e> der dritten 
7, der vierten und fünften 6i/jcm, der Zahl LIX = llVtCm. Diese 6 Zeilen susammen 
nehmen eine Höbe von 64 cm ein. 

Der Kopf dieser Säule steckle 1,60 m unter liodcnoberfläche. 

Vou dem Eigentümer des Grundstückes, Herrn Zimmei-mann, liess ich mir die 
beiden Meilensteine für das Museum des Seh offen h an ses schenken und veranlasste 



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168 Hlscellen. 

darauf sofort das Tollsländige Ausheben des BÜdlichen and den Transport beider 
nach dem Schöffenhaus. Um auch die Strasse feststellen zu kSnnen, Hess Ich gleich- 
zeitig einen Graben in östlicher Richtung anlegen, es fand sich aber keine Pflastenmg, 
sondern in l'/i m Abstand von der Säule ein 6,00 m breiter Kiesweg, dessen obere 
Schichte aus 10 cm hoher Eiesl&ge, ,dle untere ans einer 15 cm hohen Miechnng von 
Kies und Lehm bestand. 

Zu erwKhnen ist noch, dass sich auf Schloss Stolzenfeis der 5€. Heilenstein be- 
findet, welcher s. Z. bei Capellen aufgefunden wurde. 

2. Zur Etymologie der Hatronae Fachinehae (Fachineihae, Fahi- 
ueihae). Die auf den bei Zlngsheim (vgl. diese Jahrbb. 96/97, S. 156 tt.) und Eus- 
kirchen (Jahrbb. 102 8. 180 f.) gefundenen Inschrlftsteinen vorkommenden Matronen- 
namen Fachinehae, Fachineihae, Fahineihae hangen wahrscheinlich mit dem Namen 
des Feybachs (Feibacbs, Yeibacbs) zusammen. Der Zingsheimer Fundort liegt von der 
Quelle dieses Baches ungefähr 4 km südöstlich, der Euakirchener von seiner MUsdung 
in die Erft etwa 2 km südwestlich entfernt An dem Bache selbst oder in dessen 
unmittelbarer Nahe liegen in der Reihenfolge von Süden nach Norden die Dörfer 
besw. Burghäueer Urfey, Eiserfey, Burgfey, Katzfey, Satzvey und Veinau. Streicht 
man die bei Hatronennamen nicht selten vorkommende Endung -nehae (neihae) ab, 
so deckt sich der übrig bleibende Stamm Fachi (Fahi) genau mit Fei. Letzterer 
Name aber soll nach K. Simrock (Handbuch der Deutschen Mythologie, 4. Aufl., 
S. 345; vgl. Freudenberg in diesen Jahrbb. 18, 128^ f.) identisch sein mit Fee, 
welches nach Grimm D. W. nach dem fne. f^ aus fata entstanden ist, wie n^ 
arm&e aus nata, armata. F. Kluge, Etymolog. Wörterbuch der deutschen Sprache, 
5. Aufl., S. 101 führt dafür aus dem Jahre 1588 noch „Fay, Veh, Fäh, Fein, Feinin" 
an, womit auch engl, fay, fairy stimmen. 

Volkaotymologische Anlehnung an Ital. gemeinroman. fata (eigentlich „Schicksals- 
göttin" zu tat. fatum) wird umsomehr zuzugeben sein, als hierzu einigermaesen auch 
sachlich die von Eick, Die römische Wasserleitung aus der Elfol nach Köln, S. 53f. 
mitgeteilte Sage von der .Juffer Foy" passt, aber vom sprachwissenschaftlichen Stand- 
punkte ans erregt mir doch das Fehlen der in Fachi [Fahi] enthaltenen, in fata (fatum) 
fehlenden Gutturalts die schwersten, nm nicht zu sagen unüberwindliche Bedenken. 

Ich glaube vielmehr, dass Fach (Fah) dasselbe Wort ist wie Bach. Für die hier- 
durch entstehende Tautologie in Fejbach giebt es zahlreiche Analogieen, z.B. Erft = 
urkundl. Arnapa (Arnus von der Snnskrit- Wurzel sru, daher srav-Ami, fiiesse; apa, 
Wasser; t ist unorganisch). Wegen der Lautverschiebung von F zu B vgl. Grimm 
a. a. 0. I 8p. 10*9 ff. und wegen der Ableitung von Bach ebendaselbst Sp. 10&7. 

Kempen (Rhein). Dr. Pohl, Gymuasialdirector. 

3. Merten bei Eitorf. In den letzten Tagen wurden auf dem Besitzthum 
des Gastwirts Wilh. Werner die Reste einer Wasserleitung- ausgegraben. Dieselbe 
besteht aus 60 cm langen, mit der Hand in der einfachsten Weise angefertigten, in 
einander gesteckten Thonröhren. Die Leitung hatte den Zweck, die neben dem ehe- 
maligen Kloster liegenden uralten Befestigungen mit frischem Quellwasser zu ver- 
sehen und gleichzeitig die Wallgraben mit Wasser gefällt zu halten. 

[Bonner General-Anzeiger 29. Aprii 1898.) 



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Berichte über die Thätigkeit 

der Provinzialkommission für die Denkmalspflege in der 

Bheinprovinz, 

der Frovinzialmuseen zu Bonn und Trier, 

der rheinischen Kunst- und G-eschichtsvereine 

und 

Über die Vermehrung der städtischen und Vereins- 
sammlungen innerhalb der Bheinprovinz 1898. 



Vorbemerkung. 

Der vorliegende dritte Bericht der ProTiozialkommission fOr die Denkmal- 
pflege Dinfasat die Ereigniese im Verwaltnngsjahre 1897/98. Die Referate Über 
die einzelnen Restanrationsarbeiten sind wie bisher von den Leitern der Wieder- 
herstellnngsarbeiten nnd dem ProvinzialconserTstor auf Grund des amtlicben 
Materials rerfaest worden. Nor einzelne grossere Restaurationen, bei denen es 
sieh nm knnBtgcsehiehtlich besonders wichtige Denkmäler bandelt nnd die 
durch die dabei gemachten Erfahrangen fllr ähnliche Arbeiten von Wert sind, 
sind hier zur Darstellung gekommen. Über die Wiederherstellung des Domes 
zu Trier soll der nächste Jahresbericht ein ausfflhrliches Referat bringen, 
ebenso fiber die Arbeiten an der Liebfratienkirche zn Trier, an den ehemaligen 
Stiftskirchen zu Röchelten, Nideggen, Mayen, den Kirchen zu Niedermendig, 
Kreuznach, Trechtingshausen. Die Darstelinngen der Thätigkeit der beiden 
Frovinzialmuseen enthalten die offiziellen an den Herrn Landeshauptmann der 
Rheinprovinz seitens der Herren Museumsdirektoren erstatteten Verwaltungs- 
berichte. Nach einem Beschluss des Provinziallandtages werden die gesamten 
Berichte, die gleichzeitig auch in den Jahrbüchern des Vereins von Altertums 
freunden im Rheinlande abgedruckt werden, atich den Mitgliedern des Pro- 
vinziallandtages und den Königlichen Behörden der Rheinprovinz zugänglich 
gemacht. 

Bonn, im August 1898. 

Der ProvinzialconseiTator der Rheinprovinz 
Clemen. 



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Beriebt über die Thätigkeit der Provinziaikommission 



Bericht Über die Thätigkeit der Provinzialkommission für die Denkmal- 
pflege in der Rheinprovinz vom I. April 1897 bis 31. März 1898. 



In der Ziisammensctznng der ProvinzialkoinmisBion fltr die Denkmalpflege 
ist im Reclinungsjalirc 1897/98 eine Veränderung nicht eingetreten. Die Kom- 
mission ist, wie flblicli, zweimal, im SoQimcr nnd im Frahjahr zusammen- 
getreten, am 27. Juli 1897 unter dem Vorsitz des Vorsitzenden des Provinziai- 
ausschussea, Herrn Landrats a. D. Janssen und am 23. März 1898 nnter dem 
Voi-sitz des stellvertretenden Vorsitzenden des ProvinzialaneBchaBBes, Herrn 
Grafen Beissel von Gymnich. 

In der Sitznng vom 27. Juli 1897 wurden ans dem zur Verfügung des 
Provinzialauesclinsses stehenden Etatsbctrag ftlr Kunst und Wissenschaft be- 
willigt : 

Fdr die Instandsetzung des alten Holzhauses zu Bacharach (Kreis St. Goai-) 
2100 M., ftir die Erhaltung eines romanischen Portals au der Pfarrkirche zu 
Olpe (Kreis Wipperftlrth) 500 M., zur Volleiidnng der lustandsetzungsarbeiten 
der Cliorniine zu Hcbterbach (Siegkreis) 550 M., fUr Restauratioosarbeiten am 
Kreuzgang nnd Kapitelhanse zu Garden (Kreis Gochem) 1500 M. als erste von 
zwei gleichen Raten, znr Restauration der Pfarrkirche zu Cronenbnrg (Kreis 
Scbleiden) 2000 M., zur Instandsetzung der St. Mauritinskapelle zu Mtllheim 
(Kreis Gobicnz) 2600 M., zur Herstellung des Turmes der rOmischen Waeht- 
statiOD au dem Limes auf dem Hormorgen bei Sayn (Kreis Goblenz) 700 M., 
ftlr Reparatnrarbeiten an der Burgruine Hartelstein in der Eifei (Kreis Prllm) 
100 M., fllr das Eiumanem einer Grabplatte in der Kirche zu Weyer (Kreis 
Schteiden) 75 M. Ausserdem sprach die Kommission ihre Bereitwilligkeit aus, 
fUr die Restauration der katholischen Pfarrkirche in Cranenburg (Kreis Cleve) 
die Summe vou 10000 M. bei dem nächsten Provinziallandtag zu beantragen. 
Für den Erwerb einer grösseren Zahl von Originalaafnahmeii rheinischer Denk- 
mäler Ton dem jetzigen Dombaumeiater A r n t z zu Strassburg i. E. für da» 
Denkmälcrarchiv wurde weiterhin die Snmme von 992,50 M. bewilligt und 
dem Provinzialconservator zu den laufenden Erwerbungen für das Denkmäler- 
archiv ein Jahreskredit von 300 M. zur Verfügung gestellt. Dem Architekten- 



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fttr die Denkmabpfiege In der Bbeinprovins. 171 

nuA In^eiiieuF-Verein fnr Niederrhein und Westfalen zu Koln warde fflr die 
PoblikatioD eines Werkes Über die Alteren Kßtner Privatbänser die Samnie von 
1000 M. bewillig nnd ÖOO M. fOr das nächste Jahr in Aassiebt gestellt. 

In der Sitzang vom 23. März 1898 wurden ebenso ans dem Etatsbetrag« 
für Kunst und Wissenschaft bewilligt: 

Ftlr den Erwerb des Johannisaltars in der Kircbe zu Lindem (Kreis 
Geilenkirchen) and seine Aufstellung im Provinzialmuseum zu Bonn 950 M., 
fflr die weitere WiederhersteUung des Hoebkreuzes auf dem Kirchhofe in 
Brauweiler l?ö M., für die, Restauration eines Renaissance-Bildstockes bei 
Ippeniiorf (Kreis Bonn) 2Ö0 M,, für die Wiederherstellung der Grabdenkmäler 
der Grafen von Nassan-Saarbrüeken in der Sehiosskirchc zu Saarbrücken und 
zur Herstellung grosser Aufnahmen derselben 1300 M., für die Erhaltung des 
Chores der ehemaligen Pfankirche zu Dattcnberg (Kreis Neuwied) 600 M., zur 
Vollendung der Wiederbersteltungsarbeiten an der alten Pfarrkirche zu KOlu- 
Niehl 3000 M. (dazu 824 M. für die nächste Sitzung zugesichert), für die 
Sicherung und Instandsetzung des Turmes der alten Kirche zu Serrig (Kreis 
Saarburg) 400 M., für die Sicherung und Instandsetzung der Vorbnrg der 
Burgruine Gerolstein (Kreis Dann) 1200 M., für die Instandsetzung des Berg- 
friedes der Burg Uartelstein eine weitere Beihilfe von 150 M-, für die Wieder- 
herstellung des Kreuzganges und des Kapiteihauses zn Garden (Kreis Cochem) 
weitere löOO M., fUr dringliche Sicherungsarbeiteu an der Klosterruinc zu 
Schönstatt (Kreis Cobleuz) 400 M., zum Abschluss der WiederhereteiluugB- 
arbeiten an der evangelischen Kirche zu Bacharach (Kreis St. Goar) 700 Af. 
Ausserdem wurde für die Anfertigung von Aufnahmen mittelalterlicher Wand- 
malereien in der Rheinprovinz dem Provinzialconservator ein weiterer Credit 
von 2000 M. zur Verftlgnng gestellt. 

Die Provinzialkommission nahm in ihren Sitzungen auch wiederholt 
Stellung zu Einzelfragen, in denen es sich nm die Bedrohung wichtiger Mo- 
numente bandelte. In der ersten Sitzung wurde Über das Projekt berichtet, 
auf dem vorderen Schlosshof der crzbischöflichcn Burg zu Andernach den 
Neubau eines Amtsgerichtsgebäudes zu errichten, ein Projekt, gegen das bis- 
her die Denkmalpflege vergeblich ankämpfte. Die Provinzialkommission sprach 
sich einstimmig dahin aus, dass die Ausführung dieses Planes, durch die der 
Eindruck der Ruinen dauernd beeinträchtigt würde, im Interesse der Denkmal- 
pflege möglichst zu verhindern, und dass der projektierte Neubau an anderer 
Stelle zu errichten sei. Die Bemühnngen nach dieser Richtung haben unter- 
dessen den erhofften Erfolg gehabt: der Justizfiskus hat den Plan, innerhalb 
des Burgterrains den Nenbau aufzuführen, endgültig aufgegeben. 

In der zweiten Sitzung nahm die Provinzialkommission ebenso Kenntnis 
von dem bedauerlichen Vorgehen des Kirch envoratandes zu Oberwesel, der den 
wertvollen Renaissance-AItaraufsalK über dem Hochaltäre der Liebfrauenkirche 
(für deren Wiederherstellung Seitens des Provinziallandtages die Hälfte der 
Kosten, 20000 M., bewilligt worden waren) beseitigt hatte nnd ihn, weil er 
angeblich nicht zum Stil der Kirche passe, wicderaufzustellen sich dauernd 



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172 Bericht übei die Thätigkeft der ProTluzlalkommlssion 

weigert, obwohl er sich mit diesem Widerstand im Gegensatz zn allen Behörden, 
auch den kirchlichen, befindet, Aneh hier nahm die ProvinzialkoDuniesion 
gegen diese Beeinträchtigang des Bauwerkes und gegen den falschen und 
liiagst Überwundenen Standpunkt der Stileinheit Stellung. Der Provinzialaus- 
schuas hat in seiner Sitzung vom 17. Mai sich noch weiter mit dieser Ange- 
legenheit befasst und dem Kirchenvorstand eröffnet, daae bei fortgesetzter 
Weigerung, dem berechtigten Verlangen der Pro vinzia! Verwaltung zu entsprechen, 
von einer ünteratülznng aus Provinzialfonds für die weitere Wiederherstellung 
der Liebfrauenkirche oder anderer der Kireheng^einde gehörender kirchlicher 
Bauwerke nicht mehr die Rede sein könne. 

Neben dem grossen ünternebmeu der Denkmälerstatistik der Rheinprovinz, 
das seit 9 Jahren unter der Leitung einer eigenen Kommission, an deren Spitze 
der Herr Geh. Justizrat Professor Dr. L o e r s c h steht, durch den Provinzial- 
conservator durchgeführt wird, sind seitens der Provinzialkommission zwei 
einzelne Veröffentlichungen bestimmter Denkm&lergruppen gef&rdert worden, 
die die Denkmälerstatistik zum Teil ergänzen und entlasten sollen. 

Zunächst ist eine besondere Veröffentlichung der kunstg^chiehtlich anseer- 
ordentlich wertvollen und von Jahr zu Jahr mehr verschwindenden älteren 
Privathänser der Stadt Köln in Anregung gebracht worden. Der Architekten- 
nnd Ingenieurverein für Niederrhein und Westfalen hat diese Pohlikation auf 
sich genommen. Den Grundstock bildet eine Sammlung von etwa 60 Auf- 
nahmen älterer Privathäuser, die in den Jahren 1893—1896 durch den jetzigen 
MUnsterbaumeister zu Strassburg, Herrn Arntz, angefertigt worden sind: die 
Aufnahmen sind Eigentum des Denkmälerarchivs der Rheinprovinz, werden 
aber dem Verein für die gepIante'Veröffentlichuog zur Verfügung gestellt. Die 
neu herzustellenden Aufnahmen sind von Mitgliedern des Architektenvereins 
bereitwilligst übernommen worden. Für die auf rund 7000 M. berechneten 
Kosten der Herstellnng bat der Provinztalausscbuss die Summe von 
1500 M. bewilligt, der gleiche Betrag ist seitens der Stadt KCln zugesagt 
worden. 

Daneben ist eine monumentale Veröffentlichung der mittelalterlichen Wand- 
malereien in den Rheinlanden ins Auge gefasst worden. Der Frovinzialaus- 
schuss hat bereits seit einer Reihe von Jahren dem Provinzialconservator, der 
auch diese Publikation vorbereitet, die Mittel zur Anfertigung von Kopien und 
Pausen dieser Wandmalereien als der nötigen Vorlagen zur Verfügung gestellt 
und noch in der letzten Sitzung wieder einen Credit von 2000 M. ftlr diese 
Zwecke bewilligt. Die Kosten für die VerOffentliehnug und insbesondere die 
farbige Wiedergabe einer Reihe von Tafeln werden für die romanischen Wand- 
malereien bis zum J. 1250, deren Herausgabe zunächst allein beabsichtigt ist, 
gegen 25000 M. betragen. Die Veröffentlichung wird unter die Publikationen 
der Gesellschaft fUr rheinische Geschichtsknnde aufgenommen werden, den 
grOssten Theil der erforderlichen Mittel hat ein bekannter rheinischer Mäcen 
zur Verfügung gestellt. 

Von grösseren Arbeiten, au denen die Denkmalpflege direkt, nicht nur 



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fSr die Denkmalspflege in der UbeinproTinz. 173 

Ton Anfsichtswegeti, beteiligt ist, standen im letzten Jahr im Vordergrund des 
IntereBses die Wiederherstellnng des Domes zn Trier, des Berliner Thores zu 
Wesel, des Deutsehordenshauses zu Coblenz, der St. Nikolaaskircbe zu Kreuz- 
nach, der ehemaligen Stiftskirchen zu Nideggen nnd Hochelten, der Clemens- 
kirche zn Trechtingsbansen. Fflr die Wiederherstellung der Salratorkirche zn 
Duisburg and der Kirchen zu Ravengieraburg und Tholey sind die Vorarbeiten 
erledigt; die Inangriffnahme der Arbeiten an der Doppelkirche zu Schwarz- 
rheindorf mufiste bis zum J. 1899 aufgeschoben werden. Eine besondere Für- 
sorge bat die provinziale Denkmalpfiege von Anfang an auch der Erhaltung 
und Sicherung der wichti^ten Burgruinen zugewandt; für die Borgen zn 
Gerolstein, Blankenheim, Sefamidtbnrg, Dill, Hartelstein, Burg an der Wnpper, 
Saarburg sind Aufwendungen gemacht, wegen Itfontjoie, Sponheim, CasteUaun, 
Nideggen, Andernach sind Verhandlungen eingeleitet. E^ muss dankbar her- 
Torgeboben werden, dass der Staat in gleicher Weise fOr die Erbaltang von 
Burg Frensburg und — nach langem Zögern — der L<}wenbnrg eingetreten ist. 

Die Durchfflhmng der Instandsetzungs- und Restaurationaarbeiten, für die 
Mittel aas proTtnzialen Fonds bewilligt waren, erfolgte in jedem einzelnen Falle 
unter Betheilignng des Provinzialconserrators. Ausser den regelmässigen Be- 
sichtignngsreisen des Provinzialconservators fanden gemeinsame Bereisungen 
doreh Mitglieder der ProyinzialkommiBsion statt; der Decernent für Kunst und 
Wissenschaft in der Proyinzialyerwaltung, Herr Landesrat Klausener, nahm 
an einer ganzen Reihe der Besichtigungen nnd auswärtigen Verhandlungen Teil. 

Da die Zahl der von der Provinzialkommission eingeleiteten und unter- 
alfltzten Arbeiten ständig im Wachsen ist nnd da ihre Überwachung und Kon- 
trolle — bei dem Mangel eigener Organe für diese Zwecke — immer schwieriger 
wird, bat es sich immer mehr als erwdnscht herausgestellt, die Königlichen 
Regierungen mehr als bisher um die specielle Beanfsichtigung aaefa dieser 
Arbeiten zu erBuchen nnd die Königlichen Kreisbaainspektoren mehr zur tbä- 
tigen Anteilnahme an den Arbeiten der provinzialen Denkmalpflege heranzu- 
:üehen. Die Herren Reg.- und Bauräte der Königlichen Regierungen baben 
persönlich diesen Wttnscben gegenüber ein weitgebendes und höchst dankens- 
wertes Entgegenkommen gezeigt. 

Auch die Einsetzung der Con-espondenten fftr Denkmalpflege hat sich 
wie bisher trefQich bewährt. Immer wieder Ton Neuem muss aber die Bitte 
auBgesprochen werden, den ProTinzialconaerrator und die Direktoren der beiden 
Frovinzialmuseen durch thnnllcbst rasche Mitteilungen, auch durch Zusendung 
einfacher Zeitungsnotizen und kleinerer Druckschriften zu unterstützen. Be- 
sondere wflnschenswert wUrde auch ein noch stärkeres Interesse der grossen 
und verdienstvolten ganzen Landschaften gewidmeten Vereine, voran des Eifel- 
vereins und des Hochwald- und Hunsrückvereins, fflr die Aufgaben der Denk- 
malpflege sein. Als vorbildlich fflr die Organisation and Thätigkeit kleinerer 
Vereine muss noch immer der von dem Königlichen Landrat als Vorsitzendem 
geleiteten Verein für Denkmal- und LandschaftspSege im Kreise St. Goar be- 
zeichnet werden. Die Grflndung ähnlicher Vereinigungen, zumal an der Mosel, 



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174 Bericht über die ThKtigkeit der ProvinzialkommiaBion 

durch die eine dauernde Schntztmppe äncb gegen grobe VernoBtaltangen der 
Landschaft geschaffen werden kennte, würde allenthalben anzngtrebcn sein. 

Daa im Provinzialmnsenm za Bonn untergebrachte Denkmälerarchir 
der Rheinprovinz ist durch Ankäufe, Schenkungen und ÜberweiBungen auf 
5500 Blatt angewachsen. Neu erworben wurden vor allem 380 Aufnahmen 
rheinischer Baudenkmäler aus den Regiernngabezirken Cobleuz und Köln, von 
dem jetzigen Dombanmeister Arntz zu Strasaburg i, d. J. 1893 — 1896 ange- 
fertigt, darunter insbesondere Zeichnungen dei- von Abbruch und Zerstörung 
am moisteu bedrohten Privatbänscr und Fachwerkbanten an Mittelrhein und 
Mosel, und eine Anzahl weiterer Messhildaufnahmcn rheinischer Bauwerke der 
unter der Leitung des Herrn Geh. Baurates Dr. Meydcnhauer stehenden 
Messbild-Anstalt zu Berlin. Durch die KüoiglieheD Regienmgen wurden toII- 
ständigc zeichnerische und photographische Aufnahmen aller zum Abbruch 
bestimmten BandenkmSlcr überwiesen. Unter den Überweisungen ist mit be- 
sonderen] Dank hervoiyuhebcn eine Sammlung von 22 pbotograpbischen Auf- 
nahmen der älteren Gebäude der Stadt Eminerieh, die im Auftrage der Stadt- 
verwaltung angefertigt worden sind. Von den restaurierten Glasgemäldcn in 
AUenbcrg und den Altarflügeln in Ui-snj, Calcar n. a. w. wurden grosse photo- 
graphiache Aufnahmen angefertigt, die den alten Zustand genau /.eigen. Von 
einzelneu Teilen der Grabdenkmäler in Meisenheim, Altenberg, Düsseldorf und 
der Altäre zu Calcar wurden dem Denkmälefarehiv Abgüsse einverleibt. 

Über die Anfertigung von Kopien der mittelalterlichen Wandmalereien in 
der Rheinproviuz wird unten besooders berichtet werden. 

Giemen. 



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für die Denkmalspflege in der RhelnproTinz. 



B«-ichte über die wichtigeren der ausgeführten Restaurationsarbeiten. 

1. Aachen. WiederherstcllnDg und AosschmOckung der 
Milnsterkirehe. 

Unter regster Beteiligung der Einwoluicreehaft Aachens hat der Karls- 
verein am 21. November 1897 zum AbschliiBs seiner fünfzigjährigen Thütigkeit 
eine Dank- nnd Jubelfeier begangen, fitr die auch alle zu ihm in Beziehung 
stehenden geislliclien und weltlichen Behörden ihre Teilnahme durch anerkennende 
Glückwünsche bekundeten. Narh dem durch den hoehwUrdigsten Herrn Weih- 
biflehof Dr. Fischer im Münster gehaltenen Pontitikalanit fand die regelmässige 
Generalversammlung im Karlslianse statt, in der der Vorsitzende, Herr Staats- 
proknrator a. D. Dubnse über alle Vorgänge des Vercinslebeas eingehenden 
Bericht erstattet und allen denjenigen, die irgendwie die vom Verein verfolgten 
Zwecke gefördert haben, den gebührenden Dank ansges|iroclien hat. Der mit 
vier Lichtdrucken gesehmtickte, durch den Verein versandte gedruckte Bericht 
des Vorstandes über das fünfzigste Vereinsjahr 1897 giebt eine ausführliche 
Darstellung der Feier. 

In Ausführung des ihm im November 1896 erteilten Auftrags, dessen 
Einzelheiten ans der vorjährigen Veröffentlichung der Frovinzialkommission zu 
ersehen sind, hat Herr Professor Sehaper Entwürfe zu den im Oktf^n de« 
Münsters herzustellenden Mosaiken eingeliefert, von denen ioBbestindere die 
Figur des Erzengels Gabriel in zwei verschiedenen AosfOhrungen an Ort und 
Stelle zur Anschauung gebracht worden ist. Der Vereiusvorstaud hat zur ße- 
gutaehtuDg dieser Entwürfe eine aus den Herren Wirkl. Geheimer Oberbaurat 
Adler, Pater Stephan Beissel, Provinzialconservator Giemen, Professor 
Frentzen, Kanonikus Goebbels, Gebeimrat Loersch, Geheimer Obcr-Re- 
gieruDgsrat Persius, Prälat Friedrich Schneider, Domkapitular Sehnttt- 
gen und Wirklicher Staatsrat a. D. von SwenigorodskoK bestehende Kom- 
mission gewählt, welche am 22. Oktober 1897 in Aachen zusammengetreten 
ist, an deren Beratungen jedoch die Herren Persius und Schneider wegen 
Krankheit nicht Teil genommen haben. An Stelle des Herrn Persins hatte 
der Herr Knltnsminister den Herrn Geheimen Bsurat Spitta und ausserdem 
noch die Herren Geheimer Oberregiernngsrat Muller, Professor Dobbert nnd 
Akademiedirektor Janssen kommittiert. Nach eingehender Besichtigung und 
Beratung aller älteren und neueren Entwürfe hat die Kommission mit allen 
Stimmen gegen die des Herrn von Swenigorodskol folgende Beschlüsse 
gefasst: 

„Mit Bezug auf die künstlerische Gestaltung empfiehlt die Kommission 
Anlehnung an die Glanzzeit der musiviscfaen Malerei, für die Ikonographie 
Anlehnung an die karolingisehe Zeit, gestattet jedoch bezüglich der Attribute 
gr(}s8ere Freiheit im Anschlnss an die kirchliehen Vorbilder der folgenden 
Jahrhunderte." 



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176 Bericht über die ThKtigkeit der ProvInzialkoinmtBfiion 

„Die KommisBion empfiehlt dem KarlsTerein, Herrn Professor Sehaper 
nanmehr den Auftrag zur AnsBchintlckDDg des Tambours zn erteilen; sie em- 
pfiehlt die Anfertigang einer einfachen Gesamtskizze, welche den später aoB- 
zofUhrenden Kartons zu Grnnde gelegt werden soll." 

„Im Anschlags hieran empfiehlt die EommisBion weiter, eine aus drei 
Personen bestehende kleine Kommission zu emeanen, welche als steter Beirat 
des Kfinstlers fungieren und mit der der Künstler engste Verbindung unter- 
halten BoU-, sie empfiehlt als Mitglieder dieser Kommission zu ernennen Herrn 
Geheimrat PersiuB mit der Ermächtigung sich vertreten zulassen, Herrn Dom- 
kapitular Sehnlltgen und Herrn Pater Beissel." 

Der Vorstand des K'arlsvereins hat diese Beschlösse in allen Punkten an- 
genommen. 

Im Laufe des Jahres 1897 ist die Herstellung des Quadermanerwerks an 
der Westseite der Kreuzkapelle vollendet worden. Ausserdem wurde eine den 
Zutritt zur Vorhalle der nördlichen Tnnntreppe vom Vorhofe des Münstere aus 
vermittelnde ThQre angelegt und die hier im rechten Winkel anstossende 
Fa<;ade des sogenaniiten Kapitelsaales unter Erhaltung und Verwendung der 
noch vorhandenen karoUugischen Bauteile hergestellt. Über die bedeutsamen 
Ergebnisse der bei diesem Anlass veranstalteten Nachgrahongen, die znr Auf- 
deckung der Ueberbleibsel eines Teiles der das Atrium der Pfalzkapelle in 
karolingischer Zeit bildenden Bauten geführt bab^ nnd die Rekonstruktion 
der den Vorbof umgebenden Bogengänge ermöglichen, erstattet Herr Architekt 
Privatdocent Joseph Buchkremer den hier folgenden selbständigen Bericht. 

Anf das im vorigen Bericht erwähnte Gesuch des Vorstandes vom 21. April 
1896 ttm Gewährung einer Lotterie ist unterm 8. Dezember 1896 ein sehr er- 
freulicher ErlaES der an dieser ftlr den Fortgang der MQnsterrestauration so 
wichtigen Angelegenheit beteiligten vier Herren Ressortminister ergangen, in 
welchem deren Geneigtheit, den Antrag Allerhöchsten Ortes zn befürworten, 
aosgedrückt ist. 

Der Verein zählt etwa 1400 Mitglieder. Die jetzt vorliegende endgültige 
Rechnung des Jahres 1896 weist eine Einnahme von M. 51218,15, eine Aus- 
gabe von M. 47 848,06 und einen Kassenbestand von M. 3370,49 nach. Für 
Bauten und Bauleitung wurden M. 22 546,27 ausgegeben, Ober M. 24 000 zins- 
tragend angelegt. Der Vermögensbestand belief sieh am 1. Januar 1897 auf 
M. 119290,67. 

L e r s o h. 

Atrium am Karolinger-Mflnster zn Aachen. 
Bei der Instandsetzung des sog. Kapitelsaales (Fig. 1 H), der in der 
Nordostecke des Domhofes liegt, fand man Baareste des karolingiscben Atriums. 
Die daraufhin vom Karlsvereio auf Anregung und unter spezieller Beaufsichti- 
gung des Herrn Stadtrats Schmitz und unter Mitwirkung des Unterzeichneten 
systematisch vorgenommenen Untersuchnngen deckten eine weitere Reibe von 
Bauresten dieser Anlage auf, die am so wertvoller waren, als die in den 60er 



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für die Denkmalpflege In der Bhelnprovinz. 




Abrb. Om Vor, T. A)t«r(li9rr. Im Rhainl. lOS. 



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Bericht über die ThätEgkeit der ProvlnzialkommiBslon 




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fOr die Denbmalspflefjce in der Rheinproviiiz. 179 

Jabreo nnd nachher nochmals 1885 anfgefnndcnen Reste nar die Fnndament- 
la^ der eiozelneo Haneni, nicht aber die arcbitektoniscbeii Gliedernngen 
erkennen Hessen. 

Die im vergangenen Jahre anfgedeckten Teile sind folgende : Die Fnnda- 
mentmaDer A (Fig. 1) ist in ihrem nntereten 1,60 m hoben Teile aus Bmcb- 
steinen gemaaert und scbliesst nach oben ab durch zwei je 30 cm hohe Schich- 
ten von rechteckig bearbeitetem Qnadermanerwerk (Fig. 2). Bei der Uaner A 
ist dieses noch Tollkommen, bei B nur stückweise noeb erhalten. 

Mit diesem Sockelmaaerwerke noeb fest verbunden wurde eine Reihe von 
Pfeilerresten und SSuleubasen gefunden, die durch das Mauerwerk der hier 
stehenden Häuser verdeckt waren. Es sind dies die Tbeile Aj bis incl. Ag 
(Fig. 1 und 2). Die Pfeilcrsockel A„ A„ A, und A^ waren noch in ihrer 
ganzen Breite, A^ und A^ dagegen nur sttlckweise noeb erhalten. 

Die HobenverhäUDisse ergaben sieb aus den noch vollständig bestehen- 
den Pfeilern A, und A,. Heber dem 36 cm hohen, mit attischer Basis ver- 
sehenen Pfeilersockel A^ und A, (Fig. 2) erheben sich 3,15 m hohe, 1,20 m 
breite und 0,70 m dieke Pfeiler aus regeb'echt bearbeiteten Quadern, die durch 
ein schmales Eämpfergesimse abechliessen ; darüber entwickeln sich, etwas weni- 
ger breit als die Pfeiler, flach vortretende Lisenen, deren Quader mit dem neben- 
liegenden Brucfasteinmanerwerk in Verzahnung gemauert sind. Oben bildet ein 
einfaches Gesimsbändchen in ca. 10 m Hohe Über dem Sockel den Abseblnss. 

Zwischen den Pfeilern A, und A, war Ober dem Kämpferprofil ein Halb- 
kreisbogen zu erkennen, von dem noeb einige Quadern mit schwerem Architrav- 
profil erbalten sind; in gleicher Weise war auch der Bogen zwischen Pfeiler A, 
und Säule A, grösstenteils noeb erbalten; dieser aber ist abwechselnd aus 
Backsteinen und Hausteinen gemauert. 

Die weiteren Cntersncbungen ergaben, dass die karolingiache Mauer D 
(Fig. 1) ihre Fortsetzung findet bis D^ D„ dass hingegen das Mauerwerk D, D^, 
das bei den Ausgrabungen im Jahre 1885 als karolingisch bezeichnet wurde, 
nicht aus dieser Zeit stammt, und dass ebenfalls der bei E (Fig. 1) gefundene 
karolingiache MOrtelrest nur zufällig dort hingekommen sein kann. 

Die Rekonstruktion der FaQade A, wie sie Fig. 2 zeigt, geschah unter 
genauer Berflcksichtigung der gefundenen Beste nach folgenden Erwägungen: 

Die Gesamtlänge dieser Fa^ade ergibt sich durch entsprechende Ver- 
längerung der Fundamentmauer C (Fig. 1), wodurch der Pfeiler A,„ fixiert wird. 
Ergänzt man nun zunächst die unvollständigen Pfeilersockel A^ und Ag bis zu 
der Breite des vollständigen Pfeilers Aj etc. und fügt nun zwischen A^ und 
Ag den dort offenbar fehlenden Pfeilersoekel Ai nach den Verhältnissen, wie die 
abrigen Pfeiler zu einander stehen, hinzu, so ergiebt sich abwechselnd eine 
grosse und kleine Pfeileretellung. In den grossen Abständen befinden sich, wie 
die Säulenreste A,, A, etc. anzeigen, je zwei Säulen, die durch gestelzte Halb- 
kreisbögen, analog dem erhaltenen Bogen zwischen A, und Ag, mit den Pfeilern 
und unter sich verbunden sind. Die kleineren Pfeilerstellungen werden da> 
gegen, wie der erhaltene Bogen zwischen Aj und A„ mit einem grossen Halb- 



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180 Bericht über die Tbätigkeil der ProvinzialkommiBBioa 

kreisbog:en überBpannt gewesen eein. Da die Lieeneu Ober den Pfeilern A, 
nnd Äj hoch hinaufgehen^ so ist die ZweigeBchossigkeit der Aolage deutlich 
aogezeigt. Die Fenster des Obergeschosses sind nicht mehr erhalten, ihre mut- 
maBsliche Gestalt ist aber darch das alte dicht daneben liegende karoHngisehe 
Fenster G (Fig. 1 u. 2) gegeben nnd dementspreehend eingezeichnet worden. 

Da das Soekelmauerwerk in einer Höhe von 60 cm unterhalb der Pfeiler- 
sockel aus glatt bearbeiteten Quadern besteht, so mnss man annehmen, dass 
dasselbe siebtbar geblieben ist, der innere Hof des Atriums also entsprechend 
tiefer gelegen hat, als der Fussboden der Hallen. Vermutlich haben einige 
Treppenstnfen von den grossen Oeffnungen in den Hof hinabgeführt, während 
die Säulenstellungen durch Brlistungsgitter abgesehlosseu waren, wozu sich 
noch einige BefestigungslOcher im Sockelmauerwerk gefunden haben. 

An der Hand des für die Längsfa^aden gewonnenen Systems lässt sich 
nun auch die Teilung der in der Gesamtlänge gegebenen Schmalseite C so 
annehmen, wie es für den Teil „xy" der Läugafa^ade in Fig. 2 geschehen ist. 
Der Umstand, dass zwei grosse nnd eine kleine Pfeilerstellung der Langseite 
genau der Fa^adenlänge C entspricht und dass die mittlere grosse Oeffntmg 
dieser Fa^ade C mit der auf der Fundamentmauer F (Fig. 1) liegenden karo- 
lingiechen Tharschwelle F, axial übereinstimmt, liegt ein weiterer Beweis für 
die Richtigkeit des gefundenen Systems. Das Atrium bestand sonach aus zwei 
Lftngshallen und aus einer Querhalle, während die sonst bei Atrien noch vor- 
handene vierte Halle an der Westseite der Kirche hier gefehlt hat Für die 
Unmöglichkeit des ehemaligen Bestehene dieser vierten Halle sprechen folgende 
Gründe: Zunächst hätten sieh in der Mauer A bei A, (l^^g. 1) Verzahnungen 
im Fundament finden müssen, wo die Mauer des vierten FlUgels ehedem an- 
seblosa. Femer mUsste der Verband der Steine Über dem Kämpferprofil des 
PfeileiTS Ag (Hg. 2) den Anscbluss des von dort auegehenden Bogens der vierten 
Halle noch irgendwie erkennen lassen, während der vorhandene Fugenschnitt 
dieses ganz ausscbliesst. Weiterhin wäre auch die Zweigesehossigkeit der An- 
lage für den vierten Flügel nicht denkbar, weil sonst das Fenster G (Fig. 2) 
zwecklos gewesen wäre. Endlich scbliessen auch die HOhenverbältnisse der 
alten Anlage den vierten Flügel ans, indem der Fussboden im Octogon fast 
genau gleiche Höhenlage hat, wie der innere Hof des Atriums, demnach also 
die vierte Halle tiefer hätte liegen müssen, wie die übrigen. Der schräg durch 
das Atrium hindnrchführende, mit den Mauern desselben in Verband stehende 
Kanal OP (Fig. 1) ist in der Mitte des Hofes durchbrochen, so dass das Wasser 
des wahrscheinhch hier früher stehenden Cantharus dadurch seinen Abflnss 
fand. Da dieser Brunnen jedenfalls dicht beim Kanal und andererseits auch 
in der Mitte des Hofes stand, so ergiebt sich auch hieraus, dara die vierte 
Haue fehlen musste (s. Fig. 1, J, K, L, M und N). 

Dem allen könnte entgegen gehalten werden, dass sieh bei E (Fig. 1) 
eine Schicht karolingischen Mauerwerks gefunden habe. Mach der Art nnd 
Weise aber zu urteilen, wie diese, nnr aus Mörtel bestehende kleine Schicht, 
an dieser Stelle liegt, mnss man annehmen, dass dieselbe durch Zufall dahin- 



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Altenberg. St. Gregorius und musicierende Engel aus dem Wcstfensier. 



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für die Denkmalpflege in der Rhetnprovinz. 181 

gekommen ist. Zodem hätte die etwaige vierte Balle eich dem Pfeiler A, 
aDschlieseen mOesen und nicht in der VerläDgcmng der nicht einmal karulingi- 
Bcfaen Afaner D, D4 liegen mtlasen, worin zufälliger Weise E liegt! 

Ans alledem geht hervor, dass auch der sog. karolingisehe Gang nicht 
bis an die Fa^ade des Atriams herangereicht hat, sondern erst hinter den 
Hallen deseeihen beginnen konnte. In der Fig. 2 ist bei dem Bogen A, A, 
das Profil des Gewölbes vom kurolingischen Gange punktiert eingezeichnet, 
woraus schon allein ersichtlich ist, dass der Gang mit dem System des Atriums 
Dicht nbereinstimmt. Gleichzeitig ist an dieser Stelle auch in punktierten Linien 
angegeben, wie dieser Teil im Laafe des vorigen Jahres vom Karlsverein re- 
stanriert^worden^ist,- 

Jos. Bnchkremer. 



Pi^. 3. Zwick el^aus'dem Couronnement des Westfenaters. 

2. Altenberg. Wiederherstellnng des Domes. 

Die Thätigkeit des Altenberger Domvereins erstreckte sich in dem ver- 
gangenen Jahre in erster Linie wieder, entsprechend dem beim Beginn der 
Arbeiten aufgestellten Programm, anf die Wiederherstellung der kostbaren Glas- 
malereien, — des kunstgeschichtlich bedeutendsten Schatzes, den der Dom 
birgt, — und auf die weitere Ergänzung der Vergiasung im Ansehluss an die 
alten Reste. 

Nachdem schon im Jahre 1896 die Glasmalereien im ganzen nördlichen 
Seitenschiff wiederhergestellt worden waren, und nachdem noch zuletzt die 
Westfenster der beiden Seitenschiffe ihre netten Gemälde erhalten hatten, musste 
sich die künstlerische Arbeit zunächst ganz auf die Vollendung des grossen 
Westfensters konzentrieren (vergl. die beiden Tafeln). Ueber die Vorarbeiten 
war schon in dem letzten Jahresbericht referiert worden. Den Auftrag fQr die 
Restauration des Fensters und die Ergänzung des fehlenden Conronnementg 
halte mit Genehmigung der Küniglichen Regierung der Glasmaler Professor 
Linnemann in Frankfurt a. M. erhalten, der auch die flbrigen Arbeiten im 
Langhause des Domes durchgeführt hatte. Im Interesse der einheitlichen Ge- 
samtwirküng dieses Teiles schien es notwendig zu sein, alle Arbeiten hier in 
dieselbe erprobte Hand zu legen. 

Jede der acht Langbahnen des Fensters enthielt übereinander zwei Einzel- 
figuren von Heiligen unter überaus reichen zweigeschossigen Baldachinen. Die 



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182 Bericht über die Thätigkeit der Proviozialkommlssioii 

beiden äusseren Langbahnen waren in den Jabren 1864 — 65 durch das Röni^ 
liehe Institnt fUr Glasmalerei in Berlin gänzlich erneuert worden. Alte Scheiben 
waren io diesen Feldern überhaupt nicht verwendet, so dass wohl anzunehmen 
ist, daBB hier gar keine Anhaltspunkte für die Eompostitionen vorgelegen 
hatten. Ebenso entbehrten die sämtlichen Oeffnnngen im Conronnetnent des 
Fensters der allen Verglasnng, nur in den dreieckigen Zwickeln setzte sich 
das farbige Schacbbrettniuster fort, das auch den Hintergrund der Einzelfignren 
in den Langbahnen bildet. In dem mittleren Vierpass fand sich ein grosser 
Christnskopf vor, doofa ergab die Untersnchnng, daes ancb dieser modern war. 
Die Restauration erstreckte sich zunächst auf die unteren Langbahnen. 
Bei der Herausnahme der Fenster wurde festgestellt, dass die alten Felder bei 
der letzten Versetzung zum Teil vertauscht worden waren; so war in der 
oberen Reihe als obere Hälfte der dritten Heiligen der Oberkörper einer hl. 
Katharina eingeftlgt, deren Umrisse in dem unteren Felde gar keine Fort- 
setzung fanden. Die einzelnen Felder wurden, nachdem das ganze Glasfenster 
zunächst an Ort und Stelle in Altenberg in grossen Photographien aufgenommen 
worden war, nach Frankfurt a. M. transportiert. In der Anstalt des Herrn 

Professor Linnemann wurden 
nach der auch bisher bei den 
vorangehenden Restaurationen 
angewandten Technik die einzel- 
nen Scheiben aus der Verbleiung 
genommen und sorgfältig gerei- 
nigt; nur wenige ganz schad- 

„..„.,, , f, ^ hafte und ganz undurchsichtige 

Flg. 4. Zwickel aus dem Couronneiaent ° ° 

des WeHtfenstere. Scheiben wurden entfernt, da- 

neben aber die bei der letzten 
Restauration eingesetzten schlechten Scheiben. Der gemusterte Teppichgmnd der 
Einzelfiguren, der fast ganz undurchsichtig geworden war, erschien nach der 
Reinigung wieder in leuchtenden Farben. In der oberen Reihe wurden als 
erste und letzte Fignr neu angefertigt die bh. Katharina (ftlr die die alte obere 
Hälfte benutzt ward) und Barbara, in der unteren Reihe die hb. Albanas nnd 
Cyriacus. Die Einzelfiguren stellen jetzt dar (von linke nach rechts gezählt) 
in der oberen Reibe: St. Katharina, St. Gereon, St, Johannes den Täufer, St. 
Elisabeth, St. Joseph mit der Madonna und dem Kinde, St. Ursula ('?), St. Ste- 
phanus, St. Barbara; in der unteren Reibe: St. Albanus, einen heiligen Abt 
(wohl St. Benediktus), St. AndreaB, St. JohanneB den Evangelist, einen zweiten 
hl. Abt (wohl St. Bernardus), St. Petrus, St. Paulus, St. Norbertns. Unter der 
hl. Ursula in der oberen Reihe kniet mit seinem Wappenscbilde neben sich 
der Herzog Wilhelm von JUlich-Berg, unter der bl. Elisabeth eeine Gemahlin 
Anna von Pfalzbayem. 

Die Brustbilder der vier grossen Kirchenväter und die acht masicierenden 
Engel, die sieh Qber jenen Einzelfiguren befinden, brauchten nur leicht ge- 
reinigt zu werden. DafUr aber war die ganze Verglasung der grossen Pässe 



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Altenberg. St. Gereon und die heilige Familie aus dem Wesifenstcr. 



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t&i die Denkmalspflege In der Kheinprovlnz. lt}3 

io dem GonronnenieDt oen zn beschaffen. In dem mittelsteD Vierpase wurde 
hier wieder ein Christnskopf aogebracht, aber id den Dimensionen kleiner als 
der bisher dort befindliche moderne Kopf, in den umgebenden Dreipäsaen die 
Gestalten toq vier Engeln, die die Leidenewerkzeuge halten, endlieh wnrden 
in den beiden grossen nnteren Vierpässen die Einzelgestalten der Madonna nnd 
des hl. Johannes angebracht. Da die Maasse dieser nen zn sebafTenden Fi- 
guren notwendigerweise nach den alten Fignren sorgfältig zu berechnen waren 
und da sie nicht über die Maasse der unteren Einzelfignren htnansgeben durften, 
war hier eine gewisse Beschränkung von vornherein gegeben. Die Fignren 
der Madonna nnd des bl. Johannes mnssten deshalb auf einen ziemlich reich 
gegliederten architektonischen Hintergrund gesetzt werden, der den ganzen 
VierpasB gleichmässig ausfüllte. Bei den Figuren selbst wurde natürlich der 
silberne Grisailleton, in dem die unteren figarlichen Darstellungen ausgeführt 
waren, wiederholt, fUr die Füllung ergab sieh ebenso von selbst als die wesent- 
liche Farbe das Cüronengelb der Baldachine. Entsprechend den breiten Massen 
dieses Gelb in der nnteren Hälfte des Fensters moaste es anch im Maasswerk 
sehr reichlich angebracht werden (Fig, 3 — 5). 

Die Restaoration des Fensters wurde erst im Frühling des Jahres 1898 
abgeschlossen. Die sämtlichen Fenster sind in der Anstalt des Herrn Professor 
Linnemann photographiert worden; auf einem grossen Qesamtblatt, das dem 
Denkmälerarchir der Kheinprovlnz in Bonn einverleibt worden ist, sind alle, 
selbst die kleinsten Seheiben, die bei der Kestauration ergänzt worden sind, 
besondere bezeichnet, so dass jederzeit eine Kontrolle möglich ist und eine ur- 
kondlicbe Unterlage zur kritischen Untersuchung des Fensteni geschaffen ist. 

Das Westfenster im Ältenberger Dome besitzt bekanntlich einen ganz 
ausserordentlichen kunstgesebiehtlicfaen Wert. Es ist das umfangreichste nnd 
bedentendste Werk, das am Niederrhein vom Ende des 14. Jahrhunderts er- 
halten ist. Sein Wert wird noch dadnreh erheblich gesteigert, dass die Zeit 
seiner Eutstehnng und der Name des Meisters bekannt sind. Das Fenster ist 
entstanden zwischen den Jahren 1380 nnd 1388, in der Zeit der ßegiening 
des Abtes Andreas de Moncbem, also nnmittelbar nach der 1379 erfolgten 
Weihe des Domes nnd möglicherweise zur Verherrlichung der 1380 erfolgten 
Erhebung der Grafschaft Berg zum Herzogtum. Der Herzog Wilhelm von 
Jfliieh-Berg, der auf dem Fenster dargestellt ist, starb freiheh erst am 25. Juni 
1408, seine Gemahlin Anna, die Tochter des Pfalzgrafen Knprecht des Jüngeren, 
erst am 30. November 1415, doch giebt der Catatogus abbatum ausdrücklich 
schon die Jahre 1380 — 1388 als die Zeit der Entstehung an (Gatalogus abba- 
tum monasterii de veteri monte bei Jongelinus, Notitiae abbatiamm ordinis 
Cistertiensis, Köln 1640, II, p. 24: faeta est fenestra illa magna et puleherrima, 
qnae est in frontispitio ecclesiae occidentem versus). Und auch der Meister 
des Fensters ist uns bekannt, Meister Raynoldns, der als Laienbruder im Kloster 
weilte, ursprünglich als Bildhauer und Baumeister ausgebildet, wovon noch die 
überreichen Baldachine seines Fensters Zeugnis ablegen, und im Jahre 1398 
hier gestorben und begraben. „Ein Eflnig aller Baumeister" (super omnes rex 



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184 Berieht Aber die Thäti^keit der Proviniialkommission 

Upicidas) wird er in der bei Jongelin anfbewahrteo Grabinechrift genaiuit 
Gerade bente, wo die Ußtersachnng; Aber den Meister Wilhelm von Köln mit 
eolcber Lebhaftigkeit geführt wird, darf darauf hingewiesen werden, dafls wir 
in nnmittelbarer Nähe von Köln hier ein datiertes Glasgemälde ein^ hervor- 
ragenden and nns mit Namen bekanaten Meisters besitzen, der wobi neben 
dem Heister Wilhelm genannt zn werden verdient. Proben der figfirtichen 
Darstellnngen geben die beiden Tafeln. 

In Bezng anl die weiteren von dem Altenberger Domverein durchgeführten 
Wiederberatellongsarbeiten alter Glasmalereien kann dieses Referat nnr anf die 
in den letzten beiden Berichten gegebenen AnsfUbmngen über die Technik nnd 
die befolgten Grundsätze verweisen. Die im letzten Jahr restaurierten Fenster 
sind in der gleichen Weise wie die früheren behandelt worden. 

Endlich sind in dem Jahre 1897 die Wiederherstellungaarheiteu an den 
Grabdenkmälern der bergiscben Grafen im Herzogencbor und im Hoehchor 

zum Abschlass gekommen, für 
die Se. M^estlLt der Kaiser die 
Mittel aus dem allerbScbsten 
Dispositionsfond bereit gestellt 
hatte. Das grosse Grabmal des 
Grafen Gerhard I. (f 1360) und 
seiner Qemablin Margaretha 
(t 1384) war wie die übrigen 
Denkmäler während der langen 
Periode der Verwüstung und 
Verwahrlosung in der 1. Hälfte 
dieses Jahrhunderts schwer he- 
Fig. 6. Zwickel aue dem CoTironnement schädigt worden. Die öberaus 

des Westfensters. reiche Umrahmung war so brü- 

chig und verbröckelt, dass sie 
fast ganz erneuert werden musste. Die lebensgrossen Figuren der beiden Ver- 
storbenen, die nebeneinander, jede in besonderem Rahmen, anf dem Bücken 
liegen, das Haupt auf zwei Kissen gestützt, die Hände vor der Brust gefaltet, 
Graf Gerhard die Füsse auf zwei Löwen, Gräfin Margaretha die Füsse anf 
zwei Hündchen setzend, waren dagegen gut erhalten; hier brauchten nnr ge- 
ringe Bestaurationen vorgenommen zu werden. Aus den Aufnahmen und Be- 
schreibungen der Grabdenkmäler in Altenberg, die der Altertumsforscher Reding- 
hoven im Jahre 1696 angefertigt bat (erbalten in der Redinghovensehen Samm- 
lung in der Staatsbibliothek zu München, Cod. germ. 2213, Band XXIV, B). 169), 
Hess sich feststellen, dass die FigUrchen der knieenden Engel, die sich, von 
dem Denkmal selbst loagelOst, in der Kirche befanden, ursprünglich zu Häupten 
der Wimperge angebracht waren : sie haben dort wieder ihren Platz gefunden. 
Somit ist dies^ geschichtlich merkwürdige Doppel-Grabdenkmal, das nnter 
den gleichzeitigen rheinischen Arbeiten nach dem Grad der künstlerischen 
Durchbildung in der vordersten Linie steht und das sie alle durch die be- 



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für die Denkmalpflege In der Rhelnprovinz. ISS 

deutenden DimenBionen (die Grabplatte ist 4 m lang nnd 3,50 m breit) Übertrifft, 
gleichfalls vor der weiteren Verwahrlosung gerettet nnd in seinem ursprUag- 
ItcheD Reicbtnm erneuert. Die sorgfältige Restaarationsarbeit wurde wiederum 
durch den Dombildhauer Professor Fuchs in ESln ausgeführt. 

Clenien. 



3. Racharach. Wiederherstellang des alten Holz- 
hauses am Markte. 

Die malerischen Fachwerkhäuser, die dem Bilde der kleineren Rhein- 
Städte seit drei Jahrhunderten ihr charakteristisches Gepräge geben, drohen 
am Mittelrhein zwischen Mainz und Coblenz immer mehr zu rerechwinden. 
Die jüngsten grossen Brände in Bacharach nnd Boppard haben noch innerhalb 
der letzten drei Jahrzehnte ganze Reihen beseitigt. Die Königliche Regierung 
hat es sich in diesen Fällen immer angelegen sein lassen, durch unentgeltliche 
Anfertigung von Skizzen nnd Entwttrfen die Eigentümer zu veranlasse, 
wieder in Fachwerk neu zu bauen: aber diese Neubauten müssen schon in 
den allgemeinen Maassen wesentlich von den alten abweichen und verändem 
so immerhin das alte Bild ziemlich bedeutend. Am wenigsten bernbrt 
sind heute nelleicht noch die alten Fachwerkhäuser in Rhens. Der rOhrige 
Verein fttr Landschaft- und Denkmalpflege im Kreise St. Goar mit dem Sitz in 
Boppard hat sieb die Controlle nnd Erhaltung der wichtigsten älteren Wohn- 
häuser zur ganz speciellen Aufgabe gemacht. 

Am Markt zu Bacharach, der giflcklich wiederhergestellten Peterskirche 
gegenflber, ist noch ein Hans erhalten, das in der Feinheit und Schönheit der 
Detailansbildnng und in dem Reichtum der Silhouette alle flbrigen flbertriSit. 
Dazu half schon die glückliche freie Lage mit dem tttrmehenartig ausgebildeten 
Erker; es ist (nach den erhaltenen Inschriften) 1568 errichtet nnd schon 1713 
einmal renoviert worden. In der Geschichte der Holzbaukunst hat es längst 
den gebührenden Platz erhalten. Lange, Cnno, Dollinger, L eh fei dt, 
Raschdorf, Smith, haben es veröffentlicht, es gehört zum eisernen Bestand 
aller rheinischen Skizzenhttcher nnd ist allen Touristen ebenso wie den Malern 
wohl bekannt (Fig. 6 n. 7). 

Das Hans war im vorigen Jahr unter den Hammer gekommen, ein von 
der Stadt gemachter Versuch, es zu erwerben, schlug fehl; es wurde von einem 
Metzgermeister angekauft, der darin eine Metzgerei nnd Gastwirtschaft einzu- 
richten gedachte. Es waren hierdnrch verschiedene Änderungen bedingt, die 
den bangeschiehtlichen, wie den malerischen Wert der ganzen Anlage wesent- 
lich verringert hätten. Das Haus war ausserdem ziemlich baufällig geworden; 
es war durchaus keine Bürgschaft geboten, dass die Wiederherstellung dem 
alten Charakter Rcchnong tragen wQrde nnd dass es nicht umgebaut oder 
durch Anbauten entstellt wUrde. 

Es schien erwünscht, dass hier Staat und Provinz zusammen auf die Er- 
haltung des merkwürdigen Bauwerkes hinarbeiteten. In der Sitzung der Pro- 
vinzialkommission vom 31. Oktober 1896 wurden fUr die Vorarbeiten die 



yGoot^le 



186 Bericht über die Thätigkelt der FrOTinzlalkanimissIan 

nötigen Mittel (100 M.) bewilligt. Anf Veranlassung des Frovinzialconeervators 
stellte daranf der Architekt Ludwig HofmanD aus Herborn eine Anfnabme 
her. Der Kostenanschlag für die Wiederherstellung, soweit sie im Interesse 
der Denkmalpflege lag, sehloss mit 4100 M. ab. Der Besitzer erklärte sich 
bereit, 1000 M. beizutragen als die Summe, fUr die er das Haus ohne Erhaltung 
des altertümlichen Charakters wttrde ausbessern lassen kOnnen. Der Herr 
Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten stellte 1000 M, zur Verfügung, 
der ProvinzialausscbuSB bewilligte endlich in der Sitzung vom 27. Juli 1897 
die Summe von 2100 M. Der Besitzer, Metzgermeister Weber, ist dafUr in 













pjg;^^ 


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1 1 


^ 











Flg. 6. Bacharacb, Altes Holzhans. Grundrisse und Querüchottt. 

dankenswerter Weise die grundbuchlich eingetragene Verpflichtung einge- 
gangen, das Haus in dem wiederhergestellten Zustande zu erhalten und oboe 
Zustimmung der Provinz keine Änderungen romehinen zu lassen. 

Die WiederherstcllungstirbciteD sind daranf sofort in Angriff genommen 
und im Kovember d. J. abgeschlossen' worden. Sie erfolgten dnrch den Archi- 
tekten Hof mann unter der epeciellen Anfsieht des Herrn Geh. Baorats 
Lanner und des Provinzialconservators, die Malerarbeiten erfolgten unter der 
Leitung des Malers Bauland von Coblenz. Es ist dabei auf das Sorg&ltigste 
die alte Construktion bewahrt und die alte Technik nachgeahmt worden. Die 
aus Eichenholz bestehenden Konstruktionshölzer, wie Schwellen, Balken, Pfosten, 
und Riegel waren stellenweise stark gerissen und mussten aasgespfthnt und ver- 



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für die Denkmalepflege In der Bheinprovinz. 187 

kittet werden. Trotzdem wurde von einem deckenden Anstrich abgesehen, da 
die alten Holzflächen eine vortrefBich wirkende Patina zeigten. Die nen ge< 
spähnten Stellen wurden deshalb nur geOlt und alle auegebeaserten Stellen 
mit roter und tiefbrauner Lasurfarbe behandelt. Von besonderem Interesse 
waren die Funde sehr reicher gemalter Friese auf den Ort- und Gesims- 
brettem. Da die letzteren sehr schadhaft waren, wurden sie vorsichtig abge- 
nommen, die Ornamente wurde« nachgezeichnet und auf den neuen Brettern 
wieder genau in der alten Weise aufgemalt. Auch fUr die Behandlung der 
nenen Pntzfiächen zwischen dem Holzwerk und die farbige Umänderung der 







Fig. 7. Bacharach, Altes Holzhaus. Ansichten'und DetaiJB. 

einzelnen Felder boten die alten Reste erwünschte Anhaltepunkte. Die in seit- 
lichen Falzleisten laufenden Fensterläden am Erker (welche, wenn geöffnet, 
die FensterbrUstungswände daselbst decken) erhielten wieder eine reiche Be- 
malung. Die Fenster wurden zum grössten Teil zwischen den alten verbleiben- 
den Holzrahmen mit nenen Bleiverglasungen ans bellem einfarbigem, durcb- 
sichtigem Glase zwischen dünner Verbleiuung versehen. Ausser den alten 
Jahreszahlen 1568 und 1713 wurde die Zahl 1897 noch angebracht-, der 
historische Weinstock an der Sudseite des Gebäudes ist bei den Arbeiten sehr 
Borfältig conserviert und wieder befestigt worden. 

Aufnahmen des Hauses (die Ornamente der Ortbretter in Originalgrössc) 
sind dem Denkmälerarehiv der Rheinprovinz einverleibt worden. 

Giemen. 



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Bericht über die Ttiätigkeit der Provinzialkommiasion 



a Blankenheim nach einer Zeichnung aus der zweiten Hälfte 
des 18. Jahrhunderb). 



4. Blankenhelm (Kreis ScbleideD). Sichernogsarbeiteo 
an der Schlossruine. 
Blankenheim ist einer der bedentendeteo DynasteuBitze der Rheinlande. 
Gerhard I. von Blankenheim erßSbet mit dem Jahre 1115 die älteBte Linie, in 
deren Besitz das Scliloss bis zum Jahr 1415 verblieb; dnrch Erbschaft kam 
die Herrschaft an die Herren von Loen, die den Titel Grafen von Blankenheim 
annahmen. Gerhard Vllf. von Loen, Graf von Blankenheim, hat wahrschein- 
lich die Bnrg am die Mitte des 15. Jahrhunderts vollkommen umgestaltet; anf 
diese Zeit gehen die ältesten Teile der heute noch erhaltenen Ruinen znrllek. 
unter den Grafen von Mandersehcid-Blankenheim, die seit dem Jahre 1468 im 
Besitz der Herrschaft sind, wird das Schloss auch ein Mittelpunkt des künstle- 
rischen and litterarischen Lebens in der Eifel: Graf Hermann legte hier am 
Ende des IC. Jh. die berühmte Bibliothek nnd seine AltertQniersammlung, das 
erste rheinische Provinziaimnsenm, an. Sein Bruder und Nachfolger Arnold IL 
fahrte gleich in den erelen Jahren seiner Regierung (1605 — 1613) die Nenbe- 
fcstigung der Stadt und des Schlosses mit Bollwerken und Bastionen dnrch: 



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für die Denkmalpflege in der Kheinprovinz. 189 

dieser Zeit eclstanimt die grosse Terrasse an der Südseite und der anstosBeode 
durch einen mächtigen rnnden Bastionetarm flankierte Hanptcingang des Schlosses. ' 
Hand in Hand mit diesen Arbeiten ging wahrscbeinlich ein wesentlicher Um- 
bau des Schlosses selbst, dessen Ruinen zum weitaus grössten Teil auf das 
17- Jahrhundert als Entstehungezeit hinweisen. 

Erst als die Grafen Mandeischeid-Blankenheim mit Franz Joseph im Jahr 
17S0 im Mannesstamm ausstarben, erfolgten unter der Erbin Augnsta, Beichs- 
gräfin von Stemberg-Manderseheid, noch einmal grössere Umbauten in der Um- 
gebung des Schlosses; an der ÜRtseite entstacd an der Stelle des alten Burg- 
aufganges im Jahre 1788 das sog. Kanzleigebäude auf einer neu angelegten 
Terrasse — es musste infolgedessen ein neuer uro den Berg herumführender 
Fahrweg zum Schloss angelegt werden (Fig. 8). 

Das Jahr 1794 hatte die fast vollständige Vernichtung dra prächtigen 
FUrstensitzes im Gefolge. Die letzte Gräfin musste fliehen, dabei wurden zwar 
einzelne Teile der Sammlungen und der Bibliothek geflüchtet, aber nachher 
versehleudert. Die Franzosen erklärten das Schloss zum National-Eigentum 
und verkauften es für 8500 frs.; der Besitzer des Schlosses, der französische 
Forstinspektor Klein, hat in den ersten Jahren des Jahrhunderts das ZerstO- 
rungswerk vollendet; sämtliches Holzwerk und die Hausteine wurden heraus- 
gebrochen und verkauft, die Einrichtungsgegenstände verschleppt; in den nach- 
folgenden Jahren wurde die herrenlose Ruine zum Steinbruch für Blankenheim 
und Umgegend, die Anlage des grossen Schlosses wurde dabei fast bis zur 
Unkenntlichkeit verwischt. Nur die 1788 angelegte sog. neue Kanzlei entging 
der Zerstörung und ist zur Zeit im Besitze des Bittmeisters a. D. v. Wrochem, 
der diesen Teil des Schlosses bewohnt. Das Eigentumsrecht an den Buioeo 
ist bis auf den heutigen Tag noch immer nicht entschieden. 

Die erhaltenen Teile des Schlosses (vgl. Fig. 9 u. 10) erheben sich auf 
einer langen Felskuppe, an deren Fnss die Ahr entspringt', an der Südseite ist 
im Wesentlichen noch der dem Bau des lö. Jahrhunderts angehörende grosse 
Saal, im Lichten 14 m lang and 9 m breit, erhalten, der Bau setzt sich durch 
seine Eckquaderung in rotem Sandstein deutlich von den anstosaenden Bauten 
ab; im Übrigen ist auch dieser Saalbau im 17. Jahrhundert verändert worden. 
Vor diesem Saalbau wurde dann im Anfang des 17. Jahrb. an der Südseite eine 
hoch aufgemauerte Terrasse angelegt, ebenfalls auf hoher Aufmanerang ein 
schmaler nach Westen vorspringender FlUgel. Derselben Zeit gehört der lange 
schmale WestflSgel des Schlosses an. Gerade die nach dem Schlosghofe hin 
gelegenen Teile sind der Zerstörung durch Ausnutzung des Steinmaterials am 
meisten aasgesetzt gewesen; die an der Nordseite des alten Saalbsues an- 
schliessenden Räume sind in der Anlage gar nicht mehr za bestimmen, im 
Wesentlichen ist nur noch eine grosse Wendeltreppe erkennbar. Die Uauer 
des WestflQgels nach dem Hof bin ut fast ganz, d. h. bis auf einige hoch- 
ragende Mauerzinken niedergelegt worden. Aach von der Anlage des Hanpt- 
einganges zu der Burg an der Kordseite ist nichts mehr zu erkennen; hier 
schloss ein jetzt zum grtissten Teil mit Bauschutt zugeschütteter tiefer kflnst- 



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190 Bericht Qber die Thätigkeit der Provlnzialkomiiiisslon 

lieber Graben das Schloes gegen das Nordplaleau ah, auf dem Bicb wabracbetD- 
lieh eine grossere Vorbnrg befand, tod der jetzt aber anch nnr noch ganz 
geringe verstreute Manerreste erkennbar sind. Erhalten ist demnach im Wesent- 
lichen nnr der sadliclie Saalban mit der Torgelagerten Terrasse und dem West- 
flügel, die hoch aufragende Westmauer und die Anlagen an dem östlichen 
Bergabhang. 

Die rücksichtslose Ausplünderung der Tollkommen heiTenlosen Bnine qnd 
der andanemde Verfall des Mauerwerks — das Mauerwerk war so tief ver- 
wittert, dass grosse Teile des Mantels herabgestürzt waren — machten ein 
Einschreiten notwendig, zumal da bei diesem Zustande die nächsten Häuser 
des am Fuss des Schlossberges gelegenen Fleckens durch den weiteren Ver- 
fall gefährdet erschienen. Bereits am 10. Dezember 1891 hatte der Provinzial- 
ausscbuss 2000 M. zu Siehernngsarbeiten an der Ruine Blankeuheim bewilligt, 
am 6. November 1893 der Herr Minister der geistl. etc. Angelegenheiten einen 
ZuBchuss von 1000 M. Die im Sommer 1893 begonnenen Arbeiten erstreckten 
sich zunächst auf die Instandsetzung des Mauerwerks an dem sog. „Hochbau". 
Diese Arbeiten konnten jedoch erst im Sommer 1894 abgeschlossen werden, 
nachdem im April 1894 der Herr Minister der geistl. etc. Angelegenheiten und 
im Angust 1894 der Provinzial-Ausschuss weitere Zuschtlsse von je 1500 M, 
bewilligt hatten. Nach Vollendung der Wiederherstellungaarbeiten an dem 
„Hochbau" wurde die Sicherung der langen Westmauer unternommen; da die 
Mittel zu dieser Arbeit nicht ausreichten, wurden seitens des Provinzial-Aus- 
Bchnsses am 21. Oktober 1896 nochmals 1000 M. zur Vollendung der Arbeiten 
bewilligt, die im August 1897 abgeschlossen wurden. 

Die Arbeiten mussten sich im Wesentlichen auf die Sicherung des vor- 
handenen Mauerwerks beschränken; die ansgebrochenen Teile des Mauermantels 
wurden sorgfältig aufgemauert, nachdem die losen Steine des offen liegenden 
Manerkemes entfernt und alle Risse vergossen worden waren. Dabei wurde 
besonderes Gewicht auf hinreichend sicheren Verband mit dem alten Mauerteil 
gelegt. Die Fugen der schadhaften Teile wurden ausgekratzt und neu gezogen; 
besondere Sorgfalt erforderte die Abdeckung des Mauerwerks: die betreifenden 
Stellen wurden ausgewaschen, mit Kleinschlag belegt und dann mit Gement- 
mOrtel vergossen. Schadhafte MauerbOgen wurden ausgebrochen und neu auf- 
gemauert. Mit Rücksicht auf die grosse malerische Wirkung der Ruine musste 
die zackige Silhouette der Manerreste thunlichst einbehalten werden. Die ab- 
gedeckten Flächen sind zum Teil mit Rasen belegt worden. Die Versuche 
mit grösseren Cementabdeckungen sind auch hier als misslungen zu bezeichnen; 
die Abdeckungen froren schon im nächsten Winter aus. 

Die Arbeiten erfolgten nach Angabe des Reg.- und Geh. Baurats Kruse 
in Aachen, und standen unter der Aufsicht des Königlichen Kreisbauinspektors 
Baurats Nachtigall in Dflren und unter der speziellen Leitung des Bürger- 
meisters Wassong in Blankenheim. Entsprechend den einzelnen Bewilligungen 
zerfällt die Banansführnng in 3 Penoden, die erste dauerte von Angost bis 
Anfang Oktober 1893, die zweite von August bis Oktober 1894 und die dritte 



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für die t>enkmalBpfle^ in der Bheinprovin! 



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Bericht Über die Thättgkeit der Provinzialkommisslon 



Ei»' 



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fflr die Denkmalpfle^ In der ItheinproTinz. 193 

vom 3. Juli bis znm 6. Ängaet 1897. Das £i«engitter der an der Sadseite 
des Schlosses gelegenen Terrasse wurde aus PriTatmitteln beschafft. 

Käch Abscblnsa der Wiederherstellnng wurden dnrch den Prorinzialcon* 
serrator die Anfertignng grosser Aufnahmen des Schlosses veranlaBst, die dnrch 
den Architekten Joseph Renard in KSln hergestellt nnd dem Denkmälerarchir 
der Rheinprovinz einverleibt worden sind. 

Giemen. 



5. Braaweiler (Landkreis EOln). Wiederherstellung des 
Hochkrenzes auf dem Kirchhofe. 

Das jetzt auf dem Brauweiler Kirchhof, ehemals an dem Brandweiber 
des Klosters Braaweiler stebende Hochkreuz aus Trachyt ist ein merkwtlrdiges 
Werk des ausgehenden 15. Jahrhunderts; ein kräftiger in drei Geschosse zer- 
legter Pfeiler, von denen das mittlere über Eck gestellt ist, trägt das mit 
Maasswerknasen und sehmiedeeisemen BInmen an den Krenzesenden gescbmUckte 
Kreuz; der ChristnskSrpcr besteht ans vergoldeter Bronze. Das Werk ist durch 
die Einbeitlichkeit des Anfbanes nnd durch edle and charaktervolle Detail- 
formen ansgezeiebnet. Vgl. Knnstdenkmäler des Landkreises Köln S. 69. 

Die Gemeinde Freimersdorf beabsichtigte die Wiederherstellung des Hoch- 
krenzes durch Ausflicken mit Cenient und einen neuen Anstrich; da eine solche 
Reparatur die Schäden nur verdeckt und den Charakter des Denkmals beein- 
trächtigt haben würde, so wurde die Gemeinde zu einer sorgfältigeren Repara- 
tur durch Ablangen nnd massiges Abscharrieren nnd Einsetzen der abgestossenen 
Ecken in Trachyt veranlasst. Zn den auf 500 M. veranschlagten Kosten be- 
willigte der Provinzial-Ausschuss am 21. Oktober 1896 die Summe von 2Ö0M. 
Die Arbeiten wurden dem Bildhauer Wilhelm Fassbinder in K'iln übertragen. 
Bei der AusfUhmng der Arbeiten in dem Atelier des Herrn Fassbinder ergab 
sich jedoch, dass der reich profilierte Sockel nnd ein Zwischenteil des Kreuzes 
sehr stark verwittert waren, sodass ihre Benutzung bei dem Wiederaufbau 
auBgeseblossen schien; diese Teile mnssten in Trachyt neu angefertigt werden. 

Ferner stellte sich heraus, dass über dem unteren Gcschoss des Aufbaues 
der dem Fusssockel entsprechende Sockel schon früher verloren gegangen war, 
ans dem sich das zweite Geschoss organisch entwickelt; dieser Teil musste 
gleichfalls ganz neu hergestellt werden. Die 4 grossen Eisenetreben, die das 
Kreuz hielten, erwiesen sich als alt und wurden wieder verwendet, weil eine 
dauernde Sicherung des Hochkrenzes ohne die Streben zweifelhaft erschien. 
Zu den infolge der genannten Arbeiten entstandepen Mehrkosten bewilligte der 
Frovinzial-AuBschuss am 23. März 1898 eine weitere Beihülfe von 175 M. Das 
Hochkrenz ist im August 1897 wieder auf dem Kirchhot aufgestellt worden; 
die Gesamtkosten der Wiederherstellung betrugen 800 M. 

Clemeo- 



Jihrb. das Vor. v. \ltert1iirr. im Bhoint. 103. 



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IM Bericht ilber die Thätigkeit der ProvindalkomintaBioD 

6. Düsseldorf. Wiederberstellnng des OrabdeokmaU 
Herzog Wilhelms des Reichen in der Lambertns- 
k i r c h e. 

Die Lambertnskirche in Düsseldorf bewahrt in dem im Chornmgaog an 
der Ostwand aufgestellten Grabdenkmal Herzogs Wilhelm des Reichen von JOlich- 
Berg ein Monnmcnt, das die gläuzendBte, nach Aufwand von Arbeit nnd Material 
kostbarate nnd zugleich auch die künstlerisch bedenlsamste SchSpFang der 
SpütrenaiBsance-Skulptur am Niederrhein darstellt. Nicht die niederländischen 
Bildhauer Oilles de Riri^re und Niccolo Fippi von Arras sind die Verfertiger 
dieses Werkes, wie bis vor kurzem immer angenommen wurde, eondern der 
Kölner Meister Gerhard Seheben, der das Denkmal in den Jahren 1595—1599 
in Köln fertigte (vgl. Giemen, die Kunstdenkmäler der Stadt nnd des Kreises 
Düsscldoi-f S. 40 mit Ansicht des Denkmals und KUch in den ^Beitragen zur 
Geschichte des Niederrbeins' XI. S. 1). Das Material bildet schwarzer, weisser, 
roter, gelber und brauner Marmor; alle figürlichen Teile sind ans feinem, gelb- 
lich getöntem Alabaster hergestellt. Auf dem im Unterbau vortretenden Sar- 
kophag ruht die lebcnsgrossc Figur des Herzogs in freier ungezwungener 
Haltung, der TOrnebme nud geistreiche Kopf ist meisterhaft behandelt, darüber 
findet sich zwischen einer Stellung von 4 koiintbischeD Säulen ein grosses 
Relief mit der Darstellung des Jüngsten Gerichtes, in den Nebennischen die 
Figuren der 4 Kardinaltugenden, im Aufsatz wieder allegorische Gestalten, der 
ganze Aufbau ist gekrönt durch die Figur des Auferstandenen. 

Obwohl das Denkmal bereits verschiedene Wiederherstellungen erfahren 
hatte, eine erste durch den Hofbildhaner Müller im Jahre 1634, eine zweite 
durck-den Hofbildhauer und Akademie-Professor Bäumgen im Jahre 1785 und 
endlich eine umfassende Wiederherstellung für 2038 Thlr. in den Jahren 
1825 — 1834 durch 0. Kamberger, war dasselbe doch wieder stark in Verfall 
geraten. Zumal die aus Alabaster hergestellten figürlichen Teile waren von 
unendlich vielen Sprüngen darchüogen; eine ganze Reihe der vorstehenden 
Glieder, Attiibute, Gewandzipfel, Ornamente war abgestossen oder abgebröckelt 
und ganz ungenügend befestigt. 

Bereita 1894 waren aof Anregung des Provinzialconseryators Kosten- 
anschläge und Gutachten von verschiedenen Bildhauern eingefordert worden, 
im Verlauf der Vorarbeiten wurde der Bildbauer Gustav Sobry, der sich bei 
den Wiederherstellungsarbeiten der Renaissauce-Epitaphien in Trier vortrefi'lieh 
bewährt hatte, mit den Arbeiten im Gesamtbetrage von 6000 M. betraut. Die 
Kosten wurden zu gleichen Teilen auf Staat, Provinz und Stadt verteilt. Nach- 
dem bereits die Stadt Düsseldorf in pietätvoller Würdigung der historischen 
Bedeutung des Monuments einen Znschuss von 2000 M. bewilligt and nachdem 
der Herr Minister der geistlichen etc. Angelegenheiten aus dem Allerhöchsten 
Diepositionefouds die gleiche Summe zugesichert hatte, beschloss der 40. Pro- 
vinziallandtag am 15. März 1897 die Bewilligung des Restbetrages von 2000JM. 

Die WicderherBteltungsarbciten wurden durch den Bildhauer Sobry im 
Herbst 1897 nnd im Frühjahr 1898 ausgeführt. Hierbei wurden die sämtlichen 



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fär die Denkmidpflege in der Rheinprovlnz. 195 

Figureo sorgftitigst gereiiiig;t and reatanriert, die fehlenden Glieder nach an- 
gefertigten Modellen in Alabaster ergänzt und sorgfältigst mit EnpferdoUeu 
angesetzt, kleinere Teile nur in Vierungen eingesetzt nnd verkittet. Da die 
Figuren mit in Bloi eingelaeaenea Dnbeln mit der BUckwaod and dem marniornea 
Aufbau verbanden waren, konnten aie nicht herabgenommen werden; die Ar- 
beiten muBsten deshalb durchweg an Ort nnd Stelle ausgefOürt werden. Be- 
sondere MOhe machte das grosse Relief, an dem eine ganze Reibe von einzelnen 
Gliedern fehlten. Zum Scblues wurden die Inschriften aufgefrischt und die 
Hauptsäulen glänzend poliert, während die flbrigen Teile matt gehalten wnrden. 
Die Arbeit ist durch den Bildhauer Sobr; mit rtthmenswerter Gewissenhaftig- 
keit ausgeführt worden. 

Neben dem Denkmal wurde eine kleine Marmortafel eingelassen, die fol- 
gende Inschrift trägt: Dieses Denkmal, ein Werk des Gerbard Beheben a. d. J. 
1595—1599, wurde zum 1. Mal wiederhergestellt 1634 durch P. Müller, zum 
2. Mal 1185 durch J. Baemgeu, zum 3. Mal 1825—1834 durch C. Kamberger, 
zum 4. Mal 1897-1898 durch G. Sobry. 

Giemen. 



5. Grniten (Kreis Mettmann). Wiederberetellung des 
TTirmes der alten katholischen Pfarrkirche. 

Die seit dem Jahre 1879 verlassene alte katholische Pfarrkirche in Gruiten 
(Fig. 11} gehörte einer grClsseren Gruppe von romanischen Bauten an, die über 
das ganze bergische Land verstreut sind. Sie stellte den ältesteu Typus dieser 
Gruppe dar — einschiffige Anlage mit dem in einer Flucht mit dem Turme 
liegenden Langhause, — doch war die Bedeutung des Bauwerkes als eines 
kunstliistorischeo Dokuments gegenüber den in unmittelbarer Nähe liegenden 
ausgedehnteren romanischen Kirchen der gleichen Gattung beschränkt (vgl. 
Giemen, Knnstdenkmäler der Rheiuprovinz III, S. M). Da eine nur notdürf- 
tige Wiederherstellung des ganzen Baues wegen des zieoilich baulosen- Zu- 
standes des Langbanses nnd der Apsis eine Summe von mehr als 5000 M. erfordert 
haben würde, die Gemeinde sieh aber weigerte, einen Beitrag zu einer Re- 
stauration zu zahlen, so wurde es fUr richtig erachtet, das Langhans und die 
Apsis abzubrechen und nnr den Turm zu erbalten. Die maleriBche Wirkung 
der Kirche beruhte zum grösslen Teil in ihrer freien Lage auf dem Kirehhofs- 
btlgel, die Erhaltung des Tnrmes allein beliess demnach die Silhouette des 
Ortes in ihrer charakteristischeu Form. In ähnlicher Weise ist wiederholt bei 
dem Abbruch von Kirchen Gewicht darauf gelegt worden, dass der Turm 
stehen bleibe: so sind mit Unterstützung der Provinzialkommission die Türme 
zu Büderich, Serrig, üekeratb in den letzten Jahren erhalten worden. 

Für die Wiederherstellung des Tui-mes wurden vom Provinzial-Ausschuss 
der Rheinprovinz am 18. Mai 1894 800 M. bewilligt. Die Abbruchsarbeiten 
wurden auf Grund eines Vertrages einem Dntemehmer aus Mettmann zu 650 M. 
übertragen, aus dem Abbruchsmaterial sollten 200 M. gewonnen werden, so dasa 
fUr die Wiederherstellung des Turmes noch ca. 350 M. blieben, 



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Bericht tlber die ThHti^keit der FroTinsialkommisBion 



Nach dem Gntachten des ProTinzialconservators waren folgende Arl>eiten 
Torgesehen: Die rundbogige 2,2^ m breite OeSnung des Tnrmes nach dem 
Langh&ose sollte geschlossen und in diese das südliche Uanptportal des Lang- 
faanses eingesetzt werden. Das nach Westeo an der Stelle des ursprDnglichen 
Portals belegene Fenster sollte an seiner Stelle belassen and nach Innen mit 
Holzladen versehen werden. Die in dem GewOlbe der Tarmhalle fbr die 





Fig. 11. Grnitcn, kathol. Pfarrkirche vor dem Abbrnch. 

Glockenseile gebrochenen Löcher sollten vermauert, die Thür zn der bisher 
vom Langhanse aus in der Maaerstärke cmporfUhrenden Treppe zn den oberen 
Tnrmgeschossen sollte mit einer Bolilenthür geschlossen, ausserdem sollte am 
Turm selbst die durch den Blitz beschädigte Sfldwestccke erneuert werden. 
In der auf diese Weise entstandenen Kapelle sollten sodann das spätgothische 
Sakramentsliäuschen ans dem Chorhaus mit seiner schmiedeeisernen Thflr ein- 



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für die Deokmalpfle^e io der RbeioproTlnz. 197 

gemauert, anmerdem die bisher vor dem Alt&r belegenen Grabsteinplatteo an 
den Wänden befestigt werden. Der ganze Raam sollte dann als Kirchhofs- 
kapelle weiter dienen. 

Im FrBhjahr 1895 wurden dann das Langhans and die Apsi» der Kirehe 
niedergelegt. Bei den seitens des mit der Anfstellang eines speziellen Kosten- 
anschlages ftlr die Instandsetzungen des Turmes beauftragten Kreisbauinspektors 
Baurat Thielen in Elberfeld vorgenommenen grandliehen Untersachnngen des 
Turmes und der wieder zu verwendenden Arcfaitektnrteile des SUdportals am 
frahereo Laoghanse stellte sieb nun heraus, dass die romanischen Säulen mit 
dem verbindenden Rundstabe an genanntem Portale vollständig verwittert waren. 
Eine Wiederverwendung dieser Teile war deshalb völlig ansgeschlossen; von 
einer Ersetzung der verwitterten Architektnrteile dnrch neue Werkstacke mnsste 
wegen der damit verbundenen hohen Kosten Abstand genommen werden, da 
die Kosten für die anderweitigen als dringend notwendig zu bezeichnenden 
Instandsetzungen am Tnrme schon die für die Wiederherstellung desselben be- 
willigte Summe weit tiberschritten. Femer ergab sieh bei diesen Untersnchnngen, 
dass eine vollständige Erneuerung sowohl der Schalung wie der Scbieferein- 
decknog notwendig war. Die Gesamtkosten fflr die Instandsetzung des Turmes 
wurden daraufhin in dem aufgestellten Spezialanschlage zu 1785 M. ermittelt. 
Da nun fflr das Jahr 1895 nur mit der verfägbaren Summe von höchstens 
350 M. gerechnet werden konnte, so wurden in diesem Jahre nur die Arbeiten 
bei Schliessung der TurroöfTnung nach dem frtlheren Langhanse, die Arbeiten 
am Fenster an der Westseite, die notwendigsten Ausbesserungen am äusseren 
Turmmauerwerk, die Herstellung einer Bohlenthflre an der Treppe zu den 
oberen Turmgeschossen, die kleinereu Arbeiten am alten TurmballengewOlbe, 
an den Wänden des entstandenen Kapellenranmes, die Herstellung eines Flatten- 
belages daselbst, die Anbringung des Sakramentsbänschens ebendaselbst und 
sonstige kleinere Instandsetznogcn ansgefflhrt. Die Kosten beliefen sich bier- 
fflr auf 350 M. 

Nachdem der Provinzial-Aussebuss anf Qrnnd des Kostenanschlages des 
Königlichen Kreisbauinepektors am 28. Oktober 1896 eine weitere Beihilfe von 
1535 M. bewilligt hatte, wurden die Arbeiten im Sommer 1897 wieder aufge- 
nommen. Neu hergestellt wurde die ganze Schalung und Schiefereindeckung 
einschl. der Einfassung der Grate mit Blei, aach wurden schadhafte Hob.t«ile 
an der Tormkonstruktion ausgewechselt. Der Anstrich des eisernen Turm- 
kreuzes nebst Kitgel und Bleimantel wurde erneuert. An Stelle des verwitterten 
alten Hahnes aus Eisenblech wurde ein neuer kupferner Hahn in den gleichen 
Abmessangen wie beim alten Hahn angebracht. Ferner wurden nene Jalousien 
aus Holz fflr die Sehalllöcber hergestellt, soweit solche fehlten, die anderen 
haben einen neuen Anstrich erhalten. Schliesslich wurden die schadhaften 
Stellen nn den Anssenseiten des Turmmauerwerks gründlichst aasgebe^ert. 

Die Gesamtkosten für die Wiederherstellung des Turmes haben 1777 M. 
betragen. Die Arbeiten wurden unter Leitung des Kreisbauinspektors Baurat 
Thielen za Elberfeld ausgeführt. Giemen. 



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Bericht über die Tbätigkelt der ProvinjiMkoromlaaloa 



Fig. 12. Heisterbach, Abteikircho. RekoDStruktioii der Ostsctte. 



8. Heisterbach. Wiederherstellung des Chores der 
Abteikirche. 
Bald nachdem im J. 1803 die Cistercienscrabtei Heieterbach anfgehoben 
worden war, hatte die Regierung des GrosslierzogtuniB Berg Verhandinngen 
angeknüpft wegen des Abbruches der Kirche und der Klostergebände. In 
den Jahren 1806 und 1809 wurde eine eingebende Matcriallaxation aufgestellt, 
(erhalten im Staatsarchiv zu Dltsseldorf), worin der Wert des RirchengebändcB 
selbst auf 3870 Thaler abgeschätzt wurde. Im J. 1809 wurde daraufhin durch 
die Eegiernng die Kirche für den genannten Preis „mit Ausschlnse aller auf 
den Gottesdienst sieh beziehenden Geräte an Altären, Beicht- und Betstühlen, 
Bildern, Crueifixen, Bänken n. s. w." an den Unternehmer Piauta/. auf Ab- 
bruch verkauft. Die Kirehenglocken waren bereits i. d. J, 1805 u. 1806 ver- 
kauft und nach Dtlesehlorf llbcrfUhrt worden, das Eisengitler mit dem Reli- 
quicnaltar war dem Prior von NcumUlIer für die Stiftskirche in Oberpleis 
Überlassen worden, auch der Hochaltar und das Übrige vom Verkauf ausge- 



yGoot^le 



rar die Denkintilpflege In der Rhein pro vinz. 199 

nommene Inventar aoUte in der gleichen Weise an Kirchen abgegeben werden. 
Die ganze Ansstatlnng der Kirche im Augenblick der Anfhebang ist in einem 
noch erhaltenen Inventar t. J. 1803 einzeln ant'gezählt (Dasseldorf, Staatsarchiv, 
Landesherrliche Anfhebongsakten betr. Beisterbach). 

Im J. 1810 begann der Unternehmer Piantaz das Werk der Zerstörung, 
Das Banmaterial — Brohlthaler TnfF nnd Stenzelbcrger Traehyt ftlr die Haa- 
Bleinteile — war nreprflnglicb ftr den Festungsbau in Jülich bestimmt; doch 
ist nicht das gesamte Material dorthin gewandert, sondern zum Teil auch nach 
Neuss nnd Koln. Der Abbruch schritt von Westen nach Osten vor — man 
ging sehr gründlich vor; auch die Fundamente wurden zum grossen Teil be- 
seitigt; die aufstehenden Mauern mussten durch Minen gesprengt werden. 
Nachgrabungen, die im J. 1896 nach meinen Angaben auf dem westlichen ' 
Vorplatz angestellt wurden, ergaben, dass die Fundamente gründlich zerstört 
waren: der kryptenartige Keller unter dem Westban, den Boisser^e ge- 
zeichnet hat, war nicht anfzutinden. Nur darch einen Zufall blieb der Chor 
erhalten — wahrscheinlich durch die eingetretene Stockung an dem Festungs- 
bau zu Jülich. Unter den barbarischen Verwüstungen, denen in den ersten 
beiden Jahrzehnten unseres Jahrhunderts eine ganze Reihe der wertvollsten 
Denkmäler des Rheinlandes zum Opfer fielen, war diese die barbarischste, un- 
verständlichste, unberechtigtste, schimpflichste. 

Es nicht Anfgabe dieses Berichtes, eine ansführlicbe Geschichte des 
merkwürdigen Denkmales zu geben. Eine eingehende Untersuchung darüber 
wird die in Vorbereitung befindliche Denkmälerstatistik des Siegkreises bringen. 
Die von Himmerode ausgezogenen Cistercienstr hatten zuräehst auf dem Strom- 
berg im Siebengebirge eine NiedeHassung gegründet, waren aber schon nach 
wenigen Jahren in das angrenzende Heisterbaeher Thal heruntergezogen, das 
jetzt zu einer zweiten clara vallis wnrde. Die neue Kirche war 1202 begonnen 
worden, war bereits 1327 soweit fortgeschritten, dass eine grossere Reihe von 
AltSren geweiht werden konnte, der Bau der Kirche ward aber erst 1237 
abgeschlossen, nnd am 18. Oktober der Hochaltar eingeweiht. 

Über die Geschichte der Kirche vor allem zu vergleichen: Jongelinns, 
Notitine abbatiamm ordinis Cistertiensis 11, p. 334. Die ältere Litteratur voll- 
zahlig bei L. JanauBchek, Origines CisterciensJum, Wien 1877, I, S. 189 
nnd in den Studien nnd Mitteilungen a. d. Benediktiner- und Üistercienser- 
orden XI, S. 464. Von neuen Darstellungen ist in erster Linie zu verweisen 
auf W. HarlesB, Heisterbach: Bonner Jahrbücher XXXVII, S. 45. ~- von 
Stramberg, Rheinischer Antiquarins 3. Abteilung, Bd. VIII, S. 558 ff. — 
G. H. Oh. Maassen, Gesehichtc der Pfarreien des Dekanates Königswinter, 
S. 323 fr. 

Auch die eminente Bedeutung, die die Abteikircbe zu Beisterbach ftlr 
die rheinische und für die ganze deutsche Kunstgeschichte hat, braucht hier 
nicht besonders her vorgeli oben zu werden. Die Kirche war die umfangsrcicliste 
und künstlerisch werfvoilffte aller rheinischen CistercienSerUauten vor der Er- 
richtung des Altenberger Domes nnd unter allen Versuchen, innerhalb der 



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eoo Bericht Über die Tbäügkelt der Provinz) alkommiBdon 



Fig. 13. BeiBterbaeh, Abteikirche. Grundriss nach Boisser6e. 



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(Or die Denkmalpflege In der Rh^nprovtnz. .201 

-'Fjonneu nnd der Fesseln dea rheinischen Übergtmgsstiles doch Bchon den Ge- 
. Hetzen der an die Thore der RbeinUnde pochenden franzOsiscbcD Gotbik zn 
.ent^rechen, der wichtigiste, der origiaellBte, geschlosseuBte aad kttUBtleriseh 
reichste, bei dem man noch mit dem relativ grOssten Recht tod einer deatscfaen 
Protogotbik reden dürfte. Es scheint, meint Dohme nicht mit Unrecht, als ob 
der Meister, mit dem Wesen der gothischen Cönstraktion roUst&Ddig vertrant, 
den' Nachweis habe liefern wollen, wie man dieselbe nDgeecbm&lert sich zn 
Nutzen machen nnd doch das offene Strebewerk vermeiden kOnoe. Es durften 
hier aber anch in der Grandrissdisposition nnd im Aufbau noch stärkere Ein- 
wirkungen franzQsiscber Ordenskireben zu koustatieren sein. Im Aufbau steht 
der Heisterbacfaer Kirche kein Bau näher als die Cistercienserabteikirebe zn 
Pontignj, die ein halbes Jahrhundert früher vollendet war, und die merkwürdige 
Form des halbrunden Chores mit den kapellenartigen Nischen darin entspricht 
fast vollständig der Cborbildung an der Abteikirche zn Dommartin (Baron A. de 
Galonne, Histoire desAbbayes de Dommartin et Ssint-Andr^au-Bois, 1875. — 
C. Eulart, Monuments religieux de rarchiteeture romane et de transition dans 
la r^on Picarde. Anciens diocfeses d'Amiens et de Boulogne, Amieng 1895, 
p. 104. Auf p. 107 Heisterbach neben Dommartin abgebildet). Nnr ist in 
Heiaterbacb diese Niscbenanlage (vgl. den Grnndrise) auch im ganzen Langhaus 
durcbgeftlhrt und in einer ganz genialen Weise ausgenutzt, um die gleichsam 
nach innen gezogenen Strebepfeiler zu mankieren. 

Von dem abgebrocbenen Bau sind nur die Aufnahmen erhalten, die Sulpice 
Boisseräe (Denkmale der Baukunst am Niederrhein, MUncfaeii 1633, Taf. 39 — 44) 
veröffentlicht bat. Nach der Boisser^eschen Aufnahme ist der beiliegende 
Qnindrias (Fig. 13) kopiert und mit Benutzung dieser Auhiahmen sind von dem 
Herrn Dombanmeister Banrat T ornow in Metz die beiden Perspektiven (Fig. 12 
B. 14) angefertigt. Den hochinteressanten Aufbau des Chores endlich fuhren 
die drei Grundrisse vor, die von Herrn Banrat Eschweiler in Siegbnrg anf- 
genommen sind (Fig. 15). Die Aufnahmen sind in dankenswerter Weise ftlr 
die Denkmälerstatistik zur Verfügung gestellt worden. 

Die Ruine hat in den letzten drei Jahrzehnten eine ganze Reihe von 
Sicbcmngsarbeiten nötig gemacht. Im J. 1870 wurde das schadhafte Halbkuppel- 
gewfltbe der Apsis, das ganz offen lag, mit einer Cementabdeckung versehen. 
Eine erste. gründliche Wiederherstellung erfolgte dann in den J. 1878 — 1880. 
Im J. 1879 wurde zunächst der Gbommgang, der bis zur Hübe der Wölbung 
des Eapellenkranzes vollständig verscbUttet war, freigelegt. Im Anechloss 
daran wurden die beiden grossen Strebepfeiler zn beiden Seiten des Triumph- 
bogens wiederhergestellt, ebenso wurde das ganze äussere Mauerwerk an der 
Ostseite repariert, die daselbst befindlichen sieben Chorfenster und die sechs 
grossen Strebepfeiler wurden ausgebessert, die vier Gewölbeanfänger nach dem 
Mittelschiff und den Seitenschiffen wurden abgedeckt und wiederhergestellt. 
Bei der Freilegung des Chörumganges hatte es sich ergeben, dass die äussere 
Dmmantelnng grösstenteils ausgebrochen war; nur am Sockel und au einigen 
kleineren Stellen fand sieb der alte Mantel in Stenzelberger Trachyt noch vor. 



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902 Bericht Ober die Thatigkelt der ProvlnztalkomrolBBlon 

Im J. 1885 wnrde diese DmnisDtelDng genm nach dem HoBter der noch T0^ 
bandeoen Teile nnd im glelobeu Material wiederfaergeBtellt; gleichzeitig worden 
die WDibnDgen der Bieben Nischen des ChornmgaDges wiederhergestellt nnd es 
wnrde der ganze Cbonmigang mit einemSchieferdacb versehen (im nntersten 



Fig. 14. Heiaterbach, Abteikirche. RekoDfltruküon des Inneren. 



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fBr dl« Denkinalpfiege In der RhelnproTlaz. 203 

Grnndriss sind die wiederhergeBtellten Teile heller eingezeichnet). Die Kosten 
betrogen in der Bauperiode 1878 — 1880: 2960 M., zu denen der Prorinzial- 
Terwaltnngsrat 1500 M., der Besitzer, Se. Erlaucht der Oraf zur Lippe- 
Biesterfeld, 500 M., der Verschönerungsvereio für das Siebengebirge 1000 M. 
bewilligten; in den J. 1885 — 1886 betrugen die Kosten 4154 M.: hierzu be- 
willigte der Provinzialverwaltungsrat 3200 M., der Besitzer und der Verschone- 
rnngsverein je 1000 M. Die Arbeiten wurden seit dem J. 1878 unter der 
Leitung des Herrn Baurats Eschweiler zn Siegbnrg ausgeführt. 

Die im J. 1870 über dem Kuppelgewölbe angebrachte äussere Cementiib- 
docknng hatte nur einige Jahre hindurch gut gehalten; nach und nach stellten 
sich aber immer mehr Risse ein, die fortgesetzte Reparaturen veranlassten. Das 
Tagewasser drang durch die sich immer wieder Öffnenden Risse und durch neue 
Sprünge durch und veranlasste den Beginn der Verwitterung der TnfbteinwOlbung. 
In diesem Zustand stellte die ganze Abdeckung geradeitu eine Gefahr für das Ge- 
wOlbe selbst dar, da in den Riesen und Hohtrünmen das Wasser festgehalten 
und immer von Neuem auf die schon schadhaften Stellen geleitet wurde. Auf 
einen Antrag des Vorstandes des Vcrschönerungsvereins fttr das Siebengebirge 
hin bewilligte der Provinzialsanaschufis unter dem 4. Mär/ 1896 für die nOtige 
In8tand8ct7.ung die Summe von 2000 M., und setzt gleichzeitig eine ans den 
Herren Geh. Banrat Cuno in Coblenz, Geh. Baurat Sttibbeu in Köln und 
dem Provinzialcouscrvator bestehende Suhkommission ein, um tlber die Art des 
Schutzes der Ruine noch weitere Untersuchungen anzustellen. 

Bei einer Zusammenkiiinft in Hcisterbaeh am 7. Juni 1896 wurde nun zu- 
nächst festgestellt, dass die ganze Ruine sich in Bewegung befand. Auf der 
Abdeckung des Kuppelgewölbes waren neue Risse sichtbar geworden, das Ge- 
wölbe gelbst war feucht und wies eine Anzahl von mürben und scbadhatlen 
Stellen auf. Es handelte sich hiernach nni eine doppelte AuTgabe: Reparatur 
der schadhaften Stellen und dauernde Sicherung des GewSlbes durch einen 
bessere Gewähr versprechenden Schutz. Im Interesse der Wirkung der ßnine 
erschien es nattlrlich zunächst erwUnscbt, keine ueae Zuthat zu schaffen, die 
den jetzigen Eindruck beeinträchtigen oder auch nur verfindern würde. Als Ab- 
deckungsmittel konnten nur noch Asphalt und Blei in Betracht kommen. Aber 
auch bei dem .ersteren war ein Zerspringen und Rissigwerden nicht zu ver- 
meiden und ein. wirkliches Trockenlegen des Gewölbes selbst war auch bei 
BleiabdeckuDg ansgeschlossen. Es wurde deshalb nach dem Vorschlage und 
Plane des Herrn Baurals Eschweiler ein niedriges Halbkegeldach direkt 
über dem GewOlbe in Aussicht genommen, von der Anbringung einer Dachrinne 
sollte aber bei der leichten Möglichkeit einer Verstopfung und bei der Schwierig- 
keit einer regelmässigen Beaufsichtigung und Reinigung ganz abgesehen werden. 
Der DAchOhcrBtaud sollte direkt über dem alten Dachgesims aufsitzen, die in 
Ccment ausgeführte hohe Rinne, die bei der letzten Restauration hergestellt war, 
war zu diesem Zweck wieder zn entfernen. 

Das Dach wurde im Laufe des J. 1896 iu der Form ausgeführt, wie es 
die Ansicht und der Schnitt Fig. 16 zeigen. Der Dachstuhl besteht aus 16 



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1104 Berlcktaber die Tbstigkelt der Frovlitzlalkoinmlsslon 




Fig. 15, Heiaterbach, Abteildrche. Grundrisse von Ober^aden, Umgang Q&d 
Eapelienkranz der Chomüne. 



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fUr die DenlcmalpflefT« In der RhetoproTJDZ. 



S06 



dnrehlanfendeD Sparren nad 15 Hatbaparren, die Sparrenschwellen sind mit 
Bolzen direkt an dae Mauerwerk befestigt, bei der geringen Neigung des Daches 
erhielt die Bedachung zunächst ein Unterlager von asphaltierter Dachpappe und 
wnrde dann mit Schiefer dicht eingedeckt. Die Spitze des Daches wurde nach 
der WcBtseite zu durch eine etwa 40 cm hohe Aufmanerung in Tuffsteinen mit 
ttnregelmässigen Umrissen verborgen, so daae das ganze Dach ron dem west- 
lichen Wiesenvorplatz ans Uberhaupt nicht in Erscheinung tritt. Es ist ledig- 
lich von dem Östlichen Bergabhang und von einem kurzen Abschnitt der Land- 
strasse aus sichtbar. 

Im Laufe des Jahres 1897 wurden die verwitterten Teile des Kuppelge- 




Fig. 16. Hel§terbach, Abteikircbe. Ansicht der Chorrulne und Schnitt durch das 
Qborgewölbe mit dem 18% errichteten Schutzdach. 

wOlbes, das unterdessen ausgetrocknet war, wiederhergesteltt. Die in der Sub- 
stanz angegriffenen Tuffsteine wurden sorgfftltig ausgezwickt und durch neue 
ersetzt. Das OewOlbe hatte eine ganze Reibe von Löchern, in denen Fleder- 
mäuse sich angesiedelt hatten. Die LOcher wnrden durch neue Tuffsteine 
ersetzt und alle Fügen in Ealk-Cementmdrtel verstrichen. Dann wurde der 
Putz an den Sohlbänken und in den Laibungen der Apsidenfenster in verlänger- 
tem KalkcementmOrtel emenert, wobei der Ton des neuen Putzes dem alten 
thnnlichst angepasst wnrde. Eine besondere Sorgfalt verlangte noch die Siche- 
mng der beiden Gewölbeanfänger des Mittelschiffes, die nebst den noch erhalte- 



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206 Bericht -ttber dl« ThUtl^kelt der ProTinzlalkommUsion 

nen Teilen des Obergadena den Einsturz drohten. Im Anfang des Jahrea 1896 
waren bier ganze Particen hernntergesttlrzt, so dasB die eine Seite der Koine 
hatte gesperrt werden iiiüBacn. Diese Mauerteile ganz zu opfern schien nicht 
angängig, weil sie eben noch das System des Langhauses Keigeii und dadnreh 
einen ganz besonderen Wert haben. Die den Einstnra drohenden Teile wurden 
deshalb herabgenoinmcn uud mittelst einer unsichtbaren Eisenkonstruktion wiedet! 
befestigt, die oberen Schichten sämtlich mit dichten Fngen, aber ohne künst- 
liche Abdeckang, die den malerischen Charakter der Ruine verwischt hätte. 
Ebenso wurden die seliadhaften und losen Steine an den Resten der beiden 
Rosettenfenster abgenommea und mittelst DUbeln und Klammern neu befestigt 

Die Gesamtkosten dieser Reparaturen belrugeu 2650 M., die Kosten des 
Dache« beliefen sieb auf 760 M., die der Sicherungs- und Ergänzangsarbeiten 
am Mauerwerk auf 1640 M. Die Provinxialkommiseion bewilligte unter dem 
27. Juli 1897 noch den Betrag der Mehrkosten gegenüber der urspranglicbcn 
Anschlagsamnie von 2000 M. in der Höhe von 550 M. Die örtliche Leitung 
lag wieder in den Händen des Herrn Banrat Eschweiler von Siegbnrg; die 
Anefuhrung wurde dem Bannntemehmer Scheidgen in Eünigswinter tther- 
tragen. Die Erhaltung der Ruine ist in vorderster Linie dem daneruden Interesse 
nnd der liberalen Förderung seitens des Eigentümers, Sr, Erlaucht des Herrn 
Grafen zur Lippe-Biesterfeld, Regenten in Lippe, zu danken. 

Die Ghorruine von Heisterbach erscheint dareh diese weitgebenden Mass- 
nahmen vorläufig in ihrem Bestand durchaus gesichert. Der ganze Bau be> 
findet sich aber seit langer Zeit in Bewegnng; durch den Abbruch des Lang* 
hauses ist insbesondere die Widerstandskraft des Triamphbogeus erschüttert. 
Sollten an der Giebelmaner des Triumphbogens weitere Sehfideu eintreten, so 
wflrde oberhalb de» Kuppelgewölbes auf der Ostseite ein langer Anker anzu- 
bringen sein, der auf beiden Seiten mit grossen Schlttsseln einen mOgiichst 
breiten Teil des Mauerwerkes zu fassen haben wtlrde. Das Denkmal erheischt 
jedenfalls dauernde sorgfältige Überwachung und Unterhaltung. 

Clemeo. 



9. Kobleni. Wiederherstellung des ehemaligen Dentsch- 
OrdenshaQses. 
Neben dem Gastorfaof, am deutschen Eck, auf der Insel an der MUndnng 
der Mosel in den Rhein, die erst bei der zweiten Umfestigung von Coblenz 
um das Jahr 1280 mit der Altstadt in Verbind&ng gebracht wurde, hatte der 
deutsche Orden im Jahre 1216 unter dem grossen Hochmeister Hermann von 
Salza eine erste Niederlassung emchtet. Es war zugleich die erste Besitzung 
des Ordens in den Rheinlanden, der spätere Sitz der Commende Coblenz und 
der Hauptsitz der Bailei Coblenz, der bedeutendsten der Balleien des Ordens 
in ganz Westdeutschland. Es stand an der Stelle schon ein Spital des St. 
FlorinsBtiftes, von dem in dem MouelflQgel noch Reste erhalteu sind. Unmittel- 



yGoot^le 



für die Denkmalpflege in der lUiefaprOTinE. 20T 

bar nach der OrOndang waren die ertten Kenbauten in den Formen des 
rbeiniBchen Übergangsntiles anfg^lirt worden, am Ende des Jahrhunderts war 
dann die frOhgothische Ordemkirche errichtet worden ; weitere Nenbanten nnd 
Umbauten brachten das )4. and 15. Jahrlinndert; im Jahre 1676 und auch 
in der 2. Hälfte des 18. Jahrhnnderts fanden weitere hanliche Umgeatal- 
tnngen statt. 

Kuix nach Auflösung des Deutschen Ordens im Anfang dieses Jahrhunderts 
wurde nnter französischer Herrschaft durch den General Gnirin, der die aus- 
gedehnten Räume des Dentsch-Ordenshauses zu seinem Wohnsitze umgestalten 
wollte, die Ordenskirche niedergerissen. Dem ZerstOrungswerke setzte der Gang 
der Geschichte ein baldiges Ende, so dass Reste der Ordenskirche und ein 
kapellenartiger Anbau glücklicherweise erhalten blieben. 

Seit der Besitzergreifung der Rheinprovinz durch Prenssen dienten die 
Baulichkeiten bis zum 1. Juli 1895 lediglich als Magazine und Kornspeicher 
für die Militärverwaltung. 

Das ganze Gebäude war zu diesem Zwecke mit neuen BOden durchzogen 
worden, die Wände waren tiberputzt, die reizvolle Werksteinarchitektur wie 
die Wandmalereien waren gänzlich verdeckt; das ganze Gebäude machte dazu 
Dach aussen einen verwahrlosten und unscheinbaren Eindruck. 

Als das Gerächt sieh verbreitete, der MiUtärfiskna beabsichtige die Ver- 
äuBsernng der Baulichkeiten, die den an ein Froviantmagazin zu stellenden 
Anforderungen nicht mehr entsprachen, wurde der Abbruch der dUsteren Ge- 
bändemassen in weiten Kreisen als nahe bevorstehend angesehen. Ihre Majestät 
die Kaiserin Augusta war die erste gewesen, die auf die Bedeutung des Baues 
wieder hingewiesen hatte: sie hatte die Erhaltung des Dentsch-Ordenshauses 
als historische Pflicht bezeichnet. Aber noch nachdem Se. Majestät Kaiser 
Wilhelm II. die Entscheidung getroffen hatte, dass das von der Rheinprovinz 
zu errichteude Denkmal für Kaiser Wilhelm I. am „Deutschen Eck" seine 
Stelle erhalten sollte, wurden Stimmen laut, die den Abbrach des Destsch- 
Ordenshauses als wünschenswert bezeichneten, da die Gebäude angeblich nicht 
in die Umgebung des zu errichtenden Kaiscrdenkinales passten. 

Die Erhaltung des gescbichtlicb bedentsamen und bauktlnetlerisch wert- 
vollen Deutsch-OrdenshaiiBes war erst gesichert, als die prenssische Staatsver- 
waltung das Interesse der Denkmalpflege wahrnahm und das Dentsch-Ordens- 
haus von der Reichsverwaltnng ankaufte. 

Dem um die Denkmalpflege der RheinUnde hochverdienten verstorbenen 
Geheimen Banrat Cano gebührt der Dank dafür, dass dem ehemaligen Ordens- 
gebäude eine wQrdige Bestimmung und Ausgestaltung zu teil wurde. 

Da die bisher dem Staatsarchiv zugewiesenen Räume in dem Königlichen 
Regierungsgebände schon längst nicht mehr ansreicbten, wurde der Umbau 
des Deutsch-Ordenshanses, das nach seiner isolierten Lage hierfür besonders 
geeignet war, für die Zwecke des Staatsarchivs ins Auge gefasst 

Dieser Umbau und die damit verbundene Wiederherstellung der Baulich- 
keiten des Deutsch-Ordenshauacs erfolgte in den Jahren 1895 bis 1897 nach 



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S06 Bericht ttber die lli&tlgkeit; der ProvlnxialkommiSBion 




Fig. 17. Koblenz, eheinal. Deutsch-Ordenshaos^ Onmdi 



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fVr dte Deakinalpfles:e !a der RheinproTins. 909 

den im Miniaterinm der Öffentlichen Arbeiten ^prtlften Entwürfen. Die spezielle 
Frftfang in dem genannten Ministerium fand durch den Geb. Banrat Tbttr 
Btatt; der im allgemeinen durch die Aufdeckongen vorgezeichnete Weg znr 
WiederherBtellang des früheren Znatandee im Sinne der Denkmalp6ege wurde 
im besonderen durch den Conserrator der Knostdenkmäler, Herrn Geh. Ober- 
Eeg.-Rat PersinB, festgelegt. 

Die Oberleitung des Umbaues lag in den Händen des Geheimen Baurates 
Cuno bis zu seinem Tode im Juli 1896 und ging alsdann über auf den Ga- 
heimen Banrat Lanner. 

Die spezielle Bauleitung war dem RegierongB-Banmeister Haltermann 
übertragen, der auch unter Leitnng des Geheimen Baurates Gauo mit der Auf- 
stellung des Entwurfes betraut gewesen war. 

Für den Entwurf bildete die spätere Zweckbestimmnng des Baues die 
besondere Grundlage. 

Wenn auch bei Aufstellung des Entwurfes auf eine möglichst getreue 
Wiederherstellnng des alten Znstandes des Deutsch-Ordenshaases gerücksichtigt 
wurde, so konnte doch an eine Restauration in des Wortes eigentlicher Be- 
dentnng ron romberein nicht gedacht werden. 

Den wesentlichsten Anhalt ftlr die zunächst ins Auge gefassten Wieder- 
herstellungen boten die ron dem jetzigen HUnsterbaumeister in Strassbnrg, 
damaligen EOnigl. Landbaainspektor, Ludwig Amts, gefertigten Aufnahmen 
des Deutscb-Ordensbanses, die auch die Grundlage bei den Verhandlungen 
wegen der Bestimmnng des Gebäudes für die Zwecke des Staatsarchivs ge- 
bildet hatten. 

Bald nach Inangriffnahme der Bauausfährungen wurden beim Abbruch 
von Mauern und bei Entfernung alten Putzes Architektnrteile ond Bemaltmgen 
frei gelegt, welche die gehegte Hoffnung auf bemerkenswerte Fnndc bestärkten. 
Das Hanptangenmerk der Bauleitung war nun darauf gerichtet, soweit 
es sich mit dem Baubetrieb und den Bauausftlbrungen vereinbareo liess, wo 
nur irgend ein Anhalt für erfolgreiche Anfdeekuug vorlag, znr Freilegung von 
Mauerwerk und Putz zu schreiten. Hierbei fand die Bauleitung dankenswerte 
Unterstützung durch die zeitweilig überwiesenen Regierungs-Banführer CoUey, 
Michel, Sackur, Peisker und HOfig, welche die Freilegung von Architektur- 
teilen und Malereien eich angelegen sein Hessen und mit Eifer dabei mit- 
wirkten, die mit Rücksicht anf die Zweckbestimmung der Ränmtichkeiten nicht 
zur Ausftthrung zu bringenden WiederherstellungeD nnd Ergänzungen durch 
Aufnahmezeichnnngen fUr später festzulegen. 

Die ganze Anlage, vrie sie bei den Aufdeckungsarbeiten festgestellt wurde, 
und wie sie im wesentlichen hei dem Umbau wiederhergestellt werden konnte, 
ist von ganz ausserordentlichem baugeschiehtlichen ond kunstgeschichtlichen 
Wert: es ist die einzige frühe Deutsch-Ordensanlage in Westdeutschland, die 
überhaupt vollständig erbalten ist, von höchstem Interesse dnrch das Vorwalten 
der Formenspraehe des Profanbaues gegenüber den gleichzeitigen AnUgen der 
geistlichen Orden in den Rheinlanden nnd durch die deotlicfaen Beziehungen 

Jahrb. da« v«r. t. Altsrthstr. Im RhelnL lOl. 11 



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310 Bericht Aber dte ThKtigkeit der t^roTlDzialkommisidon 

zn den ostprenBsiBcheii Scböpfangen des Ordens. Die Anlage wird darch 
die beigefügten Illnstrationen verdenilicfat, die nach den Inventarienzeich- 
nnngen angefertigt sind (Fig. 17 — 21). Die Tafel mit der Anaicbt des Dentsch- 
OrdeDshanses roro Rhein ber zeigt den Ban in VerbiDdang mit dem groBsen 
Denkmal Kaiser Wilhelms, das die Bbeinprorinz am Dentscben Eck errichtet 
bat. Auf die Wirkung gegenüber dem Denkmal and im engeren Znsammen- 
baog mit dem weiteren Stadtbild mnsste bei der Dnrchftlhrang der Arbeiten 
besondere RQcksicht genommen werden: Die Ansicht zeigt, dass das Dentscb- 
OrdenshaoB mit der scbweren Bastion sich anf das Glocklicbste dem ganzen 
Städtebild eingliedert. 

Das GmndstOck des Dentscb-Ordenshanses in Cobleoz wird nach Norden, 
Osten nnd Westen von der Moselwerft, der Rheinwerft und dem Castorplatze 
begrenzt, gegen Sflden dehnt sieb der zngehOrige, etwa 23 ha grosse Garten 
ans, in welchen die Schatten des ebrwttrdigen Gaatordoroes fallen. Der Hanpt- 
zogang zur Anlage liegt gegenwärtig am Castorplatz. Von ihm ans betritt 
man etneo Hof, anf dem sich ehemals die frUhgothische Ordenskirche erhob. 
Von der Kirche selbst ist, wie Eingangs erwähnt, bei dem Abbmch zd An- 
fang dieses Jahrhanderta nar noch ein Teil: die bis znr Kämpferhohe der 
Fensterbfigen niedergelegte sfidliche Fensterwaod nnd eine Kapelle, das soge- 
nannte Oratorinm (Fig. 17 D), erhalten geblieben. 

Die nach Freilegong der vennanerten Fensterd^nngen malerische, mit 
rankendem Grüii bewachsene Fensterwand nnd die Kapeile bilden den Ab- 
scbloss des Hofes gegen den grossen Garten. 

Die Wand weist noch einige bemerkenswerte Werksteinarbeiten n. a. 
reicbansgebildete Kragsteine mit der mittelalterlicben Bemalnng anf. Die sich 
ehemals an den Chor der Ordeuskirche anlehnende gat erhaltene einschiffige 
Kapelle zeigt reizvolle Innenansbildnng. 

Die fllr den Umbau des Deutscb-Ordensbanses bereit gestellten Mittel 
nmfassten nicht die Wiederherstellnng des Oratoriums. 

Auf Anregung des Königlichen Ober-Präsidenten der Rheinprovinz, Herrn 
Nasse, Excellenz, sind Staatsmittel erbeten, um auch dieses Oratorium, ein 
wirkliches Kleinod der mittelrbeiniscben Qothik, in seiner reichen Formen- und 
Farbengehnng wiedererstehen zu lassen. 

Vom Eingangshof gelangt man dnrch eine im vorigen Jahrhundert ange- 
legte Durchfahrt im Westflflgel — deren EinfahrlsbOgen im Schlusastetn das 
Wappen eines Corothnrs des deutschen Ordens von Mirbnch tragen — nach 
dem Haupthofe. Dieser Haupthof, von drei Seiten durch die Banlichkeiten 
des Ordenshanses: den Westflagel, den Moselflflgcl im Norden und den Rhein- 
flUgel im Osten eingeschlossen, OSnet sich an der Südseite nach dem grossen 
Garten nnd gieht den Blick auf die Castorkirche frei. 

Der Westflflgel (vgl. den Grnndriss Fig. 17C und den Schnitt Fig. 18 
von Osten her gesehen) mit geräumigen Kellerränmen war frflber in seinem 
oberen Geschosse aagenscbeinlich zn Wohnzwecken bestimmt. In ihm sind 
nunmehr die Arbeitsränme der Archivbeamten untergebracht. 



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tüx die Denkmalpflege in der fiheinprovinz. 



911 



Er enthält den ältesten Teil der Anlage, den Bogenannten „alten Bau". 
Der alte Ban war, bevor er mit einem nach Süden sieb erstreckenden Anbau 
den jetzigen Westflttgel bildete, von quadratischer Grnndrissform and enthielt 
ausser einem tief gelegenen Keller, ein Geachoss zn ebener Erde nnd ein 
ObergescboBB. 

Die ältesten Teile dieses „alten Baues" geboren noch der ersten Ban- 
periode des Dentsch-Ordenshanses unmittelbar nach 1216 an. Den besten 
Begriff von der nrsprflnglichen reichen Ausbildung dieses Baues geben zwei 
reichbemalte gekuppelte Fenster des Obergeschosses in der früheren nördlichen 
AnssenwaDd des alten Baues, die aufgedeckt und in ihrer nrsprflnglichen Ge- 
stalt und Bemalnng als Blenden in der gegenwärtigen Vorhalle zu den Arbeits- 
ränmen wiederhergestellt wurden. Die Vorhalle selbst wurde den aufgefundenen 
Resten entsprechend ausgemalt (Fig. 20, der Teppichfries der Abbildung ist 
nicht znr Ausführung gekommen). 




Fig. 18. Koblenz, ehemal. Dentsch-Ordensbaua. Sclinitt durch den WestflUgel. 

Der zn ebener Erde gelegene, auf vier — nicht mehr der romanischen 
Zeit angehörenden — Basaltsänlen überwölbte Raum ist ron den ihn durch- 
querenden Manem — gleichfalls Einbauten späterer Zeit — befreit nnd als, 
zum Teil olTener, hallenartiger Vorraum am Hanptzn- nnd anfgange zu den 
jetzigen Archivrftumen ausgebildet. Durch Manerausbrüche sind Durchblicke 
in die an die Halle anschliessenden Keller geschaffeD, welche jetzt znr Anf- 
Dahme der zahlreich in den ansgebrocbenen Manem aufgefundenen, nicht 
wieder zur Verwendung gekommenen Architekturreste dienen. 

An dem alten Bau konnte mit Sicherheit eine frühere Bemalnng der 
Anssenfläcben festgestellt werden sowohl unter den deckenden Futzschichten 
als auch an den Ecken dieses Bauwerks, da wo bei nacbmaligeu Erweiterungen 



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212 Beriebt über die Tbätigkeit der ProTinzialki 

die Frontansehlnssmauer der Äubaaten stumpf ge^ngesetzt waren. Die Be- 
makng bestand aae Quadenmg, rot mit aufgesetzten weissen HorizontalstricbeD ; 
dieselbe Bemalnng fand sieb anch am Äussern des MoseläUgels wieder. Hier 
Bind die freigelegten BruchBtUcke der BemaluDg, aach Bolche der ßOgen von 
ÖfTaang^en und Nischen an den vor Einflüssen der Witterung gescllfltzten 
Stellen anyerändert erhalten und dnrcb ÄUBSparungen in den neuen Futzfläclien 
sichtbar geblieben. 

Der MoselflUgel, dessen Hauptranm beute die Bibliothek des Staats- 
archivs aufnimmt, enthielt, wie sicher anzunehmen ist, in seinen Kellern EUchen- 
und Vorratsräume, im tlbrigen die Gomthurei (vgl. die Schnitte Fig. 19, die 
den Zustand nach der Wiederherstellung zeigen). 

Auch die ursprüngliche Anlage des MoselflDgels gehörte, wie die des 
alten Baues, noch der romanischen Zeit an; der ganze Fltlgel hatte aber im 




Fig. 19. Koblenz, ebemal. Deutsch -Orden sb aus. Scbnitte durch den MoBelflügel. 

15. Jahrhundert eine durchgreifende Umgestaltung erfahren, bei der sogar die 
alten Geschosshöhen verändert worden waren. Bei der Frage Über die Aus- 
gestaltung des MoselfiUgels wurde die Entseheidung getroffen, dasa die kq 
Tage liegenden gothischen Formen ftlr die Wiederherstellung massgebend 
sein sollten. 

Ursprünglich erinnerte bei dem verbauten Zustande des Moselflflgels nichts 
an die Formen der romanischen Anlage. Erst nach and nach wurde bei den 
Abbruchsarbeiten die ursprüngliche Disposition in allen Teilen erkennbar. In 
der nördlichen Längsfront des frUber sechsachsigen Baues mit rechteckiger 
Grundrissform wurden Reste von sämtlichen romanischen Fenstern an Ort und 
Stelle aufgefunden. Ein vollständig erhaltenes gekuppeltes Fenster des Ober- 



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t^^I die DeDkmal pflege In der Rhelnprovinz. 213 

geBchoBBes in der Östlichen Giebelwand wnrde freigelegt nnd in seiner nrsprOng- 
liclien Formengebnng nnd Bemalnng wiederhergestellt. 

Von einer Bemalnng der Wände im Inoern aus romaniscber Zeit waren 
wegen des späteren mehrfachen Ubertttnchens nnd Überpntzens nur geringe 
n D zas am men hangende Spnren zu entdecken. 

Die Giebel des romanischen Banes waren stafTelförmig auBgebildet. Ihre 
gegenwärtige Form erhielten die Giebel, wie festgestellt wnrde, durch spätere 
AnfinAnerang. Die Staffeln und Spnren ihrer Bemalnng sind am Maaerwerk 
im Innern des Dachgeschosses noch Jetzt zn erkennen. 

FUr die Einrichtung des MoselflQgels znr Bibliothek schien die vollständig 
erkennbare und in allen Einzelheiten nachzuweisende gothische Anlage die 
zweckentsprechendste zu sein. Der 9 m zu 16 m messende Innenraum ist mit 
sechs spitzhogigen Erenzgewfilben Überdeckt. 

Die hoehgeetochenen quadratischen Gewölbe ruhen auf zwei in der Länga- 
achee des Raamea stehenden schlanken Basaltsänlen nnd auf Wand- und Eck- 
Consolen. Bei der Wiederberstellnng des Raumes, der unverkennbar den Cha- 
rakter der Remter der Ordensbauten in der Provinz Prenssen trug, haben auf 
Veranlassung des Geheimen Banrat Lanner für die Ausbildung die Motive des 
Comthurremters zu Lochstedt als Anhaltspunkte gedient. 

Die ursprtlnglicben Formen des Masswerkes der drei grossen Nordfenster 
konnten nach den aufgefundenen Bruchstücken vollständig festgestellt werden. 

Der Fussbodenbelag ist, wie in fast sämtlicfaen Räumen des Umbaues mit 
Ausnahme der Arbeitsräumc, welche Holzfnssboden erhalten haben, aus hell- 
gelben Thonplatten hergestellt. Tbonplatten bildeten auch in alter Zeit den 
Fussbodenbelag in den Räumen des Dentsch-Ordenshauses. An mehreren 
Stellen sind solche Beläge aufgedeckt. Es wurden nnglaaierte Platten mit 
einfachen Mustern und gelb- nnd grflnglasierte Platten mit reicheren Sfustem 
gefunden. FUr den gegenwärtigen Fussbodenbelag sind Thonplatten verwendet, 
welche die Färbung nnd die Muster der alten einfachen Platten tragen. 

In der südlichen Frontwand Öffnet aicb eine ThUr nach einem kleinen, 
beim Umbau hergestellten und mit einem sehmiedeeieernen Gitter abgeschlossenen 
Balkon. Diese Thür war früher Ausgang auf eine im 18. Jahrhundert ange- 
legte, nicht mehr vorhandene, breit vor der Front gelagerte zweiarmige Frei- 
treppe, welche hinunter nach dem Hanpthofe fUhrte. 

Die Wände des Remters waren mit reichen Malereien versehen. Es fanden 
sich Bolehe aof den mehrfach übereinanderliegenden Putzschichten aus den ver- 
schiedensten Zeitabschnitten vor. 

Gut erhalten ist eine unterhalb des östlichen Schildbogens auf der Süd- 
wand freigelegte Kreuzigung. Die in Umrissen gezeichneten Gesichter des 
Heilands, der Maria, des Johannes u. s. w. zeigen gut gelungenen Ausdruck, 
Die Figuren heben sich wirkungsvoll von einem teppichartig gemalten Grunde 
ab, dessen Motive: Löwe, Adler und Fiseb in eigenartiger ornamentaler Ver- 
bindung vci'wendet sind. Diese Darstellung ist an der aufgefundenen Stelle 
belassen und mit einer schützenden Lackschicht versehen. 



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214 Bericht über die Thfttigkeit der Provinrialkommisslon 



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Fig. 30. KobleDz, ehemal, Deutsch-Ordeosbaus. Vorballe im .alten Bau'. 



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für die Denkmalpflege in der RheinproyiQZ. 21& 

Soweit die flbrigeo Waadmalereien znsammenhängende Mnster erkeuneo 
lieasen, sind dieaelbeo nach genanen Aufnahmen in einem Räume des ehe- 
maligen Thorbauea als Wand- und Deekenbemalung verwertet. 

Die zur gründlichen Wiederberetellung nnd Erhaltung der aufgerundenen 
Malereien erforderliche Ansicht der AusfUbrungsarbeiten lag iu den Händen 
des Malers J- Rauland. 

Der vorgenannte ehemalige Tborban (vgl. die Ansicht von Norden 
Fig. 21) ist ein Bau geringerer AbmessnugeD, welcher Moselflttgel und Khein- 
flQgel mit einander verbindet; derselbe zeigt auf der Nordfront erneuerte, dem 
froheren Zustande eutspreebende Facbwerkansbilduiig des oberen Geechosses. 
Der niedrigere Thorbau mit dem rot gestrichenen Fachwerk steht im wirkungs- 
vollen Gegensatz zu der hochragenden Giebelfläche des Kheinflugels nnd der 
Nordfront des Moselflilgels. Diese dem Kaiser Wilhelm-Denkmal zugewendeten 
Bauten werden fUr den von der Hochterrasse des Denkmals auf dieselben ge- 
richteten Bück im onteren Teile von der Bastion, „dem deutschen Eck", und 
den hieran beiderseits sich anschliessenden vielnmstritlenen Befestigungsmaueru 
gleichsam zuaammengefasst. 

Der nicht unterkellerte RbeinflUgel, gegenwärtig zur Anfbewahrang 
der Bestände des Staatsarchives hergerichtet, därfle ohne Zweifel als Spital- 
ban gedient haben. Aus verschiedenen konstruktiven Anhaltspunkten ist zu 
schliessen, dasa das Erdgeschosa grossere und kleinere Ränme enthielt nnd 
dass über denselben sich ein Saal befand, welcher nach Art der grossen mittel- 
alterlichen Spitäler mit einer bis ins Dach reichenden Holzdecke, hier auf 
Kragsteinen ruhend, bedeckt war. Diese Kragsteine sind in dem alten Mauer- 
werk der Längswände noch erhalten. 

Bemerkenswert ist die bei der Erneuerung des Aussenputzes erfolgte Auf- 
deckung von Gewölbewiderlagem an dem Sndgiebel des Rheinflügels. Ans der 
Spannweite der Gewölbe und den sonst gefundenen Spuren warde das Vor- 
handensein eines Vorbaues am Sndgiebel nachgewiesen. Die Fundamente ftlr 
diesen Vorbau wurden in einer bestimmten Entfernung vom Giebel vermutet 
und bei den hiernach vorgenommenen Aufgrabungen an den betreffenden Stellen 
gefunden. 

Die weitere Annahme, dass dieser Vorbau ein Unterbau für einen Altan 
gewesen sei, auf welchen die Kranken aus dem Saal direkt hinaustreten 
konnten, um den zur Genesung stärkenden Aufenthalt im Freien in der warmen 
sonnigen Lage nach Stlden unter dem Schatten der hohen Bäume des grossen 
Gartens zu genieesen, wurde durch einen weiteren Befund erhärtet. Eine zur 
Verbindung des Saales mit dem Altan notwendige ThürCffnung wurde gefunden. 
Es befanden sich in ihr noch Teile der durch die Mauer reichenden Balken 
nnd Fussbodenbretter, die beim Vermauern der Thflröffnung gelegentlich der 
Beseitigung des Altans in der Flucht der Aussenseite des Giebels abgeschnitten 
und dann überputzt waren. 

Ausser den vorstehend aufgeführten umbauten sei noch die Errichtung 
eines in mittelalterlichen Formen gehaltenen Neubaues am Eingang vom Gastor- 



Djgiijzedby VjOOQIC 



216 Beriebt Über die ThHdgkeit der Provliizialkommisslon 

hof SDB erwähnt, welcher die ArebiTdiener-WohDntig enthält. Derselbe dient 
zugleich als Fförtnerhana. 

Die Einfahrt im Thortnrme daselbst ist mit einem schweren schmiede- 
eisernen Gitter abgeschlossen, deasen Formengebang im Sinne mittelalterlicher 
Wehrhaftigkeit gewählt ist. 

Die nach Nordosten vorspringenden späteren fiefestignngen, vor allem 
die mächtige Bastion, dss eigentliche „Dentsche E^k", die den Abschlugs hier 
bildet, worden nach längeren VerhandlangeD nnd nach den sorgfältigsten Er- 
wägungen Über ihre Wirkung im Gesamtbilde in der Form belassen, in der 
sie aberliefert waren. Die ganze Befestignngslinie erhebt sich auf den Grund- 
mauern, die TOD der zweiten grossen Stadtbefestigang nm das Jahr 1280 
stammen; ihre Reste sind noch an der Bastion selbst erkennbar. Nach den 



Fig. 21. Koblenz, ehemal. Deuts cb-Ordensbaua. Ansteht des ehemaligen Thorbaues. 

Abbildnngen in Brann und Hogenbergs Städtebach vom Jahre 1576 und in 
Merians Topographia archiepiscopatuum Moguntinensis, Trevirensis et Colo- 
niensis vom Jahre 1632, anch schon, obwohl nndentlicher, in Sebastian Mänsters 
Cosmographey vom Jahre 1541 und auf dem Hintergrund eines Wandgemäldes 
mit der Darstellung des h. Martin in der Liebfrauenkirche zu Oberwesel be- 
stand an dieser Ecke ein viereckiger etwas tther die Mancr vorspringender 
Tnrm, der auf den Abbildungen des 17. Jahrhunderts ein Satteldach trägt. 
Die Bastion wurde dann nach dem 30jährigen Krieg bei der dritten Stadt- 
befestigung umgestaltet nnd erhielt zwischen 16Ö7 und 1671 einen neaen 
Aufsatz, von dem der Mittelteil stammt, ihre jetzige Gestalt erhielt sie endlich 
bei der letzten, vierten, preuBsischen Umfestignng in den Jahren 1819 — 1821. 
Die ganze Anlage, die eine abgekürzte Geschichte der Stadt Cohlcnz giebt, 
nnd nicht zuletzt auch jene erste preussiscbe Fortilikation erschien doch als 
historisch bedeutsam genug, um sie unangetastet zu erhalten und von einer 



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für die DenkmalpQege ia der Bheinproviaz. 217 

WiederherBtellnng derselben im Sinne mittelalterlicber Befestigung abzusehen. 
Gerade die Rücksicht anf die cyklopische Architektar, die Bruno Schmitz 
für den Uoterban nnd die Pergola seines Raiserdenkmals gewählt hatte, liess 
es als einen besonders glücklichen Umstand erscheinen, dass hier in nnmittel- 
bare Xähe d^ Denkmales ein ähnlich gross nnd wuchtig wirkender Mauerklotz 
trat. Auch der Architekt des Denkmals, Baurat Brnno Schmitz, hatte sich 
infolgedessen fllr die Beibehaltung der Bastion ausgesprochen. Ähnliche Er- 
wägungen führten auch dazu, die niedrige mit Scbiessscbarten versehene Ab- 
Bchlussmaner nach dem Rhein zn nicht Tollständig niederzulegen. Sie wurde 
nur bis auf die Höhe der Schiessecharten abgebrochen, dann sorgfältig abge- 
deckt nnd fasst jetzt glücklich die nnn einmal eine historische Gruppe bildenden 
Baoten der Castorekirche nnd des Dentsch-Ordenshaoses zusammen. Über der 
Bastion selbst ist die Lanb-Pergola wieder angelegt worden, die anf das An- 
mutigste den oberen Abscblass belebt. 

Über die Geschichte des Dentsch-Ordenshanses vgl. J. H. Heanes, Die 
Commende Coblenz; Picks Monatsschrift fflr rheinisch-westfälische Geschiehta- 
forschuug nnd Altertumskunde III, 1877, S. 514. — Ders., Commenden des 
dentschen Ordens, Mainz 1878, S. 3, 5 ff. — Die Urkunden bei Hennes, 
Codex diplomaticus ordinis s. Mariae Theutonicomm I, p. 32, 24, 30 ff. — 
Wegeier, Beiträge zur Geschiebte der Stadt Coblenz 1882, S. 49. — Leh- 
feldt. Die Ban- nnd Knnstdenkmäler des Regierungsbezirks Coblenz, Düssel- 
dorf 1886, S. 173. 

Haltermann. 

10. Köln. Fortban des Domes im Baujahre 1897/98. 

Die im Jahre 1890 begonnene AnsFohrung der Hosaikheflnrung der Vie- 
rung imd des Domchore ist nunmehr im Laufe des Monats Mai d. J. durch 
Fertigstellung der Stiftmoaaik auf dem Presbyterium in der Umgebnng des 
Hochaltars zum Absebluss gebracht. Die Mitte des Fresbytennras nimmt die 
anf dem Throne sitzende Gestalt des Papstes als Repräsentanten der geistlichen 
Macht ein, umgeben von den vier ParadiesflUssen, welche das ans Urnen aus- 
fliesaende Wasser zu einem Strome vereinigen, der, vom Altare ausgehend, die 
Darstellungen der christlichen Kirche und der in ihr vereinigten Nationen dnrch- 
fliesst und durch die in ihm schwimmenden Fische den Weg zum Altare zeigt. 
Zn beiden Seiten des Hochaltars sind nach dem vom hiesigen Metropolitan- 
Kapitel aufgestellten Programme die eichen geistlichen nnd sieben weltlichen 
Stände angeordnet. Auf der Nordseite, vor dem erzbischOfiichen Throne die 
typischen Figuren der geistlichen Würdenträger: in der Mitte der Papst, um- 
geben von dem Kardinal, dem Erzbischof, dem Kanonicus, dem Priester, eioem 
Mönch und einem Einsiedler. An der Südseite die Gestalten des Kaisers, des 
Fürsten, des Ritters, des Kanlinanns, des Knnstbandwerkers, des Landmanns 
und des Bettlers. 

Mit Ansfübrnug der farbigen Detail -Skizzen für die MosaikbefluniDg des 
Domchores wie der Kartons in natürlicher GrOsse war bekanntlich der ehe- 



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218 Bericht über die ThStlgkeit der ProTlDzlalkommlnlon 

mattge Direktor des Germaniachen Sloseninfl in Nürnberg v. Essenwein betrant. 
Längeres Unwohleein des Genannten verzögerte die Fertigstellung dieser Eunstr 
anfgabe, and bei seinem im Jahre 1892 erfolgten Tode hinterliess Egsenwein 
die Arbeit fUr das Chorinnere nnvollendet zurttek. Dnrch Vertrag von 1892 
nnd 1895 flbertmg die Dombau-Verwaltnng die Ferligstellpog der Vorlagen ffir 
den Ranni zwischen den ChorstahleD nnd ftlr den QBtlichen Teil der Chorbe- 
flnrnng dem Maler Prof. Geiges in Freibnrg i, B,, der, nnter Zngrandelegnng 
der Essenweinsehen Vorarbeiten, sämtliche Kartons bis znm Schlüsse des 
Jahres 1897 vollendete. Mittels Vertrages vom 7. Jannar 1890 flbemahm die 
nnter Leitong des Direktors Biogler stehende Mosaik-Fabrik von Villeroy 
nnd Boch in Mettlach die Anfertigung der Stiftmoaaikea im Bereiche des Chor- 
nmganga, der Viemng wie des Chorinneren einBchlieBslich des FreBbyteriams 
nnd förderte diese Arbeit in mnstergOltiger nnd knustvolleodeter Weise bis zun 
gegenwärtigen Jahre. 

FUr die Skizzen nnd Kartons sind ans der Dombankasse an den Direktor 
V. Essenwein 10300 Mark nnd an den Professor Geiges 13963,10 Mark ge- 
zahlt, sodass fQr die Entwürfe im ganzen eine Summe von 24263,10 Mark ver- 
ausgabt wurde. Die Herstellung der gesamten von Villeroy und Boch ausge- 
führten Arbeiten erforderte einen Geldbetrag von 55198,1 Mark. Für diese 
Snmme wurden 834,234 qm Bodenfläche in reichem farbigem Stiftmosaik ge- 
fertigt and verlegt. Der Durchschnittspreis fUr 1 qm Mosaik, teils Ornament, 
teile figürliche Darstellungen enthaltend, hat somit etwa 66,2 Mark betragen. 

Im Änsseren der Domkirche wurde im Laufe des Baujahres 1897/98 die 
stark verwitterte Wandfläche des Chorhaues zanächst der Sakristei sorgfältig 
ausgebessert, nnd die verwitterten Gesimse, Profile und Friesblätter wurden 
durch neu eingesetzte Obernkirchener Werksteine ersetzt. 

Nachdem unter dem 15. Juni 1896 das hiesige Motropolitan-Kapitel wegen 
anderweitiger Vorschläge zur Gestaltung der Windfangvorbauten das Ersnchen 
gestellt, von der ferneren AusfUhrnng der Windfänge in Eichenholz gemäss 
den allseitig genehmigten Plänen vorläufig Abstand zu nehmen, sind die Pläne 
und Eostenanschlfige zu den beabsicbtigten, alle drei Thüren der Fortalwände 
nmfassenden lettnerartigen Vorbauten vom genannten Kapitel bisher nicht vor- 
gelegt worden. Seit zwei Jahren haben daher die dafür in den Betriebsplänen 
1896/97 nnd 1897/98 angesetzten Geldbeträge keine Verwendung gefanden. 

Voigtel. 



11. Kdln-Niehl (Stadtkreis Kfiln). Wiederherstellung der 
alten katholischen Pfarrkirche. 
Die alte Pfarrkirche zur h. Katharina in Niehl ist neben der zu Kriel 
einer der frühesten romanischen Banten in der näheren Umgebung von Köln. 
Der dreistöckige Turm mit den leicht eingerückten oberen Stockwerken, im 
zweiten Stockwerk durch Vertikal-Lisenen und Rundbogenfries gegliedert, nnd 
das einzige nördliche Seitenschiff gehören noch dem ältesten Bau an, der wahi^ 



dbyGoot^le 



für die Denkmalpflege Ib der RbeinptovlDZ. S19 

Bcbeinlich aas der ersten Hälfte des 11. Jahrbanderts stammt; das Hauptschiff 
stammt ans dem 14. Jahrhundert. Die Formen der ÄOBsenarcLitektur, die 
Profile der Gliedernngen machen den Ban zn eiuer interessantcD romanischen 
Anlage. Das Masswerk, die Fenster, die Rippen, Kapitellcben ond CoDSolen 
iu dem frtlhgotbiscben Teil sind von feinen und zierlichen Profilen, die letzteren 
mit gut gearbeitetem Laubwerk und figUrlicbcn Darstellungen ausgeschmtickt. 
Dazu kommt der malerische Wert, den die Kirche besitzt-, sie ist in der 
That fast der schönste Punkt des Rheinpanoramas zwischen Köln und OQBsel- 



Fig. 33. E6In-Niehl, alte katholische Pfarrkirche. Nordansicht nach der Wieder- 
herstellung. 

dorf, Ober der Dferböscbnng auf einem leicht aufgemauerten Hdgel gelegen, 
beherrscht sie die ganze Umgegend (Fig. 22). 

Für die Erhaltung des Baues war seit der Erbauung der neuen Pfarr- 
kirche nichts mehr geschehen, Mauerwerk und Dächer waren schadhaft geworden. 

Der Kirchenvorstand Hess im Jahre 1893 durch den Architekt Theodor 
Kremer in Köln einen Kostenanschlag zur Wiederherstellung der Kirche auf- 
stellen, der mit lOoOO M. abschloss; auf das Gesuch des Kirchenvorstandes vom 
Ende des Jahr^ lä93 bewilligte der Provinzial-Ausschuss am 18. Mai 1894 



Djgiijzedby VjOOQIC 



220 Bericht über die Tbätigkdt der Frovinzi&lkommlgBion 

einen ZnschosB von 5000 M. zn den in dem Koatenansehlag niedergelegten not- 
wendigen WiederberetellnngBarbeiten. Diese Arbeiten Bollten sich im Weseot- 
lichen anf dae Abcharrieren des Tnffsteinmauerwerka nnd Ergänznng desBelben 
an sehr sebadhaften Stellen, aaf Ansbeaserang des Dacbes, Ernenernng der 
Tbilren, sowie anf den Abbrncb des westlichen Vorbaues erstrecken; ansser- 
dem kam eine Regnliernng des Eirehplatzeg hinza. 

Die Ansfilhrniig der Arbeiten, die im Sommer 1895 begonnen und im 
Sommer 1896 fortgesetzt wnrden, ergab, dass die Kirche sieb in einem wesent- 
lich scblecbteren baulichen Znstand befand, als in dem Kostenanschlag ange- 
nommen war. Das nördliche Seitenschiff war so stark ausgewichen, dass es 
abgetragen und von Grund anf neu aufgemauert werden musste; der Tarmhelm 
war so schadhaft, dass er beim Beginne der Arbeiten einstürzte nnd gleich- 
falls vollkommen emeaert werden musste. Die Ansbesserang des Mauerwerks 
nahm auch einen grösseren umfang an, als voraaszuseben war, namentlich an 
dem Turm mussten sehr grosse Partieen, die durch eine Puti»cbieht verdeckt 
gewesen waren, in der Tuff-Verblendung vollkommen erneuert werden. 

Die dadurch vemraachte üeberschreitiing des ersten Kostenanschlages 
war die Veranlassung zn einer Unterbrechung der Wiederberstellungsarbeitea 
im Sommer 1897; es blieb neben kleineren Arbeiten im WeseDtlicben noch die 
Restauration des Chores zurück. Aus diesen GrBnden hat sich der Provinzial- 
Ansschnss fflr die Denkmalpflege veranlasst gesehen, unter dem 23. März 1898 
eine weitere BeibUlfe von 3824 M. zur Vollendung der Wicderherstellungs- 
arbeiten bereit zu stellen. Mit Hülfe dieser letzten Bewilligung nnd eines Zu- 
schusses der Stadt KOln in der Höhe von 625 M. ist die Wiederherstellung 
im Sommer 1898 endlich zu Ende geführt worden, so dass das interessante 
Bauwerk in seinem weiteren Bestand als gesichert bezeichnet werden darf. 

Giemen. 



12. OberdoIIeiidorf (Kreis Sieg). Wiederherstellung des 
Turmes der katholischen Pfarrkirche. 
Der Turm der katholischen Pfarrkirche in Oberdollendorf mit der an- 
stossenden Apside ist der üstliche Teil einer romanischen Anlage des 12. Jahr- 
hunderts, deren Langhaus in den Jahren 1792 — 1793 durch einen einschiffigen 
schmucklosen Saalban ersetzt wurde. Die mit einem Kreuzgewölbe überspannte 
Turmhallc mit der im Grundriss segmcntfJJrmigeu Apside, der ursprünglichen 
Anlage als Chorhans dienend, wird jetzt nur als Sakristei benutzt. Der Turm, 
der in seineu einfachen Formen auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts als 
Entstebungszeit hinweist, nuifasst drei Geschosse, von denen das Erdgcschoss 
mit der Apside von einem einfachen Rnndbogenfries abgeschlossen wird. Die 
beiden unteren Geschosse haben nur kleine LichtOffnongen, das zweite Ober- 
geschosB zeigt je ein dreiteiliges Säulenfenster in rundbogiger, von kräftigem 
Wulst cingefasster Blende, darüber erheben sich anf kräftigem WUrfelfries die 
mit Rundbogenfries und Würfclfries umrahmten Giebel des stumpfen Rbomben- 



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für die Denkm&lpflege in der Rheinprovinz. 221 

daches; jedee Giebelfeld zeigt ein zweiteiliges Säulenfeaeter in nindbogiger 
Blende. 

Ein Tollkommenes GegeDstQck findet diese eigenartige Anlage in der 
gleichzeitigen Kirebe des beDachbartco Niederdollendorf, während die gleich- 
zeitigen Osttnrm-Anlagen in den nahegelegenen Orten KUdinghoven und Ober- 
kaasel wenigstens in der Qesamtanlage mit OherdoUendorf und Niederdollendorf 
flbereinstimmen. Die Gleicbmässigkeit der Anlage erklärt sich ans der gemein- 
schaftlichen 1144 erfolgten Einverleibung der rier Kirchen in das Stift Yilich 
bei Bonn. (Vgl. Effmann, Die alten Teile der Pfarrkirche zu Oberdollendorf 
in der ,Zeit8chrift für christliche Ennst' VI, Sp. 257.) Ein ferner liegendes 
interessantes Beispiel einer Osttnrm-Anlage in der Rbeinprovinz bietet die Kirche 
in Wintersdorf (Kreis Trier). 

Der Turm befand sich nicht nnr 
in einem schlechten bauliehen Zustand, 
Boodem war auch durch spätere Zu- 
thatcn seines ursprünglichen Charakters 
znm Teil entkleidet. Der schlechte bau- 
liche Znstand lag einmal an der naangel- 
haften Fundamentierung, wnrde aber 
noch darch den umstand verschlimmert, 
dass die Glocken, in einem schadhaften 
Glockenetahl ruhend, bei dem Läuten 
an das Turmmanerwerk anschlugen. 
Aasserdem waren die Gesimse, die sämt- 
lich ans Tuffstein bestehen, znm Teil 
bis zur Unkenntlichkeit verwittert; die 
Manerfläcben trugen eine sehr schad- 
hafte Putzschicht. Zu dem zweiten Turm- 
geschoss bezw. zu dem auf die Apside 
aufgesetzten niedrigen Geschoss führte 
eine gemauerte Freitreppe in einem Lauf 
empor, sie zeigte beiderseitig gemauerte 
Brüstungen und ein Pultdach tlber der 
Oeffnnng im Turm. Diese gleichfalls 

ans dem Ende des 18. Jahrhnnderts Fig,23. Oberdollendorf, kath. Pfarrkirche. 
, stammende Anlage war zwar von male- Ansicht des TurmoB vor der Wieder- 
riscfaer Wirkung, durchschnitt und ver- herstellung, 

deckte aber einen erheblichen Teil des 

Turmes. Vor allem auch entstellte eine rohe Umniantelung des Erdgesehossea 
von Turm und Apside, die bei der schlechten Fundamentierung grösseren 
Halt gewähren sollte, die Ansiebt des Bauwerks (Fig. 23). 

Da der Bestand des Bauwerks gefährdet erschien, so war Abhilfe dringend 
erforderlich. Bereits 1893 hatte der Königliche Kreisbauinspektor, Baurat Esch- 
weiler in Siegbnrg, einen Kostenanschlag der nothwendigen Wiederherstellunga- 



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S32 Bericht über die Thätigrkelt der ProTinzialltommisBion 

arbeiten anfgentellt, der mit der Summe tod 6700 M. abscbloss; dieser wurde 
am 28. November 1894 durch die KJJnigliche Regierung in Köln geprüft. Die 
reranscblagten Arbeiten erstreckten sich im WeBentlichen auf das unterfangen 
der Fnndamente, Erneuerung des Glockenstnhls, Eotfemung der späteren An- 
banten und Wiederherstellung des Aeusseren^ sowie den Anbau eines Treppen- 
tUrmchens zum Ersatz fUr die zu beseitigende Freitreppe (Fig. 34). 



Sj.'l Swta«M^ nill|h>. »US ea4,M»4£e<p 





3;3.4,9«-J*^ J« S.tJj«X^.* jmi|F^5Sw«i^J.4^. ^ß.^« Ä3.6. §«-J«(l J„ 5&,Ä.«t„|^ 



Fig. 24. Oberdollendorf, kathol. Pfarrkirche. Qrnndrigse, AufriHse und Schnitte 
des TurrnsN nach der Wiederberstelinng. 

Zu diesen Arbeiten bewilligte auf das Gesneh des Kirehenvorstandes der 
Provinzial-Aossehnas am 18. Mai 1894 eine Beihilfe von 2000 M., durch Aller- 
höchsten ErlasB vom 23. Oktober 1895 kam ein Gnadengeschenk in der Höhe 



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fBr die Denkmalpflege In der ttheinprovinz. 329 

von 2000 U. hinzn. Nachdem im März 1896 die Arbeiten dem Unternehmer 
Scheidgen in Königswinter verdnngen worden waren, wurde im April 1896 
mit der Ausführung begonnen. Dabei ergab sich, dass unter dem Verpntz des 
Turmes gutes TaSfiteiomauerwerk sass; es wurde deshalb au Stelle der im 
Kostenanschlag Torgeseheneu Eroeuerung des Verputzes eine AusberaeruDg 
hezw. Auswechselung des Tuffmauerwerks ansgeftlhrt. Ebenso ergab sich, dass 
die unteren Teile des Mauerwerkes ans Basalt bestanden; es wurde deshalb 
der Verputz entfernt, die Pngen gereinigt und mit Cement-Mörtel ausgegossen. 
Besondere Vorsicht erheischte die Beseitigung der unteren Üromautduug des 
Turmes und der Apside; dabei mussten die Fundamente, die nicht durchweg 
bis auf tragfähigea Boden herabgeffihrt waren, unterfangen werden, daroach 
wurde ein neuer Sockel aufgemanert. 

Bei den stark verwitterten GesimseD liess sieb die ursprüngliche Profilie- 
ruDg nur dadurch genau feststellen, dass auf Anordnang des Banleiters einzelne 
hcransgenommene StUcke von weniger beschädigten Stellen vorsiefatig durchsägt 
wurden*, bei der Emenerung der Oesimsteile and der Randstäbe der Fenster- 
blenden fand feiner Weibemer Tuff, bei der Ergänzung einiger Kapitelle und 
Feuster-Sänlchen Stenzelberger Trachyt Verwendang. 

Der alte hölzerne Glockenstnhl wurde durch einen solchen aus Walzeisen 
ersetzt, der ftlr die Unterbringung der drei Qlocken von 1,31 m, 1,22 m and 
1,04 m Durchmesser hinreichend Kaum bietet. 

Da der Tann von dem Kirchenboden nicht zugänglich ist, io musste au 
der Nordseite nach dem Entwurf des Baurats Esehweiler eio rundes Treppen- 
tarmcheu in einrachen romanischen Formen aus regelmässigem Tnffsteinmaner- 
werk angefügt werden; ee ist bis zum ersten Obergeschoss hoehgefflhrt und 
mit kurzem gesehiefertem Eegeldach abgedeckt. 

Im Mai 1897 waren die Wiederheretellongearbeiten vollendet; die Leitung 
der Arbeiten lag in den Händen des derzeitigen Königlichen Kreisbaninepektora, 
Banrat Kosbab in Siegbarg. Die Kosten betrugen für die Banausftthrnng 
7674,20 M., far die Baaleitung 280,73 M., also insgesamt 7854,93 M. Die 
Ucberschreitung des Eostenansehlages von 6700 M. Hegt hauptsächlich in der 
während der Auaftlhrung sieh ergebenden Notwendigkeit begründet, an Stelle 
des vorgesehenen neuen Verputzes eine Ausbesserung des regelmässigen Tuff- 
stein-Mauerwerkes treten zu lassen. 

Kosbab. 



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Bericht über die Thätipkeit der ProvinziaHcommiBäon 



Fi^. 2C>. Köln, S. Gereon. H&lerei von den Arkaden des Kapellen kränze« im Dekagon. 



13. Anfertigung von Kopien der mittelalterlichen Wandmalereien der 
Rheinprovinz. 

Im Reehonngsjahre 1897/98 sind nach den im vorigen Jahresbericht aas- 
fDhrlicb dargestellten Gmodsätzen ror allem in deo Kölner Kirchen systema- 
tisch die ÄufnahmeD der mittelalterlichen Wandmalereieo Tervollständigt worden. 

Zunächst bandelte es sieh am die Anfnahmen der Wand- und Gewölbe- 
malereien in der Kirche S. Maria Lyskirchen in KOln. Die aas dem Eode der 
1. Hälfte des 13. Jahrhunderts stammenden Malereien an den drei Kreuz- 
gewölben des Mittelschiffes zeigen in jedem Gewölbefelde zwei Darstellungen 
nebeneinander, zumeist aas dem neuen Testamente, von der Verktlndigung bis 
zum Pfingstfest und dazu eine Reihe von typologiscfaen Scenen aus dem alten 
Testamente, in den Zvrickelu in allen Feldern grossartig anfgefasste Figuren 
von Propheten nnd Heiligen mit SpruchbäDdem und um den Schlussstein in 
dem ersten Joch in allen Feldern, im zweiten in zweien die Halbfigaren von 
Tugenden. Dazu kommen noch zwei ähnliche Gewölbe mit kleineren Dar- 
stellungen, aber in der gleichen Anurdnung, in den beiden Seiteuschiffen. Die 
Malereien waren sämtlich durch den Kanonikus GObbels restauriert und z. T. 
ergänzt worden, die drei Hauptjoche im Mittelschiff sind jetzt durch den Maler 
Otto Vorlaender sorgfältig in grossen Blättern in UmrisszeichnnDg aufge- 
nommen worden. Über dem Westportal auf der Innenseite der Kirche befindet 
sich dann eine grosse Darstellnng der Anbetung der KOnige, die den Vorzug 
hat, in der Farbe gänzlich anberUhrt zu sein. Das Bild, das wahrscbeinlich 
schon in der 3. Hälfte des 13. Jahrhunderte, aber von einem älteren eonser- 
vativen Meister geschaffen ist, von der glQcklichsten Geschlossenheit und Ab- 
ruudung in der Komposition, zeigt in der Mitte die Madonna auf dem Thron, 
noch ganz archaisch, en face sitzend, von links nahen sich die drei Könige, 



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für die DenkmaUpflege in der Rheinprovinz. 225 

von rechts zwei nicht näher bezeichnete Heilige, wohl Propheten. Das Bild 
ißt von dem Maler Gerhard Sehoofs aus Kevelacr farbig aufgenommen worden. 
Der Maler Sehoofs war während einer ganzen Reihe von Monaten 
daaernd angestellt nnd hat nnter der Leitung des Provinzialeonservatora in den 
Kölner Kirchen weitere Kopien gefertigt. In der Krypta von St. Maria im 
Kapitol wurden die Malereien an dem Gewölbe in der mittelsten (öetlichen) 
Kapelle, künstlerisch wie ikonographiach gleich merkwürdige und bedeutende Dar- 
stellnngen ans dem Leben des h. Johannes des Täufers, wohl die ältesten in Köln 
erhaltenen romanischen Malereien, farbig aufgenommen. Die Darstellungen an der 
Nord- und Südwand waren dagegen so weit zerstört, dasa nur noch unbestimmte 
Farbenflecke erkennbar sind. In der Kirche St. Pantaleon sind in den östlichen 



Tig. 26. Köln, S. Cäcilia. FrQbgotische Malereien von der Nordwand des L&nghaoeea. 

Teilen noch eine Reibe von romanischen Malereien aus der 1. H&lfte des 13. Jahr- 
hunderts gänzlich unberührt erbalten, deren Unlersochung wegen der Technik 
und Farbengebnng besonders wichtig war: über dem Tympanon des Seitenportals 
im nördlichen Quersebiff eine thronende Madonna, zwischen zwei Engeln in 
feierlicher Haltung auf einem romanischen Kissentfaron sitzend, die Fflsse 
gestützt von zwei nackten Halbfiguren mit aufgelösten Haaren als die Verkör- 
perungen von Erde nnd Meer, auf dem Schoosse das Kind haltend, das die 
Rechte segnend erhebt, in der ausgestreckten Linken die Erdkugel trägt. Dann 

Jfthrb. du V«r. v. AltartluFr. Im BhatnL lOS. 15 



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2S6 Bericht Sber die Thätigkeit der Provinzialkommiasion 

im stldlichen Seitencbörcben in der Apsis eine groBBe Darstellnng des thro- 
nendeo Salrators in einer Mandorla, die Rechte segnend erhebend, in der Linken 
eiD offenes Buch auf dem linken Knie haltend, nmgeben von yier Heiligen, 
die dem Mittelfelde zugewendet sind, ond den vier ErangeliBteuBjmbolen. End- 
lich in einer Blende in der Oatmaner dieses Cbßrchens ein weiteres Bild der 
Madonna, amgeben von zwei Einzelfiguren von Heiligen nnd zwei fliegenden 
Engeln, schon aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts, und Über dem aQdliehen 
Eingang noch ein flberlebensgrosser Salvatorkopf ron strenger Schönheit. Alle 
Malereien sind gleichfalls farbig aufgenommen worden. 

In der Kirche St. Gereon wurden femer die Malereien tlber den grossen 
Arkaden des unteren Kapellenkranzes, die durch die dort bis zur letzten 
Restauration und zur Ausmalung der Kirche dnrch Essenwein befindlichen 
hölzernen Reliquienkästen ziemlich gnt erbalten waren, anfgenommen. Sie 
zeigen in der Mitte je .das Brustbild eines der ältesten Kölner Bischöfe in 
einem Medaillon, umgeben von Engeln, die auf stilisierten Wolken schweben 
nnd WeihraucbfllBser und Kerzen schwingen — die Darstellung von grosser 
Kunst der RanmfUllnng. In der zweiten der südlichen Kapellen des Polygons 
wurden ausserdem die einzigen alten Malereien, die hier im Polygon selbst er- 
halten waren, Darstellnngen ans der Legende des h. Dionysius, in Umrisszeicb- 
Dungen anfgenommen. Von den Biscbofsportrails ist als Vignette hier eine 
kleine Probe in Umrisszeichnung gegeben (Fig. 2b), dazu noch von den schon 
im vorigen Jahresbericht beschriebenen frühgotbischeD Wandmalereien in der 
Kirche St. Cäcilia in Köln eine Probe mit zwei Darstellungen von der Nord- 
wand aus der Legende der h. Cäcilia, um von dem Stilcharakter dieser kunst- 
geBchichtlicb so interessanten Malereien eine Probe zu bieten. Die Scenen 
stellen dar die Unterweisung des Maximns und seiner Hansgenossenschaft in 
der christlichen Lehre und die nachfolgende Bekehrnng dnrch Cäcilia und das 
Brdderpaar Tibnrtins und Valerianus (Fig. 36). 

In der Nähe von Köln, in der romanischen Pfarrkirche zu Lipp (Kreis 
Bergheim) ist das Kreuzgewölbe des Chorbanses ganz mit Malereien ans der 
Legende der h. Ursula bedeckt, die ans der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts 
stammen. Leider sind die Malereien selbst durch den Maler Mtlller aus Bed- 
burg sehr stark restauriert wordeu, so dass ihre Farbe keine Anthenticität mehr 
besitzt. Die Umrisse sind aber noch gut erhalten und die Darstellungen von 
grossem gegenständlichen Interesse. Als Probe ist hier das zweite Feld, mit 
der Ankunft der Heiligen nnd ihres Verlobten gegeben (Fig. 27). 

Dorcb den Maler Otto Vorlaeader sind endlich in den beiden letzten 
Jahren vollständige Kopien aller Reste der Wand- und Gewölbemalereien an- 
gefertigt worden, die sieb in dem Nonnenchore des Essener Monsters befinden. 
Die nach der Zcitstellnng ~ sie sind nach den dürftigen Resten im Aachener 
Monster nnd iu der St. Luciuskirche zu Werden die frühesten in den Rhein* 
landen — wie dnrch die ikonographisehen Beziehungen — Verbindung der 
traditionellen neutestamentlichen Darstellnngen mit Bildern ans der Engelsge- 
schicbte ■ — gleich wichtigen Malereien sind schon wiederholt behandelt nnd 



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für die Denkmalpflege in der Rheinprovinz. 227 

besprochen worden (W. TfinniseeD in den Bonner Jahrbllchero LXXXII, 
S. 134 DDd in Prflfers Archiv fOr kirchliche Kungt XI, Nr. 11. —Giemen 
in den Knnetdenkmälern der Stadt nod des Kreises Eseen 8. 35). Sie sind 
jetzt anf zehn grossen farbigen Blättern auFgenommen, die jede flberbanpt 
noch erhaltene Farbspnr zeigen. Die Blätter sind ebenso wie eine Anzahl 
Ergänznngsentwürfe des Malers Vorlaender dem DenkmälerwehiT einverleibt 
worden. 

Giemen. 



Fig. 27. Lipp, kathol. Pfarrkirche. Gewölbefeld des CliorhaUBea. 



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Berichte 

Blter die Thätigteit der ProTiniialmnseen In der Zelt rom 1. April 1S97 
bis 31. März 189S. 



I. Bonn. 

Im verflossenen Etatsjahre wurden An8grabung:en nur innerhalb des ROmer- 
lagers bei Neuss vor^nommen, welche den Zweck hatten, über die im uord- 
westlichen Teile desselben vorhandenen Bauwerke Änfscblnss zu verscbaffen. 

Zunächst wurde der Umfassungsgraben der Nordfront untersucht, welcher 
bei einer Tiefe von 3,40 m, einen Durchmesser von 10 m am Rande zeigte mit 
einer vorliegenden Berme von 2,80 m Breite. Die ebenfalls gefundene Um- 
fassungsmauer hatte hier eine Stärke von 1,90 m gegenüber der sonstigen 
Breite von 1,40 m. In ihr wurde ein Manerturm in Trapezform von 3,10: 
3,80 m Breite und 3,50 m Tiefe aufgedeckt, dessen Seitenmauern 1,35 m stark 
sind, dessen RUckenmauern jedoch eine Breite von 1,45 m und ausserdem zwei 
Pfeiler zur Verstärkung haben. In seinen Fnndamenten fanden sich mehrfach 
Ziegeletacke, darunter auch eines mit dem Stempel CLAV .... (11921) 
eingemauert. Von Gebäuden wurde zuvörderst zwischen dem Nordthor und 
dem eben beschriebenen Turm im Intervallum ein aus einem 37 m langen und 
l^lfta breiten Mittelbau mit 5 gleich grossen Räumen und zwei 14,80m langen 
und 1 m breiten vorspringenden Flügeln bestehendes Bauwerk aufgedeckt, 
dessen 1,45 m starke, sorgtkltig aus Tuff mit Kalk errichtete Fundamente durch 
40 Pfeiler ringsum verstärkt sind. Wie sich von der inneren Ausstattung 
nichts erhalten bat, ebensowenig igt auch im Inneren etwas wahrgenommen 
worden, ans dem sich seine Bestimmung erschliessen lässt. Da jedoch seine 
Mauerzilge zum Teil die Wallstrasse durchschneiden, so fällt seine Erbauung 
später als die der Wallstrasse. Nach dem Lagerinnem bin kamen alsdann 
hintereinander liegend zwei in gleicher Richtung mit dem erstgenannten Bau- 
werk verlaufende, völlig gleichartig angelegte Bauten von etwa 33,30 m Länge 
nnd 13,80 m Tiefe mit mächtigen Eckpfeilern von 2,50 m Seitenlänge und 
einer grossen Anzahl von Verstärkungspfeilem in den Fundamenten zum Vor- 
schein. Das Innere beider durch eine 6 m breite Gasse getrennter Bauten 
weist eine grosse Anzahl schachbrettartig verteilter Steinfandamente von etwa 
0,70 m Seitenlange auf, welche teils aus demselben Material wie die Um- 



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Berichte über die Thätlgkelt der Provlnzialmuseen. 229 

fassimgsmaner, teila aas hochkant geetellten ZiegelstUeken herg^estellt sind, von 
denen mehrere den Stempel der 16. Legion tragen. Nach dieser Einrichtung 
ond nach den in ihnen gefundenen GctreiderestCD zD scbliesBen, haben beide 
Banlichkeiten als Getreidemsgazine gedient. Eine in der Westecke des ersten 
Gebändeg angetroffene tiefe Grabe ergab sich als eine BruDDenanlage, die bei 
der EinäBchemng des älteren Lagers im Jahre 70 d. Chr. rerechtlttet worden 
zn sein scheint. An den Schmalseiten beider Gebäude lief ein anf je 8 Säulen 
Ton 1,50 m Seitenl&nge ruhender gedeckter Gang ron 4,60 m lichter Breite 
einher, ^vt der Ostseite dieser Bauten wurde, geschieden durch eine 6 m 
breite Gasse, eine dritte baaliehe Anlage von 65,20 m Gesamtlänge und einer 
zwischen 31,20 m bis 36 m schwankenden Breite angetroffen, welche im Norden 
bis /.um Intervallum sich erstreckt und im Osten von der zum Nordthor führen- 
den Strasse begrenzt wird. Dieselbe scheint ans 3 Teilen zu bestehen. Ob 
jedoch diese Dreiteilung im ursprünglichen Plane gelegen, oder einer im Laufe 
der Zeit vorgenommenen Erweiterung des Grundrisses ihren Ursprung verdankt, 
Hess sich mit Sicherheit nicht ermitteln. Die Fundamente des Mittelbaues 
zeigten an der Nord- und Ostseite starke Verstärknogen, während solche bei 
dem NordflUgel bloss an der Ostmauer zu sehen waren, ebenso einen 4,50 m 
i. L. breiten Eingang mit ziemlich kräftigen Pfeilern. Ob aus den gefundenen 
Steiiikugeln ein Rflckschluss auf seine Bestimmung gestattet ist, mag unent- 
schieden bleiben. Jedenfalls läast sich dem Mittelbau und dem nördlichen 
FlUgel ein magazinartiger Charakter nicht absprechen. Anders dagegen der 
Westfltlgel^ er hat keinesfalls in seiner urspranglichen Anlage dem gleichen 
Zweck gedient. Denn sein Inneres birgt eine Reihe älterer MauerzUge, welche 
teils unter den jüngeren liegen, teils von diesen durchschnitten werden- So 
weit sich ein Urteil ans ihnen bilden lässt, scheinen die älteren Fundamente 
einer Kaserne anzugehören, deren Umbau jedenfalls noch während der Zeit 
erfolgt sein muss, wo die 16. Legion die Garnison bildete, weil ibre Ziegel 
sich im Mauerwerk gefunden haben. Westlieh dieses colossalen Bauwerkes 
kamen im Rücken der Eingangs besprochenen Magazine drei Kasernen zu Tage, 
eine grössere und zwei kleinere. Bei der gleichen Länge von 31,80 m hat die 
grössere 17,70ni, die beiden kleineren 8,65 m Breite. In der grösseren, welche 
durch eine 5,80 m breite Strasse von dem Kolossalhau getrennt wird und 
strassenwärts mehrere 2,30 i. L. weite Eingänge hat, wurden 17 durch Gänge 
zum Teil verbundene Zimmer ermittelt. Eine 1,70 m breite Gasse trennt sie 
von den beiden kleineren, selbst durch eine 5,30 m breite Strasse geschiedenen 
Kaseruements, welcbe die gleichen Grössenverhältnisse, Einteilung und Zahl 
der Bäume haben, nämlich am Nordende einen die ganze Breite des Gebäudes 
einnehmenden Raum von 4,60 m Tiefe, daran anschliessend einen langgestreck- 
ten, in zwei Hälften geschiedenen Trakt mit je 7 Räumen, von denen die öst- 
lichen 4,40 m, die westlichen 3,80 m lang sind. Bei dem fünften Raum ist die 
Scheidewand dnrch eine Manerunterbrechung zu einem 1 m breiten Durchgang 
gestaltet In einer Entfernung von 2,70 m westlich liegt eine 77,70 m lange 
Centurienkaseme. Ihr nördlicher, die Centurionenwobnung enthaltender 12 m 



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280 Berichte über die Thfttlgkeit der ProTtndalmnBeen 

breiter Teil nrnfasst 6 bis 9 TerBchiedeDtUch grosse Bänme, zn welchen von 
der Strasse her ein Hanpteingang von 1,10 m Weite und ein zweiter unmittel- 
bar daneben liegender 0,70 m breiter Nebeneingang führen. Ein in der Nord- 
osteeke anfgefnndener Kanal leitet die Abwässer in den grossen das Intervallum 
begleitenden Hanptkanal. Der hintere fOr die Mannschaften bestimmte Fltlgel 
enthält drei hintereinander liegende Reihen von je 12 Säumen mit dureh- 
schnittiich 3j36 m Breite. Die der Strasse zunächst liegende Beihe besteht 
aus einer auf Holzpfoeten mbenden Halle, deren einzelne Bäume 2,50 m Tiefe 
haben, während diese bei der mittleren Reibe 2,20 m and bei der hinteren 
4,50 m beträgt. Nordwestlich von dieser Kaserne wurde eine 5,50 m breite 
Gasse und die Anfänge einer zweiten Kaserne festgestellt, deren Grundriss erst 
durch die Fortsetzung der Grabungen auf dem Nachbargrundstack Aufklärung 
finden wird. Sehr wichtig fflr die Zeitbeatimmung dieses Lagerteiles ist die 
Auffindong mehrerer Gräber (12050—12085), welche in dem Schutt der ge- 
nannten Bauwerke, namentlich der Magazine, angelegt waren. Eines derselben 
ist sogar in eine Maner derselben eing^chnitten. Sie zeigen, dass dus Lager 
in der mittleren Kaiserzeit, der die in den Gräbern aufgefundenen TbongefSsae 
sämtlich angebSren, bereits als solches aufgegeben war. Da die Gräber aber 
auch ausserhalb des späteren Alenlagers liegen, so kOnnen sie sehr wobl von 
seiner Besatzung herrflhren. Endlieh kamen südwestlich von den eben be- 
scbriebenen Kasernen, getrennt durch eine 6 m breite Querstrasse, vier weitere 
Kasemenbauten von 33,50 m Länge zo Tage, von denen die beiden äusseren 
9 m, die inneren 18,60 m breit sind. Bei der östlichsten von ihnen, von deren 
Mauerwerk der aus Tuffstein hergestellte Aufbau stellenweise etwa 25 cm 
erbalten war, Hessen sich sowohl die Eingänge zu den einzelnen Zimmera als 
auch der Hanpteingang noch deutlich erkennen. Sie enthielt 13 ungleich breite 
Bäume in zwei Reihen, von denen die der jjstlichen 5,20 m und die der west- 
lichen 3,40 m tief sind. An der Innenwand des nordöstlichen Eckranmes fand 
sich eine Anzahl kleiner runder Gruben, deren Form und Beschaffenheit deut- 
lich zeigte, dass sie zur Aufstellung ron Amphoren gedient haben. Der da- 
rauf folgende Bau weist vier Reihen von je 8 Zimmern auf mit Eingängen 
von 1,15 bis 1,30 m lichter Weite. Wie derselbe im nördlichen Teile gestaltet 
war, darüber Hess sich keine rechte Klarheit gewinnen. Die dritte Kaserne 
stimmte im Grundriss und in der Banart mit der zweiten llberein. Von der 
vierten konnte bislang nur die Ostsette in ihrer ganzen Länge bloasgelegt 
werden, weil der grOsste Teil in das nicht zur Verfügung stehende Nachbar- 
grondstUck sieh hineinzieht. 

Auf der Südseite dieser Kasernen stiessen die Grabungen auf eine 3,20 m 
breite Gasse und auf die daran anstossende Rückseite dreier großer Bauten, 
von denen vor der Hand nur ein schmaler Streifen nntersucht werden konnte. 
In dem östlichen Bau, welcher eine Breite von 36,10 m bat, Hess sich ein 3,10 m 
breites Badegemach feststellen mit einem Estrich, dessen Rand mit einem 
Viertelrundstab versehen war. Während dieser Bau von dem zweiten 34,20 m 
breiten Gebäude 1,30 m entfernt ist, trennt dieses and das dritte Gebäude nur 



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für die Zelt vom 1. April 1897 bis 31. März 1898. 931 

ein ZwischenraDm von 0,95 m. Die aorgfältig ans Basalt hergestellten Funda- 
mente, das ans Tnffateinen gnt gefügte anfgehende Mauerwerk, sowie die Sparen 
farbigen Wandverpatzea weisen auf Quartiere höherer Offiziere hin. Endlieh 
wnrde anch noch die ron der Tia principalis zum Nordthore fOhrende Strasse 
sowie der in ihr liegende Kanal unteraacht. 

Im Lanfe des Winters wandten sich die Grabungen der Aufsuchung der 
in dem südlich der Provinzialstrasse liegenden Hanagarten des Schusters Pape 
Torhandenen Ostflanke des Praetoriums zu. Es gelang, so weit dies die vor- 
handene BanmknltuT gestattete, eine von Süden nach Norden laufende Maoer 
aus Baaalt nnd TufT, welche vier grosse Räume begrenzt, bloss zn legen. Ein 
2,50 m i. L. breiter Gang trennte diese Räume, deren Tiefe noch nicht fest- 
gestellt werden konnte, Ton einem 27,32 ra langen Flögel. Zwischen diesem 
südlichen und dem nördlichen, noch der Aufdeckung harrenden Teile der Ost- 
flanke des Practorinms fand sieh ein 6 m breiter Eingang, dessen wirkliehe 
Breite jedoch durch einen Einbau an der Nordseite auf 3,75 m vermindert 
wird. In dem anschliessenden Httbel'schen Garten wurden eine etwa 8,50 m 
breite Strasse und Teile zweier mit den Langseiten dem Praetorium parallel 
laufender Kasernen ei-mittelt mit je zwei Reihen von Zimmern. Der nördliche 
Trakt der zweiten Kaserne war zum Teil zerstört durch später an seiner Stelle 
errichtete Fundamente, welche, wie eine nähere Untersnchiing ergab, Reste des 
Ostthores des späteren Älenlagers waren, von dessen Anlage ein befriedigendes 
Bild erst durch weitere Grabungen gewonnen werden kann. Die Ausbente an 
kleineren Funden war anch diesmal eine beträchtliche (11774 — 12021, 12036 
—12108, 12256—12289, 12304—12320). Darunter verdienen eine besondere 
Erwähnung ein GrifF in Gestalt eines springenden Pferdes (11785), eine 
Hängever/iernng mit punktierten Ornamenten (11847), eine GefässbekrOnung 
in Gestalt eines Dreizacks mit Delphinen (11914), ein Ziersttlck in durch- 
brochener Arbeit (12263) und eine emaillierte sechseckige Schmnekplatte 
(12268). 

Die Eröffnung zufällig zu NiederdoUendorf im vorigen Sommer aufge- 
fundener fränkischer Gräber, die der Eigentümer des Terrains gelegentlich 
einer Fabrikanlage selbst vornehmen liess, wurde vom Museum beobachtet. Die 
FundstUcke gelangten durch Schenkung des Herrn Fabrikbesitzers Zürbigins 
Museum (12169 — 12220). Abdecknngsarbeiten auf den Bimgsteingruben bei 
Weiseentharm ftihrten zur Auffindung von Wohnstätten ans vorrOmischer und 
römischer Zeit, wodurch die Örtlichkeit der dortigen Ansiedlungen genauer 
ermittelt wurde (s. Bonn. Jahrb. 102, S. 192). Von den bei dieser Gelegen- 
heit blossgelegten TOpferOfen wurde einer, der besonders gut erhalten war, 
vom Musenm genauer untersucht nnd aufgenommen. Unsere Kenntniss des 
römischen Bonn hat anch in diesem Jahre eine Bereicherung erfahren, indem 
sowohl innerhalb des römischen Lagers in unmittelbarer Nähe des im vorigen 
Jahresbericht erwähnten Bauwerkes (s. Bonn. Jahrb. 101, S. 169 f.) Teile 
eines zweiten Gebäudes, als auch an der Coblenzerstrasse Reste einer Villen- 
anlage aufgedeckt wurden, welche zweifellos mit den im Jahresbericht für 



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283 Berichte fiber die Thatigkeit der ProvinEMmnfieen 

1895/96 beBchriebenen Oebänlichkeiten im Garten des ErzbisebOflicben ConvietB 
in ZusammenhAng steben. Von beiden Ansgrabnogen wnrden dnrcb Herni 
Stadtbanrat Schnitze genane Anfnahmen gemaebt. 

Ans den Erwerbnngen des HnsenmB, welche sich insgesamt anf 901 
Nummern belanfen, sind besonders folgende hervorzuheben. 
I. Praehistorieche Abteilnng. 

Ein Grsbfnnd mit Thongefässen der Hallstattzeit vom Brttckberg bei 
Siegbnrg (12027— :2{)40) nnd zwei rohe germanische Gefässe (11675— 11676), 
Qeachenke der Stadt Homberg. 

II. Rjjmische Abteilnng. 

1. Steindenkmfiler. Inschriften: Weihinschrift an die Matronae Fahineihae, 
gef. in Euskirchen (11707), besprochen in Bonn. Jahrb. 102, S. 180f.; Grab- 
denkmal des Senuatine Tertius mit dem Bildnis des Verstorbenen ans Köln 
(12110), Grabstein des MilitÄrtribnnen einer Cohorte, gef. in Heddesdorf 
(11680), sowie zwei Grabinschriften ans Köln und Bonn (12293, 12261), 
s. Bonn. Jahrb. 102, S. 188 ff. 

2. Skulptur- und Arcbitekturstttcke : Statuette eines sitzenden Jupiter 
ans Bonn (11717), die Hälfte eines Viergöttersteines ans rothem Sandstein 
mit Minerra, gef. in Euskirchen (11708), s. Bonn. Jahrb. 102, S. 181 nnd 
ein Pilasterkapit&l mit einem männlichen Kopf aus Köln (12111). 

3. Grabfunde. Zwei reich ausgestattete Umengräber, deren eines durch 
eine Münze des Vespasian datirt ist, ans Bonn (11728 — 11756), Geschenk d^r 
Lese- und Erholungsgesellschaft bierselbst. Zwei ebenfalls durch die Münz- 
beigaben datierbare Plattengräber aus Bonn (11694—11699). Der Inhalt eines 
Skelettgrabes, gef. zn KOln mit reichen Beigaben von Thon und Glas, sowie 
eines verzierten Bronzearmbandes (12041 — 12049). Ein spätrOmischer Grab- 
fund von Mastershausen (12295—12303) mit charakteristischen Thongeschirren 
und einer Zierscheibe aus Silber iu durchbrochener Arbeit. 

4. Einzelfunde von KleinaltertOmem : a) ans Bronze: Mercurstatnette, 
gef. bei Neuss (12160), Geschenk des Herrn Tappen, zwei Appliken mit 
den Büsten einer Victoria und eines Atys aus KOln (11702. 11706), eine 
Doppellampe aus Call (Eifel) (11701), ein Armband mit eingestanzten Vogel- 
figuren (12152) und ein solches mit spiralförmig aufgerollten Enden (11767), 
s. Bonn. Jahrb. 102, S- 179 und drei emaillierte Fibeln aus Weissenthunn (12149 
-12159) besprochen in den Bonn. Jahrb. 102, S. 192. 

b) ans Thon : eine Terrakotte der Venus mit Amor, 26 cm h., und eine 
Fortuna, 16i/] em h. (12115—12116), ein Becher mit Tbierfiguren in Barbotin- 
tecbnik (11437) nnd ein solcher mit weiss aufgemalter Aufschrift „Felix" 
(11439), ein steilwandiger, mit Gruppen horizontaler Parallellioien verzierter 
Becher aus Eich bei Andernach, Nachbildung eines ähnlichen Glasbechers (11689) 
und zwei Lampen, die eine mit drei Brennern, die andere mit der Darstellung 
eines Schafes (11678-12294). 

c) Ans Glas: eine vierseitige Flasche, 27 cm hoch, mit der Figur des 



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fOi die Zelt vom 1. April 1897 bis 31. Hftrz 189& 288 

Mercar und einem Fabrikstempel im Boden (11692), eine Phiole ans violettem 
Qlae (11719) und eine Schale mit nmf allenden Eand (11720), Nachbildung; 
einee ähnlichen Thongefftsses. 

III. Fränkische Ahteilnng. 
Waffen und ScbmnckBachen ans fränkischen Orftbern bei Oberkaseel 
(11721-11727; 11758-11764), geschenkt vom Oberst z. D. Wnlff daselbst. 
Der Inhalt eines Franengrabes aus Bacharacb, bestehend aus einem goldenen 
vieroeitigen Haarnadelknopf, welcher oben mit Kinlagen farbiger GlasfltlBse be- 
deckt ist, einem silbernen Ohrring, einer Perlenkette nnd einem Napf ans 
schwarzem Thon (12023—12035. 12031), femer eine Anzahl Waffen, darunter 
zwei woblerhaltene Langschwerter und zwei seltene Wurflanzen, Angouen, aus 
einem Grftberfelde bei Zülpich (12228-12248), s. Bonn. Jahrb. 102, S. 193 f. 

IV. Mittelalterliche nnd moderne Abteilung. 
Eine hübsche romanische Fenstersäule mit Kapitell und eine Fussboden- 
fliesee mit romanischen Omamenlen (11546 — 11547), Geschenk der Stadt 
Bonn, s. Bonn. Jahrb. 101, S. 173. Bruchstücke von Kacheln mit gothisieren- 
den Verziernngen, wahrscheinlich Poppelsdorfer Fabrikat (12160), s. Bonn. 
Jahrb. 102, S. 169; eine kleine Bchmiedeeiseme Tmhe (11716), ein reich 
verzierter Sporn ans Knpfer (12118), sowie Reste von Grisaillemalereien des 
13. Jahrhunderts ans den Chorpolygonfenstern des Altenberger Domes (11757), 
als Depositum überwiesen von der Königl. Regierang zu Köln, 

V. Münzsammlung. 

a) Die römischen Münzen worden bereichert durch einen Münzfnnd vom 
Hunertlck mit 585 Mittel- und Eleinerzen von Gallien bis Constantius II. 
(11648-11668) und einen Aureus des Honorins (11679). 

b) Für die mittelalterliche Sammlung wurde ein Obenveseler Goldgulden 
des Erzbischofs Werner von Falkenstein (11773) erworben. 

Der Besuch des Museums an den öffentlichen Tagen war besonders rege, 
an Eintrittsgeldeni wurden insgesamt 267 Mark vereinnahmt. Einer Anzahl 
von Vereinen, deren Mitglieder an in Bonn abgehaltenen Festversammlungen 
Teil nahmen, wurde freier Eintritt gewährt. Ausserdem erläuterte der Unter- 
zeichnete den Lehrern verschiedener Kreise der Provinz sowie den SchUtem 
von Lehrerseminaren und höherer Schulen die Denkmäler des Museums und 
behandelte an der Hand der Sammlungen des Museums in einer für Studierende 
bestimmten Vorlesung die Culturentwicklung des Rheinlandes in vorrömi- 
Bcher Zeit. 

Der Mnseumsdirektor 
Klein. 



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S34 Berichte über die Thttti^kelt der ProTlnzIalmuseen 

IL Trier. 
Die Ranpttbätigkeit des ProTinzislmneenms galt im Terfloseenen Jahre 
der AnsgrabuDg eines rOraischeD Wohnhaases in Trier. Das Gebäude liegt im 
Centrnm des römiecbeD Trier, gegenüber dem Kaiserpalaet auf einem Gmnd- 
etUck des Herrn Fabrikbesitzers Scbaab, der die Ansgrabuag in liberalster 
Weise gestattete und forderte. Während im Norden die jetzige SUdallee, im 
Westen ein Privatweg, im Sttden die EUeksicbt a«f moderne Bauten der ganz- 
lieben Frcilegung des rOmiscben Bauwerkes Halt geboten, konnte wenigstens 
die Östliche Hausfa^ade genau untersucht werden. Einer rSmiseben, in nord- 
Bildlicher Biehtung verlaufenden Strasse entlang (vgl. Fig. 38) standen hier 
zunächst die nificbtigeD Sandsteinsnbstrnktionen einer geräumigen Vorhalle und 
mit ihnen verbanden die Vorrichtungen fUr den Ablauf des Kegenwassers. 
In dem 2 '/g m breiten Hanstbor, dessen neilerfuadamente noch erbalten 
waren, lag noch ein grosser Teil der Sandsteinschwelle (a). Betritt man durch 
dieses Thor das Hans, so bat man zur Becbten (ndrdlieh) die ausgedehnte 
Badeanlage, zur Linken (stldlieb) die Wohn- und Wirtscbaflarfinme. Von der 
ersteren war schon im Jahre 1895 das Apodyterinm (t) und Frigidarinm (3) 
freigelegt worden, jetzt fand sieh auch das Tcpidarium (3) und Caldarinm (4) 
mit mehreren wohlcrhaltenen Badczellen und grossen Teilen der Heizanlage 
samt dem Heizkanal. Von der Schwelle des Apodjterinm aus fuhrt ein Hans- 
gang in südlicher Richtung (5) zu den Wohn- nnd Wirtgchaftsräumeo. Von 
den ersteren ist znuäcbst zu nennen ein geräumiges, nicht heizbares Zimmer 
von 7 Vi : 5 m lichter Weite (6), welches vollständig unterkellert ist. Ein 
doppeltes Kreuzgewölbe, welches grossenteils noch erhalten war, trug den 
Zimmerboden. Dieses ist aber erst in einer späteren Banperiode an die Stelle 
einer Balkendecke getreten, wie dentticbe Sparen von Balkenlagen! nach dem 
Entfernen der GewOlbebogen zeigten. Nach Sflden schliesst sieh an diese« 
Zimmer durch einen schmalen Korridor (7) getrennt, ein rot verpatzter Lieht- 
hof (8) an, nm welchen sich drei Wohnzimmer gruppieren. Zunächst sQdlicb 
von dem Liehtbof liegt ein grosser Saal (9), der angenscheinlich die Form 
eines griechischen Kreuzes hatte. Seine grösste bisher ermittelte Ausdehnung 
beträgt 9 */i m im Lichten. Der grOsste Teil des Saales hatte Hypocausten- 
vorrichtung, die ebenso, wie die Heiz- und Ranehzflge in den Wänden noch 
in ansehnlichen Resten erhalten war. unter dem nördlichen, nicht heizbaren 
Teil des Saales befindet sich der Keller (9 a), ans dem die Heizung des Saales 
besorgt wnrde. Von dem Mosaikhoden des Saales waren nur spärlicho Reste 
erhalten. Westlich von dem grossen Saal liegt ein kleines, quadratisches, un- 
geheiztes Zimmer von 3 ^s "> lichter Weite, vollständig unterkellert. Dies 
Zimmer (10) zeichnete sich durch einen prachtvoll erhaltenen Mosaikboden ans, 
der mit einem sehr aparten Muster geziert ist. (Vergl. die Tafel.) Herr 
Schaab hatte die Frenndlichkeit, diesen Hosaikboden dem Provinzialmnsenm 
zu schenken. Südlich stösst an dieses Gemach ein grosseres, heizbares, aber 
nicht völlig ausgegrabenes Zimmer (11), nOrdlich ein kleines heizbares Zimmer, 



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Mosaikboden aus dem römischen Wohnhaus gegenüber dem Kaiserpalast, 
jetzt im Provinziatmuseum. 



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fOr die Zelt vom 1. April 1897 bis 81. März 1898. 386 

dessen HeizTorrichtnng, sowohl Bodeo- als Wandheizung, noch sehr gnt erhalten 
war (12). Auch dieses Zimmer besaBs einen Mosaikboden, wie einige Beste 
zeigten. Sein Licht empfing es dnrch ein 2 Meter breites Fenster (b) ans dem 
oben erwähnten Liehthof. — Weiter nördlich schliesst sich ein geräomiger 
Hof an, dessen Boden mit grobem, gestampftem Kies bedeckt war (13). — Im 
BUdSatlichen Teil des Gebindes fanden sich znnflchst zwei kleine gewölbte 
Keller (14 n. 15), welche in frühere WohnrUnme bineingebant waren, nnd 
sfldlicb davon noch zwei Gemächer, deren eines (17) heizbar war, während 
das andere, nnheizbare, tiber einem wohlerh&ltenen KellergewOlbe liegt. Da 
di«ie Känme aber erst znm Teil freigelegt werden konnten, so iässt sich Über 
ihre Ansdehnnng nnd Bestimmnng noch nichts mitteilen. Bereits vor zwei 
Jahren aber ist festgestellt worden, dass die Kellereien des Gebftndes noch ein 
gutes Stock weiter nach Sflden fuhren nnd so darf man von einer Fortsetzung 
der Grabung bis zu dem neuen Fabrikgebäade des Herrn Schaab noch man- 
ches wichtige Resultat erwarten. 

Bezflglich der Erhaunngszeit der ausgegrabenen Bannte kann hier nnr 
kurz festgestellt werden, dass einzelne Teile des Bauwerkes in weit ausein- 
anderliegenden Zeiträumen gebaut sind. Mit grösserer oder geringerer Klarheit 
lassen sich einige frflhere Känmiichkeiten beransBchälen, die höchst wahrschein- 
lich schon im 1. Jahrb. n. Chr. gebaut sind. Dagegen kann der späteste Dm- 
ban des mehrfach veränderten Bades nicht vor das letzte Viertel des 4. Jahrb. 
n. Chr. fallen, da unter dem noch wohlerhaltenen Estrich des Tepidariums 
eine BronzemOnze des Kaisers Valentinian I. gefanden wurde. Auch sonstige 
MOnzenfnnde im Bade bestätigen diesen Ansatz. Genauere Mitteilungen hier- 
über müssen einem dnrcb Pläne und Abbildnngen illustrierten Berichte vorbe- 
halten bleiben. 

Da das Terrain bebant werden soll und die römischen Ruinen also gänz- 
lich vom Erdboden verschwinden müssen, so ist es doppelt erfreulieb, dass 
ausser genauen Aufnahmen und Photographien des Ganzen und seiner Teile 
zwei Gypsmodelle hergestellt werden konnten, wozu Se. Excellenz der Herr 
Graf von Ftlrstenberg- Stammheim die Mittel zur Verfügung stellte. Das eine 
Modell im Massstabe 1 : 50 stellt das ganze Gebäude (Fig. 38), das andere, im 
Maasstabe 1 : 35 die Badeanlage gesondert dar. Ausser dem Provinzialmnsenm 
haben noch andere wissenscbaftliche und technische Anstalten solche Modelle 
erworben. Ein vorläufiger Bericht des Unterzeichneten Ober die Ausgrabung 
erschien in der wissenscbaftHcben Beilage zur MOochener Allgemeinen Zeitung 
vom 30. Angnst 1897 Nr. 194. 

Zwischen Biewer nnd Ebrang wnrde ein sehr interessantes Gräber- 
feld untersucht, dessen Begräbnisse der Übergangszeit aus der einheimischen 
in die römische Kultur angehören. Es liegt etwa in der Mitte zwischen den 
genannten Orten auf der die Mosel begleitenden Höhe am Bande eines Fichten- 
waldes und in der Nähe des dort endigenden Feldweges Laj auf Biewerer 
Bann. Etwa 50 Gräber wurden ausgegraben, sie ergaben eine Menge von 
spälgallischeu und frührömiscben Thongefässen, femer La T&ne- und frfih- 



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S36 Berichte Hbur dte ThBtIgkelt der ?TOvlnzfaImiiBeen 

römische Bronze- nnd Eisenfibeb, sowie Brouzeringe und EiseDwaffeD, unter 
anderem eine eiserne Feile. 

Ein grosser Teil der Wintermonate wurde zur Sichtung, Aufstellung und 
Inventarisation der neuanfgenommenen Sammlung koptischer Stoffe 
und kunstgewerblicher Gegenstände verwendet, welche durch 
Trierer Herren von Herrn Dr. Bock in Aachen erworben im Museum deponiert 
wurde. Die sehr reichhaltige und nach vielen Richtungen interessante Samm- 
lung, welche ausser einer prachlToIIen Auswahl koptischer Gewebe aus frtth- 
cbristlicben Gräbern OberHgj'pten« eine grosse Anzahl gemusterter Soidenstoffe, 



Fig. S8. Trier, römisches Htius gegenüber dem KafeerpalASt, nach dem im 
Provinz! al-Museum zu Trier betiudlicheu Modell. 

Stickereien und Spitzen, femer Holzmöbel, Truhen und Kästehen aus Holz, 
Leder und Eisen, keramische Erzeugnisse, schmiedeeiserne Arbeiten, kostbare 
Bucheinbände, kleinere Schnitz- und Drechsclarbeiten n. a. m. umfasst, und 
welche dem Kunstgewerbe in mancher Beziehung Anregung zu bieten im Stande 
sein wird, konnte mit den vorhandenen Mitteln im verflosseneu Jabre erst zum 
Teil aufgestellt und zum geringsten Teile restauriert werden. Es ist sehr zu 
wünschen, dass die Mittel zur Vollendung dieser Arbeit möglichst bald zur 
Verfügung stehen möchten. 



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für die Zelt vom I. April 1897 bfs 81. März tSdS. 337 

TTnter den sehr zablreicbcD Einzelerwerbangen des Mnaenins seien fol- 
gende beBonders heirorgehoben : 

A. Vorrömiscbe AlteitOmer. 

Atlaser dem Inbalt der Biewerer Gräber, soweit er bierber gebort, sind zn 
nennen die Spät-La-Tfene-Grabfnade ans zwei Gräbern bei Grügelborn (Kreiß 
St. Wendel) bestehend aus Umeii, Näpfen nnd einem eisernen Beil (21216 — 
21238, s. Eorreapondenzblatt der Westd. Zeitschrift XVII. 1898. Nr. 11). 

B. Bömiscbe Altertümer. 

I. Steindenkmäler. Grabinschrift des Mascellionlus Mareellinns, gef. 
bei Heiligkrenz (21592 s. Korrbl. XVII. 22). Block von einem Grabdenkmal 
aus rotem Sandstein, anf der Vorderseite nur teilweise erbalten die Fignr eines 
Erwachsenen, daneben ein Kiud mit WeiDtraube und Vogel, auf den beiden 
Schmalseiten je ein Baum, an dem eine Schlange emporzDngelt, gef. ebenda 
(21593). — Eine sehr rohe Gruppe des Reiters mit dem Giganten, gef. anf der 
Grenze zwischen Euren nnd Trier (21314 vergl. Westd. Ztsehrft. XVII. S. 296 ff. 
und Tat. 21, Fig. 1 nnd 2). 

IL Bauteile. MosaikbodcD mit reicher ornamentaler Verzierung; Wand- 
beizung ans einer halbrunden Badenische, die Sehwelle des Hausthores nnd 
mehrere Säulenfragmente ans der oben besehriebenen Ausgrabung eines rUmischen 
Hauses. Sämtlich Geschenke des Herrn Schaab. 

III. Einzelfunde ron KleinaltertUmern. 

a) aus Stein: ein Spielstein aus grauem Marmor mit eingeritzter Dar- 
stellung eines Pferdes und Inschrift: Aurora Auspicius var, gef. in Trier 
(21209, s. Korrbl. XVII. 1898 Nr. 21); ein Balsamarium aus Alabaster, gef. bei 
der Ausgrabung bei Schaab (21313). 

b) aus Metall: Goldring mit Intaglio, darstellend einen Delphin, gef. in 
Trier an der Saarstrasee (21229) ; Löwenkopf ans Bronze (21280), Bronzeschnalle 
mit Email (21290), gef. in Trier bei Schaab; Bronzescheibe mit Löwenkopf, 
Glocke, sowie mehrere andere Bronze- nnd Eisengegenstände, gef. in der Gegend 
Yon Quiut (21545—53), eine Bronzewaage mit Gewicht und Hängevorrichtung, 
gef. in Trier (21119). 

c) ans Elfenbein: Messergriff, der in einen Delphin ausgeht, gef. in 
Trier, Saarstrasse (21120), Messergriff mit schöner durchbrochener Verzierung, 
gef. in Trier bei Neubauten des Friestersemiuars (21236). 

C. Münzsammlung. 

I. RJ>misehe MHnzen: Goldsolidus des Maximianus Hercnles, Rv. 
Herculi victori PTR (21151); Goldsolidus Coestantin 1. Ev. 3 Feldzeichen SPQR 
optimo principi (21150); Goldsolidus des Jovinns, in Trier geprägt Rv. (21 149). — 
Ein Münzfund von 103 Kleinerzen von Valentinian, Valens und Gratian, gef. bei 
Trier, 1. Moselufer (21192). 

II. Kurtrierer Münzen. 

Merovingischer Goldtriens. Av. Kopf n. r. Treveris civitate, Rv. stehende 



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338 Berichte über die Th&tigkeit der ProTinzialmoseeiL 

Victoria mit nicht ganz dentlicher UmBcbrift (21135). Silbermflnze mit At. 

T 
VERIS (TrcTeris ins Kreuz gestellt), Rv. Kirehenfa^ade (2U36). Drei Denare 

E 
and ein halber Denar Alberos (31137 bis 21141), vierzehn Goldgnlden Cnnos 
von Falkenstein (21171 — 84)': eine Münze Ottos von Ziegenhain, Convention 
von 1435 (21142); Doppelthaler Lothars von Metternich von 1610, bisher un- 
bekannt, vgl. Bohl Nr. 14, geschenkt von Herrn Recbnnngsrat Nasbanm (21143). 
Der Besuch des FrovinzialmuBeumB war im verfloBseneo Jahre sehr rege. 
Die genaue Zählnng sämtlicher Besncber ergab die Anzahl 13377 Personen. 
DemgemäSB waren aneh die Einnahmen aus Eintrit.tsgeldern eehr hoch. Sie 
beliefen sich insgesamt anf 2466,30 M., wovon anf das Unsenm 1082,75 M., 
auf die Thermen in St. Barbara 1383^ M. entfallen. Von dem illustrierten 
Katalog der Steindenkraäler wurden 16 Exemplare, von dem Ende September 
erwhienenen Führer 92 Exemplare verkauft. Von den oben erwähnten Modellen 
des romischen Gebäudes wurden 6 an auswärtige Anstalten geliefert. Der Er- 
lös ans Katalogen, Führern und Modellen belief sich insgesamt anf 190 M. 
In der Woche nach Pfingsten wurde der archäologische Ferieakursus fttr 
westdeutsche Gymnasiallehrer durch Herrn Professor Hettner und den Unter- 
zeichneten abgehalten. Ende September erschien „Führer durch das Proviuzial- 
musenm zu Trier" von dem Unterzeichneten. 

Der Museumsdirektor 

I. V. 

Dr. Lehn er. 



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Berichte aber die Tliätiglieit der Altertums- und Geschichtsvereine 

und aber die Vermehrung der städtischen und Vereinssammlungen 

innerhalb der Rheinprovinz. 

I. Die grösseren Terelne. 

1. Verein von Alter tamafre nnden im Rheiolande. 

Seit Anfstellong des im Jahrbach 101 abgedmckten Mitglieder-Ver- 
zeichniBses vom 2. Juli 1897 hat der Verein einen Verlnst von 39 ordent- 
liehen Mitgliedern za verzeichnen gehabt, dem ein Gewinn von 48 netieD Mit- 
gliedern gegenüber steht, so dase die Zahl nm 9 gewachsen ist Der Verein 
z&hlte demnach Ende Augnst d. J. Ö12 ordentliche Hitglieder, wozu noch 5 
Ehren-Mitglieder and 3 ansaerordentliche Mitglieder kommen. 

Von Publikationen wurden seit der letzten Oeneral-Versammlnng Jahrbuch 
102 mit 6 Tafeln nnd 27 Textügnren nnd daa vorliegende Jahrbuch 103 mit 
12 Tafeln und 63 Textfigaren anagegeben. 

Die Bibliothek vermehrte sich durch den Tauschverkehr mit andern Ver- 
einen in üblicher Weise; angeschafil wurden nur einige Fortsetzangen. Es mnss 
jedoch an dieser Stelle eines Übeletandes gedacht werden, der bereite bei dem 
Einzug des Vereines in seine nenen Räume befllrchtet wurde, des waehsenden 
Platzmangels in dem zur Anfstellnng der Bücher bestimmten Räume. Di« 
Bücher füllen jetzt die Fächer reichlich, so dass die Einreihang des jedes Jahr 
etwa 200 Bände betragenden Zuwachses in absehbarer Zeit nnmCglich werden 
wird. Herr Dr. Sonnenbnrg, der seit 1888 in dankenswertester Weise die 
Bibliothek verwaltet, deren umzog in die neuen Rätime geleitet und eine ge- 
ordnete Benntzong der Bücher möglich gemacht hatte, musste za Ostern d. J. 
zu dem lebhaften Bedauern des Vereines ans dem Vorstände anascheiden, da 
er einem Rufe als Professor an die Akademie za Mttnster Folge leistete. Die 
Bibliotheks-Verwaltang wurde nunmehr von Herrn Cniversitäts-Bibliethekar 
Dr. Masslow übernommen. 

Am 9. Dezember 1897 beging der Verein in Qblieher WeiM Abends 7 0hr 
im Hotel Klej za Bonn das Winckelmanns-Fest. Den Festvortrag hatte 
Herr Prof. Dr. Elter (tbemommeQ, der unter Vorlage zahlreicher Karten, 



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S40 Berichte fiber die Thättgkelt der Altort.- o. OeschichtiTereine der RbeinproTiiiK. 

Pläne und ÄbbildungeD über „Das alte Rom in der VorsteUang des Mittel- 
alters" sprach. Dann machte Herr Prof. Dr. Loeschcke eine Reihe von 
Mitteilungen über ausgestellte Altertümer. Ein gemeinschaftliches Abendessen 
bildete den Schlnss der Feier. 

An den Vortragabenden worden im laufenden Jahre folgende Vorträge 
gebalten : 

I. am 20 Januar: 
ü B e n e r, Über Sttndflutlegenden, 
Giemen, Über das Münster zu Aaphen. 

II. am 24. Februar: 
Dragendorff, Über die arretinischen Vasen und ihr Verhältnis 

zur augusteischen Knust*). 
Loeschcke, üeber die GermaueDdarstellungeo in der rHmiscbeu 

Kunst. 
U B e n e r, Über das neu gefundene Mosaik von Torre Annnnziata, 
welches die Platonische Akademie darstelle. 
Die Vereinsrechnnug hatte Ende 1896 mit einem Bestand von 618 Mk. 
42Pfg. abgeschlossen. Im Jahre 1897 betrug die Einnahme 5881 Mk. 69 Pfg. 
Dieselbe bestand wesentlich in den Jahresbeiträgen der Mitglieder, zu dcuen 
der einmalige Beitrag eines lebenslänglichen Mitgliedes (250 Mk.) und der Erlds 
fllr verkaufte Druckschriften (135 Mk.) kamen. 

Die Ausgabe war 3680 Mk. 74 Pfg., davon kamen auf den Druck des 
Jahrbuchs, Einladungen n. s. f. 1318 Mk. 65 Pfg., auf Honorar fflr Beiträge 
zu den Vereinspnblikationen 513 Mk. 20 Pfg., für die Herstellung von Zeich- 
Dnngen, Tafeln und Clicb^s 759 Mk. 55 Pfg., Buchbinderarbeit und VerseodeD 
der Hefte 501 Mk. 70 Pfg., Vereinsbibliothek 377 Mk. 15 Pfg. Als Rest ver- 
bliebeo der Kasse Ende 1897 2200 Mk. 95 Pfg. Die Rechnung wurde nach 
ihrem Abschlüsse von den Herren Oberstlieutenant Heyn und Rentner Henry 
geprüft und richtig befunden. 

2. Bergiscber Geschiehts-Vereiu. 
Der Verein zählt 600 Mitglieder, ausserdem ea. 50 korrespondierende Mit- 
glieder. 

Ausser den Generalversammlungen fanden in Elberfeld 8 Sitzungen statt, 
es sprachen die Herren: 

M. Bethany über einen Aberglauben der Gelehrten, 

Oberlehrer Dr. Burgass über Elberfelder Familiennamen, 

Prof. H. Hengstenberg Ober die Entwickeluugsgescbichte der Städte 

Neuss, Düsseldorf und Elberfeld-fiarmen, 
Oberlehrer Leithäuser-Barmen über Spuren des Donarmythns in volks- 
tflmlichen Sagen und Deberliefemngen, 

•) Abgedruckt im Jahrbnch 108, S. 87 B. 



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Berichte über die TbStigkeit der Altert.- n. Oeschichtsvcroine der Rheinprovinz. 241 

Oberlehrer Dr. Marseille-Düsseldorf über Katharina Charlotte, die zweite 
Gemahlin des Pfalzgrafcn Wolfgang Wilhelm von Neuburg, 

Oberlehrer Dr. Nebe tlber Kourad vou Heresbach, 

Dr. Ludw. Salomon über Karl Simroek, 

B. SehOnneshöfer-Lennep über Theodor Joseph Laeomblet, 

Adolf Werth-Barmen über Johannes Monheim. 

Ausserdem Teranstaltete der Verein, um das Interesse fflr die heimische 
Geschichte zu belebeu und in immer weitere Kreise zu tragen, zu Beginn des 
Winters einen fQr jedermann zugänglichen besonderen Vortrags-Cyklne Über die 
Geschichte Elberfelds im vorigen Jahrhundert. Herr Otto Schell verwertete 
in demselben wichtige, bisher unbenutzte Quellen, die er mit gltleklicher Hand 
im Stadtarchiv entdeckt hatte, und behandelte: Elberfeld im Anfang des 18. Jahr- 
hunderts, Elberfelds Wehr und Bewaffnung in früherer Zeit, Elberfeld im sieben- 
jährigen Kriege, Geschichte der Zünfte in Elberfeld vor 100 Jahren. Ebenso 
wie dieser Cyklus fanden zwei gleichfalls von Herrn Otto Schell im Auftrag 
des Vereins gehaltene Vorträge in Wttlfrath (Aus WUlfraths Vorzeit) und in 
Mettmann (Bilder aus der Geschichte Mettmanns) statt. 

Die Februar-Sitzung des Barmener Zweig-Vereins galt dem Gedächtnis 
des 400jährigen Geburtstags Melanchthons, indem Oberlehrer Dr. Nebe „Me- 
lanchthon in seinen Beziehnngeu zum Niederrhein" behandelte. In der März- 
Sitzung hielt Herr A. Werth einen Vortrag „Zum Andenken Kaiser Wilhelms I." 
im Anschluss an eine reichhaltige Ausstellung von Erinnerungsgegenständen aus 
seiner Zeit. Und schliesslich in der November-Sitzung sprach Herr A. Werth 
im Hinblick auf den 200 jährigen Geburtstag Tersteegens über Gerhard Ter- 
steegen, die mit der Gedenkfeier verbundene Ausstellung enthielt eine grosse 
Anzahl von wertvollen Stücken, besonders eine Fülle von Originalbriefen aus 
dem Kreise Tersteegens und seiner Freunde. In den anderen Sitzungen des 
Barmener Zweigvereins sprachen die Herren: 

Baumeister Fischer über eine knnstbistorische Reise durch JUlich-Berg, 

Oberlehrer Leithänser über Wupperthaler Familiennamen, 

Professor Schlensner über die Bedeutung Johann Georg Jacobis. 

Die erste Generalversammlung des Vereins fand am 12. März statt. 
Sie ward eingeleitet dnrch eine Ansprache des Herrn Direktors Prof. Evers- 
Bannen zum Gedächtnis Kaiser Wilhelms I., deren Drucklegung and Znsendung 
an alle Mitglieder beschlossen wurde. Ein von Herrn Baumeister Fischer 
ausgearbeiteter Entwurf für das Cäsarius-Denkmal fand die Billigung der Ver- 
sammlung, die fflr die Einweihung desselben die im Juni stattfindende Festfahrt 
ins Siebengebirge in Aussicht nahm. 

Bei Gelegenheit der Festfahrt nach dem Siebengebirge am 30. Juni 1897 
hielt am Vormittag in Kßnigswinter Herr Bethany einen Vortrag über Cäsarius 
Ton Heisterbach, am Nachmittag fand in Heisterbach die Einweihung des von 
dem Verein mit einem Kostenaufwand von 1200 Mk. errichteten Denkmals des 
Cäsarins von Heisterbach statt. 

Die 3. Generalversammlung fand am 3. Dezember in Elberfeld statt; in 
Jkhrb. dM T«r. -r. Alterthif». ImBbelDL i». 16 



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242 Berichte über die ThXtigkeit der Altert.- u. Geschieh ts vereine der Kheinprovins. 

ihr bericlitete|_Heri' Clement über die Thätigkeit der Siegel-Kommission, Herr 
A. Werth über die Arbeiten an Schloss Burg und Herr Prof. Hengstenberg 
Aber den AUenberger Domverein. Ausserdem wurden zwei neue EommiBsioDen 
gebildet, [nm^Andenken an den Krieg 1870/71 zu sammeln nnd die Portrait- 
aaramlnng'des Vereins zn ergänzen. 

Der Jahrgang 1897 der im Namen deg Vereinevoratandea yom (Jeh. Arcliiv- 
rat Harless heransgegebenen „Zeitschrift des Bergischen Geechichtsvereins" 
enthält ansser kleineren Beiträgen an grösseren Abhandlungen zur Geschichte 
des bergiechen Landes: 

Dr. L. Schmitz: Das Inventar desWert-Nachtaeses des Herzogs Johann IL 
von Cleve. 

E. Pauls: Zur Gescbicbte der Krankheit des Herzogs Jobann Wilhelm von 
JUlicb-Cleve-Berg (t 1609). 

Derselbe : Kulturgeschichtliches (Fortsetzung). 

Archivrat Dr. Sauer: Zur Geschichte der Besitzungen der Abtei Wei-den- 

Geh. Archivrat Harless: Relation über die Hochzeit des Pfaliigrafen Jo- 
hann Kasimir mit Elisabeth Herzogin zu Sachsen in Heidelberg (1570). 

Derselbe: Aktenstücke, betreETend die Bestattong der Herzogin Maria von 
Jülich-Cleve-Berg in Cleve (1582). 

Von der durch Otto Schell heraosgegebencn „Monatsschrift des Bergiacben 
Geschicbtsvereius" erschien der vierte Jahrgang (1897); derselbe enthält aosaer 
einer Fülle von kleineren archiTaltBcben Mitteilungen an grosseren Abhandlungen : 

Bethany: Das Leben Engelberts, Übersetzung ans Cäsarins von Heisterbach. 

Aegidins Müller: Windeck. 

Schell: Historische Wanderungen durchs Bergische Land. 

Die Sammlungen des Vereins erfuhren eine sehr werthvolle Bereiohening 
durch die Zuwendung von 12 Ahnenporträts der bergischen Familie Tescbe- 
macher, ausserdem wurden erworben eine Anzahl bergiscber SilbermUnzen, 
einige WafFen, Siegbnrger Ki-flge nnd verschiedenes Hausgerät. 

Der Verein hat die systematische Anlegung einer auf das Bergische Land 
sich erstreckenden Siegelsammlnng begonnen. 

3. Historischer Verein für den Niederrhein. 

Die Mitgliederzahl des Vereins beträgt ca. 700, darunter ca. 125 Vereine. 

Abgesehen von den Vorstandssitzungen wurden im Berichtsjahr zwei 
General-Vei-sammlungen abgehalten, die erste zu Düsseldorf am 2. Jtmi. Der 
Bericht darüber findet sieb im 65. Heft der Vereins-Annalen S. 273 fg. 

Vorträge hielten Conservator Fr. R. Scbaarschmidt über die histo- 
rische Entwicklung der Stadt Düsseldorf in kttnstleriBcber Hinsicht, Professor 
H U f f e r über die Beziehungen Sulpiz Boisscrees zu Goethe, Dr. Tille über 
die Repertorisicrung der kleineren Archive der Rheinprovinz. An die Ver- 
sammlung echloss sich eine Besichtigung des Gewerbe-Museums, der Kunst- 
akademie und der vorzügliebsten Kirchen DüBseldorfs. 



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Berichte über die ThSti^kelt der Altert.- u. Qeschichtsvertine der KheinproTins. fitö 

Die zweite Versanimliing fand zu Essen am 13. Oktober gemeinschaftlich 
mit dem historiacben Verein fUr Stadt nnd Stift Essen statt. Einen Bericht 
enthält das 65. Heft der Annalen S. 276 fg. Vorträge hielten: Kammer- 
präsident Scliorn Über die Etymologie des Namens „Essen", Rector Franz 
Arcns über den Liber Ordinarius der Essener Stiftskirche^ Oberlehrer Dr. 
Ribbeck Über das Essener Stift unter den sächsischen und salischen Kaisern. 
Es folgte eine Besichtigung der Uansterkirche nnd ihrer Schätze. 

Von der Vereins-Zeitschrift: „Annalen des historischen Vereins fUr den 
Niederrbein" erschien das 64. Heft, dasselbe enthält die von Herrn Stadtarehivar 
Prof. Dr. Hansen herausgegebenen InveDtare der zum Teil recht bedeutsamen 
nicderrbeiniscben Stadtarchive zu Kempen, Goch, Kaikar, Rees, Neuss nnd 
Düren. Das 65. Heft der Vereins-Zeitschrift enthalt neben kleineren Beiträgen 
die Aufsätze: 

Fostrat S a n 1 1 e r : Die französische Post am Niederrhein bis zu ihrer 
Uuterodnung unter die General-Postdirektion in Paris, 1794—1799. 

0r. Herrn. Keusseu (t): Beitrage zur Geschichte Orefelds und des 
Niederrheins (Fortsetzung). 

Dr. Bettgenhäuser: Drei Jahresrechnungen des kfilnisehen OfB- 
zialatsgerichts in Werl, 1495—1516. 

Dr, Knipping: Ungedmekte Urkunden der Erzbischöfe von Köln aus 
dem 12. und 13. Jahrhundert 



4. Gesellschaft für nützliehe Forschungen in Trier. 

Der Vorstand wurde im Berichtsjahr durch die Wahl der Herrn Prof. 
Hettner zum zweiten Sekretär und F. Lintz zum Kassierer ergänzt. Die 
Gesellschaft zahlt 15 Ehrenmitglieder, 24 ordentliche und 240 ausserordentliche 
Hitglieder. 

Es fanden zwei Sitzungen statt, in der Sitzung der ordentlichen Mitglie- 
der am 11. Mai wurden nur geschäftliche Dinge beraten. 

Am 5. Juli fand die Hauptversammlung im Provinzialmueenm statt. Herr 
Rechtsanwalt Dr. Görtz hielt einen Vortrag über die Trierer Stadtverfassung 
zu Ende des 13. Jahrhunderts. Ausgehend von der Bedeutung, die Trier schon 
in römischer Zeit als Stadt und Verwaltungscentrum gehabt hatte, schilderte 
der Vortragende die wechselnden Schicksale der Bedeutung Triers im Mittel- 
alter. Dann besprach er den wirtschaftlichen Aufschwung im 10. Jahrhun- 
dert, die Entwicklung der Gewerbe, Stadtrechte und städtischen Pflichten nnd 
der politischen Bedeutung vom 11. bis 13. Jahrhundert. 

Alsdann berichtete der erste Sekretär, Herr Dr. Lehner, über die wich- 
tigsten Ausgrabungen und Erwerbungen des ProvinzialmuseumB im vergangenen 
Jahre unter Vorzeigung der Originalfundstacke und vieler Pläne nnd Photo- 
graphien. (Bericht in der Museographie der „Westdeutschen Zettschrift für 
Geschichte und Kunst" Band 16, S. 360.) 

Nach SchluBS der Sitzung begaben sich die Teilnehmer unter Führung 



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244 Berichte liber die ThKtfgbeit der Altert.- a. OeBchichtsvereine der SheioprovinK. 

des fltellFertretendcn MoBeumsdirektors zu den Ansgrabnngen der römischen 
WaBserleitnng an der SchatzenetraBse tind za dem soeben freigelegten rCmiBcheo 
Gebände an der SUdallee. Beide Ausgrabungen wnrdcn eingehend und mit 
grossem Interesse besichtigt. 



5. Architekten- und Ingenieur- Verein ftlr Niederrbein 
and Westfalen. 

Der bisherige erste Stellvertreter des Vorsitzenden, Oberbaurat Jung- 
becker, wurde zum Vorsitzenden gewählt, während der bisherige Vorsitzende, 
Geheimer Banrat StQbben, in die Stelle des Stellvertreters einrückte. 

An Stelle des Eisenbahn - Bau- und Betriebs - Inspektors Zieger wnrde 
Stadtbaüinspektor Schilling zum Mitgliede des Vorstandes gewählt und dem- 
selben das Amt de» Schriftftthrers übertragen. 

Die Zahl der Mitglieder stieg von 239 auf 245. 

Ueber den Verlauf der im Berichtsjahr abgehaltenen 15 Sitzungen geben 
die gedruckten „Aufzeichnungen", die auch den Inhalt der Vorträge anszugs- 
weise wiedergeben, Anfsehluss. Von den Vorträgen haben die folgenden anch 
ein historisches Interesse: 

25. Januar 18d7: Geh. Baurat Stttbbcn Ober Dalmatieu und seine 
Bauten. 

17. Mai 1897: Stadtbanrat Heimann Über römische Eindrucke. 

14. Juni 1697: G. Heuser Über die Entotebnng architektonischer Sttl- 
formen. 

22. November und 6. Dezember 1896: Stadtbauinspektor Gerlach Über 
das römische Gräberfeld an der Luxemburgerstrasse in EOln. 

Die im Sommer stattfindenden 6 VereinsausäQge hatten die Besichtigung 
von Neubauten und gewerblichen Anlagen zum Zweck; ausserdem fand ein 
grösserer Ausflug nach Brüssel zur Teilnahme au dem internationalen Archi- 
tekten-Kongress statt. 

Der im Jahr 1896 gewählte Ansschuss für die Veröffentlichung alter 
Kölner Wohnhäuser hat einen üeberscblag über den Umfang und die Gesamt- 
kosten der Publikation aufgestellt; den Grundstock bildet eine Sammlung yon 
etwa 60 Aufnahmen älterer Privathäuser, die in den Jahren 1893 — 96 durch 
den fraheren Königlichen Landbaninspektor , jetzigen Münsterbaumeister in 
Strasshnrg, Herrn Arn tz angefertigt worden sind. Die Aufnahmen sind Eigen- 
tum des Denkmälerarehives der Ebeinprovinz und wurden dem Verein für 
die geplante Veröffentlichung zur Verfügung gestellt. Das Werk soll insge- 
samt 80 Blatt umfassen, die neu herzustellenden Aufnahmen sind von Mit- 
gliedern des Architektenvereins bereitwilligst übernommen worden. Die Her- 
stellungskosten sind auf rund 7000 Mk. berechnet. Hierzu hat der Provinzial- 
ausflchuBS in seiner Sitzung vom 27. Juli 1897 die Summe von 1500 Mk. be- 
willigt, der gleiche Beitrag ist von der Stadt Köln zugesagt. 

Der Ansschuss zur Herausgabe des Werkes Über die „Entwickelang des 



Djgiijzedby VjOOQIC 



Bericht« über die Tbätigkelt der Altert.- u. Geschichte vereine der KhelnproTinz. 2tö ■ 

dentscben BanenthanBea" hatte bis zum Mai 1897 die Aafnabme von 1 Banern- 
bäasern bewirkt; es verpflichtete sich eine Anzahl von VereiiiBmitgliedeni noeb 
je 2 Aufnahmen anzufertigen. Die Aufnahmen werden dem Verband zur Her- 
ansgabe des Werkes eingeliefert werden. 



II. Die Tereine mit besehr&nktem TVlrknngakreis. 

6. Aachen. Aachener GeschichtaTerein. 
Der Vorstand ist in der Generalversaraminng vom 20. November 1897 
anf drei Jahre wiedergewählt worden; an Stelle der aosscheidenden Herren 
G^mnasialdirektor Dr. Sehwenger nnd Direktor der Lebrerinnen-Bildnngs- 
anatalt Dr. Wacker worden die Herren Oberbflrgermeister Veltman nnd 
Architekt Rboen als Beisitzer gewählt. 

Die Zahl der VereiDsmitglieder beträgt 580. 

Im Lanfe de» Jahres haben drei Monataversammlnngen atattgefiinden nnd 
ein wisseosehaftlieber Ansflag nach der holländischen Stadt Valkenbnrg bei 
Maastricht. Ueber die in der Generalversammlong nnd in den Honatsver- 
sammlnngen gehaltenen Vorträge wird der 20. Band der Vereinszeitschrift 
berichten. 

Es erschien der 19. Band der Zeitsehrift, der mit besonderer Unter- 
BtUtznng der Stadtverwaltung ansaergewOhDlicb nmfangreich hergestellt und mit 
zahlreichen Illustrationen verstehen, als Festschrift zur Eröffnung der Stadt- 
bibliothek ausgegeben worden ist. Der erste Teil des Bandes enthält die fol- 
genden Anf Sätze: 

Stadtbanrat J. Laurent: Das neu errichtete Archiv- und Bibliotbek- 

Gebäade der Stadt Aachen. 
Dr. E. Fromm: Geschichte der Stadtbibliothek. 

Dr. A. Ricbel: Astrologische Volkaschriften der Aachener Stadt- 
bibliothek. 
Dr. E. Fromm: Die Dante-Sammlung der Alfred von Renmont'- 

schen Bibliothek. 
Dr. A. Richel: Zur Geschichte des Puppentheaters in Deatscbland im 

18. Jahrhundert. 
Die zweite Abteilung des Bandes umfasst neben kleinereo Mitt«ilungea 
an Abbandlnngen ortsgescbicbtlieben Inhalts: 

Major E. v. Oidtman: Das Wappen der Stadt Aachen. 

Dr. 0. Redlich: Urkundliche Beiträge zur Gesebiefate Aachens im 15. 

Jahrhundert. 
E. Paals: Zur Geschichte des Archivs des Roerdepartements in Aachen. 
Dr. Tb. Linduer: Zur Fabel von der Bestattung Karls des Grossen. 
Nachtrag. 



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246 Berichte aber dte Tbätfgkeit der Altert- u. Geschichtsvereine der Rhein prorins. 

Kaplan F. X. Bosbach: GrUnönng and GrOnder der Bortsebeider 
Benediktioner-Abtei. 

EanoniknB Dr. Bellesheim: Beiträge znr Oeschicbte Aacbena im 16. 
Jabrbnndert. 

Prof. Dr. M. Scbmid: Zur Gescbichte der Familie von Trier. 

Dr. W. BrOniüg: Aachen während der Fremdherrsebaft und der Be- 
freiungskriege. 



7. Aachen. Verein für Kunde der Aachener Vorzeit. 
An Stelle des als Seminardirektor nach Saarburg versetzten ersten Vor- 
sitzenden Dr. Wacker wurde der Direktor der Lehrerinnen-Bildnugs-Anstalt, 
Herr Dr. Eelleter, in der Generalversammlung vom 28. October 1897 gewählt. 
Die Zahl der Mitglieder hielt sieb auf der Höbe von ca. 320. 

In den Sitzungen des Vereins wurden die nachfolgenden Vorträge ge- 
halten : 

21. Jannar 1897; Herr Staatsanwaltschafts-SekrefärSchoUen gab Kultur- 
bilder aus der Geschichte Aachens im 15. Jahrhundert. Herr Land- 
gerichls-Sekretär J. Fej sprach Aber den Musiker und Xylopbonisten 
Gussikow, der im Jahre 1837 in Aachen ein frUbes Grab fand. 
16. März 1897: Herr Schollen schildert den Besuch Napoleons in Aachen 
nach dem Beriebt eines Angenzeugen. Herr Foy sprach Ober den 
Aufenthalt Fr. Aug. von KlinkowstrOms in Aachen im Jahre 1814, der 
hier als chef de bureau des Gencralgouvemenrs Sack bei der Organisie- 
rung der Landwehr thätig war. Herr Dr. Brtlning teilte das Protokoll 
einer Stadtratssitzung aus dem Jahre 1819 mit, nach dem die Straseen- 
beleuchtung iu Aachen abgeschafft wurde. Herr Oberlehrer Oppen- 
hoff sprach über M. Körfgen und seine grossen Verdienste um die 
Schöpfung der Anlagen auf dem Lousberg im Jahr 1818. 
3. Juni 1897: Herr Schollen hielt einen Vortrag über Aachener 
Strassen-, Flur- und Ortsnamen. Herr Architekt Rhoen sprach über 
italienische nnd Aachener Mosaiken. 
28. October 1897: Herr Dr. Brüning teilte einen Original-Bericht über 
die Feierlichkeiten bei einer der letzten KOnigskröntingen in Aachen 
mit, Bodann den^Bericht eines Augenzeugen Ober die Überbringung 
des Leichentuches Ludwigs XV. nach Aachen durch den General-In- 
tendanten Ludwigs XVI. Herr Fey sprach über den ehemaligen 
Zeichenlehrer Salm in Aachen und legte dessen Zeichnungen von 
Aachener bistorischen Gebäuden vor. 
Am 30. Juni 1897 veranstaltete der Verein einen wissenschaftlichen Aus- 
flug nach dem ehemaligen Präraonstratenserkloster Wenau, dessen Erklärung 
Herr Pfarrer Scfanoek äbemommen hatte, und nach den Ruinen des Klosters 
Scbwarzenbroicb. 

Von der im Aufirag des Vereins herauBgcgebeuen Zeitschrift „Aus Aachens 



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Berichte über die Thütiglteit der Altert.- u. GescbIcUts vereine der Rtielnprovinz. 247 

Vorzeit" ist der 10. Jahrgang erschienen. Derselbe enthält neben einer Anzalil 
von kleineren Mitteiinngen an grösseren Aufsätzen: 

H. J. Gross: Scbönau {Forlsetzung). 

W. BrOning: Zum Rastatter Gesandtenmord. 

Franz Schollen: Ein „gemeiner Bescheidt" des Aachener ScliöfTen- 
stnhis. 

H. Schnoek: Antzeiehnnugen eines Haarener Kirchenbuchs ans den 
KriegBJahren 1792—1795. 

J. Fey: Znr Geschichte Aachener Maler des 19. Jahrhnnderts. 

K. Wacker: Max von Schenkendorf am Rhein nnd in Aachen. 

A. Bommes: Zur Geschichte des Ortes Schevenhotte. 



S. Bonn. Verein Alt-Bonn. 
Die Zahl der Vercinsmitglieder betrug 154. Am 18. November 1897 
hielt der Verein seine Generalversammlung ab, in derselben sprach zunächst 
Herr Dr. Armin Tille Über das Archidiakonat Bonn, sodann Herr W. Fuss- 
babn Über ein Spottgedicht auf den letzten Kurfürsten von Köln. Eingehende 
Berichte über die Vorträge erschienen in der „Deutschen Reich szeitnng" vom 

19. November nnd in dem „General-Anzeiger für Bonn nnd Umgebung" vom 

20. November 1897. 

Die Archivalien des Vereins sind dnrch Herrn Dr. Tille geordnet nnd 
katalogisiert worden. Unter den Erwerbungen für die Sammlungen des Vereins 
sind zwei seltene Drnckscbriften „Kurtze Relation über die Einnahme von Bonn 
1584" und Mcinertzbagen „des evangelischen Bürgers Handbücblein, Bonn 1544" 
sowie eine silberne Medaille auf Friedrich III von Brandenburg und den Feld- 
zng des Jahres 1689 gegen Bonn hervorzuheben. 



9. Düsseldorfer Gescbichtsverein. 

Die Mitgliederzabi des Vereins betrug am Ende des Berichtsjahres 333. 

An Stelle des Herrn Prof. Bone, der durch Krankheit gezwungen war, 
den Vorsitz niederzulegen, wurde Herr Prof- Dr. Hassenkamp zum Vorsitzenden 
gewählt; an die Stelle des wegen UeberbUrdnng ausscheidenden Vorstandsmit- 
gliedes, des Herrn Landtagsabgeordneten Kirsch, trat Herr Regiernngarat Dr. 
von Krüger. 

In den Versammlungen des Vereins wurden die folgenden Vorträge gehalten : 

19. Januar 1897: Herr Pauls sprach „über den Hexenwahn am Nieder- 
rhein". 

16. Februar 1897: HerrG. Bloos: Zur Geschichte der Pest und der Rochus- 
kapelle. Der Redner behandelte zunächst im Allgemeinen das Auftreten der 
Pest in Deutschland vom Mittelalter an nnd den Zusammenhang zwischen den 
Pes^Epidenaie□ und den Gründungen von Rochuskapellen. Für Düsseldorf 
speziell wies er dann die Erbauung einer ersten Rochuskapelle um 1350 nach. 



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248 Berichte über die TbAti^kelt der Altert.- n. Qeschiclits vereine der Rheinprovinz. 

Herr BlooB sprach dann ansfUhrlicfa Über das öftere Anftreten der Pest in 
Dasseldorf im 17. Jahrhundert blB zn ihrem letzten Auftreten im J. 1669. Im 
Zusammenhang mit dieser letzten Epidemie steht die Erbauung der noch be- 
stehenden Rochuskapelle in den Jahren 1667 — 1670, deren Baugescfaichte von 
dem Redner auf Grund eines reichen Aktenmaterials eingebend behandelt wurde; 
der Vortrag sehloBS mit einer künstlerischen Würdigung des Bauworks und seiner 
Einrichtung. 

9. M&rz 1897: Herr Oberlehrer Dr. BQtzler: Die Belageinog von Neuss 
dureb Karl den Kühnen. 

3. April 1897: Herr Archivar Dr. Redlich: Wilhelm I., Herzog von 
Berg (f 1408). — Herr Ditges: Das Eisenbahnwesen vor fünfzig 
Jahren. 

28. Oktober 1897: Herr Pauls; Zur Geschichte der Herzogin Jakobe 
von Baden und der Geisteskrankheit ihres Gemahls, des Herzogs Johann 
Wilhelm von Jülieh-Cleve-Berg. 

23. November 1897: HerrDr.Küch: Die Stadt Düsseldorf in ihrer wirt- 
schaftlichen Entwicklung. 

19. Dezember 1897: Herr Oberlehrer Dr. Btttzler: Israel Ory und die 
armenischen Königepläne des Kurfürsten Johann Wilhelui. 

Zwei Ausflüge wurden im Sommerhalbjahre unternommen, die sich beide 
einer zahlreichen Beteiligung erfreuten. Der erste fand statt am 16. Juni und 
galt der Besichtigung von MlllheJm a. d. Ruhr, des Schlosses Broich und des 
interessanten Museums des Herrn R. Rhcinen am Kahlenberge. Am 4. August 
wnrdc zugleich mit dem Bergiscben Gesehichtsverein das SchlosH Burg a. d. 
Wuppcr besucht. 

Am 14. August, dem Tage der StadtgrOnduug, wurde eine Festschrift, 
vom Vereine herausgegeben, welche das in der Königlichen Kunstakademie neu 
aufgefundene Portrait der grade vor 300 Jahren veretorbenen Herzogin Jakobe 
von Baden den Mitgliedern zugänglich machte und ausserdem zwei im hiesigen 
Eöniglichcn Staatsarchive aufbewahrte Geistesprodnkte der unglücklichen Fürstin 
publizierte. Der erläuternde Test ist von Herrn Conservator Schaarschmidt 
verfasst. 

Der 1897 ausgegebene XII. Band des Vereins- Jahrbuchs „Beiträge zur 
Geschichte des Niederrheins " enthält hauptsächlich eine Abhandlung von Dr. 
F. KOch „Die Politik des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm 1632 bis 1636. Zu- 
gleich ein Beitrag zur Geschichte von Jülich und Berg während des dreissig- 
jahrigen Krieges", ausserdem von Prof. Dr. Hassenkamp, „Beiträge zur Ge- 
schichte der Gebrüder Jacobi. IV. Die Beziehungen Joh. Jak. Wilh. Heinses 
zu den Gebrüdern Jacobi" und von Dr. Franz Zamer „Zwei denkwürdige Orts- 
namen am Niederrhein (Xanten und Birten)." 

Auf die Darlegungen des Vereinsvorstandes vom 13. September 1897 bat 
die Stadtverwaltung den jährliehen Zuschuss anf 800 Uk., also auf das doppelte, 
erhöht und diesen anf weitere 3 Jahre bewilligt. Es wird nunmehr möglich 
sein, die Vorarbeiten zu der schon lange geplanten Publikation, der Heraus- 



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Berichte fiber die Thätigkeit der Altert.- u. Oeschlcbtsvereiue der Rheinpro vinz. 349 

gäbe der Urknnden der bergischen Klöster, zu beginnen. Mit der Dmcklcgnng 
einer diese UrknodenbUeber betreffenden Üenkscbrift eoU in der oächaten Zeit 
der Anfang gemacht werden. 



10. Essen. Historischer Verein fttr Stadt und Stift Esseii. 
Die Zahl der Mitglieder des Vereins stieg anf 169. Der Verein hielt im 
Laufe des Jahres 3 Sitzungen ab, bei denen die nachfolgenden Vorträge ge- 
halten worden, 

22. Januar 1897: Herr Oberlehrer Dr. Eibbeek sprach aber die Blüte 
des Essener lutherischen Gymnasiums unter dem Direktor Job. Heinr, 
Zopf (1719-1774), Herr Julius Bädecker über die Anfänge des 
Buchdrucks in Essen und dessen Entwicklung im 18. Jahrhundert (ge- 
drnckt iu Heft 18 der Vereins-Zeifschrift). 
26. März 1897: Herr Franz Arens sprach über das Essener Siechen- 
haus und seine Kapelle (gedruckt in Heft 18 der Vereins- Zeitschrift). 
Am 13. Oktober 1897 fand eine gemeinßchaftliche Sitzung mit der 
HerbfltversammluQg des histonschen Vereins für den Niederrhein in Essen 
statt. In derselben sprachen Herr Kammerpräsident Schorn über die Ety- 
mologie des Wortes Essen, Herr Franz Aren» berichtet Ober das in zwei 
Exemplaren — aus dem Anfang des 14. Jahrhonderts und aus dem 15. Jahr- 
hundert — erhaltene „Liber Ordinarius" der Essener Stiftskirebe; dasselbe 
enthält die Anweisungen zur Abhaltung des Gottesdienstes unter genauer Angabe 
aller Ocremonien u. s. w., Herr Oberlehrer Dr. Ribbeek hielt einen Vortrag 
über die Glanzzeit des Essener Stiftes, der zugleich als Einleitung zur Be- 
sichtigung der MUnsterkirche nnd ihrer Schätze diente. 

Das 18. Heft der Vereins-ZeitBchrift: Beiträge zur Geschichte von Stadt 
und Stift Essen enthält folgende Aufsätze: 

G. Humann: Gegenstände orientalischen Kunstgewerbes im Kirchen- 

sehatze des Münsters zu Essen. 
Dr. L. Wirtz: Die Essener Äbtissinnen Irmentmd (ea. 1140—1150) 

und Hadwig II. von Wied (ca. 1150-1180). 
Franz Arens: Das Essener SiechenhauB und seine Kapelle. Der Ver- 
fasser behandelt zunächst auf Grund eines reichen Urkunden-Materials 
die Geschichte des aus dem 14. Jahrhundert stammenden Leprosen- 
hanses, dessen Bau indessen verschiedentlieh durch Neubauten ei'setzt 
wurde; im Anschloss daran giebt er die Geschichte der in der ersten 
Hälfte des 15. Jahrhunderts erbauten und noch bestehenden Siecben- 
kapelle, die jedoch in den Jahren 1638 und 1760 weitgehende Wieder- 
heratellungen erfuhr. 
Dr. F. Sehroeder: Sittliche nnd kirchliche Zustände Essens in der 

ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 
Julius Bädeeker: Über die Anfänge des Buchdrucks und des Zei- 
tungsweseos in Essen und beider Entwicklung im 18. Jahrhundert. 



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2S0 Berichte tiber die ThKÜgkeit der Altert- n. Oeachichteverelne der BheinprorinE. 

Das 19. Heft der Vereins-Zeitschrift bildet: 

Dr. Konrad Ribbeck: Qeachicbte des EsBener OymnaMnme. IL Teil: 

Die iDtherische Stadtachale 1564-1611. 
Auf Veranlassung des VereiuB sind ea. 50 photographiecbe Anfnahmeo 
von älteren Strassen und Gebäuden Essens hergestellt worden. 



11. Geldern. Historischer Verein für Geldern und Umgegend. 
Die Mitgliederzahl des Vereins stieg auf 150. In den drei Sitzungen 
des Verein» wurden die folgenden Vorträge gehalten: 

27. Mai 1897 iu Geldern: Herr Ehrenbürgenaeister Freiherr von Geyr: 
Über Hexenprooesse. 
1. August 1897 in Camp: Herr Real: Entstehung und Entwicklung 
Camps, insbesondere der ehemaligen Gisterzienser-Abtei. 
Derselbe: Die Schlacht bei Klostercamp am 16. Oktober 1760. 
8. Decemberl897 iuGeldem: Herr EhrenbUrgermeister MUllenmeister: 
Die rOmiseliea Befestigungen am Miederrhein, Kastelle, Marechlager 
und Standlager. 

Herr Bargermeistcr Hambachs: Das Rathaus zu Geldern, 
Von den beiden letztgenannten Vorträgen sind Drnek-Ausgaben er- 
schienen. 

Die Vereinssammlnngen erfuhren eine Bereichenmg um eine Anzahl 
preuBsiecher Mttnzen, einige alte Ansichtwerke, Bilder u. s. w. 

Im Lauf des Jahres bat der Verein Verbindungen angeknüpft mit zwei 
in Holland, im Bezirk des alten Herzogtums Geldern, besteheaden Altertumsver- 
einen, nämlich „Provinciaal GeniJtehap voor geschiedkundige Wetenchapen, 
taal en kaust" zu Roermond und „Vereeniging Gelre" in Amheim. 



12. Kempen. Kunst- und Altertumsverein. 

Die Zahl der Vereinsraitglieder betrug in dem Berichtsjahr 105, die der 
Vorstandsmitglieder 15. 

Der Verein hielt eine Generalycrsammlnng ab, ausserdem rersammelte 
sich der Vorstand regelmässig alle drei Monate und dann noch nach Bedürfnis 
zur Besprechung von VereiDsangelegenbeiten. 

Im Laufe des Jahres erfuhren die Sammlnngen im wesentlichen die 
folgenden Vermebmngen : ein Kabinetsschrank (Intarsia-Arbeit), geschnitzte Holz- 
figuren, Stuhle, Kritge (Raerener Henkelkrug und ägyptischer Krug), chinesische 
Tassen, Schüssel und Kanne aus Zinn, Laterae ans Kupfer, schfine alte Münzen 
aus Silber und Kupfer, Denkmünzen, eine gotbisehe Stickerei, zwei Bücher mit 
Illustrationen der Schlachten des Prinzen Engen, ein Znnftbrief, ein Glaspokal 
mit Deckel, zwei Römer, eine gebrannte Seheibe, ein Messergriff im Renais- 
sance-Stil. 



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Berichte Über die Thftti^lceit der Altert.- u. Qeschichtevereioe der RhelnproTinz. 251 

13. Eleve. AltertmuBverein. 

Die Zahl der Vereinsmifglieder betrug 108. Es fand am 20. JaDnarl898 
eine Vereinseitznog statt, in der der Vorsitzende Uber das römieche Rindern 
nnd die dort vom Verein veranstalteten Ansgrabnngen sprach. 

Nach der Lage der Stadt Kleve ist anzunehmen, dass in römischer Zeit 
eine Heerstrasse nahe vorbei fflbrte. Zunächst sachte nun der Klevische Verein 
die Spareo des römischen Gräberfeldes, welches sich schon längst in der Nähe 
dieser Strasse westlich von Moyland nachweisen liess, weiter zu verfolgen. 
Ober frühere Funde in jener Gegend vgl. Bonner Jahrb. IX, 41 ff. nnd Knnst- 
denkmäler der Rheinprovinz, Kreis Kleve, S. 91 u. 135. Mit Erlaubnis des 
Besitzers der Ländereien, auf denen die Thätigkeit einsetzen mtisste, konnte 
der Verein im Juli 1897 seine Nachforschnngen beginnen. Etwa 50 Meter von 
der ROmerstrasse entfernt, deren eigentamliche Anlage sich noch jetzt ans den 
zum Teil dnrcb Getreidefelder sich hindurch ziehenden Kieeschichten feststellen 
lässt, findet sich eine mit Kiefern bewachsene HOgelkette von etwa 12 m Hohe, 
die ein weites Platean nach Osten bin gegen die Rbeinebene abgrenzt, nach 
dieser hin ziemlich steil abfällt und vom Kamm bis zum Fuss an der Hochebene 
sich etwa 170 m ausdehnt. Sie ward auch vor 30 Jahren durchforscht, und 
es kamen bei den damaligen Auegrabungen Gegenstände zum Vorschein, die 
zum Teil zu den selteneren Beigaben der Gräber gehören, so namentlich eine 
flache, mnde, stark versilberte Schüssel und eine viei-eckige Tafel von Blei 
von etwa 5 cm Breite nnd Hohe mit einem in der Mitte eingeschnittenen Kreis, 
um welchen die Inschrift eingegraben ist: Cape pignus ameris. Albanna ... tes. 
(Vergl. Uber diese und ähnliche Tafeln Bonner Jabrbb. XLVII., XLVIII, 
L, LI.) 

Die BemUhnngen führten zum Aufdecken von Krflgen, Thonsehüsaeln, 
Glasscherben, ümenresten, wie sie sonst auch sich beisammen zu finden pflegen, 
aber nicht in der üblichen Lage zu einander. Auf dem Kamm des Hügelrückenti 
waren die Gräber in der geringen Tiefe von etwa 1 m zn finden, während 
nach dem Fnsse za die Tiefe bedeutend zunahm, was mit dem Umstände zu- 
sammenhängt, dass im Lanfe der Jahrhunderte die oberen Erdschiebten nach 
der Seite zu abgeschwemmt sind. Man kam der ROmerstrasse näher als früher. 
Es scheint, dasa die Gräber unmittelbar an diese anschlössen, denn es ist dnrcb 
manche Erfahrung bestätigt, dass auf dem schmalen Felde zwischen der Hügel- 
kette nnd der Strasse von den Bauern solche Gefässe gefunden und oft mut- 
willig zerbrochen sind, die nur ans römischen Gräbern stammen können. Die 
ganze rOmische Ansiedlnngsstelle bei Moyland bleibt anch fernerhin ein Gegen- 
stand aufmerksamer Nachforschung seitens des Klevischen Vereins; dieser hofft 
in diesem Jahre dort seine Thätigkeit fortsetzen zu kOnnen. 

An dieser alten Rhein- oder Waalstrasse fand man schon trüber im heu- 
tigen Dorfe Rindern ansehnliche Überreste einer römischen Ansiedinng; es sei 
hier nur hingewiesen auf die Abhandlnngen in den Bonner Jahrbb. X, 61 ff., 
XVII, 221 ff., XXIII, 32 fi'., XSV, 7 ff., XXXI, 121 ff., XXXVI, 80 ff., XXXIX, 



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253 Berichte Über die TbSdgkeit der Altert.- a. Qeschlchts vereine der Rbeinprovinz. 

168 CF., XLVI, 173 ff., LXI, 60 ff-, KnnBtdenkmäler der Rheioprovinz, Kreis 
Kleve, S. 145, Dederich, Geschichte der Reimer und der Deatscben am Nieder- 
rhein S. 102 ff. 

Als in den Jubreo 1870 — 72 in Rindern ein Nenban der Kirche vorge- 
nommen wnrde, fand man anter and ganz nahe an der alten Kirche sehr feste 
römische Orandmanern: eiuen Flar aus Gassmaaerwerk mit 10 Reihen von 
Pfeilerchen, die dort eine Badeanlage (sDspensnra) verrnnten Uessen, femer ein 
Gewölbe von demselben Materifd anf einer ans Ziegelplatten bergestellten Boden- 
fläche. Das Ende dieses Gewiilbes hat man damals nicht erreicht; aber ganz 
zweifelos erstreckt es sich weiter nach Korden unter dem KirchhoE. 

Im vorigen Jahre versuchte der Klevisehe Verein durch Ansgrahnngen 
weitere Aufschiasse zu gewinnen. Diese waren durch neue Gräber, die in- 
zwischen an jener Stelle nördlich von der Kirche angelegt worden, ausser- 
ordentlich ersehwert. Ein abschliessendes Urteil über das Gefundene, viereckige, 
von festen Grundmauern nniscblossene ßänme, verfichiedenartige Bodenbeljige, 
Kies- und Betonschichten, Hess sieh noch nicht geben. Unter den kleineren 
Gegenständen, die innerhalb der ummanerten Eänme zn Tage traten, seien 
2 Ziegel mit dem Stempel der 22. Le^on erwähnt : LEG XXII PBI (primi- 
genia). 



14. Koblenz. Kunst-, Knnstgewerbe- nndAltertnmsvereins 
fflr den Regierungsbezirk Koblenz. 

An Stelle des aas GesundheitsrUeksichten aus dem Vorstand des Vereins 
ausscheidenden Herrn Geheimen Regiernngsrates Breden wurde der Herr Be- 
giemngs- und Geheime Banrat Launer gewählt. Die Zahl der Mitglieder ist 
auf 110 zurQckgegangen. 

Während des Jahres 1897 bat der Verein nur eine Versammlung abge- 
halten, mit welcher zngleieh die ordentliche Jahres- Versammlung für 1897 ver- 
bunden war. In dieser Versammlung, welche am 20. December 1897 stattfand, 
hielt der Direktor des Central-Gewerbe-Vereins in Düsseldorf, Herr Franberger, 
einen Vortrag über „Email." 

Der Vorstand des Vereins veranlasste, dass von den in den Bimssand- 
feldem des Herrn Oelligs zwischen Urmitz und Weissenthnrm aufgedeckten 
Töpferöfen einer erhalten blieb, damit eine Aufnahme durch das Provinzial- 
Museum in Bonn erfolgen konnte. 

Die Sammlungen de» Vereins haben die nachfolgenden Vermehrungen er- 
fahren: 

An römischen Funden Ziegel, Gefässe, Münzen u. s. w., die in der Stadt 
Koblenz bei Kanalisationsarbeiten gefunden und von dem Stadtbauamt Über- 
wiesen wurden, eine kleine Urne und GefössstUcke ans einem römischen Grab 
im Koblenzer Stadtwald. Am wertvollsten sind die Funde, die in den oben 
genannten Bimseandfeldem zwischen Urmitz und Weissenthnrm gemacht wurden 
und teils durch Kauf, teils durch Schenkung an den Verein kamen; es sind 



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Berichte Über die Thfttigkeit der Altert.- a. Qeschichtsverelne der Rheinprovins. 258 

faaaptsächlicli eine Anzahl Spangen and Schiffszinken (zom Dichten der Schiffe;, 
ein 25 cm langes GewandstUck einer Bronzefignr, eine Anzahl von MühUteioen 
aas Meodig^er Basaltlava, ein seltener MUhletein ana rotem Sandstein, femer eine 
Beihe von Bronze-Werkzengen, die mit einem Model lier-Stichel aus Hom zn- 
Bammen gefunden worden. Der Verein erwarb an Oegenatänden der 
späteren Zeit zwei in Koblenz gefundene fränkische Urnen nnd zwei 
schmiedeeiaeme Oberlichtgitter der Renaissancezeit ans EhrenbreitsteiD. 



15. Ettln. Verein von Altertnmsfreanden. 
Die Mitgliederzahl des Vereins beträgt 58. Es fanden in dem VereinB- 
jahr (Mai 1897 bis Mai 1898) 9 Sitzungen statt; in denselben wurden die fol- 
genden Vorträge gehalten: 

Stadtbaurat Heimann: Die Peterskirohe. 
Derselbe: Der Vatikan. 

Stadtbaninspektor Moritz: Wanderungen durch engliBche Kathedralen. 
Derselbe: Kegensbnrg und seine Banten. 

Stadtarcbivar Prof. Dr. Hansen: loQuisition und Hexenwahn. 

Dr. Kisa: Orpheus. 

Direktor Dr. von Falke: Altkölniscbes Steinzeng. 

Kaufmann Stedtfeld: Rßmiscbes Mtlnzwesen. 

Stadtbauinspektor Gerlach: Komisches Gräberfeld an der Luxemburger 
Strasse. Die Erbreiterang der Luxembtirger Strasse, der alten nach ZQlpich 
fahrenden ROmerstrasse, liess von vornherein eine Reihe von römischen Funden 
erwarten; als sich bei den Arbeiten, die im Juni 1898 an der südöstlichen 
Seite der Strasse begonnen wurden, die ersten Spuren eines römischen Gräber- 
feldes zeigten, bewilligte die Stadt einen Zuschuss zur systematischen Ausben- 
tang; die Arbeiten standen unter der Leitung des Redners und des Musenms- 
Assistenten Herrn Dr. Kisa. Das aufgedeckte Gräberfeld hatte bei einer 
Länge von 300 Meter eine Breite von 10 — 12 Meter. Der Strasse entlang 
lagen die vornehmeren Gräber, weiter zurück die der ärmeren Bevölkerung. 
Die Ansbeate war über Erwarten reich ; die Anlage wies die verschiedensten 
Grab- Arten auf, sie besteht aus Brand- und Skelettgräbem , zeigt Grabkam- 
mem mit Architekturresten, eine grosse Anzahl von Steinkisten, Skelettgräber 
mit Steinsarkopbagen und Sparen von Holzsärgen bis zu den einfachen Platten- 
gräbem, bei denen die Aschename durch einige Steinplatten geschützt wurde. 
Es ergab sich femer, dass die Begräbnisstätte während der grOssten Zeit der 
römischen Herrschaft in Benutzung gewesen ist. Über die Hberans reiche 
Ausbeute au Inschriftsteinen, Skulpturen und Grabbeigaben, TOpfereiarbeiten, 
Glas, Bronze, Bein- und Bemsteinsebnitzereien, Aber die der Redner auch aus- 
fuhrlicb sprach, vergleiche den Bericht des städtischen Museums Wallraf-Kichartz 
in Köln. _ 



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254 Berichte über dfe Thätigkeit der Altert.- n. Oescfaichls vereine der RheinprovioE. 

16. Krenznach. Antiquarisch - historischer Verein 
für Nahe and Hnnsrück. 

Die Mitgliederzahl des Vereins betrng 130 wie im Vorjahr, Es wurden 
in dem Bericht^ahr zwei Vorstandssitznngen nnd eine General- Versammlnng 
abgebalten. Znr Instandsetzung: und Erhaltung des Turmes der Burg Sponheim 
bewilligte der Verein einen ZaschnsB von 100 M, Eine von dem Verein veran- 
staltete Sammlang ermöglichte die Erwerbung der von dem Bildhauer Cauer 
modellierten Bronzebttste des Dichtere des Nahethaies, G. Pfarrias; die Stadt 
Krenznach hat die Kosten der Aufstellung des Denkmals Uberuommeu. FUr die 
Vereins-Bibliothek wurden eine Anzahl von Druckschriften, darunter sämtliche 
Werke von G. Ffarnus, und au Haudschiiften namentlich notarielle Akten ans 
der französischen Zeit Kreuznachs erworben. Ausserdem Hess der Verein pho- 
tographische Aufnahmen von den Grabsteinen der St. Nicolaus-Kirche und der 
englischen Kirche anfertigen. An Erwerbungen fQr die Sammlung sind römische 
MUnzen und GetHsse sowie Glas- nnd Tbonperlen zu nennen, die in der Nähe 
von Krenznach gefunden wurden. Mit dem Besitzer des neuerdings bei Münster 
gefundenen grossen römischen Mosaikbodens anterhält der Verein Fühlung, um 
eine Veräussernng des Fundes möglichst zu verhindern. 

17. Neuss. Altertumsverein. 

In dem abgelaufenen Bericht^ahre ist weder iu Zusammensetzung des 
Vorstandes noch in der Zahl der Mitglieder eine Änderung eingetreten. 

In den gewöhnlichen Sitzungen wnrden Lokalfragen behandelt, so alte 
Heer- und Handelsstraasen im Kreise Neuss, das Merdal (Marthal) vor dem 
Oberthor der Stadt, einige als Lach bezeichnete Niederungen, Wallhecken an 
der Grenze des Burgbaues u. a. 

Ausgrabungen hat der hiesige Verein auf seine Kosten nicht unternommen. 
Dagegen sind von anderen Seiten teils planmässige Grabungen teils mehr zu- 
fällige Aufdeckungen in der Feldmark bei Neuss bewirkt worden. So hat zu- 
nächst das Bonner Provinzialmuseum das Römerlager Novaesium weiter unter- 
suchen lassen (vergl. dessen Bencbt). Ferner sind auf einem Ziegelfelde 
zwischen jenem Lager und der Stadt viele und zum Teil recht wertrolle Sachen 
gefunden; diese sind von dem Eigentümer jenes Feldes, HeiTu Heinrich Sei a, 
zu einer besonderen Sammlung vereinigt wordeu (eingebender Bericht darüber 
in den Bonner JahrbQchem, Heft 101). Aach auf einem noch näher bei 
Neuss liegenden Felde sind bei Planierungsarbeiten manche Altertümer ans 
römischer Zeit aufgedeckt worden. Die Eigentümer hat sich bisher nicht be- 
reit finden lassen, die Sachen dem Verein abzutreten. 

18. Prtlm. Gesellschaft für Altertumskunde. 
Im Verein^ahr 1897/98 fand nor eine ordentliche Sitzung statt, die Ge- 
neralversammlung vom 32, Juni 1897. In dieser wurde zunächst der alte Vor- 
stand wiedergewählt; an die Stelle des ausscheidenden Oberlehrers Bader- 



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Berichte Üb«r die ThK^gkett der Altert- n. Oeachichtsverelne der Rhelnprovinz. ^ 

macher trat Prof. Dr. Hermes als 1. SobriftfQbrer. Dann berictitete der 
1. Vorsitzende, Herr OymDasialdirektor Dr. Asbacb, Aber einen groBaen MUnz- 
fand, den der Ortsvorsteber Bretz in Daokscbeid, Kreis FrOm, am 16. Mai 
gemacht hatte. Im AnscbluBBe daran wurden 30 Mflnzen ans dem gefandenen 
Mnnzschatze vorgezeigt. Der stellvertretende Vorsitzende, Herr Landrat Dom- 
boia, teilte mit, das« er den Finder beatkamt habe, die Münzen, etwa 5000 
an der ZabI, auf dem hiesigen Laadratsamte nlederznlegen, wo sie von dem 
schon früher benachrichtigten Herrn Dr. Lebner ans Trier eingesefaeD und 
geordnet werden. 

Im weiteren Verlauf der Sitzung wurden sodann 4 spanieche Silbermtlnzen 
von Philipp II. und Philipp IE. vorgezeigt, die ein Ackerer ans Fleringen bei 
PrOm beim Pflflgen gefunden hatte. Ausserdem wurden 3 in Bleialf gefundene 
HOnzen vorgezeigt, 2 bnrgundiscbe ans dem 14. Jahrhundert mit der Umschrift 
Philippns, eine spanische ans dem Jahre 1666 und eine wenig deutliche, wahr- 
scheinlich römische. Dann hielt Oberlehrer Donsbach einen Vortrag über die 
Erziehung des Adels vor 200 Jahren, indem er Hber ein Kapitel des „Oeco- 
nomns pmdens et legalis continnatus" des Fraaciscus Pbilippus Florinus (NOm- 
berg 1719) referierte. 

Infolge der im Herbst 1897 erfolgten Versetzung dea Herrn Oymnasial- 
direktors Dr. Asbach trat eine Unterbrechung in der Thätigkeit der Gesell- 
schaft für Altertumskunde ein. Erst in einer im Hai 189S abgehaltenen Sitzung 
wurde an seine Stelle Herr Gymnaeialdirektor Dr. BrflU zum 1. Vorsitzenden 
gewählt. 



19. Saarbrücken. Histortsch-anliqnartscber Verein für die 
Saargegend. 
Die Zahl der Ansschnssmitglieder betrug in dem Berichtcyahr 10, die der 
Hitglieder 270. In den Sitzungen des Vereins wurden 9 Vortrage gehalten; 
darunter zu nennen: 

Herr Dr. Lehner, Trier: Über die altbeimiscben Gottheiten and Götter- 
bilder, namentlich im Anschluss an der Vereins-Sammlung. 
Herr KtShler: Über den gegenwärtigen Stand des Volksliedes in der 

Saar-Gegend. 
Herr Schaede: Über den Rbein-Mosel-Eanal. 
Herr Pfarrer Schütte: Über die deutschen Barschenschaften und ihre 

Verfolgungen. 
Die Vereins-Samminng wurde im wesentlichen vermehrt um ein Bronze- 
kelt, in Burbach gefunden, einige kleine Funde vom sogen. Quellenbeiligtum 
KB Dudweiler und einen in Saarbrücken gefundenen Degen mit geschweifter 
Parierstange. Der III. Teil des Bibliothek-Katalogs ist in Arbeit, derselbe 
soll als Heft 6 der Hitteilungen des Vereins erscheinen. 

Di« Stadt Saarbrücken hat dem Verein vom 1. Oktober 1897 ab ein 
Vereinslokal von ö Zimmern lun&cbst auf 6 Jabre kostenfrei tur Verfllgnng 



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^ Berichte Übet die Tfaätigkeit der Altert.- v.. Qeschichts vereine der Rheinprovinz. 

gestellt. Die Sammlungen des Vereins sind in diesen Räntnen zweckent- 
sprechend aafgeetellt worden; die 2500 M. betragenden Kosten der Neaein- 
richtnng und Aufstellung wurden durch eine freiwillige Beisteuer aufgebracht. 

20. Werden. Historischer Verein ffir das Gebiet des 

ehemaligen Stiftes Werden, 
Die Zahl der Mitglieder ist auf 153 gestiegen, namentlich traten sämt- 
liche Gemeinden des ehemaligen Stiftes Werden mit grosseren jährlichen Bei- 
trägen dem Verein bei. 

Das im Druck befindliche 6. Heft der Vereins-Zeitschrift: Beiträge 
zur Geschichte des Stiftes Werden enthält ausser kleinei-en Mitteilungen fol- 
gende Aufsätze: 

Pfarrer Dr. Jacobs: Rechnungen des Kirchspiels Born in den Jahren 

1599—1603. 
Prot. Dr. Gall6e, Dtreeht: Einige Pflichten des Kellners und Küsters 

in Werden. 
Dr. Kranz: Das Gasthaus und das alte Rathaas in Werden. 
Pfarrer Sierp, Venne: Die Verhältnisse der alten lateinischen Schule. 
Prof. Dr. Jostes, Münster: über die vita s. Lncii. 
Die Vereins-Bibliothek wurde am eine Reihe Ton Drucksehriften und 
Urkunden bereichert, 

21. Wesel. Kiederrheinisches Musenm für Orts- und Heimatskundc. 

Das Kuratorium des im Jahr 1896 iu städtiscfaen Besitz übergegangenen 
Museums hielt im Berichtsjahr vier Sitzungen ab, am 9. Januar, am 22, Februar, 
am 29. März und am 14. Mai 1897. In der zweiten Sitzung wurde von dem 
Karatorinm der Entwurf zur Verfassung des Museums beschlossen. Da die 
Verfassung, die der Organisation des von dem Gründer, dem Henn Professor 
K. Mnmmenthey, früher itis Leben gei-ufencn Vereins für Orts- und Heimats- 
kunde im Suderlande in Altena eng verwandt ist, für die ganze Gmppe der 
niederrheinischen Geschichtsvereine von Interesse sein dürfte, so folgt dieselbe 
hier im Wortlaut: 

Verfassung des Niederrheinischen Museums für Orts- 
und Heimatskande zu Wesel. 

§ 1. Das Museum zu Wesel ist aus den Sammlungen des im Jahre 1889 
gegründeten Niederrheiniseheu Vereins für Orts- und Heimatskmide hervorge- 
gangen und seit dem 14. November 1896 Eigentum der Stadt Wesel. Sein 
Zweck besteht in der Pflege und Förderung der Oits- und Heimatskande am 
Niederrhein, insbesondere iu den Kreisen Rees, Borken, Oleve, Geldern, Mörs 
und Ruhrort; sein amtlicher Name lautet: „Niederrheinisches Museum für Orts- 
nnd Heimatskunde zu Wesel". 

§ 2. Die Mittel, durch welche das Museum seinen Zweck zn erreichen 
sucht, sind: 1. üebersichtlich geordnete Sammlungen sinnlich wahrnehmbarer 



, CodqIc 



Bericht« über die Tbätigkeit der Altert.- n. GeBchichte vereine der Rheloprovinz. 2&7 

Gegenstände, welche sich anf die NiederrheiDiscbe Heimat beziehen; 2. die 
Herausgabe Ton JafarbUcbern, Vertffentlichnngen durch die Tagesblätter und 
mUndliche Vorträge; 3. ein fortlaufender jährlicher ZuBchnsB von mindestens 
300 Mark ans der Stadtkasse; 4. freiwillige Beiträge. 

§ 3. Die SammlungeD des JUuseums enthalten folgende Abteilungen: 
I. Die gefichicbtliche Zeit des Niederrheins. 

1. Abteilung: Kunst. 1) Gegenstände der bildenden Kunst: a) Bild- 
hauer-, Schnitz-, Bildgiesserkunst; b) Malerei; c) Zeichnende Knnst. 

2) Bilder und Abbildungen, weiche auf mechanischem Wege (dnrch 
Oelfarbendrnck, Photographie, Lichtdruck u. a. Verfahrnngsarten) 
hergestellt sind. 

3. Abteilang : Gewerbefieiss. (Geschichtliches Gewerbe - Mnsenm.) 

1) Gegenstände des uiederrheinischen Kunstgewerbes. 2) Gegen- 
stände des sonstigen Gewerbefleisses am Niederrhein. 

3. Abteilung: Das Leben am Niederrhein in Hans und Feld, Ge- 
meinde und Staat. 1) Das niederrheiniscbe Bauernhaus und die 
Geräte des wirtschaftlichen Lebens. 2) Die niederrheiniscbe Stube. 

3) Gegenstände, welche sich auf Volksbräuche, Volksfeste, anf 
Gemeinde-Einrichtungen und Rechte am Nlederrbein bezieben. 

4) Gegenstände, welche die Zugehörigkeit des Niederrfaeins zu 
dem jedesmaligen Staate darstellen, insbesondere Erinnerungs- 
zeichen an die grossen vaterländischen Kriege, sowie an die 

. Kämpfe, welche zur Verteidigung der Heimat stattgefunden haben. 

4. Abteilung : Die umgebende Natur. 1) Die Luflhülle und der ge- 
stirnte Himmel des Niederrheins (astro-physikalische Abteilung). 

2) die Pflanzenwelt des Niederrheins. 3) Die Tierwelt des Nieder- 
rheios. 4} Der Boden des Niederrheins (Mineralien, Gesteine, 
Gewässer). 

5. Abteilnng: BUcherBammlung. 1) Handschriften und Karten. 
2) Druckschriften. 

6. Abteilung: MUnzen. 

1. Abteilnng.- Der Wandertrieb der Bewohner des Niederrheins, dar- 
gestellt an Erzengnissen der neuen Heimat. 
II. Die vorgeschichtliche Zeit und die Urgeschichte des Niederrheins. 

1. Abteilnng: Fnndstücke, Zeichnungen, Modelle von Gegenständen, 
welche sich auf das Dasein des Menschen und auf seine Thätig- 
keit in der vorgeschichtlichen Zeit und Urzeit des Niederrheins 
beziehen. 

2. Abteilnng: Fandstüeke der vorweltlichen Pflanzenwelt. 

3. Abteilnng: Fundstocke der vorweltliehen Tierwelt. 

§ 4. Mit der Verwaltung des Museums ist ein besonderer städtischer 
AnsBchnss beauftragt, welcher den Namen: „Knratorinm des Kiederrheinischen 
Museums für Orts- und Heimatsknnde" führt und sieh ans fünf Personen zu- 
sammensetzt, nämlich: a) ans drei Mitgliedern der Stadtverordneten- Versamm- 

Jahrb. des Var. v. Alterthsfr. Im Rbalnl. tw. 17 



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2&8 Sericbte über die ThUtlgkett der Altert.- ti. Geschichtsvereine der Sbelnproviiis. 

lang, b) ans zwei Nichtmit^liedeni der Stadtverordneten- Veraanunlang. Diese 
fünf Personen werden anf die Daner von 6'Jahren von der Stadtverordneten- 
Versammlnng gewäfalt. 

In der vierten Siteuug wurde beschloaeen, die Gründung eines Musenms- 
vereins in der Art des GOttinger GescfaichtsvereinB anzubahnen. 

Im AnBcblnse an die vier Sitzungen haben in dem Bericht^ahr die Be- 
mühungen des EnratoriumB um BesehaETuDg eines geeigneten BanmeB für die 
Sammlungen, nm Erhöhung der jährlichen Geldmittel, um Einrichtung Öffent- 
licher Sitzungen und Herausgabe eines Jahrbuches begonnen. 

Die Sammlungen des Museums vnirdea um eine Anzahl von Druckschriften, 
Plänen und Ansichten von Wesel vermehrt; ausserdem überwies die Gasanstalt 
in Wesel eine Armillar-Sphare der astro-physikalischen Abteilung des Museums 
als Geschenk. Die Weseler Liebfranen-Kompagnie übergab dem Museum ihre 
Vereinsgegenstände (Fahnen, Trommeln u. s. w.) zur Aufbewahrung. 

32. Xanten. Niederrbeinischer Altertums-Verein. 
Die MitgUederzahl des Vereins beträgt 20. 

Es fanden zwei Sitzungen des Vereins statt, am 15. August und am 20. No- 
vember 1897. Ausgrabungen hat der Verein seit den umfassenden Arbeiten 
vor dem Clever Thor im Winter 1896/97 nicht unternommen. 
Die Vereinssammlnngen erfuhren folgenden Zuwachs: 
Ein goldener Fingerring mit einer Gemme, roter Jaspis, bonus eventus 
darstellend; gefunden wurde derselbe von einer Arbeiterin anf der sogen, 
„alten Burg". 

Eine Gemme, Cameol, naeh links gewendete, stehende weibliche Figur. 
Der Fundort Ist derselbe. 

Ein Cameol, springender Ziegenbock, auf dem „Fürstenberg" gefunden. 
Ein blauer Olftsfluas, Frau mit einem Kinde auf dem Schoottse, von der- 
selben Fundstelle. 

Von römischen Münzen ist zu erwähnen ein Grosserz des Severus Alexan- 
der, ein Denar desselben Kaisers. 

An Bronzen wurden mehrere Gewandnadeln, Ringe und Beschläge erworben. 
Anf der sogen, „alten Burg" wurden bei dem Umsetzen eines Acker- 
stöckes einige Sigillatascherben entdeckt und dem Verein als Geschenk flber- 
wieseu. Dieselben haben folgende Stempel: 
ORRGSI 
0FC06LI 
OFVITAL 
BFKATVLLVSF 
T^///TALVS=Ta[n]talus, 
ferner ein ZiegelbmchstÜck mit dem Rnndstempel LXGPFTVTVST. 

Die Schrift pnsst zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. Der TOpfer- 
name (vielleicht [T?]atn8) ist bisher noch nicht bekannt. 



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Berichte Ober die Thatigkeit der Altert.- n. Geachlchtavereine der Rheinprovinz. 259 



III. Die städtischen Sammlangeii. 

1. Aachen. St&dtieches Snermondt-Mnsenni. 
Die Sammlungen des Musenms haben ans dem Jabre 1897 folgende Er- 
werbungen zu Terzeiehnen : 

AuB den Mitteln desMusenuiB und dcB Museums- Vereine wurden erworben: 

1. Mäimlicher Eopf (bemalt), Holzskalptnr des 16. JahrLundcrts, 

2. Kaiser Karl V. betritt das Kloster St. Just, Karton von Alfred Rethel. 
Von der Stadt wurden überwiesen ; 

3. Ein kleines Gemälde, Flusslaudacbaft, von Caspar Scbenren, 

4. eine alte Geldtmbe aus Buitsebeid. 

Als Gesehenke einzelner Personen erwarb das Musenm: 
von den Erben Dr. Sträter ein männlicbee Bildnis, Oelgemälde von 

FottgiesBer ans dem Ende des 17. Jahrhunderts, 
aus dem Nacblass des Professors Di-. Degen ein Elfenbein-Krnzifix ans 

der Zeit der Spätrenaissance und 12 Gemälde neuerer Meister, 
von Herrn Franz Husmann Sturz der Verdammten, Knpfei-stich nach 

Rubens von Snyderhof, 1642, 
von Herrn Joseph Sebillings eine BUste von Alfred ßethel, 
von Herrn Franz Roderstein ein kleines Gemälde, die hl. Theresia, 

Jugendarbeit von Caspar Scheuren. 
An kleineren Geschenken , die dem Museum zugingen, sind erwähnens- 
wert 6 Ansichten von Aachen, eine Karrikatur auf das Musikfest von 1854, 
das Modell eines Seeschiffes, ein römisches Glasgefäss n. s. w. 



2. Düsseldorf. Historisches Museum. 
Der Bestand der Sammlungen ist im Jahre 1897 um 48 Nummern ver- 
mehrt worden. Die Sammlungen erfuhren im Wesentlichen die folgenden Ver- 
mehrungen: an Münzen: dreifacher Dukat Karl Theodors vom J. 1787, 
Dukat des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, Dinslakener Denar, 
Bielefelder Denar, Turnose Wilhelms II. von Berg, Thalerklippe zum Andenken 
an die Belagerung von Jülich und eine Bronzemedaille mit den Brustbildern 
Kaiser Leopolds und seiner Gemahlin, an Gemälden: 4 Porträts, Ölgemälde 
von Maucourt, nnd 2 Porträts in Aquarellmalerei, sämtlich Angehörige der 
Familie Custodis darstellend (Geschenk der Familie Custodis); an römischen 
nnd fränkischen Fnnden einige Terra sigillata-Gefässe mit Blattomamenten, 
in Neuss anf der Ntederstrasse gefunden, und 'eine schlanke fränkische Grab- 
urne mit weitem, mit pnnktiertem Ornament verzierten Hals, aaf dem neuen 
Friedhofe gefnnden; ferner Grundstein, Stiftungsurkunde and Ansichten der 
alten Rochuskapclle. Der Grundstein ist eine quadratische Steinplatte, mit einer 
flachen Vertiefung in der Mitte zur Aufnahme der Bleiplatten mit der Stiftungs- 
nrknnde, an den Ecken finden sich vier Kreuze. 



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260 Berichte Über die TtiStigkeit der Altert- n. Gesch ich tsv ereine der RheinprovinK. 

Von den flbrig;en Erwerbnngeu sind erwäfanenswert zwei in Düseeldorf 
gefundene Mammnt7.ähne, Arcfaitektur-FragiDente von dem alten Dflseeldorfer 
Schloss, Bowie einige StadtsuBicbtea nnd Photographien alter Hätiser in 
Dttaseldorf. 

Die Sammlungen sind im Verlauf des Berieht^abres in dag von der Stadt 
umgebaute ehemalige Lagerhaus Reuterkaseme Nr. 1 überfuhrt worden. 

3. EOln. Museum Wallraf-Ricbartz. 
Die Neuordnung der Sammlungen wurde durch Vollendung der Sfile 
fSr die italieniechen, holIäDdiBcben und flämischen Malerscbnlen gefordert. Neu 
erworben wurden: 

Für die Gemäldegalerie eine Landschaft von J. van Goyen (Ge- 
schenk des Landgerichtsrates Nakatenus), eine Landschaft mit Tobiaa nnd dem 
Engel von C. Troyon, eine Marine von Th. Weber und ein Aquarell „Spanischer 
Gelehrter" von Fr. Fradilla (beide Geaebenke des Museums- Vereines), ein 
Bildnis von C. Sohn (Geschenk des Geheimrates EUhlwetter). 

Für die Sammlung von Gypsabgflssen eine Reibe von Reproduktionen 
antiker Skulpturen. 

Grosse Bereieberung erfuhr die Sammlung römischer Altertümer, vor 
Allem durch die neuen Grabfunde von der Luxemburger Strasse. Die 
Vorarbeiten zum Bau der Vorgebirgebahn erschlossen hier in den Sommer- und 
Herbstmonaten 1897 eine Strecke des Gräberfeldes von etwa 250 m Länge und 6 m 
durchschnittlicher Breite. Es enthielt ca. 350 Grabstätten vom 1, — 4. Jahrb., 
Brand- und Skelettgrftber in den verschiedensten Fonnen der Bestattung, einige 
mit Resten grosserer architektonischer Anlagen, andere mit Steinsetzangen, 
welche eine fortlaufende Reibe von Kammern bildeten. Da die Ordnung und 
Bearbeitung der sehr zahlreichen und zum Teil bocbbedeutenden Fände noch 
nicht abgeschlossen ist, kann hier nur auf einige der wichtigsten kun hinge- 
wiesen werden. 

Grabstein aus Jurakalk mit Giebeldreieek und Inschrift: 

Q ■ P M P E I 

VS - . A N I E N 

SIS . FO RO ■ I VLI 

BVRRVS -NL ■ EX 

L E G ■ X V.ANN . U 

STIP-XXH.S,E.H.FC 
GrahstetD ans Jurakalk, mit Rest eines Brustbildes und Relief und der 
Inschrift: 

QVETINIOVERO 

MATER. QVINtlNIA 

MA^ERNAFILIODVL 

CISSIM0-9< COL-FA-Tl 

CENIIIANN XXXI- 
M-VILD-XXVI.FE 



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Berichte über dte ThStigkeit der Altert- a. Geschiebt« vereine der Rbeinprovinz. S6t 

GrabBteio aas Jarakalk mit Schuppenstreifen, Giebeldreieck und Inschrift: 
D -v M 
C.FRONTirJo 
CANDIDO 
AGRIPINEN 
C-CANDIDI 
ER 

Von grösseren Skniptarcn sind berrorznheben der Torso einer Ealkstein- 
grnppe des Aeneas mit Ancbisea and Ascanius, eine Replik des bereits zwei- 
mal früher in Köln gefundenen Typus; ein Grabaufsatz mit einer Harpyie zmacben 
zwei Löwen, eine Gruppe ans Kalkstein, wie sie in Köln sebon dieimal ge- 
funden wurde; ein lebeuBgrosser Matronenkopf, ein männlicber bärtiger Kopf, 
drei Frauenköpfe, der Torso einer Mercnrstatuette, sämtlich ans Kalkstein. 

Von den Grabbeigaben sind nameotlicb die reichen Funde von Gläsern 
bemerkenswert, unter ihnen eine Reihe der spezifisch kölnischen Schlangen- 
gläser des 2. Jahrb., verziert mit farbigen Glasfäden in phantastischen Win- 
dungen, eine flache Schale ans Krystallglas mit eingeschliflfener Gladiatoren- 
gnippe, eine Oelflaecbe in Form eines Gladiatorenbelmes. In drei Särgen wurden, 
an Gttrtelbaken befestigt, je zwei bronzene Strigiles neben einem kugeligen Oel- 
fläBcheben aus Brou^e gefnnden; ausserdem Tinteußlsser und Schreibgeräth, 
Spiegel, Scfamnckgerät, ein zierlicher Kerzenleucbter in Form eines Dreifusses 
und eine kleine Dose mit Grnbenscbmelz. Von einem dnrch den Leiebenbrand 
zerstörten Kästchen aus Elfenbein haben sich zahlreiche Bruchstücke von Amo- 
retten, Masken, Sänlchen und ornamentierten Friesstreifen erhalten, ans gleichen 
Materiste Messergriffe, einer 2. B. in Form eines menschlichen Beines, ein 
anderer mit Apollo und Greif; ans Bernstein Fingerringe, gewundene stahartige 
Griffe, eine Sehmuckschale iu Form einer Muschel mit Fischen in Relief, eine 
Spiegelkapsel mit Amor u. A. — Unter den Tbongeraten ist Sigillata vom 
1. — 4. Jahrb. an vertreten, die älteren Exemplare zumeist gestempelt. Auch 
die zahlreichen Lampen gehören allen Perioden der Römerherrschaft an. Be- 
sonders hervorgehoben seien zwei kleine Amphoren ans hellgrün glasirtem Thon 
mit Reliefverziernng — Bacchus und Ariadne zwischen Weinranken. 

Grössere Grabfunde wurden ferner gemacht: Am Eigelstein ein Brand- 
grah mit einer Gesichtsume, Thongefässen und Lampen vom Anfange des 
2. Jahrb. — In der Schill! ngstrassc Skelettgräber mit ThongefSssen und Gläsern 
des 3. Jahrb. — An der Krenznng der Aachener Strasse mit dem Lindenthaler 
Sammelkanal eine Grabkaramer von etwa quadratischer Form und 1,40 m Höbe, 
aus Bruchsteinen von Basalt, Tnff, Schiefer und aus Ziegelstücken aufgemauert, 
mit einer gläsernen Urne und Tbongeraten von der Wende des 1. und 2. Jahrb. 
Daneben lagen zwei andere Brandgräber mit Thon- und Glasbeigaben derselben. 
Zeit, sowie ein Grabstein aus Jurakalk mit weiblichem Hedaillonbildnis und 
der Inschrift: 



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262 Berichte über die Tliätigkeit der Altert.- u, Geschithtsvereine der Bbeinprovinz. 

DM 
ET.PERPETVE 
SECVR ITATI 
IVL.BVRSP R^ 
rVL.h ALVISIVS 

SORORf.F.C 

Auf dem Maria-AblasBplatze worden BraDdgräber des 2. nnd 3. Jahrh. 
gefunden, welche Sigillatageffi&se in späteren Formen, aucli mit eingceuiinittenea 
Mustern, Gläser , daiiinter eine seh&ne, 26 cm hohe Kanne aus Kobaltglas, 
Lampen, ThonkrUge, Haarnadeln n. A. enthielten. Die Funde kamen als Ge- 
schenk der GiimdeigentUmeriD, der Vcrsieherungsgesellftchaft Colonia, an das 
Museum. Die Anlage der neuen Pietk - Kapelle an St. Gereon ergab neben 
Grabfunden der mittleren Kaiserzeit Reste einer Säulenbasis, ein Stück einer 
Gewandfigur und eine Kalksteiustatnette einer thronenden Göttin mit einem 
Tier auf dem Schoosse. 

Von Einzelfunden sind erwähnenswert: Ein Fingerring aus Goldfiligrau, 
ein solcher aus geschmiedetem Golde mit Traubenornament und einer Impera- 
torengemme, ein goldeoes Obrgehänge mit einem Snmragd; bronzene Zierbe- 
schläge in Form eines Delphines, eines Lbweukopfes, eines Pegasus, eines 
SchifTes, ein Gerätfuss mit Fantherkopf, ein ßundbeschlag mit TrompetcnmUBter, 
ein sog. Atbletenring, ein Armband aus wellenförmigem Bronzedrahte; ein grosses 
Bruchsttick einer flachen Schale aus Millefloriglas, ein Anhänger aus bunter 
Glaspaste in Form einer Fratze, eine Keihe von Gläsern mit farbigen Zickzack- 
fäden; unter den Thonlampen eine mit Jupiter und Autiope, eine andere mit 
JupiterbQste und Adler; unter den Thongefässen ein grosser Barbotinebecher 
mit einer Jagdscene, eine Urne ans Terra nigra mit aufgelegter Kettenver- 
zierung ü. A. 

Ausser Lokalaltertflmern erhielt das Museum durch Herrn Herstatt-Müngers- 
dorf eine Sammlung von spätrümischen Grabfunden aus Palästina, Gläser, Thon- 
gefasse, Lampen und MQnzen. 

Sonderansstellungen. Von Januar bis April 1897 war eine Ans- 
Btellung von Malcr-Radiningen dentschcr Künstler der Gegenwart veranstaltet, 
welche 550 Nnnmiern zählte. Ihr folgte eine Ansstellung von ca. 500 Aqua- 
rellen, Pastellen und Zeichnungen von Anton de Peters (1723—1795), einem 
tüchtigen, jetzt ganz vergessenen Kölner Künstler, der in Paris bei Grenze ge- 
schult, den grössten Teil seines Lebens daselbst und am Hofe zu BiUssel ver- 
bracht hatte. 



4. Köln. Städtisches Kunstgewerbemneenm. 
Die Anzahl aller Neuerwerbungen des Museums aus Ankäufen, Ueber- 
weisungen und Geschenken betrug im Jahr 1897/98 209 Nummern im Gesarat- 
buchwert von 49627 Mk, gegen 150 Nummern zu 27244 Mk. im Vorjahr. 
Davon entfallen auf städtische Mittel einschliesslich der Zuschüsse von der 



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Berichte Aber die Thütigkeit der Altert.- u. Geschfcbta vereine der Bheinprovinz. 268 

kOni^I. Staatsregiernsg nnd auB dem DispositioDsfoDda des Herni OberbBrger- 
meistei'B 16407 Mk., anf die Mittel des Kunstg^ewerbeveretns einschlieBslich 
des 3000 Mk. betragenden Znsehnsses der Provinzialverwaltang 7840 Mk. und 
auf Gescbeuke und UeberweisoDgeD 25245 Mk. (im Vorjahr 4886 Mk.) Der 
wertvollste Zuwachs ist den Sammlangen der Glasgemälde und des nieder- 
rheinischen Steinzeage zn Teil geworden. 

In die erstere Abteilung wurde von der Stadtverwaltung mit Zustim- 
mung des Herrn Pro^'in'/jalcon6ervato^s überwiesen ein Glasgemälde mit der 
Anbetung der heiligen 3 Könige und dem Kölner Wappen aus der Ratbaus- 
kapelle, kölnische Arbeit aus dem 15. Jahrhundert. Augekauft wurde das sog. 
Kaiserfenster, stammend ans der Karmcliterkirche zu Boppard (vergl. Dr. Oidt- 
mann, Die Glasmalerei, KOln 1898, S. 244). Das Fenster von Aber 4 Meter 
Hohe gehört der Zeit um 1400 an und zeigt eine Mariendarstellung und die 
Zehn Gebote. Dadnrch ist wenigstens eines der berühmten Bopparder Fenster 
wieder für das Bbeinland znrtlckerworben. Als Geschenk erbiclt das Museum 
femer ein dreiteiliges Fenster vom Jahre 1528, frtlber im Kloster St Blasien 
im Schwarzwald, das auf der Auction Douglas in KOln fdr den Betrag von 
21 780 Mk. erworben wurde. Der Kaufpreis wnrdc dem Museum von den 
Herren A. Camphansen, C. Eltzbacher, M. Guilleaume, L. Hagen, 
J. Heidemann, H. Leiden, G. Mallinckrodt, 6. Michels, A. v. Oppen- 
heim, Emil vomßatb, E. Rautenstrauch, H.Stein, R.Stein, J. Vorster 
nnd J. van der Zypen and vom Kunstgewerbe- Verein znr Verfügung gestellt. 

Die keramische Sammlung erhielt eine durch Aosgrabnog in der Mnxi- 
minenstrasse zu Köln erworbene Collection von ca. 100 Steinzeugkrflgen kölni- 
scher Arbeit, der Zeit von 1520 bis 1550 angehörend. Sie vertritt die bisher 
fehlende Epoche der FrUhrcnaissance in der rheinischen Keramik nnd ist da- 
durch, abgesehen von der hohen künstlerischen Bedeutung, von grösster Wich- 
tigkeit für die Geschichte dieses Kunstzweiges, Ein kurzer Vorbericht ist ent- 
halten in „Kunst und Kunsthaudwerk", Zeitschrift des k. k. Osterr. Museums 
in Wien, Januar 1898, HeftI; eine ausführliche Behandlung wird in den „Jahr- 
büchern der kOnigl. Museen zu Berlin" erscheinen. 

Unter den weiteren Erwerbungen sind hervorzuheben: 

Ein Latticber Kamin, in Eiche geschnitzt, am 1750; eine Renaissance- 
truhe von 1590 mit alter Bemalnog, aus Ov^atb; italienische Majoliken des 
16. Jahrhunderts; ein Rococoofen mit Figuren ans Trient; ein Balduchinbebaug, 
gestickt, ausKyllbnrg, um 1520; ein persischer Kntipfteppich mit Thierfignren, 
n. Jahrb. (Geschenk des Herrn Dr. Rieh. Schnitzler in Köln). 

Von der BUchcrsammlang der Bibliothek des Musenms wurde ein ge- 
druckter Katalog herausgegeben. 

Vorträge wurden von dem Direktor Dr. v. Falke abgehalten im Gflrzc- 
nicli über den Bronzeguss und seine Patinierung, ferner Über die Geschichte 
der dentechen Trachten im Mittelalter. 



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264 Berichte ttber die Tbätigkeit der Altert- u. Geschieh tsvereine der Bheioprovins. 

5, Köln. Historiacbes Museum der Stadt KOI D. 

VoD den Sammlungen erfuhr in dem Berichtajalir 1897/98 besonders die 
Mflnzsammlnng, welche die Stadt-Eölnischen und die EorkOlnieehen MOnzen ntn- 
fassl, eine ausserordentlich wertvolle Bereichertl ng. Die von dem bekannten 
Kölner Sammler Karl Farina (f 21. August 1896) hinterlassene grosee Samm- 
lung Kölnischer Mtlnzen, welche einen Taxwert von M. 51,500 besitzt, wnrde 
in der Weiee erworben, daas die Wittwe sie für den Preis von 30,000 M. tlber- 
liess; von dieser Snmme wurden 15j500 M. durch freiwillige Beiträge von Seiten 
einer Reihe von (achtzehn) Gönnern gedeckt, während der Rest der Kaufsnmme 
in der Höhe von 14,500 M. ans städtischen Mitteln bezahlt wnrde. Die Namen 
dieser Gönner sind: I) Herr Caspar Bourgeois, 2) Herr Arthur Camphausen, 
3) Herr Max Guilleaume, 4) Herr Louis Hagen, 5) Herr J. M. Heimann, 
6) Herr Geh. Rat Aug. Heuser, 7) Herr B. Liebmann, 8) Herr Comm.- 
Rat G. Mallinekrodt, 9) Herr Geh. Rat Dr. von Mevissen, 10) Herr Geh. 
Rat G. Michels, 11) Herr Dr. Jos. Neven-Dn Mont, 12) Herr Friedrich 
Oehme, 13) Herr Wilh. Peill, 14) Herr Arthur vom Rath, 15) Herr Comm.- 
Rat Emil vom Rath, 16) Herr Comm.-Rat Eugen Rautenstranch, 17) Herr 
Franz Schnitz, 18) Herr Julius van der Zypen. Das Historisehe Museum 
ist auf diese Weise in den Besitz, einer der kostbarsten existierenden Sammlun- 
gen Kölnischer Münzen gelangt, die durch seine älteren Bestände in erwünsch- 
tester Weise ergänzt wird. 

Die systematische Sammlung der Pläne und Ansichten sowohl der ganzen 
Stadt als einzelner Teile derselben wurde mit gutem Ei-folg fortgesetzt, auch 
die Sammlung der historischen Portraite wiederum reich vermehrt. Besondere 
Erwähnung verdienen der Ankauf eines grossen Oelportraits des Kölner Bürger- 
meisters Peter Oeekhoven (f 1640), sowie dreier Oelportraits des Patriciers 
Thomas Beywegh nebst seiner Schwester und des Bannerherm Johann MOltgens. 
Von einer grossem Anzahl von altern Kölner Häusern, welche im Laufe des 
Jahres abgebrochen worden sind, sind Photographien angefertigt und der Samm- 
lung des Museums einverleibt worden. 

Endlich konnte auch die Rheinische Topographische Sammlung, deren 
Grundstock von dem verstoi-benen Sammler J. J, Merlo gelegt worden ist, 
durch eine grössere Zahl von Ankäufen wesentlich vermehrt werden. Es be- 
findet sieh darunter u. a. die Handzeichnnng des Schlosses zu Brühl von J. M. 
Metz, welche als Vorlage zu einem Blatt ans der bekannten Kupferstichfolge 
von Kicolans Mettel gedient hat. 

6. Krefeld. Städtisches Kaiser Wilhelm-Museum, 
Nach Vollendung des Neubaues am Karlsplatz und nach Einordnung der 
Sammlungen wurde das Kaiser Wilhelm-Museum am 6. November 1897 der 
öfientlichen Benutzung übergeben; die städtischen Behörden, das Kuratorium des 
Museums, der Vorstand des M ose iims Vereins und die Architekten, die den Bau 
geleitet hatten, wohnten der Eröffnung bei. Nachdem der Schlussstein gelegt 



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Berichte ttber dl« Tbäügkeit der Altert.- a. Gescbichtsvereine der Rheinprovinz. S66 

war, übergab der Vorgitzende des MnaeninaTereinB Herr C. W. Crons die 
SammlDngen des VereinB der Stadt Krefeld. Der OberbUrgermeteter Herr Ge- 
heimer RegieruDgerat KUper nahm sie im Namen der Stadt entgegen nod über- 
gab die Leitung dee Mneeums dem Direktor Dr. Deneken, welcher in karzen 
Zügen Beine Ziele,- soweit sie die Fürdemng des Ennstbandwerks bezwecken, 
darlegte. Die Feier endete mit einem Knndgang der Anwesenden durch die 
Räume nnd Sammlungen. 

Die Sammlungen. Den Grundstock der Sammlungen des Kaiser 
Wilhelm-Museums bilden die vom Krefelder Muaenmsverein erworbenen Bestände 
an Gemälden, Ei-zeugnissen des Knnsthandwerks alter und nenerer Zeit sowie 
an rOmisehen AltertOuiera aus Krefeld nnd Umgebung. Eine Sammlung von 
Gipsabgüssen der Antike und der Renaissance wurde durch Vermittelung der 
Generalverwaltung der Königlichen Museen in Berlin aus städtischen Mitteln 
angeschafft. Dazu kam die kostbare Sammlung alter niederrheinischer Kunst- 
arbciten, welche der Stadtverordnete Herr Albert Oetker vom Conservator 
Conr. Kramer in Kempen erworben and dem neuen Huseum zum Geschenk 
gemacht hatte (vgl. Über die Sammlang Giemen, Kanstdenkmftler der Rhein- 
provinz, I, S. 99 ff.). 

Bei der Verteilung der Sammlungen auf die Mnseumsräume wurden die 
antiken Gipsabgüsse in dem durch das Oberlicht des Treppenhauses erhellten 
Dntergeschoss nnd in der westlichen Galerie des Obergesebosses, die Abgüsse 
der Renaissance im Korridor des Hauptgeschosses aufgestellt. In einem der 
kleineren Oberlicbte des Obergeschosses fand die Sammlung neuerer Gemälde 
Platz. 

In der Anordnung der alten Kunstarheiten wurde, soweit diese im Haupt- 
geschoss Aufstellung fanden, von der üblichen kunstgewerblichen Einteilung ab- 
gewichen. Die geschnitzten Möbel nnd Figuren, die Gemälde, Waffen, die 
Steinzeugarbeiten und Gläser der Oetkerscben Schenkung und ein Teil der 
VcreiuBsanimlungen wurden dazu verwendet, eine Reihe von Zimmern mit ein- 
heitlichen kulturbigtoriscben Gruppen in chronologischer Folge auszustatten. 
Für grossere Museen hat es gewiss seine volle Berechtigung, wenn Fachsanun- 
lungen der verschiedenen Zweige alten Knnsthandwerks zur Schau gestellt 
werden. Die Erforschung der Geschichte der Fayence, des Porzellans, der 
Metallarheit u. s. w. kann des greifbaren urkundlichen Materiales nicht entraten. 
Es ist aber nicht zu billigen, wenn diejenigen kleineren Museen, deren Aufgabe 
die künstlerische Erziehung des lokalen Handwerks nnd der heimischen In- 
dustrien ist, nach denselben Giiindsätzen sammeln und gruppieren. Denn an 
alten Arbeiten ist überhaupt nicht mehr so viel in freien Händen, als nötig 
wäre, die vielen kunstgewerblichen Sammlungen zu einiger historischen Voll- 
ständigkeit auszugestalten, und den wissenschaftlichen Sammlungen wird das 
Material, das sie dringend gebrauchen, darch die planlose Zersplitterung in 
bedauerlicher Weise entzogen. Vor allem aber war es ein verhängnisToller 
Irrtum, zu glauben, dasa mit kunstgewerblichen Massen dem Handwerk erspriess- 
licbe Anregongen zu geben sind. In der verflosBenen kuiutgewerblicben Periode 



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2ii6 Berichte ttbor die Thätigkeit der Altert.- u. Geschlehtsvereiue der Bbeinprovlnz. 

koDQte man sich Dichfs HOheree denken als das jj^etrene Kopieren alter „Vor- 
bilder". DieseH von den Knustgewerbe-Mnecen nnd -Schalen genährte ewige 
Kopieren alter Arbeiten hat jetzt zn einem gewissen Überdruss geführt. Mao 
sieht nachgerade mit Bescliämnng zurück anf eine Methode, die den Lernenden 
systematiBch zur Unselbsländigkeit erzog, und mao gesteht sieh, dass die Neu- 
auflagen der Möbel und Geräte des 16. uud 17. Jahrhunderts mit den techni- 
schen ErriiDgeuschaften unserer Zeit nnd mit unaeru modernen Beddrfniescn 
denn doch wenig im £inklaug stehen. Die jüngere Generation unserer KUnstler 
hat Wandel geschafft. Sie wenden sich ab rou den historischen Stilen und 
fangeu sozusagen von vom an, indem sie bei jedem Gerät, das sie entwerfen, 
aufs neue die Frage stellen, wie den Bedingungen des Zweckes, des Materiids 
uud der Rücksicht auf edle Gestaltung zu genUgen ist. An Stelle der Nach- 
ahmuDg ist die Erfindung das lebengebende Element bei den Künstlern, 
die fUr das Handwerk schaffen, geworden. 

Die Künstler, die diese Bewegung angebahnt haben, betrachten die Ar- 
beiten des älteren Knngthandwerks mit einer gewissen Geringschätzung. Das 
ist begreiflich nnd verzeihlich. Sie glauben in ihrer stürmenden Erfinderkraft, 
die Probleme, die sie sich stellen, ohne fremde Hülfe lösen zu kfinnen, und es 
scheint ihnen abgeschmackt, das, was den Lebensbedingungen einer ferneren 
Vergangenheit diente, in die Gewohnheiten des modernen Lebens hineinzu- 
zwängen. 

Aber die grundsätzliche Abwendung von den Kunsterzeuguiseen alter Zeit 
wird nicht von Dauer sein. Künstler und Handwerker werden einsehen lernen, 
dass man sehr wohl von deu Werken der alten Meister lernen kann. Nur mnss 
man sich nicht mit einer äusscrlichen Aneignung ihrer Formen begnügen, son- 
dern Sinn nnd Auge an ihren kflnstlerischeu Qualitäten schärfen. Eine derartige 
tiefere Auffassung der alten Kunstwerke ist aber nur möglich, wenn man, wie 
J. Brinckmann bereits nachdrücklich gefordert hat, die Möglichkeit giebt, 
die Erzeugnisse in ihrem zeitlichen Zasammenhang und in ihrer gegenseitigen 
Bedingtheit zu begreifen. Die Museen der Praxis werden daher gut thun, das 
kunstgewerbliche Prinzip zu verlassen nnd ihren Besitz in den Zusammenhang 
zu bringen, ans dem er herausgerissen ist, d. i. das vereinigen, was aus dem 
Geiste eines Zeitalters hervorgegangen ist. Wenn man die Arbeiten der 
verschiedenen Gewerbe zu geschlossenen Gruppen vereinigt, so giebt man eine 
Reihe von kulturgeschichtlichen Querschnitten, die ein eindringendes Studium 
der Stile ermöglichen. Für alle diejenigen, die für die Kumt des Hauses ar- 
beiten, sind solche Gruppierungen anendlich viel wichtiger als die nummem- 
reichen Fachsamminngen. 

Man wird indes die technologischen Sammlnngeo nicht ganz beseitigen 
dürfen. Man wird zwar ihre Reihen an Umfang beschränken, dafür aber das 
lehrhafte Moment, die Demonstration der technischen Verfahren stärker he^vo^ 
heben. Utid während es hei den kulturhistorischen Gruppen darauf ankommen 
wird, Arbeiteu von ausgezeichnetem Werte vorzuführen, kann es sich in der 
technologischen Abteilung nur darum handebi, zahlreiche Kunsttechniken alter 



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ßoricbte über die Tliiltigkeit der Altert-- u. G^cWcbtaverelue der RbelDprovIuz. 267 

und besondere nenerer Zeit vorzufllbreu, ati denen Handwerk nnd Industrie 
ihre KenntnisBe bereichern und ihre Leistungsfähigkeit steigern können. 

Es schien geboten, über diese Fragen bei dei Einrichtung des Kaiser 
Wilhelni-MuBeumB znr Klarheit zn kommen, da dem Museum von voruberein 
das Ziel gesteckt war, auf Handwerk und Induetrie in Krefeld belebend und 
neubildend zu wirken. 

So wurden deuo die eben dargelegten Gesichtspunkte massgebend für die 
Anordnung der Sammlungen Ultereruud neuerer Kunstarbeilcn im Hanptgcschoss. 

Xaeb einem Zimmer, das dem Krefelder Kunsthan/Iwerk eingeräumt ist, 
folgt die Reihe der knllurhistorisubeu Zimmer. In dem ersten, das Arbeiten 
der gotbtschen Zeit enthält, und im zweiten, in dem Arbeiten der nieder- 
rbeinischen Renaissance aufgestellt sind, haben die meisten und tiedeutendsten 
Stucke der Oetkerschen Schenkung Platz gefunden: in der gothischen Ab- 
teilung ein grosser, zweithUriger Kircbenschrank aus Gladbach (Giemen a. a. 0. 
Nr. 1), ein Stollenschrank ans Wacbtendonk mit ausgezeichneten EiseobescblägeD 
(ebd. 7, mit Abb.), ein kleinerer Schrank mit zierlieh durchbrochenen, farbig 
hinterlegten Füllungen (ebd. 8) und in zwei Schauseh ranken eine grosse Zahl 
geschnitzter Figuren, treffliche Beispiele der niederrheinisehen Holzplastik vom 
Ende des 14. Jahrhunderts bis in das eiste Viertel des 16. Jahrhundeiis. 
Als Ergänzungen kommen hinzu bolzfarbene Abgüsse von Meister Arnolds 
Marienaltar in Kaikar und von Teilen des Brtlggemannsehen Domaltars in 
Schleswig. An der Wand hängen zwei Gemälde der Kolnischen Schule aus 
dem Anfang des 16. Jahrhunderts. 

FUr die Einriebtung des RenaiBsaneezimmers stand ein vielseitiges Material 
zu Gebute. Ausser den Möbeln, zwei reichgeschnitzteu Schränken des soge- 
nannten Bocholter Meistere (Giemen a.a.0-4u.&), einem einthUrigen Schrank 
mit gut ausgeführten Wappen und drei Stollenschränken (ebd. 9 n. 11), konnten 
hier auch einige charakteristische Waffen der Zeit aufgestellt werden, Rflstungen, 
Helme, Speere, Hellebardeu, Armbrüste u. a. Die Keramik der rheinischen 
Renaissance ist durch eine Sammlung von Steinzeuggescbirren vertreten; in den 
Fenstern hängen gemalte Scheiben; ein grosses Gemälde eines niederländischen 
Meisters, die Anbetung der Könige darstellend, dient als Wandschmuck. 

Von den Renaissancearbeiten kommend, betritt der Besucher das Zimmer, 
das die Knust des 18. Jahrhunderts vorführt. Dieser Stil kommt zum Ausdruck 
in goldgerabmten Gemälden, in Möbeln und in einer Sammlung der damaligen 
höfischen Keramik, des Porzellans. Auch den geschnittenen Gläsern des 18. 
Jahrhunderts ist ein Scbanschrank eingeräumt. 

Im folgenden Zimmer, das für die Kunst des 19. Jahrhunderts bestimmt 
ist, findet man neben Arbeiten der Empirezeit auch neuzeitige Möbel und ke- 
ramische Erzeugnisse. Unmittelbar daran schliesst sich ein kleiner Raum, der 
eine moderne englische Zimmereinrichtung enthält. 

Die Reihe der Ausstellungsräume im Hanptgcschoss schliesst mit der 
chinesiscb-japaniseben Abteilung, die noch im Werden ist, aber doch schon 
einige treffliche Metall- and.Tbonarbeitcn enthält. 



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S68 Berichte über die Th&ti^keit der^tert.- n. Oescfalchtsvereine der BheioproTlnK. 

Der grÖBSte Ranm des Hauptgeachosses ist als Lesesaal in Ansprach ge- 
nommen. Änf den Lesetischen liegen 22 Zeitscliriften FUr EnDstwissenschaft, 
Archäologie und Knnsthandwerk auf. Den Besuebern des Lesezimmers steht 
femer eine bistoriscb geordnete Blättersammlnng zur Verfügung, die Abbildungen 
der namhaftesten Knntitwerke aller Zeiten enthält. Die Begrllndnng einer 
Motivensammlung fUr Ennstbandwerker ist in Angriff genommen, aber noch 
nicht vollendet. Auch die knnstwissenschafthche Bibliothek des Museums be- 
findet sieb noch in den Anfangsstadien. 

Im UntergcBchoss sind ausser den antiken Gipsabgüssen die römischen 
Altertümer, die technologiscben Sammlungen und ein niederrheinisches Bauem- 
zimmer des 18. Jahrhunderts anfgesiellt, Änch eine in städtischem Besitz be- 
findliehe Mineral iensanim In ng, eine Stiftung des 1854 zu Erefeld verstorbenen 
Friedrich Wilhelm Hoeninghaus, hat hier vorläufig Unterkunft gefunden. 

Erster Zuwachs. Vür die innere Ausstattung des Museums war ein 
Fonds von insgesamt 33 000 M. verfügbar. Aus diesem Fonds konnte aber 
auch ein namhafter Betrag zur Ergänzung der Sammlungen verwendet werden. 
6200 M. wurden für die Beschaffung der Gipsabgtlsse verwendet, auf 3200 M. 
beliefen sich die Eosten für die Ausstattung des englischen Zimmers, ein 
kleinerer Betrag wurde ausgeworfen, um einige ausgezeicbnte englische Bnch- 
einbände von Cobden, Sanderson und Rivi6re & Son, London, zu er- 
werben, Arbeiten, die als erster Anfang einer Sammlung modernen Buchgewerbes 
anzusehen sind. 

Zd diesen Ankäufen kamen wertvolle Schenkungen: für den Schmuck des 
Lesesaales schenkten die GebrUder J. und L. Wintgens drei Kopien nach 
den Originalen der Galleria Fitti in Florenz: Raffaels Madonna del Grandnca, 
Tizians Bella und Mnrillos grosse Madonna. Ein viertes Ölgemälde stiftete 
Herr A. von Randow, eine Kopie nach Murillos Spielern in der Pinakothek 
zu München. 

Ferner wurden der Sammlung neuerer Gemälde willkommene Schenkungen 
zuteil: von Herrn Rnd. Erahnen das Gemälde „Seesturm" von Herm. Hendrich, 
von Frau Wilh. Jentges ein Gemälde von Professor Wilhelm Camphausen, 
Friedrieh der Grosse auf der Schlossterrasse zu Sanssouci, von Herrn Alfred 
Molenaar „Tanzstunde im Sprcewald"' von 0. Piltz. Der Kunatverein für 
die Rheinlande und Westfalen stiftete das nachgelassene Kolossalgemäide des 
Professors Julius Roeting ,,Die Grablegung Christi"; der Maler Herr Alfred 
Mobrbutter in Altona sein grosses Ölgemälde „Eine junge Dame". 

Auch einige plastische Werke wnrdeu dem Museum vor der Eröflünng 
zugewendet. Herr Max Heydweiller überwies eine Marmorbtlste Napoleons I. 
auf Mai-morsockel, eine gute Arbeit von idealistischer Auffassung, die zu An- 
fang dieses Jahrhunderts nach einem Original Canova's ausgeführt ist. Herr 
Adolf von Beckerath in Berlin, ein geborener Krefelder, schenkte die holz- 
gesehnitzte Gruppe eines flandrischen Meisters des XV. Jahrhunderts „Die h, 
Anna selbdritt", Herr Aurel von Beckerath in Moskau eine interessante 
Sammlung russischer Bronzemedaillen. 



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Berictite Aber die Tbfttigkeft der Altert- n. Oeschichtsvereiue der Rheinpro vins. 2fö 

EnnetansstellaDg bei Eröffnnng des Maseame. Ee gelang, 
znr Beteilignng an der Ansetellnng zahlreiche Kttnetler Deutschlands nnd des 
Anslandes zo g:Gwinnen. Anegestellt worden 346 Gemälde, 32 Sknlptoren, 
152 keramiBche und 14 verschiedene EtiBstarheiten, im Ganzen 544 Gegenstände. 

Unter den Malern waren die benachbarten Dfleseldorfer in der Mehrzahl. 
Erschienen waren n. a. A. nnd 0. Achenbach, W. von Beekerath, Berg- 
mann, von Bocbmann, BrUtt, Dtlcker, Freoz, Günter, Heimes, Her- 
manns, A. und E. Kampf, Chr. nnd Magda KrOner, Liesegang, Oeder, 
F. von Wille. Ana Karlsrnhe kamen: Eschke, Grethe, Graf von Kalck- 
rentb, von Volkmann; ans München: von Berlepsch, von Canal, Co- 
rinth, Eckmann, Harbnrger, Enbierschky, von Lenbach, Stack, 
von ühde; ans Aibling: Leibl und Sperl; aus Frankfurt a.M.: Hans 
Thoma; aus Berlin: Alberts, Fehr, Gude, Leistikow, Liebermann, 
Menzel, Meyerbeim, Noster, Schlabitz; aus Worpswede; H. am Ende, 
Maekensen, Modersobn, Overheck, Vogeler; aus Hamburg: Helene und 
Molly Gramer, Eitner, Henriette Hahn, Ruths, Siebelist; aus Holstein: 
Bnrmester, Mohrbutter, Olde. 

Von den ausländischen Künstlern hatten besonders die Dänen eine Reihe 
bemerkenswerter Arbeiten gesandt. Vertreten waren: Viggo Jobansen, Wal- 
demar Irminger, L. A. Ring, Fritz Syberg, J, F. Willnmsen. Aus 
Grossbritannien waren nur Walter Grane und Macanlay Stevenaon er- 
schienen; aas Holland: H. Mesdag nnd t. d. Waay; aus Belgien: Bondry, 
Joors, Laermans; aus Frankreich: J. W. Alexander, Louise Breslau, 
Jules Breton, Harrison, H. Martin; ans Italien: Bergamini, Beniliure 
nnd Segantini. 

In der weniger nmfangreicben Abteilung der Sknlptnren hatten neben 
deatsehen und dänischen Künstlern die Belgier Paul Dubois, Constaotin 
Meunier nnd Ch. van der Stappen ausgezeichnete Bildwerke ausgestellt. 

Einen ganz internationalen Charakter hatte die keramische Abteilang, die 
den östlichen Frontsaal ganz einnahm. Im Mittelpunkt standen die Arbeiten 
des dänischen Büdbaners J. F. Willnmseu und seiner Gattin. Daran 
schlössen sich andere Arbeiten der neuerdings zu so hoher künstlerischer Be- 
deutang entwickelten dänischen Keramik: Herm. Kählers metallisch glän- 
zende Qefässe nnd Tierfiguren, die glasierten Steinzeagarbeiten des Bildhauers 
K. Hansen-Jacobsen und die vielbewunderten Erzeugnisse der König- 
lichen Forzellanfabrik und der Forzellanfabrik von Bing & Gröndahl in 
Kopenhagen. Ferner sah man Fayencen des Engländers William de Mor- 
gan, glasierte Steinzeuggefässe der Franzosen Bigot, Dalpeyrat, Dam- 
mou8e,DeIaherche,ßeTernay, Rousseau, Stoltenberg-Lerche. 
Minder zahlreich waren die Arbeiten der deutschen Kunstkeramik: Porzellane 
der Königliche PorzeUanmannfaktnr in Berlin, Fayencevasen von Tb. Scbmuz- 
Baudiss und der Familie von Heider, München. An die keramischen 
Erzeugnisse reihten sich Gruppen der geschnittenen Glasarbeiten Emile 
G alias, Nancy, und der geblasenen Gläser Tiffanys, New York, sowie 
von Mosaikverglasungen des Hamburgers E. Engelbreebt. 



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270 Berichte über die Thätigkeit der Altert.- n. Q es (^hichts vereine der Rhefoprovinz. 

Im Anecblnss an die aasgestellten Arbeiten der keraniiseben AbteiluDg 
bielt der Direktor im Lesesaal des Muaeums vor den Mitgliedern des Mnscume- 
vereins zwei Vorträge Aber „Däniacbes Porzellan" nnd „Moderne Knnsttöpferei". 

Zuwacbs aas der Ennstausstellung. Einen merkbaren Gewinn 
trug das Mnsenm ron der EröfTnungfiansstellnng davon, insorem eine Reibe der 
besten ausgestellten Arbeiteo den Sammlungen durch Schenkuug oder dureh 
Ankauf Terblieb. 

Eine Ansah! junger Krefelder Damen vereinigte sich, um das Ölgemälde 
des dänischen Malers Georg Aeben „Gewitter bei Sonnenuntergang" für 
das Museum zu ei-werben. Die Malerin Frl. Helene Gramer, Hamburg, 
schenkte ihr Blumenstuck „Magnolien". Ein ungenannter Freund des Museums 
stiftete 5000 M. zur Erwerbung von zwei Ölgemälden: A. Mohrbutter „Some- 
bodye Darlings" und W. Leistikow „Dämmerung in Ostfriesland" sowie der 
Terrakottagi'uppe „Mutter und Kind" von dem amerikaniseheu, in Norwegen 
lebenden Bildhauer Sigurd Neandros. Die Erefelder Handelskammer 
schenkte eine grosse Vase der Kgl. Forzellanmanufaktur zu Berlin. Frau 
Moritz vom Brück, Eisenach, spendete einen namhaften Betrag, für den 
zwei Vasen nnd die Figur eines gähnesdeD Eisbären ans der EgI. Porzellan- 
fabrik zu Kopenhagen angekauft werden konnten. 

Aus Mnseamsmitteln wurden erworben: ein Ölgemälde „Gebirgslandschaft" 
von Prof. G. Oeder, ein Aquarell „Im Dampf" von Cbr. Kröner, Stucks 
Bronzefigur „Athlet", endiieh Töpferarbeiten von Bing & Gröndabl, J. F. 
Willumsen, Sehmnz-Bandiss, De Morgan, Bigot, Dalpeyrat, Dam- 
me u s e und Glasarbeiten von E. G a 1 1 i und K. Engelbreeht. 

Der Gesammtwert dieser Erwerbungen betrug ca. 30000 M. Ausserdem 
wurden in der Ausstellung Gemälde nnd Kunstwerke znm Betrage von 24500 M. 
verkauft, sodass das finanzielle Gesamtergebnis sieb auf rund 54500 M. belief. 

Wechselnde Ausstellungen. Nachdem die ErOfiTnungsaugstellung 
geschlossen war, wurde die früher vom Museumsverein besorgte „Permanente 
Kunstausstellung" vom Museum fortgesetzt und bierfUr der grosse Oberlichtsaal 
in Anspiueh genommen. Auf eine Ausstellung der Worpsweder Vereinigung folgte 
eine Serie von Bildern jüngerer Düsseldorfer Maler wie Jernberg, Wendling, 
Klein-Chevalier, Fritzel, Lieeegang, Thoeren, Fr, von Wille. Dann 
konnten einige Werke der Berliner Secession gezeigt werden: von Alberts, 
Dora Hitz, Liebermaun, Leistikow und Curt Herrmann. Zwei 
der Stillleben des letzteren, „Citronen" und „Äpfel", wurden von Herrn Notar 
Gustav Schelleckes erworben und dem Museum geschenkt. Um mit der 
Anlage einer Sammlung neuerer Kunstdrucke einen Anfang zu machen, erwarb 
das Musemn Otto Eckmanns Holzfarbendrucke und eine erhebliche Aniuihl 
TOD Steindrucken Hans Thomas. Die letzteren regten die Veranstaltung 
einer kleinen Sonderausstellung von Werken dieses Meisters an, die neben zwei 
Ölgemälden die erworbenen und mehrere geliehene Steindrucke erhielt. Von 
den geliehenen Blättern wurden einige angekauft. Zwei ausgezeichnete Abzüge 
der nicht im Handel befindliches Blätter „Porträt seiner Mutter" und „Selbst- 



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Berichte fiber die Tbätigkait der Altert.- u. OeschichtSTereine der Rheinprovinz. 271 

porträt" erhielt das Maseum vom Eünstler geschenkt. Im Febrnar UDd Mäi-z 
fand im Oetsaal eine Aasetellung alter Kupferstiche aus der Sammlung des 
Herrn Eommerzienrat Heinr. Seyffardt, Krefeld, statt, und zwar wurden 
zunächst drei Serien je zwei hie drei Wochen zugänglich gemacht: Dürer und 
Beine Zeitgenosse«, die deutschen Eleinmeister, ßembrandt nnd seine Schule. 

Beziehungen zn Krefelder Kunstrereinen. um in Krefeld 
nene Betriebe ins Leben zu rufen, schien es nötig, ein Organ zu schaffen, das 
ohne Einschränkung befugt war, unmittelbar und thatkräftig einzugreifen. Dieser 
Aufgabe zu genügeu, trat im Jnli 1897 unter dem Vorsitz des Herrn C. W. Crous 
ein Ereis von Kunstfreunden zur Gründung der „Vereinigung zur Förderung 
der Knnstarbeit in Krefeld" zusammen. Laut den Satzungen will diese Ver- 
einigung ihr Ziel erreichen: durch Untersttitzung der bestebenden und Begrün- 
dung neuer Knnstbetriebe ; durch Hevbeifflhrnng von Aufträgen auf künstle- 
rische Arbeiten; durch Ausbildung tüchtiger Künstler und Kunsthandwerker 
sowie durch andere zweckdienliche Mittel." Ihre fördernde Thätigkeit begann 
die Vereinigung damit, zur Gründung einer Werkstatt für Mosaikverglasnng, 
die F. W. Holler, Krefeld übernahm, beizutragen; dieselbe arbeitet nach dem 
Vorbilde der gleichartigen Anstalt von K. Engetbrecht in Hamburg, vorzugs- 
weise mit amerikanischen in der lUaflse gefärbten Gläsern. Die ersten künstle- 
riseben Arbeiten wurden nach Entwürfen von Professor Otto Eckmann aus- 
geführt. In der kurzen Zeit seines Bestehens hat das neue Unternehmen so 
guten Ei'folg gehabt, dass es der ferneren Unterstützung der Vereinigung 
nicht mehr bedarf, sodass diese sich nunmehr anderen Aufgaben zuwenden kann. 

In Verbindung mit dem Uuseum steht femer die im Oktober gegründete 
„Kunstvereinigung", deren Mitglieder sich regelmässig im Lesezimmer des Mu- 
seums versammeln, um durch Vorträge und Mitteilungen über das Gesamtgebiet 
der Kunst, im besonderen der neueren Kunst, sich gegenseitig anzuregen und 
zu belehren, und deren Mitglieder bemüht sind, da» Interesse für die Ziele des 
Museums in weitere Kreise zu ti'agen- 

Mit Anerkennung muss drittens des Musenmsvereins gedacht werden. 
Seine Mitglieder haben unausgesetzt dafür gewirkt, immer reichere Mittel für 
die Sammelthätigkeit des Museums zu beschafTen. Einzelne Vorstandsmitglieder 
haben durch persönliches Werben dem Verein nicht nur eine ganze Zahl neuer 
Mitglieder zugeführt, sondern auch viele bewogen, ihre Jahresbeiträge beträcht- 
lich zn erhöhen. Ausser den 4200 M., die der Verein zur ersten Einrichtung 
des neuen Gebäudes beisteuerte, hat derselbe für das erste Halbjahr noch 
5000 M. an die Museumskasse abgeführt. 



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UnlTgrilUtU-Baehdruckerel Ton Oul Oeorgl in Bonn. 



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Jahrb. des Vereins von AUerthumsfr. im Bkeinl, Heft 103. Taf. IL 



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Jahrb. den Vereins ton Alterlhunis/r. im Rkeinl. Heft 103. Taf. IV, 



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Jahrb. des Vereins ron Älterfhumsfr. im Rheiiü. Hejt 303. 



Taf. V. 



Relief in Florenz. 



Relief von .Li ILllil Ul^iniacliia 
in Pompeji. 



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Jahrb. des Vereins von Alterthumsfr. im Rheinl. Heft 103. Taf. VI. 



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Jahrb. df.x Vereins von AÜerthumsfr, im Rhein/. Heft lOH. 



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Gnostisches Gold-Amulet, 
Glas- und Thongefaesse aus Gellep. D,,„„edbyGoOgle 



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ihrb. d. Ver. v. Alterths/r. im Rheinl. Heft 103. 



Taf. Vni. 



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