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Full text of "Brahma und die brahmanen. Vortrag in der öffentlichen sitzung der K. Akademie der wissenschaften am 28. märz 1871 zur feier ihres einhundert und zwölften stiftungstages"

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-FFvOK4 -THE- LIBRARY -OF 

KONKAD-BURDACr 


Brahma  und  die  Brahmanen. 


Vortrag 


in  der 


öffentlichen  Sitzung  der  k.  Akademie  der  Wissenschaften 

am  28.  März  1871 

zur  Feier  ihres  einhundert  und  zwölften  Stiftungstages 

gehalten  von 

Dr.  Martin  Haug, 

0.  Mitglied  der  philosophisch-philologischen  Classe. 


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München  1871 

Im  Verlage   der  königl.  Akademie. 


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Die  Macht  und  hervorragende  Stellung  der  Brahmanen  unter  den  Völkern 
Indiens,  von  den  ältesten  Zeiten  fast  bis  auf  die  Gegenwart,  ist  eine  so  merk- 
würdige in  der  Culturgeschichte  einzig  dastehende  Erscheinung,  dass  sie  schon  an 
sich  die  Aufmerksamkeit  eines  jeden  Gebildeten,  der  an  der  geistigen  Entwicklung 
der  Menschheit  ein  reges  Interesse  nimmt,  in  hohem  Masse  verdient.  Man  fragt 
sich  vor  allem,  wie  ist  dieser  schon  Jahrtausende  andauernde  Einfluss  einer  privi- 
legirten  Classe  über  so  viele  Millionen  Menschen  entstanden ,  und  wie  konnte  er 
sich  durch  so  lange  Zeiträume  erhalten?  Wie  der  Ursprung  sovieler  alten  Ein- 
richtungen, so  ist  auch  der  des  Brahmanenthums  im  Dunkel  grauer  Vorzeit  ver- 
loren. Keine  alte  Urkunde,  keine  Inschrift  meldet,  wann  diese  mächtige  Körper- 
schaft in's  Leben  trat.  Die  Brahmanen  selbst  beanspruchen  göttlichen  Ursprung; 
ihr  hoher  Rang  und  ihre  bevorzugte  Stellung,  ihre  Satzungen  und  Gebräuche  sind 
so  alt  wie  das  Universum  selbst,  und  werden  nach  einer  jeden  der  periodisch  ein- 
tretenden grossen  Weltzerstörungen  bei  jeder  Neuschöpfung  immer  auf's  neue  wieder- 
hergestellt ;  bei  ihnen  herrscht  das  Dogma,  während  die  Geschichte  entweder  keine, 
oder  nur  eine  sehr  untergeordnete  Geltung  hat.  Geschichtschreibung  hat  in  Indien 
nie  geblülit,  da  die  Brahmanen,  die  fast  einzigen  Träger  wissenschaftlichen  Lebens 
in  Indien,  nie  Sinn  für  exacte  historische  Forschung  gezeigt,  auch  nicht  ein  ein- 
ziges streng  historisches  Werk,  wie  die  alten  Chinesen,  Griechen  und  Römer,  ver- 
fasst  haben.  Sie  haben  es  höchstens  zu  legendenhaften  Chroniken  gebracht,  den 
sogenannten  Puränas,  in  denen  die  Weltschöpfung  und  das  Weltende  nicht  fehlen 
dürfen,  und  die  ganz  mit  Mythologie  zersetzt  sind.  Schon  die  äussere  Form ,  die 
gebundene  Rede,  in  der  alles  Geschichtliche,  oder  was  wenigstens  dafür  galt,  über- 
liefert wurde,  schloss  die  streng  historische  Bearbeitung  aus.  Die  einzigen,  wirklich 
historischen  Urkunden  sind  Inschriften,  die  aber  nicht  über  die  Mitte  des  dritten 
vorchristlichen  Jahrhunderts  hinausreichen,  wie  die  Denksäulen  des  Königs  Aschoka, 
unter  dessen  Regierung  das  dritte  Concil  der  buddhistischen  Kirche  Statt  fand.     Ja 

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die  ältesten  historischen  Zeugnisse  über  Indien,  und  speciell  die  Brahmanen,  ver- 
danken wir  einem  Griechen,  dem  Megasthenes,  der  ungefähr  um  das  Jahr  300 
V.  Chr.  Gesandter  des  Königs  Seleukus  am  Hofe  des  Sandrakottos  (Chandra- 
gttpta*)  zu  Pataliputra,  dem  jetzigen  Patna,  war.  Die  Fragmente  seiner 
Berichte,  die  uns  noch  erhalten  sind,  zeigen  klar,  dass  zu  seiner  Zeit  die  indische 
Cultur  schon  fast  stabil  geworden  Avar;  ja  sie  hatte  schon  einen  grossen  geistigen 
Gährungsprocess  überstanden.  Das  alte  Brahmanenthum  war  bereits  in  seinen 
Grundfesten  erschüttert ,  seine  Allmacht  im  Schwinden  begriffen ,  und  zum  Theil 
schon  gebrochen.  Es  war  die  Religion  des  Buddha,  des  grossen  Denkers  und  Mo- 
ralisten von  Kapilawastu,  eines  Mitgliedes  der  Kriegerkaste  (Kshatriya),  der 
ihm  diesen  gewaltigen  Stoss  versetzt  hatte. 

Bei  diesem  gänzlichen  Mangel  aller  historischeu  Zeugnisse  über  die  Entstehung 
des  Brahmaneuthums  sind  wir  auf  die  ältesten  Religionsurkunden  der  Brahmanen, 
die  Wedas,  deren  lebendige  Träger  gerade  sie  selbst  sind  (da  sie  dieselben  aus- 
wendig wissen  sollen) ,  angewiesen.  Da  ich  im  Verlauf  dieses  Vortrags  öfter  auf 
dieselben  zurückzukommen  habe,  so  mögen  hier  einige  Bemerkungen  über  sie  am 
Platze  sein. 

Die  Wedas  sind  vier  an  Zahl ,  nämlich  Rik,  Jadschus,  Säma  und 
A  t  h  a  r  w  a ,  wovon  indess  nur  die  •  drei  ersten  seit  den  ältesten  Zeiten  kanonische 
Geltung  hatten,  während  der  vierte  erst  später  zu  demselben  Range  erhoben  wurde. 
Jeder  Weda  besteht  aus  zwei  Haupttheilen ,  nämlich  aus  einer  Sammlung  (Sam- 
hitd)  von  in  verschiedenen  Metren  abgefassten  und  von  verschiedenen  Verfassern 
herrührenden  Liedern  (Rigveda  -  sanüiitä) ,  oder  von  Opfersprüchen  und  Opfer- 
formeln ,  manchmal  mit  Erläuterung  ihres  allegorischen  oder  mystischen  Sinnes 
(Yajurveda  -  samJntä  in  verschiedenen  Redactionen) ,  oder  von  Liederstrophen,  die 
zum  Singen  eingerichtet  sind  (Sämaveda  -  samhitd) ,  oder  aus  Liedern ,  Zauber- 
formeln ,  Segen  u.  s,  w.  nebst  Prosastücken  (Atharvaveda  -  samhifä.)  An  jede 
dieser  vier  Sammlungen  schliessen  sich  ein,  oder  sogar  mehrere  Bücher  an,  die 
Brähmanas'^)  heissen,  d.h.  Aussprüche  der  Brahmäpriester,  über  welche  ich  bald 
weiter  zu  reden  haben  werde.     Diese   enthalten  Speculationen   über  die  Bedeutung 


*)  Die  Aussprache  indischer  Worte  und  Namen  anlangend  bemerke  ich ,  dass  wenn  sie 
cursiv  gedruckt  sind,  die  Consonanten  dieselbe  Geltung  haben,  wie  im  Englischen,  also  ch  wie 
tsch  zu  sprechen  ist;  ist  diess  nicht  der  Fall,  so  sind  sie  so  wie  deutsche  Worte  zu  lesen. 


der  beim  Opfer  angewandten  Liederverse  und  Formeln,  sowie  über  den  Ursprung, 
die  Vollziehung  und  Bedeutung  der  Opfergebräuche,  und  dürfen  als  die  ersten,  oft 
freilich  sehr  kindischen  und  phantastischen  Versuche  der  Begründung  brahraanischer 
Theologie  und  Philosophie  augesehen  werden.  Jedes  dieser  Brähnanas  enthält 
einen  Theil,  gewöhnlich  das  Äranyaluim  genannt,  d.  h.,  was  im  Freien,  nicht  im 
eigenen  Hause,  studirt  werden  soll.  Tn  diesem  findet  sich  in  der  Regel  eine  so- 
genannte Upanishad  ^),  d.  h.  ein  theologisch-philosophischer  Tractat  über  die  letzten 
Gründe  alles  Seins,  über  die  Seele  und  das  Brahma ;  sie  enthalten  das  Tiefsinnigste 
und  Geistvollste ,  was  brahmanische  Speculation  hervorgebracht ,  und  haben  allen 
den  spätem  Systemen  der  Philosophie  zur  Grundlage  gedient.  Sie  waren  ursprünglich 
Geheimlehren  und  duiften  vom  Lehrer  nur  wenigen  auserwählten  Schülern  mit- 
getheilt  werden. 

An  diese  für  inspirirt  gehaltenen  Werke,  die  direkt  aus  dem  Munde  Brahma's 
kommen,  und  folglich  keinem  menschlichen  Verfasser  zugeschrieben  werden,  schliesst 
sich  eine  zahlreiche  liturgische  und  exegetische  Literatur,  die  die  Hilfswissenschaften 
des  Weda  behandelt,  wie  Grammatik,  Metrik,  Chronologie,  Exegese,  Ritual  u.  s.  w. 
Sie  gehören  im  weitern  Sinne  ebenfalls  zum  Weda,  haben  aber  menschliche 
Verfasser. 

In  allen  diesen  Schriften  nun,  in  den  ältesten  wie  in  den  spätesten,  die  einen 
Zeitraum  von  wenigstens  1000 — 1200  Jahren  umspannen,  finden  sich  die  Wörter 
Brahma .  Brahma  und  Brähmana ,  wohl  die  wichtigsten  und  vielsagendsten  in 
dem  so  ausserordentlich  reichen  Wortschatze  des  Sanskrit.  Da  eine  Erörterung 
derselben  zur  richtigen  Erkenntniss  des  Wesens  und  der  Stellung  des  Brahmanen- 
thums  durchaus  nothwendig  ist,  so  möge  mir  verstattet  sein,  hier  einige  Bemerk- 
ungen über  dieselben  zu  machen.  Die  Bedeutung  namentlich  von  Brahma  ist 
nicht  überall  die  gleiclie ;  sie  weicht  in  den  ältesten  Stücken,  den  Liedern  des  Rig- 
weda,  von  der  später  gebräuchlichen  ab. 

Seiner  Bedeutung  ^)  nach  ist  es  ein  Abstractum ,  seinem  grammatischen  Ge- 
schlecht nach  ein  Neutrum,  und  lautet  eigentlich  Brdhman,  von  der  W^urzel  hrih 
„wachsen",  mittelst  des  Suffixes  man  abgeleitet,  (vgl.  Carmen,  senien) ,  und  heisst 

1)  „Gewächs,  Spross".  In  diesem  Sinne  findet  es  sich  nicht  mehr  im  Sanskrit; 
dagegen  existirt   es   noch  in  der   nur  dialektisch  davon  verschiedenen  Zendsprache, 

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wo  es  nach  den  phonetischen  Gesetzen  Baresman  lautet,  das  ebenso  fiectirt  wird 
wie  Brähman.  Unter  Baresman  (jetzt  Barsom  genannt) ,  verstehen  die  Priester 
der  zoroastrischen  Keligion  gewisse  Zweige,  die  unter  Hersagung  bestimmter  Formeln 
von  einem  Baume  abgeschnitten,  dann  in  ein  Bündel  zusammgebunden ,  und  beim 
feierlichen  Gottesdienst ,  der  sogenannten  Izeschneceremonie ,  eines  Ueberrestes  des 
altindischen  Somaopfers,  gebraucht  werden.  Das  Eigenthümliche  in  der  Verwendung 
dieses  Bündels  von  Zweigen  besteht  darin ,  dass  es  in  die  Nähe  aller  Opfergegen- 
stände, wie  Wasser,  Homa,  Milch,  Butter  u.  s.  w.  gebracht  werden  rauss ,  wie  um 
alle  einzelnen  Theile  des  Opfers  durch  ein  gemeinsames  Band  zu  vereinigen.  Wenn 
auch  diese  Bedeutung  durch  keine  Stelle  der  wedischen  Lieder  belegbar  ist,  so 
finden  sich  doch  noch  Spuren  ihrer  einstigen  Existenz  im  Sanskrit.  In  einem  in 
Europa  bis  jetzt  unbekannten  wedischen  Buche,  der  Muiträyam-Samkitä^)  des 
Jadschurweda ,  wovon  ich  ein  vollständiges  Exemplar  besitze,  wird  Brahma  mit 
dem  Zweige  eines  Paläschabaumes  identificirt  (4,  1,  1.).  Auch  kennt  das  alte  Ver- 
zeichniss  wedischer  Wörter  (die  Nighantavas)  die  Bedeutung  ,, Speise'',  welche  sich 
leicht  aus  der  von  „Gewächs"  herleiten  lässt.  Ausserdem  findet  sich  auch  im 
brahmanischen  Cultus  etwas  dem  persischen  Baresman  ganz  Analoges.  Beim 
Somaopfer  wird  nämlich  ein  kleiner,  beschnittener  und  ebenfalls  zusammengebundener 
Büschel  von  Kuschagras  gebraucht,  der  Veda  heisst,  was  ein  Synonym  von  Brahma 
ist.  Er  muss,  solange  das  Opfer  dauert,  immer  von  einer  Hand  in  die  andere 
wandern,  um  die  Allgegenwart  des  Brahma  zu  versinnbildlichen.  Es  unterliegt 
demnach  kaum  einem  Zweifel,  dass  dem  Worte  Brahman  wirklich  ursprünglich 
die  Bedeutung  „Spross,  Gewächs"  zugekommen  ist.  An  diese  schliesst  sich  ganz 
natürlich 

2)  die  von  „Wachsthum,  Gedeihen*'  an.  In  dieser  scheint  es  sich  wirklich 
hie  und  da  zu  finden  (vgl.  Rv.  7,  103,  8).     Aus  dieser  entwickelt  sich  die  von 

3)  ., Mittel  zum  Gedeihen  und  Wachsthum",  was  Gedeihen  und  Wachsthum 
bewirkt,  nämlich  „Opfergaben,  heilige  Lieder,  Gesänge  und  Sprüche."  In  diesen 
Bedeutungen  kommt  es  in  den  alten  Liedern  des  Rigweda  häufig  vor.  Es  kann 
dort  je  nach  dem  Zusammenhang  der  Stellen  bald  mit  „Opfergabe"  (vgl.  die  von 
Speise),  „Lied"  oder  ,, Gebet",  bald  aber  auch  sehr  häufig  mit  ,, Gesang"  übersetzt 
werden,  aber  auch  das  Zusammenwirken  aller  dieser  drei  wesentlichen  Elemente  des 
brahmanischen  Opfercultus  bezeichnen.  Da  Opfersprüche,  Liederverse  und  Gesänge 
den  Hauptinhalt  der  Wedas  bilden ,  so  kann  es  auch  geradezu  Veda ,  d.  i.  die 
heilige  Wissenschaft  bedeuten.     Nach  altindischer  Anschauung  ist  nun  das  Brahma 


zum  Gelingen  des  Opfers  ganz  wesentlich ;  es  wird  nämlich  angenommen ,  dass  es 
während  der  ganzen  Opferhandlung  gegenwärtig  ist.  Das  Opfer  gilt  aber  bei  den 
Brahmanen  als  ein  Mittel  alle  Wünsche  zu  befriedigen,  mögen  diese  auf  Erlangung 
von  Nahrung  und  Reichthum,  oder  Nachkommenschaft,  oder  Ruhm  und  Ehre,  oder 
auf  die  des  Himmels  nach  dem  Tode  gerichtet  sein.  Da  das  Opfer  ohne  die  Ge- 
genwart des  Brahma,  d.  i.  ohne  die  lebendigen  Träger  desselben,  die  Ijrahmanen, 
und  ohne  sein  Symbol ,  den  obenerwähnten  Büschel  von  Kuschagras ,  ganz  wirk- 
ungslos ist,  und  sonach  alles  Gedeihen  und  Gelingen  von  dem  Brahma  allein  ab- 
hängt, so  nimmt  es 

4)  die  Bedeutung  von  ,, Triebkraft  der  ganzen  Natur" ,  und  schliesslich  die 
von  ,, höchstes  Wesen",  „das  schlechthin  Absolute"  an.  Es  wird  oft  genug  in  den 
theologischen  Speculationen  über  die  Wedas,  den  Brähmanas  und  Upanischads,  mit 
Pradschäpati,  dem  Herrn  der  Wesen,  dem  Weltschöpfer,  und  demAtman,  der 
Seele,  u.  s.  w.  in  Verbindung  gebracht.  Auf  welchen  Schlüssen  die  Annahme,  dass 
das  Brahma  die  Schöpferkraft  der  Natur  sei,  beruht,  zeigt  eine  Stelle  des  be- 
rühmten philosophischen  Gedichtes  Bhagawad-Gitä,  auf  das  deutlichste.  Hier 
heisst  es  (3,  14,  15).  ,,Die  Wesen  entstehen  aus  dem  Regen,  der  Regen  kommt 
vom  Opfer ;  das  Opfer  kommt  von  der  Handlung ,  (d.  h.  den  zur  VoUziehuQg  des 
Opfers,  das  als  ein  Wesen  gedacht  wird,  erforderlichen  Ceremonien),  die  Handlung 
(die  Ceremonie)  kommt  aus  dem  Brahma,  und  das  Brahma  aus  dem  Einfachen, 
Untheilbaren  (akshara) ;  desswegen  ist  das  ewige,  allesdurchdringende  Brahma  stets 
beim  Opfer  gegenwärtig."  Nach  dieser  Stelle  hat  selbst  das  Brahma,  wenn  es 
den  Urgrund  des  aus  dem  Opfer  fliessenden  Wachsthums  und  Gedeihens  in  der 
Natur  bezeichnet,  wieder  einen  Ursprung,  und  zwar  in  dem  Einfachen,  schlechthin 
Absoluten.  Dieses  wird  in  altern  wedischen  Schriften ,  wie  schon  in  der  Samhitä 
des  Atharwaweda,  durch  die  Prädicate  ,,das  höchste,  erste"  (para,  jyeshtlia)  von 
dem  gewöhnlichen  Brahma  unterschieden.  Später  wurde  ein  solches  Prädicat  für 
überflüssig  erkannt,  und  mit  dem  Worte  Brahma  allein  das  schlechthin  Absolute, 
das  Ewige  und  Bleibende  in  der  Welt  bezeichnet.  Dieses  Begriffs  hat  sich  dann 
die  Speculation  bemächtigt.  Die  jetzt  noch  massgebende  Definition  für  den  ortho- 
doxen Hindu  ist  die  von  Schau kara  Atschärja,  dem  Wiederherrsteller  brah- 
manischer  Macht  und  Einflusses  (er  lebte  im  8.  oder  9.  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnungj  in  seinem  berühmten  Commentar  zu  den  Brahma-Sütras  ^) :  „Das  Brahma 
ist  seiner  Natur  nach  ewig,  rein,  mit  Intelligenz  begabt,  emancipirt  (von  der  Materie), 
allwissend,  mit  Allmacht  begabt." 


Aus  diesem  Neutrum  JBrähman  nun  bildet  sich  durch  Verlängerung  des  a 
der  letzten  Sylbe  zu  d  und  Wechsel  des  Accentes  die  Form  Brahma  n,  Nom.  sing. 
Brahma;  (im  Griechischen  entspricht  die  Ableitungssylbe  (.imv,  z.  B.  \jY^fX(or). 
Von  der  oben  angegebenen  Grundbedeutung  des  Brähman  „Spross,  Gewächs, 
Wachsthum''  ausgehend,  bezeichnet  das  Concveinm  Brahma  n  ,, einen,  der  wächst", 
oder  „der  das  Wachsthum  in  sich  trägt."  In  dieser  ursprünglichen  Bedeutung 
findet  es  sich  nirgends  in  den  Liedern  des  Rigweda.  Hier  bezeichnet  es  schon 
eine  mehr  oder  minder  bestimmte  Persönlichkeit.  Es  lassen  sich  folgende  drei 
Hauptbedeutungen  in  den  wedischen  Schriften  nachweisen:  1)  Brahmane  überhaupt, 
2)  Benennung  eines  besondern  beim  Opfer  aufgestellten  Priesters,  und,  3)  der  Gott 
Brahma,  der  Weltschöpfer.  Wenn  es  ,.i>rahmane"  im  Allgemeinen  bedeutet,  so 
bezeichnet  es  in  den  alten  Liedern  einen  Mann,  der  die  Kraft  des  Brahma  besitzt, 
in  dem  sie  zur  vollsten  Erscheinung  kommt,  und  der  das  Wachstlium  und  Gedeihen 
des  Irdischen  wie  des  Geistigen  in  seiner  Gewalt  hat.  Man  hat  es  in  diesem  Sinne 
mit  ,, Beter"  und  ., Priester"  übersetzt.  Da  diese  Bedeutungen  bereits  in  populär- 
wissenschaftliche Werke  übergegangen  sind,  so  will  ich  sie  hier  kurz  beleuchten.  Eine 
nähere  Untersuchung  aller  Stellen  des  Eigweda,  in  denen  das  Wort  Brahmän  sich 
findet,  hat  mir  nämlich  gezeigt,  dass  es  weder  „Beter"  noch  ,, Priester"  im  strengen 
Sinne  des  Wortes  bedeuten  kann.  Die  Brahmänas  (Plur.  von  Brahmän)  sind 
dort  keine  „Beter" ;  für  den  Gebetspriester,  d.  h.  denjenigen,  welcher  die  Verse  des 
Rigweda,  die  beim  Opfer  unentbehrlich  sind,  zu  sprechen  hat,  findet  sich  schon  in 
altenLiedern  der  Name  Hofar,  d.  i.  Rufer.  Ja  die  Brahmänas  sind  sogar  manchmal 
(wie  Rv.  1,  10,  1)  von  den  ,, Sängern"  und  „Recitirern"  beim  Opfer  unterschieden 
und  bezeichnen  diejenigen,  welche  den  Saft  der  Somapflanze  (Sarcostemma  viminale) 
auspressen ,  und  ihn  den  Göttern  opfern  und  selbst  trinken.  Ja  gerade  die  Be- 
reitung des  Somatrankes  sclieint  schon  sehr  früh  das  eigentliche  Metier  der  Brah- 
mänas  gewesen  zu  sein  (vgl.  Rv.  5,  40,  8.  8,  3J,  1.  32,  16.  9,  112,  1.);  desswegen 
ist  auch  Soma  gerade  der  Gott  der  Brahmanen,  und  sie  allein  haben  das  Vorrecht, 
ihn  in  Gestalt  des  Pflanzensaftes  zu  trinken.  Sie  sind  zwar  Priester,  bilden  aber 
unter  denselben  eine  besondere  Klasse,  da  in  der  wedischen  Zeit  auch  Kscha- 
trijas,  d.  i.  Männer  der  Kriegerkaste,  bei  der  Vollziehung  von  Opfern  thätig  sein 
konnten,  wie  das  Beispiel  des  Königs  Wischwämitra  zeigt,  auf  den  ich  später 
ausführlicher  zurückkommen  werde.  Gerade  das  Beispiel  dieses  Königs,  sowie  noch 
mancher  anderer  (des  Värshägiras,  Eijräs'va)  zeigt  auch,  dass  selbst  das  Dichten 
von  Liederversen  (rik) .  die  beim  Opfer  angewandt  wurden ,  kein  Vorrecht  des 
Brahmän  war,  sondern  dass  die  Mitglieder  der  Kriegerkaste,  die  Könige  und  der 


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Adel  ebenfalls  Rischi's,  d.  li.  Dichter  von  solchen  Versen  sein  konnten.  Ja  im 
Aitareya-JBrähmana  (2,  19)  wird  eines  Rischi  (Kavaslia  Ailüsha)  gedacht,  der 
als  „Sohn  einer  Sclavin"  (däsiputra)  und  „Nichtbrahmane  (ahrahmana)  bezeichnet 
wird,  und  sonach  der  niedersten  Kaste,  oder  den  Schudras  angehört  zu  haben 
scheint  Dieser  wollte  mit  andern  Rischi's  an  der  Vollziehung  eines  Opfers  theil- 
nehmen,  wurde  aber,  nachdem  er  anfänglich  zugelassen  worden  war,  von  ihnen 
wegen  seiner  niedern  Geburt  vom  Opferplatze  vertrieben;  aber  da  die  Gottheit 
(SarasvaU)  sich  ihm  geneigt  zeigte  und  ihm  ein  wirksames  Lied  offenbarte,  so 
wurde  er  wieder  zurückgerufen,  und  als  der  „vortrefflichste"  bewillkommt  und  sein 
Lied  später  dem  Rigweda  einverleibt. 

Trotz  alledem,  dass  die  Brahmanen  in  der  wedischen  Zeit  auch  ausgezeichneten 
Männern  anderer  Klassen  gelegentlich  die  von  ihnen  beanspruchten  Privilegien  zu- 
gestanden, so  scheinen  sie  doch  schon  in  der  ältesten  Zeit  eine  den  übrigen  Ständen 
gegenüberstehende,  bereits  ziemlich  abgeschlossene  Kaste  gebildet  zu  haben,  in  die 
ein  nicht  darin  Geborner  nur  sehr  schwer  Aufnahme  linden  konnte.  Dass  die 
Brahmänas  den  Kshatriyas ,  d.  h.  dem  König  und  Adel  gegenüber  schon  zur 
Zeit  der  Abfassung  der  altern  Lieder  des  Weda  bereits  als  eigene  Kaste  betrachtet 
wurden,  geht  unwiderleglich  aus  mehreren  Stellen  derselben  hervor  (wie  Rv.  4,  50, 8.  9): 
Vor  dem  Könige  beugen  sich  die  Völker,  dem  ein  Brahmän  voranschreitet;  dem 
König  helfen  die  Götter,  der  dem  Hülfe  suchenden  Brahmän  Schätze  spendet 
(vgl.  auch  Rv.  1,  108,  7).  Hier  bezeichnet  es  nicht  etwa  schlechthin  einen  Priester, 
sondern  einen  solchen,  der  im  Besitze  des  Brahma,  d.  i.  der  Wachsthum  und 
Gedeihen  gebenden  geheimen  Macht  ist,  und  der  eine  höhere  Macht  besitzt  als  der 
König  selbst.  Diese  Macht  äussert  sich  als  grösseres  Wissen  und  Können ;  nichts 
ist  seiner  Weisheit  verborgen,  nichts  seiner  Macht  unerreichbar.  Er  heisst  ,,der 
Rede  höchster  Himmel."    (Rv.  1,  164,  35.) 

Die  zweite ,  mehr  spezielle  Bedeutung  des  Wortes  Brahmän  ist  die  des  so- 
genannten Brahmäpriesters  beim  Opfer.  Dieser  ist  bei  jedem  feierlichen  Opfer, 
selbst  den  kleinen  Neumonds-  und  Vollmondsopfern  unentbehrlich;  denn  bei  allen 
solchen  Opfern,  selbst  den  kleinsten,  sind  wenigstens  drei  Hauptpriester  erforderlich, 
nämlich  ein  Hotar,  dj^i.  Rufer,  dessen  Obliegenheit  es  ist,  theils  ganze  Lieder 
des  Rigweda,  (süJcta),  theils  einzelne  Verse  desselben  (riJc),  theils  ganze  Litaneien 
(shastras  genannt)  zu  recitiren;  ferner  ein  Adhwarju,  d.  i.  Opferkoch,  der  alle 
Handarbeit  beim  Opfer,  wie  die  Schürung  des  Feuers,  das  Kochen  der  Opferspeisen, 


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die  Bereitung  des  Soma,  das  Werfen  der  Opfergaben,  wie  Reiskuchen,  Butter, 
Fleisch,  Somasaft  u.  s.  w.  in  das  Feuer  zu  besorgen,  und  die  Opfersprüche  fyajus, 
ihre  Sammlung  ist  der  Jadschurweda)  herzusagen  hat.  Zu  diesen  beiden  kommt 
noch  ein  Brahmän,  dessen  einziges  Geschäft  darin  besteht,  über  den  regelrechten 
Gang  der  Ceremonien  zu  wachen,  jeden  bei  der  Recitation  oder  der  Handlung  selbst 
begangenen  Irrthum  zu  bemerken,  und  die  verderblichen  Wirkungen  desselben  durch 
ein  Sühnopfer  wegzuschaffen  (S.  Aitareya  Brahm.  5,  33.  34;  S.  374  ff.  meiner 
üebersetzung).  Er  steht  zu  den  übrigen  Priestern  nicht  etwa  im  Verhältniss  eines 
Präsidenten,  der  alle  Anordnungen  zu  treffen  hat,  sondern  er  wird  als  Arzt  be- 
trachtet, und  auch  so  genannt,  da  er  die  durch  die  Fehler  der  anderen  Priester 
angerichteten  Schäden  des  Opfers  zu  heilen  hat  Er  gibt  die  Befehle  zum  Vollzug 
der  einzelnen  Ceremonien  nur  ausnahmsweise,  wie  er  z.  B.  beim  Somaopfer  die 
Sänger  der  Sämastrophen  auffordert,  den  Gesang  anzustimmen,  während  der  Adh- 
warju  dem  Gebetspriester,  dem  Hotar,  den  Befehl  zur  Recitation  der  Rikverse 
gibt.  Der  Brahmän  hat  sich  beim  Opfer  viel  weniger  Anstrengung  zu  unter- 
ziehen,  als  die  andern  dienstthuenden  Priester,  wie  der  Hotar  und  Adhwarju, 
deren  Geschäft  wirklich  sehr  anstrengend  ist.  Desswegen  heisst  es  schon  in  einem 
Liede  des  Rigweda  (8.  92,  30.)  .,Sei  nicht  so  faul  wie  ein  Brahmäpriester."  Dessen- 
ungeachtet erhält  er  dieselbe  Belohnung  wie  die  übrigen  Hauptpriester,  die  sich 
müde  recitirt,  gesungen  und  gearbeitet  haben.  Diess  gab  auch  zu  Erwägungen 
Anlass,  warum  er  für  sein  Bischeu  Arbeit  ebensogut  wie  die  andern  belohnt  werde. 
Er  verrichte,  heisst  es,  seine  Arbeit  „mit  dem  Geiste."  Indess  ist  der  Grund  ein 
anderer;  der  Brahmäpriester  soll  nämlich  die  drei  zur  Vollziehung  eines  Opfers  er- 
forderlichen Wedas ,  den  Rik ,  Säma  und  Jadschus  kennen ,  d.  h.  nach  indischer 
Sitte,  auswendig  wissen.  Ausser  dieser  nur  schwer  zu  erwerbenden  Kenntniss  aller 
heiligen  Texte,  die  mindestens  so  umfangreich  sind,  als  der  ganze  Homer  und 
die  noch  erhaltenen  Stücke  der  drei  grossen  griechischen  Tragiker  zusammenge- 
nommen ,  rauss  er  ein  vollkommenes  Verständniss  des  so  ungemein  complicirten 
Opferrituals  haben,  und  selbst  den  Sinn,  Bedeutung  und  Ursprung  der  verschiedenen 
Ceremonien  kennen,  sowie  im  Stande  sein,  bestrittene  Punkte  des  Rituals  endgültig 
zu  entscheiden.  Hieraus  folgt  klar,  dass  er  eine  höhere  Stelle  einnimmt  als  die 
andern;  er  ist,  um  mich  eines  modernen  Ausdrucks  zu  bedienen,  wissenschaftlich 
gebildet,  ein  eigentlicher  Doctor  der  brahmanischen  Theol§gie,  während  die  andern 
nur  Praktiker,  oder  besser,  blosse  Handwerker  sind,  denen  nichts  am  tiefern  Ver- 
ständniss der  Opferkunst  liegt.  Schon  in  einem  Liede  des  Rigweda  (1,  71,  11.) 
wird  als  die  Wissenschaft  des  Brahmän  die  Wissenschaft  von  dem,  was  geworden 


11 

ist,  (jdtavidyä)  d.  h.  von  dem,  was  existirt,  bezeichnet.  Ein  alter  Wedencommen- 
tator,  Jäska  ^),  nennt  den  Brahmän  „einen,  der  alle  "Wissenschaft  hat,  der  mächtiger 
ist,  als  die  alte  Ueberlieferung"  (Ulk,  Säman  und  Yajus) ;  denn  er  fasst  sie  zu 
einer  Einheit  zusammen,  durchdringt  und  beherrscht  sie.  Die  Aussprüche  berühmter 
Brahmäpriester  wurden  auch  frühzeitig  gesammelt.  Sie  bilden  den  wesentlichen 
Inhalt  derBrähmana  und  Upanischad  genannten  wedischen  Schriften,  wovon 
ich  bereits  gesprochen  habe  Da  der  Brahmän  als  Inhaber  des  höchsten  Wissens 
und  unbeschränkter  Macht  über  alles ,  was  existirt,  in  der  Wesenkette  die  höchste 
Stelle  einnimmt,  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  dass  das  Wort  auch  als  Name 
von  Göttern,  wie  namentlich  des  Brihaspati,  der  unter  den  Göttern  dieselbe 
Stellung  hat,  wie  der  Brahmane  unter  den  Menschen  ,  nämlich  die  eines 
Lehrers,  in  altern  wedischen  Schriften  gebraucht  wird.  Ja  bereits  in  spätem 
Büchern  der  wedischen  Epoche  und  namentlich  während  der  epischen  Zeit  wurde 
der  Bralimän  zu  dem  Range  einer  besondern  Gottheit  und  zwar  zum  Weltschöpfer 
erhoben,  einen  Rang  den  er  im  indischen  Pantheon  bis  heute  behauptet,  da  er  mit 
Wischnu  und  Schiwa  zusammen  die  indische  Götterdreiheit  (Trimürü)  bildet. 

Von  diesem  Worte  Brahmän  nun  ist  Brahmana ''),  die  gewöhnliche  Bezeichnung 
eines  Mitgliedes  der  Brahmanenkaste,  abgeleitet ;  es  bedeutet  eigentlich  „was  einem 
Brahmän  angehört",  und  ist  dann  ein  Patrouymikum  oder  Gentilicium  geworden, 
und  heisst  „der  Sohn,  oder  Nachkomme  eines  Brahmän."  Dieses  so  ungemein  ge- 
wöhnliche Sanskritwort  findet  sich  in  den  ältesten  Ueberresten  der  wedischen  Lit- 
eratur, den  Liedern  des  Rigweda,  verhältnissmässig  selten.  Sein  Vorkommen  ist 
indess  wieder  auf  eine  besondere  Kategorie  von  Liedern,  noch  auf  eine  besondere 
Epoche  beschränkt.  Wir  müssen  in  den  Liedern  zwei  Bedeutungen  unterscheiden, 
eine  adjectivische  und  substantivische.  Im  adjecti vischen  Sinne  heisst  es  ,,brah- 
manisch"  oder  ,,was  von  den  Brahmanen  kommt;"  so  die  „brahmanischen  Väter" 
(Rv.  6,  75,  10.)  aber  auch,  ,,was  dem  Brahmäpriester  zugehört",  wie  das  Trink- 
gefäss^j.  (1,  15,  5.  2,  3(i,  5.)  Als  Substantiv  bezeichnet  es  ohne  Zweifel  die  Brah- 
manen im  spätem  Sinne  als  eine  abgeschlossene  Kaste.  Die  merkwürdigsten  Stellen, 
vielleicht  die  ältesten,  in  denen  es  sich  in  diesem  Sinne  findet,  sind  in  einem  Liede 
des  siebenten  Buches  (7,  103j  enthalten,  das  den  Fröschen  als  den  Regenboten 
gewidmet  ist  ^).  Ich  will  die  betreffenden  Strophen  dieses  interessanten,  aber  etwas 
schwer  verständlichen  Liedes  hiehier  setzen. 

1)  Die  Frösche,  die  das  Jahr  hindurch  ruhig  dalagen,  Hessen  ihre  durch  den 
Regen  geweckte  Stimme   wieder   erschallen,    (wie)  Brahmanen,    die  ihrem  Gelübde 

2 


12 

getreu  sind.  (Diess  bezieht  sich  darauf,  dass  die  Brahmanen,  wenn  sie  sich  für 
eine  Ceremonie  vorbereiten,  schweigen  müssen.  Ist  die  Zeit  um,  so  erschallen  die 
Gebete  aufs  neue). 

7)  Wie  die  rings  umher  erklingende  Stimme  der  Brahmanen  beim  nächtlichen 
Somafeste  (atirätra)  anzeigt,  dass  die  Kufe  mit  Soma  gefüllt  ist  wie  ein  Teich, 
so  sind  wir  an  dem  Tage,  wo  ihr  herumhüpfet,  o  Frösche!  mit  Regen  gesegnet. 

8)  Sie  (die  Frösche)  Hessen  ihre  Stimme  erschallen,  (wie)  Brahmanen  beim 
Somaopfer,  wenn  sie  das  Wachsthum  machen  für  das  ganze  Jahr.  Sie  die  (Frösche) 
erscheinen  (überall) ;  keiner  bleibt  verborgen  (wie)  die  (durch  Anstrengung)  er- 
hitzten und  von  Schweiss  triefenden  Somamundscheuken  (die  beim  nächtlichen  Soma- 
fest  aufzuwarten  haben). 

Man  hat  in  diesem  gewiss  alten  Liede  eine  Satire  auf  die  Brahmanen  finden 
wollen,  weil  sie  mit  Fröschen  verglichen  sind.  Indess  ist  diess  nur  scheinbar.  Der 
Verfasser,  angeblich  der  berühmte  Brahmane  Wasischtha,  von  dem  ich  bald 
weiter  reden  werde,  stellt  in  diesem  Liede  die  Frösche  und  die  Brahmanen  nur 
desswegen  zusammen,  weil  beide  Beziehung  zum  Regen  haben ;  die  Frösche  zeigen 
durch  ihr  Quacken  an ,  dass  Regen  gefallen  ist ;  während  die  Brahmanen  durch 
Auspressung  und  Darbringung  des  Somasaftes  den  Donnergott  Indra  so  stärken 
und  kräftigen,  dass  er  die  Dämonen  in  der  Luft  schlagen,  die  Wolkenburg  spalten 
und  der  lechzenden  Erde  den  fruchtbringenden  Regen  senden  kann.  Das  Lied 
wird  in  Verbindung  mit  dem  vorhergehenden,  an  den  Regengott  (Parjanya)  ge- 
richteten, jetzt  noch  zur  Zeit  grosser  Düre  gebraucht,  wenn  der  heissersehnte  Regen 
nicht  kommen  will.  Zwanzig  bis  dreissig  Brahmanen  gehen  an  einen  Fluss,  und 
recitiren  diese  beiden  Hymnen,  um  den  Regen  herabzulocken. 

In  einem  andern  alten  Liede  (1,  164,  45.)  wird  der  Brahmanen  also  gedacht: 
„Die  Sprache  hat  vier  Grade ;  die  weisen  Brahmanen  wissen  sie ;  die  drei  ver- 
borgenen offenbaren  sie  nicht;  die  vierte  sprechen  die  Menschen."  Hier  bezeichnet 
Brahmanas  offenbar  Männer,  die  in  die  Geheimnisse  der  Natur  eingeweiht  sind, 
welche  sie  andern  Menschen,  also  Nichtbrahmanen,  nicht  mittheileu. 

Die  wichtigste  Stelle  in  dem  Rigweda  über  die  Brahmanen,  und  namentlich 
ihren  Ursprung  ist  in  einem  Liede  des  zehnten  Buches  (90.)  enthalten.     Das  Lied 


13 

selbst  heisst  Purusha-süMa,  d.  h  das  Lied  vom  Menschen,  und  gilt  für  eines  der 
allerwichtigsten  im  ganzen  Weda  (es  findet  sich  auch  im  Jadschur-  und  Athar- 
waweda) ,  und  wird  jetzt  noch  von  jedem  orthodoxen  Brahmanen  jeden  Morgen, 
nachdem  er  sein  Bad  genommen,  hergesagt.  Die  Weltschöpfung  ist  darin  als  Opferung 
eines  Puruscha  oder  menschlichen  Wesens  mit  tausend  Köpfen ,  tausend  Augen 
und  tausend  Füssen  dargestellt.  Die  Götter  opferten  ihn.  Aus  diesem  Opfer  ent- 
standen die  verschiedenen  Thiere,  die  Verse  des  Kigweda,  die  Gesänge  u.  s.  w.  Nun 
■heisst  es  weiter  (Vers  11  und  12).  „Als  die  Götter  diesen  Urmenschen  zertheilten, 
in  wieviele  Theile  zerlegten  sie  ihn?  Was  wurde  sein  Mund,  was  seine  Arme?  Was 
sollen  seine  Schenkel  und/  Füsse  geworden  sein?  Sein  Mund  ward  der  Brahmane, 
seine  Arme  der  Kschatrija,  seine  Schenkel  der  Waischja ;  aus  seinen  Füssen  wurde 
der  Schudra  gehören." 

Diese  Stelle  wird  von  den  Brahmanen  als  die  magna  charta  ihrer  bevorzugten 
und  dominirenden  Stellung  angesehen.  Sie  wurde  später  dahin  gedeutet,  dass  dieses 
ürwesen  Brahma  sei,  und  dass  die  Brahmanen  aus  seinem  Munde,  die  übrigen 
Kasten  aus  den  übrigen  Körpertheilen  hervorgegangen  seien.  Sie  beweist  jedenfalls, 
dass  das  Kastenwesen  in  Indien  sehr  alt  ist,  und  sich  bereits  in  der  wedischen 
Zeit  findet.  Man  hat  dieser  Zeit  das  Kastenwesen  absprechen  wollen ,  weil  mit 
Ausnahme  dieser  Hymne  nirgends  in  den  alten  Liedern  eine  deutliche  Erinnerung 
daran  sich  finde.  Die  Hymne  selbst  hat  man  ganz  an  das  Ende  der  wedischen 
Periode  verlegt.  In  ihrer  gegenwärtigen  Fassung  ist  sie  wohl  nicht  älter  als  die 
Mehrzahl  der  Hymnen  des  zehnten  Buches  und  die  des  Atharwaweda.  Aber  die 
darin  enthaltenen  Ideen  sind  sicherlich  uralt;  namentlich  der  descriptive  Theil  der- 
selben sieht  wie  eine  versificirte  Opferformel  aus.  Und  in  der  That  steht  das  Lied 
im  Jadschurweda  auch  unter  Formeln ,  die  sich  auf  das  Menschenopfer  beziehen, 
das  in  früheren  Zeiten  in  Indien  üblich  war. 

Wenn  man  indess  auch  zugibt,  dass  diese  Hymne  mit  ihren  Gedanken  erst 
ein  sehr  junges  Produkt  der  wedischen  Zeit  sei,  so  ist  damit  immer  noch  kein  zu- 
reichender Beweis  geliefert,  dass  die  Kasten  in  der  frühesten  Zeit  der  Einwanderung 
der  Arier  in  Indien  überhaupt  noch  nicht  existirten.  Wie  wir  oben  gesehen  haben 
(S.  9),  kömmt  schon  der  Brahmän  im  Gegensatz  zum  Bäjan,  d.h.  einem  Mifc- 
gliede  der  Kriegerkaste  (sie  heissen  statt  KsJiatriya  öfter  Rajanya)  vor,  was  deutlich 
auf  Kastenunterschied  hinweist.  Zudem  ist  es  schwer  denkbar,  dass  das  Kasten- 
system, dessen  in    allen  Theilen  aller   vier  Wedas  ^°)  bald  häufiger,   bald  seltener 

2* 


14 

gedacht  wird,  sich  plötzlich  in  der  spätem  wedischen  Periode  gebildet  habe.  Der 
Grund,  dass  die  Namen  der  Kasten  in  denjenigen  Hymnen  des  Rigweda,  die  mit 
Recht  oder  Unrecht  als  die  ältesten  gelten,  (denn  eine  eingehende  Untersuchung 
mit  sichern  Resultaten  fehlt  bis  jetzt  ganz)  nicht  erwähnt  werden,  kann  auch  ein 
anderer  sein.  Man  darf  nämlich  nicht  übersehen,  dass  die  weitaus  überwiegende 
Zahl  wedischer  Hymnen  für  Opferzwecke  und  zum  Theil  für  ganz  bestimmte  Cere- 
monien  gedichtet,  oft  nur  die  poetischen  Variationen  uralter  Opferformehi  **)  sind, 
und  dass  sie  ferner  in  ihrer  Mehrzahl  von  brahmanischen  Verfassern  herrühren. 
Da  das  Ceremoniel  in  den  Liedern  nicht  vorgeschrieben  ist,  sondern  sich  hier  fast 
alles  um  die  Anrufung  der  verschiedensten  Götter  dreht,  so  war  auch  keine  Ge- 
legenheit geboten,  der  Kasten  besonders  zu  gedenken.  Die  Opferer,  d.  h.  diejenigen, 
welche  die  Opfer  bringen  lassen,  (die  sogenannten  Yajamänäs)  heissen  ,, Geber" 
im  Allgemeinen ,  auch  „die  Reichen"  (magliavan) ,  ohne  dass  die  Kaste  genannt 
wäre.  Nach  den  Brähmanas ,  welche  sich  den  alten  Sammlungen  von  Liedern 
und  Sprüchen  anschliessen ,  wie  wir  gesehen  haben ,  sind  die  drei  obern  Kasten 
Brähmanas,  Kschatrijas  und  Waischjas  (Ackerbauer),  in  welche  die  altarischen 
Einwanderer  zerfielen,  allein  berechtigt,  ein  Opfer  bringen  zu  lassen ;  aber  das  Voll- 
ziehen derselben  ist  bereits  das  ausschliessliche  Privilegium  der  Brahmanen.  Für 
alle  Opfernden,  welcher  dieser  drei  Kasten  sie  auch  angehörten,  wurden  im  Ganzen 
dieselben  heiligen  Verse  und  Opferformeln  angewandt  mit  einigen  unwesentlichen 
Unterschieden ,  wie  z.  B.  in  der  Wahl  der  Metra.  Auch  gab  es  für  die  Könige 
besondere  Opfer,  wie  z.  B.  das  Aschwamedha  d.  i.  Pferdeopfer,  das  Königs- 
Weiheopfer  (räjasüya).  Nur  die  Schudras  waren  vom  Antheil  an  allen  Opfern 
ausgeschlossen.  Da  es  nun  keine  besonders  für  Brahmanen,  oder  für  Kschatrijas, 
oder  Waischjas  gedichteten  Lieder  und  Opfersprüche  gab ,  wie  es  wirklich  deren 
für  die  Ceremonien  der  Schudras  gibt  (denn  diese  dürfen  nicht  einmal  Wedaverse 
hören),  so  war  für  die  wedischen  Poeten  gar  keine  Gelegenheit  vorhanden,  in  ihren 
Hymnen  der  Kasten  zu  gedenken.  Das  Nichtvorkommen  der  einzelnen  Namen 
derselben  beweist  desswegen  noch  gar  nicht  ihre  Nichtexistenz.  Der  Schluss  war 
jedenfalls  voreilig.  Es  lässt  sich  ausser  den  gegebenen  noch  ein  weiterer  positiver 
Grund  anführen,  dass  die  Kasten  schon  in  der  ältesten  Zeit  wirklich  vorhanden 
waren.  In  den  Religionsurkunden  der  so  nahe  verwandten  Iranier,  dem  Zendawesta, 
finden  sich  ganz  deutlich  die  vier  Kasten ,  nur  unter  andern  Namen ,  nämlich : 
1)  Äthrava  „Priester"  (Skr.  Atharvan) ,  2)  Bathaestäo  „Krieger" ,  3)  Västryö 
fshüyäs  „Ackerbauer",  4)  Hüitis  (Pehl.  hutokhsh)  „Handwerker"  {Yasna  19,  17. 
Westerg.).     Nähere  Angaben    über   das   gegenseitige  Verhältniss  dieser  Kasten  zu 


15 

mander  enthalten  die  Zendschriften  zwar  nicht;  aber  wir  können  aus  mehreren 
Umständen  schliessen,  dass  die  Priester,  die  Athravas,  bereits  eine  Art  Kaste  bil- 
deten. So  wird  z.  B.  dem  Zarathustra  (Zoroaster)  von  Ahuramazda  (Ormuzd)  ver- 
boten, einen  heiligen  Spruch  jemand  anders  als  einem  ÄtJirava,  d.  i.  Priester,  mit- 
zutheilen  (Yashts  14,  46.  Westerg.)  Niemand  als  der  Sohn  eines  Priesters  darf 
Priester  werden,  und  die  Töchter  von  Mitgliedern  der  Priesterkaste  dürfen  nur 
innerhalb  der  Kaste  verheirathet  werden,  ein  Gebrauch,  der  heute  noch  besteht. 
Der  Unterschied  der  übrigen  Kasten  hat  sich  indess  bei  den  Zoroastriern  ebenso 
verwischt,  wie  auch  bei  den  Hindus  sich  nur  die  Brahmanenkaste  im  Ganzen  rein, 
aber  doch  in  unzählige  Abtheilungen  gespalten,  erhalten  hat,  während  die  übrigen 
drei  Kasten  sich  in  eine  grosse  Zahl  von  Mischkasten  aufgelöst  haben,  so  dass 
heutzutage  vier  Kasten  eigentlich  nur  in  der  Theorie,  aber  nicht  in  der  Wirklichkeit 
existiren.  Dieser  Umstand  nun,  dass  sich  bei  den  Zoroastriern  noch  ein  liest  des 
Kastenwesens  erhalten  hat,  spricht  sehr  für  die  Annahme,  dass  dasselbe  schon  bei 
den  Indern  in  der  ältesten  Zeit,  jedenfalls  seit  ihrer  Einwanderung  in  Indien  be- 
stand. Wie  eng  der  Zusammenhang  zwischen  den  alten  Indern  und  Iraniern  noch 
in  der  wedischen  Zeit  gewesen  sein  muss ,  zeigt  eine  von  mir  kürzlich  entdeckte 
deutliche  Anspielung  auf  den  Anfangsvers  des  Atharwaweda,  die  sich  im  Zenda- 
westa  findet  ^^). 

Wir  dürfen  es  nach  dieser  Untersuchung  als  eine  kaum  zu  bezweifelnde  That- 
sache  aussprechen,  dass  die  Brahmanen  bereits  in  der  ältesten  wedischen  Zeit  eine 
besondere  Kaste  bildeten,  dass  die  Aufnahme  in  dieselbe  zwar  nicht  unmöglich, 
aber  doch  mit  den  grössten  Schwierigkeiten  verbunden  war.  Diese  Schwierigkeiten 
sind  am  anschaulichsten  in  der  Sage  von  König  Wisch wäraitra  abgespiegelt. 
Da  dieser  König  durch  den  bekannten  Spottvers  von  Heinrich  Heine  eine  ge- 
wisse Celebrität  in  Deutschland  erlangt  hat,  so  will  ich  die  so  interessante  Sage 
über  seinen  Kampf  um  die  Erlangung  der  Brahmanenwürde  hier  einflechten.  Sie 
findet  sich  in  verschiedenen  Schriften  des  indischen  Alterthums,  namentlich  aber 
in  den  beiden  grossen  epischen  Gedichten,  dem  Mahdbhärata  und  Rdmmjana ;  am 
ausführlichsten  und  anziehendsten  aber  in  dem  letztern  (I,  51  —  65).  Nach  diesem 
war  Wisch wämitra  ein  grosser  König  und  kam  auf  seinem  Zuge  durch  die 
Erde,  begleitet  von  seiner  ganzen  Armee,  zu  der  Einsiedelei  des  Brahmanen  Wa- 
s  i  s  c  h  t  h  a ,  der  ihn  mit  seinem  Heere  gastlich  aufnahm.  Eine  wunderthätige  Kuh 
im  Besitze  von  Wasischtha  lieferte  die  köstlichsten  Speisen  und  Getränke  für  den 
König  und  die  ganze  Armee.    Der  König  erbat  sie  sich  von  Wasischtha  für  100,000 


16 

gewöhnliche  Kühe ;  aber  der  Brahmane  schlug  ihm  seine  Bitte  ab.  Nun  steigerte 
der  König  sein  Angebot.  Als  aber  alles  vergeblich  war,  gab  er  Befehl,  die  Kuh 
mit  Gewalt  wegzuführen,  aber  es  gelang  ihm  nicht;  denn  die  Kuh  kehrte  stets  zu 
ihrem  Herrn  zurück.  Sie  forderte  nun  den  Wasischtha  auf,  ihr  zu  erlauben,  mit 
Wischwamitra  und  seiner  Armee  in  offenen  Kampf  zu  treten.  Nach  einiger  Zö- 
gerung ertheilte  ihr  Herr  die  Erlaubniss  zum  Kampfe.  Die  Kuh  rief  sodann  durch 
ihr  Brüllen  ganze  Heere  von  Kriegern  hervor.  Nach  längerem  Kampfe  wurde  Wisch- 
wamitra mit  seiner  ganzen  Armee  vollständig  besiegt,  und  verlor  noch  obendrein 
hundert  von  seinen  Söhnen.  Nach  seiner  Niederlage  begab  er  sich  auf  den  Hima- 
laja, unterzog  sich  schweren  Kasteiungen,  als  deren  Lohn  ihm  Mahädewa  (Schiwa) 
„die  Wissenschaft  der  Waffen"  in  allen  ihren  Theilen  offenbarte,  und  ihn  sogar 
mit  himmlischen  Waffen  versah.  Er  kehrte  zurück,  griö'  sofort  die  Einsiedelei 
des  Wasischtha  an,  verbrannte  sie  und  jagte  alle  ihre  Einwohner  in  die  Flucht. 
Jetzt  kam  es  zum  Zweikampf  zwischen  Wischwamitra  und  Wasischtha.  Der  Brah- 
mane bedroht  nun  Wischwamitra  mit  dem  Brahmastocke  (hralimadanda) ;  dieser 
aber  erhebt  seine  feurige  Waffe  (ägneyam  astram),  und  heisst  Wasischtha  Stand 
halten  Der  Brahmane  erwiedert  seine  Aufforderung  mit  folgenden  höhnischen 
Worten:  ,,Wie  kann  deine  Kschatrija-Macht  mit  der  Macht  eines  Brahmanen  über- 
haupt verglichen  werden?  Schau,  du  erbärmlicher  Kschatrija!  meine  göttliche 
Brahma- Macht!"  Die  feurige  Waffe,  welche  Wischwamitra  zum  Kampfe  erhob, 
wurde  von  dem  Stocke  des  Brahmanen  unschädlich  gemacht,  „wie  Feuer  vom  Wasser 
gelöscht  wird."  Er  focht  dann  mit  andern  göttlichen  Waffen,  darunter  selbst  mit 
dem  Dreizack  des  Schiwa ,  und  der  furchtbaren  Waffe  des  Gottes  Brahma  selbst, 
gegen  den  Brahmanen ;  aber  sein  Brahmastock  verschlang  sie  alle.  Jetzt  nahm 
Wasischtha  eine  furchtbare  Gestalt  an ;  Feuer  sprühte  aus  allen  Poren  seines  Körpers. 
Die  Eremiten  besänftigten  ihn,  um  grosses  Unheil,  etwa  einen  Weltbrand,  zu  ver- 
hüten ;  der  Brahmane  that  dem  Laufe  seiner  Rache  Einhalt,  da  seine  Ueberlegenheit 
von  seiner  Umgebung  anerkannt  war.  Wischwamitra  selbst  erkannte  die  Nichtigkeit 
seiner  ganzen  Macht  im  Vergleich  mit  der  brahmanischen  mit  den  Worten  an: 
„Pfui  der  Stärke  eines  Kschatrija!  die  Stärke  eines  Brahmanen  allein  ist  Stärke; 
durch  den  Brahmastock  allein  sind  alle  meine  Waffen  vernichtet  worden."  Dem 
König  blieb  nun  nichts  übrig  als  sich  entweder  in  seine  untergeordnete  Lage  zu 
finden,  oder  sich  durch  langdauernde  Kasteiungen,  durch  fortgesetzte  Concentration 
des  Geistes,  die  Brahmanen  würde  zu  erwerben.  Der  ehrgeizige,  willenskräftige 
Wischwamitra  entschloss  sich  zu  dem  letztern.  Nachdem  er  seine  Bussübungen 
eintausend  Jahre  lang  fortgesetzt,  erschien  ihm  der  Gott  Brahma,  von  allen  Göttern 


17 

gefolgt,  und  kündigte  ihm  an,  dass  er  ein  „königlicher  Eischi  (räjarshi)''  sei,  d.  h. 
er  habe  jetzt  den  Rang  eines  Rischi  oder  Weisen,  gehöre  aber  immer  noch  der 
Kriegerkaste  an ,  wenn  er  auch  darin  die  höchste  Stufe  erreicht  habe.  Wischwä- 
mitra  betrachtete  diese  Auszeichnung  als  eine  ganz  ungenügende  Belohnung  seiner 
durch  die  Kasteiungen  erworbenen  Verdienste.  Er  begann  seine  ßussübungen,  wo- 
durch nach  indischer  Anschauung  sich  jeder  eine  übernatürliche  Macht  erwerben 
und  den  Göttern  alles  abtrotzen  kann,  aufs  neue.  Nach  Verfluss  von  weitern 
tausend  Jahren  erschien  Brahma  wieder  mit  den  Göttern,  um  ihm  seinen  Lohn  zu 
geben;  er  wurde  als  ., Rischi''  schlechthin,  d.  h.  als  Weiser  und  Seher  proclamirt^ 
ohne  einen  auf  die  Kaste  deutenden  Beisatz.  Aber  auch  diese  Auszeichnung  be- 
friedigte ihn  nicht.  Er  setzte  seine  Kasteiungen  fort ;  aber  die  Götter  geriethen 
in  Sorge  ob  seiner  täglich  wachsenden  übernatürlichen  Kraft,  und  beschlossen,  ihn 
durch  eine  himmlische  Nymphe,  die  Menakä,  verführen  zu  lassen.  Der  Plan 
gelang  nur  theilweise ,  da  Wischwämitra  sich  bald  seiner  unwürdigen  Leidenschaft 
zu  schämen  begann  und  die  Nymphe  wieder  fortschickte.  Nach  Verfluss  von  weitem 
tausend  Jahren  ertheilte  ihm  Brahma  den  Rang  eines  „grossen  Rischi''  (maharshi), 
ohne  Beisatz  der  Kaste.  Aber  auch  dieser  hohe  Titel  genügte  ihm  nicht;  er  ver- 
langte den  eines  Brahma  -  Rischi,  d.  h.  eines  Rischi  der  ßrahmanenkaste.  Brahma 
sagte  ihm,  dass  er  seine  Sinne  noch  nicht  ganz  bezähmt  habe,  und  folglich  dieses 
höchsten  Ranges  noch  nicht  würdig  sei.  Wischwämitra  unterzog  sich  nun  noch 
viel  härtein  Kasteiungen  als  bisher.  Nach  Verfluss  von  tausend  Jahren  war  seine 
Kraft  so  gewachsen,  dass  sie  den  Göttern  den  grössten  Schrecken  einflösste.  Sie 
wandten  sich  in  ihrer  Noth  wieder  an  eine  himmlische  Nymphe,  die  Rambhä, 
mit  dem  Auftrage,  Wischwämitra  zu  verführen.  Dieser  erkannte  die  geheime  Ab- 
sicht der  Götter ,  und  verfluchte  die  Nymphe ,  dass  sie  ,sofort  in  Stein  verwandelt 
wurde.  Aber  nun  hatte  ihn  dieser  Fluch  mit  seinen  für  die  himmlische  Nymphe 
so  furchtbaren  Folgen  aller  seiner  Kraft  beraubt,  und  so  musste  er  seine  Kastei- 
uugen  von  neuem  beginnen.  Er  unterzog  sich  den  furchtbarsten ,  ganz  unerhörten 
Anstrengungen  weitere  tausend  Jahre.  Nach  Verfluss  dieser  Zeit  hatte  er  allen 
Zorn  vollständig  besiegt.  Endlich  Hessen  sich  die  Götter  aus  Furcht,  er  möchte 
durch  seine  Busskraft  Himmel  und  Erde  zerstören,  herbei,  ihm  die  heissersehnte 
Brahmanenwürde  zu  verleihen.  Brahma  begrüsste  ihn  als  ,,Brahma- Rischi."  d.  h. 
als  einen  Rischi  der  Brahmanenkaste.  Wischwämitra,  ausser  sich  vor  Freude,  dass 
endlich  nach  Verlauf  von  vielen  tausend  Jahren  sein  Wunsch  in  Erfüllung  ge- 
gangen war,  verlangte  von  den  Göttern,  dass  er  als  Brahmane  von  den  Wedas 
sowohl   als  von   seinem  grossen   Gegner,  Wasischtha,  anerkannt  werde,    was   auch 


18 

wirklich  geschah.  Also  solche  Anstrengung,  Ausdauer  und  Mühsale  aller  Art 
kostete  es  nach  indischer  Anschauung  einen  mächtigen  König,  um  den  Rang,  die 
Würde  und  die  geistliche  Macht  eines  Brahmanen  zu  erringen! 

Dieser  lehrreichen  Legende  liegen  historische  Facta  zu  Grunde,  wie  ein  näheres 
Studium  der  Lieder  des  Rigweda  ergeben  hat.  Unter  den  zehn  Büchern,  in  welche 
diese  Sammlung  der  uralten  heiligen  Hymnen  der  Brahmanen  zerfällt,  enthält  das 
dritte  die  Lieder  des  Wischwämitra  und  seiner  Familie,  das  siebente  die  des  Wa- 
sischtha  und  seiner  Augehörigen.  Aus  beiden  sehen  wir,  dass  beide  Rischis  am 
Hofe  eines  in  der  wedischen  Zeit  berühmten  Königs,  des  Su das,  die  Stelle  eines 
Furohita  '^)  (d.  h.  der  Vorgesetzte),  eines  geistlichen  und  weltlichen  Rathgebers,  einer 
Art  von  Premierminister,  bekleideten.  Geistliches  und  Weltliches  waren  so  eng 
miteinander  verbunden,  dass  sie  nicht  geschieden  werden  konnten.  Alles  Glück 
und  Gedeihen  hing  von  der  richtigen  Vollziehung  der  Opfer  ab.  Ihrem  Gelingen 
allein  verdankte  der  König  den  Sieg  über  seine  Feinde.  Soviel  scheint  festzustehen, 
dass  Wischwämitra  der  Kriegerkaste,  und  nicht  der  der  Brahmanen  angehörte,  und 
dass  er  oder  seine  Familie  längere  Zeit  um  Anerkennung  des  von  ihnen  kraft  des 
Besitzes  alter  wunderkräftiger  Lieder  und  höherer  Weisheit  beanspruchten  Brahmanen- 
raugs  zu  kämpfen  hatte;  deim  der  Zug,  dass  Wischwämitra  ein  Kschatrija  war, 
kehrt  überall  Avieder.  Der  Grund  des  Hasses  zwischen  Wischwämitra  und  Wa- 
sischtha  und  der  vielleicht  durch  mehrere  Generationen  hindurch  andauernden  Er- 
bitterung zwischen  beiden  Familien  scheint  der  gewesen  zu, sein,  dass  Wischwämitra 
von  Wasischtha,  oder  auch  umgekehrt,  aus  der  Premierministerstelle  am  Hofe  des 
Sudäs  verdrängt  wurde ;  denn  nach  indischer  Sitte  sind  Ministerstellen  erblich.  Wa- 
sischtha, in  dessen  Hymnen  das  Wort  Brahma  so  ungemein  häufig  sich  findet, 
beanspruchte  als  Inhaber  des  Brahma  eine  höhere  Macht.  In  den  Liedern  seiner 
Familie  wird  ihm  sogar  ein  übernatürlicher  Ursprung  zugeschrieben  (er  heisst  der 
Sohn  des  Mitra  -  Varuna  und  der  TJrvas'i.  Rv.  7.  33,  11.).  Seine  Weisheit  und 
sein  Wissen  wird  als  ganz  übernatürlich  geschildert.  Indess  Wischwämitra  scheint 
sowohl  als  Dichter  von  Opferliedern  als  auch  durch  practische  Ausübung  der  Opfer- 
kunst sich  einen  grossen  Ruf  erworben  zu  haben.  Die  förmliche  Anerkennung  seiner 
Familie  als  einer  brahmanischen  scheint  zwar  keine  Folge  seiner  Kasteiungen,  die 
wohl  alle  mythisch  sind,  sondern  die  der  Adoption  eines  jungen  Brahmanenknaben 
gewesen  zu  sein,  der  von  seinem  unnatürlichen  Vater  (laut  der  alten  im  Aitareya 
Brähmana  erzählten  Legende  ^*)  an  einen  König  verkauft  worden  war ,  um  an 
der  Stelle  seines  Sohnes,  dessen  Leben  dem  Gotte  Waruna  verfallen  war,   geopfert 


19 

zu  werden,  Wischwämitra  adoptirte  ihn,  nachdem  er  von  dem  Opfertode  durch 
die  Gnade  der  Götter  erlöst  war ,  zum  Verdruss  von  fünfzig  seiner  Söhne ,  und 
setzte  ihn  zum  Erben  seiner  „Wissenschaft",  d.  h.  der  von  ihm  gedichteten  Lieder 
und  von  ihm  erworbenen  Opferkenntniss  ein. 

Obschon  sich  der  Ursprung  der  Familie  des  Wischwämitra  aus  der  Krieger- 
kaste nie  verwischt  hat,  so  wurde  er  doch  später  als  einer  der  Gründer  des  Brah- 
manenthums  anerkannt,  und  erhielt  einen  Platz  unter  den  7  grossen  Rischis,  die 
nach  brahmanischem  Glauben  als  Sterne  erster  Grösse  im  Bilde  des  grossen  Bären 
prangen.  Ja  der  heiligste  Vers  des  ganzen  Weda,  die  sogenannte  Gäyatrt,  oder 
Sävitri,  (er  ist  im  Gäyatn-Metrnm  und  an  den  Gott  Savitar  d.  i.  die  Sonne,  ge- 
richtet) findet  sich  in  der  Sammlung  der  Lieder  des  Wischwämitra  (Rv.  3,  62,  10.). 
Jetzt  noch  existiren  Nachkommen  seines  Geschlechtes  ^^),  sowie  von  dem  des  Wa- 
sischtha,  wie  ich  durch  meinen  Verkehr  mit  Brahmanen  erfuhr.  Mehrere  davon 
waren  meine  Schüler. 

Die  Geschichte  des  Wischwämitra  eröffnet  bereits  einen  Einblick  in  das  Ver- 
hältniss  der  Brahmanen  zu  den  übrigen  Kasten ,  insbesondere^  zu  der  Kriegerkaste. 
Wir  sehen  hier  die  geistliche  und  weltliche  Macht  im  Kampfe  auf  Leben  und 
Tod  miteinander.  Der  Inhaber  der  weltlichen  Macht  unterliegt ,  und  kommt  zur 
Einsicht,  dass  seine  Macht  nichts  sei  im  Vergleich  mit  der  eines  Brahmanen. 
Hieran  reihen  sich  einige  interessante  Fragen,  die  ich  in  Kürze  beantworten  will. 
Vor  allem  ist  mau  begierig  zu  wissen ,  durch  welche  Mittel  denn  die  Brahmanen 
zu  einer  so  ausserordentlichen  Macht  gelangten,  wie  sie  dieselbe  befestigten,  und  wie 
sich  die  weltliche  Macht  dazu  verhielt 

Wie  wir  bereits  bei  der  Erklärung  der  Worte  Brahma  und  Brahmana  ge- 
sehen haben,  verdanken  die  Brahmanen  ihren  Einfluss  und  ihre  hervorragende  Stellung 
hauptsächlich  ihrem  höheren  Wissen,  besonders  aber  der  Opferkunst.  Um  diess 
begreiflich  zu  machen,  muss  ich  hier  einiges  über  das  indische  Opfer  im  Allge- 
meinen *^)  bemerken.  Dieses  hat  eine  andere  und  viel  weiter  greifende  Bedeutung 
als  bei  den  Griechen ,  Römern  oder  Hebräern.  Die  Opfer ,  welche  die  Brahmanen 
bringen,  sind  in  der  Regel  weder  Dankopfer,  die  man  den  Göttern  für  erwiesene 
Wohlthaten  bringt,  noch  Sühnopfer,  wodurch  man  sich  von  den  schweren  Folgen 
eines  Verbrechens  oder  einer  Sünde  loskauft,  sondern  sie  sind  das  Mittel  zur  Be- 
friedigung aller  Wünsche,  auch  der  übertriebensten.     Durch  Opfer  kann  man  sich, 

3 


20 

(wie  schon  oben  bemerkt  wurde)  irdischen  Besitz,  Nahrung,  Viehstand,  Nach-- 
kommenschaft,  Ehre,  Ruhm,  den  Ruf  der  Heiligkeit,  Macht  und  Gewalt,  und  nach 
dem  Tode  einen  Platz  im  Himmel  erringen  und  selbst  ein  Gott  werden.  Die  Ge- 
winnung des  Himmels  und  des  Ranges  einer  Gottheit  ist  meist  der  Hauptzweck 
der  Opferer.  Selbst  die  Götter,  denen  man  opfert,  haben  sich  ihren  Rang  erst 
durch  Opfer  erworben,  eine  Anschauung,  der  man  schon  in  den  Liedern  des  Rig- 
weda  begegnet.  Anfangs  waren  die  Opfergebräuche  sicher  einfach,  aber  schon 
während  der  Zeit  der  Abfassung  der  Mehrzahl  wedischer  Lieder  wurden  sie  bereits 
so  complicirt,  dass  weder  ein  Priester  noch  ein  Tag  dazu  ausreichte.  Die  Zahl 
der  verschiedenen  Riten,  von  denen  jeder  eine  symbolische  Bedeutung  hat,  mehrte 
sich  von  Tag  zu  Tag,  um  das  Opfer  in  die  Länge  zu  ziehen  und  so  die  Taschen 
der  Gläubigen  zu  leeren.  Je  complicirter  das  Opfer  wurde,  desto  schwieriger  wurde 
auch  seine  Vollziehung,  aber  auch  desto  sicherer  sein  Erfolg.  Wollte  ein  an  die 
Opferwuuder  Gläubiger  einen  bestimmten  Zweck  erreichen,  so  erfuhr  er  bald,  dass 
e  i  n  Opfer  nicht  genügte.  Er  musste  einen  langedauernden  Opfercursus  durchmachen, 
indem  er  vom  einfachen  zum  complicirten  Opfer  fortschritt.  Zuerst  hatte  man  die 
zum  Opfer  nöthigen  drei  heiligen  Feuer  zu  gründen ;  so  wurde  man  ein  Agnihotn, 
d.  h.  einer,  der  das  täglich  vorgeschriebene  Feueropfer  bringt,  wie  die  Anhänger 
der  alten  wedischen  Religion  jetzt  noch  in  Indien  heissen.  Nun  folgen  die  Neu- 
monds- und  Vollmondsopfer,  bei  denen  noch  vier  Priester  genügen  (drei  Haupt- 
priester und  ein  Assistent).  Zum  glücklichen  Erfolg  war  aber  noch  ein  grosses 
Somaopfer,  dessen  Vollziehung  wenigstens  fünf  Tage  in  Anspruch  nimmt,  und  sechs- 
zehn Priester  erfordert,  nothwendig.  Ja  wer  der  Erreichung  seines  Wunsches  ganz 
sicher  sein  wollte,  that  wohl  einen  ganzen  Cyclus  von  sieben  Somaopfern  (das  so- 
genannte Jyotishtoma)  zu  bringen.  Wer  Lust  hatte,  weiter  zu  opfern,  dem  war 
ebenfalls  Gelegenheit  geboten.  Die  Zahl  der  Priester  konnte  vervierfacht  werden, 
so  dass  64  uöthig  wurden  (bei  dem  sogenannten  Sarvato-muJcha  Opfer).  Für  die 
Kschatrijas  gab  es  noch  besondere  Opfer,  wie  das  Aschwamedha,  d.i.  Pferde- 
opfer, das  Rädschasüya,  d.  i.  das  mit  der  Königsweihe  verbundene  Opfer.  Das 
Pferdeopfer  war  das  allerkostspieligste,  da  der  König  zu  demselben  ßrahmanen  von 
allen  Theilen  Indiens  einzuladen,  und  sie  alle  mit  Geschenken  zu  bedenken  hatte, 
so  dass  seine  Schatzkammer  für  lange  erschöpft  wurde.  Es  gab  Opfer,  die  soge- 
nannten Sattras,  d.  i.  Opfersitzungen ,  die  ein  ganzes  Jahr ,  ja  sogar  eine  ganze 
Reihe  von  Jahren  dauern  konnten ,  so  dass  die  Opferkunst  ein  eigentliches  und 
zwar  sehr  einträgliches  Gewerbe  wurde.  Es  bildeten  sich  ganze  Corporationen  von 
Brahmanen,  die  ihr  ganzes  Leben  der  Vollziehung  von  Opfern  widmeten.    Die  Könige 


21 

mussten  sie  unterstützen;  denn  das  Wohl  des  Landes  hing  davon  ab.  Wo  viel 
geopfert  wird,  da  fällt  nach  einer  heute  noch  in  Indien  herrschenden  Anschauung 
reichlicher  Regen.  Bei  anhaltender  Trockenheit  sagen  die  Brahmanen  jetzt  noch, 
dass  es  Folge  von  Abnahme  der  Opfer  sei,  die  von  der  englischen  Regierung  keine 
Unterstützung  fänden .  wie  sie  es  immer  von  Seite  der  einheimischen  Fürsten  ge- 
funden. Die  Hauptgottheit  des  Somaopfers  war  stets  Indra,  der  durch  Gewitter 
Regen  spendende  Gott.  Die  Brahmanen  hatten  es  in  ihrer  Gewalt,  durch  die  Be- 
reitung des  Somatrankes  aus  dem  Safte  des  Sarcostemma  viminale  ihn  so  zu 
stärken ,  dass  er  die  von  einem  Dämon  geraubten  Wolkenwasser  befreite  und  auf 
die  dürstende  Erde  ausgoss. 

Die  ursprüngliche  Bedeutung  der  Brahmanen  lag  hauptsächlich  darin,  dass 
sie  die  Gewitter-  und  Regenmacher  waren,  und  so  als  die  Inhaber  des  Brahma, 
d.  i.  des  Wachsthums  und  Gedeihens,  als  Nahrungsspender  galten.  Die  Anschauung 
muss  uralt  sein,  und  schon  frühe  tiefe  Wurzehi  in  den  Gemüthern  des  indischen 
Volkes  geschlagen  haben.  Da  die  Wissenschaft  der  Brahmanen  für  ganz  unent- 
behrlich galt,  so  wussten  diese  schlauen  Köpfe  sehr  bald  den  Kreis  ihrer  Thätigkeit 
zu  erweitern.  Sie  versprachen  nicht  nur  dem  verschmachtenden  Volke  Regen  vom 
Himmel  herabzuzaubern,  sondern  vermöge  ihrer  Kenntniss  der  heiligen  Lieder  und 
Gesänge,  jeden  Wunsch  zu  befriedigen,  dem  Kinderlosen  Nachkommenschaft,  dem 
Armen  Reichthum,  dem  Könige  Macht  und  ausgedehnte  Herrschaft,  dem  Ehrgeizigen 
Ruhm  und  Ehre  u.  s.  w.  zu  erwirken.  Sie  standen  der  Menge  als  w^ahre  Wunder- 
männer gegenüber,  in  deren  Dienste  die  Götter  und  alle  Naturkräfte  standen.  Darf 
es  da  Wunder  nehmen,  wenn  sie  von  der  ungebildeten  Masse  des  indischen  Volkes 
wie  Götter  angestaunt  und  verehrt  wurden  ?  Da  ihre  Geltung  von  dem  Besitze  der 
heiligen  Lieder,  Sprüche  und  der  Kenntniss  der  Opfer  abhing,  so  trugen  sie  Sorge, 
ihre  Wissenschaft  geheim  zu  halten.  Der  Weda  durfte  lange  gar  nicht  schriftlich 
aufgezeichnet  werden,  und  hat  sich  Jahrhunderte  lang  nur  durch  mündliche  Ueber- 
lieferung  erhalten;  ja  selbst  heute  gibt  es  noch  viele  Brahmanen,  die  einen  der 
Wedas,  selbst  ohne  den  Inhalt  zu  verstehen,  wörtlich  auswendig  wissen*^).  Die 
■Brahmanen  konnten  als  die  einzigen  Inhaber  einer  so  wichtigen  Wissenschaft  den 
Aberglauben  des  Volkes  auch  für  sich  allein  ausbeuten,  und  haben  diese  Gelegenheit 
auch  trefflich  zu  benützen  verstanden.  Nicht  nur  wollten  sie  durch  die  extrava- 
gantesten Geschenke  (dakshinä)  geehrt  sein,  sondern  sie  beanspruchten  auch  eine 
gesellschaftliche  Sonderstellung ;  sie  wollten  mit  einem  Worte  nicht  unter,  sondern 
über  dem  Gesetze  stehen.     Sie   wollten  nicht  etwa  blosse  Mittelpersonen  zwischen 

3* 


22 

den  Göttern  und  übrigen  Menschen,  wie  die  Priester  anderer  Nationen,  der  Juden, 
Perser,  Griechen,  Römer  u.  s.  w.  sein,  sondern  ihre  Macht  war  der  der  Götter 
gleich ;  sie  waren  selbst  auf  der  Erde  wandelnde  Götter.  So  heisst  es  in  einem 
wedischen  Buche  (S'atapatha  Brähmana  II,  2,  2,  6.j :  ,,Es  gibt  zwei  Arten  von 
Göttern,  nämlich  die  eigentlichen  Götter ,  während  die  Brahmanen ,  welche  die 
heilige  üeberlieferung.  d.  i.  den  Weda,  auswendig  wissen  (s'us'ruvämso  unüchänah), 
die  Menschengötter  sind.  Die  Verehrung  ist  bei  beiden  gleich;  die  Götter  erhalten 
Opfergaben  (ähuti) ;  die  Brahmanen  aber,  welche  die  heilige  üeberlieferung  aus- 
wendig wissen,  Geschenke  {dakshinä).  Durch  Opfergaben  stellt  man  die  Götter 
zufrieden ;  durch  Geschenke  die  Menschengötter,  nämlich  die  Brahmanen.  Diese 
beiden  Arten  von  Göttern  machen  den  Opferer  glücklich,  wenn  sie  befriedigt  sind". 
Ja  es  finden  sich  Stellen,  in  denen  die  Brahmanen  sich  noch  eine  höhere  Macht 
zuschreiben  als  selbst  die  Götter  besitzen.  So  heisst  es  im  Atharwaweda  {Samh. 
11,  5.)  vom  Brahmätschäri,  d.  h.,  von  einem  Brahmanen,  der  sich  dem  Studium 
der  heiligen  Wissenschaft  widmet,  (was  nicht  alle  thun),  also  einem  Studenten 
brahmanischer  Theologie:  „Die  Götter  sind  vereinigt  in  ihm;  er  hat  die  Erde  und 
den  Himmel  gegründet  ...  Er  war  vor  dem  Brahma  geboren;  aus  ihm  kam  das 
Brahma  ...  Er  erzeugt  die  göttliche  Wissenschaft,  das  Wasser,  die  Welt  u.  s.  w." 

Bei  diesen  masslosen  Ansprüchen,  welche  die  Brahmaneu  erhoben,  die  sich 
für  allmächtig  und  allwissend,  in  der  That  für  die  eigentlichen  Herren  der  Welt 
ausgaben,  war  es  ganz  natürlich,  dass  sie  der  übrigen  Menschheit  gegenüber  eine 
streng  geschlossene  Kaste  bilden  mussten.  Noch  in  der  wedischen  Zeit  scheinen 
sie  mehr  Gewicht  auf  die  Vererbung  der  so  allmächtigen  heiligen  Wissenschaft  als 
des  unversiegbaren  Reichthumsquells  vom  Vater  auf  den  Sohn  und  die  Nachkommen, 
als  auf  die  Reinerhaltung  des  Blutes  durch  Heiratheu  in  der  Kaste  gelegt  zu  haben. 
Als  im  Verlaufe  der  Zeit  die  zahlreichen  Brahmanenfamilien,  für  deren  Vermehrung 
schon  durch  das  Gesetz  gesorgt  war,  dass  jeder  Vater  einen  Sohn  haben  müsse 
(hat  er  keinen  leiblichen,  so  muss  er  einen  adoptiren)  den  übrigen  Ständen  gegen- 
über immer  mehr  eine  Sonderstellung  einzunehmen  begannen,  so  wurden  Heirathen 
ausserhalb  der  Kaste  verboten.  Sie  wurden  immer  abgeschlossener,  was  einen  nach- 
theiligen Einfluss  auf  die  übrigen  Klassen  der  Gesellschaft  ausübte,  die  sich  in 
Folge  des  von  den  Brahmanen  gegebenen  Beispiels  ebenfalls  kastenartig  abschlössen. 
Nicht  bloss  Heirathen  mit  den  Mitgliedern  anderer  Gesellschafts-Klassen  wurden 
verboten,  sondern  auch  gemeinschaftliche  Mahlzeiten,  ja  selbst  die  Berührung.  Die 
Kasten  wurden  für  eine  göttliche  von  Anbeginn  her  existirende  Einrichtung  erklärt, 


2S 

die  kein  Sterblicher  ungestraft  verletzen  dürfe.  Die  Brahmanen  nahmen  darin  die 
höchste  Stelle  ein,  und  erklärten  kraft  ihres  göttergleichen  Ranges  ihre  Personen 
für  heilig  und  unverletzlich.  Für  das  grösste  aller  Verbrechen  galt  der  Brahmanen- 
mord.  Dagegen  konnte  kein  König  einen  Brahmanen  wegen  irgend  eines  begangenen 
Verbrechens  an  Leib  und  Leben  strafen,  ohne  die  schwerste  Schuld  auf  sich  zu 
laden.  Selbst  das  Eigenthum  des  Brahmanen  galt  für  so  heilig,  dass,  wenn  er 
kinderlos  und  ohne  nähere  Verwandte  sterben  sollte,  seine  Hinterlassenschaft  nie 
dem  Könige  zufallen  darf,  der  sonst  in  solchen  Fällen  nach  indischem  Gesetz  ein 
unzweifelhaftes  Recht  auf  das  Eigenthum  von  Mitgliedern  aller  andern  Kasten  hat, 
sondern  muss  irgend  einem  Brahmanen  gegeben  werden.  Gegen  Angriffe  auf  ihr 
Eigenthum  durch  die  Könige,  die  früher  öfter  stattgefunden  zu  haben  scheinen, 
suchten  sie  sich  durch  Androhung  der  verderblichsten  Folgen  sicher  zu  stellen. 
„Des  Brahmanen  Weib"  heisst  es  {Rv.  10,  109,  4.)  ist  schrecklich,  wenn  sie  ge- 
nommen wird;  sie  stiftet  Unheil  im  höchsten  Himmel."  Ebenso  bringt  die  Kuh 
eines  Brahmanen  dem,  der  ihn  derselben  beraubt,  das  grösste  Unheil ;  ihr  Fleisch 
verwandelt  sich  in  Gift  für  den,  der  sie  schlachtet  und  isst,  u.  s.  w.  (Atharv. 
Samh.  5,   18.) 

Den  König  suchten  sie  in  eine  vollständige  Abhängigkeit  zu  bringen,  und 
wohl  nie  hat  eine  Priesterschaft  soviel  erreicht,  wie  die  Brahmanen.  Der  König 
hatte  stets  einen  Brahmanen  als  Purohita,  d.  i.  Premierminister  (s.  oben)  anzu- 
stellen, der  Geistliches  wie  Weltliches  zu  verwalten  hatte.  Bei  der  Anstellung 
desselben  hatte  er  sich  sogar  einer  seiner  Würde  wenig  angemessenen  Ceremonie 
zu  unterziehen.  Er  musste  nämlich  die  Füsse  des  anzustellenden  Brahmanen  waschen 
und  dabei  folgende  Worte  sprechen  {Äit.  Brahm.  8,  27)  „Ich  wasche,  o  Götter, 
den  rechten  und  linken  Fuss  (des  Purohita),  dass  mein  Reich  beschützt  und  ge- 
sichert bleibe.  Mögen  die  Wasser,  mit  denen  ich  sie  gewaschen,  meinen  Feind 
vernichten !"  Der  anzustellende  Brahmane  ist  die  personiticirte  Glücksgöttin ;  dess- 
wegen  muss  der  König  bei  dieser  Gelegenheit  sagen:  „Ich  bereite  der  Gottheit 
des  Glückes  einen  Sitz." 

Der  König,  wenn  seine  Herrschaft  von  irgend  welcher  Dauer  sein  soUte, 
musste  von  den  Brahmanen  förmlich  zum  Könige  geweiht  werden.  Diess  geschah 
während  des  Rädschasüya,  d.  i.  Königs weiheopfers.  Der  eigentliche  Akt  der  Weihe 
war  die  Besprengung  mit  Wasser.  Da  die  Vollziehung  dieser  Ceremonie  für  die 
Kaste   sehr  einträglich  war,    so   versäumten    die    Brahmanen    keine   Gelegenheit, 


24 

wiederholt  den  Königen  zu  erzählen,  wie  dieser  oder  jener  alte  Herrscher  durch 
dieses  Opfer  seine  Macht  fest  begründet,  seine  Feinde  besiegt  und  vernichtet  habe. 
Sie  erfanden  auch  allerlei  Geschichten,  in  welchen  die  verderblichen  Folgen  der 
Missachtung  oder  sogar  Misshandlung  der  Brahmanen  seitens  der  Kschatrijas  den 
Königen  vor  Augen  geführt  wurden,  um  sie  zu  schrecken.  Eine  der  interessantesten 
Legenden  dieser  Art  ist  die  von  dem  König  Nahuscha.  Dieser  hatte  durch  die 
Kraft  der  von  ihm  gebrachten  Opfer  eine  solche  Macht  erlangt,  dass  er  die  ganze 
Erde  beherrschte.  Er  wurde  aber  so  übermüthig,  dass  er  sich  vermass,  eintausend 
Brahmanen  zu  seinen  Palankinträgern  zu  machen.  Als  er  einmal  einen  dieser 
Heiligen,  den  Rischi  Agastja,  mit  dem  Fuss  berührte,  so  verfluchte  ihn  dieser, 
eine  Schlange  zu  werden.     Der  Fluch  ging  in  Erfüllung, 

Die  masslosen  Ansprüche  der  Brahmanen  auf  Allmacht  und  Allwissenheit 
wurden  indess  nicht  immer  bereitwillig  von  den  Königen  anerkannt,  und  es  scheint 
sogar  nicht  an  blutigen  Kämpfen  zwischen  den  Trägern  der  geistlichen  und  welt- 
lichen Gewalt  gefehlt  zu  haben.  Die  geistig  hervorragendsten  Mitglieder  der  Krieger- 
kaste Hessen  sich  nicht  selten  in  einen  Wettstreit  mit  den  Brahmanen  ein,  wer 
im  Wissen  der  überlegenere  sei,  wie  wir  aus  mehreren  in  den  wedischen  Büchern 
überlieferten  Legenden  wissen  und  blieben  sogar  Sieger.  So  erklärten  sich  berühmte 
Brahmanen,  wie  Jadschnawälkja  und  Gärgja  für  besiegt  von  Kschatrijas  im 
Wissen,  und  baten  sie  um  Unterricht,  was  gegen  das  Herkommen  verstiess,  da 
nur  die  Brahmanen  des  Lehramts  walten  dürfen.  Der  König  Dschanaka  wurde 
in  Folge  seines  hohen  Wissens  sogar  ein  Brahmane  {S'atapatha  JBrälim.  XI,  6, 
2,  1—10.). 

Die  rohern  Mitglieder  der  Kriegerkaste  scheinen  hauptsächlich  durch  die  ßeich- 
thümer  und  Schätze,  welche  die  Brahmanen  durch  Ausbeutung  des  Aberglaubens 
des  indischen  Volkes  sich  erwarben,  zu  Angriffen  gegen  sie  getrieben  worden  zu 
sein,  wie  aus  der  Geschichte  des  Aurwa  (im  Adiparva  des  Mahäbhdrata)  erhellt. 
Die  Brahmanen  begnügten  sich  indess  nicht  immer  mit  der  Anwendung  geistlicher 
Waffen  und  namentlich  ihrer  für  furchtbar  gehaltenen  Flüche,  sondern  sie  griffen 
sogar  zum  Schwerte,  um  ihre  dominirende  Stellung  den  Königen  gegenüber  zu  be- 
haupten. Sie  scheinen  indess  vielfach  im  Stande  der  Nothwehr  gehandelt  zu  haben; 
denn  sonst  wäre  es  kaum  denkbar,  wie  die  Brahmanen  überhaupt  Gebrauch  von 
Waffen  machen  konnten,  da  diess  Eecht  gesetzlich  ausschliesslich  den  Kschatrijas 
zusteht.    So  allein  erkläre  ich  mir  die  bekannte  Sage  von  Paraschu  Käma,  dem 


25 

Sohn  des  Brahmanen  Dschamadagni,  der,  weil  ein  Kschatrija  seinen  Vater  er- 
schlagen, der  ganzen  Kriegerkaste  den  Untergang  schwor,  und  sie  auch  so  voll- 
ständig vertilgt  haben  soll,  dass  die  spätem  Kschatrijas  als  Nachkommen  von  brah- 
manischen  Vätern  und  Kschatrijamüttern  angesehen  wurden.  Die  Beschreibung  des 
Kampfes  ist  natürlich  ganz  übertrieben,  da  die  Brahmanen  als  im  Waffenwerk  un- 
geübt, sicherlich  nicht  im  Stande  waren,  die  darin  erzogenen  Kschatrijas  auszurotten. 

Wenn  auch  schon  die  Brahmanen  bei  jeder  Gelegenheit  kund  gaben,  dass 
ihre  Macht  grösser  sei  als  die  der  Könige,  so  haben  sie  doch  nie  die  königliche 
Gewalt  sich  angemasst.  Sie  wollten  nur  dem  Könige  nahe  stehen,  seine  Rathgeber 
sein  und  von  ihm  mit  reichen  Geschenken  bedacht  werden.  Sie  haben  auch  stets 
Gehorsam  gegen  die  Könige  gelehrt,  da  sie  die  königliche  Gewalt  als  eine  von 
Gott  eingesetzte  erklärten  und  erkannten.  Nie  schrieben  sie  sich  die  ]\lacht  zu, 
Könige  ein-  und  abzusetzen.  Sündigt  der  König  gegen  die  Gesetze  der  göttlichen 
Weltordnung,  so  trifft  ihn  nach  brahmanischer  Anschauung  immer  von  selbst  die 
Strafe  als  die  Folge  seiner  frevelhaften  That.  Unter  sich  selbst  haben  sie  nie  eine 
Hierarchie  aufkommen  lassen.  Alle  Brahmanen  stehen  sich  gleich;  nur  durch 
hervorragendes  Wissen  und  wissenschaftliche  Leistungen  kann  ein  Brahmaue  sich 
höheres  Ansehen  und  auchEinfluss  und  Geltung  bei  seineu  Standesgeuossen  verschaffen. 

Wir  würden  den  Brahmanen  indess  Unrecht  thuu,  wollten  wir  sie  nur  als 
eine  Classe  von  Menschen  darstellen,  die  bloss  auf  den  Aberglauben  der  Masse 
speculirte  und  davon  sich  nährte,  ohne  die  geistige  Entwicklung  der  Menschheit 
gefördert  zu  haben.  Als  die  von  Anbeginn  an  durch  göttliche  Ordnung  bestellten 
Lehrer  der  Menschheit  und  die  Träger  alles  Wissens  waren  sie  stets  die  eifrigsten 
Pfleger  aller  Arten  von  Wissenschaften.  Sie  begnügten  sich  nicht  damit,  die  heiligen 
Ueberlieferungen  der  Vorzeit  durch  Auswendiglernen  treu  zu  bewahren,  sondern  die 
denkendsten  Köpfe  unter  ihnen  waren  bestrebt,  aus  diesem  Schatz  der  Ueberlieferung 
heraus  theils  Systeme  zu  entwickeln,  theils  ganz  neu  zu  schaffen.  So  begründeten 
sie  das  Studium  der  Grammatik,  in  welchem  Zweige  des  Wissens  sie  mehr  leisteten 
als  die  Griechen,  und  machten  daraus  eine  förmliche  Wissenschaft,  die  in  3996 
kurzen  aphoristischen  von  Pänini  verfassten  Lehrsätzen  vorgetragen,  und  eingehend 
commentirt  wurde.  Erst  seit  der  Schöpfung  der  vergleichenden  Grammatik,  einer 
Wissenschaft  des  19.  Jahrhunderts,  ist  die  hohe  Wichtigkeit  der  grammatischen 
Studien  der  Inder  erkannt  worden,  und  nicht  ohne  Einfluss  auf  diese  junge  Wis- 
senschaft geblieben.  Auf  dieselbe  Weise  cultivirten  sie  die  Rhetorik  und  Aesthetik, 


26 

und  schufen  sich  verschiedene  Systeme  der  Philosophie.  Die  Ziffern,  mit  denen  die 
ganze  Welt  schreibt,  sind  eine  Erfindung  der  Brahmanen ;  die  ältesten  algebraischen 
Gleichungen  und  ihre  Lösung  stammen  von  den  Ufern  des  Ganges.  Astronomie 
und  Medizin  blühten  ebenfalls;  in  der  erstem  sind  indess  griechische  Einflüsse 
unverkennbar. 

Gegenwärtig  unter  der  Herrschaft  der  Engländer  geht  das  Brahmanenthum 
einer  Krisis  entgegen.  Der  Einflass  der  Kaste  ist  im  Schwinden;  ihre  alten  Ein- 
nahmsquellen, die  Opfergeschenke  und  andere  freiwillige  Gaben,  fangen  an  zu  ver- 
siegen; auch  finden  sich  nur  noch  wenige  indische  Fürsten,  die  nach  altindischer 
Sitte  denen,  die  einen  der  Wedas  auswendig  gelernt,  oder  sich  eine  genaue  Kenntniss 
irgend  einer  indischen  Wissenschaft,  wie  der  Grammatik,  Ehetorik,  Mathematik, 
Philosophie  u.  s.  w.  erworben  haben,  jährliche  Stipendien  aussetzen  Die  Brahmanen 
haben  indess  die  Zeit  begriffen.  Da  sie  sehen,  dass  mit  dem  Auswendiglernen  von 
Tausenden  von  Regeln  der  Grammatik,  Rhetorik,  Philosophie  n.  s.  w.  sich  für  eine 
ganze  Kaste  nicht  mehr  der  Lebensunterhalt  erwerben  lässt,  so  fangen  sie  an,  die 
englischen  Schulen  zu  besuchen,  Englisch  zu  lernen  und  sich  wenigstens  in  ihrem 
grossen  Vaterland  die  Mehrzahl  der  niedern  Beamtenstellen  zu  sichern.  Ja  einige 
haben  es  schon  zu  einer  solchen  Meisterschaft  in  der  englischen  Sprache  gebracht, 
dass  ihnen  Lehrstühle  der  englischen  Litteratur  in  Indien  übertragen  werden  konnten. 
Da  sie  die  intelligentesten  und  fähigsten  Köpfe  unter  den  Hindus  sind,  so  werden 
sie  immer  eine  grosse  Rolle  in  der  Geschichte  und  Culturentwickelung  ihres  Vater- 
landes spielen. 


Anmerkungen. 

1.  Siehe  mehr  über  die  Brähmanas  in  meiner  Ausgabe  und  Uebersetzung 
des  Altareya  Brälmiana  (2  Bd.  Bombay  1863j  Bd.  I  Introduction  (pag.  1 — 7; 
49  —  53).  Ich  habe  in  diesem  "Werk  den  Versuch  gemacht,  ein  Brähmana  zum 
erstenmale  vollständig  zu  übersetzen.  Seither  hat  die  Erklärung  dieses  um- 
fassenden und  reichhaltigen  wedischen  Literaturgebiets  keine  wesentlichen  Fort- 
schritte gemacht ;  man  begnügt  sich  in  der  Eegel  mit  blossen  Ausgaben  des  Textes 
nebst  Commentar,  und  gelegentlicher  Uebersetzung  einiger  leichter  besonders  in- 
teressant scheinender  Stellen.  Die  Erklärung  namentlich  des  rituellen  Theils  ist 
ungemein  schwierig.  AVäre  ich  nicht  während  meines  Aufenthalts  in  Indien  in 
der  glücklichen  Lage  gewesen,  von  Opferpriestern  Erkundigungen  einzuziehen,  so 
wäre  ich  nie  im  Stande  gewesen,  namentlich  das  Technische  des  indischen  Opfers 
zu  begreifen.  Das  mir  zu  Gebote  stehende  ausserordentlich  reiche  Material  be- 
züglich des  Opfercultus  systematisch  zu  bearbeiten ,  habe  ich  bis  jetzt  leider 
keine  Zeit  finden  können,  so  wünschenswerth  es  auch  bei  dem  gegenwärtigen 
kritischen  Zustande  der  Wedastudien  sein  dürfte,  und  so  oft  ich  auch  schon 
von  Freunden  und  Kennern  des  wedischen  Alterthums  dazu  aufgefordert  wor- 
den bin.  Für  das  tiefere  Verständuiss  der  wedischen  Hymnen  ist  eine 
nähere  Kenntniss  des  Opferrituals  ganz  unentbehrlich,  da  in  denselben  eine 
Menge  Anspielungen  auf  die  Opfergebräuche  vorkommen.  Der  Mangel  an  der 
nöthigen  Detailkenntniss  in  diesem  Gebiete  ist  auch  bei  allen  modernen  Ueber- 
setzungsversuchen  wedischer  Hymnen,  selbst  solchen,  die  von  den  bedeutendsten 
Sanskritisten  herrühren,  unverkennbar;  daher  auch  das  Vage,  Nebelhafte,  und  Un- 
bestimmte in  den  Uebersetzungen  so  vieler  Verse.  Man  hat  sich  sehr  häufig  durch 
blosses  Käthen  aus  dem  Sinn  und  Zusammenhang  zu  helfen  versucht.  Wenn  auch 
nicht  zu  läugnen  ist,  dass  auf  diese  AVeise  mancher  glückliche  Grift'  gemacht  und 
manche  Dunkelheit  aufgehellt  worden  ist,  so  lässt  sich  auf  der  andern  Seite  mit 
Bestimmtheit  behaupten  und  auch  nachweisen,  dass  dieses  Verfahren  zu  einem  voll- 

4 


28 

kommenen  Verstäiidniss  der  uralten  wedisclien  Hymnen  völlig  unzureichend  ist. 
Wer  diese  ehrwürdigen  Dokumente  mit  Sicherheit  interpretiren ,  oder,  um  mich 
eines  treffenden  Ausdrucks  Max  Müller's  zu  bedienen,  entziffern  will,  der  muss  sich 
zuerst  eine  eingehende  Kenntniss  des  gesammten  wedischen  Alterthuras,  und  na- 
mentlich aller  Opfergebräuche ,  hiiuslichen  Ceremonien ,  Sitten,  Kechtsgebräuche,  der 
philosophischen  Speculation  u.  s.  w.  durch  das  Studium  aller  wedischen  Samhitäs, 
der  dazu  gehörigen  Brähmanas,  der  zahlreichen  üpanischaden,  der  alten  Opfer-  und 
Kechtsbücher  mit  ihren  Commentaren  erwerben,  und  nach  sorgfältiger  Scheidung 
des  Aeltern  von  dem  Jüngern  interpretiren.  Wie  sehr  gerade  diese  Anschauung 
mangelt,  zeigt  das  grossartig  angelegte  und  sonst  vieles  Treffliche  enthaltende 
Petersburger  Sanskritwörterbuch  fast  auf  jeder  Seite.  Ihr  ]\Iangel  lässt  sich  auch 
bei  der  Art  wie  es  zu  Stande  kam  und  kommt,  leicht  begreifen.  Man  sammelt 
die  einzelnen  Wörter  in  den  veischiedensten  wedischen  Werken,  soweit  sie  zu- 
gänglich sind  (manche,  welche  ich  sogar  selbst  besitze,  fehlen) ,  ordnet  sie  alpha- 
betisch, und  sucht  nun  mit  möglichst  geringem  Zeitverlust  durch  eine  möglichst 
rasche  üeberblickung  der  Stellen  in  denen  ein  Wort  vorkommt,  meist  ohne  Zu- 
ratheziehung  der  Commentare,  da  deren  Studium  zu  viele  Zeit  erfordern  würde, 
und  sie  häufig  auch  gar  nicht  zugänglich  sind,  den  Sinn  des  Wortes  zu  errathen. 
Dieses  Verfahren  kann  aber  in  schwierigen  Fällen  (und  deren  Zahl  ist  ausser- 
ordentlich gross)  meist  nur  zu  einem  halben  Verständniss,  öfter  aber  auch  zu  einem 
völligen  Missverständniss  führen.  Will  man  aber  zu  einem  sichern  Resultat  rück- 
sichtlich der  Bedeutung  namentlich  eines  technischen  Ausdrucks  gelangen,  so  genügt 
es  nicht,  nur  die  betreffenden  Stellen,  in  denen  derselbe  vorkommt,  flüchtig  anzu- 
sehen ,  sondern  man  muss  die  ganze  Ceremonie ,  zu  deren  Nomenclatur  er  gehört, 
vollkommen  verstehen.  Wie  ist  diess  aber  möglich,  wenn  man  nicht,  ehe  man 
den  Druck  eines  Lexikons  beginnt,  die  ganze  Literatur  in  all'  ihren  Theilen  ein- 
gehend studirt  hat?  Gerade  in  diesem  Mangel  an  der  nöthigen  umfassenden  und 
genauen  Detailkenntniss  liegt  die  Schwäche  des  sonst  so  nützlichen  und  als  Reper- 
torium  von  Parallelstellen  so  ausserordentlich  brauchbaren  Petersburger  Sanskrit- 
wörterbuchs. Dagegen  bildet  eine  bis  in 's  Einzelnste  gehende  Kenntniss  aller  Sitten, 
Gebräuche ,  Ceremonien ,  philosophischen  Legriffe  u,  s.  w.  gerade  die  Hauptstärke, 
der  von  den  Verfassern  jenes  Wörterbuchs  so  geringschätzig  behandelten  indischen 
Commentatoren.  Dessenungeachtet  bin  ich  nicht  geneigt,  die  t^rklärungen  der 
letztern  in  allen  Fällen  zu  adoptiren.  Sie  haben ,  wie  ihre  starke ,  so  auch  ihre 
sehr  schwache  Seite.  Hiezu  gehört  vor  allem  der  Mangel  eines  methodischen  Ver- 
fahrens, die  Sucht  zu  etymologisiren ,    und  die  Bedeutung  der  Wörter  häufig  ohne 


29 

Rücksicht  auf  die  Parallelstelleii  bloss  durch  Etymologie  zu  bestimmen,  was  noch 
schlimmer  ist,  als  das  Errathen  des  Sinnes  aus  dem  Zusammenhang  unter  Ver- 
gleichung  einer  genügenden  Anzahl  von  Parallelstellen.  Auch  kommt  es  nicht  selten 
vor,  dass  sie  spätere  Anschauungen  in  ältere  Texte  hineintragen,  in  die  sie  nicht  recht 
passen  wollen.  Sieht  man  indess  auf  die  Resultate  der  indischen,  und  der  modernen 
europäischen  Wedenerklärung,  so  dürfte  keine  von  beidun  Richtungen  unbedingt  zu 
empfehlen  sein;  denn  viele  von  den  im  Petersburger  Wörterbuch  niedergelegten  Er- 
klärungen sind,  sofern  sie  von  den  indischen  gänzlich  abweichen,  und  für  sie  nirgends 
in  der  grossen  indischen  Literatur  ein  Anhaltspunkt  zu  finden  ist.  jedenfalls  ebenso 
unzuverlässig,  als  die  von  den  indischen  Commentatoren  nur  auf  Grund  einer  Ety- 
mologie gegebenen.  Alles  hier  Gesagte  könnte  icli  durch  eine  Reihe  von  Beispielen 
erörtern,  doch  da  diess  hier  zu  weit  führen  würde,  so  begnüge  mich  mit  den  eben 
gegebenen  Andeutungen,  um  dem  Uneingeweihten  zu  zeigen,  wie  schwierig  immer 
noch  die  Interpretation  des  Weda  ist,  und  wohl  noch  lange  bleiben  wird,  und  wie 
sehr  man  sich  auch  hier  vor  Einseitigkeit  zu  hüten  hat. 

2.  Die  Zahl  der  Upanischaden  ist  sehr  gross.  Ich  besitze  allein  101, 
die  in  einem  Werke  gesammelt  sind,  das  ich  von  Baroda  in  Guzerat  erhalten  habe. 
Da  ein  Verzeichniss  derselben  Sanskritisten  von  Interesse  sein  dürfte,  so  erlaube  ich 
mir  ein  solches  hieher  zu  setzen. 

\)  TrixmrätapancKiiKinlshad  16  Blätter  in  Folio;  2)  Sürya-tiimnishad  2  Bl. ; 
3)  AvyaTitcmrisimha-upanishad  5  Bl  ;  4 )  ÄJcshamälika-iipanishad  8  Bl. ;  5 )  Yoya- 
Tiundali-upanishad  8B1. ;  6j  KundaWia-npanisliad  oBl.;  7)  S''iücara}iasya-upanish- 
ad  6  Bl. ;  8)  Vedmtasäravis'räma-upjanishad  1  Bl. ;  9)  Ädhyätma-iq)anisJiad 
4  BL;  \0)  Vmda-uxMnishad  1  Bl. ;  llj  Athari-anarahasyetris'iTilm-hralimanam 
4  Bl. ;  12)  Ännhhavasära-upanishad  3  Bl. ;  loj  Fäs'updtahruhma-upanislmd  6  Bl. ; 
14)  Sävitn-upanishad  2  Bl.;  15)  Mudrahridaya-upanishad  4:B\.\  16)  Ganapafi- 
upanishad  3  Bl. ;  17)  SämavedoJdavajras'uchi-upanishad  5  Bl. ;  18)  S'idaJca- 
npanishad  2  BL;  19)  Buhvrkha-upanishad  1  BL;  20)  Kirväiiashatkam  1  Bl. ; 
21)  Atmahodha-iqjanishad  4  Bl. ;  22 j  BlnTxshuka-npanishad  2  Bl  ;  23)  I)eii- 
Mpanisliad  3  Bl. ;  24)  Tärasära-uparnsliad  3  BL;  25)  JBJiävanä-upanishad  3  BL; 
26)  S'anraTia-npanishad  2  Bl. ;  27)  Annapiirna-npjanishad  23  Bl. ;  28;  Fara- 
hrahma-upamsliad  4  BL ;  29)  Atma-upanislmd  I  BL;  30)  Avadüta-iipanishad 
3  BL ;  31)  Bars'cma-upcmishad  16  Bl. ;  32)  Tripura-npanishad  2  Bl  ;  33)  Ka- 
fha-tipanishad  4  Bl. ;  34)  Päiyyaläda-up)anishad  3  Bl. ;  35)  OmJiära-v.panishad 
2  Bl. ;  36)  Mahavüliya-npamshad  2  Bl  ;  37 )  Kdiralya-npanishad  1  Bl  ;  38j  Mul- 

4^ 


30 

tiM-upanishad  12  BL;  o^)  Nrisimha-upunisliad  25  Bl.;  iO)  Ekähshara-upanishad 
1  Bl. ;  41)  ÄJcsJii-upanishad  3  Bl. ;  42 j  Brahmavidyä-upanishad  6  Bl. ;  4nj  Man- 
dalahrahma-inKinishad  6  Bl. ;  44)  S'vcius'vetara-upanishad  8  Bl. ;  45)  Arimeya- 
ujMiiishad  1  Bl. ;  46)  BJiarga-upanishad  1  Bl. ;  47)  Jäbcdi  -  upanisliad  2  Bl. ; 
48)  Faramahamsaparivräjaka-upanishad  4  Bl. ;  49)  Amritanäda-upcmishad  2  Bl. ; 
50)  Nädahindu-upanishad  2  Bl. ;  51)  Atliarvas'ira-upanisliad  4  Bl. ;  52)  Atliar- 
vas'iMid-upanishad  1  Bl. ;  53)  Mäitreyi  -  upanisliad  23  Bl  ;  54)  Eämatupana- 
upanislwd  11  Bl. ;  55)  Yogatatva-upanishad  1  Bl. ;  56)  Atmahodha-upamshad 
1  Bl.;  57)  Yogatatvahodha-upanishad  1  Bl. ;  öS)  Atma-tqMnishad  2  Bl. ;  59)^«:?- 
hyätma-upanishad  4  Bl.  (verschieden  von  Nr.  9) ;  60)  Tris'ililiahrahma-upanishad 
9  Bl. ;  61)  SUä-upanishad  3  Bl. ;  62)  Nirälamha-upanishad  4  Bl.;  63)  Käldg- 
nirudra - upanishad  2  BL;  64)  Amritahindu- upanisliad  2  Bl. ;  65)  KslmriM- 
upanisliad  2  Bl. ;  66)  KäusliUahi-upanisliad  10  Bl. ;  67)  Rdmatäpini-upanishad 
15  BL;  68)  Sannyäsa-upanisliad  9B1. ;  69)  TuriyätUdvadliüta-upanisliad  3B1. ; 
70)  Ydjnavalliya-upanisliad  3  Bl  ;  71)  Hayagrwa-upanisliad  3  BL;  72)  S'äty- 
äyana  -  upanishad  4  BL;  73)  Sdublidgyalakshi- upanisliad  4  Bl. ;  74)  Gdruda- 
upanishad  4  Bl. ;  75)  Datfdtrcya-upanisliad  3  Bl. ;  76)  Kalisamtarpana-upanisli- 
ad  1  BL ;  77)  Krishna-upanisliad  2  BL ;  78)  Bralimavidyd-upanisliad,  1  Bl. ; 
79)  0)7iMra-dlivani-ndda-upanisliad  9  Bl.;  80)  Briliad-jabdla-upanisliad  36  BL; 
81)  3Ialid  -  upanisliad  30  Bl. ;  82)  Tejohindu- upanishad  27  BL;  83)  Ndrada- 
parivrdjaka-upanishad  31  BL;  84)  31ahdndrdyana-upanishad  13  BL;  85)  S'än- 
dilya-upanishad  13  Bl. ;  86)  Vardha  -  upanishad  15  BL  ;  87)  Gopdla-uttaratd- 
pim  -  upanishad.  11  BL;  88)  P ding ala  -  upanishad  8  BL;  89)  Yogacliüddmani- 
upanishad  7  Bl. ;  90)  Mudgala-upanishad  3  Bl. ;  91)  Advayatdraka-upanishad 
3  BL  ;  92)  S'arahlia-upanishad  3  BL;  93)  Vasudeva-upanishad  2  Bl. ;  94)  Bralima- 
upanishad  2  BL;  95)  S' driraha  -  upanishad  26  BL  (identisch  mit  Nro.  26); 
96)  DaksMndmürti-upanishad  2  BL ;  91)  S'rislianda-upanishad  l  BL;  98)  Nir- 
vdna-upanishad  l.BL;  99)  Bhikshuyolca  (moksha?) -upanishad  1  Bl. ;  100)  Yo- 
gas'iklii-upamsliad  1  Bl. ;  101)   Yogasikha-upanishad,  20  Bl. 

In  dieser  Sammlung ,  welche  eine  der  vollständigsten  ist ,  fehlen  wolil  ab- 
sichtlich mehrere  allgemein  bekannte  gerade  Avegen  ihrer  Allgemeinheit,  wie  die 
Chdndogya-upanisliad,  die  Brihad-äranyaka,  MdnchXkya  u.  s.  w.  Max  Müller  hat  in 
in  der  Zeitschrift  der  Deutschen  Morgenland.  Gesellschaft  (Bd.  XIX  p.  137  —  158)  ein 
alphabetisches  Verzeichniss  aller  Upanischads,  soweit  deren  Namen  zu  seiner  Kenntniss 
gekommen  sind,  gegeben.   Er  zählt  deren  149  ,  von  denen  er  indess  viele  nicht  gesehen 


31 

zu  haben,  sondern  nur  dem  Namen  nach  zu  kennen  scheint.  In  der  mir  gehörigen 
Sammlung,  deren  Liste  ich  so  eben  gegeben,  finden  sich  indess  mehrere,  die  in 
Müller's  Liste  nicht  vorkommen,  wie  die  Omhlra-iipnnishad  und  Bharga-upanishad. 
Sie  sind  natürlich  von  sehr  ungleichem  Alter.  Ihre  grosse  Zahl  begreift  sich  leicht 
aus  dem  Umstände,  dass  nach  brahmanischer  Anschauung  zur  Begründung  irgend 
einer  neuen  religiösen  Anschauung  eine  für  geoffenbart  geltende  Schrift  erforderlich 
war.  Da  die  Upanischads  eigentlich  Geheimlehren  (rahasya)  waren  und  auch 
geheim  gehalten  wurden,  so  konnte  man  die  Zahl  derselben,  sowie  ihre  Aechtheit 
und  ünächtheit  nicht  sofort  erkennen,  Sie  waren  desshalb  am  geeignetsten  um 
individuellen  Ansichten  göttliche  Sanction  zu  verleihen,  da  sie  für  einen  Theil  des 
inspirirten  Weda  gehalten  wurden.  Desswegen  wurden  nicht  nur  die  zu  den  ver- 
schiedenen Kedaktionen  der  Brähmanas,  und  namentlich  zum  Atharwaweda  gehörigen 
Upanischads  (auch  davon  besitze  ich  eine  Sammlung)  sorgfältig  gesammelt  und 
bewahrt,  sondern  auch  neue  fabrizirt.  Mehr  Einzelnheiten  über  die  Upanischads 
hoffe  ich  an  einem  andern  Orte  mitzutheilen. 

3.  üeber  die  Bedeutung  de5  Wortes  Brahma  habe  ich  schon  mehrmal  ge- 
handelt, und  hier  nur  die  Hauptresultate  in  einer  für  das  grössere  gebildete 
Publikum  verständlichen  Form  vorgetragen  und  weiter  entwickelt;  s.  die  Note  in 
meinem  Aitareya  Brähmana,  Introduction  pag.  4,  5,,  und  meinen  Artikel  „über 
die  ursprüngliche  Bedeutung  des  Wortes  Brahma''''  in  den  Sitzungsberichten  der 
K.  bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften  von  1868,  Bd.  I  S,  80 — 100.  Ich 
habe  darin  alle  wichtigern  Stellen  des  Kigweda,  in  denen  das  Wort  Brahma  vor- 
kommt, untersucht,  und  bin  zu  dem  Kesultat  gekommen,  dass  es  nicht  'Andacht' 
heissen  kann,  wie  in  Deutschland  so  häufig  behauptet  wird.  Die  nähern  Beweise  gegen 
diese  Ansicht  mögen  dort  nachgelesen  werden.  Das  Material  für  Untersuchungen 
über  Brahma,  Brahma  und  Bruhmana  ist  möglichst  vollständig  gesammelt  von 
Dr.  John  Muir  in  seinen  so  ungemein  nützlichen  und  werthvollen  Original  Sanscrit 
texts,  vol.  I  pag.  240 — 265,  2"^  edition  (1868),  Eine  umfassende  Darstellung  der 
Entwicklung  des  Brahmabegriffes  von  den  ältesten  Wedahymnen  angefangen  bis 
auf  die  Feststellung  des  wedäntischen  Systems  in  Bädaräjana's  Brahnta-sütras 
dürfte  eine  ebenso  interessante  als  lohnende,  aber  auch  höchst  schwierige  Aufgabe  sein. 

4.  Da  die  Muiträyanl  Sanihitä  des  Yajurveda  in  Europa  bis  jetzt  ganz  un- 
bekannt zu  sein  scheint  (wenigstens  erinnere  ich  mich  nicht  irgendwo  etwas 
darüber  gelesen  zu  haben) ,  so  möge  es  mir  verstattet  sein  hier  einige  kurze  Mit- 
theilungen über   dieses   seltene  Werk   zu  machen.     Ich   besitze   davon   zwei  Exera- 


32 

plare,  die  sich  gegenseitig  ergänzen.  Das  eine  stammt  von  Aiimedabad  in  Guzerat, 
enthält  nur  den  zweiten  Kända,  und  wurde  im  Jahr  1590  (Sdka  1512)  geschrieben, 
das  zweite  ist  eine  moderne,  aber  im  ganzen  gute  Abschrift,  die  für  mich  im  Jalire 
1864  von  einer  altern  in  Nassik  (Näsika)  befindlichen  von  dem  1.,  o.,  und 
4.  Kända  und  der  dazu  gehörigen  Mditreyi-upanishad  (von  der  ich  übrigens  noch 
ein  zweites  Exemplar  besitze),  angefertigt,  und  sorgfältig  corrigirt  wurde.  Ebenso 
besitze  ich  die  Mditräyam-Grlhyasiära,  die  bis  jetzt  nur  dem  Namen  nach  in  Europa 
bekannt  sind.  Was  die  Muitrdymn-Samhitä  betrifft,  so  besteht  sie  aus  drei  Haupt- 
theilen,  die  prathama,  madhyama  und  tritiya  Kända  heissen ;  ein  vierter  Kända 
bildet  einen  Anhang,  den  Äranyakas  der  andern  wedischen  Sammlungen  vergleich- 
bar, an  den  sich  dann  die  üpanischad  anschliesst.  Ein  eigenes  Brälimana  zu 
dieser  Sathhitä  scheint  nicht  vorhanden  zu  sein.  Diese  enthält  ähnlich  wie  die 
Täittiriya-Samhitä  des  Yajurveda,  sowohl  eigentliche  Opfersprüche  (yajümshi) 
als  auch  Speculationen  darüber  {hrähmanam)  und  ist  desswegen  beides,  Samhifä 
und  JBrähmana.  Der  erste  Kända  umfasst  11  Frapätliaka,  wovon  jedes  wieder 
in  eine  grössere  oder  geringere  Anzahl  kleinerer  Abschnitte,  Anuväkas^  zerfällt. 
Es  beginnt  gerade  wie  die  Taittinya-  und  Väjasaneyi-Sumhitäs,  jedoch  zeigen 
die  betreffenden  Mantras  nicht  unbedeutende  Abweichungen.     Sie  lauten  hier: 


^%r  wwt^^iTO^^  1%^T  j^  m^rm    w^   1^ 

^"mf^  II  Einige  der  Abweichungen,  die  keine  Schreibfehler,  sondern  alte  Tra- 
dition sind,  sind  auffallend,  wie  z.  B.  prärfhayatu  für  prarpayatu  in  Taitt.  und 
Vaj.,  karmunä  für  karmuna,  goshatäu  für  gopatän  (auch  in  1,  1,2  steht  goshad 
asi  für  ghoshad  asi).     Der  letzte  (13j  Anuväka    des   ersten  Prapäthaka   beginnt 

mit:  w^^  ^iT^«  ^T^m  BTTT'^rm  ^R^tf^^  f^^^^f 
Trr  Tft  ff  ^iw  ^^  ^  ^t^^  ^^(T  i=rT  Ht  ^fftr^TriTT- 

^  ^  TRIrT^  Dieser  findet  sich  nicht  in  Taift.  und  Väj.,  wohl  aber  einzelne 
Ausdrücke  in  Taitt    1,   1,   12.     Der  Ute    (letzte)    Prapäthaka   beginnt   mit    dem 

AmwäJca:  ^  T(f^K*  '^^'^  ^^  ('^g^-  ^^'^■^^-  ^-  ^'  ^^  '^'  -•  ^^-  '^-  ''^^  "^'  ^'* 
und  schliesst  mit  dem   Anuväka:    ^fÜ^^T^<|Tf^  ^^^R^HT   H^RT" 


33 
Der  zweite  (madliyama)   Kända  bestellt  aus  13  Prapäfhakas  und  beginnt: 

Dieser  Kdnda  bat  in  meinem  alten  Manuscript  eine  ganz  eigentbümlicbe  Accent- 
bezeicbnung.  Der  TJdätta  ist  mit  einem  senkrechten  Striche  über  dem  Buchstaben  be- 
zeichnet, wie  sonst  der  Svarita,  der  letztere  dagegen  durch  eine  wagrechte  Linie,  welche 
den  Buchstaben,  der  damit  versehen  ist,  in  der  Mitte  kreuzt.  Ausserdem  finden  sich 
öfter  nach  dem  TJdätta  da,  wo  der  Svarita  stehen  sollte,  drei  kleine  senkrechte  Striche 
über  der  Linie ;  so  stehen  sie  z,  B.  in  nirvapet  über  dem  of  anstatt  des  Svarita. 
Ausserdem  treffen  wir  unter  dem  Buchstaben  an  der  Stelle  des  Svarita,  der  jätya 

ist,  wie  in  "^"If  ein  Häckchen ;  dass  ya  in  virya,  väkya,  yä  in  vyärdhyata  sind 
damit  versehen.  Der  letzte  Änuväka  (23)  des  Madhyama  Kända  beginnt  mit 
der    aus    der    Rigweda  -  Samhitä    bekannten    Hymne    (10,    121):    f^||UJJmt 

Der   dritte   Kända    urafasst    16    Frapäthahas.      Er   beginnt  mit:     ^S4iM 


^1X1%     "^f^"^     *f^^^;    der   letzte    (5)  Aniwäka  des  16ten  Frap.  beginnt: 

Samli.  4,  7,   15). 

Der  vierte  Kända  ist  ein  Anhang,  der  Erklärungen  zur  eigentlichen  Samhita 
enthält,   und  umfasst  14  Frapäthakas.     Er  beginnt  mit: 

^RFIfft^-^  ^  ?:^  ^fgcT^  (für  o^^)  ^^15TT  ^n^T^tTTT^- 


34 

etc. 
Diese  Stelle ,  in  der  die  im  Text  erwähnte  Bedeutung  des  Wortes  Brahma 
als  'Zweig'  sich  findet,  ist  ein  Brähmatumi  d.  i.  eine  theologische  Erklärung  der 
ersten  Mantras  des  Jadschurweda,  die  eine  Weihnng  des  vom  Paläscha- Baume  zu 
schneidenden  Zweiges  enthalten,  mit  dem  das  Kalb  von  seiner  Mutter  weggetrieben 
wird.  Die  hier  gegebene  Erörterung  setzt  indess  nicht  den  Text  der  Mäitrayam- 
Samhitä,  wie  er  oben  gegeben  ist,  sondern  den  der  Täittirtya-SamMtu  voraus. 
Das  Stück  scheint  desswegen  ursprünglich  keinen  Theil  der  Mäiträyam  Samhitä 
gebildet  zu  haben. 

Der  letzte  ÄnuväJca  (18)    des    letzten  (14)    Frapäthaka   beginnt:     ^"^^ 

Mehr  über  den  Inhalt  dieses  interessanten  Werkes  hoffe  ich  später  zu  ver- 
öffentlichen. 

5.  Die  drei  ersten  Lehrsätze  (Sütras)  dieses  Systems  der  Wedäntaphilosophie, 
die  sich  auf  das  Brahma  beziehen,   lauten,   wie  folgt: 

ü  eher  Setzung.  (1)  ''Nun  folgt  desswegen,  (weil  die  Opfer  und  andere  reli- 
giösen Gebote,  von  denen  in  der  Bürva-mhnumsä  die  Kede  ist,  keinen  bleibenden 
Erfolg  haben)  das  Verlangen  nach  der  Erkenntniss  des  Brahma,  (2)  von  welchem 
das  Entstehen .  Bestehen  und  Vergehen  von  diesem  (d.  i.  der  sichtbaren  Welt) 
kommt;  (8)  weil  die  Wissenschaft  ihren  Ursprung  in  ihm  hat.'  Es  ist  in  diesen 
auf  das  Brahma  bezüglichen  Lehrsätzen  theils  die  Beseitigung  von  Einwänden  an- 
gestrebt, die  namentlich  von  den  Buddhisten  gegen  die  Annahme  eines  Scliöpfers 
seitens  der  Brahmanen  gemacht  wurden,  theils  der  Grund,  Zweck  und  Nutzen  der 
ganzen  Wedäntaphilosophie  angegeben.  Das  'Brahma  ist  hiernach  nicht  nur  der 
Urgrund  alles  irdischen  Lebens,  seiner  Entstehung,  Erhaltung  und  Auflösung  und 
Wiedererzeugung,  sondern  auch  der  Urquell  alles  geistigen  Lebens,  da  alle  Wissen- 
schaft in  ihm  seinen  Grund  hat. 

G.  Die  Stelle  {JSiruUa  1,  8j :  "^^  irfr:^^:  ^rT^t  1^  "Rftcf^  B^TT: 

enthält  offenbar  eine  Anspielung   auf  die  Ableitung    des  Wortes  Brahma    von  der 


35 

Wurzel  hrih  'wachsen',  und  ist  desswegen  nur  schwer  übersetzbar.  Ich  habe  pa- 
rivridha,  da  es  mit  einem  Ablativ  steht  im  Sinne  eines  Comparatives  genommen, 
um  einen  passenden  Sinn  herauszubekommen ;  es  kann  nur  heissen  'ringsum  ver- 
mehrt, gekräftigt'  und  wird  speziell  im  Sinne  von  'Herr,  mächtig'  gebraucht.  Nimmt 
man  es  als  Positiv,  so  müsste  man  übersetzen :  'der  Brahmäpriester  gestärkt  durch 
das  was  überliefert  ist ;  das  Brahma  gestärkt  durch  das  All',  was  keinen  erträglichen 
Sinn.  Fasst  man  es  dagegen  im  Sinne  eines  Comparatives,  so  bezeichnet  es  den 
Brahmäpriester  als  mächtiger  als  die  üeberlieferung,  weil  er  der  Träger  derselben 
ist,  und  das  Brahma,  als  mächtiger  als  das  All,  weil  dieses  nur  durch  das 
erstere  besteht. 

7.  üeber  die  Ableitung  des  Wortes  Brälimana  von  Brahma  enthalten  die 
Commentare  zu  Pänini  6,  4,  171  Bemerkungen.  Das  betreffende  Sütra  lautet: 
's(|^  S^rnrt  ^-  ^-  ^^^  Adjectlv  h-ähma  wird  von  hrahman  gebildet,  durch 
Wegfall  der  Sylbe  an,  und  Antritt  der  Endung  a,  wenn  es  sich  nicht  auf  die 
Kaste  bezieht.  Man  sagt  desswegen  hrahmam  astrani  'die  Brahma- Waffe',  bruhmo 
garhiiah  'der  llrahraa-Keim',  weil  hier  hrdlima  keine  Kaste  oder  Abstammung  be- 
zeichnet, sondern  nur  etwas,  was  dem  Gotte  Brahma  zugehört.  Dagegen  sagt  man 
brähmana,  ein  Nachkomme,  ein  Sohn  Brahmä's,  oder  ein  Mitglied  der  Brahmanen- 
kaste,  indem  au  das  ursprüngliche  hrahman,  das  Taddhita -  Suffix  a  ohne  Ausfall 
des  an  angehängt  und  der  Stammvokal  a,  die  Wridddhi- Steigerung  erhält.  Für 
diejenigen,  die  sich  noch  eingehender  hierüber  unterrichten  wollen,  setze  ich  den 
Commentar  Patandschali's  aus  seinem  Mahäbhushya,  sowie  den  des  Kaiißjata 
zu  Patandschali's  Erklärung  nach  meinem  Manuscripte  her. 

FatanjaJi.     -^fl^    SITT^  II     ^^    f^ftf^    l^ra^l^lrftl    ^Rt 
c 

f?^irR  ftfVT^  x?T^^  v^^^  ^^^  I  ^^TTTT  ^fw  I  ^  "srr 

"^^T^WTTf^TrT  I   R  ^T  ^T^^l   f^  ^RTWI    XR^F^FmTf|  I 


36 

^-^  #^iTftf?n    ^^  ^T%^i    ^ftre^  in^rT  ^t^  R 

Kaiyyafa.     ^T^nt?^   S^«%    SHMK(^»i|H    ^T^      ^TTOt     ^^ 

^|w:  ^ra:  ^sn^TCTT^  ^fw  ^m  w^^  m^m  ^[rft^w  ^rxt^ 
sxTf^ftrr^^  ^wt^  ^   (^«^ «'  4. 134.)    ^^iTT:^ic    in^  h 

^^  I?T^  Sf^  (^^«^^  G,  4,  107)  -ffcgfiTHT*^:  KT^^Tf^^f  S^ 
S^ITT  (Pän  6,  4,  170)  ^fff  irfTT^T^:  ITr^fV^^  m^  ßfiWT^fi?- 

^^m^^xT^  ft^^  ^^^  ^rat  ^TR^  ^frr  ^m  r^^ 
^>T^  ^T^TTT  ^  TT^Ri?^  f^^jfrr  ^^^1  ^^T^Ä  »^"fefw 

^  C\ 

irfir^vT^  ^^n^  w^fvflf?T  in^f?T  ^"^«^  ^m  ^^ro 


O  7 

o  / 

^nrmr^xTHT  ?f?r  ^  h"^^wi  ^^  ft^^^  ft^^f^Tf^i  ^^- 
^Tirm  ^f  ^  ^im'^nTTm^  ^ra  ^fw  f^m^W  i  w^^  sftr  ^^ 
^m^  ^[c^r^  mT^WT^  ^[r'T^^  iz^t^  H^i  rf wt  siTTwrfHfrf 
ri^iMrM  ^5^wi  H^^TT^  H^i  ^PT^  ^m  ^^nu  ^fir 
f^^^  ;^  Höffiri  ^inrnf¥?T  iw^  irfw^vt  h^i  ^tr^t: 
^Rmf^m  B^^Wf%:ii 

Zum  nähern  Verständniss  beider  Commentare,  von  welchen  der  erstere  den 
Pänini  selbst,  der  zweite  diesen  ersten  Commentar,  den  des  Patandschali  erklärt, 
sind  einige  Bemerkungen  nothwendig.  Beide  nehmen  hauptsächlich  Bezug  auf  zwei 
vorangehende  Sütras,  nämlich  6,  4,  167  und  170.  Das  erstere  lautet  bloss:  an 
d.  h.  wenn  an  ein  Wort,  das  sich  auf  an  endigt,  das  Taddhita-Suffix  a  tritt,  so  bleibt 
an  unverändert,  z.  B.  s'mtvanah  'der  Sohn  eines  Somaopferers',  von  stitvan ,  rä- 
janah  'der  Sohn  eines  Königs'  von  räjan.  Das  zweite  geht  unmittelbar  dem  er- 
klärten hrähmo  ^jätau  vorher,  und  lautet:  na  mapürvo  'patye  'varmanah  d.  h. 
wenn  in  einem  Wort  der  Schlusssylbe  an ,  ein  tn  vorhergeht  und  'Abstammung' 
ausgedrückt  wird,  so  fällt  bei  einem  nachfolgenden  Suffix  a  (technisch  an  genanntj 
die  Sylbe  an  aus,  ausser  bei  dem  Worte  varman.  So  sagt  man  für  Susämno 
''patyah  'der  Sohn  des  Susäman,'  Säusämah,  mit  Ausfall  des  an;  dagegen  sagt 
man:  chärmuno  rafhah  'der  mit  Leder  überzogene  Wagen'  mit  Beibehaltung  des 
an  von  charman  'Haut,  Leder',  weil  hier  keine  Abstammung  ausgedrückt  wird. 
Eine  Ausnahme  macht  nur  das  Wort  varman^  wenn  es  Theil  eines  Namens  bildet, 
in  welchem  Falle  das  an  bei  der  Bildung  des  Patronymikums  beibehalten  wird, 
z.  B.  ChäJcravarmanah  (Name  eines  alten  Grammatikers),  Sohn  des  Chakravarman. 
Zu  dieser  Klasse  von  Bildungen  gehört  unzweifelhaft  auch  das  Wort  hrähma  als 
von  brahman  abgeleitet.  Da  seine  Anwendung  auf  einen  gewissen  in  dem  vor- 
hergehenden Sütra  wa  mapürvo  u.  s.  w.  nicht  vorhergesehenen  Fall  beschränkt  ist, 
so  wird  ihm  ein  besonderes  Sütra  gewidmet :  hrähmo  'jätäu.     Hier  wird  aber  keine 


38 

Eegel  über  seine  Bildung  gegeben ,  wie  es  in  den  vorangehenden  Sütras  mit  Bild- 
ungen derselben  Art  der  Fall  ist,  sondern  das  Wort  hruhnui  als  ein  fertiges  hin- 
gestellt (welches  Verfahren  die  Coramentatoren  des  Pänini  nipätanam  nennen). 
Sein  Gebrauch  ist  iiach  unserem  Sütra  nur  unter  einer  gewissen  Beschränkung  zu- 
lässig ,  nämlich ,  wemi  keine  Kaste  bezeichnet  werden  soll.  Es  wird  sonach  von 
dem  Worte  hralnuana  'der  Brahraane'  unterschieden,  da  dieses  Wort  nicht  nur 
sich  auf  Kaste  bezielit,  sondern  auch  der  in  na  mapurvö  gelehrte  Ausfall  der 
Sylbe  (in  nicht  Statt  iiat. 

Was  nun  Patau d seh ali's  eingehenden  Commentar  zu  dieser  Stelle,  den  ich 
mitgetheilt  habe,  betriftt,  so  sieht  jeder  leicht,  dass  es  sich  hier  um  die  Beseitigung 
von  Einwänden  handelt.  Die  Einwendungen  gegen  die  Richtigkeit  von  Päninis 
Eegeln  wurden  von  Katja  Jana  gemacht;  Patau  dschali  wiederlegt  sie.  Dem 
Kätjäjana  scheint  das  Sütra  nicht  bestimmt  und  klar  genug  vorgekommen  zu  sein, 
namentlich  was  sein  \erhältniss  zu  den  vorhergehenden  eben  besprochenen  liegein 
betrifft.  Es  ist  nach  seiner  Ansicht  nicht  klar  von  Pänini  angedeutet,  ob  in  unserer 
Kegel  über  die  Bildung  des  Wortes  hrähma  aus  hrahman,  der  in  6,  4,  170  ge- 
lehrte Ausfall  der  Sylbe  an  (der  filo^M,  ti  ist  die  Schlussylbe  eines  Wortes,  die 
mit  dem  letzten  Vokale  desselben  beginnt;  —  s.  Fmi  1,  1,  G4  — ,  in  dem  Worte 
hrahman,  also  an)  zu  ergänzen,  oder  ob  dieselbe  nur  als  Einschränkung  auf  einen 
besondern  Fall  zu  denken  sei.  Patandschali  antwortet,  dass  beides  der  Fall  sei; 
wenn  man  aus  dem  vorhergehenden  Sütra  (6,  4,  170)  das  Wort  apatija  'Abstammung* 
ergänze,  so  sei  die  Regel  über  hrähma  nur  wegen  der  Einschränkung  auf  einen 
bestimmten  Fall  gegeben.  Dieser  lautet  dahin,  dass  hrähma  (statt  hrähmana)  nur  dann 
mit  Rücksicht  auf  Abstammung  gebraucht  werde,  wenn  keine  Beziehung  auf  die  Kaste 
Statt  linde;  hrähma  hiesse  demnach  'Sohn,  oder  Nachkomme  des  Brahma,  aber 
nicht  'Mitglied  der  Brahmanenkaste'  und  untersclieidet  sich  so  von  hrähmana, 
was  ebenfalls  Sohn  oder  Nachkomme  des  Brahma  bedeutet,  aber  mit  Rücksicht  auf 
die  Kaste.  Wii-d  indess,  fährt  Patandschali  fort,  das  Wort  apatya  des  vorher- 
gehenden Sütra  ausgeschlossen,  d.  h.  wird  es  nach  den  Regeln  des  Sütrastyls  in 
unserem  Sütra  als  nicht  mehr  fortwirkend  angesehen ,  so  kann  die  darin  gegebene 
Eegel.  die  Ausnahmestellung  des  Wortes  hrähma  betreffend,  sich  nur  auf  den 
Wegfall  des  an  von  hralmiiin  vor  Antritt  des  Sufffxes  a  beziehen;  hrähma  wäre 
demnach  gleich  hrähmfa,  die  Sylbe  an  aber  wäre  spurlos  verschwunden.  Gegen 
diese  Argumentation  Pataudschali's  erklärt  sein  Gegner,  dass,  wenn  die  Regel  nur 
wegen  des  Ausfalles  der  Sylbe  an  gegeben  und  apatya  aus  dem  vorhergehenden 
Sütra    nicht    zu    ergänzen    sei ,     hier   etwas   ausgeschlossen    sei ,    was    thatsächlicb 


39 

Statt  hat,  während  eine  Regel  gegeben  sei,  die  sich  auf  etwas  beziehe,  was  that- 
sächlich  nicht  Statt  finde.  Z.  B.  hrähma  heisst  'Sohn  des  Brahma',  bezieht  sich 
also  deutlich  auf  ein  Abstammungsverhältniss ;  wird  nun  das  Wort  apatya  'Ab- 
stammung' in  unserem  Sütra  nicht  ergänzt,  so  ist  die  Thatsache,  dass  das  Wort 
hralima  ein  Abstammungsverhältniss  ausdrückt,  ausgeschlossen.  Die  Regel  bezieht 
sich  dann  allein  auf  den  Ausfall  des  an;  wenn  dies  aber  der  Fall  ist,  so  wäre  ja 
eine  Regel  gegeben,  die  sicli  auf  etwas  bezieht,  was  thatsächlich  nicht  Statt  hat; 
denn  man  sagt  hrähmana  mit  Beibehaltung  des  an;  der  Unterschied  zwischen 
hrähma  und  hrähmana  wäre  demnach  nicht  genügend  festgestellt  Patandschali 
sagt  nun  weiter,  die  gegebene  Regel  habe  nur  den  Sinn  einer  Ausnahme  (paryudäsa)  ; 
diese  beziehe  sich  auf  das  Wort  jäti  'Kaste'  und  nicht  auf  apatya.  Das  fertige 
Wort  hrähma  könne  nicht  mit  apatya  in  Verbindung  gebracht  werden ,  sondern 
sei  mit  der  in  ajätuu  liegenden  Negation  zu  verbinden,  d.  h.  das  Sütra  drückt 
aus,  dass  die  Bildung  hrähma  nicht  Statt  habe,  wenn  das  Wort  sich  auf  Kaste 
beziehe. 

Diese  Bemerkungen  mögen  für  das  nähere  Verständniss  von  Patandschali' s 
Commentar  genügen.  Eine  nähere  Erörterung  seines  Commentators  Kajjata 
würde  zu  weit  führen  und  wäre  zu  unerquicklich.  Ich  erwähne  uur  den  Anfang, 
da  er  den  wirklichen  Gebrauch  des  Wortes  hrähma  m  ein  klares  Licht  setzt. 
'Das  Wort  hrähma\  sagt  er,  'wird  von  der  Grammatik  gefordert,  sowohl  wenn  es 
sich  auf  Abstammung  als  wenn  es  sich  nicht  darauf  bezieht.  Man  sagt:  Brähmo 
Näradah  ^Närada,  Sohn  des  Brahma',  hrähma  muhürtah  'die  Stunde  des  Brahma' 
(in  ersterem  Fall  bezieht  es  sich  auf  Abstammung,  in  letzterem  nicht).  Soll  aber 
die  Kaste  und  Abstammung  ausgedrückt  werden,  so  sagt  mQ.n  hrähmana;  soll  aber 
nur  Geschlecht  ohne  Abstammung  ausgedrückt  werden ,  so  wird  der  Ausfall  des 
an  von  hrahmun  verlangt,  also  tritt  wieder  hrähma  ein;  z.  B.  hrähmi  äushadhih 
das  Brahma-Kraut,  wodurch  eine  besondere  Klasse  von  Pflanzen  bezeichnet  wird. 

8,  Dass  hrähmana  in  1,  15,  5.  2,  3G,  5.  wirklich  sich  auf  ein  Trinkgefäss 
beziehe,  wie  Säjana  in  seinem  Commentar  zur  ersten  Stelle  annimmt,  folgt  deut- 
lich aus  dem  Zusammenhange  der  Lieder,  in  denen  es  steht,  da  diese  nur  poetische 
Ausführungen  der  sogenannten  rituyäjas  sind,  d.  h.  der  zwölf  Opferformeln,  mit 
w^elchen  Indra  nebst  den  12  Ritus,  den  Jahreszeiten  und  Monaten,  zum  Opfer 
eingeladen  wird.  Das  Trinkgefäss,  worauf  das  Wort  hrähmana  anspielt,  ist  indess 
nicht  das  des  Brahmäpriesters,  sondern  das  des  Brähmanächchhafnsi,  eines  Assistenten 
des  Hotar,    wie   aus  dem   Sapta-häiitra-prayoya    (Fol.    'do^   meines  Manuscripts 


40 

Nr.  115)  und  dem  Brähmandchchhamsi-prayoga  (Fol.  2'  von  Nr.  116)  hervor- 
geht. (Siehe  mehr  über  die  rituyujas,  meine  üebersetzung  des  Aitareya  Bräh- 
mana  IL  pag.   135,  36,  Note  12). 

9,  Ich  habe  noch  während  meines  Aufenthalts  in  Indien,  im  Jahr  1863,  in 
der  Times  of  India  gelegentlich  einer  Anzeige  des  vierten  Bandes  von  Max  Müller's 
Ausgabe  der  Rigveda-Samhitä ,  welche  unter  dem  Titel  Contriuhtion  towards  a 
right  understanding  of  the  Rigveda  besonders  abgedruckt  wurde,  eine  üebersetzung 
dieses  ganzen  Liedes  veröffentlicht.  Da  dieser  Artikel  in  Deutschland  fast  ganz 
unbekannt  ist  (er  ist  nur  in  wenigen  Exemplaren  separat  abgezogen  worden),  so 
will  ich  bei  dieser  Gelegenheit  die  üebersetzung  des  ganzen  Liedes ,  von  der  in 
dem  Texte  dieser  Abhandlung  nur  die  drei  Verse  gegeben  sind,  in  denen  das  Wort 
Brahmana  sich  findet,  nach  den  in  Indien  selbst  gebildeten  Anschauungen  mit 
einigen  Aenderungen  hieher  setzen. 

1)  Die  Frösche,  die  das  Jahr  hindurch  ruhig  dalagen,  Hessen  ihre  durch  den 
Kegen  geweckte  Stimme  (wieder)  erschallen ,  (wie)  Brahmanen ,  die  ihrem  Gelübde 
(des  Schweigens)  während  der   Vorbereitung  zum  Opfer  treu  geblieben  sind. 

2)  Wenn  die  himmlischen  Wasser  in  diesen  (Teich)  niederströmen,  wie  in 
einen  trockenen,  im  See  liegenden  Lederschlauch,  so  quacken  die  Frösche  zusammen, 
•wie  Kühe  von  ihren  Kälbern  gefolgt  zusammen  blocken. 

3)  Wenn  beim  Herannahen  der  Regenzeit  der  Regengott  die  durstigen  (nach 
einem  Regenguss)  verlangenden  (Frösche)  begiesst,  so  begrüsst  der  eine  den  andern 
mit  dem  Rufe  quack !  wie  ein  Vater  den  Sohn  (begrüsst.) 

4)  Ein  Frosch  umarmt  den  andern,  wenn  der  Regen  auf  sie  beide  herab- 
strömt, so  freuen  sie  sich.  Der  Frosch  hüpft,  wenn  er  vom  Regen  benetzt  ist, 
hin  und  her;  der  gefleckte  vermischt  seine  Stimme  mit  der  des  grünen. 

5)  Wenn  der  eine  von  ihnen  (auch)  den  Ruf  des  andern  erwidert ,  wie  ein 
Schüler  das  Wort  des  Lehrers  nachspricht,  wenn  ihr  mit  euren  hellen  Stimmen 
laut  schreiet  in  den  Gewässern,  so  (zeigt  die  Bewegung)  eines  jeden  eurer  Glieder 
gleichsam  von  Glück. 

6)  Einer  von  ihnen  blockt  wie  eine  Kuh,  der  andere  meckert  wie  eine  Ziege ; 
einer  ist  gefleckt,  ein  anderer  grün.  Sie  tragen  den  gleichen  Namen ,  wenn  auch 
verschieden  gestaltet;  sie  moduliren  die  Stimme  vielfach,  wenn  sie  quacken. 

7)  Wie  die  rings  umher  erklingende  Stimme  der  Brahmanen  beim  nächtlichen 
Somafeste  anzeigt,  dass  die  Kufe  mit  Soma  gefüllt  ist  wie  ein  Teich ,  so  sind  wir 
an  dem  Tage,  wo  ihr  herumhüpfet,  o  Frösche!  mit  Regen  gesegnet. 


41 

8)  Sie  (die  Frösche)  Hessen  ihre  Stimme  erschallen ,  (wie)  Brahmanen  beim 
Somaopfer,  wenn  sie  das  Wachsthum  machen  für  das  ganze  Jahr.  Sie  (die  Frösche) 
erscheinen  (überall; ;  keiner  bleibt  verborgen  (wie)  die  (durch  Anstrengung)  erhitz- 
ten und  von  Schweiss   triefenden  Somamundschenken    (des  nächtlichen  Somafestes). 

9)  Sie  beobachteten  während  des  aus  zwölf  Monaten  bestehenden  Jahres  die 
regelrechte  Folge  der  Jahreszeiten  als  eine  göttliche  Anordnung  wie  Menschen,  ohne 
sie  zu  übertreten.  So  jedes  Jahr,  wenn  die  Eegenzeit  herangenaht  (verlassen  sie 
ihre  Löcher  gerade  wie)  die  erhitzten  Gharmagefässe  geleert  werden  (zur  rechten 
Zeit  von  den  Opferköchen  bei  der  Pravargya -Cevemonie). 

10)  Der  wie  eine  Kuh  blockende  Frosch  verlieh  uns  Eeichthümer,  der  wie 
eine  Ziege  meckernde,  der  gefleckte,  der  grüne,  (sie  alle)  verliehen  uns  Reichthümer. 
Die  Frösche,  die  Hunderte  von  Kühen  verleihen,  verlängern  (unser)  Leben  zur  Zeit, 
wenn  Tausende  (von  Kräutern)  erzeugt  werden  (d.  h.  zur  Regenzeit). 

Einige  Stellen  dieses  Liedes  bedürfen  näherer  Erörterung ,  obschon  ich  durch 
Einschiebsel  für  das  \'erständniss  desselben  einigermassen  gesorgt  habe.  Die  Brah- 
manen werden  hier  in  mehr  als  einer  Beziehung  mit  den  Fröschen  verglichen. 
1)  Sie  verhalten  sich  lange  still,  wenn  sie  sich  durch  die  Ceremonie  der  diJcshä, 
d.  i.  Opferweihe,  zu  einem  Opfer  vorbereiten.  Ist  aber  diese  Zeit  vorbei,  so  dürfen 
sie  ihre  Stimme  wieder  laut  reden.  Gerade  so  verhält  es  sich  mit  den  Fröschen, 
welche  während  der  heissen  Zeit  wie  ausgetrocknet  und  todt  daliegen ,  mit  dem 
Eintritt  des  Regens  aber  sofort  laut  zu  quacken  anfangen.  2)  Bei  dem  grossen 
nächtlichen  Somafeste,  das  Atirätra  heisst,  wird  die  Somakufe  immer  von  neuem 
mit  Soma  gefüllt,  und  von  den  sogenannten  CJtamasa  -  adhvaryu,  d.  i.  Mund- 
schenken ,  mit  dem  Chamasa  (einem  kleinen  viereckigen  Gefäss  mit  einem  Stil, 
wovon  ich  eines  besitze) ,  daraus  geschöpft  und  der  Reihe  nach  herumgereicht. 
Das  Geschäft  ist  sehr  anstrengend ,  da  dieses  Opfer  während  der  heissen 
Zeit  Statt  findet;  dass  die  Mundschenken  in  beständigem  Schweiss  sind,  begreift 
jeder  leicht,  der  einmal  die  heisse  Zeit  in  Indien  verbracht  und  sich  während 
derselben  auch  nur  geringen  körperlichen  Anstrengungen  unterzogen  hat.  So  oft 
die  Somakufe  gefüllt  ist,  und  eine  neue  Runde  (paryaya)  des  Somabechers  be- 
ginnt, erschallen  die  Recitationen  und  Gesänge  der  Opferpriester  aufs  neue; 
bevor  jene  gefüllt  ist,  schweigen  diese  Wer  während  der  Stilla  der  Nacht  die 
heiligen  Gesänge  erschallen  hört,  der  erkennt  sofort,  dass  die  Somakufe  wieder 
gefüllt  ist,  denn  nur  während  der  Becherrunden  des  Atirätra  Festes  dürfen  heilige 
Verse  bei  Nacht  gesungen  und  recitirt  werden,  sonst  nicht  (s.  mehr  hierüber  mein 
Aitareya  Brähmana  II.  pag.  263  —  67).     Gerade   wie  nun  das  Singen    der  Brah- 


42 

manen  bei  Nacht  anzeigt,  dass  die  Somakufe  wieder  gefüllt  ist,  so  zeigen  auch  die 
Frösche,  die  bis  dahin  stumm  geblieben  sind,  durch  ihr  Quacken  an,  dass  Regen 
gefallen  ist.  3)  Die  Frösche  verlassen  ihre  Löcher,  die  durch  die  Hitze  entstan- 
denen kleinen  Erdspalten,  wenn  der  Regen  fällt.  Diese  gleichen  dem  gharma- 
Gefässe,  das  bei  der  sogenannten  Pravargya-QQXQvnomQ  mit  Milch  gefüllt,  heiss 
gemacht  und  dann  geleert  wird. 

10.  Auf  die  durch  die  Kaste  bedingten  Unterschiede  beim  Opfer  ist  schon 
in  dem  Aitareya  Brähmana  deutlich  angespielt  (7,  29.,  S.  484  u.  8-5  meiner 
Uebersetzung).  Hienach  dürfen  nur  die  Brahmanen  beim  Opfer  den  Soma  trinken; 
die  Kschatrijas  müssen  sich  mit  einem  Abguss  über  die  Wurzeln  des  Nyagrodha- 
Baumes  und  einiger  andern  Ingredienzen  begnügen;  die  Waischjas  müssen  dicke 
Milch  statt  des  Soma  geniessen,  und  die  Schüdras  mit  Wasser  zufrieden  sein. 
Die  letztem  sind  in  der  Regel  vom  Opfer  ausgeschlossen;  doch  scheint  manch- 
mal aus  Gewinnsucht  zu  Gunsten  reicher  Schüdras  eine  Ausnahme  gemacht 
worden  zu  sein.  —  In  der  Mäiträyani-Samhitä  finden  sich  besondere  Vorschriften 
über  die  Anlegung  der  Opferfeuer  für  Brahmanen,  Kschatrijas  und  Waischjas. 
Unter  den  Brahmanen  selbst  ist  wieder  ein  Unterschied  gemaclit;  der  hrähmana 
ängirasa,  also  der  Angiraside,  ist  von  dem  hrähmana  väis'vänara  unterschieden, 
worunter  wir  wohl  die  übrigen  Brahmanen  im  Gegensatz  zu  den  Angirasiden  zu 
verstehen  haben  (1,  6,  5).  Das  heilige  Opferfeuer  muss  für  die  Brahmanen  am 
Vollmondstage  des  Monats  Phalgima  (Februar  —  März)  in  der  vasanta,  d.  i.  Früh- 
ling genannten  Jahreszeit,  gegründet  werden ;  denn  dieser  Monat  gilt  für  das  Haupt 
der  Monate,  gerade  wie  Agni  der  erste  der  Götter  und  der  Brahraane  der  erste  der 
Menschen  sei !  Für  den  räjanya  (lishatriya)  muss  die  Anlegung  des  heiligen  Feuers 
im  grishma  (der  Tag  und  Monat  ist  nicht  bestimmt) ,  d.  i.  in  der  heissen  Zeit,  also 
den  Monaten  Ghäitra,  Väis'äliha  und  JyesMha  d.  i.  von  März  bis  Juni  geschehen ; 
denn  Indra  schlug  in  dieser  Zeit  den  Vritra.  Für  den  väis'ya  wird  es  im  sarad 
d.  i.  Herbst,  also  in  den  Monaten  Bhadrapada,  As'vina  und  Kärtiha  (September 
bis  November)  angelegt   (I,  6,  9). 

11.  Solche  Formeln  bildeten  wirklich  den  Gegenstand  von  Hymnen ,  oder 
wurden  vielmehr  zu  Hymnen  ausgesponnen.  Siehe  meine  Einleitung  zum  Aitareya 
Brähmana  pag.  38.  Eines  der  deutlichsten  Beispiele  dieser  Art  bietet  Rv.  1,  15., 
eine  an  die  Ritus  gerichtete  Hymne,  wenn  man  sie  mit  den  zwölf  sogenannten 
Bituyäjas  vergleicht;  s.  Ait.  Brähm.  Uebersetzung  p.  135.  136  ;  vgl.  auch  die  Hymne 
predam  hrahma  (Rv.  8,  37)  und  dazu  pag.  189  meiner  Uebersetzung  des  Ait.  Brähm. 


43 

12.  Diese  Stelle  findet  sich  im  Hora-Jesclit  (Jasna  9,  24  Westerg.)  und 
lautet:  Ilaomö  temchid  yim  Keresänmi  apaJcJishathrem  nishädhayad  yd  raosta 
Tchshathro-hämya  yö  davata  nöid  me  apäm  äfhrava  aiwis'tis'  veredhye  danhava 
charäd  Itö  vispe  varedhanäm  vanad  m  vispe  vnredhanäm  jandd.  Sie  ist  folgender- 
massen  zu  übersetzen:  'Homa  beraubte  jenen  Keresäni  der  Herrschaft,  dessen 
Herrschsuclit  (so  sehr)  gewachsen  war,  dass  er  sagte:  Kein  Athrawa  (Peuer- 
priester)  soll  in  meinem  Lande  (ferner  mit  seinen  Zaubersprüchen ,  die  anfangen 
mit)  apäm  aiwis'tis'  weilen,  damit  es  gedeihe;  er  würde  alles  Gedeihen  zerstören, 
(und)  alles  Gedeihen  niederschlagen.'  Diese  Uebersetzung  weicht  von  der  traditio- 
nellen Version  bedeutend  ab.  Ehe  ich  sie  rechtfertige,  will  ich  die  letztere  im 
Pehlewitext  nebst  Uebersetzung  mittheilen. 

Hoyn  valmansMn  mtm  karsäik  hüniand  aeshdn  harä  min  JcJiotde  nishänit 
mün  rustu  Jmmand  pavan  kJiotäe  JcämaJce  diyh  pavan  JcJiotde  läld  jatünt  yekavi- 
münant  mün  davayand  digJi  lä  lanman  rdi  aJiJtar  asrüJiu  pavan  apar  JiushmaresJme 
pavan  JcdmaJc  yen  matd  satünad;  lanman  äitünu  vaJcJidnntm  min  kartan  i  lanman 
bei  dmat  (yeJmvüned)  mihi  lä  satünad;  zaJii  Jiarvispgün  gurte  vdnit  harä 
maJittümt  hnnu  aJcJuir. 

Uebersetzung.  Hom  beraubt  die,  welche  auf  Thronen  sitzen,  ihrer  Gewalt 
(wörtlich:  er  macht,  dass  sie  ohne  Herrschaft  dasitzen),  die,  welche  an  Herrsch- 
sucht gewachsen  sind,  das  ist,  sie  haben  an  Macht  zugenommen,  welche  sprechen : 
Kein  Priester  soll  unsertwegen  ferner  wandern  in  dem  Lande  um  die  (heiligen 
Sprüche)  ferner  herzusagen ;  wir  handeln  so ,  dass  unser  Verfahren  die  Wirkung 
haben  wird,  dass  er  (der  Priester)  nicht  mehr  kommen  wird;  dieses  allein  wird 
alle  Arten  von '  Tapferkeit  vernichten,  jede  Art  von  Tapferkeit  nachher  zerstören. 

Diese  Version  ist,  wie  jeder  leicht  bei  einer  nähern  Untersuchung  finden  wird, 
nicht  haltbar. 

Keresäni  ist  als  Inhaber  eines  Thrones  gefasst,  während  es  ein  Eigenname 
und  unzweifelhaft  mit  dem  wedischen  Kris'änu,  dem  Wächter  des  Soma,  identisch 
ist  (über  ihn  s.  meine  Uebersetzung  des  Ait.BräJim.  pag.  203);  er  gilt  als  Bogen- 
schütze (Rigv.  9,  77,  2.  10,  64,  8.  4,  27,  3.)  und  heisst  sogar  rudra.  in  zwei 
Stellen  ist  A  g  n  i ,  der  Feuergott,  darunter  zu  verstehen,  Väjasaneyi  SamJiitä  5,32. 
S'änkJiydyana  S'räuta-sütras  6,  12.     Die  letztere  lautet: 

6 


44 

^TOW  ^n§  TT  'TT  fi#fwi'^'4 

Uebersetzung.  Die  Hotars,  nachdem  sie  mit  vorwärts  geneigtem  Körper 
vor  ihren  Feuerplätzen  (dhishnya)  sich  aufgestellt  haben  (upastliäya),  bewegen 
sich  nach  dem  Sitzplatze  der  Priester  (rechts  von  der  tdtarä  vedi,  s.  mein  Ait. 
Brähm.  2,  36.  pag.  146  der  Uebersetzung);  sie  machen  Halt  vor  den  zwei  Ha- 
wirdhänas  (den  beiden  zur  Aufnahme  der  Opferspeisen,  des  Fleisches,  Soma- 
kufe  u.  s.  w.  dienenden  Karren ,  s.  Ait.  JBrcihm.  Uebers.  pag.  64) ,  heften  ihren 
Blick  auf  verschiedene  Gegenstände  (wie  die  ähavcmiya  und  gärhapatya  Feuer, 
und  den  vom  IJdgätar  gebrauchten  Zweig  des  Udumhara  -  Baumes)  und  sagen, 
während  sie  auf  das  ähavantya-YeneY  allein  sehen,  die  folgenden  Mantras  her :  du 
bist  der  Gesammtherrscher,  o  Krischänu;  beschütze  mich  mit  Kudra's  Schaar;  stehe 
mir  bei  o  Agni;  schiesse  deinen  Pfeil  nicht  auf  mich;  tödte  mich  nicht!  (In 
der  Uebersetzung  dieser  Probe  des  kurzen  Sütrastyls  der  Lehrbücher  der  Opfer- 
wissenschaft musste  ich  zur  Verdeutlichung  des  Sinnes  eine  lieihe  Worte  einschalten, 
die  nicht  im  Texte  stehen ;  das  Eingeschlossene  sind  kurze  sachliche  Erläuterungen). 
Auch  in  der  classischen  Sprache  findet  sich  das  Wort  Jcrisämi  in  der  Bedeutung 
'Feuer',  so  BagJmvams'a  2,  49,  was  deutlich  zeigt,  dass  diese  Bedeutung  durch 
den  Sprachgebrauch  begründet  ist.  Nimmt  man  Jirisämi  als  eine  Person,  so  scheint 
es  eine  Personification  des  Blitzes,  oder  einer  besondern  Art  desselben  zu  sein. 

Ein  sicherer  Beweis  von  der  Identität  des  Kris'änu  der  Wedas  und  des 
Keresäni  im  Hom-Jescht  liegt  in  dem  Umstand,  dass  beide  in  Verbindung  mit 
Soma  oder  Homa  stehen ,  und  dass  beide  feindliche  Wesen  sind.  Der  indische 
Kris'änu  hütet  den  Soma  und  schiesst  auf  die,  die  ihn  rauben  wollen ;  der  iranische 
Keresäni  schafft  die  Religion  der  Athrawas,  d.  i.  der  Feuerpriester,  ab.  Der  ursprüng- 
liche Sinn  der  Mythe  wurde  früh  verdunkelt.  In  der  iranischen  Legende  lebte  er 
nur  als  Tyrann  und  Unterdrücker  der  Religion  fort,  der  von  Homa  entthront  wurde. 

Der  weitaus  interessanteste  Theil  des  Verses  sind  die  Worte  ajxlm  aiwis'tis'. 
Die  Pehlewiversion  hat  dieselben  sicherlich  ganz  falsch  interpretirt ;  apäm  wird 
hier  und  Jasn.  10,  1  durch  alchar  'nachher,  ferner,  in  Zukunft'  erklärt,  eine  Be- 
deutung, die  das  Wort  gar  nicht  haben  kann ;  denn  am  wird  nie  als  eine  Endung 
zur  Bildung  von  Adverbia  im  Zend  gebraucht;  apäm  kann  nur  der  Genit.  plur. 
von  afs  'Wasser'  sein.  Dass  diess  wirklich  der  Fall  ist,  zeigt  eine  richtige  Inter- 
pretation beider  Stellen.   In  unserer  Stelle  ist  es  mit  aiivis'tis   zu  verbinden.   Was 


45 

apäm  aiwis'tis'  zu  bedeuten  hat,  welcher  Ausdruck  hier  in  Verbindung  mit  äthrava 
(Skr.  aiharvan)  vorkommt,  können  wir  nur  aus  dem  Anfangsverse  des  Atharwa- 
weda  ersehen ,  dessen  Samhitä  in  den  beiden  Handschriften  meiner  Sammlung 
mit    einem    Mantra    beginnt,     das    wirklich    beide    Ausdrücke    enthält,     nämlich: 

^  ^  ^^^ftl^fJ^^  ^"Rt  H'^nT  "^trT^  anfängt.  Die  gedruckte  Berliner 
Ausgabe  des  Atharwaweda  lässt  dieses  Mantra  am  Anfang  aus;  dagegen  ist  es 
in  1,  G,  1  gegeben,  wo  meine  beiden  Manuscripte  es  ebenfalls  haben.  Dass  aber 
der  Atharwaweda  schon  vor  ungefähr  2000  Jahren  mit  diesem  Mantra  anfieng, 
ersehen  wir  aus  der  Einleitung  zu  FatanjaWs  MahähMshya  (pag.  6  Ed.  Ballantyne) 
wo  die  Anfangsworte  der  vier  Wedas  in  folgender  Ordnung  gegeben  sind:  s'anno 
devir  ahhislifaye ;  ishe  tvorje  tvä  (Yajurv.);  agnini  ide  purohitam  (Kigv.) ;  agna 
äyähi  vUaye  (Sämav.).  Auch  im  sogenannten  JBrahmayajna,  in  dem  die  Anfangs- 
worte aller  wedischen  Bücher  enthalten  sind ,  und  das  heute  noch  täglich  von 
jedem  orthodoxen  Brahmanen  recitirt  wird,  fängt  der  Atharwaweda  mit  diesem 
Mantra  an. 

Die  Bedeutung  von  abhishti  anlangend,  so  hat  Goldstücker  (Sanscrit  Bic- 
tionary  pag.  289)  demselben  mit  Recht  als  ursprüngliche  Bedeutung  die  von  'An- 
näherung' gegeben ;  da  diese  häufig  eine  freundliche  ist,  so  kommt  ihm  oft  die  Be- 
deutung von  'Hilfe,  Beistand'  in  den  wedischen  Liedern  zu.  PJs  kann  aber  auch  in 
feindlichem  Sinne  als  'Angriff'  gebraucht  werden ;  so  ganz  deutlich  das  lautlich  ent- 
sprechende zendische  ahvis'tis  in  Jescht  13,  67:  täo  yüidhyeinti  pcshandhii  havS 
asahi  slioithraeclia  yatha  asö  maethancmcha  aiwis'tee  didhdra.  'Sie  (die  Fra- 
waschis)  kämpfen  in-  Schlachten  im  eigenen  Lande  und  der  eigenen  Stadt,  wenn  er 
(der  Feind)  sich  unterstanden  hat  das  Land  und  die  Kesidenz  anzugreifen.'  Die 
Bedeutung  des  Wortes  in  unserer  Stelle,  die  gleichbedeutend  mit  der  von  ahJiishfi 
im  Anfang  des  Atharwaweda  sein  muss,  lässt  sich  mit  ziemlicher  Sicherheit  aus 
der  Anwendung  gerade  des  ersten  Mantra's  jenes  Weda  von  seinen  Anhängern 
ermitteln.  Wie  mir  von  einem  derselben  mitgetheilt  wurde  ,  muss  jeder  Atharwa- 
wedi  dieses  Mantra  mit  der  ersten  Hymne  (ye  trishapta)  jeden  Morgen ,  gleich 
nachdem  er  aufgestanden ,  während  der  Reinigung  des  Mundes  mit  Wasser  her- 
sagen. Die  Bedeutung  der  zwei  ersten  Fädas  jenes  Mantra  s'am  no  devir  etc. 
ist:  'Mögen  die  göttlichen  Wasser  uns  gewogen  sein,  dass  sie  herankommen  zum 
Trinken.'  Dass  ahJiisldi  wirklich  hier  die  Bedeutung  des  'Herankommens ,  Sich- 
näherns'  hat,  zeigt  der  dritte  Fäda  des  Mantra  deutlich :  s'am  yor  ahhi-sravantu 
nah  'mögen  sie  uns  gewogen  uns  zuströmen!'    Die  Wasser  sind  zuerst  durch  ein  Mantra 


46 

zu  begütigen,  ehe  sie  in  den  Mund  genommen  werden  dürfen;  denn  sonst  würden 
sie  Schaden  zufügen.  Der  Ausdruck  aiwis'fis  apum  lieist  demnach  'die  Annäherung, 
Ankunft  der  Wasser',  ist  aber  in  unserer  Stelle  nur  als  Citat  zu  fassen.  Etwas 
schwierig  ist  die  syntaktische  Stellung  der  Worte  zu  erklären ;  das  Subjekt  ist 
unzweifelhaft  äthrava,  das  Verbum  cJiardd;  apäm  mivis'tis"  ist  dann  als  Apposition 
zu  fassen:  'nicht  mehr  soll  der  Athrawa,  das  apäm  aiwis'tis  ,  d.  i.  mit  seinem 
apäm  aiwis'tis    (es  hersagend)  in  meinem  Lande  wandern/ 

So  auffallend  der  Umstand  allen  Freunden  und  Forschern  des  wedischen  und 
iranischen  Alterthums  erscheinen  mag,  dass  die  Anfangsworte  des  Atharwaweda 
sich  im  Hom-Jescht  wirklich  finden,  so  kann,  wenn  man  die  Beweise  klar  und  un- 
befangen ansieht,  nicht  der  geringste  Zweifel  darüber  herrschen,  dass  die  Sache  sich 
wirklich  so  verhält.  Denn  erstens  kommen  die  Worte  apäm  aiivis'tis  in  Verbind- 
ung mit  äthrava  vor,  was,  wie  längst  bekannt,  das  wedische  atliarvan  ist,  worunter 
wir  einen  Feuer-  und  Somapriester  zu  verstehen  haben;  zweitens  finden  sich 
diese  Worte  im  Anfang  desjenigen  Weda,  der,  weil  er  die  heiligen  üeberlieferungen 
der  Atharwans,  also  gerade  jener  Feuerpriester,  enthält,  Atharwa-weda  heisst. 
Diese  merkwürdige  Uebereinstimmung  kann  unmöglich  zufällig  sein ,  sondern  ist 
ein  schlagender  Beweis  von  der  ungemein  engen  Berührung  zwischen  Weda  und 
Zendawesta,  die  ich  immer  behauptet  habe,  und  für  deren  Begründung  ich  immer 
neue  Argumente  finde. 

13.  Die  Anstellung  eines  purohita  bei  den  indischen  Königen  muss  uralt  sein. 
Das  Wort  findet  sich ,  wie  ich  in  der  Einleitung  zu  dem  Äitareya  Brähmanam 
(pag.  66,  67)  gezeigt  habe,  im  Zendawesta  in  der  Form  paradMta,  woraus  die 
iranische  Sage  die  Dynastie  der  Feschdadier  gemacht  hat. 

14.  Dies  ist  die  Sage  von  S' iinalis  ep)a ,  die  ausführlich  in  dem  Äitareya 
Brähmana  mitgetheilt  ist;  s.  meine  Uebersetzung  S.  450 — 71. 

15.  Es  dürfte  einem  europäischen  Leser  auffallend  erscheinen ,  dass  derartige 
bestimmte  Erinnerungen  an  die  Abstammung  von  einem  Rischi  der  fernen  Vorzeit 
sich  noch  lebendig  unter  den  Brahmanen  erhalten  haben ,  namentlich  wenn  man 
bedenkt,  dass  keine  in  so  entlegene  Epochen  hinaufreichenden  schriftlich  aufgezeichneten 
genealogischen  Listen  existiren,  da  alle  Aufzeichnungen  dieser  Art  sicherlich  spätem 
Ursprungs  sind.  Die  Erhaltung  ist  aber  nichts  desto  weniger  eine  Thatsache.  Sie 
wird  nur  dadurch  begreiflich,  dass  die  Brahmanen  gehalten  sind,  bei  jeder  Gelegen- 


47 

heit,  wie  bei  der  täglichen  Andacht,  dem  Vollzug  von  Opfern  und  andern  Cere- 
raonien,  den  Rischi  oder  Patriarchen  zu  nennen,  von  dem  sie  abstammen;  auf 
diese  Weise  vererbte  sich  die  Tradition  der  Abstammung  vom  Vater  auf  den  Sohn. 
Jeder  Brahmane  weiss  desswegen  auch  heutigen  Tages  noch  die  Rischifamilie,  der 
er  entstammt;  aber  sie  geben  nur  ungern  darüber  Auskunft,  da  sie  ihre  Ab- 
stammung geheim  zu  lialten  haben.  S.  mehr  hierüber  Max  Müller,  Ä  history 
of  ancient  Sanscrit  llferature  pag.  879  fgg. ;  meine  üebersetzung  des  Aitareya- 
Brähnana  pag.  479  —  SO  (Note). 

16.  Eine  eingehende  systematische  Darstellung  des  indischen  Opfers  oder  viel- 
mehr der  verschiedenen  indischen  Opfer  nach  der  noch  massenhaft  vorhandenen 
liturgischen  Literatur,  die  unter  dem  Namen  der  Brähmanas  und  Sütras  bekannt 
ist,  ist  noch  ein  grosses  Desideratum.  Die  meisten  Aufschlüsse  darüber  dürfte  der 
Leser  in  meiner  üebersetzung  des  Äitareya  Brähmana  und  namentlich  den  meist 
auf  mündliche  Belehrung  seitens  der  Opferpriester  gegründeten  erklärenden  Anmerk- 
ungen, sowie  in  der  Einleitung  zu  dem  Werke,  finden.     S.  auch  Anmerkung  1. 

17.  Wie  unglaublich  diess  auch  europäischen  Lesern  erscheinen  mag,  so  ist  es 
nichts  desto  weniger  Thatsache,  von  der  ich  selbst  Gelegenheit  hatte  mich  zu  über- 
zeugen. Bei  einer  Versammlung  von  Brahmanen,  wie  sie  seit  einer  Reihe  von  Jahren 
behufs  der  Empfangnahme  von  Stipendien  (daJishina)  jährlicli  im  Dezember  inPuna 
gehalten  wird,  bis  die  berechtigten  Empfänger  vollends  ausgestorben  sind,  und  über 
die  ich  im  Jahre  1861  präsidirte,  fanden  sich  etwa  600  Mitglieder  der  Brahmanen- 
kaste,  meist  aus  dem  Dekkhan  ein,  die  den  Ehrentitel  Bhatta  fülirten  und  als 
professionelle  Hersager  der  wedischen  Texte  berühmt  waren.  Es  waren  meistens 
Kenner  des  Rigweda,  des  schwarzen  und  auch  des  weissen  Jadschurweda;  darunter 
fanden  sich  auch  ein  paar  Atharwawedis ,  dagegen  nicht  ein  einziger  Sämawedi, 
welche  ich  dagegen  in  grosser  Zahl  auf  meiner  Reise  in  Guzerat,  namentlich  in 
Ahmedabad.  traf.  Die  besten  Rigwedis  waren  das  agranthis  d.  h.  Kenner  der  zehn 
granthas,  die  mir  auf  mein  wiederholtes  Befragen  folgendermassen  spezifizirt 
wurden:  Samhitä-putha ^  Pada-pätha,  Krama-pätha ,  Brähmana  und  die  sechs 
Vedängas.  Sie  wussten  demnach  den  Text  der  wedischen  Lieder  in  dreifacher  Form, 
sowie  das  Aitareya  Brähmana,  das  Nirukta,  Pänini  u.  s.  w.  auswendig.  Dass 
dieses  Auswendigwissen  nicht  etwa  blosse  Prätension  war,  davon  hatte  ich  mehr 
als  einmal  Gelegenheit  mich  zu  überzeugen.     Jeder  mit   den  Anfangsworten  ange- 


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führte  Vers  des  Eigweda  oder  Stuck  eines  Brähmana,  oder  eines  andern  wedischen 
Buches  wurde  sofort  auf  Verlangen  vollständig  mit  Beobachtung  des  Accents  ohne 
einen  Fehler  aus  dem  Kopfe  hergesagt.  Auf  mein  Befragen,  wie  viel  Zeit  gewöhn- 
lich auf  das  Auswendiglernen  eines  so  massenhaften  Stoftes  verwandt  werde,  erhielt 
ich  zur  Antwort:  zwölf  bis  fünfzehn  Jahre,  was  auch  sehr  glaublich  klingt.  Brah- 
manen  versicherten  mich  oft,  die  Kenntniss  der  wedischen  Texte  stehe  so  fest  in 
den  Köpfen  der  Bhattas,  dass,  wenn  man  alle  vorhandenen  Exemplare  der  Wedas 
sammeln  und  verbrennen  würde,  innerhalb  eines  Jahres  alle  genau  in  derselben 
Form,  demselben  Wortlaut  und  mit  denselben  Accenten  wiederhergestellt  wer- 
den könnten. 


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