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HERMAN L. LANG
WILELLELEIEELEIEITEREETTED
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ANDL.& ANTIQUARHAT :
Brehms Tierleben
Eriter Band.
Allgemeine Naturkunde.
Brehms Tierleben.
Vierte, neubearbeitete Auflage. Unter Mitarbeit von Dr. Viktor franz, Dr. Georg Grimpe,
Prof. Dr. Ludwig Heck, Prof. Dr. Friedrich Hempelmann, Prof. Dr. Richard Heymons,
Dr. Max Hilzheimer, Prof. Dr. William Marihall f, Dr. Ludwig Nick f, Prof. Dr. Heinrich
Simroth f, Prof. Dr. Otto Steche, Dr. Ernit Wagler und Prof. Dr. Sranz Werner heraus-
gegeben von Prof. Dr. Otto zur Strafen. 13 Bände. Mit 1803 Abbildungen im Text und
auf 633 Tafeln in Sarbendruck, Aung und Holzichnitt fowie 13 Karten.
Der NMlenich.
Von Prof. Dr. Johannes Ranke. Dritte Auflage. 2 Bände. Mit 695 Abbildungen im Text
(1714 Einzeldaritellungen), 7Karten und 64 Tafeln in Sarbendruck, Alung und Holzichnitt.
Völkerkunde.
Von Prof. Dr. Sriedrich Raßel. Zweite Auflage. 2 Bände. Mit 1103 Abbildungen im
Text, 6 Karten und 56 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt.
Die Pflanzenwelt.
Von Prof. Dr. Otto Warburg. 3 Bände. Mit mehr als 900 Abbildungen im Text und
über 80 Tafeln in Sarbendruck und Ältung.
Pflanzenleben.
Von Prof.Dr. Anton Kerner von Marilaun. Dritte, von Prof. Dr. Adolf Hanien neubearbei-
tete Auflage. 3 Bände. Mit 472 Abbildungen im Text, 3 Karten und 100 Tafeln in
Sarbendruck, Atung und Holzichnitt.
Erdgefchichte.
Von Prof. Dr. M. Neumayr. Zweite, von Prof. Dr. V. Uhlig bearbeitete Auflage. 2 Bände.
mit 873 Abbildungen im Text, 4 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck und Holzichnitt.
Das Weltgebäude.
Eine gemeinveritändliche Himmelskunde. Von Dr. M. Wilh. Meyer. Zweite Auflage. Mit
291 Abbildungen im Text, 9 Karten und 34 Tafeln in Sarbendruck, Aßung und Holzichnift.
Die Nlaturkräfte.
Ein Weltbild der phyfikaliichen und chemifchen Ericheinungen. Von Dr. M. Wilh. Meyer.
Mit 474 Abbildungen im Text und 29 Tafeln in Farbendruck, Atzung und Holzichnift.
—
Leipzig und Wien
Bibliographifches Initituf.
Brehms Tierleben
Allgemeine Kunde des Tierreichs.
mit 1803 Abbildungen im Text, 633 Tafeln in Sarbendruck, Kupferäßung und
Holzichnitt und 13 Karten.
Vierte, vollitändig neubearbeitete Auflage,
herausgegeben von
Prof. Dr. Otto zur Straiien.
Nliedere Tiere.
Leipzig und Wien
Bibliographifches Inititut
1918.
Alle Rechte vom Verleger vorbehalten.
Copyright 1918 by Bibliographisches Institut A.-G., Leipzig.
Die niederen Tiere
Einzeller, Schwämme, Hohltiere, Würmer, Muichellinge,
Stachelhäuter, Weichfiere und Krebie.
Neubearbeitet von
Viktor Sranz, Georg Grimpe, Friedrich Hempelmann, Ludwig
Nick +, Heinrich Simroth und Ernit Wagler.
Mit 352 Abbildungen im Text, 25 farbigen und 4 ichwarzen Tafeln
von $. Eßold, P. Slanderky, 6. Grimpe, R. Koch, H. Morin, 6. Müßel,
$.Schmidt- Kahring, J. Schmidt, H. Simroth und €. Wagler, 27 Tafelieiten
nach Photographien und Zeichnungen und 2 Kartenbeilagen.
an: einer Lebensbeichreibung Alfred Edmund Brehms von Ernit Kraufe und
einer allgemeinen Einführung von Otto zur Straiien.
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SUTHSONtan
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Leipzig und Wien Bol:
Bibliographifches Initituf
1918.
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Aus den VBorworte zur eriten Auflage.
Unfer reiches Schrifttum bejist viele tierfundliche Werke von anerkannter Trefflichkeit,
aber wenige, in denen die Lebensfunde ver Tiere ausführlih behandelt if. Man begnügt
fich, zumal in den oberen Klafjen, mit einer möglihlt jorgfältigen Beihhreibung des äußeren
und inneren Tierleibes, ja, man gibt fi zuweilen den Anfchein, als halte man es für
_ umvereinbar mit der Wifjenfchaftlichfeit, dem Leben und Treiben der Tiere mehr Zeit und
Kaum zu gönnen als erforderlich, um zu beweifen, daß ver in Nede ftehende Gegenjtand
ein lebendiges, d. h. nicht bloß ein fühlendes und bewegungsfähiges, jondern auch ein han-
delndes und wirfendes Wefen ift.
Die Urjachen diejes ebenjo ungerechtfertigten wie eimjeitigen Verfahrens find unfchwer zu
erfennen. Unjere Meijter der Tierfunde zieren die Hochjehulen oder wirken an den öffentlichen
Sammlungen. Hier haben fie eine für die Zergliederungs- und Syftemfunde verlodende
Menge von Stoff zur Verfügung, und wenn fie diejen Stoff wirklih bewältigen wollen,
bleibt ihnen zur Beobahtung des Lebens der Tiere feine Zeit — ganz abgejehen davon,
daß zu folcher Beobahtung ein Zäger- und Wanderleben eine der erften Bedingungen ift.
Mir danken gedachten Forichern überaus wichtige Aufihlüffe über den äußeren und
inneren Bau des Tierleibes und hierdurch Erklärung gewijjer Zebensäußerungen; wir jehen
in ihnen immer die das Ganze überblidenden und ordnenden Meijter ver Wifjenichaft und
find geneigt, die jagenden und jammelnden Keijenden jenen gegenüber al3 Gehilfen und
Handlanger zu betrachten, obgleih wir uns nicht verhehlen fünnen, daß nur fie es find,
welche uns mit dem ganzen Tiere befannt machen. Denn erft das lebende Tier ift ein
‚„Tühlendes und bewegungsfähiges” Wejen: das tote, ausgejtopfte, in lol aufbewahrte
tt und bleibt immer nur ein Öegenftand.
Die Neijenden und die unfere Fluren jagend durchitreifenden Forjcher aljo find es,
von denen wir Schilderungen des Tierlebens fordern müfjen und fordern dürfen. Ihnen
ift die Aufgabe geworden, vor allem das lebende Tier ins Auge zu fafjen; für die wiljen-
ihaftliche Behandlung des toten Tieres finden fi andere Kräfte: denn auch für das er-
jpriegliche Gedeihen der Tierfunde ift Teilung der Arbeit unerläßliche Bedingung.
Solche Anfichten haben mich beitimmt, das vorliegende Buch zu jchreiben. Durch Lehre
und Vorbild meines unvergeßlichen Vaters bin ic von Jugend auf zur eigenen Beobachtung
der Tiere veranlagt worden und habe hierzu jpäter, während eines langjährigen Wander-
lebens im Norden und Süden jowie in meinem jpäteren Wirkungsfreife, manche Gelegenheit
gefunden, die vielen anderen verjchloffen blieb. Deffenungeachtet hielt ich meine Beobac)-
tungen allein zu einer Veröffentlihung nicht für wichtig genug und glaubte deshalb, fie mit
den Erfahrungen anderer verjchmelzen zu müffen. Hierdurch mußte die Arbeit das Gepräge
einer allgemeinen Tierfunde erhalten, und da diefe Allgemeinheit nun einmal angebahnt, bes
Ihloß ich, den uriprünglien Plan jo zu erweitern, wie er jet in der Ausführung vorliegt.
VIII Vorwort zur zweiten Auflage.
Slteren Beobachten habe ich ihr Erftlingsrecht ftetS gewahrt, wenn ich fand, daß die
Beobachtungen viehtig oder mindeftens wahrfheinlih; ich habe dies au dann getan, wenn
ich die betreffenden Tiere felbft beobachtet hatte, und ebenjo haben die Künftler e3 ange:
geben, ob fie das lebende Tier gezeichnet, oder nur eine gute Abbildung benußt. Wo ic)
konnte, bin ich an die Duelle gegangen, und nur bei unmejentlichen Angaben, beijpiels-
weile bei der Wiedergabe altklaffiiher Stellen, habe ich das umterlafjen: ich hatte Wich-
tigeres zu tun, als in altem Wufte zu wühlen. Wenn alfo hinfichtlich joldder Angaben Fehler
bemerkt werden, mag Den fte verantworten.
Boriwort zur zweiten Auflage.
Ein Buch wie das ‚„‚Tierleben“, welches eine übereinftimmend günjtige Beurteilung er:
fahren und eine allgemeine Verbreitung gefunden hat, von allen Lehrern mit Freude und
Dank begrüßt, von allen Lernenden mit Vergnügen und Nuten gelejen, auch in die Sprachen
fait aller gebildeten Völker übertragen worden ift, legt feinen Berfaljern die zwingende Ver:
pflichtung auf, jede neu erfcheinende Auflage der jorgfältigiten Umarbeitung zu unterziehen.
Diejer Verpflichtung, ohne irgendwelche Nücjicht auf ven Inhalt der eriten Auflage, nad)
zufommen, habe ich mich nach beiten Kräften beftrebt; fie ift ebenfo von meinen Herren Mit-
arbeitern bevingungslos anerkannt und erfüllt worden; jämtliche mitwirfenden Kiünjtler haben
diejelben Grundfäße befolgt; die Berlagshandlung hat allen Wünjchen Rehnung getragen,
überhaupt feine Opfer geicheut, um die gejtellte Aufgabe zu ermöglichen; viele Freunde des
Werfes enolih haben es fich angelegen jein lafjen, dasjelbe durch wertvolle Beiträge zu
fördern. Das „Tierleben” ericheint, dank Joldem Zufammenwirfen, in durchaus veränderter
Geftalt, berichtigt, verbeffert, bereichert und vervollitändigt nach allen Richtungen hin: ein
neues Buch unter altem Titel. Sein Gepräge aber haben wir nicht verwilchen, jeine Eigen=
Ihaft als volfstümliches Werk ihm nicht rauben wollen.
lach wie vor joll das ‚„‚Zierleben” beftimmt fein, in gebildeten Familien fi) einzu:
bürgern und zu einem Hausjchage im beiten Sinne des Wortes zu werden. Für jtreng
wiljenjchaftlihe Kreife it es nicht geichrieben, für unreife Kinder ebenjowenig; gleichwohl
dürften jene auch in dem volfstümlicden Buche manches Beachtenswerte finden md werden
dieje, durch Vermittelung Erwachjener, jeinen Snhalt fih erichließen fünnen.
Bon diefen und den früher erörterten Gefichtspunftten aus wolle man au) die neue
Auflage betradten. Das ‚„‚Tierleben” hat, meiner Anfiht nach, jelbjt eine jtrengere Be:
urteilung nicht zu fürchten. Wer in ihm fucht, was er nad) Titel und Anlage zu finden be
vechtigt ift, wird fich nicht getäufcht jehen; wer fich des Titels ftets erinnert, das nicht Juchen,
was er nicht finden fann. Mängel und Irrtümer haften erflärlicherweije wohl auch diejer
Auflage an; fie hervorzuheben und zu berichtigen, damit fie jpäter vermieden werden fönnen,
möge die danfenswerte Aufgabe des Lejers fein. Eine jachgemäße und wohlwollende Be-
urteilung wird mich ftetS zu warmem Dante verpflichten, eine von Mißgunft oder vom Partei:
jtandpunfte beeinflußte, böswillige Bemängelung auch) fernerhin unnahbar finden.
Berlin, am 6. März 1876.
A. E. Brehm.
Aus dem Vorworte zur dritten Aiflage,
Auf den Wunfch des Bibliographiihen Suitituts, „Brehms Tierleben” in dritter Auf:
lage durchzuarbeiten umd herauszugeben, bin ih um jo freudiger eingegangen, als auch ic}
dem Werke nicht geringe Anregung und Belehrung zu verdanken habe.
Die glüdliche Anlage und Gejamtauffafjung treu zu wahren und bei der Bearbeitung
die Rücjicht und Sorgfalt zu befunden, weldhe dem Berfaljer wie dem eigenartigen und jo
erfolgreichen Buche gebührt, erichien mir als erjte Pflicht. Dieje zu erfüllen habe ich mich
bemüht, auch dort, wo durchgreifende Anderungen geboten waren.
Der Aufihwung der Erdkunde, hervorgerufen durch zahlreiche Erpeditionen nach frem-
den Ländern und genährt durch die fteigende Teilnahme an Eolonialen Beitrebungen, hat
auch die Kunde des Tierlebens mwejentlich gefördert, und zwar nicht zum wenigften infolge
von Brehms anreizendem Wirken. Die Bewohner ferner Gebiete werden jett vieljeitiger
und jchärfer beobachtet, umfichtiger und Iehlihter gefhildert al3 in früherer Zeit.
Sp hat fih aud ein Wandel in der Auffaljung vom Wejen vieler Tiere, zumal der
Schredgeftalten der Wildnis, verhältnismäßig rajch vollzogen, und diejer Wandel der Auf:
faffung mußte in der neuen Nuflage des vorliegenden Buches zum Ausdrud fommen. Slltere
und einfeitige Berichte habe ich Durch neue und umfaljendere ergänzt, vielfach auch erjegt und
Lebensichilderungen von Tieren, welche in die frühere Auflage noch nicht aufgenommen werden
fonnten, eingefügt.
E3 ergab fi bald, daß die Aufgabe, die ich übernommen hatte, eine Arbeitsleiftung
erforderte, welcher der einzelne in der vereinbarten Zeit nicht gerecht werden fonnte Des:
halb wurde es notwendig, einen Mitarbeiter zu juchen, der geneigt war, das Syftematijche
des MWerfes zu übernehmen. Sch fand einen jolden in Herrn Dr. Wilhelm Haade, deffen
veränderte Einteilung des Stoffes den Gejamtinhalt nicht beeinflußt, aber den Einblid in den
verwandtichaftlihen Zufammenhang der in ihrem Leben gejchilderten Formen erleichtern fol.
Diejenigen Tierfreunde, welche jeit Jahren in der Stille ihre Beobachtungen und Be:
richtigungen an das Bibliographijche Snftitut eingefendet haben, werden fich überzeugen, daß
ihre nahmals mir übergebenen Beiträge allenthalben Verwendung gefunden haben. Mit
dem warmen Danke für ihre Bemühungen verbinde ich die an fie und alle Beobachter ge=
richtete freundlihe Bitte, in folder Weife auch fernerhin den Aufbau der Tierlebenfunde
zu unterftüßen.
Ssena, am 1. Suli 1890.
Perhuel-Loeiche.
Vorwort zur vierten Auflage.
Mit dem Erjcheinen des Bandes ‚‚Nievere Tiere” gelangt die vierte Auflage des ‚Brehm‘
noch während des Krieges zum Abjchluß. Man wird der Berlagsanftalt, die allen Schwierig-
feiten und Hemmniffen zum Troß das Werk zu Ende führte, Dank und Anerfennung nicht
verjagen.
Schon vor dem Kriege haben perjönliche Gejchidle der zur Mitarbeit Berufenen mehrfach
verzögernd und ftörend auf die Herausgabe eingewirkt. Planmäßig jollte die Vogelabteilung,
von W. Marfhall bearbeitet, zuerft erfcheinen. ALS aber der feinfinnige, in weiten Kreijen
beliebte Verfaffer der „Spaziergänge eines Naturforjchers” unerwartet ftarb, erwies fi jein
Manuffript al3 unvollendet. E83 wurde von Hempelmann und mir drucfertig gemacht,
was bei den erjten Bänden in ziemlicher Eile gejchehen mußte. Erft beim vierten Bogel-
bande fand ich zu einer grünplicheren Umarbeitung die nötige Zeit. Danac) erkrankte und
ftarb der treffliche D. Boettger, der, wie jhon bei der dritten Auflage, die Darjtellung der
Lurdhe und Kriechtiere übernommen: hatte. Für ihn fand fich in dem befannten Wiener
Herpetologen $. Werner vollwertiger Erfab. 2. Hed, in dejjen berufenen Händen die
Abteilung der Säuger lag, jah fih aus Zeitmangel jpäter veranlaßt, die Naubtiere und
PBaarhufer an den bewährten Kenner der Hausjäugetiere M. Hilzheimer abzutreten. —
D. Stehe hat, wie vorgejehen war, die Fiiche, R. Heymons Taujendfüßer, Injekten und
Spinnen dargeftellt. Mit diefen Gruppen find die beiden Foricher durch eigene Unter-
jucungen aufs gründlichite vertraut.
Die Neubearbeitung der im vorliegenden Bande behandelten „Nieveren Tiere‘ wollte ich
jelbft übernehmen. Mlein die Pflichten eines neuen Amtes einerjeitS, die unerwartet jtarfe
Snanipruchnahme meiner Zeit durch die Herausgabe des Werkes anderfeit3 verhinderten mich
an der Ausführung. So wurde der Stoff unter mehrere Fachlenner verteilt. 9. Simroth
übernahm die ihm jo wohlvertrauten Mollusfen. Der geiftvolle Gelehrte jtarb, ehe jein
Manuffript ganz vollendet war. Die noch fehlenden Kopffüßer hat ©. Grimpe, ein Schü:
ler Chuns und Simroths, hinzugefügt. F. Hempelmanı, der Bearbeiter der Wirrmer,
B. Franz, dem Einzellige und Krebje, und 2. Nid, dem Schwämme, Nefjeltiere und Stadel-
häuter anvertraut worden waren, rückten mit Kriegsbeginn ins Feld. In Bialowies ift Nil,
unter den jüngeren Zoologen der hoffnungsvollften einer, an Ruhr verftorben. Sein Nianu=
jfript der Stachelhäuter, das noch nicht völlig fertig, vor allem zu umfangreich) geworden war,
wurde von Grimpe zum Drud vorbereitet. €. Wagler legte an die Abteilungen Würmer
und Krebje, zu deren Abjcehluß die Herren Hempelmann und Franz im Felde außeritande
waren, die lebte Hand.
TIrog aller Wechjelfälle haben wir, jo hoffe ih, den Plan der neuen Auflage, wie er
im Einvernehmen mit der Verlagsanftalt von mir entworfen worden war, im ganzen durch-
geführt. E3 war uns flar, daß diesmal die Neubearbeitung fi nicht auf Einführung des
. Borwort zur vierten Auflage. XET
Neuentvedten und Ausscheidung des Veralteten bejchränten durfte, jondern — bei allem
Streben, den Inhalt und die Form des altberühmten Werkes nach Möglichkeit zu bewahren —
eine Änderung de3 Gefantplanes in mehreren wejentlichen Punkten unvermeidlich war. Bor
allem mußte die große Errungenschaft unjerer Zeit, ver Entwidelungsgedante, ftärfer als
bisher zum NAusdrud fommen; e8 war auf die Abitammung der Tiere, joweit fie ji) mit
Sicherheit beurteilen läßt, Bezug zu nehmen und die Reihenfolge, der jtammesgejchichtlichen
Entwidelung entiprehend, von den einfachiten Lebewejen zu höheren und höchften empor-
zuführen. Sodann jhjien e$ angezeigt, mehr als früher auf den anatomifhen Bau der
Gejhöpfe jowie die Arbeitleiltung ihrer inneren Teile einzugehen; denn mit der größeren
Derbreitung naturmiljenjchaftlicder Kenntnis ift auch das Laienpublitum in diefer Hinficht an-
jpruchsvoller geworden. Und endlich noch ein wichtiger Bunkt: die Tierpfyhologie Im
alten Brehm war oft von den „Gefühlen‘‘ der Tiere, bejonders der Säuger und Vögel, von
ihrem „Lieben“, „Hafen“ und „Fürchten‘ die Nede, und was fie Zwecmäßiges tun, wurde
ohne viel Bedenken auf ihre „Sutelligenz“, ihren „Berftand” zurüdigeführt. Das war in der
Tat der übliche, au) von Gelehrten geteilte Standpunkt jener Zeit. Snzwijchen aber ift hierin
ein Umjchwung eingetreten. Wir wifjen jest, daß die Fähigkeit des „Lernens aus Erfahrung“
zwar weit im Tierreich verbreitet ift, aber nur bei einer Anzahl höchiter Säuger einen Grad
erreicht, der e3 rechtfertigen mag, von „Sntelligenz‘ zu reden. Und gerade mit den meiit-
bewunderten Leiftungen der Tiere hat diefe Lernfähigfeit am wenigiten zu tun: diefe beruhen
vielmehr falt durchweg auf angeborenem „Smitinkt”. Was aber „Gefühle“ und fonftigen
Bemwußtjeinsinhalt der Tiere betrifft, jo hat man eingejehen, daß wir darüber zur Zeit nichts
Sicheres willen, ja nicht einmal mit einiger Wahricheinlichkeit Vermutungen bilden Eönnen, —
je ferner uns eine Tierart förperlich fteht, um jo weniger; weshalb in diefer Hinficht ftarfe
Zurücdhaltung geboten ift. Diefer moderne Standpunft mußte der neuen Auflage zugrunde
gelegt werden. Soll doch der „‚Brehm’ feinen Lejern in ihrem Verhältnis zum Tierreich
ein zuverläjliger Führer jein. Daß unter dem veränderten Standpunkt nicht die Zebendigkeit
der Daritellung leide, waren Herausgeber und DVerfafjer in gleihem Maße bemüht.
Der Slluftrierung des Werkes it, wie in früheren Auflagen, die allergrößte Auf-
merfjamfeit gewidmet worden. Daß, diesmal neben dem altbewährten Holzjchnitt auch der
mechanischen Wiedergabe photographiiher Aufnahmen nach dem Leben ein breiter Raum ge:
währt werden mußte, war jelbitveritändlid. Den jhönften Schmud aber erhielt das Wert
duch bunte Tafeln in ungewöhnlich großer Zahl, deren Vorlagen von Tiermalern erften
Ranges geihaffen wurden. So jtammen die VBogel- und Säugetierbilder, neben ein paar
Meifterwerfen unjeres Frieje, zum größten Teil von W. Kuhnert, der wie faum ein anderer
das Tier in feiner natürlichen Bewegung und Umgebung zu fehildern weiß, und der feine
reiche Erfahrung noch eigens für das „Tierleben” durch eine 11/ejährige Studienreife nach
Afrika und Indien erweiterte. Snjekten und andere niedere Tiere malte der feinempfindende
Sluftrator und Entomolog 9. Morin-Mündhen; au ihm fteht die Kenntnis der Tropen
aus eigener Anjchauung zu Gebote. Ebenjo hat R. Flanderfy-Berlin, der fich bejonders
- auf dem jchwierigen Gebiete der Wafjertierwelt — auch der mifrojfopiihen — betätigt,
monatelang an der Meeresfüfte Studien gemacht. Andere vortrefflihe Bilder haben die Herren
3 Fleiiymann= Wien, Joh. Gehrts, KR. &. Hartig- Berlin, ®. Heubah- Münden,
E. Rungius, Frhr. v. Stenglin, E. Sterry- Berlin, W. Wagner-Kafjel, W. Watagin,
K.Wyfotifi beigefteuert. Die anatomijchen Bilder ftammen von den Herren Fiedler: Leipzig,
Dueißer- Berlin, Neichert-Leipzig, Roloff-Berlin, Shmidt-Kahring-Leipzig. Die
XII Borwort zur vierten Auflage -
tiergeographijchen Karten, auf denen die Verbreitung der verjchiedenen Tierfamilien dargejtellt
ift, find von Dr. Th. Arldt, dem befannten Speialiften auf diefem Gebiete, volljtändig
neu bearbeitet und auf 13 Tafeln mit 33 Karten vermehrt worden.
Allen unferen Künftlern und allen wiffenjhaftlichen Mitarbeitern, auch denen, die eins
zelne Teile des Werkes ducchgejehen haben oder duch Mitteilungen und Hnderungsvor:
ichläge uf. ihm nüßlich gewejen find, nochmals aufrichtigen Dank! Verlag und Heraus:
geber hoffen, daß auch in Zukunft die Teilnahme Eumdiger Lefer beitragen werde, ven Snhalt
durch wertvolle Einzelheiten zu bereichern, Fehler und Lücen zu bejeitigen.
Nicht wenige der zur Darftellung gebraten Objekte wurden im Ausland, bejonders im
Britifh Mufeum und in den Zoologifchen Gärten zu Amjterdam, Antwerpen, London und
Rotterdam, gemalt, gezeichnet oder photographiert; ich danke den Verwaltungen der genannten
Sntitute für die Bereitwilligfeit, mit der fie diefe Studien zugelaffen und gefördert haben.
Dem Biblivgraphiicen Snftitut, das Mühe und Koften nicht fcheute, um das alte bes
vühmte Werk muftergültig auszuftatten, und das den hierauf bezüglichen, zum Teil vecht weit:
gehenden Wünfchen der Bearbeiter immer entgegenfam, gebührt der Dank aller Beteiligten.
Danf au der Shriftleitung, die ihres mühevollen Ahntes mit Umfiht und feinem Vers
jtändnis gewaltet hat.
Dem Werte aber gebe ich einen innigen Wunj mit auf den Weg. Möchte doch der
neue „Brehm”, wie feine früheren Auflagen, wiederum ein echtes Volksbuch werden. Möchte
auch ihm vergönnt fein, zu feinem Teile mitzuwirken an der Erhaltung, Fortentwidelung
und immer größeren Verbreitung des Eoftbarften Eigentums, das unfer Volk befikt, worin.
jeine ganze Kraft und Ungzerftörbarteit wurzelt, — der deutihen Bildung.
sm Felde, den 20. September 1918.
DO. zur Strafjen.
Suhalts=ilberficht,
Einzelleer (Protozoa).
| Erite Klajfe:
Wurzelfiißer (Rhizopoda).
. ; Seite
I: a a Euglypha: Eu. alveolata Duj. 10295
(Amoebozoa). Difflugia: D. pyriformis Perty . . 2... 2
Unterordnung: Nadte Umöben (Amoebaea). | Chlamydophrys: Ch. enchelys Ehrbg. . 25
Seite | Astrorhiza: A. limicola Sandahl. . . . .. 3%
Amoeba, Wechjeltiechen: A. proteus Pall.. . 18 Allogromia: A. ovoidea Rhumblee . . . . 26
- ee Be. a B. Bielfamnterige (Polythalamia).
FIOKLEIFICO A GH ee ee 20 :
“r Polystomella: P. striatopunctata . M. . . 29
Aevespertllio Penard: . 2 an... 01 ER
: ; Glopiserina. Orb... 7 mw rn Ran 0,30
Anbrachiata Day... .. 00.0.0. 2l aan 30
Aseristallıgera Grbrs 2.0... .2nca 20l I
Entamoeba: E. blattae Bitschh. . . . . . 21 Xenophyophora F.E.Sch. . ..... 3
Dikdarmamoöbe, E. coli Loesch . . ee
Dysenterieamöbe, E. histolytica a, 2. Ordnung: Sonnentierchen
Hyalodiscus: H. guttula Dw. . .... 21 (Heliozoa).
H.limax Dog... . 2 2 202 0202020+22 | Acanthoeystis: A. turfacea Cart. . . ... 32
Vahlkampfia Chatton . . . - . 22 | OJathrulina: C. elevansı Gene. 2 90
Dactylosphaerium: D. radiosum Bhırbg. - . 22 | Actinosphaerium: A. eichhorni Ehrbg. . . 33
D.vitreum HL... 2.00. 2 Actinophrys: Ar sol Hhrbg. 2 20.22.2538
D. mirabile Dei: Er
Pelomyxa: P. palustris Grff... . . 22 3. Ordnung: Strahlentierchen
Mastigamoeba: u M. aspera P. B. (Radiolaria).
Un a ee Unterordnung: Schaumftrahltiere,
Unterordnung: Befchalte Amöben (Testacea). (Spumellaria [Peripylea]).
A. Einfammerige (Monothalamia). Unterordnung: Acantharia.
Arcella: Rapfeltiecchen, A. vulgaris ar . 23 | Podactinelius: P. sessilis Schröder . . . . 36
A.dentata Ehrbg.. . . . . ee ls Unterordnung: Nassellaria (Monopylea).
Nemitrata Leidyasa, on... es. 98 Unterordnung: Phaeodaria (Tripylea).
Zmeite Klajje:
Geißelträger (Flagellata).
1. Ordnung: Schlingentierchen Treponema: a T. dentium
(Proflagellata). Koche 2, 0. es
Spirochaeta: ubnallaueile 5 w T. recurrentis Tee BERNER
tilis Ehrbg. . . . . i 38 T. duttoni Novy et Knapp. . -» ... . 88
Sp. gigantea Warming - - 2.2... 38 T. pertenue Castellan . . . ..39
Sp. stenostrepta Zueeer . . ... . . 38 Syphilisipirochäte, T. pallidum ha .:.89
XIV Snhalts- Übersicht.
Dr : + ® Itra et Seite
2. Ordnung Nnekte Geiße 3 Notes Augentierchen, Eu. samzuneı
(Autoflagellata). ei ie
Unterordnung: Protomonadina. Seite
ö ER Unterordnung: Sarbutenaner
Mastigamoeba F\. E. Sch., Geigelamöbe . 40
(Chromomonadina).
M.aspera F. E. Sch. . . - . 39 Chrysamoeba: ®oldamöbe, Ch. radians .
Dimastigamoeba Blchm., Alveigeinelmnite 40 IKT ee MR
Dimorpha: D. mutans Gröor. . . ....740 Synura: 8. uvella hen ee
Monas: M. vivipara Ehrbg. . . . . . 40 Dinobryon: D. sertularia Ehrbg.. . . 45
Bodo: B. saltans Ehrbg. . . . . . . 40 Chromulina: a Ch. min
B: lacertae Grass. nr seen AO Bien ws
Beurmanıusekunsti 0er 40
Trypanoplasma: T. borreli Lav. et Ihe. 40 Unscochnung: mm onaden
Se el
Se Chlamydomonas: Ch. pulvisculus Ehrbg. 45
Trypanosoma: T. rotatorium Men Der el 5 35 R =
TS 4 Haematococcus: H. pluvialis A. Brn. . . 45
ee Pontosphaera: P. huxleyi Lohm. . . . 45
T. gambiense Dutton. . . ee an Ge An. 45
d d an BES: a
una Fady : Slimmtertäfelchen, G. pectorale Fihrbg: An
Unterordnung: Kragengeifler Pandorina: P.morum Ehrbg.. . . . . 45
en Eudorina: Eu. elegans Ehrbg. . . - 46
Monosiga Ka ar ee Volvox: Flimmerkugel, V. globator Ehr ii 46
Codosiga: C. botrytis Berg. . u Goldflimmerkugel, V. aureus Ehrbg. . . 47
Codonocladium: C. umbellatum Stein . . 43 Spondylomorum: $. quaternarium Ehrbg. 47
Astrosiga Knt . . . .- Rede
Unterordnung: Biefgeiffer 3. Ordnung: Banzergeißler
(Polymastigina). (Dinoflagellata).
Tetramitus: T. rostratus Perty . . . . 43 BR > ;
De Gymnodinium: G. hyalinum Schill. . . . 48
Dailnsen Peridinium: P. tabulatum Ehrbg. . . . . 48
allingeria: D. drysdali Kent. . . . . 48 F 2
Hesse: N : u Ceratium: C. cornutum Ehrbg. . » . . . 48
examitus: H. mfllatus Dw. . ... ...43 €. hirundinella Mill 48
Trichomonas: T. hominis Dwvaine . . . 48 a Dr 48
en De en P. bahamense Pit.. RS
cpatrachorumsPRerty er. 2.25
Lamblia: L. intestinalis ZLambl. . . . . 43 ; { R s
Costia: C. necatrix Henneg. . . 43 4. Orbnung: Blajengeißler
Unterordnung: nalen ii, (Cystoflag ellata).
Euglena: Grünes Augentierchen, Eu. viridis Noctiluca: N. miliaris Sur. . . el)
Ehrbg. : 2.02... 44 | Leptodiscus: L. medusoides R. Her Bi ar 49
Dritte Klalle:
Sporentierchen (Sporozoa).
1. Ordnung: Gregarinarien Laverania: L. malariae Grassi et Feleti . . 53
(Gregarinaria). Eimeria: Ei. stiedae Zindem. . . .. . 54
Ei. avium Silvestrini et Riwolta . . . . 54
Monocystis: M. lumbriei Henle. . . . . 5l | Babesia: B. bigemina Smith et Kb... . . 55
Gregarina: G. blattarum eb. . .. .. 51 Povis Babes 5 a
B. egui Daveranın. 2. = TED
2. Ordnung: Kofzidiarien B. canis Piana et Galli- ve : 55
(Coceidiaria). Ve
Plasmodium: P. vivax Grassi et Feletti . 52 3. Ordnung: Myrojporidien
P. malariae Laveran . 52 (Myxosporidia).
P. praecox Grassi et Feletti 54 | Myxidium: M. lieberkühni Dütsch. . 55
Snhalt3-Überfigt.
Seite
Myxobolus: M. pfeifferi Thelohan . 55
M. eyprini Doflein et Hofer 55
Lentospora: L. cerebralis Hofer. 55
4. Ordnung: Mikrojporidien
(Mierosporidia).
Glugea: G. anomala Mona. 56
Bierte Rlajje:
Yimpertierchen (Ciliata).
1. Drdnung: Ganzbewimperte
(Holotricha).
Paramaecium, Bantoffeltierchen: P. caudatum
Ehrbg.. 59
P. aurelia Müll. 60
P. putrinum (7. et Lachm. . 60
-P. bursaria Ehrbg. N 60
Colpidium: C. colpoda Ehrbg. 60
C. cucullus Müll. . 60
Chilodon: Ch. eueullulus Hhrbg.. 60
Ch. eyprini Moroff 60
Nassula, Reufentierchen . 60
N. ornata Ehrbg. . 6l
N. aurea Ehrbg. 61
N. elegans Ehrbg. 61
N. rubens Perty 61
Chlamydodon Ehrbg. 61
Trachelius: T. ovum Zhrbg. . 61
Dileptus: D. cygnus Olap. et Lachm. 61
D. anser Clap. et Lachm. 61
D. gigas Clap. et Lachm. 3 61
Lionotus: Zudgänschen, L. anser Ehrbg. 61
Didinium: Wafentierchen, D. nasutum Stein . 61
Prorodon: Zahnwalge, P. teres Ehrbg. . 62
Coleps: Büchfentierchen, C. hirtus Müll. 62
Enchelys Ehrbg. . i 62
Lacrymaria: Tränden, L. ab: Min, 62
Ichthyophthirius: I. multifiliis Zouquet . 62
Opalina: Verlentierchen, O. ranarum Stein 63
2. Drdnung: Ungleichhbewimperte
(Heterotricha).
Bursaria: B. truncatella Müll. 63
Spirostomum: S. ambiguum Zhrbg. 63
Stentor, Trompetentierhen: Grüne Trompete,
S. polymorphus Zhrdg. 2 64
Blaue Teontpete, S. coeruleus Ehrbg. 64
Graue Trompete, S. roeseli Zihrbg. 64
Note Trompete, S.igneus Khrbg. . 64
Braune Trompete, S. pediceulatus From. 64
|
XV
Seite
Nosema: N. bombyeis Naegeli 56
N. apis Zand. : 250
5. Ordnung: Sarkofporidien
(Sarcosporidia).
Sarcoceystis: S. tenella Raill. . 57
S. miescheriana Kühn 57
S. muris Dlanch. . 57
Schwarze Trompete, S. niger Zhrbg. 64
Schlanfe Trompete, S. baretti Bar 64
Balantidium: B. coli Malmst. 66
B. minutum Schaud. . 66
Nyctotherus: N. faba Schaud. 66
3. Ordnung: Schwachbewimperte
(Oligotricha).
Halteria: Springtierchen, H. grandinella Müll. 67
Tintinna RER 67
Ophryoscolex: O. Durkinjei en 67
Entodinium: E. caudatum Stein . 67
Cycloposthium: ©. bipalmatum Fiorentini 67
4. Drdnung: Bauchwimperer
(Hypotricha).
Oxytricha: Borjtentierchen, O. fallax Stein 68
Stylonychia: Mujceltierchen, S. mytilus Müll. 68
5. Ordnung: Ringmwimperer
(Peritricha).
Trichodina: Bolypenlaus, T. pediculus Ehrbg. 68
Cochlochaeta: C. domergui Wilgr. 68
Vorticella, Glödchen: nebuli-
fera Ehrbg. 09
V. campanula Ehrbg. 69
V. convallaria Ehrbg. 69
V. microstoma Ehrdg. 69
Grünes Glöcdchen, V. enlercskiema IEnbei 69
Carchesium: Glodenbäumcen, C. polypinum
Ehrog. 69
C. lachmanni Kt. . 70
Zoothamnium Stein . 70
Epistylis Ehrdg., Säulenglöcejen 70
| Opereularia, Schirmglödcen: Nicterndes@torten-
tierchen, O. nutans Ehrbg. A)
6. Ordnung: Wimperloje (Suctoria).
Acineta Ehrbg. N 74
Podophrya: P. fixa Ehrbg. 7i
P. libera Perty . 71
xXVI
Seite
Sphaerophrya . . - en. ill
5 pusilla Ölap. et DEN EEE REIT
S. stentoris Maupas . . - 72
Macapin: ya: T. quadripartita Clap. en aim 72
Inhalts=-Überfidt.
Seite
Dendrocometes: D. paradoxus Stein . . . 72
Stylocometes: 8. digitatus ne et Lachm. . 72
Ephelota: ua, . gemmipara R.
HIER DE REN N TD
Schwänmme (Porifera oder Spongiae).
Srite Klajfe:
Kalfjehwänme (Ualcarea oder Caleispongia).
Seite
Familie: Wabentallihwänme (Syconidae).
Sycon: 8. eiganteum Dendy . . . . . Sl
SeraphanusO1Schme. a ae
Seite
Samilie: Anollenkalffhwänrnte (Leuconidae).
beueonia: L. aspera O. Schm.. » . ... 8
Zweite Klafjfe:
Sehsitrahl- oder Slasichwänmte (Hexactinellida).
1. Ordnung: Hexasterophora.
Samilie: Euplectellidae.
Eupleetella: Gießfannenfhwamm, E. asper-
SINE RE. SaeArneB
Tamilie: Rossellidae.
Lophocalyx: L. philippensis Gr. . . . . 84
Yamilie: Tretocalycidae.
Sclerothamnus: S. clausii W. Marsh.
Yamilie: Euretidae.
|
Periphragella: P. elisae W. Marsh.. . . 84
Farrea: F.occa Bwrbk. . . . : 2... 84
2. Ordnung: Amphidiscophora.
Samilie: Hyalonematidae.
Hyalonema: H.sieboldi Gr. . . . .. 8
Samilie: Semperellidae.
Semperella: 8. schultzei Semp. . . . . 8
Monoraphis: M. chuni F. E. Sch.. . . . 85
Dritte Klaffe:
Gemeinjchiwänme (Demospongia).
1. Ordnung: Bierftrahlichwämme
(Tetraxonida).
Familie: Geodidae.
Geodia: G. muelleri Fleming . . . . . 86
Bamilier Lederfhmämnte (Chondrosidae).
Chondrosia: Ch. reniformis Nardo . . . 87
2. Ordnung: Einftrahlihpmänme
(Monaxonida).
Vanılie: Donatiidae.
Donatia: Weerorange, D. lyneurium Z. . 87
Samilie: Bohrfhwämme (Clionidae).
Cliona: C. celata Grant...» ::...8
Neptunsbecher, C. patera Hardw. . . . 89
Banuilie: Korffhwännte (Suberitidae).
Suberites: S. domuneula Oli. . . ...89
Samassa Nardo. . ..... Was
Samilie: Poiciloscleridae.
Desmacıdon Burbk! . 2;. ... N ag
Stylotella: Zingerfhiwanmt, S. heliophila
Wälson Be voll
Samilie: Sk oelterihwänmelsp on
Ephydatia: E. plumosa Carter . . .. 9
E. fluviatilis Z. ... ED
Spongilla: S. fragilis Beige BE
Salacustrls- 2... >... Se 05
3. Ordnung: Hornichwänme
(Ceratosa).
Samilie: Nusihmwäninte (Spongiidae).
Euspongia: Echter Badefhwanmt, E. offi-
enalseBaen a... 95
Seiner Levantiner En, E 0. el:
lissima O. Schm. . . . 95
Dalmatiner u E. 0. arlatie
O. Schm. . . . 95
Zevantiner Zappen, E. 0. nella Kr" E. Sch. 95
Bimoffafhwannt, E. zimocca O. Schm. . 95
Snhalts-Überfict. XVII
\ ü Ceite Seite
Hippospongia: PBferdefhivanmn:, H. equina Samilie: Aplysinidae.
GDRISCHMIN. na: N 195 Aplysina: A. aerophoba Nardo . . . . 9
Familie: eeiuhnine Enens dee). Yamilie: Gallertfhwänmmnte (Halisareidae).
Spongelia: S. pallescens O. Schm. . . . 97 ı Halisarca: H. dujardinii Johnst.. . . . 98
Sohltiere (Coelenterata).
Sriter Unterfreis:
tejleltiere (Unidaria).
Grite Kaffe:
Hydrozoa.
1. Ordnung: Hydroiden (Hydroidea). | Samilie: Tubulariidae. Seite
Tubulasia: T- larynz Bil Sol 230722770907
1. Unterordnung: Hydrariae. Branchiocerianthus: B. imperator Allm. . 114
Yamilie: Süßmwafjerpolypen (Hydridae).
; 4. Unterordnung: Campanulariae
Chlorohydra: Grüne Hydra, Ch. viridissima Ceite 3 P
(Leptomedusae).
Be nz Yantlie: Sertulariidae.
ammelmibzs „eaune god, ® ic Thuiaria: Seemoos, T. argentea ZL. . . 115
tis Pall. LU urn. . 103
P. braueri Bedot RE 0 5. Unterordnung: Trahymedujen
„Graue“ Hydra-Arten . . . . . . . 108 (Trachymedusae).
Hydra: H. vulgaris Pall.. . . . . . 106 | Samilie: Olindiadae.
Microhydra: M.ryderi Potts. . . . . 107 | Samilte: Petasidae.
Craspedacusta: C. sowerbii Lank.. . . 116
2. Unterordnung: Hydroforallen Vamilie: Limnocnididae.
(Hydrocorallia). Limnocnida Günther . . . 116
Samilie: Stylasteridae. Jamilie: Rüfjelquallen (eo
Vamilie: Milleporidae. Geryonia: G. proboscidalis Horsk.. . . 116
Millepora: M.nodosa Esp. . . . . . 11
R R 2. Ordnung: Stantsquallen
3. Unterordnung: Tubulariae (Siphonophora).
| (Anthomedusae). Familie: Physophoridae.
Samilie: Clavidae. Physophora: P. hydrostatica Forsk. . . 118
Cordylophora: Steulenpolyp, C. lacustris
Vamilie: Microhydridae. Gonionemus: G. murbachi Mayer. . . 115
Familie: Physaliidae.
I
FAlEm.. 2.20... N Er Physalia: Blafenqualle, P.arethusaDdrowne 119
damtilie: B a ullidae Vamilie: Velellidae.
Hydractinia: H. echinata Flem. . . . 112 Velella: Cegelqualfe, V. spirans Esche. . 119
Tiara: T. pileata Forsk. . . . . . . 113 | Familie: Porpitidae.
Perigonimus: P.repens Wright . . . 114 Porpita: P. umbella 0. F. Müll. . . . 120
Zweite Klaffe:
Stheibenguallen (Scyphomedusae).
1. Ordnung: Lucernaria. 2. Ordnung: Coronata.
damilie: Beherquallen (Lucernariidae). Familie: Periphyllidae.
Haliclystus: H. octoradiatus Lam... . . 122 PeriphyllasPsneoina) Haeckel:.. ....2%..193
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. II
XVII
Banilie: Atollidae. Seite
Atolla Haeckel 123
3. Ordnung: Discophora.
1. Unterordnung: Semaeostomata.
Familie: Pelagiidae.
Pelagia: Zeuchtqualle, P. noctiluca Per.
Lsr. : 123
ikea Konbaßqualle, Ch. yoscell 124
Yamilie: Cyaneidae.
Snhalts-Überfidt.
Dritte Klaffe:
Blumentiere
Srite Unter£laffe:
Achtitrahlige Bolypen (Octanthida).
1. Ordnung: Aleyonaceen
(Aleyonacea).
Yamilie: Aleyoniidae.
Aleyonium: Tote-Mannshand, A. digita-
tum L. SE BIER
A. palmatum Pall. 131
A. adriaticum Kükth. 131
Yamilie: Orgelforallen (Tubipor de,
Tubipora: T. hemprichi Zhrbg. . 131
2. Drdnung: Öorgenaceen
(Gorgonacea).
Familie: Corallidae.
Corallium: Note Edelforalle, C.rubrum Z. 133
Pseudocorallium: P. johnstoni Gray . 134
P. elatius Ridley. Ä 134
Yamilte: Gorgonidae.
Gorgonia: Benusfächer, G. flabellum Z. . 134
Seite
Cyanea: Gelbe Haarqualle, C. capillata L. 125
Dlaue Nefjelqualle, C. Jamarcki Per.Lsr. 125
Yamiltie: Ulmariidae.
Aurelia: Obhrenqualle, A. aurita Z... 125
2. Unterordnung: Rhizostomata.
Sanılie: Rhizostomidae.
Rhizostoma: Zungenqualfe, Rh. pulmo 7. 126
Rh. octopus L. AR 126
Rhopilema: Rh. esculenta ee 127
(Anthozoa).
Vanilie: Plexauridae.
Eunicella: Hornforalfe, E. verrucosa Pall. 134
Euplexaura: Echte wu E.anti-
pathes Z. 3 EN 135
Yamilie: Isidae.
Isidella: Weiße Koralle, I. elongata Esp. . 1836
3. Ordnung: Seefedern(Pennatulacea).
Tamilie: Veretillidae.
Zweite Unterflajje:
Sechöitrahlige Bolypen (Hexanthida, Actinanthida).
1. Drdnung: Aftinien, Seerojen
(Actinaria).
Yamilie: Gonactiniidae.
Gonactinia: G. prolifera M. Sars . 144
Samilie: Actiniidae.
Actinia: PBurpurrofe, A. equina L.. 144
Jingelvofe, A. cari Chiaje . 146
Anemonia: Wadhsrofe, A. sulcata Penn. 146
Tamilie: Cribrinidae.
Cribrina: Edeljteinrofe,
C. gemmacea |
Ellis .
Veretillum: V. ceynomorium Pall. . 136
Vamilie: Umbellulidae.
Umbellula: U. enerinus Z. 137
Yamilie: Virgulariidae.
Sceytaliopsis: S. djiboutiensis Gravier . 137
Samilie: Pennatulidae.
Pennatula: Seefeder, P. phosphorea ZL. 138
Familie: Pteroididae.
Pteroides: P. griseum Bohadsch 139
Urtieina: Diehörnige Seerofe, U. crassi-
cornis ©. F. Müll. 147
Samilie: Paractidae.
Antholoba: A. reticulata Couthouy. 148
Tamilie: Sagartiidae.
Sagartia: Schmarogerrofe, S.
Couch i . 148
Witwenrofe, S. ats 0. 7 Min.. .= 152
Höhlenfeerofe, S. undata 0. F. Müll. 152
Adamsia: A. palliata Bohadsch . 149
Heliactis: a H. bellis
Ellis . 153
Snhalts-Überfigt.
Seite
Metridium: Seenelfe, M. dianthus Hllis . 153
Amerifanifche Seenelfe, M. marginatum
MEeSKER ee een 194
Familie: Shwimmaftinien (Minyadi-
dae).
Samilie: Stoichaetidae.
Stoichactis: S. kenti Haddon . . . . 154
Sohaddon Ken ven re 55.154
2. Drdnung: Stein- oder Riffforallen
(Madreporaria).
1. Unterordnung: Imperforata.
Samilie: Turbinoliidae.
Caryophyllia: Streijelforalle, C. clavus
SCHeehi 159
Flabellum: Sügertnie, r. pavoninum
Messa2 .. 160
F.rubrum @.@. var. allen B. je. 2160
Bamilie: Augenkorallen ae
Lophelia: L. prolifera Pal. . . . . 161
Amphelia: Weiße orale, A. oculata Z. 161
Samilie: Sterntorallen las
Cladocora: Rafjenforalle, ©. cespitosa Z. . 161
Diploria: Hirnforalle,. D. cerebriformis
ER EN EEE 162
MacandranBam su te 2 ei 250222168
2. Unterordnung: Fungaceae.
Samilie: Bilzforallen Fungida
Fungia: F. fungites L.
3. Unterordnung: Porforata.
Samilie: Eupsammiidae
Dendrophyllia: D. ramea L..
Astroides: A. calyeularis Pall.
e).
XIX
Seite
162
163
164
damilie: Acroporidae (Madreporidae).
Acropora: A. muricata L.
A. varia Klzgr.
Zamilie: Poritidae.
Porites furcata Lam. .
Korallenriffe.
3. Ordnung: Zoantharia.
Tamilie: Zoanthidae.
Sidisia: S. fatua M. Schultze .
S. incrustata D.R. .
S. paguriphila Verrill .
4. Ordnung: Ceriantharia.
164
165
165
166
174
174
174
Samtlie: Zylinderrofen (Cerianthidae).
Dactylactis: D. benedeni Gravier .
Cerianthus: Se C. membrana-
ceus Spall. .
5. Ordnung: ıpetikiein:
Samilie: Antipathidae.
Euantipathes: Unehte fhwarze Koralle,
E. glaberrimus Esp.
Vierte Klaffe:
Planuloidea.
Dieyemida.
Orthonectida \
Trichoplax: T. adhaerens 7. E "Sch.
„weiter Unterfreis:
Nippenguallen (Ctenophora).
Srite Klajje:
Tentaculata.
1. Ordnung: Cydippidea.
Yamilie: Hormiphoridae.
Hormiphora: H. plumosa Sars . . . . 181
2. Ordnung: Lobata.
Zamilie: Bolinidae.
Bolina: B.hydatina (un . . .. . 18
Tamilie: Eucharidae.
Eucharis: E.multicornis Esch. . . . 181
3. Ordnung: Cestoidea.
Yanıilie: Cestidae.
Cestus: Venuöglirtel, C. veneris Lesr. .
4. Ordnung: Platyetenida.
Ctenoplana: C. kowalevskii Kor. .
Coeloplana: C. metschnikowi Kow.
C. willeyi Abd. .:
Tjalfiella tristoma Mrisn.
II#
175
175
177
177
177
177
181
183
183
183
184
xX
Snhalts-Überficht.
Zmeite Kaffe:
Nuda.
Samilie: Beroidae.
Bero&: Melonenqualle, B. ovata Eschz.
B. forskaliı Chun .
Miürmer.
GSrite Klafje:
lattwiirmer (Plathelminthes).
1. Ordnung: Strudelwürmer
(Turbellaria).
1. Unterordnung: Acoela.
damtilie: Aphanostomidae. Seite
Convoluta: C. roscoffensis Graf . . . 196
E@7eonyolutayApage ee 197
2. Unterordnung: Rhabdocoelida.
a) Rhabdocoela.
Yanıilie: Typhloplanidae.
Mesostoma: M. ehrenbergii Focke. . . 197
M. tetragonum Müll. . . . - l9s
Bothromesostoma:B.personatum ©. Schm. 198
Yamilie: Kettenwürmer (Catenulidae).
Catenula: C. lemnae Ant. Dug.. . . . 199
Stenostomum O Schmidt . . . . 2.99
antike: Kleinmäuler(Mier lee)
Microstomum: M. lineare Müll. . . . 19
Macrostomum: M. appendiculatum O.
Mabrı 2% RT a |
Yamilie: Dalseliidae.
Dalyellia: D. viridis @. Shaw El
Jensenia: J. truncata Abilde. . . . . 201
Jamilie: Graffillidae.
Graffilla: G. muriecicola Zhr.. °. . ... 201
Samilie: Anoplodiidae.
Anoplodium Ant. Schn. . . :» . . . 21
Familie: Fecampiidae.
Fecampia: F. erythrocephala Giard . . 201
b) Alloeocoela.
Samilie: Breitmräuler (Plagiostomidae).
Plagiostomum: P. lemani Ples. . . . 201
Yamilie: Monocelididae.
Otomesostoma: O. auditivum v. Graf . 201
3. Unterordnung: Trieladida.
a) Süßwafjertrifladen (Trieladida paludi-
cola).
Samilie: Blanarien (Planariidae).
Dendrocoelum: Milhmweize Wlanarie, D.
Jacteum 0: Fr. Müll“... 200903
Ceite
185
185
Planaria: P. Jugubris O. Schm.. . . . 203
P.torvaı M.1Schultze = 2, Sea Ele
P2’gonocephala Dug: 27. 2827729203
B-polychroa O: Schm: 2° 2 1027 am
Psalpina Dana 2.2: 203
Polycelis: Schwarzes aka, P nigra
Mhrbgne 0. 203
Gehörntes Vielauge, P. aaa Tonnen 203
b) Zandtrifladen (Tricladida terricola).
damilie: Rhynchodemidae.
Rhynchodemus: Rh. terrestris ©. #. Müll. 204
Rh-bilmeatus Dar... m 027727204
Microplana: M. humicola Vejd.. . . . 205
Yamilie: Geoplanidae.
Geobia: G. subterranea O. F. Müll. . . 205
Yantlie: Bipaliidae.
Bipalium: B. kewense Mos... . . .. 206
ce) Seetrifladen (Tricladida maricola).
”amilie: Micropharyngidae.
Micropharynx: M. parasitica Jägskd.. . 206
Yamilie: Bdellouridae.
Bdelloura: B. candida Girard . . . . 207
Tamilie: Procerodidae.
Gunda: G. segmentata Lang . . . . 207
4. Unterordnung: Polycladida.
a) Acotylea.
Yamilie: Planoceridae.
Planocera: P. folium Grube . . . . . 207
Yamıilie: Leptoplanidae.
Leptoplana: L. tremellaris O0. #. Müll. . 207
L.pallida Obrf.. 00.22 SE Se
b) Cotylea.
Familie: Pseudoceridae.
Thysanozoon: al Th. brochii
Grube) ra RN IRSEENDGS
Samilie: ie. "oe
Prostheceraeus: P. vittatus Mont... . . 208
Oligocladus: O. sanguinolentus @brf.. . 208
Snhalts-Überfigt.
2, Drdnung: Saug: oder Yochmiirmer
(Trematodes).
1. Unterordnung: Mungzenzt
Familie: "Tristomidae. Seite
Epibdella: E. hippoglossi Bened. 209
Tristomum: T. coceineum Cw. . 210
T. molae Blanch.. 210
Familie: Udonellidae.
Udonella: U. caligorum Johnst. . 210
Samilie: Polystomidae.
Diplozoon: ®Doppeltier, D. paradoxum
Nordm. 210
Polystomum: P. nm Hröl, 211
Familie: Gyrodactylidae.
Gyrodactylus: G. elegans Nordm. . 212
2. Unterordnung: Digenea.
Samilie: Fasciolidae.
Urogonimus: U. macrostomus Rudolph . 213
Fasciola: Zeberegel, F. hepatica ZL.. 214
Paragonimus: P. westermani Kerbert 216
Clonorchis: C. endemicus Baelz . 217
Dicrocoelium: Zanzettegel, D. lanceolatum
Rudolph . 217
Opisthioglyphe: O. ansidha Du 217
Gorgodera: G. cygnoides Zed. 217
Allocreadium: A. isoporum Looss ; 218
Familie: Schistosomidae.
Schistosomum: Sch.haematobium Bilharz 218
Sch. japonicum Katsurada 218
Familie: Gasterostomidae.
Gasterostomum: G. fimbriatum Sieb. . 218
Familie: Aspidobothriidae.
Aspidogaster: A. conchicola Baer. . . 219
Familie: Paramphistomidae.
Paramphistomum: P. subelavatum Goeze 219
Gastrodiscus: G. hominis Lewis 219
Samilie: Monostomidae.
Monostomum: M. mutabile Zed. 219
M. flavum Mehl. . 219
Samilie: Holostomidae.
Hemistomum: H. alatum Goge. . . . 219
3. Ordnung: Bandmwiürmer (Cestodes).
1. Gruppe: Cestodaria.
Familie: Amphilinidae.
Amphilina: A. foliacea Rudolph . . . 225
2. Gruppe: Echte Bandwürmer (Cestodes s. str.).
Samilie: Caryophyllaeidae. !
Caryophyllaeus: Welfenwurnt, C.mutabilis
Rudolph .
ED
Archigetes: A. nikon Ba ERDE
Familie: Grubenföpfe(Dibothriocepha-
lidae).
Ligula: Kiemenmwurn,
Rudelph
Triaenophorus: T. line Pall.
Schistocephalus: Sch. nodosus Blanchard
Dibothriocephalus: a
D. latus L..
Familie: Taeniidae.
Taenia: Bewaffneter Bandwurn, T. so-
lium ZL. ie
Unbewaffneter B., T. ta) Ge
Geränderter B., T. marginata Datsch .
Gefägter B., T. serrata Goeze.
Diedalfiger B., T. cerassicollis
dolph .
Duefenbandivurnt, T, coenurus 5 Sieb.
Hülfenwurm, T. echinococeus Sieb. .
L. m
Ru-
Tamilie: Dipylidiidae.
Dipylidium: Kürbisfernartiger Bandiwurn,
D. caninum Z/.
Familie: Hymenolepididae.
Hymenolepis: Slleiner Bandwurnt, H.nana
Sieb. i
H. diminuta Rudolph
Tamilie: Davaineidae.
Davainea: D. madagascariensis Davaine
Familie: Anoplocephalidae.
Moniezia: M. expansa Rudolph .
4. Drdnung: Schnurmürmer
(Nemertini).
Samilie: Tubulanidae.
Tubulanus: T. superbus, Kölliker .
Samilie: Lineidae.
Lineus: L. longissimus Gunnerus .
Cerebratulus: C. marginatus Renier .
Familie: Pelagonemertidae.
Pelagonemertes: P. moseleyi Dürger .
Samilte: Malacobdellidae.
Malacobdella: M. grossa Müller
Samilte: Prosorhochmidae.
Geonemertes: G. pelaensis Semper .
G. agricola Will.-Suhm
G. chalicophora Graff .
Familie: Prostomatidae.
Prostoma: P. clepsinoides Ant. Duges
-P. eilhardi Mntgry. .
P. graecense Böhmig
P. lacustre Du Plessis .
XXI
Seite
Suhalts-Überjigt.
Bmeite Klajje:
Mäpdertiere (Rotatoria).
Grite Unterflafje:
Digononta.
1. Ordnung: Egelartige Rotatorien |
(Bdelloidea). Seite
Samilie: Weihrädertierhen (Philodinidae).
Rotifer: Nüfjelrädchen, R. vulgaris Schrank 244
Philodina: Ph. roseola Ehrdg. 244
Callidina: C. symbiotica Zel. 244
CHparasıtıca Dhrogsane wett
Seite
244
Tamilie: Adinetidae.
Adineta: A. vaga Davenport.
2. Drdnung: Kopftragende Rotatorien
(Cephaloidiphora).
Vamilie: Seisonidae.
SEISON ID. oruber.Olaus wa 2A
Bmeite Unterflajje:
Monogononta.
3. Dronung: Wurzellappige Rotaz |
torien (Rhizota).
Samilie: Flosculariidae.
Floscularia: Gejhmiücdtes Blumentierchen,
F. ornata Ehrbg. . 245
Stephanoceros: F. Bahbrieimer Goldfuß 245
Zamilie: Melicertidae.
Conochilus: Sugeltierhen, C. volvox
Ehrbg. 245
Megalotrocha: M. ns uiate, 245
Lacinularia: L. socialis Ehrbg. . 245
Oecistes: Oe. pilula Wills . 245
Melicerta: M. ringens ZL. . 245
4. Drdnung: Sreilchwimmende Nota-
torien (Ploima).
1. Unterordnung: Ungepanzerte (Illoricata).
damilie: Asplanchnidae.
Asplanchna: A. priodonta Gosse 245
A. brightwelli Gosse 246
A. sieboldi Leydig 246
Samilie: Thriarthridae.
Thriarthra: Th. longiseta Ehrdg. 246
Polyarthra: P. platyptera Ehrbg. 246
Vamilie: Krijtallfiihhen A
Hydatina: H. senta Ehrbg. . . . - 246
Vanıilie: Nüdenaugen Noten
Drilophaga: D. bucephalus Vejdovsky . 246
Albertia: A. vermiculus Duj. 246
A. naidis Dousfield . 246
Paraseison: P. asplanchnus Plate . 245
Proales: P. parasitica Ehrbg. 246
P. petromyzon Ehrbg. 246
Notommata: N. aurita Müll. . 246
2. Unterordnung: Gepanzerte (Loricata).
Tamilie: Wappentierhen (Brachionidae).
Noteus: Schildrädertier, N. quadricornis
Ehrbg. 9 246
Brachionus: B. nelk, Erbe 246
Samilie: Sußlofe (Anuraeidae).
Anuraea: A. aculeata Ehrbg. 246
Löffeltierchen, A. cochlearis Gosse 246
5. Ordnung: Sprungbeinige Rota-
torien (Scirtopoda).
Vamilie: Pedalidae.
Pedalion: P. mirum Hudson . 246
Zamilie: Trochosphaeridae.
Trochosphaera: T. aequatörialis Semper.. 247
Anhang: Bauchhärlinge (Gastrotricha).
Yamilie: Ichthydiidae.
Ichthydium: I. podura Müll. 248
. Lepidoderma: L. squamatum Duj. . 248
Samilie: Chaetonotidae.
Chaetonotus: Ch. hystrix Metschnikoff 248
Ch. larus Müll. Re 248
Tamilie: Dasydytidae.
Dasydytes: D. ornatus Voig?. 248
Kinorhyncha.
Gamilie: Echinoderidae.
Echinoderes: E. setigera Graff . 248
E. dujardini Cap. 248
Snhalts-Überfict.
Dritte Klaffe:
Sadeniviirner (Nematodes).
Bamilie: Freilebende Nentatoden (Enoplidae).
Oncholaimus Duj. !
Cylicolaimus: ©. magnus Villot.
Syphonolaimus de Man
Anthraconema zur Strassen .
Familie: Anguillulidae.
Rhabditis: Rh. teres Schneider .
Rh. schneideri Bütschli. \
Anguillula: Effigäldhen, A. aceti Zhr Br
Ansiostomum: A. nigrovenosum Rudolph
Strongyloides: St. stercoralis Bavay .
Allantonema: A. mirabile Zeuck.
Leptodera: L. appendiculata Schneider
Atractonema: A. gibbosum Leuck. .
Sphaerularia:
Dufour \
Tylenchus: Beenden,
Schneider 5
T. dipsaeci Kühn . h
Heterodera: Rübennentatode, H. enachui
Schmidt .
Vamilie: Mermitidae.
Mermis: M. nigrescens Duy. .
M. albicans Sieb. .
Tamilie: Filariidae.
Filaria: F. bancrofti Codd.
Zoawurn, F.1loa Guyot.
F.immitis Zeidy .
Dracunculus: Medinamwurnt, D. ed
nensis Velsch
Ichthyonema Diesing
Samilie: Trichotrachelidae.
Trichinella: Tricjine, T. spiralis Owen
T. scandens
Hummelälchen, S. bombi
Seite
250
250
250
„250
259
Vierte Klaffe:
Straber (Acanthocephali).
Vamilie: Echinorhynchidae.
Echinorhynchus: Nief a E. hirudi-
naceus Pall. ©
272
Fünfte Klaffe:
Jingelwitrnter (Annelides).
Srite Unterflaffe:
Borjtenwiirmer (Chaetopoda).
1.Drdnung: Bielborjter (Polychaeta).
damilie: Seeraupen (Aphroditidae).
Aphrodite: A. aculeata Z.
Hermione: H. hystrix Sav.
277
277
XXIIL
Seite
Trichocephalus: Beitfchenwurn, T. tri-
ehiurus Z. ERSTE NASEN 202
T. affinis Rudolph 262
T. erenatus Rudolph 262
Janilie; Strongylidae.
Ancylostoma: A.trigonocephalum Rudolph 262
Grubenwurm, A. duodenale Dubini 263
Necator: Neuwelt-Hafenwurnt, N. ameri-
canus Stiles 264
Eustrongylus: Sakfodenunn oh gigas
Rudolph. 264
Ollulanus: O. trieuspis Were . 264
Cueullanus: Sappenwurnt, C. elegans Zed. 265
Strongsylus (Zungenmwiürmer) . 265
S. filaria Rudolph. 265
S. micrurus Mehlis . 265
S. commutatus Diesing . 265
S. apri Gm.. 265
S. pusillus Müll. . . 265
Sclerostomum: S. equinum Duj. 265
Syngamus: Luftröhrenwurn, S. trachealis
Sieb. . N 265
Tamilie: Ascarıdlae.
Ascaris: Spulwurnt, A. lumbricoides L. . 267
A. canis Wern. ; 267
A. megalocenhala Clogu. 207
Oxyuris: Bfriemenfhivanz, O. vermicula-
ris Z. 267
YUndhang: Nematomorpha.
Familie: Saitenwüriter (Gordiidae).
Gordius: Wafjerfalb, G. aquaticus L. . 269
Parachordodes: P. tolosanus Di. . 270
E. proteus Westrumb 272
E. moniliformis Bremser 272
E. polymorphus Bremser 272
Samilie: Lycoridae.
Nereis: N. cultrifera Grube . 277
N. diversicolor Müller . 277
N. dumerilii Audouin et M.-E. 278
XXIV
Üeratocephale: U. ossawai /zuka
Yamilie: Eunicidae.
Halla: H. parthenopeia Chiaje .
Diopatra: D. neapolitana Chiqje
Hyalinoecia: H. tubicola Müll. .
Eunice: Balolowurnt, Eu. viridis Gray
Eu. fucata Ehlers
Familie: Syllidae.
Syllis: S. variegata Grube
S. vivipara Krohn
S. hyalina Grube .
S. ramosa M’Intosh .
Grubea: G. limbata Clap. .
Myrianida: M. fasciata M.-E.
Yamilie: Aleiopidae.
Asterope: A. candida Chiaje .
Yamilie: Phyllodocidae.
Phyllodoce: Ph. laminosa Sav. .
Ph. paretti Blainv.
Sanilie: Glyceridae.
Glycera: G. capitata Oerstedt
Tamilie: Telethusae.
Arenicola: Genteiner Sandwurnı, A. ma-
rina L. RN
Familie: Clvmenidae (Maldenidae
Praxilla: P. collaris Olap..
Yamilie: Chaetopteridae.
Chaetopterus: Ch. pergamentaceus Cu». .
Ch. variopedatus Olap. . :
Yantilie: Kopfringler (apıtellidae)
Dasybranchus: D. caducus Grube .
Capitella: C. capitata Fabricius
damilie; Hermellidae.
Sabellaria: S. alveolata Z.
- Ceite
279
DD
IXJ
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1
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DPBRDDIKD MD
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Suhalts-Überficht.
Yamilie: Terebellidae.
Lanice: L. conchilega Pall. h
Amphitrite: Töpferin, A. figulus Dallyell
Polymnia: P. nebulosa Montagu
Samilie: Serpulidae.
Serpula: S. vermieularis Z. -
Branchiomma: B. vesiculosum Montagu .
Spirographis: S. spallanzani Vi». .
Fabricia: F. sabella Zhrbg.
Vanilie: Myzostomidae.
Myzostoma: M. gigas F\. $. Leuck...
2. Ordnung: | Wenigboriter
(Oligochaeta).
Samilie: Negenwürmer (Lumbricidae).
Lumbrieus: L. hereuleus Sav.
L. rubellus Hoffmstr.
Allolobophora: A. foetida Sav.
A. rosea Sav. B
Vamilie: Megascolecidae.
Megascolex: M. enormis Fletch.
Microscolex: M. phosphoreus Dug.
Jamilie: Haplotaxidae.
Haplotaxis: H. menkeanus Hoffmstr. .
Jamilie: Glossoscolecidae.
Criodrilus: ©. lacuum Hoffmstr.
damilie: Röhrenmwürnmden (Tubificidae).
Tubifex: T. tubifex Müller
Yamilie: Wafferfhlängler (Naididae).
Stylaria: Gezüngelte Naide, S. lacustris Z.
Nais: Zungenlofe Naide, N. elinguis Müll.
Chaetogaster: Ch. diaphanus Gruith .
Ch. limnaei v. Baer . B
ante Unterflaffe:
Blutegel (Hirudinea).
Samilie: Kieferegel (Gnathobdellidae).
Hirudo ZL. ;
Deutjeier Blutegel, H. neh m
Ungarijher Blutegel, H. offieinalis Z.
Drachenegel, H. troctina Johnson
Limnatis: L. mysomelas Vir.
L. granulosa Sav. &
Haemopis: ®ferdeegel, H.
a
300 |
802
302
302
308
303
303
Herpobdella: H. atomaria Carena .
Haemadipsa: H. ceylonica M.-Td. .
Samilie: Rüffelegel en.
Glossosiphonia Johnson
Schnedenegel, G. complanata Z.
Helobdella: H. stagnalis L. :
Haementeria: H. officinalis de Frlippi
Pontobdella: Nochenegel, P. muricata L..
Piscicola: Fijchegel, P. geometra L.
Dritte Unterklaffe:
Sternwürmer (Gephyrea).
Yamilie: Echiuridae.
Bonellia: B. viridis Rol. :
Echiurus: E. pallasii rin
807
308
Yamtlie: Sipunculidae.
Phascolosoma: Ph. vulgare Blainv.
Phymosoma: Ph. granulatum F'. S. Leuck.
309
309
TOR
Snhalts-Überficht.
Seite ı Familie: Priapulidae.
Sipunculus: Sprigwurn, S.nudus Z.. . 8309 Priapulus: P. caudatus Lam.
Aspidosiphon: A. mülleri Dies... . . . 310 Halieryptus: H. spinulosus Sieb.
Sedjite Klaffe:
Bfeilwiirner (Chaetognatha).
damtilie: Sagittidae.
Sagitta: S. hexaptera Orb.
S. bipunctata ©. @. : :
Spadella: S. cephaloptera Bisch RETURN ale
| Siebente Rlaffe:
Binnenatner (Enteropneusta).
Yamilie: Balanoglossidae.
Balanoglossus: B. clavigerus Chiaje
Glossobalanus: G. minutus Kow.
Minjchellinge (Molluscoidea).
Grite Klaffe:
Movstiere (Bryozoa).
1. Ordnung: Eetoprocta.
! Familie: Bicellariidae.
1. Unterordnung: Nremivirbler (Lophopoda,
I
Bugula: B. plumosa Pall. .
B. avicularia L.
hrlnylenuate): ER damilie: Membraniporidae.
Samilie: Cristatellidae. a Membranipora: M. pilosa Z..
Cristatella: C. mucedo Cw. . . . . . 3819 Samilie: Escharidae.
Yamilie: Plumatellidae.
Klunmatella.: P fungosar Balls... ..2.2.0319
.Sederbuichpolyp, P.repens L.. . . . 8319
Fredericella: F. sultana Blbch... . . . 319
Lophopus: L. erystallinus Pal... . . . 319
Lepralia: L. pertusa Esp..
Yamilie: Tubuliporidae. .
Tubulipora: T. flabellaris 7.
T. verrucosa M.-E. .
2. Unterordnung: Kreiswirbler
(Stelmatopoda, Gymnolaemata).
Sanılie: Paludicellidae.
Paludicella: P. ehrenbergi Bened.. . . 321
Jamilie: Flustridae.
Iinstrasch toliaceaine en 3
2. Drdnung: Entoprocta.
Vanulie: Pedicellinidae.
Pedicellina: P. echinata Sars
Urnatella: U. gracilis Leidy .
Loxosoma: L. neapolitanum Kow. .
L. singulare Keferst.
Zweite Klafje:
Armfüßer (Brachiopoda).
1. Drdnung: Testicardines. Argiope: A. decollata Chemn.
Tamilie: Terebratulidae. Vanıilie: Thecidiidae.
Liothyrina: L. vitrea Born . . ....'. 8398 Theeidium: Th.'mediterraneum Risso
L. caputserpentis ZL. . . . ...828 | Yamilie: Rhynchonellidae.
Waldheimia: W. cranium Mill. NZ) Rhynchonella: Rh. psittacea Chemn. .
Retepora: Netforalle, R. cellulosa Cavol. .
XXV
Seite
310
all
312
312
312
313
313
329
329
330
RRVL,: Snhalt3-Überiidt.
3. Ordnung: Ecardines.
Samilie: Lingulidae.
Lingula: L. anatina Drug
L. pyramidata Morse
Seite
sl
al
Samilie: Disceinidae.
Discina: D. striata Schum.
Samilie: Craniidae.
Crania: CO. anomala Müll...
Stachelhäuter (Echinodermata).
Sriter Unterfreis:
Geitielte Stachelhänter (Pelmatozoa).
Einzige lebende Klajje:
Haarjterne oder Seelilien (Crinoidea).
Familie: Seelilien (Antedonidae).
Antedon: ®emeiner Haaritern, A. mediter-
ranea Lam. .
A. bifida Penn.
A. adriatica Olark
A. maroccana Clark . 5
Leptomedra: L. phalangium Müll.
Isometra Clark . $ .
Heliometra: H. glacialis each
H. g. var. maxima Clark .
Samilie: Wurzelitrabler (Bour ak
erinidae).
Seite
341
343
343
343
343
343
345
345
Rhizocrinus: Wurzelhaarjtern, Rh. lofoten-
sis Sars . Ba
Rh. verrilli Clark
Bathyerinus Carp. .
Samilie: Holopodidae.
Holopus: H. rangi Orb.
damilie: Medufenhäupter (Bentsoni i-
nidae).
Metacrinus: M. rotundus Carp. .
Cenoerinus: Medufenhaupt, C. asteria Z.
Endoxocrinus: E. wyville - thomsoni
Jefw..
Zweiter Unterfreis:
Wngeftielte Stachelhänter (Eleutherozoa).
Erite
Seewwalzen, Seegurfen (Holothurioidea).
1. Ordnung: Paractinopoda.
Samilie: Klettenmwalzen (Synaptidae).
Synapta: S. maculata Cham. et Eys.
Leptosynapta: Gemeine Stlettenwalze, L.
inhaerens Müll.
Steine Stletterivalze, L. minuta Beh
Lapidoplax: L. digitata Mont. .
Synaptula: S. hydriformis Les. .
2. Ordnung: Actinopoda.
Santlie: Elpidiidae.
Elpidia: E. glacialis Theel
Scotoplanes: S. globosa T’heel
Vamilie: Psychropotidae.
Psychropotes: Ps. longicauda Theel
353
359
353
Klajie:
Tanıilie:Shwimmholotdurien(Pelago-
thuriidae).
Pelagothuria: P. natatrix Zudw.
P. ludwigi Chun .
Samilie: Seewalzen (Holothur iidae)
Unterfamilie: Holothuriinae.
Holothuria: Nöhrenholothurie, H. tubu-
losa Gmel. ; 3
Warzenholothurie, H. Kahn Ta
H. forskali Chiaje . ;
Unterfamilie: Stichopodinae.
Stichopus: S. regalis
Cuv.
Yanıilie: Molpadiidae.
Molpadia: M. musculus Risso
Seite
3al
332
Seite
346
346
347
347
345
346
346
353
358
354
355
355
355
897
Snhalts-Überfigt.
Samilie; Seegurfen (Cucumariidae).
Unterfamilie: Cucumarlinae.
Cucumaria: Echte Seegurfe, C. planei
Bradt. . : Me.
C. pentactes Mont.
C. laevigata Vll.
C. glacialis Zjung.
C. crocea Less. 5
Thyone: Th. briarens Les.
Th. rubra Olark
Seite
357
357
398
358
358
357
358
XXVI
Ceite
Unterfamilie: Phyllophorinae.
Phyllophorus: Ph. urna Grube . 358
Unterfamilie: Psolinae.
Psolus: Ps. squamatus D.K.. 358
Ps. ephippifer Wyv.-Thoms. 358
Ps. antarcticus Phil. . 358
Unterfamilie: Rhopalodinae.
Rhopalodina: Rh. heurteli Perr. 358
Zweite Rlafje:
Seeigel (Echinoidea).
Erite Unterf£laffe:
Cidariformia (Regularia Endobranchiata).
Einzige Ordnung: Cidaroidea.
Samilie: Lanzenfeeigel (Cidaridae).
Cidaris: Gemeiner Yanzenjeeigel, C. cidaris L. .
Stylocidaris: S. affinis Phil.
Zweite Unterflaffe:
Diadematiformia.
1. Ordnung: Regularia
Ectobranchiata.
Samilie: Tederigel (Echinothuriidae).
Asthenosoma: A. urens Sar. .
Phormosoma Wyv.-Thoms. j
Calveria: Lederigel, C. hystrix an -
Thoms. ;
Hygrosoma: H. Toplacantha Wan Mhoms.
Sperosoma: 8. grimaldii Koehl. .
Tanulie: Diadematidae.
Diadema: D. saxatile 2. .
Centrostephanus: C. longispinus Phil.
Vanıilie: Arbaciidae.
Arbacia: Schwarzer Seeigel, A. lixula Z..
damilie: Genteine Seeigel (Echinidae).
Paracentrotus: Gteinjeeigel, P. lividus
Lam...
Echinus: E$barer @ fd), E. ealerkns m.
E. acutus Lam.
Parechinus: Strandigel, P. ltanss Gmel,
Notechinus: N. magellanicus Phil...
Bantilie: Echinometridae.
Heterocentrotus: H. mammillatus Z..
Sphaerothuria: S. bitentaculata Zudw. 358
362
363
Yamilie: Toxopneustidae.
Psammechinus: Stletterjeeigel, Ps. micro-
tuberculatus Div. 368
Sphaerechinus: Duntelvioletter. en
S. granularis Lam. Sa 210369
2. Ordnung: Irregularia.
1.Unterordnung: Schildigel, Clypeastroidea.
Yamilie: Fibulariidae.
Echinocyamus: Zwergigel, E.pusillus Müll. 370
Sanıilie: Scutellidae.
Echinarachnius: Sanddollar, E. parma
Lam. . 370
2. Unterordnung: SHerzigel, Spatangoidea.
Familie: Pourtalesiidae.
Pourtalesia: P. laguncula Ag. 371
Familie: Spatangidae.
Schizaster: Sch. canaliferus Lam. . 372
Bryssopsis: B. lyrifera Forb. . a7l
Echinocardium: Genteiner Herzigel, E. cor-
datum Penn. 2 372
Hemiaster:-H. cavernosus Phi. 873
XXVII
Snhalts-Überficht.
Dritte Klaffe:
Seejterne (Asteroidea).
GSrjte Unterflajje:
Phanerozonia.
1. Ordnung: Papillopoda. Set | Samilie: Pentacerotidae. Seite
Familie: KRanı nfeeite ine Sion eeti- Guleita: ©. eoriacea Müll. et Trosch. . . 380
nidae).
Astropecten: Slammifeejtern, A. aurantia- 2. Ordnung: Valvata.
us 2375 | Ssamitlie-pEiinieken date:
Amresalanıs@Panckue. 2 2m 376 Ophidiaster: O. arenatus Lam... . . . 375
Zweite Unterflajje:
Cryptozonia.
1. Drdnung: Spinulosa.
Familie: Asterinidae.
Asterina: A. gibbosa Penn. . . . . . 376
Palmipes: P. membranaceus Linck . . 377
Familie: Burpuriterne (Echinasteridae).
Echinaster: WPurpurjtern, E. sepositus
am a ee az
Samilie: Sonnenjterne (Solasteridae).
Solaster: S. papposus L. . -. . ......877
2. Drdnung: Foreipulata.
Samilie: Heliasteridae.
Heliaster: H. helianthus Zam. . . . . 377
Familie: Gemeine Seejterne (Asteriidae).
Asterias (Asteracanthion): Großer See=
tern, Ar olacialis Zu. 22 ed
Gemeiner Seejtern, A.rubens Z.. . . 378
Al torreri Doriolı. Se er
Samilte: Brisingidae. |
Brisinga: B. endecacnemos Asd. . . . 880
Vierte Klaffe:
Schlangenjterne (Ophiuroidea).
1. Ordnung: Zygophiurae.
Samilie: Ophiodermatidae.
Ophioderma: Brauner Sclangenjtern,
O.lacertosum Dam. en 2. 22.200582
Samilie: Ophiolepididae.
Opnhiura-a0- eiliaris 12. 2.0.0...0,.2..0882
Oralbıdaw Horb syn 3 aa Kar 2383
Sanılie: Amphiuridae.
Öphiopsila: O. annulosa Sars. . . . . 383
OÖ. aranea Horb. . - ..2..2.2.20...883
Amphiura: A. filiformis Müll. . . . . 884
A. chiajel Monba est
A. elegans Zeach ne 3A
Ophiäctis: O. virens Sars. . . ....885
Samilie: Ophiocomidae.
Ophiocoma: O.nigra Müll. . . . . . 885
Ophiothrix: Sn ı a,
O. fragilis Müll. RR UN TIR A 386
2. Drdnung: Streptophiurae.
Samilie: Ophiomyxidae.
Ophiomyxa: O. pentagona Lam. . . . 586
3. Drdnung: Medujeniterne
(Cladophiurae).
Samilie: Trichasteridae.
Ophiocreas: O. oedipus Zym. . . . . 881°
Bamilie: Gorgonenhäupter (Gorgono-
cephalidae).
Gorgonocephalus: Gorgonenhaupt, G. euc-
nemis Müll. et Troschh . . . - - 887
Sapantjches on G. saga-
minus Doedı urE au el eler/
Snhalts-Überfidht. XXIX
Meichtiere (Mollusca).
GSrite Klaffe:
Wurmmollusfen (Amphineura).
1. Ordnung: Wurmmollugfen im enge- . on a
a . la h Tr h = acop ora o Seite
ten Sinne (Ap Bel n a) Sr Eryptochton ga. N N BORN
Bepidomeniarkow:.-.. u... 0.0202. 808 eXstellern id nt. 0 Sen manage
Ismenia: I. ichthyoides Prww. . . . . . 398 | Cryptoplax Blam. . .'.... - 399
Chaenoderma Bow. N... 20.002.894 e u ee
en itidelun Z, 396 NeanvhochitesrZeaehn en 5 2400
a RE A Altascienlaris Er ae. 0398
Limifossor Heath . . . -» .... 2... 89 | Acanthopleura Guild... » - : ..... 400
Rhopalomenia: Rh. gorgonophila Kow.. . 395 | Chiton: Ch. rubicundus Costa . . . . . 401
Rh. aglaopheniae Kow. et Mar. . . . 396 Chr tulvuss Woods Sana 10a
£ ug Schizochiton Gray. . . ER ERS
N :N. corallophila Kow. . . . . 39
En : Chaetopleura: Ch. bullata Bar De a AI
Myzomenia Sim...» » 2 + 20-00. 896 | Ischnochiton: I. ETEUUSLSOW 002.302
Zweite Klaffe:
Grabfüiher (Scaphopoda).
Dentalium Z., Meerzahn oder Clefantenzahn 403 | Cadulus Ph. . . . 2 2 2.202000. 404
Schizodentalium Sow. 2.22... 22232727404." Siphonodentalium Sars 7. 2. 2220020408
Dritte Klaffe:
Bauckhfüser, Schneden (Gastropoda)
1. Ordnung: PBorderfiemer Delphinula Zam. . . . . ne
(Prosobranchia). DPJaciniatarbamar.s2 2.28 a ADS
Bhasianellay am. 9... 0... ee
1. Unterordnung: Balfenzüngler Neritinn . . A EN
(Docoglossa). N. fluviatilis Min. NE TRADE
Bathysciadium Pels. . . . ROH NE NacellasSchum.e nn Seen ae ned
Patella, Napfichneden: P. learn iS Bel. W424, ZizyphimusiGrayes aa. 429
Eaprelluedanes San. 2 Ao6slsHieliemakamun wen. ea... dal:
b Eydroegena Bam ne 0.0.0.0
2. Unterordnung: Fäherzüngler
(Rhipidoglossa). 3. Unterordnung: Bandzüngler
Pleurotomaria .Defr., nr Sl: A426 (Taenioglossa).
‘ Haliotis Z., Seeoft . . . N Aone @yclotus Glags 4.2.2... 2 a en
EmarsnularBamı 2 nr 2 Aon ©yclophorus; Montf., . 02. 2 Be 132
Seissurela. Orbaı en ee Aare sPterocyelüs Ds... x „2 am. 492
Fissurella Lam. . - A272 Palaena Semp:i. 2 ne eds
Trochus Z., Streijel- se en Opisthostoma Dan a 0 2 2432
4% ea De aA Opisthoporusißs. navi. 482
T. magus L. . . RS ne 10921, Spiraculum Zearsnaa nun. 490
Turbo Z., udinder es N AOT N Cyclostoma’Baman nn es. u, 432
Bagode, paowdus T-W. mn... ADS G.elegans Miller: 2. 2..:.0..0..488
XXX
Acme Hart.
Pomatias Stud.
Cremnoconchus Bann
Litorina, Uferfchneden: L. en rn
L. littorea 2... NR,
L. coerulescens Lam. .
L. obtusata L.
L. rudis Donov.
Rissoa Prem.
R. costata Ad.
Litiopa Rang
Lacuna: L. divaricata abe,
Hydrobia Hartm. .
Paludestrina Orb. .
Bythinella M.-Ta. .
Vitrella Oless.
Bythinia: B. entacnlata ne
Vivipara, Sumpfjchneden .
V. fasciata Müll.
V. vera Frfld. ar
Valyata: V. eristata Müll.
V. antiqua Morr.
Melania Fer.
Melanopsis Lam.
Ampullaria, Runelfeinerten: N gigas Orb.
Tiphobia E. A. Sm. ;
Capulus Montf., Kappenfehneden
Crepidula Lam., en
Calyptraea Lam. 6
Hipponyx Defr. .
Crucibulum Schum.
Vermetus, Wurmichneden: Y. gigas re,
V. lumbricalis 2. ;
Siliquaria Drug., Sneak 2
Turritella Zam., Turmfchneden
Caecum HFlem.
Phorus Mont.
Kielfüßer, a da.
Atlanta Les. . ei N
Carinaria Lam. .
Pterosoma Less.
Pterotrachea Forsk.
Natica, ln ING un Risso .
N. retieulata L.
Velutina Flem.
Sigaretus Lam. .
Lamellaria Monff. .
Marsenia Leach .
Marseniopsis Bergh
Oncidiopsis Beck
Cerithium, Nadelichnecden: C. Nulgatunı Dr ug.
Triforis Dh.
Seite
432
432
433
433
454
435
435
435
436
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440
440
440
441
441
441
441
441
442
442
443
Snhalts-Überfight.
Cypraea L., an ;
Trivia Gray . ;
Aporrhais: Belefanzfuf, a, pes een 2
Strombus L. SUR Alla
Pteroceras In NN, 5
Columbella Lam. NS äuhsienigneiten ;
Cassidaria Lam. ;
Cassis: Öroße Sturmhaube, C. uemmin m
Tritonium Müll., Tritonshörner
T. nodiferum Lam. :
Pyrula, Birnenfchneden: P. ae, Wood
Dolium Z., Fabjchneden .
Seen en) D. perdix Montf.
4. Unterordnung: Schmalziüngler
a
Turbinella Lam.
Neptunea Bolt. .
Fasciolaria Lam., nr
Fusus Lam., Spindelfchneden &
Buceinum, Siinfhörner: Gemeine Welhorn,
B. ind op: 8
Nassa, Reufenfhneden: Gegitterte Silörae,
N. reticulata L. st 2
Purpura Drug., an
P.Jlapıllus 7. . 2.
Murex, Stadhelfchneden: M. Erandarıs Br
M. fortispina Frane.
M. tenuispina Lam.
Concholepas Lam. .
Rhizochilus: Rh. paper St.
Magilus: M. antiguus Monff.
Marginella Lam.
Voluta Lam., Yalten] nn
Oliva Brug., Dliven
Harpa Lam., Harfenjchnecen ;
Mitra, Mitrafchneden: , M. epis-
angeht Lam. ö ;
Papjtfrone, M. papalis u ;
5. Unterordnung: Pfeilzüngler
(Toxoglossa).
Terebra Lam., Schraubichneden
Cancellaria L., Gitterfchneden
Pleurotoma Lam. 3
Conus ZL., Kegeljchneden .
C. mediterraneus Drug.
C. virgo L.
C. textilis Z. .
6. Unterordnung: Federzüngler
(Ptenoglossa).
Solarium Lam., Verfpektivfchneden .
Scalaria Lam., Wendeltreppen \
Janthina, Veilhenfchneden: J. fragilis Tom
Snhalts-Überfigt.
7. Unterordnung: Zungenloje, Schmaroger
(Aglossa). Seite
BulımasRassor a en ee 462
Odostomia M.-Ra.ı. 2. u na... 462
Pyramidella Zam. . . . En 462
Entoconcha: E. mirabilis Mn. BR EN NA
2. Drdnung: Yungenjchnerfen
(Pulmonata).
1. Unterordnung: Solenliferen (Soleolifera).
Vacmularkera nv ass. 20.1.4606
Oneidium: O. celticum Cw.. . . . ..... 466
Kanhouisia Heude. 2... 0.020.210... 466
2. Unterordnung: Bajommatophoren
(Basommatophora).
Limnaea LZam., Shlammfchneden . . . . 467
Epalusuniss Müll. 0.2 20..02 0.2.2400
Keaurleulania I. 0.0.8. a A770
Frscruneatulan Man. 2. .2.0.008 2.470
Bliystaomals Zwar ag en se ATZE
Blanorbis: Bellerihnedenu. 2.02.2008 46%
En eruse Mn. 3 002469
Physa Gray, Blafenfhneden. . . . . . 467
Ancylus G@eoffr., Napfichneden . . . . . 467
Aanphipeplea Nilsson. „ua u... 2.2468
FBulimusAdansı... ee en e0 468
Bulmobranchia Plsnr. 2. .2...2..:.7468
Minatesta Sans... as un ee en 469
Ierotaneylus Sarsı 2m. m. 200.1:0469
Chilmayarayı Nena sn 37469
Diphonamlay so. nn an. 409
Gadmla Gray an a SEN: 6.469
Carychium: C. minimum Mill. en. Ag
Auricula: Sudasohr, A. judaeL.. . . . 469
Midasohr, A.midaeZ . . 469
Amphibola: Hajelnußfchnecde, A. nux vollen
ISChUmS EN. RER N EA
Pedipes: P. afer Mdens, BR ER A Rt)
3. Unterordnung: Stylommatophoren
(Stylommatophora).
Vitrina Drap., Slasihneden. . . . . .. 474
Hyalina Ag., Ölanziäneden . . . . ... 474
Helix, Schnirfelfchneden: H. hispida Z. . . 474
Elactea Mala 47a
Hoaspersa Müll. a. ze
Weinbergichnece, H. pomatia u RG)
Chilotrema: Ch. lapieida L.. . . . . 474
Suceinea, Bernjteinschneden:S. alone Done 474
Pupa: Moosjchraube, P. muscorum Müll. . 474
Buliminus Hhrbge,. . .. „0 ra ATA
Achabmaylame ce. ae Ag
Cochlicopa:: C. lubrica Müll.
Caecilioides: C. acieula Müll.
Stenogyra: St. decollata Z.
Clausilia Drap., Sariehmundfüneden
Apostrophia Ehrm. ’
Thyrophorella Grf.
Parmacella Cuv.
Janella Gray .
Arion, Wegichneden
A. empiricorum Fer.
Anadenus Heynem. :
Limax, Egeljchneden: L. maximus =
L. arborum Bouch. Cantr.
L. tenellus Nilss.
Aderjchnede, L. agrestis L.
L. laevis Müll.
Amalia
A. marginata Dr ap.
Glandina Schum.
Testacella Ouv. .
Daudebardia Hartm. .
3. Ordnung: Hinterfiemer
(Opisthobranchia).
1. Unterordnung: Bederftfiemer
(Tectibranchia).
Actaeon Monif. .
Acera: Kugeljchnede, A. Bullake Min.
Philine: Seemandel, Ph. aperta L.
Bulla L., Blafenfohneden .
Gasteropteron Meck. .
Doridium Meck. . ;
Umbrella: U. mediterranea m ;
Pleurobranchus: Pl. testudinarius Cantr. .
Pleurobranchaea Orb..
Aplysia Gmel.,
Seehajen .
A. depilans L.
A. limacina Phil.
Dolabella Lam. .
2. Unterordnung: Nadtfiemer
Doris Z.
ei)
Chromodoris A. En
Ancula Zov. .
Aeolis: Sadenjchnede, a Danilo
Dendronotus:
cens Müll. .
D. arbores-
Doto: Stronenfchnecde, D. coronata en
Hermaea Lov.
Elysia: Grüne Samtioneh, RE. eheidlis Moni
E. splendida Grube .
Pontolimax:
Orepl.
ng P. capitatns
486
487
487
487
487
487
489
490
491
491
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495
494
494
494
494
495
495
495
496
XXXI
S Seite
Rhodope Köll. i 496
Seyllaea: S. pelagica L. . 496
Glaucus Forst. . 5 496
Tethys: T. fimbriata L. . 497
Melibe Rang . A 497
Phyllirrhoe Per. et si 5 500
Cephalopyge Hahnel . 500
4. Drdnung: Flofjenfüger, Nuder-
jchnerfen (Pteropoda).
1. Unterordnung: Bejchalte RAuderjchnerden
(Thecosomata und Pseudothecosomata).
Thecosomata:
Limacina Cuv. SE Wo DD
Bheliema Bhums 22 20.2228 2508
Creseis Rang . £ 502
Vterte
Suhaltz-Überficht.
Seite
Clio L. UNS ES NE NR
ine C. tr identate Emmen. 502
Ü. gibbosa Rang . 503
Pseudothecosomata:
Peracle Forb. ie 503
Cymbulia Per. et Les. . 503
Gleba Forsk. . 503
Desmopterus Chun . 504
2. Unterordnung: Nadte Ruderjchneren
Muscheln (Lamellibranchia).
1. Ordnung: Urfiemer
(Protobranchia).
Nucula Lam. 517
Yoldia Möll. . 517
Y. limatula Möll. 518
2. Ordnung: Sadenfiemer
(Filibranchia).
Samilie: Trigoniidae.
Trigonia Brug., Dreiedmufcheln . 518
Samilie: Arcidae.
Arca: Arhenmufjcel, A. noae L. ale
Pecetunculus: Samtmufdel, P. pilosus Z. 518
Anomia: Sattelmufchel, A. ephippium Z.. 518
Placuna: tuchenmufcel, P. placenta L. 519
Samilie: Miesmufcheln (Mytilidae).
Mytilus: Egbare Pfahlmufchel, M. edulisZ. 519
Modiola: M. lutea Fischer 522
M. barbata Lam. . 524
Modiella Hall. 523
Modiolaria Beck. . . 0523
Lithodomus: Steindattel, L. 1 malen, 523
3. Orpnung: Unechte Blattfiemer
(Pseudolamellibranchia).
Samilie: Aujtern (Ostreidae).
Ostrea: Gemeine Aujter, O. edulis Z. . 5
Amertkaniiche Aujter, O. virginica L. . 583
Samilie: Kammujcdeln (Pectinidae).
Lima: Seilennmifchel, L. hians Gmel.
(Gymnosomata).
Clione: Walaas, C. limacina Phipps - 504
Schizobrachium Meisenh. } 505
Spongiobranchiaea: S. australis Orb. 505
Pneumoderma Cuv. 505
Halopsyche Bronn . 506
Paedoclione Danf. . 506
Thalassopterus Kwieln. 506
Klaffe:
Pecten, Kammufcel: P. opereularis L. . 585
Spondylus, Slappmufcdel: Lazarusflappe,
S. gaederopus L.. Re a
Samilie: Seeperlmufcheln (Aviculidae).
Malleus Zam., HSammermufchel . 536
Meleagrina Lam. 536
Echte Berlmufcel, M. ar ale 1, 537
Pinna Z., Stedmufdel . 540
P. squamosa Desh nn
4. Ordnung: Echte Blattfiemer
(Eulamellibranchia).
Yanulie: Dreyssensiidae.
Dreyssensia, HZebramufheln: MWander-
unufchel, D. polymorpha Pall. . 541
Samilie: Kugelmufcheln (Cyeladidae).
Cyclas: C. rivicula Lam. . He 544
C. cornea L. 544
Calyeulina (less., SE nuhrfektke 544
Pisidium Pfr., Erbjenmufcheln 544
amilie: Najaden (Unionidae).
Margaritana, Jlußperlmujheln . 544
M. sinuata Sam. 548
dlußperimufchel, M. oararieina In 548
Unio, Slußmujcheln . 544
U.tumidus Reiz... . . - SR OE eR-ER 10%5)
1
Nalermufchel, U. pietorum ni 551
U. p. platyrrhynchus Be k 551
U. batavus Zam.. - - a a a
WISH! erassuspreza N ao
U. b. consentaneus Zieg.
U. b. pseudoconsentaneus Geyer
U. b. hassiae Haas .
U. b. kobeltianus Haas
Anodonta, Teihmufheln .
A. cygnea L.
A. complanata Zieg.
Suhalts-Überfidht. XXXII
Seite
Hl
554
554
554
544
551
551
Tamilie: Flußauftern Beiheriidae).
Familie: Tellinidae.
Tellina Z., Tellmufcheln
Donax L., Sumpfmufcheln
Serobicularia Schum., Pfeffermufcheln .
Samilie: Veneridae
Venus Z., Benusmufdeln .
Cytherea Lam. Ä
Petricola: P. nholadifasmis Tom.
Planktomya Simr. 5
Vamilie: Steinbohrer Gasicavidae)
Saxicava: S. rugosa L. ;
Bamilie: Herzmujheln Cardirdae)
Cardium, Herzmufcheht . 5
Een Herzmufdel, C. eekiistum
Ehbare Herzmufgel, C. edule Z.
Cardita: C. concamerata Drug. .
558
558
558
558
558
558
558
558
559
;E 560
560
562
Samilie: Riefenmufcheln (Tr idaenidao)
Tridaena: Riefenmujdel, T. gigas Z.
T. elongata Lam.
Vamilie: Myidae.
563
564
Seite
Mya, Rlaffmufcheln: M. arenaria L. . . 564
Maectra: M. inflata Brown . . . . . 565
Tantilie: Solenidae.
Solen, Scheidenmufhen . » » » 2... 565
S. marginatus Pultl.. . . 566
Samulie: ange eoleden).
Pholas, Bohrmufcheln: Ph. nr 1.566
Teredo, Schiffswurm . . . ee ale)
Ponavalisı Bye, 2.2 2, wen)
etatalis Orr a wen we nu
Zamilie: Gastrochaenidae.
Gastrochaena Spengl. - - - ...... 574
G:modiolinayZam. > 2 2... 20..2 505
Clavagella Lam. . . . ee DD,
- Aspergillum Zam., ad ae. 2157D
5. Ordnung: Berwachjenkiemer
eh
Cuspidaria Nardoca a er
Boromyarlorba sea wre che
Entovalva: E. mirabilis Voeltzk. . . . . 576
Chamydoconeha Dal ara 22. 22. 22.576
Seintilla#Destr ran a ee 2576
Galeomma Turt. . . . re d7
Montacuta: M. substriata Mont. a al)
Vulsella Lam. . . . a HA,
Lepton: L. longipes Stren SER ER FONT,
Fünfte Klaffe:
Kopffüier (Cephalopoda).
1. Drdnung: Bierfiener
(Tetrabranchiata).
Tamilie: Berlboote (Nautilidae).
Nautilus: Berlboot, N. pompilius Z.
N. macromphalus Sow. ;
N. umbilicatus Zister
2. Ordnung: Zweifiemer
(Dibranchiata).
588
591
591
1. Unterordnung: Adtarmige Tintenfifche
(Octopoda).
Vamilie: Krafen (Polypodidae).
Polypus: Gemteiner Strafe, P. vulgaris Lam. 592
P. macropus Risso
P. defilippii Ver...
P. groenlandicus Dewh.
P. piscatorum VZl.
P. lentus VX. RR
P. digueti Ber et Rochehr.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band.
597
597
597
597
597
619
Scaeurgus Trosch. . . . . 599
Pinnoctopus: P. cordiformis a & 0a. 599
Moschites: Mofchusfrafe, M. meschata
SI Se oe ee 5
IM cirrosanlama ee. 2,0598
Velodona-Chun ee 2599
Vamilie: Amphitretidae.
Amphitretus: A. pelagicus Hoyle . . . 599
Tamtilie: Bolitaenidae.
Bolitaena: B. diaphana Hoyle . . . . 599
Samilie: Argonautidae.
Argonauta: Bapierboot, A. argo ZL. . . 599
Ocythoe: O. tubereulata Raf. . . . . 601
Tremoctopus: T. violaceus Chiage. . . 601
Familie: Vampyroteuthidae.
Vampyroteuthis: V. infernalis Chun . . 601
Melanoteuthis: M. lucens Joub. . . . 601
Familie: Cirroteuthidae.
Cirrothauma: C. murrayi Chun. . . . 601
Chunioteuthg@negfar 2 en 6
UI
XXXIV
Seite
Cirroteuthis: ©. mülleri Zschr.. . . . 602
Ü.magna Hoyle . . . - 1602
Stauroteuthis: S. umbellata dr 602
Familie: Opisthoteuthidae.
Opisthoteuthis: O. depressa Zjima et Ikeda 603
O: agassizl pl n meea260
2. Unterordnung: Zehnarmige Tintenfifche
(Decapoda).
a) Myopfiden.
Yantilie: Sepiolidae.
Sepiola: S. rondeletii Zeach. . . . . 603
SeplettarVze ee 1004
Rondeletia Naef. . .. . RUE 00A
Heteroteuthis: H. dispar Rn 200
RossiaXOwen ar. we: 00
Tamilie: Spirulidae.
Spirula: Bojthörndhen, S. australis Lam. . 609
Samilie: Tintenfifche (Sepiidae).
Sepia: Gemeine Gepie, S. officinalis Z. . 604
Saelegans-Onbn sn 9.0.2606
Saorbion yanarRer m 073 .20222606
S. peterseni App... - . 606
Samilie: Chte Kalmare oe da.
Loligo : Gemeiner talmar, L. vulgaris Lam. 608
Nordifcher Kalmar, L. forbesi Stp. . . 608
YAmerifanifcher Slalmar, L. pealii Zes. . 608
Meuthisisehne 2... .. 608
Sepioteuthis: 8. essen Fer. et Orb. 608
b) Ögopfiden.
Tamilie: Niejenfalmare (Architeuthidae).
Architeuthis Sp. . . . ee)
Yamtlie: gene (Ommato-
strephidae).
Ommatostrephes: ®feilfalmar, O. sagit-
tatus Zam. ern er 500,
Anhalts-Überfigt.
Dlex: Rurzfloffiger Kalmar, I. illecebrosus =
eoindetii Ver.. . . LO
Todaropsis: T. Eanse Ball. lo)
Stenoteuthis: Fliegender Salnıar, S. bar-
ram Des We ...610
Yamilie: Großflof era (Theme.
teuthidae).
Thysanoteuthis: Th. rhombus Trosch. . 611
Samilie: Hafenfalmare (Onychoteuthidae).
Aneistroteuthis: Hafenfalmar, A. lichten-
Sirebje (Crustacea).
1. Ordnung: Blattfüßer (Phyllopoda).
1. Unterordnung: Euphyllopoda.
Yamilie: Kientenfüße (Branchipodidae).
Branchipus: B. schaefferi Fischer. . . 640
Chirocephalus: Ch. grubei Dubowski . . 640
Streptocephalus Baird . . ...640
Artemisia: Salzfrebschen, A. lien m .. 640
forma milhauseni Fischer. . . . . 641
forma arletina ‚Fischer 2.2 02272.72642
forma köppeniana Fischer. . . . 642
Yamilie: Kiefenfüße(Triopsidae, Arodidse.
steiniı Mene: Orb. u u. 2 zei
Onychoteuthis: O. banksii ZLeach . . . 611
Chaunoteuthis: Ch. mollis App. . . . 611
Teleoteuthis: T. caribaea Les. . . . 611
Lyeoteuthis: Wunderlampe, L. diadena
ONE seen ne ala
Samilie: Gonatidae.
Gonatus: G. fabriei Lichtenst. . . . . 611
Zamilie: Enoploteuthidae.
Octopodoteuthis: O. sicula Rüpp. . . . 611
Pyroteuthis: %euerfalnar, P.margaritifera
ESERUDDIER EA Si]
Enoploteuthis: E. ns Tech ol!
Bamilie: Segelfalmare (Histioteuthidae).
Calliteuthis: C. meneghini Ver. . . . 611
Histioteuthis: H. bonelliana Fer. . . . 611
Tamilie: Fadenfalmare (Chiroteuthidae).
Chiroteuthis: Ch. veranyi Fer... . . . 612
(Doratopsis: D. vermicularis Rüpp.) . . 612
Mastigoteuthis: M. hjorti Chun. . . . 612
Tamilte: Cranchiidae.
Leachia:L. eyclura Zeach ... 72.7602
Cranchia: C. scabra ZLeach . . . . . 616
Galiteuthis Joub. . . . .- (1
Bathothauma: B. Iyromma Cham : 612
Triops: T. caneriformis Bose. . . ..6%2
Lepidurus: L. productus Bose. . . . . 642
Samilie: Limnadiidae (Estheriidae).
Eistheria Rupp. an. 2. Ro
Cyzieus: ©. tetracerus Kı a EA
Limnadia: L. lenticularis Z.. . 614:
Limnetis: L. brachyura O. F'. Mi. EEE HAA
2. Unterordnung: Wajjerflöhe (Cladocera).
Familie: Daphniden (Daphnidae).
Daphne: D. magna Straus . » . 2. 646
D. pulexaresGeenene 2 2 nenn
Snhalts-Überfidt.
Seite
D- longispina O. F.Müll.. . . . 646
Scapholeberis: S. mucronata ©. F. Min. 646
Simocephalus: S. vetulus O. F. Müll. . 646
Gerrodaphnıs Dana; = 2. 121.2 02.2..2647
Moina Baird . . . 647
Familie: Nüffelfr een oanmiee,
BosminalBaird = 22m. 20.20 2.00 08:.,647
Samilie: Macrothricidae.
Samilie: Chydoridae.
Chydorus: Ch. sphaericus O. F. Müll. . 647
Familie: Sididae.
Sida: 8. erystallina O. F. Müll. . . . 647
Diaphanosoma: D. brachyurum Zievin . 647
Holopedium: H. gibberum Zaddach . . 647
Tamilie: Polyphemidae.
Polyphemus: P. pedieulus L. . . . . 647
Bythotrephes: B. longimanus Zeydig. . 648
. Evadne: E. nordmanni Zov.. . . . . 648
Podon: P. intermedius Lid). . . . . 648
Tamilie: Leptodoridae.
Leptodora: L. kindtii Focke. . . . . 648
2. Ordnung: Mafchelfrebfe
(Ostracoda).
Tamilie: Cyprididae.
Candona: C. candida O. F. Müll. . . . 651
Notodromas: N. monacha O. F. Müll. . 651
Familie: Cypridinidae.
Cypridina: C. castanea Brady . . . . 651
Gigantocypris: NRiefenmufcelfrebs, G.
Dass Mu 2. 0. 2.0001
3. Drdnung: Ruderfüßer (Copepoda).
1. Unterordnung: Echte Kopepoden
(Eucopepoda).
Sreilebende Kopepoden, Hüpferlinge.
Familie: Cyclopidae.
Cyelops: C. fuscus Jurine . . -. . . 652
C. albidus Jurine -. . ». 2 2.2.68»
Gens urinene ne e n652
CstrenuuszHüscher . . . 2... ..°.2065
C. serrulatus Fischer . . ........68
Vamilie: Centropagidae.
Eurytemora Giesbreht . . » .....632
Diaptomus: D. castor Jurine . . . . 652
Vanıilie: Harpacticidae.
Canthocamptus: C. staphylinus Jurine . 652
C. microstaphylinus Wolf. . . . . 653
Tamilie: Pontellidae.
Anomalocera: A. patersoni Templ. . . 653
Yanilie: Calanidae.
Calanus: C. finmarchicus Gunn. . . . 654
Schmaroßerfrebje (Parasita).
Familie: Corycaeidae.
Sapphirina: Saphirfrebschen, 8. ovato-
lanceolata Dana . i RS
Samilie: Monstrillidae.
Samilie: Ergasilidae.
Ergasilus: E. gasterostei Kr.
E. sieboldi Nordm.
Yamilie: Caligidae.
Caligus: C. lacustris Stp. et Lik.
Samilie: Dichelestidae.
Lernanthropus: L. gisleri Bened.
L. krögeri Bened.
Dichelestium: D. sturionis Zerm. .
Lamproglena: L. pulchella Nordm.
Samilie: Lernaeidae.
Pennella: P. sagitta Z.
Lernaeocera: L. esocina Burm. .
L. cyprinacea L. .
Zamilie: Lernaeopodidae.
Sanıilie: Herpyllobiidae.
2. Unterordnung: Karpfenläuje
(Branchiura).
Tamilie: Argulidae.
Argulus: A. foliaceus L. .
A. coregoni Thor.
4. Drdnung: Ranfenfüher
(Cirripedia).
1. Unterordnung: Thoracica.
Familie: Entenmufcheln (Lep 2
Lepas: L. anatifera L...
Anelasma: A. squalicola Zov.
Samilie: Pollicipedidae.
Lithothrya Sow. . E
Familie: Seepuoden (Bal dl a e
Balanus: B. balanoides Z.
B. crenatus Z.
B. tintinnabulum Z.
Sanıilie: Coronulidae.
2. Unterordnung: Abdominalia.
Alcippe: A. lampas Hanc.
3. Unterordnung: Wurzelfrebje-
(Rhizocephala).
Saceulina: Sadfvebs, S. carcini Thomps.
Peltogaster: P. paguri Rathke .
5. Ordnung: Regelfrebje
(Malacostraca).
1. Zegion: Leptostraca.
Nebalia: N. geoffroyi M.-E. a
IIT*
XXXV.
Seite
657
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XXXVlL
2. Legion: Ningelfrebfe (Arthrostraca).
1. Unterordnung: Afjeln (Isopoda).
Familie: Shwimmafjeln (Sphaeromidae).
Sphaeroma: Stugelafjel, S. rugicauda Date Ceite
et Westwood . x» - .. 664
Limnoria: Bobraffel, L. aber Sure .. 664
Familie: Idotheidae.
Idothea: I. baltica Pal. 664
Yamilie: Ligiidae.
Ligia: L. oceanica L. 664
Samilie: Serolidae.
Tantilie: Fiichaifeln (Cymothoidae).
Bathynomus M.-E., NRiefenaffel . . . . 663
Samilte:Gnathiidae(Pranizidae,Anceidae).
Samilie: Garnelajjeln (Bopyridae).
Samilie: Krabbenajfeln (Entoniscidae).
Yamilie: Cryptoniscidae.
Sanilie: Wafferaffeln (Asellidae).
Asellus: Genteine Wafjerafjel, A. aquati-
CUSAZE RE. .....665
Höhlenafjel, A. baatiele Schiödte . ..665
Vantlie: Landafjeln (Oniscidae).
Oniscus: Maueraffel, O. asellus Z.. . . 665
Porcellio: Stellerafjel, P. scaber Latr.. . 665
Yamilie: an.
Armadillidium: ln, cinereum
Lenker: ; 2 »14,480665,
2. Unterordnung: oh ae)
Tamilie: Slohfrebjeimengeren Sinne (Gam-
maridae).
Gammarus: Gemeiner Flohfrebs, G. pu-
Ex Ba le. 2, ...666
G. pulex subterraneus Schneider 5 Ol
Niphargus Schiödte, Höhlenflohfrebfe . . 667
Carinogammarus: Ü. roeseli Gervais . . 667
Pallasea: P. quadrispinosa @. O. Sars . 672
Vanıilie: Haustoriidae.
Pontoporeia: P. affinis Bruzelius . . . 672
damilie: Sandhüpfer (Talitridae).
Talitrus: Strandfloh, T. saltator Montf. 667
Örchestia: Küjtenhüpfer, O. gammarellus
I ee Ba ne 00,
O.- hottae M.- 2 0... 668
Tamilie: Corophiidae Badoasaleah
Tamilie: Cheluridae.
Chelura: Scherenfhiwanz, Ch. terebrans
Phil: Se ee 222.668
Yamilie: Hyperiidae.
Hyperia: Duallenflohfvebs, H. medusarum
MU.) 2... 2.2 ee 665
Tamilie: Phronimidae.
Phronima: Tonnenflohfvebs, Ph. seden-
bamlan MOrSIe. 2... 02. ee
Snhalts-Überfigt.
Yamilte: Thaumatopsidae. Seite
Thaumatops: Th. magna Woltereck . .. 669
Bamilie: Geipenjtfrebje (Caprellidae).
Caprella: C. aequilibra Bate. . . . . 669
Yanmilie: Walfifhläufe (Cyamidae).
Cyamus: Walfiihlaus, C. ceti Lam. . . 670
3. Legion: Eigentliche Kirebje
(Thoracostraca).
1. Unterordnung: Syncarida.
Anaspides: A. tasmaniae @. M. Thoms. . . 670
Koonunga: K. kursor Saye . . . . . 670
Bathynella: B. natans Vejd.. . . . . . 670
2. Unterordnung: Cumacea.
Vamilie: Diastylidae.
Diastylis: D. rathkei Kröy. . . . . . 671
M.sculptaG.202Sarsmr 2
Sanıilie: Leuconidae.
Eudorella: Eu. trunculata Bae . . . 671
3. Unterordnung: Spaltfüßer (Schizopoda).
Yanulie: Mysidae.
Praunus: P. fexuosus Müll... . . . . 671
Neomysis: N. vulgaris Thomps.. . . . 671
Leptomysis: L. mediterranea @. O. are 672
Hemimysis: H. lamornae Couch. . . . 672
Mysis:=M oculata’ Zlabr. 20 Sy
M.welicta -Loven... n.. ed:
Vamilie: Lophogastridae.
Gnathophausia: G. gigas Wül.-Suhm. . 672
Santilie: Euphausiidae.
Euphausia: Eu. splendens Dana . . . 673
Bu-pellueida Dananı 2 2 GET
4. Unterordnung: Maulfüßer
(Stomatopoda).
Squilla: Gemteiner ei S. man-
tis>Ratne ee re flat
S. desmaresti Rısso. Sa en ro
5. Unterordnung: Behnfüßer (Decapoda).
1. Öruppe: Zangfchiwänze (Macrura).
Familie: Garnelen (Carididae).
Crangon: Gemeine Öarnele, C. vulgaris F. 676
Palaemon: elfengarnele, P.serratus Penn. 677
Leander: Steingarnele, L. squillaL.. . 677
Ditfeegarnele, L. adspersus Rik.. . . 677
L:'xiphias Rässo 2. Var EL
Virbius: V. varians Leach. . - 677
Pontonia: Mufchelfreund, P. arten isso 678
Typton: T. spongicola Costa . . .» . 678
Palaemonetes: P. varians Leach . . . 678
Troglocaris: T. schmidti Dorm. . . . 679
Familie: Atyidae.
Snhalts-Überfidt..
Sanıilie: Geißelgarnelen (Penaeidae).
Lueifer: Zeuchtfrebs, L. typus Thomps.
Nematocareinus: Schlanffüßige SHaar-
garnele, N. gracilipes M.-E. . . . .
Sergestes: S. arcticus Ar.
Familie: Eryonidae.
Willemoesia: W.leptodactyla Wi1.-Suhm
Tamilie: Ritterfrebfe (Loricata).
Palinurus: ®enteine Zangujte, P. vulgaris
Latr..
Seyllarus: Bärenfrebg, S. areins =
Samilie: Banzerfrebfe (Astacidae).
Homarus: Summer, H. vulgaris M.-E.
Nordamerikanifcher Hunter, H. ameri-
canus M.-R.
Nephrops: Schlanfer nme N. oe
cus L. ER
Potamobius: Genteiner Stußfrebs, p. ar
eus L. -
Steinfrebg, P. nirentium ne.
Dohlenfrebs, P. pallipes Lereb.
Sunipffrebs, P. leptodactylus Zschz.
Cambarus: C. pellueidus Tellk. .
C. affinis Say .
Familie: Thalassinidae.
Gebia: G. litoralis Risso .
2. Öruppe: Mittelfrebfe (Anomura).
Vanıilie: Einfiedlerfrebje (Paguridae).
Diogenes: Diogenesfreb3, D. varians Costa
Eupagurus: Prideaur’ Einfiedlerfrebs, Eu.
prideauxi Leach
Bernhardinerfrebs, Eu. bernar dar =
Pagurus: P. striatus Latr. 3
Birgus: Rofosräuber, B. latro Hbst.
Familie: Galatheidae.
Porcellana: Borzellanfrebs, P.
Penn.
Galathea: 6. Sruiniiera Deich‘,
G. strigosa L. .
3. Gruppe: Krabben (Brachyura).
Ceite
678
678
679
679
679
681
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690
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691
1. Untergruppe: Rüdenfüßer (Notopoda).
Vamilie: Dromiidae.
Dromia: Wollfrabbe, D. vulgaris M.-E. .
Dorippe: D. lanata L.. ER
692
693
XXXVH
2. Untergruppe: Rundfrabben (Oxystomata).
Vantilie: Calappidae. Seite
Calappa: Schamfrabbe, C. granulata L. 693
Vamilie: Leucosiidae.
Dia: I. nucleus Host. 694
3. Untergruppe: Dreiedfrabben Be,
Samilie: Mastenfrabben (Majidae).
Hyas: ©eefpinne, H. aranea L. 694
Maja, Meerfpinnen: M. nfrecle Roma, 694
M. verrucosa M.-E.. 694
Inachus: I. scorpio P". . 694
Pisa: P. armata Latr. . ; 694
Stenorhynchus: Gef Dee S. nhalan-
gium Penn. 695
Corystes: Mastenkrabbe, e. uhrellai.
nus Leach . 695
Latreillopsis: L. Nifimaee. Herd. .. 69
Kaempfferia: Sapanifche Riefenfrabbe, K.
kaempfferi de Haan . 695
4. Untergruppe: Bogenfrabben (Cyclometopa).
Yamilie: Thalamitidae.
Thalamita Latr. . .. 696
Samilie: Shwimmfrabben omas)
Portunus: Schwinmfrabbe, P. holsatus
Fabr.. ; 696
Sanıtlrabbe, P. über In ; 696
Callinectes: Blaue Krabbe, C. syidus
Rathb. 5 696
Samilie: Tafchentrebfe ee nis 5
Careinus: Strandfrabbe, C. maenas Z. 696
Cancer: Großer Tafchenfrebs, C.pagurusZ. 698
Vamilie: Süßwafferlrabben (Telphusidae).
Potamon: P. fluviatile Rond. 698
5. Untergruppe: VBieredfrabben (Catometopa).
Yamilie: Pinnotheridae.
Pinnotheres: Mujdelwäditer, P. veterum
Bose. . 699
P. pisum L. 2 699
Tamilie: Ocypodidae.
UVea: Winferfrabbe, U. cultrimana Wh. 699
Ocypode Fabr., Sandfrabben 699
damilie: Landfrabben (Gecarcinidae).
Gecarcinus: Gemeine Landfrabbe, G. ruri-
Cola re 700
Verzeichnis der Abbildungen,
EZarbige Tafeln,
Süßwajjer-Infuforien (mit Dedblatt)
Slasihivänme (mit Deckblatt)
Seeihwännnte (mit Deckblatt)
Süßwafjerpolypen .
Blajenqualle .
Velella und Porpita
Medufen &
Edelforalle
Geerojen ;
Korallen an der anna Sen Ki on Derbi)
Rippenquallen 5
Strudelwürmer . Sr
Süßwafjer-NRädertierhen .
Boritenwirner des Meeres
Röhrenwurnt .
Moostierchen .
Haaritern, Samzenfeeigel na Edler
Seegurfe, Seeigel, Seejterne .
Landichneden (mit Deckblatt) .
Nacdte Hinterkienter aus dent Mittelmeer (mit
Deckblatt)
Seemujheln .
Gemeiner Tintenfijch
Langujte und Hunmter
Kofosräuber inn Mondichein .
Krabben des Mittelmeeres
Schwarze Tafeln.
Alfred Edmund Brehm
Einzeller I. Radiolarien .
Einzeller II
Einzeller III .
Shwämmte. Hohltiere I
Hohltiere II |
Hohltiere III .
Würmer
Stadelhäuter .
MWeichtiere I
Weichtiere IT .
Weichtiere III
Beichtiere IV. Anatomie von Ip a
(mit Decdblatt)
Weichtiere V .
Krebfe I
Krebfe II
Srebfe III .
Bartenbeilngen,
Ziergeographifche Regionen
Seite
634
676
698
anı Schluffe
Berbreitung wichtiger niederer Tiere [des Bandes
Abbildungen im Text,
Bielgeitaltiges Wechfeltierchen, Amoeba pro-
teus . ;
Rauhes Wechfeltiergien, Aniiehe, verrucosa .
Stapfeltierhen, Arcella vulgaris, und Schntel;-
tierchen, Difflugia pyriformis
Eiförmige Gromie, Gromia ovoidea
Polystomella strigillata .
Weichkörper der Polystomella steiatopuneiate
Globigerinenfchalen . er
Acanthoeystis turfacea ;
Gittertierchen, Clathrulina elegans
Syphilisipirochäte, Treponema pallidum .
Geihelamöbe, Mastigamoeba aspera
Trypanoplasma cyprini . R
Trypanofoma der Schlaffrankheit, Termano
soma gambiense . ;
Grünes Augentierchen, nslann rat
limnterfugel, Volvox globator .
Malariafreislauf .
Gejhwänztes Buntoffeltierdhen, Bar amaecium
caudatum . i :
Nafentierchen, Die arinen sehr, ein ne
toffeltierchen anfallend .
Balantidium coli 5
Schwamm im Ascon-Stadiunn, Ihematifeh
Bauplan der Schwänme, jchentatifch
Embryonalentivicelung der ShwänmeSycon
und Clathrina
Stiefelnadeln des Glas[ätwanmnes Seele
pedunculata N
Hyalonema sieboldii :
Stiejelförper der Anterjchtwänme .
Zederihiwanmnt, Chondrosia reniformis
Kiefelnadeln von Einjtrahlihwänmeen .
VBerzeihnig der Abbildungen.
Seite
Bon Bohrfäwanmm, Cliona celata, durch-
löcherter Kalfitein 89
Schwäninte auf Tang Desmacıdan uno on
gelia pallescens) . : 90
Larve eines Eiern 5 2.02
Dauerftadien einheimifher Süßwaffer-
hwänme . ER ni 08
Halisarca dujardinüi Ed.
Längsschnitt durd) eine Eden a nofpen 299
Nefjelzellen von Hydra . 101
Polyp von Mierohydra ryderi 107
Medufe von Microhydra ryderi . 108
Längsiehnitt durch eine Hydromedufe 109
Millepora nodosa 110
Kolonie von Hydractinia echimate er einent
Buceinum-Gehäufe . 112
Branchiocerianthus imperator . 0.3.1118)
Seenoos, Thuiaria argentea, auf einen Ta-
fchenfrebs ? = 45
Gonionemus murbachi in een anlate
Schema einer Siphonophore . ö 118
Entwieelung der Ohrenqualle Aurelia una 121
Haliclystus : 122
Periphylla regina . 123
Pelagia noctiluca 5 124
Anthozoenpolyp, Ihematiih . 128
Orgelforalfe, Tubipora hemprichi . 132
Hornkoralle, Eunicella verrucosa 135
Veretillum cynomorium . 137
Pteroides griseum . 138
Umbellula encrinus 139
Duerfchnitt durch eine kanns Atenlaennn, 140
Gonactinia prolifera auf einer Muichelihale 144
Adamsia palliata 150
Korallpolyp, der Länge nad) geöffnet 155
Drei verichiedene en einer Acropora-
Art . 158
Acropora pulchra in are Waffer u di
Sedimentation 159
Caryophyllia clavus ; 160
Väcerforalle, Flabellum Fabram 161
Weiße Koralle, Amphelia oculata . 161
Anthocormus einer Bilzforalle (Fungia) . 163
Dendrophyllia ramea . : 164
Porites furcata . ; 165
Snfel mit Küjten- und en 170
Soralleninfel oder Atoll ; 171
Schena zur Crläuterung der Sarmaden
Theorie von der Umwandlung eines Kitften-
viffes in ein Wallriff und Atoll 21T
Ein Cerianthus, der fich bei wiederholtem Um-
drehen eines Drahtneges ee EL I
durchivindet Ä E 176
XXXIX
Seite
Schema einer Rippenqualle 178
Benusgürtel, Cestus veneris. 182
Coeloplana willeyi auf einen Tangblatt . 184
Convoluta convoluta 196
Mesostoma tetragonum 198
: Microstomum lineare, eine ette von 16% Tieren 200
Dendrocoelum lacteum 202
Negeneration des jchief oigefämitenen Nosfes
einer Planarie ER 203
Miülleriche Larve 207
-Bottenplanarie RE 208
Doppeltier, Diplozoon aradarım : 210
Polystomum integerrimum . 211
Leucochloridium paradoxum, der ae Ba
Schnede herauspräparierte Keimfhlauc) 214
Bernjteinfchnece, niit Leucochloridium para-
doxum int rechten Fühler . 214
Gejchlehtsreifer Urogonimus macrostomus . 215
Ölinmerlarve des Leberegels (Miracidium) 215
Entwicelungszuftände des a Fasciola
hepatica Ki ; 216
BZerfarien bon anal 217
Schistosomum haematobium : 218
Eine Finne von Taenia solium inı Ducdhf ui 222
inne von Taenia solium mit ausgeftülptent
Kopf . 293
Caryophyllaeus nal, 224
Archigetes appendiculatus . 225
Slimnterlarve (Oncosphaera) von Dibethrio.
cephalus latus 226
Köpfe und reife Glieder von ein sehn,
Taenia saginata, Dibothriocephalus Vans 227
Hülfenwurnt, Taenia echinococcus 230
Bierauge, Prostoma 233
Vechterhutlarve (Pilidium) 234
Tubulanus (Carinella) superbus 235
Pelagonemertes rollestoni 236
Nüffelrädchen, Rotifer . 239
Anatomie eines Rädertieres (Brachionas), 241
Pedalion mirum 247
Chaetonotus hystrix 248
Angiostomum nigrovenosum 251
Hunmelälchen 254
Männchen der bennenatohe 255
Eier und Zarve don Mermis . 257
Darnıtrichinen 260
Musfeltrihinen . 61
Beitfchenivurnt 262
Kopf des Grubeniwurms 263
Ancylostoma duodenale 264
Zuftröhrenwurnt, Syngamus Itachealis 266
Kopf des Spulwurmes . 267
Spulwurn des Menjcen . 268
XL
Weibchen von Oxyuris vermicularis
Weibchen eines Gordius
Larve des Wafferfalbes x
Riejenfraßer, Echinorhynchus Bimudianens
Nervenfyiten der Anneliden (Serpula, Aphro-
dite) . ER Ge
von Bo
Borftenformen von Borjtenwürnern
Boritenhöcer einer „Heteronereis‘
Hermione hystrix
Kopf von Nereis cultrifera
Eine Heteronereis . OT EN
Gemeiner Sandmwurın, Atenicola marina.
Praxilla collaris i
Chaetopterus pergamentaceus .
Nöhren der Sabellaria alveolata
Sabellaria alveolata
Terebella ammalina
Syllis ramosa
Myzostoma gigas
Genteiner Negenwurm, Hrnbrotans Heasslkan
Anatontie des Negeniwurmes .
Haplotaxis menkeanus ;
Gezüngelte Naide, Stylaria arsch
Der mıediziniiche Blutegel, Hirudo medicinalis
Anatomie des Blutegelö, Hirudo medicinalis
Haemadipsa ceylonica
Glossosiphonia bioculata und G. ont
Nochenegel, Pontobdella muricata .
Vilchegel, Piscicola geometra
Zarve von Echiurus pallasii . :
Bonellia viridis, Phascolosoma N und
Priapulus caudatus . ö
Pfeilmurn, Spadella rn alonterae
Balanoglossus clavigerus
Tornaria-Larve von Blarmallosena es
rus ER Pa Re N
Längsfänitt dur ein Einelie von Crista-
tella mucedo . : ;
Neßforalle, Retepora elılada 5
Eine Lepralie . .
Statoblajt von Cristatella al.
Flustra foliacea .
Tubulipora verrucosa .
Pedicellina echinata \
Waldheimia (Magellanea) Meran.
Nüdenflappe von Terebratulina caput ser-
pentis
Entioidelungsitufen ı von Arie
Lingula anatina
Schaubild eines Stachel but bon Kine
ligem Bau . 5 ; ;
Bweiflappige Bedizellarie h
Seite
269
270
271
272
275
274
275
276
277
277
278
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281
282
284
284
285
291
293
294°
296
297
298
300
301
803
304
305
306
307
309
312
3135
3135
316
817
818
Berzeihnis der Abbildungen.
Schema des le eines
Geeiternd : NET,
Stachelhäuterlarven
Entwicelung eines Sets med).
Gejtielte Seelilie, Metacrinus rotundus
Kelch des Medufenhauptes, Cenocrinus asteria
Wurzelhaarftern, Rhizocrinus lofotensis .
Selettenholothurie, Leptosynapta inhaerens .
Scotoplanes globosa
Schwinmmbolothurie, ralssanlhirehn a
Sphaerothuria bitentaculata und wo
dina heurteli .
Gehäufe des eßbaren ee, hs ESCU-
lentus
Teil eines aan a 3 Sch no
4 Bedizellavien, fchematijiert .
Laterne des Arijtoteles, Zahngerüjt des Er
jeeigel3, Paracentrotus lividus ;
Medianfchnitt dDurd) einen Seeigel
Lederfeeigel, Caveria hystrix .
Sanddollar, Echinarachnius parma
Pourtalesia laguncula
Schale eines irregulären Geeigels seo
lyrifera) i
Schale des ae Schienster Canalikens h
Hemiaster cavernosus mit Sungen in der
Bruttafche . -
Armendemit deinvon ana fee Auge
bon Astropecten aurantiacus :
Kometenforn eines Geejterns Ok
arenatus) .
Lederitern, Culcita coriacea .
Scheibe eines Schlangeniterns, Ophiura ne
Ophiocreas oedipus, an Storallen Eletternd
Berbredlicher Schlangenjtern, Ophiothrix fra-
gilis .
Sapanijches Sonn Gorsenccefie
lus sagaminus EN RS
Neomenia . 2
Chaetoderma a ;
Körperbededung der Unterjeite von ‚ Iermenik:
ichthyoides
Myzomenia auf Lafoea oa
Rhopalomenia aglaopheniae
Zarvenitadien von Myzomenia
Käferfchneden: Acanthochites ln,
Cryptoplax ocularis und Cryptochiton
stelleri . SR:
Elegante Käfer] Fa Chiton less
Schizochiton ineisus, vorderjtes Schalenjtück
mit jehs Augenreihen
Gemeiner Glefantenzahn, Wandalliin an
Siphonodentalium lofotense .
Seite
837
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340
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Berzeihni3 der Abbildungen.
Dentalium, von der rechten Seite im Durd)-
jpnitt gejehen .
Zarve von Dentalium in verfgidenen Ent
widelungsitufen .
Durchfchnitt des Gehänfesv dont Rinkhorı, Bu
einum undatum .
Schematische Daritellung Ehre, ante
Kanımtiemer . 3 : 2:
Geh Nadulae Be
Algeriiche Napfichnede, Patella ale ira
Kreijelfchnede, Trochus zizyphinus .
Delphinula laciniata . :
Cyelostoma (Ericia) elegans, eeiedhend.
Zaich der Uferfchnecde, Litorina. obtusata 5
Gerippte Nifjoe, Rissoa costata. 1
Gebänderte Häubchenfchnerfe, Lacuna art:
eata. .
ER eingehende Sanfte, Palıdna
vivipara {
Valvata cristata
Ampullaria gigas, ea le
Gemwöhnlide Wurmfchnede, Vermetus hin:
bricalis .
Atlanta peronü .
Pterotrachea . ,
Natica josephina, eine Mufehel nahen
Eden ausgefrochene VBeligerlarve von Natica .
Relifansfuß, Aporrhais pes pelecani -.
Männchen der Flügelichnede, Strombus lenti-
ginosus . a dA
Sturmbaube, Case asnntal-
Tonnenfhnece, Dolium perdix .
Birnenjchnede, Pyrula decussata ;
Tritonshorn, Tritonium nodiferum, und Sta=
helfchnede, Murex brandaris .
Lofalformıen der Rurpurfchnede, Propa, u
pillus, don der britifchen Küfte {
Sunges Exemplar von Rhizochilus anti-
pathum..
Ülteres ans a von nn
antipathum
Schwarze Olive, Oliva maura
Kegelichnede, Conus textilis .
Kaurifchnede, Cypraea moneta .
Janthina fragilis mit dem Floß . 5
Seeftern mit der jchmarogenden apulide
Thyca eleeton
Zarve der paralitifchen a. kinfoeoneha
mirabilis
Die Holothurie Synäpta dietiae ai Dan
parafitiihen Schnedenjdhlaucd) Entoconcha
mirabilis; Mittelitücd der Synapta digitata
mit dem Schnedenfhlaud .
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Bahnreihen aus der Neibeplatte von Limnaea
stagnalis, Ancylus fluviatilis und Succinea
_ putris ?
Plagregenfchnede, Searahls Imbrinen &
Derichiedene Fornıen der Gattung Limnaea .
Große Schlanmfchnede, Limnaea stagnalis .
Tellerjchnecde, Planorbis corneus
Durdhfichtige Glasichnede, Vitrina Pellacine
und Bernjteinfchnede, Succinea putris .
Mauriiche Achatjchnede, Achatina mauritiana
Note Wegjchnede, Arion empiricorum .
Testacella haliotidea .
Eiablage von Helix pomatia.
Eiablage von Cochlostyla es emiirähelee
14 Tage alter Enibryo von Campylaea cin-
gulata . B
Gemeine Sugelfehnerte, ea alla 2
Dffene Seemandel, Philine aperta .
Scale von Acera soluta .
Umbrella mediterranea
Pleurobranchus testudinarius
Seehafe, Aplysia depilans :
Weihiwarzige Sternjchnede, Doris pie ;
Gemeine Bäunihenjchnede, Dendronotus ar-
borescens i
Breitiwarzige Yaden] ia Nails le
Grüne Samtjhhnede, Elysia viridis 3
Breitföpfige a Pontolimax capi-
tatus 9 SA DRAN,
Phyllirhoe haceprals im les
Phyllirhoe bucephala in Dunfeln . i
Schematiide Darjteling der Schalfenumtbil-
dung bei den Cavdolintiven . ARSCH
Cavolinia (Hyalea) tridentata .
Gleba cordata
Clione limacina . ee
Salt reife Larve von Prod a
Teich- oder Entenmufchel, Anodonta anatina
Yoldia limatula, mittel3 Zappenanhangs Nah-
rung aufnehnend 3
Nervenfyiten und andere Day De Enten-
mujcdel .
inte Schalenhälfte von Ercheren maeulata
Zarve von Yoldia limatula . . -
Nechter Mantellappen der Soteimufiet A An:
mia ephippium : :
Ehbare Miesmufchel, Mytilus ea
Steindattel, Lithodomus lithophagus .
Aufter, dur) Hinwegnahme der Dedeljchale
gedffnet . a
Rarven der Aufter von vajiehenen Ylters-
itufen ;
Neit der enaid, ma a
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SXERT
Stück vom Mantelvande der Kamm-Mufchel .
Seeperlmufchel, Meleagrina meleagris
Slohidiun der Teihnuufchel . ;
Der freie Teil eines Kiemenblättchens eines Si
iches mit 3 Glochidien der Zlußperhmufchel
Flußperimufchel, Margaritana margaritifera
Groge Schwanen- Entenmujchel, Anodonta
cygnea . 5
Schliff einer Perle ad a Kern i
Schale von Dipsas plicatus mit eingewachlenen
Buddhabildern ß
Stachlige Herzmufchel, Cardium Schnatınn h
Tridacna mutica ;
Schale der Bohrmufchel, Proles daetylas:
Umwiß der Bohrmufchel i
Schiffsbohrwurnt, Teredo navalis .
Larve des Bohrwurms, Teredo fatalis
Gastrochaena modiolina .
Siebmufchel, Aspergillum ash um
Sepiola rondeletii
Unterkiefer und Oberfiefer an sin
Berlboot, Nautilus pompilius, von der Seite
und don vorn gefehen
PBerlboot, Nautilus pompilius, im Längsfänitt
Gemeiner Strafe, Polypus vulgaris . 2
Moichusfrafe, Moschites moschata .
Tapierboot, Argonauta argo, [hwimmend
Opisthoteuthis depressa . Ä
Küdenichulp der Gemeinen Sepia, Sea offi-
einalis .
Gemteiner Salnıar, alten le
Boithörnchen, Spirula australis . :
Wunderlanpe, Lycoteuthis Chaumatoan
pas) diadema .
Männchen des Babierboots, Asnantn argo,
mit noch eingefchloffenem und mit Seas
Hectocotylus=- Arm . $ ;
Zwei heftofotylifierte Arme von Kopffithern 5
Bruftgliedmaßen von Strebstieren: Spaltfuß,
BHlattfuß und Schreitfuß :
Nauplius von Cyclops tenuicornis und Meta.
naupliu von Branchipus .
3oea von Virbius h
Miyfis- Stadium des Sumnas {
Männchen von Kiemenfuß, Branchipus schier,
feri
Männden vom Salgfrebacden, landet, sa-
lina .
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Berzeihnis der Abbildungen.
Triops canceriformis
Daphne longispina .
Weibchen von Leptodora kindtii
Candona candida
Zwei Mufchelfrebfe der T Tieffee: Ormaina, ca-
stanea und Gigantocypris agassizii
Weibchen von Cyelops fuscus
Männchen des Saphirkrebscheng, Sapphire
ovatolanceolata .
Schmarogerfrebje: Er ekiik Nadnich, Tam-
proglena pulchella, Lernaeocera ceypri-
nacea und Pennella sagitta .
Karpfenlaus, Argulus foliaceus .
Entenmufcel, Lepas anatifera .
Seepode, Balanus crenatus .
Sacfreb3, Sacculina carcini, und kan Nau-
plius. ,
Weibchen von aa on
Ligia oceanica
Genteine Wafferafjel, Anellus ae
Gemeiner Flohfrebs, Gammarus pulex
Sandfloh, Talitrus saltator .
Weibchen des a a Phronim
sedenteria . a 5
Thaumatops magna i
Gejpenitfreb3, Caprella aemlikee 2
Cyamus ceti . Me:
Diastylis sculpta
Mysis oculata 2
Gemeiner Seufchredentrebg, Sail ma ;
Seljengarnele, Palaemon serratus, und Sand-
garnele, Crangon vulgaris
Willemoesia leptodactyla
Langujtenlarve &
Schlanker Hunter, Neiheons nor en
Edelfreb3, Potamobius astacus .
Divgenesfrebs, Diogenes varians
Brideaur’ Einfiedlerfrebs, en, pri-
deauxi . h
Borzellanfrebs, Elan. allahyaalas
Wollfrabbe, Dromia vulgaris
Große Meerjpinne, Maja squinado .
Sapanifche Riefenfvabbe, Kaempfferia oem?
feri : ARCHE,
Bogenfrabbe, Phalamiia alba
Großer Tafchenfreb3, Cancer pagurus .
Winferfrabbe, Uca cultrimana
Sandfrabbe, Ocypoda .
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P2AyIH
Alfred Edmund Brehm.
Bon Dr. Ernst Kraufe.
Man fühlt fich verfucht, zu jagen, daß das junge Menjchenkind, welches am 2. Februar
1829 im Pfarchaufe zu Unterventhendorf im Neuftädter Kreife des Großherzogtums Sadıjen-
Weimar das Licht der Welt erblicte, Ihon von jeiner Geburt und Abftammung her dazu
auserjehen gemwefen jei, der begeifterte Freund und jorgjame Beobachter des Tierlebens zu
werden, al3 welcher er in allen Weltteilen befanntgeworden ijt. Denn jein Vater, der Pfarrer
Chriftian Ludwig Brehm, war einer der genaueiten Kenner der heimichen Natur und
gehörte mit Bechftein, Naumann, Thienemann und Gloger zu den Begründern der deutjchen
Bogelkunde als Wiffenfhaft. Es war ein ganz eigentümliches Leben und Treiben, ziemlich
abweichend von demjenigen in den meiften anderen Pfarrhäufern, unter welchem das dunfel-
blonde Kind heranwuchs. Des Paftors zweite Frau, die Mutter unferes Alfred, eine geborene
- Berta Reiz, war eine Frohnatur, welche die Kinder vermöge ihrer jehr lebendigen Erzählungs-
und Vorlefungsgabe früh mit der Eaffiichen Literatur befanntmachte und fie, wie auch ver
Bater tat, in ihrem Luftigen Sugendtoben mit äußerfter Nachficht gewähren ließ. Lebterer hing an
mandem Wochentage jchon am frühen Morgen das Jagdgewehr über die Schulter und pirjchte
in den damals faft Urwäldern zu vergleihenden Beftänden in den Tälern der Roda bis zum
ipäten Abend, wobei die Söhne ihn gelegentlich begleiten und die Beute, die meift nur in Jel-
teneren Vögeln beftand, nach Haufe tragen durften. Im befonderen gilt dies von Alfred, der
fi no) in fpäteren Jahren mit unendlichen Entzüden an diejes Umherjchweifen in den thü-
ringifchen Wäldern erinnerte und erzählte, wie er an feinem achten Geburtstage ein eigenes
Gewehr erhalten und am felben Tage feinen erften Vogel, eine Goldammer, erlegt hatte.
Diefe Streifzüge dehnten fich über ein größeres Gebiet aus, als e3 jemals ein thü-
ringifeher Privatmanın bejchoffen hat, denn dem weit und breit befannten, in jedem Forit-
baufe freudig willfommen gehbeißenen „alten Brehm” wurde von Privatleuten und Forit-
behörden gern der Vorzug eingeräumt, feine „Jagd“ überall unbehindert auszuüben. Seine
„Waldipaziergänge mit der Flinte” waren, jelbft wenn er das Gewehr an die Wange legte,
immer nur der Beobachtung feiner Lieblinge gewidmet, jo daß er in feinen zahlreichen ornitho-
logiichen Werfen einen Wiffensftoff jammelte, an dem Sahrzehnte gezehrt haben und noch zehren.
E35 ift nad) alledem fein Wunder, daß dem „jungen Brehm” der Vater al3 das Urbild
eines echten und wahren Briefters, wie er fein joll, ftetS vor Augen blieb, und weil er nun
bei einer großen Anzahl geiftlicher Herren nicht3 von der Milde und Gerechtigfeitäliebe
feines Vaters und im allgemeinen jo wenig hnlichfeit mit dem Wejen diejes treuen Be-
tater3 jeiner Gemeinde zu finden vermeinte, jo erklärt fi) daraus der für einen Pfarrersjohn
"XLIV Alfred Edmund Brehm.
wohl befremodliche Ingrimm Brehms gegen die „‚Praffen” von jelbit. Da Alfred Brehm
feine eigenen Aufzeichnungen über jeine Jugendjahre hinterlaffen hat, jo find wir auf das-
jenige angewiejen, was er hierüber gelegentlich feinen Freunden und namentlich dem Berliner
Schriftiteller 9. Beta (geftorben 1876) zum Behufe einer furzen Lebensjchilderung erzählt
hat!. Wir erfehen daraus, wie der Keim zur Beobachtung des Lebens der Tiere auf diejen
unter der väterlichen Leitung unternommenen Ausflügen duch Wald und Flur gelegt wurde:
„Da fliegt eine Feder, von welchem Vogel ift fie, Alfred? Hörft du es dort pfeifen und
fingen? Wer ift der Tonfünftler, wie heißt er, und wie fieht er aus? Wie machen wir’s, um
ihn aufzujuden? Hier ijt ein Nejt. Welcher Vogel fan es nur gebaut haben? Wie erkennt
man überhaupt ven Vogel nicht nur an ven Federn, jondern an irgend einer Fever? An
jeinem Nefte? Seinen Giern? Seinem Schlage oder Rufe? Wie jpricht diejer oder jener Vogel
in Ziebe, Zorn, Gefahr oder Furcht?” — — — HZumweilen wurde jhon lange vor Sonnen=
aufgang aufgebrochen, um in Gefellichaft befreundeter Weidmänner ein bejonderes Schau:
jpiel der Natur, ein Morgenkonzert der Künftler, welche alle „vom Blatt’ fingen, oder eine
Borftellung berühmter Tänzer unter den Vögeln, wie des Auerhahns, zu bejuchen.
Unter diejer frühen und unübertrefflihen Anleitung erwarb fi) jehon der Knabe jenes
Späherauge, das den Bogel in MWolfenhöhe und den PVierfüßler am Horizonte verfolgen
fonnte, und dem fo leicht fein Getier entging, mochte es fih am Boden hindrücden oder im
dichten Laube verbergen. Aber jein Blid wurde auch auf die feineren Unterjchieve in Form
und Färbung verwandter Arten hingelentt, und in diefer Beziehung hätte Fein angehender
Naturforjcher einen bejjeren Zehrmeifter finden fönnen al3 der junge Brehm in feinem Vater.
Natürlich wurde nicht immer bloß Naturkunde getrieben, gefammelt und ausgejtopft,
jondern der Vater ergänzte die Züiden, welche der Bejuch der Glementariehule naturgemäß
bei jeinen Kindern zurüclaffen mußte, durch forgjamen, jelbfterteilten Privatunterricht, jo
daß fie Später wohlvorbereitet höhere Lehranftalten beziehen konnten. Abends jag Mfred oft
mit jeinen Gejchwiftern till und laufchend in dem Studierzimmer. des Vaters, und fie jahen
zu, wie er „‚topfte”, während die Mutter jehr dramatiich Erlebnifje erzählte oder aus Schiller
und Goethe vorlas. Sein lebelang blieb Mfred die Vorliebe für die Voelie im allgemeinen
und für die dramatiihe Dihtung im bejonderen treu, und noch auf der fibwifchen Reife
(1876) verkürzte er den Neijegefährten durch Deklamationen aus Goethes ‚‚Fauft” die
Fahrt auf dem einfamen Jrtifh. Sicherlich hat diefer von mütterlicher Seite ererbte Ge-
Ihmad an Schönheiten der Sprache und des Gedanfenausdruds die Lebendigkeit und An-
Ihaulichkeit feines Stils vorteilhaft beeinflußt. Seine Erftlingsjehriften waren jogar mit
Anführungen in gebundener Nede faft itberlaven.
Mit einer gewifjen VBerwunderung erfahren wir nach alledem, daß der angehende Natur-
foriher nach feiner 1843 erfolgten Konfirmation fich nicht, wie fein Bruder Reinhold, dem
Studium der Medizin oder der reinen Naturwiffenjchaft zumendete, jondern ein praftijches
Fach erwählte und Architeft zu werden bejchloß. War e3 Zaghaftigfeit, die ihn befürchten
ließ, al3 Beobachter niemals feinem Vater gleihfommen zu fönnen? Dder gejhah e3 nur,
um zunächit einen feiten Anhalt für das Leben zu gewinnen, da die Ausfichten eines bloßen
Naturwifjenichaftlers für eine anftändige Verforgung damals noch geringer waren als heute?
' „Sartenlaube‘ 1869, ©. 20. — Einige weitere Einzelheiten verdankt der Berfafjer diefer Zeilen der
freundlichen Mitteilung des Sohnes von Brehm, Heren Dr. med. Horft Brehn, und des Hermm Ardidiafonus
D.L. Korn in Eijenberg jowie einigen Freunden Brehims. Der Hauptjtoff für die vortiegendeLebensfchilderung
mußte den eigenen Schriften Brehm entnonmten werden, fo daß die Angaben allerfeit3 zuverläffig fein dürften.
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Alfred Edmund Brehur. XLV
Er widmete fich in der Tat dem Baufache in Altenburg bis 1847, aljo volle 4 Jahre lang,
und er hat die dabei erworbenen praftiichen Kenntniffe jpäter ohne Zweifel bet der Leitung
und Einrichtung zoologiicher Inftitute recht gut verwerten fünnen. Die fih) unerwartet dar-
bietende Gelegenheit, fremde Länder zu befuchen, riß ihn ziemlich plößlich aus diefen Brotftudien.
Der mwürttembergiihe Baron Sohn Wilhelm von Müller, ein eifriger Säger,
Katurfreund und Vogelliebhaber, welcher jchon früher einen Teil Afrikas für ornithologijche
Zwecde durchjtreift hatte, juchte für eine zweite Reife diejer Art, die fich weiter nach dem Sms
neren des damals noch ganz unerjchlofjenen Weltteiles eritreden jollte, einen jüngeren Begleiter,
der im Schießen, Sammeln und Bräparieren von Tieren, namentlich von Vögeln, geübt wäre,
und er fand in dem jungen Brehm, defjen ganze Naturleivenichaft bei diefem Antrage er:
wachte, den geeignetiten Begleiter, den er irgend wünjchen konnte, wenn jich auch jpäter das
gegenjeitige Verhältnis — ohne Brehm Berjhulden — erheblich getrübt hat.
Die Neijenden jegelten am 6. Zuli 1847 von Trieft ab. Nach einem Furzen Aufent-
halt an der griedhifchen Küfte famen fie nad Aaypten, um dafelbft bald die Erfahrung zu
machen, daß man im Lande der Palmen nicht ungejtraft mit unbevedtem Haupte wandeln
darf, denn beide litten in der Wunderjtadt Kairo an den Folgen des Sonnenftihs und er-
lebten dajelbit eine jchredensvolle Minute, als am 7. Auguft ein kurzes Erdbeben die Häufer
der Hauptitadt erjchütterte, während fie frank und elend, völlig unfähig, fih ins Freie zu
retten, auf ihrem Schmerzenslager ftöhnten. Später indeffen verbradten fie in Gefellichaft
des Baronz von Wrede noch jehr angenehme Tage in Kairo, der Stadt, welche in Brehms
Erinnerung jederzeit die Krone der orientalifchen Städte geblieben ift, und fchloffen ich dann
einer Miffion Fatholifcher Geitlichen an, die am 28. September nad) dem Inneren Afrikas
aufbrach, und mit der fie gemeinfarn eine Nilbarke für die Neife bis Ajfuan mieteten. hr
nächites Ziel war Chartum. Sie gingen der ftromaufwärts nur langjam vorwärts fommen:
den Barfe gewöhnlich jagend am Ufer voraus, denn für diefe Neijenden war Hgypten nicht
bloß durch feine alten Kulturdenkmäler, die natürlich nach Möglichkeit bejucht wurden, eine
neue Welt. In Dongola, wo die Miffion Aufenthalt nahm, trennten fich die beiden Neije-
gejellichaften, und die „Müllerfche Expedition‘ gelangte mit eigener Barfe nah Ambufol, wo:
jelbft die Vorbereitungen zu einer furzen Neife duch die Wüftenjteppe Bajuda zu wie
waren, die am 30. Dezember angetreten wurde.
Am 8. Sanuar 1848 erreichten die Neilenden Chartum, bie damals exit 25 Jahre alte
Hauptftadt des Sudan, und wurden von dem Gouverneur Soliman Baia jehr Freundlich
empfangen. Da bier ein längerer Aufenthalt in Ausfiht genommen war, wurde alsbald eine
fleine Menagerie angelegt, ein zahmer und jehr drolliger Marabu, einige Affen, Gazellen
und Strauße angefhafft, worauf Brehm jogar mit einigen jungen Hyänen Zähmungsver-
juche zu machen begann. Die Jagd war jehr ergiebig, namentlich in den Wäldern an den
Ufern des Blauen Fluffes, wohin fich Brehm mit zwei nubifhen Dienern begeben hatte;
aber ein ftarfer Anfall des Elimatifchen Fiebers, welches fich jchon während der Nilteife ein-
geftellt hatte und ihn hier mitten im Urwalde an feinem 20. Geburtstage durchicüttelte,
zwang ihn, im elendeften Zuftande nad) Chartum zurüdzufehren. Cinigermaßen wiederher-
geftellt, Fehrte Brehm in den Urwald zurüd, um feine bereits zu 130 präparierten Vogel-
bälgen angewachlene Beute zu holen, und bei diefer Gelegenheit hätte eine Mißhelligfeit mit
dem Baron beinahe zu einem Brudhe und vorzeitigen Abjchluffe ver afrifaniichen Neije geführt.
dv. Müller hatte nämlich auf eine größere Ausbeute gerechnet, obwohl dieje bei der Schwierig-
feit, in dem unmwegfamen, von Stadeln und Dornen ftarrenden Urwalde vorwärts zu fommen,
XLVI Alfred Edmund Brehm.
ganz abgejehen von den Krankheitsanfällen, anjehnlich genug war. „Mic empörte”, jehreibt
Brehm in feinem Neifebericht, „‚viefe Undankbarkeit; ich hatte jelbit fieberichwach noch ge-
arbeitet. Damals habe ich zum erften Male gefühlt, daß die Bemühungen eines Sammlers
oder Naturforfchers nur felten anerkannt werden. Und hätte nicht gerade die Wilfenjchaft ihre
unmmiderftehlichen Neize, wäre fie es nicht, welche die ihr Ergebenen durch den Genuß, ihr, ver
hohen, dienen zu Fönnen, belohnt, ich würde von jener Stunde an feine Beobachtung mehr
gemacht, Fein Tier mehr gefammelt haben. Und damit würde ich mir jelbjt die Tore meines
Slückes verfchloffen haben, denn mehr und mehr lerne ich es verftehen: meine bejchwerlichen
Kteifen, meine trüben Erfahrungen haben mir überreichen Lohn gebracht.”
Ende Februar jhloffen fih die Neifenden dem Major PBetherik, einem in ägyptijchen
Dienften ftehenden Engländer, welcher der Landesiprahe Fundiger war als fie, zur Weiter
reife nach Kordofan an, wo der Genannte geologiiche Unterfuhungen vorzunehmen hatte.
Man fuhr aus dem Blauen in den Weißen Fluß bis zum Dorfe Torrah, wo Brehm und
Baron Müller, von heftigen Fieberanfällen gepeinigt, nicht ohne Bangen der Lanpreije
entgegenfahen, die am 9. März angetreten wurde und fie bald ins Innere des glühenden und
ungejunden Kordofan brachte. Nach einem längeren Aufenthalte in El Dbeid zogen fie weiter.
Die Ausbeute an Adler, Falken und Geierarten jowie an Pradhtoögeln der Wälder war
zwar jehr ergiebig, und auch fonft wäre der Aufenthalt lehrreih und romantijch genug ge=
wejen, denn Hyänen und Leoparden umkfreiften allnächtlich die Dörfer, und mehrmals raubten
fich Löwen ihre Beute aus dem Vieh der Hürden. Aber das mörderiihe Klima zwang die
Keijenden, nah 4 Monaten umzulehren, und es war die höchfte Zeit gewejen, denn Brehm
ftand auf der Rückreife durch die Wüfte auf dem Rücken feines Kamels jo entjeglihe Dualen
aus, daß er nicht glaubte, mit dem Leben davonzufommeir. Gleihmwohl wurden die Zwijchen-
zeiten der Anfälle zu Beobachtungen ausgenußt. Cnolich wurde der Bahr el Abiad erreicht,
dejfen Wellengeplätjcher den Neifenden wie Himmelsmufik erflang. Binnen 2 Tagen brachte
fie ein Schifflein nad) der Hauptitadt Dftjudans zurüd, und nicht einmal die Fülle der ver-
Ihiedenartigiten Vögel, die ven Fluß bedecdten und faft unmiderftehlih zur Jagd einluden,
fonnte fie auf ihrem Wege zurüdhalten. Frob, dem mörderiihen Klima entronnen zu fein,
jehnten fte fie) nach dem Umgange gebildeter Menichen und vernahmen in Chartum ftaunen-
den Dhres die Ummälzungen, welche inzwiichen (im Frühjahre 1848) fih im alten Europa
vollzogen hatten.
Dbwohl die nunmehr anbrecdende Negenzeit noch eine reichlihe Vermehrung der Samm:
lungen verjprad), mußte der zweite Aufenthalt in Chartum des Fiebers wegen abgefürzt
werden, und die Neijenden, denen der Generalgouverneur zwei für Agypten beftimmte Barken
zur Verfügung ftellte, traten mit ihren Sammlungen und ihrer zu den mannigfadhiten Studien
Anlaß bietenden Menagerie lebender Tiere am 28. Auguft die Nüdreife nach Agypten an.
it Lebensgefahr wurden die Katarakte palliert, jogar der große Kataraft von Wadi Halfa.
An 28. Dftober Famen fie in Kairo an, froh und glüdlich, nun allen Gefahren der Wüfte und
des Klimas entronnen zu jein und ihre eroberten Schäße in Sicherheit gebracht zu haben. Der
Neft des Jahres wurde mit einigen von dort aus unternommenen Sagdausflügen verbracht, und
dann begleitete Brehm am 29. Januar 1849 den Baron, der fich mit dem nächften Qloyddampfer
nad) Europa zurücbegab, ac Merandrien, wo fie fich trennten. Sie hatten verabredet, daß
Brehm in Ägypten zurücbleiben folle, um auf Wunfeh und Rechnung des Barons eine zweite,
bejfer ausgerüftete Reife ins Innere Afritas zu unternehmen und dort für diefen zu jammeln.
Seinen zweiten Aufenthalt in Agypten, der 20 Monate, bis zum Mai 1850,
Alfred Edmund Brehm. XLVI
dauerte, verwendete Brehm nicht mur dazu, Natur und Tierwelt de3 Landes genau zu
ftudieren, jondern er begann aud) den Bewohnern mit ihren Sitten und Gebräuchen, ihrer
Lebensweije und ihren jozialen Verhältniffen eine eingehendere Aufmerkfamkeit zuzumenden.
Um in diejes fremdartige Leben genauer einzudringen und fich zugleich für jeine weiteren
Reifen zwedentiprecjend vorzubereiten, nahm er einen arabiichen Sprachlehrer, mit dem er
Stadt und Land Durhwanderte, die Berührung aller Gefellichaftsklafjen juchte, in den Kaffee-
häufern den Deflamationen des Meddah (d. h. des Märchenerzählers und Smprovilators)
laufchte, orientaliihe Tracht anlegte, teil an den Feltaufzügen der Gläubigen nahm und fi)
-jo verhielt, daß viele in ihm bereit3 einen Abtrünnigen jahen. Diejes gründlichere Einleben
in die von den unjerigen jo verjchiedenen Lebensverhältniffe gab nicht nur feinen jpäteren
Schilderungen einen erhöhten Neiz, jondern ebnete ihm auch auf jeinen weiteren Neijen in
den mohammedanifchen Ländern die Wege, erwarb ihm das Vertrauen der Anhänger des
Propheten und eröffnete ihm Blide in VBerhältnifje, die dem flüchtigen Neifenden meijt gänz-
lich unbekannt und unverftändlich bleiben. So konnte er unbehindert den Feftlichfeiten der
Nileröffnung, des Bairam ufw. beimohnen und nahm jchlieglich jogar den arabischen Namen
und Titel Chalihl-Efendi an.
Auch manche wichtige Befanntichaften wurden während diejes zweiten ägyptifchen Auf-
enthaltes neu angefnüpft oder aufgefriicht, die zum Teil für die geplante Sudanreife von
größter Bedeutung waren. So 3. ®. die des Dr. Konftantin Neiß, des jpäteren Konfuls in
Chartum, der fich Damals bei dem öfterreichiichen Generalfonjulat in Alerandrien befand. Ferner
die des befannten Reifenden und Naturforihers Rüppell aus Frankfurt am Main, der |hon
in früheren Jahrzehnten einen bedeutenden Teil Nordojtafrifas duchforiht hatte und manche
nügliche Ratjchläge erteilen Eonnte. Enger gejtaltete fich naturgemäß der Umgang mit dem
Baron von Wrede, der bereit3 die Türkei, Syrien und Baläjtina, einen großen Teil Klein-
aftiens und Arabiens bereit hatte und vom Baron von Müller ebenfalls für jeine „dritte
wiffenjhaftliche Expedition” angeworben worden war. Wie [hon im vorhergegangenen Winter,
verbrachte Brehm au im nächften längere Zeit am Menjalehfee, wo fi) unzählige ein-
heimifhe und fremde Vögel ein Stelldichein geben, jo daß wiederum reiche Studien und °
Sammlungen gemacht werden konnten. Und noch im VBorfrühling 1850 jah er die geflügelten
nordischen Wanderer, die aus Innerafrifa nad) Europa zurücfehrten, hier Station machen
und gab den Schwalben, Staven, Grasmücden ufw., die vielleicht beim Pfarrhaufe von Unter-
venthendorf vorbeiziehen mochten, jehnfüchtige Grüße nach der lang entbehrten Heimat mit.
Seine Gedanken weilten jeßt no) unabläffiger als fonft daheim, denn fein ungefähr Jieben
Sahre älterer Stiefbruder Oskar hatte fich entjhloffen, die Gefahren der Sudanreife, deren
Vorbereitungen nun immer ernftlicher betrieben wurden, zu teilen. Der vom öjterreihiichen
Konfulat erwirkte Serman der ägyptiichen Regierung, welcher den Neifenden alle möglichen
Grleichterungen zu verjchaffen und bei allen ägyptiichen Behörden freundliche und ehrenvolle
Aufnahme zu fichern beftimmt war, befand fi) bereits feit März 1849 in Brehms Händen
und war ihm jehon jebt im Verkehr mit den leßteren von wejentlichem Vorteil. Allerdings
hatte er fih num auch fonft genugfam eingelebt, um zu wiljen, wie man türfiichen Beamten
entgegentreten muß, um jeinen Zwed zu erreichen. Er hatte feinen auf der Nilfahrt als
Diener angenommenen Ali, den ausgedienten türfijhen Soldaten, al3 Kawaß mit filber-
beichlagenen Biftolen im Gürtel ausgerüftet, um ihn, der jeine Rolle mit der erforderlichen
Unverfyämtheit jpielte, bei allen Gelegenheiten in den Diwan der türfijchen Machthaber, von
denen irgend etwas erlangt werden follte, vorauszufhieen. Diejem auf genauer Volfsfenntnis
XLVIII Alfred Edmund Brehm.
begründeten, wenn auch für den einfachen Pfarrersjohn ziemlich anipruchsvollen Auftreten
verdanfte er große Annehmlichkeiten, da viel darauf ankommt, auf diefe jahrtaujendelang
gefnechteten und an Unterwerfung unter jedes machtvolle Auftreten gewöhnten Bölfer zus
nächft durch den Schein Eimdrud zu machen.
Während der Baron von Müller in den wifjenshaftlichen Beitihriften Deutjchlands
großartige Ankündigungen über das beabfichtigte Vordringen feiner „dritten Expedition’ bis
zum Herzen des Shwarzen Weltteiles verbreitete und die öfterreihiiche Regierung dafür zu
gewinnen juchte, wartete Brehm in Kairo jehnfüchtig auf die verheißenen Geldjendungen
zur Ausrüftung. Am 24. November 1849 traf jein Bruder Dsfar mit dem Dr. med. Nidhard
Pierthaler aus Köthen, der fich der Erpedition auf eigene Koften anjchliegen wollte, ein,
brachte aber vom Baron von Müller ftatt der 84000, auf die Brehm die Keifeloften ver-
anfchlagt hatte, nur 30000 PBiafter mit, eine Summe, die bereit3 durch die Ausrüftung und
Anschaffung der Lebensmittel nahezu aufgebraucht war, jo daß Brehm als Führer der Exrpe
dition (da Baron von Wrede unter diefen Verhältniffen vorgezogen hatte, zurüdzutreten) es
nicht hätte verantworten Eönnen, feine Gefährten mit den wenigen hundert Talern, die noch
übrig waren, in jo weite Kernen zu führen. Endlich, nachdem der Baron nod) 500 Taler
gejendet und feft verfprochen hatte, zum 1. Juli mit weiteren Mitteln in Chartum einzu
treffen, fonnte die neue Reife am 24. Februar 1850 angetreten werden. Alle Teilnehmer
waren frohefter Hoffnung, und feiner ahnte, daß von der gejamten Expedition nur der
Führer die Heimat wiederjehen würde.
Die Reife, zu der außer dem türfiihen Smvaliden Ali noch zwei deutiche Veniente
jowie mehrere Nubier geworben waren, ließ fi denn auch anfangs glüdlich an. Neben ver
höheren Jagd wurde diesmal auch die niedere Jagd auf Käfer und andere Injekten (won
Brehms Bruder) eifrig betrieben, namentlich al3 die Neifenden von Wadi Halfa ab ihren
Meg auf Ramelen nad Neu:Dongola fortjegten, wo fie am 26. April eintrafen, und jo war
alle Ausficht vorhanden, daß die Ausbeute diesmal noch erheblich über die der eriten Keije
hinausgehen würde. Allein bereits in Dongola, wo man fir mehrere Tage Aufenthalt ge-
- nommen hatte, wurden diefe Hoffnungen durch einen überaus harten Schidjalsihlag graufam
vereitelt. Bei einem gemeinfamen Bade der Brüder im Nil ertrant Dsfar Brehm. am
8. Mai 1850 und mußte in der Wüfte bei Dongola beftattet werden. ‚Sein Tod”, jchrieb
Brehm einige Jahre fpäter, „war der härtefte Schiefalsihhlag, der mich je betroffen hat.‘
Die aufrihtige Teilnahme von fünf Neligionsparteien, welche dem Fremdlinge aus Deutjch-
land die legte Ehre erwiefen, mochte einige Linderung gewähren; der Gouverneur der Provinz
fam perjönlih, um Brehm zu tröften, und fandte von dem Bau einer Mojchee Steine, um
das Grab zuzumölben. Mit welchen Gefühlen die Reifenden am 14. Mai weiterzogen, kann
man fich vorftellen; die Frage, ob irgendeiner von ihnen die Heimat wiederjehen würde, wich
monatelang nicht aus ihren Gedanken. Auch für die Erpedition an fih war der Tod des
älteren Brehm ein unerjeglicher Verluft, denn er war ein überaus eifriger Sammler und
hatte jene Liebe und jenen Blid für das Kleinleben in der Natur, die dem jüngeren Brehm
gemangelt zu haben jcheinen, wenigitens findet man in jeinen Reifewerfen nur ausnahm3-
weile eines Käfer oder Schmetterlings gedacht, die doch in jenen warmen Zonen einen jo
auffälligen Betandteil des Tierlebens ausmanden.
Am 13. Juni erreichte die Karawane nad) mancherlei Bejchwernifjen Chartum, fand
bei den alten Freunden Brehm einen herzlichen Empfang und auch von jeiten des inzwijchen
eingejegten neuen Generalgouverneurs der Königreiche des Sudan, Abd el Latif Bajcha, eine
Alfred Edmund Brefm. XLIX
gute Aufnahme. Der letere, ein im Dienjte des Vizefönigs Mohammen Ali emporgefom:-
mener Ticeherkejle, hatte inzwifchen mit Fräftiger Hand der bei Brehms erftem Aufenthalte
vorhandenen Unordnung und dem rein auf perjönlihen Erwerb gerichteten Ausbeutejyiten
der einheimifhen Beamten wie der dort anjälligen Europäer gejteuert, und es wurde für
Brehm von größter Wichtigkeit, daß er fich bald die entfchievene Gunft diefes noch jungen,
zwar herrjchfüchtigen und ftrengen, aber, wie wir jehen werden, auch) freigebigen und groß:
denfenden Mannes erwarb. Die mitgebrachten Mittel waren bereits zu Ende gegangen, aber
jobald e3 ihm gelungen war, eine Fleine Anleihe aufzunehmen, trat Brehm im September
einen jehswöchigen Jagvausflug in die Wälder am Blauen Nil an, welcher fi) durch reiche
Ausbeute belohnte. Allerdings ftellte fich auch, wie vorauszujehen, das. Fieber wieder ein,
und der in Chartum zurücdgebliebene Dr. Bierthaler erichraf über das Aus] jehen Brehms, als
diejer Ende Dftober von jeinem Ausfluge zurüdkehrte.
Da inzwilhen weder der Baron von Müller in Perjon noch eine Sendung von ihm
eingetroffen war, jo geriet Brehm bald in die höchite Geldverlegenheit, und er wäre untett-
bar jhlimmen Wucherern in die Hände gefallen, wenn fi nicht der eben erwähnte Gou-
verneur Latif Palya auf das uneigennüßigfte feiner angenommen und ihm die Summe von
5000 Biaftern ohne Zinjen vorgeftredt hätte Kaum war das Fieber wieder bezwungen,
als Brehm, diesmal in größerer Gejelliehaft, darunter aud) Dr. Vierthaler, einen neuen
Sagdausflug in die Tropenwälder am Blauen Flufje unternahm, der 3 Monate dauerte und -
jich weit über Sennar hinaus, bis nad) Rojaires, ausdehnte und die fühnften Hoffnungen,
die er fi) jemals in feinen Zugendträumen von dem Vogelleben der wärmeren Länder aus-
gemalt haben mag, verwirflidte. Man beobadtete und erbeutete die jeltenften Vögel, hörte
allnächtlich den Löwen in der Nähe des Lagers, jah Elefantenherden und Affengejellihaften
und machte Jagd auf Krofodile und Nilpferde, wobei Brehm einmal in Gefahr geriet, der
Berfolgung eines gereizten Hippopotamus zum Opfer zu fallen. Mehr als 1400 Bogelbälge
bildeten die Wusbeute diefes Sagdausfluges am Blauen Nil.
Bald nach ihrer Nüdfehr nah Chartum (März 1851) langte der neuernannte öfter: _
reihiihe Konful, Dr. Konftantin Reit, deffen Befanntihaft Brehm bereits in Mlerandrien
gemacht hatte, dort an und brachte mit einem Briefe des Baronz von Müller die Beitätigung
der bereit3 gerüchtweife zu Brehms Ohren gelangten böjen Nachricht mit, daß diejer banfrott
jei. Brehm, al® Führer der Expedition, befand fich nun in der denkbar übelften Lage. Er
hatte joeben noch für drei Engländer, die nad) Chartum gekommen und in Geloverlegenheit ges
taten waren, und von denen der eine wenige Tage nach ihrer Abreife dem Klima erlag, eine
Heine Summe auf jeine Rechnung entliehen und jah fich nun, mehr als 3000 km von der
Heimat entfernt, im Inneren Afrikas verlaffen und verraten, vielleicht, wenn fich nicht in Char:
tum jelbjt hilfreiche Menjhen gefunden hätten, der äußerften Not, jadem Hunger preisgegeben!
Aber hier trat nun die allezeit Zutrauen erwedende PVerjönlichfeit Brehms in ihre Rechte,
ven mehrere der hilfreihen Menihen, welche ihn in uneigennüßigfter Weije mit Geldmitteln
verjorgten, ohne jede Bürgjchaft für deren Rücerftattung, waren Mohammedaner, deren vollites
Vertrauen er durch fein Auftreten und den Zauber feines Wefens gewonnen hatte. Einftweilen,
während er noch auf Gelomittel aus der Heimat wartete, die ihm als Löfegeld dienen follten,
bot neben der Jagd und dem Verfehre mit den Freunden die Beobachtung eingefangener und
gezähmter Tiere dem felbft gefangenen Naturforjcher Troft und Unterhaltung. Aufihrem Hofe
hielten fie unter anderem eine Gejellichaft jehr anhänglicher Shifje, gelegentlich auch Geierarten,
allerlei Affen und einmal auch ein Krofodil, welches fi) alle möglichen Duälereien gefallen
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. IL. Band. IV
L Alfred Edmund Brehur.
ließ umd nur durch in die Najenlöcher geblajenen Tabatsrauch wütend gemacht werden fonnte.
„Sa, wahrlich, ih hätte nicht Klagen jollen‘, jchreibt ev jpäter über diefe Zeit der Not und
Ungewißbeit, ‚ich hatte bei aller meiner Armut doch noch viel, jehr viel. Sch hatte Gottes
Sonne und jeine hochheilige Natur, ich hatte in meinem Hofe eine eigene Keine Welt. Wie:
viel Bergnügen machten mir meine zahmen Sbiffe, die lebenden großen Tiere; wie jcehmeichelten
mir die Affen, wie liebfofte mich Bachida (eine junge Löwin)!”... Hier bereiteten ich Brehms
tiefere Studien über das Tierjeelenleben vor.
Nah IAmonatigem Aufenthalte im Sudan hatte Brehm immer oc feine Mittel auf:
treiben fönnen, um feine Schulen zu bezahlen, und doch drängte das immer häufiger und
nachorückicher fich wiederholende Fieber zum Verlafjen des mörderiihen Himmelftriches. Die
Abreife eines deutihen Kaufmanns aus Petersburg, der fi) erbot, Brehm und fein Gepäc
mit nad) Kairo zu nehmen und fämtliche Neijekoften auszulegen, bot eine nicht jo leicht wieder-
fehrende Gelegenheit, der Heimat näher zu kommen, aber wie fonnte er fort aus Chartum,
ohne jeine Verpflichtungen gegen den Gouverneur und andere dortige Freunde und Gönner
erfüllt zu haben? Cr mußte fih demnach entichließen, Latif Balha die Bitte vorzutragen,
feine Schuld von Kairo aus bezahlen zu dürfen, und diejer willigte nicht nur ohne weiteres
darein, Jondern drängte Brehm noc außerdem 5000 Biafter Neijegeld auf.
Huffein Arha, ein anderer mohammedanifcher Gläubiger de3 verlaffenen Deutjchen,
benahm fi) gleich edelmütig, und ebenjo hatten fih Ali, der türkische Diener, der fi) in
Chartum verheiratete und dort blieb, Jowie feine nubiichen Diener ftet3 treu wie Gold ermiejen.
E3 wurde Brehm natürlich nit leicht, von allen diejen treuen Menihhen, von dem trefflichen
Neid und feinem Neifebegleiter Vierthaler zu jheiven; die leßteren beiden begleiteten die
Neijenden no eine Strede auf dem Nil, auf welchem fie fih am 18. Auguft 1851 ein:
Ihifften. Sie tranfen auf fröhliches Wieverjehen in Deutjchland und dachten gewiß nicht,
daß fie fi zum legten Male die Hände jehüttelten, aber Vierthaler, der in Chartum blieb,
erlag im folgenden Sommer dem Fieber, Reit ein halbes Jahr fpäter. Brehm verbanfte
wohl nur jeinem jugenpfriihen, abgehärteten Körper (er jtand ja erft im Beginne der zwan-
ziger Yahre!), daß er dem heimtückiihen Klima glüdlic entronnen war. Die NRüdreije ver-
lief bis auf einen Unfall bei den Nilkatarakten, der ihm für etwa 600 Taler Naturalien
foftete, glücdli, und am 26. Dftober langten die Reifenden wieder in Brehms Lieblingsitadt
Kairo an. Die im Sudan eingegangenen Verbindlichkeiten konnten mit Hilfe dortiger Chriften,
welche Brehm wieder einigermaßen mit feinen Ölaubensgenofjen ausjöhnten, jchon von
bier aus gelöft werden, und Brehm erholte fi in dem während des Winters herrlichen Klima
der ägyptiichen Hauptitadt bald von den Strapazen und Krankheitsfällen der legten Monate.
sr Gejellihaft des Naturforichers Theodor von Heuglin, des Dr. med. Theodor Billharz
aus Sigmaringen jowie einiger anderer Berfonen wurde dann noch ein Ausflug nad) dem
Noten Meere und Sinai, jodann ein Jagdzug in Ägypten unternommen, und hierauf wurde
die Abreife zur langentbehrten Heimat gerüftet.
Am 30. April 1852 reifte Brehm mit jeinen toten und lebenden Naturfhägen, zu denen
noch eine für ven Berliner zoologijchen Garten bejtinnte Sammlung lebender Tiere gefommen
war, von Kairo ab und fam nach einem längeren Aufenthalte in Mlerandrien am 28. Mai in
Trieft an, wojelbft ein ihm entgegengejfandter Tierwärter die für Berlin beftimmten Tiere in
Empfang nahın. Nachdem er jeine reihen Sammlungen größtenteils in Wien verkauft hatte,
fam er am 16. Juli 1852 wieder in feiner thüringifchen Heimat an und konnte nach mehr als
fünfjähriger Abwefenheit feine Eltern und Gefchwifter wieder ans Herz drüden.
Alfred Edmund Brehm. | LI
E3 ift natürlich, daß der lange Aufenthalt in Igypten und Irnerafrifa von dem bedeut-
jamften Einfluffe auf Brehms ferneren Lebensgang wurde und die alten Zebenspläne voll-
ftändig umftürzen mußte. Waren au) die Erpedition und Brehm jelbit zu mangelhaft vor:
bereitet gewejen, um zu bedeutenden wiljenjchaftlichen Ergebniffen zu führen, jo wurden doc)
die Beobachtungen, die er auf der Jagd und in jeiner Behaufung an den gefangenen Tieren
anftellen fonnte, für die Richtung feiner ferneren Studien beftimmend. Bon einer Fortjebung
feiner Architektenlaufbahn Eonnte jelbitverftändlich feine Rede mehr jein; er bejuchte vielmehr
- die Univerfitäten Sena und Wien (1853—56), um fih gänzlich dem Naturjtudium zu wio-
men. Obwohl bereits in der Mitte ver Zwanziger ftehend, hatte er den Sinn für das muntere
Studententreiben noch nicht verloren, trat bei den „„Saronen” ein und machte durch die wunDder-
liche Gejellihaft von Affen und anderen mitgebrahten afrifaniihen Tieren, die er auf jeiner
„Bude“ hielt, tiefen Eindrud auf die jenaifhen Philifter, bei denen er unter dem Namen
„Pharao“ befannt wurde Schon in diejer Zeit war er vielfach Fiterarijch tätig, veröffent-
lichte namentlich ornithologijche Beobadhtungen in den Fachzeitichriften und nahm 1853 an
der Gründung der „Deutfchen Drnithologifchen Gejelliehaft” tätigen Anteil. Er veröffent-
lichte in derjelben Zeit feine „NReifejfizzen aus Nordoftafrika” (Yena 1855, 3 Bände),
Die nicht nur reich find an Reifeabenteuern, Natur und Jagdjhilderungen, namentlich was die
Bogelwelt anbetrifft, jondern auch für die Ethnologie wertvolle Beobadytungen über Charakter,
Zebensweile, Sitten ufw. der Bevölkerung von Ägypten, Nubien, Sennar und Kordofan ent:
halten. Auf dem Titel des Werkes erjcheint der neuernannte Doktor der Philojophie bereits als
„Mitglied der Eaifexlich leopoldinifch-farolinifchen Mlademie und anderer gelehrter Öefellichaften“.
Schon im nächften auf die Vollendung diefes Buches und feiner Studien folgenden
Sahre (1856) trat er mit feinem Bruder, dem in Mario lebenden Arzt Dr. Reinhold
Brehm, dem Verfafjer des „Snkareiches“, der ebenfalls ein tüchtiger Jäger und Tierbeobachter
geworden war, eine Reife durd) Spanien an, die durd) den Verkehr mit Gebirgsjägern,
Schmugglern, Räubern und Ziegenhirten nicht viel weniger abenteuerlich ausfiel al3 die im
Ihwarzen Weltteile und wiederum reiche Früchte für die Erweiterung der Naturanihauung
und der Tierftudien fowie für die Sammlung des Vaters einbrachte.
Bald nach der Rückkehr aus Spanien nahm Brehm feinen Wohnfig in Leipzig (1858),
wo er in dem trefflichen Nolksichriftfteller E. A. Noßmäßler einen väterlihen Freund fand,
mit dem er jpäter „Die Tiere des Waldes” (1863—67) gemeinfam herausgab, und wo fic)
die für beide Teile vorteilhafte Verbindung mit der „Oartenlaube” anfnüpfte, die den
Namen des jungen Reifenden zuerft in weiteren Kreifen befanntmachte und mehrere Jahrzehnte
überdauert hat. Exrnft Keil, der geniale Schöpfer und Leiter der genannten Wochenjchrift,
wußte, was er an dem neuen Mitarbeiter gewonnen, und gab bereitwillig die Mittel dazu ber,
daß Brehm die im Herzen Deutihlands begonnenen und in der Nähe des Ayuators fort-
gejebten Studien zu jeinem „Leben der Vögel” angeficht3 der Vogelberge des hohen Nordens
zu einem vorläufigen Abihluß bringen Eonnte. Er ging bi3 nad) Norwegen, Lappland und
dem Nordkap. Das poetiich geftinmte „Leben der Vögel“, zu dem er jo die Skizzen in
Sid und Nord gefammelt, erihien zuerft 1861 und fpäter in neuer Auflage, während in-
zwilhen bejtändig Einzelfchilderungen in der „Gartenlaube” und in Ropmäßlers „Aus der
Heimat” wie auch wifjenjchaftlihe Abhandlungen in der „Naumannia” und in Cabanis’
„Journal für Drnithologie‘” veröffentlicht wurden.
Brehm -wollte fih nun einen eigenen Herd gründen, und um fich dafür eine fejte Ein-
nahme zu fihern, nahm er eine Anftellung als Lehrer der Geographie und Naturwiffenjchaften
IV*
LII Alfred Edmund Brehm.
am „modernen Gefamtgymnafium’ des Dr. Rudolf Zille und an einer höheren Töchterfehjule
in Leipzig an und führte dann (1861) feine Braut Mathilde Neiz aus Greiz als Gattin
heim. Die zierliche, behende Frau wurde im eigentlichen Sinne des Wortes der gute Genius
feines Lebens. Wohl nur jelten hat eine Schriftftellerfrau mit ähnlichem eindringenden Ver:
ftändniffe, mit gleicher umvergänglicher Bewunderung über Tun und Treiben, Arbeiten und
Srholungen ihres Mannes gewacht wie dieje Frau, die alles über ihn vermochte und ihn jogar,
wenn der Nugenblid es erforderte, dazu brachte, daß er die bequeme „‚Sagdjoppe’ mit dem
verhaßten Frade vertaufchte. Sie war eiferfüchtiger auf feinen Ruhm als er jelber.
Ein eigener Glüdszufall fügte es, daß fie ihn auf jeiner nächften wiffenschaftlihen Neije
begleiten konnte. Der Herzog Ernft II. von Sabhjen-Koburg-Gotha rüftete im Fahre
1862 eine Reife nad) Koypten und den Bogosländern, deren Abfiht nicht bloß dahin ging,
ihm, der Herzogin und den begleitenden Fürjten die Anfhauung afrikanischer Kulturländer und
Wildniffe zu verichaffen, jondern die zugleich ven Charakter einer wiljenihaftlichen Expedition
annehmen jollte. Brehm war nad) den Bogosländern vorausgeeilt, um mit jeiner Menjchen-
fenntnis, Sprachgewandtheit und Erfahrung in afrikanischen Angelegenheiten geeignete Stand-
pläge und Sagdgelegenheiten auszufundfchaften, und traf am 6. März 1862 in Mafjaua, an
der wejtlichen Küfte des Noten Meeres, ein. Leider blieben ihm nur etwa 2 Wochen Zeit für
eingehende, ruhige Beobahtungen, denn jhon am 27. März trafen die Fürftlichfeiten mit
ihrem Gefolge, dem auch der befannte Romanschriftiteller Friedrich Gerftäder und der treff-
lihe Tiermaler Robert Kretichmer angehörten, in Mafjaua ein.
Sowohl der Schmale Wüftenftreifen zwiiden dem Meere und dem Hochgebirge als diejes
jelbjt erwiejen fich als jehr reich an intereffanten Tieren; der Steohpalaft der Herzogin, um
den fi) daS Zeltlager der übrigen Neifenden gruppierte, wurde allnächtlihd von heulenden
Hyänen umkreift, und bald Fonnte Brehm den jagdluftigen Herrichaften die frohe Botjichaft
bringen, daß er die Spuren einer Glefantenherde im Gebirge entvedt habe. Die Sagven
auf Antilopen, Affen, Elefanten, Klippfchliefer und Vögel der verjchievenften Art waren in
der Tat jo ergiebig, die Landjchaft jo Ihön und die Vegetation im Gebirge jo üppig, daß
Brehm auf dem von zwei berühmten Naturforihern (Rüppell und Ehrenberg) erforichten
Gebiete fiherlich eine reiche Nachlefe gehalten haben würde, wenn nicht zweierlei Umftände
hindernd dazmwilchengetreten wären. Cinmal die Kürze der Zeit, denn der gejamte Aufent-
halt in den Bogosländern währte nur wenige Wochen, und dann dag Mißgelhid, daß
Brehm jchon am 9. April vom Fieber befallen wurde, welches ihn bis zu feiner am
25. April angetretenen Nücreife nah Europa nicht wieder verließ und feine Beobachtungs-
fähigkeit natürlich auf das äußerfte beeinträchtigte.
Gleihwohl wird man wahrhaft überrajcht von der Fülle der Beobachtungen, welche
er unter diefen höchlt ungünftigen Verhältniffen dennoch angeftellt und in dem naturwiljen-
Ihaftlihen Berichte über dieje Neife niedergelegt hat, der unter dem Titel: „Ergebniffe
einer Reife nad) Habeich im Gefolge Seiner Hoheit des regierenden Herzogs
von Coburg=Gotha, Ernft IL.” (Hamburg 1863) als Ergänzung des fürjtlichen Keije-
werkes erihien. E3 ift eben das Geheimnis des Forjcehers, mehr zu jehen al3 andere, fich
im geeigneten Augenblide zu vervielfältigen und auf der Jagd nicht nur die Bewegungen,
jondern das ganze Gebaren der Tiere ins Auge zu faffen.
‚summer mehr war nun in Brehm die Neigung für das jeit längerer Zeit ziemlich allgemein
vernadhläfligte Studium des Tierlebens in den Vordergrund getreten. „Sn den neueren tier
Iumolichen Werken‘, jehrieb Brehm in feiner Habefchreife, „wird fonderbarerweife das Leben
x Alfred Edmund Brehu. LII
der Tiere faum berüdfichtigt. Man begnügt fid) mit genauen Beihreibungen des Leibes und
wendet. weitaus die größte Aufmerkfamkeit auf defjen Zergliederung. Gewöhnlich erhalten
wir nur über das Vorfommen eines Tieres die dürftigiten Nachrichten, während über die
Zebensweije, die Sitten, Gewohnbeiten, die Nahrung ufw. ein tiefftes Stillfchweigen herrfeht.“
Sn der Erwägung, daß hier Wandel gejchaffen werden müffe, und in der Haren Er:
fenntnis, daß die Tierlebenfunde nit nur ein ebenbürtiger Zweig der Naturforihung,
jondern jogar derjenige ift, welcher weitere Kreife vor allem anzieht, wurde in Übereinkunft
mit dem Berlagsbudphändler Herrmann $. Meyer, dem Eigentümer und Leiter des damals
no in Hiloburghaujen heimijhen Bibliographiihen Inftituts, das große Werf ges
plant, dem dieje Zeilen zur Einleitung dienen, da „Slluftrierte Tierleben“, von dem
im Sabre 1863 bereits die eriten Lieferungen erjchienen. E3 war von vornherein dazu bes
jtimmt, im beabfichtigten Gegenjage zu den der Schule und Univerfität dienenden fyftema-
tiichen Handbüchern der Zoologie eine Darjtellung de3 Lebens der Tiere für Haus und Fa=
milie zu werden, ein Werk, aus dem jeder Tierfreund, mochte er num ein unftudierter Land:
wirt oder Jagdliebhaber oder ein Gelehrter jein, dasjenige über feine Lieblinge finden Sollte,
was in den eigentlichen zoologifchen Handbüchern nicht anzutreffen ift und doch das allgemeine
Snterejje des Tierfreundes zunächt in Anjprud) nimmt: die Lebensweife, Ernährungsart,
da3 gejellihaftliche Leben der Tiere, ihre Gemütsart und geiftigen Fähigkeiten, ihr Be
nehmen in den verjchiedenen Lebenslagen, ihre Kunjtfertigfeiten, SInftinkte und Triebe, ihre
Werbungen und Baarungen, ihr Familienleben, die Wanderungen, Freundjhaften und Feind-
haften untereinander und dem Menjchen gegenüber. Jın Vereine mit Profeffor Ernft
Tajchenberg (gejt. 1898) in Halle, der die Snjekten und Spinnentiere, jowie mit Brofefjor
Dskar Schmidt (geit. 1886), damals in Graz, jpäter in Straßburg, welcher die wirbellofen
Waffertiere übernahm, unterjtüßt von den trefflihen Tiermalern Robert Kretichmer und
Emil Schmidt in Leipzig, von denen eriterer jchon in den Bogosländern mit Brehm zu=
jammen gearbeitet hatte, wurde ein Werk geihaffen, deffen Erfolge weltbefannt find. Die
Bollendung der erften Ausgabe (in jeh3 ftarfen Bänden) z0g fich bis zum Sahre 1869 Hin.
Schon während des Erjheinens vom erjten Bande des „Tierlebens” war aus Ham:
burg der verlodende Ruf an Brehm gelangt, die Durch den Tod des Barons von Merk er:
ledigte Stelle eines Direktors des dortigen zoologijhen Gartens zu übernehmen.
Da der Plan vorlag, den Garten völlig umzujchaffen, und auch die Mittel dazu vorhanden
waren, diejen zu einer der eriten Anftalten diefer Art in Deutichland zu erheben, jo mußte
der Antrag für Brehm doppelt verführerifch ericheinen, zumal in anbetracht der Ausficht,
daß er davdurd Gelegenheit erhalten follte, gefangene Tiere in noch viel größerem Umfange
umd mit größerer Bequemlichkeit als bisher zu beobachten und diefe Studien für fein bes
gonmenes Werk auszunügen. Sm der Tat ift es ihm auch gelungen, den Garten und das
damit in Verbindung gebrachte Aquarium jcehnell zu einem bis dahin noch nit vorhandenen
Glanze zu bringen. Allein daS Amt hatte feine jchweren Schattenfeiten in der Abhängigkeit
von den Meinungen einer vielköpfigen „Zoologijchen Gejellihaft“, deren Wünfche oft feine
beiten Abfichten ducchfreuzten, feine Tätigkeit lähmten und ihm bald ganz verleideten. Brehms
Charakter hatte fich während der fünfjährigen afrifanifchen Neife zu einer ftarken Subjel-
tivität und zu einem lebendigen Unabhängigfeitsgefühl entwidelt. ALS Führer einer Kleinen
Karawane, der gegenüber Entjchloffenheit und Entjchievdenheit notwendige Bedingungen waren,
niemand als fich jelbft verantwortlich und dem Befterfannten rücficht3los folgend, war er
nicht der Mann geworden, fich irgendwie unterzuordnen und fremden Wünfchen, die ihm
LIV Alfred Edmund Brehnr.
unzwecmäßig jehienen, im geringiten, jelbft nun jcheinbar entgegenzufommen. Sonft von weicher
Gemütsart, wohlwollend gegen jedermann, ven Freunden in ver Not ein zuverläfliger Freund,
war er unbeugfam, wenn e3 die Vertretung feiner Überzeugung galt, und ganz unmöglich
ichien es ihm, der fich brüftenden Mittelmäßigfeit oder unfähigen, aber einflußreichen Leuten
eine Schmeichelei zu Jagen. Man begreift, daß eine jolche Unbeugjamkeit bald zu Reibungen
und endlich zum Bruche führen mußte. Dbendrein war zu diejer Zeit der Tod feines ver-
ehrten und geliebten Vaters (am 23. Juni 1864) dazugefommen, feine Stimmung zu ver:
I&hlechtern. Unermüdliche geijtige Arbeit — denn e8 galt ja, das ‚‚Tierleben” fertigzuftellen —
half ihm, über diefe Aufregungen und Zerwürfniffe hinwegzufommen.
Gleichwohl begab er fich von neuem in ein ähnliches Jod, was man bei jeinem Cha-
rvafter und nad) den gemachten Erfahrungen als einen Fehler md Sertum bezeichnen muß,
den er dann auch wieder [hwer genug zu büßen hatte. Aber als er Ende 1866 Hamburg
verließ, eröffnete fich ihm unter, wie er glaubte, ungleich günjtigeren Anzeichen die Ausficht,
eine Mufteranftalt für Tierpflege in der preußifchen Hauptjtadt begründen zu helfen md
diefer als unabhängiger, d. h. feinem wiljenichaftlihen Komitee untergeordneter Leiter zur
Blüte verhelfen zu Eönnen, und einer jolhen Ausficht mochte e3 allerdings jehwer fein, zu
widerftehen. ES handelte fi um die Begründung des Berliner Aguariums. Während
man urjprünglich fi) auf die Schauftellung der Wafjertiere zu bejehränfen gedacht hatte,
wurde durch Brehms Eintritt der Plan alsbald umgeftaltet, denn er erfannte mit Recht die Viel-
feitigfeit des Snhalts für eine Grundbedingung der geveihlichen Entwidelung eines jolhen Unz=
ternehmens und wollte vor allem und unter feinen Umftänden feine Lieblinge, die Vögel, darin
vermiffen. Brehms Grundidee war mit feinen eigenen Worten, daß dem Bejucher in verloden-
der Kürze ein Spaziergang von der Wüfte aus durch den Urwald zum Meere dargeboten
werde. Wie richtig die eben erwähnte Forderung der Bielfeitigfeit war, geht daraus hervor,
daß neben ven eigentlihen Wajjertieren ftetS befondere „„Zugftücde” nötig waren, um das Snter-
ejje ver Bejucher lebendig zu erhalten, und es darf nur an die Rolle der anthropoiven Affen
erinnert werden, welche troß der bedeutenden, durch ihre Hinfälligkeit verurfachten Koften fait
niemals im Berliner Aquarium gefehlt, ja dejjen bejonderen Ruhm ausgemacht haben.
Es war eine Luft, zu jehen, mit welhem Eifer und Erfolge Brehm daran ging, jeine
Anftalt zu der reihften dev Welt zu machen. Sein Name, feine vieljeitigen Verbindungen
und vor allem feine alte Übung und fein Gejchie in der Tierpflege Famen ihm hierbei natür-
fh auf das beite zuftatten. So war es. nur natürlich, daß fich das Berliner Aquarium jeit
jeiner Eröffnung (1869) unter Brehns Leitung bald einen Weltruf erwarb und zum Borbilde
für die meilten jpäter errichteten Anftalten diefer Mt dienen mußte. Natürlich fehlte es auch)
hier nicht an jahlihen und perjönlichen Hinderniffen. So bereitete die Herftellung eines den
Meerestieren zuträglichen Fünftlichen Seewafjers anfangs Schwierigkeiten, big eS dem Dda=
maligen Chemiker, jpäteren Direktor der Anftalt, Dr. Hermes, gelang, diefem Übelftande ab-
zubhelfen. Ernfthafter waren auch bier die perjönlichen Reibungen, die ich nah und nad)
zwischen ven zum Zujammenwirken berufenen Männern entwicelten. In dem Bewußtjein
des reinjten Strebens für das Befte der ihm anvertrauten Anftalt und in den Mitteln nicht
fargend, wurde Brehm leicht jchroff in feinen Abweifungen, wenn man in feine Bläne hinein-
zuveden oder fie gar zu durchkreuzen juchte, und jo wurde auch hier ein einjpriegliches Zus
jammenmwirken mit der Zeit unmöglic” und das Amt zuleßt zu einem wahren Martyrium
für den jelbjtbewußten Mann.
Nach etwa achtjähriger, äußerlich erfolgreiher Leitung legte Brehm im Frühjahr 1874
Alfred Edmund Brehun. LV
müpde und frank das Amt nieder, welches er beijer nicht übernommen hätte, und wie |ehlimm
die Erregungen der legten Jahre auf jeine Gejundheit eingeftürmt hatten, geht daraus her:
vor, daß er unmittelbar darauf in eine heftige Krankheit (Gehirnentzündung) verfiel und
nur mit Mühe gerettet werden fonnte Um fich zu erholen, verlegte der vom jchweren
Kranfenlager Erftandene für einige Zeit feinen Wohnfts nad) Kunersdorf bei Hirfehberg am
Kiejengebirge, mojelbjt er jih in der friihen Gebirgsiuft auch bald jo exrholte, daß er zu
Michaelis desjelben Jahres mit jeiner Familie nach Berlin zurüctehren fonnte Bon da ab
ift er ein freier Mann geblieben, der nur jeiner natürlichen Anlage und Befähigung, als
Naturforicher und Vollzichriftiteller zu wirken, lebte und jeine Zeit fortan jo einteilte, daß
er in der Negel im Sommer an jeinen Büchern arbeitete, während er im Winter jene VBor-
tragsreifen dur) die größeren Städte Deutjchlands und der benachbarten Länder unter:
nahm, die unter den Gebilveten aller Stände einen jo außerordentlihen Beifall gefunden
haben. Brehms Vortrag hatte große Vorzüge, denn abgejehen von feinem Elangvollen
Drgan verfügte er über die Gabe, ohne faljches Pathos und ohne fchaufpielerifche Künfte
einfach umd doc überaus eindringlich und lebensvoll zu jchildern. Obwohl er meift über
jeine eigenen Beobachtungen in Afrifa oder im hohen Norden berichtete, hatte man niemals
da3 Gefühl, einen berühmten „Afrifareijenden‘ vor fich zu haben, und diejes bejcheidene
Zurüdtreten der eigenen Perjönlichfeit übte auf alle Zuhörer einen unmwiderftehlichen Zauber.
Er fonnte feine Muße damals wohl gebrauchen, denn er hatte fein Bud) „Gefangene
Bögel, ein Hand und Lehrbuch für Liebhaber und Pfleger einheimifher und fremdländischer
Käftgvögel”“, von dem 1872 der erjte Band erihienen war, zu beendigen, und neben der Voll-
endung diejes Werkes (1876), welches der Stubenvogelpflege zum erjten Male eine gediegene
Grundlage gab, und von weldhem der große Auffchfwung diefer Liebhaberei datiert, für die er
auch in ver „Oartenlaube‘ fortdauernd wirkte, am die Bearbeitung einer neuen Auflage von-
Ropmäßlers „Süßmwafjer- Aquarium“ (1875) und vor allem diejenige der zweiten Auf-
lage de3 „Zierlebens” an die Reihe, von dem der erfte Band 1876 ausgegeben wurde,
Wer die erjte Auflage diejes großen Werkes mit der zweiten vergleicht, weiß, daß die Neu:
bearbeitung ein Stüd ernfter Arbeit bedeutete, denn Brehm hatte fich durch den jeltenen und
verdienten Erfolg nicht verführen lafjen, die Hände in ven Schoß zu legen, fondern ergänzte,
feilte, verbefjerte und berichtigte unermüdlich weiter. Das Werk, welches urfprünglich nur
6 Bände umfaßte, wuch3 fait auf das Doppelte des Umfanges heran.
Aber lange bevor er dieje Arbeit vollendet hatte, gelangte wieder eine Aufforderung
zur Mitreife in ferne Himmelsftrihe an ihn, der er bei feinem unzähmbaren Foriher:, Jagd:
und Reijedrang nicht zu widerjtehen vermochte: jein langjähriger Freund und Berufsgenojje
Dr. Dtto Finjd aus Bremen lud ihn ein, an der wifjenfchaftliden Erpedition zur Erz
forihung von Weftfibirien, die von dem ‚Verein für die deutfche Nordpolarfahrt in Bremen’
ing Leben gerufen wurde, teilzunehmen. Sm wejentlichen beftand diefe Expedition, zu deren
Koften A. M. Sibiriafoff in Srlutff 20000 Mark beitrug, nur aus Brehm und Finjch,
welche beide ihrem eigentlihen Face nad Drnithologen waren, und e3 darf als ein gün-
jtiger Umftand bezeichnet werden, daß fich ihnen ein wirrttembergischer Offizier, Graf Karl
von Waloburg-Zeil-Trauhburg, der zugleih) Botaniker war, auf eigene Koften an-
Ihloß. Die Reife wurde nach den beften Vorbereitungen im Vorfrühling 1876 angetreten,
und jhon am 19. März langten die Teilnehmer mit der Eifenbahn in Nifhnij Nowgorod an,
von wo die Weiterbeförberung auf böfen, durchgetauten Wegen in Chlitten über den Ural er=
folgte, dann teils zu Pferde, teils auf Kamelen dur) Kofafen-, Tataren- und Kirgijenfteppen
LVI Alfred Edmund Brehm.
bis zum Alatau und Altai fortgejeßt wurde, worauf, nad) einem Funzen Ausfluge über die
inefijche Grenze, dur) die Gebiete ver Samojeden und Djtjafen noroweftlich nad) den Tun:
dren aufgebrochen wurde, bis zum Karifchen Meere hin.
Troß des außerordentlich freundlichen Entgegenfommens, welches die Teilnehmer fait
überall fanden, war die Reife zum Teil recht bejchwerlich, namentlich in ihrem zweiten Teile
auf der Tundra Nordweftfibiriens, wo zu der Unmwegjamkeit und Miücdenplage nod) die damals
in jenen Strihen wütende Nenntierfeuche fan, die den Lebensunterhalt und da3 Vorwärt?-
fommen dur das Fehlen de3 wichtigiten Nahrungs und Zugtieres jener Striche bedeutend
erjchwerte. Die Expedition war in ethnologiicher Beziehung vielleicht ergebnisreicher als in
zoologijcher und botanifcher Richtung, dem die Neifenden waren ja in diejen anfievelung3-
armen Gegenden auf den beftändigen und unmittelbarften Verkehr mit der einheimijchen
Bevölkerung angewiefen, mußten in den Jurten der Nomaden fchlafen und ihre der Gegend
angemefjene Lebensweife nahahmen. |
Für den Verfafjer des „‚Tierlebens“” war der Ausflug injofern nicht unergiebig, al3 er
dazu gelangte, zahlreiche Gebirgs- und Steppentiere zu beobachten und zu erlegen. Nad)
etiwa neunmonatiger Abmwejenbheit trafen Brehm und Finjh wieder in der Heimat ein.
Bald nach der Ende 1876 erfolgten Nüdfehr aus Sibirien begannen Brehms Be:
ziehungen zu dem Kronprinzen Rudolf von Ofterreich, der, jelbft ein eifriger Weid-
mann und Forjcher auf dem Gebiete der VBogelfunde, feine Verdienfte vollauf zu jhäßen
wußte, ihm die aufrichtigfte Zuneigung entgegenbradgte und ihn bald durch jeine perjönliche
Freundichaft auszeichnete. Der nähere Verkehr begann 1877, und jchon im nächlten Jahre
begleitete Brehm den Kronprinzen auf einer Neife nah Ungarn, 1879 nad Spanien,
Reifen, die man mehr als wifjenjchaftlihe denn al3 bloße VBergnügungsreijen bezeichnen
darf, denn fie galten zu einem guten Teile der von Brehm früh in Angriff genommenen
‚„lölerfrage”, für die fih Kronprinz Rudolf, der ein eifriger Mitarbeiter ornithologischer
Zeitjchriften war, lebhaft intereffierte.
Die erwähnten Forfchungsreifen in Ofterreich-Ungarn und Spanien, die Brehm als Bes
gleiter des Kronprinzen ARudolf angetreten hatte, waren reich an Ehren geworden. So be-
zeugte der Herzog von Meinigen dem Forjcher jene Hohahtung durch Verleihung der großen
Medaille für Kunft und Wiffenidhaft, Kailer Franz Sofeph verlieh ihm den Drden der Eijernen
Krone, mit dem damals noch die Erhebung in den perjönlichen Adelsitand verbunden war.
Aber dieje Jahre, die jo reich an Auszeihnungen waren, jhlugen jeinem Herzen auch
tiefe Wunden durch Die herbiten Verhufte, die er jemals zu überwinden hatte. Schon bald
nach feiner Nückehr aus Sibirien mußte er (1877) feine alte Mutter begraben, und im fol-
genden Sahre verlor er bei ver Geburt jeines jüngften Söhndhens die unerjeglihe Gattin,
fie, die ihm im jhönften Sinne des Wortes die befte Stüte, Gehilfin und Mitarbeiterin bei
jeinem Taagewerfe gewejen war. Es war ein Schlag, von dem er fich nie völlig wiener er-
holt hat, denn die Sonne jeines Lebens war untergegangen! — AnverjeitsS wuch3 der Kreis
jeiner Verehrer und der Beifall feiner Borlefungen von Yahr zu Jahr, und jeine äußeren
Lebensverhältniffe gejtalteten fi) jo günftig, daß er alljährlih im Sommer 3—4 Monate
einzig der Erholung auf feiner Befisung in Nenthendorf wiomen konnte, wojelbjt ver mur
al3 Tierfreund befannte Naturforjher eifrig — Nofen züchtete und e8 zu einer bedeutenden
Sammlung der Sehönften und feltenften Arten bradftee Im Winter ging e3 dann wieder mit
neuen Kräften auf die Reife, um womöglich ein Vermögen zu erwerben, welches die Zukunft
der Töchter und Söhne nah menjhlihem Berechnen fichern follte.
Alfred Edmund Brehm. LVII
Dhne Zweifel — dei für fich jelbjt brauchte er nicht viel — war e3 auch dieje liebe:
volle Firjorge für die Seinigen, die ihn 1883 dazu veranlaßte, ein ihm angetragenes Ab-
fommen für eine größere Vortragsreije in Nordamerika zu unterzeichnen, die wahr-
Iheinfich infolge der damit verbumdenen Anftvengungen und Aufregungen viel dazu bei-
getragen hat, jeinem arbeitsreichen Leben ein verfrühtes Ziel zu fegen. Kurz vor Antritt der
Reife, die von Ende 1883 bis April 1884 währte, erkrankten feine fünf Kinder jäntlich
an Diphtheritis, und ex hätte jeine Neife unter diefen Umftänden natürlich unterlaffen, wenn
ihn jein Kontrakt nicht zu jchwerem Neugelde verpflichtet hätte, wozu noch fam, daß der
behandelnde Arzt die beruhigendften Zuficherungen über den Zuftand der Kinder geben zu
fönnen glaubte. In der Tat famen vier von ihnen glücklich davon, aber den jüngften Sohn,
das lebte Vermächtnis der geliebten Frau, jeinen und der ganzen Familie Liebling, raffte die
tüdifche Krankheit dahin, bevor Brehm noch den Fuß auf das ameritanische Feitland gefekt hatte.
„So Ihonend und allmählich”, jehreibt mir jein Sohn, „ihm auch diefe Nachricht bei-
gebracht wurde, jo tief erichütterte fie ihn do. Man kann jagen, daß er jeitdem völlig inner:
lich) gebroden war. Mechanijch erledigte er feine jchwere Arbeit von 50 Vorträgen, dann
im Miffiiftppital warf ihn eine Malaria, der die jeeliiche Erfepütterung nur alu wirkfam
vorgearbeitet hatte, aufs Sranfenlager ..... und er erholte ji) nur langjam. Ein an Körper
und Geift gebeugter Greis fehrte er heim. Wir erjchrafen über fein graues Haar, über das
trübe Auge, al3 wir ihn wieverjahen.. . .”
Er bradte nad) der Rückkehr zunächit einige Wochen zu jeiner Erholung in Friedrichg-
tanned bei Gijenberg zu und trat dann die legte feiner vielen Reifen nad Unterrenthendorf
an. Eine jchwere Nierenerfranfung bildete fich bei ihm aus, die jeine Kräfte jehr jchneli
aufzehrte, wobei ihn das Nachlafjen der früher umermitdbaren Arbeitskraft am meiften be
unrubhigte Den Sommer über hielt fich fein ftarker Körper aufrecht, aber im Herbfte ging
es mit ihm zu Ende. Der noch nicht 56jährige Man, der fi) noch mit jo reihen Plänen
getragen und noch jo viel für jeine Foriehungsgebiete hätte leijten fünnen, erlag am
11. November 1884 nachmittags gegen 5 Uhr feiner Krankheit. Ein Schlaganfall erlöfte
ihn zulegt Invermutet von jeinen Leiden.
Sn den Sahren jeiner Kraft war Brehm ein jhöner, jehlanfer Mann mit höchit aus-
drudsvollem Geficht, dem die hohe Stirn, die Fräftige Adlernafe, die freundlichen graublauen
Augen, der dunkle Vollbart und das meift langgetragene dunkle Haupthaar etwas Apoitel-
mäßiges gaben. Und jo als ein begeijterter Verkünder der Naturgröße, als ein Verächter
und Befämpfer der Bemühungen, die Menjchheit der Naturfenntnis zu entfremden, faßte er
jeine Miffion zu allen Zeiten mit einem heiligen Eifer auf, der ihm manchmal feharfe Worte
in die Feder gab. Sein Welen war aller Halbheit abhold, er fonnte weder den Höfling
jpielen, no) unter jehmeichlerifhen Worten feine wahre Gefinnung verbergen und mußte
fich naturgemäß dadurch viele Feinde, nit nur im Elerifalen Lager, jondern auch unter
Fachgenofjen, machen. Mit diefer Geiftesanlage ift ein ftarfes Selbftgefühl untrennbar ver-
bunden, und es it wohl möglich, daß Brehm dabei manchmal aus den reinjten Abftchten
anderen zu viel getan hat.
ES jcheint mir aber auf einem Mikverftändnis zu beruhen, wenn man ihm diejerhalb
ein hochfahrendes Welen zugejchrieben hat. Denn im Grunde war ihm eine Eindlich=heitere
Natur und Unbefangenheit eigen. Er konnte ebenjo wie durch jeine Vorträge eine große
Zubörerichaft, einen Heinen Kreis durch Erzählung jeiner Erlebnifje fejleln, und dabei war
ihm alle Großjprecherei jo weit fremd, daß er feine Kinder zu deren größtem Leidwejen aus
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. \ INy=
VII Alfred Edmund Brehm.
dem Zimmer jchiete, wenn er im engeren häuslichen Kreife von jeinen Reifen erzählte. Sie
jollten ihn nicht als den berühmten Reifenden Fennenlernen!
Brehms Schriften find oft hart getadelt und angegriffen worden, Be durch jeine jtän-
dige Mitarbeiterichaft an der „Oartenlaube‘, durch jeine Verteidigung des freien Stand»
punktes der Forfchung, durch jeine Hinneigung zu Darwin und feinen unverhüllten Ha
gegen die Fromme Heuchelei hatte er fich unzählige Feinde, namentlich im Flerifalen Lager,
erworben. Man hat daher an feinen Werfen viel zu mäfelı gewußt und von jeinem ‚‚Tier-
leben” gejagt, e3 jet nichts weiter al3 eine unmifjenschaftlihe Zujammenftellung aus dem
Munde von Jägern und Sagdliebhabern und daher auh nur für jolhe brauchbar. Man
hat im bejonderen hervorgehoben, daß ji aus dem Benehmen einzelner, durch Gefangen:
Ihaft eingejchüchterter oder jchlecht erzogener Tiere feine Schlüffe über Gemütsart und
geiftige Fähigkeiten ihrer Sippihaft im allgemeinen ziehen ließen.
Der eine Vorwurf ift aber genau ebenjo unberechtigt wie der andere. Eine „wiljen-
ichaftliche Zoologie” wollte Brehm nicht fchreiben. Wenn man ihm aber vorwarf, daß er
nicht individualifieren könne, und daß er die aus dem Benehmen eines einzelnen Tieres ge
zogenen Schlüffe geneigt gewejen jei, auf die ganze Artgenojjenjchaft auszudehnen, jo tat
man ihm bitter unrecht. War ein beftinmtes Tier bisher nur in einem einzigen Stüd der
Beobachtung zugänglich gewejen, jo fonnte er allerdings nichts weiter tun, als die Ergeb:
nilje diejer alleinftehenden Beobachtung mitzuteilen. In all den Fällen aber, wo eine größere
Anzahl von Gewährsmännern zu haben war, urteilte er durhaus nicht nach vereinzelten
Deobadtungen. Daß er als Anwalt der Tiere manchmal geneigt war, ihre guten Seiten
zu überihäßen, und bei anderen wieder durch Neifeberichte fich verloden ließ, ihre Furcht:
barfeit mehr als billig hervorzuheben, mag zugegeben werden. Man darf aber jolhe Huße
rungen nicht aus einem großen Ganzen herausgreifen und ein Gewicht darauf legen, das fie
nicht beanjpruchen. Sevenfalls war Brehm von aller Empfindfamfeit in der Naturauf-
fafjung frei, und die Verbreitung des vorliegenden Werkes zeigt, wie viele Menjchen er für
die Verjenfung in das Seelenleben der Tiere und die Größe der Natur gewonnen hat. Das
aber ift, abgejehen von jeinen wertvollen eigenen Forihungen, die er in Fachzeitichriften
niedergelegt hat, ein Verdienft, welches niemand verfudhen darf, ihm ftreitig machen zu wollen.
Einzeller (Protozoa).
Bearbeitet von Dr. Bictor Franz.
Die Einzeller (Protozoa) wurden bisher meift „Urtiere” genannt, und der Yatei-
niiye Name bedeutet dasjelbe. Der Name Urtiere bejagt viel und nichts. Viel, indem
er uns die Einjicht in die Anfänge der Xebemwelt, in jene Reihen verjpricht, Die eben aus
dem Gejtaltungslojen fich zu den einfachiten Formen herausarbeiten; wenig, indem er unfere
Boritellungen über den eigentlichen Snhalt der großen Abteilung vollfommen im unflaren
läßt. Die Worte „Würmer“, „Weichtiere”, „Wirbeltiere” ujiw. Fnüpfen an Gefchöpfe an,
die uns täglich vor Augen fommen und ein für jedermann verjtändliches Gepräge haben.
Unter einem Uxtiere fann man fich aber ohne ganz beftimmte Anleitung gar nichts denken,
und hat man auch einige gejehen, jo lajjen jie auf die Geftalt und typische Ausbildung der
übrigen feinen Schluß ziehen. Die Überficht über die anderen Kreife des Tierreiches wird
bon vornherein Dadund) erleichtert, daß man für fie eine bejtimmte Nichtung der Formen-
bildung, des Bauftiles angeben fan. Die meilten Urtiere find nun zwar nicht geradezu
formlos, bejtehen aber aus Formen der verjchiedenartigiten Anlage. Unter diefen Umftänden
läßt jich über die Geftalt der Protozven ettwas Allgemeingültiges überhaupt nicht jagen.
63 gehören nad) der Meinung vieler Naturforscher große Gruppen von Organismen hinzu,
deren tieriihe Natur von anderen mit guten Gründen angezweifelt wird. Wir fommen
mit ihnen vielmehr in das Grenzgebiet der Tier- und der Pflanzenwelt, und es ilt be-
fanntlich viel Darüber geforjcht und gejtritten worden, ob es wirkliche Grenzen zwischen
beiden Neichen gibt, oder ob nicht vielmehr Wejen aweibeutiger und einfacher Bejchhaffen-
heit den Übergang zu einem unmerffichen machen.
Dagegen wijjen wirüber den inneren Bau der PBrotozoen heute eins ganz genau, mas
ehedem noch nicht jo gewiß war, und was eben den Namen Einzeller rechtfertigt: alle dieje
meilt mifrojfopijch Heinen Wejen Habenim SInnerenihrer flüfjigen, „Protoplasına‘ genannten
Körpermajje einen „Kern”, geradejo wie alle jene zahllofen „Zellen“, die al3 winzig Heine
Baujteine den Körper jedes größeren pflanzlichen mie tierischen Lebemwejens zujammenjeßen:
jie jind einzelne Zellen.
Damit das unvermeidfihe Wort Vrotoplasma, Blasma oder Sartode, ohne das ein
Berjtänonis der Beichaffenheit und des Lebens, auch der LXebeweije der Einzeller ganz
unmöglich ijt, fein leerer Stlang bleibt, ift freilich Fein anderer Ausweg möglich, al daß
man ji) von einem befreundeten Naturforjcher wirkliches Protoplasma unter dem Mitro-
jfop zeigen läßt. Ein jehr günftiges, im Sommer immer leicht herbeizujchaffendes Objekt
ind die Haare an den Staubfäden der Tradescantia. Sn diejen Haaren, langgejtredten
Bellen, ift bei einer Bergrößerung von 400—500 ein in fortwährender Veränderung ımd
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 31
2 Einzeller.
ftetem Fliegen befindliches Neb einer diflüfjigen Subftanz wahrzunehmen, deren Bewegung
fich bejonder3 aus dem Yortgleiten darin enthaltener feiner Körnchen ergibt. Dieje Be-
teglichfeit exjcheint al3 eine der auffallenditen und mwichtigiten Eigenjchaften des in Der
Pflanzenzelle eingejchlofjenen Protoplasmas, und in auffälliger Weife fehrt fie auch in jo
manchen tierischen Zellen, ganz bejonders aber bei Einzellern, wieder. Was wir uns unter
dem Kern der Belle vorzuftellen Haben, ift durch feinen Namen jchon teilmeije gejagt.
Fügen wir noch Hinzu, daß fein Protoplasma dauernd lebend Tann, wenn man den Stern
fortnimmt, daß alfo zweifellos zwifchen diefem und dem Protoplasma ein ftändiger Aus-
taufch von Stoffen vor fich geht, daß ferner einer jeglichen Zellteilung, der Grundlage
aller VBermehrungs- und der meilten Wachstumsporgänge, die Teilung des Kernes voran-
geht und ihr exit Die Teilung des Plasmas folgt, und daß jchlieglich die Kerne namentlich
bei den Protozoen jehr verjchiedene Geftalt Haben Fünnen, jo mag fürs erjte genug über
das Wejen der Zelle und iiber den Bau der Einzeller gejagt fein. &3 gibt feine fernlofen
Protoplasmen: die jogenannten Moneren, an deren Borfommenman eine Zeitlang glaubte,
find faft jämtlich von der Lijte der bejtehenden Lebensformen geftrichen oder in die Scharen
des fernhaltigen Organismen eingereiht worden, wenigitens jomweit e3 jich um das Gebiet
der Zoologen handelt; die Botaniker find fich gegenwärtig noch nicht darüber einig, ob die
Bakterien und Blaualgen fernlofe Protoplasmen find, oder ob auch dieje Keinjten aller
Rebemejen, mie einige Forjcher meinen, Kerne Haben und jomit zelligen Bauez find. Die
Genauigfeit fordert von uns, noch zu erwähnen, daß nicht alle einzelligen Tiere einfernig
find, manche Haben mehrere, jelbjt viele Kerne; namentlich ift daS bei größeren Formen
der Fall, jo, um nur einige Beifpiele zu nennen, bei dem GOtrahlenfugeltierchen (Actino-
sphaerium), ferner, fajt jelbjtverjtändlich, im Bereiche der Falfichaligen Kammerlinge (Fora-
minifera), von denen e3 heute noch Arten von mehreren Millimetern Durchmejjer gibt, in
nicht allzu ferner geologijcher Vergangenheit aber Stüde von mehr al3 Talergröße lebten.
Man fieht zugleich: nicht alle Einzeller find winzig Klein.
Die meilten Einzeller bejtehen nur aus organischer, plasmatifcher Subjtanz und lafjen
dann meift an ihrer Oberfläche eine feitere Hautähnliche Schicht, das Eftoplasma, von
dem mweicheren Snneren, dem Entoplasma, unterjcheiven. Nur in wenigen Abteilungen
finden fich mineralifche Sfelettgebilde, wie 3. B. die Kiejeljfelette der Napdiolarien, die Kalt-
ichalen der Foraminiferen. Im Entoplasma find namentlich bei Süßmajjerformen ftets
Flüjiigfeit3blafen, fogenannte pulfierende Vafuolen, vorhanden, die die Aufgabe Haben,
dem Plasma das ftändig von außen eindringende Wafjer, Das e3 gleichjam, verdünnen
oürde, zu entziehen, daher fich rhythmifch anfüllen und durch Plaben nach außen entleeren,
ferner jehr Häufig Yett- und andere Tröpfchen oder Hörnchen, feltener jchon Gtärfe-
(Amylum-) und Baramylumkförner. Wohl zu unterjcheiden von den pulfierenden Bafuolen
find die Nahrungsvafuolen, Flüffigkeitströpfchen, die Die ins Plasma aufgenommenen
Kahrungskörper umfchliegen und an feinen bejtimmten Vla& gebunden find, oft aber mit
der Nahrung felbft fich auf vorgefchriebener Bahn durch den Plasmaförper bewegen. sn
ihnen werden die Nährftoffe verflüfligt, wie man auch jagt: „verdaut” oder „aljimiliert”, jo
daß jie in Das Plasma des Tieres eindringen fünnen, während mitaufgenommene Yart-
gebilde oder jonftige unverdaufiche Stoffe, wozu bei dem Tleijchfrejfer Bursaria auc) Stärfe
gehört, in den Nahrungsvafuolen unverändert bleiben bis zu ihrer Ausftogung aus dem
Körper. Soweit man in einzelligen Tieren grüne oder gelbliche Chromatophoren fand, han-
delt e3 jich oftmals um fymbiotifche Einmieter aus dem Pflanzenreich, einzellige Algen,
Allgemeines, 3
jogenannte Zoochlorellen oder Hooranthellen, Die dem Tiere Nähritoff entnehmen und ihm
dafür Atenluft, Sauerftoff, bereiten. Pigmentflede ganz anderer Art find Dagegen die roten
jogenannten Stigmata oder Augenflede der Euglenoiden, Phytoflagellaten und gemijjer
Dinoflagellaten. Sie bejtehen nad) France, der fie bei ftarfer Vergrößerung unterjuchte,
aus einer feinmajchigen Grundmalje, die zahfreiche rote Körnchen enthält, außerdem oft
aus einer oder mehreren jtark lichtbrechenden, aus Stärfe oder einer ftärfeartigen Subjtanz
gebildeten Kugeln. Die den Stigmata im Einzeller anliegenden lichtbrechenden Körner
wurden manchmal jogar ettva wie Augenlinjen aufgefaßt. € ift aber jehr fraglich, ob wir
e3 in allen diejen Fällen toirklich mit Lichtfinnesorganen oder aber mit Drganellen itgend-
welcher anderer, noch nicht ermittelter Tätigkeiten zu tun haben. Sedenfalls geht aus
Engelmann3 Verjuchen an Euglena nicht eine bejondere Lichtreizbarfeit des Stigmas her-
bor, vielmehr ijt die Nealtion auf Schattenteize bei der genannten Art ein und diejelbe,
auch wenn der Schatten num den vor dem Pigmentfled gelegenen Teil des Tieres trifft.
Anderweitige Sinnesorganellen — man jpricht von „DOrganellen‘ beim Einzeller,
während man beim Bielzeller dafür „Organe“ jagt — jind gewilje fteife Haare oder Bor-
Iten, die über die beweglichen Wimperhärchen herborragen und dem Taftvermögen dienen.
Bei Stentor fann ein gemwöhnliches Wimperhaar vorübergehend ftillftehen und damit zu
einem Tajthaar werden und umgekehrt.
Damit ijt Schon das Wenige, was über Sinnesorganellen am Protozventörper gejagt
werden fann, ertwähnt; eine wejentlich größere Rolle jpielen die Bewegungsorganellen,
die wir jveben fchon beiläufig jtreiften. Bei den Wurzelfüßern (Rhizopoda) wird Beme-
gung und Ernährung Hauptjächlich Dadurch in fehr einfacher Weife vollzogen, daß der Kör-
per mehr oder weniger formlojfe oder Doc formunbejtändige, protoplasmatiihe Lappen
oder Fäden, „Scheinfüßchen“ oder „Bjeudopodien" genannt, ausjtrect und wieder einzieht.
Auf jolden vorgeftredten Flüffigfeitsmafjen fchreitet geradezu manche Amöbe, mit ihnen
umfließt jie auch Nahrungsförper, verleibt dieje aljo auf einfachite Weife jich ein und ftößt
die underdaulichen Nejte an irgendeiner Stelle wieder aus ihrem Plasmaleibe aus. Bei
den Geißeltieren (Flagellata) dienen der Fortbewegung lange, dünne, in Ein-, Zimei- oder
Mehrzahl vorhandene, im allgemeinen formbejtändige Fäden, die wegen ihrer [chwingenden
Bemegung Öeißeln genannt wurden. Vermutlich ilt ihre Bewegung, genau genommen,
eine jpiralig jchlängelnde und das Prinzip der Bewegung dazjelbe wie 3. B. beim jchwin-
menden Blutegel, doch ins Dreidimenfionale übertragen. Die Wimpertiere (Ciliata) find
über und über mit Heinen beweglichen Wimpern oder „Zilien” befleidet, deren jtändiger
Schlag etwa auf Rudermwirkung Hinausföommt. Bei den Geißel- und Wimpertieren, die
auch oft Geikel- und Wimperinfuforien genannt werden, dient meist eine bejondere Gtelle,
der Zellmund, zur Nahrungseinfuhr, auch) zur Ausfcheidung der unverdaulichen Nefte der
Kähritoffe. Seltener ift ein bejonderer Zellafter ausgebildet.
&3 gibt noch manche Arten von Drganellen in der Hautjchicht oder Pellicula der
Protozoen. Zu den weniger auffälligen, aber recht bemerfenswerten gehören die Nefjel-
organellen oder Trihozyiten (Knidozyiten, Nematozyiten), die bei Berührung erplodieren
und etwaige Angreifer gleichjam mit fcharfen Pfeilen bejchleudern. Nicht in der Pellifula,
aber, wenn fie iiberhaupt vorhanden find, ftet3 Dicht unter ihr liegen im Protogoenförper
oitmalß Musfelfädhen, aud) Myonemen genannt, die durch ihre Zufammenziehbarkeit
den Körper etwas verkürzen, bei ungleichjeitiger Zujammenziehung ihm auch Biegungen
geben fünnen. Cie herrichen bei den Wimperinfujorien vor und bemirfen ausgejprochene
1*
4 Einzeller.
Geftaltveränderungen namentlich bei langgeftredten Arten, wie bei ven Trompetentierchen
und dem Schwanenhalstierchen, jorwiedas Zufammenfchnurren der Stieleder Glodentierchen.
Die Fortpflanzungsperhältnijje der Einzeller find jehr verwidelt. Sm ein-
fachjten Falle erfolgt eine Zmeiteilung des Tieres, die bald eine Längsteilung, bald eine
Duerteilung in gleiche Teilftüde jein Tann; daneben fommt, wenn auch feltener, die inoj-
pung bor, bei der fi) vom Muttertier ein fehr viel Heineres Tochterwejen oder mehrere
jolche ablöjen. Cine verbreitete, bei manchen Arten neben der Zmeiteilung, bei anderen
jogar ausichhießfich vorfommende Fortpflanzungsweile ift ferner die Vielteilung oder
Auflöfung in „Sporen” oder „Sameten”. Dieje fünnen untereinander alle gleich fein, in
anderen Fällen find fie teils größer, teils Heiner, wobei die Fleineren meilt die beweglicheren
find und die beiden Arten von Sporen, Die Mafro- und Mifrogameten oder -jporen, dann
hochgradig das Ebenbild von Ei- und Samenzelle eines vielzelligen Organismus find, wie
lie denn auch dazu bejtimmt find, paarweije miteinander zu verjchmelzen und dann zum
fertigen Einzeller heranzumwachjen. Außer diefer Art von Baarung, die au) Kopulation
genannt wird und eine Dauernde Verschmelzung junger Sndivivuenift, gibt e3 noch bei den
Wimperinfujorien eine meijt nır vorübergehende Paarung der vollausgebildeten Tiere
mit nachfolgender Wiedertrennung. Diejfe wird Konjugation genannt und ijt zweifellos
ein jehr wichtiger Vorgang, der zu einem Austaufch von Zellfernjubftanzen führt.
Sehr eingehende Unterfuchungen haben A. Gruber, R. Hertiwig, Maupas und andere
über die Konjugation des PBantoffeltierchens (Paramaecium aurelia), eine3 gemeinen $n-
fufors aus der Jamilie der Holotrichen, gemacht. Diejenigen PBaramäzien, die zur Klonju=
gation schreiten wollen, [hwimmen anfangs um- und übereinander her, berühren fich, haften
wohl auc) einen Augenblid aneinander, um fic) wieder Ioszulajien, bis Schließlich die Ber-
einigung erfolgt (|. Tafel „ Einzeller I‘, 6, bei ©.34). Sie gejchieht zunächit vorn an der Spige
der beiden Snfujorien und dann an den Mundöffnungen, alfo näher dem Hinterende. An
diejen beiden Stellen bleiben die Tiere fejt vereinigt, während der übrige Teil des Körpers
nut loje over auc) gar nicht mit Dem des anderen Sndividuums vereinigt it. Außerdem liegen
die Tiere nicht in einer Ebene aneinander, jondern etwas gefreuzt. Die eben gepaarten
Tantoffeltierchen haben jedes, wie die Wimperinfuforien im allgemeinen, zwei Kerne, den
Hauptfern und Nebenfern, rıoch in charakteriftiicher Tage nebeneinander. Der Enderfolg der
nunmehr jtattfindenden, verwidelten Vorgänge an den Zellfernen ift, daß die Hauptferne
jomwie Feine Teile der Nebenferne zerfallen, daß aber ferner, was wichtiger ift, Die Haupt-
majje des Nebenfernes in jedem Baarling lebensfähig bleibt und fich in zwei Hälften teilt,
deren eine zum anderen Baarling hinüberwandert. ©o Tann in jedem der beiden aneinander-
gejchmieaten Bantoffel- ein Stüd eigener Kernmafje mit dem vom Paarling herzugewander-
ten Sternjtüd, dem Wanderfern, verjchmelzen; der Daducch neu entitehende Kern bildet fich
noch zu Haupt- und Nebenfern um, und die beiden Snfujorien, die fich inzwischen wieder
boneinander gelöft Haben, erjcheinen jo bejchaffen, wie jie vor der Konjugation waren.
Bwifchen zwei Stonjugationen fönnen jtetS eine erhebliche Anzahl von Teilungen er-
folgen, aber faum ins Unendliche fort, von Zeit zu Zeit müfjen durch Teilung Hervor-
gegangene Jndivivuen wohl aufs neue Konjugationen eingehen. Gejchieht das nicht, jo
degeneriert nach den Unterfuchungen von Maupas und anderen die Nachfommenjchaft immer
mehr, jie wird feiner, die Geftalt ihres Körpers und ihres Kernes ändert jich, fie büßen ihr
Slimmerkleid teilmeije und damit die Fähigkeit genügender Beweglichkeit und Nahrunas-
aufnahme ein und gehen schließlich an Altersichwäche zugrunde. Teilung ohne Konjugation
Allgemeines. 5
wirkt alfo ähnlich wie fortgefette Inzucht, und es ift gewilfermaßen auch für die Infuforien
das, mas man bei Haustieren als „Auffrifchung des Blutes“ bezeichnet, nötig. Man Jieht,
gemwilje wichtige Lebensprinzipien beherrichen den Kreislauf der Einzeller genau jo wie
den der vielzelligen Tiere und Pflanzen.
Nicht wenige Snfuforien umgeben jich beim Eintrocdtnen der Gemwäljer oder beim Ver-
derben des Wafjers mit einer hügenden Hülle, fie verfapfeln oder „enzyjtieren” ich, um
im eingettodneten Schlamme neues Aufleben zu erwarten oder im Staube über Berg
und Tal getragen zu werden. Gie teilen dieje Zählebigfeit, wie wir mwiljen, mit vielen
anderen Feimen Organismen und deren Keimen, und die Erfenntnis diefer Berhältnifje
hat längjt der ehemals als ein Wunder angejtaunten Erfcheinung, wenn auf Regen nad)
langer Ditrre die eben entitandenen Keinen Teiche binnen wenigen Tagen eine reiche
Lebensfülle beherbergen, da3 Gepräge des Unerflärbaren abgejtreift. Manche Nlrten über-
dauern auch den Winter im enzyitierten Zuftande, und fchlieglich gibt es noch manche
andere Arten von Zuften. Die Zhften einer Snfuforienart find daher nicht immer von
gleicher Bedeutung, man hat 3. B. bei ven Heuinfuforien (Colpoda), nad) Ahumbler,
dreierlei verjchiedene zu unterjcheiden: Dauerzyften, Teilungszyften und Sporozhiten.
Die Dauerzhiten jchüßen die Tiere gegen die Hite, die Kälte, ven Mangel an Wajjer
und Saueritoff. Läßt man das Wajfer, in dem fich Kolpoden aufhalten, auf dem Objeftträger
unter dem Mifrojfop langjam verdunften, jo jieht man, wie die Tiere anfangen, gleichjam
geängftigt hin und her zu jagen, und wie fie bemüht find, fich von etwa Furz vorher auf-
genommenen Nahrungsballen zu entlajten. Plößlich Hört ihr unruhiges Hin- und Her-
fahren auf, fie fangen an, auf einem Bunfte zu bleiben und fich um eine ihrer Achjen, die
einen rechts, die anderen Yinf3 herum xafch zu drehen. Dabei ziehen jte jich zu Stugeln
sufammen, ziehen auch ihre Wimpern ein und jceheiden die gelatinöfe Hülle ab. m Wajjer
gelafjen, jcheinen diefe ZHiten nie auszufchlüpfen, ext wenn fie mindejtens zwei Tage
troden gelegen hatten, war e3 möglich, das Yatente Leben ihres Suhalts wieder in ein
aktives überzuführen. Die Dauerzyite, in der das Iufufor, abgejehen vom Verluft jeines
Wimperkleides, unverändert bleibt, fan ihren Schübling nur drei Wochen lang im Sommer
erhalten, Danach ift fie nicht wieder zum Leben zu erweden; es ijt aljo ein Srrtum, Daß,
wie man früher glaubte, eingefapfelte Snfuforien, wenigjtens Colpoda, ein latentes Leben
jozufagen ewig führen fünnten. Zur Bejchreibung der Teilungszyiten von Colpoda
fnüpfen wir an die obenerwähnten Berhältnifje der ungefchlechtlichen Fortpflanzung der
Snfuforien an. Wenn man eine Schar von Heutierchen muftert, jo werden einzelne auf-
fallen, die fich nur langjam und richtungstos, gleichlam Ichlaftrunfen taumelnd fortbemwegen.
Solche Tierchen ftehen im Begriff, fich zu teilen. Haben fie eine ruhige Stelle, etwa zwijchen
einem Häuflein Bakterien, gefunden, dann ziehen fie ihr Kopfende ein, fich jelbit zu ellip-
joidifchen oder fugeltunden Klümpchen zufammen, die zunächft immer um eine Achje, aber
Iinfs und recht3 herum in unregelmäßigem Wechjel, fich drehen. Dabei liegt Die Bafuole
immer an einem Ende der Notationsachje. Um das rotierende Heutierchen bildet jich nun
eine zunächit gelatinöfe Hülle, die an einer Stelle ein feines Loch) hat, nämlid) da, wo Die
pulfierende Vafuole liegt. Dieje ftößt von Zeit zu Zeit ihren Inhalt auch während Der
Notation aus und verhindert daher einen Verfchluß der Zyfte ilber der Stelle, to ihre Aus-
führungsöffnung fich befindet. St jpäter die Zufte erhärtet, dann rotiert der Jnhalt um
alle möglichen Achjen. Die Zyftenöffnung vermittelt den Stoffmechjel des ZHiteninhaltes
und dient zum Ausjchlüpfen der durch die Teilung herborgegangenen Colpoda-Sndividuen.
6 Einzeller.
Die Teilung felbft ift nicht immer gleich: der Inhalt langer Zhiten zerfällt in zivei, der runder
meiltens in vier Stüde. Die Sporozhften von Colpoda find wie die Dauerzyiten völlig
gefchlofjen, das eingejchlofjene, von dem Snfujor ausgeftoßene Bafuolenmwafjer jammelt fich
zwischen diefem und der Hülle, und jenes wird Heiner in vem Maße wie diejes zunimmt.
Die vorher erwähnten Ajjımilationsförperchen werden famtlich durch die Bafuole mit aus-
geftoßen. Sft das Tier auf die Hälfte feiner urfpringlichen Größe verringert, fo- werden
jeine Zilien eingezogen, es wird zu einem runden, homogenen Plasmaballen. Diejer
icheidet eine zweite, viel didere Hülle auf fich aus, die nach mehreren Stunden zu einer
derben Suite erhärtet. Nach geraumer Zeit zeigen ji) auf der Außenjeite der Snnenmajje
der Sporozhyite äußert Heine, ftark Tichtbrechende Körperchen in größerer Zahl, 8—30.
Die Zhitenwand befommt dann Sprünge, der Snhalt quillt heraus und zerfällt bis auf
jene jtark fichtbrechenden Körperchen, die von nun ab im Wajjer jelbjtändig leben. Cie
werden dort größer, verlieren ihre lichtbrechende Cigenjchaft und find nicht mehr rundlich,
iondern unregelmäßig vieledig, ändern aber fortwährend, wenn auc) langjam, ihre Geltalt,
gehen 3. B. bon der fünfecigen in die dreiecige über ujw. Die Gejtaltveränderungen neh-
men mehr und mehr zu, folgen rajcher aufeinander, und endlich treten bewegliche Plasma-
fortjäge, Pjeudopodien, auf: das junge Gejchöpf ilt zu einer Amöbe, d. H. zu einem beimeg-
lichen PBrotoplasmaflimpchen, geworden, es enthält eine Anzahl Kerne, 2—4, die jich bald
zu einem einzigen bereinigen. Dann treten jeine amöboiven Bewegungen feltener auf,
nur ein langer geißelartiger Fortjab ift vorhanden, mit dem es jich bewegt und an Sremp-
förper befeitigt. Endlich hören alle Bewegungen ganz auf, der Geikelfortjab wird ein-
gezogen, e3 zeigt fich eine Bafuole, und endlich bilden fich Wimpern, Die das junge Wejen
in eine fchnelfe Drehung verjegen. Allmähfich ftrecdt es fich in die Länge und nimmt
bald die Geitalt einer jungen Colpoda an.
Die Tiere durch Eintrodnung zur Bildung von Dauerzyiten zu bringen, gelingt in
vielen Fällen. Derjelbe Vorgang it offenbar auch in freier Natur jehr Häufig, 3. B. bei
dem grünen Geißeltierchen Euglena, das daher nach Entjtehung von jchmußigen Wajjer-
lachen durch Negen zu Taujenden in ihnen wimmeln fann, oder bei dem in diejelbe Ver-
wandtichaft gehörigen Haematococeus, defjen intenfiv rote Dauerformen die Ericheinung
des Aoten Schnees in den Alpen und Polargegenden hervorrufen.
Man fagt gewöhnlich, die Protozoen feien jämtlich über die ganze Welt verbreitet.
Sn der Tat find viele Arten vermöge ihrer Dauerzuftände jo bejchaffen, daß z. B. ein For-
Ihungsreijender an feinen Schuhfohlen fie unbeabjichtigtertweife von einem Croteil zum
anderen überführen fann, und jo trifft man die häufigeren Arten wohl vielfach auf der
ganzen Erde an geeigneten Orten. Sn ihren Zebensbedingungen anjpruchspollere Arten
finden aber geeignete Drte längjt nicht überall, und außerdem gibt e3 jo manche jeltenere
Art von bejehränttem Vorkommen, und fjelbjt ungleiche Häufigkeit einiger Arten inner-
halb ein und desjelben Landes glaubt man zu verjpüren.
Die Erforfhungsgejhichte der Protozvenmelt ift Höchjt lehrreich. Sie fonnte über-
haupt exit mit der Erfindung und Vervolllommnung der Mifoffope beginnen und vorwärts
jchreiten. Wenn aber noch heute oft von den Snfuforien, d.h. auf Deutjch den Auf-
gußtierhen, gejprochen wird, fo müfjen wir wenigftens einige Mitteilungen und Crflä-
tungen über diejes vielfach mißverftandene Wort und die zahllofen darauf bezüglichen Ver-
juche geben. Cine volljtändige Gejchichte diefer Verfuche bis 1838 findet man in Chrenbergs
Allgemeines. 7
großem Werfe „Die Snfufionstierchen als vollfommene Organismen. Ein Blid in das
tiefere organische Leben der Natur” (1838). Früher hatte der Name „Snfufionstierchen"
eine umfajjendere Bedeutung als heute, two man ihn meijt nur den Wintpertieren oder
diefen und den Geißeltieren zufommen läßt: alle einzelligen Lebemejen, Darunter auch
viele, die heute unumjtritten ins Pflanzenreich gerechnet werden, aber auch manche viel-
zelligen Tiere, z.B. Rädertierchen, furzum alles, was das Miftojfop dem ftaunenden Forjchers
auge zeigte, wurde ehedem, und fo auch in Chrenbergs Werk, „Snfufionstierchen” genannt.
1675 ift für die Chronik der Biologie das bedeutungsvolle Jahr, in dem der berühmte
Leeumenhoed, einer der eriten Berfertiger von Mifrojfopen, entdedte, da ein Tropfen
Negenwajjer von Lebemwejen wimmeln fann. Cr unterjuchte alles, was ihm vorfam, mit
jeinen Wüfroffopen und erperimentierte auf die mannigjachite Weije; jo Hatte er auch ein>
mal gejtoßenen Pfeffer in ein Neagensglas mit Kegenmwajjer getan und war erjtaunt, nad)
einiger Zeit das Gefäß von belebten Gejchöpfen wimmeln zu finden, die jenen aus dem
Negenwajjertropfen zu gleichen jchienen. Colches Ergebnis brachte die erite, zu einen
wiffenschaftlichen Zwede angeftellte Infusion; die darin gefundenen Organismen wurden
jedoch erjt 100 Jahre jpäter von Ledermüller und Wrisberg a8 Snfufionstierchen be-
zeichnet. Noch Heute macht man in den wiljenjchaftlichen Yaboratorien zahlreiche Aufgüjfe,
um PBrotozven zu gewinnen oder in Menge zu züchten, und namentlich das Vantoffeltierchen
(Paramaecium) gedeiht in einem Aufguß auf Heu außerordentlich gut, weshalb es denn auch
zum Haustier der Mifrobiologen geworden ijt, wie der Zrojch zum Haustier der Phhjiologen.
Kachvdem Leeumenhoed jeine Beobachtungen befanntgemacht hatte, wurde e3 fait eine
Modejache, mit Aufgüfjen oder Infufionen Verfuche anzuftellen. &3 fojtete jo wenig Mühe.
yeder glaubte jich auf jein Auge und jein jhlechtes Mikroflop verlafjen zu Zünnen, und jo
förderte man ohne Urteil mitunter die wunderbarften Dinge aus den Aufgüffen zutage,
jo nahm man überhaupt alle erdenklichen Flüfjigleiten, Fleifchbrühe, Milch, Blut, Speichel,
Ejiig, um damit die verjchiedenartigften lieblichen und unlieblichen Subjtanzen aus allen
Reichen der Natur zu übergießen und fi) und gute Freunde an dem Erjcheinen de3 Ge-
mwimmels zu ergößen.
Sm allgemeinen machte man dabei folgende Wahrnehmungen: war das den Aufguß
enthaltende Gefäß unbededt und der Luft frei ausgefegt, jo war es immer nad) fürzerer oder
längerer Zeit angefüllt mit Millionen lebender Wejen, die man jedoch nach den Leijtungen
der damaligen optifchen Snftrumente nur Höchftunvollfommen zu erfennen vermochte. Spar-
jamer entfaltete fich daS Leben diejer Heinen Welt, wern das Gefäß leicht, auch nur mit
einem Schleier, bededt war. Nur in jeltenen, oft zweifelhaften Fällen aber berichten die
unermüdlichen Forjcher, daß in der Fuftdicht verjchloifenen Flajche jich ein Leben entmwidelt
habe; und noch zweifelhafter exrichien dies, wenn das Walfer vorher abgefocht oder deitilliert
oder nac) der Einfüllung zum Sieden gebracht war. Ferner bemerkte man, daß jich bald
auf der frei ftehenden SInfujion, wie iiberhaupt auf freien, vom Winde nicht beivegten ©e-
mwäfjern ein Häutchen bildet, das, fo unfchuldig e3 auch ift, zu den jonderbariten Bermu-
tungen Anlaß gab.
Woher famen jene Lebensformen? Hören wir darüber einige der damaligen und der
neueren Naturforicher. Ihre Anfichten beruhen, wie gejagt, meijt auf mangelhaften Beob-
achtungen und auf Snftrumenten, welche die jo verjchieden gejtalteten und bejchaffenen
DIrganismen al3 ziemlich gleichmäßige und nicht näher bejtimmbare Körperchen ericheinen
ließen. Leeumenhoed felbit tritt überall der Annahme einer Urzeugung entgegen und
8 Einzeller.
eifert heftig gegen deren Anhänger, namentlich gegen den bekannten Sejuiten und Poly-
hiftor Athanafius Kiccher. „So wenig wie ein Elefant aus Staub hervorgehen Fann”, jagt
er, „ebenjomwenig fönnen Milben ohne Fortpflanzung entjtehen.” Auch die Anficht, daß Ein-
geweidewiirmer im Irmeren des Menjchen von jelbjt entitünden, bermirft er. Ganz ähnlich
find num auch feine Anfichten über die Entjtehung der nfujorien. Er nimmt an, daß ihre
Keime nad) dem Verdunften des Wafjers in die Atmojphäre geraten und bon diejer aber-
mals ins Waffer, in dem fie fich entwideln. Der alte Leeumenhoed war ein borurteilsfreier
Seift, der jich an Tatjachen hielt, und wenn er auch, wie jeine Zeitgenojjen ihm vorwarfen,
fein zünftiger Gelehrter war, jo war er doch ein viel größerer Zoolog als fie alle zujammen.
Einen ganz anderen Standpunft nahm 3. B. Buffon ein. Seine jo glänzend und beredt
borgetragenen Lehren find nur verjtändfich im Zujfammenhange mit feiner allgemeinen
Theorie über das Wefen der Naturförper; es ijt um jo wichtiger, einiges Daraus Fennen-
zulernen, al die enttwidelungsgefchichtliche Ara der Wifjenjchaft in einigen Punkten jich
ihnen zeitweilig näherte. Er war überzeugt, daß e3 eine ununterbrochene Neihe von den
ollfommenften zu den unvollfommenften Wejen gebe. Wenn mir folgenden Ausjpruc)
nehmen: „Sch vermute, daß man bei genauer Betrachtung der Natur Mittelmejen entdeden
witrde, organifierte Körper, die, ohne 3. B. die Kraft zu haben, jich fortzupflangen, wie Die
Tiere und Pflanzen, doch eine Art von Leben und Bewegung hätten; andere Wejen, Die,
ohne Tiere und Pflanzen zu fein, Doch zur Zufammenfegung beider etwa3 beitragen Tönnten;
und endfich noch andere Wefen, die nur die erjte Anfammlung der organijchen Heinjten
Formbeitandteilchen (mol&cules organiques) wären”, jo fommen wir zu jeinen Anjichten
über da3 Leben, das er in den Snfufionen fand. Wenn nämlich in den Aufgüfjen auf Tleijch,
Gallerte von Kalbebraten, Pflanzenjamen und dergleichen jich bald lebende Körperchen zeig-
ten, jo meinte er, daß e3 eben die belebten Xleinen Teilchen wären, aus denen Zleijch und
Pflanzenftoff zufammengefegt feien. Auch die Anfichten anderer berühmter Naturforjcher
jener Zeit find den Buffonfchen verwandt. Wrisberg in Ööttingen wäre zu nennen, und
auch der fonft jo nüchterne dänische Zoolog D. Fr. Müller betrat das gefährliche Feld ge-
mwagter Vermutungen, wo die Beobachtungen aufhörten, und war der Anficht, daß Pflanzen
und Tiere jich in miftoffopijch Heine lebende Bläschen auflöften, verjchieden an Stoff und
Bau von den wahren Infuforien, und daß aus Diefen lebendigen Bläschen alles höhere Teben
jich wieder gejtalte. Der bedeutende Fortjchritt Müllers Tiegt darin, dab Buffon das Vor-
handenjein einer eigentlichen Tierklafje der Infuforien gar nicht erkannt hatte, während
Miller die wahren Tiere wohl unterfchied von den zu feiner Theorie de2 organijchen Lebens
gehörigen Urbläschen.
Bon den älteren Forchern, die mit Buffons geiftreichen Phantajien fich nicht befreun-
deten, verdient vor allen der berühmte Spallanzani genannt zu werden. Cr trat 1768 wiljen-
ichaftlich Eraftvoll dagegen auf, daß aus den zur Infufion verwendeten Stoffen jelbit, jeien
e3 num organifche oder unorganifche, die lebenden Wejen jich elternlos entwideln jollten.
Als entfchiedener Gegner diefer Urzeugung, der jogenammnten Generatio spontanea oder
aequivoca, behauptete er, daß Tier- und Pflanzenfeime durch die Luft, die man von
den Gefäßen mohl nie völlig abjperren Fünne, in die Infufion eingeführt würden; und
wenn auch die Entwicelung der von den fchon bejtehenden Arten der Infujionstierchen
herrührenden Keime mitunter duch die in den Aufgüffen enthaltenen Tier- und Pflanzen-
ftoffe begünftigt würde, feien diefe doch durchaus nicht unumgänglich nötig, tie Das auch)
in reinem Wajjer jic) mit der Zeit zeigende reiche Xeben bemeije.
Allgemeines. 9
Wir wollen nicht die Fortjchritte ins einzelne verfolgen, welche die Snfuforienfenntnis
bis dahin erfuhr, al Ehriftian Gottfried Ehrenberg in diefen noch jo dunfeln und rätjelvollen
Teil der Naturgejchichte Licht brachte. „Sch gewann”, jagt er, „Ichon im Sahre 1819 den
direkten, bisher nicht vorhandenen Beweis des Keimens der einzelnen Pilz und Schimmel-
jamen.” Um über die Snfujionstiere zu einer ähnlichen Gemißheit wie über die Schimmel-
und Pilzbildungen zu gelangen, jtellte er lange Reihen von Verjuchen an. Das Ergebnis
faßt er jo zufammen: „Gemiß niemand von allen bisherigen Beobachtern hat je durch Auf-
güfje ein einziges Infuforium gemacht oder geichaffen, weil allen, welche dergleichen erforscht
zu haben meinten, die Organijation diejer Körpercher völlig entgangen war, fie mithin nie
mit derjenigen Öenauigfeit beobachteten, welche nötig erjcheint, um einen jo wichtigen Schluß
zu ziehen; weil ferner bei einer mit Benubung der beiten jesigen Hilfsmittel vorgenom-
menen und durch über 700 Arten Durcchgeführten Unterfuchung mir jelbjt nie ein einziger
Tall vorgefommen ift, welcher zu überzeugen vermocht hätte, daß bei Infufionen, Finft-
lichen oder natürlichen, eine Entjtehung von Organismen aus den infundierten Gubjtanzen
Itattfände, vielmehr in allen am jpezielliten beobachteten Fällen eine Vermehrung durch
Cier, Teilung oder Knojpen in die Augen fiel.” Chrenberg zeigte, daß die am jchnelliten
und häufigiten in den Aufgüfjen erjcheinenden Tiere fait immer denjelben Höchit gemeinen
Urten angehören, die über die ganze Erde als Kosmopoliten jich verbreitet finden. Die
meijten, jehönften und größten Snfujorien können in fauligem Wafjer überhaupt gar nicht
beitehen und fommen daher nie in den Snfufionen zum Vorjchein.
Durch die Beobachtungen Spallanzanis und Chrenbergs ijt die Annahme, daß SJn-
fujorien Durch) Urzeugung aus anorganischer Materie entjtehen könnten, ganz gewiß endgültig
erledigt. Dennoch Hat Chrenberg in manchen Punkten heftige Angriffe erfahren. Und
tweifellos war diefer unermüdliche Foricher im Unrecht, wenn er allen Snfujionstierchen
fomplizierte Organfyiteme, wie das Berdauunggsiyften, das Nervenjyiten, das Yortpflan-
zungsigitem, Furzum, wenn er ihnen die DOrganijationsprinzipien der vielgelligen Tiere zu-
ichreiben wollte, ein Sertum, zu dem er dadurch fommen fonnte, daß er die verjchiedenen
Klafjen von miktojfopijch jichtbaren Tieren, insbejondere Brotozoen und Rädertieren (Nota-
torien), noch nicht genügend zu unterjcheiden verstand. Hierin wurde erjt durch Dujardin,
Stein und zahlreiche jpätere Forjcher, Mar Schulge und andere, größere Klarheit gejchaffen,
die jich der im Sahre 1838, gleichzeitig mit dem Erjcheinen des Ehrenbergjchen großen
Werkes, durch den genialen Botaniker Matthias Schleiden begründeten Zellenlehre an-
ihloffen und damit exrft zu der Einficht vom einzelligen Bau der Protozoen und zu unjeren
heutigen, oben dargelegten Borjtellungen von ihrer Drganijation fommen fonnten.
Wie ji) die Brotozoen in der Erdgejchichte entwidelt Haben mögen, darüber
toiljen mir leider wenig Vofitives. Hier wie falt ütberall im Tierreiche find uns nur Formen mit
Hartgebilden aus der Vorzeit überliefert, und zwar treffen wir dank ihrer Stiejeljfelette jchon
in der ältejten verjteinerungsführenden Schicht, im Präfambrium, Radiolarien, insbejondere
Spumellarien und Nafjellarien, und zwar äußert fomplizierte Zormen, und mindeitens
bom Silur ab viele Gattungen, die noch heute in den Meeren leben. &3 Tanın aljo Feine
Nede davon fein, daß dieje ältejten bekannten Protozvenfoflilien irgendwie primitiver als
ihre heute lebenden Verwandten wären, wenn auc die Sormen fich im Laufe der Zeit
etwas geändert Haben und beijpielsweije in der Stufe vom Präfambrium zum Kambrium
eine auffällige Größenzunahme bemerkt wird. So weit wir rückwärts bliden können, hat
10 Einzeller.
e3 Dieje Formen jchon gegeben. Ein ähnliches Verhältnis, nur bei noch größerer Formen-
mannigfaltigfeit, bejteht bei den Faltichaligen Foraminiferen: wir fennen jolche fehon aus
dem unterften Kambrium und fortan aus allen Schichten. Gebirgsbildend treten fie in der
Kreideformation auf — tft Doch die Schreibfreivde erfüllt von Neften von Tertularien, Ro-
talien und Ölobigerinen —, ferner im Tertiär, two namentlich im Eozän die müngenförmigen,
oft jehr großen Nummuliten mächtige, Heute in den Hochgebirgen liegende Schichten bildeten.
An der Zufammenjegung der Kreide nehmen auch die zu den Flagellaten gehörigen, mit
Kalttörperchen ausgerüfteten, winzigen Coccolithophoridae teil, die wiederum fchon vom
Kambrium oder mindeftens Silur ab befannt find und ihre fehichtenbauende Tätigkeit
heute noch fortjegen; denn nach allgemeiner Annahme befteht der „rote Ton” am Grunde
der Tiefjee Hauptjächlich aus Neften abgejtorbener oder gefrefjener Koffolithophoriden, deren
jtändiger Regen den Meeresgrumd, wie Lohmann berechnet, in 250 Sahren um einen Milli-
meter, werm nicht um mehr, erhöhen mag.
Ehe wir unjeren Bi von der Gejamtheit der Brotogven fortwenden und uns in die
Einzelheiten diejer ungemein vielgeftaltigen Welt des Seinen vertiefen, wollen mir noch
eine gefährliche und fchwierige Frage aufwerfen: Wie fteht e3 mit dem Geelenleben der
Protozven?
&3 ijt wohl begreiffich, daß eine Zeitlang bei den Forfchern Fein Zweifel an Dem Vor-
handenfein eines feelifchen Lebens in den Heinen Tieren, über deren Tiernatur man eben
zur Gemwißheit gefommen war, beitand und man unbedenklich felbit Negungen des menjch-
lichen Ceelenlebens ihnen zufchrieb. Ir manchem Falle mag das berechtigte Entzüden,
das man beim Studium der mifroffopiichen Wejen immer wieder aufs neue entpfindet, zu
derartigen Bermutungen beigetragen haben, die dann jelbft in den ftreng wiljenfchaftlichen
Schriften der nüchternen Forjcher hier und da auftauchten. So meinte W. Kühne (1859),
die Vortizellenglode ftelle „eine Art von Kopf vor, von welchem allein der Wille ausgeht”,
da der Stiel de3 Glodentierchens nach Ablöfung der Glode nicht mehr zu zuden vermag.
Till man noch) gelten Tafjen, daß in diefem Falle vom „Willen” eines Protozoon mehr
oder weniger al3 Gleichnis gejprochen werde, fo ift e3 jedenfalls noch problematifcher, wenn
derjelbe Forjcher in feiner an Höchit wichtigen Experimenten überaus ertragreichen Arbeit
auch jchreibt, „daß die Ölodentierchen duch Kontraktionen des Stiel3 ftets ihr Unbehagen
ausdrücden, wenn ihnen etivas in die Duere fommt”. Geradezuden Beweis für ein feelifches
Vermögen der Infuforien wollte aber der vor wenigen Jahren verftorbene, auch im Gebiet
der snfuforienfunde fehr verdiente Phyfiologe W. Engelmann erbringen. Er beobachtete
die Ablöfung von Bortizellinenfnofpen, und wie dieje die auf Dem Bäumchen zurücdgeblie-
benen Snoivivuen auffuchten oder auffanden, um fich mit ihnen zu paaren. „... Eine
frei jchwärmende Sinofpe 3. B. Freuzte die Bahn einer mit großer Gejchwindigfeit Durch
die Tropfen jagenden großen Vortizelle, die auf die gewöhnliche Weife ihren Etiel verlajjen
hatte. m Augenblide der Begegnung (Berührung fand inzroifchen durchaus nicht ftatt)
änderte die Knofpe plöglich ihre Richtung und folgte der Vortizelle mit fehr großer Ge-
Ihwindigfeit. &3 enttwidelte fich eine fürmliche Jagd, die ettva 5 Gefunden dauerte. Die
Stnojpe blieb während diefer Zeit nur ettva !/,, mm Hinter der Vortizelle, holte fie jedoch
nicht ein, jondern verlor fie, als diejelbe eine plößliche Seitenfchwenfung. machte. Hierauf
jegte die Sinojpe mit der anfänglichen, geringeren Gejchwindigfeit ihren eignen Weg
fort. Dieje Vorgänge find darum merkwindig, weil fie eine feine und fchnelle Perzeption
AUllgemeine2. 11
(Wahrnehmung), vafche und fichere Willensentfcheidung und freie abjtufbare motorijche Snner-
bation (sit venia verbo) verraten.” Engelmann war aljo geneigt, in den Vortizellen ein
hoch entwideltes Geelenvermögen zu finden, indem er ihnen nicht nur Empfindung, jon-
dern auch Wahrnehmung, bewußten Willen und rafche Ausführung des auf einen bejtimm-
ten Gegenjtand gerichteten Willens zujchreibt. ES würde leicht fein, auch bei anderen Syn-
fujorien ähnliches Handeln zu beobachten. „Was unjere Bortizelle betrifft”, bemerkte hierzu
jedoch jhon D. Schmidt, „jo Tiegt, jcheint mir, für die von Engelmann gejchilderte Jagd
eine weit einfachere Erklärung vor: das borausjtürmende Tier erregt einen Strudel, in
dejjen Bahn das Hineingeratene zweite ganz unmillfürlich gezogen wird.“
Diejenigen Probleme, deren Erörterung für die Seelenfrage bei Einzellern allenfalls
in Betracht fäme, liegen in der Tat etwas tiefer. Dem forgjältigen Beobachter des
Protozvenlebens begegnen manche Erjcheinungen, die ihn beim erjten Anblid wohl in der
Annahme beftärken, daß feelifches Leben den Einzellern innewohnen möge. Prüft mar aber
das Beobachtete genauer, und legt man den Maßjtab fchärfiter Kritif aud) an Die eigenen
Schlußfolgerungen, jo erfennt man in allen Fällen mit Gemißheit, Daß man nicht weiter
fommt al bis zur genauen Bejchreibung des Gejehenen, während alle darüber hinaus-
gehenden Erwägungen über unfichtbares Geelijches völlig in der Luft |hmweben. Manch-
mal it e3 nur etwas jchiwierig, die Bejchreibung frei zu halten von Ausdrüden aus dem
menschlichen ©eelenleben, und in nicht wenigen Fällen beruht der Jrrtum, man jei zur An=
nahme beftimmter jeelifcher Funktionen gezwungen, nur in derartigen, für den Kundigen
ltetS recht offen zutage Tiegenden leichten |prachlichen Verwirrungen.
Ein lehrreiches Beifpiel liefert jchon das Frejjen der Amöbe. Wie bereits erwähnt,
beiteht e3 darin, daß dom Amöbenleibe eine protoplasmatijche Majje, ein „Scheinfügchen”,
borfließt und das zu frejfende Objekt umhüllt. Hier jowie beim Trejjen aller anderen
Protozoen mag man zunächjt vielleicht annehmen, daß das Tier beim Aufnehmen der
Nahrung ein gemwijjes Behagen empfinde, daß es unter Luftgefühlen feinen Hunger ftillt.
Der Freßvorgang der Amöbe läßt fich aber durch lehrreiche Erperimente nachahmen, 3. ©.
in folgender Weije. Man bringt einen Duedjilbertropfen in jtarf verdünnte Schwefeljäure
und legt nun in dieje Flüffigfeit neben ihn einen Heinen Krijtall von Kaltumbichromat. Dann
mwölbt fich der Quedfilbertropfen gegen den Kriftall vor, fließt auf ihn Hin und umfließt,
man möchte jagen „gierig”, feine „Beute“. Und das geht nicht immer jo ganz glatt von-
ftatten, fondern oft macht das Duedjilber mehrmalige „Verjuche”, den Kriftall zu umfließen
und muß ihn wieder loslaffen, immer aufs neue wirft es jich auf ihn, bis es ihn jchlieplich
„unter Anftrengungen” fich einverleibt. Wer das fieht, ift in der Regel von dem Schaufpiel
im höchiten Grade ergriffen wie von einer aufregenden Szene aus dem Dajeinztampf der
wirffichen Lebewejen; zugleich aber hat er fich Davon überzeugt, daß jolch ein Vorgang „rein
mechanijch”, „rein phyfikaliich” „rein phHfifochemifch” oder wie man e3 nennen wolle,
jedenfalls völlig feelenlos ablaufen fan. Ja man fieht jogar, wie von dem Strijtall die
gleich ihm gelb gefärbte Salzmajje in die Umgebung hinein fich ausbreitet, und wie erjt bei
ihrem Herannahen an den Duedjilbertropfen diejer feine Bewegungen beginnt, jo daß man
nicht zweifelt, daß in der fich ausbreitenden Galzlöfung die Urjache für Die Bewegungen
des Duedjilberslhiegt. Die Theorie der Dberflächenfpannungs- oder Kapillaritätsericheinungen
läßt denn auch feinen Zweifel darüber, daß der Duedjilbertropfen jich vorwölben muß an
der Stelle, ivo jeine vorher überall gleichmäßige und Daher zur fugeligen Abrundung führende
Dberflächenjpannung durch die Salglöfung vermindert wird. Sn gleicher Weife jtellt mar
12 Einzeller.
jich, augenscheinlich mit Recht, das Frejjen der Amöbe vor: vom Nährförper dringen gelöfte
Stoffe in die Umgebung und toirfen auf die Amöbe in der Weije ein, daß ihre Plasma
jich ihm nähert und ihn umfließt. Dazu bedarf es feiner Seele, und fein Wahlvermögen
gehört für jie dazu, den einen Stoff „gern“ zu freffen, den anderen „unbefümmert” liegen
zulafjen: it e$doch ganz natürlich, daß nicht alle Körper in gleicher Weife auf dag Amöben-
plasma wirken können; jondern von manchen, insbejondere den meijten mineralifchen, Löft
jich überhaupt nichts in der Umgebung, andere föfen fich wohl, find aber zum Teil jolche
Subjtangen, die die Oberflächenfpannung des Amöbentröpfchens nicht zu vermindern ver-
möchten; nur wenige haben diejfen Erfolg, und diefe werden geftejjen.
Läuft jhon der Verfuch mit dem Duedfilbertropfen nicht immer mit fchematifcher
Gleichmäßigfeit ab, jo wird man dies noch weniger von der viel fomplizierter bejchaffenen
lebenden Amöbe erwarten. Am genauejten hat bisher 9. ©. Zennings in Baltimore
derartige Berjchiedenheiten im Verhalten der frejfenden Amöbe beobachtet. Diejer
Sorjcher bejchreibt z. B., wie er einmal eine Amöbe in zwei Teile zu zerjchneiden verfucht
hatte, und tie dann das noch durch einen dünnen Strang mit ihre verbundene, aljo nicht
ganz abgetrennte Stüd von einer anderen Amöbe erjagt und geftejjen wurde, jchlieglich
aber doch wieder entwich. Ein anderes Mal jah Jennings, wie eine Amöbe gegen eine
fugelige EuglenenzHite prallte und der davonrollenden Kugel nachkeoch; nach Erreichung
der Beute rollte diefe wiederum davon ufw.; bald ein langes, dünnes, bald zwei fürzere
"leudopodien jtredte die Amöbe vor, und jo ging die Jagd eine Zeitlang unter wechjel-
reichen Gejtaltveränderungen der Amöbe weiter, biS fchließlich das Beuteftüd von einem
Wimperinfujor weggehajcht wurde. An jolchen und ähnlichen Beobachtungen zeigt Sen-
nings, daß das Verhalten der Amöben meit entfernt von jchematifcher Einfachheit und
nicht zweimal ein und dasfelbe ift, und in diefem Zufammenhange jagt er auch, ex Jei
„völlig überzeugt, daß, wenn die Amöbe ein großes Tier wäre, jo daß fie dem Menjchen
in den Bereich jeiner alltäglichen Beobachtung fäme, dat dann ihr Verhalten uns jofort
beranlajjen würde, dem Tiere die Zuftände von Luft und Schmerz, von Hunger und Be-
gehren und dergleichen zuzuschreiben aus genau denjelben Gründen, aus denen wir dieje
Dinge dem Hunde zufchreiben”. Doch foll damit nicht im mindeften gejagt fein, daß Dieje
jeeliichen Funktionen bei der Amöbe bewiejen wären, fondern ausdrüdlich fügt Jennings
Hinzu: „Derartige Eindrüde und Annahmen find indejfen noch nicht bemeifend für die
Erijtenz von Bemwußtfein bei den niederen Organismen.”
Man jteht, der Fritifche Forfcher nimmt es nicht mehr auf fich, von „Zellfeelen” zu
Iprechen, was ehedem manche Biologen unbedenklich taten. Unfer tatjächliches Wiffen bleibt
im Bereich des jinnlich Wahrnehmbaren, und beftenfalls darf man jagen, das Tier reagiert,
„a5 ob" es Bemußtjein, Willen uf. bejäße. Freilich find wir auch gegenüber Organismen
mit reich entwideltem Nervenjyjtem nicht beffer geftellt; jelbjt unjeren Mitmenjchen können
hir nicht ins Snnere Schauen; wir jehen nur, was fie tun, wir Hören, was fie jagen. Wenn
wir daraufhin nicht bezweifeln, daß fie zu empfinden und zu denfen vermögen wie wir
jelber, wäre dann nicht auch die gleiche Schlußfolgerung bei der Amöbe ftatthaft? Doch
nicht, Denn zwijchen Menfch und Amöbe beftehen nun einmal in den Lebenzäußerungen viel
größere Unterjchiede als zwijchen Menjch und Menjch, die Amöbe gleicht hierin jogar in
hohem Grade, wie wir jahen, anorganijchen Shitemen, denen wir Seelifches mit Bejtimmt-
heit abjprechen. Darum eben ift die Amöbe ein jo ausgezeichnetes Beifpiel, um zu zeigen,
daß jcheinbar bejeeltes Verhalten dem exjten Anschein zum Troß doch ohne Mitwirkung
Allgemeine2. 13
eines „piychiichen Faktors” zuftande fommen fann, darum eben eignet jie jich jo ganz be-
jonders dazu, diefe Bemeisführung zu beginnen, die man dann durch die ganze übliche
Tierreihe fortjegen fann, bis man beim Menfchen anlangt und auch hier zu der Erfenntnis
fommt: die Mitwirkung, das Eingreifen eines piychifchen Faftors, einer „pfpychifchen
Energie”, wie Ditwald jagt, ift nicht eriviejen, die „piychophhliiche Kaujalität” ift nur eine
Hhpotheje, die der Annahme des „piyhophhiiihen Parallelismus“, des bloßen „Nebenher-
laufens” piychiicher Vorgänge neben den in fich gejchlofjenen phHfischen oder phHyjiologi-
chen, mit gleicher Berechtigung zur ©eite fteht.
Doc das find Fragen, die wir Hier nicht näher zu erörtern haben. Bleiben mir bei
ven Protogven. Nicht in allen Fällen pflegt der Foricher die Außerite fprachliche Vorficht
im Beichreiben ihrer Lebensäußerungen zu beachten. Man jagt ohne Sfrupel, auch das
einzellige Tier „empfindet”, man jehreibt ihm „Sinne” zu, 3. B. den Lichtjinn, chemijchen
Einn ufw. Solche Ausdrüde erlaubt man jich, weil jeder weiß, wie fie gemeint find. Tat-
lache it, daß eine Amöbe bei plößlicher Belichtung ebenjo wie bei Erjcehütterung fich zu-
jammenfugelt, daß Trompetentierchen oftmals „pojitiv phototaktijch” find, d.h. dem hellen
Lichte zujchtwimmen, ebenjo viele Schwärmjporen oder Euglena, ferner daß fich die meijten
Formen jtet3 in eine ganz beitimmte Richtung zum eleftriihen Strom ftellen, daß chemifche
Einwirkungen je rrac) Zage des Falles Annäherung oder Abkehr hervorrufen ufw. Nimmt
man’3 einmal ganz genaıt, fo jagt man ftatt „empfinden“ mit Beer, Bethe und v. Ürfülf
nur „rezipieren”, um mit aller Schärfe anzudeuten, daß man nichts ©eelijches behaupten
will. Sm Grunde aber begeht man durch Beibehaltung des deutjchen Wortes ftatt des
Tremdmwortes feinen größeren Fehler, al® wenn man von der „lichtempfindlichen”" photo-
graphischen Platte |pricht; die Abkugelung der Umöbe auf Lichtreiz 3.d. mag auf chemi-
Iher Einwirfung des Lichtes und darauf folgender vergrößerter Oberflächenipannung be-
jtehen; jedenfalls farın weder in allen jenen Neaftionsweijlen der Einzeller no) im Bor-
handenjein der jogenannten „Sinnesorganellen" bei ihnen der Beweis von irgend etwas
Ceeliichem gefunden werden. Auch die interejjanten „SOinnesorgane” der Bilanzen jind
nicht, wie vereinzelte Schriftiteller e3 wollen, Beweije für jeelijches Empfinden; für Ddie-
jenigen, die jo folgern wollen, fünnte man nur bedauern, daß jene zur Aufnahme von
„Reizen”, d.h. von Einwirfungen der Außenwelt, bejonders geeigneten Organe oder
Gtellen im lebenden Körper den bündigen deutichen Namen befommen haben.
Koch) eine Ausdrudsweije jpielt in der gegenwärtigen Kleintierbiologie eine erhebliche
Aolle und ijt den Forjchern, die fie anmwendeten, mitunter von anderen verübelt worden:
der von Lloyd Morgan geprägte, auch von Zennings oft gebrauchte Ausdrud „Verjuc) und
Sertum”. Durch Verfuh und Srrtum reagiert die Umöbe, wenn fie mit. dem Anjchein des
Biellojen ihre Scheinfühchen abwechjelnd nach allen Richtungen ausftredt, und erjt dann
fommt in ihre Bewegungen eine bejtimmte Richtung, jobald fie einen Nahrungskörper
findet, dem jie nachjagt, oder in einem anderen Falle einen feiten Slörper, an dem fie ent-
lang friecht. Vorher hat fie „verjucht”, und jeder VBerjuch war ein „Srrtum”. „DBerjfuch und
Srrtum” it das Grumdprinzip der in Spirallinie erfolgenden Bewegung zahlreicher Wimper-
und Seißelinfujorien wie auch Rüdertierchen: ftatt einfach geradeaus zu Shwimmen, machen
jie Damit andauernd „Berjuche”, ob jich die Bemegungsrichtung verbejjern lafje, ob vielleicht
durch Abweichung von der bisherigen Hauptrichtung eine bejjere Stellung zum Lichteinfall
eingenommen oder eine verlodendere Wafjertemperatur gefunden werden fünne und der-
gleichen mehr. Bleibt alles beim alten, jo bleibt auch die Bewegung im ganzen geradeaus
14 Einzeller.
gerichtet; tritt aber ettiva ein Hindernis ein, jo toird fogleich der Streis der Schwingungen ber-
größert, der Bereich der „Verjuche” erweitert. Mit alledem joll aber, wie jedem Einjichtigen
far ift, nicht3 anderes gejagt fein, al3 daß diefe Wejen wie auch zahlreiche andere zu einer
„Überproduftion von Gelegenheiten”, wie zur Strafjen es nennt, befähigt find, eine, wenn
man will, zwedmäßige Eigenjchaft der verjchwenderischen Natur, in eine Reihe zu ftellen
mit der allüberall üppigen Überproduftion von Nachfommenfchaft; denn auch unzählige von
den ausgejtreuten Samen einer Pflanze find „Verfuche”, die jich al3 „Sertum” ermweifen.
Man jieht immer wieder, Geelijches fan die Fritifche Naturforfchung unferen Ein-
zellern nicht nachjagen, und jie Hat das auch in den Fällen nicht tun wollen, two fie, was
jchwerlich ganz zu umgehen ift, Ausdrüde aus der menjchlichen Seelenfunde verwendete
und damit wohl in dem einen oder anderen unkritiihen Kopfe Verwirrung hervorrief.
Zugleich aber jieht man auch wohl, daß es in den Verhaltungsweijen gegenüber äußeren
Einwirkungen oder Neizen jelbit bei ven Einzellern mancherlei recht Bermwiceltes gibt, und
objichon wir jolches im vorjtehenden meilt nur eilig ftreifen fonnten, wird e3 doch an der
Zeit jein, einige bejonvders interejjante derartige Fälle noch genauer zu bejprechen.
Das Kompliziertejte fönnen wir vormegnehmen, ja wir haben e3 jchon erwähnt: wir
jagten, daß die Amöbe nicht ein einziges Mal genau ebenjo wie ein anderes Mal handelt,
und mie bei ihr, jo fanın man auch bei anderen Wejen oftmals nicht vorausjehen, mas fie
unter genau befannten äußeren Bedingungen tun werden: es fpielen eben auch die inneren
Bedingungen des Organismus mit, oder, wieman wohljagt, Diejer unterliegt „Stimmungen“.
Dabei wird natürlich wiederum durchaus nicht an das etwaige jeeliiche Leben gedacht, wohl _
aber in Erwägung gezogen, daß je nach vorangegangenen Erlebnijjen, je nad) dem Fütte-
rungszuftande, den vorangegangenen Erichütterungen und jonftigen Reizen der Drganiz-
mus veränderte Zuftände haben und verschiedene Reaktionen vollführen fann. Nur in ver-
hältnismäßig einfachen Fällen fünnen wir den uns dann fchon immerhin fompliziert er-
jheinenden Ablauf der verjchiedenen NReaktionsweijen, die Schritt für Schritt bemerfbare
„Stimmbarfeit“, erfahrungsmäßig feititellen und für die Zukunft als Regel feitlegen.
Ein ausgezeichnetes Beijpiel dafür, auf das uns Jennings aufmerkjam gemacht hat,
bietet da3 Trompetentierchen, Stentor roeseli. Nehmen wir einmal an, jolch eine lebende
Trompete jiße, am Sußende — das wäre das Mundjtüd der Trompete — in ihrem Schleim-
häuschen befejtigt, in „behaglichiter Ruhe” an einer Wafjerpflanze und lafje am freien Ende
die Adimper jtändig zum Ziwede der Nahrungszufpitlung rotieren, wie e3 dieje Tiere ebenjo
wie die Ölodentierchen tun, wenn nichts fie jtört. Sept ftreut der Beobachter Karminkörnchen
ins Wajfjer, die auf den Trompetenmund fallen. Was tut die Trompete? Zuerit nichts.
Gebt man aber die Keizung Durch Karminkörnchen fort, jo erfolgt zu zweit eine energijche
Wegkrümmung des Stentor für furze Zeit. Hilft iym auch das nicht, Hagelt e3 weiter
Karminkörnchen, jo Fehrt er zu dritt plößlich den Flimmerfchlag um, al3 ob er fich gewaltig
Ichneuzen wollte. Aber auch Ddieje Reaktion, die jonft oftmals feine Miündungsfläche von
unerwünjchten Fremdförpern befreien mag, Hilft ihm in diefem Falle nicht, Der Beobachter
überjchüttet unjeren Stentor immer aufs neue mit Karmin. Seht antwortet das Trompeten-
tierchen zu viert mit mehrmaligen Zufammenziehungen feines ganzen Körpers; zu fünft
bemerft man, daß die Kiontraftionen noch Fräftiger werden und länger andauern. Cndlic)
mwird’3 dem Trompetentierchen zu dumm, e3 Löft ji — jechjtens — aus jeiner Schleim-
vöhre und [hwimmt davon. „Schlau!” jagt vielleicht der Beobachter im Scherz, „ver Stentor
hat unjere Arglift gemerkt.” Ja, der Stentor ift jogar noch „Ichlauer”. Angenommen, toir
Allgemeines. 15
haben das Snfufor nicht jo lange gereizt, bis e8 davonjchwimmt, fondern nur bis zu den
mehrmaligen jtarfen Zujammenziehungen; hierauf gönnen wir ihm eine Weile NRuhe, und
dann erjt überjchütten wir e3 aufs neue mit Karminpulver, jo werden wir feititellen, daß
e3 nicht mehr die Yange Reihe von vergeblichen Abmwehrverfuchen wiederholt, „es fennt
die Sache Schon” und antiwortet jofort mit heftiger Kontraktion, al3 habe e3 etivaS gelernt.
E3 gibt num Foricher, die tatjächlich dieje Beobachtungen in etwas ausgiebigerem Maße
„Piychologijch" verwerten und deuten wollen. Solange fie fich dabei bewußt find, daß fie
auf Hypothetifches Gebiet übertreten, läßt jich nichts Entfcheidendes dafiir oder damwider
jagen. Sobald fie aber von Bemeijen jprechen wollten, müßte man ihnen entgegenhalten,
dag nur phnfiologiiche Zuftandsänderungen bemiejen find, ohne die es nun einmal, mag
man über das ©eelijche denfen, wie man wolle, nicht abgeht. Der Stentor, der eine Beit-
lang gereizt worden ilt, ohne reagiert zu haben, ijt eben in gemwilfen Sinne nicht mehr der-
jelbe wie vorher, irgend etwas in jeinem Chemismus und Mechanismus hat fich geändert,
irgendwelche Spannungen jind erhöht, Hemmungen gelodert worden, und darum fann und
muß zu zweit ein anderes Verhalten eintreten al3 zu exit, ebenfjo zu dritt und fo fort; der
©tentor, der fich vor einem Weilchen ftark zufammengezogen hatte, ijt noch in demjenigen
Zuftande, in dem Ddieje Reaktion leicht eintritt, und deshalb überjpringt er bei Er-
nenerung des Neizverjuches die erjten Stadien: all das beruht auf feinen ihm und allen
jeinen Artgenofjfen angeborenen Eigentümlichkeiten, die vergleichbar find den mehrfachen
Gicherungen einer Majchine, bei der 3. B. bei geringerer Dampfjpannung ein fchwächeres,
bei höherer ein jtärferes Ventil felbittätig in Wirkjamfeit tritt. Bemeije für fein Geelen-
leben und Andeutungen über dejjen Art find aus diejen gleichwohl jehr interejjanten Xebens-
äußerungen nicht zu entnehmen. Man mag vom „Lernvermögen” jprechen, muß diefes
dann aber jo auffallen, wie es der Phhyjiologe, nicht wie e3 der Piychologe tut.
ir wollen nun nod) einen ausgezeichneten Fall von „Lernvermögen” beiprechen, den
zwei amerifanijche Sorjcher, Day und Bently, beim Bantoffeltierchen, Paramaecium, feit-
ftellten. Die genannten Beobachter jperrten ein einzelnes Bantoffeltierchen in ein gläjerne3
Kapillarröhrchen, daS weniger weit war al3 das Verfuchstierchen lang. Daher mußte das
Paramäzium, jobald e3 bei feinen Bewegungen an das Ende des Röhrchens gelangte, eine
ltarfe Sörperrümmung ausführen, wenn es umfehren und fich weiter bewegen wollte. Dies
gelang ihm begreiflicherweije nicht gleich zu Anfang, fondern e3 waren zunächlt eine ganze
Anzahl von Umkrümmungsverfuchen nötig, biS eine Umfrümmmung hinreichend ftarf war, um
dem Tierchen die Umkehr zu ermöglichen. Schon bei der zweiten Umfehr machte das Tierchen
bedeutend weniger vergebliche Verfuche und von der fünfzehnten Umfehr ab ftet3 nur noch
jehr wenige oder gar feine; mit anderen Worten: das Umfehren gelang dann fofort, das Ban-
tofjeltierchen hatte die hinreichend ftarfe Umkriimmung fehon in wenigen Minuten „gelernt”.
63 mag num fein, daß ziwiichen diefem Lernvorgang und dem Lernen bei einem Menfchen-
finde nur ein gradueller Unterjchied bejteht, anderjeitS aber wird man fich der Annahme wohl
Taum verjchließen Tönnen, es werde beidem Bantoffeltierchen wohl eine angeborene Reaktiong-
folge vorliegen, die Baramäzien jeien eben von Anfang an darauf eingerichtet, fo, wie hier
beichtieben, zu reagieren: in geräumigen Gegenden werden fie jich eben fchnell an fchmwächere
Umfrümmungen gewöhnen, und in weniger geräumigen Gegenden, in einem fozujagen
engmajchigen Raume, wie ihn 3. B. das Innere faulender Pflanzenteilchen darftellt, in dem
die Baramäzien gern herumkiiechen, werden fie rajch ftärkere Umkrümmungen annehmen;
mit anderen Worten, die Majchine arbeitet, wie fie muß, und meil fie nicht anders Tann.
16 Einzeller.
63 bleibt alfo dabei, wir fönnen jeelifches Leben den Einzellern nicht nachweien, denn
irgendwelche Beobachtungen, die in diejer Richtung ertragreicher erjcheinen fünnten al3
die zuleßt erwähnten, wüßten wir nicht zu nennen.
Eine andere Frage ift num, ob wir diefen Lebewejen jeelifche Funktionen geradezu
abfprechen dürfen. Dieje Frage verneinen wir durchaus. Selbit wenn fraglich jein mag,
ob die oben angezogenen Beobachtungen die fpringenden Punkte für etwaige jeelijche Tätig-
feit — jei es mittwirfende oder daneben einhergehende — jind, jo jtehen die gejamten Proto-
zoen einfach destwegen, weil fie Lebewejen find, von zelligem Bau und protoplasmatijcher
Beichaffenheit, jchon viel zu nahe an den Wejen, deren jeelisches Jnnenleben wir nicht be-
‚zweifeln, als daß mir ihnen ein folches jchlechtweg abjprechen Fönnten. „Die Natur macht
feinen Sprung”, jagt man. Wenn man dennoc einen „Sprung“, eine Grenze zwiichen
einem bejeelten und einem unbejeelten Naturreich, annehmen will, jo mag man fie zwijchen
dem Belebten und dem Unbelebten, nicht aber zwijchen dem Bießeller und dem Ein-
zeller fuchen. Franz hat darauf hingewiefen, daß die gelegentlich aufgetretene Behauptung,
nur Nerventiere hätten Bewußtfein, nur ein Gehirn Fünne dejjen ©iß jein, aus vielen
Gründen nicht zwingend erjcheint, da 3. B. zwiichen Nervenjubjtanz und jonjtiger lebender
Subitanz längjt nicht ein jolcher Unterjchied ift wie zwijchen ©eelijchem und Nichtjeelijchen,
und auch die Nervenjubjtanz aus fonftiger lebender Cubjtanz hervorgegangen jein muß.
Befeelt mögen auch die Vrotogoen fein, nur fünnen wir uns faum irgendeine und vor
allem feine fichere Vorftellung über die Art ihres Seelenlebens machen. Berjuchen toir
e3, fo fommen wir leicht dazu, nach Worten zu ringen, wie denn M. Heidenhain den Ein-
zelfigen eine „dumpfe”" Empfindung zufehreiben möchte, während Pflüger jogar jchon
bei der Anziehung von Atomen ein „Aufbligen” der Empfindung annahm. Db wir wenig-
ftens jo viel annehmen follen, daß die Einzelligen die Schmerzempfindung Tennen? 3
ift möglich, aber nicht gewiß. Db Kafka im Necht ift, jo allgemeine Regungen wie Hunger,
Liebe und Furcht im ganzen Tierreiche zu fordern? Vielleicht. Aber feinesfalls ift viejer
Autor im Recht, fich mit diefer feiner Anficht in Gegenjab zu zur Strafjen zu jtellen, der
doch felber fich zu der Hpypotheje gedrängt fühlt, „oaß das Bemwußtjein Fein menjchlicher
Spezialbefis, fondern auch bei Tieren vorhanden jet”.
Biele Forjcher möchten bei den Einzellern gewiffermaßen das erjte Aufbänmern von Be-
wußtjein annehmen; Franz glaubt eher, wir find bei diejen dem Menjchen am jernften unter
allen Tieren ftehenden Wefen bereits jo weit ab von dem für uns Erfaßbaren auf piycholo-
giichem Gebiet gefommen, daß wir deshalb das etwa Vorhandene nicht finden Fönnen.
Doc num genug von den Grörterungen über die Seelenfrage bei Eingellern, eine
Ftage, die man mit vollem Recht für unfruchtbar erflären fann, die aber, Hand aufs Herz,
jich jeder einmal ftellt. €3 ift mit ihr ähnlich wie mit der Trage nad) dem Leben auf
fremden Weltförpern: ignoramus; ignorabimus? Die Wiljenfchaft Tann einftmeilen Die
Frage nicht beantworten, jondern fie nur begrenzen. Wir wijjen nichts Vejtinmtes, wir
fönnen nur das Allgemeinfte glauben oder doch für möglich halten. Darum dürfen mir
bei nüchternen wifjenfchaftlihen Forfchungen an Einzellern das ©eelijche beijeite lajjen,
wennjchon wir e3, auf unfer Gemifjen gefragt, nicht einfach leugnen Tönnen.
Die Einzeller al8 Barajiten und Krankfheitserreger. Daß es unter den
Einzellern viele parafitifch Tebende gibt, ift von vornherein fat jelbftverjtändlich, einfach
wegen ihrer Sleinheit. Denn je Kleiner die Vertreter eines Tierjtammes find, um jo eher
Allgemeines. 17
fan eine Mehrzahl von ihnen das Schmarogerleben auf oder in anderen Tieren angenom-
men haben. Wir werden daher jo nıanche Beijpiele von Eftoparafitismus und Entopara-
jitismus im Reiche der Protogven fennenlernen. Wenn gelegentlich jogar auf Snfujorien
oder in folchen andere, Fleinere Smfuforienarten Schmarogend gefunden werden, jo mag
uns das, um den Durch Roejel von Nojenhof in unferer Wilfenfchaft geheiligten Ausprud zu
gebrauchen, „beluftigen”. ber auch viel ernftere und wichtigere Studien des VBarafitismus
Mmüpfen jich an die Einzeller; find doch, wie die lebten 50 Jahre gelehrt haben, unter ihnen
zahlreiche Erreger Schwerer Krankheiten des Menjchen, der Haustiere und anderer Tiere
gerade jo aut wie unter den ins Pflanzenreich gehörigen, daher in Warburgs „Vflanzen-
welt” behandelten Bakterien. Ganz bejonders von den jogenannten Tropenkranfheiten, ven
jhweren Fejjeln der Kolonialwirtjchaft aller Kulturbölfer, find viele protogoijchen Urjprung?2.
Die verhältnismäßig neue Wijjenichaft von den Frankheitserregenden oder „pathogenen
Protozoen, die an Umfang wohl jchon die Kunde von den freilebenden Protozoen über-
trifft, Hat unjere Kenntnis von den Einzellern ganz ungemein erweitert, und es ijt jchtwer zu
jagen, um wieviel; vielleicht wird es näherungsweije ebenfo viele parafitijche wie freilebende
Arten von Einzellern geben, nur daß wir von jenen exit einen Teil fennen. Hand in Hand
mit den biologiichen Studien gehen bei den Frantheitserregenden Arten jelbitverjtändlich
therapeutijche, medizinische, und in vielen Fällen hat man in der Heilung und Verhütung
der Leiden und Seuchen jchon unermeßlich jegensteiche Fortjchritte gemacht.
Erite Klafje:
Wurzelfüißer (Rhizopoda).
Die „amöboide Bewegung”, das abwechjelnde Ausitreden und Einziehen von Plasıa-
ärmehen oder -beinchen, von „Scheinfüßchen” oder „PBfeudopodien”, wie man in der Wifjen-
Ichaft jagt, ift das gemeinfame Kennzeichen aller Wurzelfüßer (Rhizopoda). Der Plasına-
leib diejer Tierchen entbehrt aljo entweder überall, wie bei den echten Amöben, oder Doc)
itellenmweife, wie bei den bejchalten oder gehäujetragenden Wurzelfüßern, fejter Um-
hüllungen; dieje Lebewefen find nicht nur innen, fondern auch an ihrer Oberfläche flüjjigen
Zuftandes oder mindejtens ijt ihre Oberfläche „Feitflüflig” und fann fich jeden Augenblid
teilweije verflüffigen; jie find im einfachiten Falle Tröpfchen ohne beftändige Geftalt. Als
Schulbeijpiel eines Wurzelfüßer3 mag die jchon mehrfach erwähnte „Umöbe” gelten, Doc
haben längjt nicht bei allen Wurzelfüßern die Scheinfügchen jenes lappenfürmige Auzs-
jehen wie bei ihr, jondern für große Abteilungen diejer Kaffe jind jtab- oder faven-
fürmige Scheinfüßchen fennzeichnend, jogar- wurzelfürmig verzmweigte fommen vor, und
dieje gaben Anlaß zu dem Namen Wurzelfüßer. &3 wäre wohl unmöglich, daß die flüfjige
Majje jolche Formen, wenn auch nur vorübergehend, annehmen fünnte, wenn nicht jedes
fadenförmige Pjeudopodium bei feiner Entftehung zugleich eine Stüge aus augenblidfich
erhärtender, fejt werdender Mafje bildete, wie das exit neuerdings Doflein mit feinen mifro-
Hopiihen Hilfsmitteln jicher beobachtet Hat. Schon die genannten Fähigkeiten der Nhi-
zopoden deuten uns an, daß es fich auch bei diefen Organismen um hochfomplizierte
Spiteme Handelt, die eben nur an Form, an Drganausbildung bejonders einfach in Der
Gejamtheit der Xebeiwejen dajtehen. Gehen mir noch genauer zu, jo werden wir auch in
aller Unbejtändigfeit der Gejtalt doch bei jeder Art hinreichend beitimmte Grundzüge des
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 2
18 Einzeller: Wurzelfüßer.
Ausfehens wiederfinden, jchon in Den weichen, beiweglichen Teilen, in noch viel höherem
Grade aber in den Hartgebilden, die nur den echten Amöben gänzlich fehlen, und die den
höchften Grad der Ktompfiziertheit zugleich mit Herrlichter Schönheit für das menschliche
Auge in ven Stiejeljfeletten der Rapivlarien erreichen.
Erfjte Ordnung:
NSechjeltierchen (Amoebozoa).
Man Durchmuftere, fo lautet das afteNezept, mit ftarken Bergrößerungen den Schlamm.
aus ftehenden Gemäljern oder den Sa aus Aufgüfien verjchiedeniter Alt, jo wird Das
Auge oft dich Iebende Schleimflümpchen gefejlelt, die in ihrem größtenteil3 etwas Förıig
oder jchaumig ausjehenden Leibe neben aufgenommenen Nahrungsteilchen einen Zellkern
und eine langjam puljierende Vafnole erkennen Yajjfen: dies find die Wechjeltierchen, die
Ymöben. Wir möchten hinzufügen, daß Dieje Tierchen meift nicht zu den jo ganz häufigen
gehören, daß man jo manche Schlammprobe vergeblich nach ihnen abjucht und der begehrten
Objekte in der Kegel am eheiten anjichtig wird, wenn man von dem auf Wajjerflächen jich
abjegenden Flüfjigfeitshäutchen etwas unter das Mifroffop bringt. Berhältnismäßig felten
iind die Bewegungen der Wechjeltierhen auffallend rajch, oft find fie ziemlich langjfam
und manchmal it ihr Tempo nahezu gleich Null: in diefem Falle wird man faum Gelegen-
heit finden, den interejjanten Freßvorgang, d. h. das Umjchliegen oder Umfließen von
Keineren tierischen oder pflanzlichen Organismen, und die Defälation, die Ausftogung der
unverdaulichen Nefte des Gefrejjenen, mit eigenen Augen zu verfolgen; mit um fo größerer
Nuhe aber fann man dann manchmal die Sormen der Pjeudopodien an den einzelnen Tie-
ren beobachten: das eine Tier zeigt uns vielleicht gerade den Anfang der Ausijtogung eines
Scheinfüßchens, ein zweites hat bereit3 breitere oder längere Xäppchen vorfließen lajjen,
bei einem dritten jind Ddieje Läppchen ftellenmweife ein wenig verzweigt; jelten find arm»
leuchterähnliche Verzweigungen, aber auch dieje fommen bei manchen Amöbenarten vor.
Da: man oftmals von „ver” Amöbe jpricht, al$ ob es nur eine Art von Wechjel-
tierchen gäbe, ijt e8 bejonders wichtig, daß wir den geradezu ungeheuren Artenreichtum,
der hier bejteht, Durch Anführung einer größeren Anzahl wichtigerer Beijpiele belegeı.
Eine erfchöpfende Überficht zu geben, wäre bis auf den heutigen Tag noch fein Forjcher
imstande: auf diejem Gebiete ift noch vieles unerforjcht.
Als Typus der Gattung Amoeba Zhrbg. betrachten tie immer noch am beiten die alt-
berühmte Amoeba proteus Pall. (f. Tafel „Einzeller I", 2, bei ©. 34), daS Bielgeitaltige
Wechjeltierhen, den Kleinen Broteus, wie fie ihr Entveder, Roejel dv. Rojenhof, 1775
nannte. Ein großer Kern, meijt nur eine, jeltener zivei puljierende Blajen im Plasma, ferner
außer zahlreichen Nahrungskürpern Itet3 eine Menge Heiner Sriftalle, vor allem aber die meist
große Zahl von etwa fchlauchförmigen Scheinfühchen, das find Die Hauptfennzeichen Diejes
jehr beweglichen, befanntejten aller Wechjeltierchen, das im Schlamm und an Pflanzen, in
reinem fomie in etwas fauligem, bafterienhaltigem Waffer feinen Wohnbereich Hat. Bei aus-
giebiger Pleudopodienbildung verwendet Ddiefes Tier fat feine ganze Blasmamajje zu den
langgejtredten Scheinfühchen. Sn diefer Geftalt verharrt es namentlich dann, wenn es gerade
frei im Wafjer jehtvebt. Sobald aber die Spiße eines der Pjeudopodien mit etwas Teitem in
Berührung fommt, street fich, wie dies Jennings bejchreibt, diejes eine Scheinfüßchen über Die
Oberfläche des Gegenjtandes Hin und haftet daran feit, und das Protoplasma beginnt in der
Wechjeltierden. 19
Richtung nad) der feithaftenden Spibe hin zu fließen; dies fann um fo ausgiebiger gejchehen,
als gleichzeitig Die anderen Pjeudopodien, die nod) frei ins Waffer ragen, eingezogen werden,
und „nach kurzer Seit bildet die Amöbe, die Faum exit noch aus lauter langen Armen be-
tand, Die jich nach allen Richtungen vom Mittelpunkt aus borftreden, eine zufanmen-
geflojjene flache Majje und triecht in der gewöhnlichen Weije auf der Oberfläche dahin“.
Diejes Verhalten und ebenjo der oben befchriebene Freßvorgang, für den uns alß Bei-
jpiel unjere Amoeba proteus diente, mag durch den fchon oben (©. 11) beiprochenen Ber-
gleich mit anorganijchen Shjtemen, die jich in ähnlicher Weife Durch Wechfel der Ober-
flächenjpannung bewegen, auf ziemlich einfache Weife zu erklären fein, worauf namentlich
Bütichli, Duinde und Ahumbler hin- in
gewiejen haben.
Auf viel größere Schwierigfei-
ten jtößt Dagegen die phhfifaliiche
Erflärung derjenigen Amöbenbeme-
gung, Die gleichfall3 bei Amoeba pro-
teus beobachtet wırrde: Dellinger
baute jich eine Einrichtung, die ihm
gejtattete, die Amöben nicht wie ge-
mwöhnlich von oben, jondern von der
©eite mit dem Miftojfop zu beob-
achten: da jah er, daß die Amöbe
„auf PBjeudopodien fchreitet”. Wie
ver Blutegel jein Kopfende vorjtredt,
befeitigt, Dann das Hinterende nach-
zieht, diejes befejtigt, Darauf wieder
das Kopfende loslöft, e3 vorjtredt, SL DR
aufs neue befeitigt uff., jo fanı eS, [Senne nie iBRBER Ba. ed
A rec au) Aradeha pro: a us
teus tun und Dabei Hindernifje iiber- fontraftile Bafuole, en en Be: Aus %. Voflein,
jteigen. Diefe Bemwegungsweije, die
auch) an das Striechen einer Spannerraupe erinnert, mag uns eindrudspoll vor Augen
führen, daß die Theorie der Tröpfchenbewegung jedenfalls nur in eriter Näherung die
Tatjahhen zu erklären vermag, und daß fie vielleicht nicht fiir alle Fülle zutreffen wird.
Daß wir dennoch mit ihr nicht auf faljchem Wege find, vermag una ebenjo eindrudspoll
Amoeba verrucosa zu lehren.
Amoeba verrucosa Zihrbg., das Nauhe Wechjjeltierchen, ifteinvielträgeres, fait jtet3
Humpiges, an der Oberfläche durch die meist jehr kurzen, wulftartigen Bjeudopodien faltig oder
höderig erjcheinendes Wechjeltierchen. Sriftällchen fehlen ihn, fonft ift fein Suneres und aud)
jein Borfommen das gleiche wie bei A. proteus. Die Nahrungsaufnahme bejteht oft darin,
daß der Nährlörper zuerjt auf der Oberfläche der Amöbe flebenbleibt und das Tier dann
über ihn Hinmwegfriecht und ihn Hierbei fich einverleibt. Aber Ahumbler jah auch, wie Amöben
diejer Art Ulgenfäden verjchlangen, die mehrmals länger waren als fie jelbit. Die Amöbe
läßt jich auf der Mitte des Ulgenfadens nieder, umfchließt ihn und zieht fich an ihm in die Länge.
Kun Frünmmmt jich das eine Ende des Fadens herum, jo daß er eine Schleife bildet. Dann ftreckt
fich Die Amöbe wieder an dem bereit3 einmal umgefchlungenen Faden aus, Frünmmt ihn aufs
9%
zZ
20 Einzeller: Wurzelfüßer.
neue herum, und diefer Vorgang wiederholt jich jo lange, bis das Tier den Faden in feinem
Inneren bollftändig aufgefnäuelt dat. Nachdem num die verdaulichen Bejtandteile des Algen-
fadens in das Plasma des Wechjeltiercheng übergegangen jind, werden die unverdaulichen
Nefte wieder ausgejtoßen. Was num bejonders interefjant it: Ahumbler war imftande, auch:
diejes fomplizierte Gejchehen in allen Stüden im Neiche des Unbelebten nachzuahmen:
feine jcheinbar lebende Amöbe it ein Tropfen alkoholischer Schellalöfung, jein Algenfaden
ein jehr dünner Schelladfaden. Kommt der Tropfen mit ihm in Berührung, jo macht ev’3
genau iwie die Amöbe, jtreckt fich an ihm und fnäuelt ihn in fich auf; findet die Schelladamöbe
jtatt des Schellacjadens einen mit Schellac überzogenen Glasfaden, fo gibt jie jchließlich den
reinen, „unverdaulichen” Glasfaden wieder von jich. Diejer Vorgang läßt fich, ebenjo wie
das obenerwähnte Erperiment mit dem Duecjilbertropfen, einer großen Verfammlung
zeigen, indem man mit Hilfe des PBrojeltionsapparates das jich jtändig derändernde Bild
an die Leinwand toirft, und wer Dabei
zugegen gemejen ijt, wird nicht mehr
zweifeln, daß Die Amöbe vermöge der-
jelben Sträfte wie der unbelebte Trop-
fen frißt und verdaut.
©o eritaumlich die Geftaltverände-
rungen der Rauhen Amöbe und einer
anderen, jtch ähnlich verhaltennen Art
beim teilen langer Algenfäden jind,
jo betätigen diefe Wechjeltierchen beim
Kriechen meilt ihre ganze Schwerfäl-
E . Nigfeit. Die zähe Außenfchicht einer
Raupes Wedfeltierdjen, Amoeba verrucosa Ehrbg., im Bitdenad Amoeba verrucosa wirkt da fajt wie
vecht3 Friechend. en aus Doflein, eine Haut, und das Kriechen Diejes
Tieres it fein Fliegen mehr, jondern
in gewiljem Sinne ein Rollen: das innere, weichere Plasma rücdt in ganzer Maife in der
Bemwegungsrichtung vorwärts und drückt daher jtändig „porn“ die feitere Hautjchicht zu
Boden, ähnlich wie — man Fann es nicht beijjer vergleichen — ein LZavajtrom oder die aus
einem Schmelzofen herbortretende Metallntafje dauernd auf der Hautjchicht fließt, Die an
ihrer oberen Fläche erjtarıte und durch das jtrömende Sunere nad) unten gedrüdt wird.
Koch mancherlei wäre über die LXebensericheinungen an Amöben zu jagen. Doch
wollten wir uns hier auch für ihren AUrtenreichtum interefjieren. ©o jei denn als eine nahe
Berivandte der beiden erwähnten Arten noch Amoeba terricola Grff. erwähnt, das Yand-
bewohnende Wechjeltierhen. Auch dies it eine träge, verhältnismäßig plumpe Art,
die aber in feuchter Erde und in Moosrajen zu finden ijt. Sie ilt jedoch nur eine, wenn
auch die befanntejte unter den erdbewohnenden Amöben, und ein Forjcher, Benard, der
diefe und ähnliche Formen unlängft genau unterfucht hat, fonnte nicht weniger als fechs
Arten der Terricola-Öruppe unterjcheiden.
ir hätten, wenn wir vollitändig fein wollten, noch zahlreiche frei lebende Arten der
Gattung Amoeba zu beschreiben. Viele meist wohlunterjchiedene Arten aber jind exit ein-
mal oder nur wenige Male gefunden worden oder in Sulturen aufgetreten. Zuden häufigeren
Cüßmajjerformen gehört noch das feit 1902 befannte, in Deutjchland und in der Schweiz
in diatomeen- und algenreichem Sumpf- und Mooriwafjer gefundene Fledermauswechjel-
Wecjeltierdhen. 21
tierchen, Amoeba vespertilio Penard, mit dreiedig-jpiben Vfeudopodien. Wenn man echte
Amöben in Abmwäljern oder in mit Kanalwaljer vermijchten Flußwajjerproben findet, jo
handelt es jich, wie wir Mez entnehmen, wohl in der Regel um das Berzweigte Wechjel-
tierchen, Amoeba brachiata Duj.
Weniger zahlreich als im Süßmafjer leben Amöben im Meere. Die Kriftällchen-
amöbe, Amoeba cristalligera Grbr., it eine durch ihren Reichtum an rechtecigen Kriftall-
plättchen ausgezeichnete Amöbe, die in der Nordjee und im Mittelmeere gefunden wurde.
Lohmann Fonnte namentlich durch jorgfältiges Abjuchen der äußert feinen naturgefchaffe-
nen Planftonnege in den Gehäujen von Appendikiularien eine Anzahl vermutlich Bi
neuer Amöbenarten der Dftjiee auffinven.
Man jieht, die Arten jind mählerijch in ihren Anjprüchen an ihre Umgebung, und zahl-
reiche, zum Teil noch jehr ungenau befannte leben jogar vorübergehend oder ausjchlieglich
im Darm, andere wieder in anderen Teilen von Tieren oder Menjchen. Zu ihnen gehört
die Umöbe der Küchenjchabe, Entamoeba blattae Bütsch. (Amoeba), ein harmlofer
Tiichgenojje ihres Wirtes. Cie zeichnet fich durch Feichtflülliges Eftoplasma aus, das jich
beim Striechen des Tieres in jogenannter „Fontänenjtrömung” befindet. Das Heißt, in
der Mittellinie der Unterjeite läuft ein Strom nach vorn, teilt fich dort und läuft an den
Geiten der Amöbe rückwärts, jo daß er für den von oben her blidenden Mikcoifopifer das
Bild einer Fontäne bietet; wiederum für die phoyftfaliiche Erklärung der Amöbenbeme-
gung ein Problem, über dejien Kösbarfeit die einzelnen Horicher jehr verjchieden denfen.
Ein häufiger Darmparafit des Menjchen aus der paralitiichen Amöbengattung Darm-
amöbe (Entamoeba Cas. et Barb.) iit die harmloje Diddarmamoöbe, Entamoeba coli
Loesch (Amoeba), die majjenwetje in Dildarmgefhmwüren, Leberabizejjen ujw. beim Men-
jhen angetroffen wird; ein anderer, jehr ähnlicher, aber Franfheitserregender die Dy3-
enterieamöbe, Entamoeba histolytica Schaud. (Entamoeba tetragena, Amoeba dys-
enteriae). Beide Arten wurden lange Zeit zujammengemworfen und exit durch Schaudinn
1903 und Hartmann 1907 voneinander getrennt. Die Dysenterieamöbe tft in den Tropen
und Subtropen meitverbreitet und verurjacht die gefährlichite Form der tropijchen Dys-
enterie oder Amöbenruhr des Menjchen, die jich in jchweren Durchfällen und Darmentzüns .
dungen äußert und Schließlich zum Tode führen fan. Die Amöbe nährt jich von Blutför-
perchen, Bellteilen und Bakterien und lebt nicht nur im Darm, fondern vermag auch die
Darmwand zu Durchbohren, wie jchon Robert Koch 1883 nachiwies, und gerade Dadurd)
die jo gefährlichen eiterigen Gejchwüre zu erzeugen.
Übrigens gibt es auch Formen der Nuhrerkranfung, die nicht auf Amöben beruhen,
jondern bazillären Ursprungs find; jo die Nuhr in Deutjichland, in Japan, in Manila. A
Amöbenarten der Untergattung Entamoeba, die im Darın des Menfchen jchmarogend ge-
funden wurden, findet man bei M. Braun oder bei 3. Doflein, auf deren Werfen mir
hier und im folgenden bei parafitiichen Protozven großenteils fußen, noch etiva neun auf-
gezählt; dazu manche, die bei verjchiedenen Tieren borfommen.
Wir find mit diefen parafitiichen Arten jcehon zu folchen gefommen, die von den frei-
lebenden erheblicher verjchteden jind und daher meilt in bejonderen Gattungen geführt
werden. ©o hat man auch, um zu den freilebenden Formen zurüczufehren, eine Gattung
von Wechjeltierchen aufgeitellt, die ohne deutlich abgejegte Pjeudopodien fliegen, Hyalodis-
cus 7. L. Hierher gehört das jehr Heine Tröpfchen, Hyalodiscus guttula Duj. (Amoeba),
das ruhend Fugelcund, Friechend oval ausfieht und in falt allen Heuaufgüijen zu finden ift,
22 Einzeller: Wurzelfüßer.
ferner das noch befanntere Schnedchen, Hyalodiscus limax Duj. (Amoeba), ein lang-
gejtrecdtes, Daher in der Gejtalt etwa einer zufammengefauerten Nacdtichnede gleichendes,
aber jeht bewegliches Wechfeltierchen, das am Vorderende der Kriechrichtung feine Plasma-
majje gewijlermaßen als ein einziges breitlappiges Pjeudopodium vorliegen läßt. Dieje
häufige Art nebjt rund zehn ihr nächit verwandten, aber nicht mehr die erwähnte Amoeba
guttula, werden nun neuerdings, jeit 1912, wieder zu einer neuen Gattung, Vahlkampfia
Chatton, vereinigt als „Heine Amöben, die fich fließend mit einem großen Pjeudopodium
(Bandform) oder mit mehreren kurzen, plumpen Pieudopodien fortbewegen; Eftoplasma
und Entoplasma deutlich zu unterjicheiden; Körperoberfläche nadt; eine fontraftile Vakuole;,
Kern mit großem Binnenfürper und chromatinhaltiger Kernrandichicht (Außenfern)” ujm.
Die von Th. dv. Wafieleroffi und U. Keiler 1914 gegebene Gattungsbeichreibung ift in
Wirklichkeit noch einmal fo lang; einjtweilen genüge uns das Gejagte, um durch einen
flüchtigen Einblid in die Arbeitsftätte der Foricher zu erfahren, wie unendlich viel es
Ihon bei den Amöben zu bejchreiben gibt.
Wiederum einer anderen Gattung, Dactylösphaerium 7. L., rechnet man die Umöben
mit rundem Körper und jcharf von ihm abgejeßten, im ausgejtredten Zuftande finger-
förmigen biS lang jtrahlenförmigen Pfeudopodien zu. Die ausgezeichnetfte Art ift die
Strahlenamdöbe, Dactylosphaerium radiosum Ehrbg. (Amoeba), unferer Gemäffer, und
bei der Größe und Beltändigfeit der AUrt- und Gattungsunterichiede in der Amöbenmelt
it nichts anderes als eine bloß zufällige Kormanähnelung darin zu finden, wenn, nach
Berivorn, auch Die Amoeba limax bei jhwachen SKaltlaugezufab zum Wafjer die Ra-
diosa-ejtalt annimmt; die beiden Arten find miteinander nur entfernt verwandt. Die
nächte Verwandte der Strahlenamöbe ift da3 Glafige Wechjeltierchen, Dactylosphae-
rum vitreum H.L. (Amoeba), dejjen Scheibe jedoch größer, und dejjen Scheinfüßchen
nicht jo ftrahlen- oder peitfchenförmig, jondern fehon mehr fingerfürmig find. Daneben
fteht noch das der vorigen Ähnliche, aber über und über mit ftachelfürmigen Fortjägen
bededte Dactylosphaerium mirabile Zeidy (Dinamoeba, Chaetoproteus), ein Tier aus
Zorfiümpfen, das im Verichlingen von Ulgenfädern e3 der Amoeba verrucosa gleichtut.
„Sroße bis jehr große, träge Amöben mit breiten, kurzen, bruchjadartigen Pjeudo-
podien, die vielfach nur als hHalbmondförmiger, durchlichtiger Saum an einer Borwölbung
des Plasmas erjcheinen; gewöhnlich ohne Pjeudopodienbildung fließend, wobei der Umriß
etwa birnfürmig ift, daS breite Ende nach vorn; mehrere bis äußerst zahlreiche Kerne;
fontraftile Bafuole nicht beobachtet; im Entoplasma oft zahlreiche fogenannte Glanzkörper
und bafterienähnliche Stäbchen”, das find, nach Blochmann, die Kennzeichen der Amöben-
gattung Pelomyxa Grff. Die häufigite, befonders in jtark fauligem Schlammz-, Moor- und
Zorfgrumd lebende Art ijt vie Schlammamöbe, Pelomyxa palustris Grff. (j. Tafel „Ein-
zeller I”, 11, bei ©. 34), die bi$ 3 mm groß wird. Die „Slanzkörper” beitehen aus Gly-
fogen, einem SKohlehydrat. Damit möge es hier genug fein von der großen Artenzahl der
Amöben, um zu verdeutlichen, daß wir bei ihnen nicht mehr am Anfang des Lebens
jtehen, jondern jchon recht tief in ihm.
Koch eindringlicher fönnten wir die Mannigfaltigfeit der Amöben verdeutlichen, wenn
der Raum es gejtattete, Genaueres über ihre Fortpflanzung zu jagen. Denn damit, daß
der Zellkern jich teilt und feine beiden Abkömmlinge den Plasmaleib in zwei Hälften aus-
einanderziehen, ijt die Sache längjt nicht abgetan. Vielmehr kommt es in anderen Fällen
zur Aufteilung einer Amöbe in eine Mehrzahl von Tochtertieren, und ftet3 verlaufen die
Wecjeltierhen. 23
Kernteilungsporgänge unter Höchft verwidelten Erjcheinungen, und dieje jind bei jeder
Amöbengattung und wohl bei fait jeder Amöbenart andere. Die Bejchreibungen Diejer
Gejchehniffe füllen zahlreiche Blätter in den Annalen der Wifjenjchaft. Ferner geht die
Lebenserhaltung auch bei ven Amöben nicht immer ohne zeitweilige Paarımgsvorgänge ab,
und dieje verlaufen wiederum unter jehr verjchiedenen Erfcheinungen an den Hellfernen, ja
in manchen Fällen fann die eigentliche Paarung anjcheinend durch eine Art Selbitpaarung
der beiden oder zahlreichen Abfönmlinge ein und desjelben Kernes erjeßt werden. Auch Ein-
fapfelungsftadien und Bielteilung werden beobachtet. Und noch fomplizierter ijt der Vebenz-
ablauf mancher Amöben; denn manches von diejen Tierchen ijt überhaupt nur eine Zeitlang
Amöbe, dann wandelt e3 fich in ein ganz anderes Tier um, und zivar in ein Öeißeltierchen.
Dadurch werden zwei große Klajfen der PBrotozoen, die Wurzelfüßer (Rhizopoda)
und die Geißeltiere (Flagellata), miteinander verbunden. Schon jeit 1875 fennen toir durd)
3. €. Schulze auch eine Gattung Geißelamöbe, Mastigamoeba F'. E. Sch., mit der Mastig-
amoeba aspera F. E. Sch. und einigen anderen, heritach befanntgewordenen Arten. Dieje
Geifelamöben find Wechjeltierchen, die ein langes Geißelhaar befigen, weshalb jie mit
noch beijevem Rechte zu den Geikeltieren gejtellt werden mögen. Mochte man im Sinne
der üblichen Abftammıungshypothejen in den Geikelamöben ein Anzeichen dafür jehen,
daß die Geißeltiere fich von amöbenähnlichen Wejen ableiten, jo haben doch Bajcher, Dof-
fein und andere Forfcher neuerdings gerade den umgelehrten Abjtammungsmweg angenom-
men, zumal bei zahlreichen Wurzelfüßern, wenn fie jich im freien oder eingefapjelten Zu-
ftande durch Teilung vermehrt haben, die Teilprodufte die amöboide Bewegung mit Der
Fortbewegung durch Geißeln vertaufchen und zu Geißeljchwärmern oder Zoojporen werden.
Manche Amöben wohnen in zierlichen Häuschen, wie die Schnede im Schnedenhaus.
Unter dem Namen Bejhalte Amöben (Testacea, auch Thalamophora) jtellt man fie den
borerwähnten Nadten Amöben (Amoeboea) gegenüber. Sie fünnen ihre Schale nicht
verlaffen, wohl aber ihre zarten Scheinfüßchen hervorftreden und mit ihnen nad) echter
Amöbenart Frieden und freijen.
Durchfuchen wir Proben von Schlamm- oder Wafferpflanzen mit dem Mitrojtop, jo
entdecfen wir oftmals zahlreiche runde, bräunliche Plättchen, die an Kleine Münzen erinnern.
E3 find die umherliegenden, von unten oder von oben gejehenen Schalen de3 Kapjeltier-
chen3, Arcella vulgaris Zhrbg. (Abb. ©. 24), der befannteften Art in der Chrenbergjchen Gat-
tung Arcella. Bei fühlem Wetter ruhen die Plasmaleiberchen unbemweglich, jind auch wohl
zum Teil innerhalb. der Schale verfapfelt; an märmeren Tagen tun fie ung aber gern den
Gefallen, munter umherzufpazieren und fich dabei auch im Profil zu zeigen. Dann erfennt
man deutlicher die Heine Amöbe, umgeben von einer braunen, unducchfichtigen Schale mit
gewölbter Ritdenfeite und einer eingedrüdten, aber mit mittlerer freisförmiger Mündung
verjehenen Bauchjeite. Das Ganze gleicht einem zierlichen Döschen, während der Name
Arcella, d.h. Heine Arche, eigentlich nur pafjen würde, folange das Schälchen mit der gewwölb-
ten Ritefenfeite nach unten liegt. Aus der Miimdung tritt ein Teil des Weichlörpers mit Turzen,
veränderlichen Fortjägen hervor. Diefer Weichförper hat wieder den Wert einer Zelle, in-
dem er einen Kern enthält. Junge Stüde find durchlichtig, jo daß man den beweglichen
PBrotoplasmakförper auch Durch die Schale hindurch gut beobachten fan. Man jieht alsdann
auch, daß das Gehäufe erft nad) und nad aus einer gleichförmigen Bejchaffenheit in eine jolche
itbergeht, wo e3 aus lauter einzelnen braunen Körnchen oder Facetten zu bejtehen jcheint.
24 Einzeller: Wurzelfüßer.
Derjelbe Phnfiolog, den mir oben auf ein jehr entwicdeltes Geelenleben der Infu-
forien fchließen fahen, W. Engelmann (©. 10), war geneigt, auch unferem Stapfelmwejen
ein Wollen und Handeln zu bejtimmten Ztweden zuzufchreiben. Wir twilfen Schon, daß
jolche Beweisführungen nicht zwingend find, aber die tatfächlichen Beobachtungen, die
ihnen in diejem Falle zugrunde liegen, find jo interejfant und anmutend, daß wir gerne
Kapfeltierhen, Arcella vulgaris Ehrbg. (wehtS oben und unten), und N omelniergen. Difflugia a Perty
(in der Mitte). Vergrößerung 50:1.
jie jelbjt und den Eindrud, den fie dem großen Forjcher machten, hier mitteilen. Engel-
mann jah, daß bei den in einem Wafjertropfen unter dem Mifroffop befindlichen Arzellen
Luftbläschen im Protoplasma zum Vorjchein Famen. Dadurch wınden die Arzellen an die
Oberfläche des Waffers gehoben. Andere jentten fich, indem die Gasblafen aus dem Ge-
häufe ausgeftogen wurden. Wie gejagt, glaubt Engelmann darin getvollte Vorgänge exblicen
zu dürfen, woraus auf jeeliche Eigenfchaften des Protoplasmas zu fchliehen fei. Auch hier
jind wir anderer Meinung. Gegen die Tatfache, daß unter gewifjen Umftänden im Körper
der Arzellen fich Gasblafen bilden, und zwar fo, daß beftimmte Lagen des Körpers damit
Wechjjeltierhen. 25
erreicht werden, ift nichts zu jagen. Auch mag e3 bei vielen Gelegenheiten ganz ziwedmäßig
für die Kapfeltierchen fein, daß fie Ducch ihre Gasbläschen, die nicht nur in der Zimangslage
unter dem Mifroffop, jondern auch im Freien entitehen, in ihrem Wohngemwäffer rajch auf-
und niederjteigen fünnen wie Feine Luftballons. Aber ftatt nun gleich an bemwußte oder
unbemwußte Geelenregungen zu denfen, fönnte man offenbar mit viel mehr Recht an die Stoff-
produktion irgendwelcher Dritjen von vielgelligen Tieren oder auch etiva an die Tätigkeit der
zujammenziehbaren Blajen der Brotozven anfnüpfen. Mithin verlangen die Gasblajen der
Arzellen feine bejondere piychologiiche Erklärung.
Nicht ganz felten ift die uhrglasfürmige Arzellenjchale am Nande in regelmäßigen
Abftänden zinnenartig mit aufgerümmten Zähnen bejegt. Man faßt dieje Form, Arcella
dentata Ehrbg. (j. Tafel „Cinzeller III“, 13, bei ©. 69), entiweder al eigene Art oder als
Abart der vorigen auf. Miübenförmig, höher als breit, ijt die Schale bei der jelteneren
Arcella mitrata Leidy. =
Bei anderen Gattungen, wie bei ven Zeichentierdhen (Euglypha Duy.), ijt Die
Schale jakförmig, ihr freier Rand gezadt und ihre Oberfläche mit ovalen Täfelchen, deren
Ränder einander überjchneiden, zierlich und regelmäßig bededt. Die Brotoplasmafortjäge,
die 3. B. bei Euglypha alveolata Duj. aus der Schalenöffnung treten, jind nicht wie bei
Arcella furz, lappig und einfach, fondern ziemlich lang, zart und meilt am Ende gegabelt.
Zu den auffälligiten Exrfcheinungen umter den bejchalten Amöben gehörendie Schmelz-
tierchen oder Difflugien (Difflugia Zec.). Shre Schalen allein, ohne die aus ihnen
herbortretenden Pjeudopodien, Fünnen ein Ausmaß von mehr al3 1% mm erreichen. Die
Geftalt der Schalen ift etiva ei- oder birnförmig, dabei jehr verjchieden, was den Wert der
Yediglich nach der Schalenform unterjchiedenen Arten fraglich macht. Am häufigiten trifft
man jedenfalls die Form mit birnförmiger Schale, Difflugia pyriformis Perty. Nament-
fich wenn jich jolch ein Tier mit grünen Algen vecht vollgefrejjen Hat, bildet es einen augen-
fälligen Slumpen im mikrojfopiichen Bilde. Die Difflugien frejjen aber nicht nur, mas fie
berdauen können, jondern auch winzige Sandförnchen und dergleichen, und dieje bilden,
indem fie wieder ausgejchieden werden, an der Oberfläche fiegenbleiben und durch eine
Kittmafje zufammentleben, das Difflugiengehäufe. Denn das ijt das Kennzeichen aller
Difflugien, daß ihre Schalen aus Fremdförpern, meijt Duarzförnchen, auch aus Bazillaria-
zeenjchalen und ähnlichen harten Objekten, aufgebaut jind. jene Entjtehungsweije Der
Schale fonnte Berivorn, einer der herborragenpdften Kenner der einzelligen Lebemwejen, ein-
mandfrei feititellen, indem er mit feinen Nadeln dem Tier fein Gehäufe abfraßte und ihm
Glasiplitter zum Aufbau eines neuen zur Verfügung ftellte: jie wurden unverzüglich ver-
wendet. Dem jchon erwähnten, erfolgreichen Erperimentator Ahumbler it es gelungen, auch
diejen Gehäufebau der Difflugien auf anorganiihem Wege getreu nachzuerzeugen.
Auch ein parafitifches bejchaltes Wechjeltierchen möchten wir erwähnen. Unter dem
Namen Leydenia gemmipara hatte Schaudinn eine von ihm und zuvor von Legden beim
Menijchen in allerlei Gejchwüren gefundene ftattliche Amöbe — fo jchien eg — beichrieben, bis
freilich Schaudinn felbft mitteilen fonnte, daß e3 fich um abnorme, jchalenloje, Durch Die Stranf-
heit des Menfchen jelbft bedingte Zuftände eines längjt befannten unjchuldigen Darnıpara=
jiten, Chlamydophrys enchelys Ehrbg. (Platoum stercoreum), handelt, der auf feuchten
Boden oder Mift lebt und in einem beftimmten Lebensabjchnitt den Darm von Menjchen
oder Tieren pafjieren muß, um feine ZHften zur Entwidelung bringen zu fünnen. Die
Leydenia-Form pflanzt fich Durch Teilung oder durch Knofpung fort.
26 Einzeller: Wurzelfüßer.
Wir begeben uns zu weiteren Studien an das Gejtade des Meeres, um auc) in die
Formen der meerbewohnenden Wurzelfüßer genaueren Einblik zu gewinnen. Noch zahl-
reiche Wechjeltierchen lernen wir dann fennen, und zwar der überwiegenden Mehrzahl nach
jolche mit charafteriftiich gebauten Schalen.
Eigenartige große, meerbeiwohnende Amöbozoen mit regellos verziweigtern, aus Sand
und Schlamm bejtehendem ©ehäufe jind die jogenannten Sandforaminiferen (Rhabdam-
minidae), tie die im Atlantılcden Ozean
und in der Nordjee, 4. B. bei Helgoland,
auf dem Meeresgrunde zu findende, oft
fünfpfennigitücdgvoße Astrorhiza limi-
colaSandahl(j. Tafel „Einzeller III"), ein
charafteriftiicher Vertreter diejer bejon-
ders roh organijierten Thalamophoren.
Zu anmutigeren Beobachtungen auf
diejem Gebiete ladet das Mittelmeer
ein. Bon einem mit Algen bemachjenen
Teljen haben wir eine Feine Menge
Pflanzen mit dem ihnen anhaftenden
Sand und Schlamm in einem größeren
Slasgefäß mit reichlicdem Wafjer jeit
einigen Tagen auf dem Zimmer jtehen.
Alles gröbere Getier, mas ohne weiteres
den unbewaffneten Auge jichtbar und
mit einer feinen Pinzette gefaßt mwer-
ven fann, zierliche Rifjvenjchneden,
Srebschen, Würmer, find möglichjt ent-
fernt worden, da unjere Abfichten auf
andere Exrjcheinumngen gerichtet jind. Sn-
vem wir nun Die Wand des Gefähes mit
der Lupe abmujtern, jehen wir hier und
da ein bräunliches Ktörnchen haften und
bemerfen jogar an den größeren Exent-
ee plaren, daß jie von einem zartejten Neb
ce u 2 npretechlengam lee sure
geben jind. Borjichtig wird: einer der
Körper unter das Mifroffop gebracht. Das Fadenneß ift zwar zunächit verjchwunden, es
it zurüdgezogen in die eifürmige, ziemlich elaftifche Schale, bei einiger Geduld fonımt es aber
wieder zum Borjchein. Der Abbildung, die D. Schmidt nach einer lebenden Eifürmigen
Öromie, Allogromia ovoidea Rhumbler (Gromia oviformis), entworfen hat, fügen wir Die
Worte eines der ausgezeichnetiten Kenner der Winzelfüßer bei, Mar Schulßes, der das
wundervolle Spiel der ausgedehnten, oft über 1 qem Fläche einnehmenden, vielfältig ver-
Ihlungenen Pjeudopodien diefer fonderbaren Gefchöpfe, die den Namen „Wurzelfüher” erft
voll vechtfertigen, bejchreibt. „Nach einiger Zeit vollftändiger Ruhe werden aus der großen
Dffnung der Schale feine Fäden einer farblofen, Durchlichtigen, äußerft feinförnigen Majfe
herborgejchoben. Die zuerft Hervorfommenden fuchen taftend umher, bis fie einen feiten
Wecjeltierhen. 27
Körper (hier die Oberfläche des Slafes) gefunden Haben, an dem fie jich in Die Länge aus-
dehnen, indem aus dem Sinneren der Schale neue Mafje nachfließt. Die erjten Fäden find
äußerft fein, bald entitehen jedoch auch breitere, die wie die eriten in Schnurgerader Richtung
Ichnell an Länge zunehmen, auf ihrem Wege fich oft unter Spigen Winfeln veräfteln, mit
nebenliegenden zujammenfließen, um ihren Weg gemeinjchaftlich fortzujegen, bis fie, all-
mäbhlich immer feiner werdend, eine Länge erreicht haben, welche die des Tierförpers um
. das Sech- bis Achtfache übertrifft. Haben fich die Fäven auf diefe Weife von der vor der
Schalenöffnung nad) und nach angehäuften größeren Mafje feinförniger, farblofer, fon-
traftiler Subjtanz nach allen Richtungen ausgejtredt, jo hört das Wachjen der Fäden in Die
Länge allmählich auf. Dagegen werden jet die VBeräftelungen immer zahlceicher, es bilden
jich zwijchen den nahe beieinander Tiegenden eine Menge von Brüden, welche bei fort-
mährender Ortsveränderung allmählich ein proteifch veränderliches Mafchenfyftem darftelfen.“
Wir [halten hier ein, daß, wenn das Tier bequem liegt und Zeit hat, es allmählich die ganze
Außenflähe der Schale mit einer dünnen, oft nebförmig Ducchbrochenen Schicht der beweg-
hihen Mafje umkleidet. „Wo an der VBeripherie des Sarfodenebes, wie wir das zarte Ge-
mebe nennen wollen, jich mehrere Fävden begegnen, bilden jich aus der Itets nachfließenden
Gubjitanz oft breitere Platten aus, von Denen wieder nach mehreren Richtungen neue Fäden
ausgehen. Betrachtet man die Fäden genauer, jo erkennt man in und an denjelben jtrömende
Körnchen, welche, aus dem Inneren der Schale hervorfliegend, Yängs den Fäden ziemlich
ichnell nach der Peripherie vorrüden, am Ende der Fäden angefommen umfehren und
wieder zurüdeilen. Da gleichzeitig jedoch immer neue Kügeldhenmafjen nachjtrömen, jo
zeigt jomit jeder Faden einen Hin und einen rüdlaufenden Strom. Sn den breiten Fäden,
die zahlreiche Kiigelchen enthalten, lafjen jich die beiden Ströme ftet3 gleichzeitig erfennen,
in den feineren jedoch, deren Durchmeffer oft geringer als der der Kügelchen ift, jind Dieje
jeltener. Diejelben erjcheinen hier auch nicht im Suneren des feinen durchlichtigen Fadens
eingebettet, jondern laufen auf der Oberfläche dezjelben hin. Kommt ein jolches Kügelchen
auf feinem Wege an eine Teilungsitelle des Fadenz, jo jteht es oft eine Zeitlang ftill, bis
e8 den einen oder den anderen Weg einfchlägt. Bei brücenförmigen Verbindungen der
Füven fliegen auch die Kügelchen bon einem zum anderen über, und da begegnet e3 nicht
jelten, daß ein zentrifugaler Strom von einem zentripetalen erfaßt und zum Umfehren ge-
zungen wird. Auch im Inneren eines breiteren Fadens beobachtet man zuweilen ein Gtill-
ftehen, ein Schwanfen und fchließliches Umfehren einzelner Körperchen. Die Fäden be-
ftehen aus einer äußerft feinförnigen Grundmafje. Ein Unterfchied von Haut und Inhalt
eriftiert an denjelben nicht. — Die regelmäßig auf- und abjteigende Bewegung der Stügel-
chen läßt fich nur erklären al hervorgebracht durch das Hin- und Zurüditrömen der aus dem
Smneren der Schale ftammenden, fließendem Wach zu vergleichenden, homogenen fontral-
tilen Subftanz, welche in der einen Hälfte jedes Tadens eine zentrifugale, in der anderen
eine zentripetale Richtung verfolgt und natürlich die größeren Kügelchen, welche uns allein
bon der Gegenwart einer folchen Bewegung in Kenntnis jegen, mit jich führt.”
Wie bei anderen Rhizopoden, jo müfjen auch bei der Gromie die Scheinfüßchen toich-
tige Hilfsdienfte beim Nahrungsermwerb leiften, jedoch nur al3 Fang- und nicht gleichzeitig
als Verdauungsapparat. Stoßen nämlich, fo berichtet Schulte, die Fäden auf ihrem Wege
an irgendeinen zur Nahrung brauchbar erjcheinenden Körper, eine Bazillarie, einen für-
zeren D3zillatorienfaden, fo legen fie jich an denjelben an und breiten fich über ihm au2.
©o bilden fie eine mehr oder weniger volljtändige Hülle um ihn. Die Fäden rümmen und
28 Einzeller: Wurzelfüßer.
berfürzen jich, bi3 die beuteführende Majje der Schalenöffnung nahe gefommen ift und
ichließlich in diejelbe zurüdgezogen wird.
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Polystomella strigillata F.M. Vergrößerung 200 :1.
An die Arzelten, Difflugien, Euglyphen, Afteorhizen, Gromien ufo., als die Befchalten
Amöben mit einfanımerigem Gehäufe, Die „Monothalamia“, reihen fich die äußerft zahlreichen
Vielfammerigen, die „Polythalamia“. €&s find ausjchlieglich Meeresbewohner, und ihre
Wecjeltierhen. 29:
Gehäufe jind fait jtet3 verfalft, manchmal porzellanartig. Das Gehäufe jeßt ji) aus mehreren
oder zahlreichen Kammern zujammen, die meift auch äußerlich Durch Die Ofulptur angedeutet
ind. Aus der verichiedenen Art der Anordnung und Verbindung der Kammern geht die
bald fpiralige, bald röhrenförmige, überhaupt äußerit verjchiedene Form der Schale hervor.
Bei einigen Yamilien liegen nämlich die Kammern in gerader Linie hintereinander, bei
anderen bilden jie ein unregelmäßiges Stonglomerat, bei den meilten gleichen fie zierlichen
Schnedenhäujern von Turmjchneden, Tellerjchneden und anderen mehr; e3 ift das ein inter-
ejjanter all von „Sonvergenz”, d. . von Ausbildung gleicher, offenbar zwecmäßiger
©ejtalten in ganz verjchiedenen Tiergruppen. Bei manchen ift eine Offnung zum Austritt
der Fortjäße nur an der legten Kammer fichtbar; im Inneren jind jedoch die Kammern
ducch ähnliche Offnungen verbunden. Zahlreich jmd aber auch folche Gattungen, wo die
Wände aller Kammern von feinen Löchern durchbohrt find, aus denen die veränderlichen
Scheinfühchen in Gejtalt langer, fädiger Flüfligfeits-
majjen, die jich ftellenimeije verflechten fünnen, Durch-
treten. Der ganzen Abteilung wurde auch der Name
Worentierchen, Foraminifera (von foramen, Off-
nung, Zoch), gegeben, was wir wohl am beiten mit
Giebtierchen verdeutjchen.
Löft man die Kalfjchale vorjichtig in verbiünn-
ter Säure auf, jo gelingt es mitunter, den Weich-
förper im Zujfammenhange zu erhalten. ©o ge-
wann 3. E. Schulze ein ausgezeichnetes Präparat
bon Polystomella striatopunctata F. M. aus der
Tamilie der Volyjtomelliden, von dem die neben-
jtehende Abbildung nach der Zeichnung des Pro-
feljor3 Gvette uns vorliegt. Das Protoplasma füllt en er a oo
alle Kammern aus, und Fortfäße und feine Fäven
eritreden fic) von Raum zufaum. Sn einer Kammer ijt auch ein deutlicher Stern (a) enthalten.
Sn anderen Fällen werden mehrere Sterne beobachtet. Die Fortpflanzung beiteht darin,
dak aus dem Weichförper die Abfümmlinge heraustreten, die entweder ohne weiteres oder
exit nach) Paarung heranmwachjen. Und zwar jcheint ein eigentümlicher Generationsmwechjel
weit verbreitet zu fein: einem Tier mit Heiner Anfangsfammer entichlüpfen zahlreiche, jo-
gleich beichalte Junge mit großer Anfangsfammer. Dieje erzeugen nach dem Heranmwachjen
noch) viel zahlceichere winzige, begeißelte Schwärnifporen, die exit nach Paarung wieder zu be-
Ichalten Tieren mit feiner Anfangsfammer heranmwachjen. Auch fann zwijchen zwei Sporen-
generationen eine Mehrzahl von großfammerigen eingejchaltet jein. Sn der Größe wechjeht
die Polythalamien von !/,,mm Durchmefjer bis zu dem eines Fünfmarkftüdes. Diefe grö-
Beren Formen gehören jedoch alle nur einer vorweltlichen Familie, den Nummulitiden, an.
Bon den Volythalamien find gegen 2000 Arten, fojjile und lebende, bejchrieben worden.
„Bon einem an Keineren Schalen äußerft reichen Sande von Molo di Gaeta, jagt
Mar Schulte, „Ichted ich mittels eines feinen Siebes alle über eine Zehntellinie großen
Körnchen ab. Das Zurüdgebliebene bejtand, twie die mikrojfopiiche Unterfuchung zeigte,
etwa zur einen Hälfte aus mwohlerhaltenen Ahizopodenjchalen, zur anveren aus Bruc)-
jtüden mineralifcher und organijcher Subjtanzen, ein Verhältnis, wie es auch nach D’Dr-
bignys Angaben faum irgendwo günftiger gefunden wird. Als ich auf einer mit Algen
‚30 Einzeller: Wurzelfüßer.
bedecten Heinen Felfeninfel jütdlic) vom Hafen nur wenige Fuß unter der Oberfläche des
Waiferz, ja jelbjt an Stellen, die zur Zeit der Ebbe Falt troden lagen, mit einem feinen Nebe
ichabend filchte, dann durch Schlämmen de3 erhaltenen Gemijche3 von tierischen und pflanz-
lichen Teilen das leichter Suspendierbare entfernte und den übrigen Sand im Ölaje ruhig
ftehen lief, jah ich jchon nach einigen Stunden zahlreiche Nhizopoden an den Glaswänden
in die Höhe Friechen, und die Unterjuchung des Bodens zeigte faft jäntlihe Bolythalamien
mit organischer Erfüllung und lebend. Die Ahizopoden des Meeres jcheinen demnach zu
ihrem Aufenthalte am Tiebiten jolche Stellen zu wählen, wo ihnen durch eine reiche Vegetation
Schuß vor dem Andrange der Wellen und ihren zarten Bewegungsorganen eine jichere
Stüge zum Anheften geboten ift. Hier finden fie zugleich an den den größeren und Feineren
Seepflanzen jtets anhaftennen Diatomeen und Snfuforien eine reichlihe Nahrung." Der
Lieblingsaufenthalt fehr vieler Bolythalamien find Schwänme aller Art, wo ihnen Schuß
und Nahrungszufuhr in noch höherem Maße gewährt find. Überhaupt find die meiften
Toraminiferen Bermohner des Meeresgrundes geringerer Tiefen, wo jie an feiten Körpern
umhberfriechen, jehr verjchieden bon Der
planktonischen Vebensweije verNadiolarien.
Chrenberg hat jchon vor mehreren Jahr-
zehnten viele Hunderte von Schlamimproben
unterjucht, die für ihn in allen Meeren ge-
jammelt worden waren, unter anderen auch
aus den Tiefen von 10—12000 Zuß, Die bei
ea den Lotungen zur Kabellegung erreicht wur-
Globigerinenfhalen. PVergrößerung 10021. den. Fait regelmäßig bilden die Volythala-
mienjchalen einen bedeutenden PBrozentjab
Davon, was nad) ihrem majjenhaften Borfommen an jeichten Uferftellen nicht befremden fann.
Der Berliner große Naturforscher fand Häufig in folchen mit dem Lot emporgehobenen
Schalen Rejte des weichen tierischen Körpers und jchloß Daraus jchon damals, als man die
reiche Tiefjeefauna noch nicht Fannte und ihr Vorhandenjein im allgemeinen fir unmöglich
hielt, daß die Tiere wirklich „dort unten“ lebten und durch ihre majjenhafte Vermehrung an
Drt und Stelle zur allmählichen Ausgleichung der untermeerifchen Täler beitrügen.
Die fpäteren jorgfältigen Unterfuchungen über die Bejchaffenheit des Tieffeebodeng
haben die außerordentliche Beteiligung der Bolythalamienschalen an der Bildung des Tief
jeejchlammes von den arktiichen bis zu den antarktiichen Zonen beitätigt. Außer anderen
Gattungen, Die einen geringeren Brozentjaß liefern, fommen bejonders Globigerina Orb.
und Orbulina Orb. in Betracht, die eriteren aus mehr oder weniger jpiralig aneinander-
gereihten Kugeln von zunehmender Größe zufammengejekt, Orbulina jcheinbar eine einzige
regelmäßige Stugel, die jedoch die globigerinaähnlich aufgerollten Kammern umfaßt. Shre
Schalenreite fommen über Taujende von Duadratmeilen Des Meeresgrundes in jolchen
Waffen vor, daß fie einen bezeichnenvden Hauptbeftanpteil des Bodenjaßes bilden, jo daß
man jchlechthin von „Ölobigerinengrund” und „Slobigerinenjchlid” Tpricht.
Las jomit die englischen Naturforjcher durch die berühmte Challenger-Fahrt Hinficht-
lich der Beteiligung der Foraminiferen an der Schichtenbildung der Erde in großartigen
Mapßitabe nachgemwiejen Haben, ift eigentlich nur eine Bejtätigung und Erweiterung der fchon
obenerwähnten Entdeeimgen unjeres Chrenberg. Schon er erkannte die große Übereinftim-
mung vieler jeßt lebender Zoraminiferen mit denjenigen, die Dad Material zu den Streide-
MWechjeltierhen. Sonnentierden. 31
ablagerungen geliefert, und fprach von „lebenden Kreivetierchen”. Das war in den dreißiger
Sahren eigentlich ein Baradoron, ein venolutionärer Gedante, heute find toir ganz befreundet
mit ihm. Wir wiljen, daß ein großer Anteil an diejem VBerlängern der Streidezeit bis in Die
Gegenwart hinein unjeren Bolythalamien gebührt, die zum Aufbau der Erdrinde mehr bei-
getragen haben als alle übrigen Pflanzen und Tiere zufammengenommen. Die mächtigen
Kohlenlager, die Korallenriffe und Atolle und die Snochenlager an der fihirifchen Küfte find
bei diejem Ausjpruche nicht vergejjen. Denn nicht nur von den fambrijchen und filurischen
Schichten an bis zur Kreide haben jich die Foraminiferen an der Heritellung des Materials
der Erdfeite beteiligt. Ebenjo beträchtlich oder noch beträchtlicher pflegt ihre Menge und oft-
mals ihre Größe bei deutlicher Erhaltung in den eozänen (unteren) Tertiärgefteinen zu jein;
jo hat man im PBarifer Beden einen Miliofitenfalf, in Weitfrankreich und öftlich der Mdria
einen AUldeolinenfalf, endlich in einer langen und breiten, längs beiden Geiten des Mittel-
meere3 bi3 in ven Himalaja fortziehenden Zone, die wir 3.8. auch in den Alpen treffen,
den Nummulitenfalf nac) Ahizopodengejchlechtern ‚unterichievden, deren Schalentefte fie
großenteilS oder, insbejonvere den lebten, mitunter fait allein in einer u bon
vielen Hundert Fuß zujammenjegen.
Den Nhizopoden find jchhieglich vielleicht Die tieffeebewohnenden Xenophyophora
3. E. Schulges verwandt, Die bis Tcm große, aus unregelmäßig negartig zufammengefügten
Köhrchen beitehende Gehäuje von jcheibenfürmiger oder fächerartiger ©ejtalt bilden ımd
zwiichen ven Röhrchen ein von Tremdförpern gebildetes Gerüft Haben.
Zweite Ordnung:
Sonmentiercjen (Heliozoa).
Ceit Ausgang des 18. Jahrhunderts find Heine Bewohner des füßen Wajjers be-
fannt, die man Sonnentierchen (Heliozoa), gelegentlich auch wohl Süßmwafferradio-
larien nennt. Der eritere Name rührt von der äußeren Erjcheinung Ddiejer Wejen her:
lie jtellen fich unter vem Bergrößerungsglas als Heine runde, von einem Strahlenhofe um-
- gebene Körper dar. hr Protoplasına it Durcchaus nicht von gleichmäßiger Beichaffenheit,
jondern zerfällt auch hier in Ento- und Cftoplasma oder in Markjubjtang und Rindenjhicht.
Sn jener Tiegt, manchmal genau zentral, in der Negel aber erzentrifch, der Kern, oder e3
finden jich, in der Markjubitanz verteilt, mehrere Kerne. Die Nindenfchicht it weniger
jtarf Kichtbrechend, zähflüfliger, bei manchen fchaumia und beherbergt eine oder mehrere
Teäftig pulfierende Blajen, die ihren flüjjigen Inhalt unter ftarfer Vormölbung nad) außen
abgeben, joiwie Nahrungsballen, Zoochlorellen (das jind winzige fymbiontijche Algen), Tett-
tröpfchen und Heine, Stark lichtbrechende Hörnchen aus oraljaurem Kalk in verjchievdener Menge
und Größe. Die von dem Slörper der Keinen Sonne nach allen ©eiten ausgehenden Strah-
len, Pjeudopodien mit lebhafter Körnchenftrömung, find oft viermal fo lang pie der Durch-
mejjer de3 Körpers. Cie haben eine gewilfe Starrheit, da fie. von einem Fräftigen, in der
Markfjubitanz feinen Urjprung nehmenden dDurchfichtigen Achjentab gejtügt werden, auf dem
eine förnchenreiche Brotoplasmahiüille fich Hin und her jchiebt; es jind „Aropodien".
Über merkwürdig zitternde, mit Hilfe der Pjeudopodien ausgeführte Tänze der Son-
nentierchen berichtet Benard: „Das Tier ftredt einige feiner Fäven von fich, die einen Yırgen-
blick ihre Starre verlieren, dann mieder erftarren und den Körper nad) fich ziehen, indem
32 Einzeller: Wurzelfüßer.
fie ihn ein wenig von oben nach unten wenden; andere Fäden erjegen die erjten und ziehen
ihrerfeits, jo daß im Laufe der Erfcheinung das Tier wie ein Ball auf der Tafel rollt und
dies zumeilen jo fchnell, daß e3 wie eine Spinne zu laufen jheint. E3 finden fich in Diejer
Hinficht große Verjchiedenheiten von Art zu Art, und während Cihophrys jicher amöboid
ift und Actinophrys fich nur fehr langjam fortbemwegt, Finnen die Nfanthozhyiten, 3. D.
Acanthoeystis turfacea Cart., in der Minute einen Weg durchlaufen, der das Zmölffache
ihres Duxchmeffers beträgt. Bei Actodiscus saltans Habe ich die Bewegungen am lebhaftejten
gejehen; diejes Heine Wejen tanzt zur Rechten und zur Linken, vorwärts und zurüd mit einer
außerordentlichen
Beweglichkeit, und
\ / um ihm zu folgen,
N \ muß man beftän-
\ | dig die Stellung
des 2 Mifrojfops
verändern.”
u Wehe dent Flei-
nen Algenjchwär-
mer, der mit einem
diejer Aropodien
in Berührung
fommt. Sogleich
bleibt er Eleben,
wird bon herbor-
quellender und
heranfließender
Vlasmamalje um-
ihloffen und glei-
Ya tet dann langjam,
| aber unfehlbar in-
folge der Zujamz= '
Acanthoeystis turfacea Cart. Bergrößerung 300:1. menziehung Des
Scheinfühchens
nach dem Körper des Sonnentierchens hin. Sobald er fich der Nindenjchicht nähert, fendet
dieje bei manchen Arten eine amöboive Majje aus, öfters in Form eines Stegels oder
eines großen Bucdels, die nach und nach die Beute umgibt und dem Snneren des Körpers
einverleibt. War die Beute ein größeres Tier, jo neigen ji) mehrere Aropodien zu ihr
zujammen und ziehen fie mit vereinten Sträften in das lebende Grab.
©felettbildungen find bei Helivzoen jehr verbreitet. Jim einfachjten Zalle beitehen
die ©felette aus einer dien Schleimfchicht, die jich auf ihrer Oberfläche durch Trempdfür-
perchen, Quarzkörnchen uf. zu einer Art von Panzer verftärfen fann. Häufig find Dieje
©felettelemente vom Tier jelbjt gebildet, fiejelig und liegen vadiär oder tangential und jmd
im eriteren Falle bisweilen am freien Ende gegabelt. Sr anderen Fällen fteift das Sfelett,
ähnlich wie bei Radiolarien, eine bon großen runden Offnungen dDucchbrochene Kapiel dar, wie
bei ver Gattung Clathrulina Orenk. mitder fait einzigen Art der Gittertierchen, Clathrulina
elegans Cienk. (j. Tafel „Einzeller I”, 1, bei ©. 34). Diejes ijt übrigens mit einem Gtiel
Sonnentierden. 33
feitgewachien, während die meilten freilebend find, wie das Strahlenfugeltierchen,
Actinosphaerium eichhorni Zhrbg. (j. Tafel „Cinzeller I”, 10, bei ©. 34 und „Einzeller II“,
1, bei ©. 42), der einzige Vertreter der Gattung Actinosphaerium Stein, dejjen Leib ohne
Strahlen bi8 lmm groß wird, jo daß ntan dieje Tiere leicht mit bloßem Auge als blajje große
Punkte erfennt. Bei einer grünen Abart
des Gtrahlenfugeltierchens ift dad Mark
mit fymbiotijchen Boochlorellen erfüllt.
Manche Arten bilden auch borüber-
gehend Kolonien. So trägt das Gittertier-
chen oft einen oder mehrere Artgenojjen
auf jeiner Schale angejiedelt, und von
dem mejentlich Heineren Sonnentierdhen,
Actinophrys sol Ehrbg. (j. Tafel „Ein-
zelfer I”, 3, bei ©. 34), da3 wiederum der
einzige Vertreter jeiner von Chrenberg auf-
geitellten Gattung ift, Fünnen eine anjehn-
liche Zahl von Sudididuen, 10 bis 20, fich
vereinigen und gemiljermaßen zu einer
Maffe verichmelzen. Zur Fortpflanzung
dürfte eine derartige Bereinigung in feiner
Beziehung jtehen, denn in der Regel tren-
nen fich die vereinigt gemejenen Gonnen-
tierchen wieder, ohne an ihrem Stern oder
jonft an ihrem Leibe die geringite Ver-
änderung zu zeigen.
Dei der Paarung eines größeren,
fernhaltigen Stüde3 don Actinophrys mit
einem fleineren, fernlojen joll das größere
gemwiljermaßen das Fleinere aufftejjen, das
aber bei diejem Akte nicht zugrunde geht,
denn jein Protoplasma, das in allen
GStüden dem des größeren gleicht, wird
diefem lebendig einverleibt und bleibt mit
ihn lebendig.
Die Heliozoen pflanzen fich durch Teilung fort. Dabei zerfällt ein Jndividuum
enttweder nach vorhergegangener Teilung de3 Kernes in zwei Teile (Teilung im eigent-
fihen Sinne des Wortes), oder e3 Löfen jich Fleinere Stücchen ab (Knojpung). Yon
Clathrulina fennt man eine zweifache Art der Fortpflanzung. Im erjten Talle teilt
fich der Weichförper innerhalb der Gitterfugel in zwei Hälften. Die eine bleibt im Belis
des Gehäufes, die andere drängt fich dircch eine der Majchen heraus und verwandelt
fich nach Verlauf etwa einer Stumde durch Ausjcheidung von Schale und Stiel aus dem
nadten Zujtande in den der vollfommenen Clathrulina. Gerade bei diejer Art der Ber-
mehrung mag e3 häufig vorfommen, daß die ausmandernde Hälfte jich auf der Mutterhälfte
feftfeßt. Im anderen Talle gibt der Weichförper das Material zu einer gröberen Anzahl,
8—10, von Teiliprößlingen, die fich innerhalb der Gitterfugel je mit einer harten Hülle
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 3
Gittertierhen, Clathrulina elegans Cienk. Pergr. 350:1.
34 Einzeller: Wurzelfüßer.
umgeben, dann aus diejer ausjchlüpfen und die Gitterfugel verlajjen. Gie jind mit zivei
Seifen oder Wimperorganen verjehen, Doch dauert diejes Schwärmftadium, das auch an
Fortpflanzungserjcheinungen gemijjer Amöben erinnert, nicht lange.
SmöHerbit ziehen die Heliozoen ihre Bjeudopopdien ein, umgeben fich mit einer Gallert-
oder Siejeljäurefapjel, und ihr Inhalt zerfällt dann manchmal in eine Anzahl Teilitüde,
die je einen Kern enthalten und auch eine zarte Hülle bejiben. m Frühjahr wird Die tapjel
gejprengt und die junge Brut |chwärmt aus.
Die Sonnentierchen bewohnen jüßes, die wenigiten jalziges Waller und ziehen Elares
dem trüben und umgemen vor. Am ficheriten findet man fie in Tiimpeln der Laubival-
dungen, deren Boden mit alten Blättern bededt ijt, oder in Lachen der Torfgruben. Gie
frejien, twas ihnen Geniebares vorfommt und was fie bewältigen fönneıt, von den Fleinjten
Schmwärmjporen bis zum Nädertiere.
Dritte Ordnung:
Strahlentiercjen (Radiolaria).
An die Sonnentierchen Schließen jich in mancher Hinficht Die durch die Schönheit und
Bierlichkeit ihrer ©felette berühmten, ausjchließlich meerbewmohnenden Strahlentierhhen
oder Radiolarien (Radiolaria) an. Die Übereinjtimmungen liegen in der meift Fırgeligen
Geitalt des Leibes, der Sonderung des Plasmas in eine Junen- und Außenmajje, der
Länge, Itrahlenartigen Anordnung und fadenfürmigen Geftalt der gleichfalls durch verhält-
nismäßig feite AUchjenjtäbe gejtüßten Scheinfüßchen, und endlich im Auftreten von Hart-
gebilden aus Stiejeljäure, Kiejel oder amorphem Duarz, jener allbefannten mineralischen
Subjtanz, die wir jchon bei den Sonnentierchen gelegentlich feititellten, und die nun bei
den Radiolarien durchaus in der Regel die jtäbigen ©felette bildet und nur bei wenigen
durch eine Harte organische Subjtanz, gelegentlich auch einmal durch Schwerjpat erjebt ift.
Böllig jfelettloje Strahlentiere jind gleichfalls eine große Ausnahme.
Das durchgreifendfte unterjcheidende Merkmal der Napdivlarien gegenüber den Helio-
soen ist die Zentralfapfel: eine derbe Membran trennt die ftet3 verhältnismäßig Kleine
Snnenmafje des Plasmas von der Yußenmafje und umjchließt jomit auch den oder die Zell-
ferne, nicht ohne vermöge ihrer feinen Boren eine Verbindung zwijchen der intrafapfulären
und der ertrafapfulären Sarfode zu gejtatten. Ferner it ver Radiolarienleib auch außen
wohl jtetS von einer feinen Zellhaut umgeben, und aus ihr treten nur die, übrigens nicht
zahlreichen, fädigen Pleudopodien heraus, die Häufig miteinander teilweije verjchmelzen.
Wie bei anderen Protozven, fo find auch bei den Nadiolarien im Plasma Dltröpfchen
und allerlei ähnliche Einfchlüffe, Kriftalle, organijche Strijtalloide und dergleichen, vor allem
‘ mit wafjerheller Flüfjigfeit gefüllte Blajen (Vafuolen) vorhanden; insbejondere die legteren
nehmen, oft dicht aneinanderliegend, die äußere, unter der Oberfläche gelegene Schicht ein.
Die echten Sriftalle, die freilich felten find, fiegen im Zentralförper, find himmelblau und
bejtehen aus jchwefeljaurem Strontium oder Zöleftin, eine in der ganzgı Tierwelt einzig
dajtehende Tatjache. Sehr häufig find ferner in dem Protoplasma der Nadiolarien eigen-
tümliche gelbe Körper, die man früher für Beftandteile diejes Tieres hielt und gelbe
Bellen nannte; in Wahrheit find e8 wiederum nichts anderes als fymbiotifche Algen (300-
ranthellen), wie uns jolche jchon mehrfach begegneten. Man wird es veritehen, daß an den
Einzeller 1.
3. Actinophrys sol Ehrbg. (zu S. 33). 4. Chilodon
2. Amoeba proteus Pall. (zu S. 18).
6. Paramaecium caudatum Zhrbg. in Konjugation (zu S. 59).
7. Didinium nasutum Stein, Paramaecium verichlingend (zu S. 61). 8. Stentor roeseli Zhrbg. (zu S. 64). 9. Dendrocometes
1. Clathrulina elegans Cienk. (zu S. 32).
eucullulus Ehrbg. (zu S. 60). 5. Lionutus anser Zhrbg. (zu S. 61).
11. Pelomyxa palustris Grff. (zu S. 22).
paradoxus Stein (zu S. 72). 10. Actinosphaerium eichhorni Ehrbg. (zu S. 33).
Vergrößerung 150:1. Nach Mikrophotographien von H. Geidies-Kassel-Kirchditmold (Fig. 3, '5 und 8) und#von E. Reukauf- Weimar
(Fig.1, 2, 4, 6, 7, 9, 10 und 11).
Radiolarien.
1. Rhizosphaera leptomita 4. 2. Sphaerozoum ovodimare H. 3. Hexacontium drymodes 4. 4. Lithomespilus ilamma-
bundus AM. 5. Ommatocampe nereis 7. 6. Carpocanium diadema F. 7. Challengeron willemoesii 7. ;8. Cenosphaera ;_
inermis 7. 9. Clathrocyclas ionis 7. 10. Dietyophimus tripus je
Strahlentierdhen. 39
Radiolarien neben der Schönheit der Geftalten auch die Pracht zart [himmernder Farben
unfer Auge zu ergößen vermag, was wir freilich auch fchon beim eu der Kleinmwelt
unjerer Binnengemwäljer oft genug erleben.
Sedes Radiolar ift in der Jugend einfernig, vor der Durch Einitamerloing er-
folgenden Fortpflanzung vielfernig; im leteren Falle zählen die dann jehr Heinen Sterne
nach Hunderten, ein Zuftand, der längere oder fürzere Zeit anhält, bi3 jchlieklich der Zen-
tralfapfelinhalt in jo viel onale oder nierenförmige, je zwei. Geißeln tragende Schwärmer
zerfällt, wie Kerne vorhanden waren, und feine Membran durch die tumultuarifche Beme-
gung des vielen neugebildeten Lebens zerplabt. Die nun ins Freie gelangenden Schmär-
mer find oft von zweierlei Größe, Mafrojporen und Mifrojporen, die wohl als männliche
und weibliche Fortpflanzungszellen exrft paarweije verfchmelzen müjjen, bevor fie zu neuen
Radivfarien unter Ablegung ihrer Geißeln heranmachjen fünnen. Außer diefer Tortpflan-
zungsmweije gibt e3 auch bei den Rapdiolarien noch die Fortpflanzung durch Zmweiteilung,
die an dem Kern, falls er gerade in Einzahl vorhanden, und in jedem Yalle an der Zentral-
majje beginnt und fich auf die Außenmajje fortjegt. Unterbleibt die Teilung des ertrafapfu-
lären Weichförpers, fo fommt e3 zu einer Art Koloniebildung, indem dann zahlreiche Zentral-
fapfeln in einer gemeinjamen, Pjeudopodien ausjendenden Gallertmajje liegen.
Die Sfelettbildungen der Nadiolarien müjjen wir noch etwas näher betrachten. „Bald
ind es”, bemerit Marjhall, „einzelne Ioje Nadelgebilde, welche jich tangential anorönen,
bald treten fte zu Höchit zierlichen Gitterfugeln zufammen, welche mit regelmäßigen Stacheln
befest find. Gelegentlich fteden mehrere jolcher Kugeln fonzentrijch ineinander und jind
duch Kiejelbrücden miteinander verbunden. Ein andermal wieder jtogen wie im Zentrum
de3 ganzen Gejchöpfes lange radiäre Strahlen immer in der Zahl 20 zujammen, duxch-
brechen die Zentralfapfel und das ganze Außenprotoplasma und verbinden jich auf dejjen
Außenjeite durcch ein mehr oder weniger regelmäßiges Kiejelflechtwerk. Dder aber Diele
Bildungen nehmen allerlei phantaftiiche Geftalten an, ericheinen al® Helme, Körbchen,
Laternen, Diltelbfüten, Reufen, entwideln fich plattenartig größtenteils in einer Ebene
als durchbrochene vier- oder Dreiarmige Kreuze, Scheiben, Schalen, Spangen, Sporen
und in Hunderterlei anderen Geftalten, mit welchen wir nichtS vergleichen können, und-Die
ganz eigenartig jind. Aber alle diefe Formen jind elegant, oft jelbit von entzüdender
Schönheit, fie enthalten einen großen, noch ganz ungehobenen Schab reizender Motive, jo
zahfteich, mannigfach und wunderbar, wie fie feine menjchliche Phantafie erdenten kann.‘
Sn der Tat follten Haedels wundervolle „Kunftformen der Natur“, in denen allein den
Radiofarien acht große Farbentafeln gewidmet find, an feiner Stätte fehlen, wo Sinn für
Schönheit Herrjcht, Kunft gepflegt wird, oder wo man der unerjchöpflichen Natur Motive
auch für die Gebilde von Menjchenhand abzugemwinnen jucht.
Die beigegebene Tafel „Nadiolarien” mag von diejem Reichtum an Zormen e eine
ichwache BVorftellung geben. Wie zierlich ift das Gitterwerf der Rhizosphaera leptomita.
H. (Sig. 1); Sphaerozoum ovodimare H. (Fig. 2) hat zwar nur ein gering entwideltes,
aus Tangentiafnadeln beftehendes Skelett, ift aber durch feine eigentümliche Geftalt- als
Kugelneft, d. h. als foloniebildendes Radiolar, bemerfenswert. An chinejiiche Elfenbein-
arbeiten erinnert Hexacontium drymodes H. (Fig. 3) mit feinen drei ineinander jtedenden
Hohlfugeln. AB Modelle für Schalnaden Tünnten Lithomespilus: flammabundus 4.
(Fig. 4) und Ommatocampe nereis H. (Fig. 5) dienen. An zierliche Glöcdchen und Körb-
chen erinnern Carpocanium diadema H. ($ig. 6), Clathrocyelas ionis H. (Fig. 9) und
3*+
36 Einzeller: Wurzelfüßer und Geißelträger.
Dietyophimus tripus Z. (Fig. 10). Eine echte Tiefjeeform ift Challengeron willemoesii 7.
(Fig. 7), und Cenosphaera inermis 7. (Fig. 8) zeichnet fich durch ihr überaus zierliches,
regelmäßiges Gitterjfelett aus.
Aber nicht nur durch ihre Schönheit fejjeln uns dieje ©felette, jondern auch Dur)
ihre eigenartige Entwidelung und die vollendete Zivedmäßigfeit ihres Aufbaues. Zivar
flang e3 ganz einleuchtend, wenn einst gejagt wurde, diejen Sfeletten fiegen ähnlich einfache
Bildungsgejebe zugrunde wie den unbelebten, ftarren Striltallen, over wenn man glaubhaft
machen wollte, die Vierjtrahler, ein öfters mwiederfehrendes Clement in den Siejeljfeletten,
fönnten auf einfachjte Weije als Abjcheivungsprodufte in der jeweils gemeinjamen Ede von
bier durch Drud aneinandergepreßten Blajen entitehen. Shr Werdegang tft aber viel ver-
ticelter; fand doch Valentin Haeder, daß als erjte Grundlage Der Kiejelnadeln im Plasma
des Nadiolars Außerft dünne Brimitivnadeln entjtehen (die, wie jchon Jmmermann zeigte,
gelegentlich durch gefrejjene Diatomeengehäufe oder Nadeln anderer Radiolarien vertreten
werden fünnen), daß dann zwijchen der PBrimitivnadel und der fie erzeugenden Plasma=
ichicht eine gallertige Mfveole aufquillt, daß dieje an ihrer Außenjeite drittens eine umhüllende
Haut und die Stacheln auf dDiefem noch ganz weidhen Stadium durch Sproffung ihre Ber-
zmweigungen und fomplizierten Kormen erhalten, bis viertens entweder bloß die Hüllhaut
oder die ganze Stabmajje hart verfiefelt. m fertigen Aufbau der Sfelette aber lehrte uns
Haeder in zahlreichen Fällen die Grundgejebe der Singenieurmechanif verwirklicht erfennen,
und zwar oft mit geradezu Üüberrajchender Augenfälligfeit. Niemal ragen ja, wie einst
Haedel annahm, die oft armleuchterartig verzweigten ©felettjtrahlen aus der ©arfode frei
heraus, jondern immer jtügen und tragen jie wie Zeltjtäbe die hHautige Umhüllung des Ka-
diolarentörpers und find dabei auf fachmwertähnliche oder, noch bejjer gejagt, gewehrphra-
midenartige Stäbeitrufturen gejtübt, jo daß fich alles ineinander ftemmt und das Ganze
große TFeitigfeit gegen Angriffe von außen befommt. Solche Gebilde und nicht minder
die ungemein Fomplizierten Schalenjchlöfjfer einiger gleich ven Mujcheln zmweijchaliger Na-
diolarien lajjen ung nicht mehr bezweifeln, daß wir bei der Suche nad) einfachen phyjifo-
chemijchen Entftehungsurfadhen in diefem Falle auf falihem Wege waren.
Der Strahlentierchen gibt es jehr viele Arten, man hat weit über 4000 bejchrieben.
Shre Initematijche Einteilung darf uns diesmal verhältnismäßig wenig fümmern. Crmwähnt
jei nur, daß man vier Unterordnungen unterjcheivet, und daß in der Unterordnung der
Schaumjtrahltiere (Spumellaria oder Peripylea) jich neben jfeletttragenden Formen auch)
jfelettloje, neben einfachen auch Eoloniebildende zufammenfinden, Daß die Acantharia jtrahlig
vom Zentrum ausgehende, zwar harte, aber Doc) elaftisch biegjame ©felettjtacheln bejiten,
die nicht, wie man früher glaubte, aus organischer Subjtanz, fondern nad) Bütjchli aus
ichwefelfaurem Strontium beitehen, daß helmförmige Sfelette bei den Nassellaria (Mono-
pylea) auftreten, während die meijt tiefjeebewohnenden Phaeodaria oder Tripylea durch
grüne und braune Pigmentierung an ihrer Zentralfapjel ausgezeichnet jind.
Die Nadivlarien find, mit einziger Ausnahme der von Vanhoeffen auf der Deutjchen
Eitdpolarerpedition bei Kerguelen entdedten feitjigenden Ufantharie Podactinelius sessilis
Schröder, planftonijche, d. h. im Wafjer frei jchwebende Bewohner des hohen Meeres. In
ver Djt- und Nordfee gibt e3 feine; im Mittelmeer find fie noch nicht zahlreich, Doch mit allen
bier Unterordnungen vertreten. Die meiften gehören der Tiefjee an, und an ihrem Boden
treten denn auch die Radivlarienffelette manchmal in überwiegender Menge auf. So be-
tehen Ablagerungen auf dem Boden des Stillen Ozeans zwijchen 3000 und 8000 ma Tiefe
Strahlentierhen. — Schlingentierden. 37
zu 80 Prozent, ja ftellenmweije ganz aus den Schalen abgejtorbener, zu Boden gejunfener
Kadiolarien, und diefe Ablagerung Hat Hiernach den Namen des Nadiolarienfchlide er-
halten. Wie wir jchon andeuten fonnten (©. 9), herrjcht diefer ununterbrochene unter-
meerijche Leichenregen, nach Follilfunden zu urteilen, fchon fo lange, wie wir vom Leben
auf Erden überhaupt Kenntnis haben. -
Zweite Klajje:
Geißelträger (Flagellata).
Die Geißelträger oder Geikelinfuforien (Flagellata, Mastigophora) find injofern
eine eigenartig zujammengejebte Gejellichaft, als viele unter ihnen ChlorophHyll oder Blatt-
grün, den grünen Farbitoff der Pflanzen, bejiten, der bei Licht aus Kohlenfäure und Wajjer
Stärfe aufbaut. Diefe Wejen Haben ebenjogut pilanzliche wie tieriiche Natur, während
anvere Öeißeltierchen, die jenen Sarbitoff entbehren, unzmweiveutig Tiere find. ES beiteht
faum irgendwo zwiichen größeren Abteilungen des Tierreiches ein fo lüdenlofer Zufammen-
hang wie hier zwijchen Tier» und Pflangenreich. Und diefe Verbindung ijt um jo bedeu-
tungsvoller, als nicht nur die männlichen Fortpflanzungszellen, die Schwärmjporen, zahl-
reicher Pflanzen, jondern auch die lebenden Clemente in der Samenflüfjigfeit aller Tiere
im mejentlihen den Geikelinfujorien böllig gleichen. Lücdenlojer Zujammenhang ift
auch zwiichen Geißelträgern und Wurzelfüßern vorhanden, durch die bei Wurzelfüßern
als Fortpflanzungszellen erjcheinenden. geigelttagenden Sporen jowie durch die jchon
erwähnte ©eißelamöbe.
sm allgemeinen gehören die Geißelträger zu den Heineren unter den Einzellern. ©ie
haben vor allem eine, zwei oder mehrere Geißeln, ferner eine Mundöffnung und jehr oft
auch puljierende Blajen oder Bafuolen. Ar Bewegungen ift außer einem Schwimmen Durch
Sclängelbewegung der Öeikeln vielen auc) eine Gejtaltveränderung eigen. Die Geißeln
ind nur jelten ohne bejondere Hilfsmittel zu erfennen, weil fie zu dünn jind. Anders
it e3 bei Anwendung der Dunfelfelobeleuchtung oder auch wenn man die Organismen im
mifeojfopijchen Präparat tötet und färbt. Wir unterfcheiden vier Dronungen: die Pro-
flagellaten, Autoflagellaten, Dinoflagellaten und HhHitoflagellaten.
Erite Ordnung:
Shhlingentiercjen (Proflagellata).
Biel größer als bei den NAhizopodertift bei den Flagellaten die Zahl der oe
und der pathogenen Arten, und ganz befonders fommt Franfheitserregenden Formen
aus der Drdnung der Autoflagellaten Hohe Bedeutung zu. Um dieje recht verjtehen zu
fönnen, gedenfen wir zunächit der meift nur mit den allerjtärfiten Mifrojfopen auffind-
baren Schlingentierhen oder Spirochäten, die von manchen Torjchern zu den Baf-
terien gejtellt werden, während andere jie, wohl mit mehr Necht, tro& des Tehlens echter
Geißeln, in mindeitens ebenjo nahe Beziehungen zu den Slagellaten jegen. Dofleim
nannte jie in etwa diefem Sinne Proflagellata, erblidt aljo in ihnen gleichjam Borfahren-
tufen der eigentlichen Geißeltiere.
Anni) den Schraubenbafterien oder Spirillen find die Spirochäten winzige Stäb-
chen ohne {chart umschriebenen Zellfern, was wir wohl am beiten mit Hartmann als eine
88 Einzeller: Geißelträger.
Kückbildungserfcheinung betrachten können, und zwar jind dieje Stäbchen meijt noch aus-
geiprochener als die Spirillen in der Bewegung forkzieherartig gewunden, doch ijt der
Körper nicht ftarr wie bei den Spirillen, jondern metabol; jie Shmwimmen Yebhaft, bor-
nehmlich unter rajcher Drehung um die gedachte Körperachfe. Manche Spirochäten find
der Länge nach von einem fadenfürmigen Strange durchzogen, der bei wieder anderen
Formen wie eine Leijte am Körper außen entlang zieht. Er wird oft al3 undulierende
Membran bezeichnet und würde, jo aufgefaßt, im Verein mit der Metabolie eine Ver-
fnüpfung diejer durch Stleinheit und den Mangel eines differenzierten Zellfernes mehr
bafterienähnlichen Broflagellaten mit gemwiljen noch zu bejprechenden Autoflagellaten, den
Tehpanojomen (©. 41), heritellen, für welche die undulierende Menıbran Fennzeichnend
it. Mitunter ragt Dei Strang jogar wie eine Art Geißel vorn oder Hinten aus dem
täbchenförmigen Körper hervor, und felbit echte Geißeln Hat man bei Spirochäten neben
jenen Sadenfträngen beobachtet. Die Länge der Spirochäten beträgt oft weniger als
1/00 mm oder wenig mehr. Die Ernährung it rein osmotijch, Durch Saftjtrömung. Die
Bermehrung erfolgt durch Längsteilung oder Duerteilung.
„Spirochäten”, jchreibt Doflein, „ind feit langer Zeit in größerer Zahl befannt. Man
findet jie in fauligem Süß- und Geewajjer, in Sumpf- und Moorgräben, Sauchegruben,
im Darm und in den Schleimhautjefreten gejunder Tiere jotwie in ulgerierenden Wunden
und Geihmüren, im Blut und in faft allen Geweben bei gewiljen Krankheiten des Menjchen
und der Tiere.” Der Typus der Schon von Chrenberg aufgeitellten Gattung Spirochaeta
Ehrbg. ist die verhältnismäßig große, in fchwefelmwaijerftoffhaltigem Süßmwaffer, jo 3. B.
zwijchen faulenden Algen, nicht jeltene Süßwajjerspirodhäte, das Wurmfürmige
Schlingentierchen Ehrenbergs, Spirochaeta plicatilis Zhrbg., ein im Durchichnitt ettva
nahezu Y/,, aber noch bi3 1, mm Yanges Fäpdchen von doppelter Spiralfriimmung, indem
den zahlreichen gröberen Körperwindungen Heine, jehr regelmäßige Körperwindungen juper-
poniert find. Eine im Meere lebende Abart wird al3 Sp. plicatilis marına Zuelzer, eine
ähnliche, im Bradwajfer gefundene al3 Sp. gigantea Warming, eine vierte und Yebte, be-
jonder3 Kleine endlich alS Sp. stenostrepta Zuelzer bejchrieben.
Die pathogenen Spirochaeta-Arten fann man al die Untergattung Te
Schaudinn zujammenfafjen. Wir erwähnen nur einige: noch nicht eigentlich pathogen
it die Zahnfpirochäte, Treponema dentium Koch (Spirochaeta), die falt regelmäßig in
der Mundhöhle, und ziwar im Zahnıbelag der Zahnmurzeltegionen, bejonders bei Zahnitein,
lebt; jte ijt eine jehr Kleine und feine Spirochäte von 0,00.—0,012mm Länge und weniger
als 0,ooosmm Dide. Die Spirochäte des europäiichen Nücdfallfiebers, Treponema
recurrentis Lebert (Spirochaeta obermeieri), ijt 1/,, mm lang und hat nır 3—6 Windungen.
Gie erzeugt das in Südeuropa vorfommende Nücdfallfieber, das ähnlich wie die Malaria in
periodischen Fieberanfällen beiteht, jedoch mit Starker Milzanjchwellung, eigentümlichen
Snochenjchmerzen und anderen Erjcheinungen verbunden ilt und, bei jelten tönlichem Yus-
gang, meijt Schnell vorübergeht. T. recurrentis lebt im Blute des Erfrankten, mo die Spiro-
häten zur Zeit der Fieberanfälle fich bejonders lebhaft bewegen, in jeiner Milz und im
Snochenmarf. Bon Menfch zu Menfch wird fie bejonders in unjfauberen Herbergen durch
blutjaugende Snjekten übertragen, mögen dies nun — das ift noch unficher — die Wanze
Cimex lectularius, die Zede Argas persicus, die Kleiderlaus Pedieulus vestimenti oder
mehrere diejer Arten fein. Sehr ähnliche Erfcheinungen ruft die Spirochäte des afri-
fanijhen Nüdfallfiebers oder Jedenfiebers, Treponema duttoni Novy et Knapp
Schlingentierdhen. Nadte Geißelträger. 39
(Spirochaeta), Herbor, an der in Zentralafrifa jeder Einwohner einmal in feinem Leben
erfranfen foll. Shre Unterjchiede von der vorigen Art find Hauptjächlich nur phyfiofogifche,
und zwar die Übertragung durch die fehmerzhaft ftechende Zede Ornithovorus moubata und
die Übertragbarkeit außer auf Affen — was auch bei T. recurrentis gelingt — auf manche
Nagetiere. Auch gibt e3 ein amerikanisches, ein indisches und ein füdchinefifches Rücdfall-
fieber. Die Syphilisfpirochäte oder Yuesjpirochäte, Treponema pallidum Schaud.
(Spirochaeta), ijt über die ganze Erde verbreitet. Sie wurde wegen ihrer Zartheit (0,006 bis
0,015 mm lang, Höchitens 0,00025 mm did) und Bläfje jowie der Schiwierigfeit, fie zu färben,
lange überjehen und erjt 1905 von Schaudinn entdedt. ie hat viele, bejonders fteile Win-
dungen und an jedem Pol einen feineren Geißelfaden. Die Kör-
perform ijt ziemlich jtarı, die Windungen bleiben auch während vn
der Ruhe beitehen; oft verharrt diefe Spirochäte mit eigentümlich Sppditisipivogäte, Tre-
zitternden Bewegungen an einem Orte. Die Syphilisfpitochäte rochaute), Wergräper 1000: 1.
überfehtwernmt den ganzen Organismus der von ihr befallenen ""* "alomromkunen
Menjchen oder Affen und ijt daher jehr jchwer zu befäntpfen. Die
Übertragung erfolgt Tediglich von Blut zu Blut, alfo durch Verlegungen der Haut, die jedoch
unjichtbar Klein jein fünnen. Treponema pertenue Castellan (Spirochaeta) ijt die Spi-
rochäte der Framböfie, einer gefürchteten Tropenfrankheit.
Auch bei Gänjen, Hühnern ujiv. vorfommende Spirochätenkrankheiten find befannt,
ipielen jedoch eine geringere Rolle als bei Säugetieren.
Die mikroffopijche Unterfuchung namentlich der Eeineren Spirochätenarten ijt nur
möglich bei Anwendung der ftärkiten Mifroffopiyiteme und der Methode der Duntelfeld-
beleuchtung. Am ehejten befommt man in belehrenden Augftellungen und dergleichen
einmal die Shphilisipirochäte zu jehen.
Beobachtungen am Rüdfallfieber Yajfen erfennen, daß nach Überftehen eines Anfalles
zeitweilig eine gewilje Immunität erworben wird. ES ift daher auch bis zu einem gemiljen
Grade gelungen, gegen Spirochäten zu impfen, d. h. gejunde Tiere durch Serum eines ge-
heilten zu immunifieren. Bei Hühnerjpirochätoje fand man in dem bei Trypanojomenfranf-
heiten bewährten Atoxyl, beim afrifanischen NRücdfalffieber in Benzidinfarbitoffen und bei
Syphilis und Framböfie vor allem in Ehrlich3 Salvarfan wirfjame Gegenmittel.
Zweite Ordnung:
Nacte Geißelträger (Autoflagellata).
Die Autoflagellaten, verdeuticht etwa „Einfache Geißelträger”, oder, um den
Gegenjab zu den Banzergeißlern hervorzuheben, Nacte Geikelträger, Haben großenteils
mehr oder weniger ovale, manchmal auch Fugelige oder jpindelähnliche Geftalt; meilt am
borderen Ende fißen die Geißeln, gewöhnlich eine oder zwei an der Zahl, Doc) Tann ihre
Zahl auch größer fein und ihre Einfügungsitelle eine andere. Am Borderende liegt ferner
oftmals ein Pigmentfled, dejjen fehr unjichere Deutung ung jchon bejhäftigte. Die Körher-
oberfläche fan nackt und amöboid beweglich) fein, wie bei der jchon erwähnten Geißel-
amöbe, Mastigamoeba aspera F. E. Sch. (Abb. ©. 40), häufiger wird fie aber von einem
Häutchen (Cuticula, Pellieula), manchmal geradezu von einem &ehäufe gebildet. Auf diejen
galfertigen Körperhülfen beruht der Geftaltenreichtum der Tlagellaten, der freilich längit
40 Einzeller: Geißelträger.
nicht an den der Radiolarien oder Horaminiferen heranfommt. Mehr Aufmerkfjamteit als bei
den Radiolarien werden wir bei den Flagellaten der gelegentlichen Soloniebildung fchenfen.
Sm Süßmwaffer wie im Meere find Ylagellaten zahlreich al3 Planktonmwejen vertreten.
Doch mag e3 genügen, hier einige wichtige Autoflagellaten des Süßmwaljers vorzuführen.
Die meiften tierifchen, D. h. des Blattgrüns entbehrenden Autoflagellaten faljen wir
al3 Protomonadina zufammen. Der Name bejagt joviel wie „Urmonaden“, doch wollen
wir diefe Berdeutjchung nicht einführen, da fie nur mit größter Borjicht zu gebrauchen märe.
Unter ihnen gibt e3 amöbvid bewegliche Geißeltierchen, die wir zur Flagellatenfamilie der
Wurz elgeiulr (Rhizomastigidae) zujammenfafjen fönnen, 3. B. die Gattungen Geißel-
amöbe (Mastigamoeba F.E. Sch.) und Zweigeißelamöbe
(Dimastigamoeba Blchm.). Bei den Zmweigeißelamöben ijt
die eine Geißel nach vorn gerichtet, Die andere mwird als
Schleppgeißel nach Hinten getragen. Die Scheinfühchen
(Bjeudopodien) werden beim freien Schwimmen der Tiere
meift eingezogen. Das gleichfalls zmweigeißelige Ziwei-
geftaltige Geißeltierchen, Dimorpha mutans Gror., it
unter den Wurzelgeißlern jozujagen ein geißeltragendes
Sonnentierchen Durch feine jtabförmigen, von Achjenfäven
gejtügten Pjeudopodien, die wiederum bei der Schwimm-
bewegung bis zur Kugelgeftalt des Körpers eingezogen
werden. Mafjenhaft fehwimmen in faulendem Wajjer die
jehr Heinen Arten der bejonvders einfach bejchaffenen Mona-
den (Monas Ehrbg., verdeutfcht etwa „Einheit”), 3.8. Monas
a vivipara Ehrbg. (j. Tafel „Eingeller IL”, 4, bei ©.42), fugelige
Geißelamöbe, Mastigamoeba aspera Dis eifürmige Wejen mit einer Hauptgeikel und einer oder
ae 9 zwei gleichfall® vorn entipringenden Nebengeikeln, oft
mit Yugenfleden. Schwache Pjeudopodienbildung erfolgt
namentlich am Hinterende, das fich aucd) zur Bildung eines Stieles verjchmälern kann, mit
dem dann die fonft frei Schwimmenden Tiere jich zeitweije feitjegen.
Eine vordere Geißel und eine hintere oder Schleppgeißel Fennzeichnet bei zwar jehr
beweglichen, aber wenig amöboid veränderlichem Plasma die Arten der Gattung Schiwanz-
monade (Bodo Ehrbg.), und die Hüpfende Schmangmonade, B. saltans Ehrbg.,
ift oft mit der Schleppgeißel an faulenden Pflanzenteilen feitgeheftet und führt Dann jchnel-
ende Bewegungen aus. Sn der Gattung Bodo gibt e8 mehrere PBarafiten, 5. B. den
häufigen Bodo lacertae Grassi aus der Kiloafe unjerer Eivechjenarten.
Wichtiger alS er oder ein beim Menjchen einmal gefundener Bodo urinarius Künstl.
find für die PBarafitenfunde fehon die Trypanoplasmen der Güktwaljerfiihe (Gattung
Trypanoplasma Lav. et Mesn.), längliche, gewöhnlich etwas jichelfürmige Brotomonadinen
mit meift vorn breiterem, hinten zugejpistem Körper. Am VBorderende entjpringt an
einem großen, ftarf färbbaren, „Blepharoplaft” genannten Körper eine nad) born ragende
Geißel und ein zweiter Faden, der dem Körper entlang nach hinten zieht, mit ihm in jeiner
ganzen Länge durch eine umdulierende Membran verbunden ift und fich meift in eine lange
freie Schleppgeißel fortjeßt. Ein Trypanoplasma borreli Lav. et Mesn., aus dem Blute
farpfenartiger Fijche, wird namentlich Durd) den Fijchegel, Piscicola geometra, übertragen,
Nadte Geißelträger. 41
andere Arten leben in denjelben und anderen Fiichen — jo 3. B. Trypanoplasma ceyprini
Plehn —, aud) in Fröjchen und anderen Tieren. Trypanoplasmen find es, nad) Hofer,
wahrjeheinlich, Die die Schlafjucht der Karpfen hervorrufen.
Biel größeres Suterejje fnüpft jih an die Trypanojfomen (Familie Trypanoso-
midae), die Blutflagellaten im gewöhnlichen Sinne. Bei ausgejuchter Kleinheit, ähnlich
den borerwähnten Arten, find die Trhypanojomen gut gekennzeichnet al3 meijt abgeplattete,
langgejtredt jpinvelförmige Flagellaten, die jtet3 eine an der einen Länggjeite verlaufende
undulierende Membran bejiten, deren verdidter Randjaum fich gemöhnlich an einem Ende
des Körpers in eine Geißel fortjegt. ©tets jind zwei Kerne
vorhanden, der Hauptfern und der Geißelfern oder Blepha-
toplait. Lebterer ift Hein, bejonvers dicht gefügt, ijt mit
dem Hauptfern durch einen feinen Faden verbunden umd
hat neben jich ein Feines Körnchen liegen, Bafalforn ge-
nannt, in dejjen unmittelbarer Nähe der verdidte Rand der
undulterenden Membran, die Saumzgeißel, entipringt. Durd)
den Geißelichlag und das Wogen der undulierenden Men-
bran bewegen jich die Trhpanojomen vorwärts. Mitunter
bilden jie Rattenfünige, Agglomerationen. Sie vermehren
jich durch Längsteilung, der eine Teilung der beiden Sterne
borangeht.
Als Typus der Gattung Trypanosoma Gruby gilt das
1843 entdedte Srojhtrypanojoma, Trypanosoma rota-
torium Mayer (sanguinis), eine Art mit bejonders breitem
Körper, breiter undulierender Membran und deutlicher, aber
wohl nur jcheinbar auf Musfelfädchen beruhender Längs-
ftreifung. €3 lebt zujammen mit anderen Arten im Blut
unjerer Wajjer-, Gras- und Laubfröjche und wird vielleicht
durd) Blutegel bon Trojch zu Trojeh übertragen. Aud) um a Ei Ei
' 1 1 e1 ' - Mit fihtbar gemachtem Blepharoplaft und
Blut von Fiihen und einmal bei einem Fuchs jind Trypano ee
jomen gefunden worden. Doflein, „Lehrbuh der Protojoen-
& . . Tunde”, i üpavat Ma=
Shre ftärkte Verbreitung haben aber die Blutflagetr "ren
laten in den Tropen al Kranfheitserreger bei frei lebenden
Wirbeltieren, bei Haustieren und dem Menfchen. Die erjte Entdedung eines pathogenen
GSäugetier-Trypanojomas ift die des Trypanosoma evansi, de3 Crreger3 der Surrafrant-
heit, Durch den englischen Arzt Evans im Jahre 1880. Von da an jchwillt die Literatur
ftändig an. &3 folgten die Entdelungen anderer Erreger und 1902 und 1903 die Ent-
dedung des Erregerz der jeit Anfang des 19. Sahıhunderts befannten Schlaffrankheit der
Keger durch Dutton und Cajtellant.
Die Trypanofomen vergiften das Blut und verftopfen die feineren Blutgefäße ihrer
Opfer und rufen intermittierende Fieber, Schlaffucht, Odeme und anderes mehr hervor.
Bon Menjch zu Menjch oder von Tier zu Tier werden fie meift durch Injelten übertragen,
und zwar find im tropifchen Airifa Stechjliegen der Gattungen Glossina, Stomoxys u. a.
die wichtigiten Verbreiter diejer Seuchen.
Die wichtigfte Trypanofomenart ift zweifellos da3 Trypanojoma der Schlaf-
franfheit, Trypanosoma gambiense Dutton (Abb. ©. 42). Die unheilbare Schlaffrankheit,
42 Einzeller: Geißelträger.
durch deren Erforfchung und Befämpfung vor allem Robert Koc) jeinen Namen unsterblich
gemacht hat, ijt -im tropifchen Afrifa meitverbreitet, befällt z. d. in Gambia 6 Prozent,
am Kongo, wo jchon ganze Dörfer durch jte ausgejtorben fein jollen, im Mittel 46 Wrozent,
in gewiljen Gegenden jogar 80—75 Prozent der Eingeborenen, während Europäer mehr
bon ihr verjchont bleiben. Cie beiteht in Schlafjucht, oft wochenlangem Schlafzuftand
mit nun vorübergehenden, jpäter ausbleibendem Erwachen zur Aufnahme der Nahrung ujw.
und führt jomit zu jtarfer Abzehrung und fchließlich zum Tode. ES fan freilich auch der
Schlaffrankheitserreger einen ganz anderen Shymptomenfompler, nämlich da3 Trypa-
nojomenfieber, hervorrufen, das oft erjt nad) Jahren zum Tode führt, aber auch) in
Schlaffrankheit übergehen fann.
Übertragen wird der Schlaffranfheitserreger in vereinzelten Fällen wohl durch intimes
Zujammenleben der Menfchen, Hauptjächlich aber Durch die Stechjliege Glossina palpalıs.
— Auf Ddiejer Kenntnis beruht die Möglichkeit, Durch vorbeugende Maß-
. nahmen das VBerbreitungsgebiet der Schlaffranfheit ftellenmweije ein-
zudämmen. Dennoch ift diefe Völferplage im ganzen in zunehmender
Berbreitung begriffen, indem jie den Staramanen- und Handelsitragen
folgt und jo 3. B. vom Stongogebiet zum ©ebiet der großen Seen
Ban - gelangte. „Es find im legten Jahrzehnt“, Schreibt Doflein 1911, „jicher-
= KT
Trypanojoma der
Sählaffrantheit, Tıy-
panosoma gambiense
Dutton, mit fihtbar ge
madten Blepharoplaft
und Zellfern. Bergrößes
rung 1000:1. Aus $.
Doflein, „Lehrbud) der
ih mehrere hunderttaufend Menjchen an ihr zugrunde gegangen;
in der Provinz Bujoga am Biktoriajee in Britiich-Ditafrifa jtarben
1902 bis 1905 an Schlaffranfheit 30000 Menjchen.”
Sehr ähnlich dem Schlaffrankheitserreger, unter anderem durch
den in der Mitte des Leibes gelegenen Zellkern, it das am Hintereride
Protozoenkunde”.
verhältnismäßig abgeitumpfte Trypanosoma brucei Plimmer et Brad-
ford, der Erreger der Nagana oder Tjetjefranfheit der Huftiere — nad) der Tjetje-
fliege, Glossina morsitans, benannt — in ganz Afrika füdlich der Sahara. Fieber, Milz-
ihwelfung, darauffolgende Blutleere und allmählicher Verfall des ganzen Organismus
iind die Hauptmerfmale diefer vom Großmwild, 3. B. mwandernden Antilopenherden,
Büffeln ujw., duch Oflofjinen auf Haustiere übergehenden und bei ihnen meilt zu rajchem
Sterben führenden Seuche, die jährlich Unmengen von Tieren zugrumde richtet, nament-
ih in Süd- und Südoftafrifa den ganzen VBiehbejtand mancher Gegend ausgerottet hat
und jomit große Gebiete Ducch ihr endemisches Borfommen der Kolonijation verjchließt.
Mit der Erforjehung Ddiejer Krankheit und ihres Erregers ift gleichfalls der Name Robert
Koch für alle Zeiten verfnüpft. Die Krankheit jchwindet aus einer Gegend, wenn das Wild
aus ihr fortwandert. Die Schon genannte Surra, deren Erreger Trypanosoma evansi Steei
genannt toird, vertritt die Nagana in Aien, ift namentlich in Indien, den Sundainjeln
(bejonders Java) und auf den Philippinen verbreitet, auch in verjchtedene englische Ktolo-
nien verjchleppt; fie befällt unter anderem Pferde, Stamele, Elefanten und Büffel „und
machte jich der indischen Regierung dadurch befannt, daß jie bei Transporten und Teld-
zügen Hunderte von Pferden und Maultieren tötete, jo im Sahre 1800 300 Pferde bei
einem einzigen Negiment. Sie ift nach Mauritius und wahrjcheinfich auch nad) Dftafrifa
mit Tiertransporten verjchleppt worden.”
Koch vieles wäre über Franfheitserregende Trypanofomen zu jagen, doch ziuingt ung
die Raumfrage zur Kürze, und fo fehreiten wir jeßt zu anmutigen frei lebenden Geißel-
tierchengattungen fort.
Einzeller II.
2. Hexamitus inflatus Dizj.
(Zu S. 43.)
1. Actinosphaerium eichhorni Zhrbg. (Zu S. 33.)
Er Ri Rindensubstanz — Ekto- K Kerne.
N plasma. Na Nahrungsvakuole.
Ma Marksubstanz — Ento- KV Kontraktile Vakuole. |
plasma. A Achsenfaden im |
Ps Pseudopodien. Pseudopodium. |
a
3. Dinobryon sertularia Ehrbg.
(Zu S. 45.)
Vergr. 440: 1.
4. Monas vivipara
Ehrbg.
Vergr. 650:1. (Zu S. 49.)
dali Kent. Vergr. 1000 :1;
rechts: Tetramitus rostra- TEE ee - en
tus Perty. Vergr. 500:1. 6. Kolonie von Codonocladium umbellatum Sfein.
(Zu S. 43.), Nach Stein. Vergr. 300:1. (Zu S. 43.)
Abb.2—5 aus Blochmann, Die mikroskopische Tierwelt des Süßwassers, Abb. 1 und 6 aus Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde.
SEN
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DD
N N
! |
7. Ceratium hirundinella O. F. Müll. 8. Lacrymaria
Vergr.175:1. (Zu S.48.) olor O. F. Mäll.
Vergr. 225: 1. !
(Zu S. 62.)
[® RN
11. Noctiluca miliaris Sur. Vergr. 75:1. (Zu S. 49.)
135. Ceratium tripos Ehrbg.
Vergr. 200:1. (Zu S. 48.)
12. Opalina ranarum Stein, in Teilung. 14. Bursaria truncatella O. F. 15. Dileptus cygnus Clap. et Lachm.
Vergr. ca. 435:1. (Zu S. 63.) Müll. Vergr. ca. 20:1. (Zu S. 63.) Vergr. 240:1. (Zu S. 61.)
Abb. 7, 9 und 12 aus Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde, 8 aus Verworn, Allgemeine Physiologie, 10 und 15 aus Mez, Mikroskopische
Wasseranalyse, 11 aus Steuer, Planktonkunde, 13 aus Claus-Grobben, Lehrbuch der Zoologie, 14 aus Blochmann, Die mikroskopische
Tierwelt des Süßwassers.
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= vi 9. Colpoda cu- 10. Eudorina elegans Zhrbg.
N ceullus Müll. Vergr. 220 :1. (Zu S. 46.)
AN Unten der 3 }
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ZEN (Zu S. 60.)
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“
Nadte Geißelträger. 43
Bei den Kragengeißlern (Choanoflagellata) erhebt jich im Umtfreis der Geihel
ein trichter- oder Fragenähnlicher Auffas, wodurch diefe Tiere ausjehen wie die Geißelzellen
eines Schwammtieres. Diejes Organ erleichtert das Herbeijtrudeln der Nahrung und ift
diefen Tieren wohl als Erjag für einen gewifjen Ausfall an Beweglichkeit mitgegeben. Denn
e3 Handelt fich oftmal3 um zwar einzeln lebende, aber mit ihrem Hinterende oder gar mit
einem eigens ausgebildeten ©tiele feitjiigennde Monaden, 3. B. bei der Gattung Monosiga
Kent, ein andres Mal, bei Codosiga botrytis Ehrbg., jiten bis 20 oder mehr jolcher Sragen-
monaden, zu einer fugeligen Kolonie vereinigt, jede mit bejonderem fleinen Stiel auf dem
Ende eines langen, auf feiten Oegenjtänden jtehenden Stieles wie die geflügelten Samen
auf dem Stiel der Löwenzahnblume; und nahezu den Doßdenpflanzen ähnlich wird joldh ein
miftoffopiiches Gewächs dadurch), daß der gemeinjame Stil doldig oder unregelmäßig ver-
ameigt ift, mie bei Codonocladium Stein, 3.8. C. umbellatum Stein (|. Tafel „Cinzeller IL, 6);
wieder in anderen Fällen find die Monaven durch Vereinigung ihrer Heinen Einzelitiele in
einem Zentrum zu einer fugeligen, zwar frei |chwimmenden, die Bewegung der Einzelmejen
aber immerhin einfchränfenden Kolonie zufammengejchlojjen, jo bei der jelteneren Gattung
Astrosiga Kent. Der Reichtum an Gruppierungen ijt damit übrigens nicht erjchöpft.
Bielgeikler (Polymastigina) nennt man einzeln lebende, tieriiche Tlagellaten mit
drei oder mehr Geißeln, die namentlich dann, wenn ihre Anzahl eine größere, 3. DB. acht,
ift, an verjchiedenen Stellen des Körpers eingefügt jind. E3 find unjcheinbare Arten, die
in faulendem Wafjer leben und auch in Heuinfufionen öfter anzutreffen jind, wie Die Vier-
geißler Tetramitus rostratus Perty (j. Tafel „Eingeller II”, 5) und pyriformis Klebs, die
dreigeißelige Dallingeria drysdali Kent (j. Tafel „Cinzeller IT”, 5), die jich mit den zwei
hinteren Geißeln fejtheftet und jchnellende Bewegungen ausführt, Der Sechögeißler Hexa-
mitus inflatus Duj. (f. Tafel „Einzeller IL”, 2) und andere mehr. Viele Arten leben para-
fitifch im Menfchen: die dreigeißelige Trichomonas hominis Davarne (intestinalis, Cerco-
monas), ein Kleines, birnförmiges Flagellat aus dem Darm namentlich bei Erkrankten, nebit
T. vaginalis Donne, meift aus der Scheide; ferner die achtgeißelige, auch an Säugetieren,
namentlich Nagetieren, befannte Lamblia intestinalis Zambl. (j. Tafel „Einzeller III”, 10,
bei ©. 68), ein wohl harmlofer, aber bei vorhandenen entzündlichen Prozejjen fich jtärfer
bermehrender Darmparafit der Nagetiere und Menjchen. Sie jieht ettva wie eine winzige
Raulguappe aus, vermag fich auch wie eine Kaulguappe mit dem Vorderende Feftzufaugen
und fich fomit an der Darmmwandung feltzuhalten. Acht Geißeln am Vorderende, an der
Bauchjeite und am Schwanzende dienen der Bewegung.
Sn der Aloafe unferer Trofcharten lebt Trichomonas batrachorum Perty. Wichtiger
ift Die dreigeißelige Costia necatrix Henneg. (Tetramitus nitzschei), die mit ihrem Störper
feftgefaugt und in "großen Mengen mit den Geißeln veranfertauf der Haut von Goldfilchen,
Regenbogenforellen, Sorellenjungfiichen, Schleien, Karpfen ufw. feitiist und dann meilt
früher oder jpäter die Tiere zugrunde richtet. Man heilt die Tiere, nach Hofers Angabe, amt
beiten durch ein halbftündiges Bad in 22%, prozentiger Sallöfung.
PBilanzliche Flagellaten in einem Buche iiber das Tierleben zu behandeln, könnte Dem
Uneingemeihten überflüffig erfcheimen. Doch nehmen mir diefe Organismen, über die aud)
botanifche Werfe Auffchlug geben, nicht nur aus alter Gewohnheit auch) fürs Tierreich in
Anfpruch, fondern wegen ihrer vollendeten Tiernatur in Gejtalt und Bewegungen und
bor allem megen ihres engen Anfchluffes an die vorher bejchriebenen Formen. Zudem
44 Einzeller: Geißelträger.
it vielen pflanzliche und tieriiche Ernährungsmeile zugleich eigen, viele bilden auc thig0-
podiale, aljo amöbenähnliche Stadien.
©o gibt e3 pflanzliche und tieriiche Tlagellaten unter den zahlreichen Euglenoidina;
das find einzeln lebende, frei bewegliche, nicht jo ganz Heine, meijt etiva jpindelförmig oder
oval geitaltete ein-, jelten zweigeißelige Organismen mit meijt deutlicher, TängS- oder jpiral-
geftreifter Zellhaut und fpiraliger Schwimmbemwegung. Zur befannteften Gattung Yugen-
tierchen (Euglena Ehrbg.) gehören nur pflanzliche Organismen, denn alle dieje jpindel-
fürmigen, eingeißeligen Arten haben inmitten ihres Plasmas grünes Chlorophyll und aufer-
dem PBaramylumkförner, die aus einer ftärfeähnlichen Mafje beitehen, als Deut-
lichen Beweis dafür, daß hier wie überall im Pflanzenreiche das Blattgrün
ven Aufbau nahrhafter KKohlehydrate aus bioßer Kohlenjäure und Wajjer er-
möglicht. Die befanntejte Art, das Grüne Augentierchen, Euglena viridis
Ehrbg., it etiva Y/,, mm lang, Die nach vorn gerichtete, in einer Einferbung
entjpringende Geißel jo Yang wie Der fijch- oder [pindelfürmige Körper, in
vejjen Mitte ein jteunfürmiges grünes Chromatophor aus Chlorophyll auf-
fällt, darin ein al® „Phrenoid“ bezeichnetes, Teicht färbbares Korn, Daneben
Jomwie jonjt im Plasma Baramylumkförner. Am Einfügungspunft der Geißel
liegt der rote „Augenfled” und dicht an ihm ein Bafuolenjyitem. &3 ijt
recht anziehend, diefe hübfch gefärbten Wejen unter dem Mifroffop zu be-
Grünes Aus
gentierden,
Euglena viri-
dis Ehrbg. KV
Kontraftile Ba=
fuole, Rs Nejer-
voir,K Kern mit=
ten im fternför=
migen Chromas
tophor, P Par=
anylumflörner.
Vergr. 400:1.
Yu3 Blod-
mann, „Die mis
frojfopijcheTierz
welt de3 Süß-
mwafiers’.
obachten. Das Pflanzentier jehtwimmt, Pigmentfled und Geißel voran, unter
jteter Rechtsorehung um feine Längsachje und zugleich in Kinfsgewundener
langgezogener Spirallinie. Kommt ihm ein Hindernis in die Duere, jtößt es
auf im Wajjer gelöfte Galz- oder Cäuremengen oder andere Stoffe, die ihm
nicht zuträglich find, fo wird die Vorwärtsbewegung verlangjamt oder ge-
hemmt, das jeitliche Umfippen aber, dejjen ftändige Ausführung zur jpiraligen
Bahn führte, verftärkt, die Spirale alfo erweitert und zugleich in einen
Kegel zufammengezogen. Dadurch „probiert — um in der fchon oben (©. 13)
gewürdigten Ausdrudsweije von „Trial and Error“ (Berjuch) und Srrtum)
zu beharren — das Tierchen viel mehr Wafjermafjen, viel mehr Schwimm-
richtungen aus al3 zubor und Schwimmt jchlieflih in der Nichtung der
geringiten Reizung in gewohnter Weife weiter, bis etwa ein neuer Neiz das Spiel der Flucht-
reaktion zur Wiederholung bringt. Auch Schatten oder zu jtarfes Sonnenlicht Löjen diejes
Berhalten aus und rufen, wenn fie allmählich nahen, nur ganz allmähliche Inderungen
der Chwimmrichtung hervor. Golche von Sennings jehr genau bejchriebene Berjuche
lafjen fi) in gewifjem Umfange leicht nachprüfen, und man wird fie nur beftätigen können;
jene Betwegungsweife ijt charakteriftiich, fie fehrt bei zahllojen Einzellern und auch no
bei Nüdertieren wieder. Außer zum Schwimmen find die Euglenen zu einem eigentümlichen
Striechen befähigt: das Hinterende fehtwillt fugelig an, die Kugel läuft al3 Welle den Körper
entlang bis nach vorn, dann wird das joeben jchmächtig gewordene Hinterende eingezogen,
nad) vorn ein folcher Teil ausgeftrect uf. Diejes Rollen des Körpers auf Kontraktions-
mwellen mag num freilich oftmals eine Folge von zu geringer Luftzufuhr und Zeichen des
baldigen Todes oder der Einfapfelung fein.
Umjer Grimnes Augentierchen beanfprucht, wie viele Einzeller, jeymugiges oder fau-
lige3 Wajjer; mindeftens ift eine gewiffe Stagnation, wie fie m Sümpfen häufig ift, ihm ein
Erfordernis. Aber wir brauchen diejes VBerjuchstier nicht jedesmal aus jolchen DOrtlichfeiten
Nadte Geißelträger. 45
zu entnehmen, wo es am majjenhafteften gedeiht; das find nicht nur. Heine Gtraßen-
gräben, fondern auch Abmwäfjer der Haushaltungen, Düngerjauche, mit Urin getränfter Unrat
aller Art; folche Stätten werden oft durch Millionen von Euglenen lebhaft fpangrün gefärbt.
Eine andere, jeltenere Art, das Rote Augentierchen, Euglena sanguinea Zhrbg., it oft
unbejchadet des Gehalts an Blattgrün durch feine Tröpfchen eines anderen Yarbitoffes,
Hämatochrom, ganz rot gefärbt und fan durch majjenhaftes Auftreten Gemwäjjer rot färben.
Gie ilt eine der Urjachen der Blutjeen, Heiner, Höchitens 40 m breiter Tiimpel in der baum-
Iojen Weidelandregion der Hochalpen. Solche und andere Färbungen Fünnen aber auch
durch Algenarten Herborgerufen werden.
Bei den Sarbmonaden (Chromomonadina) find die Chromatophoren grüngelb, gelb,
grünbraun oder braut, weil fie neben dem Blattgrün noch einen bräunlichen Farbitoff, der
jenes verdeckt, enthalten. Eine Geißelamöbe folcher Art ift die Goldamöbe, Chrysamoeba
radıans Klebs (Öattung Chrysamoeba Klebs). Synura uvella Ehrdg. (Gattung Synura Ehrbg.)
bildet frei jchiwimmende, braune, Fugelige Kolonien von SO und mehr Sndividuen, die zu-
jammen einen Raum von Y/,, mm Durchmefjer einnehmen. Wie bei den Scragennonaden
gibt eS auch bei den Zarbmonaden neben Einzellebigen und Kugelfolonien noch pflanzen-
artig verziveigte Kolonien, jo in der Gattung Banzermoos, Wirbelmoo3 (Dinobryon
Ehrbg.). Sede der bräunlichen Monaden figt hier in einem becherfürmigen Gehäufe, jedes
Gehäuje mit dem Becherboden im Bechermund feines Muttertieres, aus dem das Tochter-
tier Durch Teilung hervorging. Die Büjche find freifchwimmend und bilden in Dinobryon
sertularia Ehrbg. (|. Tafel „Einzeller IL”, 3, bei ©. 42) oft einen beträchtlichen Beftandteil
des Planktons unjerer Schönen Binnenjeen.
Zu den Chromomonadinen gehört auch die Goldglanzalge, Chromulina rosanoffii
Bütsch., die, in Mafjen ftill auf der Wafjerfläche Ichrwimmend, Durch Tichtreflerion die nament-
lich im deutihen Mittelgebirge manchmal feenhafte Erjcheinung dee Leuchtwaijers hervorruft.
Kein grün find wieder die gewöhnlich recht anjehnlichen Chromatophoren bei den mehr
oder weniger fugeligen Grünmonaden (Phytomonadina), die meijt zwei ©eißeln Haben.
Die artenreiche Gattung Chlamydomonas Zhrbg. bedingt oftmals die Grünfärbung bon
Pfüsen, Wajferanfammlungen in Dachrinnen und dergleichen mehr, vor allem die häufigite
rt, Chlamydomonas pulvisculus Zhrbg. Bei dem als fchneefärbend jchon oben (©. 6)
erwähnten Haematococeus pluvialis A. Brn. (Gattung Haematococeus Agardh) Tann
iiederum rotes Hämatochrom das Plasma durchjegen, jo daß diejes Geißelwejen Negen-
ladyen bald grün, bald rot färben fann. &3 ijt übrigens wieder nicht das einzige jchnee-
färbende Wefen, jondern für den roten Schnee allein gibt e8 wohl 50 Arten, andere
wieder bilden namentlich im Norden den jelteneren grünen und blauen Schnee, worüber
botanijche Werfe Auskunft geben.
Zu den Grünmonaden gehören auch die jchon oben (©. 31) erwähnten, Kalfkörperchen
tragenden Coccolithophoridae im Meere, „lebende Kreideorganismen“, unter deren zahl-
reichen jtetS zweigeißeligen Arten die verbreitetite, Pontosphaera huxleyi Zohm.., in der Ditjee
die einzigeift. Den Ozean fann fie ftellenmeije durch mafjenhafte Entwidelung mildhig trüben.
Eine grüne jchwimmende bierzellige Kolonie chlamydomonasähnlicher Jndivivuen
ift das fcheibenförmige Gonium tetras A. Brn., 16zellig find Gonium pectorale Ehrbg., das
Slimmertäfelchen, und die fugelige Pandorina morum Ehrbg., va8 Maulbeerchen; öfters
46 Einzeller: Geißelträger.
32- al3 16zellig und oft über Y/,, mm groß wird das Augenfitgelchen, Eudorina elegans
Ehrbg. (j. Tafel „Einzelfer IL, 10, bei ©. 43). Bei diefen Kolonien umjchließt, da infolge der
pflanzlichen Ernährungsmeije ein aftives Frejjen nicht nötig ijt, eine gemeinjame Gallerthülfe
die einzelnen griimen Mionaden; dieje Haben je einen roten Augenflef und erfüllen bei Pan-
dorina die ganze Stugel, jo daß jte jich aneinander abplatten und im Mittelpunfte alle zu-
fammenftoßen, während fie bei Eudorina jich in regelmäßigen Abftänden an der Innnenjeite der
Hülle verteilen. Berlieren fie Danurch offenbar untereinander an Zufammenhang, jo ijtdiejer
. wieder hergeitellt bei
ulndlrta. der großen grünen
ER Slimmerfiugel, Vol-
ir Ver vox. globator Ehrbg.
1 @ -. Die Tlimmerfugeln
Ind DBlajen, Deren
Durchmejjer 1%, mm
erreicht, und die jehr
zahlreiche, bis über
20000 Einzelwejen mit
je einem roten led
enthalten. Gie alle
liegen dicht unter der
gemeinjamen Außeren
Gallerthülle, find von-
einander zimar Durch
dichte eigene Hüllen
getrennt, aber wie-
derum Durch Starke
Vrotoplasmabrüden,
die Die Cinzelhüllen
SS ER durchjegen, miteinan-
KIN N der derartig verbun-
B in alu m den, ba der Eindrud
Slimmerfugel, we nn Gejhlehtszellen einer Kolonie von Ein-
| zellern jchon verwilcht
wird und wir den ganzen Volvox fait als ein vielzelliges Wejen bezeichnen möchten;
jedenfalls Tiegt injofern ein einheitlicher, vielzelliger Organismus vor, als die plasma=
tiiche Berbindung der Zellen untereinander offenbar eine trefflich arbeitenne Neizleitung
ermöglicht. Denn mie wäre e3 jonjt möglich, daß die Anzahl von Geißeln, deren jede
Belle zwei durch Die Gallerthülle nach außen ins Wafjer ragen läßt, alle, wie an den
Slinmerepithelien der vielzelligen Tiere, in gleichem Sinne jchlagen? Der gleichjinnige
Stmmerjchlag bewirkt bei Volvox ein Vorwärtsjchwimmen der Kugel mit einem Woi
boran; ein anziehendes Bild, das oft mit dem einer Durch Auderjchlag Dahinfahrenden
Galeere verglichen wurde und Durch Dies hHarmonifche Zufammenarbeiten der Teile jowie
Durch das gejchiette Ausmeichen der Zellenfugel vor Hinderniffen, wobei alle Geißeln plöglich
in einer anderen Nichtung fchlagen, wohl jedem Mikrobiologen jeit Leeumenhoved jchon
Sreude gemacht hat. Die Volvocidae, wie man die foloniebildenden Phytomonadina
Nadte Geißelträger. PBanzergeißler. 47
sufammenfaßt, find aus Teichen und Gräben mit reinem Wafjer meift nicht allzujelten zu
gewinnen, gelegentlich jogar, namentlich Pandorina, in Menge darin vorhanden.
Kolomiebildung trafen wir alfo unter den Autoflagellaten bei den Protomonadinen,
den Chromomonadinen und den Phytomonadinen an, und in der Zamilie der Volvocidae
ift die Formenreihe vom Einzelligen zum Bielzelligen bejonderz jchön und volfftändig. Auch)
in der Bermehrungsmweije verhält jich Volvox wie ein Vielzeller, und bei anderen folonie-
bildenden Geißelträgern bemerfen toir Schritt für Schritt Annäherungen an diefen Zuftand.
Bei den Dinobryonbüjchen 3. B. erfolgt die Vermehrung in einfachiter Weije durch ge-
Yegentliche Teilung der einzelnen Zellindividuen. Bei Spondylomorum quaternarium Ehrbg.,
einer ellipjoiviichen Stolonie von 16 grünen viergeißeligen Phytomonadinen, gejchieht die
Vermehrung Durch) Halbierung der ganzen Kolonie unter Länasteilung ihrer famtlichen
Spndivivduen. Bei Pandorina bildet jede Zelle der Gechzehnzellenfolonie fich durch mehr-
fache Teilungen zu einer Kleinen Gechzehnzellentolonie um, und fait gleichzeitig jchlüpfen
16 junge 16zellige Bandorinen aus der mütterlichen, nım verödeten Plasmehülle aus. Von
Zeit zu Zeit gibt e8 bei Pandorina auch eine Vermehrung durch Paarung von gleichartigen
Schmwärmjporen, deren jede durch Achtteilung einer Bandorinazelle entitand, und e3 liegt
jomit gejchlechtliche Fortpflanzung vor. Bei Eudorina zerfällt manche Stolonie in lauter
erähnliche Maftogameten, manche in flinfbemegliche, Feine, jchlanfe Mikrogameten oder
Spermatozoen. &3 Fann fich dann je ein Mafrogamet mit einem Mifrogameten paaren.
Bei Volvox globator haben, abweichend von Pandorina und Eudorina, die meilten Zellen
nicht die Fähigkeit, neue Zellfolonien zu erzeugen, jondern infolge Arbeitsteilung dienen
nur bereinzelte unter ihnen der Fortpflanzung. Dieje bilden ji) dann entweder un-
gejchlechtlich Durch Teilungen zu neuen Volvox-Sugeln heran, oder fie find ven Gejchlecht3-
zellen der Vielzelfer vergleichbar: manche Keimzellen der Volvorfugel bilden dann nämlich
ducch mehrfache Teilung einen Haufen Shwärmjporen, Mikrogameten oder Spermatozoen,
andere wachjen ohne jegliche Teilung zu rundlichen Mafrogameten oder Giern heran. Auch
hier fommt e3 zur Paarung zwilchen den ausgetretenen Abfömmlingen, alfo wie bei
Eudorina bei deutlicher gejchlechtlicher Berjchiedenheit der PBaarlinge. Den letter Schritt
in der Differenzierung geht eine andere Art: denn während Volvox globator oft männ-
fiche und meibliche Keimzellen nebeneinander bildet, find bei ver Goldflimmerfugel,
Volvox aureus Ehrbg., die Kugeln getrenntgejchlechtlich, wie die von Eudorina; die einen
entfenden Spermatozven, die anderen Gier, wie bei den meijten vielgelligen Tieren, und
zivar goldfarbene. Nach dem Austreten der Samen- und Eizellen ins Waller, wo jie
lich zur Paarung treffen, verfällt der alte Voldorförper früher oder |päter Dem Tode,
einem Schidjal, das bei den phyfiologiich unfterblihen Einzellern nur durch äußere Ge-
walten herbeigeführt werden fann und nur vielzelligen Organismen als normales phyjio-
logijches Gejchehen bejchieden ift.
| Dritte Drdnung: :
Banzergeißler (Dinoflagellata).
Was die Kofferfiihe der tropiichen Meere oder die vorzeitlichen Banzerfijche, die
Ditrafodermen, unter den Filchen find, was die Schilofröten unter den Sriechtieren, das
ettiva find die Banzergeißler (Dinoflagellata) unter den Geißelträgern: ein aus Platten
48 Einzeller: Geißelträger.
fejtgefügter, oft von Stacheln und zahlreichen Dornen ftarrender Panzer umjchließt den
Plasmaleib diejer Kleinlebemejen jamt jeinen etwaigen Anhängen, die 3. B. als gerade oder
gekrümmte Hörner den Körper an Länge vielmal3 übertreffen. Abenteuerliche Gejtalten
entitehen fo. Doch herricht in den Orundzügen Des Sörperbaues bei diejen Wejen nur
geringer Wechjel, vielmehr bilden Die Panzerflagellaten eine ziemlich jcharf umjchriebene
Ordrumg. Mitten um den Leib Ichnürt den Panzer eine Furche ein, die bei manchen Arten
auch nach vorn oder nach Hinten verjchoben ericheinen fann. Zwei Geikeln entjpringen an
ihr, eine nach hinten gerichtete Schleppgeißel und eine in der Furche Tiegende, lebhaft in
Heinen Wellen jchwingende Duergeißel.
Planzenähnlichkeit Haben die Banzergeikler durch ihr Hautjfelett, das nämlich aus
Zellulofe bejteht wie die Zellhäute im pflanzlichen Zellgerwebe, ferner durch den nur jelten
fehlenden Gehalt an Chlorophyll, der öfter nur durch einen bräunlichen Farbitoff verhiüllt
it. ©o find fie aljo zur pflanzlichen Allımilation befähigt, daneben aber nehmen einzelne
Arten, wie auch manche pflanzliche Autoflagellaten, auch Nahrungskörper durch einen feinen
Zellmund auf; jie ernähren jich zugleich nach pflanzlicher und nach tierijcher Methode.
Sm Süßmwafjer gibt es in Deutjchland nur etwa 20 Arten von PBanzergeißlern.
Darunter find Formen mit ehr jchwachen Panzer, jo daß jte fait ihre Zugehörigkeit zur
Drdnung zu verleugnen jcheinen, ja eine chlorophylffreie Art der Gattung Gymnodinium
Stein, da8 Gymnodinium hyalinum Schöll., jah der Entdeder unter Abmwerfung der Geikeln
in amöboiden Zuftand übergehen und Chlamydomonadinen frejjen. Häufigere, Fräftig be-
panzerte Arten von Stugel- bis Giergeftalt find Peridinium tabulatum Zhrdg. und andere
Bertreter diefer Gattung, ferner zwei Angehörige der Gattung Gehörngeißler (Ceratium
Schrank), das plumpe Hörnchen, Ceratium cornutum Zhrbg., und das viel jchlanfere,
elegantere Schwälbchen, C. hirundinella Müll. (f. Tafel „Einzeller II”, 7, bei ©. 43);
feßteres erhalten wir nur mit dem Planftonnet aus größeren Teichen und Geen, jenes, wie
auch die Peridinium-Iltten, aus Heineren Gemäfjern und Sümpfen aller Art.
Sm Meere leben zahlreiche Arten der Gattung Ceratium und anderer „Peridineen“,
wie man die Mehrzahl der Dinoflagellaten zufammenfafjend zu nennen pflegt (Samilie
Peridinidae), al® Planftonwejen. Cine der häufigiten Arten der deutichen Meere ijt der
Dreifuß, Ceratium tripos Zhrbg. (f. Tafel „Eingellfer II”, 13, bei ©. 43), der Übrigens
mancherlei Spielarten bildet, zum Teil infolge der Unterjchiede des Galzgehaltes. Einige
bon den meerbemwohnenden Panzergeißlern find durch Leuchtvermögen ausgezeichnet. Sie
tragen dadurch zur Erjceheinung des Meerleuchtens, das freilich Hauptjächlich auf ZHytoflagel-
faten beruht, bei, oder Tünnen es, wo Zhftoflagellaten fehlen, wie in der Ditjee, allein in
ichwachem Maße hervorrufen. Selten wird in der weitlichen Ditjee das Meerleuchten zu
einer auffallenden Naturerfcheinung. Dem Forfcher aber önnen in friihen Planktonfängen
feuıchtende Dreihörner, andere Ceratium-Arten und dergleichen begegnen. Mit Recht hebt
Gzepa hervor, daß fein einziger Organismus des Siüßmwafjers leuchtet. Wenn mir jelbit
innerhalb eimer Gattung, wie Ceratium, das Leuchtvermögen auf die marinen Arten
bejchränft fehen, jo wird offenbar, daß der den Organismus ducchdringende Salzgehalt
eine Borbedingung für das Leuchtvermögen ilt.
An einer Stelfe unferes Cröballes wird ein von einer Peridinee, Pyrodinium baha-
mense Plt., hervorgerufenes Meerleuchten zu einer Sehenswürdigfeit, für die der Vejiter
jenes Gemäljer3 jogar ein Eintritt3geld erhebt. E3 ift dies der Feuerjee (Waterlov- oder
Firelafe) bei dem freundlichen Städtchen Naffau, dem Hauptorte des Bahama-Archipels,
Banzergeigler. Blajengeißler. 49
auf der Injel New Provivence. Der von Mangroven und einzelnen Palmen umtahmte
©ee, der etwa 14 qkm groß fein mag, jteht, nach Plates Schilderung, durch einen etwa
500 m langen Sanal mit dem DOgean in Verbindung, jo daß jede Flut ihm frifches Salz-
waljer zuführt. „Seder Nuderfchlag”, jo bejchreibt Plate den nächtlichen Anblid, „treibt
gligernde Wellen über die Dberfläche, und die herabfallenden Tropfen leuchten wie
jlüfjiges Silber in einem meißlichen, etwas mit Gelb verjegten Lichte, das jo intenfio ift,
daß man Die Stellung des Uhrzeigers erkennen kann. Aufgefcheuchte Fische ziehen leuchtende
Streifen durch das Waffer und lajjen fich weithin verfolgen. Filtriert man das Waffer mit
dem feinen Blanftonneße, jo it dejjen \snnenfläche beim Herausheben aus dem Waffer
überjät bon phosphorijch leuchtenden Bunkten, ein Mintaturbild des in kalter Winternacht
funfelnden und flimmernden Sternenhimmels. Als Glanzpunkt der Darbietung fpringt ein
Neger ins Waljer, und während alle Konturen feines LTeibes magifch erglänzen, ruft er
durch jein Plätjichern eine ganze Feuergarbe funfelnder Bfie hervor.”
Vierte Ordnung:
Blajengeißler (Cystoflagellata).
Die eigentlichen Meerleuchttierchen gehören der jcharf umfchriebenen artenarmen,
aber weitverbreiteten Drdnung der Blajengeißler (Cystoflagellata) an. „Gallertgeißler‘
fünnte man jie auch nennen, denn die Hauptmajje ihres Körpers beiteht, ähnlich wie bei
Dnallen und manden ähnlichen Meeresorganismen, aus einer wafjerreichen Gallerte, die,
gleich dem Zelifaft einer Pflanzenzelle, nur von zarten Strängen lebenden Plasmas durch-
zogen it. Dadurch find dieie Tierchen unverhältnismäßig groß, und vielleicht wird damit
ihr jpezifiiches Gemicht dem de3 Meermaljer3 angenähert. Die Zellhaut ift gefpannt, fo
daß daS Noctiluca-Bläschen durch Drud unter Hörbarem Knall zum Zerjpringen gebracht
werden fann, wie ein Sloh.
Die meitverbreitete Noctiluca miliaris Sur. (j. Tafel „Einzeller IL”, 11, bei ©. 43) ift
da3 jtednadelfopfgroße Meerleuchttierchen der Nordjee. ES Hat die Geftalt eines Pfirfichs,
und an jeiner Kerbe tritt der bewegliche geißelähnliche, aber verhältnismäßig dide Faden
herbor, mit dem das Wejen jich bewegt. An diejer Stelle ijt auch eine Miundöffnung, durch
welche die Nahrumgaitoffe in Das innere veränderliche Rlasmanet aufgenommen mwerden.
Gleich hinter der Eingangsöffnung liegt die den Zellfern enthaltende Plasmaanhäufung, von
der jich Plasmaftränge unter vielfachen Berzweigungen und Verbindungen durch die Gallerte
erjtreden, um endlich mit den immer feiner werdenden Zmeigelchen an ven Blasmabelag der
Körpermandung fich anzuheften. Denn wie bei Pflanzenzellen ift auch bei Noctiluca die Zell-
haut innen von einer hier freilich jehr dünnen Echicht lebenden Plasmas ausgekleidet, und
winzig Heine Pünktchen diejer Wandfchicht find es, von denen die Lichtericheinung ausgeht.
Bis 1,5 mm groß wird das uhrglas- oder bejjer quallenförmige Leuchttierchen des
Mittelmeeres, Leptodiscus medusoides R. Hertw. Nach Medufenart Shmwimmen die Tiere,
und zwar äußert fchnell, durch den Rüditoß beim Zujammenflappen des Schirmes, was
durch auf der Sunenjeite verlaufende feine Musfelfäjerchen ermöglicht wird.
Meerleuchten ijt eine Häufige und nicht immer jehr auffällige Erfcheinung. Das von
der Schiffsichraube aufgewühlte Kielwaijer eines Dampfers leuchtet bei Nacht oftmals in
grünlihem Schimmer, worin mitunter einige hellere Punkte oder Flede aufbligen. Diefe
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 4
50 Einzeller: Geißelträger und Sporentierdhen.
rühren bon größeren Organismen, wie namentlich Rippenquallen, in wärmeren Meeren auch
bon Siphonophoren und anderen Formen her, und inwieweit e3 eigentlich auf Noctiluca be-
ruht, Fönnen wir ohne nähere Unterfuchung nicht angeben; denn viele Organiemen aus allen
Abteilungen der Meerestiere leuchten. Auch der weißliche Schaum an des fahrenden Schiffes
Burg leuchtet nacht3 manchmal hell infolge der darin vorhandenen leuchtenden Planfton-
mejen; in anderen Fällen ijt die Erjcheinung fo |hwach, daß man namentlich in nicht ganz
dunklen Nächten, wenn 3. B. der Mond Hinter dem Gemölf fteht, zweifeln fanıı, ob das
Leuchten überhaupt auf Organismen beruht oder nur auf dem allgemeinen jchwachen Licht
der Nacht. Syedoch felbit bei Tage find wir ganz ficher, Meerleuchttierchen vor uns zu
haben, wenn jie in Schwärmen bon Millionen und aber Millionen, dicht zufammengedrängt,
an der Meeresoberfläche erjcheinen. Dann bilden fie nämlich deutlich fichtbare rötliche
Flächen oder Streifen auf der Wafjeroberfläche, deren Zarbe an Biehjalz erinnert, jo daß
man bon ganz unerfahrenen Reijenden wohl einmal die Anjicht Hört, das fei das Galz de3
Meeres. Erwähnt jei Dies nicht nur der Merkwitrdigfeit halber, fondern auch um den Ein-
drud, den die Nofktilufenichwärme hervorrufen fönnen, und ihre Zarbe anjchaulich zu be-
ichreiben. Schöpft man an einer jolchen Stelle mit einem Glaje aus dem jcheinbar jtaub-
bededten Wafjer, jo fann e3 bis auf den Grund mit den ftednadelfopfgroßen, jchiwach röt-
fihen Bläschen erfüllt fein. Bringen wir durch Hineinfteden der Hand einige heraus, fo
fönnen wir ihr Leuchten gemahren, und zwar nicht nur bei Nacht, fondern auch bei Tage,
menigjtens in irgendeiner dunkleren Edfe unferer Räumlichkeiten. Die Noftihufen leuchten
jedoch nicht immer, jondern nur bei Reizung, wozu jchon Berührung oder Erjchütterung
genügt. Daher leuchten auch, wenn wir von dem gejchöpften Material eine Probe in die
Dunfelfammer bringen, bejonders nad) Umrühren viele Bünktchen in grünlichhlauem Lichte
hell auf. Necht jchön wirkt jolch eine größere Waflermenge, wenn jte in einem Aquarium
ftundenlang ruhig gejtanden hat und dann an ihrer Oberfläche, wo fich die Tierchen ge=
jammelt haben, auf einmal in Wellenbewegungen verjest wird. Ein grünes Flammen,
hell wie bengalifches Licht, eilt iiber die Wafjerfläche dahin. Und fo kann das Meerleuchten
am ftärfiten im Berjuchsaquarium erzielt werden. Aber wie der Sternenhimmel dem un-
bewaffneten Auge jederzeit noch viel jchöner ericheint als bei Betrachtung feiner Einzel-
gebilde mit Hilfe des Fernrohres, jo wirkt auch das Meerleuchten am prächtigjten in freier
Natur. An warmen Sommerabenden, wenn fein Mondjchein blendet und ein janfter
Wind leichte Wellen aufwirft, jo dag man mit Behagen ans Gejtade tritt und auf Die
weite Fläche hinausblickt, leuchtet zumeilen aus jeder Welle ein phosphorijches Grün her-
bor; und jchneidet jeßt eines Bootes Kiel durch die Fluten, jo fcheint er durch grüne
Slammen zu gleiten. Nun lajjen wir’3 uns nicht nehmen und fahren jelber im jchwanfen
Boote hinaus. Das Ruder jchlägt ins Wafjer, Taufende der Leuchttierchen erglühen
aufs neue, und jede Kleinjte Bewegung auf dem dunklen Wafjerjpiegel Iöjt wieder den
Zauber aus, der uns erjchauern macht, uns beraujcht und gleichham verjenft in Die ©e-
heimnijje des Meereslebens, des Lebens überhaupt. Und fehren wir, entzüdt von dem
Gejehenen, wieder zurüd von der kurzen Bootfahrt, jo wird wohl auch die Frage nicht
ausbleiben: mas bedeutet diejes Leuchten? welchen Zived erfüllt e3 bei ven fleinen Lebe-
mejen? was haben fie für einen Vorteil davon?
Der Zived diejes Leuchtens ift aber felbft dem Forjcher bis heute ein tiefes Geheim-
nis. Bei Tiefjeefiichen, manchen Schlangenfternen und wohl noch anderen Organismen
dient das Leuchtvermögen dem Anloden der Genofjen, der Abjchredung von Feinden —
Blajengeigler. — Gregarinatrien. ol
bei den Meerleuchttierchen aber find folhe Annahmen Faum begründet. Hier mag das
Leuchten eher ein für den Organismus bedeutungslojfes Ergebnis des Stoff- und Kraft-
mwechjel3 jein, geradejo, wie die grellen Farben vieler Stachelhäuter oder Seerojen Teinerlei
Bedeutung Haben dürften und wohl nur darum vorhanden find, weil jedes Ding irgend-
eine Farbe Haben muß. Jeder Umjab im Tier erzeugt Wärme, die dem Tiere verloren-
geht, und mit der Leuchtkraft find die Leuchttierchen auch nicht Sparfamer. Immerhin find
das nur Vermutungen. Über die Entftehung des tierifchen Leuchteng wilfen wir ziwar chon
mancherlei, bejonders dürfte es überall an Orhydationsporgänge gebunden jein. Aber au)
auf diejem Gebiete, das jchon manchen Erperimentalphhyfiologen bejchäftigte, ift noch vieles
„geheimnispoll am lichten Tag" — und in dunkler Nacht.
Dritte Klaffe:
Sporentierdjen (Sporozoa).
Die Sporentierhen (Sporozoa) werden neben den Wurzelfüßern und Geißel-
trägern gewöhnlich al3 eine lediglich aus Barafiten bejtehende dritte lafje von Einzellern
geführt, die jich ausichlieklich osmotisch oder faprophag, d. d. durch) Saftjtrömung, ernähren
und fich durch Sporenbildung, Sporulation, fortpflanzen. Aber gerade in der Fortpflan-
zungsweije durch Sporen treten innerhalb der Sporogoen jo bedeutende Verjchiedenheiten
auf, daß diejes Merfmal, zumal e3 auch in den anderen Protozoenklafjen vorkommt, zur
Kennzeichnung der Gruppe eigentlich nicht zur Verwendung fommen fünnte. „©o ilt es”,
meint M. Braun, „wohl nur noch eine Frage der Zeit oder bejjerer Einjicht in die Fort-
pflanzungsverhältniffe, da& eine IUnterung des bisherigen Shftems eintreten wird.” Ahn-
ficher Anficht find andere PBrotozoenforfcher, tie namentlich Hartmann.
Erite Ordnung:
Gregarinarien (Gregarinaria).
Die Gregarinarien (Gregarinaria) wurden faft nur bei wirbellofen Tieren gefunden
und erzeugen bei diejen wohl feine Krankheiten. Der wurmförmige, oft durch Mustelfibrillen
in der Längsrichtung oder fpiralig geftreifte Körper bejteht meift aus einem vorderen und einem
größeren, zellfernhaltigen hinteren Stüd, Protomerit und Deutomerit. Die Vermehrung
erfolgt auzjchlieglich im enzyftierten Zuftande. In den Samenfapjeln unjerer Regen-
mwürmer finden wir meift die „Pfeudonavizellenzyften‘ der zu den Monocystidea gehörigen
Monoeystis lumbrici Henle (tenax). Sie enthalten zahlreiche, an Diatomeen der Öattung
Navicula erinnernde Sporen, au3 denen durch VBielteilung die jungen Gregarinen herbor-
gehen. Die Polyeystidea, 3. B.die in der Küchenschabe zuexft in den Zellender Darmmwandung,
dann frei im Darme lebende Gregarina blattarum Sieb., Haben noch einen vorderjten dritten
Teil, Epimerit genannt, der zur Verankerung in der Wirtszelle dient und nad) deren Ber-
lafien oft verlorengeht. Die Bewegungen der Gregarinen jind außer Zufammenziehungen
und Biegungen ein gleitendes Schwimmen, wobei jie einen Streifen jcheinbar wie ein Stiel-
mafjer Hinter fich laffen, infolge Abjonderung einer Sallerte, wodurch fie fi) vorwärts drüden.
4*
92 Einzeller: Sporentierden.
Zweite Ordnung:
Ktofziviarien (Coceidiaria).
Die Ordnung der Kofzidiarten (Coccidiaria) beiteht aus im erwachjenen Yuftande
stets intrazellulär |hmarogenden, unbeweglichen Sporogven von rundlicher oder amöboider
Gejtalt. Die Fortpflanzung erfolgt wiederholt durch „Schtzogonie” oder Zerfall in viele
Heine, jichelfürmige Sleime, „Mexozoiten”, von Zeit zu Zeit aber auch) unter Wirtsmechjel
auf gejchlechtlichem Wege. Dann bilden jich nämlich manche Individuen zu Humpigen Ma-
frogameten um, andere entwideln unter Bielteilung eine Anzahl chlanter, bemealicher Ni-
frogameten. Der durch) Baarung von Makto-und Mifrogamet im neuen Wirtstier entitehende
Körper wird Fugelig und zerfällt durch „Sporoaonie”" in eine Unmajje Feiner, beweglicher,
Iichlanter Sporozoiten, die wieder in ein Wirtstier der erjten Art gelangen müfjjen, um zur
Ausgangsform heranzurwachjen. Damit ift der Entwicelungsfreis gejchlojjen.
©o lebt 3. Bd. der Malariaparajit, das weitaus befanntefte und wichtigfte aller Spo-
rozoen, als typijcher Vertreter der Unterordnung Haemosporidia in den roten Bhutförperchen
des Menjchen. Durch „Schizogonie” zerfällt Dieje unjere Ausgangsiorm, die auch Schizont
genannt wird, in eine Anzahl Heiner Merozoiten, die in die Blutflüfjtgkeit gelangen, nach
einiger Zeit jich aber von neuem in ein Blutkörperchen einbohren umd wieder zum Schizonten
heranwachjen. Das ijt die ziemlich einfache, jich öfter wiederholende ungejchlechtliche Fort-
pilanzung. Zur gejchlechtlichen Fortpflanzung fommt e3 nur im Darm der Anopheles-
Mitten, die das Blut des Menjchen famt Blutkörperchen jaugen. ES finden jich nämlich in
manchen Blutkörperchen auch bejonders ausgebildete Barajiten, teils Mafrogametozhten, teils
Mikrogametozyten; jene wandeln jich im Müdendarm in Makrogameten, dieje in eine Mehr-
zahl von Mifrogameten um. Der durch Paarung von Makro- und Mikrogamet entjtehende
große, fichelfürmige, anfangs bewegliche Körper, Dofinet genannt, durchbohrt die Darıntmand
des Anopheles und zerfällt auf deren Außenjeite in zahlreiche, bi3 10000, Sporozoiten.
Dieje wandern zur Speichelprüje der Mücde und dringen von da in den Mund des Ynjekts
ein, das jomit beim nächjten Stich mit feinem Speichel den Menjchen twieder anftecfen Fanıt.
Die Malaria des Menjchen, auch) Wechjelfieber, Sumpffieber, Febris intermittens,
Pahıdismus genannt, war urfprünglich ziemlich itber die ganze Erde mit Ausnahme der
Witen und Polargegenden verbreitet. Heute ift jie namentlich in den Stulturländern Mittel-
europas großenteils erlojchen, aber in Deutjchland verjeuchte fie noch vor wenigen Jahrzehnten
fumpfreiche Gegenden, und als völlig in unjerem Baterlande vertilgt Fann fie roch jet nicht
gelten. Bezeichnend ijt der rhythmische Verlauf des Fiebers, und zwar lafjen bei der Febris
tertiana die Anfälle immer einen Tag frei, bei der Febris quartana immer zwei. Tägliche
Anfälle, ein Duotidianfieber, fommen wohl in der Regel dadurch zultande, daß zwei Tertian-
fieber, die um rund 24 Stunden auseinanderfallen, nebeneinander bejtehen (Febris tertiana
duplex). Ebenjo fönnen auch zwei vder drei Duartanfieber nebeneinander bejtehen und im
lesteren Falle ebenfalls ein Duotidianfieber ergeben. Die Fieberanfälle beruhen nämlic)
auf den Teilungsperioden des Parafiten, und ziwar jedesmal auf dem Herumjchwärmen neu-
gebildeter Nerozoiten im Blute; und nun gibt e3 verjchiedene Arten von Malariaerregern,
bei denen die Entiwicelungsperioden in der obenertwähnten bezeichnenden Weije verjchieden
lang jind. ©o ift Plasmodium vivax Grassi et Feletti Dex Erreger der leichteren oder Trüh-
jahrstertiana, Plasmodium malariae Zaveran ruft die -Quartana hervor und Laveriana
Kofzidiarien. 93
malariae Grassi et-Feletti (Plasmodium) die maligiie oder perniziöje Tertiana (Sommer-
herbitfieber, Febris aestivo-autumnalis, tropica, perniciosa), in jehweren Fällen wohl auch
das Schwarzwafjerfieber der Tropen. Der als Überträger zu fürchtenden Anopheles-Arten
gibt e3 iiber 100, von denen aber manche nur-geringe Bedeutung haben, andere größere,
jo in Europa namentlich A. maculipennis (claviger).
\mMensche„
Q,
°P Anopheles
Malariafreislauf.
Das Wechjelfieber rafft in Indien jährlich 5 Millionen Menjchen Hin, in Stalien 15000
unter 2 Millionen, die erfranfen. &3 wurde ehemals irrigerweije auf Anftedtung durd) ver-
jeuchte3 Trinfwafjer zurücgeführt, vergebens juchte man darin nach tieriichen oder pflanz-
lichen Erregern. Der wirkliche Erreger im Menjchen war zwar jchon 1880 durd) den fran-
zöliichen Militärarzt U. Laveran entdeckt und wurde jpäterhin namentlich durch italienijche
94 Eingeller: Sporentierden.
Forjcher, unter denen der Name Grajjt herborragt, immer eingehender unterjucht, jo daß
man alfe feine im menfchlicden Blute vorfommenden Stadien fennenlernte und die ver-
fchiedenen Kranfheitserjcheinungen des Menjchen erklären fonnte. Aber exit Manjon und
Robert Koch vermuteten in Stechmüden die Überträger des Parafiten, wollten jedoch irriger-
weije die Mosfitos Hierfür in Anfpruch nehmen. Der engliiche Stabsarzt R. NRoß, damals
inSndien, erfannte 1898 in den etwas veritedter lebenden, aber gleich ven Mosfitos häufigen
Anopheles-Artten die wahren Überträger des Parafiten, mas wiederum itaftenifche Forfcher,
Sraffi und andere, Durch Infektionsperfuche und auf jonjtige Weife bejtätigten. Der Kampf
gegen die Malaria, wie er bejonders von Robert Koch begonnen wurde, bejteht jeitdem
im Kampf gegen die Überträger felbft fotwie in der Verhütung ihrer Anftekung durch den
Menjchen und jeiner durch fie. Durch Verwendung von Schleiern und Durch Räucherumngen
hält man die Müden fern. Am Mitchellfee in Texas verjucht man neuerdings die Ber-
tilgung der Moskitos durch in Mafjen gezüchtete Fledermäufe, in Madagaskar durch aus-
giebige Zucht von Starpfen auf Reisfeldern. Chinin aber it das altbemährte Mittel, das den
Barajiten im Blute des Menfchen tötet. Auch von jelber fann die Malaria, mern Neuinfek-
tion vermieden wird, heilen; die Baraliten jterben dann mangels Befruchtung ab. Worauf
die Rücdfälle bei der jogenannten chronischen Malaria beruhen, tft noch nicht genau befannt.
Sn dielen Tropengegenden ijt die Malaria eine Kinderfrankheit der Eingeborenen, mährenp
ertwachjene Eingeborene gegen jie immun jind. Dieje gmmunität wird aber nur durch fort-
gejebte Neuinfeftionen aufrechterhalten, fonjt würde jte nicht von langer Dauer jein.
Die Bogelmalaria beruht auf Plasmodium praecox Grassi et Felettv (Proteosoma),
befällt Naubvögel, Sperlingspögel, Tauben und andere mehr mit heftigen Fieberanfällen
und wird in Europa hauptjächlich Durch Die gewöhnliche Stechnrücke, Culex pipiens, übertragen.
Sn diefe Verwandtfchaft gehört auch die feinen Wirtsmechjel benötigende, fondern _
durch den Stot fich verbreitende und durch den Mund eindringende Eimeria stiedae
Lindem. (Coccidium oviforme, cuniculi). Sie jchmarost Häufig im Dünndarm, in der
Leber und in den Gallengängen der Hafen und Kaninchen und ruft eine mit Fieber,
Durchfall und Schleimabfcheidung aus Mund und Nafe einhergehende, oft tödliche Kranf-
heit herbor. ©ie befällt meijt nur junge Tiere, die dann mit gutem Hafer, angefeuchteter
Weizenkleie und etwas gedämpftem Grünfutter noch zu retten jind und damit lebenslang
jeuchenfejt werden. Ein trodener Stall, namentlich Torfitreu, ift die beite Vorbeugung
gegen die anjtedende Seuche. Sie tritt auch bei Hajen oder Kaninchen in freier Wildbahn
auf. Gelegentlich Hat der Barafit auch bei Menjchen, und zwar bei jolchen, die mit Sanin-
chen zu tun hatten, Zeber- oder Darmkokzidiojen hervorgerufen. Endlich erzeugt er Die
Note Ruhr des Nindez, eine mit Fieber und oft wäljerigem Durchfall verbundene
Krankheit auf den höheren Alpenweiden. Man fennt noch mehrere Arten aus diejer und
zahlreiche aus jonftigen Gattungen in der Unterordnung der Coceidia, und manche ruft
bei Mäujen oder bei Sperlingsvögeln Epidemien hervor, jo 3.8. Eimeria avıum Silvestring
et Rivolta (Coccidium tenellum), nad) DI und Stiöje, „Die Wildfrankheiten und deren
Bekämpfung“, namentlich bei Fajanen in Fafanerien und bei Hausgeflügel; andere führen
zu Krankheiten des Wildes, worauf die Fägerei durch die Forfchungen des Snitituts für
Sagdfunde in Neudamm von Jahr zu Jahr mehr aufmerkffam wird.
Ungenügend befannte Organismen von ungewifjer Stellung ind die Babejien
oder Biroplasmen, winzige, in Blutkörperchen von Wirbeltieren lebende Einzeller mit
Kofzidiarien. Myrofporidien. \ ’ b9)
Fortpflanzung durch Vielteitung innerhalb des Blutförperchens. Die Übertragung erfolgt
durch Zeden, in denen fich auch die gefchlechtliche Fortpflanzung der Babejten abjpielt. Die
Arten find vielfach nicht Durch ihre Geftalt, fondern nur duch phHfiologifche Unterjchiede zu
trennen. Die wichtigjte von ihnen verurjachte Krankheit it daS Terasfieber oder die Hämo-
globinurie des Rindes, aud) Nindermalaria ujw. genannt, das in den 1880er Jahren in den
Vereinigten Staaten von Nordamerika verheerend auftrat und im übrigen außer in Nord-
auch) in Südamerika, Auftralien und Südafrika vorfommt. Den Erreger hat men Babesia
bigemina Smith et Kulb. genannt, feine Überträger find mehrere Arten von Zeden, und zwar
nie die infizierte Yede jelbit, jondern jtet3 erft deren Nachfommenjchaft. Babesia ovis Babes
it der Erreger der in Italien und auf der Balfanhalbinfel vorfommenden Skterohämaturie
oder der Carceag des Schafes; Babesia equi Zaveran erzeugt das Gallenfieber der Pferde,
Cjel und Maulejel oder das „Pferdeiterben“ in Rußland, Südaftifa, Madagaskar und Sr-
dien, Babesia canis Piana et Galli-Valerio den in Paris, Stalten und jtellenweije in frem-
den Eroteilen aufgetretenen infektiöfen Skterus (Gelbjucht) des Hundes.
Dritte Ordnung:
Myrojporidien (Myxosporidia).
Die Myrojporidien (Myxosporidia) der Filche jind meilt große, oft mit bloßem
Yuge wahrnehmbare, rund oder amöboid geformte Körper in Fiichen und Gliederfüßern.
Die Fortpflanzung erfolgt teils durch einfache Bielteilung, teils durch eigentümliche Sporen-
bildung. Das Plasma wird vielfernig, die Zelle Damit zu einem Banjporoblajften, und liefert
ichließlich zwei eigenartige mehrzellige Sporen (f. Tafel „Einzeller III”, 3, bei ©. 68),
Piorojpermien genannt, die eine zweiflappige Schale haben und außer einem amöboiden
Keimling jogenannte Volfapjeln enthalten; das find ovale Kapjeln, die den Nefjellapjeln der
Hohltiere ähneln und gleich ihnen Fäden ausfchleudern fünnen, welche die Spore aıı ©e-
mweben befeitigen. Der Kleimling friecht dann aus. Sr der Harnblaje des Hechtes findet
man an der Wandung oft in ungeheuren Mengen das äußerit vielgeftaltige Myxidium
lieberkühni Bütsch. und feine Piorofpermien. Myxobolus pfeifferi Thelohan |chmarogt in
der Barbe und hat in der Seine, Marne, Maas, Miojel, im Ahein uf. fchon Hunderttau-
jende diefes Fijches getötet und ihn ftellenmweife nahezu ausgersttet. Bor allem durch Ver-
drängung der Muzfeljubitanz erzeugt er %—2 cm große, ja bis hühnereigroße Gejchwülfte,
die zum Teil aufbrechen und ihren Inhalt, darin zahlreiche Sporen, entleeren. Auch von
Bnyften (f. Tafel „Einzeller III”, 7, bei ©. 68) ift die Muskulatur des erkrankten Fifches
durchjegt, ähnlich wie trichinöfes Fleifch. Die Wachstumsperiode des Paraliten ift, nac)
Doflein, im Sommer am lebhafteiten, im Winter unterbrochen. Um gegebenenfalls die Aus-
breitung der Barbenfeuche und ähnlicher „Knötchenfrankheiten" zu hindern, dürfte es am
beiten jein, Fifche mit wenn auch nur Heinen Gejchmwülften zu vergraben oder zu verbrennen.
Myxobolus eyprini Doflein et Hofer gilt al3 Erreger oder, nad) Tide, Doch als Vorbereiter
der vielleicht noch auf anderen Barafiten beruhenden Vodenfranfheit der Karpfen, Die
fic) namentlich in weißen, Inorpelharten Hautverdidungen äußert und viele Fiihe ent-
wertet oder tötet. Lentospora cerebralis Hofer befällt die verjchiedenften Teile von Fijchen,
namentlich Sungfifchen, und ruft bei Schädigung der halbfreisförmigen Kanäle am inneren
Ihr die Drehfranfheit der Salmoniden hervor. Myxobolus- und ähnliche Arten
findet man in Fijchen des Süßmwajjerd wie auch des Meeres.
56 Einzeller: Sporentierhen und Wimpertierden.
Vierte Ordnung:
Mifrojporivien (Mierosporidia).
Bei den Mifrofporidien (Mierosporidia) entjtehen aus dem PBanjporoblaften, der
in diejer Ordnung wie bei den Myxosporidia gebildet wird, nicht zwei, Jondern bier und
noch mehr Sporen bon winziger Stleinheit mit nur einer Bolzelle. Die Sporenhülle ift
wohl nur bei manchen Arten zweiichalig. Die Mikrofporidien leben in Moostierchen, Fijchen,
Amphibien und bejonders Gliedertieren; fie verurjachen zahlreiche weniger wichtige Fijch-
franfheiten. Am befannteften find wohl die mit Glugea anomala Monz. erfüllten großen
Kapjeln im Musfelfleifch der beiven Süßwajjerftichlingsarten, die fich Durch mächtige Beulen
erraten; andere Arten befallen auch Geefifche. Bedeutungspoller ijt die auf Nosema bom-
bycis Naegeli beruhende altbefannte Bebrine, Gattina, Fledenfranfheit oder Seiden-
raupenfranfheit. Der jeit 1857 befannte Barajit lebt in allen Organen der von ihm be-
fallenen Raupe, in deren Darmepithel 3. B. man daher alle feine Stadien, Darunter aucd)
die Durch Stempell genauer befanntgewordenen, pilzähnlichen ungejchlechtlichen Fort-
pflanzungsfetten findet, die durch fortgejegte Zweiteilungen entjtehen, wobet jich die Kerne
ichneller teilen als das Plasma. Durch den Tod der Raupe werden die Sporen, Die
Pjorojpermien, frei. Werden fie von einer anderen Raupe mit den Blättern, Die al3 Nah-
rung dienen, geftejjer, jo dringt ver Amöboidfeim wieder Durch ihre Darmmand in Die
Nuupe ein. Auch Raupen anderer Schmetterlinge, namentlich von Spinnern, wie Ringel-
pinnern, dem Braunen Bär und anderen mehr, werden befallen. Die Seidenraupen
iterben oft in Mafjen vor der Verwandlung. Schwächer befallene Stüde können jich zu
altern entwideln und Durch Sufektion der Gejchlechtsorgane, und zwar Der 'befruchteten
Gier, Die Strankheit vererben. „In Frankreich“, jchreibt Doflein, „brach Die Epidemie
zuerjt 1845 im Departement Baucluje aus, im nächjten Sahre Hatte fie jchon drei weitere
Departements ergriffen. Schon im Yahre 1851 war in den wichtigjten Diltriften Der
Seivdenbau fat vernichtet; im Jahre 1856 war die Broduftion auf ein Viertel der üblichen
Biffer gefallen. Sm Sahre 1859 war Stalien von der Seuche befallen und bald vom
einen Ende bis zum anderen Ende ergriffen. Die franzöfiiche Seidenfultur hatte bis zum
Sahre 1867 einen Berkuft von mehr als einer Milliarde erlitten.” Unjterbliche Verdienite
um die Erforschung der Krankheit erwarb fich namentlich Pafteur. Durch mikrojfopijche
Unterjcheidung der erkrankten von gefunden Raupen ijt e3 jebt möglich, die erfrantten von
der Zucht auszuschließen und Anftelungen zu hemmen. Die gleichfalls anjtedende jo-
genannte Ruhr Der Bienen wird durch eine 1909 entdedte ähnliche Art, Nosema apis
Zand., verurfacht. Sn Fiichen rufen Nikrojporivien Knötchenfrantheiten hervor.
Wegen der hnlichfeit der Polfapfeln in den Piorofpermien mit Nefjelfapjeln faßt
man DieMyxosporidia, Microsporidia und eine dritte Ordnung alö Cnidosporidia zujammen.
Fünfte Ordnung:
Sarfojporidien (Sarcosporidia).
Die Sarfojporidien (Sarcosporidia) jind [chlauchförmige Sporogoen mit zahlreichen
Sporen in einem Tanfporoblaften, wahrjcheinfich ohne Polfapfeln. Ste beginnen ihre
Entwidelung als Heine, fchlauchförmige Gebilde, „Miejcheriche Schläuche”, itrazellular,
Mikrojporidien Sarfojporidien. BY
und zwar fait immer zwijchen Muskelzellen. Neuere Unterjucher, wie Negri, Ahoda Erd-
mann und andere, meinen, man müffe hier nicht von Wanjporoblaften, fondern einfach
von Sporoblaften jprechen, da jeder Sporoblaft nach Vermehrung durch Teilung ji) in
nur eine Spore umbilde, was andere bezweifeln. Der Vorgang beginnt in der Nütte des
Schlauches und fchreitet, während diejer erheblich wächft, nach den Enden zu fort, mo
- immer wieder neue Sporoblaften entftehen. Über die Anftecdungsmweife — ob jie durch
gefrejjene Barafiten oder durch Yiwischenmwirte erfolgt — weiß man noch nichts Beitimmtes.
Die Oarkojporidien leben vorwiegend in Säugetieren. Mehr Snterejje als vereinzelte
Fälle beim Menfchen haben wohl Exkranfungen und Todesfälle beim Schaf durch Sarco-
cystis tenella Rasll. oder beim Echwein Durch Sarcocystis miescheriana Kühn und Cpi-
demien bei Ratten und Hausmäufjen durch Sareocystis muris Blanch.
Vierte Klaffe:
Wimpertierchen (Ciliata).
Unter Snfujionstierhen oder Snjuforien verfteht man im heutigen Sprach-
gebrauch der Forjcher meilt nur noch die Klaffe ver Wimpertierchen (Ciliata, Infusoria).
Das auffälfigite und Hauptfächlichite Sennzeichen diefer meift verhältnismäßig großen, dem
Naturfreunde mohlbefannten und für den Bejchauer mitunter wahrhaft beluftigenden Ein-
zeller ıft da Wimperkleid, die Bededung des Körpers mit beweglichen Wimpern oder
Zilten, die jtet3 in großer Zahl vorhanden jind und fich von,den Geikeln der Flagellaten
bornehmlich durch verhältnismäßig geringe Länge bei oft größerer Die und durch die
Art ihres Schlagen unterjcheiden; denn jie führen etwa einen einfachen Auderjchlag aus,
während den Geißeln meijt jpiralige Schlängelbewegung eigen ift. Wie die Geißeln eines
Volvox arbeiten die Zilten eines jeden Sufujors harmonijch zufammen, doch nicht alle
auf einen Taft, jonvdern die hintereinanderjtehenden nacheinander, jo daß ein Wogen im
Wimperkleide entjteht wie bei einem Shrenfeld oder in dem dichten Tlimmerbefab eines
Slimmerepithels; wie denn überhaupt die Wimpern der Einzeller ihrem Wefen nad) den
Slimmerhaaren von PVielzellern gleichen. Außer zur Fortbewegung dienen fie auch zum
Herbeiltrudeln von lahrung. Vereinzelte Borjten pflegt man als Taftboriten, aljo al3 Sinnes-
organellen zu bezeichnen.
Cine Zellhaut (Pellicula oder Cuticula), an der die Wimpern wurzeln, ijt Itet3 .dor-
handen. Daher darf auch niemals der Zellmund (Cytostoma) fehlen, und die underdau-
lichen Nejte der Nahrung gelangen an einer bejtimmten, für gewöhnlich jedoch fich nicht
weiter abhebenden ©telle, dem Zellafter (Cytopyge), zur Ausitoßung. Häufig enthält die
Haut Nejjelorgane. Ferner liegen in der Zellhaut oftmals Mustelfäden, wie wir jolchen
ion bei Leptodiscus begegneten. Bei Arten, denen die Musfelfävden fehlen, ijt eine
Gejtaltveränderung oder Metabolie nicht möglich.
m Snnern der Snfujorienkörper fallen die in geringer Zahl vorhandenen großen
pulfierenden Vafırolen meijt leicht in3 Auge; noch auffälfiger ift natürlich, wie bei allen
ih nach Tierart ernährenden Cinzellern, die meilt große Zahl von Nahrımgsvafuolen im
Plasma. Man ann die Snfuforien leicht unter dem Mifrojfop beim Frejjen beobachten;
man hat jie nur jo unter dem Dedgläschen feitzuhalten, daß fie nicht aus dem Gejichtöfelde
Jich fortbegeben, aber doch noch jo viel Spielraum haben, um ihre Wimpern fpielen zu
58 Einzeller: Wimpertierden.
faljen und damit die fein zerteilten Nahrungspartifelchen, einzellige Algen, Bakterien,
Fleinere Tierchen, namentlich aber gepulvertes Karmin oder Sndigo, das man Hinzujegte,
dem Munde zuzuftruden. Die von den Wimpern der Mumdipalte erregte Strömung
itreicht, wie man an lebhaften Bewegungen der hineingerifjenen Körperchen fieht, in einem
geraden oder, nach der Zorm des Mundtrichters, wirbeinden Strome gegen den Mımd zu,
und an und in ihm Häuft ji) nun ein anfehnlicher Speifeballen an, der dann durch einen
Schlund meiter in den Leib hinabgedrüdt wird. 3 folgt Anfammlung eines neuen
Ballens und abermaliges Verjchlingen. Manche Snfujorien, 5. B. die Gattungen Chilodon,
Bursaria, verjchlingen auch Mgenarten, die länger alS ihr eigener Körper find, und mit
denen fie umherjchwimmen, al3 hätten fie einen Balfen Halb im Leibe.
Den Zellkern befommt man meift nur durch Behandlung mit Chemikalien, in alüc-
lihen Fällen auch am lebenden Tier oder an zufällig aufgefundenen abgejtorbenen Stücden
zu Gejicht. Cigentümliche Geftalten hat er 3. B. bei Stentor coeruleus, io er langgejtredt
ift und einer Perlenfchnur gleicht, oder bei Vorticella, wo er ausfieht wie eine gefrummte
Wurft. Doch von erheblicherer roiljenfchaftlicher Bedeutung und überhaupt ein durchgreifen-
des Merkmal aller Wimpertierchen ift ihr Kerndualismuz, ihre Yiweifernigfeit, denn von
allen anderen Einzelfern unterscheiden jich die Ziliaten erheblich dadurch, daß außer dem
großen Hauptfern ein Eleinerer Nebenfern beiteht. Bielleicht Fnüipft der Nebenfern an
den oben bejchriebenen Blepharoplajten der Trypanojomen an. Der Nebenfern wird auc)
Gejchlechtsfern genannt wegen der wichtigen Nolle, die er bei der Vaarung jpielt. Zu
diejem jchon ©. 4 für daS Pantoffeltierchen (Paramaecium) bejchriebenen Vorgang,
auc, Konjugation genannt, jchreiten zwei gleichartige Tierchen, die jic) dann meilt wieder
boneinander trennen; fie müljen aber doch am beiten von verjchtedenen Eltern abjtam-
men, damit der Smzucht vorgebeugt werde, und Vopoff will beobachtet Haben, daß Pan-
toffeltierchen gleicher Abfunft zwar zeitweilig nebeneinander herjchwimmen, jich jedocd)
nicht vereinigen. Die Fortpflanzung erfolgt in der Regel durch Zmeiteilung, meift der
Duere nach, nach vorheriger fomplizierter (mitotifcher) Teilung des Nebenferns und ein-
facherer (amitotifcher) des Hauptferns. Die bei anderen Einzellern neben der Zmeiteilung
borfommende Fortpflanzung durch PVielteilung oder Sporenbildung gibt es bei Ziliaten
nur jelten. Man fpricht indejjen von Makrojporen und Mifrofporen, auch Mafro- und
Mikrogameten oder männlichen und weiblichen Tieren, bei Ziliaten aus der Drdninig der
Peritrichen, und zwar bei Epistylis, Carchesium und anderen hübichen, Feitjigenden Sormen,
meil e3 hier zu einer gejchlechtlichen Differenzierung, zur Ausbildung großer und durch -
mehrfache Teilung entjtandener Keiner Sndivivuen fommt, deren Baarıng zu einer Dauern-
den Berfchmelzung der Tiere und ihrer Kerne führt. Die Teilung bei diejen Wejen ijt
übrigens nicht eine Duer-, jondern eine Längsteilung. Oelten ijt bei den Hiliaten die
Bermehrung durch Krojpung.
Borübergehende Einfapfelung, Enzyftierung, fommt bei den Wimpertierchen häufig
bor, namentlich zur Herbeiführung von Dauerzuftänden, wenn e3 gilt, Berioden der Troden-
heit oder jonftige ungünftige Xebensverhältnilje zu überjtehen.
Die Wimpertierchen find im Meere und im Süßtwafjer verbreitet; manche häufige
Art Tebt in beiden Elementen. Am zahlreichjten trifft man fie in ftehenden oder trägen,
pflanzenreichen Binnengemwäffern, namentlich in Eleineren und auch in Heinften, wie Waljer-
gräben. Marche verlangen faulendes Wafjer, und auch Parafiten gibt eS unter ihnen.
Die Freude am Studium der Infuforien, die Bekanntheit und Beliebtheit vieler Arten
®anzbemwimperte. 99
hängt großenteils mit ihrer verhältnismäßig erheblichen Größe zufammen, diedas Beobachten
ihrer Lebensmeife erleichtert. Schon Vantoffeltierchen und noch Eleinere Arten Tann ein ge-
übtes Auge ohne Bewaffnung erkennen; fie find größer al3 manches Nädertier, weshalb man
eine Zeitlang ihre Eingelligfeit bezweifeln konnte. Das häufige Spirostomum ambiguum
wird nahezu 1% cm lang.
Srite Ordnung:
Ganzbewimperte (Holotricha).
13 Holotricha faßt man eine große Anzahl Wimpertierchen zujammen, bei denen der
Körperüberallmit Wimpernbejettift, die ziemlich gleichmäßige, undzmwar geringe Länge haben.
gu den Häufigften Wimpertierchen gehören die jchon mehrmals in diefem Buche er-
_ mähnten Bantoffeltierchen (Paramaecium Müll.), die Unvermeidlichen in den meijten
der Natur oder auch nur einer Blumenvaje entnommenen Wafjerproben, die mitrojto-
piihen Haustiere der Phyfiologen und Zellforicher. Sr Spiraliger Bahn Hujchen fie uns
durchs Gejichtsfeld des Mikroffops zu fchnell, als daß mir fie jogleich genauer unterjuchen
fünnten, und jehr jtörend, wenn gerade ein Fleinerer Organismus unjere Aufmerfjamfeit
fejjelte und plöglich alles durcheinandergemworfen wird; aber wir fünnen die Bewegungen
der Bantoffeltierchen durch Zujab von ©elatinelöfung zum Wafjer verlangjamen, wenn
ir nicht warten tollen, bis fie von jelber zu einiger Ruhe fommen, etwa am Rande bes
Dedgläschens fich fauerftoffbedürftig anfammeln und in diefer Lage uns mwillfonmene ©e-
legenheit geben, den Wimperjchlag, das Herbeiftrudeln und Berjchlingen der Nahrungs-
organismen, das Pulfieren der Gefretvafuolen, das Kreifen der Nahrungspafuolen, das
gelegentliche Vorjchnellen der überall in der Haut ftedenden Trichogyften, dem toir Durch
Chromfäure nachhelfen, und anderes mehr in aller Muße zu verfolgen. Auf der Bauchjeite,
wenn man jo jagen till, liegt in oder Hinter der Mitte der Mund, der jedoch hier wie bei
anderen Wimpertierchen fchon viel fchtwerer zu finden ift als das ihn umgebende Mundfeld oder
Beriftom, eine jchwach vertiefte und bei diejer Gattung langgejtredt dreiedige, vom Border-
ende bis iiber die Körpermitte Hinziehende Fläche, in welcher die Nahrungsförper wie Durd)
einen Trichter dem Mund zugeführt werden. Der Mund führt durch einen Schlund in Die
Plasmamajje hinein, und in ihm fißt, wiederum mie bei vielen Ziltaten, eine nur jchmwer er-
fennbare undulierende Membran, deren mellenfürmige Bewegungen natürlich im Dienite
der Nahrungszufuhr ftehen. Die Bemegungsweije und die Tluchtreaftionen der Pantoffel-
tierchen find im Wefen die gleichen, wie wir fie (©. 44) bei Euglena bejchrieben. Doc) nicht
jedesmal flieht das Pantoffeltierchen von einem Gegenftande, mit dem es in Berührung
fam, weg, jondern manchmal bleibt es an ihm mit einemTeil feiner Zilten haften und fommt
io zu einer ARuheftellung, wozu, nach Sennings, oftmals dieTiere einer Kultur große Neigung
zeigen, die einer anderen aber gar nicht. Auch ift das Tier zu einigen Veränderungen der
Geftalt befähigt. Teilungzftadien treffen wir nicht felten. Die alte Mundöfnung verbleibt
dabei dem vorderen Sprößling, aber eine Einftülpung von ihr fällt dem hinteren Sprößling
zu und entwidelt fic) an ihm zu deijen neuem Zellmund. |
Die häufigfte Art der Pantoffeltierchen ift das Y/,, bis über ®/,, mm lange, Hinten |pig
gerundete, gewöhnlich hier einen Büfchel längerer Zilien tragende und daher jo genannte
Geihmwänzte Pantoffeltierchen, Paramaecium caudatum Zhrbg. (Abb. ©. 60; Taf.
„Süßwafferinfuforien“ bei ©. 64 und Tafel „Einzeller I, 6, bei ©. 34). Seine Vorliebe
60 Ginzeller: Wimpertierden.
für Fäulnistoffe geht jo weit, daß es jich ganz bejonders auf Tierleichen anfammelt und
jie nach und nach ganz durchjegt, 6iS zahllofe Bantoffeltierchen fich in ven Leichnam hinein-
gefrejjen haben, der ganze Störper mit all jeinen modernden Zellgeweben von ihnen wimmelt
und Schließlich bis auf jeine Hartgebilde vollends verzehrt wird, 3. B. ganz junge Fijche. Sn
anderer Weije Fünnen ir diefe Snfufionstierchen jedoch in noch größerer Menge faft in
Reinkultur gewinnen. Noch heute macht man zu diefem Zived in jevem Laboratorium,
wo man die Tiere braucht, Heuaufgüfje oder Snfufionen. Man bringt Waffer mit Heu in
ein Gefäß, impft nötigenfalls mit etwas Teichtwaljfer — Doc) ohne Strebschen ! —, und nach
8—14 Tagen wimmelt e3 von den Bantoffeltierchen; auch bilden Ddieje ein auf der Waijer-
ERS oberfläche erjcheinendes Häutchen. Freilich jind noch andere Jnfu-
IR | jorien Darunter. Bringt man nun aber den Heuaufguß ohne das
Heu in eine etwa % m hohe, aufrecht jtehende, unten gejchlojjene
Slasröhre, jo jteigen die Pantoffeltierhen in ihr alle nach oben und
jammehr jich hier zu einem dichten Schwarme an.
©eltener al das Geihwänzte Pantoffeltierchen ijt das gleich-
falls in faulendem Wafjer lebende, Hinten breit gerundete und un-
geihmwänzte Ohrenpantoffeltierchen, Paramaecium aurelia Müll.
Eine in Ubmwäljern jehr Häufige Art ift das feine Shmußpantoffel-
® ' tierhen, Paramaecium putrinum (!. et Lachm., mit |chmal trapez-
Na fürmigem Körper. Kommen diefe drei Arten borzugsweife in un-
& ‘ reinem Wafjer dor, jo verhält jich unjere vierte und lebte Art, das
' Zajhenpantoffeltierhen, Paramaecium bursaria Zihrbg., gerade
5 — entgegengejebl. CS hat bejonders breite Geitalt und ijt meijt durch
Sefhwänzted Pantof-
feltierden, Paramae-
eium caudatum Zhrbg.
KV Sontraftile Bafuolen,
Ma DWafronufleus, Mi Mis
fronufleus, Na Nahrung3=
vafuolen. Vergrößerung
200:1. Aus Blodhmann,
„Die mitrojfopiihe Tier=
welt des Giüßmalfjers”.
2. Aufl, Hamburg 1895.
Iymbiontiiche Zoochlorellen grün gefärbt.
Stleinere Baramäziiven mit weiter vorn oder fnapp vor der Mitte
gelegenem Munde ohne PBeriftom find 3. B. das Nierentierdhen,
Colpidium colpoda Ehrbg. (Paramaecium), und das jchon oben wegen
jeiner ZHftenbildung erwähnte Heutierhen, Heuinfujor oder
Bujentierchen, Colpoda cucullus Müll. (j. Tafel „Cinzeller II”, 9,
bei ©. 43). Diejes ift Y.o—!ı, am lang, jenes wird noch ein halbes
Mal jo lang. Den Namen Nierentierchen, der für diefe beiden Arten von Wimpertier-
chen paßt, wollen wir ihrer Geftalt wegen einführen. Sie pflegen neben dem PBantoffel-
tierchen dem Miftobivfogen am allerhäufigiten zu begegnen. Der gejtreifte Störper hat amt
Borderende eine gewilje Drehung. Colpoda ilt jtark jeitlich zufammengedrücdt, Colpidium
it öfter fat Drehrund und entbehrt der undulierenden Membran. Sn unjeren auf Bara-
mäziengewinnung abzielenden Heuaufgüjjen it namentlich Colpidium eine anfangs fat un=
bermeidliche Form, Die jedoch in einigen Tagen wieder zu jhiwinden beginnt.
Manche zu den ganzbewimperten Snfujorien gehörige Gattungen haben eine aus
Boriten gebildete Reuje vor dem Munde. Zwilchen Schwimmenden Sadenalgen werden wir
3. D. Das dort umherwimmelnde Lippenzähnden, den Seitenjchnabel, Chilodon cu-
cullulus Ehrbg. (j. Tafel „Einzeller I", 4, bei ©. 34), jelten vermifjen. 3 ilt bei eiförmiger
Seitalt abgeplattet und Hat vorn einen ducchjichtigen, biegjamen Schnabel. Chilodon cyprini
Moroff fommt bei Karpfen und Goldfischen häufig auf der Haut vor und Fann, namentlich
wenn er die Stiemen befällt, in Goldfifchzüchtereien große Verheerungen anrichten. Durch
Farbenpracht entzücden die etwas felteneren Arten der Gattung Keujentierchen (Nassula
a a
Ganzbemwimperte. 61
Ehrbg.), bei denen der Neujfenmund ziemlich weit Hinten jteht. ©o ijt die Nassula ornata
Ehrbg. zaxt blau bis leuchtend violett, N. aurea Ehrbg. ift gelblich und birgt in fich neben
dunfeloioletten Bläschen meift grüne, violette und braune Nahrungspafuolen; auf ähnliche
Weife wird N. elegans Ehrdg. bei grünlichweißer Grundfarbe oft ganz bunt, und N. rubens
Perty (Cyclogramma) ift zart roja oder lebhaft rot. Al3 Chlamydodontidae bezeichnet man
dieje Familie, nach der marinen Gattung Chlamydodon Zhrbg.
Waren toir bisher bei Arten von ziemlich einfacher, meift ovaler, elliptifcher oder
Paramaecium-ähnlicher Geftalt, fo Haben die Slafchentierchen (Tracheliidae) meift einen
langen, dünnen „Hal3". Trachelius ovum Ehrbg. jieht aus wie ein dider Flafchenfürbis;
noch abenteuerlichere Gejtalten treffen wir in der Gattung Dileptus Duj. Der Name
Schwänden ift für Dileptus cygnus OT. et Lachm. (f. Tafel „Einzelfer IT”, 15, bei ©. 43)
_ gerade pafjend wegen de3 langen und ftarfer Biegungen fähigen Halfes, NRüffel3 oder wie
man das verlängerte Stüd VBorderförper nennen will. Daneben haben wir das gleichfalls
etwa fo zu nennende Schwanengänschen, Dileptus anser O1. et Lachm., ein bräun-
Yiches Tierchen, das, zwiichen Pflanzen lebend, oftmals feitliegt und mit feinem weniger
biegjamen Nüfjel umhertajtet. &3 wird bi8 1 mm lang; das wiederum furzrüfjelige Riejen-
tierchen, Dileptus gigas O2. et Lachm., erreicht fogar 11% mm Länge. Noch ein anderes
Gänschen haben wir, das Zudgänschen, Lionotus anser Ehrbg. (j. Tafel „Cinzeller I”,
5, bei ©. 34), da3 feinen Rüfjel geradezu zurüdjchnellen fan; und die Zahl der Rüffel
infuforien“ it damit noch lange nicht erjchöpft.
Das muntere Leben der meilten bisher erwähnten Wimpertierchen erjcheint uns
friedlich. Sie verzehren außer abgejtorbenen tieriichen und pflanzlichen Organismen und
Keinpflanzen, wie Bakterien und Algen, gelegentlich auch jehr Kleine Iebende tierijche
Protozven, aber nur, wenn dieje in den der Nahrungszufuhr dienenden Waljeritrudel Hinein-
geraten. Zwar find fie unerfättlich, und ein PBantoffeltierchen fann daher bei Zimmer-
temperatur jich in 24 Stunden zweimal teilen, aljo in 12 Stunden feine Wiafje verdoppeln.
ber fie fallen nicht größere Organismen oder auch nur gleichgroße an, und einander tum fie
nichts. Die Nefjelorganellen dienen Paramaecium caudatum wohl nur zur Verteidigung,
nicht zum Angriff. Ihr Kampf ums Dafein wird ohne bejondere Waffen geführt.
Doch das gilt Schon nicht ausnahmslos oder uneingejchränft. Bemwegliche Lippen bei
den Nassula- und ähnlichen Arten ermöglichen e8 den Tieren, die Beute zu paden. Dabei
helfen gewiß Die Reufenapparate mit, die aljo feineswegs, toie ihr Name anzudeuten jcheint,
den Wafferitrom durchzufeihen haben, und mundjtändige Trichozhiten arbeiten dabei nicht
al3 Berteidigungs-, fondern als Angriffswaffen. Dileptus jahmanjogar einen feinen Ningel-
wurm umjerer Gemäljer, Chaetogaster, anfallen und zum Abiterben bringen.
Solche „unerhörten Kühnheiten” ereignen fich noch öfter bei den Enchelyidae. &3 ind
das Wimperinfujorien mit endftändigem Munde und oft mit einem oder zwei Kränzen jtärferer
Wimpern auf dem font gleihmäßig bewimperten Leibe. Ein bekannter fühner Räuber unter
ihnen ift das Najentierchen, Didinrum nasutum Stein (bb. ©. 62 und Tafel „Einzeller 1”,
7, bei ©. 34), da3 bejonders häufig Vantoffeltiecchen, gelegentlich jogar das viel größere
Trompetentierchen auf folgende Weije überliftet: es jchießt aus feinem vorjtehenden Munoteil
einen protoplasmatifchen Nüfjel oder eine Zunge — wie man es nennen wolle — auf das
Beutetier, bohrt e8 damit an und hält es feit. Sebt ift das Bantoffeltierchen gefangen, alles
Auzfchleudern feiner Trihozyiten kann ihm nichts helfen, e8 muß es fich gefallen lalfen, durch
ägenden Saft fchnell getötet, von einem fich riejig öffnenden Maule nach und nach
62 Einzeller: Wimpertierden.
verichlungen und fo in 2—3 Minuten bis auf geringe Nejte verdaut zu werden. Noch frecher
ift die Jahnwalze, Prorodon teres Ehrbg., twenigjtens gelegentlich. Denn man jah, tvie
diefer Heine Organismus ein vielgelliges Tier, den Süßmwafjerpolypen Hydra, anfällt, und
ztvar ftülpt e8 fich mit feinem ganzen Leibe auf ein Irmchen der Hydra, das viel länger
al das Wimpertierchen ift, und verdaut es nach und nach biS an feine Wurzel. Auch das
feine, bepanzerte und [pärlich mit Wimpern bejeßte Büchjentierchen, Coleps hirtus Müll.,
überwältigt oftmalß da 16mal größere Bantoffeltierchen. „Kühne Räuber” nannten
wir joeben dieje Tiere, in der nüchternen Wiffenjchaft bezeichnet man fie mit Hejje bejjer
als „Vader”, gegenüber den „Strudlern”, den friedlicheren Arten, von denen wir oben
iprachen. Bon einem „Überliften” der Beute fann eigentlich auch nicht Die Rede fein, fondern
Didinium jchleudert 3. B. feinen
Rüfjelauch gegen allerlei ungenieß-
bare Gegenjtände, jelbit gegen die
Slaswand des Aquariums, und
findet fomit ©enießbare3 nur durch
unermüdliches, aber ficher gedanten-
(ojes Probieren. Jhren Namen hat
die vornehmlich Durch den endftän-
digen Mund gekennzeichnete Zami-
fie der Enchelyidae nach der in
Seftalt und Ernährungsweije wenig
Befonderes bietenden und vielleicht
gerade darum „typifchen” Gattung
| | $ Enchelys Ehrbg., die, wie die bor-
Me Da ee N genannten Arten, in unjeren Bin-
Nafentierden, Didintum nasutam Stein (unten), ein Pantoffetiergen NENgewällern, namentlich in ftehen-
u a 0 Du 23. Den, angetuoffenun a
Lebensweije führt auch das geitreckt
flafchenförmige Tränden oder Schwanenhälschen, Lacrymaria olor Müll. (j. Tafel
„Einzeller IL”, 8, bei ©. 43), das an Länge und Zujanımenziehbarfeit des „Haljes" das
Schwänchen noch übertrifft und jich von ihm leicht Durch Schlanfheit und durch den end-
tändigen, mit Wimperfränzen umjtandenen Mıumd unterjcheidet.
Coleps hirtus vermag übrigens, wie neuerdings von Louis Schuße und 9. Geidies
beobachtet, bei mafjenhaftem Auftreten in Aquarien, namentlich zur Sommer- oder Herbit-
zeit, die Fiiche wohl durch feine Stoffmwechjelprodufte zu jchädigen, was als Herbitpeit
der Fijche bejchrieben mwurDde.
Ein allen Fiiehzüchtern nur zu befannter Hautparafit aus Diefer Familie, der nament-
ich junge Fiiche oft mafjenhaft zugrunde richtet, ift ver Fijchberderber, Ichthyophthirius
multifilis Fougquet (j. Tafel „Einzeller III”, 14 und 15, bei ©. 69), ein erwachjen faft imm
großes, rundliches bis eiförmiges, gleichmäßig bewinpertes und zahlreiche zufammenziehbare
Vafıolen führendes Wimpertierchen, das in den von ihm erzeugten Hautpufteln der Filche
jowie, laut Neresheimer, auf dejjen Unterfuchungen toir hier zum Teil fußen, Häufig in deren
Kemen fchniarogt, jeine Vermehrung aber vorwiegend exit nach Herausfallen aus der Haut,
und zwar teils im freifchwimmenden Zuftande Durch Zweiteilung bis Achtteilung, teils
auf dem Boden in durcchlichtigen Fortpflanzungszyften zumege bringt. Sn diejen Zhiten
Oanzbemwimperte. Ungleihbemimperte. 63
entitehen durch fortgejeßte Ziveiteilungen eine große Anzahl, bald 100, bald bis 1000, Teil-
iprößlinge. Diefe große Fruchtbarkeit ijt zweifellos ein Erjab für die jonft verhältnismäßig
verminderten Möglichkeiten des Fortbeitandes bei einem Parafiten. Die ausihwärmenden
frei Schwimmenden Jungen bohren fich in die Fiihhaut ein und werden von ihr ummwachlen.
Auch in der Schmarogerperiode jind die Filchverderber in dauternder, und zwar rotierender
Bemweaung. Heilmittel gegen die Schthyophthiriusfranfheit find zur Zeit noch.nicht befannt;
der ganze Kampf gegen Diejes Übel, wo e3 aufgetreten ift, hat fich, nach Hofer, nur darauf
zu richten, neue Anftedungen hintanzuthalten. Ichthyophthirius und Chilodon eyprini
ind die wichtigjten unter den paralitiichen Wimpertierchen, Diejenigen Arten, die dem
Menichen, und zwar dem Fifchzüchter, Schaden zufügen Fönnen.
Nücbildung ijt eine ganz gewöhnliche Folge des Schmarotertums. Weiter al3 bei
Ichthyophthirius, der zwar eine einfache, plumpe Geftalt, aber doch noch einen Mund hat
und jomit Teilchen von der Haut feiner Opfer frejjen kann, it die Rüdbildung bei dem im
Maftvarın fait jedes Frojches umherwimmelnden jchönen, opalartig Shimmernden Berlen-
tierchen, Opalina ranarum Stein (Samilte Opalinidae), gediehen, einem jcheibenförmigen,
vielfernigen Wimpertierchen (j. Tafel „Einzeller II" , 12, bei ©. 43), dem Mund und After,
pulfierende und Nahrungspafuolen völlig fehlen, jo daß e3 jeinen Stoffwechjel nun mit dem
Bu- und Abjtrom von Säften durch jeine Haut hindurch bejorgen fann. Die Zellferne find
ihon ohne Zujab von Chemikalien al3 über 100 helle, runde Tlede zu erfennen.
Zweite Ordnung:
Ungleichbeiwimperte (Heterotricha).
Spirigera, ©piralträger, jo hat man zujammenfaljend alle im folgenden noch zu
behandelnden Wimpertierchen genannt, weil jie am Munde einen meift deutlich jpira-
figen Stanz bejonder3 großer oder jonjtwie auffälliger Wimpern Haben, im Gegenjab zu
den vorher bejprochenen Aspirigera. Der Schlag der Wimpern in diefer Wimperjpirale
dient natürlich vorwiegend dem Herbeiltrudein von Nahrung, gelegentlich auch der Bor-
märtsbewegung. Das gibt ein anmutiges Bild und erinnert bei manchen Zormen, 3. B.
Stentor, an den Wimperjchlag der Rädertierhen, wie wir übrigens in mancherlei HYin-
ficht, in Geftalt, Größe und Bemwegungsweile, Übereinftimmungen zwiichen den Ein-
zelftigen und den Nädertierchen fetitellen fönnen, Übereinftimmungen, die man al3 eine
entfernte Konvergenz hinftellen mag.
Wimpertierchen mit derartiger, und zwar Iinfsgewundener Mundfpirale und mit gleic-
mäßiger feiner Bewimperung des ganzen Körpers find die Ungleihbewimperten
(Heterotricha). 3 gibt große Tierchen unter ihnen, wie das 11% mm meljende form-
beitändige Täihchen oder Börjentierchen, Bursaria truncatella. Müll. (j. Tafel „Ein=.
zeller II”, 14, bei ©. 43), das in Sümpfen und Teichen in faulendem Blattmwerf lebt, oder
der an denjelben Stätten wohnende Spiralmund oder das Schnedchen, Spirostomum
ambiguum Ehrbg. (f. Tafel „Süßtwafjerinfujorien” bei ©. 64), der, ein wahrer Rieje unter
feinen Sllafjengenofjen, im ausgejtredten Zustande öfters 3 und, laut Blochmann, jogar bi3
4,5 mm Länge erreicht, fich biegen, vorwärts und rüdwärts jchwimmen fann und jederzeit
feicht um die Hälfte feiner Länge zufammenfchnellt. Beim Täjchchen ift das Periftom eine
große, trichterfürmige Höhle, Die vom Vorderende fait bi zum Hinterende des Tierchens
64 Einzeller: Wimpertierden.
reicht. In ihrer Tiefe liegt die hier aus „Membranelfen”, d. h. Heinen Nuderplättchen,
beitehende Spirale. Der Name Spiralmund ift nach der fich jpiralig über den Körper
ziehenden Wimperreihe gegeben, deren hinteres Ende jich in den Mumndtrichter vertieft. Die
sufammenziehbare Blafe diejes Tieres exjtreckt fich vom Hinterende bis fat zum Vorderende.
Die Musfelftreifen der Hautjchicht verlaufen jpiralig in großer Negelmäßigfeit, und wern
jie fich allefamt zufammenziehen, jo verkürzt jich der törper in einer Spiraldrehung. Diefe
Gigentümlichteit findet ich zwar nicht allein bei Spirostomum, ift aber hier am jchönjten
zu jehen. Mit einem vom Hinterende abgehenden Schleimfaden fann Spirostomum am
Boden feithaften und dabei in jenfrechter Haltung ins freie Wajjer ragen.
Koch Teichter und jchöner als bei diefen Arten ift das Periftom und die Wimperfpirale
bei den mweitbefannten Trompetentierchen, Stentor Ok., zu erfennen. Auch das find
verhältnismäßig große, im ausgeitredtten Zuftande Imm und noch mehr an Länge erreichende
Tierchen, die man daher in Zimmeraquarien, wo man fie nicht jelten ungewollt mit Wajjer-
pflanzen einbürgert, jchon mit blogem Auge erfennen fann, mögen fie num gerade in zu-
jammengezogener, nahezu Fugeliger oder doch mindeftens birnförmiger Geftalt umher-
jchtoimmen oder aber jich mit ihrem Hinterende an Bflanzenteilen feitgefeßt haben. Snlegterem
alle jtreden fie jich aus und lafjen ihre Wimperfpirale jpielen, und jelbjtdiefen Wimpernfchlag
erkennt man jchon mit bloßem Auge mwenigjtens andeutungsweije. Erleichtert wird ihre
Crfennbarfeit und erhöht unfere Freude an den jchöngeitalteten Tierchen Durch die recht Ieb-
haften Yarben der einzelnen Arten, die man freilich nicht alle in ein und derfelben Gegend
finden wird. Die größte Art, die Grüne Trompete, Stentor polymorphus Ehrbg., jieht
meilt infolge der in ihr Haufenvden jymbiontifchen Zoochlorellen ganz grasgrün aus und
fommt in ftehenden und trägen Gewäfjern öfters in großen Anjammlungen vor, die das
eine Mal jchwimmende Schwärme, das andere Mal an Pfählen oder Pflanzenftengeln
grüne Najen bilden. Die noch häufigere Blaue Trompete, Stentor coeruleus Zhrbg.
(j. die Zarbentafel), it dunfel grünblau wie das Meer, dabei Schimmert fie ducch und Dur
wie mancher Edeljtein. Sie verdankt ihre Farbe nicht fremden LZebemejen, jondern einem
feinförnigen Sarbitoff. Die dritte, Häufigste Art, die Graue Trompete, Stentor roeseli
Ehrbg., Roejel3 „Schalmeienähnlicher Afterpolyp” (f. die Farbentafel und Tafel „Cin-
zellfer I", 8, bei ©. 34), teilt mit der vorigen die Fähigkeit, auch in etwas fauligem Waffer
auszudauern, bevorzugt aber Dichten Pflanzenmwuchs und jigt namentlich gern an der Unter-
jeite von Wafjerhnjen. Wejentlich jeltener, aber auch in Schwärmen trifft man die ftets
Heimere Rote Trompete, Stentor igneus Ehrbg., die bei jcharlachroter oder braunroter
Srumdfarbe — dieje beruht hier wie bei St. coeruleus auf äußerjt feinen Farbitoffförn-
chen — meilt noch grüne Zoochlorellen führt. Man fennt auc) eine Braune Trompete,
Stentor pediculatus From., eine Schwarze Trompete, St. niger Ehrbg., endlich Die
gleich ihnen recht jeltene Schlanfe Trompete, St. baretti Bar., die an Größe wiederum
ven anfangs genannten Arten gleichfommt.
Ver nur einige Freude an der Beobachtung des Kleinlebens empfindet, wird mit
dem Studium der Stentoren viele Stunden verbringen. Arch wenn wir ihnen gar nicht
bejondere Geheimnijje ablaufchen wollen, fejielt uns doch fehon der Wechjel ihrer Körper-
jorm, der durch das ausgiebige Zufammenziehungsvermögen der leicht erfennbaren, unter
der Haut fiegenden, längsverlaufenden Mustelfädchen bewirkt wird. Kugelig find fie im
Huftande jtärkter Zufammenziehung mit eingezogenem Periftom und eingezugener Wim-
perjpirale, Doch beim Schwimmen meijt bienförmig, von ftändig wechjelnder Geftalt und
s
1. Paramaecium caudattm ‚Ehrbg! & 59. Di orticella Hipäfeiel Ehrbg. \8.163). 0 3. Stentor coeruleus Ehrbg. (S. 64).
4. Stentor roeseli Ehrbg. (S. 64). 5. Spirostomum ambiguum Zhrbg. ($. 63).
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Ad be fürs fich-der. sörpe may raldiehung. Diefe
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e abgehe Bde Sch N fann Spirostomum Is.
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Noch Teichtargınd ich) B A Won und bie Bimperfpirale |
Hei den meitbefanitter 2:0 ) ku erfe pas find |
rhältmsmäßig große, in a a Ur er mehr angän: ichende |
Tierchen, die nıan daher in Zinreyigs idg/ A en ungewollt mit Wafjer- |
Hfanzen einbürgert, fchon mit bloßen Iugezzsigmier edge jie nun gerade in zur]
Ihnmergezogener, nahezu Fu jeliger oe ne: rörmiger Geftalt umber- |
Feen ee ty Gnerepen ans Men jelbaefebt haben. Sinlegterem |
3 l jeher ”
Boden eetafteng
halle fir: fi ebitdiejen Bimpernfchlag | ”
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ürtonn unfere Rrei ube am n buch mie reih lab» N h
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frurtärmng ibite it, die Grane Tromperk , Stentor roeseli
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nbfarb: het Ya ge N Nerı RN auf äußerit feinen Farbitofftörn-
chen — ment noch anime weiten Mühe ® N terkıt auch eine Braune Trompete,
Itentor pedieulates Frma, die Eihwery olpe iR, St. niger Ehrbg., endlich Die E
afeich ihnen recht elle Stanke Trompete, a Dongit Bar., die an Größe wiederum 1
DEN antance neramnien ı HERÜND aa BR
er mır einige Arende an Der Beobachtung des un ns & Moe iwird mit
dem Studium der Stentoren biele Giumben vor u ngen. PT nen gar wicht
beiondere Geheimnilfe ablaufcher fel ihrer Sörper-
n eicht erfennbaren, unter
! jervickt wird. Runelig Find fie im
een en Beriitom und engesegener Win-
yeripiwale, doch beim Schwimmen meijt bienförmig, bon ftändig mechieiniee Mejtalt und
t
‚3 .2) ‚ga zuslimsos 1oms}® 8.8.2) aA aıstiluden sllssittoV ‚SC .(ea.2) ‚gdwa munsbus) mulossıne1sd .l \
‚(89 .2) „INA mamgideng mamotzorige .&8 .(0 ..2) ‚gUrNA Ilszsor 1oinste .b
Süßwailer-Infwiorien in 8Ofacher Vergrößerung.
Ungleihbemwimperte. 65
Länge. Nun wird e3 etwas ruhiger im Revier, da tut und ein der Heinen Wundertierchen
den Gefallen und feßt ich vor unferen Augen mit feinem Hinterende, mit jeinem „Suße”,
feft. Das ift ihm dadurch möglich, daß es die winzige Tußiheibe al3 Saugıapf benut,
por allem aber durch die greifende Tätigkeit einiger ihr anjigender längerer, offenbar Fleb-
tiger Wimpern oder wohl richtiger Pfeudopodien, die hier geradejo ziwechnäßig angebracht
jind wie der jogenannte Finger am NRüfjel eines Elefanten. Seht vedt jich das Tierchen
weiter und immer weiter, wird länger und befommt immer elegantere Gejtalt, biegt jich
und Schmiegt jich und läßt den Wimperkranz jchlagen. Erjehüttern wir underjehens unjer
lebendes Bräparat, oder fommt dem Stentor ein anderes Jnfujor in Die Duere, jo zudt er
plöglich jtarf zufammen, verläßt auch wohl ein anderes Wal nach einigen heftigen Zudungen
jeinen Standort und [hwimmt davon. „‚Stentor“, jagte Verimorn einmal, „it eine Mus-
felzelle einfachjter Art”, und obwohl er in anderem Sinne eine Musfelzelle fombplizier-
tejter Art ift, vermag fein plößliches Zufammenzuden und das langjame Sichiwiederaus-
dehnen uns eine gute Vorftellung von der Musfelzudung überhaupt zu geben. Ziijchen
den Wimpern der Körperbekleivung jtehen namentlich bei manchen Arten lange, jtarre Taft-
boriten. Die genaueren Unterfuchungen SJennings’ über das wechjelveiche Verhalten von
Gtentor gegen mechanijche Reizung bejprachen wir jchon (©. 14). Die allgemeine Be-
megungsmweije des jchreimmenden Tieres, fein Aftionziyftem, wie Jennings jagt, gleicht
wieder im mwejentlichen dem von Euglena, Paramaecium und anderen Einzellern. Wenn
aber Stentor roeseli beim Schwimmen an feite Flächen oder an die Wafjeroberfläche ge-
langt, fo fängt er an, in ganz bejonderer Weile zu Friechen. „Ex legt”, jchreibt Jennings,
„eine teilmeije entfaltete Scheibe der Fläche an und friecht rapide dahin, wobei die
bentrale Körperfeite dicht über die Fläche hinühergebeugt wird. ©o fann er über einen
Haufen zerfallender Stoffe Friechen, indem er allen Unregelmäßigfeiten der Oberfläche
ichnell und gejchiet folgt, al3 wenn er ihn grümdlich unterjuchte. Gelegentlich toird auc)
einmal eine Stelle für den Bau einer Wohnröhre ausgewählt. Man Tarın dabei jehen, wie
bei vem Gichumherbewegen des Stentor auf jeiner Körperoberfläche ein zäher Schleim
abgejchieden wird. An ihm Heben allerhand Teilchen an und werden hinter dem jchwim-
menden Tiere mitgezogen. An einer bejtimmten Stelle hält das Tier inne und beginnt,
fich im zufammengegogenen Zuftande jchwanfend riidwärt3 und vorwärts zu bewegen, in
einem Gebiete von etiva 24 feiner Länge, während der Schleim äußert jchnell von der
Oberfläche abgefchieden wird. Co wird der Schleim zu einer hurzen Röhre oder Scheide
berdichtet, in der der Stentor leben joll.” Nicht jede Stentorenart baut fich jolche Ge-
häufe, Stentor coeruleus 3. B. tut e3 nie. Er fann fich daher jederzeit zu einer Leinen
Kugel zufammenziehen, während St. roeseli fich der immer zylindrischen oder gejtredt
fegelfjörmigen Gejtalt feiner Wohnhöhlung anpafjen muß.
Auch den Wafferftrudel, den St. roeseli hervorruft, wollen wir mit den Worten
Sennings’ bejchreiben. „Beim ausgetreten Tiere”, jagt diejer unermüdliche Beobachter,
„befinden fich die Periftommwimpern in ftändiger Bewegung. Wenn man dem Wajjer
feinförnige Tufche oder Karmin zufest, fo lafjen jich die folgenden, durch den Wimperjchlag
herborgerufenen Strömungen beobachten: der Mund des Tieres bildet den Grund eines
Strudels, in den das Wajjer oberhalb der Scheibe von allen Seiten Hineinftrömt. Nur die
Teilchen in der Achje des Strudel berühren wirklich die Scheibe; etwas jeitlich Davon jchießen
jie alle, ohne zu berühren, an den Rändern vorbei. Teilchen, die die Scheibe erreichen,
treiben nach linf3 hinüber, nach der Mundtafche Hin, indemie jo einer [piraligen Bahn folgen.
-
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 2 D
66 Einzeller: Wimpertierhen.
Wenn fie die Mundtafche erreichen, werden jie darin einige Male herumgetirbelt, dann ge-
raten fie entweder am Grunde der Tajche in den Mumd hinein, oder fie werden an der
bentral in der Mitte fiegenden Einferbung über den Rand der Tasche hinübergetwirbelt.
Sn legterem Falle treiben fie gemöhnlich rüctwärts an der ventralen Mittellinie des Körpers
entlang, bis jie den Rand der Röhre erreichen. An ihr Fünnen fie dann Flebenbleiben und
jo zum Aufbau der Röhre beitragen.“
Nicht jelten jieht man Stentoren in Teilung begriffen. Der Körper Schnürt fich in
der Mitte wie gegürtet ein. Die Einfchnürung ift bald fo tief, daß e3 ausjieht, al ob das
Bordertier im Hintertiere wie in einem Trichter ftede. Senes hat die Wimperjpirale, Die
fontraftile Blafe, Mund und Schlund behalten und die obere Hälfte von dem fait den
ganzen Körper Durchziehenden, bei St. roeseli ftrangförmigen, bei St.
coeruleus und polymorphus perljchnurförmigen Kern. Abgejehen von
der Sernhälfte, Hat das Hintertier ich alle Organe neu bauen miüjjen.
Auch Fünftlich Yafjen fi Snfuforien, wie zuerjt Gruber bemwiejen
hat, teilen, ohne daß die Teiljtüce abjterben, fie regenerieren vielmehr
zu vollftändigen Snpdividuen, jofern fie ein Stüd des ellferns mit-
befommen haben. Dagegen Iterben Fernloje Teiljtüde von Protozoen,
wie man fie bei Stentor, noc) leichter bei Amöben oder bei Lacrymaria
abjichneiden Fann, ftetS rettungslos ab. Die Hälften von der Duere und
der Länge nach mit einem jcharfen Mefjer geteilten Trompetentierchen
Ba erreichen in furzer Zeit die urjprüngliche Geftalt, ja, ift ein jolches
Balantidium coli Gefchöpfchen durch einen Duer- und einen Längsfchnitt gevierteilt oder
Malmst. mit gefrefjenem
Een ee ° Durch zwei Duerjchnitte gedreiteilt worden, jo behalten alle Stüde ihre
500:1. Aus Claus- Dolle Regenerationsfähigfeit. Am vorderen Schnittrande eines Mittel-
= ftücles entfteht der Mund, am Hinteren der Haftapparat. Sihifama hat
durch Chloroformzufas narkotifierte Stentoren und andere Snfuforien
nicht Durchjchnitten, jondern nur eingejchnitten. Die Wiederheritellung der alten Form
nimmt nad) Erholung von der Narfoje oft nur furze Zeit in Anjpruch, die manchmal
nur nach Minuten zu mejjen it. Die Wunde Hafft zwar anfangs, bald aber verkleinert fie
ih durch Yufammenbiegung des Tieres um die Schnittitelle. Vergebens mar die Be-
mühung, bei Einjchnitten am unteren Ende das Zuftandefommen eines Tieres mit zwei
sußenden zu erzielen. &3 wird dann vielmehr der eine Schnittzapfen eingezogen, und
in 15 Minuten ift die Heilung beendigt. Durch viele Einschnitte Fan man gefnidte,
jelbit forfzieherartig gedrehte Tiere gewinnen, die fich allmählich wieder zurechtziehen. Be-
jonders beachtensmwert ijt an diejen und ähnlichen Berfuchen, daß die veriwundeten Tiere oft
unter jtarfen Krümmungen zu allererit gleichjam Die Beriwundung zu verkleinern fuchen,
jo daß aljo, wie in jehr vielen fonftigen Fällen, auch hier der Organismus als Ganzes gegen-
über einem örtlichen jchädigenden Eingriffe reagiert.
Zu den ungleichbewimperten Snfuforien gehört auch das im Dieldarım des Schweins
ohne jchädliche Wirkung fchmarogende Balantidium coli Malmst. Bisweilen, wenn auch)
jelten, tritt e8 im Diedarn von an Diarrhöen und anderen Darmkrankheiten leidenden
Menjchen auf, weshalb es nach der Anficht mancher Forjcher pathogene Bedeutung haben
joll. &3 it ein etwa eiförmiges, bewimpertes Tierchen mit leicht erfennbarer Wimper-
jpirale am vorn etwas eingejenft gelegenen Munde. Anderweitige Parafiten des menfc)-
lichen Darmes find Balantidium minutum Schaud. und Nycetotherus faba Schaud.
u ee De u nn Meere Ze el
Ungleihbewimperte. Schwahbemwimperte. 67
Dritte Ordnung:
Schwachbewimperte (Oligotricha).
AB Schmwachbewimperte (Oligotricha) faßt man Snfuforien mit Iinfsgewundener, fat
Freisförmiger Wimperfpirale um das am Borderende gelegene Perijtom zujammen, Die feine
oder nurineinzefnen Reihen oder Gruppen tehende Wimpern aufihremjonftigen Körperhaben.
Ein fomifches Kerichen aus diejer Gejellichaft, das nach feiner ©ejftalt ebenfogut der
jteahlenden Sonne wie einem gel verglichen werden Fann, nach feiner gewöhnlichen Be-
mwegungsmeije aber eher einem Floh, it das häufige Heine Springtierchen, Halteria
grandinella Müll. (j. Tafel „Cingeller III”, 1, bei ©. 68). Gein Körper ift etwa fugelig,
und auf ihm Stehen zeritreut einige fteife Borften. Zeitweilig liegt das Tierchen ruhig, plöb-
fich fängt e3 lebhaft umherzufpringen an, als wolle e8 dem Beobachter einen Schabernad
fpielen. Genau betrachtet, handelt es ich um ein durch die Borjten bemirttes Nücmärts-
ichnellen des Körpers, aljo wohl ganz gewiß um eine Fluchtreaftion, wie yennings, der
erfte forgfältigere Unterjucher diejer unliebenswirdigen Tierchen, annimmt.
Die Zamilie der Halteriidae hat nur wenige Arten. Aucd) die merkwürdigen Klöppel-
glödchen (Tintinnidae) treffen wir im Süßmwalfer nur in wenigen, jeltenen Arten an,
die dann ftets rein planktonifch in größeren Geen leben, dagegen ift dieje auf freie Wajjer-
majjen angemwiejene Samilie im Meere auf hoher Gee in zahlreichen Arten vertreten. Alle
Tintinniden fchleppen ein zylindrifches, feltener urnen- oder becherfürmiges Gehäufe jtändig
mit fich umher, was ihnen nur dank der Fräftigen Wimperplatten oder Membranellen ihres
Beriftoms möglich ift; aus feiner Offnung ragt außer dem Beriftomteil nicht viel von dem
Tiere heraus. Das Tierchen jelbft ift ungefähr ftentorähnlich und Hält fich auch mit einem Haft-
apparat, der dem am Fuße des Gtentors ähnelt, am Boden des Gehäufes feit. Beiden meijten
Arten ift das gallertige Häuschen mit Fremdförpern, namentlich Heinen Kiejelförnden ujmw.,
überfruftet. Aus dem Plankton der Kieler Bucht allein bejchreibt Laadmann zwölf zu ver-
Ichiedener Sahreszeit, zum Teil nur im Winter auftretende Arten mit zwei Spielarten. m
allgemeinen enthalten gewiß falzreichere Meere noch mehr Arten, doch gibt e3, laut Merkle,
auch jolche, die in größter Menge gerade in dem falzarmen öftlichen Teil der Djtjee, im Bott-
nifchen und Finnifchen Meerbufen, auftreten. Nicht wenige find jo Hein, daß jie durch Die
Mafchen der Planktonnege oftmals Hindurchrutichen und daher mit zahlreichen Tlagellaten
und manchen anderen twinzigen Wefen dem ung erjt Durch) Lohmann volfjtändiger befannt-
geiwordenen „Nannoplanfton” oder Zmergplanfton des Meeres zugerechnet werden müljen.
Die parafitiich lebenden, merfwürdigen Ophryoscolecidae find Tiere mit jtarrem Kör-
per und dider, verkiefelter Haut, die am Hinterende oft in eine Anzahl Stacheln oder Zinten
derart ausläuft, daß der Banzer fait twie eine Krone ausfehen ann; fo ift es bei Ophryoscolex
purkinjei Stein (f. Tafel „Einzeller III”, 9, bei ©. 68) und anderen Arten der Gattung und
bei Entodinium caudatum Stein, die alle im PBanjen von Wiederfäuern leben. Einen un-
bemwehrten Panzer und ein paariges eigentümliches, an die Nuderantennen eines Cyclops
erinnernde3 Bewegungsorgan hat das hiernach jo zu nennende Zweiflofjentierchen,
Cyeloposthium bipalmatum Fiorentini, das mit einer ganzen Anzahl von Verwandten im
Blinddarn des Pferdes vortommt. Alle diefe Huftierparajiten, deren man in jeder Portion
twiedergefäuter Nahrung eines Rindes eine Menge findet, jind Harmloje Tiichgenojjen ihrer
Wirte. Shre Sufeltionsweie ift zum Teil noch unbefannt.
5*+
68 Einzeller: Wimpertierden.
Vierte Ordnung:
Bauchiwimperer (Hypotricha).
Bei Infujorien von einer „Bauchjeite” oder „Ventralfeite” zu jprechen, die wir durch
die Lage des Mundes al3 gegeben betrachten, ericheint oftmals wegen der unregelmäßigen
Formen und der mit fteter Drehung verbundenen Schwimmbemwegungen etivas gefünitelt.
Dagegen fordern die abgeflachten Bauchwimperer (Hypotricha) fürmlic, zu diefem
Sprachgebrauc) auf. Man jehe nur, wie 3.8. ein Borjtentierchen, Oxytricha fallax Stern,
oder Das nod) ettwas größere und Äußerit fomplizierte, 4 mm lange Mufcheltterchen over
Waffentierchen, Stylonychia mytilus Mäll. (j. Tafel „Cinzeller III”, 2 u. 16), auf großen
ereinzelten Wimpern umherrennt wie eine Laus. Genauere Betrachtung eines Mujchel-
tiecchens läßt ung leicht folgende Einzelheiten erkennen. Die gewölbte Rüdenfläche it fait
nadt, jie trägt nur vereinzelte feine Taftboriten. Bewegliche, bejonders große Wimpern,
meijt Zirren genannt, jtehen, twie auch bei allen anderen Hypotrichen Sinfujorien, nur auf der
Bauchjeite in geringer Zahl und unregelmäßiger Anordnung. Born an der Bauchjeite liegt
ein quer verlaufender, an den Rändern mit Rudermembranellen (j. ©. 64 oben) bejekter
Schlib, der Mund. Mittels der Mundtwimpern und zweier Wimperreihen, die rechts und
links über den Körperrand hervorragen, jehwimmt das Tier in ftetiger, gleichfürmiger Be-
wegung. &3 farm aber auch, wie oben bemerkt, gehen oder laufen, indem es fich auf Die
Spiben der ariffelfürmigen, jtarfen Wimpern der Bauchjeite jtübt, Jorie durch jchnellende Be-
wegung diejer Wimpern fürmliche Sprünge machen. Die drei Hinten ausgejtredten Borjten
find unbeweglich. Müt diefen reihen Bewegungsmitteln ausgejtattet, jauft es mit großer
Behendigfeit zwichen ven mifroffopischen Pflänzchen umber, fait ununterbrochen ©peife,
feine Arten der eigenen Slafje und mittojfopiiche Algen, in den Schlund Hinabtrudelnd.
Manches Häufige Hypotriche Snfujor lebt ebenjowoh!l im Süßmwajjer wie im Meere.
Fünfte Ordnung:
Jingwimperer (Peritricha).
Sn manchem die fompliziertejten und in vielem die jchönften Snfujorien neben den
Stentoren umfaßt die Ordnung der Ringmwimperer (Peritricha), deren Sennzeichen eine
rechtsgewundene Wimperipirale am PBeriftom und ein jonjt unbewimperter, dDrehrunder, meift
glocdenfürmiger Körper find. Die Bolypenlaus, Trichodina pedieulus Zhrbg., die außer
der vorderen Wimperfpirale einen Fräfttgen hinteren over bajalen Wimperfranz bejitt und
gern auf dem Süßmwafjerpolypen Hydra umherläuft, auch auf Fiihkiemen, auf Frofchlarven
oder frei zwischen Algen, mag den Hhodren vielleicht weniger jchädlich, als durch Weafrejjen
bon Bilzen nüslich fein. Uber eine nahe Verwandte von ihr, Cochlochaeta domergui
Wllgr., fann mit ihrem ftarf abgeplatteten, von Wimperkränzen umzogenen Körper zu
Zaujenden auf Fischen fiben und fich von den Epithelgellen ernähren. Dieje Krankheit, die
leicht zum Tode der Fijche führt, ift bisher allerdings nur im Aquarium bemerkt worden.
Zur glatten Heilung empfiehlt Hofer 4, —Vojtündige Bäder mit I3prozentiger Kochjalz-
löjung. Die Arten gehören zur Familie der Glodentierchen (Vorticellidae).
Mehr Vergnügen aber werden mir an den eigentlichen Glodentierchen (Unterfamilie
Einzeller II.
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= a BESDER & N ERERTTNTENN SS S TEN
ı. Halteria grandinella O. F. Mäll. Vergr. 320:1. Aus Blochmann, Die mikroskopische Tierwelt des Süßwassers. (Zu S. 67.) —
2. Stylonychia mytilus O. F. Müll., laufend. Vergr. 240:1. Nach Bütschli aus Doflein, Lehrbuch der Protozoenkunde. (Zu S. 68.) —
3. Spore von Myxobolus pfeifferi Thelohan. Vergr. 800:1. Aus Doflein. (Zu S.55.) — 4. Vorticella campanula Zhrbg.
(Zu S. 69.) — 5. Opercularia nutans Ehrbg. Vergr. 225:1. (Zu S. 70.) — 6. Astrorhiza limicola Sandahl. Natürl. Gr. (Zu S. 26.) —
7. Größere, mit Sporen erfüllte Zyite von Myxobolus pfeifferi Thelohan im Muskelfleiich einer Barbe. Vergr. 200:1. Aus
Doflein. (Zu S. 55.) — 8. Ephelota gemmipara R. Hertw. (Zu S. 72.) Vergr. 260:1. Nach Hertwig aus Doflein. — 9, Ophryoscolex
purkinjei Stein. Vergr. 133:1. Nach Bütschli aus Claus-Grobben, Lehrbuch der Zoologie. (Zu S. 67.) — 10. Lamblia intestinalis Lambl.
A von der Bauchseite, B von links, C an einer Darmzelle festgesaugt. Vergr. 1000:1. Nach Grassi u. Schewiakoff aus Doflein. (Zu S. 43.)
ıl und 12. Carchesium polypinumEhrbg., ausgeitreckt und halb ausgeitreckt. Vergr. 20:1. (Zu S. 69.) — 13. Arcella dentata
Ehrbg. Vergr. 140:1. (Zu S. 25.) — 14. Ausichnitt aus der Schwanzfloife eines Zahnkarpfens (Xiphophorus) mit Ichthyo-
phthirius multifiliis Fouguet. Vergr. 120:1. (Zu S.62.) — 15. Teilungszyiten von Ichthyophthirius multifiliis Fouquet.
Vergr. 240:1. (Zu S. 62.) — 16. Stylonychia mytilus O. F. Müll, von oben gefehen. Vergr. ca. 120:1. (Zu S. 68.) —
17. Vorticella campanula Ehrbg. Vergr. 133:1. (Zu S.{69.) — 18. Vorticella nebulifera Zhrbg. Vergr. 110:1. (Zu S. 69.)
. Nach Mikrophotographien von H. Geidies-Kassel-Kirchditmold (Fig. 11, 12, 14, 15 und 17) und von E. Reukauf-Weimar (Fig. 13, 16 und 18).
Bauhwimperer. Ningwimperer. 69
Vorticellinae) empfinden. Alle Arten, die feine Stöde bilden, jondern als Einzeltiere auf
einem fpiralig zufammenziehbaren Stiele fiben, wie Heine Friftallene Blümchen, werden als
die Gattung Glödchen (Vorticella Zhrbg.) zufammengefaßt. Der lateinische Name Heißt
auf deutjch fopiel wie Wirbelchen. Manchmal fißen fie in großen Scharen auf einem Pflanzen-
blättchen oder -jtengelchen beilammen und überziehen dieje Teile wie mit einem weißen
Schimmel. Yedes Einzeltier hat die Form eines Glödchens, und um den Glodenmund
jpielen wiederum Wimperichhlag und Wafjerjtrudel. Stommt aber dem Glodentierchen
etwas in die Dutere, jo läßt e8 den Wimperfranz einen Augenblid ftillftehen und krempt
ihn ein, und auf einmal, ehe wir’3 uns verjehen, Schnurrt der dünne Blumenftiel zu einer
Spirale zufammen; an ihm, der nım biel fürzer ift und das Ausjehen eines forkzieherartigen
Löcchens hat, jibt dann das Ölöcdchen, das jedoch jebt verkürzt und zum Kügelchen gemor-
den ift und exft nach einiger Zeit wieder den Glodenmund auftut, die Wimperfpirale ent-
faltet und der Wafjerftrudel in Bewegung jebt, während gleichzeitig der aufgerollte Stiel fich
wiederum ftredt. Sm hohlen Stiele fällt ein ftreifiges, in piraliger Windung verlaufendes
Band auf, aus Muskelfibrillen beitehend, die das Zujammenjchnurren des Gtieles veran-
lajjen und, da fie fi) auf den Glodenförper fortjegen, auc) ihn etwas verfürzen fünnen.
Unter den mehr alS 20, zum Teil wohl zweifelhaften Arten, die man beichrieben hat,
it die Häufigite das Nebelglödchen, Vorticella nebulifera Ehrbg. (Taf. „Süßwajjerinfu-
jorien” bei ©. 64 und Tafel „Einzeller III”, 17), das Durch jein majjenhaftes Auftreten an
Wallerlinfenwurzen, Wafjerpeit, Hornkraut und anderen Wajjerpflanzen die befannten
ichimmelartigen Nebel bildet. &3 beanjprucht unbedingt Hares, reines Wafjer. Cine andere
häufige Art ilt das etwas breiter gebaute Ölodenblümcen, V. campanula Ehrbg. (\. Tafel
„Eingellev III", 4 und 16), oder, bejonders in faulendem Waller, das Maiglödchen, V.
convallaria Ehrbg., und vor allem das Kleinmündige Ölödchen, V. microstoma Zhrbg.
Das Grüne Ölödchen, V. chlorostigma Zhrdg., deifen Rajen mitunter Schilfhlätter gras-
grün itberkleiden, ift das einzige blattgrünführende Wimperinfufor.
Höchit lebendig jieht es unterm Mikcojfop aus, wenn wir in unjerem Gejichtzfelde ein-
mal ein Cyclops-Stebschen fejtgelegt Haben, auf dejjen Panzer und Beten e3 hon Vorti-
zellen zudt und zappelt, und das dieje lebende Bürde gewiß bei allen jeinen Bewegungen
jpürt, indem jede zudende Glode als jelbitbemwegliches Steuer wirft.
Mitunter jieht man Gflodentierchen der Gattung Vorticella, die fich famt ihrem ©tiel
bon der Bodenfläche losgelöjt Haben und num durch das Gefichtsfeld Des Mikrojfops jchmwimz-
men. Dabei fchnurt manchmal unter gleichzeitigem Einjchlagen des Wimperfranges der
Gtiel plöglich zufammen und ftredt fich bald wieder. Die zur Stredung führende Glaftizität
{ft nicht unbedeutend. Liegt einmal in unjerem lebenden Präparat außer dem Fußpunkt
des Stieles auch das Bortizellenföpfchen feit, jo ftemmt jich der Gtiel zwijchen beiden
Punkten mit Gewalt auseinander, überiwindet dabei, mern auch unter häufigen Stodungen,
die meijten lemmungen und Neibungen und bildet jchlieglich eine gefrummte oder ber-
Ihlungene Linie. Köpft man die Vortizellen, jo jchrumpfen fat ausnahmslos die Gtiele
infolge des jie treffenden Neizes völlig zufammen. Zudungen führt übrigens an un-
berjehrten Tieren nicht nur der Stiel, jondern auch, was jchwerer jichtbar if, der Gloden-
törper aus, und zwar bleiben jchwache Zucungen auf ihn bejchräntt, indem fie ihn ver-
Türzen, jtärkere pflanzen fich auf den Stiel fort, namentlich wenn er gerade recht gejtredt ift.
Das hiebliche Schauspiel der auf und ab zucdenden Glödchen erleben wir noch einmal,
und zwar potenziert, beim Ölodenbäumchen, Carchesium polypinum Zhrbg. (j. Tafel
70 Einzeller: Wimpertierden.
„Einzeller III”, 11 und 12). Hier jigen viele Glödchen an einem Heinen Bäumchen, auf jeder
Ziveigjpige eins, und jelten ijt vie Ölodentolonie in völliger Ruhe; vielmehr zudt jest hier, jebt
da ein Glödchen an feinem Zweiglein, und aufeinmal jchnurrt der ganze Baum, wie eleftrifch
getroffen, zu einem Faum mehr erkennbaren, doch perlenbehangenen Etwas zufammen, das
fich nach einiger Zeit wieder zum herrlichen Glodenbaum auseinanderftemmt. Schon mit
blogem Auge können mir diefe Bäumchen, ihre Bewegungen und das Wogen des Wafjers
um jie erfennen, wenn fie jich in unjferem Aquarium z.B. an der Ölaswand angejiedelt
haben. Jm Sreien bilden jie wie das Nebelglöcchen öfter fchimmelige Überzüge, und zwar
Carchesium polypinum in reinem, C. lachmanni Kt., einer der bezeichnendjten Abmwäljer-
organismen, in verichmustem Wafjer. Cine jehr ähnliche Gattung ift Zoothamnium Stein.
Bei anderen Arten von Olodenbäumen, ven Säulenglödchen (Epistylis Zhrbg.) und
Schirmglödcken (Opercularia Stein), find Die Stämme und Äfte ftarr, fie Fönnen fich nicht
zujammenziehen, bei einer Art aber kann jedes einzelne Glödchen an feinem Stiele ein
launenhaftes Nicden vollführen; es ift dies das Nidende Glodentierchen, Opercularia
zutans Ehrdg. (Epistylis ; |. Tafel „Einzeller III”, 5), der befanntefte Vertreter diefer Sippe.
Bon der Bildung der Epistylis-Bäumchen hat Stein folgendes beobachtet. „Die Tiere
eine3 Bäumchens und damit auch die Ifte dezjelben vermehren fich durch Längsteilung
der jchon vorhandenen Tiere. Noch ehe die von vorn und Hinten einander entgegenfom-
mende Einjchnürung bis zur bollitändigen Sonderung zu zwei neuen Smdibiduen borgerüdt
ift, jieht man fchon, wie die voneinander getrennten Bajalenden der neuen Individuen auf
ganz Furzen partiellen Gtielen figen, die aljo bald nach dem Beginn des Teilungsprozejjes
aus den frei werdenden Körperbafen ausgefchieden werden müfjen. Zt die Längsteilung
bollendet, fo jind die bejonveren Stiele jedes Smdividuums immer noch jehr furz. Bei ihrer
meiteren Verlängerung, die natürlich immer nur an der Stelle, to fie mit dem Tierförper
zujammenhängen, erfolgt, eilt Häufig das eine Individuum dem anderen voraus, und das
Sndividuum auf dem längeren ©tiele jchidt fich dann auch früher zu einer neuen Teilung
an als fein Gefährte von Dderjelben Generation, und die Folge davon ijt eben, daß die
Tiere eines Bäumchens nicht alle in gleicher Höhe liegen. Nicht immer endigen Die
fämtlichen fte eines Bäumchens in Tieren, fondern einzene Äfte find von den Tieren,
welchen fie jelbjt ihren Urfprung verdanften, verlaffen worden. Dem Ablöjen der Tierchen
icheint niemals die Bildung eines Wimperkranzes am hinteren Körperende vorauszugehen”,
mie jolches bei den übrigen Glodentierchen und namentlich auch den fich ablöjenden Stnojpen
itattfindet. Die bei der Konjugation diefer Glodentierchen vorfommende gejchlechtliche
Differenzierung wurde jchon oben (©. 58) erwähnt. „Die abgelöjten Tierchen bleiben aus-
gejtrect und fchrwimmen mittels ihres Stiinwimperkranges im Wafjer umher, um an einer
anderen Stelle jpäter die Grundlage eines neuen Bäumchens zu werden. Gehr häufig
traf ich einzelne Individuen, welche eben exit ein Nudiment eines Stieles aus ihrer Bajıs
ausgejchieden hatten. Ebenfo häufig fand ich Stämmchen, die nur erit zwei (unjere Ab-
bildung auf Tafel III) oder drei Tierchen trugen.”
Die Kolonien bon Glodentierchen erregten jchon vor der Mitte be3 18. Sahrhunderts
die Aufmerffamkeit der Mikrobiologen. Sie wurden von ihnen Trichterpolgpen, au)
Afterpolypen genannt, und Roejelund feine Zeitgenofjen wußten fchon, daß jte jich gern auf
Schwimmfäfern und Wafferichneden anfegen und dem unbewaffneten Auge wie ein weiglicher
Schimmel jich Darftellen. Auf den Glodenbäumchen wiederum lebt als Halbparajit öfter ein
holotriches Snfujor, Amphileptus claparedei Stein, das die Iebenden Gloden gierig verjchlingt.
Ningwimperer. Wimperlofe. zı
Sedhjite Ordnung:
Wimperloje (Suctoria).
Gtiwas abjeit3 bon den bisher betrachteten fteht innerhalb der Wimpertierchen Die
Irdnung der Wimperlofen oder Sauginfuforien (Suctoria). Dieje mikrojtopijchen
Wejen find der Mehrzahl nach mit einem Stiele feitgewachien, und fie wählen zum Drt
ihrer Befeftigung oft andere Wafjertiere, im Süßwajjer die Flohfrebje und Ajjeln, Serbtiere,
Gtielgerüfte von Glodentierchen, Algen, Wurzeln von Wajffertierchen ufm., im Deere ver-
ichiedene Bryozoen und VBolypen. Der feulenförmig gejtredte oder rumdliche, vorn oft ein-
gejentte Körper enthält bei Süßmwajjerarten eine oder mehrere zufammenziehbare Blajen.
Wegen des Kerndualismus fcheint die Verwandtichaft mit den Wimpertierchen jchon an-
nehmbar. Bor allem aber gewinnt ihre Zugehörigkeit zur Kaffe der Ziltaten dadurch eine
hohe Wahrjcheinlichfeit, daß die meilten Suftorien während eines funzen Schmwärmzuftandes
nach Art der holotrichen, Hypotrichen oder peritrichen Snfuforien bewimpert jind. Die
Wimpern verfchwinden, fobald die Tiere fich feitgejest Haben, und dieje erhalten nun Höchit
eigentümliche feine, innen hohle Fortjäbe des Protoplasmas oder Tentafeln, Durch Die, bei
Abmwejenheit eines Mundes, meift die Aufnahme der Nahrung in das Protoplasma ges
ichieht. Auch den wenigen freilebenden Arten fehlen die Wimpern, und die erwähnten
Protoplasmafortfäße find ihnen gleichfalls eigen. Die Fortjäge befinden fich als vorjtred-
bare und zurüchziehbare, auch in anderer Weife bewegliche Strahlen meift am Borderförper,
feltener ringsum, endigen oft mit einem Knöpfchen, das gleich einem Saugnapf an Die
su bemältigende Beute angejeßt wird, und leiten die aufzunehmende Flüjjigleit in das
auf diefe Weije frejfende Tier hinein. Ducch ein becherfürmiges ducchjichtiges Gehäufe,
das in den Gtiel übergeht und das Plasmatier mehr oder weniger weit umjchließt, zeichnet
lich Die Gattung Acineta Ehrbg. au2.
Die Vermehrungsmweije der Saugtierchen weicht meift von derjenigen der anderen
Biltaten ab, denn nur ausnahmsmeife teilt fich das Muttertier in zwei ihm gleichende
Tochtertiere. Biel öfter werden die fehon erwähnten bewimperten Schmärmer gebildet,
und zwar bei Podophrya Zhrbg. und Sphaerophrya Olap. et L. oftmals durch jogenannte
„gleichhälftige freie Teilung”, bei der der hintere Teil des Muttertieres die Saugjortjäge
behält, der vordere, ihm gleich große aber den Wimperbejab entmwidelt, der ihn zum be-
meglichen Schwärmer macht. Noch öfter erfolgt die Vermehrung durch Knojpung, Doc)
dann meilt durch eine fehr eigentiimliche, nämlich „innere” oder „endogene” SKnojpung.
Diefer Vorgang jteht fait aus, al3 ob die in Ein- oder Mehrzahl vorhandenen Tochtertiere,
melche wefentfich Heiner al3 dag Muttertier find, von Diefem „geboren“ würden, dent jie
entftehen gleichjam im Srmeren des Muttertieres, genauer gefagt am Boden einer tiefen
Einjenfung in ihn; jo bei Tocophrya Bütsch.
Im Meere leben zahlreiche Arten von Suftorien, aber auch im Süßmajjer jind fie
reichlich vertreten. Zu den befannteiten gehören Podophrya fixa Ehrbg., ein etiwa "/,, mm
mejjendes, allfeitig mit gefnöpften Tentafeln bejebtes Plasmafügelchen, daS gewöhnlich
mit einem furzen Stiel auf Algen oder Kerbtieren fit, aber auch frei von jeder Unterlage
und dann ungeftielt vorfommt, und P. libera Perty, die viel häufiger frei als gejtielt und
feitligend gefunden wird und wejentlich längere Tentafel von drei- bis vierfahem Körper-
durchmefjer hat. Stet3 ungeftielt bleibt Die Gattung Sphaerophrya, die daher jehr jchwer
72 Einzeller: Wimpertierden.
von ungeftielten Bodophryen zu unterjcheiden ijt und eine freilebende Art enthält neben
zwei parafitischen, S. pusilla Olap. et L. und S. stentoris Maupas. ene lebt eftoparafitifch
auf HHpotrichen, von deren Gaft fie jich ernährt, dieje fogar entoparafitiich in Trompeten-
tierchen. Beide ind aljo Snfuforien, die PBarajiten von Snfujorien find, und es fehlen
jomit auch die Erjeheinungen des Schmarokertums nicht innerhalb der Welt der Sleinften,
wie denn 3. B. auch Heine Geikelamöben in großer Zahl in Stentoren jchmarogen. Nur
ein Naumjchmaroger von Snfuforien ift die dreiedige, ftetS gejtielte Tocophrya quadtri-
partita Olap. et L., die bejonders an den Gtielgerüften von Epistylis plicatilis, aber auc)
an Pflanzenteilen fißt. Die größten Ummandlungen durch Schmarogertum hat Dendro-
cometes paradoxus Stern (j. Tafel „Einzeller I", 9, bei ©. 34) erfahren, der auf den Sliemen-
blättern de3 Flohfrebjes Gammarus pulex fchmarogt und aus einem halbfugeligen Körper
und mehreren verhältnismäßig mächtigen, geweihartig veräftelten Tentafeln befteht. Der
ihm ähnliche, auf den Kiemenblättern von Asellus aquaticus, der Wajjerajjel, jigende Stylo-
cometes digitatus Olap. et Z. hat zahlreiche, einfach fingerfürmige Tentafel, die den End-
zinfen der Dendrocometes-rme zu vergleichen find.
An einer in der Nordjee bei Helgoland, fpäter auch im Mittelmeer gefundenen Art,
dem Strahlenfuß, Ephelota gemmipara R. Hertw. (Podophrya; f. Tafel „Einzeller III“,
8, bei ©. 68), beobachtete R. Hertiwig manche Bejonderheiten; zunächft fand er außer
den oben bejchriebenen Saugmwerkzeugen noch bejondere, jpiß auslaufende Fangfäden. Er
jagt: „Kommt ein Snfujor in das Bereich der Fangfäden, jo Frümmen fich diefelben, indem
fie ihr Opfer umklammern. Die Berührung wirkt Yähmend ımd allmählich ertötend. Durch
die Verkürzung der Fangfävden wird nun Der tote Süörper der Podophrye genähert und mit
den Fürzeren Saugröhren in Berührung gebracht. Diejelben jchwellen mit ihren Enden an
und fixieren le&tere wie Saugnäpfe an der Körperoberfläche. Shre auf- und abjteigende
Bewegung nähert und entfernt das abgeftorbene Snfujor, bis e3 plößlich anfängt Feiner
zu werden. &3 hat fich dann ein Strom von feinem Körper ins Sunere der Bodophrye
etabliert. Bei der Verlängerung der Saugröhre treten die Hörnchen der Protoplasıma-
jubjtanz des Snfujors in dieje Hinein, die Verkürzung der Saugröhre treibt fie ins Junere
des frejjenden Organismus.” Hertwig gelang es auch), Die Vermehrungsweije des Strahlen-
Tuße3 genauer fejtzuftellen. Wiederum weicht fie vom oben Beichriebenen ab, denn in diejer
Gattung herrjcht „äußere” oder „erogene Stnojpung”. Es entjtehen am Vorderende zwijchen
den Fühlfäden und den Gaugröhren Erhebungen, in deren jede ein Fortjab des Kernes
hineinmwächlt. Hieraus werden Sinofpen, plattgedrüdte, etwa mujchelfürmige Körper, Die
endlich fich ablöfen und jich mit Wimpern träge und langjam bewegen. Sie entfernen fich
in der Regel nicht weit von dem Muttertiere, jondern jegen fich neben ihm feit, jo daß
die Tubularien (vgl. ©. 111), auf denen die Podophryen am häufigjten leben, von ihnen
jtredfenmeije ganz überzogen find.
Vie alle Suftorien, ijt auch der Strahlenfuß jelbjt wieder den Berfolgungen zahl-
reicher Feinde ausgejegt. Jhm „Itellen Heine Stvebje, bejonders Amphipoden und unter
Diejen wieder vornehmlich die gefräßige Caprella, nach. Ferner bohrt fich an der Verbin-
dung von Stiel und Körper, aljo an einer Stelle, wo es vor der gefährlichen Waffe der
Zentafeln jicher ift, ein vafch fich vermehrendes Hypotriches Infujor in das Junere der
Podophrye ein und zerftört dasjelbe.”
- Schwämme (Porifera oder Spongiae).
Dearbeitet von Dr. 2. Nik.
Wer zum eriten Male mit Shwämmen Belanntichaft macht, der wird dieje jonder-
baren Kruften, Knollen oder Stauden eher für Pflanzen als für Tiere halten. Daß die
Spongien aber Tiere jein müjjen, hatten jchon die Unterfuchungen des Engländers Fleming
im erjten Viertel des 19. Sahrhunderts unbejtreitbar ergeben. E3 fragt ich, wohin fie
zu Stellen ind.
Der Körper eines Schwammes ift immer aus einer Bielzahl von Zellen zujammen-
gejebt. Das kommt nun auc) bei Brotozven vor, z.B. bei Volvox (©. 47) und anderen
foloniebildenden Formen. Während aber bei Diejen die einzelnen Zellen untereinander
gleich oder nahezu gleich gebildet find, treten fie bei Schwämmen zu Zellenverbänden von
ausgeprägt ungleicher Bejchaffenheit zufammen, zu fogenannten „Geweben“. Dieje Ge-
iwebe dienen je einer bejonveren Funktion; fie haben die Arbeiten, die eine Protogoenzelle
noch) fämtlich allein zu vollbringen hat, unter jich geteilt: da3 eine Gewebe überzieht den
Körper mit einer [hübenden Haut, ein anderes teilt das Organ der Nahrungsaufnahme
dar. Hierin Stimmen die Schwänme mit allen anderen Tieren außer den Protozoen üiber-
ein. Sie bilden mit ihnen das große Neich der „Gemwebstiere" — öfter auch, aber minder
treffend, „Bielzellige” genannt — oder „Metazven“. Unter den Metazven aber jtellen
die Schwämme, da die Sonderung ihres Zellenbeitandes in ©emwebe verhältnismäßig am
wenigjten vorgeichritten ift, die niedrigiten Dar.
Bielzelligfeit und gemwebliche Arbeitsteilung fommt nun freilich den Metazoen nicht
während ihrer ganzen Lebensdauer zu: am Anfang feiner Entwidelung jteht jedes von
ihnen einmal auf der Stufe des Einzellerd. Bei der gejchlechtlichen Fortpflanzung der
Metazven bilden fich in „Gejchlechtsorganen” die „Keimzellen”, im männlichen Geichlechte
„Samenzellen”, „Spermatozoen” oder „Spermien“, im weiblichen „Eizellen“ genannt;
Eizelle und Same vereinigen jich, entfprechenden Borgängen aus der Lebensgejchichte der
Protozoen vergleichbar, zum befruchteten Ei, und damit ift das neue, zunächit noch einzellige
Sndivivuum ins Leben getreten. — Man erblict Hierin einen Ausdrud des „biogenetijchen
Grundgejeges". Es ift fait jelbitverjtändlich, daß vießgellige Gemwebstiere von Einzellern ab-
tammen: aljo beginnen fie ihre Ontogenie als einzelliges Ei, wobei natürlich bejondere, ziwed-
mäßige Eigenfchaften der Gier: ihre oft bedeutende Größe, der Dottergehalt, Unbeweglichkeit
und Ausrüftung mit [hüenden Hüllen, a8 „zänogenetiicher” Neuermwerb zu betrachten find.
Wie das Protozoon fich durch) Teilung vermehrt, jo teilt fich — im Einklang mit dem
biogenetiichen Gejeg — auch das befruchtete Ei. Doch trennen Jich die Produkte jeiner
74 Shwänme.
Teilung nicht, jondern bleiben gedrängt beifammen, jo daß bei oberjlächlicher Betrachtung
der Anfchein entfteht, al3 wenn das Ei fich nur durch äußerliche „Turchung” in Felder ge-
gliedert Hätte. Ir vielen Fällen find die „Furchungszellen” einander gleich, wie bei einer
Protozoenfolonie. Und wenn jich dann die Zellen, was Häufig gejchieht, zu einer Furgel-
runden, einfchichtigen Blafe gruppieren, die wohl gar an ihrer Außenfläche mit Wimpern
beffeidet ift und mit deren Hilfe im Wafjer umherfchtoimmt, fo ift die hnlichfeit einer
iolchen einfachiten Metazvenlarve, von Haedel „Blaftula” genannt, mit Volvox eine meit-
gehende. ES wird anzunehmen fein, daß in der Blaftula eine Ürahnenform der Meta-
sven ontogenetifch wiederholt wird, die nichts anderes war als eine fugelfürmige Kolonie
von Geißeltierchen. — Bielfac) aber, bejonders wenn jchon das Ei durch Größe und Starken
Dottergehalt zänogenetijche Neuerwerbungen erfennen läßt, verläuft der Furchungsporgang
in anderer Weife. Die Zellen erhalten von Anfang an jehr ungleiche Größe, oder e3 teilt
jich überhaupt nur ein bejchränfter, aus veinem Plasma beftehender Oberflächenbezirf des
Cies, der dann wie eine Ccheibe auf der Dottermafje [hwimmt. Daß in folchen Fällen
auch die Blaftırla ihre urfprüngliche Geftalt verlieren muß, ift jelbjtverjtändfich.
- Auf das Stadium der Blaftula folgt bei allen Gemwebstieren eine zweite, nicht minder
bemerfensmwerte Larvenform, die „Saltrula”. Sie ift zweiichichtig. Fhr äußeres Blatt, Das
„&ftoderm”, Tiefert im weiteren Verlaufe der Enittwidelung die Haut und das Nerveniyiten,
das innere, „Entoderm” genannt, jtellt die Anlage des künftigen Darmes und feiner Iln-
hangsdrüjen dar. Der vom Entoderm oder „Urdarm” umjchloffene Hohlraum mündet
durch eine Öffnung, den „Urmund”, nach außen. — Wie aber entfteht diefe neue Larven-
form aus der vorigen? Auf mancherlei Weife. Zumeilen jpaltet jich die einjchichtige
Wand der Blaftula durch radiäre Teilung ihrer Zellen in ein Doppelblatt, oder e8 wandern
einzelne Zellen der Blaftula ins Junere hinein, um fich dajelbit zum hohlen Urdarm zu
gruppieren. Sn beiden Fällen bricht der Urmumd al Offnung der Urdarmhöhle nad)
augen nachträglich durch. Ungemein häufig aber, bei niederen wie höheren Metazoen,
findet jich eine Form der Gaftrulabildung, die Darm und Urmund auf die bequemite und
einjachite Weife gleichzeitig liefert: die Einjtülpung. Ein Teil der Blaftulamwand Flacht jich
ab, jenkt jich ins Jnnere und dehnt fich darin aus, bis der urjprüngliche Hohlraum der
Blajfe größtenteil3 over ganz verichwunden ilt, jo, wie die Wände eines eingedrüdten
Gummiballes ji) aneinanderlegen. Und welche Urt der Entwidelung mag — im Sinne
des biogenetischen Grundgejeges — die urjprüngliche fen? Schon ihre Einfachheit und
weite Verbreitung fpricht für die zulegt genannte, die Einftülpung. Mehr noch der Um-
Itond, daß wir uns in der Phylogenie zwar eine Einftülpung des Urdarms, nicht aber
die anderen Bildungsweijen der Gaftrula jo vorftellen Fünnen, wie eben jtammesgejchicht-
the Borgänge jo Durcchgreifender Art verlaufen fein müfjen: a8 eine allmählich foutichrei-
tende, auf jeder Stufe nüßliche Veränderung. Die blajtulaähnliche Urform wird jich zu-
nächit ein wenig gejtredt und damit die Fähigkeit vafcherer Bewegung in bejtimmten Kich-
tungen gewonnen haben. Das Wajjer, das fie beim Schwimmen verdrängt, jchlug Hinter
ihr, wie hinter dem fahrenden Schiffe, in einem Strudel zufammen, der die in ihm ent-
haltenen Nahrungsteilchen den Zellen des Hinterrandes zutrug. Dies gefchah in verjtärktem
Mape, wenn der hintere Teil begann, fich abzuplatten. Al aber gar feine Zellen jich becher-
jürmig ins Jnnere der Blafe einfentten, entftand eine wahre Falle, in die ein Fräftiger
Wafjerjtrom veichliche Nahrung hereinfaugen mußte, — je tiefer, um fo ergiebiger.
‚sm Diejen ungeheueren Verwandtjchaftskreis, defjen ältefte Vorgefchichte durch die
TO WERE 2
ne EEE
. Allgemeines. 75
gemeinjamen Larvenformen Blaftırla und Gaftrula angedeutet wird, gehören, als primi-
tiofte Glieder, auch unfere Schmämme. Doch darf man nicht glauben, daß ettva der von
foloniebildenden Geißeltieren zu höheren Metazven auffteigende Stammbaum in ihnen
jeine erjte Fortfegung gefunden hätte; diefe verbindende Rolle fommt vielmehr den Yohl-
tieren zu. Die Shmwämme find ein Ding für fich, eine am Anfang des Stammbaums ab-
geztveigte Seitenlinie. Das zeigt nicht nur ihre weiter unten zu jchildernde, von Dem ge-
möhnlichen Schema verjchiedene Entmwidelung, jondern auch ihr merfwürdiger Bau.
Wie ift ein Schwamm gebaut? Der, den jeder aß „Schwamm fennt, der Bade-
Ichwanım, gibt ung fein Bild davon. Er hat eine Reihe von Maßnahmen über jich ergehen
lajjen müjjen, die das lebende Gewebe ge-
tötet und zerjtört haben. Das elaftiiche Ge-
Hecht aus hornartigen Fafern ift nur Skelett,
das beim lebenden Schwamm im Körper ver-
ftect Kiegt. Die lebenden Badeihwämme
aber, große, braune oder fchwärzliche, eigen-
artig riechende Klumpen, fünnen auch nicht
Ausgangspunkt für eine Betrachtung der
Schmwammorganifation fein; dazu jind fie
ichon viel zu fompliziert. An allen Meeres-
füften trifft marı jedoch zierliche, weiße, etiva
zentimeterhohe Schläuche, „Kalfiehmänmme,
deren einfacher Bau den Schlüjjel für Die
vermicelte Struftur aller höheren Schwänme
gibt. Im einfachiten Falle, bei dem „Ascon-
Typus“ (f. die Abb.), ift es nur ein Schlauch,
der mit einem Ende feitgewachien it, mäl-
end das andere eine größere Öffnung, das |
„Dsculum”, zeigt; fie führt in eine große -
einpeitiche Mogenhöhle. Uber dies Oacutum Samsmm/uztecen Stsstun Bas IP IE
ift nicht die einzige Stelle, Durch Die Der Leipzig und Berlin 1913). os Osculum, po Poren.
Schwanım mit der Außenwelt in Verbindung
tritt: überall in der Wand des Schlauches öffnen fich Heine „Boren". Was es für eine Be>
wandtnis mit diefen Öffnungen hat, ergibt ein einfacher Verfuch. Man lafje irgendein nicht
zu fchweres feines Pulver, am bejten unlöslichen Farbitoff, auf einen lebenden Schwamm
niederriefeln. Durch die Boren wird der Staub in den Schwamm hineingezogen und kommt
in regelmäßigem Strom durch das Dsculum wieder heraus; diefes ift aljo Ausfuhröffnung.
Der Wafferftrom, der ven Schwamm ftändig pafliert, folange er fich in voller Lebenstätigfeit
befindet, bringt dem Tier alle feine Nahrung. Zgendeine Möglichkeit, Beute aktiv zu fuchen,
zu fangen und fich einzuverleiben, wie e3 jchon viele der Einzeller vermögen und wie es andere
feftfibende Tiere menigftens im Machtbereich ihrer Fangorgane können, bejteht nicht. Die
Schwämme find Bartikelfrefjer: all das, mas auf einen Schwamm im Wafjer nieber-
zegnet, anorganifcher Staub und organifcher „Detritus”, die Heinen und Heinften Zerfall-
ftoffe tierifcher und pflanzlicher Organismen, wird mit dem Wafjerftrom durch die Poren in
den Körper geführt, von Körperzellen aufgenommen und verwertet, jo weit e3 vermertbar
ift, der Abfall aber wieder mit dem Waffer aus dem Dsculum herausgejchleudert. Der
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76 Schmämme.
nahrumgjpendende Strom bringt dazu jtändig neuen Sauerftoff für die Durchatmung Der
Schwammzellen, denn mie bei allen tierijchen Organismen üt die Tätigkeit des Plasmas
gebunden an das Vorhandenfein Diejes Lebenselements; genauere Unterjuchungen bei ein-
zeinen Formen haben fogar einen recht erheblichen Sauerftoffverbrauch nachgemiejen.
Diefer Wafferftrom kommt durch die Tätigfeit einer Lage von Zellen zujtande, die
beim Ascon-Typ die ganze Fläche des weiten Magenjades überziehen und Die genau jo
ausfehen wie die Choanoflagellaten unter den Brotogoen (vgl. ©.43). Am Ende der ge=
itreeiten Zellen jehhvingt aus der Mitte eines Kragens eine eißel; der Schlag aller Geißeln
hält das Waffer in Bewegung. Diefe Geißelzellenlage und eine Dedichicht von Zellen an der
Oberfläche find die einzigen gewebeartigen Bildungen bei ven Schwämmen. Andere Zellen
haben zwar bejtimmte Aufgaben, führen dieje aber jelbjtändig durch, ohne jich zu ausgejpro-
chenen Geweben zu vereinen. Yon diejen Zellen führen alle möglichen Übergänge zu folchen,
die überhaupt noch nicht Für
irgendeine Spezialaufgabe aus-
0 gebildet find, den ganz indiffe-
renten Arhäochten. Maas
faßt jie alle außer den Geißel-
zellen al3 Dermal- (Haut-) La-
ger zujammen un ftellt diejem
u u 005 Saltral- Magen-) Lager,
T Bar eben die Geikelgellenfchicht,
u fe Seel gegenüber.
u > Gl A N Die Ableitung des Baues
oo il der höheren Schmämme vom
nam. &a A we
viele imihrer Entwidelung lange
Beit einhalten, bietet in den Grundlinien feine Schwierigfeit. &3 fiegt im Snterejje des Drga-
nismus, die geißeltragende Schicht, deren Strudeln die Nahrung fchafft, nach Möglichkeit
auszudehnen. So bilden fich an den Seitenwandungen de3 einfachen Schlauches jadjörmige
Ausbuchtungen, die „Radialtuben“, die innen vom aftrallager überzogen iind und augen als
Höder hervorragen. Die Geißelzellen ziehen fich dabei in die Radialtuben zurid, mährend
der innere Gaftrakcaum mit dem Dsculum nur noch dem ausjtrömenden Wafjer dient. Dies
it eine Stufe in der morphologifchen Entwidelung der Schwämme, wie ihn die Häufigjten
der Kaltichwämme, die Heinen weißen Sycontten, darjtellen. Weiter fünnen die poren-
tragenden äußeren Höder durch Verjtärfung des Dermallagers einander nahe rüden und
ichließlich verichmelzen, fo daß der Schwamm äußerlich wieder einen glatten Zylinder darftellt
(Fig.B). Wenn fich das Dermallager noch mehr verdidt, jo mitjjen fich bejondere Gänge zivi-
ihen der Außenfläche und den Nadialtuben bilden. Das Wafjer jrömt dann durch äußere
„Ditien” exjt in ein Syitem von Stanälen und dann durch die Poren in die Kammern.
Tritt zu diefem zuführenden auch noch ein ausführendes Kanaliyjtem, jo haben mit
das Wefen des höchitentwidelten, des fogenannten Leucon-Typus (Fig. C) vor uns. Die
„Beißelfammern“ münden hier nicht mehr direkt in das zum Dsculum führende Yaupt-
tohr, jondern zu mehreren in bejondere Ausfuhrräume; zwijchen diefe und die Kammern
fönnen jich noch einmal fchmale Ausfuhrfanäle für jede Geikelfammer einichieben. Uno
ihleglich fompfiziert fich auch das einführende Kanaljyften, etwa dadırd, daß bejondere
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Allgemeines. Zar
Erweiterungen, „Subdermalräume”, darin auftreten. Auf diefer Organifationshöhe jtehen
die allermeiften Schwämme mit Siejelifelett und alle Hornichmämme.
Beionders verwidelt wird das Gemwirr von Geikelfammern, Kanälen und Nebenhohl-
räumen dann, wenn Schwänme — und dies ift fajt immer der Fall — Kolonien bilden.
Die meilten Schwämme vermögen jich unter günftigen Yebensbedingungen durch Sprofjung
zu vermehren; aber nur in bejonderen Fällen dit fich eine „Sinojpe” ab; alles bleibt viel-
mehr in Verbindung, die neuen Teile bilden ihre Dscula, die dazugehörigen Geißelfam-
mern und Kanaliyiteme gehen ineinander über, und es entitehen ausgedehnte Kruften und
Klumpen, an denen nur viele große Dscula auf die Bielheit der Snpipivuen hindeuten, die
hier in einem Ganzen aufgegangen jind. Doch darf man aus der Zahl der Dscula nicht auf
die der Jnoiwinuen eines Schwammes fchliegen. Ein folder Schwamm it ein gejchloffener
Verband, dem in der Regel jede Andeutung einer Gliederung in yndividuen fehlt, wie fie
ionjt bei Tierfolonien, ettva den Korallen, auftritt. Die Vorteile der Stobildung bei den
primitiojten und Hilflofejten der vielzelligen Tiere liegen auf der Hand: eine je größere
Släche ein jolcher Vartikelfrejjer darbietet, um jo mehr Futter fällt auf ihn herunter. Se
inniger und je gieichmäßiger der Berband der in einem Schwanme vereinten Zellmajjen
und Kanäle jic) geitaltet, um jo bejjer fann die Nahrung verteilt werden.
Teilchen, die durch die Poren eingeführt werden follen, miffen Kontrolle paffieren:
die Dftien find in der Negel von fontraftilen Zellen umgeben, die jich zujammenziehen
und die Dffnung verjchliegen, wenn der Wafjerftrom grobe Partikel oder gelöfte Subftanzen
bringt, die dieje Zellen „unangenehm berühren”. Auch in den Yuführungsgängen fann
nochmals gejperrt werden: fie führen Häufig durch große Lüden mitten in einzelnen Zellen
(Porochten) hindurch, die gejchloffen werden können. Sind Nahrungstörper in die Geißel-
fammern gelangt, jo werden fie von den Geißelzellen rajch aufgenommen und, mweniajtens
bei einfachen Schwämmen, auch verdaut; bei Höheren mwird die Nahrung nochmal an
Amöbochten weitergegeben, die damit in alle Teile des Schwammes wandern. Nir-
gends aber findet Verdauung durch föjende Säfte ftatt, wie bei den höheren Tieren,
jondern immer werden, wie bei den Protozoen, die Teilchen im Plasma einzelner Zellen
bon Nahrungsvafuolen umgeben und darin zerlegt (WhagocHhtoje). Auch die Ausichei-
dung unverdaulicher Neite, etwa der Vanzer von Siejelalgen, geht wie bei den Amöben
bor ji): fie werden von den „Amöbenzellen” ausgejtogen und gelangen in den Wafjer-
tom der ausführenden Kanäle.
Die Arhhäochten find die „Mädchen für alles" des Schwammes. ihre Aufgaben
find mit der Aufnahme und Verteilung der Nahrung und der Entfernung des Unbrauch-
baren nicht erichöpft; fie Spielen auch bei der Vermehrung eine wichtige Nolle. Bei einer
Art der ungejchlechtlichen Vermehrung, bei der Knojpung, jchnüren fi) Heine Schwänme
bon den alten ab. ©o treten bei manchen Meeresihwänmen (den Donatiiden 3. B.) zu
beitimmten Zeiten auf der Oberjeite Kleinte Budel auf, die jich immer meiter herausmwölben
und jich Schließlich als Heine Kugeln abjichnüren. Das Wafjer trägt fie fort; werden fie an
geeigneten Stellen angejchiwenmt, jo gehen daraus neue Shwämme hervor. Maas hat
nachgewiejen, daß die Knojpen nur aus Archäochten entitehen, die jich dann zu den ver-
ichiedenen Zellformen des neuen Schwammes umbilden. Befannter find andere, innere
Snojpen, die alle Süßmwaljerihwämme und viele Meeresijchwänme aus der Drdnung der
Monagonier ausbilden, die Gemmulae Da treten im Schwamm felbit Archäochten
zu einem Haufen zufammen und werden von einer Hülle umjchlojfen. Geht die Mutter
78 Shwämme.
durech ungünftige Qebensverhältnifie zugrunde, dann entjteht aus den Gemmulae ein neuer
Schwamm, wenn die Bedingungen wieder günftiger werden; ob fie durch Wajjeritrömung
verschleppt werden, ift fraglich.
Die allermeisten Schwämme fünnen fich auch gejchlechtlich fortpflanzen. Eier und
Samen entftehen aus Archäochten, bei manchen Arten in ein und demjelben Schwamm,
bei anderen find die einzelnen Individuen rein männlich oder rein weiblih. Die Befruch-
tung der Eier erfolgt im mütterlichen Organismus, und hier entiwidelt jich im der Regel
auch das befruchtete Ei bis zu
einer felbitändig beweglichen
Larve. Dit ift das ganze Ge-
iwebe eines Schiwammes Dicht
mit jolden Larven gefüllt.
Eind die winzigen, jtumpf
eiförmigen Dingerchen aus-
gejchlüpft, dann jchiwimmen
lie exit durch den lebhaften
©hhlag ihrer Geißeln, die fich
meilt nur auf einem größeren
Teil des Körpers finden, im
Wafjer herum, fuchen fich aber
-, bad emen Nuhepunft und
- fjeßen fich mit dem „Oeißel-
pol” an. Diefjer flacht jich ab
amd drückt fich ins Innere der
Blaje, mobei die Geikeln ber-
' Iorengehen; die Zellen des
anderen Poles ziehen jich über
das ganze Gebilde. Darauf
Itreckt fich die feitfibende Laxve,
und im Smneren entiteht ein
größerer Hohlraum, der zur
Gajtralhöhle wird; die Geißel-
\ 2 zellen der LXarve bilden neue
eye Cena
bryonen, B freijchwimmende Larven, C Anfasftadien. d Dermalzellen, & Gaftralzellen. itralzellen, während lich aus
den Bellen der äußeren Schicht
die verjchiedenen Zellformen des Dermallagers bilden. Syn furzer Zeit ift wieder ein ascon-
artiges Schwämmchen vorhanden (Fig. 1, A—C). Berwidelter geht’3 bei anderen zu: Die
Geißelzellen fönnen bei der freiichwimmenden Larve Die ganze Oberfläche einnehmen,
während die dermalen Zellen das Snnere ausfüllen (Fig. 2, A—C). Nach dem Feitjeben
ber Larve wandern dann die Zellen Durcheinander, und es muß eine völlige Umlagerung
beider Schichten herbeigeführt werden, um ihr endgültige Lageverhältnis herzuftellen. —
sm ganzen gleicht die exjte Entwidelung des Schwammes, die Bildung der Gejchlechts-
produlte und die Furchung Der befruchteten Eizelle, dem, was von Höheren Gemwebstieren
befannt it. Uber nach der Furchung fchlagen die Larven der Schwänmme eigene Wege
En FE ZT
Allgemeines. 1)
ein, und zur Ausbildung von Keimblättern mit ihren von vornherein feitgelegten Lage-
beziehungen, wie fie fich bei allen übrigen Metazven finden, fommt e3 noc) nicht.
Aus den Dermalzellen des jungen Schwammes fondern fich jchon früh [Felettbildende
Bellen aus. Sn ihrem Srneren wird bei ven „Kalfihwänmen” Friltalliner fohlenjaurer
Kalk, und zwar, wie fein optilches Verhalten bemeilt, in der Form des Kalzitö, bei ven
„KRielelihwänmen" Folloivale Kiejelläure abgelagert. ES find meist mifroffopiich Kleine
Gfelettitücdchen von oft ganz mwırnderbarer Hierlichfeit, die Durch Anlagerung, entweder in
Einzeßellen oder in fogenannten Synchtien (Zelloerbännden, deren Zellplasma verihmolßen
it, während die Kerne getrennt bleiben), hHeranwachlen. Bei vielen Stiefelichwänmen tritt
zu der mineraliichen noch eine organische Stügjuhltanz, dad „Horn“ oder Spongin. Bei
den echten „Hornihwämmen”, wie vem Badejchwamm, ift es jchlieglich allein vorhanden
und bildet ein Gerüft aus zahllofen miteinander verfilgten Gafern. Dieje werden von ganzen
Keihen bon Zellen in einzelnen aufeinanderfolgenden Lagen ausgejhhieden. Chemijch ge-
hört das Spongin zu den Albuminoiden, wie die Seide, und hat einen nicht unbedeu-
tenden Gehalt an SoDd, bis zu 14 Prozent. Daher rührt die Heilwirfung Der „Spongiae
ustae‘ gegen den Stopf, die lange vor Entdedung des 008 und feiner Eigenjchaften zu-
fällig gefunden wurde. Übrigens haben manche Hornichwämme die Fähigkeit, ihr Sfelett
duch) anorganische Beitandteile zu feitigen: zufällig auf den Schwamm geratene Sandförn-
chen, Schalen von Foraminiferen und Radiolarien, Nadeln anderer Schwämme und anderes,
tvas nicht zu groß ift, wird in den Schwamm aufgenommen und in das Sfelett eingejchlofjen.
Die Anordnung aller ftügenden Teile richtet ich genau nad) ven Anjprüchen, die die Wajjer-
fhrömung am Standort eines Schwammes an jeine Feitigfeit ftellt; es fieht oft aus, als
hätte ein Sngenieur das Sfelettgerüft nach den Gejegen der Mechanik Fonftruiert.
Der Einfluß des bewegten Wafjers macht jich übrigens nicht nur in der mannigfachen
Ausgeitaltung der einzelnen Stöde einer Art je nad) dem Standort geltend, auch die Ber-
teilung der großen Gruppen über die Meere ift dadurch gegeben. Syn der ftarf bewegten
Küftenzone gedeihen nur Schmwämme mit außerordentlich feiten, fompaften Hartteilen,
wie zahlreiche Kiefelichwämme, oder mit jehr nachgiebigem, elaftiichem Sfelett, wie die
Hornfhwämme. Harte Kiefelihwämme fehlen dagegen in der ruhigen Tiefjee fait ganz;
lie ijt daS Reich der ungemein feinen, zerbrechlichen „Slasihwämme”. Mittlere Tiefen be-
herbergen vorwiegend Arten mit ©feletten von mittlerer Feitigfeit.
Bon äußerlich wahrnehmbaren Lebensericheinungen Ffannte man bei Schmämmen
lange Beit nur das langjfame Dffnen und Schliegen der Oscula. Exjt neue genauere Unter-
jucdungen über ihr Verhalten, namentfich durch den Amerifaner ©. 9. Parker, liegen ver-
Ihiedene, freilich jehr einfache Reaktionen auf eine ganze Reihe von Reizen der Ummelt
auch für fie erfennen. Dabei gleichen fie den Einzellern injofern völlig, a8 Reizaufnahme
und Reaktion noch an ein und diejelbe Zelle gebunden find. Alle Zellen eines Schwammes
ind für fi) reizbar, wenn auch die Gaftralzellen 3. B. nicht genau in der gleichen Weije
mie Die Fontrattilen Zellen in der Umgebung der Offnungen. Nerven oder nervenartige
Berbindungen, die eine Reaktion des Organismus oder bejtimmter Teile al3 Ganzes ermög-
hihen wiirden und bei allen übrigen Metazven in verschiedener Höhe der Entwidelung auf-
treten, fehlen ganz. Wenn der Berichluß eines Dsculums duch die Zufammenarbeit einer
ganzen Reihe von Zellen zuftande fommt, fo liegt dies daran, daß alle in gleichem ©inn ge-
reizt werden, etwa wenn der Schwamm aus dem Waller gehoben wird. Bei einem Schnitt
oder Stich erfolgt der Berihluß dagegen nur ganz allmählich) und bloß dann, wenn Der
80 Shwämme: Kaltidwänme.
Erperimentator diefen groben mechanischen Eingriff in der Nähe einer jolchen Öffnung bor-
genommen hat; der Reiz toird dann über kurze Entfernungen direft von Belle zu Zelle
weitergegeben, ohne daß beitimmmte Leitunasbahnen irgend nachweisbar wären. Das
Schließen der Dscula ift faft Die einzige Form der Antwort, die man bei Schwänmen all-
gemein beobachten fann. Bahlreiche, namentlich Küftenformen, vermögen die ganze Ober-
fläche mehr oder minder rajch zufammenzuziehen, jo daß Durd) das darunterliegende unnac)-
giebige Skelett eine Art Skulptur auf der Oberfläche hervortritt. Ferner fünnen jich auf
Keize Hin noc) die dem unbewaffneten Auge unsichtbaren Dftien Schließen, und der Schlag
der eigen in den Stammern kommt auf chemijche oder Tentperaturreize Hin zum ©till-
jtand; aber alle dieje „veaktiven Organe” jind ganz unabhängig voneinander tätig. Be-
antiwortet werden bon den Schwanmzellen vor allem mechanische Reize, die ja unter nor-
malen Bedingungen überwiegen, dann chemijche, thermijche und eleftriiche. Auf Licht-
veize antworten verjchtevdene Spongien ebenfalls; bezeichnendermweije reagieren darauf aber
die freibeweglichen Wimperlarven viel jtärfer al die ausgebildeten, feitjiigenden Tierjtöde.
Bei den Larven fennt man jogar eine ausgejprochene negative und pojitive Yhototaris und
darf vielleicht Anhäufung von Farbftoffen an beftimmten Stellen a8 Einrichtung zur Auf-
nahme von optischen Neizen, als allereinfachites „Sehorgan“, anjprechen.
Exrperimentiert wurde mit Schwämmen übrigens jchon lange aus praftiichen Gründen;
man bemühte jich, die Badeihwanmkulturen dadurch Hochzubringen, daß man Schwänme
zerichnitt, um die Teilftücde wieder zu großen Stöden heranmwachjen zu lajjen. Die Ergebnilje
waren jedoch nicht ermutigend; die Teilftüce wurden zwar wieder zu volfitändigen Schwäm-
men, aber jie beeilten jich nicht, das Verlorene zu erneuern. Sit vie Wundfläche verheilt,
jo ift eben bei der großen Gelbftänvigfeit aller Zellen fchon wieder ein Iebensfähiger
Schwamm da. Bon einer eigentlichen „Negeneration”, einer „Wiedererzeugung”, farın man
in diefem Fall nicht fprechen. Doch ift bei einigen Schwammarten ein regenerative Ge-
ihehen anderer Art bekannt, das. geradezu an das Wunderbare grenzt. Ein Stüdckhen eines
jolden Schwammes wird im Waller des Verfuchsbaiiins mit den Fingern zerdrüdt und
völlig zerrieben oder durch feine Gaze gepreßt. Die Bruchteilchen, darunter viele ijolierte
Zellen, fallen auf den Boden, und ein großer Teil wird durch) Pilze vernichtet; manche Zellen
aber wandern, tun fich zufammen, und aus einem jolchen Zellflompler wird unter günftigen
Bedingungen wieder ein Kleiner vollftändiger Schwamm. Wiljon prekte Schmämme durch
feine Gaze und mifchte die Zellen zweier Arten: fie trennten fich fein jauberlich nach der
Spezies; von jeder Art bildeten jich bejondere Zellgejellichaften. Ob fich bei diefen nur
AUrchäochten beteiligen, aus denen nachher alle übrigen Zellarten hervorgehen, over ob jchon
gleich Dermalzellen, Geißelzellen und andere aus dem allgemeinen Zellbrei mit übernom-
men merden, ijt eine noch offene Stage.
Dei der niedrigen Drganijation der Schwämme ift nicht verwunderlich, Daß jie unter
ungünftigen Zebensbedingungen in ihrem Wachstum zurüdzugehen, fich zu „reduzieren"
vermögen. Solche Reduktionen treten häufig bei Schwämmen ein, die in Aquarien ge-
halten werden; bei Kaltichwämmen erzielte jie Maas, indem er dem Wajjer langjam den
Kalk entzog. Der ganze Schwanm beginnt fich dann zufammenzuziehen; jeine Zellmaije
fongentriert fich immer mehr und zerteilt fich Schließlich in einzelne Stränge. Es fünnen
Ktörperchen übrigbleiben, die ähnlich ausfehen wie die erwähnten Gemmulae (j. Fig. D
der Abbildung auf ©. 3). Solde Neduktien (K. Miller) können wieder zu neuen
Schwämmen auswachjen, wenn fich die Lebensverhältniffe bejjern.
re 5
Sadkalfihwämme Wabenfaltfihgwämme. Knollentallidwänmme. 8l
Srite Klajfe:
Kalfihwämme (Calcarea oder Caleispongia).
Nach dem einfachen und urjprüngliden Bau des Weichförpers muß die Klafje der
Raltidwämme an eriter Stelle ftehen; die oben gefennzeichneten Stufen der Schwamm-
organijation finden jich hier in jchematijch Harer Ausbildung. Das Skelett beiteht nur aus
Kalzit, d. H. Eohlenjaurem Kalt. Die einzelnen Sfelettelemente find in der Regel mifto-
jkopijch Hein, nur manche, tie die Nadeln in den „Halsfragen“ um die Dscula vieler Arten,
auch dem unbewafineten Auge erfennbar. Außer jolhen „Stridnadeln”, wie fie ihrer Form
nad) treffend genannt werden, finden jich drei- und vierjtrahlige Sterne; entweder gibt e3
immer nut eine Sorte von ©felettelementen bei einer Schwammart, oder die verfchiedeniten
Kombinationen bon zwei oder allen drei zugleich, Ein-, Drei- und Bierftrahlern. Die Kalf-
teile erfüllen den Schwamm gewöhnlich in folcher Mafje, daß Körpergeftalt und Umfang
auch beim Eintrodnen unverändert bleiben.
Der Standort ift für das Ausjehen eines Kaltihwanmes maßgebend; Die VBeränder-
fichfeit der Sormen ift ganz gewaltig und die Abgrenzung von Arten dadurch außerordent-
lich erichwert. Schon Haedel fprach nad) Taujenden von Beobachtungen aus, dat die von
ihm namhaft gemachten Arten vielleicht großenteils nur Standortsformen find, bei denen
fic gewilfe Eigenfchaften durcch Iofale Bedingungen befeitigt haben, und wenn Dendy und
Nom (1913) 436 Kalfihwammarten aufführen, jo tun fie dies unter allem möglichen Vor-
behalt, da e3 noch heute ganz unbefannt ift, in meldhem Grade die einzelnen Arten abändern.
Kalfihvänmme jcheinen nur in Meerwafier vom durcchjchnittlichen Salzgehalt leben zu
Eönnen; in Bradwaljer ift noch Feiner gefunden worden. Die meiften fliehen das Licht und
liedeln fich an dunfeln Stellen, unter Steinen, in Felsipalten und im Didicht der Algen und
des Seegrajes an. Bielfach jißen fie auch im Snneren leerer Tiergehäufe, in Mufcheljchalen,
Schnedenhäufern, Seeigeljchalen, Wurmröhren ujm.
Nur ein paar Hauptvertreter: die Sadfalfidwämme (Homocoela oder Ascones)
erheben fich nicht iiber die Stufe des Ascon-Stadiums. E3 find einfache oder verzmeigte,
gejchlojjene oder offene Zylinder mit dünnen Wandungen. Häufig find fie von jolcher Zart-
heit, daß jte jich im Wafjer Ffaum durch einen weißlichen Schimmer bemerkbar machen.
Die Ihönften find die Wabenfalfihwämme (Syconidae), deren Organijation auf
der Höhe des Shcon fteht, in der Regel Einzefindividuen, zierliche, rein weiße, feidig glän-
zende Zylinder und Becher von etiva 1—2 cm Höhe im Durchfchnitt; Doch gibt eg Einzel-
töhrchen bis zu 10 cm Höhe und fast 1%, cm Breite, wie bei dem auftralichen Sycon gigan-
teum Dendy. Einer der allerhäufigiten ift der fosmopolitifche Sycon raphanus O. Schm.
(j. Tafel „Seeihwämme”, 4, bei ©. 9), dejjen Mündung mit einem trichterartigen Kranz
Ihlanter Nadeln umitellt ift. Sr Seewafjeraquarien bejiedelt er Glasjcheiben und Steine
bald in Menge, wenn zufällig ein Stüd eingefchleppt wurde. Larven finden fich unter
günjtigen Bedingungen das ganze Jahr hindurch im Gewebe der Shconen.
Bei den Snollenfalfihwämmen (Leuconidae) find die Wandungen durch die Yus-
bildung des komplizierten Leucon-Sanaliyftems ftarf verdict. Entweder find fie Einzel-
individuen, oder e3 finden ich Iodere Kolonien, deren Einzelindividuten noch wohl zu unter-
jheiden find, wie bei der im Mittelmeer häufigen Leuconia aspera O. Schm. (f. Tafel
„Shmwämme”, 3, bei ©. 86).
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 6
82 Shwämme: Glasijhwämme.
Zweite Klaffe:
Sechsjtrahl- oder Glasjchwänme (Hexactinellida).
Slasjcehwämme heißen die Vertreter einer voriviegend in den Tiefen der Meere auf-
tretenden Slafjfe der Schwämme, weil ihr Kiejelifelett, wenn e3 von den fpärlichen Weich-
teilen befreit wird, einem meijt wunderbar feinen Flechtwerf aus Diinnen Glasfäden gleicht.
‚Db die Siejel-
gebilde ijoliert
boneinander
beitehen vpder
nur dur) Wi-
derhafen und
YJortfäße fjo-
wie Durch das -
weiche Körper-
gewebe mit-
einander in
Berbindung
bleiben, ob fie
miteinander
berjchmolgene,
an. Bierlichkeit
nicht zu über-
treffende Ge-
flechte bilden,
immer it Die
| Geitalt, welche
Wi ie N -) diefen Bildun-
Be I u .: \ gen zugrunde
fiegt, ein Sechs-
EIER trahler mit
Kiefelnabeln de3 Glasfhwanmmes Sarcocalyx peduneulata Nah F. €. Schulze : -
(„Abhandl. III der Kgl. Preuß. Akad. d. Wiffenjch.“, Berlin 1895). Drei aufeinan-
der jenfrecht
jtehenden Achjen. Aber dieje Grundgeftalt Farın fehr weitgehenden Veränderungen unter-
liegen. Durch das Berfchwinden einzelner Strahlen entitehen Fünf, Vier-, Drei- und
Bweilttahler, leßtere meift fcheinbar Einachjer von mitunter ganz beträchtlicher Länge. Die
Umgeftaltung der Strahlen fchafft Formen von einer Eleganz und Verfchiedenheit, wie fie
die Phantafie Faum erdenfen fan, und nur die Radiolarien (f. ©. 35) übertreffen fie in
diejer Beziehung. Häufig treibt der nach außen gerichtete Strahl eines Finf- oder Geche-
Itrahlexs zahfreiche fchräge Üfte: es entftehen reizende „Tannenbäumchen” (Pinuli), Schuß-
borrichtungen in der Schmammrinde, die Drud aufnehmen und verteilen. Bei der einen
Ordnung der Ölasichwänme, den Herafterophoren, werden die Spiben der Secheitrahler
umgewandelt: fie fönnen Durch zierliche gezadte Scheibehen abgeftumpft werden, oder fie
fönnen fich in einen Bufch feinfter, regelmäßig angeordneter Stachelchen auflöfen, die
Glasichwämme.
Etwa !/2 nat. (
Koxsasterophera. 83
| | t did. Manchmal fieht
Me ns oh; vera kööiten Orbnung, den Am-
u nn ef ern Zrichemen Dafür regel-
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ar eichen, rege!
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6
Hexasterophora. 83
ihrerjeit3 wieder aufs feinfte gebogen und an den Enden verbreitert find. Manchmal fieht
e3 aus, als hätten fich jechs Heine Lilienblüten vereinigt. Der zweiten Ordnung, den Am-
phidiscophoren, fehlen Diefe „Herafter"; bei ihren Vertretern erjcheinen dafür regel-
mäßig Sfelettelemente, die den anderen ganz abgehen, die Umphidisfen. &3 jind glatte
oder fnotige Kiejelftäbchen, an deren beiden Enden Sternchen angefügt jind. Meiit biegen
fich deren Strahlen zur Achje zurüd, wie die Stäbe eines Negenjchirms zum Stod.
Die Glasihwänme treten in den mannigfadhjiten Geftalten auf. Da gibt es Röhren,
Zylinder, Keulen, Becher, Kelche, Füllhörner; manche jehen aus wie Bogelnejter, andere wie
Bäume. Biele werden als Einzelperionen aufgefaßt, darunter anjehnlich große Formen.
Andere bilden Kolonien, ineinander verjchlungene, mäandrisch gemundene und verbogene
Afte und Blätter mit Sfeletten, wie Olosfiligranarbeit von einer märchenhaften Schönheit.
Drganifiert find wenigjtens die Herafterophoren ziemlich einfach. Yhr Bau läßt ich in
den Örundzügen auf den Shcon-Typus zurüdführen. Bei den Amphidiscophoren Dagegen
ind Geißelfammern und Ausführigfteme unregelmäßig und fompliziert gebaut. Die Fort-
pflanzung gefchieht bei manchen durch äußere Knofpen. Höchittwahrfcheinkich werden (nach
Schulze und Sima) auch Eier und Samen gebildet, und bei Farrea occa (j. ©. 84) wurden
einmal Larven, wie bei Kalfihmämmen im ganzen Gewebe verteilt, gefunden.
Erfte Ordnung:
Hexasterophora.
Zu den jchönften Glasichwänmen gehören wegen ihres wunderbaren ©felett3 die
Euplectelliden, die „Wohlgemobenen“, darunter der Gießfannenihwamm oder das
Benusftörbihen (Euplectella aspergillum Ow.; |. die Tafel). Die Wände Diejes Herajtero-
phoren Glasjchtvammes find von zahlreichen, regelmäßig geitellten Offnungen durchbrochen
und bon unregelmäßig auftretenden Leilten überzogen. Das Hinterende, das im Schlamm
jtect, läßt einen ©chopf feiner, biegjamer Nadeln austreten. Die langen Nadeln des Körpers,
zwilchen denen zahlreiche verjchiedene Zormen Feinerer, oft mifrojfopifcher Sternchen ent-
halten find, verfchmelzen im Laufe der Entwicelung durch Einlagerung neuer Kiefelfubftanz.
Der Vrozeß fchreitet von unten nach oben fort, jo daß das Wachstum nach einer gewilfen Zeit
aufhören muß. &3 ift dann ein leicht gebogener, 3—4 cm dider und 30—40 cm hoher Hohl-
aylinder entitanden; die Anordnung der Navdelzüge in feiner Wandung ift ganz der mechani-
ihen Beanjpruchung angepaßt; längs gerichtete und ringfürmige Rippen bedingen die Feitig-
feit Des Ganzen, und unter 459 zur Achje geneigte, nach recht3 und finfs verlaufende Spiral-
züge veriteifen die Wand gegen Zug und Drud, indem jie genau in der Richtung der in Frage
fommenden Spannungstrajektorien verlaufen. Das obere Ende, das Dscnlum, ijt mit einem
meitmajchigen Geflecht verichlofien, der „Braufe" der Gießfanne, die jich bei vielen Heracti-
nelliven findet und irgendwie mit der Xebensmweije in Zufammenhang jtehen muß. Doflein
meint, „man fünnte zunächjt daran denfen, daß fie in ähnlicher Weije wie die Dedfel von
Neufen zu wirken hätten, um den Ölasihwänmen als feitjibenden Tieren den Erwerb der
Nahrung zu ermöglichen. Tatjächlich erinnern manche der RegadrellaNAtrten in ihtem ganzen
Bau in auffallenditer Weije an Reufen ... Und wenn wir weiterhin jehen, daß manche
Annelivden, Echinodermen und Struftazeen al3 Larven in dieje Kiejelihwämme geraten und
in ihnen heranwachlen, bis ihre Slörpergröße e3 ihnen unmöglich macht, das jchöne Gefängnis
zu verlafjen, jo find wir noch mehr geneigt, dieje Deutung für Die richtige zu halten.
6*
84 Schwämme: Ölasihwänme Gemeinihmwänme.
Und troßdem glaube ich nicht, daß eine jolche biologijche Deutung für die Mehrzahl der mit
Dedelbildung verjehenen Heractinelliven das Richtige treffen würde. Bei den meijten ift die
Konftruftion der Dedel gar nicht geeignet, umeine jolche Reufenwirkung zu unterjtügen. Auch
fehlt es den Heractinelliven, joptel wir wiljen, an Anlodungsmitten, Die den Köder in der
Falle zu vertreten hätten: fie feuchten nicht, fie Haben feine auffallenden Farben, die ihnen in
der Dunfelheit der größeren Tiefe ohnehin nichts nügen würden. Aber vielleicht üben die in
dem Inneren der ‚Körbchen‘ angehäuften Subjtanzen, welche mit dem oft erwähnten ‚orga=
nifchen Regen‘ auf die Schwammförper herabriefeln und von ihnen aufgefangen werden,
eine jolche anziehende Wirfung aus? Die Erfahrung lehrt demgegenüber, daß wir jelbjt bei
den in der Dredjche mit vielen anderen Tieren zujammengeworfenen Heractinefliden jehr
wenig jolchen Inhalt im inneren Hohlraum vorfinden. Und damit fommen wir auf die
richtige Deutung: durch die Dedel wird der Snnenraum des Schwmammförpers vor folchen
Anhäufungen bewahrt, vor allem vor dem Hineinfallen größerer toter Tierförper, welche beim
Berfaulen den lebenden Schwamm vergiften fünnten. Wir müfjen bedenfen, daß die Nah-
rungsaufnahme durch Poren auf der Außenfeite des Schwammtörpers erfolgt, und daß der
Snnenraum für den bejtändig abfliegenden Wajlerjtrom freigehalten werden muß.“
Euplectella aspergillum wurde zuerjt von den Philippinen, namentlich der Snjel Cebu,
befannt, dann aber von der Deutjchen Tieffee-Erpedition auch zwijchen der afrifanifchen
Küfte und Sanfibar gefunden. Sn der Nähe der Stadt Cebu werden die von Sammlern
gut bezahlten Schwämme in Menge gefiicht. Sie leben dort in etwa 200 m Tiefe auf
Ihwärzlihem Schlamm; die Fijcher Holen jie herauf, indem jie ein mit Hafen verjehenes
Geftell aus Bambusitäben am Meeresgrunde herziehen. Nicht jelten wird der Giekfannen-
ihwamm von einer Aijel, Aega spongiophila, und fat regelmäßig von einem Garnelen-
Paare, Männchen und Weibchen bon Spongicola venusta, bewohnt. Die Tiere jchlüpfen
in einem Sugendzuftande, vielleicht chon al3 Larve, in das jchöne, jchügende Gittermwerf
hinein und werden bald jo groß, daß jie das jelbitgemählte Gefängnis nicht wieder verlafjen
fünnen.. Die Bewohner von Cebu und Manila erklären deshalb den Schwamm für ein von
jeinen Snjaffen jelbjt verfertigtes Haus.
Andere Hexafterophoren zeigt die Tafel. Bei Lophocalyx philippensis Gr., der
durch Büfchel glängender elaftiicher Glasnaden im Schlamm feitjigt, bededen zahlreiche
äußere Snofpen (f. ©. 77) in verichtedenen Entwidelungsitufen den neftähnlichen Körper;
die reifen zeigen jchon eine Anzahl eigener Heiner Strahlenbündel und am Ende das D3-
culum. Sträucher von 1, m Höhe bildet Sclerothamnus clausii W. Marsh., den der „Chal-
lenger” bei Timor aus etwa 700 m Tiefe heraufholte. Als ineinandergeflochtene Röhren
und hohle Zapfen ericheinen die Stolonien von Periphragella elisae W. Marsh., und das
zarte Nebwerf von Farrea occa Bwrbk. gleicht dem der Glühftriimpfe für das Auerlicht.
Zweite Ordnung:
Amphidiscophora.
Unter den erjten Glasijchwämmen, die vor allem durch die Sammlungen dp. Siebolds
aus Japan Anfang der dreißiger Jahre des 19. Jahrhunderts in Europa befannt wurden,
fand jich Hyalonema Gr. Die Gattung gehört zu den amphidiscophoren Ölasihwänmen, in
deren Sfelett die zierlichen Amphidisfen, aber feine Herafter auftreten. Die Nadeln wer-
den bei der ganzen Ordnung niemal3 durch nachträgliche Kiefeleinlagerung verbunden, und
Amphidiscophora.- 85
die Geißelfammern find ganz unregelmäßig ausgeitaltet. Bet
Hyalonema sieboldii Gr., einer der häufigiten Formen der
japanischen Tiefjee, ericheint der Körper abgerundet und
majjig und ftedt auf einem langen, im Schlamm mwurzelnden
Schopfe. Diejer wird in der Hauptjache aus ftrienadeldiden,
an beiden Enden zugejpisten Nadeln gebildet, die fpiralig
umeinander gedreht jind und in diejer Vereinigung um fo
eher den Eindrucd eines Kunftproduftes machen fonnten, als
jie gewöhnlich ohne den eigentlichen Schmammförper und mit
einem Saden umsidelt auf den japanischen Märkten als Zier- =
gegenjtände verfauft wırrden. Auf dem Ölasjchopfe jiten fait x
immer fleine foloniebildende Polypen, Sidisia fatua M.
Schultze (|. ©. 174); jte hatte man zuerjt für Die Erbauer
des Sfelett3 tan,
Ebenfalls eine Amphidiscophore ift die fchöne, bei den
Philippinen vorkommende und ebenfalls vermittels eines
Biündels von Stiejelfajern im Grunde jtedende Semperella
schultzei Semp. unjerer Tafel, die man der Körperform nad)
eher zu den Gießfannenichwänmen jtellen würde; Äfter er-
Icheint fie allerdings mehr feulenfürmig. Aber der Schwamm
it ganz anders gebaut al3 Euplectella. Statt eines Dscufums
mit der Giebplatte am Ende ift die ganze Oberfläche mit
Heimen, von Siejelmajchen bededten Dscılarbezirfen iüber-
zogen. — Die merfwürdigite Semperellide, einen der jon-
derbariten Schwänme überhaupt, verdankt man der Deut-
ihen ZTiefjee-Exrpedition. Die nach deren Leiter &. Chun
benannte Monoraphis chuni F.E. Sch. entwidelt eine einzige,
riejenhafte, glashelle Biahlnadel, mit der jte jich tief im Mleeres-
boden verankert. Sie wird bis 3m lang, wie man nad) Bruc)-
jtüden von der Dicke eines feinen Fingers, den Verhältnifjen
an Heineren, vollitändigen Exemplaren entiprechend, jchäbt.
Der zylindriiche Schwammförper fißt al3 ein Ioderes, grob-
majchiges Gefüge am oberen Ende der Nadel; gefunden wurde
die Art vor der Küfte Dftafrifas, nördlich von Sanjibar, UND Hyalonema sieboldii Gr. Na-
türliche Höhe 50 cm. Aus Z.Dofleim,
wieder vor der Somalifüfte. „Oitafienfaprt“. Leipzig u. Berlin 1906.
Dritte Klaffe:
Gemeinjchiwänme (Demospongia).
Sm der dritten laffe der Spongien faßt man die Hauptmafje der Schwämme zu-
jammen, die weit zahlreicher al alle anderen durch alle Zonen und Tiefen der Meere ver-
breitet jind. Sr der Geftalt und in der Stoniiltenz des Körpers treten die allergrößten Ber-
iiedenheiten auf; in der Bildung des ©felett3 jtehen Formen mit reinem Siejelifelett
lolchen mit reinem Hornjfelett gegenüber und dazwijchen reihen fich diejenigen, bei denen
86 Shmwämme: Gemeinihwänme.
die Kiejefnadeln mehr oder weniger durch Spongin verdrängt find. Auf Koften Diejer Sub-
tanz find bei den „Sandihwämmen” Sremdförper als Gfelett angejammelt; anderen, wie
den „Zleijch”- und „Sallertihwämmen”, fehlen Hartteile überhaupt.
Erite Ordnung:
Bierjtrahlichwämme (Tetraxonida).
Bei den PVierftrahl- oder Anferfhwämmen, Die borwiegend in märmeren
Meeren leben, fommen vierjtrahlige Kiejelnadeln por, deren Grundform man erhält, wenn
Kiejelförper der Anterfhömwämme Etwa
200mal vergrößert.
man Sich innerhalb einer Kugel vier Nadien denkt,
die von dem Mittelpunkt aus in gleichen Winkeln
auseinandergehen; lebtere betragen dann zwijchen
den einzelnen Strahlen je 120%. So find die Nadeln
freilich nur jelten beichaffen. Zunächit ift in der Regel
ein Strahllänger al3 die drei übrigen, weiter find aber
auch diefe jelbjt mannigfach umgeltaltet (. die Abb.):
am häufigiten erjcheinen fie in der Richtung Des einen
Yangen Strahles zurücdgebogen, jo daß jie zierliche
dreiarmige Anker daritellen, oder jie gabeln jich am
freien Ende, oder wachlen zu Wlatten zujammen, in
denen aber immer noch ein vreiltrahliger Zentralfanal
erfennbar ift. Bei den Demojpongien diejer und
auch der nächiten Ordnung treten dann neben den
großen, eigentlich jfelettbildenden Nadeln Eleinere
auf, die überall im Gewebe zerjtreut liegen und Die
merfwürdigiten Formen haben fünnen: Sternchen,
Kugeln, Kleine andelaber, Anker, Bantoffeln, Hemd-
nöpfchen und daneben wieder einfache Feine Na-
deln. Se nach) ihrem Plate dienen jte verjchiedenen
bejonderen Ziweden, jo dem Schuge der Gemmulae.
Manchmal bilden Ddieje Nadeln eine zentimeter-
Dice Kindenichicht, wie bei der fosmopolitiichen ©at-
tung Geodia Zam. und ihren Verwandten, bei denen
zierliche, Höchit eigentümlich gebaute Kiejelfugeln in
der Rinde zu einem feiten Wflafter zujammentreten.
Unter diejem Tiegen nebeneinander, mit einfachen
. emachiigen Nadeln gemijcht, die Anfernadein mit
den Hafenarmen nach außen, den Stielen zentripetal
nach innen. Außen auf der Kugeljchicht jibt bei
manchen Arten noch ein Flaum jehr feiner jpiher
Cinachjer, die beim Anfafjen in die Fingerjpigen
eindringen und empfindliche Schmerzen verurjachen
Tönnen. Auch durch ihren mwidrigen Knoblauch- oder Bodsgeruch find die Geodien, Die
unter Umftänden (Geodia muelleri Fleming = gigas O. Schm.; |. die beigeheftete Tafel
„Shmwänme", 2) bis zu 40 cm breiten, Hell orangegelben Sumpen heranmwachien, nicht gerade
Schwämme.
1. Pferdeichwamm, Hippospongia equina O. Schm., auf einer 2. Geodia muelleri Fleming, durchichnitten. S. 86.
Koralle feitgewachien. S. 95. K. Diederichs phot. Werner & Winter-Frankfurt a. M. phot.
3. Leuconia aspera O. Schm. S. 81. 4. Spongilla lacustris Z. S. 93.
Werner & Winter-Frankfurt a. M. phot. Werner & Winter-Frankfurt a. M. phot.
Abb. 2—4 nach Exemplaren im Zoologischen Museum der Senckenbergischen Naturforschenden Gesellschaft in Frankfurt a. M.
Hohltiere 1.
1. Ohrenqualle, Aurelia aurita Z. S. 125. 2. Gelbe Haarqualle, Cyanea capillafa Z., von unten ge-
C. ©. Bartels-Kiel phot. fehen. S. 125. Hofphotograph Schensky -Helgoland phot.*
3. Süßwaiferkolonie des Keulenpolyps, 4. Seefeder, Pennatula phosphorea Z. 5. Physophora hydrostatica Forsk.
Cordylophora lacustris Allm. S. 112. S.. 138. S. 118.
3—5: Photographien von Werner & Winter in Frankfurt a. M. nach Exemplaren im Zoologischen,; Museum der Senckenbergischen Natur-
forschenden Gesellschaft.
* (Aus: „Tier- und Pilanzenleben der Nordsee“, herausgegeben von der Biolog. Anstalt auf Helgoland, 1. Lief. Leipzig 1914.)
Vierftrahlihwämme. Einftraplfhwänme. 87
angenehm. — Sn ihren Kanälen Hauft meift zahlreiches Getier: Strebje
(fat immer der garnelenartige Krebs Typton spongicola), Nemertinen,
Kingelwürmer; Mujcheln und Röhrenmwürmer jigen außen an. Zwifchen
dem Nadelflaum fucht man nie vergeblich nach mikroffopifchen Tierformen.
Bei verichiedenen Yamilien, die als Fleifhihwämme (Carnosa)
zufammengefaßt werden, wird das Stiejeljfelett immer mehr rüdgebildet.
Gar feine Nadeln hat ein im Mittelmeer jehr häufiger Lederfhwamm,
Chondrosia reniformis Nardo; jie jiedelt jich in Form Heiner unrege!-
mäßiger Fladen und Laibe an, die bis handgroß werden Fönnen umd in
der Regel nur mit einem Ausftrömungsioche verjehen find; jie vermögen
Ledberfäwanmm,
fich, erheblich zufammenzuziehen. Die Oberfläche des glatten, alänzenden u un
Schmammes ijt fchleimig und dunfel gefärbt, Die der Unterlage fic) an mis Nardo,aufgejönit-
ichmiegende Fläche Hell. Schon in friihem Zuftande it er äußert zäh; a
an der Luft fault er nicht, jondern trocdnet zu einer feiten, lederartigen Mafje zufammen.
Man kann ihn in diefem Zuftande jahrelang aufbewahren, und dann nimmt er nach dem
Wiederaufquellen ganz das Ausjehen eines friichen Eremplares an.
Seine Ordnung:
Einjtrahljihwänmme (Monaxonida).
Nach) der Auffajliung von %. E. Schulze find durch Küdbildung dreier Strahlen
beim Bieritrahler die einjtrahligen Nadeln, die charakteriftiichen Sfelettelemente der Monaro-
niden, entitanden. Die Schmämme diefer Ordnung treten in einer Fülle von Arten in allen
Meeren auf ımd fommen auch im Süßmwajjer vor. Neben den großen Sfelettnadeln gibt e3
wieder allerhand Keine Fleijchnadeln, bei einer Anzahl von Familien in Form zierlicher
Sternchen, bei anderen al Kleine Schaufeln und Bogen. Daneben fönnen in verjchtedenem
Grade Hornfafern ausgebildet fein, die die loderen Kiejelförper zufammenhalten (Ubb., ©.88).
Noch ganz ohne Spongin ift die „Meerorange” der Franzofen und Staliener, Die
Donattide Donatia (Tethya) Iyneurium Z. €3 jind helleuchtend orangegelbe, oft jajt
fugelrunde Schtwämme, die 7 cm Durchmeffer erreichen fönnen und um die ganze Erde
verbreitet find. Über der Rindenfchicht, in der zierliche Sterne fich häufen, erheben fich
zahlreiche Heine Budel, die von langen einachjigen Nadeln gejtübt werden. Auf ihnen
Ihnüren fich die äußeren Knojpen (f. ©. 83) ab; auch Gemmulae find beobachtet. Die
Dscula in den Vertiefungen jind jehr Hein, Faum größer als die Poren für den Eintritt des
Waffers. Nimmt man eine frifeh gefangene Heine „Orange“ aus dem Wafjer, jo erlebt man
eine Überrafehung. Sie zieht fi) fo heftig zufammen, daf das Walfer aus den Dscula fürm-
fich Herausfprigt und fie fich um mindeftens ein Drittel ihres Volumens verkleinert. Diefe
Kontrattilität ift Urjache des höderigen Ausjehens der fonjervierten Donatien. m Leben
ericheinen div Heimen Erhebungen viel flacher.
Eine der biologijc) interejfanteften Schmammgattungen ift-die der Bohrfhmwämme
(Cliona Grant; Vioa). Sie vermögen fich in feites Kalfgeftein einzuböhren und e3 zu zerjtören.
- ©&o zählen fie mit zu den geologischen Faktoren, die an der Abtragung des gebirgsbildenden
Kalfes in der Küftenzone arbeiten. An den Kalkküften Dalmatiens bededen überall größere und
Heinere Felsbruchitüde den Boden, und faft ein jeder diejer Milliarden von Steinen ift durch-
löchert (Ubb., ©. 89) oder jogar fo weit zermürbt, daß man die Reite des jonjt äußerft feiten
85 Schwämme: Öemeinihwämme.
GSejteines mit der Hand entzweidrüden fann.
Alle die Höhlimgen ftehen durch Gänge mitein-
ander in Verbindung. Ebenjo zerfrejjen ift da®
Ioje Geitein unter dem Wajjeripiegel, aber hier
iind die Höhlungen noch mit dem lngreifer,
einem blaß- bie goldaelben Schwamme, gefüllt,
der mweitverbreiteten Cliona celata Grant. Durch
die Löcher auf der Steinfläche ftredt der Schwamm
Heine VBapillen heraug, auf denen PWoren oder
Dscula ftegen oder beides zujammen. Bon den
bielen Öffnungen find einige die Stellen, an denen
die Fleinen Schwämme ihre zerjftörende Tätigkeit
begonnen haben, nachvent te jich al3 Larven jejt-
gejebt hatten; die meilten aber hat der Schwamm
bon innen her Durchgebohrt.
Auch Mujcheln, vor allem Die es.
juchen die Bohrichtoämme heim. Auf Auftern-
fulturen fönnen fie dadurch ganz erheblichen
Schaden anrichten; obwohl die Schalen nur big
zur innerften, dem Mantel der Mufchel anlie-
genden Lamelle zerfrejjen werden und das be-
fallene Tier fich Durcch Abjcheidung neuer Schalen:
jubitanz zu jchüken jucht, geht es zugrunde, ob
durch eine Bergiftung oder nur infolge der Zer-
törung des jchügenden Gehäufes, it nicht be-
fannt. Nach Topjent befämpfen die franzöfiichen
Aufternzüchter die „Vfefferfuchenkranfheit", die
in der Regel nur mehr al3 zwetjährige Mufcheln
befällt, indem fie ihre Barfe mit einem Schub-
wall alter leerer Schalen umgeben, die der Feind
zuerjt angreift, oder fie tauchen die Schaltiere in
Süßmaljer; der Schwamm jtirbt dadurd) ab. —
Die Bohrihmämme treiben nicht allein ein Neb
bon Schwanmmgemwebe in den Kalk hinein; nac)
einem gemwilfen Wachstum breitet jich das Tier
auch auf der Außenjeite aus und bildet flache,
\ \ fuchenartige Strujten mit kräftigerem, dichterem
ER Sfelett. So fünnen große hohe Klumpen (von
Kiejelnabeln von Ginftrahlfdmwämmen. Ewa ilber 30 cm Durchmejjer) entitehen, die früher
200—300mal vergr. Nah D. Schmidt. A) von Desma- , ER »
eidon armatum O. Schm.; B) von D. areiferum 0. Schm. Unter eigenem Namen und als Angehörige eigener
Gattungen bejchrieben wurden, bis man die yden-
tität ihrer Sfeletteile mit denen der Cliona feftitellte und alle Übergänge vom Gewebe im
Stein zur Srufte und dann zum „Schwamm“ Tennenlernte. Da die Schmämme an den
Küften in geringer Tiefe (felten unterhalb 200m), alfo in ftark bemegtem Wajfer leben, ändert
ihre äußere Form jehr ab. Dennoch waren die Zoologen geradezu verblüfft, als für den feit
Einfttraplfhwämme: Bohrihwämme. Korfihwänme. 89
langem befannten riefigen Neptunsbecher (Cliona patera Hardw.), einen iiber meterhohen
und bis 30 cm breiten, geftielten Becher, von Bosmaer nachgewiejen wurde, daß er nichts
weiter ift al ein „Auswuchs" einer Cliona, die an den Küften Hinterindiens und Savas
Moltusfenichalen und Kalfgejtein zerjtört.
Wie bringen die Bohrihwänme e3 fertig, den harten Stein anzugreifen? Eine jelbjt-
gebildete Säure, wodurd) fie ihre Unterlage zerjegen könnten, war nie nachweisbar. Auch
fönnen die Sliejelnadeln faum als Meikel benust werden. Vielmehr wird der Kalk durd) Die
Tätigkeit bejtimmter Zellen direit aufgenommen, ebenjo, wie Kalfihdwämme ihr Stalfitelett
durch diejelben Zellen, die es Tieferten, wieder zu löjen vermögen, wenn jie im falffreien
Waller gehalten werden (j. ©. 80), und dann an das Wafjer abgegeben.
Bom Bohrfämwanm, Cliona celata Grant, durhlöderter Kalkftein. Natürlihe Größe. (Zu ©. 87—83).
Nahe verwandt mit den Bohrihwänmen find die Korfihwänme, die Suberitiden.
Sm Mittelmeer ift Suberites domuncula Olws einer der allerhäufigiten Schwämme der
Küftenzone, der ich auch wieder durch Gemmulae verbreiten fann. Wenn auf einer der
Heimen Fiicherbarfen an der italienischen Küfte das Grumdne auf Ded geleert wird, jo
rollen fajt immer vrangerote Schmammfugeln herum, ein paar Zentimeter im Durd)-
mejjer, jelten auch einmal fo groß wie ein Siinderfopf. Merkwitrdig: bleiben jte ein paar
Minuten ungeftört, dann fangen fie an, herumzufpazieren. Gieht man genauer hin, jo
find es Strebsbeine, die den harten glatten Schwamm fchleppen (j. Tafel „Seefjhwänme", 1,
bei ©. 9). Faft nie erhält man den Korlfihwamm allein; regelmäßig it er mit einem
Einfiedlerfreb3 vergejellichaftet. Die Vertreter diejer Krebsfamilie futchen jic) Schneden-
häufer al3 ihüsende Wohnung und fchleppen fie mit fich herum. Ihr Hinterleib Hat jich
diefer Lebensweije angepakt, it der Srümmung der gewundenen Schnedenjchale ent-
Iprechend etivas gedreht und hat die feite Banzerung ganz verloren. Wächlt der Krebs, jo
muß er eine neue Wohnung juchen. Der Umzug ift wegen de3 weichen, jedem Räuber
preisgegebenen Hinterleibes eine gefährliche Sache. Einige Arten haben ihn vermieden:
fie fuchen fich Schalen aus, auf denen ein Suberites wäcjt. Vielleicht bepflanzt der Strebs
die Schale jogar jelbit mit dem ungenießbaren, nach) Phosphor riechenden Schwamm. Diefer
90 Shwämme: Gemeinihwämme.
iiberzieht bald das ganze Haus, jo daß von der Schnedenfchale nicht3 mehr zu jehen it;
mm den Eingang hält fic) der Krebs offen. Dffenbar gedeiht der Schwamm auf jeinem
wandelnden Sit ganz ausgezeichnet. Bei den Mahlzeiten des jeht mobilen und räuberijchen
Einfiedlers mögen genug Abfallbroden herumfliegen, die er aufzunehmen vermag, und Der
N
Shmämme auf Tang: a) und b) Desmacidon-Arten, b) als Überzug auf einer gelappten Alge; c) Spongelia pallescens
0. Schm. Natürlihe Größe. (Zu ©. 91 und 97.)
Krebs rührt beim Wandern und vor allem bei Kämpfen mit jeinesgleichen den Schlamm
auf, fo daß Detritus in Menge auf ihn herabfällt. Dazu mwird er durch) Die Bewegung jeden-
falls viel ftärker „geküftet”, immer mit neuem, jauerjtoffreichen Waffer durchflutet, als
viele in tieferen Wafjerschichten in einer muffigen Ede feitjigende Verwandte. So mwird
der Schwamm immer größer, und auch der Kreb3 mächit, aber er braucht jeine bequeme
Behanfung nicht zu verlaffen. Indem er verhindert, daß ihm die Haustür zumächit und
Einftrahlijgmwämme: Korfihwämme. Süßmajjerkhmänme. 91
dabei jelbft immer mehr in den wachjenden Schwamm hineinrüct, fchafft ex jich in diefem '
einen Gang, der die Spirale des Schnedenhaufes fortjegt und für die Weite und Krümmung
feines Xeibes immer genau paßt. Schmeidet man einen großen Suberites durch, der einen
folchen Einfiedler beherbergt hat, fo jtedt an einer Geite ganz im Schwamm ein Kleines
Schnedenhaus; von ihm geht ein ftändig erweiterter fpiraliger Kanal aus. Nicht nur dem
Einfiedler bieten die bunten Schwämme, deren dichtes Skelett aus Zügen größerer und
Heinerer Riefelitefnadeln bejteht, ein Obdach. Die Wollfrabben (Dromia) halten jich Stücfe
einer anderen Art, Suberites massa Nardo (j. Tafel „Krabben des Mittelmeeres", 2, bei
©. 694), mit Hilfe ihres lebten Bruftbeinpaares über den Rüden wie einen Schild, und
der Schwanm ift genau jo gewachien, daß er über das Tier paßt. Bei eiliger Flucht Tann
er als Hindernis fortgeimorfen werden.
Suberites domuncula febt übrigens nicht nur mit den Einjiedlern in „Symbioje”; er
hat auc Gäfte, die ihm gar feinen Vorteil bringen, jondern ihn nur ausnußen: Heine Floh-
frebfe (AUmphipoden), Tritaeta gibbosa, frejjen fich ein Loch in die Oberfeite des Schwam-
mes und haufen darin, immer bereit, „Senjterläden“ (auf unjerer Tafel bei ©. 95 deutlich
fichtbar), Die fie ftehengelafjen haben, mit den Beinen zufammenzuziehen, wenn ein Stören-
fried ihren Höhlen naht. Und schließlich Finnen Kolonien Heiner Hydroidpolypen, von denen
e3 rein „pongicole” Gattungen gibt, ihren Sit darin aufjhlagen. Bei Suberites ijt e3 in
der Regel Stephanoscyphus mirabilis, der den Schwamm ganz verunftalten fann..
Sm Gegenjat zu diejer Art, die ihre fugelige majjige Zorm menigitens einigermaßen
feithält, ändert fich in der an der nordafrifanifchen Küfte ftellenweije in ungeheurer Fülle
auftretenden Gattung Desmacidon Bwbk. eine jogenannte Art einfach in die andere je nad)
dem Wechfel des Standortes. Nach ihrer äußeren Form find die Chwämme abjolut nicht
zu harakterifieren. Sie fommen als dünnere oder didere Kruften, in Strauch- oder Baum-
form, als Röhren oder Knollen vor (Abb., ©. 90). m Schwammgemebe jelbit liegen ganze
Sortimente verfchiedenfter Kiefelnadeln in Hornfajern eingebettet von den verjchiedeniten
Formen, die aber ineinander übergehen.
Hierher gehört auch der Fingerfdwamm, Stylotella heliophila Wilson, ein orange-
bi3 grünlichgelber Schwamm, bei dem fich fingerähnliche Fortfäge über einer Krufte erheben.
Er lebt im feichten Waffer der atlantiihen Küften Nordamerikas und hat eine getwijje Ve-
rühmtheit al das „VBerfuchskaninchen” der amerikanischen Forjcher, vor allem Parters,
bei Experimenten über das Verhalten der Schwämme. Cine bejonders bezeichnende Real-
tion für ihn al Bewohner der Brandungszone ift das Schließen der Dscula auf den
„Singeripigen”, wenn er in ruhiges Waffer gebracht wird: die übliche Abwehrbemegung
aller Schmwämme gegen „unangenehme” Reize.
Kiefelichvämme mit einachligen Nadeln find auch) die einzigen Vertreter de3 Unter-
freifes, die das füße Waffer bewohnen, die Süßmwafjerihmwämmte (Spongillidae). Die
Tiere leben in einer großen Anzahl zum Teil jchwer unterjcheidbarer Arten in fait allen
füßen Gemäljern der Erde, im trüben Waldtümpel wie im tobenden Gebirgsbach, jelbit in
Steomfchnellen; man hat fie in den feit je dem Tageslicht entzogenen Tiimpeln und Bächen
der Höhlen Krainz gefunden und gelegentlich auch in den Röhren ftädtiicher Wafjerleitungen
angetroffen. Die Verbreitung mancher Arten ift ungeheuer groß. So fennen wir Ephydatia
plumosa Carter, allerdings in verjchiedenen Formen, vom Weißen Nil, von Bombah und
aus Merilo. Der allgemeinen Annahme nad) ftammen die Spongilfiden von Meerihmämmen
92 Shwämme: Gemeinihwänmme.
ab, die einft ins Süßmajjer eingewandert find. Wahrfcheinlich waren die marinen Re-
niera-Irten die Vorfahren, die mit den Süßwafjerihwämmen im gröberen und feineren
Bau große Ähnlichkeit Haben und die auch im Brackvajjer, jelbjt im falt fügen Wajjer der
Kanäle innerhalb der Stadt Venedig gedeihen. Die Spongilfiven jelbit jind dann in der
öftlichen, ftark ausgefüßten Dftfee wieder in bradiges Waller zuriidgemandert.
Die äußere Geftalt der Arten und Individuen ijt bei ven Spongilfivden jehr jchwan-
fend. Bald find e3 nur flache Bolfter, auf denen fich die Oscula wie feine Krater erheben
fönnen, bald Humpige Mafjen, bald zierliche Ziveige. Manche bilden ein Ioderes, |chwammi-
ges Gewebe, andere find fejt wie Stein. Sn der Färbung herrjchen jamußBig weiße, graue,
gelbliche, bläufiche und grüne Töne vor. Die Nadeln erjcheinen meilt |pindelfürmig in den
mannigfachiten Variationen, gejtrect mit jcharfen Spiben, wurjtförmig gedrungen mit
Itumpfen Enden, gerade oder — bisweilen mehrfach — ge-
frümmt, mit glatter oder warziger, auch dorniger Oberfläche.
Die Sihtwafjerichwämme werden mehrere Jahre alt und
find getrenntgejchlechtlich. Bei der im Tegeler See Das ganze
Sahr Hinducch vorkommenden Ephydatia fluviatilis Z. hat
Weltner bei weiblichen Exemplaren in allen Monaten Eier ge-
funden, in größeren Mengen aber in der zweiten Hälfte des
Upril. Das Sperma der männlichen Stöde entwidelt jich
am gleichen Orte und bet derjelben Art erjt Nütte Mat, und
bis in den Auguft hinein werden Dann jpermatragende Erem-
plare gefunden. Die Öajtrula-Lawen (j. die Abb.) jchiwär-
men vom Sommer bi3 |pät in den Herbit aus den Mutterfolo-
nien aus, es jind milchigweiße, winzige VBünftchen, die mit
es Cimn loomat erden Kilfe ihres Wimperkleives gemefjene Kreife und Spivalen
ziehen und ausgejprochen Fichticheu find. Sie ind von ovaler
Jorm, etwa 23 mm lang und 13 mm breit. Lange dauert das Herumjchwärmen der Yar-
ven nicht: nach höchjtens 24 Stunden jeßen fie fich mit dem borderen Pol an einer ge-
eigneten Stelle fejt, und die Umbildung zum „Schwamm“ feßt ein.
Biel befannter aber it die ungejchlechtliche Sorm der Fortpflanzung durch Gemmulae
(j. Sig. A auf ©. 93). Beim Eintritt der für das Gedeihen der Schmämme ungünitigiten
Sahreszeit, bei uns gegen den Winter, in den Tropen vor Beginn Der Dürre, hört das
Wachstum der Süßwaflerichwämme in der Negel auf. Dann treten im Schwanmmgemebe
Urchäochten zu Gruppen zufammen; ein Teil der Zellen bildet fich zu einer Art Epithel
für den Haufen um und fcheidet auf der Innenfeite eine feite Sponginmembran aus. Bon
diejer Hülle ziehen fich die Zellen förmlich zurüd; ein Ioderes majchiges Gewebe, die „Luft-
fammerjchicht", bezeichnet ihre Spur. Da hinein jchleppen Amöbenzellen aus dem umge-
benden Schwammgemwebe feine ©felettförperchen, Die außerhalb der Gemmiutlae gebildet
wurden. Bei den SpongillaIrten find e3 dDornige gedrungene „Beleg"-Nadeln (j. Fig. O),
bei den Ephydatien „Amphidisfen” (j. Fig. B), Heine Doppelquirle, ähnlich denen mancher
Slasichmänme (f. ©. 83). Während die Nadeln ganz Ioder und regellos an der inneren
Membran anfiegen, ftehen die Amphipisten in gejchlojjenem Bflafter jentrecht darauf, das
eine der oft zierlich fternförmigen Endfcheibchen gegen die Zellmafje, das andere nach außen
gerichtet. Schließlich wird von den Zellen, die die erjte Membran ausjchieden, auch eine
zweite außerhalb der Stiejelgebilde angelegt, und die Gemmula ift fertig. Nur an einer
Einftrahlihwämme: Süßmwafjerihwänme. 93
Stelle bleibt eine Küde in der Hornfapfjel, die von einer zarten Haut überfpannt it; bei
manchen Arten jebt jich hier noch ein bejonderes „Vorustohr” auf. An diejer Stelle Friecht
da3 lebende Schwanmgemwebe aus, wenn Lebensbedingungen eintreten, unter denen der
Schwamm wieder erijtieren fan. Nach Zaffe bleiben die Gemmulae normalerweije in
dem Nadelgerüft ihres Schwammes, nachdem der Weichkürper zerfallen ift. Gie find feiner
Anfiht nad) nur dazu da, den Schwamm an Drt und Stelle und unter Benugung der
alten Nadeln, joweit jie nicht meggejchwemmt wurden, neu zu bilden. Siolierte und ab-
getriebene Gemmiutlae aber follen nicht imjtande fein, einen neuen Schwamm ins Leben
zu rufen, fönnen aljo der Ausbreitung der Art nicht dienen. Meift entwideln ic) Gem-
mulae auch mehr auf der Unterjeite eines Schmammes; manchmal werden fie in folcher
nn an NIDRRDLARALLE NLA va LAIEN
Dauerftadten einheimifher Süßwafferfgmwänmme A Gemmula einer Ephydatia fuviatilis. Nah Bejdonzfy
aus Korjhelt-Heider, „Entwidelung dev Wirbellojen”, Allg. Teil, 3. Aufl., Iena 1910. a Amphibisfenjfhicht, b lebendes
Schwanmgewebe. B Amphidisten aus den Gemmulae von Ephydatia fluviatilis. Nah W. Weltner aus Brauer, „Süß
wafjerfauna Deutjhlands“, Heft 19, Jena 1909. C Belegnadeln aus den Gemmulae von Spongilla laeustris. Herkunft wie bei B.
D NReduftie einer einheimifher Spongillive Nah Karl Müller („Zool. Anzeiger”, Bd. 37, 1911). i
Mafje gebildet, daß die Unterlage völlig von den gelblichen Kügelchen überzogen ift, wenn
der Schwamm jelbit einmal abgejtorben und verichwunden ift, wie bei der einheimijchen,
jeltenen Spongilla fragilis Zeidy, deren Öemmulae ein Porusrohr befiken.
Nac) K. Müllers Unterfuchungen kann bei unjeren Süßmwafjerfhwämmen jederzeit auc)
aus unbekannten Ürjachen Rüdbildung des ganzen Gewebes eintreten, die zu jogenannten
Neduftien (j. Fig. D) führt; aus diefen fünnen wieder neue Schwämme entitehen. Aucd)
die Spongilliden zeigen jenes außerordentliche Negenerationspermögen: durch feine Gaze
gepreßte, ijolierte Zellen vereinigen fich wieder und werden zu Heinen Schwänmen.
Von unfjeren deutjchen Arten ift am Wuch3 nur Spongilla lacustris Z. (j. Tafel
„Schmwämme”, 4, bei ©. 86) zu erfennen, aber auch nicht abjolut ficher. Sie erhebt fich
am Grunde flarer Seen in verzweigten ften bi3 zu 30 cm Höhe und erinnert geradezu
an eine Koralle. Syn rajcher fließenden Bächen aber bildet fie nur Kruften.: Und als Kruften
oder PBoliter legen jich auch die übrigen Arten an alle möglichen Unterlagen, Hol, Steine,
Schilfitengel ufw. An manchen Standorten erfcheinen die Süßwafjerfhwänme, wie auch
viele Meeresihmänme, grün gefärbt oder weilen mwenigitens grüne Fleden auf. Die Farbe
wird Durch verichtedenartige Grünalgen hervorgerufen, die fich in den Schmämmen. an-
jiedeln und die jogar in die Gemmulae und in die Larven eindringen können. Wahrfcheinlich
94 Schmwämme: Öemeinihmwämmte.
bildet fich dabei eine Symbiofe aus: die Algen finden im Schwamm Schuß; fie liefern dafür
Sauerftoff, der dem Schwamm zur Atmung dient, und Tönnen, wenn jie abjterben, vielleicht
auch als Nahrung benußt werden. ES jcheint jogar, daß ein infizierter Schwamm jich in
feinem Wachstum oft nad) dem Wohlbehagen Der Algen richtet und eine möglichjt große, dem
Licht ausgejegte Oberfläche entmwidelt.
Dritte Ordnung:
Hornjchwänme (Ceratosa).
Das Skelett der echten Hornihwänme ift aus Sponginfajern aufgebaut. Mineral-
jubftanz hiegt nur in Form don Fremdförpern darin: Nadeln von anderen Schwämmen,
noch viel häufiger aber Sandkörner bieten jich, in die Hornfafern eingebettet, unter dem
Mitcoflop dem Auge des Unterjuchers dar. Früher hatte man angenommen, daß alles der-
artige, was jo zufällig auf den Schwamm gefallen war, langjam von ihm überwachen und
palfiv eingejchloffen würde. Collas aber jah bei einem fponginführenden Monagonier, der
ebenfall® Sand enthielt, wie die Körner offenbar von Amöbochten von der Oberfläche her
eingejchleppt wurden, ganz ähnlich wie die Amphivisfen in die Gemmitlae der Süßmajjer-
ihwämme, und glaubt feinen Befund auch auf die Hornihwämme ausdehnen zu dürfen.
Die Konftruktion des Hornifelettes ift bei diejen in der Regel jehr einfach. Die Hauptfajern
erheben fich von der Balis des Tierjtodes und verzweigen jich vielfach, jo daß nur jchmale
Zmijchenräume bleiben; alle jtehen etwa jenfrecht zur Oberfläche; nur in dieje Fajern mer-
den Fremdkörper eingelagert. Berbunden find die Hauptfafern durch ein dichtes Neb
äußerft feiner Duerfajern. Mit der Schwierigkeit der Abgrenzung einzelner Arten ift’s bei
den Hornfhwämmen fait noch Schlimmer wie bei den Monaconiern. Der Flüfligfeit der
Formen fünnen die Daritellungsmittel der zoologiichen Shftematif nicht gerecht werden,
und der Wert der artunterjcheivenden Merkmale ist oft mehr al3 fraglich.
Den eriten Blab unter den Hornjhwänmen mögen hier unjere Nusbjhmwänme ein-
nehmen als typijche Vertreter der Ordnung. Sm Leben find es gelblichbraume, jepiafarbene
bi3 jchwarze, jleifchige Klumpen, die in Küftennähe am Meeresboden große flache Fladen
und Zaibe bilden. Junge Shwänme find in der Regel Höher und runder als alte. Der am:
Meer jammelnde Naturforscher läßt feine von ihnen und ihrer Verwandtichaft unbeachtet;
denn in den Hohlräumen des Badeichwammes und mehr noch in den weiteren Kanälen
der häufigeren Pferdeijhwänme hauft gewöhnlich eine bunte Gejellichaft, ihm erwünjchte
Beute: allerhand Krebje, darunter jolche, die ganz regelmäßig und faft nur in diejen
Schmämmen vorfommen, Schlangeniterne, Würmer, Weichtiere; manche Tiere, jo einige
Zintenfifche, jeben in ven Schmämmen ihre Eier ab.
Auf den Markt fommen mwejentlih nır Schwänmme der Gattungen Euspongia Bronn
- und Hippospongia F.E. Sch. Was al „Schwamm“ benußt wird, ift natürlich nur das Horn-
jtelett. Alles weiche Gewebe wird entfernt, indem man den frifch Dem Meer entnommenen
Schwamm einfach faulen läßt oder ihn fo lange fnetet und drüdt, bis er von den Weich-
teilen gänzlich befreit ift. Um gebrauchsfertig zu fein, bedarf er dann nur einer noch-
maligen Reinigung in lauem Süßmwaffer. \
Db em Schwamm Marktwert hat, hängt von gar vielen Eigenfchaften ab. Er muß vor
allen Dingen möglichit viel Waffer aufnehmen können. Diefes wird durch Kapillarkraft in
da5 feine Sponginmafchenmwerf hineingefaugt; je feiner und je enger namentlich das Web
DULIDaLp]22S
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me3 Euspongia offieinalis LI, fig. 3 der Fate! „Seefchwämyfe‘ ma dem öftlidhen
Mittelmeer, von der fhrifchen 3 un Ri bein und bon Super = Sr hat meift
Becherform, jeltener ift er rund und Zumpig. Selkemie Hall Helsivare it dertMalmatitter
(Euspongia offieinalis adriatica O. Schm., ein
mblicher sfr ettvag abariuht Schwarm.
Er ift bei ums - Aa Bideihwarmm und Eommt aus DM RTIa, aber aud) om
ganzen Billichen Mittehneer und der Stüfte
korbaftilas meftlich bis na Burnis. Ganz flach)
und MO Ind die ponte ober no Sepp. lamella F|E.
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Bie Heimat der Schweiz nn it das ie ie eikeht-
ea Snjeln, an der Hertafiatiihen, ned: unb Ei ini 4 erihimte
umbpläbe. HeukttngehTMmPnan Schnd aber ne ee Di fs, bon| der
Oftküfte der Vernigten "Staaten (vor'wfler bei alioride erden Bahamdti mb bon
Strame Aiftcalieng; mege ihrer KFeinhen Eu ben au dEDie mahagaiiihen Setpänmme einen
gemwilfen Ruf. Aber fein Shmwamm von biefen neueren Kunborten Int metiftxeiten mit
dem feinen Levantiner, der a. molissima O. Schm. de3 echten Badeihman-
N
a
Vo
e-
=
=
S
=
„
a
u
u
v)
Hornihwämme. 95
der Duterfafern ift, um jo größer ift die Aufjaugfähigfeit. Dann muß ein Badeihwamm
weich und elaftiich jein. Diejer Anforderung entipricht er, wenn feine Fafern nicht zu Die
find, nicht allzuviel Fremdkörper enthalten und gleichmäßig angeordnet find. Er darf nicht
brüchig fein und fich auch nicht allzu jchnell abnugen. Dafür dürfen die Mafchen nicht zu
loder angeordnet und die Fafern nicht zu Die und jpröde fein. Und Schließlich werden an den
Vielgeprüften auch noch äfthetiiche Anforderungen geftellt: er fol eine handliche, runde
Form haben, ohne große Fortläße oder Lappen, und eine gleichmäßige, fehön hellgelbe bis
hellbraune Farbe bejiben. Hählichen Tönen und Zleden Hilft man heute durch Bleichen ab.
Alle anderen Eigenjchaften aber muß man mit dem Stüd in Kauf nehmen, und jeder Schwamm
ift darin eine Jndivivualität. Doch gleichen fi) die Schwänme eines Fundortes und derjelben
Art wenigitenz in der Hauptjache. Der Handel fannı infolgedefjen zahlreiche Sorten unter-
icheiven, die fich aber nicht mit den wenigen Arten und etwas zahlreicheren Unterarten
der Zoologie zu deden brauchen.
Die Heimat der Schhmanmmfiicheret ift das Mittelmeer. Syn der Adria, bei den griechi-
ichen Snjeln, an der Keinafiatiichen, algeriihen und tripolitanifchen Küfte find altberühmte
Zundpläße. Heutzutage holt man Schmänme aber auch) aus dem Golf von Mexiko, bon der
Oftfülte der Vereinigten Staaten (vor allem bei Florida und den Bahamas) und vom
Otrande Auftraliens; wegen ihrer Seinheit Haben auch die madagaljiichen Schwämme einen
gemwillen Auf. Aber fein Schwamm bon Ddiefen neueren Fundorten fann mwettjtreiten mit
dem feinen Lenantiner, der Varietät mollissima O. Schm. des echten Badejchwan-
me3 Euspongia offiemalis Z. (f. Fig. 3 der Tafel „Seeijhwämme"), der aus dem öftlichen
Mittelmeer, von der fyriihen Küfte, von Kreta und bon CHpern fommt. Cr hat meift
Becherform, feltener ift er rund und Ehumpig. Bekannte Handelsware ift der Dalmatiner
(Euspongia officinalis adriatica O. Schm., ein rundlicher, oft etwas abgeflachter Schwamm.
Er ift bei ung der gemöhnlichite Badeijhwamm und fommt aus der Adria, aber auch vom
ganzen öjtlichen Mittelmeer und der Küfte Nordafrifas meitlich bis nac) Tunis. Ganz flach
und ohrförmig jind die Elefantenohren oder Zevantiner Xappen (E. o. lamella F.E.
Sch.); für den Berfauf gefiicht werden fie an den Süften der Provence und Dalmatienz,
im Griechifchen Archipel und von Ngypten bis Algier. Derber und härter al3 die Formen
de3 Badejchwanmes ijt der jonft jehr ähnliche, aber dunklere Zimmoffafhwamm, der
al3 bejondere Art geht (E. zimmocca O. Schm.); ex ist jehr Häufig al3 flache Schüfjel aus-
gebildet. Mit der Hand läßt er fich viel weniger zufammendrücden alS die anderen; für ge-
mwerbliche Zmwede wird er viel gebraucht. Hauptpläge find der Griechische Archipel, Kreta,
Chpern und die Weitfüjte Kleinafienz bis zu den Dardanellen, aber auch die afrifanijche
Küfte, Korjifa und die Adria.
Der billigfte und Häufigite Schwamm ift der Pferdefchwamm, Hippospongia equina
O. Schm. (j. Tafel „Schwänmme“, 1, bei ©. 86). €3 ift der oft über fußgroße, flache,
rundliche, gelbe und rötliche, auch graubraune Schwamm mit den großen, Freisrunden,
Iharffantigen Löchern auf der Oberfläche. Dieje find Ausgangsöffnungen für ein Laby-
vinth jehr weiter, zyfindrifcher Kanäle, ziiichen denen das zwar dichte, aber fehr feine und
leicht zerreißbare Hornfaferwerf nur noch dünne Wände bildet. Dabei pflegen in den End-
jpigen der Fafern weit mehr Fremdkörper eingejchloffen zu fein als bei den feinen Vade-
|dwammforten, jo daß er troß der fchnelleren Abnubung fich mehr für ein Pferdefell als
für Menjchenhaut eignet.
Die Shmammfiicherei, heute noch einer der wichtigjten Erwerbszweige an vielen
96 Shwämme: Öemeinihwänmme.
Küften des Mittelmeeres, toird auf verjchienene teils jehr alte Methoden betrieben. m
flachen Waffer holt man die Schwänme da, wo man nicht mehr hinmwaten kann, vom Boote
aus mit Hafen und mehripigigen Speeren. D. Schmidt erzählt darüber: „An der dalma-
tinischen und iftrifchen Küfte bemächtigt man fich der Schwämme mit der fangen vierzinfigen
&abel, welche wir auf alten Bildwerfen al3 Wahrzeichen des Neptun erbliden. Nur die
Berohner der Keinen Snjel Krapano fiegen diejem Gewerbe ob, und ihre 30—40 Barfen
juchen während der guten Jahreszeit die zerriljene, injefreiche Küfte ab. Ye zwei Mann
befinden ich auf einer jtarfen Barfe, deren Vorderded einen vieredigen Ausjchnitt hat.
Sn diejen Stellt fich der die Gabel führende Mann, um, über Bord gebeugt, den Oberkörper
ficher balancieren zu fünnen. Der Stiel der Gabel ift 7—14 m lang; eine Rejerbegabel
und Stangen Tiegen immer auf einem am Bord angebrachten Geftelle. Der zweite Mann
führt die Ruder, deren Ruhepunfte auf einem die Bordjeite iiberragenden Balfen Tiegen,
wodurch die notwendigen. feinen Bewegungen des Boote3 leichter und ficherer werden.
Während er nun das Boot hart am Feljenufer über einem Grumde von 4—13 m Tiefe
- Sangjam Hintreibt, |päht jener Icharfen Auges nach den durch ihre Schwarze Haut fich Fenntlich
machenden Schwämmen. Am günftigjten it natürlich völlige Windftille. Sit das Meer
feicht erregt, jo wird e3 mit DI beruhigt. Zu diefem Ende liegt immer auf der Spibe des
Bootes ein Haufen glatter Kiefel, und daneben fteht ein Gefäß mit DI. Der Fifcher taucht
einige der Steine mit der Spihe in die Flüfligfeit und wirft jie einzeln in einem Halbkreije
um fih. Die Wirkung ift eine wunderfame: die unmeßbar feine Olfehicht, die fich über
mehrere Duadratflafter ausdehnt, reicht Hin, um die Fleinen Wellen zu bejänftigen, das
Auge wird nicht mehr durch Die ich reuzenden Spiegelungen und Brechungen gejtört. Der
Fischer aber muß die Schmämme nicht bloß mit den Augen eripähen; da jie am liebiter ge-
det wachlen, muß er mit der Gabel zwiichen und womöglich unter die Feljen taften, und
licher ift ein großer Teil der gejuchten Beute diejer Art der Fijcherei gar nicht zugänglich.”
Dieje verjtedten und die fiir den Speer zu tief jigenden Schwämme werden nac) Bäterjitte
ducch Tauchen erbeutet, indem fich der Taucher vom Boot aus nadt ins Wajjer jtürzt und
angeblich bi3 45 m Tiefe dringen und bis 4 Minuten unter Wajjer bleiben fann. Für
Tiefen, die diefen Tauchern nicht mehr erreichbar find, Hat man fchwere Schleppnebe in
Anwendung gebracht. Der Ertrag leidet aber dadurch), daß man nur wenige Stüde un-
bejchädigt heraufbefommt. Schließlich hat die moderne Technik auch in diejem entlegenen
Gewerbe ihren Einzug gehalten, und heute fteigen griechiihe Schmammfiicher in voll-
tändiger Taucherausrüftung in die Fluten.
Hunderte von Snjelgriechen find, al die Gründe der Heimat für den Raubbau immer
ärmer wurden, nach Amerika ausgewandert und üben dort ihr altes Gejchäft. Der Schwamm-
handel der Neuen Welt blüht, und die Schmammausfuhrziffern der Vereinigten Staaten
lteigen ftändig. 1907 wurden nad) Moore für 99686 Dollar Schwänme nad) Europa
ausgeführt, bei einem Gejamterport an Schwämmen von 114354 Dollar, während in dem
gleichen Sahre aus Curopa für 113830 Dollar Chwämme eingeführt wurden. 1905
betrug die Einfuhr aus Europa 88444 Dollar, die Ausfuhr nad) Europa aber exit 11645
Dollar (Gejfamtausfuhr 18390 Dollar). Hauptmarkt für die amerikanischen Bahama-
Ihwämme in Europa ift London; die Sorten entiprechen in der Güte den Mittelmeer-
Ihwämmen vom Dalmatiner bis zum Pferdejchwamm.
E3 it natürlich fein Wunder, daß bei der untoirtfchaftlichen Art des Abfiichens die
Schwanmmgründe immer weniger lieferten. Seit Jahrzehnten find Berfuche im Gange, den
FT en
Hornfhwämme. 97
Ertrag durch Fünftliche Kultur von Schwämmen zu heben. Anfangs glaubte man, es genüge,
einen Schwamm in eine Anzahl Stüde zu fchneiden, damit fich.diefe wieder zu großen
Schmwänmen auswiüchjen. Aber damit die Verlegungen überhaupt nur heilten, mußte das
Berjchneiden und Wiederausjegen der Shwämme mit äußerjter Vorficht geichehen, und auch
dann waren Die Berlufte immer noch jehr beträchtlich. Dffenbar leidet die ganze Lebens-
kraft einer geteilten Schtwammfolonie. rn nicht länger als zwei Jahren mächit eine im
Frühjahr ausgeihtwärmte Pferdejchimanmlarve (nach Allemand) zu der verwendbaren Größe
von 30 cm Durchmeijer heran; 4-5 Jahre aber brauchen die Teilftüce, um ähnliche Maße
zu erreichen. Auch Cotte, der fich jehr eingehend mit den Zuchtverfuchen bejchäftigt hat,
fonnte vor Eurzem nur feitftellen, daß noch jedes praftiich verwwertbare Ergebnis fehlt.
Die einzige Möglichkeit, Den ausgeplünderten Shwammgründen wieder aufzuhelfen, bietet
vielleicht die energiihe Durchführung einer Schonzeit während der Frühjahrsmonate, in
denen die Larven ausjchwärmen, Das
Berbot des TZanges von Schwämmen
unter einer gewijlen Größe und an-
dere gejeßliche Bejchränfungen Der
Schwanmfilcherei.
Eine ganz ausgejprochene Nei-
gung, das Skelett durch Aufnahme von
Sand zu veriteifen, haben die Horn-
Ihmwänme aus der Samilie der Spon-
geliven. Bei der auf ©. 90 abgebil-
deten aodriatijchen Spongelia pallescens - —
0. Schm. fallen manche Cremplare, matisarea du ntimas Johmst. Natürlihe Größe. (Zu S. 98)
wenn jie aus dem Wafjer genommen
werden, ganz jchlaff in fich zufammen; andere aber jind Koröh und zerbrechen durch ihr
eigened Gewicht, wenn man fie herauszuheben verjucht. Während bei exiteren Sand
oder Foraminiferen, Kalk- oder Kiejenadeln noch fehlen, ift bei den anderen zwifchen zahl-
ofen Sremdförpern Hornfajer faum noch nachweisbar. So wie der Sandgehalt wechjelt,
ändert auch die äußere Form: neben Knollen und Kruften finden jich fingerfürmig ver-
zweigte Stüde. Bäumchen treten nad) 3. E. Schuße unter dem Einfluß der Wohnröhren
desjelben Fleinen Hhodroiven auf, der auch Suberites verunftalten fann (vgl. ©. 91). Die
Zarbe Fann je nach dem Standort wechjeln. Einmal find die Schwämme farbios oder
gelblichweiß, dann haben fie irgendeine Tönung von Blakpiolett bis zu Tiefoiolettbraun,
jogar vollem Braun. ine charakteriftiiche Eigenschaft nennt der Name Be „Die
erbleichende". An der Luft bleichen die Schwänme der Art völlig au.
Berühmt durch einen folchen Farbivechfel gegenüber der Luft, aber auch dem füßen
Wajfer, ift eine Form aus verwandter Familie, Aplysina aörophoba Nardo. &s find leuch-
tend jchwefelgelbe, Höderige Röhren, mit einer glatten Endfläche und dem Dsculum darin
(j. Tafel „Seejchwämme”, 2, bei ©. 9), Die fich über einer gemeinfamen gelben Schwamm-
Erufte erheben; gefunden wurde die Art bis jebt im Mittelmeer und auch) im Golfvon Meriko.
‚un der Adria find die Steine in der Nähe des Ufers oft mit einem ganzen Nafen der
parallefitehenden, felten auch einmal verwachjenen, fingerlangen Säulchen bededt, die vom
Boot aus gejehen einen ganz teizenden Anblid bieten. Holt man einen foldhen Schwamm
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 7
98 Schwämme: Gemeinfhwämme.
herauf — es find jandfreie Hornichwämme mit loderem Sfelett, dejjen Sajern reichlich
Markiubftang führen —, jo laufen an der Luft alle noch jo leicht gequetichten Stellen grün
an. Ein paar Minuten darauf ift die Farbe des ganzen Schtwammes grünlich, jene Stellen
aber find Fräftig blau und werden Schließlich tief |hmarzblau; der ganze Schwamm macht's
genau jo nah. Süßmafjer hat denjelben Einfluß. Schneidet man den blauen Schwamm
durch, jo zeigt fi), daß die Intenfität der Farbe nach innen abnimmt. Die Körichen des
gelben wandlungsfähigen Sarbftoffes find in amöboiven Zellen angehäuft, die jich an der
Oberfläche fammeln. Man will in diefem Pigment einen Nejerveitoff für jchlechte Zeiten
iehen. Lendenfeld meint, daß es eine den roten Blutkörperchen der Wirbeltiere entiprechende
Yufgabe im Schwamm habe.
*
An die Hornichwänme find wahrjcheinlich auch einige Gallertih wämme anzureihen,
darunter Halisarca dujardinun Johnst. (Abb., ©. 97). Diejer Schwamm entbehrt jeglichen
Sfelett3; im jeichten Waffer der Kitfte bildet er glatte, weißliche oder gelbliche Überzüge auf
Steinen, leeren Schnedenjchalen und Algen, jeltener auch am Orumd feitgewachjene Stnollen.
Bekannt ilt er bis jebt aus dem Mittelmeer, von den atlantischen Küften von England und
Frankreich, aus der Nord- und Oftjee und den arktiichen Meeren.
SHohltiere (Coelenterata).
Bearbeitet von Dr. X. Nik.
Weitaus die meijten Cölenteraten jind Meerestiere. Auch wer fie nicht am Meeres-
fttand in ihrer ganzen Schönheit bewundern durite, Fennt viele wenigjtens aus Abbil-
dungen: die wundervoll geformten, durcchjichtigen Oloden und Schirme der Quallen (Medur-
jen), die farbenprächtigen Seerojen und Geenelfen
mit ihren zierlichen Armen und die Korallpolypen
der tropischen Meere, die in bieltaujendjähriger
Lebenstätigfeit Aiffe und Snjeln aus ihren Kalk-
ifeletten aufbauten. Ins Süßmajjer find nur ein
paar füimmerliche, über alle Erdteile verbreitete
Bertreter eingedrungen. Aber gerade dieje Süß-
wajjerpolypen, die nur etwa zentimeterlangen Hy-
dren, Die man im nächjiten TZümpel: finden Fann,
geben in ihrer Einfachheit, die freilich auf Nüd-
bildung beruhen dürfte, das Farite Bild der Hohl-
tierorganijation. Unter dem Mifrojfop ericheint
das bräunliche oder grüne Tierchen jo durchjichtig,
daß man die Grundzüge jeines Aufbaues ohne wei-
tere3 zu erfennen vermag. 3 ijt nur ein einfacher
Schlauch, in den eine Mundöffnung hineinführt.
Die Wände beitehen aus zwei Lagen von Zellen,
aus den beiden Steimblättern, die jich bei der Bil-
dung der Gaftrula (f. ©.74) voneinander jondern.
Das äußere, das Eitoderm, enthält entiprechend
feiner Lage die Schub- und Angrifiswaffen fowie ärssiänitt durd eine Hydra mit Ana
{ h pen. Aus Hejje und Doflein, „Zierbau und
Oinneszellen umd bon diejen megführende Kerven- Tierleben“, Leipzig und Berlin 1910. 1 Eftoderm,
: G ! 2 Entoderun, 3 Darm, 4 Mundöffnung, 5 Fußicheibe,
fajern zur Aufnahme und Weiterleitung von Reizen 6 Zangarme, 7 junge und 8 ausgebildete Anojpe.
ver Außenwelt. Die zweite, innere Jellage, das
Entoderm, nimmt die Nahrung auf. So fteht der ganze Organismus durchaus auf dem
Stadium der Öaftrurla mit „Urdarm“ und „Urmund“; darüber hinaus geht die Organifation
der Hohltiere im Grunde überhaupt nicht, jo verjchteven ihre äußeren Formen auch jein
7*
100 Kefjeltiere.
mögen. Immer bleibt’ bei dem einheitlichen Hohlraumiyjtem, wenn auch bei einzel-
nen Gruppen daran Blindfäde und Beräftelungen auftreten. Nur fchiebt fich bei allen
Gölenteraten zwifchen Die beiden „primären" Seimblätter eine Stüßjubjtanz ein. Bei den
HHdren ift es bloß eine dünne, ftrufturlofe Membran zwilchen Eftoderm und Entoderm,
die „Stüßlamelle”, bei den Duallen aber hat fich daraus das mächtige Gallertgeiwebe ent-
wickelt, dem gegenüber die anderen Schichten faft verfchwinden. Bei vielen Blumentieren
(j. unten) wird in der zellenreichen Stüßfubitanz Salfitelett abgelagert.
Sm Gegenfa zu den meilten Schwämmen waltet im Bau der Cölenteraten Sym-
metrie, allerdings anderer Art alS die zivetjeitige Symmetrie des Menjchen und der meilten
Tiere. Körperanhänge, wie die Yangarme der Geerojen, die Sinnesorgane am Öloden-
and der Medufen, ferner die Gejchlechtsorgane md vieles andere find radiär um eine
Mittelachje angeordnet, die Durch Die Mundöffnung und die Mitte der Körperhöhle geht.
Sonjt findet fich eine ftrahlige Anordnung der Drgane nur noch in Dem Tierfreis der Stachel-
häuter, die aber mit der bei den Cölenteraten ftammesgeichichtlich nichts zu tun Hat. Im
Süitem ftehen die Hohltiere neben ven Schwämmen auf der unterften Stufe der vielzelligen
Tiere, haben aber ald Formen, die ihre Beute fangen umd jich zum Teil frei bewegen, einen
viel geichlofjeneren Körperbau und höhere Leiftungsfähigfeit ausgebildet.
Erfter Unterfreis:
Keijeltiere (Cnidaria).
Die Nefjeltiere führen ihren Namen von den Nejjelzellen, die einen äbenden oder
Hebrigen Stoff liefern und jich bei allen drei Slajjen, den Hydrozoen, den Schphomedufen
(Scheibenguallen) und den Anthozoen (Bfumentieren), al ein ganz charakteriftiiches Merk-
mal überall da im Eftoderm finden, wo das Tier von feinen Feinden angegriffen werden
fann oder mit Beutetieren in Berührung fommt, vor allem an den Sangarmen, den Ten-
taten. &3 find Zellen, deren Raum durch ein lebhaft glänzendes, fichtbrechendes Körper-
chen, die Neffelfapfel, faft ganz ausgefüllt wird. Smmer mifroffopijch Hein, treten fie
bei den einzelnen Ordnungen und Mten in jehr verjchiedener Form und Größe auf und
stellen äußerst Funftvolle Keine Mechanismen dar, deren Konftruftion vielfach wechjelt und
deren Wirkungsmweife ebenfalls ganz verichieden fein Fan. Auch bei ein und Dderjelben Art
treten gewöhnlich mehrere Formen von Nefjelzellen auf. Als Mufter mag eine „große
bienförmige Nefjelzelle mit Stiletthafen" dienen, wie fie unfere Süßmafjerhydren befien
(Abb., ©.101). Über die Außenfeite Der Zelle ragt ein haarartiger Fortjag, das Cnidocil, ge-
jtügt von einer befonderen Plasmajcheide mit verjteifenden, jtäbchenartigen Gebilden. Das
Haar feßt fich in das Innere der Zelle fort und Fan fich der Nefjelfapfel anlegen. E3 dient
al3 „Sinneshaar”, das Berührungs- und vielleicht auch andere Neize aufnimmt. Denn die
Nefielzellen find, wie M. Wolff zeigte, reich mit Nervenfajern verjorgt und dienen vielleicht
auch als Sinnegzellen, die empfangene Reize weiterleiten. Shre Hauptaufgabe aber er-
füllen fie durch die Wirkung der Neffelfapfeln. Diefe ovalen Körperchen enthalten in ihrer
galfertigen Subjtanz einen fpiralig aufgerollten Faden. Auf beftimmte (mit chemijchen
Reizen verbundene?) Berührungsreize, wie fie wohl für gewöhnlich von Beutetieven oder
Angreifern ausgehen, wird der Dedel der Zelle, der. durch einen Stäbchenbelag veriteift
und Tortjäbe der Opfer zu veriideln oder
Allgemeines. 101
ift, im Nu geiprengt, und der Faden jchnellt heraus. Cr ftellt fich jebt als eine jchlauchartige
Fortjegung der Kapfel dar, die bei der Entladung ausgejtilpt wird, wie ein umgedrehter
Handiehuhfinger. Bei den großen birnförmigen Nejjelzellen jchlagen jich die in der Nuhe
gleichfalls nach innen umgefrempelten großen ©tilettdormen am Grumde des Fadens zuerit
in die Haut des Opfers und reißen ein Yoch, durch das der Veijelfaden in den Körper ein-
dringen Tann. Der glashelle Nefjeljaft, der jich im Hohlraum des eingeftülpten Fadens be-
findet und aucd) aus dem Snmeren der apfel heraus die Wandungen des Fadens durch-
dringt, vermag durch intenjid wirkende Gifte Heine Tiere falt augenblictich zu lähmen und
zu töten. Große Staatsquallen vermögen durch Die geradezu fürchterliche Wirkung ihrer
Kejielbatterien jogar dem Menjchen ge=
fährlich zu werden. — Bewirft wird Die
Erplofion der Nejjelzelle in exjter Linie
dDunch Die Zufammenziehung musfelähn-
licher Fafern im Umfreis der Slapjel. Da-
neben dürfte die Claftizität der Neifelfapfel
mitwirken; vielleicht quillt auch das Nefjel-
iefret in der Kapfel durch Wafjeraufnahme
vafch auf und treibt den Faden Heraus.
Das von den Neljelfäpen getroffene Tier
wird zugleich feitgehalten; jollte es jich im
ersten Augenblid noch wehren und zu ent-
fliehen fuchen — was nır großen und fräf-
tigen Organismen gelingt —, jo fünnen
die Kapjeln zwar gelodert werden, bleiben
aber durch ein elaftiiches Lafjo, das Will
bei der Hydra entdedte, am Körper des
Polypen befeftigt. „Neijelzellen” anderer
Konftruftion Haben überhaupt nur die Yuf-
gabe, Jich mit ihren Fäden in feine Haare
jie durch ihr Sekret anzufleben. _
Sit eine Kapjel einmal verjchofjen
worden, jo fanı die Neljelzelle jte nicht
mehr neu bilden. Der Erjaß erfolgt vu a
neu zumandernde Neijelzellen, die an einer Neffelselten von Hydra. A mit erplobierter Rapfel, B mit
anderen, oft der Außenmelt entzogenen an. ae. en EREENE N
Stelle bes Ektoderm3 entjtehen und ganz
jelbjtändig, unter mehrfacher Durdhbohrung der Stüblamelle, zur Berbrauchsitelle wandern.
Auf diefem Weg können fie fogar den Magenraum durhihwimmen, wie Hadzi bei Tubu-
laria fand. Am Berbrauchsplag befeftigen fie fich außen an der Stüßlamelfe und drüden
fich zwischen den. Eftodermzellen bis an die Oberfläche durch. Die Menge der Nejjelzellen
auf den Fangarmen der Cnidarier, die durch diefe Nachwanderung immer wieder ergänzt
wird, ift ganz gewaltig. Möbius jchäßte die Zahl der reifen Nejjeltapjeln bei der in der
Nordjee gemeinen Noten Seerofe für einen Fangarım mittlerer Größe auf mehr als 4 Mil-
lionen und für alle Fangarme zufammen auf wenigitens 500 Millionen.
102 Nefjeltiere: Hydrozoa,
Grite Klaffe:
Hydrozoa.
GErite Ordnung:
Hydroiden (Hydroidea).
Grite Unterordnung: Hydrariae.
Am beiten und genauejten unterjucht jind die Fleinen Süßwajjerpolypen oder
HHhodren. Sie mögen hier Deshalb und wegen ihrer überjichtlichen Organijation an exiter
Stelle jtehen, wenn auc) Die juitematische Zoologie mehr und mehr dazu gefommen it,
fie nicht mehr als urjprünglich einfache Formen aufzufalien, jondern al3 Degenerierte
Sprojjen des Hyprozvenjtammes, die gegenüber den meilten ihrer marinen Ahnen im Süß-
wajjer „heruntergefommen“ find.
Man wird die Süßmwaljerpolypen meift nicht vergeblich fuchen, wenn man Wajjer
aus jtehenden, mit Pflanzen bewachjenen, aber Haren Teichen und Tiimpeln jamt einigen
Wafjerpflanzen in ein Glas Shöpft und jorgfältig dDurchmuftert. Namentlich an Wafjerlinjen
entdecdt man zarte bräunliche oder grüne Schläuche, die etiva 1 cm weit ins Wajjer Hinein-
tagen; lange feine Fäaven jpielen am freien Ende ins Wafjer hinaus, hümmen jich, dehnen jic)
aus und ziehen jich wieder zufammen. &3 find die Sangfäden, jechs bis acht im Duchichnitt
bei jedem Bolypen, Die das etwas vorgewölbte Mumpdfeld, mit dem Mumd in der Mitte, um-
Itehen. Schon bei der Betrachtung mit einer guten Lupe wird man fnotige Berdieungen daran
erfennen (j. die Zarbentafel, Fig. 1). Darin find die Nejjelfapjeln in Batterien angehäuft,
finden fich aber auch am ganzen itbrigen Körper im Eftoderm verteilt. Die braune Hydra auf
der Tafel Hat fich ihrer gerade bedient und einen Wafjerfloh gefangen. Das Tierchen ijt mit
einem der Tentafel in Berührung gefommen, große, birnfürmige Klapjeln (j. ©. 100) jind
erplodiert und haben es gelähmt; andere Tentafel Haben die Beute „gewittert” und haben
lich ebenfalls darangelegt. Bald ijt eS ganz regungslos und wird dann zum Munde geführt.
Außer den großen Stilettfapjeln fir den Angriff Haben aber alle unjere Hypdren nod) andere
Sorten zur Verfügung: große Mengen Heiner, birnfürmiger Widelfapjein Ichlingen ihre
säiven um feine Anhänge und Boriten eines Beutetieres, um es jicher feitzuhalten. Große
und Heine, meilt zylindrijch geformte Haftfapjeln ermöglichen der Hydra Durch ihr Flebriges
Ceftet, beim Weiterkriechen die Tentatel oder auch den Mundfegel feitzuheften.
Tach ver Geftalt der verjchtevenen Nefjelfapjeln werden die einzelnen Hypra-Arten
jebt Hauptjächlich unterjchievden. B. Schulze führt Danach neuerdings (1914) acht Deutjche
Arten an, zu denen noch eine Bradwafjer-Unterart von der grünen Chlorohydra viridis-
sima Pall. fommt. ®Diejer, unjer Grüner Süßwafjerpolyp, wird höchitens 115 cm
lang, ohne die Tentafel, die ungefähr die Körperlänge erreichen. Er findet jich überall in
ruhigen Gewäfjern, auch in den Heinften Pfüsen. Die Färbung rührt, wie bei „grümen"
Sükwafjerichwämmen, von parafitiichen einzelfigen Algen, Zoochlorellen, her, die nur bei
diejer einen Hydra-Art, aber da ganz regelmäßig, in den Zellen des Entoderms vorkommen.
Daß das Tier fie nicht unbedingt benötigt, hat Whitney beiwiefen, indem er die Algen mit
ihwacher Glyzerinlöfung entfernte und dann die Hhdren entfärbt weiterzüchten konnte.
Süßwailerpolypen.
Etwa 6fache Vergrößerung.
1. Grüner Süßwaiferpolyp, Chlorohydra viridissima Pall. — 2. Brauner Süßwafferpolyp, Pelmatohydra oligactis Pall.
HHydroiden: Hydrariae (Süßwafjerpolypen). 103
Auch die Age läßt fich auf fünftlichen Nahrböden gejonvdert erhalten, gedeiht aber jchfechter
als bei ihrem Schmaroberleben. Die grüne Hydra hat offenbar einen Vorteil von der treuen
Genojjin; zwar fann je die von Ddiejer gebildete Stärfe, oder die ganze Alge jelbit, niemals
als Nahrung verwerten, wie man lange geglaubt hat, aber fie vermag in fchlechtem, fohlen-
jäurereichem Wafjer (nach Hadzi) länger auszuhalten al3 die braunen und grauen Arten,
denen fein pflanzlicher Barafit Sauerftoff zur Durchatmung der Gewebe Tiefert.
Bon jenen anderen Arten ijt die zweite Korm unjerer Tafel, die fogenannte „Braune“
HHdra, Pelmatohydra oligactis Pall., bejonders in Seen und Teichen häufig anzutreffen.
Shre Färbung geht durch alle Schattierungen von braun, ift aber auch oft gelblich, rötlich
und grau. ©ofort zu erfennen it fie an dem deutlich abgejeßten, jtarf verjchmälerten Stiel,
der ganz farblos und durchlichtig it. Trifft man die Tiere in guten Lebensbedingungen,
oder hat man eine Yucht von diejer Art auf die Höhe gebracht, dann fallen fie, wenn fie völlig
ausgejtredt im Waffer hängen, auch durch recht anjehnliche Länge auf: bis zu 3 cm Länge
vehnt jich der Körper, die Tentafel jtreden fich bis zu 25 cm und ziehen fich dabei jo dünn
aus, daß jie Schließlich dem unbewaffneten Auge entihwinden. Eine jeltene Art, die eben-
falls einen abgejegten farbiojen Stiel bejibt, P. braueri Bedot, wird nur etiva halb jo groß,
läßt jich aber mit Sicherheit nur im Bau ihrer Haftfapjeln von oligactis unterscheiden.
Bei den übrigen fünf deutichen HHndraltten, die früher aß „Oraue Hydra” galten,
berjüngt jich der Körper allmählich ohne ausgejprochenen Etiel in die Fußjcheibe; wer fie
bejtimmen will, muß ji die Mühe nehmen, ihre Neijelfapjeln unter dem Mifrojfop bei
jtarfer Vergrößerung zu jtudieren. Hahfreiche Arten, die man früher aufgeitellt hatte, find
lediglich Anpafjungsformen an bejondere Verhältnijje; namentlich find es Hochgebirgs-
formen verjchiedener Arten, bei denen Farbe und Gejtalt charakteriftijch verändert jein fünnen.
Der Verbreitung der Hhoren über der Erde jcheint Feine Schranke gezogen. Man
fennt jie von ganz Europa und Nordamerika, von Chile, von Feuerland, von Japan, von
Bengalen, aus dem Victoriafee, von Sanfibar und von Grönland. Bei uns gehen fie
bon der Tiefebene bis in die falten Hochgebirgsjeen; Annandale bejchreibt fie aus Tibet
bon iiber 4500 m Höhe. Sie leben in eisbededten Tümpeln wie in warmen Quellen. Jm
Genfer See find Süßmwafjerpolypen bis zu 300 m Tiefe gefunden worden; gemöhnfich
halten jie jich aber in der oberiten, jauerftoffreichiten Region der Seen und Teiche auf,
two jie Die reichlichjte Nahrung finden; nur im Herbit und Winter gehen fie bei uns bis auf
den Grund der Gemwäljer. Zr der warmen Sahreszeit fißen fie überall nahe der Oberfläche,
mit Vorliebe an Wafjerlinfen und anderen Pflanzen, die auf dem Wafjer treiben, jotie
an der Unterjeite der ins Wafjer gefallenen welfen Blätter. Auch auf Schnedenhäufern
und an den Köchern der Köcherfliegenlarben fiedeln fich die Polypen an, ohne durch die
Bemegungen ihrer Unterlage beunruhigt zu werden.
Sonjt jind die Hydren außerordentlich empfindlich gegen jede Störung und ziehen ich
bermittel3 ihrer Muskelzellen, die im Ektoderm in Längszügen, im Entoderm ringförmig
angeoronet jind, bei ver geringiten Erjchütterung rvafch zu fteefnadelfopfgrogen Knöpfchen
zujammen. Schon den alten Beobachtern galt diefe Bewegung als ein Beweis fir die
tieriiche Natur der pflanzenähnfichen Gejchöpfe, ebenjo wie die Fähigkeit der Hydren, den
Plab zu wechjen. Zn Behälter wandern fie in den beftbelichteten Winkel, gemöhnfich in
der Weije, daß fie jich zur Unterlage neigen, etliche Tentafel vermittelß der Haftfapfeln
jeitfleben, den Körper nachziehen, fich wieder mit der Fußicheibe feitfegen, die Tentafel
104 Nejjeltiere: Hydrozoa.
(öfen, von neuem befejtigen ujtv., ganz jo, wie jich die Spannerraupen bewegen. Auch durch
richtige Pınzelbäume fommt Hydra weiter: der Mundfegel mit Dem großen Tentakelfvanz
fegt fich auf die Unterlage, Hebt jic) an, und dann überjchlägt ji) das Tier. Jin jeltenen
Fällen Hat man den Heinen Afrobaten nır auf den Armen „laufen“ jehen; gelegentlich
vermag das Fußende auf eine noch ungeflärte Weife einfach weiter zu gleiten. Manchmal
wird Hydra auch auf dem Wajjer treibend gefunden; fie hängt jich dann, wie viele unjerer
Süßmafjerjchneden, mit ihrem Fußende an das Oberflächen-Spannungshäutchen des
Wafjers (Ocourfield). i
Am beiten fann man die Ortsbewegungen bei der namentlich an warmen Sommer-
tagen jehr lebhaften Chlorohydra viridissima verfolgen, wenn man die Pläße im Glas-
behälter bezeichnet, die ein Tier nacheinander einnimmt. Bei diejer Gelegenheit Yajjen
fich leicht auch „Tangbewegungen” feitjtellen, bejonders wenn die Tiere gehungert haben.
D. Steche jchildert fie uns in feiner Hydra-Monographie: „Das zunächlt lang ausgeitredte
Tier zieht fi) langjam zufammen, macht eine Heine Wendung und jtredt jich wieder aus.
Nach einiger Zeit erfolgt eine neue Kontraktion, eine zweite Wendung und Erpanjion.
Auf dieje Art bejchreibt das Tier allmählich einen Ktegelmantel im Wafjer, wobei aber die
einzelnen Berfchiebungen nicht immer in gejegmäßiger Richtungsfolge einzutreten brauchen.
3 wird auf Ddiefe Art von der Hydra allmählich der ganze Umkreis abgejucht, und Dieje
'* Einrichtung ftellt fih aß ein Mittel zum Nahrungserwerb dar. &3 ift daher leicht einzu-
jehen, warumt e3 gerade bei viridissima, die am Fleinften ift und die Fürzejten Tentafel hat,
bejonder3 ausgebildet ijt. Hat die Hydra lange nichts gefangen, jo folgen fich dieje Be-
mwegungen in furzen Abjtänden von 1—2 Minuten. DVerläuft diefer Verfuch längere Zeit
erfolglos, fo beginnt Chl. viridissima zu wandern.“ So ändert Hyora ihre Stellung, bis
fie einen ergiebigen Jagdgrund gefunden hat. Hier treten die Kejjelfapjeln in Tätigfeit
gegen jedes Tier, daS vor die Tentafeln fommt und nur irgend bewältigt werden fann.
Hat ein Tentafel gefaßt, jo neigen jich die übrigen Hinzu und „helfen“ das Opfer zu
verftriden. &3 find nicht nur Heine Krufter; derbe Müdenlarven werden ebenjo bemältigt
wie Würmer, felbit wenn fie die Körperlänge des Volypen um ein Mehrfaches übertreffen.
Sogar der Fischhrut wird der Räuber gefährlich: Schuberg mußte feftitellen, daß junge
Forellen von 3—4 cm Länge in ziemlicher Anzahl von den Polypen getötet wurden.
Feithalten Tonnten fie die kräftigen Fifche nicht mehr, aber dieje fonnten fich von der Gift-
wirfung der Nejielfapfeln, die zahlreich an ihnen zu finden waren, nicht wieder erholen.
Meift ift Die Beute beträchtlich größer alS der Mund. -Sie wird troßdem durch Die
Tentafeln vor die Offnung gebracht, und dann erweitert fich diefe gewaltig und jchiebt fich
langjam über jede noch fo große Daphnnie. Würmer und Snjektenlarven werden von einem
Ende aus nach und nach herangeholt oder in der Mitte eingefnict, wenn fie anfangs quer
bor dem Mumde liegen. Der im Magen der Hydra befindliche Teil des Opfers wird jchon
zerlegt, während aus dem Munde noch ein unverjehrtes Stüd Herausragt. Hhoren in
Aquarien, die reichlich Daphnienfutter auf einmal erhalten, ftopfen jich richtig „bis zum
Plagen” voll, fo daß der Körper al3 ganz dünner Überzug einen unfürmigen Haufen der
Heinen Krebje überzieht. Dann treten Drüfenzellen des Entoderms in Tätigfeit, die Die
Nahrung durch ihr Sekret zerlegen, aber nur bis zu Teilchen, die von Freßzellen (Pha-
gochten) des Darmes aufgenommen werden, ganz jo, wie Amöben ihre Nahrung ein-
berleiben. Häufig werden die Tentafel, an denen die Opfer Hängen, mitverjchlungen;
für die Verdauungsfäfte find fie aber unangreifbar und fommen unverjehrt wieder zutage.
HHydıoiden: Hydrariae (Süßmwajjerpolypen). 105
Was don der Beute nicht zerlegt werden fanıı, wie die Chitinpanzer der Sirebje, wird
fpieder ausgejpien.
Ermöglicht find alle die mohlgeregelten Bewegungen der Hhdren — die ähnlich bei
den meilten Cölenteraten vorhanden find und diefe im Verhalten der Ummelt gegenüber
weit über die Schwänme ftellen — durch ein Nervenjyitem: in der Tiefe des Eftoderm3
twie des Entoderms Tiegen in der Nahbarichaft der Stüblamelle Zellen, die feine protoplas-
matifche Ausläufer entjenden. Dieje verbinden jich zum Teil untereinander und bilden ein
Nervennes, ein „Difjujes Nerveniyjtem". Andere Ausläufer der Zellen aber treten zu
Muskelzellen und zu GSinmeszellen, die fic) in beiden Lagen des Körpers finden, die
Ginnezzellen am reichlichiten auf der Mundjcheibe und den inneren bafalen Teilen der
Zentafel jowie auf der Fußjcheibe; auch das Nervenneb ijt im Mundfed und am Tuß-
ende — den wichtigen Uufgaben diejer Teile im Leben der Hydren entjprechend — am
dichteften. ©o fann ein Reiz, der irgendeine Gtelle des Volypenförpers trifft, durch den
ganzen Körper geleitet und mit dem ganzen Körper beantiwortet werden.
&3 gibt nur wenig Reize, die auf die Süßwajjerpolypen wirken: von der Nahrung
ausgehende hemijche Reize löfen Bewegungen der Tentafel aus, die nad) der Beute „juchen”,
bis fie erreicht ift und die Nefjelfapjeln wirken können. Berühren der Kapieln allein bewirkt
noch feine Exrplofion; wenn der Exrperimentator die Cnidocile mit einer Nadel oder einem
Papierjtüdchen reizt, wird der Faden nicht ausgeftogen. — Feder ARud oder auch nur eine
leife Erjchütterung des Gefäßes läßt das ausgejtredte Tier im Nu zufammenfahren. „Ge-
wöhnung” Fan diefen Sluchtrefler, der die angreifbare Dberfläche ftarf verringert, her-
unterjegen oder ausschalten, wie bei den auf lebenden Schneden angejiedelten Hypdren.
Auch rafcher Temperaturwechjel bewirkt ein Zufammenziehen. Empfindlich gegen Licht
ind alle Hydra-Ntrten, und zwar wandern fie nach belichteten Stellen hin, two fich auch die
Heinen Srebje zu jammeln pflegen. Am ftärkiten „pofitiv Heliotropiich” ift die grüne Hydra;
darin hiegt für fie ein bejonderer Vorteil, denn ihr Wohlbefinden hängt von der afjimilieren-
den Tätigkeit der parafitiihen Zoochlorellen ab, und deren Chlorophyll arbeitet natürlich nur
im Licht. Wie fchon bei den PVrotozoen ijt bei Hydra und überhaupt allen Cölenteraten
die Erregbarfeit vom phyfiologiihen Zuftand des Tieres, von feiner „Stimmung“, bedingt:
die Tentafel einer gejättigten Hydra führen Fangreflere nur läjlig oder gar nicht aus.
Die vermehrt fie) Hydra? An der braunen Pelmatohydra oligactis unferer Tafel
ist eine Sinofpe, die feinen Mund und noch ganz Furze Tentafel hat, aber jchon Durd)
einen eigenen Stiel mit der Alten verbunden ift. Sie ijt nicht einfach dadurch entitanden,
daß jich die Leibeswand der Mutter ausftülpte, fondern faft ihr ganzes Zellmaterial wird
bon indifferenten, unter dem Eftoderm der Alten gelegenen Zellen geliefert, die fich bei der
Knojpenbildung rafch vermehren. Noch am Muttertier bildet die ungefchlechtlich erzeugte
junge Hydra Mund und Tentafel völlig aus und vermag fi) ihr Futter felbft zu fangen.
beide aber Haben, wenn eines reiche Beute macht, Vorteil davon, denn ihre Magenräume
gehen ineinander über. Solcher Sinofpen entjtehen bei Pelmatohydra oligactis bis zu acht
und mehr an einem Polypen; e3 fommen fogar Enfelfnofpen an ihnen vor, jo daß gelegent-
lich allerliebjte Feine Tierjtöde von 10—20 Smdividuen entjtehen können. Schließlich aber
löjen jich die Knojpen ab; dies gejchieht, wenn die Tiere in voller Lebenskraft ftehen, meift
ztemlich bald nachdem die jungen Volypen fertig ausgebildet find. Durch Knofpung ver-
_ mehren fie) die Hhoren das ganze Jahr Hindurch fehr rajch, am ftärkjten in der warmen
Sahreszeit. Schäffer (1755) errechnete — unter der Vorausfegung, daß alle gefnofpten
106 Nejjeltiere: Hydrozoa.
Nachfommen eines Stammpolypen am Leben bleiben und jich gleichmäßig vermehren —
als Endzahl von 30 Generationen während der fünf warmen Monate 25467 Sndividuen!
Sr Aquarien werden fie gelegentlich zu einer üblen Plage, die Die Aufzucht von Zungfiichen
unmöglich macht. Weniger auffällig find andere, jeltenere Formen der ungejchlechtlichen
Vermehrung. Somohl die grimen wie die „grauen und „braunen“ Hhoren jchniren ich
gelegentlich an einer beliebigen ©telle ihres Körperjchlauches einfach quer durch. Das hintere
Stir braucht nac) Koeli 2 bis über 4 Tage, um einen neuen Tentafelfranz mit MunDd-
icheibe zu bilden, daS vordere 3 bis über 7 Tage für die neue Fußjcheibe. Auch Längs-
teilung darf bei den Hhdra-Arten als feitgeitellt gelten, jelbjt wenn vieles, was jo gedeutet
wurde, auf Mißbidungen beruhen mag: eine Furche jchreitet vom Mundende einer Hhora
‚ aus nach unten fort, bis zwei Volypen auseinanderrücden fünnen.
Aber die Hydren vermögen fich auch gejchlechtlich fortzupflanzen. Die grüne Hydra
der Tafel zeigt unter ihrem Tentafel zwei weißliche Budel mit einer Heimen Erhebung in
der Mitte, Die Hoden, und in der unteren Hälfte einen fait abgejchnürten Fugeligen Körper,
eine reife Eizelle, die bei der grünen Hhora bereit3 von den parafitifchen Grünalgen be-
fallen ift. Beiderlei Gejchlechtsprodufte find nicht immer gleichzeitig da: neben ziwitterigen
Sremplaren finden fich andere nur mit Eiern oder nur mit Hoden. — Bald zwitterig, bald
getrennt gejchlechtlich jcheinen auch die übrigen Arten aufzutreten, bloß Pelmatohydra
oligactis joll immer Gejchlechtertrennung haben. Die Snojpenbildung wird in der Regel
nicht gehemmt, wenn ©ejchlechtsprodufte an einer Hydra reifen; in jeltneren Fällen ent-
wideln die Snofpen jelbit Schon Eier und Larven. Die Eier der HhdraArten find durch furze
Stiele im Eftoderm des Muttertiers verankert; fie machen hier auch ihre exjte Entwidelung
Durch, nachdem jie von einem Samenfaden, wie jie von Zeit zu Zeit aus den Fleinen
Hödern auf der Mitte eines Hodens ausjchwärmen, befruchtet wurden. Außer bei P. oligactis
bilden fie eine Schale, die bei den einzelnen Arten jehr verichieden gebaut ift, und fallen
ichlieglich einfach ab. Sie liegen dann noch 6-8 Wochen, ehe die Heinen, aber bereits voll
tändigen VBolypen ausjchlüpfen; diefe ftreden fich und jeben fich bald feit. — Sit Dagegen
bei P. oligactis ein jchalenlojes Ei reif zur Ablage, dann neigt jich die Alte, bis der Steim den
Grund berührt. Dort wird er Durch einen Schleim, den die Eftodermzellen der Mutter au3-
icheiden, fejtgeflebt und bildet exit jeßt eine Schale. ©o Ffünnen nach Brauer3 Angabe
bis zu 10 Eier abgelegt werden, die die Mutter im Kreis um fie) anordnet. Die Jungen
diejer Art jchlüpfen dann jchon nach 14 Tagen aus.
Sejchlechtliche Vermehrung tritt nicht wie die Knojpung das ganze Jahr Hindurch
auf, jondern nur unter bejtimmten, für die einzelnen Arten verjchtedenen Temperaturver-
hältnijjen. Bei der grünen Hhdra und einer „grauen” Art (Hydra vulgaris Pall.) lölt zu-
nehmende Erwärmung des Waffers die Ei- und Samenbildung aus, die bei der lebteren
bei etiva 200 C beginnt. Umgefehrt wird Pelmatohydra oligactis dazu angeregt, wenn
jich das Wafjer auf 8S—10°C abfühlt; jie wird im Freien voriviegend im Herbit, die beiven
anderen im Frühjahr mit Gejchlechtsproduften getroffen.
Yeinde, die den Heinen, aber jehr wehrhaften PBolypen nachitellen, gibt eS Faum.
Tach Steche übernimmt unfere große Sumpfjchnede Limnaea stagnalis in Aquarien ge-
legentlich den Bolizeidienft gegen die Räuber; die Volypenläufe (Trichodina pediculus;
bgl. ©. 68), Infuforien, die man oft auf den Volypen eilfertig herumgleiten fieht, freijen
ihren Wirt nicht an, wie vielfach geglaubt wırde, fondern nüben ihm, meil fie auf den
Hhoren lebende Pilze wegfteffen. Aber ein anderes, in bezug auf Nahrungsaufnahme
HHdroiden: Hydrariae (Süßmwafjerpolypen). 107
außerordentlich Yeiftungsfähiges Snfufor, Prorodon teres (vgl. ©. 62), greift, nach) Neu-
fauf, Hydren erfolgreich an, indem e3 jich mit dem Zellmund über ein Tentafelende zieht
und den mit Nejjelfapfeln bejpidten Zangarın bi3 zur Bafis herunter allmählich verdaut.
Berleungen fünnen einer Hydra nicht fchaden; fie übertrifft ihre mHythologijche
Batın bei weiten an Negenerationsfraft, wie Die Foricher des 18. Zahrhundert3 bereits
taunend feititellten. Schon 1740 hat Trembley zum exften Male einen Süßmwafjerpolypen
quer Durchichnitten; er wurde „in große Aufregung verjebt", al3 er neun Tage darauf am
Hinterende neue Arme fproffen jah. Der VBerjuch ift unzählige Male nachgemacht und auf
alle erdenfliche Weile abgeändert worden: aus winzigen Körperjtüden bilden fich neue
Sporen, jelbit dann noch, wenn das Teilchen Y/,oo Des Körpers einer erwachjenen Hhodra
dDaritellt und einen Durchmejjer von noch (mindeltens) !/, mm bejibt, wie Miß Weebles aus-
probierte. Am beiten regenerieren Stüde des Körperjchlauchs, denn hier finden fie) am
veichlichiten indifferente Zellen, aus
denen noch alles werden Tann.
Zentafel vegenerieren jchlecht, weil
die gewebliche Sonderung der Zel-
fen in Ddiefen Spezialapparaten zu
weit gegangen it, Stüde aus Sino]-
pen Dagegen infolge der zahlreichen
indifferenten Zellen in den jich neu
bildenden Teilen jehr gut; hier _
braucht die Menge von Körper 9 —_ ee
gemwebe, die no zur Regeneration PBolyp von Microhydra ryderi Potts, fladhes Stödchen mit 2 Haupts
5 3 2 äften, ftarf vergrößert. abe Aftfnojpen, s gallertige, h hornige Scheide
fähig it, jogar nur zig mm im @eriderm), fr erfte Anlage einer Fruftel, w Eleiner Strudelmurm, der dur
Durcchmejjer zu betragen. Begrün- ke en an tun RA anklen = N
det jind Derartige Negenerationen
wie bei den Schwämmen in der fait gleichwertigen Ausbildung aller Störperteile; lebens-
wichtige Zentralorgane, wie fie die Höheren Tiere beiten, fehlen eben noch ganz. — Das
berühmtejte Experiment an Hydra Hat aud) Ihon Trembley angeftellt:’es ft ihm gelungen,
das Tier umzufrempeln! Er reiste einen Bolypen, der jich mit Nahrung Die vollgepfropft
hatte; diejer zog fich zufammen, und Trembley vermochte dann mit einer ftumpfen Schmweins-
borjte das Fußende nad) innen umzuftülpen und bis an die Tentafel zum Wunde heraus-
zutreiben. Und ein Teil der Bolypen ging an diefem ungeheuerlichen Eingriff nicht zu-
grumde, jondern jchien umgeftülpt mweiterleben zu können, jo daß das Eftoderm jcheinbar
als Entoderm funktionierte und umgekehrt; an einer Nüdjtülpung wırden die Bolypen
durch quer eingeftecte Borjten verhindert. Crft Sihikawa und Nußbaum jtellten feit, daß
jolche Bolypen ihre beiden Zellagen unter allen Umständen in die alte Anordnung zurid-
bringen müljen, wenn jie weiterleben follen; Eftoderm und Entoderm find jelbit bei diejen
niedrigen Lebensformen nicht mehr vertaujchbar. Sit eine einfache Rüdjtilpung wegen
durcchgeitedter Borjten unmöglich, fo paltet fich der Polyp entweder bis zu diejen Hinder-
niffen auf und fchaltet fie dadurch aus, oder aber alle Eftodermzellen fegen fic) in March
und pilgern durch) die von den Borjten verurfachten Löcher nach außen.
Einen ganz einfad) gebauten Süßmwajjerpolypen, Microhydra ryderi Potts, der aus
England und Nordamerika jchon länger befannt tft, Hat U. Goette neuerdings (1908) auch in
108 Nejjeltiere: Hydrozoa.
Deutjchland gefunden (j. Abb., S.107). Das winzige Gefchöpf wird höchiteng T/,mm Yang und
!/ „mm breit und bejißt feine Tentatel. Der untere Teil des Körpers jtedt in einer vom
Eftoderm ausgejchiedenen Hornigen Hülle, einem „PBeriverm‘, das oben in einen dünnen
ichleimigen Belag ausläuft und unten auf Wafjerpflanzen, Steinen und anderem feitjißt; es
ift in der Negel mit Steinchen und Algen überfiuftet. Nur das etivas verdidte „Köpfchen“
ichaut aus dem PBeriderm Heraus; e3 bejibt in der Umgebung des Mumndes Nefjelfapjeln, mit
deren Hilfe die Beute, Keine Wiirmer und dergleichen, wie bei den Hhdren betäubt wird, um
dann aufgenommen und verdaut zu werden. Syn den jchwachen Körperümmungen bei
der Nahrungsaufnahme erichöpft jich, jomweit befannt, Die ganze Bemwegungsfähigkeit eines
Microhydra-Bolypen. Gewöhnlich fommen die Tiere nicht einzeln, fondern zu 2—4 in
feinen, durch Knofpung entitandenen Stöcdchen vor; Doch können jich die feitlich entjtehenden
Snojpen auch abjchnüren und jelbitändig feit-
jeben. Wie beiden Hhpdren findet ich gelegent-
fich Querteilung. Daneben gibt e3 eine eigen-
tümliche Sorm der Längsteilung, die Frujtel-
bildung. Nur auf einem fleinen Teil des
Körpers erhebt fich ein länglicher Wulft und
ipaltet jih ab. Dieje „Sruftel” bleibt einfach
fiegen, wo je Hinfällt, oder jie wird Durch
Wafjerftrömung verichleppt; erjt nad) einiger
Zeit macht fie fich jeßhaft und wäcdht zum
Tolypen aus. ;
Mit der geichlechtlichen Fortpflanzung hält
3 Mierohydra tie die meijten Hhydroidpoly-
Mebufe von ee dee Potts, fort ie pen de3 Meeres: Eier und Samen entjtehen
ee on onben ao a nicht am Polypen felbit, jondern an einer
‚„Medufe” (j. unten), die aus dem Bolypen-
föürper herborfnojpt, jich ablöft und frei im Wafjer Herumfchwimmt; exrjt dabei erlangt jie
die Gefchlechtsreife. Über die Mierohydra-Medufe (j. die Abb.) ift wenig befannt; in Deutfch-
land wurde der winzige Organismus (O,a mm Durchmeijer bei 0,3 mm Höhe) exit einmal
gefunden, im Juni 1911 im Finomfanal unterhalb der Eberswalder Schleufe von W. Schorn,
ohne daß der zugehörige Volyp am jelben Pla entdedt wurde. Der Beobachter Der amte-
rifanijchen Microhydra, ©. Potts, aber hatte das Glüd, 12 Jahre nachdem er die Tiere
zum erften Male fah und zitchtete, die Enttwicelung der Medufen am Rolypen zu beobach-
ten. Die Medufe unferer Fiqur ift unreif; gejchlechtsreife Medufen von Microhydra jind
bis jegt (1915) noch nicht befchrieben.
Die Medufen der Hydroidpolypen, wie man jie im Meere jederzeit in zahlreichen
Arten erbeuten fann, jehen ganz anders aus als die Volypen, denen fie entiprofjen jind,
und leben auch ganz anders al3 diefe. Sie find Angehörige des Planftons, der Lebens-
gemeinjchaft, zu der alle Tiere und Pflanzen gehören, die mit Dem Waffer jchiwebend treiben
und nicht eigene Sraft genug haben, gegen Strömung und Wellenfchlag anzufämpfen.
Und für das Schweben find gerade die „HHydromedufen” wunderbar ausgerüftet: der Körper,
HHydroiden: Hydrariae (Hydromedufen). 109
bon der Form einer Glode oder eines aufgefpannten Regenfchirmes, muß das Herabfinfen
im Wajjer aus den oberen, belichteten und durch die hier lebenden Algen nahrungsreichiten
Schichten möglichjt verlangfamen, jo wie der Fallichium den Luftihiffer vor dem Abfturz
bewahrt. Der allergrößte Teil der Körperfubftanz ift zu einer wafjerreichen Galferte ge-
worden, die wenig jehiwerer ift als das tragende Meerwaffer. So gehört nır eine geringe
Kraftanftrengung des Drganismus dazu, den Körper in der Schmwebe zu halten oder nad)
oben jteigen zu lajjen. Außerdem vermag eine Medufe auch meift jehr gewandt nach allen
Richtungen zu [chrwimmen, wenn fie auch freilich nicht gegen Strömungen anfommt. Gie
arbeitet dabei nach einem ganz originellen Prinzip: -Die Glode zieht fich vermittelß einer
auf ihrer Unterjeite vingfürmig angeordneten Muskulatur Fräftig zufammen, das darin ent-
haltene Wafjer wird nach Hinten herausgetrieben und der Rüditoß treibt da3 Tier vorwärts.
Dann folgt ein Erjchlaffen und darauf erneutes Zufammenziehen: fo geht e3 rucktveife,
in pumpenden Bewegungen, Durchs Wajjer. ;
Der Bau der jcheinbar vom Hhdroid-
polypen jo ganz verichtedenen Hydromedufe
it übrigens in den Örundzügen völlig der
gleiche: in der Medufe hat fich der Polypen-
Ichlauch verfürzt und verbreitert. Aus der
Gtüßlamelle wurde die volumindje Gallerte.
Der Scheitel der Glode entipricht der Tuß-
icheibe des Polypen; gegenüber TYiegt die
Mumdöffnung, von der ein Magenrohr zum
Magen in der Glode führt; durch die Abplat-
tung des Körpers find die äußeren Teile des
urjprünglihen Magenraumes fo eng zujam- ;
jammengedrängt, daß hier die obere und die untere Entodermlage zu einer Yamelle ver-
Ihmeßen und nur die Mitte aß Magen” erhalten it. Da aber Nährftoffe auch in Die
Nandteile geleitet werden müijen, jo ‚bleiben in diefer Entodermlamelle noch Tanalartige
Hohlräume offen: „Nadiärkanäle”, meilt vier (oder ein Vielfaches von vier), ziehen Dicht an
der Unterjeite der Glode bis zum ARand, vo fie durch einen „Ringfanal” rings am Öloden-
tand herum verbunden find. Charakteriftiich für. die Hyoromedujen ift das musfulöfe
„Selm“, eine Doppelfalte des Eitoderms der Olodenunterfeite, die in die Glode Hinein-
tagt wie eine Blende. &3 unterftüßt die Glode beim Auspuffen des Wafjers. Die Ten-
tafel am Rand der Glode und auch der Mundrand führen zahlreiche Nefjelzellen. An-
jprücche, wie fie die freie Bewegung und die Jagd auf Beute an das Verhalten der Medufe
itellen, bedingen ein höher als bei den Polypen entwideltes Nervenfyftem, das fi) in zwei
Kervenringe fonzentriert; von diefen werden Sinnesorgane für Die Regelung des Gloden-
Ihlags und die Stellung im Waffer, aber auch Augen einfachfter Bauart innerviert.
sn der Regel find die Medujen getrennten Gejchlechts. Cier und Samen bilden
lieh in eftovermalen Gejchlechtsdrüfen. Aus dem befruchteten Ei entfteht meift eine frei
bewegliche Larve, die jich feitfegt oder zum Wolypen auswächlt, an dem dann wieder die
Medufen jprojfen. PVolyp und Medufe find zwei Generationen, der Polyp die unge-
i&hlechtliche, die Medufe die gejchlechtliche; fie folgen fich in regelmäßigen Wechjel, ftehen
in „Senerationswechjel".
Barum ein folcher Generationswechjel? Dieje Frage wird fich jedem aufdrängen,
. 2
Längsfäntttdurd eine Sydromedufe.
Nah D. Maas („Handmwörterbuch der Natur-
wifjenihaften‘, Bd. II, Jena 1912). ga-Gallerte,
ma Dagen, ri Ringfanal, te Tentafel, ve Bes
lum, go Gonade, st Stüßlamelle.
110 Nejjeltiere: Hydrozoa.
beionders, wenn er erfährt, Daß außerordentlich viele Sporoidpolppen iieber dadon ab-
gekommen find, Medufen zu bilden. Gejchlechtsprodufte entmwideln jich bei ihnen in aller-
hand Anhängen, „Gonophoren“, die vielfach) noch deutlich erkennen (ajjen, daß daraus
eigentlich eine freie Medufe hätte werden jollen, die aber nicht mehr fertig ausgebildet und
abgelöft wurde. Bet Syncoryne mira-
ı bilis Ag. föjen fich jogar zuerjt Medufen
_ ab, jpäter aber bleiben die Medufen-
fnofpen jien und reifen am Bolypen.
Kah Kühn (1914) it Die Bildung
von Medujen Der urjprünglichere Zu-
tanıd. Die qut jchiwimmenden ©e-
ichlechtstiere ermöglichten einer Art, ein
viel größeres Zebensgebiet fiir jich zu
erobern, al dies ewig an ihren Plab ge-
fejjelte Bolypen fünnen. Sn der unbe-
ichränften Verbreitungsmöglichkeit liegt
jedoch zugleich eine Gefahr fiir die Art;
geraten die Medujen auf die Hochiee
hinaus, fo verlieren die Larven, Die aus
ihren Giern entitehen, häufig die Ge-
legenheit, jich anzuheften und zu Boly-
pen zu werden. um fiel die Frühzeit
ver tierischen Entwidelung in eine Erd-
periode, in der es noch feine Tiefiee,
jondern nur flache Meeresbeden, reich
gegliederte Küften und zahlreiche Sn-
jeln gab, jo daß ausgejprochene Küjten-
und Slachjeetiere wie die medufenbilden-
den Hhdroidpolypen jich Durch ihre frei
ihmwimmende Generation über die ganze
Erde verbreiten konnten. AS jpäter in
der geologiihen Entwidelung der Erde
allmählich die tiefen Meere auftraten,
mußte jich die alte Tierwelt dem an-
pajjen, wenn fie nicht untergehen jollte.
— = = — Die Hydroiden mußten entiweder auf die
lleworn nodosa Esper. 30) SR) einer Kolonie mit eingejoge= gefährdete Sortpflanzung Durch freie
Sei ae Das moreten Que.) Medujen verzichten, oder dieje mußten
ven neuen Berhältnijjen angepaßt wer-
den. Die Entwidelung hat beide Wege bejchritten: bei einem Teil der Arten bleiben die
Medujen als mehr oder weniger rüdgebildete Gonophoren am Volypen, und e3 werden
eufs mannigfachite ausgebildete Rolypen und große Rolypenkofonien hervorgebracht. Bei
den anderen wird das Hauptgewicht auf die Medufengeneration gelegt: ihre Zahl fteigt
ungeheuer und damit die Ausficht, daß Überlebende die Art erhalten; auch Lebensdauer
und Lebenzmweije der einzelnen Medufe wird den neuen Anfpriichen beijer gerecht. Dies
Fe En
a en
HHhodroiden: Hydrariae. HhHdtoforallen. Tubulariae. 1
führt jchlieglich zu einer dritten Möglichkeit: die feitjigende Generation ijt ganz unterdrückt
und die freiichivimmende liefert aus ihren Eiern gleich wieder das neue Wlanftontier.
Zweite Unterordnung: Hydroforallen (Hydrocorallia).
Zu den Formen, in deren Erjcheinung den Polypen die augenfälligfte und mwichtigite
Rolle zulommt, zählen auch die Hydroforallen. Die Hartteile gleichen denen mancher
Korallen völlig und bejtehen wie bei diejen aus fohlenjfaurem Kalk (bi3 zu 97 Prozent).
Die Polypen find zu vielen Hunderten in Stöden vereinigt, die in den tropifchen Meeren
auf Feljen, jehr oft in Oejellichaft echter Storallen, jiben und ihnen auch in den Formen
völlig gleichen: große derbe Mafjen mit lappigen oder budelartigen Fortfäben bei dei
Milleporiden, oder reichverziweigte Bäumchen bei den Sthlafteriden. Als charakte-
riitiicher Vertreter jei Millepora nodosa Esp. genannt (bb., ©. 110). Auf dem ganzen
Sfelett, da3 vom Eftoderm ausgejchieden wird, öffnen fich zahlreiche Boren; immer ftehen
um ein größeres Loch 5—8 Fleinere in unregelmäßigen Kreis. Sm den Löchern fißen die
Bolypen, deren Magenräume durch ein Nöhrenmwerk in der Sfelettmafje alle miteinander
in Verbindung jtehen, wie eine Hydra mit ihren noch nicht abgelöften Knofpen. Sit die Um-
gebung des Stode3 ruhig, dann ragen die Bolypen aus den Poren heraus; bei der geringiten
Störung aber ziehen te jich blisfchnell zurüd. Sie treten in zweierlei Form auf: aus den
großen Offnungen ragen kurze, dide Schläuche in die Höhe, „Freßpolypen” (a), mit weiten
Mund umd vier furzen Tentafeln, die mit Nejjelgellen gejpiekte Endfölbchen tragen. Aus den
Heinen Löchern um fie herum erheben jich Ichlanfe, mundlofe Polypen mit zahlreichen (bis zu
20) jolcher geitielten Kejjelbatterien, die „Wehrpolypen"(b). Während der zentrale Freßpolyp
ruhig aufrecht jteht, führen Die peripheren PBolypen fortwährend jchlängelnde Bewegungen
aus, biegen ich auch manchmal zum Munde des zentralen herab; fie wehren Feinde ab oder
führen ihm Zutter zu, das fie erbeuten. Der Freßpolyp nimmt es auf, al3 Nahrung für die
ganze Gejellichaft. — Sehr Har zeigen die Hhdroforallen auch, daß Volyp und Medufe
im Örunde dasjelbe jind: aus einer gewöhnlichen Polypenanlage kann eine Medufe werden,
wenn Gejchlechtszellen — entweder nur männliche oder nur weibliche in einer Kolonie —
in jie einwandern und darin reifen. Die Medufen find bei ver Gruppe ganz verfümmert,
ohne Tentafel, ohne Ring- und Radiärfanäle, ohne Belum und ohne Sinnesorgane. Gie
Ihaffen fi) während ihrer Entwidelung eine weite, verjchloffene Kammer im Skelett, aus
der jie jchlieglich ins Freie durchbrechen. Die weiblichen Medufen, die man dabei beobachtet
hat, machen ein paar Schwache Schwimmmbemwegungen und fterben jogleich, nachdem fie die
amöboid beweglichen Eier entlajjen Haben.
Dritte Unterordnung: Tubulariae (Anthomedusae).
Weitaus die meijten und die befanntejten Hydroidpolypenarten bilden Kolonien auf
Steinen, Pfählen, Algen und Schnedenhäufern und alfen möglichen anderen Unterlagen
in der Strandlinie oder in geringen Tiefen. Gewöhnlich hat fich bei ihnen ein Volypen-
föpfchen mit Mund, Tentafeln und Magenraum von einem Stiel gefondert. Der Stiel
friecht wurzelartig auf der Unterlage; von diefer Wurzel und vom Stiel felbft Fönnen neue
- Polypen jprojjen, jo daß ausgedehnte Najen und ganz verichieden geformte andere Ver-
bände, wie Federchen, zierliche Zweige, Feine Büfche ufw., entftehen. Immer wird ein
„Beriderm” ausgejchieden, eine bräumnliche, derbe, chitinähnliche Subftanz.
112 Jejjeltiere: Hydrozoa.
Bei der Unterordnung Tubulariae läßt die jhüsende Perivermhülle die Polypen-
föpfchen frei. Zu ihre zählt ein Volyp, der fich mehr und mehr das Süßmwajjer erobert und
auch in Deutfchland feiten Fuß gefaßt hat, der Keulenpolyp (Cordylophora lacustris
Allm.;\. Tafel „Hohltiere I", 3, bei ©. 87). Er bildet 4—8cm hohe, zierlich veräftelte,
vötlichweiße Bäumchen, die mit ihrem Wurzelgeflecht auf Steinen, Ho und Mufchelichalen
aufgewachjen find. Freie Medufen fehlen. Eier und Samen entmwideln fich in Heinen
folbenförmigen Gonophoren, Die an den Äftchen unterhalb der Polypen Hervorjprofjen; die
Stöckchen find getrennt gejchlechtlich. Bis in die Mitte unferes Jahrhunderts hinein Fannte
man Cordylophora von der europäifchen und nordamerifanifchen Küfte nur aus dem Brad-
waljer an Flußmündungen; fie verträgt, nach Boulenger, höchitens bis zu 1,3 Prozent
Salzgehalt. Dann tauchte fie hier und da in dem Unterlauf von Zlüffen, jo in der Elbe und
in der Themie,
auf. Syebt ift fie
in der Alten und
Keen Welt weit
ins Binnenland
borgedrungen.
Dort gedeiht fie
in reinem Giß-
wafjer, in Der
©aale bei Halle
fait 300 km, im
Sllimor3-Niverin
Nordamerika an
zwei Funpitel-
Kolonte von Hydractinia echinata Flem. auf einem Buceinum=Gehäufe, dba3 ein
Cinfiedlerfreb3 bewohnt. Natürlide Größe. Nah Allman. len 1500 und
2400 km bon der
Kiüfte entfernt. Die winzigen, aus den Ciern hervorgehenden Wirmperlarven Ichwärmen,
nad Hinds, nur etwa einen halben Tag und können gegen eine Wafjeritrömung jchwerlich
anfampfen. Die Bolypeit dürften daher ftromanfiwärt nur pafjiv verichleppt werden, in
eriter Linie durch die Binnenfchiffahrt, indem fie jich am Boden der Fahrzeuge anliedeln.
Auch wandernde Mufcheln, wie die Dreyfjenjien, auf denen fie häufig jigen, fönnen fie
mitbringen. Sn ihrem ursprünglichen Clement, im Bradwaljer, gedeihen die Tiere am
beiten; die Süßmwafjerfolonien (f. Tafel „Hohltiere I", 3, bei ©. 87) bleiben Feiner und
nd weniger reich verzweigt.
ie bei Cordylophora bleiben die Gonophoren auch bei den ebenfalls getrennt ge-
ihhlechtlihen Kolonien der Hydractinia echinata Flem. feitjigen. Nur Iprofien fie nicht
einzeln an ven Stielen gewöhnlicher Freßpolypen, jondern ganze Bündel jißen an jchmäch-
tigen mundlojen Sndivivuen, deren Tentakelfranz bloß durch eine Anzahl von Nejelfnöpfen
angedeutet it. Das fonft ganz polypenartig gebaute Sndividuum hat offenbar nur noch
die Aufgabe, Gonophoren zu bilden; e3 ift ein „Blaftoftyl” geworden. Wieder ein Fall
von Arbeitsteilung innerhalb der Kolonie, wie bei ven Hhdroforallen, der aber infolge der
eigenartigen Lebensweife bet Hydractinia noch weiter geht. Die Heinen PRolypen fünnen
ich, nad) Hargitt, auf Uferpfeilern, auf Wafferpflanzen und auf den Scheren verfchiedener
strebje anjiedehn. Doch fir gewöhnlich bededen fie in dichtem Rafen die Schnedenfchalen,
Hydıoiden: Tubulariae. 115
die von Einfiedlerkrebjen bewohnt jind. Das Leben auf den Einjiedlerwohnungen bedeutet
einen Vorteil, denn bei den Mahlzeiten des Krebjes wird allerhand für die Freßpolypen ab-
fallen. Dazu wird der jeßhafte Tierftod vom SKrebjfe mit herumgejchleppt und gewinnt
Dadurch jo die bejjere Ernährungsmöglichkeit der mit freier Bemwe- De
gung begabten Tiere. Was bietet dafür der Polyp dem „Zreunde” u Ense
al Gegenleiftung? Außer den Nährpofypen und Blaftoftylen dd EEE
auch Wehrpolypen vorhanden, hier „Spiralgooide” genannt, fchlanfe
Schläuche (Abb. S.112), mundlos wie die Blaftojtyle, und an Stelle
von Tentafeln reichlich mit fnopfförmigen Nejjelbatterien verjehen.
Sie vermögen jich äußert geichmeidig ein= oder auszurollen und be-
hend nac) allen Seiten hin umzujchlagen. Dieje Wehrpolypen jtehen
dichtgedrängt am Schalenrand des Schnedenhaufes und find da ge-
tadezu Torwächter für Die Burg des Krebjes. Muß diejer retirieren,
jo ilt feine Bewegung das Signal für die Spiralgooide: fie jchlagen
mehrfach energijchin den Eingang der Schale Hinein und werden einen
Angreifer, der den Krebs noc) in jein Haus verfolgen will, empfind-
lich nejjeln. Aber nicht nur das: das Wurzelgeflecht der Hydractinia-
Kolonie ift ein außerordentlich dichter Filz aus mehreren Schichten
dDurcheinanderlaufender Wurzelröhren, von denen jede außer den
äußerten, die weich bleiben, Weriderm abjcheidet. ©o entiteht eine
gleichmäßige, hitinige Yamelle iiber der Schnedenjchale, die einer-
jeit3 die Kalfichale jelbit zu erfegen vermag, wenn diefe allmählich
aufgelöft oder jonjt zerjtört wurde, anderjeit über den Schalentand
hinauswäcdht, Die Schale in ihrer Form fortjebt und jo dem wachjen-
den Krebs die Wohnung vergrößert; der gefährliche Umzug in ein
neues Haug, bei dem er den weichen Hinterleib ungejchüst jedem An-
greifer preisgibt, Fann ihm dadurch erjpart bleiben (f. auch ©. 89). —
Zum Schuß der Kolonie jelbit reden jich aus dem majjigen Wurzel-
geflecht überall zwischen den Bolypen Stachefn aus Peridermjubitanz
in die Höhe, die bon manchen als eigene, bejonvders umgebildete „Sfe-
lettpolypen” aufgefaßt werden. Ziwilchen jie Duden jich Die Mitglie-
der des Staates hinein, wenn jie,bedroht werden oder das Schneden:-
haus einmal auf die Bolypenjeite fällt, vor allem aber auch, wer.n
eine Schale mit Hhydractinien bei Ebbe troden zu ftegen fommt: darın
bewahrt das zwilchen den Stacheln zurüdgehaltene Wajjer bis zur
näcdhiten Flut die zarten Tierchen vor dem Vertrodnen. Die al-
gebildete Art ift in der Nordjee und an den Küften des nördlichen De
Utlantiihen Dzeanz jehr Häufig. en Alm. Secrlenere
Und jebt eine medufenbildende Form: Auf unferer Farben- 0 © Stenow MI. ber
mathem.=phyjital. Klafje der
tafel „Meduien” bet ©. 126 rechts unten jieht man, wie jich eine Anger at Er Ri,
fleine Ölode mit leuchtend rotem „stern“ im Jnneren (Magen und 1909). (gu &. 114.)
Mund) durchs Wafjer pumpt. Der bejonderen Form verdantt jie
den Namen Tiara; freilich ift der folide Gallertauffab, der ihr d’e Ihnlichfeit mit der Krone
der Verjerfünige verleiht, nicht immer da. Tiara (Turris) pilesta Forsk. ijt eine der häufig-
ten Hyoromedufen an der atlantiichen Küfte Europas und im Mittelmeer. Zu Taujenden
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 8
=
114 Nejfeltiere: Hydrozoa,
können die hübjchen, ganz anfehnlichen Duallen (die größten haben 15 —40 mm Gfodenhöhe
bei 10-20 mm Durchmefjer) durch8 Waller treiben, große und Xleine Durcheinander. Der
vierfantige Magen, der in die Olode Hineinhängt und an defjen Wand die Gefchlecht3organe
fißen, Fan alle Abtönungen von gelblich bis tot, braum oder tiefpurpurrot zeigen, die Ten-
tafel, 12—48 an Zahl, find farblos oder hell purpurfarben; am Grunde jedes Fangfadenz
jist an jedem Kolben ein einfaches Auge, dunfelrot, braun oder purpurjchwarz. Ningfanal
und Radiärkanäle Fönnen bisweilen leuchtend Imaragdgrün fein. — Aus den Larven, die
aus dem Ei der Tiara hervorgehen, entitehen Stödchen de an den europäischen Küften
jehr häufigen, einfach gebauten Volypen Perisonimus repens Wright, die fich mit Vorliebe
auf Rüden und Beinen eines Krebjes, Corystes, anfiedeln. Daß diejer fich in den Sand
einzugraben pflegt, ftört die Polypen nicht weiter. Die Medufen löjen fich von ihnen be-
reit3 ab, wenn jie exit zwei Tentafel Haben. ne
Wahre „Berjuchskaninchen" der Naturforicher find unter den Hydroiden die Tubularia-
Arten, deren Polypen das nicht Durch Periderm gejchügte Köpfchen außerordentlich leicht
neu bilden fünnen, wenn e3 ihnen weggejchnitten wird. Sm Meer bejorgen le&teres vor
allem verjchiedene Krebje; manche find an das Leben in Tubularia-Stolonien bejonders an-
gepaßt und ernähren fich regelmäßig von den Köpfen der Polypen. Das Schidjal der Tu-
bularia-Nrten wäre bejiegelt, wenn fie nicht ihre hohe Negenerationzfähigfeit hätten ent-
mwideln können. Das Neubilden von Köpfchen ift ihnen fo zur „Semwohnheit” geworden, daß
diejer wichtigijte Teil eines Volypen ohne weiterez preisgegeben werden fann, wenn ihn ein
Angreifer padt. &3 jcheint jogar ein Xebensbedürfnis für Tubularia zu fein, im Laufe eines
Sommers mehrfach „ven Kopf zu verlieren”: wenn äußere Neize dafür ausbleiben, mird
da3 Köpfchen freiwillig abgeitoßen.
Tubularia larynx EX. Sol., eine der häufigften Arten, fommt an allen europäischen
Küften vor; jeder Volyp bejitt zwei Tentafelfränze, einen um den Mund und einen aus
größeren Sangfäden darunter an der breiteiten Stelle des birnfürmigen Köpfchens. Hier
hängen aud) bei reifen Tieren — die Stöde find in der Regel eingejchlechtlich —, wie Trauben,
zahlreiche medujenähnliche Gonophoren. Die Larven, die daraus hervorgehen, find jchon
richtige Heine Polypen (Actinulae), die aber noch durch Wimperichlag Schwimmen over auf
ihren Tentafeln frei herumfriechen, ehe jie fich feitjegen.
Nahe verwandt ist der Nieje unter den Hydroidpolypen, Branchiocerianthus imperator
Allm. (Xbb., ©. 113), von dem die Challenger-Erpedition ein Eremplar von 2,235 m Höhe
fiichte. Es jtammte aus dem Meer öftlic) von Japan, aus iiber 5000 m Tiefe, mit der größten,
aus der Hydroidpolypen überhaupt befannt find. Die meilten bis jet gefundenen Crem-
plare der Art find aber nur 8O—90 cm hoch; fie famen aus mittleren und großen Tiefen des
nördlichen Stilfen Ozeans, von der oftafrifanischen Küfte und vom Golfe von Panama.
Branchiocerianthus ift ein Einzelpolyp von prächtig roter oder gelber Tarbe, der mittels
eines Schopfes wurzelartiger Fortfäße am unteren Ende im Grund verankert ift. Nur Diefer
untere Teil, etwa */,, der ganzen Höhe, ift von Periderm bededt. Die Tentakeln find in
zwei Kränzen angeordnet, über deren unterem die Gonophoren jißen.
Vierte Unterordnung: Campanulariae (Leptomedusae).
Dei den Hhdroiden aus der Unterordnung der Campanulariae bildet das PVeriderin,
im Gegenjab zu allen Tubulariern, auch für die Köpfchen fchügende Hüllen in Geftalt zier-
licher, Heiner Ktelche. Auf Störungen durch Berührung oder chemifche Reize Klappen die
Hhydroiden: Tubulariae. Campanulariae. Tradhypmedujen 115
ausgejtredten Polypen ihre Tentafel bisjchnell zufammen und ziehen fi) völfig in dieje
Schlupfwinfel zurüd. Auch diejenigen Zweige der Kolonie, an denen Medujen oder fejt-
jibende medufoive Knofpen entjtehen, jind in feine, oft ganz bejonders ausgeftattete Peri-
dermfapjeln eingehüllt. Die Medufen unterjcheiden fich von denen der Tubularier Yeicht
dadurch, daß ihre Gonaden nicht ven Magenmwänden, fondern den Radiärkanälen anliegen.
Die Polypen Diejer
Gruppe jind wie die Tubu-
larier überall an unjeren
Meerestiiiten vertreten und
biden meilt Kolonien mit
vielen Hunderten von Einzel-
fieren. Dft zeigen fie ein
bejonders hübjches Wachs-
tum: zierliche Fieverblättchen,
Heine, jymmetrijch gemach-
jene Ziveige, Büjche und reich
veräftelte Bäumchen. Unter
günftigen Lebensbedingun-
gen, jo inden Watten unjerer
Iordjee, bildet Thuiaria (Ser-
tularia) argentea ZL., die aus
der geiwaltigen Artenzahl her=
ausgegriffen merden mag,
ganze Wiejen. Sn Biülum
und anderen Wläben mird
dieje Art von den Strabben-
füchern in großer Menge pm Z URN }
eingetragen und fommt ges „Seemoo3“, Thuiaria argentea L., auf einem Tajhentrebs. Nah einem
to dnet und griin gefärb t Präparat der Kgl. en en ee Stede, „Hydra
als „Seemons" zur Aus-
Ihmüdung von Blumentöpfen und ähnlichem in den Sanhel Häufig jtedeln jich die Sto-
Ionien auf Tajchenfrebjen an und lafjen jich von ihnen Herumtragen. Sie finden jo reich-
fiher Nahrung, al wenn jie immer auf einem Flede jigen, und der Strebs ijt durd) fie
„maskiert”, wenn er jich bewegt und exit recht, wenn er in Ruhe bis an die Yugen ein-
gegraben im Sand fibt.
Fünfte Unterordnung: Trachymernjen (Trachymedusae).
Sind bei Thuiaria und ihren Verwandten die Volypen im Entwidelungsfreis der
Art die Hauptform, jo werden es in der Gruppe der Trahymedufen die Medufen.
Bon ihnen wırrde Gonionemus murbachi Mayer (Wbb., ©. 116) al3 Gegenjtand zahl-
reicher phhyftologifcher Unterfuchungen ameritaniicher Forfcher in den legten Sahren viel ge-
nannt. Bis jebt wurde die Art nur an der Küfte von Maflachujett3 in der Umgebung der
biologiiden Station Woods Holl gefunden. Die bi3 2 cm breite Dualle ift ein reizendes
Gejhhöpf: die faft völlig dDurchjichtige flache Glode wird von den vier lebhaft gelben oder
8*+
116 Nejfeltiere: Hydrozoa.
braunen Radiärkanälen durchfreuzt, die bon einem dunfelbraunen Magen ausgehen. An
Rand erglänzt an der Anfabitelle jedes der zahlreichen (bi3 80) zarten, langen Tentatel ein
funfend fmaragdgriiner Fled. Auf den Tentafeln reihen ji) wie Perlen Büjchel von
Nejtelzelfen; nahe der Spibe erhebt jich auf der Oberfeite jedes Fangarmes ein Kleines,
neffeßzellfreies Volfter, ein „Saugnapf". Mittels der Saugnäpfe vermag ji) die Medufe
mit dem Mund nach oben an Waflerpflanzen und anderem feitzuheften.
Ungemein anziehend ift auch ihr Leben und Treiben, wie es namentlich Berkins
ichildert. An trüben Tagen oder bei einbrechender Nacht wird die Meduje jehr lebhaft. Sie
ichtoimmt unter ftarfem, rhythmiichem Zufammengziehen der Gloce bei verfürzten Tentafeln
aufwärts. Sm dem Augenblid, wo jie ven Wafjerjpiegel berührt, fippt fie um, breitet die
Glode flach aus und läßt die Tentafel nach allen Seiten horizontal ausjtrömen. Syn Ddiejer
Haltung jinkt fie Tangjam abwärts, ein großes Net aus nejjeinden Fäden, das jelbit Tieren,
die größer als die Qualle find, gefährlich werden fan. So „icht” fie bei trübem Wetter
tagelang mit Keinen Vaufen. Gelegentlich Heftet fie ji) auch an ein Geegrasblatt oder jonjt
einen Gegenjtand am
Grund, oder hält im
Wafjfer mit ausgebrei-
teten Tentafeln till.
Dann ift jie, fajt unficht-
bar, eine tödliche Falle
für alle Fleinen Strebje
Gonionemus murbachi Mayer, in „Fiiherftellung”. Nah Perkins aus 9. ©. Jen und Silche. Die Gier
ning3 „Das Verhalten der niederen Organismen unter natürlihen und erperimentellen m erd en bon Sult bis
Bedingungen”, Leipzig und Berlin 1910. (Zu ©. 115.)
September abgejebt,
immer etwa eine Stunde nad) Sonnenuntergang; abnehmendes Licht vermag aud) noc)
vom Körper abgetrennte Gonaden zu reizen, Eier auszuftogen. Aus dem Ci entiwidelt jich
ein Eleines, polypenartiges Wejen, das jich durch Knofpung vermehrt. Wie die Medufe
daraus entiteht, it noch nicht beobachtet. |
Ein paar Trachymedufen gibt es auch im Süßmwaljer. Craspedacusta (Limnocodium)
sowerbii Lank., eine etiva 12 mm breite Medufe mit mehr als 200 Randtentafeln, wurde
in London, in Lyon und einmal im Münchener Botaniichen Garten im Victoria regia-
Beden beobachtet. Einheimifch joll jie in Nordamerika fein, wo te aber ebenfalls nur aus
den Warmbhausbaffins befannt it; ver Volyp foll dem bon Microhydra (|. ©. 108) gleichen.
Eine zweite Craspedacusta-Itt lebt im Nangtjefiang, 1000 Seemeilen von der Küfte entfernt.
Süßmwalfermedujen der Gattung Limnocnida Günther \ind im PVictoriafee, im Tanganjika,
m Nhodejia und im Niger gefunden; neuerdings hat man auch in Smdien eine Art entdeckt.
Bei der fchönen großen Geryonia proboscidalis Forsk. (Carmarina hastata Haeckel),
der Rüffelqualle (f. die Tafel „Medujen”, Fig. 2, bei ©. 126), entwidelt ji) aus dem Ci
Direkt wieder eine freichwimmende Meduje; jo Hat jte jich, unabhängig von einent Füjten-
beiwohnenden Bolypenftadium, im allen warmen Meeren rings um die Erde verbreiten
fönnen. Ym Mittelmeer it fie im Frühjahr eine der Häufigiten großen Medufen und erreicht
hier bis 8 cm Glodendurchmefjer. Bollendete Durihlichtigkeit jichert fie gegen Feinde und
macht fie in den oberften fichtourchfluteten Meeresichichten, wo fie einzeln oder in Schwärmen
lebt, auch für das geübte Auge des fammelnden Zoologen fajt unfichtbar. Junge NRüffel-
quallen jind ganz Friitallffar; bei älteren erfennt man die Gejchlechtsorgane als weißliche
ee ee nz
Hhydroiden: Trahyjmedujen. — Siphonophoren. 117
oder mattroja gefärbte Trübungen längs der jechs Radiärfanäle auf der Unterjeite der Olode.
Mattweiß jhimmern auc) vom Ringfanal aufiteigende, blind endende Gefäße, jteben zwijchen
je zwei Radiärfanälen; jie verbejjern die Nahrungsverteilung in der Glode. Die Beute,
Heine Strebje und Planftontiere, wird don den jechs jchlanfen Tentafeln gepadt, die fich
piermal jo lang ausziehen können als der lange, aus Gallerte beftehende „Magenitiel®, der
Klöppel der Medujenglode. Was die Sangarme erbeuten, wird dem faltigen Mundrohr
am Ende des Magenftiels zugeführt und von da in den gleich darüber gelegenen Magen
weitergegeben. Von diejem laufen die Radiärfanäle am Stiel hinauf zur Glode. Trifft
irgendein Reiz ven Glodentand oder einen Tentafel, jo biegt fi) der Magenitiel rüfjelartig
nad) der Stelle hin, bis der Mumd jte berührt.
Zweite Ordnung:
Staatsgquallen (Siphonophora).
An wunderbarer Zartheit, Farbenreiz und graziöjem Spiel zierlich geformter Anhänge
fommt unter allen Nejieltieren feine Gruppe den Staatsquallen oder Siphonophoren
gleich. Alle Teben planktoniich und ind in allen warmen NMeeren von der Oberfläche bis
zu grogen Tiefen zu Haufe. Gie find Tierjtöde: nicht Gejellichaften von Bolypen, die fich noch
mehr oder weniger gleichen, iwie etwa bei Hydractinia, jondern Staaten, deren Ölieder jich
in beitimmte Arbeitzleiftungen zum Wohl des Ganzen teilen und je nad) ihrer Aufgabe auch
eine ganz bejtimmte Geitalt aufgeprägt erhalten. Dieje „Zoive" figen an einem längeren
oder fürzeren Stamm und find teils polypenähnlich — als Ichlauchfürmige Freßpolypen
oder mundloje „Zafter" —, teils „medujoid" aß Schwimmgloden, Gonophoren, Gasflafchen
und Deditüde. Die vergleichende Entwidelungsgejhhichte zeigt, daß manche davon ganzen
Mepdujen over Volypen gleichwertig find, andere nur bejtimmten Teilen von jolchen. Bei
der wichtigiten Staatsquallengruppe, den Pnneumatophoriden, ift Die Anordnung der Zoide
(Abb., ©. 118) jo, daß an der Spike des Stammes eine „Basflajche” fißt; jie enthält ein
bon einer bejonderen Gasdrüje ausgejchtedenes Gasgemilch. Durch ihren Auftrieb ift das
Borderende der Kolonie im Waller nach oben gerichtet. Dann folgt die „Schwimmjäule”,
eine Zone aus lauter Heinen, medujoiden Shwinmgloden, deren Schlag die Staatsqualle
durchs Wajjer treibt. Die lange „Nährzone" wird fait wagrecht nachgejchleppt. ©ie be-
teht aus Treßpolypen, richtigen jchlauchfürmigen Hydroidpolypen, Die die Beute auf-
nehmen und joweit zerlegen, daß die Broden in ein von Entoderm ausgefleivetes Hohl-
taumiyitem, das alle Yoide verbindet, weitergegeben und von den Entodermzellen jelbft
gejrejjen werden fünnen. Zwijchen den Freßpolypen fünnen mundloje, früher allgemein
als „Zajter” bezeichnete Volypen figen; fie find vermutlich Ausicheivungs,organe”, viel-
leicht aber auch bejondere Mägen für die Vhagocytoje. Smmer jind medujoide Gono-
phoren vorhanden, jede einzelne entweder männlich oder weiblich; aber in der Regel finden
jic) Gonophoren beiderlet Gejchlechts an derjelben Siphonophore. „Dedjtüde” Ihüßen die
Polppen, Häufig auch Gonophoren und Tafter.
Gewaltig it die Bewaffnung mit Nejjellapjeln, die zu äußerjt wirffamen, geradezu
„\umdoll fonftruierten” Batterien aufgehäuft find. Chun hat fie für eine bei den Sanari-
Ihen Snjeln vorfommende Art, Stephanophyes superba C'’hun, genau unterfucht. Sn jedem
der Nejjelfnöpfe, die an langen Stielen vom Fangfaden herabhängen, ftehen zahlreiche
118 Nejjeltiere: Hydrozoa.
Neffelzellen in Neih’ und Gfted, einige Davon bon bejonderer Stärke und Größe; die „VBat-
terie” ift von einer Membran iiberdedt, Die mit einem jehr beweglichen Endfaden in Ber-
Bindung fteht. Wo diefer abgeht, jiten wieder zahlreiche Kapjen, und [chließfich ift er felbft
damit und vielleicht auch noch mit Klebzellen gejpidt; er ift der eigentliche Greifapparat.
Ein Beutetier, da3 mit dem Endfaden in Berührung fommt, Febt feit und wird mit den
Nejielfäden jeiner Heinen Kapjeln überjchüttet. Verjucht das Dpfer fich loszureigen, fo
entladen Sich die zahlreichen Heinen birnfürmigen Kapfeln an ver Anfagitelle des Endfaden2.
Hat dies noch nicht genügt, fo wird der zappelmde Gefangene bei jeinen Befteiungsverfuchen
die Membran von der Batterie abreißen: wie Die Gejchojje eines Mafchinengemwehrs ent-
Yaden fich da nacheinander Hunderte von Nejjelzellen und zuleßt die gefährlichite Waffe,
die großen jtabförmigen Kapjeln. Eine joldhe Batterie, deren jeder Nejjelfaden mehrere
führt, kann gegen 1700 Nejjelfapjeln verfeuern und jehr
anjehnliche Tiere völlig lähmen und töten.
Eine der jchönften Staatsquallen des Mittelmeeres
und der warmen Gebiete des Atlantiichen Dgeans ijt
Physophora hydrostatica Forsk. (j. Tafel „Hohltiere I”, 5,
bei ©. 87), die gelegentlich durch Strömungen auch einmal
nad Norden, jelbjt bi8 zum Nordkap hinauf, verjchleppt
wird. Bei ruhigem Schweben im Wafjer bietet der zarte
Organismus das alferzierlichite Bild. Feine Farben: Gelb-
ich, Rofa und Rot fehimmern auf den langen, wie fuchend
und taftend fich Kümmenden Schläudhen („Tajtern”) im
Umkreis der ganz kurzen Nährzone. Sr diefer find die Ein-
zelftücke in fonzentrifchen Streifen angeordnet; lange, graziös
im Waffer fpielende Nefjelfäden mit großen roten Nefjel-
batterien hängen dazwilchen heraus. Die Kuppe der Gas-
en flafche an der Spibe der gedrungenen Fräftigen Schwimm-
Boas und Nic (45. Bericht der, Senden- ‚jäule ift leuchtend Farminrot. Wird das Tier irgendwie ge-
ne ah ee reizt, fo ziehen fich im Nu die Yanggeftredten Sentfäden
a an ton und alle übrigen Anhänge ztvifchen die Tafter zurüd, und
diefe legen fich wie eine Baltfadenwand jchügend um die
„inneren Organe”. Sie haben eine fehr Fräftige Muskulatur; wenn fich alle gemeinjam zu-
fammenziehen, fommt eine pumpende Bewegung zuftande, die die Wirfung einer Medufen-
gloce erzielt: durch den Schlag diefer gleichlam in Streifen aufgelöften Glode vermag die
Kolonie ihre Bewegung einzuleiten. Innerhalb der Tafter jien die Freßpolypen mit den
Keijelfäven und die männlichen und weiblichen Gonophoren.
Fir gewöhnlich fteht die Kolonie mit der Gasflafche an der Spite aufrecht im Waljer
und jteigt durch den Schlag der Schwimmgloden nach oben oder finft fangjam, mern deren
Tätigkeit ruht. Doch brauchen fich nicht alle Schwimmgloden auf einmal gleihmäßig zu-
fammenzuziehen; durch teilweife Kontraftionen der Schwimmzone vermag das Tier Die
Stellung der Schwimmfäule und damit auch die Bewegungsrichtung in jeder beliebigen
Weife zu ändern. Das Zufammenarbeiten diefer Teile und überhaupt aller Anhänge des
Körpers ift bei Physophora, einem jehr hochentmwidelten Nervenfyftem entjprechend, mwunder-
bar harmonifch. Sn allen ihren Bewegungen macht fie durchaus den Eindrud.eines Indi-
biduums und nicht den einer Tierfolonte.
ta ///AM
BO LE
SEREEEÄ
Blafenqualle.
Etwa 1/4 nat. Gr.
Siphonophoren. 119
Der „Stamm” wird bei vielen Siphonophoren ftark verfürzt; Icheinbar ganz ver-
iwunden ift ex bei einer der berüihmteften und beriichtigtften Staat3quallen, der Blafen-
qualle, Seeblaje oder Portugiejiichen Öaleere, Physalia arethusa Browne, dem
„Segler vor dem Winde“ der deutlichen Seeleute. Alle Anhänge, Freßpolypen, Taiter,
Gonophorentrauben und die enorm langen Senffäden hängen von der Unterfeite einer
gewaltigen, durchicheinenden Blaje herab, die auf der Oberfläche des Meeres jchwimmt.
Diefe Gasflajhe ift unregelmäßig oval, an den Polen in Zipfel ausgezogen und erreicht
2030 cm Länge bei 8-10 cm Breite. Oben auf der Blafe. verläuft etwas fchräg der
Länge nach ein Kamm. Das Gas im Jnneren, das einer Gasdrüje entftammt, beiteht
nad) Analyjen von Shhlefing und Richard vorwiegend aus Stidftoff jowie 12—15 Prozent
Saueritoff und 1,18 Prozent des jeltenen, auch in der atmosphäriichen Luft enthaltenen
Edelgajes Argon; aus der Gasfammer führt eine Offnung nad) außen. |
„Die Galeeren jchillern im Schmud der prächtigiten Farben. Die Luftblafe und ihr
Kamm erjcheinen wie getriebenes Silber, verziert mit Hellblau, Violett und Purpur. Ein
lebhaftes Karmintot färbt Heine Berdidungen am Siel des Kammes und wundervoll zartes
Ulttamarinblau alle Anhänge.” (Leifon.) So liegen die prachtvollen Gejchöpfe manchmal
in Schwärmen von Taufenden auf dem Meeresipiegel warmer Zonen. Der aufrechte,
beriteifte Stamm dient al3 Segel, mit dem die Galeeren vor dem Winde treiben. Während
der Fahıt fiichen die zahlreichen Fangfäden, die jich bis zu 30 m Länge ausdehnen, das
Wajjer wie ein Niejfennet ab. Gie jtarren von Nejjelbatterien, die eine ganz fürchterliche
Wirkung haben und jogar dem Menjchen gefährlich werden. Um fich einer prächtigen Phy-
salia zu bemächtigen, jprang nad) Meyens Erzählung ein junger feder Matrofe ins Meer,
Ihwamm auf das Tier zu und faßte es an. Da geriet er in die langen Fangfäden, und in
fürchterlidem Schmerz jchrie er verzweifelt um Hilfe; faum konnte er [chwimmend das
Sıiff erreichen, um ji) an Bord hijjen zu lajjen. Hier erkrankte er jo jchwer an Entzün-
dungen und Fieber, daß man geraume Zeit um jein Leben bejorgt war.
Troß ihrer Gefährlichkeit Yeben regelmäßig Fiiche in der Gejellichaft von Physalia.
Bor allem tft e3 der im Atlantiichen, Smdiichen und Stillen Ozean mweitverbreitete Nomeus
gronovil Gmelin, der immer dann gefangen wird, wenn „portugiefiihe Galeeren” Daher-
treiben, zwilchen deren Tentafeln er Herumipielt; er Yäßt ich jogar mit ihnen von den Wellen
auf den Strand werfen. Bon der jonderbaren Gemeinschaft pürfte nur der Fiich einen Vor-
teil Haben, der in dem Bereich der Phyjaliententafel vor jedem Feind gefichert ift; auch von
der reichen Beute der Geeblaje wird manches für ihn abfallen. Vielleicht ift er gegen die
Kejjelfapjeln bejonders gefeit. Exemplare von Nomeus, die Garman an den Tentafeln
hängend gefunden hat, waren zwar bereits teilmeife verdaut, dürften aber nac) Waite von
gefangenen Raubfiichen ausgeipien worden fein.
Die vollfiommenjte Anpafjung an das Leben auf dem Meerezipiegel hat die Gegel-
qualle, Velella spirans Zschz. (j. die Farbentafel bei ©. 120), erreicht. Tiefblau, wie der
Dzean jelbit, bleibt fie Feinden, die von oben oder .auf dem Waffer herfommen, verborgen.
. Aber auch von jchräg unten aus dem Wajjer gejehen mwird fie nicht zu erfennen fein. Denn
die ovale Scheibe, die auf dem Wafjer I hwimmt und alle Anhänge trägt, befteht aus einer
Lage von 20—30 Tonzentrifchen Ringfammern, die, mit atmojphärischer Luft gefüllt, infolge
der totalen Aeflerion jo jilberig glänzen mie der Wafjerjpiegel felbit, wenn man ihn von
Ihräg unten her betrachtet, etwa vor einem Aquarium. Diefe gefammerie Luftflajche
120 Kejfeltiere: Hydrozoa. Scheibenquallen.
entjteht bei Velella und ihren Verivandten anders al3 die Gasflajche der bisher erwähnten
Siphonophoren. Sie wurde aus der Ölode einer Medujenanlage gebildet, die jich exit mit
Zuft füllt, fobald die Larve an die Oberfläche jteigt. Die Segelqualfe bleibt dann zeitlebens
auf dem Wafferjpiegel und muß auch lebensnotwendig mit der Atmojphäre in Berührung
jein, denn fie und die verwandte Porpita Lam. jind die einzigen Cölenteraten, die Luft
atmen. Die Ringfammern münden oben durch Poren nac) außen; nach unten aber geben
jie Wuftführende Gänge ab, die fich im ganzen Stod aufs feinite veräfteln, wie die Tracheen
im Nörper eines Snjefts, an die jte übrigens auch im Bau Stark erinnern. Etwa zweimal in
der Minute wird die dem Wafler zugefehrte untere Fläche gegen die Luftfammern gepreßt,
und die polypoiden Anhänge Daran ziehen jich energijch zufammen: die Luft wird aus den
„Zracheen" in die Kammern und durch die Poren nad) augen getrieben. Beim Erichlaffen
ann friiche Luft in die wieder ausgedehnten Hohlräume der Stolonie nachjtrömen.
Die Scheibe hat länglich-vieredigen Umriß; in der Richtung der einen Diagonale
erhebt fich darauf ein großes dreiediges, ein wenig gejchweiftes Gegel, das den Wind fängt,
und den Keinen „Segler bei dem Winde”, wie er bei den deutjchen Geeleuten heißt, auch
bei fchwacher Brije leicht Dahingleiten läht. Lange, im Wafjer nachichleppende Anhänge,
die eine rajche Fahrt verlangfamen müßten, fehlen. Nur furze, am Ende mit Nejjel-
batterien verjehene Tentafel, die in mehreren Neihen zu äußert auf der Unterjeite der
Scheibe ftehen, dienen dem Fang der Beute. Unterjtübt werden fie wohl duch den reich-
fichen, am Scheibentand ausgejchiedenen Schleim, an dem jedes Strebglein fejtflebt, das
damit in Berührung kommt. Auch font ift jeder Ballaft vermieden: an den zahlreichen
Eleinen Gejchlechtspolypen, Die innerhalb der Tentafel in mehreren Neihen jißen, aber den
Bau und Die Aufgabe gewöhnlicher FSreßpolypen haben, jprofjen Medufjen, die jich Ios-
(öjen und jelbitändig leben, jo daß die Kolonie nicht durch feitfigende Gonophoren belastet
wird. Die ungeheure Menge der abgelöften „hryjomitren”, wie die jchon lange befannten,
den Anthomedufen Der Tubularier ähnlichen Medufen heißen, fichert die Erhaltung der
Urt. Sie finken in große Tiefen hinunter; die Entwidelung ihrer Cier, deren Kenntnis
wir Woltered verdanken, läuft über merfwirdige Larvenjtadien, von denen das lebte auf-
taucht und ic) an der Oberfläche zur Velella ausbildet.
„uch dafür ift aejorgt, daß bei Winditille, welche die Kolonien zwingt, tagelang an
derjelben Stelle zu Yiegen, unfähig, vermittels dehnbarer Fangfäven reichliche Beute zu
erwerben, die Kot nicht ausgeht: Nefter von gelbbraunen Algen (Zooranthellen), welche
im Körper fich häufen, vermitteln durch ihre Symbiofe eine Ernährung von feiten des
Schmaroßer2." (Chun.)
Dank ihrer vollendet zwedmäßigen Drganifation hat jich Velella rings um die Erde
berbreiten Fünnen umd tritt oft in ganz ungeheuren Scharen auf. Der Plankton-Erpedition
Henjens ift im Atlantischen-Dzean ein Schwarm von etwa 140 Seemeilen Länge begegnet,
und arı der „Cöte D’Azur” ift Die blaue Velella, dort „Sankt Veters Schifflein” genannt,
im Frühjahr geradezu Charaktertier. Nach ftürmifchem Wetter Tann hier die Brandung
sach Woltered Wälle von über 1 km Länge und % m Höhe aufwerfen, die aus Mil-
onen toter Velellen beitehen.
Nahe verwandt ift die gleichfalls in allen Meeren verbreitete Porpita umbella O. F.
Mill., die ebenfall® auf unserer Tarbentafel dargefteilt it. In Organifation und Lebens-
mweije gleicht fie der Velella jehr, nur fehlt das Segel, und der Luftbehälter, der aus über
100 fonzentriichen Stammern beftehen fan, ift eine runde Scheibe.
Velella (1) und Porpita (2)
Natürliche Größe.
Derar
77}
Siphonophoren. 121
Zweite Klaffe:
Scheibenguallen (Scyphomedusae).
Auffallender, größer und lebhafter, wenn auch immer zart gefärbt, find im Gegenfab
zu den meilt Heinen und Durchlichtigen Hydromedufen die Scheiben- oder Schirmquallen,
die Schphomedufen. Beim erjten Anblic fcheinen fie den anderen völlig zu aleichen; genau
mie jene pumpen fie jic) Durch den regelmäßigen Schlag ihrer Fräftigen Gloden durchs
Wafjer, und aus diejer Glode hängen ein Mumdftiel oder zarte, gefraufte Bänder oder
duftige, blatt- und blittenähnliche Gebilde. Nach Bau und Entwidelung aber find beiderlei
Medujen jcharf gejchie-
den. Wohl entjteht
aus dem Ci und der
Daraus herborgehen-
ven Wimperlarbe ein
feitiibendes3 polypen-
artiges Wejen, Der
Schphopolyp oder
Da GcHhHphoftoma
(Sig. 6). Aber an
diejen meift jechzehn-
armigen Bolypen fnoj-
pen feine Medujen.
Manchmal Löft jich das
ganze Tier von feiner
Unterlage und mans
delt lich zur Medufe Entwidelung der Dhrengqualle, Aurelia aurita L. Die bewinperte LZarve (1) jest
um: ın der Regel aber Ti feit & und wird unter Ausbildung von Tentafeln (3, 4, 5) zun Ecyphoftona-Polypen (6).
\ ” 2 : Durd) wiederholte Einjhnürungen bildet fich diejer zur Strobila um (7), von der fi) dann
bildet Tich dieje da= die jungen Scheibenquallen abtrennen (8), um al3 jogenannte Ephyren (9) Frei herumzufhwim-
N) N) ' di men. Dieje wachen ji zur fertigen Koralle aus. Alles vergrößert. Aus Hejje und Dof-
ucch, aß lich te fein, „Zierbau und Tierleben‘”, Bd. I, Leipzig und Berlin 1910.
Mundpartie mit den
Tentafeln durch eine quere Einjchnürung -ablölt und davonichwimmt. Häufig geht Ddieje
Duerteilung gleich an zahleichen, untereinandergelegenen Stellen de3 Bolypenfürpers
bor fi), jo daß er, bevor die jungen Medufen auseinander jchwärmen, wie ein ©aß
Teller ausjieht. Der Schphopolyp wird aljo jelbit zur Schphomeduje, während in der
Hhypromedufe ein neues Individuum am Volypen nofjpt, der Durch ihre Ablöfung in feiner
Sndioivualität nicht berührt wird.
‚Die Schphoftomen fiben, wie die Hydroidpolypen, im Waljer auf Pfählen, Steinen
und allen möglichen anderen Gegenftänden, manchmal als dichter weißlicher Überzug; in
den Seewaljeraquarien jiedehn fie fich Häufig an den Scheiben an. Sm der Organijation
ähneln fie den Volypen der Anthozoen (j. ©. 128); ihr Magenraum ift dich vier dor-
Ipringende Entodermfalten in vier Tajchen zerlegt. Die tleinen, frijch abgelöften Schpho-
medujen fehen zumächlt aus wie Feine Sterne, denn der Rand einer folden „Ephyra“
it in acht lange Fortfäße geteilt. Aber mit diejer unvollitändigen Glode arbeiten fie fich
ichon wie die Alten mit lebhaften Stößen voran. ECrft nad) ımd nad) vervolfitändigt fich der
122 Kejjeltiere: Scheibenquallen.
a
Schivmrand, bleibt aber im Gegeniaß zu dem der Hhdromedufe immer noc) auzgezadt, mie
mit einem Bejab zierlicher Spisen verjehen (Fig. Jauf ©.121). Ein Belum wie bei den Hy-
dromedufen wird nie ausgebildet. Tentafel fehlen vielfach auch. Regelmäßig aber jtehen
„Randförper” zwifchen den Spigen; entprechend der jchon im Schphopolypen gegebenen
pierftrahligen Symmetrie find es im einfachiten Falle vier, in der Regel aber acht Sinne3-
organe, die in eriter Xinie die Regelung des Olodemhythmus jomwie, als ftatijches Organ, Die
Einftellung der Medufe zur Richtung der Schwerkraft bejorgen; daneben fünnen jie aber
auch der Aufnahme von Lichtreizen und vielleicht von chemiichen Reizen (Gejichmad, ©e-
ruch) dienen. Bei einer Gruppe, den Charybdäwen, fommen jogar wirkliche, zujammen-
gejegte Augen- mit Linfe und Glasförper vor. Die reifen Gejchlechtszellen werden im
Gegenjag zu den Hydromedujen im Entoderm untergebracht, auf der Glodenunterjeite
in der Wandung des oft recht fompfizierten Gaftralraumfgitems. Gewöhnlich werden Die
Gier im Körper der Mutter durch eingedrungene Spermien befruchtet. - Hier durchlaufen
fie dann ihre exrfte Entwidelung und fommen in vielen Fällen eıft als Hochentmwidelte, zum
Teltjegen reife Larven zur Welt.
Erjte Drdnung:
Lucernaria.
Die einfachit gebauten Formen, die Behherquallen (Lucernaridae), jind mit dem
Glodenpol feitgeheftet; manche Forjcher erklären fie daher al3 gejchlechtsreif gewordene
Schphoftomen. Aber fie zeigen doch auc) Eigentümlichkeiten, die
darauf Hinzumeisen fcheinen, daß ihre Ahnen einmal freie Medujen
waren. Alle Bertreter der Zamilie find Kaltwajjerformen.
An vielen Stellen der nordeuropäiichen SKüfte leben auf
GSeegrasblättern die Arten von Halielystus Clark, gelbliche oder
bräunliche Gejchöpfe von 2—3 cm Höhe. Cbenjo groß ift der
Durchmeljer des „Kelches" (der Ölcde), in dejjen Mitte fich auf
einem niedrigen Kegel der Mund öffnet. Die einen hohlen Ten-
tafel mit Nejlelfnöpfen am Ende jiben in niedlichen Büjicheln
NE auf acht gedrungenen Armen; bei der nordeuropäiichen Art
Seegrasblatt figend. Natirlige H. octoradiatus Zam. zählt ein Biichel 30—60 folcher Fang-
Oröpe Men 1pomararbie von Faden. Bipifchen den Armen finden fich die bei den Lucerna-
tiiden eigentümlich umgebildeten NRandjinneskörper: in Der
Hauptjache drüfiges Gewebe, das einen Febrigen Saft ausfcheidet. Mit Hilfe dDiejer „Nand-
anfer” fünnen jich die Tiere feitheften und jogar Friechend fortbewegen.
Sehr eigentümlich verläuft die Entwidelung, die Wietrzyfomwify bei der genannten
Art genau ftudiert hat. Die aus den Eiern hervorgehenden Larven fegen fich nach ein- bis
biertägigem Umbherkriechen in Gejellichaften bis zu 20 Stüd dicht zufammen feit und ver-
mögen unverhältnismäßig große Tiere zu bewältigen, indem alle ihre Neljelfapjeln los-
Ihhteken. Die Beute wird aber in der Negel nur von einer einzigen Larve aufgenommen,
während die übrigen nach) und nach verhungern. Die „auserwählte" Larve jorgt aber
meift jelbjt wieder für Nachwuchs: bevor fie fich zum Haliclystus umbildet, läßt fie an ihrem
Körper neue Larven hervorknofpen, die genau ausjehen, tie Die aus Eiern hervorgegangenen,
und auch daS gleiche Leben beginnen.
ee
a Sn
Lucernaria. Corönata. Discophora: Semaeostomata. 123
Zweite Ordnung:
Coronata.
Sn ganz andere Lebensbezirfe führen
die Vertreter der Koronaten: jie jind fait
nur aus den großen Tiefen aller Ozeane
befannt. Mit die jchöniten Formen find |
die großen Periphylla-Arten, die bis zu
4000 m Hinuntergehen. Die abgebildete |
Periphylla regina Haeckel, mit 16 großen
Kandlappen, 12 jehr beweglichen Tenta-
fein und 4 Randförpern, wird bis zu 20 cm
breit und ebenjo hoch. Bejonders auffällig
ind die Tiere durch die tief rojtrote Farbe,
die im Entoderm ihren ©i5 hat. Solche
tiefroten, tiefbraunen oder dunfelvioletten
Töne finden jich vielfach bei den Beiwoh-
nern der falten, lichtlofen Tiefen; ihre
biologijche Bedeutung harıt noch der Sllä-
rung. Bei manden Tiefjeemedujen ift
ferner eine Bergrößerung oder Bermeh- au
rung der Sinnesorgane eingetreten. ©0 Periphylia regina Hacckel. Etwa Yıs natürlicher Größe
fragen die Arten Der Gattung Atolla BEE eye 2 En a
Haeckel, matt dunfelbraune Medujen mit
gedrungenem, tief dunfelvioletten Mundrohr, bis zu 32 Sinneskörper zwijchen den Sion.
en des Nandes. AUtollen ind i in Tiefen bis zu 4600 m gefunden worden.
Dritte Ordnung:
Discophora.
Erfte Unterordnung: Semaeostomata.
Eine Charakterform des offenen Meeres in den warmen Teilen des Atlantif und im
Mittelmeer ift die Leuchtqualle, Pelagia noctiluca Per. Lsr. (Abb., ©. 124), eine Medufe
mit fajt Halbfugeliger Glode von 5—6 cm Durchmejjer. Wie Geryonia unter den Hydrome-
dujen, Hat jich die Art unabhängig gemacht vom feitjigenden Stadium; aus den Ciern ent-
tehen direkt wieder Medujen. Zum Artnamen hat ihr das glänzende Licht verholfen, das
lie bei Nacht auf Reize hin auszuftrahlen vermag; ein Wafjerjpriger genügt, fie wie einen
Teuerball aufitrahlen zu Yaljen. Der ©ib des Leuchtens ift hHauptjächlich der fettartige Sn-
halt gewiljer Epithelzellen in den vrangebräunlichen „Nejjelmarzen‘ der Glodenoberfläche.
Sonft ift die Medufe in zartes Burpurrot gekleidet, von dem jich das tiefe Rot der Tentafel
und Gonaden reizvoll abhebt. Aus der Glode hängen vier fchlanfe, jehr dehnbare Mund-
arme. &3 find nad) innen offene Ainnen, die wie die acht Tentafel im Wajjer fpielen und
- Beute machen; auf Nefjelwarzen der Außenfeite und auch auf ihren zierlich gefältelten,
membrandünnen Rändern führen fie zahlreiche Nefjelzellen.
124 Nefjeltiere: Sheibenqualten.
Shr verwandt ift die Stompaßqualle, Chrysaora hyoscella L., die im September
manchmal in dichten Scharen in der Nordjee und an der nordatlantiichen Stüfte Europas
erjcheint. Die auffällige Kompakzeichnung macht Die prachtvolle, biS 30 cm breite Medufe
iofort fenntlih. Sm der Negel ftrahlen vom Scheitel 16 dunfelbraune Streifen nach. allen
Nichtungen aus, die jich nach dem Rande zu gabeln; Häufig zeigt jich noch mitten auf dem
Scheitel ein Freistunder brauner led. Wundervoll zierlich find auch hier die Mundarme
geitaltet, die fich bi3 zu 2 m Länge ausdehnen fünnen: wie bei Pelagia Ninnen, deren
Ränder aber noch viel reicher gefrauft und gefältelt find. Auch die 24 hohlen Tentafel
fönnen jich außerordentlich lang ausziehen.
Chrysaora ijt eine der wenigen zivitterigen Medufen. Meift it jte in der Jugend männ-
(ich, dann werden eine Yeitlang Eier und Samen gleichzeitig gebildet und jchhiekfich bei alten
Tieren nur noch Gier. Die Gier
entwiceln jich in der Mutter und
werden al Winmperlarven ge-
boren. Maud Delap it e3 ge-
glücdt, Daraus im Laufe von etivas
mehr als einem Jahr über das
Sceyphojtoma- und Ephyra-Sta-
dium eine Meduje bon 22,8 cm
Durchmejier im Aquarium zu
züchten, Die Dann unter verjchlech-
terten Temperatur= und Futter-
verhältniifen nach) 36 Tagen auf
15 em Burchmejjer zurüdging.
Das jehr gefräßige Tier wurde
mit Blanfton gefüttert und nahm
mit Borliebe feine Mepdujfen;
die Futterfonfurrengz jeiner chivä-
cheren Gejchtwilter Hatte es bald
Pelagia noctiluca Per. Lsr. Nah 2. en en ee erledigt, indem e3 jie alle ber-
unbe“, Ceipzig und Berlin 1910. (Zu ©. 123.) ichlungen hatte. Die Chrysaora-
2 Schphojtomen vermögen fi,
wie bei anderen Arten auch, Durch Sprojjung zu vermehren. Außerdem fan das Schpho-
itoma eigentümliche Dauerjtadien bilden: ein Teil des Gewebes der Fußicheibe wird von
einer Chitinfapfel umffeidet, und diefe „Podochite” Fan, wie Herouard feititellte, bis zu
drei Sahren fiegen und dann wieder ein neues Schphojtoma ergeben.
Defannter al3 Chrysaora jind die im Hochjommer in den Nordjeebädern gemeinen
blauen und gelben Duallen, Arten der in allen Meeren der falten und gemäßigten Zone
häufigen Oattung Cyanea Per. Lsr. Ausgewachjene, unverlegte Cyaneen find prachtoolle
Gejchöpfe. Wenn fie jich an der Meeresoberfläche fonnen, bieten fie „ein Schaujfpiel Dar,
welches in feiner Art faum von einem anderen Wunderiverf des organifchen Lebens über-
teoffen wird: eine jchön geformte Scheibe von I—2 m Durchmejfer, prachtvoll gefärbt und
zierlic) gezeichnet, Darunter herabhängend der wallende Busch der zarten, faltenreichen Arın-
gardinen, der Sabyrinthifch gemwundenen Gefchlechtsbänder, beide weit überragt von den
Discophora: Semaeostomata. 125
zahllofen bemegfichen Tentafeln, deren Bündel eine Länge von 20—30 m und mehr erreichen.
Dabei treten diefe herrlichen Niefenmedufen in den nordiihen Meeren auch in folchen
Scharen auf, daß die Oberfläche des Meeres meilenmweit von ihnen bededt wird, wie ich
jelbft an jchönen Sommerabenden an der normwegijchen Küfte beobachtete." (Hartlaub.)
Die Abbildung 2 auf der Tafel „Hohltiere I" bei ©. 87 zeigt eine mit eingezogenen Ten-
tafeln ruhig niederfinfende gelbe Haarqualle, Cyanea capillataZ., die auch nod) in der
Dftfee bis zur oftpreußifchen Küfte vorfommt. Man blidt auf die Unterjeite und mitten in
die Fiille der zarten „Deifous" der Medufe hinein: im Zentrum die verjchwenderijch reich
geftauften. Häutigen Mundfahnen, die den großen Mund verdeden. hnen gejellen jich die
gemundenen Genitalfraufen bei, die die nach außen hängenden Gonaden tragen; die Ge-
ichlechtsprodufte werden wie üblich in die Magentajchen entleert. Bon febteren jieht man
zarte Kanälchen in die acht nochmals geteilten Randlappen hineingehen, um aud) den ©e-
weben an der Peripherie Nahrung zuzuführen. Die Tentafel jigen nicht am Rande; jte find
auf die Unterfeite der Scheibe gerücdt, äußerft feine und dehnbare, mit Tefjelfapjeln gejpidte
Fäden, die in riefiger Zahl in acht Hufeifenförmig angeordneten Bündeln vorhanden find.
Sehr hübjch fommt auf dem Bild ein Teil Ringmuskulatur (die farrierte Partie unten Inte)
heraus, die das unaufhörliche rhythmiiche Wulfteren der Scheibe bewirkt. — yn der Nord-
fee find nur Tiere mit Höchitend 35 em Durchmeifer beobachtet.
Die blaue Neffelqualle, Cyanea lamarcki Per. Lsr., nad) X. ©. Mayer nur eine
Unterart der gelben, bleibt zwar Heiner und hat nur etiva halb joviel Tentafel wie die
andere, ift aber vielleicht noch reizuolfer durch die prachtvolfe, zart fornblumenblaue Farbe
der Glocfe und der Anhänge, die gegen das Ende der Mundarme, Tentafelfraujen und Ten-
tafel allmähfich in Weiß übergeht. Auch fie fommt in Schwärmen von Millionen vor; im
lalzarmen Wafler der Dftjee fehlt jie.
Zu den Cyaneen fommt al3 eine der allerhäufigiten Schphomedujen die Dhren-
qualle, Aurelia aurita Z. (j. Tafel „Hohltiere I”, 1, bei ©. 37), die im Sommer oft in
gewaltigen Scharen an den europäischen Küften auftritt und in der quallenarmen Dftjee |
bi3 zum Finnischen Meerbufen hinauf gefunden wird. Zum Namen haben ihr Die allerdings
mehr hufeiien- als ohrenfürmigen vier Gonaden verholfen, die auf der Unterjeite der jehr
flachen Scheibe als Wülfte herborragen. Sie find gefärbt, meijt blaßrot, und leuchten daher
durch den fait ganz Durcchfichtigen Schiem hindurch, der jelbit zart meiklich, gelblich, rötlich
oder violett getönt fein Tann. Lebhafter werden dieje Zarben an den vier jchmalen, jchtwac)
geftauften Mimdarmen und an den zahllofen kurzen Tentafelchen. Zmijchen ‚ihnen fiben
in acht jeichten Serben des Randes die Sinnesförper. AS feine trübe Linienzeichnung tft
ein Ranaligftem zu erkennen, das fich vom zentralen Magen aus hübjch regelmäßig in den
Dftanten bi zum Rand Hin verteilt, wo ein Ringjinus die Kanälchen aufnimmt. Die
Tahrung der Meduje befteht nach Raufchplat aus Geratien und anderen Keinen Plani-
tonorganismen. Aurelia erreicht gewöhnlich 5—10 cm, manchmal aber auch bis 40 cm
Durchmefjer; Möbius Hat ihren Wafjergehalt zu 97,99 Prozent feitgeitellt. Kein Wunder,
daß von den zahliofen Medufen, die die Brandung manchmal an den Strand wirft, nach
ein paar Stunden nichts mehr übrig ift! Die jchönften „Naturjelbitorude” von Aurelia
fann man Sich heritellen, wenn man fie einfach auf einem Blatt Papier eintrodnen läßt. —
Sm Loch Smween, einem durch fein reiches Tierleben berühmten Tiord an der Wejtfüfte
Schottlands, hat Kerr ihren ganzen Lebenslauf in freier Natur jtudieren Tönnen. Die Me-
dusen ericheinen im Frühlommer und führen Ende Juni Planula-Larven in den Ainnen
126 Nefjeltiere: Scheibengquallen.
der Mundarme. Die Schphoftomen bejiedeln dann Anfang Auguft in enormen Mengen die
langen, breiten Riemen de3 Zucertang® (Laminaria saccharina) und fönnen bei Ebbe leicht
in beliebiger Menge eingetragen werden. Ym Aquarium Yafjen fie fich nach Delap 3 bis
4 Sabre lang halten und fchnitren dann noch Medufen ab. Normalerweije aber bilden jie
während des Winters Ephyren, im Loc) Smween pom November an. Dort verichtwinden die
weißen Bolypen im Samtar bon den Laminarien, während im Plankton maljenhaft Ephyren
und Aurelien bis zu lem Durchmefjer auftreten. Um Dftern haben die jungen Medufjen etiva
7 cm Durchmefjer erreicht, Ephuren aber find ganz |pärlich geworden, und zur Mittfommer-
zeit jtehen fie im Zenit ihres Lebens; der Auguft bringt nur noch [pärliche zerfeßte Exem-
plare mit mildhig getriibtem Gewebe, die bald zugrunde aehen.
Zweite Unterordnung: Rhizostomata.
Einen ganz anderen Duallentypus stellt die Qungenqualle, Rhizostoma (Pilema)
pulmo L. (j. die beigeheftete Tafel „Medujen’, Fig. 3), Dar, eine Bewohnerin des warmen
littelmeeres; die jehr ähnliche, Hauptjächlich Dircch die größere Zahl Nandlappen unter-
jchtedene Rh. octopus Z., die an der atlantischen Küfte Europas Iebt, ift nad) U. ©. Mader
nur eine Varietät. Gelegentlich tritt auch jte in großen Schwärmen in der Nordjee auf;
an der mildhigweißen, etwas bläufichen Farbe ijt ie von weiten unter ven anderen großen
Kordjeequalien zu eriennen.
Die mediterrane Yorım, die bis 60, ja 80 cm Glodendurchmeijer erreicht, it ganz
zart evemegelb; in pifantem egenjab dazu jteht der tief fobaltblaue Lappenjaum. Wenn
die Glode völlig erjchlafft ift, hebt fich die ftarf gemwölbte Scheitelpartie von dem Nand-
teil ab und die Spigen find nach innen geflappt. Dann ziehen die Fräftigen Ningmusfeln auf
der Unterjeite die Randpartie jo Stark zufammen, daß die ganze Glode zur Halbfugel wird,
die peripheren Teile jogar für einen Augenblid einen Zylinder darjtellen und das heftig
aus der Glocke ausftrömende Wajler den Saum nac) augen herumjchlagen läßt (j. das Kleine
Rhizostoma im Hintergrundve der Tafel). Die Meduje tut einen Nud voran, der Schirm er-
meitert jich und Die hübjchen blauen Lappen legen fich wieder nach innen.
Das Schönfte an der Medufe aber find die acht Mumdarme, auf denen ein loderes, zier-
(ich wie Bhumentohl gefrauftes Polfter aufjist; oben unter der Glode zeigen jich nochmals
veizende Feine „Schulterfraufen”. Überall in den Staufen figen zahlreiche Heine Toren,
durch Die die Nahrung in „Urmfanäle” aufgenommen wird, denn der große, Freuzfürmige
Mund der übrigen Schphomedufen fehlt ven Ahizoftomiven völlig. Wohl tritt in der Ent-
wicelung von Rhizostoma ein Stadium mit einem Mund und vier rinnenfürmigen Mund-
armen auf, wie bei ven anderen; aber dann legen fich die Ränder der Ainnen zujammen
und verwachjen a8 Wände der Armfanäle; dabei wird auch der Mund verichlofien. Schon
vorher jpaltet jich jeder der vier Arme. Die Berichlußnähte der Ainnen auf den Ssnnen-
jeiten der acht Arme wuchern, fälteln fich zierlich auf und veräfteln fich und bilden fo jenes
wunderbar zarte Gefräufel, das auch in je zwei Partien auf die Außenjeite der Arme
übergreift. Die Schulterfraufen wachjen ganz wmabhängig davon aus dem oberen Teil
der Armfanäfe heraus; auch auf ihnen bilden fich zahlreiche Heine Poren. Alle Kraufen ..
ind mit vielen feinen, Neije'gellen führenden „Lippententateln‘ bejegt. Mit Nefjelzellen
ind außerdem auch die Endfolben ausgerüstet, dreifantige Fortjegungen der Arme, Die
häufig einen hübjch blauen Anflug zeigen. Dafür fehlen Yange, nejjende Tentafel voll-
jtändig; der Lappenfaum ift mr durch acht Sinnestörper unterbrochen, die lebhaft
Medulen.
Nat. Gr.
Hydromedufen: 1. Tiara pileata Forsk. 2. Geryonia proboscidalis Forsk. — Scyphomeduien: 3. Lungenqualle, Rhizostoma
pulmo Z.
Discophora: Rhizostomata. 127
stangefarbene Konkretionen enthalten umd der gerade bei Rhizostoma viel ftudierten Ne-
gelung des „Slodenpuljes" dienen.
Durch die rhythmische Bewegung verjorgt fich da3 Tier nach Uerfüll ganz automa-
tifch mit Nahrung. jeder Schlag der Glode treibt die Medufe voran; der fchwere Anhang,
die Mundarme mit den Saufen, fünnen infolge der Trägheit und der Reibung im Wafler
nicht fofort nachfolgen. Dadurch) wird der Abftand zwischen Armen und Glode bei jedem
Aud nad) vorn größer, der dDazmwilchenliegende Magen wird fich erweitern und durch Die
zahlreichen Poren muß Waller in ihn hHineinftrömen. Claftiiche Gallertfpangen, die die
Arme am Schtem befeitigen, jtellen dann jedesmal beim Erichlaffen die normale Yagerumng
der Teile wieder her und vrüden das überjchüiijige Waffer wieder heraus. Diefer regel-
mäßige Wafjerftrom reißt natürlich immer allerhand einplankton, die Hauptnahrung der
Medufe, mit ji. 3 wird bereits in den Mündungen der Armlanalzweige verdaut und
der Nahrungsbrei dem Magen zugeführt, während Unbrauchbares gleich wieder ausgemorfen
wird. Aber auch mit größeren Tieren werden die ARhizojtomen fertig, wenn fie diefe einmal
durch die Nejjelfapfeln der Endfolben und Lippententafeln betäubt Haben. Die Beute wird
bon den Armen umfschlofjfen und außerhalb des Tieres an den Berührungzftellen mit den
Poren durch verdauende Sermente jo weit aufgelöft, daß die zahliofen Kleinen, aber ziemlich
erweiterumgsfähigen Mäufchen fie aufnehmen fünnen. Underdauliche Refte, wie die Panzer
größerer Ktebje, werden einfach durch Offnen der Arme fallen gelaffen. (Hamann.)
Unter die Glode der großen Lungenqualle unjerer Tafel jchlüpft ein Heiner Fiich.
Genau wie Nomeus bei der gefährlichen Physalia (f. ©. 119), leben bei Rhizostoma, aber
auch bei vielen anderen Medujen (3. B. den Cyanearten), fait regelmäßig Sungfische
unter dem Schum, Vertreter der Gattungen Caranx, Trachurus und verichiedene Gadiden
(Rabefjau, Schellfiich und Wittling). Nach der Iandläufigen Annahme foll es ein „ideales“
Freundichaftsverhältnis jein. Die Fiihe jollen fchmarogende Amphipoden (Hyperia) fern-
halten, die jich in den Medufenichirm einnagen, während fie jelbjt durch die Neifelzellen
der wehrhaften Genofjin vor Angriffen gejchüßt find, und dazu noch von dem Überfluß
an Futter, den fich die Medufe verjchafft, etwas abbefommen. Scheuring aber beobachtete,
daß die jungen, pelagijch lebenden Wittlinge (Gadus merlangus) lebhaft nach den herab-
hängenden Genitalfraujen und jogar nad) den Tentafeln der Haarqualle, deren Nefjelzellen
ihnen anjcheinend nicht3 anhaben fünnen, ftoßen; bei der Magenunterfuchung der Fijche
zeigte jich, daß die VBerdauungsorgane mit Ovar- und Tentafelfeben prall gefüllt waren;
die Hperien im Duallenjchiem jchienen die Heinen Fijche überhaupt nicht beachtet zu Haben.
Auch verjchmähten junge Wittlinge jedes andere Futter und gingen zugrunde, wenn ihnen
noch jo reichlich frisches Plankton gegeben wurde. Offenbar find fie völfig an ihr Parafiten-
dajein bei ven Duallen angepaßt. Vor den Nefjelzellen fcheinen fie fich zu fchüßen, indem
lie der Berührung fehr gewandt ausweichen. — Nach Semons Beobachtungen bei Amboina
berjuichten junge Caranx ihre Rhizoftomiden durch Stöße gegen den Schirm in einer be-
fimmten Richtung meiterzutreiben.
Bu den Rhigoftomiden gehören auch die eßbaren Duallen der Japaner und Chinejen.
Von der am häufigjten genojjenen Rhopilema esculenta Kishinouye wird in China das
ganze Tier, in Japan meift nur der Schiem, der über 45 cm breit wird, in einer Mifchung
bon Alan und Kochjalz oder zwijchen den gedünfteten Blättern der Kafhima, einer Art
Eiche, unter leichtem Drud „eingemacht”. Um fie zu jerbieren, werden die Duallen über eine
halbe Stumde in Waller eingemweicht und gut gewajchen, dann in Heine Stüce zerfehnitten
128 Kejfeltiere: Blumentiere,
_
und mit Gewürzen angerichtet. „So zubereitet, ift jte leicht faubar und gibt ein angeneh-
mes Gericht” (Sifhinouye). Sie findet aber auch als Fiichköder Verwendung, unter anderem
iiir Seebraffenarten (Pagrus), die die Medujenjchvärme regelmäßig begleiten.
Dritte Klaffe:
Ylumentiere (Anthozoa).
Sn den Anthogoen stellen jich wieder Hohltiere in Polypenform vor. Wie bei einer Hydra
it der Körper ein Schlauch aus Ektoderm und Entoderm, mit Fußplatte, tentafeltragender
Mumndicheibe und einem einzigen Hohkraum im Inneren, der jich in die Tentafel hinein fort-
jeßt. An Stelle der jtrufturlojfen Stüßlamelle aber
ichiebt jich zwijchen die beiden primären Körper-
ihichten ein mittleres Keimblatt, ein Mejoderm:
während der Entwidelung wandern Eftodermzellen
in die Tiefe und bilden ein fejtes, von jpindel- und
Iternförmigen Bellen durchießtes Bindegewebe aus,
das meiltens auch Sfelettförperchen führt. Der
wichtigjte Fortjchritt beim Anthozvenpolypen aber
liegt in der Ausgeftaltung des Gaftraltaumes. Der
Mund führt nicht mehr Direkt in ihn hinein, jondern
zunächit in ein eftodermales Schlundrohr, an deijen
Grund fich eine Schlundpforte in den Magen öffnet.
Und dann ragen in den Magenraum Scheidewände
(Septen) vor und jchliegen Nijchen zmwijchen jich
ein, ähnlich den vier Entodermfalten der Schpho-
polypen. Bei den Anthogoen treten entweder acht
jofcher Septen auf (Octanthidae) oder ihre Anzahl
Anthozoenpolyp, [hematifh. Nah Chun. 1 Fange
arme, 2 Schlundrodr, 3 Darmidheidemände (Septen), it ein Bielfaches bon jechs (Hexanthidae). Ur-
4 Mejenterialfilamente.
Iprünglich reichen fie alle bis an das Schlundrohr,
io daß jeitlich von Diefem eine Neihe von Tajchen entjtehen, deren Hohlräume jich in
die der Tentafel hinein fortjegen. Ein Querjchnitt in der Höhe des Schlundrohres zeigt
dieje „Saftraltafchen” als rings umjchlojjene Räume, während die „Baftraltinnen” dar-
unter jich in den großen Magenraum öffnen (Nbb., ©. 140).
Die Septen werden zur Erfüllung der verjchiedenjten Aufgaben herangezogen und
dementiprechend ausgejtaltet. Der größte Teil ihres freien Nandes wird gefältelt, gefrauft
und aufgewulftet zu den an Drüfen und Nefjelzellen reihen Mejenterialfilamenten.
Sie legen jich den eingebrachten Nahrungsbroden dicht an, dringen in ihre Spalten ein
und zerlegen fie in Teilchen, die Durch zahlreiche Freßzellen (Nhagochten) in den Fila=
menten und im ganzen übrigen Entoderm aufgenommen werden fünnen. Werdauende Ter-
mente werden, wenigjtens bei den Aftinien, bei Berührung der Stlamente mit der Nahrung
abgejondert. Das Umfaffen der Nahrung wird den Septenwändern ermöglicht Durch die
teiche entodermale Muskulatur, die in verjchiedene Fajeriyfteme gegliedert it. VBejonvers
kräftig find Längsmusfelzüge, „Musfelfahnen”, die jedem Septum als ein dicter Wulft
auf nur einer Seite aufgelagert find. Schließlich entiwideln fi) noch die bandfürmigen
Achtftrahlige Bolypen. 129
Gejchlecht3organe in den Septen. Sie entftammen indifferentem Zellmaterial und wandern
wie bei den Schphomedufen ins Entoderm. Die Eier der faft immer getrenntgefchlechtlichen
Blumenpolypen werden im Gaftralraum der Mutter befruchtet und machen hier ihre exjte
Entividelung duch. Die Jungen jhwärmen al Wimperlarven aus und treiben fi) dann
meist nur kurze Zeit herum, bis fie jich feitfegen. Sie find in der Regel das einzige Sta-
dium, in dem fich ein Blumentier im Wajjer frei bewegt. Selten find dabei [hon Mundrohr
und Tentafel oder jogar die Septen angelegt.
Auch die Fähigkeit, ji durch Sprofjung oder Teilung ungefchlechtlich zu vermehren,
ift in der Klafje allgemein vorhanden. Wie bei den Hydrozoen bleiben die jo entitandenen
Sungen meift mit den Alten in Verbindung. Dadurch Fönnen riefige Kolonien entjtehen,
bei denen meift alle Bolypen gleichgeitaltet bleiben. Yeder für Sich ift befähigt, Futter auf-
zunehmen, wenn e3 auc) infolge Verbindung der einzenen Gaftraftäume untereinander
dem Nachbar zugute fommen fann, und jeder fan Gejchlechtsprodufte bilden; gemwöhnlic)
iind in einer Kolonie die getrennt gejchlechtlichen Rolypen beider Gejchlechter vereint.
Wie viele jeßhafte Tiere bejiben die meilten Anthogven ein Stüßjfelett. Bei manchen
icheidet das Eftoderm nur eine Hornige, peridermartige Hülle, ähnlich der der HHydroid-
polypen, aus, viel häufiger aber ein aus Hornmajje oder aus fohlenjaurem Kalt beitehendes
Sfelett von großer Feltigfeit. Jr diefem Talle wandern bei den einen jfelettbildende
SHtodermzellen ins Mejoderm und lajjen da allerhand jonderbar geitaltete Kalfgebilde,
Spicula, in fie) entjtehen, die für fich bleiben oder nachträglich miteinander verfittet
werden. Bet anderen aber, wie ven Riffforallen, wird die Sfelettmajje von den Eftoderm-
zellen der Fußplatte in einer zujammenhängenden Lage nach außen abgeichieden und
mächft dann von unten her in den Bolypenförper hinein, indem er die Körpermand vor
fich Herftülpt; fcheinbar entjteht dadurch ein inneres Skelett.
Wie in den Grundlinien des Körperbaues, fo gleichen die Anthozven auch im Verhalten
gegenüber der Ummelt im mwejentlichen einer Hydra, wenigjtens die einzeln lebenden See-
rofen und Seenelfen, die leicht zu züchten und deshalb am meiften daraufhin unterfucht
find. Ihr Neweniyitem ift dem der Hydroidpoflypen ganz ähnlich: ein difjujes Ne, das im
Eftoderm am dichteften wird; Die Reize werden von Sinnezzellen aufgenommen. Yluf dieje
toirfen in erfter Linie wieder die von der Beute ausgehenden fombinierten demijchen und me-
hantichen Reize, die geregelt ineinandergreifende Fang- und Aufnahmereflere der Tentatel,
des Mundes und Schhundes, auch des ganzen Körpers auslöfen. Smnere phyfiologiiche Zu-
ftände, tote „Ermidung” und „Sättigung“, verlangjamen diefe Reaktionen over Heben jie auf.
Der einzige Fluchtrefler, der bei ftörenden und Schädlichen Einwirfungen auftritt, ift der von
Hydra: der ganze Körper famt den Tentafeln vermag fich — von Ausnahmen abgejehen —
dank feiner Fräftigen eftodermalen Muskulatur energisch zufammenzuziehen, in das |chüt-
zende Sfelett hinein oder bei den jfelettlofen Actinien zu einem formlojen Klumpen.
Srite Unterflajje:
Achtitrahlige Volypen (Octanthida).
Das wichtigjte Kennzeichen der Gruppe ift im Namen angedeutet: acht Schetdemände
tagen in gleichen Abftänden in den Magenraum vor und bilden oben, jeitlich vom Schlund-
tohr, acht Tajchen, die fich in die acht hohlen, zierlich gefiederten Tentafel hinein fortjegen.
Dieje umgeben den Mund immer nur in einer einzigen Reihe, wie beim Süßtwaljerpoylpen.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 9
130 Nejjeltiere: Blumentiere.
Auch fonft erinnert der in der Regel nur wenige Millimeter große, zarte Polyp äußerlich
Sehr an einen Hydrogoenpolypen, namentlich bei ven allereinfachiten Gormen, die noch einzeln
auftreten Fönnen und bei denen ein ©felett ganz fehlt oder nur perivermartig enttwidelt ift.
63 find Feine, wenig auffällige Gejchöpfe, die faft nurder Spezialforfcher fennt. An fie jchliegen
fich Familien, bei deren Vertretern im Mejoderm verjchievenartigite Kalkipicula vorhanden
find. Dann ändert fich auch der Bau der Polypen. Der urfprünglich runde Mund erfcheint
als länglicher Spalt und dementiprechend das ganze Schlundrohr Jeitlich zufammengedrüdt.
Sn einem Der beiden Winkel diejes Rohres, in der „Schlundrinne”, treten an Stelle der all-
gemeinen zarten Bewimperung bejonders Fräftige Wimpern auf; fie peitichen einen Wafjer-
fttom in den Gaftraltaum hinein. Auf der entgegengejegten Geite find zwei Gepten von
oben bis unten mit lebhaft tätigem Wimperepithel überzogen, Das den Strom in der zweiten
inne des Schlundes wieder heraustreibt. ©olange der Bolyp entfaltet ift, durchzieht ihn
jtändig Diejer Strom, der Sauerjtoff für die Durchatmung der Gewebe bringt, aber auch
Nahrungsteilchen mitführen fann und Unbrauchbares wieder fortichafft. Durch diefe Form
des Schlundes find neben der achtitrahligen Symmetrie der Polypen Züge einer zivei-
jeitigen enttwidelt: in der Ebene der größten Ausdehnung des Schlundes läßt fich der Körper
in zwei jpiegelbildfich gleiche Hälften teilen. Die ©eite der Schlundrinne heißt dabei her-
fümmlich die „Bauch- (Ventral-) Seite", die entgegengejeste die „Rüden- (Dorjal-) Seite".
Die Septen jind ebenfalls zweijeitig [ymmetrisch angeordnet: Die Musfelfahnen Tiegen nur
auf den Ventraljeiten; fie bilden daher zwei Gruppen, vier rechte und vier linfe Gepten.
Die beiden am meiteiten rücdmwärts gelegenen, an denen der Wafjerftrom entlang nach
außen zieht, bleiben jteril, während in ven übrigen Gejchlecht3produfte gebildet werden.
Auch der Zufammenjchluß der Volypen zu Kolonien wird immer fomplizierter und
enger. Jm einfachiten Falle find fie nur durch „Wurzeöhren”, Fortjegungen der Gajtral-
räume, verbunden, wie viele Hydroidpolypen. Dann entiteht in diefen einfachen Berbin-
dungsfanälen ein Nebwerf entodermaler Aöhren, zwilchen die fich Mejodernm einlagert,
und aus dem Wurzelwerf wird eine gejchloffene Platte, die fich der Unterlage anfchmiegt.
Se mehr Polypen jich auf diefem „Cönenchym“ oder „Cönojark” entfalten können, um
jo ergiebiger wird die Nahrungsverforgung für den ganzen Stod ausfallen. Und Raum
wird für möglichlt viele Volypen gewonnen, wenn das Cönendhym nicht Flache Krufte bleibt,
jondern fich über den Boden erhebt, jo daß die Volypen alljeitig daran hervorfnojpen
fünnen. So läßt fich die mächtige Entwidelung des gemeinfamen Trägers aller Tiere bei den
Alchonaceen erklären, die zu großen fugelfürmigen, gelappten oder baumartigen Gebilden
führte. Bon den älteften Polypen an der Spibe Diefer Stöde gehen noch Kanäle Durch
den ganzen Stod bi8 zur Bafis; die jüngeren [projjen aus den älteren hervor, ihre Kanäle
gehen daher nur bis in Die der älteren. Das Kanalneb wird durch den Schlag der Wimpern
jeines entodermalen Zellbelags ftändig Durchipült und erhält Nahrungsteilchen zugeführt.
Grjte Ordnung:
Alcyonaceen (Aleyonacea).
Sn Seewafjeraquarien mit Nordjeetieren werden manchem bleichgelbe oder orange-
jarbene, plumpe, gelappte, bisweilen faft Handfürmige Kfumpen begegnet fein. Dft liegen
je ganz unfcheinbar im Sand, Iederig und verfcehrumpft, mit unzähligen Warzen auf der
Oberfläche. Ein paar Stunden darauf find fie um ein Mehrfaches ihres früheren Umfanges
Adhtitrahlige Bolypen: Alchonaceen. 131
aufgedunfen, zart durchjcheinend gelblich, und an Stelle der Höder ftreden Die zierlichiten
Heinen (bi3 9mm hohen) Bolypen ihre feinen Federfronen hervor. Es ift die „Lote-Manns-
hand“ der Nordfeefiicher, Aleyonium digitatum ZL.; diejelbe Bezeichnung führt die Art
und ihre Verwandten in faft allen Sprachen, die einen Namen dafür Haben. Jm Mittel-
meer vertritt fie daS gemeine fleifchrote A. palmatum Pall. mit einem am Orumde helleren
Stamm und davon abgehenden Hauptäften, die das Ganze mehr baumförmig ausjehen
lajien. Auch feine Kolonien ericheinen bald flein, verhußelt und fchmugig dunfelrötlich, bald °
entfaltet e3 jich Daraus zu ungeahnter Bracht: durch) reichlihe Wafjeraufnahme ins Cönen-
hym Ichwillt der Stod zu mehr als dreifacher Ausdehnung, gelegentlich zu über % m Höhe,
und moird fast durcchfichtig, jo daß man tief ins Innere der Kolonie hineinfehen kann. Die
meißlichen Volypen überziehen den Bujch wie ein Blütenjchleier. Küfenthal jah bei dem
nahe verwandten A. adriaticum Kükth. aus der Adria ganz regelmäßig zweimal täglich, am
Morgen und am Nachmittag, die Kolonien Schwellen und die Bolypen fich ausftredfen. Diefer
tägliche Rhythmus, der in ähnlicher Form auch beim „Aufblühen” anderer Cölenteraten
eintritt, dürfte in Zufammenhang mit Ebbe und Flut ftehen. Dffenbar werden durch die
erhöhte Wafjerzufuhr alle Gewebe ausgiebig mit Sauerftoff verjorgt; denn al3 er die Ko-
lonien in fauerftoffarmes Wajjer jebte, Ihwollen fie mehr und mehr an, nach 24 Stumden
bis zu dreifacher Größe; die Volypen dehnten ji) aufs äußerite und wurden ganz durch-
fichtig. ©olange die Alcyonium-Rolypen ausgejtredt jind, fangen fie mit Hilfe ihrer Ten-
tafel Nahrung, Heine Planftontiere, vor allem winzige Krebschen und deren Larven. Dieje
werden Durch Die Nefielfapfeln gelähmt und fünnen die ausgeftredten Sangarme dann zu
Hunderten bededen, wie &. Pratt bei gut gefütterten A. digitatum jah. Gelegentlich mird
ein beladener Tentafel in ven Mund hineingebogen und „abgelutjcht”". Gewöhnlich aber
zieht fich der Volyp langjam in fich felbft zurüd, wenn er genug gefangen hat; er verdaut
auf feinen Septen, die bei vollausgeftredten Volypen als dunfle Tängslinien durchichim-
mern. Bei ihrer Nahrungsaufnahme vermögen die Tiere eine gemijje Auswahl zu treffen.
Berjchiedene Filcheier vermochten die Aufnahmereflere nicht auszulöfen, jondern wurden
immer wieder fallen gelaljen.
Reizen gegenüber bleibt jeder Volyp einer Alcyonium-Solonie für jich allein empfäng-
lich; ein „Loloniales" Nerveniyiten ift, nach Kafjtanows Unterfuhungen, nicht vorhanden
oder hHöchitens ganz gering entwidelt. Reagiert jcheinbar die Kolonie auf einen Stoß, in-
dem alle Volypen fich einziehen, jo rührt dies einfach daher, daß fich alle in gleicher NWeije
„unangenehm berührt” fühlen. Neizte dagegen Kafjianomw einen einzelnen Rolypen Fräf-
tig, ohne daß er andere berührte, jo antwortete nur der eine; mit einem Pinjel konnte er
auf einem beliebig großen Fled des Stodes alle getroffenen Volypen zur Kontraktion
bringen, während die anderen ruhig jtehenblieben.
Als Skelett führen die Aleyonium-Nrten nur Kalffpieula, winzige, bald jhlanfe, bald
gedrungene Stäbchen mit höderigen Wärzchen. Sie feitigen das Cönendhym, die Wände,
die Tentafel und jelbjt noch die Fiederblättchen an den Tentafeln der Einzelpolypen. —
Die Kolonien von Alcyonium find nad) Gejchlechtern getrennt; die Eier werden ausgeftogen
und im Wafjer befruchtet.
Bei ven Drgelforallen (Tubiporiden), deren biutrote ©felette feiner SKorallen-
fammfung fehlen — am häufigften ift gewöhnlich Tubipora hemprichi Ehrbg. aui3 dem Roten
Meer vertreten —, haben fich die Kalkipicula der Volypen zur joliden Wänden vereinigt.
9*
132 Nejfeltiere: Blumentiere.
Sn den vom Weichkörper freien, oft über fopfgroßen „Korallen“ jieht man zahlreiche Röhren,
nach oben leicht augeinandergehend, von einer gemeinjamen Staltplatte mie Drgelpfeifen
auffteigen (f. Die Abb.). Durd) „PBlattformen”, die fich in gewifjen Abjtänden folgen, find Die
Röhren noch mehrmals miteinander verbunden; zwijchen ältere, die bon ganz unten herauf-
fommen, drängen fich in höherer Lage junge, die exit von den Plattformen entjpringen.
Sede Röhre ift mitten im mejodermalen Bindegewebe eines Polypen gebildet worden; diejes
füllt Heine Lüden in den Kaffwänden der Röhren aus und enthält außerhalb und inner-
halb davon noch Iofe Kalfförperchen. Solche allein ftügen das über die Röhre emporragende
Köpfchen des Volypen, das fich völlig in feine Kalktube einftülpen fann. Die Plattformen
entjtehen, indem fich die ©ei-
tenwände der Polypen nad
einem gewiljen Wachstum der
Kolonie ausitiilpen und ver-
einigen. Die Ausjtilpungen
enthalten alle Körperichichten
des Polypen; das jfelettbil-
dende Mejoderm liefert Die
falfıge Blattform, in der ein
entodermales Gefähneb Die
Magenräume der Tiere ber-
bindet. Nur aus den Wlatt-
formen wacjen neue Woly-
penjprofjen hervor. Nach un-
I ten jchließt jeder Bolyp feinen
\ NA) Gaftraftaum von Zeit zu Zeit
Drgeltoralle, Tubipora hempriehi Zirbg. Natüclihe Größe. Nah Hacker. AD, und aud) dieje Böden in
den NKöhren werden durch
©felett verjtärkt; alles lebende Gewebe darunter ftirbt ab, innerhalb und außerhalb der
Aöhre. Belebt ift bei einer alten Kolonie im Meer etiwa der Bezirk über der oberften
Plattform; darunter ift nur tote Gerüft.
Drgelforallen finden fich überall in den Koralktiffen, in den Tropen der Alten wie der
Keuen Welt, zwijchen den jechsitrahligen Steinforallen. Heute artenarm, hatte die Gruppe
namentlich in den ältejten Perioden der Erdgejchichte eine gewaltige Formenfülle entwidelt.
Die entfalteten Tubipora-Rolypen find prächtig grün gefärbt; wie friiche Moospofliter über-
ziehen fie ven Boden tieferer Lachen und Tüimpel, die die Ebbe zwiichen den Sorallbänten
zurücläßt. Auf die geringjte Störung folgt plößlicher Farbenwechjel: an Stelle des Grün
tritt das tiefe Dunfeltot des Sfeletts, etwas abgejhwächt durch den grauen Schleier der
Weichteile darüber (j. die Tafel „Korallen an der javaniichen Küjte” bei ©. 168).
Zweite Ordnung:
Gorgonaceen (Gorgonacea).
Ein fejtes AUchjenjfelett, das von der weichen polypentragenden „Rinde“ überzogen
üt, zeichnet die Ordnung der Gorgonaceen aus. Daß aber darin fein prinzipieller Gegen-
jaB zu den Alchonaceen bejteht, das beweift die Entwidelung diefer Sfelettbildung bei der
x re Er 1
SUR Sul
Kun
Edelkoralle,
Adtitrahlige Bolypen: Alchonaceen. Gorgonaceen. 133
allerbefannteften SKoralle, der roten Edelforalle, Corallium rubrum Z. ihre matt-
bis jcharlachrot gefärbte Achje, die jeder von den hübjchen, daraus gefertigten Schmudjacdhen
fennt, entiteht, indem getrennt angelegte, dornige Kalkjpiculae in ganz bejtimmter Weife mit-
einander verjchmelzen; nad) dem Aufbau der Achje lafjen fich unter dem Miftojfop Fäl-
Ihungen jofort von der echten Koralle unterjcheiden. Sr der weichen Rinde aber liegen
diejelben Kalkjpiculae wie bei Aleyonium noch oje angehäuft. Sie find Träger der leuchtend
Iharlachroten Farbe, die das Cönojark der lebenden Kolonie zeigt (f. die beigeheftete Farben-
tafel „Edelforalle”). Ganz reizend heben jich davon die weißen, zierlihen Polypen mit
ihren fternförmigen Tentafelftonen ab. Außer diefen Freßpolypen von dem gewöhnlichen
Bau, den „Autozoiven“, treten „Siphonogzoide" auf, Heine, tentafellofe Polypen, jaft nur
noch) verichließbare Toren, in denen ich das Gejäßneb der Ninde nach außen öffnet; fie
jolfen der Zufuhr und Zirkulation des Wafjers innerhalb der Ainde dienen. Aus dem Ge-
fäßneß, das die Gaftralräume der Einzelpolypen verbindet, Iprojjen die neuen Volypen.
Die Ci-Entwidelung Hat der franzöfiihe Zoologe Lacaze- Duthier3 jchon 1864 an der
nordaftikaniichen Küfte aufs genauejte ftudiert. Er fand, daß die Stöde in der Regel nur
männliche oder nur weibliche Sndividuen enthalten, in Ausnahmefällen jedoch auch beide
Geichlechter; e3 fünnen jogar gelegentlich zwitterige Sndivivduen unterlaufen. Die Eier
werden, nach d. Koch, im snneren des mütterlichen Bolypen befruchtet und verlafjen ihn
erit al3 zartweiße länglihe Wimperlarven; jelten werden fie jchon während der Yur-
hung ausgejtogen. Merimwürdigerweijle jind es bei allen anderen Coralliiden, außer der
Edelkoralle, jo weit befannt, nicht die normalen Polypen, die Gejchlechtsprodufte ent-
wideln, jondern die Siphonozoide, Die bei C. rubrum feine Spur von Ei- oder Samen-
bildung zeigen (Hidjon).
Das Hafjiiche Land der Korallenfiicherei jind die weltlichen Teile des Mittelmeeres,
io die Edelforalle auf Felsgrund meilt ziwijchen SO und 200 m, aber auch jchon vom feichten
Waller ab und bis in Tiefen von 900 m vorkommt. An der ganzen italienifchen Küfte und
in der Adria befinden jich überall Kleinere Edelforallenbänfe. Neichen Ertrag liefern aud)
die Yoniichen Snjeln und die Küften von Algier und Tunis; von dort fommen heute die
meilten Korallen in den Handel. Fang- und Verarbeitungsmethode find immer diejelben
geblieben: „Das Gerät für die Korallenfilcherei”, Heißt e3 im „Aquarium neapolitanum‘“,
„beiteht aus einem jchweren Streuz von Holzbalfen, das mit altem Nebwerf, aufgemwidelten
Zauenden und ähnlichem behangen ijt und an einem ftarfen Geil über den Meeresboden
gejchleppt wird. Die zadigen Korallenbäumchen verwideln fi in den Mafchen diejes
Apparates, werden abgerijjen und fommen mit herauf. Um fie zu verarbeiten, bürjtet man
die Rinde mit den Tieren ab und feilt dann die oberite Schicht des Sfelettes weg. Dann
werden jie mit Schmirgelleinwand und DI gejchliffen und mit Stahl poliert. Die Perlen
werden auf der Drehbanf geformt und gebohrt, Figuren mit dem Grabjtichel außgearbeitet.
Der Wert der Korallen ift fchon bei den rohen Stücen jehr verjchieden. Die dieferen lite
ind oft von bohrenden Tieren (Würmern, Schwämmen) durchjeßt und ihr Wert Ichwanft
Deswegen zwijchen nur 5 und 20 Franken das Kilogramm. Gemöhnliche gute Ware wurde
früher mit 40—70 Stanfen bezahlt, die ausgewählten fleifchfarbenen Stiüde (Peau d’ange)
aber mit 400 und 500 Franken und darüber; indeijen jchtvanfen die Breife außerordentlich,
je nach der Mode." Die Verarbeitung zu Bijouterien erfolgt großenteiß in Stalien, in
Neapel, Livorno und Genua, aber auch in Marfeille und Paris.
Während die rote Edelforalle nur aus dem Mittelmeer und von den Kapperden im
134 Nejjeltiere: Blumentiere.
Atlantifchen Ozean befannt ift, treten andere „Edelforalfen” in Süd- und Dftafien, bei Mau-
vitius, bei Madeira, eine, Pseudocorallium johnstoni Gray, aud) an der irijchen Küfte auf.
Sohnende Fijcherei mird in Japan getrieben, two Das (engl.) ) Pfund (= 453,5 g) von Pseudo-
corallium elatius Ridley je nach der Güte bis zu 30 Pfund Sterling einträgt.
Die feite Skelettache der nachfolgenden Familien führt im Gegenjaß zu der der Coral-
fiden Hornfubftanz. Entweder ift die Achfe rein hornig oder Hornig mit einem Kalftern; das
Horn fan auch mit Kalk imprägniert fein, und fchließlich fönnen Hornfnoten (Nodien) mit
falfigen Snternodien abmwechjein. Nach Studer und Schneider wird diejes Gfelett von
falfabfcheidenden und hornabjcheidenden Zellen ausgebildet, deren Produkte miteinander
verichmelzen. Zu den „Hornforallen“, deren Hartteile im Gegenfjaß zu einem jlarren
Kaltffelett immer mehr oder weniger biegjam find, gehören eine ftattliche Reihe oft recht
großer Korallen, die ganz wunderbare Verbände ausbilden. Bei dem prächtig gelben oder
rötfich-violetten Benusfächer, Gorgonia flabellum Z., aus den tropijhen Teilen des
meitlichen Atlantik ift e3 ein dichtes Neb, in dejjen Rinde die unjheinbaren Polypen zer
ftreut eingefenkt find. Alle Mafchen fiegen in einer ebenen Tläche, die alS riefiger Fächer
im feichten Waffer in die Höhe ragt (bi zu Im Höhe und 1,50 m Breite) und graziös Den
Wellenbewegungen der Oberfläche folgt; „häufig jieht man mw dicht unter der Wafjerober-
fläche, ja zeitmeife daraus hervorragen" (Küfenthal).
Die befannteften europäifchen Formen find die Eunicella-Arten aus dem Mittelmeer
und Atlantifchen Ozean; neuerdings ift die Gattung auch bei Japan gefunden morden.
Eunicella (Gorgonia) verrucosa Pall., die milchweiße Hornforalle de3 Mittelmeerez, die
aber auch im Englischen Kanal und an der Weftfüfte von Schottland in 40—50 m Tiefe
auftritt, bildet eine charakteriftifche, bis 50 cm hohe Staude aus warzigen Äften, die in un-
oefähr einer Ebene von einem Stamme ausgehen. Häufig erjcheint die Art orange- bis
mennigrot; nach Studer ift dies normal, während bei den weißen Kolonien der Farbitoff
durch parafitiiche Algen zerftört if. Der Stamm fiht mit verbreiterter rundlicher Enp-
platte auf Steinen, mit Vorliebe in Grotten und an Felswänden. Die Polypen jind
in der Ebene der Kolonie an den ten in zwei ziemlich dichten Neihen angeoronet, Die
einander gegenüberliegen. Sn der Regel entfalten fich nicht alle auf einmal. Jm Aqua-
vium, worin fich diefe Korallen jehr gut halten Yafjen, zeigt eine Eunicella-Stolonie ihre
Bolypen gewöhntich in allen Stufen der Ausdehnung: völfig in die Rinde eingejentte, Halb
geöffnete und voll aufgeblühte Tiere. Auch jonft find fie ziemlich unabhängig voneinander
und meniger empfindlich. Auf Berührung antwortet zunächlt bloß der gereizte Tentatel,
dann exit der ganze Volyp durch Zufammenziehen. Nur bei einem jehr kräftigen Neiz ver-
mag fi) die Wirkung fortzupflanzen und auch Die Nachbarpolypen zu veranlafjen, fich zu-
rüczuziehen (Küfenthal). Was die Volypen eigentlich frejjen, ift unbefannt; beim Gang
von Beute hat man fie nie beobachtet und in ihren Gaftraldöhlen wurden nie Nahrungs-
förper gejehen. dv. Koch vermutet, daß fie jhon größtenteils zerjekte, organijche Partilel-
hen aus dem Waffer aufnehmen, falls fiein der Gefangenjchaft nicht überhaupt Hungern,
doch jpricht dagegen, daß fich die Kolonien bei Verlegungen fehr lebensträftig erweilen und
leicht vegenerieren. Küfenthal hatte eine Aftipige abgejchnitten: in 22 Tagen waren 6 cm
nachgemwachjen; ein andermal wınden 11 mm Rinde bis auf die Achje völlig abgelöjt, und
die Wunde war in derfelben Zeit bi3 auf 5 mm zugewachjen. — Wie bei Aleyonium fann
der Polyp duch Wafferaufnahme ftark jchmwellen; er wird dann durchfichtig und läßt in den
Achtftrahlige Bolypen: Gorgonaceen. 135
Entodermzellen bräunfiche parafitiiche Algen erkennen. Das Cönenchym der Rinde aber,
das Dur) eine äußere Lage zahlreicher Feulenförmiger Einzeljpicnla twohlgefeftigt ift, ‚ber-
größert jich hier nicht merklich. Häufig jiedeln ji) auf der Yornkoralle Schwänme oder
Horntoralle, Eunicella verrucosa Pal. Ein Teil der Rolypen geöffnet; an den Aften das Gi eines Hundshaies. Nat. Gr.
andere Sorallen an; Schlangenjterne wideln ihre gelenfigen Arme in das Aftwerf und ge-
legentlich Klettern Krebje (meift aus der Gattung Pisa) darin herum; die Stolonie on
Abbildung hat ein Hundshai mit einem Ci bedacht.
Zur jelben Samilie zählt die echte Schwarze Storalle, Euplexaura antipathes E
deren Ichwarze Achje im Orient zu Rojenkränzen, ieifentönfen und Bijouterien, auch zu
Amuletten verarbeitet wird. Sie wird im Indifchen Ozean und im Noten Meer gefijcht.
136 Nejfeltiere: Blumentiere.
Abwechjefnde Horn- und Kalfglieder in der Stelettachje fennzeichnen Die Jfiden. Bei
der 20 cm bis 1m hohen weißen Soralle des Mittelmeeres, Isidella elongata Zsp.,
ichimmern die dunklen Hornglieder durch Die rein weiße Rinde der Koralle. Sie ift ein
iparfam verzmweigtes fchlantes Bäumchen, auf dem die Polypen mit dem rötlich Durc-
ichimmernden Schlund und dem lebhaft gelbroten Mundjaum einen zarten SKontraft zur
Ninde abgeben. Wie bei Eunicella ftehen die Polypen in zwei Reihen an den IÄften. Ver-
ichwinden fünnen fie nicht; dazu ift die weiche Rinde des Stammes zu dinn. uch die
immer steif ausgejtrecten, deutlich gefiederten acht Arme können jte nicht einziehen, jondern
Höchitens über den Mund zujammenlegen; dann bilden feine, jpibe Kalfjpicula an der Außen-
jeite der Arme die einzige Schubwehr. Sm Gegenjab zu den meijten Verwandten jißt Isidella
nicht auf feftem Grund, fondern ftedt in weichem Sand. Lappige Horizontale Ausläufer ver-
anfern an Gtelle einer Fußplatte ven Stamm und lafjen ihn aufrecht jtehen. Bei Exemplaren
bon 30-50 em Höhe überziehen diefe Wurzeln eine Bodenfläche von 30 cm im Durchmefjer.
Dritte Ordnung:
Seefedern (Pennatulacea).
Die Angehörigen der dritten Detanthidenordnung, die Seefedern (Pennatulacea),
find niemal3 auf einer Unterlage feitgeheftet, jondern fteden mit einem polypenfreien Etiel
Iofe im Schlamm oder Sand des Meeresbodens, während der Rolypen und Siphonozoide
tragende Teil ins Waffer ragt. Alle Berjonen der Stolonie find an den Seitenwänden eines
großen primären Hauptpolypen hervorgeiproßt, der jich enorm in die Länge gezogen und
ftart umgebildet hat; fein Gaftraltaum ift durch Scheivdewände in zimei over vier Längs-
Tanäle zerteilt worden, in deren Mitte eine hornige oder verfalfte AUchje als Stübe für das
Ganze auftritt. Ein Net von Ernährungsfanälen in den Wänden de3 polypentragenden
Teiles verbindet die zahlreichen jefundären Polypen untereinander. Dieje ragen entweder
direft an allen Geiten aus dem Stamm heraus, oder fie fißen auf Wülften und Blättern,
die in zwei Reihen angeordnet find, wie die Fiederchen am Kiel einer Teder. Spicula find
überall vorhanden; ihre Form und Anordnung charafterijiert die einzelnen Arten. Eine
‚„oloniale” Muskulatur, die die Kanäle im Stiel begleitet, ermöglicht es bei vielen Arten
den Kolonien, fich al ein Ganzes zufammenzuziehen oder auszudehnen.
Der Fall, daß die Volypen einfach allfeitig aus den Wänden des Hauptpolypen her-
ausgebrochen find, findet fich bei Veretillum Cuv. und verwandten Gattungen. Jm Mittel-
meer, im Golf von Bisfaya und an der weitafrifanischen Ktüfte lebt Veretillum eynomorıum
Pall. (Abb., ©. 137) in Tiefen zwifchen 30 und 220 m auf jchlammigem Meeresboden. Die
zufammengezogenen Stolonien, wenige Zentimeter hohe, runzelige, Shmusiggelbe Stäbchen,
fteefen im Grunde; die feite Stelettachje darin ift nur 1% —2 cm groß. Dies unjcheinbare
Ding vermag fich geradezu zauberhaft zu verwandeln: durch Wafjeraufnahme in das reiche
Gefäßneß erhebt fich eine Ducchicheinende, zart vrangegelbe Säule mit wundervollen, Eriftall-
Haren Blütenfelchen. Die Bolypen dehnen fich dabei bis zu 7% cm Länge aus; die ganze
Dberjläche einer Kolonie vergrößerte fich, nach Bohn, um etwa das 60fache, die Höhe von
3 auf 27 cm, bei einem Exemplare Bujor3 von 5 auf 47 cm. Zur vollen Enifaltung
Ihreitet Veretillum vorwiegend nacht3. Dann tritt zu allen Reizen der prachtoollen Ge-
Ihöpfe noch) einer mehr: fte leuchten! Berurjacht ift das Phänomen wahrjcheinlich Durch
chemische Umfeßungen an Fetttröpfchen, die fich in allen Zellen des Körpers finden. Die
Achtitrahlige Volypen: Seefedern. 137
großen Bolypen find in ziemlich großen Zwifchenräumen regellos über den Kiel verteilt.
Bmwiichen ihnen ftehen in undeutlichen Längsreihen unzählige Siphonozoide, die Heinjten
mit blogem Auge eben nod) fichtbar. Sie find fteril, während alle großen Bolypen eines
Stodes entweder Eier oder Samen in den jech3 ventralen Septen reifen lajjen. Die Eier
werden, nac) Balk, frühmorgens durch die Mund-
öffnung ausgejtößen.
Sm Gegenjaß zu Aleyonium bejißt Veretillum,
nach Niedermeder, auch im Stamm Nervenzellen.
Keizen gegenüber benehmen jich) die entfalteten
Polypen auffallend verjchteden. Cinmal ift die
ganze Stolonie abjolut unempfindlich gegen Be-
rührung. Ein paar Stunden fpäter verhalten ji) die
Tiere ganz anders, obwohl jie noch genau jo ausjehen
tie vorher und die Umgebung unverändert geblieben
ift: berührt man jet einen Bolypententafel, dann
biegt fich nicht nur diejer Tentafel ein, jondern aud)
die benachbarten, und der ganze Polyp fchließt fich
mehr und mehr; reizt man einen Polypen, jo jhließt
fich nicht ex. allein, jondern Diejelbe Reaktion er-
folgt auch bei den nächjten über eine größere oder
geringere Strede der Kolonie hin (Bohn).
An Lilien auf ichwanfenden Gtielen erin-
nern die großen Umbellula-Arten, Bewohner der
Tieffee. Die Polypen — im Durchjchnitt 5 bis
6 em lang — jißen in einem Bufett zufammen auf
einem Stiel, der über 2m Länge erreihen Tann.
Eine lange, dünne Gerte, ift er durch eine am Gip-
fel jeher biegjame Kalfachje gejtügt, und ein bis zu
3 cm breiter aufgeblähter Fußteil veranfert ihn im
Schlamm. Zmwifchen den Volypen oben, aber aud)
am Gtiel fißen reichlich Siphonozoide in zwei For-
men: tentafellofe und jolche mit einem einzigen
Tentafel. Die großen Bolypen, die jcheinbar einen nn
ganz regellofen Schopf bilden, erweifen fich in zwei Yeretillum eynomorium Dal. mis and“
5 ; N geftredten Bolypen. Etwas verkleinert. Nah
Reihen fymmetrifch angeordnet, wenn man ihre An- ®. Kütenthal („Wifenid. Crgebn. der Deutjhen
jagjtellen genauer unterfucdht. Die Tiere jind fo3- an Sa rn. ie oe
mopolitiich und leben in Tiefen von etwa 200 bis
gegen 4500 m. Am längiten (feit 1752) ift Umbellula enerinus Z. (Abb., ©. 139) befannt;
fie fommt in den großen Tiefen de3 ganzen Atlantiichen Ozeans von der Arktis bis zur
Antarktis vor. Bei dem größten der von der Norjfe Nordhavs Erpedition erbeuteten
Sremplare betrug die Höhe 2,30 m, und die größten Polypen maßen einjchlieplic
der Tentafel 12,5 cm.
Wie Bennatulaceen ihren Stiel in den Grund Hineintreiben, da3 beobachtete Öradier
bei Seytaliopsis djiboutiensis Gravier an der Somalifüfte in Djibuti. Legte er eine der
ftabförmigen Kolonien im Aquarium horizontal auf den Sand, jo bog fic) das freie Enpe
138 Hohltiere: Blumentiere.
des Stieles um, wie die geotropiiche Wurzel einer Pflanze. Dabei wird die in der Sulonie
zirkulierende Flüfjigkeit mit Hilfe der Muskulatur in den Stiel gepreßt, jo daß er die und
jteif wird und eine Grube in den Sand eindrüdt. Syn dieje jenkt jich der twieder erjchlaffte
Stiel ein, dann beginnt er von neuem zu jchwellen und jo geht das Spiel weiter, biS der
Bereich der harten Achje in das Loch gerät; dieje richtet jich in dem Maße, als der Stiel
einfinft, mehr und mehr auf, und mit ihr die ganze polypentragende Gerte.
Eine richtige Feder tft die befanntefte Form, die Seefeder, Pennatula phosphorea Z.
(1. Tafel „Hohltiere I”, 4, bei ©. 87), die in allen europäischen Meeren, im Snpischen Ozean,
bei Javan und in der Antarktis in verjchiedenen Varietäten vorfommt. Bon einem Kiel
entjpringen Dicht Hintereinander zahlreiche lange, jchmale
Hlätter wie die Ute einer Feder. Alle Blätter tragen an den
Nändern auf der einen Geite der Fever (der Bentralfeite) bis
zu 20 Polypen in einer Neihe. Zahlloje Sıphonozoide jtehen
stwiichen ven Blättern und bededen die Dorjaljeite des Stieles
bi8 auf einen Streifen in der Mitte. Die Bolypen find rein
weiß; zarte, Hell- oder dunfeltote Farben an Stiel, Kiel und
Blättern jind Hauptjächlic) an Die zahlreichen Spicula gebun-
den, die der Wandung der Kolonie anliegen. Wenn ich das
Tier voll Waffer gepumpt hat, ftedt e$ mehr oder weniger
ausgerichtet im Boden; entleert liegt es mit ichlaffen Blät-
tern flach auf dem Sand. Mit Hilfe des jchwellbaren Stieles
vermögen die Kolonien ganz langjam zu wandern.
Shren jchönften Reiz zeigen die prächtigen Tiere nachts:
wird dann die Feder irgendwie aejtört, jo glüht jie an einer
Stelle auf; dann „Ipringt" der Funken von einem zum ande-
ven Bolypen „über" und Leuchtitröme laufen über die Feder.
Hervorgebracht wird das Licht nur von den Volypen und
> Siphonozoivden, bei den Bolypen wahrjcheinlich von dem drii-
Pteroides eriseum Bohadsen. gen Gewebe der Meienterialfilamente, nicht vom Cönenchym
ee ee, (Hidjon). Um die Erjcheinung zu verfolgen, bedarf es friich
gefangener und möglichit wenig beunruhigter Cremplare. &3
genügt, mit dem Finger an die Wand des Aquariums zu Flopfen, um Zunfen erjcheinen zu
jehen. Nimmt man die Feder unter Waller in die Hand oder aus dem Behälter Heraus, jo
wird das Auftreten von Lichtpunkten und leuchtenden Streifen lebendiger und es treten
bei planmäßiger Wiederholung der Reize gejegmäßige Ströme auf, wie fie jchon 1871
PBanceri in Neapel jtudtert hat. Ein Grundphänomen jind zwei Strömungen, mobon Die
eine, an die Volypen gebunden, auf der Ventraljeite der ganzen Fahne fichtbar tft, wäh-
rend die andere an den Siphonozoiden auf der Dorjalfeite auftritt. Drüdt man das Ende
de3 Stiel, jo beginnt das Leuchten in den unterjten Strahlen, läuft vom Stiel aus nad) den
Strahlenenden und geht allmählich auf die oberen und äußerften Strahlen über. Das Um-
gefehrte erfolgt, wenn man den Reiz an der Spiße der Fahne anbringt. Berührt man Die
Mitte des Fahnenfchaftes, fo läuft das Leuchten vom Reizpunft aus gleichzeitig nach oben
und nach unten. Neizt man beide Enden des Fahnenfchaftes zugleich, jo nähern jich die
Ströme bi zum Zujfammentreffen. Nur felten ütberipringen fie dabei einander, jo daß jic)
die Erjcheinung aus den Strömen des erjten und zweiten Reizes zufammenfebt. Neizt
A
q
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b.
2
E
Achtftrahlige Bolypen: -Seefedern. 139
man endlich ein Gtrahlenende, jo geht der Strom zuerit
Itrahlabwärts auf den Kiel und von da in der gewöhnlichen
Richtung auf alle übrigen Strahlen. Ein bis auf Die feite
chje gehender Sreisichnitt in den Kiel hemmt die Fortpflan-
zung der Erregung. Durchichnittfich brauchen die Lichtitröme
zwei Sekunden, um den 10 cm langen Kiel der Seefeder
zu durchlaufen, alio 20 Sefunden pro Meter.
Der Pennatula jehr ähnlich ift eine zweite im Mittel-
meer häufige Seefeder, Pteroides griseum Bohadsch, die
aber auch an den atlantiichen Küften Europas bis zu den N" Sunges Grammar ii
Tärder hinauf gefunden wird. Der mehr gedrungene flei- ni Rosen QuSin )
Ihige Kiel über dem furzen, diden Stiel trägt ebenfalls
zwei Reihen Blätter, die durch einen Fächer von 11—22 großen Kaliftacheln ge-
jftüßt und gegen Angreifer geichübt find. Die Polypen fnofpen in mehreren Reihen |
an den ventralen Blatträndern, namentlich an der Bafiz fiben fie dicht gedrängt.
Siphonozoide finden fich ebenda auf der Unterjeite der Blätter, nur ganz wenige
auf dem Kiel jelbjt an ver Spike auf der Ventralfeite. Die Zahl aller Snpdivi-
duen, der Bolypen und Siphonozoide einer Kolonie ijt gewaltig. Niedermeyer,
der Pteroides in neuejter Zeit eingehend unterjuchte, hatte die Zahlenangabe
25000 für eine verwandte Art für übertrieben gehalten, mußte aber bei einem
Pteroides von nur 27 Blattpaaren (e3 gibt Exemplare bi3 zu 40) 35.000 feititellern.
Die Federn jind in Eonjerviertem Zuftand (wobei jie etwas zufammengezogen find)
zwilchen 11 und 28cm lang. Die graue Farbe, die in Spiritus fonjerbierte Stüde
zeigen, hat den Artnamen veranlaßt. Lebende Pteroides find auch) vielfach grau,
aber dann immer mit einem Stich ins Bräunliche. Oft aber erjcheinen fie auc)
auffallend bunt: der Stiel orangerot, der Kiel dunfelwiolett, die Blätter grau
bis jchwarz, die Bolypen weiß oder in allen Nuancen von Braun. Die Farben
einer Kolonie bleiben nicht immer diejelben, jondern fünnen mwechjeln.
Bei Tage gräbt jich Die graue Seefeder bis zu zwei Drittel der Federfahne
in ven Boden, nur bei Nacht ragt der ganze Kiel mit allen Blättern heraus.
Um fi) auszugraben, führt fie drehende Bewegungen aus, und auch Itarfes An-
ichmellen wird nachhelfen. Senft fich der ©tiel in den Sand ein, fo wird er wie
bei Scytaliopsis abmwechjelnd prall und wieder fchlaff, jondert aber dazıı noch)
reichlich Schleim ab, der die Arbeit anfcheinend erleichtert. Sehr Häufig zeigt ex
dicht unter dem Federfiel eine ziwiebelartige Aufblähung, einen „Bulbus”. Sn
diejen großen Behälter wird Wafjer gepumpt, wenn fich die Feder aufrichten
will. Sit er prall gefüllt, dann ziehen fich Stiel und Bulbus zufammen, das
Bafjer wird nach oben in die Fahre gepreßt, der Kiel richtet fi) auf und wird
iteif, Die Blätter rüden auseinander und fperren fich zur Geite. Ningmusfel-
artig angeordnete Muskulatur über dem Bulbus zieht ich zufammen und ver-
hindert, daß da3 Wafjer zurüdtritt. Dann fann fich der Behälter von neuem füllen.
Wird ein voll entfaltetes Pteroides griseum gereizt, jo folgt ein rajches Zufammen-
Happen. Sn einer halben Minute vermag die Kolonie auf die Hälfte der früheren
Größe zurüdzufhinurren, indem das Waffer heftig durch die Siphonozoide herayzgetrieben
wird; gänzlich exjchlafft mißt fie nur ein Drittel der Länge bei voller Ausdehnung. Auch
140 Nefjeltiere: Blumentiere.
bei Pteroides leuchten die Perfonen auf mechanische jowie auf eleftrifche, thermijche und
chemifche Reize hin. Bei Tage ift ihr Leuchtvermögen jtark Herabgejegt; werden jie in diejer
Zeit in die Dunfelfammer gebracht, jo beginnen fie exit nach längerer Zeit jchtwad) zu leuch-
ten, jelbjt wenn ihre „Lebenägeifter” durch Sauerftoffzufuhr kräftig angeregt werden.
Amelie Unterflaffe:
Sechsjtrahlige Bolypen (Hexanthida oder Actinanthida).
Bei den jechsitrahligen Anthozoen find nicht bloß jechs Magenjcheivdemwände vorhanden,
wie bei den achtitrahligen acht, jondern mindejteng je Paare, meijtens aber ein höheres
Vielfaches von jechs. Doch tritt in der Entwidelung der Heranthiven ein Stadium mit
nur vier Septenpaaren, alfo 8 Septen, auf, daS bei einer Familie jogar zeitlebens beibehalten
werden Yan; e3 it wohl ein Hinweis darauf, daß die
jechsitrahligen von einfacheren achtjtrahligen Korallen ab-
Itammen. Die jechszähligen Septen jind aber anders an-
zujammen, jo, daß jich Die zwei Partner jedesmal Die
Muskelfahnen zufehren. Nur zwei Paare, die „Nichtungs-
jepten“, wieder in der Verlängerung einer Mumndjpalte wie
bei den Dcetanthiven, machen eine Ausnahme. Dadurch ijt
ebenfalls eine zweiltrahlige Symmetrie neben der radiären
bedingt: eine „Sagittalebene“ durch die „Richtungsfächer”
und die Mittelachje teilt daS Tier in jpiegelbildlich gleiche
Hälften und ebenjo eine darauf jenfrechte „Iransverjal-
nn a ns er ebene, Die jech8 zuerjt angelegten Septen reichen immer
Grobben, „Lehebug ber Hoolagie“. HE pi5 an das Schlundrohr hinauf. Auch ein Teil der nach-
die Fächer der Hauptebene (Nichtungs-
fügen), R Schlundrinnen, 1-6 die eriten träglich entitandenen Paare fann es noch berühren; jonit
2 Be Gretebung ee itehen Dieje Septen in verjchiedener Größe einfach frei
zwilchen den „vollfommenen". Die Zahl der Tentafel it
ebenfalls ein Vielfaches von jechs, jeltener eine ungeregelt große Zahl; es find einfache,
hohle Schläuche, die in mehreren Reihen auf der Mumdjcheibe jtehen.
Während bei den Dectanthiven einzellebende Volypen eine jeltene Ausnahme bilden,
fommt ein großer Teil der Heranthiven, wie die zahlreichen „Seerojen”, einzeln vor. Doc)
it die Stoloniebildung feineswegs zu furz gefommen, im Öegenteil: die gewaltigiten Bau-
werfe, die tieriiche Xebewejen gejchaffen Haben, die Korallenriffe, die ganze Snjeln und
große Schichten der Erdrinde aufbauen, find das Werk von Heranthiven-Stolonien, in denen
jeder Volyp ein im Berhältnis zu feinen Weichteilen gewaltiges Stalfjfelett ausbildet.
Viele der Einzellebenden bleiben dagegen ganz ohne Sfelett.
Srite Ordnung:
Aftinien, Seerojen (Actinaria).
Überatt in den Meeren find die Aktinien anzutreffen: von den höchiten Breiten bis
zum Aquator, vom Sandjtrand oder den Klippen, an denen die Brandung tojt, bis zur
ihtlojen Tiefjee, auf Tang und Seegras ebenfo wie auf allen möglichen Meerestieren,
geordnet als die der Octanthiden: fie ftehen paarweije
u
Secsftrahlige Volypen: Seerojen. 141
auf Schwämmen, Korallen, den Stielen der Seelilien, Schnedenhäufern, jogar auf der
Haut der Wale. In Seemwafjeraquarien find manche Arten die dankbariten und ausdauernd-
iten Pfleglinge. Dem Zoologen, der die Lebensäußerungen von Hohltieren jtudieren till,
iind fie deshalb unentbehrlich und immer wieder Gegenftand feiner Unterfuchungen.
Bau und Leiftungen find in den Grundzügen wieder die aller polypenartigen Cö-
Ienteraten. Ym einzelnen wurden fie durch die Erfordernijje des jeweiligen Standortes
einer Aftinie bedingt: je nach ven Ansprüchen, die an die Feitigfeit der Körperiwand geitellt
werden, ift daS mejodermale Gewebe gallertig weich oder durch Einlagerung fajeriger Binde-
gemwebszellen derb und lederartig, jogar gelegentlich fait fnorpelhart; Feljenbewohner figen
mit breiter Haftplatte auf, Schlammbemwohner jenfen ihr leicht zugejpistes Fußende in den
Grund. — Die Aufgaben der zahfreihen, mit Nejjel- und Stlebzellen mwohlerjehenen
Tentafel find Verteidigung und Beichaffung der Nahrung. Bei vielen Arten haben jie
am Ende eine Heine Offnung, die wahrjcheinlich nur der rajchen Entleerung der Körperhöhle
dient, wenn das Tier fi) zufammenzieht. Bon der jpaltförmigen Mimdöffnung führen
meilt zwei Schlundrinnen mit lebhaft jchlagenden großen Wimpern in den Schlund, an
jedem Ende der Spalte eine. Auch bei gejchlojjenem Mumd bleiben die Rinnen immer
offen, folange der Polyp ausgejtrecdt it; eine wirft als „Mund“, in den durch den Schlag
der Wimpern jtändig ein Sauerjtoff und Nahrungsteilchen bringender Wafjerftrom ein-
geführt wird, die gegenüberliegende dient al „After“, durd) den der Strom tmieder
austritt. Ausnahmsweife fann die Spalte jogar bis auf diefe beiden Offnungen zumwachjen
(nad) 9.9. Wilfon).
Die Septen haben ihre Mejenterialfilamente mit Drüjen und Nejjelgellen, ihre Mus-
fulatur und ihre Gonaden tie bei ven Octanthiven; manchmal treten eigentüimliche Fäden
(Ucontien) an den Septen auf, die mit Nejjelfapjein beladen find und durch den Mund,
die Boren der Tentafel, Hauptfächlich aber durch befondere Offnungen der Körperwand zur
Berteivigung Herausgeitoßen werden. |
Nicht alle Aktinarier bedienen jich der Nejjel- und Klebfapjeln auf den Sangarmen,
um damit Tiere als Nahrung zu fangen. Biele nähren fich bloß don den organiichen Teil-
chen, die aus dem Waffer auf fie Herabregnen, find alfo „PBartikelfrejjer” wie die Schwänme.
Sm ursprünglichiten Falle (4. ®. bei Gonactinia) wird alles, was irgendivo auf den Sörper
fällt, mit Schleim feitgeflebt und durch die Tätigkeit der auf dem ganzen Eftoderm ver-
teilten Wimpern, Die jtändig in der Richtung zum Nlumde fchlagen, an den Beltimmungsort
getrieben. Nur an den Tentafeln arbeiten die Wimpern nach den Tentafelipigen zu; ge=
langt ein Nahrungsteilchen dorthin, dann FKümmt jich diefer Tentafel über ven Mund, und
das Brödchen wird vom einführenden Wimperftrom des Schlundes erfaßt. Andere (4. B.
Metridium marginatum) haben bloß auf der Mundjcheibe und den Tentafen Wimpern,
deren Schlag immer nur zur Spige der Tentafel geht und alles auf dieje jchafft, was
auf das Wimperfleid gerät. Unbrauchbares wird dann einfach fallen gelajjen, Nahrungs-
teilchen aber löfen die Bewegung der Tentafel zum Munde hin aus. Alle Bartikelfrejjer
mit ausgedehnten Wimperfleid führen viel weniger Nefjelfapjeln in den Tentafeln als die
Formen, die ihre Beute mit den Fangarmen bewältigen. Dafür ift bei jenen (3. B. Ur-
ticima) das Wimperkleid viel jchwächer ausgebildet.
Die Nahrungsaufnahme gewährt den beiten Einblid in das bereits recht fompfizierte
Berhalten diejer „niederen” Tiere gegenüber Reizen. Gewöhnlich jien fie mit ausgebreite-
ten Sangarmen ruhig da. Aber irgendeine jchwache Störung des Wafjers genügt jchon,
142 Kejjeltiere: Blumentiere.
die Arme wie fuchend im Waffer |pielen zu lafjen: eine Reaktion, die die Ausjichten ver-
mehrt, etwa vorhandene Beute zu erlangen. Die „Witterung” des Futter3 al3 jchwacher
chemischer Reiz genügt bei Sagartia jchon zu bejtimmt gerichteten Bewegungen: ein Teil
der Tentafel wendet jich der Richtung des Neizes zu, jogar der ganze Körper fann fich Danad)
neigen. Dann Kümmten ich die Fangarme ganz automatijch zum Mund, einerlei, ob ihre
Fangbewegungen Erfolg Hatten oder nicht. Hat jich ein größeres Dpfer in den Stleb- und
Kefjeltapfeln verjtriekt, fo neigen fich mehrere, jelbit alle Sangfävden Hinzu und beteiligen
jich an feiner Bewältigung. Kleine Broden werden durch den Wafjerftrom, den die Wim-
pern des G©chlundes erzeugen, eingeführt, größere auch durch Schlingbewegungen des
Schlundes. Was aufgenommen wird, hängt in eriter Linie von inneren Yuftänden des
Tieres, von „Hunger” und auch von „Ermüdung”, ab. Sehr ausgehungerte Aftinien ver-
ichluden alles, ob fie e8 verdauen fönnen oder nicht; man hat jie joviel Filtrierpapier
ftejjen lafjen, daß der aftralraum nicht alles faljen fonnte, ausgejpiene Stüdchen aber
wurden fogleich wieder hineingeftopft. Nach einem gewiljen Grade der „Sättigung“ jtellt
lich dagegen ein jehr feines Unterjcheidungspermögen ein. &3 wird dann nur noch Wert-
volles, wie Fleiich, aufgenommen, Bapier und dergleichen aber zurüdgemiefen. Mit Fleijch-
ertraft getränftes Papier wird zunächit noch genommen, aber die Aftinie „lernt”. Bald
dauert es länger, bis fie das präparierte Bapier in den Schlund aufnimmt, während fie
bei leijch jofort zugreift; jchlieglich läßt fie jich nicht mehr täufchen, jondern antwortet
gleich mit einer Auswurfreaftion. Diejer JmpulS überträgt fich nach einiger Zeit pom
Schlund auf die Tentafeln, die dann auf das Fleijchertraftpapier auch nicht mehr reagieren.
Freilich fan man Aftinien, die zwiichen Vapier und Fleijch zu unterjcheiden gelernt haben,
immer noch „anführen”. Haben fie oftmals hintereinander Fleijch erhalten und immer gleich
gejchluckt und fommt dann ein Bapierballen, jo wird er ebenfo automatisch eingeführt, ob-
wohl er vorher verweigert wurde (Kafka). Sind die Tiere „völlig gejättigt”, jo werden
Fang- und Aufnahmereaktionen überhaupt nicht mehr ausgelöft. — Auf „unangenehme”
Keize erfolgt die allen feitjißenden Cölenteraten gemeinjame „Fluchtreaftion”: Die Aftinie
zieht jich zufammen. Dabei werden gewöhnlich nicht nur Rumpf und Tentafeln verkürzt,
jondern die ganze Mumdjcheibe mit den Tentafeln faltet fich nad) innen, und ein dem Ento-
derm angehöriger Ningmusfel zieht die Körperwand darüber vollftändig zufammen (f. Die
Gürteltofe auf der Tafel „Seerojen” bei ©.145). Wird eine Mftinie aber dauernd angejtoßgen
oder jonftiwie beläftigt, jo bleibt e3 nicht bei diejer Neaktion, die nur die angreifbare Fläche
verringern fan. Sandbewohner vermögen fich dann durch abwechjelndes Schmwellen- und
Crichlaffenlafjen des Fußendes einzugraben, feljenbeiwohnende Formen aber beginnen ic)
auf ihrer reiten Fußjcheibe fortzubewegen, indem fich ein Teil vorjchiebt, anheftet, und
die ganze „Sriechjohle” der eingejchlagenen Richtung folgt. Dabei fünnen, mie bei einer
Schnede, langfame Kontraftionswellen über den Fuß laufen. Manche gleiten auf Ddieje
Art wie viele Wafjerjchneden auch am Oberflächenjpannungshäutchen des Waljers dahin.
Seltener vermögen Uktinien (4. B. Die Wachsroje Anemonia sulcata) auf den Tentafeln zu
riechen. Wanderungen erfolgen immer, wenn die Unterlage dem Tier nicht zujagt. Auzs-
geiprochene Felfenbewohner, wie die Purpurrofe, brauchen rauhe Flächen, auf denen jie
jich feitjegen, und legen im Aquarium, nac) Bar, bis zu % m am Tage zurüd, wenn jie
feine zujagende Stelle finden. Bon Glas friechen fie auf Ulvenblätter oder auf Mies-
mufcheljchalen oder von glattem auf rauhes Glas, nie aber auf glatte Flächen. Dffenbar
wirkt die glatte Unterlage fo lange al ftörender Reiz, bi das Tier einen Standort von
Gedhsftrahlige Bolypen: Geerofen. 143
beftimmter Raubhigfeit erreicht hat. Troß des faft ganz gleichartig über den Körper ver-
breiteten Nerveniyftems find die verjchiedenen Körperteile für die Reize, Die fie im ge-
möhnfichen Leben hauptfächlich treffen, befonders empfindlich. Die Fußjcheibe ift äußerft
jenfibel für Berührung, gar nicht für chemifche Reize; auf diefe iit natürlich der Mund am
ichärfiten eingeftellt; auf chemifche und auf mechanijche Reize reagieren die Tentafel jehr
fein, die Körperwand aber viel weniger. — Aus den normalen Lebensperhältniljen erklärt
fich auch) das Verhalten gegen Tichtreige. Tiefenformen und Arten, die an dunklen Stand-
orten in der Uferregion leben, entfalten fich meift nur bei völfiger Dunkelheit. Andere
find weniger Yichtfcheu, wieder andere fehren die Mundfcheibe dem Lichte zu; eine auf den
Korallenriffen der Philippinen lebende Cerianthus-Att (j. ©.175) entfaltet die Tentafel
jogar in der prallen Tropenfonne. — Reize, die nur im Experiment an das Tier gelangen,
wie ftarfe Temperaturerhöhung, eleftriicher Strom ufjw., werden durch die allgemeine
Fluchtreaftion, das Zufammenziehen, beantwortet.
Bei der Fortpflanzung der Aftinien jpielt die ungejchlechtliche Vermehrung meift feine
bedeutende Rolle, Eommt aber häufig genug vor, alS Querteilung oder Längsipaltung wie
als Knojpung. Etwas Bejonderes ijt die „Laceration”, die bei manchen Aftinien ebenfalls
zur Bildung neuer Smdividuen führt. Am Rande der Fußicheibe jchiebt jich ein Fortjah
heraus, der fich allmähfich abjcehnürt und dann zu einer neuen Aftinie auswächlt; vorher
Tann ex fich fogar nochmals teilen. Wuch wenn man bei einer geeigneten Form Stüdchen
bom Rande der Fußicheibe herauzfchneidet, vegenerieren daraus ganze Altinien. Das
Kegenerationsvermögen ift überhaupt noch jehr hoch, wenn auch lange nicht mehr in
dem Maße wie bei Hydra (j. ©. 107). ©o vermag das obere Stil einer quer geteilten
Geerofe feine neue Fußjcheibe mehr zu bilden, während das untere eine neue Mund-
icheibe mit Tentafeln, nötigenfall3 auch einen neuen Schlund, Hervorfjproffen läßt.
Eier und Samen reifen enttveder auf getrennten Tieren, oder e3 ift ein und dagfelbe
Sndividuum, in dejjen Septen in der Regel zuerjt männliche, |päter auch weibliche ©e-
ichlecht3zellen entjtehen. Diefe werden bei vielen einfach ins Wafjer entleert. Häufig aber
dringen Spermien in den Slörper eines Muttertieres ein und befruchten die Gier gleich hier.
Dann entwiceln fich diefe in der Mutter, und die Jungen jchwärmen frühetens als Wim-
perlarven aus. Manchmal aber werden erft die Heinen Aftinien mit zwölf oder noch mehr
Tentafeln durch den Mund geboren. Aber auch auf andere Art Fönnen die jungen Afti-
nien zunächit noch unter dem Schuß der Mutter bleiben: in deren Cftoderm bilden jich
Einftülpungen, Bruttafchen, in denen die Jungen heranmwachjen, oder fie jiedeln fich ein-
fach außen auf ihr an. Die verjchiedenen Formen der Brutpflege finden jich vor allem
bei ven Arten der Polarregionen als Schußanpafjung an ungünftige Lebensbedingungen.
Die Fortpflanzungszeiten fallen in unferen Breiten und in den falten Meeren meift in den
Winter und Frühling, in den Tropen aber auch in die warmen Jahreszeiten. Die Larven
Ihwärmen ducchichnittlich 7—8 Tage im Plankton und werden in diejer Zeit durch Otrö-
mungen meit verbreitet. Die einiger Arten fegen fich dann auf oder in Medufen und Rippen-
quallen al8 Schmaroger feft und vermögen nachträglich noch von einem zum anderen Wirte zu
wandern, indem fie die Organe des Gaftralraumes zum Munde heraugitülpen, al Schweb-
organe ausbreiten und jo im Waffer treiben, bi3 jie ven neuen Wirt gefunden haben.
Feinde der Aktinien find faft nur einige Schneden, die gegen die Tefjelfapjeln mehr
oder weniger immun find. Auch von einigen Fischen, Darunter dem Schellfifch, werden je
gelegentlich verjchlungen.
144 Kefjeltiere: Blumentiere.
Einen ftammesgejchichtlich jehr alten Typ mit nur acht volfjtändig ausgebildeten Sep-
ten, zu denen noch acht unboflftändige fommen, ftellt Die Kleine Gonactinia prolifera M. Sars
dar. Sie hat ein zartes, durchjcheinendes, weiß bis fleijchrot gefärbtes Körperjäulchen, das
nur 2—3 mm hoch und 1—2 mm breit wird. Den Mımd umgeben bloß 16 Tentafel in zwei
Streifen; der Schlund ift fo flach, daß die Mejenterialfilamente bei geöffnetem Mund frei zu-
tage liegen, und bejißt feine Schlundrinnen. Man findet die Kleinen Bolypen an der nor-
wegiichen und englifchen Küfte, auch im Mittelmeer, in Tiefen von etwa 3, —75 m, auf
Tang, Hydrozoenkolonien, Mufchelichalen und dergleichen. Ste find Partifelfrejjer, die jich
ihre Nahrung mit Hilfe des Wimperfleides, das den ganzen Körper überdedt, zum Mumde
ftrudeln. Ihren Pla mwechjeln fie jehr leicht und Friechen dabei auf den Tentafeln, aber
auch auf der Fußfcheibe. Und außerdem vermögen fie, nach Prouhos und Larlgrens Be-
obachtungen, frei zu jehwimmen: alle Tentafel werden zugleich und chythmijch rückwärts
gejchlagen, und wie bei einer Me-
dufe wird der Körper durch den
9 & Eee
ynizz — Nücitoß bormwärtsgetrieben; Der
Zane N IS a Dabei nn Auch in
Q = = \ ve NV = .
der Fortpflanzung leitet jich Gon-
actinia etwa Merfwirdiges: jie
vermehrt ji ganz regelmäßig
durch Duerteilung. Exit jproßt in
beitimmter Höhe ein Kranz Tenta-
fein auf der Körperiwann (Fig.1pder
Abb.), dann erfolgt langjam die
Ubfchnürung des oberen Stüdes,
das ebenjo wie der Stumpf mit
jeinen neuen Tentafeln zu einem
Gonaetinia prolifera M. Sars auf einer Wufdhelfdale Lin Tei-
lung, 2 mit Anofpe. Vergrößert. Im Anfhluß an Blodmann und Hilger lebensträftigen Polppen wird; “
aus HejjerDoflein, „Tierbau und Tierleben‘, Bd. I, Leipzig u. Berlin 1910. R “ !
beide fünnen jich von neuem quer
teilen oder auch gejchlechtlich fortpflanzen. Manchmal wachjen jogar aus dem oberen Bo-
[ypen, noch ehe er jich losgelöft hat, wiederum Tentafel und eine zweite Teilung wird bor-
bereitet, ehe die erite ganz vollzogen ift, jo daß drei Teilpolypen üibereinanderjiken. Längs-
teilung kommt ebenfall3 vor und gelegentlich werden auch jeitliche Sinojpen ausgebildet.
Sejchlechtliche Fortpflanzung geht außerdem noch neben der Teilung einher.
Biel befannter als dieje primitive Eleine Aftinie jind die größeren Vertreter derjenigen
Tamilien, in denen die Zahl der Tentafel und Septen ftarf vermehrt und der Bau ausgejpro-
chen jechszählig ift. Bei der häufigsten Form der europäifchen Küften, der fosmopolitifchen
Purpurroje (Erdbeerroje, Pferdeaftinie), Actinia (Priapus) equina Z. (mesembryanthe-
mum Ellis), jtehen bei regelmäßig gebauten Exemplaren 192 Tentafel in jechg Streifen auf
der Mundfcheibe. Die Art lebt überall an Felsküften in der Gezeitenzone und verrät jich
jedem, der zwilchen den Klippen nach Seegetier fucht, jehon von weiten durch ihr leutchtend
Iharlachrotes leid. Prachtvoll jieht die „aufgeblühte” PBurpurrofe aus: über dem geprun-
genen Körper breiten fich die vielen, zart rotgefärbten, durchicheinenden Arme aus, und
unter der Mundjcheibe funfeln wie eine Edelfteinfette türfisblaue „Nejjelwarzen”, meift
24 an Zahl; auch um den Rand der breiten Fußfcheibe läuft ein türkisblauer Saum.
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Sechaftrahlige Polypen: Geerofen. 145
Eingezogene Tiere hängen rund und prall wie Tomaten an den Teljen; die Tentafel haben
fich verfitrzt und die Körpertvand hat fich über der Mundfcheibe bis auf eine Heine Öffnung
völlig zufammengezogen. Welche Bedeutung die intenfive Farbe hat, ift nicht endgültig ge-
Härt. Vielleicht macht das Rot zu jtarfe Licht- und Wärmeftrahlen der Sonne unmwirkjam;
Bohn will es dem Blattgrün der Pflanzen gleichjegen und glaubt, daß die Aftinie damit
Kohlenfäure ajjimiliere und Sauerjtoff abgebe.
Al Bemwohnerin der Brandungszone Heftet jic) die Purpurroje, wenn fie nicht ge-
tade langjam wandert, jo feit an ihre Unterlage, daß fie auch der ftärfite Wellenfchlag nicht
losreißen fann. Wer verjucht, eine mit den Fingern zu löfen, farın froh fein, wenn nur ein
paar Geben der Fußicheibe hängen bleiben; oft wird er das ganze Tier zerreißen. Zur Zeit
der Flut, die den Tieren nahrungs- und jauerjtoffreiches Wafler bringt, find fie voll ent-
faltet; bei Ebbe jiten fie in den ftagnierenden Wafjerlahhen zwijchen den Feljen, jehr oft
aber auch ganz troden. Der ftarfen Berdunjtung begegnen fie dabei, indem fie einmal
duch Zufammenziehen ihre Oberfläche verkleinern, dann aber auch einen ziemlichen Wafjer-
. borrat in dem Magenraum behalten, um den fich die zujammengezogene Leibeswand ftraff
Ipannt. Diejes zeitweilige Trodenliegen jcheint geradezu zu ihrem Gedeihen nötig geworden
zu jein: Aquarientiere Friechen häufig für einige Zeit aus dem Wajjer heraus. Auch der
Ahythmus von Ebbe und Flut geht ihnen „in Fleisch und Blut” über, wie Bieron und Bohn
beobachteten: jie entfalten und Schließen jich in entiprechennem Wechjel. Neiz dafür ist aber
nicht exit der Eintritt der Gezeiten jelbjt, jondern bereits die diefen porausgehende Waifer-
Iömung, ein Reiz aljo, der urfprünglich mit den nachfolgenden Wirkungen von Ebbe und
Flut auf den Organismus noch nicht? zu tun hat, fie aber fchlieglich für die Auslöfung |
der Wirkung beim Tier vertritt. Und bei Sndividuen, die dem Wechjel des Waflerjtandes
an der Meeresfüite bejonders ausgejegt waren, hat jich der Khythmus der Gezeiten jogar
feit eingeprägt. Jin Aquarium öffnen oder jchliegen fich diefe Aftinien noch 2—3 Tage lang
zur jelben Beit, in der draußen im Meer Ebbe oder Flut eintritt. Sogar über 8 Tage Hin
fonnte Bohn den Einfluß des Gezeitenchythmus bei Aquarientieren durch einen Kunftgriff
erfennen: ließ er einen Wajjerjtrom auf voll entfaltete Burpurrofen wirken, jo jchlofjen fie
jich zur Chbezeit bereits nach einer halben Stunde, zur Zeit der Flut aber, während der der
Organismus auf Wajjerftrömungen eingejitellt war, exit nach mehreren Stunden.
Sm Aquarium ist die Purpurrofe die dankbarjte Seeroje; jie gedeiht auch in Fünft-
fihem Seemwajjer, das viele empfindliche Arten nicht vertragen, und läßt jich, da fie ja bor-
übergehende Trodenheit gut überfteht, nur in feuchten Tang gepadt, überall ins Binnenland
berjenden; jie bleibt dabei qut zehn Tage lebend. Freilich wird fie in Gefangenschaft nach
einiger Zeit mißfarben, graurot oder grau, dauert aber jahrelang aus. Nac) Bar find im
Teapeler Aquarium Cremplare 15 Jahre lang am Leben gehalten worden, und ein im
Jahre 1828 von dem jchottichen Zoologen Dalyell bei North Berwid dem Meere entnom-
menes Cremplar von Actinia equina ftarb jogar exit im Auguft 1887; ihr Alter wurde zu
Beginn der Gefangenjhaft auf 7 SZahre gejchäbt, fie würde demnacd, 66 Jahre alt ge-
worden jein. Während der erjten 20 Sahre der Gefangenjchaft brachte jte 334 Junge zur
Belt, dann folgte eine Periode der Sterilität, und im Jahre 1857 ftieß fie, wie M’Bain
(1878) verjichert, in einer einzigen Nacht 230 Junge aus. Nun war die Aftinie wieder 15
Jahre jteril, um in den Jahren 1872—77 mehr al3 150 Junge herborzubringen. Die
Jungen werden bereits als richtige Heine Aftinien mit zwölf Tentafeln geboren, die fich
alsbald jeitjegen.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 10
146 Nefjeltiere: Blumentiere.
Außer der roten Form gibt e3 viele Farbenvarietäten der Pferdeaftinie: rotbraune,
braume, gelbliche, olivgriime und grasgrüne fommen nebeneinander vor. Sn der Nordjee
find grüne Exemplare jogar recht Häufig, während die roten im Mittelmeer überwiegen.
Auch al3 bloße Spielart ift vielleicht Die Gürtel- oder Ningelrofe, Actinia cari
Chiaje, aufzufaljen (2 auf der Tarbentafel bei ©. 145). Sie fommt mit der Purpurrofe zu-
fammen überall auf den Felsgejtaden des mweitlichen Mittelmeeres vor, geht aber nicht über
die Linie des Niedrigmafjers nach oben. Der Körper it hön grün mit einer Anzahl par-
alleler dunkler Ninge. Meift Hat auch jie die Kette blauer Höder am Rande, wie A. equina.
Im Aquarium find junge Tiere zuerit einige Tage rot und werden nachher grün. Die Be-
fruchtung erfolgt, nach Carlgren, außerhalb des Muttertieres; in der Gefangenjchaft bringt
die Ningeltoje aber, wie Pax berichtet, auch lebende Junge zur Welt.
Eine der häufigjten Aftinien im Mittelmeer, die aber auch an der atlantischen Küjte Spa-
niens, Frankreichs und Englands bis zu den Shetlandinjeln hinauf vorfommt, ist die Wachs -
tofe oder Fadenroje, Anemonia sulcata Penn. (Anthea cereusL.; j. Tafel „Hohltiere II“,
10). Mit ihren vielen (etwa 200) langen Tentafeln, die bei 10 em Störperlänge bis 15 cm
Yang werden, gleicht fie der Blüte mancher Chryjanthemen. Sie vermag die Arme nicht zu
verfürzen und fich zu fchliegen, aber Ddieje find vor unliebjamer Berührung durch die jehr
ausgiebige Bewaffnung mit Nejjel- und Klebfapjeln genügend geichüst (j.©.141). Damit
wird auch die Hauptnahrung, ganz anjehnliche Filche, Krabben und Schneden, rajch be-
wältigt. Nach Brandt müfjen die parafitiichen Algen, die fie beherbergt, fiir die Ernäh-
rung ebenfalls jehr wichtig fein, denn im Dunfeln gehaltene Exemplare verhungern.
Die Farbe der Wachsrofe ift in der Regel am Körper fleifchhraun; die Tentafel find
heller, oft mit mattgrünlichem Glanz und roten Enden. Aber auch hier gibt e3 zahlreiche
abweichende Eremplare mit ausgejprochenen roten, gelben und grünen Sarbentönen; Gelb
tritt dann mehr am Rumpf, Rot und Grün mehr an den Jangarmen auf. Intenjives Grün,
vielleicht a8 Schußfärbung, zeigen Fadenrojen, die jic) auf Tang und ©eegras anfiedeln.
Sm Aquarium halten fie jchwerer als die robufteren Actinia-Arten, immerhin aber, nach
Kammerer, bis zu vier Jahren aus. Gegen jchlechtes Wafjer jind fie empfindlich, Fünnen
auch nicht troden verjchiett werden, da die nicht einziehbaren Tentafel darımter leiden.
Tar hat eine gefangene Wachsroje bei der Eiablage beobachtet. Cie jtieß innerhalb
zweier Tage mit feinen Unterbrechungen Hunderte, vielleicht auch Taujende von Eiern in
PVortionen aus, und zwar nicht duch Zufammenziehen des Körpers, jondern nur Durch
den Wafleritrudel im Schlundrohr. Diefes ftülpte fich dabei Ichorniteinartig etiva 3 em hoch
über die Mundfcheibe. Nachher war das Tier, das monatelang jeinen Plab nicht gemechjelt
hatte, auffallend beweglich und verkroch jich unter einen überhängenden Feljen, tvo es, lang
ausgeftreckt, herunterhing und nach drei Tagen ftarb. Db die Tiere auch in Freiheit nad)
der Eiablage eingehen, ift nicht befannt. — A. sulcata ijt eine der Arten, die an den Küften
Südeuropas von der ärmeren Bevölferung gegejjen werden.
Eine andere som, die man in Aquarien jest häufiger trifft, ijt Die Goerfteintofe,
Cribrina (Bunodes) gemmacea Ellis (3 auf der Farbentafel bei ©. 145). Durch die Längs-
reihen von Saugwarzen erfcheint diefe im Mittelmeer und im Atlantiichen Ozean bortom-
mende Art wie mit Edelfteinen gejchmüdt. Jm Meere fiben die Tiere von der Uferzone
an bis in größere Tiefen auf Steinen, oft auch an den Wurzelftrüinfen des Seegrajes. In
der Gefangenfchaft Haben fie bi3 acht Jahre ausgehalten. Gie find dabei feine Stojtverächter
und werden mit recht anfehnlichen Biffen fertig (f. die Tafel „Hohltiere IT“, 1-6). sm
Hohltiere II.
ı— 6 Edeliteinroie Cribrina gemmacea Zllis, beim Verichlingen eines Siiches. S. 146.
Photographien von C. O. Bartels, Verfasser von „Auf irischer Tat“, Biologische Bilderserien.
7 und 8. Dickhörnige Seeroie, Urticina” crassicornis O. F. Müll.
Tentakeln.
S. 147.
9. Seemannsliebchen, Heliactis bellis Zllis. S. 153.
Prof. W. Köhler- Tegel phot.
S. 146.
10. Wachsroie, Anemonia sulcata Penn.
P. Schmalz phot.
8
Links mit eingezogenen, rechts mit ausgeitreckten
Prof. W. Köhler-Tegel phot.
11. Seenelke, Metridium dianthus Zllis. S. 153. Hofphotograph
Schensky-Helgoland phot. (Aus: „Tier- und Pflanzenleben der Nord-
see“, hrsg. von .d. Biolog. Anstalt auf Helgoland, 1. Lief., Leipzig 1914.)
Sechsftrahlige Bolypen: Geerojen. 147
Aquarium fönnen die lebendgebärenden Edeljteinrofen auc, zur Fortpflanzung jchreiten.
Die Jungen fiten vor der Geburt nicht immer im Magenraum, fondern Fönnen, nad)
Bartels’ Beobachtung, auch noch in die Fühler rutichen, wo jie dann äußerlich alS helle
lee zu erfennen jind (j. die Tafelbilder).
Die prächtige Dikhörnige Seerofe, Urticina (Thealia) crassicornis O. F. Müll.
(j. Tafel „Hohltiere II”, 7 und 8), weilt einen reihen Bejab von Saugmarzen auf, die in
undeutlichen Längs- und Duerreihen ftehen. Mit Hilfe diejer Haftorgane „masfiert” fie jid)
gewöhnlich mit Sand, Steinchen umd allerhand Mujchelfragmenten. Als Unterlage fucht fie
die Steine und FTelfen, die mit roten Kalkalgen bewachjjen find; jagt ihr eine Srtlichkeit
nicht zu, fo Löft fie die FZußicheibe, bläht den Körper auf und läßt fich von den Wellen herum-
jpülen und vollen; jo wird fie, nach Fleure und Walton, bejonders während der Herbitmonate
getroffen. Die Art ift eine der häufigiten Aktinien unjerer Nordjee und außerdem an der
ganzen atlantischen Küfte Europas, in der weitlichen Dftjee und im Mittelmeer zu finden.
Der Reichtum an Ffurzen, dien, aber doc) jehr zarten durchjcheinenden Tentafeln (etwa
160), vereint mit den lebhaften Zarben auf dem gedrungenen Körper, gibt den Tieren
ettmas Kräftige und Dabei doc Schönes. Die Färbung mwechjelt ungemein; faum zmei
Stüce gleichen einander völlig. An der Körperjäule Fann vorherrichen: Karminrot, oder
Grünlich mit Fräftigen farminroten Strihen und Fleden, oder Defergelb, oder Dliobraun,
oder jchließlich Grau mit fleifhfarbenen und grünlichen Tönen ufw. Die Tentafel find
mehr oder weniger farmintot und weißgebändert, aber auch) einfarbig weiglich, die Mund-
icheibe meist grau oder olivbraun, der Mund jelbjt aber rötlich mit farminroten Lippen-
miühten, zwijchen denen fich der graue Schlund Teicht hervorftiilpt. Die Art der Fort-
pilanzung hängt von den Elimatischen Berhältnijjen ab: nach Carlgren jtößt Die Seeroje
bei Bergen Eier aus, an der Küfte Spisbergens aber gebärt jie lebendige Junge.
Eine der merfwürdigiten Genofjenschaften, die in jedem Schulbuch als Mufterbeijpiel
der „Symbiofe” herhalten muß, gehen verjchiedene Aftinienarten mit Strebjen zu gegen-
jeitigem Vorteil ein. In allen Meeren gibt e8 Seerojen, die ji) auf den von Einjiedler-
frebjen bewohnten Schnedenhäufern anfiedeln; manche jiben auch direft'auf Ktrebjen. ©ie
werden bon den Kruftern mit herumgeichleppt und haben troß ihrer Seßhaftigfeit die Bor-
teile frei beweglicher Organismen: Sagdgebiet für die Tentafel an immer neuen, nahrungs-
reichen Plägen und immer friiches Aternwafjer. Dazu fallen von der Mahlzeit der räube-
tischen Krebje noch reichlich Brofamen für fie ab, und beim Marjchieren mwirbeln dieje
tändig mit Sand und Schlamm organische Refte auf. Anderjeit3 gewinnt der Strebs in
den Nefjelfapfelin der Genojjin eine wirffame Verteidigung. E3 find nicht nur die Ktapjeln
. der Fangarme: bei der Familie der Sagartiiden, zu denen die befanntejten mit Einjiedlern
bergejellichafteten Aftinien des Mittelmeeres gehören, werden fadenförmige „Ueontien“, die
an den Septen jiben und mit Nefjelfapfeln gejpidt find, aus dem Munde oder durch be-
jondere Offnungen der Nörperwand herausgeschoffen. Selbjt größere und Fräftige Kreb3-
liebhaber, wie die Tintenfiihe, nehmen jich. vor ihnen in acht.
Sn Grunde ilt das Zuftandefommen des wunderlichen Sreundihaftsnerhäftniffes q gar
nicht jo unerflärlich, wie es ausjieht. Aktinien der Küftenregion juchen ji) mit Vorliebe
die Pläbe, wo ihnen durch die Wafjerjtrömung die reichlichite Nahrung zugeführt wird, und
bermögen den Drt leicht zu wechjeln. Un denjelben Stellen finden aud) die Strebje gevdedten
Tifich; da ist immer Gelegenheit gewejen, daß jich Aftinien zufällig auf den Schnedenhäufern
10*
148 Nefjeltiere: Blumentiere.
bon Einfiedlern oder den Panzern anderer Krebje feitjegen fonnten. So werden die verjchie-
denften Aftinien gelegentlich auf Schneden- und Mufchelfchalen, auf leeren oder jolhen,
die noch Tiere enthalten, angetroffen. Die feljenbewohnende Purpurtofe Friecht nach den
Verfuchen Brunellis im Aquarium auf von Einfiedlern bewohnte Schnedenfchalen, wenn
fie feine andere rauhe Fläche findet, worauf die Fußjcheibe haften fan, und der Krebs
verfucht nicht, fich des ungewohnten Gaftes zu entledigen. Auch der Krebs mag urjprünglic)
jelbjt ganz zufällig dazu beigetragen haben, daß das Verhältnis überhaupt beginnen fonnte;
viele haben ja die Gewohnheit, fich mit allerhand gen, Shwämmen und auch totem
Material zu mastieren. Warum follen fie da nicht öfters eine Aftinie erwifchen (man denfe
an Formen wie Urticina, die fich Iofe rollen Yaffen) und fich aufjegen? Infolge der wechjel-
jeitig gebotenen Vorteile wird jich Daraus allmählich ein Snftinkt entwideln und in meite-
rer Folge, unter Anpaffung der Körperform, eine Symbioje, die jo weit gehen fann,
daß die Gejelljchafter voneinander völlig abhängig werden und feiner ohne den anderen
eriitieren farn.
Bei der erjten Begegnung der beiden „Sreunde” ift der Streb3 meilt der Handelnde Teil,
indem er fich die Aftinie mit Hilfe feiner Scheren auflädt. Nur von einer ©eeroje der Weit-
füfte Südamerifas, Antholoba reticulata Couthouy, berichtet Bürger, daß jie recht ener-
gisch darauf aus ift, Anfchluß zu finden. &3 fann ein Schnedenhaus fein, in dem ein Ein-
jiedfer wohnt, meijt aber ijt die Stcabbe Hepatus chilensis M.-E. der Auserforene. nz
Aquarium gebracht, fiedelten fich dieje Aftinien zunächit auf Steinen des Bodens an. Nach
fünf Tagen aber löfte fich eine und ftellte ji) „auf den Kopf", jo daß die Zußjcheibe nach oben
jah und die Tentafel auf den Steinen lagen. „Einige Stunden jpäter hatte fich diefe Aftinie
_ mittels ihrer Fußicheibe an das Bein einer Strabbe geheftet und hielt dasjelbe wie mit einer
Bange fo fejt umflammert, daß der Krebs die Seerofe mit fich [chleppen mußte. Während
der Nacht erflomm die Aftinie den Rüden der Krabbe." Hier bededt jie mit ihrer enorm
ausgebreiteten Fußplatte die ganze Rüdenfläche.
Sagartia parasitica Couch (Adamsia rondeletii Chraje), die Schmarogerroje (4 auf
der Tafel bei ©. 145), in gelblichem Stleid mit zwölf braunen bis purpurroten Länggitreifen
und jehr zahlreichen (biS über 700) hellen Tentafeln, lebt in der Jugend immer allein und
fanın auf Geegrasblättern und Felfen genau wie ihre Gattungsgenojjinnen. (f. unten) auc)
ihre volle Größe erreichen (I cm Höhe bei 4 cm Durchmeifer). Jr der Regel aber trifft man
die im Mittelmeer und Atlantifchen Ozean in 40—80 m Tiefe vorfommenden Schmaroger-
tojen auf den verjchiedenjten Schnedenhäufern, die wieder von verjchiedenen Einjiedlern
betwohnt fein können (3. B. Pagurus striatus, P. bernhardus, P. arrosor, Eupagurus exca-
vatus, Clibanarius misanthropus u. a.). Manchmal find es gleich mehrere, bis zu jechs
oder jieben Stüd, auf einem Haus, und dann find fie hHübich ausbalanciert; recht? und Iinfs _
bon der Mündung des Schnedenhaufes fißen die beiden größten, von annähernd gleichen
AUbmeijungen, offenbar die beiden erjten, die jich in ven Plab teilten und unter den beiten
Ernährungsbedingungen heranwuchfen. Ziwilchen Fußiceibe und Schnedenhaus jcheiden
jie häufig eine feine hornige Membran aus. Auch die Krebsarten find durchaus nicht
auf Die Geerofen angemwiejen; fie leben oft alS richtige Einfiedler in ihren Schneden-
häujern oder juchen andere Gejellichaft, wie Die des Schwammes Suberites (©. 89).
Pagurus bernhardus 3. ®. treibt fich in der Uferregion immer allein herum, und exit von
den Tiefen ab, in denen Sagartia auftritt, ift fein Heim „mit Rofen gejhmücdt". — Was
die Schmaroerrofe „betvogen” haben mag, fich bei gegebener Gelegenheit ein Fuhrmerf
* 2 R- A Ne FE
Sechöitrahlige Rolypen: Seerojen. 149
zuzulegen, ift fchwer zu fagen. Sedenfalls ift der Srebs für fie nicht unbedingt lebensnot-
wendig, wie dies Einzellebende, Zugendftadien und die nächite Verwandtichaft beweilen.
Vielleicht, daß die alten Tiere mit ihrer jehr großen Angriffsfläche dadurd) etwas bejjer ge-
fichert find. Auch der Krebs findet in diefer Genofjenjchaft feinen lebenswichtigen or-
teil; alle die genannten Baguriden fünnen fich völlig in die Tiefe ihrer Schnedenhäufer zu-
rüdziehen und find dadurch ebenjo genügend gejchüst wie zahlloje Cana
die nie mit Aitinien zufammenleben.
Daß bei Sagartia ein feites Verhältnis zu den Einfiedlern erjt angebahnt wird, zeigt
die Art der erften Begegnung. Im Verhalten beider treten offenbar bereits ererbte yn=
ftinfte auf, die eine Befiedelung des Einfiedlergehäufes erleichtern, aber fie jind noch nicht
io ausgeprägt, daß das Ziel ficher und auf beitimmten Wegen erreicht wird. Die Strufter
verfchiedener Arten benehmen fich dabei nicht gleich, wenn ihnen eine Sagartia in den
Weg kommt; genau unterfucht find daraufhin nur Pagurus striatus (von Yaurot) und
P. arrosor (von Brunelfi). »Beide legen der Aftinie die Beine um die Taille und beginnen
äußerft zart auf und ab zu ftreicheln. Sagartia antwortet jonft auf jede Berührung wie auf
einen „unangenehmen” Reiz: fie jchließt die Tentafelfrone jchnell und jtößt ihre Nejjel-
fäden aus feinen Hödern, die in 1-2 Ringen auf der Körpermwand jtehen, heraus. (Das
geichlojfene Eremplar der Tafel bei ©. 145 zeigt die ausgejchojjenen weißen Fäden, das ent-
faltete Tier läßt die Höder erkennen.) Aber dem Sreb3 gegenüber zieht fie die Tentafel
zuerjt nur ein wenig zurüd, um jie bald wieder ganz ausitrahlen zu lajjen; berührt Diejer
ein gejchloffenes Exemplar, jo öffnet es fich unter feinem Streiheln allmählich zu voller
Blüte. Schließlich läßt der Krebs jeine Glieder mehr und mehr über die untere Partie gleiten;
darauf zieht fie die Fußjcheibe langjam ein und läßt allmählich von der Unterlage ab. &
it, alS würde fie Hypnotifiert und müßte fich dem „Willen des Hypnotifeurs mwiderjtand3-
103 fügen. Die Mundfcheibe mit den Tentafeln neigt ji) auf das Haus des Einjieolerz,
haftet da, und dann jchlägt der Körper einen richtigen, aber ganz langjamen PBurzel-
baum, jo daß die Fußicheibe am Schnedenhaus neuen Halt findet und fid) anheften Tann.
Wenn der Krebs aber auf eine ausgebreitete Aoje jtößt, die nicht bejonders feitjibt, jo Tann
die Sache auch ohne feine Hilfe gehen. Sie jest dann ihre Tentafeln einfach von jelbit auf
jein Haus und jchlägt ihren Purzelbaum. Eine Verbindung fan auch zuftande fommen,
wenn jich Sagartia trog aller zarten Bemühungen des Krebjes aus irgendeinem Grunde
nicht öffnet. Sie Yöft dann wenigftens die Zußfcheibe, und Dieje bemerfftelligt die Überjiede-
lung allein; gerät Die Geerufe dabei an eine ungünftige Stelle, etiwa auf die Unterjeite des
Schnedenhaufes, wo fie fich nicht ausdehnen Tann, dann muß fie wieder Ioslafjen.
Weniger galant wird Sagartia bon einem anderen der gepanzerten Ritter, Dem Pa-
gurus arrosor, behandelt. Zwar ift fie nach Brunellis Verjuchen ihm gegenüber wenig
ichredhaft und zieht die Tentafel bei der erjten Berührung nicht ein, Höchjteng wenn er
allzu grob zufaßt. Hat fie dann unter feinem Streicheln Iosgelafjen, jo wird jie gepadt
und derb gegen das Gehäuje gepreßt. Unter dem Eindrud diejes Neizes breitet jie Die
Sußicheibe aus und haftet.
Öeradezu ans Wunderbare grenzt das Verhältnis einer anderen Sagartiide, Der Adam-
sia palliata Bohadsch (Ubb., ©. 150) zu einem ganz bejtimmten, „ihrem“ Einfiedlerfrebs
Eupagurus prideauxi. Hier jind zwei ganzverichiedene Organismen förmlich zu den Organen
eine3 einzigen Körpers geworden. Die Aftinie — aus dem Mittelmeer und dem Atlantifchen
Dzean befannt — lebt nur in ihrer allereriten Sugend allein. Mit einer fehr breiten, runden
150 : Neffeltiere: Blumentiere.
Fußfcheibe Heftet fie fich da auf Steine, leere Schnedenhäufer und ähnliches und wächlt bis
zu höchftens 1 cm Höhe. Meift hat fie ein E. prideauxi jcyon vorher geholt; ob jie überhaupt
freilebend größer werden farın, ift jehr fraglich. Der Strebs ijt unter feiner Itreitluftigen
Sippe einer der Iebhafteften und räuberifchiten; Fed und behend greift er jeden anderen an,
der Beute gemacht hat, um fie ihm zu entreißen, und flieht mit gewandten Sprüngen,
wenn er an einen ftärferen geraten ift. Dabei darf er natürlich feine große Schale haben.
In eine jolche Fönnte er fich zwar ganz zurüdziehen, aber ihr beträchtliches Gewicht würde
jein Marfchtempo verlangjamen und feine Schreitbeine in ihren Bewegungen bejchränfen.
Sp verichafft er fie) nur Heine leichte Gehäufe von Schneden aus den Gattungen Nassa
und Natica, auch Murex und Scaphander, die feinen weichen Hinterleib völlig jchüßen,
folange er Hlein ift. Die Kopfbruft aber, und je größer der Krebs wird, dejto mehr auch der
Hinterleib, bleiben vom Schnedenhaus ganz unbededt. Dafür hat er dann Fein Gewicht
Spengel, Bd. 4, Jena 1914). A) Freilebendes Jugendftadium. B) jn Symbiofe mit Bupagurus prideauxi. C) Erwadjene
Adamsia auf einer Schnedenfchale. D) Hornmembran von Adamsia, auf einer Schnedenjhale abgejchieden.
zu jchleppen, die Beine haben großen Spielraum, die Fühler, im Verhältnis zum Körper
mwejentlich länger al3 etwa bei Pagurus striatus, fünnen den Raum nad) allen Richtungen
ungehindert erfunden; die Augen auf ihren großen beweglichen Stielen Haben ringsum
uneingejchränftes Sehfeld, auch nach Hinten, wo fich Einfiedler mit geoßen Gehäufen oder mit
Sagartien die Aussicht verbaut haben. Daß trogdem Kopfbruft und Abdomen auch bei
einem alten E. prideauxi nicht ungejchüßt bleiben, dafür jforgt die treue Genojjin, ohne die
dieje Art normalerweile nie gefunden wird.
Der „ledige” Krebs begegnet einer „ledigen” Adamsia. Sofort jtürzt er auf jie [os
und padt mit den Scheren derb zu. Aber troß der groben Behandlung macht die Fleine
Adamsia in der Regel nicht den geringiten Gebrauch von ihren jehr zahlreichen langen
Neijelfäden, mit denen fie bei jeder anderen Störung fofort bei der Hand it. Smmerhin
dauert e8 nach Faurot3 Verfuchen mindejtens 8—10 Minuten, bi3 fie jich von der Unter-
lage löft; fie moird dann auf das Schnedenhaus gejeßt und jo lange angepreßt gehalten, bis
jie haftet. Die Reize, die von einer Adamsia palliata ausgehen, jind für E. prideauxi äußerit
jtark und verdrängen bei ihm jeden anderen Eindrud. Hat einer ohne Adamsıia exit einmal
ein Eremplar diefer Seerofe mit den Fühlern berührt, jo gibt e3 fein Halten mehr. sm Aqua-
vium mag man dann ihn immer wieder mit dem Glasitab von der Aftinie zurücjchieben:
unter anderen Umftänden mwitrde er fich in Verteidigungspofition fegen oder fliehen; jebt
SUTEETETEERERDDEDERF
BONS Z
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Secdhasftrahlige Bolypen: Seerofen. 151
geht er nur von neuem auf die Aftinie 103. Begegnet ein jolcher „lediger" Krebs, mag er ein
Schnedenhaus bejigen oder nicht, einem „glüclicheren” Genofjen, auf dejjen Haus eine
Adamsia fißt, jo gibt’3 einen Kampf auf Tod und Leben. Sit der AUngegriffene jchwächer, jo
wird er aus feiner Wohnung Herausgerifjen und der Sieger nimmt feinen Plab ein. Am
tolfften aber geht es her, wenn in ein Beden mit mehreren leeren Paguren eine Adamsia
gejeßt wird. Der erfte Sreb3, der die Entdedung macht, toird fofort von feinen Kumpanen
angegriffen. Dann kommen aud) die entfernter jißenden aus allen Eden heran, und wenn
ji) zwei nur unterwegs begegnen, fangen jie chon zu raufen an. Die Bewegungen find beim
Kampf um eine Adamsia viel Haftiger und energijcher als bei einer gewöhnlichen Streiterei
um einen Sutterbroden. Auch dazu eilen gewöhnlich alle Einjiedler aus der Umgebung
hinzu; anjcheinend wirft der Anblid der Kämpfer wie ein Neiz, der vom Futter jelbit aus-
geht. Und jo jcheint auc) der Anblid der energijcheren Bewegungen, wenn es um Adamsia
geht, bereits diejelben Neflere auszulöjen wie dieje jelbit.
Ein einzelner Pagurus prideauxi muß die Adamsıa mit den Tentafeln berührt haben,
um auf jie „aufmerkfjam” zu werden. Ein bloßes Sehen genügt nicht; wenn aber einmal
eine Berührung jtattgefunden Hatte, dann jieht der Krebs jein Ziel auch. Unter mehreren
Aktinienarten, die ihm dann zur Wahl gejtellt werden, findet er Adamsia palliata jofort
heraus. Wahrjcheinlich find es aber neben Berührungsreizen auch chemifche Neize, die auf
die Sinneszellen der Fühler wirken, denn auch in Stoff eingewvictelte Uftinien vermögen
den Strebs zu erregen.
Hat ein E. prideauxi feine Adamsia gefunden, jo wird jie immer auf einer ganz be-
timmten ©telle neben der Mündung des Schnedenhaujes zum Anheiten gebracht, jo, daß
jie unter dem Strebs hinter jeinem Mumde fibt. Dort ift für fie die Möglichkeit zu wachjen
jehr begrenzt. Mit dem Tentafelfranz fieht jie nach unten zum Boden. Nach Hinten kann
jie jich nicht Kümmen; da ift die Harte Schale und noch dazu die Stelle, wo fie am Boden
treibt. Nach vorn aber jtößt jie an die etvig tätigen Beine und Mundglievdmaßen des Ktreb-
jeg. Keinerlei Hindernis ijt nur feitlic) oben. Und nad) den Seiten und nad) oben wächlt
jte, indem jich ihr Körper in zwei Yappen rechts und YinfS von der Mündung der Schale
in die Höhe zieht, jo daß die Fußjcheibe hHalbmondfürmigen Umriß erhält; die vorher runde
Mundjcheibe mit dem Tentafelfranz wird ebenfalls quer-oval in die Länge gezogen. Die
beiven Fortjäße der Fupicheibe rüiden Höher und höher und fommen jchließlich über dem
Krebs miteinander in Berührung: die Adamsia hat einen Ring um ihren Kameraden ge-
bildet, aus dem über ihm und an jeinen ©eiten jofort die langen Nefjelfäden heraus-
fliegen, wenn er berührt wird und zurüdmweicht; jie treten auch) aus dem Munde hervor,
ver im Umkreis nod) durch die Nejjelfapjeln der Tentafeln bewehrt ift. Für ihren Teil
nimmt jie an den Mahlzeiten des Strebjes teil, indem fie mit ihm „vom felben Tiich” ift. Shr
Mund it von Anfang an gerade Hinter dem feinen, und wenn er fich etwas zu Gemüte
führt, braucht fie nur zuzulangen. Daß ihr der Krebs die beiten Biffen zuftopfen jolf, ift
eins der Märchen der älteren Beobachter, die überall im Tierreich menjchliche Einficht und
menjhliche Gefühle walten jahen.
Wacht nun der Krebs, jo rückt fein Mund weiter, die Aftinie muß aljo auch weiter
hinaus, von der Schnedenjchale weg, damit fie etwas zu frejfen Hat. Da vermag nun
ihre Zußicheibe die Unterlage aufzugeben und fich über den Schalenrand vorzufchieben.
Sie bildet jich ihren Stüßpunft jelbit, indem fie einen Schleim abjondert, der zu einer
zarten, aber zähen hornigen Membran erhärtet. Schließlich fibt Die Adamsıa nur noch auf
152 Nejjeltiere: Blumentiere
diefer Hornmembran um den groß gewordenen Krebs herum. Das Schnedenhaus ijt für
beide lediglich die gemeinjame Anheftungsitelle, an der der Einfiedler gerade noc) das Ende
feines Hinterleibes verankert, und an dem die Hornunterlage der Aktinie ihren Anjaß findet,
© baut Adamsia palliata dem Eupagurus prideauxi auch noch ein jchüendes Haus um
den Leib, gerade fo biegjam, gejchmeidig und leicht, wie e3 der lebhafte Burjche allein
brauchen Fann, und dabei doch feit genug. Auch Plag ift veichfich da. Manchmal können
fich fogar no) Würmer und andere niedere Meerestiere im Naume ziviichen Adamsia und
Krebs anfiedeln, ohne daß diefer im Gebrauch feiner Gliedmaßen behindert ift. Daß er jich
nicht völlig in ein feftes Schnedenhaus zurücziehen kann, ift durch die gewonnenen Vorteile
mehr al3 aufgewwogen. Dazu braucht er nur jelten oder überhaupt nicht umzuziehen und
entgeht dadurch dem gefährlichiten Moment im Leben eines Einjiedlerfrebjes (vgl. ©. 623).
Bei gelegentlichen Umzügen, die man im Aquarium beobachtet Hat, werden die Aftinien
natürlich mitgenommen. Daß der Krebs aber nochmals umzieht, wenn der Freundin Die
neue Wohnung nicht „behagt“, it wahrfcheinlich eine irrtümliche Deutung. Die ganze Art
der Vereinigung der beiden bedingt natürlich, daß fich Eupagurus prideauxi im Gegenjab
zu feinen Vettern, die mit Sagartien zufammenhaufen, nur mit einer Gefährtin begnügen
muß und fann. Sehr felten und nur bei jungen Vereinigungen hat man zwei oder auch
drei Adamfien an einer Schale gefehen. |
Auch in der Färbung finden fich Beziehungen zwischen Aktinie und Krebs. Junge
Adamfien find einheitlich rofa. Sn der Symbiofe aber wird die Grundfarbe hellgrau oder
gelblichgrau in verjchiedenen Tönen, die in der Helligkeit den benachbarten Srebsteilen ent-
iprechen. Oben ift die Färbung am dunfeliten, Himbeertot, oft jogar vorwiegend tieftot;
die Flanken werden gegen die Mundpartie zu heller, und der eigentliche, flache Aktinien-
förper ift oft faft elfenbeinweiß, trägt aber noch farmintote Flede. Auch die Ufontien har-
monieren in ihrer Färbung etwas mit dem Farbenton der Oberfläche, obwohl fie in ver
Nude im Körper liegen; fie find rofa, wenn diejer tiefrot, weiß, wenn er heller ift.
Mit diefer ganz einzigartigen gegenfeitigen Abftimmung zweier Organismen in Küör-
pergeftalt und Snitinkten find die Möglichkeiten der Aftinien-Krebs-Shymbioje noch nicht er-
ichöpft. Manche Aktinien können Krabben und Einfiedlerfrebjen auch als Werkzeuge dienen.
Sie werden in den Scheren gehalten und find da natürlich eine vorzügliche Waffe für den
Krebs; zugleich müfjen fie ihm auch die Beute ihrer Tentafel al3 Nahrung überlajjen.
Zu den nicht in Symbiofe lebenden Sagartüden zählen befannte Arten, Die man auch
in den Seewafjeraquarien Häufig jieht: Die jchöne Witwenrofe, Sagartia viduata O. F.
Müll., meift grauweißlich oder bräunlich, mit heller oder dunkler moosgriinen Längs-
Itreifen, und bi$ 8cm hoch und 2cm breit, bewohnt das Mittelmeer und die atlantiichen
Küften Europas; in die Dftfee dringt fie bis zur Slieler Bucht. Sie ftedelt ich bald auf Steinen
oder leeren Schnedenhäufern an, bald auf Seegras, bald im Sand. Wie die Schmaroger-
tofe verfügt fie über Afontien, Die Durch Poren auf Kleinen, nur beim völlig ausgeitredten
Tier fichtbaren Hödern ausgejtogen werden.
Die jehr ähnliche Höhlenjeerofje, Sagartia undata O.F. Müll. (troglodytes Johnst.),
bejigt diejelbe Verbreitung, geht aber nicht ins Bradwafjer der Dftjee; in der Nordjee
it jie ftelfentweife außerordentlich Häufig. Meift lebt fie innerhalb der Gezeitenzone zmwijchen
und unter Steinen, da, wo feuchter Schlamm und Sand oder Kleine Wafjerlachen bei Ebbe
zurücbleiben. Shre Färbung — olivenbraun bis olivengrün, häufig mit Längsitreifen — ift
ua En ATELIER ERLEBEN.
Sedhaftrahlige Bolypen: Seerojen. 153
jo wechjend, daß faum zwei Individuen einander völlig gleihen. Bon der Witwentoje
unterjcheidet fie fich duch eine Bförmige fehwarze Zeichnung am Grunde der Tentafeln
auf der Mumdjcheibe und durch die bleicher als die Körperiwand gefärbten Saugmwarzen an
den oberen zwei Dritteln des Körpers. Ebenfalls ein dankfbarer Pflegling im Aquarium,
bat fie jchon über 50 Sahre in Gefangenfchaft ausgehalten.
Auch das Seemannsliebchen oder die Sonnentojfe, Heliactis bellis Zls (|. Tafel
„Hohltiere IL“, 9, bei ©. 147), gehört hierher, eine veizende, lebhaft orangegelb, Fleijchrot
oder bräunlich gefärbte Aftinie. hr Ichönfter Schmud find die zahlreichen Keinen Tentafel
(bis 700), deren äußerite Reihe vom ftark gefalteten Nand der breiten Mundfcheibe ausitrahlt.
Manchmal wird ein einzelner Tentafel oder zwei, auch bis zu acht auf einmal, ganz enorm
ausgedehnt, bis zu Sund 10 cm Länge, jo daß er ganz durchlichtig erjcheint. Da es meilt
nad) der Fütterung gejchieht, dürfte die jonderbare Erfcheinung vielleicht mit der Bertei-
lung der Nähritoffe im Körper zufammenhängen (Heider). Der obere Teil des bis Icm
langen Körpers trägt große weiße Warzen; über die untere glatte Hälfte ziehen meijtens
hellere Längslinien bi3 zur Bafis. Wie die vorige Art jchlüpft die Sonnentoje gern in
Telöipalten und zwilchen Steine. Mit dem dunklen und gejhüsten Wohnort jteht im Ein-
Hang, daß fie jehr Fichticheu ift und fich ur im Dunkeln entfaltet. Dann gertügt aber die ge-
tingjte Erfehütterung, und die Heine Sonne verjchwindet. Yufammengezogen ift fie dem uns
geübten Auge oft überhaupt nicht jichtbar, denn der Körper ift duch angeflebte Steinchen
und Mujchelfragmente der Umgebung völlig gleich gemacht. Zn Neapeler Aquarium Hat
dieje Art bis zu 20 Jahren ausgedauert; in den Nordjeeaquarien ijt fie ein nie fehlender Gaft.
Koch mehr Tentafel, gegen 1000, bejist die Schönjte Aktinie der deutichen Nordjeefüjte,
die ©Seenelfe, Metridium (Actinoloba) dianthus Zilss (f. Tafel „Hohltiere IL", 11, bei ©. 147),
ein duftiges Büchel feiner Fäven über einer jchlanfen, ganz glatten Säule, die matt rot-
braun, fleiichfarben, lachöfarben, olivenbraun, orangegelb, rein weiß oder graumweiß gefärbt
jein fann. Die Tentafel führen immer den Tarbton des Körpers, nur zarter; oft fünnen
lie noch einen weißen Ring in der Mitte oder eine weiße Spite haben; fie fiten in 20 zier-
fihen Staufen auf ebenjoviel Randlappen der Mundjcheibe. Bei jungen Tieren ijt die
Munpdicheibe noch glattrandig wie bei „gewöhnlichen Aftinien, eine erwachjene Geenelfe
aber in der ganzen Pracht ihrer voll entfalteten Blüte auf dem bis 20 cm hohen Schaft
bietet ein jo wunderbares Bild, daß feine andere damit wetteifern fann. „Das Mittelmeer
mit allen feinen Schägen und das große Aquarium in Neapel vermögen nicht? zu zeigen,
was ihm an Eindrud und Schönheit gleichfäme”, jagt Hartlaub mit Recht vom Geenelfen-
beden im Helgoländer Aquarium.
Die Art ift wahrfcheinlich tosmopolitifch; fie ift an der ganzen atlantiichen Küfte Curo-
pas jehr verbreitet und geht in der Ditfee bis zur Kieler Bucht; auch) dem Mittelmeer fehlt
jie nicht, wenn fie dort auch lange nicht jo Häufig ift wie in der Nordfee. Hier Fommt fie
namentlich in geringen Tiefen, bi3 etwa 20 m, vor, wird aber an der norwegiichen Küjte
auch noch in über 100m Tiefe getroffen. Eremplare aus größeren Tiefen find meift rein
weiß, die Der oberen Wafjerschichten in der Regel farbig getönt. Ym Aquarium ift die See-
nelfe empfindlich und verlangt jtet3 reines Waffer. Sit aber diefe Bedingung erfüllt, jo
gelingt auch die Nachzudyt. Die Eier werden im Hochjommer ind Wafjer ausgejtoßen;
fing — nad) Hartlaub3 Beobachtung — im Seenelfenbeden eine weibliche Seenelfe damit
an, jo folgten bald alle übrigen, und jchlieglich jtießen die männlichen Eremplare folche
Bolfen von Sperma aus, daß das ganze Beden milchig getrübt war und die Nelken völfig
154 Nefjeltiere: Blumentiere.
verhülft wurden. Häufig fommt es aucd) zur Vermehrung durch „Laceration”. Eine
Aktinie Fan zahlreiche Stückchen vom Rand ihrer Fußjcheibe abjehnüren, die alle zu neuen
Tieren ausmachen und ihre Herkunft durch den gleichen Ton der Körperfarbe befunden,
die die Stammutter diefer „Familie“ beißt. Wie Die anderen Sagartiiden verfügen auch
die Seenelfen über Afontien, die fie aus zahlreichen Offnungen der ganz glatten Körper-
fläche auswerfen. Unter der Tentafelfrone, die fich völlig zurüdziehen Tann, geht ein
Nefjelpolfter rings um den Körper.
Unjerer Seenelfe jehr ähnlich und ihr nahe verwandt (nach Andres jogar mit ihr
identisch) ift das amerifanijche Metridium marginatum Lesr., berühmt als die Art, an der
zahlreiche Forjcher der Neuen Welt grundlegende Unterfuhungen über das Verhalten der
Aftinien anftellten. Die amerifanijche Seenelfe wird nur etwa 10 cm hoch, unterjcheidet
fich von unferer aud) dadurch, daß auf der Mitte der Mumdjcheibe ein jcharf umjchriebener
Raum bon Tentafeln frei bleibt und der Neffelring nicht dicht unter der Mundjcheibe, jondern
tiefer fißt. Sie lebt an der ganzen Oftfüfte Nordamerikas, von arftiichen Breiten bis zum
Kap Hatteras und von der Ehbelinie bis zu 170 m Tiefe; am Strand figen oft Hunderte an
einem einzigen Felfen. Außer durch Laceration vermehrt fich die Art ungejchlechtlich auch
durch Längsjpaltung.
In der Familie der Shwimmaftinien (Minyadidae) treiben die ausgemwachjenen
Tiere frei im Blankton an der Oberfläche der tropijchen Meere, auch noch im Mittelmeer.
Sie fchtweben im Wafjer mit Hilfe eines Tuftbehälters, der geradezu an den mancher Staats-
quallen erinnert: die Ränder der Fußjcheibe werden im Laufe der Entwidelung nad) unten
gebogen und umschliegen jo einen Hohlraum, der nur noch durch eine Feine, mittels eines
Kingmusfels verichhießbare Offnung mit der Außenwelt in Verbindung bleibt; er ift von
einer Schrvammigen Mafje erfüllt, deren Machen Luft enthalten. So jchmimmt der Drganıs-
mu3 mit dem abgerundeten Fußende nad) oben und mit den Tentafeln nad) unten. Wie
Velella und andere planftonijche Oberflächentiere find die Minyadiven blau gefärbt.
Kiefen unter den Aktinien find die von Haddon und Kent bejchriebenen gemaltigen
Stoichactis-Arten von der Weftfitite Auftraliens, Flache Scheiben mit unzähligen Tentafeln,
die auf Korallenriffen leben. Stoichactis kenti Haddon erreicht, nad) Hidjon, einen Durch-
meffer von 1—4 engl. Fuß (bis 1,20 m!). Bei ihr jpielen Fische (Bomacentriven) zwijchen
den Tentafeln herum, jchroimmen jogar in ihren Magen hinein; jie jind dadurch dor Nac)-
jtellungen vorzüglich geichüßt, und der Aftinie führen fie durch ihre Bewegungen frijches
Atemmafjer zu. Vielleicht vermögen fie auch, nach Dofleind Vermutung, durc) ihre grelle
Färbung Beute anzuloden; angeblich jchleppen jie jogar Nahrung. für die große ©eeroje
auf deren Mundfcheibe und fteden fie ihr in den Mumd. Dunder berichtet (nac) Par)
von der nahen Verwandten Stoichactis haddoni Kent: „Die Seeroje erreicht einen Durc)-
mefjer von 1 Fuß Länge (nach Kent bis 45 cm) und ijt ausgejtredt ftarf gefältelt. Gie
wurzelt in Löchern abgeftorbener Korallenblöde, in welche fie fich bei Berührung völlig
zurüczieht. Shre zahlreichen Tentafel haften jehr jtark, nejjeln dagegen nicht fühlbar.
Kur in ihrer unmittelbaren Nähe findet man fajt regelmäßig die jehr hübjch auf roten,
goldfiichfarbigem Grund jchwarz und weiß gezeichneten Fijche (Amphiprion, wahrjcheinlich
auch Premnas), die fich bei jeder drohenden Gefahr zwifchen die Tentafelmajjen der Gee-
toje zurüdziehen. Hier vermögen fie fich völlig frei zu bewegen. Verjucht man aber einen
bon ihnen aus der Tentafelmafje zu greifen, fo haftet dieje jogleich jo feit an ihm, dag man
i
nn
Sehsitrahlige Polypen: Geerojen. Steinforallen. 155
ihn nur herausfchneiden oder entzweireißen fann. Sobald man dann die Hände von der
Aktinie entfernt, erhält auch der Fisch feine freie Beweglichfeit wieder. Die Kontraktion
der Aftinie findet auffällig langjam ftatt.” Bei Stoichactis haddoni fommt außerdem
häufig eine Garnele vor, bei St. kenti eine Krabbe, deren Färbung der der Fiiche ähnelt.
Zweite Ordnung:
Stein- oder Niffforallen (Madreporaria).
Bei ven ©tein- oder Riffkorallen ind jo ziemlich alle Unterjchiede gegenüber den
Aktinien durch) die Ausbildung des Kalkifeletts bedingt. Vor dem Eintritt der Sfelettent-
widelung ift ein junger Korallpolyp noch ganz „Aftinie”. Sm Bau des Weichförpers ift
manches jogar einfacher: Wimperrinnen in der Schlund-
ipalte fehlen, und für die Mejenterialfilamente jind feine
bejonderen Voren vorhanden, jondern jte werden bei der
Verteidigung durch den Mund ausgejtogen oder brechen
ohne weiteres durch) die Körperwand; die Wunden heilen
dann wieder zu, wenn jich die Fäven zurüdgezogen haben.
Schusmwaffen find in der Hauptjache auch die in mehreren
Kreifen jechszählig angeordneten Tentafel, die jehr Häufig
an ihren Enden Nejjelfnöpfe führen, wie bei Tubularia und
anderen Hhoroivpolypen. Wenn das Tier ich einzieht,
erden jte nicht mit zufammengezogen, jondern nad) innen
eingejtülpt; über der Munpjcheibe fann fich dann, mie bei
vielen Aftinien, die Körperwand mittels eines Ningmus-
fel3 zujammenschließen.
Mit Hilfe der Tentafel vermögen einige, twie Caryo-
phyllia (j. unten), Beute zu fangen und gegen den Mund
oder die Mumndjcheibe zu führen, von mo jie dann durch norattpotyp, ver Länge nah ge-
Schlingbewegungen des Schlundes oder durch Wimper- lee a IE
Ichlag ins Snnere gejchafft wird. Unbrauchbares wird durch t Tentatel, m! Mund, s SHlundrofr, m
den Wafferftrom wieder herausgetriehen, der beim uva gm
jammenziehen des Tieres entiteht. Daneben it das auf
der Oberfläche völlig betwimperte Tier auch Partifelfreffer: die Wimpern auf der Mund-
icheibe innerhalb der Tentafel fchlagen nach dem Mund Hin und führen ihm alles zu, was
auf fie fällt. Alle Wimpern außerhalb der inneren Tentafel aber arbeiten vom Mund
weg; jte halten den Körper dadurch rein, namentlich wenn jich das Tier zujammengezogen
hat, weil fie dann die nach außen gefehrte Fläche ganz einnehmen. Andere Rifftorallen,
wie Fungia, find, nad) Duerden, ganz auf feinverteilte, im Waffer Herniederriefelnde orga-
niihe Subjtanz al3 Nahrung angemwiefen. Bei diefen Bolypen wird alles, was auf ihren
Körper fällt, von einer dünnen, zujammenhängenden Schleimfchicht feitgehalten und ein-
gehülft. Der anfangs dünnflüjjige Schleim wird nad) und nad) zu einer feiteren Lage,
die von Zeit zu Zeit in einzelnen Feen aufbricht. Vom Schlund ausgehende Wimperjtröme
treiben fie jamt eingebetteten Fremdfürpern vom Körper herunter: jo bleibt die Mund-
icheibe jauber, auch Schüßt der Schleim vor Verlegungen. Sind aber Teildhen hineingeraten,
156 Nejjeltiere: Blumentiere,
aus denen das Tier Nährftoffe ausziehen kann, jo wird reichlicher Schleim ausgejchieden,
dann der Wimperfchlag umgefehrt und alles durch Schleimftröme in den geöffneten Mund
hineingetrieben. — Stanley Gardiner hat im Magenraum von Riffforallen bloß ausnahms-
weife tierische Nefte gefunden, meift nur Algen. Bei der Armut des tropischen Planktons
dürften fie nach Gravier die Grundlage für die Ernährung der Riffforallen jein. Dft leben
die Algen fymbiotifch in den Gemweben, wie bei Aftinien, Hydroiden und Schmwänmen.
Vielleicht befigen auch bei manchen Korallen Farbitoffe, ähnlich dem Blattgrün der Pflanzen,
die Fähigkeit, anorganifche Stoffe zu affimilieren, wie dies ja auch für daS Rot der Pur-
purtoje vermutet wird (j. ©. 145).
Gleich vielen Seerofen find die Madreporarier in der Regel Zwitter und lebend-
gebärend. Die Jungen fchwärmen als Wimperlarven aus und werden durch Gezeiten und
Strömung verichleppt. So verbreiten fi) die Arten über den Raum. Zur ungeheuren
Vermehrung der Individuen an Ort und Stelle aber führt Sprofjung und Längsteilung.
Meift bleiben alle auf diefem Weg erzeugten Verfonen zufammen und bilden Kolonien bon
Humderten und Taufenden von Einzeltieren, deren Sfelette in den tropijchen Meeren
gewaltige Riffe bilden.
Die Anlage des Korallenfkeletts erfolgt ähnlich wie bei den übrigen Anthozoen. Schon
bei Aktinien fahen wir, daß von der Fußicheibe eine Hornige Membran abgejchteven mwer-
den Fan. Go jchafft fi) auch der junge Korallpolyp zunädhit nur eine folide Unterlage,
aber aus Zohlenfaurem Kalk (in der Form des Aragonits). Bei der einfachen Zalfigen Fuß-
platte bleibt e3 jedoch nicht. Allmählich erheben fich auf ihr fenfrechte, radiär angeoronete,
in der Mitte jedoch nicht zufammenftoßende Leiften, die „Sternleiften" oder „Strahlen-
platten“; zuexft find e3 jechs, dann treten weitere in jechszähliger Anordnung dazu. Dieje
Sternleiften drängen Die Körperwand von unten vor fich her und Yafjen fie Falten in das
Körperinnere hineinbilden, die zwifchen den fleifchigen Septen ftehen, nicht, wie man
früiher glaubte, in ihnen enthalten find. Bald erhebt fich, vem äußeren Boden der Stern-
leiften nahe, ein ringfürmiger Kalfwall, die „Mauerplatte". Da dieje Ringplatte aber
wiederum nicht in der weichen Außenwand des Bolypen, jondern einmwärts von ihr ent-
iteht, jcheidet die Falte, die dadurch in die Gaftralhöhle vorgejchoben wird, dieje in einen
innerhalb und einen außerhalb der Mauerplatte gelegenen Raum. Zu diejen wichtigjten
Sfelettelementen der Korallen fommen noch bei den einzelnen Gruppen in verjchiedener
Ausbildung fogenannte „Rippen“, die die Sternleiften außerhalb der Mauerplatte fort-
jeßen, eine „Columella”, die im Zentrum bon der Fußplatte in die Höhe. jtrebt, vertikale
„Bfeiler” (Bali) vor den inneren Enden der Sternleijten, die Sternleijten transverjal ver-
bindende „Synaptifel”, und Durch Kalfausjcheidung außen an der Bafis der Leibesmwand
eine „Außenplatte” parallel der Mauerplatte, mit der ji) die Enden der Rippen unter
Durchbrechung der Leibeswand verbinden fünnen, mit der jogar auch die Mauerplatte
mehr oder weniger verfchmelzen kann. Diejes ganze Sfelett wächjt ftändig durd) Anlage-
rung neuer Kalffehichten nach oben. Schließlich wird der von der Mauerplatte gebildete
„Kelch“ zu tief für den Weichkörper. Die Tußplatte jcheidet dann einfach neuen Kalfboden
aus, entweder auf den alten, jo daß ein mafjiver Kalkjodel unter dem PBolypen in die Höhe
mwächft, oder e8 wird Baumaterial gejpart und nur in gewijfen Zwifchenräumen ein neuer
Duerboden ausgefchieden. — Der Raum zwifchen den einzelnen Kelchen im Sfelett wird
bei den einzelnen Gruppen in fehr verjchiedenem Grade durch Kalf ausgefüllt; bei den
jogenannten perforaten Korallen ziehen darin Kanäle bon Kelch zu Kelch.
BIER Fe EEE
Sehsftraglige Polypen: Steinforallen. 157
Bei der Vermehrung der Volypen durd) Teilung trennen fie) zunächit nur die Mund-
icheiben mit Tentafeln, Mund und Schlund. Hierauf fondern die in die Teilpolypen nac)-
wachjenden Mauerplatten auch die Innenräume der Gaftralhöhlen mehr und mehr von-
einander, während natürlich die außerhalb der Mauerplatten gelegenen Außenräume immer
noch in Verbindung bleiben. Dieje Außenräume der Gaftralhöhlen aber gehen in der Sto-
tallenfolonie dauernd von Tier zu Tier ineinander über, jo daß jelbit riefige Kolonien mit
Ralfmafjen von mehreren Metern Durchmefjer normalermweije von einer gejchlofjenen Dede
lebender Polypen überzogen find.
Auch im Verhalten zeigt jich der lebendige Zufammenhang aller Polypen einer So-
Ionie. Wird einer von ihnen gejtört, jo zieht nicht nur er fich zufammen, jondern auch die
ganze Nachbarschaft. Se jtärfer der Keiz, um fo größer der SKreis, der in Mitleidenjchaft
gezogen wird. Wird eine Anzahl Polypen irgendiie zerjtört, jo lafjen, nad) Gravier, alle
angrenzenden neues Gewebe hervorfprojjen, das die Lüde wieder jhliegt. Ein „Eoloniales"
Nerveniyitem ift anatomifch noch nicht nachgemiefen.
C3 find alfo nicht die „Gräber” und „Maufoleen‘ der Vorfahren, auf denen die Wo-
Ippen der Riffforallen gedeihen, wie man früher meinte, jondern fie jigen als dünne Lage
über ihren eigenen, nad) und nach aufgetüirmten ©feletten. Der Gründer und Stammpater
einer Kolonie lebt inmitten einer Nachfommenjchaft von vielen Generationen bis zu dem
ungfüdlichen Zufall, der feinem Dafein ein Ende jest. Bei dem riefigen Umfang der olo-
nien einiger Arten muß er gelegentlich ein jehr Hohes Alter erreichen fünnen, das nad)
Gravier vielleicht nad) Zahrhunderten zu zählen ift.
Für die Koloniebildung gelten bei jeder Art bejtimmte „Wachstumsgejebe": ent-
weder pflanzen fich alle Tiere einer Kolonie oder nur ein Teil davon ungejchlechtlich fort. ,
Manche Arten bilden nur Knofpen, andere haben nur Längsteilung. Eine Knofjpe entiteht
nur an einer bejtimmten Stelle des Mutterpolypen; bei Längsteilung jchafft der Winkel,
in dem die beiden neuen Tiere auseinanderjtreben, ausgeprägte Artunterjchiede.
Diefe Wachstumzsgefebe find nun aber feineswegs ausjchlaggebend dafür, wie eine Sto-
tallenfolonie ausfieht. Alle die mannigfachen Formen, in denen Storallen auftreten: Struftent,
Eumpige Maffen, Halbfugeln, Becher, frei ins Waffer ragende Blatten, Gebüfche aus groben
oder feinen Üften, und ebenfo die Oberflächenrippefung des ganzen Sfelett3 und die Menge
der Füllmafje werden aufs ftärkfte Durch die Lebensbedingungen am Standort einer Kolonie
beeinflußt; danach) variieren die Sfelette innerhalb einer Art manchmal geradezu endlos.
Wie fih der Einfluß der jeweiligen Umgebung den Korallenjtöden aufprägt, Hat
Sones 1907 auf dem Atoll Cocos Keeling während 15 Monaten eingehend unterfucht. Bon
allgemeinen Richtlinien bei der Entjtehung einer Kolonie ift neben den ererbten Anlagen der
Art, die in den Wachstumsgefegen zum Yusdrud fommen, meist daS Beftreben vorhanden,
nad) oben, dem Licht entgegen, zu wachjen. Dies ift bei Arten mit lebenswichtigen [ymbio-
tiihen Ulgen unbedingt erforderlich, damit die nüglichen Gäfte afjimilieren fünnen. Den
Korallen, die im Schatten unter Klippen und Geröll mit den Mundöffnungen nad) unten
wachen, fehlen die Mgen. Allgemein fuchen die Kolonien auch der vorherrichenden Wajjer-
fhömung eine möglichjt große Fläche zu bieten und breiten fich im rechten Winkel dazu
aus, obwohl! fie Dadurch Bejchädigungen viel ftärfer ausgefegt jind, denn Futter und Sauter-
jtoff, die ihnen das Wafjer zuträgt, werden um fo vollftändiger ausgenubt, je größer Die
polypentragende Fläche ilt, auf die es trifft. Sonft aber ift die Zorm einer Korallenfolonie
ganz das Ergebnis der Bedingungen des Plates, an dem jie jich zufällig angefiedelt Hat.
158 Nejjeltiere: Blumentiere.
Sn größeren Tiefen jehen Stöde derjelben Art völlig anders aus, al3 wenn jie in jeichtem
Wafjer nahe an der Oberfläche gewachjen jind, und unter den Flachwajjerformen unter-
icheiden fich die aus ftilflem Wafjer ganz mwejentlich von denen aus der Brandung. Lebens-
bedingungen, die zwijchen diefen Eriremen fiegen, erzeugen auc Zmwijchenformen zwiichen
Tief- und Flachwafjer-, Stillwafjer- und Brandungskorallen. An geeigneten Blägen lafjen
jich innerhalb einer Art füdenlofe Übergangsreihen finden zwifchen runden Blöden, fladen-
fürmigen Formen und flachen Kruften in der Wafjerlinie der Riffe und dem üppig ver-
zweigten Gebifch feinfter zerbrechlicher te aus dem fpiegelglatten Wafjer der Lagune.
Verfolgt man die Art dann in die Tiefe, jo werden die dünnen Äfte jpärlicher, find faum
berzmweigt und ftehen meiter auseinander. Dafür werden fie reichlich länger, denn im Höher-
mwachjen find fie unten im Waffer nicht behindert, wohl aber oben bei der Berührung mit
dem Wafjerspiegel; hier fan fich die Kolonie nur durch O©eitenäjte vergrößern.
a b @
Drei verfhtedene Wuhsformen einer Acropora=-XArt: a) im Stillwafjer, b) in größerer Tiefe, ce) im Bereiche der
Brandung. Nah FW. Jones („Proceedings Zool. Soe.*, London 1907).
Außer der geitaltenden Straft des bewegten Wajjers haben auch Schlamm und Sand,
die ji) am Standort aus dem Wafjer ablagern, großen Einfluß auf die Ausbildung des
Korallenjfeletts und Damit das Ausjehen der ganzen Stolonie (j. die Abb., ©. 159). Wo folche
Sedimente in größerer Menge niederfallen, ift iorallenleben überhaupt nicht möglich. Die
niederfallenden Teilchen häufen jich in ven Magenräumen an, und die jtärfiten Kolonien
gehen daran bald zugrunde. Wenn aber der Niederichlag nur gering ift oder von Zeit zu
eit jogar ganz ausjegt, dann hat die Koralle Zeit, jich umzuformen und dadurd) gegen
die Schädigung anzufämpfen. Es find gerade die Kelche, die fonft die ftabiliten und für
die Artunterjcheidung wichtigiten Merkmale liefern, die fich anpafjen. Sie verkleinern fich,
um dadurch die Schmußgmtenge, die in ihre Bolypen fallen wird, auf ein Mindejtmaß zu
verringern; fie jpringen höher über die allgemeine Oberfläche vor; gleichzeitig nimmt die
Dberfläche der Füllmafje zwiichen den Stelchen eine Rippelung an, um die feiten Teilchen
zurüdzuhalten, die auf die Kolonie fallen. Dadurc wird das Ende der Kolonie jedenfalls
hinausgejchoben. Auch die Wuchsform fann Durch die niederriejelnden Sedimente berührt
werden. Häufig jterben dadurch die oberiten Volypen ab; dann wird fich die Form der
Stolonie im weiteren Wachstum mehr und mehr abflachen müfjen. Dbder es gehen an be-
fiebigen anderen Stellen Kleine Bezirfe zugrunde, und beim Größerwerden der übrigen
Zeile der Stolonie entitehen die wunderlichiten uncegelmäßigen Gebilde, obtwohL diejetbe
Korallenart vielleicht in Harem Wafjer eine ganz bejtimmte Wuchsform hat.
re Sc,
Er ee See ee A ”
Sedhösjtrahlige Volypen: Gteinkorallen. 159
Auch Pflanzenwuchs Ffann die Koralltiere jchädigen und das Ausjehen der Kolonien
beeinflujjen. Jeder Tang hält die Sedimente zurück und vermehrt dadurch ihre Anhäufung.
Unmittelbar tödlich wirken Pilze und Algen, die die Kolonien anfallen und manchmal weite
Gtreden der Riffe veröden lajjen. Ganz merkwürdige Bildungen verurfachen auch die zahl-
reichen, im Rifffal bohrenden Tiere. Die Röhren der Röhrenmwürmer, die fich außen an
den Kolonien anjiedeln, werden nad) Gravier3 Beobachtungen von den Korallen ummwachjen,
und es erjcheinen dann die jonderbarjten Wülfte auf der Oberfläche der Skelette, an deren
einem Ende fich der Wurm die Offnung freihält. Allerhand Beulen und Wucherungen,
„storallengallen“, werden bei veräftelten Kolonien durch leine Krebje (Harpalocareinus
marsupialis S2.) verurjacht. Gie jiedeln jic) auf einem Storalfenzmweig an und werden
bi3 auf einen jcymalen Spalt völlig von der Koralle umfchloffen; durch diefe Offnung ftru-
dein jie jich mit ihren Ghedmaßen Nahrung und Atemmafjer zu und verhindern damit zu-
gleich, daß fich ihre Behaufung völfig jchließt.
©o fünnen aus allen möglichen
Gründen aus den Larven eines einzigen
Korallpolypen die äußerlich verjchiedeniten
Korallenjtöde entjtehen. Die ShHitematif
der Korallen ijt Dadurch natürlich jehr er-
jhwert. Da auch feit jeher fait nur Sfe-
lette in die Mujeen und zur Unterfuchung
famen, entitand ein Wuft von „Arten“, mit
denen jest langjam aufgeräumt wird, rac)-
dem man die ungeheure Beränderlichkeit
und Elaftizität bon Icheinbar io jtarren Salf- Acropora pulchra in tlarem Bafier (ins) und bei
gebilden erfannt hat und anfängt, die „Va- Be
riationsbreiten“ der Arten zu jtudieren.
Auch die Färbung der lebenden Kolonien fann dem Sammler oft feinerlei Finger-
zeig geben, welche Art er vor jich hat. Die Bolypen jchimmern in den prachtvolliten Farben,
doch finden fich von einer Art oft nebeneinander braune, gelbe, purpurfarbige, violette
Exemplare; in einer einzigen Kolonie können die oberen Tiere lebhaft grün jein, während
die an den Geiten braun und die an der Bajis falt ungefärbt find (Gravier). Tiefenformen
haben meijt feine ausgejprochene Farbe oder find nur jchwac) gefärbt.
Genauere Kenntnis der Weichförper haben wir exit für verhältnismäßig wenig Arten,
hauptjächlich durch Duerdens Arbeiten. Auch über die Lebenserfcheinungen mwiljen wir .
nur jehr wenig, namentlich was Die tropiichen Arten angeht. Hier fünnen nur ein paar der
wichtigiten aus der ungeheuren Artenfülle der Madreporarier Pla finden. Die „Jmperfo-
taten“, beidenen die Mauerplatte nicht von Voren durchbrochen ift und auc) die Füllmaffe,
wenn fie überhaupt vorhanden ift, feine Öffnungen zeigt, feien, wie üblich, vorangeftellt.
Erijte Unterordnung: Imperforata.
Zu den einfachiten Smperforaten gehören die Heinen Caryophyllia-Irten, die Kreijel-
forallen, einzeln lebende Korallpolypen mit charakteriftisch Freijelfürmigem Kelch, die chon
in den Meeren der Streidezeit gelebt haben. Caryophyllia clavus Scacchi, die im Mittelmeer,
im Atlantifchen und Sndiichen Ozean aus Tiefen von 40—2500m befannt ift, erreicht 35mm
Höhe und 23 mm Durchmefjer. Das untere, fajt jpige Ende jest ji auf Mujchelfchalen
160 Nefjeltiere: Blumentiere,
oder Heine Iofe Steinen; oft ift die Unterlage jo leicht, daß fie mit der jchweren Koralle
umfippt und diefe von jeder Strömung meitergerollt werden fan. Der Volyp ift außer-
ordentlich zart und wird fat völfig durdhlichtig, wenn er fich voll entfaltet. Er erhebt jich
dann um ein beträchtliches Stüd (1 cm bei 2—3 cm Kelchhöhe) über den ovalen Kelchrand.
Das matte Hellbraun oder warme Dunfelbraun des anmutigen Körpers wird dabei viel
blafjer und feiner, auch fünnen jich die Farben in Bänder verteilen; faum zwei Bolypen
gleichen einander in der Färbung. Bei manchen Exemplaren treten prachtvoll fmaragd-
grüne oder metallgrün glänzende Neflere in der Umgebung des Mundes und am Grunde
der Tentafel auf. An den mwajjerflaren Fangarmen, die je nad) ihrem Alter verfchieden lang
jind, heben ji) an den Enden weiße Nefjelfnöpfe ab, und über ihre ganze Oberfläche find
feine weiße Fleden, ebenfalls Anhäufungen von Wefjelfapfeln, zerjtreut. Die Schwärm-
larven kommen im Golf von Neapel, nad) vd. Koch, von Mai bi3 Anfang Zuli aus dem
Mund des Muttertieres. Sie treiben ji), wie Lacaze feititellte, nur furze Zeit frei herum
und jiedeln jich in der Nähe der alten Tiere an,
häufig mehrere auf einem Steinchen. Gelegent-
lich nehmen fie auf der Mauerplatte der Alten
lab, jo daß es ausjieht, als wären fie daran
gefnojpt; manchmal jegen jie jic) auch in Die
Kelche abgejtorbener Tiere der gleichen Art.
Dh ungefchlechtlihe Vermehrung bei Caryo-
mwafjeraguarium halten fie jahrelang aus (I.
auch ©. 155).
Ebenfalls Einzeltiere find die Fächer-
GERTEESTEIETE er forallen (Gattung Flabellum Less.). Der
a u 'Selc, beifen Wann von einer Yıyerulni
nicht von einer Mauerplatte gebildet wird, ijt
in einer Ebene ftark in die Länge gezogen und mehr oder weniger flachgedrücdt. Bei einem
Gremplar de3 meltmweit verbreiteten Flabellum pavoninum Less., da8 die Deutjche Tief-
jee-Crpedition bei Sumatra in 470 m Tiefe fichte, erreichte die ovale Kelchöffnung 93 mm
in der langen Ylchje, bei nur 43 mm in der furzen. Bon der Ceite gejehen fieht das Skelett
wie ein Kleiner Fächer aus. Auterefjante Beobachtungen über die Fortpflanzung der Fächer-
forallen machte Semper auf den Philippinen bei einer Urt, die im ganzen Sndifchen Ozean
borfommt, F. rubrum Q. @. var. stokesi E.H. Die Schwärmlarve wächlt zu einem geftielten,
mit zwei jeitlichen Dornen verjehenen Kelche heran (B); darin entiteht eine Scnofpe, die zunächit
mit der Mutter noch jo innig zufammenhängt, daß beide fcheinbar ein Tier (C) bilden, das
jogar einmal al8 bejondere Art bejchrieben wurde. Schlieklich fällt die Knofpe ab (D) und
lebt, ohne feitzumachjen, in einer Felßfpalte oder irgendeinem anderen Schlupfwinfel weiter,
in den die Strömung fie getriebenhat. Mit der ausihren Gefchlechtsproduften herborgehenden
Larve beginnt der Generationswechjel von neuem. Die vorherrfchende Farbe diejer Art ift
ein jchönes, intenfives, aber durchjcheinendes Not; über die Mundfcheibe ziehen fait immer
zwei breite dumfelrote Bänder, welche bei hellen Exemplaren deutlicher Herbortreten.
sn höhere Breiten hinauf gehen zwei Vertreter der Familie der Deuliniden oder
Augenforallen, die nicht mehr einzeln leben, fondern bis 60 cm hohe, reichverzmweigte
phyllia vorfommt, ijt nicht befannt. Sm See-
u a eK er re 7 ee 5,
Sehsitrahlige Bolypen: Steinkorallen. 161
Büjche am Meeresgrund in ettva 200—1700 m Tiefe bilden. Lophelia (Lophohelia) proli-
fera Pall. (j. Tafel „Hohltiere ILL”, 4, bei ©. 162) wird im Mittelmeer an vielen Stellen
gefunden; jie fommt auch im ndichen Ozean vor und geht im Atlantik von Triftan da
Cunda bis zur norwegijchen Küfte. Die annähernd zentimeterbreiten Kelche find im Skelett
jo tief, daß unten fein Boden fichtbar wird, fondern nur die Septen zufammenzulaufen
iheinen; zwifchen den Kelchen liegt qlatte,
weiße Füllmafje. Die Form der Büfche
it jeher unregelmäßig; häufig verichmelzen
die Äfte miteinander, und die Kelche halten
feine bejonders auzgeprägte Ordnung ein.
Dazu wird alles, was mit den Kolonien in
Berührung fommt, Schneden, Mufcheln,
Kreijelforallen, Geeigelitaheln, Wurmt-
töhren ujw., ummwachjen, jo daß größere
Stöde im Ausjehen ungeheuer abänderit.
Auf den Stöden jtedeln fich verjchievene
jeffigenbe Meerestiere, barunter, und FN9ertsTETte, Fakılun num DL OL Tec aokent a
Kiaer und Wollebaef, ganz regelmäßig be-
ftimmte Charakterformen einer „Lophelia-zauna” an. Die Bolypen der Urt, die jich in der
Gefangenichaft jchwer entfalten, jind leicht gelblich und fait ganz durchlichtig; der Yarbton
veritärkt jich im Mumndfeld und an den Septen, die durch die Körperwand Hindurchichimmern.
Koch viel zarter find die Farben bei dem ‚„‚Corallium album“ der alten Vharmagie,
DE es Doralle, Amphelia (Amphihelap
oculata Z.; gegen das blendendweiße SKalfjfelett
jind die ausgejtredten Tiere infolge ihrer außer-
ordentlichen Durchlichtigkeit einfach nicht zu fehen.
Kacd) Lacaze Halten jie über zwei Monate im
YUguarium aus und entfalten jich leichter al Lo-
phelia. ©ie haben diejelbe Verbreitung tie dieje,
leben auch genau jo und fiedeln jich jogar oft auf
deren ©felett an. Ubgejehen von der anderen
Anordnung der Sternleiften bleiben die Selche
Heiner und die Stolonie wächit, wenn jie ungeftört '
gedeihen Fan, jehr niedlich nach bejtimmtem | Ei se
Gejeb: als wäre ein zujammenlegbarer Meter- Weiße Kovatle, Amphelia oeulata L. Nad) v. Dta-
maßftab fo auseinandergeflappt, daß die ein "HT rych auf der auleiia, w0. vn
zelnen Dezimeter Winkel von 80 bis 950 ein-
ichließen. An jeder Ede fißt ein Bolyp; häufig verfcehmelzen die Afte, die in verjchtedener
Richtung wachjen, unregelmäßig miteinander. Auch diefe Koralle fanın ganze Eleine Mir-
feen in fich einfchließen.
Zu der großen Familie der Sternforallen (Astraeidae) gehören hauptjächlidh folonie-
bildende Atten, bei denen die Füllmafje zwijchen den Stelchen jtark zurüicdtritt. An den fitd-
europäischen Küften lebt die Rafenforalle, Cladocora cespitosa Z. Die Kolonien jind
Büchel einzelner, röhrenfürmiger Kelche von etwa % cm Durchmefjer, die ohne jede
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 11
#
162 Nejfeltiere: Blumentiere.
Füllmafje zufammenhängen; jte entitehen, indem am Grund des exiten, aus der Larbe her-
vorgegangenen Bolppen Knojpen jprojjen, die parallel der Mutter in die Höhe wachjen; dieje
faffen dann felbft wieder Knofpen entftehen. An manchen Stellen wuchern die Rafenforallen
ganz außerorventlich und beveden Flächen von 100 und mehr Quadratmetern; fie leben
zwijchen ettwva 18 und 600 m Tiefe. Die PRolypen jind hübjch dunkelbraun, mit helleren
TIentafeln. Wenn das Tier jich zufammenzieht, ftrömt, nac) Heider3 Beobachtung, das im
Magenraum enthaltene Wajjer, wie bei vielen Aktinien, aus den weißen Tentafeljpiben aus.
Auch daß die abgejchnittenen Volypen mit Hilfe der Tentafel zu-Friechen vermögen, er-
innert an die „Weichkorallen”. Sm Aquarium Hält fich Cladocora gut, Doch bleichen Die
ichönen Farben langjam aus. Außer vom Mittelmeer ift die Gattung auch von Madeira
und aus Wejtindien befannt und folitl Schon in der Surazeit vertreten.
Andere Sternforallen vermehren jich jtatt durch Sinojpen durch Längsteilungen, bei
denen die Kelchiwände der neuen Sndivivuen dicht aneinander ftehen können. &3 braucht
jogar nicht einmal mehr zu einer völligen Trennung im ©felett zu iommen; die Weichfürper
fünnen gejondert jein, aber die Kelche darunter fließen mit ihren Hohlräumen zujammen;
ichließlich reihen fich auch die Tentafel und Septen nicht mehr in regelmäßig jechszähliger
Anordnung um die Mundöffnung und die Hauptache. Wie diefer „Mäanvdertypus" im
Sfelett ausjieht, zeigt die Abbildung (1 auf der Tafel „Hohltiere III") des Neptungehirnes
oder der Hirnforalle, Diploria cerebriformis Zam., die in Wejtindien und au) im Sndijchen
Dean (?) auftritt. Gleich den Zucchen und Windungen auf der Oberfläche eines Menfchen-
hirnes laufen gewundene „Täler" zwiichen „Höhen“: Neihen zufammenlaufender Kelch-
Höhlen mit ihren Sternleiften zwischen den verjchmolzenen Geitenmwänden der Kelche. Die
Bolypenmäuler erheben fich in Ketten über ven Tälern, umd die Tentafel ftehen wie Sranen
an den Ceiten. Hicjon meint, daß man da iiberhaupt nicht mehr von einer Kolonie |prechen
fünne, jondern von einem Tier, das in eine beträchtliche Anzahl unvollftändig abgetrennter
Teile zerfallen it. Die prachtvollen bunten Farben der lebenden Maeandra-Itten lafjen die
gelben Stüde auf unjerer Farbentafel (bei ©. 168) Iinfs ahnen.
- Imeite Unterordnung: Fungaceae.
Bon den Smperforaten unterjcheidet fich die zweite große Gruppe, die der Funga-
ceen, durch den Belib von „Synaptifein”, Falfigen Duerbälfchen, die die Sternleiften des
Kelches untereinander verbinden. Auch hier qibt es foloniebildende Formen, Die manchen
Sternforallenfolonien äußerlich völlig gleichen.
Biel befannter aber find Einzelforallen, die charakteriftiich geformten PBilzforallen
der Gattung Fungia Dana. Yhr Sfelett jieht fait aus, wie der Hut eines Champignons von
unten. betrachtet: auf einer rundlichen oder ovalen, meijt leicht emporgemwölbten Platte,
die bei der auf der Tafel „Hohltiere III” (Fig. 2) abgebildeten Fungia fungites Z. bi$ 30 cm
Durchmejjer erreichen Fan, jtehen von der Mitte nach allen ©eiten jenfrechte Lamellen. &3
jind Die Sternleiften, und der Boden, worauf fie jtehen, it die Hier nicht Felchfürmige, jondern
ganz flach ausgebreitete, ja jogar nach abwärts heruntergebogene Mauerplatte, die nur mit
ihrem freien Rande ven Untergrund berührt. An ihrer (jegt unten gelegenen) „WUußenjeite”
verlaufen, wie an den aufrechten Kelchwänden anderer Korallen, feine Rippen, die mit
verjchteden ausgebildeten Stacheln Dicht bejebt find. Der Polyp zu Diefem Gehäufe hat jehr
zarte Weichteile, Die bei manchen Arten jchön grün (f. die Farbentafel bei ©. 168, Ins unten),
bei anderen dunkelbraun gefärbt find, und befigt zahlreiche Yange Tentafel mit weißen
Hohltiere IH.
1. Hirnkoralle, Diploria cerebriformis Zam. S. 162. 2. Pilzkoralle, Fungia fungites agariciformis Zam.
Nach Photographie. S. 162.
3. Riffkoralle, Acropora varia Älzgr. S. 165. 4. Augenkoralle, Lophelia prolifera Pall. S. 161.
‚Abb. 2-4 Phorographien von Werner & Winter in Frankfurt a. M. nach Exemplaren iın Zoologischen Museum der Senckenbergischen
Naturforschenden Gesellschaft.
#
F
|
6. Teil vom Großen auitraliichen Barriereriff bei Port Deniion, mit Milleporen
und Alcyonazeen. Nach Saville Kent.
Beide Bilder aus Saville Kents Werk „The Great Barrier Reef of Australia“. London 1393.
Ss. 171.
Sechsftrahlige Polypen: Steinforallen. 163
Endfnojpen. Der ausgeitredte Weichkörper iiberdedt das Skelett völlig; chrumpft er. aber auf -
einen Reiz Hin zujammen, jo verjchiwinden die Hübich gefärbten Gewebe langjfam zwischen den
Lamellen bis auf einen dünnen Überzug über den Kanten der Sternleiften. Hand in Hand
damit geht, nach W. Jones, „in jeltfamer Welle" ein allmähliches Ausbleichen der Farben,
jo dab jhlieglich ein Ieblofer Steinbroden im Wajfer zu liegen fcheint. — Die Tortpflan-
zungsberhältnijje ähneln denen der Fächerforalle. Aus der Schwärmlarbe entfteht eine Feine
felchförmige Koralle (Anthoplaft), Die durch feitliche Knofpung ein fehtvach verzweigtes Stöd-
chen Tiefert (Anthocormus, rechts unten auf der Farbentafel). Defjen Kelche verbreitern
Jich und flaen fich zu Heinen Fungien ab, die fic) von ihrem Stiel abjchnüren; aus dem
Stumpf wächlt ein neuer Fungienfelh nad. Die Kleine Fungia aber bleibt da, wo fie von
den Wellen hingetragen mird, frei liegen; die Lilde in der Mitte ihrer. Sfelettplatte, wo
jie fi) vom Anthocormus Töfte, fchließt jich durch friich abgelagerten Kalk, und die Koralfe
wächlt zur Oejchlechtsreife heran. Außer durch Anthoblajten-
bildung vermögen fich die Pilziorallen auch durch Kuuofpen
ungejchlechtlich fortzupflanzen. Wie bei anderen Krallen
wachjen diefe an der ©eitenwand heraus, bei den Fungien
alfo an der Unterfeite, wo man fie gelegentlich noch mit der
Mutter verbunden fieht. Wahrjcheinlich werden fie früh
jelbjtändig. Vielleicht Fönnen joldhe Sinojpen auch) im Kelch
entitehen; nicht zu verwechfeln find damit Larven, die auf
der Mutterforalle oder auf Nachbarn zu Anthoplafiten auf-
wachen. Schließlich vermögen fich die großen Bolypen
auch noch zu teilen, indem fich Sektoren aus der Scheibe
herauslöfen und wieder zu ganzen Tieren auswachjen. ID CDENN SUN EST PLgepenlle
(Fungia), a Narbe, an der fi) eine
Bilzkorallen leben nur in den tropischen Teilen Des yt= igeitenförmige Fungia abgelöft Hat,
diihen und Stillen Ozeans; einzelne Arten fünnen da über Din ac Sc a
ein gemwaltiges Gebiet verbreitet fein, wie Fungia fungites,
die von Mofambik bis Tahiti geht. Sie jigen in flahem Wafjer bis zu etwa 80 m Tiefe
zwwijchen den feitgewachjenen Riffforallen und find jo davor betvahrt, duch jtärfere Wellen
berichleppt zu werden. Manchmal treten fie in ungeheurer Menge auf. Auf die verjchie-
denen Xebensbedingungen, wie fie vor allem die Strömungsverhältniffe am Standort mit
fich bringen, haben die einzelnen Arten durch die vielfältigiten Abänderungen in der Ge-
ftalt und Größe der Scheibe, der Lappung ihres NRandes, der Höhe, dem Verlauf, der
Zahl, der Dide und der Bezahnung der Septen, der Form der Rippen und ihrer Stadheln
geantwortet. Döpderleins Unterfuhungen Darüber führten zu einer. bedeutenden Ver-
tingerung der früher bejchriebenen Fungia-, Arten”.
Dritte Unterordnung: Perforata.
Die wichtigiten Riffbildner gehören zur Unterordnung der Berforaten, bei denen
Dffnungen in den Kelhmänden vorhanden find; fie führen in ein Nebwerf von Gängen
innerhalb der Füllmafje, die von lebendem Gewebe ausgefleidet werden und die Volypen
untereinander verbinden.
‚Hierher zählen fait ausjchließlich Eoloniebildende Formen aus den tropiichen Ieeten.
Einige finden fich auch noch im Mittelmeer, fo Dendrophyllia ramea Z. (bb., ©. 164), die
am Grunde des Meeres große Bäume mit prächtig gelben Bolypenblüten bildet. Lacaze
11*
164 Nefjeltiere: Blumentiere.
berichtet von einem Sfelettftrunf mit zerbrochenen bis fchenfeldicen Aften, von etiva 1 cbm
Umfang, den Koralfenfifcher in La Calle an der Küjte von Algier heraufgebracht hatten.
Die Sfelette, die man in Mufeen jieht, Haben meift nır eine Höhe von 1% m, und die
tärkten Üfte find einige Zentimeter did. Alle Kalfteile find fein gerippelt; die Stelche
werden bei 1, cm Durchmeijer bis 8 cm tief.
Feurig orangerot leuchten an den Telsküften des Mittelmeeres in geringen Tiefen Die
Kolonien von Astroides calycularis Pall., die jchattige Stellen der Sippen wie ein Blüten-
teppich überziehen fan. Die Kelche fien Seite an ©eite, jind aber nur an ihrem Grund,
jelten auch an den Seitenwänden miteinander verfchmolzen. Die Verbreitung erfolgt durch
Schwärmlarwven, die man im Sommer in der Nähe der Kolonien mafjenhaft mit dem PBlank-
tonneß erbeuten fan. Im Aquarium jchweben fie, nach Yacaze, bis zu zwei Monaten
frei im Wajjer Herum, im
Meere Icheinen jte länger
in der Mutter zu- bleiben
und fürzere Zeit zu vaga-
bundieren. Fällt in diejen
Zeitraum noc) ein ©chi-
toffo mit jeiner Schwüle,
jo ziehen fie jich wie
ermattet zufammen und
legen fich jogleich fejt. Im
Keapeler Aquarium ift
eine ganze Grotte mit
einem dichten Astroides-
= a _ Rajen bejest, in der jonjt
Dendrophyllia ramea L., Endzweig einer lebenden Kolonie. Natürliche Größe. nut nod) ein paar feine,
goldfifchfarbene Fiicharten
gehalten werden: ein geradezu märchenhaftes Bild in Rot und Gold. — Mit einer japani-
jhen Astroides-Art von ähnlichen Kolorit fand Doflein übrigens einen gleichfarbigen
Sl) regelmäßig vergejellichaftet, der für Verfolger unfichtbar wird, wenn er jich zwischen
die Bolppen flüchtet. .
Nach Häufigkeit und Formenfülle nehmen die Arten der Gattung Acropora Ok.
(Madrepora Lam.) in den Korallriffen dein erjten Pla ein. Auch bei ihnen find die Volypen
oft durch prächtige Färbung ausgezeichnet. Die Ziweigenden der Ueroporenfolonien im
auftraliichen Barriereriff erglängen, nach Saville Kents Schilderung, in Smaragdgrün, Bir-
fett und Not; bei der Acropora muricata Z. der wejtindiichen Riffe find fie, nach Duerden,
heller oder dunkler braun, gelb, grün und orange, Farben, die durch |ymbiotische Algen
in den Geweben bedingt werden. Die Veränderlichfeit der Formen ift ganz unglaublich
und lediglich abhängig von den örtlichen Bedingungen: allgemein entwideln jfÜch die Stüde
oben in der Brandung faft nur zu Kruften mit furzen, ftumpfen Fortfäßen, eitvas tiefer dann
zu einem Gewirr furzer, reichvergweigter Afte, und ganz unten im ftilfen Waffer entjtehen
\hlanfere Ziveige (vgl. die Abbildung auf ©. 158). Wird durch den Wogenprall einmal ein
Altchen abgeriffen, jo vernarbt die Wunde rafch, und das Stückchen vermag fih, wenn e3
günftig fällt, irgendwo aufzupfropfen, fogar eine Bride zwifchen zwei Aften zu bilden.
Zr re m,
Sechaftrahlige Volypen: Gteinforallen. 165
Da dieje Korallen infolge der Porofität ihres Sfeletts wejentlich weniger Kalfmafje an-
zujammeln brauchen als die Imperforaten, wachjen fie verhältnismäßig Schnell; vergiveigte
Stöde gehen, nach Jon23’ Berechnung, im Jahr etiva 9 cm in die Höhe. Dielleicht hat eben
diefer Vorteil den Perforaten zu ihrer heutigen Herrfchaft in den Niffen verholfen. Die
Kelche erheben jich bei vielen Acropora-rten über die allgemeine Oberfläche; bei ver-
zweigten Sormen jind fie meilt jchräg gerichtet, jo daß die Tiere nicht von der Oberfläche
der Zweige jenfrecht abjtehen, jondern in fpigem Winkel zur Ziveigachje nach oben jehen.
Die zahllojen Keinen Volypen Fünnen jich jo volfitändig in die Kelche zurücziehen, daß
mit blokem Auge faum etwas von ihnen zu entdeden ift. Dabei drückt fich auch das fie ver-
bindende teiche Gewebe in die Boren und Turchen der Füllmafje hinein; e3 hebt fich
wieder ganz merklich, jobald jich die Tiere ausdehnen. Zwilchen dem Bolypen an der Spibe
eines Ziweiges, dem „ältejten“ (j. ©. 157), und den jüngeren, feitlichen, hat Duerden einen
- auffallenden Unterjchted bejchrieben- (bei A.
muricataL.). Die Spißenpolypen find größer,
äußerlich völlig vadiar Iymmetriich ausgebil-
det und haben nur jechs lange, fingerfürmige
Tentafel; der Durchmefjer der Munpjcheibe
mit ven Tentafeln beträgt bis zu 6 mm. Die
jeitfich an den ften fitenden Polypen aber
iind einer und haben zwölf Tentafel, fechs
größere und jechs Kleinere, die, miteinander
wechjelnd, ineinem Streifeumpden Mund tehen;
bon den jechd größeren Tentafeln ijt der der
Yängjte, der bei den fchräg zur Zweigachje ge-
jtellten Volypen am meilten bon diejer ent- Porites car Lam. A) Zweig einer Stolonie in na-=
fernt ift und Dadurch den weitelten Spielraum Br u nei on
hat. Snfolgedejjen erjcheinen Die jeitlichen
Volppen nicht mehr jo genau radiär iwie Die an der Epike: azipiichen beiden Bolypenformen
finden fich Übergänge. Die auf der Tafel „Hohltiere IIT" al® Fig. 3 abgebildete Acropora
varıa Klzgr., die ihrem Artnamen alle Ehre macht, Hat Sunzinger aus dem Roten Deere
bejchrieben. Sorallenarten in ihrem Stil find mweitverbreitet; „ob jte zufammengehören,
werden jpätere Unterfuchungen ergeben" (Marenzeller).
Den Aeroporen erwächtt auf ven Niffen jcharfe Konkurrenz um den Lebensraum durd)
die Boritiden, deren Sfelett noch leichter und fparfamer gebaut ift, ohne daß feine Feitig-
feit Darunter leidet. Füllmalfe fehlt gänzlich; Die einzelnen Kelche find derart verichmoßzen,
daß fich ihre Wände felbft unter dem Mikroffop nicht abgrenzen lafjen. Bon den Mauer-
platten ift nur ein zartes Nebmwerf vorhanden, fo jtark ift Das Sfelett „perforiert". Auch Die
Sternleiften find vielfach durchbrochen und zu dünnen Bälfchen reduziert; die gelappten _
Enden der fünf Pfeiler, die nach innen vor ihnen ftehen, und den aufgelöften Stelchrand
läßt unjere Abbildung gut eriennen. Ausgejtredte Volypen ragen beträchtlich über das
Sfefett in die Höhe; fie fcheiden enorme Mengen von Schleim aus, der fie bei Ebbe vor
TIrodenheit und Sonnenglut fchüßt; hebt man eine trodenliegende Porites-Stolonie auf,
jo zieht jich der Schleim daran herunter. Die mafjigen oder Fruftenartigen, gelegentlich
auch gelappten Kolonien fiedeln fich oft in ungeheurer Menge auf der Außenfeite der Kiffe
166 Nejjeltiere: Blumentiere.
an. Wunderboll find, nad) Sapdille Kent, die auftraliichen Boritiven gefärbt: blaßrot, zart
oder Fräftig Mila, grün, gelbgrün, gelb. Für Gelb und Braun find wieder Zooranthellen
verantiortlich, für Not und Grün Algen, die im Sfelett bohren; dazu treten Farbzellen
in den Öemweben, deren Stolorit jich mit dem der Symbionten oder Parafiten mijcht. Manche
Porites-Stöde erreichen im auftraliichen Barriereriff über 6 m Durchmejjer.
Korallenriffe.
Wir dürfen aber nicht von den Korallen fcheiden, ohne einen Bli auf ihre groß-
artigen Baumerfe als Ganzes getan zu Haben. |
Korallenriffe find nicht nur ein Studienobjekt für Geographen und Ozeanographen;
ragen der Geologie und Paläontologie, der Chemie und ThhHfif erheben jich; ver Botaniker
findet Algen, die mithelfen, die Niffe zu erbauen, Pilze und Algen, die die Arbeit der Storall-
polypen wieder zerjtöüren. Das lebhafteite und unmittelbarite Snterejje an den Kiffen aber -
hat natürlich der Zoologe, an den Koralltieren nicht minder als an all den zahliojen LXebe-
wejen, die in und zwilchen den Storallen ihre Heimat gefunden haben, an die jie wieder
auf das wunderbarite angepaßt find.
Die gewaltigen Kalfmafjen, die ven Küften der tropijchen Mieere vorgelagert jind,
find nicht nur von den eigentlichen Nifftorallen, ven Madreporariern, gejchaffen. Beteiligt
it auch allerhand anderes jeßhaftes Getier, das jich Hartes Kalkifelett als Stüße zulegt und
durch Sprofjung oder Teilung Kolonien bilden fann. Da wachen zwijchen Aeroporen und
Boritiven auch Hydroforallier (j. ©. 111) und achiftrahlige Ktorallentiere, wie die Orgel-
forallen. Moostiere jiedeln jih an, Schwänme fißen in-Struften und Klumpen überall
herum, und aus dem PBflanzenveich find die Slalfalgen da. Zwijchen ven Zweigen, in den
Spalten-und Riten aber lebt dazu noch eine behäbige Gefellfchaft in diefen Kalkpanzern:
Joraminiferen, Geeigel, Schlangenfterne, Mujcheln, Schneden, Strebje, deren Hartteile
nad) dem Abjterben der Tiere die feite Mafje des Niffes vermehren. Daß die Brandung
nichts Davon verschleppt, dafür jorgen die jparrigen Arme der veräftelten Korallen, in denen
jich alle ofen Teile fangen. Auch feinere Partikel, wie Sand und Schlamm, fünnen zurücd-
gehalten werden; die Oberflächen mancher Stöde find geradezu dafür eingerichtet (f. ©. 158).
Alles wird jchlieglich durch die Kalfalgen (Lithothamnien), die oft mafjenhaft an der Bajis
des Niffes- auftreten, miteinander verfittet. Wo jte jich ausbreiten, erjtirbt dann jedes
tieriiche Leben.
&3 ijt ein buntes Leben auf den Riffen, das den Naturforicher immer wieder zu be-
geifterten Schilderungen Hinreißt. Welchen Zauber der bloße Anblid eines Sorallenriffes aus-
übt, Hat Haedel 1876 nach einem Bejuche der arabijchen Stüfte des Noten Meeres meijter-
{ich gejchildert. Er it aus dem Hafen von Tor hinauzgejegelt, „wo mir Die vielgerühmte
Pracht der indischen Sorallenbänfe in ihrem vollen Farbenglanze hauen... Sie zu jchildern
vermag feine Feder und fein Binfel. Die begeifterten Schilderungen von Darwin, Chren-
berg, NRanjonnet und anderen Naturforjchern, die ich früher gelejen, hatten meine Er-
wartungen Hoch gejpannt; fie wurden aber durch die Wirklichkeit übertroffen. Ein Vergleic)
dDiefer formenreichen und farbenglänzenden Meerfchaften mit den blumenreichiten Yand-
haften gibt feine richtige VBorftellung. Denn hier unten in der blauen Tiefe ift eigentlich
alles mit bunten Blumen überhäuft, und alle diefe zierlichen Blumen find lebendige Ktoral-
(entiere. Die Oberfläche der größeren Korallenbänfe, von 6-8 Fuß Durchmejjer, it mit
Zaujenden von Tieblichen Blumenfternen bedeckt. An den verzweigten Bäumen und
ne
Korallentiffe. 167
Sträuchen jibt Blüte an Blüte. Die großen bunten Blumenfelche zu deren Füßen jind
ebenfalls Korallen. Sa fogar das bunte Moos, das die Zwilchenräume zwilchen den grö-
Beren Stöden ausfüllt, zeigt fich bei genauerer Betrachtung aus Millionen minziger
Korallentierchen gebildet. Und alle diefe Blütenpracht übergießt die leuchtende arabijche
- Sonne in dem friftallhellen Wafjer mit einem unjagbaren Ölanze!
„sit diefen wunderbaren Storallengärten, welche die jagenhafte Kracht der zauberijchen
Hejperidengärten übertreffen, wimmelt ein vielgeftaltiges Tierleben. Metallglänzende Fifche
bon den jonderbariten Formen und Farben jpielen in Scharen um die Korallenfelche, gleich
ven Kolibris, die um die Blumenfelche der Tropenpflanzen Ichweben. — Noch viel mannig-
faltiger und interejjanter al3 die Fiiche find die wirbellofen Tiere der verichiedeniten Klafjen,
welche auf ven Korallenbänfen ihr Wejen treiben. Bierliche Ducchjichtige Srebje aus der
Garnelengruppe Klettern zwiichen den Korallenzweigen. Auch rote Seejterne, violette
Schlangenfterne und fchwarze Seeigel Hettern in Menge auf den Äften der Korallenfträucher;
der Scharen bunter Mujcheln und Schneden nicht zu gedenfen. Neizende Würmer mit
bunten Kiemenfederbitichen jchauen aus ihren Röhren hervor. Da fommt au) ein dichter
Schwarm von Medufen gefehvommen, und zu unferer Überrafchung erkennen wir in der
zierlichen Glode eine alte Bekannte aus der Dftfee und Nordfee.
„Man fönnte glauben, daß in diejen bezaubernden Korallenhainen, mo jedes Tier
zur Blume wird, der glüdjelige Friede der elyfiichen Gefilde herricht. Aber ein näherer
Blie in ihr buntes Getriebe lehrt uns bald, daß auch hier, wie im Menjchenleben, bejtändig
der wilde Kampf ums Dafein tobt, oft zwar jtill und lautlos, aber darum nicht minder
furchtbar und unerbittlich. Die große Mehrzahl des Lebendigen, das hier in üppigjter Fülle
lich entwidelt, wird bejtändig vernichtet, um die Eriftenz einer bevorzugten Minderzahl zu
ermöglichen. Überall lauert Schreden und Gefahr. Um uns davon zu überzeugen, brauchen
wir bloß jelbjt einmal unterzutauchen. Kajch entichloffen Ipringen wir über Bord und
Ihauen nun exit, von twunderbarem grünem und blauem Ölanze umgofjen, die Tarben-
pracht der Korallenbänfe ganz in der Nähe. Aber bald erfahren wir, daß der Menjch un-
geftraft jo wenig unter Korallen wie unter Palmen wandelt. Die jpigen Zaden der Etein-
forallen erlauben ung nirgends, feiten Fuß zu fallen. Wir juchen ung einen freien Sand-
fled zum Standpunkt aus. Aber ein im Sande verborgener Seeigel (Diadema) bohrt jeine
fußlangen, mit feinen Widerhafen bewaffneten Stadheln in unjeren Fuß; äußerjt jpröde,
zeriplittern fie in der Wunde und fünnen nur durch vorfichtiges Ausjchneiden Derjelben
entfernt werden. Wir büden uns, um eine prächtige fmaragdgrüne Aftinie vom Boden
aufzuheben, die zwijchen den Schalenklappen einer toten Riefenmujchel zu jißen jcheint.
Jedoch zur rechten Zeit noch erfennen wir, daß der grüne Körper feine Aftinie, jondern
ver Leib des lebenden Mujcheltieres jelbit it; hätten wir e3 unvorjichtig angefaßt, jo wäre
unjere Hand durch den Fräftigen Schluß der beiden Schalenflappen elend zerquetjcht worden.
Nun juhen wir einen jchönen violetten Madreporenzmweig abzubrechen, ziehen aber rajch
die Hand zuriid, denn eine mutige Heine Krabbe (Trapezia), die feharenmeife zwifchen den
ten wohnt, zwidt uns empfindlich mit der Schere. Noch Ihlimmere Erfahrungen machen
wir bei dem Verfuche, die danebenjtehende Feuerforalfe (Millepora, |. ©. 111) abzubrechen.
Willionen mifroffopiicher Giftbläschen entleeren fich bei der oberflächlichen Berührung über
unfere Haut, und unfere Hand brennt, al3 ob toir gliihendes Eifen angefaßt hätten. Ebenfo
heftig brennt ein zierlicher Kleiner Hydroidpolyp, der Höchft unschuldig ausfieht. Um nicht
auch noch mit einem brennenden Medufenschwarm in unliebfame Berührung zu fommen
168 Nejjeltiere: Blumentiere,
oder gar einem der nicht jeltenen Haifiiche zur Beute zu fallen, tauchen wir wieder empor
und fchwingen uns in die Varfe.
„Welche fabelhafte Fülle des bunteften Tierlebens auf diefen Korallenbänfen vurch-
einander wimmelt und miteinander ums Dafein fänpft, davon Ffann man fich exit bei ge-
nauerem Studium ein annäherndes Bild machen. ever einzelne Storallenftod ijt eigent-
lich ein Feines zoologisches Mufeum. Wir fegen z.B. einen jchönen Madreporenftod, den
eben unjer Taucher emporgebracht hat, vorjichtig in ein großes, mit Seewafjer gefülftes
Slasgefäß, pamit feine Korallentiere ruhig ihre zierlichen Blumenförper entfalten. LS
jpir eine Stunde |päter wieder nachjehen, it nicht nur Der vielverzweigte ©tod mit den
ichönften Korallenblüten bedeckt, fondern auch Hunderte von größeren und Taufende von
teinerer: Tierchen kriechen und Schwimmen im ©lafe herum: Strebje und Würmer, Kanter
und Schneden, Taiheln und Mufcheln, Seejterne und Geeigel, Medujen und Fiichchen,
alle vorher im Geälte des Stodes verborgen. Und jelbjt wenn wir den Storallenjtoc heraus-
nehmen und mit vem Hammer in ©tüde zerichlagen, finden wir in feinem Inneren nod)
eine Menge verichiedener Tierchen, namentlich bohrende Mujcheln, Krebje und Wirrmer
verborgen. Und welche Fülle unfichtbaren Lebens enthüllt ung exit das Mifroffop! Welcher
Reichtum merfwiürdiger Entdedungen Harıt hier noch zufünftiger Zoologen, denen Das
Sfüc bejchteden ilt, Monate und Sahre hindurch an Ddiejen Korallenfüften zu verweilen!"
Die iibermwältigende Farbeniymphonie der Riffe Javas Hat Morin nicht nur mit dem
Pinjel — er ift der Künftler unjerer farbigen Sorallentafel —, jondern auch mit begeifterten
Worten gejchidert: „Hellgrün fehimmert das Wafjer; ein Blid über Bord bringt uns in
wonnigfte Aufregung. Da find fie, Die Wunder der Gee, die Blumen des Meeres — jo weit
unfer Auge das jeichte Clement durchoringt, Tiegt auf feinem weißen Stalffandboden Bloc
neben Bloc, bald rund wie ein meterdider Niejenbovift, bald becherförmig oder flach wie ein
Tisch, und mit jeder Bewegung des Bootes werden andere fichtbar, tauchen neue Schönheiten
auf. QTaufende von riffbildenden Steinforallen bededen greifbar nahe den Meeresgrumd...
Die gemwaltigiten Blöde erjcheinen von den an ihren zahlreichen Windungen Fenntlichen
Mäandrinen, von Favien und Tubiporen gebildet, welch leßtere dumfeltoten, regelrecht auf-
geitellten Orgelpfeifen gleichen; dazwijchen liegen pilzförmige Fungien und fnollige Afträen,
während bunte Straußforallen ganze Büjche entfalten und jtacheliges Gezimeige von Porites
jwie ein Keiner Wald tellenmweije ven Boden bededt... Fever und Binjel find unfähig, Die
feinen Farben zu fchildern, in denen alle diefe Korallftöde exftrahlen.... Überall ftreden Die
zierlichen blumenförmigen Bolypen ihre Tangarme hervor und überziehen ihre Stalfgerüfte
mit [chinmmernden Tönen. Grasgrün iwogt es über dem dunklen Burpur der Orgelforallen,
violett leuchten die Wabenkorallen und Sternkorallen, gelblich die Aeroporen, grün die jcharf
brennenden Milleporen, blau die Boriten, und alle dieje jo verjchiedenartigen Tarben find
durch das feine Medium des bläulichgrüinen Seemwajjers zu einem Gejamtbilde abgeitimmt,
dejjen HYartheit noch fein Maler erreicht Hat.”
Dieje „Zauberwälder” Fünnen nur in ven Tropen gedeihen, denn die riffbilvdenden
Arten find an eine Wafferwärme von mindestens 200 C gebunden, während andere, wie Die
Saryophyllien, Lophelien und Amphelien der nordischen Küften, Temperaturen bis fat an
ven Gefrierpunft vertragen. Die Empfindlichkeit der Riffforallen gegen niedrige Tempera-
tur jpricht jehr Kar aus der Verbreitung der Niffe. Wo Fühlere Meeresjtrömungen, wie der
Peruftom an der Weftküfte Südamerifas, der Benguelaftrom an der wejtafrifanifchen, die
antarktiiche Weftwindtrift an der weftauftrafifchen Hüfte, hingelangen, fehlen die Sorallenriffe
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Korallen an der javaniichen
Korallenriffe. \ 169
jelbft unter dem Aquator; im warmen Golfittom aber gehen fie Über die eigentliche Tropen-
zone hinaus bis zu 32 Grad nördl.Breite bei den Bermudas. Die obere Temperaturgrenze
ift froß der Bartheit der Polypenfürper jehr Hoch: in Ebbetümpeln, deren Wafjer 56° C
erreicht Hatte, Hatten jich die Tiere nur in ihre Kelche zurüdgezogen, lebten aber unbejchä-
digt weiter. Liegen fie bei Ebbe troden, jo jchüßt ihre Schleimhülle gegen Die Trodenheit
und die ganze Shut der prallen Tropenjonne. Die Niffe bieten dann einen troftlos dürren
Anblid und ftrömen einen üblen, fauligen Geruch) aus. Nach Goodchild ist e8 wiederum die
Temperatur, die der Verbreitung der Riffbiloner auch nach der Tiefe zu eine Grenze febt.
Sit das Waller warn genug, jo fönnen die Arten zivar bis zu 100 Faden (185 m) herunter-
gehen, die Zone der Riffbildung aber reicht nur. bis zu 30m. Schon in diejer Tiefe ftehen
die einzelnen Kolonien nur noch in größeren Abjtänden. Die aus tieferen Wafjerschichten
und aus Der Tiefjee befannten Storallenarten beteiligen fich niemals an den Riffen. Much das
Lichtbedürfnis der für die meilten Rifftorallen lebenswichtigen fymbiotiichen Algen jest
eine untere Berbreitungsgrenze: nach Oravier dringt das für fie wirffame Licht nur bis
- etwa 36 m unter den Wafjeripiegel. Gleichmäßige, Hohe Temperatur und günftige Tiefen-
- verhältniffe allein genügen noch nicht zum Gedeihen der Niffforallen. Gie beanfpruchen
außerdem dauernd frisches Waller, das ihnen Kalk zum Gfelettbau, Nahrung und Sauer-
ftoff zuführt. Daher leben viele in der Brandung jelbit, und die Riffe wachjen nur an der
Außenjeite weiter. Auch die hemijche Zufammenfebung des Wafjers ift von Einfluß: wo
ftarfe Ausfüßung jtattfindet, wie an den Flußmündungen, find die Niffe unterbrochen.
Auf den Korallenbänfen Hat fich eine eigene Fauna entwideln fönnen. Cinmal ift’3
der Nahrungsreichtum, Der vielerlei Tiere anlodt. Dann aber bilden die Mafjen feitjigenver
Neijeltiere, die auf den Koralfriffen vereinigt find, mit dem Gewirr ihrer Zweige und te
und den Höhlen im toten und wachjenden Stalfjfelett eine Unmenge wohlgejhüster Schlupf-
winfel. ©o finden fich unzählige Tierformen ein, von denen viele, Fijche, Krebje, Schneden,
Mujcheln, Würmer, Geejterne und Geeigel, ganz ausgejprochen an das Leben in den Sto-
tallenriffen angepaßt find und nur hier gefunden werden. Zum Teil find es Höchit jeltjam
geformte und äußerft lebhaft gefärbte Tiere, die ohne Nachteil jo auffallend ausjeden, denn
fie fönnen fich vor allen großen, gut jehenden und rafch beweglichen Feinden, wie „Yaten,
Knochenfifchen und Tintenfiichen, in das Gewirr der Korallenftöde zurüchziehen. Biele der
bunteiten Fifche der Welt, die mit Vögeln und Schmetterlingen an Tarbenpracht wetteifern,
findet man auf den Korallenriffen, und die grell gezeichneten Keinen Strabben aus der Öat-
tung Trapezia fommen nu hier vor.” (Doflein.) — Welche entzüdenden Farben und bizarren.
Formen die Koralffiiche aufmweifen, fehildert Steche in Band III diejes Wertes (©. 423, 424).
Viele Angehörige dieferRiff-Tauna beziehen auch ihren Lebensunterhalt aus den Koral-
fen. Auf allen Kiffen gemeine, bis 70 und 80 cm lange Seequrten (Holothurien, |. ©. 354)
hehmen die abgeipfitterten ftchen lebender und toter Kolonien oder den Storallenjand vom
Grunde auf und lafjen fie ihren Darm pafjieren, wie Regenmwürmer die Gartenerde. Nur
leiften fie, nach Gardiner, al Sandfrefjfer mindeftens 50mal mehr als jene, da Trodenheit
und Kälte ihre Tätigkeit nie lähmen ann. Die fonderbare Gewohnheit vieler Holothurien,
den ganzen Darm auszufpeien und dann zu vegenerieren, ift vielleicht eine Folge Diejer
Rahrung und befreit das Tier von groben Körnern, die auf dem gewöhnlichen Wege nicht
herausfommen. Auch manche auf den Niffen Häufige Seeigelarten und die Eichelwürmer
(Balanoglossus) find folche Sandfrefjer, die jeden Korallenabfall zermalmen. Größere Fijche,
wie manche Diodon-Arten, vermögen mit ihren ftarfen, meißelartigen Vorderzähnen Alte
1709 Kejjeltiere: Blumentiere.
von Ueroporen abzufnaden; Duoy und Gaimard fanden einen, der an die zwei Pfund Sto-
ralfenftiide in feinem Magen angehäuft hatte. — Biel jtärfer aber jegen allerlei bohrende
Tiere den Kolonien zu, nicht jo jehr durch ihre Tätigkeit jelbit, als dadurd), daß fie das ganze
Korallenjfelett allmählich jo Shwächen, daß es dem Wellenjchlag feinen Widerjtand mehr
feiiten fann. Wird auch nur ein Feines Loch im Sfelett einer Kolonie gejchaffen, jo ijt der
Grund zum Zerfall gelegt: für die größeren „Bohrer“ ift eine Einfallspforte gejchaffen,
(ofale Wafferstrudel bilden ji und wirbelin womöglich abgelöfte Körnchen mit fich herum,
die reiben und meißeln. Am gefährlichiten find die Bohrichwänme, die jich überall im Kalk
Einlaß zu jchaffen vermögen (j. ©. 87) und ihre Ausläufer weit vortreiben. Unter den
verschiedenen bohrenden Mujcheln Höhlen die Meerdatteln (Lithodomus) in mafjiven, aber
auch in veräftelten Kolonien mitunter Xöcher von 12 mm Durchmefjer und über 30 cm
Länge aus; Agaijiz zählte am freien unteren Teil einer Mäandrine von nicht ganz ?/s m
Durchmefjer 50 Lithodomus-Löcher. Auch die Gephyreen bohren ihre verzweigten Gänge,
Snfel mit Küften- und Barriereriff. Nah Dana.
in die Kalfmafje, und zu Hunderten haufen oft Borjtenwürmer darin, von denen manche
durch die Weichgewebe der Rolypen vordringen. Am fcehlimmiten jedoch find die Hleinften
Berftörer, Pilze (Achlya) aus der Gruppe der Saprolegnien, die nach ihren Spuren an
jojjtlen Storallen jchon die Riffe der Devonzeit verwüfteten, und außerdem verjchiedene
Algen; jie bringen die Bolypen zum Abiterben und zermürben das Sfelett. Sind die Stolo-
nien noch lebenskräftig, jo jchadet der Einfluß der Zeritörer ihrem Wachstum zunächit jehr
wenig. Waren fie aber irgendiwie gefchwächt, jo bleiben jchlieglich nur große Steinblöde
über, mo vorher blühendes Leben herrichte. Der Geologe wird diefe Zerjtörer am Riff
als aufbauende „Saktoren” zählen, denn jie forgen dafür, daß jich die zahliofen Züden in
und zwilchen den Storalfjfeletten mit zerkleinertem Material ausfüllen, und tragen fo wejent-
(ich zur Bildung eines dichten Kalfgefteins bei. Chemifche Brozejje gehen damit Hand in
Hand. Das Meerwajjer vermag Kalk zu löfen und unter veränderten Bedingungen wieder
ausfallen zu lajjen. Manche Korallenfalfe fünnen dadurch derart umkriftallifiert werden,
daß das Geitein feinen eigentlichen Urjprung faum mehr verrät.
Unter verjchiedenen Lebensbedingungen vollzieht jich das Wachstum der Korallen-
folonien verjchieden vafch; auch die einzelnen Arten weichen darin voneinander ab. Majlige
Stöde wachjen viel langjamer al verzweigte. Se näher leßtere der Oberfläche kommen,
um jo mehr fonzentriert jich ihre Wuchsform und um jo langjamer fommt dementjprechend
die Kolonie in die Höhe. Nach Gardiner bermag eine 40 m unter der Oberfläche gelegene
Bank in ettva 1000 Jahren bis an den Wafferipiegel zu wachfen. Jones fand auf dem Atoll
:
4
Ne a
Korallenriffe. 171
Cocos Keeling bei verzweigten Formen nicht ganz 10 cm Zuwachs für das Jahr; majjive
Zormen nahmen in 100 Tagen um Ys7 ihres Umfangs zu. Auf einem 1792 an der amerifa-
niichen Küfte geicheiterten Schiff, daS 7!/a m tief lag, Hatte eine Aeropore nad) 65 Fahren
die Höhe von 5 m erreicht, war alfo durchjchnittlich etwa 8 cm jährlich gewachfen, mährend
majjige Korallenjtöde daneben verhältnismäßig weit zuriidgeblieben waren.
Der gegebene Siedelungsboden für Korallenriffe find flache Küftengemäfjer. Hiex
ziehen die Küften-, Sranjen- over Saumriffe Hin, die bei Ebbe entweder die Hüfte
einfach fortjegen oder vom Teitland noch) durch einen jchmalen Kanal getrennt find. Sm
diejer Nanpdlagune, bei tiefer Ebbe oft nur eine Reihe von Pfüben, jtedeln jich manche
Arten mit Vorliebe an.
Die Damm-, Wall- oder Barriereriffe unterjcheiden fich von den Küftenriffen
nur Durch Die größere Breite der Nandlagune, des Kanales oder NRandmeeres zwijchen
Koralleninjel oder Atoll. Nah Dana.
Feitland und Riff. Niffe diefer rt begleiten die Küjten der Kontinente und Snjen
in ganz gewaltiger Ausdehnung; das Barriereriff an der Nordoitküite Auftraliens, das
größte der Erde, dejjen Tierleben Saville Kent meijterhaft gejchildert hat und von dem
unjere Tafel „Hohltiere TIL” bei ©. 163 in Abb. 5 und 6 zwei Darftellungen nach photo-
graphilchen Aufnahmen diefesForjchers bringt, erreicht annähernd 2000 km Länge; die Nand-
lagune ift 80—100 km, jtellenweije fogar 150 km breit. Sehr viele Südjeeinjeln find von
jolhen Riffen rings umgeben, innerhalb deren dann nochmals Küftenriffe fiegen fönnen.
Meift veichen die Korallen bis nahe an die Oberfläche, und die Barriere verrät fich nur durch
die Brandung, die daran aufjhäumt; gelegentlich ragen auc, die Stöde felbjt über die
Oberfläche des Meeres. Auhigeres Waffer deutet Lüden im Riff an; fie entjtehen durch
lofale Strömungen, die da3 Wachstum der Korallen verhindern, oder durch Senfungen des
Untergrundes, und find die Eingangspforten für die Schiffahrt nach der Stüfte.
Ganze Snjeln bilden die Korallen in den Atollen. Dies find durch Einjehnitte Mijf-
fanäle) unterbrochene, unregelmäßig ringfürmige Landjtreifen, die jtille Lagınen um-
Ihliegen. Der Durchmefjer eines Atoll3 Fan über 100 km erreichen, Die Breite des \ynjel-
jtreifens beträgt gewöhnlich nur 100—200 m, oft noch weniger, fo daß an einzelnen Stellen
die Wogen darüber Hiniweg in die Lagune fchlagen. Meijt ragen bei Flut nur Teile Des
ganzen Ringes über die Wafjerfläche; auf Höheren Pläbern aber gedeiht reicher Bflanzen-
wuchs, bor allem Kofospalmen, die dem Schiffer in der Süpdfee jchon von ferne Storallen-
injeln verraten. Ir der Nähe bieten die Atolle einen wunderbaren Anblid: außen, längs
172 Nejjeltiere: Blumentiere.
des Niffes, die brüllende fchivere Brandung, dahinter der weiße Ktorallenftrand, das dichte
Grin und der eingejchlofjene ruhige See mit winzigen Ssnjelchen.
ie ein Küftenriff heranmwächlt, bedarf feiner weiteren Erflärung. Sehr viel topf-
zerbrechen haben aber den Zoologen, Geologen und Dgeanographen die Barriereriffe und
die Atolle gemacht. Lange war Darwins berühmte Nifftheorie (1842) alleinherrjchend
und jollte den Schlüfjel geben für das Verjtändnis aller Riffe. Dem berühmten englischen
Naturforscher war der Widerjpruch zwischen der Tieferwerbreitung der Koralltiere md der
Höhe der Barriereriffe und Atolfe über dem Meeresgrund aufgefallen. Während die Bo-
(ypen nur bis etwa 30 m Tiefe gedeihen, jteigen ihre Sfelettbauten gelegentlich Hunderte,
ja Taujende vom Metern vom Grunde des Dgeans aus in die Höhe wie Hohe Pfeiler und
Mauern. Und wie feine Seleftionstheorie mit einem Schlag Licht in das Problent ver
Artbildung gebracht hat, jo erklärt auch da ein genialer Gedanke Scheinbar alle Nätjel: die
ganze Süpdfee mit ihren zahllofen Koralleninjeln und Riffen ift ein ungeheures Senfungs-
feld. Einftmals Hatten fich nur Küftenriffe an den Ufern der alten Kontinente und snjeln
angelegt. Dann ift das ganze Land langjam in die Flut gefunfen. Die Küften tauchten
mehr und mehr unter und die Yand-
fläche verkleinerte jich. Aber die Ko-
tallen wuhßten die Bewegung nad)
unten auszugleichen: fie wuchjen nad)
oben meiter und hielten fich immer in
der Nähe des Wajfjerjpiegels. Die
Saat en ea En nm een Sulzzlinie miebe immer weiter Tanb-
Atoll B. St). Aus €. Kayfer, „Lehrb. d. Zoologie“, I. Teil. Stuttgart. einmwärts gejchoben, die NRandlagune
Dadurch breiter und breiter und aus
dem Küftenriff wurde das Barriereriff. Aber Die Senkung ging noch weiter. Von großen
nieht blieben jchlieglich nur noch die höchiten Erhebungen itber Waller, um die das
Barriereriff weit draußen einen Ning zog als lebte Spur der einftigen Küftenlinie. Schlick-
(ich verfank auch die Höchite Spite der Infel im Meer, und ibriggeblieben ift das Atoff.
Die Eitdjee ift Danac) ein einziger „Snjelficchhof”, ver über 35 Breitengrade geht, mit
zahlreichen Gruppen von „Leichenfteinen” alter Sufeln, den Karolinen-, Marjhall-, Gil-
bert=, Ellice-, Phöniz-, Tofelaus, Manihifi-Jnfeln ufw., bis zu den Paumotus. So erklärt
Darwin nicht nur die Entjtehung der Niffe, er bringt fie auch in eine Entwidelungsteihe:
das Küftenriff ift Die erite, Das Atoll die Endftufe und dazwifchen liegt Das Barriereriff.
sn ihrer Einfachheit mußte Dieje Lehre überzeugend wirken. Sie wurde von einer
großen Anzahl namhafter Foricher, wie Lyell, Dana, Langenbed, Süß, Neumayr, Bon-
ey, ©. Baur, Ortmann, Sapille Kent, angenommen und durch weitere Beobachtungen
und Deutungen gejtüßt. x
Uber bald Famen fchiwerwiegende Einwände. Darwing Theorie fest voraus, daß
der Ktorallenfel3 Durch Die Senkung in große Tiefen geht. Fire manche Niffe trifft das zu:
die Bohrungen von Sollas und David auf Funafuti, einem Atoll der Ellicegruppe, das
aus 5400 m Tiefe heraufiteigt, gingen bis zu 400 m Tiefe nur duch Korallenfalf; fojjile
Nüffe nd bi3 zu 1500 m Mächtigfeit befannt. Vielfach aber fiben die Korallen bloß als dünne
stappe auf anderen Gefteinen, die unter dem Barriereriff oder Atoll bis nahe an den
Neeresipiegel Heranfommen. $. Murray ftellte auf der Challenger-Erpedition feit, daß
viele Riffe auf unterfeeifche Bulfanfegel aufbauen, die entweder bis nahe an die Oberfläche
Try
r
Korallenriffe. — Sedhzitrahlige Bolypen: Zoantharia. ia
heranreichen oder durch allmähliche Auflagerung von Sand, Schlamm, Foraminiferen-
ihalen ujw. jo weit erhöht wurden, daß fi) Korallen auf ihnen anfiedeln konnten. Die
Atollform wurde nach ihm nur dadurch verurfacht, daß fich die Korallen immer auf der
Außenjeite des Riffes am beiten entwideln. Hier trägt ihnen das Waffer am meiften Nah-
rung, Sauerjtoff und Kalf zu und nimmt die von den zahlreichen Polypen „ausgeatmete”
Kohlenjäure auf. Mit diejer beladen gelangt das falfärmer gervordene Waffer in die inneren
Teile desRiffes. E3 fan nicht mehr viel mitbringen, wirftim Gegenteil Durch feinen Kohlen-
jauregehalt falflöjend. So fünnen Korallpolypen Hier nicht gedeihen; Yangjam wird eine
Lagune ausgewajchen, die Durch die Gezeitenftrömung noch vertieft und vergrößert wird.
Sn anderen Fällen fönnen, nah Guppy, Hebungen in der Erdrinde den Meeres-
boden in das Niveau bringen, das der Anjiedlung der Korallen am günftigften ift. Die La-
gune wird dann ebenfalls nur durch Auswalchung zujtande fommen. Bei fortjchreitender
Hebung eines Oebietes fommen jchließlich Teile des Riffes iiber Wafjer und fterben ab. Auf-
ven Salomonen finden jich neben lebenden Kiffen trodengelegte, die bis 270 m über den
Meeresipiegel gehoben jind, und zivar, nach) ihrer Fauna zu Schließen, ext in jüngjter Zeit.
Die Storallenfalfe jelbit jind dabei nur etiva 40 m mächtig und liegen auf Foraminiferen-
falfitein oder direkt auf vulfaniichem Kern.
Nach Foriungen an den Kiffen der amerifanijchen Dftfüfte, am großen auftralifchen
Barriereriff und in PVolynefien machte U. Agaffiz auf einen Borgang aufmerkffam, der
ich fajt überall da abgespielt Haben dürfte, wo Korallen al3 wenige Dezimeter bis Meter
dicler Überzug auf den verfchiedenften Gefteinen aufliegen. Der heutige Untergrund der
Niffe ragte einmal ald Meeresküfte iiber das Wafjer und wurde allmählich durch die zer-
ftörenden Kräfte der Atmojphäre, Durch die Brandung und durd) Strömungen bis unter
den Wafjerjpiegel abgetragen. Darauf konnten dann die Korallpolypen mit ihrem Bau
nach oben beginnen. Sogenannte „Negerköpfe" (im großen auftraliichen Barriereriff),
ijolierte Felsblöde zwiichen den Korallen, find übriggebliebene, bejonders mwiderftands-
fähige Rejte des ehemaligen Feltlandsufer2.
Heute Fan feine diefer Erklärungen für die Kıffbildung Anjpruc) auf Allgemein-
gültigfeit machen; jeder Einzelfall muß für fi) behandelt werden, an Hand möglichit vieler
und eingehender Beobachtungen.
An die Aftinien und die Steinforallen mit ihrer Sormenfülle reihen ji) noch drei
artenarme Heranthidenordnungen, deren Vertreier auch) in den europäischen Meeren Häufig
vorkommen.
Dritte Ordnung:
Zoantharia.
Unter die Zoantharia zählen einige wenige Einzeltiere, die ganz wie Aftinien aus-
jehen, Die große Mehrzahl aber bildet Kolonien; wie bei manchen Hıdroidpolypen hängen
dann die wenig anjehnlichen Einzelpofnpen durch ein Net von Ausläufern zufammen, oder
jie erheben jich, einer neben dem anderen, aus einer einheitlichen Srufte, die irgendeine
Unterlage überzieht. Hußerlich bietet der Zoantharierpolyp gar nichts Bejonderes. Yon
der etwas derbreiterten Mundjcheibe ftrahlen zwei Neihen Tentafeln aus, die es mit der
Sechszahl nicht eben jehr genau nehmen, im Snneren aber jind die Septen ganz anders
angeordnet als bei Aftinien. Meift find die Rolypen getrennten Gefchlechts, und oft
174 Nejjeltiere: Blumentiere.
enthalten die Kolonien num männliche oder nur weibliche Tiere. Die Entiwidelung geht über
eigentünmliche freifchhwimmende Larven. Ein Skelett wird garnicht gebildet; überder Sörper-
fäufe liegt bloß eine mehr oder weniger dünne Cutieula. Trogdem fünnenfich viele Zoantharier
eine harte Stüße verichaffen, indem fie — wie die Sandjchtwämme — allerlei Fremdkörper,
Sand, Schwammnadeln, Foraminiferenfchalen und anderes, am Cftoderm anheften; von
da aus gelangen die Teilchen fait immer in das reich entwidelte Mejoderm und fünnen jo
mafjenhaft eingelagert werden, daß der ganze Körper Daduc) jpröde und zerbrechlich wird.
Manche Arten find geradezu wählerifch in dem, was fie aufnehmen: die eine bevorzugt
Foraminiferenfchalen, eine andere nimmt nur Sand. Dieje Kruften, jedoch noch mehr die
Zooranthellen, die bei Bewohnern der oberen Wafferjchichten mafjenhaft in Efto- und Ento-
derm auftreten, bedingen die Färbung; gelbe, braune und graue Yarbtöne find daher in
der Ordnung vorherrjchenn.
Die Kolonien fiedeln fich nicht nur auf dem Meeresgrund an. Häufig juchen fie fich die
verfchiedenjten Tiere dazu aus, Schwämme, Hydroidenfolonien, Hornkorallen, Steinforallen,
Wırmröhren, Schnedenhäufer, darunter auch die von Einfiedlern bewohnten; manche Arteiı
haben ihre ganz bejtimmten Wohntiere. ©o fommt Sidisia (Palythoa) fatua M. Schultze
auf den großen Glasfadenbündeln der Hyalonema-Altten vor. Gie ift fosmopolitifch, wird
aber vorwiegend in Tiefen von 1100—2000 m in den japanischen Meeren und im Golf von
Bengalen gefunden, ivo fie geradezu auf jedem Hyalonema-Cremplar fißt. Merfwiürdiger-
mweife find bis jet nur weibliche (und fterile) Bolypen befanntgeworden (Lwomwjty).
Sm ganzen nördlichen Atlantik und im weitlichen Teil des Mittelmeeres lebt Sidisia
(Epizoanthus) inerustatus D. K., die fi) ihren Panzer nur aus.Sandförncdhen Heritellt.
Ihre Volypen jind bi8 10 mm hoch und Halb jo breit; fie fißen in Kolonien von 3—15 Stüd
am Grunde oder auf Schnedenjchalen, die von Einfiedlerfrebjen bewohnt werden. Mit
diefen zufammen halten fie fich im flacheren Wafjer, ziwiichen 50—170 m, auf, „freie“ Ko-
lonien aber gehen tiefer.
Sidisia paguriphila Verrild wird nur auf Schnedenfchalen gefunden, die einen Ein-
jiedfer, Parapagurus pilosimanus Smith, beherbergen. Auch diefer Zoantharier gehört zu
den Tieren, die den Einfiedlerfrebjen das Dafein „erleichtern und ihm, wie Suberites (j.
©. 89), Hydractinia (j. ©. 112) und Adamsia (f. ©. 149) ihren Srebjen, Häufigeren Woh-
nungswechjel erjparen. Mit ihrem Cönofarf überziehen die verhältnismäßig jehr großen,
bis 25 mm hohen Polypen das ganze Gehäufe. Der Kalk der Schale wird dabei vollitändig
von der Kolonie aufgenommen, und jchließlich jißt der Parapagurus in einem Gehäufe,
das nur noch aus dem Cönofark der Sidisia beiteht, aber die Yorm der alten Schale treulich
nachbildet und noch dazu weiter zu wachlen vermag. Die „Einjtedlerfreundin” fommt in
Tiefen von 500—2000 m im Nordatlantiichen Ozean, aber auch bei Japan und im Golf von
Dengalen vor.
Vierte Ordnung:
Öeriantharia.
Auch die heute in vielen Seewwafjeraquarien vertretenen Zylinderrofen, die Ce-
tianthiden, gehören einer befonderen Gruppe an, fo jehr fie vielen Aktinien in Ausjehen
und Lebensweife gleichen (j. Fig. 5 der Farbentafel „Seerofen‘ bei ©. 145). Der ganze
Bauplan diejer einzeln im Sand ftedlenden Seerofen ift aber durchaus anders. Die Septen,
die feine ausgeprägten Musfelfahnen Haben, werden in ganz eigentümlicher Weije
Sehsitrahlige Polypen: Zoantharia. Ceriantharia. 175
angelegt und erreichen zwar alle das Schlundrohr, enden aber nach unten frei im Magen-
raum. Der jchlanfe Körper mit der etivas breiteren Mumdjcheibe ift glatt, das Hinterende
wie bei grabenden Aftinien leicht zugefpist. Durch einen großen Porus auf diefer Spike
wird das Wafjer aus dem Körper Herausgetrieben, wenn fich das Tier zufammenzieht; ala
After wirkt die Öffnung nicht. Die Tentafel bilden zwei Gruppen, ziwifchen denen ein
freier Raum bleibt: augen bier Reihen langer Randtentafel, innen um den Mıimdrand
in gleicher Anordnung Feine Lippententafel; normalerweife find beim erwachjenen Tier
- 145 Randtentafel und ebenjo viele Lippententafel vorhanden.
Sn der Regel fiben die Leriantharierpolgpen im jandigen oder fchlammigen Grund
in Röhren, die fie jich mit dem Schleim zahlreicher Drüfenzellen ihres Cktoderm3 zujam-
menfitten. Dieje Gehäufe, die etiwas iiber die Bodenfläche Hinausragen Fönnen, beftehen
zu innerjt aus einer glatten Zage erhärteten Earen Schleims; außen find Sandförner,
allerhand Schalenfragmente und dergleichen, auch zahlreiche Nejjelfapfein aus dem Efto-
derm hinein verbaden. Bei jeder Störung fucht der Polyp feine Zuflucht darin; weit ge-
nug ift das Rohr und mindeitens fo lang, daß er jamt feinen Tentafeln, die nicht in ich jelbft
verkürzt, jondern nur über dem „Kopf“ zufammengelegt werden, darin verjchwinden Fann.
Wahrjcheinlich find alle Ceriantharier Zwitter. Aus den Eiern, die erft im Waifer
befruchtet werden, entwideln ich ziemlich Durchlichtige Larven, die lange Zeit frei im Meer
herumjchweben und einer jungen Zhlinderrofe bereits ungefähr gleichen. Als „Cerinula-
Larven” find fie ausdem Plankton aller Meere befannt, aber nur bei wenigen fennt man die
zugehörigen Polypen. Ausnahmsmweije leben auch dieje jelbjt planktoniich, wie die von
Gravier bejchriebene Dactylactis benedeni Gravier aus dem Golf von Kalifornien.
Die befanntejte Art ist die ZH linderroje des Mittelmeere3, Cerianthus membrana-
ceus Spall. (Sarbentafel „Seerojen" bei ©. 145, Fig. 5), ein großes, bis 20 cm Hohes und
3cm breites Tier. Heider hat jie in der Adria gefammelt: „Die jandigen Ufer des Meer-
bujens von Triejt beherbergen eine große Anzahl von Cerianthus membranaceus Man
hat auf einer Bootfahrt bei ruhiger See, über nur einige Fuß tiefen Grund Hingleitend,
oft Gelegenheit zu beobachten, wie dieje Geerofe, aus ihrer in feinem Sande ftehenden
Schleimröhre mehr minder weit heruorgeitrect, fajt unbemweglich mit ausgebreiteter Ten-
tafelfrone den Moment abwartet, bis jich ein Kleiner Organismus in ihre gefährliche Nähe
verliert. Ub und zu biegt fich ein Randtentafel fchlangenartig nad) einwärts gegen Das Zen-
trum der Mimdfcheibe und übergibt die Daran haftende Beute, gewöhnlich Snfuforien, Co-
pepoven, Heine Duallen, Yarven ujiv., den Lippententafeln zur Weiterbeförderung in das
Shlundrohr. Wird ein größeres Tier, etiwa ein Kleiner File), gefangen, zu dejfen Bewmäl-
tigung eine größere Anzahl Fangarme nötig it, jo umklammern lebtere Schnell den Feind
jo volfitändig, daß ein Entrinnen wegen der betäubenden Wirkung zahlreicher Nefjelfapfeln
beinahe unmöglich toird. Biel bequemer fann man diejes Spiel der Tentafel an Tieren im
Aquarium beobachten. Sch jah oft, Daß jelbit größere Fijche noch lange Zeit wie finnlos um-
herjchojjen, nachdem fie jich durch eine rajche Bewegung von der Umarmung eines Cerian-
thus befreit Hatten, ja zugrunde gingen, wenn fie wiederholten derartigen Angriffen aus-
gejeßt worden waren. Beriührt man einen aus dem Sande hervorragenden Cerianthus mit
einem Stabe, oder beunruhigt man auch nur das umgebende Waffer, fo zieht er fich bliß-
Ichnell in jeine Röhre zurück, deren Offnung dann durch den umgebenden Gand fo zu-
jammengedrüdt wird, daß Dadurch meift jede Spur der Anwejenheit der Zylinderroje ver-
wifcht ift. Die in den Uferfand gebohrte Röhre erreicht zumeilen die Länge eines Meters
176 Nejjeltiere: Blumentiere. Planuloidea. — Rippenguallen.
und exftreckt fich nicht jenfrecht nach abwärts, jondern gewöhnlich bildet ihr Verlauf zur
Oberfläche de3 Sandes einen mehr minder jpisen Winkel. Indem die Geeroje bei Beun-
ruhigung fofort bis an den Grund ihres Gehäufes Hinabjchiegt, ift ide Fang jehr erjchwert,
und die Fifcher in Trieft veranftalten denjelben dadurch, daß jte jich vorjichtig dem hervor-
geitredten Tiere nähern und mit einem neben demjelben eingejtochenen Spaten Die
Röhre, in welche es fich flüchtet, abzufchneiden trachten. Ein Fafjen mit der Hand erwies
jich immer alS nußlos, da der Durch mafjenhafte Produktion von Schleim jchlüpftige Körper
der Hand zu leicht entgleitet.”
Su Gefangenschaft Halten fich die Tiere bei guter Pflege jahrelang; Neitmaher berichtet
von 5, 6, auch 20 Fahren; das Neapeler Aquarium bejaß 1915 ein Tier jeit 33 Jahren. Leider
büßen fie oft ihre wundervollen Farben ein; fie werden matter, jogar ganz mißjarbig und
Schließlich Tehmusigweiß. Friche Tiere erhält man in allen möglichen Tönen: violett in
jeder Schattierung von falt vofa bis beinahe fchtwarz, daneben indigofarben, hupferbraun
und braun; am fchönften aber find die Exemplare, die in metallifch Ichillernden Grün er-
glänzen. Die Tentafel Haben die Sarbe des Körpers, fünnen
aber auch Heller oder dunkler jein; oft find die Nandtentafel
hell und dunfel geringelt; die Tippententafel find immer ein-
farbig. — Die freiihwimmende, völlig bewimperte Larve wurde
1851 zuexft als eigene „Urt” befchrieben; fie heftet fich bereits
auf jehr frühem Stadium an.
Bon den Erperimental-Zoologen find Cerianthus-Arten in
den leßten Jahren vielfach) zu VBerfuchen herangezogen order,
wieberholtem Amkreben snss jO Namentlich von dem Amerikaner Child. Berühmt find auch
ee, Roeb3 Berfuche, die die Bedingungen Klarlegten, unter denen
28 nn Ed jich ein Cerianthus an jeinem Plab „wohl fühlt“. Dazu gehört,
Gel, Bd. 4 Jena 1014, daß fich die Körperachje fenkrecht einftellen fann. Wird er auf
ein wagerechtes Drahtneb mit jo engen Mafchen gelegt, daß man
ihn nur mit Mühe hätte durchiteden können, jo Kümmt jich) das Fußende nach wenigen
Minuten abwärts und zwängt jic) jo weit dutch eine Majche, bis das Tier jchlieglich (nach
eitwa einer halben Stunde) aufrecht fteht. Dreht man dann das Neb um, fo ehrt der Cerian-
thus fein Fußende von neuem nac) unten und drängt es nochmal? durch das Drahtneb.
Ein weiteres AUmdrehen Hat denjelben Erfolg; das Tier ift dann förmlich in die Majchen
eingeflochten (f. die Abbildung). Wird e8 nad) dem erjten Durchichlüpfen in jenfrechter
Haltung belafjen, fo zieht es fich nad) etwa einem halben Tag wieder aus dem Neb Heraus
und fucht fich einen neuen Aufenthaltsort, denn unter natürlichen Bedingungen ift feine
Yußenfeite immer mit den Wänden der Shügenden Röhre in Berührung, und jo lange Diejer
Reiz fehlt, bleibt es nicht in Ruhe.
Fünfte Ordnung:
Antipatharia.
Die Antipatharia gleichen auf den erften Anblid ganz den Hornkorallen. Auch fie
bilden baumförmig verzweigte, von einem Hornffelett geftüßte Kolonien. Das dunkle, von
jedem Salf freie Skelett ift aber überall mit Kleinen Dornen bededt, außer an den Spiben
der neuen und auf den ältejten, dieften Aften fowie auf dem Hauptjtamm einer Stolonie,
3
1“
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A
ERRIENÄN
Gedhöftrahlige Bolypen: Ceriantharia. Antipatharia. { 177
der mit berbreiterter Bafis auf Steinen auffigt. Alle Zweige des Sfelett3 find von hohlen
Achjentanälen durchzogen. Die wenig hübjchen, niedrigen und breiten Polypen figen in
einem Cönofark, das die te gleichmäßig überzieht; in den älteften Teilen der Kolonien
iterben fie ab, jo daß das ©felett Hier frei zutage liegt. Von den Gorgonaceen-PBolypen mit
ihren ziexlich gefiederten acht Armen unterjcheiden jich die der Antipatharier ofort durch
die jech plumpen, ungefiederten Tentafel; nur jelten find es mehr als jechs, und dann find
die zuerft entjtandenen jech3 immer die jtärferen. E3 werden auch meiftens nur fech3 voll-
fommene Septen ausgebildet, zu denen bei manchen noch jechs unbollfommene Hinzutreten.
Kur zwei der vollfiommenen tragen Gejchlechtsorgane.
Die Mittelmeerfiicher nennen die Antipathes-Arten der Tarbe des Sfelett3 wegen
Ihmwarze Korallen, namentlich) den Euantipathes glaberrimus Esp., die „unechte”
Ihwarze Koralle, im Gegenjaß zur „echten”, Euplexaura antipathesZ. (f. ©. 135). Doc)
wide auch ihr Sfelett früher vielfach zu Schmudjachen verarbeitet, die jich in Silberfaffung
recht Hübjich ausnehmen.
Vierte Klaffe:
Planuloidea.
Zu den Neffeltieren zählt Hatjchef noch einige eigentümfiche, ehr einfach gebaute
Organismen, die parafitiich leben, die Dicyemida in der Niere der Tintenfische und
die Orthonectida in verjchiedenen mwirbellofen Tieren des Meeres, wie Schlangen-
fternen und allerhand Würmern. Diefe „Blanuloideen” beitehen nur aus einer Lage von
Eftodermzellen, die Entodermzellen umjchliegen. Nach der Meinung des genannten Yor-
icher3 find jie in der, Entwidelung jtedengebliebere Larven von Nefjeltieren; der einfache
Bau ift, wie vielfach im Tierreich, eine Folge des Schmarogerlebeng in den Geweben anderer
Tiere. Alle Organe für Fang und Aufnahme von Nahrung find nicht mehr nötig, weil ja
der Parafit „in Nahrung [hwimmt‘ und fie direkt in jede Zelle aufnehmen fanın. — Andere
Toricher Halten die Tiere fir weitgehend umgebildete Würmer. Zuerjt wollte man fogar in
ihnen das Bindeglied zwijchen Einzelligen und Gemebstieren gefunden Haben und ftellte jie
mit ein paar anderen rätjelhaften Wejen geradezu als Übergang, al „‚Mesozoa“, zwifchen
die beiden großen Abteilungen des Tierreichd. Wenn ihnen diefe Bedeutung für die
Stammesgejchichte Heute auch nicht mehr beigemeffen werden fann, jo jtehen jte doch rein
ihrem Bau nach zwifchen Proto- und Metazven. Sn ihrer Entwidelung mechjeln zwei ber-
ihiedene Generationen miteinander ab („Heterogonie”): eine Generation „agametifcher"
Beibehen, deren Eier der Befruchtung nicht bedürfen, mit einer daraus entjtehenden
Generation von Männchen und Weibchen, deren Gefchlechtszellen Eopulieren.
Ein freilebendes Metazoon, Trichoplax adhaerensF. E. Sch., aus dem Golf von Trieft,
it, nad) Krumbachs allerdings nicht unbejtrittener Anficht, eine abnorme Medujenlarbe;
auch die Natur anderer, hierher gezählter Formen ift fehr unficher.
Zweiter Unterfrei3:
Jippengitallen (Ctenophora).
Sn ihrer vollendeten Ducchfichtigfeit, der wunderbaren Zartheit ihrer Gewebe und
ihren janft abgetönten Farben find die Kippengquallen die allerichönften unter den zahl-
reihen reizvollen Formen der Cölenteraten. Sie werden in diejen Streis geitellt, weil fie,
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 12
178 Rippenquallen.
wie die Medufen und Volypen, nur über ein einziges Hohlraumigitem im Körper verfügen
und tie jene nur aus einem eftodermalen Haut- und einem entovermalen Darmblatt be-
ftehen, zwifchen denen fich eine Stübjubitanz entwidelt. Wenn e3 Darin, wie bei Me-
dufen, zu reicher Ausbildung von Gallertgemwebe und infolgedejjen zu einer jolcden Durch-
fichtigfeit fommt, daß jelbft geübte Forjcher Miühe Haben, manche Arten vom Boot aus im
Meer überhaupt zu fehen, fo ift dies eine Anpaffung an das Leben im freien Waller. Da-
durch find fie ebenfalls glashelle „Duallen” geworden, wie jene anderen unter den Cni-
dariern, weichen aber in fait
allen ihren Bejonderheiten,
außer in den allerurjprüng-
fichften Grundzügen des Kür-
perbaues, gänzlich von ihnen
ab. Die Zugehörigkeit zu ven
Gölenteraten wurde Deshalb
bon manchen Forjchern über-
haupt in Trage gezogen, na-
mentlic) al3 jonderbar um-
- gebildete Ctenophoren be=
fannt wurden, die in ihrer
Organifation Übergänge zu
niederen PBlattwürmern Ddar-
itelfen. Man it darin jomweit
gegangen, daß die Nippen-
quallen für „vegenerierte
Würmer” erklärt murden.
Heute neigt die allgemeine
Auffafjung der Zoologen da-
Hin, daß die Gtenophoren Cö-
lenteraten find und mit jenen
Plattwürmern gemeinjame
Ahnen haben, die einfach ge-
Schema einer Rippenqualle Nah K. Günther aus dem „sd. Bericht ber bauten Ctenophoren geglichen
Sendenberg, Naturf. Gef.“, Frankfurt a. M. 1914. sk Sinneskörper, tr Trichter, haben mögen. Damit aber
N ragefäß, aan Magen nnag Magengefäß, m Rum. _ —_ ftänden bie Gtenophoren in
der Stammreihe, Die bon
ven blaftula- und gaftrulaartigen Urformen der Metazven heraufführt zu ven Wiirmern und
weiter zu den Wirbeltieren, während die Nejjeltiere nur einen bejonders 2) entfalteten
Geitenjproß des Stammbaumes darjtellen würden.
Wie eine typijche Ctenophore ausjieht, Davon gibt Hormiphora plumosa Sars, eine matt-
weißliche birnfürmige Dualle mit langen, zarten Tentafeln, ein gutes Bild (f. die Sarbentafel
bei ©. 181). Angehörige ihrer und nahe verwandter Gattungen treten in allen Meeren
häufig auf, manchmal fo zahlreich, daß fie dem Plankton einen beitimmten Charafter geben.
Alle bewegen fich nach einer eigentümlichen Methode, die nur bei Rippenquallen dor-
fommt: Keine, quergeftellte Ruderplättchen, auf acht Längsrippen in etwa gleichen Abftän-
den angeordnet, ziehen von einem Pol zum anderen. Dieje Blättchen find weiter nichts als
Allgemeines. | 179
bejonders lange, miteinander verklebte Wimpern; ihr Schlag bewegt den Organismus durd)
das Wafjer. Dabei geht der Bol, an dem fich der Mund des Tieres befindet, voran; der
‚andere, der „aborale” Pol, enthält ein Sinneszentrum, von dem aus die Bewegung der
PBlättchen eingeleitet und geregelt wird. Ste jchlagen nicht alle gleichzeitig, jondern die Be-
wegung jchreitet von einem zum anderen teiter, fo daß Schlagwellen vom Sinnespol aus
über die Rippen Hinweglaufen. Begleitet werden die Wellen von einem wunderbaren Farben-
ipiel, das infolge von Snterferenzerfheinungen in den Kleinen Audern entjteht: fortdauernd
tiefein alle Farben des Negenbogens auf den acht Bahnen den zarten Körper entlang.
Wie Schphozoen und Anthozven haben dieRippengquallen einen eftodermalen Schlund,
der aber die Aufgabe eines Magens erfüllt und auch „Magen“ Heißt (ma in der Abbildung
auf ©. 178). Alles, was an Fleinen Kruftern und anderem Blanktongetier durch den großen
Mund (m) Hineingelangt, wird darin zerlegt und das Unverdauliche zufammen mit reich-
fihem ch wieder ausgeftogen. Der nusbare Speijebrei aber gelangt durch eine Kleine
Dffnung, die durch ringförmig angeordnete Musfelzellen verfchlofjen werden Fann, in einen
großen Sammelbehälter, ven „Trichter” (tr). Der feitfich zufammengedritcte Magen und der
Trichter mit feinen Hauptverzweigungen legen für das ganze Tier zwei aufeinander jenfrecht
jtehende Symmetrieebenen feit: die Magenebene und die Trichterebene. Die Rippen liegen
paarweije in den bier Duadranten, in die der Organismus durch dieje Ebenen geteilt wird.
Nach vem Sinnespol zu verengt fichder Trichter zum „Trichtergefäß", das fich [chließlich in zwei
Schenfel jpaltet. Sie münden durch verjchließbare „Exfretionsporen” in einer Diagonal-
ebene nac) außen. Syn bejtimmten Sntervallen tritt hier ein Teil der Flüfjigfeit aus den Bin-
nenräumen nad) außen; jie enthält die Ausjcheidungen, Die aus der umfangreichen Gallerte
mit Hilfe eigenartiger Erfretiongorgane, der „Wimperrojetten”, herausgejchafft werden.
Diefe find überall in den Wänden eines Kanalfyftems verteilt, da3 vom Trichter ausgeht; e3
it nicht allein dafür da, Erfrete nach außen zu leiten, jondern dient in erjter Linie der Ber-
teilung der Nahrung und des jauerftoffreihen Wafjers im ganzen Körper. Von dem Ver-
lauf diejer Stanäle bei einer urfprünglich gebauten Gtenophore gibt die Abbildung auf ©. 178
einen Begriff. Vom Trichter aus gehen in der Trichterebene zwei Hauptitämme (hg), die
lich teilen. Seder At gabelt ji) nochmals, und fo treten acht radiär verlaufende Gefäße an
je eine der acht Rippen: fie münden in acht unter den Rippen verlaufende „Meridional-
gefäße" (mg). An der UÜrjprungzitelle der Hauptitämme zieht außerdem jederjeits in der
ZTrichterebene ein Magengefäß (mag) am Magen entlang zum Mundpol Hin, und je ein
Zentafelgefäß an die eftodermalen Tafchen (ts), in denen die Tentafel (te) entipringen.
Dieje liegen immer in der Trichterebene, zwei lang ausdehnbare Fäden, die dem ruhia
- Ihwimmenden Tier in eleganten Windungen folgen, beim geringjten Reiz aber blisjchnell
in die Tentafeljcheiven zuriickgezogen werden. Sie find mit vielen Nebenfävden bejebt, die
nur auf einer Geite abgehen, aber Häufig jcheinbar in Spiraltouren um den Tentafel figen,
weil jich Ddiefe jelbft pirafig gedreht Hat. Bewaffnet jind die Fangfäden mit Klebzellen,
vrüfigen, Halbfugeligen Borjprüngen auf den Nebenfäden, die mit Hilfe eines elaftiichen, in
der Ruhe jpiralig aufgerollten Achjenfadens verankert find. An Wirkfamfeit für den Sarg
Heiner Beutetiere ftehen die Klebzellen den Nefjelzellen der Enidarier — die den Lteno-
phoren, abgejehen von einem nicht unbejtrittenen Falle bei Euchlora rubra Köll., ganz
fehlen — nicht nach, zumal jie auf den Nebenfäden dicht gejät liegen. Berührt ein Krebschen
einen folchen Faden, fo wird e3 gleich durch ein paar Dubend der Drüfenkuppeln gehalten;
die elaftiihe Verankerung fan den Bemmegungen des Beutetiered nachgeben, bis es
12*
180 Rippengquallen: Tentaculata.
ermattet, und bringt fcehließlich den Apparat wieder an jeinen Plab, anders al3 bei den
Keifelfapfeln, die, einmal verjchoffen, durch neue erjebt werden müjjen. Außer den Stleb-
zellen treten in ven Tentafen der Gtenophoren noch jogenannte „Taftzellen" auf, die der
Aufnahme von Berihrungsreizen dienen follen.
Wichtigftes Sinneorgan aber ijt bei den Rippengquallen ein Bezirk (sk) am aboralen
Pol. Hier fibt in einer. etwas vertieften, von einer durchlichtigen Glode itberdedten Wintper-
epithelpartie ein „Statolith“, eine maulbeerföürmige Anhäufung von Ralziumphosphat-
förnern, auf vier elaftiichen Federn, die jtändig in zitternder Bewegung find. on der
Bafis jeder Feder läuft ein Streifen Flimmerepithel durch eine Offnung aus der Glocfe
heraus. Dann teilen fich die vier Streifen, und ihre Fortjebungen find die acht Rippen
mit den Wimperplättchen. Daß der Sinneskörper in Beziehung zu ihrer Tätigkeit jtehen
muß, erweilt die Verbindung damit. Welchen Einfluß er ausübt, Haben Berjuche ergeben.
Wie Verworn feitgeitellt Hat, jtrebt die Ctenophore nach einer Gleichgewichtzitellung, in
der die Hauptadhje des Körpers jenkrecht jteht; die Stellung mit dem Munde nach oben ijt
Normalftellung, in der das Tier beim Schweben und bei ruhiger Bewegung Nahrung auf-
nimmt, die umgekehrte aber, mit dem Ginnesförper nad) oben und dem Mund nach unten,
it Tluchtitellung, in der eine erregte Ktenophore im Aquarium allerdings lange verharren
fan. Kommt die Rippenqualle nun durch irgendwelche äußeren Umftände in eine jchräge
Lage, jo wird der Zug oder Drud des Gtatolithen, der bisher gleichmäßig an allen vier
Federn angriff, auf einer ©eite jtärfer, auf der anderen [chwächer werden. Der Reiz auf
die Federn der nad) unten geneigten ©eite erregt die entjprechenden Flımmerftreifen md
Kippenpaare, und duch erhöhte Schlagzahl der Vlättchen diejer Seite richtet fich die Cteno-
phore wieder in die Gleichgewichtsitellung auf. Der Sinnespol regelt aljo lediglich die
Gtellung de3 Tieres, indem er den Bewegungsorganen entiprechende Anftöße erteilt, ift
aber fein nerböjes Zentrum für den Auderjchlag. Wenn er ausgebrannt wird, jchlagen
die Plättchen trogdem weiter und antworten auf mechanifche und andere Reize.
Außer dem Statolithen ift in dem Sinnesbezirt am aboralen Bol in Öeftalt der mit
Itarfen Wimpern verjehenen „Bolfelder” ein Drgan vorhanden, das al3 Geruchsorgan ge-
deutet toird. Db bei ven Rippenquallen ein Nervenjyftem vorhanden ift oder nicht, ijt eine
Irittige Frage. Eigentliche Nervenftränge, wie man fie unter den Rippen zur Weitergabe
der Bewegungsanjtöße an die Plättchen bei der fortichreitennen Wellenbewegung erwarten
müßte, find nicht nachweisbar. Dagegen |prechen phHyfiologische Unterfuchungen Bauers (1910)
für ein Nervenfyften, etiva eines jener diffujen Syfteme, wie eg bei Enidariern vorhanden
it. — Die gallertige Grundfubitanz der Rippenquallen enthält eine gut entwidelte Mus-
fulatux, mit deren Hilfe die Tiere ihre Geftalt ziemlich ausgiebig zu ändern, 3. B. die Mund-
gegend lippenartig zu bewegen vermögen. Die Venusgürtel, von denen unten die Rede
jein wird, führen jogar jchlängelnde Bewegungen ihres bandfürmigen Leibes auS.
Bejonderer Art find die Fortpflanzungsverhältniffe. Alle Etenophoren find Ziwitter.
Die Organe der Vermehrung liegen unter dem Epithel in den acht Meridionalgefäßen,
jedesmal ein langgejtredter Eierjtod und ein Hoden. Die meisten Arten trifft man das ganze
„sahr durch gefchlechtsreif, doch macht fich gegen das Frühjahr eine Steigerung der Frucht-
barkeit bemerfbar. Sind Cier und Samen reif, fo gelangen fie in die Meridionalgefäße,
indem fie deren Wand durchbrechen, und werden durch den Mund nach) außen entleert;
lebend gebärend ift, fomweit befannt, nur Tjalfiella (f. unten). Das befruchtete Ei entwickelt
ih im freien Meer.
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2
Cydippidea. Lobata. Cestoidea. 181
GSrite Klajje:
Tentaculata.
Erjte Ordnung:
Cydippidea.
Bon den Nippengquallen unjerer Tafel hat die Fleine, biS 2 cm hohe Hormiphora
plumosa Sars (j. die Sarbentafel) im großen ganzen den typifchen Bau. Die im Mittel
meerplanfton regelmäßig auftretende Form ilt, bis auf mattbraun gefärbte Wilfte im Magen,
ganz vurchlichtig; leicht gelblich exrjcheinen Die großen veräftelten Nebenfäden der Tentafel, die
in regelmäßigen Abjtänden zwijchen normalen Nebenfäden jtehen und die Art fennzeichnen.
Die Plättchenreihen ziehen vom Sinnespol aus nur über einen Teil des Körpers.
Zweite Ordnung;
Lobata.
Eine interejlante Erjcheinung bieten zwei andere Mittelmeer-Ctenophoren, Bolina
hydatina Chun und die wundervolle, ungemein zarte Eucharis multicornis Eschz. Winzige
Larven Diejer Arten, von 0,6—0,s mm Größe, bilden funktionsfähige Gejchlechtzorgane aus
amd pflanzen fich fort; dann wird das Keimlager wieder rüdgebildet, die Yarbe vollendet
ihre Metamorphofe, und die ausgebildete Rippenqualle wird zum zmweitenmal gejchlechts-
reif; Eucharis fann dann einen halben Meter breit jein! Chun hat dieje von ihm entdedte
Form der Fortpflanzung „Dijfogonie” genannt.
Beide Arten gehören zur Drdnung der „lobaten” Ctenophoren, die durch zwei ums
fangreiche feitliche Gallertlappen ausgezeichnet find. Sy der Jugend jehen fie noch, „nor-
mal” aus. Trob ihrer Größe find jte die zarteften unter allen; nach einem Sturm dauert
e3 Yange Zeit, bis man wieder einmal eine underjehrte Eucharis [höpfen fann.
Dritte Ordnung:
Cestoidea.
Wer zum erftenmal einen Venusgürtel, Cestus veneris Lesr., zu Gejicht befommt,
wird faum glauben wollen, daß er in Diefem langen, dünnen Gallertband eine Gtenophore
vor fich hat. Und doch ift der ganze Bau des wunderfamen Gefchöpfes der einer echten
Kippenqualle, und e3 ijt auch von ganz typifchen Formen abzuleiten, denn die Kleinen
Larven, die uns. durch Chun befanntgeworden find, jehen Heinen Ctenophoren von nor=
malem Bau noch) völlig ähnlich. Im Laufe der Entwidelung dehnt ji) dann der Körper
in der Magenebene gewaltig aus, während er fich in der Trichterebene abplattet. Betrachtet
man einen gefangenen Gürtel einmal genauer (Abb., ©. 182), jo entdedt das allmählich
geichärfte Auge an dem durchjichtigen Riemen, über dejjen Ränder der Farbenmwechjel
der Ctenophorenrippen gleitet, alles, was zur Ctenophore gehört. Jr der Mitte ein weiß-
licher Streifen: deutlich) am einen Ende der Statolith, darunter Trichter und Magen, beide
jehr Hein. Dann in der Nachhbarjchaft des Sinnesförpers wie üblich die acht Rippen mit
182 Rippenquallen: Tentaculata.
den Schtwimmplättchen, davon find vier ganz Hein, während die bier übrigen, der Magen-
ebene benachbarten gewaltig verlängert den Dberrand des Bandes nach beiden Seiten ein-
fäumen. Sie haben alie acht ihre „Meridional"gefäße; die der großen Rippen liegen oben,
den Rippen jelbit benachbart; die der vier rudimentären Rippen aber, die nur neben dem
Statolithen eben angelegt jind, biegen riidmwärts bis zur Mitte des Bandes und verlaufen
hier parallel dem Rande bis ans Ende. Auf der Munpjeite jieht es aus, al3 wäre da eine
etwas längere Bewimperung al3 oben an den Rippen des Oberrandes: es find zahllofe
feine Tentafeljeitenfäden, die in Tentafelrinnen an den Seiten einer über den ganzen
Unterrand ausgezogenen Mundrinne feitgewachien find; eigentliche Haupttentafel fehlen.
Um auch diefen Partien Nahrung und Sauerftoff zuzuführen, gehen Tentafelgefäße dicht
an den Tentafehiinnen entlang bis ans Ende des Bandes. Hier aber zeigt die Organijation
des Venusgürtel3 eine Bejonderheit: alle die Gefäßjchenfel, die zu diefem Enpdzipfel hin-
laufen, oben die der Magenebene zunächit gelegenen Nippengefäße, in der Mitte die der
VBenusgiürtel, Cestus veneris Zesr. Nah Chun, „Die Ctenophoren” (Fauna und Flora des Golfes von Neapel.
Trichterebene einer normalen Ctenophore benachbarten Rippengefäße und unten die Ten-
tafelgefäße, verbinden jich Hier untereinander.
Große Venusgürtel werden bei etwa 8 cm Höhe bis 1%, m (ass Kleinere jind voll-
fommen wajjerklar und durchjichtig, nur das Srifieren ihrer Wimperplättchen Yäßt be-
jtändig alle Farben des Regenbogens über den Kand hinmweggleiten; größere haben einen
zart-violetten Anflug. Jr ganz bejonderem Glanz aber zeigt jich Cestus veneris, jobald er
gereizt wird, wenn auch nur dur Wellenjchlag: nach und nach läuft eine blaugrüne Farbe
über den ganzen Körper, die tiefer und tiefer wird, bis zu einem Ultramarinblau, fo zart
und leuchtend, daß fein Pinjel fie wiedergeben fünnte, daß man aber einen gefangenen
und wieder freigelajjenen Gürtel daran noch in ziemlicher Tiefe erfennen farın. Träger
diejer Reizfarbe Jind bejondere „Fluoreizenzzellen‘ des Ektoderm3. Hand in Hand mit dem
Erblauen dürfte das prächtige Leuchten gehen, das der Venusgürtel im Dunkel ausftrahlen
läßt, eine der wunderbariten Ericheinungen, die ein nächtlicher Bejuc) im ©eewajjeraqua-
rium offenbaren Fann.
Die Annahme liegt nahe, daß jich der Benusgürtel im Waffer jchlängeln wird. Fajt
le Bilder deuten dies an, und in der Tat bewegen jich gefangene in anmutigen Windungen
in ihren Behältern, die übrigens gegen jede Wafjerftrömung forgfältig gejchügt fein müfjen,
damit diefe zarten Kinder des Meeres nicht jofort zerriffen werden. Diefe Windungen
treten aber num ein, wenn die Tiere irgendwie gereizt find. Draußen im Meer bei ftillem
SE EEE NENNE
Cestoidea. Platyctenida. 183
Better jhwimmen fie als echte Ctenophoren nur durch den Schlag ihrer Schwimmplättchen
und ganz gerade gejtredt. Chun Hat bei ruhiger See auf zahlreichen Ausflügen Hunderte
beobachtet, die nur durch lebhaftes Schlagen der Ruderplättchen, dem ungeitbten Auge iu
u yeu dahintrieben, ohne daß ein fchlängelndes Eremplar darunter war.
Bierte Ordnung:
Platyetenida.
Ebenfall8 von der Grundform ftarf abweichend, aber durch die Richtung, in der ihre
Anpaffungen fi) vollzogen haben, noch viel interefjanter find die Platyfteniden, Cteno-
phoren, die mit der Munpdjeite auf dem Boden, auf Algen oder im Waller treibenden
Gegenjtänden herumktiechen. Jhr Körper ift völlig abgeplattet, wie der mancher Platt-
wiirmer, der Planarien des Süßmwaljers und der Meereskiiite, und genau jo wie jene be-
wegen fie jich durch Wimpern auf der „Bauchjeite” (in deren Mitte auch wie bei jenen
primitiven Würmern der Mumd liegt) in eigentiimlich qleitender Weife und find rein äußer-
ich von ihnen faum zu unterjcheiden. Aber auch die Anatomie zeigt, daß eben in Diejer
Gruppe offenbar das Bindeglied vorliegt, das von den Ctenophoren zu den niederften
Plathelminthen Hinüberleitet.
Die Vertreter der Gattung Chenoplai. io Ct. kowalevskü Kor., von Siorotnev 1885
zum eritenmal bei Bullr Bandan mweitlih Sumatra, dann von Willey bei Neuguinea ge-
funden, erinnern noch am eheften an typifche Rippenquallen. Sie find rofarot oder griin.
Auf der Oberjeite entvedt man noc) Feine Meridionaltippen mit je 7—8 Nuderplättchen,
durch deren Schlag das Tier jogar noch frei im Waller I hwimmen fan. Die Heine Scheibe
(etwa 6 mm im Durchmejjer) Klappt dann nad) unten zufammen iwie zwei Blätter eines
Buches; Faltungslinie it Die alte Trichterebene, hier gefennzeichnet durch die beiden mit
Nebenfäden verjehenen, jehr beweglichen Tentafel und ihre Tentafelicheiven. SKriecht das
Tier aber flach ausgebreitet auf irgendeiner Unterlage oder auch mit der Bauchjeite nach
oben am Wajfjerjpiegel Hängend, wie dies unjere Süßtwajjerichneden und bezeichnenderweije
viele Planarien auch können, dann fiegen die Rippen in Niichen zwijchen Wülften verjteckt,
die Durch) Vorftülpungen des Darm3 und der Tentafelfcheiden verurjacht werden. Sie fünnen
jogar jo weit zuriidigezogen fein, daß fie von außen nicht mehr fichtbar find. Dben in der
Mitte figt ein Statolith, von zwei Halbfreifen von Sinnestentafeln umgeben, auf der Unter-
jeite iym gegenüber der Mund; diejer führt in einen weiten, in der Magenebene abgeplat-
teten Hohlraum, von dem auf der Rüdenjeite in den Diagonalen vier Fortjäße abgehen;
auf der Bauchleite verbinden fich diefe mit einem ©hjtem unregelmäßiger, enger Kanäle.
Böllig planarienartig find die Arten der Gattung Coeloplana, die aus dem Roten
Meer (C. metschnikowi Kow.) und von der japanijchen Küjte (C. willeyi Abb.) befannt jind.
Sie finden fich, nach Abbot, der fie am leßtgenannten Orte genau jtudierte, bei Ebbe in etwa
zwei Fuß tiefem Wafjer an Steinen und Tang, namentlich in den Lachen, die von der Flut
zurüdgeblieben find und von den Sonnenftrahlen dDurchwärmt werden. Nach einer Richtung
ausgejtrect, erreicht die eine Art, C. willeyi(j. die Abb., S.184), 5—6 cm Länge, als rundliche
Scheibe nur I—2cm Durchmeffer, zieht fich aber bei Beunruhigung auf!/, diejes Umfangs zu-
jammen. Ruderplättchen fehlen ihnen völlig, und fie [hwimmendaherniemaß. Wie Amöben
Ihiden jie aus dem jich fältelnden Rand des ganz weichen Körpers einen Lappen nad)
irgendeiner Richtung vor, dem das ganze Tier nachfolgen fan. Wie Ctenoplana Friechen
184 Nippenquallen: Tentaculata. Nuda.
fie auch am Wafferfpiegel entlang, mit der Rüdenjeite nad) unten, und dann [hingen zwei
Tentafel mit zahlreichen Nebenfäden, die reichlich mit Klebzellen verfehen find, im Waffer.
Auch bei Iebhafter Bewegung auf einer Unterlage werden die Tentatel oft plöglich, auch)
unabhängig voneinander, wie weißliche Wolfen aus den rötlichen oder tiefbraunen „Wiür-
mern”, möchte man untillfürfich jagen, ausgeftogen. Wird das Tier am Wajjerjpiegel ge-
ftört, dann zieht es fi) zufammen und finkt al3 formlojer Klumpen zu Boden. Zum Auf-
enthalt zieht die braune Form braume, die rote rote Algen vor, und jo find die Tiere durch
diefe von verzweigten Pigmentzellen Hervorgerufenen Anpajjungsfarben vor den Augen
ihrer Feinde gefehüßt. Der Sinnesförper auf der Oberjeite ift Klein; daS Darmiyftem ift ein
Nebmwerk von Kanälen, aus denen Feine Blindjäde bis an den Rand des Tieres gehen. Aus-
jtüilpungen de3 Darmes enthalten auch die fingerfürmigen Fortjäße auf dem Rüden der
Coeloplana, Die
nad) Belieben ein-
und ausgejtülpt
werden Fünnen.
Offenbar dienen
ie aß „Riemen“
der Atmung. Da-
für fpricht die Be-
obadhtung Abbotz,
daß jie bei gefan-
genen Tieren bor-
gejtredt erden,
wenn Das Waj-
jev des Behälters
Ichlecht wird.
5 — RER = Und Schließlich
Ser al Abb. en einem Zangbtatt Na) Wbbot („Sool, Sapıb.“, Anat., ift eine Steno-
phore auch noc)
jeßhaft geworden: Tialfiella tristoma Mrtsn. au dem Umanaf- Fjord in Wejtgrönland;
fie ift, nach Mortenjen, den beiden anderen Vlatyfteniven offenbar verwandt. Gefunden
wide das eigenartige Gefchöpf auf dem Stiel einer Umbellula (f. ©. 137). Wie bei den
anderen tft die Mumdfeite der Unterlage zugefehrt. Damit wäre der Mund bei dent feit-
figenden Tier außerjtande, feine Aufgabe zu erfüllen; Aufnahmeitellen für die Nahrung
müfjen dadurch gejchaffen werden, daß zwei Eden des Mundes fich zu Röhren verlängern
und nach oben umbiegen, an deren Enden dann je eine neue Mundöffnung gebildet ift.
Beide führen die Nahrung zum urfprünglichen Mund, der in ein veräfteltes Kanaljyitem
führt. Bier Paar Erhöhungen an der Oberjeite enthalten die Genitalorgane, Ovar und
Hoden in jeder Erhebung. Die Eier aber gelangen nicht ins Freie, fondern entmwideln jich
— der einzige Derartige Fall innerhalb der Kaffe — im mütterlichen Organismus. Yyedes
Ci wächjt in einem bejonderen Bruttaum in der Haut (einer Ausfadung des Darın-
iyitems) zu einer richtigen Kleinen Ctenophore mit Aupderplättchen heran, die jchlieglich
nach außen Ducchbricht und munter Davonfchwimmt. Gie fest fi) feft, und was nicht
mehr nötig ift, wird abgelegt: das Sinnesorgan wird ganz rudimentär und die Wimper-
platten verjchwinden.
EEE u
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A
4
$
1
£
Platyctenida. Bero&. 185
DJmweite Klaffe:
Nuda.
Sn Oegenjah zur großen Menge der Ctenophoren, den „Tentaculata“, wird eine fleine,
artenarme Gruppe gebracht, denen die Sangtentafel fehlen (Nuda, die Nadten). Gie ge-
hören zu den häufigiten großen Planftontieren und [ind in allen Meeren anzutreffen. Cine
der befanntejten und jchönjten ift Bero& ovata Zschz., die Melonenqualle (j. die arben-
tafel bei ©. 181); als häufigfte Mittelmeer-Rippengqualle ift jie auch Die, auf der die meijten
Unterfuchungen über das Verhalten der Ctenophoren fußen. Ein gedrungener, fait zylin-
priicher Körper, bei jungen Tieren mweißlich durchlichtig, bei alten rojarot, der auf den acht
Rippen von dem abgerundeten Ginnespol bis zu dem weiten Mund am anderen Ende das
Tarbenjpiel der Nuderplättchen erglänzen läßt, fo jtellt jich Die Ctenophore von außen dar.
Ein Bid in den, wie immer in der Ruhe, nad) oben gefehrten Mund erwedt den Eindrud,
da3 ganze Tier jei völlig Hohl: ein ungeheurer Magen nimmt faft den ganzen Raum ein.
Der Trichter, der ich erjt Dicht unter dem Sinnespol hieran anjchliegt, ift winzig Kein. Bon
ihm geht ein Kanaljyftem aus, das wejentlich wie das der typijchen Gtenophoren gebaut ift;
auffallend find nur die zahlreichen, veräftelten Kanälcden, die, auch äußerlich fichtbar, bon
den Nippengefäßen aus in die für eine Rippenqualle recht fefte und muzfulöfe Wandung
eingemwuchert find. Dadurd) ift eine viel befjere Ernährung und Durchatmung des ganzen
Körpergemebes gemwährleijtet, die Bero& auch zu viel ftärferen Leiftungen befähigt, al die
faft nun aus weicher Gallerte beftehenden übrigen freifchwimmenden Ctenophoren. Gie
vermag außerordentlich gejchiet Herumzufhwimmen und it eines der gefräßigjten Raub-
tiere im Plankton. Mit Vorliebe fällt fie die großen, zarten Eucharis an, aud) wenn Dieje
mehrfach größer find als fie jelbft. Chun erzählt von einer Erfahrung: „Ein jeder, der mit
ihrer Zebensweife noch wenig vertraut ift und Beroen gemeinfchaftlich mit den übrigen
Arten in einem Bafjin aufbewahrt, wird erftaunt fein, nad) ein bis zwei Tagen nur noch
die Fräftigeren Berog vorzufinden. Ex wird zunächjt auf die Vermutung fommen, daß die
übrigen zugrunde gingen und fich auflöften, bis er zufällig die unangenehme Entdedung
macht, daß fie fäntlich den gefräßigen Genofjen zum Opfer gefallen find. Ganz gewaltige
Bilfen vermag eine Bero& zu bewältigen. So hatte ich einmal eine der größten Eucharis
in ein geräumiges Baffın gejeßt, um eine Skizze entwerfen zu fünnen. Ich achtete nicht
eher auf eine halb jo große Bero& forskalii, die fchon feit längerer Zeit gehungert hatte,
als bis diejelbe, offenbar von ihrem Geruchsvermögen geleitet, in großen Kreijen mit weit
geöffnetem Maul umherzufehwimmen begann. Su der Nähe der Eucharis angelangt, jhoß
fie mit gemandter Wendung auf diefelbe Iog, faßte fie mit ihrem breiten Maul und begann
das Yebhaft mit den Schwimmpflättchen fchlagende wehrlofe Tier Hinabzumürgen. Ich rief
mehrere der anmwejenden Herren herbei, die e3 alle faum für möglich hielten, daß folch ein
boluminöfer Biffen bewältigt werden fünnte, Doch nach) faum einer Biertelftunde hatte ji)
die Bero& volfftändig über Die Eucharis weggezogen und lag, zu einem unfürmigen Ballon
aufgedunfen, verdauend am Boden.” /
Um ihren Pla zu verändern, ift Bero& nicht nur auf das Spiel der Ruderplättchen
angewiejen. Gie ift, wie übrigens auch bei anderen Ctenophoren beobachtet wurde, in
ver Lage, ihr Ipezifiiches Gewicht zu verändern und demgemäß ohne Beihilfe der Ruder-
organe zu finfen und zu fteigen. Vermutlich werden, wenn das Tier jteigen foll, in den
186 Hohltiere: Nuda.
Gewebezellen fpezififch leichte Stoffe gebildet und angefammelt, die dann, beim Sinfen,
durch Kontraktion der Überall in der Gallertjubitanz vorhandenen Muskelzellen twieder aus-
gepreßt werden. Da der Wafjergehalt der Ctenophoren 96 Prozent überfteigt, werden
ichon geringfügige Änderungen im fpezififchen Gewicht genügen, um eine Ortsverfegung
nach oben oder nach unten zu bemirken.
Berühmt find die Beroe-NAlrten auch Durch das Hellftrahlende bläuliche Licht, daS fie
zur Nacht verbreiten, wenn fie itgendivie gereizt werden. ES treten in jedem Meridional-
gefäß zwei leuchtende Bänder auf. Sit des Leuchtenz find wohl in der Hauptjache die hier
gelegenen Gejchlechtsorgane, in deren Bereich bei reifen Tieren naturgemäß ein jtarfer
Stoffumfab ftattfindet; aber auch Eier und Larven der Ctenophoren leuchten bereits. Dabei
icheint — allgemein bei leuchtenden Rippengquallen (U.W. Peters) — ein bejonderer Stoff ge-
bildet zu werden, durch dejfen Zerlegung auf Reize Hin Energien frei werden, die als Licht-
erjceheinungen fichtbar find. Vorausgegangene Beleuchtung der Ctenophore, wenn auc) nur
durch fo fchwaches Licht wie das Mondlicht, verhindert die Bildung diefer Gubftanz; exjt
wenn die Tiere eine Zeitlang im Dunfeln waren, vermögen fie ihr Kicht erglänzen zu Yafjen.
a
Wirmer (Vermes).
Bearbeitet von Profejior Dr. 5. Hempelmann und Dr. &. Wagler.
Diejer Kreis der mehrzelligen Tiere ift ebenjo wie alle weiteren noch folgenden
gegenüber den Hohltieren Dadurch ausgezeichnet, daß bei feinen Angehörigen zu den beiven
Keimblättern der Cölenteraten, dem Eftoderm und Entoderm, regelmäßig noch ein drittes,
das mittlere Keimblatt oder Mejoderm, fommt, das jeinen Urjprung von einem der beiden
anderen, bald vom äußeren, bald vom inneren, zu nehmen pilegt.
Kein Tierkreis hat eine jo bewegte Gejchichte wie der der Würmer (Vermes). Einer-
- feit3 hat man feit Linnes Zeiten allerlei Gormen abgebrödelt, anderjeit3 aber auch wieder
allerlei hinzugefügt, und noch zur Zeit ift fein Typus der Wirbellojen weniger in jich ab-
gejchloffen, und es ift infolgedejjen von feinem jchwieriger, eine gemeinjame Charakterijtit
zu geben al8 von dem der Würmer. Was man nirgends fonjtivo von Tieren unter-
zubringen mußte, hat man feit je unter die Würmer geftedt. Wie Haben jich doc) jeit
Linne die Zeiten geändert! Damals lernte man, daß e3 jechs Tierklajjen gäbe: Gäuger,
Bögel, Amphibien, Fiiche, Snjekten und — Würmer. Was war nicht alles in Diejen großen
Topf „Würmer hHineingeworfen! Und wie ficher wußte man, daß die Würmer „ein Herz,
mit nur einer Kammer, ohne Vorfammer bejäßen, faltes, weißliches Blut und feine Fühl-
hörner, fondern bloß Fühlfäden”. Auf Regenwurm, Schnede, Seeftern, Bolyp mußten
jene Worte paffen. Auch in dem Shftem Cupierz find die Würmer eine jehr anfechtbare
Stelle. Eine Abteilung, die Gliedertwürmer, deren Körper unverfennbar aus Ringeln zu-
jammengefett ift, reihte Cupier an die Gliederfüßer und nannte die jo gebildete Tiergruppe
Bliedertiere; die anderen, Eingemeidewiürmer und dergleichen, verwies er zu den Strahl-
tieren, zu denen nur einzelne verborgene und Höchit fragliche Beziehungen obmalten.
Die Ürtiere, Hohltiere, Stachelhäuter, Weichtiere, Gliederfüger, Mujchellinge, zujammen
die Salpen und Geefcheiden al3 Manteltiere und die Wirbeltiere bilden jebt bejondere
Tierkreife; das Lanzettfifchehen (Limax lanceolaris bei Pallas) ift als ein den Vorfahren
der Wirbeftiere ähnliches Tier erfannt, der Snger (Myxine glutinosa), den Linne gleichfalls
zu den Würmern ftellte, hat fich al3 ein merfwindiger Fifch aus der Gruppe der Nund-
mäuler entpuppt. Auf der anderen Seite find die lange erjt al3 Snfuforien, dann als
- Gliederfüßer angejehenen Rädertiere und die Yrmfüßer, die während mehrerer Jahrhunderte
als Mufcheln galten, unter die Würmer verjegt worden, und man Hat verjucht, ihnen die
Moostierchen folgen zu lajjen. Die Urmfüßer werden jedoch jebt allgemein mit den Nioos-
tiexchen zufammen von den „Würmern“ getrennt und einem bejonderen Tierkreis, Dem der
Mufchellinge, zugeordnet. Man hat auch lange Zeit hindurch nach ihrer Lebensweije alle
188 Würmer.
patafitiich im Jnneren des Körpers von anderen Organismen vorkommenden Würmer und
wirmartigen Tiere, wie 3. B. Tliegenmaden, in der großen ©ruppe der Eingemweide-
würmer oder Helminthen vereinigt, eine Auffaljung, der erjt in der Mitte des 19. Zahr-
hundertS Durch die aufklärenden Arbeiten von S. E. v. Baer und vor allem von Leucart
der Boden entzogen und die durch Carl Bogt endgültig bejeitigt wurde. Wenn man troß-
dem auch heute noch mitunter die Eingeweidewiirmer unter dem Namen „Helminthen”
zujammenfaßt, jo ift das nur im biologiichen Sinne zu verjtehen, wie man auch von Land-
oder Wafjertieren redet.
Bei einer jo bunt zufammengemwürfelten Gejellichaft, wie fie der heutige Tierkreis
der „Wlirmer” daritellt, fann e3 nicht wundernehmen, daß nun auc) dieMeinungen über die
vermwanotjchaftlichen Beziehungen der einzelnen Wurmflafjen zueinander und des ganzen
Streijes zu den anderen Tierkreifen Höchlt jchwanfende find. Man hat, indem man fich wieder
auf den Cudierjchen Standpunkt ftellte, die Analogie gewijjer Würmer mit den Glieder-
füßern, anderer mit den Quallen betont. Nein, jagt ein anderer, die nächiten Verwandten
jind die Stahhelhäuter, gewiljermaßen aus Verwachlung hervorgegangene Wurmfolonien.
Weit gefehlt! meinen die dritten, die nächiten Beziehungen beitehen zwijchen Wirbeltieren
und Würmern, und zwar Ningelwirmern. Ein Vierter und Fünfter lafjen die Anficht
näherer Berwandtichaft zwiichen Wurm und Wirbeltier gelten, aber der eine von ihnen
jieht in den Schnurwiirmern (Nemertini), der andere gar in den Pfeilmürmern (Sagitta)
die verbindenden Ölieder.
Eine weitere Hypotheje ftüßt fich auf die unbeftreitbare hnlichkeit, die zwischen den
Larven vieler Weichtiere, Moostierchen, Ningel-, Stern- und Strudelmürmer einerfeit3
und den ausgebildeten Rädertieren anvderjeit3 beiteht, und nimmt als Ahnen der ganzen
Gejellfchaft ein rädertierartiges Gejchöpf, die Trochophora (f. die Abbildung auf ©. 274),
an. Dagegen fünnte man freilich einwerfen, Zaren jehr verjchiedener Tiere fönnten durch
mweitgehende Übereinftimmung in der Lebensweife auch in ihrem Bau eine fehr große
Ühnlichkeit erlangen. Nach dem heutigen Stande der Forfehung, die fich vor allem au)
auf eingehende embryologijche Studien ftüßt, Hat indejjen der Zufarimenjchhluß der eben
genannten Tiergruppen zu dem fogenannten „Trochophora-Streis“ aus verwandtichaft-
lichen Gründen in der Tat viel Wahrjcheinlichkeit für fich.
Mit dem Namen Trochophora hat man eine frei (ötwimmende Wurmlarbe belegt.
Kun finden wir Häufig im Tierreich das zuerjt von Haedel aufgeitellte „biogenetijche
Grundgejes" bewahrheitet, das bejagt: die Entwidelung des Einzeltieres ift eine furze
Wiederholung jeiner Stammesgejchichte. Umfchrieben mwirde dies heißen, die Entiwide-
ungsitadien der Heute lebenden Tierarten gleichen in ihrem Bau bis zu einem gemiljen
Grade deren Vorfahren. &3 it num aber wohl faum richtig, diefem Gejete entiprechend
in der Trochophora-Larve einen allen zum Trochophora-Sreis gehörenden Tiergruppen
gemeinfamen Vorfahren zu erbliden. Vielmehr jprechen gemwichtige Gründe Dafür, daß
die Larven der Trochophora-Tiere mehr oder weniger genaue Wiederholungen einer Yarven-
form der Ahnen Ddiejer Tiere, aber nicht der Ahnen felbft find.
Bielleicht ift gerade Die jogenannte „Müllerfche Tarve” (f. die Abbildung auf ©. 207)
der Strudelwiirmer jener uralten Larvenform noch am ähnlichiten. Strudelwurmartige
Ziere find aber wohl ficher die Ausgangsformen für alle anderen Plattwürmer, alfo bor
allem für die Saug- und Bandiwürmer gewejen. Auch die durch eine ziemlich einfache
Zarvenform ausgezeichneten Schnurwürmer gehören zu diefem Formenkreis, Dem die noch)
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Allgemeines. 189
im erwachjenen Zujtande in vieler Hinficht an jene Wimperringlarben erinnernden Näder-
tiere beigejellt fein mögen. Am typiichiten tritt Die Trochophora-Larve bei den Ningel-
und Sternwürmern auf, deren Gliederung man don den Anfängen einer folchen bei ge-
willen Strudelwitrmern herzuleiten jucht. Anderjeit3 Hat in neuerer Zeit die Anfchauung
immer mehr an Boden gewonnen, welche die Strudelwürmer von vadiär gebauten, frei
Ihwimmenden Vorfahren abjtammen läßt, auf die auch die heutigen Rippengqualfen zurüd-
gehen. ©o erhalten wir die Überleitung von den Hohltieren zu den Würmern dircch Vermitte-
lung der Strudelmürmer, aus denen eimerjeit3 die übrigen PBlattwürmer hervorgegangen
find, und über die hinaus fich anderjeits die Ringelwürmer entmwidelt haben.
Eine bejondere Stellung nehmen dagegen die Rundmwürmer ein, deren Abitammung
und etwaiger Zujammenhang mit den übrigen Würmern noch Höchit zweifelhaft find.
Neuerdings Hat M. Rauther vielleicht nicht mit Unrecht darauf hingewiejen, daß alle die
mannigfaltigen, untereinander wieder jehr abweichend gebauten Formen, die man feither
in der Gruppe der Rundmwiürmer zu vereinigen pflegte, aljo Kadenmwürmer, Sraber und
Nematomorpha, mwahrfcheinfich nichts anderes darftellen al Nachfommen höher organi-
lterter Ghiederfüßerahnen, die durch ihre meilt parafitiiche Lebensweije in berichiedenent,
immer. aber jehr jtarfem Maße rüdgebildet find.
Wie dem auch fein mag, wir wollen fehon aus dem rein äußerlichen Grunde, um
nicht Heinen, vereinzelt daftehenden Tiergruppen befondere Abfchnitte widmen zu milfen,
hier in Ddiefer Abteilung neben den zweifellos echten Würmern auch) jolche beiprechen, die
wegen ihrer verwandtichaftlichen Beziehungen vielleicht anderen Tierfreifen näher zu ftehen
iheinen, wenn fie auch nicht in jene einbezogen werden dürfen, 3. B. die Enteropneuften,
oder jolche, die wegen ihrer eigentümlichen Bauart und Enimwidelungsweije überhaupt
noch feinen Anflug an einen der beitehenden größeren Tierverbände haben finden
fünnen, 3. B. die Chätognathen.
< |
Gegenüber den Hohltieren mweijen die Witemer, abgejehen von dem bereit2 erwähnten
Erwerb eines mittleren Keimblattes, einen viel mannigfaltiger ausgeftalteten Körper auf, in
dem die für die verichiedenen Xebenstätigfeiten bejtimmten Organe deutlich umgrenzt neben-
einander gelagert jind. Mit vem Worte Wurm verbindet jedermann die Borftellung eines
jeitlic) Iymmetrifchen, mehr oder weniger geftredten Körpers, der bald walzenförmig ift
wie beim Negenwurm, bald eine ausgeprägte, platte Bauchjeite hat wie ein Egel, -bald
völlig platt ift, wie wir an den Bandwurmgliedern jeher. Sn allgemeinen find die Yaut-
bededungen bon weicher Bejchaffendheit, und jehr allgemein find, mindeftens in einer ge-
willen Lebensperiode, gemwilje Stellen der Dberfläche mit Flimmerhärchen verjehen. Eine
grundjäßliche Ausnahme machen nur die Rundmwürmer; in feinem Falle ift bei ihnen der
Kachweis eines Flimmerfleives geglüdt. Die Haut jelbit beiteht meijt aus einer, jeltener
aus mehreren Schichten von lebenden Epivermiszellen, deren äußere Oberfläche, ab-
gejehen von den Strudel- und Schnurwürmern, faft immer ein mehr oder weniger dides
Dberhäutchen von chitiniger oder horniger Bejchaffenheit, die Kutifula, abjcheidet, die
den Wurmförper in feiner Sorm erhält und ihn vor Verlegungen jhüßt. Sehr häufig
finden fich zwilchen die Epivermiszellen Drüjenzellen eingelagert. Deren Abjcheidungen
ind jchleimiger Natur und umhüllen oft in dichten Mafjen den Körper, um jeine Ober-
fläche frei von Sremdförpern zu halten, um ihn vor Feinden zu jchügen, oder um der Haut
eine gemwilje Feuchtigkeit zu bewahren, die, wie wir bald jehen werden, bejonders für Die
190 Würmer.
auf dem Lande lebenden Würmer zur Atmung unbedingt erforderlich it. Syn manchen
Fällen, jo bei ven „Röhrenmirmern”, dienen die Drüjenabjcheidungen der Haut zum Auf-
bau von Wohnröhren, deren Wände mitunter fogar ziemlich jtarf verfalft find. Unmittel-
bar mit der Haut pflegt ein zujammenhängender Schlauch der Duere und Länge nad)
fich Freuzender Muskeln verbunden zu jein. Die Zujammenziehungen des Körpers, die
ichlängelnden Schwimmbewegungen, die Bewegungen einzelner Störperabichnitte, z.B. der
Hautftummel, auf denen die Boriten jtehen, werden von diefem Hautmusfelfchlaud
und feinen Teilen beforgt. Daß ein Wurm feine Beine Hat, mit diefem wichtigen Merk-
mal ift auch der Laie vertraut. Tehlen Bewegungsorgane volfitändig, jo jchlängelt eben
der Körper, d. h. er führt mellenförmige Bewegungen aus, und zwar entweder horizontale,
wie die Schlangen, oder, 3. B. die Egel, vertifale. Andere Würmer bedienen jich beim
Kriechen ftummelartiger Herborragungen der Haut und des Yautmusteljchlauches, in die
einzelne Borften oder ganze Borjtenbündel eingepflanzt find. Endlich treten Saugnäpfe
als Hilfsbewegungsorgane bei parafitiichen und frei lebenden Würmern auf.
Wenn ein Wurm Gliederung zeigt, jo find die einzelnen Ölieder faft-durchweg gleich-
fürmig gebaut oder Homonom. Hußerlich dritt fich diefe Gleichmäßigfeit 3. B. jehr gut
in den Ningeln des Negenmwurmes aus. Aber auch innerlich gleicht ein Glied dem anderen,
alle mit wenigen Ausnahmen enthalten Diejelben Organe. Nur das Vorderende ijt oft als
„Kopfabichnitt” durch befondere Eigentümtichkeiten vor dem übrigen Körper, dem „Rumpf-
abjchnitt”, ausgezeichnet.
Das Nerveniyitem der Würmer mweilt eine Höhere Ausbildung auf al bei ven Hohl-
tieren. Die Nervenzellen legen jich in vielen Fällen zu Nervenfnoten zujammen, die
man dann Ganglien nennt. Bon diejen ziehen die Fortfäße der Nervenzellen zu Binden
al3 Nerven vereinigt dDucch den Körper nach den von ihnen beherrjchten Gebieten. Zahl-
reiche niedere Wiirmer befigen nur ein oder zwei fymmetrijch in der Nadengegend gelegene
Ganglien mit zwei davon abgehenden, längs des Bauches verlaufenden Nerven (j. die Ab-
bildung auf ©. 202). Wejentlich verichieden davon ift das Yentralmervenfyitem der Ringel
mwirmer. Seine Hauptmaffe liegt ebenfall3 unter dem Darm und ift der Ringelung (Geg-
mentierung) des Wurme3 entjprechend gegliedert. Seder Ning (Segment) enthält dicht
nebeneinander zwei Nervenfnoten, die Bauchganglien, die jomohl unter ji) als auch mit
dem vorhergehenden und dem nachfolgenden Baar durch Nervenfäven verbunden jind. Das
„Bauchmark” der Anneliden befommt durch diefen Aufbau das Ausjehen einer Stricleiter.
Bejonders ftark entwicelt find die beiden Ganglien im erjten Leibesjegment. Sie werden
als Unterjchlundganglien den noch mächtigeren Oberjchlundganglien (oder Hirn, Cerebral-
ganglien) gegenübergeftellt, Die nun über dem Anfangsdarım Tiegen und wieder unter
jich Querverbindungen und nach den Unterfchlundganglien Längsverbindungen, jogenannte
Kommifjuren, haben. Dberfchlundganglien, Schlundfommifjuren und Unterfchlundganglien
bilden fo zufammen einen Ring, den Schlundring, und durch diejen verläuft die Spetjeröhre
zum Munde (Abb. ©. 273). Von den Nervenfnoten diejes zentralen Nerveniyitems gehen die
fogenannten peripheren Nerven aus, die fich mit ihren Aften über die Muskulatur und
die Sinnesorgane verzweigen. Mehr unabhängig von dem zentralen Nervenjyitem pflegt
fich vor allem auf dem Darm ein jogenanntes{gmpathifchesNervenjgitem auszubreiten.
Die Sinneswerfzeuge, namentlich die Augen, find in dem Maße entwidelt, wie Die
Lebensweije der betreffenden Würmer eine mehr oder weniger freie und umherjchweifende
it. Wie faft immer bei ftändig im Finftern lebenden Tieren eine Berfümmerung des
Allgemeines. 191
Gejichtes Plab zu greifen pflegt, jo Haben auch die in das Innere anderer tierischer Drga-
nismen fich zurüdziehenden Würmer mit dem Bedürfnis den gewöhnlichen Beitand der
Ginneswerkfzeuge verloren.
Über ven Verdauungsapparat der Würmer insgejamt ift faum etwas zu fagen.
Während bei ven Hohltieren, wenn wir bon bejonderen Einrichtungen, wie fie bei den
Schmämmen anzutreffen find, abjehen, ver Darmhohlkaum nur eine einzige Offnung nach
außen hat, die zugleich für die Einfuhr der Nahrung wie die Ausfuhr der unverdaulichen
Stoffe dienen muß, tritt bei vielen Wiirmern zu jener nun zum Mundeingang gemwor-
denen Offnung noch eine weitere am hinteren Ende de3 Darmfanals auf, die al After
oder Analöffnung den Kot entleert. Manche parafitiiche Würmer find gänzlich ohne
Darm. Sie haben die Bequemlichkeit, nicht zu freifen zu brauchen und fich doch durch
die unmoillfirkich vor fich gehende Hautauffaugung trefflich auf Koften ihrer Wirte zu nähren.
Andere niedere Würmer haben einen Darın gleich einem Beutel, andere wie ein Neb; bei
denen, die rajch vervauen und umjeben, ijt er jchlanf und furz, die langjam verdauenden,
die auf einmal Mafjen von Nahrung aufnehmen, wie die Blutegel, haben entjprechende
Magenerweiterungen, fozujagen Borratsfammern.
Gleichen Schritt mit der Entwidelumg des Darmfanalz Hält das Blutgefäßinitem.
Bei vielen der niederen Würmer noc) ganz fehlend, wird e3 bei nicht wenigen durch ein
mit Flüfljigfeit gefülltes Hohlraumjyftenn erjest, das innerhalb des mittleren Keimblattes
zwiichen dem Darm und dem Hautmusfeljchlauch alß fefundäre Leibeshöhle oder Cölom
aufzutreten pflegt. Viele Höhere Würmer bejiben beide Arten von Hohlräumen, und man
Tann das Blutgefäßiyftem im Leben oft bis in die feineren Einzelheiten beobachten. Man
findet dann das meilt rötlich gefärbte Blut in einige gröbere und viele feinere Adern ein-
gejchloffen, und Diejes entiweder vollfommen oder wenigitens ziemlich abgejchlojjene Gefäß-
Iyitem, in dem die größeren Stämme an Stelle bejonderer Herzen puljieren, ift wiederum
eine bezeichnende Cigentümlichfeit zum mindejten der Öliederwürmer. AB Aimung3-
organ dient bald die gefamte Hautoberfläche, bald finden fich an ihr fiemenartige Anhänge,
durch welche die atmende Hautoberfläche vergrößert wird, und die entweder allein oder zu-
Jammen mit der übrigen Haut unter Mitwirfung des Blutgefäßjyitem3 den Gasaustaufch
vermitteln, auf dem ja die Atmung beruht. Diejfe Art der Atmung erfordert denn. auch
die vorher erwähnte jtändige Feuchthaltung der Körperoberfläche.
Die Ausicheivung der beim Stoffwechjel erzeugten ftichtoffhaltigen Endprodufte, des
Harns, bejorgen die Erfretionsorgane, die bei den niederen Wiirmern und den Trocho-
phora-Larven in Öeftalt eines „Wajjergefäßiyitem3" auftreten. Diejes beiteht aus oft baum-
fürmig verzmeigten Kanälen, die entweder direkt ins Freie oder in den Darm — dann meift
in dejjen Endabjchnitt — ausmünden und an denen bfindgejchloffene Röhrchen fiken, in Deneıt
riejige, einer Endzelle zugehörige Geißeln aß „Wimperflammen” oder „Wimperfadeln‘
Ihmingen und den Strom der aus dem Körper in Die Kanäle hineintretenden Harnitoffe
nach außen leiten. Die Erfretionsorgane der Ringelmürmer find mehr oder weniger ge-
wundene Kanäle, jogenannte Nephridien, die mit einem offenen Wimpertrichter in der
Leibeshöhle beginnen und mit ihrem anderen Ende unter Ducchbrechung der Körper-
wand ins Treie münden. r
Die verzwidteiten Sortpflanzungsorgane, gerade bei den niedrigeren Würmern
verbreitet, wechjeln mit jehr einfachen, und alle möglichen Formen der Fortpflanzung,
Knojpenbildung, Verwandlung, Entwicdelung mit wechjelnden Formen (Generationsmechjel),
192 Würmer: Plattwirmer.
Parafitismus vom Ei an bis zum Tode, Parajitismus im Alter bei freien Zugendzuftänden,
Barafitismus in der Jugend bei freier Vebensweife im Alter, Freiheit in allen Alterszu-
jtänden — alle diefe Formen der Tebensweile und Entwidelung werden in reichjter Mannig-
faltigfeit an uns vorüberziehen. Bei einer jo buntgemilchten Schar von Lebewejen, die
wir hier al „Würmer“ vereinigen, fann es eben nicht wundernehmen, daß alle nur denf-
baren Lebensgemwohnheiten bei den einen oder anderen von ihnen verwirklicht find. Die
einen leben jtändig im Wafler, und zwar im Meere oder im Süßtwajjer, andere leben ganz
oder teilmweije auf dem Lande, viele bewegen jich frei umher, manche find an beitimmte Wohn-
pläße gefeilelt, wo fie ihre Wohnröhren aufgebaut haben. Cinige leben unter normalen Um-
jtänden frei, fünnen aber gegebenenfall3 auch an oder in anderen Tieren und in Pflanzen
Ihmarogen und leiten jo über zu den echten PBaraliten, von deren verichtedenartigem
Schmarogertum eben die Nede mar.
Über die geiftigen Fähigkeiten der Würmer ift wenig zu jagen. Shre Lebenz-
tätigfeiten lafjen fich zum größten Teil auflöfen in gejeßmäßige Antworten auf bejtimmte
Neize, jogenannte Reflexe, und in miteinander verfettete Reflexe, von denen immer der Ab-
(auf des einen den des anderen auslöft. Srgendwelche Handlungen, die auf ein eigentliches
Gedächtnis fchliegen lajjen, jind bei feinem Bertreter diefes Tierfreifes beobachtet worden.
Wir teilen die Witrmer in folgende Stlaffen ein: 1) Vlattwürmer (Plathelminthes),
2) NRädertiere (Rotatoria), 3) Fadenwürmer (Nematodes), 4) Krater (Acantho-
cephali), 5) Ringelwirnter (Annelides) und fügen al3 weitere noch die beiden feinen
Stlafjen der 6) Vfeilwürmer (Chaetognatha) und 7) Binnenatmer (Enteropneusta)
hinzu, die vermandtjchaftlich weit von den übrigen hier genannten Klafjen entfernt jind
und eher in die Nähe der Vorläufer der Manteltiere und Wirbeltiere zu jtellen märeır.
Die wenig wichtigen Fleinen Gruppen der Bauchhärlinge (Gastrotricha) und Nemato-
morpha follen nur anhangsweijfe furz betrachtet werden, und zwar im Anjchluß an die
Jävertiere bez. die Tadenmwürmer.
Man hat innerhalb der Wiirmer vielfach zwei große Gruppen unterjcheiden wollen,
nämlich einmal die „niederen Würmer” oder Scoleciden, die durch das Fehlen einer
jefundären Leibeshöhle, die einfachere Form des Nervenigitems, die Ausbildung der Er-
tretionsorgane al3 Waljergefäß] oftem joiie in vielen Fällen durd) das Fehlen einer hinteren
Ausmindung des Darmes ausgezeichnet jind, — und die „LXeibeshöhlenwürmer" oder
Sölhelminthen mit jehundärer Leibeshöhle, Durchgängigem Darm, weiter entwideltem
Kervenjyitem und meilt in Form von Nephridien auftretenden Erfretionsorganen. Da-
nach wären zu den Scoleciden die Plattwürmer und die Rädertiere zu Stellen; ihnen jtehen
die Rumd- und Ningelmürmer al3 Cölhelminthen gegenüber.
Srjte Klafje:
PBlattwiirmer (Plathelminthes).
Wer in der Nähe von Teichen und anderen ftehenden Gemäljern wohnt, die mit Schilf
bemwachjen jind oder auf deren Oberfläche die breiten Blätter der Seerofen fich wiegen,
wer zu einem Bache Yuftwandeln fann, dejfen Bett mit größeren Sliefeln und Rolffteinen
bedect ift, der lafje fich von einem Kundigen begleiten, um dort eine Planaria zu juchen
und in ihr einen richtigen Vertreter der Plattwürmer anzufchauen. Wo das Waffer nicht jo
veißend ift und die Geröllfteine längere Zeit ruhig fiegen Fönnen, braucht man gewöhnlich
Allgemeines. 195
nur einige umzutmenden, um auf der unteren Geite die grümnliche oder braungrüne Pla-
naria gonocephala zu finden. Die breitere Bauchfläche oder Sohle an den Stein gedrückt,
öfters den Kopf mit den ohrenartigen Seitenlappen ein wenig lüftend, gleitet fie iiber ihre
Unterlage hin. Man könnte fie ettoa für ein den Nadtichneden verwandtes Tier halten, auf
die meijten Beobachter wird fie aber auch ohne nähere Unterfuchung den Eindrud eiies
Wurmes machen. Bon der verhältnismäßig großen Zartheit ihres Körpers wird man fich oft
überzeugen, wenn man bei dem Verjuche, mit den Fingern oder einer Pinzette die Heineren
Stüde in eine bereitgehaltene Flache zu tun, fie bejchädigt. Bei folchen unfreitilfigen
BZerreißungen oder.einer planmäßigen Zergliederung der erbeuteten Planarien zeigt e3 fich
auch, daß ihre inneren Organe nicht, tie bei ven meilten Ningel- und Aundwürmern, in
einer mehr oder weniger geräumigen, vom Hautmuzfelichlauche umgebenen Leibeshöhle ent-
- halten, jondern von einer den ganzen Körper ausfüllenden flodigen und fajerigen Mafie
dicht umgeben find. Zu diefen Merkmalen fommen noch ein paar andere, Die fich bei einer
genaueren Unterjuchung ergeben. in eigentliches Bauchmark fehlt diefen Lebewejen,
indem von dem Dberihlundganglion nur zwei oder mehrere Nervenftränge ohne meitere
Ganglienfnoten durch den Körper verftreichen. Dagegen findet man immer ein gung auts-
gebildetes typiiches Wajjergejäkipitent.
Diefelben Erfahrungen wie an der von uns gewählten Planarie macht man an den
übrigen Zormen der PBlattwürmer, an den Bandwürmern, Leberegeln und anderem Ge-
tier. Nicht der Aufenthaltsort, nicht der beiläufige Umftand, ob fie auf oder in anderen
Tieren jhmarogen, jondern jene auf Geitalt und den Bau bezüglichen Mertmale geben
ihnen den Rang einer eigenen Slafje innerhalb des „Typus“ der Würmer. Was aber die
Bereinigung. frei lebender umd jchmarogender Familien angeht, fo machen wir an ihnen
diejelbe interejjante und zum Nachdenfen iiber die eigentliche Natur diejer Vertvandtichafts-
verhältniffe dringend auffordernde Wahrnehmung, wie wir fie an den Rundwiürmern und
dann auch an den Egeln wiederholen werden: die Übergänge find fo unmerkfich zwifchen
frei febenden Formen und paralitiichen, die Berioden freien und parafitischen Lebens wechjeln
bei einer und derjelben Art in jolcher Weije, daß man den Schlüffel zur Erklärung de3
Schmarogertums überhaupt ungezwungen in der Annahme findet, es jei durch) allmähliche
Angemwöhnung und Anpafjung entitanden.
Bir teilen die Plattwürmer in vier Ordnungen: 1) die Strudelmwürmer (Turbel-
laria), 2) die Saug- oder Zochwürmer (Trematodes), 3) die Bandmwürmer (Cestodes)
und 4) die Schnurwürmer (Nemertini).
Wenn aud die Bandwirmer in den meilten Punkten als die einfachiten Formen
der PBlattwirmer erjcheinen mögen, jo ilt Dabei zu berüdjichtigen, daß das eben nur jo
Iheint: das Einfachere, was jie in ihrem Aufbau bieten, beruht auf Rüdbildungen, wie
wir jie immer ald Folge der [hmarogenden Lebensweije beobachten. Am urfprünglichiten
in der ganzen Klafje find die Strudelwürmer, deren mutmaßliche Abftammung von Bor-
fahren, die Nippengquallen ähnlich waren, bereits im allgemeinen Teil erörtert wurde. An
jie fchliegen fich die Saug- und Lochwürmer an, die ihrerfeit3 wohl al3 die Stammeltern
der Bandmwürmer zu gelten haben. Die Schnurwürmer fcheinen in ihrem Aufbau etwas
höher zu jtehen al3 diefe drei Drdnungen, fügen fich aber doch ihrem ganzen Bauplane
nach ungezwungen den Plattwürmern an. Sie bilden durch manche, jenen anderen
Dibnungen fehlende Neuerwerbungen, wie eine Afteröffnung und ein mohlentmwideltes
DBlutgefäßiyitem, einen höchiten Geitenzweig am Stamme der PBlattiwiiiner.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 13
194 Würmer: Blattwürmer,
Erjte Ordnung:
Strudelwiirmer (Turbellaria).
Venn wir die oben an der lappenfürmigen Planarie begonnenen Beobachtungen
weiter fortjegen, das Tier 3. BD. frei an der Wand eines mit Wafjer gefüllten Glafes friechen
fajjen, jo fällt das regelmäßige ftetige Fortgleiten ohne fichtbare Nuderbewegungen oder
Schlängehmgen auf. Das Mikroffop zeigt nun, daß die Planarie über und über mit fein-
jten Härchen bededt ift, deren unausgefegte, jchwingende Bewegung den Körper ruhig bor-
mwärts gleiten läßt. Jedenfalls erfcheint der von Chrenberg gewählte Name glücklich, der
an den bon dem Tiere erregten und dasjelbe fortwährend umfreifenden Wafferftrudel er-
innert. Die Ortsbewegung der Strudelwürmer ift vielfach der Gegenstand von eingehen-
den Unterfuchungen gewefen, ohne daß es doch bis jebt gelungen wäre, fie ganz bis in ihre
Einzelheiten aufzuklären. Man hat nämlich beobachtet, daß neben der Tlimmerbemwegung
auch noch vegelmäßtg miteinander abwechjelnde Zujammenziehungen und Dehnungen der
Längsmusfeln einhergehen, die auf der Unterfeite der Tiere eine von vorn nach hinten
faufende Wellenbewegung erzeugen. Begünftigt wird die hierdurch und durch die Flimme-
rung bewirkte Bormärtsbemegung noch durch das Sefret von in den Santen des Wurm-
förpers hiegenden Hautdritfen, defjen jchleimige Beichaffenheit die Bahn Ichlüpfrig macht
und als Kriechipur zurücbleibt. Mit Hilfe diefes Schleimes vermögen die Planarien jogar
an der freien Oberfläche des Wafjers, mit der Nücdenjeite nach unten hängend, wie auf
einer feiten Unterlage zu friechen. Gelegentlich fann man bei einzelnen Arten auch be-
obachten, daß Je jih nach Art der Spannerraupen unter abwechjelndem SKrümmen und
Streden des Körpers von einem Drt zum andern begeben. Mesostoma ehrenbergii Focke
wendet, nac) Breklau, mitunter wieder eine andere Bewegungsart an. &3 fann nämlich
frei von der Unterlage wegjchwimmen, indem e3 von der Niücden- zur Bauchjeite gerichtete
ichlängelnde Bewegungen vollführt. Allerdings bringt diefes „Schwimmen” den Wurm
nur ein furzes Stüc weiter, da er bald wieder zu Boden finkt. Biel bejjer und voll-
fommener wird Dieje Bemwegungsart von Mesostoma tetragonum Müll. (j. Fig. 1 der
Tafel „Strudelwitrmer”, bei ©. 203) und den im Meere lebenden Polyeladen ausgeübt,
bon denen Die großen Formen die Schlängelungen nicht mehr mit dem ganzen Körper
ausführen, jondern nur noch die Flojjenfaumähnlichen Ränder wellenfürmig bewegen.
Außer den erwähnten Drüjen in den Seitenrändern enthält die Haut der Strudel-
würmer noch eine reiche Fülle von anderen, die manchmal zum „Spinnen” Verwendung
finden, wie wir e8 von Mesostoma ehrenbersii fennenlernen werden, oder die als „Stleb-
prüfen” Die Würmer an ihrer Unterlage befeitigen helfen. Cine eigenartige Bildung in der
Haut der Strudelwürmer ftellen die „Stäbchen“ (Nhabdoide) dar, deren Natur lange
Zeit zweifelhaft gewejen iit. Wenn jie mit Waljer in Berührung fommen, quellen fie zu
einem Echleim auf, der oft ven ganzen Wurm einhüllt, und den viele Blanarien zum Beute-
fang benußen, da alle möglichen feinen Tiere daran hängenbleiben. Noch wunderbarer
it immer das Borfommen von Nefjelfapfeln in der Haut fowohl von Süßmwaffer- al3 auch
bon Geejtrudelwiirmern erjchienen, zumal jie denen der Hohltiere völlig gleichen. Schließ-
lich it man aber dahintergefommen, daß diefe Neffelfapfen gar nicht von den Strudel-
wirmern jelbit erzeugt werden, fondern tatfächlich von Hohltieren Herrühren, die von jenen
berjchlungen wurden. Dabei bleibt allerdings immer noch höchjt merkwürdig, daß die
EEE Di
——
A
Strudelwürmer: Acoela. 195
Keijelfapfeln der Beutetiere von den Strudelwürmern nicht mit verdaut werden, Sondern
unverjehrt in deren Haut gelangen, wo fie nun wie Organe diefer Würmer erjcheinen.
sn bezug auf ihre Fortpflanzungsorgane find die Turbellarien mit ganz geringen -
Ausnahmen Ziwitter. — Daß bei ihrer zarten Drganijation die Gtrudelwürmer vorzugs-
weile im Wafjer leben, verfteht jich von jelbit. Sm ftehenden und fließenden Gemäfjern
teifjt man jie an. Reichlich im fühen Wafjer wohnend, fommen fie doch in unerjchöpflicher
Zülle erft im Meere vor. Wo an irgendeiner Meeresfüfte im bradifchen oder vein falzigen
Wajjer eine Vegetation von Ulven, Seegräjern, Ugen und Tangen gedeiht, ift mit un-
trüglicher Sicherheit auch eine Bevölferung von Turbellarien vorauszufagen, im Eismeere
jomwohl als unter den Tropen. Manche halten fich nur zwilchen den zarten Zweigen der
Algen auf, in geihüsten, dem Wellenjchlage nicht jehr ausgejegten Buchten; andere trifft
man ziwichen den Aften der harten Korallinen und Kalfalgen, zmwijchen denen ihr gebrech-
licher Körper den jtärhten Schlägen der Brandung troßt. Wenn aber eine fteile Kitfte fo
brödelig ijt, daß Bilanzen fich nicht anfiedeln können, jo find die Strudelwirmer gleich-
wohl da, indem jie in den feinften, Taum dem Auge bemerfbaren Niefen und Kiffen fich
verbergen. Nimmt man nun dazu, daß eine gar nicht Heine Abteilung (etwa 400 Arten)
auf dem Lande lebt, mo nämlich unter Baumrinde, in Treibhäufern, in feuchten Tropen-
ländern auch auf den Blättern ihre Haut vor der Austrodnung gefchügt- ift, ja, daß in
Bralilien eine Art die Regenwürmer unter der Erde aufjucht, jo muß man über die An-
pafjiungsfähigfeit diefer Organismen erjtaunen.
Die bisher befannten Turbellarienarten — nad) einer neueren Schäßung find e3 etiva
1200, von denen gegen 600 im Meere leben — verteilen fich auf vier Unterordnungen,
‚für deren Unterjcheidung neben anderen Merkmalen vor allem der Bau des Darmes maß-
gebend it. Diejer fehlt bei ven Acoela, er ift jtabfürmig bei ven Rhabdocoela, drei-
äftig bei ven Trieladida und vieläftig bei ven Polycladida.
Srüher fapte man vielfach die Angehörigen der beiden leßten Gruppen wegen ihres
baumförmig veräftelten Darmes al3 „Dendrocölen” zufammen, doch hat die neuere For-
ichung, bejonder3 Durd) die verdienftvollen Arbeiten bon A. Lang und dann auch nicht
zum menigjten des Altmeilters der Turbellarienfunde, Ludw. dv. Graff, fich veranlagt
gejehen, wegen wichtiger Unterjchiede im Baupları die obige, Scheidung einzuführen.
Erjte Unterordnung: Acoela.
Die Lebensweife eines jonderbaren Angehörigen der Unterordnung det Acoela
it neben anderen auch bon Bohn unterfucht worden. Diejer Franzofe fchreibt darüber
folgendes: „Wenn jich daS Meer bei Ebbe von dem Strande der Bretagne zurüdzieht, er-
deinen auf dem Lande ausgedehnte grüne Flecde, die allmählich dunkler werden, und
deren Öejtalt jtändig wechjelt. Dieje Flede werden von zahllofen Majjen Kleiner Strudel-
mürmer, ven Gonvoluten, gebildet. Die grüne Färbung diefer Tiere rührt von den in
ihren Gemeben enthaltenen chlorophyliführenden Algen her. (Neuerdings ift von Gamble
und Steeble nachgemwiejen worden, daß diefe grünen pflanzlichen Organismen, die in Qebens-
gemeinjchaft mit Den&onvoluten leben und daher mit anderen a8 Zoo chlorellen bezeichnet
werden, einer den Algen nahe verwandten Flagellatenart angehören.) Sobald Flut eintritt,
bergraben jich die Tiere im Sande, um dem Anıprall der Wogen zu entfliehen, und fteigen
erit bei Ebbe wieder an die Oberfläche. Die Convoluten wandern alfo gleichzeitig mit
den Bewegungen der Ebbe und Ylut, nur im umgekehrten Sinne. Diefe chyihmifchen
13*
196 Würmer: Blattwürmer.
Bewegungen dauern auch im Aquarium an, obtoohl die Tiere hier doch vollfommen dem Ein-
ftufje der Meeresbewegungen entzogen find; in einer mit feuchten Sand gefüllten Olasröhre,
in der die Convoluten eingejchlofjen find, fteigt der grüne Ring auf und nieder und erreicht
bei Ebbe feinen höchiten, bet Flut feinen tiefjten Stand. Was aber noch merfmitrdiger
it: die Convoluten folgen im Aquarium fogar den Unregelmäßigfeiten der ©ezeiten; mäh-
rend der Nippflut find ihre Bewegungen verlangjamt,
RER N 3 Mährend der Springflut dagegen lebhafter. Das dauert
SH jogar noch mehrere ni nad) ur Gefangenschaft im
Aquarium an.”
Die Art, um die e3 fich hier Handelt, ift Convoluta
roscoffensis Graff, die, wie alle Acölen, ftatt des Darmes
eine gleichham durch Verihmelzung von zahlreichen Zellen
entftandene Plasmamafje mit vielen Zellfernen, ein fo-
genanntes „Synchtium”, im Snneren birgt. Sn ihrer
Sugend nehmen die Angehörigen diefer Art durch eine
mit Wimpern verjehene Mimdeinftiilpung noch Nahrına
auf, die dann von dem Plasma des Shncytiums um
flojjen umd verdaut wird. ES fprechen nun viele Be-
obacdhtungen Dafür, daß die ausgewachlenen Würmer
überhaupt nicht mehr jelbitändig freifen, fobald jich die
unter ihrer Haut fißenden Zoochlorellen Tebhaft vermehrt
haben. Dieje find jo einfeitig an ihre jymbiotifche Lebens-
weife angepaßt, daß fie Feine einene Zellmembran befißer.
, h und überhaupt nicht mehr frei leben fünnen. Gie jind
\ Ru Ye | N 4. völlig zu Beltandteilen der Gewebe ihres Wirtes getmor-
eh ne nase en den umd vermitteln für diefen die Affimilation, indem fie
KR a? bei reichlicher Vermehrung aus vom Wirt gelieferter an-
Yin RR organischer Subftanz organische herborbringen. Die Con-
et — voluten halten fich oft tagelang ruhig auf einem Fled,
Wan) 2 md zivar in einer Gtellung, daß fie einen möglichft großen
7 Teil ihres Körpers dem Lichte ausfegen. Unter dem Ein-
Be fluß des Lichtes aber Fan die durch Chlorophyll grüne
ee Le a, Pflanze allein afjjimilieren; der Wurm bietet aljo jeinem
v.Graff, Monographie ber Turbellarien,v afte Die günftigften Lebensbedingungen, wenn er mit
kosten an Mngenede or Sotonter a, Seinem Leibe möglicht viele Lichtftrahlen aufzufangen
ee a berjucht. Die Convoluta trennt durch langjame Bewegung
Öffnung, pe Penis. ihres Parendhyms3 winzig Heine Teilchen von Plasma,
‚ auch Stärfeförnchen von dem nadten lagellaten, reibt fie
gemwiljermaßen ab umd verdaut dann diefe. Haberlandt vermutet, daß Die Zoochlorellen
vielleicht auch gelöjte Ajjimilationsprodufte auf osmotifchem Wege abgeben. Da durd)
dieje Art des Nahrungserwerbes des Wurmes die ftidjtoffhaltigen Stoffe, die für Die
Boochloreflen zur Zufammenfegung des Eiweißes nötig find, allmählich aufgebraucht und
nicht Ducch Nahrungszufuhr von außen exjegt werden, fo verfallen die Würmer mahr-
jheinfich nach und nach Dem Hungertode.
Dieje Convoluta roseoffensis, die nicht nur an der atlantifchen Küfte Frankreichs,
|
Strudelwürmer: Acoela. Rhabdocoelida. 197
fondern auch im Mittelmeer lebt, hat eine abfonderfiche Geftalt. Indem nämlich das Tier
die Diinnen Seitenteile de3 Körpers nach unten umbiegt, nimmt e3 die Form einer Wapier-
düte an. Auf der Unterfeite liegt die trichterförmige Mundhöhle und vor ihr ein Bläschen,
das dem Gleichgemwichtsfinne dient. Über die Funktion diefer „Statochfte” berichtet Breßlau:
„Hält man diefe Art in Gefäßen, jo jammeln fich bei unbewegten Waller alle Tiere an
der Oberfläche, bei der leijejten Erjchütterung lafjen fie fich Dagegen jofort zu Boden jinken.
Die Tiere find aljo in ruhigem Wajjer negativ, in beiwegtem pofitiv geotaitiih. Zugleich
läßt fich zeigen, daß diefe Reaktion an die Anmwefenheit der Statochite gebunden ift: fie
berjchwindet fofort, wenn man die Tiere defapitiert, oder wenn man durch rafche Verbün-
nung des Seewajjer3 mit Regentajjer, die die Tiere im übrigen gut ertragen, eine Scyü-
digung der feineren Struktur der Statochjte herbeiführt.”
Auch andere Angehörige der Gattung Convoluta, von denen hier nur noch C. con-
voluta Abdildg. (C. paradoxa) genannt fei, beherbergen pflanzliche Symbionten (k in der
Figur), Doch behalten fie zeitlebens die eigene Ernährung durch den Mund bei. Gie ge-
hören zu der Familie der Aphanostomidae, neben der nur noc) eine in der Unterord-
nung der Vcölen beiteht. ES fei jchlieglich Hinzugefügt, daß die Anficht nicht unbeftritten
it, daß diefe Unterordnung wirklich die niederiten Turbellarien umfafje. Manche Torjcher
tollen in diejen Kleinen, nie über 1 cm großen Würmern die rücdgebildeten Nachlommen
bon einjt viel Höher Drgamijterten Bertretern der Sonung' jcheit.
Zmeite Unterordnung: Rhabdocoelida.
Auch die Angehörigen der viel artenreicheren zweiten Unterordnung, der Rhabdo-
coelida, find durchiveg Keine, im Duerjchnitt meift dredrunde Würmer, die num im Gegen-
ja zu den vorigen immer einen wirklich hohlen Darm bejiben, der bei ven meiften, den
NHabdocdlen, jtabfürmig, bei ven Allöocölen dagegen gelappt oder unregelmäßig aug-
gemeitet ilt. Yalt immer beginnt der Verdauungstraktus mit einem mehrteiligen, Fräftigen
und musfulöfen Schlundrohr. Die Lage des bauchitändigen Mundes Fanrı jehr wechjeln,
indem diejer bei manchen Gattungen weit born, bei anderen mehr in der Mitte, bei wieder
anderen am Ende des Körpers auftritt. Auch in der Anordnung und Ausmündung der
awittrigen Gefchlechtsorgane zeigen fich mannigfaltige Verfchiedenheiten. Gewöhnlich finden
fich zwei al3 Bigmentbecher ausgebildete einfache Augen, doch fönnen dieje auch fehlen oder
in größerer Anzahl vorhanden fein. Mehr als die Hälfte der 350 Arten umfafjenden Unter-
ordnung leben im Süßmwajjer, einige wenige in feuchter Erde, der Neft im Meere.
Die Einteilung unferer Rhabdocölen in zehn Familien gefchieht nach Lage und DBe-
ichaffenheit des Mundes und Schlundes und der jehr fompfizierten, zwitterigen Zortpflan-
zungsorgane. Syn den meiften Fällen reicht die Kenntnis des Hußeren nicht aus, um die
Art zu beitimmen, jondern die miktoffopifche Anatomie muß aushelfen. Wir werden am
beiten tun, an einigen typijchen Gattungen die Familienmerkmale zu entmwidehr.
Eine der wichtigiten und artenreichiten Gattungen ift Mesostoma. Die Mundöffnung
der meilt platten Tiere fiegt am Bauche, gewöhnlich ziemlich in der Mitte, bei einzelnen
Arten davor, bei anderen dahinter. Sn der Mundhöhle befindet fich ein Fugeliger Schlund-
fopf, ein jehr wirffames Haft- und Saugorgan, das zum Ergreifen und Ausjaugen leben-
der Tiere benußt wird. Eine der fehönften Arten ift das falt 1 cm lang werdende Meso-
stoma ehrenbergii Focke, da3 im Frühjahr und Sommer auf überihwenmten Wiejen
und in Teichen mit Lehmgrumd und Schilf und Binfen häufig vortommt. Obgleich jo
198 Würmer: Plattwürmer.
durchfichtig wie Glas und feheinbar Höchit zerbrechlich, vermag es doc), fid) zeitweilig in
der vorhin gejchilderten Weife frei Schtwiimmend vom Boden zu erheben.
Ein „eleganter Schwimmer”, für den man diefe Art früher hielt, ift fie jedoch nicht,
denn wenn man auch vielfach die in Gläfern untergebrachten Tiere fi) langjam frei im
Waffer hin und her winden fieht, jo werden fie dabei ducch einen unjichtbaren Schleimfaden
gehalten, an dem fie fich aufgehängt haben. Wird aber ein folcher Wurm geftört, bejonvers
durch die unfanfte Begegnung mit einem Haftig anjchwimmenden Käfer, jo jchüttelt er jich
faft zitternd und fehlängelnd fo fchnell und gewandt wie ein Egel. Höchit interejjant ift die
Art, wie daS Mesostoma fich der größeren Wafjerflöhe und Mujchelkrebschen bemächtigt,
um fie auszufaugen. &3 fängt fie ungefähr jo, wie man mit der
Hand eine Fliege fängt, indem e3 durch Anlegen des Hinter-
endes an das Vorderende und Umbiegen der Geitenränder eine
Höhle bildet. Zuerjt tobt der gefangene Kreb3 gemaltig, bald
aber gelingt e3 dem Mesostoma, an den Gefangenen den mäch-
tigen Schlundfopf anzufeßen. Die Befreiungsperjuche der Daph-
nie Yafjen dann bald nach, fein Vampir jtredt ji) wieder aus,
und man Tann vielleicht jehen, wie ein zweites Mesostoma ji)
Hinzugefellt und vom Gieger friedlich einen Beuteteil abbefommt.
Eine Anzahl Rhabdocölen, unter ihnen auch) Mesostoma, ber-
fertigen Schleimgefpinfte zum Fangen ihrer Beute; auf Dieje
Weife entjtehen auch jene Schleimfäden, an denen aufgehängt
Mesostoma umbhertreibt. Der Sib der den Schleim abjondern-
den Bellen ift die Mittellinie der Unterfeite.
Eine der auffallendjten Formen hat das bi3 1 cm lange, gelb-
braune Mesostoma tetragonum Müll., da3 ebenfalls nach Über-
en Ihwenmungen in Kleinen, während des Sommers austrocnenden
hrun. Nah v. Graff, „Turde- Zeichen zu finden ift. Die Lage der beiden jchwarzen Augen-
nn be en flede ift bei dem am Pflanzenjtengel Friechenden Tier der Tafel
a „Strudelwürmer” bei ©. 203 zu erfennen. Wenn man das Tier
Dotterftöde, in einem Uhrgläschen, mit wenig Wafjer bedeckt, beobachtet, jo
erfcheint e3 ganz dünn und flach; jobald es aber frei jchtuimmt,
ftehen von dem Körper jederfeit3 zwei floffenartige Xappen ab, die von dem zugejpisten
Borderende nach dem ebenfalls fpiken Schwanze verlaufen und fich mellenfürmig bewegen.
Mit Hilfe einer folhen Einrichtung Tann diefe Art nım wirklich frei im Wafjer umber-
ichwimmen, da ihre Schmwebfähigfeit ebenjo wie die Zahl der bewegenden Wimpern be-
deutend vermehrt ift.
Sn Gräben und ftehenden Gemäljern, bejonders gern unter den breiten Blättern von
Nympbhaea, findet fie) Bothromesostoma personatum O. Schm., durd) einen Hautbiindjad
an der Bauchjeite ausgezeichnet und merkwürdig Durch die außerordentliche Berjchieden-
heit der Färbung der einzelnen Individuen, die duch in die Haut eingelagerte Pigment-
förnchen hervorgerufen wird; es gibt da gelbe, faffeebraune, braunfchtvarze, Jamtjchwarze,
jamtgriine und dunfelblaue Tiere.
Da die meiften übrigen Arten von Mesostoma und anderen Nhabdocölen in zeit-
weilig austrodnenden Gemäfjern fi) aufhalten, fo wird man vermuten, daß für ihre Cr-
haltung ebenfo gejorgt ift tie für diejenige der niederen Krebfe, die mit ihnen zujammen
j
Strudelwürmer: Rhabdocoelida. 199
borfommen und ebenfalls nach Überfchwemmungen und Regengüffen wie auf unnatürliche
Weije hervorgezaubert jcheinen. Wie jene legen auch die Ahabdocölen hartjchalige Dauer-
eier, welche die Entwidelungsfähigfeit lange bewahren. D. Schmidt fand einige Arten in
Heinen Pfüsen von einigen Duadratfuß Ausdehnung, die in heißen Sommern regelmäßig
für Wochen vollftändig austrocneten. Wurden aus folhem gedörrten Grundjchlamm die
darin enthaltenen Gier eine Mesostoma ausgelejen, jo konnten fie durch Übergießen mit
Wafjer binnen einigen Tagen zur Entwidelung gebracht werden. Dem entjprechen auch
Beobachtungen von U. Schneider, aus denen hervorgeht, daß die Mejoftomen hartfchalige
Winter- und Dünnjchalige Sommer- oder Subitaneier legen, wobei ein merftwitrdiger regel-
mäßiger Wechjel derart ftattzufinden fcheint, daß fich die Sommereier nach Selbjtbefruch-
tung, die Wintereier aber nach wechjelfeitiger Befruchtung entwideln. Die Eier der meiften
Mejojtomen jind jcheibenförmig, mit einer mittleren Vertiefung.
Bei manchen bilden fich zeitweilig weichichalige, Ducchlichtige Gier, aus denen die
Jungen, die bei den Nhabdocölen nie eine Verwandlung durchmachen, Schon im Mutter-
leibe ausfriechen. Die Dauereier gelangen exit durch den Tod des Muttertieres ins Freie
und find imfjtande, jowohl den Winterfroft alS auch das Eintrocnen der Wohngemäfjer im
Sommer zur überdauern, jo daß fie auf diefe Weije die Art erhalten. Aus den Dauereiern
gehen immer jogenannte „Wintertiere” hervor, die demnach aljo im Frühjahr und Som-
mer, ohne Rüdiicht auf ihren Namen, auftreten. Dieje Generation liefert Subitaneier,
danach wieder Dauereier. Aus den Subitaneiern entwideln jich „Sommertiere”, die ihren
Namen mit mehr Recht tragen, und Die auch wieder beide Arten von Eiern Herborbringen
fünnen. ©o pflegen aljo nad) Dem Auftreten der Wintertiere im Frühjahr eine oder meh-
rere Generationen von Sommtertieren zu folgen, die alle auch Dauereier produzieren, bis
mit dem Einjeben der fälteren Jahreszeit aus Subitaneiern fogenannte „Herbittiere” ent-
Itehen, denen die überwinternden Dauereier ihr Dafein verdanken.
Die Fortpflanzung der Ahabdocölen it nicht immer bloß eine gejchlechtliche, es fommt
gelegentlich auch eine ungejchlechtliche vor. Die meilten Arten befigen zunächft ein bedeuten-
desfegenerationsvermögen, indem nicht nur das Stammtier (fo fei einmal das Teil-
tüd, das die zentrale Nervenmalje enthält, genannt) imftande ift, abgejchnittene Stüde zu
erjegen, jondern indem auch dieje unter günjtigen Umftänden, und wenn fie nicht gar zu
Hein find, wieder zu ganzen Würmern auswachjen Fünnen.
Sehr häufig beobachten wir nun, daß, wenn ein niederes Tier dieje Fähigkeit in einem
jo Hohen Maße bejist, e8 auch freitvillige Teilung ausiibt und Durch dieje fich fortpflangt.
Cine jolhe ungejchlechtlicde Vermehrung durch Teilung findet fich vornehmlich in zwei
Jamilten der Ahabdocölen, nämlich bei ven Kettenwürmern oder Catenulidae und bei
den Kleinmäulern oder Microstomidae, deren Angehörige fich bei äußerer hnkichkeit
Hauptjächlich durch den Bau ihrer Nierenorgane unterscheiden. Sn ftehenden Gemäljern,
aber auch) in Regentümpeln pflegen im Frühjahr und Herbft große Scharen der nur Imm
langen Catenula lemnae Ant. Dug. aufzutreten, die einen durch eine bemwintperte Ning-
furhe vom übrigen Körper abgejehten „KRopflappen” tragen; jie gehören ebenjo zu der
eritgenannten Zamilie wie die acht Arten der Gattung Stenostomum (Engmaul), mit einem
Paar Wimpergrübchen zu beiden Ceiten des Vorderendeg, die mit Sinneszellen ausgefleidet
jind und wohl die chemifche Bejchaffenheit des Wafjers prüfen. Yur anderen Familie zählt
die Gattung Microstomum (Stleinmaul) mit fünf Arten, von denen M. lineare Müll. mit
Microstomum lineare
Müll., eine Kette von 16 Tie=
ren. Nah vo. Graff, „Tur-
bellaria“, in®Bronn, „Klaffen
und Ordnungen des Tierreich”.
au Augen, wgr und wer; Win
pergritbihen, dab Darmblind=
lad, mI ımd mII Mundöffnuns
gen der Tiere erfter Drdnung,
mı und m2 Mundöffnungen der
Tiere zweiter und dritter Drd-
nung, oe Anfangsdarn, da
Darm, ep Schwanzpapillen.
behauptet worden ift,
Würmer: PBlattwürmer.
zwei rötlichgelben Bigmentaugen und den bereits im allgemeinen
Teil erwähnten Nejjelfapjeln in der Haut am meiteiten verbreitet it.
Über die ungejchlechtliche Vermehrung diejer Formen fehreibt
DBreßlau: „Bei Mierostomum beginnt die Teilung mit der Ausbil-
dung einer queren Scheidewand zmwiichen Hautmustelichlauch und
Musfularis des Darmes etwa in der Mitte des Körpers, die den
borher einheitlichen Leibesraum des „Oolitärtieres" in zwei Be-
zirfe für die zukünftigen Tochterindivivuen zerlegt. Am weiteren
Berlauf des Teilungsprozejjes entiteht dann an der Gtelle der
Scheidewand eine ringfürmige Einjchnürung des Snteguments, Die
allmählich tiefer und tiefer nach innen einjchneidet, bis die Ver-
bindung nur noch durch den Darm aufrechterhalten wird. Diejer
reißt dann Fchließlich Durch und die Zooide (jo pflegt man derartige
ih abjchnürende Tochterindivivuen allgemein zu nennen) find
frei. — Che dies gejchieht, pflegen jich aber außer der eriten noch
weitere Teilungen vorzubereiten. Zwei in der Mitte der beiden
eriten, noch miteinander zufammenhängenden Tochterindivivuen
auftretende Duerjcheivdemände machen aus dem urjprünglichen
Solitärtier eine Kette von vier Yooiden, weitere Scheidewände in
deren Mitte deuten auf einen dritten Teilungsfchritt Hin uff.“
Gemöhnlich enthalten aber die Ketten im Freien nur 6—8 Zooide,
da jchon durch die geringfügigjten Anläffe die weit vorgejchrittenen
Kettenverbände zerreigen. Der genannte Forjcher fährt dann fort:
„Das Exjcheinen der Duerjcheidemwände, die das Solitärtier in eine
Kette von Zooiden verwandeln, genügt allein natürlich noch nicht,
um die Tochterindivinuen lebensfähig zu machen. Hierzu find viel-
mehr als Negenerationsprozeije jich darjtellende Neubildungspor-
gänge notwendig, Durch welche die Teiljtüide die Organijation ganzer
. Tiere erlangen. Dieje Vorgänge vollziehen fich gleichfalls noch
während des Zufammenhanges der Zooide im Kettenverbande. &3
ijt Hat, daß ich die verschiedenen Tochterindividuen dabei ganz ver-
Ichieden verhalten müflen. Während dag bordere von je zivei Teil-
tieren, die Durch eine Scheidewand voneinander abgegrenzt werden,
nur wenig zu regenerieren hat, muß das hintere vor allem Gehirn
und Schlund neu bilden.“ Über das Verhältnis der beiden Ver-
mehrungsarten zueinander meint Breßlau: „ES jcheint, ala ob
eine Art Generationswechjel beiteht, inpem nad) einer unbeitimm-
ten Zahl während des Frühlings und Sommers durch Teilung er-
zeugter Generationen im Herbit eine jeruelle Differenzierung ver
Sndividuen jtattfindet. Stets Hört mit Eintritt der Gejchlechtsreife
die ungejchlechtlihe Vermehrung auf. Ob diejelben Tiere, mie
nach der Serualperiode in eine nochmalige Veriode der Yortpflan-
zung dDucch Teilung eintreten können, ift nicht entfchieden, ebenjomwenig in weichem Maße
äußere Bedingungen,
wie Temperatur und Ernährung, diefe Verhältniffe beeinflufien.
Dab irgendwelche äußere Faktoren dabei twirkfam find, ift wohl ficher.”
!
1
£
&
&
Strudelmürmer: Rhabdocoelida. Tricladida. 201
Während der AUnfangsdarm von Microstomum über der Anjasitelle des Schlundes
eine Ausbuchtung nach vorn zeigt, fehlt eine jolche der anderen Gattung der Microstomidae,
. Die, obwohl zu den „Kleinmäulern“ gehörend, den Namen Macrostomum (Großmaul) führt.
Eine Bermehrung durd) Teilung findet bei ven fünf Arten diejer Gattung nicht jtatt. Die
befanntejte Art ift M. appendiculatum O. Fabr., die nicht nur in ftehendem oder fließen-
dem Güßmajler, fondern auch im Brad- und jogar im Seewajjer vorfommt.
Cine mweitere Familie bilden die Dalyelliidae, die durch) einen tonnenförmigen
Schlund ausgezeichnet find, der am Borderende des Darmes jißt und mit der Spike nad) vorn
gerichtet ilt. Die artenreichite Gattung diefer Familie ift Dalyellia lem. (Vortex), deren
Angehörige in ihrer Haut meift Zoochlorellen enthalten. Won der durch jolche erzeugten
grünen Jarbung hat D. viridis @. Shaw ihren Namen, die bejonders gern am Grunde von
Wiejentiümpeln mit moorigem Wajjer auftritt. Cine andere Oattung wird durch die in
jtehendem oder fließendem Güßmaljer vorfommende Jensenia truncata Abildg. vertreten.
Auch ein paar Barafiten Haben wir aus einigen der vorigen nahe verwandten Tami-
lien zu verzeichnen, wie denn überhaupt Ahabdochlen nicht jo gar jelten jchmarogend leben.
©o fennen wir eine Form Graffilla muricicola Ihr., die in der Niere der im Meere leben-
ven Burpurjchneden (Murex) bis zu einem Dubend von Exemplaren auftritt. Ebenjo jchma-
toen Arten der Gattung Anoplodium Ant. Schn. in der Leibeshöhle von Stachelhäutern,
bor allem bei den Seewalzen oder Holotdurien. Fecampia erythrocephala Giard gehört
einer den borigen ferner ftehenden Samilie an und lebt ebenfalls in der Leibeshöhle vor-
nehmlich mariner Krebje, 3. B. Careinus maenas. Diejer Parajit ift infolge feiner Xebens-
weije jehr ftarf umgebildet, denn obwohl er in feiner Jugend, wo er zunädjit frei lebt,
einen Darm bejibt, geht diefer verloren, fobald das Tier jeinen Wirt bezogen hat.
Plagiostomum lemani less. ift ein Vertreter der zweiten Gruppe der Rhabdocoe-
‚Jida, nämlich der Allöocölen, und unterjcheidet fich von den bisher befprochenen Formen
bor allem dadurch, daß er, wie alle jeine näheren Verwandten, feinen jtabfürmigen Darm
beligt. Diejes Drgan ift vielmehr bei ihm unregelmäßig jadfürmig. Die übrigen Angehö-
tigen der amilie Der Plagiostomidae (Breitmäuler) find alle im Meere zu Haufe. P. le-
mani findet fich dagegen nicht nur, wie jein Name andeutet, im Genfer ©ee, jondern aud)
in anderen Schweizer Seen, ferner, nach d. Graff, in der Tiefe des Starnberger Sees, im
großen Plöner See, in der jchnelffliegenden Alle bei Heilsberg in Oftpreußen, in Ahein-
tümpeln bei Sitein fowie zwijchen Speyer und Worms. Er ift ein träger Schlammbetwohner,
der in flachen jtehenden und fließenden Wafjer wie auch in großen ©eetiefen wohnt
und ein Überbleibjel der Eiszeit darftellt. Verwandt mit ihm ift das früher wegen feiner
platten Geftalt Fäljchlich für einen Vertreter der Mesostomidae gehaltene Otomesostoma
auditivum v. Graff, das eine im Worderende gelegene Statochite befist, ähnlich mie Die
borige Urt in mehreren Teichen in Deutjchland gefunden wurde und ebenfalls nocd) von
der Eiszeit her an feine jebigen Wohnpläge gelangt ift.
Dritte Unteroronung: Trieladida.
Bugänglicher, weil größer, find die Mitglieder der dritten Unterordnung, deren fhite-
matifcher Name Tricladida die dreiäftige Form ihres Darmfanals bezeichnet. Eine an der
Bauchfeite gelegene Offnung führt in eine Höhle, worin im Zuftande der Ruhe gänzlich
202 Würmer: Plattwürmer.
zuritdgezogen das außerjt vehnbare Schlundrohr liegt. Diejes wird, jobald das Tier ji) zum
Steffen anfchict, Hervorgeftredt und macht, zumal, wenn e3 bei der anatomijchen Unter-
fuchung ganz abgeriffen wird, völlig ven Eindrud eines jelbjtändigen meißlichen Wurme3; der
Küffel fest dann nämlich feine Bewegungen noch geraume Zeit fort, öffnet fi) und jchlucdt
und fchlingt weiter. Der an diefen Schlund fich anjegende Darmkanal, richtiger gejagt Ver-
dauungsraum, bejteht aus einem nad) vorn und zwei fich Jeitlich nach Hinten erjtredienden
Hauptäften mit einer größeren oder geringeren Zahl von Nebenälten
und Berzweigungen, die alle blind endigen.
Sm Öegenjab zu den verjichtedengeitaltigen Nhabdocöliden zeigen
die Tricladen beinahe alle eine übereinitimmende Körperform, nämlich
die eines flachen Blattes, das allerdings die mannigfaltigiten Umriß-
formen aufweifen fann, indem e3 bald länger, bald breiter, bald bei-
nahe Freis-, bald mehr bandförmig it. Wenn auch manche diejer Wür-
mer durchicheinend oder faft durchfichtig find, fo zeigen fich Doch viele,
borab gerade die uns am leichtejten vor Augen fommenden Süßmajjer-
tricladen, Durch eingelagerte Farbitoffe heller over dunkler gefärbt.
Meift find zwei fchon mit blogem Auge erkennbare Pigmentbecheraugen
auf der Rüdjeite des Vorderendes vorhanden, wie bei manchen Blana-
rien und bei den im Meere lebenden Vertretern, oder e3 treten jtatt
diefer viele Heinere, einfachere Augenflede am Borderrande auf (f. Tafel
„Würmer“, 3, bei ©. 228), jelten fehlen Sehorgane ganz. — Die Tort-
pilanzung ift bei ven meiften Tricladen eine gejchlechtliche, nur bei einigen
Land- und Süßmajfertricladen ift daneben eine ungejchlechtliche Durch
Teilung zu beobachten. Sehr ftark ift bei vielen Das Vermögen, ver-
lorengegangene Teile des Körpers wieder zu erjegen (vgl. Die Abb. auf
Denaroeoeiumine. ©2083). Korichelt jchreibt Darüber in jeinem Buche „Regeneration und
teum 0. F.Mül, etwa Transplantation”: „Wird eine Planaria maculata oder eine andere hier-
Ri ln a für geeignete Planarie in ver Mitte quer durchjchnitten, jo bildet das
en Vorderftüd ein neues Schwanzende, das Hinterftüd ein neues Kopf-
A a a ende; ein quer aus dem Körper herausgejchnittenes, jogar recht Heines
den peripheren Nerven, Gtüd bildet ein neues Kopf- und Schwanzende; ein fajt nur aus dem
den nirferree nn Kopf befteherdes Stück vermag fi) durch Auswachien nad) hinten hin
Diebe NET meeloe zu einem neuen Tier zu ergänzen, und jelbjt wenn dev Wurm der Länge
nach ducchfehnitten wird, bildet jich die fehlende Körperhälfte bon
neuem. Werden feilfürmige oder anders gejtaltete Stüde aus dem Störper herausgefchnitten,
jo ergänzen fich dieje zu volfftändigen Sndibiduen. Bei den von Lillie unternommenen
Berjuchen Tießen fich Kleine Planarien von weniger al8 ein Humndertitel des urjprüng-
fihen Körperbolumens erzielen.”
Die etwa 500 bekannten Arten verteilen fich auf drei Gruppen, Die außer den anato-
mijchen Unterjchieden auch eine verjchiedene Lebensweife zeigen, jo daß man dieje zum Ein-
teilungsprinzip machen fonnte. Demnach) gibt eg Meer, Land und Süßmwajjer bemohnende
Sormen. Echte Barafiten fcheinen unter den Trieladen nur ganz jelten vorzulommen.
Einige Vertreter der Süßmwaffertricladen oder Trieladida paludicola gehören bei
uns zu den berbreitetiten Waffertieren. &3 find Arten der jogenannten „Planarien“, von
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Bikes.
Strudelwürmer.
Etwa 5fach vergrößert.
1. Mesostoma tetragonum Müll. — 2. Milchweiße Planarie, Dendrocoelum lacteum Mäll. — 3. Planaria lugubris
O. Schm. An dem braunen Pflanzenitengel deren geitielte Eier.
Strudelwirmer: Tricladida. 203
denen e3 ettwa 80 gibt, die jich auf ungefähr 12 Gattungen verteilen. Genauer läßt fich
das nämlich nicht angeben, da Die Syjtematif diefer Tiere noch fehr im argen liegt. Überall
in unjeren Getoäljern, vornehmlich unter den Blättern der Wafjerpflanzen und unter
Steinen, fann man joldhe Planarien finden, die im Gegenjag zu den Keinen Ahabdocölen
bon biel jtattlicherer Größe zu fein pflegen, jo daß fie nicht fo leicht überfehen werden.
Eine der größten ijt die 21, cm lang werdende Milchweiße Blanarie, Dendrocoe-
lum lacteum O. F. Müll., die, wie fait alle übrigen, unter Steinen, zwifchen den Schilf-
blättern und an der Unterjeite der Seerojenblätter jich auf-
hält. Sie eignet fich bejonders, um fi) an ihr, ohne fie zu
berlegen, den berzweigten Darm zur Anjchauung zu brin-
gen. Diejer jchimmert Schon bei auffallendem Lichte jchwärz-
ich durch und twird Earer, wenn man das Tier in einem
Slaje bei durchicheinendem Lichte mit der Lupe muftert.
Unfere Tafel zeigt IinfS oben ein jolches Tier, an dejjen
Borderende die beiden dunfelpigmentierten Augen auffallen.
Am Boden jehen wir auf dem gleichen Bilde einige Planaria
lugubris O. Schm. umherkriechen, die tie faft alle Angehörigen
ver Gattung Planaria ebenfall® durch den Bejib von zwei 3
Augen ausgezeichnet find und wegen ihrer Dunklen, grau-
braunen bis jchwarzbraunen Färbung ihren Beinamen, 2 ® Q
„trauernde”, führen. Bei der ebenfalls dunklen Planaria
torva M. Schultze it daS Vorderende abgerundet, das Hin-
terende jtumpf zugejpibt, die Nugen liegen ziemlich entfernt I
bom Vorderende. Die meift bräunliche Planaria gonoce- (|
phala Dug. hat einen dreiedigen Kopf, an dejjen Bajis rechts
und fint3 die Eden als „Ohrchen” etwas herborftehen. Sehr
berfchiedenfarbig pflegen die einzelnen Sndivivuen von Pla-
naria polychroa O. Schm. zu fein, wie auch deren Kopfteil
eine wechjelnde Geitalt zeigt, jo dag man ihre Artzugehörige Hegeneration des fhief abge-
feit nur am Bau ber inneren Organe ficherftellen Kann. Ti ymereen nssteinmann
Das Borderende von Planaria alpina Dana weilt an den Preblau, „Die Strubelwürmer", Leipzig
1913. Fig. 1 zeigt die Schnittrihtung,
vorderen Eden ein paar fühlerartige Fortjäße auf. 2—6 bie Negenerationzftabten.
Bon der vorigen Gattung unterjcheiden jich die näch-
ten nod) zu erwähnenden Vlanarien durd) das Fehlen der beiden großen Augen, al3 deren
Erfat zahlreiche Kleinere den VBorderförper im Bogen umfüäumen. Das etwas über 1 cm
lange Schwarze Bielauge, Polycelis nigra Ehrbg. (f. Tafel „Würmer“, 3, bei ©. 228),
gehört hierher, ebenjo wie das Gehörnte Vielauge, Polycelis cornuta Johnson, daS
feinen Namen den großen Fühlerfortfäen am Vorderende verdanft.
Das Treiben der Planarien im Freien und in der Gefangenjchaft ift wenig unterhalt-
jam. Oobald man fie in das Aquarium gejeßt hat, riechen fie einige Zeit unruhig Hin
und her, bis fie die dunfeliten Berjtede aufgefunden haben, wo fie ich möglich]t jtill und
regung3los verhalten. Sm übrigen find Die Planarien arge Räuber, die über alles Heinere
Getier herfallen, Srebschen durch den von ihnen ausgejchtedenen Schleim fangen, Schneden
angreifen und auch die faulenden Nejte toter Tiere nicht verihmähen. Wittern jie eine
jolche Beute, wie auf unjerer Tafel die tote Schnede, jo Triechen fie herbei, das ein wenig
204 Würmer: Plattwürmer.
erhobene Vorderende wie zum Wittern hin und her bewegend, und am Ziele angekommen,
ftilpen fie ihren rüfjelartigen Schlund Herbor, um durch Fräftige Saugbewegungen Gtüde der
Beute abzureißen und Hinunterzufchluden. — Die Blanarien vermögen jehr lange zu Hungern,
hat man doch einzelne Sndivivuen über ein Yahr lang ohne Nahrung lebend erhalten.
Dabei ift die merkwürdige Tatfache zu beobachten, daß die Tiere infolge der mangelnden
Srnährung allmählich immer Heiner und Heiner werden, wobei aber das Größenverhältnis
ihrer Organe zum gejamten Körper: jtändig ungefähr das gleiche bleibt.
Die gefchlechtliche Vermehrung erfolgt durch Eier, die in Hartjchaligen, oft geitielten
Cifapfeln oder Kofons (auf der Farbentafel an dem braunen querüberliegenden Pflanzen-
teil fichtbar) an gejchüßten Orten abgelegt werden. Yyedes jolche Gelege enthält eine größere
Anzahl (bis zu 40) von Eizellen und viele Hunderte von Dotterzellen, welch leßtere von
den Embrhonen während ihrer Entwidelung aufgezehrt werden. Die nach einiger Zeit
ausjchlüpfenden Jungen ähneln fchon völlig den Erwachjenen, nur erjcheinen fie ganz weiß,
da ihnen noch jegliches Pigment fehlt. Snfolge bejonderer Ereignilje, zu jtarfer Erhöhung
der Waflertemperatur, Sauerjtoffmangel und dergleichen, pflegen manche Planarien in
mehrere Stüde zu zerreißen, die unter günjtigen Verhältniffen jedes das Tehlende wieder
ergänzen. Man bezeichnet diefes Verhalten al3 Selbftverftimmelung oder Autotomie.
Manche Formen zeigen nun auch unter gewöhnlichen Bedingungen das ganze Jahr Hin-
durch eine folche Selbitteilung, jo daß man dann in Ddiefer eine ungejchlechtliche Bermehrung
durch Teilung zu jehen berechtigt ift.
Endlich foll Hiernoch al3 Höchit interejjant Die Art des Borfommens von drei bejtimmten
Planarienarten erwähnt werden. Alle drei leben in Bergbächen, jind aber in diejen auf be-
jondere Zonen bejchränft, die nur wenig übereinandergreifen. Ar der Regel findet man im
Duellgebiet eines jolchen Baches Planaria alpina, im Mittellauf Polycelis cornuta und im
Unterlauf Planaria gonocephala. Dieje merkwürdige Verteilung läßt jich in folgender Weife
erflären. Planaria alpina ijt ein EiSzeitrelift. Sie ilt an niedere Temperaturen gebunden und
war zur Eiszeit allgemein verbreitet, wurde aber mit Dem Steigen der Temperatur in Den Öe-
mäjjern immer mehr nach den Höher liegenden und darum fühleren Quellgebieten zu gedrängt.
hr folgte, fie. gleichjam vertreibend, Polycelis cornuta, die ebenfalls eine allgemeine Verbrei-
tung aufgewiejen haben muß. Der Vorgang wiederholte jich jpäter noch einmal und er hat
bis Heute feinen Abichluß gefunden: Durch die weitere Erhöhung der Durchjchnittstempe-
ratur veranlaßt, ftieg Die Planaria gonocephala aus den Flüffen auf und verdrängte die
Polycelis nigra aus dem unteren Teil der Bäche. Da lebtere aber noch nicht an die Falten
Duellgebiete angepaßt ilt, jehen wir fie heute auf den Mittellauf der Bäche bejchränkt.
Schon im borigen Jahrhundert entdedte der berühmte dänische Zoologe Dito Fried-
rich Müller einen auf dem Lande unter Steinen in feuchter Erde lebenden planarienähn-
lihen Wurm, Rhynchodemus terrestris O. F. Müll. Diejer hat einen faft zylindriichen,
nur an der Bauchleite etwas abgeplatteten, 16 mm langen, 1!/, mm breiten Störper, ijt
oben jchwärzlichgrau, unten weiß gefärbt und läßt am vorderen Ende zwei Heine jchwarze
Augenflede erfennen. Nur wenige Male wurde diejes Tier in Frankreich und Deutjichland
wiedergefunden, wo e3 Kalfboden zu bevorzugen fcheint, und offenbar find diefe gemäßigten
Striche gerade diefem Wejen nicht günftig. Auch eine andere Art diefer Gattung ift in
Deutjchland entdedt worden, und zwar zuerft in Gießen in Blumentöpfen des Warmhaujes
im Botanifchen Garten, bejchrieben al® Rhynchodemus bilineatus Darw. Wenn die Erde
* Strudelwürmer: Tricladida. 205
in den Blumentöpfen nicht feucht genug ilt, Friecht das Tier in die Tiefe, jobald aber die
Erde von neuem begojjen wird, fommt e3 wieder an die Oberfläche und taftet mit dem
Borderförper die Umgebung ab. Die größten Stüde find 12 mm lang. Der Rüden ijt rot-
braun marnroriert auf [hmubig gelbem Grunde. Außerdem fieht man am Rüden zwei
nebeneinander hiegende, duch den ganzen Körper verlaufende, ebenfall3 rotbraun gefärbte
Linien und einen in der Mitte des Körpers liegenden dunfeln led; Diefer lebtere entjpricht
der Zage des Schlundrüfjels. Die beiven YAugen am Kopfende find jcharf umfchrieben.
Eine ähnliche Form don nur 6 mm Tänge, Microplana humicola Vejd., bejchrieb Bejdotoffy
1889 aus Fundjtätten Böhmen?.
Alle diefe Wirrmer find Yandtricladen oder Trieladida terricola, die bei uns nur
durch wenige Arten vertreten find und ihr Hauptverbreitungsgebiet in den Tropen und
Subtropen haben, mo jie wie jene in feuchter Erde leben. Unter Diejen ausländischen
gibt e3 gewaltige Niejen, die e3 bis zu einer Yänge von 60 cm bringen. Shre Körperform
mechjelt jehr, und ebenjo mannigfaltig ift die Zahl und Anordnung ihrer Augen. Cie
pflanzen fich zumeiit nur gejchlechtlich, wenige auch ungejfchlechtlich fort. Man Fennt etiva
400 Arten, die jich auf fünf Tamilien verteilen.
Der Armut an diejfen Formen bei und gegenüber „haben uns", jagt Mar Schulte,
„die Reifen des engliichen Forjchers Charles Darwin mit einer reihen Fauna von Land-
planarien in den feuchten Urwaldregionen Giidamerifas befanntgemadt. Mufßte zunächjit
die Eigentitmlichfeit des Vorkommen überrafchen, dak Würmer aus der Drdnung der
Turbellarien, die wir in unjeren Gegenden nur im Waller zu finden gewohnt find, und
die um ihres äußerit weichen, zarten und aller feiten Stüßen entbehrenden Körperparenchyms
willen ausichlieglich in diefem Medium zu leben bejtimmt zu fein fcheinen, in zahlreichen
Arten al® Landbemwohner auftreten, jo wurde nicht weniger unjer Snterefje in Anfpruch
genommen durch die Angaben itber die anjehnliche Größe diejer Tiere, den bunten Farben-
jymud, Die Een De Geitalt, verbunden mit der inneren Organifation der Planarien
unferer jüßen Gemäfjer.”
Das Verlangen nach näheren giteiluigen über die Naturgejchichte diefer Urwald-
bemwohner wurde, joweit es ihm unter den bejchränften Berhältniljen eines mit der Art
ih anfällig machenden Auswandererd möglich war, durch Fr. Müller befriedigt, der 13
Arten der merfwindigen Landplanarien teils in der Nähe der Kolonie Blumenau, teils
in Dejterro beobachtete. Sie lieben mäßig feuchte Orte, unter’ Holz, Ainde, Steinen, zii-
ihen Blättern der Bromeliazeen, Doch nicht in dem Ddafelbjt angefammelten Waljer. Am
Tage jcheinen fie zu ruhen, nachts umberzujchweifen. „Syn bezeichnendem Gegenjage zu
ihren über der Erde lebenden farbigen, augenteichen Oattungsgenojjen ift die im Dunkeln
haujende Geobia subterranea O. F. Müll. ohne Tarbenihmud und Farbenfinn, milchweiß
und augenlos. Im Habitus entfernt fich diefe Art mehr alß irgendeine von der typijchen
Planarienform. hr gleichmäßig jchmaler, jehr langer, an den Enden abgerundeter Störper,
der bei einer Länge von 6-8, felbit bi3 11 mm faum die Breite von 14, mm erreicht, gibt
ihr bollitändig Das Anjehen einer Nemertine. Das Tier lebt bejonders in loderem, jandigem,
aber auch in jchwerem zähen Lehmboden in Gejellichaft eines Negenwurmes (Lumbricus
corethrurus). &5 mag befremden, daß ein jo weiches Tierchen, das fauım leije Berührung
berträgt, in diefem Medium eriftieren und ji Wege bahnen fünne. Dieje Schtierigfeit
löfen die Regenmwiirmer, die den Boden jo durchwühlen, daß er wie ein Schwamm bon
glatten Öängen verjchiedener Weite in allen Richtungen durchjebt it. Zum Dank dafür werden
206 Würmer: Plattwürmer.
die Regenmwürmer von dem Plattwurm aufgefreljen oder vielmehr ausgejogen. Dieje Nah-
rung war aus der Yarbe des Darminhaltes unjchtwer zu erichliegen. Sch habe aber auch
Geoplanen getroffen, die eben einen jungen Negenwurn mit dem vorgejtülpten Rüfjel ge-
padt hielten, und deren Darm fich mit frifchem Blute zu füllen begann.“
Auch in den feuchten Waldınigen Ceylons find Landplanarien entdedt, unter denen
fich die Arten der Gattung Bipalıum durch das Vermögen auszeichnen, an einem aus der
ichleimigen Abjonderung ihrer Körperoberjläche gezogenen Faden jich aufzuhängen.
Sn neuerer Zeit hat befonder3 Georg Lehnert Yandplanarien, namentlich Bipalium
kewense Mos., unterfucht. Cr bezog jein Material aus verjchiedenen Gewächshäufern Eng-
lands, Berlina und Hauptfächlich Leipzig-Anger-Crottendorfs. Die Tiere waren augenjchein-
lich mit teopifchen Gemächjen eingeführt worden, jedoch fieß jich nicht feititellen mit welchen,
jo daß unfer Forjcher auch über ihr urjprüngliches Vaterland im unklaren blieb. Wie ir
jet willen, ift diefe Art wahrfcheinlich infolge von Berjchleppung aus ihrer urjprünglichen
Heimat über die ganze Erde verbreitet. Die Bipalien Friechen mit Leichtigfeit über wage-
und fenfrechte, ja felbft über hängende Flächen dahin, und ihre Bewegung vollzieht fich
unter Schlängelungen des ganzen Körpers, Wellenbewegung der Sohle, Flimmerung der
Sohlenwimpern und Schleimabjonderung jeitens der ganzen Oberfläche ihres Leibes. Die
Wimpern find nicht gleichmäßig auf der ©ohle verteilt, es finden fich vielmehr zwei Nanpd-
zonen mit größeren und ein Mittelraum mit Heineren Wimpern, aber die Tiere fünnen
diefe nicht zum Bormärtsichieben benuben, wenn fie feinen Schleim abjondern Fünnen.
Diejer bleibt in Geftalt eines Fadens als Kriechjpur zurüd. Beim Sriechen wird der Kopf
mit dem vorderen Körperabjchnitt (ducchjchnittlich etiva auf ein Neuntel der ganzen Körper-
länge) erhoben getragen. Er führt nach allen ©eiten tajtende Bewegungen aus, erjcheint
ausgebreitet Halbmondförmig, fan aber auch in Yungen- oder Lanzenfpibenform zufanmen-
gezogen und gejtrect werden. Kommen die Tiere an eine Unterbredjung ihres Weges, jo
ftredfen fie fich zunächt aus und juchen mit dem Kopfabjchnitt überall herum, bis jie einen
feiten Bunft erreicht Haben, nach diejem ziehen fie fich hinüber, aber immer unter Entwide-
Yung eines Schleimfadeng, der in Geftalt einer Brüce zuriidbleibt. Wollen fie fich von einem
erhöhten Punkt herablafien, jo bilden fie erjt einen dreiecigen Schleimfpiegel, von defjei einer
Ceite fie dann, auch an einem Faden, herabgleiten. Da aber die Bildung des Spiegel3 eine
größere Schleimmajje beanfprucht, Eönnen fie ihn nur etwa viermal hintereinander herjtellen,
dann müffen fie einige Zeit ausfegen. So jehr fie auf feuchte DOrtlichkeiten angewiejen
find, fo jehr meiden jie das Wafjer, wahrjcheinlich weil es ihre Schleimfänden auflöft.
Auch die Bipalien Lehnerts nährten fich von Htegenwürmern, aber nur lebenden,
jich windenden; über diefe, und wenn jie ein Sedhitel jo lang wie die ganze Planarie find,
ftülpen fie ihren Schlund weg, faugen jte aber nicht aus, jondern verdauen die Nahrung
Schicht auf Schicht innerhalb I—5 Stunden. Alle 5—7 Stunden nehmen fie eine tüchtige
Mahlzeit zu fich, können aber auch drei Monate und darüber Hungern. 3 fei noch vermerft,
daß Jich Bipalıum durch eine beinahe ebenjo weitgehende Negenerationsfähigfeit auszeichnet
wie manche Süßmaijerplanarien.
Die etwa 60 Arten der Seetricladen oder Trieladida maricola verteilen jich auf
jechs Tamilien, deren Vertreter mit Ausnahme der auf Rochen fchmarogenden, augenlofen
Micropharynx parasitica Jägskd. alle zwei Augen befiben. Diefe Art ift zugleich der ein-
zige wirkfiche Parafit unter den Trieladen.
Strudelwürmer: Trieladida. Polycladida. 207
An den Kieferfügen oder Kiemenblättern der Moluffen- oder Pfeilfchtwanzkrebfe (Li-
mulus) lebt die mit einem Saugnapf am Hinterende ausgeftattete Bdelloura candida Gürard,
die aber fein echter Schmarober genannt werden darf, da fie nır die Mahlzeiten mit dem
Krebs teilt, alfo „Kommenfale” it. Alle übrigen Geetricladen leben frei an den Meere3-
Tüjten, mo man fie bejonders häufig im groben Sande der Brandungszone antreffen fann.
&3 handelt ji fait dDucchweg um Kleinere Würmer, die ji) nur gefchlechtlich vermehren
und ihre Gier in Kofons ablegen.
Eine bejondere Beachtung hat von ihnen nur Gunda segmentata Lang (Procerodes
lobata) gefunden. Bei diejem im Mittelmeer vorfommenden, nur wenige Milfimeter langen
Wurm wiederholen fich zu beiden ©eiten die Darmäfte, die einzelnen Abfchnitte der Waffer-
gefäße, die Duerverbindungen der Bauchnervenftränge und endlich die Gejchlechtsdrüfen in
regelmäßigen Abjtänden in gleicher Weife. Der Züricher Zoologe Arnold Lang hat nun
bon diejer jogenannten „Bjeudometamerie”, die jich außer bei Gunda, allerdings weniger
deutlich ausgeprägt, auch noch bei einigen anderen Turbellarien findet, die echte „Metamerie”
der Ningelwürmer abzuleiten verjucht, Die wir. bei der Beiprechung diefer Wurmabteilung
noch näher Tennenlernen werden, weswegen ihrer hier nır Erwähnung getan fein Soll.
Zugleich möchte Lang in Höhlungen innerhalb der reifen Keimpdrüfen, die allerdings gerade
bei Gunda mit verblüffender Deutlichkeit aufzutreten pflegen, den Uriprung der jefundären
Leibeshöhle der Anneliden und der anderen höherjtehenden Metazven fehen. Die auf
diefer Grundlage aufgebaute „Sonocöltheorie” Hat viele Anhänger gefunden.
Vierte Unterordnung: Polyeladida.
Die le&te Unterordnung der Strudelwürmer, die wir zu beiprechen haben, jind die mit
einem vieläftigen Darm verjehenen Polycladida, deren ettva 300 Arten alle im Meere leben.
&3 handelt fich dabei um größere, bis zu 15 cm lange
Würmer, deren Körper meift jehr in die Breite gezogen _
ericheint, jo daß er ein ganz blattartiges Ausjehen erhält.
Hft find die Tiere durchjcheinend oder jchön gefärbt.
Das Bezeichnende an ihnen ilt der Darmkfanal, der mit
einem ähnlichen Schlundrohr beginnt wie bei den Tricla-
den, dann aber allfeitig zahfreiche verztweigte Äfte abgibt. -
Die Entwidelung der PVolycladen ift nur bei manchen .
eine unmittelbare, bei den übrigen wird eine Metamor-
phofe durchgemacht, indem aus den Ciern zunäcdhjit eine =
Larve ausjchlüpft, die fogenannte Miülleriche Larve, "irteise a a vergrößert.
die mit Hilfe von acht, mit jtarfen Wimpern umrandeten
Lappen eine Zeitlang umherjchwimmt, ehe fie fich in den jungen Wurm umtandelt.
Man teilt die Polycladen in zwei Gruppen ein, bon denen die Cotylea einen Saugnapf
auf der Bauchjeite Haben, der den Acotylea fehlt.
Zu den Acotylea gehört die in der Nordjee und im Mittelmeer heimijche Planocera
folium Grube, die mit ein paar Nadenfühlern ausgeftattet ift. Zu derjelben Gruppe wird
die außerordentlich dünne Leptoplana tremellaris O.F. Müll. der europäischen Meere ge-
itellt, die fich bei Ebbe im Sande oder unter Steinen verfriecht, bei der Flut aber hervor-
fommt, um frei umherzufchtoimmen. Jın Mittelmeer findet jich Leptoplana pallida Qirf.
208 Würmer: Plattwürmer.
Saltenförmige Nandfühler bejist Thysanozoon brochii Grube, die ihren Namen
„gottenplanarie" von eigenartigen Hautzotten der Rüdenfeite hat, in melche die Darm-
äjte eintreten. Gie ilt ebenjo wie Prostheceraeus vittatus Mont. und Oligoeladus sangul-
nolentus Otrf. ein Vertreter der Cotylea.
Snterejjant ijt ed, die Bolycladen, wenn fie friich aus dem Meere gefangen find, in
einem Glajfe mit Seemwafjer zu beobachten. Die Tiere fehen fo zart aus, daß man faum
begreift, wie jie oft unter dem fchwachen Schuß einiger Tangftreifen dem Wellenfchlag
tiderjtehen fünnen. D. Schmidt hat jich mit ihrer Beobachtung längere Zeit bei jeinem
an in a abgegeben. Die Stadt Argoftoli Tiegt an einem in feinem blinden.
DE - Ende fich jehr verflachenden Meerbujen,
[0 [9 _ deffen Grund dicht bededt ift mit Schmäm-
el i . men und Tangen. Der Forscher Fieß fich
durch einen darin herummatenden Fijcher
einen Haufen Tang herauswerfen, nahm
ihn ohne alle Sorgfalt gepadt mit in die
Wohnung und tat Dann Heinere Men-
gen in ein Gefäß. Nach wenigen Minu-
ten famen die Planarien underjehrt her-
borgeichwommen. Ohne Frage gehören
dieje Gattungen (Thysanozoon, Lepto-
plana ufo.) zu den Tieblichiten der Mee-
reöbewohner. Unjere Abbildung jtellt
die bei Neapel jehr gemeine Zotten-
planarie dar. Der Rüden des oft gegen
3 cm langen Tieres ijt mit vielen Reihen
dunfel gefärbter troddel- oder zotten-
fürmiger Anhänge bededt.. Am Kopf
ende befinden fich ein Paar jchräg nach
aufmwärts jtehende, ohrfürmige Falten, in
denen der Gefühlsiinn bejonders ver-
Hottenplanarie, Thysanozoon brochii Grube. Qmal nee einigt ou jein jeint. Die Baudfläche
iit rein weiß. Das Tier it in der Lage
Dargeitellt, wie e3 mit dem größeren Teile der Bauchjläche an einem Tange haftet, mit
dem Borderende aber, nad) einer neuen Unterlage fuchend, fich aufrichtet. Die Seepla-
narien beginnen jedoch exit im Mittelmeer mit einer größeren Mannigfaltigfeit und verleihen
mit anderen niederen Organismen den Hafjishen Ufern von Neapel und Eizilien für den
Naturforfcher noch eine bejondere Anziehungskraft. Selbft ein Laie, der unter allen Um-
tänden in einem Wurm etwas Cfelerregendes zu jehen gewöhnt ilt, würde vielleicht von
der Bielgeitaltigfeit und der Zarbenpracht der Tiere entzüdt fein, die ein Lang in feiner
Monographie „Die Bolyeladen des Golfes von Neapel” dargeftellt hat. Auch die ftille Bai
bon Billafranca bei Nizza läßt den Freund diejer niederen, verborgenen Tierwelt nie leer
an den Öden Strand der Stadt Nizza zurücdiehren. Mit vielen fehönen Formen aus den
jüdlichen Meeren hat uns Schmarda befanntgemacht. Es ift von hohem Sntereffe, daß
die Planarien des Baikaljees, der fehr reich an ihnen ift, fich (nach Grube) der Mehrzahl
nach den marinen Formen durch Größe und Färbung anfchliegen.
Ba u re ie
Strudelwürmer; Polycladida. — Saugmwürmei; Monogenea. 2200,
Smweite Ordnung. |
Sig oder Lohwürmer (Trematodes).
Alle Saug- oder Tohmwürmer find Schmaroger, und zwar find fie durch Um-
bildungen, die diefer Lebensmweije entiprechen, aus den Strudelwürmern hervorgegangen.
Über die engeren Grenzen der Ordnung ift man immer ziemlich einig gewejen. Die Trema-
toden jind fat alle blattfürmig, abgeplattet, nicht bejonders lang, mit Saugnäpfen born,
in der Mitte oder am Hinterende verjehen. An das Wimperkleid der Strudelwurm-Ahnen
erinnert nur noch die Häufig anzutreffende Bewimperung der Larven, während die Haut
der Erwachlenen feine Spur von Wimpern mehr zeigt. Die Nahrung der Trematoden be-
jteht aus Körperjäften ihrer Wirte, Schleim, Blut, Darminhalt. Der Verdauungsfanal hat
immer nur eine Öffnung, den Mund, und ift gewöhnlich gabelfürmig. Blutgefäße finden
fich nicht, wohl aber ein mit einer Mündung am Hinterende des Tieres jich öffnendes
Waffergefäßigitem, das dem der Strudelmwürmer gleicht. Bei den weitaus meijten der
Trematoden iind die Gejchlechter vereinigt, d. H. die Tiere jind, wie die Turbellarien,
Bmitter. Die Entwidelung ift entweder eine unmittelbare, oder jie wird durch einen
Wirt3- und Öenerationswechjel fompliziert. Diefe Eigentümlichkeit hat man bei der jüjte-
matifchen Einteilung der Saugmwürmer in zwei Gruppen benugt, da ihr gleichzeitig auch
gemwilfe Bejonderheiten im Bau der betreffenden Formen entjprechen.
Wir unterjcheiden demnach zwei Unterordnungen der Saugtwürmer, deren Artenzahl
viele Hunderte beträgt, nämlich: 1) die es oder Heterocotylea und 2) die Digenea
oder Malacocotylea.
Erjte Unterordnung: Monogenea.
Die Unterordnung der Monogenea umfaßt Saugmwürmer, die mit wenigen Insnafmen
als „Außen-Schmaroger" oder „Cktoparajiten” an die Fiiche gebunden find. Sie haben am
Borderende gewöhnlich zwei Heinere, jeitlich gelegene Sauggruben, am Hinterende dagegen
eine Hafticheibe mit mehreren Haftorganen in Geftalt von Sauggruben und Stlammerhafen,
bon deren wechjelnder Zahl und Anordnung diefe Gruppe der Saugmwirmer auch Hetero-
cotylea hieß. Sie legen wenige, große Eier, aus denen jich die Jungen ohne Generations-
mwechjel entwiceln (daher der Name der Unterordnung); indejjen durchlaufen dieje big-
teilen eine Metamorphoje. Sie find als äußerlich jehmarogende Tiere zwar mit einer Reihe
nur ihnen zufommender Cigentümlichkeiten, eben gerade den Haft- und Klammerdtganen
ausgerüftet, aber aus demfelben Grunde aud) weniger degeneriert als ihre innerlich para-
jitierenden Berwandten. So haben manche bon ihnen auch im eriwachjenen Buftande
Yugen. — Die Monogenea verteilen jich auf ettwa acht Yamilien.
Eine der längft befannten, jchon im vorigen Jahrhundert gut befchriebenen Gattungen
ift Epibdella Blainv., die zu der Familie der Tristomidae gehört. Man hat fie aud)
Tristomum (Dreimumnd) genannt, weil oberhalb der eigentlichen Mundöffnung noch zwei
feine Saugnäpfe gleichjam wie zwei weitere Mäuler liegen. Epibdella hippoglossi Bened.
it ein häufiger Schmaroger auf dem Heilbutt (Hippoglossus). Seht in die Augen fallend
ift der hintere Saugnapf, in dem man bei genauer Unterfuchung mit mäßiger Vergröße-
rung ein Paar größere und einen jehr Heinen Hafen entdedt. Der Wurm nimmt oft die
Stellung an, die auch der Blutegel liebt, indem er das Ktopfende an den hinteren Saugnapj
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. ! 14
2310 Würmer: Plattwürmer.
anfest. Außerdem verlängert er den Körper wie die Blutegel oder verfürzt ihn, indent
er in die Breite geht, ohne jedoch die Ausdehnungsfähigfeit der Egel zu Haben. Die Farbe
ift weiß wie die Unterjeite der Fijche, die er bewohnt.
An dieje Öattung reihen jich andere, Die ebenfalls durch den Bejib eines großen Saug-
napfes am Hinterende ausgezeichnet jind, und deren zahlreiche Arten an den Siemen bon
GSeefifchen jchmarogen. Wir nennen nur Tristomum coccineum Cw. am Scmwertfiic)
(Xiphias gladius) und Tristomum molae Blanch. am Mondfijch (Orthagoriscus mola), die
wegen ihrer eintönigen Xebensweije fein weiteres Snterejje erweden.
Als PBarafiten auf anderen Barafiten lernen wir die Arten der Familie der Udonel-
lidae fennen. Dieje jonderbaren Wejen befeftigen fich auf den an Fischen [chmarogenden
Filchläufen (Caligus) und Lernäen, benußen dieje zu den Nuderfüßern gehörenden, infolge
ihrer Lebensweile teilweife ganz ungemein rüdgebildeten Strebje aber bloß als Unterlage
} >
Doppeltier, Diplozoon paradoxum Nordm. Stark vergrößert. Nah E. Zeller (Zeitjchr. f. wijjenih. Zool., Bd. 22).
a) Ei (man erkennt deutlich den Dedel, der beim Ausjchlüpfen der bereit3 entwidelten Larve abplagt); b) Xuarve; ec) zwei evjt
einjeitig verbundene Diporpen; d) daS Doppeltter.
oder Wohnung, bzw. die Kaligiven als Fahrgelegenheit, indem jte ihre Nahrung lediglich
bon den Filchen beziehen. Udonella caligorum Johnst. ift eine der hHäufigeren Formen.
Wir lafjen nun einige Beispiele aus einer anderen formenreichen Familie, nämlich den
Polystomidae oder Bielmündern, folgen, deren Angehörige am Hinterende mehrere, jechs
oder acht, Saugnäpfe in zwei Reihen tragen. Darunter findet fich eine der wunderbarjten
Sricheinungen des Tierreiches, da Doppeltier, Diplozoon paradoxum Nordm. (Fig. d der
Abb.). Diejes Wejen beiteht aus zivei vollfommen gleichen Hälften, deren jede alle Eigen-
ichaften eines ganzen Tieres befist: es find zwei in der Mitte ihres Körpers miteinander
nicht nach Art der jiamejichen Zivillinge, jondern über das Kreuz verbundene Individuen.
Die beiden zugejpigten Vorderenden haben jedes eine Mundöffnung und daneben ein Baar
Kleine Saugnäpfe. Bei Anwendung einigen Drudes jieht man bei geeigneter Vergrößerung
ven aus einer mittleren Röhre und zahlreichen Geitenzweigen bejtehenden Darmkfanal, der
gleich allen übrigen Organen in jeder Hälfte gejondert verläuft. Am Hinterende jedes
Wurmes finden fich in einer Vertiefung zwei Haftorgane, die aus vier Durch Hartteile in
Seftalt einer Schnalle gejtügten Saugnäpfen zufanmengejeßt jind. Sede der beiden Hälften
des Doppeltieres zeigt den volfftändigen zwitterigen Fortpflanzungsapparat, der ebenfalls
in allen Einzelheiten mit diefen Organen der übrigen Saugwiimer übereinstimmt.
Co lebt das Doppeltier auf den Kiemen mehrerer unferer Karpfenarten, 3. B. des
Bleis, des Gründfinas, der Elite. 3 blieb zwei Jahrzehnte nach feiner Entdedung ein
De ee er 6 a a
Saugwürnter: Monogenea. 211
unverjtandenes Rätjel, bis v. Stebold die überrafchende Löjung fand. ES Handelt fic) um
einen Saugmwurm, der in der Jugend die Siemen bon Süßwafjerfiichen aufjucht und jehon
längjt befannt, jedoc) für eine bejondere Gattung, Diporpa, gehalten worden war. Dieje
Diporpen (c) ftellen nämlich jede ein wirklich einzelnes Jndivivuum dar, das alle Werimale
der Tamilie beißt, nur daß die Fortpflanzungsorgane noch nicht ausgebildet find. Nad)
einiger Zeit findet dann die Bereinigung von je zwei Diporpen zu einem Doppeltier jtatt,
die eine jo innige ilt, daß die Scheide des einen mit dem
Samenleiter de3 anderen und umgekehrt verwächlt, die Tiere
aljo von nun an gewiljermaßen in ewiger Begattung leben.
Zeller gelang es, aus den Eiern de3 Doppeltieres Diporpen
in reinem Waffer zu ziehen und die Vereinigung ziveter
Diporpen zu beobachten. Das Junge bedarf zu jeiner Ent-
widelung in dem länglichen, mit einem langen Hornfaden
berjehenen Ei (a) etiva 14 Tage. Das Junge, don ungefähr
0,26 mm Länge (b), ijt bewimpert und trägt zweit Augen; von
Klammerorganen am Hinterende ijt nur ein Paar vorhanden.
Wird den Tierchen feine Gelegenheit geboten, jich auf
den Kiemen ihrer Wohnfiiche anzujegen, jo werden jie nad)
wenigen Stunden matt und fterben bald. Die Anjiedelung
wurde von Zeller nicht unmittelbar beobachtet, Doch fand er. Bi
im Juli und Auguft auf den Kiemen der Clrike (Phoxinus
phoxinus) oft 100 und mehr Diporpen auf einmal, unter ihnen
jolche, Die eben exit ihren Blab eingenommen Haben mußten.
Die ausgebildete Diporpa hat eine ungefähr lanzettförmige,
abgeplattete Geftalt. Sie trägt auf der Bauchfläche einei
fleinen Saugnapf und auf dem Rüden, etwas weiter nad)
Hinten gerüdt, eine zapfenförmige Hervorragung. Wie Zeller
gezeigt hat, fommen die Doppeltiere Dadurc) zujtande, daß
jedes Individuum mit feinem Saugnapf den Nüdenzapfen a... ı,
des anderen umfaßt. Dieje Vereinigung tritt jedoch oft exit ee
ac) Wochen und Monaten ein, während mwelcher die einzel- topf, a äußere Gejölentsöffnung, un
net Diporpen, gleich dem Diplozoon, Blut aus den Kiemen Arne heriymmaaneng bos Ciere
jaugen. Die einzige auffallende Veränderung der ijolierten ee
Diporpen befteht in der Anlage des zweiten, nicht jelten v Saugnäpfe Der Darm it das
auch des dritten Mlammerpaares am Hinterende. a ee
Sn der Harnblafe unjerer Fröiche, vor allem des Gras-
frojches (Rana temporaria), lebt Polystomum integerrimum Fröl. Das Tier mit platten,
etwag tingeligem Körper erreicht eine Länge von 8-10 mm. 63 unterjcheidet jich von
den meiften Saugwürmern durd) den veräftelten und mit vielen Ausbuchtungen verjehenen
Darnıfanal, befigt Feine feitlichen Saugnäpfe am Vorderende und ift vor allen fenntlic)
an einer anfehnlichen Scheibe amı Hinterende, auf der jich drei Paar Saugnäpfe und ein
großes Halenpaar befinden. Die Bolyjtomen bringen ihre bräunlichen, jchon mit bloßen
Auge fichtbaren Eier unmittelbar in das Waller, indent fie ihr mit der Gejchlechtzöffnung
verjehenes Borderende aus der Harnblafe Herausitreden, und zwar gejchieht dies im Früh-
jahr, nachdem die Fröfche das Winterlager verlafjen Haben. Nach einigen Wochen jchlüpfen
14*
212 Würmer: Plattwürmer.
[
die Qarven aus, die vier Augen, eine von 16 Häfchen umitellte Haftjcheibe, noch ohne Saug-
näpfe, und fünf Querreihen von Wimpern auf der Hautoberfläche bejigen. Dieje Tierchen
gelangen nun in die Kiemenhöhlen der unterdejjen ebenfalls entwidelten Kaulquappen,
wo fie fich feitfegen und Jangjam zu jungen Polyjtomen auswachjen. Wenn dann nad)
Ablauf von ungefähr acht Wochen die Kiemen der Klaulguappen rüdgebildet werden, man-
dern die jungen Tiere Durch den Verdauungsfanal jener in die Harnblaje ein, mo fie erjt
nach einer Zeit von mindejtens drei Jahren gejchlechtsreif werden.
Eine weitere Familie der Monogenea jind dieGyrodactylidae, Die jtatt ver Saug-
näpfe vorn zwei bi vier zufammenziehbare Kopfzipfel, Hinten eine mit Hafen verjehene
Haftjcheibe befigen. Der auch wieder an den Kiemen und der Haut verjchiedener Süß-
waljerfiiche jchmarogende Gyrodactylus elegans Nordm. jei als Vertreter genannt.
Zweite Unterordnung: Digenea.
Die Angehörigen der Unterordnung der Digenea verteilen fic) auf rund zehn Familien.
Sie bejigen einen unpaaren Saugnapf am Vorderende, der in der Regel von der Mund-
Öffnung Durchbohrt wird, und vielfach noch einen Bauchjaugnapf, während Stlammer-
hafen jtets fehlen (daher der frühere Name Malacocotylea). Niemals finden fic) bei den
reifen Tieren Augen.
Die Digenea find ohne Ausnahme nneniänidke oder „Entoparajiten”, (äftige
Gäfte der verjchiedeniten Tierklajfen. Soweit fie einer Wanderung und Berwandlung.
unterworfen find, bejteht jedoch die Regel, daß die Jugendzuftände in niederen Tieren durch-
laufen werden, während die Gejchlechtsreife vorzugsweile erjt in Wirbeltieren eintritt. Da
nun unter den leßteren vielfach unjere Haustiere, ja der Menjch jelbit von ihnen befallen
werden, jo ift e8 verjtändlich, daß jte frühzeitig die Aufmerfamfeit auf jich gezogen haben.
Unter allen Eingeweidewiürmernt wurden die jich vermandelnden Trematoden zuerjt entlarbt,
und fie waren es in Gemeinschaft mit einigen anderen niederen Tieren, die Steenftrup auf
den fruchtbaren Gedanfen bon der Fortpflanzung durch wechjelnde Generationen brachten.
Der Öenerationswechjel in Verbindung mit dem ein- oder mehrmaligen Wirtswechjel
folf natürlich die Verbreitung und damit den Beltand der Art ficherftellen. Es ift eben für
Binnenfchmaroger Schivieriger, in den endgültigen Wirt, in dem fie nur gejchlechtsreif werden
föünnen, zu gelangen, als für Außenjchmaroger. Ein großer Teil der Gier geht verloren,
auch wenn fie wie hier jehr Hein jind, in Unmengen abgelegt werden und datum leicht ver-
ichleppt werden fünnen. Hat aber jede aus einem Ci hervorgehende Larve die Fähigfeit,
ohne Befruchtung zunächit eine größere Anzahl frei beweglicher oder durch Zwifchenwirte
berichleppter Nachkommen zu erzeugen, jo wird die Wahrjcheinlichkeit, daß ein Tier bis in
den legten Wirt und da zur Neife fommt, bedeutend größer. Doch jehen wir zu, wie ein
jolcher Zeugungzfreis verläuft; gewöhnlich finden wir folgenden Gang:
Yus den Ciern jehlüpft ein mit Wimperhaaren bededter, länglich birnenförmiger
Embrho, der am breiteren vorderen Ende bisweilen einen x fürmigen Augenfled trägt, Aln=
lagen eines Wafjergefäßigitems, gelegentlich auch Schon eine Sauggrube, Mund und Darm.
aufweilt. Diejer Embryo, Dem man den Namen Miracidium gegeben hat, begibt jich num,
mittel feines Flimmerkfleides munter jehwimmend, auf die Suche nad) einem Mollust, meift
einer Schnede, in die er eindringt, um fich in ihr unter Verluft feines Wimperfleides in
einen „Keimjchlauch”, auch „Amme” oder Sporozhfte genannt, zu verwandeln.
Ein jolcher Schlauch ift mehr oder weniger eiförmig, mund- und darmlos und ohne
Se Me er nn,
“2 Ar,
Saugmwürmer: Digenea. 213
äußere Körperanhänge. Sn jeinem Inneren entwideln jich auf ungejchlechtlichem Wege
aus unbefruchteten Keimzellengruppen Tiere einer neuen, aljo der zweiten Generation, die
nach) ihrem erjten Entdeder, dem berühmten italienifchen Naturforicher Francesco Redi (get.
1697), Redien heigen. Sie jind von walzenfürmiger Geitalt, mit zwei furzen feitlichen
Anhängen Hinter der Körpermitte; das Ktopfende ift fegelfürmig zugejpist, das Hinterende
‚berjüngt jich allmählich jchiwanzartig. Zum Unterjchiede von der SporozHfte bejitt die
Nedie jedoch jtet3 einen. Darm mit musfulöjem Schlundfopf und eine Mundöffnung.
Sm Suneren des Wirtes machjen die Nedien fchnell heran; es treten in ihrem SIn-
neren Keimzellen auf, die jich wieder ohne Befruchtung, aljo parthenogenetijch, entmwiceln
und entweder nochmals Redien oder jofort eine neue dritte Generation, die Schwänz-
linge oder Zerfarien, liefern. Die Schwänglinge jind die Larven der Gejchlechtstiere
und gleichen diefen jchon einigermaßen: fie bejigen Saugnapf, Mund und Darm wie dieje,
find aber in der Regel mit vergängfichen Larvenorganen ausgerüftet, nämlich mit einem
Augenfled, einem Stachelapparat und einem beweglichen, mitunter gegabelten Schwanz-
anhang, durch den fie entfernt das Ausjehen von Staulgquappen gewinnen. Haben fie eine
gewilje Größe erreicht, jo jchlüpfen fie durch eine am WVorderende befindliche Geburts-
Öffnung aus der Nedie und wandern aus ihrem Wirte aus. Jebt fommen ihnen ihre Larven-
organe zugute, denn jie jind auf der Suche nach einem neuen Wirte. Daß ihr Augenfled
genügt, ihnen diejen bemerflich zu machen, ijt Höchit zweifelhaft, eg werden andere Bor-
richtungen fein, die hierbei in. Tätigkeit treten, aber ihr äußerjt beweglicher Schwanzanhang
it ein vortreffliches Ruder. Endlich finden fie ihren neuen Wirt, irgendein Wafjertier vom
Wurm bis zum Frojch, an diejes machen fie fich heran, um jich einzubohren, was mittels
des Stachelapparates und unter Mitwirfung des drehende Bewegungen ausführenden
Schwanzanhanges gejchieht. Das Ziel ift erreicht, die Zerkarie ift in ihr Opfer eingedrungen.
Hier wirft fie den nunmehr überflüfiigen Schwanz, dem fie ihren Namen verdankte, ab,
fapjelt jich ein und verwandelt jich in ein junges Gejchlechtstier, dejjen Fortpflanzungs-
organe aber noch nicht entiwidelt find. Sn diejer ©ejtalt wartet jte, bis ihr einjtweiliger Wirt
bon einem anderen geeigneten Tiere gefreijen wird, in dejjen Magen oder Darın der Wirt
zivar verdaut und die Stapjel des jungen Zweimaules aufgelöjt wird, diejes jelbjt aber Feine
Anfechtungen erleidet. Nach vielen Strfahrten und vielen Möglichkeiten, auf diejen zu jchei-
tern wie unzählige feiner Gejchwilter, ijt der junge Trematode jebt im ficheren Hafen ein-
gelaufen und jucht nun in dem neuejten, dem jogenannten endgültigen Wirte (Die anderen
waren hloß Zwijchenwirte), die Stellen auf, jeien e8 Darm, Harnblafe, Lebergänge, in
denen er gejchlechtsreif wird und Eier erzeugt. Mit dem Kote d63 endgültigen Wirtes ge-
fangen die Gier nach) außen ins Wafjer, und der Entwidelungstreis beginnt aufs neue.
Bir jeden, um furz zu wiederholen, aljo folgenden Entwidelungsgang: 1) jchmwim-
mender Embryo: freies Wajfjer, 2) ein- oder zweimaliger Keimjchlaudh: eriter Ziwifchenmirt,
3) Ihmwimmende Zerfarie: freies Wafjer, 4) eingefapfeltes junges Gejchlechtstier: zweiter
Biijichenmirt, 5) unfreiwillig durch Gefrefienmwerden des zweiten Zmwifchenmwirtes eingewan-
dertes reifes Gejchlechtstier: endgültiger Wirt.
Der Entwidelungsgang kann jich aber auch vereinfachen, jo bei dem äußerft jeltjamen
Leucochloridium paradoxum Carus (Abb., ©. 214). Im Darm gemiljer Singbögel, bejon-
ders jolcher, die jich in der Nähe des Waljers aufhalten und Snjekten freifen, lebt ein zur
‚Jamilie der Blattegel, Fasciolidae, gehörender Saugmwurm, Urogonimus macrostomus
214 Würmer: Plattwürmer.
Rudolph (Distomum macrostomum), dejjen Eier mit dem Stote nad) außen gelangen, biel-
feicht auch auf Pflanzen am Ufer von Bächen und Tiimpefn. Hter Halten fich jtelfenmeife
mafjenhaft die amphibifchen Bernfteinichneden (Succinea putris) auf, die-die Blätter der
Uferpflanzen mit ihrer Fetlenzunge jchabend abragen, dabei aber auch die Cier des Zivei-
maule3 mit verjchlingen. Dieje” entwicdeln fich dann
zu einem jehr jonderbaren Keimjchlauch, der in Geftalt
eines bielfach veräftelten Gejpinjtes die Eingemweide
der Schnede umgibt und in jich Kleimballen erzeugt,
aus denen Schwanzlofe Zerfarien hervorgehen. Lebtere
bleiben nicht in den Üften jenes Gejpinftes, fondern
treten gruppenmweije in bejondere Enpdfchläuche des-
jelben iiber, wo ste, jchichtenmweije hintereinander ge-
lagert, eine Art Patrone, eben da3 Leucochloridium,
bilden. Der vordere Abjchnitt dDiejer Endfchläuche, die
bejonders oft in die Fühlhörner der Schnede eindrin-
gen und Ddieje unförmlich verdiden, ift bunt gefärbt,
grün und weiß gebändert, an der Opiße dunfel braun-
rot. Da die Schläuche fich nun auch noch in regel-
mäßigen Zwilchenräumen zujammenziehen md wmie-
der ftreden, fo erhalten fie eine auffallende Ahnlich-
feit mit gewiljen Dipteren- (Fliegen-) Larven und
erregen Damit bald die Aufmerkfjamfeit der der Jagd
2 pbliegenden Singbögel, welche die vermeintliche Yarke
ae ne un QE gute Beute verfclingen, nicht ahnend, bap fie ic
jhlauch. 3fach vergrößert. Nah G. A. Hedert. bei diefer Gelegenheit die Schmaroger einberleiben.
Da der Fühler der Schnede wieder nachwächlt, jo
bietet jic) für einen neuen, unterbeffen reif gervordenen Schlauch bald wieder Gelegenheit,
jeinerjeit3 dasjelbe Spiel zu wiederholen, und es fan eine einzige jolche Schnede auf
dieje Wetje die Schmaroger auf eine ganze Anzahl von Vögeln übertragen, zumal nad)
den Unterfuchungen von Hedert daS Leucochlori-
dium jogar mit der Schnede überwintern fann.
Wir haben hier einen der wenigen, wenn nicht
den einzigen Fall vor ung, in dem ein Tier oder
eine Gejellichaft von Tieren herausfordernd ge-
färbt ift, um gefrejien zu werden. Der Feind
wird hier zum Freund!
ei
Bernfieinfäneee, Suceinea amphibia, mit Leu-
Ben ran Cora an sehen Bihler. Yon viel Herbortagenberem allgemeinen In-
terejje ilt die Lebensgejchichte eines anderen Ber-
tretersderjelben Familie, der gasztoliden, nämlich des berüchtigten Zeberegel3, Fasciola
hepatica Z. (Distomum hepaticum; |. Tafel „Würmer”, 1, bei ©. 228). Ganz beträchtlich
it der Schade, den diefer Schmaroger der Viehzucht und damit der gefamten Menschheit
zugefügt hat. Lafjen wir den größten Kenner des tierischen Schmarogertums und zugleich
den Entdeder der Entwidelungsgefchichte des Leberegels, Leucart, reden: „Für das Jahr
1830 wird der Verfuft allein an Schafen in England auf ettiva 1%, Milton Stück berechnet,
ER ee Te nn
EIER
Saugmwürmer: Digenca.
die einen Geldwert von nahezu 4 Millionen Pfund Sterl.
(80 Millionen Mark) repräjentieren. Nach Zündel ging in
Elfaß-Lothringen 1873 der dritte Teil aller Schafe im Werte
bon 1150000 Stanf zugrunde Sn Seland foll 1862 jogar
mehr al3 die Hälfte der Schafe (60 PBrozent), in Slawonien
1876 nahezu die Hälfte (40 Proz.) alles Hornviehes an der
Zeberegeljeuche geitoxrben jein. Allein in der Umgegend von
Arles fielen 1812 nicht weniger al3 300000 Stüd. Cbenfo
ging, nad) den Mitteilungen von Wernide, im Jahre 1882 in
den füdlichen Provinzen von Buenos ires nicht weniger als
1 Milfien Schafe zugrunde." /
Daß auc) in neuerer Zeit die Leberegelfranfheit un-
ter dem Biehbeitande immer noch viel verbreitet ift, erhellt
aus den Angaben, die Fiebiger em Bericht über das öfter-
reichiiche Beterinärwejen entnimmt. Dana) waren im
Schlahthaufe in Graz im Jahre 1905: 2350 Rinder, 26
Schafe und 20 Schweine, im Schlachthaufe zu Marburg m
Gefhledtsreifer Urogonimus
macrostomus Rudolph. Nad) G.N.
Hedert. 3öfadh vergrößert.
‘Sahre 1906: 70 Prozent, im Schlachthaujfe von Tettau im
gleichen Sahre 90 Prozent der gejchlachteten Rinder mit
Leberegeln behaftet. Es jei dabei gleich hier zur Beruhigung
J
ängitlicher Gemüter hinzugefügt, daß der Parafit, wie aus den folgenden Zeilen herbor-
gehen wird, in dem Stadium, in dem er jich in unjerem Schlachtvieh befindet, nicht auf
ven Menjchen übertragbar ift, wenn auch die betroffenen Teile
ter befallenen Tiere vom Berfauf ausgejchlojfen werden.
Schon lange war es aufgefallen, daß aemwilfe Jahre ein
großes Sterben des Hornviehes an der Egeljeuche brachten. Solche
Sahre waren in den betreffenden Gegenden immer jehr feucht
und regenreich gemwejen. Weiter hatte man bemerft, daß bejtimmte | /
Sttlichfeiten ganz bejonders dazu angetan waren, die Schafe mit
Leberegeln anzufteden. „Der erfahrene Landwirt fennt nicht bloß
die Gefahren jolcher Gegenden, ex fennt auch vielfach die bejon-
ders verdächtigen Pläbe, meilt Gräben und Pfügen ohne rechten
Abflug oder ‚jaure‘ Wiejen, die er nach Kräften meidet, um jeine
Herde nicht zu ‚verhüten‘."" — Wie geht das alles zu? — Mit dem
Kote der von der Leberfäule befallenen Schafe gelangen die Cier
de3 Baraliten nach außen, viele auf trodenen Boden, mo jie zu-
grumde gehen (denn Austrocdnen, wie viele Rundmwürmer, fünnen
die Eier der Saugwürmer durchaus nicht vertragen), viele aber
auch auf feuchte Erde, die bald überjchwenmt fein wird, oder in
das Wafler jelbjt. Die Entwidelung des Embryo3 geht nur im
Waljer vor jich und um fo jchneller, je günstiger die Bedingungen
iind, namentlich je höher die Temperatur ift. Die Gier aber, die
“
Slimmerlarve („Miract-
dtum‘) de3 Leberegels,
Fasciola hepatica L. NWad
Leudart.
etwa im Spätherbit in das Wajjer gelangt find, fönnen den Winter überdauern, ohne ihre
Keimfähigfeit einzubüßen. Geht alles gut, jo entwidelt jich aus dem Ei ein Embrho, im
allgemeinen bon der weiter oben bejchriebenen Beichaffenheit. Das Miracidium (j. die Abb.
216 Würmer: Plattwürmer.
auf ©. 215) |hwimmt herum und jucht fich feinen Zwilchenwirt. Als jolcher dient aber
eine einzige Schnedenart, die ganz Europa, von JSland und den Färder an, Norvdajien,
die Kanaren, Nordafrifa bis Abeijinien beivohnt und in Auftralien und Amerifa vielleicht
auch vorfommt oder durch jehr nahe verwandte Formen, möglicherweife nur Lofalrafjen,
vertreten wird. Diefe Heine, 4-8 mm fange Schnece, Limnaea truncatula O. F. Müll.
(Limnaeus minutus), bewohnt feuchte Ortlichfeiten, nicht bloß das Waller; fie lebt mehr
amphibijch, riecht zwifchen Moos und am unteren Teil der Grashalme empor, ja ver-
jteigt jich bei anhaltend feuchter Witterung noch Höher, jelbit auf Feine Büjche.
Eind nun die Embryonen des LXeberegels in großer Menge durch die Oberhaut, das
Atemloch uf. in eine jolche Schnede eingedrungen,
jo trägt dieje ihre unmillfommenen Gäjte überall
mit jich herum. Sm Inneren ihres Wirtes werden
die jungen Würmer zu Keimjchläuchen, und zwar zu
ovalen Sporozyiten (a), deren 12—15 Keimballen
zu Nedien (b) heranwachlen. Dieje Nedien juchen
da3 Innere des Wirtes, befonders jeine Leber, auf
und jind erfüllt mit Keimen, die entiveder unmittel-
bar zu Zerfarien oder, je nach der Jahreszeit, gar
abermals zu Tochterredien heranmwachjen.
Die Zerfarien (Abb., ©. 217) jind ausgezeichttet
durch den Belig eigentümlicher, aroßer Organe, von
Denen je eins an jeder Seite neben dem Darm liegt.
E3 find das Drüfen, die eine wichtige Rolle im Haus-
balt unjeres Tieres jpielen. Die Zerfarien verlajjen
nämlich ihren Zwijchenwirt innerhalb oder außerhalb
des Wafjers, juchen aber femen weiteren Zmijcheniirt
auf, fondern umgeben ji) an Grasitengeln und den
tieferen Teilen anderer Pflanzen feuchter Orte mit
ee einer Kapjel, die aus dem Geftet jener Geitenorgane
Fasciola hepatica Z. Rad Cjofor. a Keim beiteht, und in welcher der Wurnt längere Zeit lebens-
MOMENT rating verbleibt, auch wenn fich da3 Waffer von feiner
Anhaftungsitelle verlaufen hat. Hier entmwidelt er ic)
zum jungen Gefchlechtstier, das jamt Kapjel und Pflanze vom endgültigen Wirt gefrejjen
wird und in diefem zum gejchlechtsreifen Xeberegel ausmwächlt.
Diejer mißt 25—30 mm in der Känge ud bis 13 mm in der Breite, hat ein zapfen-
artiges, 3—4 mm langes Vorderende und einen blattähnlich abgeflachten Hinterleib. Die
Außenhaut trägt zahlreiche jchuppenartige Stacheln. Die endgültigen Wirte des Leberegels
find in erjter Linie Schafe, dann Rinder und andere Wiederfäuer, aber auch Pferde, Ejel,
Schweine, Elefanten, Kaninchen, Eichhörnchen, Känguruhs und gelegentlich jelbjt ver
Menjch. Der regelrechte Aufenthaltsort des Leberegels find die Gallengänge feines end-
gültigen Wirtes, mo er jich aber nicht etwa von Galle ernährt, jondern Blut faugt.
Einige Mitglieder der Familie finden fich auch häufiger beim Menjchen. Dahın ift
zu rechnen Paragonimus westermani Kerbert (Distomum pulmonale), ein bis zu 1 cm
fang werdender, bräunlichroter, breiter und plumper Saugmwurm, der, außer im Königstiger
Saugmwürmer: Digenea, : 217
und Schwein, in China, Korea und bejonders in Japan in der Lunge des Menfjchen fehma-
toßt. Er verurjacht für germöhnlich Feine großen Bejchwerden, falls er nicht ftärfere Blut-
gefäße der Lunge angreift und zu Blutungen Anlaß gibt.
Ebenfalls jehr häufig ift in Japan der jchlanfe Clonorchis endemicus Baelz (Opisthor-
chis); in gewijjen Gegenden Mitteljapans jollen über 60 Prozent der Bevölferung davon
befallen jein. Der Sit diefer Würmer ift die Leber, wo fich ihrer mitunter mehr als 4000
vorfinden. Die durch eine jo zahlreiche Bejiedelung hHervorgerufenen Veränderungen an
den befallenen Drganen bewirken häufig den Tod des Menjchen, der jic) wahrjcheinlich
durch den in jenen Gegenden verbreiteten Genuß von rohen Fiichen anjtedt.
Bei venjelben Wirten wie der Teberegel und häufig mit diefern vergejellichaftet jchma-
toßt der Lanzettegel, Dicrocoelium lanceolatum Rudolph (Distomum lanceolatum),
der 8 (0) mm :
{ang wird. Diefer En
ihlanfe Wurm,
dejjen Worderför-
per jich nach vorn
zu allmählich ver-
jüngt, fommt ge-
wöhnlih nur in
geringerer Anzahl
vor, und Dies jo-
tie jeine Sleinheit
und der Mangel
an SKörperjtacheln
ind die Urjachen,
warum er viel mwe-
mger zu fürchten
it. Sein Xeben3-
gang jcheint ein
ähnlicher wie Der
des großen Leber- Berfarien vom Leberegel: a) jdwimmend, D) friechend, c) eingefapfelt. Stark vergrößert.
egels zu jein. Die
aus dem Ei jchlüpfende Larve ift hier nur in der vorderen Hälfte beiwimpert und trägt
auf einem zapfenartigen Scheitelfortfaß einen Bohrjtachel. Die Einwanderung in den
Menjchen gehört zu den größten Geltenheiten.
Sm Darm unferer Fröfche und Salamander lebt Opisthioglyphe endoloba Duj., deren
Miracidien in Schlammfchneden (Limnaea stagnalis) gelangen müjjen. Die. aus den
Sporozyften entftandenen Zerfarien wandern dann in die Larven von Nebflüglern, Ephe-
meriden und Perliden, mit denen jie in den Endwirt fommen. Dieje Art und die meiften
anderen der Fasziofiden wurden früher alle zufammen in der Gattung Distomum (HZivei-
maul) vereinigt. Unjere Süßtwafjerfifche wie auch die Lurche beherbergen eine jehr große
Zahl verjchiedener Arten, die heute auf mehrere Gattungen verteilt werben.
Hierhin gehört auch Gorgodera eygnoides Zed. in der Harnblafe von Amphibien, Deren
Berfarie wegen ihre3 ftarf verlängerten und dien Schwanzes ehemals für eine bejondere
Tierart gehalten wurde, Cercaria macrocerca Fl. Dieje Zerfarien gehen aus Sporozyjten
218 Würmer: Blattwürmer.
hervor, die fich an den Kiemen der Erbjenmufchel (Cyelas) enttwideln, und bohren jich in
junge Teichjchneden ein, von wo jie in die Lurche gelangen. — sn Süßmaljerfiichen lebt
Allocreadium isoporum Looss.
Wieder ein Parafit des Menjchen ijt Schistosomum haematobium Bilharz (Gynaeco-
phorus, Bilharzia), ein Vertreter der getrennt gejchlechtlichen Samilie der Schistosomidae,
der vielfach in Agypten und anderen Küften-
ändern Afrikas auftritt, von da aber auch mweit-
hin verjchleppt worden it. Das 11, cm lange
Männchen bejibt nach der Bauchjeite zu um-
gejchlagene Seitenränder, während das faden-
fürmige Weibchen viel länger it. Der Saug-
napf liegt bei beiven nahe am Borderende.
Diefe Wiirmer leben paarweije vereint, wobei
das Männchen feine Gattin in dem bon Den
Ceitenrändern gebildeten Kanal feithält (daher
der Name: Gynaecophorus, d. h. Weibträger).
Sie fchmarogen in der Pfortader und den Darnı-
benen des Menjchen. Die Weibchen wandern
zur Ciablage in die Blutgefäße des Bedens,
die dann oft durch die ungeheuren Cimafjen
beritopft werden. Sm meiteren Verlaufe der
Krankheit entzünden jich die Gefäßmwände und
brechen jchließlich durch. Mit dem Blute werden
die Gier in die Harnmwege oder den Mafjtdarın
entleert, von mo jie endlich) ins Freie gelangen.
Blutharnen äußert, befälft vorzugsieife männ-
liche Rerjonen, bejonders die äghyptijchen Fellahs
und Köpten. In jchweren Fällen endet fie mit
allgemeinem Siechtum und Tod. Obwohl diejer
Varafit jchon vielfach das Dbjeft von Unter-
ee ne nat Dornen ° Vilharz und auch Looß fich mit ihm befchäftigt
haben, jo ilt e8 doch noch nicht möglich gemwejen,
die Art feiner Übertragung auf den Menschen ficher feitzuftellen. Man weiß, daß die Eier
in3 Wajjer fommen müjfen und daß die aus ihnen ausfriechenden Miracivien denen Des
Leberegels ziemlich ähnlich jehen, Fennt aber den in Betracht fommenden Zwifchentirt nicht.
Bermutet wird, daß der Genuß unreinen Waljers die Anjtedung veranlajje, anderjeits hält
man e3 aber auch für möglich, daß die Miracivien, die etiva beim Baden auf die Haut
de3 Menjchen gelangen, dieje unter Benußung der Boren durchdringen fönnten. Diefe leb-
tere Snfektionsart jcheint jeßt wenigitens für einen japanischen Verwandten der Urt, näm-
lich) Schistosomum japonicum Katsurada, durch Berjuche feitgejtellt zu fein.
sm Darm von Raubfischen, wie Wal, Hecht, Barjch, Zander und anderen, lebt Gastero-
stomum fimbriatum Sieb. al3 Bertreter der Familie der Gasterostomidae, deren Bau
Die Krankheit, die ji) al3 Blajenfatarıh und
fuchungen gemejen ift und in Ügypten bejonders
Saugmürmer: Digenea — Bandmwürmer. 219
injofern von dem der bisher beiprochenen Digenea abweicht, als bei ihnen die Mundöffnung
in der Mitte Des Bauches, der Haftapparat in Geftalt eines von jechs Heinen Bapillen um-
- gebenen Saugnapfes aber vorn fiegt. Zudem ift der Darm hier nicht gegabelt, fondern ein-
fach jadjörmig. Die al3 Bucephalus polymorphus Baer bezeichnete Zerfarie jchrwimmt fret
umher, wobei fie das Vorderende mertiwürdigerweife nach abwärts gefentt, den tiefgegabelten
Schwanz aber nach oben gerichtet Hält, jo daß ie wirklich an einen gehörnten Stierjchäpel
erinnert. Eriter Zwiichenmirt ift hier die große Teichmufchel, Anodonta, al3 zweiter fommen
Weikfiiche, wie das Notauge und andere, in Betracht.
Eine große bauchjtändige, aus zahlreihen Saugaruben zujammengejekte Hafticheibe
und einen ebenfalls wie bei den vorigen einfach jadförmigen Darın bejisen die Mitglieder
Der Samilie der Aspidobothriidae, deren Mumdöffnung wieder anı Vorderende liegt.
Einer ihrer Vertreter, Aspidogaster conchicola Baer, lebt im Herzbeutel und in den Nieren
unjerer Teichmujcheln.
Wieder gegabelt tt der Darm bei ven Paramphistomidae, deren Bauchlaugnapf
jich ganz weit hinten am Körper befindet und gelegentlich auffallend groß fein fann, jo
bei vem im Enddarm des Frojches lebenden Paramphistomum subelavatum Goeze. Eit
Beriwandter, Gastrodiscus hominis Zewes, it nicht felten bet Spndern und Milamiten.
Den Angehörigen der Zamilie der Monostomidae (Einmäuler) fehlt der Bauchjaug-
napf. Sn den Luftwegen von verjchiedenen Wafjerbögeln, wie Neihern, Wajjerhühnern,
Enten und anderen, jeymaroßen Monostomum mutabile Zed. und M. flavum Mehl. Die
Nedien der le&teren Art finden jich in der Tellerichnede (Planorbis), die Zerfarien find
al$ Cercaria ephemera Nitzsch. befannt.
Die Familie, mit der wir den Saugwürmern Lebemwohl jagen wollen, ift die der Holo-
stomidae (Öanzmäuler), deren Vertreter bei Vögeln und Säugern jchmarogen. Jim Dünn-
darm des Wolfes und Fuchjes, jeltener in dem des Hundes lebt Hemistomum alatum Goeze,
da3 hinter dem Bauchjaugnapf noch einen mit Drüjen verbundenen Haftapparat trägt.
Dritte Ordnung:
Bandwiürmer (Cestodes).
E3 Herrjcht wohl fein Zweifel darüber, daß die Bandmwirmer oder Cestodes von den
Saugmwirmern abftammen, zumal mir einige Formen fennenlernen werden, die noch direkt
wie Übergangsalieder zwijchen beiden Drdnungen erfcheinen. Wie die Saugmwürmer eine
in fich abgejchloffene Gefellichaft bilden, jo jtellen auch die Bandwürmer eine ftreng ge-
ihlojjene Drdnung dar, deren jämtliche Angehörige, ebenjo wie jene, Schmaroger, und zivar
ausnahmslos Entoparajiten, jind. Mit den Saugwürmern haben fie außer einer Reihe von
anderen Merkmalen die völlige Wimperlofigfeit der Haut gemein, und jie find wie jene
faft durchweg Ziwitter. Aus ihren Eiern entwideln ji) Larven, die eine Verwandlung
durchmachen, ehe jie zum reifen Bandiwurm werden. Im Zufammenhang mit ihrer Xebens-
mweije im Darm anderer Tiere, wo fie ftändig von einem mehr oder weniger fertig verdsuten
Speijebrei umgeben jind, Haben die Bandwürmer die Aufnahme der Nahrung durch den
Mund mit der unmwillfürlihen Aufjaugung durch die Haut, DSmofe, vertaufcht. Und fo it
e3 denn gekommen, daß der Darmfanal nicht nur nach und nad) außer Dienft gejebt wurde,
ondern daß er vollitändig gejchwunden ift. Mit dem Darm fehlt den Bandwirmern
natürhch auch die Mundöffnung.
320 Würmer: Blattwürmer.
63 ift jedermann geläufig, an dem Bandmwurm, wie er im Menjchen und in vielen
Tieren ich aufhält, ven „Kopf“ (Sfoler) mit einem furzen, favdenförmigen „Halje” und
die „Slieder” (Broglottiden) zu unterjcheiden. Der Kopf des Bandmwurmes trägt bei einer
Abteilung von Arten auf einem Heinen rüffelartigen Vorjprunge, dem Noftellum, einen
Kranz von Hafen, die ihm natürlich zur größeren Sicherung und Befejtigung im Darme
jeines unfreiwilligen ajtgeber3 dienen. Man würde jedoc) jehr irren, zu meinen, daß die
nicht mit dem Hafenfranz verjehenen Arten darum weniger hartnäcig jind. Den beiten
Beleg dazu gibt der Hafenloje Bandwurm des Menjchen, die Taenia saginata, der man
im allgemeinen jtärfer zujegen muß, um fie „abzutreiben‘, als der bejtachelten Taenıa
solium. Die meijten Bandwürmer bejigen nämlic) am Sfoler jederjeits zivei, im ganzen
aljo vier über Kreuz gejtellte Sauggruben bzw. Saugnäpfe, deren Anordnung und Ge-
Italt jehr verjchtevenartig ilt.
Auf den Hals folgen die jogenannten „Ölieder”. Die unmittelbar am Halfe jfihenden
jind faum andeutungsweije voneinander getrennt, jte jcheiven jich, je mehr jie jich entfernen,
immer jchärfer und Hängen am Ende des „Bandwurmes”, mo jie, wie man jagt, „reif“
werden, nur nocd) loje aneinander, jo daß jie einzeln oder auch zu zweien und dreien ver-
bunden aus dem Wirte ausgejtogen werden. Seder, der den Bandwurm aus eigener
Erfahrung fennt, weiß, daß alles Abtreiben des Tieres nichts hilft, folange der „Kopf“, der
die ganze Kette aufs neue jprojjen läßt, nicht zum Borjchein gefommen it. Shrer Ent-
jtehungsweije nach Jind aljo die lebten Glieder die jeweils ältejten, die mittleren der Slette
jünger und die dicht Hinter dem Hals folgenden, noch wenig gejonderten, die jüngiten. Sr
dem Maße, wie jich die alten Ölieder hinten ablöfen, werden porn immer wieder neue gebildet.
Sn jedem Öliede findet jich ein vollitändiger Fortpflanzungsapparat (bei ganz wenigen
Sormen jind e3 jogar deren zivet), der jehr verwidelt gebaut ift und außer männlichen und
weiblichen Kteimjtöden jomwie Dotterjftöden noch einen bejonderen Abjchnitt zum YFertig-
itellen der Gier, jowie den Fruchthalter und die Ausjführgänge jedes Gejchlechts mit den
dazugehörigen Begattungsorganen enthält. Diejer ganze Apparat erinnert durchaus an den
der Trematoden. Man fann nun an einer foldhen Bandwurmfette beim Durchmuftern der
einzelnen Glieder, vom Kopfende nach Hinten weiterjchreitend, beobachten, wie dieje Fort-
Pflanzungsorgane in den jüngjten Gliedern noch gar nicht nachzumeijen find, wie fie in den
darauffolgenden jich allmählich entwiceln, in den mittleren fertig ausgebildet werden, und
wie die Keimzellen in ihnen entjtehen und heranreifen. Jn den ältejten Broglottiven end-
ich jind dann reife Steimzellen, vor allem gewaltige Mafjen von Ciern vorhanden.
Dieje Tatjache, daß jich in der ganzen Kette ein Drganjyitem ftändig in der gleichen
Weije wiederholt, hatte zu der Auffaljung geführt, da man in jedem Ölicde ein Durch
Snojpung, aljo auf ungeschlechtlichem Wege, erzeugtes einzelnes Sndividuum zu jehen hätte.
Dieje Meinung wurde durch die Tatfache beftärkt, daß die fich ablöjenden Glieder nicht nur
einige Zeit mweiterzuleben vermögen, jondern jogar felbjtändige Bewegungen ausführen.
Als Folge einer jolhen Anjchauung ergab fich dann, daß auch hier bei den Ceftoden ein
ähnlicher Generationsmwechjel, wie wir ihn an den Trematoden Fennengelernt haben, vor-
liegen müßte, indem eine gejchlechtlich erzeugte, jelbjt ungefchlechtliche Form (die Larve
und der aus ihr herborgehende Stopf) eine Neihe von Gejchlechtstieren (die Glieder) un-
gejchlechtlich erzeuge, daß aljo der ganze Bandwurm einen Tierftoe darftelle, wie wir folche
bei den Hohltieren in mancherlei Form treffen.
neuerer Zeit Haben fich aber die Stimmen gemehrt, welche in der Bandwurmtette
BEER ee al u 2
Bandmwürmer. 2
nur ein einziges Tierindividuunt jeden wollen, in dem fich die Gefchlecht3organe
mehrfach wiederholen, tie toir e3 bereits bei einigen Strudelmürmern amgedeutet fanden.
Gegen die Auffaljung, die Glieder al8 Einzelindividuen zu deuten, fpricht nämlich eine
Tatjache: jotwohl die Nervenftämme tie auch die zwei oder vier Wafjergefüß- Längs-
jtämme, in die, wie bei ven Strudel- und Saugwürmern, furze, an ihrem blinden Ende
mit einer „Wimpelfadel” verjehene Geitenfanäle einmünden, durchziehen einheitlich die
ganze Kette von born bis hinten. Allerdings find die Seitenfanäle am Sinterrande jedes
Ofiedes durch einen Duerfanal verbunden. Sit der Bandiwurm wirklich ein einziges Imdi-
bivuum, jo findet bei ihm natürlich auch Fein Generationsmwechjel ftatt. Diefe legtere An-
jicht findet nun ihre Stüße in dem Vorfommen einer Anzahl von Bandwürmern, die feine
äußere Gliederung zeigen und vollends von jolchen, bei denen die Fortpflanzungsorgane
nur in einer einzigen Auflage vorhanden find. Dieje Formen find es, mwelche die er-
mähnten Übergänge zu den Saugwürmern darftellen.
Betrachten wir nıım den Entwidelungslauf eines typiichen Bandiwurmes noch etwas ge-
nauer. Man jieht (vgl. die Abbildung auf ©. 227) in den platten, reifen Bandiwurmgliedern
gewöhnlich jchon mit blogem Auge den Eihalter, der aus einem mittleren Stamme und nad)
beiden Seiten abgehenden, unregelmäßigen Äften befteht. Diejes Organ ift dicht mit Eiern
erfüllt. Durch deren dide, oft Doppelte Schale erfennt man ein Fleines, fugeliges Wejen, das
mit drei Baar Häkchen bewaffnet ift. Wenn jemand, mit der Kenntnis der Enttwidelungs-
geichichte der übrigen Eingemweidewürmer ausgerüftet, an die ihm bisher unbefannten Band-
wiürmer fäme, er würde aus der Feitigfeit der Eihüllen, der Bewaffnung der Embryonen und
aus der Beobachtung, daß dieje Eier majjenhaft in Freie gelangen, den Berdacht Ichöpfen,
daß auch die Bandwurmeier allen Unbildender Witterung, der Näffe und Trodenheit, der Be-
rührung mit gärenden und faulenden Stoffen ausgejegt fein fönnen, ohne ihre Entrwicelungs-
fähigfeit einzubüßen, daß jie bejtimmt jind, Durch einen jener taufend möglichen Zufälle in
ein Tier zu geraten, daß dann der Embryo frei wird und jich in jeinem Wirte nach einem be-
jtimmten Organ begibt. ©o ift es auch. Sm den Kreis diefer Entwidelung, zu der die ein-
gemwanderte, jechshafige Yarve, Die Oncosphaera (Hafenfugel, |. Abb., ©. 226), fortichreitet,
gehören num jene Zujtände und Formen, die man faft ein Jahrhundert hindurch unter dem
Namen der „Blajenmwinrmer”, Cystici, als jelbjtändige Tiergattungen im Syitem verzeichnet
hatte, die auch dem Laien befannten Finnen und Duefen (j. Wbb., ©. 222 und 223). Blafenmwiür-
mer nannte man Sie, weil ihr Leib blafenförmig durch eine wäfjerige Füffigfeit aufgetrieben
ift, und über ihre fehr nahe Bertwandtfchaft mit den Bandiviirmern gab die oberflächlichite
Bergleihung ihrer Köpfe längit Aufjchluß, die eben nichts anderes als wahre Bandwurmföpfe
jind. As man vor etlichen 60 Jahren anfing, den Wanderungen der parafitiichen Würmer
auf die Spur zu fommen, vermutete man, die jo offenbar mit den Bandwiürmern verfetteten
Blajenmwiirmer jeien nichts anderes als verirrte, auf ihrer Wanderung in unrechte Organe ge-
langte und dort Frank und wajjerfüchtig gewordene Individuen. Die Finnen (Cysticercus)
aljo, die befannteiten aller, jeien ftatt in den Darnıfanal in das Tleifch gelangt, vo fie eigent-
lich ein recht elendes Dajein führten und ihren Lebenzziwed vollftändig verfehlten.
E3 ift das Verdienit Kiichenmeilters, die Trage über das Verhältnis der Blajenmwiür-
mer zu den Bandmwürmern in das rechte Geleife gebracht und durch überzeugende Nachweije
und Berfuche dahın entjchieden zu haben, daß die Blafenwurmform der regelrechte, einer
ganzen Reihe von Bandmwürmern eigentümliche Entwidelungszuftand jei. Daß Mißgriffe,
zum Teil tragifomifcher Natur, unterliefen, ift nicht zu verwundern. Als Küchenmeifter auf der
222 Würmer: Blattwürmer.
Naturforfcherverfammlung in Gotha im Jahre 1851 mit dem Zanatismus der Überzeugung
feine Theorie vorirug, nachdem es idm jchon wiederholt gelungen war, die Sinne des Sta-
ninchens im Darme des Hundes zu einem jchönen Bandwurm zu erziehen, exbot er jich zu
demjelben Verfuch während der Tage der Berfammlung. Kaninchenfinnen waren da —
aber fein Hund. Küchenmeifter meinte, e3 würde wohl auch mit einer Kate gehen, und
einen ungeheuren, jehr ftörrifchen Kater in einem Sade, begab man ich in einen Steller Des
Theaters, defjen Räume den Naturforjchern zur Verfügung ftanden, um diefem Sater die
Finmen beizubringen. Der Kater hatte eine Ahnung, daß er nicht der rechte Wirt fei; er
fraßte, biß und jpucte wiederholt die Finnen aus, die man ihm ins Maul jtedie. Endlich
gelang die gewwaltfame Fütterung; nach zwei Tagen wurde das Dpfer der Wiljenjchaft ge-
ichlachtet, aber von Finnen und beginnenden Bandiwürmern feine Spur in ihm gefunden.
; Natürlich tat Diefer unbedeutende
| Bwifchenfall dem Fortjehritte der
richtigen Erkenntnis Ddiejer Ver-
hältnijje feinen Eintrag. Man
lah eben ein, daß gewille Finnen
nur in gewiljen Tieren ihre Aus-
bidungzumBandmwurm erlangen.
Die dur Küchenmetiter an-
geregten VBerjuche, welche die in
der Natur mehr vder weniger vem
Zufall anheimgegebenen Bor-
gänge unter die Kontrolle und
eitung des Beobachters stellten,
masse 5 En en = wurden nun Hundertjältig nac)
kung 12° % "Der ee ne Blafe zügenbe Kopfzapfen in Tängs a beiden Nichtungen hin fortgejegt.
Ihnitten. Dan fieht, baß N Bu ft, und erkennt Sau (Simal galt es, fich zu itber-
zeugen, in dem Darme welches
Tieres jich der in einem anderen Tiere lebende Blafenwurm zur Bandivurmfette erhebt,
und umgefehrt Hatte man den Weg zu erforjchen, den die jechShafigen Larven bis zur Ver-
wandlung in die Blafenwurmform durchmachen. Jm Freien fommen die in den Eiern
eingejchlojjenen Jungen nicht aus. Dieje Eier müfjen vielmehr in den Magen eines be-
Itimmten Tieres, 3. B. die Eier des Kabenbandwurmes in den Magen der Maus, die eines
der Hundebandwiürmer in ven Magen des Staninchens oder Hafen fommen, um hier unter
dem Einfluß der Magenjäure binnen wenigen Stunden jich zu öffrten und den jechshatigen
Embryo ausjchlüpfen zu lafjen. Dieje nunmehr freien Larven machen fich aber jehr bald
auf die Wanderung, dDurchbohren die Magenwände und gelangen nach und nach in die ver-
jchiedenen Organe, wo eine Umwandlung mit ihnen vorgehen foll. Am Häufigiten ijt das
Ziel der Wanderung die Leber. Einzelne dringen bis in die Sinochen, und 3. B. Die Queje
der Schafe dringt regelmäßig bis in da3 Gehirn vor. Am Ziele angefommen, umgibt jic
das winzige Tierchen, nachdem eS die nunmehr unnüß gewordenen Hafen abgemworfen, mit
einer Stapel, in der e3 ungefähr Yıo mm mißt. E3 ift damit in eine zweite Xebensperiode
getreten, in der es zum jogenannten Blafenwurm fich umbildet. Jm Snneren des rund-
lichen Störpers fammelt fich eine Flüffigkeit, wodurch der Körper mehr und mehr zu einer
DBlaje aufgetrieben wird, auf deren Wand ein Neb twallerflaxer Gefäße fich entwickelt.
Bandmwürmer, 29
Bald zeigt ji), nach dem Snneren der Blafe ragend, ein Zapfen, die Unlage des
Bandwurmfopfes. Diejer ift von augen her Hohl; man Tann fich ihn aljo vergegen-
märtigen Durch einen in die Fauft des Handjchuhes eingeftülpten Handjchuhfinger. Sn der
Höhlung, an der Fingerjpige, wenn mir beim Bilde bleiben wollen, liegen die Saugnäpfe
und der Gtacdhelftanz, jo daß aljo beim Ausftülpen diefe Teile nach außen treten und die
itarfen Wände des einmwärts gefehrten Zapfens dann den Wurmförper bilden. Wird nun
diejes Gebilde umgejtülpt, was jedoch jelten an dem Aufenthaltsorte der Finnen gejchieht, jo
beiteht es aus dem Banpwurmfopfe mit dem ungegliederten, aber oft gerungelten Halfe und
der daran hängenden Blaje. Bet einigen Arten hat e3 aber nicht jein Bemwenden mit der Bil-
dung nur eines Bandwurmfopfes an der Dlaje; es fünnen zahlreiche Kopffnojpen entitehen,
oder auch nur DBlajen ich bilden, deren jede Köpfe hervorbringt. Wir werden dieje Erzeugun-
gen, bon denen man die eriterein al3 Coenurus, die leßteren al3 Echinococcus bezeichnet, bei
den betreffenden Arten näher ins Auge faljen. Sn dem Blajenwurm-
zujtand verharrt der Wire jo lange, al er an der Bildungsftätte der
‚Blaje bleiben muß. Die Finne des Schweines geht in ven Musfeln,
two fie fich aufhält, durchaus feine weiteren Veränderungen ein. Die
Sinne des Kaniıchens in der Leber oder im Gefröje erfüllt ihre eigne
Lebensaufgabe nicht, wenn das Staninchen eines natürlichen Todes
jtirbt. Wird aber das infizierte und von der Marktpolizei nicht be-
anitandete Schweinefleijch roh oder jehr unvollfommen zubereitet vom
Menjchen genofjen, wandert das Kaninchen in den Magen eines Hun-
des, die ebenjall3 mit einem eignen Blajenwurnt gejegnete Maus in zuunevonTaaniaso-
den Magen einer Kate, jo findet nın der Übergang des Blajen- een ee
wurms in den eigentlihen Bandwurm ftatt. Die erite Ver- geößerung 4:1.
änverung 1jt das völlige Hervortreten des Kopfes, der jehr bald die
zweite, das Abfallen der Schwanzblaje, folgt, die einfach) vom Wirte verbaut wird. Der
Kopf mit jenem Halje gleitet nun aus dem Magen des Wohntieres bis zu einer gewiljen
Stelle des Darmıfanales hinab, wo ex fich anheftet und die einzelnen Glieder der Reihe
nach aus fich herborbringt.
Wir treffen aljo, um die NReihenfolge nochmals kurz zufammenzufafjen, im Leben
des Bandwurmes nacheinander auf drei mit wiederholtem Wohnungswechjel verbundene
Zuftände: den jehshafigen Embryo im Freien, den Blafenwurm mit dem Band-
wurmlopf im Zmwilchenmwirt, den freigewordenen Kopf mit der aus ihn: herborgehenden
und gejchlechtzreif werdenden Gliederfette im Endwirt.
Naturgemäß ift das Leben, das ein jolcher Innenfchmaroger im Darın jeines Wirtes
führt, ein vecht einförmiges, doch liegen die Tiere nicht völlig vegungslos an ihrem Drk.
Braum berichtet hierüber: „Vielfach jtellt man jich die Cejtoden als ziemlich träge Tiere vor,
wozu man durch ihr Verhalten in erfalteten Leichen von Warmblütern verleitet wird; in
Wirklichkeit find die Wiirmer aber recht agil und vollführen im Darm aud) Ortsbewegungen,
da jie auch-in mit dem Darm fommumizierende Gänge oder in ven Magen und jelbjt in ven
Diophagus vordringen.”
Koliten, Magenträmpfe, Erbrechen, Gefühl von Bewegungen im Unterleib, Schwindel
und epileptiihe Zufälle, Blutarmut und Abmagerung jind vielfach die Anzeichen für die
Anmejenheit eines Bandwurmes. Zum Teil werden diefe Bejchwerden natürlich durch die
Entziehung von Nabrunasitoffen durch den Schmaroger veranlaßt, zum Teil vermutlich aber
Würmer: Plattwürmer.
auch duch fehädliche Säfte, die das Tier im Verlauf jeines Stojfwechjels abjcheidet. m
allgemeinen jedoch verurjachen die Bandmürmer ihrem Träger Teinerlei größere Bejchtver-
den, jo daß es nicht verwunderlich ift, mern ihre Anmejenheit meilt erjt beim Abgang größerer
Mengen von reifen Gliedern bemerkt wird.
Yl3 Endwirte der etwa 500, auf ungefähr 80 Gattungen lan Bandwurmarten,
die man fennt, fommen beinahe nur Wirbeltiere in Betracht, bei denen vieje Schmaroßer
faft immer im Dünndarm ich aufhalten. Ye nach den Arten ift die Lebensdauer der Band-
mwürmer eine berjchiedene. Dft beträgt jie nur ein Jahr, bei
manchen gormen (3. Bd. Ligula) nur wenige Tage, bei den großen
Bandwürmern des Menjchen häufig viele Sahre; ja man fennt
einige Fälle, in denen jie bis zu 35 Jahre alt wurden. Auch die
eingefapielten Sinnen leben oft jehr viele Jahre. ©o find Uugen-
finnen von Taenia solium, wie Braun angibt, biS zu 20 Jahren,
Hiunfinnen 10—19 Jahre lang lebend beobachtet worden.
Doch lajjen wir jest einige der wichtigiten Vertreter der
Sippe an unjeren Augen vorüberziehen.
Der erjte Bandiwurm, dem wir ung zuwenden, ijt der Nelfen-
wurm, Caryophyllaeus mutabilis Rudolph, aus der Yamilie der
Caryophyllaeidae. ®iejer bis zu 2 cm lange Cejtode Hat
einen lauggeftrecdten Körper, der jich nach vorn zu allmählich ver-
jüngt und einen wieder etivas verbreiterten Kopf trägt. Er heftet
ih an die Darmwand Farpfenartiger Fiiche (CHpriniden), in
denen er |chmarogt, mit Hilfe von Falten am Nande jeines Kopfes
an, welche die fehlenden eigentlichen Sauggruben und Hafen er-
jeen und dem VBorderende das Ausjehen einer Nelfenblüte ver-
leihen; diefem Umftande verdanft das Tier jeinen Namen. Der
Caryophyllaeus mutabi-
lis Rudolph. Nah Schulte
und Will aus NR. Hertmwig,
„Lehrbuch der Zoologie”. k Kopf
mit den fettlichen Falten, t Ho=
den, df Samenleiter, vs Sament=
behälter, ps Penis, vi Dotter=
ftöde, dv Dottergänge, ov Eierz
ftöde, ut Sruchthalter, rs Ccheide.
Rurem ift völlig ungegliedert und bejibt auch den Fortpflanzungs-
apparat nır in der Einzahl. Über feine Entmwicelung find mir
noch jehr im unflaren, doch it als Ziwilchenwirt mit ziemlicher
Beltimmtheit ein Heiner, im Süßmwajjer weitverbreiteter Ningel-
wurm, Tubifex, erfannt worden.
Zu derjelben Samilie gehört ein anderer, wohl noch primi-
tiverer Bandwurm, Archigetes appendiculatus Ratz. (Abb., ©.225)
ebenfalls ungegliedert und mit einfachem ©ejchlechtsapparat. Am VBorderende trägt er
auf der Bruftjeite ein paar Sauggruben, am Hinterende einen zylindrischen Schwanzandhang.
Da er jomit dem Jugenpdftadium der Saugmwürmer, der Zerfarie (©. 217), ähnlich jieht,
wollen manche in ihm einen gejchlechtsreif gewordenen Larvenzuftand erbliefen, Auf ein
tpirklich urjprüngliches Berhalten deutet auch die Tatjache hin, daß diejes Tier feinen Zivi-
Ichenmwirt zu haben jcheint, wenigitens findet man e3 gejchlechtsreif in der Leibeshöhle von.
Zirbellofen, und zwar wieder von Heinen Ningelwürmern, Tubifex, Limnodrilus, vor.
63 gibt noch einfachere, noch mehr den Trematoden ähnliche Bandmwirrmer, bei denen.
auch der jonft vorhandene Kopfabjchnitt völlig fehlt. Man ftellt diefe Tiere meift in einer
bejonderen Gruppe, Cestodaria, den anderen echten Bandwürmern gegenüber. Wir
Bandmiürner. 225
wollen von diejen hier nur Amphilina foliacea Rudolph aus der Leibeshöhle des Störs
erwähnen. Diejer Barajit Hat noch die breite blattähnliche Geitalt eines Saugmwurmes.
Schon zahlreich wiederholen jich die Gejchlechtsorgane in dem äußerlich noch nicht
deutlich gegliederten Körper der Arten der Gattung Ligula, die äußert jchänliche Filch-
patajiten jind und die niederiten Angehörigen der Familie der Grubenföpfe oder Dibothrio-
cephalidae daritellen; dieje verdanken ihren Namen zwei länglichen, tiefen Sauggruben an
den Seiten des abgeplatteten Kopfes. Al einen Vertreter diejer Gattung lernen wir den
bis zu 30 cm langen Riemenmwurm, Ligula simplieissima Rudolph, fennen,
der ftelfenweife häufig auftritt. Er war e8 3. B. in den beiden Seen der Graf-
Ihaft Manzfeld, dem Süßen und dem (jet verjchwundenen) Salzigen. „Bon
viejem Schmaroger finden fich”, jchreibt Marfhall, „bisweilen in der Leibes-
höhle eines einzigen unglüdlichen Fijches bis 15 Stüd, jo daß die Eingeweide
und die Nüdenmusfulatur ganz zufammengepreßt werden, der Bauch jelbit
aber jehr aufgetrieben erjcheint. Die Sijcher erfennen die infizierten Tiere
an dem ‚jpiben Kopf‘, tie fie jagen, d. h. eigentlich an dem aufgetriebenen
Numpf, denn der Kopf ift nur relativ, nicht abjolut jpiber als bei gejunden
Cremplaren. Sie bringen folche Fiiche nicht auf den Markt, fondern werfen
jie weg... Sn einigen Gegenden Staliens freilich, wo der Wurm gleich-
falls häufig it, find die Leute praftifcher, jte verjpeijen zum Fijch die Para-
jiten al3 Maecheroni friatti und danken dem lieben Gott für die jo überaus
bequeme Einrichtung, die ihnen Hauptichüfjel und Zufoft mit einem Male
gewährt. Wie fommen diefe Würmer in die Fiiche? E3 find feine gejchlechts-
reifen Tiere, die finden ich in Waffernögeln, und aus diefen gelangen die Gier
des Parafiten mit dem Kot in das Wafjer, wo, nach aller Analogie, der Em-
bryo ausfriecht, in den Darm eines Filches aktiv oder pajjid Durch das Maul
oder durch die Kiemenöffnungen eintwandert, die Wandung des Nahrung Ayyenaien
vohres dDurchbohrend in die Keibeshöhle einpringt, hier mwächit und beinahe Die ne
Gejchlechtsreife erreicht. Der infizierte Fiich erfrankt an chronijcher Perito- art, „Die Pa-
nitis, d.h. Entzündung des Bauchfelles, verliert jeine Schuppen, wird immer aan 2
unbehilfficher in feinen Bewegungen, treibt auf der Oberfläche des Waljers
und wird zu feinem Verderben, aber zur Wohlfahrt feines Paraliten, vor allen Genoffen
eine leichtere Beute fifchender Vögel, in denen die mitgefrejjene Wurmlarve in jehr kurzer
Zeit die volle Gejchlechtsreife erreicht, Eier produziert und jo den Zyklus der Entwidelung
aufs neue einleitet.‘
Vier dreizadige Haken am Kopf des ungegliederten Körpers bejitt Triaenophorus no-
dulosus Pall., der gejchlechtsreif im Darm von Raubfifchen, al3 Finne dagegen in deren
Heinen Beutefijchen lebt.
Zu den Grubentöpfen gehört auch Schistocephalus nodosus Blanchard, der in un-
. bollfommenem Zuftande in der Leibeshöhle der gemeinen Stichlinge ji) findet. Ex ver-
anlaßt das Abfterben der Fiichchen, gelangt dann ins Wafjer und wird im Darm bon
Schwimm- und Watvögeln, die ihn freifen, gejchlechtsreif. Seine Nadhlommenjchaft su
wieder mit dem Kot ins Wafjer und von da in den Stichling.
Einen der drei großen, für uns Menfchen wichtigen Bandwürmer enthält die Gattung
Dibothriocephalus, nach der die ganze Familie benannt worden it. Der betreffende
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 15
296 Würmer: Plattwürmer.
Schmaroger ift ver Menjichen-Grubenfopf oder Breite Bandmwurm, Dibothriocepha-
lus latus Z. Kein anderer menjchlider Bandivurm erreicht feine Länge, nämlich 5—9 m,
mit 3000—4200 Furzen und breiten Glievern. Der Kopf it feulenförmig, 1 mm lang und
1, mm breit. Wie bei allen Angehörigen der Familie der Grubenföpfe minden die Ge-
ichlechtSausführgänge in der Mitte der Bauchfeite der einzelnen Glieder aus, und in den
reifen Gliedern unjeres breiten Bandivurmes legt jich der jchlauchförmige, fie) mit dem
Wachjen der Eierzahl immer mehr verlängernde Eihalter in eine Anzahl von Schlingen, die
zujammen eine rojettenfürmige Figur bilden, die man fchon mit bloßem Yuge durch die
einzelnen ©liever Hindurchichimmern jieht (j. Abb., ©. 227, Fig. e), und die Pallas ihrer
Annlichfeit wegen nicht mit Unrecht eine „Wappentilie” genannt hat.
| Über das Vorkommen diejes Schmarogers jagt Braun: „Der Breite Bandwurm ift in
einigen Bezirken ein häufiger Barafit des Menjchen, fommt aber auch im Haushunde, jelten
Fer _ in der Hausfage und im Fuchs vor. Zen-
tren der Verbreitung find Die franzöjiiche
Schweiz und die baltifchen Provinzen Ruß-
lands; von eriterer jtrahlt die Verbreitung
nac) Frankreich und Stalten aus, bon den
Ditfeepropinzen über Sngermanland nad)
Petersburg, über Finnland nach Schwe-
ven, jüdlich nach Polen und ins rufjijche
Neich bis über Diejes hinaus nach Au-
mänten und weitlich an der Ditjeefitite ent-
lang nach der Nordjee, mo allerdings die
Häufigkeit jehr abnimmt. In Turkeitan
und Japan tft der Breite Bandwurm Der
häufigite Barafit beim Menfchen; in Afrifa
wird er aus der Umgebung des Ngami-
SE enerfurge On aore) von ee Gee3 aus dem Hochlande bon Angola umd
en Z ee. Im Innern. Na) aus Madagaskar gemeldet, in Nordamerifa
ind mehrere Fälle zur Beobachtung ge-
langt, zum Teil allerdings eingejchleppte... Häufigkeit und Verbreitung haben jedoch nach-
meislich jtellenmweije abgenommen; am Anfang des 18. Fahrhundert3 war der Breite Band-
wurm in Paris vecht Häufig, heute fommt er dort nur eingejchleppt vor (Blanchard); auch in
Genf ift er, nach Zichoffe, feltener geworden (früher 10 Vrozent, jet nur noch 1 Vrozent).“
Nach den Unterfuchungen Brauns find Fijche die Ziwifchenmwirte des Schmarober2.
Diejem Forjcher gelang es, die Finnen des Grubenfopfes bei der Duappe (Lota lota) und
ganz bejonders beim Hecht aufzufinden und durch Verfüttern derfelben an Hunde und Haben
jomwie ducch Verabreichung an Menfchen (an drei Dorpater Studenten, welche fich freiwillig
dazu erboten hatten) bei den infizierten Individuen die Entwidelung zum ausgebildeten
Bandwurm nachzumeijen.
Die Zinne des Grubenfopfes ift fein „Blajenwurm”, fondern einfacher als ein folcher
gebaut. Sie ift jchon mwurmartig, vor allem mafjiv und trägt ihren bereits vorhandenen
Kopf eingezogen. Nach dem Übergang in den Endwirt braucht fie nur weiter zur Wurme-
fette auszumachjen. Man Hat derartige in der Familie der Grubenföpfe häufiger vor-
formmenden Finnen mit dem Namen „Plerozerfoiden“ belegt.
Bandmwürmer. 20u
Yus den Eiern des breiten Grubenfopfes, die eine jehr lange, je nach ven Witterungs-
berhältniffen und der Höhe der darüber befindlichen Wafjerfchicht |hwantende Enttoidelungs-
zeit von 3 Wochen bis 8 umd mehr Monaten haben, fehlüpfen runde, mit Yangen Flimmer-
haaren bededte Embryonen, die im Wafjer gleichfalls verhältnismäßig lange, bis zu einer
Woche, Iebend und beweglich bleiben. Was nun weiter mit diejen, die einen Stanz fräftiger,
an der vorderen Hälfte jichelfürmig gebogener Hafen bejigen, gejchieht, wifjfen wir nod) nicht.
Möglicherweife wandern fie unmittelbar in die betreffenden Filche, Die Träger der Finnen find,
ein, Durchbohren deren Darmimandung und gelangen in das Musfelfleijch; vielleicht juchen
jie aber exit noch einen anderen Zwijcheniwirt (ein Strebschen oder jonit ein Heineres Wajjer-
tier, vielleicht auch Feine ;
Sichchen) auf, in den fie jic)
einbohren umd ruhen, bis jte
bon einem Hecht oder einer
Duappe gefrejjen werden.
Bir fommen nun zu
der Samilie, der die beiden
anderen großen Bandmwir-
mer des Menfchen ange-
hören. Das Jind die Tae-
niidae. Am längiten und
genaueiten ift von Diejen
Taenıa solum Z., der be-
waffnete Bandwırm,
befannt, der eine Länge von
2 bis über 3m erreicht. Der
Kopf (Fig.a der Abb.) gleicht
etwa dem Sinopfe einer mit- |
telgroßen Stedinadel. Crift ii
amade a
gerüftet und trägt auf dem
Roftellum einen doppelten Kranz von zweierlei Hafen, die fich durch ihre gedrungene Form
bon denen anderer Tänien, die man mit dem menschlichen Bandwurm in eine Art hat zu-
fammenzeihen wollen, gut unterjcheiden. Der Hals ift ungefähr 5—10 mm lang, und die
Zahl der die Kette bildenden unveifen und reifen Glieder beläuft fich auf 800— 900 und
mehr. Die Geftalt der Gfieder ift in den verjchiedenen Streden fehr verjihieden. Ext im
(eßten Teile des Wurmes nehmen fie eine entjchieden längliche Form an, indem zugleich
auch mit zunehmender Dice der Eifchalen der verzweigte Eihalter Ducchjcheint. Man braucht
nur ein folches reifes Gfied zu jehen (Fig. a unten), um mit Gewißheit jagen zu Tönnen, ob
das mit dem Bandwurm behaftete Sndividuum Die Taenia solium oder eine andere Art
beherbergt. Den Grubenföpfen gegenüber find die reifen Proglottiden der Tänien mehr
fang al3 breit und die Gejchlechtsausführgänge mit den Begattungsorganen münden nicht
auf der Fläche, fondern, wie man in der Abbildung deutlich jehen fan, am ande der
Glieder, unregelmäßig abtwechjelnd bald rechts, bald links. Außerdem hat der Eihalter eine
twejentlich andere Geftalt; ex füllt das ganze Glied aus und ist nicht rojettenfürmig, jondern
228 Würmer: PBlattwürmer.
beiteht aus einem mittleren Längsjtamm mit jeitlich davon abaehenden, lic) weiter ber-
zweigenden jten. Taenia solium hat jederjeit3 nicht mehr als ”—10 jolcher te zum
Unterjchiede von der Taenia saginata, die deren eine viel größere Anzahl aufmeift.
Daß der Menjch in die Erziehung diejes einen feiner Bandmürmer fich mit dem
Schweine teilt, ift eine jet wohl allgemein befannte Tatfache. Sie ift nicht nur durch die
Vergleichung der Hafen und anderer Kopfbeitandteile des Bandmwurmes mit denen der
Schtweinefinne, die man fchon lange als Cysticercus cellulosae fannte, jondern auch durch
zahlreiche, immer mit demjelben Erfolg wiederholte Berjuche ganz außer Zmeifel geitellt.
Nicht wenige Ferkel und Schweine wurden jeit den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts
geopfert, um, nachdem man ihnen eine Anzahl reifer Olieder der Taenia solium eingegeben,
ihe Sinnigwerden zu beobachten. Ungefähr 2,—4 Monate verjtreichen nach) dem Einführen
der Gier in das Schwein, bis die Finnen in den Musfeln ihre Entwidelung abgejchlojjen
haben. Außer im Schwein jollen auch noch in einigen anderen Tieren, Affe, Hund und
anderen, die Blafenmwürmer der Taenia solium gefunden worden fein. Ganz jicher ilt nur,
daß auch im Menschen felöft, wenn er durch irgendeinen Zufall die Eier verjchluct hat, die
Finnen fich regelmäßig in den Musteln entwiceln, außerdem aber auch im Herzen und
ziemlich oft im Auge und im Hirn vorfommen Fünnen.
Um ewißheit zu erlangen, daß im gegebenen Fall die Schweinefinne im Menfchen
zur Taenia solium werde, fonnte man unfreiwillig oder freiwillig Finnen verjchluden lajjen
und die Folgen beobachten. Die Liebe zur Wifjenfchaft beivog mehrere Zoologen, fich jelbit
als Berjuchsmenjchen aufs innigjte mit Finnen und Bandimurm zu befreunden. Won der
Einführung der Finne in den Magen bis zur Abjtoßung der N reifen Glieder jcheinen
3—31% Monate nötig zu jein.
Taenia solium lebt ausjchlieglich im Dünndarm des Menjchen und ijt noch bei feinem
anderen Säuger im ausgewachlenen Zuftande gefunden worden. Die Schweinefinne hat
die Geftalt einer elliptifchen Blafe von 6—20 mm Länge und 5—1Omm Breite. Den in ihr
enthaltenen Kopf farın man durch einen Drud auf die Blafe leicht zur Ausjtülpung bringen
(j. Abb., ©. 222 und 223). — Die Verbreitung des bewaffneten Bandivurmez entjpricht etiva
der des Hausichtweines und der Gewohnheit des Menjchen, dejjen Sleijch roh oder ungenügend
gefocht zu verjpeifen. So ilt er bei den das Schmweinefleijch meidenden Mohammedanern und
Suden nur jelten anzutreffen, ebenjo ijt er in Nordamerika nicht Häufig, twohl aber in einigen
Gegenden Deutjchlands, z.B. Thüringen, Braunichweig, Sacdjen, Hejjen, Weitfalen, doch
hat er auch da abgenommen, feit infolge der vorgeschriebenen allgemeinen Fleiichbejchau
finniges Fleifch gar nicht oder nur gut dDurchgefocht in den Handel gebracht werden darf.
63 wurde bereits erwähnt, daß auch eine Selbitinfeftion des Menjchen mit ven Ciern
dDiejes Bandiwurmes möglich it. Nicht nur von außen durch Unreinlichfeit und dergleichen
fönnen jolche mit dem Kot entleerte Gier durch den Mund in den Darmlanal gelangen,
jondern auch von einem im Snneren des Darmes jchmarogenden Bandwurn Fönnen infolge
eines Brechaftes Glieder oder einzelne Eier in den Magen hinaufbefördert werden, mo
dann.die Larven aus den Eihüllen ausjchlüpfen. Wir hörten jchon, daß Dieje jich danır vor
allem gern im Auge oder Gehirn einfapjeln.
Eine zweite den Menjchen bewohnende Art ift der Unbewaffnete oder Ninder-
bandiwurn, Taenia saginata Goeze (mediocanellata; f. die beigeheftete Tafel „Würmer“,
4), der bis zu 10 m, nach manchen Angaben gar 36 m lang wird und dider, jtärfer und
1. Leberegel, Fasciola hepatica Z. Vergr. 3:1. S. 214. Nach Photographie.
2. Asplanchna sieboldii Zeydig.
Vergr. 50:1. S. 246. Dr. E. Wagler phot.
3. Vorderende des Schwarzen Viel-
auges, Polycelis nigra Ehrbg. Vergr.
10:1. S.203. Dr. E. Wagler-Leipzig phot.
SUZBSURRERBagELR
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BErdE222
TERERDEEEBEEBBENUR ELITE En U BEHRENS Run En TuS Emun neun nawEnU nun
4. Rinderbandwurm, Taenia saginata |Goeze. 5. Spirographis spallanzanii Viviani. Verkleinert. S. 288.
Verkleinert. S. 228. Nach Photographie Dr. Joh. Schneider phot.
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- Bandwürmer. 229
beiveglicher als der andere ift, mit dem toir uns eben bejchäftigt Haben. Die beiden Würmer
find jehr leicht zu unterfcheiden, da der Kopf der. T. saginata den Hafenkranz entbehrt und
aljo nur die vier jehr fräftigen Saugnäpfe trägt (Fig. b, ©. 227). Aber auch jedes reife
Glied läßt eine fichere Beitimmung zu, da der Eihalter 20—35 dicht nebeneinander laufende
Geitenzweige hat. Die Verbreitung diejes Tieres jcheint mindejtens ebenjo groß mie Die der
anderen Art zu fein, ja es dürfte in dem Make, wie aus Trichinenfurcht der Genuß rohen
Schweinefleijches abgenommen, der rohen oder halbgaren Rindfleifches aber zugenommen
hat, in Deutjchland mwenigitens vergleichsweije häufiger geworden jein. Man mußte jchon
länger, daß die Abeffinier jehr von einem Bandwurm geplagt würden, und zivar nad) den
Berichten älterer und neuerer Neijenden infolge der Sitte, das Fleijch ihrer Ninder roh
zu genießen. Ürztliche Berichte, wonach Kinder nach dem Genith gejchabten Rindfleijches
mit dem Bandiwurm behaftet wurden, brachten Leucdart auf die Vermutung, die Finne der
Taenia saginata wohne in den Musfeln des Nindes, und die darauf angejtellten Berjuche
ergaben den Beweis dafür. Vor dem Genuß rohen Nindfleijches muß daher ebenjo nach-
driickfich wie vor dem des Schweineffeifches gewarnt werden. Die Finne diejes Band-
wourmes ift im Menjchen nur ganz jelten einmal beobachtet worden.
Bon den Bandmwürmern mit einem Blafenwurmzuftand gleich der Finne, nämlich dem,
wo die Blafe nur einen einzigen Bandwurmkopf Tnojpen läßt, find noch einige bei Hund
und Kabe vorfommende bejonders erwähnenswert. Die im Hunde gejchlechtsreif werdende
Taenia marginata Baisch, der geränderte Bandmwurm, ift zwar als jolcher dem Menjchen
nicht gefährlich, aber gelegentlich fommt feine fonft gewöhnlich im Net und in der Leber
der Wiederfäuer und Schweine lebende Finne, den älteren Shitematifern al3 Oysticercus
tenuicollis befannt, auch im Menfchen vor. Der häufigjte Bandwurm des Hundes ift aber
Taenia serrata Goeze, der gefägte Bandmwurm, ausgezeichnet durch eine Doppelte Reihe
größerer und Hleinerer Hafen. AS Blafenwurm lebt er im Hafen und Kaninchen. Die zahl-
lojen Berfuche, bei denen Hund und Kaninchen den Boden abgaben, auf dem Taenia serrata
erzogen wurde, haben vorzugsweije zur Aufhellung der Bandiwurmfrage beigetragen. Die
bei der Nabe gemeinfte Art ift Taenia crassicollis Rudolph, der dDikhaljige Bandwurm,
mit ftarfen Kopfe, Iinzem und didem Halfe. Die zugehörige Finne lebt in Dem Beutetier
der Kate, Der Maus.
Ein wegen feines Blajenwurmzuftandes jehr interejjanter und noch mehr beriichtigter
Bandwurm ift die auch ausjchlieglich im Hunde gejchlechtsreif werdende Taenia coenurus
Sieb., der Duejenbandwurm. Wir fennen diefe Stufe erft jeit der Zeit, alS die Band-
winmunterjuchungen toifienjchaftlich in Gang Tamen. Längjt aber ift der Vlajenwurm-
zuftand al Queje oder Drehtwurm (Coenurus) befannt, der, im Gehirn der Schafe fi)
aufhaltend, die Drehtrankheit diefer Tiere verurfacht. Man hat den Verlauf der SKranl-
heit natürlich auch durch den Verfuch feitgeftellt. Bei den Schafen, denen man die betreffen-
den Eier eingegeben, zeigen fich nach 17 Tagen die erjten Anzeichen der Drehfrankheit. Man
findet dann in ihrem Gehirn jchon die Keinen, erbjengroßen Bläschen, zu denen die jechs-
hafigen Embryonen geworden find. €3 entteht aber an diefen Blafen nicht bloß, wie bei
der Finne, ein einziger Bandwurmlopf, fondern gleich eine Gruppe von dreien oder vieren,
bald aber mehr und mehr, indem teils an anderen Etellen der Blaje andere Gruppen herbor-
mwachjen, teil unter Ausdehnung der Blafe neue Köpfe zwijchen den älteren jprojjen, jo daß
ihre Anzahl sich jchlieglich auf mehrere Hundert belaufen fann. Der Drud und Reiz, den
230 Würmer: Blattwürmer.
der Blajenwurm auf jeine Umgebung ausübt, verurjacht jene Entzündungen und Ent-
artungen des Gehirnz, die jich, außer auf andere WWeife, in dem Drehen der Schafe äußern
und mit deren Tode endigen. Der Ausbreitung und der Wiederfehr der Krankheit fann
natürlich nur dadurch einigermaßen vorgebeugt werden, daß mwenigitens die Köpfe der ge-
fallenen oder getöteten Schafe jorgfältig vergraben und den Hunden unzugänglich gemacht
werden. Die Auflöfung der Drehmwurmblaje geht im Magen des Hundes jehr rajch vor jich,
alle Köpfchen werden frei, jedes gründet eine Stettenfolonie, und aus dem einen Ci, das
zum Drehwurm jich entiwidelte, it am Schluß der Bandwurmentwidehrmg eine vieltaujend-
fältige Nachfommenjchaft hervorgegangen.
Ein zwar nicht Häufiger, aber unter Umftänden Höchit gefährlicher, den Tod herbei-
führender Schmaroger des Menjchen und einiger Tiere (Wiederfäuer, Schweine, Affen)
ist der jogenannte Hülfenwurm (Echinococeus der älteren Shitematik), die Blajenwurm-
5 form eines gleichfalls im Hunde lebenden Band-
jpurmes, der Taenia echinococceus Sieb. Diejer ift jo
Hein, faum etwas über 4 mm lang und 1; mm breit,
daß er den früheren Beobachtern entging und eben-
falls exit Durch neuere Unterfuchungen der Lebens-
verhältnifje der Blajenwiimer ordentlich entdeckt
wurde. Er weicht auch darin von den übrigen Tä-
nien Höchit auffallend ab, daß er jchon im dritten
Sliede gejchlechtsreif wird, welches lebte Glied jo
Hülfenwurm, Taenia echinoooceus Sieb. Ir lang ift wie die beiden eriten famt dem Kopfe. Die
größert. a) der Bandwuru, b) ein Stüd aus
der Wand de3 Hülfenwurmes mit einer Brut- aus dem jechshaligen Embryo herborgehende Blaje
Fapfel. Aır diefer außen die entftehenden, time iit nun ebenfalls, mie Die Drehmwurmblaje, Die Brut-
die fertigen Bandwurnköpfe.
jtätte jehr vieler Köpfchen. Dieje entjtehen aber nicht
unmittelbar auf der Wand der Blaje, jondern in bejonderen, aus diejer Wand herbor-
gehenden Brutfapjeln, auf deren Außenfläche die erite Anlage der Köpfchen unter der Form
eines hohlen Anhanges zur Entwidelung fommt. Diejer Hohle Zapfen jtülpt fich dann in
das Innere der Brutfapfeln, in die jchlieglich die Bandwurmköpfchen an dünnen Stielen
hineinhängen (Fig. b). Die einzelnen Brutfapjeln enthalten mitunter 12—15, jelten mehr
als 20 Köpfchen und Haben 1—11% mm im Durchmejjer. Ungemein verjchieden ift aber
die Größe der Echinococeus-Blaje, ehe jie Brutfapjeln herborbringt. Leudart beobachtete
dies bei einem Durchmeffer von 1 mm, andere fand er noch leer bei dem Umfang eines
Hühnereies. Neben diefen einfachen, eben bejchriebenen Hüljfenmwürmern fommt eine andere
Form, die zufammengejeßte, vor, in welchem Falle neue, jogenannte Tohhterblajen, ji)
bilden, entweder nach außen Hin oder nach innen, jo daß dann die urjprüngliche Blaje eine
ganze Nachfommenjchaft ihr gleicher Blajen einichließt. Nicht jelten wird die Entwidelung
hiermit abgebrochen, indent weder an der Mutter- noch an den Tochterblajen Brutfapjeln mit
Köpfchen entjtehen. Das ganze Gebilde macht dann am mwenigjten den Eindrud eines tie-
viichen, parafitischen Körpers, jondern fieht wie eine bloße Waljergeihwulit (Hydatide) aus.
Unter den menjchlichen Schmarogern, heißt es bei Teudart, ijt fein zweiter, der jic)
durch die Mannigfaltigfeit eines Vorfommens mit dem Hülfennöurm vergleichen ließe. Cs
üt faum ein Teil de3 menfchlichen Körpers, der ihm nicht gelegentlich zum Wohnorte diente.
Spgar die Sinochen werden bisweilen von ihm heimgejucht. Aber nicht alle dDiefe Organe
Bandmirmer. ie 231
beherbergen unjeren Wurm mit gleicher Häufigkeit. Das Zellgewebe zwifchen den Musteht,
das die Finne von Taenia solium mit bejonderer Vorliebe bewohnt, ift nur in jeltenen
Fällen der Sit des Echinococcus. Auch im Hirn und namentlich im Auge wird die Finne
ungleich häufiger gefunden als der Hülfenwurm, der dafür feinerfeit3 die von der gemeinen
Finne meift verfhmähten Eingemweide, und vor allen anderen namentlich die Qeber, auf-
jucht. Hier erreicht der Hülfenwurm nicht felten die Größe eines Kindstopfes. — Wahr-
icheinlich ift der Humd der einzige Träger de3 Echinocoecus-Bandiwurnes, der mit ihm wohl
über die ganze Erde verbreitetift. Auf yoland ift er eine furchtbare Blage, ebenfo in getwiljen
Teilen Auftralienz, in gypten, Kapland und Algerien und bei nomadijchen jibirifchen
Bölferichaften. Aber auch bei uns ift der Wurm durchaus nicht jelten und wird, bezeich-
nend genug, bei Mitgliedern vor Fleifcher- und Hirtenfamilten jowie bei älteren allein-
ftehenden Frauenzimmern, alfo bei Berjonen, die aus Beruf oder Liebhaberet viel und nahe
mit Hunden umgehen, am meijten gefunden. Wer fich von Hunden leden läßt, jchwebt
immer in Gefahr, ich mit dem fürrchterlichen Echinococeus zu infizieren.
Ein anderer, häufiger Schmaroger im Hundedarn ift dev Kürbisfernartige Banod-
wırem, Dipylidium caninum Z. (Taenia cucumerina), dejjen längliche, den Fortpflanzungs-
apparat in doppelter Auflage enthaltende reife Glieder abgejchrägte Eden bejigen, jo daß
fie infolgedeffen in ihrer Geftalt einem Gurfenfern ähneln. Diejer eine, nur bis 35 cm
lang werdende Bandmwurm, der jich außer bei Hunden auch nicht jelten in Stagen findet,
war zwar jchon von Linne aß Parafit des Menfchen bezeichnet worden, it aber exit in
neuerer Beit al ein verhältnismäßig gar nicht fo feltener Schmarober des Menjchen, und
atvar borwiegend der Kinder, erfannt worden, two er aber Faum Beichwerden verurjacht.
Geine Lebensgeichichte ift intereffant genug, da er jich al3 Jugendform bei den Läujen
und Flöhen der Hunde, vornehmlich beim Hundehaarling, Trichodectes canıs, findet, der
gelegentlich auch auf Rasen übergeht. Die Hunde machen eifrig Jagd auf ihr eltopara-
jitifches Ungeziefer, zerbeißen e3 und infizieren fich jo mit den Larven von Dipylidium,
die bei ihnen gejchlechtsreif werden. Die Eier gehen mit dem Stot ab, bleiben zum Teil
in dem Fell des Hundes Hängen und werden von der Trichodectes, die eine fauende und
feine ftechende und faugende Läufeart ift, gefreffen, ihr Darın wird von den frei getvordenen
Embryonen ducchbohrt, und diefe gelangen in die Leibeshöhle, too fie ruhen.
Bisher nur im Menfchen, und zwar auch wieder meift in Kindern, wurde der Kleine
Bandwurm, Hymenolepis nana Sieb. (Taenia nana), gefunden. Er erreicht eine Größe
bon ettva 4,5 cm, bleibt aber meift feiner, feine größte Breite beträgt nur 0,9 mm. Ant.
Kopfe hat er vier rumdliche Saugnäpfe und einen einfachen Kranz von 24—28 jehr Heinen
Häkchen. Die Glieder find ehr fchmal und erreichen die Zahl 200. Der Wurm ift in ver-
ichiedenen Ländern Europas, in Nord- und Südamerika, auf den Philippinen, in Siam
und Sapan beobachtet worden, bejonders Häufig ift er in Agypten und auf Sizilien. Jim
Segenjag zum vorigen fan ex ziemlich große Beschwerden hervorrufen, jo daß jeine Gegen-
wart, zumal da er immer in Mengen auftritt, fiir den damit belafteten Träger nicht un-
- bedenktich ift: epileptiiche Krämpfe, Gedächtnisichwäche, Heißhunger, jchlieklich vielleicht
fogar Gehienhautentzündung machen zufammen ein übles Srantheitsbild aus. Leider ijt die
Entwidelung diefes PBarafiten und damit auch die Art der Infektion noch ganz unbelannt.
" Der vorigen Form fehr nahe fteht Hymenolepis diminuta Rudolph (Taenia favo-
punctata), die 20—60 cm lang ift und 600—1000 Glieder aufweifen Far. Gie findet jid)
232 Würmer: Plattwürmer.
im Darm unferer Muriden, aljo der Haus- und Wanderratte und der Yausmaus, einige
Male wurde fie auch im Menjchen beobachtet. Ag Ziwijchenmwirte für die Finnen fommen
verjchiedene Snjekten in Betracht.
Davamme bejchrieb eine weitere Täntenart, Davainea else ses niye Davaine, die
bei Kreolenfindern zwijchen 16 Monaten und 2 Jahren auf der Injel Mayotte (Komoren)
angetroffen wurde, und Die man noch in einigen anderen vereinzelten Fällen, meijt bei
Kindern auf der Snjel Mauritius, in Bangfof und auf Madagaskar, gefunden hat. Snter-
ejjant ift, was toir bei Braun über die Art der Anjammlung der reifen Gier bei diejem
Wurm lejen: „Der Eihalter beiteht aus einer Anzahl von Röhren, die jederjeits in einem
fait fugeligen Ballen aufgerollt find; jmd fie mit Ciern gefüllt, danı entrolfen jich die
Windungen, durchleben das Glied und verlieren hierauf ihre Wandung; die frei im Baren-
chym Tiegenden Gier werden jchließlich zu eimem oder mehreren von jtark touchernden
Parenchymzellen umgeben; jo entjtehen die 300— 400 das ganze reife Glied einnehmenden
Gierballen.” Über die Finne und den Zwifchentmirt diefer 20—30 cm n lang werdenden Art
it nichts befannt.
Wieder einen doppelten Gejchlechtsapparat in jedem der bi 3 cm langen Slieder
ieift Moniezia expansa Rudolph auf, mit der wir unjere Betrachtungen über die Band-
würmer bejchliegen wollen. Dieje Art ift der häufigjte Bandwınm des Schafes, er findet
lich aber auch bei anderen Wiederfäuern, jo bei Rind, Ziege und Neh. Unter den Schafen
tritt er mitunter jo majjenhaft auf, daß er die jogenannte Bandiwurmjeuche erzeugt, Die
ih Durch Berdauungsitörungen, Abmagerung, Durchfälle und Bleichjucht Fundtut und den
Tod herbeiführen fann. Die Entiwidelung diejes längjten aller Bandiwürmer umnjerer Haus-
tiere, der weit iiber 10 m erreichen joll, ift auch wieder noch in Dunfel gehüllt.
Vierte Ordnung:
Schmurwirrmer (Nemertini).
Bon den Vertretern der drei anderen Ordnungen der Blattiwiirmer, die wir bisher
fennengelernt haben, unterjcheiden fi) Die Schnurmwürnmter oder Nemertini duch den
Bejit einer hinteren Darmausmündung und eines Blutgefähiyitems. Wenn auch einzelne
Foricher in ihnen wegen mancher Ähnlichkeiten im Bau rücgebildete Ringelwürmer jehen
möchten, jo hat man im Laufe der Zeit doch eine jolche Menge von Übereinftimmungen
‚in ihrem Bauplan mit dem der Strudel-, Saug- und Bandiwürmer aufgededt, daß eine
nähere Verwandtichaft mit diejen jicherzuftehen jcheint. Vermutlich ftammen die Schnur-
würmer mit den Strudelwirmern von gemeinjamen Ahnen ab, doch haben jich beide im
etwas anderer Richtung tweiterentwicelt, wobei aus Strudelwiirnern noch Die Trematoden
und aus Diejen die Kejtoden entitanden, während die Nemertinen einen bejonderen, ge-
wijjermaßen weiter ausgebildeten Seitenzweig des gemeinjamen Stammes Daritellen.
Die Schnurwürmer haben alle einen gejtredten, fait nie ganz flachen, jondern nur
an der Bauchjeite etwas abgeplatteten Körper, dejjen VBorderende nicht jelten als Kopf-
abjchnitt bejonders abgejegt ift und außer zwei zum Spüren dienenden Ginnesgruben bei
den meitaus meijten Arten zwei Gruppen von einfachen Sehorganen trägt. Die Haut ijt
wie bei den Strudelwürmern bewimpert. Die gewöhnlich bauchjtändige Mundöffnung
führt in einen Schlund, der in den langen, in regelmäßigen Abftänden zu feitlichen Tajchen
al te u ln A EL u he ie a ar,
Schnurmürmer. 289
erweiterten Mitteldarm übergeht. Daran jchließt jich dann der
Enddarm mit dem endftändigen After. Über dem Anfangsdarm
liegt ein langer, öfters durch eine bejondere Offnung am Vor-
derende borjtülpbarer, jchlauchjürmiger Nüfjel, der durch eine
eigene Muskulatur in eine Scheide zurüidgezogen werden fann.
Diejer birgt am Grunde jeines vorderen Abjchnittes bei gewiljen
Formen ein Kalfitilet und neben ihm in jeitlichen Tafchen einige
Erjabkalfjpigen, während der hintere Abfchnitt Giftdrüfen enthält.
Hört man nun, daß beim Borjtreden des Nitjjels das Stilet an
die äußerjte Spibe rücdt und gleichzeitig die Giftdrüjen in Tätig-
feit treten, jo wird ohne weiteres einleuchten, Daß die ganze Ein-
richtung zum Exgreifen und Töten der Beutetiere dient. Nach
ihrem Vorhandenjein oder Fehlen unterjchted man früher zwei
-Öruppen von Nemertinen, bewaffnete und unbemwaffnete, doch
bat man jest andere Einteilungsgrundjäge angenommen.
Das Blutgefäßiyitem bejteht aus zmet feitlichen Längs-
ftämmen, zu denen noch ein weiterer über dem Darm kommen
Tann. Diejes Rüdengefäß it dann mit den beiden jeitlichen durch
zahlreiche Schlingen verbunden und treibt die mitunter rötliche,
meilt jedoch farblojfe Blutflüjjigfeit von Hinten nad) vorn. Der
Ausicheivung dienen zwei furze Wafjergefühe, die mit den uns
nun jchon befannten Wimperfadeln beginnen und jeitlich getrennt
oder gemeinfam ing Freie münden. Al Bentrafnervenfgjtem
pirken zwei im Stopfende gelegene, ducch eine über dem Schlunde
verlaufende Duerbrüde verbundene Ganglienfnoten, die mit ein
paar anderen, mehr bauchwärts gelegenen in Berbindung jtehen.
"Bon leßteren gehen zwei den Körper in feiner ganzen Länge
durchgehende umd fich in der Nähe des Afters vereinigende jeit-
liche Nervenftämme aus.
Zum Unterjchiede von den übrigen Plattwiürmern iind Die
weitaus meiften der Schnurwürmer getrennt gejchlechtliih, Doch,
unterjicheiden fich die beiden Gejchlechter äußerlich nicht. Die ich
jeverjeits in vielfacher Zahl wiederholenden, einfache Cäde Dar-
ftellenden Keimdrüjen Kegen in den Zivifchenräumen ziifchen
den Darmtajchen und münden durch) Heine Offnungen auf dem
Nücden aus. Die Eier werden in unregelmäßigen Majjen, in
Schniren oder in Gürtelfofons abgelegt, in denen fie, durch eine
zu Öallerte erjtarrende, jchleimige Majje vereinigt, oft auf dem.
Körper der Mutter zunächit Haftenbleiben, bis Dieje aus dem
Gürtel herausfriecht. Während die Entwidelung mancher Arten
eine unmittelbare ilt, verlajjen die Tarven anderer Das Ei in einer
LINIEN
yijtellietlill
VBierauge, Prostoma spec.
Öeitalt, der ein Uneingemweihter nicht anfehen fann, was aus.ihnen nat
hervorgehen wird. Nac) ihrer Ahnlichkeit mit einer Pidelhaube
hat man diefe in den europäifchen Meeren in den Frühlinggmonaten in großen Schwärmen
auftretende, im freien Wafjer jhwebende Larve Fechterhutlarve, Pilidium (Abb., © 234),
934 Würmer: Plattwürmer.
genannt. Diefe Bilivien jind über und über bewimpert, während um ihre Aänder
Schnüre von ftärferen Ziten laufen, oben auf vem Scheitel jogar ein bejonder3 langer
Seißelfchopf emporragt. Ceitlich Hängen ein paar ebenfall3 von den Wimperjchnüren
umzogene Lappen herab, gewijjermaßen der Badenjchuß des Helmes, und zwijchen ihnen
befindet jich die Mundöffnung, die in einen noch blind gejchloffenen Darm Hinemführt.
Aus vier in der Nähe des Mundes gelegenen Einjtillpungen geht durch langjame Umbil-
dungen, wobei der Darm allmählich ummwachjen wird, der Körper der Nemertine hervor,
der dann die Tarvenhaut dDurchbricht und frei wird. Eine etwas einfachere Yarvenform
wird als Dejorjche Larve bezeichnet.
Die Länge der Schnurwirmer wechjelt jehr. Einige Arten bringen es nur auf ein
paar Millimeter, andere erreichen viele Meter, wobei fie aber immer verhältnismäßig jehr
: . dünn bleiben; die meijten halten ich ziwijchen 20 und
60cm. Zum Teil find die Schnurwürmer durch in
die Haut eingelagerte Pigmente oder bunte Abjcheidun-
gen der Hautdrüfen überaus prächtig gefärbt, wobei
Geld, Braun und Not in allen möglichen Tönen,
Übergängen und Mifchungen häufig find, reines Blau
aber fehlt. Dft ift auf der Grundfarbe noch eine be-
jondere Zeichnung zu erfennen, eine Marmorierung,
parallele Längslinien, farbige Querringel over die bei-
ven lesten gleichzeitig nebeneinander. Im allgemeinen
it die vielfach al8 eine Anpajjung an die Umgebung
wirkende Färbung bei den unbewaffneten Formen auf-
fallender al3 bei den bewaffneten. — Hervorgehoben
> jei noch die weitgehende Fähigkeit vieler Schnurmir-
- mer, verlorengegangene Teile wiedererjegen, ja mit-
a ne ag Unter aus einem Heinen losgelöften Körperftid ein
nenn ee ms Orr Holfftändiges Individuum ergänzen zu fünnen.
Das eigentliche Gebiet der Schnurwürmer ijt das
Meer. Aber nur eine ganz Heine Gruppe mit wenigen Arten lebt jtändig frei jchwinmend
auf Hoher See. Die meilten Arten Halten jich in der. Kiftenzone auf, wo fie jich im Geröll
unter Steinen, in Felsjpalten, in den Löchern der Korallenblöde oder zwijchen den Yimwei-
gen der Meeresalgen verbergen. Einige graben jich wohl auch in den Bodenjand ein,
wieder andere verfertigen ji) Wohnröhren aus zähem, von der Haut abgejchiedenem
Schleim. Einige Gattungen haben jich ganz an das Leben auf dem Lande angepaßt, und
eine einzige (Prostoma Ant. Duges) findet jicd) mit einer Anzahl Arten im Süßmajjer.
Mit wenigen Ausnahmen find die Nemertinen gefährliche Aäuber, die vor allem die
Nöhren bauenden Ningelwürmer mit dem Nüfjel gefchidt aus ihren Wohnungen Herauszu-
holen dverjtehen, jedoch auch mit anderer Fleifchnahrung vorliebnehmen. Ein paar Arten
treten als „Tischgäfte” (Kommenfalen) anderer Tiere auf, d.h. fie nehmen an deren Mahl-
zeiten teil, ohne ihnen jedoch) anderweitigen Schaden zuzufügen, freilich auch ohne ihnen
dafür eine Gegenleiftung zu bieten. Echte Schmaroger jind ebenfalls unter den Schnur-
würmern feitgejtellt.
‚Man fennt big jeßt nicht ganz 500 Arten von Nemertinen, die von dem eingehend-
ten Bearbeiter diefer Tiergeuppe, Dtto Bürger, vornehmlich unter Berüdjichtigung des
a u re a u
! Schnurwürmer. 239
Kervenjpitems auf vier Unterorönungen verteilt werden. Wir wollen von diejen, Dem Laien
nur jelten zu Gejicht fommenden Würmern nur einige bejonders charakteriftiiche Herausgreifen.
Sn der untenftehenden Abbildung ift zunächit ein im Leben fehr farbenprächtiges Tier
- Dargeitellt, Tubulanus (Carinella) superbus Kölliker. &3 gehört zur Zamilie der Tubu-
lanidae, die ji) in anatomijcher Hinficht vor allem durch das Fehlen des Nüdergefäkes
und einen unbewaffneten Ritjfel auszeichnet. Unjere Nemertine wird bis zu 75 cm lang,
el
= 4
Tubulanus (Carinella) superbus Kölliker. Natürlide Größe.
aber nur Dmm did. Ihr Körper ift rotbraun bis Firfchrot gefärbt und mit 4 weißen Längs-
itreifen, die fich bis zur Schwanzipibe fortjeben, und zahleeichen, ebenfalls weigen Duerringeln
ichön geziert. Im Atlantifchen Ozean (Küften von Schottland, England und Frankreich) und
im Mittelmeer ift Tubulanus superbus gefunden worden. Er lebt gewöhnlich auf jandigem
Boden am Strande, wird aber auch mitunter in einer Tiefe bon 40-50 m gefangen.
Die größten bisher beobachteten Schnurwiürmer fommen an der engliichen Ktüfte vor
und find Mitglieder der artenreichen Samilie der Lineidae, die der vorigen jehr nahe
jteht und wie diefe feine Rüffelbewaffnung trägt. Lineus longissimus Gunnerus hat einen
bandartig abgeplatteten Körper und wird 5—10'm lang; einzelne Stüde jollen jogar bis
30 m gemejjen haben. Diefe Tiere fnäueln fich gern zu einem dichten Klumpen zujammen
und fcheinen vornehmlich des Nacht3 während der Flut ihre Verjtede zu verlajjen, um auf
Raub auszugehen.
236 Würmer: Plattwürmer.
Stleiner ift Cerebratulus marginatus Renier, der am Hinterende feines breiten, Fräf-
tigen Körpers einen Heinen Schwanzanhang trägt. Dieje Würmer find nicht nur im Norden
des Atlantiichen Ozeans, jondern auch im Mittelmeer ziemlich gemein. Sie jchwimmen
vorzüglich, wobet jte aalartig ihlängelnde Bewegungen ausführen.
Sm Anpafiung an ihre bejondere Lebensweije haben die gleichfalls Inbemame
freiichhpimmenden Bertreter der Jamilie Der Palreon meridee einen auffallend ver-
breiterten und ver-
hältnismäßig Dün-
nen Körper. Die
ee =
jüdöftlic) von Mir-
halten in großen
Tiefen gefundene
Pelagonemertes
moseleyi Bürger
wird bis zu 4 cm
lang bei einer
Breite von 2 cm
N;
: IR St | = umd wurde jchon
a I was —— von Leffon unter
I see zen dem Namen Ptero-
soma planum als
Mollust bejchrie-
ben. 63 ilt ein
wundervoll Ddurch-
dejjen innere Dr-
gane, namentlich
der dunfel Fafta-
nienbraune Der-
Dauungsapparat,
Jich jehr deutlich ab-
heben. Der Sür-
per des Tieres ber-
jingt ji) bon vorn
a = = nach Hinten und
Pelagonemertes moseleyi Bürger. Bergrößert. - zeigt fünf ‚hinter-
einander gelegene,
durch jeitliche Einferbungen angedeutete Abjchnitte, deren vorverjter allein jo lang wie
die vier hinteren zujammen und flügelartig verbreitert ift, was auf ein ausgezeichnetes
Schwebevermögen deutet.
Eine jehr merkwürdige Gattung don Schnurtwiirmern, die ndejjen diefen Namen durch-
aus Lügen jtraft, ift Malacobdella Blainville. Sie wird in gewilfen Mujcheln, der Venus-
mufjchel (Cyprina islandiea) und Slaffmujcheln (Mya truncata und M. arenaria), zwijchen
7
im Sndishen Ozean
fichtiges Geichöpf,
ze er a er
Schnurmürmer. 237
Kiemen und Mantel over im Eingemweidejad jehr häufig gefunden, und ihre Leibesform
ift durch dieje ihre Lebensmweile jeltfam verändert worden. Kurz und breit erjcheint der
Körper, der am hinteren Ende einen Yaftapparat in Geitalt einer anjehnlichen, tellerfür-
migen Sauggrube erworben hat. ES mar natürlich, daß das Tier, bevor jeine näheren
anatomischen Berhältnilje Hargejtellt waren, in jyjtematiicher Hinficht verfannt wurde, bald
jollte eg ein gel, bald ein Saugmwurm, bald eine dieje beiden Wurmgruppen vermittelnde
Zorm fein. Malacobdella grossa Müller lebt in den genannten Mufcheln in der Dft- und
Korojee, im Nordatlantiihen Ozean und im Mittelmeer. Sie nährt jich von den Heinen
Organismen, die mit dem Atemtafjer der Mujcheln in deren Mantelhöhle gelangen, ift
aljo fein eigentlicher Schmaroger, jondern ein Kommenjale. Ym Kieler Hafen follen gegen
80 Prozent der größeren Benusmujcheln je eine jolche Malacobdella enthalten.
Die acht Arten der Öattung Geonemertes Bergendal, die zu der Familie der Proso-
rhochmidae gehört, leben auf dem Lande. Einige von ihnen werden bis zu 7 em lang,
und alle bejisen einen fräftigen Rüjjel, der mit einem Angriffsitilet bewehrt ift und ge-
meinjam mit dem Darm ausmündet. Meift jind vier Augen vorhanden. Die rötlichweike,
mit braunen Längsftreifen verzierte Geonemertes pelaensis Semper wohnt auf den Ralau-
Snjeln unter feuchtem Laub oder der Ninde der Bäume. Über die milchweiße Geone-
mertes agricola Will.-Suhm von den Bermuda-isnjeln jchreibt Bürger nach einem Bericht
vonR.W.Coe: „Sie fommt an verjchtedenen Orten der Bermuda-$njeln in großen Mengen
vor, inde3, jopiel die Erfahrung lehrt, nur entlang der Küjte, welche in die Mangrovefümpfe
übergeht, und at den angrenzenden Hügeljeiten. m Sommer wurden die Landnnemertinen
nur in dem feuchten Boden nahe der Hochwafjerlinie gefunden, in den Frühlingsmonaten
etivas höher an den Hügellehnen. Es ift wahrfcheinlich, daß fie fich im Sommer an Stellen,
welche troden werden, die von den NKegenmwürmern gegrabenen Gänge benugenpd, tiefer in
den Erdboden zurüdziehen. hr bevorzugtes Wohngebiet cheint aber der Linie der hHöchiten
luten zu folgen; hier amı Rande der Mangrovedidichte, wo der Boden aus fchwarzem Mud
‚beiteht, der weiter höher in Dunklen oder roten Lehm übergeht, verbergen jie jich unter Steinen,
Hölgern und anderen Gegenjtänden, welche das Meer ausgemworfen hat.“ Der genannte
Soricher fnüpft hieran die wohl richtige Bemerkung, daß fich die Landnemertinen nicht etwa
aus Süßmwafjerformen, jondern unmittelbar aus den im Meere an der Küfte lebenden ent-
mwidelt haben. Geonemertes pelaensis foll jich frtechend wie manche Blutegel fortbewegen,
indem jie ihre Mundöffnung wie einen Saugnapf zum Feitheiten benukt.
Die auftralifche Geonemertes chalicophora Graff wurde mehrfach in Europa in Warnı-
häufern beobachtet, in die jie jedenfalls mit den Pflanzen eingejchleppt wurde.
Endlich beichliegen wir die Ordnung mit einem Blick auf die Familie der Prostoma-
tidae. Diefe ift fir uns deshalb von Interejfe, weil eine ihrer Gattungen, Prostoma Ant.
Duges (Tetrastemma), auch bei uns durch ein paar Arten vertreten ift, die fich in verjchie-
denen langjam fliegenden oder jtehenden füßen Gemäjjern wenn auch nicht gerade häufig, jo
doch ziemlich regelmäßig vorfinden. An einem ganz befonderen Ort wurde Prostoma clepsi-
noides Ant. Duges ausfindig gemacht, nämlich in der alten Hamburger Wafjerleitung, die
mehrfach ein beliebtes Wohngebiet fir jonft nicht Häufige Tierformen abgegeben hat. Die
Heinen, 1—1,5 cm langen, abgeplatteten, gelbbraunen oder jleischroten Würmchen haben
jechs Augen, die paarweije Hintereinander angeordnet jind. Fhr Rüfjel ift wie bei allen
238 Kiirmer: Nädertiere.
Angehörigen der Gattung bewaffnet, und der Mitteldarm entjendet einen langen, unter dem
Schlund gelegenen Blindjad. Man hat dDiefen Wurm auch in Torfmooren bei Greifswald, im
öenfee bei Berlin und in der Umgebung von Würzburg jowie in Nordamerifa gefunden.
Während die eben bejprochene Nemertine wie falt,alle Schnurwürmer getrennten
SejchlechtS ift, Haben wir in dem in einem Aquarium des Berliner Hoologijchen Snitituts
gefundenen Prostoma eilhardi Mnigry. einen Zwitter vor und. Dasjelbe ift der Zall bei
Prostoma graecense Böhmig aus dem Örazer Botanischen Garten und einem Bad) bei Prag.
Alle diefe Arten legen Eier ab; dagegen ijt Prostoma lacustre Du Plessis lebendig-
gebärend. Diefer Hellgelbe, etwa 3 cm lange Wurm lebt in verjchiedenen Seen der Schteiz,
jo im Genfer und Yüricher ©ee, und ift auch bei Bajel in einem Sumpf feitgejtellt worden.
Zweite Klaffe:
Madertiere (Rotatoria).
Wir nehmen aus einer Dachrinne, wenn es einmal längere Zeit nicht geregnet Hat,
etwas von dem dort angejammelten Staub und übergiegen ihn in einem Fleinen Glas mit
Wajler. Nach Ablauf von Höchjtens einer Stumde werden uns in den meilten Fällen bei
iharfem Hinfehen fchon mit blogem Auge in dem Gefäß winzig Heine, vom einfallenden
Licht Hell weißlich erglänzende VBünfktchen auffallen, die fich regellos durcheinander bewegen,
jo daß man jofort erkennt, daß fie nicht etwa ohne ihr Zutun von geringen Wafjerftrömungen
umbhergetrieben werden, jondern jelbittätig durch eigene Fortbewegungsorgane Schwimmen.
Wegen der geringen Größe werden ir geneigt fein, fie für Protozoen zu halten. Zangen
tier nun mit einer Pipette ein oder mehrere jolcher beweglichen Vünftchen heraus und
bringen fie mit einem Tropfen Waffer unter das Mifrojfop, fo jeden wir nach Turzer Zeit,
pie fie weiter munter umbherjchhwimmen, und zivar wirklich wie viele Injujorien mit Hilfe
von fliimmernden Zilten. Bei der lebhaften Bewegung der Tierchen tft e3 jchwer, weitere
Einzelheiten an ihnen zu ertennen, zumal ein paar jchon halb verfaulte Holjplitterchen
oder Strohteilchen, die der Wind mit dem Staub in die Dachrinne geweht hatte, mit in
unferen Wafjertropfen gefommen find und nun auf dem Grunde des Objeftträgers liegen,
jo daß die Tierchen fich ziwiichen ihnen und einigen winzig Keinen Sandförncdhen verjteden
fönnen. Doch halt! Wie wir das Gejichtsfeld weiter Dirrchmuftern, jeden wir auf einmal, daß
eines der Tierchen fich an einem folchen fejten Teilchen mit dem einen, verjchmälerten Ende
zur Ruhe gejebt hat, während an jeinem anderen Ende die Slimmerbemwegung noch kräftig im
Gange ift. Sa, das fcheint jebt gar Feine Slimmerung mehr zu fein, fondern wir beobachten
bei ver mittleren Vergrößerung, die wir anmwandten, an diefem Borderende des Tieres zwei
freistunde Zahnvädchen, die fich beide Yangjam drehen. Und da wiljen wir es auch, was
jwir vor uns haben: Nädertiere find es, Angehörige der Slafje der Rotatoria oder Roti-
fera, feinesweg3 Einzeller, jonvdern mit wirklichen, echten Organen ausgejtattete Metazoen.
Die Nadbewegung ift nicht die einzige, Die wir jehen; nicht weit hinter dem Border-
ende, two der Körper halsartig eingejchnürt ift, erkennen wir im Srneren des Tieres noc)
eine andere. Da liegt ein fejtes, aus zwei jeitlichen Hälften bejtehendes Gebilde, dejjen
beide Teile fich in regelmäßiger Bewegung einander nähern und entfernen, toobei jich
die ganze an ein Mühlwerk erinnernde Vorrichtung noch unvegelmäßig Hin und her dreht.
65 ijt der fogenannte Schlundfopf, den toir bei der Arbeit jeden. Mit chitinigen Stiefern
Allgemeines. 259
ausgeltattet, zerfaut er Die vom Näpderorgan herbeigejtrudelte Nahrung. — Wie verhält e3
fich num mit den Rädern jelbft? Um einen genaueren Einblid zu gewinnen, müfjen wir eine
etivas ftärfere Bergrößerung nehmen und außerdem die Bewegung der Tiere Daducc) etivaz
- verlangjamen, daß wir unjerem Wafjertropfen eine Spur verdünnter Kofainlöfung zujeben,
die eine betäubende Wirkung hat. Nun jehen wir deutlich, Daß am Borderfürper unjeres
Tieres, das ungemein häufige Nüjjelrädchen, Rotifer vulgaris Schrank, mag es fein,
wei rundliche Zappenfortjäße ausgeftredt find, Deren Ränder einen Bejab von Bilien tragen,
die jet unter Einwirkung des Betäubungsmittels nur noch langjam jchlagen. Und da beob-
achten toir, mie diefe Bewegung etwa an einem Bunfte des Umfreijes
eines jolchen Yappens beginnt und jich von da in einer Richtung von
Bilte zu Zilie wie eine Welle fortpflanzt. Bald folgt eine neue jolche
Welle, jo daß mehrere gleichzeitig über den Rand verlaufen. Dies
it e3, was in una bei der gewöhnlichen, fchnelleren Bewegung den
Eindruc eriwect, al3 drehten fich die ganzen runden Lappen. Übri-
gens erfennen wir nun auch bei eingehenderer Betrachtung, Daß der
Tlimmerbejab jedes Lappens Feineswegs einen vollen Streis bejchreibt,
jondern da, wo beide fich einander nähern, unterbrochen it. Dafür
liegt zwijchen beiden Näderjcheiben, etwas baucdhitändig, die Mund-
öffnung, die ebenfall® von Hilten, allerdings feineren, umgeben ift.
Wie find nun diefe merfwirdigen Tierchen in unfer Wafjer ge-
fommen? Sn dem trodnen Staube der Dachrinne, von dem wir
vielleicht noch eine Probe ohne Waljerzuja unterfuchen, finden wir
unter dem Miftojfop nur lebloje, unbewegliche feite Teilchen. Und
doch find da folche Nädertierehen mit ztoifchen den Steinchen und den
anderen Gtaubteilchen. Nur zeigen fie nicht jene rührigen Lebens-
tätigfeiten, wie wir jie eben an den ins Wajfer verjegten erfennen
fonnten. Gie find jcheintot, ausgetrocknet, zufammengejchrumpft, und
nur der Kenner wird jie mit Mühe ziwilchen den wirklich leblojen Dingen u
ihrer Umgebung herausfinden fünnen. Werden fie angefeuchtet, in NRüffelräbhen, Rotifer
spec. Starf vergrößert. -
Wafjer gebracht, jo bewähren jie die wunderbare Tähigfeit, wieder Nay Hudjon und Goffe,
zu neuem Leben zu eriwachen. €3 fei gleich hier bemerkt, daß diefe "au, et
Tiere nun allerdings auch) im Yuftande des Scheintodes, der Troden
Itarre, wie man jagt, doch nicht ganz ohne alle Lebenstätigfeiten find. Bor allem darf
das Austrodnen nur ein Außerliches jein; in den einzelnen Zellen muß noch ein lebter
Reit Feuchtigkeit erhalten bleiben. Wird etwa durch Exrhigen oder durch einen längeren
Aufenthalt in völlig trodner Luft den Tieren auch noch diefes Wafjer entzogen, jo terben
jte wirklich ab und jind dann nicht wieder zum Leben zu bringen. Ganz lanajam, mit
unjeren Mitteln jchwerlich nachzumeifen, aber doch noch vorhanden, werden jich die mich-
tigiten Zebenstätigfeiten, ein ganz langjamer Stoffumfjab und eine verichwindend geringe
Atmung, bei den trodenitarren Tieren abjpielen.
Ahnlich wie das Rüffelrädchen verhalten fich noch eine große Anzahl anderer Näder-
tierchen, die alle in Staub- und Schlammanjammlungen, in faulendem Yaub oder in feuchten
Moovjen und Flechtenpolitern ihr Dajein führen, und die man im biologiichen Sinne zu Der
Gruppe der „Erdrotatorien" zufammenzufaffen pflegt. Ihnen jtehen andere Verwandte
gegenüber, die jtändig im Waffer haufen, weitaus die meiften im Süßmafjer, manche
240 Würmer: Rädertiere.
aber auch im Meer oder im Bradwafjer. Endlich gibt es auch einige Formen, die zu einer
ichmaro&enden Lebensmweije an oder in anderen Lebewejen übergegangen find. Trok
mannigfacher Berjchievdenheiten in der Äußeren Ericheinung weijen doch alle dieje Nota-
torien einen übereinjtimmenden Bauplan auf, mit dem wir uns jeßt noch etwas eingehen-
der befallen wollen.
Biele Nädertiere Haben wie unjer Nüfjehädchen einen langgejtredten, „wurmähit-
lichen” Körper, der von einer verdidten Haut umgeben ijt. Dieje verhältnismäßig fejte Hülle
it die Kutikula, das Ubjcheivungsproduft der Darunterliegenden, lebenden, eigentlichen
Hautzellen. An manchen Stellen it Diejes Dberhäutchen aber nur ganz din, jo daß die
Haut dort weich und biegjam bleibt. Bor allem an den Grenzen des mittleren, al3 „Rumpf“
bezeichneten Körperabjchnittes gegen den meilt durch eine halsartige Einfchnürung deutlich
abgejegten, Davorliegenden „Kopfabjchnitt” und gegen den auf den Rumpf folgenden, bauch-
jeitig anjigenden, meift verichmälerten, nur jelten fehlenden „Fuß“ finden fich jolche weich-
häutige Teile, die aber auch jonit, vornehmlich auf dem Fußabjchnitt jelbit, ringfürmig auf-
treten. Durch fie wird das Nävertier jcheinbar in einzelne Glieder zerlegt, wie ein Glieder-
tier oder ein Ningelwurm. Während jich aber bei diejen eine jolche „Segmentterung” auch
auf die inneren Organe erjtrect, it jie bei ven Notiferen nur eine äußere. Shr Ziverk ift
ein doppelter. Einmal wird dadurch eine größere Beweglichkeit der einzelnen Körperteile
gegeneinander gemährleiitet, und zweitens wird ein bejjerer Schuß für die am meilten ge-
fährdeten Stopf- und Fußabjchnitte ermöglicht. Bei der geringiten Erjchütterung des Wäajjers
ziehen die Tierchen Kopf und Fuß, Dejjen Glieder wie die eines Telejfopes ineinander-
pafjen, in den Rumpf ein. Der lebtere ift überdies bei einer ganzen Gruppe von Näpder-
tieren, die danach die Öepanzerten, Loricata, genannt werden, mit einem falfigen
Schugj@pild überdedt und demgemäß mehr abgeplattet.
Die Form des Aäderorgans (f. Die Abb., ©. 241) wechjelt jehr. Hervorgegangen aus
einem das Borderende umgebenden Wimpergürtel, der, jich jcheibenförmig verbreiternd, die
Mundöffnung umgibt, fanıı es bald in mehrere Yappen ausgezogen, bald (jo bei den Friechen-
den Arten) auf eine Wimpergruppe am Munde bejchränft jein, wie wir jpäter an einigen
der zu bejprechenden Beifpiele jehen werden. Der Fuß (f), der, wie jchon bemerkt, manchen
Sormen fehlt, pflegt an feinem äußeren Ende ein paar Fortjäße, Die „Zehen“ (z), zu tragen
und enthält dort Drüfen (fdr), mit deren Abjcheidungen jich die Tiere feitkleben können.
An dem Körper finden jich vielfach der Drtsbewegqung dienende Anhänge, Dornen,
Boriten oder flofjenfürmige Gebilde, wie auch der Kopfabjchnitt ©tirn-, ©eiten- und Rüden-
tafter (rt) tragen fann, von denen die leßteren bei dem Rilfjehrädchen und jeinen Berwandten
zu einem beweglichen Taftrüffel verichmoßen find. Schüßen jich die Loricata durch ihren
Banzer, jo jcheiden andere Formen eine gallertige, röhrenförmige Hülle ab, in der jie dann
wohnen. “a Melicerta (j. Tafel „Süßmwafjer-Nädertierchen“, 1, bei ©. 245) und Oeecistes
verjtärfen die Wände ihrer Schleimhiüllen noch durch Fremdkörper. Unter der Haut der
Notatorien liegt die aus Längs- und vor allem dicht aneinander gelagerten Ringmusfel-
fajern bejtehende Körpermusfulatur, jo daß aljo auch hier wieder ein Hautmusfeljchlauc)
vorhauden ift. Außerdem wird die Leibeshöhle, die zwiichen Körperwand und inneren
Drganen liegt, von zahlreichen Muskeln (Im) durchzogen, unter denen die zum Einziehen des
Räderorgans (wr) dienenden die wichtigiten find. Wir jahen, daß der Berdauungsfanal mit
der meijt bauchjtändigen, num jelten endftändigen Mundöffnung beginnt, die bon einem be-
\onderen Teil des Wimperapparates umgeben ift. Daran jchließt fich der Schlundfopf oder
Allgemeines. 241
Kaumagen (k) an. Die in ihm entwidelten Sieferteile Haben bei den einzelnen Arten eine
ganz beftimmte Form, find aljo fyftematijch wertooll. Dabet ijt e8 bemerfenswert, daß diefe
Kiefer jofort in ihrer endgültigen Größe entiwidelt werden, jo daß fie alfo auch jchon die oft
einander jehr ähnlichen Jugendformen unterjcheiden. Cine Fräftige Musfulatur bewegt die
Kiefer gegeneinander. Hinter dem Schlundfopf liegen ein paar Speicheldrüfen, dann folgt
ein Schlundrohr (oe), das in den erweiterten rundlichen oder länglichen, mit großen Flimmer-
zellen auögefleiveten Magendarn (m)
führt. Diefer ift bet Asplanchna (.Tafel ee
„Witrmer”, 2, bei ©. 228) und Paraseison 2,98
blind gejchloffen, bei anderen mündet ex in 8 BUZA Na) N .
einen Furzen Darm (v), der fi indem | Ben AA
der Fußbafis gelegene Kloafe (cl) öffnet. | a
Am Eingang zum Magen finden fich groß-
selfige Magendrüjfen (mdr). Der Aus-
jcheivung dienen twieder zwei Wallerge- | ve f..
fäße (wg), lange, oft dicht gefnäuelte fa | s /
näle mit feitfichen, funzen Blindäften, deren 9,
jeder am Ende eine Wimperfadel (s) birgt.
Die beiden Kanäle münden in die Sioafe,
wobei fie fich vorher meiltens zu einer zu |
iammenziehbaren Blafe (h) vereinigen, die Sr
oft überrafchend groß mird und die Yuf- en
ipeicherung und regelmäßige Entleerung
der durch die Wafjergefüße abgejonderten
Flüffigfeit beforgt. Das Nervenjyitem ijt
verhältnismäßig einfach; eS befteht in der
Hauptjfache aus dem paarigen Zerebral-
ganglion oder Gehirn (gu), das im Ktopf-
abjehnitt über dem Schlund liegt und
Kervenfafern nach den einzelnen Körper-
teilen ausfendet, vornehmlichnachden Sin- oo.
nesorganen. Unter diefen fällt außer den re
bereits erwähnten Taftern und den Sin- "und Safe, vime Rotterat. London 1859-90.
nesborjten (sb), die in größerer Anzahl
auf dem Kopfe verteilt find, da3 meilt Xfürmige Auge (au) über dem Gehirn auf, das mit
Ihwarzem oder rotem Pigment verjehen ijt und eine Linje trägt.
Die Aädertiere find getrenntgejchlechtlich, und alles, was wir bisher hörten, gilt im
allgemeinen nur für die Weibchen. Wir finden bei ihnen überdies einen oder zivei Cier-
itöde und dementjprechend einen oder zwei Dotterjtöüde, welche die zur Enttwidelung der
Gier erforderlichen Nähritoffe liefern. Die jakartigen Gierjtöde (ov) mit den Eizellen (g)
gehen in einen furzen Cihalter (om) über, und diejer mündet in die Kloafe. Bei vielen
Arten werden die Eier abgelegt, bei anderen entwideln fie fich jedoch noch im Mutterleibe
zu jungen, den alten vollftändig gleichenden Tieren, jo daß wir aljo zwijchen eierlegenden
und lebendig gebärenden Näpdertieren unterjcheiven können. Ya bei manden Formen
finden wir fogar zu verjchiedenen Jahreszeiten beide Fortpflanzungsmeijen.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 16
Hr
| : 2 en
242 Würmer: Nädertiere.
Die Rotatorienmännchen find, joweit man fie überhaupt fennt — in der Ordnung der
Bdelloidea jcheint e3 gar feine zur geben —, viel Heiner al3 die Weibchen umd zeigen eine
weitgehende Nücbildung vieler Organe. Sie befißen feinen Darmfanal, daher auch feine
Mundöffnung und jind infolgedejien nur wenige Tage lebensfähig. Ebenfo fehlt ihnen meift
die zujammenziehbare Blaje, und ihr Räderorgan ijt jtark rüdgebildet. So fommt es, daß
ji die Männchen vieler Arten nur wenig voneinander unterjcheiven. hr Körper wird
zum größten Teil ausgefüllt von einem mächtig entwidelten, birnen- oder fugelfürmigen
Hoden, der mit einem Begattungsglied ausmündet. Bei den wenigen Arten, bei denen
man die Vereinigung der Gefchlechter beobachtet hat, wird diefes Werkzeug dem Weibchen
durch Die LXeibeswand geftoßen, jo daß der Samen in. deren Leibeshöhle gelangt, von two
aus er die Gier aufjucht. Nur bei den im Meere lebenden ei jaunar nn die Männchen
ven Weibchen ähnlich und mit allen Organen ausgerüftet.
Die Cetjoniden vermehren fich wohl jtetS Durch bejamte Gier. ym Gegenfab zu ihnen
pflanzen fich die männchenlojen Bdelloidea ftets durch unbefruchtete Gier, aljo partheno-
genetisch, fort. Der großen Mafje der übrigen Notatorien dagegen ftehen beide Arten
der Fortpflanzung zur Verfügung. Shre Weibchen bringen zweierlei Gier hervor, nämlic)
Subitaneier und Dauer- (Winter-) Eier, wie wir es ähnlich bei manchen ©trudel-
würmern fanden. Die Dauereier find durch feite, oft rauhe, behöderte oder. beitachelte
Schalen gegen die Unbilden des Winters und gegen das Eintrochnen geihügt. Wir Haben
es hier mit einer Zorm bon enerationsmwechjel zu tun, mit jogenannter Heterogonie, die
Dadurch gefennzeichnet ift, daß beide Generationsfolgen fich gejchlechtlich vermehren (im
Gegenjag zur Metageneje, wo gejchlechtliche mit ungefchlechtlichen Generationen abwechjehn).
U. Lange, der die modernen Kenntniffe über die Fortpflanzungsperhältniife der Nädertiere
zujammengeftellt Hat, jchreibt Darüber folgendes:
„Die Heterogonie der Notatorien verläuft nach einem bejtimmten Schema, innerhalb
dejjen wohl geringfügige Modiftfationen auftreten fünnen, das aber im ganzen durchgängig
itreng innegehalten wird. — Aus einem mit dider Schale verjehenen Dauerei entwicelt
ih ein Weibchen. Von diejem leitet jich eine Anzahl parthenogenetijch erzeugter Genera-
tionen ab, die in der Hauptjache nur Weibchen, mitunter aud) vereinzelte Männchen um-
faljen; gegen das Ende der parthenogenetiichen Beriode, das jich durch) jtarfe Vermehrung
der Sndivivuenzahl anzuzeigen pflegt, treten die parthenogenetifch erzeugten Männchen
zahlreich auf, e3 erfolgt Befruchtung der Weibchen und anfchließende Dauereibildung. Da-
mit ift ein Generationzzyflus abgefchloffen, denn aus den Dauereiern gehen fpäter mwieder
parthenogenetifch fich vermehrende Weibchen hervor. Se nachdem jährlich ein, ziwei oder
mehrere jolcher Streije durchlaufen werden, unterjcheidet man wie bei ven Daphniden mono>,
di= und polyzpfliiche Arten.” Weiter führt Yange aus, daß jich Die Zeiten der Gejchlechts-
perioden verjchieben, ja ganze Gejchlechtsperioden ausfallen Fünnen. Ein und diejelbe Art
fann an verjchiedenen Orten oder im gleichen Gemwäljer in verjchtedenen Jahren in bezug
auf ZHfen und Gejchlechtsperioden verjchtevenes Verhalten zeigen. Die Urjachen der Ab-
weichungen find jedenfalls jehr zujammengejegter Natur und noch keineswegs aufgeklärt.
Auch die Dauer einer Öejchlechtsperiode Tann recht verjchieden jein. Oft jind jolche auf
wenige Tage bejchräntt, mitunter währen fie monatelang. Der Zwijchenraum zwijchen
zwei Gejchlechtsperioden jchiwanft bei den verjchievdenen Formen in weiten Grenzen, bon
einem bis zu 12 Monaten.
Eicher fteht, Daß Die Jungen ein und desjelben Tieres ausnahmslos untereinander von
Allgemeines. | 243
demjelben Geichlecht jind und daß, wenigjtens bei Asplanchna und Hydatina, wahrjchein-
lich) aber auch bei den anderen Yormen mit Heterogonie, zwei verichiedene ©orten bon
Weibihen vorhanden jind, nämlich jolche, die parthenogenetijch wieder Weibchen erzeugen
(Weibchen-Weibehen), und folche, die parthenogenetisch Männchen erzeugen Männchen-Weib-
chen). Nur die Männchen-Weibchen Fönnen mit Erfolg befruchtet werden. Die befruchteten
Gier aber werden zur Danereiern, die Befruchtung ift aljo die Bedingung zur Bildung bon’
Dauereiern. Bei diejer Sachlage jind die Rädertiere vielleicht befonders geeignet, mit zur
Löjung der in den legten Jahren jo viel erörterten Frage nach der Geichlechtsbeftimmung
beizutragen, und tatjächlich werden denn auch dieje Tiere vielfach daraufhin gezüchtet.
Berjolgen wir einmal Die Öenerationen eines Zyflus, jo treffen wir bei vielen Näder--
tieren abermals auf eine wunderbare Cridheinung: die Einzeltiere jpäterer Generationen
unterjcheiven jich oft nicht unmwejentlich von den früheren, 3. B. in der Form ihres Körpers,
in der Größe und Zahl etwa vorhandener VBorjprünge oder Stacheln und Schwebefortjäße
am Banzer um. Noch Ipätere Generationen fehrten dann wieder zur Ausgangsform zurüd.
Zange faßt die hierbei zu beobachtende Gejebmäßigfeit in ven Sab zujammen: „Der phylo-
genetiich urjprüngliche Fortpflangungsmodus reproduziert auch den phylogenetisch urfprüng-
lich morphologiichen Zuftand. Sndem die erjte Oeneration während der nachfolgenden Bar-
thenogeneje allmählich oder |prungmeije wieder in ander3 geitaltete Sormenübergeht, entiteht
im Zufammenhang mit dem feruellen Zyklus ein morphologischer. Lautenborn hat für die
Exjcheinung, daß eine Art ihre Öeitalt in zyfliihem Rhythmus wechjelt, den glüdlichen Aus-
drud Zyflomorphoje geprägt." Gachje hat überdies nachgemwiefen, daß aus den Dauereiern
immer nur Die typiichen Sormen hervorzugehen jcheinen. &3 ift begreiflich, daß bei einer
derartigen Beränderungsmöglichkeit Der Form bei der aleichen Art vielfach jolche abweichende
Tiere als bejondere Arten bejchrieben worden jind, bis man erfannt hat, daß jte in die Zyflo-
morphoje einer vielleicht jchon längjt befannten Art gehören. Dieffenbacdh fonnte durch Ber-
juche nachweijen, daß eine der Haupturfachen für joldhe Veränderungen die Menge der Nah-
rung ift, die bei den im freien Waffer lebenden NRädertieren aus den Leinften Plankton-
organismen („Zentrifugenplanfton‘) beiteht und mit Hilfe des Näderapparates herbeigejtru-
delt wird. Übrigens nähren fich auch die „Erdrotatorien” von ähnlichen winzigen Lebe-
wejen und deren Kejten und führen jte durch das Spiel der Wimperchen dem Munde zu.
Wir teilen die NRotiferen, von denen viele Arten fosmopolitijch über die ganze Erde
verbreitet find, nach vem Vorhandenjein eines doppelten oder einfachen Gierjtodes in zwei
Untertlajjen, die Digononta und die Monogononta. Früher hatte man die weite geographifche
Berbreitung unjerer Tiere auf die Fähigkeit zurücgeführt, daß fie eintrodnen und dann
vom Winde überallhin verichlagen werden fünnen, doch dürften die Dauereier noch mehr
für das Berichlepptmwerden geeignet fein. Allerdings ift e3 richtig, zwiichen den Tlechten
und dem Mooje auf Dächern und im Sande der Dachrinnen find Nädertiere zu finden, und
fie jcheien fat überall fortzufommen. Chrenberg traf diejelben Arten in Moos von PWot3-
dam und Berlin wie in jolhem von den Zedern des Libanon, und diejelben Callininen-
arten jcheinen ganz Europa, Nordamerifa und Neujeeland zu bewohnen. Schmarda fand
Kädertiere in dem jalzreichen Waller des Teiches el Stab in Oberägypten und auf den Höhen
der Kordilleren, Chrenberg wies jie (Philodina roseola) im Schnee der Alpenjpigen nach,
io jie von bejonderen Algen leben, und in Erdproben, welche die Gebrüder Schlagintweit
im Himalaja in einer Höhe von 18000 Fuß Sun hatten, und Sojeph entdedte neum
Arten in den Höhlen Krains.
16*
244 Würmer: Rädertiere.
Grjte Unterflajfe:
Digononta.
‚Grfte Ordnung:
Egelartige Rotatorien (Bdelloidea).
Die Drdnnung verdankt ihren Namen Bdelloidea, d. i. „Egelartige”, einer befonderen
Urt der Fortbewegung. Ihre Angehörigen vermögen nämlich nicht nur mit Hilfe ihrer
Wimperräpchen frei zu jchwimmen, fondern fie fünnen auc) auf einer feiten Unterlage nad)
Urt der Egel und Spannerraupen friechen, indem fie dabei ihr Borderende mit zum An-
heiten benugen. Männchen find nicht bekannt.
Zur Familie der Weichrädertierchen oder Philodinidae gehören außer unjerem
NRüffelrädchen, Rotifer vulgaris Schrank (Nbb., ©. 239), noch viele andere Arten, die alle
wejentlichen Merkmale mit jenen teilen, den langgejtrecten, Durch Duerringelung Scheinbar
gegliederten Körper, einen Nüfjeltafter und einen zweilappigen Näderapparat. ©o it 3.2.
Philodina roseola Ehrbg. eine jehr Häufige Vertreterin ihrer Gattung. Bon ihr unterjcheiden
lich die zahlreichen Arten der Gattung Callidina durch) das Fehlen der Augen und eine recht
merfmwirdige Xebensmweije, indem fie zumeift Laub- und Xebermooje zum Aufenthaltsort ge-
wählt haben. Die betreffenden Mooje, meijt aus der Zamilie der Jungermanniazeen, und
zwar zu den Öattungen Frullania, Lejeunia und Jungermannia gehörig, finden fich bei ung
auf der Rinde von Eichen und Buchen, in den Tropen auf Baumborfe, und tragen unter den
in zwei Reihen angeordneten Blättchen Fappen- oder fadfürmige Gebilde, in denen jich, noch
durch bejondere zerjchlißte Schuppen feitgehalten, das Regenmwaljer anfammelt und lange
Zeit erhält. Sn diefen Wafjerbehältern leben nun jeweils bejtimmte Aotatorienarten, 3. B.
bei Frullania dilatata die Callidina symbiotica Zei. Wir haben e3 dabei mit einer echten
Symbioje zu tun, denn die Pflanze liefert dem Tiere die Wohnung, wobei diejes fich von
ven durch den Regen mit hineingejchwenmten Heinftern Lebemwejen nährt und feinerfeits
durch jeinen Stoffwechjel die Pflanze mit einem flüfjigen Dünger verjieht, aus dem diefe
Nähritoffe zieht. Bei einigen brafilianifchen Moosarten ift die Form diejer Säde fogar der
Gejtalt der betreffenden Nädertiere aufs genauefte angepaßt. Sm Gegenjat zu ihren Gat-
tungsgenojjen ift Callidina parasitica Ehrbg. ein Schmaroger, der eftoparafitiich an dem
lohfteb3, Gammarus pulex, und an Sniektenlarven im Süßwajjer lebt.
Der vorigen Samilie verwandt, jedoch ohne Räderorgan und dafür mit einer größeren
auf der Bauchjeite des Vorderendes gelegenen Wimperplatte verjehen, ift die Familie der
Adinetidae, deren Arten teilmeife auch in Mioofen verbreitet find, teilweife im Cüß-
mwajjer leben. Adineta vaga Davenport findet fich in Mooren, in Sphagnum- und anderen
Moospolitern.
Hweite Ordnung:
Kopftragende Notatorien (Cephaloidiphora).
Bir fommen nun zu ein paar meerbewohnenden Notatorien, Die wegen ihres be-
jonders abgejegten vorderjten Körperabfchnittes in der Oxdmung der Cephaloidiphora ver-
einigt werden. Bei den Angehörigen der Tumilie der Seisonidae ift der Räderapparat
Kun
Bar
Re!
u
I
Süßwailer-Rädertierchen.
Etwa 30fach vergrößert.
1. Melicerta ringens Z. — 2. Schild-Rädertier, Noteus quadricormis Zhrbg. — 3. Blumentierchen, Floscularia
ornata Ehrbg.
Egelartige, Kopitragende, Wurzellappige und Freifgwimmende Rädertiere.. 245
- rüdgebildet oder er fehlt ganz. Die Männchen find, abgejehen von ven Fortpflanzungs-
organen, nicht von den Weibchen unterjchieden. Seison grubei Claus aus dem Meere bei
Triejt und Paraseison asplanchnus Plate von Neapel leben eftoparalitiich auf einem zu
den Se gehörenden Krebschen Nebalıa.
+ Smeite Unterflaffe:
Monogononta.
Dritte Ordnung:
Wurzellappige Notatorien (R'hizota).
Auf der beigeheiteten Tafel jehen wir unten recht3 an einem der grünen Algenfäden
ein durchjichtiges Nädertier, das ftatt des Räderorgans am Vorderende fünf Zipfel trägt,
auf denen jehr lange, unbewegliche Zilien fiten. Das Gejhmüdte Blumentierdhen,
Floseularia ornata Ehrbg., heißt dieje Form, Die zur Yamilie der Floscularidae, der
eriten der Drdnung Rhizota, gehört. Wie fait alle Verwandten lebt das Blumentierchen in
einer Schleimhülle, in Die es fich bei Gefahr zurüdziehen fan. Eine ebenfo anmutige Form
ift Stephanoceros fimbriatus Goldfuß, deijen Borderende in fünf lange Arme ausgezogen
ift, die in ihrer ganzen Länge mit parallel ftehenden Furzen Wimperbüfcheln bejegt find.
Cine andere Familie ift Die der Melicertidae, die auch meilt in Öehäufen leben und
ein ziemlich großes Freis- oder nierenfürmiges Räderorgan befigen, das auch als zivei- biß
vierlappige, ftarf nach der Rüdenfeite geneigte Fläche erjcheinen fann. Das Kugeltierchen,
Conochilus volvox Ehrdg., lebt in fugeligen, freifchtwimmenden Kolonien, in denen 60—100
Smdipiouen Durch eine einheitliche Gallertmafje‘zufammengehalten werden. ine große
nierenförmige Strone bejißt Megalotrocha alboflavicans Ehrbg., die ebenfalls in Tugeligen,
aber feitjienden Kolonien auftritt. Dazjelbe ift der Fall bei Lacinularia socialis Ehrbg.,
deren Kolonien fi an Wafferpflanzen finden. Oecistes pilula Wills bededt ihr Gallert-
gehäuje mit ihren eifürmigen Fäcesflumpen, und die auf der Tafel in mehreren Eremplaren
‚abgebildete Melicerta ringens Z. verwendet ihre Kotballen in gleicher Weije, drechjelt jie aber
borher mit Hilfe eine3 „Pillenorgan” genannten, drüfigen Grübchen3 fugelrund. Man findet
diefe Art einzeln oder in veräftelten Kolonien in Teichen, Tümpeln und Altwäljern. Neben den
beiden Tieren oben Kinks ift auf der Tafel das Heine, freifhwimmende Männchen abgebildet.
Vierte Drdnung:
Treiichwimmende Niotatorien (Ploima).
Zu diefer Ordnumg gehören zahlreiche, meijt Eeinere Aotatorien, die teils ungepan-
zert (Iloricata), teil® gepanzert (Loricata) find.
1. Unterordnung: Ungepanzerte (Illoricata).
Zu den reigvolliten Süßmwafjer-Mikroorganismen gehören die Arten der Gattung As-
planchna aus der Jamilie der Asplanchnidae, deren fußlofer, jadjörmiger Körper, 3. ®.
bei Asplanchna priodonta @osse, glasklar ift, fo daß fich hier wie Faum bei einem anderen
246 Würmer: Rädertiere.
Notator die inneren Organe im Zeben beobachten lafjen. Eine andere, ebenjo wie Die vorige
im freien Wafjer lebende und jich von Heinen Tieren nährende rt ift Asplanchna bright-
welli Gosse, von der jich Asplanchna sieboldi Zeydig (j. Tafel „Wiirmer”, 2, bei ©. 228)
durch den Befit jonverbarer flügelartiger Körperfortjäge, die auch eingezogen werden fün-
nen, unterjcheidet.
Durch boriten- oder blattfürmige Anhänge, Die ebenjo zum Springen wie zur Cr-
höhung der Schwebefähigfeit dienen, find die Thriarthridae ausgezeichnet. Thriarthra
longiseta Ehrbg. bejigt drei feingezähnelte lange Dornen, Polyarthra platyptera Eihrbg. da-
gegen zwölf fürzere, jchwertfürmige. Beide Arten finden fich in Seen, Teihen und Mooren.
Bejonders in ftehenven und pflanzenreichen Gemwäljern leben die Arten der Familie
der Kriltallfiichchen oder Hydatinidae, jo Hydatina senta Ehrbg., deren Näderorgan
nur jchwach entwickelt it, und deren Männchen den Weibchen ähneln.
Teil3 jchmarogend, teils frei leben die zahlreichen Arten der Samilie der Rüden-
augen oder Notommatidae, jo Drilophaga bucephalus Vejdovsky mit einem hornartigen,
jpiß ausgezogenen Sopffortjab an Lumbriculus variegatus, Albertia vermiculus Dyj. in der
Leibeshöhle des Negenwurms oder im Darın verjchtevdener Nadtjchneden, Albertia naidis
Bousfield in Nais elinguis, Proales parasita Ehrbg. mit Männchen und Dauereiern in Der
Stugelalge Volvox, Proales petromyzon Ehrbg. (Notommata) ebenfalls in Volvox-Sugeln
oder zwijchen den Kolonien der Snfuforien Epistylis und Carchesium. Die etwa 13 Arten
2er Gattung Notommata jelbft, jo Notommata aurita Müll., leben frei und fallen durch
ihr verhältnismäßig großes, dunkles Auge auf.
2. Unterordnung: Gepanzerte (Loricata).
Zu den in Flüffen, Seen und Teichen häufigften, meist zwifchen Wajferpflanzen an-
zutreffenden Nädertieren gehören die Wappentierchen over Brachionidae, jo genannt
nach der Geftalt ihres ftarten Nücdenpanzers, der am Vorder- und Hinterrande Dornen zu
tragen pflegt. Der ziemlich lange, öfters gegliederte Fuß Fann eingezogen werden. Auf
der Farbentafel jehen wir linfs unten ein Schildrädertier, Noteus quadricornis Ehrbg.,
frei Schwimmen, während rechts in der Mitte ein jolches jpannerartig an einem Algenfaden
friecht. Zu Ddiejer Familie gehören auch die Arten der Gattung Brachionus, 3. B. der im
freien Wafjjer Harer Teiche majjenhaft vorfommende Brachionus pala Ehrbg. Nahe ver-
wandt, unterjchievden durch den fehlenden Fuß, find die Arten der Zamilie dev Fußlojen
oder Anuraeidae, von denen Anuraea aculeata Zhrbg. jehr häufig it, ebenjo wie das
überall gemeine Yöffeltierchen, Anuraea cochlearis Gosse, das feinen Namen der Form
des Hinten in einen jtielartigen Fortja auslaufenden Rüdenpanzers verdantt.
Fünfte Ordnung:
Sprungbeinige Notatorien (Seirtopoda).
Die Angehörigen der Heinen Drdnung der Scirtopoda bejiten jechs lange, armartige,
mit jtarfer Muskulatur verjehene Körperfortfäße, deren Enden noch durch Chitinfortjäße
verlängert find, und die zum Springen, d.h. AUbjchnellen vom Boden dienen. Das mweit-
verbreitete Pedalion mirum Hudson aus der Jamilie der Pedalidae mag als deren Ber-
treter genannt fein.
ch ac
Sreifhwimmende und Sprungbeinige Rädertiere. Bauhhärkinge. 247
Anhangsweije jei noch auf ein Rädertier aufmerffam gemacht, das durch feinen Körper-
bau gegenüber allen anderen eine bejondere Stellung einnimmt und gerade Deshalb für die
Crörterungen über Abjtammung und Berwandtjchaft der ganzen Slafje wichtig ift. Semper
jand auf den Philippinen in überfchwenmten Neisfeldern ein völlig fugeliges Su die
jeither auch in Sidchina, Nordoit-Auftra-
dien und in Nordamerifa nachgewiejene
Trochosphaera aequatorialis Semper,
die vor allem durch den Bejit eines
äquatorialen Wimpergürtel3 an die in
ver Cinleitung zu den Würmern er
wähnte Trochophora-Larve erinnert,
mit der fie auch fonft manche Ahntich-
feiten aufweilt, obwohl fie im übrigen
ein echtes Rävertier ijt. Durch fie fin- = _ __ _.ı
‚sen ne Seyanneue ua Dual
an den StreiS der Trochophora-Tiere,
wenn jte auch nicht, wie man früher anzunehmen geneigt war, deren unmittelbaren Bor-
fahren nahejtehen. &s herrfcht jebt vielmehr die Überzeugung, daß die Nädertiere Formen
Daritellen, die in ihrer Entwidelung nicht über den Larvenzuftand hinausfommen, vielmehr in
der jugendlichen Körperform gejchlechtsteif werden. Man hat dieje Erfcheinung, die auch
noch bei einigen anderen Tiergruppen wiederfehrt, mit dem Namen „Nevtente" belegt.
f
Anhang : Bauchhärlinge (Gastrotricha).
Am beiten läßt jic) an die Rädertiere eine wenig zahlreiche Oejellichaft Keiner ©e-
jhöpfe anschließen, deren umfafjendjte Unterfuhhung wir Zelinfa und in neuerer Zeit Voigt
und Zauterborn verdanfen. &3 find dies die Bauchhärlinge oder Gastrotricha. Diefe
Tiere jind von abgeflachter flajchen- bis wurmförmiger ©eftalt und haben auf der Bauch-
jeite quer verlaufende, zu zwei Yängsbändern angeordnete Reihen von Wimperchen. Auf
dem Nücden tragen fie Hornfchüppchen oder Borften und in der Nähe des Mundes ver-
längerte Wimpern. Sie jhmwimmen bald ftetig gleitend oder [pringend umher, bald riechen
jie am Boden, bald bleiben jie ruhig vor Anker iegen und ftrudelit jtch mit ihrem Wintper-
fleide die Nahrung zu. Dieje beiteht aus Heinen tierischen oder pflanzlichen Lebeiwejen, doch
werden gelegentlich auch- ziemlich große Snfuforien gefangen und durch jchlagende Be-
wegung des Kopfes zerftoßen. Meift toird die Beute haftig mit bedeutenden Mengen Wajjer
verjcehludt. Während nun die Flüffigfeit vafch ven Vorderdarm bis zum Enddarm hinab-
jtürzt, werden alle feiten Teile dırcch eine Art Neufenapparat im Mitteldarm zuridgehalten
und wandern in dem Maße, wie fie verdaut werden, Yangjam oder bisweilen mit vudweiler
Bewegung dem After zu. Die Auzjcheidung beforgen zwei gefnäuelte Wajjergefäße. Das
über dem Schlund liegende Gehirn endet zwei Längsnerben nach hinten; von Sinnesorganen
fennt man Tajtorgane, bei einigen auch einfache Augen. Ob die Bauchhärlinge Zivitter,
oder getrennten Gejchlechtes find, ift zur Zeit noch unbekannt, da e3 bisher nur geglüdt ilt,
die weiblichen Fortpflanzungsorgane mit Sicherheit nachzumweifen. Man hat allerdings eine
unter dem Enddarm gelegene Drüje a3 männliche Keimdritfe deuten wollen, allgemeine
Anerkennung hat jedoch dDieje Anficht nicht gefunden. Die Sndividuen, die ihre Eier ablegen
\
248 Würmer: Baudhärlinge. Kinorhyncha. Fadenmwürmer.
wollen, fuchen in Algenbündelchen oder leeren Schalen von Mufchelfrebschen geeignete Ber-
tee dafür. Im Winter wie im Sommer hat man nur Dauereier beobachtet, und Dieje
haben auf ihrer Schale allerlei Anferapparate, Stacheln, mit Widerhafen verjehene Gäul-
chen und Pyramiden, durch die fie feit verankert werden Fünnen.
Für die Shitematik find die Geftalt des Ktop-
en nn ER
Be Me U) fes ımd des Hinterendes und deren Bewwehrung-
mit Borjten jowie die Form und die Stellung
der Schuppen von Wichtigfeit. Ichthydium po-
| dura Müll. aus der Familie der Ichthydiidae,
| die am Hinterende einen mit Mebdrüfen verjehe-
nen Gabeljchtwanz tragen, hat eine nadte Haut,
während Lepidoderma squamatum Duj. aus der
gleichen Zamilie mit glatten Schuppen bededt ift.
. Den Angehörigen der Familie der Chaetonoti-
.dae fommt ebenfalls ein Gabelichivanz zu, außer-
Gattung Chaetonotus umfaßt gegen 24 Arten,
bon denen Chaetonotus hystrix Metschnikoff
und der überall häufige Ch. larus Müll. genannt
jeien. Der Öabeljchwanz fehlt den Dasydyti-
dae, deren Gattung Dasydytes jederjeit3 jeg-
mental angeordnete Bündel von langen Borften-
ftachen trägt. Bei Dasydytes ornatus Voigt
finden fi) am Rumpf jederjeits jech3 jolcher
Gruppen von 3—5 Stadeln.
Kinorhynceha.
Dbmwohl die Kinorhyncha verwandtjchaftlich
mit den vorigen faum etwas zu tun haben, wollen
' wir doch gleich hier Diejer Kleinen Gruppe Er-
| wähnung tun, die nur im Meere anzutreffen ift,
' wo die Tierchen mit Hilfe eines bejtachelten,
- . rüfjelartigen, einziehbaven Vorderendes auf Algen
HÄTTEN as .... mm im Schlamm umberkfriechen. Shre Haut ift
ee an a o chitinig und in Ringe gegliedert. Am Hinterende
tagen meijt zwei lange Boriten hervor. Die end-
ftändige Mundöffnung führt duch einen musfulöfen Schlund in den geraden Darm, der
hinten ausmündet. Bon einem mit Nervenzellen bededten nervöfen Schlundring geht ein
Bauchitrang aus, der den Ningeln entiprechende Ganglien enthält. Einfache Augen und
Taftorgane find vorhanden. Die Ausjcheidung übernehmen zwei biindgejchlojjfene, innen
mit Wimpern ausgekleidete Kanäle, die auf vem Rüden ausmünden. Die Kinorhyncen,
die alle zu der einen Yamilie-der Echinoderidae gehören, find getrennt gejchlechtlic).
und bejigen paarige Keimdrüfen. Sm der Nordjee lebt Echinoderes setigera Graff, ebenda
und im Mittelmeer findet fich E. dujardini Olap.
dem aber ein Hautbefag von Stachelfchuppen. Die
Allgemeines. 249
Dritte Klaffe:
FJadenwiürmer (Nematodes).
Bahlreiche Arten der Tadenmwiürmer (Nematodes) führen ein Schmaroßerleben,
meilt in Tieren, einige aber auch in Pflanzen, doch gibt e8 Daneben mafjenhaft freilebende
Formen in feuchter Erde, im Süßtvafjer, vor allem aber im Meer, der großen Mutter alles
Lebens. Die Fadenmwiirmer find mit ganz wenigen Ausnahmen Yanggeitrect, zumeilen
Hundertfach länger aß did und immer von Freisförmigem Duerfchnitt, weshalb fie auch als
„Aundmwürmer" oder „Spulmwürmer" bezeichnet werden. Shre äußere Bededung befteht
aus einer hornartig feiten, glatten oder geringelten, zuweilen beftachelten Haut, die als Er-
zeugnis einer unter iht liegenden weichen Schicht, Der „Subfutifula”, betrachtet wird. Diefe
Unterfchicht erhebt fich nach innen zu in Form von bier Leiften oder Bändern: je einem au
jeder Körperfeite, den beiden „Seitenfeldern“, und zwei um vieles fchmäleren, oft faum
angedeunteten in den Mittellinien des Nüdens und Bauches. Ziifchen den Längzfeldern
liegt an der Körperwand in vier breiten Strängen die Muskulatur, aus lauter Yängsgerich-
‚teten Bellen bejtehend, fo daß den Tieren zwar ein Schlängeln ihres Leibes, nicht aber eine
Berengerung ihres Duerfchnittes und daraus folgende Verlängerung, wie bei den PBlatt-
wirmern, möglich ift.
Genau am Borderende liegt ver Mund. Er führt durch eine jeichte, oft mit jpigen
Bähnen, beweglichen Hafen, wohl auch mit ausjtülpbaren Stacheln oder Röhrchen verjehene
Mumphöhle in den musfulöfen „Schlund“, der duch abmwechjelndes Erweitern und Ver-
engen feines Hohlraumes die flüjjige Nahrung aufjaugt und in den aus großen Zellen in ein-
facher Schicht gebildeten Darm weiterbefördert. Ziwifchen Schlund und Darın befindet Jich
häufig eine rundliche, innen mit Slappventilen verjehene Anjchwellung zur Unterjtügung
de3 Saugens. Der After liegt am Ende des Leibes oder auf der Bauchjeite furz vor ihm.
Um den Schlund herum, meijt nahe feinem Hinterende, ijt das zentrale Nervenfyiten ge-
legen: jtarfe Gruppen von anglienzellen an beiden Seiten, jchmwächere an Bauch- und
Nüdenfeite, die ducch faferige Stränge miteinander, bejonders aber mit einer den ganzen
Schlund umgreifenden, mächtigen Ringbahn verbunden find. Bon diejer lebteren entjpringt
an der Bauchjjeite mit doppelter Wurzel der Hauptlängsnerv des Leibe, der, in da3 untere
Längsfeld eingebettet, bis zum Schwanz verläuft, ein ähnlicher, jchwächerer, bei freileben-
den Formen anjcheinend fehlender, in der Rüdenlinie. Nac) vorn zu gehen jechs Nerven-
bündel an jech3 den Mund umftehende, haar- oder papillenfürmige Sinnesorgane. lhn-
liche, vermutlich dem chemijchen oder dem ZTaftfinn dienende Gebilde finden fich in größerer
oder geringerer Menge über den Leib zerjtreut, bei freilebenden Formen mehr als bei
parafitiichen. Als Erfretionsorgan dient freien Arten eine einzige, feulenförmige Zelle, die
an der Bauchjläche des Haljes nad) augen mündet. Bei Barafiten wächt diefe Zelle zu riefen-
after Größe heran, gabelt fich und zieht beiverjeit3 in den Geitenfelvern bis ana Hinterende.
Die Spulwürmer find jajt immer getrennten Gejchlechtd. Beim Männchen fiegt
zwilchen Darm und Leibeswand ein einfacher, oft ftarf gewundener Hodenjchlauch, der mit
dem Furzen Enddarm zujammen nad) außen mündet. Aus der gemeinjchaftlichen Offnung
fönnen oft harte, jpißige Gebilde, „Spifula” genannt, Hervorgetrieben und beider Begattung
in die Gejchlechtsöffnung des Weibchens eingeführt werden. Haftorgane von mancherlei
Art und zahlreiche, die Bauchfläche des männlichen Hinterleibes bevedende Sinnespapillen
250 Würmer: Fadenmwürmer.
vermitteln die Begattung. Das Gejchlechtsorgan des Weibchens tft in der Regel gejpalteı,
dergeftalt, daß fich an die furze, irgendtvo an der Bauchfläche mündende Scheide zwei neben-
einander (3. B. bei Ascaris) oder aber nach vorn und nach Hinten (Ancylostoma) verlaufende
Gileiter jchließen, die in die beiden jchlauchförnigen Keimfächer übergehen. Die Cier der
Nematoden find in der Wifjenfchaft berühmt. Durch ihre Sleinheit und Durchjichtigfeit zu
miktoffopifchen Studien hervorragend geeignet, gehören jie zu den erjten, an Denen die
feineren Vorgänge der Neifung, Befruchtung und Teilung verfolgt werden fonnten. Oft
werden fie von den Weibchen in vorgejchrittenem Stadium der Entmwidelung zur Welt ge-
bracht; einige Parafiten, 3. B. die Trichinen, find jogar „lebendig gebärend”. Aus den
jungen Larven entwiceln fich die freilebenden und viele jchmarogende Arten diveft und
ohne bejondere Metamorphofe. Bei manchen PBarafiten aber wechjelt eine ziweigejchlecht-
liche Generation mit einer abweichend geitalteten zwitterigen („Seterogonie”).
Die Shftematik der zahllofen Arten freilebender Savenmwürmer it noch) recht wenig
geklärt. Meift Handelt es fich um winzige, nur ein paar Millimeter lange Würmchen, die
in Süß- oder Camwaljer, im Schlamm der Sümpfe und Küften in feuchter Erde und Nioos-
rajen ein unauffälligeg Dafein führen. Doch erreichen marine Formen, 3. B. die fcharen-
weije ven Schwarzen, übelriechenden Schlamm der Häfen bevölfernden Arten der Gattung On-
cholaimus Dyj., eine Zänge bon 1—2 cm, und Cylicolaimus magnus Vllot, der wie Das Laıı-
zettfiichehen den Uferfand des Bofilipo bei Neapel bewohnt, wird jogar über 3 cm lang.
Die Sinnesorgane der Haut pflegen Stark enttwidelt zu fein, oft jo jehr, daß die Wiür-
mer, bejonders im borderen Körperabjchnitt, geradezu boritig ericheinen. Bei nahezu allen
iit beiderjeitS eine der feitlich gelegenen Mundpapillen ganz abweichend ausgebildet, ver-
größert und aus der Reihe der übrigen herausgerüdt: das napf- oder blajenfürmige, zus
mweilen jpiralige „Seitenorgan”. Auch Augenflede finden fich bei marinen Iltten.
Die Nahrung der freilebenden Nematoden beiteht in allerhand organijchem Abfall
pflanzlicher oder tierischer Herkunft. m riefiger Menge treten gemwijje Arten 3. B. auf,
wenn man zerjchnittene Negenwiirmer auf feuchter Gartenerde verfaulen läßt. Nur Die
großen, im Sande flacher Meeresfüiter lebenden Arten der Gattungen Syphonolaimus
de Man und Anthraconema zur Strassen, bei denen der Mund mit einem vorftülpbaren
jteifen Röhrchen ausgerüstet, der Darm aber ftändig von roten bis braunfchwarzen Mafjen
erfüllt ijt, jcheinen, nach zur Strafen, irgendwelche ihren Aufenthaltsort teilenbe Tiere
anzubohren und ıhr Blut zu jaugen.
Den Übergang von den freilebenden zu den parafitifchen Fadenmwürmern vermit-
telt die Samilie der Anguillulidae. Ihre meilten Bertreter leben frei im Wajjer
oder in der Erde, manche aber auch in faulenden oder gärenden Stoffen und wieder andere
als Schmaroger in Tieren oder Pflanzen. Meift von geringer Körpergröße und mehr
oder minder vollfommener Durchlichtigkeit, unterjcheiden fie jich von der vorigen Gruppe
durch das Borhandenfein einer doppelten Anjchwellung des Schlundes. Nach Bütjchli
entwidelt jich eine reiche Sauna Der freilebenden Formen diefer Anguilluliden Hauptjäch-
(ich im Schlamme und fonftigen Grunde der reinen und vorzugsweije der fließenden Ge-
mäjjer wie auch auf Steinen, Wafjerpflanzen uf, in dem grünen Bejage von Algen-
jäden, der fich hier gebildet hat. „Die in der Exde fich aufhaltenden Arten (3. ®. Rhabditis
beres Schneider) hat man hauptjächlich an den Wurzeln verjchiedener Pflanzen zu juchen.“
Sreilebende Fadenwürmer Anguilluliden. 251
Wir jehen ferner, wie Lehmboden von diejen Tieren gemieden mird, dagegen mit Sand
gemengter Lehm oder reiner Sandboden ihnen jehr zujagt. Die jich parthenogenetijch fort-
pflanzende Rhabditis schneideri Bütschli findet fi) in faulenden Pilzen, das Kleiiter-
oder Eifigälhen, Anguillula aceti Zhrdg., dagegen in leiter oder gärendem Eijig;
namentlich in dem früher gebräuchlichen Wein- oder a war es häufig, da es in den
Gärungspißen reichliche Nahrung fand.
Die Fortpflanzungsperhältnifje der Anguilluliden Kind jehr verjchiedenartig. & fennt
man durch unbefruchtete Eier, aljo parthenogenetijch fich vermehrende Formen, andere jind
jtet3 zwitterig, wieder andere jind getrenntgejchlechtlich. Yin diefem Falle jind die Weibchen
meift beträchtlich größer al3 die Männchen und dor jenen durch ein jehr jpis auslaufendes
Hinterende ausge-
zeichnet, etwa mie
e3 die Abbildung b
zeigt. Die Männchen
bejigen, wie bereits
erwähnt murde, als
Begattungsorgane
aiwei chitinige Dor-
nen, die Gpicula.
Häufig fommt es
auch dor, daß zivit-
terige und einge-
ichlechtliche ®enera-
tionen bei der glei-
chen Art regelmäßig
miteinander abmwech-
ee de nad Bunter Je gmarsganbe Guictetige) Bekszatton: 0 Mund, N Nerenil
trachtung Der Räder ving, Drz Drüjenzellen, G Gejhlehtsbrüfe, D Darm, A After. = b) Sreilebende, vhabditis-
2 N förmige (getrenntgejhledtlide) Generation: 'T männliche, Ov weibliche Gejhledhts-
tiere hatten miremen drüfe, Sp Spieula (in der männlihen Gejhlehtsöffnung), V weibliche Gefhlehtsöffnung, A After.
ähnlichen Cntmwide-
Yungsgang als „Heterogonie” Fenmengelernt. Während nun aber bei den Notatorien die
beiden Generationen in der Lebensweije und im Bau bollfommen übereinjtimmen, jind
jie bei den Anguilluliden äußerlich und innerlich fcharf unterjchieden. Die ziwitterige,
ichmarogende Form wird al® Rhabdonema, die freilebende, getrenntgejchlechtliche Hin-
gegen al Rhabditis bezeichnet. Einige Beifpiele dienen zur Erläuterung. ©o lebt nad)
der Entdeckung Leudarts in der Lunge der Fröjche, und nicht jelten in großer Menge, ein
bis 2 em lang mwerdender Wurm, der, was jonft bei Fadenmwirmern im ganzen jelten
vorkommt, zwitterig, und zwar proterandrifch ift; d. H. das Tier bringt zunächjt Die männ-
lichen und danach die weiblichen Keimzellen zur Reife. Die befruchteten Eier enttwideln ich
jofort und e3 werden zahlreiche Junge zur Welt gebracht, die aus der Lunge des NWirtes in
die Speijeröhre und weiter in den Darm gelangen. Mit dem Stote nach außen befördert,
entivifein fie fich Hier innerhalb weniger Tage zu einer freilebenden, getvenntgejchlechtlichen,
viel Heineren Zivifchengeneration. Das ift die in der Abbildung rechts dargeftellte Rhabditis-
Form. Die Nachfommen diefer Generation exit, die wenig zahlreich find, etwa 2—3 bei
jedem Weibchen, wandern, nachdem fie den mütterlichen Körper ausgefrejjen und jeine Yaut
252 -Wirmer: Fadenwürmer.
geiprengt haben, wieder bei Fröjchen durch das Maul in die Lunge ein und werben zur
ktenigen Rhabdonema - Generation.
Durchaus Ähnliche Entmwidelungsporgänge entdedte aleichfall3 Zeucdart bei zwei anderen
Wurmarten, bon denen die eine ein bejonderes nterejje al3 Schmaroger des Menjchen hat.
Sn Kotjcehinchina und Oberitalien zuerft entdeckt, in der Folge aber auch in Ländern mit
gemäßigten umd faltem Klima (Zapan, China, Nordamerifa, Sibirien) und in den Tropen
al3 verbreitet erfannt, findet fich gelegentlich im Darme des Menjchen in allen feinen Ab-
Ichnitten jowie in den Ausführungsgängen der Leber und der Bauchjpeicheldrüfe ein ziwit-
teriger Nematode, Strongyloides stercoralis Bavay (Rhabdonema strongyloides). Die Tiere
jind äußert fruchtbar und ihre Nachfommenfdhaft, die Leudart fiir eine einzige Ausleerung
auf eine Million und darüber jchäßt, gelangt nach außen. Dieje Würmchen waren von
Babah) alö Rhabditis stercoralis bejchrieben worden. Sie verändern ihre Gejtalt nicht, da-
gegen beginnen die Anlagen der Gefchlechtsorgane „frühzeitig zu mwachjen, und die Tiere
entwiceln fich in etiva 3 Tagen zu voll ausgebildeten Männchen und Weibchen, erjtere etiva
0,7 mm lang und an ihrem eingebogenen Hinterförper Eenntlich, leßtere etiva 1 mm fang,
mit pfriemenförnigem Schwanze und Ciern in ihrem Snneren. Dieje Eier, denen der para-
jitären Zorm im Ausjehen gleichend, aber etwas größer (0,07 zu 0,025 mm), beginnen ihre
Entwidelung ebenfallS im Mutterförper, werden dann (bis auf die lesten, Die in den altern-
ben Weibchen zuritdbleiben, fich Dort zu Larven entwiteln und dabei die Eingemeide ihrer
Mutter allmählich auffrefjen) nach augen abgelegt und verwandeln jich allmählich .... in filari-
fornıe Larven” (Rooß). Dieje fönnen entweder mit dem Ejjen und Trinken wieder vom
Menjchen aufgenommen werden oder erwiejenermaßen Jich durch die Haut einbohren und
auf dem gleichen Wege iwie die weiter unten (©. 263) zu bejprechende Ancylostoma in den
Darm gelangen. Hier entjteht aus ihnen wieder die zwitterige, zuerit als Anguillula intesti-
nalis bejchriebene Rhabdonema- Form.
Nicht immer verläuft indejjen die Entwidelung in diefer Weife. Die mit dem Kote
entleerten Würmchen vermögen ich nämlich auch unmittelbar zu ftilariformen Larven um-
zumandeln und unter Überjpringung der Rhabditis-Generation zur fehmarogenden Rhab-
donema zu werden. Welche Urjachen die eine oder andere Fortpflanzungsart bedingen, ijt
einjtweilen unbefannt. Cbenfo ijt die Bedeutung des Wurms als Stranfheitserreger noch
nicht völlig Hargeftellt. Die einen glaubten in ihm den Erreger der tropischen Dysenterie
(Kotfehinchinadiarrhöe) gefunden zu haben, Doch Hat jich diefe Auslegung als unhaltbar er-
mwiejen; andere halten den Schmaroger für vollfommen harmlos. Sicher ift, daß durch ihn
gemijje Störungen herborgerufen werden.
Die andere heterogone Wurmart heißt Allantonema mirabile Zeuck. Die zivitterige
Jorm jchmarogt in einem jehr jchädlichen Käfer, dem großen Fichtenrüffelfäfer (Hiylobius
abietis L.), leiver aber ohne dejjen Wohlbefinden wejentlich zu beeinträchtigen. Sm aus-
gebildeten Zujtande ilt das Tier 3 mm lang, nieren- oder bohnenförmig und in hohem Maße
rüdgebildet, und feine ziemlich geräumige Leibeshöhle enthält nichts anderes al3 weibliche
Öejchlechtsorgane. Die Jungen entwiceln jich im Srneren des elterlichen Körpers zu 0,3 mm
langen, fchlanfen Würmchen und verlajjen jenen, um in die Leibeshöhle des Ktäfers zu ge-
langen. Shre Zahl, in der fie nicht zugleich, fondern nach und nach auftreten, mag zwifchen
5000 md 6000 fein. Sie ernähren fich zuerft in der Leibeshöhle ihres Wirtes von dejjen
Säften und, da ihre Mundöffnung unwegjam ift, durch Dsmofe. Haben fie eine bejtimmte
Größe erlangt, darın durchbohren fie die Wandung des Maftdarnes, um in diefen und meiter
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Anguilluliden. 298
durch den After nach außen zu treten. Sie verlafjen ihren Wirt danach nicht jofort, jondern
werden zunächit aus Binnenjchmarstern Außenjchmaroger, indem fie in ven Raum zwijchen
Flügeldeden und Körper einwandern. Hier durchlaufen fie ihre weiteren Zarvenftadien, um
endlich al3 gejchlechtsreife, getrenntgejchlechtlihe Würmer (Rhabditis-Form) den Käfer zu
berlajjen, fich zu begatten und ziemlich feitichalige Eier zu legen, die wieder Rhabditis-artige
Larven liefern. Nachdem dieje getaume Zeit frei gelebt und, da jie im Bejig einer wohl-
entmwidelten Mundöffnung find, felbft gefreifen haben, fcheinen fie in die jüngften Larven
des Nüfjelfäfer3 einzumandern und in und mit diefen ihre Verwandlung zum zmitterigen
Wurm zu durchlaufen. :
&3 beiteht wohl fein Zweifel, daß den urjprünglichen, älteren Zuftand die getrennt-
gejchlechtliche umd freilebende Form daritellt, und daß die zweite Art der Fortpflanzung
exit nach dem Übergang zum Schmaroßerleben erworben wurde. In diefer Hinficht ver-
dienen die Verhältniffe befondere Beachtung, die wir bei einer anderen Art antreffen.
Bei Leptodera appendiculata Schneider fünnen mehrere, vielleicht auch unbejchränft viel
Generationen bon echten Rhabditis-sormen aufeinanderfolgen. Nun bietet fich aber einem
oder dem anderen Tiere die Gelegenheit, in die Gemeine Wegjchnedfe (Arion empiricorum)
einzumandern und zum Ochmaroger zu werden. Dann gehen Veränderungen mit ihnen
bor; e3 treten gewijje Abwandlungen im Bau und in der Geftalt auf und die Körpergröße
mwächlt gegenüber der freien Generation auf Das Doppelte (4 mm). Gejchlechtsreif werden
dieje Tiere (Männchen und Weibchen!) aber exit, nachdem fie ihren Wirt verlafjen Haben,
und fie bringen im Freien wieder Rhabditis-Brut zur Welt. E3 liegt alfo auch Hier, wie in
den vorigen Fällen, Heterogonie vor, nır mit dem Unterfchiede, daß e3 für die Erhaltung der
Art nicht notwendig erjcheint, daß zwei verichtedene Generationen umjchichtig aufeinander-
folgen. Der Parafitismus ift fakultativ.
Sn einem früheren Abjchnitt war einmal davon Die Rede, daß jchmarogende Lebens-
weile meijt eine ungeheure Fruchtbarkeit mit fich bringt. Al Grund war die hohe Ber-
nichtunggziffer angegeben worden und die geringe Wahrfcheinlichkeit, daß einer der Nach-
fommen [chließlich wieder in den ihm zujagenden Wirt und zur Fortpflanzung fommt. Hält
man jich dies vor Augen, dann lajjen jich leicht die eigenartigen Umbildungen verjtehen, die
wir bei den beiden folgenden Arten begegnen. Das von Leudart entdedte Atractonema
gibbosum Zeuck. findet jich in größerer Zahl (bis 50) in der Leibeshöhle von Müdenlarven
(Cecidomyia pini Deg.), ohne daß diefe dadurch befonders gejchädigt werden, menigitens
berpuppen jie fich und entiiceln ich fogar, immer nod) ihre Schmaroger bergend, zum ge-
flügelten Infekt. Der ausgebildete Wurm, der a3 Parafit bloß im weiblichen Gejchlecht
befannt ift, entbehrt des Mundes und After und erreicht eine Yänge von 6mm. „©eine
Form it jehr ungewöhnlich, indem der jchon an fich gedrungene Leib in einiger Entfernung
bon Dem fegelfürmigen Schwanzende einen budelartigen Aufjaß trägt, der, einem mächtigen
Bruchjad vergleichbar, der Bauchfläche mit breiter Bafis auffigt. Jm völlig entwidelten Zu-
Itande dürfte diefer Budel an Mafjemehr alsdie Hälfte des gefamten Wurmförpers ausmachen.
Seine Länge beträgt nicht weniger als 0,25 mm, Höhe und Breite 0,11 mm." (Leudart.)
Die Unterfuhung verjchieden alter Weibchen hat nun dargetan, daß jener jonderbare
Budel auf einen Vorfall der Scheide zurüdzuführen ift, Die fich nach außen um- und vor-
fülpt und von Brut erfüllt ift. Dieje gelangt aus dem Muttertier in die Leibeshöhle Des
Birtes, Ducchläuft hier eine Furze Entwidelung, gelangt dann nad außen, vo fie gejchlechtS-
reif wird und in Geftalt männlicher und meiblicher Tiere auftritt. Diefe vollziehen die
254 Wirmer: Fadenmwürmer.
Begattung, worauf die Männchen zugrunde gehen, die gejchtvängerten Weibchen aber in die
Mitclenlarven einmwandern, wo ihr Körper die oben bejchriebene Umbildung erleidet.
Ganz ähnlich, nur in gefteigertiter Form, erjcheinen die Entwidelmgsperhältnijje bei
Hummelälden, Sphaerularia bombi Dufour. A) Männ
hen, vergrößert (a feine natürliche Größe); B) freilebendes
Weibihen, vergrößert (b jeine natürliche Größe); C) trächtiges
Weibchen, vergrößert; w der eigentlihe Wurm, s die vor=
gefallene Scheide (e jeine natürliche Größe).
dem Hummtelälchen, Sphaerularia bombi
Dufour, denn hier übertrifft Die vorgefallene
und zu einem Schlauche umgeitaltete, bis zu
15 mm lange Scheide den eigentlichen Wurm,
der um jo mehr zurüctritt, je mehr jene jich
entmwidelt, um das 15000—20000fache! Die
außerhalb Des Wirtes begatteten Weibchen
wandern auch in diejem Falle nach dem Tode
der Männchen al3 gewöhnliche, Rhabditis-
ähnliche Würmchen in die Summeln, aber
bloß in vollentwidelte überwinternde Weib-
chen (Königinnen) ein und erlangen hier ihre
jonderbare Geltalt.
Waren die bisher behandelten Anguillu-
liden Tierjchmaroger, jo gibt e3 unter ihnen
auch einige, die VPflanzenjchädlinge find und
dem Aderbau gelegentlich gefährlich werden
fünnen. Das jeit 1743 befannte Weizen-
älchen, Tylenchus scandens Schneider (An-
guillula tritiei), erzeugt eine eigentümliche
Stranfheit des Weizens, das jogenannte Gich-
tigwerden oder den Taulbrand. „su den
erkrankten hren”, jagt Kühn, „jind die
Körner zum Teil oder gänzlich mißgebildet;
fie jind Kleiner, zugerundet, jchwarz und be-
itehen aus einer dien, harten Schale, deren
Snhalt eine weiße Subitanz bildet. Dieje
Subjtanz it von ftaubartiger Beichaffendeit
und geht beim Befeuchten mit Waller zu
feinen Körperchen auseinander, die fich unter
dem Mikrojtop al3 Anguillulen ausmweijen,
auf diejelbe Weije wie andere unter ähnlichen
Bedingungen allmählich zum Leben gelangen
und jich lebhaft zu bewegen beginnen. Die
in dem völlig ausgebildeten ranfen Getreide-
forn enthaltenen Wirmchen find gejchlechts=
(05. Kommt das Korn in den feuchten Bo-
den, jo erweicht und fault es; die darin ent-
haltenen, vorher eingetrodneten Würnchen
aber gelangen dur) die Feuchtigkeit zue Lebenstätigteit, und die erweichte, verfaulte Hülle
gejtattet ihnen, fich aus ihr zu entfernen und fich im Boden zu verbreiten. Gelangen fie
zu einer jungen Weizenpflanze, fo Eriechen fie an derfelben hinauf, Halten fich bei trocdener
ENTE EDLER ET TEN RE DER,
Anguilluliden.
Witterung in den Blattjcheiden ohne Bewegung und Le-
benszeichen auf, juchen aber bei einfallendem Regen mit
dem Emporwachjen des Halmes immer mweiter nach oben zu
fommen, und gelangen jo zu einer Zeit jchon in die oberite
Blattjcheide und jomit zu der fich bildenden Slhre, in welcher
diejelbe noch in ihrer erjten Entwidelung begriffen it.
Durch die eingedrungenen Winmchen wird nun eine ab-
norme Entwideluing der Blütenteile in ähnlicher Weije ver-
anlaßt, wie wir Die Galläpfel durch Snjektenlarven entitehen
jehen, e3 bildet jich) aus ihnen ein gerundeter Auswuchs,
in deijen Mitte jich die Würmchen befinden. Dieje ent-
wideln ji) hier vafch zur normalen Ausbildung. Die Weib-
chen legen eine große Menge Gier und fterben dann, wie
auch) Die Männchen, bald ab. Währenddem mächit der
Yuswuchs, bis er zur Zeit ver beginnenden Reife des Wei-
zens jalt die Größe eines normalen Kornes erreicht Hat.
Die alte Generation der Anguillulen it dann jchon aus-
geftorben, aus den Giern find Die Embryonen längit aus-
gefrochen und bilden nun al3 gejchlechtzlofe Larven den
jtaubig fajerigen Inhalt des Gallengewächjes. Diejes trodnet
mit den fcheinbar Yeblofen Wirmchen zu dem jogenannten
Gicht- oder Nadenkorn des Weizens zujammen. Gelangt
dasjelbe mit den gejunden Weizenförnern in den feuchten
Aderboden, jo wiederholt jich der Kreislauf.“
Auch in einigen anderen, wild wachjenden Gräjern
rufen Anguillulen ähnliche Veränderungen hervor. Zum
Beifpiel ift aß Urjache der als Kternfäule bezeichneten Stranf-
heit der Weberfarde von Kühn eine Anguillufidenart, Ty-
lenchus dipsaci Kühn, erfannt worden. Der Lebenslauf der
legteren jcheint durchaus derjelbe zu fein tie derjenige des
Weizenälchens, derjelbe Scheintod der Würmchen in Den
teodenen Blütenteilen, jofortiges Aufleben bei Befeuchtung.
Da nafje Witterung das Auffteigen der Ulchen am Stengel
befördert, fo erklärt e3 fich, warum die Kernfäule bejonderz
in najjen Sahren fich ausbreitet.
Bon bejonderer Wichtigkeit für Die Landmwirtichaft it
eine den Tylenchen fich nahe anjchliegende Nematodenform,
die Rübennematode, Heterodera schachti Schmidt, die
ein arger Schädling der Zuderrüben ift und die Urjache der
iogenannten Rübenmüdigfeit wird. Die Lebensgejchichte
diejes interejfanten Wurmes ift in umfajjender Weije von
Y. Strubell unterfucht worden, dejjen Daritellung wir hier
folgen wollen.
Die beiden Gefchlechter des Wurmes find auffallend
verjchieden an Geftalt. Die Männchen Haben völlig das
259
Männdhen der Nübennematode,
Heterodera schachti Schmidt. Nad)
Strubell. Stark vergrößert. k Kopf
fappe, st Stadel, oe Anfangsdarım,
b Schlundfopf, schl Schlundring, ex Er-
tretionsgefäß, d Dar, sp Spicula. (Die
Ningelung des Körpers ijt etwas über-
trieben und natürlih nur eine äußere.)
256 Würmer: Sadenwirmer.
itbliche Ausfehen der Favdentwürmer, find jchlanf, frei beweglich und 0,s—1,2 mm lang.
Die Weibchen Hingegen find von der Form einer an beiden Polen ausgezogenen Zitrone,
dabei ift aber die Nücdenfläche immer ftärfer gewölbt al3 die Bauchjlächhe. Shre Be-
wegungsfähigteit ift auf das Hußerfte bejchräntt, obwohl noch ein gut entwidelter Musfel-
apparat vorhanden ijt, der aber nach und nad), in dem Maße wie die Eier reifen, ver-
ichwindet. Ebenjo geht auch der Darm zugrunde, nachdem die Gier in die Leibeshöhle
des Weibchens duch Plagen der Gebärmutter gelangt find. Auf diejer Stufe feiner Ent-
widelung ift das Weibchen nichts anderes als eine Kapfel für und eine Hille um die Eier.
Die Larven fchlüpfen noch im mütterlichen Körper aus und bleiben zunächit al3 bewegliche
Heine Würmchen (0,3--0,4 mm lang) in der Mutterfapfel, fprengen dieje indejjen nad)
_ einiger Beit, treten nach außen und wandern in die erften nahe befindlichen Winzelchen
ein, mit Vorliebe in Die der Zuderrübe, aber auch in die zahlreicher anderer Frautartiger
Pflanzen, von denen Kühn nicht weniger al3 180 Arten nennt. Die Tierchen haben einen
Stachel am Vorderende des Körpers und Durchbohren mit dejjen Hilfe die Oberhaut der
Wirzelchen. ©o gelangen die Yarven meilt in größerer Zahl in das jaftige Binnengemwebe
der Planzen, wobei fie während ihrer Wanderungen dejjen zentrale Leitbiindel zu ber-
meiden willen. Endlich machen fie an einer ©telle dicht unter der Oberhaut halt. Hier
vertvandeln fie fich nach einer Häutung in eine zweite jeßhafte Larvenform ungefähr von
Geftalt einer Tlafche. Der Leib jchwillt zufolge veichlicher Ernährung an, jo daß fich die
Wurzelepivermis der Pflanze empormölbt und der junge Wurm wie in einer Kapjel liegt;
wahre Gallenbildung jeitens der Pflanze findet dabei indefjen nicht ftatt.
Bis jebt find an den Larven Gejchlechtsunterfchtede nicht wahrnehmbar, bald aber
lajjen fich folche erfennen. Ein Teil der Jndividuen jchroillt immer mehr an, während bei
dem anderen die Ernährung und damit das Wachstum unterbrochen wird. Die erjteren
zeigen bald die Zitronenform der Weibchen und drüden bei ihrem zunehmenden Leibes-
umfange auf die Wurzelhaut, jo daß diefe endlich plagt und das Tier mit feinem Hinter-
ende frei nad) augen ragt, jpäter auch, wenn e3 zur Brutfapfel entartet und von durc)-
iheinend bräunlicher Tarbe geworden ilt, völlig abfällt.
Die männlichen Larven, die im Wachstum, wie wir jahen, zurüdbleiben, häuten
lich, indem fie fich zunächit von der früheren Larvenhaut zurücziehen, wieder jchmächtig
werden und die Öeftalt von Fadenwürmern unter Auftreten verjchievener Neubildungen
in ihrer Organifation zurüderlangen. Wenn jie fertig ausgebildet find, Dirrchbohren fie Die
alte Zarvenhaut und die Epidermis der Wurzel mit ihrem Stachel, wandern nach außen
und juchen die bewequngslojen Weibchen an ihren Auheitellen zur Begattung auf. Die
ganze Entwidelung vom Ei bi3 zum gejchlechtsreifen Tier richtet fich wejentlich nach, äußeren
Umftänden und wird duch feuchte Wärme bejchleunigt, jo daß innerhalb eines Sahres
durchichnittli” 6—7 Wurmgenerationen angenommen werden fünnen.
Weniger wichtig ift die Familie der Mermitidae. hre Angehörigen erreichen im
weiblichen Gefchlecht eine etwas ftattlichere Länge, bi3 10,5 cm. Die Männchen dagegen
jind Eleiner, viel jeltener und durch ein verbreitertes Schwanzende ausgezeichnet. Beide Ge-
jchlechter find afterlos. Die Tiere leben im Erdboden, wo fie meift zufammengerollt einzeln
oder Tnäuelmweife miteinander verwidelt ruhig liegen, jfegen fich aber, wenn diejer befeuchtet
wurde, langjam in Bewegung und erfcheinen für einige Zeit auf der Erdoberfläche. Be-
jonders im Sommer nach warmem nächtlichen Negen Tünnen fie zu Taujenden zum
Anguilluliden. Mermitiden. Filariiden. 297
Borichein fommen und haben durch ihr plögliches Auftreten Veranlafiung zur Sage vom
Wurmregen gegeben (Mermis nigrescens Duz.).
Shre Eier (j. die Abb.) Haben ein jehr auffallendes Ausjehen, es find nämlic) finfen-
fürmige Kapfeln, die an den abgeflachten Seiten quajtenförmige Anhänge tragen. Bei
Mermis albicans Sieb. friechen aus den im Sommer gelegten Eiern die Larven exft im nächiten
Frühjahr aus. Nach furzem Aufenthalt in der Erde juchen fie Sniekten und Snjektenlarven
auf, in deren Xeibeshöhle fie jich einbohren. Ste können im Verhältnis zu ihrer Größe (Smm)
weite Wanderungen machen, bet feuchter. Witterung jelbjt an Bäumen hinaufflettern und
fogar in die im Inneren von Birnen und Äpfeln haufenden Raupen des Apfelmwidlers
(Carpocapsa pomonella Z.) geraten. Am häufigiten finden fich die jungen Tiere überhaupt
in Schmetterlingsraupen, dann befonders in Heufchreden, aber auch andere Kerbtiere werden
bon ihnen befallen. Im Wirt beitehen die Heinen Nematoden ihre Verwandlung bis zur
Geichlechtsreife, wandern dann aus und begatten jich
im Freien, wo auch die Gier abgelegt werden.
Für die Samilie der Filariidae bildet die aus-
geiprochene Fadenform des Körpers ein Hauptmerk-
mal, während die Bejchaffenheit des Stopfendez je
nach Anmejenheit oder Mangel von Lippen und
Knötchen jeher verjchiedenartig it. Die Männchen
zeichnen fich durch ein jchraubenförmig gemundenes
Schwanzende aus. Wir fennen an 40 Arten jolcher
Tllarten aus Säugetieren und Vögeln und wiljen
borderhand nur bon einigen, daß die Jungen in mifroffopijcher Größe durch blutjaugende
Snjeften, vornehmlich Stechmüden, welche die Zwijchenwirte abgeben, in den Endtirt
übertragen werden.
Ein Hierhergehöriger Schmaroger des Menjchen in tropiichen Gegenden ift die ge-
ichlechtsreif in den Lymphgefäßen vorfommende Filaria bancrofti Oobd., deren Larven in
‚ungeheurer Zahl in den die menjchliche Haut Durchziehenden feinen Blutgefägen gefunden
erden und den jelbjtändigen Namen Filaria sanguinis hominis erhalten hatten, bevor man
den wahren Sachverhalt fannte. Über die bejonders von Manfon jtudierte Erjcheinungs-
mweije diejer Blutfilarien fchreibt Braun: „Man trifft die Larven bei den Stranten zuerft in
Blutproben, die nach Sonnenuntergang entnommen werden; ihre Zahl jteigt dann ganz be-
deutend bis gegen Mitternacht, um von da ab wieder zu jinfen; von Mittag bis zum Abend
findet man feine Filarien im Blute der Haut. Die Urjache hierfür kann nicht, wie man ber-
mutete, in einer periodifchen Erzeugung von Larven liegen, da man den Zyflus dadurch um-
teren fann, daß man die Kranken am Tage Ichlafen, nachts wachen läßt. Die Erfcheinungs-
mweife hängt alfo mit dem Schlafe zufammen und beruht darauf (v. Linjtow), daß während
des Schlafes die peripheren Hautgefäke ic) etwas erweitern, im wachen Zujtande aber ver-
engt find; diejes verengte Kapillarjyitem der Haut können die Filavien nicht paljieren, jon-
dern ruhen in den größeren Stämmchen in der Tiefe der Cutis.” Dieje Larven werden
‚nun mit dem Blute durch Stechmüden aufgenommen, wobei e3 bemerfenswert ift, daß ihr
Erjcheinen in der Haut mit der Schwärmzeit der Mosfitos zufammenfällt. Sie machen in
der Bruftmustulatur der Müden ihre Verwandlung durch, gehen als etwa 1—1,5 mm lange
Würmchen wieder in die Leibeshöhle und von da in den Stopf des Snjekt3 über und werden
name, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 17
Eier und Larve von Mermis. Vergrößert.
25 Würmer: Fadenmwürmer.
an
Schließlich durch den Stich wieder auf den Menjchen übertragen. Bon den Schiejalen der
Larven nach ihrer Überführung in den menjchlichen Körper, ihrer weiteren Umbildung bis
zur Gejchlechtsreife, von Drt und Zeit der Begattung, von ihren Wanderungen fehlt uns
zur Zeit noch alle Ktenntnis.
Die Anfteung mit Filaria banerofti ijt nicht unbedingt mit Gejundheitsitörungen
verbunden, vielmehr werden die Larven oft nur bei Gelegenheit genauejter Unterjuchungen
im Blute entdedt. Um jo zahlreicher und jcheußlicher jind aber die Stranfheiten, die Durch
jie mittelbar hervorgerufen werden fünnen: Schwärenbildung, jchiwere Erkrankungen der
Lymphdrüfen und Lymphbahnen (Lıymphangitis, Lymphoaricen, Lymphharnen uf ) und
die furchtbaren Anjchwellungen gemwiljer Störperteile, die der Arzt als Clephantiajis der
Beine, Arme, der Bruft oder der äußeren Gejchlechtsteile bezeichnet.
Auch der Loawurm, Filaria loa Guyot, it ein Schmaroger des Menjchen. Diejer
bi3 zu 5em lang werdende Wurm bevorzugt als feinen Gib die Bindehaut des Augapfels,
findet fich aber auch an allen möglichen anderen Stellen des Unterhautbindegemebes, be-
jonders an den Armen.und Fingern. Seine eigene Haut trägt zahlreiche Höder, die bei vem
deutlich im Auge fichtbaren und dort Bewegungen ausführenden Tiere wie die Stummel-
füße eines Ringeltwurmes erjcheinen. Dieje Filarien pflegen nicht ruhig an ihrem einmal
eingenommenen Sib zu verharren, jondern fie wandern oft aus einem Auge über den Najen-
rücen in das andere Auge und in andere Teile des Gejichts, jo daß die Anjchwellungen,
die fie erzeugen, ihren Pla oft wechjeln, in der Zwilchenzeit aber metit jchwinden. Der
Roamwurm ift in jenem Vorfommen auf die Weitküfte Afrifas bejchränft, wo er nicht, nur
itellenmweife bei den Eingeborenen häufig ift, jondern auch Europäer befällt, und bon io
er auch nach Europa und Amerika verjchleppt wurde. Auch hier finden ich die Larven
am Tage im Blute der Haut, und die Übertragung gejchieht jehr wahrjcheinlich Durch
itechende Dipteren.
Sm Venenjpitem des Hundes, namentlich in China und Sapan, aber auch in Stalien,
ilt Filaria immitis Zeidy häufig.
Der berüchtigste Öuinea- oder Medina-Wurm, Dracunculus medinensis Velsch, die
einzige Art ver Gattung Dracunculus Reichard, wurde früher zur Gattung Filaria gejtellt,
hat aber mit diejer nichtS zu tun, fondern gehört nach zur Strafjen in die nächite Bermandt-
ichaft der bei Fiichen jchmarogenden Gattung Ichthyonema Diesing. Er erreicht, nachdem
er im Unterhautbindegemwebe des Menfchen fich angefiedelt hat, eine Länge von 50—80 cm
bei einer Diele von 0,5—1,7 mm und erzeugt durch feine Anmwejenheit bösartige Gejchwüre.
Su den feuchten tropischen und jubtropischen Gegenden werden Weiße und Tarbige von ihm
heimgejucht, Doch hat man ihn auch bei Säugetieren, Rind, Pferd, Hund und anderen, beob-
achtet. Nachdem man ihn in der offenen Wunde hat faljen fünnen, jucht man ihn über ein
Röllchen aufzuminden, ein Verfahren, das mehrere Tage in Anfpruch nimmt und, wenn
es Durch das Zerreißen des Wurmes unterbrochen wird, jehr üble Entzündungen zur Folge
haben joll. Dieje gefährlichen Schmaroger find allefamt weiblichen Gejchlechts. hr Leib
it fat ganz bon dem riejig entwidelten Fruchthalter erfüllt, worin es von Giern und
Embryonen wimmelt. GSonderbarermweije fehlt eine Gejchlechtsöffnung: die Embryonen
gelangen durch Plagen der mütterlichen Körperwand ins Freie, und zwar, da Diejes
"lagen bei der Berührung des reifen Wurmes mit Wafjer eintritt, in Tümpel und fon-
ftige Gemwäffer, wo fie, nach Fedjchenfo, in Heine Süßmwafjerfrebschen (Cyelops- Arten)
einmwandern und in diefen zunächft fich häuten. Offenbar gelangen die Larven mit dem
Filariiden. Trichine, 259
Teinfwajjer in ven Magen ihres Trägers, von da aus unter ungeheurem Wachstum unter die
Haut. Zur Strajfen hat Duech Vergleihung mit Ichthyonema wahrjcheinlich gemacht, daß
die jungen Weibchen des Medinamurmes im hinteren Störperorittel eine Gejchlechtsöffnung
und Scheide bejißen, die fpäter verjchwindet, und dag jie von zugehörigen, vergleichsmeije
winzigen Männchen befruchtet werden. Leiper jcheint diefe Männchen, 22 mm lang, im
Numpfe eines fünftlich infizierten Affen entdedt zu haben.
Kein Eingemweidewurm hat jeit Dem Jahre 1860 jo viel von fich reden gemacht wie der
gefährlichite von allen, die Trichine, Trichinella spiralis Owen (Trichina), die mit einigen
anderen Gattungen, darunter dem ebenfalls unter den Schmarogern des Menfchen ver-
tretenen PBeitjichentwurme, die Samilie der Trichotrachelidae bildet. Eine Reihe Tri-
chinenepidemien entrollten wahre Schredbilder menjchlichen Leidens, und das bisher jaft
unbeachtet gebliebene Tier wurde nun durch die eifrigiten Nachforichungen über feine Natur
und Entwidelung und die Art, wie man fic) vor ihm jchügen fünnte, zum genaueft befann-
ten jeiner Stlajje. &3 erjchtienen mehrere wiljenjchaftliche Monographien, unter denen wir
die von Leudart und Bagenftecher obenan zu jtellen Haben, gemeinverjtändliche Abhand-
lungen zur Beruhigung und Belehrung der Menge, darunter eine vortreffliche von Virchow,
wurden in vielen Taujenden von Ubzügen verbreitet, die Regierungen erliegen Anordnungen
zur Überwachung des Fleifchhandels, jogar ein neues Amt, das des „Trichinenbejchauers”,
wurde gegründet (in Preußen beiteht jeit 1877 die gejeglich vorgejchriebene Fleischbeichau).
Sichere Fälle von dem Borfommen der Trichinen im Zuftande der Einfapfelung in
ven Musfeln des Menjchen jind beinahe 100 Jahre alt, und der Name Trichina spiralis
wurde ihnen 1835 von dem englischen Naturforscher Owen gegeben. Erxft acht Jahre jpäter
- Sam man zur Erfenntnis, daß jene Trichinen die Jugendformen eines Rundiwurmes feien.
Shr Vorkommen im Menjchen erjchten jedoch als eine „VBerirrung”; man übertrug auf fie
eine Anjicht, die eine Zeitlang auch für andere Eingeweidewürmer des Menjchen und Der
Tiere gegolten, daß fie nämlich auf einer gewiljen Stufe ihrer Entwidelung oft den rechten
Weg verfehlten, in unrechte Wirte und ihrem weiteren Wachstum nicht zufagende Organe
gelangten, darum auzarteten und eingefapjelt würden. Daß die Trichinen ihre Kapjel jelbjt
ausichwisen, erfuhr man dabei. Auch jtellte jich jpäter durch eigens zu dDiefem Yivede an-
geitellte Berjuche Heraus, daß jowohl im Darme der Mäuje al3 in dem der Hunde die mit
dem Zleiche eingeführten Trihinen ihre Kapfel verliegen, wuchjen und in furzer Zeit ge-
ichlechtsreif wurden; ferner ergab fich die für die Anftetung mit Trichinen mwichtigfte Tat-
jache, daß die im Darmfanal des Wohntieres geborenen Trichinen nicht nad) außen man-
dern, jondern die Musfeln des Wirtes Heimjuchen. Der erite Flare Fall einer tödlich ver-
laufenden Trichinenkrankheit beim Menjchen wurde am 27. Januar 1860 in Dresden be-
fannt und von Profefjor Zenfer in feiner ganzen Bedeutung gewürdigt; die völlige Auf-
Härung folgte rajch, leider begünstigt Durch eine ganze Reihe von Einzelfällen und jchweren
Epidemien, die zahlreiche Opfer verlangten. Am meiften berüchtigt jind die von Hettjtädt,
bei der auf 159 Erkrankungen 28 Todesfälle famen, und von Hadersleben (1865), mo von
den richt ganz 2000 Einwohnern in furzer Zeit 337 erkrankten und davon 101 ftarben. 3
wurde bald offenbar, daß die fait ausjchliegliche Duelle für die Eiufithrung der Würmer in
den Menjchen das Schwein jet.
Die gejchlechtsreifen Trichinen oder die jogenannten Darmtrichinen leben nur im
Darme des Menjchen und verjchtedener Säugetiere und Vögel, und jie vollenden dort ihr
17*
2360 Bürmer: Sadenmwürmer.
Wachstum, pflanzen fich fort und gehen nad) und nad) zugrunde. Die Weibchen jind
selten wenig länger al® 3 mm, die Männchen 1,5 mm fang. Das Wachstum und die Reife
gehen im Darmfanal jo jchnelf vor fich, daß die neue Generation jchon fünf Tage nach
Einführung der alten gefunden mwird. Bei beiden Gefchlechtern fiegt der Mund gerade am
Vorderende, von wo aus der Körper bis über die Mitte jich gleich-
mäßig verdickt, um von da aus gegen das ftumpf abgerundete Yinter-
ende wieder etwas fchmäler zu werden. Die Offnung, durch melche
die jchon im Eihalter ausfriechenden Embryonen geboren werden,
liegt nicht weit vom Worderende; das Schwanzende des Männ-
chens ift durch ein Paar zapfenförmige Herborragungen ausgezeich-
net. Die in den Darm des Menjchen und gemifjer Tiere
verfegten Trihinen gehen nie daraus in Die Muskeln
über, halten fich aber unter gewöhnlichen Berhältniifen fünf Wochen
und länger darin auf, und die von jedem Weibchen erzeugte Anzahl
bon Nachfommen fann auf einige Taufende gejchäßt werden. Die
reifen Weibchen bohren fie) num in die Darmzotten ein und ge-
langen Schließlich in die Lymphräume. Dort jegen jie ihre Brut in
Geftalt Heiner, etwa V/ıo mm fanger Würmchen ab.
Die junge Brut gelangt in den Lymphittom und von da in
die Blutgefäße, mo fie der Blutftrom in entferntere Körperteile
trägt. Teilmeife wandern fie wohl auch jelbittätig. evenfalls
durchbrechen fie Schließlich die Wände der Blutkapillaren und dringen
in die quergeftreifte Muskulatur des Körpers ein. yedoch gilt all-
gemein, daß die Einwanderung in die vom Rumpfe entfernteren
Teile eine viel geringere ift als in die näheren. Am meijten heim-
gejucht find das Zmwerchfell, die Kehlfopf-, Zungen- und Kaumus-
fein, kurz folde Musfelgruppen, die beim Atmen und Nauen ge-
braucht und beftändig oder falt bejtändig bejchäftigt find. Man darf
annehmen, daß die Bewegung der Musfeln jelbit zum WBormärts-
fommen der wandernden Trichinen beiträgt.
Mit dem Ende der Wanvderjchaft beginnt die Periode Der
Muskeltrihinen. Wir lajlen über .diefe und die damit verbint-
dene Einfapfelung Virchow reden. „Wenn eine junge Trichine in
eine Musfelfajer hineingefrochen ift, jo bewegt jie jich, wie es jcheint,
in der Negel eine gewilje Strede fort. Cie durchbricht dabei die
| feineren Bejtandteile des Fajerinhaltes und wirkt wahrjcheinlich
ER ; u 5 en ichon dadurch zerjtörend auf die innere Zufammenjeßung der ajer.
vergr. Nah 8. Haubner. ber e3 läßt jich auch nicht bezweifeln, daß jte von dem Snhalt der-
jelben jelbjt Teile in jich aufnimmt. Sie hat Mund, Speijeröhre
und Darm; fie wächit im Laufe weniger Wochen um ein Vielfaches; jie muß aljo Nah-
rung aufnehmen, und Ddiefe fannı fie nicht andersiwoher beziehen al3 aus der Umgebung,
in der Sie jich befindet. Wenn fie auf diefe Weile vie Muskelfubitanz, den Fleifchitoff, un-
mittelbar angreift, jo wirft fie zugleich reizend auf Die umliegenden Teile... Die zer-
jtörende Wirkung, welche die Trichfinen ausitben, gibt ji nun hauptjächlih an dem
eigentlichen Fleiichitoff, und zwar tmejentlic” an den Körnchen, PBrimitivfibrillen und-
Tricdine. 261
- Scheiben der Musfelfafern fund, denn Ddiefe verichtoinden im größten Teile der Zajer mehr
und mehr. Die reizende Wirkung Hingegen tritt am meijten an der Hülle und an den
Muskeltörperchen hervor, am ftärfiten an der Gtelle, wo daS Tier dauernd Tiegenbleibt.
Die Hülle verdict jich hier allmählich, die Sterne der Musfelförperchen vermehren fich, die
Körperchen jelbit vergrößern Jich, zwilchen ihnen lagert jich eine derbere Gubjtanz ab, und
jo entjteht nach) und nad) um das Tier herum eine fejtere und Ddichtere Mafje, an welcher
man roch lange die äußere Hülle und die innere Wucherung unterjcheiden Tann.
„se größer das Tier wird, um jo mehr rollt e3 jich ein, indem es Kopf- und Schwanz-
ende einfrümmt und wie eine Uhrfeder |piralfürmig zufammengemwidelt wird. Diele Bor-
gänge bilden ji) Hauptjächlich in der dritten bis fünften Woche nach der Einwanderung
aus. Von da an nimmt die Dice der Kapjel mehr und mehr zu, und zwar lu)
insbejondere der Inhalt, weniger die Hülle. Der
mittlere Teil der apfel, wo eben das aufgerolite
Tier Tiegt, erjcheint bei mäßiger Vergrößerung wie
eine helle, fugelige oder eifürmige Mafje, in welcher
man das Tier deutlich wahrnimmt. Über und unter
diejer Stelle finden jich in der Regel zwei Anhänge,
welche bei Durchfallendem Lichte dunkler, bei auffal-
lendem Lichte weißlich erjcheinen und fic) allmählich.
berdiünnen, um in einiger Entfernung mit einem ab-
gerundeten oder abgejtumpften Ende aufzuhören ...
„Aber diefen Ummandlungen vergehen Mio-
nate, und bei noch längerer Zeit nach der Einwan-
derung gejchehen weitere Weränderungen an den
Kapjeln. Die gemöhnlichite it, daß jich Salkjalge ab-
lagern, ‚oder, wie man wohl jagt, daß die Kapjeln sen oben frijch En senen ine
berfreiden. Nimmt die Kalfmafje jeher zu, jo Tiere unten 2 ee Sau bee
überzieht fie endlich daS ganze Tier, und man lann
auch unter dem Miftoffop von demjelben nichts mehr wahrnehmen, jelbjt wenn es ganz
unverjehrt ift. &3 ftedt dann in einer Kalkichale wie ein Vogelei.“
Sn diefem volffommenen Zuftande der Einfapjelung vermag die Trichine, nad) Brauı,
beim Schwein bis 11, beim Menjchen 25—31 Fahre lebend und entwidelungsjähig zu ver-
harten, ohne die Fähigkeit zu verlieren, in einen paffenden Darmfanal verjebt, jich fort-
zupflanzen. Menfchen und Tiere, welche die ftürmifche und fchmerzhafte Strankheit, Yon
der eine mafjenhafte Einwanderung von Trichinen begleitet ift, überjtanden haben, und
bei denen die zerftörten Musfelfafern durch Neubildungen erjegt jind, haben von den von
ihnen beherbergten Gäften feine weiteren Unbilden zu erdulden.
Soll die Musfeltrichine zur Öefchledhtsreife gelangen, fo ilt, womit unjere
Daritellung begann, die VBerjebung in den Darmfanal des Menjchen oder ge-
wifjer Tierenotwendig. Nad) den bisherigen Beobachtungen und Berfuchen tritt dieje
legte Enttwieelungs- und Lebensperiode in folgenden Tieren ein: Pferd, Schwein, Kaninchen,
Haje, Meerfchweinden, Maus, Ratte, Kae, Hund, Sgel, Kalb, Uhu, Eichelhäher, Taube,
Truthahn, Haushuhn. Diee Lifte wird fich wahrfcheinlich noch jehr vermehren lajjen. Jedoch
findet bei feinem Vogel eine Einwanderung der jungen Brut in die Musfeln |tatt; von
den Säugetieren aber find die dem Menjchen regelmäßig zur Nahrung dienenden Staninchen,
262 Würmer: Fadenwürmer.
Hajen und Rinder natürlich nur unter ganz bejonderen Umftänden der Trichinoje aus-
gelegt und können füglich als eine Quelle der Anftedung für den Menjchen nicht an-
gejehen werden. Alle Welt weiß, daß die Vorjichtsmaßregeht auf das Schwein zu ver-
einigen find, für diejes aber jind die Haus- und bejonvers die Wanderratte, die gelegent-
lich gefrejien werden, die Vermittler der Anjtedung, denn fie find der gewöhnliche Wirt
der Trichinen. Infolge der ftaatlichen Überwachung des Schlachtviehes ift num aber die
Trichinoje bei ven Schweinen, wenigjtens bei uns in Deutjchland, fait ganz zum Schwinden
gebracht worden. &s wird jeßt unter 10000 Schweinen höchjteng eines trichinds befunden.
Ein gewöhnlich harmlojer, wenn auch zur jelben Kamilie wie die Trichine gehöriger
Bewohner des Menjchen ijt ver Beitjchenmwurm, Trichocephalus trichiurus Z. (dispar),
über 3 cm lang. Der vordere Slörperteil, der den ber-
haltnismäßig langen Schlund enthält, ift Haarfürntig und
wird in die Schleimhaut meist des Blinddarınz eingeboprt,
der hintere tft di, ftumpf abgerundet. Der Beitjchen-
wurm it einer der häufigiten PBarafiten des Menjchen
und über die ganze Erde verbreitet. Die Cier halten
lich monatelang, ja 1—2 Jahre im Wafjer und in der
Erde, wobei die Entwidelung jehr langjam vor jich
gehen, auch durch wiederholtes Eintrodnen unterbrochen
werden fann. Nach gelungenen Fütterungsperjuchen, die
Leudart mit dem Beitjchenwurm des Schafes (Tricho-
cephalus affinis Rudolph) und des Schweines (T. cre-
natus Rudolph) anitellte, war es höchjtwahrjcheinlich,
daß die Entwidelung auch des Beitjchenmwurmes des
Menjchen ohne Ziwiichenmwirt abläuft, was dann von
Ä . Grafji durch Verjuche beftätigt wurde, und jo jind alle
| oe, a jene Möglichfeiten zur Infektion da, die auc) der rein-
ben, „Lehrbuc) der Zoologie”. a) Weibchen, lichite Menjch nicht völlig vermeidet. .
b) Männchen, mit den VBorderende in die Darınız
fchleimhaut eingejentt. VBergrößert.
Ein wichtiges Kennzeichen der Zamilie der Stron-
gylidae ijt die napf- over jchirmförmige Ktraufe, die das Hinterende der Männchen umfaßt
und oft von rippenartigen Verdikungen gejtüßt ijt (vgl. Abb., ©. 264). Die Strongyliden
bewohnen vorzugsiveile Säugetiere und werden nicht nur im Darme, jondern auch in den
Lungen und anderen Organen angetroffen. Ein ziemlich häufiger Gaft des Hundedarmes
ijt Aneylostoma trigonocephalum Rudolph (Dochmius), der wie alle Mitglieder der Gat-
tung durch zwei Paar ftarker, chitiniger Zähne im Juneren einer die vordere Darmöffnnng
umgebenden Mundfapjel ausgezeichnet ift. Seine Gier entwiceln fich in feuchter Exde
binnen wenigen Tagen zu Heinen, faum 0,5 mm langen Wirmchen, deren „ziemlich ge-
drungener Körper born etwas verjüngt und hinten in einen ziemlich langen und jchlanfen
Schwanz ausgezogen ift, dejjen Spite fich in Form eines eignen Anhanges abjeßt. Unter
einer mehrmaligen Häutung wachjen fie, verlieren aber dann ihre eigentümtlichen Schlund-
zähne und hören damit auf zu freifen und zu wachjen, obwohl fie in dem Schlammte, in
dent man jie hält, noch wochen- und monatelang am Leben bleiben.” hr weiterer Lebens-
lauf hängt davon ab, daß jie unmittelbar in den Magen und Darm des Hundes gelangen,
wo jie unter abermaligen Häutungen ihre bleibende Geftalt und Größe annehmen.
Beitihenwurm. Strongpliden. 263
‚Einer der gefährlichiten Binnenjchmaroger des Menjchen gehört gleichfalls zu Diejer
Jamilie, es it das der Hafen- oder Grubenmwurm, Ancylostoma duodenale Dubini
(Dochmius), der aus den tropiichen und jubtropiichen Gegenden der Alten und Neuen Welt
befannt ijt und jeit wenig mehr als 30 Sahren auch in einer größeren Zahl von Bergmwerfen
nördlich der Alpen in Frankreich, Ofterreich- Ungarn, Deutfchland, Belgien und England
feiten Fuß gefaßt hat. Nach Deutjchland ijt der Wurm vielfach durch Arbeiter aus Stalien,
two er allgemein verbreitet ijt, eingejchleppt worden. Sm männlichen Gejchlecht (in der
Abb. auf © 264 Iinks) it er ungefähr 1O mm, im weiblichen (rechts in der Abb.) bis zu
13 mm lang, im Leben von blaßfleijchroter, im Tode von grauer oder weißer Farbe. Das
Kopfende ift nur mäßig verjchmälert; die Mundfapfel (j. die untenjtehende Abb.) ilt auf-
fallend groß und mit jtarfen Zähnen ausgerüftet. Am Orunde der äußeren Hafenzähne,
denen der Wurm den einen der gebräuchlichen Namen verdankt, und in der Mittellinie
der oberen Mumdfapjelmand münden große
einzellige Drüfen (gl. cerv. und gl. ceph.) aus,
die ihre Abjonderungen in die von dem Tier
gejchlagenen Wunden entleeren.
Der Sib des Örubenmwurms ijt der Dünn-
dam des Menjchen. Die Mundfapjel des
Schmarogers ift infolge ihrer jtarfen Bemwaff-
nung borzüglich zum Anjchneiden der Darı-
ichleimhaut geeignet. „Die Würmer frejjen
ji in fie hinein“, jchreibt Xooß, „und treffen
jie dabei zufällig auf ein Blutgefäß, jo wird Ä
deifen Wand ebenfalls Forrodiert. Das aus- Kopf des Grubenwurms, Aneylostoma duodenale
tretende Blut wird zum Teil aufgenommen, kn mann her Kuren 152" insce She
der Reit tritt neben den Wiirmern aus und
gibt die befannten Blutungen.” Blut und Darmjchleimhaut bilden danad) aljo die Nahrung
de3 Grubenwurms, und mit Darmblutungen find die jchweren Erftanfungen verbunden,
die unter dem Namen der ägyptischen Chlorofe, der Tunnelfranfheit, Dochmioje, Antylojto-
miajis ufto. befannt find. MS alleinige Urfache für die jchädliche Wirkung des Antylojtoma
fann jedoch der Blutverkuft nicht in Frage fommen, vielmehr dürften dabei auch die giftigen
Abjonderungen, die beim Saugen in die Wunde fließen, eine große Rolle jpielen.
Die Anftekung des Menfchen Fan auf zwei Wegen erfolgen. Die Eier werden bon
den Weibchen im Darm des Wirtes abgelegt, gelangen mit dem Kote nad) außen und ent-
roiceln fich in verjchieden langer Zeit zu Heinen Larven. Unentbehrfiche Bedingungen hier-
für jmd Luft, Feuchtigkeit und Wärme. Man hat feitgeftellt, daß bei uns die günftigite
Temperatur 25—30° beträgt, und daraus erklärt fich das eigentümliche Auftreten der Krant-
- heit bei den Arbeitern in großen Tunnels und befonders in Stohlenbergmwerfen, mo Die Tem-
peratur ja ftändig hoch zu fein pflegt. Wölliges Austrodnen können Eier twie Larven nicht
vertragen, die erfteren aber ebenjotwenig einen langen Aufenthalt im Wafjer. Nach zivei
Häutungen ift die Zarve „reif” zum Einwandern in den Wirt. Durch nicht gereinigte Gemüfe,
mit jchlechtem Trinkwajjer oder durch Ejfen mit befchymusten Händen toird jie zum Munde
und von da in den Darm gebracht. Das ift der eine Weg, namentlich da, too die Menjchen
dicht beieinander wohnen, in Menge diefelben Aborte benugen und auf jchlechtes Wajjer
angetiejen find. Außerdem aber vermögen die Larven, twie Too entdect und am eigenen
264 Würmer: Fadenwürmer.
Leibe erfahren hat, jich durch die menjchliche Haut unter Benubung der Boren einzubohren
und bon dort aus auf Höchit veriwidelte Weije — iiber Blutbahn, Lungen, Luftröhre, Kehl-
fopf und Schlund — nad) ihrem Beitimmungsort im Darm zu wandern. Das ijt Die andere
Anftetungsmöglichkeit, der befonvders Ziegelei- und Bergarbeiter ausgejegt find.
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Aneylostoma duodenale Dubini. Nad Loof.
Lints Männden vom Rüden, vechts Weibchen von der Geite,
an. After, co. ceph. Nervenfyftem, gl. ceph. Kopfdrüfen,
gl. cerv. Halsdrüfen, pex. Erfvetionsporus, spie. Spicula,
te. männlihe Keimbdrüjen, v. s. Samenblaje, vulv. weibliche
Gejhlehtsöffnung. (Zu ©. 262 und 263.)
Die Arbeiter im Gotthardtunnel hatten
ganz außerordentlich unter den bon Ancy-
lostoma duodenale erzeugten Sranfheitszu-
tänden zu leiden, denn unter den bei diejem
Bau herrichenden Berhältniffen waren An-
hedungen jchwer zu vermeiden. Als die An-
fyloftomiajis in den rheinijch- weitfälischen
Stohlengebieten zu Anfang diejes Jahrhunderts
einen erjchredenden Umfang anzunehmen
drohte, wirden bon jeiten des Staates geeignete
Vorkehrungen getroffen, jo daß es, nament- -
ih durch eine ftreng durchgeführte Borbeu-
gung, gelungen ilt, der Ausbreitung der Kranf-
heit Herr zu werden und iht Borfommen
auf ein Mindejtmaß zu bejchränfen.
Sn dem jüdöftlichen Nordamerifa, Bir-
ginta, Texas, PBortorito und Kuba jowie in
Brafilien mird der Grubenmwurm vertreten
durch den Neumelt-Hafenwurm, Necator
americanus Stöles, der jenem im allgemeirien
ähnlich, nur vielleicht noc) gefährlicher Für
den Menjchen ilt.
sm Nierenbeden der Robben und Filch-
otter, aber auch) bei Wolf, Hund, Fuchs, Nind,
N:ferd, Marder und Bielfraß, jelten beim Men-
jhen hält jich der im weiblichen Gejchlecht
bis zu 1m lange Balifadenmwurnm, Eustron-
gylus gigas Rudolph, auf, dejjen Männchen
nur gegen 40 cm lang wird. Geinen Namen
verdankt er einer Neihe von Bapillen, die
jederjeits Die Ceitenlinie bededen. Geine
Gier entwideln ji im Wafjer oder in feuch-
ter Erde zu einer Larve, Die mehrere Jahre
in der Eihülle verbleiben fann. Vermutlich
machen die Larven dann eine Zwijchenitufe
in Fihen durch).
Einen etwas anderen Enttwieelumgsgang hat der Heine Ollulanus trieuspis Zeuck.
Männchen und Weibchen, diefe 1 mm ang, leben im Darme der Katen; ihre Jungen ge-
langen auf dem natürlichen Wege nach außen. Hier harren fie ihrer Exlöfung durch die Maus,
aus deren Magen fie trichinenartig in die Musfeln und andere Drgane eintwandern, um dort
zu einer abermaligen Fürzeren oder längeren Raft fich einzufapfeln.
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Strongyliden. 265
Ganz ähnlich, aber ettwas appetitlicher, ift der ebenfalls von Leudart ergründete
Lebenslauf des in Fiichen fchmarogenden gelben oder grelfroten Kappenmwurmes, Cucul-
lanus elegans Zed., deijen Mundhöhle eine elliptiiche Kapfel mit diden, braunen Wandungen
enthält. „Die weiblichen Kappenmwirmer gebären lebendige Junge, die jchon im Mutter-
feibe aus den zarten Eihüllen ausfriechen und bei den größeren Eremplaren (pon 1—2 cm)
zu vielen Taufenden angetroffen werden. Durch eine derbe Haut gejchüßt, bleiben die nach
außen gelangten Würmer nicht felten mehrere Wochen lang im Wafjer lebend und bemeg-
lich, Zeit genug, um auch im Freien einen pafjenden Zroiihenmwirt zu finden und zu infi-
zieren. Sr der Negel find es die unjere Wäfjer majjenhaft bewohnenden Heinen Zyklopen,
in welche die Würmer einwandern. Jr Heineren Aquarien gejchieht die Einwanderung
gemwöhntich fchon nach wenigen Stunden md oftmals in folder Menge, daß man die Ein-
dringlinge nach Dugenden zählen fan. Mitunter werden dieje noch mehrere Tage jpäter
lebend angetroffen.” Die winzigen Tierchen erreichen in ihrem erften Wirte unter mancherlei
äußeren und inneren Veränderungen noch nicht die Länge von 2 mm. Shre volfftändige
Enttvieelung tritt aber exft ein, nachdem fie mit den ZHflopen von einem Fijche verichludt
worden find; diefe Bermittelung übernimmt am häufigiten der Flußbaridh.
Die Gattung Strongylus Rud. enthält eine jehr große Anzahl von Arten, Die zu-
meift in den Luftwegen von Säugern aß „Lungenmwürmer" zu jchmarogen pflegen.
E3 feien als Beifpiele hier nur genannt: Strongylus filaria Rudolph bei Schaf, Biege,
Hi, Kamel und anderen Wiederfäuern, S. mierurus Mehlis bei Rind, Pferd, Hirid),
Reh, S. commutatus Diesing bei Haje, Kaninchen, Schaf, Ziege, Reh, Gemfe, 8. apri
Gm. beim Schwein, $. pusillus Müll. bei der Klage. Die Entwidelung und die Art der
Übertragung find noch wenig erforicht. Da ein und diefelbe Art zahlreiche Wirte bejtedelr
fann, fo it e8 zu erflären, daß von dem Menfchen die unter feinen Biehbejtänden und
unter dem Edelmwild auftretenden Zungenwurmjeuchen, die zahlreiche Todesfälle zur Folge
haben, jehr gefürchtet werden.
Un diefer Stelle ift ferner als Haustierjchmaroger das Sclerostomum equinum Duj.
anzuführen. Ein beträchtlicher Teil unferer Pferde fällt ihm zum Dpfer. Die jungen Tiere
vermögen lange Zeit im Waffer oder im Schlamm zu leben und werden beim Trinken in
- den Darm aufgenommen. Bon da begeben fie jich in die größeren Arterien, jegen jic)
oft zu großen Mengen vereinigt in den Gefäkmwänden feit, wachjen heran und wandern
jpäter wieder in den Darm zurüd, wo fie Blut faugen und zur Fortpflanzung jchreiten.
Die reifen Weibchen erreichen eine Länge von 5,5 cm, die Männchen Hingegen nur 3 cm.
Die Eier gehen mit dem Rote des Wirtes ab und liefern wieder die zunäcdhjit frei lebenden
Sungen. Während die gejchlechtsreifen, blutfaugenden PBalifadenmwürmer leichtere Er-
franfungen (Darmentzündungen) herborrufen, find die in den Arterienmwänden haujen-
den Jugendformen viel verhängnispoller. Wo diefe zu Hunderten zufammenjigen, da
treten jadartige, bis Eindsfopfgroge Ermeiterungen der Gefäße auf (Wurm-Aneurismen),
die mittelbar Koftfen und Darmlähmungen veranlafjen oder durch Plaben den Tod des
Trägers herbeiführen fünnen.
Eine lette Strongyfide, mit der wir uns bejchäftigen müfjen, dürfte manchem Vogel-
freunde unter unferen Zejern unliebfam befanntgemworden fein. &3 it Syngamus trachealıs
Sieb. (Abb., ©. 266), der Luftröhrenwurm der Vögel, ein Höchit verhängnisvoller Gaft
in Vogelfäfigen und Hühnerhöfen. Der Gattungsname bezieht ji auf die Eigentüm-
fichfeit, daß an dem Orte, mo fich die gejchlechtreifen Tiere aufhalten, in der Luftröhre
266 Wirmer: Fadenwürmer.
jehr verjchiedener Vögel, zumal junger und jchwächlicher Tiere, der Schmaroger immer
paarweife angetroffen wird, das Männchen dem Weibchen zu unlöglicher Che angefittet.
Sn geringerer Anzahl jcheint der Synga-
mus häufig vertragen zu werden. Gr
fommt aber oft in jolchen Mengen bei
einem Bogel vor, daß er nicht bloß die
ganze Luftröhre Durch Neizen und Blut-
jaugen in Entzündung verjebt, jondern
lte auch bis zum Crftiden feines furchtbar
gequälten Wirtes veritopft.
Wir haben von Ehlers über die ein-
fahe Wanderung des Tieres Aufichluß
erhalten. Das jicherite Kennzeichen, wenn
man nicht jchon Durch den eigentümlichen,
mit dent Auswerfen einzelner Schmaroger
verbumpdenen Hujten des Vogels von der
Anmejenheit des verheerenden Galtes jich
überzeugt Hat, jind die Eier im Stote Der
Vögel. Die reifen Gier werden ohne
Zweifel durch das HYuften, Schreien und
Würgen aus der Luftröhre in die Mund-
höhle gebracht und verjchludt und ent-
wideht jich, jobald genügende Feuchtigkeit
und Wärme vorhanden, im Freien im
Laufe von 8 Tagen zu Heinen, fadenfür-
migen Embryonen mit jtumpfem Stopf-
und jpigem Schwanzende. Damit fie
ausfriechen, bedarf es der unmittelbaren
Einwanderung in die Vögel, die wahr-
icheintich jo gejchieht, Daß bei der Auf-
nahme von Nahrung Die Eier beim Ein-
gange in den Kehlfopf hängenbleiben
und die Entwidelung zur Gejchlechtsreife
in den Yuftwegen erfolgt. „ES it damit
einigermaßen ein Weg gezeigt, auf dem
man durch) VBorbeugungsmaßregeln Ge-
flügelzuchten oder Bolieren dor der ntaj-
jenhaften und dann verderblichen WBer-
breitung diejer Baraliten Schügen fan...
R a u: 2 Zeiss Tritt Die Strankheit in größerer Ausdeh-
nung auf, jo wird man je nach ven
Lotalitäten ungleiche Wege einzufchlagen haben, um zu verhüten, daß mit dem Kot oder
Auswurf die Futtergefchirre nicht verunteinigt werden, oder daß jich nicht im Boden
an feuchten Stellen Brutftätten bilden, von denen ftets aufs neue Infektionen der Vögel
Itattfinden fönnen.”“
b a
Strongpliden. Ascariden. 267
Den Mittelpunkt der Samilie der Ascaridae bildet der Spulmurm. An jedem
etwas größeren Spulwurm jieht man die fcharf gegen den Körper abgejegten Lippen mit
unbewaffnetem Auge. ‘Die eine nimmt die Mitte der Nüdenfeite ein (a in untenftehender
Abb.), Die beiden anderen berühren fich in der Mittellinie des Bauches (b). Die mifro-
Hopijche Unterjuchung zeigt dazu, daß die Oberlippe in zwei feitlichen Grübchen je ein
fegelförmiges, winziges Taftwerkeug trägt und die beiden Ceitenlippen je eins diejer
Drgane. Bei allen Spulmiürmern ijt der Größenunterjchied zwijchen Weibchen und Männ-
chen jehr bemerkbar, und die legteren, die Fleineren, find außerdem an dem hafenförmig
umgebogenen Hinterleibsende fenntlich.
Ascarıs lumbricoides Z. it einer der häufigiten Schmaroger des Menfchen und be-
gleitet wenigjtens die Faufafiichen und Negerrafjen itber die ganze Erde. Gewöhnlich nur
einzeln oder in geringerer Anzahl vorfommend, ijt eine Anfammlung von einigen Hunderten
doc) nichts Seltenes, und in einzelnen Fällen zählte man über 1000, ja 2000 diefer un-
angenehmen Gäfte. Fhr gewöhnlicher Aufenthalt
it der Dünndarm, von wo fie mitunter in den
Magen eintreten. Kleinere Stüde (die größten
werden im männlichen 15—25, im weiblichen Ge-
Ihlecht 25—40 cm Yang) haben jich jogar in die
Leber verirrt. Die mit dem Tiere ins Freie ge-
langenden Eier haben eine große Widerjtandsfraft
gegen alle Unbilden der Witterung und allerlei
Arten von Flüfjigfeiten. Sie entwideln jich jomwohl
im Wajjer wie in feuchter Erde zu Heinen, jpiralig > Z
aufgeroliten Embryonen, die jeboch im Zreien 17a Srurmurnsa, A Mumie
niemals die Eijchale verlafjen, jo daß man fie unter
günftigen Bedingungen jahrelang lebend erhalten fan. „Bei der großen Häufigkeit des
Spulmurmes und der immenjen Fruchtbarfeit feiner Weibchen. (jährlich etwa 60 Millionen
Eier)”, jagt Leucart, „ind dieje Gier natürlich überall verbreitet... Da fie troß aller Un-
gunft der äußeren Verhältnijje, trog Froit und Trodnis jahrelang ihre Keimfraft behalten,
auch wegen ihrer Stleinheit leicht auf dieje oder jene Weije verjchleppt werden, bietet Feld
und Garten, ja Haus und Hof vielfache Gelegenheit zur Übertragung... Ye verbreiteter die
Gier, oder was fo ziemlich dasjelbe bejagt, je dichter die Bevölferung, die vom Spulwurm
heimgejucht it, je geringer die Sorgfalt, mit der die Nahrung überwacht wird, je weniger
veinlich die Umgebung, in der man lebt, dejto häufiger wird diefe Gelegenheit wiederfehren.”
Aus den aufgenommenen Eiern entwidelt jich unmittelbar der Spulmurm. Orajji hat
dann tatjächlich durch Verjuche ven Beweis der direften Einwanderung von Ascaris lumbri-
coides geliefert, der jeither auch von anderen Forjchern beftätigt worden ilt.
Käachit vem Menjchen wird auch) das Schwein mit dem Bejuche von Ascaris lumbri-
coides beehrt, wie in jeltenen Fällen der Hunde- und Kagen-Spulmurm, Ascaris
canıs Wern. (mystax), dejjen Vorderende mit zwei flügelfürmigen Anhängen verjehen ift,
jich in den Menjchen veriteigt. Von einer anderen Spulwurmart, Ascaris megalocephala
Oloqu., werden unjere Pferde und Rinder viel heimgefucht. Die Weibchen ihres bis zu
1000 Stüd vorhandenen Gajtes erreichen eine Yänge von 36 cm.
Ein jehr gemeiner Schmaroger des Menjchen ijt ver Biriemenihwanz, Spring-
oder Madenmwurm, Oxyuris vermicularis Z. Der drehrunde, fadenjürmige, mweißliche
N] DH DIR on
M
2368 Wirmer: FSadenwirmer Nematomorpha.
PBarajit verichmächtigt jich nach beiven Xeibesenvden. Die Mundöffnung wird von drei wenig
ausgebildeten Lippen umgeben. Das Männchen ift nur 2,>—5 mm lang und weift ein
abgeftumpftes, nach der Bauchjeite eingerolltes Hinterende auf. Das Weibchen Hingegen
(A0b., ©. 269) hat eine Länge von 10—12 mm bei einer Dice von 0,4—0,6 mm. Pie
Spulwurm de3 Menjhen, Asca-
ris lumbricoides L. Natürliche Größe.
1) Weibchen, 2) Männden, 3) Ei, ftart
vergrößert. (Zu ©. 267.)
eigentünliche Form feines Hinterendes — e3 ilt langgejtrect
und zugejpibt — hat Beranlafjung zur Benennung gegeben.
Die Weibchen jind außerordentlich fruchtbar; jedes von ihnen
vermag, nac) Yeudart, bis zu 12000 Stüd Kleine, nur 15, mm
lange Gier abzulegen. Deren Entwidelung beginnt bereits
im Muttertier und fann unter günitigen Umjtänden wenige
Stunden nach der Ablage bis zur Ausbildung Feiner Witrrn-
chen fortjchreiten, die jedoch noch von der Eihülle unnjchlojjen
bleiben. lnDderjeits zeigen die Eier eine joldh Hohe Wider-
Itandsfähigfeit, daß fie, wochen- und monatelang troden auf-
bewahrt, dennoc) nach Zufuhr von Wärme und Feuchtigkeit
unge liefern. Die weitere Entwidelungsgejchichte it genau
befannt. Die noch von der Eihülle umgebenen Embryonen
werden ohne Vermittlung eines Zwifchenwirtes unmittelbar
auf ven Menjchen durch den Mund übertragen. Der Magen-
jaft löft die Eihülle auf, die jchlanfen Embryonen fchlüpfen
aus und begeben jich in den Dünndarm, wo fie in furzer
Zeit 2—3 Wochen) weiter Heranmwachjen und wo wohl aud)
zum größten Teil die Begattung erfolgt. Danach gehen die
Tiere in den Diddarm über, und die Weibchen warten im
Blinddarın, der als Hauptjib Der Oryuren angejehen werden
muß, die Legersife ab. Sit diefe eingetreten, jo wandern fie
nach dem Maftdarm und dem After ab und verlajjen ent-
weder durch Eigenbemegung oder mit dem Kote den Darın.
Die Ciablage erfolgt meijt außerhalb des Körpers.
Während die Anwejenheit einer größeren Anzahl von
Dryuren, die jich lebhaft jchlängeln und mit dem Stopfe boh-
rende Bewegungen ausführen, leicht neben anderen Be-
Ichwerden ftar£ fatarrhalijche Neizungeit der Darmjchleimhaut
bewirken fann, find gemilje Unannehmlichkeiten Doch noch
läftiger und quälender. Unter den Einfluß der Bettwärme
verlajjen die Tiere zumal abends den Maftvarn und rufen
in der Umgebung tes Afters heftiges Juden und Brennen
hervor. Und dieje Eigenjchaft ift es auch, die die weite Ver-
breitung mit ermöglicht. Die Erfranften berühren mit ihren
Singern die jufenden Stellen. „Die Eier“, fo lejen wir bei
Diosler und Beiper, „bleiben an den Fingern haften und werden fpäter in das Geficht, auf
die Tippen, ja direkt in den Mund importiert. Dieje Art der Gelbitinfeftion ift ficherlic)
feine jeltene und fommt nicht bloß im jugendlichen Alter vor; freilich wird fie gerade hier
bejonders häufig fich vollziehen. Bei infizierten Individuen hat man wiederholentlich unter-
halb der Nägel Stotrefte nachgewwiefen, in welchen Eier von Oxyuris vermicularis aufgefunden
Agcariden. Saitenwürmer. 269
wurden. Da auf diefen Wege beitändig neue Infektionen erfolgen, erklärt es ji), daß das
Leiden jo lang andauernd und hartnädig zu jein pflegt. Ebenfo ijt leicht zu verjtehen, daß
ein Orhurisfranfer auch für feine Umgebung nicht gleichgültig ift. Die mafjenhafte Pro-
duftion don Ciern birgt die efaht, daß der Oryurenträger auch feine Haus- oder Familien-
genojjen anjteckt. Vielfach Haben wir uns überzeugt, daß in finderreichen
Familien oft jäntliche Siinder, bi ins jüngjte Alter, Oryuren beherbergten....
sn Pflegeanftaltern, Warjenhäufern und Kafernen find die Oryuren zu-
meilen geradezu endemijch.” Daneben werden natürlich auch die Kleinen,
mwiveritandsfähigen Eier aus trodenem, zerjtäubten Kote vom Winde fort-
getragen und bleiben auf ven verjchiedeniten Gegenjtänden und Nahrungs-
mitteln haften. Ungejchältes Obft, nicht getwajchenes Gemüfe vermögen
daher leicht die Einfuhr in die Mundhöhle zu vermitteln.
Die Bertreibung der Quälgeilter ift feineswegs leicht; nur mieder-
holte Wurmfuren fönnen den Träger jchließlich von ihnen befreien. Das
gebräuchlichite Hausmittel ift ver Zittwerfamen, auch Kiftiere von Srob-
lauch- oder Ziwiebelabfochungen werden vom Bolfe gern angewendet.
Anhang: Nematomorpha.
Wir Ichließen am beiten hier an die Favenmwürmer noch eine Gruppe
bon nematodenähnlihen Würmern an, die man früher auch für echte Ne-
matoden gehalten hat, die man aber jeßt wegen verjchiedener innerer Merk-
male bon jenen trennt und in einer oder mehreren Yamilien unter dem
Kamen Nematomorpha zujammenfaßt. & fehlen ihnen im Gegenjaß zu
den echten Zadenmwürmern die GSeitenlinien; das Nervenfyitem zeigt einen
mejentlich abweichenden Bau, und weitere feinere anatomijche Unterjchiede
rechtfertigen die Sonderitellung diejer Tiere. Dazu fommt, daß fie nur in
der Jugend Schmarogen, mit der Gejchlechtsreife jedoch ihre Wirte verlafien,
während e3 bei den Nematoden, wie wir jahen, in der Regel gerade die
Sugendformen find, die frei leben. Die Mermitiden verhalten jich darin
wie die Nematomorphen und wurden deshalb auch mehrfach mit zu Ddiejen
geitellt, Doch Scheinen fie echte Nematoden zu jein.
Durch manche intereffante Eigentümlichkeit des Baus ddr le
bensmeife ijt die Zamilie der Saitenmwiürmer, Gordiidae, ausgezeichnet. Weisen von
Die auffälligen Berichlingungen und Berfnotungen, welche die Tiere auf ee
dem runde der Gemäljer einzeln oder zu mehreren bilden, ließen fie mit un agent
einem Gordiichen Knoten vergleichen. Be,
Von der Gattung Gordius Z. fommen bei ung mehrere Arten vor, Mund, v Ge
die früher nicht unterfchieden und al3 Gordius aquatieus Z., Wafjerfald, Ir ann
zujammengefaßt wırden. Die mittlere Länge der Männchen beträgt
15—25 cm, doc) mejjen einzelne bi8 zu 80 cm; die der Weibchen ift gegen 10 cm. Die
Dide der mittelgrogen Männchen jchwanft zwijchen zwei Fünftel und einem halben Milli-
meter; die Weibchen jind etivas Dider. Die im allgemeinen braune Zarbe fommt in man-
nigfachen Schattierungen vor. Die Männchen find dDurchgehends dunkler und vorwiegend
Ihmwärzlich gefärbt, vom glänzenden Mäufegrau bis zum tiefiten, glänzenden Braunichmwarz,
270 Würmer: Nematomorpha. Straßen.
das an einigen Körperftellen auch in reines Schwarz übergehen fann. Die Farbe der Weib-
chen ift ftet3 Heller und nicht glänzend, vom jabellgelb fait bis zum gejättigten Gelbbraun.
Yuf der Mittellinie des Bauches und des Rücfens verläuft bei Männchen und Weibchen ein
dunkler KYängsftreif, der auch bei den dunfeliten Männchen noch wahrnehmbar ift. Das er-
wachjene Tier hat nur einen verfünnmerten Darmfanal und jcheint gar feine Nahrung zu
fich zu nehmen. Wir fommen unten auf diefen Punkt zurüd. An eine Ernährung frei
(ebender Tiere durch bloße Hautaufjaugung it nicht zu denfen. Ein allgemeines Stenn-
zeichen der Gattung Gordius ift das gabelförmig gejpaltene Schwanzende des Männchens.
Die Waijerfälber halten ich im geichlechtsreifen Zuftande in jeichten jtehenden und
fliegenden Gemäljern auf. Über ihr Vorkommen erzählt v. Siebold: „Bei einer zoologijchen
. Erfurfion in das liebliche Wiejenttal der Fränfifchen
DE Schweiz unterjuchte ich. ziwiichen G©treitberg und
Muggendorf in einem feinen engen Seitentale die
bon einem ausgetrodneten Bache hinterlajjenen
Lachen und erblickte in diejen ein Baar lebende Gor-
dien, welche mich anjpornten, auf dDiefe Tiere meine
bejondere Aufmerkfjamfeit zu richten. Meine Mühe
blieb nicht unbelohnt ; denn nach mehrmaligem Durd)-
juchen der obenerwähnten Lofalitäten erhielt ich 50
bis 60 Stüd joldher Fadenmwiirmer. Sie beitanden
aus den beiden Arten Gordius aquaticus und Gordius
subbifurcus (jest Parachordodes tolosanus Duj.),
unter denen fich aber die eritere nur jehr |parjamı vor-
fand. Bei beiden Arten waren die männlichen SnDdi-
biduen borherrjchend. CS erforderte übrigens das
Auffinden diefer Würmer eine gewilje Aufmerkjanm-
A Te .. . feit, indem man fie einzehnin ausgeitrecdtem Zujtande
Weibheneine3Gordius. Schwad) vergrößert. RN R a A
Nah H. Grenader. bei ihren trägen, jchlangenfürmigen Bewegungen
oder zu mehreren in einen Siuäuel aufgewicelt, bei
ihrer dunfeln Zarbe zwifchen den verjchiedenen auf dem Grunde des Waljers liegenden
mazerierten Bflanzenfafern leicht überjehen fonnte. Manche ragten zwijchen Steinen md
Wurzeln nur mit ihrem Vorderleibsende hervor oder ftedten an den Ufern des Flujjes
teilweife im Schlamme und waren darın noch fchwerer zu bemerfen.
„Da ich wußte, daß ich es hier mit ausgeiwanderten PBarafiten zu tun hatte, jo jah
ich mich in der Umgebung des Fundortes diejer Würmer nad) ihren ehemaligen Wohn-
tieren um und fonnte auch verjchiedene Lauffäfer im Tale bemerfen, von denen mehrere
im Wajjer ertrunfen lagen; ich brach allen diejfen Käfern den Hinterleib auf und erhielt
wirklich aus einer Feronia melanarıa einen männlichen Gordius aquaticus.”
Wie jchon oben gejagt, find die Öordien im gejchlechtsreifen Zuftande nicht Schmaroger,
wohl aber bringen jie den größten Teil ihres Zebens bis zum leten Abjchnitt in gemifjen
Tieren zu. Wir find zuerst durch die fleifigen Beobachtungen von Meißner über das Ein-
wandern der Larven in Injekten unterrichtet worden. Die aus dem Ei friechenden Heinen
Gordien, Y,,mm lang, find fehr jonderbare Wefen, die, twie der Beobachter fich ausdrüdt,
\owoHl durch ihre äußerft geringe Größe, im Verhältnis zu fußlangen ausgewachjenen Gprdien,
als bejonders durch ihre Geftalt in Erftaumen jeßen. ZHr zyfindrifcher Zeib befteht aus einem
\ Gordien. | 2
dideren Borderteil und einem Dünneren jhwanzartigen Anhange. Aus dem Leibe kann eine
Art Kopf Herausgejtülpt werden, der mit zivet Streifen von je 6 Häfchen bejet ift, und bei
dejjen völliger Entfaltung noch ein horniger Rüfjel hervortritt. Mit diefer Bewaffnung
dDucchbohren die Tierchen zuerit ihre Eihülle. Sie juchen die zarteren Stellen an den Ge-
Yenfen der Beine von Snjef-
tenlarven auf, zwängen jid
hier durd) ne ihrer Hafen- LE AME ET 777> I ES
einrichtung gebohrtes Löhe- mn er “u 9, m |
m. .
hen und fteigen unter häu- UN een) “
figem und fräftigem Aus- und
Einjtülpen des Kopfes ziwiichen
den Musfelfajern in den Füßen.
embor, um fi) im ganzen
Körper zu verbreiten. Sie Zarve des Wajjerfalb e3: a) mit ausgeftülptem, b) mit eingezogenent
gehen dann in einen Zuftand Stadel;"c) zwei Exenplare im Eintagsfliegenlarve. Ctark ver-
der Ruhe über, indem fie fich
ähnlich wie die Musfeltrichinen einfapfeln. Mit dem Fleijch der Wirte > meift jind es die
Rarven der Eintagsfliegen, Büjchel- und Zudmüden — werden die jungen Gordien von
Kaubinfeften verschlungen. Sn deren Leibeshöhle durchlaufen jie ihre weitere Bermwand-
fung und wachen fi) zu den großen Formen aus. Dann jchlüpfen fie aus ihrem Endwirt
aus und werden im Wafjer gejchlechtsreif.
Vierte Klaffe:
Straßer (Acanthocephali).
Die KRrager oder Hafenmwürmer (Acanthocephali) gehören alle der Familie der
Echinorhynchidae an. Fhre verwandtichaftlichen Beziehungen jind noch völfig unklar;
die von manchen Forichern vorgenommene nähere Angliederung an die Nematoden läßt
fich dDucchaus nicht durch den inneren Bau begründen, wenngleich vein äußerlich eine ge-
wilje Ahnkichfeit mit diejen beiteht.
Der Körper beginnt mit einem mit Wivderhafen bejegten NRüjjel, der durch Zufammen-
ziehen eines ihn umgebenden Gades, der Nüfjeljcheide, vorgejtrect und durch bejondere
Musfeln wieder zuriidgezogen werden fann. Die Geitalt des Rüfjels wechjelt jehr jtark
und ift für die Syitematik der Gruppe von großer Wichtigkeit. Bald ift er Hein, bald lang-
gejtrect, fadenförmig oder zu einer großen Kugel aufgejchwollen, bald ijt er gleichmäßig
zylindrisch, bald in der Mitte fpindelförmig verdidt. Die Hafen find mit ihrer Wurzel in
die Haut eingefenft, ihr Oberteil ragt frei hervor und gräbt jich beim Vorftreden des Nüfjels
in das Gewebe de3 Wirtes ein. Sie find in regelmäßigen Quer- und Tängsreihen an-
geordnet, und zwar jo, daß die Hafen der erften in die Zmwijchenräume der zweiten Reihe
zu liegen fommen ufw. Auf den Rüffel folgt ein meift furzer Hals, der immer gegen den
Körper jcharf abgejegt ift. Diejer ift mehr oder weniger langgejtrect, jchlauchförmig und
oft (aber nur äußerlich) geringelt. Meist it er unbewaffnet, er fan aber auch) am Vorder-
ende und, vorzüglich beim Männchen, am Hinterende mit Stacheln ausgerüftet jein.
Die Haut ift bededt von einer zarten Kutifula. Darunter liegt zunächit ein fajeriges
272 Würmer: Kraßer. NRingelmürmer.
Sewebe, die Subfutifula, die neben der Rüfjeljcheive zwei in vie Xeibeshöhle Hineinhängenpe,
birnenförmige Wucherungen, die jogenannten Yemnisfen, bildet. Noch weiter nad) innen
folgt die Mustelfchicht, die aus äußeren Ring- und inneren Längsfajern zufammengejeßt ift.
Die Lemmisfen ftehen mit einem in die Subfutifula eingebetteten Gefäßiyitem in Verbin-
dung. Die ganze Einrichtung dient der Ernährung; ein Darm und eme Mundöffnung fehlt
nämlich den Afanthozephalen. Yom Nervenfyitem find das Hirnganglion und zwei von
diefem nach Hinten ziehende Längsnervenjtämme zu erwähnen. Erjteres gibt nach vorn
außerdem Nerven in den Rüfjel, lebtere jeitliche Zajern an die Organe ab.
Die Kraber find getrenntgejchlechtlich. Beim Männchen entleeren die paarigen Hoden
den Samen durch die Samenleiter in ein Begattungsglied, das am Störperende in einer
ausftülpbaren Tajche jit. Verwidelter ift der Gejchlechtsapparat des Weibchens. Die zei
bei jugendlichen Tieren vorhandenen Cier-
itöde zerfallen jpäter in einzelne Ciballen,
‚und dieje treiben in der Xeibeshöhle umher.
Hier werden die Eier befruchtet. Nach außen
befördert werden fie durch einen glocenför-
migen Eihalter und eine furze, am hinteren
Körperende ausmündende Scheide. Dabei
ilt aber eine Vorrichtung getroffen, dag nur
die befruchteten, länglichen Gier, die jchon
einen Xeinen Embryo enthalten, in vie
Scheide gelangen: in der Uterusglode findet
eine Ausleje jtatt, und die unreifen Gier
fallen durch eine befondere Offnung in der
Glode in die Leibeshöhle zurück.
Die von der Eihülle noch umjchlojjenen
Embryonen bedürfen zu ihrer weiteren Ent-
| RL: . mwidelung der Übertragung in einen Zivi-
a en "der ichenmwirt. Sie werden von fleinen Sirebjen
und Snjekten verjchluct, riechen in deren
Darm aus und durchbohren danach die Darmmwand mit Hilfe eines Heinen Hafen- oder
Stachelftanges, den jie am Norderende tragen. Sn der Leibeshöhle des Wirtes wachjen jie
zu Heinen Afanthozephalen aus; die endgültige Gröfe und die Gejchlechtsreife erreichen
fie jedoch erjt nach, Überführung in den Darmfanal eines Wirbeltieres.
©o lebt zum Beijpiel der Niejenfrager, Echinorhynchus hirudinaceus Pall. (gigas
Goeze), im reifen Zuftande im Dünndarm des Schweines, al3 Larve hingegen in den Enger-
Iingen von Mai- und Rojenfäfern (Cetonia) und deren Verwandten, welche unjere nüß-
lihen Borjtentiere gern auswühlen und frejien. Der genannte Stager hat etiwa die Dice
eines Spulwurmes und wird bis 65 cm lang. Durch Leudart weiß man, daß der in ver-
ichiedenen Fijchen gemeine Echinorhynchus proteus Westrumb feine Jugend im Darme
de3 lohfrebjes (Gammarus) zubringt. Der bei einigen Nagern (Hamjter, Felomaus,
Siebenjchläfer) vorfommende Strager Echinorhynchus moniliformis Bremser lebt al3 Larve
in Käfern, jo in einem jüdeuropäifchen Trauerfäfer (Blaps mueronata). Dieje Larve fann
aber auch im Menfchen zur Entwicelung gelangen. Ein anderer, Echinorhynchus poly-
morphus Bremser, bedarf einer Verfegung aus dem Flohfrebs in ven wärmeren Leib der
Echinorhynchidae. 2738
Ente, um in ihr zum Abjchluß feiner Entmwicelung und feines Lebenslaufes zu gelangen.
Bei verichiedenen Ceefijchen, 3. B. der Scholle, finden fich auf dem Darmgefröfe und im
Bellgewebe um die Leber im Februar bis April fehr Kleine, 2 mm große, eingefapjelte
Sraßer, deren Herkunft aber noch nicht aufgeklärt if. Die Möglichkeit, daß jie von außen
Dur) Haut und Fleiich eindringen, ift weniger vorhanden al3 die andere, daß fie vom
Darme aus die Wanderung angetreten haben und erjt im Darme eines anderen Filches
oder eines Wafjerhogels zu reifen Tieren auswachjen.
Fünfte Klaffe:
Nringeliwiirmer (Annelides).
Der Name bejagt, daß der Körper der in dieje Klafje gehörigen Würmer aus einer
Keihe äußerlich jichtbarer Ntingel oder Segmente bejteht, von deren Ziwiichenfurchen Häufige
Scheidewände, Dijlepimente oder Septen, ich
mehr oder weniger tief in die zwijchen Haut-
musfelichlauch und Darmfanal gelegene Leibez-
böhle exjtreden und Diefe jo in eine Anzahl
Kammern zerlegen. Die Zahl Diejer einanver
gleichgebildeten Ptingel ijt völlig unbeitimmt. Der
Mund Tiegt immer hinter dem eriten Segment
am Bauche, und bei nicht wenigen fann der An-
fangsteil de3 Darmes in Geitalt eines zum Gra-
ben oder zum Fangen der Beute gejchieten Rüj-
jel3 vorgeitredt und ausgejtülpt werden. Die
höhere Stellung der Ningelwürmer gegenüber
den bisher beiprochenen Würmern zeigt jich vor
allem in der Form und Entfaltung ihres Nerven-
iyitems, wie e8 bereits in der Einleitung (©. 1%)
näher bejchrieben wurde und durch die neben-
jtehende Abbildung weiter veranfchaulicht werden
joll. Die linfe Zeichnung läßt ohne weiteres den
Bergleich mit einer Otridleiter zu, an der rechten
ift jedoch die Ähnlichkeit infofern ettvas verwifcht,
al3 die Ganglienpaare des Bauchmarfes jehr
nahe aneinander gerüdt und miteinander bver-
ihmolzen jind. Das erjte Verhalten it natürlich
das urjprünglichere, daS zweite das abgeleitete. . a
Der reicheren Entwidelung des Nervenjyftems Nerveniytem der Anneliden, vehts von Serpula,
entjprechend Hat man num aud) eine viel gtöffere fähunegangtion, g Bauhoanziion, e Shıntommifur
Kraftund Mannigfaltigkeit der Vebensäußerungen ;
zu erwarten, al3 wir jie bei den übrigen Würmern jahen. Zwei nach ihren Bemwegung3-
organen zu unterjcheidende Hauptabteilungen finden wir im Negenwurm und in dem Blut-
egel verförpert. Der eritere freilich ift diefer Würde injofern nur unvollfommen gemacjien,
als man ihn fehr genau befühlen und von riidwärt3 nad vorn durch die Finger gleiten lafjen
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 18
274 Würmer: Ringelmürmer. =
muß, um fich von dem Borhandenfein der für jeine Abteilung bezeichnenden Borften zu
überzeugen. Er gehört zur exriten Unterklafje, den Borjtenwürmern, deren Eigentümlich-
feit darin befteht, daß jie entweder unmittelbar in die Haut oder in herborjtehende, fuß-
artige Stummel eingepflanzte Borjten bejiben, die bei ven Bewegungen als Stüß-, Stemm-
oder Nuderorgane dienen. Shnen gegenüber gruppieren ji) um den Blutegel die Arne-
(iven der zweiten Unterklajje, die Glattwürmer, deren Leibeshöhle Durch eine mächtige
Entividelung der Musfulatur bis auf ein Kanaljyftem zurüdgebildet worden ift, während jie
bei der dritten Hauptabteilung, den Sternwürmern, wohlentwidelt ijt, Doch tft bei diejen
die Gliederung in Segmente wieder gejchwunden.
Aus den Eiern der Boritenmwürmer, die im Meere leben, und aus denen der Stern-
würmer entwicelt jich die in der Einleitung zu den Würmern (vgl. ©. 188) erwähnte frei-
jchwimmende Trochophora-Larve, die, wie wir dort jahen, die Wiederholung der LYarven-
form der Ahnen aller zum Trochophora-SreiS gehörigen Tiere ift, und die gemilje Be-
ziehungen jowohl zu der Mitllerfchen Larve der Strudelwürmer al zu den NRäpertieren
aufweilt. Bei Bejprechung der Strudelwürmer haben mir
darauf Hingewiejen, daß eine Wiederholung der Darın-
anhänge und der Fortpflanzungsorgane bei manchen Tri-
claden, 3. ®. Gunda segmentata, den Weg zeigt, wie Die
Gliederung der Ringelwürmer, die jich ja von Turbellarien
herleiten, entitanden jein mag. Wir haben hier eine echte
Segmentierung des Körper vor uns, eine Metamerie.
Darunter veriteht man die Erjcheinung, daß jich in den auf-
einanderfolgenden Gliedern alle mwejentlihen Organe in
RR gleicher Weife wiederholen. Und jo jehen wir denn auch
us ware von an bei den Ningelwürmern tatjächlich in jedem Segment den
Darmkanal, ein Ganglienpaar des Bauchitranges als Ner-
benzentrum, die gleichen Blutgefäße, Ausjcheidungs- und Fortpflanzungswerkzeuge.
Kamentlich die Ausjcheidungsorgane oder Nephridien find jchon immer durch ihr jich
regelmäßig mwiederholendes Auftreten aufgefallen und haben daher auch den Namen Seg-
mentalorgane erhalten. Sie zeigen bei allen NRingelmürmern den gleichen Bauplan; es
jind mehr oder weniger gejchlängelte Kanäle, in jedem Segment ein Paar, die mit einem
Wimpertrichter in der vorhergehenden Leibeshöhlenfammer beginnen, deren hinteres Sep-
tum durchbrechen und in dem Segment, in dem ihr Hauptteil Tiegt, nach augen münden,
tobei jie jich vorher meilt zu einer Heinen Harnblaje erweitern.
Sn vielen Fällen wird nun Ddiefe Metamerie dadurch etwas gejtört, daß mehrere
Segmente oder einzelne Organe derjelben iieder verjchmelzen oder mehr oder weniger
titefgebildet werden fünnen. Ymmer aber zeigt fich die Metamerie deutlich bei der Ent-
wicelung der Teibeshöhle oder des Cölom3, wie man fie auch nennt. Dieje entjteht näm-
lich innerhalb des mittleren Keimblattes, das felbft aus einem Paar beftimmter Zellen, den
Urmejodermzellen, hervorgeht, die in der jungen Xarve zu beiden Geiten des Enddarms
liegen und durch) lebhafte Teilungen die jogenannten Mejodermitreifen bilden. Sm diejen
zeigt jich dann ftetS als exjtes Anzeichen der Segmentierung die gefammerte Leibeshöhle.
VBährend nun diejenigen Ringelwürmer, die ein Trochophora-Stadium durchlaufen,
durch eine Verwandlung ihre endgültige Form erhalten, ift die Enttvicelung der Übrigen
mehr eine unmittelbare.
Borftenwürmer: LVielborfter. 275
Grite Unterklaffe:
Boritenwiirmer (Chaetopoda).
Die Chätopoden find namentlich gefennzeichnet durch feitliche Bündel oder Kämme
von Borften, in denen ung das Mitcoffop eine Neihe der zierlichiten Bildungen offenbart.
Hafen, Spieße, Sägen, Wfeile,
Meijer, Kämme, glatte und ge-
tiefte Ruder und andere jtechende
und jchneidende Snftrumente find
- Darunter zu finden. Die ein-
facheren Formen, die den Namen
von Hafen und Borjten jchlecht-
meg verdienen, werden von ven
bejcheiveneren regenmwurmartigen
Tieren getragen; die feineren,
mit bejonderen Spigen, Zähnen, |
Zähnchen, Klingen und Schnei- ||
den verjehenen Borftengeftalten |
jnd ein Schmud der meilten
- Meeresbeimohner der Abteilung.
Durch) die Gtellung der Borften
in Bündeln und breiten Säm-
men wird es offenbar, daß je ame RS in
Bemwegungswerfzeuge iind. Borftenformen von Ne Ehler3 und Clapa-=
Wir unterjcheiden zwei Drd-
nungen der Borftentwürmer: 1) die Vielborfter oder Polychaeta und 2) die Wenig-
borjter oder Oligochaeta.
Erfte Ordnung:
VBielborjter (Polychaeta).
Das Hauptmerkmal der beinahe auzfchließlich daS Meer bemwohnenden Drdnung der
Bielborfter oder Polychaeta find die an jedem Segment in einem Baar vorhandenen,
feitlich herausragenden Fußftummel oder Barapodien, die in der Regel jene anjehn-
fichen und fo verjchteden, oft recht Funftvoll gebauten Borften in mehreren Bündeln fragen.
Die Vielborfter find mit wenig Ausnahmen getrennten Gejchlechts und entwideln fich mit
einer meift dazu noch recht umftändlichen Metamorphofe. Die äußert zahlreichen Gattungen
und Arten verteilen fi) auf mehr als 40 Su bon denen wir einige der wejentlichiten
Vertreter herausgreifen wollen.
Eine Reihe von Familien pflegte man nach ihrer Lebensweije als frei lebende
Vielborfter (Errantia) zufammenzufaffen und ftellte ihnen die anderen als jeitjigende
(Sedentaria) refp. in Röhren lebende (Tubicola) gegenüber. &3 hat jic) aber gezeigt,
daß die natürlichen Verwandtichaftsverhältniffe der Zamilien andere find, jo dab jene
Scheidung in zwei Gruppen nicht mehr aufrechterhalten werden Fan. Die Vertreter der
18*
276 Würmer: Ningelwürmer.
zunächlt zu bejprechenden Zamilien find lauter Meeresbeivohner, deren Stiemen, wenn über-
haupt vorhanden, an den Fußjtummeln des Nücens angebracht find, und deren Segmente
jehr Häufig geringelte Fühlfäden tragen. Shrer meilt freien, umherjchweifenden Xebeng-
weije entjprechend trägt der Kopflappen, d. Hd. das den Mund überragende und im all-
gemeinen einem Segment entjprechende Borderende, Augen und Taftwerfzeuge, und Ddieje
Vinrmer paden, joweit fie nicht Pflanzenfreifer find, ihren Naub mit fcharfen, hafenförmigen
Stiefern und Zähnen, die bei Ausftillpung des Rüfjels zutage treten. Die meiften der frei
lebenden Volychäten glänzen in metalliihen Farben; ihre Haut fchillert wie ein tlas-
Heid, und die Borjten werfen
wechjelndes, farbiges Licht
die jeitlichen und Nüdenan-
hänge der Körperringe ent-
falten, wollen wir an Der
nebenjtehenden Abbildung
erläutern, Die wir, wie einige
der folgenden, einem Werte
des franzöjiihen Forjchers
Duatrefages entlehnen. Das
Bild Stellt Das Geitenteil
eines Gegments einer Nereis
(und zivar Der heteronereiden
Form) dar: A tft der obere,
B der untere At Des Fuß-
ftummels; a ein oberer, f ein
unterer Fühlfaden, defjen
Anjag von einer blattartigen
Schuppe (k) umgeben it.
Dergleichen Fühlfäden fün-
nen an allen Ningen vor-
Borftenhöder einer „Heteronereis“. Vergrößert. fommen; b umDd C jind die
Stiemenblättchen des oberen
Altes, und durch das untere jcheint der borjtentragende Höder (d) durch; e umd i find
Stüßborften (Acieula). Das Kiemenblatt de3 unteren Aftes ift g, und h ein zweiter boriten-
tragender Höder. Auf der Variation diefes Themas der Äfte, Fiihlfäden, Kiemen und
Nadeln beruht größtenteils die Mannigfaltigfeit der Gattungen.
An die Spibe pflegt man die Familie der Seeraupen, Seemäufe oder Filz-
würmer, Aphroditidae, zu ftelfen, deren Rüden von großen Schuppen (Elytra) bedeckt
it. She Kopf trägt in der Negel drei Fühler, einen mittleren und zivei feitliche. Alle be-
lien 2—4 Augen, die mitunter auf der Spie winziger Stiele ftehen, jedenfalls aber Hein
iind. Bei manchen Gattungen entwidelt fich außer den gewöhnlichen, einfachen und zu-
jammengejegten Borften auch eine Dede langer Haare, die bejonder3 an den ©eiten pie
das prachtoollite Gefieder tropifcher Wögel wijtert und einen Filz bildet, von dem die Rücden-
I&uppen gänzlich verhülft werden. Unter dieje zujammenhängende Dede jtrömt jedoch Durch
zurüd. Sn welcher Weije jich
Se
Borftenwürmer: Bielborfter. 271
- bejtimmte Öffnungen Waffer zu den Heinen, iiber dem oberen Fühlfaden der Segmente
jtehenden Kiemen. Wundervolle Zormen diefer Zamilie find befonders von Schmarda auf
jeiner Weltreife an allen Küften tropifcher Meere be-
obachtet und in emem Prachtwerf in ihrer ganzen
Sarbenjchönheit dargejtellt worden. Doch fan ung
fein Maler den Glanz ihres metalliichen, bei jeder
Bewegung wmechjelnden Schimmers wiedergeben.
AS bejondere Eigentümlichfeit des inneren Baues
der Seeraupen ijt Die Berzweigung des Darnkanales
hervorzuheben. Unter den mit einem Nüdenfilz be-
dedten Arten von Aphrodite ift die % Fuß lang
werdende Aphrodite aculeata Z. (recht3 auf der Tafel
bei ©. 280) an allen europäischen Küften heimijch.
Bon jener Gattung ift Hermione durch den Man-
gel des Nüdenfilges und andere feine Kennzeichen
gejchteden. Cine der gemeiniten Arten des Mittel-
meeres ift Hermione hystrix Sav. Hat man den
Wurm von dem ihm gewöhnlich in reichlicher Menge
anhaftenden Schmute durd) öfteres Abjpülen gejäu-
bert, jo tritt fein anfprechendes, glänzendes Hußeres
hervor. Die Dornen der jchönen Hermione jind aber
Ihlimmer al3 diejenigen eines -Stachelichweines, in-
dem fie, mit Wiverhafen verjehen, haftenbleiben
und fich einbohren. Nichtsdeftoweniger werden alle
diefe Seeraupen von den Naubfiihen, im Norden bejonders von den Dorjchen und
Schellfiichen, im Mittelmeer von den zahlreichen Hleineren Haien gern berjchlungen.
Hermione hystrix Sav. Natürliche Größe.
Eime rechte Kernfamilie ift die der Lycoridae, in
der die räuberijche Natur, verbunden mit ununterbrochener
Nuheloligfeit und Gejchtwindigfeit und ©icherheit der Be-
mwegungen, den höchiten Ausdrud gefunden hat. Das neben-
tehend abgebildete Siopfende von Nereis cultrifera Grube
läßt die Fühler (a), die Tafter (b) jowie zur ©eite die Kopf-
fühlfäden (c) fehen. Der ausgejtülpte NRiljel trägt die bei-
ven großen Zangenkiefer (d), die jich, wie die Mundwerk-
zeuge der Gliedertiere, horizontal gegeneinander bewegen, ll
und mehrere Gruppen Heiner Zähnchen (e). Die Gattung >) ı u e
Nereis enthält weit über 100 Arten, von denen die in den I: ni,
europäiichen Meeren häufigen Nereis cultrifera Grube und nr ee
N. diversicolor Müller erwähnt fein mögen.
Die Geichlechtsverhältnifje ver Lycoriven bieten einiges Sonderbare. Man unterjchied
früher eine bejondere Gattung Heteronereis (Abb., ©. 278), die bon den Mitgliedern der
Gattung Nereis dadurch abwich, daß fie am Kopfende umfangreichere Taftorgane und Geh
werfzeuge hatte. Außerdem find ihre Ruder ftärfer entwidelt, und in den hinteren zwei
Dritteln des Körpers find die Segmente weniger hoch als im borderen und tragen an den
278
Würmer: Ningelwürmer.
Rudern weit längere Borjten. Ehlers gelang der Nachweis, daß manche Nereis-Arten jich
vor ihrer Gejchlechtzreife in jene andere Form ummandeln, wodurd) jie befähigt werden,
Eine „Heteronereis“.
Natürliche Größe, (Zu S. 277.)
den Boden de3 Meeres, auf dem fie jonjt leben, zu verlajfen und
frei umherzufchwimmen. Auf diefe Weije ift für die Verbreitung
der Art gejorgt, denn die Tiere entleeren ihre Gejchlechtsprodufte
in3 freie Wafjer, jo daß fich die Zungen nach) der Verwandlung aus
der Larve an neuen Wohngebieten anjiedeln fönnen. Die Eitern-
tiere gehen bald nach Ablage der Gejchlechtsprodufte zugrumde.
Sn anderen Füllen verhalten jich Smdividuen derjelben Art
(3. ®. Nereis dumerilii Audouin et M.-E.) verihieden: die einen
werden ohne weitere Veränderungen gejchlechtsreif, andere aber
bilden fich vorher exit zur HeteronereiS um, und Daneben gibt es
Ichließlich noch eine dritte, ziwitterige Yorm. Bon vielen Nereis-
Arten Fennt man bis jeßt feinen heteronereiven Zujtand und end-
Yich find auch mehrere heteronereide Arten befannt, zu denen man
noch nicht Die zugehörigen nereiden Formen gefunden hat, obwohl
es dieje natürlich geben muß.
Eine artenreiche Yamilie, die der vorigen jehr nahe jteht, ift
die der Eunicidae. Shre Vertreter tragen meilt größere, ber-
äftelte Kiemenanhänge auf dem Niüden der Segmente und jind mit
einem mächtigen Stieferapparat ausgerüftet. Sie jtellen geivaltige
Näuber dar, zumal manche von ihnen eine beträchtliche Größe er-
langen fünnen. m Mittelmeer finden fich unter anderen die jchüne
Halla parthenopeia Chiaje, die große Diopatra neapolitana Chiaje
und die in durchfichtigen, jelbitgefertigten ARöhren lebende Hyalı-
noecia tubicola Müller (Onuphis). Zu diejer Yamilie gehört auch
der intereffante Palolowurm, Eunice viridis Gray (Lysidice),
bon der Samoa-Snfelgruppe, iiber den ung mehrere Berichte, be-
jonder3 die von Statt und Vomwell und neuerdings auch bon an-
deren Forichern, vorliegen. Sm jedem Sahre erjcheint Das Tier
zweimal, im Dftober und November, in unermeßlichen Scharen
an gemwiljen Punkten des Gejtades der Samoa- und der Fiojcht-
Ssnieln. Der zweite Schwarm ift jedoch noch größer al der erite,
und die Eingeborenen nennen deshalb diefen Weblalofo Yevu, jenen
Mblalolo Yailai (d. H. Keine und große PBalolo- Zeit). Beide
Schmärme ftellen ji) am Tage vor dem legten Mondviertel und
an diefem Tage jelbit ein und namentlich an dem leßteren in fo
unglaublich großen Scharen, daß das Meer weit hinaus nur aus
ihnen zu bejtehen jcheint. Die erjten Würmer fommen mit dem
Grauen des Morgenz, ihr Gewimmel nimmt zu und wird am jtärk-
jten bei Sonnenaufgang, aber nach 2—3 Stunden ijt alles ver-
Hunden. Alt und jung hat fie) am Strande eingeftelft und geht unter fröhlichen Scherzen
in das Wafjer am Geftade, dem Exrntefegen, den ihnen das Meer bietet, entgegen. Mit
sterlich gearbeiteten Körbchen fischen fie den Mblalolo, verzehren die Wirmer roh oder
r
Borftenwürmer: PVielborfter. 279
mwideln fie in friiche Blätter, um fie zu baden und als höchite Delifatefje mit Entzüden zu
genießen. Handelsleute haben jich eingefunden und faufen auf, um auch die Einwohner
der entfernter liegenden Gegenden der Snfel, denen am Yeite jelbit teilzunehmen nicht
möglich war, mit dem Lederbijjen zu verjorgen.
Ganze Würmer finden fich nicht unter der Majje, es find lebende Bruchitüde bon
2—20 mm Länge, und zwar nur gejchlechtsreife Hinterenden. Sie jind getrenntgejchlecht-
lich, gelblichweiß bis odfergelb find die männlichen, jhmußig indigoblau bis dunkelgrün Die
weiblichen Stüde. Sie geben ihre Gejchlechtöprodufte in das Wajjer ab und gehen dann
zugrunde, ähnlich wie wir e3 bei den heteronereiden Formen der Tycoriden jahen. Woher
ftammen nun jene gewaltigen Mafjen von Wurm-Hinterenden? Strämer und Triedländer
iaren es, die unabhängig voneinander zuerjt Klarheit hierüber jchafften. Sie jchildern,
wie in den Nigen und Spalten der Korallenblöde des Meeresbodens jene Bunice viridis
lebt, bis fie furz vor dem obenerwähnten merfwitrdigen Zeitpunkt gejchlechtsreif wird, und
aivar finden fich Die Gejchlechtsprodufte nur in den Ringeln der hinteren Körperhälfte, die
zugleich eine Umwandlung durchmachen, durch welche diefe Körperjtrede zum Schwimmen
befähigt tird. St dann die Zeit zum Schwärmen gefommen, jo reißt das Hinterende ab
und fehwimmt nach oben, während die den Kopf tragende vordere Hälfte Des Wurmes im
Steingeröll des Bodens verbleibt und das Verlorengegangene wiederheritellt.
Ein ähnliches Verhalten wie an diefem „pazifiichen Balolo” Hat U. ©. Mayer an dem
„atlantiihen Valolo”, Eunice fucata Ehlers, jejtgeitellt, einem Wurm, der bei den
Tortugas-Infeln jhmwärmend betroffen wird. Endlich ift neuerdings auch ein „japanijcher
PBalolo“, Ceratocephale ossawai Izuka, entdedt worden, der aber zur vorigen Zamilie,
den Lheoriven, gehört.
Meift Heinere Würmer enthält die Familie der Syllidae, deren Vorderende bejonder3
reich mit Fühlern und Fühlfäden ausgeftattet ift. Bon ihren meitverbreiteten Arten mögen
hier Syllis variegata Grube, Grubea limbata Olap. und Myrianida fasciata M.-E. genannt
fein. Mit den eigenmtigen Fortpflanzungsverhältnifien diefer Zamilie werden wir ums
ipäter noch etwas zu bejchäftigen Haben.
Schon äußerfich durch ihre glasflare Durchfichtigfeit geben fich die Mitglieder der
Samilie der Alciopidae al8 Bewohner des offenen Meeres fund. Durch ihre Tarblojig-
feit gejchüßt, fchroimmen fie Vebhaft in den oberen Schichten der See umher und juchen
Beute zu machen, die fie mit ihren hochorganifierten, prachtvoll voten, Duntelbraunen
oder Schwarzen Augen erfpähen. Unfere Farbentafel bei ©. 288 zeigt oben rechts einen
Angehörigen diefer Yamilie, Asterope candida Chraje.
Eine folgende Familie, Phyllodocidae, hat die Rüden- und Bauchfühlfäden, Die
ihr als Ruder dienen, blattartig erweitert. ZHr Körper ift ftark verlängert und aus zahl-
veichen Ringen zufammengejeßt. So zählt 3. B. der Körper von Phyllodoce laminosa
Sav. von den franzöftichen und englifhen Küften gegen 300—400 Ringe, und Duatre-
fages verjichert, daß fie iiber 60 cm lang würde. Aymer ones hat vecht, wenn er jagt,
daß fie mit unbefchreiblicher Eleganz fchwimmt. Wie viele andere Raub-Anneliden liegt
fie während de3 Tages ruhig in einem Berjted. Exft mit der Dunkelheit macht jte jic)
hervor, um nach Beute umherzufehwimmen, wobei der ganze Körper horizontale Wellen-
bewegungen ausführt, unterjtügt von den Rudern. Dieje werben gejtrect und angezogen
280
ap
ei)
Gemetner Sand-
mwurm, Arenicola ma-
rina L. Natirl. Größe.
Würmer: Ningelwürmer.
in jener Aufeinanderfolge, wie man jie an den Beinen der Taufend-
füßer fieht, alfo in von Hinten nach born laufenden Wellen. Indem
num alle diefe in zierlichiter Unruhe befindlichen Teile fortwährend
ihre Stellung gegen das Licht ändern, geht über den im ganzen grünen
Körper ein wunderbolles Stijieren in Violett, Blau und Gold. Die
auf der beigehefteten Tafel abgebildete Phyllodoce paretti Blainv. führt
eine ähnliche Yebensiweije.
Einen ganz anderen Eindruck macht wiederum die YJamilie ver
Glyceridae. Der langgejtredte Körper diejer Tiere läuft in einen
fegelfürmigen Kopflappen aus, der ebenjo wie die Segmente nochmals
ichmal geringelt if. Die Glyceriden fünnen einen im Verhältnis zu,
ihrer Größe ganz gewaltigen KRüffel vorftreden, der meijt vier jtarfe
Kieferzähne trägt. Wie fie fich feiner bedienen, beobachtet man leicht,
wenn man fie am Geejtrand unter Steinen auf jandigem Boden über-
tajcht: fie bohren fich alsdann, den Rüfjel abwechjelnd mit Gemalt aus-
itredend und einziehend, in den Boden ein. Shrer veritedten, licht-
icheuen LXebensweije entjpricht auch die wenig lebhafte Färbung. Die
Berbreitung der Gattung Glycera Sav. ijt eine jehr große; man fennt fie
bon Neufeeland, Walparaifo, Peru, von Grönland und vom Nordfap,
wie denn auch eine Reihe von Arten in den mittel- und jüdeuropätjchen
Meeren nicht fehlt. Su der Nordjee und im Mittelmeer ijt Glycera
capitata Oerstedt häufig.
Der Gemeine Sandwurm, Pier, Arenicola marina L. (pis-
catorum), gehört zu der fehr natürlichen, gut abgejchlojfenen Samilie der
Telethusae (Arenicolidae), deren Mitglieder eine ähnliche Lebens-
teije führen wie die Glyceriven. Er erreicht eine Länge bon 22 cm
und ift in der Färbung fjehr veränderlich; grünliche, gelbliche und röt-
liche Tinten herrfchen vor, e3 gibt aber auch jehr helle und fajt tief-
ihwarze Stüde. Die Schattierungen diefer Färbungen jtehen offenbar
im Zufammenhang mit der Bejchaffenheit des Aufenthaltes, indem die
helle Spielart nur in faft reinem Sandboden, die jchwarze in einem
Boden vorkommt, der durch ftarfe Beimifchung jich zerjeßender pflanz-
licher und tierischer Abfallftoffe fajt jchlammig it. ©o findet man Dieje
dunkel gefärbten Sandmwürmer mit einem Stich ins Grüne 3. ®. in dem
Ichlammigen Hafen von Nizza. Über den Heinen dreiedigen Kopf her--
bor fann der einem Becher gleichende NRüfjel gejtredt werden. Die
borderen Körperjegmente tragen auf dem Rüden bloß die in Höcder
eingepflanzten Borjtenbündel, Hinter denen auf den 13 mittleren Seg-
menten die äußerft zierlich verzweigten Kiemenbäumchen jtehen. Das
legte Drittel des Körpers ift ganz Drehrund, ohne Kiemen und Fußhöder.
Der Fiicher-Sandwurm lebt faft an allen Kürten von Europa und von Grönland,
und er iit faft der einzige Wurm, der einen gewillen wirtjchaftlichen Wert hat, da, wie
Wagner nachweijt, allein auf der Injel Norderney 91, Millionen Stüd Sandwirrmer zum
Boritenwürmer des Meeres.
Natürliche Größe.
1. Serpula vermicularis Z. — 2. Plıyllodoce paretti Blainv. — 3. Aphrodite aculeata 2.
Borftenwürmer: PVielborfter. 281
Scellfiichfang verimendet werden. Ar vielen jandigen Uferftreden fommt er in ungeheuren
Mengen vor. Er liebt die Zone, die bei der Ebbe bloßgelegt wird, und hier wird ihm von
den Fiichern eifrig nachgeftellt. Die Jagd ift zwar nicht jchiwierig, erfordert aber eine ge-
wille Kenntnis feiner Lebensgewohnheiten. Gleich den Negenwürmern verjchlingt der
Sandwinm große Mengen des Bodens, in dem er lebt, um damit die zu feiner Ernährung
dienenden organischen Stoffe in ven Magen zu befommen. Gleich den Regenwürmern
fommt er an die Oberfläche, um fich des durch feinen Leib gegangenen Sandes zu ent-
ledigen. Dieje Häufchen werden zu Berrätern des Wurmes, indem fie das eine Ende des
Ganges bezeichnen. Diejer biegt fich jehr tief in Die Erde, und bei der geringiten Er-
jhütterung verjenkt jich in ihm der Sandwurm mit außerordentlicher Gejchielichfeit. Man
muß aljo mit dem Hafen ztwijchen die beiden Offnungen der Röhre möglichft tief eingehen,
aber man wirst den Sand häufig vergeblich auf. Aus jeinem Berjtede herausgenommen,
bewegt ji) der Sandiwurm jehr langjam. Er fondert dann eine reichliche, die ihn berührende
Praxilla collaris Clap. Natirlide Größe.
Hand grüngelblich befledende Flüjjigfeit ab. Sebt man ihn auf Sand, jo beginnt er jo-
gleich, fich einzugraben. Er verjährt dabei folgendermaßen. Die vorderen Körperringe
nehmen nacheinander an Umfang ab, jo daß jeder ganz in den nächitfolgenden eingejchoben
werden fann. Sind jie alle zurücgezogen, jo erjcheint daS Vorderende abgejtubt; im
anderen alle bilden jie einen regelmäßigen Segel, und damit ilt der Bohrapparat ge-
geben. Nachdem die Ringe eingezogen jind, jtemmt der Wurm den Kopf gegen den Sand
und öffnet fich Durch Fräftiges VBorjtreden des Kegels einen weiteren Weg. Da der jo
gewonnene Raum aber zu eng und der Entfaltung der Kiemen Hinderlich fein würde, jo
wird er durch eine unmittelbar auf das Vorftreden erfolgende Anjchwellung der Ringe
erweitert. Nunrückt der Körper nach, und die einzelnen Arbeiten wiederholen jich. Während
diejes Eindringens fondert der Vorderförper eine Hebrige Mafje ab, durch welche die innerite
Sandjhicht zu einer zarten Röhre verfittet wird, die jedoch ausreicht, den Einfturz der
Höhlung zu verhindern. Dieje ift nun alfo fo weit, um dem weder durd) Sand noch
Schlamm verunteinigten Wafjer den Zutritt zu den Stiemen zu gejtatten. Das Aufiteigen
der Arenicola in der Röhre gejchieht natürlich mit Hilfe der Borftenbündel.
Eine ähnliche, obwohl nicht tief eingreifende Berjchiedenheit der Störperitreden, wie
die Sandmwürmer, zeigt auch die Familie der Clymenien oder Maldanidae, zu der Praxilla
collaris OJap. (Arenia) gehört. Dieje Gattung mweilt jedoch nicht, wie die meijten anderen,
282 Würmer: Ningelwürmer.
drei, jondern nur zwei Abjchnitte auf. Der vordere, jehmusßig rötlich gefärbte Teil ver-
DT ET
ändert durch Einjchnürungen und Zujammenziehen vielfach feine Form. Der hintere, lange
Körperteil ift gelblichrot. Duatrefages, der diejes Tier an der franzöfiichen Küfte beob- B
achtete, erzühlt, daß er e3 jehr Häufig in einem jo ausgewajchenen, reinen Sande gefunden {
hat, daß die Möglichkeit einer Ernährung gar nicht vorhanden zu i
jein fchien. Der ganze Darımfanal war mit jolhem feinen Sande !
angefüllt, wodurch die jchon an fich große Zerbrechlichkeit des Körpers ; i
noch erhöht wurde. ES war Fein einziges Stüd ganz zu erhalten.
Zu einer jehr merkwürdigen Yamilie der röhrenbemwohnen-
ven Borftenwürmer, den Chaetopteridae, gehört die Gattung
Chaetopterus, dejjen Körper drei ganz verjchtedene Abichnitte zeigt.
Der Kopf bildet einen am Rüden ausgerandeten Trichter. Dann
folgen neun Segmente mit flachen, verlängerten Fußjtumnteln,
die auf dem oberen Rande ein Bündel brauner Borjten tragen.
Höhft auffallend ift die Umbildung der fünf den Mittelteil des
Körpers zufammenjegenden Segmente. Bon deren eritem erjtreden
ih die Fußjtummel gleich) einem Paar
platter Fühler weit über den Borvderförper,
während die unteren te diefer Füße zu
einer auf der Bauchjeite jich vereinigenden
Krauje verbreitert jind. Die oberen Fupß-
ftummel des zweiten Ringes bilden einen
mit den vorhergehenden Stummeln fich
verbindenden Nüdenfamm, und zwilchen
ihnen und den in dreifeitige Lappen um-
gewandelten unteren Aften ift die Haut
“auffallend aufgejchwellt und vivlettichwarz
gefärbt. An den drei folgenden Segmen-
ten treten nur die Dreijeitigen unteren Zuß-
lappen hervor. Die hintere Körperhälfte
endlich wird aus etwa 50 Segmenten ge-
bildet, die durch Die verlängerten Zußjtun-
mel ausnehmend breit ericheinen.
Der hier bejchriebene und abgebildete
Chaetopterus pergamentaceus Cwv. findet
ji) an der Küfte der Normandie und im
Mittelmeer. Er erreicht eine Länge von
22 cm und bewohnt die größeren Tiefen
in Röhren von etiva 32 cm Länge. Dieje
beitehen aus mehreren Lagen und gleichen einem groben, gelblichen Pergament. Ge-
wöhnkich find fie gewunden und auf irgendeinem feften Gegenjtand angeheftet. Aus feiner
Nöhre Herausgezogen, ift dev Wurm für den Beobachter wegen feiner Trägheit jehr wenig
beluftigend und erjchwert die nähere anatomijche Unterfuchung durch reichliche Abjonderung
eines diden, zähen, fich an die Finger und Inftrumente anlegenden Schleimez.
Chaetopterus pergamentaceus Cıw. Natürliche Größe.
Borftenwürmer: BVielboriter. 283
Die angeführte und andere Arten bon Chaetopterus, die im Golf von Neapel vor-
fommen, zeichnen fich durch ihr Leuchten aus. Nach Panceris Beobachtungen muß man
die Tiere reizen, wenn fie leuchten jollen. Dann verbreitet fich der Leuchtitoff wolfenartig
im Waffer. Das Tier glänzt in lebhaften, bläulichem Lichte, und zwar im dunfeln Raume
jo ftark, daß man die umftehenden Perfonen erfennen und die Uhr ablefen fann. Der
genannte Neapolitaner Naturforjcher, der jeit Jahren die Leuchterjcheinungen der niederen
Tiere unermüdlich unterfuchte, hat in Chätopteren, namentlich in Chaetopterus variopedatus
Clap., der jich jeine Röhre aus Sandförnern zufammenleimt, gewilfe Zellen und Drüjen
als Erzeuger des Leuchtitoffes nachgeiviejen.
Über die Art, wie Chaetopterus pergamentaceus lebt, und wie man fich feiner be-
mächtigt, ohne Röhre und Tier zu verleben, verdanfen wir Lacaze-Duthier3 genaue An-
gaben. Tolgt man an flachen Küften der Ebbe, fo trifft man ihn oft auf Wiejen von Gee-
gras (Zostera marina) in Sand mit jchlammigem Unterbovden. Das Tier verfertigt eine
Nöhre, die weit länger al3 fein Körper, an beiden Enden offen und Uförmig in den Boden
gejenft ift. Sie bleibt daher auch während des Zurücdtretens des Meeres mit Wajjer ge-
füllt, und der Wurm fan ununterbrochen feine Atembewegungen in feiner geräumigen
Wohnung fortiegen. Will man Tier und Röhre unbeichädigt Haben, jo darf man jic)
natürlich nicht auf das Schleppneß oder die Gabel verlajjen, jondern muß die Röhre frei
legen und ausgraben, während ein Gehilfe die beiden Enden feithält.
Die Angehörigen der Keinen Zamilie der Kopfringler, Capitellidae, über die
Eifig eine vorzügliche Monographie herausgegeben hat, jind im Verhältnis zu ihrer Breite
lang, wenn auch meift nicht von bedeutender Größe (von 3,5 mm bis 15 cm); nur Dasybran-
chus caducus@rube erreicht eine größere Länge. An ihrem Körper Tafjen fich deutlich zwei Alb-
jehnitte unterfcheiden, ein lebhaft roter, fürzerer, vorderer mit ganz zurüdgebildeten anhangs-
Yojen Fußftummeln, und ein blafferer, längerer, hinterer, an dem die Fußjtummel auch nur
wenig vorjpringende Willfte bilden und die bald einfachen, bald verziweigten Kiemen tragen.
Su der Mundhöhle befindet fich ein mächtiger, vorftiilpbarer Rüffel, der bloß mit PBapillen
bejegt, jonjt aber unbemwaifnet it. Die Augen figen als Bigmentflede am Stopflappen und
treten bei manchen Arten in ziemlich anjehnlicher Zahl zeitlebens, bei anderen nur in Der
Sugend auf, um fich im erwachjenen Zuftande auf ein Baar zu verringern. Die Öattung
Capitella Blainv., zu der die in der Nordjee nicht feltene Capitella capitata Fabricrius ge-
hört, Hat ftändig nur ein einziges Paar, was ftammesgejchichtlich offenbar der neuejte
Zuftand ift. Die Augen fpielen bei der Lebensweije diefer Tiere, die ji) in Sand und
Schlamm eimbohren, eine nebenjächliche Rolle.
Sehr interefjante Unterfuchungen machte Eifig über die Anpaffungsfähigkeit der Kopf-
tingler an das fühe Wafjer. Er brachte eine Anzahl von Capitellen in Gejellichaft anderer
Borftenmwürmer (Spio) in Aquarien mit Seewafjer, dem er nach und nad) von Anfang
Sanuar bi3 Ende April Süßmwajjer zujeste. Die Exemplare von Spio jtarben jchon bei
einem Gemijch von 1000 Teilen Süßmwajjer auf 600700 Seewaijer, die Kapiteiliden er-
trugen aber eine Mifchung von 1000 Teilen Süßtweljer auf 400 Teile Seemwajjer, exit in
diejer fingen jie an abzujterben.
Durch diefen Berjuch wird ein interejjanter Ausblid auf die Anpajjung der Meere3-
anneliden an das füße Wafjer eröffnet, bei der die Natur, die über unbejchränfte Zeit-
räume verfügt, viel langjamer zu Werfe gegangen ift und mit vielen Generationen anjtatt mit
284 Würmer: Ringelmürmer.
einzelnen Sudividuen arbeiten konnte. Tatjächlich gibt es nun auch eine allerdings nur Keine
Anzahl von PRolychäten, meist Angehörigen ver Tamilie der Teoriden (©. 277), die dauernd
im Bradmwajjer oder gar
im Süßmajjer leben.
Die Familien, zu
denen mir jest liber-
gehen, bejigen Stie-
nn men, die in Form von
Nöhren der Sabellaria alveolata Z. Natürliche Größe. Bäumchen oder Taden-
büjcheln auf das Kopf-
ende bejchränkt find. hr weder mit Zähnen noch mit borjtredbarem Nüfjel verjehener
Mund deutet auf eine friedfichere Lebensweife als die der meiften bis jest bejprochenen
Formen, und damit in Cinklang jteht dem auch, daß fie dauernd in Röhren haufen.
Mit Friich von der Aufternbank losgelöiten Auftern
it ung ein unregelmäßiger Tladen von Sand und Sand-
töhren gebracht worden, eine Stolonie Der Sabellarıa
alveolata Z. (Hermella) auß der Yamilie der Her-
mellidae. Die Röhren, aus feinen Sandförnchen
zujammengefittet, fiegen ohne Regel übereinander, nur
daß die Mündung einer jeden frei geblieben tft. yede
it unabhängig von der anderen Durch ihre Inwohnerin
gebaut worden, dann Hat jich der Sand aucd) in Die
Biiichenräume gelegt und ijt durch eine von den Tieren
ausgejchtedene, ihn Ducchoringende Klebenafje ziem-
lich fejt geworden. Sufolge der unangenehmen Stö-
rung haben jich die Tiere in ihr Berfted zurüdgezogen,
und hinter dem Eingang jeder Röhre jieht man einen
metallglänzenden Dedel. In ein Gefäß mit See-
waljer getan, fühlen jie bald das Bedürfnis, mit der
Außenwelt in Verkehr zu treten, der Deckel jchiebt jich
iiber den Eingang hervor, lüftet ich, und unter ihm
fommen zwei Büjchel feiner Fäden heraus. Der Kopf
it jichtbar geworden, jchredt aber bei der leijejten Be-
rührung wieder zurüd. CS Hilft nichts: will man Die
Wißbegier befriedigen, muß die Röhre ganz zerbrochen
und das ungebärdig jich Krümmende Tier in ein Hlei-
neres Gefäß gebracht werden, wo es fich bald ziemlid)
ruhig in jein Schidjal ergibt.
— Die auffallende Form des Kopfes wird dadurd)
Sabellaria alveolata D. Dergrößert, bedingt, daß die zwei großen Fühler miteinander ber-
ihmeßen und auf ihrer abgejtusten Fläche einige
Reihen breiter, zum Zeil gezähnelter PBlattborften tragen; fie find damit zu einem den
Eingang der Röhre verfchließenden Stöpfel oder Dedel umgeftaltet (a). Wahrjcheinlic)
verjehen auch die beiden Fadenbüfchel (b) unten su beiden Seiten des Munpdes die Stelle
Borjtenwürmer: Vielborfter. 285
bon Atemorganen, allein die wahren Kiemen treffen wir als Züngelchen auf allen mit
Sußltummeln (d) verjehenen Segmenten. Der Körper endigt mit einem drehrunden, un-
geringelten, boritenlofen Abichnitt (e).
Eine der umfangreichiten und veränverlichiten Zamilien ift die der Terebellen,
Terebellidae. ‘hr gejtredter, aber jehr zufammenziehbarer und weicher Körper ift rund
und born meijt am diditen. Am Kopfe jigen eine Duerreihe oder zwei feitliche Büjchel von
Tüuhlfäden, bei einigen in jo großer
Menge, dag man fie jchmwer zählen
Tann. Dieje Organe befinden jich
nämlich in einer fortwährenden
Ihlangenartigen Bewegung, ber-
fürzen und verlängern fich und
Iheinen wie für fich lebendig
durcheinander zu Friechen, daß
man, wenn ihre Anzahl fteigt,
jede Überficht verliert; ihre Zahl
mimmt übrigens, wie Dalyell be=
obachtet Hat, mit dem Alter zu.
Da jie meijt gelblich oder rötlich
gefärbt find, geben jie in Diejem
Durcheinander einen jehr Tieb-
lichen Anbiid. Wegen ihrer großen
Bartheit gehen fie leicht verloren,
aber ohne großen Nachteil für das
Tier, dem jie in furzer Zeit mwie-
der nachwachjen. Bei den eigent-
lichen Stammarten der Terebel-
len jtehen auf den vorderen Kör-
perjegmenten mehrere Sliemen;
bei der hierneben abgebildeten
Urt jind e3 drei zierlich verzieigte
Bäumcden. Die oberen Fup-
tummel aller Terebellen tragen Büjchel von Haarborften. Alle verwenden Material aus
ihrer Umgebung (3. Bd. Mufchelftüdchen und Sand), um e3 zu ihren Wohnröhren zufam-
menzulitten. Bon ihrer Borkiebe für Mufchelfragmente zu ihrem Bau hat die in allen mittel-
europäiichen Meeren gemeine Lanice conchilega Pallas (Terebella) ihren Namen. Die
Aöhren find vorn mit zahlreichen hohlen Fortjäben zur Bergung der Fühlfävden verjehen.
Ehlers erzählt: „Auf der unweit Spieferoog gelegenen, zur Ebbezeit frei laufenden ‚Strabben-
plate‘, einer Bank, welche fait ganz von den Bauten der Sabellaria spinulosa bededt ift, des-
gleichen am Wattitrande ragen jolche Röhren mit ihren jehr mannigfaltig gejtalteten Anhängen
mehr oder minder hoch, gerade aufrecht gerichtet über die Oberfläche des Bodens hervor,
icheinbar leer; gräbt man aber vorfichtig den Grund, aus welchem jie herhorragen, auf, jo
befördert man die jehr tief in den Boden dringenden Nöhren Heraus und erhält damit den
meijt bis in den Grund der Röhre zurüdgezogenen Snjajjen, die Lanice conchilega.
Cine Verebellide. Natirlihe Größe.
286 Würmer: Ringelwürmer,
„sm einem Keinen, gut durchlüfteten Aquarium liegen fich dann die in- den Röhren
eingejchloffenen Tiere jehr gut am Leben erhalten und gaben mir Gelegenheit, die Art
und Weije zu beobachten, in welcher die Würmer ihre Röhren bauen. Synfofern aller-
dings unterjchied fich der Anbau, welchen die beobachteten Tiere an ihren Röhren machten,
bon den Berhältniffen im Freien, daß im Aquarium, in welchem die Röhren ihrer ganzen
Länge nad) frei lagen, die Tiere bisweilen an beiden Eingängen in die Röhre fadenförmige
Anhänge anbauten, während im Freien nur der über den Boden vorragende Teil folche
Anhänge erhält. Gelegentlich baute auch einmal ein Wurm eine zyfindrijche Röhre wieder
über die mit Anhängen befegte Mündung hinaus; das gefchieht im Freien wie im Agua-
rum. — Sn der Wahl der Stoffe, welche die Würmer zum Bau verwenden, waren jie
im Aquarium nicht mwählerijch, während an allen Wurmröhren, welche ich ausgrub, der
im Boden jtedende Teil der Röhre ausichhieglich von Sandkörnchen zufammengefebt und
nur das frei vorragende ©tücd mit den verjchiedenartigjten Fragmenten befleivet war.
„Die Tiere ftredten aus der einen Offnung der Röhre die langen Fühler hervor und
juchten mit diefen nac) dem zum Bau zu verwendenden Material. Gab ich dem Wurme
nun ein etwas größeres Stückchen, ein Steinchen oder ein Bruchjtüd einer Mufchel (Olas-
icherben wurden meijtens verjchmäht), jo wurde diejes mit einer mehr oder minder großen
Zahl von Fühlern ergriffen und in die Röhre hinein, zu dem in diefer verborgenen Tiere
gezogen, mobei meiltenteils jämtliche Fühler mit eingezogen wurden. Nach einer Furzen
Zeit quoll dann die ganze Mafje der Fühler aus der Röhre hervor, und ihr folgte das
VBorderende des Tieres; diejes trug dann das vorher eingezogene Stüdchen zum Teil mit
dem Kopflappen, bejonders aber mit den wie eine Sohle abgejekten Bauchjchildern der
vorderen Segmente, auf dent das Stüdchen meijtens derartig auflag, daß die Ränder
der Schilder e3 zum Teil umfaßten. Nun hob fich wie taftend der Wurm an den Rand
der Röhre und feste das Stüdchen an den erwählten Dxt; e3 erfolgte ein meift rucweifes
Lolajjen des Stüdchens, und wie fich der Wurm num fchnell in die Röhre zurüdzog, jah
man das Stüdchen feit an feinem Plate angefittet. Sn folcher Weife wurden Sandflörnchen
und Heinere Fragmente am Umfang des Röhreneinganges in der mannigfaltigiten Weije
aufgefittet... Wurde dem Wurme aber ein Stüd geboten, das zu groß war, al3 daß es
in die Röhre hineingezogen werden fonnte, etiva eine halbe Mufchelichale, jo trat das
Vorderende des Wurmes an diejes ducch die Fühler an den Röhreneingang herangezogene
Stüd, jtric) mit der ventralen Fläche des Vorderförpers über dasfelbe, und danach, Hebte
das Stüd an der Röhre feit.
„us meinen Beobachtungen geht hervor, daß bei dem Bau der Röhren die Fühler,
welche über ihre ganze Länge eine flimmernde Rinne tragen, nur infofern verwendet werden,
als der Wurm mit ihnen das zum Bau zu verwendende Material auffucht und auslieft...
Vielmehr vollführt das Ankitten der einzemen Teilchen das Tier in derWeife, daß e3 zunächit
einen lebenden und fchnell erhärtenden Stoff, der mit der Grundlage der fertigen Röhre
übereinjtimmt, auf das ergriffene Stüd bringt. Der Stoff ift das Sekret von Hautdrüfen,
welche befonder3 zahlreich auf den flimmernden Flächen des Kopflappens und der Seiten-
lappen der anderen Segmente, dann auch auf den Bauchjchildern und an den Fühlern
ji) finden. Er wird wahrfcheinlich unter Mittirfung der den Mundeingang umgebenden
Tippen auf das ergriffene Stüd gebracht, während diefes vom Kopflappen gefaßt ift...
Das mit Klitt verjehene Stick aber twird von den Bauchjchildern und dem Kopflappen an
die vom Wurme erwwählte Stelle eingejebt.”
Borftenwürmer: BVielborfter. 287
Rafjen wir ung nod) eine Terebellenart, die Töpferin, Amphitrite figulus Dallyell, bei
ihrem Nöhrenbau jchildern, und zwar von Aymer ones. Shr Baumaterial it Schlamm.
Nimmt man das Tier aus der Röhre, jo zieht und widelt e3 jich eng zufammen. Cehr bald
aber beginnen die Fühlfävden rundum zu fuchen, alles, wag fie erreichen fünen, heranziehenn.
Hatte fie, wie andere Arten, am Morgen der Ruhe gepflegt, jo arbeitet Die Terebelle in der.
Beit des Tages, am emfigiten gegen Abend. Cine Anzahl Fühlfäden ergreifen Schlamm,
andere Sandförner, andere langen nad) Mufcheljtüdchen, und das auf diefe Art Gejammelte
wird Durch Zufammenziehen der einzelnen Fühler an den Körper herangebracht. Während
diejer Arbeit der Fühlfäden bläht fich der Vorderförper etwa 15—20mal in der Minute auf,
und ebenjooft geht eine mwellenfürmige Bewegung bon Hinten nach born. Dann treten
10—12 Bartifelchen des Baumaterial zutage, vermutlich, nachdem jie im Munde zu=
‚gerichtet worden find, und werden an den Rand der Rühre angefügt. Dabei fcheint die
Unterlippe den neuen Teil auf und ab zu glätten oder auch mit der übrigen Röhre zu ver-
eben. ©o viel jcheint außer Zweifel, daß die Baumaterialien zuerft verfchluct werden.
Die ebenfalls jehr gemeine Polymnia nebulosa Montagu, fo genannt, meil fie fich
mit dem Gemirr ihrer rötlihen Fühlfäden wie mit einer dedenden Wolfe umgeben fann,
leimt fie) zu zeitweiligem Aufenthalt unter den Uferjteinen jehr zerbrechliche AKöhren und
laubenartige Gänge, die man oft verlafjfen findet.
Sin der Familie der Serpulidae find die Kiemen vollftändig an das bordere Ende
gerüct, und das durch deren Tlimmerhäcchen in Strömung verjeste Waffer bringt der
unmittelbar darunter gelegenen Mundöffnung die Nahrung zu. Der bei anderen Ningel-
mwürmern getrennte Kopflappen ijt hier mit dem durch die Mundöffnung ausgezeichneten
eriten Segment verjchmolgen, und der jo gebildete Kopf ift durch eine Art von breiter Stcauje
bom übrigen Körper abgejebt. Merfwürdig ift der jogenannte Borjtenwechjel, indem in der
vorderen Körperhälfte auf dem Rüden Haarboriten, am Bauche Hafenborften jtehen, in der
hinteren dagegen die Haarboriten am Bauche fißen. Sr der großen Gattung Serpula Z. jehen
wir einen oder auch ziwei der Kiemenfäven zu einem feulenförmigen Dedel umgewandelt,
der von einem Faden getragen und beim Zurüdichlüpfen in die Röhre immer zulebt zum
Berichluß eingezogen wird. Der mifroffopifche Aufbau diefer Dedel ift jehr wichtig für Die
Urtunterfcheidung und an fich Hübjch anzufehen, da Zähnchen, Fronenartige Aufjäte, be-
wegliche Stacheln und dergleichen organijches Schnibwerf fie bei der einen Art fo, bei der
anderen jo, zierlich fennzeichnen. Syn der auf der Tafel „Borjtenwürmer des Meeres” (bei
©. 280) Iinfs abgebildeten Stolonie von Serpula vermicularis Z. fehen wir die Einzeltiere in
berichienenem Maße ihre Kiemenkfronen aus den Röhren ftreden, wobei der Dedel deutlich
zu erfennen ift. Ein anderes Feld der Mannigfaltigkeit derjelben Gattung ift in der Bildung
ver Falfıgen Nöhre gegeben. Alle Arten find in ihrer Geftalt einer Verwandlung unter-
. worfen und beginnen mit einem freien Leben. Noch lange, bevor diefe Verimandlung voll-
envdet ift, |chwißt das junge Tier eine Kalfröhre aus, die anfänglich zylindrisch und an beiden
Enden offen ijt. Indem Maße, wie das Tier wächlt, verlängert und erweitert es fein Gehäufe.
Diejes liegt zunächlt der ganzen Länge nac) der Unterlage auf, plattet fich auf der unteren
Geite ab und erhält auf der freien Oberfläche Streifen, Falten und Kanten und bei einigen
Arten Zähne und Einferbungen an der Kopföffnung. Bei manchen Arten erhebt fich der
jpäter mwachjende Teil fpiralig frei über der Unterlage. Bei der Ubjonderung und Gejtal-
tung der Röhre ijt vorzugsmweije der Grumdteil der Kiemen und der Kopffragen beteiligt.
288 Würmer: Ningelmürmer.
Die überaus zahlreichen Arten der Serpulen finden jich über alle Meere zerjtreut und
gewähren, wenn fie ven Kopfteil herboritreden und den Siemenfächer entfalten, einen jehr
anziehenden Anblid. Den jtärkiten Anteil daran Haben die meiit gelb, rot oder bunt ge-
fürbten Stiemenfäden. Ir einigen Fällen fiten auf ven Tentafeln eigentiimliche, rote oder.
violette Bigmentfledchen, die, wie Koellifer nachaewiejen hat, Augen find; Branchiomma
vesiculosum Montagu hat jeinen Namen („Siemenauge") von diejer Eigentümlichkeit.
Unterhalb eines jeden liegt ein geitieltes, blattförmiges Organ, ein Augenlid, das jich beim
Einziehen der Fühler über die Augen wegjchlägt und fie jchügt. Auch die durchicheinenden
Blutgefäße geben wunderhübiche Zeichnungen. Bei einigen ift das Blut grün, bei anderen
rötlich oder gelblich, bei noch anderen ijt e3 völlig farblos.
Die der vorigen nahe verwandte Gattung Spirographis Viv. baut durch Ausichwisung
einer Hebrigen Majje biegjam bleibende Röhren, die mitunter, 3. ®. bei der jchönen Spiro-
graphis spallanzani Viv. (Sabella unispira) des Mittelmeeres (f. die beigegebene Farben-
tafel und Tafel „Würmer”, 5, bei ©. 228), lederartig ausjehen, in anderen Fällen, indem
jte fich mit Sand md Mufchelftiien bededen, ganz denen der Terebellen gleichen.
Die Arten der Gattung Fabrieia Blawnv. (Amphicora), die an unjeren Hüften eben-
falls in ganz unglaublichen Mengen vorfommen, freilich nur dem auf jie fahnenden
Boologen bemerkbar, find nur einige Millimeter Yang und leben in dem dichteften Ge-
wirt Der Wafferpflanzen, bejonders der fich verjilzenden Algen. Hat man ein Büjchel
diejer Pflanzen mit dem anhaftenden Sand und Schlamm ruhig I—2 Stunden in einem
flachen Gefäß jtehen gelafjen, jo fommen, dur) da® Atembedürfnis getrieben, eine Menge
bon Fleimen Srebschen und reizenden Würmchen hervor, die ji) fait alle am ande des
Zeller anfammeln, um dort des Sauerjtoffes der Luft teilhaftig zu werden. Man Fann
mit ziemlicher Sicherheit darauf rechnen, daß auch Die Fabricia sabella Zhrbg. darunter
iit. Sie hat, was die übrigen Gerpulaceen nicht, diefe Würmer jedoch auch unter natür-
lichen Bedingungen zu tun pflegen, ihre häutige Röhre verlafjen, um fich nach) Tutter
und Öejellichaft umzujehen.
ir haben jebt dem Lejer eine im Verhältnis zur Öejamtmenge zwar ausnehmend .
geringe, aber Doch vielleicht zu dem Zivede genüigende Anzahl von Formen der im Meere
lebenden Bielboriter vorgeführt, um es wagen zu Dürfen, ihre Xebensweife in einem
Gejamtbilde zu jchidern. Wir folgen dabei zunächit wiederum dem ausgezeichneten
Kenner Diutatrefages. |
Eine große Anzahl diejer Ringelwiirmer ift imjtande, von einer Flutzeit bis zur anderen
im vom Wajjer entblößten Schlamm oder Sand oder auch in den frei liegenden Röhren
zuzubringen, fein einziger aber lebt oberhalb des Flutftriches oder etwa in jener Zone, Die
beim Flutitande dem Wellenjchlage ausgejebt it. Am höchiten wohnen noch) die Aphroditen,
Lhceoriden und Sandmwiürmer. Crjt in den unteren Lagen der Ebbezone trifft man einige
der Glycera- und Clymenia-IItten. Mit Ausnahme einer Anzahl von Gattungen, die, wie
Serpula und Hermella, fejte Röhren bewohnen, bohren jich die meijten Ringelwürmer in
den Boden und halten fich im Sand, Schlamm, bejonders aber in vem eine Beimifchung
bon Schlamm enthaltenden Sande auf, den die Flut zweimal des Tages bededt und ent-
blößt. Dies gilt jedoch nur von Geftaden mit einigermaßen beträchtlicher Fluthöhe. Im
Adriatischen Meere, wo fie faum 1—2 Fuß beträgt, bleiben die meiften Bielborter immer
unter dem Wafjerfpiegel. Sedenfalls wiühlen in diefer oberen Zone die meilten, und zwar
Röhrenwurm, Spirographis spallanzani Viv.
Natürliche Größe.
Oben rechis ein freiichwimmender Boritenwurm, Asterope candida Delle Chiaje.
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Ele Keen x aha Man a = rap m Smarse r in Bae e
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Borftenwürmer: Bielborfter. 289
it ihnen der Boden am liebjten, der durch eine richtige Mifchung von Sand und Schlamm
eine gemwifje Feftigfeit erlangt hat, ohne jedoch den Wühlarbeiten große Schwierigkeiten
entgegenzufegen. Sn jehönfter Weife vereinigen fich diefe Bedingungen in den unter-
meerijchen Wiejen von Seegtas (Zostera). Sie geben eine reiche Ausbeute, menn man
fie geradezu abgräbt, da von ihnen zunächit die pflanzenfrejfenden Arten angelodt werden,
diefen aber die fleifchjrejfenden nachfolgen. Sehr beliebte Schlupfwinfel find Feljenrigen,
und eine Menge der zarteiten ShHllideen und der Heinen Lheorivden bergen jic) mit den
Amphieorinen zwifchen Tangen und Korallinen. Überall, two diefe Pflanzen und Tier-
jtöcde im jtärkiten Wellenjchlage jich angefiedelt haben, it man ficher, jene Heinen NRingel-
mwürmer anzutreffen. Frei im Wajfjer, in unmittelbarer Nähe der Stüfte, Halten jich, wie
leicht begreiflich, feine Arten auf. Das hohe Meer jagt aber einer Heinen Anzahl zu, vor
allen den durchjichtigen Ulciopivden.
Tür den Beobachter und Sammler hat das Bauen und Bilden der Öänge und Röhren
großes Snterejje. Einzelne Züge diefer Verrichtungen Haben wir oben fchon angeführt. Die
Gänge im Sande und Schlamm werden mit dem Nüffel gebohrt. Durch Zufammenziehung
des Leibes preßt der Wurm die blutartige Leibesflüfjigfeit nach vorn und jtößt damit den
Rüffel gewaltfam hervor. Diefer dringt fo lang, wie er ilt, in den Boden, und da er in der
Kegel beim Herborftreden dicker wird al das Tier, rücdt diejes beim Zurüdziehen leicht vor.
Diejes Verfahren fan jehr fchnell wiederholt werden, und jo gräbt jich ein mehrere Zenti-
meter langer Wurm in fürzeiter Zeit ein. Bei der Mehrzahl der auf jolche WVeife minie-
renden Arten wird gar nicht für den Beftand der Röhren gejorgt, einige Lheoriden und
andere Heiden fie aber mit einem dinnen, vom Körper abgefonderten Ülberzuge aus, der
fich im mejentlichen wie die Röhren der Sabellen und Chätosteren verhält. So verjchte-
denartig alle diefe wahren Röhren, von den fchleimigen und gallertigen einzelner Sabellen
bis zu den äußerst harten der Serpulen, find, in allen Fällen entjtehen fie durch Aus-
ihwigungen der Tiere. Nie aber befteht eine folche innige Verbindung ziwifchen dem
Tiere und der Röhre wie ettwa zwifchen dem Schnedengehäufe und der Schnede oder der
Mufchelichale und der Mufchel, welche lebteren mit den von ihnen abgejonderten feiten
Wohnungen verwachjen find. Cine Nereis (Nereis fucata Sav.) hat jich den Bernhardfrebs
(Pagurus prideauxi) angejchlojfen, lebt friedlich neben ihm in jeiner Schnedenjhale und
itreckt, wie U. Wiren fehildert, ihr Vorderende nur hervor, wenn der Krebs gerade bei einer
Mahlzeit ift. Diefer Forjcher meint, daß hier eine echte Symbiofe vorliegt, indem der Streb3
dem Wurme Nahrung und Wohnung bietet, diefer ihn aber wohl vor allen möglichen Heinen
Eindringlingen in das Schnedenhaus (Krebschen, anderen Würmern uf.) [hüßt.
Die auf vielen unmittelbaren Beobachtungen beruhende Einteilung der bisher be-
trachteten Ringelwürmer in Fleiichfrejfer (Rapaces) und Echlammftefjer (Limivora) it
nur eine biologische, der fich die natürliche Verwandtfchaft der Familien nicht fügt. Dex
Nusen der Bielborfter für den Menfchen bejchräntt fi) auf die Verwendung als Köder, in
einigen felterren Fällen, wo innerhalb furzer Zeit gewaltige Mengen von Ningelwürmern
auftreten, wie beim japanischen Balolo, benust man jie al3 Dünger, und eine Form
(Nereis succinea Zeuck.) twird mittelbar dadurd) nüglich, daß fie eine der erbittertiten Tein-
dinnen des Pfahlwurmes ilt, den fie in feinen Bohrgängen aufjucht und frißt.
Man Fan die verjchiedenften Arten in engen Gefäßen beifammten halten, ohne daß
jie einander anfallen und fich gegenfeitig aufzehren. Die meilten empfinden offenbar da3
helle Tageslicht, bejonders den unmittelbaren Sonnenjchein, alS jehr unangenehm: die frei
Brehm, Tierleben. 4 Aufl. I. Band. 19
390 Würmer: Ningelwürmer.
febenden fuchen emfig nach einem Berfted, die Röhrentiirmer bleiben jo lange wie mög-
fich in ihre Behaufung zuridgezogen. Ext wenn in den Heineren Gefäßen, in Denen man
ie fir das Studium aufbewahrt, eine dem Geruchgorgan jehr bemertliche Berjegung be-
ginnt, vexlaffen felbft foldhe Röhrenmwirmer, wie Serpula, ihr Haus. Sie find dann auc)
nicht imftande, fich wieder neue Wohnröhren zu bauen, fondern gehen zugrunde, felbft wenn
man fie in reines Wafjer zuriibringt. Ihr uncuhiges, fcheues3 Benehmen im Gonnen-
jchein twinde zivar allein nicht ausreichen, die Mehrzahl der Seeringelmwürmer für nächtliche
Tiere zu halten, allein die Wahl ihres Aufenthaltes macht dies wahrjcheinlich.
Auch über Die Vermehrung der Volychäten feien hier noch einige zufammenfafjende
Angaben beigefügt. Wir wilfen bereits, daß fich aus den Eiern diejer Tiere in den weitaus
meilten Fällen freifchtwimntende Trochophora-Larven entwideln. Dieje Haben je nach den
Familien, denen fie angehören, ein etwas verjchiedenes Ausjehen, vor allem pflegt Die Be-
wimperung recht verjchiedenartig zu fein. Gie treiben fich lebhaft im Meer umher, um
möglichft viel Nahrung, Heine Planktonorganismen, aufzunehmen und jo ihr Wachstum
au beftreiten. Während diefe Wimperringlarve noch Feine Spur bon Segmentierung er-
fennen läßt, wandelt fie fich bei einigen Familien, den Aphroditiden, Phyllodociden, Lh-
coriden ımd manchen Euniciden, in eine mehrglieverige Larve um, Nectochaeta genannt,
an der auch fehon Borften auftreten, die Hauptjächlich al Schweborgane dienen. Auf alle
Fälle gehört eine mehr oder weniger fchnell ablaufende Metamorphoje Dazu, um aus Der
Trochophora einen Kleinen Wurm von der endgültigen Geftalt hervorgehen zu Iajjen, der
dann zu Boden finft und das Leben der Erwachjenen beginnt.
Während die Keimzellen, aus denen fich joldhe freiihwimmende Trochophoren ent-
wiceln, im allgemeinen von den Elterntieren frei in das Wajjer entleert werden, finden
joir unter den Vielborftern auch nicht wenige Formen, bei denen der Mutterwurm eine
getoiffe Fürforge für feine Nachfommenjchaft an den Tag legt, jo daß wir von einer Brut-
pflege jprechen fünnen. Das ift einmal der Fall bei einer ganzen Anzahl von Bolychäten,
die ihre Gier in ihren Wohnröhren abjegen, z. B. bei den in der nereiden Form gejchlechtsreif
werdenden Thyeoriden. Bei diefen pflegt das Weibchen den in der Röhre befeitigten Eiern
durch wellenförmige Bewegungen frifche3 Atemmajjer herbeizuftrudeln, und e3 verteidigt
jeine Brut auch gegen ettwaige Feinde. Die zu den Gerpuliden gehörenden Arten von Spir-
orbis Lam. und Salmacına Olap. behalten ihre Eier bis zum Ausjchlüpfen der Jungen in
dem hohlen Verjchlußdedel ihrer Wohnröhre, der, wie wir fahen, aus einem Kiemenfaden ver
Fühlerkone hervorgegangen ift. Manche SHlliden tragen ihre Eier und Die jich Daranıs ent-
wicelnden Jungen eine Zeitlang an ihrem Körper durch Schleim befeftigt mit jich herum.
Einige Bolychäten bringen fogar lebendige Junge zur Welt, wie Nereis diversicolor O. F.
Müller, Syllis vivipara Krohn und andere. Syn allen diejen Fällen, two feine frei [chwimmen-
den Wimperringlarven gebildet werden, pjlegen fich die Eier durch einen größeren Dotter-_
veichtum auszuzeichnen, denn Die entitehenden Embryonen, die übrigens aud) ein Trocho-
phora-Stadium in der Eihaut. durchmacen, find bis zu ihrer Verwandlung nicht in der
Lage, Nahrung zu erbeuten und aufzunehmen, jondern fie müfjen von dem Dotter zehren.
Neben der gejchlechtlichen Fommt bei manchen Bielborjtern auch eine ungejchlechtliche
Vermehrung vor, die fich wohl auch hier, wie in ven meiften Fällen, aus der großen Negenera-
tionsfähigfeit Der Tiere erflären läßt. Wir jahen bereits, daß viele Lycoriden ich zu Beginn
der Sejchlechtsreife in Schwimmformen umwandeln, um fo ihre Keimzellen im freien Meere
ausftreuen zu fünnen. Diefe Fähigkeit, die Ehlers Epitofie (Claparede Epigamie)
Borjtenwürmer: Vielborfter. : 291
genannt hat, findet jich bei nicht wenigen Vertretern anderer Familien in gleicher Weife.
Ferner toiljen toir, daß bei ven Balolowiirmern die Hintere zum Schwimmen umgemwandelte,
mit den Sleimzellen verjehene
„ehitofe" Gtrede abreigt und
allein emporjchwimmt, umnacd)
Ablageihrer fojtbaren Laft abzu-
jterben, da fieja feinen Stopf hat.
Das gleiche ereignet fich bei Ha-
plosyllis Lgrhs. aus der Samilie
der Sylliden, in der andere
Urten diefe Schizogonie ge-
nannte Fähigkeit noch meiter
treiben. Die abgetrennte epi-
tofe Störperjtrede von Syllis
hyalina Grube bildet einen
neuen Kopf, jo daß jie längere
Zeit zu leben befähigt ijt, Doch
geht auch fie nach dem Fort-
pilanzungsgeichäft zugrunde;
andere Artenerhaltendenneuen
Kopf jehon vor der Abtrennung.
Schlieklih Fanı fich der Vor-
gang einer jolchen Bildung von
neuen Snodivivuen gleichzeitig
mehrmals an demjelben Mut-
tertier, Da3 man auch al Stod
oder Amme bezeichnet, twieder-
holen, fo daß ganze Stetten von
zunächjt noch zufammenhängen-
den, jtetS gleichgejchlechtlichen
Gejchlechtstieren, Stolonen
oder Hoide genannt, entitehen.
Wir haben dann aljo eine un-
geichlechtliche Vermehrung bor
uns, und zwar hat man Dieje
Zorm der Teilung Gemmi-
parie genannt. Während fich
die Sejchlechter der Bolychäten
jonjt äußerlich nicht unterfchei-
den, pflegt Das bei den dur = :
Semmiparie entjtandenen ©e- Syllis ramosa iHlIntosh. Gtwa3 verkleinert. . ©. 292)
ichlecht2tieren anders zu jein.
©o kommt es, daß man früher, ehe man den Zujfammenhang der Deren. ospıen
fannte, die weiblichen Zutde von Autolytus Grube einer bejonderen Gattung Sacconereis,
die männlichen Dagegen einer ganz anderen, al Polybostrichus bejchriebenen zurechnete.
19*
[0)
Ne)
D
Würmer: Ringelmürmer.
Da, mo jolhe Gemmiparie auftritt, Haben wir wieder mit einem Generationsmwechjel zu
rechnen, den wir ja jchon öfters fennenlernten; doch ift dabei zu bemerfen, daß in manchen
Fällen, jo bei Myrianida M. Edw. und bei Autolytus Grube, in dem Stammtier Steimzellen
vorhanden waren, während e3 gleichzeitig auf ungeschlechtlichem Wege Nachkommen lieferte.
Jıicht immer brauchen die Zoive in einer Reihe hintereinander zu entjtehen. Bei
Trypanosyllis Olap. liegen fie in einem Büfchel nebeneinander, Dicht vor dem Hinterende
des Stammtieres, und bei Syllis ramosa M’Intosh (bb., ©. 291), die im.Smdiichen Ozean
zu Haufe ijt, bilden jie mit vem Stammtier eine Art veräftelten Tierjtodes.
Syllis ramosa wurde zuerjt von der Challenger-Erpedition in der Mlfuren-See und bei
Cebu, einer der Philippinen, in Tiefen zwijchen 95 und 100 Faden aufgefunden. Die Tiere
leben in Glasjchwänmmen, bejonders in dem wundervollen Gießfannenjchwanm, und haben
einen zarten Körper etiwa von der Dide eines Ziwirnfadens. Die Segmente jind jchmal
und tragen an jeder Seite einen Fuß, der in einem feinen Cirrus endet. Die Cirren find von
ziveierlei Yänge, aber an jeder Geite wechjeln längere und fürzere regelmäßig miteinander
ab. Die Neigung diejes Wurmes zur Bildung von Snnofpen ift ganz außerordentlich; jie treten
an den Enden und den Seiten und wo nur immer die Oberfläche des Tieres verlegt wurde,
auf, jo daß man das ganze Gebilde nicht eigentlich als einen Tierjtod anzujehen geneigt ilt.
Zudem hängen die Geitentiere jtet3 mit ihrem Kopfende am Hauptitamm, während die
‚noipiouen eines Stodes im allgemeinen doch freie Vorderenden haben.
Boritenwürmer gibt es in allen Meeren. Noch in der Dftjee finden fich weit itber
50 Arten, und man fann nicht jagen, daß jie in wärmeren Öemwäljern im allgemeinen häufiger
türen als in fälteren, obwohl manche Familien (3. B. die Euniciden) in tropijchen reicher
entmwidelt jind. Der nördliche Stille Ozean ift auffallend arm an ihnen. Weiter gibt e3
Jamilien, die fat rein pelagijch find, wie die Tomopteriden, Amphinomiden und Alcio-
piden. Auch die Ölyceriden leben zum weitaus größten Teil auf der Oberfläche des Meeres,
gehen aber in einzelnen Formen Doch in bedeutende Tiefen (1150 m). Die Spioniden,
Hermelliden, Amphilteniden, Hejioniden und Sabelliden, in Röhren mohnende Bodenformei,
ziehen flaches Wafjer vor, im ganzen auch die Sylliden, die aber doch bis 2800 m Tiefe
borfommen. Nicht wenig feitlißende und frei Schwimmende ©ippen gehen von der Zone
zipijchen den Gezeitenlinien bis in ganz gewaltige Tiefen, jo die Terebelliven (bis 4650 m),
die Lheoriven (bis 3600 m), die Euniciven (bis 4600 m) und die Bolynoiden (bi3 5600 m).
Eine Vertreterin der marinen Borjtenmwürmer, eine Glycera, wurde, merkwürdig genug, in
Yapan in einem Binnenjee gefunden.
Ein ziemlich allgemein gültiges Gefeg für die Tiefenverbreitung der Seetiere über-
haupt gilt auch für die Borftenmwürmer, daß nämlich Arten und Gattungen mit großer hori- -
zontaler Verbreitung auch in jehr verjchiedenen Tiefen vorfommen. MSntojh konnte jonjt
weiter fein Gejeb für die Tiefenverbreitung der Ningelwürmer überhaupt aufitellen. Co
fand der „Challenger” zwijchen 1800 und 2200 m nur 4 Arten, zwijchen 2201 und 2740 m
aber 22, zwijchen 2741 und 3658 m 20, zwijchen 3659 und 5486 m wieder 22 und unter
5486 m noch 2. Die meilten Ningelwürmer werden beim Fang nicht nur tot, fondern meijt
auch mehr oder weniger jtarf bejchädigt aus größeren Tiefen heraufgebracht; denn ihr Körper
it in der Negel jehr zart, die Segmente trennen jich, die Leibeshöhle wird aufgetrieben, die
Schuppen und Borften loern fich und fallen ab. Die Tieffeeformen find teils Raubtiere,
teils Schlamm- und Eandfrefier.
r
= Borjtenwürmer: Vielborfter. Wenigboriter. 293
Zu den Nungelwirmern jtellt man jest allgemein eine Heine Yamilie jehr merfwür-
diger Wejen, die dor den grundlegenden Unterjuchungen von 2. vd. Graff von dem einen
Foricher zu den Lochiwürmern oder Trematoden,
bon den anderen zu den Ajjeln und von dritten gar
zu den Milben gerechnet wurden. &3 jind das Die
Myzostomidae. ‘Shre Sonderbarfeiten beruhen
auf Rüdbildungen, welche die Folge jchmarogender
Zebensweije jind. Die Tiere find nicht groß, der
Rieje der Sippe (Myzostoma gigas F. 8. Leuck.) mißt
nur ”—-Smm. Hr Nano ift in 10 Paar fingerförmige
Anhänge ausgezogen, und an der Bauchjeite jtehen
5 Baar ungegliederte, am freien Ende mit je einem
Chitinhafen und Häufig auc) einzelnen Borjten be-
jeßte Stummelfüße, je 5 Stüd im Halbfreis an jeder
©eite, und zwijchen ihnen ftehen jederjeits 4 Saug-
näpfe. Die Oberjeite der weichen, oft jehr bunten,
gelb oder orange, bisweilen auch gefledt oder ander-
meitig gezeichneten Tiere ijt durchaus mit Wimpern
bededt. Sie alle jehmarogen auf Haarjternen umd
Geelilien (Krinoiden) und nur auf joldhen, und da
dieje jehr altertümliche Tiere find, werden wir wohl
nicht fehlgreifen, wenn wir auch den Myzojtomivden
einen bi3 in die grauejte Vorzeit zurüdreichenden
Stammbaum zujchreiben. Die Krinoiden find aber
zugleich mwejentlich Bermohner der Tiefjee, woraus
folgt, daß die Mehrzahl ihrer Güfte ebenfalls der
Tiefjee angehört.
Die Orade des Schmarogertums jind bei ihnen -
verjchieden: die einen Friechen frei auf ihren Wir-
ten hin und wider, andere find Die Veranlafjung, „1,zostoma gigas MS. Leuck. A) Der Wurm
dag an den Armen der Krinoiden und an deren Ar von unten; B) bie burd) ifm hervorgebradten gal-
® ; ß \ lenartigen Wucherungen an Arımteilen von Antedez:
hangsgebilden bejondere gallenartige Gebilde auf- Beide Figuren ftark vergrößert,
treten, und die dritten endlich leben paarweije, je
ein männliches und ein weibliche Sndivivuum in blafenartigen Wucherungen der peim-
gejuchten Tiere. Spnterejjant ift es, daß auch echte, degenerierte Ningelwürmer Ichma-
togend auf HYaarjternen (Actinometra) vorfommen.
Zweite Ordnung:
enigborjter (Oligochaeta).
Die Wenigborjter oder Oligochaeta befigen feine Gliedmaßenjtummel und Sliemen
an ven Seiten der Ringe und feine Anhänge, weder Fühler noch Cirren am Kopfe.: Shre
einfachen Boriten jtehen in geringer Zahl zu feitlichen Reihen angeordnet in Yautgrübchen.
Wir beginnen mit der Samilie der Negenwürmer oder Lumbrieidae, mit deren äußerer
294 Würmer: Ringelwürmer.
Sricheimung ja jedermann vertraut ift. Die zoologijchen Merkmale diejer Zamilie find die
zahlreichen, furzen Segmente, ein fegelförmiger, eine Oberlippe bildender Ktopflappen, und
die Hafenborften, die in jedem Segment in vier Gruppen zu je zweien jtehen und jehr wenig
aus der Haut herborragen. Außer jener jogenannten, die Körperjpibe bildenden Lippe
haben die Negenmwürmer feine bejonderen Einneswerkeuge, namentlich weder Augen noc)
Ohren, gleichwohl find fie für Lichtreiz empfänglich. Hören wir, was W. Hoffmeilter, der
die Regentviinmer Deutfchlands in einer Monographie gejchildert Hat, hierüber jagt. „Wer
fich) mit der Beobachtung der Xebensweife diefer Tiere bejchäftigt hat, wird ein mächtiges
Hindernis für die Beobachtung in der großen Empfinplichfeit der Wiirmer gegen Lichtreiz
gefunden haben. Cine noch jo vorfichtig genäherte Flamme treibt jie fchnell in ihre Höhle
zurüc; doch feheint e3 immer exit einer gemwiljen Zeit zu bedürfen, bis der Einorud per-
zipiert wird. Denn im eriten Moment pflegen fie ihre Bewegungen troß der Lichtflamme
fortzufegen, dann Halten fie plöglich inne, gleichjam um zu laufchen, und dann erjt ziehen
Gemeiner Negenwurm, Lumbrieus hereuleus Sav. Natinlihe Größe.
fie jich mit einem jchnellen Rud in ihre Löcher zurüd. Sit der Eindrud einmal aufgenommen,
dann fann ein rajches Fortnehmen des Lichtes den eiligen Rüdzug nicht aufhalten, jcheint
ihn im Gegenteil durch den Kontrajt noch zu befchleunigen. Nicht der ganze Körper emp-
findet den Eindrud, fondern nur die erjten Ringe, an denen die vom Schlundringe aus-
gehenden Nervenbündel liegen. Ein Wurm, der mit dem Kopfe in das Loc) eines Nachbars
gedrungen oder unter einem Stüdchen Holz verftedt war, verirug die allerftärkite An-
näherung der Slamme, verichtvand aber fogleich, fobald er den Kopf. erhoben hatte.” Nach
N. Heife, der eingehende vorzügliche Unterfuchungen über die Cehorgane der niederen Tiere
angejtellt hat, foll die Lichtempfindlichfeit des Kegeniwurmes durch gemilje Nervenzellen
(„Lichtzellen") in oder unter der Haut vermittelt werden.
Die meilten Regenwitrmer füllen ihren weiten Darmfanal ähnlich wiedie Sandwürmer,
d.h. jie nehmen große Mengen hHumusteicher Erde zu jich, um die darin enthaltenen, in
der Zerjeßung begriffenen tierifchen und pflanzlichen Stoffe zu ihrer Nahrung zu verwenden.
Bon dem Lumbricus herculeus Sav. (terrestris), der größten und ftärkiten Art Deutjch-
lands, die in üppigem Boden, bei nicht zu Starker Dehnung, nicht jelten die Länge von
etiva 36 cm erreicht, jagt unfer Gewährsmann: „Die Humusteiche Erde genügt ihnen nicht
allein; fie juchen nach vermoderten Vegetabilien, und wenn jie diefe nicht finden, jo prä-
parieren fie jich ihren Fraß, indem fie, was ihnen vorkommt, in ihre Löcher Herunterziehen.
Jedermann weiß, daß die Strohhafme, Federn, Blätter, Papierftreifen, welche man des
Borftenwürmer: Wenigborfter. 295
Morgens auf den Höfen und in den Gärten in der Erde fteden fieht, al wären fie von
Kindern Hingepflangt, während der Racht von Negenwürmern verjchleppt wurden.‘
Darwin hat in einem nach allen ©eiten hin bewunderungsmwiürdigen Büchlein die Be-
deutung der Negenmwürner fir die Menfchheit und ihre Nolle, die fie in der Gejchichte der
Erde jpielen, dargetan und ift an ihnen, den mit Vorurteil Betrachteten und viel Arge-
feindeten, gewijjermaßen zum Chrenretter geworden. „Die Negentwürmer”, jagt er, „Haben
in der Gejchichte der Erde eine bedeutungsvollere Rolle gejpielt, al3 die meilten auf den
eriten Blid annehmen dürften. Sn beinahe allen feuchten Ländern find fie außerordentlich
zahlreich und bejisen im Verhältnis zu ihrer Körpergröße eine bedeutende Musfelfraft. In
vielen Teilen von England geht auf jedem Ufer Land (0,205 Hektar) ein Gewicht von mehr
als 10 Tonnen (10516 kg) trodener Erde jährlich Durch ihren Körper und wird auf die
Dberfläche gejchafit, jo daß die ganze oberflächliche Schicht vegetabilifcher Adererde im Ber-
lauf weniger Jahre wieder durch ihren Körper durchgeht. Snfolge des Zufammenfallens
der alten Wurmröhren ift die AUdererde in beftändiger, wernnfchon langjamer Bewegung,
und die diefelbe zufammenjegenden Teilchen werden hierdurch gegeneinander gerieben.
Mittels diefer Vorgänge werden bejtändig frische Oberflächen der Einwirkung der Kohlen-
jäure im Boden, ebenjo auch der der Humusfäure ausgejebt, Die bei der Zerjebung des
Gejteins noch wirtjamer zu fein jcheinen. Die Erzeugung der Humusjäure wird wahrjchein-
lich während der Verdauung der vielen Halb zerjegten Blätter, welche die Negeniwürmer
berzehren, bejchleunigt. Sn diejer Weife werden die Erdteilchen, welche die oberflächliche
Humusichicht bilden, Bedingungen ausgejebt, die ihrem Abbau und ihrem Zerfall ganz
hervorragend günjtig jind.
„Zelrmer bereiten den Boden in einer ausgezeichneten Weije fiir da3 Wachstunt der
mit Wurzelfafern verjehenen Pflanzen und für Sämlinge aller Art vor. Sie eben Die
Udererde in beitimmten Zeiträunten der Luft aus und fieben fie jo durch, daß Feine ©tein-
chen, welche größer find als die Teilchen, die fie verjchluden können, in ihr übrigbleiben. Sie
mijchen das Ganze innig durcheinander, gleich einem Gärtner, welcher feine Erde für feine
ausgejuchteften Pflanzen zubereitet. rn diefem Zultand ift fie gut Dazu geeignet, Feuchtig-
feit zurücdzuhalten und alle löslichen Subftanzen zu abjorbieren, ebenjo auch für den
Trozeß der Salpetererzeugung.
„Die Blätter, welche zur Nahrung in die Wurmröhren gezogen werden, werden, nac)-
dem fie in die feinften Fäden zerriffen, teilweife verdaut und mit den Abjonderungsflüfjig-
feiten des Darmes und der Harnorgane gejättigt find, mit viel Erde gemifcht. Dieje Majje
bildet dann den dunfelgefärbten reichen Humus, welcher beinahe iiberall die Oberfläche des
Landes mit einer ziemlich jeharf umfchriebenen Schicht oder einem Mantel bededt.
„Die Archäologen follten den Regenwürmern dankbar fein, da jie für eine ganz un-
bejtimmt lange Zeit jeden, nicht der Zerfegung unterliegenden Gegenjtand, welcher auf Die
Oberfläche gefallen ift, durch Eingraben unter ihre Exrfrementmaffen fchügen."
Yät blogem Auge fieht man durch die Haut namentlich von Heineren Tieren die oben
auf dem Darmkfanal verlaufende Hauptader und ihren rötlichen Juhalt Durchjchimmern,
denn die Lumbriciden führen rotes Blut. Senem Nüdengefäß entjpricht am Bauche ein
zweites Hauptgefäß, das mit dem erjten durch eine Reihe von Duerjchlingen verbunden ift.
Eine Menge Heiner Adern fann man an einem fchnell in jtarfem Weingeifte getöteten und
geöffneten großen Regenwurm aus den Stammgefäßen ihren Urjprung nehmen jehen, umt
in feinjten Berteilungen den Körper zu durchtränfen und zu ernähren. Al Ymungsorgane
296 Würmer: Ningelwürmer.
treten die Hautbededungen ein. Die Regenmiirmer jind wie alle Dfigochäten Zivitter. Alle
Gattungen der Lumbriciden haben einen drüfigen Gürtel von weißlicher oder gelblicher Farbe,
der meift mit dem 27. Ringe anfängt und fich etiwa jech Ölieder weit eritrect (bei L. her-
culeus liegt er im 32.—87. Segment; vgl die Abb., ©. 294). Der von ihm abgejchiedene
Schleim dient zum gegenfeitigen Tejthalten während der mwechjeljeitigen Begattung, und
ipäter bildet jedes der beiden Tiere für fich nochmals einen jolcden Schleimring, in den es
jeine Eier ablegt. Dann Triecht der Wurm wie aus einem Muff aus dem Ning heraus,
defjen freie Ränder fich zufammenlegen. Das Ganze erftarıt bald und bildet eine jchüßende
Hülle um die fich entwidelnde Brut, einen Kofon.
Der gemeine Regenmwurm verlebt den Winter, einzeln oder mit jeinesgleichen zu langen
Schlafe zufammengeballt, 2—3 m unter der Erde. Die Frühlingswärme wedt auch ihn
und loct ihn wieder empor. Er ijt des Tages Freund nicht,
aber in der Früh- und Abenddämmerung ımd bis tief in die
Nacht hinein, befonders nach warmem, nicht Heftigem Ne-
gen, verläßt er feinen Schlupfwinfel, teil3 um jeiner Nah-
rung nachzugehen, teils um mit einem der Freunde und
Nachbarn ein intimes Biindnis zu jchlieken.
Bei diejer Friedfertigkeit und Bejcheidenheit lauert
taujendjacher Tod auf die armen Negentwürmer. „Der
Negenwurm”, jagt Hoffmeilter, „gehört zu den Tieren, Die
den meijten Berfolgungen ausgejest jind. Der Menjch
vertilgt fie, weil er jie bejchuldigt, die jungen Pflanzen
unter die Erde zu ziehen. Unter den Bierfüßern find be-
jonder3 die Maulmwürfe, Spikmäuje und Igel auf fie an-
gewiejen. Zahllos ift das Heer der Vögel, das auf ihre
Bertilgung bedacht ift, da nicht bloß Naub-, Sumpf und
Schwimmpögel, fondern jelbjt Körnerfrefjer fie für varen,
Anatomie vesNegenwurmes. Nach £ a 5
Hatjhed-Cori. GOberilundganglion, ledferen Fraß halten. Die Kröten, Salamander und Tri-
K Shlundfommiljur, SO Nephridien, Ph f o 5
Schlund, Oe Speiferägre, BI Bhutfhlingen tonen lauern ihnen des Nachts auf, und die Fijche ftellen
(„Herzen”), Sbl Samenblajen, Rs Santen= ” 1}
kalten, Do obere Warftenseibe, Ko nat DET OlttBufer- und Geejchlammbewohnern unter ihnen nach.
jagen, Kr Kropf, M Mustelmagn, D Noch größer ift die Yahl der niederen Tiere, die auf jie an-
Darm, Di Diffepimente, Rg Nüdengefäß. : : : R w ; r
geiviejen find. Die größeren Lauffäfer findet man bejtän-
dig des Nachts mit der Vertilgung diejer jo wehrlofen Tiere bejchäftigt, die ihnen und noch
mehr ihren Larven eine leichte. Beute werden. Shre erbittertiten Feinde jcheinen aber die
größeren Arten der Taufendfüßer zu fein. Diejen zu entgehen, jteht man jie oft am hellen
Tage aus ihren Löchern entfliehen, von ihrem Feinde gefolgt."
Die Familie der Lumbrieiven zerfällt nach der Bejchaffenheit des Kopflappens und
ver Stellung der Borjten in eine Reihe von Gattungen, unter denen Lumbricus allein über
20 Arten zählt. Zedoch nur etwa vier Arten, wie Lumbricus rubellus Zoffmstr. und L. her-
culeus Sav., find in Deutjchland allgemein verbreitet. Allolobophora foetida Sav. (Eisenia),
die am jchönften gefärbte, aber einen unangenehmen Geruch verbreitende Art, mit gelb und
tot gebändertem Leibe, liebt die Sandgegenden und findet jich bejonders häufig in der Mark
unter Lauberde. Die hell fleijchrote oder gelblichhraune Allolobophora rosea Sav. ift in
den oberflächlichen Schichten der Gartenerde nicht felten anzutreffen. Die Tiere find all-
weltlich verbreitet, und man begegnet ihnen, merfwindig genug, auf den einfamften Infeln,
14
a
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5.
Borftenwürmer: Wenigborfter. 297
wenn nur jonft die Lebensbedingungen für fie dort günjtig find. Noch an der Mündung ber
Lena hat man Arten gefunden, und manche find zirfumpolar verbreitet und in Nordamerifa
ebenjo häufig wie in Europa oder Sibirien.
Sn den Tropen der Alten und Neuen Welt findet man riefige Formen aus der Familie
der Megascolecidae, 3. B. Megascolex enormis Fletch. von mehr als 1m Länge, die
entiprechend tiefe und weite Öänge in den Boden bohren und bisweilen jehr lebhaft (3. D.
himmelblau) gefärbt find. Microscolex phosphoreus- Dug. (Photodrilus), der in Ciüd-
amerifa, aber auch im Süden Europas lebt, vermag durch die Ausicheidung eines pho3-
phoreszierenden Schleimes zu leuchten.
Den Höchit fchlanfen Haplotaxis menkeanus Hoffmstr. (Phreoryctes), einen deutjchen
Vertreter der Heinen Familie ver Haplotaxidae, haben wir nach Bau und Lebensweije
durch Leydig genauer fennengelernt. Die Tiere halten fich am liebften in Brunnen, aber
auch in Gräben oder im Flußjchlamm auf, vorzugsmweije in Süodeutjchland. jr der Winter-
zeit jcheinen fie fich gleich den in der Erde lebenden Zumbriciven zurüdzuziehen, am häufigiten
Haplotaxis menkeanus Hofimstr. Natinlihe Größe.
find fie im Mai und Juni zu finden. „Im Aquarium, dejjen Schlammboden mit Steinen
bedect ift, hielten fie fich längere Zeit gut. Meift Hatten fie jich unter die Steine zurüd-
gezogen, und zwar gern gejellfcehaftlich und ineinander gewirrt." Den ganzen Herbit und
Winter blieben fie unfichtbar, und erft in den wärmeren Märztagen erjchienen jie wieder.
Da die im Aquarium gehaltenen Balisnerien nach und nad) ihrer Wurzeln beraubt wurden,
ohne daß ein anderes Tier der Täter hätte fein Fönnen, darf man auf die pflanzliche Nahrung
des Haplotaxis [chließen.
Im Tegeler Gee bei und in der Spree innerhalb Berlin, in der Donau (Linz, Belt),
im Bo ufio. lebt zwijchen den Wurzeln von Wafferpflanzen der grünlich oder braun gefärbte
Criodrilus lacuum Hoffmstr. aus der Familie der Glossoscolecidae, deren Angehörige
teils in der Erde, teil im Süßmwalfer, aber auch) im Bradwafjer und im Schlamme am
Meeresitrande borfomment.
Allen diefen Zamilien, die fich vornehmlich durch die Geftalt und Anordnung ihrer
Borften jowie durch) den Bau ihrer verwidelten Fortpflanzungsorgane unterjcheiden, reihen
fich noch ein paar andere, durch ihre Kleinheit und das gelegentliche Vorkommen bon Yaar-
boriten ausgezeichnete an. Die erfte find die Röhrenmwürmchen oder Tubificidae. Cine
Höchit gemeine Art derjelben ijt Tubifex tubifex Müller (rivulorum), ein 3—4 cm lange,
rötliches, Ducchjcheinendes Wirmchen, da3 man zu Taufenden und aber Taujenden auf dem
ichlammigen, fauligen Grunde von Gräben und Bächen findet. Die Tierchen jteden mit
298 Würmer: Ringelmürmer.,
dem Vorderteil im Schlanıme, wo fie ji) eine geräumige Röhre gewühlt Haben. Das
herausjtehende Hinterende ift Der Almung wegen unausgejebt in jchtwingender und jchlän-
gelnder Bewegung. Gewöhnlich liegen dieje Witimer jo dicht beieinander, daß die Ober-
fläche des Schlammes rot gefärbt erjcheint, und bei leifer Annäherung lafjen fie jich im
Wedel nicht ftören. Sobald man aber einen Schlag aufs Waffer tut, verjchwindet die
ganze Gejellichaft im Nu einige Zentimeter tief in ihre ütbelriechenden Beritecde.
Ganz anders verhalten jich die völlig Durchjichtigen, jauberen Wafferfchlängler oder
Naididae. Man fan aufs Oerateiwohl aus einem mit Wajjerlinfen (Lemna) bejtandenen
—_ Weiher oder Graben eine
Heine Menge diejer Pflan-
zen jchöpfen und wird da-
heim, wenn man jie in
gefäße jich wieder entfal-
ten und ebnen läßt, gewiß
einige, oft zahlreiche Diejer
zierlichiten aller Wiirmer
finden, wie jie mit Hilfe
ihrer Halen- und Yaar-
boriten ziwijchen den Wur-
zeln der Wajlerlinjen oder
no ne N DES BTDDE im Gewirre der Wajjer-
Sl 722 m - fäbden fich jchlangenartig
= \ j a herumtinden.
= zz. = Weitverbreitet und jchon
6 = ee = im 18. Sahrhundert be-
Je nn = fehrieben ift die Gezün-
__/ = gelte Naide, Stylaria
ra | lacustris Z. (Nais pro-
boscidea), jo genannt nach
einer jchmalen, fühlerähnlichen Verlängerung des Kopflappens, mit dem fie taftend und
züngelnd ihren Weg prüft. Zwei Augen trägt, gleich ihr, die noch häufigere Zungenlofe
Naide, Nais elinguis Müller, mit einfach abgerundetem Kopfjegment. Dieje und noch einige
andere Arten haben am Bauche zwei Neihen Hafenborften, an jeder Eeite aber eine
Keihe von in Binden ftehenden langen Haarborften. Bei beiden Naiden und ihren Ver-
wandten liegt die Mundöffnung unter dem Vorderende, noch überragt von den vorderen
Schlingen der an dent gelblichen Blute leicht erfennbaren, pulfierenden Blutgefäße. Anders
it das Borderende der Gattung Chaetogaster v. Baer bejchaffen, von der die etiva 10— 15mm
lange, fast Friftalldurchfichtige Art Chaetogaster diaphanus Grwith einer der größten Ver-
tteter it. Chaetogaster limnaei v. Baer ijt bedeutend Keiner und lebt jchmarogend in Süß-
wajjermollusfen, befonders Häufig in der Atemhöhle Kleiner Schneden. Zhr Kopf ift quer
abgejtugt und endigt mit der Mundöffnung, die in einen mit vielen winzigen Papillen be-
jegten und zum Teil hervorjtülpbaren Schlund führt. Ein ferneres Unterfcheidungszeichen
der Gattung ift, daß fie bloß Reihen von Hafenborften hat. Alle diefe Winmchen jind
Gezüngelte Naide, Stylaria lacustris Z. 10mtal vergrößert.
einem etwas weiten Glas-
REES TE REEL EEE Gi
Be are
Borftenwürmer: Wenigborfter. Blutegel. 299
für die mifroffopiiche Beobachtung angelegentlich zu empfehlen, da am lebenden Tiere, das
man leicht in einem Wajjertröpfchen, bedect mit einem leichten Glasplättchen, unter das
Miltoffop bringen fan, eine Menge von feinen Organijationsverhältniffen zu erjchauen
jind, und die Mithe durch die Lieblichfeit des Anblides reichlich aufgewogen wird.
Die Regenerationsfähigteit ift, wie man fchon feit langer Zeit weiß, bei Dligo-
chäten eine ganz bedeutende; e3 werden dabei jomohl Kopf- wie Schtwanzenden neu gebildet.
Gelegentlich fommen auch Afürmige Regenmwirmer vor, deren Geitalt al3 die Folge eines
durch eine zufällige Verlegung herbeigeführten Negenerationsporganges anzufehen ilt.
Mit der Regeneration Hand in Hand geht auch hier wieder das Vermögen einer An-
zahl von im Wafjer lebenden Formen, fi) durch freitvillige Teilung fortzupflanzen. Man
hat den Vorgang bei den Naiven und auch bei anderen einen Dligochäten, Lumbriculus
und den lolofomatiden beobachtet. Bei den Naiden pflegt dabei hinter einem beftimmten
Segment, dejjen Entfernung vom Borderende durch innere und äußere Einflüffe (Tenipe-
tatur, Sauerjtoffgehalt des Wajjers) feitgelegt wird, eine Teilungszone aufzutreten, in der
eine größere Anzahl von Ringen neu gebildet werden. Bon diejen fommt bei jeder Art
eine ganz bejtimmte, ein für allemal fejtitehende Anzahl auf das Vorderende des durch die
Abjiehnärung entjtehenden hinteren Wurmes, an dejjen Borderende fich ein neuer Kopf ent-
twidelt, während der Nejt der neuen Glieder an das Hinterende des vorderen Tieres tritt.
Meiit pflegt jich der Vorgang der Bildung einer Teilungszone in dem vorderen und dem
hinteren Wurm zu wiederholen, ehe noch beide voneinander getrennt find, und auch in den
Enfeltieren Tann das der Fall fein, jo daß man bei manchen Arten nicht jelten Ketten von
bier bis acht und mehr Individuen antreffen fan. Immer aber teilen fich diefe zuerft da,
ivo die ältejte Teilungszone lag. &3 löfen jich alfo nicht, wie wir e3 bei den Sylliden unter den
Bielboritern jahen (vgl. ©. 291), die hinterjten Sndividuen der Kette, die ja dort die ältejten
jind, der Neihe nad) ab, jondern die Abichnürung geht in der uns von Microstomum her
befannten Reihenfolge vor ji) (dgl ©. 100). Die ziemlich verwidelte Bildung der Teilungs-
zonen, die bei den Naiden nach verichiedenem Schema erfolgt, ijt neuerdings von Bretfcher
und von Piguet mehrfach zum Gegenjtand der Unterfuchung gemacht worden. — Dieje un-
gejchlechtliche Vermehrung findet bei den Naiven fait das ganze Jahr hindurch ftatt, und nur
in einer jehr Heinen, für Die einzelnen Arten einigermaßen feitliegenden Zeitjpanne trifit
man die Tiere bei der gejchlechtlichen Fortpflanzung. Sa, bei nicht wenigen Arten, die an
lic) ziemlich Häufig find und den Forjehern gar nicht jelten in Mengen zu Geficht fommen,
ijt die leßtere überhaupt noch nicht beobachtet worden.
Hmeite Unterklaffe:
Blutegel (Hirudinea).
Dbmohl die Blutegel äußerlich fait ganz glatt erjcheinen — nur eine feine Ningelung
der Haut macht fich bei den größeren Formen geltend —, jo weijt die Anatomie doch nach,
dag auch ihnen jene bezeichnende Eigenjchaft der Borjtengliederwürmer, die Metamerie,
im vollen Maße zulommt, monad) die wichtigeren inneren Organe jich in den aufeinander-
folgenden Segmenten wiederholen. Die gänzlihe Abwefenheit von Fußftummeln und
Boriten jowie der Bejit von Saugnäpfen meilt am Border- und immer am Hinterende
300 Würmer: Ringelmwürmer.
fennzeichnet fie als bejondere Abteilung, als die fie auc) oft Glattwürmer genannt werben.
Alle Blutegel find Ziitter. Man teilt fie je nach der Bejchaffenheit des Anfangsteiles
ihres Verdauungsfanals in zwei Familien ein. Die Rhynchobdellidae bejigen einen bor-
itreefbaren Saugrüffel, die Gnathobdellidae dagegen find mit Kiefern bewaffnet.
63 fiegt nahe, mit der Yamilie der Kieferegel over Gnathobdellidae zu beginnen.
Nicht die Schmalen, äußerlich fichtbaren Ringel find bei diefen und anderen Egeln die eigent=
fihen Segmente, fondern, wie aus der Verteilung und Wiederholung der inneren Organe
hervorgeht, erjt 4—5 Ningel bilden ( ein folches. Der Kopflappen it mit dem Mumpdjeg-
ment zu einer geringelten Haftjcheibe
verjchmolzen. Der Hintere Saugnapf
it meilt deutlich vom Körper abge-
jehnürt, und oberhalb von ihm mün-
det der Darm. Der Schlund Fann jo
weit umgeftülpt werden, daß Drei,
oft gezähnelte musfulöje Falten zu-
tage treten.
Wir beichäftigen uns zunächit et-
was eingehender mit den medizini-
ihen Blutegeln, den Arten bon
Hirado Z., und beginnen hierbei mit
der Betrachtung des DBerdauungs-
Tanald. Das Borderende des Blut-
egel3 ift jchmaler al8 das Hinterende
und läuft, wie jchon erwähnt, in eine
> Hafticheibe aus, die dom Munde
en en I u
SHlund, vergrößert, 4) Eikofon, vergrößert. durch einen Längsjchnitt den Ccdlund,
jo wie e3 die Figur 3 der hierneben
ltehenden Nobildung zeigt, dann jehen wir in ihm drei halbfreisförmige Falten. Das jind
die fogenannten Kiefer der Blutegel, die aus einer halbfreisförmigen, fejten Musfelmajje
beitehen. Die Mustelfafern kreuzen fich fo, daß die Kiefer ach Art einer Schrotjäge bewegt
werden können und die 60— 70 auf der Kante befeitigten Hähnchen zugleich jtechen und reiken.
lit diefen Werkzeugen fchlägt der Egel jene charafteriftiiche, dreiftrahlige Wunde, wenn er
jich anfchieft, Blut zu faugen. Eine befondere Ausfcheidung aus Drüjen des Schlundes ber-
hindert dabei das bei der geringen Größe der verurjachten Verlegung jonft leicht mögliche
Gerinnen des Blutes. Auf den mustelfräftigen Schlund (oe in der Abb., ©. 301) folgt der mit
elf Paar Blindtafchen verfehene Mitteldarm, der beim Saugen auf einmal, und zwar bis
in die äußerften Zipfel jenes langen, legten Paares der Blindjäde, gefüllt wird, die noch
neben dem furzen, engen Afterdarme (r) bi nahe ans Hinterende fich erjtreden (db). Da
jomohl die Körperwandungen als die Magenmwände dehnbar find, begreift es jich, wie Der
Blutegel feinen ganzen Umfang ducch Saugen um das Drei- biß Vierfache vermehren Tann.
Der medizinische Blutegel Hat ein fehr vertwideltes Blutgefäßiyitem. Wen dieje Verhält-
nijje intereffieren, die am Blutegel fehwer zu erklären find, fuche fich helle, dDurchjcheinende
Stüde der mweitverbreiteten Egelart Herpobdellaatomaria Carena (Nephelis vulgaris) zu
1 4
Blutegel. 301
derichaffen. In einem engen Glastohr und gegen das Licht gehalten, fieht man an dem
ganz unverjehrten Tiere mit der Lupe jehr deutlich den ganzen Blutumlauf, der hHaupt-
jächlich in einer Strömung von einer Geite zur anderen beiteht.
Die medizinischen Blutegel haben zehn Uugen (a), die ütber die vorderen acht Ringe
paarmweije verteilt find. Das Mifrojfop lehrt, daß der le des Egel3 noch eine Menge
jehr eigentümlicher, becherfürmiger Organe trägt, die, nach
ihrer Beichaffenheit und ihrem Nervenreichtum zu jchließen,
bejondere Sinneswerkzeuge zu jein jcheinen. Ob damit die
Kopficheibe zu einem jehr empfindlichen Tajtorgan ge=
macht ijt, oder ob die Becher eine Art von Geruchs- oder
Witterungsorganen jind, it jchwer zu entjcheiden, doch ilt
008 lebtere das wahrjcheinlichere.
Der Blutegel ift wie alle Hirudineen Zivitter; die
männliche Öejchlechtsöffnung liegt zwijchen dem 30. und
31. Nünge, die weibliche zwiichen dem 35. und 36. Die
Befchreibung des Eierlegens und die Bildung der Cifap-
jen verlangt eine Berücjichtigung der Lebensweife über-
Haupt, wobei wir der guten PDarftellung von ©alzwedel
(„Uusland“, 1862) folgen fönnen. Unfere Blutegel leben
gern in Teichen mit Xehm- oder Tonuntergrund, in Tüm-
peln und Sümpfen mit jchlammigem Boden, fünnen aber
‚nie in jolcden mit Sandboden gehalten werden. Alle diefe
Gemäljer müfjen jehr ruhig und mit Pflanzen bewachjen
fein. Außerhalb des Wafjers verinögen fie nicht lange zu
leben und jterben jofort, jobald ihre Dberfläche troden
geworden ijt, wogegen fie fich indes durch die Schlein-
abjonderung von innen heraus eine Heine Weile zu jehüben
vermögen. Am Tage, und namentlich bei warmem Iet-
ter, Shwimmen fie lebhaft umher, während fie jich bei
trüben, nebeligem Wetter oder an falten Tagen derart
zufammentollen, daß jie ven Kopf in die Höhlung des
Fußes jteden und jo eine leterförmige Geftalt annehmen.
Dasjelbe gejchieht nachts und im Herbit, in welcher Jahres-
zeit jie fich fo tief wie möglich in den Schlammt vergraben. G..
Shre Nahrung finden fie ausfchlieglih im Blute u Ale .
der Wirbeltiere und in ähnlichen ©äften der Wirbellojen. Anatomie aus at icsets, At ni
Die Häutung, die nach einigen Beobachtern in Ziwilchen- oe Sms, m Sclundmustulatur, dul,
räumen von einigen Tagen fid) toiedexholen Toll, rn Tr ar ehe
Martini bei alten, ausgewachjenen Tieren in mehreren flat, ne By De
Monaten nur einmal jtattfinden.
„Nach der im Frühjahr erfolgenden Begattung jucht der Blutegel ein Lager höher
als der Wajjerfpiegel in feuchter, Ioderer Erde, worin er mit dem Kopfe bohrend jich
Gänge bildet. An den Ufern der Teiche und Sümpfe, in denen viele Egel find, findet
man oft mehrere Hundert auf diefe Weife beifammen, einige Zentimeter unter der Dber-
fläche der Erde liegend. Sie bereiten fich einige Tage nach der legten Begattung jogleich
802 Würmer: Ningelmürmer.
ihr Lager; man Farn annehmen, daß fie von den legten Wochen des Mai bis Anfang Juli
diefem Gefchäft obliegen. Zu Ende Yımi fangen fie an, ihre Kofons oder Cifapfeln zu
formen, die ungefähr die Größe umd Gejtalt einer Eichel Haben. Der Egel läßt zu Diefem
Bmece eine fehleimige, zufammenhängende, grüne Feuchtigkeit aus feinem Munde fahren
und zieht fich bi3 zur Mündung des Gierganges durch diefe ringfürmige Hülle durch, welche
nur fo lang ift, wie die Kapfel werden foll. In diefelbe werden mit einer grünlichen oder
bräunlichen fehleimigen Mafje 10—16 Heine, mit blogem Auge nicht bemerkbare Dotterchen
gelaifen. Zu gleicher Zeit macht er mit dem bon der Gchale befreiten Maule um jene
herum einen weißen, fpeichelähnlichen Schaum, der gewöhnlich den Umfang eines feinen
Hühnereies einnimmt. Hierauf zieht er fich rliemwärts in die Kapfel hinein, dreht Die ver-
Iaffene Offmung inwendig förmlich zufammen ımd zieht jich ganz aus dem Stofon heraus,
tonach er wieder dag eben verlafjene Löchelchen von augen zudreht. Er bleibt hierrach noch
einige Tage bei dem Kofon liegen.” Diefer nimmt nachher duch Eintrodnen des Schaumes
zu einem fchwanmigen Überzuge feine bleibende Größe an, und 4—6 Wochen nach dem
Gierlegen friechen die Jungen aus. Sie find fadenförmig und hell, gleichen aber im wejent-
lichen den Alten. Ihr Wachstum gejchieht jehr langjam. Frühejtens im dritten Jahre find
fie zum medizinischen Gebrauche tauglich; erft im fünften haben fie ihre volle Größe erreicht.
Sein Leben foll der Blutegel auf 20 Zahre bringen.
Um für medizinische Zmede ftändig Egel zur Verfügung zu Haben, züchtet man fie in
Teichen oder Fünftlich angelegten „Blutegelfolonien”, wo ihre Brut erjt mit Kaulquappen,
ipäter mit Heinen Fischen genährt wird. Nach Deutjchland gelangt der größte Teil der Egel
aus Volen, von den Grenzen Rußlands, aus Ungarn und der Türkei. Die anerkannt beite
Art ihrer Beförderung befteht darin, daß man nicht allzu viele Egel in ftet3 feucht gehaltene
feinene Säcdchen tut und diefe auf Hängematten legt, die auf einem in guten Federn ruhen-
den und nach allen Seiten verjchließbaren Wagen befeftigt jind. Bon den größeren Hand-
(ungen in Deutfchland nach nicht zu entfernt Tiegenden Verbrauchsorten bringt man fie zu
1—2 Schod inleinenen Sädchen, die, von feuchtem Mooje umgeben, in einem mit feinen
Löchern ducchbohrten Kiftchen Liegen.
Die in Europa gebräuchlichen Blutegel werden zwar in zwei Hauptarten, jede mit
einigen Unter- und Spielarten, gejchieden, ven Medizinijchen oder Deutjchen Blut-
egel (Hirudo medieinalis Z.) und den Offizinellen oder Ungarijchen (H. oflieinalis Z.),
aber begründen Yäßt fich diefe Einteilung durch anatomische Kennzeichen nicht. Cbenfo gehen
auch die Spielarten in ihrer Färbung fo ineinander über, daß die vermeintlichen Arten und
Unterarten nur eine einzige wirkliche Art bilden. Hirudo medicinalis hat einen jchwarz
gefleckten, zumeilen faft ganz fehwarzen Bauch, und fein Vaterland erftredt jich über den
größten Teil von Europa, indem er in Zrankreich, Deutjchland, Dänemark, Schweden, Ruß-
land und England gefunden wurde. Sr Deutjchland Iebt er wild nur noch auf Borkum, im
Hautfee bei Marfuhl in Thüringen und vielleicht auch im Algäu bei Miejelitein. Die andere
Hauptfpielart, H. offieinalis, hat einen olivengrünen, ungefledten Bauch und gehört dem
jüdfichen ımd füdöftlichen Europa an. Sr ungeheuren Mengen lebt diejer Egel in Den aus-
gedehnten Sümpfen bei Cjjeg in Olamonien.
Auch außerhalb von Europa gibt e3 eine Reihe von Arten von Hirudo, die gleichfalls
zum medizinischen Gebrauche fich eignen. So findet fi) in Spanien, Algerien und der
ganzen Berberei der Drachenegel, H. troctina Johnson. Cr wird bejonders im norömwelt-
lichen Maroffo regelmäßig gefangen und iiber Gibraltar nach England ımd Sidamerifa
Blutegel. 805
ausgeführt. Sn 'den franzöfiichen Befißungen am Senegal bedient man jich der Heinen
Limnatis mysomelas Vor., während man in Sndien, in Ponditjcherri, eine dort einheimijche,
ihr amı nächften verwandte Urt, Limnatis granulosa Sav., zur Verfügung hat. Die lebtere
ift jedoch reichlich groß und beißt fo ftark zu, daß man oft Mühe hat, die Blutung zu ftillen.
Auch Nordamerika Hat einige einheimijche Arten.
Ein gleich ausgedehntes Verbreitungsgebiet hat der Pferdeegel, Haemopis san-
guisuga L. (vorax), mit weniger flahem, an den Rändern nicht jcharf gejägtem Leibe und
ftumpferen Zähnen. uch Tennzeichnet ihn feine dunflere, falt |hmwarze Farbe; die Läng?-
binden auf den Rüden fehlen, die Geiten find mit
einer ge!ben Linie eingefaßt. In Nordaftifa werden
diefe Tiere, die jonjt von Würmern und Snfeiten-
Yarven leben, zu einer furchtbaren Plage für Pferde
und Rinder, worüber der franzöfiiche Arzt Ouyon
genauere Mitteilungen gemacht hat. Bei einem
Dchlen fanden fi 27 Stüdf im Maule, der Kachen-
höhle, im Kehlfopf und in der Luftröhre.. Noch
2 Stunden nach dem Tode des Ochjen hafteten fie
an ihm und fogen eifrig Blut, den Kopf abmwechjelnd
- in eine der zahlreichen Wunden jenfend, die jeder
einzelne Egel gemacht hatte. Wenn e3 daher auch
nicht buchftäblich zu nehmen ift, was das Volk jagt,
daß jechs diefer Egel ein Pferd zu töten imjtande
jeien, jo fönnen fie ihm mweniajtend Todesqualen
verurfachen. Man glaubte früher einen anderen
Blutegel, Aulastomum gulo M.-Td., bon dem
Pferdeegel unterjcheiden zu müjjen, doch hat e3
jich gezeigt, daß beide diejelben find.
Aus diejer Familie ijt der häufigjte Bewohner m a
unferer Teiche und vieler fließender, jchilfbewachie- m
ner und mit den Blättern der Teichrofe bededter Haemadipsa eeylonica M-Ta. Aus Hefje-
Geiwäffer, Herpobdella Blaine., id mc rm eis
denver Egel mit flahem Körper und undeutlicher
NRingelung, vier Baar Augen und zahnlofem Schlunde, der fich neben tierifcher auch von
pflanzlicher Koft ernährt. Daß die jüngeren, rötlich durchjchimmernden ©tüde der Her-
pobdella atomaria Carena (Nephelis vulgaris) fich befonders gut zur Beobachtung de2 Blut-
laufe3 eignen, wurde oben erwähnt. Bemerft fei noch, daß fich die Blutegel weder freitwillig
durch Teilung fortpflanzen, noch daß fünftlich geteilte zu Sndividuen auswachlen, und daß
jie verlorene Teile iiberhaupt nicht wieder zu erfegen fcheinen. Bedeutungsvoll dürfte es
gleichwohl fein, daß N. Leudart einen Blutegel über ein Jahr bejaß, dem der Kopf ab-
gefchnitten war, und der troßdem nach Berührungen munter umherjchwanmm.
Wir fünnen diefes Kapitel nicht mwirdiger fchliegen, al mit der Schilderung jener
* Heinen verrufenen Blutjauger Ceylons, von denen Schmarda in feiner „Reife um die Erde
folgendes mitteilt. „Die Plagen, welche die Schaben und Müden verurjachen, find nichts
gegen Die viel größere, Die den Wanderer überall verfolgt; denn in den Wäldern und Wiejen
wimmelte3 von feinen Zandblutegeln; e3 ift Die Hirudo ceylonica älterer Berichterjtatter
304 Würmer: Ningelmürmer.
(jet Haemadipsa ceylonicaM.-Td. D.B.). Sie leben im ©rafe, unter abgefallenen Blättern
und Steinen, auch auf Bäumen und Sträuchern. Sie find äußert jchnell in ihren Be-
wegungen und müfjen ihre Beute fchon aus einiger Entfernung wittern. Sobald fie einen
Menschen oder ein Tier wahrnehmen, fommen jie aus der ganzen Nachbarjchaft und jtürzen
ich aufihre Beute. Das Ausjaugen des Blutes merkt man oft faum. Nach einigen Stunden
iind fie vollgefogen und fallen dann von jelbit ab. Die Eingeborenen, welche uns begleiteten,
beitrichen jolche Stellen mit Aßfalf, den fie in ihrer Betelbiche mit fich führen, oder mit
dem durch Betel und Kalk jcharf gewordenen Speichel. ch fand es natürlich, dak eine
heftige Entzündung darauf eintritt, und erklärte mir leicht die tiefen Gefchiwüre, welche viele
bon den Eingeborenen an ihren Füßen Haben. Viele betrachten den Saft einer Zitrone (Citrus
tuberoides) als ein Spezififtum. Alle diefe Dinge find recht gut, um durd) Betropfen die
Blutegel zum Abfallen zu bringen, müjjen aber in der Bißwunde Reizung herborbringen.
Bejonders unangenehm ilt eg, daß die Blutegel jolche ©tel-
len am Tiebiten auffuchen, wo ihre Vorgänger jchon eine
gute Weide gefunden haben, da die entzünvete, mit Blut
unterlaufene und wärmere Haut fie lodt. Um fich gegen den
Angriff diejes Heinen, aber fürchterlichen Feinde zu Jichern,
it es unabweislich, bejonders die Füße zu hüten. Dies ge-
ichieht Durch Yederne oder Dice wollene Strümpfe, welche
man über die Beinkleider anzieht und unter dem Stnie feit-
bindet. Wir fanden die leßteren ausreichend und bequemer,
führten jedoch immer ein Refervepaar mit, da ie jehr leicht
e a im Dieicht zerreigen oder beim Gehen durchgerieben mer-
u. Deren den. Sch fand die Egel am Bunde oft zu Dubenden fiten,
Br Se ea a bemüht, Ducchzudringen. Während des NMarjches hitten wir
Glossosiphonia somplanata 2 piel weniger, am wenigiten leidet der erfte in ber Reihe.
Haben die Blutegel einmal Witterung, jo fallen jie Die
Nächitfolgenden um jo gieriger an. Gelbit bei aller Borficht hatten wir fie balo im
Naden, in den Haaren oder am Arme, da fie nicht nur im Graje und Laube, jondern
auch auf Bäumen leben, von denen fie fich auf die vorübergehenden Menjchen oder Tiere
herabfallen lajjen.“
Auch zur Befanntichaft mit der zweiten Samilie, ven Nüfjjelegeln over Rhyncho-
bdellidae, geben unfere füßen Gemwäljer Gelegenheit. Deren Angehörige jind an ihrem
furzen, flachen Körper fenntlich, der fich nach vorn allmählich verjüngt und hier mit der
die Augen tragenden Haftjcheibe endigt. Der Fieferlofe Schlund Tann tie ein Rüfjel bor-
geftrect werden. Berichiedene Arten der Öattung Glossosiphonia Johnson (Clepsine) trifft
man an den Blättern der Wafjerpflanzen und an der Unterfeite von Stemen. Cie find
von grauer, gelblicher oder weißlicher Färbung, und das beite Erfennungszeichen ift, daß
jie ihren Körper eintollen, jobald man fie abnimmt, wobei zugleich die Seitenränder
etivas eingebogen werden. Cine bejondere Sorgfalt verwenden jie auf die Brutpflege.
Ihre Eier tragen fie am Bauche, und auch die ausgefrochenen Zungen halten fich hier noch
lange bei ver Mutter auf, indem fie fich mit der hinteren Haftjcheibe anfaugen. &3 ift ein
anziehendes Schaufpiel, wie die 1O—15 Tierchen gleich den Küchelchen unter der Henne
Ihre Stopfenden unter der Mutter hervorftreden, oder fich, wenn man fie vorfichtig entfernt
Blutegel. 305
hat, fofort wieder unter diejer Sammeln. Die Rüffelegel ernähren fich von niederen Tieren,
jo der Schnedenegel, Glossosiphonia complanata Z., von Wafjerfchneden, Planorbis-
und Limnaeus-Itten, während Helobdella stagnalis L. Physa-Atten bevorzugt.
= =—— euer
DIUNUNNNRUNN)
nl
NLA ELLLAUNNNN
Nochenegel, Pontobdella murieata 7. Natürliche Größe.
Gin anderer Rüfjelegel, Haementeria offieinalis de Frlippi (mexicana), wird in Mittel-
amerifa ähnlich benußt wie unjer Blutegel. Sein KRüffel ie jo fcharf sugejpiät, daß er u
menjchliche Haut zu Ducchdringen berinag.
Ein Nüffelegel ift auch der Nochenegel, Pontobdella nen L., der die
ftarken Saugjcheiben und die Höder feiner Körperoberfläche auffällt. Die Sande it ein grün
liches Grau. Wie jchon der deutjche Nante jagt, jind es vor allem die Rochen, die von ihm
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Sand. 20
306 Würmer: Ringelwürmer.
geplagt werden. Nach feinem Benehmen in der Gefangenschaft zu jchliegen, ift er ein
träges, ftumpfjinniges Tier. ©eine jtarfe Mustulatur gejtattet ihm, jich längere Zeit Hori-
zontal ausgeftrecdt zu halten, nur vermittelö des hinteren Saugnapfes angeheftet, jo wie e3
ni ae: Holzichnitt Dargeftellt ift. Am Tiebiten aber läßt er jich Hängen, das Kiopfende
nach Art der Murmeltiere eingebogen. Möglichermweije tun wir dem Rochen-
egel Unrecht, ihn der Trägheit zu bezichtigen. Auch die Rochen fiegen bei
Tage fait regungslos, während fie in der Dämmerung munter und bemeg-
lich werden. Aljo teilt wahrjcheinlich ihr Wohngaft diefe Eigenheiten mit ihnen.
Wir wollen die Bejpredhung der Hirudineen mit einem Schmaroger
unjerer Süßwajjerftjche bejchließen, der mitunter in Zeichen in großen Mengen
auftritt und dann die Til En bejonders die Des Ktarpfens, jtarf beein-
trächtigen, wenn
nicht gar in Frage
itellen fann. Die-
jer Schädling ift
der Fiichegel,
Piscicola geome-
tra L., ein jchön
gezeichnetes, für
einen &gel ziem-
li) Yanggejtred-
tes und jchmales
Tier. Er erreicht
‚eine Größe von
Eilgenel, Preeicela geometra L. Eints Ginzetier, nad Doflein aus Seife & a Sn die ab-
ancrtger Bi, af Anen Rian Jamara, MD. Safer mE ertnte e
; Tajchenbucd für Studierende”. : ihn aljo um über
da3 Doppelte ver-
größert. Wir erkennen daran auch die Haftjcheiben, vor allem die hintere ift auffällig Durch
ihre Breite. Wie fich der Fijchegel feiner Saugnäpfe bedient, das fehen wir auf unjerem
zweiten Bilde. Cine ganze Gejellichaft der Blutjauger hat einen Karpfen befallen und
jich zum größeren Teile an den Siemen angeheftet. Die Piscicola jcheint Danach ein träges
Tier zu jein. Das ift fie jedoch) durchaus nicht. Cie Flettert lebhaft auf ihrem Wirte nach
Art der Spamnerraupen herum, verläßt ihn auch zeitweilig und vermag dann jehr leicht
im Wafjer zu jchhwimmen oder fich zwifchen ven Uferpflanzen zu tummeln.
Dritte Unterflaffe:
Sternwiirmer (Gephyrea).
Auch die Sternmwürmer (Gephyrea) haben betreffs ihrer Shftematif eine ziemlich
bunte Gejchichte Hinter ih. Die älteren Naturforfcher fahen in ihnen bald Ringeltwirmer
CPallas), bald Seewalzen (Fabrieius) oder gar Krater; Cudier zählt fie zu den Echinodermen,
aber jchon Nolando (1821) betrachtete fie als Bindeglieder zwifchen diefen und den Ringel-
würmern, in welcher Anjchauung ihm der franzöfiiche Zoolog Quatrefages folgte, der die
Blutegel. Sternmwürmer. 807
Kaffe zuerit al Gephyrea (nach dem griechifchen Wort für Brüce, alfo Brüden- oder Ver-
bindungstiere) benannte. Später hat man gelegentlich wohl einmal die Rädertiere oder gar,
als man das Männchen von Bonellia näher fennengelernt hatte, die Strudelmwiirmer für
verwandt angejehen, gegenmwärtig dürfte wohl ziemlich allgemein die Anficht verbreitet fein,
daß die Sternwürmer entartete Ringelwürmer jeien.
Dieje Annahme jtübt jich vor allem auf die Enttoidelungsgejchichte. E3 treten näm-
lich auch bei einem Teile der Gephhreen freiichtwimmende Trochophora-Larven auf, aut3
denen ganz ähnlich wie bei den Borjtenwiürmern der Wurm durch Auswachjen des hinteren
Körperabichnittes hervorgeht. Dabei wird anfänglich eine gefammerte Xeibeshöhle in einem
Mejodermitreifen und ein ebenfalls geglievertes Bauchmarf angelegt. Später verfchwindet
allerdings Die Segmentierung durch Rüdhil-
- Dung der Dijjepimente vollfommen. Der Kör-
per eines erwachjenen Sternwurms gleicht dann
meijt einem plumpen, länglihen Cade und
enthält in feinem Snneren eine geräumige, un-
geteilte Xeibeshöhle, die von dem vielfach ge-
wundenen Darm durchzogen wird. An Die
Berwandtjchaft mit den Anneliden erinnern
am ehejten noch das geichlojjene Blutgefäh-
inftem, das fi) aus je einem Bauch- und
Nücdenlängsitamm und verbindenden Schlin-
gen zujammenjegt, und die in 1 bi 4 Baaren,
jelten in größerer Anzahl vorhandenen Seg-
mentalorgane. Das Nerveniyitem bejteht aus
einem Schlundring und einem ungegliedeten ron u en
Bauchjtrang. Fußitummel und Rüdenfiemen &arve von Eehiurus pallasii Guerin. Na Hat-
find nicht vorhanden; in feltenen Fällen fin- 4 arm, aaher ap Shetepiatte (Gehen) so Sorundten.
ben ih guhfveiche Borften, meift jedoch feine. Tl nrrhkin nn nenn 0x Samehteune
Die Gephyreen jind getrennt gejchlechtlich.
Recht anjchaulich Ichildert D. F. Schmidt, wie er zum eriten Male eine der Gephhreen
jelbft gefangen hat. Vielen jungen Zoologen wird es ähnlich ergangen jein wie ihm, jie
werden fich zunächit nicht haben jatt jehen fünnen an der abenteuerlichen Geitalt und den
wunderlichen Bewegungen des Tieres. Schmidt fammelte im Frühjahr 1852 am Otrande
der dalmatinischen Snfel Lejina. Schon mancher Stein war umgemwendet, Nereiden und
andere Borftenwürmer waren in die Gläfer gewandert, al3 er im flachen Wafjer unter einem
großen Steine ein intenjiv grünes, wurmartig fich bewegendes Wejen bemerkte. Cr fabte
ichnell zu, der Stein wurde weggehoben, und der vermeintliche Wurm eriieg jich als der mit
zwei feitlichen Flügeln endigende Rüfjel der bis dahin von fehr wenigen Zoologen gejehenen
‚Bonellia viridis Rol. (Abb., ©. 309). Ein grüner Farbitoff, der fich dem Weingeiit, in Dem
man das Tier aufhebt, mitteilt, aber nicht der gleiche wie der de3 pflanzlichen Blattgrüns,
wie man früher vermutete, fondern ein felbftändiger ift, färbt Körper und Nüfjel. Erxfterer
it mit vielen Heinen Warzen bededt und der mannigfaltigjten Zufammenjchnürungen und
Einziehungen fähig, bald fugelig, bakd eiförmig, dann wieder gleiten Wellenbemegungen von
Hinten nach vorn, mo fie jich in leichten Schwingungen dem Rüfjel mitteilen. Diejer ift mo-
möglich noch verwandlungsfähiger al3 der Körper, indem er-von einigen Zentimetern ic)
20*
308 Würmer: Ringelwürmer.
bei den größeren Exemplaren (vonetiva 8 cm Störperlänge) auf 1% m und darüber ausdehnen
fan. Die Mumdöffnung des Wurmes befindet ficd am Grunde des Nüffels, der eine mit
Wimpern ausgekleivete Längsfurche hat, die Aiteröffnung liegt am Hinterende. Bezeichnend
find auch noch zwei Furze, ftarfe Hafenborjten unmeit des Borderendes auf der Bauchleite.
Andere Lebensäußerungen als Ausftreden und Zufammenziehen wird man an der Bo-
nellia im Aquarium faum bemerfen fünnen. Nach) Beobachtungen von Lacaze-Duthiers
verläßt fie gelegentlich ihre Schlupfiwinkel und Friecht mit Hilfe ihres Rüfjels, dejjen beide
Borderhörner wie Saugnäpfe wirken. Der Wurm Fan in jehr enge Feljenjpalten jchlüpfen,
da fein Körper äußerst fchmiegfam ift. E3 Hat fich gezeigt, daß er an vielen Punkten der
Mittelmeerfüjte und des Atlantifchen Ozeans vorkommt, ja daß er an einigen ©tellen eines
der gemeinften Tiere ift; er liebt aber nicht daS volle Tageslicht, jondern die Morgendäm-
merung. Doch findet man ihn jederzeit, wenn man in dem mit Sand gemijchten ©e-
rölle ,—1% m tief gräbt.
Dieje nach dem-Turiner Entomologen Bonelli genannten Tiere find, tie don ihre
fonderbare Geftalt zeigt, jehr eigenartige Gejchöpfe. Sie leben jämtlich in größter Zurüc-
gezogenheit, machen, joweit man dahinter gefommen, auffallende Berwandlungen durch
und werden jeldft von den meiften Stüftenbeiwohnern ihres verborgenen Dajeins halber, und
weil fie völlig ohne Nuten und Schaden find, itberjehen.
So fonderbar wie ihre Geftalt ift auch das Gejchlechtsfeben der Bonellien. Früher
fannte man bloß die im obigen bejchriebenen Weibchen. Lacaze-Duthier3 hatte zivar Die
Männchen jchon gejehen, aber fiir Schmaroger gehalten. Wir verdanfen ihre genauere
Kenntnis dor allem dem Gießener PBrofefjor J. W. Opengel.
Die Männchen fchoimmen im Larvenzuftande al Heine, mit Wimpern bededte Wiirm-
chen vom Ausjehen gewiljer Strudelwiirmer under, unjtet und gemwijjermaßen juchend, bis
fie in die Nähe des Rüffels eines weiblichen Tieres gelangt find. Sobald fie diejen berührt
haben, lajjen fie fich darauf nieder, Friechen an ihm eine Weile auf und ab, und zwar meijt
entlang der Wimperfurche, machen endlich an irgendeiner Stelle halt und verbleiben ge-
taume Zeit dort. Darauf begeben fie fich durch die Mumdöffnung in die Speiferöhre, two
man ihrer bisweilen eine ganze Anzahl, bis zu 18 Stüd, beieinander findet. Hier wird
ihre Verwandlung vollendet, worauf fie die Speiferöhte vexlaffen, die Gefchlechtsöffnung
ihres Weibchens und Wirtes zugleich auffuchen, um fich im porderen Abjchnitt des Zeu-
gungsapparatez, öfters auch in größerer Zahl, bis 10 und mehr, Häuskich niederzulaffen und
die Befruchtung zu vollziehen. Vielleicht nur bei Nanfenfüßern unter den Srebjen fommt,
wie ir noch jehen werden, eine ähnliche Verjchiedenheit in der a Beichaffendeit
und Lebensweije der beiden Gejchlechter vor.
Zur gleichen Tamilie wie Bonellia, nämlich zu Der der Bohruiden gehört ein an
ver nordiweitlichen deutjchen Küfte, bejonders in den weiten Wattenmeeren der weitfriejifchen
Snfeln, gemeiner Sternmwurm, Echiurus pallasii @uerin, ein 10—15 cm langes Tier von Ge-
ltalt einer etwas vor der Mitte eingejchninten Wurjt mit zahlreichen DQuerreihen mweißlicher:
feiner Bapillen auf der gelblichen Haut und einem furzen Rüffel von Geftalt einer Ktohlen-
Ihaufel, der bei Beunruhigungen fehr leicht abgeworfen wird. Am Borderende jtehen zwei
Haken, am hinteren zwei Stränge fpiber Borften. Das Tier, dejjen Trochophora-Zujtand
auf ©. 307 abgebildet ift, bewohnt in verjchiedenen Tiefen jelbitgegrabene Röhren in Sand
und Schlid. Sn der Negel find diefe Röhren doppelt, d.h. es laufen ihrer zwei
eheneindnden und vereinigen jich unten Durch einen Diurergang.
Sternwürmer. N 309
Ein Mitglied der über alle Meere verbreiteten Zamilie der Sipunculidae, deren
Mund von Zühlern umjtellt it und deren After auf dem Niden liegt, it Phascolosoma
vulgare Blainv. aus dem Mittelmeer und dem Atlantifchen Ozean. Die meiften Arten diefer
und einiger anderen Gattungen wohnen in felbftgebohrten Gängen in Steinen und Feljen.
Da3 3—5 cm lange Phymosoma granulatum F. 8. Leuck. findet fich zu Millionen an gün-
ftigen ‚Oxtlichfeiten der dalmatinifchen Küfte, in gejchüsten Buchten mit Vegetation der
Strandzone. Nur ift es fein leichtes Gefchäft, fich ihrer zu bemächtigen. Hat man fie auch
an dem nicht vollfommen zu-
vüdgezogenen NRüfjel erfaßt, jo
reißen jie, jich Hinten aufblä-
hend, eher ab, als daß jie nach-
geben. Man muß aljo das
feite ©ejtein mit Dem Hammer
zerichlagen, wobei natürlich
mancher der hartnädigen Wür-
mer jein Teil für immer be-
fommt. Hat man endlich eine
Anzahl in einem Beden vor
jich ftehen, jo geht der Slrger
exit recht an. Gie liegen an-
fangs wie tot da, Heine Würfte,
das rüljelartige Borderteil
volfftändig eingeftülpt. Nach
einiger Beit fangen fie an, wie
Handjhuhfinger ji auszu-
frempeln, gelangen aber bei
20—50maligen Verjuchen jel-
ten dazu, das Äußerjte, mit
Heinen, fingerförmigen Fort-
jägen verjehene Ende des Rüij-
jels zum Borjchein zu bringen.
Und haben jie e3 wirklich jeden
Lajjen, jo ziehen jie es jicger- a) Bonellia viridis Rol. (u ©. 307), b) Phascolosoma ulgare Blainv.
lich im nächften Augenblid au &.309, QPriapulus caudatus Zam. u &. 310). Natürliche Größe.
wieder ein. Zu ihrer Ent-
ichuldigung darf man nicht vergeifen, daß ihre Lage in einem offenen, Fichten Gefäß aller-
dings eine ganz andere ift al3 in ihrer Steinröhre, vor der das Licht Durch Die rötlichen
und grünlichen Algen jehr ftarf gedämpft wird. Denn obwohl augenlos, ind die Stern-
iwirmer, gleich fo vielen anderen augenlofen Tieren, für den Lichtreiz jehr empfänglich.
Sr den eutopäifchen Meeren, aber auch in den oft- und mweitindijchen, lebt vom flachen
Waffer an bis in Tiefen von 2400 m der gemeine Spriswurm, Sipunculus nudus Z.,
der die Xänge von 15 cm erreicht und durch eine längs- und anne und daduch
genegte Haut ausgezeichnet ift.
Suterefjante Beziehungen bejtehen zwijchen Sternwürmern und Korallen. "Bartiber
berichtet Semper: „Sn den tropifchen Meeren lebt eine jehr eigentümliche Gattung Heiner
310 Würmer: NRingelmürmer. — Bfeilmürmer.
Korallen, genannt Heteropsammia, deren ndibiouen ganz regelmäßig einen Wurm, Aspi-
dosiphon mülleri Dies., beherbergen; diejer gehört zu der Zamilie der Gipunfuliden. 63 ift
ichwer zu begreifen, welchen Vorteil beide Tiere von ihrer Vergejellichaftung haben können;
doch muß dies wohl der Fall jein, da nie eine Storalle ohne jenen Wurm gefunden wird. Sch
habe jelbit zahlveiche Exemplare der Heteropsammia michelini im Philippinijchen Meere
gefischt und nicht eing ohne den Wurm gefunden; ebenjo geht aus den Abbildungen und
Bejchreibungen anderer Arten derjelben Gattung hervor, daß überall das Wohnloch des
Gaftes in der Koralle gefunden wurde. Nun ift ferner die Gegenwart der Sipunfuliden
die Urjache einiger jehr auffallenden Abnormitäten im Bau der von ihnen bewohnten Sto-
tallen; Eigenjchaften, welche man geradezu als jpezifiihe Charaktere der betreffenden
Arten oder der Gattung angejehen oder bejchrieben Hat. Bei den jüngeren Cremplaren ijt
die Bajis der frei lebenden Storalle faum größer als der Umfang des Stelches; bei den völlig
ausgewachjenen dagegen ilt jene jehr viel größer. Dies it der erjte Gattungscharafter, welcher
durch die Anmwejenheit des fremden Tieres hervorgerufen zu fein jcheint. Denn das leßtere
jest jich an die Bafis der ganz jungen Koralle an und wächjt mit Diejer fort, aber, wie e3
jcheint, jchneller als jene, jo daß der Wurm, um nicht bei einem rafchen Wachstum allmählic)
über die Bafis hinaus zu wachjen, nun fich in eine Spirallinie rümmen muß. Dabei jcheint
er die Bajis der Storalle zugleich jo zu reizen, daß fie ftärfer als der eigentliche Kelch wächit,
und jo fommt es, daß allmählich Die Bajis den Stelch bedeutend überragt. Auch die (Ko-
tallen-) Gattung Heterocyathus wird in einzelnen Arten ganz jo wie Heteropsammia von
Sipunfuliden bewohnt und in ihrem Wachstum verändert.
„st den Gattungen Heteropsammia und Heterocyathus wird aber zweitens auc)
noch ein anderer Charakter der Gattung durch den Sipunkuliden in jehr eigentümlicher
Weile verändert. Alle mit folchen Würmern behafteten Spezies der beiden Gattungen zeigen
nämlich jowohl an der Unterjeite des Fußes als auch an feinen Ceitenteilen eine jehr ver-
ichieden große Zahl von Löchern, welche in allen fyjtematijchen Werfen als |pezifijche oder
gar als Gattungsmerfmale bejchrieben und bejonders hervorgehoben werden. Dieje Löcher
aber ftimmen gar nicht mit den Eigentümlichfeiten der Familie überein, denen jene Gat-
tungen angehören; denn bei Heterocyathus follte eigentlich die Seitenwand der Ktoralle
ganz ohne Köcher fein, und bei Heteropsammia, welche zu der Gruppe der Korallen mit
poröjen Wandungen gehört, find die hier bejchriebenen Löcher völlig verjchieden von denen,
welche der Storalle jelbjt eigen find. Sr beiden Fällen werden die Köcher Durch ven Wurm
hervorgebracht; dies bemeift ihre Unvegelmäßigfeit in der Zahl fowohl als in der Stellung;
jte führen direft in Die jpiralig gewundene Höhlung, in welcher der Wurm lebt, und jie
folgen genau der Wachstumstichtung des leßteren. Dieje Köcher jtehen in feiner Verbin-
dung mit den Hohlräumen der Ktoralle jelbit.”
Das dritte der auf ©. 309 abgebildeten Tiere, Priapulus caudatus Zam., aus der
Yamilie der Priapulidae, zeigt auch fchon im Sußeren eine fo eigentümliche Bildung,
daß e3 eine Somderftellung beanfjprucht. Der vordere, fjchtvach Teulenfürmig verdicte
Störperteil ift der Rüffel, auf deffen vorderer, abgeftußter Fläche die ziemlich große Mumd-
Öffnung liegt. Die Längsrippen des Rüfjels find mit Heinen, feharfen Spitchen bejeßt.
Der eigentliche Körper ift vom Rüffel durch eine Einfchnitrung getrennt und durch deutliche
Suchen geringelt. Der Schwanz erjcheint al3 ein bifchelförmiger Anhang des Körpers,
und auf der Grenze zroifchen ihm und dem Körper liegt die Daumöffnung. Was itber die
Sternwürmer. all
Verbreitung und Lebensweife der PBriapeln befanntgeworden ift, Hat Ehlers zufammen-
gefaßt. Das Vorkommen de3 Priapulus jcheint auf die Küften der nördlichen Meere be-
Ichränft zu fein, hier aber wird das Tier, je weiter nach Norden, um jo häufiger. Sr feinem
ganzen Verbreitungsbezirk von Grönland, Yeland, Norwegen bis zu den britifchen Küften
lebt der Wurm auf dem tonigen oder jandigen Boden in verjchiedener Tiefe. Er gräbt
ji), wie es jeheint, durch Vorftoßen und Zurüdziehen des Rüfjels Gänge von der Länge
des Körpers, die durch ein aufgemworfenes Häufchen Fenntlich find. Sr diefen Röhren liegt
er ruhig, während der Schwanz allein in daS umgebende Waffer hineinragt. Alle Beob-
achter, die lebende Tiere vor Augen hatten, erwähnen das Einziehen des Rüffels, wenn
das Tier beunruhigt war, und ein Darauffolgendes plögliches Wiederausftülpen im Rubhe-
zuftande, ganz ähnliche Vorgänge, wie man fie auch beim Sprißwurm beobachtet. An einem
Priapulus, der drei Wochen lang im Aquarium fich hielt, wurde nie beobachtet, daß das
Tier irgendeinen bejonderen Verjucd machte, Futter zu fich zu nehmen. Jm Sonnenjchein
wurde e3 lebhaft, zog den Rüfjel ein und jtülpte ihn vajch und plößlich aus, entfaltete den
großen Schwanzanhang und zog ihn wieder ein, bog den Körper, dehnte ihn aus und ver-
fürgte ihn ohne eine bejtimmte Ordnung der Veränderungen. Was die Nahrung betrifft,
jo unterliegt es feinem Zweifel, daß der Priapulus Pflangzenfreffer ist; der Suhalt des
Darmes jpricht Dafür.
Die Sternwürmer gehen im Meere bis zu 4570 m Tiefe, und zwar fteigen die in Stein-
Löchern, Mujcheljchalen und Röhren haufenden Formen tiefer hinab als die frei lebenden. Jrı
der Dftjee fommt eine Priapulidenart, Halicryptus spinulosus Sieb., noch bei Danzig, ja felbit
bei Reval, aljo in fait jüßem Gemäjjer, mindejtens in Gejellichaft echter Süßwajjertiere, vor.
Sm Anjchlug an die Würmer jollen hier noch zwei Keine Gruppen von wurmartigen
Tieren Erwähnung finden, die in ihrem Bau völlig von dem der bis jet bejprochenen
Würmer abweichen, aber auch untereinander feine gemeinschaftlihen Beziehungen auf-
weijen. Sie müjjen deshalb jede für jich als eine bejondere, alleinjtehende Klajje im Tier-
teich angejehen werden, deren Verwandtichaft mit den befannten großen Tierftämmen
durchaus zweifelhaft ilt.
Sedfte Klaffe:
Pfeilwiirmer (Chaetognatha).
Die Chätognathen find glasartig durchfichtige Würmer, die ausschließlich dem Meere
angehören, auf dejjen Oberfläche fie, gejchiet chwimmend, oft in großen Mengen jich Herum- -
treiben. Bald jtehen fie fauernd wie ein Hecht wagerecht auf einem Tlede, bald jchieken fie
pfeilfchnell auf ihre Beute, allerlei Keine, pelagijch lebende Seetierchen und deren Larven,
105. Zu folcher Jagd find fie aber vorzüglich geeignet; ihr fchlanfer Leib, dev ihnen jchon
vom alten Martin Slabber, einem holländifchen Naturforjcher, vor etwa 200 Jahren den
Namen Sagitta (Pfeil) eintrug, hat in der hinteren Körperhälfte jederjeits eine breite,
horizontale Floffe, die durch feitere Einfagerungen, wie eine Fijchfloffe durch ihre Strahlen,
gejtüst wird und jich nach Hinten an eine große, breite Schwanzflojje anfchließt. Die Lebens-
weije, die eine jo bedeutende Beweglichkeit bedingt, erfordert natürkich zugleich auch gut
entwidelte Sinneswerfeuge, und da jehen wir dem, daß unjere Tiere an ihrem runden,
gegen den übrigen Körper fcharf abgejegten Kopfe ein Baar Augen und ein Baar Fühler
312 Pfeilmürmer, — Bintenatmer.
haben. Zur Bewältigung ihrer Beute find fie mit einem Fräftigen, aus mehreren. einander
gegenübergelegenen Hafen bejtehenden Stieferapparat ausgerüftet.. ;
Die Pfeilmiirmer, die alle der einen Samilie der Same
angehören, jind Zmwitter. Sie haben eine geräumige Leibeshöhle,
die Durch. zwei Septenpaare in drei Teile, einen Kopf-, Runtpf-
und Schwanzabjchnitt, gegliedert wird. m Rumpfabjchnitt liegen
die paarigen Gierftöde, während fich die paarigen männlichen e
ichlechtspriifen im Schwanzabjchnitt finden.
Die liberall in den Meeren der warmen und gemäßigten Zone
fich tummelnde Sagitta hexaptera Orb. ijt mit ihren 7 cm Länge die
ftattlichjte Urt. S. bipunctata Q. @. mißt 1—2 cm um ijt eben-
fall8 weit verbreitet, findet fich aber mehr in der Nähe der Kilften.
Die nebenjtehend abgebildete Spadella cephaloptera Busch mird
nur 4, em lang; fie ijt im Atlantiiden Ozean und im Mittelmeer
heimifch. Auch in der Tiefjee find einzelne Arten gefunden twor-
den. Wie zahlreich fie mitunter auftreten, geht aus den Schilde-
- rungen Grafji3 hervor, der die Oberfläche der Gee bei rein
buchftäblich bevect von ihnen fand.
Die Entwidelung der Pfeilwiirmer ijt eine unmittelbare. Das
mittlere Keimblatt und zugleich die bon Diefem eingejchlojjene
Leibeshöhle entftehen aus ein paar jich abjehniirenden Längsfalten
de3 Urdarmes, aljo auf eine ganz andere Weife, al3 wir es von
den Leibeshöhlenwitrmern fennenlernten. Dieje Entwidelung der
Pfeilwirmer erinnert vielmehr an die der Wirbeltiere und ihrer
Borläufer, der Manteltiere und des Lanzettfiichchens. Dies ift
auch neben anderen hnlichfeiten im Aufbau einer der Gründe,
weshalb manche Forjeher einen vermwandtjchaftlicden Zujanımen-
Rfeilwurm,-Spadella ce- ‚Hang zwijchen ven Chätognathen und den Chordatieren vermuten
a 20ma möchten. Wahrfcheinlich aber ift dieje Übereinftimmung mehr eine
zufällige, und es ift eher denen recht zu geben, welche die Pfeil-
twürmer vor allem wegen der vorhandenen Metamerie der role in die Nähe der
Ningelwiirmer zu bringen juchen.
Siebente Klajje:
Yinnenatmer (Enteropneusta).
Die Binnenatmer erjcheinen ebenfalls als eine jolche vereinzelt jtedende Gruppe. hr
wirrmartiger, bi8 15 cm langer, mit bewimperter Haut bedeckter Körper ift gejtredt, dreh-
rund und berjüngt fich langjfam nach jeinem abgejtußten Hinterende zu. Born findet jich ein
jehr beweglicher, zufammenziehbarer NRüfjel, feiner Form wegen „Eichel” genannt, der an
der Stelle, wo er fich mit dem übrigen Körper verbindet, ftarf eingejchnürt ift. Mit Hilfe
diejes an- und abjehwellbaren Organs bewegen fich die Tiere im Sande de3 Meeresbodens
borwärts. Auf die Eichel folgt ein platter Abfchnitt, der fich Hinten gegen den übrigen, viel
längeren Leib ringartig abjeßt, der fogenannte Sagen. Alles übrige bildet den Rumpf,
Sagittidae. Balanoglossidae. 313
der von dem geraden Darm durchzogen wird und die Fortpflanzungsorgane der getrennten
Gejchlechter enthält. Sm jedem der drei Körperabichnitte liegt ein befonderer Teil der
2eibeshöhle. Der Mund öffnet jich auf der Bauchfeite in der Kragenregion und führt in
einen Abjchnitt des Darmez, dejjen Wände jederjeits eine Reihe von feinen Kiemenfpalten
enthalten, die durch entjprechende Schlite in der Haut mit der Außenwelt in Berbindung
jtehen. Diucch dieje Kiemenfpalten wird das Atemmafjer nach außen entleert, nachdem ihre
Wände ven zur Almung nötigen Sauerftoff aus dem Wafjer entnommen haben. Ein ein-
fache3 Blutgefäßjnjtem ift auch vorhanden. Jim Darm der Enteropneuften twird nichts ala
| Sand gefunden, den die Tiere ver-
Ihlingen, um ich) von den geringen
in ihm enthaltenen Heinen Qebeimefen
_ und deren Rejten zu ernähren.
y Balanoglossus elavigerus Chiaje. Sunges Tier, Tornariastarve von Balanoglossus
3 ftarf- vergrößert. elavigerus Chiaje. Nah) ©. Stiasny.
Die Binnenatmer gehören alle einer Samilie, ven Balanoglossidae, an. Sm
Utlantiihen Ozean und im Mittelmeer ijt Balanoglossus clavigerus Chiaje, von dem ums
obige Abbildung eine Anfchauung gibt, nicht jelten. Sm Müttelmeer findet: jich ferner
Glossobalanus minutus Kow. Bei ihrer Entwideluing durchlaufen die meijten der Entero-
pneuften ein Larvenjtadium und machen jomit eine Verwandlung durch. Die Larde, die
durch ein paar Wimperfchnüre ausgezeichnet ift, wird al3 Tornaria bezeichnet und er-
innert in manchen Einzelheiten ihres Baue3 an die Larven der Stachelhäuter. Diejes
und Dazu noch die Ühnlichkeit, welche die Eichel der erwachjenen Binnenatmer al3 Fort-
bewegungsorgan mit dem jogenannten Waflergefäßjyiten der Echinodermen aufmweift,
veranlafjen manche Forjcher, eine nähere Verwandtjchaft zwijchen beiden Tiergruppen zu
juchen, während andere wieder Beziehungen zu den Chordatieren vermuten, die Durch
die Kiemenfpalten angedeutet fein follen.
Mufchellinge (Molluscoidea).
Bearbeitet von Rrofejjor Dr. 3. Henpelmann und Dr. &. Wagler.
Die beiden Tierklajfen der Moostierchen (Bryozoa) und der Armfüßer (Brachio-
poda) pflegt man in dem Tierjftamm der Mujchellinge oder Molluscoidea zu vereinigen,
doch haben beide ihre bejonderen, jehr verjchtedenen jyjtematischen Schicdjale gehabt und
dürften wohl noch nicht endgültig im Syftem untergebracht fein. Hußere Ihnlichfeiten mit
anderen Tieren waren für die Beurteilung ihrer verwandtichaftlichen Beziehungen maß-
gebend gemejen, und jo brachte man denn die Armfüßer zu den Mufcheln, während man
die Moostierchen mit Hhproidpolypen, Storallen, Echwämmen ujw. zu der großen umd
bunten ©ejelljchaft der Vflanzentiere oder Zoophhten vereinigte. Als zufolge immer mehr
jich erweiternder Kenntnis diefe Teßteren als himmelteit verjchiedene Tiere erfannt worden
waren, jtellte man die Bryozoen mit den Räpertieren zufammen unter dem Namen Ciliatı
als eine Art Anhang zu den Würmern, während andere Horjcher jte mit den Manteltieren
bereinigt Molluscoidea nannten, die Armfüßer aber bei ven Mollusfen beliegen. Allman
betonte die Ähnlichkeit der Moostierchen, bejonder3 die der Larven einiger Formen, mit
Mufcheln, Schneider aber die Übereinftimmungen mit den Larven, aber auch mit gewifjen
Eigentümlichkeiten in dem inneren Bau der Sternwürmer (Sipunfuliden).
Wenn wir jet Bryozoen und Bradhiopoden miteinander vereinigen, jo jind mir
hierzu nicht nur durch übereinftimmende Erjcheinungen in der Entwidelung beider Tier-
gruppen berechtigt, fondern auch durch Ähnlichkeiten in ihrer anatomijchen Bejchaffendeit.
Dieje Auffaffung ift wohl auch in der Wiljenjchaft die jegt herrjchende. Meift ftellt
man dann in den Streis Der Mollusfoideen als eine den beiden anderen gleichgeoronete Klafje
die der Phoronidea ein. Zu diejer Heinen Gruppe it nur eine einzige Gattung, Phoronis
Wright, mit wenigen Arten zu rechnen (im Mittelmeer Phoronis psammophila Cor). E83
jind dies Kleine, ziwitterige Tiere von wurmförmiger Geftalt; fie leben in jelbitgefertigten
Chitinvöhren zu Kolonien vereinigt beieinander und erinnern in ihrem Aufbau jtark an ge-
wilje Öephyreen, eben an die Eipunfuliden, wie bereit3 oben erwähnt wurde. So ijt eine
geräumige, ungeteilte Xeibeshöhle vorhanden, ein aus NRing- und Längsmusfelfajern be-
jtehender Hautmusfeljchlaudh, ein geichlojjenes Blutgefäßiyitem mit Rüden- und Brujt-
längsitamım, ferner zwei Nephridien und ein Nervenjyiten, das fich aus Dberjchlund-
ganglion, Schlundfommilfur und einem Längsnerven zufammenfegt. Die Entiwidelung
it eine mittelbare; die Yarvenform — Actinotrocha wird fie genannt — läßt ji) ohne
weiteres auf die Trochophora zurüdführen. Auf der anderen Ceite gleicht aber Phoronis
offenjichtlich, was den Darm und die Tentafelfrone anbelangt, den Bryozoen, wenigjtens
>
N a
EN
Moostierchen, Plumatella repens /.
Vorn etwa 6fach vergrößert, hinten rechts eine Kolonie in natürlicher Größe.
Allgemeines. 3 315
einem Zeil derjelben, den Eitoproften. Die Angehörigen der anderen Unterordnung der
Moostierchen, die Entoproften, weichen überhaupt in manch wichtigem Punkte von den
eriteren ab, jo daß viele Forjcher für ihre Lostrennung von den Mollusfoideen ımd einen
näheren Anjchluß an die Plattwürmer eintreten. Maßgebend ift dabei bejonders das
sehlen der Leibeshöhle und die Form der Nierenorgane.
Srite Klalje:
Movstiere (Bryozoa).
Bringen wir aus einem ftehenden oder langjam fließenden Gemäljer Ajte, Holz-
ftämme oder dergleichen, die lange Zeit untergetaucht waren, an die Oberfläche, fo werden _
mir nicht jelten an ihnen bräunliche oder mweißliche, gallertig erjcheinende Verdiekungen und
Überzüge finden, deren Wejensart uns bei diefer Betrachtung an der Luft ganz rätjelhaft
erjcheint. Stellen wir aber folche Hoßftüde etwa in ein Glas mit Wafer, fo wird fich uns
bald ein überrafchendes Bild darbieten. Zunächft jehen wir, daß die Überzüge, die vorher
zujammengejunfen waren, jic) wieder dehnen und ihre gewöhnliche Geftalt annehmen, wie
wir e8 etiva auf der Tafel „Movstierhen” im Hintergrund abgebildet finden. Bei jchär-
ferem Zujehen erfennen wir alsbald, daß an dem Klumpen ein veges Xeben Herrfcht, denn
Heine mweißliche Gebilde bewegen jich da, ericheinen langjam und verjchwinden blisjchnellf.
Nehmen wir vollends eine nicht zu Jhmache Lupe zur Hand und betrachten einen Teil des
Überzuges genauer, jo bietet fi) ung ein Anblid, wie er, joweit dies eben durch die Hand
des Künjtlers möglich ift, auf der beigehefteten Tafel im Vordergrund ericheint. Die ganze
Iheinbare Gallertmafje bejteht aus Röhren, aus denen weißliche, gefiederte Tentafelfronen
meilt exit langjam und zagend fich Herborjtreden, dann aber jede in Zoım eines eleganten,
doppelten Hufeijens ji) auseinanderbreiten. Ar der Bewegung der im Wajfer jchwebenden
Heinen Schlammteildhen oder Snfujorien, die wie im Strudel fortgerijjen werden, über-
zeugen wir ung, daß die einzelnen Fiedern mit lebhaft arbeitenden Wimpern bejebt fein
müfjen. Was toir da vor una haben, ift nun nichtS anderes als eine Kolonie von Moov3-
tierchen, in diejem bejonderen Fall von Plumatella repens Z., die in Deutjchland überall
häufig ift. Sede einzelne Röhre wird von einem Tier bewohnt, oder jtellt, beijer gejagt,
einen Teil eines jolchen dar. |
An jedem Einzelindivivuum (Zoovecium) einer Moostierfolonie Fann man nämlich)
ziwei Körperabjchnitte unterjcheiden: einmal ein Gehäuje, das in unjerem Falle röhren-
fürmig, bei anderen Arten dagegen oft jad- oder Fajtenartig erjcheint, und das meijt dur)
Chitin oder Kalfeinlagerungen verhärtete Wände befist. Aus diejem jogenannten Cyjtid
jtreckt fich nun der andere Teil, der wegen feiner Ähnlichfeit mit Hndrozoen Polypid ge-
nannt worden ift, und der eine weiche, biegjame Körperwand bejikt. An dem Ende des
Polypids befindet fich die erwähnte, mit Wimpern bejegte Tentafelfrone, deren freis-
oder Hufeifenfürmige Geftalt ein Merkmal für die fyftematijche Einteilung der Alaffe abgibt.
Sie umitellt die Mundöffnung, die bei den Vhylaftolämen (©. 318) von einem Dedel (Epi-
jtom) überragt wird, und die in einen oft musfulöjen Schlund führt. Der Darmfana! hängt
wie eine Schlinge, der Magen zu unterft, in die geräumige Leibeshöhle hinein und endigt
bei den Eitoproften (©. 315) rüdenftändig von der Mundjcheibe nach außen, während bei
ven Entoproften (©. 322) der After von den Tentafeln mit umjtellt wird. GSonjt ganz frei,
316 Mujhellinge: Moovstiere.
toird er nur Durch einen runden Strang, den Funifulus, an die Leibeswand Iocdfer be-
feftigt. Die fchematiihe Abbildung einer Cristatella macht uns diefe Verhältniffe am
beiten Far. Unter der Haut des ganzen Tieres befindet jich eine Lage von Ningmusfeln,
innerhalb deren Längsmusfelfafern verlaufen. Das Polypid fann in das Gehäufe durch
mächtige Rüdziehmusfehr (rm) eingeftillpt und eingezogen werden. Blutgefäße und Aus-
jcheidungsorgane find nicht vorhanden; Dagegen liegt zwiichen dem Anfangsdarm (oe) und
After a das Nervenzentrum in Oeftalt eines Ganglions g, von dem Nerven nach den
Zentafeln t und dem Darın aus-
gehen. Die Moostiere jind Zivit-
ter; ihre eimprüjen entiwideln
jich in der Bededung der Leibes-
höhle, die weiblichen meijt am
Zunifulus. Bejondere Ausfüh-
rungsgänge jind nicht beobachtet.
Die Kolonien verdanken ihre Ent-
jtehung einer ungejchlechtlichen
Vermehrung, einer Bildung von
Stnojpen im der Störperivand.
Heben jolchen äußeren Stnojpen
finden jich bei den GSüßmajjer-
bryogven aber noch innere (st), Die
am Funifulus (£) ihre Entjtehung
nehmen. Wir werden Davon imei-
ter unten noch zu jprechen haben.
Die Entwidelung der im Meere
.. lebenden Bryozoen ijt eine Wie=
tamorphoje unter Durchlaufen
= Be EN. . eines LYarvenzujtandes, während
Längsjonitt burd ein Ginzeltier von Cristatella mucedo (un. lie bei denen . Des Süßmajjers
Nah Cori aus ®. Külenthal, „Leitfaden für das zool. Praktikum‘, 3. Aufl., R 12
Jena 1905. t Tentatel, mu Nusfel der Tentatelfuve, 1 Tentatelträger, e-Mund- mehr unmittelbar verläuft.
fall lm Magen, 2 Onkharm, a Miet, e Sept m Bfinung Kir ve usfger — DIE TNd.. Die einfürmigen
a 2 onen Gomigige es
Baues eimer LTiergruppe, von
der man zwar gegen 1700 fojjile und noch lebende Arten fennt, die aber troß der Anhäufung
der Einzeltiere zu Stöden im ganzen jehr wenig in die Augen fällt. Einige Sippen über-
ziehen wie unfere Plumatella im Süßwafjer Wurzeln und die Stengel der Seerojen bis
zu Armesdide, jind aber dabei jo unanjehnlich und mißfarbig, und die Schönheit der
winzigen Einzeltiere entzieht fich Dabei jo dem Auge, daß auch) durch dieje Majjen die Auf
merkjamfeit nicht erregt wird. Bon äußerjter Mannigfaltigteit und bewundernsmwürdiger
Bierlichkeit find die Stöde der jeebewohnenden Bryozoen, auch von außerordentlicher
Häufigkeit. Sie erheben fich von den verjchiedenften Unterlagen als zierlihe Bäumchen
oder gabelig fich verzweigende Gebilde oder friechen bisweilen in Diejer Verzweigung auf
der Unterlage Hin. Andere wieder verflechten fich zu feinen Negen und Saufen oder
gleichen zufammenhängenden NRajen und Moojen, bilden Blätter, an denen entweder nur
auf einer oder auf beiden Geiten die Tentafelfränze zum VBorjchein fommen.
ee
Allgemeines. _ | 37
gur Beute der Schleppnesfahrten an den Küften des Atlantiichen Ozeans und des
Mittehteeres zählt fehr oft die jogenannte Kebforalle, Retepora cellulosa Cavol., feine
Koralle, jondern ein echtes Moostier, deifen Kolonien einen jchönen Anblid gewähren.
Sm frischen Zuftande erjcheinen die einem feinen becherartigen oder mannigfach gefalteten
und gefrauften Nebwerf gleichenden Stöde von einer rötlichen organifchen Mafje überzogen,
aus der ich Die zarten Borderenden der nur mit ftarfer Qupe deutlich erfennbaren Einzel-
tiere erheben. Die Stöde aber, aus denen die Weichteile durch Bleichen und Ruben ent-
fernt find, haben
Eee. LA ZZ 2
Salz, ba Hg Tr ZZ ee. =
iiegt anifnendiig — = —=
falfige, die einzel-
nen Syndibivuen
verbindende Ziwi-
jhenmajje, Deren
Berhältnis zu den
ven Einzeltieren
angehörigen Teilen
ein ganz ähnliches
it wie bei den Bo--
Iypen. Sn den flei-
nen Öffnungen, die
wie Pünktchen auf
ven ducchbrochenen
Blättern der Stöde
zu jehen find, jaßen
borher- Die 00-
cien. Shre Wars
dungen jind die zu
Gfelett geimorde=
nen Gehäufe.
Ms Beilpil = N
‚Der ungemein zahl- Nettoralle, Retepora cellulosa Cavol. Natürliche Größe.
reichen Überrinden- En
ven, oft auch) zugleich freiblätterig ausgebreiteten Moostierformen des Meeres geben mir
-auf ©. 318 eine Lepralie des Mittelmeeres. Der Fuß des Stodes ruht auf einem
bieläjtigen Gebilde, einer den Algen verwandten, jehr gemeinen Kalkpflanze aus der Ab-
teilung der Melobejieen, und diefe jelbjt ift einem Steine aufgewachjen. Die Einzeltiere
find im Stode in Neihen georönet, und eine Eigentiimlichfeit, welche die Lepralien bon
den Reteporen und anderen Bryozoen unterjcheidet, bejteht darin, daß die Jndividuen fich
nur auf einer Seite des Stodes, aljo in einfacher Schicht befinden.
Die Erhaltung im foffilen Zuftande verdanken die Bryozoen der Erhärtung und Ber-
falfung de3 größten Teiles der Xeibeswand. Die jo wechjelnde Form der ©töde hängt von.
der bejonderen Art der Snojpenbildung ab. Nachdem nämlich das aus dem Ei gefommene
Wejen jich feitgejebt Hat, wird der Stod durch Sinojpenbildung aufgebaut. Snoem bei
318 Mufchellinge: Mooöstiere.
jeder Sippe und Art die Sinojpen an bejtimmter Stelle hervorbrechen und eine bejtimmte
Lagerung zu den Muttertieren annehmen, find infolge Heiner Abweichungen doch die ver-
ichiedenften Kolonieformen das Ergebnis. Da jedes Zodeium des Stodes zu bejtimmter
Zeit auch Eier und Samen herborbringt, jo ijt für die Vermehrung in ergiebigiter Weije
i gejorgt. Man kann am Meeresitrande
‚binnen wenigen Tagen eine reiche
braucht nur Haufen von Tangen jich
nad) Haufe bringen zu lafjen, um fait
an jedem blattartigen Teile Diejer
niederen Pflanzen gemwilje Arten an-
zutreffen; und imo der Meeresboden
= nicht gar zu unfruchtbar und ungün-
tig ift, find die Steine und die noch
vollen und die leeren Schnedenge-
— Häufe und Mujchelichalen mit Bryo-
= ;oenjtöcchen bejeßt, die man aller-
= _ dings oft exft bei forgjamer Durch-
ni T- Mujterung mit der Lupe enivedt.
a Da unjere Tierchen in dem gro-
= : — Ken Konzert der organischen Welt
feine große Rolle jpielen, ijt aus dem
Dbigen Kar. Fhre Anzahl it aber
wieder jo erheblich, die Einzelheiten
ihrer Organe, die Art und Weife ihrer
Stnojpenbildung und Fortpflanzung
ea ZERH
Cine Zepralie. Natürliche Größe.
jind jo mannigfaltig, daß die Bejchäf-
tigung mit ihnen ein Naturforjcherleben auf Jahre auszufiillen imftande it, wie die um-
fangreiche Literatur über fie beweilt. Die Hauptanhaltspunfte für die jitematijche Ein-
teilung find der Bejchaffenheit des Mundes und der Fühlerfrone entnommen, wie mir
menigjtens durch einige Beijpiele zu belegen verjuchen werden.
Nach) der Lage des Aiters zum Tentafelfranz teilt man die Moovstiere in zwei Ord-
nungen: 1) die Ectoprocta, bei denen der After außerhalb, und 2) Die ee bei
denen er innerhalb des Tentafelfranzes miindet.
Grjte Ordnung:
Eetoprocta.
1. Unterordnung: Armwwirbler (Lophopoda oder Phylactolaemata).
Die Mehrzahl der Moostierchen des füßen Wafjers gehört der Unterordnung der
Armtwirbler an, deren Mund mit einem zungenförmigen Dedel, dem Epijtom, verjehen
it (Daher der Name Phylactolaemata). Shre Siemen find Hufeifenförmig (daher auc)
Lophopoda), am Grunde von einer felchförmigen Haut umwachjen. Die Cyitive find ent-
weder ganz weich oder hornig und fommen daher im foffilen Zuftande nicht vor.
— — Ürnte an Bryogoen machen. Man
|
4
Ecetoprocta: Armwirbler. 319
Eine jehr merkwürdig jich verhaltende Sippe ift Cristatella Ouv. Gie bildet elliptifche
Kolonien, die nicht feitgewachjen find, jondern langjam Friechend auf jchleimiger Sohle jid)
fortzubewegen vermögen. Al3 richtender Reiz fann 3. B. das Licht wirfen. Die Beweaung.
der ganzen Kolonie wird Dadurch) einheitlich, Daß neben den Nerven jedes einzelnen Tieres
noch ein bejonderes Nervenjyiten bejteht, Das mit dem der Einzeltiere in Verbindung fteht
und von Nachbar zu Nachbar durch Offnungen zieht, durch die auch die Leibesflüffigfeit des
einen ven übrigen zujtatten fommt. Ein Kommunismus idealfter Art! Auf plößliche Reize
hin, etwa auf eine jtarfe Erichütterung oder dergleichen, pflegt Die ganze Stolonie jich von
ihrer Unterlage zu löjen und im Wajfer zu Boden zu finfen oder mit dem Strome fortzu>
treiben. Wir fernen nur eine Art, Cristatella mucedo Cwv., die für jich die Jamilie der
Cristatellidae ausmadt. Cine folche Kolonie ijt gewöhnlich gegen 5 cm lang, man
hat aber auch jolche von 30 cm beobachtet.
Unjere Plumatella fungosa Pall. ijt ein Bertreter der Plumatellidae ımd zugleich
das bei uns gemeinite Moostier. Ulmer unterjcheidet noch vier weitere Arten derjelben Gat-
tung aus unjeren Gemäjjern, von denen nur der auf der Tafel bei ©. 315 dargeftellte Feder-
bujchpolyp, Plumatella repensZ., genannt fei, dejjen Röhren hirichgeweihartig verzweigt
find. Unregelmäßig veräftelt find die Kolonien von Fredericella sultana Blbeh., während die
bon Lophopus erystallinus Pall. gelappte, jadförmige Überzüge auf Blättern, Zweigen ujio.
bilden. Bei diefen Bryozoen des jüßen Wajjer3 treffen wir nun überall neben der ge-
ihlechtlihen Fortpflanzung die ungejchlechtlichen VBermehrungsarten, deren mir jchon Er-
wähnung taten, als Anpaffung an äußere Berhältnijje, Winterfälte, Austrodnung ujm. Gie
wurden in neuerer Zeit namentlich von Kraepelin und Braem genauer unterjucht..
Die ungejchlechtliche Vermehrung vollzieht jich Durch Kteimförper, Die von zweierlei Art
jein fönnen. Bei der Gattung Paludicella Gerv., die, wie wir nachher jehen werden, einer
ganz anderen Ordnung angehört, aber Doch wie die bis jebt erwähnten Sormen im Süß-
wajjer Iebt, bilden jie jich Ende September innerhalb weniger Tage durch einfache Alb-
jchnürung vom Stode, der darauf zugrunde geht. ©ie find von jehr verjchievdener Größe,
zeigen aber die Berhältnifje anderer, mit dem Stode in Zujammenhang bleibender Sinojpen
von gleicher Größe: e3 find eben tatjächlich losgelöfte Knojpen, jogenannte Winterfnojpen,
die an den Reften der horizontal Friechenden Bmweige der Paludicella-Stödchen haften-
bleiben und im nächiten Frühjahr an Ort und Stelle zu einer neuen Kolonie ausmachen,
bon den aufrechtftehenden aber durch das Wafjer weggejpült werden und in ber Terne
neue Anjiedelungen zu gründen bejtimmt jind.
Anderer Natur ift eine zweite Art von Keimförpern, die jich al? Zellhaufen auch Ende
de3 Sommers am Funifuhus bilden, von ovaler oder runder abgeplatteter Geftalt find
und eine eigentümliche Echale um fich abjcheiden (Abb., ©. 320). Dieje ijt von horniger,
dDurchfichtiger Beichaffenheit, von bräunlicher oder gelblicher Farbe und bejteht aus zwei
Klappen, die wie Uhrgläjer aufeinander gepapt find. Der beide Klappen umgebende Rand
it oft verbreitert und enthält im Snneren Heine Luftfammern oder radiär abjtehende ftarre
Hornfäden mit Wiverhafen am Ende. Diefer Ring, der „Schwimmgiitel, dient dazu, die
fertigen, Statoblajten genannten Winterfeime auf der Oberfläche des Wajjerz zu erhalten.
Die Widerhafen ftellen gewijjermaßen Anter dar, mit denen die von Wind und Wellen fort-
getriebenen Statoblajten an geeigneten ©tellen, an denen fie ji) im nächiten Frühjahr
enttiefeln werden, hängenbleiben. Die Entwidelung wird dadurch eingeleitet, daß jich
320 Mujhellinge: Moostiere.
die beiden Klappen zu einem Spalt auseinandergeben, aus dem die Keimmafjje austritt.
Aus den auf ungejchlechtlihem Wege hervorgebrachten Winterfnojpen und Statoblaften
erjcheinen Yndivivuen, die fich gejchlechtlich fortpflanzen, und deren Nachfommenjchaft
jchließlich wieder die Winterfeime Tiefert. Dabei ijt nicht ausgejchloffen, Daß die Stödchen,
die aus jolchen fich entwidelt Hatten, eine Zeitlang zwar gejchlechtlich fich fortpflanzen, im
Herbjt aber jelber auch Statoblaften liefern. Das Wachstum der Bryozoenftödchen durch
tnojpung, das Ablöfen der Winterfnojpen bei Paludicella, die Bildung der Statoblaften
und 003 Auftreten von Giern zeigt uns jo recht, wie Wachstum und Fortpflanzung mit-
einander zujammenhängen..
Braem ijt ver Meinung, daß Die Statobfaften
‚wenigitens bon Oristatella einfrieren müjjen, um
entwidelungsfähig zu bleiben. Er bemerft über
ven Einfluß des Frojtes auf die Statoblaften:
„m Ddeutlichiten zeigte er jich Dann, wenn bon
den Gtatoblajten der nämlichen Kolonie nur
eine Hälfte dem Frojt ausgejegt wurde, die an-
dere ihm Dagegen entzogen blieb. Während in
diejem Falle die eritere jich zur Erzeugung von
Embryonen durchweg als tauglich erwies, fonnte
jene einjtweilen durch feine Bemühungen zur
Entwidelung gebracht werden, jelbjt dann nicht,
wenn die Temperatur dem Nullpunft jehr nahe
geitanden Hatte. Man fieht aljo, daß bei der
völligen. Gleichartigkeit Des Materials iur der
Sroftdas ausjchlaggebende Moment bilden fonnte,
Statoblaft von Crletatelle mucedo Cuv., oben und vah ferner gerade die Srjlarrung der ölüfig-
von ber Zläe, unten von ber Ceite gejehen. Start feit, nicht bloß eine verhältnismäßige Abkühlung,
N nn es N nom Bedeutung if, Sannerhin chemie on.
auch der Froft nicht allzu flüchtig jein darf, und
daß er wenigiteng einige Tage anhalten muß, wenn fein Einfluß deutlich Herbortreten joll.”
Dieje Beobachtung it merkwürdig, aber es it zu bezweifeln, ob eine Verallgemeine-
rung des Beobachteten gerechtfertigt ift. Für die nördlichen Berhältnijje Königsbergs
mag die Sache gelten, aber für andere Gegenden nicht. Sr Wejteuropa entlang der Küfte
ind Winter, in denen das Wafjer nicht zu Ei gefriert, nicht ausgejchloffen, und Doch
findet fich dort Cristatella. Ebenjo willen wir, daß Fris Müller. in Brafilien und Carter
in Britiich- Indien Statoblaften bei Brhozoen a haben.
2. Unterordnung: Kreiswirbler (Stelmatopoda oder Gymnolaemata).
Ungleih zahlreicher jind jolhe Familien der Moostierchen, denen der Mundpdedel,
da3 Epiitom, fehlt, deren Mund daher unbededt ift. AS zweites Hauptmerfmal ift anzu-
führen, daß die Tentafel nicht Hufeifenförmig angeordnet find, fondern im Seife auf einer
Scheibe jtehen. An diefe wichtigjte Eigenjchaft joll der eine fyftematifche Name für diefe
Unterordnung, Gymnolaemata, erinnern, womit eben das Unbebedtjein des Mundes
bezeichnet wird.
Ectoprocta: Streismwirbler. 321
Bu den wenigen Süßtvafjerbemohnern unter den Kreiswirblern gehört die Familie
der Paludicellidae mit der obenermwähnten Paludicella ehrenbergi Bened., an welcher
der Tentalelfranz unvollfiommen ausitülpbar it und daher auch im Zuftande der größten
Ausdehnung des Tieres von einem doppelten Kragen umgeben erfcheint.
Cine andere, und zivar jehr umfangreiche Öruppe der Oymnolämen find die fogenann-
ten Chiloftomen, bon deren Beichaffenheit uns die in der Nordfee gemeine Flustra
foliaceaZ. aus der Jamilie der Flustridae eine Vorftellung geben fan. Die vergrößerten
- Bellen, die twir auf der untenftehenden Abbildung jehen, find jener erhärtete Teil des Tieres,
in den jich der meich bleibende Vorderteil zurüdziehen fann. Dies gejchieht duch eine
querjtehende Offnung, an der fich ein lippenartiger elaftifcher Dedel befindet. Die Tierchen
fönnen aljo in diejem Gehäufe jich abjchließen und fichern, und diejenigen Sippen, die nicht,
iwie Flustra und andere, mit einem bejonderen :
Dedel ausgejtattet jind, fünnen die Duerjpalte
duch Muskeln zujammenziehen. Die Kolo-
nien unjerer Flustra bilden blattartige, ver-
zmweigte Lappen, Die auf beiden Geiten aus
einer Tage eng aneinanderliegender Jndividuen
zufammengejet jind. Die Zellen verfalfen,
jedoch nicht jtark, jo daß jie im friihen Zuftand
elaftijch und mit dem ganzen Stod fjehr bieg-
jam bleiben.
Bei ven Gymnolämen und unter ihnen
ganz bejonder3 bei den Chiloftomen kommt
an den Stöckchen Arbeitsteilung vor, d.h.
die einzelnen jie zujammenjegenden Tierchen
zeigen einen ungleichartigen Bau und dienen Fr "gerne vogts einige perarökerte Bellen
erjchtedenen phyjiologiihen Leiltungen. CS
finden fich Zoöcien, Stolonen, Aoifularien, Vibrafeln und Opicellen. Die Zoöcien find
die eben erwähnten, in die Gehäuje zurüdziehbaren und am bieljeitigiten entiwidelten
Mitglieder der Kolonie, die zur Aimung, Nahrungsaufnahme und Verdauung, wohl aud)
zum Empfinden dienen. Die Stolonen find wurzelartige Ausläufer der Stödchen, die
aus jehr vereinfachten Smdivivuen beitehen und die Befeitigung der ganzen ©ejellichaft
auf unter ihr befindliche Gegenjtände, Steine, Mufcheln, Schnedenjchalen uji., vermitteln.
Höchit eigentümliche Gebilde find die Avifularien. Sie gleichen auffallend dem Kopf
eines Vogels, etiva eines Papageien, es find Zangen mit einer größeren oberen (Schädel
und Oberfiefer des Vogels) und einer Heineren unteren Bade (Unterkiefer), die jich fort-
während mittel8 eines ziemlich verwicelt angeordneten Musfelapparats öffnen und jchließen.
Sie fißen beweglich auf einem furzen Halje und immer in der Nähe des Einganges in ein
Bodctum. Schnappend menden jie fich nach allen Seiten, und da die Bryozoenjtödchen
feine Ausnahme von anderen jtodartig entiwidelten Meerestieren bilden, jondern ebenjo
häufig wie dieje von allerlei Heinem Getier, Würmern, Krebschen, Larven ujw., als Ruhe-
jtellen aufgejucht merben, fo Tann e3 nicht ausbleiben, daß ab und zu eins diefer Ge-
ihöpfchen in den Bereich der jchnappenden Zangen gerät, die e8 paden, halten und das
tote zwischen jich in Berwefung übergehen lafjfen. In unmittelbarer Nähe des Wimperjpiels
Brehm, Tierleden. 4. Aufl. I. Band. 21
322 Mufchellinge: Moostiere.
des Tentafelfranzes am Zodctum befindlich werden die Teilen der verfaulenden Beute,
aber auch allerlei Heine, durch diefe herbeigelodte DIrganismen dem Crnährungstier zu-
gejtrudelt und berjchtwinden in jein Maul. Die Bibrafeln find lange, fadenförmige,
äußerft bewegliche Gebilde, die gleichfall® auf furzen Stielen jigen und wie Peitfchen fort-
während hin und her jehlagen. Shre Bedeutung ift nicht ganz Har. Bielleicht find es
einem befonderen Ziwvede dienende Taftorgane, vielleicht verjheuchen jie läjtige Bejucher
des Stodes. Die Dvicellen, aud) Döcien
(Cierhäuschen) genannt, jigen als glodenz,
helm- oder blajenfürmige Gebilde am unteren
Ende der Zoöcien und enthalten je ein Ei, jie
find aljo Brutfapfeln für das u
godctum.
Sehr Schön und deutlich ausgebildete Abi-
fularien finden wir bei der im Mittelmeer
häufigen Bugula plumosa Pal. und B. avicu-
laria ZL., die der Familie der Bicellariidae
angehören. Durch eine eigenartige, dreiedige,
jeitlich flach gedrücdte Yarve (Cyphonautes ge-
nannt) ijt Membranipora pilosa L. ausgezeich-
net, ein Vertreter der Heinen Jyamilie der Mem -
| braniporidae. ®ie auf ©. 317 gejchilderte
abaliors verrucosaM.-E. a) Teil eines Stodes, Nebforalle, Retepora cellulosa Cavol., gehört
Bu a J ein Std ohenfo wie Lepralia pertusa Hsp. der Yamilie
der Escharidae at.
Sn wejentfich anderem Verhältnis al3 bei den Chilojtomen jteht bei Tubulipora tla-
bellaris F. au der Familie ver Tubuliporidae der einftülpbare Teil zum jtarren Zellen-
teil; die Mündung ift endftändig und weit und geht ohne Verengerung in das weiche
Vorderende über. Die Familie, eine von jehr vielen diefer Nundmiündigen oder CHyflo-
itomen, bildet mit ihren Stöden fchüffelförmige Inkruftationen mit ftrahlenfürmiger An-
ordnung der Einzeltiere, toie die vergrößerte Hälfte Figur a an Tubulipora verrucosa M.-E.
zeigt. In Figur b finden wir einige noch mehr vergrößerte Zellen.
Zweite Ordnung:
Entoprocta.
Viele Syftematifer reihen den eben gejchilderten Moostieren noch einige Gattungen
an, deren am meiften in die Augen fallendes äußeres Merkmal die Lage des After inner-
halb des Füühlerfrangzes ift, und die man deshalb Entoprocta genannt hat.
hr Körper gleicht mehr oder weniger einem Weinglafe und befteht aus einem Stiel,
mit dem das Tier auf der Unterlage feitgeheitet ijt, und dem eigentlichen Felchfürmigen
Rumpfe, der die Eingeweide enthält. Die äußere Haut jcheidet eine Kutifula ab. DBe-
jonders am GStiele fann diefe Hülfe ziemlich feft werden und bei manchen Zormen, 5. D.
bei der auf ©. 323 abgebildeten Pedicellina echinata Sars, mit Dornen bejeßt jein. Der
r
Entoprocta. : 323
Rand des Kelches trägt einen Kranz von Fiihlern (t), die einmwärt3 gefrummt und auf der
‚sunenjeite mit langen Wimpern bejegt find. Am Grunde des Kelches, dicht unterhalb
des Fühlerfranzes, liegt die Mundöffnung und ihr gegenüber der After.
Den inneren Aufbau des Tieres werden toir am beiten an der Hand der Abbildung B
veritehen. Sie jtellt einen etwas fchematijchen Längsjehnitt durch die Körpermitte dar,
der die Mund- und Afteröffnung mit trifft. Durch einen folhen Schnitt wird das Moos-
tierchen in zwei [pmmetrijche Hälften geteilt. Wir fehen den hufeifenförmigen Dar (d); die
beiden Schenfel jtellen den Anfangs- und Enddarm dar, während der mittlere, mit hohen
Bellen ausgeftattete Abjchnitt der Magen ift.
Zmwifchen Mund (0) und After (a), der Speife-
töhre anliegend, ne jih ein Nervenfnoten
(g) und vor legterem ein Baar Nephridien (n).
Weiter nach dem Aiter zu jehen wir die Ge-
ichlechtspriifen (h), deren Ausführgänge in den
HohlraumdesBechers(dasAtrium)ausmünden.
Die meilten Entoproften jind getrennten Ge-
ichlechtes, man fann aljo bei ihnen zwijchen
Männchen und Weibchen unterjcheiden, einige
wenige jind jedoch Zwitter. Alle Eingemweide
ind eingebettet in einem dichten, don reich-
fihen Musfeßellen durchjegten PVarenchym
in der Weije, mie wir eS bei den Plattwür-
mern fenmengelernt hatten; eine geräumige
Zeibeshöhle fehlt vollfommen. Das it na-
türlich ein fchwerwiegender Unterjchied gegen-
über den eitoproften Bryozoen, und biele
Toricher find deshalb für eine Trennung der
beiven Ordnungen und den näheren Anfchluß
Der Entoprocta an die Plathelminths nm ee en
getreten. Yu) der Stiel it bon jolcdem Var- Pedicellina echinata Sars. A) Einzeltiev mit junger
enchym ausgefleidet und außerdem von Mus- zig Son”, 8.20. Keinsig1880. Bug Br. o) Emil,
felfajern durchzogen, die eine jehr große Be- tier im Durhfänitt. ber guolage. „zebhrbud
mweglichfeit der Tierchen ermöglichen.
Die Fortpflanzung erfolgt auf ungeichlechtlihem oder gejchlechtlichem Wege. Durch
Knojpung entftehen junge Tiere, die ehnell und ohne die Umschmweife einer Verwandlung
die Geitalt des Muttertieres erreichen und entweder nach erlangter völliger Reife abfallen,
um neben ihrer Erzeugerin fich feitzujegen, oder dauernd mit ihr in Verbindung zu
bleiben. Sn diefem Falle gehen nach und nach) aus einem Muttertiere Eleine Kolonien
hervor. Aber die Vermehrung befchränft fich nicht hierauf. Zeitweife, aber ohne daß Die
geichilderte Fortpflanzung durch Seitenfprößlinge unterbrochen wird, treten aus dem Cier-
jtod befruchtete Eier (b) nach oben in das Atrium und entwideln jich da zu Wefen, die gar
feine Ähnlichkeit mit den reifen Tieren haben. 3 find Larven, die eine weitere Berwand-
lung durhmacdhen müfjen, mit Scheitelplatte und Wimperring ausgerüftet find und fich
ohne große Schmwierigfeit auf die Trochophora-Larve zurüdführen Yafjen.
Die meilten Entoprocta find Meeresbemwohner, nur die Öattung Urnatella Leidy Yebt
21*
324 Mujchellinge: Armfüßer.
in füßen Gewäfjern Nordamerikas. Sie führen zum Teil ein recht veritectes Dajein umd
nähren fie) von den Heinften im Wafjer ehwebenden Lebemwejei. Dieje werden durch die
Flimmerchen der Tentafel in eine Hufeifenförmige Rinne am inneren Umfreife der Fühler-
Scheibe geftrudelt und in diefer weiter nach dem Munde geleitet.
Die in unferer Abbildung (©. 323) dargeitellte Pedicellina echinata Sars ijt im
Mittelmeer und in der Nordjee (3. ®. bei Helgoland) heimijh. Die Köpfchen erheben
fich von einem Wurzelgeflecht, das alle Tiere der Kolonie verbindet und auf der Unterlage
hinfriecht. Ebenfalls zu Stödchen vereinigt und wie Pedicellina getrennten Gejchlechtes
find die Individuen der Urmatella gracilis Leidy. Loxosoma neapolitanum Kow. und
Loxosoma singulare Keferst. find dagegen zwwittrig, und bei ihnen löjen jich die Einzeltiere
nach erlangter Reife los. Sie leben verborgen in den Hohlräumen der Hornjchwänme.
Zweite Klaffe:
Armfüßer (Brachiopoda).
Über dem deutichen Namen diefer Tierklaffe waltet das in der Naturgejchichte leider
nicht feltene Verhängnis, daß er durchaus irreführend ift, fofern ex eine charafteriftiiche Eigen-
tiimfichfeit der Tiergruppe, der er gegeben wurde, bezeichnen foll. Man ging einjt von der
Borausfegung aus, daß man es hier mit Weichtieren zu tun habe, und da man dort eine Stlafje
der Kopffüßer, eine andere der Bauchfüßer fennt, wurde nach einem entjprechenden Namen
gejucht, der die Eigentümlichfeit der neuen Abteilung jenen gegenüber ausdrüden jollte.
Alfein die fogenannten Armfüßer find arm- und fußlos, fie Haben weder Arme, die jich mit
den um den Mımd geftellten Gang- und Gehmwerkzeugen der Cephalopoden, noch einen Fuß,
der fich mit der Sohle der Schneden oder mit dem Beilfuße der Mujcheln vergleichen Tieße.
Die früheren Naturforscher haben ihnen eine Beziehung angedichtet, die nicht vorhanden
ift, und nach der man deshalb greifen zu fünnen glaubte, iveil eine andere Übereinftimmung
dazu verleitete. Man bezeichnet nämlich mit dem Namen Armfüßer oder Brachiopoda
eine Tiergruppe, die allerdings durch ein zweiflappiges Gehäufe fich auf das engite an Die
Mufcheltiere anzufchliegen fcheint, fo eng, daß man bis in die neuere Zeit hinein jie als
eine Ordnung jener Slafje anzujehen gewohnt war. Jr zivei jpiralig eingerollten Organen,
die neben der Mundöffnung entjpringen, glaubte man die zum Herbeiholen der Nahrung
verwendbaren Werkzeuge erbliden zu müfjen, indem man vielleicht unmillfürlich an Die
damals von Cupier auch fir Weichtiere gehaltenen NRanfenfüßer unter den Srebjen dachte.
Das Mikverftändnis fonnte fich um fo eher einniften, als bis vor ungefähr 50 Jahren die Tiere
faft nie lebend beobachtet wurden und erjt die neuere Zeit Die Aufklärung brachte, daß diefe
vermeintlichen Fangarme gar nicht imftande find, den ihnen zugejchriebenen Dienft zu
verrichten, fondern in Wahrheit die Kiemen find. Die 1873 und 1874 veröffentlichten
Unterfuchungen des Amerifaner® Morje und des Auffen Ktotwalemwffy Haben vielmehr Die
ichon einmal von dem genialen Steenftrup ausgefprochene Anficht, die Armfüßer jeien
jtark umgemwandelte Winmer, bis zu einem gewilfen Grade betätigt und durch die Dar-
legung von deren innerem Bau und ihrer Entwidelungsgejchichte einigermaßen bekräftiat.
63 geht wohl aus diefen Zeilen hervor, daß von den Lebensäußerungen und Taten
diejer Wefen wenig zu berichten fein wird. Sie gehören zu den langweiligiten und ver-
Ihlojjeniten Mitgliedern der großen Lebemwelt.
ee
nn
Allgemeines. 325
Olüclicherweife jind andere Seiten an ihnen der Beachtung und Betrachtung höchit
wert. Zuerjt will Aufbau und Stil ihres Körpers verjtanden fein, und wenn uns dies zum
größten Teil gelungen fein wird, dann merden wir die ungemeine Zähigfeit beftaunen,
mit der jie jeit den ältejten Zeiten der tierifchen Schöpfung, foweit fie uns näher befannt
jind, den Wechjel aller Lebensbedingungen über fich hingehen ließen, ohne fich mwefentlich
zu verändern. Die Blütezeit der Stlafje ift längft vorüber; nicht nur in Arten, fondern noch
viel mehr in gndividuenzahl mucherten fie einft fo, daß ftellenweife aus ihren Anhäufungen
dide Zelfenjhichten entftanden, und daß dem Geologen ihr Vorkommen ein unentbehr-
liches Hilfsmittel zur näheren Bejtimmung der Reihenfolge in den älteren Gebirgsforma-
tionen ift. Den jeßt lebenden etwa 150—160 Arten von Armfüßern, die wir fennen, ftehen
gegen 7000 foljile gegenüber. Wichtige Schlüffe laffen fich aus der Übereinftimmung der
heutigen Armfüßer mit ihren älteften Vorfahren auf die Beichaffenheit der Urmeere ziehen.
shr eigentliche Herfommen aber, ihre mwahrjcheinliche Blutsverwandtichaft blieb bis in
die nreuejte Zeit verborgen, und die bloße Tat-
jache ihres vollendeten Borhandenjeins in den
ältejten gejchichteten Gefteinen drängte unabmweis-
bar für fich allein jchon zur Vorausjegung, daß
unjere jogenannte Primordialfauna, d. H. die
Tierwelt, die wir bis jest als die ältejte anfehen
zu müffen glaubten, eine vielleicht ebenjo lange
und ebenfo alte Reihe von Vorfahren gehabt hat,
ie bon ihre bis zur heutigen Lebemwelt nac)-
gemiejen it. Pr : E Waldheimia (Magellanea) flavescens Val.
Yu Der Naie in der Zoologie wird geneigt Aus K. A. v. Zittel-Broili, „Grundzüge der Pa
jein, werm er die folgenden Mobildungen der Tiere u, Pr ne use Muste
jtüchtig Betrachtet, fie für bie allernächften Wer- ". Snesiume m sen ausgeramen Sam.
wandten der Mufcheln zu Halten. Bei näherer
Kenntnisnahme zeigen jich aber doch die erheblichjten Berjchiedenheiten in dem Gehäufe
und in den Weichteilen diejer Gejchöpfe, ohne daß vermittelnde Glieder die Herleitung
der einen Klafje aus der anderen verjtändlich machen könnten. Dagegen ijt die von Miorje
durchgeführte Bergleichung mit den NRingelwürmern von ziemlichem Erfolg gemwefen, zumal
auch die Entwidelungsgef chichte uns zum Verftändnis verhilft. An den Mufchelmwirmern, tote
mir fie bejfer nennen follten, ift nicht die Xebensweife der einzelnen Tiere das Anziehende,
jondern die Entftehungsgefchichte der ganzen Kaffe, von der ung die Entwidelung des Ein-
zelmwejens eine wiljenjchaftlich begründete Borftellung gibt. Doc hiervon meiter unten.
Wir wollen unfere Studien an die in der heutigen Welt verbreitetite Samilie der
Terebratuliden anfnüpfen. An allen Arten der Gamilie fällt ung fofort die Ungleich-
heit der beiden Schalenhälften oder Klappen auf; die eine ift bauchig, größer al die andere
und am Schnabel dDurchbohrt. Durch Ddiefes Loch tritt ein furzer, jehniger Stiel hervor,
womit das Tier an unterjeeifche Gegenftände angeheftet ift. An den vom Tiere und den
tierifchen Reften überhaupt befreiten Schalen fieht man num bei dem Verjudh, die Klappen
boneinander zu entfernen, daß fie in der Nähe des Schnabel3 durch ein Schloß miteinander
berbunden find, in der Art, daß ein paar Zähne der größeren Klappe in Gruben der
Hleineren Rlappe aufgenommen find. Sie fünnen nicht, wie die Mujchelichalen, ausein-
anderfallen, objchon fie das elaftische Band jener, daS Ligament, nicht bejigen. Aus der
326 Mujchellinge: Armfüper.
Lage des Tieres und der Lagerung jeiner Teile Ihließt man, daß die größere bauchige
Schalenhälfte a8 Bauchflappe, die andere als Dedel- oder Rüdenflappe zu be-
zeichnen ift. Bon der Schloßgegend. der legteren ragt ein zierliches jchleifenförmiges Kalt
gerüft nach dem gegenüberliegenden freien oberen Rande hin, in dejjen verjchiedener Ent-
widelung und Gejtalt man mwillfommene Anhaltspunfte für eine gründliche Shitematif der
Familien und ihrer Unterabteilungen gefunden hat. Auch an den gut erhaltenen Schalen-
reften der vormweltlichen Brachiopoden ift Form und Ausdehnung Des Gerüftes wohl zu
erfennen und aus diejen auf Die Bejchaffenheit der wichtigen Organe zu jchließen, von der
die Mafje ihren wifjenfchaftlichen Namen erhielt. Sowohl das Schliegen wie das Dffnen
der Klappen gejchieht im Gegenjab zu den Mujcheln durc) Musteln (a und e in der Figur
auf ©. 325), die von der Bauchjchale entjpringen und zum Teil nad) Hinten vom Schloß
an den Schloßfortfab (pr), zum Teil davor an der oberen Schale jelbft anjegen.
Das Kalfgerüft dient alS Träger und Stüße zweier jpiralig eingerollter, mit längeren
Tranfen (h) bejeter Lippenanhänge oder Arme (d). Dieje nehmen ven größten Zeil
de3 Gehäufes ein, indem fie vom Munde (v) ausgehen, umnter-
bunden find. Der gewundene Stiel und Schaft der Arme ijt nur
geringer Bewegungen fähig, auch die Sranjen find ziemlich fteif,
alle diefe Teile aber von Kanälen durchzogen. Gie jind Dadurd)
in hohem Grade geeignet, als Atmungswerkfzeuge zu dienen. Cs
hat jich zwar gezeigt, daß fie ihrem Namen als Arme wenig Ehre
4 machen, indem, abgejehen bon Rhynchonella, von einem Ser-
Rücdenklappe von Tere- boritreden aus dem Gehäufe und Ergreifen der Nahrung feine
pratulina apnfserpen Mode ift, indem fie aber (wiederum wie die meiften derartigen
Atmungsorgane) mit Flimmerhärchen bededt jind, gleitet infolge
der hierdurch erregten Wafjerftrömung die fein zerteilte Nahrung bis zur Mundöffnung.
Der Darmfanal ift furz und endigt blind (z). Dieje Bauverhältnifje werden vielleicht noch
deutlicher durch unjere obenstehende Abbildung der Nüdenklappe einer Terebratulina ver-
anjchaulicht. Da ift der Mund mit o, das blinde Ende des Darımes mit x bezeichnet.
Die bisher bejprochenen, beim Offnen der Stlappen zunächjt in die Augen fallenden
Teile jind von zwei dünnen Mantelblättern umhiüllt, die fich eng an die Klappen an-
ichmiegen und dieje durch Stoffe bilden, die von ihrer Oberfläche abgejonvert jind. Sr
gefäßartigen Ausweitungen diejfer Blätter liegen auch die Fortpflanzungsorgane, die jehr
einfach gebaut find. Die Gejchlechter find getrennt und in einigen Fällen an der ber-
Ichiedenen Horm der Schale zu erfennen.
AS Ausführungsgänge für die Gejchlechtszellen, zugleich wahrjcheinlich als Nieren
dient ein Baar Häutiger Trichter, die inwendig fiimmern, mit ihrem freien offenen Ende
in die Leibeshöhle münden ımd Gier fowie Samen nach außen leiten. Wir erwähnen Dieje
anatomijchen Einzelheiten, weil aus der Bergleichung der zwei Trichter mit den jogenannten
Segmentalorganen der Würmer ein u für die Beriwandtjchaft beider
Gruppen hergeleitet worden ift. |
Dieje Berwandtjchaft wird nun ganz meenitith auch duch die Entwidelungsgejchichte
der Armfüßer bekräftigt, weshalb wir, ehe wir da8 Vorkommen und Stilleben einiger
Öattungen fchildern, diefe Verhältnifje näher beleuchten. Früher befaß man mur über den
unten näher befchriebenen mittelmeerifchen Brachiopoden, Thecidium mediterraneum Rüsso,
U
halb dejjen fie Durch eine ebenfalls gefranjte Häutige Brüde ver-
Allgemeines. 397
durch den Parifer Zoologen Lacaze-Duthiers einige nähere Kenntnis, aber nur bis zu einer
Stufe, von wo aus die weitere Entwidelung nicht erjchlofjen werden fonnte. Die Eier,
die jich entwideln jollen, geraten in eine von dem unteren Mantellappen gebildete Tafche.
Sn dieje jenfen jich auch Die beiden zunächit iegenden Armfranjen, die dieler werden und
gegen ihre Enden zu ein paar Wülften anjchwellen, an die fich die Eier anfegen, und mit
[4
° Entwidelungsftufen von Argiope. Stark vergrößert.
denen jeder Embryo vermittels eines furzen Bandes geradezu verwächjlt. Der Embryo erhält
nun, nachdem er jich zuerjt wie eine Semmel geitaltet hat, da3 Anfehen eines kurzen plum-
pen Ringelwurmes. Ein oberer Fortjag ift der vom Naden ausgehende Stiel, Durch den
das Feine Wejen an die in die Brufttafche ragenden Armfranjen befeitigt ijt. Der vorderjte
Fleinere Abichnitt nimmt jich aus wie ein Kopf; er trägt vier Augenpunfte und eine Bertie-
fung, den fünftigen Mund. Zwei didere, mittlere Ubjchnitte find von einem vierten, Hleineren
fortgejegt, alle mit Slimmerzilien bejebt.
Morje und Komalemwift) Haben gezeigt, wie die Verwandlung vor fich geht. Der hin-
terite Mbjchnitt wird zum Anheften benugt, der Kopf und der fragenartige Ring jenfen fich
328 Mujchellinge: Armfüßer.
in einen Aufjchlag hinein, der von dem folgenden Ninge gebildet wird. Diejer Aufjchlag
wächft mehr und mehr nach oben und bildet die jo oft dem Hautmantel der Mujcheln ver-
glichenen beiden Lappen, von denen die Abjonderung des Gehäufes ausgeht. Das junge The-
cidium zieht fich in fich zurücd und nimmt gleichjam Abjchied vom bisherigen freien Leben,
um bon num an in fremdartiger Öeitalt jich einer einftedlerifchen Bejchaulichfeit zu ergeben.
Berfolgen wir dDiefe Verwandlung in ihren Haupttufen an Stomalewitys Hand noch
an einer anderen Gattung, Argiope. Wir jehen in Figur a (Abb., ©. 327) die Dreigeteilte
Schmwärmlarve. Der mit Flimmern bejegte Schirm entjpricht dem Stopfe und Dem
Kragenjegmente de3 Thecidium. Der mittlere, größte Körperabjchnitt birgt zwei Musfeln,
die jich jpäter nach dem Stiel herabjenfen. Die nad) unten gerichtete Freisförmige Haut-
falte mit den herboritehenden Nadelbiindeln trägt noch fein Zeichen ihrer jpäteren Um-
jtilpung an fich, wie denn auch das Hinterende, einfach abgerundet, noch nicht jeine Fünftige
Berwandlung zum Stiele verrät. Unjere Larve ähmelt jegt jehr der eines Borftentwirmes,
nur tritt feine Sortentwidelung in der erwarteten Richtung, fondern eine Rüdbildung ein,
die wir in Figur b fchon in vollem Gange finden. Hier ift die Feltjegung erfolgt, Der
Hautteil des Mittelringes hat fich umgefchlagen, um zu der ven Mantel der Armfüßer
bildenden Hülle zu werden. Der Kopfjehiem ift im Ochwinden.
Sn Figur e ift die Verwandlung in ein äußerlich auch nicht entfernt an einen Glieder-
wirm erinnerndes Wefen vollzogen. Das Hinterende geht in einen Etiel über, mittels
deifen das Tier für immer befeftigt ift, und Die zmweiflappige Schale gewährt dem jonjt
waffenlojen Körper Schuß vor Eindringlingen.
Wir dürfen nım, nachdem wir den Bau der Armfüßer fennengelernt, uns etwas
näher mit ihrem Vorfommen jebt und früher und ihren bejcheidenen Lebensäußerungen
befanntmachen. Man teilt die Brachiopoden in zwei Drdnungen ein, je nachdem Die
Schalen ein Schloß bejigen oder nicht: 1) Testicardines und 2) Ecardines.
Srite Ordnung:
Testicardines.
Yus der Familie der Terebratulidae jeien zunächjt zwei Arten erwähnt: Liothy-
zina vitrea Born (Terebratula) und Terebratulina caputserpentis Z. (Ubb., ©. 326). Die
erite findet fich nicht felten im Atlantifchen Ozean und im Mittelmeer, während die zweite
im Nord-AUtlantif zu Haufe ift und z. B. in den Fjorden der norwegischen Hüfte leicht mit
dem Schleppneß erbeutet werden fann. Hören wir, was Barett über ihre Lebensweije
jagt: „Dieje Art zeigt jich öfter alS irgendeine andere und jtredt aud) ihre Cirren weiter
heraus; fie fand fich überall (an der norwegijchen Stüfte) in geringer Anzahl, 30—150 Faden
tief, oft an Deulinen, einer Storalle, befeitigt. Die Cirren auf dem aufjteigenden Teile der
Arme find fürzer als auf deren abjteigendem Teile; fie waren fajt fortwährend in Betve-
gung, und oft bemerkte man, daß fie Kleine Teilchen in den an ihrer Bajis befindlichen
Kanal leiteten. Sn ein Gefäß mit Seewajjer gebracht, öffneten jie allmählich ihre Klappen.
Stücke, die an fremden Gegenständen Haftengeblieben waren, offenbarten eine merkwürdige
Fähigkeit und Neigung, fich auf ihrem Stielmustel zu bewegen. Abgelöfte Stüde fonnten
hin und her bewegt werden, ohne daß hierdurch das Tier veranlaßt worden wäre, feine
Klappen zu jchließen. Wurden einzelne der hervorgeftrecdten Cirren berührt, jo zogen fie
ei
re EN.
line
Testicardines. 329
fich fogleich zurüd, und das Gehäufe fchnappte zu, öffnete fich jedoch bald darauf wieder.
Sind die Arme zurüdgezogen, jo find die Cirren nach einmärts gebogen; öffnet fich aber
die Schale, jo jieht man die Cirren fich aufbiegen und gerade werden; oft bemerkt man
jedoch, daß das Tier vor dem Dffnen einige wenige Cirren hervorftredt und hin und her
bewegt, gleichjam um zu prüfen, ob feine Gefahr drohe. Nur bei einer Gelegenheit wurde
eine Strömung bemerft, die zwijchen den beiden Reihen von Cirren fich hineinbewegte. ch
hatte verjucht, das Dafein von Strömungen feitzuftellen, indem ich mit einem Pinjel Heine
Mengen von Jndigo in das Wafjer, welches das Tier umgab, brachte; dreimal wurde es
mit Gewalt hineingezogen, und man jah dabei Teilchen von Srdigo durch den Kanal ar der
Bajis der Cirren in der Richtung des Mundes dahingleiten." Wir brauchen faum zu wieder-
holen, daß diefe Strömungen durch das Schlagen der unfichtbaren Flimmerhärchen erregt
werden, mit denen die Cirren bejebt find.
Yuch über eine andere Terebratel der nordiihen Küjte, Waldheimia cranium Müll.,
berichtet Barett: „Sie fand fich mehrere Male zwijchen den Vigton-Snjeln und dem Nord-
fap in 23—150 Faden Tiefe, an Steinen, Balanen und anderem befeitigt. Sie gehört
zu den Terebratuliden mit langer Schleife, und die Mundanhänge find an Diejes falfige
©felett jo befeitigt, daß fie unfähig find, jich zu bewegen, e3 jei denn an ihren jpiralig ein-
gerollten Enden. Man hat vermutet, daß diefe aneinandergefügten Spiralenden aufgerollt
werden fünnten, ettwa tie der Rüfjjel eines Schmetterlinges, aber ich habe nie eitvaS der-
gleichen beobachtet. Dieje Art ift lebhafter al3 Terebratulina caput serpentis, bewegt jich
ojt auf dem Haftmusfel und ift auch leichter alarmiert. Die irren treten nicht über den
Rand des Haffenden Gehäufes hervor; mern die Schale fich jchliegt, find fie zurüdgebogen.”
Auch Argiope decollata Chemn., deren Entwicelung im vorhergehenden Abjchnitt geichil-
dert wurde, gehört hierher.
Der Familie der Terebrateln jteht die der Thecidiidae jehr nahe mit der Gattung
Thecidium Defr. ©ie ift vor allem dadurch ausgezeichnet, daß das jchleifenförmige, Talfige
Armgerüft mit nach innen gerichteten Fortfäben ausgeftattet it. Die Yamilie ift in der
heutigen Welt nur jparfam vertreten, namentlich durch das im Mittelmeer lebende Thecidium
mediterraneum Risso, das Lacaze-Duthiers in einer ausgezeichneten Monographie be-
Handelt hat. Die Nüdenklappe bildet für die weit größere Bauchklappe einen fait flachen
Dedel, von dem die Armjchleife fich nirgends frei abhebt. Sie bleibt vielmehr mit ihm
durch ein Kalfneg verbunden. Wir bringen nun die Mitteilungen des genannten Forjchers
nad) dem franzöjiichen Driginal.
„Die Schale des Thecidium befeftigt jich auf unterjeeichen Körpern. Sch fand jie
in beträchtlicher Menge auf Gegenftänden, welche die Nee der Storallenfifcher auf der
Strede vom Golfe von Bona bis zum Kap Roja vom Meeresgrunde heraufbrachten. Die
Tiefe, in der e3 gefifcht wurde, betrug zwijchen 40 und 50 Faden. Da ich jchon viel Material
für die Kenntnis der Tierwelt der Korallengründe von Korjifa gefammelt hatte und meine
Beobachtungen auf die Küften von Algier, dann auf Sardinien und die Balearen ausdehnen
wollte, war ich überrafcht durch die Heine Anzahl von Terebrateln im Gegenjabe zur großen
Menge des Thecidium. ch fand mitunter auf einem zwei Fauft großen Steine 20—30 Stüd.
Die Beobachtung der lebenden Tiere ift jehr leicht; ich erhielt fie anderthalb Monate Hin-
durch am Leben und bloß dadurch, daß ich täglich das Wafjer der Gefäke wechjelte, worin
lie waren. Unumgänglic) nötig ilt e2 jedoch), fie von den Körpern, worauf fie jich angejtedelt
330 Mujhellinge: Armfüßer.
haben, loszumachen, denn dieje jind von allem möglichen Getier bewohnt: Schwämmen,
Wirmern, Heinen Kruftern ujw., Die bald abjterben und, indem fie das Wajjer des Uquariums
verderben, auch den Tod der Thecivien herbeiführen.
„sm den eriten Tagen, nachdem fie gefiicht waren, Hafften die Thecidien in den
großen Fäljern, worein man die Steine gelegt hatte, jehr weit; nachdem jie aber ijoliert
und in die Heineren Gefäße getan waren, öffneten fie ich nicht jo weit. Die Heine Rücden-
Elappe erhebt fich bis zu einem rechten Winfel zur erjten, fällt aber bei der geringiten Be-
wegung, die man macht, blißichnell wieder zu. — Ohne Zweifel find die Thecidien für das
Licht empfänglich. Eines Tages jah ich in einem großen Gefäße mehrere Thecidien mit
offener Sllappe. Sch näherte mich jehr vorjichtig und machte, indem ich mich, um genauer
zu fehen, vorbeugte, mit meinem Kopfe Schatten; augenblidlich jchlojjen jich die, welche
vom Schatten getroffen wurden. An einem geöffneten Theeidium unterjcheivet man, eben
wegen der großen Entfernung der Klappen voneinander, alle Teile, und man jieht Die
Tranjen und Arme fehr genau. Die Iunenfläche der Schale aber, auf welcher der Mantel
liegt, ift fo blendend weiß und der legtere jo durchlichtig, daß man die Stalfichleifen und
die Erhabenheiten der Sllappen vollfommen Far unterfjcheidet, ohne den Mantel zu bemerfen.
63 überraschte mich dies jo, daß ich mic) fragen mußte, ob denn in der Tat noch ein weicher
Überzug die Kalfteile, Die ich beobachtete, beffeidete.
„Lußerlich ift die Schale felten weiß und glatt, fondern gewöhnlich überzogen mit
darauf angefiedelten Pflanzen oder Tieren. ES veriteht jich aber von jelbit, daß die an-
gemwachjenen Schalen Jich bezüglich der Entwidelung von Schmarotern wie jede andere
Unterlage verhalten. Aber nicht nur die Außenfeite wird von jolchen Wejen eingenommen;
die Klappen werden vielmehr in allen Richtungen dDurchbohrt don |hmarogenven Algen,
die mitunter dem Gehäuje ein grünliches Ausjehen verleihen.“ Dieje lebte Bemerkung von
Lacaze-Duthiers ift infofern zu berichtigen, als nicht Algen, jondern vorzugsmweije die jo-
genannten Bohrjchwämme in die Sllappen der Thecidien wie in die dereichtiere eindringen.
Eine weitere Familie, die in geologijch noch älteren Schichten al3 die bis ins Devon
reichenden Terebrateln wurzelt, in der Gegenivart aber nur durch vier Arten vertreten wird,
it die der Rhynchonellidae, fo genannt von der wichtigiten ©ippe, Rhynchonella
Fischer. Sie eben ift es, die zu den ältejten und verbreitetiten Organismen gehört, da jie
von den filurifchen Zeiten an durch alle Formationen reicht. Die noc) lebende Rhynchonella
psittacea Chemn. zeigt am beiten den charakteriftiichen jchnabelförmigen Fortjat der Baud)-
Happe. Die Dffnung für den Stiel befindet fich unterhalb diefes Schnabels. Die Klappen
jind miteinander befeftigt vie bei den Terebratuliden; das Armgerüft bejteht aber nur aus
zwei furzen, jchmalen, gefrümmten, chalenförmigen Plättchen, die an der Scheitelgegend
der Heinen Mappe befeitigt find. Über Vorfommen und Lebensweije der genannten Art
hat Barett auf feiner jfandinavijchen Reife einige Beobachtungen gejammelt. „Sie findet
jich lebend nicht bejonders häufig in den nördlichiten Gegenden, nämlich bei Tromsö in einer
Tiefe von 70—150 Faden; Klappen ohne das Tier find bei Hammerfeit im Schlamme ge-
jammelt worden. Dieje Art Schten mir jehr jchwer zu beobachten, da das Tier, für alle Ein-
orüce befonders empfänglich, bei der geringjten Bewegung jeine Klappe jchließt. Die Arme
erweitern ihre Spiralgänge genugjam, um die Franjen bis an den Rand der Schale ge-
langen zu fajjen. Sch Habe diefe Art oft bei Haffenden Stlappen beobachtet, nie aber habe
ich gejehen, daß fich ihre Arme entrollt und aus der Schale hervorgejtredt hätten.‘
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Testicardines, Ecardines, : 33l
Zweite Ordnung:
_ Eeardines.
Die Brachiopoden, die wir bisher behandelt Haben, gehören mit wenigen Ausnahmen
dem tieferen Meeresgrunde an. Anders verhält es jich mit zwei anderen. Samilien, den
Linguliden und Disciniden. Shre Schalen find von horniger Befchaffenheit und be-
jigen fein Schloß, haben aljo glatte Ränder, weshalb die ganze Drdnung die der Ecardines
genannt wird. Die hierher gehörenden Formen bewohnen vorherrjchend
und in großer Jndiviouenzahl die Uferzone und find zugleich an die
märmeren Meere gebunden. ©o leben Lingula anatina Brug. und Lin-
gula pyramidata Morse, typijche Arten der erjten Zamıilie, im Yndi-
ihen Dzean bezüglic) an der amerifanijchen Süfte, während Discina
striata Schum. zur zweiten Familie zu rechnen ijt und an der weit-
afrikanischen Küfte heimifch ift.
Die Schale der Lingula it dünn, fat biegjam und von grünlicher
Tarbe. Die Slappen jind einander fait gleich und bieten im snneren
feine Fortfäge zur Stüße der diden, fleiihigen und jpiraligen Arme
dar. An Lingula pyramidata hat Morje interejjante Beobachtungen
gemacht. hr Stiel ift neunmal jo lang wie der Körper, wächjt nicht
an, ijt wurmartig beweglich und hat wie gewilje Würmer die Fähigteit,
Köhren aus Sand anzufertigen, in die fich die Tiere zurüdziehen. Jn-
dem fie alsdann durch Übereinanderlegen der Borjten des Mantelran-
des ein feines Sieb bilden, verhindern jie, daß mit dem Waller Sand-
fürner in die Kiemen geraten. Die übereinander Jich erjtredenden
Nöhren jehen aus wie die einer Terebella.
Morje ijt der Meinung, daß wenigitens Lingula pyramıdata ihr
Leben nicht über ein Zahr bringt. Mehrere Hundert im Juni und Juli
gejammelte Stüde waren alle von gleicher Größe und ihre Schalen von
gleichmäßig frischem Ausjehen. Der Schluß, daß alle aud) von gleichem 5
Alter feien, lag nahe. Die während des Sommers gefammelten und "ans o won
gehaltenen Tiere jtarben Ende September unter ähnlichen Erjcheinungen,
wie jie auch nach den Unterjuchungen von Williams den natürlichen Tod gewijjer Ningel-
wiirmer (Nais, Arenicola) begleiten.
Über da3 geologijche Vorkommen der Lingula-Arten jagt Sue: „Dieje Sippe tritt,
wie diejenige der Discina, jchon in den ältejten verjteinerungsführenden Ablagerungen
in nicht geringer Mrtenzahl auf. Seit jener Zeit hat fie fich durch alle Formationen hindurch
bis auf den heutigen Tag erhalten, ohne in irgendeiner Zeitepoche ein auffallendes Wlari-
mum zu zeigen.“
Aus diefem Vorkommen umd der Einfachheit der Schale der Lingula, die jic) am beiten
mit fnorpeligen Bildungen am Borderende einiger Borjtenwürmer vergleichen läßt, ließe fich
vielleicht ichliegen, daß fie den wirrmartigen Vorfahren noch am nädjiten jtände. Wir müjjen
aber Dabei eine unberechenbare Zeit borausjeßen, während der die Ummandlung, von der
uns die Entwidelung der heutigen Formen Zeugnis gibt, vor ji ging. Wir Haben woh!
gerade darin, daß vdiefe Umwandlung fchon in den entlegenjten Urzeiten jtattfand und exit
332 Mufchellinge: Armfüßer.
nach Erlangung einer faum ftärker zu dDenfenden Rüdbildung ftilfftand, die Schlüffel zu fuchen
zu der feitherigen fajt beifpiellofen Bejtändigfeit der Klajje innerhalb ihrer Grenzen.
Wenn mir ferner die Familie der Craniidae mit in unfere Betrachtung hineinziehen,
jo gejchieht es, weil ihre geologijche und gegenwärtige Verbreitung dazu auffordert. Gie
it fo abweichend, daß jie für jich allein eine Samilie bildet. Fhre Schale ijt nämlich an
unterfeeijche Körper mit der Bauchklappe aufgewachlen. Die Rüdenflappe ijt dedelfürmig,
und beide werden nicht Durch ein Schloß oder Einlenfungsfortjäge, jondern lediglich Durch
Muskeln aneinander gehalten. Auch jtüßen fich die fleifchigen Spiralarme nur auf einen
najenförmigen Fortfa im Mittelpunfte der Bauchklappe. Die befanntefte der vier leben-
den Arten ift Crania anomala Müll. aus unjeren nördlichen Meeren, die fait jtels in Ge-
jellfchaft von Terebratulina caputserpentis (©. 328) gefunden wird, diefer jedoch weder
in die Meere des borealen Nordamerikas noch in das Mittelmeer folgt.
*
Den Mufchelfammlern und Mufeumszoologen galten die Schalen der meilten Brachio-
poden noch vor verhältnismäßig furzer Zeit als ©eltenheiten erjten Ranges und wurden
teuer von ihnen bezahlt. Man ging von der Anficht aus, daß wenigitens die Terebrateln
ganz bejonders echte Tiefjeetiere feien, denn man kannte fie nur aus Tiefen, in die man
damals die Aufßerjte Grenze der Möglichkeit tierifchen Lebens verlegte.
Die neueren Tiefjee-Forschungen Haben uns eines Bejjeren belehrt und ung gezeigt,
daß die Terebrateln ziwar in ihrem Vorkommen an bejtimmte Gebiete gebunden jind, aber
dort, to fie einmal vorkommen, in bedeutenden Mengen vergejellichaftet aufzutreten pflegen,
wie e3 auch in der Vorwelt, 3. B. in den Meeren des Mufchelfalfes, gemwejen it. Ymeitens
aber mwiljen wir durch die Challenger-Erpedition, daß die Brachiopoden gerade feinen her-
borragenden Beftandteil der Tiefjeetierwelt ausmachen; und das ijt jehr erklärlich, wenn
wir den Bau der Armfüßer und die Verhältnijje der Tiefjee erwägen. Die Brachiopoden
find, wie wir fahen, fejtlißende Tiere und bedürfen im allgemeinen eines felfigen Unter-
grundes, auf dem fie fich vor Anker legen fünnen. Solcher Boden findet fich aber in be-
deutenden Tiefen nur felten, meift ijt er dort vielmehr mit weichem Schlid oder Ton be-
dedt, hat folglich eine Bejchaffenheit, die den Aufenthalt der Brachiopoden ausjchließt.
Die Familie der Terebratuliden ift zwar nicht in den älteften der jogenannten paläo-
zoifchen Schichten nachgewiefen, dagegen in denjenigen, die den Namen der devonijchen
führen. Man Tann es num für eine merfwürdige Apathie oder auch Zähigkeit halten, daß
einige Sippen, wie Terebratula und Waldheimia, durc) alle Formationen hindurch bis in
die heutige Welt unverändert hineinreichen, nicht alS die alleinigen Zeugen Der Urmelt aus
ihrer Slaffe, fondern mit den Vertretern von noch vier Zamilien (Rhynchonella, Crania,
Discina und Lingula). Während diefe leßteren aber, je jünger die Formationen werden,
um fo mehr ausjterben, und al3 „die einzigen Vertreter ihrer Samilien in allen mittleren
und jüngeren Zeiten vereinzelt daftehen wie entblätterte Wipfel”, hat in der Zamilie der
Terebratuliden das Umgefehrte ftattgefunden, ihe Baum hat Ziveige getrieben bis in die
jüngiten Berioden der Erde, und ihr VBerbreitungsgebiet erjtredt jich iiber alle Meere.
rg Rn
Stachelhäuter (Echinodermata).
Bearbeitet von Dr. 2. WidF und Dr. ©. Grinpe. i
Etwas jonderbar Starres, Fremdartiges, fait Bormweltliches haftet den Stachelhäutern
an, Die Die Meere von der Flachjee bis zu ven größten Tiefen, vom Nördlichen bi8 zum Gid-
lichen Eismeer bewohnen. Sn der Tat find fie ein uralter Stamm, der feine Blütezeit
Yängit hinter jich hat, und von dem große Gruppen nur oder fajt nur fojjil befannt find;
bi3 in die älteften Schichten der Erde, die Reite einft lebender Tiere führen, find jie zurüd-
zuberfolgen. Unter ven heute noch lebenden Formen find die fünfjtrahligen Geejterne
(Asteroidea) und die rundlichen Seeigel (Echinoidea) allbefannte Erjcheinungen. Auch die
Bertreter dreier weiterer Slaffen: die an die Geeiterne erinnernden Schlangeniterne
(Ophiuroidea) mit den fünf jcharf abgejesten, runden und beweglichen Armen, die plumpen,
ichwerfälfigen Seegurfen (Holothurioidea) und die Haarfterne oder Geelilien (Crinoi-
dea) mit den fparrigen und doch jo anmutigen und zierlich gefiederten Armen, find nicht
jeltene Gäfte unjerer Seeaquarien. Alle zu den Echinodermen gehörigen Tiere jind jhon
in ihrer äußeren Geitalt gut gefennzeichnet; und von einigen durch Anpafjung an bejondere
Lebensverhältniife geprägten Formen abgejehen, wird niemand einen Stadhelhäuter in
einem anderen Tierfreis unterbringen wollen, jelbjt wenn er dieje typischen Vertreter auch)
nur oberflächlich Fennt.
©o jcharf abgegrenzt und gejchloijen diefer Kreis aber auch dafteht, jo gibt e3 Doch
nur wenige für alle Stachelhäuter gültige äußere Merfmale. Schon die Bezeichnung
„Stachelhäuter” ijt nicht allgemein zutreffend. Zwar Haben viele Geeigel und O©eejterne
eine richtige „Sgelhaut” ; anderen aber, vor allem jämtlichen Seegurfen, fehlen die Stacheln.
Dafür ist aber auch bei den äußerlich nadt erjcheinenden Formen ein Kalfffelett im der
Haut vorhanden: zahllofe, zierliche Kılfförperchen in der Wand des lederartigen Körper-
jads der Holothurien, derbe, feitgefügte Platten bei den Geelilien, Ceeigeln, ©ee- und
Schlangenfternen, deren Stachelfleid fich in der Entwidelung nachträglich über dem Kall-
plattenffelett, das allen Echinodermen eigen ift, erhebt. — Bezeichnender find die Synimte-
trieverhältniffe im Körperbau. &3 handelt fich, wie bei den Cölenteraten, um radiäre
Tiere, Die jich durch ftrahlig von der mittleren Hauptachje geführte Schnitte in eine größere
Anzahl gleicher Teile zerlegen lajjen. Lamark und Cuvier wollten deshalb Hohltiere und
Stahelhäuter al3 Radiärtiere zujammenfaffen, und erift Leudart hat die weitgehenden
anatomischen Unterjchiede zwilchen beiden Tierfreijen Hargeftellt und die Echinodermen
Iharf von den Cölenteraten getrennt. Sn der Regel beherrjcht die Fünfzahl den Bau-
plan ver Stahhelhäuter. Fünf Urme Hat der gemeine Geeitern unjerer Nordjee; in fünf
394 Stadelhäuter.
Felderreihen ziehen die „Saugfügchen"-bei ven Geeigeln von einem Körperpol zum an-
dern, in fünf Bahnen auch über ven Leib der Seegurfe; fünf gejpaltene Arme entfprin-
gen aus dem Kelch der Seelilien. Die „Saugfügchen” (Abb., ©. 361) find Teile des für
die Echinodermen überaus charakteriftiihen Wafjergefäß- oder Ambulafraljiyitems
(©. 336). Sie dienen den gepanzerten, in ver Regel wenig behenden Tieren zur TFort-
bewegung und find Hohle, jehr bewegliche Schläuche, Die ducch Poren aus der Körperiwand
herborragen und am Ende meijt eine Heine Saugjcheibe tragen. Dieje Fügen (Umbu-
Yafralfüßchen) ftehen mit einem Kanaligitem in Verbindung, da3 eine mäfjerige Flüjjigfeit
enthält. Durch die Wirkung einer fontraftilen Blaje Ampulle) — jedes Füpchen hat jeine
eigene — fann die Flüffigfeit in die Füßchen gepreßt werden. Sie jchmwellen dann ar,
itrecen fich oft ganz bedeutend in die Länge und bewegen fich mit Hilfe ihrer Muskulatur
tebhaft, wie nach Halt juchend, Hin und her.
Beim „Kriechen” werden jie nach vorwärts
ausgeitredt; die Saugjcheiben heiten jich dann
feit, die Schläuche werden verfürzt, und Der
ichwere Scört sr muß folgen. Wie die Stacheln
find audh die Ambulafralfügchen fein allge-
meiner Beji der Gtachelhäuter; jo fehlen jie
3. DB. vielen Geegurfen. Auc) die fünfitrahlige
Symmetrie muß bei Berüdjichtigung Der
fofftlen Gchinodermen aus der allgemeinen
Charafteriftif des Streijes fortbleiben.
Wohin gehören die Echinodermen im ©hy-
tem, und wie find fie zu fennzeichnen und
.: RE bon den anderen „niederen" Tieren zu unter-
en Be ee icheiden? Die beite Ausfunft hierüber gibt die
Entwidelungsgefhichte und Die vergleichende
Anatomie. Aus dem bejruchteten Ei entjteht nach einer gerade bei den Echinodermen
fait jchematijch verlaufenden Furchung eine Galtrulalarve. CS fommt, wie bei ven bisher
behandelten Leibeshöhlentieren (Coelomata), zur Anlage eines mittleren Keimblattez,
des Mefoderm3, meist durch Abfaltung vom Urdarm, und zur Ausbildung paariger Xeibes-
höhlenjäde. Aber der Urmund toird nicht mehr (mie bei ven meilten Würmern, Olieder-
füßern und Mollusfen) nach vorn verlagert und zum definitiven Mund, fondern bleibt
am hinteren Körperende, wird zum After oder tritt wenigitens in Yagebeziehung zu ihm,
während die endgültige Mundöffnung jich Hinter dem Borderende neu bildet. Dies it ein
ganz grundlegender Unterjchted gegenüber den angeführten Slafjen, die als Protojtomier
den Deuteroftomiern (Echinodermen, Enteropneuften, Chätognathen, Manteltiere, Am-
phioxus und Wirbeltiere) gegenüberitehen. Unter diefer Gejellihaft Haben die Echino-
dermen mit den Schlundatmern (Enteropneuften), äußerlich wurm- oder moostierähnlichen
Meeresbeiwohnern, außer dem zum After gewordenen Urmund das eine gemeinjanm, daß
lich bei ihnen ein befonderes Hohlraumfyitem bon der LXeibeshöhle abzweigt, aus dem
bei den Echinodermen das Ambulakralfyiten, bei Balanoglossus die Bohreichel hervorgeht
(j- ©. 313). Ferner fiimmen bei beiden Klaffen die frei im Meermwaljer jchwebenden
Larven in ihrem anatomifchen Bau, wie durch den Belib einer Wimperfchnur, über-
ein (Abb., ©. 338). Diefe Larve ift bilateral-fommetrifch bei den zeitlebens zmweijeitig
Allgemeines. 335
gebauten Enteropneuften ebenjo wie bei den jpäter fünfftrahligen Echinodermen. Dieje
Tatjache begründet ohne weiteres die Behauptung: Die Echinodermen ftammen von zimei-
jeitige[ymmetrifchen Tieren ab! Die fünfitrahlige Nadtärfymmetrie muß nadträglich
(jefundär), wahricheinlich ala Folge einer feitjibenden Lebensweije, erworben fein; fie Hat
daher mit dem urjprünglich (primär) ftrahligen Bau der Cölenteraten nichts zu tun. Ge-
jtügt wird diefe Annahme noch durch das Auftreten unpaar ausgebildeter Organe, die
nicht in der Hauptachje, jondern in einem der fünf „Antimere” fiegen, fich aljo der fünf-
zähligen Symmetrie nicht einfügen lajfen. Wo die Fünfftrahligfeit bei ausgebildeten
Stadhelhäutern vermwijcht erjcheint und jich eine zweiltrahlige durchjeßt, wie bei den „irregu-
lären” Seeigeln und ven Seequrfen, tft e8 eine Folge neuerdings veränderter Xebensmeife.
Snnerhalb der einzelnen Klajfen lajjen nur die See- und Schlangenfterne in ihrem
Körperbau verwandtichaftliche Beziehungen erfennen. Alle übrigen zeigen recht tiefgrei-
Tende Unterjchiede und find ftammesgejchichtlich nicht voneinander abzuleiten. Sedenfalls
itelfen jie alle uralte Zweige einer gemeinfamen Wurzel dar, die fich im Laufe großer Zeit-
räume weit voneinander entfernten.
Die Haut beiteht wie bei den Wirbeltieren aus einer eftodermalen Epidermis und aus
einer mejodermalen, diden Lederhaut (Cutis). Häufig tt eritere bewimpert, fait immer
führt fie Drüjen- und Oinnesgellen. Die Kutis Tiefert das Sfelett, das fich aber auch im
Bindegewebe des übrigen Körpers entwideln fan. Die Schale eines Seeigels entjpricht
Daher den jogenannten Dedinochen des Wirbeltierjfeletts, nicht aber einer Schnedenichale,
die eine reine Epidermisbildung it. Wie bei ven Kalfihwänmen entwideln jich die eriten
Anfänge eines Sfelettitüds (einer Platte oder eines Stachels) al3 winzige Rörnchen fohlen-
jauren Ralfes innerhalb einer Zelle. Wird das Sfelettelement zu groß, dann tritt e3 aus
ihr heraus. Dder die Kerne der Bildungszelle vermehren ich durch Teilung; in diefem
„Syneytium“ wächit ein Kalfförper heran. Und wie ich bei ven Kalfihwänmmen drei Zellen
zur Bildung eines Dreiftrahlers zujammenlegen, jo ordnen jich auch bei der eriten Anlage
de3 Sfeletts der Echinodermenlarve mefodermale Zellen in größerer Anzahl zu Dreieden,
zum Bau bon Dreijtrahlern, aus denen durch fortgejeste Anlagerung von Kalk Schließlich
die Sfelettelemente hervorgehen. Selbit die großen Stalfplatten der See- und Schlangen-
lterne, Geeigel und -Iilien entjtehen, nad) Woodland, auf ähnliche Weife. Der Kalk, aus dem
die Stachelhäuter ihre Panzer aufbauen, ftammt aus den im Meerwaljer gelöiten Spuren
von fohlenjfaurem Kalk; der viel reichlicher vorhandene jchmwefelfaure Kalk (Gips) wird nicht
angenommen, wie die Berfuche von Herbit über die mineraliichen Stoffe, die Seeigel-
larven zum Aufbau ihres Körpers brauchen, bewiejen haben. Auf dem platten Skelett der
Haut erheben fich bei den Geeigeln, See- und Schlangenfternen Höchit verjchieden geformte
Stacdheln, vom Heinften Höder bis zu Gebilden, die mehrfach größer find als der Störper-
durchmeijer. Alle find genau wie das übrige Skelett entitanden, wenn auch meijt Fräftiger
verfalft. Bei den Seeigeln find fie auf Heinen Hödern eingelenft und werden durch be-
jondere Musfeln bewegt (Abb., ©. 360).
Nur bei ihnen und bei den Geefternen treten auf der Haut die „Bedizellarien”
(Abb., ©. 336 und 360) auf, Fleine, zwei- big vierteilige Zangen, die auf verjchieden langen,
oft durch ein Kalfffelett geftüsten, jehr beweglichen Stielchen figen. Sie reinigen den
Körper, Fönnen auch mit Giftorüfen in Verbindung ftehen und twirfen dann als Verteidi-
gungswaife; oder jie dienen zum Fefthalten und Übermältigen von allerhand Heinem Ge-
tier, das zur Nahrung dient. Sm der Haut Haben auch die Farbitoffe ihren ©ib, die das
336 Stadelhäuter.
oft jehön bunte Steid der Echinodermen hiefern. Bei einigen Geeigeln jind auch ausdeh-
nungsfähige Yarbzellen vorhanden, die einen Tarbmechjel hervorrufen fünnen. Auch
Leuchtdrüjenzellen, die namentlich nacht? manche Schlangenfterne, wenn fie gereizt werden,
in prachtoollem Lichte erjtrahlen Yafjen, finden jich gelegentlich in der Epivermiß.
Bon der fünfitrahligen Symmetrie in der Hauptjadhe unberührt bleibt ver Darım-
fanal, der fait völlig aus dem Urdarm hervorgeht und nur felten in deutliche Abjchnitte zer-
fällt. Bei ven Gee- und Schlangenfternen ift er nur ein furzer Sad, während er bei den
übrigen Stachelhäutern al3 mehrfach gewundener Schlauch die Teibeshöhle durchzieht. Das
Auftreten von fünf zweilappigen Blinddärmen bei Ceeiternen macht der Fünfzahl eine
Konzelfion. Mund- und Ateröffnung liegen bei den Srinoiden, die dauernd oder wenig-
iten3 in der Jugend geftielt jind, nebeneinander auf der Körperfeite, die dem Stiel gegen-
überliegt, bei allen anderen aber in der Regel an den zwei entgegengejeßten Körperpolen.
Geeigel, Schlangen- und Ceefterne fehren die ganze Mund- („Dral’-) Ceite
dem Boden zu, wenn fie friechen, während der Afterpol, die „Aptfal’-Ceite,
nach oben zeigt. Den Ophiuriden und einem Teil der Geejiterne fehlt ein After.
Seine Aufgabe wird dann vom Mund miterfüllt. Die Seegqurfen Friechen tie
Wirrmer mit dem Mund voran und dem After am Hinterende.
Ein für die Gruppe bejonders bezeichnendes Drgan, das Wafjergefäß-
initem, paßt fich dem fünfjtrahligen Bau des Körpers bejjer an.
Als jelbitändig gemordener Teil der Leibeshöhle enthält es wie
dieje jelbit einre wäljerige, Ichiwacd) eiweißhaltige Flülltgfeit, in der
‚amöboide Wanderzellen jchwimmen. Um den Schlund zieht ein
Ningfanal, von dem fünf Nebenfanäle ausjtrahlen, die, wenn
Ameiktaupige meoere Slate vorhanden find, bis zu deren Spike, wenn nicht, an der
nl Körperand entlang bis zum Apifalpol ziehen. Die Lage diejer
Radiärkanäle (und der Hauptnerven und Gefähitämmte) bezeichnet
die fünf „Radien” im Körper des Stachelhäuters; radiär Tiegen Die Urme, radiar treten
die Ambulakralfügchen aus. Mit den Nadien mwechjeln die „Snterradien”, Die Dazmwilchen-
liegenden Körperjtüde, ab. Die Ambulafralfügchen dienen falt immer der Atmung und
ermöglichen dem Stachelhäuter oft, jich mit ihrer Hilfe allein fortzubewegen. Wird das
Tüßchen ausgeftredt und fommt die an feinem Ende befindliche Saugjcheibe mit einer feiten
Unterlage in Berührung, jo zieht fich ein Längsmuzfel, der innen an der Saugjcheiben-
mitte anjeßt, zufammen. &3 entjteht in vem Raum zwijchen Unterlage und Saugjcheibe
eine Drucdverminderung, die das Füschen haften läßt. Wenn viele diefer Organe in der
gleichen Weile arbeiten, fünnen jie zum Kriechen, zum Feithalten und Heranjchaffen Der
Beute an ven Mund dienen. Bei ven Schlangenjternen jcheiven die Füßchen Flebrige
Geftete aus und wirken jo aß Haftorgane. Ganz allgemein find jie auch al3 Taftorgane
tätig und fönnen al3 bejondere „Ambulafraltentafel” mit einem SOinneszellenüberzug aus-
geitattet fein. Jeder Aadiärkanal endigt außerdem in emem jenfiblen „Cnödtentafel"
(S in der Abb., ©. 361). Sollen die Jüchen gejchwellt werden, jo wird Flüfjigfeit aus
dem zu jedem bon ihnen gehörigen Drudbläschen eingepreßt und gleichzeitig ver Riücweg
zum Nadiärkanal durch ein Klappenventil gejperrt (ap in Abb. ©. 337). Am Ringfanal
ligen interradial eine Anzahl Erweiterungen (Bolifche Blafen), bei Seejternen ferner Iymph-
drüfenartige, traubige Anhänge (Tiedemannfche Körperchen). Snterradial verläuft auch der
„Steinkanal”, — der Name rührt von Kalkplättchen in feiner Wand her. Er verbindet das
Allgemeines. , 3937
Ambulakraffyftem mit der Außenwelt, aber nicht direkt, fondern er führt zuerft in den
jogenannten Arialfinus, einen bejonderen Teil der Leibeshöhle, der d«8 den Steinfanal
begleitende Arialorgan umjchließt. Der Sinus mündet nach augen meift durch zahlreiche
Boren, die eine jiebförmige „Madreporenplatte” bilden; auch fie liegt ftet3 interradial
(Abb., ©. 361, M). Bei den Seegurfen fehlt fie; hier mündet der Eteinfanal mit zahl-
reihen Offnungen in einem Madreporenföpfchen in die Zeibeshöhle. Das Arialorgan
jcheint die Wanderzellen zu bilden, die fich in der Leibeshöhlenflüffigfeit frei bewegen und
die Aufgabe haben, jtidjtoffhaltige Cnoprodufte des Stoffwechjels (Exfrete) aufzunehmen.
Dieje merden entweder an verjchievenen Stellen des Körpers aufgefpeichert, oder die
Bellen wandern erfretbeladen an die Augenfläche, vo fie ausgeftogen werden.
Atemorgan ift bei den Stachelhäutern mehr oder weniger die ganze Oberfläche.
Die meiften find feht fauerftoffbedirftig und halten in fchlecht durchlüfteten Aquarien nicht:
lange aus. Da die Hautatmung aber dur) die reichliche
©felettbildung der Körperwände behindert wird, treten
eine Keihe bejonderer Umungsorgane in verjchiedeniter
Ausbildung bei den einzelnen Gruppen auf. Bei ©ee-
lternen find es bläschenfürmige Erhebungen der Haut,
„Hautftemen“, bei den Schlangenfternen mächtige, vecht3
und links am Ürfprung jeden Arms nad innen eingejtülpte,
vünnmwandige Talhen, in denen das Waller durch Wint-
perichlag des Epithels, aber auch durch richtige Atent-
bewegungen des Körpers erneuert wird. Manche Seeigel
haben Kiemenbüjchel um den Mumd, und ein eigentüm-
licher Nebendarm foll, nach Berrier, gleichfalls im Dienft
der KReipiration jtehen. Die Seequrfen bejigen oft mäch-
tige, baumförmig verzweigte Ausftillpungen des Eno- ah
darma, „Walferlungen“, die chythmiich „Atem Holen“. egema des Ambulatraigefäßiy-
Bejonders zarthäutige Anhänge, wie die AUmbulafralfüp- Ntems eines Seefterns. Aus Hertwig,
; : ER ; „Lehrbuch der Zoologie”, Jena. ap Drud-
chen und die feinen Tentafel der Krinoiden, |pielen auch stäsen Ampulle, k Ningtanal, ma Va-
eine richtige Rolfe bei der Atmung. Der aufgenommene rar vun et elintont
Sauerftoff wird durch die Flüffigfeit in den Körperhöhlen
verteilt. Sn der Leibeshöhle wird fie durch den Schlag des Flimmerepithels jtändig in
Bewegung gehalten, ebenjo im Waflergefäßiyitem. Die Mapreporenplatte jpielt jedoch Frr
den Austausch jauerftoffreichen und armen Waflers anjcheinend feine Rolle, da eine regel-
mäßige Strömung duch fie nicht ftattfindet (Cuenot). Die geringite Bedeutung für vie
Atmung dürfte das dritte Hohlraumfyftem, die Blutlafunen, haben. Seine wichtigjten
Teile find die radiären Blutgefäße, welche die Waffergefäße begleiten, ein nern um
ven Schlund jomwie Gefäße um den Darm und im Arialorgan.
Aus einem Ring und fünf davon ausftrahlenden Stämmen baut fich auch das „orale
Nervenigitem der Stachelhäuter auf. Die Hauptitrahlen laufen bei Gee- und Haar-
fternen auf der Mundfeite der Arme in einer Furche, die fich bei den anderen Klafjen zum
Epineuralfanal jchließt. Der Ring und die Stämme beitehen aus Nervenzellen und -fajern
und find, wie das Bauchmarf der Gliedertiere, nerböfe Zentren, durch die Reize von außen
aufgenommen und zu Muskeln und Drifen weitergeleitet werden. Der empfangene Reiz
wird durch Aufrichten der Stacheln, Ubfcheiden von Schleim uf. beantwortet. Das orale
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 22
338 Stahelhäuter: Haarfterne.
Spitem ift gemijcht, d. h. es enthält neben leitenden (jenjorischen) auch motorische, zu
den „Erfolggorganen” führende Fafern. Das tiefer liegende „Hyponeurale” Nerven-
inftem ift Hingegen fait rein motorifch. ES fehlt ven hartjchaligen Seeigeln und ijt bei
Holothurien nur in feinen peripheren Teilen ausgebildet. Ein drittes („apilales") Nerven-
iyftem fommt namentlich bei See- und Haarjternen vor. Eigentlihe Sinnesorgane
find wenig hoch entwidelt troß Der ftarfen Empfindlichkeit vieler Stachelhäuter. Gie [ind
auf zahlreiche Sinneszellen in der Epivermis und an den Saugfjüschen bejchräntt; Ambula-
fral- und Endtentafel dienen Taft- und Geruchgempfindungen. Bejondere Gleichgemichts-
organe find von Seegurten und Geeigeln befannt. Bei jehr vielen Stachelhäutern beiteht
ein ausgefprochener Lichtjinn; bejondere Organe dafiir werden in den jogenannten Augen
(Abb., ©. 374) am Ende der Seejternarme gefucht, Doch Haben jich diefe durch das Exgperi-
ment als ziemlich belanglo3 erwwiefen; denn ein Seeitern, dem die Armenven amputiert find,
antwortet troßdem auf Belichtung oder Befchattung. Das ganze Verhalten gegenüber der
Ummelt ımd ihren Reizen weilt bei ven Echinodermen auf eine ehr Hohe Stufe der piyhiichen
Reiltungsfähigfeit
hin. Gie vermögen
jich auch „ungewohn-
ten" Berhältmijjen
weitgehend anzutpaj-
jen und lafjjen ich
„Semwohnheiten” an-
A B c D erziehen. Davon un-
Stahelhäuterlarven: A) Bipinnaria eines Seefterns, B) Pluteus eines Schlangenfterns, d fen im einzelnen.
Pluteus eines Geeigel3, D) ae a ae ia 3. Müller aug Boa3, „Lehr- Mit menig Aus-
nahmen find die
Stachelhäuter getrennten Gejchlechts. Die Gejchlehtsorgane, anjehnliche, traubige
Drüfen, fiegen in den Interradien. Bei den Holothurien ijt nur eine Drüfe ausgebildet; bei
den Srinoiden wuchern die Gonaden in die Arne, in deren Endälten Gier und Samen reifen.
Sn der Negel werden die Gejchlechtsprodufte einfach ins Meer entleert, wo die Bejamung
der Gier erfolgt. Bei einer Anzahl von Arten, darunter auffallend vielen antarktiichen For-
men, fommt e3 zur Brutpflege. Die Eier und Larven bleiben auf dem Körper der Mutter,
die jie durc) Stacheln bejchügt; oder die Jungen wachjen in bejonderen Bruttajchen heran,
an denen man dann, eine Ausnahme bei Stachelhäutern, das Gejchlecht der Tiere äußer-
fich erfennen fann. Das jich entwidelnde Ei macht eine fompfizierte Verwandlung durch).
Smmer wird, mie erwähnt, eine bilateral-[ymmetriiche Yarve gebildet, Die vom Wimperfleid
der Baftrula nur noch eine Wimperjchnur um das Mundfeld beibehält. Später entfernen jich
die Larven der einzelnen Slafjen in ihrem Ausjehen jehr weit voneinander (j. die Abb.). Der
Körper des fertigen Tieres entjteht nur aus einem Teil der Zarve und |proßt alymmetrifch
auf der linfen ©eite hervor. Wenn die Gier in Bruttafchen Heranmwachlen, wird die Meta-
morphoje abgefürzt und vereinfacht. Außer der geichlechtlichen fommt ungejchlechtliche Ver-
mehrung durch Teilung vor. Manche See- und Schlangenfterne vermögen fich in der Mitte
der Scheibe Durchzufchnüren und das Fehlende an jedem Teiljtüd zu ergänzen: ein Bemweis
für die außerordentliche Fähigfeit der Echinodermen, verlorengegangene Teile zu ergänzen.
Abgejchnittene Arme von Seelilien, Schlangen- und Geefternen wachfen fehnell wieder nach;
bei einigen Seejternen Fann fogar aus einem einzigen Arm ein ganzes Tier amt Scheibe und
um 339
übrigen Armen neu hervorjprojjen (Abb., ©. 375). Hand i in Hand mit diejer Hohen Negene-
tationsfraft. geht die Neigung zur Selbitverftümmelung al Schußmittel. Haar- und Schlan-
genjterne überlajjen dem Angreifer leicht den Arm, an dem fie gepacdt werden. Manche Gee-
gurfen zerjchnüren jich in Stüde; andere fpuden zur Abwehr fümtliche Eingemweide aus.
Erjter Unterfreis:
Geitielte Stadjelhäuter (Pelmatozoa).
Bon diejem in den Urzeiten des Lebens blühenden Stamm haben jich nur ein paar
Vertreter aus einer Slajje bis in unjere Tage erhalten. Das reichentwidelte Kalkifelett
und die Lebensweile am Meeresboden, die die günjtigite Bedingung für Erhaltung von
Fojftlien bietet, beitimmen die Stachelhäuter förmlich dazu, nach nem Tode Beriteinerungen
zu liefern. Dem Gefüge des erhaltungsfähigen Skeletts prägen jich wichtige Kennzeichen
für den Baupları des Weichförpers ein, jo daß man auch über die innere Organijation nicht
ganz im Dunfeln tappt, wenn man die ausgeitorbenen Formen unter Die, welche heute
die Meere bevölfern, einzureihen verjucht. EI waren Fugelige, fnojpenförmige, auch flache
Tiere, die alten Beutelftrahler (Cystoidea), Knojpenjtrahler (Blastoidea) und Edrio-
alteroiden, die in den Meeren des Kambriums auftreten und in der Steinfohlenzeit jchon
untergehen. hr Körper war mit mehr oder weniger regelmäßigen, polygonalen Kalf-
platten gepanzert und jaß auf einem langen oder furzen Stiele, wohl auch jtiellos mit der
Uboraljeite angeheftet, am Meeresgrund feit. Yom Mund, der nach oben getragen wurde,
Itrahlen in der Regel fünf Furchen aus, „Ambulafralfurcdhen”, die bei den primitivften,
den Edrivajteroiden, einfach eine Strede weit auf dem noch meift ganz unregelmäßig ge-
täfelten Körper verlaufen. Bei anderen jegen ich die Endteile diefer Furchen auf Furze,
unverzweigte Arme, „Tinger”, fort, oder e3 entitehen zahlreiche Seitenäfte der Ambulafral-
furchen, die alle von jolchen jehr feinen Fingern getragen werden. Der Aiter liegt ftets
jeitlich im Dralfelde, nie im aboralen Zentrum, wo ja der ©tiel fproßt. -
Einzige lebende Klaffe:
Snorfterne oder Seelilien (Crinoidea).
Auch bei ven Haarfternen, einer uralten, [don aus dem Kambrium befannten Stachel-
häuterklafje, fißt der felchfürmige Körper auf einem Stiel. Aber ein Teil der heute leben-
ven Arten, darunter die befanntejten der Küften Europas und Amerifas, haben jich frei ge-
macht und vermögen zu Klettern und zu [hwimmen; frei gemacht, nicht nur im Lauf der
Stammesgejchichte, jondern auch während der individuellen Entwidelung: jede frei lebende
Ceelilie hat in der Jugend einen Stiel. Das Kelchende, an dem er haftet, entjpricht der
apifalen Ceite, dem nach oben getragenen Teil der Geeigel und Seejterne. Der Mund ift
im Gegenfaß zu diefen bei den Krinoiven nach oben gerichtet und Tiegt meift in der Mitte
‚der Kelchdede. Hier öffnet fich auch in einem Suterradius der After, oft auf der Höhe eines
Heinen Schlotes. An der Grenze von Kelchdede und Kelhwand entjpringen lange Arme,
fünf an Zahl, meijt ein- oder mehrjac, gegabelt, die jich nach innen eintollen können und
rechts und ins bom Grund bis zur ©piße feine Anhänge, Fiederchen (Pinnulae), tragen.
299*
340 Stadhelhäuter: Haarfterne,
Wie bei jenen alten Formen jtrahlen vom Mund fünf Turchen aus, die jich, der Zahl der
Arme entjprechend, noch auf der Kelchdede gaben und bi zu den Armjpigen und mit
Seitenäften auch auf den Anhängen verlaufen. Dieje Ambulakraljpalten, deren Seiten mit
zahlreichen Tentafelchen befeßt jind, find Nahrungsfurchen. hr Epithel it mit Wimpern
verfehen, deren Schlag alle Gegenjtände, die auf das ausgejpannte Net der Arme geraten,
zum Munde treibt. Bon da gelangt die Nahrung in den recht3 herum [piralig gemundenen
Darm. Dem Zuchhenfpftem außen entfprechen innen die Verzweigungen des Waljergefäh-
iyftems. Bon den Rapdiärgefäßen in den Armen ent-
Ipringen die ampullenlojen Gefäße der Tentafel, aber
feine mit Saugjcheiben verjehene Füßchen. Gtein-
fanäle gehen bei ven Ceelilien in großer Zahl, oft zu
Hunderten, vom Ringgefäß ab. Sie münden in Die
Leibeshöhle, die jich wieder in zahllojen „Woren-
fanälen‘ durch die Kelchdede und die Seitenflächen
der Urme nach außen öffnet. Sn den Armen, deren
- Bewegung durch das Itarf entwidelte apifale Nerven-
iyftern geregelt wird, verlaufen die Gejchlechtsitränge
der immer getrennt gejchlechtlichen Haarfterne. Gier
und Samen reifen in den Pinnulae, vor allem in den
dem Kelch zunächit gelegenen. Für den Samen bil-
den fich an den zur Neifezeit did gejchwollenen Fie-
derchen eigene Offnungen; die Eier brechen einfach
durch. Aus dem befruchteten Ei entiwidelt ji) zunächit
eine tonnenförmige Zarve mit Wimperjchopf und mit
fünf Wimperreihen (a in der Abb.). Nach hirzer Zeit
jeßt fich die Zarve feit. Die a verlieren
fich, e3 fondern fi) Stiel und Köpfchen, gerade fo,
als wollte ein Heiner Rolyp entftehen. Aber bald macht
jich der fünfftrahlige Bau im Kelch geltend: die Arme
Entwidelung eines Haarfterns (Antedon). Iproffen herbor und nad) etwa fünf Wochen (bei An-
a) Seiigminmenbe Tönngenlarve mit Timper- tedon) miegt fich’ eine winzige Geelifte auf ihrem Gtiel,
fhnüren, b) feitfigende Zarve (Pentacrinus-euro-
De u oe Wal we in. &
Zoologie”, Marburg, it fiir Antedon, die Jich [päter, nach etwa fech8 Monaten,
bom Stiele losmacht, daS „Pentacrinus“-Stadium, das
Ichon lanae als Pentacrinus europaeus befannt war, bevor man von feinem Berhältnis zur
ungejtielten Ceelilie wußte. Der Stiel baut fich aus höheren oder niederen Kaltitücen
auf, die wie Münzen in einer Geldrolle aneinanderjigen. Yon manchen ausgejtorbenen
Arten find diefe rundlichen oder fünfedigen Blättchen, „Teochiten”, fo mafjenhaft angehäuft,
daß fie ganze Bänke bilden, wie z.B. im Trochitenfalf des oberen Mufchelfalt3 von Mittel-
veutfchland; in Thüringen nennt fie der Vollsmund Bonifazius-Pfennige. Durch den
ganzen Stiel, dejfen einzelne Glieder gelenkig und auch durch Mustelfafern beiveglich mit-
einander verbunden fein können, zieht in der Mitte ein Kanal. Zur Pilanzenähnlichkeit
einer geitielten Seelilie tragen die „Blattroixtel” bei, Seitenzmeige („Cirren, Ranfen”) des
Stiel, die nie diefer felbft gebaut find. Lhre Wirbel werden als Knoten, 2 Dazmwijchen-
fiegenben Käume als Snternodien bezeichnet (f. Ubb., ©. 344).
Pina
RUND AR.
TE
Haaritern, Lanzenfeeigel und Schlangenitern.
Untedoniden. -341
Die beiden heute noch lebenden Haarfterngruppen entwiceln ihren Stiel ganz ver-
ihieden. Bei den zeitlebens feitfigenden Formen werden vom Kelch aus immer neue Stiel-
glieder gebildet. Der Zumachs dauert unbegrenzt fort, und es fünnen Stiele von mehreren
Metern Länge erzeugt werden; die älteften Teile werden dauernd abgeworfen. Man wird
unmillfürliih an das Wachjen der Bandwürmer erinnert, mit ihrer Neubildung der Glieder
hinter Dem Kopf und dem Berluft der reifen Olieder am Hinterende. Bei den fpäter freien
Krinoiden aber wird vom Larvenitiel da3 oberfte Glied am Kelch zurüdbehalten, wenn fich
diejer ablöft. Gejtielte und ungeitielte Geelilien find in neuefter Zeit von dem Amerikaner
U. 9. Uark als zwei in jeder Hinficht parallele Gruppen erkannt worden, die auch ftammes-
gejchichtlich völlig gleichwertig find, während man früher die dauernd feitfigenden al8 Vor-
jahren der anderen auffaßte. Die geftielten Seelilien eben ausfchließlich in der Tieffee.
‚snfolge der dort herrjchenden Lebensbedingungen jehen faft alle jehr einfürmig aus und
jind, wenigftens bis jest, nur in geringer Artenzahl befannt. 1912 waren 57 geftielte gegen
392 ungejtielte Arten bejchrieben. Diefe hatten als bemweglichere Bewohner der Kiiften-
tegionen und geringerer Tiefen jehr viel mehr Möglichkeiten, die verichiedenften Lebenz-
bezirte zu erobern, ji) mannigfaltigen Lebensbedingungen anzupaffen und in Arten auf-
zujpalten. Aber auch bei ihnen finden fich Feinerlei jehr erhebliche Abweichungen vom
Typus, und ohne nähere Unterfuchhung find die Arten oft fchwer zu unterfcheiden. Das
Entwieelungsgentrum für unfere heutige Frinoidenfauna ift nach Clark der öftfiche Indifche
Dean; heute noch jind von 28 befannten Familien und Unterfamilien neun auf diejes Ge-
biet bejchräntt, und alle übrigen, mit Ausnahme des weitindifchen Holopus (f. ©. 347),
fommen hauptfächlich dort vor. Gomeit die Krinvidenverbreitung in Trage fommt , ift
der Atlantiide Ozean mit feinen Nebenmeeren nur ein „biologijches Nebenmeer” des In-
diihen; bejonders anpafjungsfähige, noch „plaftifche” Formen Eonnten hierher vordringen,
während die Yauptmenge der ftarren, bereits firierten Arten zurüdgeblieben ift.
Un die europäifchen Küften ift von den ungeftielten Arinviden nur die eine
Jamilie der Antedoniden mit wenig Arten gefommen. Dafür fan man von ihnen bis-
mweilen eine ganz ungeheure Sndividuenzahl beobachten. Wer einmal erlebt hat, tie die
Fijher an den Geftaden des Mittelmeers ihre Schleppneße aufholen, der fennt die zierfiche
Antedon mediterranea Lam. (Fig. 1 auf der beigehefteten Sarbentafel). Da und dort in den
Negmajchen leuchtet etwas Veräfteltes lebhaft hellgelb, Fräftig orangefarben, blutrot oder
auch jchofoladebraun; es find Haarfterne, die mit ihren Armen und Ciren in die Mafchen
des Nebes veriwidelt und jajt alle [chlimm zugerichtet find. Kein einziger hat noch feine zehn
Arme, und faum ein Arm ift vollftändig. Hat man aber glücklich ein unverftiimmeltes Eid
gefunden, jorgfältig herausgelöft und abgejpült, dann Fan man es in einem Glas mit See-
maljer in jeiner ganzen Anmut bewundern. Sn den Mund inmitten der lederigen, nur
durch jolierte Kalkftüdchen gefchüßten „Scheibe münden die fünf Nahrungsfurchen (f. ©. 340);
in einem Snterradius Fiegt der Afterfchornftein. Die zehn lebhaft bewegten, fich bald nach
innen einvollenden, bald ausftredenden Arme bilden einen zierlichen Kranz, und am aboralen
Bol ftehen bis zu 40 feine, fehr bewegliche, 8-20gliederige Cirren. Diefe vermögen fic)
zwischen den Armen Hindurcch auf die Munpfeite zu fehlagen und dienen zum Anflammern
an Algenjtengel, Storallenbäumchen und Gefteinsfanten (j. Tafel „Stachelhäuter I“, 8, bei
©. 355). Daneben jind die Cirren auch Bemwegungsorgane; die Tiere fönnen damit auf
Meerespflangen herumtlettern, wobei allerdings die Arme mithelfen. Außerdem verfügen
342 Stahelhäuter: Haarfterne.
die Seelilien, die beweglichjten Tiere in vem phlegmatifchen Stachelhäuterfreis, noch über
eine viel elegantere Methode, um vorwärts zu fommen. Werden fie fortgejebt gereizt,
dann löfen fie fich einfach ab und Ichwimmen, indem fie die Arme in graziöjen Schlägen auf
und nieder führen. Dabei jenfen jich immer fünf Arme, von jedem Arriıpaar einer, während
die fünf anderen jich Heben. Das Tier treibt jo ftoßmeije vorwärts mie eine Medufe und ver-
mag aucd) Wendungen auszuführen, indem e3 den Körper nach einer Ceite Hin neigt. Srei-
Yich ift der durch Schwimmen erzielte Antrieb zu jchmach, um das Tier längere Zeit jteigen
zu lajfen. Meijt finft eine jchwimmende Antedon bald; auch vermag jie jelbit gegen die
ichwächite Strömung nicht anzufommen.
Bei einem ruhig fienden Haarftern fan man leicht noch eine eigentümliche Bewegung
bemerfen: das Afterrohr führt regelmäßige Stöße aus, durch die Meermwafjer aufgenommen
und wieder abgegeben mwird. Wahrjcheinlich |pielt diefer Wajjeritrom eine Nolle bei der
Atmung. Waffer Fan außerdem durch die erwähnten zahlreichen Poren, Durch die ich die
Leibeshöhle nach außen öffnet, aufgenommen merden.
Ein jehe draftiiches Mittel, jich aus der „Klemme“ zu ziehen, ift das Abjtoßen eines:
oder mehrerer Arme, die dem Angreifer verbleiben, während das verjtümmelte Tier flieht.
Auf diefe Art fucht fich der Haarftern in allen [chwierigen Xebenslagen zu helfen, in denen
bloße Flucht nicht möglich ift oder auch nicht fofort Hilft. So namentlich bei thermijchen und.
chemischen Neizen: plößliche Erhöhung der Wafjertemperatur, Einbringen in jtärfer fon
zentriertes Seewaljer, in Süßmwafjer oder in ein Ktonjervierungsmittel. Das vorher außer-
ordentlich bewegliche Gefchöpf erjtarıt förmlich und wird äußerft brüchig. Bei dem gering-
jten Anftoß zerbrechen die Arme an bejonders dazu geeigneten und in großer Zahl vor-
handenen Verbindungen der Kalfglieder. Auch aus dem freien Meer wird man faum ein
GSremplar erhalten können, bei dem alle zehn Arme ihren regelmäßigen Wuchs aufweifen.
Taft immer find einer oder mehrere in Regeneration. Mindert hat jogar Haarjterne
mit nur einem urfprünglichen und neun auf der gleichen Stufe der Regeneration befind-
lichen Armen beobachtet; bei der großen Lebenszähigfeit der Tiere Hält er es für durchaus
möglich, daß Kelche, die Durch einen unglüdlihen Zufall fäntlihe Arme — die wichtigjten
Organe fiir die Zufuhr der Nahrung! — einbüßten, unter günftigen Lebensbedingungen
durchfommen und fich wieder vervollftändigen. Wa3 Antedon im Experiment an Regenera-
tionsfraft leiftet, ift für jolch Hochentwideltes Tier ganz wunderbar. Nach Praibrams
Berjuchen ift fie imftande, einen ausgejchnittenen Radius (Armpaar und zugehöriges Kelch-
jtüd) zu ergänzen; aus einem halbierten Cremplar werden zwei vollftändige; jogar die
Scheibe des Kelches wird mit Mund und After glatt erjebt; auch wenn außerdem noch der
ganze Kelch ausgefrast wird, hindert dies die Negeneration nicht. Unter den Lebens-
bedingungen des Aquariums erfolgt aber feine Ergänzung, wenn alle Arme abgejchnitten
wurden. Bei Krinoiven mit mehr al® zehn Armen ift die Gelbftverjtümmelung und nac)-
folgende Regeneration das normale Mittel, die Zahl der Arme zu vermehren. Ein einfacher
Arm wird abgemworfen, und an jeiner Stelle entwidelt jich ein verzmeigter.
Mit der Ernährung jind die Antedon-Itten, wie alle Haarfterne, Hauptfächlich auf
den „Regen“ zu Boden jinfender Heiner Yebemwejen oder ihrer toten Nejte angetviejen, die
jie mit den zahlreichen Pinnulae der ausgebreiteten Arme auffangen und zum Munde leiten.
Die gleiche Methode des Nahrungserwerbs betreiben die jeitfigenden Cölenteraten, die mit
ausgebreiteten Tentafeln auf das warten, was in ihren Bereich fommt. Da dafür der
radiäre Körperbau der geeignetite fein muß, liegt auf der Hand; wir haben gejehen, daß ihn
Untedoniden. 343
die einen als urfprünglichen Bejit von der Gajtrula her beibehielten und die anderen neu
erwerben mußten, weil jievon bilateralen Tieren abjtammen. Auf eine weitere Beziehung
beider Streije bezüglich des Nahrungsfanges hat Neichensperger aufmerffam gemacht. An
ven Ambulafraltentafeln der Haariterne lien zahfreiche Kleine, zylindrifche Erhebungen,
die Ginneszellen mit Sinneshaaren enthalten (Tentafelpapillen) und dazu in der Regel
fünf Drüfenzellen, die einen fadigen Schleim bereiten. Shre Aufgabe joll diefelbe fein wie
die der mit Sinnesitift und Nejjelfapjel verjehenen Nefjelzellen der Cölenteraten: werden
die Ginneshaare berührt, jo zieht fich die Bapille zufammen und das Sekret wird aug-
gepreßt. Kleine Tiere werden betäubt oder getötet ımd durch die Nahrungsfurchen zum
Mund geführt. Größeren Störenfrieden gegenüber find dDiefe Organe, wie der Nefjelapparat,
eine wirfjame Waffe. Biele Feinde Haben Die Haarjterne aber nicht; dazu bieten fie bei
ihrem hohen Kalfgehalt zu wenig Genießbares. Nur eigentümlich umgebildete, wurmähn-
liche Tiere aus der Zamilie der Myzofjtomiden (©. 293) jchmarogen regelmäßig auf ihnen;
lie riechen auf Antedon, wie auf allen Krinoiden, frei herum oder erzeugen Hauptfächlich
an den Armen jonderbare, gallenartige Anjchwellungen (j. Abb. ©. 2%), die jogar fchon
bei fojjilen ©eelilien Häufig find. Gegen diejen anjcheinend ziemlich hHarmlojen PVarafiten
icheint aljo daS ©efret der Bapillen nichts zu nüben.
Zur Fortpflanzung jehreiten die verjchiedenen Antedon-Arten der europäilchen
Meere im Frühjahr und Sommer. Antedon mediterranea Zam. entleert die Gejchlecht3-
produfte aus den reifen Pinnulae, die um dieje Zeit Did gejchwellt jind, bei Neapel bereits
im März, an der Riviera erit im April; A. adriatica Clark bei Triejt im Juni, die atlantijche
A. bifida Penn. an den Küften Englands fogar erjt Anfang Juli. Nach den Beobachtungen
von Geeliger gibt das Ausitogen des Spermas durch die männlichen Haarjterne für die
Weibchen den Reiz, ihrerjeits die Eier durch Rlagen der Pinnulawand auf der dem Kelch
- abgefehrten Seite austreten zu lajfen. Der Ri verheilt jchnell wieder. Bei der Triejter
Antedon jpielt jich der Vorgang regelmäßig um 7 Uhr morgens ab. Die Gier werden an
der Austrittitelle Durch den Schleim befonderer Drüfenzellen angeflebt, befruchtet und bleiben
fünf Tage lang am Arm der Mutter hängen. Dann jchlüpfen die fchon fertig entwidelten
Larven mit ihren fünf Wimperringen aus. Viel weiter geht die Brutpflege bei einer jüd-
ih der Falflandsinjeln gefundenen Antedonide (Isometra Clark), die Anderjjon aus dem
Material der Schwedischen Antarktiichen Expedition bejchrieben Hat. Die Eier werden in
den Fiederchen felbit befruchtet und enttwideln jich in einem Brutraum neben den Obarien.
Hier durchlaufen die Jungen ihre Embryonal-Entwidelung, brechen dann durch eine Heine
Offnung nad) außen durch und befeftigen fich fofort wieder an den Cirren der Mutter, auf
denen fie das Pentacrinus- Stadium durchmachen.
Die europäischen Arten der Gattung Antedon im Sinne Clarks jtehen einander in
Ausjehen und Lebensmeife jehr nahe; ihre Berbreitungsgebiete aber jcheinen ziemlich genau
abgegrenzt zu fein. A. mediterranea Zam., die befanntefte Form, erjcheint an den Mittel-
meerfüften Spaniens, Cüdfranfreichg und an der Wejtfüfte Staliens, A. adriatica Olark
ılt auf die Adria bejchränft, A. maroccana Clark fommt an der Südfüjte des Mittelmeeres
don der Gibraltaritraße bis Tunis, jowie an der jizilifchen und fardinifchen Stüfte vor. Diefe
drei Arten leben in geringen Tiefen, immer gejellig und oft in ganz ungeheurer Zahl; mit
einem Nebzug lafjen jich leicht Hunderte erbeuten. Durchichnittlich tiefer hauft an den Küften
des mwetlichen Mittelmeere3 der Vertreter einer zweiten, fehr ähnlichen Gattung, Die grüne
Leptometra phalangium Müll. Unterjcheiden läßt jie jich von Antedon am leichteften durch
344 Stahhelhäuter: Haarfterne,
die geringere Zahl und die Anoronung der Cirren, die zudem A4dgliederig find. Unter
den atlantifchen Arten ift Antedon bifida Penn. den Müttelmeerarten jehr ähnlich, hat
aber Fürzere, gedrungenere Arme md Pinnulae; gelegentlich bilvet fie mehr alß zehn
Urme aus. Gie lebt im
ganzen Nordatlantiichen
Dzean bis zu den Azoren
und an per füfte bon
Marofto; überall, mo fie
auftritt, ijt fie ungemein
zahlreih. Co fingen Die
Amerifaner auf einer ihrer
Erpeditionen an der Küjte
von Neu- England mit
einem Hilchzug über
10000 Stüd. Sie liebt tie-
feres Wafjer, ijt aber auc)
an Kiüften mit Hohen Ge-
zeiten zumeilen an ihrem
natürlichen G©tandort zu
beobachten. Lacaze-Du-
thiers jchildert fie von Ao3-
foff an der Küfte der Bre-
tagne: zur Beit der tiefiten
Ebbe reißt das Meer beim
Burüdweichen in den Bo-
den und in die Tangiviejen
Ninnen. Sm ihnen fiedelt
lic) Sargafjogras an, an
dem man junge und alte
Haarjterne findet. Da die
Stämme diejer Alge jehr
ältig find, verflechten fich
ihre Zweige miteinander
und bilden eine lt
Strauchwerf, zwiichen dem
Antedon dorzugsmeile lebt.
Der Haaritern findet jich
daran manchmal in jolchen
Mengen, daß er Die Sar-
gassum-Ilfte Faft vollftän-
Geftielte Seelilie, Metaerinus rotundus Carp. Ctwa natürliche Größe Nah H f
Doflein, „Oftaftenfahrt”. Leipzig und Berlin 1906. en ö H
uffallen in 1e
Srößenunterfchiede bei Tieren aus verjchievener Tiefe. Während im flachen Wafjer
jeder Arm mur etiva 6em mißt, erreichen Eremplare aus größeren Tiefen bis zu 22 cm
Durchmeffer. Yon Clark rind der Einfluß beiferer Ernährung in gewiljen Tiefen hierfür
Antedoniden. Geftielte Geelilien. 345
verantwortlich gemacht; denn zu den als Nahrung dienenden Planktonfebewejen aus der
Schicht, in der der Haarftern Iebt, Fommt noch all das, was aus Höheren Wafjerfchichten
herabjinft. Diejes ausgiebigere Futter macht feinen Einfluß ganz allgemein bei den Kri-
noiven geltend: bis annähernd 200 m Tiefe, bis wohin pflanzliches Leben und damit ein
wichtiger Teil des Plankton3 dringt, gibt es eine ftändige Größenzunahme der Individuen
wie der Arten; von da bis über 1000 m (die Zone, in der die Mehrzahl der großen, gleich-
fürmig geftielten Suimoiden lebt) zeigt fich ein gewilfer Stillftand, dann bis etwa 3600 m
eine Deutliche Größenabnahme und Darunter nur noch Ziwergformen. Sr die großen Tiefen
fommt der Regen toter Organismen bereits zu ftarf zerjet und zu wenig nahrhaft.
Ein treffendes Beijpiel für diefen Einfluß der Ernährung bietet die große, in
den arktiichen Meeren gemeine Heliometra glacialis Zeach (Antedon eschrichtii Müll.).
An den nördlichen Küften Europas ift fie verhältnismäßig a
Hein, {pannt aber fchon an der’ Weftfüfte Grönlands über
50 cm und im Ochotsfifchen und Sapanifchen Meer über
70 cm (var. maxima Clark). Die Küfte Grönlands bietet
für Die Haarjterne glänzende Lebensbedingungen. Das
bon den Eisbergen und Gletfchern abichmelzende Süß-
waljer mijcht ji) dauernd mit Geewajjer; die Plankton-
tiere aber, die durch Strömungen herangebracht werden
und Schwanfungen im GSalzgehalt des Wafjers nur in
ganz geringen Grenzen vertragen, jterben majjenhaft ab,
fallen zu Boden und in die ausgebreiteten Arme der
Kerinoiven. Jm nördlichen Stillen Dzean erreicht Helio- en = a
metra gigantifche Maße befonders dort, wo warme und eier aa Se
falte Meeresitrömungen aneinandertreffen. Der jähe
QTemperaturwechjel Hat für viele Vlanktonformen diejelben Folgen wie die plögliche In-
derung im Galzgehalt, und die Srinoiden gedeihen infolgedeijen vortrefflich.
Bon den großen geftielten Seelilien, mit ihren zahlreichen Cirrenwirteln am
Stiele, fieht man in unjeren Mufeen jet Häufig Metacrinus Carp., der in mehreren Arten im
indopagifiichen Gebiet auftritt, am meijten wohl Metacrinus rotundus Carp. (bb., ©. 344)
aus der Sagami-Bai, wo er neben vielen anderen Tiefjeetieren bereits in geringen Tiefen
(jehon in 150 m) vorfommt. „Sc hatte oft den Eindrud einer wieder erwachten Vormelt”,
ichreibt Doflein, „wenn meine Aquarien mit den Ichlanfen ‚Seelilien‘ erfüllt waren, welche
mit trägen, unbewußten Bewegungen ihre Kelche öffneten und ihre Cirren jpielen Yießen.
Bergeblich jurchte ich fie zu füttern; ich fonnte fte auch nicht lange am Leben erhalten." Und
an anderer Stelle: „Nicht weniger charakterijtiich für die Stillwaljerfauna als die Her-
aktinelliven jind die Bentafriniden oder Geelilien... Shre zerbrechlichen gefiederten Arme
bilden eine Stone, welche trichterförmig geöffnet dem Nahrungsregen entgegenfieht. Mit
trägen Bewegungen wenden jie jich in ihrer Yiniengleichen Starrheit ein wenig nach den
©eiten Hin; Faum je fteht man fie eine plögliche Bewegung ausführen. Nur die Eirren,
welche den Stiel begleiten, jegen fich Kampfhaft mit ihren Hafenfürmigen Enden an jeden
Gegenitand, in dejjen Nähe jte geraten. hr langer Stiel muß außerordentlich tief im
Schlamm jteden, denn obwohl ich jpeziell von M. rotundus Stüde von ca. 11, m Länge
erhielt, jah ich nie bei einem das untere Ende des Stieles." Nach Döderlein ragt Metacrinus
346 Stachelhäuter: Haarfterne.
höchftens einen Meter über den Grund; ein vielleicht noch mehrere Meter langes Stüd
des Stammes aber liegt auf dem Boden, und darauf jtedelt jich allerhand Getier, Foramini-
feren, Hhyproidpolypen, Korallen, Röhrenwirrmer,
Entenmufcheln an, mwährend der aufrechte Teil
frei bleibt. Da die Ceelilien gewöhnlich in ganzen
Wäldern aufammenjtehen, verfrallen jich die Nan-
fen der liegenden Stiele ineinander und bilden
ein umentwirrbares Geflecht. So werden vom
Scleppneg immer nur einzelne Kelche mit mehr
gerifjen. Bei jehr jungen Eremplaren von Meta-
or erinus vermutet Döderlein eine Haftjicheibe am
Y unteren Stielende, mit der fie auf allerhand Unter-
E lagen, auch auf den Gtielen älterer Eremplare an-
H gewachjen find. Sye länger der Stiel wird, Deito
größer wird der Teil, der am Boden liegt, und Die
} Haftjcheibe verliert jede Bedeutung.
N Sehr befannt ift die Krinoide Cenocrinus aste-
f ria L. (Pentacrinus caput medusae Lam.), Das
f Medufenhaupt (Ubb., ©. 345), lange Zeit eine
1] erlejene Seltenheit der großen Sammlungen. Die
h Krone wird faft 10 cm hoch, der Kelch über dent
N kräftigen, fünffantigen, mit langen Cirren bejegten
Stiel felbit ift niedrig, die Arme find jchlanf, viel-
fach gefpalten und oft iiber 100 an Zahl. Das Me-
dufenhaupt ift aus dem Karibichen Meer aus Tie-
fen von etwa 250—600 m befannt. Aus tieferen
Schichten jtammt der ähnliche, etwa gleichgroße
Endoxoerinus wyville-thomsoni Jeffr., der auf der
öftlichen Seite des Atlantik, an den Kiften Bortu-
gals und Maroffos, aus Tiefen bis zu 2133 m ge-
dredfcht wurde; er ijt prächtig arasgrün gefärbt.
Zur europäifchen Zauna gehört auch der von
M. Sara entdedte Rhizocrinus lofotensis Sars, Der
e3 in der jehr großen Tiefe (bis 4842 m) nur zu
geringer Körpergröße bringt. Die zierliche, fünf-
armige Krone fit auf einem jchlanfen Stiel ohne
Nanfen. Erft ganz unten treten einige Cirren
auf, die fich gegen das Stielende immer reicher
3 BEE. veräfteln und zufammen eine ausgebreitete Wurzel
naeh are nah were = Bilden, mit der die Heine Lilie verankert ift. Diefe
Form (f. Abb.) wohnt ausschließlich auf der öftlichen
Seite des nördlichen Atlantik, etwa vom Polarkreife bis füdweltlich von Irland, nur in
größeren Tiefen und in faltem Wajfer. Eine jehr naheftehende Art, Rh. verrilli Olark,
lebt auf der amerikanischen Seite diefes Ozeans. Bet den ebenfalls nur in den tiefiten
oder weniger großen Stüden des Stammes ab- ,
©eftielte Seelilien. Eleutherozven: Allgemeines. 347
Meeren borfommenden Bathyerinus-Arten, neben Rhizocrinus dem einzigen Überbleibjel
aus der großen Zamilie der Bourguetifriniden der Kreidezeit, vermag jich der Kelch
bom Stiel abzulöjen und jelbjtändig zu machen wie bei Antedon.
Eine ganz abenteuerlich, geradezu verjteinert ausjehende Krinoivenform hat fich im
KRaribiichen Meer erhalten fünnen: Holopus rangi Orb. &3 ift ein bi8 4 cm hoher und 17 mm
breiter, jchwärzlichgrüner Kelch) ohne Stiel, der mit einer unregelmäßigen, falfigen Krufte
auf Steinen aufjist und nur felten und in Tiefen von ettva 200 m gefunden wird. Die zehn
Hurzen diden Arme find unverzweigt; auch er ift der legte Reit einer einjt blühenden Familie.
Zweiter Unterfreis:
Ungeitielte Stacdhelhänter (Eleutherozoa).
Hierher zählt die weitaus überwiegende Mehrzahl der heute lebenden Stachelhäuter.
Dabei jehen aber die Seeigel md -jterne auf dasielbe hohe geologijche Alter zurüd, wie die
jeßt nur noch fpärlich vertretenen Pelmatozoen. Im Körperbau find die Eleutherozoen meit
abgerüdt von den geitielten Stachelhäutern. Wer nämlich glaubt, die fünf Arme eines
Geejterns ohne weiteres den fünf einfachen oder Doppelarmen eines Haarfterns gleichjeken
zu Dürfen, nimmt die Verhältniffe zu einfadh. Die Arme der Ceelilien und die „Finger“
ihrer fojfilen Beriwandten find in der Hauptjache Fortjegungen des ©feletts über den Körper
hinaus, die das Shitem der Nahrungsfurchen vergrößern; bei den Geejternen find aber die
Arme Ausbuchtungen des Körpers jelbjt. Außerdem ift der Körper der ungeftielten Stachel-
häuter völlig anders orientiert. Die Mundjeite eines Seejterns it dem Boden zugefehrt
und heißt deshalb auch „Bauchjeite”; auf ihr laufen vom Mund aus fünf Keihen Ambu-
lafralfügchen in Furchen bis an die Spigen der Arme, wo die radiären Ambulafralgefäße
in Endtentafeln auf Terminalplatten endigen. Der After öffnet jich oben, auf der apifalen
(aboralen) Seite, vem Rüden, und in jeiner Nähe liegt die Madreporenplatte. Bei den
regelmäßig gebauten Geeigeln jieht e8 aus, als hätten ftch die Arme eines Seeiterns in den
runden Körper hineingezogen. Die Ambulakralfügchen laufen in fünf Doppelteihen vom
Mund nach oben, und die ganze Niüdenjeite eines Seeigel3 jcheint zufammengefchrumpft
in ein feines, After und Mapdreporenplatte tragendes Feld ziwilchen den Enden diejer
Reihen. Bei den Seegurfen ift die Hauptachfe des Körpers, Mund — After, ftark in Die
Länge gezogen, und das Gejchöpf marjchiert nicht mehr mit dem Mund nach) unten, jon-
dern riecht wie ein Wurm mit dem Mund voran. — Der Grundplan des Cleutherogoen-
förpers Yäht fich in den verjchiedenften äußeren Verkleidungen wiederfinden; eine ftamme3-
geichichtliche Ableitung der einzelnen Klaffen voneinander it damit jedoch nicht gegeben.
Die gegenfeitige Verwandtjchaft liegt, außer der zwischen Seejternen und Schlangenfternen,
noch im Dunkel, ebenfo die Frage, wo vielleicht ein Anihluf an Nicht-Echinodermen zu
juchen ift. Doch hat e8 Vertreter der Anficht gegeben, die wurmartig ausjehenden ©ee-
gurfen jeien auch wirklich von Wiirmern Herzuleiten. Die allgemeine Auffalfung ijt aber
heute, daß die Holothurien, auch wenn bei ihnen manche Züge des gemeinfamen Bauplans
beriwijcht find und fie deshalb eine Sonderftellung unter den Cleutherozven verdienen, Doch
bon topijchen, fünfjtrahligen Echinodermen abzuleiten find. Merfmale, wie etwa eine
zweiltrahlige Symmetrie neben der fünfjtrahligen, find nachträglich infolge der wurm-
artigen Lebensweife erworben worden.
348 Stahelhäuter: Seegurfen.
Srite Klaffe:
Seegurfen oder Seewalgen (Holothurioidea).
Die Seegurfen, Grundbewohner der Küftenregionen wie der größten Tiefen, find
Echinodermen, die rein äußerlich am meilten vom Charafterbild des Sreijeg abweichen.
Dap die Tiere fünfftrahlig gebaut find, lä*t fich bei vielen, auch bei genauejter Betrachtung,
äußerlich nicht erkennen und exrjt die Anctoinie gibt dariiber Auskunft. Was fie den Wür-
mern ganz befonder3 ähnlich macht, ift ein richtiger Hautmusfelfchlaudh, der bei der
Bewegung der grabenden Formen im ganzen etwa wie der Hautmusfelichlauch eines
Negenwurmes arbeitet. Ein jtarres Kalkffelett jehlt, von wenigen Ausnahmen abgejehen;
dagegen enthält die die, lederartige Haut zahlreiche tjolierte Stalfförperchen, aufs zierlichite
gegitterte Räüdchen, Kleine Stühlchen und Anker. Die umfangreichite Sfelettbildung ift ein
Kalkring um den Schlund, der auch aus der Haut, aus einem in die Leibeshöhle eingeftülpten
Ringmwulft, ftammt. Er beiteht aus zehn oder mehr biskuitförmigen Kalfftüdchen, auf deren
Treffpunfte gejtügt die Fühler figen, und an denen jich fünf Längsmusfelbänder befeitigen.
Die Fühler, 10—30 an Zahl, find gedrungene, fchildförmige Anhänge, oft mit gelappten
Endfcheiben, einfache Finger, Fiederchen oder große, reich veräftelte Bäumchen, mie bei
der Cucumaria planci Brdt. unferer Tafel (bei ©. 377); jte find Anhänge des Waffergefäß-
ivftems, wahrfcheinlich dejjen vorderjte umgebildete Fühchen. Bei der einen Dronung,
den Baraftinopoden, find fie fogar die einzigen äußeren Anhänge des Ambulafraffyitens,
das in Diefer Gruippe überhaupt weitgehend rüdgebildet it. Wohl ausgebildet find dagegen
folgende Merkmale des Stachelhäuterbaues: ein NRingfanal um den Schlund, davon aus-
gehend fünf Nadiärfanäle, die bei der gewöhnlichen Körperhaltung friechender Holothurien
bon „vorn“ nach „Hinten“ ziehen, und von denen Ambulafralfüßchen und -tentafel ent-
Ipringen. Die Füßchen find meijt regelmäßig in fünf Reihen angeoronet, Fönnen aber aud)
unregelmäßig über den Körper verteilt jein. Sind fünf Reihen da, dann zeigt ji) an ihnen
häufig die beginnende Zweifeitigfeit. Auf der „Bauchjeite”, mit der das Tier Friecht, ver-
laufen drei Radien (Trivium, davon einer genau in der Mitte der Sohle); die zwei übrigen
(Bivium) Tiegen feitlich am Rücken. Der Unterfchied von Bauch und Rüden tritt noch Itärfer
berbor, wenn an den Ambulafralfügchen des Triviums Saugjcheiben ausgebildet find, mäh-
rend jich auf dem Biptum, wo Bemwegungsorgane überflüflig IuB, nur jaugjcheibenfofe,
zugejpiste Ambulafraltentafel finden.
Eigentümlich verhält jich der Steinfanal, der in der Wüttelebene liegt. Cr mündet
bei ven meiften nicht mehr nach außen, jonvdern öffnet jich in einem ettwas aufgetriebenen
Mapdreporenköpfchen in die Leibeshöhle. Bei manchen Gruppen ijt mehr als einer bor=
handen; bei einer jüdamerifaniichen Holothurte gehen jogar 60—80 Steinfanäle vom
Yingfanal aus. Immer hängt am Nüngfanal auch) eine große birnfürmige (Bolische)
Dlaje, in Die fich der Snhalt des Waffergefäßiyitems zurücdzieht, wenn die Fühler zu-
janmengezogen werden, und die oft, namentlich wenn mehr al3 ein Steinfanal vorhanden
it, auch in der Mehrzahl auftritt. Ju den Wänden diejer Blaje bilden jich die amöboiden
Wanderzellen; das Arialorgan, das bei den übrigen Echinodermen diefe Aufgabe erfültt,
jehlt Den Seegurfen.
Offnet man eine Holothurie durch einen Längsjchnitt, jo fieht man die geräumige
zeibeshöhle fait ganz durch den Darm und feine Anhänge ausgefüllt. Diefer befchreibt
N ne
Allgemeines. 349
nur eine einfache Windung und ift äußerlich wenig gegliedert; Doch werden nach dem
feineren Bau umterfchieden: ein Schlunddarm, dahinter oft ein befonderer Drüfen- und
Musfelmagen, dann der Mitteldarm, das längfte Stüd, und fchließlich der Enddarn, der
durch Muskeln mit der Körberwand verbunden ift. Bon legterem gehen meiftens eigen-
tümliche Organe aus, die Kiemenbäume der fogenannten Wafferlungen, zwei mächtige,
reich veräftelte Stämme mit gemeinjfamer Wurzel oder von der Mündung an getrennt.
Sn fie wird durch chythmisches Zufammenziehen der Kloafe frijches Waffer aufgenommen
und nach mehreren Einftrömungen in Fräftigem Strahl wieder ausgeatmet. Der Sauer-
jtoff diffundiert durch die Wände zarthäutiger Endbläschen der Wafferlungen in die Leibeg-
höplenflüfligfeit, die alle Organe umfpült. Daneben dienen die Wafferlungen auch der Aus-
fcheidung von Abfalfftoffen des Stoffwechjels im Körper. Mit Exrfreten beladene Wander-
zellen treten durch die Wandungen der Endbläschen und werden mit dem verbrauchten
Wafjer ausgeftoßen. Eigentümliche Verteidigungswaffen, die aber vielen Arten fehlen,
jollen die umgewandelten unterften ftchen der Kiemenbäume fein. Diefe fogenannten
Cuvierihen Organe find lange Schläuche, die die Holothurien durch Riffe in der Kloafe
nach außen jtoßen, wenn jie gereizt werden.
Sm Nervenfpitem zeigt fich wieder der typifche Bau: ein Ring um den Schlund,
bon dem fünf radiäre Längsnerven entipringen. An Sinnesorganen find einfache
Ginneszellen für Taft- und chemijche Reize vorhanden. Lichtempfindlichkeit ift bei mehreren
Arten feitgeitellt, bei einer Form (Synaptula hydriformis Les.) auch einfachfte Lichtfinnes-
organe. Bei einigen Tiefjeeformen und den Baraftinopoden find ftatifche Organe vor-
hanven, die die Tiere über ihre Richtung zur Schwerkraft unterrichten und im Wefen mie
bei anderen niederen Tieren gebaut find; es find Bläschen mit eingefchloffenen Gleich-
gemwichtsfteinchen, die je nach der Körperhaltung auf verichiedene Stellen der Wand drüden.
Wo fie vorfommen, liegen fie paarmweije am Urfprung der Nadiärnerven.
Die zmweiltrahlige Symmetrie fommt im Gegenjab zum Nervenfyften bejonders
deutlich bei ven Gefchhlehtsorganen zum Ausdrud. Es ift dies immer nur ein einziges
Büjchel veräftelter Schläuche, die nahe dem Vorderende in der Mitte des Rüdens minden.
Sn der Negel treten Männchen und Weibchen auf, die äußerlich nur gelegentlich an einer
Genitalpapille beim Männchen oder an Brutpflegeeinrichtungen beim Weibchen zu unter-
jcheiden find. Bei einer ganzen Reihe von Arten ift aber Zmwittrigfeit vorhanden: Eier
und Samen entwideln fich neben- oder nacheinander in dem gleichen Schlauch. Aus dem
Ei entjteht eine für die Holothurie charakteriftiiche freiichwimmende Larve, die Auricularia
(D in der Abb. auf ©. 338). Shre Wimperfchnur bleibt entweder ein einfaches Band, das
jich zwifchen Mund und After um den Larvenförper windet, oder zieht fich in Heine Ohr-
chen aus und ijt mannigfach gefältelt und gefrauft. Dadurch wird die Schmwebfähigfeit
bedeutend vergrößert, wie 3. B. bei der von Chun bejchriebenen, bi 6 mm langen Auri-
cularia nudibranchiata. Eine ähnliche Zarve, die Dfhima bei Japan gefunden hat, wird
jogar 115 em lang. Auch fommt e3 vor, daß aus der Auricularia fpäter eine tonnenför-
mige Larde herborgeht, die wegen ihrer fünf durch Zerfall der Wimperfchnur entftandenen
Neifen der Larve des Haarfterns ähnlich ift.
Seit Ludwig teilt man die Seegurken in die beiden Ordnungen ver Paractinopoda
und Actinopoda ein. Die weitaus meilten Holothurien rechnet man zu der Yebteren
Gruppe, die ji) aus acht artenreichen Zamilien zufammenjeßt, während den Baraftino-
poden nur die einzige Familie der Mlettenwalzen (Synaptidae) angehört.
350 Stahelhäuter: Seegurfen.
Srite Ordnung:
Paractinopoda.
Bei den Angehörigen der Ordnung Paractinopoda jind die Fühchen ridgebildet
und mr in der Form bon Fühlern vorhanden. E3 find wurmartige Tiere, meijt Zimitter,
die in allen Meeren bis zu Tiefen von 4000 m Heimijch find. Die große Mehrzahl Hält
fich in der Nähe der Küfte auf. Eine Art von ven Philippinen geht ins Bradwaljer, und
andere tropijche Formen leben in dem jchwachjalzigen Wafjer der Mangrovejünpfe.
Manche mwühlen und graben im Sand oder Echlamm; andere jteden mwenigitens tagS-
über unter Steinen; dagegen finden jich einige tropiiche Arten frei auf
Korallen. Dieje allein find durch eine lebhafte Schußfärbung ausge-
zeichnet, wie alle Tiere, die in den bunten Storallgärten leben; die graben-
den Formen find bleich, gelblich, rotbraun, mitunter auch) ganz farblos.
. Zu den Korallenformen gehört die größte itber-
haupt befannte Holothurte: Synapta maculata
Cham. et Eys., die bei höchitens 5 cm Durchmejjer
bi3 2 m lang werden foll. Sie hat ein Dunfles,
7 ZN
’ a) \
dunfleren Fleden, die oft in fünf Länagsitreifen
angeordnet jein können, und ift für eine Holothurie
jehr lebhaft, eine veritable „Seejchlange”. Andere
Arten dagegen erreichen nur wenige Millimeter
Länge, jo 3. B. die Heinfte Seequrfe, Leptosyn-
apta minuta Bech., die höchjtend Y, cm lang wird
und in der Norpdjee lebt.
Eine der anjehnlichiten und bejtbefannten Shyn-
aptiven ijt die Klettenholothurie, Leptosyn-
apta inhaerens Müll., die bei einer Länge von
=— 10—30 em hödjjtens 3 cm breit wird und außer in
ee Mm Der Nordjee auch an den wejteuropätjichen und
nordamerifaniichen Hüften vorfommt. Sie ijt weiß
oder gelblich, oft auch rötlich und bis auf die fünf Längsmusfelbänder des ungemein zarten
Hautmuskfelichlauches durchjcheinend. Nur die Spannung der Muskulatur gibt dem Körper
eine bejtimmte Form, angejchnitten fchrumpft die Holothurie zu einem Ichlaffen Hautfeben
zufammen. m Aquarium gräbt jie jich mit Hilfe der Fühler vajch in den Boden ein, und
bald ragen höchjtens noch die Kronen der zwölf einfach gefiederten Tentafel über den Sand.
Eine auf den Grund gelegte Synapta fchlägt die Tentafel zufammen, ftrect fie gegen den
Boden und wirft jie dann nach außen. Die Heine Dadurch) gefchaffene Vertiefung wird durch
weiteres Graben jtändig vergrößert, bi3 fich der Körper mit einem Nud nachjchieben fann.
Das Vorderende verdickt jich Dabei und erweitert das Koch) mehr und mehr. Dieje Tätigkeit
dauert an, bis nicht3 mehr von dem Tier zu jehen ist. Sndes geht dies Bohren nach Budden-
drod nicht fehr fehnell. So braucht die mediterrane Labidoplax digitata Mont. für eine
Strede von 18 cm mindeften3 eine Stunde. Gtecft das Tier völlig im Sande, hört e3
mit Dem Bohren auf. Das Eingraben ift offenbar eine Fluchtbewegung. Sand wird dabei
grünes oder bläufichgraues Kleid mit helfen und
u 4 ee
PBaraftinopoden. sol
nicht in den Mund gebracht, wie dies bei anderen Holothurien zur Aufnahme tierifcher und
pflanzlicher Nahrung geichieht. Darum ift man jehr erftaunt, den dünnen Darm diejes
zarten Tieres dennoch oft völlig mit Sand erfüllt zu finden. Diejes ganze Material mit den
daran haftenden Nahrungsteilchen wird nur mit Hilfe der Fühler aufgenommen, wenn die
Synapta in „Seerofjenftelfung” im Boden fißt; die Fühler werden durch den Drud, unter
dem die in der Poliichen Blaje und im Waflergefäßring zirkulterende Flüfjigfeit fteht, aus-
gebreitet. Slebrig find fie nur beim Beutefang; beim Graben bleiben fie völlig rein von
Sand- und Schlammpartifelchen. Dagegen fcheint die Körperhaut im Sand Schleim abzu-
jondern, denn die Röhren, in denen das Tier fit, ftürzen nicht ein, wenn es fie verläßt.
Daher fann es fich in jie bei der geringiten Störung jofort wieder zurüdziehen. Im Futter
icheinen die Slettenholothurien wählerijch; Stellen mit modrigem Grund meiden fie durchaus.
Die gewöhnlich jehr trägen Shynapten Friehen „wurmartig”. Durch Ausdehnen der
Muskeln wird das Vorderende vorwärts getrieben, beim ZJujammenziehen das Hinterende
nachgezogen. Auch mit Hilfe der Tentafel können fich die Synaptiden fortbewegen, ja fogar
an der jenkfrechten Glaswand eines Aquariums hochklettern. Die Tentafel haften nicht nur
durch Feites Anprejjen wie Saugnäpfe, jondern auch durch das Hebrige ©efret, mit dem font
eine Beutetiere feitgehalten werden (Ludwig). E3 gibt noch eine andere, jehr fonderbare
Urt, jich feitzuhalten, die man beim Anfafjen einer Slettenholothurie bemerkt. Die Tiere
„letten”; von diejer Eigenfchaft rührt der deutjche Name her, und „„Synapta“ und ‚„in-
haerens“ bedeutet auch die „Haftende”. Leptosynapta inhaerens zeigt übrigens das StIet-
ten weniger fräftig al Labidoplax digitata und andere ihrer Sippe. &3 tritt immer ein,
wenn die Tiere gereizt fich teilweije oder ganz zufammenziehen. Vorher können fie dicht
aneinander oder an Steinen und Pflanzen vorbeilchieben, ohne Hängenzubleiben. Berurjacht
wird das Haften durch die Kalfförperchen in der äußeren, Ioderen Schicht der Kutis. Die
Schäfte der anferfürmigen Salkteilchen jtehen immer zur Körperoberfläche geneigt und quer
zur Körperlängsachle. Die Spiben jedes Anfers find mit Wiverhäfchen verjehen; in einer
Art Gelenk jitt feine Handhabe der jogenannten Anferplatte auf. Wird nun das Tier ge-
reizt und zieht es jich daraufhin zufammen, fo wird die Haut gejpannt und der Ankerjchaft
auf die Platte niedergedrüdt; die nur don der oberiten Hautjchicht überzogenen Spigen
treten darauf hervor und haften an allem, was fie berühren. Haben fie jich einmal feit-
gehatt, jo werden fie ausgeriljen, wenn das Tier fich durch eine Körperbemwegung frei-
macht. Sie find ihm von Vorteil, weil jie ähnlich wie die Borften Der Ringelwiirmer ein
Nüdgleiten verhüten; nach Clark dienen die Häkchen in feltenen Fällen auch zum Kriechen
an Geepflanzen. Die Anterplatten jind bei manchen Arten jchon mit bloßem Uuge zu er-
fennen, bei L. inhaerens eben noch al3 winzige Pünktchen; bei großen Formen werden Die
Anker, nach Deftergren, bi 3 mm lang.
Die Klettenholothurien find jehr empfindlich gegen Berührung und die verjchiedenjten
chemijchen Neize, bejonders gegen verdorbeneg, fohlenjäurereiches Wafjer, das die Atmung
hindert. Das Tier reagiert jofort in einer für den Pfleger jehr fatalen Weije: es zerfällt in
Stüde. Nimmt man eine Synapta in die Hand, jo gräbt jich eine ringförmige Furche (Mbb.,
©. 350) fchnell tief in ven Körper ein, und im Augenblid darauf it das Tier auch jchon durc)-
gebrochen. Den Shnapten it diefe eigenartige Form der Autotomie möglich infolge des
Bejibes einer gejchlojfenen Ringmuskulatur, die jich jehr energijch zufammenziehen fann.
Nach der Ducchichnürung bleibt das prall geichwollene Hinterende noch) eine Zeitlang leben-
dig, Fan jich aber nicht mehr zerjtüdelt. Das Kopfitüd veraräbt fi) in Sande und ergänzt
392 Staheldäuter: Sceegurken.
jich wieder; e8 vermag aber bei weiterem „Ürgern” nocd) ein- oder mehrmals Stüde ab-
zufchniren. Natürlich ift diefe Art der Selbjtverftümmelung ein Schuß gegen Zeinde, be-
ionders gegen Schnecden und, nach Semons Beobachtungen, auch gegen Ceejterne.
Die fehon erwähnte Labidoplax digitata Mont. ift jeltener al3 L. inhaerens; jie fommt
im Mittelmeer und an den europäifchen Küften des Atlantik meijt im flachen Wafjer vor,
geht aber auch in mittlere Tiefen. rn der Regel zeigt jie einen ausgejprochenen Färbungs-
unterjchied zroifchen der Ober- und Unterjeite gegenüber der gleichmäßig bleichen Verwandten.
Die Nücdenjeite, das Bivium, weilt ein Fräftiges, ziegeltotes Pigment in dichten FSleden auf,
während die Unterjeite gelb oder rötlichweiß gefärbt ift. Das ift, nad) Semon, ein Anzeichen
dafür, daß L. digitata den größten Teil ihres Lebens nicht im Boden vergraben zubringt,
fondern auf dem Grund liegt oder herumfriecht. Das Kolorit der Rüdenjeite joll eine aus-
geiprochene Schußfärbung fein, die das Tier dem Boden ähnlich macht. Unter den gemöhn-
fich nur 1,3 mm langen Anfern in der Haut hat Ludwig Riefenanfer von I mm gefunden.
L. digitata ift die Art, in der Sohannes Müller bei Triejt die parafitifche Schnede Ento-
concha mirabilis entdedte, die infolge ihres Schmarogerdafeing Ichlauchförmig wie ein Wurm
geworden ift (j. ©. 463). Bei der Vermehrung werden die Eier einfach ins Wafjer ausgejtopen
und da befruchtet. Die Laichzeit währt im Mittelmeer von Dftober bis Mai; für L. inhae-
rens werden Dftober, März und Juni aß Fortpflanzungszeit angegeben.
Eine amerikanische Slettenholothurie, Synaptula hydriformis Les. (Synapta vivipara
Ludw.), treibt Brutpflege. Die Eier der zwittrigen Tiere gelangen wahrjcheinlich durch
einen Riß in der Eierftodswand in die Xeibeshöhle, werden da durch Samen befruchtet, der
nach Clarks Anficht durch Heine Offnungen in der Wandung des Enddarms dorthin gelangt;
in den Enddarm werden fie mit dem Atenmwaljer aufgenommen. Da die Tiere gejellig, oft
zu Hunderten, zufammen leben und die Sortpflanzungszeit fich von April bi3 Dezember hin-
zieht, dürfte in ihrer Umgebung immer reichlich Sperma vorhanden fein, das auf dem nor-
malen Weg aus dem Ausführgang der Gejchlechtsdrüfe entleert wird. Die Jungen find bei
der Geburt etwa 5 mm groß, aber auch jolche von 15—20 mm, die den alten Tieren |chon
völlig gleichen, find innerhalb der Mutter gefunden worden. Die Höchitzahl, die Clark feit-
ftellte, waren 176 Junge in einem Tier. Eind nur wenig Junge im Mutterleibe, jo haben
alle ein Alter; meift find aber zwei oder dreiwerjchiedene Bruten nebeneinander vorhanden.
Die „Geburt” erfolgt fast immer durch Einreißen der Leibeswand in der Nähe des After.
S. hydriformis lebt auf Seegras und Mgenbüfchen, auf denen fie mit Hilfe der Fühler und
durch Anheiten mit den Ankern herumkflettert. Colche, die bei ven Bermudas auf grünen
Ulven leben, find grün gefärbt, die Bewohner einer Aotalgengattung an der Küfte Samaifas
aber rotbraun. Braune Flede beiverjeit3 an der Bajis der Tentafel Haben jich als einfadhite
Lichtjinnesorgane erwiefen. Die geringe Ausbildung des Wafjergefäßiyitems bei allen
Spnaptiden ift nichts Urjprüngliches, jondern eine Rüdbildungserfcheinung.
Zweite Ordnung:
Actinopoda.
Die Angehörigen der zweiten Ordnung der Holothurien, ver Aftinopoden, bejigen wohl-
ausgebildeteradiäre Wafjergefäße, von denennichtnur Fühler, fondern meiftauch Ambulafral-
tentafel und -füßchen ausgehen. Shnen fehlt aber eine durchgehende Ningmuzskulatur.
Zu den Aftinopoden gehört außer den befannteften Seemwalzen auch eine große
Aftinopoden. 5 393
Anzahl fonderbarer Formen, deren Kenntnis mir den großen Tieffee-Erpeditionen der legten
Sahrzehnte verdanken. Die Ausbildung ziweieitiger Symmetrie geht jehr weit, namentlich
in der Familie der Elpidiiden. Bei Elpidia glacialis Theel, die im Nordatlantifchen Ozean
in größeren Tiefen, im Sarifchen Meer aber auch in Küftennähe vorfommt, fiten an den
beiden jeitlichen Nadien des Triviums jederjeits nur vier Ambulafralfüßchen, genau paar-
weile, jo daß fie fajt ausjehen wie die Stummelfußpaare mancher Ringelwiirmer. An
den Ambulakralgefüßen de3 Biviums, des gewölbten Nüdenz, ftehen nur einige ziemlich
große Papilfen, twahrjcheinlich Tajt- und Atmungsorgane. Der Mund ift nad) der ganz
flachen Bauchjeite zugefehrt und von zehn furzen, dien Tentafeln umftellt. Nahe verwandt
it die unten abgebildete Scotoplanes globosa Theel, die vom „Challenger” aus dem fitlichen
‚noit und Vazifit und von der „Scotia” aus dem füdlichen Atlantit'aus aroßen Tiefen mit-
gebracht wurde. Sie ijt ein graumweißer, bi3 12 cm langer, ovaler Sad mit flachem Bau)
und jech$ oder jieben großen Ambulafralfürchen ohne Saugjcheiben jederfeits. Bon den drei
Papillenpaaren auf dem Rüden jteht ein jehr großes Paar vorn, ein faum fürzeres auf der
anderen SKörperhälfte und dahinter noch ein Paar
Heine Erhebungen (im Bild fehlend).
Yusgejprochene Ziefjeebewohner jind auch die
Piychropotiden, bei denen noch auf den drei Na-
dien der Unterjeite Feine Füßchen vorhanden find
Mund und After find bei der flachen Psychropotes
longicauda Theel völlig auf die Bauchjeite gerüdt; der «
Mıumd ift von 18 Furzen, jchildförmigen Tentafeln um=- Scotoplanesglobosa Theel. 25 natücl. Gr.
geben. Charakterijtijch für diefe Art ijt der lange dide
Schwanz auf der Nücdenjeite, der aus zwei in gemeinjfamer äußerer Haut bereinigten
Papillen entitanden ijt und wahricheinlich ein Atenorgan darftellt. Auf dem Rüden figen
noch vier oder fünf Paar niedrige Erhebungen. P. longicauda ijt wie viele Tiefjeetiere
piolett gefärbt und bewohnt den jüdlichen Atlantifchen und Bazifiihen Ozean bis ins
antarktiiche Gebiet hinein.
Bon den Piychropotiden können einige [hwimmen. Dieje Fähigkeit iit bei den nahe-
itehenden Belagothuriiden zur Höchiten Vollfommenheit entmwidelt. Sie jind Plankton-
‚tiere geworden (3. ®. Pelagothuria natatrix Zudw.; Abb., ©. 354). Eine freifchwebende
PVelagothurie aus tieferem Waffer (P. ludwigi Chun) jehildert uns Chun: „Schon im
Atlantiichen Dzean wurden wir auf die Jugendform diefer Holothurie aufmerfjam, Doch
gelang e3 uns erft im Smdifchen Dean, die gejchlechtsreifen Tiere zu erbeuten. ch Tann
berfichern, daß e3 kaum eine zartere und dabei glanzvollere Erfcheinung unter den pela-
giichen Tieffeetieren gibt, als diefe auf den erjten Bid an eine Medufe oder an eine See-
anemore erinnernde Holothinie. Der weiche gallertige Körper, welcher der für die Echino-
dermen typifchen Kalkförper entbehrt, ift leichtrofa gefärbt, und nur das Hinterende zeigt
einen dunkleren violetten Ton. Daß e3 jich um eine echte Tiefenform Handelt, twelche freilich
auch der Oberfläche nahefommen fann, lehrt ihr Auftreten in einem Schließnesfang aus
1000— 800 m. Der auffälligite Charakter unferer Holothurie heat in der Ausbildung
einer mächtigen Schwimmfcheibe, die von zwölf Tentafeln durchzogen wird. Der Darın
war ftet3 mit einer gelbbraunen Mafje erfüllt, die fich bei mifrojfopiicher Unterfuhhung als
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 23
354 Stahelhäuter: Seegurfen.
eine Anfammlung von Radiolarien (Bhäodarien), von Globigerinen- und Diatomeenjchalen
erivies. Bei ruhigem Schweben wird der Mund jtet3 nach oben gewendet. Die Schwimm-
scheibe wird bald Horizontal ausgebreitet getragen, bald gegen den wurmförmigen Hinter-
förper eingejchlagen." Gin Zugejtändnis an da3 Leben in freiem Wajjer, das eine mög-
fichft ftarfe Herabjegung des |pezifischen Gewichtes erfordert ijt, daß den Pelagothurien
jede Spur von Salfifelett fehlt.
Sehr viel weniger anmutig und zart al dieje Holothurien der Hoc- und Tiefjee
muten die eigentlichen Seewalzen an ven Stüften der märmeren Meere an. Die Gat-
tung Holothuria L. und ihre Verwandten ift in mehr als 100 Arten um die qaitze Erde
verbreitet. Sm u gehören die Holothurien zu den gemeinjten Bodentieren in der
Nahe der Küfte, auf Schlamms>, Sand- md
Steingrumd. Bei jedem Schleppnebzug fom-
men dieje wenig appetitlich ausjehenden, murit-
fürmigen, dunfelbraunen und warzigen Tiere,
für Die der Südländer fehr draftiiche, aber nicht
jalonfähtge Namen hat, mit herauf. Sm Aqua-
rium ftreden fie fich lang aus — die befanntejte
Mittelmeerart, die Röhrenholothurie, Ho-
lothuria tubulosa @mel., wird bi8 35 cm lang —
und Friechen, eigentümlich gleitend, Yangjam
herum. Den Mund am VBorderende umgeben
20 furze und am breiten Ende veräftelte Ten-
tafel. Sie fünnen nicht zurüdigezogen werden,
Be = 5 fehrumpfen aber, wenn ihr Suhalt in Die große
Säwimmholothurie, Pelagothuria natatrix Zudw, Woltjche Blafe zurüditrömt, erheblich zufammen.
net „Gie, bienen Dazu, in Den ‚Mund near
Sand und Schlamm zu Ichaufeln, deren vrga-
niiche Bejtandteile die Nahrung der Röhrenholothurien bilden. Dabei jcheinen die Tiere
die Fähigkeit zu haben, jich befonders inhaltreihen Schlamm zu wählen. Sm jchmut-
zigen, an Abfällen aller Art reichen Grund ver Häfen finden fie fich in Scharen ein.
Das Atembedürfnis Der Holvthuria-INrten ijt fehr groß, und dementiprechend find
ihre Wafjerlungen reich entiwiekelt. Unter normalen Verhältniffen atmet die Röhrenmwalze
ein- bis dreimal durch den After ein, ehe jie durch einen Fräftigen Waflerjtrahl ausatmet.
Sit das Waller jaueritoffarm geworden, fängt jie an, unruhig umherzuftiechen. Schließ-
fich erhebt fie das Kopfende zum Wafjerjpiegel und jtreckt die Fühler in die Luft. Kann
jte der Atemnot jo nicht abhelfen, hebt fte jogar das Hinterende über die Oberfläche, öffnet
ven After weit und nimmt Luft auf. Luftatmung, wie bei den höheren Wirbeltieren, it
diefe „Notatmung” natürlich nicht; die Luft erneuert nur den Sauerftoff in dem Wajfer,
das bereits in den Kiemenbäumen enthalten ist. Bejonders auffällig ift, daß hier ein nie-
deres Tier eine Handlung ausführt, die bei dem gleichmäßigen Sauerftoffgehalt des Meer-
mwajjer3 feine Reaktion auf irgendwelche, im normalen Dafein vorhandene Lebensverhält-
nifje darstellen fann.
Nimmt man eine Röhrenholothurie aus dem Wafjer, fo zieht fie fich aufs Außerfte zu-
jammen und wird völlig fteif, twobet aus dem After in großem Bogen ein feiner Wafferftrapt
1. Stichopus regalis Cuv., von der „Bauchieite“. Etwa 1/3 nat. Gr.
Cuvierichen Organe (rechts),
Etwa 1/3 nat. Gr. S. 355. S.
FE
S. 355. S. Müllegger-Hamburg phot.
a "ER i >”
Darm und Wailerlunge (links) durch
Müllegger - Hamburg phot.
3. Steinfeeigel, Paracentrotus lividus Zam., in Steinhöhlen und teilweile „maskiert“. Stark verkleinert.
S. 366. Herring-London phot.
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Z
Aktinopoden. 355
iprigt. Hört Der ftörende Neiz nicht auf, dann fommt das Stärkite, was fie in der Ab-
wehr tut: fie preßt mit einemmal die Eingeweide aus dem After. Bei Holothuria ift es.
gewöhnlich Der ganze Darm und die rechte Wafjerkunge. Der Darın Frempelt fich dabei nicht
etiva um, fondern reißt am After und am Schlund ab md wird mit der hinteren Partie
voran zur Kloafe Hinausgetrieben. Bei anderen Zormen Fünnen auch nod) die andere
Wajjerlunge, die Gejchlechtsorgane, der Kalkring mit den Wafjergefäßen und jelbjt die
Fühler ausgeworfen werden. Dieje ganz unglaubliche Art der Gelbjtverjtünmtelung jchadet
dem Tiere jedoch nichts. Holothuria scabra Jäg. regeneriert den ausgerworfenen Darm
ihon in neun Tagen. Bei manchen Arten geht indefjen das Auspeien der Eingemweide
weniger weit. Die im Mittelmeer fehr häufige Holothuria forskali Chiaje ftößt meift-
nur Teile ihrer Cuvierfchen Organe aus (f. die beigeheftete Tafel „Stahelhäuter”, 2).
Dieje Art, von deren fait Schwarzer Dberfeite fich weiße PBapillen fcharf abheben, baut
röhrenförmige Nefter im Sand, wozu der Schleim der Hautdrüfen den Kitt Tiefert.
Hübdfcher gefärbt ift die Königsholothurie, Stichopus regalis Cuv. (f. die beigehef-
tete Tafel „Stachelhäuter”, 1). Das zarte Oderbraun ihres gemwölbten Nüdens geht an
den Seiten in Mattrofa über. Die Bauchfeite ift hellwötlich oder bräumlich gefärbt und
bom Rüden dich eine fcharf ausgezadte Kante mit großen, weißen Tleden abgejebt. Sehr
eigentümlich ijt bei diefer Art, die etiva 25 cm lang und 71% cm breit wird, die Methode,
mit der fie fich gegen unangenehme Neize wehrt; die Haut Lölt fich dann ziemlich rafch in
einen formlojen, eflen Schleim auf. Stichopus regalis bewohnt die Küften Güpdeuropas.
Die Königs- und die Nöhrenholothurien beherbergen einen jehr fonderbaren Gaft.
Bringt man mehrere in ein Aquarium, fo wird man häufig zur größten Überrafcehung plöglich
auch einen bandförmigen, leicht rötlichen Fiich darin entdeden. Wo er hergefommen ift,
berrät er meilt bald. GStößt er auf eine Seegurfe, fo fucht er mit dem Kopfende auf ihr
herum, bis er den After gefunden hat. Da. wartet er dann bis zur nächjten Atembemwegung,
flemmt rajch den Kopf in die weite Öffnung hinein und führt den Schwanz am Kopf vorbei
in ven After. Dann richtet er den Vorderförper wieder auf und fchiebt Jich bei den folgen
ven Atembewegungen immer weiter rüdmwärts hinein. Kleine Exemplare des Filches —
e3 ijt Fierasfer acus Kaup, der bi3 19 cm lang wird — verichwinden fchon bei einem Atem-
zug im Darm. Diejer lediglich Schuß fuhhende „Raumparafit" fit in den Kiemenbäumen.
63 fommt vor, daß größere die zarte Wand diefer Organe durchbrechen und dann auch in
der Leibeshöhle leben. Die Holothurien zeigen im Körperbau feinerlei Anpafjung an diejen
Öajt, der nur in ihrer Gefellfchaft gefunden wird. Wohl fuchen fie ihn beim Einjchlüpfen
duch Zufammenprefjen des Hinterendes zu vertreiben, Doch e3 fommt nur jelten vor, daß
lie die Eingemweide auswerfen, wenn: Fierasfer eindringt (f. auch Bd. 3, ©. 368-371).
Stichopus- und Holothuria-tten werden auch gegeifen. Sn Europa betrachtet ie
nur Die arme Fijcherbevölferuna Unteritaliens und Sardiniens als genießbare „„Frutti di
mare“. Aber für Südoftafien und die Injeln des Stillen Ozeans, neuerdings auch für das
jüdfiche Nordamerifa, find fait alle Seewalzenarten einer der wichtigiten Ausfuhrartifel nad)
China, wo fie al3 Trepang einen hochgefchäßten Lederbifien darftellen. Stoningsberger
zählt 1904 allein 22 eßbare Holothurienarten von Niederländijch-modten auf. Heute erwägt
man in Japan Shon Maßregeln, die Trepangholothurien vor Raubbau zu jchüben und zu
züchten (Mäitfufuri 1903). Semper hat 1867 itber die Zubereitung des Trepangs ausführ-
{ich berichtet; mir bringen feine anfehauliche Darftellung gekürzt zum Abdrud:
„Unter dem Namen Trepang (biche de mer, balate) werden die auf mannigfaltige
23*
356 Stadelhäuter: Seegurfen.
Weije zubereiteten Holothurien nach China gebracht und dort mitunter zu hohen Preijen
verwertet. Auf den Valau-Snjeln, den weitlichiten der Karolinen, habe ich lange Monate
hindurch den Fang und die Zubereitung diejer Tiere beobachten fönnen. Bedect von einer
mehrfachen Lage der großen Kufaublätter (Caladium esculentum), werden die Holothurien
zuerft recht eigentlich gefocht; dann unter jtetem Begiegen mit einer jehr geringen Menge
süßen Waffers gedämpft. Nach der exrften Abkochung werden fie auf freiftehenden, hölzernen
Geftellen an der Sonne gedörrt und dann mwechjelmweije zivei- oder dreimal gedämpft uno
getrocinet. Sind fie endlich hinreichend troden und des Meerjalzes beraubt, jo werden jte
in großen, zu diefem Zwed eigenz erbauten Schuppen auf Borten in dünnen Schichten
ausgebreitet und monatelang dem Einfluß von Rauch und Feuerwärme ausgejeßt. Man
pflegt jie erft ganz furze Zeit vor der Abreije in Säde zu verpaden und an Bord zu bringen,
um fie jo wenig al3 möglich der im Schiffsraume Herrjchenden feuchten Atmoiphäre aus-
zujeben. Sollen fie gegejjen werden, jo reinigt man die Oberfläche zunächit von anhängen-
dem Schmuß, Fragt Die obere, Falffüihrende Schicht ab und weicht fie Dann 24—48 Stunden
lang in füßem Wajfer ein. Dabei quellen jie auf und nehmen eine jdmuBiggraue Farbe
an. Nach mehrmaligem Wajchen und jorgfältiger Entfernung der Eingeweide und aller
fremden Sandteilchen wird dann die aufgequollene Haut in Feine Stüdchen gejchnitten,
die in Stark gewürzten Suppen oder mit verjchiedenen anderen Speifen gegejjen werden.
Sie haben jo wenig wie die eßbaren Bogelneiter einen eigenen Gejchmad; es find weiche,
milchig ausjehende Gallertflumpen, welche von den Europäern nur wegen ihrer leichten
Berdaulichfeit, von den üppigen Chinejen wegen der ihnen zugejchriebenen reizenven
Eigenjchaft genojjen werden.“
Die ftarfe Nachfrage nad) dem als Aphrodijiafum geltenden Trepang haben jich dann,
nach) Marjhall, die Amerikaner zunuge gemacht. Sie fiichen die Holothurien bei den Ber-
mudas3 jowie in Wejtindien und exportieren jie bejonder3 von Bojton aus nad) China.
Kapitän Eaglejton rüjtete hintereinander fünf Erpeditionen aus, von denen er 5500 Zent-
ner Trepang, das find etwa 5 Millionen Stüd, Heimbrachte und mit fat 70000 Dollar Rein-
gemwinn verkaufte. Anfang der 18er Jahre zahlte man, nach Kent, für die beiten Trepang-
jorten bis zu 3000 Mark für die Tonne.
Der Fang der Trepang-Holothurien wird im allgemeinen noch jehr primitiv gehand-
habt; jie werden gejpießt oder durch Taucher heraufgeholt. Su tieferem Waffer bedient
man jich auch einfacher Schleppneße. Bon dem Ausjehen des fertigen Lederbiijens gibt
Wallace feine gerade jehr verlodende Beichreibung: „Trepang“, jagt er, „jieht aus wie
Wiürfte, die, nachdem fie im Schlamm gewälzt worden waren, durch einen rußigen Schorn-
ftein gezogen wurden.” Nach Samejon veritehen die Chinejen jehr Fräftige, wohlichmecdende
Suppen und Frifafjee3 Daraus zu bereiten. Ganz gelegentlich jieht man dieie merfwirrdigen
Lederbijjen in unjeren Feinktoftgefchäften.
Biele Seewalzen bevorzugen SKtorallenbänfe als Aufenthalt und jpielen eine bedeut-
jame Niolle bei der Umwandlung des feinen Korallengrufes zu feiten Kalkblöden (j. ©. 169).
AS echte Bewohner der fubmarinen Gärten prangen dieje bis 1m langen „Riffgolotgurien”
in den bunteften Farben.
An die Holothuriiden jchliegt fich die merfwürdige Familie ver Molpadiidae an. Als
einziger Reit von Ambulafralanhängen find hier nur noch etwa 15 jchildförmige Fühler und
em Baar PBapillen am After vorhanden. Geatmet woird durch Waiferlungen; trob des
Aftinopoden. - | 357
Aufenthaltes im Schlamm ift deren Verjorgung mit reinem Wafjer möglich, denn das
‚Hinterende ift in einen Schwanz ausgezogen und wird ins freie Wafjer Hinausgehalten.
Die zierlichen Kalfförper find jehr verjchieden gejtaltet. Die befanntejte, jehr weit verbreitete
rt ift Molpadia musculus Risso, ein graues oder rotbraunes Tier mit violettem Anflug,
da3 bis 16 cm lang twird; die meiften Molpadiiden gehören der Tieffee an.
Ein ganz anderes Leben als die Sand- und Schlammfrejjer mit ihren Grab- oder
Schaufelfühlern führen die Cucumariiden, auf deren Hußeres der Name „Seegurfen”
am beiten pakt. Wie die Synaptiven warten jie mit ausgebreiteten Fühlern auf den „Nah-
tungsregen". Jhre zurücziehbaren Fühler jind aber nicht einfach gefiedert, fondern aufs
teichjte baumförmig verzweigt und bilden, nad) allen Seiten ausgeftredt, ein großes, dichtes
Tangnes. Wie das Futter davon abgenommen wird, jchildert Dohen: „Cucumaria jucht
einen Stein, ein Gorgonidenbäumchen oder irgendeinen anderen hervorragenden Bumnft
aus, auf den jte jich feitjießt und num monatelang jiten bleibt (j. Tarbentafel bei ©. 377).
Zugleich jtredt jie ihre Tentafel zu voller Höhe aus. Si faft rhythmifcher Aufeinanderfolge
zieht jich van ein Tentafel nach dem anderen langjam und vorjichtig zufammen, biegt fich
nad) innen um umd wird in die Mimdöffnung gebracht. Sowie er darin völlig aufgenommen
ift, verengert fich diejelbe, und jet zieht das Tier den Tentafel langfam wieder heraus. Das
Spiel der Tentafel geht fajt ununterbrochen vor fich.“ Zei Kleinere Fühler, Die auf der
VBentraljeite nebeneinander liegen*, fünnen den Mund nicht nur verfchliegen, fondern die-
nen, nad) D. Schmidt, auch als „Wifcher”, die alles, was an dem Tentafel noch hHängen-
geblieben ilt, abjtreifen, wenn er fich wieder herauszieht. Die Nahrung beiteht, nach
Noll, bei Cucumaria planci Brdt., einer der befannteiten, vom Mittelmeer bis zur Kilfte
Englands verbreiteten Art, vorzugsweife aus lebenden Tieren. Jm Aquarium gewöhnt
lie) Die ehte Seegurfe jchnell ein, entfaltet ihre Fühler und läßt fich felbft durch un-
lanfte Berührungen nicht ftören.
Die Cueumarien find außerordentlich träge Gejchöpfe, die mit aufgerichteter Fühler-
frone entweder auf dem Boden liegen oder an Algen, Korallen und Steinen fiben. Noll
hat Seegurfen 31, Jahre in Gefangenfchaft gehabt und beobachtet, daß eine davon 2 Jahre
lang auf dvemjelben Fled jibenblieb. Nach einer Beobachtung von Chadiwicd vermögen jich
junge Cucumarien durch Duertetlung und nachfolgende Negeneration zu vermehren; er
erhielt im Laufe von zwei Monaten auf diefem Weg aus drei Zndividuen jieben. Die
Eiablage findet bei C. planci vorwiegend im März und April ftatt; auch in Gefangenjchaft
laichen die Tiere. Die Gattung Cucumaria ijt weit verbreitet. Die meilten Arten find
Küftenbeiwohner, einige gehen aber auch in große Tiefen. Sm der Nordjee ift Cucumaria
pentactes Mont. ihr Vertreter.
Bon der naheveriwandten Gattung Thyonre Ok. it Th. briarens Les. von den wärmeren
Zeilen der altantischen Küfte Nordamerikas eins der „Berfuchsfaninchen” der amerifani-
ihen Tierpfychologen. „Auf Sand gejebt, beginnt fie jich alsbald einzugraben, indem fie
ihren durch Kontraktion der Ringmusfulatur auf der Bauchjeite Feilfürmig verfchmälerten
Körper in den Sand bortreibt, jodann wieder verbreitert, um den Sand beiderjeits meg-
zuodrängen, und Ddiefe beiven Ufte abwechjelnd jo lange wiederholt, bi fie ganz oder zum
größten Teil unter dem Sand verjchwunden ift. Obwohl die Empfinplichfeit von Thyone jv
* Diefe Verhältniffe jind auf der Farbentafel nicht ganz richtig dargeitelft.
358 Stadhyelhäuter: Seegurfen. Seeigel.
groß ift, daß fie durch einen in das Aquarium fallenden Wafjertropfen zu jofortiger Kon-
traftion veranlaßt werden Tann, jo beantwortet fie doc, eine wiederholte mechanijche
Keizung der Tentafel bereits nach einer halben Stunde nicht mehr mit einer Kontraktion, jon-
dern nur noch mit einer Abwendung des Vorderendes" (nach Bearje aus Kafka). Gegen
Licht ift Thyone fehr empfindlich und jucht fich davon zu entfernen.
Brutpflege findet fich bei Thyone rubra Clark und Phyllophorus urna Grube. Hier
enttwideln fich die Jungen, ähnlich wie bei Lapidoplax digitata Mont. (j. ©. 352), in der
Leibeshöhle und fchlüpfen durch einen Riß in der Körperhaut aus. Bei Cucumaria laevi-
sata VU. und C. glacialis Zjung. dienen Hauteinftülpungen
der zwei „ventralen" Snterradien als Bruträume. Die
Sungen von C. crocea Less. entwideln ji) auf den „Ddor-
jalen” Ambulakven der Weibchen.
Zur Familie der Bucumartiden zählt auch noch eine
Reihe weniger regelmäßig geitalteter Seewalzen. Bei den
Psolus-Arten ift der Bauch zu einer dimnhäutigen Siriech-
johle umgebildet, während den gewölbten „Nücden" große
Kaltihuppen panzern. Der von zehn Furzen, vielfach ge-
jtielten Fühlern umgebene Mund ift ebenjo wie der After
auf den „Nücden“ verlagert. Die meijten Pjoliden leben in
geringen Tiefen auf fteinigem Boden. Wie Chiton oder
Patella unter ven Molfusfen, vermögen jie jich jo feit anzu-
augen, daß die jtärfite Brandung fie nicht loszureißen ver-
mag. Bei Flut ftreden jie die Fühler zum Yang der Nah-
rung aus. Sm der Nordjee und an der atlantifchen Kiifte
bon Nordamerifa ijt der etwa 6 cm lange Psolus squama-
tus D. K. jtellenweije die Häufigjte Holotdurie. Bejonde-
tes Ssnterejje verdient eine antarktifche Urt, Ps. ephippifer
Wyv.-Th., die in mittleren Tiefen erbeutet wurde. Beim
Weibchen befindet jich eine Bruttajche auf dem Rüden.
Unter einer Anzahl größerer Kalfplatten entwidelr jich die
befruchteten Cier. ind fie reif zum Ausichlüpfen, fo öff-
nen fich die Plattenränder. Bei einer anderen antarf-
tiihen Form, Ps. antarctieus Phrl., wachlen die Jungen
a) Sphaerothuriabitentaculata auf der Bauchjeite der Mutter heran; jie heften jich mit
a en ihren Füßchen an die freien Teile der Kriechjohle des alten
Tieres (Ludwig).
Koch ein paar abjonderliche Gejchöpfe mögen hier Erwähnung finden. Denkt man
jich einen Psolus annähernd zur Kugel verfürzt, ringsum mit feitgefügten, ftacheltragenden
Kalfplatten bedeckt, jowie Mumd und After einander genähert und röhrig ausgezogen, jo
hat man die äußere Form der Sphaerothuria bitentaculata Zudw. vor ih. Aus dem Mund-
tohr vermag das Tier zwei große, fchlauchförmige Fühler Herauszuftreden. Dieje Art ift
im öjtlichen Stilfen Ozean in Tiefen bon 200—2000 m gefunden worden und hat 2cm Durch-
mejjer. — Numd- und Ufterrohr find bei der flajchenförmigen Rhopalodina heurteli Perr.,
die im Schlamm der Kongo- und Gabunfüfte in geringer Tiefe entdect wurde, zu einem
gemeinjamen Rohr fehornfteinartig verfchmolzen.
’ Allgemeines, 399
Zweite Rlaffe:
Seeigel (Echinoidea).
Wieder ein ganz anderes Bild im Stachelhäuterfreife bieten die Seeigel. Den Namen
fragen die meilten mit vollem Recht: fie jind über und über mit Stacheln bewehrt, wie ihr
„Bate“ unter den Säugetieren. Sor Körper ift Eugelig, herzfürmig oder flach und faft aus-
nahmslos völlig ftarr durch einen wohlgefügten Kalkpanzer. Auch tritt beim Geeigel ein
weiteres charakteriftiiches Stachelhäutermerkmar ftark hervor: das Ambulafralfyftem. Das
Tier veranfert und bewegt jich auf dem Grumd oder an den Glaswänden eines Aquariums
mit zahllofen langen, durchjichtigen Saugfüßchen. Beier noch vermögen die meiften Gee-
igel auf die Stacheln geftüßt herumzuftelzen. Immer find die Ambulafralanhänge in fünf
Doppelreihen angebracht, die in den Rc-
dien wie Meridiane von der Mundfeite
zum oberen Pol laufen, mo bei vielen der
After liegt. Entfernt man von einer See-
igelichale, ettva der de3 Echinus esculen-
tus Z., die Stacheln, fo jieht man die
Anordnung der Kalkplatten. Sie ftehen
in 20 Reihen, aus denen man leicht die zu
den Radien gehörenden herausfindet: Die
fünf, deren Platten an den Außenfeiten
der Doppelreihe zahlreiche feine Poren-
paare tragen (a in der Abb.). Se ein Baar
gehört zu einem Füßchen, denn die Sa- :
näle, die Füßchen und Armpulle verbinden, au ale es ne enden ntulöht, Selen
jo ber, eeeigeln gewöhnlich. geteilt: Die ı "7 N suchen ame Ya ae
zwiichen den „Ambulafralplatten‘ Tiegen-
ven fünf Doppelceihen gehören den Snterradien an, jind „Snterambulafralplatten” (ia in
der Abb.). Dben bleibt zwiichen den Plattenreihen ein Kleines, rundes Feld (Periproft)
frei, in dem der After etwas feitlich von der Mitte Tiegt. Auf der Unterfeite findet jic)
bei den „regulären Geeigeln ein ähnliches weichhäutiges Feld (PBeriltom), aus dem im
Zentrum die fünf weißen Meißelzähnchen des Mundes blinfen. Jın Leben überzieht eine
dünne, weiche Haut den ganzen Panzer; jie enthält zahlreiche Sinnezzellen, die durch ein
Keb von Nerven noch außerhalb des Kalfpanzerz miteinander in Verbindung jtehen. Die
Außenhaut weilt außerdem zahlreiche Drüfenzellen auf. Die jehr beweglichen Stacheln jind
jelbitändig entitandene fpibe, feulen-, becher- oder pflafterjteinfürmige ©feletteile, die manch-
mal größer al3 der Schalendurchmefjer und in deren unteres Ende Gelenfgruben ein-
gehöhlt jind. Su dieje pajjen Gelenfföpfe auf den Kalfplatten. Der Stachel ift ringsum mit
dem Gelenffopf dur Muskeln verbunden, die ihn nad) jeder Richtung Hin beimegen fünnen
(2bb., ©.360). Eine äußere Lage beiteht aus ducchlichtigen „Flinfen” Musteln, die leicht
in Tätigkeit treten, aber auch vafch wieder erjchlaffen. Tiefer liegen weiße „langfame”
Musfelfajern, die zwar nicht gleich in „Zrab zu bringen find”, einmal bei der Arbeit fich
aber jtärfer und dauernd Fräftig zufammenziehen und den Stachel in einmal eingenommener
Lage zäh feithalten. Se nach der Stärke Diejfer „Bemegungs-" oder „Sperr"-Musfulatur
360 Stadelhäuter: Geeigel.
fan man auf größere oder geringere Beweglichkeit der einzelnen Geeigelarten jchliepen
(v. Uerfüll). Zrotjchen dem Stachelwald eine3 Geeigel3 jtehen die Bedizellarien, dreiflap-
pige Zängchen, die auf falfgejtügten Stielchen ftehen und von einem Wimperepithel mit Sin-
neszellen überzogen find; ihre drei Kiefer werden durch Muskulatur gegeneinander bewegt.
Die eriten Unterjucher Hatten
die Vedizellarien fir Parafi-
ten gehalten, die fich auf der
Haut der ©eeigel feitaejeßt
hätten. Heute unterjcheidet
man mehrere Arten jolcher
Greifwerfeuge: 1) die „Gift-
sangen" (Pedicellariae gem-
miformes, b), mit Oinneszel-
fen ımd großen Giftoritfen, jo
daß das Köpfchen Furgelig auf-
getrieben erjcheint. Ste jind
ehr wirffame Berteivigungs-
5 waffen für den Geeigel, Die
Teil eines GSeeigelpanzers mit 3 Stadeln (L, II, I) und 4 Pedizellavien auf die dom Angreifer allg=
(a—d), jhematifiert; 2 Stadeln (II und IT) find duchihnitten dargeftellt. Drigi-
naleihnung non Dr. ©. Grimpe. a) Dphiocephale PBedizellarie von Echinus gehenden hemijchen Neize
eseulentus Z., b) globifere Pedizellarie von Notechinus magellanieus Phil, e) tri- hin in Tätigfeit treten. 2)
dentate Pedizellarie, gejhloffen, von Styloeidaris affinis Phil., d) trifoltate Pedi- ii ö
zellarie von Sperosoma grimaldii Koehl. K Gelentfopf, P Gelentpfanne, M Mus- „Klappzangen (B tridenta-
feln des Staheld. Die Kalkteile find punktiert, die Pedizellarien verjchteden. ftark .
vergrößert bargeftellt. tae,tridactylae, c), an großen,
jpigen Kiefern mit gezähnten
Rändern fenntlich. Sie öffnen und fchliegen fich auf den geringiten mechanischen Reiz Hin;
ihre Hauptaufgabe ist Die Vernichtung Kleiner Larven parafitiicher Tiere, die ih auf dem
Geeigel anfiedeln wollen. 3) Die Eleineren „Beißzangen” (P. ophiocephalae, a) mit ge-
drungenen, gezähnten Kiefern. ı jind am allerhäufigiten umd ftehen mit im Dienft der.
Ernährung. Stleine Tiere, die auf den See-
igel geraten, werden bon den Beißzangen
gepadt und an die Füßchen abgegeben, Die jie
zum Mund weiterführen. Schließlich Haben
4) die „Bubzangen” (P. trifoliatae, d), die
noc) erheblich Feiner find und drei blattfür-
mige, ungezähnte Kiefer führen, für Nein-
„gaternede3 Ariftoteles”, Zahngerüftdes Stein- lichfeit: ou jorgen. Sie ergreifen den stot,
een
oben, d) Kalkeing im Umkreis de3 Mundfeldes. Natürl. Gr. liegen bleibt, und alle auf den Geeigel fallen-
ven Frempdförper mit zivei Klappen und zer-
mahlen fie mit der dritten zu feinem Mulm. Auf Stacheln und PVedizellarien des eigenen
törpers oder Die eines Jndividuums derfelben Spezies beißen die Zangen nicht.
Ver zum erjtenmal auf dem Markt eines Mittelmeerhafens zujieht, wie der Händler
einen der eßbaren Seeigel öffnet, wird erftaunt fein, twie wenig in jolch einer großen Schale
enthalten tft. Die Leibeshöhle ift jehr geräumig; bei einem Fleinen Sphaerechinus granu-
laris von 225 ccm Inhalt fand Cohnheim 175 cem Leibeshöhlenffüfiigfeit. Der Dar ift
Allgemeines. = 361
in jeinem Anfangsteil von einem umfangreichen Musfel- und Kalffpangenapparat um-
geben, der der Bewegung der fünf elfenbeinweigen, meißelfürmigen Zähne am Eingange
zum Munde dient (a in der unteren Abb. auf ©. 360). Durch Muskeln, die das Zahrıgerüft
auch al3 Ganzes bewegen fünnen, ijt er an einem mit fünf „Ohren“ verjehenen Kalkring (d)
befejtigt, ven die Nandplatten im Umfreis des weichhäutigen Mundfeldes bilden. Schon
Plinius fannte diefen Kauapparat, den man leicht al Ganzes herausnehmen Fant, unter
dem Namen „Laterne des Arijtoteles".
Der Darm (D auf der untenftehenden Abb.) hängt an Mejenterien und läuft in Schlan-
genlinien etwa zweimal durch die Yeibeshöhle zum After. Außer jeiner eigentlichen Aufgabe
bejorgt er, nach PBerrier, noch die Atmung, da er auch Wajjer aufnimmt, Das durch die Diinn-
häutige Darmmwand mit der Leibeshöhlenfliijiigfeit in Gasaustaufc) tritt. Bei der Familie
der Echiniden ijt ein Neben-
Darm vorhanden, der jich
hinter dem Kaugeriit ab-
Ipaltet und [päter wieder in
den Hauptdarm mündet;
er führt der lebten Darın-
windung frisches, nicht mit
Kahrungsteilen vermijchtes
Waffer zu. Wie Henri be-
obachtete, zieht er fich alle
10—15 Sekunden rhyth-
milch zufammen. Der La-
terne fiegt der Wafjergefäh-
ring (R) auf. Die fünf SE ER:
Radiätgefähe eigen an ie Zt a in anenaie 0a cn has 0 wien Dr Di at He NE
herab und laufen dann ker ar Ambulatraifikgen, DI Bläsgen Ammulen, D Dan, & Gejgtestsbeife
meridionalnac oben. Sie L*eibeshöhle, M Madreporenplatte, Md Mund, N Nervenring, Na Nebendarm, P Kalk
h f panzer, R Ningfanal, Rk Radiärfanal, Rn Nadiärnervn, S Sinnezflet (Endtentateh, Sk
ihliegenin Endtentafeln (S) Steinfanal, St Stadien, Z Zahn, Ze Teil des Zahnngerüftes.
ab, die man früher, ihrer
dunklen Färbung wegen, für Augen hielt; fie durchbrechen den Panzer an den fünf Dzel-
larplatten, die die ambulaftalen Doppelreihen nach dem Afterfeld zu begrenzen. Die
zahllofen zarthäutigen Füßchen (Af) tragen mejentlich zur Dedung des Sauerftoffbedarfs
bei; in ihnen zirkuliert dauernd ein durch Wimperjchlag erzeugter Wafjerftrom. Der vom
Ningfanal ausgehende Steinfanal (St) mündet in einer Madreporenplatte (M), einer der
fünf großen Kalktafeln, die am Ende der interambulafralen Reihen das Afterfeld um-
ichliegen. Sie heißen Genitalplatten, weil durch fie die Gejchlechtsprodufte entleert mer-
den. Das orale Nervenjyitem (N) hat die übliche Form: einen Schhundring und fünf jtarfe
Radiärnerven; von ihnen empfängt jedes Füßchen einen feinen Nervenaft. Die „zentralen”
Teile des Nervenfyitems regeln Die Bewegung des ganzen Körpers; Beriihrungg- oder
chemijche Reize rufen geordnete Abmwehrbewegungen der Stacheln und Pedizellarien im
Umkreis der Neizftelle hervor. ALS ftatifche Drgane, die das Tier über jene Lage im Raum
orientieren, werden Feine, jajt fugelige Gebilde angejehen, die „Sphäridien”, die um-
gewandelte Stacheln find und aus glajiger Kalfmafje beitehen. Sude2 hat Delage durd)
Berfuche feitgeftellt, daß ihre Entfernung wenig jchadet. Eigentliche Sinnesorgane find bei
362 Stadelhäuter: Seeigel.
den Seeigeln unbefannt; doch ift die Haut ganz allgemein lichtempfindfich. Fünf Paar ver-
äftelte Anhänge im Umkreis des Munpfeldes find Auzftillpungen eines Teiles der Leibes-
höhle und dienen al3 „Kiemen“ neben Fügchen und Darm der Atmung.
Die umfangreichiten Organe find die Gejchlechtsprüjen (G). Fr der Negel find Die
Seeigel getrenntgejchlechtlih. Bon einigen Fällen von Brutpflege abaejehen, begegnen
fich Eier und Samen frei im Wafjer; beide werden in riefigen Mengen hervorgebracht. Ein
Weibchen von Echinus esculentus Z. liefert in einer Fortpflanzungsperiode allein etwa
20 Millionen Gier. Die Entmwidelung geht wiederum über eine charafteriftiiche Zarven-
form, den „Pluteus“, deffen Wimperfchnüre in lange Fortfäge ausgezogen find (f. Abb.
©. 338, 0). Die Befruchtung der Eier und ihre Entwidelung läßt ich fehr leicht beobachten
und ift jogar jchon Finematographiich aufgenommen worden. Auc) die Aufzucht bis zum
fertigen ©eeigel ift bei einigen Arten geglüdt. Die Leichtigkeit, mit der man die Befruch-
tung und die ehr überfichtlichen, fast fchematifch verlaufenden Entwidelungsporgänge der
Ceeigeleier verfolgen Fann, macht jie fett Sahrzehnten zum Lieblingsgegenftand für alle
möglichen Unterfuchungen. So beobachtete an ihnen D. Hertwig als eriter die Vorgänge,
die jich nad) der Befruchtung an den Hellfernen abjpielen. Herbit hat den Einfluß Der ver-
Ichiedenen im Meerwafjer enthaltenen Salze auf den Entwidelungsverlauf jtudiert und ge-
funden, daß faum ein Bejtandteil davon fehlen darf. Eine ganze Reihe von Sorichern unter-
juchte die Fünftlihe Barthenogenefe der ©eeigeleier; e3 zeigte jich, Daß verjchiedene
phHftkalifche und chemische Mittel imftande find, die Furchung des Cies auch ohne Hinzutritt
bon Samen einzuleiten. Auch die Spermatozven anderer Arten, jelbit jolhe von Wiür-
mern und Weichtieren, veranlajjen das ©eeigelei, Jich zu entiwideln; die „väterliche" Kern-
jubjtanz wird aber fpäter wieder ausgeftoßen, und die Larven haben dann rein mütter-
lichen Charakter. Delage gelang e3, aus den Eiern des GSternfeeigel3, Paracentrotus
lividus Zam., ducch Eünftliche Sungfernzeugung reife männliche Seeigel zu züchten. Auch die
erperimentelle Kreuzung verjchtedener Arten untereinander ijt möglich; die Eigenjchaften
der Baltarde vermitteln dann ziwilchen denen der Eltern, was auf Grund langjähriger Ber-
juche ©hearer, Morgan und Fuchs feititellten, die Echinus esculentus Z., E. acutus Zam.
und Parechinus miliaris Gmel. in verjchiedenen Kombinationen miteinander Freuzten.
Eine Sonderftellung unter den Geeigeln nehmen die Cidariden ein, die Zanzen-
jeeigel mit ihren außerordentlich langen, jchlanfen Stacheln, die fchon von der Debonzeit
her befannt find. Shnen fehlen die äußeren Kiemen, und das Munpfeld ijt nicht weich,
jondern mit Platten gepanzert wie der übrige Körper. Die befanntejte Art, der Lanzen-
-jeeigel, Cidaris eidaris Z., lebt im Mittelmeer und im nördlichen Atlantifchen Ozean vom.
Aguator bis zum Polarkreife. Auf dem fugeligen, an den Volen etivas abgeplatteten Körper
figen riefige Stacheln, die zweimal jo groß wie der Körperdurchmeifer fein fönnen. Sie jtehen
nur auf den Snterambulafralplatten, und zwar auf jeder von ihnen ein Stachel; im ganzen
jind aljo zehn Neihen zu 6-9 Stacheln, je nach Der Größe des Tieres, vorhanden. 10—12
Länggitreifen dicht geftellter Körnchen lafjen diefe Zanzen gerieft erjcheinen. Man unter-
Icheidet zwei Arten von Stacdheln, „Primär”- und „Sefundär"-Stacheln. Während Die
großen Stacheln, auf denen fich Häufig Hydroidpolypen und Gerpeln anfiedeln, meijt räftig
rote Töne zeigen, find die Sefundärftacheln in weißlichen oder ftrohgelben Farben gehalten
und bejtimmen durch ihre große Zahl und ihre Verteilung auch die Farbe des Körpers.
Die der Tanzenigel lebt, hat Prouho gejchildert. Obwohl feine Tiere aus iiber 60 m
Zanzenjeeigel. Zederjeeigel. 365
Tiefe ftammten, litten fie durch den plöglichen Übergang aus dem hohen Wafferdrud nicht
im geringiten und hielten fich, wohl infolge des geringen Sauerjtoffbedürfniffes der Tiefen-
tiere überhaupt, leichter als die gewöhnlichen Küftenjeeigel. Eine erwachjene Cidaris jtelzt
auf ihren Stacheln herum, benußt aber nur die um den Mund jtehenden als „Beine“,
- während ihr die langen Oeitenjtacheln als Krüden zum Anftügen dienen. Auf ebenem Boden
läuft ein Lanzenjeeigel ebenfo flinf wie über alle möglichen Hinderniffe. Die Ambulafral-
füßchen werden dabei nicht benust, find auch wenig dafür geeignet, denn ihre Näpfe find
ihwach entwidelt und in verhältnismäßig geringer Zahl vorhanden. Nur bei ganz jungen
Tieren fönnen al „Mumdtentafel" umgebildete Füßchen auch zum Feltiaugen an einer
Unterlage benußt werden. Wird ein Zanzenigel auf den Rüden gelegt, jo dreht er fich jo-
fort und leicht wieder um: er bejist, wie alfe daraufhin unterfuchten Echinodermen, den
jogenannten „Ummendungsrefler”. Der Keizzujtand hält jo lange an, bis der Mund — oder
bei unjerem Tier die Stelgen der Mundjeite — den Boden wieder berührt. Die umgedrehte
Cidaris erhebt jich zunädhjit etwas und bewegt dabei die langen Geitenjtacdheln, wie nac)
einem Widerjtand taftend. Darauf beginnt der Körper fich nach) und nach Schräg zu Stellen,
bis er auf der ©eite fteht. Dann richten fich alle Stacheln, auf denen das Tier nicht ruht, nad)
der Mundfeite zu; es befommt das Übergewicht und fällt in die richtige Lage. Die Heineren
Mundftacheln Haben außer ihrer Stelzfunftion noch eine bejondere Aufgabe: fie jind auc
Greiforgane, die eine Beute Fräftig feitzuhalten vermögen. Troß der unleugbaren Vorteile ist
das Kleid aus wenigen großen Lanzen ein Schlechter Schuß gegen Feinde. Junge Meeräfchen
fönnen ohne weiteres zwijchen ven Stacheln durchitoßen, und ©eeiterne erledigen eine Cidaris
in 2—3 Stunden vollitändig bis auf die Schalen, indem fie ji) zwijchen die Lanzen ein-
drängen und den Körper mit ihren Armen umklammern. Die flachen Sehumdärftacheln
verffeiden lediglich die am eheften verwundbaren Teile, Iegen fich in Bitfchen um die reich
ausgebildete Muskulatur der Brimärftacheln, über den After, die Gejchlechtsöffnungen ufw.
Cidaris jcheint ji) Hauptjächlich von Schwämmen und Gorgoniden zu ernähren, deren
Reite ih mafjenhaft in ven Erkfrementen finden. Jim Aquarium frigt fie auch Fische, Strebie
und Würmer; doc ann fie jehr lange Hungern (nad) Prouho bis 14 Monate). Diejer er-
ftaunlichen Zebenzzähigfeit verdanken die Cidariden ihre weite geographijche und Tiefen-
verbreitung jowie das Überdauern ungeheuerer geologifcher Zeiträume. Die nahe verwandte,
im Golf von Neapel häufige Stylocidaris affinis Phil. (j. die Farbentafel bei ©. 341, 2) zeigt
wejentlich den gleihen Bau; nur erreichen ihre Brimärftacheln Höchjtens das 11zjache des
Körperdurchmefjers. Außer im Mittelmeer lebt fie im Atlantik von Gibraltar bis ap Verde.
Die jehr altertümliche Familie der Ehinothuriiden fteht an der Spiße der „regulären“
(tadiär gebauten) Seeigel mit äußeren Sliemen. Sie werden als Lederigel bezeichnet,
denn ihre Schale ift ausnahmsweise nicht fejtgefügt, jondern die Kalkplatten jind gegen-
einander frei beweglich und können fich [huppenförmig übereinander legen. Doflein, der
Asthenosoma- und Phormosoma-Itten an der Sagamibai lebend beobachtete, jah jie jic
bald aufblähen, bald zur Scheibe abplatten. Konfervierte Eremplare find immer zu einem
flachen Fünfed zufammengejehrumpft. Die Echinothuriiden find große, farbenprächtige See-
igel, die jowohl im Flachwafjer wie in Tiefen bis zu 5000 m leben. Die beiden Garajin
ichildern eine Asthenosoma urens Sar. aus dem Hafen von Trinfomali (Ceylon). Die
furzen Stacheln des rotbraunen Tieres liegen in Hautjcheiden; ihre Spigen jchmüdt ein
feuchtendes Violett. Sn den Snterambulafralen verlaufen Reihen Kleiner geitielter Knöpfchen
364 Stabhelhäuter: Geeigel.
von glänzend blauer oder zart jmaragdgriner Farbe; jedes enthält einen jehr jpiben
Stachel. Den Namen „urens“, die Brennende, führt das Tier wegen der Gtftapparate,
die ihren Sit in diefen bunten Organen haben. „ALS roir das Tier angreifen wollten, warn-
ten uns die Leute eindringlich; je jagten, e3 Ichmerze heitig und mache Fieber; die Taucher,
die es gefunden, haben es nicht angefaßt, jondern mit einer tofosnußjchale aus der Tiefe
geholt. Sp berührten wir e3 vorfichtig mit der Fingerjpiße, fühlten aber fofort heftig bren-
nende Schmerzen, tvie von mehreren Smmenftichen, die fich aber nach einigen Minuten
ohne weitere Folgen wieder verloren.” Der Hohlraum der erwähnten Knöpfchen enthält
ein giftiges ©efret, das bei ihrer Berührung in die Feine, von dem Stachel gejchlagene
Wunde des Angreifers eindringt. Mit diefem Seeigel leben zwei Tiere zufanmen, die Durch
feine Wehrhaftigfeit mit gejchüßt werden: ein EleinerFiich, der gewandt zwiichen den giftigen
Knöpfchen Herumfchwimmt, und ein Fleiner-
Krebs; beide find ähnlich gefärbt wie der Wirt.
Calveria hystrix Wyv.-Thoms., der am
längiten befannte Lederjeeigel, wurde auf der
Dredichfahrt der „Woreupine” zwilchen Seland
und den Farder aus einer Tiefe von etiva
S00 m heraufgebracht. Aus der Beute leuchtete
ven jpähenden Augen der Zoologen Thomjon
und Garpenter eine fcharlachrote Kugel ent-
gegen. Man hielt jie zunächit für ein außer-
germöhnlich großes Exemplar des in den nordi-
geberj u a Wyv.-Thoms. ihen Meeren häufigen Echimus acutus Lam.;
auf Ded gebracht, nahm fie zur größten Uber-
rajehung aber die Geftalt eines runden Kuchens mit allen fonjtigen Kennzeichen eines ©ee-
igel3 an; nur die Schale, über die Wellenbewegungen liefen, jchien biegjam tie Leder.
Einer der arößten Seeigel überhaupt ijt der Lederigel Hygrosoma hoplacantha
Wyv.-Thoms., von dem der „Challenger ein Stüd von 31,2 cm Horizontaldurchmejjer mit-
brachte. Er bejibt am Ende verbreiterte Stacheln und it, nach Clark, dunfelviolett ge-
‚färbt; die Stacheln find faft Schwarz, ihre Huffürmigen Enden aber reinweiß. Die Art lebt
im Bazifif, namentlich bei Japan und Auftralien, in Tiefen von 500— 2500 m.
Unter den Geeigeln mit jtarrer Schale find einige tropiiche Diadematiden wie
die erwähnte Asthenosoma-Itt wegen der Giftwirfung ihrer Stacheln berüchtigt, bejonders
Diadema saxatile Z., die im ganzen Jndopazifif vom Kap bis Tahiti, bis Japan und bis
zu den Sandwichinjeln in geringen Tiefen vorfommt. Der Lieblingsaufenthalt der Er-
wachjenen jind die weißen Storallenjande, wo jie jich in Scharen zufammenfinden. Die
Trepangfilcher meiden vdiefe Stellen ängjtlich, und der Naturforjcher, der in den Korall-
gärten jammelt, wird, durch Erfahrung gewißigt, die prachtvollen Tiere bald mit Wor-
jicht behandeln. Bon der etwas abgeflachten Schale, die dunkelbraun oder „wie purpurner
Samt” (Döderlein) gefärbt fein kann, ftarren lange, dünne Spieße, 20—25emlang. Zmwifchen
diejen ftehen Eleinere Stacheln, die dauernd lebhafte Streisbewegungen ausführen, folange
das Tier ruhig im Sande fißt. Sein Ihönfter Schmud aber find leuchtend blaue Fleden
don einem Ölanze, der höchitens in dem prachtvollen Blau einiger brafilianifcher Falter
(Morpho, j. 88.2, ©. 291) ein Gegenftüc findet. Sie find nach Döderleins Beobachtung
Diadematiden. Schwarzer Geeigel. 8698
Leuchtorgane. Früher hielt man fie für Augen; denn die Geeigel find hochempfindlich gegen
Licht und richten ihre Stacheln jofort zur Abwehr gegen den fich nähernden Feind, der fich
Ihon aus der Ferne durch jeinen Schatten bemerfbar macht. Die Stacheln von Diadema
Jind mehr als nadelfein ausgezogen. Nähert man fich dem Tiere mit der Hand, fo hat man
ji) an den Spißen oft jchon verlest, wenn man glaubt, noch weit von ihm entfernt zu fein.
Sie brechen in der Haut jofort ab und rufen heftigen Schmerz und Entzündung hervor.
Herausziehen laljen fie ich nur jchwer; nach Saville-Stent wandern fie wie verjchlucte Näh-
nadeln Durch die Öewebe. Mit Diadema saxatile leben ebenfalls Heine Fifche (nach Cou-
tiere eine Engrantis-Art) zufammen, die, gejagt, in den fchügenden Stachelwald flüchten.
Auch im Mittelmeer und den anschließenden Teilen des Atlantik fommt eine Diadema-
tive, Centrostephanus longispinus Phrl., vor. Er ift mit jeinen langen, violett und weiß
geringelten Stacheln auf der dunkel hwärzlichen Schale der fehönfte Mittelmeerigel. Wie
eine Cidaris ftelzt dieje Art auf ihren Lanzen einher und ift wie ihre tropifchen Verwandten
hochgradig empfindlich gegen Licht und Schatten, wie Uerkült feititellte. Licht flieht das Tier
und läßt Jich Durch entjprechende Maktegeln auf jeden Plat des Aquariums treiben, auf den
man es haben will. Auch in der Färbung zeigt Centrostephanus Beziehungen zum Licht.
Eine Art diefer Oattung entfärbt fich, eine Halbe Stunde lang ins Dunkel gebracht, allfeitig
und nimmt ein lichtes Grau an; die in der Haut vorhandenen farbitofftragenden Zellen
(Chromatophoren) haben jich zu punktförmigen Kügelchen zufammengezogen. m Tage3-
licht fehrt die Dunkle Farbe rafch zurüd, indem fich die Chromatophoren wieder ausdehnen.
Sie wirken in der Helle als Schium für unter ihnen liegende Vichtzerjegliche Farbftoffe,
die vermutlich Die Lichtempfindlichkeit der. Haut bei Echinodermen bedingen.
‚si der Duntelheit braun, im Licht tiefichwarz ift Arbacia Iixula Z., einer der häufig-
jten ©eeigel an den Felsfüften des Mittefmeers, der Weitfüfte Afrikas und den Azoren. -
Geine Schale Hat durchjchnittlich 4-5 cm Horizontalducchmefjer und ift dicht mit 214 cm
langen, jhwarzen Stacheln beftanden. Der fhwarze Seeigel Iebt nur in der Bran-
dungszone, too er vie Algen von den Feljen abweidet, und vermag fich dank feiner Fräftigen
Saugfügchen in die engjten Spalten und Vertiefungen einzuflemmen. Hier ift er unangreif-
bar, denn die jehr jpiben und jpröden Stacheln ftarren jedem Angreifer als undurchdring-
liches Hindernis entgegen. Nach Uerkill ift er Durch diefe Waffe gegen den Erbfeind aller
©eeigel, den Ceejtern, bejjer geihüßt al3 andere Seeigelarten. Diejes „Starren” der Sta-
cheln, das durch jede Berührung ausgelöft wird, ift möglich durch eine mächtig entwidelte
Spermusfulatur; find deren Fajern zufammengezogen, läßt fich ein Stachel von Arbacia
eher abbrechen, al3 aus der Lage bringen. Lichtreizen gegenüber iftdas bei Tag in Geftein3-
jpalten verjtect jißende Tier jehr empfindlich (Mangold). Bejchattung, die unter natür-
hen Berhältnifjen die Annäherung eines Feindes anfündigt, ruft prompt ein Heben der
Stachel nach oben hervor, einerlei, ob der Geeigel ganz oder teilmeije bejchattet wird.
enn das Tier in der Sonne jißt, flieht e3 in der Richtung des eigenen Schattens. Frifch
gefangene Arbazien juchen ji im Aquarium immer die fchattigften Stellen, fteigen dann
mit Hilfe ihrer Saugfüßchen bis unter die Wafferoberfläche und bleiben hier in vertikaler
Lage haften. Für die Reinigung ihres Körpers von Exfrementen brauchen fie nicht zu forgen;
dies übernehmen die Wellen. Zm Aquarium ift Arbacia mit der Reinhaltung des Körpers
übel dran. Die grauen Kotfugeln bleiben danı Yeicht auf ihr liegen und üben, nach Man-
gold, eine jchwere Giftwirfung aus. Deshalb Hält fie fich in der Gefangenschaft von allen
366 Stadhelhäuter: Geeigel.
Seeigeln am jchlechteften. Auch jonft ift diejer ausjchhieglich dem Leben in der Brandung
angepakte Seeigel unter den fremden Berhältnifjen im Aquarium ftark benachteiligt. Ar
der Kitfte ermöglichen ihm die Fräftigen Haftjcheiben an ven langen Fükchen der Munpfeite
ficheres Anklammern auch im ftärkiten Wellenfchlag. Die Füßchen der Nüdenfeite find über-
flüfjig für die Fortbewegung und find zu Atenpapillen umgebildet. Wird eine Arbacia auf
den Rüden gelegt, jo fann fie fich infolgedefjen nicht wieder ummenden; fomweit befannt,
ijt jie der einzige Geeigel, dem das unmöglich tft.
Der Arbacia äußerlich ähnlich und auch wie jie ein Bewohner der feljigen Brandungs-
some ift der Steinfeeigel, Paracentrotus (Strongylocentrotus) lividus Zam. (j. Tafel
„Stachelhäuter”, 3, bei ©. 354). Seine fchwargpiolette bi grünlichhraune Schale erreicht
ohne die Stacheln einen Durchmefjer von 61% cm. Er bildet eine der gemeinften Arten an
den Felsufern des Mittelmeers und der atlantifchen Küften Wefteuropas. Bon allen Gee-
igen wird er im Süden am häufigiten gegejjen, d. h. man genießt nur die Gejchlecht3-
drüfen in rohem Zuftande. Hauptjächlich Marfeille ijt der Markt fir Geeigel. Nach einer
älteren Angabe von Billeneuve folfen dort jährlich 100000 Dubend auf den Fifchmarkt ge-
bracht und mit je 20—60 Gentimes bezahlt werden. Gtellenweije Fann man die Tiere zu
Taujenden an ven Feljen figen fehen. Viele davon tragen auf den Stacheln Algen, Stein-
chen oder Mujcheln; das find nach Vetrunfewitich fait unfehlbar Männchen. Ein friich-
gefangenes Eremplar, das feiner Biirde beraubt wird, fucht ih, nad) D. Schmidt, wieder
Ulgenjtüdchen und Hüllt fi darin binnen einer Bierteljtunde vollfommen ein. Legt
man dem Ceeigel eine Mufchelfchale in ven Weg, wird fie mit ven Füßchen gepadt, auf
die Kante gejtellt und in wenigen Minuten auf den Rüden gebracht. Früher nahm
man allgemein an, daß fich Diefer Geeigel (wie die Dreiedsfrabben, |. ©. 694) „masfiert”,
um Feinde und Beutetiere zu täufchen. Da der Gteinfeeigel nie lebende Tiere annimmt,
fann die Masfterung fein Locdmittel fein. Krumbach vermutet deshalb, daß es nur der
mechanijche Reiz ijt, ver die fonjt unbefchäftigten Füßchen der Nücdjeite Fremdkörper feit-
halten läßt; warum e3 aber nur bei ven Männchen gefchieht, ift bis heute nicht erklärt. Über
die Ernährung des Gteinfeeigel3 find wir genau unterrichtet: „Bon diejer Art leben drei
Eremplare feit fünf Jahrenin einem Aquarium, das ein in flachen Terrajjen abfallendes Stüd
Meeresgrund dicht unterhalb der Ebbegrenze nachbildet. Die Tiere waren hajelnußgroß, als
ich jie einfing. Heute find fie jo groß wie Wallnüffe. Sie leben wie Sphaerechinus von den
Algen, die auf den Felfen wachjen.”" Man ann die weißen Fraßipuren „auch leicht im Freien
beobachten, mit dem Gudfenter oder dem Glasbodenboot, und hat dann etwa den Eindrud,
als ob die Gipfel der Felsblöde, auf denen Diefer Geeigel truppimeije lebt, mit Schnee be-
deckt jeien" (Srumbach). Zumeilen nimmt Paracentrotus aud) Yas; mehrmals jah Nie, wie
er Sichfleiichitüidchen mit großer Beharrlichkeit Tangfam hinunterfaute. Zohn hat im Darm
azorijcher Geeigel außer Lavapartiteln mafjenhaft Refte von Kalfalgen gefunden. Zum Er-
greifen von Yas dienen, nach Eijig, auch die Stacheln. Er ließ einen toten Wurm auf einen
Seeigel fallen, der an der Scheibe eines Aquariums angeheftet jaß. Sofort begannen fich
die berührten Stacheln jo gegeneinander zu bewegen, daß fie mit ihren Spiten die Beute
jeithielten. Darauf wird dieje auf dem fürzeften Wege zum Munde gebracht.
Der Steinfeeigel lebt in Höhlungen der Felsküfte, die ihn vor der Brandung jchüßen.
sm Kalk der englifchen und irifchen Ufer finden fich mitunter Taufende folcher Löcher
nebeneinander; oft find fie jo eng, das man die gel nicht herausnehmen fan, wenn fie
Steinjeeigel. Eßbarer Geeigel. Strandfeeigel. 367
ihre Stachein |preizen. An der Bretagne haufen fie im Granit, an ven Azoren in vulfani-
hen Laven. Natürlich liegt die Vermutung nahe, daß fie wie viele andere Tiere fich ihre
Höhlen im Geftein jelbjt jchaffen. John meint hierzu: „Der Seeigel erzeugt feine Wohn-
jtätten mittels feines Kıauapparates und fehmdär mit Hilfe der Stacheln durch rotierende
Bewegung.” Auch Romanes nimmt nach. Befunden am Geftein eine aftive Bohrtätigfeit
der Geeigel an, Die jedoch auch vielfach bezmeifelt wird. So bemerft Me Bride, daß es den
Anjhein habe, al3 ob die Tiere fich in Spalten eindrängen umd dann nach und nach von
Kalfalgen ummachjen werden. Und nach Krumbach „lebt Paracentrotus in der Adria aller-
meijt auf großen, Iojen Gteinblöden oder fogar auf ebenem Boden. Junge Tiere Friechen
gern in die von der Brandung erfchloffenen und längft verlaffenen Löcher der Meerdattel.
sm Aquarium hat nie ein Geeigel auch nur die geringsten Bohrverfuche gemacht, felbft in
dem Beden mit Wellenbewegung und dem mit vafch fliegendem Waffer nicht.” Die in :
Höhlen fisenden Geeigel der Azoren follen nach Simtoth den Eingang zu ihrer laufe big
auf einen jhmalen Spalt mit einer Napfichnecdenfchale, die fie auf der Rüdenfeite halten,
verichlieken. Gegen Reize der Ummelt verhält fich der Steinfeeigel vielfach anders ala
Arbacıa; jo fehlen ihm deren prompte Licht- und Schattenreflere ganz. Doch flieht auch er
das grelle Licht, indem er jich nach dem Schatten hin in Bewegung feßt.
Auch unjere Nordjee hat eine eßbare ©eeigelart, ven Echinus esculentus Z. (f. Tafel
„serebje IT”, 7, bei ©. 677), der aber nur an der portugiefischen Küfte Liebhaber findet. Der
Ntattliche Burfche fommt im flachen Uferwaffer von Spanien bis Spibbergen vor, fehlt aber
im Mittelmeer; nın ausnahmsiweife geht er tiefer al3 200 m. Er ift fehr hübfch gefärbt, weiß-
lich mit rotem, blauem oder violettem Anflug. Die zahlreichen niedrigen Stacheln (Abb.,
©. 359) find mweißlich oder rötlich mit pioletter Spige. In der Nordfee fängt man ihn mit dem
jogenannten Schtvapper, einer Eifenzange, an der Wergquaften oder aufgedrehte Tauenden
befejtigt find, und die tiber den Sandgrund geftreift wird. Kommen die Tiere in den Bereich
der Duajten, jo verftricen fie fich unvettbar. Echimus esculentus ift im Aquarium leicht
zu halten; deshalb ift er jo ziemlich der einzige Seeigel, den man regelmäßig in den Gee-
aquarien des Binnenlandes jieht. Nach Scott nimmt er nur Seegras und Sand auf; Chad-
wie Hält ihn für einen reinen Fleifchfreffer, und Aoaf fand im Darm Bruchftüde von Gee-
pocen (Balanus). Als er Steine mit Seepoden zu den Tieren brachte, fah er, tie fie fich
darhiber hermachten. Auch Schuren ftellte feit, daß fie fich von Yebenden Tieren ernähren.
Er fand im Darminhalt Borften verfchiedener Anneliden, Refte von Hydroidpolypen, Moo3-
tierchen, Seeigeln ufw. vor. Das Futter wird, nach Roaf, mit den Pedizellarien zum Mund
geichafft, wobei Staheln und Füßchen mithelfen. Diefe können fich beim eßbaren Geeigel
ftarfausdehnen. 3 ift ein reizendes Bild, die zahfreichen Füßchen mit den weißen Saug-
Iheibehen am Ende um einen im Aquarium ruhig fitenden Geeigel herumfluten zu fehen.
Die Säuberung des Körpers beforgen ebenfalls Pedizellarien.
Ein jehr Hübfcher, Feiner Verwandter dee Ehbaren Seeigels, der Strandigel, Par-
echinus miliaris Gmel., ift die gemeinjte Art der Nordfee und der Küften Europas von Nor-
wegen und eland bi3 Marokko. Er ijt einer der wenigen Stachelhäuter, die in die meftliche
Dftfee vordringen. Die Schale ift meijt grünlich, die ebenfalls grünen Stacheln haben viv-
lette Spigen. Manche Exemplare find vollftändig weiß. Sein Lieblingsaufenthalt find die
Stromrinnen; auch auf den Aufternbänfen zählt er zu den charafteriftifchften Vertretern und
findet dort reich gedeckten Tiich. Bor dem gefräßigen Räuber ift fein feitjfiBendes oder
68 Stahelhäuter: Seeigel.
fangfam Friechendes Tier jicher. Bor allem hält er jich an Hydrotdpolppen; Grimpe fand
ihn mafjenhaft beim Seemoosfijchen auf den Certularien. Eine häufig im Darminhalt vor-
fommende Mafje halt Eichelbaum für Weichteile großer Mufcheln (Auftern); Parechinus
miliaris ift aljo, wie die Geeiterne, ein Schädling auf den Aufternbänfen. Gelegentlich bohrt
er auch, wie der Steinjeeigel (j. ©. 366); man findet ihn nicht jelten in Löchern des Küften-
gejteins, zumeilen auch der Aufternjchalen. Er jelbit gehört zur Nahrung mancher Boden-
fiiche, 3. B. des Anurrhahns und der Scholle.
Für das Aquarium empfiehlt fich diefe Art jehr; fie läßt jich in feuchtem Tang ohne
Wajler verjichieen. unge Exemplare geröhnen jich leicht ein und Halten, nad) Schmalz,
über acht Monate aus. Gefüttert werden jie mit Müdenlarven, feingejchnittenem Calat,
Mufjchel- und Fijchfleifeh. Das Futter bringt mar mit einem Glasıohr auf Das Tier, das es
jofort zwijchen die Stachen Hemmt und zum Mund führt. Außer mit wehrhaften Aftinien
darf der Strandigel mit feitjigenden Tieren nicht zufammen gehalten werden; jogar Gee-
pferdchen, die auf ihm ausruhen wollten, hat er die Widelichwänze angefrejien. Selbit in
der Gefangenschaft „masftert" er jich noch mit Mufchelichalen und Ulgenjtüdchen.
Zu den „bohrenden" Geeigeln zählt auch Heterocentrotus mammillatus L., der auf
den Kiffen der Südjee, des Judik und des Noten Meeres lebt. Durch den Suezfanal dringt
er jet auch ins Mittelmeer vor. Möbius fand ihn auf Mauritius an der Außenfante des
Dammriffs in runden Vertiefungen, die ihn vor der Brandung jchügen. Cr bejigt eine
Anzahl riejiger, dDider Stacheln, die al3 Bohrer bei der Austiefung der Wohnhöhle dienen.
Diefe ift gerade fo weit, daß der Geeigel fich darin herumdrehen Fan. Die Offnung der
Höhle ijt enger als der Umfang des Bewohners, fo daß man ihn beim Fang mit dem Meißel
aus dem Gejtein hauen muß. Zum Bohren im Nifffalf werden die Stachen der Mund-
jeite benubt; ihre feingezähnten Enden jind, wenn die Stacheln bewegt werden, imjtande,
Kalk abzujchaben.. Das Tier bleibt zeitlebens in feiner Höhle eingeferfert. Das Wajfer
bringt ihm die Nahrung; im Darm trifft man oft die Schalen von Foraminiferen an.
Einhäufiger Küftenbemwohner des Mittelmeers, namentlich auf Seegrasiiejen und Sand-
gründen, mo fich organische Neite finden, ift ver Heine, hellgraue Kletterjeeigel, Psamm-
echinus microtubereulatus Blv. (|. Tafel „Weichtiere I", 2, bei ©. 424). Die Spiben jeiner
Stacheln find dunkelbraun. Nach Bagliont tft er äußerft jauerjtoffbedürftig und „negativ
geotropifch”, d. h. er wandert der Richtung Der Schwerkraft entgegen, dem Wajjerjpiegel
zu. Sein Leben im Aquarium hat Noll anziehend gejchildert. Er ift ein gemandter Sletterer,
der mittels feiner jehr langen Füßchen mit Vorliebe an baumförmigen Storallen, Polypen-
jtöcen und Tangen hochiteigt. Ganz erftaunlich ift, wie fich der plumpe Körper dabei im
Gleichgewicht hält. Selbit an violinjaitenftarfen und dazu |piralig gedrehten Storalfen ver-
mag er emporzuflimmen. Dabei fann es vorkommen, daß er herunterfällt; er wiederholt
dann fofort feine Sletterpartie. Die Diatomeen- und Algenrajen am Glafe und auf Steinen
graft er beim Striechen ab; außerdem nimmt er Fleisch toter Tiere. Offene Wandermufscheln
(Dreissensia) wurden von Nolls Tieren jo gedreht, Daß die Seite der Schale, wo der Bnjjus
austritt, an den Mund zu liegen fam, und waren in zwei Stunden völlig leer gefrejjen;
unverlegte Mufcheln Hingegen vermochte Psammechinus troß fortgejeßter Berfuche nicht zu
öffnen. Auch gejchabtes Rindfleisch und Brot wird nicht verfchmäht. Negungslos jibt er mit
jeiner Beute auf einem Fled. Die letterjeeigel „masfieren” fich, indem fie Mufchelfchalen,
Storallen oder Tang „hartnäcig” mit fich Herumfchleppen. Ein Tier Nolls bejchäftigte jich auch
Heterocentrotus. Kletterfeeigel. Dunfelvioletter Geeigel. 369
mit dem im Aquarium jchroimmenden Thermometer, mit dem e3 tie mit einer viefigen
yagoflinte über dem Rüden tagelang herummarfchierte. E3 handelte fich um ein Männchen,
das gelegentlich folche Mafjjen von Sperma produzierte, daß fich das ganze Waffer trüibte.
Regelmäßig treibt auch der jchöne Dunfelviolette Seeigel mit den weißen Nadel-
jpigen, den Fig. 2 unjerer Farbentafel bei ©. 377 darftellt, „Masterade”. Sphaerechinus
granularis Lam. wurde im Müttelmeer und an der atlantifchen Küfte Europas und Kanadas
nachgewiejen. Meijtens jtedt ex in geringer Tiefe zwifchen Steinblöden und ift deshalb oft
|hwierig zu fangen. Er ift einer der größten Geeigel des Mittelmeeres; nach Mortenien
hat die Schale bis 13 em Durchmeijer. Jr den Aquarien der zoologischen Stationen hält
Sphaerechinus gut aus und wird viel zu Erperimenten benußt. Wie die meiften Geeigel
muß er jorgfältig vor längerem Trodenliegen beim Yang bewahrt bleiben, fonft fommt
leicht Luft in die Schale und zerreißt die Gemebe.
Das Aufnehmen von Fremdflörpern und den Fang eines Heuf aannahte: (Squilla)
hat Dohen gejchildert: „Man wird jelten ein Cremplar diefes Geeigels im Aquarium finden,
das nicht auf der aboralen Geite eine Anzahl von Mufchelfchalen mittel feiner Fangfügchen
feithielte. Das geht jogar |p weit, daß ich mehrfach Sphaerechinus mit fo viel Mufcheffchalen
bejegt fand, daß von dem Tiere jelbft gar nichts mehr zu fehen war. Bei der Fortbewegung
des Tieres wird der Eindrud hervorgerufen, als Fame ein Haufen Mufchen näher. Sch habe
mehrfach Beobachtungen und Experimente über die Ernährungsweife diefer Seeigel ge-
macht und habe gefunden, daß fie gefährliche Räuber find. Am auffallendften war mir,
daß jie bejonder3 gern Squilla mantis frejjen. Man follte meinen, diefem großen Krebs
müßte e3 ein leichtes fein, dem langjam fich bewegenden Echinoderm aus dem Wege zu
gehen.” Der gefangene Krebs macht große Anftvengungen, um fich loszureißen; denn einem
jo furchtbaren Feinde gegenüber gibt e3 faum eine andere Verteidigung al3 die Flucht.
„Ebenjo begreiflich jcheint e3 aber auch, daß der Angreifer fich zu verfteden fucht, und auf
dieje Tendenz jchiebe ich die jonderbare Neigung der Sphärechinen, fich mit Mufchelfchalen
zu bededen, die jehr viel Harmlofer ausjehen als der Stachelpanzer des gefürchteten Echino-
derms”. Auch Uerfüll Hat beobachtet, wie eine Squilla, die mit ihren Fangbeinen nach
einem Sphaerechinus gejchlagen hatte, nicht mehe los fam. Wejentlich andere Erfahrungen
machte Krumbach. Ein Eremplar von Sphaerechinus, das über fechs Sahre in Gefangen-
haft war, „benagte unermüdlich, bei Tag und Nacht, mas an Algen auf den Kalffelfen
. des Bedens wächlt. Niemals hat das Tier einen Angriff auf die Mitbewohner des Aqua-
riums gemacht. Filche, Krebjfe und Mujcheln find immer ficher vor ihm gemwejen; nicht
einmal für das den Filchen borgemworfene Fleifch Hat e3 fich intereffiert. Ich weiß aud
aus Erfahrung, die ich mit unferem Glasbodenboot ar freilebenden ©eeigeln Diejer Art
gewann, daß die Kuppen und Hänge der Felsblöde, auf denen fie folonieweije leben”, mit
den für alle felfenbewwohnenden Echinoiven charakteriftiichen Fraßfpuren bededt find. „Die
Bahn, die das Tier. auf feiner Trift bejchreibt, ift felten geradlinig. Um feitzuftellen, ob die
gähne auch die Gejteinsunterlage der Mgen angreifen, habe ich den Geeigel auf glatten
Platten aus Glas, gebranntem Ton und Kal arbeiten lajjen, die dicht mit Mgen bejiedelt
waren. Glas und der gebrannte Ton erwiejen fich unverlegt; der weiße Salfftein zeigte
Suchen bon 0,5 mm Tiefe, und der Marmor war nur eben angeribt. Tief find auch die
Surchen, die Sphaerechinus in Aufternfchalen zug. E3 ergibt fich aus diefen Ermittelungen,
daß der weidende Geeigel mit jeder Staubewegung auch Feine Turcchen in den Felfen gräbt
und damit einen Anteil an der Zerftörung des Fültennahen ee nimmt”.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 24
370 Stabhelhäuter: GSeeigel.
Bei Sphaerechinus find yoir befonders Durch Nerfitll auch gut über die Arbeit der ver-
schiedenen Pepizellarien unterrichtet worden. Wird ein ©eeigel von feinem grimmigiten
Feinde, dem Seeftern, angegriffen, jo jchlagen Die Stacheln auseinander, und Die großen
Giftzangen treten in Tätigkeit. Gleichzeitig verjucht er zu fliehen. Der Biß einiger Pedi-
zelfarien Tann den Geeigel retten und den Geejtern veranlafjen, jich zuriiczuziehen. Gegen
mehrere Seejterne unterliegt er hingegen immer; denn die Giftzangen, die einmal gebijjen
haben, reißen ab, und fo erfchöpft der ©eeigel feine bejte Waffe mehr und mehr. Das Gift
der Pedizellarien ift äußerit wirffam; ECimjpribungen des Extrakt von 20 Giftzangen .ge-
nügen nach Kayalof, um Krabben, Eidechjen und Feine Filche zu töten.
Alle bisher betrachteten Seeigel (Begularia) find jtreng radiär gebaut; Mund und
After liegen an den beiven Körperpolen. Bei einer Reihe von Familien (Irregularia), zu
denen auch häufige Arten unjerer Kiüften
gehören, ilt ner After aber im Laufe der
Stammesgejhhichte in einem Snterradius
(Pfeilin der Abbildung auf ©.361), dejjen
- Gejchlechtsprüfe und -platte Dabei ver-
ihwunden find, nad) „hinten“ gerückt.
Der Mund bleibt entweder in der Mitte
oder rücdt nach „vorn“. Dadurch wird
aus der urjprünglich fünfjtrahligen Sym-
metrie eine zweiltrahlige.
Beim Bmergigel, Echinocyamus
pusillus Müll., dem Eleinjten Geeigel der
europäifchen Meere, Tiegt der After auf
der Unterjeite der etwas abgeflachten, -
ovalen Schale ziwiichen Mund und Hin-
terrand (j. die Abb. ©. 372). Die Art ilt
Sanddollar, ee Lam., von oben. Natür- ehr Häufig im Magen bon Grumdfifchen
; gefunden worden (Smith) und lebt vor-
wiegend auf Sandboden vom nördlichen Norwegen bis Maroffo und dringt felbft in die
jalzgarme Djtjee vor. Ym Golf von Neapel war Echinoeyamus vor dem großen Vefuvaus-
bruch 1906 eine der gemeinften Arten, ift aber durch den Afchenregen in Maffen ab-
gejtorben und feitvem dort, nach Lo Bianco, recht felten geworden.
Bejjer al3 bei diefem Miniaturfchildigel Lafjen fich einige bezeichnende Züge für den
Bau der „Srregulären" beim Sanddollar, Echinarachnius parma Zam., erkennen, einem
jajt wie eine Münze flachen, brauntoten Gefchöpf, das an den Küften Nordamerifas von
Labrador His New Jerjey und von der Beringftraße bis Vancouver häufig ift, aber auch
bei Japan und, nad) Agafjiz, in der Südfee gefunden wird. Als Beitandteil der Nahrung
wichtiger Nubfiiche, wie des Kabeljau und verjchiedener Plattfifche, Hat auch diefer Geeigel
eine gemwilje wirtjchaftliche Bedeutung. Gein Durcchmeifer erreicht bei einer Höhe von nur
12 mm annähernd 8 cm. Während der mit vereinfachten KRauapparat verfehene Mumd in
der Vütte der Unterfeite liegt, öffnet fich der After in einem Einfehnitt bei mittelgroßen
Tieren am Hinterrand der Scheibe (f. die obenjtehende Abb.), bei jungen auf der Dber- und
bei alten Stüden auf der Unterfeite nahe dem Hinterrand. Die ganze Schale bevedt ein
"
Streguläre Geeigel. sl
jamtartiger Filz zarter Stadien. Zwijchen ihnen fiten zweiflappige Vedizellarien (f. Abb.
©. 336). Die bewimperten Stacheln der Dberfeite erzeugen einen Wirbel und führen jo
dauernd frijches Wafjer den breiten flachen Kiemenfühchen zu, Die auf der Oberfeite in fünf
Paar Ravdialteihen bejonderz geftalteter Kalkplatten austreten. Sie geben dem Tier das
Bild einer fünfblätterigen geöffneten Blüte, heißen daher auch „Blumenbfätter” (Petaloide).
Auf der Unterjeite finden fi) Füßchen nur
in fünf radialen Ninnen, die vom Mund
aus zum Rand laufen. Der Sanddollar Yebt
halb eingegraben im Grund; feine flache
Form Shüst ihn davor, durch Das Wafjer
herumgemworfen zu werden. Die Bemwegun-
gen jind fehr langjam und träge.
Die merkwürdigiten Zormen unter den 7 FRE
Stregulären find die Bourtalefien. Se ı Neil |
leben in den Tiefen aller Ozeane, fndlang ee “5
Bere ober tlaichenfdrnig und ühnelninen u en
Holothurien. Der Mund it im mittleren
Radius der Unterjeite weit nach vorn gerüdt, und der After liegt an einem halsartigen
FJortjaß des Körpers. Als Formen des jtillen Tiefenmwafjers find fie äußerft feinjchafig
und fommen jelten unbejchädigt aus dem Orundneb. Pourtalesia laguncula Ag. (j. Abb.)
wurde bon Dof-
lein in der Ga-
gamibat jchon in
100—200m Tiefe
angetroffen, ilt
jonft aber nıtr aus
ven größten Tie-
fen des Gtillen
und Snpilchen
Dgeans befannt.
Baer
on
An den Kil-
ten Europas ger
hören die meilten
iwregulär geimor- Schale eines irregulären Seeigel3 aus ber VBerwandtichaft des Herzigel3 Spatangus: Brys-
H sopsis lyrifera Forb. a) Apifaljeite mit After Af, b) Oralfeite mit Mund. Aus Claus-Grob-
denen Geeigel ben, „Lehrbud der Zoologie”, Marburg.
&
zur Tamilie der
Herzigel (Spatangiden). Es jind im Sand lebende Formen mit flacher Unter- und
geiwölbter Oberjeite. Der „vordere” Radius ift tief in den gerundeten Vorderrand ein-
gebuchtet, das Hinterende zugejpist; jo ergibt jich die Herzform. Der Mund befindet fich
etiva in der Hälfte zwiichen der Mitte der Unterjeite und dem vorderen PBanzerrand in
- einer tiefen Grube, die von einer Scharfen, etwas über die Unterfläche erhabenen „Unter-
lippe” abgegrenzt ift; der After fiegt am Hinterrande. Auf der Oberjeite find Petaloide
nur in bier Nadien ausgebildet; in dem vorderen, rinnenartig ausgehöhlten Radius treten
24*
372 Stadelhäuter: Seeigel. Seeiterne.
Heine Kiemenfüßchen durch. Eigentümlich find jchmale parallele Bänder, die bei den ein-
seinen Gattungen in verjchiedener Anordnung um die Betaloide, um den After uw. ziehen.
Diefe „Fasztolen” tragen einen famtigen Überzug aus Heinen, umgebildeten Stacheln
(Clavulae) mit an Ginnezellen reichen Köpfchen, die Atemmmwaljer und Nahrung prüfen
und Wafjer für die Stiemenfüßchen herbeiitrudeln. Am beiten bergegenmwärtigen ir uns
diefe Berhältniffe an der unteren Abbildung auf Seite 371.
Un unferen Küften ift ver Herzigel, das beinahe Eosmopolitifche Echinocardium cor-
datum Penn., ftellenmweife jehr häufig (vgl. die untenjtehende Abb. des nahe veriwandten
Schizaster). Seinen Körper, der nach Hinten zu Höher wird, überzieht ein dichter Pelz meiß-
fichgelber Stachelborften. „Bringt man“, fchreibt Uerfülf, „einen friichen, aus dem Sande
geholten Herzigel in eine Glasichale mit Seewafjer, jo bietet fich unferen Bliden ein aller-
liebftes Schaufpiel dar. Das Keine Tierchen gleicht in Größe und Farbe einem mweißen
Mäuschen.” Die langen, weißen Boriten liegen Dicht den
beiden ©eiten an und find auf das peinlichjite von vorne
nach Hinten gefämmt. Sit das Tierchen in der Glasjchale
eine Zeitlang dem Tageslicht ausgejeßt worden, jo be-
ginnt der ganze Wald diejer feinen Borjten fich zu regen.
Exit zeigen jich einige flache Wellen, die daS weiße, mohl-
gefämmte Haar der Seitenflächen zu Fräujeln beginnen.
Dann jet der ganze Borjtenwald mit einer exakten
thythmischen Wellenbewegung ein, die unjer Yuge ebenjo
durch ihre Gefehmäßigfeit wie Zierlichkeit erfreut. Cr
bietet den Anblid eines vom Wind bewegten Kornfeldes
ar. „Sebt man einen friichen ©eeigel unter Seewaljer
De ee ne auf feinen Sand, jo jieht man binnen furzem rechts und
eanaliferus Lam. Der After ift auf die Ainfs von ihm einen Kleinen Gandmall entitehen, der
en Ale bie Ambutatretfühgen Aa Dutch die Stacheln der Unterfeite aufgeworfen wird. Die
immer höher werdenden Geitenmwälle werden bon den
Stadeln an beiden Seiten de3 Tieres derart weiter verarbeitet, daß der Sand an Der
Snnenjeite des Walles niederfällt. Der Sandwall wird dadurch immer höher und breiter,
zugleich verjchwindet das Tier langjam im Sande." Wird der Herzigel von der Sonne
bejchienen, jucht er jchneller unter den Sand zu kommen, als wenn er fich in einem ber-
dunfelten Baffin befindet. Nur ein enger Atenfamin, der aus zufammengeflebten Sand-
förnern beiteht, jtetiger Säuberung und Reparatur bedarf, ermöglicht dem Geewaljer Zu-
tritt zur Höhle des Tieres. Mit feinen Organen, ven jogenannten Binjelfüßgchen, beijert
der Herzigel feinen Kamin aus, indem er ihn mit frifchem Klebitoff bejtreicht; jo bleiben
die AUtenorgane in Dauernver Verbindung mit dem Wafjer.
Um zu frejjen, rüidt der Geeigel mit Hilfe der kräftigen Gehjtacheln Hinter dem Mund
weiter. Früher nahm man an, er brauche ven Sand bloß mit der „Unterlippe” wie mit
einem Pflug aufzumwühlen und befäme dadurch jein Futter mit dem Sandballaft in den
Mund. Wie Gandolfi-Hornyold in Bergen bei naheverwandten Spatangiden beobachtete,
jtellt daS Tier aber beim Weiterfriechen die Gehitachel vertifal, fo daß die Unterlippe den
Grund niemals berührt. Während feiner Freßwanderungen baut fich der Herzigel aud)
einen joagerechten Kanal, der ebenfalls von den Pinfelfüßchen gereinigt und ausgebejjert
wird. Danf diefer Horizontalfanäle fönnen die Tiere, Die in großen Herden nahe beieinander
Streguläre Geeigel. 373.
leben, in direkte Verbindung treten. Die beiden Kamine halten den alleinigen Zugang zur
Außenmelt offen; im übrigen find die Herzigel gezwungen, als lebendig begrabene Einfiedler
ihr Dajein zu verbringen. Der Fang von Echinocardium findet in Berd-fur-Mer auf die
einjachjte Weije ftatt. Man begibt jich bei tiefer Ebbe auf die äußerfte Seite der Düne
und gräbt Die Herzigel wie Kartoffeln aus dem Boden. Das Trodenlaufen der Düne wird
für jie verhängnispoll. Kleine Freistunde Vertiefungen zeigen dem geübten Auge die Ein-
gänge der Atemlamine an. Dort befinden fich die Herzigel auch jebt noch, aber ‚fie find auf
der Wanderung an die Oberfläche begriffen, weil fie des
Atemmwajjers beraubt find; denn die zurüdflutenden
Wellen wühlen den Sand auf und verjtopfen die Atem-
famime. Kommen jie noch während der Ebbe der Ober-
fläche zu nahe, jo fallen fie den Wogen der nächiten Flut
zum Dpfer. Am Strande bilden ihre bleichenden Scha-
len, jtellenmweije zu Taufenden zufammenliegend, einen
breiten, weißen Saum.
Dei Echinocardium, wie bei den allermeijten
Spatangiden, entwideln fich die Eier im freien Wajjer
zu Pluteus-Larven mit langen Schwebborjten; die von
E. cordatum treten im nördlichen Atlantik von Suni bis
September im Plankton auf. Ausnahmsweije fommt auch
Brutpflege in diejer Zamilie vor. Bei den Kerguelen
im Antarktiichen Meer Yebt in mittleren Tiefen Hemi- tHemiastercavernosus Phil.mitäuns \
aster cavernosus Phil. Ceine fat 1 mm großen Eier ge- °°" D nn en N ne I
langen aus den Gejchlechtsöffnungen direft in die beiden
hinteren vertieften Ambulafralfurchen, die von Randftacheln überdedt werden. Syn diefem
Brutraum durchlaufen fie ihre Entwidelung. Mortenfen hat darin bisweilen Eier und Junge
gleichzeitig angetroffen. Die Zungen bieten ein bejonderes Ssnterefje; fie zeigen noch viele An-
Hänge an den Bau der regulären Geeigel, von denen die Srregulären heritammen. Ziwi-
jhen den Stacheln, bejonders in der Mundgegend, finden fich bei Hemiaster regelmäßig
auch Heine Mufcheln (Lepton parasiticum Dall), die mit ihm die Nahrung teilen.
Dritte Klajfe:
Seeiterne (Asteroidea).
Beim ©eeitern ift der fcheibenfürmige Körper meift in fünf breite „Urme” ausgezogen.
Die Munpfeite ift IUnterjeite; auf ihr jtehen in den fünf Ambulakralfurchen in der Mittel-
linie der Arme die Fügchen. Das Sfelett ift viel geringer ausgebildet al3 bei den Geeigeln
und beiteht nur aus einem Mafchenwerk verfchieden geformter Kalktafeln in der biegjamen
Haut der Dberjeite. Eine Doppelreihe wirbelartig miteinander verbundener Kalfitüde, an
die jich Plattenreihen am Rand der Urme anjchließen fönnen, überdacht die Ambirlafral-
furchen. Aus Der Haut der Oberjeite erheben fich zahlreiche zartwandige und gelappte
Yuswüchje, „Papulae”, Ausjtülpungen der Leibeshöhle, die fich einziehen können und als
Kiemen dienen. Kurze Stacheln in ihrer Umgebung forgen durch ihren Flimmerfchlag für
374 Stahelhäuter: Seefterne,
ftändige Erneuerung des Wafjer3. sm Nebenamt bejorgen auch die Fühchen Die Atmung,
bor allem dienen fie aber der Fortbewegung. Für das Neinhalten des Körpers find zimei-
Happige Pedizellarien da (j. Abb. ©. 336). Stacheln treten in verjchiedener Zorm in der
Haut der Seefterne auf: Fräftige, durch eigene Muskulatur bewegliche Nadeln auf Gelent-
hödern wie bei den ©eeigeln, einfache Dornen, die auch zu dichten Bündel vereinigt auf
Fleinen Säulchen ftehen fünnen („Barillen”), außerdem einfache Kalffchuppen und -förper, die
die Haut mancher Arten geförnelt erjcheinen lajjen. Die jogenannten „Eribriformen Organe‘
find durch Kalkitacheln geftiüikte Falten der Haut mit Wimperüberzug. Der Mund entbehrt
eines Sauapparat3 und führt in den furzen Schlund, der jich zu einem geräumigen Magen
erweitert. Bon ihm entjpringen fünf (find mehr Arme vorhanden, entjprechend mehr)
lich fofort gabelnde Blindfchläuche, die in die Arme fait bis zur Spige vordringen. Syn diejen
langen, jeitlich zahlreich ausgezadten Organen wird die im Magen verdaute Nahrung re-
jorbiert; auch der furze Enddarm neigt zur Blinddarmbildung. Um Beute zu ergreifen,
wird bei Arten mit Fleinem Mund der musfulöfe Magen durch
Kontraktion der Körpermusfulatur nad) außen gejtülpt. Grd-
bere Futterrefte werden auf demjelben Wege wieder entleert.
Der After nahe der Mitte der Oberfeite ift dafiir zu Elein; bei
manchen fehlt er überhaupt. Arm Waflergefähring, von dem
fünf Radiärkanäle zur Berforgung der Ambulafralfügchen aus-
Itrahlen, fiten Volifche Blafen (j. ©. 336) in mechjelnder Zahl;
rss außerdem find an jedem Smterradius zivei Tiedemannjche Kör-
Ban umftetten Muse‘ von perchen vorhanden, kurze Röhrenfyiteme, in denen fich die
es a amöboivden Wanvderzellen (©. 337) bilden. Nervenzellen und
„gegrbuc, der Zoologie‘, Marburg. -fafern find meift noch epithelartig in Geftalt einer neroöfen
Schicht ausgebildet, die jich im Nervenring und den dadon
ausgehenden fünf Radiärftämmen allerdings derart verdichten fan, daß jie mit bloßem
Auge als „Nerven“ erfannt werden fünnen. Al Sinnesorgane wirken im Nebenamt die
zahlreichen, reich mit Nervenenden und Sinneszellen ausgeitatteten Füßchen, bejonders
ihre Saugjcheiben, namentlich aber die fünf Endtentafel, die in erjter Linie der Aufnahme
chemifcher Neize („Geruch” und „Gejchmad“) dienen. Sie fünnen wie die Füßchen Hin
und her taften, ausgeftredt und eingezogen werden. An ihrer Bajıs finden fich ferner pol-
iterföürmige rote Erhebungen von Sinneszellen, die Lichtjinnesorgane, „Augen“, daritellen.
Lichtreizbare „Stäbchen am Ende fogenannter „Nebhautzellen” ragen in einen YUugen-
becher hinein, der nach rückwärts durch rotes Pigment optifch toltert ift, jo daß dadurd)
nicht nur ein allgemeimer Lichteinprud, fondern auch ein Sehen der Richtung, aus der Licht
fommt, möglich ift. Durch eine Sammellinje kann die Menge des aufzunehmenden Lichtes
noch) vermehrt werden (f. die obenjtehende Abbildung).
Gier und Samen entftehen in fünf Baar Gefchlechtspriijen in den Armiminfen der ge-
trennt geichlechtlichen Tiere; die Befruchtung erfolgt im Waller. Die typifche Larvenform
ift die „Bipinnaria“ (A6b., ©. 338, A), die der Auricularia der Holothurien ähnelt; bilden jic
an ihrem VBorderende noch Fortfäge mit Haftpapillen aus, jo entiteht eine „„Brachiolaria“
genannte Larve; durcch Brutpflege fann die Entwidelung abgeändert werden. Yucd) eine Art
ungejchlechtlicher Vermehrung trifft man zuweilen an. Scheinbar ohne Grund werden
manchmal Arme abgeworfen, an deren breiter Bruchfläche dann eine neue Scheibe und vier
Heine Arme herborsproffen. Solche „KRometenformen” (Abb., ©. 375) wachjen zu normal
Rammjeeitern. 375
geitalteten Seejternen aus, denn die hohe Regenerationsfähigfeit ermöglicht den Ateroiden
nicht nur verlorengegangene Arme, fondern auc) Teile der Scheibe zu erjegen. Bei einigen
Urten fommt jogar Autotomie vor. Wird ein Arm feitgehalten, jo lafjen fie ihn einfach
liegen und friechen weiter. Auch Parafiten (4.B. Mygoftomiden, ©. 293) fünnen ver-
anlalfen, daß ein Seeftern „reiwillig" einen Teil jeines Körpers verabfchiedet.
Die Seefterne find eine der ältejten Tiergruppen, deren Nefte bis ins Kambrium
zurüdreichen. Heute fommen fie in allen Meeren bor, vom Eismeer bis zum Nqutator, von
der Strandlinie bis zu 5000 m Tiefe. Die Mehrzahl leuchtet in den prächtigiten Farben.
Die Unterfeite ijt meilt heller als der Rüden; oft entitehen durch anders gefärbte Streifen
und Tleden lebhafte Mufter. Die jchönfte Färbung zeigen Die Geejterne der Tropen, nament-
lich die der Korallgärten; aber auch die Aiteroiven unjerer Meere find im Leben jchöne
Tiere, die im Seeaquarium die Augen des Beichauer3 immer wieder auf jich Ienfen.
Unter den häufigften ©eejternen des Mittelmeeres, die Ludwig in feiner großen Mono-
graphie bejchreibt, ninimt der Kammfeejtern, Astropecten aurantiacus L., nad) feinem
Körperbau eine Sonderftellung
ein (j. Tafel „Stachelhäuter”, 5
bei ©. 355). ©eine Füßchen
haben feine SHafticheiben und
fönnen jich deshalb nicht anjau-
gen; auch fehlt ihm der After.
Er ift einer der jtattlichiten ©ee-
jterne überhaupt. Ceine fünf
großen, flachen und ipiß zulau- „Kometenform” eines Seefte una (Ophidiaster arenatus Lam.). Ein ab=
Sacnsıe Mr a ee
werden; ihre Kanten und Winkel
jind mit großen, ftacheltragenden Platten eingefaßt. Der Nüden ift bis auf die Madre:
porenplatte gleichmäßig mit Varillen (f. ©. 374) gepflaftert. Dunfel- bis orangegelb ge-
färbt find die Randplatten und zahlreiche Parillen um die Scheibenmitte und auf Längs-
und Querlinien der Arme. Die meiften Parillen find aber jcharlachrot. Die Art findet
jich nur im Mittelmeer und im Atlantif nahe der Straße von Gibraltar auf Sandgrund.
Meift gräbt fie fich fait ganz in den Boden ein und nährt fich von Mufcheln. Die Fügchen.
dienen den phlegmatiichen Tieren weniger zur Fortbewegung als vielmehr zum Graben.
Wie Mangold beobachtete, werden die Füßchen hierbei feitlich augeinandergeichlagen. ©v
wird der Sand allmählich unter den Armen ausgehöhlt und aufgeworfen. Sind die Sand-
wälle iiber dem Riten de3 tiefer grabenden Geefterns eingebrochen, jo jieht man nur noch
ein fternförmiges Relief, das ihn verrät. Das Eingraben entzieht den Seejtern jeder Stö-
rung und Beuntuhigung. Auch nad) oder bei dem Frefjen zieht er fich zurüd; jein Rüden
it dann prall aufgewölbt und ragt etwas über den Sand hervor.
Ein eingegrabener Astropecten läßt fich im Aquarium leicht durch TZutier heraus-
(ofen. Smdem er mehrere jeiner Arme gleichzeitig nach oben krümmt, jchüttelt ex den
Sand ab und fehafft fich wieder Bemwegungzfreiheit. Trot des Mangels der Saugijcheiben
fann er mit den Füßchen, die wie Stelzen benußt werden, rafc marjchieren. ©o legt der
Rammfeeitern eine Strede von % m in einer Minute zurüd; fogar an der Luft, two man
eine Gebrauchsfähigfeit der Fühchen nicht für möglich Halten follte, fommt er nod) einige
376 Stabelhäuter: Geefterne.
Zentimeter in der gleichen Zeit vorwärts. An jenkrechten Flächen zu Tettern, fällt ihm
hingegen fehr fchwer. Nach Breyer begnügt ic) Astropecten damit, auf zwei Armen ftehend
ichräg an der Wand zu lehnen. Dort haftet er jedoch nur jehr loje, während ich Geejterne
mit Sauagjcheiben häufig bei gewaltjamer Entfernung die Füßchen abreißen lafjen. WWer-
den folche Afteroiven (auch ihre abgefchnittenen Arme) auf den Rüden gelegt, wenden jie
jich mit Hilfe der Tüßchen um. Astropecten hingegen, dem Saugjcheiben fehlen, hebt jich
auf die Spiben bon drei oder vier Armen; zwei davon werden Darauf untergejchlagen und
die übrigen oben herumgeworfen. Sn etwa fünf Minuten liegt er wieder auf der Mund-
feite. Erlaubt e3 das Terrain, fo wendet er aber auch die gemöhnliche Methode der Gee-
iterne, fich umzudrehen, an; die fich lebhaft bewegenden „juchenden" Füßchen von zwei oder
drei Armipißen Heften fich am Boden feit und ziehen die Arme mehr und mehr herum, bis
jich der Körper hebt und einen Purzelbaum jchlägt.
Bei der Nahrungsaufnahme ftülpt Astropecten den Magen nicht aus wie andere
Geeiterne. Der große Mımd läßt gehörige Broden paffieren, und der Magen tft unglaublich
erweiterungsfähig. Hamann zählte einmal in einem Sammftern zehn Pecten, fechs Tellina,
etliche Conus und fünf Dentalium. Die leeren Schalen werden ausgejpien, da der After
fehlt; Übrigens wird er auch dort, mo er noch vorhanden ift, oft nicht mehr benußt. Im
Leipziger Seeaquartum lebte ein Exemplar diejer Art bei Bfahlmujchelfoft fait zwei Jahre.
Auch unfereNordfee hat ihren Astropecten (A. irregularis Zinck, |. Taf. „Stachelhäuter”,
7, bei ©. 355), einen fleifchroten ©eeftern von meift IOcm Durchmefjer; größere Eremplare
jind felten. Durch3 Kattegat dringt er auch in die Dftjee bis Jülich von Alfen vor; Cuenot
beobachtete ihn bei Arcachon an der Weitkilte Frankreichs. Die Nahrung diejes Geejterns
beiteht aus Weichtieren, Ceeigeln, ©ee- und Schlangenfternen. Auch er entwidelt un=
geheuren Appetit Eichelbaum fand in einem Magen außer Schalenteiten 19 Mujcheln.
Der Behandlung der Seefterne mit wohlausgebildeten Füßchen muß der jyjtematiichen
Stellung halber die der Fleinen Asterina gibbosa Penn. vorangehen. Das muntere Gejchöpf,
da3 immer, wenn auch langjam, herumkriecht, ift trüb olivgrün gefärbt; junge Tiere Jind
ztegel- bi® brauntot. CS bewohnt das weltliche Mittelmeer und den Atlantif von Den
Kanaren bis Srland. Asterina findet fich bei Ebbe regelmäßig in den zurüdgebliebenen
Wajjerpfügen am Ufer, liebt felfigen Grund, ift aber aud) auf ©eegraswiejen anzutreffen.
Schneren bilden Die wichtigite Nahrung. Sehr eigenartig jind die Fortpflanzungsverhält-
nilje. G©ie ift einer der wenigen Geejterne, die Ziwitter find. Die Keimdrüfen liefern
zuerit Samen, dann Eier. Die zeitliche Trennung der Gejchlechter Fann an verjchtedenen
Plägen aber variieren. Go fand Ludwig in Neapel alle Übergänge zwifchen rein mänı-
lichen und rein weiblichen Tieren. Die gelben, %, mm mejjenden Cierchen werden in Heinen
Gruppen dicht nebeneinander auf Steine geflebt und durchlaufen eine abgefürzte Entwice-
lung. Am vierten Tage Ichlüpft aus ihnen eine Larve, Die mit einem großen, zweilappigen
Larpenorgan Friecht oder Ichwimmt, und fchon am elften Tage ift (in Neapel) der junge
Geeftern fertig. Selbftverftümmelung tritt bei Asterina nie auf. Die Tiere meiden das
grelle Sonnenlicht, aber auch den tiefen Schatten, und lieben den Lichtverhältniljen ihres
gewöhnlichen Aufenthaltes entjprechend helles Tageslicht. Fe nad) der Stärke der Beleud)-
tung werden fie aljo das Licht fuchen oder fliehen (Mangold). Sie werden dabei Durd)
die Lichtempfindlichkeit der Haut geleitet. Shre Vorliebe für jauerftoffreiches Waffer treibt
hie im Aguarium auch in der Dunkelheit oft bis iiber den Wafferfpiegel hinaus.
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Afteriniden. Purpurftern. Sonnenftern. 377
Ein ganz jonderbarer Gefell ift eine zweite Afterinide, Palmipes membranaceus Junck.
Er ift jehe dünn und ducchicheinend. Dabei ift er, wie man ihn in Weingeift meift zu jehen
befommt, nicht einmal ein richtiger Stern, jondern ein Fünfed, dejfen Ceiten jchwac)
eingebuchtet find. Sm Leben it das Tier oben jchön fcharlachrot, unten faft reinweiß mit roter
Einfaifung am Außentand; die fünf radiären Urmfurchen zeigen zartbraune Tönung. In
der Mitte ift der Körper höchitens 1.cm ftark, gegen den Rand zu wird er papierdünn. Das
Tier fommt im Mittelmeer jowie an den atlantijchen Kiiften Europas vor, in der Nordfee
nur an der jchottiichen Kite. Gewöhnlich gerät Palmipes in 20—100 m Tiefe ins Grund-
neb, ijt aber, nad) Marenzeller, im Mittelmeer auch Icon zwijchen 400 und 600 m Tiefe
angetroffen worden. Bauer fand ihn vorwiegend auf feinem Sandboden und glaubt, daß
diejer Untergrund feine eigentliche Heimat ift, die er nur ausnahmsmweije verläßt. G©eines
zarten Baues wegen ilt er jtärferer Wafjerbewegung gegenüber mwiverjtandslos. Wie viele
Alteroiven fann er fich eingraben. Hierbei wird er eritrichtig „Seejtern". Kommt ein friich-
gefangenes Tier, das zunächit als Fünfed im Aquarium Herumktiecht, auf dem Sandboden
zur Auhe, dann fangen die Felder zwilchen den Armen an, jich einzuziehen, und es entiteht
ein Ichlanfarmiger, fünfftrahliger Stern. Eine leichte Berührung genügt aber, daß jich
Palmipes wieder zum Fünfed ausbreitet. Txrob der Fähigkeit, ji) in einen Stern zu ver-
wandeln, gräbt er im Vergleich zu Astropecten langjam und ungejchiet. Auch beim Über-
winden bon Hinderniffen verjchmälern fich die Arme.
Ein ähnliches Kolorit wie Palmipes, Doc noch brennender, bejist der Burpurftern,
Echinaster sepositus Lam. (j. die beigehejtete Farbentafel, Fig. 3). Seine fünf diden, run-
den Arme überzieht eine weiche, drüjenreiche Haut gleichmäßig bis zu den Ambulafral-
furchen, in denen Durcchlichtig rötliche Füßchen ftehen. Nimmt man das Tier in die Hand,
dann Schließen fich die FZurchen völlig über den eingezogenen Füßchen, und die Stacheln
ihrer Ränder greifen ineinander. Der Purpurftern gehört dem weltlichen Mittelmeer, ein-
ichlieglich der Adria, und dem mittleren Nordatlantif an. Seine fnalltote Zarbe, die jic)
in Süßwaffer und Alkohol fofort Köft, joll nad) der Annahme einiger Torjcher eine Schred-
farbe jein; Doch fand Nic die Art im Hafen von PBortofino öfters auch auf leuchtendroten
Algenkruften in geringer Tiefe und überfah fie anfangs häufig. Der Gedanfe an eine Schuß-
färbung liegt hier nahe; freilich hebt fich das Tier fonft ftarf von der Unterlage ab. Grimpe
pflegte jieben diefer fchönen Tiere in Leipzig über 18 Monate lang.
Geht viel matter in den Tönen ift die farbenjchönfte Art der Nordjee, der Sonnen-
itern, Solaster papposusZ. (j. Tafel „Rrebje IL”, 7,bei©.677). Er ift kräftig dunfelbrauntot,
die Scheibe zeigt hellgelbe Fleden und die furzen Arme gelbe Bänderung. Die Arme find
nicht, wie gewöhnlich, in der Fünfzahl vorhanden, jondern 12—15, meift 13, jtehen um die
Scheibe. Er ift auf fandigem und fteinigem Boden Häufig, fommt aber aud) auf Schlid vor
und verträgt erhebliche Schwankungen von Temperatur und Salzgehalt. Die vein nordijche
Art lebt rings um den Bol an den Nordlüften der Alten und Neuen Welt. Bei Helgoland
ift fie in tieferem Waffer jehr gemein. Sn der Dftjee dringt fie bi3 zur Injel Fehmarn vor.
Gier und Larven, die Ende des Winters produziert werden, find leuchtend orangerot und
undurchlichtig (Hartlaub). Die Nahrung des Sonnenfterns bilden Eleinere Echinodermen,
bor allem junge Geeiterne (Eichelbaum). Mit den legtgenannten Geejternen näher ver-
wandt ift auch der bunte, 2darmige Heliaster helianthus Lam. im Stillen Dgean.
Asterias glacialis Z., den Fig. 4 unjerer Farbentafel in dem Augenblid darftellt,
in dem er einen Sphaerechinus attadiert, ift einer der ftattlichjten ©eejterne. Ex jpannt
378 Stahelhäuter: Seefterne,
gewöhnlich 35—60 em; bei einem von Couch bejchriebenen Riejeneremplar maß der längjte
der fünf Arme allein 35,6 cm und hatte an der Scheibe einen Durchmefjer vondölmm. Die
Art ift an den Hüften der Mittelmeerländer und Wefteuropas weit verbreitet. Jim Norden
findet fie fich vom ©fagerraf bis Sinnmarfen, fehlt aber an der deutjchen Ktüfte und bevor-
zugt Stein= und fiefigen Sandboden. Die Färbung ift jehr verjchieden, vom hellen Gelb-
zum Notbraun mit violettem oder rojenrotem Anflug und vom hellen Grau- zum tiefen
Dunfelgrün. Ber Neapel treten die bräunliche und die grünliche Form al3 zwei ausgejpro-
chene Varietäten auf, von denen die grüne größere Helligkeit und flacheres Wafjer vorzieht.
Man Fann fie an ven Uferfelfen zwijchen Algen oft jchiwer entveden. Gelegentlich jigt fie
dicht unter dem Wafjerjpiegel, verläßt ihr Element aber nicht. Die braune Form lebt in
tieferen Schichten. — Was bei diejem Ceejtern auf den erjten Bid auffällt, find die zahl-
reichen Heinen Budel, auf denen die Stacheln der Nüdenfeite zu jiben jcheinen (j. Tafel
„Stachelhäuter”, 4, bei ©. 355). Bei näherem Zujehen erweijen jie fich als Büchel von
Pedizellarien, die um den Grund der Stacheln herum angeordnet find. yedes Ddiejer Pafete
enthält iiber 400 Zangen; das ganze Tier verfügt über nicht weniger als eine Viertelmillion.
Die Hauptnahrung des Seeiterns jind größere Beutejtüde, Filche, Srebje, Seeigel
und vor allem Schneden und Mufchen. Der Schaden, der durch diefes Raubtier auf den
_ Aufternbänfen von Konnektifut angerichtet wurde, betrug im Sahre 1888: 631500 Dollar.
Selbit große Mufcheln, die wie die Aufter ihre Schale Felt jchließen fünnen, vermag es zu
öffnen; nicht, wie man früher annahm, durch Vergiftung mittels eines Jähmenden Oaftes
oder Durch Erftiden, jondern, jo unglaublich es Elingt, indem Die Schalen mit Geivalt aus-
einandergeriljen werden. Ein Hungriger Asterias padt eine hohe Mujchel, etwa eine Venus,
mit den Armen, deren breite Teile jich wie ein Berg über der Beute wölben, während Die
Armenden fich am Boden anheften. Durch die Tätigfeit der Füßchen moird die Mufchel fo
unter den Mund gebracht, daß jich deren Schalenränder ihm zufehren. Die Saugfühchen
heften jich an und ziehen die Schalenhälften auseinander. Durch pajjende VBerjfuchsanord-
nung fonnte Schiemenz zeigen, daß die Kraft, die dabei angewandt wird, außerordentlich
groß iit. Wird ein ihr entfprechender Zug auf die Venus-Schalen längere Zeit ausgeübt, jo
Happen jie jchließlich auf. Asterias braucht etwa 15 Ninuten, um eine größere Mufchel
zu öffnen. Sobald die Schale Hlafft, wird der Magen ausgejtülpt und jadartig über die
Weichteile des Opfers -gelegt. Dieje werden außerförperlich zerjebt und völlig verdaut,
d. h. die Yermente werden auf das Beutetier abgejchteden, und die in ihnen gelöite Nah-
rung ipird darauf eingejogen. Cine Venus wird fo in 815, eine mittelgroße Auiter jchon in
4 Stunden überwältigt. Auch Seeigel werden von Asterias in ihrer eigenen Schale ver-
daut. Lo Bianco jah, wie zwei Diejer Räuber einen ziemlich großen Sphaerechmus (|.
©. 369) gleichzeitig anfielen. Der eine ftülpte feinen Magen zwijchen den Stacheln aus
und verdaute die Haut famt der Stachelmusfulatur; der andere legte auch exit eine Straße
. auf der Sgelhaut frei, geriet dabei auf die weiche Munpjcheibe, Löfte fie auf, jchob jenen
Magen dann in das SJnnere und leerte die Schale fein jäuberlich aus.
Bejonders ausgebildet ijt bei Asterias das Vermögen, jich Durch Abmwerjen der Arme
jelbjt zu verjtiimmeln. ‘Breyer hielt ein Tier auf der Hand, ohne es zu drüden; e3 Froch weiter
und ließ dabei „ruhig” einen Arm zurüd. Unter dem Einfluß jchlechter Lebensbedingungen
werden oft alle fünf Urme abgeworfen. Für das Aquarium des Binnenlandes eignet jich
daher dieje Art weniger; häufig ftößt fie chon während des Transports die Arme ab.
An unferen deutfchen Küften vertritt Asterias (Asteracanthion) rubens L., ver
Asterias. | ) 879
Gemeine Seejtern, die Gattung (j. die Tafel „Stachelhäuter”, 6, bei ©.355). Die rein oft-
atlantifche Art geht nicht ins Mittelmeer, aber um das Nordkap herum bis ins Weiße Meer.
Diejer jedem Badegajt wohlbefannte Geeftern ift in der Nordfee in den verjchiedenften
Yarbtönen (violett, rötlich oder braun) bei Ebbe in Strandpfüsen und an den Buhnen alfent-
halben in großer Menge zu finden. Syn der Oftfee dringt ex bis zu Rügens Weftfüfte por,
tritt in einzelnen Exemplaren aber auch weiter öftlich, 3. B. bei Kolberg (Grimpe), auf.
Asterias rubens erreicht einen Durchmejjer von 30cm, lebt wie fein Verwandter räuberifch
hauptjächlich von Mujcheln und ift wie er ein gefährlicher Aufternfchädling (Möbius). Mies-
mujcheln und Seepoden, die das Vfahlwerf der Häfen beffeiden, überfällt er oft in ganzen
Scharen. Bolau jah ihn einen Einjiedlerfrebs übermwältigen und verzehren. Beim Frejjen
bon Strandjchneden (Litorina) fchiebt der Seeftern Teile feines Magens bis in die legten
Schalenwindungen. Lepede entvedte im Hoden der Männchen ein parafitifches Infufor,
. Das meist jo zahlreich ift,
daß es Ffaltrierend wirkt.
Sm Aquarium hält Aste-
rias rubens gut aus.
Schmalz, der vortreffliche,
leider viel zu früh ber-
ftorbene Pfleger niederer
Tiere, hielt ihn über neun
Monate mit Teichmujcheln
und-jchneden. Unjer Bild
zeigt den Ceeftern beim
„Berdauen” eines Filches.
Eine Asterias- Art Ted erfeeftern, Culeita coriacea Müll. et Trosch. ne Be Das Leben des
bon der Wejtfüfte der Ver- Meeres“, Leipzig 1895. (Zu 30)
einigten Staaten, A. for-
reri Loriol, wurde in ihrem Verhalten von Jennings eingehend jtudiert. Das Tier ift außer-
ordentlich fauerjtoffbedürftig und jtirbt in nicht durchlüfteten Aquarien jchon nach Furzer Zeit.
Die Atmung beforgen, wie bei anderen ©eejternen, in der Hauptjache Taujende feiner finger-
fürmiger Kiemen, die überall zwijchen den Heinen Stacheln der Dberjeite jtehen, und über
die dauernd ein vom Wimperichlag der Haut getriebener Strom friihen Wafjers ftreicht.
Gejchüßt ift die ganze Oberjeite durch zahlreiche Pedizellarienbüfchel, die um den Grund
der Stacheln angeordnet find. Gerät ein Tier auf die Stachelfpiben oder Kiemen, jo erheben
jich diefe Bündel und richten fich gegen den Angreifer. Berührt ein Kleiner Strebs nur eine
Bange eines folchen „Hundertföpfigen Ungeheuers", dann ift er rettungslos verloren. Sucht
er fich ducch Strampeln zu befreien, ftößt er unbedingt an andere Pedizellarien, die alle zu-
fallen; Strandflöhe und Heine Krabben werden jo in 12 Minuten vollitändig gefejlelt.
Sennings jah Ceejterne, die fünf bis jechs marfjtüdgroße Krabben gleichzeitig auf ihrem
Rüden trugen. Die Vedizellarien reagieren aber nur auf das, was fich regt; Steinchen,
die man auf jie wirft, ftören jie nicht. Jedoch auch der Saft von Strabbenfleijch und der
Schleim der Saugfühchen anderer Seefterne lölt das Aufrichten der Pedizellarienbüjchel
aus; fie fträuben fich wie die Haare eines gereizten Katers. Gelbjt vor dem eigenen Störper
macht die Angriffswut der Kleinen Zangen nicht Halt. Dft „verbeigen‘ jich die Zangen
zweier benachbarter Arme ineinander. Die von den Pedizellarien fejtgehaltenen Tiere
DA FITITTILEr
” ENT RAN N
380 Stadhelhäuter: Schlangenfterne.
ipielen eine wichtige Rolle für die Ernährung. Durch Krümmen der Arme wird die Beute
in Mundnähe gebracht, an Ort und Gtelle von den fünf gelblichen Magenjäden, wie oben
bejchrieben, umhüllt und verdaut. Die Hauptnahrung bilden Schneden; Mufcheln zu frefjeı:,
hat Diefe Art Scheinbar Feine Gelegenheit. Die Käferjchnede Chiton bleibt unbehelligt,
mern fie jich fejt gegen die Felfen nrüdt. Im Aquarium greift der Räuber auch andere
Seejterne an, bejonders gern pedizellarienloje Sormen aus tieferem Wafjer. Der Oift-
zangen wegen verhält er fich Iangjtacheligen Ceeigeln gegenüber ablehnend. Fijche, die zu=
fällig auf den ©eejtern ftoßen, werden mit den Zangen an den Flofjen feitgehalten und
mit dem Schwanz voran zum Mund transportiert. Dft ift das Hinterende fchon verdaut,
werm der Vorderfürper jich noch heftig bewegt, um loszufommen.
Auch in die Tiefjee find zahlreiche Seejterne vorgedrungen. Wir begnügen uns mit
der Erwähnung der reizvollen Brifingiden, die in ihrem Ausjehen fait an Schlangenfterne
erinnern. C3 jind Heine Scheiben mit 715 jchmalen, jcharf davon abgejegten, Yangen
Armen. Eine gewille Berühmtheit genießt Brisinga endecacnemos Asb. Nad) einer wahr»
icheinfich irrigen Auslegung der Bejchreibung des erften Fundes im Hardangerfjord 1853 durch
den norwegischen Dichter Asbjörnjen wird diefer Geejtern oft al3 leuchtend angeführt.
Seine Scheibe ijt rotorange gefärbt; die Arme find foralltot und tragen perimutterfarbene
Staheln. „Wenn das Tier unverlegt ijt, wie ich eö ein- oder zweimal, während e3 noch in
der Drediche unter Wafjer war, gejehen habe, fo ijt es von einem einzigen Ölanze; e3 tjt eine
leibhafte Gloria maris“, jo Schilderte Asbjörnjen feinen Eindrud und taufte Die wunderbare
Form nad) Brifing, dem [chimmernden Sleinod der Fredya, das Loge ftahl und ins Meer warf.
Bon den überaus mannigfaltigen Seefternen der Tropen führen wir des Naum-
mangels wegen nur die merkwürdige, einem Geeigel ähnliche Gattung Culeita Ag. an. Die
apfelfürmige C. coriacea Müll. et Trosch. (Abb., ©. 379) jtammt aus dem Noten Meere;
größere Arten find aus dem Snpdik und von Neuguinea befannt.
Vierte Klafje:
Schlangenfterne (Ophiuroidea).
Der Laie wird einen Schlangenftern, der ihm zu Gejicht fommt, ohne weiteres als
Geeitern bezeichnen, denn bei ihm ftrahlen von einer Scheibe, genau wie bei jenem, fünf
YUrme aus. Die Unterjchiede beider find aber recht erheblich. Schon jede Bewegung der
Arme weicht von dem ab, was man vom Geeftern her Tennt; jie fünnen jich Ichlangenartig
biegen und eintollen. Auch treten fie nicht allmählich mit breitem Anja und Armiinfel
bildend aus der Scheibe heraus, fondern entfpringen fcharf abgejett und voneinander ent-
fernt. Auf der Unterfeite der Arme fehlen die Umbulafralfurchen; jie find im Laufe der
Stammesentwidlung durch Sfelettplatten (Bs in der Abb. ©. 381, oben) zugededt worden, jo
daß die wenig entwidelten, tentafelfürmigen FZüßchen nur zwijchen ihnen und den Randjchil-
dern (Ss) an den Seiten heraustreten. Oben haben fich ebenfalls Kalkfchilder aufgelegt, und
jomit find die Arme durd) vier Blattenreihen ringsum gepanzert. An der Unterjeite jegen
jich die Yrme nach dem Scheibenzentrum zu fort bis zum fogenannten „Mundjfelett“, einem
Gefüge von Platten in der Teibesmitte. Bei jungen Ophiuroiden fließen fie mie Geejtern-
arıne noch ineinander über. Nachträglich wachjen aus ven Juterradien der Scheibe Bor-
jprünge heraus, die fich über den Armen miteinander verbinden; dabei verlagern fich fünf
3 a
Allgemeines.
381
urjprünglich auf Dem Rüden angelegte Kalfplatten, von denen eine die Madreporenöffnung
trägt, a8 „Mundplatten‘ (B) auf die Unterfeite. Durch den Verichluß der Ambulakralfureche
ind die Nadiärnerven in einen „Epineuralfanal” tief unter der äußeren Haut eingebettet.
Die urfprünglihen Platten fommen ins Srnere der
Urme zu fiegen, wachjen mächtig aus und werden zu
gelenfig miteinander verbundenen „Wirbeln”, die die
Höhle in den Armen bis auf einen Kanal einengen.
Auf der Scheibenunterjeite öffnen fich rechts und Iinfs
von den Armen lange Spalten, „Bursae‘“ (G), in die
fie) die Gejchlechtsprodufte entleeren, und die der At-
mung dienen. Nebenbei fungieren auch die Füßchen
al „Kiemen”; Wimpern führen jtändig einen Strom
frifchen Waffers über fie. Die Haut ift fonft nicht be-
wimpert, oft aber jo ftarf abgejcheuert, daß das ©fe-
lett zutage tritt. Bei den meijten Arten trägt fie hohle
GStadheln, an deren Spiken fich oft ein. Köpfchen mit.
Sinneszellen und Giftdrüfen findet. Andere Stacheln
find gebogen oder zu Tentafelfchuppen umgebildet, die
an den Armen neben den Poren für die Fügchen fißen.
Scheibe etnes Shlangenjterns, Ophiura
eiliata Reitz. Aus Clau3=-Grobben, „Lehr-
Bud der Zoologie”, Marburg. B Mundplatten,
Bs Baudjgilder, G Bursae, Mp Mundpapillen,
Ss Seitenjhilder der Arme.
Das Nervensyftem der Schlangenfterne ift Hoch entwidelt und befähigt fie, jchnelle und
jet geregelte Bewegungen auszuführen. Befondere Sinnesorgane find freilich unbelannt;
das Cinnesepithel auf
den Füßchen dient aber
zur Aufnahme von
Talt- und chemifchen
Reizen. Die Ochlan-
genjterne mittern die |.
Kahrung auf ziemliche
Entfernung. Den Fiß-
en fehlen die Ampul-
fen. Tiobdem fünnen
lie ihrer Slebdrüjen mwe-
gen noch zum Andef-
ten gebraucht werden;
einige Arten fönnen |
jogar an den Ölaswän-
den des Aguartums
hochklettern. Am Waf-
lergefäßring, der weit
Ophiocreas oedipus Zym. an Korallen Eletternd. Nah Koehler, „Sıino=
nad) oben gerückt üt, dermen ber Vieffee-Erpebitionen des Fürften von Monato“.
hängen vier Wolijche
Blafen. Der Steinfanalim fünften $nterradius läuft infolge der eigentümlichen Verlagerung
der Madreporenplatte nach unten. Der Eingang zum Mund wird durch die fünf Edjtüde
des Mundffeletts, an denen zahnähnliche Stacheln fiten, in fünf radiäre Mundminkel
zerlegt. Große Nahrungsbroden werden von den Armen umjchlungen und zum Munde
382 Stahelhäuter: Schlangenfterne.
geführt; organifcher Abfall am Meeresboden, milcojfopiiche Algen und Üttierchen, die die
ausschließliche Nahrung vieler Arten bilden, werden jogleich mit den Mundfüßchen erfaßt.
Der Darmfanal ift ein einfacher Sad ohne After und fan nicht ausgejtülpt werden.
Die Gefchlechtswege münden meijt in die Bursae (G), die ein gegebener Plaß für Brutpflege
iind, und durch deren mweite Offnung bei dem dauernden Wafferwechfel für die Atmung
da3 Sperma leicht eintreten und die Eier darin befruchten Fan. Sn der Tat entwideln fie
jich bei den Weibchen vieler Arten in diefen Spalten; jelbit die Jungen fünnen Jich noch
auf den alten Tieren aufhalten. Cntjtehen aber freilebende Larven ohne Brutpflege, jo
ühneln fie denen der Seeigel (Abb., ©. 338, B). Auch Vermehrung durch Duerteilung der
Scheibe fommt bei manchen Schlangenjternen regelmäßig vor. Die außerordentlich Hohe
Negenerationskraft ist außerdem die Borbedingung für die Fähigkeit, Selbitverjtümmelung
zu treiben. Nicht nur die Arme fönnen abgeworfen werden; auch auf die ganze Rücden-
jeite der Scheibe mitjamt den Eingeweiden fünnen manche Ophiuroiden zeitiweile verzichten.
Der dann buchjtäblich nur aus „Haut und Sinochen” bejtehende Reit führt, wenn der orale
Nervenring unbejchädigt ift, alle Bewegungen wie ein unverlegtes Tier aus und Tann alles
Tehlende regenerieren. Die Fortbewegung der Schlangenfterne gefchieht nur jelten mittels
der Ambulafralfügchen, meilt durch die Bewegung der Arme jelbit (j. die untere Abb.
©. 381). Doc fünnen aud) die Stacheln dem Tiere beim Klettern große Dienite leiften.
Erjte Ordnung:
Zygophiurae.
Die weitaus meijten der lebenden Schlangenfterne gehören zu ven Hygophiuren,
deren Armmirbel derart ineinander gelenkt jind, daß jich die Arme zwar feitlich Kümmen
und eintollen Yafjen, erhebliche Ausschläge nach oben und unten aber unmöglid) find.
Der braune Schlangenftern, Ophioderma lacertosum Zam., Yebt im Flachiwajjer
de3 Mittelmeer3 und des Ditatlantif. Die Oberjfeite feiner Scheibe zeichnet jich durch leb-
haft bunte Zeichnung aus (f. die Farbentafel bei ©. 341, Fig. 3). Er lebt zwijchen Steinen
verjteckt, gräbt fich aber nicht in den Sand ein. YJm Aquarium friecht er jo lange umher,
bis er die dunfelite Ede oder den Schatten eines Steines gefunden hat. Wie Mangold
durch Verjuche zeigen fonnte, ijt die ganze Haut lichtempfindlich: jchon eine furze, grelfe
Beleuchtung einer Urmipite veranlaßt das Tier zur Flucht. Durc) Futter läßt jich Ophio-
derma leicht aus feinem Berfted loden; e3 „wittert”. Preyer jah, wie es auf ein dar-
gebotene3 Srabbenbein aus 15 cm Entfernung heraneilte und förmlich darüber herfiel.
Einer der Arme wird wie ein Clefantenrüfjel um die Beute gefchlungen und nad) der
Seite hin eingefrümmt; der Biljen darauf zum Mund unter der Scheibe geführt.
Ganz ähnlich wie Ophioderma Yebt die hell oderbraune bis brauntote, unten [hmuBig-
gelbe Ophiura ciliaris Z., der häufigite größere Schlangenftern der europätjchen Meere.
Er fommt von Grönland bis zum Mittelmeer und auc) in der Nordjee vor. Beim Gehen
iit er gewandter al3 Ophioderma; die Arme dienen ihm hierbei als elaftiiche Federn und
ichnellen ihn jprungmeije vorwärts. „Fällt ein plöglicher Schatten auf das ruhende Tier,
jo Schlagen die fünf Arme gleichzeitig hoch, und das blaß fandfarbene Tier wird plöslic) um
eine Nitance dunkler” (Uexfilt). Hat e3 die Nahrung „gewittert”, fo erhebt es die Scheibe
und begibt jich mit einem „Sprung“ auf die Jagd. Als bejondere Öeruchsorgane werdendie
„„tundtentafel” (Mp) angejehen, die in regelmäßigem Wechjel in Die Mundplatte hinein- md
SHgophiuren. 988
herausgejchlagen werden. Haben jich im Aquarium mehrere Ophiuren gleichzeitig auf ein
Sleifchjtücihen geftürzt, fo juchen jte, e3 fich gegenfeitig zu entreißen. Läßt man einen
Schlangenftern, mit der Bauchjeite nach oben, unter Wafjer fallen, jo jhlägt er die Arme
jo weit al3 möglich nach oben. Noch bevor er am Boden anlangt, jehwingt er Die Scheibe,
den jchwerften Körperteil, rudhaft nach unten und fällt auf die Munpfeite, wie die Kate auf
die Füße. Wird er mit dem Rüden auf den Boden gelegt, jtemmen jich, nachdem die Scheibe
ettvas gehoben wurde, zwei Arme befonders feit ein; die zwei Nachbarn geben einen Fräf-
tigen Schub, und das Tier Schlägt mit dem fünften Arm oben herum einen Burzelbaum.
Das Ummenden Spielt jich beim frijchen Tier innerhalb weniger Sefunden ab.
Sm Gegenjaß zu Ophioderma gräbt fich Ophiura gern in den Sand ein. „Eine frifche
Lieferung von Ophiura ciliaris entzieht fich im Aquarium fchnell den Bliden, indem jic
die Tiere, oft jogar übereinanderliegend, in den Sand eingraben, jo daß nur die feinen,
einfach oder Sförmig gefchiwungenen: Armjpisen herborjchauen. Auch bei den Ophiuren
gejchieht das Graben (wie bei Astropecten, j. ©. 375) mit den Ambulafralfüßchen, die durch
jeitliches Augeinanderfchlagen die Sandförner zwijchen den Stacheln der Armfanten heraus-
werfen ımd dadurch fchnell beiderjeits Sandmwälle aufhäufen, zwifchen denen die Arme
verfinfen.” Schließlich wird durch feitliche Bewegungen der Arme Sand auch über die
Körperfcheibe gefchaufelt. Wird das Tier an einem Arm unjanft angefaßt, jo bricht er jo-
fort ab. Das abgelöfte Stüd verfällt in völlige Mustelftarre, d.h. verjucht man, es zu biegen,
fo zerbrechen eher die Armiwirbel. Sr Einzelfällen läßt fich diefe Starre löjen; dann Fann
das Bruchftiit weiter autotomieren. Übrigens läßt fich auch das ganze Tier in den Starre-
zuftand verjegen. Wirft man e3 fräftig auf den Fußboden, fo wird e3 völlig fteif.
Einer unferer häufigsten Nord- und DOftjee-Schlangenfterne ift die Eleine, meißrötliche
Ophiura albida Forb. (j. Tafel „Stachelhäuter”, 7, bei ©. 355). sn der Ditfee ift jie etwa
io mweit verbreitet wie der Gemeine Geeftern (j. ©. 379). Sie vermag nicht nur mit den
Armen, jondern auch mit Hilfe der Füßchen ähnlich wie Astropecten zu flettern.
Marche Schlangenfterne, befonders einige Amphiuriven, vermögen zu leuchten. „Ile
ich in der Dämmerung einen Schlangenftern, Ophiopsila annulosa Sars, mit dem Rüden
auf die Tiichplatte warf, überrafchte mich aufs Höchite ein Heller, grüngelber Schimmer,
der wie ein Wetterleuchten an verfchiedenen Stellen der langen Arme aufzudte und nad
wenigen Augenbliden wieder verjchwand" (Mangold). ES Handelt jich hierbei um einen
größeren, außerordentlich intenjiv leuchtenden Schlangenjtern, der aus dem Mittelmeer
und dem öftlichen Atlantifchen Ozean aus Tiefen von 10—100 m befannt ift. Ex ift ein
großes, hei oder nußbraunes Tier mit 12 cm langen Armen, die meift dunffere Quer-
bänderung zeigen und auf der Unterjeite gelblich find. Die Scheibe ift oben mit Kleinen,
helleren Streifen gejchmüct und unten zwijchen den Armmwurzeln roja oder bläulich gefärbt
und braun punftiert. Er gehört zuden wenigen Schlangenfternen, die jich eingraben Fönnen.
Hierbei helfen die Arme bedeutend nach, „indem fie fich, oft einzeln und zeitlich unabhängig
boneinander, durch die gegrabenen Furchen nach der Körperfcheibe Heranziehen und Durch
weiteres Wühlen das ganze Tier bis über 2 cm tief in den Sand hineinjchaffen, wo dann
die langen Arme in vielen Windungen um die Scheibe fnäuelartig zufammengedrängt liegen".
Mit Hilfe der Fügchen fann Ddieje Art und die nahe verimandte Ophiopsila aranea Forb.
jehr gejchiet Klettern, anjcheinend ohne Abjcheidung eines Hebrigen ©efretes, fondern mit»
tel3 Kleiner Sauaflädhen an den Füschen. Eine auf dem Rüden liegende O. annulosa
384 Stahelhäuter: Schlangenfterne.
2
entfernt Sandförnchen von ihrer Bauchjeite, indem fie fie mit den Füßchen pactt, nach
außen über ven Rand hinwegjchwingt und darauf „Losläßt". Auf Glas Hinterlajjen die
Tiere nie eine Hebrige Kriechjpur.
Die glänzendfte Lebensäußerung derOphiopsila annulosa, das Leuchten, ift „in Bei Nuhe
niemals zu beobachten, wohl aber fann es durch Reize leicht herborgerufen werden. Kneifen
mit der Pinzette, Fräftiges Berühren mit einem Glasftab oder dem Finger verurfacht zu-
näcjlt an der davon betroffenen Gtelle des Armes, dann aber aud) an den anderen Armen,
jenes blibartige Aufzuden, das fich meift bandfürmig auf eine mehr oder minder große An-
zahl benachbarter Urmmirbel eritredt, bei genügend jtarfem und diffufem Neiz jich über
einen ganzen oder alle fünf Arme ausbreitet, oft aber nur aus einem Flitterglanz von
zahlreichen, zerftreuten Lichtpunften beiteht. Am hellften und andauernditen jtrahlt der
Schlangenftern in leuchtendjtem Grüngeld, wenn unter Wajjer ein Fräftiger Wafjeritrahl
al Dauerreiz wirkt. Man möchte dann glauben, das ganze Tier jei leuchtende Oubitanz;
‚Doch ergibt die genaue Unterfuchung, daß immer nur ganz beitimmte Teile leuchten, deren
Schimmer die Fontinuierliche Lichtempfindung verurfadht. Die oft wiederholte Lurpen-
beobachtung ergab, daß nur die Bauchplatten, die Seitenplatten und jämtlihe Stacheln
(etiva 20000!) Lichtenergie zu produzieren vermögen, daß dagegen die Nüdenplatten und
Fügen, wie die ganze Körperjcheibe, niemals leuchten." Hervorgerufen wird die Lırmi-
nejzenz jedenfalls durch bejondere Drüjenzellgruppen, Die Neichensperger nur an ven leutch-
tenvden Stellen im Bindegewebe gefunden hat und niemals bei Arten, die die Erjcheinung
nicht zeigen. Welche Bedeutung das Leuchten für die Schlangenfterne hat, ift unbekannt.
Ein Schredmittel, Feinden gegenüber, fann es nicht fein; denn der Schleim der ©eefterne,
ver Ichlimmiten Feinde der Dphiuroiden, Löjt wohl fofort lebhafte Fluchtbewegung, aber
fein Leuchten aus. Eher ließe jich an ein Anloden Heiner, auf Licht zufriechender Beute-
tiere denken; die Erjcheinung tritt aber nur auf Neize Hin auf. Außerdem it Ophiopsila
annulosa meijt im Sand vergraben, denn wie fait alle leuchtenden Tiere ijt diejer Schlan-
genftern äußerjt lichtfcheu und verfriecht jih, wenn er zum Eingraben feine Gelegenheit
hat, unter Steinen. Bei Ophiopsila aranea find die leuchtenden Bezirke viel bejchränfter;
e3 Yeuchten auf Reiz nur die der Scheibe zugewandten Teile der Geitenplatten, die Bauch-
platten und Außerjten Armjpigen.
Die einzelnen Arten der Gattung Amphiura Ford. find mit Leuchtfähigfeit jehr un-
gleich bedacht. Zu ihr gehören Heine Schlangenfterne mit einem Scheibendurchmeifer von
höchitens 1 cm, mit unverhältnismäßig langen, dünnen Armen, die den Körper auf dem
Boden nicht durch) Sprünge vorwärtsbringen, [ondern durch Ichlängelnde Bewegungen nac)-
ziehen. Amphiura filiformis Müll. und A. chiajei Forb., die beide an der atlantifchen Kitfte
Europas und im Mittelmeer haufen, Yafjfen jich tot nur mit der Lupe unterjcheiden; die
eritere bejibt amboßartige Stachefn. Lebende Tiere braucht man aber nur mit der Pinzette
anzupaden; auf diefen Neiz hin leuchten bei A. filiformis die Arme, bei A. chiajei aber
niemals. Bekannter als dieje beiden ift die winzige, graugriine Amphiura elegans Leach,
die fosmopolitiich in allen Meeren bis zu Tiefen von etiva 300 m lebt. Gie it der Stachel-
häuter, bei dem zuerft eine Leuchtfähigfeit feitgeftellt wurde. Bei ihr erftrahlen nicht die
Arme, jondern nur die der Scheibe zugeiehrten Teile der Armplatten in fterngleichem Licht
Motifch). A. elegans ift Zwitter und treibt Brutpflege; die Jungen entwideln ji in den
Bursae. An ihnen machte Mangold eine prächtige Beobachtung. „Sch reizte ein großes
Bygophiuren | 385
Srenplar im Seemwafjergläschen unter der Lupe durch Klopfen des Scheibenrüdens mit
der Pinzette und jah zu meinem Erjtaunen außer den befchriebenen Armftellen die Scheibe
jelöft, wenn auch bedeutend jchmwächer, mitleuchten, was meinen Erfahrungen an diefem
und anderen Ophiuriden wiverfprach. Die Aufflärung follte nicht ausbleiben: auf weitere
mechanifche Reize Hin wurde die ganze Scheibe abgemworfen, fie fiel auf den Rüden; es
begann fich in der Tiefe zu regen, und alsbald Fletterte die bisher verborgene junge Brut
herbor. &3 zeiate jich, Daß die eben ausfriechenden Jungen diejer Tebendig gebärenden Art
bereits alle Eigenjchaften der Ausgewachjenen bejaßen, und daß jehon Die mit ihrer gold-
gelben Scheibe und den faum 2 mm langen Armen noch ganz im Dotterfichleim ftedlenden
Amphiuren auf Reizung mit der Pinzette mit Leuchten reagierten. Die Phosphoreizenz
der Scheibe war Durch das Leuchten der Jungen im Mutterleibe vorgetäujcht.”
Alle diefe drei Amphiurenarten vergraben fich im Schlamm; A. elegans vermag nach
Sterzinger auc) mit Hilfe der Fügchen an glatten Ölaswänden zu Hlettern. Eingehender find
wir über die Lebensweije von A. chiajei Durch des Art3 unterrichtet, der jie in Bergen
lange beobachtete. Kaum waren die Tiere in ihren Behälter gejebt, als fie jich auch jchon
mit Hilfe der Fügchen im Schlamm eingruben. Gie find im Laufe von 11, Jahren nicht
mehr freiwillig herausgefommen. Anjcheinend fann diefe Art nicht Hettern, denn in einem
reinen Ölasgefäß Friecht fie nırr am Boden herum, aber nicht an den Wänden in die Höhe.
hr Plab im Schlammt ift leicht daran zu erfennen, daß fie immer die Armjpiben ein wenig
herausftredt. Zero feines ungewöhnlichen Aufenthalts ift das Tier imftande, den Pla
zu wechjein. Die Arme werden dann hereingeholt und fommen an anderer Stelle wieder
hervor, während der Körper jich allmählich nachzieht. Nebenbei dienen die Arme offenbar
auch der Atmung; ihre mwellenfürmigen Bewegungen bewirken einen jtändigen Wajjer-
mwechjel. Während der erjten Monate ihrer Gefangenjchaft erhielten die Amphiuren fein
beionderes Futter, jondern ernährten fich ausschließlich von den organijchen Beftandteilen
de3 Schlammes. Durch die Ambulafraffügchen wurden fortwährend feine Schlamm-
partifelchen dem Mund zugeführt. Doch [cheint Durch die Mundfügchen eine gewijje Aus-
wahl ftattzufinden; es werden nur wenige Teilchen eingeführt, die meijten wieder fallen
gelajjen. Sn umgefehrter Richtung werden die Exrfremente, Keine zylinpriiche Zeilballen,
nach außen befördert. Die Amphiuren „rwittern‘ auch die Nähe von Mufchel- und Streb3-
fleifch; Heinere Stüdchen geben fie mit den Füßchen zum Mumd weiter, größere werden
exit von den Armen umjchlungen. Der Endtentafel jedes Arms jpielt für das Wittern
feine Rolle; wird die Armjpige amputiert, jo arbeitet der Arm troßdem wie früher meiter.
Auch abgejchnittene Arme reagieren noch nach einer Stunde auf vorgemorfenes Futter;
fie nähern fich den Brödchen und ergreifen fie wie unter normalen Verhältnifjen.
Eine andere Heine Amphiuride, Ophiactis virens Sars, au8dem Mittelmeer und Atlan-
tiihen Ozean vermehrt fich regelmäßig durch Ouerteilung. Dabei fönnen, nad) Simroth, die
DIrgane beliebig durchreißen. Nach der Teilung fchliegen jich bald die Wundränder, und jede
Hälfte rundet fich allmählich zu einem neuen Individuum ab. Das fünfftrahlige Tier zerfällt
in ein ziwei- und ein dreiftrahliges, die zu einem vier- bzw. jechsitrahligen Tier ausmwachjen.
Die jehwarze Ophiocoma nigra Müll. mit ihren bläulichweißen Arnıftacheln ift ein
großer, kräftiger Schlangenftern, der in der Barents-See und an den Küften Nordweit-
europa3 häufig gefunden wird. Nach Oftergren bewegt er fich an den jenfrechten Glas-
mwänden eines Yguariums viel gewandter und mit größerer Schnelligkeit als alle von diefem
Brehm, Vierleben. 4. Aufl. I. Band. 25
386 Stahelhäuter: Schlangeniterne.
Forjeher unterfuchten Echinodermen. Er Hammert jic) dabei nicht jo feit an wie ein Geejtern,
immerhin aber fo Fräftig, daß er exjt durch eine ftarfe Wafjerbemwegung abzujchwenmen
ift. Seine Füßchen find gut entwidelt, am Ende verdichtet, aber ohne Saugjcheiben.
Sm Gegenfaß zu Ophiocoma benimmt jich die „zerbrechliche” Ophiothrix fragilis
Müll. jehe ungejchielt beim Klettern. Diefer in der Nordfee Häufige Schlangenftern Fällt
durch feine langen, Tammartig gezähnten
Urmjtacheln auf (j. die Ybb.). Beim Faljen
der Beute bedient er fich nicht Der Arme, fon-
dern wie bei ven Heinen Amphiuren fchieben
) ji) die Saugfügchen gegenjeitig Feine TFut-
Se terbroden zu, die im Yidzad von der Armfpige
S zur Scheibe wandern. Die Hauptnahrung
bilden Heine freilebende Borftenmwiirmer,
außerdem Ceeigel und Mollusfen. Das Tier
lebt zwijchen Seljen verftedt, Hauptfächlich da,
wo fi Mujchelihalen anhäufen (AUuftern-
bänfe), gräbt fich aber nicht ein; es ijt licht-
icheu. Auffallenderweije leuchten ganz junge
Tiere (nad) Mac Sntofh) und aud) das Sper-
ma, während ältere fein Licht geben. Die Art
erreicht bis 2,5 cm Scheibendurchmefjer und
= 15cm Vrmlänge. Sie fommt von der Strand-
= linie bi8 zu 1130 m Tiefe (nach) ©rieg), vom
nördlichen Norwegen bis zu den Kapperden
a DIN vor; ob im Mittelmeer, ift fraglich, öftfich
ieh a dringt fie nur bis zur Südfpige Schwedens
Berbsentiner Salnnaenkerm, Orhoihne fees or Färbung und Zeichnung find äußerft
variabel. Süßbadh gibt an, daß „vie an
Scheibe und Armen vorwiegenden Farben jind: verjchtedene Töne von braun und grau,
bald mehr Tichtgrau, bald jchiefergrau, braungrau, manchinal mit einem roja Schein,
bald grau mit einem bioletten Hauch. Celtener finden jich auch bläulihe Töne, mit-
unter rötliche, ziegelcote, felten Yeuchtend gelbe." Ym Helgoländer Aquarium jieht man
diefe Art am häufigiten. Schmalz hielt fie jahrelang in einem Heinen ©lasbeden.
DZ
SI
IN N Ar
DANN LINDAU.
= 77m N ins",
AUG, mi;
Zmeite Ordnung:
Streptophiurae.
Dei der zweiten Drdnung der Schlangenfterne, den Streptophiuren, find die
Wirbelgelenfe jo einfach gebaut, daß die Arme auch nad) oben und unten eingerollt werden
fönnen. Der ganze Körper ift bei den Vertretern der einzigen Zamilie, ven Ophiomhpriden,
mit dider, nadter Haut bededt. m Mittelmeer lebt die dunfelbraune Ophiomyxa penta-
gona Lam., die in ihren Bewegungen, der Nahrungsaufnahme und dem Verhalten gegen-
über verjchiedenen Reizen anderen großen Schlangenfternen wie Ophioderma und Ophiura
im mejentlfichen gleicht; die Scheibe von Ophiomyxa erreicht bei ausgewachjenen Erem-
plaren etiva 2,5 cm Durchmeffer, die Arme 15 cm Länge.
Streptophiuren. Medufeniterne. 387
Dritte Ordnung:
Mednijenjterne (Cladophiurae).
Bemerfenswerter jind die Medufenfterne, Cladophiurae. Bei den Vertretern diejer
Drdnung teilen jich die Arme oft Schon unmittelbar nach) dem Ursprung aus der Scheibe.
Gabelungen fünnen dann in gemiljen Abjtänden immer wieder von neuem auftreten,
jo daß jih ein Arm
in Dußende immer
ichwächer werdender
Alte teilt. Die Arme
fünnen nach oben
und unten eingerolit
werden. Mit ihnen
verflechten jich dieje
Tiere in Korallen
und gelegentlich auch
in die Nebe der Ti-
icher und find daraus
mit unverlebten Ar-
men Taum heraus-
zubefommen. Trob
ihrerzahlreichen Kalf-
Ihüppchen fühlt fich
die Haut wei an.
Über die Lebensmeife
der Medufenjterne it
nichts ©enaueres be=
fannt. Faltalle leben |
in größeren Wafier- San sale Te. Doed. Aus Doflein,
tiefen, viele find auf-
fallend gefärbt. Das Gorgonenhaupt, Gorgonocephalus eucnemis Müll. et Trosch.,
wird im nördlichen Atlantifchen Ozean und im Nördlichen Eismeer, von der Lena-Miün-
dung meitwärtz bis zur Dftfüfte Nordamerifas gefunden; fie ift in bereits 38 m Tiefe ge-
fangen worden, fteigt aber bis zu Tiefen von 1800 m herunter. Über den abgebildeten
Gorgonocephalus sagaminus Doed. von Japan jchreibt Doflein: „Sie find bald gtell-
orange, bald dunkelbraun gefärbt, bald violett und meiß geflect, oder geijterhaft weiß,”
MWeichtiere (Mollusca).
Bearbeitet von Profejjor Dr. Heinrich Simroth (Wurmmollusfen, Grabfüßer, Echneden
und Mufcheln) und Dr. Georg Grimpe (Kopffüger).
Der Markt des Lebens jtattet jeden auc) fiir die nähere Befreundung mit den Weich-
tieren mit einer Heinen Summe von Borfenntnijjen und Erfahrungen aus. Bon einer
Schnede, einer Mufchel hat jedermann den Eindrucd befommen, daß jie eben Weichtiere
jeien, und daß diefe Bezeichnung auf durchgreifenden Abweichungen von den Wirbel- und
Öliedertieren beruhe. Sr der Annahme der Zufammengehörigfeit von Schnede und Mujchel
lajjen wir uns nicht jtören durch die Bemerkung, daß die eine einen mit Fühlhörnern und
Augen ausgeitatteten Kopf bejitt, während ein folcher Körperabichnitt bei der anderen
vergeblich gejucht wird; die Anmwejenheit eines Gehäufes bei ver Weinbergjchnede hindert
auch den ungejchulten Betrachter durchaus nicht, in der nadten Wegjchnede ihre nächite
Berivandte zu erbliden. Und wenn jich die Anjchauungen mit dem Bejuc) des Meeres-
gejtades verhundertfachen, die Märkte der Geejtädte neue und neuejte Formen zuführen,
werden auch Die fremdartigeren Weichtiergeftalten von dem prüfenden und vergleichenden
Auge mit den Formen des Wirbeltier-und Gliedertierreiches, Die Wiirmer nicht ausgejchlojjen,
nicht verwechjelt werden.
An vielen Weichtieren ift freilich Kopf und Leib zu umterjcheiden, aber der ganze
Körper bleibt, im Bergleich zu den Höher organijierten Tieren, Eumpenhafter und zeigt
nicht im entfernteiten jene Gliederung oder auch nur die Anlage dazu, die das Gliedertier
im Snnerften beherricht und auch dem Wirbeltier durch die Sonderung feiner Wirbeljäule
und der gelenfigen Gliedmaßen fein eigentümliches Gepräge verleiht. Die Entjchiedenheit
der Geftalt, die beim Wirbeltier vom inneren nochenitelett, beim Oliedertier bon den er-
härteten Hautbededungen abhängt, mangelt dem Weichtier. Nur die einfacheren Wiirmer
treten hier wenigiteng als oberflächliche Vermittler Dazmwijchen. Aber Die Schale, die Ge-
häufe? wird man fragen. Das find eben bloße Gehäuje, zwar ausgejchieden vom Körper,
aber jo Ioje mit ihm zufammenhängend, daß fie einen Vergleich mit einem inneren oder
äußeren ©felett nicht aushalten. Das legtere ift in volliter Bedeutung des Wortes ein Teil
des Organismus: die Sinochen wachen und ernähren fich; der Käfer Fannn nicht aus jeinem
Hautjfelett herausgejchält werden; wenn der ‘Banzer des Krebjes nicht mehr lebendig mit
dem Tiere verbunden ift, fällt er ab, um einem neuen Pla zu machen. Diejes innige Ver-
hältmi3 findet zwijchen dem Weichtier und feinem Gehäufe nicht ftatt; Teßteres ift ein Aus-
|heidungsproduft, das allerdingsdurch Auflagerung neuer Schichten verdickt, Durch Anfügung
an den freien Nändern vergrößert und erweitert, auch, wenn es bejchädigt ijt, notdürftig
ausgeflict werden fann, aber nur an einer oder einigen bejchränften Stellen mit dem Tiere
wirklich zufammenhängt und, weil e3 an dem Stoffwechjel nicht teilnimmt, ein totes ift.
Weichtiere: Allgemeines. 389
&o haben wir denn, um über den allgemeinen Charakter der Weichtiere ins reine zu
fommen, uns an die zu halten, die feine Gehäufe bejiken, und die anderen ihrer Schalen
zu entfleiden. Sie ftehen dann vor uns al ungegliederte, oft jehr ungejchiet ausjehende
Tiere, deren in der Anlage vorhandene Symmetrie oft einer unfymmetriichen Gejtalt ge-
wichen ift. Die Haut ilt jhlüpfrig und weich, und mir finden fie in ZYappen und mantel-
artige Falten ausgezogen, von denen der Körper ganz oder teilweije verhilft werden fann.
E3 ijt nichts leichter, al fich von diefer Grundeigentümlichfeit der Weichtiere eine An-
ichauung zu verjchaffen. Wenn die Schnede fi) in das Gehäufe zurüdzieht, bemerkt man,
wie ein dider Hautlappen fich über den verjchiwindenden Kopf hinmweglegt: es ijt ein Stüd
des Mantels. Schält man eine Mujchel aus, jo ijt der Körper vollitändig von jeder
©eite mit einem großen häutigen Yappen bededt: das find die beiden Hälften des Mantel2.
Die Schalenbildung geht vom Mantel aus, befonders von feinen freien Rändern.
Wenn wir anführen, daß die am hHöchiten ausgebildeten Weichtiere bei einem nicht
jelten 1 m, wohl auch 2 und mehr, ja in riejenhaften Dimenjionen 6 m und darüber
langen Körper fait jo vollendete Sinneswerkzeuge tragen wie die höheren Wirbeltiere und
ihrer Größe entjprechende Musfelftaft entwideln, während auch fait miftoffopiiche Formen
darunter vorfommen und manche jich an die Strudelmürmer anzujchliegen jcheinen, jo wird
man nicht erwarten, daß der Bau, das Leben und Borfommen diejes Streijes im all-
gemeinen gejchildert werden fann. Nachdem wir die Wichtigfeit der Hautbevedungen be-
reit3 hervorgehoben, deuten wir nur an, daß der Hauptteil des Nervenjgitems in einem
Schlundringe beiteht, mit dem die übrigen im Körper zerjtreuten Nerven und Nerven-
Inoten zufammenhängen, und daß diejer Schlundring zwar über dem Schlund einfach bleibt,
nad) unten aber jich verdoppelt, ja verdreifacht; die vorderite Leitung führt zu den Nerven-
fnoten des Fußes, Die zweite zu denen des Mantel und der hinteren Cingemeide, die
Dritte zu denen des Schlundfopfes und der vorderen Darmteile. Das Vorhandenjein der
Sinnesorgane richtet fich nach der Stufe der Ausbildung des Körpers im ganzen und
nac) Aufenthalt und Xebensweile. So gibt es, um nur einige Beilpiele anzuführen, nur
wenige Mujcheltiere mit Augen; fie haben feinen Raub zu erjpähen, und ihre Nahrung
wird ihnen durch unausgejeste Flimmerbewegung an den Körperflächen zugeführt. Aber
alle Schneden und vor allen die hoch organifierten raubgierigen Tintenjchneden juchen
nad) ihrer Nahrung, und demgemäß jpiegelt fich in ihren Augen die Umgebung ab.
Sehr vollitändig ift bei falt allen Weichtieren der Ernährungsapparat ausgebildet.
Die Höheren Ordnungen, nämlich alle, die eine feite Nahrung zerfleinern, jind mit jehr
auffallenden Beiß- und Najpelwerkfzeugen ausgeitattet, Die in neuerer Zeit mit eben dem
Erfolg für eine naturgemäße ShHhftematif fi) Haben verwerten lafjen, wie man jeit langer
Zeit an der Beichaffenheit des ©ebijjes der Säuger ihre Lebensweije und fyitematijche
Stellung erkennt. AS ftarfe Sreifer bedürfen die Weichtiere nicht bloß eines geräumigen
Darmfanalz, jondern auch eines reichlichen Maßes der die Verdauung einleitenden und be-
fürdernden Säfte, daher wir die den Speichel und die Fermente bereitenden Drüfen, Speichel-
prüfen und „Leber“, ausnehmend entwidelt finden. Wir fehen den Blutlauf geregelt durd)
ein Herz, aus Kammer und einer oder zwei Vorfammern, nur ausnahmsweije aus mehr
berdoppelten Teilen bejtehend, in welches das Blut aus dem Atimungsorgan eintritt, um
aus ihm in erneuertem, zur Ernährung des Organismus tauglichem Zuftande dem Körper
zugeführt zu werden. Auch die Amungsorgane, meiit Kiemen, pflegen jich anjehnlich zu
entfalten und bieten der Tierbejchreibung durch ihre mannigfaltige Stellung und Form
390 Weihhtiere: Wurmmollusten.
viele Anhaltspunkte. Eine außerordentliche Entmwidelung pflegt auch die andere, der vege-
tativen Geite des Lebens gehörige Organgruppe, die der Kortpflanzungsmwerfzeuge,
zu haben. Doch dies alles, wie Zmwitterformen mit getrennten Gejchlechtern abmwechjeln,
tie uns hier Verwandlung, dort die Entwidelung ohne Verwandlung begegnet, ferner das
Verhältnis der Weichtiere untereinander und zur Umwelt mag lieber die Schilderung
der einzelnen Gruppen zeigen. Dabei wird fich Herausitellen, daß auch in den abmweichend-
iten Gejtalten, welche fich in ihrem ausgebildeten Zuftande durchaus nicht in ein all-
gemeines Schema fügen wollen, irgendeine Stufe der Entwidelung die Verfnüpfung mit
einer typiichen Zorm ergibt.
Die Liebhaber von Kuriofitäten md Naturproduften Haben jchon jeit einigen Jahr-
hunderten mit Vorliebe die Schnedengehäufe und Mufchelichalen gejammelt und an ihrer
bunten und niedlichen Sormenfülle fich geweidet. Wir find über diejen einjeitigen Stand-
punft weit hinaus; ohne die Freude an den Schönen Mujchelfammlungen zu verdammen,
dürfen mir una im Grunde von ihnen ebenjowenig befriedigen laffen, wie ettva von einer
Sammlung von Krallen oder Hufen. Ya fie erläutern uns das Leben und die Verrich-
tung des Tieres viel weniger als die untergeordneten Teile, die uns in die Feder famen.
Grite Kaffe:
Wurmmollnsfen (Amphineura).
Bisher hat fich Fein guter deuticher Ausdrud für die urjprünglichjte Weichtiergruppe
gefunden, und wenn wir jte aß Wurmmollusfen bezeichnen, jo müjjen wir uns Harmachen,
daß der Name Wurmjchneden bereits für eine Familie von Gajtropoden vergeben war,
deren Gehäufe jich zu einer unregelmäßigen Wurmgeftalt abgerollt hat (©. 441). Die Be-
zeichnung Amphineura deutet an, daß das Nervenjgftem jich noch nicht zu einem engeren
Schlundring am Borderende fonzentriert hat. Vielmehr find die Fuß- und die Viszeral-
oder Mantelganglien in ©eftalt langer, mit Ganglienzellen bejester Nervenftränge rechts
und lint® jymmetrifch durch den ganzen, getreten Körper bis ans Hinterende ausgedehnt
und untereinander nicht nur vorn, jondern in ganzer Känge durch Dueranaftomojen ver-
bunden. Nur da3 obere Schlundganglion oder Hirn zeigt bei ven Aplafophoren bereits eine
Abrundung zu gejchloffenen Nervenfnoten.
Der Körper gleicht im einfachiten, wenn auch nicht urfprünglichiten Fall einem dreh-
runden Wurme, etwa einem furzen Regenwurm. Sn der Regel aber ift die Bauchjeite auch
hier als Striechfuß differenziert, entweder nur als Schmale Rinne oder'als breite Sriechjohle,
die recht und Iinf3 von der übrigen Fläche durch eine tiefe Furche, die Mantelfurche, ab-
gejegt ift. Danac) unterjcheiden wir die beiden Ordnungen der Aplacophora und der
Placophora oder Polyplacophora. Die Namen freilich find nicht der Form, jondern der Be-
decding entlehnt. Während der Fuß von nadter Haut bededt ift, trägt die übrige Fläche,
die als Mantel zu betrachten it, eine die Kutifularfchicht, die mit allerlei harten Borften
und Kalfblättchen bededt und durchjebt ift. Daraus entwidelt jich bei ven Plafophoren eine
zujammenhängende Rüdenfchale, als ein langgeftredtes Dval von demjelben Umriß tie der
Körper. Gie ift Durch Duerbrüche in acht Platten gefondert, jo daß fich das Tier nach der
Bauchjeite zufammenbiegen und eintollen fann nach Art einer Kellferaffel; und dieje ober-
flächliche Ahntichkeit mit einem Gtievertier hat ven Namen Käferfchneden veranlaft.
Wurmmollusfen im engeren Sinne. 391
Alle Amphineuren find auf da Meer befchränft, wo fie am Boden ein wenig auf-
fälliges Leben führen, aber Doch in verfchiedener Richtung höchit merfwitrdig angepaßt jind.
| Erite Ordnung:
Wurmmollusfen im engeren Sinne (Aplacophora).
Noch ift’3 Kein halbes Jahrhundert her, daß einzelne von den unfcheinbaren Tieren,
die wir jebt in diefer Drdnung zufammenfaffen, entdedt und näher bejchrieben twurden
als Angehörige des großen Tierkreifes, die man in loderem Verbande von mechjelndenm
Umfange als Würmer zufammenzufchweißen pflegt. Mllmählich erft brach) ich, auf Grund
des Nervenfyftems, die Erfenntnis von ihrer Verwwandtichaft mit den Mollusten Bahr, bis
fie v. Shering mit den bis dahin, fo auch noch in der vorigen Auflage diefes Weries, zu
den Gaftropoden geftellten Käferjchneden vereinigte. Diefe Stellung ji) als en
eriwiejen und tro& der tiefgreifenden Unterfchtede immer mehr
gefeitigt.
Der zweite Name, welcher der Drdnung von Gegenbaur ge-
geben wurde, Solenogastres, bezieht jich auf die Bauchrinne, Die
an Stelle des Fußes den meiften zufommt (vgl. die Figur lints
auf der Abbildung bon Neomenia Tulld.). Sie beginntmiteiner ı m 2
immernden, drüfenreichen Grube Furz hinter dem Munde und ee.
enthält in der Negel eine feine, ebenfall® wimpernde Falte.
Diefer Erfat des Molfusfenfußes befteht aber aus einer dünnen Hautjchicht ohne Mushu-
fatur und fan infolgedefjen nicht als Kriechwerkzeug benubt werden. Won biejer zarten
wimpernden Haut in der gefchüsten Rinne weicht die übrige Körperbededung ab, bie
durchweg aus einer chitinöfen Abfonderung, einer Kutifula, bejteht und bald dünn, faum
bon Epitheldicfe, bald ein mächtiger Panzer von geringer Biegjamfeit ift. Bei dem graben-
den Chaetoderma Zov., das zu den Formen mit [ehmächtiger Kutifula gehört, verdidt jie
fich doch am Vorderende zu einem derben Stirnfchilde. Damit hängt die Körperform
zufammen. Das Borderende jet fich als eine Art Kopf, der aber nur die Bedeutung
eines Bohrftempels hat, gegen den jchmächtigen Rumpf ab, der allmähfich wieder gegen
das Hinterende anfchreillt. Im allgemeinen ift der Körper der Aplafophoren gleichmäßig
zplindrifch, von jehr verfchiedener Länge, die etiva ziwijchen 1 und 12 oder 15 cm [hwanft.
Bisweilen ift der Leib etwas feitkich zufammengedrüdt, felbjt auf dem Rüden gefielt.
Meift bleibt die Breite unverändert, doch, fommen ebenfo Formen dor, die fi) nad)
Hinten verjüngen, entgegengejest Chaetoderma. Das Verhältnis des Längsdurchmeijers
zum Querdurchmeijer wechjelt vom Mehrfachen bis zum Bielfachen.
Bon Sinneswerkeugen fehlen die Augen fo gut wie die Ohrfapfeln; das mwichtigite
Drientierungsorgan find die zahfeeichen Cirren oder Fühlfäden, die in einer Einfenfung
am Worderende, dem Atrium, angebracht find, dazu fommt oft noch eine Sinnesgrube auf
dem Rüden nahe dem Hinterende. Ziweifelhaft ift die Bedeutung feulen- oder lappen-
förmiger Hautfortfäße, die bei den mit einer dien Kutikula verjehenen Formen in Dieje
Dede eindringen und vielleicht bei Biegungen des Körpers eine Drudwahrnehmung ber-
mitteln. Hhnlic) mögen die mancherlei Stacheln wirken, welche bei gleichfalls jtarf ent-
twicelter Rutifula diefe unter regelvechter, gefreuzter Anordnung durchjeßen und durch ©e-
mebzfäden mit der Haut oder Unterhaut zufammenhängen.
392 Weichtiere: Wurmmollusfen.
Der Mund hiegt entweder im Atrium oder unabhängig davon unmittelbar Dahinter.
Er führt in einen gerade geftredten Darm, der den Körper in ganzer Länge durchjegt und
am Hinterende in eine Vertiefung mündet, die man al3 Kloafe bezeichnen oder auch als
Mantelhöhle auffafjen fann. Schlund und Enddarm find eng, der weite Mitteldarm trägt
meift eine große Anzahl jeitlicher Tajchen, in denen die Berdauung dor jich geht. Nur bei
Chaetoderma fommt eine fleine unpaare Ausftilpung vor al Leberanlage.
Der Schlund beginnt nach Mollusfenart mit einem erweiterten Schlundfopfe, der
eine Nadula oder Rafpel einjchlieft. Dieje ift aus nach) Zahl und Form recht wechjelnden
Zähnen zufammengejegt, doch ohne daß die Unterjchiede jo weit gingen wie bei anderen
Weichtiergruppen. Nur bei den Chätodermativen verjchtoin-
den allmählich die zu einer Reibplatte vereinigten Zähne,
und e3 bildet fich dafür ein großer unpaarer Chitinzahn aus,
der jenfrecht fteht. Wie die verjchiedene Ausbildung ver
Nadula, deren platte Zähne wohl mehr zum Schaben dienen,
während gebogen-pfriemenfürmige von beiden Geiten zu-
fallen, jo deutet auch die Ausjtattung des Schlundfopfes mit
einem oder mehreren Paaren von Speicheldrüjen, noch dazu
bon verjchiedener Ausbildung, auf mancherlei Wechjel in der
Behandlung der Beute. Bisweilen findet fi) am Boden
der Mundhöhle vor der Neibplatte ein Gejhmadswerkzeug,
das jogenannte Subradularorgan.
Das Herz Tiegt oben am.Hinterende, furz dor Der
Kloafe, das Hauptblutgefäß läuft in der Mittellinie nac)
born al3 Xorta. Auffallend ift, daß die Gejchlechtsprüjen, Die
ji neben der Aorta eritreden, in den Herzbeutel münden,
duch den die Zeugungsitoffe Hindurcchtveten müjjen. Cr
Be entjendet nach Hinten zwei Gänge in die Kilvafe. Sie befür-
er dd dern Gier und Samen nad) außen; dabei find jie mannig-
fach erweitert aß Schalendrüfen zur Verjorgung der Eier
eds oben ber Hopf, Dergeöfer Mit einer Hülle und dergleichen. Vielleicht dienen fie gleich-
zeitig ftredenmweile aß Abjonderungsorgane oder Nieren.
Bei manchen Formen finden fich an den Genitalöffnungen in befondere Tajchen zurüd-
ziehbare Sloafenftacheln, die vermutlich bei der Begattung mitzuwirken haben. Schließlich
fönnen beide Genitalgänge zu einem gemeinjamen Gejchlechtsatrium zujammentreten.
As Amungswerfzeuge fommen Kiemen in doppelter Ausbildung in Frage. Ent-
weder ijt es ein Stranz oder Kreisbogen fingerförmiger Ausjtülpungen um den After oder —
bei Chaetoderma — je ein gefiedertes Kiemenblatt vecht3 und finfs von diefem. Dieje
Organe können in die fich Schliegende Mantelhöhle zurüdgezogen und aus der geöffneten
nach hinten herborgeftredt werden. VBermutlich wird die Nejpiration auch von der zarten,
wimpernven alte in der Bauchrinne ausgeführt.
Zu diefen Befonderheiten des inneren Baues gefellt fich num noch al3 Hervorragende
Eigentümlichfeit die dichte Bekleidung der Haut mit Kalkfjtachen. Wo fie eine Dicke Kutikula
durchjegen, find es einfach zugejpigte Nadeln. Sonft fünnen fie alle möglichen Geftalten
haben, bald find fie pfriemen-, bald fchuppen-, bald mefjerklingen-, bald jchaufel- oder Löffel,
bald Feulenförmig, bald hafig gebogen. Im allgemeinen find fie nach hinten gerichtet
ei
ö NIEREN EN.
a ER EET IE
a ER
mit einem jchügenden Sranz langer Nadeln und
von denen jie ihre Nahrung gewinnen, wie die abgebildete Myzomenia
- Simr. Cinige fommen auf Seegras vor, von dem fie vermutlich tieri-
Wurmmollusfen im engeren Ginne. 393
und verleihen dem Tier eine Art von Geidenglanz. Bald find fie bei derjelben Form
gleichmäßig und nur wenig an Größe verjchieden, wie die Stacheln von Chaetoderma oder
die Schuppen bon Lepidomenia Kow., bald wechjeln fie bei demjelben Tier beträchtlich ab“
bom Nüden, der bisweilen gefielt ijt, nach den Seiten, bilden jcharfe Kanten neben der
Baucdırinne, umgeben das dorjale Sinneswerfzeug
dergleichen mehr (j. die Abbildung).
Der einfache Bau, namentlich aber das Fehlen
der höheren Sinneswerfzeuge, von Auge und Ohr,
deuten auf geringe geiltige Negjamfeit und Be-
mweglichfeit. Syn lebterer Hinficht Fan man Höch-
tens eine gewijje Konzentration des Hirns, jelbit
gegenüber den Plafophoren, zuguniten der Apla-
fophoren anführen, denn über dem Schlunde find ee an
die Zerebralganglien abgerundet, während die lihri- 2,NUtfiasemn, meuhe bie Sußrnne bebecen, b false
: beinförmige Kaltftacheln, e fürzere Kalfjtacheln,
gen: Zeile bes Nerbenzentrums, 3. B. bes Schlund Takt. Benigen ha Siege 3 Bere
tinges und Die jeitlich und im Fuß bis zum Hinter- 1. Abt., Leipzig 1892—4.
ende ziehenden Stämme einfache Marfitränge blei-
ben. &3 muß aber dahingeftellt bleiben, ob die Hirnbildung einer bejonderen Ausbildung
des Borderendes entjpricht, wobei man an die reiche Cirrenbildung im Atrium zu denfen
hätte. Syn der Tat dürfte die eigenartige Ausprägung diejer Stinneswerfgeuge auf ivgend-
einer Bejonderheit in der Lebenshaltung beruhen. Dieje fünnte wohl
nur in der Crnährungsweife gefunden werden. &3 jcheint, daß alle
Aplafophoren Raubtiere find, die entweder feinen Tieren im Boden-
ihlamm nadjjpüren oder auf HHydroiden- und Storallenjtöden haufen,
ihen Anja abmeiden. -
Die Unficherheit unjeres Urteils, jo gut wie die einfeitige Au3-
bildung der Aplafophoren haben ihren Grund hauptjählich in dem
Aufenthalt der Tiere, der jie Dauernder Beobachtung, auch im Aqua-
rium, wenig zugänglich macht. Sie fehlen nämlich ganz in der Ge-
zeitenzone und treten exit in ruhigerem Wafjer auf; fie jind vorwiegend
Gtilmafjertiere, welche die Brandung jheuen. Die Lijte der 30 pazi-
fiichen Arten, die Heath bejchrieb, zählt z.B. Fundorte auf, die zwijchen
4000 und 40 m Tiefe liegen, dabei fommt nur ein einziger der Ober -.
Häche fo nahe; der wahre Aufenthalt beginnt unterhalb der Ct Fiir an
region, daher auc, das Borfommen auf Pflanzen wohl nur zu den
Ausnahmen gehört oder doch jchon eine Abweichung vom eigentlichen Haushalt der Gruppe
daritellt. Die Verhältniffe in den übrigen Meeren Tiegen ähnlich, jo weit befannt. Am
menigjten wijjen wir wohl noch von den Vorkfommmnifjen bei Australien, Neufeeland, Süd-
amerifa und dem tropischen Afrika. Doch fehlen jie faum in einem Meer ganz von der
heißen gone bis zur Arktis und Antarktis.
So eintönig das Hußere erjcheint, Hat man doch fehon 42 Gattungen unterfchiedert,
deren Benennung mit deutichen Namen völlig ausjicht3- und ziwedlos wäre. &3 jind eben
NE
394 Weichtiere: Wurmmollugfen.
viele Einzelheiten, deren wechjelnde Kombination einen großen Neichtum erzeugt und
auf mancherlei Bejonderheiten in der Lebensmweije hinmweilt. Man Hat die vielen Gat-
tungen in vier Familien gruppiert, ohne daß eine don Ddiejen den Eindrud einer enger
gejchloffenen Gruppe machte. Am meilten Anrecht auf engeren Zufammenjchluß Haben
wohl die Chätodermatiden infjofern, al3 fie jämtlich die Bauchfurche fait ganz eingebüßt
haben und Schlammgräber geworden find, unter ftarfer Verlängerung und Ausbildung des
Ktopfendes zum Bohrjtempel, unter Benubung des Blutdruds bei der Fortbewegung und der-
gleichen. Aber auch hier jind doch die Unterjchiede jehr ftark, zwischen dem jchlanfen, zum
Zeil eingejchnürten und berjüngten Chaetoderma und dem furzen, gedrungenen Schlamm-
gräber Limifossor Heath aus dem Etilfen Ozean, der die gedrungene Zylinderform einer
Neomenia underändert beibehält. Der Bau der Nadula, der Berluft der Bauchfurche, der
Beginn einer Mitteldarmdrüjenausftülpung und dergleichen mehr jtempeln Chaetoderma
mit Bejtimmtheit zum mweitejt abgeänderten Typus. Das Gemeinfame und Urfprüngliche
aller Uplafophoren ift die Symbiofe mit den Zölenteraten, wie fie in alfen übrigen Familien
twiederfehrt und weitaus vorwiegt. Man kann faum zweifeln, daß die Tiere anfänglich mit
und an den Hhyorozoen- und Storallenftöcen in die Tiefe geraten find und fie nur zu verlajjen
gezwungen iwaren, wo der weiche Schlidlboden der Tiefjee den jekhaften Hohltieren feinen
Halt mehr gewährte und fie zum Abfterben brachte. Mit dem Übertritt auf und in den
Schlid Hat jich dann notgedrungen die Beweglichkeit gemehrt, daher auf ung diefe Formen
mit ihrer größeren Lebhaftigfeit zunächjt mehr Eindrud zu machen vermögen.
Chaetoderma Zov. fommt nur auf Schlammgrund vor, und zwar an den Orten wenig-
iten3, von mo genauere Angaben vorliegen, in ziemlich dichtem Beftand. Sein Kolorit ift die
indifferente Farbe des Schlids. Esift befähigt, auf dem Boden langjam zu friechen. Meijtens
hinterläßt e3 ganz unregelmäßige Fährten. Wenn es jedoch auf ebener Fläche geradeaus
friecht, Hält der VBorderförper die gerade Richtung jcharf ein, während die hintere Hälfte
abmwechjelnd nach rechts und Yinf3 hinüberpendelt und entjprechende Eindrüde bewirkt.
Für gemöhnlich jteckt es indelfen in jelbitgegrabenen Löchern fenfrecht im Echlamm. Dabei
Ihließt da3 Hintere Körperende gerade mit der Bodenfläche ab, und nur die roten Kiemen
mit langjam rhythmifchen Bewegungen ragen Daraus hervor. Bei der geringiten Störung
gräbt es jich blißjchnell mehrere Zoll tief in den Grund ein, daher e nur mit genügend be-
Ihwertem Schleppneb zu erbeuten ift. Die ganze Geitalt ift auf das Bohren eingerichtet;
wahrjcheinlich hängt auch die jchärfere Abfegung des Kopfes mit diefer Befähigung zu=
jammen. Der Kopf dient als Bohritempel, während der Körper fich verlängert. Diejer erhält
einen hinteren Firationspunft dadurch, daß fich die verlängerten Stacheln um die Kloafe
auzeinanderjpreizen und in die Wand des Ganges einftemmen. Umgekehrt |chwillt das Bor-
derende an und firiert fich jo im Boden, fo daß bei der Verfürzung des Leibes das Hinterende
in die Tiefe nachgezogen wird. Niemals fommt das Tier aus demfelben Loche, in dem es
eindrang, wieder heraus. Vielmehr bejchreibt e3 im Boden eine Kurve und bohrt fich auf
neuem Wege an die Oberfläche, um dann das Spiel von neuem zu beginnen, auf ganz
neuer Bahn. Die Möglichkeit, die Oberlippe ftark einzuziehen und die Mundöfnung nad)
innen zu bergen, ift jedenfalls für die Bohrbewegungen bejonder3 vorteilhaft. -
Zur Ernährung fan wohl nur der Schlamm dienen mit feinen organischen, toten oder
belebten Bejtandteilen. E3 ift aber jchwer, fich einen Haren Begriff von der Art der Nah-
tungsaufnahme zu machen. Dafür, daß der ganze Darm, wie bei einen Geeigel etiva,
mit Schlick fich füllt, fcheinen Feine Tatfachen zu Sprechen; er wird oft leer gefunden oder
Wurmmollusfen im engeren Ginne. 895
Doch num mit geringem snhalte. Eine gemwilje Auswahl dürfte ftattfinden, denn die jenfi-
five Stienfnojpe ift erhalten und in die Mundhöhle gerüdt. Ebenjo ift das Mundfchild
nerventeich. Eine Berlleinerung und Borverdauung bzw. Einfpeichelung findet [chmwerlich
jtatt. Diatomeen follen die Nahrung bilden, ebenfo Foraminiferen und andere Protozoen.
Die Nadula, zu einem jenfrecht ftehenden Chitinzahn umgebildet, dient feinesfalls mehr
zum Sauen; Speicheldrüfen fehlen. Hat der Zahn die Aufgabe, durch Drud gegen die
Mundhöhlendede (Pharyne und Mundhöhle find ja nicht gegeneinander abgejeßt) ein-
gleitende Partifel zu zerquetichen? Dazu müßte wohl der Gaumen fozufagen eine Ber-
härtung zeigen, die nicht vorhanden ift. Stellt der Zahn einen Geihapparat dar, um
den Innenraum der Mundhöhle zu verengern und größere Bilfen auszufchliegen? Bor
der Hand ilt fein Ziwed noch rätjelhaft.
Diejelbe Schwierigkeit erhebt fich bei den zahlreichen Tormen, die Sich auf den Bolypen-
jtöden aufhalten. Wo die Radula fehlt, dürfte der Mund wie ein furzer Rüffel Nahrung
jaugen. Wo jte vorhanden ift, deutet ihre verjchiedene
Ausbildung auf verjchiedenen Gebrauch, fo wie namentlih
die wechjelnde Form und Zahl der Speicheldrüfen auf man- ,
cherlei Angriffsweife, wo man an Betäubung, an Unfchäd-
lihmachen des Neijelgiftes, an Erweihung und Löfung
denfen mag und dergleichen mehr. Daß mwenigjtens unter
Umftänden die Bolypen direkt gefrejjen werden, bezeugen a.
Bilfen von Alfyonarien, die jich im Mitteldarn fanden,
jo wie bei den Schlammbewohnern Urtiere und Sleinfrebfe
als Darmürhalt die räuberische Yebensmweife befunden. Die
Zahl der Hohltiere, auf deren Stöden man Aplafophoren
erbeutete, ijt nicht gering; auf Campanularien, ©ertularien, N |
Aglaophenien, Gorgoniden, Achonarien, Edelforallen nd nn
anderen. Zumeift fißt der Schnedenwurm eng re
und geringelt auf dem Wirt, wenn wir das Zölenterat als
jolchen bezeichnen tollen (j. die Abbildung). Vielleicht Hat man aud) an Kommenjalismus
zu denfen, jo daß jich der Gajt von den Nahrungsabfällen des Wirtes nähren wiirde. Die
Bewegung wird wohl eine langjame fein, durch fortichreitende Krümmung und Schlänge-
lung des Körpers bei langgeftredten Formen mit dünner Sutifula. Bei furzen Formen
und folchen mit derbem Panzer: dient die vordere Grube vor der Bauchrinne als Haft-
organ. Pruvot hat direft beobachtet, wie die Wand der Fußdrüfe jich ausjtülpte und
gegen die Unterlage drüdte. Die Tußrinne mit ihrer Zilienauskfeidung leitet den Schleim
weiter, jie fann ein Schleimband erzeugen, das als längerer Faden das Tier an dem Ge-
genitand hält, von dem es fich etwa entfernt.
Daß in der Tat die Fortbewegung bei bejtehender Sohlenfurche nur von der Wimpe-
rung geleitet wird, jcheint aus zwei Beobachtungen Herborzugehen. Prupot gibt an, daß
die Zilien vom Willen des Tieres abhängig feien, und Komalevffy erzählt von der Rhopa-
lomenia gorgonophila Kow., daß fie nach Art einer Nemertine vorwärts kriecht, bis fie an
ein Hindernis ftößt. Da bleibt fie zunächit jtehen und feßt fich darauf rüdwärts, mit dem
hinteren Körperende voran, in Bewegung. Solcher Wechjel ift am einfachiten durch Um-
haltung des Zilienjchlags zu erklären.
Wie innig die Tiere an ihre Wirte angepaßt find, bemweilt die Beobachtung desjelben
396 Weichtiere: Wurmmolluzfen.
Forjceher3 an Neomenia (Echinomenja) corallophila Kow., die auf der Edelforalle hauft.
Zestere hat befanntlich eine rote Kalfachje, auf der weiße Volypen figen, die jich gegen
die Spiße der Ifte, wo das Hauptwachstum ftattfindet, Drängen, um nachher auseinander-
zurücen. Dementjprechend trägt der Gaft in feiner Haut über und über rote Punkte, die
vermutlich mit dem Nervensyftem zufammenhängen und lichtempfindlich find. Die Haut ift
dicht bedeckt mit weißen Kalkfehuppen, etwa von der Form der Rofenftacheln, und Dieje.
Schuppen find aufrichtbar. Werden fie niedergelegt, jo find fie allein fichtbar, und das
Tier erjeheint weiß: werden fie aufgerichtet, jo fommt die Haut darunter zum Vorjchein,
und das Tier fieht rot aus. Die verjchiedene Haltung der Schuppen richtet jich nun nach
der Stelle, auf der das Tier fit; vot wird e3 auf der roten Kalfachje, weiß an den Ziweig-
jpißen ztwijchen den weißen Bolypen, eine einfache und einzigartige Anpafjung.
Bon der Fortpflanzung wiljen wir leider wenig genug. Pruvot fand von der Rhopa-
lomenia aglaopheniae Kow. et Mar. öfter zwei Eremplate zufammen verjchlungen, aller-
dings ohne Ge-
mwähr, daß es
zum Bmede der
Kopula gejchah.
Eine folche wird
aber fajt zur Ge-
twißheit, wenig-
tens da, wo jtch
die Gejchlechts-
\ wege zu einem
Eavenabten Yon ne Atrium bereini-
gen, und io
außerdem Kalfftacheln in bejonderen Tajchen daneben liegen. Ste mögen als Neizorgane
dienen, vielleicht aber auch, wo fie rinnenförmig find, den Samen übertragen. Die Befruch-
tung erfolgt in den Gileitern. Die Tiere find, jomeit befannt, Zwitter, doch jo, daß die männ-
liche Neife der weiblichen vorangeht: fie find protandrifch nach Art ehr vieler Mollusfen.
Bei dem nordilchen Chaetoderma nitidulum Zov. fällt die Gejchlechtäreife in Die
falte Sahreszeit. Die Entwidelung ift bisher nur an einer Zorm fragmentarijch beob-
achtet, nämlich von Pruvot bei Myzomenia Simr. Die Cier werden nicht zu einem Laich
verbunden, jondern einzeln abgelegt, wenige auf einmal. Sie jind Fugelrund, reichlich
0 mm im Durchmefjer und mit einer dünnen, elaftiihen Schale verjehen. Nachdem die
Surdhung bis zu einer Gaftrula geführt hat, d. H. zu einer Fonifchen Form mit weiter
unterer Öffnung, erjcheinen die Wimpern, ein Kranz um die Mitte, ein Feld am Ktopfende
und eins um die Einftülpungsöffnung (j. die Abbildung). Aus dem vorderen Feld ent-
widelt fich ein apifaler Wimperfchopf am Scheitel, der mittlere Wimpernfranz ftellt das
Belum oder Segel vor, das jo vielen niederen Tieren zufommt. Das winpernde hintere
Feld ftreckt jich in die Länge. ©o erjcheint diefe Larve, die des Mundes entbehrt, gewwiljer-
maßen dreigliederig, vorn von großen Bellen bededt, die nachher abgemworfen werden,
hinten Hauptjächlich fich weiter teilend und wachjend. Dann treten feitlih und am Rüden
Stalfplatten auf, Schuppen, die zunächft in den Hautzellen gebildet werden und dann frei
hervortreten. Febt jcheint die Yarbe zu jchwer, al3 daß das Segel fie noch zu tragen ver-
möchte; fie jinft zu Boden. Weiter hat man ihre Enttwidelung und Umwandlung nicht
Wurmmollusten im engeren Sinne. Käferfchneden. 397
verfolgen können. Die Schuppen diejer jungen Bodenform find aber verhältiismäßig groß,
namentlich fällt in der Mittellinie des Nüdens eine Reihe von jieben Wlatten auf, die
Dachziegelartig übereinander greifen. Sie haben eine gemwilje Ähnlichkeit mit den Rüden-
platten der Plafophoren oder Käferjchneden; und man verwendet fie, um die beiden Drd-
nungen auch auf Grund der Ontogenie in enge Vermandtichaft zu ftellen.
Zmeite Ordnung:
Käferjchnedfen (Placophora).
Die Käferichneden Fnüpfen gewilfermaßen an die leßtbejprochene Zarve von Myzo-
menia an, indem der Rüden von einer gejtredten Schale bededt ift, die fich in acht über-
einandergreifende Stüde zerlegt. m allgemeinen bildet die Schale ein Yängliches Oval,
dem in verjchiedenem Abjtand der Körperumtiß parallel läuft. So der gemölbte Rüden.
Anders die flache Bauchjeite. Hier jehen wir vorn eine halbkreisförmige Kopffcheibe durch
eine Duerfurche von dem fleifchigen Fuß abgegrenzt. Diefer ift durch zwei tiefe Yängs-
furchen, die gerade nach Hinten ziehen, von den Geitenteilen abgejett. Sn der Mitte der
Kopficheibe liegt der Mund, Hinten über dem Fuß der After. Sn den Längsfurchen, die
als Mantelhöhle zu gelten haben, liegt jeverjeits, in verjchtedener Ausdehnung, eine Keihe
Kiemen, dazu, näher dem Hinterende, die voneinander getrennten Gejchlechts- und Nieren-
Öffnungen. AS Mantel hat die ganze Haut von der Manteltinne bis hinauf zur Schale zu
gelten, und wie bei den Aplafophoren ift die ganze Fläche mit Falfigen Stacheln bedeckt.
Ein mwejentlicher Unterjchied liegt nur darin, daß der Mantel durch die äußere Umrißlinie
des Körpers, in der Regel wenigftenz, fcharf in eine obere und eine untere Fläche zerlegt
it; das wird bedingt durch die Gewohnheit, Die Unterjeite feit gegen die feljige Unter-
lage zu drüden. Ein anderer Unterjchied liegt in den wejentlich abweichenden Größenver-
hältnifjen; die Blafophoren find im allgemeinen viel größer als die Aplafophoren. Wenn
auc) die Zänge bei den Heinften Kormen 1 cm nur wenig übertrifft, jo erreichen doch viele
Tauftgröße, ja einzelne ein Gewicht von 1, jelbjt von mehreren Kilogrammen.
Che wir uns die Einzelheiten und die Abweichungen im äußeren Bau anjehen,
werfen mir einen Blid auf das Innere. Da ift, entjprechend dem vermehrten Umfange,
manches anders geworden. Das Nervenjpitem ijt allerdings Dasjelbe geblieben, die vier
durch Duerfommiffuren verbundenen Marfitränge. Born it eg zum Schlunpdring gejchloflen,
der in gemwiljer Hinjicht einfacher bleibt, was auf eine noch gleichmäßigere Yebensweije Hin-
deutet; e3 bildet jich nämlich fein fonzentriertes Hirn oder Zerebralganglion aus, fondern
auch der obere Teil des Schlundringes ijt ein einfacher Markitrang. Der Mund führt in
einen geräumigen Schlundfopf mit derber Rafpel, die in einer Tangen, fchlauchförmigen
Radulajcheide abgeschieden wird und immer von hinten nach vorn nachrücdt. Meift erreicht
jie den dritten Teil der Körperlänge. Sede der zahlreichen Zahnreihen bejteht aus 17
Zähnen, die imallgemeinen flache, pflafterjteinartige Platten darftellen; die mittleren find die
Ihwächjiten. Dann folgt aber jederjeits eine Platte, die mit einer Herborragenden, jtarfen,
einfachen oder mehrfach eingejchnittenen Schneide verjehen ift. Dieje Schneiden find von
rechts und links einander zugefehrt und dienen zum Faljen und Abreißen Keiner Nahrung3-
teilhen. Der Darm wird völlig anders; ex ilt langgejtredt und vielfach gewunden und mit
einer großen Verdauungsprüje oder LZeber ausgeitattet. Der Blutlauf ift, entiprechend der
398 Weichtiere: Wurmmollusfen.
itarfen Zeibesmuskulatur und den langen Kiemenreihen, Eompliziert. Das Herz liegt oben
in der Mittellinie unter den legten Schalenplatten als eine gejtredte Kammer, in die bon
beiden Geiten ein Paar oder mehrere Paare Vorfammern einmünden. Der Herzbeutel
hat fich von der Gejchlechtsdrüfe getrennt, jo wie diefe von der Niere. Der Zujammen-
hang mwird nur noch infofern gewahrt, als die beiden Nieren, wie bei den Moklusten jchlecht-
hin, noch durch einen feinen Kanal mit dem Herzbeutel in Verbindung ftehen, jo daß Die
Ausicheidung eigentlich im Herzbeutel beginnt. Die Gefchlechtsprüfe, ebenfalls in der Mit-
telfinie des Riüdens gelegen, hat nach jeder Ceite einen einfachen Ausführungsgang ohne
alle Anhänge.
Kehren wir zum Mantel zurüd! Wenn vom Rüden de3 jungen Tieres die Schal-
jtüde abgeschieden werden, fchieben fic die Ränder des Mantels Darüber hHintveg nad) der
BEBRBEE En - Au ars mmemeng
\
Käferfhneden: Acanthochites faseieularis Z. (linf3), Cryptoplax ocularis Q. @. (in ber Mitte) und Cryptochiton stel-
leri Midd. (vedit8), von oben gejehen.
Mitte zu und lagern allerlei Schichten auf die Kalkplatten auf. Dieje Schichten bejtehen
der Hauptjache nach aus der eigentümlichen organischen Grumdlage der Weichtierichale, dem
Kondin, Das dem Chitin der Gliederfüßler verwandt if. Werbreitert fich die eigentliche
Raltichale, jo verdict fich auch die fie bevdedende Kondhinjchicht, das Periojtrafum, das in
diefem Falle Tegmentum oder Decfchicht genannt wird, indem die Mantelfante, die e3
abjcheidet, nach den ©eiten zurüctweicht. ©o erhält jedes Schaljtüd einen Außerft zierlichen,
nach der Seite verdickten Überzug, der in der verfchiedenften Weife gefeldert, geftrichelt, ge-
zähnelt, beperlt jein ann (f. die Abbildung). Aber noch mehr. Aus den gejchilderten Wachs-
tumsperhältniffen geht hervor, daß der Mantel anfangs die Schale viel weiter bedecdt als
fpäter, da er ja erjt durch die feitliche Zunahme der Kalfplatten zurüdigedrängt wird. ©o
fommt e3, daß er nicht immer nur die Ausscheidung des Konchins, das Tegmentum, auf
den Stalkplatten zurücläßt, fonvdern oft genug auch Gemwebsteile. Mit anderen Worten: das
Zegmentum it bei vielen Stäferjchneden von Kanälen durchbohrt, die von der Geite, vom
Mantel her, eindringen, an der Oberfläche fich öffnen und Bindegewebe, Blutgefäße und
Nerven enthalten, die in Sinneswerkzeugen endigen, auf die roir gleich zurücfommen. Die
saltplatten felbft entwickeln am Nande Snjertionsplatten, Fortfäbe, mit denen fie feitlich
tiefer in die Hautmusfulatur eindringen oder an den Duerrändern, welche die Schaljtüce
Räferfchneden. 399
trennen, ein wenig unter die Nachbarn Hinmweggreifen und deren gegenfeitige Gelenfung
xegeln, daher man jede Kalfplatte auch) als Gfieder- oder Gelenkjtüc, Artifulamentum, bon
dem fie bededenden Tegmentum unterjcheidet.
Bei manchen Formen, wie dem auf ©. 398 abgebildeten Cryptochiton E zieht fich
der Mantel gar nicht bon den Schaljtüden zurüd, fondern überwächft fie ganz, jo daß mar
bon außen nichts mehr davon bemerkt. Das pflegt die Körperform etwas zu vereinfachen,
ifofern al3 ringsum feine jcharfe Kante entjteht. Das ganze Tier nimmt etwa Die Ge-
talt eines Cie an, das an der ©eite des Kopflappens und Fußes etwas abgeplattet ift.
Cryptoplax Blv. oder Chitonellus Zam. (|. die mittlere Figur auf ©. 398) ift ein in
etwas anderer Richtung entwidelter Typ. Die Schaljtüde find zwar noch von außen
jihtbar, aber jie jind Heiner und fchmäler geworden und rüden auseinander, jo daß
fie jih zum Teil nicht mehr berühren. Damit hängt die Verjchmälerung und Ber-
längerung de3 ganzen
Tieres zujammen, e3
wird mehr wurmfüör-
mig. Am auffallend-
iten ijt dabei vielleicht
die jtarfe VBerjchmäle-
rung des Fußes. Cr
bildet nicht mehr die
breite, fleijchige Kriec)-
icheibe, jondern nähert
jich in feinen Verhält-
nifjen der feinen alte
in der Tußrinne Der
Aplafophoren. = -
Bei allenübrigen Elegante Räüferfänede, Chiton elegans Frmbl. Natlirlihe Größe.
Formen, d. H. zahl
reichen Gattungen mit Hunderten von Arten, ift der Mantel durch) die Kante in die flache
Unterjeite zwifchen Kante und Fußrinne und die gemwölbte Oberjeite zwijchen Kante und
Schale zerlegt. Die Ießtere third wohl auch als Gürtel bezeichnet, der Yorm und Lage
entjprechend. Mit diefer Weiterbildung hängt eine verjchienene Ausgeitaltung aller der
feinen Abjcheidungen zufammen, die hier, wie bei den Aplafophoren, vom ganzen Mantel
geliefert werden. Cie beftehen fo gut tie die Schale und namentlich das Tegmentum aus
Konhin und Kalk, aber in fehr verichiedener Ausprägung, jo daß man die Stadyeln in
Bhylinder- und Schuppenftacheln getrennt hat.
Die Schuppenftacheln können die Grundlage auc) der Oberjeite, de3 Gürtels, ab-
geben (j. die Abbildung auf ©. 398), vor allem aber wiegen fie auf der Unterfeite vor. €3
jind harte, meift rautenförmige, flache, jcharfrandige, porzellanartige Platten, die jich zu
einem hübfchen Mofaik ordnen, doc) liegen fie nicht ganz glatt, jondern die einzelnen jind
etwas fchräggeftellt, jo daß Die Ränder rauh hervortreten; denn fie haben die Aufgabe, Die
Käferichnede am Felien zu befeftigen, wozu aus hartem Material fich jchwerlich eine bejjere
Konftruftion erfinden läßt. |
Die Zylinderftaheln gehören mehr der Oberfeite, dem Gürtel, an. Jhre Geftalt
mwechlelt von der Furzen Keule bis zum diden Stachel und der feinen Borfte, bald derb und
Ss
400 Weichtiere: Wurmmollusfen.
falfreich, bald mehr aus Konchin gebildet und biegjam. Während die Schuppenjtacheln
der Haut flach aufgewachjen find, jind die Zylinderftacheln unten abgerundet und fißen
in einem Konchinring wie in einer Öelenfpfanne. Durch den Ring tritt ein Gemebitrang,
der den Stachel mit der Haut verbindet, mit mancherlei feiner Ausprägung. Hier fann
wohl fein BZmeifel fein, daß diefe Stacheln al3 Gefühlswerfgeuge dienen. Cie jind
bald gleichmäßig über den Gürtel verftreut, bald außerdem in regelrechte Gruppen georönet.
Bei dem auf ©. 398 abgebildeten Acanthochites Zeach bilden jie je ein Büjchel an der
Grenze zwifchen zwei Schalenplatten, dazu mehrere vorn im Halbfreis vor der erjten Platte;
- außerdem ift die ganze Kante, die den Boden abzufühlen hat, mit langen Stacheln bejeßt.
Die derben Acanthopleura-Arten, „Seitenftachler”, haben ihren Namen von den langen
Konchinborften, die rings auf dem Gürtel jtehen.
Damit find wir zu den Sinneswerfzeugen übergegangen und haben von diejen eine
reiche und eigenartige Gruppe fennengelernt. Bemerfen wir furz, daß e3 mit den gewohnten
Sinnen Schlecht genug fteht, Kopfaugen und ©e-
börfapjeln, Statozyften, fehlen. Zur Prüfung
de3 Atemmaljers find wohl in der Kiemengegend
nerböfe ©eruchsleiiten vorhanden, ferner im
Schlundfopf ein Subtadularorgan, das den ©e-
ichmac vermittelt, diefes wohl noch in befter Ent-
faltung. Dazu fommt noch eine merfwürdige
Gruppe von Sinnesorganen bei jenen Formen,
deren Tegmentum, wie vorhin bejchrieben, von
Kanälen dicht Durchjegt it. Die Gemebjtränge,
; die Hier vom Mantel aus eindringen, verlaufen
Schizochiton incisus Sow. Borbderjte3 Schalen PR 17 53 .
jtüüd mit jeh3 Augenreihen. Shmwadh vergrößert. zunächit parallel der Rüdenfläche und biegen
dann nach oben um, um frei in der Öffnung zu
enden. Ein ettwas weiterer Kanal ift jedesmal von einem Kreis engerer Kanäle umgeben,
die fich von ihm abzweigen. Feder Gemwebitrang endet mit einer Freisfürmigen Kondin-
fappe, die genau in die Offnung paßt; die in den weiteren Kanälen ift aljo entjprechend
größer al3 die in den engern. Man nimmt meijt an, daß die Organe dazır dienen, ver-
jtärkten Wafjerdrud wahrzunehmen. Auf eine andere Bedeutung fommen wir bei der
Lebensweife zuriid. Hier mag nur noch der Hinweis auf die Ähnlichkeit zmwifchen Diefen
Organen und den feulenfürmigen Hautfortfägen, welche bei den Aplafophoren mit Dider
Kutifula in fie eindringen (S. 391), am Plate fein. Es fehlt nur, daß die Stränge nac) der
Dberfläche durchbrechen und eine freisfürmige Kappe aus der Kutifula Herausichneiden.
Sn einer anderen Richtung haben fich dDiefe Stränge bei den Käferjchneden entwidelt,
two die Kutifula über dem Kanal durchiichtig wird und fich linjenartig verdidt. Hier entitehen
Augen, indem ich eine Art Glasförper bildet und dahinter’ eine Nebhaut mit Seh- und
Tigmentzellen. Das Wunderliche it, daß jolche Augen am Rande der wachjenden Schale
immer neu entjtehen, das ganze Xeben hindurch. Miofeley berechnete die Zahl der Schalen-
augen bei einer Art auf mehr ala 11000. |
Für die Färbung fommt natürlich in erfter Linie die Oberjeite in Betracht. Sie
zeigt meift oderige und braune Töne, doch fieht man auch mancherlei Zeichnung und
Sledung in allen Negenbogenfarben, grün, vot uf., was bei der Verteilung auf die
Skulpturen und der Wiederhohmg auf den Schalenplatten hübfche Mufter ergibt, ohne daß
rer
am Hi mm ni ai PROEhR
Auululn u ul) \
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M
Il |
Käferichneden. 401
man indes bisher viele bejondere Beziehungen zur Umgebung herausfinden fünnte. Smimer-
hin ift die Bemerkung am Plate, daß bei Neapel der rote Chiton rubicundus Costa von den
toten Korallinen, auf denen er in 50—60 m Tiefe lebt, fich faum unterfcheiden Yäßt.
Wie finden fich Diefe wunderlich ausgejtatteten Tiere mit dem Leben ab? Lediglich
- auf den Boden angewiejen, bewohnen jie. alle Meere mit dem normalen Galzgehalt des
Ozeans und alle Tiefen von der Gtrandlinte bis zu 4000 m und mehr hinunter. Gie unter-
icheiden fich alfo mejentlich von den Aplafophoren, die vom Litoral ausgejchlojfen find.
Der Abitand wird um jo größer, als jie ihre Hauptentfaltung geradezu in der Brandımgs-
zone haben. Die wenigen Bewohner der Tiejfee zeigen den einfachiten Bau und gleichen
darin den ältejten Borläufern aus der palävzoiichen Periode. Der Wellenfchlag des Ge-
zeitengürtel3 it e8, der die weitere Aus- und Umbildung veranlaßt Hat. Hier finden mir
die größten Arten und die jtärkite Ausprägung der Schale und des Mantels, die längiten
Zylinderitacheln und vor allem die größten Snjertionsplatten, die den Muskeln der Haut
ven breiteiten Halt gewähren. Denn es fommt darauf an, dem Wogenprall zu miderftehen
und ji) am Zellen feitzuhalten, den SUB und die Unterjeite des Mantel dagegendrüdend
und al3 Saugnapf benubend.
Eine Ausnahme machen bloß die wurmförmigen Kry ptoplaziden; fie (eben auf Riff-
forallen, in deren Riten jie Haufen, in merfwürdiger Ühereinfimnnung mit den Aplafo-
phoren, wohl eine Andeutung von gemeinjamer Wurzel und Herkunft. Ya, e3 läht ich an
diefen Formen zeigen, wie fie allmählich von dem Zufammenleben mit den lebendigen
Hohltieren, von denen fie zunächit ebenfo abhängig gemwefen zu fein jcheinen tie die Aplafo-
phoren, fich frei zu machen gezwungen werden. Geographiich betvohnen fie zwei ganz ge-
trennte Gebiete, Weftindien und die Infeln der Südfee im Anschluß an Südoftafien, fie find
aljo jo tropifch wie die Riffforallen jelbjt. Die Erflärung findet fich in der Pendulationz-
theorie, nach der Die Erde zwei feite Wole Hat, den Dftpol Sumatra und den Wejftpol
Ecuador, während die Nord-Südachje langjam auf dem halbierenden Meridian, dem
Schwingungzfreife, d. h. dem 10. Grad öftl. Länge von Greentoich, Hin und her pendelt. Die
PBendelichwingungen bedeuten die Verioden der Geologie. Die ftarfen Berjchiebungen
unter dem Schwingungsfteife, welche die Lebemwejen fortwährend unter andere Breitengrade
und damit in anderes Klima brachten, bewirkten im mwejentlichen deren Umbildung und
jefundär deren Ausbreitung. Wenn die Kryptoplaziden bei uns in Aftifa-Luropa während
polarer Schwingungsphafen, d.H.in der paläozoifchen oder in der Tertiärzeit, nach Norden ver-
jeßt wurden, jo wichen fie der Kälte aus, indem fie nach Südweft und Südoft auswanderten.
Co Tamen fie in ihre heutigen Wohnorte. Man fönnte wohl die Theorie für Erklärung
der getrennten Wohngebiete beifeite lafjen, wenn fie nicht noch Wichtigeres Teijtete. Ceit
der Eiszeit jchtvanfen wir wieder nad) Süden, die abgewendete nördliche Hälfte des Stillen
Dgeans aber nad) Norden. So ift e3 gefommen, daß tropifche Korallenriffe bis nach Japan
hinauf verschoben wurden, mo fie, da das Klima nicht mehr ausreichte, zum Abjterben famen.
Auf diefen toten japanifchen Niffen aber haufen noch zwei Cryptoplax-Atten al3 die
nördlichiten Vertreter der Familie. 3 verfteht fi von jelbit, daß fie die Abhängigkeit
bon den lebenden Korallen, die bei ven übrigen Verwandten herbortritt, aufgegeben haben
müffen. Leider wijjen wir von diejen interejjanten Beziehungen nichts Näheres.
Alle übrigen Käferfchneden, d. h. die große Mafje, jiten an Steinen (j. Tafel „Weic)-
tiere I”, 1, bei ©. 424), nie an organifchem Material. Manche, wie Schizochiton Gray, ver-
friechen fich mehr unter Steinen. Se jtärfer Die Brandung toft, um jo feiter jaugen fie ich an.
Brehm, Tierleden. 4. Aufl. I. Band. 26
%
402 Weichtiere: Wurmmollusten. Grabfüßer.
ad
Werden fie trogdem getwaltjam losgerijjen, Dann Eugeln fie jich ajjelartig zufammen, um jich
nur langjam wieder zu ftreden. Blainville erzählt, daß ein Tier Dazu 7—8 Tage gebrauchte.
Beim Kriechen wird die Unterjeite Des Mantels etwas vom Boden erhoben. ©o träge die
meiften zu jein jcheinen, jo gibt e3 doch einige, die leidlich flott vorwärts fommen. Filcher
jah einen Chiton fulvus Wood jchnell und hoch an einer Anferfette aufjteigen. Vielleicht
fommt jolche Bewegung doc) öfter vor, al3 wir glauben, denn die Plafophoren jcheinen
nächtliche Tiere zu jein. Da viele an der Flutgrenze leben, ertragen jie das Freiliegen an
der Atmojphäre ohne Schaden. Sa, fie jcheinen jelbit Luft in die Kiemenhöhle einzunehmen,
wenigjtens jieht man, nach Blaimpille, aus diejer auf ftärkeren Reiz Wafjer und Luft ent-
weichen. Dem entipricht die Angabe von Hedley, monac) ein auftralifcher Chiton an der
oberen Ylutgrenze lebt, wo er nur gelegentlich vom Wafjer erreicht werden mag.
Die Nahrung befteht jedenfalls aus dem organischen Überzug der Felfen. Ob aber
dabei mehr Mgen oder mehr Tiere von den hervorragenden, wie eine Zange wirkenden
Zähnen ergriffen werden, erjcheint fraglich. Nach der Literatur würden die Tiere Pflanzen-
frejjer jein, denn man findet im Darm häufig Diatomeen; bei vem großen Cryptochiton
stelleri Midd. vom Beringsmeer traf Mivdendorf jogar über zollange Algenfäven. Das mag
aber mohl daran liegen, daß die Pflanzenzellen durc) ihre Zelluloje- oder Kiejelmembran
biel bejjer gegen die Berdauungsjäfte gejchüikt jind als Das nadte Protoplasıma der Klein-
tieriwelt, die jich überall auf den Feljen anjievelt. Das Subradularorgan deutet jogar auf
eine gewilje Auswahl nach dem Gejhmad. Vielleicht fommen felbit Speziellere Anpafjungen
vor. Man hat gemwilje Arten bisher, wie e8 jcheint, nur auf bejtimmten Mujcheljchalen ge-
funden, 3. ®. Chaetopleura bullata Carp. auf Spondylus calcifer, Ischnochiton exiguus
Sow. auf Berlmujcheln. Db damit ein Kommenjalismus jich verbindet, ift indes noch nicht
geprüft. Die hnlichkeit oder Gleichheit der Nahrung, mikroffopifche Organismen, legt den
Gedanken nahe. Die Stotentleerung erfolgt bald nad) rechts, bald nach Iinfs vom Dinterende,
jedenfalls durch die Bewegung der Afterpapille.
Noch bleibt uns die Erklärung der wunderlichen Sinneswerkzeuge übrig. Das Tehlen
der Gehörfapfeln hängt jedenfalls mit der Trägheit zufammen. Die Zylinderftacheln find
Gefühlsapparate. Die Schalenaugen fünnen, wo fie vorhanden find, jchwerlich zu einem
genauen Grfennen der Außenwelt dienen, wohl aber Schattenwirkungen wahrnehmen, und
das fan bon Wert fein, wenn die heran- und herüberftirzende Woge allgemeine Musfel-
anjpannung zu feiterem Anjaugen erheijcht. Ebenfo können die großen und Heinen Ginne3-
organe mit ihren Konchinfappen recht wohl den Drud der Wellen zur Zaprnehmung bringen,
mit demjelben Erfolg für die Musfulatur.
Wahrjcheinlich aber hat dieje Einrichtung noch eine ganz andere Nebenbedeutung. Wie
die Molfustenjchale fchlechthin, ift auch die der Käferjchneden allerlei Angriffen ausgejebt
bon Bohralgen, Bohrichwämmen, bohrenden Würmern und anderen. Dazu fommt aber noch
die Wirfung der Brandung, die mit ihrem Sand die Schalenoberfläche überaus ftark angreift
und abreibt. Hier leilten die Kappen den beiten Wideritand ımd Erjab, da fie mit lebendem
Gemebe zufammenhängen und fortdauernd von ihm aus durch Abjcheidung verdickt werden.
Die Tiere jcheinen durchweg getrennt gejchlechtlich zu fein. Bei der gejchilderten Ein-
fachheit der Fortpflanzungsorgane ift Begattung ausgefchloffen. Beide Gejchlechter entleeren
ihre Produfte ins Wafjer, wo die Befruchtung ftattfindet. Die runden Eier Haben eine zier-
liche Schale, mit Budeln oder Dornen befett. Sie werden entweder durch Schleim zu
einem Laich verbunden, der wohl mehr als 1000 Stück enthalten fann, oder in fleineren
Käferichneden. | 403
Gruppen an Steinen befeitigt, bei ven europäijchen Formen, jomweit beobachtet, im Frühling
oder Frühfommer. Einzelne Arten üben Brutpflege aus, indem das Weibchen die Eier in
der Kiemenhöhle behält. Der Unterfchied in der Entwidelung ift der, daß dann die Jungen
auf einer reiferen Stufe die Eifchale verlaffen. Die Furhung hat Ihnlichfeit mit der
der Aplafophoren; nachdem fi am vegetativen Pol die Einftiilpung zur Gaftrula vollzogen
hat, befommt der Embryo am animalen Pol einen Wimperfchopf und namentlich vor dem
Munde den Wimperkranz, das Gegel oder Belum, mit dejjen Hilfe fich die eben ausfchlüp-
fende Zarbe oder der Veliger jchwimmend durch das Waljer bewegt, bis fie nach fürzerer
Zeit auf den Boden finft und jich in die vollendete Korm ummandelt. ©ie jtredt jich und
plattet jich ab. Der Rüden gliedert fich zunächlt in fieben Stüde, d. H. jo viel Platten, als
auch bei der Aplafophorenlarve zu jehen waren. Die achte Schalenplatte fommt exit jpäter
dazu, in feltenen Fällen unterbleibt ihre Anlage ganz. An den Duerlinten, welche die Felder
trennen, beginnt unter der Oberfläche die Kalfablagerung. Früh fchon zeigen fich in der ober-
flächlichen Konchinfchicht, dem Tegmentum oder Deditüd, die eriten Poren, die nachher von »
den Kappen der Sinnesorgane ausgefüllt werden. Die Stacheln legen fich bald an. Diejer
Sugendform find zwei Drgane eigen, die nachher verjchwinden: ein Paar Yugen und eine
große Fußdritie vor dem Fuß. Die lebtere erinnert an die Grube vor der Bauchfurche der
Aplafophoren; die Augen liegen merfwürdigermeile nicht am Kopf, jondern hinter dem Segel.
Die Wachstumsgeichiwindigfeit der Käferjchneden fennen wir leider nicht, ebenjomwenig
ihre Xebensdauer, noch das Alter, in dem fie mannbar werden, wie bei den meijten Geetieren.
Ullzu viele Feinde dürften die Käferjchneden nicht Haben bei ihrem borzüglichen
Schugpanzer. Der Menjch genießt hier und da, z.B. von großen Afanthopleuren, den Fuß
ob (Beef, bos marinus). Eine Art fol, nad) Guilding, giftig fein.
Eigentümlich ift ein alter Gebrauc) al Amulett, das die Erfüllung aller Wünfche ge-
währleiftet. Das franzöfifche Wort für Käferjchnede, „Oscabrion“, ftammt vom irijchen
Dscabiorn. „Biorn“ bedeutet „Seeigel”, und der erite Stamm „wünjcdhen”. Ein Stein aus
dem Tier hat die erjehnte Wirkung. — —
Sm ganzen bieten die Amphineuren tro& aller Berjchiedenheiten ein ziemlich eirt-
heitliches Bild. Der wichtigfte gemeinfame Zug der beiden Ordnungen dürfte die Symbioje
mit den Zölenteraten fein, an denen jich von den Plafophoren nur noch Cryptoplax erhält,
der daher auch die meifte Ahnlichkeit mit den Aplafophoren hat. Der Hauptunterjchied beider
Gruppen liegt in der Tiefenfchicht, in der fie ihre weitere Ausbildung erfahren haben, Die
Uplafophoren unterhalb der Litoraltegion, die Plafophoren in der Brandungszone. Die
Uplafophoren find im mweiteft abgewichenen Zweig, Chaetoderma, Schlammgräber geworden;
die PBlafophoren haben fich in der tofenden Brandung immer feiter am Yeljen feltgejebt
und der Unbill trogen gelernt.
Zweite Klaffe:
Grabfüißer (Scaphopoda).
Die Grabfüßer find wiederum eine rein marine Gruppe, aber zum erftenmal eine mit
einheitlicher Schale. Sie graben im Sande, wie Chaetoderma im Schlid, aber nicht, indem
fie das Kopfende fehlechtweg, fondern den wohlentwidelten Fuß als Bohritempel benugen.
Die Schale der befannteften Gattung, Dentalium Z., Meerzahn oder Elefantenzahn,
96 *
404 MWeichtiere: Grabfüßer.
Hat die Geftalt eines Clefantenftoßzahng, der hohl und an beiden Enden offenift. Die fonvere
Seite ift die Bauchjeite. Wie die Schale zuftande kommt, ergibt fich nicht nur aus der Ent-
mwieelungsgefchichte, fondern ebenjo aus einigen Formen, bei denen jie an der Bauchleite
auf der zugefpisten Hälfte noch einen Längsichlig hat. Vei Schizodentalium Sow. ijt Diejer
in eine Reihe fehmaler Löcher zerlegt. Die Schale toi exit al3 Rüdenbevedung angelegt
und wächft dann fattelförmig nach unten, um fich zuleßt unten zum Rohre zu jhfiegen. Bei
, dem feinen Cadulus Ph»l. tritt die Form am
Harften hervor; hier bleibt Die Schale furz und
verjüngt jich nach dem Worder- und dem
Hinterende. Die dide Mitte entjpricht Dem
gedrungenen Rumpf. Aus dem Hergang der
Schalenbidung jchließen wir natürlich auf
Ganuzitee ee an volgare Z. Den gleichen am Mantel, von dem fie abhängt.
So hat man wohl daran gedacht, Die Sfapho-
poden mit den Mufcheln in näheren Zufammenhang zu bringen, indem man jich deren
beide Schalenflappen oben und unten verwachjen und zum Rohr umgewandelt denkt. Wie
bei ihnen ftreckt fich der fleifchige Fuß nach vorn heraus. mdes zeigen jich Doc) in Der
ganzen Drganijation wejentliche Unterjchiede. Der Rumpf reicht, twie gejagt, nur bis zur
Mitte der Schale, vo der Fuß mit dDider Wurzel entjpringt. Cbenda
liegt in der Mittellinie der After, mit den Nierenöffnungen Daneben.
Die ganze Hinterhälfte beruht auf einer nachträglichen Verlängerung.
Sin der Breite des After verengert fich der jpaltförmige, zwijchen
dem Mantel und der Bauchjeite des Tieres befindlihe Mantelraum
Durch einen ringfürmigen Borjprung, eine Art Scheiveiwand, welche
die vordere Mantelfammer bon der hinteren unvollfiommen trennt.
Durch Wimperfpiel wird indes ein ununterbrochener Wajljerjtrom
durch die ganze Länge von der vorderen Ochalenöffnung bis zur
hinteren unterhalten.
Sn der vorderen Mantelfammer befindet jich zunächjt der zylin-
driihe Fuß, der durch) Blutdrud geichwellt und vorgejtredt, Durcc)
Muskeln zurüdgezogen werden fann. Cine Längsvertiefung auf
jeiner Oberjeite hat zu dem wenig pafjenden Namen Scaphopoda,
Eu „Kahnfüger‘‘, Anlaß gegeben. Wichtiger it, daß der Fuß am Vor-
lofotenseM. Sars. Aus Derende Erweiterungen trägt, bei Dentalium einen rechten und einen
ee % a linfen Zappen, bei dem Fleineren Siphonodentalium Sars eine nad)
Band, 1. bt, Seinsig189% rt eines Bahnrades gezadte Scheibe. Die Erweiterungen Fünnen
zufammengefaltet werden. Syn Ddiejer zugejpigten Yoım wird der
Fuß leicht in Den Sand vorgetrieben, dann werden die Lappen oder die Scheibe abgejpreizt.
Sie wirten jebt wie Anferzähne, fo daß bei Verkürzung des Fußes durd) die Muskeln Die
Schale rudweije nachgezogen wird, eine vorzügliche Grabvorrichtung.
Über dem Anfang des Fußes lieat ein nach vorn vorjpringender Kegel, mit der Mund-
Öffnung auf der Spibe. Gie wird von einer Anzahl gelappter Fühler, einem halben Dugend
etwa, in jternförmiger Anordnung umgeben. Durch fie gelangen wir in die Mundhöhle
mit jeitlichen Erweiterungen oder Badentajchen, weiter in ven Schlundfopf mit Fräftiger
Radula, deren hervorragende Zahnfchneiden mit glatter Kante einander von rechts und links
Dentalium. Cadulus. Siphonodentalium. 405
zugefehrt find, wie bei einer Kneipzange. Vor und unter der Rafpelliegt das Subradular-
oder Gefchmadsorgan. Der Darın windet fich mehrfach und trägt eine große Mitteldarnt-
drütfe oder Leber. Eigentliche Speicheldrüfen fehlen, dagegen hat der Schlund ähnliche
drüfige Tajchen mie die Mundhöhle. Wie die „Leber‘, fiegt auc) die einfache Gejchlechts-
- drüfe in der Mittellinie unter dem Rüden. Zhr Ausführgang, ohne alle Anhänge, öffnet
fich in die eine Niere und durch diefe nad) außen. Die Gefchlechter find getrennt.
Doch Fehren wir ans VBorderende zurück! An der Bajis des
Mundfegels, der beinahe wie ein Kopf abgejebt ift, jißt jeder-
- feitS ein flacher, Furzer Anhang, das Fühlerjchild, bejegt mit
einer großen Zahl langer, am Ende feulenartig angejchwollener
Fäden, bon denen wir in der oberen Abbildung auf ©. 404
einige aus der vorderen Mantelöffnung Herausgeftrecdt jehen. |
Sie find meit fürzer auf der inneren, dem Mundfegel zu- |
gemwendeten Ceite, jcheinen aber während des Lebens allmäh-
lich) no) an Zahl und Länge zu mwachjen und dann auf Die
Außenfeite zu rüden. Die inneren erinnern an die Cirren Der
Aplafophoren. Shre Deutung hat viel Mühe gemacht, doc)
Yäßt fich jest wohl ein beftimmteres Urteil ausfprechen. Jedes
Fühlerfegild ift im Grunde ein Fühler, wie mir ihn bei den
Schneden fennen, anfänglich, wie bei vielen Wafferjchneden,
mit furzen, fegelfürmigen Sinneswerkeugen, jogenannten
Sinnesfnofpen, bejeßt. Diefe verlängern jih, um den im
Schlamme haufenden Sleintieren, zumal den Zoraminiferen,
nachzufpiven und fie zu fangen. Man hat die Fäden Daher
mit Recht aß Fangfäden oder Captacula bezeichnet. edes
Captaculum hat einen musfelkräftigen, biegjamen und jtarf zu=
fammenziehbaren ©tiel, in der Keule aber einen Nerveninoten,
der mit den zahlreichen Sinnegzellen der Haut in Verbindung
fteht, dazu eine Reihe von Schleimdrüfen, wie fie den bverjchie- en Se en
denften Hautitellen nach Weichtierart zufommen; hier wirfen im Dursfgnitt gefehen. Die Blut-
fie als Klebörüfen, um die Beute feftzuhalten, die dann dem ar Aii A ete Mat
guößert. a vordere, a’ hintere Dan
1 1 D telhöhle; b Mundfegel mit Fühler:
Munde zugeführt wird. Captacıla, Kopffegel und Fuß fönnen 1 a a
alfe zurüdgezogen und in der Schale geborgen werden, Worauf ver Captacula. Nach Bronn, „Rlaj-
die vordere Öffnung durch den dien, mit einem Ningmustel ya, 1 Ast Leipnig 1802-04
berfehenen Mantelrand verjchlojfen wird.
Bon befonderen Sinneswerkzeugen ift noch der Ohrfapfeln oder Statozhiten zu ge>
denfen, die bei der Fräftigen Fortbewegung als Gleichgewicht3organe vonnöten find. Die
rundlichen Blafen, mit vielen Hörfteinchen, liegen, wie gewöhnlich, neben den Zußganglien,
wiemwohl fie, ebenfo der Regel folgend, mit den oberen Schlundganglien oder demeigentlichen
Hirn in Verbindung ftehen. Bei der Regjamfeit, welche die Grabfüßer troß ihrer verborgenen
Zebensweife befunden, ift das zentrale Nervenfyften ganz liber die Stufe der Markitränge
hinausgefommen, alle Ganglien find gut abgefchlofjen, aber, durch Kommifjuren berbunden,
ziemlich weit im Körper zerftreut, die Bedalfnoten ebenjomweit von den zerebralen entfernt
tie die viszeralen. Daß die Augen fehlen, entjpricht der Lebensmeile.
Befondere Kiemen find nicht vorhanden, die ganze Haut beforgt die Atmung, namentlich
406 Weichtiere: Grabfüßer.
fommt die Gegend des Afters in Betracht, wo jich der Ningmulft im Mantel erhebt. Dazu
der Enddarm, der regelrechte Schluebewwegungen ausführt. An ihm findet ich noch eine
Ausfakung, die jogenannte Rektaldrüfe, die in viele Furze Schläuche zerfällt. Da ihnen die
Drüfenzellen fehlen, jcheint e3 richtiger, die Reftalorüje al3 Wafjerlunge zu deuten, wie
eine jolche bei den Seewalzen (j. ©. 354) bejonder3 entroidelt it. Mit vem Mangel lofali-
fierter Atemmwerkeuge hängt wohl die fehwache Anlage des Herzens zufammen. Das Blut,
jo wichtig e8 it für die Schwellung der Körperteile, zumal des Zußes, wird einfach Durch
die Wirkung der verjchiedenen Muskeln umhergetrieben.
Fügen wir zur Kennzeichnung noch Hinzu, daß die Schale von Cadulus Phal. kaum
1 cm, die von manchen Dentalien aber fingerlang wird. Eigentlich wilde jie noch beträcht-
lich länger fein, wenn nicht das Hinterende, dejjen Echlanfheit den zunehmenden Sörper-
verhältniffen nicht mehr entjpricht, Hon Zeit zu Zeit abgejtoßen mwürde.
Die Lebensweife und Sitten de3 Dentalium Z. wollen wir mit den Worten Yacaze-
Duthier3’ mitteilen, dem mir eine treffliche Monographie des Tieres verdanfen:
‚Dentalium bewohnt in Menge die Nordfüften der Bretagne; man muß jedoch nicht
glauben, man fönne fich deshalb feiner mit Leichtigkeit bemächtigen, jowie man an den
Strand fommt. Man muß wiffen, wie und too es lebt; fonft jucht man vergeblich und findet
höchitens vom Meere ausgeworjene leere Schalen. Da ich das Iebhafte Verlangen hatte,
das Tier zu ftudieren, juchte ich geduldig fort, wo ich die meiften ausgemorfenen Schalen
gefunden hatte, dern es war das ficherite Anzeichen, daß an diefen Uferjtelten die Den-
talien leben müßten. So naturgemäß, lang und emjig aber auch mein Nachjuchen war,
ich fand und entdecte nichts. Ein etwas unruhiges Meer verjchaffte mir aber ein lebendes
Tier, und nun fonnte ich feine Sitten und alle feine Lebensbedingungen beobachten. Als
ich e3 aufhob, jah ich, daß es fich bemühte, in den Boden meines Gefäßes einzudringen.
Sch feßte e3 wieder in eine jener Heinen, bei der Ebbe zwiichen ven Tangen und Geegras
zurücbleibenden Wafjerlachen, und fah nun, wie e3 jich nach und nach in den Sand eingrub.
Sch wußte nun, daß das Tier nicht für gewöhnlich in dem ijolierten und freien Zuftande
lebte, wie ich e3 gefunden, und daß ich es fünftig im Boden des Strandes jelbit juchen müßte.
„Das Tier gräbt fich nicht jenkrecht ein, fondern nimmt eine jchräge Richtung mit
ungefähr 45 Grad an. Doch Hängen Richtung und Tiefe etwas von der Beichaffenheit des
Sandes ab. &3 Fann nicht in Der fchwärzlichen, oft ftinfenden Schlammjchicht Teben, Die
gewöhnlich unter der oberen jandigen Schicht des Strandes liegt. Auch nimmt es eine
mehr mwagerechte Lage an, wenn die Sandjchicht dünner wird; dann ijt es fait immer
Ichmwerer zu finden, indem e3 vollfommen verborgen ijt und nichtS jeine Anmwejenheit ver-
rät. Gemöhnlich fieß e3 in den mit einem etwas groben Sande gefüllten Gefäßen, worin
ich e3 hielt, 1-2 mm der Schale über die Oberfläche des Grundes hervorragen; häufig
genug aber auch) erreichte die Spite gerade die Oberfläche des Sandes. Daraus begreift
jich leicht, daß das Dentalium oft vom Wellenjchlage herausgetworfen wird, indem es
auch bei geringer Bewegung des Wafjers jchnell bioßgelegt wird. Damit ijt jedoch nicht
gejagt, Daß eS, vom Sande entblößt und bei der Ebbe aufs Trodene gejegt, jich nicht
jchnelf wieder eingraben follte. Sm Gegenteil, das gejchieht jogleich wieder; e3 jtredt den
Fuß hervor, gräbt ihn ein, und in einigen Minuten richtet es jich auf und erfcheint wie in
in den Sand gepflanzt. Hält man die Tiere in der Gefangenfchaft, jo unterjcheidet man
Ihmwer auf dem Grunde die abgejtorbenen von den noch Yebenden Individuen, und ich
benußte diee Eigentümlichkeit, um die Auswahl zu treffen. ch Iegte eine große Menge
Dentalium, 407
ver Dentalien auf eine nafje Sanpdfläche und wußte fehnell, daß diejenigen, weiche lich
nicht eingruben, dem Tode nahe oder tot waren.
„Bern beim Zurüdgehen der Flut das Wafjer nicht ne die Sandoberfläche bedeckt,
gräbt fich das Dentalium ganz ein und verjchwindet. Sch füge eine Bemerkung Hinzu,
die fich auf den größten Teil der fich im Sande verbergenden Tiere bezieht, für die natur-
geichichtlichen Unterfuchungen wichtig und von praftiicher Bedeutung ift. Der günftigite
Yugenblid, um bei der Ebbe die im Strandboden mwohnenven Tiere zu jammeln, ift der
unmittelbar dem wieder beginnenden Steigen des Wajjers vorangehende. Warum? Wenn
das Wafjer fällt, bleibt noch viel Wafjer im Sande zurüd, und einige Zeit hindurch be-
finden fich die Tiere noch in ganz günftigen Verhältnijjen. Bald aber, in dem Grade, als
die Ebbe weiter jchreitet, fließt jenes Waller auch ab, und beim niedrigiten Stande, wenn
die Flut eben beginnen joll, fängt der Strand an auszutrodnen, Die Tiere fühlen das Be-
Dürfnis nad) Waffer, verändern ihren Ort und fuchen einen feuchteren Pla. Zu diejem
Beitpimft ift das Einfammeln von allen im Strande eingegrabenen Tieren am ergiebigiten:
ie mögen zu was immer für einer Klafje gehören, alle verraten ihre Anmejenheit duch
Zuchhen und Bewegungen des Bodens. ine große Anzahl jandbemwohnender Mujcheln
farın man dann mit der größten Leichtigkeit erfennen. Ych fand die Schönjten und größten
G©ipunfeln, wie fie eben aus dem Boden herborfamen, und das in dem Moment, wo die
Flut mich vertrieb und die Unterfuchungen aufzugeben zwang. Nicht ander Dentalium;
auch diejes jteht man den Sand aufwühlen. Anfänglich macht e3 nur eine Kleine, leicht zu
erfennende Furche, die man wohl mit der der Pandora (einer Heinen Mufchel) verwechjeln
farın. Dieje indejjen geht immer einen Fummen Weg, da die eine Schalenhälfte eben,
die andere gebogen it. Sobald man dies Zeichen fennt, irrt man nicht mehr. Anfangs
aljo verraten die Dentalien ihre Anmwejenheit durch ihre Furche im Sande; jpäter eriheint
die leicht Fenntlihe Schale wie im Strandboden gepflanzt; noch jpäter fommt jie ganz
heraus, und das Tier fällt auf den Sand. Ml3 ich diefe Umftände Ffennengelernt, konnte
ich bei einer einzigen großen Ebbe leicht und ohne Mühe 200 Stüd jammelrt. Dentalium
it aljo ein Tier, das in verhältnismäßig bedeutenden Tiefen lebt, und das man nur bei jtarfer
Ebbe anzutreffen Hoffen darf. Am liebften gräbt e3 fich in etwas grobem Sande ein. In
dem jehr feinen war e3 nie zu finden. Die lange lebend aufbewahrten Tiere jchienen ich
in dem aus Heinen Mufchelbruchitüden gebildeten Sande jehr wohl zu befinden. Sn dem
feinen Sande, der unten jchlammig und faul wurde, gingen die Tiere jehr jchnell zugrumde.
Die angeführten Tatjachen zeigen genugjan, daß das Dentalium nicht eine Röhre bewohnt,
wie viele Mufcheln, fondern daß es im Gegenteil fortwährend feinen Aufenthaltsort
wechjelt. Beim Eindringen in den Sand bedient e3 jich der beiden ©eitenlappen des Tuße3,
die dabei die Aolle von Anferzähnen jpielen, jo daß, wenn das Tier nach) dem Boritreden
des Fußes jich zufammenzieht, der ganze Körper vorwärts rücen muß.”
Kahdem Lacaze-Duthier3 die Beobachtungen mitgeteilt, aus Denen erfichtlich it, daß
das Waller duch die Flimmerbewegung am VBorderende eintritt und aus der hinteren
Mindung jamt Erfrementen und Fortpflanzungsproduften wieder austritt, und daß das
Tier jich Dabei auch des Fußes wie eines Bumpenftenpels bedienen fann, jagt er, e3 jei
ihm mahrjcheinlich, daß durch die regelmäßige bon born nach Hinten gerichtete Strömung
auch die Nahrung dem Munde zugeführt werde; aber auch die Fühlfäden fönnten zur
Yufluhung und Zubringung Feiner zur Nahrung dienender Tierchen veriwenvet werden.
Wie wir gejehen Haben, jind jie durch ihren Bau befähigt, die Zoraminiferen im
408 Weichtiere: Grabfüßer Schneden.
Boden aufzufpüren und zu ergreifen; die Radırla aber erfcheint wie gejchaffen, deren Kalf-
ichale zu zerorüden (|. ©. 404).
„Über das Empfindungs- und Nervenleben läßt jich folgendes leicht beobachten: Das
Dentalium verfpürt die Einwirkung des Lichtes; man fieht es den Fuß einziehen, wenn
\nan einen Sonnenftrahl darauf fallen läßt. Auch wenn man
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Zarve von Dentalium in verfhiebenen Entwidelungsftufen.
größert. (Erklärung im Text, ©. 409.)
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ih) dem Tiere mit einem
Lichte nähert, zieht es
jich in fein Gehäufe zu-
rück; und diejer Umftand
jteht mit einer Cigen-
tümlichfeit feiner Xe-
bensmweije in Berbin-
dung. &3 verändert bei
Nacht, bejonders bei Be-
ginn derjelben, feinen
Plat. Sch Hatte be-
merft, daß die in Schüj-
jeln befindlichen Tiere
ein feines Anjchlagen
vernehmen hießen. Sn-
dem ich nun aufpaßte,
erfannte ich, daß ihr
Fuß, indem er in
ven Boden eindringen
wollte, die Schale in Die
Höhe hob, und daß dieje
beim Umfallen das Ge-
räufch verurjachte. Sch
beobachtete nun Die
Tiere lange Zeit, indem
ich ihnen einen falt na-
türlichen Aufenthalt ge-
ihaffen hatte, und er-
fannte bald, daß Die
AUbenditunde die Zeit
de3 Drtöwechjel3 war.
Sch will nicht behaupten, daß fie fich ausichließlich zu diefem Zeitpunfte bewegen; aber
e3 jcheint mir unbeftreitbar, daß Die Dentalien bejonders bei Nacht in Tätigkeit find.
„uch die Fortpflanzung zeigt einige bemerkenswerte Tatjadhen. Eine Begattung
findet nicht ftatt, und zwar notwendigermweife deshalb, weil es feine äußeren Yortpflan-
zungsmwerfzeuge gibt. Die Indiwivuen nähern fich nicht einmal einander. Die Dentalien
fajjen fich zu leicht beobachten, al daß man fich darüber täufchen Tönnte. Sch legte Die
Dentalien in weiße Teller, wo ich fie bei Öfterer Erneuerung des Wafjers Tieß. Nach einigen
Tagen fonnte ich dann immer mit Sicherheit auf das Eierlegen zählen, und zwar fand e3
regelmäßig nachmittags zwijchen 2 und 5 Uhr ftatt. Eine Ausnahme fchienen nur die Jndi-
biduen zu machen, die zu ftark von der Sonne bejchienen waren. Wie die Eier wird auch)
Dentalium. 409
die Samenflüfjigkeit ungefähr zur felben Stunde und in derfelben Weife durch die hintere
Schalenöffnung entleert. Mithin ift die Befruchtung, wie bei der Mehrzahl der fopflofen
Weichtiere, dem Zufall überlajjen. Hier das Männchen, dort das Weibchen entledigen fich
der Produlte ihrer Yortpflanzungsorgane, und lestere fünnen einander begegnen oder
auch nicht, gerade wie bei den diöziichen Pflanzen, wo der Vollen zur Erde fällt und von
den Winden da und dorthin getragen wird. Bei ungünftigen Winde bleiben die Piftilfe
der weiblichen yndividuen unbefruchtet, ebenfo wie hier bei einer nicht günftigen Waffer-
römung das Weibchen nichts herborbringen Fan, indem die Eier fich nicht entwideln. Da
begreift man denn, wie nüßlich die jo lebendigen Bewegungen der Samenförperchen find,
die das Ei in der Entfernung aufjuichen und befrucchten müffen. Die Zeit, während welcher die
Fortpflanzung der Dentalien beobachtet wurde, war von Anfang Mai bis Mitte September.“
Die Larve hat einen Wimperichopf am Scheitel (a) und zunächit mehrere Wimper-
träge (b in Fig. 1 der Abb., ©. 408). Diefe ziehen fich zu einem borfpringenden Ring oder
Segel zufammen (b in Fig. 2). Auf dem Rüden erjcheint Die Schale, die fattelfürmig nach
unten wächlt (s in Fig. 2) und fich dann zum Rohre jchließt (Fig. 3 und 4, beide von rechts
gejehen); nun tritt der Fuß p hervor (Fig. 3), dazu die Ganglien g, das Gehörbläschen o 0,
der Mumodfegel und die übrigen Organe (Fig. 4).
Die Dentalien bewohnen alle Ozeane und alle Tiefen bis unter 4000 m Yinab in
etwa 150 Arten; doch jcheinen fie die geringeren Tiefen und die wärmeren Meere zu
bevorzugen. Dabei macht fich ein merfwürdiges Färbungsgejeg geltend. Sn den ge-
mäßigten Meeren und in großen Tiefen jehen die Schalen weiß aus, in der Breite des
Mittelmeeres etwa werden fie rötlich, Tachsfarben, in ven Tropen grün, und in der bejon-
vers Heiken Sulujee fommt Blau dazu, jo zwar, daß bunte Streifen mit weißen abmwechjeln,
mie bei einem Ningelfttumpf. Hier fann von einer Zarbenanpafjung an die Umgebung
nicht die Rede jein, vielmehr gibt e3 wohl fein fo ausgefprochenes Beifpiel wieder für die
Abhängigkeit der Farbe von der Wärme, mit deren Zunahme fich die Pigmente einftellen in
der ‚U DEIpRE des Speftrums von der langmwelligen roten Seite nach der furzwelligen hin.
"Für den Menf ihen haben die Sfaphopoden wenig Bedeutung. Smmerhin finden
tie bei den nordamerifanifchen sndianern |höne Ohrgehänge aus Elefantenzähnchen, mit
Perlen verbunden und dergleichen. Sie werden jedoch nicht nur zur Zierde auf Leder
genäht, jondern Hatten in den merfwürdigen Schriftvofumenten oder Wampums, die auf
dieje Weije entitanden, ihre Verwendung.
Dritte Rlaffe: |
Bauchfüher, Scneden (Gastropoda).
©o geläufig und jelbitverjtändlich der Begriff einer Schnede zu fein jcheint, jo [chiwierig
it e3, eine Erklärung zu finden, die das unendliche Heer der verfchiedenen Gejtalten in ihrer
reifen Ausbildung umfaßt, bis hinunter zu dem zylinprifchen Schlauch, der faum mehr ent-
hält als die Gejchlechtsdrüfe. Doch tritt hier das biogenetische Gejeg in befonderer Klar-
heit zutage; denn jo viel wir wiljen, durchläuft auch Die abweichendfte und abenteuerlichite
Schnede in ihrer Sugenventmwiclung jene Grundform, auf der die gewöhnliche Vorftellung
lich aufbaut. Won ihr Haben wir daher auszugehen, um dann im einzelnen die mannig-
faltige Ausgeftaltung und ihre Beziehungen zur Ummelt zu verfolgen.
410 Weichtiere: Schneden.
Bunächit jehen wir den fleifchigen Fuß, ver jich unten zur Striechjohle abplattet und
born in den wenig jcharf abgejeßten Kopf übergeht mit dem Mund und den wichtigiten
Sinneswerkzeugen. Der Rüden trägt den ringfürmigen Mantel, auf dem die von ihm ge-
bildete Schale ruht, welche die bruchjadartig Herausgetretenen Eingeweide umjchließt. Das
Merkmürdigite und für die Öaftropoden Bezeichnende ift nun die einjeitig ajymmetrijche
Yufwindung der Schale. Meiftens ift jie rechts gewunden, wie bei unjerer Weinberg-
Ichnede oder beim Stinthorn unjerer Nordjee, von dem der Schalendurchjchnitt abgebildet ilt.
Stellt man eine jolche Schale jo vor jich Hin, daß einem die Spibe zugemwendet ilt, jo ver-
läuft da3 Gewinde, von der Spibe angefangen, in einer Schraube im Sinne des Uhr-
zeigers, und die Mündung ijt nad) recht ge-
fehrt. Was ein Iinfsgemwundenes Gehäufe ilt,
veriteht jic) dann von jelbit. Das Gewinde
verläuft um diemittlere Achje oder Spindel, Die
‚der Länge nach Durchbohrt fein fann, in wel-
chen Falle man von einem genabelten Öehäuje
redet. An der Mündung unterjcheivet man
die Spindeljeite von der freien Außenlippe.
Woher die Wiymmetrie fommt, it nod)
nicht völlig aufgeklärt. Man hat verfchiedene
HHypothejen aufgeitellt. Mehrere rechnen mit
mechaniichen Berhältnifjen, indem jie von
einer Urform mit flacher, den ganzen Rüden
bededender Schale ausgehen, wie bei unjeren
Kapfichneden. Um eine große Beweglichkeit zu
ermöglichen, joliten dann Mantel und Schale
jih auf ein Heineres Nüdenfeld zufammen-
ziehen, jo daß der musfulöje Weichfürper mehr
zur Öeltung fam. Damit wäre die Schalehoch
Durdiähnitt des Gehäujes vom Kinfhorn, Buc- und nun en, jene nach
nn neben. Je Be oben itehend. Eine jolche Yage wäre aber, na-
mentlich im Wajjer, untunlich gewejen, da der
Ktegel beim Kriechen dem Wafjer zuviel Wiverjtand entgegengejebt hätte. Sniolgedefjen
wäre er umgefippt, und zwar in fchiefer Richtung nach einer Seite, wobei noch andere
Momente mitgewirkt Hätten, auf die wir ung nicht weiter einlalfen wollen. Genug, da
die jchiefe Lage einen verjchiedenen Drud auf die rechte und Yinfe Mantelhälfte ausgeübt
hätte, woraus dann ein ungleiches Wachstum an der Schalenmündung und damit ihre
Alymmetrie entjtanden wäre. Am richtigiten ift e3 wohl, die Urfache im anatomischen Bau
der Schneden zu juchen und fich umzufehen, ob e3 hier Organe gibt, die nur einfeitig vor-
handen jind, wierwohl fie nach dem Vorbild der übrigen Molfusfen paarig fein follten.
Man Fann an verjchiedenes denfen, an die Nieren, die Borfammern des Herzens, die Ge-
hlechtswerfzeuge. Bei genauerer Prüfung bleiben wir bald bei den Teßteren ftehen. Denn
wenn auch die meijten Schneden nur eine VBorfammer und eine Niere haben, jo gibt es
doch andere, bei denen fie paarig find, aber nicht eine, bei denen die Gefchlechtsprüfe doppelt
mwäre. 3 handelt fich bei diejer einfachen Drüfe auch niemals um zwei, die miteinander
verichmolßzen wären, wie bei ven Käferfchneden und Tintenfiichen, Sondern in allen Fällen
Allgemeines. 411
- um eine einjeitige Anlage. Sa noch mehr. Die Gejchlechtswege find ebenjo einjeitig aus-
gebildet, die urjprüngliche Gejchlechtsöffnung Tiegt aber am Mantel, bei allen rechtsgemwun-
denen Gaftropoden rechts, bei den finfsgewundenen linfs. Damit Haben wir die Grumd-
lage fiir die Afymmetrie. Die Tiere mit der breiten Sohle fonnten nicht gleichzeitig bei
der Begattung, die beinahe allen Schneden zufommt, beide ursprünglich vorhandenen Ge-
ichlechtsöffnungen aneinander bringen, fie benusten bloß die eine, in der Regel die rechte,
- und die andere Geite des Gejchlechtsapparates verkiimmerte. Die Wirkung diejer Einfeitig-
feit Yäßt jich ohne weiteres erfennen bei denjenigen Galtropoden, deren Körper durch NRüd-
bildung der Schale durchweg biegjam und gejchmeidia geworden ilt, d. h. bei den Nadt-
Ichneden. Sobald dieje Tiere, 3. B. die Aderichneden, auf der rechten Geite das Kopu-
lationsorgan herausitreden, verfürzt fich diefe Seite, und der Körper rollt jich fpiralig auf,
die beiden Tiere umminden jich gegenfeitig jchraubenförmig. Entiprechend tritt beim Wachs-
tum eine Verfürzung der rechten Manteljeite ein, wenn hier Bildungsmaterial entzogen
wird für die Anlage der Gejchlechtsorgane. Dieje Seite bleibt in der Tat im Wachstum
zurüd, während die Yinfe jich ftärfer ausdehnt. Der After, urjprünglich in der Mittellinie
hinter vem Mantel gelegen, rüdt nach rechts, weil er hier fejtgehalten wird. Kurz, DerMantel
wächit, während das Tier zunimmt, nicht mehr ringsum gleichmäßig, jondern an der rechten
Ceite am jhwächiten, Dagegen bon recht vorn nad) links hinüber, dann weiter nad) Iinfs
hinten und hinten nach rechts hinüber ftärfer. Damit ift die Aufwindung gegeben, die
Schale dreht fich mit. dev Mündung, an der fie fich vergrößert, nach Yinf3 hinüber, d. d.
lte it, von der Spike aus gerechnet, recht3 gemwunden.
: &3 ift dabei feineswegs nötig, daß der After nach rechts rückt, er fann weiter hinter
dem Mantel liegen und unbeeinflußt bleiben. Sn der Negel allerdings macht er die Drehung
mit, jo gut wie die zu feinen Seiten gelegenen Nierenöffnungen und die Atenihöhle. Wir
werden jpäter jehen, daß manche Schneden den VBerjuch machen, in ihrer Organijation
die Yufwindung wieder, teilmeije wenigjtens, rücdgängig zu machen und zu rein bilateral-
jymmetriihem Bau zurüdzufehren, wie denn bei der weiteren Ausbildung die allerver-
Ihiedenften Brinzipien zur Geltung fommen; dann jteht, wie man jagt, der urjprünglichen
YAufwindung oder Torfion eine mwachträgliche Detorfion gegenüber, allerdings immer in
mäßigen Grenzen, die oft überjchägt werden.
Bermweilen wir zunächit noch bei ver Schale! Gie beiteht in der Ntegel aus fohlen-
jaurem Kalk in der Form des Kalzit3, aber mit einer organischen Grundlage von Kondin,
die jich indes auf wenige Vrozente bejchräntt. Man erhält jie, wenn man den Kalk durch
Säuren, etwa verdünnte Galzfäure, entfernt. €3 ift hier der Drt, und don der Bildung der
gewöhnlichen Weichtierjchale, die von der gejchilderten der Käferjchneden nicht unbeträchtlich
abweicht, Rechenjchaft zu geben. Wir verfolgen den Hergang am beiten im Frühjahr an
einer gewöhnlichen Schnirkelfchnede. Da jehen wir, wie die Mündung fi) zunächjit in der
Form eines weichen Häutchens, der Oberhaut oder des Perioftrafums, vergrößert. 3
wird von einer feinen Turche de3 Mantefrandes abgejondert, wenn die Schnee in voller
Ausdehnung aus der Schale herausgefommen ift. Ihm gehören auch die farbige Zeich-
nung, Bänder oder Tlede, an, jomweit fie vorhanden find. Die benachbarte Nantelftelle
dahinter, alfo auc) eine ringfürmige Zone, liefert die Kalfmenge, welche die Yauptgrund-
lage des Gehäujes, das Dftrafum, darftellt; fie fchreitet von der Spige her allmählich)
gegen den zarten Mündungsrand vor. Die Abjonderung gejhhieht in der Yorm eines
Kalfalbuminats, einer Verbindung von Eiweiß mit Kalf. Nach der Entleerung tritt eine
412 Weicdhtiere: Schneden.
Sonderung ein, der Kalk krijtallifiert aus in feinen Nadeln und Blättern, das Eiweiß
liefert daS organifche Gerüft zwifchen ihnen. Durch das Aus- und Einftülpen des Tieres
wird Diefes Gemenge während der Friltallifation gegen das Perioftrafum gedrüct und
gewiljermaßen ausgewalzt. Dabei ordnen jich die Kalfkriitalle zu einem außerordentlich
feinen Gitter, dejjen verjchiedene Stäbe fich Freuzen, und zivar theoretifch zunächit unter
rechten Winkeln, aber praftiich unter Abweichungen, die durch die gebogene Oberfläche des
PBerioftrafums bedingt werden. ©o entiteht ein Fachwerk, das man wie beim Wirbeltier-
fnochen mit den fich Freuzenden Stäben und Gurtungen einer Eifenfonftruftion, eines
Gemölbes, vergleichen fan und das die höchfte mechanische Teitigfeit gewährleiftet. Mit
diejen Abjcheidungen Des Nandes ift aber die Tätigkeit des Mantels feineswegs erichöpft.
Bielmehr jondert auch die ganze Fläche des Mantels, d. h. die Dberfläche des Eingemweide-
bruchjads, unausgejeßt, wenn auch oft Schwächer, das Kalfalbuminat ab, das fich ebenfo in
Kalk und Kondin trennt. Hier, beim Hhpoftrafum, tritt aber nicht das gegen die Miün-
dung gerichtete Auswalzen ein, jondern e3 lagert fie) Schicht auf Schicht in breiter Zage
aufeinander, und zivar im urjprünglichiten Falle in freier Wellenfräufelung. Dieje Otruftur
bedingt bei der Keflerion des auffallenden Lichtes durch AJuterferenz der Lichtwellen das
Schilfern in allen Negenbogenfarben, den Perlmutterglanzg. Ein perlmutteriges HHyhpo-
jtrafum ift immer das Zeichen einer altertümlichen Form. Bei jüngeren Schneden, im
©inne der Abftammung und des Stammbaumes, wird diejes Gefüge meilt verwijcht und
durch andere Strufturen erjebt, bei Geejchneden vielfach durch eingelagerte Farbitoffe,
die aber in diefem alle jtets in gleihmäßiger Fläche auftreten, niemals in der Anord-
nung bejonderer aus Fleden und Linien zufammengejester Mufter, wie bei den äußerlih .
jihtbaren Pigmenten des Perioftrafumg, welche umfchriebenen Farbdrüfen des Mantel-
tandes entjtammen. Übrigens find diefe Mufter meiftens an frifchen Schalen wenig fichtbar,
vielmehr ducch unjcheinbares Kondhin oder duch den verbreiterten, auf das Öehäufe über-
greifenden Manteltand verdedt, wie bei ven Vorzellanjchneden. Die Färbung und Zeich-
nung des Schnedenhaujes Hat daher weit weniger Bedeutung für die Anpajjung an die
Ummelt als bei den Sniekten. Wir werden einzelne gegenteilige Fälle fennenlernen.
Bu der allgemeinen Grundlage der Schale, die wir jet Tennen, treten aber noch.
mancherlei Sonderbildungen. Die Schnedenhaut ift überaus reich an allerlei Drüfen, und
in dem diden Hautmusfelfchlauch finden fi die verfchiedenften Stoffe, die bei dem all-
gemeinen Gtoffwechjel abfallen, Kalk, Farbitoffe, Schleim, Harnfäurefügelchen, wie fie fonft
nur in der Niere ausgejfchieden werden. Der Kalk fann in Form feinjter Körnchen be-
jtimmte Bellen erfüllen, ex fann in Gitterftäbiyen in der Haut liegen, er farın durch Kalf-
orijen nach außen entleert werden. Sa, es gibt mehrere tropifche Lungenfchneden, bei
denen derjelbe Prozeß auf dem ganzen Rüden fich abjpielt, wie wir ihn in der Schale
finden, der Kalf bleibt mit der Haut verbunden und kriftallifiert aus, nur daß dieje Kriftalle
hier ungeftört zu größeren Sndivivuen anmwachjen fünnen. Cbenfo können die Farbitoffe
und die Harnjäurefonkretionen in der Haut abgelagert oder durch Drüfen nach außen be-
füwert werden. Alle diefe Prozefje erreichen im Mantelvande gewöhnlich ihre höchite
Steigerung. Gie führen zu allerlei feineren und gröberen Skulpturen und Zieraten der
Schale. ©o fünnen aus bejfonderen Drüfen Konchinhanre oder -Feulen fommen ohne Ver-
bindung mit Kalk, und die Schale erhält einen famtartigen Überzug. Allerlei Gitterwerf
macht jich geltend, anfangs fortlaufend in der Länge geordnet, al3 Spiralftreifen, wenn die
betreffende Stelle des Manteltandes unausgejest abjicheivdet. Betätigt jie fich intermittie-
ee ee
Allgemeines. : 413
rend, jo wird Die Kängsrippe oder das farbige Längsband entfprechend unterbrochen und
in Sinoten oder Punkte aufgelöft. Die lebte Stufe befteht meift in der Anordnung zu
Duerrippen und Querbändern, parallel der Mündung. Doch find die zierlichjten Ziczad-
‚Iinien nicht ausgejchlojjen.
Nicht jelten verjchieben fi) Struktur und Nufter gejegmäßig en des Lebens, jo
daß man an einer Schale die Schidjale der Schnede oder ihrer Ahnen abzulefen imjtande
ift. Die Spiße fann ganz anders ausjehen nad) Form, Skulptur oder Windungsrichtung
als das übrige Gehäufe. Meift ift dann ein jolcher Aper fcharf abgejekt, er wurde als
Embryonalfchale während der Entwidelung im Ei gebildet, und nach) dem Ausjchlüpfen
bemirkte die veränderte Umgebung veränderte Geftaltung. Wandlungen im fpäteren Leben,
meijt wohl mit der Gejchlechtsreife im Zujammenhange, pflegen jich in allmählichem Über-
gange einzuitellen.
Wenn die Schnede ihr normales Wachstum vollendet hat, Braucht die überaus ftarfe
abjondernde Tätigkeit des Mantelrandes noch nicht fogleich mit nachzulafjen. Das führt
zu neuen Folgerungen. Bei gleihmäßiger Mantelausbildung-twird fich einfach der Miün-
dungsrand, entweder die Außenlippe oder daS ganze Periftom, berdiden und aufmwuliten.
Sit aber der dide Mantelrand etwas ungleichmäßig geworden, wie wir’3 ja jchon in Yofali-
jierten Farbdrüfen und Bändern bemerften, dann erhalten wir allerlei Fortjäge am Mün-
dungsrand, die fich nach innen richten und die Dffnung verengern fünnen, oder die die
Außgenlippe nach außen erweitern zu flügelartiger Ausbreitung und fingerfürmigen Fort-
lägen und Stacheln.
Am mwenigiten aufgeklärt ijt jolcher Stachel- und Dornenbejab, wenn er auf der ganzen
Schalenfläche, intermittierend in regelmäßigen Abjtänden, gewöhnlich auf Duerrippen, die
frühere Mündungsränder daritellen, auftritt, bejonders deutlich bei der Stachelichnede
(Abb., ©. 453). Hier tritt e3 Har hervor, daß die Schnede periodijch in ihren Wach3-
tum Halt machte und einen Mündungsrand mit Stacheln ausbildete, um dann von neuem
fi) zu vergrößern. Aber wir Haben bisher feine Ahnung von der Urjadhe und Länge der
Perioden. Ganz unmahrjcheinlich ift, daß fie je ein Jahr dauern, die Duerreihen von
Stacheln aljo gewilfermaßen Sahrestinge find. Die Verioden find vermutlich weit Fürzer.
Eine andere Merfwürdigfeit läßt jich bei diefer Schale verfolgen. Die Stacheln find
bei den jungen wie bei ven alten Schalen in ziemlich gleichen Abjtänden auf der ganzen
Yußenlippe verteilt. Die Spira oder das Gewinde ijt aber jo geordnet, daß ein neu dazu
fommender Umgang den vorhergehenden etiwa in jeiner oberen Hälfte frei läßt, in feiner
unteren dagegen überdedt. Man braucht nur die jogenannte Nahtlinie oder Sutur zu ver-
folgen. Da würden jedesmal die Stacheln auf der unteren Hälfte einer früheren Außen-
lippe hinvdernd im Wege jtehen. Sie müjjen, damit fich die Sutur dicht auf den fchon bor-
handenen Schalenteil legen fanın, weggejchafft werden. Der Mantelrand bejeitigt jie dadurch,
daß er fie auflöft und rejorbiert. Wir erhalten alfo die Höchlt auffällige Tatjache, Daß der-
jelbe Manteltand, der unausgejebt Kalk abjcheidet, gleichzeitig imftande ijt, früher ab-
geichiedenen Kalk wiederum mwegzunehmen.
Dieje wunderbare Fähigkeit führt noch zu einer anderen, nicht weniger wichtigen Folge-
rung. Cägt man die Schale einer Porzellan» oder Kegeljchnede durch, jo bemerkt man
einen überrajchenden Unterjchted in der Stärke der Schalenteile. Alle Teile, welche Die
Dberfläche bilden, find äußert did und Fräftig, wohl mehrere Millimeter ftark, alle inneren
papierdünn. Das gilt jomwohl von halbwüchjigen Schalen wie von erwachfenen. Daraus
414 Weichtiere: Schneden.
ergibt ich ohne weiteres, daß die dDide Außenwand einer jungen Schale nachher, wenn jie
bon einem fpäter gebildeten Umgange überwachjen wird, verdünnt und auf Papierdide
herabgedrücdt wird. Die Mantelfläche, joweit fie den Eingemweidejad überdedt, muß aljo
hier ven Kalk wieder aufgelöft und weggenommen haben, eine außerordentlich öfonomijche
Einrichtung, die das Tier befähigt, den Kalk mit möglichiter Sparjamfeit da wegzunehmen,
wo er nicht mehr nötig it, und da abzulagern, wo er zur Feltigung gebraucht wird, in der
Außenwand nämlich.
Bei manchen Gaftropoden geht dieje Sparjamkeit noch weiter und führt zu völliger
Auflöfung der inneren Gemwindeteile, jo 3. B. bei den Neriten und vielen Aurifulidven. Bei
ven auf den Malattfchen Archipel beichränkten Halbrnadtjchneden der Parmarion-Öruppe
läßt fich der Hergang noch genauer verfolgen. Someit die Schale vom Mantel frei und der
Luft ausgejegt bleibt, behält fie ihre normale Struktur und Dide; joweit fie vom Mantel.
bedeckt wird, fchiwindet der Kalf, aber das Konchin bleibt zunächit erhalten, wenigjtens wird
es exit allmählich an feinen Rändern verdünnt. Der Kalf Yäßt fich alfo Yeichter bejeitigen
als die organijche Grundlage.
Nacktichneden entitehen auf doppeltem Wege, entweder durch völliges Abmwerfen der
Schale oder durch Überwachjen des Mantelcandes, deifen Schalenlappen fich als Verbreite-
rungen auf die Schale hinauffchlagen, um fie jchließlich ganz einzuhüllen und miteinander
zu verwachjen. Die in die jo entitandene Schalentajche eingejchlofjene Schale wird dann in
verjchtedenem Grade rücfgebildet undrejorbiert, unter Umftänden bis zu völligen Schwunde.
Die Sparjamfeit in der Verwendung des Kalfes befchränft fich übrigens nicht auf
die Schale, jondern greift viel tiefer, 3. B. bei der Bildung der falfigen Liebespfeile, auf
die wir zurüdfommen. Als ein Aufjpeicherungsorgan für Kalk kann die Mitteldarmdrife
oder Leber gelten, die meilt Kalfzellen enthält. Bei unferen Wegjchneden find die Blut-
gefäße von Stalfablagerungen begleitet und jomit al3 weiße Stränge leicht zu verfolgen. Sm
Blute jcheint der Kalf als phosphorfaures Salz gelöft zu fein umd fich erft bei der Ab-
jheivung nad) außen in das fohlenjaure umzufegen im Zufammenhange mit der Haut-
atmung und entiprechender Kohlenjäureabicheidung.
Berfen wir noch einen flüchtigen Blid auf die Form der Schale! Rapffchneden mit
flachem, napffürmigem Gehäufe figen meift mit breitem Fuß träge auf der Unterlage. Eine
hohe turmförmige Schale verbindet fich meift mit dem Leben an fenfrechter Wand, auf
dem Lande jo gut wie im Wafjer. Hier fcheint die Schwere die Länge bewirkt zu haben.
Die Mitte zwijchen beiden, die fugelige oder niedrig fegelfürmige Schale, ift allen Lebens-
lagen gerecht. Daß die didjten Schalen im Meere zu finden find, erklärt fich phyiifalifch
aus der tragenden Kraft des Wafjer3; daß dabei wieder die mwärmeren Meere bevorzugt
ind, hängt zufammen mit dem ftärferen Kalfniederichlag in der Wärme, wie beim Stejjel-
ftein. Auf dem Lande fanın man eine ähnliche Beziehung feititellen: Wiüftenjchneden haben
im Verhältnis die didjten Schalen; je feuchter der Aufenthalt, um jo dünner und zarter
werden dieje. Eine mechanische Beziehung haben die flügel- und fingerfürmigen Verbreite-
rungen der großen Flügelichneden und ihrer Berwandten. Cie find Mittel, um in der
Strömung und Brandung die umhergeworfene Schnede im Gleichgewicht zu erhalten und
immer wieder mit der Mündung dem Boden zuzumenden. Turmförmige Schalen, die an
jentvechter Wand getragen werden, fönnen bei der Gejchlechtsreife, wenn die in der Schale
liegende Gefchlechtsdrüfe anfchwillt, durch die Zunahme des Gerichts jo ftark nach unten
stehen, daß der Ießte, jeßt in Bildung begriffene Umgang fich vom übrigen Gewinde ablöft
Allgemeines. 415
und verengert in die Länge zieht, das Gehäufe wird fpindelförmig, wie bei den Schließ-
mundjchneden oder Klaujilten. Die gleiche Urjache läßt bei Opisthostoma Blanf., einer Heinen
Landdedeljchnecde, das fegelfürmige Gewinde völlig umkippen, jo daß der legte Umgang als
freies Rohr fich in eitgegengejebter Richtung auf die übrigen Schalenteile Hinauffrümmt.
Wieder eine andere Urjache hat die freie und unregelmäßige Ablöfung der jüngeren Schalen-
teile bei den Wurmfchneden. Hier wird die junge Schale, nachdem fie einige Umgänge
in regelmäßiger Folge gebildet hat, durch das jich abjcheidende, noch weiche Konchin am
Meeresboden angeflebt, jie wächlt feit, wie man zu jagen pflegt, und der weit größere noch
folgende ©chalenteil Frümmt fich als freies Nohr in einer Schraube, um jchließlich die Miün-
dung jenfrecht nach oben zu fehren. Wieder anders ijt das Prinzip, nach) dem die frei
im Meere Ichwimmenvden Gaftropoden ihre Schalen umformen, fie juchen eine Symmetrie
herzuftellen, die oft von dem urfprünglichen Gewinde recht weit abführt. Cingelheiten
werden wir noch genug fennenlernen.
Für den Kenner bilden die Schneden, die allein von allen Mollusfen das Land be-
treten und alle bewohnbaren Erdräume fich dienjtbar gemacht Haben, vom ©letjchereis bis
zur tropischen Wüfte, bon der tojenden Brandung bis zu den dunfeln Abgründen der Tief-
lee, ein überreiches Gebiet, da3 beherrjchen zu wollen er fich verfagen muß bei der Kürze
des Menfchenlebens. &3 gibt feine Klaffe im Tierreich, die Ähnliches leiftete; Denn Die Krufter,
die das Meer fich in ähnlicher Weije erobert haben, bleiben doc) auf dem Lande weit zurüd.
Das Schnedenhaus jelbit, noch ohne Berüdlichtigung der Weichteile, greift tief ein in Die
menjhlichen Beitrebungen, von den wifjenjchaftlichen Problemen, welche die SHhjtematit,
Biologie, Tiergeographie und Geologie damit verbinden, bi3 zu dem äfthetifchen Genuß,
den namentlich in den abgelaufenen Sahrhunderten, etwa jeit der Entdedung Amerifas,
die eleganten Konchylien-Sammlungen gewährten, wie e8 den primitiven Menjchen, jchon
während der Steinzeit a3 Schmud und Zierat erwünjcht, als mancherlei Hausgerät äußert
nüglic) war, und wie e3 in das Gemüttsleben und die refigiöfen Borjtellungen jelbjt der hoch-
tultivierten Hindus noch) fich bedeutungsvoll hHineindrängte. —_
Ein zweites Schaljtüd, das mit dem Tier fich feit verbindet, ift das Dperfulum ober
der Dedel, nicht jene Kalfabjcheivung, wie jie bei der Weinbergjchnede im Winter die
Mündung verjchließt und uns jpäter bejchäftigen wird, fondern jene Platte von Schalen-
jteuftur, die hinten auf dem Fuß vieler Schneden fißt und jederzeit beim Rüdzug den Ab-
ichluß bildet. Diejer Dedel ift nicht weniger mannigfaltig in feiner FZorm als die Schale.
Die Grundform ift wohl eine Freisförmige Platte mit einer Spirallinie, die jo verläuft
wie eine auf die Grundfläche projizierte Nahtlinie des Gehäufes, nur in entgegengejeßter
Windungsrihtung.
Die Befeitigung der Weichteile in der Schale liegt an der Spindel, von imo die Musfu-
latur in die Haut ausftrahlt, meift als bejonders dDides Bündel nad) dem Kopf und Zuß ge-
richtet, bei den Lungenfchneden de3 Landes in eine Anzahl Bündel zerlegt, um Fühler
und Schlundfopf, jeden für fich, zurüdziehen und umftülpen zu können. Wenn die Spindel,
wie mir e3 hier und da fanden, rejorbiert wird, tritt Die Wurzel des Spindel- oder Kolu-
mellarmusfels, oft gefpalten, auf andere Teile der Schale über, und e3 können jich eben-
jogut, namentlich bei napffürmigen Schneden, andere Teile der Mantelfläche mit der a
berbinden ımd einen dann meift Hufeilenföürmigen Schalenmusfel erzeugen.
Eine befondere Beachtung erheiicht der Fuß, das Striechwerkfzeug, das aus sr
abgeplatteten Unterjeite des Tieres beiteht und der Regel nach einfach an der Unterlage
416 Weichtiere: Schneden.
dahingleitet, ohne feine Umrifje zu verändern und ohne irgendeinen Teil vom Boden ab-
zuheben. Hier liegt ein Höchit merfwirdiger Bewegungsapparat bor, der exit in allerjüingiter
Zeit Durch M. v. Kimafomwicez feine lete Aufklärung gefunden zu Haben jcheint. Wir fin-
den ihn am beiten entwidelt bei ven Landlungenjchneden. Bei einer Schnirfel- oder Egel-
ichnede (Helix oder Limax), die am Ölaje Friecht, bemerfen wir eine bejtimmte Anzahl von
Duerbändern, die in regelmäßigem Spiel von hinten nad) vorn über die Tußfläche ziehen
und fie vorn um ebenjoviel verlängern, wie fie jich hinten verfürzt. Das Spiel vollzieht jich
mit Derjelben Negelmäßigfeit wie etiva der Herzichlag, von dem e3 fich nur Dadurch unter-
jcheidet, daß die Schnede Anfang und Ende des Wellenjpiels in ihrer Gewalt hat. Sobald
lie aufhört zu Frieden, verjchwinden die Wellen, jobald e8 wieder beginnt, tauchen jie von
neuem auf. Solange fie einherziehen, treiben fie die Schnede rein nach vorn, ein Rid-
mwärtsfriechen ift ausgejchloffen, jo gut tie jede feitliche Drehung. Exjtere Bewegung fommt
überhaupt nicht vor, jeitliche Bewegungen werden durd) die Kontraktion der übrigen reichen
Muskulatur des Hautmuskeljchlauches auf der betreffenden Seite bewirkt, niemals aber
durch eine Abänderung im Spiel-der Iofomotoriihen Wellen. Dieje beruhen lediglich auf
Längsmusfelfajern, die in der Sohle, jveziell im Gebiete der Wellen, voriwiegen, und werden
durch eine ftrickleiterartige Anordnung der Fußnerven geregelt. Die jchiwierige Frage,
wie Längsmusfeln die Sohle vorwärtstreiben, anftatt nach gewöhnlicher Leiltung ver-
fürzend zu wirken, jcheint jich folgendermaßen zu Eären. Die Fajern mögen fich in der
Tat jedesmal im Gebiet einer Querlänge.verfürzen, in normaler Weije. Die Welle jchreitet
Dadurch fort, daß jedesmal Faferteile an ihrem hinteren Rande in derjelben Breite erjchlaffen,
wie an ihrem Borderrande gleichzeitig fich Eontrahieren und eritarren. Darauf fommt indes
hier nichts an. Wejentlich ift, daß fie in dem Wellenftüd, wie unjere Muskeln im ganzen,
unter Erhärtung [pindelförmig anjchwellen bis zu gegenjeitiger Berührung. Damit prejjen
jie das Blut oder die Hämolymphe, wie man hier die Körperflüffigkeit beifer noch benennt,
aus den Ziwijchenräumen heraus in die Nachbarichaft. Das ganze venöfe Blutjyitem beiteht
aber aus lauter gröberen und feineren Spalträumen, in welche fich die feinen Arterien-
äfte öffnen. Diejes zujammenhängende Shitem jteht unter dem ftraffen Drud oder Tonus
des gejamten Hautmußfelfchlauches. Sobald daher am Hinterrande der Welle Erfchlaffung
eintritt, jtürgt das Blut wieder in die geloderten Zmijchenräume. Das gibt einen Stoß
nad rüdmwärts. Kimafowicz beobachtete, daß Staubteilchen auf der frei nach oben ge=
haltenen Sohle von vorn nach Hinten gejchoben wurden. Das muß beim entjprechenden
Rüdjtoß auf Dem Boden den Körper de3 Tieres nach vorn treiben. Übrigens gleitet die
Schnede nicht eigentlich auf dem Boden, fondern auf dem Schleimband, das yon der am
Vorderende der Sohle gelegenen Fußdrüfe während der Beivegung unausgefeßt abgefchieden
und, tie jene Staubteilchen, nach Hinten gejchoben wird, wo e3 dann Deutlich alS Schleim-
jpur zurüdbleibt. Eine bejondere Bedeutung erhält es bei ven Wafferfchneden, wenn fie,
den Rüden nach unten gefehrt, am Wafjerspiegel dahingleiten, al3 ob das Wafjer Balken
hätte. &3 ijt das Schleimband, das auf der Oberfläche liegt und dem Tier um fo mehr
Stabilität verleiht, je länger e3 Hinter ihm zurückeicht. Allmählich exit quill’S auf und
berjchtoindet im Wafjer. Bejonderen Ummwandlungen des Fußes für freieres Schwimmen,
Springen, Graben, Feithalten und dergleichen werden wir im einzelnen begegnen, ebenfo
tie die Spannung des Hautmusfelichlauches, der Tonus, für mancherlei Hantierung maß-
gebend ift, unter anderem das Hervortreten der Begattungswerkzeuge beforgt.
‚Die durchweg weiche Haut der Körperoberfläche, durchjest von Yauter Bfutjpalten,
Allgemeines. 417
it der Nefpivation günftig, daher manche Gaftropoden lediglich durch Die allgemeine Körper-
dee atmen. Die Atemfläche Fan fich durch allerlei Hautauswüchje und Lappen ber-
größern, namentlich) am Mantelrande, am Kopf und an den Länggjeiten des Fußes über
der Sohle, in der jogenannten Epipodiallinie, auf die wir gleich zuriidfommen. Wo einer-
jeitS eine breite, dem Boden aufliegende Sohle, anderjeit3 eine große Schale den größten
Teil der Körperoberfläche der Atmung entzieht, da wird bei zunehmender Körpergröße,
mit der das Verhältnis zwiichen Körpergewicht und Oberfläche fich zuungunften der Teb-
teren bverjchtebt, die Gewinnung einer größeren refpiratorischen Fläche zum unabweislichen
Bedürfnis. Sie vollzieht fich in der Nähe von After- und Nierenöffnungen durch eine Yus-
höhhmg unter dem Mantel, die Mantelhöhle, die bei den eigentlichen Wafferjchneden,
den Border- und Hinterfiemern, die aus einer einfachen oder Doppelteihe von Hautblättchen
beitehenden Kiemen, bei den Lungenfchneden die Lunge ausbildet. Die Yeßtere findet
namentlich bei größeren Formen in einem dichten Nebmwerfe herbortretender Blutgefäße an
der Dede der Atenhöhle ihren Ausdrud.
Daß Ddiefe an die Mantelhöhle gebundenen Atemwerkzeuge die urjprünglichen fin,
wird. bezeugt durch ihre Verbindung mit dem Herzen. Wo bei altertiimlichen Formen zwei
Kiemen vorhanden jind, jchalten ich auch ziwei Vorfammern zwijchen jie und die Herz-
fammer ein, in der Regel führt nur eitte Borfammer das durch die Atmung gereinigte Blut
in die Herzfammer über. Man hat die Zagebeziehungen zwijchen dem Refpirationsorgan
und dem Herzen zur Einteilung benubt. Bei den Lungenjchneden und den Borderfiemern
liegt jenes vor der Herzfammer, bei den Hinterfiemern ift enttveder die Drehung noch nicht
jo weit gegangen, um die Mantelhöhle jo weit nach vorn zu jchieben, oder es ift nachträglich
Detorjion eingetreten, furz, die Mantelhöhle mit der Kieme ijt auf der rechten Ceite weiter
hinten gelegen und damit hinter dem Herzen.
Bielfach verbinden jich mit der Slieme Yofalifierte Drüfen in der Mantelhöhle, meift
zwilchen Kieme und Enddarm gelegen. Dieje „Hypobranchialdrüfe” jondert nicht nur Schleim
ab, ver die Erfremente mit nach außen führt, fie erreicht bisweilen noch eine Steigerung
als Farb- oder Burpurdrüfe.
Bon den Sinneswerkeugen fallen zunächit die Fühler auf, die aber weniger das Ge-
taft oder den Drudjinn al Hauptaufgabe haben, jondern, vielfach wenigitens, im chemi-
ihen Sinne twirten, al3 Geruchsorgane. Diejelben Nervenendigungen, wie tır ihrem Epithel,
finden fich in der ganzen Haut zerjtreut, was bei der Schleimhaut nicht mwundernimmt.
Daraus entwideln jich die bejonderen Drientierungsapparate nicht nur am Stopfe, fondern
ebenjo am Manteltand, dann in der erwähnten Epipodial- oder Seitenlinie, die bei marinen
Kiemenschneden oft Reihen von Taftern trägt, oder am Eingang der Atemhöhle, wo nicht
jelten neben der Kieme ein Geruchswerkeug al3 eine Leite entwidelt ijt, die der Stieme
ähnlich in Blätter gegliedert ift und früher auch als Nebenfieme gedeutet wurde. Wir
werden jehen, daß unter Umständen der vordere Fußkrand jchlechthin fchmeden Fann.
Die Kopfaugen, bald in der Haut gelegen, bald mit einem Fühlerpaar verbunden,
bald auch unter die Haut nach dem Hirn zu gerüct, lajjen eine eigenartige Enttoidelungs-
reihe erfennen. Shre einfachite Form ift ein offener Becher, auf dejjen Grumd fich der
Sehnerv ausbreitet, um in Sehzellen, mit Pigmentzellen untermifcht, zu enden. Die
Zellen jondern dann eine Fare Kutifula ab, die den Becher ausfüllt. Wenn fich Ddiejer
born über der Kutikula fchliegt, danır wird fie zur Linfe, der vordere Teil der gejchlofjenen
Augenblaje wird durchlichtig al3 Hornhaut. Sr der Linje fann fich eine fonzentrijche oder
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 97
418 Weichtiere: Schneden.
erzentrijche Schihtung einftellen. Führt fie zu einer bejonderen inneren fugeligen Erhärtung
hinter der Hornhaut, dann dient dieje als eigentliche Linje und der Neft zwijchen ihr und
der Neghaut im Grumde der AUurgenblafe als Glastörper. ©o ijt ein Abjtand zwijchen Linje
und Neghaut gegeben und damit die Möglichkeit vollfommeneren Sehens, da ein Bild
der Außenwelt auf der Nebhaut entiworfen werden fann. Gegenüber diejen verbreiteten
Kopfaugen fehlt es nicht an einer Gruppe von Nadtjchneden, die nach Art mancher läfer-
ichneden zahlreiche Nitdenaugen. von abmweichendem Bau tragen. Um jo überrajchenper:
it diefem Reichtum gegenüber der Nachweis, daß die Augen den meiften Schneden nur
wenig zu nüsgen jcheinen, ja daß das Tiernac) deren Amputation noch ebenjo lichtempfind-
lich bleibt wie vorher, indem die ganze Haut, am meiften das Kopfende, Licht und
Schatten zu unterjcheiven vermag, was man als dermatoptiiche Funktion bezeichnet hat.
Am weitejten geht Die Behauptung von Wung, daß bei der Weinbergjchnede die Sehzellen
gar nicht mit den Fajern der Sehnerven zujammenhängen jollen, daß das Tier, jo weit
das Auge in Betracht fommt, einfach blind ift.
Gehörfapjeln als Sleichgewichtsorgane oder Ctatozyjten fehlen bloß den yormen, die
ver freien Bewegung verluftig gegangen jind. Bom Hirn aus innerbiert, jind jie fait überall
eng an die Fußganglien herangerüdt, denen jte oft al3 Halbfugeln angedrüct jind.. Sie
enthalten einen großen oder zahlreiche Kleine Hörfteine. Bisweilen, namentlich bei den Stiel-
füßern, die im freien Ozean jchwimmen, erreichen jie eine Höhere Stufe der Differenzierung,
indem die Hörzellen, deren Wimperjpiel die Steine in zitternder Bewegung erhält, ji) zu
einer bejonderen Leilte zujammenjchliegen. Wirklichen Gehörs al3 Tonwahrnehmung tt
wohl Feine Schnede fähig. Denn das, was manche YLandformen von Tönen hervorbringen,
fommt wohl nur zufällig zuftande, ohne Die Schwelle brauchbaren Nubens für das Leben
des Tieres zu überjchreiten, Ausblajen von Luft aus der Lunge durch Ichlammigen Schleim,
itarfe Feilenbewegungen der Nadula und dergleichen. Trob mancher Angaben in der Lite-
ratur ift doch nirgends der Beweis erbracht, daß die Erzeuger folcher Qaute auf dieje oder
ähnliche Töne reagieren.
63 entjpricht der Ausbildung des Stopfes, daß am zentralen Kervenjyitem oder Schlund-
ring die Yerebralganglien iiber dem Schlund ftet3 qut ausgebildet find; ftatt der Tuß- oder
Vedalganglien Fommen dagegen auf niederer Stufe bei den Borderfiemern gar nicht
jelten noch Markitränge vor. Die VBiszeralfommijjur ijt bei den altertümlichen Formen
noch ziemlich lang, und damit hängt e3 zujammen, daß fie die alymımetrische Aufwindung
häufig gut zum Ausdrud bringt. Hier ift zunächit rechts und linf3 je ein Ganglion ein-
gelagert, das jeine Nerven an die benachbarte Naden- und Mantelgegend entjendet, das
Barietal- oder Seitenganglion. Gemäß der oben bejchriebenen Mantelverjchiebung rückt nun
das rechte mit dem entjprechenden rechten Teil der Biszeralfommiljur über den Vorderdarm
nad) links hinüber und das Iinfe unter den Darm nach rechts, jo daß die Biszeralfommifjur,
von oben gejehen und in eine Ebene projiziert, die Figur einer 8 bejchreibt. Man redet
dann von Nervenfreuzung oder Chiaftoneurie. Bei den Höheren Formen ift die Kommiffur
indes jo verfürzt, daß die Sreuzung nicht mehr zum Ausdrud fommt, wie denn allmählich
lich alle Nervenfnoten des Schlunpringes immer enger zujammen- und jchlieglich unter
allerlei Berjchmelzungen nach dem Zerebralganglion hinaufdrängen. Zur Berbollftändigung
mag hier darauf hingewwiejen werden, daß bei ven Gaftropoden das Hirn mit den Fuß-
ganglien jederjeitS Durch zwei Kommiffuren verbunden ift. Sm die eine ift wiederum
ein Nervenfnoten, das Wleuralganglion, eingelagert, von dem die Biszeralfommifjur
Allgemeines. 419
ausgeht, die aucd) ven Mantel verjorgt. Die Einrichtung ericheint jehr zwecfmäßig. Wenn
die Schnede aus dem Haus herausgefommen ilt, geht der Neiz zum Striechen vom Hirn
auf die Fußganglien iiber. Sit jie aber zurücgezogen, dann it alfein der Mantel der
Außenwelt zugefehrt. Die von ihm ausgehenden Reize gehen durch die Viszeralfommilfur
auf das Pleuralganglion über, too jie entweder direkt zu den Pedalganglien meitergeleitet
werden und Bermegung veranlafjen, oder nad)
vem Hirn als der allgemeinen Sentralitelle.
Schließlich magnochbemerft werden, daß auch
. der Schlundfopf mit der Radula fein bejon-
veres Ganglienpaar hat, das ebenfalls durch
Kommiljuren mit dem Hin verbunden it.
An den Verdauungswerkeugen ilt in
eriter Linie die Nafpel oder Radula, die
nur jelten fehlt, beachtensiwert, jchon weil fie
leicht, durch Auflöfen des Schlundfopfes in
Stalt- oder Natronlauge, frei zu legen und zu
unterjuchen ift. Da zeigen jich die allergrößten
Berjchiedenheiten in Zahl und Form der
Zähne, und Trojchel Hatte es jich zur Auf-
gabe gemacht, zunächjt einmal auf Grund
diejes Haren Merfmals die jchier unüberjeh-
bare Fülle der Gajtropoden zu ordnen und
in ein Shftem zu bringen. Wenn hir auch
davon abgefommen jind, auf Ddiejes eine
Merkmaldas ausfchließliche Gewicht zu legen,
jo bietet die Nadula doch noch immer den
Enjtematiker eine vorzügliche Handhabe für
die Erfennung der Veriwandtichaft und dem
Biologen für die Beurteilung der. Xebens-
weile und der Nahrung, ähnlich wie das
Gebiß der Säugetiere. Dazu fommen die
alferverjchiedenjten Mundbildungen: einfache
Mundöffnung, vorgejchobene Schnauze bis
zum förperlangen, ein- und ausjtülpbaren
Nüjjel, Dazu verjchiedene Hilfsapparate, harte
Kiefer, Bohr-, Gift-, Speicheldrüjen. Der
Darmfanal hat jehr verjchiedene Länge und
Shematifdhe Darftellung eine3 männlihen Kanımz
fiemers: a After, au Auge, e Zerebralganglion (Hirn), f Fuß,
hk Herjfammer, hy Hypobrandial= oder Schleimdrüje, k Kieme,
mh Mantelhöhle, n Niere, o Mund, op Dedel, os Dsphradium
oder Geruhsorgan, ot Gehörbläschen, p Fußganglion, pa Sei-
ten= oder PBarietalganglion, pe Penis, pl Pleuralganglion, r End-
davn, si Atemvohr, sr Samentinne, zwijchen dem Penis und
der münnlihen Gejchlehtsöffnung g‘, sub unteres, sup oberes
Shlundkonnektiv, t Fühler, v Viszeralganglion, vk SHerzs
vorkfummer.
Aufwindung, Gliederung in Schlund, ein- oder mehrfachen Magen, Dinn- und Enddarn,
nicht jelten ift ein Blinddarm vorhanden. Bejonders wichtig it die Bedeutung der Leber
oder Mitteldarmdrüfe. ES gibt wohl feine Gruppe wirbellojer Tiere, bei welcher der Abjtand
gegen unjere Leber jo Flar hervorträte. Denn es handelt fich nicht um eine eigentliche Drüfe,
die Berdauungzjäfte in den Darm abgibt, um die Nahrung zu löfen, jo daß fie vom Darnı
aufgejaugt werden fan. Allerdings bildet.auch bei den Gaftropoden die Leber jolhe Fer-
mente, aber jie ijt zugleich und in erjter Linie der Drt der Nejorption. Der Opetjebrei
tritt in ihre Hohlräume und Gänge ein md wird hier verarbeitet, der Darm fommt nur
25°
420 Weichtiere: Schneden.
nebenbei in Betracht. Damit hängt auch die merfwürdige Berzmweigung der Leber bei
vielen Hinterfiemern zujammen, mo jte zahlreiche Ausläufer in die Nüdenpapillen der
Epipodiallinie jchickt, die jtch nicht jelten jogar an deren Spibe nach außen öffnen.
Noch ein Wort über die Fortpflanzung im allgemeinen! Die Hinterfiemer, die
Lungenjchneden und die Flojfenfüßer find durchiveg Zivitter, ebenjo wie manche Border-
fiemer; und da don einigen der leteren nachgemiejen it, vaß man jie nur Fälfchlich lange
Zeit fiir getrenntgejchlechtlich genommen hat, weil fie zuerjt als Männchen und jpäter als
Weibchen fungieren, jo liegt der Verdacht nahe, daß das gleiche Verhalten bet noch mwei-
teren zutage fommen wird. Kurz, jchon jeßt jteht feit, daß weitaus der größte Teil der
Gaftropoden hermaphroditifch ift und die Menge der diözischen immer mehr zujammen-
Ihrumpft, jo daß man verjucht jein Fünnte, die Diözie ald Ausnahme zu betrachten.
Ebenjo jchreiten bei weiten die meilten zur Begattung. Nur im Meere gibt e3 eine
Anzahl Borderkiemer, welche die Zeugungsftoife ins Meer ausftoßen und die Befruchtung
dem Zufall im Wajjer überlajjen; eine Regelung tritt nur injofern ein, als Dabei das eine
Sejchlecht durch Die Anmwejenheit des anderen in der Nähe, die Jich in irgendeiner Aßeije,
vermutlich Durch eine Ausjcheivung, bemerkbar macht, auf chemotaftiichen Reiz aljo, zur
Entleerung jeiner Gier oder jeines Samtens veranlagt wird. Die Formen, von denen ein
jolches Benehmen mit Sicherheit feitgeitellt ift, jind entweder äußerft träge, wie die Napf-
jchneden, oder geradezu jehhaft. Wenn von jo beweglichen Gaftropoden, wie den Streijel-
ichneden oder Trochiven, ein gleiches angenommen wird, jo fehlt es doch nicht an Ihngaben,
wonach dieje einer Aute, eines Penis, feineswegs ermangeln. Da aber die Schneden jogar,
ipie wir jahen, eine Höchjt eigenartige Fortbewegung ausgebildet haben, jo liegt gar fein
Grund vor, die Sekhaftigfeit al3 den urjprünglichen Zuftand anzunehmen. Wenn daher
bei jenen trägen Tieren die Gejchlechtsprüfe einfach fich in eine Niere öffnet ud durch
dieje entleert wird, jo Fanı auch das nur als Vereinfachung gedeutet werden, und wir mrüjjen
annehmen, daß anfangs bejondere Gejchlecht3wege da waren. Zum mindejten mußte Die
rechte Niere jich jehr früh zu einem jolhen Gange umgewandelt haben, unter Verzicht auf
ihre eigentliche Aufgabe. Hier Herricht noch Unklarheit. Auf jeden Fall erhalten wir als
Regel vermwidelte Gejchlechtsimege. ES gibt jogar eine Anzahl Formen mit drei Gejchlechts-
Öffnungen, einer männlichen fir den Benis und zwei weiblichen, wovon die eine für die Be-
gattung, die andere für die Eiablage gebraucht wird. Nicht weniger reich ijt die Ausjtat-
tung der Gejchlechtsgänge mit allerlei Anhangspriijen, auf der weiblichen Ceite für Eimeiß-
zugabe zum Dotter, fir Schalen- und Laichbildung, wozu jelbjt noch eine Fußdrüfe in An-
jpruch genommen werden fann. Auf der männlichen Seite fällt bei vielen Vorderfiemern
die Doppelte Form der Samenfäden auf, von denen nır die eine, normale, zur Befruchtung
dient, während der Zived der anderen, wurmförmigen, unbekannt ift. Bei vielen Lungen-
jchneden, zumal auf dem Lande, wird der Same in eine Hilfe eingejchloffen und eine
Spermatophore gebildet, oft von verwideltem Bau. Sie erfordert befondere Drüfen-
abjcehnitte. Dazu fommen Neizorgane, Liebespfeile zumeift. Bei diefen Landjchneden ge-
jtaltet jich die Begattung mit ihrem VBorfpiel oft zu einem wirklich dramatischen Uft, dejjen
einzelne Bhajen befondere Erklärung erfordern in dem fonft jo einförmigen Leben. Brut-
pflege äußert fich in ganz verjchiedener Richtung. Nicht felten treffen wir unter Vorder-
fiemern und Qungenjchneden lebendiggebärende, zerjtreut im Syftem, oft einzelne Arten
einer jont eierlegenden Gattung. Die Eier haben, jo jehr ihre Größe wechjeln mag, doch
immer einen-ganz einen Dotter. Bei vielen entwicelt fich der Embryo ohne wefentliche
Allgemeines. 421
Verwandlung, wenn wir von den paarigen Exfretionsichläuchen oder Urnieren, einem Erb-
teil von den Strudelwiimern her, abjehen. Noch öfter tellt jich eine Metamorphoje ein,
indem die marinen, wie die oben befprochenen Stlafjen der Amphineuren und Sfaphopoden,
eine frei [hwimmende Larve haben, der Embryo der Landlungenjchneden aber voritber-
gehende Amungsorgane von großem Umfange ausbildet.
Noch eine Beziehung der Gajtropoden verlangt bejondere Aufmerkjamfeit, die zum
Wafjer nämlich. Sie erklärt vieles von dem, was eben bei der Fortpflanzung angedeutet
wurde. Da die Schneden die einzigen Weichtiere find, die auf dem Lande Sich heimisch)
gemacht haben, tritt diefe Beziehung bei ihnen allein in den Vordergrund. Die Schleim-
Haut trocinet leicht aus, jie erfordert daher das engite Anjchmiegen an die je.veiligen Zuftände
der Amojphäre, Mittel, um herabgejesten Wafjergehalt im Körper jchnell wieder auf das
vichtige Maß zu bringen, Mittel, um der Trodnis zu entgehen, Sommer- und Winter-
schlaf, Mittel, um Samen und Eier vor dem jchädigenden Einfluß der nicht genügend mit
Wafjerdampf gefättigten Luft zu jehügen, uw. Bei der Schale ijt fchon auf einiges Hin-
gewiejen. Sn erjter Linie fommen hier die Lungenjchneden in Frage und nicht die zu den
Borderfiemern gehörigen Landdedelichneden, denen das Dpereulum jederzeit hermetiichen
Abichluf geftattet. Sie find denn auch vorzügliche Wertmefjet oder Sndifatoren, wenn es
fich um die Abjchäbung des Klimas Handelt, und haben für die Tiergeographie Höchite Bedeu-
tung. Wir werden diejen Berhältniffen öfters begegnen. Wie aber der Wajjergehalt bei
einer Landlungenfchnede nach Zeit und Umftänden ftarfen Schwanfungen unterworfen jein
Tann, jo wechjelt er auch bei ven Wafjerschneden in weiteltem Maße, aber nicht bei vemjelben
Tier. Hier find die Unterjchiede feititehend geworden und Haben fich auf die Gruppen ver-
teilt. ©o fand fich bei Vorderfiemern etiva ein normales Verhalten, bei dem die Troden-
jubftanz reichlich 20 Prozent vom Gejamtgewicht des Körpers betrug, wobei natürlich Die
Schale ausdem Berjuch auszuschalten ift. Ganz anders bei ven Hinterfiemern. Bei Apiysia
fanf die Teodenfjubitanz auf etwa 4 Prozent, bei den nahe verwandten und jcheinbar
nicht weniger fompaften Pleurobranchiven gar auf 2 Prozent. Das ift aber ein Minimum,
das ettva an die Quallen erinnert, deren hoher Waffergehalt und leichte Zerfließlichkeit
allgemein befannt find. Uns fehlen Berechnungen über die Gegenfäße, die etiva eine Wein-
bergjehnece durchmachen kann, wenn fie im Winter möglichjt zufammenfchrumpft oder int
Sommer, unter Wafjer gebracht, unförmlich auffchwillt. Hier mögen die Gegenjäbe, Die
das einzelne Tier durchmacht, faum weniger groß fein, al3 wir jie vorhin bei Vertretern ver-
Ichtedener Ordnungen fanden.
Das führt uns auf die Syftematif. 68 wurde bereits ‘gejagt, Daß man nad) dei
Atmungswerkzeugen die drei Ordnungen der Lumgenfchneden, Border- und Hinterfiemer
aufgeitellt Hat. Dazu fommt al3 vierte die der Floffenfüßer oder Nuderjchneden. Bei
tieferem Eindringen fieht man, daß fich die Grenzen, namentlich zwijchen den drei erjten
Ordnungen, vielfach verwijchen. Immerhin ift diefe Einteilung als Grundlage ganz brauc)-
bar. Anders ftellt jich die Trage, in welcher Reihenfolge die Ordnungen zu nehmen jeien,
welcher der niedrigite, welcher der höchlte Nang gebühre. Wie die eben bejprochene Be-
ziehung zum Wafjer zeigt, fanıı man die größten Gegenjäbe, wie fie bei Vorder- und
Hinterfiemern herrichen, von den Lungenjchneden aus ableiten, wo jie unter Umftänden
im einzelnen Jndiviouum vereinigt find. Denjelben Gejichtspunft fann man für Die dver-
ichiedenen ©eiten der Drganijation verwenden. ©o reichen die iemen bei Den Border-
Hemern zunächjt nicht weit hinter in die Mantelhöhle, jondern treten am Rande auf. Sa,
423 Weichhtiere: Schneden.
bei der altertümlichen Pleurotomania ijt nachgeiviejen, daß im Hintergrunde die Dede och
die Struftux einer Yunge Hat. Wie wir jehen iwerven, gehört jie zu den älteften Weich-
tieren, von denen verjteinerte Nejte auf uns gekommen find. Sie liefert damit zugleich den
Berveis, daß wir uns in der Schäßung primitiver Formen nicht der nur wenig auf Die
Paläontologie verlafjen können. Erhalten wurden naturgemäß in erjter Linie Wleeres-
jchnecfen, amı beiten folche mit verben Oehäujen. Süßtwaljer- und Landjedimente, bei weld)
leßteren man an Lößbildungen zu denken hat, wurden am leichtejten wieder abgetragen,
da fie am oberflächlichiten liegen. Dex exite Gefichtspunft erklärt es, daß die Vorderfiemer
mit derben Gehäufen in den alten Schichten weit mehr herbortreten als die. meijt zart-
ichaligen oder nadten Hinterfiemer. Für die Lungenjchneden genügt der Beweis, daß jie
bereits in paläozoiichen Ablagerungen vertreten find, auch wer er fich nur auf vereinzelte
Borfommnijje jtügen fann, um ihnen ein ebenjo Hohes Alter zuzujprechen wie den marinen.
Wir fönnen aljo auc) die Baläontologie faum für die Ubjchäbung des relativen Alters ver-
werten. Sp geht es aber mit allen Merkmalen, jobald wir jte näher ins Auge fajlen.
Überall zeigen fich Sonderanpafjungen in Hülle und Fülle, aber fein beftinmter Fingerzeig,
welchen Weg wir einzufchlagen Haben, um den großen Gruppen ihren gebührenden Nang
anzumeijen, eher jchon, öfters wenigjtens, innerhalb der Ordnungen.
Srite Ordnung.
Borderfiemer (Prosobranchia).
Die Bordertiemer bewohnen die wärmeren Gegenden des Landes, das Meer aber
in allen jeinen Teilen, ebenfo das Süßwaljer. Da bisher unter ihnen, joweit jie am Boden
leben, nur eine einzige Heine Nadtjchnecde, Titiscania Bergh, befanntgeworden ijt, Die nod)
Dazu dem Stillen Dzean angehört, und außerdem nur die Yamellariiden ihre Schale ganz
in den Meantel einjchließen, jo haben wir e$ mit einem ungeheuren Schalenreichtum zu tun,
der in den tropiichen Meeren bejonders anjchwillt.
Zur Shltematischen Drientierung lafjfen jic) verfchievene Merfmale benuben, die
Atmungs- und Sreislauforgane, das Nervenjyiten, Die Nadula. Bei ven altertüml ichften
Gruppen finden wir in der Mantelhöhle zu den beiden Seiten des Afters zivei Stiemen,
und dazu gehören zwei Borfammern am Herzen. Aber Diejes Verhältnis ändert jich Schon,
- jobald man die nächjten Verwandten Hinzunimmt, die, obwohl ihre übrige Organtjation
gut ütbereinftimmt, die rechte Stieme und VBorfammer eingebüßt Haben; etwas länger er-
hält jich bei ihnen die rechte Niere, die jogar anfangs bei der Harnabjcheidung die Haupt-
aufgabe übernimmt. Wo nur noch eine Kieme vorhanden it, bei den Kammkfiemern over
Ktenobranchien, bejteht jte fat immer aus einer einfachen Reihe dichtgedrängter Kiemen- _
blättchen. Das Nervenjyitem verrät, wie wir jahen, einen altertümlichen Zultand Dadurd),
daß die Fußganglien als Markftränge erhalten und noch nicht zu abgejonderten Nerven-
Inoten fonzentriert find. Da aber diejer Charakterzug nicht nur bei den Formen mit Dop-
pelter stieme, jondern auch bei Kammkemern |prungmweije auftaucht, jo eignet ex jic)
gleichfalls wenig zur Soitematischen Einteilung. Um jo bejjer dagegen die Zungenbewaff-
nung, die mit der Art der Nahrungsaufnahme zujammenhängt. Wiewohl auch hier einige
Ausnahmen vorkommen, jo halten fie fich Doch in mäßigen Grenzen, und man ann unter
alten Umftänden an der Rapdula, joweit fie vorhanden ift, die Zugehörigkeit zu einer der
grogen Gruppen erfennen. Wir unterjcheiden die folgenden:
Vorderfiemer: Allgemeines. 423
Die Dofoglofjen oder Balfenzüngler (Fig. b) haben eine mäßige Anzahl länglich
rechtediger Blatten in jeder Duerreihe ihrer Nadula. Yon diejen tragen einige, rechts und
(inf jymmetriich, eine jtarke, dunfle Conchin= oder Chitinauflagerung, die den Namen ver-
anlaßt hat. Die Nadıla fan fich zu einer Schneide erheben, jo daß durch Zujanmten-
wirken bon vecht3 und finfs eine derbe Zange entiteht.
Bei den Rhipidoglofjen oder Fäherzünglern (Fig. a) unterjcheiden mir den
Mittel- oder Rhadhiszahn, dem jederjeits die Lateral- oder Seitenzähne und nach außen die
- Marginal- oder Nandzähne folgen. Die Randzähne jind jehr zahlreich, zu Hundert, dabei
Ihmal und |chlanf und oft
mit den freien Enden fächer-
artig auseinandergefpreigt.
Die wenigen Geitenzähne
ind meilt untereinander ver-
ichieden und jeder einzelne
wohl gefennzeichnet, jie bil-
den Ivieder eine Zange.
Beiden Tänioglofjen
oder Bandzünglern (Fig. ce)
linkt die Zahl der Zähne tı
der QDuerreihe auf fieben
herab, meijt drei meljerfür=.
mige Geitenzähtte jederjeits
neben dem Mittelzahn. Das
erlaubt einen vieffeitigen
Gebraud).
Die Nhachigloijen
oder Shmalzüngler (Fig.
e) haben in der Negel nur
ven Ahachiszahn ausgebildet,
manche Dazu noch) jederjeits Sechs Rabulae: a Neritina, eine Duerreihe von Sägen, b Patella, Tinte gätjte
einen Seitengabt. Cie find ent Sa car meh Nu Ur Sankt, cn, wu ehe
3 2 ner Zahn. Aus Bronn, „Klaffen und Ordnungen des Tierveichd‘, 3. Band, 2. Abt.,
Durchiveg Räuber. lee
Beiden Toroglofjen
oder PVfeilziinglern (Fig. f) fehlt der Mittelzahn. Von jeder Querreihe it nur ein
Seitenzahn entiwidelt, abtvechjend der rechte und der Iinfe. Co entfteht eine eigenartige
Kette. Zeder Zahır beiteht aus einer Platte, die wie eine PBapierrolle zujammengedreht
it. Das freie Ende trägt Widerhafen. Durch die Rinnen oder Röhren fließt bein Ge-
brauch zugleich der Saft einer Gifidrüje ab.
Die Ptenoglojfen oder Federzüngler (Fig. d) haben das gleichmäßigite Gebik
von allen. Der Mittezahn fehlt. Die zahlreichen Zähne find einfach Ihlank-pfriemen-
fürmig, die freien Spigen, wie überall, nach hinten gerichtet, ein typijches Raubtiergebiß.
Die AUglofjen oder Zungenlofen jind feine zufammengehörige Gruppe. Der
Verlujt der Radula fan eben an verjchiedenen Stellen des SHftems eintreten, meijt in-
folge von Parafitismus, der bei ven Schnecden bisher nur in wenigen Fällen einwandfrei
vachgeiwiejen wurde. \
454 Weichtiere: Schneden.
1. Unterordnung: Balfenzüngler (Docoglossa).
Überall in der Gezeitenzone des Meeres figen am Fellen die trägen Napfichneden
oder Vatellen (j. die untenjtehende Abbildung und Tafel „Weichtiere I”, 2 und 3), die hier
ihr eigentliches Nevier haben, wenn auch die Ausläufer nach verjchtedenen Richtungen gehen,
eine ind Brackwafjer der Flüffe, eine ganz kleine Form, Bathysciadium Pels., jelbjt in die
Tieffee, two auf dem gleichmäßigen Echli der Siefer eines vermweiten Tintenfijch>& noc)
eine feite Unterlage gewährt. Sich feitfaugen in der Brandung, das ift das Lebenselement.
Die flach fegelförmige Schale, deren Spike erzentrijch vor ver Mitte fiegt, paßt ich dem Ge-
jtein vollfommen an; jelbjt dann, wernm diejes rau)
ift und die zerfrejjene Oberfläche einer jchlacigen
Lava Hat, wird der Schalenrand entjprechend un-
regelmäßig und zacıg, jo daß er ftet3 volfitändig
jich der Unterlage anjchmiegt. Sbald man Die
Schnede berührt, preßt fie die Schale mit großer
Kraft an den Boden an, und Schon Neaumum hat
erprobt, daß ein Gewicht von 14—15 kg erfor-
verlich ift, um die Haftkraft der gemeinen Patella
vulgaris Bel. zu überwinden. Gelingt es, einen
steil zwilchen Schale und ©tein zu treiben, jo paj-
jiert e8 einem bei dem Berjuch, Durch Hebelmir-
fung die Schale mit dem Tier abzulöjen, nicht
jelten, daß der Körper mitten Durchreißt, Fuß und
Kopf bleiben am Gtein, die ©chale mit dem
Mantel und dem größten Teil der Eingemweide ijt
Algerifge Napfidnede, Patella algira Lam, abgetrennt. Gibt die Schnede dagegen mit er-
I Manet, © Mione, a Sana, e Hüper, Hobener Schale, fo dal; der Kopf und die Geiten-
teile des Körpers frei Tiegen, dann genügt ein
leichter jeitlicher Schlag, um das Tier von feiner Gtelle zu entfernen; jo machen es die
Sicher, welche die Schnede zum Küchengebrauch einfammeln wollen.
Man Hat jich geftritten, wie Die Befeftigung zuftande fommt, ob ein zäher Schleim
ven Fuß gemiljermaßen anleimt, oder ob bloß die Saugfraft der Muskulatur wirfam ift.
Nach neueren Unterjuchungen fcheint es in der Tat, daß zunächit eine geringe Menge
Schleim aus vielen einzelligen Hautdrüjen der Sohle ausgejchieden wird, aber nicht um
eigentlich als Stlebmittel zu dienen, fondern um zunäcdhlt alle Lüden zwifchen Sohle und
Stein auszufüllen. Danıt jeßt die Tätigkeit des ringfürmigen Schalenmusfels, der nır vorn
durch die Heine Mantelhöhle unterbrochen und fonit Hufeifenförmig ift, mit aller Kraft ein.
So gejchieht e3 bei jeder Brandungswelle, dauernd aber, wenn Das Tier zur Cbbezeit dem
Sornnenjchein ausgejekt ift. Das Hat zu einer Art Symbiofe mit anderen zarthäutigen
Tieren, ‚vie e8 5. B. die Strudelwürmer find, geführt, die fich während derfelben Zeit unter
den Manteltand der Patella flüchten und hier eine Stelle finden, die dauernd naß bleibt.
Die Atemhöhle enthält bei ven echten Patellen feine Kieme, jondern ift eine Lungen-
höhle, die gelegentlich in der Tat noch Luft aufnimmt. Bei verwandten Gattungen treffen
wir indes darin eine gefiederte Nadenkieme, jo daß hier nur echte Kiemenatmung befteht,
die ja bei den Formen aus tieferem Wafjer jelbftverftändlich ift. Sn jedem Falle aber
Weichtiere 1.
2. Oben: Napfichnecke, Patella granularis Z. (S. 424): links von der Bauchieite, rechts von der Rückenieite; in der Mitte:
2 Stücke des Seeigels Psammechinus microtuberculatus B/v. (S. 368). Verkleinert. Dr. Grimpe phot. — 3. Napfichnecke,
Patella sp., von oben geliehen, jigend. Nat. Gr. S. 424. H. Main-London phot.
4. Ein Stück von der Radula der Kreifelichnecke, Trochus cinerarius Z. Vergr. 22:1. S. 430. H. Main-London phot. —
5. Seeohr, Haliotis Z., von innen und außen geiehen. Nat. Gr. S. 427. H. Main-London phot.
6. Kinkhorn, Buceinum undatum Z., halbwüchüg. S. 452. — 7. £Laich vom Kinkhorn, Buccinum undatum Z. 2/3 nat. Gr.
Prof. W. Köhler-Tegel phot. S. 456. — Prof. W. Köhler-Tegel phot.
|
|
[2 LE et L x Be EIER ER N
8. Verichiedene Anpafiungsformen der Gemeinen Schlammichnecke, Limnaea stagnalis Z., von denen die kürzeite in der
Uferregion des Bodeniees-lebt. Nat. Gr. S. 470. Nach Dr. ©. Buchner (Mitt. aus dem Kgl. Naturalien-Kabinett zu Stuttgart, 1916).
9und 10. Testacella haliotidea Drap., oben mit eingezogenem’Kopfende, unten 11. Eier von Testacellahaliotidea Drap.
kriechend. Nat. Gr. S. 479. — H. Main-London phot. Nat. Gr. S. 482. — H. Main-London phot.
Vorverkiemer: Balfenzüngler. 425
erjcheint die Atemhöhle zu Hein, um der Atmung zu genügen. Darum find rings unter
dem Mantel jefundäre Hautfiemen (c in der Abb. auf ©. 424) gewachjen, die der Gruppe
auch den Namen der Streisfiemer eingetragen haben. Der Kopf trägt eine furze Schnauze
und zivei pfriemenfürmige Fühler. Gegen deren unteres Ende fiten die Mugen, die hier
noch den oben (©. 417) gejchilderten primitiven Zuftand des offenen Becher bewahrt haben.
- Auch der Mantelvand ift meift gefranft, d. H. mit funzen Taftern ausgeftattet.
Aus der vollfommenen Anpafjung der Schalenränder an die glatte oder unebene Form
des Feljens möchte man jchliegen, daß die Schnede ihren Drt niemals verläßt, daß fie feR-
haft it; und man hat den Schluß oft genug gezogen. Er hat ich aber al3 Srrtum erwiejen.
Vielmehr machen die Tiere nächtliche Wanderungen von Meterlänge. Das Merfwürdige it
nur, daß jie Dabei, immer in bejtimmter Weife nach links Friechend, endlich an den Aus-
gangspunkt zurückkehren und fic) am alten Slede genau in der vorigen Weife mwieder hin-
jegen, ein wunderbarer Ortsjinn, vermutlich allerdings unterftüßt durch die regelrechte Ab-
weichung von der geraden Nichtung beim Sriehen. Sie führt wohl das Tier ichließlich
wieder an die alte Stelle, wie der Haje vor dem verfolgenden Hund in viel größerer Sreis-
bewegung jhließlich auf großem Umwege zuriidfehrt und ins Lager einjpritigt. Dieje Ort3-
jtetigfeit, daS „Homing“ der Engländer, ijt jest mannigfach näher unterfucht, und es hat fich
ergeben, Daf es einer gründlichen Ummandlung der Wohnftätte während der Wanderung
bedarf, um die Schnede nad) der Nückehr zum Aufjuchen eines neuen pajjenden Wlabes
zu veranlaffen. Übrigens wird die Wohnung Teinesmwegs an jedem beliebigen Orte auf-
gejchlagen, wenigjtens nicht bei den in der Gezeitenzone lebenden Arten. Für jte ijt das
Bedürfnis der Schleimhaut nad) möglichiter Cättigung der Luft mit Wafjerdampf maß-
gebend; Daher werden Spalten oder die Schattenjeiten der Stlippen bevorzugt. Die bor-
zugeweile nächtlichen Wanderungen dienen zur Befriedigung des Hungers. Die Schnede
weidet während der Bewegung den Teljen ab. Cine Fraßipur verrät ihren Weg; denn
jolange das Tier Friecht, ijt Die Nadula in Tätigkeit. Als Nahrung wird alles dienen, was
auf vem Feljen haftet, nicht größere Pflanzen, wie Ulvden und Fucus, jondern in eriter
Linie Heine Organismen, wie te auch den Käferichneden zur Beute fallen. Eine Pflanze
wird Dabei wohl auch mit aufgenommen, aber nicht in erjter Linie aufgejucht und abgeweidet,
jondern das Abrafieren des harten Steingrundes jteht im Vordergrund. Db Dabei eine
bejondere Auswahl nach dem Gejchmad getroffen wird, wiljen wir noch nicht. Für jolche
Nahrungsweije it nun die Nafpel mit ihren derben, plumpen Schneiden ein vorzüglich
geeignetes Snjtrument; ihre Dielen Zähne entiprechen dem abzufchabenden Feljen mit jeinem
Überzug, der in der Brandung nicht weniger feithaftet als die Schnede jelbjt. Solche
Tätigfeit aber bedingt eine bejonderz fchnelle Ahrubung, die ebenjo vajchen Erjas erfordert.
_ Daher ift die Radulafcheide, in der die Zähne gebildet werden, ganz außerordentlich lang,
fie erreicht wohl Körperlänge und wird fpiralig eingerofft, um in der Leibeshöhle Plab zu
juwen. Der Nahrungswert der kleinen Lebewejen, die jo vom Feljen gewonnen werden,
i‘eint gering, da fie alle eine die Körperhitlle befigen. Das dürfte der Grund fein für die
außerordentliche Länge des Darmes, der in der Leibeshöhle innerhalb des Schalenmusfels
vielfache Windungen bejchreibt, um ich in der Atemhöhle auf der Afterpapille zu öffnen.
Tür die Fortpflanzung bemegt jidh die Schnede nicht vom Fled, denn es findet feine
Begattung ftatt. Vielmehr werden die Jeugungsitoffe frei durch die rechte Niere entleert
und finden fich im Seewaifer zufammen. Die Gefchlechter find getrennt und Yafjen fich bei
manchen Arten leicht unterfcheiden, nicht durch jehmdäre Gejchlechtsmerfmale, die hier
426 Weichtiere: Schneden.
feinen Sim hätten, jondern durch die verjchiedene Zarbe von Eierftod und Hoden, grün
oder gelb. ES hat fich neuerdings gezeigt, daß die Diözie auf feinen Fall ducchgreift, jondern
dat Proterandrie Herrjcht, mindejtens bei gewiljen Arten; die Gejchlechtsprüfe erzeugt exit
Samen, jpäter Eier. Aus den Eiern gehen frei Schwimmende Larven mit Wimperichopf,
Segel und rundlicher Schale hervor, an melcher der Weichförper noch, mit einfachen
Spindelmusfel haftet. Da aber die Art des Feitiegens und der weiteren Umwandlung -
noch nicht genügend erforscht ift, wollen wir uns hier nicht weiter darauf einlafjen.
Wir wollen lieber noch einen Blid auf die Schalen werfen, die oft jchön ftrahlig ge-
zeichnet find. Meift allerdings find fie unfcheinbar, die in der Brandung, mit allerlei orga-
nischem Überzug, wie der Felfen jelbjt. Doch fommen auch andere Schalenbildungen vor,
io bei der feinen Patella (Heleion Montf.) pellucida Z. von unjeren Küften. Sie hat den
Felfen verlafjen und ift auf die Fufoideen übergetreten. Damit ift ihre Schale dünn und
direchjcheinend geworden und hat wunderbare, blaugrün irijierende Streifen ausgebildet,
die fie dem von der Sonne beleuchteten jchillernden Tang ähneln läkt.
3, Unterordnung: Yäderzüngler (Rhipidoglossa).
Die Heinften find Tierchen von wenigen Millimetern, die größten übertreffen noch die
Größe einer dexrben Fauft. Ziwifchen beiden Ipannt fich eine reiche Gruppe aus, deren Schale
durch ihre Perlmutter-HHpoftrafum bereits das hohe Alter bezeugt. Wo der Glanz verblaßt,
geht er doch nur in einfaches Weiß über. Verfolgen wir die Schale rircwärts in der Erd-
geichichte, da ift e3 namentlich eine Form, die in vielfachen Abänderungen von den paläo-
zoifchen Schichten an durch die verjchiedenen Perioden hindurch geht, die Pleurotomarıa
Defr. Man hielt fie indes für ausgeftorben. Da Fam vor noch nicht einem halben Zahr-
hundert an der wejtindijchen Küfte ein Eremplar zum Borjchein, jedoch tot; das Gehäufe
war von einem Einfiedlertreb3 bewohnt und von ihm aus der Tiefe an die Oberfläche ge-
bracht worden. Denn es hat jich gezeigt, daß diefe Art unterhalb der Litoralvegion zu Haufe
itt. Das gleiche gilt von den verjchiedenen Verwandten, die inzwischen von der ojtaliatijchen
Küfte, von den Philippinen bis Japan, allmählich befanntgeworden find. Leider fennen toir
die abyifiichen Gründe, die fie bewohnen, nicht, denn jie werden von den \yapanerır ge-
heimgehalten, um die Preife der begehrten Objekte nicht plößlich finfen zu lajjen, daher jie
das japanische Volt Millionärjchneden getauft hat. Aber dabei ift es nicht geblieben. Wäh-
rend jene ehrwiirdigen Nefte in der Tiefe fich auf zwei Stellen bejchränten, ift jet der
Nachweis geführt, daß die Familie der Pleurotomariiden noc in einer weiter umgemwan-
delten Gattung auch in der Uferzone der wärmeren Meere weit verbreitet ft, tr Halotis
L. nämlich, dem Seeohr. ©o find wir in der glüdlichen Lage, die anatomijchen Bearbei-
tungen, die uns Bouvier und Martin Woodward von den PBleurotomarien der Tiefjee ge-
fiefert haben, mit dem zu vergleichen, was uns in der befannteren Haliotis jederzeit zu
Gebote fteht. Die Schlikichnede, iwie wir die Pleurotomaria nennen fönnen, hat ihren
Namen von einem schmalen, langen Schlik in der Echale, der etwa in der Mitte der Aupen-
(ippe beginnt und fich parallel der Naht bi3 weit auf das Freijel- oder fugelfürmige Getwinde
hinaufzieht. Ex führt in die Nantelhöhle. An feinem Ende liegt der After; der Schlig dient
aljo Hauptfächlich zue Entfernung der Fäzes. Nechts und links neben dem Schlit ftegt eine
gefieverte Kieme. Da nun eine folche Einrichtung feineswegs zu den urjprünglichen Mert-
malen der Mollustenjchale gehört, jo Haben wir uns nach ihrer Entftehung umzutun. Und
da fommt uns die bereits erwähnte Entdedung zuftatten, daß die Dede der Atemhöhle Hinter
VBorderfiemer: Fächerzüngler. 427
den Kiemen ein Lungengefäßneb trägt. Damit ist das Rätjel gelöft: der Ahn der Schnede
lebte offenbar als Lungenjchnede auf dem Lande. Denn wir werden jpäter jehen, daß aud -
eine unbezweifelte echte Lunge jich, unbejchadet ihrer Funktion, mit Waifer füllen fanıı. Die
fieine Schnede ift dann ins Meer geraten und mweitergewachien, ohne daß jich der After in
gleichem Tempo mit verjchob. So hat der Manteltand bei jeiner Zunahme jich über dem
After eingebuchtet, um die Erfremente jchneller zu entlajjen. So ift der Schliß entftandeır.
‚Haliotis hat in der Jugend denjelben Schliß, aber er wird durch Schalenjubitanz ütber-
brüct und zum Loch gejchloflen (j. Tafel „Weichtiere I", 5, bei ©. 424). 3 ift der gleiche
Borgang, nur an anderer Stelle, wie wir ihn bei Schizodentalium fennenlernten. All
mählich jchließen jich ver Schi und die Vöcher von oben her, und es bleibt nur noch eine
Reihe von Löchern in der Nähe der Mündung. Übrigens ift die Schafe von Haliotis noch in
anderer Richtung umgewandelt, abgeflacht und ausgeweitet, ohne eigentliche Spindel. Damit
hat ji) auch) der Schalenmusfel geändert; an Stelle des Spindelmusfels finden wir einen
derben Muskel, der an der Unterjeite des lebten Um-
ganges der Schale entjpringt und an leeren Gehäufjen an
jenem rundlichen Eindrud zu erfennen ift. Die Berlage-
rung hat auch auf den Eingemweidejad umbildend gemirft. 2 AR
Die Schlisbildung führtin einer anderen Richtung zu I. E
einer eigenartigen Entivieelungsreihe. Emarginulalam. _ ent
hat einen Furzen Schlib an dem gewundenen Gehäufe. ae
Bei der Fleinen Seissurella Orb. jhließt er ji an Der greisersänese, Trochus (Galliostoma)
Yußenlippe, fo Daß ein einfaches Doch bleibt auf dem Eynir Ku Kae kan oe
legten Umgange nahe der Mündung. Bei Fissurella geipzig 1896.
Lam. vüct diejes Loch auf die Spige einer fegelfürmigen
Schale. Das furze Gewinde geht verloren. Dem Schalenloch entjpricht ein Loc) im Mantel,
der ein furzes Rohr nach augen Hindurchitedt. Hier mündet der After. Dabei hat das Tiex
jeine Ajymmetrie aufgegeben, bon der einfeitigen Ausmündung der Gejchlechtsprüjen ab-
gejehen, und ift jo weit jymmetrijch geworden, daß beide Stemen in gleihem Abjtand von
der Mittelebene gerade nach vorn gerichtet find. Damit hängt dann die gleichmäßige Stegel-
form der Schale zufammen. Man hat die Art früher, jo noch in der vorigen Auflage diefes
Werkes, zu den Napfichneden geftellt, aber die Entwidelungsgejchichte hat inzmwijchen die
Zugehörigfeit der Fisurella zu den Fächerzünglern jtchergeitellt.
| Bei einer anderen Reihe ift der After weiter nach der Mündung zu verlegt, und damit
it der Chhliß verjchwunden, womit auch die rechte Kieme und Niere in Wegfall gefommen
find. Hierher gehören: Trochus Z., die Sreijel- vder Edmundfchneden, mit Treijel-
fürmigem Gewinde und rautenförmiger Mündung, Turbo Z., der RAundmund, mit mehr
fugeliger Schale, und ähnliche, 3. B.: Delphinula Zam., die aber allerlei Zierat von Leiften,
Knoten und Blättern auf der Schale trägt. Phasianella Zam., mit länglicher glatter Schale;
erinnert a viele Landfchneden, Bulimus z.B. Beiden Heineren Reriten undNeritinenmit
ihren derben Schalen haben wir die größeren Vertreter im Meer, die Heineren im Süßmajjer.
An teopiichen Küften lebt eine Form jogar außerhalb des Wafjers im Mangrovegebiet auf
Bäumen, denn für die Amung ift es gleichgültig, ob die Luft mit Wajjerdampf oder das
Wafjer mit Luft gejättigt ift. In den Sturzbächen der Injehn des Indischen Ozeans tft
eine Ummandlung eingetreten injofern, al das Tier gezwungen wurde, jich feit anzujaugen.
©o ift ducch Abflachung- aus Neritina die Nacella Schum. entjtanden, die ihren Dedel nie
\
Sg
428 Weichtiere: Schneden.
mehr gebraucht, jo daß er von der Haut überwachjen ift. ES ift daS um jo auffälliger,
als in der Negel bei den Fächerzünglern das Dperfulunt bejomders ftarf ausgebildet ift.
Die Ciiwaljerformen erreichen ihren nördlichiten Bunft bei uns in Deutjchland, wo
die Feine, mit zierlicher Gitterzeichnung verjehene Neritina fluviatilis Müll., die man
winderlicherweile al3 „Schwimmijchnede” bezeichnet, jelbjt in die Dftjee übertritt (j. Fig.).
Sm Flußgebiet der Donau kommen bereit3 neue Arten hinzu. Auf die Heinen Helicinen,
die ganz auf vem Lande leben, fommen wir jpäter zurück.
Sn den Tropen gehen auc) große Irten von Turbo bis in die oberjte Flutgrenze
wenigjtens Hinauf, womit jie eine bejondere Lebenszähigfeit erwerben müjjen, jo der
‚in Oftindien heimijche Turbo pagodus
T.-W., die Bagode oder der papua-=
niijche Sreifel. Das Tier Hält jich
oberhalb des Wajleripiegeß an den
Klippen auf, wo e3 nur von der Bran-
dung beiprigt wird. Numph („ver alte
Numphius”) erhielt, w.e er in jeinerIm- _
boinjchen Raritätenfammer berichtet, die
am Strande von Nujjanive gejammel-
ten Stüde über 7 Monate ohne Wajler
und Nahrung lebendig; ein anderes&tüd
Sn 2 = Sebte nach einem Jahre Einjperrung
Delphinula laciniata Zam. Natürliche Größe. noch. Ar Dieje Zähigfeit nüpfte jich
der jonderbare Gebrauch) der Eingebore-
nen, dieje Schneden in ihre Stleiverfaften zu legen, um, wenn Das Tier vor der ge-
wöhnlichen Zeit jtarb, ein Zeichen zu Haben, daß etwas aus den Behältnijjen gejtohlen jet.
Bom Weichkörper ift ein ziemliches Gleichmaß der Umtriffe zu melden. Die Tiere jind
durchweg Bodenjormen mit derbem Fuß. Bei den meilten ift der Mund zu einer Schnauze
verlängert. Oolcher Einförmigfeit fteht ein großer morphologijcher Reichtum
gegenüber in den Sinneswerkzeugen der Epipodial- oder Geitenlinien, zu denen
in diefer Gruppe fehr deutlich auch die beiden Kopftentafel, mit den Augen an
Gemeine ihrem Sodel, gehören. Denn es finden fich bei manchen auch noch auf der Stirn
sanee über der Schnauze fürzere fühlerartige, bisweilen verzweigte Anhänge in einer
viatilis man Nie, welche die beiden Stopffühler verbindet und durch eine Hervorragende Leijte
"ee oder alte gefennzeichnet fein fan. Die Falte erftrect fich weiter auf ven Fuß
bis nach) Hinten zu den ©eiten des Dedels. Sr vegeliechten Abjtänden trägt
jte Fühler, jederjeit$ vier und mehr. An deren Bajis ftehen bei Trochus noch Eleinere
teulenförmige Tafter, bei manchen erjegt durch einen dunklen PBigmentfled, den man eine
geitlang fir ein Auge hielt, bis Pelfeneer den Srrtum aufflärte. Alle diefe Fühler und
Zajfter jind reich mit Sinnestnojpen bejett. Bei Haliotis fteigert fi) ihre Zahl ins Unend-
liche, wir erhalten rings um die flache Schale einen dichten Tentafelfranz, untermifcht mit
gelappten und verzweigten Anhängen, die man für jefundäre Siemen hält.
Fuß und Fühler lajjen mancherlei Befonderheiten erferinen in ihrer Tätigkeit. Sehen
wir uns zunächjt einmal eine Haliotis im Neapler Aquarium auf ihr Benehmen hin an!
göjen wir eine Schnecke mit großer Gewalt von der Unterlage, wobei oft Stide des Glas-
fittes abveigen und.an der Sohle Hängenbleiben, jo Frümmt fi) die Sohlenfläche an dem
Vorderfiemer: Fächerzüngler. 429
auf dem Rüden hegenvden Tier zunächlt ein, indem die Seitenwände überquellen. Dann er-
folgen Berjuche zur Wiederaufrichtung, ähnlich wie bei Schilöfröten. Die Enden des Fußes
jteeefen jich feitiwärts und juchen einen Berührungspunft. Trifft das Hinterende zuerit ar
die jenfrechte Olaswan, jo haftet e3 jofort und dient al3 Angelpunft, von dem aus die ganze
Sohlenfläche an die Wand fommt. Das gleiche geichieht, wenn zuerit das Vorderende be-
rührt. Noch auffälliger ft es, wenn zufällig Border- und Hinterende gleichzeitig die Glas-
scheibe treffen. Dann jaugen jich beide feit, aber bei vem Berfuch, jich mit Hilfe der beiden
Anhaftungspunkte aufzurichten, reißen beide Enden wieder 103, und die Schnede finkt in die
Hüdenlage zurüd, wiewohl man doch gerade jett geglaubt hätte, das Aufrichten müßte
am leichtejten gelingen. Jeder Berüihrungsteiz lölt offenbar gleich das Anjaugen aus; aber
es icheint, daß der jtarfe Echalenmusfel oder Adduftor jeine volle Kraft nur entfalten fann,
wenn er von einem Ende aus gereizt wird, don dem dann die Zujammenziehung auf die
Kachbarteile fortichreitet. Die Zerjplitterung des Neizes Ihwächt die Wirkung, wobei es
dahingejtellt bleiben muß, ob der Grund in der Muskulatur oder in den Nerven liegt.
Hat die Schnede wieder feiten Boden gewonnen, jo daß die Sohle der Glasiwand feit
anliegt, jo beginnt fie wohl zu riechen. Freilich jah Simroth nur jo langjame Bewegungen,
daß in 5 Minuten etiva 6 cm zurückgelegt wurden, da er verfäumt hatte, den eriten Erreger
von Tluchtbewegungen bei marinen Vorderfiemern hinzuzujegen, ihren grimmigjten Feind
nämlich, einen ©eejtern. Dabei ijt meijt eine Halbierung der Sohle in der Weile aı-
gedeutet, daß der Vorderrand in der Mitte eingeferbt it. Nun jieht man im Fuß allerlei
Ihattenhafte Strufturen auftauchen von zweierlei grundjäglich verichiedener Art. Die
einen jind breite, verjchiwormmene dunkle Duerbänder, niemals von der Negelmäßigfeit,
wie jie der Stylommatophorenfuß zeigt, vielmehr bald rechts, bald Iinfe, bald vorn, bald
hinten; jte bedingen ungleichmäßige Ausladungen des Körperumrijjes und mäen fich meift
nad) vorn, gelegentlich aber auch in entgegengejegter Richtung, in welch leßterem alle
jie die Schnede rüdmärts friechen laljen. Sie beruhen offenbar auf groben Blutjichwel-
ungen, die den ganzen Fuß Durrchziehen. Die ziveite, ganz andersartige Erjcheinung zeigt
die untere Sohlenfläche während des Striechens. Die Stellen, welche ihre fofomotorijche
Tätigkeit Durch ihren derben Sleijchton verraten, Tajjen eine feine regelmäßige Duerftreifung
erfennen, Linien, die in weniger Abitand a I mm jtreng von rechts nad) Iinfs parallel
gerichtet find. Sie verichiwinden in dem Augenblid, in welchem die Schnede zu Friechen
aufhört, und hängen offenbar mit dem jeweiligen Zujtande der Musfelfajern zujammen.
Bejonderd Far treten uns dieje Vorgänge entgegen bei den lebhaften Sreijelichneden
oder Trohiden, von denen Trochus magus Z. und Zizyphinus Gray in jungen und er-
wachjenen Stüden unterjucht wurden. Hier zeigt jich während des Striechens eine Deut-
fihe Halbierung der Sohle, indem je ein Baar dunkle Duerbänder unabhängig ponein-
ander in ver rechten und Iinfen Hälfte auftreten. Sie ziehen eilig nach vorn, um den
vorderen Sohlentand bald gleichmäßig, bald die eine Hälfte voraus jchnell vorzufchtebeit.
Man erkennt nun ohne weiteres, daß es fich um Blutjchwellungen handelt, um grobe,
wurchtende Puljationen; denn die ganze Haut, auch der Nücden des Fußes macht die Be-
wegungen mit, wie man jonjt bloß bei Kephalopoden, einem Octopus etwa, die Haut jwogen
lteht. Bejonders bei den jehr geichiwinden jüngeren Trochiven find die Umrigänderungen
bedeutend, die jeitlichen Tußränder Yafjen in groben Ausladungen die Wellen tiber jich
hinweg nach vorm ziehen. Alle dieje lebhaften Vorgänge feijeln das Auge und Ienfen
die Aufmerfiamfeit von der Tatjache ab, daß bei jeder Bewegung diejelben feinen helleren
430 Weichtiere: Schneden.
(Gerinnungs-) Linien in der Sohlenfläche auftreten, die wir bei Halıiotis fennenlernten,
in der gleichen Anordnung, nur viel flarer und feiner. Sobald der Fuß ruht, verjchtoindet
die Ericheinung.
Bir wollen dieje jchwierigen Einzelheiten nicht weiter verfolgen, hier mag es genügen,
auf die verjchiedenen Einzelfräfte, die in dem jleischigen Fuß bei der Bewegung zujammen-
wirfen, hingemiejen zu haben: allgemeine grobe Pulfationen, Halbierung der Sohle der
Länge nach, Auftreten feiniter Duerlinien während der Lofomotion. Den beiden legten
Bejonderheiten werden wir, getrennt und in weit vollfonmenerer Yusbildung, aufdem Lande
wieder begegnen, bei ven Landdedeljchneden und den Lungenjchneden.
Während eine Wajjerichnede ihre Fühler im allgemeinen vorjichtig vor jcharfer Be-
vihrung hütet, bedächtiq zur Seite biegt oder zurüdzieht, verhalten ji) namentlich die
Irochiden viel lebhafter, jo daß jie auch hierin an Tintenfiiche gemahnen. Zizyphmus
hat 3. B. zivet lange Fühler und auf der papierdünnen Epipodialfalte jederjeits vier Taiter.
Die Haut unter ihnen ift geförnt, polygonal gefeldert, anjcheinend mit Harnjäureablage-
rungen, jedenfalls nicht glatt wie bei typischen Wafferjchnecden. Die Fühler jind länger als
die Epipodialtafter und dunkler, fait ganz jhwarz gefärbt. Sonjt beiteht fein Unterjchted
zwiichen beiden. Die Fühler jind jehr lang, peitfchenförmia, ganz allmählich zugejpist. Sie
iwerven biel freier gebraucht alg bei anderen Schneden, gefrümmt, zu Schleifen zujammten-
gebogen wie eine Beitiche beim Schlage, die Tajter ebenjo, nur etwas jchwächer. ©o-
machen die Fühler weit mehr den Eindrud eines Cephalopodenarmes als eines Schneden-
tentafels. Noch mehr: wenn fie einen feiten Körper berühren, haften fie, wenn
auch nur eine Ffurze Zeit, und reißen fich dann (08. Das ift aber typisch cephalopoden-
artig. Trochus magus bringt ein neues Element dazu, injofern feine drei Paar Epipodial-
tajter in Scheiden zurüdgezogen werden fünnen.
Eigentümlich ijt die Neigung auch großer Nhipidoglofjen, die im Seewajjer leben,
wenn jie zufällig über den Wafjerfpiegel geraten, ein Zuftbad zu nehmen, vorausgejeßt,
daß die Luft vollfommen feucht it. Diejes Moment ift offenbar maßgebend für den er-
wähnten großen Turbo, der in den Tropen an der oberiten Flutgrenze lebt, Man wird mit
Sicherheit behaupten dürfen, daß er jeine wahre Negjamefeit in die feuchte Nachtluft verlegt.
Aber jelbjt bei Haliotis, die gemwöhnfich untergetaucht an der Unterjeite der Feljen hauft,
läßt jich im Aquarium bei jchwitlen Schivoffo folche Neigung beobachten. Sie reißt zunädhit
ihre Kiemenhöhle weit auf; allmählich nimmt fie eine ganz abjonderliche Stellung ein, indem
jie ihre Schale jchtäg, ja beinahe jenkrecht ftellt zur Yängsachie des Fußes, jo daß die untere
Hälfte des Eingemweidejades jich jeitlich über die Sohle wegjchiebt und frei an der Luft liegt.
Die Fächerzüngler werden gewöhnlich als Pflanzenfrejjer bezeichnet, die Tange ab-
weiden jollen. Sr der Tat mag fich die Radula ganz gut dazu eignen; indem ihre Hälften jich
bon rechts und links nähern, bilden die Seitenzähne die Zange zum Erfafjen und Abreißen
eines Pflanzenjtiides, und die vielen Nandzähne mögen es, wie zwei Bürjten, feithalten und
nachichieben (j. Tafel „Weichtiere I”, 4, bei ©. 424). Dennoch ift e3 ausgejchloffen, daß man
die Regel verallgemeinern dürfte. Weder der große Turbo an der oberen Flutgrenze noch die
‘Bleurotomarien in der Tiefjee Haben größere PBflanzen zu ihrer Verfügung. Die legteren
jind unter allen Umftänden auf Fleifchnahrung angemwiejen. Unjere Heine Neritina fluviatilis
ja) Simroth mit Vorliebe in der Nachbarichaft der Süßwafjerfchwämme und fand den End-
darm mit deren Stiefelnadeln vollgepftopft. Vielleicht Hängen die hornigen Leiften im Magen
mit der Aufgabe zufammen, die fleifchigen Teile der Spongilla von den Nadeln zu fondern.
Vorderfiemer: Fächerzüngler, Bandzüngler. 431
Was wir bon der Fortpflanzung willen, deutet im allgemeinen auf Diözie. Bei den
Neriten bleiben, wenigiteng bei einer Art von den Vhilippinen, die Männchen hinter den
Weibchen an Größe zurüd, woraus wohl auf Proterandrie zu Ichliegen ift. Die Männchen
haben eine fleiichige Rute an der Stirn zwijchen den Fühlern, anjcheinend ohne jede Ver-
bindung mit der neben dem After gelegenen Gejchlechtsöffnung, weder durch einen inneren
Samenleiter, noch durch eine äußere Samenrinne. Wir wiljen nicht, wie die Begattung
lich vollzieht, obwohl gerade hier bejonders weitgehende Vorbereitungen dafür getroffen
find, denn beim Weibchen ift die Offnung für die Kopula von der für die Eiablage getrennt.
Auch Hat Bourne gezeigt, daß der Same nicht frei übertragen, jondern in eine Samenfapfel
oder Spermatophore eingejchlojjen wird. Unjere Neritinen bergen eine Anzahl Eier in je
einer fugeligen Stapjel, die meift auf die Schale abgejeßt wird ; nachher jpringt die obere Hälfte
mwie.ein Dedelab. Trochiven legen die Eier einzeln ab oder bilden eine einfache Laichichnur.
Sn den Entwidelungsgang it eine Schwimmlarve oder Trochophora eingejchaltet, aber
das Velum oder der Wimperfrang bildet nur einen einfachen, nicht erweiterten Ning,
jo daß auf eine furze Periode Schwimmender LXebensmweije gejchlojien werden mul. An
ver jungen Schnede treten, nad) Roberts Unterfuhhungen, die Epipodialtafter, d. H. Die
jederjeits in einer Längslinie auf dem Fuß angebrachten Fühler, unverhältnismäßig jtarf
hervor, namentlich die Sinnesfnojpen jind wohl jchon jo groß wie bei der erwachjenen, jo
daß Ddiefe Organe hirjchgemweihartig verzweigt erjcheinen. Mit der Sohle bewegt ich das
junge Tierchen zunächit innerhalb des Laiches, indem fich die Seitenränder nach unten
biegen, jo daß eine Rinne entjteht, die fich nach unten Frümmt — beiläufig diejelbe Weife,
wie jic) mancher höherjtehende Borderfiemer, 3. B. die Stegelichnede des Mittelmeeres,
Conus mediterraneus Brug., in den Sand eingräbt.
Die beite Berfnüpfung zwiichen den Jächer- und den Bandzünglern bieten
die Landdedeljichneden, denn beide jtellen ihren Anteil. Man hat fie wohl auch al3
Kebfiemer bezeichnet, meil jie an Stelle der Kliemen ein Gefähnet an der Dede der
Mantelhöhle tragen, nach Art der Bulmonaten. Aber die Atenhöhfe ilt nicht verjchließbar
wie deren Lunge. Die Fühler fönnen nicht eingeftülpt werden, der Penis liegt beim
Männchen als äußerer Anhang an der rechten Nacdenjeite, alles wie bei echten Vorder-
fiemern, denn der Schuß gegen trodinende Luft mit unzureichendem Wafjergehalt wird
ducch das Operfulum gemährleiftet. Diefer Dedel fönnte allein fchon bei näherer Betrach-
tung einen Begriff geben von dem Reichtum, der fich unter den meist Meinen, nicht über
den Umfang einer Hainjchnirkeljchnece Hinausgehenden Formen verbirgt; bald ijt er eint-
fach rundlich, bald oval oder länglich afymmetrifch, bald mit jpiraliger Zumachslinie, bald
ohne jolche, bald trichterförmig, bald. mit einer zierlichen Kalffraufe gejchmücdt. Aber die
Helicinen, bei denen die Mündung der fugeligen Schalen durch Fräftige Faltenbildung '
verengert ilt, Haben dadurch die Verdunftungsfläche jo herabgedrücdt, daß jie des Ber-
jchlufjes entbehren fünnen und den Dedel eingebüßt haben. Sie jtellen unter den Yand-
dedeljchneden den Hauptanteil der Fächerzüngler und find faft ganz auf die Tropen, mit
Ausihluß Afrikas, beihränft; nur in Dftajien gehen jie über den nördlichen Wendefreis
hinaus bis Japan, aus dDemjelben Grunde, der für das gleiche Borfommen von Cryptoplax
unter den Plafophoren angegeben werden fonnte (©. 401). Bis Cattaro an der Adria,
aljo beinahe bis in unjere Zauna, ragt bloß die feine Hydrocaena Parr. hinein, die viel
altertümfiche Züge bewahrt hat.
432 Weichtiere: Schneden.
Ungleich reicher find unter den Landdedeljchneden die Bandzüngler vertreten, durch)
die ganzen Tropen und Subtropen hindurch, aber auch wieder am reichten in Süpdoftafien,
wo jte in hundert und aber Hundert Arten haufen, die jic) auf eine große Menge von
Gattungen verteilen. Und dieje Gattungen zeigen.jchon Durch die VBerjchtedenheit ihrer
Schalen, daß jte in Wahrheit eine jehr vieljeitige und heterogene Mafje darjtellen, in Deren
Bau und Lebensweile wir nur ungenügenden Einblid haben. Die größten, Cyclotus Gldg.
und Cyelophorus Montf., gleichen etiva einer Schnirfelichnede, mit zahlreichen, jchmalen
Umgängen, ziemlich niedergedrüdt und weit genabelt. Eine Form reicht vom Diten her
bis ins Gebiet des Kaufalus. Pterocyclus Bs. mit zarter Schale führt auf den feuchten
Philippinen ein Baumleben. Ebendort hauft die winzige Palaena Semp. mit einer eigen-
artigen Wafjerberjorgung. Das längliche Schälchen ift bejegt mit Freisrtunden, verhältnis-
mäßig großen Platten, die fich wie Bucdeljchilde ausnehmen: Unter ihnen Fanı jich in dem
engen Spaltraum bis zur Schale bei trodnem Wetter ein Waffervorrat halten. Opistho-
stoma Blanf. wurde bereits genannt als Beijpiel einer Schnede, deren leßter Umgang jich
auf das Gewinde hinaufjchlägt. Bei Opisthoporus Bs. ift es ein feiner Slanal, der von der
Mimdung aus in der Nahtlinie jich ein Stüd hinaufzieht und jich dort öffnet, ähnlich wie
bei Spiraculum Pears. Diejes Röhrchen jebt auch während der Ruhe, wenn der Dedel feit
angedritct ijt, ven Mantelraum mit der Außenwelt in Verbindung und erlaubt Luftwechjel
zur Atmung. infacheren Einrichtungen werden wir bei Meeresfchneden als Sipho wieder
begegnen. Die Bupinellen haben ein längliches braunes Gehäufe, das man jofort an
jeiner vollfommenen Glätte erfennt, es wirft wie poliert und gefirnißt. Der freisrunden
Nimpung it ein flacher Ring angejekt, mit einer oder mehreren eingejchnittenen Rinne,
offenbar zu gleicher Verrichtung. Freilich fennen wir noch nicht einmal die Weichteile jo
weit, um Jagen zu fünnen, ob folche Mantelverlängerungen tinnen= oder röhrenförmg jinD.
Etwas genauer find wir über die einheimijchen Vertreter unterrichtet, die in Europa
weiter nordiwärts gehen als jonjtivo auf der Erde. Cyclostoma Zam., für das die Noment-
Haturmwächter leider den viel weniger bezeichnenden Namen Ericia M.-Td. ausgegraben
haben, reicht in vereinzelten tolonten bis Nord- und Mitteldeutjchland; die größte bewohnt
die warmen Mugchelfalfabhänge des Saaletales zwijchen Naumburg an der Saale und
stepburg an der Unftrut. Ir Süddeutjchland fommt die Feine, jchlanfere Acme Hartm.
hinzu, im Mulm der Buchenmwälder bejonders; und ganz an der Grenze, an der Donau und
dem Oberrhein, Pomatias Stud. mit turmförmiger Schale. Die Tiere benehmen jic) ganz
verjchteden bei der Fortbewegung. Acme und Pomatias friechen mit flach aufliegender ,
Sohle. Bei Cyclostoma dagegen ijt dieje durch eine tiefe mittlere Kängsfurche jcharf iı
zwei Hälften zerlegt, die höchfte Steigerung jener Teilung, von der vorhin bei den Nhipido-
glojien des Meeres bereits die Nede war. Dazu ift die flache, Freistunde Endjcheibe der
Schnauze bemerfenswert, die Der Schnede den Namen verjchafft Hat. Sie ijt ein Saug-
werfzeug, das beider Fortbewegung mitwirkt. Hat man die grünlich ausjehende Schnede
unter dem toten Laube hervorgefucht, in ein Glas mit feuchtem Moo3 getan und vielleicht
durch Mohrrüben oder Gurkenftücdchen herborgelodt, jo fieht man eine Höchjt eigenartige
Marichbewequng. Die eine Sohlenhälfte wird Flach ans Glas gelegt und etwas aus-
gebreitet. Sie bleibt in Ruhe und hält die Schnede, während die andere Hälfte fich vom
Slaje Löft, ein wenig in die Luft erhebt und nach vorn ausdehnt, nicht Durch die vegel-
rechten Querrillen, tie wir fte eingangs von einer Landlungenfchnede fcehilderten, fondern in
imegelmäßigem Wellenfpiel, was fich am beften mit einem ım Winde wogenden Kornfelde
VBorderliemer: Bandzüngler. 439
vergleichen läßt und bei allen Wafferfchnecen die Grundlage bildet, nur daß fich hier, bet den
erichwerten Verhältnijfen in ver Luft, die Fläche vom Boden Yöft, um die Reibung zu ver-
tingern. Nach einiger Zeit wird die vorgejtredte Hälfte auf das Glas aufgejebt, jie Ichmwilft
ab, indem das Blut bon der anderen Hälfte hHerübergetrieben wird; nunmehr beginnt Die
andere Hälfte dasjelbe Spiel. &3 werden alfo richtige Schritte gemacht. Und wenn es
trogdem nicht gelingen will, den Körper
am Glas vorwärts zu bringen, jo wird
die Schnauze vorgeftredt, mit ihrer
Haftieheibe befeitigt und dann verkürzt.
©o helfen die verjichiedenen Teile, wenn
auch nicht immer in ftrenger NRegel-
mäßigfeit. &3 ift erjtaunlich, melcher
Apparat hier für die Bewegung auf-
geboten ift, zumal wenn man bedenkt,
daß in die Rinne zahlreiche Schmier-
prüfen münden, un die Neibung der en (Erieia) elegans Müll., triehend. or K
Sohlenhälften aneinander herabzufegen, „«lafien und Ordnungen des Tierreich”, 3. %b., 2. Abt., Ceipsig 1896.
und daß am Vorderende eine fompli-
zierte Sußdrüfe hHinzufommt. Bei der Begattung wird der Bewegungsapparat in feiner
Weife in Anfpruch genommen, vielmehr legen Männchen und Weibchen ihre Schalen in
entgegengejeßter Richtung aneinander, jo daß die Mindungen genau aufeinander pajjen
und die Gehäufejpigen die äußerjten Pole bilden und die beiden Spindeln eine gerade
ginie. Dann werden die Dedel zurücdgejchlagen, die Vereinigung gejchieht durch die
Nute des Männchens, ohne dab irgend etwas von den Weichteilen zu jehen und Der
Luft ausgejebt tpäre.
3. Unterordnung: Bandzüngler (Taenioglossa).
Mit dem Wegfall der zahlreichen Nandzähne und der Verringerung auf jieben in einer
Duerreihe fcheint ein bejonders handliches Werkzeug gejchaffen, bei dem die mejjerklingen-
artigen Geitenzähne ein bequemes Zufaljen ermöglichen. Wenigjtens umfajjen die Tänio-
gloffen eine ungemein große und vieljeitig entwidelte Reihe, die jich den allerverjchiedenften
Lebenslagen und Anjprücen gewachjen zeigt.
Bon den Tänioglofjen mit Kiemen führen die Uferfchneden oder Litoriniden
ein amphibiotifches Leben am Meerezftrande.. Cremnoconchus Blanf. ift jogar eine Binnen-
landform, die auf den indifchen Ghats fich an Felfen hält, die von Süßmwajjer befeuchtet werden.
Doc, wie gejagt, halten fich die Litorinen wenig unterhalb, oft jogar oberhalb der
Flutmarfe auf, wo fie bei längerem Ausbleiben des Waffers in mehr oder minder. große Un-
tätigfeit und Schlaffucht verfallen. Es fcheint fogar, als ob einzelne Arten fich oberhalb
der Wafjerhöhe in einen Trodenfchlaf begeben könnten. Wenigftens erzählt Gray, daß viele
Sndibiduen der Litorina petraea Mig. und einige einer anderen Art an der engliichen Ktüfte
in diefem Zuftande verbleiben. Er fand fie einige Fuß über dem Bereich der höchiten
Herbitgezeiten an den Feljen befeftigt. Der Fuß war gänzlich zurüdgezogen; ein häutiger
Rand füllte den Zivifcdenraum zwijchen dem Fels und der äußeren Lippe der Schale aus, Die
Kiemen waren bloß feucht und die Kiemenhöhle von jener anfehnlichen Menge Waffers ent-
Yeext, welche bei denjenigen Tieren diefer Art darin vorhanden ift, die mit ausgebreitetem Fuße
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. L. Band. 28
434 Weichtiere: Schneden.
am Felfen hängen. Grat) beobachtete die Tiere in dDiefem Erftarrungszuftande über eine
Woche. In Seewaffer gelegt, getvannen fie in einigen Minuten ihre volle Tätigfeit wieder.
Eine der gemeinften und am weiteiten verbreiteten Strandjchneden ijt Litorina
littorea Z. „Sie lebt im flachen Wafjer an Blafentang, Steinen und Pfahlwerf. Cie jißt
oft iiber dem Wafjer an Steinen umd Pfählen längere Zeit auf einem Flede. Wenn fie
wieder ins Wafjer Hinunterkfriecht, jo nimmt fie Luft mit. Wird fie bald nach dem Unter-
tauchen geftört, jo fommen Luftblafen aus dem Waljer heraus. Ihre Bewegungen jind
langjam. Wenn fie riecht, jo arbeiten die beiden Hälften ihrer Fußjohle abmechjelnd.
Während fich die rechte Hälfte nach vorn und hinten ausdehnt, verfirzt fich die finfe dur)
gegenfeitige Annäherung der beiden Enden. Dabei bildet jich Hinten eine Falte, vorn tritt
die Sohle mit wechjelnden Wölbungen vor. Ein mittelgroßes Stüd hatte, während es an
der Glaswand eines Aquariums bald auf-, bald abwärts Froch, eine mittlere Gejchwindig-
feit von 0,5 mm in der Gefunde. &3 würde demnach) in der Stunde einen Weg von 1, m
zurücklegen, aljo ungefähr eine Menfchenlänge weit fortfriechen. Die Nahrung der ge-
meinen Strandjchnede beiteht aus Pflanzen- und Tierftoffen. Wir jahen jie in Aquarien
Blafentang freien. Hier weidet fie aber auch die Überzüge von mifroffopifchen Pflanzen
und Tieren ab, die Spuren ihrer Radula- (Zungen-) Arbeit al® Beichnungen an der Ölas-
wand zurüicklaffend. Ir England werden diefe Schneden in Aufternbetten geworfen, damit
fie den Grund von Seepflanzen reinigen. Hier werden Pflanzen dadurd jchädlich, daß
fie die Ablagerung von Schlamm veranlaffen. Sir unferen Aquarien jahen mir gemeine
Strandjchnecfen auch rohes Fleisch von Säugetieren frejjen." (Meyer und Möbius.)
Aus den angeführten Bemerkungen ergibt jich, daß die Kieme auch in feuchter Luft
zu atmen vermag. Wie forgjam die Tiere gerade diefes Medium atfjuchen, zeigte jich
an den Azoren, wo die Schneden immer haufenmeife, alt und jung nebeneinander, Die
Blafenräume der fchladigen Laven oberhalb der Flutmarfe ausfüllten, mithin die jchat-
tigjten Bunfte aufjuchten.
Welche überwiegende Bedeutung hier der Schatten hat, geht aus den Berfuchen her-
bor, welche ©. Bohn mit Litorinen angeftellt Hat und von denen er berichtet: „Dieje
fönnen eine felbft länger andauernde Austrocdnung vertragen, fomwie fie aber benebt werden,
begeben fie fich auf die Wanderung, wobei fie ftet3 im Schatten marjchieren; ein jchmwarzer
Schatten übt auf fie die gleiche Anziehungskraft wie ein Magnet auf ein Stüd Eifen. Sind
mehrere dunkle Stellen vorhanden, fo fan man den Weg der Tiere nac) den mechanijchen
Regeln des Parallelogramm3 der Kräfte berechnen. Nichts bleibt dem Zufall, dem Willen
oder der Zaune des Tieres überlajjen. Sch habe in einem Glasrohr dunkle Schatten in
beftimmter Weife verteilt, um die Schnede zu zwingen, einen Weg bon der Form einer 8
zucüchzulegen, und fiehe da, die Schnecke geht ihren Weg und vermag Stunden hindurch)
fich nicht von der vorgezeichneten Bahn freizumachen. Sn einem Glasbeden zeichnete ich
ferner mittel8 Siefelfteinen der Schnede einen vielfach gewundenen Weg vor. An einer
Stelle führte diefer Weg faum einen Milfimeter entfernt an einem mit Algen bededten
Ktiefelfteine vorbei, an dem das Tier Dbdach, Kühlung und Nahrung gefunden hätte, aber
die Schnede verfolgte den vorgefchriebenen Pfad, ala würde fie von einer verhängnispollen
Macht angezogen, und fähe und fühlte nichts. Unter den angegebenen Bedingungen er-
|heint ung die Litorina als ein Spielball unveränderlicher Kräfte, willenlos, ohne Zioed;
lie verfolgt unvermeidlich einen Weg, den man fchon im boraus beftimmen fann, und hat
nicht die Möglichkeit, zroifchen mehreren Handlungen zu wählen.”
Borderfiemer: Bandzüngler. 435
Sn der Fortbewegung fommen Abweichungen vor, wie Simtoth in Neapel beobachten
fonnte. Die feine Litorina coerulescens Lam. bringt nämlich den Unterjchied zwischen
Border- und Hinterhälfte zu jchärferem Ausdrud. Die fürzere vordere fieht unducchfichtig
weiß, derb und muzfulds aus, die Hintere [chwärzlich und durchicheinend, musfelarm. Der
weiße Teil allein jcheint die Bewegung auszuführen; er bildet einen Schwachen, nach vorn
fonveren Bogen mit jeitlichen Ausladungen. Dabei zeigt fich, ohne angedeutete Kenn-
zeichnung der Medianlinie, Doch ein abwechjelnder re
Gebrauch der beiden Hälften, indem jich Der vor- a
derite Punkt des Bogens verjchiebt, ex liegt exit OS IS—In
inf, dann rechts, dann mieder Iinfs ujw. Der
Bogen tft aljo unfymmetrisch in ftändigem Wechiel.
Die Hinterhälfte wird anjcheinend paljiv nachge-
zogen, immer am Glas haftend.
Die Gemeine Nferjchnede, Litorina littorea,
it eins der am weitelten verbreiteten Weichtiere
der nördlichen Halbfugel. Sn der Ditiee geht jie,
nad) ven Angaben von Meyer und Möbius, bis an
die Dftfülten von Bornholm und Rügen. Weiter
öftlich mid auch ihr der Salzgehalt des Wafjers zu gering. An den Stüften von Schleswig-
Holftein und Dänemark ift fie gemein. G©ie lebt im Weißen Meere, und im Atlantijchen
Dean kommt fie von Grönland und Nordoftamerifa bis nach Portugal vor. Auch aus
dem Adriatiichen Meere fennt man jie. Sn der Ditfee war fie noch während eines jüngeren
Zeitraumes, den man danad) als Litorinazeit benennt, allgemein verbreitet.
Über die Fortpflanzung verdanken wir Peljeneer interejjante Mittei-
(ungen. Sm Kanal find an der franzöfiichen Hüfte, wo er arbeitete, drei
Arten gemein: Litorina obtusata L. lebt am Tiebjten in der Sucuszone, L.
littorea ettva3 höher, in der Ulvenregion, die oft troden fiegt, L. rudis Donov.
oberhalb der Flutmarfe. Die Arten fommen jedoch oft durcheinander, jelbit
L. obtusata und L. rudis. Männchen und Weibchen Tafjen fich namentlich bei
L. rudis Yeicht unterjcheiden, die Schale des Weibchens ift größer und dt 1°
runde Mündung, während dieje beim Männchen mehr edig ift. Die Ve kun
gattung läßt fich während der Ebbe leicht beobachten, jte Dauert bei L. rudis ee a
reichlich 5, bei L. obtusata reichlich 20 Minuten. Sie fommt mindejtens vestsvergröpert.
bei L. rudis zu allen Zeiten des Jahres vor, und oft jieht man Männchen
fich mit Männchen paaren, dank einem Überjchuß Diefes Gejchlechtes. Auch fommen nor-
male Kreuzungen zwijchen allen Arten vor, allerdings ohne daf die Baftardprodufte be-
fannt wären. Der Zaich vonL. obtusata (f. Abb.) wurde bisher immer für den vonL. littorea
gehalten. Er wird an der Unterlage befeftigt. Das Segel ift bei ven Embryonen jchtwad)
entwidelt. Die Jungen verlaffen das Ei in völlig entwideltem Zuftande, den Alten gleichen.
L. rudis ift lebendiggebärend; auch hier find die neugeborenen Jungen voll ausgebildet.
L. littorea dagegen erzeugt, bei Hochwafjerftand, einen jchrwimmenden Laich, der jich in
der Nähe der Küfte, wie man fagt, „neritifch” hält; eine große Ausnahme jchlechthin. Ye
ztvei oder Drei Eier, dir: nur den zwanzigjten Teil jo groß find als die der viviparen L. rudis,
iind in eine helle planfonvexe apfel eingejchlofjen, die rings einen etwas aufgebogenen Rand
„erhält, twie die breite Krempe eines Strohhutes. Hier find die Jungen mit gutem Belum
28*
Zaidh der Uferfhnede, Litorina obtusata L.
436 Weihtiere: Schneden.
ausgeftattet, echte Schwimmlarven, Trochophora oder Veliger. Fit man fie auf und
fegt fie in ein Aquarium, jo gehen fie nach etwa 6—11 Tagen auf den Grund und be-
ginnen zu kiechen. Hier finden wir aljo ganz verjchiedene Larvenanpajjungen je nad) der
Bone, in der fich die erwwachjene Schnede aufhält. Ahnliche Beobachtungen liegen von der
englischen Kite vor. | | |
Ein ähnliches Leben wie die Uferjchneden führen die Heinen Rijjoiven mit längerer,
gegitterter Schale (Ubb., ©. 435). Sie leben mehr untergetaucht, bis 200 m. Die in der Ufer-
zone wohnenden Arten haben auch die Fähigkeit, Luft in die Atemhöhle zu nehmen, die fie
gelegentlich, in Schleim gehüllt, ausftoßen, jodaß eine Blafe durch einen Schleimfaden mit dem
Tier in Zufammenhang bleibt. Von der hierhergehörigen Litiopa Rang, die an Tangen in
Gebänderte Häubhenfänede, Lacuna divaricata Fabr. Vergrößert.
der Sargaffojee lebt, wird erzählt, daß fie diefen Schleimfaden wie eine Spinne benubt, um
mwieder an einen der [chwimmenden Tange zu fommen, wenn fie zufällig losgerifjen war. Ein
anderer Gebrauch, Luft mitzunehmen, wird von Meyer und Möbius von der verwandten La-
cuna divaricata Fabr. von unferen europäischen und nordamerikaniichen Küften berichtet, Die,
fie man in der Abbildung fieht, noch NRefte von der Epipodialfalte auf dem Fußrüden trägt,
mwie viele Bandzüngler. „Sie ift eine ehr lebhafte Schnede. Wirft man fie auf den Rüden,
jo fommt fie fehnell wieder aus ihrer Schale hervor, dehnt fich aus, fo weit fie fann, hängt
den Vorderfürper nach der Geite und arbeitet mit den ausgeftredten Fühlern, um das
Übergewicht auf eine Seite zu bringen. Die Fühler legen fich oft auf dem Boden an, um
mit vorwärts zu helfen. Sie fehwimmt auch gern hängend an der Oberfläche. Schnell
untergetaucht, nimmt fie in dem hohl gefrümmten Fuße eine Blafje Luft mit,
die von Schleim umfloffen ift. Da fich beim Kriechen Die Seitenhälften des Fußes
abmwechjelnd vorwärts fchieben, jo gleitet die Schnede jchwanfend fort. Hierbei arbeiten
immer auch die Fühler lebhaft, indem fie fich bald bis an die Schale zuricbiegen, bald
wieder wie eine Veitfche vorwärts Schlagen.” Das Tier lebt in den Regionen des ©eegrajes
und nimmt, nach Tovens Beobachtung, wenn e3 braune Tange frikt, eine grüne, menn vote
Borderkiemer: Bandzüngler. 437
Tange, eine rofentote Färbung an. Übrigens ift die Larve von Rissoa Frem. in unjeren
nordijchen Meeren mit einem zu zwei ovalen Flügeln verbreiterten Segel ausgejtattet, wie
e3 jonft nur in wärmeren Meeren vorfommt. Höchitens fommten ihr hierin die Hyorobien
nahe, Schneden mit ähnlicher, aber glatter Schale von unjeren Küften. Eine von Diejen
Shörobien lebte früher in den Manzfelder Seen, als ihr Salzgehalt noch höher war, und
man findet ihre Schalen in dem Aderboden des jebt abgelajjenen jogenannten Salzigen
Sees. 3 ijt wohl Faum anzunehmen, daß diefe Form auch eine Echwimmlarve hatte,
denn eine folche ift von feiner Schnede aus Binnengemwäfjern befannt. So haben wir fie
Zebendiggebärende Sumpfihnede, Paludina vivipara Drap., Uns Männden, recht3 Weibchen, in der Mitte ein Tier
mit embryonalem Stadhelbejag. Natürliche Größe.
auch nicht zu erwarten bei den anderen Heinen und Keinften Vertretern diefer Familie,
Paludestrina Orb., jest in England viel genannt al3 eine Form, die immer weiter ins
Sinere vorzudringen jcheint, Bythinella M.-Td. in den Quellen Weft- und Süddeutjchlandg,
namentlich aber Vitrella Cless. oder Lartetia Bgt. in den Höhlen des füdmweftveutjchen Jura
und Mufchelfalf3 und in den Quellen, die daraus hervorbrechen. Geyer hat ihnen viele
Aufmerkjamfeit gefchentt und eine große Reihe von Lofalformen nachgemwiejen, die der “jjo-
lierung in den unterivdiichen Gemäfjern, wohin fie fich wahrfcheinfich während der Glazial-
zeit geflüchtet Hatten, ihren Urfprung verdanken. Beträchtlich größer ift jchon BythiniaLeach,
die namentlich mit der häufigen Art B. tentaculata L. zu den gemeinften Vertretern der
Vorderkiemer in unjeren Binnengemwäfjern zählt und auf Pflanzen- und Schlemmgrund lebt.
Wefentlich abweichend find die beiden ertremiten Gattungen von Tänioglofjen in unfe-
ven Zlüffen und Teichen, die große Sumpffchnede und die jehr Kleine Federbujchichnede. Die
Sumpfjchnede oder Sumpfdedeljchnede, Paludina Lam. oder, wie fie die Brioritätshüter
jet nennen, Vivipara Gray, ilt bet uns mit zwei Arten vertreten, V. fasciata Müll. (die
438 Weichtiere: Schneden.
man auch P.achatina Drap.,die Achatfchnece, nannte) und V. vera Frfld.; die eritere Itebt
mehr das fliegende Wafjer und fommt in der Elbe, Spree, dem Rhein und der Donau vor.
Die Schale der Sumpffchneden erreicht 4 cm Höhe. Der Dedel ift Hornig. Die Seitenlinie
bildet, wie man an dem linfen Stüd unferer Figur (©. 437) jieht, am Nacken rechts und Tinte
eine Falte. Durch die rechte Falte wird der Schleim aus der Ktiemenhöhle entleert. Das
Auffallende ift die Fortpflanzung, wofür beide Gejchlechter bejonders eingerichtet ind.
Beim Männchen ift der rechte Fühler zum Penis geworden; er ift Durchbohrt, Furz
und plump, die Enpdgeißel über dem Auge ijt nicht zu gleicher Entfaltung gefommen wie
beim Weibchen. Diejes hat während des Frühjahr und Sommers den Cileiter voll En-
bryonen, die alle Entwicdelungsitufen der Neihe nach zur Anjfchauung bringen und daher
ein bequemes und beliebtes Dbjeft der Embryologen geworden find. Die Eifchalen find
ganz weich und biegjam. m der unterjten, vorderiten, jigt gewöhnlich ein Embiho, der,
herausgenommen, einfach im Waffer mweiterfriecht, viel-
leicht auch noch der folgende, dann werden jte immer
Heiner und blajjer, bis zum einfachen Dotter. Die Jun-
gen find nicht jelten mit Krängen von weichen, hornigen
Stacheln befleidet, wie auf unferer Abbildung. Kobelt
hat das Borfommen geographijch unterjucht und die Tiere
zu Schlüfjfen über frühere Flußverbindungen benubt. Die
Konchinftahheln find vermutlich Nefte früherer Stalfitacheht
und Knoten, wie wir jie fojjil aus den Süpoitalpen umd
- don den Sufeln an der Eeinafiatijchen Küfte fennen, und
Über her Spnamyenie Beben Kenia, venis WIE IE in Ihren [chichtweie geordneten Übergängen ziwi-
en a he ichen den verf chiedenen Formen ein beliebtes Beweisitiid _
ne en des Dartwinismus geworden find. Solche Formen haben
lich inzwiichen nach Welt und Oft, Nordamerika und Dft-
alien, zurüdgezogen. Die Vhilippinen Haben den Amerikanern bereits eine ganze Neihe
geliefert. — Nm wollen wir noch einer Färbungsanonalie gedenken, da jte gleichfalls geo-
graphiichen Wert zu Haben jcheint. Während die Weichteile auf der Oberfeite Schwarz find
mit ausgejparten orangeroten Punkten, fommen in Norddeutjchland an der Wafjerkante nicht
jelten rein rote Bejtände vor ohne Spur von Schwarz, als ein gejeßmäßiger Fall von Fla-
bismus oder Ergthrismus, der im Grunde genommen wohl mit Albinismus zufammenfällt.
Auffällig it endlich die Abhärtung der Kälte gegenüber, Baludinen können ohne Schaden
im Ei3 einfrieren und in Eisjchollen verjchleppt werdeıt.
icht weniger interejjant find die winzigen Balvaten vom Bodenjchlammt umnjerer
Gemäljer. Sie tragen ziwar den freien Nadenpenis der meilten VBorderfiemer, find aber
typifche Ziwitter. Die Mantelhöhle enthält nicht an der Dede eine Kammkfteme, jon-
vern am Nande zwei vorftredbare, tentafelartige Fortjäße, von denen der Yinfe beiverjeits
mit Stemenblättchen bejegt ift. Offenbar ijt der rechte ebenfalls der Nejt einer Stieme.
Hier fiegt eine fcharfe Reminifzenz an die alten Fächerzüngler vor, vielleicht das urältefte
Verhalten, jo gut wie im Hermaphroditismus. Ar diefen Merimalen find die Heinen
Schneden auf altertümlichiter Stufe ftehengeblieben, troßdem jie in anderer Hinficht fort-
gejchritten find und namentlich im Schlundring ftarfe Konzentration zeigen. Geographiich
haben fie mancherlei befonderen Wert. Der Baikalfee ift reich an Sonderarten. Bei uns gilt
Valvata antiqua Morr. al® Glaziafcetift im hohen Norden und an der Nordfeite der Alpen.
Borderkiemer: Bandzüngler. 439
- Bontypifchen Süßmwafferfchneden find Hauptjächlich noch einige Vertreter ausden märme-
ten Ländern zunennen, einmaldie weithin verbreiteten Melaniden oder Kronenjchneden
mit langen, vielfach mit duch Knoten und Schwielen verzierten Schalen, meift lebendig-
gebärend. Melania Fer. und Melanopsis Lam. erreichen in den Sitdoftalpen ihren Nordpunlt.
Den größten Leibesumfang erreichen die rings in der Tropenzone verbreiteten Amt-
pullarien oder Augelihneden. Mit dem derben Gehäuje hat es eine eigene Betmandt-
nis. &3 wird bei manchen abgeflacht wie bei einer Tellerjchnede, bei anderen jogar Durch die
Ebene Ducchgedrücdt, jo dag man glaubt, eine Iinfsgewundene Schnede vor fich zu Haben,
bis man fich) überzeugt, daß After und Gefchlehtsöffnung
rechts liegen, daß man’3, wie der Kunjtausprud Yautet,
nicht mit einer läoteopen, fondern mit einer ultra-
deriotropen Schale zu tun hat. Viel auffälliger aber ift
die Organijation,
deren Anpafjung
an amphibiott-
jche Lebensmeije
unter den Vor-
derfiemerneingzig
dafteht. Sr Der
Mantelhöhle fin-
netficheine Kieme
für die Wajjer-
atmung; -Durc)
ein Zoch in der
Dede geht es
aber in eine
darüber liegende
Lungenhöhle, die
m Ban gerii a aa
ift. Zebtere wird Ampullaria gigas Orb,., 1, tn. a Pe und Dvdnnungen de3 Vierreidh3”,
sugeleitet durch
eine vinnenfürmige Verlängerung des Mantelrandes, dejjen freie Ränder jich aneinander-
legen Tönnen, fo daß ein Rohr entfteht. Dieje3 wird bis zum Wafjerjpiegel emporgeitredt,
faft auf Körperlänge. Wenn die Schnede jomit ihren wachen Zuftand im Wafjer hat, jo
gehört fie doch jchlechthin zu den Gaftropoden, die des längjten, durch Jahre hindurch an=
dauernden Trodenfchlafes fähig find, unter dem Schuß des Operfulums. Die Eier werden
entweder unter Wafjer an Wafferpflanzen befeftigt, wo ihre Hülle ähnlich aufquillt wie
Trofchlaiceh, oder über Wafjfer abgelegt. Wir fehen bei dem finfen Stüd unjerer Figur,
wie die Eier aus der am Mantel gelegenen Gejchlechtsöffnung auf der jogenannten Öe-
nitalfurche, die zur vorderen rechten Tußede zieht und vielen Gaftropoden zufommt, auf-
wärts gleiten und dann, rechts, zum Laich vereinigt werden.
Mit den Kugelichneeen haben wir die Grenze von Süßtvalfer und Land erreicht und
müfjen nur noch der eigenartigen Tiefenfauna der großen oftafrifanifchen Seen gedenfen.
Tamentlic) vom Tanganjifa waren fcehon länger leere Schalen befannt, zum Zeil von eigen-
artigem Ausjehen, in exfter Linie die große Tiphobia Z. A. Sm. mit ihren Stacheljchtwielen.
i
ü
440 Weichtiere: Schneden.
Moore fand auf einer befonders ausgerüfteten Erpedition in der Tat in dem See eine große
Neihe verjchtedenartiger Gattungen, die mit den gewöhnlichen, wie jie in der Uferzone
haufen, nicht oder wenig vertoandt erfchienen. Da fich zugleich das Wafjer in der dunklen
Tiefe als falzhaltig erwies, fo bezeichnete er die Hauna als halolimnijche und Fam zu dem
Schluß, daß das große Binnengemäffer einft, vermutlich zur Jurazeit, mit dem Sndifchen
Ozean in offener Verbindung gejtanden und von ihm eine Gaftropodeneinmanderung er-
halten habe, deren Nachfommen jebt noch in der Tiefe weiter lebten. Spätere Unter-
fuchungen haben feine Annahmen nicht ganz beftätigt; die Fauna ift nicht völlig auf den
Tanganjifa bejchräntt geblieben, e8 haben fich vielmeh: manche Beziehungen zu anderen
Süßtwafferformen gezeigt. Reftlos aufgeklärt it die Sache indes feinesmegs, und Die Gejell-
schaft Stellt noch immer ein Höchft eigenartiges Clement innerhalb der Sühwaljerfauna dar.
Kehren wir nad der Furforifchen Erledigung der Süßmwafjerjchneden wieder an den
Meeresjtrand zuriik. Da hat zunächlt am Feljenftrande die Brandungsmoge eine Anzahl
von Arten zu feitfißender Lebensmeife veranlagt, unter ven Bandzünglern namentlich
zwei Zormen, die Wurmfchneden und die Kapuliden oder Mübenjchneden im meiteren
Sinne. Wenden mir uns zunächit den leßteren zu.
Bei den Mübenjchneden oder Kapuliden nimmt die Schale bald Die En einer
Safobinermüße an, jo bei der Kappenfchnede (Capulus Montf.), der Sandalen- oder
Bantoffelfchneede (CrepidulaLam.), oder fie wird flach-Fegelförmig und mehr napfichneden-
artig, jo bei Calyptraea Zam., Hipponyx Defr. und Crucibulum Schum. Vielfach fommen
unvegelmäßige Ränder vor, wenn die Tiere auf rauhem Geftein, auf der Auken- oder Snnen-
jeite von Mufchelfchalen, haften. Am regelmäßigften pflegt Capulus zu fein. Die Segelgehäufe
iind eigentlich Kreifel, denn man fieht an der Kegelfläche noch fpiralig die Naht des ®emwindes
herablaufen. Sm&nnern aber fehlt Die regelmäßige Spira, denn e3 tritt vielfach Rejorption
der inneren Schalenteile ein, in wechjelnder Ausdehnung, fo daß bei Crucibulum gar ein
innerer, dDiünnmandiger Kegel frei Hervorragt, ähnlich dem äußeren, doch mit Fleinerer Grund-
fläche, beide an der Spiße verbunden. Bei Crepidula, deren Lebensweije Conklin genau
ftudiert hat, feen fich bisweilen eine Anzahl Stüde Fettenartig aneinander, immer das eine
erzentrifceh aufdas andere. Die Heineren find Männchen, die nachher zu Weibchen auswachjen,
alfo ein Fall typischer Proterandrie, Die neuerdings auch für die übrigen Gattungen erwiejen
wurde. Die Befeftigung gefchieht bei vielen durch eine Kalfplatte, die vom Fuß abgefondert
mird, vermutlich das Dperfulum. C3-ift neuerdings Durch vergleichende Unterfuchhungen
über die Umbildung der Schale, de3 Schalenmusfels und anderer Organe gelungen, die Shjte-
matif diefer ganz- oder halbfeifilen Formen, von denen Crepidula zum Feitjegen Mol-
fusfenfchalen bevorzugt, einigermaßen aufzuklären und die apuliden von einer Neihe zu
trennen, die an die Naticiden anfnüpft, auf Die wir gleich zurüdfommen. Die genauere
Grörterung würde hiev zu mweit führen. Entgegen den meisten Weichtieren, die jich um
die gelegten Eier nicht mehr fümmern, finden wir bei Calyptraea eine Brutpflege, Die
ai die Sorgfalt erinnert, mit der die Nüfjelegel jich ihrer Jungen annehmen. Calyp-
traea jcheint buchftäbfich auf ihren Eiern zu jigen und zu brüten, wie vor langen Jahren
Ichon Mime-Edwards an mittelmeerifchen Arten beobachtete. Die Mutter ordnet Die Gier
unter ihrem Bauche und bewahrt fie zwischen dem Fuße und dem fremden Körper, auf
dem fie xuht, fo daß ihre Schale nicht allein fie felbft, fondern auch ihre Nachfönmlinge
bededt md bejehüßt. Die jungen Kalypträen entmwideln fich unter diefem mütterlichen
‘
3
'
Vorderfiemer: Bandzüngler. 441
Dache, das fie nicht verlajjen, bis fie Stärke genug haben, um fich felbft an dem Stein zu
befejtigen, und bis ihre eigene Schale hart genug ift, um ihnen Schuß zu gewähren. Die
Gier jind zu 6—12 in häufige, elliptifche und abgeplattete Kapfeln eingejchloffen. Sechs
bis zehn Sapfelı machen einen Sat aus und find durch einen Stiel > miteinander ver-
bunden, daß fie einer Art Federbujch gleichen.
Die Wurmjhhneden oder Bermetiden haben anfangs ein ee geivundenes,
ichlanf fegelfürmiges Gehäufe. Nach dem Feitjegen wächit es aber in beliebiger Windung
und Richtung röhrenförmig mweiter, ähnlich der Kalfröhre einer Serpula. Das Ende biegt
jich frei nach) oben, was in der Figur an dem unteren Std weniger zum Ausdrud fommt. -
Bei der Wurmjchnede, Vermetus
Ad., it das Nohr rings geichlojfen,
bei ver Schlangenjchnede, Siliqua-
ria Brug., hat e8 einen Längsjchlig
bon der Befeitigungsitelle an. Wir
jehen hier dagjelbe Prinzip der Schlit-
bildung mit einem Umjchlag in der
Lebensweije, wie wir’3 oben bei Pleu-
rotomazia fanden, nur daß der Wechiel
andere Phafen voneinander jcheidet.
„Die Wurmjchnede kann fich tief in ihr
Rohr zurückziehen. Che der Kopf mit
zwei furzen, plumpen Fühlern oben
wieder jichtbar wird, fommt der Fuß
tie ein Stöpfel heraus, mit Hornigem
Dedel. Diefer Teil von ihm it char == :
ten, außerdem aber die Zußdrüfe, und Gewödnlige Burmjäne E EN ae lumbricalis Z. Ctmwas
zwar in bejonders ftarfer Entfaltung.
Sie hat ihre Funktion gemechjelt. Man hat beobachtet, daß aus der Nöhre Schleim
‘herborquilft, der fich wie ein Schleier über der Miindung ausbreitet. Er fan nur aus
der Fußdrüfe ftammen. Nach einer gewifjen Zeit wird er von der Schnede Hineingezogen
und verzehrt. Eine merfwürdige Art der Ernährung, bei der e$ natürlich auf die Heinen
Wefen, die inzwijchen am Schleim haftengeblieben find, abgejehen ift. Das jcheint indes
‚nicht die Regel zu fein, vielleicht nır ein Aushilfsmittel bei Hungerperioden. Läßt man
Nahrungsteile, etwa zerriebenes Fleilch, auf das Rohr Hinabfinfen, dann werden an dem
Tier, da3 bei Vermetus gigas Blv. dunfel purpurvot und gelb gezeichnet ift, gierige Treß-
und Schlucbewegungen ausgelöft. Die Eier werden in bifonveren Kapjeln der Neihe
nach im Endteil der Röhre in einer Reihe befeftigt; jede Kapjel enthält eine Anzahl von
Ciern. Eine Veligerlarve jchlüpft aus.
Bon Freilebenden fchliegt man hier gewöhnlich die Familie der Turritelliden ober
Turmjehneden an, mit langen, fpigen Gehäufen. Ir gewilfer Hinficht fönnte man aud)
an ein ganz Kleines Schnedchen denfen, da3 wenige Millimeter mejjende Caecum Flem.
‚Sreilich beiteht die Ähnlichkeit faft nur darin, dat die Schale fich nad) furzem Anfangsgetwinde
bald ablöft und zu einem bogenförmigen Rohr auswächlt. Das veranlagt Unbequemlid)-
feiten beim riechen; der Eingemweidefad zieht fich aus dem Geminde heraus, er wird Durch
eine Duerfcheidetvand abgejchlojfen und endlich abgeworfen. So gleicht das Schälchen
442 Weichtiere: Schneden.
schließlich einer Miniaturausgabe von Dentalium, nur daß die Röhre am Ende gejchlojjen
ift. Das Hindernis beim Striechen erklärt jich um jo eher, al$ das Tier beim Ktriechen auf
dem Sandboden nicht die Fußmusfulatur gebraucht, fondern fich hierbei der Wimper-
bededung der Haut bedient. |
Wahrfcheinlich geht man nicht fehl, wenn man den feitjienden flachen Formen eng
eine frei bewegliche Gruppe anreiht, die gleichwohl Dasjelbe Bermögen befißt, ihre Schale an
Sremdförper anzuhesten, nur unter anderen Bedingungen und daher mit völlig anderem
Crgebnis. Die Gattung heißt Pho-
rus Mont., Xenophorus, Onustus, zu
veutich Träger, Fremd-, Lajtträger.
Sie gleicht etiva einer flach-fegelfürmi-
gen Calyptraea, ijt nur viel größer und
ringsum breiter ausgeladen. Auf der
Außenflädhe jißen allerlei Fremdkör-
per, gewöhnlich von derjelben Sorte
bei jedem Sndividuum, bei einem jind
e3 Mujcheljchalen, bei einem anderen
Ceeigelftacheln, die regelmäßig über
den Schalenrand hinausftrahlen, und
ztvar bringt meift jede Expedition von _
einem beitimmten Grund lauter gleich-
artige Stüde mit, wenigjtens war's jo
bei der Baldivia. Die Schneden leben
auf Schlielboden in tieferem Wajjer,
und da befeitigen jte ihre Schale wohl
an einem der herumliegenden feiten
Gegenjtände. Uber der Erfolg ift nicht
Atlanta peronii Les. Vergrößerung 7:1. der, daß lie feitjigen wie am Strande,
jondern der Fremdkörper gibt nad)
und läßt fich mit Herumtragen. So wird ein neuer ımd immer neuer VBerfuch gemacht.
Schließlich fommt doch eine gute Wirfung heraus, ohne die daS Verfahren nicht erhal-
tungsfähig hätte fein Fönnen, fondern zum Untergang hätte führen müfjen; die Verbrei-
terung der Schale verhindert das Einfinfen in den Schlid.
Das Gegenftüd zu den feitgewachjenen Bodenformen bilden die pelagifchen Kiel-
füßer (Heteropoda). Sr der lebten Auflage diefes Werkes wurden fie noch nach früherer
Weije al3 befondere Ordnung behandelt. Auch jeßt noch umfaffen fie drei oder vier Fami-
lien. Wir können fie nicht in eine Reihe bringen. Den Ausgangspunkt bildet Atlanta Zes.,
die ich noch ganz in die ettva 1 cm große Schale zurückziehen fann. Diefe Schale ift flach
in einer Ebene aufgewunden, nur der Anfangsteil de3 Gemwindes zeigt noch einen Reft von
Alymmetrie. ES fommt alles für das Schwimmen auf eine möglichft gleichmäßige Lajt-
verfeilung an. Da das Tier in umgekehrter Lage fchwinmt, feiftet eine Fammartige Er-
mweiterung, die dem legten Umgange aufgefett ift, al Kiel die beiten Dienfte. Die ftärkite
Ummandfung betrifft den Fuß. Sein vorderer Teil ift feitlich zufammengedrüct und
als jenkrechte Platte nach unten ausgezogen. An diefer Slojfe, Durch deren Hin- und
Vorderfiemer: Bandzüngler. Kielfüßer. 448
Herjchlagen die Schwimmbemwegungen zujtande fommen, fißt am Hinterrande ein Saugnapf,
der Net der urjprünglichen Striechjohle. Sie ift noch von einem derben Mustelfilzge durch-
zogen, während man an der ducchjichtigen Flofje bei näherer Betrachtung fich jchräg Freur-
zende Musfelbiindel bemerft. Der Hinterteil des Tubes trägt als bejonders abgejegten
Lappen das Operfulum. Man fann aljo Flofie, Saugnapf und Dedellappen al3 Vorder-,
Mittel- und Hinterfuß (oder Wro-, Mejo- und Metapodium) unterjcheiden, eine auch für
andere Gaftropoden oft beliebte Einteilung. Die Atlanten bewohnen, wie die übrigen
Kielfüßer, den freien Ozean, aber fie jegen fich noch oft mit ihrem Saugnapf an anderen
ichwimmenden Gegenständen feit und ziehen fich auf Reiz in ihr ©ehäufe zurüc, das lie
mit dem Dedel verjchließen.
Ganz anders verhalten ji) in vieler Hinjicht Die. Karinarien, die weit größer
werden, meilt fingerlang. Die deutjche Tieffee-Expedition holte im Jnoifchen Ozean ein
ungefähr 40 cm langes Stüd aus größerer Tiefe heraus. m allgemeinen halten jie jich
Pterotrachea Forsk., jhwimmend. Nach K. Kraepelin, „Einführung in die Biologie”, Leipzig 1909.
aber wohl an der Oberfläche. Carinaria Zam. hat noch) eine Cchale, die nur wenig größer
iit al3 etwa die von Atlanta. Aber Das furze Gewinde erweitert jich bald, jo daß Die
Form einer Safobinermüge herausfommt. Das Schälchen dient nur noch al3 Cchuß für
die Kiemenfäven, die jich Darunter bergen fünnen. Der übrige Körper it in die Länge
gezogen, bejonder3 nach vorn, drehrund und beiderjeit3 jpindelfürmig zugejpikt. Die
Sloffe trägt meift nur noch beim Männchen einen Caugnapf als Haftwerfgeug bei der
Begattung. Der Körper wird durch derbe, jchleimhaltige Bindegemwebszelfen, die der
Haut eingelagert find, verjteift. „Die nach oben gefehrte Flojje”, jagt Keferjtein, „bewegt
durch Hin- und Herfchlagen, wobei fie fich windfchief biegt, das Tier langjam, aber jtetig
fort (j. d. Abb.). Der Schwanz [chlägt hin und her, der ganze Körper ijt, jomweit e3 jeine
Veitigkeit zuläßt, ebenfalls in ähnlicher Tätigkeit, und hierdurch wird das Tier hin und her
geworfen, wobei e3 allerdings fortrückt, aber in feiner Bewegung zugleich alles Bierliche
einbüßt. Wie aus diefer Bejchreibung jchon hervorgeht, ift es dem Tiere fait gleich be-
quem, fich vorwärts oder rücmwärts zu bewegen, und man beobachtet auch wirklich beide
Richtungen des Ortswechjels.”
Pterosoma Less. erhält eine bejondere Stabilität Durch feine Körperform. Die Geiten
jind Hinter dem Kopf flügelartig erweitert, jo daß die Geftalt etwas an Die einer Violine
erinnert. Die reinjte Spindelform zeigt Pterotrachea Forsk., vollfommen ohne Schale; der
444 Weihtiere: Schneden.
jilberglänzende Eingeweidejad mit den Umtijjen eines Getreideforns it gegen das Hinter-
ende eingefchlojjen, jo daß nur die Stiemen daraus herborragen, oben und unten wohl mit
einem häufigen Saum verjehen, der Schwanz oft in einen langen Faden verlängert, in
Abjtänden zu roten inoten verdickt. Sn der Haut find rings kräftige Längsmusfelbündel
eingelagert. Sp bewegen jich die Tiere nicht nur mit der Flofje, fondern in Schlängelungen
de3 Leibes wie ein Filch gejchtoind DucchE Wafjer. Der Schwanzfaden mag als ein ficht-
barer Köder Beutetiere anloden, doch ift nichts Näheres befannt, wie er denn ebenfo oft fehlt.
Die Tiere find äußerft raubgierig. Die rüljelartig verlängerte Schnauze bewegt fich un-
ausgejeßt hin und her, um Beute zu erhafchen. Mit diefer Eigenart hängt wahrfcheinfich die
hohe Entwidelung des Auges, mit der jtändigen Schwimmbewegung die des Dhres als eines
. Gleichgemwichtsorgans zufammen. Beide erreichen hier den hHöcyiten Stand unter den Gajtro-
poden jchlechthin. Die Fugelige Ohrfapfel enthält einen großen GStatolithen, der durch die
rings angebrachten Winperbüjchel in Exrzitterung gehalten oder auf Neiz gegen eine be-
jondere Leijte von Sinneszellen gedrückt wird. Die Nerbenfafern gehen nach den Fuß-
ganglien ımd weiter nac) vem Hirn, und zwar ijt einfeitige und gefreuzte Verbindung nac)-
gewviejen. Das Auge ift jehr groß und zu einem abgeftußten Kegel umgeftaltet, an der
Bafis einjeitig erweitert, oben durch die halbfugelige Hornhaut geichloffen, mit fugeliger
Line dahinter. Die Verlängerung bedingt einen großen Abftand ziwifchen Linje und Neb-
haut. Die lebtere ijt zu einer eigenartigen Spalte auf dem Boden umgejtaltet, wahr-
Iheinfich um die Entfernung der äußeren Objekte leichter abzujchägen. Das Pigment, das
die Ceitenmwände und den Augengrund ausffeidet, hat feitlich Unterbrechungen, Feniter, um
auch von diejer Seite Licht einzulaffen. Shnen gegenüber liegen „Nebenjehzellen”. -
Die Verbreitung der Kielfüger bejchränft jich auf die wärmeren Meere, das NMittel-
meer ilt jchon reich an ihnen, wie e3 ja überhaupt den nördlichiten Borjtoß der Tropenfee
daritellt. Zn die Nordfee verirren fich nur felten einzelne Vertreter mit dem Golfitrom.
Als pelagijche Oberflächenbewohner gehören fie im allgemeinen zu den Ölastieren und find
maljerhell, abgejehen von den Augen und dem Kleinen Eingeweidejad. Die Atlanten, die
ja bei Rüdzug ins ©ehäuje meiter in die Tiefe jinfen, haben entjprechend einen Hauch
bon Lila und Braun, die erwähnte große Carinaria aus dem Indif hat grobe, derbe, braune
‚lede. Nach Art der meilten pelagiichen Tiere der Tropen ift das Gebiet der einzelnen
Arten jehr ausgedehnt, die Unterfcheivung der Arten ift jchiver, oft wilfen wir nicht, ob eine
pazifiihe Spezies mit einer atlantifchen zufammenfällt oder nicht. Dem Gleichmaß der
weiten Ummelt entjpricht da3 Gleichmaß der Formen innerhalb der Gattung, deren Ur-
jprung mwir-meift nicht beurteilen fünnen. Nur das geigenförmige Pterosoma bejchränft
jich auf die auftralifchen Meere, den füdlichen Stillen und den Smdifchen Ozean. Das
Tier gehört zu den Seltenheiten, von denen immer nur vereinzelte Stüde heimgebracht
werden, wie e3 denn auch lange gedauert hat, bis man feine jyjtematifche Stellung er-
fannte; es galt lange Zeit für einen Wurm.
Die Fortpflanzung enthält interejjante Einzelheiten. Die Gejchlechter jind getrennt,
die Eier werden in einem hellen, zylindrischen Faden entleert, der oft noch mit einem Ende
in der weiblichen Offnung fteett und von der Mutter mit herumgefchleppt wird. Daß die
Tarve ein Segel hat, ift felbftverjtändlich. Aber hier jehen wir e3 zum erjtenmal ftärfer
vergrößert und jederjeit3 in zwei oder drei ziemlich lange Zappen oder Zipfel gejpalten.
Lie werden im warmen Waffer noch öfters auf ähnliche Bildungen jtoßen. Die Zugehörig-
feit der einzelnen Larvenformen zu beftimmten Arten ift natürlich nicht immer leicht
Vorderfiemer: Kielfüßer. Bandzüngler. 445
feitzuftellen, ja man darf wohl aus der Verfchiedenheit der mancherlei flachen, atlanta- .
ähnlichen Tarvenfchalen aus den verfchiedenen Teilen der Tropen erjt auf die Unterfchiede
der Alten jchließen, ein Hilfsmittel für fünftige Sonderung der Arten.
Über die Fortpflanzungszeiten und die Wachstumsgefchtwindigfeit der Jungen iwifien
wir noch wenig. Aber wie bei vielen eupelagijchen Tieren führen einigermaßen anhaltende gün-
jtige Witterungsverhältniffe, in erjter Linie wohl Shwache Winde oder Winpftille, zu einer über-
aus reihen Vermehrung und ins Riejenhafte gehenden Schmarmbildung. Solche Schwärme
- find oft beobachtet worden; jie Halten an, jo lange die Gunjt des Wetters und der Strö-
mungen dauert, bis ein Sturm die ganze Menge ans Gejtade wirt, das dann wohl meilen-
weit mit einem diden Wall einer einzigen Art bevedt ift. Das Leben im Schwarm muß
A) Natica josephina Risso, eine Mujhel anbohrend. de Dedellappen, hf a mu Dufael, : s | einko, r Rüffel,
welcher zwijhen den Wülften w de3 Vorderfußes vf hervortritt. B) Ein Bohrlod in der Entftehung. ch Zentraldügel, der
no jtehenbleibt, während fid) ringsherum die faure Wirkung der Bohrdrüfe bereit3 geltend madt. C) Fertiges Bohrlod.
Nah Shiemenz. Aus Bronn, „Klaffen und Drdnungen des Tierreichs‘‘, 3. Band, 2. Abt., Leipzig 1896.
jich wohl fehr gleichmäßig abjpielen, in unausgejegter Bewegung Tag und Nacht, und das
hat, wie e3 jcheint, eine auffällige Folge gehabt, ungewöhnliche Xebenszähigfeit und Un-
empfindlichfeit gegen Berwundungen. Meijt werden von Verfolgern der Eingemeidejad und
die Augen weggejchnappt, da fie allein fichtbar find, man hat aber Stüde, denen der ganze
Kopf fehlte, denen die Wunde verheilt war, und die fich trogdem frifch weiter bewegten,
gefunden und als — neue Formen bejchrieben. Zur Entjehuldigung Fan dienen, daß die
Form des Heteropodenförpers oft durch Konferbierungsmittel ftark leidet.
Cchließlich noch die Bemerfung, daß Panceri Pterotracheen auf Exrfchütterungen Hin
aufleuchten jah. Namentlich der Eingemeidefad ftrahlt auf den geringjten Neiz Hin ein
jchönes, bläufiches Licht aus.
Bon den Bodenformen, zu denen wir zurücfehren, mag hier Natica Lam. jtehen,
die Nabelfchnede, mit vielen Arten, mit derbem, glatten, poliertem, Fugeligem Gehäufe,
da3 am Nabel zu einer Schwiele verdidt ilt. Der Fuß hat ein abgegliedertes Propodium,
das fich auf den Kopf hinaufjchlagen fann. Hinten fist ein Fräftiges Operfulum. Die Tiere
446 MWeichtiere: Schneden.
haben mehrere Bejonderheiten, jo graben jie z.B. im Schlamm den Mufcheln nach. Das hat
azunächit zur Wafjeraufnahme in den Fuß geführt. Er jchmwillt dadurch unförmlich auf umd
zeigt vorn das Propodium, in der Mitte das große Mejopodium oder die eigentliche Sohle,
hinten den Dedellappen. &3 hat bis jeßt nicht gelingen wollen, die Schneden in dem ge=
ihwollenen Zuftande zu fonjerdieren, Denn auf jeden Reiz entleeren fie das Wafjer und führen
den Körper auf die gewöhnliche Form zurüd. Früher glaubte man, die Wafjeraufnahme ge-
ichähe durch ein Zoch mitten auf der Sohle oder etwas davor, das bei vielen Vorderfiemern
in die hintere Fußdrüfe führt. Aber Schiemenz hat gezeigt, daß dafiir am vorderen Rande,
two gewöhnlich in breiter Linie Die vordere Fußdrüfje oder Lippendriüje mündet, vecht3 und
inf eine Anzahl feiner Offnungen liegen. Sie führen in Kanäle, die fich aufs allerfeinfte
stpischen ver Muskulatur im ganzen Bereiche des Fußes verzweigen md Durch Ringmusfeln
verjchliegbar jind. Wir dürfen jomit annehmen, daß die Einrichtung aus der Borderranddrüje
hervorgegangen ift. Zuerjt quoll in den Drüjenräumen durch
Wafferaufnahme der Schleim, dann wurden die Dffnungen ge-
jchloffen und durch den gefamten Drud des Hautmusfelichlauches
in erweiterte Räume zur Veräftelung ziviichen den Mustelbiin-
dein gezwungen. Das war wohl der Anfang, der jich beim Öra-
ben als nüglich erwies, jo gut wie bei dem Ergreifen der Mujchel,
die von den überquellenden Fußteilen umjchloffen wird. Die
weitere Bewältigung der Mufchel ijt nicht weniger eigenartig
en Es (j.die Abbildung, ©. 445). Wirjehen da über dem Vorderfuß die
2 atica. p Yropvs N ?
dium ober Vorderfuß, m Metap- Atemrinne des Mantels herausjchauen,. ven Stpho, welcher den
dinm oder Hinterfuß, o Operfulum
oder Deckel. Mag R. 9. Dhhner. Wafjerwechjel in der Stiemenhöhle auch troß des vorgelagerten
Aus „Boologijher Anzeiger”, 44 Mulftes im Sande gemwährleiftet, Dazu wohl die Fühler, nament-
Band, 1914, Nr. 4. : $ : 7 3
fich aber die rüfjelartig verlängerte Schnauze. Unter diejer
liegt nahe der Mündung, jagen wir am Sinn, ein flacher Napf, die Bohrdrüfe, die blaues
Ladmuspapier, das wir darauf drüden, rötet, alfo jauer reagiert. Die Cäure wird nun
zum Auflöjen des Kalfes in der Mujcheljchale veriwendet — ein Vorgang, dem wir noch
öfter begegnen werden —, es entiteht ein eriweichter Tled, in dem dann die Napdula in
freisrtunder Bewegung arbeitet, bi ein völlig regelmäßiges Loch entjteht (C). Durch diefes
dringt darauf der Rüfjel ein, um die Weichteile der Mufchel auszufrejjen.
Die Laichform der Natica hängt ganz mit ihrem Graben im Sand zufammen. &3 ift
eine regelrechte Sandmulde, von der Geitalt der geflochtenen Schüjjel, in der ein rundes
Brot geformt wird. Die Wand der Schüfjel ift über umd itber dicht durchjeßt von Eifapfehn.
Der Fuß arbeitet offenbar, unter Abjcheivung von Schleim, während der Ablage der Kofons
drehend im Sande. Die Jungen find Beltger, mit ähnlichen vier Segelzipfeln, wie wir fie
vorhin von’ Atlanta fennenlernten, je weiter in den Tropen, dejto länger. Dabei haben
Schale und DOperfulum bereit3 ihre regelvechte Ausbildung, jo daß man an der Struktur
des Dedels jchon die Unterfamilie, zu der die Larve gehört, externen fann (j. d. Abb.).
Die Erzeugung eines ftarfen Dedels, wie wir ihn hier finden, ift, nach B. Bauers
Beobachtungen, eine befondere Anpajjung gegen die Angriffe der Einfiedlerfrebje, die ja
im Litoral fich dircch ihr Bedinfnis nach einem Schnedenhaufe zu befonderen Feinden
der Gaftropoden herausgebildet haben. Nach demjelben Forjcher wären jogar die Ver-
didung des eßten Umganges der Schale bei Porzellan- und Kegelichneden, die veritärkte
Außenlippe bei zahlreichen Geejchneden (Cassidaria, Tritonium, Murex), ihre periodifche
Borderfiemer: Bandzüngler. R 447
Berdidung bei Scalaria, die Napfform und dergleichen folche Berteidigungsmittel gegen
diejelben Feinde, wobei Murex ihren Stachelbejaß geradezu al® Säge verwendet. Cbenjo
leijtet der Gtachelbejab nicht nur an der Außenlippe, jondern auf der Schalenfläche jelbit
gute Dienjte gegen die Angriffe der anderen ausgeprägteiten Gruppe von Feinden, der
Geejterne, auf deren Beziehungen wir noch öfters zurücdfommen werden. Dieje An-
griffe Haben bei Natica reticulata L. zu einem bejonderen Fluchtrefler geführt, zu auffallend
vajchem Schlagen von alien bei Berührung der zwei zipfelfürmigen Tafter am
Hinterende des Fußes.
Bon einem ähnlichen Ausgangspunfte aus, wie Natica, und doc) in einer ganz anderen
Richtung, noch weit einfeitiger ein Extrem durchführend, betätigen fich die Lamellariiden.
Bir Tönnen von Formen ausgehen mit Fugeliger oder mehr flachgedrücdter, ohrfürmiger
Schale, wie Velutina Flem. und Sigaretus Lam. Bei lebterem foll der Weichförper noch Dem
bon Natica gleichen, bei Velutina wird die Schale zarter und der Manteltand fchlägt fich auf
jie hinauf, jie teilmeife bededend. Bon da an entitehen Nadtjchneden von plumper, fteifer
Körperform mit innerer Schale, die aber immer troß ihrer Zartheit ihr vollfonmenes Ge-
winde beibehält, Lamellaria Mont., Marsenia Zeach, Marseniopsis Bergh, Oncidiopsis Beck
‚und andere. Gie umjpannen alle Meere von der Arktis bis zur Antarktis und Haben nahe
Lebensbeziehungen nicht zu den Mujcheln, jondern zu Tunifaten, und zwar zu den feitfigenden
Geejcheiven. Das geht jo weit, daß fie in deren diden Mantel rundliche Tücher frefjen, um -
ihre Gier Hineinzulegen, und fie mit einem Schleimdedel verjchliegen, wie Bergh beobachtete.
Erjtaunlich ijt num die verichiedene Entwidelung der Veligerlarven, die daraus ausschlüpfen.
Am einfahiten find jie in der Arktis, ein zartes äußeres Schälchen, das vom Dedel ver-
Ihlojjen werden fann, das Segel nad) rechts und Iinfs etwas zu einem Lappen verbreitert.
Ganz anders in der Antarktis, wo fie eine Nacdtichnede daritellen mit diem Mantel, fait
fugelig aufgetrieben bis zu Erbjengröße, in ver Manteltajche eine ganz dünne, Falflofe
Schale, dazu eine Offnung, aus der der Kopf und der feine Fuß herausgeftrect werden.
Der Kopf trägt die Fühler und vier lange, beiwintperte Gegelzipfel. Sie beweijen, daß die
Vorfahren einft im warmen Wafjer der Tropen lebten, wo allein folche Berlängerungen
hervorjprofjen. Hier lebt jest die dritte Larbenform, die jogenannte Echinospira. Cine durch-
jichtige, elaftiiche Schwimmjchale, vollfommen flach und waljerhell, etwa von der Form einer
ZTellerichnede, mit bedornten Längsfielen ringsum, enthält eine ganz Feine Zarve, die aus
der Mimpung diejelben Segelzipfel herauzsftredt. Sie nimmt anfangs nur einen geringen
Zeil innerhalb der Außenjchale ein, bededt jich aber jelbit mit emem dünnen Kalfhäutchen,
der fünftigen bleibenden Schale. Die äußere Schmwimmjchale behält während der pelagijch-
planftoniischen Wanderung ihre Größe, bi3 cm, bei, während der Einwohner Heranmwächlt.
Beim Anlanden am Boden wird die Schwimmijchale, die weiter nichts bedeutet als ein
ftarf aufgetriebenes und abgehobenes Perioftrafum, abgeworfen, die junge Larve friecht
davon, erweitert ihren Mantelrand ujw. Welche Schidjale mag die Familie Hinter fi)
haben, bis alle ihre Sonderheiten herausfamen?
Wir jahen bei den legten Sippen den ©ipho, wohl al3 eine Folge des Graben im
Boden, als eine Einrichtung, um den Zujammenhang zwijchen der Atemhöhle und dem
freien Wajfer aufrechtzuerhalten. Bei ven noch übrigen Tänioglofjen ijt der Sipho bereits
an der Schale Fenntlich, an der er einen Auzfchnitt veranlaßt, daher fie auch al Gipho-
nojtomen zujammengefaßt werden.
448 Weichtiere: Schneden.
Die Cerithien oder Nadeljchneden haben als erjte Gruppe lange turmförmige,
fefte, mit vielen Budeln verzierte Gehäuje. Die größeren in den Tropen jind dadurch
Gehäufe de3 le Aporrhais pes pelecani Z.
Natürlihe Größe.
bemerfenswert, daß jte in die Flukmündungen
und Sümpfe eindringen. Während der troce-
nen Sahreszeit hängen jie, durch erhärtete
Schleimfäpen befeitigt, mit gefcehlofjenem Dedel
anden Ymweigen der Mangroven. Die feine Tri-
foris Dh. mit Iinfsgewunpdener Schale jtellt das
. andere Ertrent dar, jte jchwimmt lange mit bier
Gegelzipfeln im Meere umher, nachdem bereits
ihre Schale weit herangewachfen ift. Im Mit-
telmeer ijt wohl feine Schnede jo unempfind-
fich) gegen Trodenliegen wie das derbe Ceri-
thium vulgatum Brug. — Die Nadula Diejer
Tamilie ift vielleicht am menigjten täniogloß
unter denen, die wir hier noch al Bandzüngler
zufammenftellen. Einmal jind e3 mehr Zähne
in einer Duerreihe, bis zum Doppelten, jodann
ind die Geitenzähne nicht Fingenförmig frei, fondern die Zahnplatten find alle flach und
breit, nach den ©eiten zu abnehmend, ebenfo die freien Spiben, die dem Hinterrand der
einzelnen Zähne aufjigen, eine en Nafpel, die ich nach den Geiten zu glättet. Hier
wird jedenfalls eine bejondere Ent-
icelungsreihe angedeutet. Stammt
fie vom Süßtwaffer oder gar vom Lande?
Die Schale der PBorzellan-
Ihneden oder Zypräen haben wir
bereits bejprochen (©. 413), die papier-
aimen inneren Teile gegenüber. den
dicmwandigen, Durch den Mantel polier-
Zum!
A in
ten legten Umgange; dazu fommt zulegt
Berdidung und Abplattung des PBeri-
ftoms zu beiven Seiten de3 jchmalen
Miündungsipaltes. Se bekannter Die
Schalen und je ausgebreiteter die Be-
nußung, mwobon jpäter Die Rede jein
wird, dejto geringer ift die Kenntnis
der Xebensweife. Gehen Doch die Be-
merfungen meilt auf Rumph zurüd, der
uns erzählt, daß die Borzellanfchneden
VMännden ber Flügelfhnede, Strombus lentiginosus L. Na= fich meift im Sande berbergen bei Neu-
A = h
türlthe Größe.
over Vollmond aber herausfommen
und fich an die Klippen hängen. Einige Beobachtungen machte Simxoth in Neapel. Bei
der Kleinen Trivia Gray ift der ganze Weichtierförper blaß orange oder oeferig gefärbt. Eine
Cypraea L. dagegen zeigte die ftärkjten Gegenjäte. Die bräunliche, mit zwei verwajchenen,
mweißlichen Binden verfehene Schale deutet wohl auf ein ähnliches Pigment wie bei Trivia.
Vorderfiemer: Bandzüngler. | 449
Anders der Weichkörper. Die Sohle ijt einfach bla mweißfich, mit einem Stich ins Nofa.
Der Rüden des Fußes ift auf hellem Grunde dicht fchiwarz geftrichelt, unfcheinbar. Der
Mantelvand, der jich iiber die ganze Schale Hinaufjchlägt und fie einhüllt, auf Berührungs-
veiz aber fich ftarf zufammen- und in den Spalt zurüczieht, um fi) ganz Yangjam in
1 oder 2 Tagen wieder zu dem früheren Umfange auszubreiten, Hat das Braun der Schale,
die er erzeugt hat, nur blafjer. Auf feiner Fläche jtehen über und über meißliche, grießige
Warzen, aus denen fich von Gtrede zu ©trede eine hellere, jpitere dornartig erhebt.
Hier drängt fi) die Trage auf, ob die niedrigen Warzen und die höheren Dornen mwejent-
lich verjchieden jind oder nicht vielmehr anf diejelbe Grundlage in periodiischem Wechjel
- zurüicdgehen. Sie fonnte leider nicht verfolgt werden, wie fie auch erjt jpäter bei genaue-
rem Studium auftauchte. Was dagegen auf den erjten Bli die Aufmerkfamkeit erregte,
waren die jcharlach-
toten, grellen Anhänge,
die an dem geichil-
derten, mattfarbigen
Körper gliedmaßenar-
tig hervorfreten, Die
Schnauze, die äußert -
ichtempfindlichen Füh-
lex, die bei jeder Be-
Ihattung zujammen-
zuden, und der Sipho.
Hier muß wohl eine
bejondere Bedeutung
vorliegen; man fonnte \ - zur
lich angejichts der Sturmhbaube, Cassis orte L. sKleine3 Cremplar.
vielen jcharlachroten 5
Brachyuren, die Das Neapeler Aquarium beherbergt, des Eindruds nicht erwehren, daß
dDiefe Cypraea ettvas Sttebjiges vortäufchte, ein merfwürdiges Beijpiel für Mimikch !
Al Alata oder Geflügelte faßt man namentlich die Gattungen Aporrhais Dillw.,
Strombus Z. und Pteroceras Lam. zufammen, allerdings die erfte lediglich nach der Schale,
der Fuß zeigt noch nicht die Durchbildung wie bei Den anderen. Aporrhais pes pelecani Z.,
der Pelifanzfuf (Abb., ©. 448), die großen Flügelihneden und Singerichneden
oder Teufelsfrallen haben die Außenlippe der jchweren Schale al einen Flügel ver-
breitert oder in einzelne Fortfäge ausgezogen. Die Bedeutung für die Oleichgemwichtzlage
wurde bereit3 erwähnt. Troß des Schalengemwichtes find Die Tiere beweglich genug, in-
folge der Sftederung des Fußes, die an Atlanta (Abb., ©. 442) erinnert. Der jchmale, jpibe,
hornige Dedel fibt auf einem verlängerten Metapodium; von der Sohle ift bejonders das
Borderende leiftungsfähig. Sndem fi) die Schnede jomit auf die weit voneinander ent-
fernten Bunkte ftüst, ift fie zu Sprüngen befähigt; lebhaftes Hin- und Herichlagen Des
Dedel3 hat einer Art den Namen „Fechter” verjchafft. Mit der freieren Bewegung geht
die gute Ausbildung der Augen einher; hier fißen fie auf dem Ende von Gtielen, die jeit-
fich eine furze Fühlergeißel tragen. Sonft pflegt e8 bei unjerer Ordnung umgefehrt zu
fein, jo daß die Augen auf kurzen Stümpfen am Fühlergrunde fißen.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 29
450 Weichtiere: Schneden.
Noch bleiben vier Familien, die jich, bei normalem, breitem, born noch in befondere
Zipfel ausgezogenem Fuß, durch einen Rüfjel von reichlich Schalenlänge auszeichnen. Cr
fanın fich völlig zurüdziehen, jo daß eine gewöhnliche Mundöffnung erfcheint. Lafjen wir die
fleinen Columbellen oder Täubchenjhhneden mit ihren mafjenhaften Arten in den
wärnteren Meeren beifeite, jo bleiben die Helmfchneden, die Tritonshörner (Abb.,
©. 453) und die Tonnenfchneden. Die Cafjiden, von denen eine Gattung im Mittel-
meer, Cassidaria Zam., den Nordpunft bildet, gehören vorwiegend den Tropen an. Die
große Sturmhaube, Cassis cornuta Z. (Abb., ©. 449), ilt allgemein befannt mit dem furzen
Serwinde und der langen, fchmalen Offnung zwifchen den verdidten, polierten Mindungs-
Tonnenfhnede, Dolium perdix Montf. 1/3 natitrliher Größe.
fippen. Die Helmfchneden leben meift in geringeren Tiefen in der Nähe des Strandes
auf Sandgrund, mo fie fich, ven Mufcheln nachitellend, ganz oder faft ganz. eingraben.
Bon den Tritonshörnern oder Tritoniiden und den Doliiden, den Yab- oder
Tonnenjhhneden, wiljen wir, daß fie Hauptfächlich den Stachelhäutern, Seewalzen und
Ceejternen, nachitellen, und daß fie zu diefem Zwede in ihrem Speichel Säure Haben,
jo gut wie die Lajjiven. ES gehörte zu den überrafchendften Entvedungen, als Trofchel
zufällig ein Dolium in die Hand nahm, das einen Speichelftrahl ausjprigte, der den
Marmorboden zum Aufjchäumen brachte. Ebenfo überraschend war die Entdedung, daß
3—4 Prozent freie Schwefelfäure im Speichel nachgeiiejen wurden. Man hat dann auc)
an den Speicheldriifen befondere Echwefelfäure bereitende Emrichtungen gefunden; auch
andere Eäuren, namentlich Ajparaginjäure, werden im Speichel von Dolium angetroffen.
Serner ift erwiejen, daß die Stachelhäuter durch Säuren fehr leicht gelähmt werden fünnen.
Hier wird alfo gleich ein Doppeltes erreicht: die Betäubung des Feindes und die Zerjegung
jeines Kalfgerüftes. Wenn auch Schwefeljäure nicht gerade praftifch erjcheint, weil fie mit
dem Stalf das fchmwer Lösfiche Sulfat gibt, jo mird doch das fperrige Gerüft des Geefterns in
Fuloerforn übergeführt, die der Radula feine Schwierigkeiten macht.
VBorderfiemer: Bandzüngler. Schmalzüngler. 451
Zu den Dolüiden fehlielich gehören noch die Birnenfchneden, Pyrula Lam., indes
mit manchen Abweichungen. Der Fuß ift Hein, dafür breitet ich ver geflecte Mantel (a in
der Abb.), der jich weit auf die Schale Hinauffchlägt, zunächit horizontal aus, alfo in einer
Ebene mit der Sohle; und diefe Ausbreitung ift zum Kriechen befähigt wie der Fuß felbft.
Die Birnenjchneden leben in Dft- und Weftindien; ebenjo fommt in beiden Gebieten
die Öattung Dolium Zam. vor, indes verbunden durch mediterrane und afrikanische Formen.
Aucd) die Tritoni-
iven find ähnlich
verbreitet, zeigen
aber Die über- 3
aus große Merf-
mwürdigfeit, Daß
verjchtedene Alr-
ten zugleich ojt-
und wejtindijch
ind, ohne Zwi-
ichenjtation. Der A
Bujammenhang il
wurde vermutlich | 1 ) N
aufrecht erhalten A ii
durch recht große .
‚Schwimmlarben,
wieder mit lan-
gen Belarzipfeln.
Die Tritonium-
Larven gehen
über 1 cm Länge
Hinaus; die von
Dolium, al Macgillivrayia bejchrieben, lafjen jich noch an vielen ausgewachjenen Schalen
icharf nachweilen, und zwar an der hornigen Gehäufeipige. Die Larven fennen wir jicher
aus dem tropiichen Teile des Sudiichen und Atlantiichen Dgeanz.
si
\
"
im
Birnenfhnede, Pyrula deeussata Wood, a) von ober, b) von unten. Natürlige Größe
4. Unterordnung: Schmalzüngler (Rhachiglossa).
Wir bleiben bei der Einteilung nach der Radula in dem vollen Bemwußtjein, damit
feinesfall3 eine direkte Entwidelungsreihe zu fennzeichnen. Wir fennen fie nicht und fönnten
höchitens verjuchen, einzelne Linien andeutungsmweije zu verfolgen, z.B. die fchlanfen Tritong-
hörner zu den Kinfhörnern und Spindelichneden in Beziehung zu jegen, oder die Rorzellar-
ichneden zu den Dliven. Wir müffen nur — das ijt das Wejentliche — eingedenf bleiben,
daß die Drganifation fich im allgemeinen in der Richtung bemegt, die wir bei den höheren
Tänivglojjien mwahrnahmen. Längft it die Verlmutterftruftur des Hhypoftrafums ver-
ihwunden. Die Schnauze ift zum Rüffel verlängert, deffen Bafalteil fich fernrohrartig ein-
ihiebt; die Nadula, von deren Berjchiedenheiten troß der Vereinfachung die Abbildung auf
©. 452 zivei Beifpiele bringt, fonzentriert fich immer mehr auf den Mittelzahn; im Rüffel
ligen vielfah vorn noch Drüjen, die fäljchlih zu den Speicheldriijen gerechnet werden,
vielmehr als Bohrdritfen das DOffnen der Mufcheln ermöglichen; der Mantelrand hat fich
99 *
452 Weichtiere: Schneden.
durchweg zu einer Siphoröhre ausgezogen. Markitränge fommen am Schlundring Yängft
nicht mehr vor. Auch das Körpermaß jcheint gewachjen, twenigitens gibt es unter den höheren
Borderfiemern faum noch eine Schale, die unter einige Zentimeter herunterjänfe. Die
Larven fcheinen in den Teopenmeeren Ducchtweg durch lange Gegelfortjäge zu eupelagiichem
Leben befähigt. Behalten wir diefe Grundzüge im Auge, dann fommt auf die genauere
Mailififation und Reihenfolge wenig an.
An die jiphonojtomen Tänioglojjen mit regelmäßig fegelfürmigem oder turmförmigem
Getwinde, wie beim Tritonshorn, fanın man eine Reihe von Rhachigloffen anjchliegen, von denen
die meilten Vertreter größerer Streije find: Turbinella Zam ; Neptunea Bolt.; Fasciolarıa
Lam., die Bandfchnede; Fusus Zam., die Spindeljchnede; Buceinum Z., das Krull=,
Kink-, Wellhorn; Nassa Zam., die Neufenjchnede; Purpura Brug., die Burpur-
jchnede; Murex Z., die Stadeljhnede, u. a. m. ©o begehrt die Schalen, namentlich
| die Urten aus den Tropen, bei ven Liebhabern find, jo wenig
a wijien wir bon der Lebensweije der meilten. Der Sipho
[ aa MAMA? m deutet wohl auf das Graben im Sande, und die frische Schale
\ fieht meift nichts weniger als [chön aus. Planzentrefjer find
ichwerlich darunter, die meijten Stellen wohl anderen Weich-
Fhe, tieren, zumal Mujcheln, nach, die jte, ähnlich wie Natica,
e EN > anbohren. Doch werden wir auch eine andere Methode
fennenlernen. Cine Anzahl nährt jich von toten Tieren.
Zahnreihen ver Reibeplatten von Die Kinf- oder Wellhörner, Buceinum Z. (. Taf.
a er MWeichtiere I”, 6, bei ©. 425), erreichen ihren größten Um-
fang hoch im Ntorben bei Ehibbergen, vo fie offenbar noch
in voller Weiterbildung begriffen jind, wie bejonders aus der VBeränderlichkeit ihrer Ra-
dula hervorgeht. Sn der Nordjee ift dag Gemeine Wellhorn, Buceinum undatum Z.,
eine der häufigiten Schnedenarten. Meift dient fein leeres, oft mit Hydractinia echinata
Ben. beiwachjenes, vom Bohrihwamm verunftaltetes Gehäufe Einfiedlerfrebjfen als will-
fommener Schuß ihres weichen Hinterleibs. Die Heineren Reujenfchneden (Nassa) zeigen
fich jehr beweglich: auf den Rüden gefallen, fchnelfen fie Zuß, Fühler und Schnauze zur
©eite heraus ımd fehren jich rajch um. Cie üben eine Art Strandpolizei aus. Während der
Ebbe bleibt manches Tier auf dem Ufer liegen. Nur den langen Sipho fieht man aus dem
Sande auftauchen und auf dem Boden umherwittern; denn am Grunde der Atemröhre
ftegt ja das Desphradium, die Geruchgleifte. Hat fie eine Beute eripürt, jo taucht auch die
Schnede jelbjt auf und bewegt fich dorthin.
Eine friihe Schilderung von unferer Gegitterten Fijchreufe, Nassa reticulata
L., geben Meyer und Möbius: „Die Fiichreufen find Fleifchjrejer. Wir Haben gejehen,
daß jie lebendige Geefterne anfielen und fich nicht Durch die Kriimmungen derfelben ver-
treiben hegen. Wenn Fleifch ins Aquarium geworfen wird, fo mittern jie es jehr fehnell,
denn fie jeben jich in der Nähe und in der Ferne fofort in Bewegung, um e3 zu fuchen.
Diejenigen, die nahe an der Oberfläche des Waffers fißen, wenden fich abwärts; andere,
die im Begriffe find, nach oben zu friechen, fehren um. Manche heben den Fuß von der
Slasiwand ab und lafjen fich zu Boden fallen. So find fie mit einem Male der gewitterten
Opeije ein großes Stüc näher gerückt und fegen dann Friechend ihren Weg weiter fort.
Diejenigen, die im Schlamme des Bodens verborgen find, heben den Grund in die Höhe,
wühlen fich hexoor umd friechen auf das Fleifch Ios.
Borderfiemer: Schmalzüngler. Eu 453
„Das Organ, mit dem die Ziichreufen das Tleijcd, wittern, fcheint das Utentodt zu
jein. ©ie ftreden e3 aus und bewegen es nad) allen Ceiten. Sie gehen nicht geraden
Weges auf das Fleifc) zu, fondern weichen bald links, bald vechtö ab, ja jie wenden zuweilen
fogar um, merfen aber dann bald, daß fie fich von der gemwitterten Speije entfermen, und
Ichlagen den früheren, näher führenden Weg wieder ein. Alle ihre Bewegungen lajjen
TIeitonshorn, Tritonium nodiferum Lam.
(oben), und Stagelignede, Murex brandaris Z,
(unten).
ichliegen, daß je nicht ducch Licht-
veize geleitet werden, jondern Durch
einen anderen Neiz, der fich mie
riechende Subjtanzen verbreitet und
ähnlich twie Diefe auf ein Sinnes-
organ einmirkt. Sr dem Augenblid,
jo die Schnede zum erftenmal das Zleifch berührt, fährt eine Zudung durch die Fühler
und das Atemrohr. Der Rüffel, ein helftoter Schlauch, Tommt aus dem Mumde hervor und
bohrt fich in das Fleisch ein. Bald find alle Fifchreufen des ganzen Aquariums in dichten
Gedränge um das Fleijch verfammelt. Sede behauptet ihre Stelle, nur die emporgehalte-
nen Atemrüfjel hwanten Hin und.her.
„Buweilen bedient fich die Sifchreufe ihres Fußes, um die Nahrung zur ergreifen und
feftzuhalten. Cine Nassa hatte eben ein Stücd Fleifch gefunden, al® auc) ein Palaemon
squilla (ein Garneelenfrebs) Hinzufam und dasfelbe mit feinen Scheren anfaßte. Da um-
Hammerte fie die Mafje mit dem Fuße und ließ fie fie nicht ivieber (03, obgleich Palaemon lange
dabei blieb und mitfrap.”
' Die Purpur- und Stadelfchneden (Purpura Brug. und Murex Z.) bohren
454 Weichtiere: Schneden.
Mufcheln an. Doch Tebt bei Kaledonien eine Stacheljchnede, Murex fortispina Frang.,
die einen abweichenden Weg einfchlägt. Nicht nur die Schale, fondern auch die Außen-
fippe der Mündung it innen gezähnt. Sn der Mitte jteht ein bejonderz ftarfer und glatter
Zahn. Zmifchen ihn und den Dedel Hemmt das Tier eine Feinere Mufchel ein, zieht fich
Darauf gemwaltjam ins ©ehäufe zurüd und Fnadt fo die Murfchel auf wie eine Nu. — Die
| Schale der Stachelfchnecden zieht
lich zu einer langen Rinne aus, Die
ihüßend den Gipho birgt (Nbb.,
©. 453, unten). Bei der bon den
Moluffen jtammenden Murex
tenuispina Lam. |tehen die Sta-
cheln am regelmäßigiten in langen
Neihen, bis auf das Ende Des
Siphorohr3 hinunter. Die Pur-
" purschneden tragen dagegen feine
Stacheln, dafür findet fich bei manı-
chen, bejonderö bei Purpura la-
pillus Z. der Nordjee, eine außer-
ordentliche Neigung zur Bilduma
von Lofalrajjen, von denen mir
die wichtigsten im Bilde vorführen.
Umgekehrt jcheinen die tropijchen
Urten auf weite Streden jehr fon-
Itant zu bleiben. Der Grund fiegt
in der Fortpflanzung. Sn mär-
meren Meeren jchwimmt der Ve-
figer weit umher; in der Nordjee
lebt fi) aber die ausgejchlüpfte
Larde in der Nähe der Mutter feit;
bei jenen findet aljo ein jortwäh-
rendes Durhmiichen ftatt, hier
Dagegen Örtliche Trennung. Con-
cholepas Lam. ift eine derbe Bur-
puride von der chileniihen Küfte
a, m Stark. Derfürziem "Geminve
Kl Ran ne le en
Xterreihg", 5. Band, Leipzig 1896. i feitfigen nach Napfichnedenart.
Eine andere, echte Seßhaftig-
feit hängt vermutlich mit veränderter Ernährungsmweife zufammen. Die auf Korallen feit-
jigenden umd mit ihnen jymbiotifch Tebenden Schneden finden an deren Mahlzeitsreften
veich gedeckten Tifch. Die Jungen bon Rhizochilus antipathum Stp. (Abb., ©. 455) gleichen
den Purpura-Schneden fo vollftändig, daß man fie mit jüngeren Stüden mancher Arten
derjelben verwechjeln Fan. Das Gehäufe der fich eben feftfeßenden Tiere von 15 mm
Länge hat die nebenftehend abgebildete Form. Die längliche Minmpdung it nach oben Hin
abgerundet, nach dem Furzen Kanale zu |piß, und Die beiden Lippen find ganz einfach, big
nd a Zen
Borderfiemer: Schmalzüngler. 459
zum Zeitpumft der IAnheftung, wo dann jowohl die äußere als die innere fich zu verlängern
und die Zweige der Korallen zu umfaljen beginnen. Betrachtet man dagegen einen |päteren
Zuftand, fo ift eine merfwirdige Veränderung mit dem Mündungsteil des Gehäufes vor jich
gegangen, bejonders durch das eigentümliche Verhalten der Lippen (j. die untere Abb.).
Diejelben find aufgemwuljtet und haben einen oder mehrere Zweige der Hornkoralle um-
wachlen, jich Dabei einander genähert, und durch die fortgejegte Kalfabjonderung hat Das Tier
gleichjam jeine eigene Schalenöffnung zugemauert. Mitunter Haben jich mehrere Stüde jo
nahe beieinander angejiedelt, daß die Mündung des einen durch des anderen
Schale teilweije verjchlojjen wird. Diejer Verjchluß nach der Anheftung ist
natürlich fein volfjtändiger; e3 bleibt die Kanalöffnung, und bon hier aus
wächt eine Röhre hervor, die große Ühnlichfeit mit einer Wurmröhre hat.
Masilus antiquus Monif. ijt eine andere Form, die auf falfigen Storallen-
jtöden Pla nimmt. Hier wird die Schnede von den mweiterwachjenden
- Korallen ummwachien, fie verlängert einfach ihre Schalenmündung zu einem Junges Grem-
geraden, diewandigen Kalfrohr, an dem die Schale den Abjchluß bildet. en
Bei übermäßiger Verlängerung zieht fich der Weichföürper aus dem Hinter pathum sp.
ende heraus, Hinter fich immer Kalk abjcheidend.
Purpur- und Stadhelichneden lieferten gemeinfam den Burpur der Alten. SYebt ift
die Kunft der VPurpurgemwinnung auf wenige Fijcherbevölferungen am Mittelmeer zurüd-
gegangen, die ihre Wäjche ınit diefem Stoffe zeichnen. Was die Eigentümlichfeiten der
Burpurmaterie angeht, jo ift fie, wenn man fie aus dem Organe nimmt, morin jte ich
befindet, weiß oder blaßgelblich; die einzelnen Arten von Purpura und Murex variieren.
darin. Den Sonnenftrahlen ausgejebt, wird jie anfänglich
zitronengeld, dann grünlichgelb; dann geht fie in Grün über
und wandelt sich endlich in Violett, welches mehr und mehr
dunfelt, je mehr es der Sonneneinwirfung ausgejegt wird. €3
hängt von dem Auftragen, aljo von der Menge der Subitanz
ab, welche Sarbennuance de3 Biolett3 man haben will; der
gejchiekte Fürber Hat aljo alle Grade der Schattierung in Der
Gewalt. Um die Subftanz zu getvinnen, bedient man fie) am
beiten eines etwas jteifen Pinjels, mit dem man fie von Her
betreffenden Stelle des Mantels abjtreicht, um te unmittelbar
auf die zu färbenden Stoffe aufzutragen. Lacaze-Duthiers, sirteres feftfigendes Tier von
nicht bloß Zoolog, jondern aud) Künitler, jah, daß die Burpur- a ar
materie nach unjeren modernen Erfahrungen ein im höchiten
Örade brauchbarer photographiicher Stoff fei. Er ftellte daraufhin eine Reihe jehr gelungener
Berfuche an. Wohl hat die Purpurfärbung fcehwerlich eine neue Zukunft, allein der Parifer
Forjcher glaubte doch, dag die Übertragung von Photographien mittel3 des Pırpurs auf
Batifte und feine Seidenftoffe, auf Fächer und andere Lurusartifel wegen der außerordent-
lichen Zartheit der Tinten der Mühe mwert jei. Im lebten Jahrzehnt ift es endlich Tried-
länder, einem Wiener Chemiker, gelungen, die Zufammenjesung des Purpurftoffes nad)-
zumeijen und wenigitens für eine Nuance die Formel und die Fünftlihe Herjtellung zu
liefern, freilich noch nicht fabrifmäßig. Die Purpurdrife ift nicht? anderes alg der wenig ver-
änderte vordere Abjchnitt der Hypobranchial- oder Schleimdrüfe. Kann von einem Nugen
der Tarbe für das Tier die Nede fein? Noch niemand hat einen jolden nachweilen Fünnen.
456 Weihtiere: Schneden.
Wir ftehen hier vor einem der merfwürdigiten Aätjel der Natur, dejjen Löjung wahrichein-
fich viele interefjante Folgerungen nad) jich ziehen wird. E&3 jcheint, daß das Licht, vielleicht
zufammen mit der Wärme, auf irgendwelchen rein mechanijchen Wege in der Haut Stoffe
erzeugt, die in Speftralfarben übergehen; aber nur andauernde jtärkite Belichtung und Er-
wärmung toirkt jo. Diefe fan faum einem Gejchöpf in höherem Maße zuteil werden als den
Schnedenlarven, die fich Yange Zeit an der Oberfläche der tropischen Meere umbhertreiben
und niemals anders bejchattet werden al3 von Wolfen. Viele Burpurfchneden Haben das
Hhpojtrafum neben der Mündung rot angehaucht; e3 jinDd jolche aus wärmeren
Meeren. Und wern man ein Tritonium findet, dejjen Schale, wie gewöhnlich,
außen weiß und gelbbraun gezeichnet ift, vejjen Gehäufefpige aber violett aus-
ni jieht, jo fann man Sicher jein, daß die Larve eine lange tropiiche Meerfahrt
gemacht Hat; die Herkunft wird allemal tropifch fein. Wir fommen auf ven
are Ger Gegenstand jpäter nochmals zurück.
Die pelagischen Purpuridenlarben find ganz bejonders an ihre Lebens-
weile angepaßt. Das Conchinjchälchen hat nämlich am Mundjaum Ausichnitte für Die
langen Segelzipfel, weshalb man die Larven als erwachien betrachtete und nn fälfch-
lichermweije den Oattungsnamen Sinusigera beilegte.
Die Gejchlechter jcheinen bei allen diejen Höheren Gaftropoden jtreng getrennt zu jein.
Der Laich (f. die Abb. oben) bildet meilt zierliche Kapjeln von ganz verjchiedener Gejtalt,
men, Becher, flache Dofen, die in Reihen oder Haufen angenronet ind. Die von Buecı-
num find flach, bifonver,
derb, in großen Mengen zu
Haufen getürmt (j. Tafel
„Weichtiere IE, 7, ber
©. 425) und werden bon
ven Fiichern als „Seejeife”
bezeichnet, wirken aber
freilich mehr wie eine Na-
gelbürfte. Yon einem Ddie-
ee : jer Laiche Hat Beljeneer ge-
Schwarze Dlive, Oliva maura Lam. Natürliche Größe. zeigt, daß der Tuß und
die Fußdrüje fie) an der
Herftellung beteiligen. Die Eier gleiten in der erwähnten Genitakiinne herab; die Fuß-
prüje liefert daS Material fir die Kapfel; der Fuß formt und befeftigt fie. Vermutlich gilt
dieje Methode für die meiften Arten. Die einzelnen Kapjeln enthalten oft viele Eier, bis
80 und darüber. Sn der Entwicelung finden fich große Unterjchievde. Bei Buccinum ;. ©.
gedeihen nur die Fräftigjten Embryonen bis zum Veliger, gewöhnlich nur einer, der jich von
jeinen jchwächeren und zurücdgebliebenen Gejchwiftern ernährt; bei Nassa dagegen gelangen
ducchichnittfich alle Embryonen zur Reife, was dann ein arges Gedränge zur Tolge hat
und zu allerlei Drucdeformitäten an den Schälchen und Dedeln führt.
Bon den übrigen Schmalzünglern wollen wir die Heinen Marginellen beifeite lafjen.
Die Boluten oder Faltenjchneden haben ihren Namen von den Falten an der Spindel.
Große Gehäufe von verjchiedener Form umd Schwere haben entjprechend verichievdene Na-
men veranlaßt: Walzen-, Kahn-, Fledermausjchnede. Sie fommen in weiter Zer-
\reuung durch alle Zonen und Tiefen vor. Ihre Fortpflanzung deutet auf irgendwelchen
Bordertiemer: Schmalzüngler, Pfeilzüngler. 457
Sonderurfprung hin, über den toir aber noch nichts wilfen. Sie find febendig gebärend oder
legen von einer uhrglasförmigen Schale bededte, große Eier einzeht ab, meift in Mufchel-
ichalen. Die Oliven (Oliva Brug.,; Abb., ©. 456) deuten durch ihren Namen jchon Die Form
ihrer fchweren, meift jtumpf, aber elegant gezeichneten Schale an. Shre Politur erhält fie
nicht vom Mantel, jondern von feitlihen Fußverbreiterungen. Dieje jowie das abgejeßte
Propodium Hängen mit der grabenden Lebensweije zujammen. Gie bejchränfen jich auf
die Tropen. Das tun auch die Harfenihhneden (Harpa Zam.) vom Sundaardhipel. Shren
Namen haben die großen, fchönen, mit zierlichen Ziczadlinten gezeichneten Gehäuje von
den polierten, beiverjeit3 jcharf begrenzten Rippen, die in nahen Abjtänden die Schale über-
ziehen. &3 find VBerdidungen der Außenlippe, die entweder auf jehr langjames oder auf
häufig unterbrochenes Wachstum deuten. Eine eigentüimliche Schugeimrichtung ift das
autotomifche, d. H. duch Selbftverjtümmelung bewirkte Abwerjen des Schwanzendes, wenn
jie fich auf Reiz jehr Schnell in ihre Schale zurüciehen. An bejtimmter Gtelfe findet fich
ein quergeftellter Blutfinus, eine jchwache Stelle, in die der jcharfe Mündungstand bet der
haftigen Rückzugsbewegung einfchneidet. Endlich Mitra Lam., die Mitrejchneden, mit
ihren fchlanfen, diden Schalen, von denen auf die Mündung und auf das Gewinde etwa
je die Hälfte entfällt. Sie find durch einige auffallend gefledte und verzierte Arten befannt
und beliebt, jo namentlich die Bifchofsmübe, M. episcopalis Zam., die Bapftfrone, M.
papalis Z. ufw. Wenn wir aber eine Bejchreibung ihres Benehmens lefen, wie etiva die:
„Die Schraubichneden find wahre Sinnbilder der Trägheit, ftunden- und jelbft tagelang
liegen jie unbemweglich im Schlamm und bewegen faum das Atemrohr oder ftredien den
Kürffel hervor”, was heißt da3 anders, al3 daß wir dieje Kinder der Tropen noch nicht bei
ihren interefjanten Lebensäußerungen belaufcht Haben! Der weit über jchalenlange Rüfjel
täßt weithin reichende Beriwendung vermuten.
5. Unterordnung: Pfeilzüngler (Toxoglossa).
Terebra Zam., die Schraubfchnede, hat mit der Gattung Mitra die fejte glatte
Schale gemein und annähernd auch die Form, man hat fie wohl an die Spibe der Vorder-
fiemer ftellen wollen, weil die Augen auf langen GStielen ftehen, ohne jeitliche Fühler-
geigeln. Die Cancellarien oder Gitterfchneden Haben ihren Namen von der Dber-
flächenftruftun der Schale. Gie haufen namentlich auf flachen Sandbänfen De3 tropijchen
Litoralß. Pleurotoma Lam. ift der Begriff für eine große Reihe von Schneden mit Spindel-
ichale, die in der Tat Fusus Zam., der eigentlichen Spindelichnece (©. 452), jehr ähnlich jehen,
da fich auch hier die Spindelfeite zu einer langen Siphorinne auszieht. Der Name Tommi
bon einem furzen Schalenfchliß, den manche an der Außenlippe haben. Die Tropen jind
am reichiten daran, aber auch in der Tiefjee Herrjchen jie vor. In erjter Linie denft man
bei den Pfeiziinglern an die Kegelfchneden der Gattung Conus Z. mit ihren jchweren
Gehäufen, furzem, abgeflachtem Getwinde und jchmalem, langem Mündungsichlig. Daß Die
Snnenteile der Schale nachträglich auf Vapierftärfe zuriidgehen, wurde früher (©. 413) be-
iprochen, ebenfo daß die rinnen- oder röhrenförmigen Zähne mit ihren Widerhafen zugleich
die Ausfuhrgänge einer großen Giftdrüfe find. Die Eingeborenen fennenihre Wirkung recht
gut und warnen den fammelnden Europäer, denn der Biß erzeugt auch beim Menjchen
heftige Entzündungen. Wem er in Wahrheit gift, wilfen wir nicht. Wahrjcheinlich ift das
Gift auch hier weniger ein Schußmittel, als auf Beutetiere berechnet. Die Figur auf ©. 458
nehmen wir auf, weil wit aus unmittelbarer Beobachtung nicht? Bejjeres haben. Die
N
458 MWeichtiere: Schneden.
dargeftellte Haltung wird wohl nur vorübergehend vorkommen, etwa nächtlich. Den Flei-
ten Conus mediterraneus Brug. fa Simtoth fich in den Sand eingraben, indem das Tier
den vorderen Fußteil vorftredte, zu einer Rinne zufammenbog und nach unten in den
Boden jenfte, während der übrige Fuß unbeteiligt in Auhe verblieb. Von Zeit zu Zeit
wide er mit dem Gehäufe rudweile nachgezogen. . Die Conus-Arten mit vielfach hübfcher
Zeichnung find von Sammlern fehr begehrt; die höchiten Preife, 20000 Mark und mehr,
wurden für einzelne Arten bezahlt. Der gelbe Conus virgo Z. mit dem violetten Hauch am
Siphoauzfchnitte bringt in den Komplementärfarben vermutlich den Einfluß der Tropen-
ionne am einfachiten zum Ausdrud. Die große Mannigfaltigfeit ver Arten hängt wohl
mit der Neigung zur Bildung von Lofalformen zufammen. Die Gattung jcheint noch in
voller Umbildung begriffen. Eine Art gilt für erlojchen, weil jie nur auf einer Heinen, zur
PHilippinengruppe gehörigen Snjel Haufte, die einem vulfanischen Ausbruch zum Dpfer
fiel; ein interejfantes Beispiel für das andauernde Werden und Vergehen in Der Natur.
Hier find wir am Ende mit
dem Grundjtod Der überaus
breiten Menge von Sonchh>
lien, welche die Vorderliemer
jtellen. Was nun noch fommt,
find einige Sonderanpaljungen.
Überbliden wir die Mafje, fo
jehen wir, daß wir von dem
Schalenreihtum nur Stichpro-
ben geben fonnten und au)
diefe in ganz unzureichender
Beichreibung, daß wir aber vom
Leben der verjchiedenen Arten
noch weniger wiljen. Vielleicht fommt noch ein neuer Gefichtspunft Hinzu, mern wir erfahren,
daß es Profobranchier gibt von ganz verichiedener iyftematischer Stellung, aber mit Schalen,
die zum Verwechjeln ähnlich find. Haufen folche an demjelben Orte zufammen, jo Tiegt der
Berdacht nahe, daß es fich um Mimikry Handelt; aber wir Haben noch in feinem Falle die Rech-
nung Durchführen jehen, wer das gejchüste Modell und wer der jchußbedürftige Nachahmer
jei. Wir wiffen eben zu wenig oder jo gut wie faft nichts von der öfologijchen Bedeutung der
Farben. Kommt doch die wirkliche Farbe meift erft beim Reinigen der Schale zum Vorfchein,
die im Leben mit allerlei Sremdförpern bededt ift; und mo fie gleich frijch ung entgegenttitt,
da war fie im Leben vom Fuß oder Mantel eingehüllt, wie bei Cypräen und Dliven.
Manches wurde von den Berbreitungsgejegen gejagt, über den Einfluß der Wärme
auf die Entwicelung pelagisch-planktonifcher Yarven, auf Trennung und Übereinftimmung
öftlicher und wejtlicher Formen. Das malaiische Gebiet ijt das allerreichjte, aber mit großem
Sleihmaß. Die Schnedenfauna eines Korallenrisfs im Indischen Ozean zeigt diejelbe Zu-
jammenjetung wie Die einer entfernten Süpdjeeinjel. Ausläufer Hat die Tropenfauna Haupt-
Jächlich nach dem Mittelmeer entjandt. So erklärt fich auch die an die Tropen der Sebtzeit
erinnernde Mannigfaltigfeit ver Schneden in ven Tertiärmeeren Mitteleuropas, im Varijer,
Sm u —
Kegelfhnede, Conus textilis Z. Natürlihe Größe.
Mainzer und Wiener Beden, die offenbar in direfter Verbindung mit dem Indif ftanden. ,
Die fofitlen Individuen ftehen an Größe aber beträchtlich den jet Lebenden nach.
Wie Die Befiedefung der Tieffee zuftande gekommen ift, zeigte fich bei ver Unterfuchung
Vorderkiemer: Pfeilzüngler. — Beziehungen zum Menden. | 459
der Ausbeute franzöfischer Expeditionen in der Nordhälfte des Atlantifchen Ozeans. Die-
jelben Sormen, die in der Arktis im Litoral Haufen, jteigen jüdmwärtd in die Tiefe hinab in
gleichmäßigem VBordringen, aber jo, daß fie auf der brafilianifchen Geite 800 m erreichen, auf
der afrifanifchen jedoch 2000 m. Das Hinabwandern im allgemeinen zeigt die Abhängig-
feit von der Wärme; Fältegewohnte Nordformen pafjen in die falten Abgründe. Bejondere
Ummandlungen jcheinen Schneden und Mufcheln der Tiefjee faum nötig zu haben; nur das
Dperkulum wird überflüjlig. Daß manche Formen die Augen einbüßen, überrafcht nicht
weiter. Sonft find, merfwindigermweife, faum jpezielle Anpafjungen befanntgetvorden.
Schlieklich wollen wir noch ganz Furz der mannigfachen Beziehungen zum Nen-
I&hen gedenfen, die uns gerade bei den Borderfiemern am eindrudspolliten entgegentreten.
Die Weichtiere haben im wirtjchaftlihen Leben der Völker von jeher eine große Rolle ge-
jpielt, am meisten naturgemäß an den Gejtaden des Meeres; Doch Hat jich der Einfluß jehr
friih biS weit in das Binnenland exftredt. Vielleicht ift Tein Gegenftand jo geeignet, die prä-
hiltoriichen Zeiten mit der Gegenwart zu verfnüpfen wie die Berwendung der Mollusfen;
denn mas wir im grauen Altertum bei ung finden, hat fich jet in entlegenen Teilen der Erde
bei noch unfultivierten Völkern erhalten, mern e3 auch vor der jich außbreitenden Hivihjation -
mehr und mehr Dahinichwindet. Die Weichtiere dienen nicht nur al Nahrungsmittel, ihre
Schalen nicht nur als Schmud, al3 Abzeichen der Würde, jondern fie jind an vielen Gtellen
der Erde zum mwichtigjten Wertmefjer, zum Geld jelbit, geworden, ja möglichermweije in ihrer
Form die Vorläufer unjerer heutigen Münzen. Dadurch erhalten jre eine Wichtigkeit tie
fein anderes Objekt, denn fie beherrichen geradezu Die ganze Dfonomie mancher Stämme.
Schon aus vorgejchichtlichen Zeiten weijen die großen Schalenhaufen, die Küichenrefte
der Urbevöfferung, an den Gejtaden zahlreicher Länder (Kjöffenmöddinger in Dänemark,
Sambaquis in Brafilien und ähnliche Bildungen in Frankreich, England, Portugal, Nord-
amerika, Japan), jowie Schmudjachen in Gräbern auf eine vege Bermwendung der Border-
fiemer und Mujcheln hin. Sn den Niythen der alten Snder jpielten die Schneden eine große
Rolle. Sn Vorderafien erlangte die Purpurfchnede, aus der von den Phöniziern der be-
fannte Farbitoff gewonnen wurde, jchon jehr frühzeitig große wirtichaftliche Bedeutung;
bei den Griechen fanden Meeresjchneden namentlich als Arzneimittel Verwendung.
Als Geld dienen Schnedenjchalen bejonders in drei Gebieten: in der Süpdjee, in
Afrika und Amerifa. Aus der Süpjee ijt bejonders die Diwarra der Salomoninjulaner be-
fanntgeworden, die aus den bearbeiteten und aufgereihten Schalen der Schnede Nassa ca-
melus Mart. beiteht und dort neben zahlreichen anderen „Mügjchel”-Geldjorten in Gebrauch
ift; befonders Eunftooll find einige Geldarten der Bapuas an der Dftküfte von Neumedlenburg;
jie bilden Ketten von mehreren Metern Länge. Sn Afrika dienten früher im Kongogebiet
feine Dfivenfchneden, Olivanana, als Geld, die namentlich auf einer Injel füdlich der Kongo-
mündung, Slha do Dinheiro, gefammelt wurden, aber jebt Yängjt außer Gebrauch gefommen
find. Sehr verbreitet find dagegen auch heute noch die Raurifehneden, die Gehäufe meh-
terer Cypraea-Nrten (C. moneta, C. annulus, gelegentlich auch noch andere), die Jämtlich in
ven jüdajiatiichen Meeren zu Haufe find und zuerft in China und Japan als Wertmejjer und
Taufchmittel verwendet wurden; von dort gelangten fie nad Hinter- und Borderindien, too
fie jeit Anfang unjerer Zeitrechnung als einzige Währung Herrjchten und jelbjt Heute noch
nicht ganz außer Gebrauch gefommen find. Bon hier aus wurden jte in vorgejchichtlicher
Zeit jogar bis Nordeuropa verjchleppt. In Afrika, wo die Kauri heute ihren michtigiten
460 Weichtiere: Schneden.
Bereich hat, ift fie merfwindigerweife von Weiten her eingedrungen, durch die Benezianer,
Holländer und Engländer; fie herricht Heute von Timbuftu 13 zum Tichadfee und in großen
Teilen de3 Sudans, nicht mehr aber an der Wejtküfte jelbit.
Aus Nordamerika, wo die Schalen von Haliotis und Dentalium al3 Münzen und
Schmudjtüde viel verwendet wurden, find als bejondere Merfwürdigfeit die Wampumgürtel
zu erwähnen, Ledergürtel, die, mit Stückchen der Schalen von Busycon- (Ficula-) Arten
benäht, als Symbole und Dofumente dienten, wie denn 3. B. der Vertrag, in dem 1682
die Zeni-Lenape an William Penn das heutige Benniylvanien abtraten, durch einen folchen
Wampumgürtel verewigt wurde.
Alle Borderfiemer aufzuzählen, die vom Menfchen al Öenußmittel verwendet werden
oder wurden, ift wohl faum möglich; manche Arten finden noch heutzutage auch bei Kultur-
See
Brenn
Kaurifhnede, Cypraea moneta L. Natürlihe Größe. (Zu ©. 459.)
völfern einen ftarfen AUbjat, jo Litorina littorea, Buccmum undatum und Patella vulgaris.
Außerordentlich mannigfaltig ift auch die Verwendung der bunten Schnedenjchalen als
Körperjchmud der NYaturvölfer; jelbft bei ung find janod) die Kameen in Gebrauch, bei denen
jich das farbige Sypoftrafum, das bei Cassis cameo dunkelbraun, bei C. rufa gelb, bei Strom-
bus gigas tojenrot ift, wirkungsvoll von dem weißen Dftrafum abhebt.
6. Unterordnung: Yererzüngler (Ptenoglossa).
Die gleichmäßig jpisen Pfriemenzähne der Nadula diefer Unterordnung deuten nır auf
die Raubtiernatur. Auf ihre Herkunft zu jchliegen, geben jie dagegen faum Anhalt,
wenigitens nicht weiter, al3 daß man jie auf.die äußeren Zähne der Fächer- oder Band-
züngler zurücdführen fan: eine Konvergenz, dircch die Drei ganz verjchiedene Familien
sujammengejchiweißt werben.
Da ift zunächht Linnes Liebling, die Berfpektivfchnede, Solarium Zam., mit regel-
mäßig flach fonifchem, derbem, buntem Gehäufe und vielen engen Umgängen, die fich um
einen weiten Nabel herumziehen wie eine Wendeltreppe, d. h. bloß beim Anblie von unten.
Die Samilie Hat nicht3 zu tun mit den Scalariiden oder Scaliden, die num wirklich den
a re er a na a
Vorderfiemer: Feverzüngler. 461
Bulgärnamen „Wendeltreppen‘ führen. Es find meift Feine, weiße, turm- oder falt nadel-
fürmige Schneden. Die Bezeichnung ftammt von einer der größten tropijchen Formen,
deren einzelne Umgänge in regelmäßigen Abjtänden mit aufgefrempelten Ningmwüljten
geziert find und einander nicht berühren, immerhin ein elegantes Gefüge, das ihnen einft
bei ven Sammlern Höchiten Modeivert und entjprechend unfinnige Breije verjchaffte.
Diefen beiden Boden- und Schlammberwohnern ftehen die Santhiniden oder
Beilhhenjchneden als einer der eigenartigiten Typen gegenüber, neben den Heteropoden
die zweite Anpafjung der Borderfiemer an das offene Meer, aber auf ganz anderer Grund-
lage, nicht Durch eigene Kraft Schwimmen,
jondern ich treiben lafjjend, an einem Floß
befeitigt, das jte fich jelbit bauen, im übrigen
nad) gleichen Gejeben an das warme Wajler
gebunden, jelten bis land verjchlagen,
jhwarmbildend, gefräßig. Die Arten jind
weithin Durch Die Tropenmeere verbreitet und
ichtver voneinander zu trennen. Was find die
Unterfchiede? Die Schnede hat den gewöhn-
lichen Habitus eines Borderfiemerz, einerund-
liche oder fegelfürmige Schale von Durch-
jehnittsproportionen, etwa wie bei einer Pa-
ludina, nur dünner, zum Schwimmen. Nud)
die jonjtigen Verhältnijje find normal. Das
Eigenartige it nur, daß Die Schnede in
umgefehrter Lage an ihrem Ochleimband
am Wajfjerjpiegel hängt, und daß fie Diejes
dur Ein- und Anlagerung von Luftblajen
zu einem dauernden Fahrzeug macht. Wie
wir don den Rifiven (©. 436) berichteten,
fan mittel3 des Vorderfußes Luft gefaßt
©
"RB
E3
216954,
as
I
Beil enihnede, Janthina fragilis Zam., mit den $loß,
bie Unterfeite nach oben gekehrt Jchwimmend, von der Seite und
von oben gejehen. Natürlihe Größe. a Schnauze, b Schale,
und in Schleim gehüllt werden. Das tird ce Zloß, d Vorderfuß, e Zuftblafe, in Schleim gehüllt.
hier zur Negel, und der Schleim erhärtet
jtärfer. So wird vorn Blaje auf Blafe an das Floß geheftet, das jich allmählich nad)
hinten verjchiebt, bis die lebten Teile, die iiber die Schnede hinausragen, endlich bon den
Wogen zertrümmert werden. ©o treibt die Schnede vollfommen willenlos dahin. Sie muß
warten, bis ihr ein Beutetier zur Berührung nahe kommt. Dem entjpricht die Ausbildung
der Sinne. Die Augen verfümmern nicht felten, die Ohrblafen fehlen immer, denn ein jeß-
haftes Tier braucht Fein Gleichgewichteorgan, die Fühler dagegen find bejonders entwidelt,
gejpalten. Die Gefräßigfeit ift groß; was berührt mwird, wird gefrejfen, Genofjen der
eigenen Art, große Duallen uf. Gegen deren Nejjelgift jcheint die Ausrüftung der Mund-
höhle an den Baden mit Condhinplatten einen Schuß zu bilden.
Befonderz zu gedenken ift der Farbenanpaffung: hier ift das ganze Gehäufe veil-
chenblau, oder Doch die nach oben gefehrte Unterjeite, bei weißem Gewinde. Hat man
e3 al8 Schußfarbe zu deuten oder nicht vielmehr als die Folge der allerfonftantejten Ein-
wirkung des Sonnenlichtes, unterftügt Durch die Wärme? Wir haben ähnliches bei den
Purpurjchneden angedeutet (©. 456). Die Bermehrung gejchieht entiweder mittels innerer
462 Weihhtiere: Schneden.
Brutpflege, aljo Lebendiggebären, oder durch das reihenmweije Anheftern geftielter, platt-
gedrücter Cifapfeln an die Unterjeite des Floßes.
7. Unterordnung: Zungenlofe, Schmaroger (Aglossa).
C3 gibt eine große Reihe Heiner Vorderfiemer mit weißlicher, jchlanfer, turmförmiger
Schale und allerlei Heinen Bejonderheiten, die allerdings in den meilten Fällen nur an
der Schale unterjucht und
erfannt find. Hier ijt es
die abweichende Gehäuje-
" fpiße, der Aper, die Scha-
len find Heteroftroph, d.h.
die eriten Umgänge find,
in fcharfer Trennung von
dem nachfolgenden Ge-
ipinde, abweichend geric)-
tet, jo daß je, normal
weiter tachjend, eine
ganz andere Schale er-
geben würden. Man hat
fie, nach den Hauptgat-
tungen Eulima Resso,
Odostomia M.-Td., Pyra-
Seeftern mit der [dmarogenden Capulide Thyca eleeton Ad.; vecht3 Teß= midella Lam. in eine At-
teye vergrößert. 2
zahl von Familien zer
legt. Die Arten gehen in die Hunderte und nehmen fortwährend zu, je weiter man auch
auf die Kleinigkeiten des Litoral3 achten gelernt Hat, wie Dall und Bartjc) an den ameri-
faniichen Küften, Hedley an den auftraliichen. Am Weichlörper fällt manches auf. Eine
Berdidung unter der Mumdöffnung, das fogenannte Mentum oder Stirn, teilt wohl ein
befonder3 ausgeftaltetes Propodium dar, die Füh-
) 2 ler jind zum Teil ohrfürmig; Hermaphrobitismus
BI ft nachgewiefen. Man glaubte früher, Die Euli-
/L = GA miden wären jchlechtweg zungenlos, aber eine
I = fürzlich angejtellte Unterfuchung zweier Arten
VL F hatte daS munperliche Ergebnis, daß Die eine
man una“ eine tänioglofje, die andere feine NRadula hatte.
karve der parafisitgen Sgnede Entocon- DaB alles weilt auf abjonberliche Schidjale hin,
die wir noch nicht Fennen, außer in einer be-
timmten Richtung. Man weiß von den Eulimiden, daß fie jehmarogen, einige wenige an
Mujcheln, wie Beljeneer erjt ganz neuerdings wieder eine folche an der gemeinen Mies-
mufchel auffand, alle übrigen an Stachelhäutern. Se mehr aber allmählich die Kenntnis
diejer Echinodermenparafiten wuchs, um jo bejtimmter überzeugte man fich, daß fich unter
ihnen noch eine zweite Zamilie verbirgt, die trägen oder feßhaften Mügenjchneden oder
Capuliden (©. 440). Und fo ftehen toi jeßt vor der Auffaffung, daß der Zungenverluft ziwei
ganz verichiedene Gruppen betraf, jedesmal infolge Schmarogens an Stachelhäutern, deren
ymbiotifche Beziehungen zu den Gaftropoden uns bereit wiederholt bejchäftigten. Der
a an
Borderfiemer: Zungenlofe. |
469
Parafitismus hat Ummälzungen herborgerufen, Neubildungen und Neduftionen, die
Ichlieglich die Drganifation vollfommen verwifcht Haben und feinesmwegs ganz aufgellärt
jind, fo jeher man ji) auch mit den
Tieren bejchäftigt und immer neue
gefunden hat.
iten3 die Grundzüge herausheben.
Sohannes Müller, der große
Berliner Phyfiolog, entdedte in der
Klettenholothurie, Lapidoplaxdigitata
Mont., einen Schlaud), der fich an
einem ver Blutgefäße, die den Darın
begleiten, fejtgejegt hatte und durch
jeine bräunliche Sarbe leicht in dem
durcchfcheinenden Wirt zu erfennen
war. Der Schlauch enthielt Gifapfeln
und darin junge Schneden. Bauer?
Unterfuchung gelang der Nachweis,
daß der Schlauch felber die umgemwan-
delte Schnede jein müjje, Doch fonnte
er feineswegs deren ganze Öejchichte
Harlegen. Vielmehr ift weder die Ein-
manderung noch Die ganze Metamor-
phoje befannt. Möglicherweije mer-
den die jungen Schneden Dadurch frei,
daß die Holotgurie Durch Autotomie
feichtin einzelne Stüdezerfällt(©. 351).
Die Einwanderung der Schwimmenden
Zarde gejchieht dann vermutlich in Die
ganz jugendliche Geegurfe. Semper
jah, im Gegenjab dazu, faum ver-
änverte, bejchalte Eulima im Magen
einer Holothurie umherkriechen. Zahl-
reich jind allerlei Zmwijchenjtufen, two
die Tiere außen feitjigen a‘3 Cftopa-
tajiten. Das ältejte Beilpiel hierfür
iit ein Capulus, der aus paläozoijcher
Heit neben dem Mund eines Haar-
tern3 gefunden wurde. Sebt Ffennen
mir die Schmaroter von allen Stlaffen
‚der Etachelhäuter mit Ausnahme Der
Schlangenfterne, und von allen mög-
lichen Körperteilen, von den Geeigel-
Bir mollen wenig
1) Die Holothurte Lapidoplax digitata mit dem para=
Entoconcha mirabilis Müll.
m Mügen. Natürlihe Größe. 2) Mitteljtüd der Lapidopiax
digitata mit dem Schnedenjhlaud. Vergrößert. A Leibe3= -
wand, B Hautfalte, C Darıı der Holothurie mit den an der Nürdenfeite
(D) und der Bauchjeite (E) verlaufenden Blutgefäßen. F Körper ber
Entoconcha mit a fnopfförmigem VBorderende, b und e Eterftocd mit
Eimeißdrüfe, d Raum mit Brutfugeln, e Samentafıhe.
fitifhden Shuedenfhlaud
tacheln angefangen. Yuerjt jenft der Schmaroßer feinen Rüffel in die Haut des Wirtes;
dann dringt er mit feinem übrigen Körper nach, der aber durch eine Hauffalte gejchüßt
wird, die rings bon der Bafis des Riüfjel3 ausgeht und fich über den Körper, die Schale ujim.
464 Weichtiere: Schneden.
hinaufichlägt, bis fie das Tier jchlieglich ganz einhüllt. Dadurch entjteht ein Schlauch,
der im vorderen Teil nur vom Rüjjel gebildet wird, in der hinteren Hälfte aber den
eigentlichen Körper umjchließt. An diefem letteren fünnen nun allerlei Rücdbildungen
auftreten, die Augen fönnen fehlen, ebenjo die Dbhrfapjeln, der Fuß, Die Stieme, Die
Schale, die Niere. An Darm fann der Magen jich hinten jchliegen, jo daß VBorder- und
Enddarm Blindfchläuche ohne Verbindung find. ndlich jehwindet auch das Nerven-
iuitem, jo daß zuleßt nur die Haut, der Rüfjel, der Enddarm und Die Gejchlechtsdrüje
übrigbleiben. Soweit die Kenntnijje reichen, jind Die Tiere Ziwitter und lebendiggebärenp,
und man hat öjters Junge gefunden, die jich gleich neben den Alten feitgejebt hatten.
Sonjt ijt die Lebensgejchichte im einzelnen, die Infektion und dergleichen noch Teines-
iweg3 geklärt, ja bei feiner Art im Zujammenhange befannt. Aber Die ganze Stombina-
tion ergibt doch eine jehr interejjante Neihe vom Einfluß der chmarogenden Xebensmweije
auf die Organifatton in jeinen derjchtedenen Abjtufungen.
Zweite Ordnung:
Lumgenjchneden (Pulmonata).
Die Lungenjchneden jind weit einheitlicher al die Vorderfiemer. Es fehlen unter
ihnen Die Schmaroger und die eigentlich Seßhaften. Da viele im Süßtwajjer leben, einige
auch in Die Uferregion des Meeres eingetwandert find, fommen auch Kiemen vor, immer
aber als jefundäre Erwerbungen, als jogenannte adaptive Stiemen. Die meijten jind Land-
tiere, die alle Sejtländer beherrjchen, foweit dieje nicht eine dauernde Eisbededung tragen.
Kacdtjichnedenbildung tft Häufig, fehlt aber im Süßmwajjer. Alle jind Zwitter. Die Begattung
vollzieht jich auf dem Lande meijt unter befonderer Erregung, mit einem reizvollen Bor-
jpiel, wobei die Enden der Gejchlechtswerkzeuge ausgejtülpt werden, denn Die Rute ijt
bier in der Ruhe nirgends fichtbar. Damit haben wir Schon eine Bejonderheit des Baues,
die auf dem Lande erworben wurde. Trodenjchuß ilt das erjte Erfordernis. Cr verlangt
eine viel reicher gegliederte Muskulatur, meijt durch Zerlegung des Spindelmusfels in
einzelne Bündel. Jeder Teil des VBorderförpers fann bei den echten Landformen für fich
eingezogen und eingejtülpt werden, die Fühler, der Kopf, Die Begattungsorgane. Auch
die Lungenöffnung ift verjchließbar. Dazu fommen bejondere Ummwandlungen der Haut.
Eine frei vorjtehende Seitenlinie, ein Epipodium, fehlt durchweg. Dagegen wird Die Haut
gefurccht und rungelig, in den Furchen hält fich die Feuchtigkeit. Schuß gegen Trodenheit
beim zurüdgezogenen Tier wird nicht durch das Operkulum erzielt, daS nur noch bei einer
erwachjenen Form und bei einem Embryo vorkommt, jondern durch erhärteten Schleim.
Der Schleim wird zudem das Hauptwehrmittel. Jim Bordergrunde fteht die Wafjeröfonomie,
bei der Schleimhautbededung natürlich. Sr trocner Luft fann feine Schnede fich betätigen.
Die Schale erreicht nie die Stärke und Schwere wie bei Vorderfiemern.
Das Herz ijt durchweg mit nur einer Borfammer verjehen, die von born her das
Lungenblut erhält, nachdem es an der Dede der Atemhöhle durch ein Gefäßnes Hindurch
jenen Gasaustaufch mit der Luft vollzogen hat. Se größer die Schnece, um fo reicher
um allgemeinen das Neb, um jo enger feine Mafchen, manchmal in einer Verdichtung,
wie in dem Schtwanmmgewebe einer Wirbeltierlunge, auch auf den Boden der Atemhöhle
übergreifend. Daß die Lunge der verjchiedenen Formen auch in ihrer Entftehung nicht
ganz gleichwertig ift, wollen twir beijeite laffen. Man hat jich vorzuftellen, daß der
Zungenjhneden: Goleoliferen. 465
Lungenjad jich nach innen vergrößerte, imo die Eingeiveide, je itach ihrer Anlage, den gering-
sten Wiverjtand leijteten. Bei einer Schnede mit Dinner Schale, einer Berniteinfchnede
oder blaffen Gartenfchnirkelfchnede, fieht man den Gefäkbaum der Lunge von außen ducch-
Iheinen, wie er in den Herzbeutel itbergeht mit dem pulfierenden Herzen, daneben die
gelbliche, undurcchjichtige Niere. Jrrein vermwideltes Nungengemwebe jieht man geradezu hinein,
wenn eine rote Wegjchnede ihre Atemhöhle weit geöffnet hat.
Der Schlundring befteht durchweg aus gut fonzentrierten Ganglien, die eng um den
Borderdarn geordnet find. Cine einzige Zorn, Chilina Gray, hat noch eine längere Biszeral-
fommijjur mit Andeutung von Chiaftoneurie. Solche Kreuzung fan nur noch mühjen
. am Verlauf einzelner Nerven nachgewiejen werden. Kopfaugen fehlen nur ausnahms-
meife, fie beginnen nicht mit offenen Augenbechern, wie bei Patella, fondern find ftets
gejchlojfen. Daß ihre Funktion ganz ziveifelhaft ift, wurde in der Einleitung zur Rlafje
beiprochen. Da Sehhaftigkeit fehlt, find immer Ohrfapfeln an den Tußganglien vorhanden,
jtetS mit zahlreichen Hörfteinen. Auf an-
dere Ginneswerkzeuge fommen wir bi ı MN) Man Null
den einzelnen Gruppen, bei denen mir nen
auch die Abweichungen des Darmfanals
bejprechen wolfent. In der Regel hater > DDUMulla
vier Schenfel, mit einer Magenerweite-
rung zwijchen den beiden eriten, in welche
die einfache oder meift doppelte „Leber“ ® IND Ie2
miünpet. Über dem Mumndeingange liegt = S
gewöhnlich ein Kiefer, eine halbmondfür- Zabnreige aus der Neibeplatte von 1) Limnaea stagna-
mige Konchinplatte, nicht arvei feitliche lis L., 2) Anceylus a Suceinea putris Z. Start
Berdidungen wie bei ven Vorderfiemern.
Bei den meilten Naublungenjchneden, die indes nur auf dem Lande vorkommen, fehlt er,
weil große Beute möglichit ganz gewürgt wird. ‚Die Nadula zeigt viel geringere Unter-
jehiede als bei den Brofobrandhien, meijt jehr viele Zähne in einer Diuterreihe, der Ahadjis-
zahn mit drei Spiben, die Seitenzähne mit zivei, nach der Mitte zu gerichteten, die Nand-
zähne entweder abgeflacht und immer jchwächer bewehrt, oder aber in längere, pfriemen-
ähnliche Spiben ausgezogen. Sind nur die leßteren entwidelt, jo erhalten wir das Naub-
jchnedengebiß, das dem der Wtenogloffen oder Federzüngler unter den VBorderfienern
gleicht. Auf einzelne Abweichungen bon der Grundform werden wir noch jtoßen.
| Bon der Bewegung Durch lofomotorische Wellen haben wir ©. 416 gefprochen. Diefe
Höchjt merfiwirdige Erwerbung gehört dem Lande an, da3 ja die vollfommenjten Leijtungen
gezeitigt hat. Hier treffen wir aber noch einen jchärferen morphologifchen Ausdrud der Duter-
mwellen, der eine befondere Einteilung nötig macht, jo gut wie ganz neue Embroonalcharaftere.
Gewöhnlich teilt man die Lungenfchneden in die Bafommatophoren und die Stylom-
matophoren ein, je nachdem die Augen am Grunde oder auf der Spike der Fühler liegen,
womit andere Verhältnijfe der Organijation zufammenhängen; wir werden bejjer tun, noc)
die Sondergruppe der Soleolifera abzutrennen, aus gleich zu erörternden Gründen.
1. Unterordnung: Soleoliferen (Soleolifera).
Gedenken müjjen wir wenigjtens diefer großen Gruppe von ehten Nadtjhneden
aus den Tropen, echt, injofern fie al Embryo bereits ihre Schale abwerfen; das ijt fchon
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 30
466 Weichtiere: Schneden.
eine grundfägliche Abweichung. Sie zerfallen in drei Zamilien, die wir einfach Durch die
Hauptgattungen Fennzeichnen tollen, Vaginula Fer. oder Veronicella Blainv., Oncidium
Buch. und Rathouisia Heude oder Atopos Simr.
Den Umtijjen nach fann man eine Vaginula am einfadhiten mit einer Käferjchnede
vergleichen, wenn man von diejer alle Hartteile wegläßt. Unten eine Sohle, rings Durch
eine tiefe Furche abgejeßt, Davor der Kopf, das übrige der Mantel, oben gemwölbt, unten
flach, beide Teile Durch eine jcharfe Kante getrennt. Der Kopf fann ein Stüd weit unter
den Mantel zurücgezogen, aber nicht eingefrempelt werden, jo wenig ivie die beiden Fühler,
an deren Spibe die Augen ftehen. Ein zieites, unteres oder vorderes Fühlerpaar ift ge=
ipalten, d. 5. es enthält die Kleinen Fühler und die Lippentafter, die den Stylommatophoren
zufommen, gewiljermaßen noch nicht getrennt. Kiefer und Radula jind gewöhnlich. Na-
türlich fiegt ein wejentlicher Unterfchied von Chiton, dem Die Tiere nur in den äußeren Um-
riljen ähneln, in der Ajymmetrie des Gajtropods, auf die wir gleich eingehen werden. Zu-
nächlt jehen wir uns noch die Sohle an, die Durch feine, fcharfe Querriefen in ganz gleichen
Abjtänden geteilt ijt, jo fein, daß auf l mm mehrere der Leijtchen oder Söhlchen (Soleo-
lae) fommen. Beim Striechen jehen wir dasjelbe Bild wie bei einer Helix, lofomotorijche
Duerwellen, die bon Hinten nac) born ziehen, freilich die einzelne Welle viel breiter als eine
Soleola. Die Leijten jind der fichtbare Ausdrud der fcharfen Ordnung, in der jich Die nach
born fortjchreitenden Kontraftionszuftände vollziehen, am Hinterrand der Welle erfchlaffend,
am Borderrand neue Streden der LYängsmusfeln ergreifend, wie wir e3 eingangs jchilder-
ten, — ein rechter Gegenjab zu dem ungeordneten Wellenjpiel bei den Wajjerjchnedent.
Sndes erinnern wir ung, Daß wir einen freien Anklang an die SOoleolae bei den großen
Rhipidoglojfen wiederfinden (©. 429).
Die Oncidiiden find zumeilt a8 Strandformen ins Meer übergetreten, in Die
Gezeitenzone, einige leben aber noch auf dem Lande, mehrere hundert Meter hoch auf den
Bergen, nach Nadtjchnedenart unter Baumrinden Schuß juchend. Cinzelne zeigen noc)
die Ooleolae, bei anderen verjchtwimmen fie allmählich. Man Eann,veutlich verfolgen, wie
jich die fcharfe Ordnung der Wellen beim Übertritt ins Meer abjchmwächt. Einige gehen
über die Tropen hinaus, jo das Fleine Oncidium (Oncidiella) celticum Cuv. an der euro»
päischen Weftfüfte. Sm allgemeinen find die Baginuliden, deren Länge etiva von 1 bis
20 oder 30cm mwechielt, jchlanfer, Die Dneidien plumper.
Atopos, eine ftrenge Landform der Tropen von Hinterindien bis zu den Philippinen,
hat wieder die jcharfen Ooleolae. Das Hauptmerfmal ift die jchmale und hohe Geftalt,
der Rüden ijt gefielt in ganzer Länge.
Die Gejchlechtsöffnungen find bei allen drei Familien elnenn) die männliche liegt
überall rechts vorn, bei Atopos liegen Die weibliche und der After dicht dahinter, bei Vaginula
die weibliche um die Mitte herum, der After rechts hinten, bei Oncidium beide am Hinter-
ende, Dazu auch die Zunge, Die nur hier deutlich entwidelt ift. Dieje Yandformen jcheinen
nur durch die Haut zu atmen, Die daher, namentlich bei den größeren Zormen, jich in
dicht geitellten, weichen Warzen erhebt zur Vergrößerung der refpiratorifchen Fläche. Bei
den Dneidien werden die Warzen vergrößert und erhalten unter Umständen büfchelige,
ingerförmige Hautfortjäge als jefundäre Kiemen. Das Wunderlichfte ift, daß manche On-
eiditden auf den Nücenmwarzen Augen tragen von bejonderem Bau, einzeln oder in Grup-
pen, — abermals eine Barallele zu ven Chitoniven. An konjerviertem Material muß man
\harf auf fie fahnden, da fie ein wenig zurückgezogen werden fönnen und fich fomit beim
Zungenjhhneden: Goleoliferen. Bafommatophoren. | 467
Alfoholtode verbergen. Gonjt jißt der Mantel, namentlich bei den Baginuliden, dicht voll
Drüjen von einem zujammengejesten Bau. hre Ausjcheidung hat, nach Plate, bei einer
chilenischen Art einen brennenden Gejchmad; bei den Onciviiden joll gar die Entleerung
durch Musfeldrud erfolgen und einen Regen feiner Tröpfchen oder Kügelchen dem Angreifer
entgegenjchleudern. Semper iwenigjtens vermutete das, ja er glaubte eine beftimmte Be-
ziehung zmwilchen den Dnciditven mit Nücdenaugen und den amphibiotiichen Fifchen der
Tteopen, Periophthalmus und Boleophthalmus, al3 ihren Feinden annehmen zu follen.
Hierfür fehlt die Betätigung. Bon den marinen Formen hat Semper nachgetviefen, daß
jie Sand frefjen, um dejjen organijchen Gehalt zu gewinnen. Wir treffen bald auf Ber-
wandtes. Die Landformen find wohl Moderfrejjer, jo gut wie die Vaginuliden, die
indes auc grüne Pflanzenteile genießen. In Wejtindien trat eine Art einmal als Schäd-
ling in den Kaffeeplantagen auf. | |
Die Atopiden find NRaubtiere, die ich zur Bewältigung ihrer Beute vermutlich außer
der Nadılla auch zweier großen Drüjen bedienen, die neben dem rüjjelartig verlängerten
Munde liegen. Die Hinterindier halten fie für ebenfo giftig twieden Peripatus, worin fie wohl
recht Haben, weil auch der leßtere nicht giftig ift. Der Ölaube gründet fich vermutlich auf ftarfe
Schleimausjprißung bei beiden, die noch dazu gemeinjam unter der Rinde haufen. Daher
beftreichen die Malaien die Hörner ihrer Kampfitiere mit dem einen oder anderen, um fie
Durch das vermeintliche Gift noch wütender zumachen. Bejtimmtes ift von den Tieren faum
befannt. Die länglichen Gier find durch einen Schleimfaden zu einer Schnur vereinigt
und erhalten noch) eine Schleimhülle. Cine Vaginula von Kamerun ijt lebendig gebärend.
Die Embryonen, die, wie erwähnt, fchon im Ei ihr Schälchen abmwerfen, haben, fo
viel wir willen, wenig Bejonderheiten, höchitens daß bei Oncidium celticum C’uv., da3 von
SoHeurlaffuie unterfucht wurde, die Wimperjchnur des Belums noc etivas bejjer er-
Halten ift als jonft bei den Lungenjcheden. Bei ihm ilt die Hinfällige Schale nahezu fugelig
- mit annähernd einem Umgange, bei Vaginula wird fie, nach den Beobachtungen der Vettern
Garajin, nur al3 ganz dünnes, flaches Häutchen angelegt, das alsbald vor den von den Seiten
nach der Mitte zu vordringenden Mantelwülftern wieder jchwindet, wohl jchlechthin Die
primitivfte Schalenanlage, die bei einem Weichtier vorfommt.
Detonen wollen wir noch einmal die doppelte örtliche Beichränfung der Gruppe,
einerjeit3 auf die Tropen, anderjeits auf Land und Meer, unter Ausjchluß des Cüß-
mafjerg, mit dem Übergang in breiter Front an der Küfte. Wir können höchftens hinzu-
fügen, daß auf den malatifchen Snjeln ein paar Dncidiiden in das bradige Wafjer der
Slupmündungen eintreten.
2. Unterordnung: Bafonmmatophoren (Basommatophora).
Würden wir ung auf die befannten Schneden unjerer Heimat bejchränfen, dan
fönnten wir die Bajommatophoren einfach al Süßmwaijerlungenfchneden bezeichnen, denn
vie Schlamm-, Teller-, Blajen-, Napffchneden, Limnaea Zam., Planorbis Guett.,
Physa Gray, Ancylus Geoffr., bilden den Grundftod der Gruppe. Dazu fommt aber jchon
bei uns ein Heines Tierchen vom feuchten Land, Carychium minimum Müll., der Vertreter
der Yuriculiden, welche Die Nähe des Meeres bevorzugen und in den Tropen verhältnig-
mäßig ftattliche Größe erreichen, weiter aber eine Gruppe meijt Fleinerer, echt mariner
Formen aus dem Öezeitengürtel. Das Gemeinjame ijt bei allen die Tage der Augen un-
mittelbar am Kopf an der Fühlerbajis und die jolide Bejchaffenheit der Fühler, die nicht
30*
468 Weichtiere: Schneden.
eingeftilpt, jondern nur durch) Zufammenziehen verfürzt werden können. Die Fühler
mwechjeln in der Form, breit, vreieciig und flach jind jie bei Limnaea und Aneylus, fang,
ichmal und jpis auslaufend bei Planorbis und Physa, welche leßteren auch eine finfs-
gerwundene Schale haben. Bei Planorbis freilich Fann man e3 faum Feititellen, da jte in
einer Ebene aufgerollt ijt; aber der Beweis ijt leicht zu führen, denn After, Atenloch)
und Genitalöffnungen liegen auf der linfen Seite. Die Heinen Napfichneden zerfallen
jogar ın zwei Gattungen, eine recht3-, die andere linfsgewunden, was man freilich hier
nur an einer geringen jeitlichen Berjchiebung der Gehäujejpige aus der Mittellinie fejt-
jtellt. Sehen wir ung erjt noch nad) weiteren Sinnesempfindungen um, jo fällt wohl
die Tatjache auf, Daß der vordere Fußrand ein gutes Gejchmadsorgan it. Bei Limnaea
menigjtens reagiert er pofitiv auf Yuder, meidet aber jede Spur von Gaccharin, Das wir
in der Verdünnung nicht vom Zuder zu unterjcheiden vermögen. einen Gefühls ilt auch
der Manteltand fähig, zumal wenn er, wie bei Physa, mit tajterartigen Anhängen bejebt
it, Die fich auf die Schale Hinauf-
ichlagen. Amphipeplea N ./ss., bei ung
nicht häufig, gleicht einer Limnaea
mit furzem Gewinde, bei der jich der
Mantel über die ganze Schale weg-
ziehen und jie einhüllen Fann. Wohl
ausgebildet ijt noch am Cingange Der
Lungenhöhle daS Geruchswerkzeug
, oder Dsphradium unter der Form
> \ — eines Keinen Blindjads, der unten
Plagregenfhnede, Scarabus imbrium Mke. Natürliche Größe. von einem Ganglion umfaßt wird.
Das bringt uns auf die Atmung.
Um Luft in die Lunge aufnehmen zu fünnen, muß natürlid) jedes Bajommatophor ar die
Dberfläche fommen. Nun finden fich aber befondere Limnäen aufdem Grunde des jehr tiefen
Genfer ©ee3, die niemals in ihrem Leben die Oberfläche zu fehen befommen. Sie nehmen
einfach, ohne weitere anatomische IAmderung, die Lungenhöhle voll Wafler, jo wie wir es
oben von der Pleurotomaria erjchlojien (©. 427). Andere Limnäen verweilen, wenn ihre
Bewegungen in jchnelf fliegenden Bächen gehemmt find, lange Zeit unter Wafjer, ohne ihre
mit Luft gefüllte Lunge öffnen und neu füllen zu fönnen. Hier tritt Hautatmung ein,
deren Ort man aus der reichlichen Berforgung mit Bluträumen feititellen Fanıt. Zunächit
it Die ganze Haut rejpirationsfähig, fodann die breiten Fühler, die, an jedem Rande mit
einer Blutlafune und vielen Berbindungszweigen dazwijchen, wie eine Kieme wirken; ähn-
lich der Mantelrand. Bei Ancylus, dem eine Lunge ganz fehlt, fommt nur die Haut und
namentlich ver Mantelvand als Atmungsorgan in Frage, der an der Stelle, wo die Lunge zu
erivarten twäre, fenntlich am After, einen bejonderen Hautlappen trägt. Ein jolcher findet
Jich in größerer Ausbildung bei den großen Arten von Planorbis, dejjen jehmale Fühler
und derbere Haut wenig zur Atmung beitragen fönnen. Verhindert man die Schnede am
Aufiteigen an die Oberfläche, während man durch Wafferpflanzen oder reichliche Durch-
füftung für genügenden Sauerftoff forgt, dann jchrwillt der ohrförmige Lappen zu größerer
Ausdehnung an. Sonft fan man gerade bei den leineren M anorben mit durchicheinen-
der Schale die Lunge bis weit in3 Geroinde hinauf verfolgen. Diefer Lappen wird nım
bei manchen tropijchen Sormen, Bulimus Adans. oder Pulmobranchia Plsnr., der großen
Zungenjhneden: Bajommatophoren. 469
Miratesta Sars und dem Heinen Protancylus Sars dur Yaltung und Dberflächenver-
größerung zu einer bejonderen, echten SKieme. Umgefehrt haben die Chilina-Arten aus
den Bächen der chilenischen und peruanifchen Anden, von denen oben ein primilines Ver-
halten der Biszeralflommilfur gemeldet wurde, die Atemhöhle noch gar nicht verjchliekbar;
frei tritt Wafjer oder Luft ein, je nach der ©telfe, wo fie jich gerade befinden. Bon Den
marinen Formen fällt Siphonaria Sow., ihrer Schale nach eine Napfjchnede, jo gut wie
Gadinia Gray, dadurch auf, daß jie die jefundäre Kiemenbildung in das Jnnere ihrer großen
Zungenhöhle verlegt hat, indem an der Peripherie femenähnliche Blätter und Falten ent-
itanden find, und durch wimpernde Leiften ein Wafjeritrom herbeigeführt wird. Die land-
bemohnenden Auriculiden bejigen natürlich nur eine echte Lunge. Wir führen eine tropijche
Art im Bilde (©. 468) vor. Die europäiichen Küftengegenden haben nur weit Heinere
Formen, unfer binnenländijches Carychium minimum Müll. hat Stednadelfopfgröße.
L. trunca- L. peregra Müll. L. ovata Drap. L. palustris Müll. L. stagnalis L. L. aurieularia L.
tula Müll. Re
= = Verjhiedene Formen der Gattung Limnaea Lam.
Bei allen diefen Auriculivden — Auricula judae Z. und midae Z.. da3 Juda3- und
Midasohr, jind die größten — wird die Mündung durch Schwielen und Zähne verengert,
mohl eine Trodenanpaffung zur Verkleinerung der Öffnung, Durch welche die Luft eintritt.
Unter unferen Tellerfchneden hat unfer feiner Planorbis nitidus Müll. eine ähnliche Ber-
engerung. Sie bejchräntt fich indes nicht auf die Mündung, fondern wiederholt jich öfters
im inneren, jo daß man fich wundern muß, wie der Körper beim Heraus- und Zurüd-
gehen durch die verjchiedenen engen Pforten hindurch Tann. Übrigens haben einige Pla-
norben die Fähigkeit, beim Eintrocnen ihrer Wohntümzpel ihre Mündung mit einem
ichneeweißen, mithin jtarf faffhaltigen Schleimdedel zu verjchließen, was wir jonjt nur bei
Zandichneden von trodneren Wohnorten finden. Amphibola nux avellana Schum., die
Hajelnußjhhnede vom Litoral Neufeelandz, ift die einzige Lungenfchnede, die ihr Ge-
häuje durch ein echtes Dperfulum jchließt.
Bei einer feinen Auriculide, Pedipes afer Adans., hat die jtarfe Faltenbiloung zu einem
Einjehnitt im Fuß geführt. Die Sohle ift durch eine tiefe mittlere Duerfurche in eine Vor-
der- und eine Hinterhälfte zerlegt, und man hat wohl gedacht, daß das Tier nad) Art einer
Spannerraupe friecht. Wir fanden die Schnede, die eigentlich in tropischen Küftengegenden
zu Haufe ilt, noch reichlich in einer Grotte an der Küfte der Azoren, die auf dem vulfanischen
Boden durch eine Heiße Duelle geheizt wurde. Da ließ jich leicht beobachten, daß durch
ven Fuß von Hinten Fräftige Blutjtöße gingen, welche die Hälfte nicht gleichmäßig, jondern
mehr rudweife vorwärts brachten. Am beiten beobachtet man das iwogende Wellenjpiel
470 Weichtiere: Schneden.
der friechenden Sohle, wenn ein Bafommatophor an der Unterjeite des Waljerjpiegels
friecht. Das Schleimband, das von der Sohlenfläche ausgejchieden wird, verlängert ich
immer mehr nach hinten. Die Schnede fanı aud) die Luft in der Lungenhöhle zufammen-
prejfen und jich zu Boden jinfen lajjen, oder aber, wenn jie etwa an einer Wafjerpflanze
hinunterkriecht und von Blatt zu Blatt einen Schleimfaden jpinnt, plößlich Ioslafjen, um
mit Hilfe ihrer Lungenfluft direft wieder an die Oberfläche zu fteigen.
Bei den Schlammfchneden ijt es charakteriftifch, ‘mie die Schale mit der Wajjer-
beivegung wechjelt (j. vie Abbildung auf ©.469 und Tafel „Weichtiere 1", 8, bei ©. 425). Die
ichlanfe Limnaea palustris Müll., die beiläuftg faft die Jämtlichen fubtropischen, gemäßigten und
falten Teile der nördlichen Erdhälfte bewohnt, ift Doc) vom fließenden Wajjer ausgejchlojjen,
weil diejem die jchräg gehaltene Schale eine zu große Angriffsfläche gewährt. Auch in der
Uferzone von Seen mit ftarfem Wellenjchlag Finden wir nur die Arten mit verfürztem
Große Shlammfähnede, Limnaea stagnalis 7. Natürliche Größe.
Gewinde aus der Öruppe der L. auricularia Z. Dieje Berhältnijje bedingen eine große Ber-
änverlichfeit der Schale und erfchiweren die Unterjcheidung der Arten. Junge Limnäen lafjen
Jich in Heinen Beden, die man nicht genug dDurchlüftet, zu Zwergformen erziehen, jo daß man
Ichon glaubte, eine Art in die andere überführen zu fünnen. Doch haben fich bejtinmmte Ntert-
male der Schalen al3 unveränderlich Herausgeftellt. Die Heinjte Schlammijchnede, L. trunca-
tula Müll., geht oft aus den Gräben auf das Ufer hinauf und Hlettert an Gräjern empor, ihre
Heine Mündung febt fie am wenigjten dem Eintrocdnen aus. Das hat eine böfe toirtfchaftliche
Solge, weil jie die Zugendform des gemeinen Leberegels als Schmaroger beherbergt, der die
Leberfäule der Schafe bewirkt. Vermutlich find diefe Limnäen Eitoparafiten, die jich am
Nanteltande von PBlanorben fejtjegen und nun die Bildung der Schale von der Norm ab-
lenfen, jo daß Ste jich forfzieherartig in freien Windungen erhebt, eine Erjcheinung, die nicht
jelten und dann meift ar vielen Stüden desjelben Gemäljers zugleich auftritt.
Die Nahrung der Bafommatophoren ift vielfeitig. Im Aquarium fieht man fie den
AUlgenbelag der Glaswand unter Hinterlaffung charakteriftiicher Fraßipuren abweiden, ivo-
bei es ihnen ebenfojehr auf die Heine Tierwelt ankommen mag; fie freffen wohl aud)
größere Wafjerpflanzen. Ebenjo Tann aber eine große Limnaea auch ein größeres Tier,
etiva einen Molch, angreifen, wie fie anderjeit3 auch Schlamm und Sand in den Daum
aufnimmt, womit ihr Fräftiger Saumagen und defjen harte Auskleivung zufammenhängt.
Die Begattung erfolgt, obwohl die Tiere Zwitter find, nicht einfeitig, fondern
Rungenfhneden: Bajommatophoren. Stylommatophoren. 471
gegenfeitig; die eine Schnede dient als Männchen, die andere als Weibchen. Die Gejchlechts-
öffnungen legen getrennt, die weibliche ein Stüc hinter der männlichen. ©o bejteigt das
als Männchen mwirffame Tier die Schale des Weibchen, jtillpt jeinen weißen Penis heraus
und fenft ihn in die weibliche Öffnung des Vartnerz, der inzwifchen ruhig weiter riecht und
feißt. Die Erregung jcheint nur auf der männlichen Seite zu liegen. Dieje Verhältnilje
haben zweierlei auffällige Folgen gehabt. Die Trennung der Gejchlechtsöffnungen er-
möglicht e3 dem ausgeftülpten Benis, in die eigene Scheide einzudringen; und fo befruchtet
oder, wenn man will, begattet ein in Einzelhaft aufgezogenes Bajommatophor, wozu jich
Limnaea stagnalis Z. am beiten eignet, ich jelbjt. Der andere Fall ift der: während nor»
maler Baarung fan ein drittes Tier Hinzufommen und das obere, daS gerade als Männz-
chen wirkam ift, als Weibchen benuten. Sa, man hat Fälle gejehen, two die Kette länger
war. Sn einer folhen Kette verhält fich das unterjte, vorderjte Stüd vein weiblich, das
oberite rein männlich,
alle Bimifchenglieder
nach unten männlid),
nach oben weiblic).
Wiewohl die Fort-
pflanzung im Frühjahr
und Sommer am jtärk-
iten ijt, dauert fie bei
geeignetem Wetter
wohl das ganze Jahr
über. Man trifft Die
länglichen, durchlichti- - Tellerfchnede, Planorbis corneus Z. Linls ae vet an e Oberfläche.
Links ift der al3 Kieme dienende Diantellappen entfaltet, vecht3 dagegen die Lungeithöhle ge>
al) twurftförmigen öffnet. Aus H. Simroth, „Die Entftehung der Lundtiere‘, Letpztg 1891.
Raichfehnüre der Lim
näen überall an Sremoförper, meift Wafferpflanzen, angeflebt. Bei Physa find fie kürzer,
bei Planorbis und Ancylus jcheibenförmig. Die ovalen Cier enthalten fait ausnahmslos je
einen Kleinen Dotter. Die Aufzucht gelingt fehr leicht, man fieht bald den Embryo mit jeinent
PWimperepithel in der Schale rotieren, ein Segel wird faum angedeutet, von einer Metantor-
phoje Fan wohl nicht Die Nede fein. Die Entwidelung gejchieht auf dem geradeften Wege.
Planorbis ift im Grunde genommen der Typus einer befonderen Familie, die mar,
ichon nach der verjchiedenen Form und Größe der Schalen, in eine Anzahl von Oattungen
zu zerlegen hat. Bei einigen ift die Aute mit Kalfipigen bemwehrt, ohne daß man indes
einen Gebrauc) als Liebespfeil beobachtet hätte.
3. Unterordnung: Stylommatophoren (Stylommatophora).
Die Stylommatophoren find die reinen und Höchitentwidelten Landformen; fie bringen
den Einfluß des Landes. am fchärfften zum Ausdrud, in allen Abftufungen. Die toichtigjten
Punfte haben toir chon in der Überficht vortveggenommen, fo daß ung nur die Ausführung
im einzelnen bleibt; und die muß fich in großen Zügen halten. Eine Gruppierung kann
man nac) der Sohle vornehmen, auf der fich die lofomotoriichen Wellen abjpielen. Ent-
meder gehen die Wellen, bei den Holopoden, quer über Die Sohle, oder fie bejchränfen fich,
bei ven Aulacopoden, auf das mittlere Drittel, daS dann durch zwei Längsfurchen von
den Geitenfeldern abgetrennt ift. Nicht felten tritt ein Unterjchied in der Färbung hervor:
472 Weichtiere: Schneden. .
unfjere Olanz- und Glasjchneden, Hyalina Ag. und Vitrina Drap., ebeinjo aber auch unjere
größte Nacttjcehnede, Limax maximus Z., haben ein farblojes Iofomotorijches Mittelfeld und
ichwarze GSeitenfelder. Mit diefer Bemwegungsmeife ift durchweg eine Fukdrije am Border-
ende verbunden, der die Schleimfpur entftammt. Dazu fommt bei manchen am Hinterende
des Fußes eine Schwangzprüje, eine flache Grube bei unjeren IVegjchneden, Arion Fer., zu
einem Blindjad vertieft bei vielen Tropenbewohnern. Cine bejondere Leiltung diejer Dritle,
außer mäßiger Schleimabjonderung, ift nicht befannt. Vermutlich geht fie auf die embrYyo-
nale Schwanzblafe zurüd, die twir nachher fennenlernen werden. Mit der Fortbewegung hat
jie jedenfalls nichts zu tun. Wie genau die Ausrichtung der Iofomotoriichen Wellen in der
Duerrichtung, Die Die Bewegungsweile der Stylommatophoren und der ©oleofiferen fenn-
zeichnet, mit dem Landleben zufammenbhängt, ergibt fich leicht aus der auffallenden Tatjache,
daß die Stylommatophoren, ins Wafjer gefallen, wohl infolge der Luft in der Lunge an
der Oberfläche fehwimmen, aber troßdem umfommen, da fie jich nicht zu Helfen wiljen, mit
der einzigen Ausnahme von Succinea Drap. Die Bernjteinschneden, die auch freiwillig ins
Wafjer gehen, liefern den Beweis, daß auch ein Gaftropod mit echtem Stylommatophoren-
fuß am Wafjerjpiegel hängen und gleiten fann. Wir wollen den Fall im Auge behalten.
Bon der Einftülpbarfeit aller Anhänge wurde jchon gejprochen. Damit hängt der
Name der Gruppe zufammen. Die Augen find auf die Spibe der oberen Fühler, YAugen-
träger oder Ommatophoren gerüdt. Dazu fommt ein zweites, Fleineres Paar Fühler und
als Drittes die Lippenmüljte oder Lippentafter, die ähnlich veich mit Nerven ausgejtattet
jind und bei manchen, 3. B. der Naubjchnece Glandina, fich in lange Zipfel ausziehen.
Auf die Ommatophoren haben wir Goethes Verje zu beziehen, die er Mephijtopheles auf
dem Blocsberg in den Mund legt:
„Siehjt du die Schnede dort? jie kommt herangefcochen,
Mit ihrem taftenden Gejicht
Hat fie mir jchon was abgerochen!"
Bir Tennen aus diefer älteren Zeit Feine genialere und richtigere Auffaljung. Das
Auge mag viel oder wenig wert fein, wovon wir früher fprachen, es fißt jedenfalls im
‚Sühler in dem Endfnopf, der beim Tajten vorfichtig jich bei jeder Berührung zurüdzieht.
Aber daß dasjelbe Organ auch der Hauptjiß der Geruchswahrnehmung ift, Haben erjt neuere,
miühjelige Verjuche in das rechte Licht geftellt. Zunächit ift daran feitzuhalten, daß Die
ganze Schleimhaut des Körpers chemiicher Wahrnehmung fähig ift. Sie zeigt Jich äußerft
empfindlich gegen Säuren und Bajen, etwa Zigarrenafche, jowie gegen Kochjalz. Eine
bejondere Steigerung der Empfindlichkeit gegenüber gasfürmigen Stoffen findet, wie wir
jchon jahen, an zwei Stellen ftatt, am Eingang zum Atemraume und in den Fühlern. Die
befonderen Geruchswerfzeuge am Mantel treten bei den Stylommatophoren zurüd. Mit
ven Fühlern hat fic) am ausführlichjten Yung bei der Weinberafchnede bejchäftigt. Künft-
liche Riechitoffe, wie Kampfer, Kamillenextraft, Petroleum, Benzin, Chloroform, Ammo-
niaf wirken auffallend fehtwach. Über ein Marimum von ettva 4 cm Entfernung hinaus ver-
mochte auch der jtärkite Feine Wirfung mehr auszuüben; am weiteften war der wirkjame
Abjtand bei den großen Fühlern, dann folgten die Fleinen Fühler, der Fußrand, die Rüden-
haut. Ein Koglblatt wurde bei 6—10 cm Entfernung noch leidlich, allein Melone bei 42 cm
noch mit ziemlicher Sicherheit gewittert. E3 ift roieklich jchtver zu verftehen, wie eine Helix
aspersa Müll. (j. Tafel „Weichtiere II”, 6, bei ©. 478), jedesmal nach langer nächtlicher
Wanderung den Weg in diefelbe Mauerlüce zurücfinden fonnte, troßdem die Schleimjpuren
Lungenjhneden: Stylommatophoren. 473
nach ganz berjchiedenen Richtungen wiejen, oder wie ein Durch eine Narbe gefennzeichneter
Limax, den Haller wohl 100 m weit forttrug, jchlieglich an der alten Stelle wieder anlangte.
Der Gefchmad ist wohl hauptfächfich in den Lippen. Wenn Weinbergjchneden am Salat
frejjen, hört man ein deutliches Schnurpfen, indem ein Blattjtüd von der Rafpel gefaßt
und dann bom herabgevrüdten Kiefer abgejchnitten mird.
Was wir eingangs von der Runzelung der Haut jagten, gilt in erjter Linie für die
größeren Formen umd die, welche im Trodenen haufen. Bei Fleinen und feuchtigfeitslieben-
ven ijt die Yaut glatt, bis dann etwa im Gegenjab dazu beim großen Arion empiricorum
. Fer. fich lange, gefielte Leilten erheben. Daß auch diefe Haut atmen Fann, zeigt ein großer
Limax, bei dem die Hautrunzeln langjam pulfieren und auf geringites Anhauchen reagieren.
Schärfer bewies es Künfel. Ein Limax wird unter Wafjer gehalten, bis er afphyftiich und
bemwegumgslos ift, mit gejchlojfenem Atenloch. Legt man ihn dann an die Luft, jo beginnen
allmählich die Rüdenrunzeln fich zu regen und zu puljieren, und erjt weit jpäter öffnet
jich wieder die Lungenhöhle.
Das bringt uns auf das überaus wichtige Verhältnis zum Wafjer. An Feuchtigkeit ge-
wohnte Schneden fterben fehr bald in trodener Luft. Die natürliche Anpaffung bejtimmt den
genaueren Grad. Cine Helix lactea Müll. aus der Sahara fann aus mehrjährigem Troden-
ichlaf wieder zum Leben erwachen, ein Stüd der gleichen Art von Madeira ift nach ebenjo
vielen Monaten tot. Cine Schnede, die zu viel Feuchtigkeit aus ihrem Körper verloren
hat, büßt ihre Bemwegungsfähigfeit ein, die Musfeln bedürfen gemifjermaßen der Schmiere.
Ein warmer Sprühregen macht jie wieder gejchmeidig. Hierbei wird das Wajjer vom quellen-
den Schleim aufgenommen und damit in den von Schleimdrüfen durchjeßten Hautmusfel-
ichlauch übergeführt. Ebenfo trinkt oder let aber eine Schnede einen Wafjertropfen auf,
jo daß Die Flüffigfeit vom Darm aus ins Blut übergeht. Bei einer Helix, die unter Wajjer
unförmlic) auffchwillt, werden beide Wege benubt. Die nötige Wafjeraufnahme ijt das exjte
Erfordernis zum normalen Leben. Das fann eine wımderliche Folge haben. Gibt man
einer halb vertroctneten Schnede, die fange gehungert hat, Wajjer und Futter nebeneinander,
jo muß fie, um frefjen zu fünnen, zuerft für Wafjeraufnahme forgen. Sie wird Dadurch aber jo
ftark, daß ext wieder eine geraume Zeit vergeht, bis der Überjchuß durch die Schleimdrüjen-
poren nach außen entfernt ift. Dann erft fan der Hunger geitillt werden. Dafür, Daß bereits
Zuft mit höherem Feuchtigfeitsgehalt, aber ohne flüjjiges Waffer, auf Schneden tirken kann, |
die fich ins Haus zurückgezogen haben, fehlen genaue Beweife. Amerifanijche Schneden-
arten follen fichere Wetterpropheten fein und Durch ihr Herausfriechen fommenden Negen an-
zeigen. Bei uns nimmt Limax arborum Bouch. Cantr. einen Wajjervorrat in die Leibeshöhle
auf, der Die Eingemweide ganz nach vorn drängt, jo daß die Hinterhälfte durchjcheinend wird.
Damit erklärt fich die Lebensmweile, an Felswänden und Bäumen emporzufteigen und in
Risen und Löchern den Tag zu verbringen. Daß fich oft viele in einem Aftloc) zufammen-
drängen, hat ebenfall3 die Herabfegung der Verdunstung zum Yield. Daß Schneden den
Sonnenjchein meiden und nachts amregften find, fiegt ebenfallsnur am Feuchtigfeitsbedürfnis.
Den wichtigften Trodenjchuß liefert natürlich die Schale. Gie ift um fo Fräftiger, je
mehr Trodenheit die Schnede zu ertragen vermag. Daß fie zum Aufbau der Schale Kalk
bedarf, ijt jelbfiverftändlich. Sie nimmt ihn teils aus den Pflanzen, teils indem jie unmittel-
bar Kalfgeftein oder in vejfen Ermangelung leere Schnedenhäufer benagt. Unjere Garten-
ichnirkelfchnede befommt auf den feuchteften Stellen des Talfarmen Erzgebirges eine viel
diinnere Schale als auf Mufchelfalf. Sm allgemeinen jind zarte Schalen in feuchter Gegend,
474 Weichtiere: Schneden.
die Härteften in der Wüfte-zu erivarten. Doc) wird das Gejeb, wie überall in der Natur, ab-
geändert durch die Vererbung von den Ahnen her: es fünnen auch zattjchalige Kormen
bis zu gewwifjem Grade an Trodenkflima gewöhnt fein. Dazu fommt, daß oft trodene und
feuchte Wohnorte dicht beieinander Tiegen, Laub und Moos an der Wurzel eines Baumes
können hygrophilen Arten paffende Wohnung gewähren, während rerophile am Stamm in
der Sonne fißen. Bei Regenmwetter fommen fie wohl durcheinander. Stleine Zormen be-
vorzugen Baumftämme, da fie dort pafjende Schlupftoinfel finden.
Sehen wir uns die wichtigften Schalen und zugleich ihre Bedeutung an, jo finden wir
bei den Vitrinen und Hyalinen dünne, glänzende Schalen; fie jind „Olas- und Glanz
ichneden”, die alfo viel Feuchtigkeit verlangen, gegen Kälte aber vielfach abgehärtet jinD,
oft in den Wintermonaten rege und bis an den Gletjcherrand vordringend, bei uns Durch-
weg an den Boden gebumden, im tropiich feuchten Urwald jedoch häufig als Baum-
ichneden. Das ungeheure Heer der Helieiven oder Schnirkeljehneden hat nicht jelten
Hachgedrütte, Doch auch verlängerte, ja turmförmige Schalen, in der Größe außerorbent-
(ich jhwanfend; manche find mit
Haaren dicht bejekt, andere glatt,
weit oder eng genabelt. Die be-
haarten jcheinen an eine mäßige
Feuchtigkeit gebunden. Eine flac)-
gedrückte, rings gefielte Form, wie
ey Te Chilotrema lapieida Z., evweift jich
Se nn als Felfenfchnede, die in Riten
Sins; Durdfidtige Glasjhnede, Vitrina pellucida Müll. — Nedts: y : , BR
Bernfteinfhnede, Suceinea putris Z. Natürliche Größe. Unterjchlupf ‚findet. Die höchite
Entmwidelung erreichen jte bei uns
und in den Mittelmeerländern, bis in die Sahara hinein, dort natürlich mit diefiter Schale.
Die Bernfteinfchneden, Suceinea Drap., find mit ihrer dimnnen, glatten, zugejpißten
Schale an die Nähe des Wafjer3 gebunden, nur die Kleinfte und jchlanfite, die S. oblonga
Drap., mit der engften Mündung, vermag jich von ihm zu entfernen und mit Helix (Fru-
ticicola) hispida L. (oder terrena, wie der foifile Vorläufer Heißt) an Furzrajigen Abhängen
zu gedeihen in Gejellichaft mancher Bupiden, namentlich Pupa muscorum Müll., der
Heinen Moosichraube. hre abgeftorbenen Gehäuje überjchüttet der Wind mit Staub,
der vom Rafen aufgefangen wird, während die Nachfommen oberflächlich weiter leben. Co
fann der Geolog an ihnen äolifche Lößbildung erfennen. Die vielen Bupiven mit ihren ivech-
jeden, bald ducchicheinend glatten, bald falfig weißen, bald bräunlich gerippten Schälchen
geben allein fehon in diefer Hinficht die verfchiedenften Fingerzeige. Etwas größer, jonjt ähn-
Yich, find die Buliminiden. DieAchatinen, bei uns durch die Fleine Cochlicopa lubrica
Müll. vertreten, find an feuchten Aufenthalt am Boden gebunden; in den Boden dringt Die
augenlofe Caecilioides acicula Müll. mit geradezu nadelichlanfem Schälchen. In den Nlittel-
meerländern fommen größere Formen dazu mit turmförmiger Schale, in Meeresnähe überall
Stenogyra decollata L., die ihren Eingeweidejad aus der Spiße des überjchlanfen Gehäufes
allmählich herauszieht und den leeren Raum durd) eine Querjcheidewand abjchließt, bis
die Spige jchlieglich abbricht. Der Vorgang wiederholt jich von Zeit zu Zeit. jn Afrita,
als ihrem eigentlichen Wohnfreis, erreichen die echten Achatinen (j. Tafel „„Weichtiere IL“,
3, bei ©. 478) den größten Leibesumfang von allen Bulmonaten, jo daß wohl Neger ein
herausgejchnittenes Schalenftüct als fofettes Müschen auf ihre [chiwarze Verde drüden.
Rote
Gelbe
Ackerichnecke, Limax agrestisZ. 8.
Varietät von Helix (Ta-
chea) hortensis Mäll.
Buliminus montanus Drap.
Limax maximus Z.
5) Hainichnirke
7.
1 i 11.
chea) an LUHGICHTFÜEKEN. 12.
Natürl. Größe, 13.
9 Helix personata Lam. 14
10.Weinbergichnecke,Helixpomatial. 15.
Schliefmundichnecke, Clausilia (Pyrostoma)
ventricosa Penn.
Kreismundichnecke, Cyclostoma elegans Drap.
Rote \ Varietät der Großen Wegichnecke,
Schwarze
Arion empiricorum Fer.
E na a, 5
Weichtiere: Schneden.
feuchte Be Dip seieinander iegen, gab und Moos an I ber Wurzel eifes
der Sonne nn Bei UN oa He Par Mircheinander,
vorzugen Baumftänme, da fie dort pafjende Schlupfeinte) finden,
Sehen toir uns die wichtigften Schalen und zugleich ihre Berutnmn. a, fo finden wir
en Vitrinen und Shalinen diinne, | onen; ‚fie iind „las und KR |
hanrten Icheinen a
nn gebunden. Cine Inar
he nass g gfielte Fear
Ohllotrs
int] Durhjigttige ©\
Kr a nene
te, Vitrina \pel
er putris Z.
ce
DER AE DEI Jin
und [in ven MELMREN dichter Schale. 2
'hver Dimmen, q)
Die | Beritfterin) or Im ten, zugeipibten
Scale an die Nähe ir die Heinjte und jchlgiite, die 9. oblonga -
Drap., ı srmag) ri von ihm zu entferneft und mit Helix (Fru-
tieicbla) ION terrena,/ivie dey Fofitle Vorläufer HeißX an oh afgen Abhängen
au he) Sefelll Den, namentlich Pins muuscofum MEi,, ber
Han en Gehäufe übevkkiitter def Wind mie Staub,
der hont Ser 2} ger ähreny Die aan serHiöd Ai weiter leben. &o
fan der Geolog aisihnen IHRES EBifung rien =
jelnden, bald Durchjcheinend glatten, bald falfıq us. bei
‚gebeh allein |hon in Diejer Hinficht Die verichtesen mr \Pingerzeige.
lich, hind Die ie Ouliminibe en, Die Achatinen NA durch d
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geit zu Beit. Afrıta,
erh. Tafel „Weichtiere II”,
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ABNd znsyols smoteolayd, Sberrbibrumeisıdt EI 3 ‚N 2itegrgs xemil ‚ssbsnrbtissbA .&
SbanroipsW nsRoıd 19b HötoiıoV f sion ‚BI ‚un. sienozısq xiloH auıA zunmsinom eneimilnd »
NS mmmosiiigms moinA ssınwrb& ‚el ‚Isitemogq xilsH,ssbanrbigisdnisW. dr ‚I eumixsm xsmid .s
Landichnecken.
Natürl. Größe.
s
ER
Zungenjhneden: Stylommatophoren. 475
Turmförmige Schneden, wie Stenogyra Shuttl., finden wir in den Tropen, namentlich
der Neuen Welt, in großem Reichtum und in einer ganzen Reihe von Gattungen. Jhre Höchite
Steigerung erreichen fie aber in den auch bei uns gut vertretenen Schließmundjchneden
oder Claufilien. Clausilia- Arten gibt e3 weit über 1000, in viele Gruppen gejpalten.
Die altertünlichite, Apostrophia Ehrm., hauft in Südojtafien und im tropifchen Sitdame-
tifa; einige Formen auf Madeira und in den Pyrenäen find als Relikte zu betrachten.
Außerordentlich reich ift die Fauna entwidelt in Dalmatien, auch in Siebenbürgen, dam
wieder in Dftafien, zumal Japan. Die Claufilienjchale verjchmälert fich wieder gegen Die
Mindung und toird ipindelfürmig. Dabei jehen wir in der Miimdung allerlei Falten und
Leiften auftreten, zunächt regelrechte Spindelfalten wie bei ven Boluten unter den Vorder-
Maurifhe Ahatjchrrede, Achatina mauritiana Zam. Natürliche Größe.
fiemern, dann aber auch Hinter der Außenlippe Gaumen-, Mundfalten ujtv. Man betrachtet
diefe VBorjprünge meijt als Mündungsverengerungen zum Trodenjhub. Ganz bejonders
aber ein überzähliges Schalftücd, das Schließfnöchelchen oder Klaufilium, eine Heine, läng-
liche Platte, deren fevernder Stiel mit der Spindel vermwachfen ift, joll einen derartigen
Zmwed Haben. Das Anöchelchen ift äußerft geichidt angebracht, von der herausgehenden
Schnede wird e3 zwijchen zwei Spindelfalten zurüdgedrüdt, in die e3 genau hineinpaßt.
Wenn die Schnede fich einzieht, jpringt es vermöge der Claftizität des Stiele3 jogleich twieder
bor und verjchließt die Mündung, alfo anicheinend ein ausgezeichneter Schuß. Und doch hat
PM. dv. Kimafotviez neuerdings gezeigt, daß es damit jowie mit den Falten vermutlich eine
andere Betvandtnis Hat. Die Claufilie, die in der Trodenheit am Teljen fit, hat ihre Mün-
dung bereits fo fejt angelegt und durch erhärteten Schleim fo dicht verjchlojjen, daß jie feines
weiteren Trodenjchuges bedarf. Wie wir früher erwähnten, fann beim Heruntachjen des
Tieres, namentlich bei rafchem Anfjchwellen der Genitalien, der Eingeweidejad übermäßig
ichtver werden und wird zumal bei der Haltung an jenfrechter Fläche jtarf nad) unten ziehen,
fo daß fich der legte Umgang vom übrigen Gewinde loslöft und in die Länge dehnt; damit
ift eine Verengerung verbunden, die wiederum den Mantel zu allerlei Yaltenbildungen
476 Weichtiere: Schneden.
stwingt; innerhalb diejer hHäutigen Falten entjtehen Die genannten Stalkleijten, die man eben-
falls als Falten anführt, und zivar entjteht in einer bejonder3 hohen Falte das Klaufiltum,
das nach dem Inneren zu, wo die Falte entjprechend niedriger wird, als ©tiel mit der
Spindel verjchmilzt. Seine Bedeutung aber ijt die, daß es der Schnede ermöglicht, Die
Schale jchräg abitehend zu tragen, etwa als wenn man ein jtraff gejchninrtes Bündel iiber
der Schulter trüge und e3 Durch einen furzen eingeftecten Stod verhinderte, beläjtigend
auf den Nücden hinunterzufinfen. &3 mag fein, daß die meiften Mündungsfalten in ähn-
licher Weife mechanisch zu erklären find. Einen eigenartigen Dedel müjjen wir aber zum
Schluß hier noch erwähnen bei der Keinen Thyrophorella @rff. von den Brinzeninjehn.
Hier ragt die Außenlippe der Hyalinenähnlichen Schale zungenfürmig vor, und dieje Zunge
ift durch einen Duerbruch abgegliedert und fan auf die Mündung herabgejchlagen werden.
Der Trodenjchlaf der Schneden ift noch wenig unterjucht, um jo ausführlicher
der Winterichlaf namentlich unferer Weinbergichnede. Die Vorbereitung dazu beiteht im
Öraben eines Erdloches, in das die Schale, mit der Mündung nach oben, Hineinpaßt. Der
Fuß wird al8 Bohrjtempel benußt, indem er in heftigen Striechbewegungen auf den Boden
prüct. Sit das Erdreich zu hart, dann legt jich die Schnede, nad) Kimafomwiczs Schilderung,
auf den Rüden und macht die gleichen Kriechbewwegungen gemwiljermaßen in der Luft. Da-
durch wird das Laub der Umgebung über die Sohle gejchoben, wie in umgefehrter Lage
beim Striechen die Sohle über da3 Yaub, und die Schnede erhält ihre Schubdede. Num
zieht jie jich ins Haus zurück, und der Mantelrand jcheidet den Falfhaltigen Winterdedel,
das Epiphragma, ab (j. Tafel „Weichtiere IL”, 4, bei ©. 478). Bei weiterem Zujammen-
ichrumpfen folgt eine zweite Scheidewand, aber nur aus erhärtetem Schleim, mit fein
ducchbrochener Kalfeinlagerung, dem Fenster, an der Gtelle des Atemloches; weitere
önnen folgen. Der Stoffwechjel erlifcht nie völlig; Das Herz, dejjen Schläge für ge-
wöhnlich an Schnelligkeit unferem Bulfe gleichfommen, fehlägt immer langjamer, je fälter
es wird; e3 fann wohl jchlieglich nur noch ein Schlag in der Minute erfolgen. Aber die
Harnaufjpeicherung in der Niere nimmt zu und ebenjo das Nierenepithel. Beim Erwachen
im Frühjahr wird zunächjt wieder Luft in die Lunge aufgenommen, ein Vorgang, der über-
Haupt bei jedem Herausfommen aus der Schale von größter Bedeutung ift; dann wird
ver Winterdedel abgejtoßen.
So bei den Gehäufeschneden. Nadtjchnecden entitehen durchweg durch Übergreifen
und Berwachjen der Mantelränder über der Schale. Bei und wird es wenigjtens angedeutet
bei den Heinen Glasjchneden, die einen Mantellappen recht3 auf die Schale Hinauflegen
(Abb., ©. 474). Den Übergang bilden viele Stylommatophoren der Tropen, namentlich der
malatischen Snjelwelt. Man könnte fie Halbnadtjchneden nennen, injofern jie noch eine ge-
wundene Schale Haben, die ven Eingeweidejad einjchließt und über ven Rüden heroborragt,
aber vom Mantel mehr oder weniger umischloffen ift. Einen Übergang zu den eigentlichen
Kacktjchneden bildet die fräftige Parmacella Cuv., bei der das Furze Gewinde noc) einen
Leberlappen enthält, während eine flache Platte nach Art eines Müsenjchirms jich anjchließt.
Die Parmacellen haufen wieder im Bogen von den Kanaren über Südportugal, Süpdfrant-
reich, Nordafrika, Mejopotamien, Transkaufafien, Berjien, Afghaniftan bis Nordindien. Die
Tüde in der Mtte wird gejchloffen durch das folfile Borfommen im baltiichen Bernftein.
Die Vollendung zur Nadtichnede hängt nun wohl damit zufammen, daß die Tiere, denen
der Schalenjchuß fehlt, gezwungen werden, fich in Riten zu verbergen, jchlieglich im Boden,
wie unjere Aderjchneden. Dadurch) wird der Eingemweidefad in den Fuß herabgedrüdt, ein
r
Zungenfhneden: Stylommatophoren. 477
- Hergang, für den alle möglichen Übergänge vorhanden find. Dem die Nadtichneden um-
faffen vielleicht unter ihren gleichförmigen Umrijfen eine ebenjo große und noch Dazu
vielfach weit abmeichende Fülle morphologijcher Verfchiedenheiten mie die bejchelten.
Wir wollen nur die auffälligjte ausländiiche Familie herausgreifen und dann einen Blid
auf die einheimijchen werfen.
Die ganelliden jind Schon durch ihre Bejchränkung auf einen altertümlichen Exrdenfled
ausgezeichnet, von Neuguinea über die Ssnjeln des alten Kontinentaltandes nach Dftauftralien
und Neujeeland. Das Merfwirdige it das jcheinbar völlige Fehlen eines Mantelichildes.
Das fommt in Wahrheit Daher, daß Die Dede der Schalentafche mit deren Boden verwach-
jen ift. Dadurch wird die Schale, als einzelne Platte oder in verjchiedene Stüde zerfallen,
eng in der verjtreichenden Nüdenhaut eingefapfelt. Dieje Neigung, die Mantelorgane gegen
Note Wegfhnede, Arion empiriecorum Fer. Natürliche Größe.
die Rücdenhaut zu Drängen, hat eine eigene Folge für die Lunge. Fhr Hohlraum mwird eng,
und die von der Dede vorjpringenden Gefäße berühren den Boden und verwachjen mit
ihm. ©o entjtehen lauter Röhren, die nach dem vom Atemloch fommenden Atemgang
zufammenftrahlen. Plate, der diefe Verhältnifje am genaueften unterfuchte, wollte deshalb
diefe Familie als Tracheopulmonaten, mit einer Röhrenlunge, allen übrigen Lungenjchneden
oder Bajopıılmonaten, mit einer Gefäßlunge, gegenüberftellen.
Wir Haben in Mitteleuropa die beiden Zamilien der Arioniden oder Wegjchneden
und der Limaciden oder Egelfihneden. Die inneren Unterfchiede, auf die wir und
nicht einlaffen wollen, find ziemlich bedeutend, äußerlich unterjcheidet man fie daran, dak
bei Arion Fer. das Atemloch vor, bei Limax L. hinter der Mitte des Manteljchildes liegt.
Der flahen Schwanzdrüje von Arion wurde bereits (©. 472) gedacht. Statt deijen ijt bei
Limax der Rüden Hinten gefielt, bei der felteneren Amalia M.-T., deren Entwidelungs-
. zentrum in den Mittelmeerländern liegt, in ganzer Länge bis zum Mantel.
Viele Nadtjchneden fallen in erjter Linie durcch ihr buntes Kleid auf, worin jie unjere
Gehäufejchneden meijt übertreffen. Die Verteilung der Farben jcheint aber gleichen Gejegen
zu folgen. Wie wir an unjeren großen Schnirkeljchneden auf der Schale fünf Dunkle Bänder
wahrnehmen, die jich bei manchen in Tlede auflöfen, jo tragen die Nadtjchneden meilt
auerft jederjeit3 auf Mantel und Rüden eine Längsbinde, die fich beim großen Limax
BWeichtiere: Schneden.
[0)
47
maximus Z. und anderen mehren und in Slede auflöjen Fan, nur daß die Umfärbung
während des Lebens eine viel jtärfere ift. Zu dem dunklen Pigment fommt Not und
Selb, und dieje können in Farborüjen nach außen treten und jich dem Schleim. beimijchen.
Arion empiricorum Fer. (\. die Xbbildung, ©. 477, und Tafel „Weichtiere IL”, 1 und 2), beim
Ausjchlüpfen aus dem Ei blafgelb mit violettem Kopf, wird nachher entweder rot oder braun
oder jchwarz, je nachdem er mehr in ver Wärme oder in der Kälte heranmwächlt, wobei wieder
die Wärme in derjelben Gegend zumeift mit Trodenheit, die Kälte mit Feuchtigkeit zufammen-
fällt. Kimfel zeigte neuerdings, daß Humusjäuren, mit dem Trinfwaljer aufgenommen,
Dunfelung erzeugen. Dabei jcheint es jo, al3 ob der rote Schleim zugleich erhaltend wirkte;
denn Die roten Stüce werden bon fleijchgierigen Tieren, wie Hühnern, verjchmäht.
AS Nahrung dienen meilt Pflanzen, griine Blätter. Man feınt ja die Schädigungen,
welche die Acderfchneden unferen Gärten zufügen fönnen. Stahl hat ausführlich die Schuß-
mittel behandelt, welche die Pflanzen gegen Schnedenfraß aufwenden follen, Bitterjtoffe,
ätherifche Ole, Naphiden von oralfaurem Kalt, verkiefelte Zellwände u. dgl. m. Trogdem
darf jolches Vflanzenfrefjen nur als fefmdärer Zuftand gelten. Die Stylommatophoren
juchen urfprünglich das Eiweiß in reiner Form auf, ohne den Schuß der Zelfulofemembran
der pflanzlichen Oberhaut. Sie freifen Algen, Flechten, Bilge, Moder, Tierleichen. Die
Slaufilien meiden den Flechteniiberzug der Feljen und Baumrinden ab, die meiften Kleinen
Formen leben von Moder und Humus, Bilze jind bei vielen beliebt, vor allen Dingen bei
den Limaziven. SKimnfel 30g Limax maximus vom Ci an auf bei Salatfütterung, troßdem
hat auch er nie einen jungen im Freien gefunden, der nicht an Pilzen gejejjen hätte. Li-
max tenellus N:Zss. findet jich nur an Bilgfrüchten; er jtirbt, nachdem er im Spätherbit jeine
Gier abgelegt hat. Die Zungen feben nur verjtect an Pilzmygel, und exit die mindejtens
halbwüchjigen fommen wieder mit den Bilzfrüchten zum Borjchein. Hier ift auc) der Grund
zu juchen, warum gerade fo viele Schneden fich jo gern unter der Rinde alter Baumjtümpfe
aufhalten: gleichmäßige Feuchtigkeit und das überreiche Bilgmdzel, von dem das Kambium
aufgearbeitet twird, loden jie an. Moder erfordert immer Feuchtigkeit. Wüftenjchnerfen
gedeihen üppig beim Wüftenjand al3 Nahrung, denn in den tauigen Nachtitunden, two jie
vege jind, wachjen auch die Algen, Protococcus und andere. Unfere Amalia marginata Drap.,
die man leicht mit Salat erhalten Fann, ftellt im Moder Hauptjächlich den Ciern anderer
Schneden nach. Wir wollen die Beifpiele nicht häufen, fondern nur darauf Hinweilen, daß
die meijten Gehäufejchnedfen an grünen Pflanzen zunächt den von Roftpilgen erzeugten
Sleden nachgehen. Die Nadeln der Koniferen find gegen Schnedenfraß gejchübt; trogpem
beherbergt der Naveltwald feine Claufilien und Limazidven der Pilze und Flechten wegen.
Der grüne Algenüberzug an glatten Baumeinden zeigt oft genug die Fraßjpuren der Schnef-
fen, und einige ausfändifche Schnirfelfchneden haben zu folhem Zwede ein Baar große,
jtumpfe Seitenzähne in der Radula; man fünnte jie daher mit Docoglofjen vergleichen.
Diejen . Alles- oder Pflanzenfrefjern ftehen jceharf die Raublungenjhhneden
gegenüber mit der ptenogloffen Radula oder, wie man’s bei ihnen nennt, mit dem Tefta-
zelfivengebiß. E3 ift eine fange Reihe, und fie nähren fich jämtlich nur von zivei Tier-
gruppen: entweder von anderen Schneden oder von Negenmwürmern, jedenfalls eine uralte
Beziehung. Da fie die Würmer ganz, und zwar langjam Hinterwürgen, jo daß der im
Diagen befindliche Teil bereits verbaut ift, während das oder die Enden noch weit aus
dem Munde herausragen, jo fällt meift der hindernde Kiefer weg. Da ift es nun Höchft
Weichtiere Il.
III I u
1. Gemeine Wegichnecke, Arion empiricorum Fer.
Nat. Gr. S. 478. — W. B. Johnson - Butarn phot.
m
-
2. Gelege der Gemeinen Wegichnecke,
EN
SITIN
3. Große Achafichnecke, Achatina fulva BZrug., mit €i.
Nat. Gr.
4. Weinbergichnecke, Helix pomatia Z., mit Winterdeckel.
Nat. Gr. S. 476. — H. Main-London phot.
III
N
S Dh
SS N TIER Ss SR 8 S Er S
5. Weinbergichnecke, Helix pomatia Z., beim Voripiel zur. Paarung.
Etwas verkl. S. 479. — Dr. M. Sack - Badenweiler phot.
)
Nat. Gr.
6. Helix aspersa Müll.
Arion
empiricorum Fer. Nat. Gr. — A. Cerny-Wien phot.
S. 474 u. 482. — W. S. Berridge, F. Z. S.-London phot.
S. 472. — H. Main-London phot.
7. Cymbulia peroni Blv., von oben geiehen. Verkl., S. 503.
Nach dem ‚46. Bericht der Senckenbergischen Naturforsch. Ges. in Frankfurt a. M.“, 1916.
8 und 9. Kerbenmaul, Tethys fimbriata Z., ichwimmend. Verkl. S. 497. — Dr. Th. Krumbach-Rovigno phot.
10. Gleba cordata Forsk., von oben gefehen. Annähernd nat. Gr. S. 503.
Nach dem „46. Bericht der Senckenbergischen Naturforsch. Ges. in Frankfurt a. M.“, 1916.
Lungenfchneden: Stylommatophoren. 479
bemerfensmwert, daß die Naublungenfchneden untereinander jo verjchieden find tie Die
übrigen Stylommatophoren, die fie gemwiljermaßen wiederholen, und unter die fie von
Syftematifern verteilt wurden, ehe man die Nadula unterfuchte. In Südafrifa gibt es
jolche, die man als große Heliciven betrachten würde, ähnlich in Auftralien und Neufeeland.
Andere gleichen den Bupiden, wieder andere den Hyalinen; die ziemlich großen Olandinen
mit ihrer länglichen Schale tauchen zerjtreut im Mättelmeergebiet auf, bis über Trieft hinaus,
und dann wieder in einem zufammenhängenden ebiet von Mittelamerifa bis Nordbrafilien;
im Raufajus, auf den Azoren gibt e3 ganze Reihen von nadten Raublungenjchneden; jelbft
unter den Soleoliferen haben mir die Atopiven als jolche Fennengelernt. Man Fan nun
jeldjtverjtändlich nicht daran denfen, daß mir zwei reiche parallele Schöpfungen von
Stylommatophoren vor uns hätten, die unabhängig voneinander entitanden wären. Der
Tatbeitand erklärt jich viel einfacher: es entwidelte ji) nur ein Shjtem zu den verjchie-
denen Familien. Sede Yas
milie begann mit Allesfrefjern,
nicht mit Pflanzenfrejjern.
Daraus hat jich bei jeder iwie-
ver eine fleijchfrejjende Gruppe
abgezweigt. Das läßt jich noch
verfolgen bei den einheimi-
jchen Vertretern, den eigent-
fihen Teftazelliden, bei
Testacella Cuv. (von der Wejt-
grenze des Deutjchen Neiches FE
an), und auf deutjchem Boden Testacella haliotidea Drap. Natihliche Größe,
bei der etwa halb jo großen Ns
Daudebardia Hartm. Sn der Jugend gleicht fie einer Heinen Hyalina Schum. und fann fich nocy
beinaheins@ehäufe zurücziehen. Dann aber nimmtder Schlundfopf, das. Organ des Treffens,
gewaltig zu, jo daß fich der Borderkörper ftrecft und verdickt, bis endlich das erweiterte Schälchen
noch als eine Art überflüfjiges Anhängfel auf dem Sinterende fißt und bei dem Hinabfteigen
in Wiremeöhren fich nicht mehr hemmend in den Weg ftellt, ein jeltenes Beijpiel gemijjer-
maßen vom Übergang einer Gattung in die andere während der individuellen Entiwidelung.
Das bringt una auf die Fortpflanzung. Erwähnt wurde fchon, daß fie fich bei den
Landpulmonaten zu einem dramatifchen Vorgang fteigert, der bei allen Wafjerjchneden zu
fehlen jcheint. Verfolgen wir ihn zunäcdhjit an dem Beifpiele der Weinbergjchnede, Helix
pomatia Z., die Meifenheimer genau beobachtet hat. . Eine begattungstuftige Schnede it
in ihrem äußeren Benehmen ımjchwer aus ihren Genofjen Heraus zu erfennen. Sie Triecht
fangjam, wie juchend, umder, hält oft auf ihrem Wege an und verharıt dann längere Zeit
mit etwas erhobenem Borderkörper in halb zufammengefauerter Stellung. Treffen ji)
zwei folcher Schneden zufällig, fo beginnen fie jofort mit dem die Begattung einleitenden
gSiebesjpiel. Sie richten fich zunächft Hoch aneinander emyor und nehmen damit die charak-
teriftiiche gegenjeitige Stellung ein, welche jie während Des ganzen Vorganges beibehalten
(j. Tafel „Weichtiere IL”, 5, bei ©. 478). Der ganze Organismus verrät alienthalben eine
hochgradige Erregung. Diejes Vorjpiel dauert indejjen nur kurze Zeit, die Schneden finfen
bald wieder zufammen und nehmen nun eine eigentümliche zufammengefauerte Haltung
480 Weihtiere: Schneden.
ein. Diefe Ruhepaufe dauert eine Viertel- bis eine halbe Stunde. Cine zweite Ihaje des
Liebesfpiels wird eingeleitet dircch lebhaftes Aufrichten beider Schneden und erneutes Hin-
und Herwiegen der Körper ujw. Sie endet zumeilen erjt nac) längerer Zeit (zwei Stunden)
damit, daß die ftärfer erregte Schnede ihren Xiebespfeil in den Körper ihres Bartners
jtößt, meift in die Ränder der Fußjohle oder in dieje jelbit. Das getroffene Tier zucdt vor
Schmerz zufammen, wird dadurch nun aber auch jeinerjeits gejchlechtlich ftark erregt. Nach
furzer Nuhepauje und einigen einleitenden Manipulationen beginnt jegt die eigentliche Be-
gattung. Dieje erfolgt tvechjeljeitig, d. H. jedes Der beiden Tiere ift Männchen und Weibchen
zugleich. Bei der Weinbergichnede dauert die Kopıula jelbit nur wenige Minuten, bei aı-
deren Arten bis zu einer Stunde und mehr. Danach vergeht aber noch viel Zeit, bis die
Spermatophoren der völlig apathiich gewordenen Tiere vollends ausgetauscht jind. Erft
nach der nun folgenden Baufe friechen jie auseinander. Aber auch dann noch laufen un-
unterbrochen energiiche Wellenbewegungen die Fußfläche entlang; fie fönnen nur dazu
dienen, die Weiterbeförderung der Samenpafete im Körper zu erleichtern, indent jie dei
von der Muskulatur des Spermabehälters ausgeübten Drud unterftüben.
Während aller diefer Vorgänge, vom Beginn des Liebesipiels bis zum Ende des Be-
gattungsaftes, weifen die Schneden eine überaus große Teilnahmlofigfeit gegen ihre Um-
gebung auf. Man Fann fie dabei aufheben und zur Beobachtung an einem anderen Ort
niederjegen, man fann jie aus Dunfelheit dem grelljten Licht ausjeben, alles Dies |tört fie
in feiner Weije.
- Wir wollen diejer firzen Schilderung num noch einige ergänzende Bemerfungen an-
ichliegen. Jm Ausjtogen von Liebespfeilen it, wie es fcheint, Yediglich bei uns in Europa
eine höchjte Steigerung erreicht. CS gibt genug Formen ohne Xiebespfeile, z. B. Die
große Öruppe der Batuliden, d. h. der Heinen Schnirfelfehneden, die, auch bei uns
vertreten, ihre Hauptentwidelung auf der jüdlichen Hemifphäre haben. Auffallenderweije
haben fämtliche Raublungenjchneden dieje Neizorgane eingebüßt, denn daß die meilten von -
ihnen jolche gehabt Haben, geht aus ihrer Zugehörigkeit zu den verjchiedenen Familien
hervor (f. ©. 479). Wo font jolche Reizwerkzeuge vorfommen, werden fie vorgeftoßen und
wieder zurüdgezogen. Das Höchite in diejer Hinficht wird von afrikanischen Nadtjchneden
geleitet, die Simroth wegen des Borftenüberzuges ihrer Pfeile Trichotoxon taufte; jie
haben deren mehrere, ja bi3 zu einem Dubend; die Öefamtlänge der Pfeile betrug bei
einem Stüd 42 cm! IUnjere Aderjchneden, Limax agrestis L., haben einen fleifchigen
Neizförper, mit dem jie jich gegenjeitig im Borfpiel den Rüden betajten und vrüden. Ana-
denus Heynem., eine Gattung großer indijcher Arioniden, Hat im Gejchlechtsatrium einen
breiten, fleifchigen Lappen, der mit Neihen Icharfer Dornen bemwehrt ift und wie eine
Striegel gebraucht werden dinfte. Unfere einheimifchen Arion-Arten haben fo wenig
Neizorgane wie unjere großen Limax. Gleichwohl bevürfen fie des VBorfpiels zur gegen-
jeitigen Anregung, namentlich um die Musfelfpannung in der Umgebung der Genital-
Öffnung jo umzujtimmen, daß auf allgemeinen Hautdrue nicht, wie gewöhnlich, die
Fühler, jondern die Begattungswerkeuge durch das Blut vorgetrieben und ausgejtülpt
werden. Hier tritt allein die Nadula ein, mit der fie fich gegenfeitig heftig beleden. Bei
den großen Arten wird das fo ftark, daß von dem erweiterten vorderen Manteltand, der fich
über den Kopf weglegt, rechts über der Zivitteröffnung große Stüce weggefchabt werden,
tie es auch bei Baginuliden vorfommt, d. h. iiberall bei Landnadtfchneden. Vei Limax
maximus tird die Begattung nachts vollzogen, indem die Tiere von einem Feljfen oder
Zungenjhneden: Stylommatophoren. 481
Zeig herunterhängen; fie umminden fich gegenjeitig, und eine gleiche Schraube bilden
die fürperlangen Nuten, allerdings durch die Laft des Blutes mannigfach ausgejadt (j. Tafel
„Beichtiere III”, 1—4, bei © 544). Der allgemein gejteigerte Musteldrud in der Haut ver-
anlaßt eine heftige Schleimabfonderung aus den Hautdriifen, und bei den oberitalienifchen
Formen, deren roten Farbitoff wir bereits fennen, toird auch das rote Grfret dem jonft blafjen
- Schleim beigemijcht, jo daß man jofort innerhalb einer allgemeinen Schleimfpur die Ver-
einigungsitelle erfennt. Die Schleimabjonderung fann jo jtark werden, daß Die gepaarten
Tiere an einem Schleimfeil getoiljermaßen frei in der Luft hängen, ivie ja auch fonft die
Aserichneden auf plöglichen Lichtreiz, 3. B. auch beim exften Strahl der Morgenfonne, fich
am Schleim rajch zu Boden lafjen, „Saven fpinnen”, wie man jagt.
Bei diejen unjeren Nadtjchneden Hat Künfel den überrajchenden Beweis geliefert,
daß im Grunde genommen die ganze Szene und der Damit verbundene Straftaufiwand über-
flüjfig find. Die Tiere fönnen jich durchweg, auch wenn fie ihr ganzes Leben lang einzeln
bleiben, ebenjo reichlich vermehren, infolge innerer Gelbitbefruchtung. Man Hat fich oft
gewundert, daß Samenfäden und Eier jich nicht vereinigen, obwohl fie aus der Ziitter-
orüfe durch denjelben Yiwittergang entleert werden, oft genug gleichzeitig, wenn auch) der
Same früher reifen mag. Seht ijt das Rätjel gelöft. Der Sıme erlangt exit feine volle
Wirkfamfeit in der neben der Öejchlechtsöffnung gelegenen Befruchtungstafche, in die er
bei der Begattung vom Renis des Bartners gebracht wird. Hierhin fommt er nun bei der
Selbjtbefruchtung gleichfalls. Diejer Nachweis ift von höchiter Bedeutung für das fchiie-
rigjte Problem der organischen Welt, die Vererbung. Fest jind wir imjtanoe, jogenannte
reine Linien zu erhalten, mit denen wir weiter experimentieren fünnen. Von dem bunten
Zarbenfleid des Limax maximus haben wir gejprochen, einfarbig weiß, jehmwarz, grau, auc)
mit gelbem oder rotem Grundton, dazu Zeichnungen, dunfle Längsbinden in wechjelnder
Zahl, oder dieje in Fleden aufgelöft, eine übergroße Mannigfaltigfeit. Wen wir nun mit
Kimfel ein geflecdtes Stüd etwa in Einzelhaft großziehen, jo erhalten wir von ihm unter
Umftänden ganz verjchtedene Nachkommen, weiße, jchiwarze, geitreifte, gefledte, je nachdem
das Eitertier dDiefe Merkmale von feinen beiven Eltern ererbt Hatte. Ziehen mir aber Dieje
ungen wieder einzeln auf bis zur Fortpflanzung, fo verhält fich die Nachfommenjchaft ganz
ander3, von den weißen erhalten wir nur weiße, von den Schwarzen nur jchwarze, von den
geftreiften nur geftreifte ufw. Sebt haben wir reine Linien, und diefe Tiere fünnen toir
nunmehr zu Kreuzungsverjuchen verwenden, um zu prüfen, wie fich dabei die einzelnen Merl
male vererben md kombinieren, wobon noch wenig genug befannt ift. Bon der Weinberg-
ichnede 3. B. hat e3 bisher nicht gelingen wollen, Iinfsgewundene Nachfommen zu erhalten,
auch wenn beide Eitern zu den linfgewundenen gehörten. Gleichwohl muß es der Natur
gelegentlich Doch gelingen, denn unter den linfsgewundenen Klaufilien 3. B. gibt eg Arten,
die rechtsgewundene Lofalcaffen aufweifen. Übrigens find die Verfuche mühfam und zeit-
raubend genug. Ein Limax maximus wird binnen Sahresfriit noch nicht fortpflangzungsfähig.
Künfel hat das Lebensalter von einer Anzahl durch Berfuche feitgeitellt. Die Aderichneden
erreichen noch nicht ein Jahr, der große Arion empiricorum 1 $ahr, Limax maximus 2—3
Sahre, große Helix noch mehr, jie pflanzen fich mehrere Jahre hintereinander fort, mit ab-
nehmender Zeugungskraft, bis die Zivitterdrüfe erfchöpft ift und der Tod eintritt.
Doc) wieder zurüd zum Anfang des Lebens! Da ift zunächit noch einer überrafchenden
Tatjache zu gedenfen, die neuerdings Nieper bei den Bernfteinjchneden gefunden hat.
Die Tiere .begatten fich jcheinbar gegenjeitig, aber nur eins, das ältere, wird befruchtet.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 3l
482 Weichtiere: Schneden.
Die Suceineen find nämlich protandrifch. Bei der männlichen Neife jucht jich die Schnede
einen Partner, ein veifes Weibchen, aljo ein älteres Tier. Diejes läßt jich wohl zur Ko-
pula bereit finden und verwendet auch jeine Rute, wie es fie vorher verivandt hatte, aber
nicht zur Übertragung des nicht mehr vorhandenen Samens, jondern nur zur Befeftigung.
Und noch eins! Bei unjerer Heinften Egeljchnede, Limax laevis Müll., fommen bisweilen
jüngere Stüde vor, die der Rute entbehren. Das ift bei der mweitverbreiteten Art in den
Tropen, Brafilien, Weitindien ujw., zur Negel geworden; hier erfolgt die Vermehrung
nur noch durch Selbitbefruchtung.
Zur Entwidelung werden die Gier abgelegt, joweit die Arten nicht lebendiggebärend
jind, was in jehr vielen Gattungen vorkommt. Am forgjamiten bringt wohl die Weinberg-
ichnede die Gier unter. Gie gräbt eine Höhlung im Die
Erde, ähnlich wie beim Winterjchlaf, doc führt em
engerer, trichterförmiger Zugang hinein; durch den jtrect
die Schnede den Borderleib und läßt Ei auf Ei hinabfallen
(f. die nebenftehende Abbildung). Dann wird die Offnung
gejchloffen. hntich machen es die meiften größeren Schnir-
telfchneeten. Gonft wird nur eine feuchte Stelle im Moos,
unter Laub, im Mulm ausgejucht. Doch fommt es auch
in feuchten Tropengegenden vor, daß Baumjchneden
oben im Laub ihr Gelege unterbringen, indem jie zwei
Dlätter mit Hilfe des Fußes zujammenbiegen und durc)
Schleim verfleben (Ubb., ©. 483). Eine Kleine füdliche
Schnirfelichnede treibt eine Art Brutpflege, indem fie die
Gier in Dem Nabel der eigenen Schale birgt. Die Eier jind
meijt rund, jeltener oval (j. Tafel „Weichtiere I“, 11, bei
©. 425). Die Anzahl fteht etwa im umgefehrten Berhält-
RER a TREUEN SE: nis zu ihrer Größe. Manche Achatjchneden legen wenige
Meifenheimer, „Weinbergicnede”. Gier von Taubeneigröße (j. Tafel „Weichtiere II“, 3, bei
©. 478). Dieje haben dann eine Harte Kalfichale. Hier
gibt e3 alle Übergänge bis zur Ducchfichtigen Eifchale bei bejonders feuchtigfeitsbedürftigen
Arten. GOelten find die Eier durch einen Schleimfaden zu einer Schnur verbunpen, jo unter
anderen bei Succinea, die jogar die bei hohem Wafjerjtand untergetauchten Cier durc)
quellenden Schleim zu einem Laichband umformt.
Der Embryo läßt faum Spuren eines Segels erkennen. Dagegen hat er al3 Sonder-
erwerbung die Vodozyite, Schwanz- oder Fußblaje, einen Anhang am Hinterende, dinn-
wandig, von Musfelfajern durchzogen. Er treibt das Blut puljierend durch den Sörper,
jo daß ich der Gegenpol born zu einer Kopf oder Nadenblafe aufbläht. Beide Organe
verleihen dem Embryo ein merfwirdiges Ausjehen, da fie oft bei weiten den größten
Teil des Körpers ausmachen (f. die Abbildung, ©. 484). Bei den größeren Gehäufejchneden
Ichlägt fich die Vodozyfte weit über Die Schale hinauf, legt fich der Eifchale an und ver-
mittelt die Atmung. Beim Ausichlüpfen ift das Drgan verjchwunden. E3 fehlt nur
wenigen, darunter der Bernfteinfchnede.
Reich, wie die Vermehrung, ift auch das NRegenerationsvermögen. Abgejchnittene
Sühler jamt dem Auge, da3 Schwanzende uf. werden leicht wieder erfeßt. Man hat viele
einjchlägige Verjuche gemacht; gelegentlich fieht man es in der freien Natur, am häufigjten
Zungenjchneden: Stylommatophoren. 483
bei der Schale, die ja leicht zerbricht. Die Stüde werden wieder verbunden durch neue
Schalenabjonderung, Yüden werden ergänzt, auch wohl zuweilen durch eingefittete Sremd-
förper. Das neue Schalenjtüd erhält indes feine oberite Schicht, e3 fehlt jomit der Glanz,
jofern nicht der Bruch auf die Nachbarschaft der Mündung bejchränft bleibt. Hier findet fich
mancherlei Abweichung im Regenerat. Aber nicht bloß die Schneden haben Nuben von
diefem Vermögen, fondern umgefehrt auch ein Schmaroger, der Saugwurn Distomum
(Leucochloridium) macrostomum, der im Darm Heiner Singvögel feine Reife erlangt. Von
Dort aus gelangen die Eier ins Wajjer, die jungen Würmer in die amphibiiche Bernitein-
ichnede. Sn deren Leber wird der Brutjchlauch erzeugt, der die Ausläufer in die Fühler:
treibt, die wegen ihrer Raupenähnlichfeit wieder von Vögeln gefrejjen werden. Sobald der
dabei mit abgerijjene Fühler erjebt ijt, wird ein neuer Schlauch vorgetrieben (vgl. ©. 213).
Eiablage von Cochlostyla leucophthalma Pfr. Aus Bronn, „Klaffen und Drdnungen bes Tierreicha‘', Bb. III, Leipzig 1914.
Und nun noch eine Bemerkung über die Bedeutung der Stylommatophoren für Die
Geographie! Wir find jchon jo oft auf Einzelheiten gejtoßen, daß wir uns eine zufammen-
hängende Erörterung erfparen wollen. Die Beziehungen zum Boden liegen zu Klar auf
Der Hand. Aber von Snterejje jind wohl einige Hinmweije auf Fälle bejonders einleuchtender
Shöpfungskraft. ©o haben die Bettern Sarajin auf Celebe3 auf eine aneinanderjchließende
Neihe von Schnirkelichneden hingewiejen, mo die geographiiche Aufeinanderfolge der jpite-
matiichen entipricht, nach der Schalenähnlichkeit, ähnlich Kobelt für Iberus in Stalien,
Plate für eine Pupiden-Gruppe auf den Bahamas. Wir jehen Stetten, deren Endglieder
lich jtarf voneinander unterjcheiden, während benachbarte Formen innerhalb der Stette
faum auseinander zu halten find. Limax maximus toird in Oberitalten nicht nur zum größ-
ten mwirbellojen Zandtier der nördlichen Halbfugel (bi3 40 cm lang), jondern [hwanft auch
außerordentlich in Jeichnung und Färbung; jie gehen hier mit der Anatomie Hand in Hand,
die Extreme umterjcheiden jich etwa Dadurch, daß auf der einen Geite die Nute den vierten
‚Zeil der Körperlänge erreicht, auf der anderen das Dreifacdhe; fie jchwankt aljo im Verhältnis
bon 1:12! Und doc ist eine Trennung in Arten erjt unvollfommen gelungen. Aufjehen
hat längjt die ftarfe Artbildung erregt, welche die Stylommatophoren auf Snjeln ergreift.
Wir wollen nur den jtärkiten Fall anführen: die Schlanfen Achatinellen find auf die Sand-_
yichinjeln bejchräntt, Dort aber haufen jie in Hunderten von Arten in lofaler Sonderung.
484 Weichtiere: Schneden.
Hier erlaubt ung die Natur einen Einblid in ihre Werfitätte der Artbildung. Die
Naublungenfchneden Haben uns jchon gelehrt, wie leicht die Nadula jic ändern Fann, infolge
einer hohen PBlaftizität aller Familien. Da Tiegt wohl die Frage nahe, wie e3 fommt,
daß die Stylommatophoren, Die Doch ganz und gar von der Feuchtigkeit abhängen, aus dem
Wajjer verbannt und ftreng ang Land gebunden ericheinen. Die Antwort gibt uns vielleicht
die Berniteinfchnede, die halb amphibifche. Ste hat mit der veränderten Xebensweife bereits
mwejentliche Imderungen durchgemacht, die ich, außer der Erweiterung der Schalenmiündung,
namentlich in der Fortpflanzung äußern: VBerluft der embryonalen Schwanzblafe, Bildung
eines Schleimlaichs, twie bei den Limnäen, Übergang zur einfeitigen Begattung der
Bafommatophoren. Werden die übrigen Merkmale in der gleichen Richtung liegen? Ent-
itanden fo die Bajommatophoren aus Landlungenjchneden?
Für die Schlußbemerfungen über die öfonomifchen Beziehungen wollen wir
in der Saupljane wieder Meijenheimer das Wort geben:
„SÖegenüber den Spnterejien des Menjchen er-
jcheint die Weinbergichnede zunächit jchädlich, injo-
fern fie mit befonderer Vorliebe den von ihm gepfleg-
ten Kulturpflanzen nachitellt. Der Gärtner wird fie
daher jtetS rücjichtslos vernichten. Außerordentlic)
gefährlich fann jie dem Rebitocde werden, wie es jcheint,
ganz befonders in den füdlicheren Weingebieten.
„Daneben aber leitet die Weinbergichnede dem
14 Tage alter Embryo von Campylaea Menjchen auch einen bejtimmten Nußen, und zwar
en ee bes ve Dabucch, daß fie ihm in ihren Weichteilen eine in
ben en ee ar. vielen Ländern überaus gejchäßte Nahrung darbietet.
Namentlich jind e3 die jünlicheren Gebiete von Europa,
in denen Schneden eine beliebte Speije bilden. Schon bei den alten NRömern galten fie als
Lederbijjen, fie wurden in verjchievdenen Arten namentlich im alten Ligurien gejammelt und
nach Rom gebracht. Aber auch im heutigen Stalien werden Schneden noch majjenhaft ver-
zehrt und müljen als wichtiges Nahrungsmittel der niederen Bolfsflafjfen gelten. Ganz
außerordentlich groß ift ver Verbrauch an Schneden ferner in Spanien; überall werden fie
hier auf den Märkten feilgeboten, namentlich zur Faftenzeit. Ühnkich ift es in Südfrankreich,
und felbit auf ven Märkten von Paris und anderen großen Städten werden alljährlich noch
große Mengen verhandelt. Auch im deutjchen Sprachgebiet wurden in früherer Zeit Die
Schneden aBNahrungsmittel feinesmwegs verachtet, zumal jie als erlaubte Faftenfpeije galten.
Heutzutage ift ihr Verbrauch hier ein viel geringerer und nur noch in den Nachbargebieten
der romanischen Yänder ein nennensiwerter, wie beijpielsweije in Steiermarf. Nad) Diten
Hin nimmt der Gebrauch, Schneden als Nahrungsmittel zu verzehren, jtetig ab.
„sn Südfrankreich werden die Schneden jogar zur Bereitung von Heilmitteln ver-
wenpet. Syn früheren Zeiten gewann man aus ihrem Weichförper zahlreiche Abführmittel
in Form von Schleim, Sirup oder Suppen, noch heute werden ferner aus ihnen Haus-
mittel gegen Huften und leichte Halserkranfungen hergeftellt. Die Iindernde Wirkung
diejer Müttel beiteht wohl darin, daß fie durch ihre fchleimartige Bejchaffenheit einen ab-
\hliegenden Überzug über den entzindeten Stellen bilden. Und dieje leicht findernde Wir-
fung verführte die Bauern jener Gegenden gar zu dem Glauben, in diefem Schnedenbrei ein
Zungenihneden: Stylommatophoren. — Hinterfiemer. 485
Mittel gegen die Schwindfucht zu beiten.” Wir bemerfen hierzu, daß der Name unferer
großen Wegfchnede, Arion empiricorum Fer., „Arion des Charlatang“, ihrer Wert-
Ihäsgung in der Bolfsmedizin entlehnt ift; jo fennen wir’3 vom Harz jo gut wie aus Portugal.
Die Zigeuner follen auch fie verzehren; in den Mufchelhaufen umnferer deutjchen Nordfüfte
finden fich auch Schalen von Limnäen. Schließlich mag nod) erwähnt fein, Daß Jeit alter
Zeit bis in die Gegenwart die Schalen der Weinbergichneden und verwandter Arten als
Lampe Verwendung finden, und daß in falfarmen Gegenden Südamerifas die großen
Schalen von Bulimus zu Mörtel gebrannt werden.
| Dritte
Hinterfiemer (Opisthobranchia).
Mit unbedeutenden Ausnahmen rein auf das Meer bejchränft und dabei ohne große
und glänzende Schale, erfreuen fich die Hinterfiemer am mwenigften breiter Befanntjchaft;
jie find die eigentlichen Nadtfchneden des Meeres, mit deren ganzer Lebhaftigfeit nach
Lebensregungen und Farben. Bon ihrem Hohen Waffergehalt wurde eingangs gejprochen.
Wie bei den Quallen vermag er bis zu 98 Prozent anzufteigen. Er bedingt erhöhte Be-
mwegungsfähigfeit der einzelnen Muskeln der Haut, deren Filz durch Die dazwilchen treten-
den Flüffigfeitsmengen gelodert ift, jo daß die einzelnen Bündel jich viel weniger hindern,
wie in einem lodereren Fadenfnäuel einzelne Fäden fich leichter und ausgiebiger ftraff
ziehen laffen al3 in einem eng verflochtenen. Die Ableitung des Namens ift früher gegeben
(©. 417). Wo eine gefonderte Kieme in flacher Mantelhöhle vorhanden ift, liegt jie vechts
in oder hinter der Mitte. Inwieweit dabei nachträgliche Detorfion, d.h. Abihwächung der
anfänglichen jpiraligen Aufwindung, in Frage fommt, ift fehwer zu entjcheiden, dem viele .
haben den After in der Mittellinie des Nüdens, anfcheinend in urfprünglicher Lagerung.
Zur Kiemenatmung oder an deren Stelle tritt vielfach Hautatmung; am meijten beteiligt
fich hieran die Eptpodiallinie, deren Anhänge in ihrem Verhältnis zur Leber uns noc) be-
ichäftigen werden. Ähnlich wie fie erweitern die Fühler ihre Oberfläche; meiftens jind Die
Hinterfühler umgewandelt, bald blätterig gefiedert, bald rinnenförmig ausgehöhlt mit
übereinandergreifenden Rändern, jo daß das Wafjer durch Wimperung hereingejtrudelt
wird. Namentlich diefer Bau begründet ihre Auffaffung als Geruchgorgane, in Ddiejem
Falle Ahinophoren genannt. Die Augen treten jehr in den Hintergrunnd, nicht nur pHyjio-
fogifch, fondern auch rein anatomifch, indem fie fich unter die Haut zurüdziehen und ojt
berfiimmern. Ohrblafen fehlen nirgends. Gonft fommen von umijchriebenen Ginnes-
werkeugen noch Iofalifierte nerböje Leiften in der drüfenreichen Haut vor.
Die Tiere find ausnahmslos Ziwitter, doc) ohne das aufgeregte Liebezjpiel der Land-
ichneeen. Die Eier werden durchweg abgelegt. Der Laich ift ziemlich einheitlich, er jchließt
fi) an den der Bafommatophoren an: eine Schleimfchnur oder ein Schleimband, Dem Die
Gifapjeln eingebettet find, meift mit viel größerer Produftionsfraft, die einzelne Eijchale
in der Regel mit einer Mehrzahl von Dottern, deren Summe in einem einzigen Laich nicht
jelten 14 Mälfton tiberfteigt, bei Doris und Aplysia 3.®. Die Entwidelung verbindet jich jalt
dıiechtveg mit der Bildung einer Veligerlarve, doch ohne befonders erweitertes Gegel; Dem-
entiprechend wird Die freie planftonifche Periode nur kurz jein. Bei den nadten Zormen
twird die Schale abgeworfen. Gleichwohl Haben wir in den Warmivafjergebieten ausgebildete
Vertreter unter dem echten Plankton der hohen See, wohin fie auf gänzlich verjchiedene
486 MWeichtiere: Schneden.
Weije gelangten. Dieje eigenartigen Wege werden nachher bejprochen werden. Das eigent-
liche Wohngebiet bildet das Litoral, doch mehr unterhalb der Gezeitenzone, deren Wogen den
meijten vervderblich werden würden, die Pilanzenregion aljo. Eine Anzahl veraräbt fich
im Schlid. Nach der Tiefe zu nimmt die Häufigkeit der Hinterfiemer bald ab. Viele
Bodenformen veritehen — eine neue Fähigkeit unter den Galtropoden — felbittätig zu
Ihwimmen. Erwähnen wir gleich hier die Yusnahmen in der Verbreitung: die Fleine Ancy-
lodoris febt im Baifaljee, ein paar Hedyliven, nach der Gattung Hedyle Bergh benannt,
ebenfalls Formen von mäßiger Größe, treten in ven Unterlauf der Flüfje der malaitschen
Snjelwelt ein, unter ihnen allerdings eine Höchit auffällige Gejtalt, nämlich etwa die einer
Limnaea, doch ohne Schale, der einzige Fall, oo bei einem Gajtropod der Eingeweide-
bruchjad jich frei über den Niüden erhebt, ohne bejchalt zu jein.
65 liegt wohl nahe, al3 Nahrungsmittel die Tange anzunehmen. Dieje Bermutung
wird jcheinbar gejtügt dadurch, daß gerade die größte Form ji) von Grünalgen, Ulven,
nährt: Doch würde der Schluß ebenjo verfehlt jein wie bei den Lıurngenfchneden. Die
Schlammbemwohner nehmen einfach den Sand auf mit feinem organischen Gehalt, und die
anderen jind Sleifchfrejjer, zum guten Teil auf eine bejtimmte Tiergruppe, die Zölente-
raten, angewiejen. Die Schliefnahrung bedingt, wie wir es jchon bei anderen Weichtier-
gruppen trafen, die Auskleidung des Magens mit harten Koncinplatten, die hier ihre
höchite Zahl und Ausbildung unter den Mollusten erreichen.
Die Radula rüpft etwa an die der Bajommatophoren an, doch mit verjtärkter Diffe-
renzierung der Zähne in den einzelnen Abjchnitten der Querreihen; verlängerte Spiben
und Schneiden deuten auf die Naubtiernatur. Bon diefer Grundlage aus geht, wie bei den
Vorderfiemern, die Umbildung weiter durch Verringerung der Rand- und Seitenzähne, bis
Ihließlich nur der eine Starke Mittelzahn der ja ebenjo räuberischen ARhachiglojfen übrig-
bleibt. Doch jcheint Die Wandlung hier am mwenigiten in gerader Linie erfolgt zu jein, mehr
prungmweije von ganz verjchiedenen Punkten aus, jo dag man auf die jyitematijche Ber-
wendung verzichtet Hat. Cbenjo verjchwindet die Napula bei einigen ganz berjchiedenen
‚Sormen der warmen Meere völlig, von denen wir wenigitens einer begegnen werden.
Man verteilt die Hinterfiemer auf zwei Hauptgruppen, bejchalte und unbejchalte,
oder Bededtfiemer (Tefti- oder Steganobranchien) und Nadtkiemer (Nudi- oder Gymno-
branchien). Die eriteren jchliegen jich leicht an die Bafommatophoren an; vielfach Hat mar
die Siphonaria, die wir zu jenen jtellten, unter die Hinterfiemer eingegliedert.
1. Unteroronung: Bededtfiemer (Tectibranchia).
Hier haben wir drei verjchiedene Gruppen, Die jich nach der Form und der Yebensweife
unterjcheiven. Die erjte geht von Napfjchneden aus: Umbrella Zam. hat eine flache Vatellen-
Ichale, Pleurobranchus Cuv. und Pleurobranchaea Meck. haben fie vom Mantel überwachen
und teilweije eingebüßt. Die Aplyfien endlich jchlagen feitliche Fußverbreiterungen, Epi-
podien, itber die Schale hinauf. Das tun auch die Bulliden, die aber zum Graben im Schlid
eine bejondere Einrichtung erworben haben, nämlich die Verwachjung der vier verbreiterten
stopffühler in der Mittellinie zu einem Kopf- oder Grabjehild. Auch bei diefen Gruppen
fommt es nicht weiter darauf an, ob die Schale frei liegt oder vom Mantel überwachjen wird.
Sucht man nach einer Entwicelungsteihe, jo hat man auffälfigerweife mit den Bulliden zu
beginnen, denn hier Haben wir noch Formen, die fich ganz in die Schale zurüdziehen fönnen,
ver feine Actaeon Montf. Tann fie jogar noch mit einem echten Dperfulum verjchliegen.
Hinterfiemer: Bededtfiemer. 487
Unter den Bulliden haben wir die mundfarbenen, wie die Rugelfchnede, Acera
. Müll., mehr auf, die bleihe Seemandel, Philine aperta L., und die DBlajenjichnede,
Bulla L., mehr in dem Schligrund zu juchen. Das mennigrote Gasteropteron Meck. treibt
ji) wieder mehr auf dem Boden umher. Träge eingegraben fißt das plumpe Doridium
Meck. mit überrajchender Zeichnung; um den braunen Körper Yäuft rings ein Band von
auffallendem Drange und Blau herum.
Bon der gemeinen Kugeljchnede, Acera bullata Müll., haben Meyer und Möbius
eine gute Schilderung gegeben. Das Tier ift fat walzenförmig verlängert; der Kopf ift
niedergedrüdt und vorn abgeftumpft. Am Hinterende des Mantels ift ein fadenfürmiger
Anhang. Diejer Faden entjpringt vom Mantelcande, tritt aus dem hinteren Schalen-
Ipalt Herbor und fann fich ausdehnen und zufammenziehen. Über feinen Nuten liegen
feine Beobachtungen vor. Jedenfalls erinnert er an den Schwanzanhang der Vterotracheen
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Gemeine Kugeljhnede, Acera bullata Müll. Doppelte Größe.
(©. 444). Die Schale ift dünn, hornartig, elaftifch und eifürmig. Die großen Stücde bor-
liegender Art jtreden fich beim Striechen bis auf 4 cm Länge aus. hr mächtig enttvicelter
up dient nicht bloß zum Kriechen, jondern auch zum freien Schwimmen. Nuht das Tier
am Boden oder friecht e3, jo find die freien Seitenplatten des Fußes in die Höhe gejchlagen
und bededen nicht nur die Flanfen des Körpers, fondern auch den Mittelriiden und einen
Zeil der Schale, ja ihre Nänder legen ich noch itbereinander. Wern man die Schnede
aus dem Wajjer nimmt oder fie beunruhigt, jo verfürzt fie den ganzen Körper fo fehr, daß
ihn der Fuß ganz umhüllen Tann. Danır bildet daS ganze Tier eine weiche, jchleimige
Kugel, aus welcher der jchübend zufammengezogene Fuß weiter nicht? als nur noch ein
feines Dreied von der Schale hervorfehen fäßt. Daher ihr Name.
Die Lebensmweifeder ugeljchnedeift, nach Meyer und Möbius’ Beobachtungen, folgende.
Die gröpten Stüce wurden im Winter und Frühjahr gefangen. Zm Juli fifchten die beiden
häufig Heine, mr 3—5 mm Yange Tiere und viele leere und mittelgroße Schalen ztvifchen
jaulem Seegras, woraus jic) entnehmen läßt, daß die Kugeljchnede von einem Frühling
bi5 zum nächitfolgenden leben mag. Sie gehört in der Kieler Bucht da, too jcylammiger, fee-
grastragender Grund ift, zu den gemeinjten Tieren und fiebt vorzüglich die Region des ab-
geftorbenen Seegtajes, das die Fijcher „Nottang” nennen. Hier findet fie an den braunen
faulen Blättern veichlihe Nahrung. m Aquarium frißt fie außer diefen auch Fleifch.
„Die Sugelichnede it“, fahren die Beobachter fort, „faft immer in Bewegung. Gie
488 Weichtiere: Schneden.
friecht am Boden hin oder an der Wand des Aquariums hinauf. Zumerlen hängt jie auch
etwas frumm zufammengezogen an der Dberfläche. Beim Striechen hebt und jenkt fie ven
Kopf und biegt fie den Vorderförper nach vecht3 und lin. Mit dem unteren Teile des
Fußes fchieben jich auch die emporgeichlagenen Flügel desjelben vorwärts, jo daß die Schale,
worauf fie liegen, abmwechjelnd mehr frei und darauf wieder mehr bevedt wird. Gejchieht
diejer Wechjel lebhafter al3 gewöhnlich, jo jchiekt jich die Stugel-
jchnede zum Schwimmen an, einer eigentümlichen, überaus an-
ziehenden, aber jeltenen Bewegung, die man ein Fliegen im Waifer
nennen möchte. Die gelbe Schale gleitet immer jchneller und
weiter vor=- und rückwärts, der VBorderförper macht rhythmijche
Biegungen, die Fußlappen werden abgelöft und wieder angezogen,
immer weiter und immer fräftiger, bis endlich ihre Niederjchläge
a ae von unen Den ganzen Körper vom Boden abftoßen. Das Tier fährt num,
bald recht3 oder links, bald vor- oder rüdwärts jchwanfend, immer
höher im Wajjer empor und jchiwebt in den anmutigiten Stellungen mitten in feinem Flaren
Clement. Sind diefe Bewegungen aufs Höchite gejteigert, jo macht der Fuß in einer Se-
Funde 2—3 Fräftige Schläge, wobei er fich in dem Grade vom Körper abzieht, daß er eine
nad) unten fonfave Fläche bildet. Damit gleichzeitig biegt jich der Borderförper entiveder
bor- oder rüdtwärts. Während. dies gefchieht, jinft das Tier jedesmal ein wenig, fährt aber
beim Niederschlag des ausgejpannten Fußes
Darauf plößlich wieder jchräg in Die Höhe.
„Rachen jolche lebhafte Bewegungen
einige Minuten angehalten haben, werden
die Schläge jchwächer; die Schnede jinft
_langjam tiefer; zuweilen erhebt fie jich, ehe
lie ven Boden berührt, noch einmal Dur
einige jtarfe Schläge, jedoch nicht-mehr zu
ihrer früheren Höhe; Die Sträfte werden
matter, fie jinft zu Boden, jchlägt nur nod)
die Zußlappenränder in die Höhe, lüftet jie
noch einigemal, legt jie Dann über der Schale
'. ruhig zufammen und fängt endlich wieder
sig an zu Friechen.“
ee re Die Berjofjer Diejer jein ae mager
k Kammlinie. en m nod Falffrei. Schilderung meinen, daß vielleicht die Be-
; gattungsluft des Frühlings zu Ddiejen Be-
mwegungen anreizt, da gerade im Februar, imo jich die Tiere zur Begattuig auflurchen, fie
öfters [chwimmend angetroffen wurden. Yın Aquarium legten die Kugeljchneden jchon vom
yanuar an Eier; in der Stieler Bucht fanden Meyer und Möbius den Laich im Mai und
Sunt in jolhen Mengen am Geegraje, daß fie ganze Hände voll Schwüre aus dem Schlepp-
ne& nehmen fonnten.
Die Eifchnüre find drehrund, 2—3 mm did, von jehr verjchtedener Länge und bald
Ipiral gelegt, bald in unregelmäßigen Windungen hin und her und übereinander gebogen.
Eine nicht ganz 8 cm lange Schnur enthielt 1050 Eier.
An der Schale von Acera Müll. haben. Rerrier und 9. Fifcher einen fehr eigentümlichen
Hinterfiemer: Bededtfiemer. 2 489
Bau entdeckt, der an das Schloß der Mujcheln erinnert, auf das wir jpäter zu jprechen
fommen. Das Gewinde ift, ähnlich wie bei Conus (f. ©. 457), in einer Ebene aufgeftellt,
jo daß die Nahtlinie eine flache Spirale bejchreibt. Die einzelnen Umgänge find aber nicht
ebenjo flach, jondern erheben jich nach Art eines Gebirgsfanmes. Die Kammlinie be-
Ichreibt alfo gleichfall3 eine Spirale zwiichen den Umgängen der Nahtlinie, dort in einer
etwas höheren Ebene gelegen. Das Meriwürdige ift nun, daß in diefer Kammlinie der
Kalt fehlt. Sie beiteht, wie das Schloß der Mufcheln, zunächit nur aus elaftifchem Kondin.
Exit allmählich lagert jich, von der Spibe aus, auch hier Kalk ein, jo daß fich die Elaftizität
immer mehr auf die jüngiten, der Scha-
lenmiündung zunädjt liegenden Teile be-
Ihräntt. Die Ühnlichkeit mit dem Mus-
Ihelichlog wird dadurch erhöht, daß fich
ganz unten, nahe der Mündung, unter
der Kammlinie ein furzer Mustel zii-
ihen den beiden, durch diefe Linie ge- SS) \' er at
A
trennten Flächen des legten Schalenums
gangsausipannt. Durch feine Stontraftion
vermag er die beiven Flächen einander zu
nähern und den Eingang in die Wantel-
höhle zu verengern.
Bei dem jchönen roten Gasteropte-
ron Meck. des Mittelmeeres werden Die
Sußlappen im Berhältnis zum Körper
noch viel größer und die Schwimmt-
bewegungen ausgiebiger.
Die Bulliden leben von anderen
Weichtieren, Schneden, Mujcheln, Den-
talıen, die jie ganz Hinunterjchluden und
mit Hilfe harter, der Magentwand an-
jigender Kauplatten zertrümmern.
Eine große Umbrella Lam. jtellt Zi,
einen abgejtubten jteilen Segel dar, dejjen Umbrella mediterranea Lam. Natürlije Größe.
Mantel jich aus fugeligen, blajenartigen
Hödern zufammenjegt. Die Bajis wird von der Sohle, die obere Fläche von der Schale
gebildet. Die Blajen find von jehr verjchiedener Größe, unten rings nur Hein, nad) oben zu
jehr wechjelnd, große und fleine Durcheinander, ohne alle Regel und Ordnung. Die bloße
Beobachtung läßt an den Hödern feine Veränderung erfennen, durch taftilen Neiz mit einer
Nadel gelingt es aber, eine große Blaje innerhalb 1—2 Minuten zu einer Heinften zu-
jammenjchrumpfen zu lajjen. Ziveifellos handelt es fich um langjames An- und Abjchwellen
in gewijjen eitabjchnitten, um Hautatmung. Die prallere Filllung beruht dann auf dem
weit höheren Wafjergehalt. Sebt man eine Umbrella oberhalb des Wajjerjpiegels der Luft
aus, jo reagiert fie auf Das fremde Niediun feineswegs, wie man wohl erwartete, Durch
ängitliches Zufammenziehen, wie etiva eine Yujter, die ihre Schale jchließt; im Gegenteil,
fie lüpft die Schale möglichjt nach oben und legt die glatte Haut unter dem Mantel, die im
Wajjer verborgen bleibt, frei, einjchlieglich der auf der rechten Seite gelegenen Kieme.
490 Weichtiere: Schneden.
Erft nach 20 Minuten etwa, wenn dieje vermutlich zu trocnen beginnt, wird jie gejchüßt,
aber nicht durch Niederziehen der Schale, fondern daducd, daß jich der Mantelvand vom
Schalenvand loslöft und fie bededt. Ja, diefe Ablöfung des Mantelvandes greift ringsherum,
fo daß die Luft möglichit unter die Schale eindringen fan. Die vorher veritedten Fühler
dehnen jich in die Länge. Die Afterpapille jtreckt fich weit vor und bildet einen Becher,
indem der After fich weit öffnet, um fich in Yangjamen Perioden mwieder zu jchliegen, ähn-
fich dem Atemloch einer Lungenjchnede. © hat man den Eindrud, al3 wenn die Schnecke
fich neu belebt fühlte und beftrebt wäre, die Haut nach Möglichkeit in der Luft zu baden
zur Atmung. € ift wohl nur das allmähliche ftärfere Austrodnen und der Hunger, mas
Pleurobranchus testudinarius Cantr. Natürlihe Größe.
fie nach und nach tieder in die gerwohnte Umgebung zurücktreibt, in der wir jie am anderen
Tage finden. Der Laich wird in langen Bändern abgejest, die mit der einen Kante in
Spiralwindungen am Boden befeitigt jind.
Einem großen Pleurobranchus Oo. fteht man die quallenhafte Zartheit nicht an, er
jieht aus wie eine Schildfröte, weshalb eine Art den Namen Pl. testudinarius Cantr. erhalten
bat. Eine Bejonderheit ift das rasche Puljieren feiner Niechfühler in der dijtalen Hälfte,
um einen Wafjerftrom hindurchzutreiben. Eigenartig find die Farben. Die Fühler find
orange, die groben, jchildförmigen Nunzeln des Rüdens, die an die der Zumgenfchneden
erinnern, jo gut wie die Geitenhöder der Umbrella, braun, doch in verjchiedener Abitufung,
bei dem einen Tier vielleicht durchweg hellbraun, bei einem anderen einzelne, in vegel-
rechter Verteilung, ganz dunkel, und um diefe in der trennenden Furche ein jchneemweißes,
unducchfichtiges Band, und diefes wieder zum Teil überdecdt von einer jchön Farminroten
Linie. Hier haben toir die ftofflichen Vorgänge bei der Hautatmung Far auseinandergelegt.
Das verjchiedene Braun bedeutet verjchiedene Zuftände bei der Atmung, das Weiß it Yarıı-
Jäure, Die beim Stoffwechjel abfällt und jich bei der großen Durchläfiigfeit dev Gewebe
Hinterfiemer: Bededtfiemer. 491
in der Haut der Furchen anhäuft, das prachtvolle Karminrot vermutlich Murerid, wie es
der Chemiker aus Harnjäure darftellt, und wie e3 jahrzehntelang, vor den Teer- over
Anilinfarben, fabrifmäßig bereitet wurde. |
Die viel blajjere Pleurobranchaea Orb. fällt durch ihre Lebhaftigfeit und ihre jtarfe
Brunft auf. Man fieht fie troß ihrer Größe am Wajjerjpiegel gleiten, unter Abjcheivung
eine3 furzen Schleimbandes, man jteht jie gelegentlich aber auch mit abwechjelnden, jchnel-
enden Krümmungen nac) rechts und linf3 mitten Durchs Wafjer Schwimmen, da fie doc),
bei fait 98 Prozent Wafjergehalt, jo wenig Übergewicht hat. Dieje freie Beweglichkeit
zeigt ji) auch im Gefchlechtsleben. Ein brünftiges Tier jucht manchmal ein anderes zu
Seehafe, Aplysia depilans L. 3/4 natürliher Größe,
Stylommatophoren, einander mit der Nadula zu bearbeiten, nur eben viel plößlicher und
icheinbar Hejtiger. Eine abjonderliche Stellung nimmt manchmal eine jolche Schnede ein;
eigentiimlich verfürzt und vegungSlos, die verfürzten Riechfühler gefrüimmt und einander zu-
gefehrt wie ein Paar Kuhhörner, jo jteht fie eine Zeitlang dem Partner zugewandt. Die
Kopula erfolgt dann bald, in verjchiedenen Kombinationen. In einem Falle wurde eine
Schnede jehon wieder befruchtet, während fie noch mit der Ablage des Laiches bejchäftigt war.
Hier fonnte jie jelbjtverjtändlich nur als Weibchen dienen. Dasjelbe fam auch jonft oft vor,
mie jich leicht feititellen ließ, da nur ein Tier den Penis ausgeftredt und in den Partner ein-
geführt hatte. Meift allerdings werden die Ruten gefreuzt zu gegenieitiger Befruchtung.
Nach Hirjch lebt Pleurobranchaea von toten Tieren, Mujcheln, Artgenojjen u. a.; die Beute
wird ganz hintergemwürgt, worauf wir jogleich zrüdtommen.
Aplysia @mel., der Seehafe, wohl wegen der großen Niechjühler auch Seefuh ge-
vannt, umfaßt jtattliche Arten; wir wogen ein Stüd von mehr als 1 Kfund. Mit der ver-
wandten Dolabella Zam. find e3 die größten Hinterfiemer. Vermutlich it es die farbige
492 Weichtiere: Schneden.
Apjcheidung, die jchon im Altertum Aufjehen machte und zur Bereitung geheimnisvoller
Tränfchen Beranlafjung gab, was noch in vem Artnamen Aplysia depilans Z., „die ent-
haarende”, zum Ausdrude Fommt — unferes Wiljens die einzige praftiiche Verwertung eines
Hinterfiemers. Wir beobachteten in Neapel andauernd drei Stüd, nad) dem verjchiedenen '
Bau der Sliene mindejtens zwei, wahrjcheinlich allen Drei Mediterranarten angehörig. Das
größte war an den freien Körperjtellen Dunfeloiofett mit runden weißlichen Tleden, das
fleinfte odergelb mit ebenjolchen Fleden und das dritte fchmußiggrau bis oderig ohne jcharf
umjfchriebene Tlede. Die verjchiedenen Tiere, jehr fortpflanzungsluftig, wiederholt laichend,
begatteten jich unterjchiedslos untereinander, wobei dasjelbe Stüd bald als Männchen, bald
als Weibchen twirfte, ein Beweis völligen Wohlbefindens, obwohl wir bon Zeit zu Zeit mit
dem Finger gewaltfam das rechte Epipodium und den Mantelrand auseinanverdrängten
und die Kieme frei legten. Neichliches Ulvenfutter Hielt jte in gutem YZuftand.
Solch derber Neiz führt unter Umitänden zur Entleerung der farbigen Abjcheidung,
und zwar entweder einer violetten oder einer milchigweißen. Dabei jcheinen nicht bloß die
Niere und lofalifierte Dritfen der flachen Mantelhöhle zu wirken, jondern die Kieme jelbit,
denn fie zeigt die nämlichen Farben, jo daß fie zumal bei dem dunfeln Violett jehr Fräftig
von dent helleren Fleijchton der Mantelhöhle abjticht. Die ftärfite Entleerung ijt wohl die
bei der eriten Mißhandlung nach dem Fange. Wenigftens fam feine jo jtarfe wieder vor
wie die, welche zunächit die Hände liber und über purpurn färbte. Dft reagierten die Tiere
dann lange Zeit nicht wieder, auch eine reichliche Fütterung nad) längerem Hungern genügte
nicht, um die Ausfcheidung bei allen drei Schneden gleichmäßig wieder herborzurufen. Bei -
der großen violetten A. limaeina Phrl. entjinnen wir uns nur der purpurnen Abjcheivung,
wie gelegentlich jelbit die bi3 Sm lange Laichichnur in dem die Eifapfeln verbindenden
Schleim einen rötlichen Ton zeigt. Die beiden anderen entleerten bald weiß, bald pur-
purn. Wefentlich ift, daß auch die oderigen Schneden eine purpurne Kieme, die dann erit
recht abjticht, und eine purpurne Abfcheidung zeigen fünnen. C3 liegt nahe, an eine ähn-
fihe Beziehung zwischen Harnjäure und Murerid oder Purpur zu deufen, wie bei Pleuro-
branchus. Die weiße Abjonderung joll auf Krufter giftig wirken.
Auch die Apkyjien fönnen gut und ziemlich andauernd jhwimmen (j. Abb., ©. 491,
recht3 oben). Dabei breiten jich die Epipodien feitwärts aus und vollführen grobe, von
born nach Hinten fortlaufende Wellenfchläge, wie die Bruftfloffen eines Rochens. Dieje
Bellen (mit den lofomotorischen Wellen einer Bulmonatenjohle nicht zu vermechjeln) reichen
natürlich jo weit wie die freien Nänder der Epipodien. Sie hören auf, two Dieje über Dem
Hinterende Des Mantels verwachjen find. Damit hängt gelegentliches Anfaugen des Hinter-
ende3 der Sohle zujammen. A. limacina jibt oft mit diefem Teile des Tußes feit an ver
Ölaswand, während der ganze übrige Körper unter beliebigem Winfel frei ins Wajjer
hineinragt. €3 ijt, al3 wenn fich aus dem hinteren Sohlenende ein Saugnapf gebildet hätte.
Doch verjchwindet er wieder, fobald die Schnede auf der Unterlage friecht. Die Einrichtung
jheint mit der erwähnten Berwachjung der Epipodien zujammenzuhängen. Dadurch ent-
jteht hier ein hohes, fommaktes Schwanzende. &3 gewährt genügenden Widerhalt für Die
jenfrechten Musfelbündel, die nunmehr die faugende Wirkung ausüben fünnen.
DBemerft jei noch, daß die Aplyjien, ähnlich den Limmäen, bei der Stopula gelegent-
lich Stetten big zu zwölf Stüd bilden.
Pleurobranchaea und Aplysia werden von Hirjch zu den Schlingern gerechnet, die
ihre Beute, bei geräumigem Schlundfopf, unzerftücelt nach Art der Schlangen bemältigen.
1 nl Be
Hinterfiemer: Nadtkiemer. 495
Kiefer fommen nicht zur Wirkung, daher fein Bilfen abgejchnitten wird. Die Zähne
der vorgeftülpten Nadula fajfen von unten fowie von rechts und Yinfs in die Nahrung
- ein und fchieben fie beim Zurückziehen in der Diagonale fchräg nach oben und Hinten
in den Schlund. Findet der Biljen dafelbjt feinen Rlab, jo muß die Schnede die zu einem
Stri zufammengedrehte Beute wieder ganz von fich geben, indem fie vie Zähne zurüd-
ichlägt und zurüdfriecht.
2. Unterordnung: Nadtfiemer (Nudibranchia).
Mit dem vollftändigen Berluft der Schale und damit der Mantelhöhle und der darin
liegenden Kieme hebt ein Wuchern der Haut an, in den Fühlern, auf der Stivn und meiter
in der Geitenlinie; es entjteht das Mantelgebräme, wie es Bergh nannte, in erjter Linie
wohl zur Aimung; jedenfalls erzeugt es eine fir die bisherigen Begriffe vom Schnedenleib
ganz ungewöhnliche Fülle äußerer Formausftattung. Kein Wunder, daß die Syftematif hier
in Gliederung = eo 2 ae
und Gattunge: =
namen jchmwel-
gen darf. Wir
milljen uns mit
ven Grundge-
italten an ein-
zelnen Beijpie-
len begnügen.
Sin me-
jentlihen find
e3 zwei ganz
berjchiedene
Tppen. Bei der Doris-Gruppe herrjcht völlige Symmetrie mit Ausnahme der rechts ge-
legenen Genital- und Nierenöffnung. Bei den übrigen, die in der Aeolis-Gruppe ihren
höchiten Reichtum entmwiceln, ift auch der After auf die rechte Seite gerüdt. yene jheint
die primitivere auch in der inneren Anatomie, indem die Leber in gewöhnlicher WBeije
gejchloffene Umtiffe behält; bei diejer Löft fie jich in Zweige auf, die zum Mantelgebräme
in Beziehung treten und neue Kombinationen jchaffen.
Kehmen toir zuerft die Doridier! ES find Grundformen mit geringer Neigung zum
Schwimmen. Doris. im engeren Ginne, jelbft in diejer jojtematifchen Begrenzung wieder
überteich aufgefpalten, zeigt etwas von der Gefamtform der Oncidien und Vaginuliden, in-
dem die Rüdenfeite durch eine fcharfe Kante von der unteren getrennt it. Doch paßt der
Vergleich fehon deshalb nicht ganz, weil die blätterig-gefiederten Fühler diefe Rüdenfläche
durchbohren. Die fompakte Figur wird noch verfteift durch ein Gerüft von Kaltjtäbchen,
das die ganze Haut durchjebt; die Rüdenmwarzen wirken in demfelben Sinne. Die Kiemen
iind Hautauzftülpungen, die in einem Kranz um den After ftehen. Fühler und Kiemen
merden auf Reiz eingezogen. Dieje einfache Form, die in ihren Längen- und Vreitenver-
hältniffen mannigfach abändert, entwicelt namentlich großen Tarbenreichtum, von matten
bräunlichen Bodentönen bis zum grellften Scharlach auf tropifchem Korallenriff. Wunder-
boll blau ift eine Neapeler Chromodoris A. H. Wer da3 Yarbjumel der Blauen Grotte
fennt, möchte faum zweifeln, daß ähnliche Tarbenreflere bei der Erzeugung oder Doc,
Weihmwarzige Sternfänede, Doris pilosa Müll. Stark vergrößert.
494 Weihtiere: Schneden.
Erhaltung diejer Gattung mitgerirkt Haben. Ein paar feine weiße und gelbe Linien jäumen
den Rüden, in noch wärmeren Meeren kommen rote Kiemen dazu. Doch auch die Forum
erreicht bei Ddiefer Gruppe größere Freiheit, wenn die jcharfe Nüdenfante jchwindet und
dafiir allerlei Fortjäge fich einjtellen, womit wieder eine hohe Geftaltungsmöglichfeit ge-
geben ift. Die zierliche weißliche Ancula Zov. von unjeren deutjihen Küften mag wenig-
jtens ein Beijpiel geben.
Der zweiten Gruppe, der der Nolidier, fehlen natürlich mit der jeitlichen Lage des
After auch die ihn umftellenden Stiemen. Dafür häufen fich oft die Rüdenpapillen, indem jie
nicht nur jederfeits in der Geitenlinie eine Reihe bilden, jondern ftatt einer Bapille eine Anzahl
berausjprießen, die im
Duerlinien angeordnet
find. Die Aeolis papillosa
L.(Abb.,©.495) magdas
verdeutlichen. Eine an-
dere Ktomplifation zeigt
uns die Bäumden-
ihnede, Dendronotus
arborescens Müll., Durch
die Verzweigung Der
einzelnen Bapillen und
ähnliche Randverzierung
der Scheiden, aus denen
die geringelten Füh-
fer herausragen. Die
Grundfarbe des Nüdens-
it jchön rot, wodon Die
\ Anhängjel in einem Fich-
Gemeine Bäumdenfhnede, Dendronotus arborescens Müll. BVergrößert. ten Gelbbraun mit bor-
nehmer Wirfung ab-
ftechen. Wir entjinnen uns noch jeßt der freudigen Überrafchung, als wir an den Azoren
vor langen Kahren in einem Ölaje das tronenjchnedchen, Doto coronata Gmel., auffanden,
über und über in prächtigem Karmin, bejonders leuchtend die großen folbenfürmigen Rüden-
papillen, die wieder mit Sleulen bejest jind. Und doch hatten wir es eine Zeitlang ganz
überjehen, jo lange nämlich, als eS an den Notalgen oder Floriveen jaß, Die wir aus
einiger Tiefe Herausgefifcht Hatten. Die Farbe war Ddiejelbe, die Rüdenpapillen glichen den
Sporangien, aljo ausgejprochene Schußfärbung. Ganz anders bei der erwähnten Saden-
jede, Aeolis papillosa Z. Hier ift die Grundfarbe der Rüdenpapillen blau, mit einem
breiten, gelben Ninge um die Mündung. Das Tann man nirgends überjehen: eine Trub-
färbung, die fich breit macht. Aber der Fifch, der nach ihr fchnappt, fpeit fie jcehnell wieder
aus, denn er hat jich verbrannt. Die Enden der Bapillen enthalten Diejelben Shubmwaffen
wie die Duallen, die Zölenteraten jchlechthin, nämlich Nefjelfapjeln. Man glaubte früher,
jte wirden von den Holidiern erzeugt, bis man darauf aufmerffam wurde, daß die ver-
Ihiedenen Schneden auf beftimmte Polypenjtöce angewiejen find, und daß jede genau
diejelben Ktapjeln als Waffe verwendet, wie der Polyp, von dem die Schnede fich nährt.
‚Jebt war das Rätjel leicht gelöft. Es befteht zu den Zölenteraten ein ähnliches Verhältnis,
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Nackte Hinterkiemer aus dem Mittelmeer.
Natürliche Größe.
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Hinterfiemer: Nadtfiemer. 495
wie wir e3 bei vielen Aplafophoren fanden. Die Schneden find Spezialijten, die nur eine
Art angehen. Die unreifen Nefjelzellen werden im Darm der Schnece merfwirdigermeile
nicht berdaut, fondern fie wandern in die Leberziweige, die jich an der Spige der Rüden-
papillen öffnen, nachdem fie jich dicht vorher etwas erweitert Haben. in Diejer Crmeite-
rung werden die fremden Nefjelfapjeln aufgeammt, um dann, zur Reife enttwidelt, als
eigene Waffe benugt zu werden; gewiß eine der wunderlichiten Einrichtungen im Tierreich.
Wir brauchen nur auf unjerer Sarbentafel die Figuren durchzujehen, welche an den Riüden-
papillen Sontraftfarben zeigen, gleichgültig welcher Zujammenftellung. Dieje fann jelbit
ein farbenblinder Verfolger erfennen, und er wird fich bald durch Erfahrung abjchrecen
lajjen. Der Schnede tut es nichts, ob ihr eine Papille abgebiljen wird, denn fie jtellt jte
durch Regeneration bald wieder her.
Übrigens find keineswegs alle Hofidier auf Cölenteraten angewiejen. Bei der Heinen
Hermaea Zov. hat, nach Brüel, die Reduktion der Zähne auf einen einzigen in jeder Quer-
Breitwarzige Fabdenfhnede, Aeolis papillosa Z. Natürliche Größe. (Zu ©. 494.)
xeihe Die Bedeutung, daß die Schnede ihre Lippen an die Alge Bryopsis anlegt, um mit
Hilfe des einzelnen Zahnes je eine Bilanzenzelle anzurigen und auszujaugen.
Bei Elysia viridis Mont. (Abb , ©. 496) ift der Körper vereinfacht. Die Oeitenlinie
trägt feine Papillen, fondern nu zwei flügelartige Verbreiterungen. Der deutjche Name,
Grüne Samtjchnede, deutet ihre Schönheit an. Wie verjchtmenderijch die Natur auch
hier noch mit ihren Farben umgeht, mag man aus der folgenden Schilderung Grubes er-
jehen. „Unter anderem entdecte ich”, jagt er, „bei ©t. Nicolo (auf der Jnjel Cherjo im
Quarnero) eine neue Elysia (E. splendida) von fo jeltener Schönheit, daß ich in wahres
Entzüden ausbrah. Sch fah anfänglich nur in einer tiefen, dem Lichte nicht ganz zugäng-
lichen Steinhöhlung einen bewegten Wechjel von tiefem Schwarz, Hellblau und Drange,
bis fich dann Herausftellte, daß hier, vom Meeriwafjer bededt, das ihren Neiz noch erhöhte,
mehrere diefer fleinen, nır 3—4 Linien langen Nadtfchneden nebeneinander herumlrochen.
Erit beim Herborfommen der einzelnen ließ fi) genauer die Verteilung der Zarben er-
mitten. Der Leib und feine großen, mantelartig emporgejchlagenen ©eitenlappen waren
jamtfchtwarz, der äuferjte Rand derjelben und die Mundpartie vrangegelb, aber auf der
Außenfeite jener Lappen, die fich aufs ziexlichite in großwellige Falten legten, zog unterhalb
de3 orangegelben Saumes ein breites ultramarinblaues Band und unter diefem wiederum
ein jchmälerer, in Sutervallen anjchwellender fichtgriimer, unten fajt jilberiger Lüngs-
streifen hin, unter dem dann noch eine Längsreihe ähnlicher Pünktchen zum Vorjchein Tam.
Das Drangeband ging hinten in das entjprechende der anderen ©eite tiber, das blaue mar
496 Weichtiere: Schneden.
unterbrochen. Davon ftach nun aufs fchönfte ein meißer, länglich runder led zroijchen den
Sühfern und ihrer weißen Snnenfeite ab, während diefe Organe im übrigen jelbt jchtwarz
und an ihrer Spike blau gefärbt waren. Sie maßen den vierten Teil der Totallänge und
wurden bald nach hinten gelegt, bald ganz auseinandergejpreizt, bald ihre Spite grazids
in eine flache Spirale von einem Umgange gewunden.“ /
Grüne Samtjähnede, Elysia viridis Mont. Vergrößert. (Bu ©. 495).
Noch mehr vereinfacht fich der Körperumriß bei der Heinen Lanzettj chnede, Ponto-
limax capitatus Orepl., die fich in den deutjchen Meeven auf Tang aufhält. Und bei der
minimalen Rhodope Köll., aus dem Mittelmeer und von den Stanaren, ijt Die Neduftion
io meit gegangen, daß jelbft das Herz verfümmerte. Hier hat es ext mühjamer Unter-
Breitköpfige Lanzettfhnede, Pontolimax capitatus Crepl. 20mal vergrößert.
iuchungen bedurft, um ihr den richtigen Pla nicht bei den Strudelmwürmern, jondern
bei ven Schneden anzumeijen.
Zum Schluß wollen wir una noch die wichtigsten Formen aus unjerer Öruppe anjehen,
die im freien Waffer fchroimmen, nicht nach Art der Seyllaea pelagica L., die am treiben-
den Sargaffum figend fortbewegt wird, dem fie in der braungrünen Zarbe und der Form
der Rüdenpapillen ähnelt, fondern einzeln und frei. Jede der drei Formen offenbart einen
befonderen Weg, auf dem eine Schnede aufs hohe Meer gelangen Tann. |
Glaucus Forst. hängt am Wafjerfpiegel wie eine Schlammjchnede; aber nicht am
Schleimband, das den Wellen nicht ftandhielte, jondern mit Auslegern, gebildet Durch die
horizontale Richtung der Bapillengruppen und die Verlängerung ihrer Bajen. yede Oruppe
jteht gewiffermafen am Ende eines funzen Armes und hat fich mit ihm nach der Ceite
Hinterfiemer: Nadtkiemer. ‚497
umgelegt. Dazu jcheinen Gafe den Darm in eine Schwimmblafe zu verwandelt. Der um-
gefehrten Haltung entjpricht die Färbung, Die der eines pelagiichen Fijches gleicht, der nad)
unten gefehrte Ritden glängt jilberweiß, die nach oben gewandte Bauchfeite ift marineblau.
Nach Art tropiicher Planktonten findet fich die Schnede vings um den Aquator, ohne daf
jich beitimmte Arten unterjcheiden ließen. Shre Cier befeftigt fie in einem Spiralband auf
der Schale einer Beilchenfchnede oder auf dem Schirm einer Segelqualle (Velella), von
dem jie exit die Polypen wegfrikt (©. 120). Alle drei Organismen treiben ja gleichermaßen
an der Oberfläche der Tropenjee.
Bon den noch zu behandelnden Hinterfiemern zeichnen fich die Angehörigen der
Samilie der Tethymelibidae durch ihre beträchtliche Größe aus. Trog ihrer anjcheinend
feht abweichenden Geftalt jehliegen jte jich beztiglich ihrer inneren Organifation doch eng an
die übrigen Nudibrandhier an. Die Familie ift aber fehr arm an Gattungen, von denen
_ Tethys L. die befanntefte ift. Tethys fimbriata L. (f. Sarbentafel bei ©. 49%) it Ichön
ihwarz und weiß gezeichnet, auch wohl mit rötlichem Auflug an den Anhängen. Auf dem
Rüden fteht eine Reihe großer, blattförmiger Papillen, dazmwiichen fein verziweigte Kiemen.
Die Schnede Yebt im Mittelmeer; doc) tft fie auch außerhalb desjelben an den Kapverden
und — in etiva 200 m Tiefe — in einer geringen Abänderung im Golf von Meriko gefunden.
Shre nächite Berimandte ijt die pazifilche Melibe Rang. Bei ihr jind Bapillen und Kiemen
noch nicht gejondert, fondern die PBapillen am Nande mit Fäden bejegt. Die Riechfühler
find ähnlich verbreitert wie die Bapillen. Eingroßes, am Rande gefranites Segel, von Strum-
bach als Schöpfbeutel bezeichnet, umfaßt al3 weiter Trichter die Schnauze. D. Schmidt hat
das Tier danad) Schleierfchnede genannt, Krumbach heißt e3 neuerdings Kerbenmaul, nad)
dem Umriß der Schnauze (j. Tafel „Weichtiere IL“, Su. 9, bei ©. 479).
Auffällig, wie die Form, ift die Xebensweije; denn das Tier |hwimmt fowohl an
der Oberfläche, al3 es auf dem Boden friecht oder jich jogar in den Schlid eingräbt. Nac)
Krumbach Hat e3 in der Adria zwei Perioden, in denen es zu pelagifchem Leben an die
Oberfläche aufiteigt. ©imroth jah die Schnede zu Oftern in der Adria bei Miramare, im
September in Neapel frei [hwimmen. Betrachten wir zunädjit diefe Bewegungsform.
„Bei ruhigen Wafjer”, Sagt Krumbach, „Fanın man die pelagiiche Tethys zumeilen ar der
Meeresoberjläche hingleiten jehen. Sie hängt dann mit der Zußjohle nach oben an der
Mafferoberfläche, fifcht das Revier mit ihrem großen Schöpfbeutel nach Zungfiichen und
anderem Getier ab. Diejes Hängen ift aber nicht fo zu veritehen, al3 ob jie an dem
Flüffigfeitsoberhäutchen dahinfröche ...., vielmehr bildet fie mit den Sohlenrändern ein
flachbordiges Fahrzeug, dejjen Kiel ihr Rüden ift. Sr diefer Lage jchiebt fie ftch durch ab-
wechjelndes Streden und Zujammenziehen langjam vorwärts. Sn der Minute etwa um
Spannenlänge. Während diefer Bewegungen ift die Sohle unregelmäßig gefväufelt.”
Ganz anders ift das Benehmen, wenn fie, möglicherweije durch unruhiges Waller gereizt,
ebenjo an der Oberfläche hängend, mit Scrumbach zu reden, zur Serpentintängzerin wird.
Sebt ift die nach oben geiwendete Sohle nur noch vorn breit und nach Hinten zu einem
Ichlanfen Dreied zugejpibt. Das Tier rümmt den ganzen Körper zu einem Halbmond zu-
jammen, abmwechjelnd nach rechts und Iinfs, mit großer Lebhaftigfeit. Die Ausfchläge
werden geradezu grotest durch) das große Ktopfjegel, das herüber und hinüber pendelt, und
durch die zu riejigen, flachen Ohrmujcheln gejchiwellten Stiele der Ahinophoren, von denen
jekt die linfe über die rechte Hinwegklappt und dann die rechte über die linfe. Das wunder-
liche Berhalten ift keineswegs abnorm, jondern wird anjcheinend freitillig begonnen und
Brehur, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 2 3a:
498 Weichtiere: Schneden.
iiber eine halbe Stunde lang fortgeführt. Man nimmt gewöhnlich an, daß die aufgeblähten
Rücdenfortjäße Einrichtungen jind, um das jpezifiiche Gemicht zu erleichtern und beim
Schwimmen aß Schwebmittel zu dienen. Cie föjen jich ziemlich leicht ab und wachjen
jpieder arach, Jie jollen, nach Seumbach, wieder vollendet fein, wenn eine neue Periode
pelagijchen Lebens einjegt. Nach unferen Erfahrungen verhalten fie jich wie die Nicken-
papilfen anderer Holidvier auch, nur daß fie fich bei Tethys in zwei verjchiedene Formen
differenziert Haben, die blattförmigen Anhänge und die verzweigten Stiemen dazwilchen.
Die lebten Fleinen Anhänge auf dem Ende des Nitdens stellen noch die gemeinfjame Mittel-
ftufe dar: Heine Blätter mit vereinzelten Kiemenfäden am Rande. Übrigens werden die
Abjonderlichkeiten der jchwinmenden Tethys nur durch die großen Anhänge bedingt, jonft
Phyllirhoe bucephala Per. et Les., im Helen. Fünfmal vergrößert. a, b Ganglien, e Darın, d Zeber, e Herz, f Niere,
g Fortpflanzungdorgane. (Zu ©. 500.)
lajjen fich die Bewegungen leicht auf befanntes Benehmen bei Qungenjchneden zurück
führen, das ruhige Gleiten auf das Verhalten einer Limnaea etwa, die amı Wajfferjpiegel
gleitet, und der Serpentintanz auf die abmwechjeinden Ausfchläge eines fadenfpinnenden
Limax im Reize grellen Sonnenlichtes.
Die entjprechende Wellenbewegung, wie jie Rochen, Blanarien und die Geitenflofjen
ver Zephalopoden ausführen, bemerfen wir bei Tethys, wenn fie, den Fuß nach unten,
durch Das Wajjer gleitet, bejonders um jich auf den Boden niederzulaffen, dem fie dann
glatt anhaftet, oder jich von ihm zu erheben. Hier ift e3 die Sohle, die in voller Ver-
breiterung dieje lebhafte Bewegung ausführt. Am Boden Friecht die Schnede eilig dahin;
„m Boden jelbjt Fommt fie”, wie Krumbach mitteilt, „nur langjam vorwärts. Sie gräbt
jih fo ein, daß fie fich von den Geiten her mit Sand überjchlittet.”
Die Ernährung Scheint jeßt genügend aufgeklärt. Die Schnede befitt feine Radula,
froßdem ijt fie ein arger Räuber. An der Oberfläche nimmt jte pflanzliches und tierifches
Plankton auf, einschließlich Sungfifche. An Boden erbeutet fie wohl vorwiegend Krufter,
um Boden unter anderem Feine Schlangenfterne. „Wie verfährt die Tethys dabei?” fragt
wrumbad. „Da fie weder gewandt fchroimmt, noch lange hungern fann, muß es ja
Hinterfiemer: Nacdtkiemer. 409
wundernehmen, wie jie zu fo reicher Beute fommt. Sie fiicht einfach alles mit dem großen
Schöpfjad vor ihrem Munde zufammen. Der Rand diejes Schöpfjades ijt augen und innen
(innen am meiften) mit einer Unzahl Höchft nervöfer Fühlfäden verfehen, und die Sadwände
ind von Musfelfajern durchwirkt, Die von dem an feinem trichterförntigen Grunde befid-
fihen Munde radial und Freisfürmig ausitrahlen. Wenn die Tethys mit diefem Apparat
an der Oberfläche filcht, jo gebraucht fie ihn wie eine Neuje, die im Begriff it, aus dem
Waller Herausgehoben zu werden. Wenn fie damit den Grund abjucht, jo überdeckt fie ein-
fach Die Beute, etiva in der Art, wie toir mit der hohlen Hand verfahren.
„&3 jcheint, als ob der Rand des Sades wahllos jo ziemlich alles aufnimmt, was jid)
bewegt und eine gewilje onjistenz hat. Darüber, ob der Fang wert ift, behalten zu werden,
Phyllirhoe bucephala Per. et Les., im Dunfeln, mit Hervorhebung ber leuchtenden Stellen. Fünfmal vergrößert. (Zu ©. 500.)
entjcheidet exit der Mund. Das zeigte jich bei Fütterungsverjuchen. Gab ich Bijjen von
Gepienfleijch und -eingeweiden zugleich, jo nahmen die Fimbrien beides gleichmäßig an;
der Mımd aber gab die Eingemweide zurüd. Das gejchah auf beinahe Fomijch wirkende
Weije. E3 entitand alsbald in dem Sade eine Falte, in der der verjchmähte Biljen jozu-
jagen mit allen Zeichen des Abfcheus: hinausbefördert wurde... Mit Zijchfleiich und
Mollustenfleijch hießen fich die Tetdyen monatelang erhalten.”
Auch die Fortpflanzung Tonnte Srumbach beobachten. Vorjpiel und Begattung er-
folgen ähnlich wie bei Helix, nur flüchtiger. Sie wiederholen fich von Zeit zu Zeit. Der
Laich jtellt ein gallertiges Spiralband dar, in welches die Gier eingelafjen find. Er gleicht
ettva einem Hobeljpan, dejfen Länge zwijchen der eines Fingers und eines Fingergliedes
ihwanft. Wo die Eiermafje zu Ende ift, bildet fich noch ein unregelmäßiges Schleimjtüd
aus, das zunächit noch Hebrig ift und fi) mit Sandförnchen bededt. &3 jtellt einen Treib-
anfer dar, welcher den elaftiichen Laich in wagerechter Lage am Boden feithält. Die zur -
exit nach der Begattung abgelegte Laichichnur it Die längite, Die nachfolgenden werden
immer fürzer. Schließlich ftevben die Tiere, offenbar nach Erfchöpfung der Gefchlechtsdrüfe.
Bemerkenswert ijt noch, daß Tethys zu den phosphoreizierenden Geetieren gehört.
32*
500 Weichtiere: Schneden.
Der Umftand, daß abgerijjene Nücenpapillen ihre Beweglichkeit noch eine Zeitlang be-
wahren, hat wiederholt Zoologen verleitet, jie a3 Würmer zu bejchreibent.
Ganz abweichend verhält fich die dritte Form, die niemals mehr feiten Boden berührt,
Phyllirhoe Per. et Les., wiederum rings um den Gleicher verbreitet. Das Tierchen ijt nicht
ganz 3 cm lang, feitlich platt und mit zwei langen, jchlappen Fühlern verjehen. Es ijt im
Mittelmeer eine Häufige Beute im feineren Oberflächenneb, entzieht jich aber oft dem Blicde
infolge jeiner außerordentlichen Durchlichtigfeit. Man Fann wirklich durch feinen Leib hindurch)
lejen (Abb., ©.498). Vanceri überzeugte jich vom Leuchten des Tieres im Dunkeln, wenn er
das Gefäß jehüttelte oder die Schnecde berührte; fie gab auch, wie viele andere Leuchttiere,
ihren Schein von jich, wenn fie in Süßtwafjer getan wurde. Am volfitändigiten war die Licht-
erjcheinung, wenn eine Ammoniaklöjung über da3 Tier gegofjen wurde. Dann erglänzte
der ganze Körper famt den großen Fühlern in lebhaften blauem Lichte, da3 bald mit dem
Leben erlofch. Wanceri hat gefunden, daß das Licht von den Nervenzellen, befonders den ober-
flächlich unter der Haut fiegenden, ausgeht und an eine Subitanz gebunden ift, welche auc)
‚nach dem Tode des Tieres Durch verjchtedene Neize, namentlich jühes Wajjer, wieder zum
‚Lichtausftrahlen gebracht werden fann. Die Drüfenzellen find inzwijchen näher unterjuct.
Wie ift diefe Form entitanden und pelagijch geworden? Die Antwort dürfte uns eine
ganz ähnliche Schnede geben, die von Chun gefunden und nachher von Elife Hahnel als
Cephalopyge Hahnel bejchrieben wurde, weil der After in den Naden gerüct ift. Das Tier
hatte noch einen Reft vom Fuß, mit dem es an Halistemma, einer Siphonophore, befeitigt
war. Er stellt fich als die Fußdrüfe dar. Hier haben twir aljo einen Hofidier, der in typijcher
Reife an einem Bolypenftod fit. -Der Bolyp hat fich.aber inzwifchen vom Ufer Iosgelöft
und ift pelagijch ‚geworden, mit ihm die Schnede, zunächjt noch Haftend, enplich gleichfalls
losgelöft und jomit eupelagiich.
> Vierte Ordnung:
lojlenfüßer, Nuderjchneden (Pteropoda).
Konnten wir eben noch den Übergang vom Bentho3 zur hohen See verfolgen, fo
haben die Sloffenfüßer ven Zufammenhang mit der Küftenzone längit aufgegeben; fie find
durchweg eupelagifche Schwimmer geworden, deren ganze Drganifation von folcher Xebens-
mweije beherrjcht wird. Syn erjter Linie fallen die Flojjen ins Auge, durch deren unaus-
gejegten Schlag die Bewegung ausgeführt wird. Man Hat fie diejer flatternden Flügel
wegen auch Schmetterlinge des Meeres getauft. Sie erinnern darin ebenjo an die beichal-
ten Hinterfiemer, wenn fich ein Gasteropteron Meck. etiva mit den feitlichen Fußlappen
bom Boden erhebt. Die Nuderwerfzeuge gehen auf diejelde Grundlage zurüd, und Tel
jeneer hat verjucht, die Pteropoden in zwei parallelen Reihen von den beiden Tefti-
branchiengruppen, die zu gelegentlicher Nuderbewegung befähigt find, abzuleiten, d. h. von
ven DBulliden und Aplyjüden. Die Stonzentration des Schlundrings paßt-wohl im ein-
zelnen, aber die Umbildungen gehen bei den Flojjenfüßern doch viel weiter in den ber-
ihiedenften Richtungen, jo daß man in ihnen wohl einen älteren Stamm erbliclen möchte,
der den Schritt vom Boden ins freie Meer weit früher, wenn auch auf einem ähnlichen
ege, vollzogen hat, twie ihn die heutigen Teftibranchien eben exjt betreten. Dazu fommt,
daß man von den Pteropoden fchon beftimmte Spuren in paläozifchen Ablagerungen ge-
funden zu haben glaubt, während die Opifthobranchier exft in mefogoischen auftreten
Nuderihneden: Beichalte Nuderjichneden. 801
jollen. Doc) dürfen wir auf diefe Beweisführung nicht allzu großes Gewicht legen; e3
jpielen da wohl manche Zufälligfeiten mit, Zartheit der Schale und dergleichen. Lafjen
wir diejes Problem lieber beifeite. E3 genügt, daß die Flügel auf jeitliche Tußlappen zurück
gehen. Bom Striechfuß ift nur noch ein jchwacher, außer Dienst geftellter Reft in der Mitte
vorhanden, mit [chmalen, abgegliederten Seitenteilen.
Die Tiere find teils bejchalt, teils nadt. Sn der Mitte jteht noch eine eigentümliche
Gruppe mit einer Bjeudoconda, einer inneren Gallertjchale, die von einer Diinnen Mantel-
jchicht überzogen ift. Die Sinneswerkzeuge find auffallend chrwach) entwidelt, die Fühler
fein, ein Baar bei den bejchalten, zwei Paar bei den nackten. Die Augen find ganz ver-
fümmert. Cine Geruchsleifte, Osphradium, ift überall vorhanden. Am mwenigiten ift die -
Ohrblaje oder Statozyjte von der pelagischen Lebensweije beeinflußt, mit vielen Hörftein-
chen oder Statofithen; das Gleichgewichtsorgan ift für die lebhaften Schwimmer am wichtig-
jten. Eine Mantelhöhle, nur in einem Falle mit bejonderer Kieme, fommt allein den be-
halten Formen zu, bei ven nadten jind Hautftellen an der Seite oder am Ende zu fefundären
Kiemen umgewandelt; fie find aus embryonalen Wimperfränzen hervorgegangen. Die Ruder-
jchneden find durchiveg Zwitter, die einen jchwimmenden Laich erzeugen, eine nadte Form
it lebendiggebärend. Bon der weiblichen oder bejjer der Zwitteröffnung führt eine Samen-
inne zum meiter vom gelegenen Benis, twie bei vielen im Meere lebenden Gaftropovden.
Grumdverjchieden ijt die Ernährung bei den bejchalten und den nadten Formen. Die
exjteren leben von Heinen PBlanktonwefen, die fie durch mechanisches Wimperjpiel dem
Wunde zuftrudeln. Die nadten find tüchtige Räuber. Damit hängt manche weitere Folge-
rung zujammen. Bei den bejchalten fommt es faum zu einer Kopfbildung, welche bei den
nadten viel jtärfer herbortritt. Die Nadula bejchränft ich bei den bejchalten auf wenige
Bahnreihen mit je 3 Zähnen in einer Querreihe, oder jie fehlt ganz. Bei den nadten jind
die Zähne weit zahlreicher, mannigjac, differenziert, mit Neigung zum Btenoglojjengebiß,
das toir bei räuberischen Projobranchiern und Bulmonaten fennenlernten. Dazu gejellen jich
berjchtevene Yangapparate von ganz neuer Art. Ceitlicje Mundperdidungen wirken als
Stiefer, die aus zahlreichen bedornten Plättchen bejtehen. Bei manchen fönnen jie in
Zajchen, „HSafenjäde", zurüdgezogen und wieder ausgejtülpt werden. Der Körperumfang
it gering, im Ducchichnitt bleibt ex Hinter dem der übrigen Öaftropodenordnungen zurüd.
Die Tiere bewohnen alle Meere, anı reichten die tropiichen. Sie halten jich wohl
in den oberen Wafjerschichten, feineswegs aber bloß an der Oberfläche, jondern jteigen in
täglichen Wanderungen auf und ab. Damit hängt eg vermutlich zufammen, Daß Jte im all-
gemeinen nicht völlig Ducchfichtig und auch nicht farblos find, jondern mancherlei ftumpfe,
aber auc) greliote Farben zeigen. Die Drdnung umfaßt nur etwa YO jichere Arten, Die
ih auf 12 Familien mit 28 Öattungen verteilen. Auch die neueren Expeditionen, unter
denen die der VBaldivia mit der eingehenden Bearbeitung von Meifenheimer voranfteht,
haben nur jpärliche Neuheiten zu dem alten Bejtande Hinzugefügt.
1. Unteroromumng: Bejchalte Nuderjchneden (Thecosomata und Pseudo-
thecosomata).
Das wejentlichite Merkmal prägt diejer Öruppe die planftonische Ernährung auf. Die
Slojje, in der man die einzelnen fchräg fich Freuzenden Musfelbimdel, elegant ausjtrahlend,
dutchicheinen jieht, Hat am Hinterrand ein wimperndes Feld, das jich nad) dem Körper zu
90
DD
Weichtiere: Schneden.
verjchmälert und bi3 zum Mumpe reicht. Dadurch wird das Nifroplanfton ununterbrochen,
d. h. jo lange die Flügel jich regen, in ven Mumpd hineingejpült: von einem aftiven Zu-
beigen oder Schnappen ilt nicht die Rede, die Nadula wird nicht vorgejtreckt.
Das zweite Kennzeichen liegt in der Bildung der ditnnen, aber feiten Schale. Die
Neihe beginnt mit Limacina Cuv., deren
Schale einem normalen, länglichen
Schnedenhauje mit fegelfürmigem Ge-
winde Durcchaus gleicht, fie fan jogar
noch Durch ein Dperfulum gejchlojjen
werden. Aber für das Schwimmen ift
/ \ x \ . eine jymmetrijche Schale vielleicht ge-
Shematijche Darftellung der Shalenumbildung bet dei eIONELT © (öjen ii denn Die Um-
Gavoliniiden, von der Ventralfeite gejehen. Rad) Boas. a)Cre- dattge boneinander ab, und Die Schale
ee ee ae 2 au Oraı ane,
Feld Gran, ver Bas en Qu © Zaun Bali (ie einen [chlanten Regel kilnet, sıtmarif
indes noch mit gehrümmter Spibe. Bei
Creseis Rang finden toir Die reine Kegelform, und von hier vollzieht jich Ducch die verjchiedenen
Arten von Clio L. hindurch, wie es unjere Abbildung zeigt, unter allmählicher Verbreiterung
und Berlängerung der Mündungsränder die Umformung, die in Cavolinia @roeni (Hyalea der
meijten Bücher) mit ftark bauchi-
ger Ventraljeite gipfelt. Bei ih
würde man auf den erjten Blid das
Schnedenhaus nicht mehr erfennen.
Sie ilt die einzige, Die in der Man-
telhöhle noch eime Stieme birgt.
Der Mantel verlängert fich, tie
wir an dem Schiwimmenden Tiere
jehen, in ein Baar jpibe und ge-
teilte Yappen, Die aus den Geiten-
rändern herausragen ud meift fir
Schwebfortjäbe gehalten werben.
Die Schalen find übrigens feines-
iwegs jo einförmig, vie e8 Die Um-
rißzeichnungen erjcheinen Taljen,
ver Duerjchnitt wechjelt, die Spibe
- Fan fein gefielt jein, bei ven grö-
Beren fommen Querrippen als
Anmachsitreifen Hinzu; auf ab-
=.— — "Sr ———— yppeichende Formen wollen mir
Cavolinia (Hyalea) tridentata Gmel. Wenig vergröfert. nicht weiter eingehen. Cavolinia
hat eine bräunliche Schale, Die
\hmusigen Flügel find trüb fila angehaucht, die dunfferen Flede (in der Abbildung) braun,
Farben, die mehr auf Dämmerlicht deuten. Die Tiere find lebhaft genug; wir fahen ©.
tridentata G@mel., die jchon ettivas matt ung gebracht wurde und am Boden lag, fich wieder
erheben mit Schlägen, die jih 110—115mal in einer Minute wiederholten umd dabei Doch
IL)
Nuderfhneden: Belchalte Kuderjchnedei. 803
jeht ausgiebig waren. Wenn man das mit anfieht, Fan man jich fragen, ob die bisher an-
genommene Crnährungsweije möglich it: fan das Epithel des auf ven Floljen gelegenen
Wimperfeldes bei den Wafferftrömen, die von den fchnellen Floffenfchlägen erzeugt erden
mitjen, noch etwas ausrichten?
Bon der Fortpflanzung berichtet Gegenbaur, der jie in Mejjina beobachtete: „Die
Eier der Pteropoven aus der Gruppe der Cabolinien werden in einfache glashelle Schalen
gelegt, welche 0,2—0,3 Linie Durchmejjer und eine oft bis zu mehreren Zollen fich erhebende
Länge bejiten. Die Schnüre jelbjt werdei nicht nach Art anderer Meergaftropoden an feit-
jtehende Körper, wie Steine, Seepflangen ufw., befeitigt, jondern bleiben, wenn fie gelegt
jind, dem ©piele der Fluten überlaffen, too fich die Embryonen entwideln, um fogleich nach
Berlajjen der Cierjchnur die pelagijche Lebensweije der wa fortzujegen." ES gelang
Gegenbaur während feines
Aufenthaltes in Meffina, mit
der im Dezember beginnenden
fühleren Jahreszeit bei täg-
licher Erneuerung des Wafjers
längere Beit hindurch in Glas-
gefäßen eine Anzahl Piero-
poden zu halten, die ihn inmter
reichlich mit Cierjchnüren ver-
jorgten. Dadurch Tieß ich feit-
itellen, daß Cavolinia triden-
tata binnen zwei Tagen gegen
200 Gier legte, Cavolinia gib-
bosa 60—80, ebenjo viele ein ,
baoz Sleoboren. Nacjben der ri "Safe Auf dr anenScte Fa de Dfansam garen
Embryo jih vorn mit einer
Wimperichnur umgeben und hinten eine feine Schale abgejondert hat, ducchbricht er am
jiebenten oder achten Tage feiner Entwidelung feine |pezielle Eihülle und jucht jich, in der
engen Röhre der Gierjfchnur auf und ab wirbelnd, feinen Ausweg ing Trete, um dort jein
Schwärmftadium als Larve zu beginnen. Der Wimperkranz am Vorderteil wird allmählich
oval und erhält zwei Einbuchtungen, wodurch zwei Lappen entjtehen, die ung jchon bei
anderen Gaftropoden als die Cegellappen befanntgeworden find. ehr ausgebildet ijt
das Segel bei den oft in unzählbaren Mengen im Meere beifammen befindlichen Larven
der Creseis, gebildet Durch zwei tief eingebuchtete Lappeı.
Bon der Öattung Limaeina Cuv. ift namentlich die Urt L. helicina Phipps durch ihre
Berbreitung wichtig, denn fie lebt in der Arktis und Antarktis; man fann den beiden Formen
höchjtens den Rang von Unterarten zugeftehen. Die antarftifche geht bei Afrika allerdings
bis zum 31. Grad jüdl. Breite.
Die Vjeudothefofomen beginnen ziwar auch mit einer echten bejchalten Oattung, Peracle
Forb. ber bei den verwandten Gattungen Cymbulia Per. et Les. und Gleba Forsk. (meijt
noch als Tiedemannia Chiaje geführt) ift von einer Außenjchale Feine Rede mehr. Cymbulia
hat, vom Mantel bedeckt, eine ziemlich feite Gallertichale, von der Zorm eines Holzjdubs,
bei Gleba wird fie außerordentlich zart. Das Epithel wird leicht verlegt, worauf jich die
flache Schale ablöft, da der Zufammenhang mit dem Tier jehr loder ift. Gleba (j. Tafel
504 MWeichtiere: Schneden.
„Weichtiere 11, 10, bei ©. 478) ift die größte Auderjchnede, die mir feımen, mit zwei Arten
im meftlichen Mittelmeer und Atlantifchen Dzean. Hier, an den Kanarischen Injen, Fommt
noch der fleine Desmopterus Chun Hinzu, an dem bisher gar feine Schale nachgewiejen
wurde. Bei Diejen Tieren werden die Flojjfen viel größer und vereinigen fich hinten, bei
Cymbulia hängt hier ein umpaarer Faden von unbekannter Bedeutung. Desmopterus erhält
Schwalbenschwanzähnlichkeit durch einen langen Tafter, der jederjeits der Flojje anjigt und
als Epipvdialtafter zu deuten fein dürfte, wie wir jolche namentlich bei den Ahipidoglojjen
antrafen; bei Gleba erreicht die verjchmolzene Flojje ihr Maximum, mit breiten Fleden an
ven gewellten ©eiten. Hier fommt noch eine andere Neubildung Hinzu, Die Berlängerung
der Kopfgegend zu einem Rüfjel, auf dejjen Spite die Mundöffnung liegt. Cr hat zwar
eine gewilje Beweglichkeit, ift aber fein eigentlicher Sangapparat geworden, jondern Die
Nahrung wird auch hier von beiden Geiten durch Wimpern dem Munde zugeleitet.
2. Unterordnung: Nadte NAnperfchnefen (Gymnosomata).
Dei den nadten Nuder- oder Flügeljchneden bildet der Körper einen langen Stegel oder
einen runpdlichen Sad, an demder Kopfetwas abgejebt erjcheint, eine eingeftülpte Mantelhöhle
aber fehlt. Unter den Yangapparaten, die den Räubern zu Gebote ftehen, jind die Hafenfäde am
verbreitetiten, iwie wir -
lie im ausgejtülpten
BZuftande an der Pneu-
moderma-Larve (e in
verX/bb., ©.505) jehen.
Die am längjten be=
fannte Form, Das
%alaas, Clione lima-
cina Phipps, hat aud)
Clione limacina Phipps In boppelter rechts e ae a
daneben bie Larve in dretfacher Vergrößerung. Gephalofonen; lie
Bk Buccalfegel, FI Flofje, MI Mittellappen, ® . \
SI Eeitenlappen de3 Fußes, P Penis, Fı vor= jtehen m emem Streis
Be a Mo lan:
Bo a3, „Spolia Atlantica“, Kopenhagen 1886. ind mit Stlebdrüjen
zum Sejthalten Der
Beute verjehen und fünnen etwa mit dem Stranz ftärker
hervorragender Hautrungeln um die Mundöffnung eines
Limax verglichen werden. Clione,. die mit lebhaften
Purpur gejchmüdt ift, jcheint ausjchließlich Limacına heli-
cina zu jagen, wie fie jelbjt wieder eine Hauptnahrung der nordischen Bartenmwale bildet.
Sie erjcheint vorzugsweife an hellen, jonnigen Tagen an der Oberfläche, womit vielleicht
die auffällige Färbung zufammenhängt. „Sie ift die einzige Art unter den Gymnojomata,
bei welcher die Begattung direkt wahrgenommen wurde: zivei Individuen ftellen fich ver-
tifal und berühren fich mit ihren Bentralfeiten; der Furze Arm des zweiäftigen Penis dringt
in die weibliche Gejchlechtsöffnung des anderen Tieres, der längere Arm ift nach Hinten
gewendet und dient wohl nur als Neizorgan. Die Begattung ift eine mwechjeljeitige und
dauert etwa bier Stunden; nach 20—24 Stunden erfolgt die Eiablage. Der Laich bejteht
aus ziemlich großen, gallertartigen Klumpen oder Schnüren, welche fehr zahfreiche Tier
Nuderjchneden: Nacte Nuderjchneden. 505
enthalten.“ (Tejch.) Auch dieje Art jpaltet jich, wie ihr Beutetier, in zwei Unterarten, eine
arktiiche und eine antarktifche. Die arktifche, die das Nördliche Eismeer bewohnt, ift fehon
am Kap Hatteras unter 39% nördl. Breite jowie an der Südweltipige Englands gefangen,
vie antarktiiche hält jich am fünlichen Eisrande, ijt aber auch jchon auf der afrifanijchen
©eite bei 35° jüdl. Breite gefunden ivorden. Smmerhin trennen noch 70 Breitengrade
beide Gebiete. 3 ijt eine der umftrittenften Tragen, wie dieje Entfernung zu überbrüden
it. Die eine Anficht geht dahin, dag die Tiere urjprünglich in den Tropen Hauften und
bon da allmählich gegen die Pole vordrangen. Dabei bleibt es nur jhwierig zu erklären,
warum jie jich bei dDiefem Vorgang, der Doch
fange Zeit in Anjpruch nehmen mußte, fo
wenig verändern fonnten. Daher glauben
andere, Daß Die Larbe, die jchon in tieferem
Wajjer gefiicht wurde, gelegentlich durd) Strö-
mungen in der falten Tiefe aus einem Cig-
meer ins andere gelangte, wie wir ja Jolches
Hinabwandern bei den Vorderfiemern Durd)
den halben Mtlantiichen Ozean verfolgen
fonnten. Die abgebildete Larve (©. 504)
zeigt die drei Wimperfränge, ähnlich wie bei
Amphineuren und Scaphopoden. Der vor-
derite entjpricht dem gewöhnlichen Velum.
Die Pneumodermatiden haben jtatt
der Buccalfegel ein anderes Werkgeug, das
einjt Cuvier veranlaßte, die Pteropoden als
eigene Klajje neben die Cephalopoden zu
itelfen, nämlich zwei mit Saugnäpfen ver-
jehene Arme, die in eine bejondere Tajche
zurüdgezogen werden fünnen. Bei dem von
Meijenheimer bejchriebenen, allerdings bisher
nur in einem einzigen Stüd im jndif erbeusr zaft reife Larve von Pneumoderma Cu. Etat
teten Schizobrachinum eisen. [ind or vobesuens eat
vielfach gegabelt und verzweigt. Wir jehen jte
an der Pneumoderma-Larve (e in der Abb.). Wie die hinteren Wimperfränze zu Stiemen
werden, zeigt jehr hübfch die zu derjelben Familie gehörige Spongiobranchiaea australis
Orb., die dunkelbraun ift, aber mit zwei farblojen Ringen an den entjprechenden ©tellen.
Meifenheimer wies auf dem Rüden ein bejonderes Drüjenfeld nad. Es fommt wohl bei
der Schilderung, die Gegenbaur von Pneumoderma gibt, in Frage. Er erzählt uns: „Reigt
man ein frifch eingefangenes Pneumoderma, dejjen Hautdrüfen man durch ihre meike
Färbung noch al gefüllt erfennt, mittel3 einer Nadel und dergleichen, jo überzieht fid)
alsbald die ganze Körperoberfläche mit einer trüben, zumweilen weißlich ericheinenden Hülle,
einer Art Membran, die febenmweife von der Oberfläche des Tieres fic) abziehen läßt.
Oft aud) bildet daS ausgetretene Seftet feine folhe zujanumenhängende häufige Majje,
jondern Hülft anfänglic) das Tier in eine leicht opalifierende Wolfe ein, welche dann
cajch fich zu Boden jenkt und verjchtwindet. Man Tann diejes Erperiment in Intervallen
von 2-6 Minuten mehrere Male wiederholen, doc) it jedesmal das jpätere von einem
r
506 Weihhtiere: Schneden. Mufceln.
geringeren Erfolge begleitet, und zuleßt währt e3 jogar |tundenlang, bis die Drüjen wieder
mit hinreichender Gefretmafje gefitllt find. Ob Diefes Drüfenfekret nicht aus einem Aus-
wurfsitoffe des Körpers jich gebildet, oder ob jeine Ausjcheivung als Verteivigungsmittel
dient, wage ich nicht mit Bejtimmtheit zu entjcheiden; vielleicht ift beides der Fall; daß es
zur Verteidigung verivendet wird, lehrt nicht mer die Entleerung desjelben bei der leijeiteit
Berührung der Haut mit einem fremden Körper, jondern vorzüglich folgende oft gemachte
Beobachtung. Wenn es jich traf, daß Prneumodermen mit gefräßigen Firolen (d. H. Ptero-
trachea, ©. 443) oder beuteluftigen Bhyllirchoen (©. 500) in einem und demjelben Gefäße
jich befanden, jo fam e3 bald zu einer Jagd auf die jchwächeren Pneumodermen, die troß
ihrer Gewandtheit ihren Gegnern nicht entgehen fonnten. Sooft nun einer der Näuber
einem der geängiteten Tiere zu nahe Fam und es mit dem geöffneten Hafenapparat (Radıla)
zu paden fuchte, hülfte fich daS Pneumoderma in eine Wolfe; der nacheilende Räuber hielt ,
tie erjchrecdt dann inne, und der Berfolgte gewann einen Borjprung, um wenigitens für
einige Zeit zu entrinnen. Freilich) war dies Mittel Fein beftändig mwirfendes, denn bald
begann die Verfolgung von neuem, nach mehrfacher Wiederholung desjelben Berfuches
berjiegte die Abjonderung des Ichügenden Sefretes, und der Stärfere erhafchte endlic) Die
oft entgangene Beute.“
sn der Hortpflanzung weicht die Heine, jadfürmige Halopsyche Bronn ab, da jie pivipar
it. Neuerdings wurden zivei Formen gefunden, die noch wie Larven ausjehen, aber jchon
fortpflanzungsfähig find, Paedoclione Danforth und Thalassopterus Kwieln. Hier haben
wir wohl Fälle von Neotenie, d.H. von Gefchlechtsreife auf fonft jug.ndlicher Stufe, wie fie
bei ven Amphibien oft vorfommen und im Arolotl ihren jchärfiten Ausdrud gefunden haben.
zum Schluß noch ein paar Worte über die Bewegung! Die Pteropoden können
jich nur durch umımterbrochenes Schlagen ihrer Flojjen, ähnlich den Flügeljchlägen der
Schmetterlinge, vorwärts bringen oder auf einer und derjelben Etelle erhalten. Die Floj-
jen arbeiten unausgejeßt mit großer Leichtigkeit und Gejchiclichfeit, und je nad) ihrer
Stellung bewegt jich das Tier geradeaus fort, fteigt oder finft, wobei der Körper immer
aufrecht oder leicht geneigt bleibt. Mitunter dreht er fich auch um fich felbjt oder fan
anjcheinend ohne Bewegung feine Stelle behaupten. Lebteres vermögen jedoch nur jehr
wenige Arten, und die allgemeinjte Bewegung ift jchmetterlingsartig. Wenn jte während
ihrer Bewegung durch die Erjcheinung eines fremden Körpers oder durch einen Etoß an
das Gefäk, in dem man fie aufbewahrt, beunruhigt werden, jo jchlagen fich die Flügel
übereinander oder werden, mie bei Cavolinia, eingezogen, und das Tier läßt fich zu Boden
jinfen. Die Cavolinien jchwimmen fchneller al3 die Kleodoren, jehr langjanı die Prreu-
modermen und Klionen.
Vie wir fahen, Hält jich Clione (in den Büchern noch oft als Clio bezeichnet) in Eis-
meer namentlich in den helliten Tagesitunden an der Oberfläche auf. Ebenfo find wohl im
Mittelmeer manche Pteropoden bei Tage in den oberjten Wafjerfchichten erbeutet. Das
jheint indes in den Warmwaijergebieten nicht die Negel zu fein. Schon D’Drbignd ver-
mißte fie in den hellen Mittagsftunden. „Aber, jagt ex, „gegen 5 Uhr abends, bei be-
decktem Himmtel, fangen 2 oder 3 Arten, bejonders Hyalea, in den ihnen eigentümlichen Ver:
breitungsbezirfen an, an der Wafferoberfläche zu erfcheinen. Kommt nım die Dämmerung,
jo fan man in großen Mafjen die Hleineven Arten der verfchiedenen Kielfüßer und Floffen-
füber erhalten. Die großen Arten erfcheinen aber ext, nachdem die Nacht fich völlig Herab-
gejentt Hat. Dann zeigen fich die Pneumodermen, die Klionen und die großen Arten der
Ruderfhnefen: Nadte Ruderjchneden. 507
Klevdoren. Einige Arten, 3.8. Hyalea balantium Orb. (jet Clio als Gattung) im Meerbufen
bon Guinea, fommen fogar nur bei ausnehmend Dunkeln Nächten. Bald darauf verichiwinden
in der Neihe,- wie jie gefommen, die Fleinen Arten; die großen tun desgleichen, und etwas
jpäter, gegen Mitternacht, bemerkt man nur nod) einzelne Jndividuen, die ven Nüdzug ver-
jaumt haben. Eins und das andere ijt wohl aud) bis gegen Morgen geblieberi; aber nach
Sonnenaufgang fucht, das Auge fowohl an der Oberfläche als bis zu der Tiefe, wohin es
dringen fann, vergeblich nac) einem Flojfenfüßer. SFede Art richtet jich in ihrem Erjcheinen
und Verichtwinden nach bejtimmten Stunden oder vielmehr nach bejtimmten Graden der
Dunfelheit." Man hat wohl den Grund in der Nahrung gejucht, der fie nachgehen. Biel
natürlicher Eingt Marjhalls Auffaffung: „Die Bteropoden jteigen nach und nac) aus der
Tiefe nac), oben, um fo lange wie möglich in demjenigen Lichte zu fein, welches bei Tage in
der Zone ihres Aufenthaltes herrjcht.” Sie juchen, mit anderen Worten, immer die gleiche
Lichtmenge, entiprechend dem außerordentlichen Gleichmaß in ihrer ganzen Lebensführung.
> Bierte Klaffe:
Ruf cd) elt (Lamellibranchia).
Man hat zeitweilig die Grabfüßer oder Sfaphopoden als eine Mitteljtufe zwiichen
Schneden und Mufcheln aufgefaßt. Bei näherer Befanntichaft Hat man ihnen jedoch den
Rang einer bejonderen Slafje zuerfennen müjjen. Aber der Grundgedanfe beiteht troßpem
zu Recht, die Mufcheln ftehen den Grabfüßern in der allgemeinen Anlage nahe; auch jte ver-
danken vermutlich der Flucht in den Schlidbovden ihre wejentlichen Cigentümlichkeiten.
Wohl mancher Hat aus dem Schlammarunde eines jeichten Gemäljers Hunderte und Tau-
ende von Mujcheln in ettvas fchräger Gtellung hervorragen jehen, ohne daß ihm Far ge-
worden, ob fie ihm das Vorderteil oder das Hinterteil zufehren. Und eine geöffnete Aufter
bietet jaft gar feine Anfnüpfungspunfte zur Orientierung fiber ihre Körperteile, jo daß die
meijten Ejjer fie ohne jeglichen anatomischen oder jyftematijchen Gedanken verjchluden.
Wer eine Mufchelfchale auflieft, kann fie, jolange ex will, von allen Geiten betrachten, ex
wird höchitens erraten, an welcher Stelle ungefähr der Mund des Tieres gelegen. Dazu,
daß uns die Mujcheln im allgemeinen jo fremd und gleichgültig bleiben, trägt auch ihr un-
gemein phlegmatijches Temperament bei. Shnen gegenüber find die Schneden die Ieb-
hafteiten Sanguinifer. Denn wenn e3 auch einzene Mufchelarten des Meeres gibt, die
durch jchnelles Auf- und Zuklappen der Schalen ziemlich fchnell Ichwimmen fünnen, jo find
dies eben jeltene und verborgene Ausnahmen. Die übrigen find fait jo bovdenftändig wie
die Bilanzen. Ihre Ernährungsmeife treibt fie nicht auf Beutezüge und gegenjeitiges
Befriegen; angegriffen wehren fie fich nicht ander3, al3 durch das Verjchliegen ihres Ge-
häufes, und jelbft die Zeit der Fortpflanzung, die fo viele andere jonjt träge Tiere dazu
treibt, ihre Röhren und Schlupfiwinkel zu verlaffen, vermag nicht die Mufcheln aus ihrem
Stilfeben und ihrer feidenfchaftslofen, dDuldenden Zurüdgezogenheit aufzurütteln. Cs wilde
daher, wie jchon bei verjchiedenen Tiergruppen, mit denen wir uns früher bejchäftigt, wenig
Befriedigung gewähren, wollten wir uns auf die Biographie der Mufcheltiere in ihrer un-
gemeinen Gleichfürmigfeit bejchränfen. Ganz anders verhält es jich aber, wenn toir uns auf
den höheren Standpunft ftellen, bon dem aus wir in die Eigentümlichfeiten des Baues jelbit
einzudringen ‚und die niedrigeren und höheren Organifationen miteinander zu vergleichen
808 Weichtiere: Mufcheln.
und durcheinander zu erklären juchen. Fir jene wichtige Trage der gegenwärtigen Tier-
funde, das Abändern und die Entjtehung neuer Arten, jind 3. ®. unjere CSüßwajjer-
mujcheln von großer Bedeutung. Cchon ein paar Sahrzehnte, bevor Darwin feine dent
würdige Hypotheje veröffentlichte, fühlte fich der treffliche Noßmäßler befonders durch das
Studium jener Mujcheln zu dem Ausipruche veranlagt, daß die jogenannten Arten nichts
Dejtändiges jeien, jonvern durch fortwährende Anpaffung mit teilweijer Erhaltung des Er-
erbten ineinander übergingen und neu wiırden. E3 wird aljo für den Naturfreund gewiß
ji) der Mühe verlohnen, nicht bloß oberflächlich einmal eine Mufchelfchale in die Hand zu
nehmen oder nach abgebrauchter Sammlermweije viele Mufchelichalen mit Namen und Nummer
verjehen unter Glas in jauberen Kajten zu be-
jigen, jondern auf den Stern einzugehen und durch
die Kenntnis der Kaffe der Wiujcheltiere als eines
Ganzen niederer Drdnung der Erfenntnis des
großen Ganzen jich zu nähern.
Nachdem wir uns jowohl einige leere Scha-
len als lebende Stüde der gewöhnlichen Fluß-
oder Teichmujcheln verjchafft, beginnen wir daran
unjere Betrachtung. „Ein allgemeines Bild von
einem Blätterfiemer oder Mujcheltier fanıı man
lich entwerfen, indem man fich ein in eine Dede
gebundenes Bud) vorjtellt: mit dem Rüden nad)
oben und mit dem Kopfende nach vorn gewendet.
Denn Die zwei Deden entjprechen rechts und
linfs den zwei Klappen der falkigen Mujchel, Die
zwei nächitfolgenden Blätter von beiden Geiten
dem Wantelblatte des Tieres, das dritte und vierte
Blatt jederjeits den zwei Paar Kiemenblättern
deu la gegen Saublglien uchdeian 2° ao) Aulige umee ei)
Natürlihe Größe. Bucjtaben = Erklärung im Text. Buches dem Körper des Tieres. Doc nehmen
dieje Blätter vom äußerjten an auf jeder Seite
biS zum Störper an Umfang ab, fo daß die zwei gewölbten Schalenblätter als die größten
alle übrigen, wie der Mantel die Stiemenblätter, ringsum einjchliegen. Alle dieje Teile
jmd längs ihrem oberen Rande wie die Blätter eines gebundenen Buches miteinander ver-
wachjen.” (Bronn.) Wir machen uns nun diefe Worte Har an einer Mufchel, die entiveder
im Wajfer, in dem wir fie jeit einiger Zeit hielten, abgeftorben ift, oder die wir durch Furzes
Einlegen in Weingeift töteten. Die Schale wollen wir zuleßt betrachten. Der Rand des
Blattes, das den Mufchelkörper jederjeitS bedect und zunächit unter der Schale liegt, der
Rand des Mantels (g in obiger Abbildung), Haftet gewöhnlich längs des Schalenrandes
jeit, läßt jich aber mit dem flachen Stiele eines Sfalpels leicht unverlegt ablöjen. Das
Hinterende jedes diefer Blätter it mit zahlreichen Wärzchen (h) bejegt, die außerordentlich
empfindlich find und bei allen denjenigen Mufcheln fich finden, Die mit der vorderen Klörper-
hälfte jich eingraben. Wir wiljen alfo nun, welchen Körperteil uns diefe Tiere aus dem
Sande oder Schlamme zufehren. Bei weiten nicht alle Mufcheln Haben die Mantelränder
jrei wie unfere Flußmujcheln, fondern auf größere oder geringere Streden vermwachjen.
Namentlich am Hinterende bildet der Mantel oft Röhren. Er jondert auch die Schale ab.
Allgemeines. 509
Zunächit unter vem Mantelblatte jeder Seite liegen die beiden Kiemenblätter (d,e),
ganz bejonderz ftarf entmwidelt bei unferen Eüßwafjermufchehn, überhaupt aber immer fo
bezeichnend und in die Augen fallend, daß davon die ganze Klaffe den Namen „Blätter-
fiemer” (Lamellibranchia) erhalten hat. Zioifchen ihnen nach vorn liegt der feilförmig
zugejchnigte Fuß (a). Man Fann fich von dem Gebrauche desjelben leicht an lebenden
Tieren überzeugen, die man in ein Beden mit Wafjjer und einige Finger hohen Sande
getan. Sobald die Mufchel Ruhe um fich herum fpürt, lüftet fie die Schale, und die vordere
Tußede ericheint wie eine Zunge ziwiichen den gleichfalls ettwas herbortretenden Mantel-
rändern. sit vie Umgegend ficher, jo fommt der Fuß immer weiter hervor, bei größeren
Mufcheln 4-5 cm weit; er jenft fich alsbald in den Sand, und das Tier hat die Kraft, fich
an dem Fuße aufzurichten. CI dringt, mit dem Fuße einfchneidend, mit dem Vorderende
in den Boden, und fein Yangjam zuricigelegter Weg mird durch eine Furche bezeichnet.
Der Gebraud) jowohl wie die Lage zu den übrigen Körperteilen, nicht minder die Entwice-
Iungsgejchichte lehren, daß der Keilfuß der Mujcheln nichts anderes it al3 die Striechjohle
ver Schneden. Außer dem Fuße haben wir an der Teichmufchel noch zwei jehr wichtige
Muskeln, nämlid) diejenigen, durch welche die beiden Schalenhälften aneinander gezogen
werden, und die deshalb die Schliegmusfeln heifen. Solange das Tier lebt, fann man
nur mit Anwendung großer Gewalt die Mujchel öffnen; man bricht oft eher die Schalen
aus, al daß die Muskeln nachgeben. Der eine liegt vor dem Munde und bildet durch feine
untere Seite mit dem Fuße das Berfted für den Mundeingang. Der hintere liegt unter-
- halb des Majtvarmes, der, nachdem er über ihm hinmweggegangen, etivas nach abwärts
biegend hinter ihm zum Borjchein fommt (m’ in der Abb. auf ©. 516).
Bergeblich jurcht man nach einem Stopfe. Die Mujcheln Haben feinen von dem übrigen
Körper abgejebten Teil, der diefen Namen verdiente. &3 ift befonders diejer Mangel eines
Körperteiles, nach deifen Vorhandenfein man fich über die Geftaltung der höheren Tiere
jofort Har wird, der e3 macht, daß wir uns anfänglich an dem Mufchelleibe gar nicht
zurechtfinden fünnen. Geht man mit einem dünnen Federfiel auf der vorderen und oberen
Kante des Fußes nach aufwärts, wobei man die beiden dreifeitigen Blätter, die jederfeits
born vor. den Kiemen liegen, nad) aufwärts fchlägt, fo trifft man mit Sicherheit auf die
in einem verborgenen Winkel liegende Mundöffnung (b). Die Mundhöhle der Mufchehn
it ohne jegliche Bewaffnung und Vorrichtung für die Zerkleinerung der Spetjen, da fich
alle diefe Tiere nur von miktojfopifch Heinen, niederen Organismen ernähren. Wir werden.
weiter unten anführen, wie diefe Nahrung zum Munde gelangt. Eine furze, weite Speife-
röhre erweitert jich zum Magen. Gleich oberhalb und feitlich von diejem liegt die „Leber”
(i), und bon ihm aus fteigt der Darm in jenen Körperteil, der fich an den Fuß nad) hinten
und oben anschließt. Nach einer oder zwei Schlingenförmigen Biegungen am vorderen Teile
der Rüdenlinie unterhalb des Mantels angelangt, verläuft er vollends in ziemlich gerader
Kichtung bis zum Hinterende, untertvegs (aller Sentimentalität bar) das Herz ducchbohrend.
Sn unferer Abbildung jehen wir die Afteröffnung in £, während fowohl oberhalb wie unter-
halb derjelben fich die Mantelblätter verbinden. Durch die Verlängerung diejer Mantelteile
fann auc), eine Aöhre entitehen, durch welche die Auswurfitoffe entleert werden. Die
zwei Waar dreiteiliger Blätter jederjeit3 am Mımpde (c) Heiken die Fühler oder Mund-
tentafel, aud) Lippenanhänge.
Machen wir hier exit einmal halt und nehmen den Yaden auf in der Vergleichung
mit Sfaphopoden und Gaftropoden. Net den eriteren haben die Mufcheln das jattelförmige
510 Weichtiere: Mujcheln.
Herabwachjen des Mantels und das Borftredfen des jchiwellbaren Fußes gemein. Für den
Fuß allerdings läßt jich Die Herkunft von der flachen Striechjohle nachweijen, wie jie den
Gafteopoden und Blafophoren eigen ijt. Berjchiedene altertümlihe Mujcheln befigen noch
die abgeplattete Kriechiohle, Die jte nach Schnedenart verwenden. Aber auch) jte gebrauchen
jie zum Verfriechen in den Sand und Schlamm. Hier fiegt ein wejentlicher Unterjchied vor
gegenüber den Gajtropoden. Hinterfiemer benußen hierzu ja, wie wir jahen, das aus den
verichmolzenen Fühlern gebildete Kopfichild; Vorderfiemer aber, wie Natica, lafjen Wafjer
zur Schwellung in ein bejonderes Kanaljyften eintreten. Man glaubte fange an ein glei-
ches Verhalten bei den Mufcheln, und die larjtellung diejer Trage Hat eine ausführliche
Literatur veranlaßt. Eine Teichmujchel, die man bei ausgeitredtem Fuße aus dem Aqua-
rim nimmt, jprißt Starte Wafjerjtrahlen aus dem Fußrande. Hier follten die Ein- und
Austrittsöffnungen für das Kanaljyftem liegen, und das Wajjer jollte fich jogar bei der Auf-
nahme unmittelbar dem Blute beimifchen. Das hat fich als faljch erwiefen. Jene Öffnungen
entjtehen durch Zerreißung bei den gewaltfamen Anftrengungen zum jchnellen Zurüdziehen
des Zußes, wie fie unter normalen Lebensbedingungen ausgejchlojjen jind. Bielmehr- ent-
hält der Körper Raum genug für die Verdrängung der großen Blutmafje im gejchwellten
Fuß, fie tritt einfach in den Mantel über. Übrigens ift der Fuß fehr verfchiedener Ummand-
lungen fähig, vom völligen Verjchwinden bis zum Ausziehen zu langer Wurmform, bald
it er ein Bohritempel von rundem Duerjchnitt, bald hafig gebogen, um jich mit der Spibe
zu veranfern und dann Durch rajches Zurücziehen den Körper Springend fortzufchnellen.
Der Mantel mit der Schale weicht num von dem der Grabfüßer im mwejentlichen da-
durch ab, daß er umten nicht verwächft, wenigjtens nicht auf der unterften Stufe, bei der
wir den Schlüfjel für das Berjtänpnis juchen müfjfen. Deshalb verwächit auch Die Schale
nicht zum Rohr, jondern ihre unteren Ränder bleiben getrennt. Soll fie trogdem den Körper
beim Graben ringsum jchüßen, jo gejchieht das durch Musfelzug. Die Schliegmusfeln ziehen
die beiden Hälften ver Schale von recht3 und Iinf3 gegeneinander, bis — fie oben der Länge
nach bricht. Die Schale wird in der Tat beim Embryo als einheitliche Rüdenplatte an-
gelegt, die Halbierung tritt erjt während der Entwicelung ein. Daraus folgt, daß die beiden
Scalenklappen nicht gefonderte Anlagen darftellen, und daß das fie verbindende Rücdenband
oder Ligament nichts anderes ift als ein Teil der einheitlichen Anlage, nämlich ein Schalen-
teil, aus dem der Kalk Herausgepreßt ift, daß es alfo nur aus der verdichteten organischen
Grundlage befteht, wie jie aud) die ganze übrige Schale, Die im übrigen nad den Vorbilde
des Schnedenhaufes gebaut ift, ganz und gar durchjegt. Man Kann fich gleich aus diejen
Verhältnifjen die Wirfung des Bandes verdeutlichen, das bekanntlich das Offnen der Schalen
bewirkt. 63 bejteht feiner Struftur nach aus zweierlei aufeinander jentrecht ftehenden
Sajern, jolhen, die von einer Stlappe zur anderen herüberziehen, und folchen, die von
innen nach augen oder, wenn man will, von unten nach oben ziehen, d.h. welche die beiden
Flächen der einheitlich gedachten Schale verbinden; die legteren überwiegen, worauf weiter
nichts ankommt, die erjteren. Durch Die Wirkung der zufammengezogenen Schließmusfeln
werden nun die leßteren Fafern in ihren unteren Abjchnitten einander genähert und zu-
jammengepreßt, in ihren oberen Dagegen voneinander entfernt. Laffen die Schließmusfeln
nach, jo bejtreben fich die elaftifchen Ligamentfajern, das Gleichgewicht wiederherzuftellen,
unten auseinander-, oben zujammenzurüden, was das Offnen der Schalenklappen bewirkt.
Genau diejelbe Wirfung muß bei den anderen Faferıı Herausfommen, die von Klappe zu
tlappe ziehen. Beim Schließen werden die unteren aufammengeprekt und verfürzt, die
Allgemeines. oll
oberen gevehnt. Beim Erjchlaffen der Schliegmusteln müfjen fich Die oberen oder äußeren
berfürgen ufm. Das Ligament it jomit ein toter Schalenteil, und die geöffnete Schale
entjpricht der Nuheftelhung, d. h. der unfprünglich einheitlichen Anlage.
Sür die Auffafjung der Schließmusfeln oder Adduftoren ift e3 wichtig, daß fie feines-
iwegs gleichwertige Gebilde jind. Zwar liegen fie meilt Symmetrifch zum Ligament, der
bordere vor, der hintere Hinter ihm. ber der vordere, über dem Mund gelegene, ijt aus
oorjalen Teilen des Hautmusfelfchlauches hHerborgegangen, der hintere, unter dem Enddarm
liegende, entjpricht ventralen Teilen desjelben. Dazu fommt noch ein Zeitunterfchied in
ver Anlage. Zuerjt entjteht in der Entwidelung der vordere Adduftor, nachher der hintere.
Wir wollen gleich die Bedeutung der Musteln für das Shftem betrachten, da viele Autoren
die Einteilung auf deren Verhalten gründen, indem fie die Dimdyarier mit zwei von
ven Monomhariern mit einem Schliegmusfel trennen. Dazwijchen jollen die Hetero-
mdarier jtehen mit ungleichen Musfeln. Das Verhältnis fcheint folgendes zu fein. Man
Tann bon der Iyummetrijchen Anlage ausgehen, die wir eben zur Grundlage nahmen. Da
bringt die grabende Lebensweije eine Abjchwächung des Kopfendes und ein Überwiegen
des Hinterteiles zumege, zumal wenn wir bevenfen, daß auch beim tiefen Eindringen in
den Boden das Hinterende immer bis zur Oberfläche des Schlicls reichen muß, um Atem-
iwaljer und Nahrung hereinzuholen. Dadurch wird die Symmetrie immer mehr verjchoben,
jo daß Ligament und Schloß, wie man die gegenjeitige Haftitelle auch nennt, dem Vorder-
ende ji) nähern. PDadurd wird eine jtärfere Ausbildung des hinteren Adduftors bedingt.
Uber noch mehr: jobald die Berjchiebung das Schloß über den vorderen Schliegmusfel nad)
born Hinausführt, wird er mechanifch überflüfjig, jo wie wir Die Straft einer Yange oder einer
Bitronenprejje ausnuben, indem toir Hinten anfaljen, nicht aber auch noch.nahe der ©elent-
itelle, nach einfachem Hebelgejeb. Aus diefer Ableitung folgt, daß wir mit Dimyariern zu
. beginnen haben und von da zu den Hetero- und Monompariern fortichreiten müljen, ob-
wohl die Ontogeneje gewiljermaßen mit einem Monomparier einjeßt. Der erjte Schließ-
musfel des Embryos hat eben mit dem eines erivachjenen Monompariers nichts zu tun,
er mußte exjt verjchwinden, damit diejer möglich wurde. — Die Straft der Schliegmusfeln
ilt bedeutend. Sie entjpricht etiva der der Wirbeltiermusfeln. Man hat gefunden, daß
fie unter Umftänden ein Gewicht zu heben vermögen, daS mehrere taujendmal das des
Körpers, ohne Schale, übertrifft. Übrigens zerfällt ein Schließmusfel wohl in zwei
Hälften von verjchtedener Wirkfamfeit, die eine ausdauernder als die andere, die dafür
die höheren Ausschläge ergibt. |
Noch fehlt uns der wejentlichite Unterjchied der Mufcheln jowwohl von den Sfapho-
poden wie Öaftropoden. Er liegt in der Nahrung. Die freie, felbitändige Nahrungsaufnahme
fehlt ihnen. Allerdings könnte man da die bejchalten Pteropoden heranziehen, die auch nur
planftonifche Nahrung in den Mund frudeln; doch nehmenfie dDiefe wenigitens aus offenem
Wafier, jo daß jelbjt noch die Bildung eines beweglichen Rüffels möglich war. Auch das
fällt noch weg bei den Mujcheln, da fie jich auf das bejchränfen, was mit dem Atemmafjer
am Hinterende hereingeftrudelt wird. Die Entftehung diejer Eigenart ift jebt aufgeklärt.
Nucula, bei der die Kieme weit hinten Yiegt und eine Feine Oberfläche darbietet, fann als
Beilpiel gelten fir jehr jtark entwicelte Mundlappen, die man früher für Sttemen hielt.
Shre Bafis erjtredt jich fait in der ganzen Länge der Fußmwurzel, und fie verlängern fich
Hinten noch in einen rinnenförmig ausgehöhlten, freien Anhang, der aus der Schale vor-
geftreckt werden fann md wahrjcheinlich bei der Zufuhr der Nahrung beteiligt ift. Golches
512 Weichtiere: Mujceln.
ift duch Drew ficher feitgejtellt worden bei einer ebenjo primitiven Verwandten, Yoldıa
limatula Möll., die, wie alle Mitglieder der Nuculiden, ebenfalls jehr große Mundlappen mit
Anhang befibt. Durch die Wimperbewegung in der Rinne diejes frei zwijchen den Schalen-
Happen vortretenden Anhanges wird Schlamm, vermijcht mit Nahrungspartifelchen, zwijchen
den Mundlappen hindurch dem Munde zugeführt. MS mit der Ausdehnung der Kiemen,
auf die toir gleich zurückkommen, der zum Atmen nötige Wimperjtrom die mifrojtopiiche
Nahrung bi3 in die Nähe des Munde3 hereinbrachte, wurden die Anhänge überflüjlig:
die Tentafel haben dann nur noch die Bedeutung, vorn durch ihr Zufammenftoßen eine
Art Oberlippe zu bilden, unter der ich die Nahrung ftaut, während der Wimperjtrom in
entgegengejeßter Richtung oben, entlang der Zußtwurzel, das Waljer wieder ans Hinterende
herausführt. Der Mund macht nicht einmal mehr Schluefbewegungen, auch in ihn tritt
ein ununterbrochener Wafjerjtrom mit der Nahrung
ein, der den Darm gleichmäßig durchjpült. Damit
wird die aftive Tätigkeit der Mundlappen, die jich
im Auzftreden und Schlammijuchen äußert, ütber-
flüffig, ebenjo Kiefer, Nadula, Schlundfopf und
Speicheldrüfen, von denen faum noch einzelne,
unfichere Spuren vorhanden find. YWugen, bei der
Larve hier und da nachgewiejen, nügen im Schlamm
michts und fchrwinden. Sturz, jebt fan von einem
- Kopf nicht mehr die Rede fein; die Mujcheln ier-
den Acephala, Kopflofe, wie die Klafje ebenfalls
Yoldia Imatula DR, mittels Sappenaupangg genannt imurde.
Dchzung gufaeinenb. Alan Dr eu. netz Sippanct Damit hängt weiter die fehlende Stonzentra-
tentafel, pap Anhänge der Mundlappen, is Einftrö- > 4 r
mungse, ss Ausftömungsfippe. Aus M. Lang, tion des Nerveniyftems zufammen, das wir an der
„Lehrbuch der ee Tiere”, Enten oder Teichmufchel weiter verfolgen fönnen
(Abb., ©. 513). Ein Ganglienpaar (1) liegt neben
und etwas Hinter dem Munde, ein zweites (2) tief im Fuße. Die die beiden Nervenmaljen
berbindenden Stränge umfafjen den Schlund, nicht weniger diejenigen, die das erjte mit
dem dritten, obgleich weit Davon entfernt befindlichen Paare (3) unter dem hinteren Schließ-
musfel in Verbindung jegen. &3 bedarf gar feines großen vergleichend-anatomischen Scharf-
blies, um in dem fonzentrierten, in der Regel auch aus drei Raaren Ganglien beftehenden
Schlundringe der Schneden dieje Teile des Mufchel-Nervenfyitems wiederzuerfennen. Hier
und da bedeuten noch weitere, aber immer nur mäßige Öltederungen Nejte der verjchievenen
Nervenfnoten, die bei den Schneden außer Cerebrals, Pedal- und Biszeralganglien vor-
fommen; jo fan die Kommiffur, die vom Hirn nach den Fußganglien hinabläuft, oben in zwei
Stränge gejpalten fein; dan ift offenbar der hintere Abjchnitt des Cerebralganglions, von
dem der zweite Strang ausgeht, das Pleuralganglion, und dergleichen mehr. Bon Siunes-
werfzeugen find namentlich die Ohrblafen gut entwicelt, fo weit die Tiere beweglich jind, bei
jeßhaften verjchtwinden fie. Se freier die Bewegung, um jo mehr werden die Sinnesorgane
differenziert; Tafter treten nicht nur an der Einfuhröffnung als Wächter gegen das Einpringen
jtörender Fremdkörper auf, jondern vings am Manteltand, felbft oft von beträchtficher Länge,
bisweilen jelbit mwohlenttwidelte Augen dazwifchen in großer Zahl, wenn auch nicht in den
tiefenmengen tie bei manchen Käferfchneden. Endlich eine Geruchzleifte, ein Dsphradium,
in der Nähe des Atemrohrs oder Einfuhrfiphos, zur chemifchen Prüfung des Atemtajjers.
Allgemeines. 913
Gedenken wir nochmals der Nahrung, fo fällt bei vielen Mufcheln an’ dem vorderen
Abjehnitt des langen Darmes eine Erweiterung auf, meift in Geftalt eines Blindfads, mit
einem jchlanfen fegelförmigen Körper darin, dem Kriftalfftiel, den wir auch von einigen
Borderfiemern Hätten nennen fünnen. Doch ift er bei den Mufcheln viel weiter verbreitet.
Meijt ift er weich, Halb gallertig, und befteht aus fonzentrifchen Schichten von erhärtetem
Schleim und Nahrungspartifeln, z.B. Diatomeen, zugleich mit einem Verdauungsferment.
&3 ijt eine Ablagerung in Zeiten des Überfluffes und nimmt ab oder fchtoindet in Zeiten der
Not, die ja bei Tieren, welche nicht eigentlich ihrer Nahrung nachgehen, leicht eintreten.
Bir erwähnten vorhin die feßhaften Mufchefn.
Alle jind ja, mit wenigen Ausnahmen, äußerft
träge, und die, welche etwa im Gejtein oder Holz
bohren, verlafjen ihr Rohr niemals wieder. True a--...|..,
dem beiegen jie den ganzen Störper, fchon um zu
bohren, und das weitere Eindringen ift eine Art
von Lofomotion. Demgegenüber ftehen die, welche
mit der Schale feitwachjen oder Jich mit dem Byfjus
beranfern. Hier haben wir echte Geßhaftigfeit,
berurjacht Durch das Beitreben, außer dem Schlid g---\
auch) den Feljengrund, foweit er zum Bohren zu
hart war, ald Wohnftätte auszunugen. Daß mir
darin nur einen jehmpdären Vorgang erbliden
dürfen, ergibt ji) aus der Ernährung. Much die
jeßhaften verzichten auf freie Nahrungsaufnahme
und holen den Bedarf mit dem Ntemwajjer an
dem dem Munde entgegengejeßten Ende herein.
Beim BHyjjus ijt die Anheftung unter Umjtänden
nur für eine gewijje Zeitdauer berechnet und famn geroenspftem und andere Organe ber En-
wieder gelöft werden. Die Byfjusdrüje entjpricht tenmufhel. 1 Hirn= oder Gerebralganglien, 2 Zuß-
2 E “ oder Pedalganglien, 3 Eingeweide- oder Biszeralgan-
wohl der hinteren Zußdrüfe vieler Brojobrandjier; gtien. & Fuß, e Riemen, £ After, g Mantel, h der
fie befteht aus einer Anzahl von Drüfenjchläuchen 5,y Sejstegts, und Sarnteiterffnng. (u 5.512)
in fiederartiger Anordnung. ever Schlaud) lie- |
fert einen zähen Faden; die Fäden münden in eine Ninne, die auf der unteren Mittellinie
des Fußes nad) vorn verläuft, bis zu feiner Spige. Der Fuß drüdt die hier gebildeten
Füpen fejt. Gelegentlich Fan der ganze Byjjus abgeworfen und erneuert werden. Su
einfachiter Ausbildung ift er nur eine Schleimabjonderung, die bei der Bewegung gebraucht
wird, bei Cyclas Drug. Hier erfolgt die Fortbewegung [pannerartig, wie bei einem Blutegel.
Das hintere Tußende jeßt fich mit dem Schleimbyfjus feit, der Fuß ftredt fich und jaugt fi)
mit der Spiße an, dann Löft fich der BYyfjus und die Sohle verfürzt fich, es folgt abermaliges
Sejtjegen mit neuem Schleimbyffus ufw. Dieje eigenartige Bewegung fommmt freilich nur
bei Feineren und Heinften Zormen vor, und jelbit unter unjeren Kugelmufcheln fcheint Die
größte Art nicht mehr Dazu befähigt, während die Heinen an Wafjerpflanzen umberklettern
und jelbit am Wajjerjpiegel einherjchreiten, wenn diefer Balten hat, d.h. wenn ein unjicht-
bares Schleimband von einer Schnede Darauf fiegt. Jm Grunde genommen verfährt unjere
Wandermufchel nicht anders, nur daß die Baufen zwijchen den Schritten auf ein halbes Jahr
verlängert werden. Wenn der Winter naht, Löft jich der Byijus, und die Mufchel jucht in
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 33
514 Beichtiere: Mujcheln.
der Tiefe der Flüffe Schuß; nachdem die Eisdede gejchwunden, jteigt jte wieder entpor und
veranfert fich von neuem, um nad) dem nächiten halben Sahre das Spiel zu wiederholen.
Bon der Wirfung der Wimper- oder Flimmerhaare, um darauf nochmals zurüczu-
fommen, überzeugt man jich durch einen einfachen Berfuch. Man lalje jich eine unjerer
Mufcheln in einer niit Sand und einer einige Finger Hohen Wafjerjchicht gefüllten Schüifel
ruhig eingraben und jtreue dann, nachdem jie jich feitgejegt hat, ein nicht zu Boden jinfen-
des Pulver in die Nähe ihres emporragenden Hinterteiles. ES werden jofort jchon vorher
bemerfbare Strudel und Strömungen jichtbar. Die Pulverteilchen verjchwinden unter-
halb des Afterschlibes, und aus diefem Mantelichlike, in den der Maftdarın mündet, fommeın
lie nach einiger Zeit mit einer jtarfen Strömung wieder zum Vorjchein. Die ganze innere
Mantelfläche, die gejamte Oberfläche der Kiemen und der Lippententafel find mit lebhaft
tätigen Flimmerhaaren bejett, durch welche ununterbrochene Strömungen unterhalten
werden, die den Kiemen neues Wafjer und mit diefem dem Munde Nahrung zuführen.
Das Berbrauchte und Unbrauchbare aber ftoßen die in entgegengejeßter Richtung wirfen-
den Wimperfelder durch die obere Röhre oder durch den oberen Schliß iwieder aus. Bei
denjenigen Mujcheln, die, wie unjere Teich- und FZlußmujcheln, ihre Eier bis zum Ausichlüpfen
der Jungen in den Kiemen tragen, wird der Transport der Eier und die Befruchtung ebeit-
fall8 durch dieje Strömungen vermittelt. Welche Kraft der Wimperbewegung innemwohnt,
zeigt ein Manteljtüd, da3 man aus einer lebensfrifchen Mufchel herausschneidet; es wird
auf der Unterlage fortgefchoben und felbft wohl auf jchräger Fläche nach oben geführt. Dak
übrigens der Waljerwechjel innerhalb der Schale nicht allein durch die Flımmerorgane be-
wirft wird, davon Fann man jich Durch Turze Beobachtung überzeugen. Ohne jede äußere
Beranlajjung Happt die Mufchel von Zeit zu Zeit plößlich die Schale zu, wodurd) natürlich
auch ein gewaltjames Abjtrömen des zwijchen den Mantel- und Kiemenblättern enthaltenen
Wafiers erfolgt. Das Dffnen der Schale gefchieht darauf langjanı.
Der Wafjermechjel hat urjprünglich die Mmung zum Zwed. Die ihr dienenden
Kiemen zeigen eine jehr verjchtedene Ausbildung, die Peljeneer bejonders genau verfolgt
hat. Im einfachiten Falle, bei ven Brotobranchien oder Mrfiemern, liegt Hinten rechts
und Iinf3 zwiichen Körper und’ Mantel eine gefiederte Kieme wie die Fahıre einer Feder.
Bei allen übrigen jind die beiden Hälften der Zahne parallel nad) Hinten gerichtet, die ein-
zelnen Fäden find verlängert und zurüdgefchlagen, die äußeren nach dem Mantel zu, die
inneren nach der Medianebene, jo daß nunmehr jeder Kiemenfaden aus einem ab- und
einem aufjteigenden Schenfel beiteht. Bei ven Filibranchien oder Fadenfiemern be-
fejtigen fich die benachbarten Fäden durd) ftarfe ineinandergreifende Wintpern. Daraus ent-
jtehen bindegewebige Vereinigungen bei den PBjeudolamellibrandien oder unechten
Dlattfiemern; und wenn diefe auch noch Hohl und von Blut durcchfloffen werden, tie
die Kiemenfäven jelber, dann haben wir die regelrechte Sieme der Eulamellibrandien
oder echten Blattfiemer, d.h. der meiften Mujcheln, aljo jederjeit3 zwei Blätter, jedes
mit einem Hohlraum zwijchen den auf- und abjteigenden Schenfeln und jedes mit zierlich
durchbrochener Sunen- und Außenlamelle. Eine weitere Umbildung findet am Hinterende
jtatt, too die Stiemen iiber das Ende des Jußes hinausragen. Hier verjchmelzen die beiden
oberen Längsachjen, von denen die Fäden ausgehen, von rechts und Yinf3 miteinander,
ebenjo findet jederjeits eine feitliche Verbindung mit dem Mantel ftatt, Furz, der Mantel-
taum hinter dem Fuß wird durch eine Duerjcheidewand in einen oberen Raum, die Kloafe,
und in einen unteren, den eigentlichen Atemraum, zerlegt; jene öffnet fich durch den
Allgemeines. 915
Ausfuhr-, diefer durch den Einfuhrfipho nad) außen. Hier und da fommen Berkrüummungen
eines Kiemenblattes vor; am ftärkften werden fie bei ven Septibrandhien oder Kiemein-
lojen der Tiefjee, bei denen alle eigentlichen Atemflächen, die urjprünglichen Siemenfäden,
berjchtwinden und nur eine durchlöcherte Duerfcheidewand, eben das Septum, zurüdbleibt.
Die Atmung wird hier von der Mantelfläche geleitet.
. Die Kiemen erheijchen einen Blid auf den Blutlauf, der jehr ausgeprägt ilt, jchon
der Fußjehwellung wegen, die er bejorgt. Dieje macht wohl weiter feine Schwierigkeiten.
Die ftarfe vordere Pulsader treibt das Blut in den Fuß, während die abführende Vene
durch Musfeldrud verjchloffen wird; jo muß der Fuß jchwellen, unjerer Fingerjpibe ähnlich,
wenn toir durch ftarfes Umtviceln mit einem Faden den Rücdfluß des Venenblutes hindern.
Daß der Mantel genügende Bluträume Haben muß, um das aus dem zufammengezogenen
Fuß zurüchttömende Blut aufzunehmen, ift die nächte Folgerung. Überrafchend ift wohl
die Tatfache, daß die Herzfammer, ähnlich und aus denjelben Gründen wie bei altertüm-
lihen PBrofobrancdhien, vom Enddarm durchbohrt ift. Man hat fich vorzuftellen, daß ur-
jprünglich zwei getrennte Herzen am Rüden an beiden Geiten de3 Enddarm3 einander
gegenüberlagen, minveftens im Embryo. Aus der Kieme floß jederjeit3 das Blut in Die
Borlammer und von diejer in die Kammer. Beide Kammern dehnten fich nun gegenein-
ander aus und verichmolgen zu einer. Daß fie dabei den Enddarm umfaßten, nimmt nun
nicht mehr wunder. Der Herzbeutel hat jederjeits feine Berbindung mit der Niere, Die
nach verwiceltem Verlauf feitlich nac) außen mündet, meift dicht neben der Gejchlechts-
Öffnung oder diefe fchon vorher aufnehmend. Eigentümlicherweife Hat der Herzbeutel oft
drüfige Wände, fo daß die Ausfcheivungen von Nierenproduften bereits hier beginnen.
Bei den Kiemen find wir auf eine merkwürdige Eigenjchaft geitoßen, die der Ber-
flebung und Verwachjung benachbarter Körperteile, hier der einzelnen Kiemenfäden zum
Kiemenblatt, der Kiemenachjen zur Scheidewand. Cie beftätigt fich vielfach und am deut-
lichften am Mantel. Cine Mufchel, die fich tief in den Schlamm gräbt, ift gezwungen, ihre
hinteren Mantelränder immer mehr in die Länge zu jtreden, damit beive Ausfchnitte bis
ing freie Wafjer reichen. Das führt zur Berwachjung der Mantelränder, wir erhalten ein ge-
iondertes Aloafen- und ein Atemrohr. Beide können wieder zu einem einzigen Gebilde
berichmelzen, natürlich mit doppelter Durcchbohrung. Das Siphonaltohr fann fic) jo
verlängern, daß e3 nur zum geringften Teile noch in die dann Hinten Haffende Schale ge-
borgen werden fann, wohl aber oft mit Kalf- und Condin-Abjcheidung fortfährt, wie der
Mantel unter der Schale, von dem es ausgeht. Chenjo önnen aber die Mantelränder auch
noch weiter nach born vertwachfen, jo daß nur noch vorn eine Öffnung bleibt für den Aus-
tritt des Fußes, fo weit er nicht, bei den feijilen Sormen, verfiimmert.
Ein großer Teil all der gejchilderten Errungenfchaften findet in der Schale jenen
Ausdrud. Fr müfjen toie noch unfere Aufmerfjamfeit zuwenden. Jhre allgemeine Grund-
lage ift wohl diefelbe twie bei den Schneden, doch ohne die fcharfe Trennung der Schich-
ten. Das Perioftrafum greift oft in die darunterliegende Brismenjchicht, ja noc) in die
äußere oder innere Berimutterjchicht ein, die wieder ebenjogut von einer frijtallinen Prismen-
jehieht oder einer Hyalinen Kalklage dDurchjegt und unterlagert werden fünnen. Die ganze
Dberfläche des Mantels, nicht bloß der Rand, it hier zu fortdauernder Abjcheivung der
berichiedenen Bejtandteile befähigt, jo daß aucd, Schäden, die fern vom Mantelrand in
Wirbelhöhe Tiegen, nachträglich wieder völlig ausgeglichen werden können. Die Musfeln
jegen jich an die Prismenfchicht an. Die Schliegmusfeln Tennen wir bereit; fie Hinterlafjen
33*
516 i Weichtiere: Mujcheln.
ihre Cindrücde. Man findet indes noch manche ähnliche, aber Kleinere Stellen, näher dem
Ligament. Hier entjpringen die Muskeln, die den Zu zurücdziehen. Cnölich ijt aber der
ganze Mantelrand rücziehbar. Zn der Ruhe ragt er meift Über den Schalentand etwas
hintweg, beim Schalenfchluß muß er zuerjt eingezogen twerden. Wir finden aljo eine Be-
feftigungslinie in einiger Entfernung vom Schalenrand und diejem parallel, in Wahrheit
die Ursprumgslinie ungezählter Musfelfafern und -bündel, die von hier in ven freien Mantel-
rand ausftrahlen. Dieje Linie verläuft bei denen, die Giphonen enttwidelt Haben, aljo tiefer
graben, hinten nicht mehr dem Schalenrand parallel, fondern bildet einen Ausjchnitt, Die
Mantelbucht; denn es muß Plab gefchaffen werden für die Verlängerungen, mögen aud)
die Siphonen oft nicht mehr völlig in der Schale Plat Haben. An der Schale, die ja dem
Paläontologen den einzigen Anhalt bietet, Fann man aljo durch genaue Betrachtung der
Linien mancherlei unterfcheiden, die Mono- und die Dimyarier (vgl. ©. 511), mit einem oder
zivei Musfeleindrücen, und die \sntegri-
und Sinupalliaten, jolche mit fortlaufen-
der Mantellinie, d. h. ohne Siphonen, und
jolche mit Mantelbucht und Siphonen. Bei
den legteren fan man auf den exjten Blid
das Vorderende erkennen, bei den „Jutegri-
palfiaten Dagegen fchwer. Bei diejen richtet
man fich nach ven Schalenwirbeln oder Um-
bonen, den Stellen, um die fich das Wachstum
derStlappeninfonzentrifchenLinien gruppiert.
Sie liegen in der Negel vor dem Ligament.
2inte Schhalenhälfte von Cytherea maculata L., DBehufs jejterer Verbindung der beiden
a ah lappen finden fich bei ben meiften Dufcjein
eindrüde, n Dantelbucht. am oberen oder Schloßrande zahn- over lei-
Itenartige Vorjprünge entiwidelt, fogenannte
Zähne, die in entjprechende Vertiefungen der anderen Slappe, Zahngruben, eingreifen und
jo eine fejte Angel heritellen, die eine jeitliche Berjchiebung der beiden Stlappen erjchiwert oder
unmöglich macht. Die ganze Einrichtung wird al3 Schloß bezeichnet. Wir wollen wenigitens
die Hauptformen, nach denen Neumayr die Mujcheln einteilen wollte, uns anjehen. Dyjo-
oont ift das zahnlofe Schloß. Das tarodonte feßt fich aus einer Reihe gleicher, quergeitell-
ter Eindrüde zufammen. Das heterodonte Schloß hat eine Anzahl verjchtevener Zähne,
meilt jtarfe und Furze Hauptzähne unter den Wirbeln, dahinter langgeftrecte, leijtenförmige
©eitenzähne; jelbjtverjtändlich bedingt die Gegenüberftellung von Zahn und Zahngrube eine
gemilje Ajypmmetrie der beiden Stlappen, die fonft nicht in der Natur der Mufcheln Yiegt.
Dei den Sodonten find Haupt- und Geitenzähne viel weniger verjchieden. Das fchizodonte
Schloß hat in der Iinfen Klappe einen ftarfen dreiecdigen Zahn, der von zwei geraden, unter.
Iharfen Winkel gejtellten Zähnen umfaßt wird. Beim desmodonten oder Bandjchloß end-
lich Schlägt fich der obere Rand jeder Klappe nach innen um und bildet einen löffelartigen
Borjprung. Die beiden Löffel ftehen fich mit ihren hohlen Seiten gegenüber, und zwifchen
ihnen jpannt fich das Band aus.
Biel ftärfer ift die Aiymmetrie bei ven Mujcheln mit ungleichflappiger Schale. ©ie
liegen immer auf der Geite, und zwar mit der tiefer ausgehöhlten Klappe nach unten,
entweder Feitgewachfen wie die Aufter oder beweglich wie die Kammirfchel.
Urfiemer. . S 517
Bom.Bau der Mufchelfchale gilt, wie gejagt, im allgemeinen dasjelbe wie von der der
Schneden. Die jchwerjten und bunteften finden jich in der Litoralregion der Tropenfee.
syn der Tiefjee — einzelne Mujcheln gehen bis 5000 m — wird die Schale farblos.
Die Fortpflanzungsorgane endlich haben denjelben einfachen Bau wie bei den
Örabfüßern und Käferjchneden; fie beitehen aus der efchlechtsorüfe und deren Ausführungs-
weg, ohne weitere Drüjenanhänge, ohne Neiz- und Begattungsmwerkzeuge. Bei vielen ift
Hermaphroditismus nachgewwiejen. Da nicht jelten Brutpflege vorfommt, toobei die Eier
ih in den Kiemen entiwidelr, jo muß natürlich bei diefen die Befruchtung innerhalb des
Weibchens zuftande fommen. Das gejchieht, wie fchon angedeutet, dadırcch, daß der männ-
liche Same ins Waffer entleert und die Samenfäden mit dem Atemmafjer in den Einführ-
jipho Hineingeftrudelt werden. Ye länger die Brutpflege andauert, um fo ähnlicher ift Die
neugeborene Mufchel der alten. Unjere großen Süßiwafjermufcheln machen exit eine auf-
fallende Verwandlung dur. Zumeilt werden die Larven in der Form des Veliger aus
der Mantelhöhle ausgeitoßen, als Heine, bereit3 ziweiflappige Larven mit einem einfachen
Bimperkranz am Kopfende, dem Segel. Auffallend ift aber eine ganz abweichende Larve
. gerade bei der altertümlichiten Gattung, wie wir bald jehen werden. |
Die fyftematifche Einteilung ftößt auf viele Schwierigkeiten. Der Verfuch, fedig-
lich daS Schloß zugrunde zu legen, hat Hauptjächlich für die Baläontologen Wert, die auf
die Schalen alleit angewiejen find. Am natürlichiten find wohl die Kiemen zu gebrauchen,
weil hier am wenigiten der Berdacht gejonderter Anpajjungen vorliegt. Doch befommt man
da eine jehr ungleiche Anordnung, da die Eulamellibrandhien (©. 514) bei weiten den
Hauptteil ausmachen. Auch ilt e3 feineswegs ausgejchlofjen, daß ähnliche Kiemenformen
fich nach) mechanischen Grundjägen in verichiedenen parallelen Reihen entwicelt haben, fo
wie man etwa die Kiemen der Schneden, oder die der Filhe und Amphibien, durchaus
nicht einheitlich aus Derjelben Wurzel ableitet. Gewöhnlich richtet man fich nad) der Zahl
der Schliegmusfeln (vgl. ©. 511). Aber hier hat man vermutlich ebenjo mit unnatürlichen
Zujammenftellungen zu fämpfen, denn nach der oben gegebenen mechanischen Ableitung
liegt e3 nahe genug, daß ganz verjchiedene Dimdarier durch Anpafjung an äußere Ber-
hältnifje zu Monompariern werden fonnten. Wir verzichten daher am beiten auf eine
peinliche Syjtematik und folgen im allgemeinen der von Peljeneer aufgeitellten, auf ©. 514
bereits bejprochenen, die Bildung der Kliemen zugrunde legenden Anordnung.
Erfte Ordnung:
Urfiemer (Protobranchia).
Durch wichtige Merkmale, auch außer den auf ©. 514 befchriebenen Kiemen, zeichnen
jich die Protobranchia als altertümlichite Mufcheln aus, und doch ind fie in anderer Hinficht
jchon wieder weit umgewandelt, die Heine Nußmujchel Nucula Zam. und mit länglicher Schale
Yoldia Möll., ver Fuß mit flacher Sohle (f. ©. 510), das Schloß tarodont (f. ©. 516), aber der
Mantel mit langen Siphonen, aljo finupalliat. Ein ganz primitiver Charakter, unter ven
Mollusfen ganz vereinzelt, ijt die offene Berbindung der Hörblajen Durch je einen engen,
ziemlich langen Kanal mit der Außenwelt, ein Reit der Entitehung, da ja eine Statozyfte
im Embryo aus einer Einftülpung der Haut hervorgeht. Won der überaus einfachen Er-
nährung haben wir gejprochen (©. 512). 3 unterliegt feinem Zweifel, daß wir hier die
Urformen vor uns haben, jelbftverftändlich nicht ohne moderne Anpaffungen. Nachträgfich
518 Weichtiere: Mufcheln.
erworben find die Siphonen, altertümlich die Kiemen, die Striechjohle, die Ernährung,
die offene Statozyfte, dazu die Ontogenie. Denn die Entwidelung bon Yoldia, die wir
durch Drew Tennenlernten, ift jehr abweichend; an Stelle de3 Beliger eine zylinprijche
Zarve mit drei Wimperringen, wie wir fie ähnlich fchon bei Amphineuren, Sfaphopoden
. und teropo-
| den vorfanden;
Die Ringe jte-
| hen auf großen
Epithelzellen,
die nachher ab-
geivorfen mer-
den. Bei Nu-
cula ijt Dieje
altertünliche
BEE ER INEN T N A en Bis, Larvenform
Zarve von Yoldia limatula Möll., 45 Stunden alt. Nad) Drew. ae Cilien der Schettelplatte, durch Brutpfle-
bl Blaftoporus, x Einjenfung, wo die Zellen, welde in ber Tiefe die Anlage des Cerebralganglions
bilden, an die Oberflähe reihen. Aug A.Lang, „Lehrbud der vergl. Anatomie der wirdellofen Tiere”, ge bermifcht EI
2. Aufl., 1. Lief., Sena 1900.
Wie die Ditjee
im Quartär eine Litorina-Zeit hatte (©. 435), in der von der Nordjee die Üferjchneden
bordrangen, jo Hatte jie auch ihre Yoldia-geit; die Fälteliebende Mufchel war durch eine
nordöjtlihe Meeresperbindung vom Weißen Meere zugemandert.
Zweite Drdnung:
adenfiemer (Filibranchia).
Die Ichizodonte Dreiedmujchel, Trigonia Brug., fünnte man ohne weiteres an die
Urkiemer anfchliegen, wenn fie nicht filibrand) (vgl. ©. 514) wäre, aljo einen Fortjchritt in
der Ktemenbildung gemacht hätte. Die Kriechjohle
it noch ebenjo vorhanden, wie bei den Urfiemern.
Das Altertümliche wird hier am Elariten aus Der
zeitlichen Verbreitung. Die Gattung ijt ven Baläon-
tologen mwohlbefannt wegen ihrer reichen Enttvide-
lung in unjeren mejozoiichen Ablagerungen Trias,
Sura, Kreide, und es gehörte zu den größten lÜlber-
tajchungen, al3 man lebende Nachfommen auffand,
und zwar im fernjten Erdenmwinfel, bei Neujeeland.
Die übrigen Filibranchien gehen recht verjchie-
dene Wege. Die länglich-edige gemeine Archen-
et eG ee mujchel, Arca noae ZL., und Die tumbliche Samt-
m Cltegmustel, n Loc) für den Byffus. mujchel, Pectunculus pilosus Z., mit haarigem
PVeriojtrafum, find lebhaft beweglich und Friechend,
tarodont und zweimusfelig. Ganz anders die übrigen, die fich mit dem Byffus feitfeben
und das Schloß vorlagern, fie werden zu Mono- md Heterompariern. Die Sattelmujcel,
Anomia ephippium Z., heftet fich unter allerlei Abänderungen an. Der furze Byifus ver-
falkt, jo daß er wie ein aus einzelnen Säulchen zujammengejeßtes Kinöchelchen erjcheint.
Fadenfiemer. 519
Sobald die Befeftigung in der Jugend gejchehen ift, Yegt fich die Schale auf die rechte Seite und
mächft in der Weife weiter, daß der untere Rand fich dem Knöchelchen beitändig anjchmiegt,
jo daß e3 fchlieglich aus einem Zoch der Schale zu fommen jeheint. Bon dem im allgemeinen
Iheibenförmigen Gehäufe fan man gleichwohl eine bejtimmte Geftalt nicht angeben, indem
die untere jehr dünne Schale jich in ihrer Form ganz nach den fremden Körpern richtet, auf
denen fie aufliegt, ohne mit ihnen zu verwachjen. Sie fann daher ganz flach oder im Ziekzar
gebogen oder auch bogenförmig fein. Die obere Schale ift dicker und gemwölbter, wiederholt
aber ebenfalls alfe Unebenheiten des Körpers, auf dem das Tier auffißt. Diefem flachen Ge-
häufe entjprechenD ift das Tier jehr flachgedrüdt. Unfere Abbildung auf ©.518 zeigt die rechte,
nad) unten gemenpete ©eite, jo daß wir aljo nach Hinwegnahme der Schale auf die Mantel-
fläche bliden. Bejonders die Ränder find jehr dünn und mit einer Reihe feiner Fühlfäden
bejeßt. Der Fuß ijt jo weit verkleinert, daß er nur noch einen mit dem BHfjus verbundenen
Muskel darftellt. Wird das Tier geftört, fo zieht fich diefer Musfel zufammen, die Schale
wird gejchloffen und feit an die Unterlage angedrückt, deren Dberflächentelief fich auf das
Gehäuje überträgt. Die Cattelmufchel fehlt nirgends in den europäischen Meeren, jomweit
diejelben einen gewöhnlichen Salzgehalt haben; ihre Standregion ftimmt mit derjenigen
ver Aufter überein, nur daß fie auch oberhalb des Ebbejtriches vorfommen dürfte.
Dei der nächjtvermandten pazifischen Kuchenmujchel, Placuna placenta L., ijt. die
Schale ganz flach, Freiscund und fo Durchicheinend, daß fie gelegentlich al3 Fenfterjcheibe ver-
wandt wurde. Getrocdnet läßt fie jich zu einem weißen, glänzenden Pulver aufblättern, das
die Chinejen wohl aß Farbe benuben, um den jilberglängenden Baud) eines Filches zu malen.
Die Zamilie der Miesmujcheln (Mytilidae) enthält Sippen, die jowohl. wegen
ihres eigeniümlichen Baues und ihrer Yebensweife, al3 wegen ihres großen Nubens unjere
‚volle Yufmerffamtfeit verdienen. Die mit ftarfem Berioftrafum bekleidete Mujchel ift gleich-
ichalig, das Schloß zahıılos oder mit faum merflichen Zähnchen ausgeitattet. Der Eindrud
des vorderen Schliegmusfel3 ift Hein. Hinten bildet der Mantel eine bejondere Offnung
für den After und darunter eine furze, am Rande gefranfte Atemröhre. Die Mundlappen
ind Schmal und zufammengefaltet. Zu diefen fchon recht charafteriftiichen Kennzeichen fommt
aber noch die auffallende Bejchaffenheit des Fußes und das Vorhandenfein einer bejonders
entiwidelten Spinn- oder Byjjusprüfe, welche Einrichtungen mit der fihenden Lebensmweije
diefer Tiere zufammenhängen. Wir wollen diefe Einrichtungen, den fingerfürmigen Fuß
und den Bart bei der Ehbaren Miesmujchel, Mytilus edulis Z., unferer Meere näher
fenmenlernen (j. Tafel bei ©. 533). Was die Gattung an jich betrifft, jo ift daS Gehäufe
leicht daran zu erkennen, dak die Wirbel fpißig find und ganz am vorderen jpiben Winkel
der beinahe dreiecigen Schalenhälften jiten. Die lange Seite der Schale ift die Baud)-
jeite. Sn der Abbildung auf ©. 520 Haben wir eine durch) Hinwegnahme der linfen
Schalenhälfte und Zurücjchlagen der Yinfen Mantelhälfte geöffnete eßbare Miesmujchel:
a ijt ver Mantelcand. Zu beiden Geiten des Mundes (f) befinden fich die beiden länglichen,
ichmalen Lippententafel (8); j ift daS äußere, i das innere Kiemenblatt, h die Srnenfläche
de3 Durch) das Eindringen der Gejchlechtsprüfe verdicten Mantels, e und d find die Mus-
fen, Die zum Zurücdziehen des Fußes dienen. Lebterer (b) ijt fingerfürmig, und man
fieht e8 fchon feiner geringen Größe an, daß er nicht wohl als Fortbewegungsorgan zu be-
nuben ijt. Unter und Hinter vem Grunde des fingerfürmigen Tußfortjabes oder „Spinners“
liegt die Byffusdrüfe, von deren Höhle aus auf der Mitte der Hinterjeite des Fuße?
520 Weichtiere: Mufheln.
eine Längsfurche verläuft, die unten in der Nähe der Spige in einer furzen umd tiefen
Duerfurche endigt. Ar diejer fiegt eine hHalbmondförmige Platte, auf deren vorderem fon-
faven Rande fieben Offnungen ftehen. Beginnt das Tier zu fpinnen, fo legt e3 zuerit die
eben erwähnte Spinnplatte an die Byjjusprüfe, und beim Zurücziehen wird der Stlebitoff
zu einem Faden ausgezogen, der in die offene Furche des Fingers zu fiegen fonımt. Ver-
mittels der Spinnplatte wird dann das Vorderende des noch weichen Fadens in Yorm
eine3 Heinen Scheibchens an irgendeinen Körper angedrüdt. Die Gejamtheit aller diejer
Fäden bildet den Bart (ce) oder Byffus (f. Farbtafel „Seemujcheln”, bei ©. 533).
Wer Gelegenheit gehabt hat, Miesmujcheln von ihrem Wohnorte abzureigen, wird über
die Feitigfeit der Bartfäven erjtaunt fein. Die jtärkite Strömung und Brandung hat ihnen
nicht3 an. Ein jehr bezeichnender Beleg da-
für ift ver Gebrauch, den man in Bideford in
Devonshire (England) von der Miesmujchel
macht. Bei diejer Stadt geht eine 24 Bogen
lange Brüde über den Torridgefluß bei jei-
ner Einmündung in den Tam. An ihr ift die
Strömung der Gezeiten jo reißend, daß fein
Mörtel daran dauert. Die Gemeinde umter-
halt daher Boote, um Miesmufcheln herbei-
zubolen, und läßt aus der Hand die Fugen
zwiichen den Baufteinen damit ausfüllen.
Die Mufchel fichert jich alsbald dagegen, von
den Gezeiten fortgetrieben zu werden, indem
fie jich durch jtarfe Fäden an das Steinwerf
anheftet, und eine Verordnung erklärt e3 für
ein Verbrechen, daS Landesverweifung zur
Zolge haben fann, wenn jemand anders als im
Beijein und mit Zuftimmung der Gemeinde-
Ss Nakleige Gröe ee bevollmächtigten diefe Nufcheln abnimmt. Die
Fäden des Bartes dienen der Miesmufchel
aber nicht bloß, um jich zu befeftigen, fondern auch, um fich an ihnen wie an feinen
Geilen fortzuziehen. Hat die Mufchel irgendwo Pla genommen, und ift fie nicht etwa
Ihon durch ihre Nachbarinnen eingeengt und teilweije überjponnen, fo zieht fie jich, wenn
ihr der Ort nicht mehr zufagt, jo nahe wie möglich an die Befeftigungsitelle des Byjjus
heran. Hierauf jchict fie einige neue Fäden nach der Richtung hin, wohin fie fich begeben
will, und wenn dieje haften, fchiebt fie ven Fuß zwijchen die alten Fäden und reißt mit
einem jchnellen Aud einen nach dem anderen ab. Sie hängt nun an den eben erit ge-
ponnenen Fäden und reißt auch diefe ab, nachdem fie fiir abermalige Befeitigung in der
angenommenen Nichtung gejorgt hat. Wie aus der obigen Mitteilung jchon hervorgeht,
jiedelt fich Mytilus edulis dort, two ftarfe Ebbe und Flut ift, in der Uferregion an, die zeit-
weije bioßgelegt wird. An vielen Stellen der zerrijfenen, norwegischen Küfte fan man
ein jchwarzes, 1-2 Fuß breites Band zur Ebbezeit über dem Wafjerjpiegel jehen, das fich
aus unzählbaren Miesmuicheln zufammenfeßt. Teilmeije ift diefes dunkle Band jchon von
dem meißlichen Gürtel der Seepocen (Balanus) überzogen. Bei unruhiger See erleichtern
diefe lebendigen Mauern ein Herausfpringen aus dem Nuderboote fehr. — Wo aber die
Sadenfiemer. 521
Gezeiten feinen großen Höhenunterfchied zeigen und auch aus anderen örtlichen Urfachen
- jiedeln fich die Miesmufcheln ettwas tiefer an, jo daß fie immer vom Waffer bedecdt bleiben.
Die Miesmufchel gedeiht am beiten in der Nordjee und in den nordeuropäijchen
Meeren. Sie gehört zu den nicht zahlreichen Mufcheln und überhaupt Geetieren, die aus
den Meeren mit normalem Salzgehalte, wie aus der Nordfee, in die mehr oder weniger
gejükten, ihre Salzgehaltes beraubten Meere und Binnenmeere, wie die Dftjee, eindringen.
Auch im Kajpiihen Meere fommt fie mit einigen anderen verfümmerten Mufcheln vor,
ohne imjtande gewejen zu fein, bei der jo langjam erfolgten VBerfüßung diejes Wafjers
lic) vollftändig und Fräftig zu afflimatifieren. C3 wird jedoch angegeben, daß fie mit einer
Herzmufchel von dort in einige Flüffe weit hinauf gedrungen ift, wo fie auch noch von
dem legten Meeresjalzbedürfnis ich Iosgemacht hätte. Ihre Vermehrung unter günftigen
Bedingungen ift erftaunfich. Meyer und Möbius erzählen, daß an einem Badefloß, das
bom 8. uni 513 14. DOftober in der Kieler Bucht gelegen hatte, alle unter Waffer befind-
lich gewejenen Teile jo dicht mit Miesmufcheln bevedt waren, daß 30000 Stüd auf 1 qm
famen. Die Schägung bleibt aber noch unter der Wirklichkeit, da fich beim Zählen ficherlich
viele jehr Feine Stüde, die zwischen den BHffusfäden der größeren hingen, der Beachtung
entzogen hatten. Sr der Kieler Bucht erreichen die Tiere in 4—5 Sahren ihre volle Größe;
am jchnellften wachen jie in den erjten 2 Zahren.
Man benust die Miesmujchel überall, wo jie gedeiht, teils als Köder, teils auch für die
Küche, und hat für diefen leßteren Bedarf an vielen Orten eine eigne Mujcheltirtichaft
und Zucht eingerichtet. Genaue Nachrichten über eine folche geregelte Miesmufschelzucht, Die
freilich Heute wegen der Ausdehnung der Marine-Anlagen teilweije nur noch Hiltorijche Be-
deutung hat, Haben uns Meyer und Möbius in ihrem Schönen Werfe über die Fauna der
Kieler Bucht gegeben. „Auf der Oberfläche der Hafenpfähle und Bretfer, der Badejchiffe,
Boote und Landungsbrüden jiedeln fich, joweit jie unter Wafjer ftehen, Miesmujcheln an,
deren junge Brut oft wie ein dichter Nafen darauf wuchert. Shre finftlichen Wohnpläbe find
die Mujchelpfähle, die Bäume, welche die Fijcher bei Ellerbef, einem alten, malerijchen
Tilcherdorfe, das Stiel gegenüber liegt, auf den zu ihren Häufern gehörenden Pläten unter
Waffer pflanzen. Zu folden Mujchelbäumen werden vorzugsweile Elfern benubt, weil jie
billiger als Eichen und Buchen find, die jedoch auch dazu dienen. Diejen Bäumen nimmt der
Sicher die Dünnften Ziveige, jchneidet die Jahreszahl in den Stamm, jpikt jie unten zu
und jebt jie mit Hilfe eines Taues und einer Gabel in die Region des lebenden oder toten
Ceegtafes auf 2—3 Faden Tiefe feit in den Grund. Das ‚Seben‘ der Mujchelbäunte ge-
Ihieht zu jeder Jahreszeit, ‚gezogen‘ werden fie aber nur im Winter, am Häufigiten auf
dem Eije, da dann die Mujcheln am beiten Schmeden und ungefährlich find. Die Nufchel-
bäume ziehen fich an beiden Geiten der Bucht dem Düfternbroofer und Ellerbefer Ufer
entlang, gleichjam wie unterjeeifche Gärten, die man nur bei ruhiger See unter dem Haren
Wafjer jehen fan. Treiben anhaltende Wejtwinde viel Wafjer aus der Bucht hinaus, jo
tagt wohl hier und da die höchite Spibe eines Baumes über den niedrigen Wafjerjpiegel
heraus. Sonjt bleiben fie immer bededt und unjichtbar. Wir Haben oft Mujchelpfähle
ziehen lajjen, um die Bewohner derjelben zu janımeln, und uns dabei an den Hantie-
rungen und Bemerfungen der Ellerbefer Fiicher ergöbt. Sie haben Ktähne von uralter Form
mit flahem Boden und jteilen Seitenwänden und rudern diejelben mit [patenfürmigen
Schaufeln. Den Stand ihrer Mujchelpfähle wiljen jie durch Merkeichen am Lande, die
lie aus der Ferne fixieren, aufzufinden. Und wenn fie über einem Baume angelommen
522 MWeichtiere: Mufcheln.
find, fo treiben fie eine Stange in den Grund, um den Kahn daran feitzubinden; dann
ichlingen fie ein Tau um einen Hafen, führen diejes unter Waljer um den Stamm Des
Mufchelbaumes herum und mwinden denjelben damit in die Höhe.“
Die Miesmufchel gedeiht aber auch an allen Stüjten des Mittelmeeres, two fie Unter-
lagen fitr ihr Gefpinft findet. So leben von den 30000 Einwohnern des jeßigen Taranto
mindejtens zwei Drittel von dem Meere und feinen Produkten. Die Hauptrolle jpielen die
beiden Miesmujchelarten, die Gemeine blaue und die Bärtige, Modiola barbata Lam.
Nicht alle Leute fönnen übrigens den Genuß der nahrhaften Miesmujcheln gleich gut
vertragen, bei manchen erzeugt derjelbe, ähnlich wie der der Krebje, eine Art Ausichlag
oder Neflelfriefel. Auch Vergiftungen zufolge des Verzehrens diefer Mujcheln jind beob-
achtet worden. Soweit die Sache aufgeklärt ift, hängt die Oiftigfeit (Erzeugung von Miytilo-
FA)
EN N)
torin?) mit dem Aufenthaltsort zufammen. Cie entjteht meift in ver Nähe der Schleufen,
die Abwäfler der Städte ind Meer bringen. Gelegentlich werden dafür auch metalliiche
Beimengungen des Seewafjers verantwortlich gemacht. ©eit bei und die Behörde darüber
wacht, daß Pfahlmufcheln von gefährlichen PBläben nicht in den Handel fommen, ift —
troß des Starken Verbrauchs der Sebtzeit — Fein tödlicher Vergiftungsfall mehr befannt-
geworden. — Die Miesmufcheln erzeugen zumeilen auch Perlen (j. ©. 537). Orimpe fand
fie Häufig bei Amrum und Sylt, bejonder3 oft in deformierten Mufcheln.
Modiola Lam. weicht von der Gattung Mytilus unmejentlic) ab. Nur die Wirbel
des Gehäufes ftehen nicht auf der vorderen Spibe felbit, jondern find jeitlich auf die
furze Seite geneigt. Die Arten find auch hier ziemlich zahlreich und fommen in allen
Meeren vor. Snterejjant find diejenigen, welche jich mit Hilfe ihres Byjjus mit einem Ge-
jpinjt oder Ne umgeben. „Eine wunderliche Hilfe”, jagt de Filippi bon einer Art, „welche
wie ein Gad die ganze Schale verbirgt, ift innen aus einem Filze grauer Fäven, außen
aus Steinchen, Schalentrümmern und ähnlichem zufammengejegt und hängt mit dem Hin-
terteil zufammen, aus dejfen Fäden fie zum Teil entftanden zu fein feheint.” Auf eine
Art von folcher Zebensweife ift Modiola lutea ‚Fischer aus der Tiefe des Golfs von
Fadenkiemer. — Unechte Blattliemer. 923
Gascogne gegründet und als bejondere Gattung Modiella Hall abgefpalten. Xırch einige
andere Feine Modiolen, al bejondere Gattung Modiolaria Beck, jcheinen nur in der Jugend
mit dem Barte ausgeitattet zu fein; fie verlieren diefen, nachdem fie fich im Snuneren bon
Manteltieren der Gattung Aseidia angefiedelt haben.
Zu diefen im Alter den Byjjus verlierenden Mytiliven gehört auch die Gattung
Lithodomus Ouv. Da3 beinahe zylindriiche Gehäufe ijt an beiden Enden abgerundet und
mit einer jehr jtarfen DOberhaut überzogen. Alle Arten leben in felbjtgemachten Xöchern
in Steinen, Korallen, auch in diden Kconchyfien. Am befannteften ift die im Mittelmeer
gemeine Steindattel, Lithodomus lithophagus Z. Cie ift eine jehr beliebte Speife,
Tommt aber, objchon fie fat überall an ven Kalffteinfüften zu finden, nie in großen Mengen
auf ven Markt, da das Herausholen aus ihren Höhlungen viel Zeit und Mühe foftet. Sie
gehört demnach zu den jogenannten bohrenden Mufcheln, objchon diefer Name, fofern
er die Tätigkeit anzeigen foll, durch welche die Steindattel in den Felfen gelangt, ein jehr
ungeeigneter it. Wir werden weiter unten jehen, daß einige Mufcheln allerdings fich ihre
Höhlungen in Holz und Etein wenigftens zum Teil ausrajpeln und bohren. Die Steindattel
hat aber hierzu gar feine Ausrüftung. Die ganze Oberfläche ver Schale, und namentlich
auch Borderende und Vorderrand, jind glatt, ohne jede Spur von Zähnchen, die allenfalls als
Najpel benust werden fünnten. Auch findet man die meilten Stüde mit völlig unverjehrter
Dberhaut, die Doch jedenfalls beim Neiben an den dem Drude am meilten ausgejekten
Stellen abgenubt werden müßte. Da man bei der Steindattel feine mechanijchen Hilfsmittel
fennt, mittel deren jie bohren fönnte, jo hat man wohl an hemilche zu denfen, und da es
immer Ralf ift, in den fie eindringt, Korallen, Weichtierjchalen, Kalffeljen, jo dürfte die von
ver Haut ausgejchtedene Kohlenjäure heranzuziehen fein, die den jchwerlösiihen Fohlen-
jauren Kalk in den leichtlösfichen doppeltfohlenjauren verwandelt, und die vermutlich
ebenjo bei denjenigen Öajtropoden mit tätig ift, die Mufchelichalen anbohren (j. ©. 446).
Eine Gejelljichaft von Gteindatteln ijt weltberühmt geworden, weil jie einen der am
meiften in die Augen ftechenden Beweife für die Theorie der Hebung und Senkung
ganzer Küftenftriche und Länder geliefert hat. An dem Haffiichen Strande von Bozzuoli
(Buteoli) unweit Neapel ragen aus den Nuinen eines Tempels drei Säulen empor. Sn
einer Höhe von 10 Fuß über dem Meeresipiegel beginnt an ihnen eine 6 Fuß breite Yone
bon Bohrlöchern der Steindatteln. Die Küfte mit dem Gerapistempel ijt mithin einmal
tief unter Wafjer getreten und hat fich jpäter, als die Steindatteln ihr Höhlwerf voll-
endet hatten, bis zur heutigen Höhe gehoben; jegl finft jie langjam wieder.
Dritte Ordnung:
Mnechte Blattfiemer (Pseudolamellibranchia).
Die drei Hauptfamilien diefer Ordnung find in ihrer Xebensweije jo verjchieden mie
nur möglih. Die Oftreiden wachfen mit der Schale feit, büßen aljo alle Beweglichkeit
ein, vie Apiculiden heften fich mit dem Byjjus an, behalten mithin wenigitens die Möglich-
feit einer bejchränften Bewegung, die Bectiniden enthalten die beweglichiten aller Mujcheln.
Man möchte aljo wenig geneigt jein, die Kamilien in einer Gruppe zu vereinen. Doch
wird diejer Einwurf jofort hinfällig durch die Tatjache, daß unter den Pectiniden die größten,
nämlich Spondylus, genau jo mit der Schale feitjigen wie die Auftern, obwohl an ihrer
nädhjiten Berwandtjchaft mit den Stcammujcheln fein Zweifel fein kann. Gemeinjam it
924 Weichtiere: Mufcheln.
allen, daß die Mantelränder nirgends miteinander veriwachien, und daß bei ihnen bloß ein
Schliegmusfel erhalten ift; fie find Monomparier.
Beginnen wir mit der Zamilie der Auftern (Ostreidae). Guftab Freytag, nebenbei
ein guter Weichtierfenner, legt in „Soll und Haben” Fink eine faunige Schilderung in den
Mund: „Sehen Gie dieje Aufter. Sch wette, es gibt zahlreiche Fifche und Erdbemwohner,
melche dies holde Gejchöpf für etwas Gemeines halten; mir erfcheint fie al3 eine der vor-
nehmjten Erfindungen der Natur. Was verlangen wir von einem VBornehmen? Die Aufter
hat alles: fie ift ruhig,
jte ift ftill, fie jißt feit auf
ihrem Orund und Boden.
Sie jchließt fich ab gegen
die Außenwelt wie fein
anderes &ejchöpf. Wenn
lie ihre Schalen zuflappt,
jo deutet fie auf das Ent-
ichtedenfte an: Sch bin
für niemand zu Haufe;
e menit fie ihr perimutter-
nes Haus öffnet, jo zeigt
fie den bevorzugten Eben
bürtigen ein zartes, ge-
fühlvolles Wejen. Wenn
der Mensch vasNecht hat,
etwas Geichaffenes zu
beneiden, fo it es Die
Aufter.” Befanntlich Hat
hierder Neid, wie jo oft, zu
intenfiver Rache geführt.
Keben der Seeperlen-
mujchel hat fein ande-
res Mufcheltier eine jolche
Aufter, durch Hinmwegnahme ber Dedeljgale geöffnet. Natürlihe Größe. bolfsmwirtichaftliche Be-
deutung, jebt jo viele
Hände in Bewegung und bringt folche Summen in Umlauf wie die Aufter (Ostrea L.).
E35 gibt Auftern in allen Meeren; die folgenden näheren Mitteilungen werden fich aber
nur auf die Öemeine Aufter, Ostrea edulis Z., der eutopäifchen Küften beziehen. Die
Stlappen find unregelmäßig und ungleich, indem die eine dider und mehr vertieft ift und
die andere tie ein bloßer Dedel dazu erfcheint. Die didere ift die Iinfe, mit der die vor-
her jhmwimmende Larve fich feitfeßt. Zu jo vielen anderen äußerlich jeyön geglätteten
Schalen bilden fie durch ihre unregelmäßig blätterige Struktur und fchilferige Oberfläche einen
rechten Gegenfaß; auch ift ihr Iuneres fehr unregelmäßig, indem fich mit Waffer gefüllte
Näume finden. Auch die Schloßgegend hat mehrere bemerfensmwerte Eigentümlichkeiten.
Die anfangs gleichen Wirbel werden mit dem zunehmenden Alter fehr ungleich, indem der-
Jeige der oberen Schale in der Entwwidelung zucitbleibt. Zähne find gar nicht vorhanden,
und das Ligament ift, wie bei manchen anderen Mufcheln, ein inneres; e3 liegt nach innen
Unecdte Blattfiemer. 525
bom Rande in zwei Gruben der Schalen, von denen gleichfall3 nur die untere erheblich
wählt. Das Klaffen ijt Dadurcd) möglich, daß die Spite des Dedels über den Unterrand
der gegenüberliegenden Grube als jeine Drehlinie hinweg in jene hineingezogen wird.
Das Dffnen der Aufter, um fie zur Tafel zu bringen, gejchieht befanntlich mittels eines
zwilchen die Schalen eingebrachten ©falpelis, das man längs der inneren, glatten Dedelfläche
bis zum Schliegmusfel (ein der Abb., ©.524) vorjchiebt, um diefenabzulöfen. Sobald er durch-
jchnitten ift, Eafft das Gehäufe, und es macht feine Schwierigkeit, das Ligament abzureißen.
Wir Haben num das Auftertier in feiner jelbitgefertigten Schüfjel liegen und miljen
uns, wenn mir nicht jchon an zweimusfeligen Mujcheln gut unterrichtet find, anfangs nur
jehr jchmwer zurechtzufinden. Sndejjen, da der Mantel (b) ganz gejpalten it und nur am
Rüden (d) die beiden Blätter ineinander übergehen, jo ift damit für die Erfenntnis von
unten und oben, vorn und hinten ein Anfang gemacht, und wir entveden beim Zurüd-
ichlagen des vorderen Zipfels (a) den tief verborgenen Mund. Der empfindliche und zu-
jammtenziehbare Mantel wird gewöhnlich fo weit zurüdgezogen, daß unter ihm die Slienen-
blätter (c) herbortreten. Eine wejentliche Abweichung der Aufter von den anderen Mujcheln
beiteht in der gänzlichen Berfümmerung des Fußes, die eintritt, jobald die jungen Tiere
Jich feitgejebt haben. Damit jteht im Zufammenhange, daß auch der oben an den Fuß fich
anjchließende Körperteil, den man den Rumpf nennen fünnte, nicht jo wie gewöhnlich zur
Entwidelung gelangt. Dies betrifft vornehmlich die Fortpflanzungsdrüfe. Ostrea gehört
zu den hermaphroditiichen Mufchen, in dem Maße, daß die die Drüje zufammenjebenden,
Eier und Samenfänchen erzeugenden Blindjäcdchen ganz durcheinander fiegen und jogar ein
und dasjelbe Drüjenjädchen halb männlich und halb weiblich jein Fan. ES jcheint jedoch, -
dag bei manchen Stücken das eine oder das andere Gejchlecht bis zu einer faft gänzlichen
Unterdrücdung des anderen vorwalten fan. Der Hermaphroditismus der europäijchen Aufter
tritt jedoch, wenigjtens nach den Beobachtungen von Möbius, nie in der Weije auf, daß zu
gleicher Zeit und im jelben Stüd Cier und Same vorhanden find, aljo eine Gelbjtbefruchtung
Itattfinden könnte, ondern erft nach der Gierträchtigfeit entwidelt fich der Same. Jr anderen
Stüden jah Möbius fi im Frühling die männliden Gejchlechtsprodufte ohne borher-
gegangene Eibildung entwideln, aljo protandrich. Die Zahl der von einer Aufter jährlich
herborgebrachten Eier ijt eine gewaltige, wenn wir ung auch nur mit einer der niedrigiten
Berechnungen begnügen. Leeumwenhoef meinte, daß eine alte Aufter 10 Millionen Junge
enthalte; ein anderer Gewährsmann, der berühmte Neapolitaner Poli, veranjchlagt jie nur
auf 1209000, eine Nachfommenjchaft, Hinreichend, um ausgewachfen 12000 Täler zu
füllen. Allein auch mit diefer Schägung find wir noch weit ab von den tatjächlichen Ber-
hältniffen. Aus dem Berichte, den Profeijor Möbius in Kiel über die Zuftände der Auftern-
produktion und Aufternzucht im Fahre 1870 dem preußifchen Minifter für die landmwirtichaft-
Yichen Angelegenheiten abjtattete, entnehmen wir, daß ältere Auftern zwar über 1 Million
unge zeugen, jüngere, dreijährige, aber viel weniger. Was aber noch wichtiger ijt: Die
Bahl der trächtigen Auftern auf den Bänfen erreicht, wenigftens an den englischen und jchles-
mwigichen Kiften, hHöchjtens 30 Prozent, oft faum 10 Prozent der Gejamtzahl.
„ngenommen”, jagt Möbius, „es laichten in einem Sommer nur 10 Prozent der
Austern einer Bank, auf welcher 100000 Austern lagern, und jede laichende Aufter brächte
nur 1000 Sunge hervor, jo produzierten die 10 Prozent Mutterauftern zufammen doch
Schon 10 Millionen Junge. Wenn alle dieje auf der Mutterbanf oder in deren Nähe Plab
nähmen, jo müßten fi) von nun an 10 Millionen Auftern in Diejelbe Menge Nahrung teilen,
526 Weichtiere: Mufcheln.
die vorher 100000 Auftern zur Verfügung ftand. Eine jede der Heinen würde zivar viel
weniger Nahrung einziehen ald eine eriwachjene, aber ihrer großen Zahl wegen’ würden
fie fich jowohl gegenfeitig, wie auch den erwachjenen Auftern eine jehr ftarfe Konfurrenz
machen, jelbjt in dem großen Meere." Die weitere Verfolgung diefer Betrachtung lehrt,
daß durch die Ernährungsperhältnifje eine ziemlich enge Grenze der Vermehrung der
Auftern auf einer gegebenen Meeresitrede bejtimmt ift, und daß bei Zunahme der Menge
der Tiere die einzelnen leiden und an Wert verlieren.
Die Entwidelung gejchieht innerhalb der Mantelhöhle
des alten Tieres, welche die ungen (j. die Abbildung)
erit dann verlajjen, wenn ihre Schale jo weit ausgebildet
ilt, daß fte jich baldigft anfitten fünnen. Schon nach einigen
Monaten follen fie wieder fortpflanzungsfähig fein, mas
wohl ftarf zu bezweifeln ift, aber exit nach einigen Sahren
erreichen jte die nach ihren Standorten und der Rafje jehr
berjchiedene volle Größe. Man wird nämlich nicht fehl-
greifen, wenn man alle an den europät-
jchen Küften lebenden Auftern, die im
Aufternhandel eine Rolle jpielen, als eine
einzige Art anjieht, mögen jie nun auf
Teljen oder auf locderen Bänfen angejie-
delt jein, groß oder Hein, dicichalig oder
vünnschalig, mehr oder weniger blätterig.
Die Anatomie der Tiere weijt feine einzige
irgendwie berücjichtigungswerte Berjchie-
denheit nach, und die angedeuteten Yb-
mweichungen jind vollitändig aus den ber-
jhiedenen Graden de3 Kalf- und ©alz-
' gehaltes der Meere, überhaupt aus den
A) und B) Larven ber Aufter (Ostrea) von verfchiedenen örtlichen Einflüffen abzuleiten.
ZLeufe, „az 1 Derinun. LEE mn me Bir Haben km Bieje Bexhällnifje, Anz
un me
repung“, VII. 8b). geographijiche Verbreitung an den
europäilchen Küften, näher ins Wuge
zu fajjen. E38 ift nicht gut möglich, die künstlich angelegten Bänfe und Zuchten dabei gänzlich
unberüchichtigt zu lafjen, obgleich wir exrft weiter unten über die in neuerer Zeit fo großes
Aufjehen machende Aufternpflege eingehender berichten wollen. Gehen wir vom Adria-
tiichen Meere aus, in vem die Aufter überall wenigftens vereinzelt, an verfchiedenen Stellen .
majjenhaft, d. h. in Bänfen lebt. Es unterliegt feinem Zweifel, daß das leßtere Verhält-
nis das natürlichere ift, objchon man von den vereinzelt angefiedelten Auftern Dircchaus
nicht das Gegenteil jagen fan. Sm äußerften, jehr flachen Wintel der Bucht von Muggia
bei Triejt jiedeln fich die Auftern auf den in den Schlamm geftedten Pfählen an, wogegen
fie auf dem jehr weichen Schlammgrunde diefer bei den Zoologen hoch in Ehren ftehenden
Dat nicht fortfommen. Seit Sahrhunderten hegt man fie auch in den Kanälen und
Dajjins des Arena in Venedig. Wir jeden das Tier alfo auf der öftfichen und der
meitlichen Ceite des großen Golfes von Venedig unter fehr verfchiedenen Bedingungen
Auftern. 827
gedeihen, Dort, bei Muggia, in einem durch Feinerlei oder nicht nennenswerten Zufluß von
füßem Wafjer gemifchten Salzmwaffer, hier in ver Lagune. Man darf jedoch nicht glauben,
dab das Arjenalwaifer, in dem die Auftern ohne befondere Pflege ihr ganzes Leben zu-
bringen, jehr bradig jei; es fteht durch die großen Mündungen des Lido in fo naher Ver-
bindung mit dem offenen Meere, daß infolge der regelmäßig eindringenden Flut fein
Galzgehalt nicht fehr Herabgedrüdt werden dürfte. Sehr jehöne große Austern Hat Dsfar
Schmidt im Beden von Gebenico von felfigem Grunde aus ungefähr 15 Faden Tiefe mit
dem Schleppnebe aufgezogen, jedoch nicht jo nahe der Slerfa, daß eine merfliche Verfükung
des Wajjers eingetreten wäre. Die Lage diejer Heinen, von den dortigen Fiichern nur
gelegentlich ausgebeuteten Bank ift aber injofern Yehrreich, alS auch fie zeigt, daß ent-
weder Zlutjtrömungen oder, wie es dort der Fall ift, unterfeeifche Strömungen, die dem
hilflofen Tiere Nahrung zuführen, zuträglich und notwendig find. Aus einer Vergleichung
der Triefter und diefer Ortlichfeit geht auch fchon hervor, daß die Aufter bei jehr ver-
ihiedenen Wohntiefen, und zwar von der mittleren Strandmarfe an bis 15 Faden, in
anderen Fällen 20 Faden und noch tiefer ihre volle Xebenstätigfeit entfalten fann, ein
phHnfiologiicher Zug, der für die praftiiche Aufternzucht von der allergrößlen Bedeutung
it. Weiter jüdlich finden jich auf der italienischen ©eite Schon im Altertum berühmte
Aufternlager in der Nähe von Brindifi (Brumdufium) und im Golfe von Tarent. Von
da zieht jich die Aufter durch den ganzen öftlichen und weltlichen Teil des Mittelmeeres,
ohne jich, wie es jcheint, mafjenhaft anzufammeln; fie it auch ins Schwarze Meer ein-
gedrungen und da und Dort einzeln an der Südfüfte der Krim angejiedelt, ein Beweis ihrer
großen Anpafjungsfähigfeit.
Natürlich beherbergt auch der mwejtliche Teil des Mittelmeeres die Auter überall da,
wo Etrömungs- und Bodenverhältnijje es geitatten, jedoch haben jich nirgends jehr be-
Deutende Bänfe gebildet. Und wie man fchon im Altertum den feit der vulfanifchen Er-
hebung des Monte Nuodo 1538 verödeten Lufriner See mit Auftern von Tarent füllte, jo
gegen Ende des 19. Sahrhunderts den Lago di Fufaro; wie dent auch zu den Zuchtverfuchen
an der füdfranzöfiichen Küfte die Aufteri aus dem Atlantiichen Meere aushelfen mußten.
Sowohl an den franzöfiichen wie an den britijchen Kitften, der Nordfee und des Atlantijchen
Dzeanz finden fich zahlreiche natürliche Aufternbänfe, und an der norwegischen Ktüfte reicht
die Aufter bis zum 65. Grade hinauf. Sie kommt im füdlichen Norwegen an manchen
Streden in foldhen Mengen vor, daß fie mit Brot und Butter als felbitverjtändlicher Nach-
tijch zu beliebigem Genujje aufgetragen wird.
Zu einem jehr verbreiteten Mißverftändnis hat der Ausdrud „Holfteinifche” oder
„Stensburger” Auftern VBeranlaffung gegeben. Diefen Namen führen die Auftern, die
borzugsweife in Norddeutichland bis Leipzig, Magdeburg und Berlin und weiter füdlich,
ferner längs der ganzen Dftfeeküfte bis Petersburg, verjandt und verzehrt werden, und deren
Heimat man gewöhnlich an die Holfteinifche Dftfeefüfte verlegt. Sm der ganzen Ditjee lebt
jest (früher war e3 ander3, wie wir jehen werden) feine Aufter. Die jogenannten Ylens-
burger Auftern ftammen alle von der Weitfüfte, der Strede von Yujum bis Tonvern
gegenüber, zroijchen den Sufeln Shit, Föhr uiw., wo tiefe Wafferrinnen den flachen Meeres-
boden durchziehen. Während der Ebbe werden meilenweite Streden de3 Bodens bloß-
gelegt, während der Zlut ragen nur jene Snjeln hervor. Man nennt diejes Gebiet die
BWatten. „Die Aufternbänfe fiegen”, wie Möbius berichtet, „an den Abhängen der tiefen
Ninntäler des Wattenmeerez, in welchen die Hauptjtröme des Zlut- und Ebbewwajjer3 mit
928 Weichtiere: Mujcheln.
einer Gefchwindigfeit von 4—6 Fuß in der Sekunde laufen, aljo ungefähr, ebenjo fchnelt,
tie der Ahein vor Bonn borbeifließt. Der Grund ift ziemlich fejt und beiteht aus Sand,
feinen, jelten größeren Steinen und Mujchelfchalen. Die meilten Bänfe haben bei Ebbe,
wenn die Watten in ihrer Nähe trodenliegen, noch I—6 Fu Wafler über fich. Tiefer als
20—30 Fuß fommen im Wattenmeere feine Aufternbänfe vor. Der Salzgehalt beträgt
etivas über 3 Prozent. Auf den beiten Bänken leben neben den Austern gewijje Tiere, von
welchen ich al3 charafteriftijch nur die Seehand (Aleyonium digitatum), den Dreifanten-
mwurm (Serpula triquetra) und den grünen ©eeigel (Parechinus miliaris) nennen till. Wo
viele Miesmujcheln (Mytilus edulis), Seepocden (Balanus erenatus) und Sandmwinrmer
(Sabellaria anglica) auftreten, da gedeihen die Auftern weniger gut, ja fie verjchiwinden, mo
diefe Tiere die Oberherrfchaft gewinnen, gänzlich.” Noch jchlimmer ift die Verfandung
und Verihlidung der Bänke, wie z.B. eine Bank nordöftlich der Snjel Amrum von Jahı
zu Jahr mehr unter dem überlaufenden Sande begraben worden tft.
Bon hohem Spnterefje ijt die natürliche Anfiedelung der Aufter im Limfjord im nörd-
lichen Sütland, die erjt vor Höchltens 100 Jahren ftattgefunden Hat, nachdent der jchmale
Uferwall, der ihn von der Nordjee getrennt hatte, jeit 1825 dauernd durchbrochen worden
und der Limfjord Dadurch ein Salgwafjerbeden geworden war. Austern hat man zuerit im
Sahre 1851 bemerkt, und zwar im Galingjund, im weitlichen Dritteile des Limfjords, in
großer Wenge und jchon völlig ausgewachlen. Shre Einwanderung als [hwimmende Brut
muß alfo jchon viel früher erfolgt jein. Sn der DOftjee befinden jich die lebten regelmäßig
ausgebeuteten Bänfe an der Snjel Läjoe im Kattegat und follen fich von Dort gegen Die
Snjel Anholt Hinziehen. Schon im Sund und in den Belten finden jich Die Bedingungen für
die Verbreitung der Auftern nicht mehr, noch weniger in der eigentlichen Dftjee. Der Haupt-
grund, warum die Aufter nicht mehr in der Ditjee fortfommt, liegt offenbar in dem zu ge-
ringen ©alzgehalte diejes wenigjtens in feinen nördlichen und öjtlichen Teilen jchon fait zu
einem jüßen Binnenjee gewordenen Gewäjjers. Da nun füdlich von Anholt gegen die Belte
zu der Galzgehalt jo weit herabjinft wie an der Güdfüfte der Krim, two, wie oben erwähnt
wurde, die Aufter verfiüimmert, jo it das Minimum von Galzgehalt, das die Aufter zum
Qeben bedarf, etwa 17 pro Mille. Am fettejten und fehmadhafteiten wird fie bei 20—30
pro Mille, daher man, abgejehen von den mittelmeerischen, auch an den Küften des
Atlantischen Ozeans und der Nordjee die beliebtejten Auftern an Stellen findet, wo der
Galzgehalt des Meeres entweder durch einen größeren Fluß, der ins offene Meer geht,
oder durch Heinere Flüffe, die fi) in eine Bucht ergieken, etwas gemildert wird: fo die
Auftern von Havre, im Cancale-Bufen, bei der Iufel Ne, bei Nochelle, an den Küften der
Grafichaft Stent, im Bereiche des Themjemwafjerz, bei Colcheiter, Dftende ufw. Daß in dem
gemilderten Waffer die Auftern felbft ich beijer befinden, foll damit nicht behauptet werden.
Die jpäteren Römer, die der Öaftronomie jo jehr Huldigten, dat eine Mißachtung derjelben
als Mangel an feiner Tebensart galt, holten fich die Auftern aus den verjchiedenjten Welt-
gegenden und jeßten fie in die Lufrinifche Bucht, die Damals wohl weniger ausgefüllt war
als jet, oder in andere, Fünftlich ausgegrabene Behälter, Deren e3 in der jpäteren Zeit viele
gab. Plintus, der fich auf joldde Dinge verjtand, erklärt die Auftern aus der offenen See
für Hein und fchlecht und Hält für gute Auftern den Zufluß von füßem Waffer für nötig.
Bir find aus der Naturgefchichte der Aufter jchon in das Auftern-Efjen und die Pflege
und Bucht der Austern hineingefommen, ein Kapitel, worüber jo unendlich viel jowoh!
ın yoifjenschaftlichen al3 in populären Werfen und Zeitfchriften gejchrieben wurde. König
Auftern und Aufternzudt. 929
„satob von England foll oft, wenn ex fich Auftern gut fcehmeden ließ, gejagt haben, e3 müfje
ein mutiger Mann gemwejen fein, der zuerft eine Aufter gegeffen habe. SKeineswegs. Zu
den Auftern und vielen anderen, auch nicht appetitlicher ausjehenden Meeresfrüchten griff
der Menjch, als er laum jchon diefen Namen verdiente und das Ausfehen des Chbaren
ihm gewiß den geringiten Kummer machte. Den Beweis, daß jhon vor Sahıtaufenden
die Aufter ein wichtiges Nahrungsmitteleinesdie Küftenbemohnenden Teiles der Ureinwohner
Europas gebildet, Tiefern die fogenannten „Küchentefte”, die in ungeheuren Anhäufungen
längs der DOftfifte Zütlands und an den dänifchen Snfefn bis zu den Eingängen der Oft-
jee hin fich befinden und von den Gelehrten mit großem Scharffinne unterfucht worden
jind. Sie geben zugleich, beiläufig gejagt, einen der ficherften Belege dafür, daß menigftens
Der ganze jüdliche Teil des Kattegats, in dem die Aufter jebt wegen de3 geringen Galz-
gehaltes nicht mehr fortfommt, damals, al3 dem Gedeihen der Aufter fehr zuträglich, viel
jalgreicher gemwejen fein muß, ein Umstand, der mit anderen zu höchft intereffanten Schlüffen
über die damalige Geftaltung Schwedens und vielleicht auch Finnlands geleitet hat. C3 gibt
vielleicht feine bejjere Skizze über den einitigen Aufternverbrauch und die Aufternzucht, als
die, welche E. v. Baer in der obigen Abhandlung gegeben, und da diefelbe in einer nur weni-
gen Lejern zugänglichen Zeitjchrift enthalten ift, nehmen wir fie auf. „Die VBerfuche, die
man neuerlich in Sranfreich gemacht hat, erichöpfte Aufternbänfe zu reinigen, oder in anderen
Gegenden den Auftern bejjere Anfabpunkte zu verichaffen, fcheinen auf viele den Eindrud
gemacht zu haben, al3 ob die Aujternpflege (jo wollen wir überhaupt die Sorge für das
Gedeihen der Auftern benennen) eine neue Kunjt wäre und eine weitere Ausbildung der
Methode der Fünftlichen Befruchtung der Fiiche. E3 ift daher wohl nicht überflüffig, mit
einigen Worten zu bemerfen, daß die gewöhnliche Aufternzucht oder Aufternpflege ungemein
alt ılt, jehr allgemein angewendet wurde und noch wird, nicht etwa jo, wie die Fünftliche
Sihzudht, die faft vor einem Jahrhundert begann und an einigen Orten, 3. B. in Bayern,
zwar fortgefegt wurde, aber in jo Keinem Maßitabe und mit jo wenig Aufjehen, daß die
neueren Berjuche in Sranfreich längere Zeit als exjte und nicht erhörte vom großen Publikum
angejtaunt wurden, während die fünftliche Befruchtung an Fröfchen feit einem Jahrhundert
vielleicht bon jedem Naturforscher, der die Entwidelung diejer Tiere beobachten wollte, und
in neuerer Zeit auch die Befruchtung der Zifeheier nicht felten von Naturforfchern bor-
genommen war." Wenn unjer Gewährsmann nun aber meint, eine fünftliche Befruchtung
jei bei den Auftern gar nicht erforderlich und Fönnte nur zerjtörend wirten, da die Auftern
hermaphroditiich feien, jo erinnern wir an die jchon oben gemachte Bemerkung, daß Same
und Gier fich nicht gleichzeitig in demfelben Tiere entiviceln, eine Gelbjtbefruchtung alfo
jchon deshalb nicht ftattfinden fan. Gleichwohl ijt eine Fünftliche Befruchtung weder not-
wendig, noch dürfte fie im großen durchführbar fein.
„Die Aufternpflege ift aber jchon zwei Sahrtaufende alt. Plinius jagt jehr beflimmt,
daß Sergius Drata, ein Mann, der vor dem Marjifchen Kriege, aljo wohl ein Sahrhundert
vor Chrilto lebte, die eriten Aufternbaflins angelegt habe, und zivar in großem Maßjtabe, um
lic) zu bereichern.
„Seit den Zeiten der Römer ijt die Aujternzucht wahrjcheinlich nie veriorengegangen,
obgleich wir aus dem Mittelalter wenige Nachrichten darüber haben, da die Naturwijjen-
ichaften jehr vernachläfiigt wurden. Daß die Aufternzucht im Weften nie ganz aufgehört
habe, geht aus einem Gejete hervor, das im Syahre 1375 unter Eduard III. gegeben wurde,
und welches verbot, Aufternbrut zu einer anderen Zeit zu jammeln und zu verjegen als
en Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 34
950 Weichhtiere: Mufcheln.
im Mai. Zu jeder anderen Zeit durfte man nur jolche Auftern ablöjen, die groß genug
waren, daß ein Schilling in ven Schalen Fappern Tonnte.
„Man fand daher, al3 die naturhiitoriiche Literatur wieder erweckt ide und be-
fonbere, al3 man anfing, nicht allein die alten Schriftfteller zu fopieren, jondern auch die
Vorfommmiffe in der eignen Umgebung zu bejchreiben, daß fait überall, wo Auftern ge-
deihen und ihr Fang einen Gegenstand des Gewerbes bildet, man auch mehr oder weniger
Sorafalt auf Verpflanzung, Hegung und Erziehung verwendete. Am meijten gejchah das,
wie e3 Scheint, in England, mwenigitens laffen jich aus England am meiften Nachrichten
dariiber fammeln. Die ftark anwachfende Hauptitadt, in welcher fich aus allen Meeren die
Geldmittel Sammelten und der Luzus fich entwicdelte, Hatte bald den Auftern einen jo guten
Adjag verichafft, daf man darauf bedacht war, in der Nähe immer einen gehörigen Vorrat
zu haben fie aus weiter Ferne brachte und zur Seite der Themjemündungen Füntliche
Bänke von ihnen anlegte. Da e3 fich nun fand, daß bei einer Milderung des Seewajjers
durch mäßigen Zutritt von Flußmwafjer die Auftern bei den Kennern noch beliebter wurden,
fo wird diefe Art halbkünftlicher Aufternzucht, deren Ursprung man nicht jicher anzugeben
weiß, obgleich die Aufternfifcher von Kent und Sufjer behaupten, daß ihre Vorfahren um
da3 Kahr 1700 diefe Bänke angelegt haben, jet in jehr großem Maßitabe betrieben. Man
bringt die Auftern aus dem Süden und aus dem Norden in die Nähe der Miindungen der
Themfe und des Medway, um fie auf den fünftlichen Bänfen einige Zeit zu mäjten. Allein
aus dem Meerbujen, an welchem Edinburgh liegt, aus dem Firth) of Forth, bringt man jebt,
roie Sohnfton berichtet, 30 Ladungen, jede zu 320 Fäffern und jedes Zah mit 1200 ver-
föuflichen Austern, alfo 11520000 Stüd, in dieje fünjtlichen Fütterungsanftalten. Wie
biele mögen von den Snfeln Guernjey und Serjey fommen, wo der Fang am ergiebigiten
ift! Forbes meint, der Bedarf für London fomme größtenteils von diejen Fünjtlichen Betten.
Um zu erfahren, wie groß die jährliche Zufuhr nach London jei, jtellte er Erfundigungen at;
die Abjchäbungen fielen ziemlich übereinftimmend auf das Quantum von 130000 Bujhels
(über 80000 Berliner Scheffel), wovon etwa ein Viertel weiter ins Land und außer London
berjchiett und drei Viertel von den Bewohnern Londons verzehrt wird.”
Wir ergänzen diefe Mitteilungen durch den Bericht von Möbius über Whititable,
„ven Haffiichen Aufternpla an dem fünlichen Ufer der Themjemündung". Wir erfahren,
daß die Aufternfischer noch jebt eine Art von Gilde mit über 400 Mitgliedern bilden. „Ein
Sandriff, da3 von der Stüfte ausläuft und 1% Meile Yang ift, jchüßt die Aufterngründe
gegen den Oftwind. Diefe Haben bei Niedrigwafjer 46 Fuß Tiefe, jo daß nur bei außer-
gewöhnlich niedrigen Ebben die Bänke trodenlaufen. Das Wajjer war trütbe, und jeine
Dichte betrug am 7. Mai 1868: 1,024 bei 119 Neaumur, was einem Salzgehalt von 3,14
Prozent entjpricht. Um die Aufterngründe gut zu erhalten und zu verbefjern, verjorgt man
fie Häufig mit leeren Aufternfchalen, die Hauptjächlich von London zurüdgeliefert werden.
„Die Whititabler beziehen Auftern von natirlichen Bänfen in der Nordjee, im Eng-
chen Kanal, an den irischen Küften, und legen jie auf ihre Gründe, um fie wohljchmeden-
der zu machen. Die Natives werden in der Negel im Sommer al junge, 11% Zoll
große Austern (brood) Hauptjächlich von den natürlichen Bänken im Themjebujen zwijchen
Korgate und Harwich geholt, wo jedermann frei fiichen darf. Die meijten liefert die mit
dem Namen Bladwater bezeichnete Heine Bucht zwischen Colchefter und Maldon. Austern
aus der Nordjee und bei Helgoland befommen feinen jo feinen Gejchmad und Haben einen
viel geringeren Wert al3 die echten Natives. Den Anfang und Schluß des Filchens von
Aufternzudt. Sal
Marktauftern beftimmt in Whititable jedes Zahı die aus zwölf Mitgliedern beitehende Jurh
der Kompanie. Gewöhnlich Dauert e3 vom 3. Auguft bis 9. Mai. rn der Zeit, wo für
den Markt nicht gefifcht wird, find die Fiicher damit bejchäftigt, den Grund von Mud
(Schlamm), von Pflanzen und von feindlichen Tieren zu reinigen und die größeren Auftern
auf bejondere Etellen fir den Verfauf in der bevorjtehenden Gaijon zu verjegen. Dieje
Arbeiten unterbrechen fie nur in der Zeit, in der jich die Aufternbrut niederjegt. Dies ge-
ichieht im Juni oder Zuli, und zwar wahrjcheinlich je nach der Wärme des Wafjers ettva3
früher oder jpäter. |
„Der Aufternhandel ift in Whitjtable jehr ausgebreitet. Die dortigen Aufterngründe
find nicht allein Zucht und Maftftätten, fondern auch große Depots fir Auftern aller Duali-
täten und Preife. In Whititable jelbit Hatte 1869 eine gute Native-Aufter 1Y,—115 Pence
Doert. In den Sahren 1852—62 war der Preis fir das Bufhel (1400—1500 Stüd) niemals
höher ala 2 Bfund Sterling 2 Schilling; 1863—64 itieg er auf 4 Pfund Sterling 10 Schilling,
und 1868—69 mußte man 58 Pfund Sterling dafür bezahlen." (Möbius.)
„Noch weniger”, jagt dv. Baer weiter, „mar in Frankreich das Anlegen von Auftern-
bänfen unbefannt vor Cofte (welcher in neuerer Zeit die meilte Anregung zur Fılch- und
Aufternzucht gegeben). Bory de St. Vincent hielt im Jahre 1845 in der Parijer Afa-
demie einen Vortrag über die Notwendigkeit, neue Bänfe anzulegen. Er verjicherte, daß
er jelbft unerjchöpfliche Bänte angelegt habe. Bor ihm hatte ein Herr Karbonnel ein Batent
erhalten für eine neue und einfache Methode, Aufternbänfe an der franzöfiichen Küjte an-
zulegen. Cr joll diejes Patent einer Gefellichaft für 100000 Frants verfauft Haben. Die
Parks waren lange vorher in Gebrauch.”
Die Aufternparfs erfüllen einen doppelten Aivedk: fie find Meaftitälle und Lager.
Einen Weltruf behaupten jeit vielen Jahren die von Dftende, Marennes unweit Rochefort
und Gancale im Norden Frankreichs. Die Austern, welche in den „Benjionen” von Oftende
ihre höhere Erziehung erhalten jollen, fommen jümtlich von den engliichen Küjten. Die
gemauerten oder gezimmerten, am Boden mit Brettern belegten Räume, in welchen jie
forgfältig überwacht werden, Hängen durch Schleufen mit dem Meere zujammen und werden
alle 24 Stunden gereinigt. Etwa 15 Millionen Auftern gelangen jährlich aus den Drei
Parks von Dftende auf den Markt. Die Parks von Marennes und La Tremblade mit ihren
berühmten grünen Zöglingen werden „Claires” genannt und nur zur Zeit der Springfluten,
bei Neu und Vollmond, mit frischem Waffer verjehen. hr Flächeninhalt wechjelt zwijchen
2—3000 Quadratmeter, und fie find gegen das Meer durch einen Damm gejchüßt, Der mit
einer Schleufe zur Regulierung der Wafferhöhe verjehen ift. Man läßt zuerft das Waffer
längere Zeit in den Abteilungen, damit der Boden fich gehörig mit Salz jättige. Dann,
nachdem das Wafjer abgeflojfen und aller Anja von Tangen und Algen entfernt it, wird
der Boden wie eine Tenne gejchlagen, aber mit erhöhter Mitte, wo die Auftern liegen
jolfen. Nun fommen die Auftern hinein, welche von den benachbarten Bänfen eingefam-
melt werden. Das gejchieht vom September an. Sie werden aber nicht unmittelbar in
die Claires verjebt, jondern exit in eine Art von Sammelbeden, die jidy dadurch von
jenen unterjcheiden, daß fie dem täglichen Flutwechjel unterliegen. Schon von hier aus
werden die größten und fchönften Auftern unmittelbar in den Handel gebracht, während
die jüngeren und noc) nicht fetten zur Mäftung in die Claives wandern, mo, wie gejagt,
nur zweimal des Monates das Wafjer gewechjelt wird. Ihre Abwartung verlangt von
Tag zu Taq die größte Sorgfalt. Die Aufternzüchter, denen mehrere Claires zur
34*
932 Weichtiere: Mujcdeln.
Berfiigung ftehen, verjegen ihre Zöglinge aus einer Claire in Die andere, um die entleerten
su reinigen. Wo dies nicht gejchehen Fann, werden die Auftern einzeln aus ihren Be-
hältern genommen und vom Schlamme befreit. Zm Jahre 1876 waren in den Mäftungs-
teichen etwa SO Millionen Auftern. Die im Alter von 12—14 Monaten in die Llaires.
gefommenen Auftern find nad) 2 Jahren reif, um den Delifatefjenhändlern und deren
Säften fich vorzuftellen. Sie haben in Mavennes während diejer Zeit auch eine grüne
Farbe angenommen, die ihnen bei Feinjchmedern befonderen Ruf und Beliebtheit verjchafft
hat. Der Farbitoff ftammt aus aufgenommenen, einzelligen Algen.
Der Verbrauch der Auftern, der fich 3. B. in Paris fchon vor Jahrzehnten auf 75 Mil-
fionen Stück jährlich belief, wide an fich Faum eine merfliche Verringerung der Bänte her-
beiführen fönnen. Wenn nichtsdeftoweniger jowohl an den franzöjiihen Küften wie anDder-
mwärts, 3. B. an der Weitfüfte Holfteins, ein Eingehen der Aufternbänfe und eine jehr auj-
fallende Verminderung des Nachwuchjes bemerkt wurde, jo haben hierzu eine Reihe von
Urfachen beigetragen. Die Aufter hat jehr viele natürliche Feinde; fie jchmedt nicht bloß den
Menichen, fondern aus faft allen Tierklafjen ftellen jich zahlreiche Gourmands aufden Aujteri-
bänfen ein. Bahllofe Fifche Ichnappen die allerdings noch viel zahllojferen jungen Auftern
auf; Srebfe paffen auf den Augenblid, vo die arme Aufter ihren Dedellüftet, um an dem jüßen
Sleifche fich zu laben; die Seefterne wiljen jie zu öffnen (j. ©. 378); mehrere Schneden,
namentlich Arten von Murex und Purpura, bohren fie an und frejjen fie aus (vgl. ©. 453).
An anderen Stellen haben jich die Niesmujcheln in folchen Wengen auf den AUufternbänfen
angejiedelt, daß leßtere dadurch gleichjam erftict werden. Doch alle dieje Feinde Haben
jo lange fehon auflinkoften der Auftern gelebt wie dieje jelbit. Wenn jie nicht das ihrige in dem
Bernichtungsfriege gegen die Aujtern getan, wenn nicht Nülliarden von jungen, eben aus-
gejchlüpften Auftern vom Wogenfchwalle erfaßt und erdrücdt oder vom Sande und Schlamm
erjtit würden, jo würden die Meere längit zu vollgefüllten Aujternbajjins geworden jein.
Den größten, wirklich empfindlichen Schaden haben die Aufternbänfe offenbar durch Die
durch Menjchenhände hervorgebrachte Erichöpfung gelitten und durch die Folgen eines
unzwedmäßigen, mit großen Zerjtörungen verbundenen Einjammelns. Wo die Bänke nicht
jo feicht Tiegen, daß man zur Ebbe die Auftern mit der Hand „pflüden” fan, bedient man
lich eines Neßes mit einem jchweren eijenen Kahmen, dejjen eine am Boden jchleppende
Kante mit Zähnen, gleich einer Egge, bewehrt ilt. Segel und Ruder der Heinen, aber Doch
mit 5—6 Leuten bemannten Boote werden jo geitellt, Daß das Fahrzeug nur ganz langjam
vorwärts fommt und das Schleppneb, das am O©eile nachgezogen wird, jich gemächlich und tief
einwühlen fann. Daducc werden förmlich tiefe Löcher und Furchen in die Bänke gerifjen,
und der größte Nachteil entjteht nun, indem dieje Bertiefungen in Furzer Zeit mit Schlamm
ausgefüllt werden, welcher nicht nur eine fernere Anjievelung an diejen Stellen unmöglic)
macht, jondern aucd) die umliegenden, von dem Schleppne verjchont gebliebenen Tiere tötet.
Man ift Daher dazu übergegangen, ioie bei der Fichzucht, auch Durch Fünftliche Auftern-
zucht Die Schäden der Filcherei zu heben, indem man feite Gegenjtände, Falchinen, meilt
Hohlziegel, während der Brutperiode ins Meer verjentt und dann die angejeste Brut ar
gejchügte Orte bringt, wo jie nach) franzöfiichem Shyftem in Kaften, nach; norwegischen in
Körben aus Drahtgaze weiter erzogen werden. Der Erfolg ijt wechjelnd gemwejen und Die
Zucht Hat, wie gewöhnlich, mit allerlei.unangenehmen Erfahrungen zu Fümpfen gehabt.
yet wird die Zucht in Frankreich, land, Norwegen uf. betrieben.
Auch die Amerikaner bejchäftigen fich viel mit der Aufternzucht, denn der Berbraud)
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Seemulicheln.
Natürl. Größe.
1. Ebare Miefmuichel, Mytilus edulis Z. — 2. Klaffende Seilenmufchel, Lima hians Gm., die obere frei
fchwimmend. — 3. Gemeine Pilgermuichel, Pecten jacobaeus Z.
Unedte Blattkiemer. 533
ift jenfeitS des Ozeans noch weit höher al in Europa. AS Maftpläge fir die abgelöjten
jungen Auftern eignen fich diesfeit3 wie jenfeit3 diefelben Ortlichfeiten: Flußmündungen,
Häfen, bradige Teiche. Natürlich) Sammeln fich auf diefen Maftplägen, den Aujtern folgend,
jehr bald zahlreiche niedere Tiere an. Die Kommiffion der Vereinigten Staaten, Die Dieje
Berhältniffe auf das forgfältigjte geprüft hat, zählt 90 folcher Säfte auf. Darunter find
einige jehr gefährliche Feinde der Auftern, namentlich wieder ein VBorderfiemer (Urosalpıx
sp.), bon den Aufternfifchern der „Bohrer” (the drill) genannt, und ein grüner Seefteri
(Asterias arenicola). Die Verheerungen, die lesterer anrichten ann, find erjtaunlich. Einem
einzigen Eigentitmer an der Küfte von Konneftifut wurden in wenigen Wochen 2000 Bufhel
(1 Bufhel etiva 35 Liter) Auftern von dem Geeftern getötet. Übrigens ift die Ymerifanijche
Aufter, Ostrea virginica L., diözifch und weit fruchtbarer al unfere O. edulis, indem fie
etiva zehnmal fobiel Junge hervorbringt, alfo reichlich 10 Millionen. Das hängt offenbar
zulammen mit der mangelnden Brutpflege, die Eier bleiben nicht exit im Mantelraum.
Die Angaben über das Wachstum unferer Aufter [chiwanten beträchtlich, auZ verjchie-
denen Gründen. Wir fehen eine Art Sahresringe an der Schale, namentlich an jüngeren
GStücden, doch Hat fich erwiefen, daß Die Wachstumsperioden nicht jcharf eingehalten werden;
an Auftern von 18 Monaten, die aljo zwei Sommer hinter jich haben, zählt man mindejtens
ztoei, im Höchitfalle aber fünf Zumachringe. Dazu fommen ftarfe Schwanktungen im Wachs-
tum; namentlich bleiben einzelne Stüde Yinter dem Durchichnitt auffallend zurüd. Auf
Tafel „Weichtiere IV” bei ©. 584 fehen tie die Entwidelung von Auftern der irischen Sta-
tion Ardfrh in der Galmay Bay, nach Anna Mafiy, dargeitellt; die Größenunterjchiede
gleichalteriger Tiere find hier ehr jtark ausgeprägt.
Bon europäischen Borkommniffen wollen wir jchlieklich noch der fogenannten Fluß-
auftern aus bradigem Wajjer gedenken, wie fie im Tejo bis Lifjabon vorfommen, große,
Jängliche Formen, die nur in gefochtem Zuftande genofjen werden, mäßig gejchäßt und billig
find; die Form wurde gelegentlich, Durch ein Schiff verjchleppt, in der Garonne angejiedelt.
Familie Ramm-Mufcheln (Pectinidae). „AUS ich in Mai und Juni 1850 im Bergen-
Fjord mit dem Schleppneg fammelte”, erzählt Oskar Schmidt in der zweiten Auflage
diefes Werfes, „wußte ich noch nicht, daß es neftbauende Mujchen gäbe. Da erbeutete
ich eine3 Tages einen etwa 12 cm im Durchmefjer Habenden und äußerlich fehr ungehobelt
ausjehenden hımpen, der aus lauter Steinchen und Mujchelfragmenten bejtand und, tie
fich auf den erften Blick ergab, durd) ein Gemwirr gelblicher und brauner Fäden zufammen-
gehalten wide. ‚Ein Mufchelneft!‘ riefen meine Auderer, und richtig, wie ich den Ballen
umdrehte, glänzte mir aus einer ziemlich engen Spalte die weiße Schale der Feilenmujcel,
Lima hians Gmel., entgegen. Sch fpülte das Tier aus feinem Nefte heraus und konnte mic)
borerjt, nachdem ich e3 in ein weites Glasgefüß getan, nicht fatt genug jehen an der Pracht
jeines Mantelbejabes und der Lebhaftigfeit feiner Bewegungen. Das längliche, gleichichalige
Gehäufe ift von reinftem Weiß, Hafft an beiden Enden, befonders aber vorn, und läßt eine
Menge vrangefarbener Sranjen des Mantelvandes hervortreten, die, wenn das Tier jonjt
ruhig üt, Die verjchiedenften wurmartigen Bewegungen machen, wenn e3 aber auf feine
höchit jonderbare Weife jchwimmt, wie ein feuriger Schweif nachgezogen werden. Saum
nämlich Hat man die Mufchel frei ins Wafjer gejebt, jo öffnet jie und Happt die Schale mit
großer Heftigfeit zu und [hwimmt nun ftoßweife nach) alfen Richtungen (j. Die Tafel).
Dabei find einzelne der jchönen Franjen abgerifjen, jcheinen aber dadurch) erjt vecht lebendig
934 Weichtiere: Mujceln.
geworden zu fein, indem jie am Boden de3 Gefäßes ihre Krümmungen, wie Negenmwürmer,
auf eigne Fauft fortfegen. Das fann, wenn man das Wafjer friich erhält, ein paar Stunden
dauern. Bleibt das Tier im Nefte, jo läßt es den Dichten Franfenbitichel, der von dem
nach innen gefehrten Rande des falt vollftändig gejpaltenen Wantels abgeht, aus der Neit-
öffnung heraus jpielen, jo daß von der Schale nichts zu jehen ift. Dffenbar dienen fie, da
jie mit lebhaft tätigen Wimpern bedeckt find, zur Herbeilchaffung der Heinen miktoffopijchen
Beute und des Atemwafjers. Daß dieje lebhafte Mufchel in einem Nefte wohnt, das jie
main offenbar jelten verläßt, ift
) v eine borderhand etwas
ya ungereimte Tatjache.
„Betrachten wir num
das Weit etwas näher.
Das Tier. befeitigt eine
Menge ihm gerade zu-
nächlt liegender Gegen-
tände dur) Byjjusfäden
einer gröberen ©orte an-
einander. Wie gejagt
waren die Nefter, die ich
in Norwegen jah, fat nur
aus Fleineren leichten
Steinhen und Mufchel-
jtüdichen zufammengefügt;
das nebenitehend abgebil-
dete, das Lacaze-Duthiers
an einer jeichten Gtelle
im Hafen von Mahon
fand, vereinigt in bunte-
fter Yuswahl Ho%, Steine,
Storallen, Schnedenhäufer
ufw. und hat dadurch ein
viel ungejchiefteres Yußere befommen, als ich gejehen. Man hat ziwar die Lima noch nicht
beim Nejtbau beobachtet, allein da man bei der Miesmufchel fich leicht davon überzeugen
fan, daß das Tier beliebig die Bartfäden abzureigen vermag, jo wird man auch der Tei- -
lenmufchel diejes Vermögen zufchreiben müffen. Nachdem fie nım die groben Außenwände
des Haujes zufammengeftrict und die Baufteine Durch Hunderte von Fäden verfnüpft hat,
tapeziert jie eS inmwendig mit einem feineren Gewebe aus, und e3 gleicht auch in diejer
Beziehung dem feinften und bequemften, von außen wenig einladenden Vogelnefte. So
bildet e3 für die duch ihr Haffendes Gehäufe wenig gefcehüste Muschel eine gute Fejtung, die
auch die gierigiten Naubfische zu verfchlingen Abjtand nehmen werden. Nach) der Art, wie
mir wiederholt in Norwegen in ziemlichen Tiefen von 20—30 Faden die Limen ins Schlepp-
rteß gerieten, muß ich annehmen, daß fie auf tieferem Meeresgrunde, wo jie nicht durch
Wellen und Strömungen geftört werden, fich nicht erjt unter größeren Steinen den Plab für
ihr Net ausfuchen. Diejenigen, welche der obengenannte franzöfiiche Zoolog in Mahon fam-
melte, befanden fich alle im jeihten Wafjer und durch große Steine gejchüßt. ©etrodnet,
Neft der Feilenmujchel, Lima hians Gmel. Natürlihe Größe.
Unedte Blattfiemer. 939
werden die die Materialien verbindenden Fäden ehr brüchig, daher die Nejter, obgleich
durchaus nicht felten, fich doch nicht zur Aufbewahrung in Naturalienfammlungen eignen.“
Den Mittelpumft der Familie der Kamm-Mufcheln bildet die Gattung Kamm- oder
Pilgermufchel (Pecten Müll.; f. die Farbentafel bei ©. 533), dem Lejer vielleicht jchon
nach ihrer Schale bekannt, die von den größeren Arten als Schüfjel für feines Würzfleiich
(Ragout fin en coquilles) gebraucht wird, und die auch, um einen äfthetijcheren Anfnüpfungg-
punkt zu nennen, Hut und Sleid der aus dem Morgenlande heimfehrenden Pilger zu
ihmiden pflegte, die fie al3 einfaches Trinfgefäß führten. Das Gehäufe ift aljo frei und
regelmäßig, bei vielen Arten ungleichjchalig, indem Die eine Hälfte vertiefter, jchüfjelförmig
it und die andere darauf al3 ein flacher Dedel pakt. Auffallend jind auch die Ohren
jederjeitS neben dem Wirbel, von dem aus meijt Rippen nad) den Rändern ausftrahlen.
Das Tier hat die Mantellappen vollfommen frei, am Rande verdidt und mit mehreren
Neihen fleilchiger Tentafel bejebt, zwifchen ihnen zahlreiche Augen. Wir erwähnen hier
gebrauchsfähige Sehmerfzeuge einer
Mufchel zum exitenmal; jie jind bei
Pecten durch ihr Diamant- und fma-
tagvartiges Leuchten am auffallendften
und bon eigenartigem, verhältnismäßig N
fompliziertem Bau, den jelbit genaue N | > I
Unterfuhungen aus allerjüngiter Zeit |
noch nicht reitlos aufzuklären bermoch- Stüd vom N ee el mit Taftern
ten. Weder Ye Arten, noch die SnDdi-
biduen, noch auch die Mantelhälften verhalten fich in bezug auf Zahl und Lage Diejer
Augen gleich. Sie ftehen in der Nähe des Schloffes und zumal hinter demjelben am dic)-
teiten und find an dem fonveren, d.h. dem unteren, Mantellappen weniger zahlreich als an
dem flahhen. Sie erreichen bei den größeren Arten einen Ducchmefjer von 1 mm; zwilchen
diefen Hiegen Kleinere, faum halb jo große; aber alle zeigen den wundervollen Olanz,
hervorgerufen durch eine bejondere Bejchaffenheit der Negenbogenhaut, durch welche Die
Lichtfteahlen zuriikgeworfen werden. Überhaupt erftaunt man über die Volltommenheit
diefer Augen, welche troß ihrer im höchiten Grade befremdenden Lage optiihe Einrich-
tungen haben, dad gute Bilder von der die Mufchel umgebenden Außenwelt erzeugt und
durch den Newvenapparat auch zu ihrem Dämmernden Mujchelbewußtjein gebracht werben.
Sn jedem Falle aber kann die Mufchel vermittels derjelben nicht in die Ferne jehen, jondern
fie tun ihr Die Dienfte, die wir uns durch feine Heine Linfen verjchaffen; es find Gefichts-
organe für die nächite Nähe. SHre Bedeutung ift durch v. Uerfüll aufgeklärt. Mar Fan
die Mujchel, wie alle Schtwimmenden Verwandten, nicht ficherer zum Schwimmen bewegen,
al3 wern man einen Seeftern, ihren geimmigften Feind, in ihre Nähe bringt. Gie ftredit ihre
Fühler lang aus und läßt den Verfolger bis in unmittelbare Nähe heranfommen. Ext jebt
genügen die Augen, um ihn zu erfennen, und nun beginnt eilige Ylucht. Durch vajches
Schließen der Schale, aljo durch den Adduftor, wird das Waffer aus dem Mantelraum her-
ausgepreßt und ein Nüdjtoß erzeugt, wobei die Richtung durch Die jeweilige Haltung einer
voripringenden Falte der Mantelränder beftimmt wird. Ein englifcher Beobachter jagt,
daß er in einem von der Ebbe zurücgelaffenen Waffertümpel die Jungen von Pecten
opereularis Z. ganz munter umherhüpfen jah. Ihre Bewegung war veigend jehnell und
ziekzadartig, jehr ähnkich der der Enten, welche auf einem Teiche während eines Sonnenblides
536 Weichtiere: Mujcheln.
dor dem Regen fpielend fich vergnügen. Sie fchienen durch plößliches Dfnen und Schließen
ihrer Stlappen das Vermögen zu haben, wie ein Pfeil durch das Waffer zu fliegen. Ein
Sprung entführte fie meterweit, und mit einem zweiten maren fie plößlich wieder nach
einer anderen Richtung auf und Davon.
Neuerdings hat d. Buddenbrod die Bewegungen der Pecten genauer unterjucht md
einen merfwürdigen Zufammenhang mit dem Bau der GleichgewichtSorgane oder Stato-
auften aufgededt. Won diejen, die bei manchen Arten noch, wie bei ven Nuculivden (j. ©.
517), fich durch einen Gang nach) außen öffnen, ift das finfe bejjer ausgebildet al3 das
rechte. Dem entjpricht eine Aiymmetrie in der Muskulatur des Keinen Fußes mit feinem
Bofus. Wie empfindlich die Tiere für eine gejtörte Gleichgemwichtslage find, zeigt Jich,
wenn jie nach einer Schwimmbewegung mit der verfehrten, flachen Schalenflappe auf
den Boden zu liegen fommen. Dann erfolgt jedesmal eine präzife Umkehr um 180 Grad.
Daß die als Folge der Schwimmfähigfeit erworbenen Yugen auch noch nach Verkuft
des Schmimmens erhalten bleiben können, lehrt ihr Vorkommen bei der nächjtveriwandten
©ippe der Klappmufcheln (Spondylus Zam.). Dieje wachjen nämlich mit der tieferen
Schale feit. Charafterifiert find fie auch Durch Die langen Stacheln auf den Rippen. Da
dieje Anhängjel zum Anfammeln von Algen und Schlamm DBeranlafjung geben, jo jind .
diefe Mufcheln gewöhnlich bi8 zur Unfenntlichfeit mit einem fehmugigen Überzeuge be-
dect, unter welchem exit nach) langem Reinigen das wahre, jchöne Gejicht zum Vorjchein
fommt. Die im Mittelmeer Häufige, aber ziemlich tief fitende Yazarusflappe, Spon-
dylus gaederopus Z., hat eine purpurfarbige Oberjchale.
Die Seeperl- oder Bogelmuicheln (Aviculidae) Haben innen jchöne Perlmutter,
aber nicht alle find gleich geneigt zur Perlenbildung. Wir erwähnen Malleus Lam., die
Hammermufchel, mit geradem, langem Schloßrand, aber Zurzer, nach) unten jehr ber-
längerter Schale, die gewijjermaßen den Hammeritiel bildet. Die wichtigjten Arten, welche
die Orumdlage der Geeperlfijcherei bilden, gehören zur ©attung Meleagrina Zam.
Alle Haben am Schloßrande vorn, häufig auch Hinten, eine ohrfürmige Verlängerung.
Das Schloß ift vollfommen zahnlos oder hat in jeder Schale einen ftumpfen Zahn. Die
rechte Schale hat vor dem borderen Dhr einen Auzjchnitt für den Bart. Es find etwa
30 Arten befannt, die, mit Ausnahme einer im Mittelmeere vorfommenden, jämtlic) in den
heißen Meeren leben. „Die Kenntnifje über ihre Xebensweije”, jagt dv. Hekling, „ind weniger
die Rejultate genau angejtellter Unterfuchungen, alS zufälliger oder oberflächlicher Beob-
achtungen, welche überdies aus alten Überlieferungen unfundiger Fiiher und Schiffzleute
bon Munde zu Munde ji) forterbten. Gemöhnlich an einem und demjelben Standorte
einer und derjelben Art angehörig, erhalten fie in ven Tiefen des Meeresgrundes durch Die
Beichaffenheit des Bodens, auf welchem fie wohnen, jowie nach) den verjchtedenen pflanz-
lichen und tieriichen Organismen, welche ihre Schalen überwachlen, ein mannigfaltiges
Ausjehen und deshalb gar häufig verjchiedene Benennungen. Bald jind ihre Schalen mit
großen, becherfürmigen Schwämmen (Coda der Schiffer) völlig wie überjchattet, bald wie
nit einer der Betelfarbe ähnlichen Tünche (ebenfalls einem Schwamme) überzogen. Auf
ven einen Bänfen lagern die Tiere mit ganz freien, unbededten Schalen, auf den anderen
und fegtere Träger von Korallenftämmen, welche oft fünfmal jehwerer als die Schalen
jelbft find; an noch anderen Stellen Heben fie fet an ven Riffen und Klippen der Zelfen,
bejonders die jüngeren Tiere, und können, mit ihren Byffusfäpen in dichten, zähen Khumpen
Unedte Blattfiemer. 537
aneinanderhängend, herborgezogen werden; oder die Mujcheln Yiegen in weichem Boden
und jandigem Grunde, in welchem fie, mit dem einen Ende aufgerichtet, teils bewegungslos
iteden, teils, meift mit dem ©chlofjfe voraus, Yangjame, in querer Richtung erfolgende
Wanderungen anitellen. Die Höhe, bis zu welcher die Bänke aufgejchichtet liegen, ijt ver-
‚Ichteden; nach der Ausjage verjtändiger Taucher beträgt fie nicht über 11,—2 Fuß, und
ihre Tiefe im Meere reicht oft von 3—15, gewöhnlich) I—8 Faden.”
Die wertvollite und zugleich am teiteften verbreitete Art ilt Meleagrina margaritifera
L., vie Echte Berlenmufchel, von Linne einft Mytilus margaritifer genannt.- Gie findet
————— >=
Seeperlenmufdel, Meleagrina meleagris Lam. 1/2 natürlicher Größe,
fi im Verfifchen Golfe, an den Küften von Ceylon, den Snjeln des Großen Ozeans, im
Noten Meere, im Meerbufen von Panama und Merito und an der falfornijchen Küfte,
alferding3 in mannigfachen Abänderungen, die fich vorzugsweife auf die Größe und auf
die Dide der Verkmutterfchicht beziehen und zu befonderen lateinischen Namen Ahrlaß ge-
geben haben. ©o find die Schalen der Tiere von Ceylon nur 56% cm lang und 21% bis
8 cm hoch, dünn und ducchicheinend und fir den Handel unbrauchbar, die die des Verfifchen
Golfes aber viel dider, und in der Sundafee lebt eine %—1 kg jhwer werdende Sorte mit
einer dien, herrlich glänzenden PVerlmutterfchicht. „Die preiswindigiten Perlen”, teilt
p. Heßling weiter mit, „jollen fich vorzüglich im musfulöfen Teile des Mantel nahe am
Schalenschloffe finden; doch fommen jie auch in allen anderen Teilen de3 Tieres, toie an
der inneren Schalenfläche, in Dem Schalenfchließer, von Der Größe des Heinjten ©tednadel-
Topfes (Seed pearls) bi zu bevdeutendem Umfange vor; und wie jich oft viel in einer Mujchel
938 Weichtiere: Mufcheln.
finden laffen (Kapitän Stuart 5. B. zählte in einer einzigen 67, Cordiner bis zu 150 Berlen),
ebenfo werden auch Hunderte von Mujcheln geöffnet, im welchen nicht eine einzige Perle
anzutreffen ift. Nicht uninterefjant, weil mit unferer Flußperlenmufchel ütbereinitimmeno,
ift die Behauptung der PBerlenfiicher im Drient, daß jte in vollfommen ausgebildeten umd
glatten Schalen niemals Schöne Perlen erwarteten, wohl aber diejelben gewiß fünven in
Tieren mit verdrehten und verfrüppelten Schalen jomwie in joldhen, welche an den tiefiten
Stellen des Meeresgrundes lagern.” Wir wollen uns indes die Entjtehung der PBerlen bis
zu unferer Süßwafjerperimujchel aufiparen und Hier nur eins der bunten Bilder, wie jte
lich feit alter Zeit falt unverändert im Orient mit der Gewinnung der begehrten Beute ver-
binden, nad) dv. Heplings Schilverung aufrollen. Ste ijt dem Bericht des englichen Dffiziers
Grylls entnommen, der zum Schub der PVerlenfifcherei an der Weitfüjte von Geylon eine
Zruppenabteilung befehligte.
„Der Hauptplab der Perlenboote ift die Dürre und öde Kifte von Aripo (Ceylon).
Mit unerbittlicher Macht fengt hier Die Sonne alles zufammen, joweit nır das Yuge jchmweifen
farm. Sm ausgeglühten Sande gedeiht nur Dorngeftrüppe, zufammengejchrumpfte Blätter
hängen am nadten Gefträuche. Die Tiere fuchen Schuß vor den brennenden Strahlen,
aber da ilt nichts von einem Schatten, nur ein atemhenmmender Dunft zittert über dem
Boden, und die ©ee jpiegelt die erdrücende Hite zurüd. Aus glühendem Sande ragen die
gebleichten Gebeine der VBerlentaucher Herbor, welche die Gier nach den Schäßen in den Tod
führte. Ein dorifcher Palaft, feit der englifchen Befiergreifung aus Duaderfandftein erbaut,
von außen mit dem jchönften Stucco aus Aufterfchalenfalf überzogen und von dürftigen
Baumpflanzungen umgeben, ift der einzige Schmud diefer Gegend, der einfürmigiten von
ganz Ceylon. Das tft der Drt, auf welchen jich das Bild des buntejten Treibens aufrollt,
wenn die Taucherboote Heranjegelit und auf den Auf der Negierung aus allen Gegenden
Hindoftans Taujende und Taujende jchnöden Geminnes halber Herbeijtrömen. Da erheben
jich plöglich von Condatchy an längs dem Gejtade Hin breite Straßen, wo Hütte an Hütte
aus Bambus- md refapfählen, mit Balmenblättern, Neisitroh und bunten Wollenzeugen
bevecdt, aufjteigt, in denen Yubbies (die eingeborenen Mohammedaner), Moren (moham-
medanijche Handelsleute) aus der Ferne, Malabaren, Sioromandeler und andere Hindu ihre
Bupden aufjchlagen. Abenteurer und Tajchenipieler treten auf, gewandte Diebe jchleichen
jich ein. An allen Orten Spefulation mit Geld und Stredit. Stolze, im Nufe des Keich-
tums jtehende Eingeborene vom Kontinent laffen fich zum finnderwirrenden Schaufpiele in
reichverbrämten Zragjejjeln unter prachtvollen Sonnenjchirmen bringen. Alle indischen
Sitten und Trachten fommen zum Vorjchein, jede Stafte ift vertreten, Priefter und Anhänger
jeder Gefte eilen herbei, Gaufler und Tänzerinnen beluftigen die Menge. Während diejes
Schaujpieles gehen jeden Morgen etiva 200 Boote in Die See, von welchen jedes zwei
Zaucher nebjt zwei Gehilfen und einen Malaienjoldaten mit geladenem Gewehre trägt;
leßterer joll nämlich verhüten, daß die Mujcheln ihrer Schäße nicht eher entledigt werden,
bis jie ans Ufer gebracht jind. Sit diefe ganze Flotte an ihrem Beltimmungsorte, etwa
4 englische Meilen weit von Lande, angelangt, jo beginnt die Arbeit. Eine bewaffnete
Schaluppe liegt zu ihrem Schuge in der Nähe, und ein Zeltdach diejes Fahrzeuges läßt
mit Muße und Bequemlichkeit diefes Schaufpiel genießen. Um den Tauchern die Erreichung
005 Meeresgrumdes zu erleichtern, welcher an dem Aufenthaltsorte der Verlenmufcheln
10 —12 Ktlafter tief ift, hat man ein langes Tau an eine Rolle gewwunden, welche von einer
uerjtange am Maft iiber den Bord hinaushängt, und an das Tau ift ein Stein von 100 bis
GSeeperlmusdeln. 999
150 kg Gewicht befeftigt. Man läßt den Stein neben dem Boote herab, und der Taucher,
einen Korb bei fich tragend, der ebenfalls mit einem Tau im Boote befeftigt ift, gibt, auf
dem Steine ftehend, ein Zeichen, ihn herabaulafjen, und fintt dadurc) rajch auf den Grund;
dann wird der Stein wieder heraufgezogen, während der Taucher im Walfer mit der rechten
Hand fo viele Verlenmujcheln wie möglich in feinen Korb legt und mit der Iinfen an Feljen
oder Seegemwächfen fich anflammert. Läßt er dieje log, jo jchießt er an die Oberfläche empor,
und ein Gehilfe zieht ihn jogleich in dag Boot, während ein anderer den Storb mit den
Mufcheln heraufbefördert. Alsdann wird der zweite Taucher ins Wafjer gelajjen, und jo
geht es abmwechjelnd fort bis A Uhr nachmittags, denn nun fehren alle Boote mit ihren
Ladungen nach Aripo zurüd. St die Fijcherei den Tag über beendigt, jo erhält ver Taucher,
welcher am längiten unter Wafjer geblieben war, eine Belohnung. Die gewöhnliche Zeit
diejes Aufenthaltes währt 55—57 Gefunden; einmal hielt ein jolcher 1 Minute und 53 ©e-
funden unter Wafjer aus; al3 er wieder herauffan, war er jo erjchöpft, daß er lange Zeit
zu jeiner Erholung brauchte. Alle dortigen Taucher find Malaien und von Kindheit an zu
ihrem Handmwerfe erzogen. Der Lärm ijt bei diefem Gejchäfte jo groß, daß er die gefürchteten
Haifiiche verjcheucht, und viele Fiichereien werden ohne irgendeinen Angriff zu Ende ge-
führt; gleichwohl verlangen die Taucher, daß Haifischbejchwörer während des Filchens anı
Strande für fie beten und teilen gerne mit ihnen den Gewinn. Gelbjt diefatholiichen Taucher
aus der portugiefiichen Zeit her gehen nicht an ihr Oejchäft, ohne Gebetformeln und Sprüche
aus der Heiligen Schrift an ihrem Arme zu befeitigen.
„Haben nun Die Boote ihre gehörige Ladung Mufcheln an Boxd, fo entiteht ein ABett-
rennen unter ihnen nach dem Ufer. Dort find die dienittuenden Truppen aufgejtellt, da-
mit niemand fich Mufcheln aneigne, ehe fie meijtbietend verfauft over in das Magazin der
Regierung abgeliefert find. Lebteres ift ein mit hohen Mauern umgebener vierediger Naum,
dejfen Boden jchräg und von vielen Heinen Ainnen durchjchnitten it; durch dieje läuft
fortwährend Wajjer aus einem Behälter, in welchen die unverfauften Mujcheln gelegt werden,
damit jie bei eintretender Fäulnis fich von jelbit öffnen. Sind die Berlmufcheln ans Land
gebracht, jo werden fie in Heine Haufen geteilt und verjteigert. Diejes ift eine jehr be-
Iuftigende Art von Lotterie, indem man leicht ein paar Pfund Eterling für einen großen
Haufen Mufcheln bezahlt, ohne eine einzige Perle darin zu finden, während mancher arme
Soldat, welcher einen oder zwei Grofchen für ein halbes Dusend ausgibt, möglichermweije
eine Berle darin entdeckt, jo wertvoll, daß er damit nicht nur jenen Abjchied erfaufen, jon-
dern auch den Reft feines Lebens forgenfrei zubringen fan. Sn früheren Zeiten ließ die
Regierung die Perlenmujcheln nicht verfteigern, jondern in das Magazin bringen und dort
Durch bejonders angeitellte Zeute öffnen; allein diefe waren jo jchlau, daß jie roß der ge-
nauejten Aufjicht Perlen verfchludten. Gegenwärtig werden die nicht verkauften Mujcheht
in die erwähnten Wafferbehälter gelegt, und Haben jich ihre Schalen durch Fäulnis geöfjnet,
jo fallen die Perlen heraus, das Wajjer [pült fie in die Rinnen, in welchen fie durch feine
Gazemwände aufgehalten und in großer Menge gejammelt werden. Zt die Zeit der Berlen-
fijcherei zur Hälfte verjtrichen, jo beginnt die eigentliche Plage. Die durch die glühenden
Sonnenstrahlen jchnell in Fäulnis übergehenden Nufcheln verbreiten im Magazin einen nicht
zu beichreibenden pejtilenzialiichen Geftanf, und dazu gejellen jich Fieber, Brechruhr und
Dysenterie, die teten Begleiter von Miasmen, Unveinlichfeit und Hie. Der Wind verbreitet
- einen abjcheuliden Geruch auf meilenmweite Entfernungen, und die Luft ijt in der Stajerne,
welche abjichtlih 2 Meilen weit vom Magazin entfernt liegt, bejonders zur Nachtzeit Faum
540 BWeichtiere: Mujcheln.
zu ertragen. Wollen fich feine Berlenmuscheln mehr finden, und ift man Der bejchwerlichen
Fifceherei müde, dann mird Aripo von feinen Betvohnern nach und nach vexlafjen, und die.
Ufer werden wieder till und öde; nur die Truppen müfjen jo lange ausharren, bis die legte
Muschel im Magazin verfault ift. ©o endet dieje vielbewegte Szene, dieje3 mirre Getreibe,
telches Gemwinnjucht der Menjchheit ihrer Eitelkeit willen ins Dafein ruft. Verklungen ift
geichäftiger Händler buntes Feilfchen und der neugierigen Menge lärmendes Getöje; ver-
Hallt ift das Eataraktenähnliche Raufchen der auf- und abfahrenden Taucher; verjchtvuunden
jind alle die Handelsleute, Jumeliere, Ringfaffer, Schmucdhändler und übrigen Glüdsritter,
welche auf fichere Gemwinfte in der großen Lotterie ihr Spiel wagten: an der öden, ver-
lajjenen Süfte brandet nach wie vor mit melancholiihen Schlägen des Meeres Welle, ver-
flogen in alle Winde find das Stroh und die Lappen der flüchtig gebauten Hütten, heißer
Tlugjand bededt die Fußtritte der einft hier wogenden Menge.“
Auf der gegenüberliegenden Küfte find die Verlenbänfe, die jich nordöftlich vom Kap
Komorin an der Küfte von Tinnevelly Hinziehen, feit vielen Jahrhunderten ausgebeutet
worden. Als die Meffe von Tuticorin unter portugiefiicher Herrichaft noch blühte, zogen
50—60000 Kaufleute dorthin. Allein man übernahm jich und erjchöpfte die Bänfe. ©o
hat man in neuerer Zeit — die Berfuche begannen bei Geylon bereit3 dor einem ahr-
hundert — zum Fünftlichen Zucht gegriffen, oder doch Schonung und günjtige Yebens-
bedingungen zu erreichen gejucht. Mar hat „jeine Sorgfalt bejonders den jungen Mufcheln
zugewandt, fie in Aquarien und größeren Kiften gehalten, um jie jpäter an möglichjt ge-
ihüßten Orten im Meere auszufegen. Solche Berfuche find an den indiichen, auftralijchen
und amerikanischen Küften, auf den ozeanischen Snjeln wie in Japan gemacht worden und
Haben auch zu einem gewifjen Erfolg, d. h. zu etwas reicheren Erträgen, an einzelnen Ort-
lichfeiten geführt, ohne daß diefe freilich anjcheinend bejonders erheblich waren. &3 ift aber
nicht leicht, im größeren Umfang, wie es für da3 Gedeihen der Berlmujcheln nötig ift, günftige
Lebensbedingungen zu fchaffen. Möglichiter Schub und Schonung der unter natürlichen
Berhältniifen lebenden Mufcheln dürfte immer noch das Günjtigfte fein, folange jene
Schußoorrichtungen fich nicht im größeren Umfange heritellen lajjen. Das Halten der Berl-
mufcheln in abgejchloffenen Tanf3 wie in den Aufternparf3 jcheint Feine rechten Erfolge ge=
habt zu haben” (Korjchelt). Man ift jogar noch viel weiter gegangen in foftjpieligen Ver-
juchen. Sn der Annahme, daß die Perlenbildung von einem Schmaroger, der Jugendform
eine3 Saugmwurms, veranlaßt wird, der jeine weitere Entwidelung in einem Yungfilche
al3 zweiten Ziwijchenmwirt erfährt, um endlicd) in einem anderen Zijch einen Neifezujtand
zu erreichen und von da aus wieder die Mujcheln zu infizieren, hat man die Mujcheln
duch ein nur für Sungfiiche durchläfjiges Drahtueg geihüst, und in einem Raum darüber, -
alles im freien Meere, allerlei größere Filche gehalten, um den Streis zu jchliegen. Da
aber die Theorie, wie wir jehen werden, noch auf unjicherem Grunde ruht, lohnt es nicht,
näher auf dieje Berjuche einzugehen.
Wir jchliegen hier noch einen nahe verwandten Heteromyarier an, der allerdings von
einem äußerlich ziemlich verjchiedenen Habitus ift, die Sted- wer Schinfenmufcel,
Pinna Z. Die Schale der Stedmujcheln bejteht fait nur aus den pyramidalen, mehr over
minder im Winkel zur Fläche aufgerichteten Säulchen, aus der Prismenjchicht aljo, die
bei den meiften anderen Mufcheln gegen die Berkmutterjchicht zurüciteht. Sie ijt dünn,
oft mit Schuppen bejegt und Hafft Hinten. Sie bildet ein Dreied, dejjen Heinfter Winkel
daS Borderende ift, an dem auch die geraden, fpigen Wirbel liegen. Das Ligament ijt derart
Echte Blattfiemer. 941
innerlich, daß e3 den Schalen nur eine geringe Dffnungsmeite gejtattet, jo daß dieje, wenn
man verjucht, fie ganz aufzuflappen, auseinanderbrechen.
Die Pinnen leben in den heißen und gemäßigten Meeren und erreichen zum Zeil eine
Länge von 2 Fuß, wie Pinna squamosa Desh. des Wittelmeers. ©ie lieben die ftillen Meer-
bufen mit Schlammgrumd, in dem fie in Der Tiefe von einigen Fuß meift in großen Mengen
beieinander. jiten. Sie werden teil$ wegen ihres freilich minder guten Wleijches, teils
wegen des Byjjus gejucht, aus dem in Unteritalien allerhand Geflechte und Webereieıt,
meilt Handichuhe, angefertigt werden, jedoch mehr der Merfwürdigteit wegen, ala daß ein
Handelsartifel daraus würde.
Schon die Alten Haben beobachtet, daß jehr ns (jie glaubten, immer) die Binne in
ihrer Mantelhöhle einen rundlichen Krebs beherbergt, den jie Pinnotheres oder Pinno-
phylax, den PBinnenmächter, nannten. „Das Amt diefer Hüter”, jagt noch Rumpd, Plinius
folgend, „beiteht darinnen, daß fie die Stedmuschel fneipen miljen, wenn etiva einige
- Speife in der Schale vorhanden oder irgendeine Öefahr zu befürchten ift, damit die Mu-
ichel gleich ihre Schalen zufammenziehe." Plinius fügt noch) Hinzu, daß der Wächter für
jeinen Dienft einen Teil der Beute erhalte. Wir wijjen jest, daß der Vorteil ein anderer
ift, nämlich der Wafjerftrom, der durch die Mantelhöhle geht, und daß es eine ganze
Keihe verjchiedener Krebje und ebenjo verjchiedener Mujcheln gibt, die in vemjelben Ber-
hältnis der Symbioje zueinander ftehen.
Vierte Ordnung:
Ehte Blattfienter (Eulamellibranchia).
Die Eulamellibrandhien umfafjen zunächjt die Süßmwajjermujcheln. Die Morpho-
logie führt nämlich, wenn wir Peljeneer folgen, merfwürdigerweije unjere drei Süßmwajjer-
familien, die Unioniden oder Malermujcheln, die Cyeladiden oder Kugelmujcheln und Die
Dreyffenfiiden oder Wandermufcheln, in unmittelbare Nachbarjchaft zufammen, merfmür-
digerweije, denn fie umfafjen in ihrer Entwidelung die größten biologijchen Gegenjäße
innerhalb der Klaffe. Die Cyeladiden haben die vollfommenjte Brutpflege, die Unioniden
bedürfen für ihre abjonderlichen Larven eines Wirtes, in dem fie jchmarogen, Dreyssensia
aber Hat die jchwimmende Veligerlarve, die jonjt den marinen Mujcheln zulommt. Eine
bejondere Wichtigkeit erhält die Gruppe noch dadurch, daR fie die Lieferanten der beiten
Perlen enthält. Wir wollen diefe Eigenheit zuleßt betrachten.
Familie Dreyssensiidae. Dreyssensia Bened. (auch Tichogonia oder Dreissena,
am richtigften wohl Congeria) fieht einer Heinen Miesmufchel jehr ähnlich, doch jind die
Klappen gefielt, weniger dunfel, oft jogar quergeftreift, weshalb jie auch Zebramujcel
genannt wird. Die Mantelränder find verwachfen bis auf drei Stellen, die beiden Siphonal-
Öffnungen und die Öffnung für den Heinen Zuß und den Baft oder BHyjjus. Bezeichnend
ift eine unter den Wirbeln gelegene fheidewandartige Platte, welche die Schließmusteln
trägt. Unter deu etwa fechs lebenden Arten hat Dreyssensia polymorpha Pall., Die
Wandermujchel, ganz bejonderes Aufiehen erregt. Man findet fie woh! in Stlunpen an
ihrem Byljus Hängend an einem feiten Gegenftand, vielleicht einer Malermujchel, die jie
fttomaufwärts mitjchleppt. . Daß fie im Winter ihren Byifus abwirft und fich in tieferes
Wafjer zuriidzieht, wurde bereits erwähnt (©. 513). Sn den Holfteinifchen Seen jhtwärmen
ihre Larven, wie Apftein zeigte, im Sommer in foldhen Mengen, daß jie die Hauptmajje des
542 Weichtiere: Mufcheln.
Planktons bilden. Würden alle zu Mufchehn Heranwachjen, jo müßte der Grund der Seen
mit ihnen gepflaftert jein. Bei der Kleinheit der Larven und ihrem geringen Schwimmper-
mögen ift e3 jelbjtverjtändfich, daß fie von jeder Strömung erfaßt werden umd weiter unter-
halb, jchlieglich im Meere Tanden müßten. Um jo auffälfiger ift ihre Verbreitung. Wir
fennen das rajche Ausbreiten einiger Unfräuter, ebenjo die Schnelle Verbreitung einiger auf
Pflanzen Schmarobender und mit ihren Wohnpflanzen in die Treibhäufer eingeführter Jn-
jeften; Dagegen dürfte das Beijpiel einer wenn auch nicht ganz natürlichen Erweiterung de3
Wohnbezirfes, wie e3 Dreyssensia in einem unverhältnismäßig furzen Zeitraume gibt, für
die niedere Tierwelt einzig daftehen und nur mit der Überflutung der Länder und Kon-
tinente des Weftens duch die Wanderratte verglichen werden fünnen. Wir verdanken
dem um die Kenntnis der geographiichen Verbreitung der Weichtiere hHochverdienten
E.v. Martens den.genauen Nachweis über das allmähliche Borrüden diefer Süßwajjermufchel
aus dem Dften nach dem Weiten. Der Gegenitand ijt in tiergengraphiicher Hinjicht fo
wichtig, daß wir nicht umhin Fönnen, den Bericht im Auszug und mit Hinmweglafjung vieler
Cinzelangaben wörtlich mitzuteilen.
„st betreff der wirbellofen Tiere", Heißt es, „it Die Unterjcheivung der verjchtedenen
Arten im allgemeinen von jo jungem Datum, daß fich noch nichts über eine hiftorifche Ande-
rung ti ihrem Vorkommen jagen läßt. Cine der wenigen Ausnahmen von Ddiejer Regel
bietet Dreyssensia polymorpha, nicht weil fie jchon länger den Naturforjchern befannt ilt,
jondern weil fie in fait ganz Europa die einzige Art ihrer Gattung ift und vermöge ihrer
Geftalt auch beim oberflächlichiten Anblick mit feiner anderen Gattung von Eüßmwafjermuscheln
bermwechjelt werden fan.
„Die Kenntnis der auffälligeren Arten unjerer deutjchen Süßmwafjermollusfen datiert,
nur wenige Arten ausgenommen, exit von der zweiten Hälfte des vorigen (18.) Jahrhunderts
mit Martini 1768 und Schröter 1779, während die däniichen von D. 3. Miller 1774, die
ihwedischen von Linne 1746—66, die nordfranzöjiihen von Geoffrot) 1767, die engliichen
aber fait ein Jahrhundert früher von Liter 1678 fpeziell unterjchtevden wurden. Daß feiner
diejer Schriftiteller die genannte Mufchel beobachtet Hat, deutet fehr entjchieden darauf Hin,
daß diejelbe in den von ihnen unterfuchten Gegenden damals nicht lebte; ein Schluß, Der
jelbjtverjtändlich bei Heinen jelteneren, jchwieriger zu findenden oder zu unterjcheidenden
Arten nicht jtatthaft wäre, wohl aber bei Diejer Mufchel, welche gegenmärtig in der Havel,
im Tegeljee ujiv. majjenweije nahe am Ufer auf Steinen oder anderen Miufcheln jiend
und in Menge ausgemorfen am Ufer zu finden ift. Alle Naturforjcher des vorigen (18.)
Sahrhunderts kennen fie nun nach PBallas als füdrufjische Mufchel. Das ältejte Datum einer
ihr neues Vorkommen betreffenden Veröffentlichung ift 1825, wo &. &. d. Bär jagt, daß
jie unermeßlich zahlreich im FSrilhen und Kurifchen Haff jowie in den größeren Flüjjen
viele Meilen vom Meere entfernt vorfomme, Eumpenweije an Steinen, namentlich anderen
Nujcheln, mittelß des Byjius befeitigt.
„sit verjelben Zeit war fie aber num auf einmal in der Havel unweit Potsdam und
den benachbarten Seen, und zwar in Menge gefunden worden. Alle perjünlichen Erinne=
rungen und gepdrudten Notizen, welche ich in Berlin hierüber aufzufpiiren imjtande war,
führen übereinftimmend auf diefe Zeit. Eimige Sahre fpäter, etwa um 1855, wurde fie bei
der Pfaueninjel unmeit Potsdam durch ihr Eumpentmeijes Anheften an im Wajjer ftehende
Piähle unangenehm bemerffich. Seit diefer Zeit ift fie in der Havel und in dem Tegel-
jee äußerft zahlreich geblieben und hat fich in neuefter Zeit auch in der Spree unmittelbar
Wandermujcel. 543
bei Berlin gezeigt. Das Vorkommen unferer Mufchel in der Donau läßt jich mit Sicher-
heit bi3 1824 zurückverfolgen, aber e3 Yäßt fich nicht nachweilen, daß fie früher in der Donau
nicht gelebt habe." Aus der zum Elbgebiet gehörigen Havel it jie bis jest fttomaufiwärte
bis Magdeburg und Halle gedrungen. Sr der Nheinmündung wurde fie 1826 zuerit ge=
jehen, jest gehört ihr das Gebiet bis Hiiningen und Heidelberg. Von Holland aus läßt
lic) ferner ihr Vordringen in das nördliche Frankreich bis Paris verfolgen, und dann ift
lie aus dem Gebiete der Seine in das der Loire eingewandert. Endlich fennt man jie in
England jeit 1824, zuerjt in den Yondoner Docs, jest aber bewohnt fie jchon verichiedene
Flüfjfe Englands und Schottlands.
DObjichon man fich auf die angegebenen, ihr exrites Auftreten in den mitteleuropätschen
Otromgebieten betreffenden Zahlen nicht ganz verlafjen fann, „it dennoch das nahezu aleich-
zeitige Erfcheinen unjerer Mujcheln in den Hauptjächlichiten Steomgebieten Deutjchlands
und in England von bejonderer Bedeutung. Sm Nheingebiet ritdt fie entichtevden von der
Minmdung an nur ftromaufwärts vor; in das Elbgebiet ift jte offenbar von Dften her durch)
die Havel getreten. Schon das gibt Andeutungen über das Wie und Woher der Verbrei-
tung. Wahrjeheinlich ift die Wandernng Feine jelbjtändige, eigenwillige, jondern Berjchlep-
pung duch Schiffe und Flöße, an welche fich die Mufchel einmal feitgejegt Hat, der Weg
daher die Wafferstraßen der Menfchen, jeien es Flüfje oder Schhiffahrtsfanäle. Lebtere Helfen
ihr bon einem Stromgebiet in ein anderes. Man hat gegen dieje Annahme geltend gemacht,
daß jie auch in einzelnen Seen ohne jchiffbare Verbindung mit Flüffen vorfomme, jo im
Meclenburgifchen und in Wommern, ferner namentlich in der europäijchen Türkei; für
Albanien hat diefer Einwurf Gewicht, für die Dftjeegegenvden bei der Nähe jchiffbarer
Gemäjjer weniger, indem er hier nur beweilt, daß auc) ausnahmsmweije eine Verbreitung
Durch andere Mittel auf Kleinere Entfernung möglich jei. Zn großen und ganzen bleibt es
Regel, daß fie im DOft- und Nordjeegebiet nur in fchiffbaren Gemäfjern fich findet. Was
die Verjchleppung über See nad) den Aheinmündungen und England betrifft, jo jcheint
mir ein Transport mit Schiffsbauholz im nern eines Schiffes falt wahrjcheinlicher als
ein jolcher augen am Schiffe durch das Meerwaljer. Aus einem größeren, jie feucht halten-
den Klumbpen fünnen einzelne Smdividuen jicher mehrere Tage über Wafjer ausdauern und
mwahrjcheinlich Tänger als in Geewajjer, daS den Süßtvajjertieren im allgemeinen verderb-
lich ift. Dreyssensia ijt aber feineswegs, wie man oft behauptet, zugleich ein Süßmaljer-
und ein Meertiert, wenigjtens nicht mehr, ja weniger al3 Neritina unter ven Schneden.
Sn der Dftfee lebt fie nur innerhalb der Haffe, nicht außerhalb; und ich fand fie in Oder-
gebiet auf der Sufel Wollin nur auf der Haffjeite der Sufel, nicht auf der Meerjeite lebenp,
ja bei Swinemünde noch einzeln an der Smnenjeite des Dammes, in Gejellichaft der
Paludina impura und des Limnaeus ovatus, echter Süßmwafjerjchneden, aber nicht mehr
an der Außenfeite desjelben, wo von fonftigen Süßwafjfermollusfen nu noch Neritina
! Der jüdlichjte Punkt, an meldem D. Schmidt jelbjt Dreyssensia gejammelt, it in Dalmatien unweit
Sebenico der enge natürliche Kanal, durch welchen der die Kerfa unterhalb ihrer berühmten Wafjerfälle
aufnehmende Vrana-See mit dem merfwiindigen Beden von Sebenico zujammenhängt. Das Wafjer hat
dort faum einen jaßigen Beigeijhmadf. Weiter gegen das Meer zu ift die Mujchel völlig verjchwunden.
Geologijch jheint die ganze Ableitung gut begründet, denn für die pontiihe Stufe oder das ältere Plivzän
im Süpdoften Europas find die Congerien, die mit Dreyssensia zufammenfallen jollen und in jüßem oder
Ihmwac bradigem Waifer lebten, geradezu bezeichnend. Die Mujchel Hätte demnach auf diefem Boden mit
jo vielen anderen altertümlichen Formen die Eiszeit überdauert.
544 Weichtiere: Mufcheln.
fluviatilis zu finden war. Am offenen Dftjeeftrande von Misdron Hatte Mytilus edulis
durchaus und einzig die Rolle, welche im Haff und in der Havel Dreyssensia jpielt, einzelne
Steine und Pfähle zu überziehen. Daß Dreyssensia fomit nicht aus der Dftjee, aber Doc)
aus den Küftenländern der Dftfee nach Deutichland und England gefommen fei, jcheint
annehmbar.” (vb. Martens.) Das Ergebnis der Unterfuchung über die Herkunft ijt jomit,
daß Dreyssensia aus dem füdlichen Rußland auf den fünftlichen und natürlichen Wafjer-
wegen in etiwas mehr als einem Sahrzehnt nach den Dftfeepropinzen und bon da eben-
falls durch Binnenfanäle bis zur Havel gelangt wäre.
Die Kugelmujcheln (Cycladidae) haben fugelige Schalen und Siphonalröhren. ©ie
zerfallen in drei Gattungen, die Kurgelmujchel (Cyclas Klein oder Sphaerium Scop.),
die Häubchenmufchel (Calyculina Oless.), bei der die Wirbel der Klappen jich röhrenartig
verlängern und das fcharf abgejeßte Embryonaljchälcdhen tragen, und die ganz Heine Erbfen-
mujchel (Pisidium Pfr.) mit abgeftugtem Hinterende. Bei der leßten jind die beiden Sipho-
nen verimachlen. Von den Arten von Oyclas erreicht die größte, C. rivicola Lam., 2 cm
Länge, die anderen noch nicht die Hälfte. C. rivicola hält fi auf dem Schlammgrunde
größerer, langjam fließender Gemäljer; die gemeine C. cornea Z. Hettert mehr zwiichen den
Pflanzen, die das Ufer faumen, auch wohl am Wafjerfpiegel (vgl. ©. 513). Calyculina
bewohnt jchlammige Gräben und Lachen; die Erbjenmuschelchen find in den meijten Ge-
mäfjern verbreitet, einzelne halten jelbjt in hochalpinen Seen aus, die nicht jeden Sommer
ihre Eisdede verlieren, — der energischite Vorjtoß der Lamellibrandhien jchlechthin.
Die Zungen werden, ohne Verwandlung, in bejonderen Bruttafchen der Kiemen
ausgetragen. Die jüngiten enthalten nur eine oder zwei Embryonen, die ältejten, Durch Ver-
ichmelzung mehrerer entjtanden, bi3 zu fieben in allen Größen, ähnlich wie bei Paludina.
Sie jollen von den Hautabfällen der Mutter leben. Man fann fie lebend herausnehmen
und bei ihrer Farblofigfeit trefflich unter dem Mifroffop jtudieren.
Den Körperbau der Familie der Najaden (Unionidae) haben wir und eingangs
angejehen (©. 508). Die Najaden jind weithin über die Kontinente verbreitet. Die große
Abänderungsfähigfeit Täßt die Anzahl der Arten, die nach Hunderten und aber Hunderten
befchrieben find, fehr unficher erfcheinen. Überausreich ift Nordamerika. Die Najadenfauna
der nördlichen Erdhälfte ift, wenn man vom fernen Dftafien abjieht, einheitlich und zerfällt
in drei Öattungen: Unio Retz., die Tlußmujchel, hat außer furzen Kardinal- oder Haupt-
zähnen langgejtredte Seitenzähne dahinter, fie bevorzugt bemegtes Waller. Bei Marga-
ritana Schum., der Flußperimujcel, fallen die Geitenzähne weg, während die Kardinal-
zähne, einerjeits zwei, anderjeits einer, bejondersitarf werden und einen hervorragend joliven
Berichluß garantieren; er entfpricht vem Aufenthalt der didjchaligen Tiere in jchnell fließen-
den Gebirgsbächen. Anodonta Cuv., die dünnfchalige Teihmufchel, entbehrt aller Schloß-
zähne und ift auf ruhiges Wafjer angewiefen. Sucht man nad) phylogenetiichen Anhalts-
punkten über den Zujammenhang der Gattungen untereinander, jo hat man Margaritana
an den Anfang zu ftellen, denn bei ihr ijt Die morphologiiche Scheidung im Mantel am
menigiten vorgejchritten, die Mantelränder find am mwenigiten jcharf zu Shoafen- und Bran-
Hialausichnitten Lofalifiert, und die durch Verwachlung der hinteren Kiemenbafen ent-
jtehende Scheidewand, welche den hinteren Mantelraum in zwei Stodwerfe teilt, ift am
unvolltändigiten ausgebildet. Auch den Kiemen fehlt noch die funktionelle Differenzie-
tung, da nicht nur das äußere Baar, fondern beide beim Weibchen als Bruträume dienen.
Weichtiere II.
#
en. .;
1 2 - 3 4
1—4 Begattung von Limax maximus Z. K. Fischer-Erfurt phot. („Jenaische Ztschr. f. Naturw.“, N. F. Bd. 48, H. 1, Jena 1917.)
\. Beginn der Ausitoßung der Ruten nach Umichlingung der Körper, 2. die Ruten jind voll ausgeitoßen, 3. auch\die
‚Samenpakete find hervorgetreten, 4. Zuitand gegen Ende der Begattung. S. 481.
5. Deutiche Teichmuichel-Arten. Natürliche Größe. S. 552. Aus W. Israel, „Biologie der europäischen Süßwassermuscheln“.
Stuttgart 0. J. Oben links: Anodonta complanata elongata Roßm.; oben rechts: Anodonta complanata typica Roßrn.,
unten: Anodonta cygnea Z.
6. Unio tumidus Retz.
7. Unio crassus (Retz.) thuringiacus /srael.
8. Unio batavus consentaneus Zieg.
6— 8. Deutiche Slußmuichel-Arten. Natürliche Größe.
Aus W. Israel, „Biologie der europäischen Süßwassermuscheln“.
S. 551.
Stuttgart 0.J.
Echte Blattkiemer. 545
Während die Zylladen durchweg Ziwitter find, mwechjeln bei den Najaden herma-
phroditiihe Formen mit diöziichen. Unfere einheimischen find im allgemeinen getrennt-
gejchlechtlich. Zroitter finden fich namentlich unter den Anodonten, und zivar um fo mehr,
je abgejchlojjener das Waljerbeden ift, in welchem fie haufen. Nachdem die Eier aus der
Gejchlechtsöffnung ausgejtoßen jind, werden fie durch entjprechenden Wimperftrom bei Der
Verimujchel in alle vier, bei den anderen in die äußeren Kiemen befördert, die al Brut-
raum oder Marjupium dienen und beträchtlich anjchwellen. Hier werden fie zunächit durch
das dom Männchen ausgeftoßene und vom Weibchen mit dem Atemmafjer aufgenommene
Sperma befruchtet. Bei Margaritana find e3 reichlich 1000000 Eier, bei Anodonta 3 bis
400000, bei Unio etiva8 weniger. Bei der Berlmufchel fällt die Laichzeit in den Juli und
Auguft, bei der Slußmuschel in den VBorjommer, bei der Teichmujchel, welche die Yängite
Brutzeit hat, in den Winter. Nach der Furchung bededt jich das Ei an einer Stelle, die
Slemming „Wimperjchild" genannt hat, mit äußerft _ BL a
furzen und zarten Wimpern, durch welche die nunmehr nn ı
lic bildende Frucht in ihrer Eihaut und in der fie um- :
gebenden Flüfjigfeitin fortwährende, Drehende Bewegung
berjegt wird. Dieje überrajchende Erjcheinung wurde,
wohl als die erjte ihrer Art, Schon von dem Vater der N
Mifroffopie, dem großen Leeumenhoef, beobachtet. ( |
„Einige diefer Mujcheln“, fchreibt er, „öffnete ich in ©e- sh En
|
genmart des Kupferftechers, damit er die Jungen, jobald
ic) jie aus ihren Behältern genommen hätte, jogleich en
zeichne; denn wenn jie auch nur einige Stunden hätten ©. Roriselt, „Perlen“ („Zortfhr. ber na-
ftehen müfjen, jo würden fie ihre wahre Geftalt fehon yentaren (< petnbartus), sn Ehalenhatan, zo
eingebüßt haben. Die noch ungeborenen Mufjcheln mur- Simesorgune, s De
ven num in eine Ölasröhre unter das Mifroffop gebracht,
und ich jah mit Erjtaunen ein gar jchönes Schaufpiel. Denn jede derjelben, in ihrer be-
jonderen Haut oder Hülle eingejchloffen, zeigte eine langjame Umdrehung, und zwar nicht
bloß für eine furze Zeit, jonderi dieje radfürmigen Dredungen konnten 3 Stunden Yang
nacheinander beobachtet werden und waren um jo merfwürdiger, als die jungen Mujcheln
während der ganzen Bewegung beftändig in der Mitte ihrer Eihaut blieben, wie eine um
ihre Achje fich drehende Kugel. Dies ungewöhnlich Ichöne Schauspiel erfreute nicht allein
mich jeldit, jondern auch meine Tochter und den Zeichner ganze drei Stunden lang, und
mir hielten e3 für eins der ergreifenpiten, die e3 geben fann."
sn der Stieme entwicelt jich, immer innerhalb der Eifchale, eine eigenartige, Oo chi-
dium genannte Larve, deren weitere Schicjale erft viel fpäter, vor noch nicht 50 Jahren, zu-
nächjt Durch Leydig, aufgeklärt wınden. Die Glochivien find zmweiklappige Mujchelchen mit
dreiedig rundlicher Schale, deren Klappen, gegenüber dem Schloß, mit beweglichen Hafen
oder Stacheln verjehen jind. Mittels eines Schliegmusfels fönnen fie auf- und zuflappen.
Der Mantel, auf dem fie jigen, ift noch nicht der endgültige und wird al3 Scheinmantel be-
zeichnet, an feiner Unterjeite jiten Sinnesfnofpen. Dazu fommt ein Scheinbyffus, ein ein-
zelmer Hebriger Faden, lang bei Anodonta, fürzer bei Margaritana; bei Unio fehlt er. Eine
Anodonta ftößt nun ihre Glochivien im Aquarium nur aus, wenn gleichzeitig ein Filch fic)
darin aufhält. Beim Ausftogen werden die Ölochidien von ihren Eihüllen befreit und fallen,
oft durch ihre Fäden verklebt, zu Boden. Gelegentlich haftet ein frei jchtwebender Faden
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. , 30
546 Weichtiere: Mujcheln.
an der Bauchjeite des Filches, zumal der Floffen,; der Khumpen von Larven tmird mit-
geriffen, und durch Auf- und Zuflappen der Schale mit den beweglichen Hafen heftet fich
eine Anzahl an der Haut feit.
Etwas anders verhält es fich bei der Perl- und der Flußmufchel. Bei jener ver-
fleben die Larven ebenfalls zu Klumpen, bei diejer haften fo viele zufammen, wie in einem
Brutfach des Marfupiums faßen. Dieje Ballen num werden vom Maufe eines Fijches auf-
genommen, einige Ölochivien werden verjchluckt, andere geraten zwifchen die Stiemenfpalten,
wo fie fich, ganz wie Die Larven von Anodonta, an den Siemenfäden befejtigen. Der
Neiz der angellammerten Schmaroger veranlaßt die Fiichhaut zu einer Wucherung, welche
die Larven in einer Blafe einjchließt. Darin Haben die Ölochivien einen Kampf zu bejtehen
mit den Leukozyten oder weißen Blutkörperchen de3 Wirtes, die befanntermaßen fremde
Eindringliche angreifen und vernichten. E3 mag jo noch manche Larve, nachdem fie jchon
das Glüd Hatte, an einen Wirt
zu gelangen, wieder zugrunde
gehen. Dieje verwidelten Le-
bensmwege der Jungen, bon denen
nur menige auserwählt fin,
erflären zur Genüge die hohen
Cizahlen. Während einiger
Wochen des parafitiihen Xebens
legen fi im Glochidium, das
' bermittel einzelner Bellen jei-
= nes Scheinmantel3 Zellen Des
Der freie Teil eines Kiemenblätihens etnes Fifhes mit3 Glodi- f Br -
dien der Flußperlmujhel Nah einem Präparat von W. Harms. Aus Fiches nac) Amöbenart auf-
©. Korfchelt, „Perlen“ wa a Forfhung“, Bd. VII, 1912). nimmt, die endgültigen DIrgane
an, der Mantel, der Fuß, Die
eriten Kiemenhöder; und binnen furzer Frijt wird nad) dem DVerlajjen des Fildes im
Schlamm und Sand der Gemwäffer die endgültige Geftalt der Mufchel erreicht, wie exit in
jüngfter Zeit eingehend aufgeklärt wurde.
E3 it Schwer zu jagen, welchen Ziwed der Barafitismus der Larven, der unter
den Ncephalen, ja unter den Mollusfen überhaupt, völlig vereinzelt dajteht, Haben mag.
Bielleicht gibt die Tatjache, daß durch die Schmaroter das Flojjenjfelett angegriffen und
berjtümmelt werden fann, einen Fingerzeig. ES jcheint, daß Hier der erjte Kalk für Die
Schalenablagerung gewonnen oder daß, jozujagen, der Kalforud im Blute der ganzen
Mufchel jo weit gejteigert wird, um die geregelte Ablagerung einzuleiten. &3 fommt nicht
jelten vor, daß auch) Amphibien von den Glodhidien der Najaden befallen werden, ja
Serael, der jich mit der Aufzucht der verichiedenen Gattungen bejchäftigte, fand ge-
legentlich eins an einem Schwimmfäfer (Dytiscus) fiten. Daß lebteres jich nur verirrt
hatte und nicht weiter entwidelte, wird niemanden überrajchen. Aber SSrael behauptet,
daß auch die an Molchen und Fröfchen oder deren Kaulquappen fibenden Larven fich nicht
zu entwideln vermöchten. Filche jind die eigentlichen Wirte, und diefe Abhängigkeit wird
bejonders Hitbjch beleuchtet Durch das umgekehrte Verhältnis, wo die Eier des Bitterlings
in die Mufchelfieme gelangen und hier enttwicelt werden, wie man in dem Bande, der
bon den Zijchen handelt, weiter nachlefen möge (Bd. TI, ©. 179).
Die Enttwidelung der freien Mufchel ift, wie gejagt, während der erften Monate
EChte Blattfiemer. 547
außerordentlich jchnell, al3 wenn das während der parafitiichen Periode Iangjame Wachs-
tum eingeholt werden follte. Die Kiemenhöder wachen zur inneren Sieme aus, die dußere
fommt dazu ufm. Das Schälchen vergrößert fi) rings am Kande zunächlt nur al3 dünnes
PBerioftrafumblättchen. Nachher verlangfamt fich das Wachstum. Man fieht noch deut-
lihe Zumachsitreifen und glaubte in den dumfleren Linien, die auf eine regelmäßige Unter-
brechung deuten, Sahresringe zu erkennen. Aber es hat fich gezeigt, wie bei der Aufter,
daß deren in einem Sahre mehrere angelegt werden fünnen, mwenigitens bei den Teich-
und Slußmuscheln. Weitere Angaben von Srael lauten:
„em fchnelliten von allen jungen Mujcheln wachjen die Anodonten, von den Unionen
Unio pietorum. Langjamer als diefer wächlt Unio tumidus und am langjamjten Unio ba-
tavus. Alfo nur in den erften Monaten ift das Wachstum fo ganz außerordentkich fchnelt,
fommt aber bald zu einer gewifjen Berlangjamung. E3 erfolgt jodann die Bergrößerung des
Gehäujes je nach der Art mehr oder minder jtetig, aber nie wieder fo fehnell als in den erjten
Monaten. Jn drei bis fünf Sahren zirka find die Tiere ziemlich ervachfen (Unio und Ano-
donta). &3 folgt weiter nur noch ganz geringer Größenzumachs, obgleich die Tiere nod)
lange leben fünnen. Geht viel älter wird die Margaritana, die nach) meinen Beobadytungen,
was ich früher für völlig unmöglich gehalten hatte, tatfächlich ein Alter von SO—100 Sahren
erlangt. Sch habe öfter Yebende Eremplare gefunden, die Durch angebrachte Jahreszahlen
deutlich bewiefen, daß jie dies Alter erreichen. Sm Jahre 1911 fand ich z.B. im Görnib-
bache bei Olsnib ein lebendes Cremplar, welches bei 14 der Schalenhöhe Die Jahreszahl
1851 trug. Wenn ich annehme, daß das Sremplar, al3 e3 vom Perlfiicher gezeichnet wurde,
zirka 20 Sahre alt war, mern ich ferner bevdenfe, daß das Tier 1911 erjt 34 der normalen
Größe erreicht hatte, jo glaube ich der Wahrheit fehr nahe zu fommen, wenn ich als mittleres
Lebensalter für die Perlenmufchel 8O—100 Sahre angebe. Die Anodonten werden aber
bejtimmmt nicht viel älter al3 fünf, die Unionen bejtimmt nicht viel älter al3 acht, Höchjtens
10 Sahre. Das Größenwachstum fchreitet nach) meinen direften Beobachtungen an mittel-
großen Bach-Unionen verhältnismäßig fchnell fort; auch werden alljährlich mehrere Ringe
an dem Gehäufe gebildet, jo daß e3 ganz bejtimmt Faljch ift, bei ihnen die Zumachsitreifen
als Sahresringe anzufprechen. Bei Margaritana hingegen bedeutet jeder der deutlich Her-
bortretenden Abjäbe ein volles Jahr.
„US weiterer ficherer Beweis für das jehr Hohe Alter der Margaritana marsarilifens
mag ae Tatfache angeführt fein. Sn dem trodenen Jahre 1842 trorfnete ein Feiner
Verlbach im Vogtlande vollftändig aus, jo daß die gejamten Mufcheltiere eingingen. Die
PVerlfiicher Haben die Ieeren Schalen gefammelt und wagenweije nad) Adorf an die Perl-
mutterinduftrie geliefert. Seit diefer Zeit ijt dies Bächlein nie wieder ausgetrodnet, auch
nicht in dem Jahre 1911. Nach der Rücdfehr des Wafjers beichidte man es mit Erfolg no)
in demjelben Jahre wieder mit einigen Dußenden von alten Tieren, von denen die heutigen
gefamten Mufchelbeftände diejes Bächleins abftammen. Aber alle Tiere dezjelben find bis
jebt noch nicht einntal halb erwachlen, ausgewachjene finden fich in demjelben nirgends. Die
. 1842 ausgejesten mögen wohl in der langen Ziwifchenzeit abgeftorben fein. €3 ift dabei zu
erwägen, daß im hohen Alter faum noch ein nennenswerter Größenzumachs erfolgt, denn
die Hauptwachstumsperiode ruht auch bei der Perlenmufjchel auf dem jugendlichen Alter.“
Wenden wir ung jebt den einzelnen Gattungen und ihren Cigentümlichfeiten zu, jo
fallt zunächit die Hohe Abänderungsfähigfeit der meilten Arten auf, ein Beijpiel von An-
paffungsfähigfeit und Variabilität, wie e3 im Tierreich nur felten wieder erreicht wird.
35*
548 Weichtiere: Mufcheln.
„Nicht bloß jeder Bach“, jagt Nogmäßler, „Tuß, Teich zeigt jeine eigentüimfichen Formen
bon Unionen und Anodonten, jondern nicht jelten findet die Erjcheinung jtatt, daß mit der
Reränderung des Flußbettes in Breite, Tiefe, Bodenbefchaffenheit und mit der größeren
oder geringeren Gejchrindigfeit des Laufes fich die Formen der Mujcheln verändern. An
großen Teichen oder Landjeen hat die feichte, dem herrfchenden Luftitrome gegenüber-
liegende Seite oft ganz andere Formen als die meilt tiefere entgegengejebte Seite. Wer
feine Anodonten und Unionen nicht bloß in einzelnen ausgejuchten Cremplaren von Händ-
fern bezieht, jondern felbft Hundertweife an Ort und Stelfe weit und breit jammelt und in
veicher Auswahl von feinen austwoärtigen Freunden unter genauer Angabe des Fundortes
zugejchieft erhält, der wundert fich nicht jowohl darüber, wenn er die Arten in mehr oder
weniger eigentümlich ausgeprägten Formen erhält, jondern darüber, wenn er dan und
wann einmal ganz diejelben Formen erhält, die er jchon andersmwoher befigt." Sodann
mweilt er an einem bejtimmten Beifpiel, einer Flugmufchel mit ausgezogenem, plattem
Hinterende, die er Unio platyrhynchus nennt, den genaueren Zujammenhang nad).
„Der Wörther See bei Klagenfurt”, heißt es, „Hat den Unio platyrhynchus gejchaffen,
ob aus Unio pictorum (der gemeinen Malermufchel), läßt jich aus begreiflichen Gründen
direkt freilich nicht nachweifen. MS man von dem See den (zur Stadt führenden) Lend-
fanal ableitete, füllte denjelben das Waller des Sees, und es mußte diefes dadurch nad)
und nach natürlich eine veränderte Beichaffenheit annehmen. &3 fteht, je entfernter von
jeinem Ursprunge aus Dem ©ee, defto ruhiger, da der Kanal blind, d.h. ohne Abflug endigt.
Der Kanal hat wohlunterhaltene, regelmäßig abgeböjchte Ufer, eine Breite von beiläufig
s—10 Schritt und eine durchjchnittliche Tiefe von ettva 3 Fuß. Bei der erjten Füllung
des Kanales mit dem Wajjer des Sees mußten natürlich einige Mufcheln mit diefem in den
Kanal gelangen, deren Nachfommen wir jet überall in demjelben finden. Nun trifft man
im Kanal, in welchem Unio pictorum in charafteriftiicher Torm borherricht, feinen ein-
zigen U. platyrhynchus, den Bewohner des Sees, und im See feinen einzigen U. picto-
rum. Gollte e3 aljo eine zu fühne Hhpothefe fein, anzunehmen, daß U. platyrhynchus,
dem man jeine große Verwandtichaft mit U. pietorum leicht anfieht, im Kanal wieder zur
Form bon U. pietorum zurüdgefehrt jei, nachdem er den eigentümlichen Entwidelungs-
bedingnijfen des ©ee3 entrücdt und in eine neue Sphäre verjegt war?"
Margaritana hat in Europa zwei Arten, M. sinuata Sam. und M. margaritifera L.;
dazu fommen in den Vereinigten Staaten noch zivei weitere. M. sinuata gehört Südeuropa
an. Früher fam jie auch in Deutfchland vor; man glaubte, daß ihre Schalen durch den Ver-
fehr allein zu uns gefommen wären, aber fie gehören vielfach alten Flußbetten a. M. mar-
garitifera, die Echte FlußperImufcel, it nordeuropäisch, greift aber von hier aus rings
um den Pol herum durch Nordamerika und Sibirien, ohne wejentliche Abänderungen.
„on Deutjchland”, jagt Ssrael, „bejchränkt jich das Vorkommen (von einigen weniger
wichtigen oder fünftlichen Verbreitungsbezirken abgejehen) Hauptjächlich auf die aus dem
Fichtel-und Elftergebirge und dem Bayerischen Walde abfliegendenGemäjler. Zoogeographiic
it die Perlenmufchel außerordentlich interefjant und wichtig; fie ift alS Überreft aus der
Eiszeit (glaziales (Nelikt) anzufehen. Es ift eine Eigentümlichfeit diefes Tieres, daß es zu
jeinem Lebensunterhalte nur das reinfte, Falffreie Bachiwajjer bedarf und daher nur im
Urgebirge (Granit, Gneis uf.) oder im Kambrium, Silur, Kulm, Buntfandftein ufio. (falls
dieje Sedimentgefteine nicht zu mergelig oder falfhaltig find) vorfommt. Troß der Dide
der Schalen, die befanntermaßen der großen Hauptfache nach aus fohlenfaurem Salfe
Ehte Blattfiemer. 549
beftehen, meidet die Verlenmufchel Falfhaltige Gemwäffer ängjtlich und ftirbt, in Bäche des
Mujchelfalt3 oder Zechiteins ujw. verjeßt, in Fürzefter Frift. Der gejamte Ralf, den das
Tier zum Aufbau feines zweillappigen Gehäufes benötigt, tammt jomit lediglich aus Der
Nahrung. Da aber die Berlenbäche nachgemwiejenermaßen jehr arm an organiichen Moder-
jtoffen, ferner jehr arm an Diatomeen, Peridineen uji. ujw. (der Nahrung der Perlen-
mujcheln) jind, anderjeit3 die Schalendide aber eine ganz bedeutende ift, jo erhellt jchon
hieraus, daß viele, viele Fahre dazu gehören müljen, um ein folches didjichaliges Gehäuje
bilden zu fünnen. Die Dide der Schalen beträgt an dem Borderrande oft ein Zentimeter
und mehr. Die etivas geöffneten Schalen, aus denen die papillöfen Mantelränder (die als
SlußperImujdel, Margaritana margaritifera L.; vedt3 ein halb geöffnete Eremplar mit zwei Diantelperlen; hinten wan-
dernde Teihmufheln. Nach der Zufanmenftellung in einem Aquarium. 1)—8) verjhiedene Perlenformen.
Fühlorgane dienen) etwas herborjchauen, find der Stromrichtung entgegengerichtet, um
die ala Nahrung dienende Schwebefauna und Feine Moderftoffe am beiten auffangen zu
fünnen, zugleich mit dem Atenwafjer.“
Von anderen deutjchen Gegenden find ettva zu nennen das Duellgebiet des Mainz,
der Ginn, ein rechter Nebenfluß der Fränfifchen Saale, mit feinen Zuflüfjen, die Lohr, Die
aus dem Spejjart Tommt, vom Süinziggebiet die Bieber, die Orb, auf der-Iinfen Geite die
Mudau; dazu Hunsrüd, Eifel, das Hohe Venn; durch fünftliche Bejiedelung die Steinach
bis Kedarfteinach im Odenwald, ferner Laufis, Niejengebirge und Liineburger Heide. Eine
eigentümtliche Erfcheinung ift es, daß in den Falfarmen Perlbächen feine anderen Najaden
zu finden find, weder Unio crassus noch) Bach-Anodonten.
„Die im Bayeriichen Walde”, jagt Ssrael weiter, „jo ijt auch im jächjiihen Eliter-
gebirge (Bogtlande) die Perkmujchel jeit Sahrhunderten Gegenjtand jorgfältigiter Pflege, Dod
ift gegenwärtig die Blütezeit der Verlfilcherei vorüber. Smmerbhin ift es jehr mit Freuden
zu begrüßen, daß die jächjiiche Krone die von den Ahnen überfommene Berlfilcherei in
der (Weißen) Eliter und ihren Geitenbächen nicht aufgibt, obgleich jte natürlich nicht lohnt
550 Weichtiere: Mujheln. _
und niemals gelohnt hat. Hierdurch find die Tiere einigermaßen gefchüst und gleichjam unter
Denfmalfchuß geftellt. ES ift ein fehönes Familiengefeß, daß die fächjifchen Königinnen nur
Eliterperlen, alfo jolche, die im Lande gewachlen find, tragen follen. Auch ift die gefamte
Bevölferung in diefem Gebiete fo erzogen, daß tatfächlich nur äußerft felten Befchädigungen
an den Mufchelbänfen durch Menfchen vorfommen. Kurfürst Sohann Georg I., hoch erfreut
über die damalige Entdedung, daß im vogtländischen Kreife in dem Efjterbache und feinen
Seitenbächen gute Perlen vorfämen, übermwies diefe wichtige Sache einer Kommilfion. Nach
dem fehr günstigen Urteile der damaligen Sachverftändigen erhob er 1621 die Perlenfifcherei
zum Regale, wobei zugleich laut Defret vom 8. Wuguft desfelben Sahres der Bürger Mori
Schmirler zu Olsniß zum exrften Berlfifcher beftellt wurde, mit dem Bedeuten, daß als Lohn
der Treue und Gemiljenhaftigfeit feine Nachfommen bei diefem Amte verbleiben follten.
Das ift denn auch bi8 auf diefen Tag in ununterbrochener Reihenfolge gefchehen.
„Die Berimufchel Hat einen ftrengen, feh mac) aromatischen, an Angelifawurzelerinnern-
den, nicht gerade angenehmen Geruch, befonder3 während der Laichzeit, Die im Elftergebiete
Ende Zuli bi Anfang Auguft eintritt, doch trifft man auch früher hier und da vereinzelt
ein trächtiges Eremplar.”
Koch wollen wir hier einer cf cheinung gedenfen, die bei der Berimufchel den höchiten
Grad erreicht, der Korrofion nämlich. Die Schalen werden zerfrejfen durch Kohlen-
jäure, die den Kalf angreift und al Bilarbonat gelöft fortführt. Das fällt weg auf
Kalfgeitein, mo die Kohlenjäure bereit3 gebunden ift. Die Schalen werden natürlich am
ftärfiten zerfrejfen an den ältejten Teilen, d.h. am Wirbel. „Bei den Donaumufcheln ift
die Erjcheinung der Korrofion felbft in den Duellbächen und früheiten Zuflüffen ganz un-
befannt, desgleichen beim Nedar, dem unteren Main, dem Rhein, der Uinterwefer und Unter-
elbe ujt., überhaupt bei dem ruhigeren Unterlaufe ver Ströme, tvo jich die Wajjer aus dem
verjchiedenartigften geologifchen Untergrunde zufammenfinden. Sn diejen ift die Kohlen-
Jäure längjt gebumden an Kalzium, Magnefium oder irgendein Alfali. In den Duellbächen
dagegen, die Häufig aus Urgeftein, Kambrium, Silur, Devon, Kulm uf. ihren Urjprung
nehmen, erjcheinen die Mujchelfchalen fat immer enorm zerfreijen (forrodiert), oft jo, daß
faft die ganze Schale bis auf die jüngften Zumachsfchichten bi3 tief in die Verkmutterjchicht
hinein zerjtört ift. Manche Bäche zeigen ein wechjelndes Verhalten, fie jollen die Probe
auf das Erempel machen. Kommt 3. B. ein Bach aus fulmischen Schiefern und tritt auf
jeinem Laufe beifpielßweije in ein größeres Zechjteingebiet ein, jo fann man fait an der
Korrofion der Schalentiere an den verjchiedenen Stellen den geologijchen Charakter des
Untergrundes erraten, vorausgefegt natürlich, Daß nicht in den leßten Jahren ein Hochtwajjer
die zormen auf weite Streden vermengt hat. Oberhalb, alfo im Kulm, eine enorme Storrojion;
beim Eintritt in den Zechitein wird fie geringer, und bei weiterem Verlaufe Hört jie ganz
. auf. Sn Thüringen find faft alle Mufchelfchalen jehr ftark forrodiert, von den Ausnahmen,
die durch den geologischen Untergrund bedingt find, abgejehen.“
„Die Unionen leben vorzugsmeile in fliegendem Wafjer. Nur mehr ausnahmsweije
wird man fie in Heineren Teichen finden, und wenn e3 vorkommt, jo find es fajt ausnahmzlos
jolche, die irgendeinem Bache alS Ducchfluß dienen, deren Abflüjfe aber mit irgendeinem
größeren fließenden Gemäfjer in Verbindung ftehen. Durch FZijche verjchleppt fomımen jo
ab und zu Unio tumidus und Unio pictorum, jehr jelten aber irgendeine batavoive Form
(j. ©. 551) in einen Teich” (Serael).
Hier laffen fich bei überreicher Abänderung im einzelnen doch verichiedene Hauptarten
Echte Blattfiemer. 551
fenngeichnen. Sie zerfallen in zwei Gruppen. Unio tumidus Retz., die Aufgejhwol-
tene FSlußmufcel (f. Tafel „Weichtiere III", 6, bei ©. 545), und U. pietorum L., Die
Malermujchel, bilden die eine, mit länglicher oder fpiß ausgezogener Schale und mit
feinen Höcderchen auf den Wirbeln; jene erreicht ihre größte Vollendung bei uns in Der
Werra, die Malermufchel in der Donau. Von ihren mancherlei Ubänderungen haben wir
borhin U. pietorum platyrhynchus Roßm. bereits al3 Seeform fennengelernt. Die andere
Gruppe umfaßt diejchalige, gedrungene, verfürzte Mufcheln mit fonzentrifch geftreiften
Wirbein; man Fann fie al® U. batavus Zam. zujammenfaffen und in drei Hauptgruppen
— m Z— —— — =
Große Shwanen-Entenmufdel, Anodonta eygnea Z. Natürlihe Größe.
teilen, jede wieder mit zahlreichen Xofalformen, nämlich: U. batavus crassus Ret2. (j. Tafel
„Weichtiere III”, 7, bei ©. 545), nordeuropäifch, bei ung charafteriftijch für das Gebiet des
oiluvialen Urjtroms, U. batavus Zam. im engeren Sinne, aus Wefteuropa einjchlieglich des
Aheingebietes, und U. batavus consentaneus Zieg., au3 der Schweiz, dem Donaugebiet
und Oberböhmen (f. Tafel „Weichtiere III”, 8, bei ©. 545). Sede der drei Formen gliedert
lich wieder in zahlreiche Zofalrafjen.
Die Anodonten find fo veränderlich, daß Welterlund aus deutjchen Gemäfjern 87,
Gervain allein aus dem Main zwifchen Frankfurt und Hanau 26 „Arten” beichrieben Hat. Doc)
bemerft Ssrael mit Recht: „Ueffin Hat, gejtügt auf direkte Beobachtungen bezüglich der
Tormummandlung bei zunehmendem Alter oder Berjegung in andere Yebenzbedingungen,
bemiejen, daß jic) Die Anodonta cygnea nad) den Wafjer- und Untergrunpverhältnijjen jo
jehr richtet, daß fi) aus irgendeiner Anodontenform alle nur denkbaren Sormen enttwideln
fönnen.” Der ganze Neichtum Yäßt fich auf zwei gute Arten verteilen, die meift größere
Anodonta cygnea Z. mit oft jehön grün ftrahliger Schale und die fleinere A. complanata
Zieg. (\. Tafel „Weichtiere TIL", 5, bei ©. 544). Die Glodhidien der erjteren Haben den langen
992 Weichtiere: Mujcheln.
ZarvenbHffus, bei denen der zweiten fehlt er völlig. Auf die erjtere bezieht fich die folgende
Schilderung von Jsrael: „Die Größenverhältnijje der Anodonten find bedeutenden Schwan-
fungen ausgejebt. Während die Teichformen in den Riejeneremplaren der Cellenjis-Formen
20—22 cm Länge, 7—10 cm Breite und bei Fiementrächtigen Weibchen zirfa 6—8 cm Dicke
erreichen, bleiben die Bachanodonten ganz bedeutend hinter diejen Größenangaben zurid.
Die größte Mufchel, die ich je gemefjen und überhaupt je gejehen habe, jftammt aus dem
Teiche der Rotenhofsmühle bei Hummelshain in Sachjen-Nltenburg. Yänge 22,2 cm, Breite
9,6 cm, Dide 8,2 cm. Die Schale mit dem lebenden Tier wog 649 g, die Schale allein
211g. Die Bachformen ftellen die Hunger- und tümmereremplare der Anodonta cygnea
- dar. Sie werden in den Heinen und Heinften Bächen meift, jelbit als fiementrächtige Exem-
plare, felten über 5—7 cm lang, während jie in den größeren Flüjjen etiva die Doppelte
Größe der Heinen Bachformen, meilt in etwas ponderojeren G©titden erlangen.
„Krähen und Dohlen jtellen diefen Niejentieren jehr nach, wie man denn auch ge-
legentlich jolche findet, die deutliche Spuren von ©chnabelhieben, Die jpäter wieder Durd)
anfänglich ganz dünne Perkmutterhäutchen gejchlojjen werden können, aufweijen. Dan
fieht dann meift auf der Innenfeite dunkler erjcheinende, große Blajen und Unebenheiten,
da das dünne Verkmutter die in die Berlegungen eingetretenen Schlammteile durchjchimmern
läßt. Solche Tiere führen auch öfter Heine Perlgebilde in ihrem Störper.”
Die erwähnte Veränvderlichfeit der Anodonten fommt gelegentlich am einzelnen Stüd
zum Ausdrud, wenn die Tiere fich an einer Stelle jo zufammendrängen, daß der Grund
des Gemäljers wie mit Mujcheln gepflaftert erjcheint. Dann entjtehen infolge gegenjeitiger
Naumbeengung bisweilen ganz unregelmäßige, verkürzte, unfymmetrijche Formen und der-
gleichen. Buchner bildet verjchiedene, höchit auffällige Beijpiele ab, movon wir einige auf
der Tafel „Weichtiere ILL, 5, bei ©. 544 bringen.
Und nun ein Wort über die wirtfchaftliche Bedeutung der jo überaus bielfeitigen
Najaden. „Der Nuten, den dieje Harmlojen Fluß-und Teichbeiwohner ftiften“, jchreibt Jerael,
„it fehr gering, wenn man von der Verlmujchel und dem mwiljenjchaftlichen Werte, den jie
ftiften, abjieht. Daß fie in manchen Gegenden als Futter für Schweine und Hühner benubt
wurden und auc) heute noch benubt werden, wurde jchon erwähnt. Auch wurde früher aus
den Schalen gelegentlich Kalk gebrannt oder hier und da einmal ein Stüd Weg mit ihnen
beichottert. Wenn ab und zu einmal eine Stüchenfee jich einige Schalen hält zum Austragen
de3 Gejchirres, jo fann ihnen das auch wohl faum als ein bejonderer Nußen angerechnet wer-
den. Daher ftammt der Volßname ‚Häfelefrager‘. Größer jchon ft der Nuben bei Natur-
völfern, da fie vem Menjchen al Nahrung dienen. ©o aßen in Nordamerika die Eingeborenen
die Mufcheltiere jehr gern, denn die Anhäufungen leerer Schalen an den Lagerpläßen der
Smdianer reden eine deutliche Sprache. Auch in Afrifa werden die Spatha-Alrten bon den
Kegern, in China die Nodularien gern gegejjen. Gewöhnlich entfernen fie aber ven Fuß, da
diejer zu zähe jein joll. Es ijt auch allgemein befannt, daß die Staliener heute noch Mujchel-
tiere mit Vorliebe ejjen, wie fie auch bei ven Römern in hohem Anjehen jtanden. Der ein-
zige mir feither befanntgemwordene verbürgte Fall, daß auch Heute noch in Deutjchland Fluß-
mujcheln gegejjen werden, jftammt aus Dttweiler, Kreis Trier. Dorxtjelbit Jammeln die Kinder
in den Mühlgräben der Blies (Nebenfluß der Saar) den Unio batavus und Flußanodonten,
die einzigen Najaden diejes Fluffes, die fie dann forbiweije für bilfiges Geld an die Liebhaber
verlaufen. Die Weichteile werden durch Ablochen aus den Schalen entfernt, gewajchen,
Ehte Blattfiemer. 958
nochmals gefocht und fchlieglich gefalzen in der Pfanne in Butter gebaden. Kiemen und
Mantel werden nicht entfernt. Sie follen ganz vorzüglich jchmeden. Mujcheltiere aus
jtehendem Wajjer werden ihres anhaftenden jchlammigen Gejchmades wegen nicht gegejjen.
„C3 Tann hervorgehoben werden, daß in der Nähe der Dörfer, wo Gänje und Enten
auf die jeichten Bäche und Flüjjfe gehen, die Mufcheltiere nicht vecht auffommen Tünnen,
da dieje Die jungen Mujcheln aus dem Schlamm herausholen und famt Schale frejfen. €
ift auch ganz allgemein befannt, daß bei feinem Wafjerjtande Krähen und Dohlen ic) Mu-
iheln aus Teichen und Bächen holen, die Schalen aufhaden, um die Weichtiere zu verzehren.
Einen Schaden haben dieje harmlojen Tiere wohl noch nie geftiftet, e3 jei venn, daß ge-
legentlich einmal ein Fijchchen an einer Überinfeftion mit Mufchelbrut zugrunde geht."
Der wijfenfchaftlihe Wert ift jehon vielfach angedeutet, er jtrahlt nach den ver-
ichiedenften Seiten aus. Hier verfolgen wir nur noch ein wenig die Beziehungen der mechjel-
vollen Gejtalten zur Ummelt, zunächit innerhalb eines begrenzten Gebietes.
„Man fann fast jeden Fluß”, jagt Jsrael, „in drei Streden einteilen. Bis zu einem
gewiljen Bunfte enthält jeder Oberlauf eines Flufjes eine Bachfauna, die jich von der Der
Geitenbäche nicht jonderlich unterjcheidet. Dann folgt eine Strede, die man al3 mit einer
Tlußfauna bevölfert anfehen muß. Hier jind es befonders die jchon größer werdenden Zluß-
formen der Anodonta cygnea und Unio pietorum. Borausjegung ijt es für das Auftreten
der le&teren Art jedoch ftets, daß jich der jchnelle Oberlauf gemildert hat, daß das grobe Oeröll
azurüctritt, und daß ruhigere Flußftreden mit natürlichen Schlammanjammlungen (natürlic)
nicht etwa Fabriffehlamm) vorfommen. Die Anodonta cygnea freilich geht ebenjo Hoc)
hinauf in die Duellbäche wie Unio batavus, verfümmert hier aber zu ganz Heinen Formen,
den jogenannten Anatinaformen der Bäche. Aber, wie gejagt, jtet3 habe ich bei Slüljen,
wo ic) da3 erfte Auftreten von Unio pictorum feftitellen fonnte, auch gefunden, daß die
Anodonten jehon bedeutendere Dimenjionen von 12—14cm Länge und eine mehr gleich-
bleibende Geftaltung annahmen, die man als die Jlußformen der Anodonta cygnea oder als
die Biscinalis-Tormen bezeichnet. Den ruhigen Unterlauf bevölfert dann die Stromfauna
die fich zunächit wohl Hauptfächlich dadurch auszeichnet, daß alle Arten des betreffenden
Flußgebietes nebeneinander vorfommen... Aufgefallen ift mir bei meinen vielen Sammel-
erfinfionen, daß die Bäche, die aus Buntjandftein fommen, gewöhnlich feine Mujcheltiere
beherbergen. Nur die Berlmujchel fann in jolhen Bächen vorfiommen.“
Zeigen fchon dieje Einzelheiten die Bedeutung der Najaden für die Beurteilung der
Geichichte einer Gegend, die zu einem Tlußgebiet gehört, jo fteigert fich diejer Wert auf das
Vielfache, wenn wir die Gejchichte der Tlußläufe und ihrer Wandlungen rüdwärts verfolgen
wollen bis in die früheren Zeiten des Alluviums und Diluviums. Hier ift neben den Auf-
ihlüffen, die von der Geologie geliefert werden, Die Verteilung der Organismen Da wich-
tigfte Argument, und unter diefen gibt e3 wiederum feine befjeren Anzeichen al3 die Tluß-
mujcheln, in erfter Linie die Gattung Unio. &3 ift das hohe Verdienft des erjt während Des
Krieges verjtorbenen Altmeifters unter den deutfchen Weichtierforjchern, Kobelt, darauf hin-
gewiejen, den Beweis an einzelnen Beijpielen Xlar durchgeführt, Dadurch das allgemeine
Sinterejje wachgerufen und die für die Bewältigung der großen Aufgabe nötigen Hilfskräfte
gewonnen zu haben. Haas ift als erfter zu nennen, der den Faden aufnahm, und SSraels
Arbeit, Die wir ja veichlich benubt haben, ift aus denjelben Bejtrebungen erwachjen.
Kobelt nahın zunächjt genauer den „Vater Ahein“ vor, der in jeiner heutigen Geftalt
weder ein jehr alter, noch aber viel weniger giner der ältejten Deutjchen oder europätichen
554 | Weichtiere: Mufcheln.
Ströme ift, jondern im Gegenteil ein jehr junger. Er ift erjt in neuerer Zeit aus vier ganz
verfchtedenen, voneinander unabhängigen Flußfpftemen entftanden. Wir wollen tvenigftens
ein paar naheliegende Punkte herausheben. Die romantischen Gegenden des Rheinfalls
von Schaffhaufen und Lauffen und der Enge bon Bingen find die jüngsten Durchbrüche, an
denen der Strom noch) arbeitet. Das Gebiet oberhalb des Falles mit der Aare var anfangs
durch die Jurafette vom Ahein abgetrennt, Die Waffer, die nach der Eiszeit der Nordfeite der
Alpen entjtammten, flojfen eine Zeitlang durch die Donau, deren Gebiet damals bis zum
Boden, ja bi3 zum Genfer See reichte, ins PBannonifche Meer. Die Oberrheinebene zivi-
ihen Schwarzwald und Bogejen bildete einen Teil des Mainzer Bedens, das zeitweilig nach
Norooften mit der Nordjee, zeitweilig nach Südmeften mit dem Mittelmeer in Verbindung
jtand; es nahm den Main auf als einen der älteften deutfchen Flüffe. Ganz unabhängig und
ebenfalls uralt war die Mofel, die erft nach dem fpäten Durchbruch bei Bingen zum Unter-
lauf de3 Rheines wurde. Kobelt erbrachte nun den beftimmten Nachweis, daß die bata-
boiwen Formen der Schweizer Gemäljer zu dem Sreife de3 Unio batavus consentaneus
des Donaugebietes gehören, und daß — al3 negatives Gegenftüc — Unio tumidus in den
jest getrennten Slußigjtemen fehlt, in der Donau mwenigjtens bis Vreßburg. Haas nahm Die
anderen Abfchnitte vor. Fir die Strede zwifchen Schaffhaufen und Bingen ftellte er ein-
wanpfrei feit, daß ihre Flußmufcheln mit denen der Schweizer Gemälfer nichts zu tun
haben. Hier lebt Unio batavus in topifchen, von Unio consentaneus der Donau mwejentlich
abweichenden Formen; hier Hauft Unio tumidus, der dem ganzen anderen Gebiete völlig
fremd ift. Die gänzliche Abtwefenheit jeder Consentaneus-Form ift ein beftimmer Finger-
zeig auf den jpäten Zufammenjchluß des fchweizerifchen und badischen Nheingebietes.
Entjprechend fteht es mit dem Unterlauf: der Niederrhein von Koblenz ab enthält die ab-
weichende Mofelfauna.
Eine ganz ähnliche Gliederung hat Ysrael durch die Unterfuchung der Flußmuscheln
jür die Elbe eriviefen, die böhmifche, Die Mulde-Saale-Elbe und die Havel-Eibe Haben ganz
verjchiedene Saunen. Die Formen des Unio consentaneus und der Anodonta complanata
jind für die Moldau ebenfo bezeichnend wie für die Donau und unterscheiden fich faft nur
durch ihre Korrofion. Die Mulde-Saale-Elbe ging mindeftenz zeitweilig nach der Wefer,
die Verbindung von Havel und Spree fchloß das obere Odergebiet mit ein. Cine Anzahl
entjprechender Beziehungen find bereits in der Überficht über die einzelnen Arten angedeutet.
Ganz neuerdings haben Haas und Schwarz das Gebiet zwifchen Main und deutjcher
Donau ftudiert und find wieder zu ganz beftimmten Schlüffen gefommen, von denen wir
nur zwei herausheben:
„Das Necargebiet zerfällt nach feiner Fauna in drei Abjchnitte: Oberlauf mit Unio
cytherea cytherea (diefer Küfterfche Name entfpricht dem U. consentaneus Zieg.), Mittel-
lauf mit Unio batavus pseudoconsentaneus Geyer, Unterlauf mit Unio batavus hassiae Haas.
Der Oberlauf und wahrfcheinlich auch der von Kocher und Sagt ift demnach al ehemaliger
Donauzufluß aufzufaffen, der Mittellauf mit Kocher, Jagit und Aich mweift auf die Tauber
hin, deren alten Oberlauf er wohl darftellt, der Unterlauf ift al3 ein durch jungen Einbruch
entjtandener Abffuß zum NAhein zu betrachten.
„Das Regnibgebiet zerfällt feiner Fauna nach in zwei Abjchnitte: ein. jüdliches mit
Unio eytherea cytherea (bi8 zur und einfchließfich der Aich) und ein nördliches mit Unio
batavus kobeltianus Haas. Dadurch ergibt fich die ehemalige Zugehörigkeit des füdlichen
Abichnittes zum Donaugebiet.” ö
Verlbildung. 959
Die Naturgefchichte unferer Flußmufcheln ift fürwahr ein feljlelndes Kapitel. Noch
jehlt ja ihr gefchäßteftes Erzeugnis, die Perle, die twir gleich im Zufammenhange mit den
marinen, den ins Meer gefallenen Engeltränen der Dichter, behandeln wollen.
Die Perlen find am Föftlichiten bei den Süktwafjermufcheln, mindeftens metteifernd
mit Denen Der marinen Meleagrina s. Margaritifera (f. ©. 539). Doch finden fie fich, wenn
mir Korjchelt folgen, auch bei vielen anderen Mufcheltt, Ostrea, Placuna und Anomia, Pecten
und Spondylus, Venus und Cytherea, Mytilus, Modiola, Arca, Pectunculus, Tridacna und
Hippopus, der zu den Gien- oder Niefenmufcheln gehörigen Pferdehufmufchel, Pinna, aber
nn bei Schneden, Strombus gigas, Murex, Trochus, Turbo, Haliotis, Fissurella, Patella, ja
jexbft gelegentlich in Schnirkelichneden, unter ven Kopffüßern bei Nautilus. Mancher ift
beim Aufternefjen auf
eine wmertoolle Perle
gejtogen. Salifornifche
und japanijche Halio-
tis erzeugen, ihrem leb-
Haft perimutterigen
Perioftrafum entjpre=
chend, jchöne Perlen
bon mehr als einen
Zentimeter Durchmej-
jr. Die Perlen der
Tridacna jehen aus
wie Mabajter, die von
Strombus gigas ıoja
over Nila wie die Sn-
nenjeite der Gchale,
die unbedeutenden bon
der Stedmufchel Ldfl- SHliff einer Perle mit 2—-Ifahem Kern; um diefen die Prismen-, außen die Perl-
r mutterfhiäten. Vergrößerung 16:1. Aus E.Korfhelt, „Perlen‘ („Fortihritte der natur=
{ich oder dunkler. wiffenfd. Forfdung”, Bd. VII, 1912).
Sende Perle ijt
Tonzentrijch gejchichtet um einen Stern oder durch Verwachlung und Berjchmelzung um
deren mehrere, wodurch die verjchiedenften Formen entitehen von der Stugel bis zu den
langgejtredten Hundszahnverlen. Die fonzentriihen Lagen können aus allen möglichen
Kombinationen der vier Schalenschichten beftehen (Nubbel). Dunklere Perlen bauen ic)
vielfach nur aus Berioftrafumjubftanz auf. Bejonders wertvoll find jene, die mindejteng
in den Äußeren Lagen reines Perlmutt und dejjen Synterferenzerjcheinungen zeigen. Die
dichte Zufammenfügung der verichiedenen Gubftanzen gibt eine Feitigfeit, daß ein derber
Hammerjchlag zum gertrümmern der auf eiferner Blatte liegenden Perle nötig ift, und eine
Härte, die über die erwartete des Kalfjpat3 (Härte 3 der üblichen Stufenleiter) hinausgehen
fann bis zu der des Flußjpats (Härte 4). Ebenjo jchiwankt das jpezifiiche Gemicht von 1,54
bei jchlechten marinen bi3 zu 2,724 bei feinjten Süßwaiferperlen, was nur ganz wenig hinter
dem de3 kriltallifierten Kalztumfarbonats, Kalzit oder Aragonit, zurücbleibt. Löft man fie in
berdünnter GSalzjäure, jo bleibt Doch die Form in der organischen Orundlage erhalten, indem
nur der Kalk jchwindet. Sleopatra hätte jelbit bei einem jtarfen Säuerling wohl ihre foitbare
Perle erit pulverijieren müljen, ehe jie jie in Wein auf Antonius’ Wohl trinken fonnte.
=
896 Weichtiere: Mufcheln.
Woher ftammt nun der Kern, um den die Perle jich lagert? Das lehren zunächit die
mancherlei Verjuche, die man gemacht hat, um Perlen zu erzeugen, jei es, daß man die
Schale der Mujchel anbohrte und durch das nachher wieder verjchlojjene Loc) einen Tremd-
förper, etwa ein Schalentörnchen, einführte bis zum Mantel, jei es, daß man den Fremp-
förper vom Rande her zwijchen Mantel und Schale jchiebt, wie es längit die Ditafiaten bei
Dipsas Leach, einer großen Najade, tun. lm befannteiten jind hier Die metallenen Budoha-
bildchen (j. die Abbildung) ge-
worden. lle Diefe Dinge
werden vom Mantel mit Berl-
mutter überzogen, allerdings
jo, daß Jie dann feit an Der
Schale haften, wie vie Mujcheln
auch ohne den Eingriff an-
gewachene WBerlen erzeugen
(Schalenperlen). Sit zufällig
ein Fijchehen, ein Wurm, eine
Schnede unter den Mantelrand
geraten und durch den Schluß
der Schalen feitgehalten und ge-
tötet worden, dann werden jie
genau jo unter Perlmutter be-
graben. Für Die freie Berle
(Mantelperle) ijt es mithin not-
wendig, Daß der Fremdkörper
ringsum don Wantelepithel ein-
gehüllt wird. Daher hat man
jhon in den fünfziger Jahren
des vorigen Jahrhunderts an
Schmaroger gedacht; de Filippi
an HBerfarien over Yugend-
formen von Saugmwürmern,
stüchenmeijteran Bafjermilben,
Sstelaart an Nematoden, ange-
Schale von Dipsas plicatus Leach, einer oftafiatifhen ala, jichts Der Zatjache, daß „Die
Be a ee Söneden un Niufmekipyz
jehr viele Saugmwürmer in deren
Entwidelung al Zmwijchenmwirte dienen, daß ebenjo Heine Rundiwürmer nach Art der Trichine
in ihnen häufig find, z.B. in unferer gemeinen Wegjchnede, und daß unjere Najaden vielfad)
bon einer Waffermilbe, Atax, bejucht werden. Aber gleichzeitig Tam jchon d. Heßling, der
befannte Monograph unjerer Margaritana, auf den Gedanken an andere Fremdkörper. Tür
dieje ijt jet Durch Hein und Rubbel unter Korjchelts Führung der Beweis geliefert. Aber
die Frempdförper find nur bedingt jolche, denn fie entjtammen der Wujchel jelbjt als mifro-
\topiiche, gelbe Partikel, die, im Mantel erzeugt, nach dejjen Oberfläche wandern und bei
der Bildung des Beriojtratums mitzuwirken betinimt find. Somit wäre die Berlerzeugung
aljo an die Süßtwalfermuschel jelbft gebunden. hnliches wird auch von marinen Mujcheln
Perlbildung. * 997
gemeldet, bei denen indes die vielfachen Unterjuchungen von Raphael, Dubois, Herdman
und Hornell, Samejon und Seurat teils an europäijchen (Mytilus, Tapes und andere), teils
an tropiichen Verlmufcheln in Ceylon und Ozeanien auch allerlei Barafiten al3 Urfache der
Perlbildung aufdedten. Und zwar fommen außer den Zugendzuftänden von Saugmürmern
auch Heine Bandmurmfinnen ın Trage. Wir wollen und auf die Namen nicht einlafjen,
zumal bon feiner jolchen LZarve der volle Entmwicelungskreis einwandfrei nachgemwiefen ift:
Ausichlaggebend ift, daß die Gejchlechtsreife der Schmaroger in einem Wirbeltierdarm erreicht
* wird, vom Bandivurm der Meleagrina in einem Nochen, dejjen zermalmendem Gebiß jelbft
die diden Schalen der erwachjenen Mufcheln nicht wiverjtehen fönnen, vom Saugmwurm der.
Miesmufchel in Tauchenten, bejonders der Eider- und der Trauerente, Somateria und Ode-
mia. Somit wäre die Mytilusperle nach Dubois der glänzende Sarfophag eines Wurmes,
wenn die Wege nicht noch verjchlungener fiefen. Der Saugwurm fann nämlich im nächjten
Sommer auferftehen, indem feine Zuite, die Perle, galfertiger Erweichung anheimfällt.
Exit von den Saugmwürmern, die in ihrer ZHfte den Angriffen einzelliger Sporogoen exliegen,
würde die Perle Dauer haben, e3 wäre denn, daß jchon etwaige Stoffmwechjelteite, die ein
überlebender Wurm beim VBerlajjen der ZHite zurücdhieße, zur Auslöfung eines neuen
Perlenbildungsporganges ausreichten. Wie man fieht, jtehen hier viele Möglichkeiten
offen, die der Forfhung noch Mühe genug fojten werden. Smmer aber wird der Kern der
Verle, jei e3 ein belebter oder ein unbelebter Fremdkörper, rings von Mantelepithel, von
einem Perla umhüllt fein müfjen, der entfteht, inden: der Fremdkörper aus dem Inneren
heraus durch den Mantel hindurch an dejjen Oberfläche unter die Echale gerät. Bei der
Raumbefchränfung bildet der Mantel eine Vertiefung, in welcher der Fremdkörper liegt, und
durch Zufammenshluß der Grubenränder entjteht der Verljad, ganz ähnlich, wie wir es
ettva bei der Entftehung des Schnedenauges aus dem offenen Becher verfolgten (S.417).
Sn der Tat find auch die Perlen feineswegs auf den Mantel beichränkt, jondern fommen
ausnahmsweile in verjchtenenen Sörperteilen vor, jo gut wie da3 Gefüge der Perle feines-
megs vereinzelt jteht, jondern in Gehörfteinen der verjchtevenften Tiere, in pathologijchen
Gallenjteinen und dergleichen feine Parallele findet. Die befannten Gehöriteine der Filche
fünnen wohl auch für die mannigfacdh unregelmäßigen Tormen der Perlen zum Vergleich
herangezogen werden. Übrigens fanrı auch eine fertige, freie Perle nachträglich gegen die
Schale gedrüdt und mit diejer verlötet werden.
Der Perlenertrag ijt natürlich jehr verjchteden und nach Zahl und Schönheit vom
Zufall abhängig. Man weiß ja, daß bei unjerer Süßmwafjermujchel wohl erjt die Hundertite
Muschel eine Perle enthält, und daß Yängft nicht jede eine vorzügliche ift. Unfere vogt-
(ändiihen PBerlenfischer wijjen die Mufcheln jo weit zu öffnen, daß fie Art- oder Abmwejenheit
von Perlen erkennen, ohne das Xeben zu gefährden, jo daß die perlenlojen Stüde wieder
in den Bad) zurüdgeworfen werden fünnen. Bei Meleagrina fann man aus der Größe [don
einen Schluß ziehen; man glaubt, daß die PVerlenbildung erft mit dem dritten Jahre ein-
- jet und dann immer fich fteigert bis zum Tode, d. h. vermutlich biS zu 7 Jahren. Neuer-
dings Hat man auch Hier fchon eingegriffen mit Hilfe der Radiographie: Beleuchtung mit
Aöntgenftrahlen läßt die Perlen bereit von außen erfennen. Verloren find übrigens auch
[eere Schalen nicht. Seit die Familie Schmirler in Adorf begann, daraus Andenken und
dergleichen herzuitellen, hat jich dafelbit eine großartige Perkmutterinduftrie entmwidelt, jo
gut wie am Dhio, wo Dice Uniofchalen fabrifmäßig verarbeitet werden. Übrigens mußten
auch die Sndianer die Perlen zu jchäben, man findet fie zum Teil mafjenhaft al3 Beigaben
558 Weihhtiere: Mujcheln.
inden Gräbern. Schade, daß dieje Jumelen wertlos geworden find, denn die Perle verliert
mit der Beit ihre Schönheit und wird unjcheinbar.
Kehmen wir den Faden der Shitematif wieder auf, dann können wir den Najaden
die eigentümfiche Samilie der tropifchen, meift äthiopifchen, Atheriiden oder Flußauftern
zunächit anreihen; fie wachjen fejt wie die Auftern, jind aber typische Dimharier. Die
zahlreichen Stromfchnellen Afrikas find ihre eigentliche Heimat. Da zeigen Jie eine erjtaun-
liche Anpaffungsfähigkeit. Aus den Kcongofällen Fonnten wir zwei äußerlich ganz verichie--
dene Formen bejchreiben, je nachdem fie auf flachliegendem Steine faßen oder an jent-
vechter Telfenwand. Die eriteren hatten die Form einer Aufter, bei der jedoch Die obere,
freie Schale mit langen ARöhrenftacheln befebt war, wie bei einer Slappmujchel (©. 536).
Bei den leßteren jaß die angewachjene größere, vertiefte Schale in der Geitalt eines Schtal-
bennejtes am Telfen, und die freie Schale bildete einen flachen, glatten Dedel dazu.
Die artenreichen Tell- und Benusmujcheln find im wejentlichen Gand- und
Schlammbemwohner des Litorald, wo man die langen Eiphonen aus dem Boden heraus-
ragen jieht; bei uns find die erjteren duch die Tell-, Sumpf- und Pfeffermujdel,
Tellina Z., Donax L. und Scrobicularia Schum. vertreten. ©ie entbehren des Byjjus. Da-
gegen fommt ihnen die Fähigkeit zu, Die wir demmächlt bei den Herzmujcheln bejonders
ausgeprägt wiederfinden werden, mit dem gefrümmten Tußende fich gegen den Boden
anzuftemmen und Durch plößliche Schwellung des Organs rüdmwärts fortzufchnellen. Die
Tellinen oder Tellmufchefn führen in diefer Weije förmliche Wanderungen aus. m übrigen
wird der Fuß, wie gewöhnlich, al3 Bohrjtempel zum Eingraben in den Untergrund benubt.
Die Benusmuscheln, VenusZ. und Cytherea Zam., in mehreren Hundert Arten, darunter
viele eßbare, find oder waren bejonders von Sammlern gejchägt wegen ihren Hübjchen Zeich-
nungen und Stachelbefäße, die manche merkwürdige Deutung erfahren haben. Die japanifche
Braut fchiet wohl jest noch am Morgen des Hochzeitstages ein Gericht Venusmufcheln in des
Bräutigams Haus. Bon der nahe verwandten Gattung Petricola Lam. hat die P. pholadi-
formis Lam. deshalb ein gewiljes Aufjehen erregt, weil fie, der Dftfüfte Nordameritag ent-
tammend, etiva feit Beginn unferes Jahrhunderts in der engliichen und deutjchen Nordfee
aufgetreten ijt und jich beträchtlich vermehrt Hat. Leider wiljen wir von dem Lebenslauf der
meilten Seemujcheln nicht mehr, alS was wir beim Tange beobachten, und jo fünnen mir
nicht entjcheiden, ob das Tier bei uns immer anjäflig, aber jelten war und jich bloß durch
irgendwelchen Einfluß ftärfer vermehrt und verdichtet Hat, oder ob die Veligerlarve befonders
ausdauernd ijt und fich durch den Oolfitrom verichleppen Tieß, oder ob irgendein anderes
Berjrachtungsmittel in Wirfjamtfeit trat. CS mag hier eingefügt werden, daß aus den wär-
meren Meeresteilen eine Kleine eupelagiiche Mujchel mit bräunlicher Schale von den neueren
Expeditionen erbeutet wurde, Die wir Planktomya Simr. genannt haben, leider ohne über
ihren Alterszuftand oder ihre jyitematische Stellung näheren Aufjchluß gewinnen zu Eönnen.
Die Tamilie der Steinbohrer hat in unferen Meeren eine Reihe von Bertretern;
am häufigiten ijt Saxicava rugosa Z. Alle Saricaven haben den Mantel vorn jo meit ge-
\palten, daß der Heine, fegelfürmige und mit einem Byjfus verjehene Fuß bequem Hin-
durch gelangen Fan. Das Gehäufe ift nicht jelten und namentlich bei unfever Saxicava
rugosa etwas unregelmäßig, eigentlich gleichichalig, ungleichjeitig, vorn und am Bauchrande
etwas Haffend, Yänglich eiförmig, mit einer jehr dünnen, aber auffallenden Oberhaut
u ZT
Echte Blattkiemer. 559
überzogen. &3 fir meift Feine, 1—215 cm lange Tiere, die teils in Steinen in jelbitgebohrten
Löchern, teilö auch bloß eingeflemmt in Spalten und zwifchen Seepoden oder auch zwischen
den Wurzeln verichievdener Tange uno Algen leben. Sie bohren nämlich gleich ven Pho-
laden (©. 566) nur in den mweicheren Gefteinen und behelfen fich, wo fie dieje nicht fin-
den, wie z. B. Überall an der dalmatinifchen Küfte, mit bloßen Schlupfwinfeln oder fehon
vorhandenen, zum Teil mit Schlamm ausgefüllten Höhlen. Gofje gibt jedoch ausdrücdtich
an, daß an der englifchen Küfte lange Streden eines Kalfgefteines, das härter fei al das von
den Pholaden zerfrejjene, Durch taufend und aber taufend Sarifaven durchlöchert feien. Nach
den gefärbten Enden der Siphonen, die etwas über den Stein herausragen und bei der
Berührung einen Wafjerftrahl ausfprigen, um fchnell zu verfchwinden, werden fie von den
Sichern „NRotnajen“ genannt. Wenn ihre Bohrgänge aufeinandertreffen, fo durchfchneiden
auch) die Tiere einander. Herausgenommen aus den Höhlen, leben fie ziemlich lange im
Aquarium. Manche aus der genannten Gruppe haben die Fähigleit zu fpringen, die wir
gleich bei der nächiten Familie näher Fennenlernen.
Die Lardiiden oder Herzmujcheln umfafjen unter ven lebenden Mufcheln fait
nur die allerdings jehr artenreiche und von den Konchhliologeit wieder in mehrere Unter-
abteifungen gebrachte Gattung Herzmujchel (Cardium Z.), jo genannt, weil das Gehäufe
bon Hinten oder vorn herzfürmig ausfieht. && Hat hervorragende, eingerolite Wirbel, von
denen aus ftrahlenartig Rippen nach dem Rande fich erftreden. Das Tier hat ven Mantel
born bis iiber die Hälfte der Länge gejpalten. Hinten ift er mit zahlreichen langen Taftern
bejegt und Yäuft in zwei Kurze, ebenfalls mit Taftern befebte Röhren aus. Der Fuß ift
ehr groß, rund und zu einem Knie gebogen (f. Abb., ©. 560). Eine Schilderung einer
engliichen KRüftenftrede mit ihren Herzmujcheln gibt Goffe: „Cine breite, der See gut aus-
‚gejeste Sandfläche ijt für den Naturforjcher Fein ungünftiger Sagdgrund, jo Ieer fie jcheint
und jo jprichmwörtlich ihre Unfruchtbarkeit, — leer wie der Sand an der Geefüfte. Dann
befonder3 fann man auf Beute rechnen, wenn, wie e3 oft der Fall ift, die weite Fläche
gelben Sandes bon einer oder mehreren Stellen rauher Felfen unterbrochen wird. Der
Goodrington-Gand in der Bat von Torquay (Sipdfüfte von Debonihire) erfitlit gerade dieje
Bedingungen; und dahin wollen wir unfere Schritte Ienfen.
| „Zur Linken befindet fich der vorgejtrecdte fteile Abfall von rotem, horerial ge-
ihichtetem Sanpftein, befannt unter dem Namen ‚Roundham Head‘; jenjeits dezjelben jeher
wir ‚Hope’3 Noje‘ und die beiden fie betwachenden Snjelchen. Auf der anderen ©eite erftrect
jich der lange, mit ‚Berry Head‘ endigende Zandwall ebenjoweit vor, und wir befinden
uns am Rande der tiefen Bucht ungefähr gleich weit von beiden Landjpigen. Unmittelbar
bor der Mündung des grünen Hedengange3, der in einiger Entfernung vom Strande beginnt
und fich biS zur ©ee erjtredt, Tiegt eine niedrige, jchtwarze Felömafje, bejebt mit Meereicheln
(Balanus). Gie ijt jehr zerrijjen, und enge, gewundene mit Sand bededte Gänge durch-
Ichneiden fie in allen Richtungen, und überall find in den Höhlungen feichte, ruhige Waijer-
tümpel zurücdgeblieben. Das find Heine, niedliche Geegärten, diefe Tümpel. Hellgrüne
Blätter von Ulva [hwimmen im Waffer; Knorpeltangbüfchel erglänzen in ftahlblauem, edel-
fteinähnlichem Widerjchein; lange und breite Blätter des gefättigt dunfelroten Tanges geben
einen jchönen SKontraft zum grünen ©eelattich; und alle zufjammen geben Taufenden von
wachjamen, unruhigen, vergnügten Lebeiweien ein geräumiges Obdac). Man hat jehwer
Gehen; der Boden ijt jehr uneben, und der Widerfchein der Sonne auf dem Wajjer
5360 VWeichtiere: Mujdeln.
erjchtwert einem zu jehen, wohin man treten joll, während das Kommen und Gehen der
fleinen Wellen auf dem Sande dazmwilchen dem verwirrten Gehirne den Eindruck macht,
als ob unter dem Fuße alles in Bewegung jet.
„a3 für ein Ding fiegt dort auf jener Sandftrede, worüber das jeichte Wafjer riejelt,
indem e3 den Sand darum fortipült und jenes eben troden jet? Es jieht wie ein Stein
aus; aber ein fchöner fcharlachroter Anhang tft daran, der in diefem Augenblide wieder ver-
ihwunden ift. Wir wollen den Moment abwarten, wo die Welle zurücfgeht, und dann Hin-
laufen. Esiftein jchönes Eremplar der großen Dornigen over Stachligen Herzmujcel
(Cardium rusticum oder echinatum Z.), wegen welcher alle dieje jandigen Küftenftreden,
melche die große Bucht von Torquay einfafjen, beriihmt find. Sn der Tat ift die Art faunı
anderstoo befannt, jo daß fie in ven Büchern oft ald die Baington-Herzmujchel bezeichnet
wird. Mit gehöriger Kochkunft zubereitet, ift jte ein wahrer Lederbijien. Die Ummohner
NEE SET a re bon Baington
zn Sl ij -— gg fennen die ‚NRot-
nafen‘, wie fie
diefe großen
Herzmujcheln
nennen, jehr
wohl und fuchen
fie zur Beit der
tiefen Gbbe,
wenn man jie
im Sande liegen
lieht, jobald fie
mit den geftan-
ten Röhren ge-
tape, an Der
Oberfläche erjcheinen. Sie jammeln diejelben in Körbe, und nachdem man fie einige
Stunden im falten Quellwafjer gereinigt hat, brät man fie in einem Teige aus Brotfrume.
© berichtet ein alter Kenner der Mufchefn und ihrer Tiere aus dem vorigen (18.) Jahrhun-
vert. Nun, die Tiere haben ihre Gewohnheiten und Standorte nicht verändert ; noch heute
finden fie fich auf denfelben Blägen wie vor 100 Jahren. Auch ihren Auf Haben fie nicht
eingebüßt; im Gegenteil jind fie in die Gunst mehr verfeinerter Gaumen aufgeitiegen, in-
dem die Yandleute die wohljchmedenden Mujcheln für die vornehme Welt von Torquay
jammeln, ich jelbjt aber mit der geringeren und Heineren ERbaren Heramufschel (Cardıum
edule Z.) begnügen, welche die Schlammbänfe vor den Flugmündungen dem Sandjtrande
borzieht, jedoch auch hier nicht felten ijt. Dieje lebtere, obgleich der großen, Dornigen Art im
Gejchmade jehr nachitehend, bildet doch einen viel wichtigeren Artikel unter den menjchlichen
Kahrungsmitteln, weil fie viel allgemeiner vorkommt, in ungeheuerer Menge, und leicht
einzujammeln ift. Wo immer die Ebbe eine Schlammitrecfe entblößt, kann man ficher fein,
die gemeine Herzmuschel zu finden, fan man Hunderte von Männern, Weibein und Sin-
dern über die ftinfende Fläche treten jehen, wie fie jich bien und die Mufcheln zu Taufen-
den auflefen, um jie entweder zu fieden und jelbft zu ejjen, oder auf den Gafjen und Wegen
der benachbarten Städte zu geringem Preife auszubieten.
„Den größten Überfiuß an ihnen haben jedoch die Noxdweittüften von Schottland.
FL — —— —
Stahlige Serzmufcel, Cardium echinatum Z. Natürliche Größe.
2 0 ah re Tale
Chte Blattkiemer. 561
Dort bilden fie nicht einen Lurusgegenftand, fondern eine Lebensnotwendigfeit für Die
arme, halbbarbarifche Bevölferung. Die Bewohner diejer felfigen Gegenden ftehen in dem
nicht beneidensmwerten Rufe, für gewöhnfich von diefem geringen Nahrungsmittel abhängig
zu fein. Wo fich der Fluß bei Tongue in die See ergieft, jagt Mac Culloch, ift die Chbe
beträchtlich, und die langen Sandbänfe enthalten einen ganz beifpiellofen Überfluß an Herz-
mufscheln. Sest gerade, in einem teuren Sahre, bietet fich täglich beim Niederwaljer ein
eigentümliches Schaufpiel, indem jih Männer, Weiber und Kinder dort drängen und jo
lange, alS die Ebbe e3 erlaubt, nach diefen Mufcheln fuchen. Auch fonnte man nicht jel-
ten 30-40 Pferde aus der Umgegend jehen, um ganze Tadungen davon viele Meilen
weit zu verfahren. Ohne dieje Hilfe hätten, es ift nicht zu viel gejagt, viele Menjchen
Hungers sterben müfjen. — Auch die Hebridiichen Injeln Barra und Nord-Uift bejigen un-
geheure Hilfsquellen diefer Art. Man kann die Anhäufung jolher Mufchelbänfe, jagt
Wilfon, nicht leicht berechnen, aber zu erwähnen ift, daß während einer ganzen, eine gute
Reihe von Sahren dauernden Periode von Not alle Familien von Barca (damals gegen
200) um ihrer Ernährung willen zu den großen Küftenfandbänfen am Nordende der Snjel
ihre Zuflucht nahmen. Man hat berechnet, daß zur erwähnten Zeit während einiger Som-
mer täglich zur Zeit der niedrigften Ebben während der Monate Mat bis Auguft nicht tweni-
ger ala 100—200 Pferdeladungen gefammelt wurden. Die Bänte von Barra find jehr alt.
Ein alter Ehriftfteller tut ihrer Erwähnung und jagt, e8 gäbe in der ganzen Welt Teinen
jchöneren und nüßlicheren Sand für Herzmuscheln.
„Aber die ganze Zeit hindurch hat unfere jchöne Mufchel uns zu Füßen gelegen und
gejchnappt und gellafft und ihren großen roten Zuß borwärts und abwärts geftredt und
gewartet, bis wir Muße finden würden, fie aufzuheben. Gie foll nicht länger vernachläfligt
werden. Die zweiichalige Mufchel ift ein jchönes, folides Gehäufe von Stein, majjip, ftart
und jchmwer, elegant mit horjtehenden Rippen ausgefehlt, welche regelmäßig bon den ge-
Frümmten Spiten der beiden Schalen ausftrahlen und mit glatten Dornen bejegt find. Die
Tarben der Mufchel find anziehend, aber durchaus nicht prächtig; fie beitehen aus reichen
und warmen gelblich und rötlich braunen Tinten in fonzentriichen Gtreifen. Gegen die
Wirbel Hin verlieren fie fich in ein Milchweiß. Das Tier, welches diefe starke Zeitung betvohnt,
ist Hübfcher, alS Mufcheltiere zu fein pflegen. Die Mantelblätter find did und, entiprechend
den Schalenhälften, fonver. Die Ränder find in der Nähe der Siphonen jtark gefranft, und
lestere find kurze Röhren von beträchtlichen Ducchmefjer und miteinander verwachjen. Gegen
die Ränder zu ift der Mantel von fchwammiger Beichaffenheit, aber gegen vie Wirbel, mo
er die Schale austleidet, ift er dünn und faft häutig. Die Farbe feiner vorderen Teile ift
jehr veich, ein [cHönes, glänzendes Drange, die zottige Tentafeleinfafjung aber bläfjer. Auch
die Röhren find orange, ihre Smnenfläche aber weiß, mit einem perlenartigen Schimmer.”
Die etwas gar zu naive Bejchreibung des Fußes, den unjer englischer Schriftiteller
unter anderem mit einer durch die geöffneten Türen eines Gefellichaftszimmers tretenden
Dame vergleicht, Dürfen wir übergehen. Hören toir aber noch, wie ihn die Mufchel gebraucht.
„Sie ftrect den langen, jpib zulaufenden Fuß joweit wie möglich (4 Zoll über den Mujchel-
vand) herbor, welcher nach irgendeiner Widerftand leiftenden Oberfläche taftet, 3. B. jenem
halb im Sande begrabenen Etein. Kaum fühlt er ihn, jo wird das hafig gebogene Ende ganz
jteif dagegen gejtemmt, der ganze Fuß durch Mustelfontraftion (richtiger wohl durch die
Schwellgefäße) ftarr gemacht und das ganze Gejchhöpf Hals über Kopf 2 Fuß und weiter
fortgefchnellt. Gelegentlich fan die Herzmufchel noch ftärker fpringen; jchon manche hat
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 36
962 Weichtiere: Mufdheln.
jich vom Boden des Bootes aus über Bord hinweg aus dem Staube gemacht. Wir fehen
aljo, daß einmal die hafıge Spige zur Verftärfung der Springbewegung dient. Sm noch
näherer Beziehung fteht fie aber zur Gewohnheit des Tieres, zu graben. Wie alle übrigen
Arten Diejer jchönen Sippe wohnt auch dieje im Sande, wo hinein fie mit beträchtlicher
Gewalt und Schnelfigfeit dringen fann. Zu diefem Behufe wird der Fuß ausgeftrecdt und
jein jcharfes Ende jenkrecht in den naffen Sand getrieben. Die aufgewandte Musfelktaft
reicht Hin, mit der ganzen Länge in den feuchten Boden einzudringen, indem die Spike
plößlich jeitwärts gebogen winde und fo einen ftarfen Haltepunkt gibt. Nun wird das ganze
Drgan jtark der Tänge nach zufammengezogen, und Tier und Schale Fräftig gegen die Mün-
dung der Höhlung angetrieben; die nac) unten gerichteten Ränder der Schale werfen den
Sand etwas zur Geite. Die vorgeftredte Spite wird dann 1 oder 2 Zoll weiter gejchoben,
wiederum gefrimmt und ein zweiter Nud gemacht. Die Mufchel finft etwas tiefer in ven
nachgiebigen Sand, und diefelbe Reihenfolge von Bewegungen wiederholt ich, bis das Tier
lich Hinveichend tief vergraben hat. Die Verlängerungen und Zujammenziehungen des Sue
gejchehen mit großer Gejchwindigfeit.”
Die Ehbare Herzmuschel gehört mit anderen ihrer Gattung zu den ‚ühlebigften Weich-
tieren, die jehr große Beränderungen des Salzgehaltes des Meeres aushalten und daher ihr
Vorkommen weit über die Grenzen ausdehnen, die den für den Salzgehalt ihrer Umgebung
empfindlicheren (ftenohalinen) Tieren gejebt find. Diez gilt namentlich für ihre Verbreitung
in der Dftfee und im Finmifchen und Bottnifchen Meerbufen. Bei Öelegendheit einer Hafjiichen
Unterjuchung über die Lebensbedingungen der Aufter fommt R.E.v. Baer darauf zu jprechen.
Er jagt: „Cardium edule, das in der Nordfee die Größe eines Heinen Apfels erreicht, fand
ich an der Hüfte von Schweden, füdlich von Stodholm, außer dem Bereiche de3 jüßen Wajjers
aus dem Mälar und der Strömung aus dem Bottnifchen Bufen, noch bis zur Größe einer
WBalnuß, aber nur in bedeutender Tiefe; in der Nähe des Ufer3 waren die ausgeworfenen
alle einer. Bei Königsberg pflegen fie nur die Größe von guten Hafelnüffen zu erreichen,
bei Neval aber fan man fie nur mit Heinen Hafelnüfjen oder mit grauen Exbjen vergleichen,
die größer al3 die gewöhnlichen gelben Exbjen zu fein pflegen.” Auch die egbare Miesmujchel
findet jich noch dort, aber jo verfümmert und Klein, daß fie nicht mehr zum Genufe einladel.
Zu Diejen und anderen, dem eigentlichen ftark jalzigen Meere entjtammenden Mufcheln ge-
jellen jich dann, fich in umgefehrter Richtung anbequemend, Süßwajjertiere, namentlich
Limmäen und Paludinen. Was aber die Herzmufcheln betrifft, jo gibt das Senn Meer
weitere Belege für ihre Fähigkeit, fich anzupaffen und umzuformen.
som Anfchluß an Cardium, wenn fie auch morphologijch etwas abweicht, mag die
Gattung Cardita Brug. erwähnt fein, zumal wegen der Höchft auffallenden Brutpflege bei
der jüdafrifanifchen C. concamerata Brug. Hier ift der Bauchrand beider Klappen nach
innen eingejtülpt, und der Dadurch abgegrenzte Raum nimmt die Jungen auf.
Die Tridafniden oder Riejenmujcheln find feine Monomiyarier, aber die beiden
Schalenjchliegmustfeln (f. Abb. auf ©. 563, c) haben fich bei ihnen jo genähert, daß fie einen
einzigen auszumachen jcheinen. Der Mantel ift bis auf drei Offnungen vollitändig gefchlof- -
jen. Die mittlere, an der Unterjeite gelegene Dffnung (a) läßt das Atemmajjer und die
Nahrung eintreten. Von ihr ziemlich entfernt fiegt die a, (b). Die vordere ijt
ein anjehnlicher Spalt (d) für den Furzen Fuß, aus welchem der Bart (e) entjpringt. Das
Sehäufe ijt regelmäßig, die beiden Schalenhäliten find einander gleich, aber ungleichjeitig.
Echte Blattfiemer. 563
Die jogenannte Lumula Möndchen), d. h. der bei den meiften Mufcheln vorhandene ge-
ichloffene und umrandete Raum unmittelbar vor den Wirbein, ift offen, fo daß es fir den
Durchtritt des Fußes und Byffus nicht einer befonderen Haffenden Stelle bedarf tie bei den
anderen, mit Bart verjehenen Mujcheln. Der Schlig für den Fuß ift Damit ganz nach oben
gerückt. Alle Tridafnen gehören dem Chinefifchen Meer, dem Indischen Ozean mit dem
Noten Meer und der Südjee an und zeichnen fich durch die Schalen mit wulftig aufgetrie-
benen, oft gejchuppten Rippen aus, deren Enden gleich großen Zähnen beim Schließen feft
ineinander pajjen. Die größte aller Mujcheln ift Tridacna gigas L., die Riefenmujdel,
die in manchen Kirchen al3 Weihfejjel oder Taufbeden benubt wird, und die in den größeren
Mufeen gewöhnlich auf einer foliden Säule abjeitS aufgeftellt ift. Die In Nachrichten
bon ihre, Die wir bei Aumph finden, find durch
neuere Beobachtungen nicht überhoft.
„Die Gee-Gienmujchel wird 3—5 Schuhe
lang. Die Schuppen jind wohl 2 Mefjer dic, aber
mehrenteils ftumpf und äußerlich abgebrochen. YAu3-
wendig find jie dergejtalt mit Seejichlamm bewachlen,
dag man jie Faum rein machen fann. Die Dide der
Schale trägt gemeinlich eine Duerhand aus, ja man
findet jolche, die über 1, Schuh die find, woraus
man dann wohl leicht abnehmen fan, wie jeher
diejfe Mujchel fein muß. Wenn man die Schale zer-
ichlägt, jo jieht man, daß fie aus verjchiedenen Rin-
den zujammengefeßt ift. Die jüngfte Lage ift allezeit
die vorderjte und Hat einen jo Scharfen Rand, daß
man jich daran wie an einem Mejjer jchneivden fann.
Yus diejer Urfahe muß man mit diefen Mufcheln
behutfam umgehen, folange das Tier noch darin ift,
wenn man fich nicht verwunden will. Man hat e3 wenigitens auf unferen Schaluppen in
ven Moluffiichen und Bapuafiichen Snjeln aus der Erfahrung, daß diefe Mufcheln, die da-
jelbjt wohl am größten find, die Ankfertaue und Stride (wenn die Matrofen folche ungefähr
dajelbit fallen lajjen, daß jie zwijchen die Schalen der Mujcheln geraten) dergeftalt Durch
Zujammenziehung ihrer Schalen abfneipen, als ob fie ordentlich mit einem Beile abgehadt
wären. ©o würde ein jeder, der die Haffende Mufchel mit der Hand angreifen wollte, feine
Hand verlieren, wenn er nicht vorher etwas zwifchen die Schale legt, um das Zufammen-
ichließen derjelben zu verhindern. Die Fiicher holen diefe Mujcheln folgendergeitalt aus
den Wajjer hervor: Ein Taucher tut einen Strid in Geftalt einer Schleife herum, danach)
ziehen jie alle zufammen die Schale in die Höhe. Sodann juchen fie mit einem Meifer
durch die Öffnung an der Seite zu fommen ımd den fogenannten Pfeiler oder die Sehnen
zu Durchichneiden, weil alle Kraft des Tieres in denjelben beiteht. Alsdann Kaffen die
Schalen von jelbjt und fönnen jich nicht wieder fchliegen. Auf diefe Weije errettet man auch
alle Tiere und Menjchen, die von ungefähr zwilchen diefe Schalen feft gefnellet werden.“
Auch die Riejen-Tridacna, wie jo manche andere mit dem Byijus verjehene Mufchel
(Pinna, Mytilus), wird von Strebjen a8 Wohnraum benubt, wie Aumph fchon beobachtete.
Bon der Größe und Stärke gibt er folgendes Beifpiel an: „Im Jahre 1681 wurden bei
Gelebe3 zwei diefer Mujcheln gefunden, wovon die eine 8 Schuh 2 Zoll, die andere 6 Schuh)
36*
Tridaena mutieca Lam., geöffnet. Nat. Größe.
964 Weihtiere: Mujcdeln.
und 5 Zoll im Umfang hatte. Die eine, in welche ein Matvoje ein jtarkes Brecheijen hinein-
stieß, bog dasjelbe durch Zuffappen der Schalen humm. Die Stärke des Muskel und das
Gericht der Schalen, das gegen 3 Zentner beträgt, erklären dies."
Eine zweite Tridacna-Att, Tridacna elongata Zam., die im Noten Meer jehr Häufig
it, wurde jehr genau bon dem franzöfifhen Zoologen Vaillant beobachtet. Sie gehört zu
ven Heineren und wird 12—20 cm lang. Auch fie lebt derart in den Sand vergraben, daß
man nur den gezahnten Schalenrand hervorragen fieht. Die obenerwähnte Offnung am
Nücden ist alfo nach unten gefehrt, und mit dem daraus Herbortretenden Fuß und Bart ballt
jie Sand und Steine zufammen, heftet fich auch wohl gelegentlich an darunter befind-
lihen Felfen an und legt fich jozujagen für einen ohne Zweifel längeren Aufenthalt vor
Anker. Daß fie jedoch von Zeit zu Zeit ihren Standort ändert, geht daraus herbor, daß
man die größeren Stüde in immer größerer Tiefe aufjuchen muß. Vaillant fann nicht Worte
finden, um den prächtigen Anblid zu jchildern, den die fait immer geöffnete Mufchel mut
ihren Mantelrändern gewährt, wenn man fie bei ruhigem Waffer in einer Tiefe von 12 bis
16 Zuß beobachtet. Tridacna elongata, von den Arabern „Arhi-nem-Bous” genannt, ift
bei Suez jo gemein, daß ihre Schale zum Kalfbrennen benut wird; auch ift jie eine jehr
beliebte Speije, namentlich die Musfeln jollen wie Hummerfleijch jchmeden.
Die oben mitgeteilten Angaben, daß die Niejen-Tridacna imftande jei, ein Tau ab-
zufneipen, zieht der franzöfiiche Zoolog in Zweifel, nicht weil das Tier nicht die Musfel-
fraft dazu befäße, jondern weil die Schale bei einer folchen Anftrengung zerbrechen wiirde.
Über die Leiftungsfähigfeit der Musteln der Suezer Art Hat ex einige bemerkenswerte Ver-
juche angeitellt. Die Schalenränder fönnen nicht volljtändig geichlofjen werden; Vaillant
fonnte aljo immer an der einen Klappe einen Hafen anbringen und die ganze Mujchel
daran aufhängen, und an der anderen ein Gefäß befejtigen, das allmählich mit Wafjer ge-
füllt wurde. Zu dem Gewichte des Gefäßes und des Wafjers muß natürlich noch dasjenige
der unteren Schalenhälfte und der durch die Muskeln ebenfall3 zu bejiegende Widerjtand
de3 Ligamentes gerechnet werden, der auch noch überwunden wurde, wenn nahe am Höhe-
punkt des dem Tiere zugemuteten Gewichts die Mufjchel gereizt wurde und mit äußerjter
Straftanftrengung die Schale zujammenzog. Ein 24 cm langes Stücd entfaltete jo eine
Straft von über 7 kg.
Der porzellanartigen Perlen der Riefenmujchel Haben wir bereits gedacht (©. 555). Er-
wähnung verdienen noch die jchillernden Augenflede am Danteltand, wie Cardıum ähnliche
am Sipho bejigt — niedere Stufen der bei den Kammufcheln jo hoch entwidelten Gebilde.
Mit Mya Z., der lafimujchel, fommen wir zu emer anveren Familie, deren Ktenn-
zeichen jo ziemlich mit denjenigen diefer Gattung zujammenfallen. Das Tier hat einen fait
vollfommen gejchlojjenen Mantel, der vorn eine Heine Spalte zum Durchtritt des Kleinen,
fegelfürmigen Fußes läßt und jich Hinten in zwei lange, dide, vollitändig miteinander ver-
wachjene Röhren verlängert. Diejer aljo jcheinbar einfache Sipho hat einen jtarfen Ober-
hautüberzug. Die eifürmige Schale Hafft an beiden Enden. Die Iinfe Stlappe hat unter
dem Wirbel einen guoßen, zufammengedrüdten, Löffelfürmigen, fast jenfrecht auf der Schale
itehenden Zahn, Die rechte eine entjprechende Grube. Ziwijchen beiden jpannt jich Das Liga-
ment des vesmodonten Schlojjes aus. Unter den wenigen Urten ift Mya arenaria Z. im
ganzen nördlichen Atlantik jehr gemein. Gie lebt im jandigen Strande jo weit vergraben,
daß, wenn jie ungeftört ift, mr das gefranfte Ende der Manteröhren etwas hervorragt.
Chte Blattfiemer. 565
Co wie fie dur) Erfehütterung oder Berührung beunruhigt wind, fährt fie mit größter
Gemandtheit in die Höhle hinab. Die Trogmufchel, Mactra L., vermag, auf den
Sand gelegt, mit 4—5 Stößen vollftändig zu verfchtwinden, wobei vermutlich, wie bei allen
diejen Gräbern, die Gehörfapjein oder Statozyften die Einhaltung der jenfrechten Lage
ermitteln. Yür Mactra inflata Brown hat neuerdings 9. Fordan ein abmweichendes Ber-
jahren bejchrieben, mittels defjen fie jich in ven Sand einwühlt. „Nachdem das Tier eine
ganze Weile ruhig Dagelegen hat, erjcheint mit einem Male der Fuß, der in fchneller Folge
thhthmifch vorgeftogen und zurüdgezogen wird. Zunächit tvie fuchend hierbei den Boden
abtajtend, dringt er infolge der Heftigfeit jener Stöße in den Sand ein, tief genug, um
jic) Dajelbit zu verankern... ©ibt der Fuß einmal feit, jo bedingt ein Zug feiner Musfeln
in der Längsrichtung, daß das Tier fich aufrichtet. Bis jebt nämlich lag die Mufchel auf
der Geite; der Fuß Frümmt fich — um fich im Boden zu veranfern — nach unten. Geine
Verfiirzung bedingt daher, daß das Vorderende der Mufchel auf die Sandoberfläche ge-
Drüdt wird, das Hinterende aber mit den Siphonen frei nach oben ragt.
„unmehr erfolgt der Hauptangriff auf den Sand: der Fuß zieht, und gleichzeitig
erfolgt ein heftiges Klappen mit den Schalen, während oben die Siphonen fich [chließen.
Demzufolge wird das Wafjer mit großer Gewalt aus dem Mantelraume zu Derienigen
Öffnung herausgeftoßen, die zwijchen den beiden Mantelrändern zum Durchtritt des Fußes
frei bleibt. Aufgejagt Durch Diejes Wafjer, wirbelt der Sand in die Höhe; tiefer dringt der
Fuß und zieht den Körper der Mufchel in die trichterfürmige Brejche, welche die Wafjer-
töße in der Sandoberfläche verurjachten. Der aufgemwirbelte Sand fällt herab und bedeckt
die Mujchel im Verein mit dem von den Trichterwänden herabftürzenden Sand. Nac)
wenigen Schlägen ijt das Tier, bis auf die Siphonen, die e3 in der befannten Weije von
Sand frei hält, vollfommen bedect." Auch jollen die Myen, auf den flachen Boden ge-
legt, ji) dadund) rückwärts fortbewegen können, daß fie ven Fuß Fümmen und fi, ihn
ipieder ausjtredend, damit fortichieben. Yür Mactra intlata bejchreibt e3 Sordan folgender-
maßen: „Zum Berlajjen ihres Standortes bedient jich unjere Mujchel eines einfachen,
fräftigen Borjtoßes des Fußes, durch den fie eine beträchtliche Strede weit aus dem Sande
durch Das Wafjer gejchleudert wird (in einem Yalle 1Ocm weit). &3 ijt nett zu jehen, wie
dieje Mujcheln, jcheinbar ohne jede Beranlajjung, aus dem Sande herausipringen, wie das
‚Zeufelchen aus dem Kaften‘." Die Hlaffmujcheln werden wohl hier und da von der ärme-
ren BolfsHaffe auch gegejjen, vorzugsweije aber ald Köder verwendet.
Die Scheidenmufcheln (Solen Z.) haben in ihren Lebensgemohnheiten große Ahnlich-
feit mit den Klaffmufcheln, denen fie fich infofern anfchliegen, als ihre Schale ebenfall3 vorn
und hinten Hafft. Die Klappen bilden zufammen einen regelrechten Zhylinder, die beite Sorm
für einen Gräber; die Wirbel, Eleine, oft faum bemerkbare Höder, ftehen bei mehreren Arten
faft unmittelbar am fteilen Vorderrande. Der dide, zylindrifche, am Ende feulenförmige Fuß,
bon demjelben Duerjchnitt wie der Schalenzhlinder, tritt Durch den vorderen Manteljchlig
und ift im leichten Uferfande ein fehr wirkfames Bohrmerkzeug; das Cingraben geht daher
jehr Schnell vor fih. Man bemächtigt ich der Tiere, die an den Mittelmeerfülten von den
ärmeren Leuten als Capa funga und Capa di Deo veripeift werden, indem man fid) ihnen
entweder vorfichtig nähert und fie gleich dem grabenden Maulwurf mit dem Spaten aus-
wirft, oder indem man in ihre Xöcher, in die fie behende über 15 m hinabichlüpfen, einen
dünnen, mit einem Sinopfe verjehenen Eifenftab einführt, an dem man jie, nachdem man
566 Weichtiere: Mufceln.
ihn ins Gehäufe geftogen, heraufzieht. An den europäiihen Küjten jind bejonders drei
Arten gemein. Bon einer afrifanifchen Scheivenmufchel (Solen marginatus Pudt.) erzählt
Deshades, hie fie fich, auf einen fteinigen, zum Einbohren nicht geeigneten Grund geraten,
zu helfen weiß. Sie füllt die Mantelhöhle mit Wafjer, fchlieft Die Röhrenmündungen und
zieht dann mit einem Nude den ausgejtredten Fuß jo ein, daß das Wajjer mit Gewalt aus
den Siphonen ausgetrieben wird, und fein Stoß den Körper 1 oder 2 Fuß weit bormärts
treibt. Dies wird wiederholt, bis das Tier einen günftigen Boden erreicht hat.
Die Bohrmujchel (Pholas Z.) führt uns in den Kreis derjenigen Mufcheltiere, die
man häufig wegen ihrer auffallend gejtrecdten Geftalt und der zum Teil bis zur Unfennt=
lichkeit abweichenden Schalenform al3 eine bejondere Ordnung, Röhrenmufcheln (Tu-
bieolae), betrachtet Hat.
Die Siphonen find bei ihnen in ganzer Länge verjchmolzen. Die vertwachjenen
Mantelränder laffen vorn ein Freisfürmiges Loch für den Durchtritt des Fußes, Defjen
Vorderende al8 Saugnapf dienen Tann, mie bei Hetternden Zykladen (©. 544). Die
Schale Hafft an beiden Enden. Die Verbindung der beiden Klappen durch) ein Yigament
ift verlorengegangen, dafür treten Ergänzungsftüde der Schale auf. Ein umgejchlagenes
Kalkblatt jederfeits in der Schloßgegend ift von einer Reihe von Öffnungen durchbohrt, Durch
die einzelne Musfelpartien treten, die an ein Baar lofe auf dem Rüden liegende überzählige
Schalenjtüce fich anjegen. Manche Pholaden, wie unfere gemeine Pholas dactylus Z.,
haben zwei, andere nur eine jolche freie Ritfenplatte. Der Nußen diefer freien Platten
beiteht offenbar darin, zwar den Rücenverjchluß der Schalen möglichit zu fichern, zugleich
aber auch die Entfernung der vorderen Enden der beiden Schloßjeiten voneinander zu er-
möglichen und die Klappen vorn auseinanderjpreizen zu Yafjen, wie jolches aus der gleich
folgenden Bejchreibung der Bohrmethode der Pholas hervorgeht. Bei allen Arten jind die
immer weißen Schalen mit Reihen von Heinen Zaden und Zähnchen bejegt (Abb. ©. 567),
die der Oberfläche das AUusjehen einer groben Rajpel geben.
Über da3 Bohren der Wholaden ift fehr viel beobachtet und gejchrieben worden,
ohne daß die Aufklärung darüber eine volljtändige wäre. Unfjere Pholas-Arten jcheinen
nur im mweicheren Gejtein und im Hole zu bohren, wo die ihnen zu Gebote jtehenden
gröberen Werkzeuge ausreichen dürften. Bei Neapel findet man die Pholaven am häufig-
ten in trachytiihem Geftein. — Mit genauerer Beriikfichtigung der Muskulatur hat
Dsler das Aushöhlen der Wohngänge bejchrieben. Er jagt: „Die Pholas hat zwei Arten
zu bohren. Bei der eriten befejtigt fie jich mit dem Fuße und richtet fich faft jenfrecht auf,
indem fie den wirkenden Teil der Schale gegen den Gegenftand andrüdt, an welchen fie
anhängt. Nun beginnt fie eine Reihe von teilweijen Drehungen um ihre Achje, was Durch
eine wechjelweife Jufammenziehung des rechten und Iinfen Seitenmusfels (oder Fußretraf-
torS) bewirft wird, wonach jie jedesmal wieder in ihre jenfrechte Lage zurückiehrt. Dieje
Art wird faft ausjchlieglich nur von jungen Tieren angewendet und ift gewiß ganz mohl
darauf berechnet, um in einer jenfrechten Richtung vorzudringen, jo daß fie Hierdurch in der
möglichht Fürzeften Zeit vollftändig eingegraben jind. Denn in der eriten Zeit ihres Lebens
ind die Hinterenden ihrer Schalen viel weniger vollendet, als fie es jpäter werden. Haben
die Pholaden aber 2 oder höchitens 3 Linien Länge erreicht, jo ändern fie ihre Richtung und
arbeiten wagerecht... Bei den zur Erweiterung der Wohnungen notwendigen Bewegungen
übernehmen die Ziehmusfeln (Schließmusfeln) einen wejentlichen Anteil. Das auf jenem
re
TE RR
Echte Blattfiemer. 967
Fuße befeftigte Tier bringt die vorderen Enden der Schale miteinander in Berührung.
Dann ziehen fich die Reibemusfeln (Fußretraftoren) zufammen, richten den Hinterteil der
Schale auf und drüden den wirkenden Teil derjelben gegen den Boden der Höhlung; einen
Augenblid nachher bringt die Tätigkeit des hinteren Ziehmusfels die Niüdenränder der
Schale miteinander in Berührung, jo daß die jtarfen feilenartigen Teile plößlich getrennt
werden und rajch und Fräftig über den Körper Hinfragen, auf den fie dritden. Sobald dies
geichehen ift, jinft das Hinterende nieder, und unmittelbar darauf wird diejelbe Arbeit
mittel3 Zujammenziehung des vorderen Schließ-, des Seiten- und des hinteren Schließ-
musfel3 der Reihe nach wiederholt."
Sn der Tat fan man fi) an alten Stüden überzeugen, daß die Najpelzähne an dem
ganzen vorderen Teile der Schale der Pholaden abgenubt jind. Shre Majje it von ziemlich
fefteer Bejchaffenheit
und jJicher meicheren
Subjtanzen gegenüber
wirfam. Dem en =
ipricht unter anderen =
Qv eo. an
%. Nobertjons Scdhil- 2 FIG Ay. A
Derung: „Ih = 1 = Zr Ui A _
9: „5% Hatte TE = a
während meines Au IN \ N
enthaltes zu Brighton
Gelegenheit, Pholas
dactylus zu jtudieren;
ic) unterhielt wenig-
tens 3 Monate lang
20—30 von Ddiejen Ge-
jchöpfen, Die in Sreide-
jtüden tätig waren, in
einem Ölaje und einem 4
Gefäße mit Geemajjer N ln
unter meinem Ten- 5 Sl E
iter; die Pholas macht Scale der Bohrmufcdel, Pholas daetylus Z. Natürlihe Größe.
ihre Höhle, indem jie
die Kreide mit ihrer feilenartigen Schale abreibt, fie gepulvert mit ihrem Fuße auf-
ect, durch ihren Sipho treibt und in länglichen Knötchen ausiprist." Sn jehr weichen
Subftanzen jcheint aber die Fußfcheibe das Geschäft des Aushöhlens ganz allein übernehmen
zu fönnen. Mettenheimer beobachtete eine Pholas, die ext mit dem vorderen Ende einige
Linien tief in einem Stüde Torf ftecte, aber nach 3 Tagen fchon ganz im rmeren Der-
ihwunden war. Nur ehr felten machte fie eine leichte, Faum wahrnehmbare Bewegung
um ihre Achje, die aber durchaus nicht aß Urjache des Bohrens angejehen werden fonnte.
Dagegen zog fie die Hinten vorragenden Siphonen bon Zeit zu Zeit Fräftig zujammen, mo-
bei fie fi) ein wenig tiefer in die Höhle hineinjchob. Solange das Tier in Tätigfeit war,
iah man den nod) freien Raum im Bohrloche neben der Schale jich ganz allmählich mit fei-
nem Torfitaube füllen, bi8 er endlich zur Mündung der Höhle Herausfiel. Die Rosicheue-
ung des Torfes konnte Mettenheimer nur dem Fuße zujchreiben. DD im Ralfgeitein etwa
ausgejchiedene Kohlenjäure mittoickt, wilfen wir fo wenig toie bei Lithodomus (vgl. ©. 523).
868 Weichtiere: Mujcheln.
Eine andere Eigentümlichfeit der Pholaden ift das Leuchten. Über den Vorgang und
die Natur diefer Erfeheinung Haben ung Panceri und Förfter Auffchluß gegeben. Läßt man
die aus ihren Bohrlöchern herausgenommenen Tiere ruhig in einem Gefäße mit Seemaljjer
ftehen und beobachtet fie in ver Dunkelheit, jo leuchten fie nicht. Sie verhalten jich damit
tie andere Leuchttiere des Meeres, Die gereizt werden müfjjen, ehe fie ihr Licht anjteden.
Takt man fie an und bemegt fie, jo ergießen
jich von ihnen leuchtende Wölfchen ins Waffer,
das nad) und nad) ganz leuchtend wird. &$ ift
ein Schleim, der jich vom Tiere ablöft und der
ih allem anhängt, was mit ihm in Berüh-
rung fommt. Das Leuchten der Majje verliert
jich, nachdem fie ich ausgebreitet Hat und zur
Nuhe gekommen ift, erjcheint aber wieder bei
Erneuerung der Reizung und Bewegung. Ob-
gleich jehr bald nach Anftellung der Neizver-
jucdhe fich die ganze weiche Körperoberfläche
der Mufjchel mit dem leuchtenden Ochleime
bededt, jo wird Dderjelbe doch nur aus be-
Himmten, nicht fehr umfangreichen Organen
ausgefchieden. ©ie liegen am oberen Mantel-
tande, am borderen Cingange der Mantel-
röhre und in Form zweier paralleler Streifen
im Atemfipho. Sie jind Anhäufungen von
Zellen mit fettigem Inhalte. NR. Dubois Hat
in dem leuchtenden Schleim zwei Subjtanzen
gefunden, die er Luciferin und Luciferafe
nennt, Durch Deren Zujammentritt exit Die
Vhosphorenz bewirkt wird. Neuerdings jind
in dem Leuchtorgan auch zweierlei Drüjen-
zellen. nachgemwiejen; möglicherweije fällt
ihnen die verjchtedene Ausicheidung zu.
Die bisher genannten bohrenden Mujcheln
fünnen faum unter die jchädlichen Tiere ge-
zählt werden. An Pholas reiht jich aber ein
Tier von äußerjter Schädlichfeit an, Der
en 2 En Die weißen Fleden und Strei- I (0 Beh De nk
fen find bie pie Natiielice Größe. borerjt einige gejchichtlihde Nachweife nach
Sohnjtons Zufammenftellung bringen. „Die
Berjtörungen, die diejes wurmförnige Tier bewirkt, jind anjehnlich genug, um jowohl den
Haß, der ihm zuteil geworden, als auch den ftrengen Ausoruf Lines zu rechtfertigen, der
ihn calamitas navium (das Elend, Verderben der Schiffe) nennt. Er ift imftande, fich in
Hol, einzubohren, zerftört Schiffstwrade, durchwühlt Baumerfe zur Einengung des Dzeang,
durchlöchert Schiffe, Brüdenpfeiler und Bollwerfe in allen Richtungen, jo daß jie bald,
unfähig, der Gemalt der Wogen länger zu moiderftehen, ihnen exliegen müfjen. Der Be-
trag des Schadens, den der Schiffswurm auf dieje Weife jährlich verübt, ift fchwer zu
Schiffsbohrmwurm. | 569
berechnen. Daß er aber jehr beträchtlich fei, geht aus den Klagen, die über dieje3 Tier in
faft allen Meeren erhoben werden, und aus den vielen Eojtjpieligen Vorkehrungen zur
Ahmwendung feiner Angriffe Herbor. ‚Da gibt e3‘, fagt ein ungenannter Reifender, ‚in
den indiichen Meeren eine eine Wurmart, welche in da3 Bauholz der Schiffe eindringt
und dasjelbe fo Durchbohrt, daß jie überall Waffer ziehen; und wenn fie e3 auc) nicht jo-
gleich ganz Ducchbohrt, fo greift fie dasjelbe doch fo an, daß es meijtens unmöglich twird, e3
mwiederherzuftellen. Zar wenden einige Teer, Haare und Kalk als Überzug der Schiffe
an, welche indejjen jämtlich nicht nur nicht genügen, um den Wurm zu vertreiben, jon-
dern aud) das Schiff in feinem Laufe aufhalten. Die Vortugiefen brennen ihre Schiffe
(es ift die Rede vom Sahre 1666), jo daß fie ganz bon einer zolldiden Kohlentinde über-
zogen werden. Wenn diejes Verfahren aber einerjeitS gefährlich ift, da es nicht jelten ge-
- Iehieht, daß das ganze Schiff verbrennt, fo beruht anderfeit3 die Urjache, weshalb der
Wurm die portugiefiichen Schiffe nicht durcäfrikt, nur in der außerordentlichen Härte Des
angemwendeten Bauholzes.‘ Im Welten ift der Schiffstwurm ebenjo tätig. Die exjten
engliichen Schiffahrer find in ihren Fühnen Unternehmungen oft gefreuzt und aufgehalten
worden durch das Unbrauchbarwerden ihrer Schiffe, und bei weiterer Ausdehnung des
englischen Handels wurde das Übel jo fühlbar, daß man jich entjchloß, den Boden Der
Schiffe mit Blei und Kupfer zu überziehen. Gewöhnlich nimmt man an, daß der Schifjs-
wurm nach der Mitte des 17. Sahrhunderts von den tropischen Meeren aus in Europa ein-
geführt morden jei; da man aber genügend Bemeije hat, daß mehrere Arten dajelbit wir-
fich heimijch find, fo verjchwindet die Hoffnung, fie einmal alle in einem ungewöhnlich
fttengen Winter oder durd) eine ihrer Natur nachteilige Witterung vertilgt zu jehen, jofern
der Schiffsmurm nämlich meistens in der Nähe der Oberfläche und oft an ©tellen veriweilt,
welche bei der Ebbe troden werden und notwendig den Einflüffen aller atmojphärijchen
‚Beränderungen ausgejeßt find. In den Jahren 1731 und 1732 befanden fich die Vereinigten
Kiederlande in einer fchredenvollen Aufregung, al3 man entdedte, daß dieje Tiere jolche
Berjtörungen in dem Pfahlwerfe der Eindämmungen von Seeland und Friesland angerichtet
hatten, daß fie diefe gänzlich zu vernichten drohten und dem Menfchen wieder entreiken
zu wollen fehienen, wa3 er mit beifpiellofer Anftrengung dem Ozean abgerungen hatte.
Stücficherweife verließen fie einige Jahre jpäter diefe Dämme wieder; aber in der
Furcht dor der Wiederkehr eines Feindes, fürchterlicher al der Großtürfe felbit, den
fie fich bloß mit Spaten und Schaufeln zu vertilgen vermefjen hatten, jeßten Die Hol-
länder eine große Belohnung für denjenigen aus, der ein Mittel angeben fünnte, um die
Angriffe diefer Tiere abzuwenden. Salben, Firniffe und giftige Flüfligkeiten wurden jofort
Hundertweife anempfohlen. &3 dürfte fchwer fein, ven Betrag des Schadens zu jchäben,
welchen diefe Heimjuchung verurjacht hat, die nach der Meinung von Gellius (der 1733 eine
Naturgefchichte Des Teredo herausgab), da er feine natürliche Beranlafjung dazu entdeden
fonnte, von Gott verfügt war, um den wachjenden Hochmut der Holländer zu züchtigen.
Die Schriftfteller jener Zeit bezeichnen ihn allgemein als jehr groß, und Dr. Tobias Balter
führt den Teredo al ein Tier an, das in jenen Gegenden für viele Millionen Schaden
verurjacht habe. Auch England Hat er mit mannigfadhem Unheil heimgejucht und tut es
noch. Der gejundefte und Härtefte Eichenftamm fann diejen verderblichen Gejchöpfen nicht
mwiderftehen; denn jchon in 4—5 Sahren ducchbohren fie ihn in jolhem ©ravde, daß jeine
Befeitigung notwendig wird, wie das wiederholt auf den Werften von Plymouth vor-
gefommen ift. Um da3 dafelbft verwendete und ihren Angriffen ausgejebte Bauholz zu
570 Weichhtiere: Mujcheln.
erhalten, hat man verjucht, die unter Wafjer jtehenden Teile desjelben mit kurzen, breit-
föpfigen Nägeln zu bejchlagen, welche im Salzwaljer bald die ganze Oberfläche mit einer
jtarfen, fir den Bohrer des Wurmes undurchdringlichen Roftrinde überziehen. Uno diefer
Rerfuch jcheint von Erfolg gewejen zu jein, da der Wurm in den Häfen von Plymouth
und Falmouth, too er jonft häufig gemwejen, jebt jelten oder gar nicht mehr zu finden ift.
Aber in anderen Gegenden ift er fortwährend geblieben und
hat 3. B. innerhalb weniger Jahre eine Menge von Pfählen an
den Brüdenpfeilern zu Port Batrid an der Küfte von Ayrfhire
twejentlich bejchädigt oder gänzlich verdorben, jo daß behauptet
wird, Diejes Tier werde in Gemeinschaft mit einem gleich ver-
derblichen Strufter, Limnoria terebrans (zu den Wafjer-Ajjeln
gehörig), bald die völlige Zeritörung alles Holzes in jenen Pfei-
lern bemwirfen. Keine Holzart Scheint fähig, der verhängnispollen
(Teetona grandis), ©ifju- und Gaulholz, eine Sorte, die dent
Teak naheiteht, aber noch härter it, werden alle in Turzer Zeit
ducchfrejjen; noch viel leichter werden Eichen und Zedern und
am fchnellften jo weiche Hölzer wie Erle und Kiefer durchlüchert.
E53 geht jchon aus diefen Mitteilungen hervor, daß man
Yängft von der irrigen Meinung zurüdgefommen it, es gebe bloß
eine, allmählich über die ganze Welt verjchleppte Art Schiffs-
mwurm. Man Tann bis jebt wenigftens 8S—10 Arten unterichei-
den, die Linne alle, jomweit fie ihm befannt waren, als Teredo
navalis Z. zufammenfaßte. &3 fehlt jelbit nicht an Sormen, die
in den Tropen ins bradige und ins Süßiwafjer übertreten. Am
beiten find wir durch den PBarifer Zoologen de Duatrefages über
die Cigentümlichkeiten einiger Teredinen der europätjchen Kürten
unterrichtet, Darunter des großen Teredo fatalis Qirf., Dem. die
meiften jener oben angeführten Zerjtörungen an den Damm-
und Hafenbauten zur Laft fallen. &3 ift begreiflich, wenn man
die Abbildung diejes Tieres zur Hand nimmt, daß es auf alle Be-
obachter, die jich nicht in eine vergleichende Zergliederung des-
Shitfsbonrwurm, Teredoma. jepen einlafjen Tonnten, den Eindrud nicht eines Weichtieres
iz a en en bon dem Nange einer Mujchel, jondern den eines Wurmes
v Schale, x bie von den Sipfonen Machen mußte. Die Schale, die fich an dem verdicdten Stopf-
a obzeöite s Raten ende befindet, ift hinten und born fo weit ausgerumdet, daß
eigentiich nur nod) ein Furges, veifenfürmiges Schalenrudiment
übrig ift. Die vordere Schalenöffnung it aber von dem Mantel jo überwachjen, daß nur
ein Feines, den Fuß vorftellendes Wärzchen aus feinem Schlige hervortreten Tann. Dber-
halb der beiden Schalenhälften ragt zwischen ihnen der Mantel hervor und bildet eine Falte,
die Kapuze, die durch verfchiedene fich reugende Muskeln in allen Richtungen bewegt werden
fan. Der hinter diefer kopfartigen Anfchwellung liegende Teil des Tieres bis zu den langen
Siphonen ift jehr verlängert und wird mit den Siphonen von einer unregelmäßig gebogenen
Kalkröhre eingejchloffen. Letere ift Hinten offen und jo weit, als die Eiphonen einen
Spalt zwifchen fich Taffen, durch eine Längsfcheiderwand geteilt. Wo die Mantelröhre in die
/
Bohrkraft diefes Weichtieres zu widerjtehen. SJupiiches Teaf -
Sıiffsbohrmwurm. 971
Siphonen übergeht, ift ein ftarfer, ringfürmiger Schhießmusfel mit einem Duermusfel, der
wohl dem hinteren Schliegmusfel anderer Dimyarier entjpricht, während der bordere
swifchen den Heinen Schalenhälften liegt. Auf diefem hinteren Schliegmusfel fißen zivei
plattenfürmige Schalenjtüde, die Paletten, und dies ift die einzige Stelle, wo der Mantel
mit der obenerwähnten Röhre unmittelbar verwachjen ift. Übereinftimmend mit diejer
äußeren, von den übrigen Mufcheln jo abweichenden Form ijt natürlich auch die Form und
Lage der inneren Körperteile, namentlich der Xeber, des Herzens, der Kiemen, der Fort-
pflanzungsorgane; die Abweichung bejteht aber eigentlich nur darin, daß diefe Organe hier
nicht über-, fondern hintereinander gelegen jind, während die allgemeinen Grundzüge des
Baues bollitändig diejenigen aller übrigen Zweifchaler find. Mit ihnen ftimmt aus bie
Beligerlarve überein, über die wir durch Hatfchek unterrichtet find.
. Die Lebensweije der Bohrwürmer ift, wie gejagt, am grümdlichiten von Duatrefages
beobachtet, jo da& wir zweckmäßig die wörtliche Überjfegung feiner Schilderung hier folgen
lajjen. „Man weiß", jagt er, „vaß dieje Weichtiere die Härtejten Holzarten, tie jie auch fonft
beichaffen jein mögen, zerbohren. Man weiß, daß ihre Gänge mit einer Kalfröhre ausgeflei-
det find, womit das Tier nur an zwei, den Baletten entprechenden Stellen zujammenhängt.
Jalt unnötig ift es, daran zu erinnern, daß Dieje verderblichen Weichtiere jich bisweilen
jo vermehren, daß jie Durch ihre Röhren beinahe das ganze Innere eines jonjt ganz ge-
junden Stüdes Holz verihwinden machen, ohne daß es, jozujagen, möglich wäre, äußer-
lich Anzeichen jener Zerjtörungen zu finden. Endlich ift e$ unrichtig, wenn man gemteint
hat, die Bohrwiirmer gingen immer nur in derfiichtung der Holzfajern vorwärts: jie durch-
bohren das Holz in allen Richtungen, und oft bietet eine und diejelbe Höhlung die ver-
ihiedenften Biegungen, bald der Safer folgend, bald jie unter rechtem Winkel jchneidenp.
Sole Biegungen jtellen jich immer ein, jobald ein Bohrwurm entweder auf die Röhre
‚einer jeiner Nachbarn ftößt, oder auf einen alten verlajjenen, jogar jeiner Kalfauskleivung
beraubten Gang. Dieje Art von Inftinkt bewirkt, daß, jo zahlreich auch die Röhren in
einem Stüde Holz fein mögen, fie doch nie aneinanderhängen, und daß man jie durch
Saulenlafjen des Holzes immer volfitändig voneinander trennen fünnte. Gewöhnlich ijt der
bon dem Teredo gebildete Holzgang nur längs des Körpers des Tieres mit Kalk aus-
gekleidet, am Borderende aber das Holz unbededt. Adanjon, ein ausgezeichneter Miollusfen-
beobachter des 18. Zahıhunderts, fand, daß der Blindjad in einigen Fällen diejelbe Kalt
befleidvung wie der übrige Gang bejäße; und einige Naturforjcher, welche dies für eine
Cigentümlichfeit der ausgewachjenen Sudividuen hielten, Haben darauf Schlüjje für die
Igitematische Berwandtichaft der Bohrwürmer begründet; aber jchon Deshayes beobachtete
Gänge, die durcch eine Duerjcheideiwand in größerer oder geringerer Entfernung vom Border-
ende abgejchlojjen waren. Sch habe hnliches beobachtet. Anderjeit3 fand ich jehr Häufig
das Ende des Ganges großer Jndividuen offen, während bei viel Heineren und wahrjchein-
lid) jüngeren Jndiviouen diejes Ende abgejchlojfen war. Sch glaube daher, daß das Vor-
Handenjein oder der Mangel diejer Scheidewand durchaus zufällig ilt.
„uf welche Weije bohrt der Teredo in dem Holze, worin er jid) einnijtet? Dieje Trage,
die jich alsbald dem Geijte Des Beobachter3 aufdrängt, ijt bis jebt faft einftimmig beantwortet
worden. Man jah die Schale für das Bohrinftrument an, womit das Tier feine Wohnung
aushöhlte. Geit einigen Jahren hat man in Frankreich und England mehrere Theorien
borgebracht, wonach man die Ducchbohrung entweder einer mechanischen oder einer demijchen
ZTätigfeit zujchreibt. Deshayes, der berühmte franzöfische Kondyliolog, ijt für die leßtere
5723 Weichtiere: Mujcheln.
Meinung eingenommen. Der beite jener Bemweisgründe ift für uns die Beobachtung, daß
der Musfelapparat des Teredo durchaus nicht dazu gefchiekt ift, jenes vermeintliche Bohr-
inftrument in Bewegung zu jegen und es in Drehung oder in die Bewegung von einer
Ceite zur anderen zu bringen, die notwendig erfolgen müßte, wenn man fich die beob-
achteten Refultate erklären wollte. Der genannte Naturforscher fchreibt die Aushöhlung der
Gänge der Gegenwart einer Ausjcheidung zu, die imftande fei, die Holzmafje aufzulöfen.
An diejer Erflärung kann etwas Wahres fein; fie genügt mir aber nicht, indem fie durchaus
feine Rechenfchaft über die Negelmäßigfeit gibt, die diefe eigentünmliche Reibearbeit auf ihrer
ganzen Eritredung zeigt. Welcher Art auch das angegriffene Holz fein, welche Richtung
der Gang nehmen mag, der Schnitt ift immer fo volffommen deutlich, als mern die Höhlung
mit einem aufs forgfältigfte gejchliffenen Bohrer gemacht worden wäre. Die Wände des
Ganges und fein Vorderende find vollfommen glatt, wie verjchtedenartig auch die Dichtig-
feit und Härte der Holzjchichten fein mögen; und man weiß, daß bei der Tanne 3. B. diefe
Berjchiedenheit jehr groß ift. Die Annahme, daß irgendein Auflöfungsmittel mit folcher
Negelmäßigteit wirken könne, fcheint fehr fehtvierig. ES wilde, fcheint ung, fchnelfer die zar-
teren und weniger dichten Holgteile angreifen, jo daß die härteren vorftehen müßten. Diefer
Einwurf ift auch gegen die Annahme zu richten, wonach die Aushöhlung der Gänge der Wir-
fung der Wafjerftröme zugufchreiben wäre, die durch die Wimperhaare verurfacht werden.
„en der Arbeit der Bohrwürmer jcheint mir alles das Gepräge einer direkten mecha-
nijchen Tätigfeit zu haben. Wenn aber das Tier hierzu nicht die Schale anwendet, welches
NWerzeugez foll e3 fich bedienen? Die Löfung der Frage fcheint mir fchroierig. Jch will
jedoch über diefen Punkt eine vielleicht richtige Vermutung aufftellen. Man darf nicht ver-
gejjen, Daß das mnere des Ganges immer mit Wafjer erfüllt ift, und daß folglich alle
Stellen, die nicht durch die Kalfröhre gefchüßt werden, einer fortwährenden Aufloderung
unterworfen find. Eine jelbjt jehr Schwache mechanifche Tätigkeit reicht zuc Wegnahme
diefer jo aufgeweichten Schicht Hin, und wie dünn die Yeßtere auch fein mag, wenn die in
Nede ftehende Tätigfeit nur irgendivie ununterbrochen wirft, reicht fie Hin, um die Aus-
höhlung des Ganges zu erklären. Da nun die oberen Mantelfalten und bejonders die
Kopfkapuze roillfürfich durch Blutzufluß aufgebläht werden fünnen und mit einer dien
Dberhaut bedeckt find, und die Kapuze durch vier ftarfe Muskeln in Bewegung gejeßt werden
farın, jo jcheint fie mir jehr geeignet, die Rolle, um die e3 fich handelt, zu jpielen. Es
Iheint mir daher wahrjcheinlich, daß fie das Holz abzufchaben beftimmt ift, nachdem es
durch die Aufloderung im Wafjer und vielleicht auch durch eine Abjcheidung des Tieres
ermeicht worden.” Wir müffen aber hier einfchalten, daß diefer Vermutung gegenüber
jpäter der Utrechter Zoolog Harting ganz andere direfte Beobachtungen aufgeftellt hat.
Nach ihm braucht Teredo beim Bohren die zwei Klappen feiner Schale wie zwei Kinn-
laden oder Zangenjpisen, mit dem Unterfchied jedoch, daß ihre Bewegung nacheinander
auf zwei zueinander rechtwinfeligen Ebenen erfolgt. Er hat unzählige Heine Zähnchen
entdecdt, die jo ftehen, daß bei jedem Stoß die Holzmafje in äußerft Heine vierecdige Stüd-
chen zerhadt wird. Die Zähnchen follen fich wenig abnuten, weil fie jchneiden und nicht
haben und meil fie beim Forttwachfen der Schale durch Bildung neuer Zumachsitreifen
jedesmal von neuen überragt werden.
„Die Bohrwürmer”, fährt Duatrefages fort, „vermehren fich außerordentlich fehnell.
Man teilte mir in Pajages bei St. Sebaftian einen Vorfall mit, der eine Vorftellung da-
bon geben fanıı. Eine Barfe verfank infolge eines Unfalles im Frühjahr. Nach) 4 Monaten
Sıhiffsbohrwurm. 973
wurde jie von den Fijchern wieder gehoben, in der Hoffnung, Holzwerf davon gebrauchen
zu fönnen. Aber in diefem Furzen Heitraum Hatten die Bohrmwürmer fie jo zeriteifen, daß
Planfen und Balfen ganz dDurchlöchert waren.
„Bohrmürmer, die man aus ihren Röhren und Gängen herausnimmt und nadt in
ein Gefäß legt, leben ganz gut fort, umd ich habe deren über 14 Tage erhalten. Sch konnte
deshalb mit Bequemlichkeit einige Züge ihrer Lebenstätigfeiten jehen, die man bei den
gewöhnlichen Mufcheln ihrer Schalen wegen fo jchwer beobachtet. Von der Atmung ift
nur zu jagen, daß jie wie bei allen Zmeifchalern mit doppelten Mantelröhren vonftatten
geht. Die Heinen FSranjen am Ende der unteren Röhre haben augenjcheinlich den Zweck,
gemilje fremde Körper zu erkennen, die dem Tiere jchaden könnten. Man braucht fie nur
ganz leife zu berühren, um jogleich die Röhren fich fchliegen zu jehen. Wenn ich jedoch)
mit einem zugejpisten Ölastohre mit Indigo gefärbtes Meerwafjer in die unmittelbare
Nähe des einführenden Sipho brachte, verriet nichts, daß dieje fremde Subftanz Das Tier
jtörte, und faft unmittelbar darauf jah ich den Farbitoff wieder durch die Afterröhre aus-
treten. Die von ihren Kalfröhren umjchloffenen Bohrwürmer lajjen ihre Stiphonen jehr
oft heraustreten, umd dieje Halten jich immer jo, daß da3 ausgeatmete Wafjer jic, nicht
mit dem zu den Kiemen einftrömenden vermifcht. Auch die in ein Gefäß gejesten Stüde
geben ihren Siphonen eine folche Stellung, und man fieht diefe Teile bald eine längere
Zeit Hindurch unbeweglich verharren, bald mit ziemlicher Gejchroindigfeit nach allen Ric)-
tungen jich biegen. — Die Bewegungen, welche die in den Gefäßen befindlichen Tiere
ausführen, bejchränfen fich auf langjame Ausdehnungen und etwas jchnellere Zujammen-
ziehungen, durch die fie gelegentlich ihren Plab verändern fünnen; ordentlich zu riechen
ind fie aber nicht imftande. In ihren Röhren müffen diefe Bewegungen noc) bejchränfter
fein. Da fie unveränderlich an den beiden, den Paletten entjprechenden Stellen befeitigt
find, können fie den vorderen und den hinteren Körperteil gegen diefen Punkt Heranziehen;
das ijt aber auch alles. Nichts in der Beichaffenheit ihrer Musfeln zeigt an [im Wider-
jpruch zu den oben mitgeteilten Beobachtungen Hartings; d. B.], daß fie Drehungen
um ihre Achje ausführen könnten, und ich Habe nicht3 desgleichen beobachtet.
„Zegt man einen aus feiner Röhre Herausgenommenen Bohrwurm auf den Boden
eines Gefäßes, jo ijt er fichtlich zufammengezogen. Bald entfaltet er ji), und obtuohl er
jich um da3 Dreifache feiner Länge ausdehnt, nimmt die Dide doch ehr wenig ab. Dieje
auf den eriten Anblid fehr eigentümliche Ericheinung erklärt fich durch den Zufluß des
Waffers unter den Mantel und den des Blutes, daS aus den großen inneren Räumen fic)
in die äußeren hineinzieht.
„Die Bohrwürmer legen Eier; die Gejchlechter find getrennt, und die Zahl der Männ-
chen ift viel geringer al3 die der Weibchen. Unter den wenigitens 100 Stüd, die zu meinen
Unterfuchungen gedient haben, fand ich nur 56 Männchen. Das Verhältnis der Gejchlechter
ift aljo ungefähr wie 1:20. Das Eierlegen muß nach und nad) vor fich gehen und eine be-
trächtliche Zeit Hindurch dauern, nach den Stüden zu urteilen, die ich in meinen Gefäßen
hielt. Sie gaben mir mehrere Tage hintereinander Cier, wodurch die Eierjtöcde noch bei
weiten nicht entleert waren. Die von den Weibchen gelegten Eier häufen jich im Ktiemen-
fanal an, ‚wo jie von dem mit Samenförperchen vermijchten und durch die Atmung ein-
geführten Wajfer befruchtet werden.“
Um die Entwidelung der Bohrwürmer zu jtudieren, bediente fich Duatrefages eines
Mittels, das jeit Jahrzehnten zu vielen jchönen zufjammenhängenden Entwidelungsreihen
574 Weichtiere: Mufcheln.
im Gebiete der niederen Tierwelt geführt hat und in großartigiter Weife bei den Fijchen
angewendet wird: der Fünftlichen Befruchtung. Was ihm diefe felbft gezogenen Larven
richt zeigten, Fonnte er durch Beobachtung der in den mütterlichen Kiemen fich aufhalten-
den ergänzen. ine ausführliche Entmwicelungsgefchichte Hat jpäter Hatichef geliefert.
Für uns genügt es, hervorzuheben, daß auch nach diefen Entmwidelungszuftänden Teredo
eine unverfennbare Muschel ift. Jr dem fpätejten Zuftande, der beobachtet werden
fonnte, und den unjere Abbildung gibt, bejibt das hirjeforngroße Tierchen eine zivei-
Happige, fajt Fugelige Schale von brauner Farbe, aus melcher zmwijchen den Mantel-
falten hervor ein beweglicher Fuß geftrecdt werden fan. Auch ragt über die Schalen ein
jehr entwidelter Segelwulit hervor, in dejjen Mitte fich ein Wimperjchopf befindet. Ter-
ner ift das junge Weichtier auf diefer Stufe mit Augen und Gehörblafen verjehen. Si die-
jem Entwidelungszuftande wurden fie durch die obere Röhre aus der mütterlichen Stieme
ausgeworfen und lebten in der Gefangenjchaft noch länger als
die erwachjenen Exemplare. Die Larven fönnen num, wie fich
aus der Bejchaffenheit ihrer Bewegungswerkeuge entnehmen läßt,
ihwimmen, entfalten fie ihren Wimperapparat, der ich über die
Schale legt und fie wenigftens zur Hälfte bededt. Einen jehr jon-
derbaren Anblid gewährt es, fie mit der Gejchwindigfeit eines
Rotifer oder einer Hydatina das Wajjer durchjchneiden zu jehen.
Die Winiperbewegung macht, daß fie wie mit einem prächtigen
Sarbenkreis umgeben erjcheinen, den man jchon mit bloßen Augen
wahrnimmt, der aber unter der Yupe und bei einer gemwiljen Be-
a leuchtung von einem ganz außerordentlichen Glanze ijt. Diejes
Teredo fatalis Ofrf. Bay. Chmwimmen ift nie von langer Dauer; und am häufigiten machen
die Larven Gebrauch von ihrem Fuße."
Weiter fonnten die Larven in ihrer Entwidelung nicht beobachtet werden; es ift nicht
unmwahrjcheinlich, daß fie fich furze Zeit darauf am Hole feitfegen und, in dasjelbe nach und
nach eindringend, ihre lebte Ummandfung beftehen. Ihr Lebenslauf fcheint übrigens ein auf-
fallend Furzer zu jein. Die Holzitüde, die Duatrefages im Dftober unterfuchte, ftafen ge-
möhnlich ganz voll von Tieren. Später wurden dieje jeltener, und Ende Sanuar konnte fich
der Forjcher nur mit Mühe einzelne Tiere verfchaffen. Man verficherte ihn auch, daß man nur
im Sommer die „Würmer“ in großer Anzahl im Holzwerf träfe, und daß fie im Winter faft
alle abjtürben. Duatrefages will daraus jchliegen, daß bei Teredo, wie bei manchen Sn-
jeften, der Fortbeitand der Art nur durch einige Individuen gefichert ift, die den Unbilden
der jchlechten Jahreszeit wiverjtehen, und daß auch diefe abfterben, furz nachdem fie Eier
gelegt oder die Larven, welche die Mantelfalten einfchliegen, in Freiheit gejeßt haben.
Einen gefährlichen, feine Verbreitung und zerjtörenden Wirkungen jedoch nicht hin-
dernden Feind hat der Bohrwurm in einem Ningelwurm, Nereis fucata Sav. Die Larven
dieje3 Naub-Anneliven leben mit den Teredo-Larven zufammen, und die reife Form findet
man in den Röhren der Teredo. Gie frißt jich unter die Haut des leßteren ein und zehrt
ihn allmählich auf.
ul der Zamilie der Gaftrochänen werden einige teils durch Nefterbau, teils durch
eigenkümliche Kalkfröhren ausgezeichnete Sippen vereinigt. So Gastrochaena Spengl. Die
teils jchwimmend, teil3 Friechend fich fortbewegen. „Wenn fie
. f
re
Eıhte Blattfiemer. 975
Gattung hat einen dien, bis auf eine enge vordere Öffnung für den Austritt des Fußes ganz
gejchloffenen Mantel, der Hinten in zwei ihrer ganzen Länge nach verwachjene Siphonen ver-
Yängert ft. Der Fuß ift fehr Hein, jpis und trägt einen Byfjus. Das Gehäufe ift gleich-
ichalig, beinahe feilförmig Dinn, auf der Bauchjeite, namentlich nach vorn Hin, ftark faffend
und reicht zum Schube der Weichteile des Tieres nicht aus. Einige Arten, wie Gastro-
chaena modiolina Zam. von der engliichen Küfte, leben in Felsjpalten und verbinden Heine
Steinhen und Mujcheltrümmer zu einer Art von a
Hafchenförmigem Neft, das die Schale gänzlich ein- —
Ichhießt. Die Außenjeite dezjelben ijt rauh, Die Snnen-
jeite glatt und bejteht aus dünnen Zagen einer falfigen
Abjonderung des Tieres. Das Neft ift ganz geichlofjen
bis auf die Mündung des Halfes für die Siphonen.
Mit dem Wachstum des Tieres wird auch das Net
bergrößert und dejjen Hals verlängert. Diejelbe Att,
bon der hier Die Rede ift, joll jedoch auch) zugleich jich >=
in weichere und härtere Selfen einbohren fünnen, a ee
während andere Arten nur diefe Gewohnheit Haben
und im Srneren von Mufchelfchalen, Koralten, Balanusmafjen leben, wo jte jich mit einer
-amdollftändigen Röhre umgeben. Auch Durhhbohrungen von Auftern fommen vor. |
Bei der anderen, ihr naheftehenden Gattung Clavagella Zam. ijt die eine Schalenhälfte
ganz mit einer Zalfigen, feulenförmigen Röhre verwachjen, die andere ift frei in derjelben.
Dieje Röhre ftectt bald frei im Sande, bald ift fie in Korallen, Felfen, Balanısmajjen feit-
- gemwachjen. Das vordere Ende hat oft eine Spalte und offene Heine Röhrchen, das Hintere
Ende ijt frei.
Die Röhrchen
werden Durch
fleifchige, in
unbejtimmter
Unzahlausden
Mantelherbor-
wachjende Tü-
den abgejon-
Ö A) Siebmujchel, Aspergillum vaginiferum Lam., Tier ohne Röhre. B) Vordevende der Schale einer
dert. Diele javanifden Siehmujhel. Natürlige Größe.
Tiere, bon De-
nen zwei Arten im Mittelmeere, die anderen in den Meeren der heigen Bone leben, bilden
den Übergang zu der Gattung Siebmufche! (Aspergillum Zam.). Auf der beijtehenden
Abbildung ift A das aus der Röhre herausgenommene Tier, das von einem fajt volliommen
gejchloffenen, jakförmigen oder flajchenförmigen Mantel (a) eingehülltift. Unfere Figur zeigt
diefen in einem jehr zufammengezogenen Zuftande. Er geht vorn in eine Art Scheibe (b)
über, in deren Mitte fich ein mit der Spalte des Gehäufes forrejpondierender Schliß (ec)
findet. Dicht dahinter ift eine punktförmige Öffnung (d) für das entjprechend Heine Zuß-
ende. Die hintere Hälfte des Mantel3 ift quer gerungelt und endigt mit den beiden Sipho-
nalöffnungen (e). Die dem Gehäufe der übrigen Mufcheln entiprechenden Schalen find
bei Aspergillum fehr zuriigeblieben, ein Baar eine Blätter, Die in eine lange zylinprilche
oder nach hinten enger werdende und dafelbit offene Kalfröhre eingewachjen find. Das
976 Weichtiere: Mujcheln. — Kopffüßer.
vordere Ende (B) bildet eine Scheibe, die eine Spalte in der Mitte und auf der Fläche und
am Rande zahlreiche Heine, offene Röhrchen Hat. Das nördlichjte Vorkommen der Sieb-
mufcheln ift da8 Note Meer. Sie jtecden mit ihrem Gehäufe jenkrecht im Sande. Aus dem
Borhandenfein der zweiklappigen Schale, die, obgleich der Röhre eingewmachjen, doch immer
ganz deutlich bleibt, farın man mit Sicherheit fchliegen, daß die jungen Tiere fich von dem
Ausfehen der übrigen, regelrecht gebauten Mufcheln nicht entfernen werden.
Fünfte Ordnung:
Berwachjenfiemer (Septibranchia).
Der fir die Berwachlenktiemer charakteriftifche Schwund der Kiemen bi3 auf die durc)-
brochene Scheidewand (vgl. ©. 515), die aus ihren untereinander und mit dem Mantel ver-
mwachjenen Bafen gebildet ift, fcheint eine Folge des Aufenthaltes in der Tiefjee zu jein, denn
die Hauptgattungen, Cuspidaria Nardo und Poromya Forb., fteigen bi3 unter 5000 m hinab.
Bon ihren Lebensäußerungen wifjen wir fo gut wie nicht3 aus unmittelbarer Beobachtung.
Wie e8 fcheint, veritehen fich einzelne dadurch vor dem Einfinfen in den Ioderen Schlid zu
bewahren, daß fie lange BHffusfävden Spinnen und zu einer breiten, flachen Platte ver-
tleben. &3 verfteht fich von felbft, daß ihre Nahrung nicht mehr pflanzlicher Natur jein
fann, jondern daß ihnen das Atemmwafjer nur Tierifches bringt. Doch wäre e3 verfehrt, Dar-
aus einen Gegenjag zwifchen pflanzlicher und tierischer Nahrung ableiten zu mollen.
Der Blie auf die Ernährung regt indes noch zu einigen Bemerkungen über eigenartige
Züge an, die wir bei mehreren feinen Formen, zum Teil unbeitimmter Stellung, antreffen.
&3 gibt auch unter den Mufcheln mindeftens einen echter Schmaroger, nicht vorübergehend,
wie die Unioniden, fondern im ausgebildeten Zultand. Merkmwirdigermweije ijt die Bezie-
hung Diejelbe, die wir bei vielen Gaftropoden antrafen, die zu den Stachelhäutern nämlic).
Boelbfom fand die Keine Mufchel, die er Entovalva mirabilis Voeltzk. nannte, im Schlund
einer madagaljiichen Seewalze. Neuejte Unterjuchungen haben gezeigt, Daß nicht gerade be-
jondere Wunder ji) mit ihrem inneren Bau verfnüpfen. Die Hauptfächlichite Abweichung
bom normalen Bau liegt in dem Übergreifen der Mantelränder über die Schale, die aljo
ähnlich verdeckt liegt wie bei einer Nadtjchnede.
Hier laffen jich einige Heine Formen bon ziemlich unjicherer Stellung anjchließen.
Dall, der verdiente amerifanijche Weichtierforjcher, nannte eine Mufchel, deren Schale
ebenfalls im Mantel ftedt, Chamydoconcha Dall; hier jcheint die Entwidelung zur Nadt-
mufchel, wenn wir fo fagen wollen, noch weiter gegangen, bis zum Schwunde der Schließ-
musfeln nämlich, jo daß toir hier ein ähnliches Verhalten wie bei gemwiljen Nadtichnecen
finden, deren Schalentefte den feiten Zufammenhang mit dem Spindelmusfel aufgegeben
haben. Scintilla Desh. und Galeomma Turt. ftellen eine Art Übergang dar, indem die
Mantelränder die Schale nur zur Hälfte beveden. Scintilla Friecht lebhaft an glatten
Slächen, etiva am Glas, wie eine Schnede, Galeomma breitet beim Kriechen die beiden
Stlappen flach auseinander.
si der Ernährung jchließt jic) Montacuta substriata Mont. an Entovalva in-
jofern an, als fie fich an Geeigel anheftet, während andere Arten im Sand oder in leeren
Schalen haufen. Sene ift wohl alS Tifchgenofje anzufehen, der von den Speifeabfällen
des Wirtes lebt. Solche Genoffen find auch die Arten von Vulsella Zam. in dem wafjer- und
Berwahjentiemer. — Allgemeines über die Kopffüßer. 577
nahtungdurchftöntten Köhrenjgitem von Spongien, jowie Lepton longipes Stps. in den
Gängen von Röhrenwürmern und Kruftern, während die übrigen Lepton-Atrten frei leben
und jehr beweglich find, gelegentlich wohl jelbit am Wafjerfpiegel hängen.
Fünfte Klaffe:
_Kopffiißer (Cephalopoda).
Zu den unauslöfhlichen Eindrücden einer italtenifchen Reife gehört nicht nur der exfte
Anblie der Florentiner Bauten, des Kolojjeums, des VBejuvs im Hintergrunde des Neapler
Golfes, der Totenjtadt Ronrpeji und der Tempelruinen von Bältum — auch der erfte Befuc)
eines größeren italienischen Fifehmarktes, wie er täglich in Genua, Livorno, Neapel uf.
abgehalten wird, hat etivas Ühberwältigendes. Da find fie angehäuft, die Echäbe des Meeres,
auf Reihen von Tichen, Hinter denen die Verkäufer mit betäubendem Gefchrei ihre Ware
anpreijen. Alles it geordnet nad) Größe und Gattung. Neben den Buden, in denen die
feineren Speifefifche feilgeboten werden, befinden fich die Fleiichhänfe für die Thunfische.
Weiterhin folgen die Stände, mo Kochen und Haie für die minder verwöhnten Gaumen aus-
fiegen. Aber wir verweilen Heute nicht bei den zum Teil jehr jchön gefärbten Fiichen, eilen
auch an den vielen Körben der Berfäuferinnen von Mufcheln, Schneden und anderen
„frutti di mare“ vorüber und halten bei ein paar Tifchen, von denen uns eine ganz fremd-
artige Ware entgegenglänzt. „Calamari! Calamari! O che bei Calamari! Seppe! Seppe!
Delicatissime Sepiole !' jo dröhnen die unermüdlichen Stentorjtimmen in unfer Ohr. Schon
hat einer der Schreier uns ins Auge gefaßt und unfer Sntereffe wahrgenommen. Wir treten
heran, und der Fijcher hebt einen fußlangen Galamaro an den fchlanfen Armen empor. „E
tutto fresco !“ Und un zu bemweifen, daß das Tier, wenn auch nicht mehr ganz, fo doch noch
halb lebendig ift, verjegt er ihm mit der Meijerfpige einen leifen Stih. Was war das? Wie
ein Blib fuhr ein Farbengemwölf von Gelb und Violett über die auf weißem Grunde regen-
bogenfarbig Ichillernde und fein gefledte Haut Hin. Während wir diefem wundervollen
Tarbenjpiele noch mit Suterejje folgen, wendet fic) der Händler einem anderen Teile feiner
Ware, ven Sepien, zu. Aus einem Falfe nimmt er Stüd für Stüd Heraus, lölt mit einem
. E&hnitte den weißglänzenden Rüdenichulp aus, entfernt, mit gejchieter Hand das jadfürmige
Wejen umfrempelnd, die uniymadhaften Teile der Eingeweide mitfamt dem Tintenbeutel,
Ipilt das fo ausgenommene Tier gründlich ab und legt es auf den Berfaufstiih. Wir find
längit als Fremde erfannt und müffen die ausgewählten Stüde ungefähr mit dem vierfochen
Marktpreife bezahlen. Wer Glüd und ein Auge dafür hat, kann auf einem folchen Filch-
marfte zuweilen auch jehr feltene Kopffüßer finden; befonders der Markt von Meffina (und
in Japan der von Tokio) ift eine reiche Fundgrube der prächtigiten Formen. Noch mehr tft
der Befuch eines der zahlreichen Mittelmeeraquarien, insbejondere des neapolitanijchen, zu
empfehlen, um diefe merkwürdigen Tiere auch lebend in Augenfchein nehmen zu fünnen.
Denn fein Lebemejen — mit Ausnahme der Schlange vielleicht — ift mit einer folhen Fülle
bon Sagen umtoben tie gerade der Tintenfifh. Auch fanden die Kopffüßer bereits im
Altertum ein großes wiljenjchaftliches Sutereffe. Schon Ariftoteles erkannte in ihnen eine
icharf umfchriebene Gruppe, die er alS Malakia in fein Tierfyften einführte.
Wer fich eingehender mit den Tintenfilchen, mit welchem nicht recht zutreffenden
Namen man diefe Weichtiere gewöhnlich bezeichnet, befajjen will, benugt am beiten die
b Brehn, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 37
578 Weichtiere: Kopffüger.
vortrefflichen Arbeiten von Brand) und Jatta, von Denen die im Mittelmeere vorfommen-
den Kopffüger nach jahrelangen Beobachtungen bejchrieben und in meifterhafter Weije far-
big abgebildet wurden. Für die foftematiche Überficht der ganzen Stlafje tommen nament-
fich noch die umfangreichen und trefflich ifuftrierten Zufammenftellungen von Hohle, Chun,
Pfeffer und anderen in Betracht. Eine umfaljende anatomische Bearbeitung jteht noch aus,
wird aber für die nächite Zeit von Naef erwartet.
Über den Körperbau und die innere Organijation der Kopffüßer unterrichten ipir uns
hier Furz an der feinen Sepiola rondeletiüi Leach (j. die nebenftehende Abbildung) und an
der gemeinen Sepia (j. die Tafel bei ©. 585).
Den Namen haben diefe Weichtiere Davon, daß
ihr Körper deutlicher als bei den übrigen in
Numpf und Kopf zerfällt, und daß an lebterem
ein Kranz von Anhängen jteht, die als Greif-
und Bewegungsorgane gebraucht werden. Der
Rumpf it vom Mantel umgeben, der an der
Niüdenfeite entweder in breiter Front unmittel-
bar in die Hautbededungen des Stopfes übergeht
oder fcharf abgefeßt ift, jo daß e3 zur Bildung
eines Nadens fommt, der meift durch norpelige
Leilten veriteift wird. Der Mantel ijt in vielen
Tällen jafürmig, zeigt bei den jchnellichwime
menpden Arten aber häufig torpedo- oder fegel-
fürmige ©eitalt. An Bauche bildet der Mantel
einen offenen Beutel, aus dem das [pie Ende
eines fonishen Rohres, des Trichters, Herausragt.
(E3 mag erwähnt werden, daß Die hier durch-
gängig gebrauchten Bezeichnungen „Rüden“
und „Bauch“, „vorn und „Hinten“, „oben“ und
„unten“ uf. nicht buchjtäblich zu verjtehen find,
d.h. mit den gleichnamigen Begriffen bei Wir-
ee beltieren nicht3 gemein Haben. Man veriwendet
; Sehr großes ac natürlicher Größe. lie bielmehr nur zur phnfiologijchen Drientie-
rung. Wendet man auf den Bau der Cephalo-
poden richtiger das allgemeine Schema des Weichtierbaus an, fo hat, wie fehon der Altmeifter
Leudart erfannte, die Spite des Eingemweidejads als oberes Ende zu gelten. hr gegen-
über liegt unten der die Mundöffnung umgebende Armkfranz. Die Seite, die den Trichter
trägt, ıjt die morphologiiche Hinterjeite, während der „Nücen” genau genommen die Bor-
verjeite daritellt.) Alle bis jet erwähnten Ktörperteile erheifchen eine nähere Betrachtung,
da auf ihren Abweichungen zum Teil die Cigentümlichfeiten der verjchiedenen Gruppen
und Gattungen unjerer Slaffe beruhen.
Die den Mund umgebenden Arme find von feiter, Fräftiger Bejchaffenheit, äußerft
musfulös, Dehnbar und jehr beweglich; ihr Spiel gleicht bei manchen Formen (3. ®. Polypus,
\. ©. 592) den Windungen eines Haufens miteinander verflochtener Schlangen. Bei allen
Nopfjügern der Seßtzeit, mit Ausnahme des Nautilus, find fie in ihrer ganzen Länge
an der Innenfeite mit Saugnäpfen befeßt, deren Ziwec hauptfächlich darin befteht,
Allgemeines. 579
Beutetiere jejtzuhalten; bei einigen Sormen vermitteln jie auch die Fortbewegung dur)
Kriechen; bei anderen dienen jie zur Veranferung an feiten Gegenftänden. &
Die Saugnäpfe ftehen in einer, zwei oder mehr Reihen und find von becherförmiger
Geltalt. Sie find mit einem komplizierten Musfelapparat ausgerüftet, und eine feine Snner-
bierung verleiht jedem einzelnen von ihnen einen Hohen Grad von Gelbftändigfeit. Über
die Wirfung diefer Haftorgane machen wir uns am beiten ein Bild an Hand der Schil-
derung W. IH. Meyers. „Soll der Saugnapf”, jo jagt er, „an irgendeiner Fläche, der
Schuppenhaut eines Fijhes, dem Panzer eines Krebjes oder an einem Teljen befeftigt
werven, jo wird jein Snnenraum durch Kontraktion der Ring- und Meridionalmustfein, mo-
bei jich der Boden jtempelförmig in die Saugöffnung vorjchiebt, möglichit verkleinert. Der
Nand des Saugnapfes wird abgeflacht und dicht an die Fläche gepreßt; die Abdichtung ge-
Ihieht durch die Stontraftion der Ningmuzfeln in der Hautfalte um den Saugnapfrand.
Bei der nıin erfolgenden Erweiterung des Bechers erichlaffen alle eben genannten Musfeln
mit Ausnahme der Ningfalte; dafür treten die Muskeln zwiichen Arm und Saugnapf ins
Spiel, die das Volumen des Saugnapfes durc) Zug an der Yußenmwand vergrößern.” Durch
diefe Vergrößerung wird der Drud im Inneren des Saugraumes erheblich herabgejett.
Das umgebende Wajjer drüdt von außen dagegen und preßt jo den Saugnapf feit gegen die
Unterlage. &3 erfordert eine ziemliche Anjtrengung, ein lebendfriiches Tier, das fich feit-
gejaugt hat, frei zu befommen. Häufig reißt man ihm dabei einzelne diejer Organe aus; oft
läßt e3 jogar eher den ganzen Arnı als den ergriffenen Gegenftand fahren. Die Saugnäpfe
fönnen Jigen, d. h. ihre Musfulatur geht ohne merflihde Einihnürung in die des Armes über,
oder e8 fommt zur Bildung eines dünnen Musfelftieles, der dvenNapf trägt. Die ausfleidende
Haut des Napfrandes jcheidet eine derbe Kutifula ab, Die bei vielen Formen verhornt und
einen Fräftigen, für die einzelnen Arten charakteriltiich gezähnten Konchinting bildet. Cine
merfwirdige Umbildung jolher Ringe jtellen aucd) die Hafen dar, die bei Vertretern
mehrerer Familien anjtatt eines Teiles der Saugnäpfe auftreten. Bei einer Gruppe findet
man außen und innen neben den einreihig angeordneten Saugern und mit ihnen ab-
mwechjelnd noch fadenfürmige Anhänge, jogenannte Cirren, die zurüdgezogen werden fünnen
und offenbar der Wahrnehmung von Berührungsteizen. dienen.
Die Arme jtehen vollfommen fymmetrii), und man zählt fie vom Rüden aus, in-
dem man vom ersten, zweiten, dritten und vierten VBaare jpricht, welch lebteres rechts und
infs neben der Mittellinie der Unterfeite jich befindet. Die Paare find untereinander meijt
verichieden lang; gelegentlich zeichnet fich ein Arm durch bejondere Kürze aus (Hektofoty-
{us der Bolypodiven, |. ©. 616). Um Grunde jind die Arme durcd) eine Hautduphfatur
miteinander verbunden, die jich bei einigen Arten jogar fait bis zur Spibe der Urme er-
tet (j. Tafel „Weichtiere V", 1, bei ©. 610). Dieje Umbrella genannte Haut dient,
wie e3 jcheint, vorzugsweije Dazu, über der von den Armen umjftrieten Beute eine alljeitig
ichhießende Hülle zu bilden. Wo die Umbrella ftark entwicelt ist, fommt ihr ficher auch eine
nicht zu unterjchäbende Bedeutung bei der Fortbewegung Durch Rüdjtoß zu (f. unten, ©. 582).
Auch an ihrer Außenfeite jind die Arme vielfach mit befonderen Borrichtungen ausgeitattet.
„Shmwimmjäume” nennt man unpaare, von Muskulatur durchjebte Hautblätter, die
bejonders häufig an ven Baucharmen auftreten und als eine Art Steuer beim Schwimmen
dienen. „Schußjäume” Hingegen jind die paarig neben den äußeren Saugnapfreihen
fängslaufenden Hautleiften; fie jollen verhindern, daß beim jchnellen Schwimmen Waffer
zwijchen den Armen einjtrömt, was hemmend auf die Bewegung einwirfen wiirde.
37*
580 Weichtiere: Kopffüßer.
Die bis jeßt bejchriebenen Arme find in der Achtzahl vorhanden, ein Verhalten, das
fir die Oftopoden charakteriftiich it. Bei den Defapoden hingegen, zu denen unter
anderen auch Sepiola und Sepia gehören, tritt noch ein fünftes Armpaar Hinzu, Iinfs und
rechts je eine faugnapfbewehrte Keule an langem Stiel. Diefe Tentafel entjpringen zwi-
fchen den dritten und vierten Armen, find ganz oder teilweife in geräumige Tajchen an der
Armbafis zuriidziehbar und fünnen daraus lafjvartig vorgejchleudert werden, um ein Beute-
tier zu faffen und heranzuziehen (j. die Farbentafel bei ©. 604, oben). Ebenjo wie an den
Armen fann auch an den Tentafeln ein Teil der Saugnäpfe in Hafen umgewanivelt fein
(f. Tafel „Weichtiere V, 3 u. 4, bei ©. 611). Schrwimm- und Schußjfäume fommen eben-
fall8 vor, außerdem aber noch bejondere Apparate, wie Haftgruben, Haftnöpfchen uf.
Einzelne Saugnäpfe finden fich übrigens Häufig auch auf dem Tentafelitiel.
Tachträglich Haben einige pelagijche Defapoden (Oetopodoteuthis Rüpp., Leachia Les.)
ihre Tentafel verloren, find alfo eigentlich „Achtfüßer”. Die häufig wiederkehrende Anficht
aber, die in den Dftopoden einfach der Tentafel verkuftig gegangene Defapoden erbliden
möchte, wird durch die Entrwiclungsgefchichte widerlegt, die dartut, daß die Tentafel der
Defapoden dem dritten Armpaare der Achtfüßer ent-
iprechen. Sie lehrt ferner, daß bei den lebteren Die
Anlage des oberiten (exiten) Arnpaares im Embryo-
nalfeben unterbleibt. Tiber den Armapparat von Nau-
tilus, der wejentlic) andere Verhältnifje zeigt, ie-
wohl er aus den gleichen Elementen aufgebaut it,
a he goicd im fpegiellen Teile berichtet werden.
DBreitet man die Arme auseinander, jo fommt
gerade in der Mitte des von ihnen gebildeten Schirmes die Mundöffnung zum Vor-
ichein. Sie ift von einer doppelten Ringlippe umaeben. Zwilchen ihr und den Armen
befindet fich bei ven zehnfüßigen Cephalopoden noch der fogenannte Buffaltrichter, ein
merfwitrdiges, offenbar in Rücdbildung begriffenes Organ. Seine zumeilen noch mit rudi-
mentären Saugnäpfen bejeßten Zipfel, häufig auch Buffalpfeiler genannt, jtellen ficher
ven le&ten Net eines inneren Armkranzes dar, eine Tatlache, die für die Stammesgejchichte
der Kopffüßer von größter Bedeutung ift. Durch kräftige, meift in der Siebenzahl vorhan-
dene Musfelbrücden, deren Ausbildung Iyftematifch wertvolle Auffchlüffe liefert, ift der
Buffaltrichter an die Arme geheitet.
Sm Zentrum diefes Trichter3 befindet fich, wie fchon erwähnt, der Mund. Geine
Lage wird durch zwei mächtige, [chwarzbraune Kiefer von der Geftalt eines umgekehrten
Bapageijchnabels bezeichnet. Der Raubtiernatur unferer Tiere entjprechend jinDd fie groß,
feit, pi und fcharf. Der Unterkiefer (a in der obenftehenden Abbildung) ijt breiter und
überjchneidet den Oberkiefer b, der beim Schließen des Mundes ztwifchen die Geitenblätter
jenes hineingleitet. Diefe flitgelartigen Fortjäße der Kiefer bieten der reich entwidelten Kaus=
musfulatur, die einen annähernd fugeligen Schlundfopf bildet, breite Anfasflächen. Die
Tiere find imftande, mit ihrem Schnabel den Stopf größerer Fiiche bis zum Gehirn zu Durc)-
beißen und Harte Mufchelfchalen aufzufnaden.
Die Fräftige Nadula, die bei einigen grundbewohnenden Tiefjeeformen verloren-
gegangen it, entjpricht am ehejten der der Bandzüngler unter den Gaftropoden. Auch jie
(äßt fich gelegentlich für die Shftematif verwerten. Sn den vowderften Abfchnitt des Speife-
vohrs münden die Ausführgänge von zwei Paar Speicheldrüfen, von denen die größeren
Allgemeines, 98l
Hinter dem Stopfe Tiegen, beifer als Giftvrüjen zu bezeichnen find und gelegentlich ver-
ichmelzen oder ganz fehlen. Auch noch eine fünfte Vorderdarmdrüfe mit unficherer Funktion
mündet nahe der Nadula in die Speiferöhre. Dieje it verhältnismäßig lang und dünn;
zuweilen zeigt jie jedoch eine Fropfartige Erweiterung. Etwa in der Leibesmitte erweitert
jich der Borderdarm zu einem musfulöjen Kaumagen, der die Zerfchrotung der Nahrung
beforgt. Ein enger Pförtner verhindert den Übertritt feiter Bejtandteile in den fogenannten
Spiralmagen, einen vrüjenreichen Blindjad, der durch paarige „Banfreas"-Gänge mit
der großen Mitteldarmdriüfe („Leber“) in Verbindung jteht. Diefe wird auch jtetS paarig
angelegt, verjchmilgt bei vielen Formen aber zu einem einzigen großen Körper von meilt
eiförmiger Geftalt. Syn der „Leber und im Spiralmagen findet die eigentliche Verarbeitung
und Auffaugung des Speijebreis ftatt; doch iit Die ErnährungsphHfiologie der Cephalopoden
noch nicht in allen Einzelheiten Elargeftellt. Feite Subftanzen gelangen vom Musfelmagen
direkt, d. h. ohne den Spiralmagen zu durchlaufen, in den Enddarm. Er ift fürzer als die
Speijeröhre und führt an der Bauchjeite innerhalb des Mantel nach vorn; wir werden
ihm bei der Beiprechung des Tintenbeutels (|. ©. 584) noch) einmal begegnen.
Nunmehr wenden wir uns wieder der Bejchreibung der allgemeinen Körperform zu.
Unterhalb des Kranzes der Arme ilt der Kopf an beiden Oeiten und etwas mehr nad) oben
zu ein wenig aufgetrieben. &3 ift die Stelle, an der im Snneren eine Art fnorpeliger Hirn-
ichale und als deren unmittelbare Fortjeßungen die napfförmigen Augenfapjeln (Orbitae)
liegen. Die Augen find außerordentlich groß, und zwar nicht nur im Verhältnis zum
Körper, fondern auch) an fich. Bei Riefentintenfischen 3. B. find fie bei einem Durchmefjer
bon annähernd 40 cm die größten optiichen Organe, die man fennt. „Su der Bollftändigfeit
de3 Baues und der feititellbaren Leiftungen läßt ji) das Auge der Tintenfifche jehr wohl
mit dem der Säugetiere vergleichen, mit dem e3 auf den erften Blid eine große Ähnlichkeit
zeigt. Uber Gleichheit der Leiftungen bedeutet noch nicht Gleichheit im Aufbau; fcheinbar
übereinjtimmend gebaute Organe fünnen ganz verichtevdenen Urjprung haben. ©o zeigt
denn auch hier die Entwicdelungsgejchichte, daß Die Augen von Wirbeltieren und Tinten-
fiichen nicht näher miteinander verwandt find, entjprechend der Kluft zwijchen beiden Grup-
pen, und daß die Übereinftimmung nur eine Konvergenz it." (W. Th. Meder.) Dem
Hauptunterjchiede beider Uugentypen begegnen wir bei der Betrachtung der Nebhaut. Shre
Stäbchenzellen (beiläufig bemerkt bei Sepia etwa 70 Millionen nach Hejje) jind bei den
Cephalopoden nicht hirnwärts wie bei der Wirbeltierretina, jondern Iinjenmwärt3 gerichtet,
ein Zuftand, Der Daran erinnert, daß das Kopffükerauge aus einem einfachen, becherjür-
migen, lihtwahrnehmenden Organ hervorgegangen it, wie wir e3 beinahe unverändert noch
bei Nautilus (f. ©. 589) und bei manchen Schneden (j. ©. 417) antreffen. YBom Wirbel-
tierauge unterjcheidet fich Das Auge der Kopffüker noch bemerkenswert durch die feiner
Formoperänderung fähige, zweiteilige Linje, die an ihrer Vorderfeite frei vom Seewaljjer
umjpiilt wird. An ihrer Peripherie bildet die Haut des Augapfels eine ringfürmige Dupli-
fatur, den Ziltarring, und weiter außen nod) eine Regenbogenhaut, Sris, deren Öffnung,
die Bupille, erweitert und verengert werden fan. Dazu fommen bei den Oftopoden ferner
. halbmondfürmige Augenlider, die zum Schube der Linfe dienen. Bei den Defapoden
wird die Haut, die den Livern entjpricht, zur durchfichtigen Hornhaut; und zwar fchließt
fie fich bei ven MYyopfiden bis auf ein enges Loch („Tränenloch”), dich daS Seemafjer
eintritt, während die Ogopfiden eine weite Augenöffnung haben. Die naheliegende
Deutung, daß die Ogopfiden im freien Meere leben, two eine Beranlaffung zu bejonderem
pr
582 Beichtiere: Kopffüßer.
Schuße des Auges wegfällt, die Myopjiven dagegen und bejonders die Dftopoden mehr
an fefte Unterlage und Berührung mit dem Boden gebunden find, wird im großen und
ganzen durch die Xebensmweije betätigt. — Sunerhalb feiner Kapjel ift der Augapfel zu
geringfügiger Bewegung nach verjchiedenen Seiten befähigt. In feine befleivende Haut
jind filberglängende, fluorefzterende Flitterzellen, Zridozyten, eingelagert, die dem Auge
ein unheimliches Feuer verleihen, das durch Tapetum-ähnliche Einrichtungen in Nugen-
innern noc) erhöht wird.
Schräg unterhalb der Augen befinden ich die Statozyften, fäljchlich auch Ohrkapfeln
genannt. Bei der vieljeitigen Beweglichkeit der Gephalopoden zeigen auch diefe Gleich-
gewichtsorgane eine bejondere Cntwicelungshöhe. Shre operative Entfernung ruft
ichwere Bemwegunasitörungen hervor. Bejondere Geruchs- und Gejchmadswerfzeuge
an den Seiten de3 Kopfes unweit des Trichters bzw. im Munde find wohl vorhanden, indes
unbedeutend und in ihren Reaktionen wenig gejichert. Da die Öeruchsorgane häufig am
Eingange zur Mantelhöhle liegen, jo geht man wohl nicht fehl, in ihnen Vorrichtungen
zur Prüfung des Atemwafjers zu erbliden. |
Der nervöje Schlundring bejteht bei Nautilus zum guten Teil noch aus Mark
Iträngen, wie bei Amphineuren und altertümlichen Gaftropoden. Bei den übrigen Cepha-
lopoden Hingegen ift er hochentwidelt und jehr jtark fonzentriert. Cerebral-, Wiszeral- und
Tedalganglien find zu einer untrennbaren Mafje verfchmolzen; von leteren haben fich die
Armzentren (Brachtalganglien) abgegliedert und find nach vorn gerüdt. Nechts und Iinfs
des eigentlichen Hirns liegen ferner die mächtigen Augenganglien. Den überaus fräftigen
Nantelnerven find vor ihrer Aufjpaltung beim Eintritt in den Mantel befondere Ganglien
eingelagert, die wegen ihres ftrahligen Baues Sternganglien genannt werden.
Che wir zur Bejchreibung des Numpfes übergehen, muß noch ein merfwürdiges Dr-
gan, der Trichter, genauer betrachtet werden. Wie jchon erwähnt, jtellt er ein mäßig
langes, fegelfürmiges Rohr dar, das jic) an jeinem jpigen Ende etwa auf der Höhe der Klopf-
mitte öffnet und an feiner breiten Seite mit flügelartigen Fortlägen ein Stüd in die Mantel-
höhle hineinragt. Dieje können in recht verjchiedener Ausdehnung mit dem Mantel ver-
mwachjen jein; bei einigen Sormen fajt ganz, bei anderen jo qut wie gar nicht. Das Tier
macht vom Trichter einen jehr wichtigen und vieljeitigen Gebrauch. Zunächit dient er als
Ausitogrohr für Täfalien und Atemmwafjer, das durch die Manteljpalte zu den weiter unten
zu beiprechenden Stiemen (©. 584) einftrömte. Der Trichter ift aber auch das wichtigfte Fort-
bemwegungsorgan der Cephalopoden; fie bedienen fich feiner folgendermaßen: indem der
Mantelfad duch Entfernung feiner Wand vom Leibe geöffnet wird, tritt Wafjer in defjen
Höhlung ein. Darauf wird der Mantelvand exit wieder fejt gegen den Trichter gepreßt, mo-
bei Inorpelige Knöpfe des Mantels (Kn, auf der Tafel bei ©. 585) in entjprechende Wer-
tiefungen (Kn,) auf den erwähnten Trichterfortfägen paljen, eine Emrichtung übrigens,
die nicht allen Kopffüßern zufommt Mantelfchliegapparat). Wird dann das in der
Mantelpöhle befindliche Waffer mit großer Kraft rudweife aus dem verhältnismäßig engen
Zrichterrogr ausgejtogen, jo wird ein gewaltiger Drud auf das umgebende Wafjer aus-
geübt. Diejer genügt, um die fchlanferen Formen mit pfeilartiger Gefchwindigfeit, das Hinter-
ende voran, jchhwimmmen zu laffen. Manche Tintenfifche verftehen fogar mit derjelben Vor-
richtung vorwärts zu fchreimmen, indem fie das VBorderende de3 Trichters umbiegen und
den Wafjeritrom nach hinten ausftogen. Duxd) eine bei den Defapoden auftretende Trichter-
flappe Fanın diejes Rohr beliebig verengert und gefchloffen werden. Bei jchnell fchruimmenden
Allgemeines. 988
Formen (viele Ogopfiden) zeigt der Kopf eine Vertiefung, die Fovea, in die der Trichter
gerade hineinpaßt. Der Zived diejer Grube befteht offenbar darin, diefes vom Körper ab-
jtehende Organ dem Rumpfe möglichit zu nähern, um den von ihm ausgeübten Widerftand
aufzuheben. m Suneren des Trichters befindet jich noch ein drüfiges Gebilde, das Häufig
mit der Fukdritfe anderer Weichtiere verglichen wird. Es hat eine für die verfchiedenen Arten
charakteriftiiche Form und wird deshalb gelegentlich auch zur foftematifchen Unterfcheidung
herangezogen. Bei Polypus (f. ©. 592) jtellt das Trichterorgan ein Wförmiges Band dar,
während e3 bei Sepia aus vier einzelnen Drüfenfeldern befteht. Bei einigen Tieffeeformen
macht jich eine deutliche Nitbildung des Trichterapparates geltend. Wie jchon angedeutet,
übernimmt in diejem Falle die ziviichen den Armen ausgeipannte Umbrella (f. ©. 602) die
Fortbewegung durch Rückitoß.
Entwidelungsgejchichte und vergleichende Anatomie lehren, daß der Trichter einem
Zeile des Fußes der übrigen Weichtiere entfpricht. Wir jahen, daß fich bereit3 bei einigen
grabenven Gaftropoden die Fußjohle rinnenförmig zufammenbiegt. Auch der Trichter des
Nautilus (S in der Abbildung auf ©. 588) ift noch eine offene Rinne, deren Ränder fich
unten itbereinanderlegen. Die übrigen Cephalopoden durchlaufen in ihrer Entmwidelung au
diefes Stadium der offenen Trichterrinne; |päter erit verwachjen deren Ränder. Daß der
Trichter ein Teil des Mollusfenfußes ift, geht auch aus feiner Snnervierung von den Fuß-
ganglien aus hervor. Entwidelungsgejchichtlich läßt fich ferner zeigen, daß der Trichter nur
dem hinteren und jeine lappe dem mittleren Teile des Fußes entjpricht. Der vordere
Sußabjchnitt macht, um auc) das zu erwähnen, eine noch) auffallendere Umwandlung durch;
aus ihm entiteht nämlich der AUrmkfranz (j. ©. 578). Trichter, Trichterflappe und Arme
entjprechen alfo ihrer Entjtehung nach den drei Teilen des urjprünglichen Weichtierfußes.
Die NRüdenjeite des Rumpfes zeigt äußerlich feine Bejonderheiten. Unter der Haut
. Dagegen finden wir bei Sepia eine Schale, den fogenannten Rüdkenfchulp, ein opvales,
falfiges Gebilde von fompfiziertem Bau (Abb., ©. 604). Die Kalffchale des Bofthörnchens,
Spirula (j. ©. 609), it, wie Schon der Name jagt, [piralig aufgewunden. Bei anderen Defa-
poden treffen wir hornige, jchwertfürmige Kiele an, die den Rüden in ganzer Länge durc)-
ziehen und dem häufig jehr langen Rumpfe den nötigen Halt geben. Da diejer Federfiel
beinahe für jede Art abweichend geitaltet ijt, jo gibt er, wern vorhanden, das beite Merfinal
für die foftematifche Unterfcheidung ab. Wiederholt werden wir auc) auf äußere Schalen
toßen, deren Bejchreibung wir uns hier jedoch Sparen. Wir bemerfen aber jegt jchon, daß
mindeitens Schalenteite, jei e8 auch nur als dünne Sinorpel- oder Konchinftäbchen, falt immer
borhanden zu fein fcheinen; von Appellöf wurden fie jeldjt für Polypus nachgemiejen.
Sepiola trägt an den NRumpfjeiten, vem Rüden genähert, ein Baar blattförmige, ab-
gerundete Flojjen; Sepia ein Baar jchmale und langgejtredte Hautjüume (Fl auf der Tafel bei
©. 585). Zlojjen jind bei Kephalopoden überhaupt jeh weit verbreitet; bei allen Zehn-
füßern und bei einem Teile der Dftopoden treffen wir fie an. Meift jind fie endftändig und
bilden zujammen eine etwa rhomboide Figur (Abb., ©. 607). Bei Thysanoteuthis Trosch.
befinven jich die vorderen Anheftungspunfte der Flojjen faft unmittelbar hinter ver Mantel-
jpalte. Sehr langgejtredte, Hinten in einen Zipfel ausgezogene Formen haben neben den
rundlichen Flojjen oft noch wellige Hautjäume, die bis zur Leibesipiße reichen.
Wir jahen, daß bei ven Kopffükern die Fortbewegung in der Hauptjache Durch den
aus Mantel und Trichter gebildeten Apparat bewerfitelligt wird. E3 gibt einige Gattungen
(3. B. Tremoctopus Chiaje), die eine ausjchlieglich pelagiiche Yebensweife führen, aber feine-
984 Weichtiere: Kopffüßger.
Stoffen befisen. Schnelle Schtoimmer legen bei der Fortbewegung dur) Rüditoß ihre Flofjen
jogar fejt an ven Rumpf an. Daraus ergibt fich, daß die Jlojjen nur von untergeoroneter
Bedeutung für das Schwimmen fein können. Sie dienen vielmehr bejonders als Steuter-
und Stabiltfationswerfzeuge. Sepia benußt fie auch zum Graben, indem jie mit ihrer Hilfe
— ähnlich wie die Schollen — Sand über den Nüden wirft (j. die Tarbentafel bei ©. 604,
unten). Der Tlofjen mwichtigfte Aufgabe beiteht aber darin, im Berein mit dem Trichter
dem Tiere ein Auf und Abfteigen in fchräger Richtung zu ermöglichen. Und zwar gejchieht
das Steigen meist mit dem Hinterende, das Abjteigen fait jtets mit dem Kopfe voran
(B. Bauer). Wenn Hochjeetintenfische langfam fchwimmen, übernehmen die Flojjen aller-
dings zumeilen ausjchlieglich Die Fortbewegung. Dort, mo der Trichter- und Mantelapparat
zuriidfgebildet ift, find dafür die Floffen und bejonders deren Muskulatur'Höher ausgebildet.
Und nun nochmals zurüd zur Bauchfeite. Der Trichter führte uns in ven Manteljfad
oder beifer in die Kiemenhöhle. Um ihr Inneres, den PBallealfonıpler, zu überjehen,
öffnen wir fie, indem wir die Mantelmusfulatur in der Mittellinie aufjchneivden und die
Schnittränder auseinanderlegen (Sch, Sch,, i. die Tafel). Da erbliden toir folgendes: Fr
den Trichter (Tr) ragt der meift mit Witerkflappen verjehene Enddarm (An). Neben ihm
liegen weiter Hinten die Nierenpapillen (N); fie find vielfach [chornfteinförmig ausgezogen
und führen in die paarig angelegten, in der Mitte oft miteinander in Verbindung jtehenden
Harnfäde (H). Die fie durchgehenden Venen jind mit baumähnlich verzweigten Anhängen
verjehen, die Die Abjcheidung der Harnprodufte aus dem Blute bejorgen. Unter dem End-
darm läuft die große Kopfvene nad) Hinten, recht3 von ihn der ji) nach Hinten ermweiternde
Ausführungsgang des an feiner fehilfernden Färbung Tenntlichen Tintenbeutel3 (T), de3
Behälters einer Drüfe, die eine fehwargzbraune Mafje abjondert. Dieje wird willfitlich
durch den Aiter entleert, und eine Feine Menge genügt, um das Tier in eine dunfle Wolfe
zu hüllen und jo den Bliden feiner Verfolger zu entziehen. E38 verjteht jich, daß der Name
„Zintenschneden”, fälhhiih auch „Tintenfiiche”, Hiervon herrührt. Sn der Malerei ıjt
diejer Stoff al3 „Sepia” befannt. Er ift jelbjt von vormweltlichen Arten erhalten.
Die beiden Fräftigen Musfelfäulen (Dep) find die Herabzieher des Trichters, Die Die
„Leber” (L) gewifjermaßen einrahmen. Neben ihnen liegen an den Geiten des Ein-
geweidejads die feverähnlichen Kiemen (K); jie find mit einem Bande, dem eine niert-
würdige, meift SKiemenmilz genannte Blutdrüfe eingelagert ift, an ver Mantelinnenjeite
befejtigt. Am Grunde der Kiemen Ichimmern die Siemenherzen (Kh) durch die Bauchwand
Hindurdh. Sie find Drüjige Erweiterungen der zuführenden Siemengefäße und haben eben-
fall an der Erkretion einen hervorragenden Anteil. Aus den Siemen läuft das arteriali-
lierte Blut in das große Herz, das etwa in der Mittellinie zwilchen ihren Bajen verboraen
liegt. Durch zwei oder Drei Yorten wird vor Dort das Blutin Umlauf gejeßt. Bei den Vier-
fiemern, Tetrabranchiata, würden wir hier jederjeitS zwei Siemen, zwei Nierenpapillen
und entjprechend viel Gefäße antreffen. Das Tintenorgan und die Kiemenherzen fehlen
ihnen. Hierher gehört ausjchließfich die Schon Häufig erwähnte, artenarme Gattung Nau-
tilus (j. ©. 588); die weitaus größte Zahl der jebt lebenden Kopffüßer bejist aber nur zwei
Kiemen und wird deshalb jeit Owen zur Drbnung der Dibranchiata zufammengefaßt. Auf
unjerer Tafel fehen wir noch die Mündung des männlichen Gejchlechtsweges (P), die zwar
als Penis bezeichnet, aber nicht als folcher benußt wird (vgl. ©. 614). Beim Weibchen
wirde an gleicher Stelle der Eileiter münden. Die weiblichen Gänge und Offnungen find
bei den Ogopfiden und dem größeren Teile der Dftopoden paarig; Calliteuthis VZZ. ift die
Weichtiere IV.
Entwickelung der Auiter in Galway Bay an der iriichen Küite.
S. 533. Nat. Gr. Nach Anne L. Massy (Fisheries, Ireland, Sc. Invest., 1913, II [1914)).
Die Abbildungen beziehen lich jämtlich auf die vertiefte, feitgewachiene Schale. Die gleichen Buchitaben gelten für
das gleiche Alter, a für die eben feitgeiette Brut, b für 11 Monate, c für 17 Monate, d für 21 Monate alte Muicheln,
e für 2!/2jährige, f für 3Y/2jährige, g für 51/2jährige. Wie man jieht, richtet fich weder die Größe noch die Anzahl
der „Jahresringe“ troß anicheinend gleicher äußerer Bedingungen itreng nach dem Alter.
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astrbiT ıT — .Isissdnsinit T
An After. — Dep Herabzieher des!Trichters. Z''Eı Stoffe! ZH Harnlad& — K Kieme. — Kh Kiemenherz. —
Kn Knorpelgruben am Trichter. — Kn, die in die Vertiefungen paffenden Verdickungen am Mantel. — L „Leber“. —
N Nierenöffnungen. — P Penis. — Sch und Sch, die auseinandergelegten Schnittflächen des Mlantels. —
T Tintenbeutel. — Tr Trichter.
Allgemeines. 985
einzige Form, bei der auch die männlichen Leitungswege paarig find. Die Kleimdrije, die
die Hintere Spite des Eingemeidejads ausfüllt, bleibt Hingegen jtetS unpaar. Beim Gepia-
mweibchen ijt die Bauchwand ziwijchen Tintenbeutel, Kiemenherzen und Nievenpapillen von
den Nidamental- md deren Anhangsdrüfen eingenommen, die bei der Bildung der Eihüllen
(©. 618) jtarf beteiligt find. Der Ballealfompler zeigt bei ven Dftopoden injofern etwas
andere Berhältnifle, als hier Die Bauchwand durch einen breiten, ziweilappigen Muskel mit
der Mantelinnenfeite vertvachjen tit (bei Sepiola ebenfo), und der Tintenbeutel jich an mejent-
Yich anderer Stelle befindet. Er ift tief in die „Leber" eingebettet. —
Selbit noch) an vielen Stüden, die in Mufjeen in Weingeift aufbewahrt werden, nimmt
man eine feine violette und bräunliche Sprenfelung der Haut wahr. Allein dies gibt natür-
fich feine Spee von dem wunderbaren Farbenfpiel, das die lebenden Tiere zeigen. Se
nach ven Zuftänden, in denen fie jich befinden, je nach der Beleuchtung, der fie ausgejeßt
ind, je nachdem fie jelbjt angreifen oder angegriffen und gereizt werden, jind fie einem
fortwährenden Wechjel leuchtender Färbungen unterworfen. Der im Grunde weißlic)
glänzende, oft nurchicheinenve Körper Fann in der Ruhe und Abjpannung ganz abgeblaßt
jein mit einem mattrötlichen, gelblichen oder violetten Schimmer. Plößlich bei einer neuen
Erregung ballt jic) da und dort eine Farbiwolfe zujammen, intenfiv braun oder Yila in der
Mitte, flodig und durchlichtiger an den Rändern. Die Farbenflede und -treifen fliegen
über den Körper Hin, vereinigen fich, breiten fich aus und jmd in der Regel von einem blit-
artigen Erglänzen und Srijieren der ganzen Haut begleitet: man hat ein wundervolles
Unmetter de3 Zorne3 und der nerböjen Aufregung vor ji). Diejem ungemein jhönen
Tarbenjpiel liegen zwei mechanische Urfachen zugrunde. Sn der Haut befinden fich rarb-
zellen oder Chromatophoren, die mit höchit fein verteiltem Farbitoff gefüllt find. Wenn die
Zellen im Zuftande der Ruhe durch die Elaftizität ihrer Hüllen den Heinften Umfang ein-
genommen haben, färbt der in Feine Klümpchen zufammengezogene Farbitoff die Ober-
fläche falt gar nicht. Durch zahlreiche, ftrahlenfürmig an die Zellen fich anjegende Musfel-
fälerchen fünnen diefe aber verichieven ftarf und wechjeind auseinander- und zujammen-
gezogen werden, mit ihnen natürlich auch der FarbitofT.
Außer ven Chromatophoren find am Tarbenfpiel noch die jogenannten Glanz- oder
Slitterzellen, Stidozyten, beteiligt. Darunter verjteht man unbewegliche, tiefer in Der
Unterhaut gelegene Zellen mit jeher dünnen, Dicht übereinanderliegenden glasartigen
Blättchen, Sridojomen, die ähnlich wie die Berkmutter Interferenzerjcheinungen der auf-
fallenden Lichtwellen hervorrufen. Bon der Pracht diefer Färbungen Fönnen jelbit die vor-
trefflihen Lithographien von Berany, der herrliche Atlas von Chun und unjere Farben-
tafel bei ©. 604 nur eine annähernde Vorftellung geben. — Wie bei Schhollen und einigen
anderen Fiichen jpielt der Farbwechiel auch bei ven Cephalopoden eine große Rolle.
Er Fan nicht nur den jeweiligen pfychifchen Erregungszuftand des Tieres bis ins Eeinite
wiverjpiegeln, jondern gewährt feinem Träger auch einen vorzüglichen mimetijchen Schuß.
Bodenjormen pafjen ji) in der Färbung ihrer Umgebung oft fo genau an, daß fie von
einem ungeübten Auge nur jchwer gejehen werden. Phyftologijch beitehen Yujammen-
hänge zwijchen dem Sarbenfpiel, ven Augen und merfwürdigerweije auch ven Saugnäpfen.
Ein Pulp, dem man Sämtliche Arme an der Bafis abjchneidet, verliert Die Fähigkeit, feine
Färbung zu wechjeln. Se ein Feines Ganglion an den beiden Augennerven wird als Zen-
tum diefes merkwürdigen Farbenipieles gedeutet. Aus dem vorher Gejagten erhellt, Daß
man die Färbung der Kopffüßer eigentlidy nicht genau bejchreiben Fan; doch herrjcht bei
986 Weichtiere: Kopffüßer.
den einzemen Arten diefer oder jener Ton vor, und einige zeichnen jich Durch bejonveren
Glanz und Zartheit der Farben aus. Auch die Verteilung der Chromatophoren tft für die
einzelnen Formen oft recht verichteven. Nur wenige Tieffeecephalopoden haben die Fähig-
feit des Farbmwechjel3 mehr oder weniger eingebüßt; eine jchügende Bedeutung fann ihm
in den dunklen Tiefen ja auch nicht beigemefjen werden.
Da wir bei der Schilderung der Arten auf deren Vebensmeije genauer eingehen, jo
mögen hier nur noch wenige allgemeine Bemerkungen Pla finden. Die Kopffüker find
ausschließlich Meeresbewohner, wie jie es zu allen Zeiten der Erde waren. Die verjchiedenen
Lebensaebiete des Meeres haben fie fich Jämtlich erobert; jte find in die eisfalten, finjteren
Abgründe der Tiefjee Hinabgeftiegen, Haben fich der Hochjee und in der verjchiedeniten
Weije auch der Uferregion angepaßt. Nur wenige Arten haben eine größere geographiiche
Berbreitung; die meilten find auf ein engeres Wohngebiet beichränft. Die gejellig lebenden
Tintenfische der Hochjee machen große Wanderungen, wobet fie jich ven Stüften zu nähern
pflegen, vermutlich der Fortpflanzung wegen, auf die wir [päter im Jujammenhange ein-
gehen wollen. Nach VBerany hängt jedoch der Umstand, dag man gemilje Arten nur in be-
itimmten Monaten auf den Fiichmärkten antrifft, nicht immer von ihrer Wanderung, jon-
dern bon dem Gebrauche gemwiller, nur in jenen Monaten zur Anwendung fommender Nebe
ab. Man erhält z.B. Histioteuthis bonelliana Fer. bei Mejjina nur im Mat und Cep-
tember, wo man zum Fange eines Fiiches (des Sparus centrodontus) das Grumdneß in
Tiefen von 700 bi3 800 m Hinabläßt. Alle Kopffüßer jind räuberifche Fleijchirejier; in der
Hauptjache ftellen fie Krebjen, Fiichen, Schneden und Mujcheln nach. Weit verbreitet tt
bei ihnen auch der Kannibalismus; fie find jogar fo gefräßig, daß fie fi) auf die an der
Angel gefangenen Tiere ihres eigenen Gejchlechts jtürzen und jich mit ihnen an die Ober-
fläche ziehen lafjen. Die Größe der Tintenftiihihmwärme fteht im umgekehrten Berhältniiie
zur Größe der einzelnen Smdivinuen, weil die fräftigeren Gremplare ji auf Kojten der
ihwächeren Artgenofjen mäften. Die zwijchen den Tangen der Küftenfeljen auf Beute
lauernden Kopffüßer haben eine merfwirdige Vorrichtung zur Anlodung ihrer Opfer aus-
gebildet. Auf ihrer Haut fünnen fie Warzen und unregelmäßige Auswüchje entitehen
lajjen; nahrungjuchende Beutetiere, die dieje Gebilde für Pflanzenteile halten, werden von
ven Armen der gierigen Räuber fchnell erfaßt. Kurz fei hier fchon erwähnt, daß jich bei
einer großen Zahl von Arten auc) Leuchtorgane zu verjchiedenen Ziweden finden.
Die Kopffüger haben eine große Menge von Feinden, Darumter eine Reihe für den
Menjchen jehr nüglicher Tiere. Jnfonderheit jtellen ihnen Wale, Sturmpögel, Binguime und
der Kabeljau nach. Falt alle Kopffügerarten werden auch vom Menjchen gegejjen.
Die Tintenfifche find nicht nur die am höchiten orgamifierten Weichtiere, jondern er-
reichen als jolche auch die, größte Straft und Länge. Die hierauf bezüglichen älteren Angaben
hat Seferjtein in feinem trefflichen Sammelwerfe über die Weichtiere gejichtet. Ceit alters,
jagt er ungefähr, hat man geglaubt, daß e3 Cephalopoden von gewaltiger Größe gäbe, Die
Menjchen und jelbit Schiffen gefährlich werden Fönnten, und die nordischen Sagen bom
Strafen Haben zuzeiten jehr allgemein Eingang gefunden. Sn der neueren Zeit erwiejen jich
viele diejer Angaben al3 Fabeln oder wenigftens als wifjenfchaftlich unbegründet, und gegen
die frühere Leichtgläubigfeit fchlug man in das andere Extrem um, indem man den Cepha-
lopoden hHöchjtens eine Größe von 3 bis 4 Fuß beilegen wollte. Sebt weiß man aller-
dings, daß es gewaltige Riefen unter unferen Tieren gibt; doch hat man noch immer nur
eine jehr ungeniigende Nachricht von ihnen. Schon Ariftoteles erzählt von einem Loliao,
Allgemeines. - 887
der 5 Ellen lang war, und Plinius erwähnt die Angaben des Trebius Niger, nad) denen zu
Carteja ein Riefenpolyp des Nachts an die Küfte fam, um die Fiichbehälter zu plünvern,
und der die Hunde durch fein Öejchnaube verjagte. Der Kopf diejes Tieres, den man Lurfull
zeigte, war jo groß wie ein Faß don 15 Amphoren, und feine Arme, die ein Mann faum
umklaftern konnte, maßen 30 Fuß in der Länge und trugen Vertiefungen (Saugnäpfe), die
eine Urne Wafjer faßten. Die meijten Angaben über dieje Kiejen findet man in Miont-
forts Naturgejchichte der Mollusfen. Dort wird von einem Seeungeheuer erzählt, das an
ver Kite von Angola ein Schiff an der Tafelage mit jeinen Armen in den Grund zu ziehen
drohte und der glüclich geretteten Mannjchaft Veranlaffung gab, ihre höchite Not auf einem
Botivgemälde in der Thomasfapelle zu St. Malo daritellen zu lajjen. Terner erzählt Mont-
fort nad) den Angaben des Schiffsfapitäng Dens von einem Bolypen, der in der Nähe
von St. Helena mit jeinen Armen ein Baar Matrojen von einem Gerüft am Schiffe herab-
holte, und von dem eine in die Tafelage veriwirrte Spite eines Armes abgehauen 25 Fuß
maß und mehrere Reihen Saugnäpfe trug. Einem ähnlich großen Tiere muß der Arm an-
gehört Haben, der von einem Walfischfänger in der Süpdfee aus dem Nacjen eines Kachelots
genommen jein, und der 23 Fuß Länge gehabt Haben foll. Aber es mwınde diejen und
_ anderen Berichten jo wenig Wert beigemejjen, daß man in der Wijjenjchaft alle Angaben
bon Tintenfiihen über ein paar Fuß Größe für Fabel erklärte.
Später wurden durch Steenftrup die Erzählungen über Riejentintenfijche teilwetje
wieder zu Ehren gebracht, indent er die 1639 und 1790 an der isländischen Klüfte gejtrandeten
Geeungeheuer, von denen das leßtere einen 31, Faden langen Körper und 3 Zaden lange
Arme gehabt haben joll, und den 1546 im Sunde gefangenen jogenannten Seemönch von
8 Fuß Länge mit Sicherheit aß Cephalopoden deutet. Später erhielt Steenftrup jelbft
Refte eines Niejentintenfifches, der 1853 in Sütland geftrandet war, dejjen Kopf ji) jo groß
tie ein Sinderfopf zeigte und deijen hornige Rüdenjchale 6 Fuß maß. Bon Neften ähn-
licher großer Tintenfiiche aus den Mufeen in Utrecht und Amfterdam berichtet auc) Yarting.
Die merfwindigite Nachricht verdankt man Kapitän Bouyer, der einen Riejenfalmar 1861 in
der Nähe von Teneriffa beobachtete. Das Tier maß 5—6m an Länge, ohne die acht furcht-
baren, mit Saugnäpfen verjehenen Arme. Seine Farbe war ziegelvot; jeine Augen waren
ungeheuer und zeigten eine erjchredende Starrheit. Das Gewicht jeines |pindelförmigen,
in der Mitte jehr angejchtwollenen Körpers mußte an 2000 kg betragen, und jeine am Yinter-
ende befindlichen Flofjen waren abgerundet und von jehr großem Bolumen. Man juchte das
Tier aneiner Taufchlinge zu fangen und durch Schüffe zu töten; nach dreiftündiger Jagd erhielt
man aber nur Teile vom Hinterende des Tieres. — Wenn aljo die neueren Beobachtungen
auch nicht3 von den Sagen des Altertums bejtätigt Haben, jo haben jie uns doch Jichere
Kunde über riefenhafte Cephalopoden geliefert, die, 20 Zuß und darüber lang, jelbjit Menjchen
und feinen Schiffen gefährlich werden fünnen. Sn der zweiten Hälfte des vergangenen
Jahrhunderts find an der Oftfüfte Nordamerikas, bei Japan und im füdlichen Bazifif große
Kalmare gejtrandet, deren Arme bis 10 m maßen. In neuefter Zeit Haben fich die Exrpe-
ditionen des Fürften von Monafo große Verdienjte um die Stlärung Diejer Trage erworben.
Die eifrigen Unterfuchungen des Mageninhaltes erbeuteter Wale fürderten verjchiedentlich
Teile gewaltiger Cephalopoden zutage, die leider oft Schon Durch die Magenjäfte jtarf an-
gegriffen waren. Auf der Micdyael-Sars-Erpedition wurden Wale gefangen, auf deren Haut
jich Deutliche Abdritde von Saugnäpfen riejiger Strafen, Spuren titanifcher Kämpfe, fanden.
- Unferer jegigen Kenntnis nach gehören die größten Kopffüßer zu den Dgopfiden, und zwar
588 Weichtiere: Kopffüßer.
vorwiegend zur Öattung Architeuthis Stp. (©. 610). Einige Ammoniten, fojjtle Kopffüßer
aus der Verwandtichaft des Nautilus, zeigen ebenfalls gewaltige Maße; ihre Schalen haben
zumeilen den Durchmeljer großer Wagenräder, fo namentlich der 2,55 m breite Pachy-
discus seppenradensis Zand. aus der Streidve. Gegenwärtig jind falt 10000 Gephalopoden-
arten befannt, wovon jedod) nur etwa ein Zwanzigitel der jegigen Lebewelt angehört.
Srite Ordnung:
Vierfiemer (Tetrabranchiata).
Die Vierfiemer find in der Jebtzeit Durch die einzige Gattung Nautilus Z. vertreten.
Bisher wurden fünf gegenwärtig lebende Arten befchrieben, von denen jedody nur eine,
da3 Perlboot over Schiffsboot, Nautilus pompi-
bus Z., eine gewilje Häufigkeit bejikt. &3 wird uns
deshalb hier auch fait ausschließlich beichäftigen, zumal
Perlboot, Nautilus pompilius Z., von der Seite und von vorn gejehen. Nad Dean („American naturalist“, 8b. 35, 1901).
A Auge, K Kopflappe, S Zußränder, zur Trihterrinne eingerollt, T Tentafel.
die Unterschiede der rezenten Arten vecht geringfügig iind. Nautilus ift der legte Ülber-
lebende einer in den älteiten Beiten unjerer Erde überaus reich blühenden Kopffüßer-
gruppe. Aus jeiner Berwandtichaft jind meit über 9000 ausgeitorbene Arten befannt-
geworden; in allen marinen Ablagerungen des Altertums und Mittelalterd der Erd-
geihichte |pielen fie eine Hervorragende Nolle als Leitfofiilien. Bejonderz die als Ummw-
niten bezeichneten Kephalopoden eignen jich Hierzu jo vorzüglich, daß Duenjtedt und Oppel
te ihrer Lehre von den geologischen Zonen zugrunde legten.
Das hohe erdgeihichtliche Alter des Nautilus läßt vermuten, daß er in jeiner Organi-
jation viele altertümliche Züge bewahrt Hat. Su der Tat bedeutet denn auch die Bierzahl
der Kliemen und Nieren einen früheren Yuftand den Zweitiemern gegenüber. Auch jonjt
bleibt Nautilus in den Einzelheiten feines Körperbaues fait durchweg auf niedrigerer Stufe,
\o daß mit großer Wahrjcheinlichkeit eine direkte Ableitung der Dibranchiaten von vierfiemi-
gen Vorfahren angenommen werden fan. Wir fahen, daß der nervöfe Schlundring des
Nautilus aus Markfträngen zufammengefeßt ift und noch nicht jene Hohe Konzentration
zeigt, wie wir es für Sepia (©. 582) fennenlernten. Dex Trichter tft noch nicht zum Rohr
verwachjen, jondern an der Bauchjeite offen mit ithereinandergreifenden Rändern (S in.
Bierfiemer (Nautilus). | 589
der Abbildung). Auch das Auge (A) ift in feiner Anlage das primitive Becherauge geblie-
ben, wie e8 das Zweiliemerauge in der Entwidelung durchläuft. Wir trafen ähnliche
Augen jhon bei manchen Schneden (©. 417); die Leiftungsfähigfeit des Nautilus-Wuges hat
jic) aber außerordentlich erhöht. „ES ift vergrößert und zum Augapfel geichloifen, bis auf
eine feine Dffnung, die al3 Wupille erweitert und verengert werden fann, ein fogenanntes
Camera-obseura-Nuge, das, wiewohl mit Seewafjer erfüllt und der Linfe entbehrend, den-
noch zum Entwerfen umgefehrter Bilder auf der Nebhaut befähigt erfcheint. An Stelle
der Arme trägt der Kopf des Nautilus eine große Zahl, etwa 90, einfach gebaute Tentafel
(T), die auf mehreren Fonzentriich um den Mund ftehenden Lappen figen, feine Saug-
näpfe tragen und in Scheiden zurücziehbar find. Daß fil) aus ihnen durch Reduktion
und ftarfe Umbildung die Arme der
Bmeifiemer entwidelten, fteht außer
Zmeifel. Die oberjten (Stirn-) Ten-
tafel Haben fich bei Nautilus zureiner
mushrlöfen, etwa dreiedigen Slopf-
fappe (K) umgebildet, die den Scha-
leneingang verjchließt, wenn Sic)
da8 Tier in fein Haus zurüdzieht.
Die in einer Ebene jpiralig gewun-
dene Schale gleicht äußerlich dem
Gehäufe mancher Schneden, nur dag
lie getwijjermaßen gerade in ent-
gegengejeßter Anordnung über den |
Kopf geftülpt ift. Der Trichter fiegt |
an ihrer fonveren Geite. Man hat NN _.
Bi oe © 1: Unbemieme, Bulnı n a a
dem Auge nichtzufagende Auffafjung St Sipponaltute, T Tentatel, Tr Tihter.
zu gewöhnen, daß die Wölbung des
Gehäujes die ©eite des Bauchesist. Man fagt, die Schale ift erogaftrijch aufgerollt (im Gegen-
lage zur endogaftrifch gemundenen Spruila-Cchale, ©. 609), und zwar bein Perlboot jo, daß
die früheren Umgänge von den jüngeren vollitändig verdecdt werden. Sieht manin die weite
Mindung des unverlegten, augen porzellanweißen, rötlich quergeftreiften und unter der
Kopffappe Ihwarzen Gehäujes, jo bemerft man, daß der vordere, iniwendig perkmutter-
glänzende Raum nad) Hinten durch eine Fonfane Duerfcheidewand abgegrenzt ift, fo daß das
Tier nur einen Fürzeren, wenngleich umfänglichen Endteil des Gehäufes zum eigentlichen
Bohnfig Hat und nicht, wie die Schnede, durch alle Windungen fich zieht. Sm der Mitte
jener Duerwand ift jedoch ein Zoch, das zu einer näheren Unterjuchung der von ihm
ausgehenden Höhlung einladet. Ein Durchjchnitt mitten duch die Schale unmittelbar
neben der Achie ift hierzu notwendig (f. die Abbildung). Die die Wohnfammer des
Tieres abjichließende Scheidewand hat eine ganze Neihe von Vorgängerinnen, die das
Gehäufe in ebenfoviele Kammern teilen, und durch die fi) eine Röhre, der ©ipho (S), er-
itredt. Natürlich Hat der Sipho hier eine andere Bedeutung als das gleichnamige Rohr,
das bei Mujcheln und Borderfiemern in die Mantelhöhle führt. Die große Wohnfammer
it jo tief, Daß jich das Tier wie eine Schnede ganz in den Grund zurüdziehen fann.
Mit fortichreitendem Wachstum verläßt es allmählich die hinteren Teile der Schale und
590 Weichtiere: Kopffüger,
fammert fie periodijch Durd) Scheidewände zu Lufträumen ab. Das Verjtändnis jolcher
Scheidewände oder Septen bietet uns meiter feine Schwierigkeit, da wir ähnliche Bil-
dungen fchon bei einigen Gajtropoden Fennenfernten, die auch nur Den vorderen Teil
ihres Gehäufes bewohnen. Auffälfig ift-bei Nautilus nyr die Symmetrie der Schale, Die
Durchbohrung der genannten Septen und das Vorhandenjein des erwähnten Sipho. Er
it ein dünner, vöhriger Fortjab des Körperfades, der mit der Leibeshöhle des Tieres in
offener Verbindung fteht, und bejigt „eine Strede weit gerade wie die übrige Körper-
haut, das Vermögen, Perkmutterfubftanz abzufondern, jo daß an der Stelle, wo der Sipho
das Septum durchjeßt, das leßtere einen röhrigen Auffas, eine Siphonaltute (St), trägt."
(Seferftein.) ES tft Sicher, daß die hinteren Kammern der Schale mit Gas gefüllt find,
jwierwohl wir iiber deifen Zufammenjegung nicht aufgeklärt find. Im Wohnraum ift das
Tier durch zwei Fräftige Musfeln befeitigt; in der Höhe diefer Muskeln ijt aber außerdem
der Mantel rundherum in einem fehmalen Streifen an die Schale angewachjen, „nicht um
das Tier zu halten”, wie Keferjtein meint, „jondern um den Zutritt des Waljers, das Durd)
de Mimdung frei einftrömt, zu dem hinteren Teile der Manteloberfläche zu hindern”; denn
diefer Teil wird, wenn das Tier nad) Fertigitellung des lebten Septums weiter herausrüdt,
das Gas abjondern, um die neue Luflfammer zu füllen.
Was das Gas zu bedeuten hat, Fan man fich leicht Far machen durch den Hinweis,
daß Nautilus unterhalb der eigentlichen Litorakregion auf dem Boden Tebt, jelten in
weniger al3 100 m Tiefe, und daß er trogdem an der Oberfläche jchwimmen kann. Da
auf ungefähr 10 m Waffer der Drud einer Atmojphäre fommmt, jo Handelt es jich bei jolchem
Auf und Abtauchen eines mit Luftfammern verjehenen Tieres um gewaltige Hydroftatijche
Leiftungen, die e3 ganz unmwahrjcheinlich machen, daß fie freiwilfig unter gewöhnlichen Um-
ftänden zuftande fommen. Wir fennen zwar die alte Schilderung von Numph, wie Nautilus
mit ausgebreiteten Tentafeln unter Benußung des Trichters rüdwärts |hwimmt; wir haben
von Mofelet) erfahren, daß ein Stüd, das der Challenger aus mehr al 500 m Tiefe herauf
gebracht hatte, fich ebenjo benahm und anfcheinend ganz friich war. Aber man weiß doch
nicht, ob diefes Verhalten ganz der Natur entjpricht. Wenn Rumphius erzählt, daß man
die Tiere truppiweife |hwimmen fieht, jobald nach einem Sturm die Wogen fi) zu be-
ruhigen beginnen, jo liegt e8 wohl näher, an ein pafjives Losreißen der Tiere durch bejon-
ders Starke, in die Tiefe greifende Wellen zu glauben, als an aktives Emporfommen. Da-
mit ftimmt überein, was Dean neuerdings berichtet, daß an ven Philippinen die Tiere den
Sichern namentlich im Frühling und VBorfommer in die Reujen gehen, die jie in einige
hundert Meter Tiefe verjenkt Haben, in den Monaten aljo, die monjunfrei find, bejonders
im Suni. Yuch ah Dean die Tiere, die ihm allerdings erjt einige Stunden nach) dem Fange
gebracht wurden, immer in fait gleicher Haltung verharren, die Schale jenfrecht im Wajjer,
den Trichter nach unten, die Tentafel nahezu over ganz eingezogen, entiveder am Boden
oder dicht Darüber. Das Striechen foll, nach Rumphius, mit Hilfe dev Tentafel gejchehen.
Einiges Suterefje beansprucht ferner die von Willey Feitgejtellte Tatjache, daß ich Nautilus
macromphalus Sow. der Tentafel nicht nur zum Kriechen und Ergreifen der Beutetiere
bedient, jondern jich mit ihnen auch jehr feit an fremden Gegenftänden anheften, gleichjan
vor Anker legen fan. Sm ganzen feheint der Schluß berechtigt, daß Nautilus ein Still-
wajjertier ift, das die ruhige Umgebung unterhalb des Litorals zu feinem Gedeihen erheijcht.
Energifche Schwimm- oder Greifbewegungen liegen fchwerlich in feiner Natur. Die Ein-
geborenen der Sundainjeln fangen ihn in Reufen mit ftarf riechenden Ködern, faulenden
u ne u
Vierfiemer (Nautilus), Zmweifiemer. 591
Bügeln und Natten oder mit Kofosfajern, die mit Strebsbrühe getränft jind. Bennet fand
Brucjtüde von Krebjen im Magen.
Die Nubung ilt recht verjchievden. Dean erzählt, daß das leifch auf ven Philippinen
bon den Eingeborenen zwar gegejjen, aber wenig gejchäßt werde; es joll zäh und unjchmad-
haft jein. Bon anderen Süpdfeeinjeln Hingegen wird berichtet, daß Nautilus fiir den Häupt-
fing vorbehalten wird. Die Schale des Peribootes Hat feit langem mancherlei Verimen-
dung gefunden; man verarbeitet fie zu allerlei Hierat und zu Gebrauchsgegenftänden, na-
mentlich Irinfgefäßen. Die Chinejen jchneiden Knöpfe daraus und dergleichen mehr.
Kamentlic) in Sndonefien ijt e3 ütblich, aus der äußeren Kalk oder Prismenjchicht zierliche
Muster bis auf die Perimutter Herauszufhhnigen. Polierte Nautilus-Schalen find bei uns in
Katuralienhandlungen für billiges Geld zu faufen, ein Beweis dafür, daß fie äußerit Häufig
jein müjjen. Das gift aber nur für die Schalen abgeftorbener Tiere, die fich mafjenhaft im
Strandgute des Indik finden und von den Meeresitrömungen beinahe überallhin ver-
frachtet werden. Auf Neufaledonien jollen fie jo zahlreich anfchwenmen, daß von dort oft
große Schiffsladungen nach dem afiatifchen und auftraliichen Teitlande zur Verarbeitung
abgehen. Gehäufe mit dem mwohlerhaltenen Weichförper jind Hingegen nocd) Heute wert-
volle Stüde unjerer zoologijchen Mufeen.
Die geographiiche Verbreitung des Nautilus ift ziemlich eng umgrenzt. AS Bewoh-
ner der tropischen, unteren Uferregion lebt er an den Külten der jüdoftafiatiichen Snjelwelt
bon Sumatra durcch das Gebiet der Sundainfefn nordmwärt3 bis zu den Philippinen, oftwärts
bi5 zu den Fidjehi-Snjeln und bis Neufaledonien. N. pompilius L. fand Dahl bei Neu-
pommern, Bennet in ven öjtlichen Archipelen, bejonders bei den Neuen Hebriven und den
Fioichi-Snfeln gemein. Cr wird von den Eingeborenen in Körben oder vom Boote aus
nacht3 auf den Koralfenriffen gefangen. Nach Semon fommt er mit dem Süpdoftmonjun
nad Amboina bis ins Slahwaffer, um jich bei Eintritt des Nordmweitmonjuns wieder in
größere Tiefen zurüczuziehen. Der weniger Häufige N. macromphalus Sow. fommt Haupt-
lächlich bei Neufaledonien vor, während jich der äußerft jeltene N. umbilicatus Zister vom
öftlichen Neuguinea bi3 Neubritannien und bis zum Salomonardipel findet.
Um die Entwidelungsgejchichte des Schifisbootes, deren Stenntnis für das Verjtändnis
der Stammesgejhhichte aller Kopffüßer von unjchäsbarer Bedeutung wäre, hat jich Willen
leider mit wenig Erfolg bemüht. ES gelang ihm nicht, mit den weinbeerfürmigen Giern be-
trächtliche Fortichritte zu erzielen. Dean fand bei den Philippinen die Alten mit Jungen
zufammen, deren Heinfte, fehon mit wohlentwicelter Schale, etwa 3 cm Durchmefjer Hatten.
Zweite Ordnung:
Bweifiemer (Dibranchiata).
Sm Gegenjaße zur vorigen Drdnung, die in der Sebtzeit nur durch die Gattung Nau-
tilus vertreten ift, umfasjen die heute lebenden Jweifiemer falt 500 Arten, die in mehr als
150 Gattungen eingeteilt werden. Shrem geologischen Erjcheinen nad) ift die Ordnung der
Dibranchiaten viel jünger. Nefte ihrer exit im Mittelalter der Erde auftretenden Vorfahren,
der Belemniten, [ind unter dem Namen „Donnerfeile” befannt. Wir jahen oben [don (©. 588),
da die Ahnen der Ziweifiemer von Nautilus-artigen Kopffüßern abzuleiten jind, und zwar
Hält man mit Recht jene fojjtlen Formen, die fich durch den Befig einer geraden, nicht fpiralig
eingerollten Schale auszeichnen (3. B. Orthoceras Breyn), fir ihre direkten Vorfahren.
599 Weichtiere: Kopffüßger.
Wir haben im allgemeinen Teile einen Zweifiemer zum Ausgangspunfte unjerer
Darttelfung gewählt. Wir verftehen darunter aljo folche Kopffüßer, in deren Mantelhöhle
fich ein Baar Kiemen befindet, und deren um den Mund im Sreife ftehenden acht oder
zehn Arme Saugnäpfe tragen. Allen feplt ein üußeres vielfammeriges (polythalanıes)
Sehäufe. Die in den Körper einbezogene Echale zeigt vielmehr häufig Die Neigung zu ber-
fümmern, fo daß die weitaus meijten Formen einen völfg nadten Eindrud machen. Falt
alle Zweifiemer befigen eine große, einen fchtwarzen Farbitoff abjondernde Afterdrüfe, den
fogenannten Tintenbeutel. Wo diejer verlorengegangen ift, iegt eine nachträgliche An-
paflung an das Tiefjeeleben vor. Der volfstümliche, aber wenig zutreffende Name „Zinten=
fifche” grümdet fich auf die meist fpindelförmige, Fichähnliche Geftalt diefer Tiere und auf
ihre Fähigkeit, fi) durch den Auswinf einer tintenähnlichen Flüfligkeit den Bfiden ihrer
Angreifer zu entziehen. Sm Haushalte der Natur fpielen die Zmeitiemer der heutigen
Meere faum die Rolle, die den Nautilus-artigen Kopffüßern in ven Meeren des Altertums
und Mittelalters der Erde zufiel.
1. Unterordnung: Adhtarmige Tintenfiiche (Oetopoda).
Die eine Gruppe umfaßt die adhtarmigen Dibranchiaten. Gie haben jajt alle einen
beutelförmigen Rumpf und tragen acht faft gleichlange Arme. Die Schale in der Rüden-
haut ift meilt zu zwei diinnen Snorpelipangen verfünmert; ihr Nachweis gelang für die
Mehrzahl exit fpät. Die meiften Achtfüßer (Dftopoden) leben in der Nähe des Gejtades und
friechen und gehen mehr, al fie [hwimmen. Zhr gewöhnlicher Aufenthalt find Felslöcher
und Spalten, von wo aus jie auf Beute fpähen. Sie können nad allen Richtungen hin
friechen, lieben jedoch die Bewegung nach der Seite am meijten. Dabei breiten jie die Arme
aus, erheben den Kopf, neigen den Körper etwas auf das vierte Arımpaar und menden die
Öffnung des Trichters auf eine Seite. Sie vollführen die Seitenbewegung vorzugsmweije
mit den beiden mittleren Urmpaaren, während die oberen und unteren Arme nur betläufig,
wie e3 gerade das Terrain erfordert, gebraucht werden. Sie fommen dabei in wie außer
dem Waffer ziemfich chnelf von der Stelle. Bon felbft vexlaffen fie nur felten ihr Element,
doch Fünnen einzelne Arten längere Zeit außerhalb des Wafjer leben. hr Snitinkt, das
Meer wiederzugewinnen, wenn fie eine Strede weit ins Land gebracht worden jind, tft
bewunderungswiürdig; auch ohne das Waller zu jehen, gehen jie über Steindämme in ge-
tader Linie darauf 108. Noch heute werden an den Stüften des Mittelmeeres ein paar Öat-
tungen, welche den Grundftoc der eriten Familie, der Krafen, Polypodidae, bilden, Poly-
pus Schn. (früher Octopus Zam.) und Moschites Schn. (früher Eledone Leach), mit dem
Tamen bezeichnet, der ihnen fcehon von den alten Griechen und Römern beigelegt wurde,
PBulp, Polpo, Poulpe („Bielfuß”). Wir gebrauchen jedoch den guten nordijchen, mit der
Bolfsüberkieferung verbundenen Namen Krafe. Alle Arten von Polypus haben einen
faförmigen, abgerundeten Körper, und ihre jehr langen Arme find auf der nnenjeite
mit je zwei Reihen von Saugnäpfen bejebt.
Die häufigite, am meitelten verbreitete Art, die auch die größten Ausmaße erreicht,
it der Gemeine Strafe, Polypus vulgaris Zam., bon grauer Farbe, die im Zujtande der
Erregung in braune, rote und gelbe Tinten übergeht. Dabei bevedt fich die ganze obere
Ceite des Körpers mit unregelmäßigen, warzigen Hautauswüchjen. Seine Verbreitung er-
Itredt fich nicht bloß ither das ganze Mittelmeer; er fommt auch an alfen Küften des
Zweifiemer: Achtarmige Zintenfiiche. 593
°
Atlantifchen Ozeans, im Roten Meere, an den Weft- und Oftindifchen Infeln, bei yapan und
in der Südfee vor. Er Hält fich auf felfigem Grunde auf und verbirgt fi) gewöhnlich in
Löchern und Spalten, in die fein gejchmeidiger und elaftifcher Körper mit Leichtigkeit ein-
dringt. Dort lauert er auf die Tiere, von denen er jich nähıt. Sobald er fie bemerkt, ber-
läßt er vorfichtig fein Verjted, ftürzt fich pfeilgejhtoeind auf fein Opfer, umftridt e3 mit
Gemeiner Krafe, Polypus vulgaris Zam., in feinem Steinneft lauernd.
ven Armen und hält es mit den Saugnäpfen feit. Mitunter jchlägt er feinen Wohnfis in
einiger Entfernung vom feljigen Gebiet auf Sandgrund auf und richtet fich Dann ein VBer-
ftedf her. Er fchleppt mit Hilfe der Arme und Gaugnäpfe Steine zufammen und häuft
fie zu einem Strater an, in dem er hodt und geduldig auf das Vorüberfommen eines Fijches
oder Strebjes wartet. Veran) Hat mehrere folcher Wegelagerer bei Villefranche beobachtet,
und fehr leicht und bequem fan man fich über diefe Verhältniffe und Gewohnheiten im
Aquarium zu Neapel unterrichten. Wir laffen Kollmann reden: „Einer'der Krafen im Aqua-
rium hatte fich aus den in den Wafjerftuben umbherliegenden Steinen ein Verjtedf gebaut;
Brehm, Vierleben. 4. Aufl. I. Band. 38
r
394 Weichtiere: Kopffüßer.
es 5 glich einem Nejte, Die Skfnung var nad) oben gekehrt. Diejes Lager fchien dem Tiere
äußerft behaglich; ich Habe nur einmal gejehen, daß es verlafjen wurde, al3 ein Teil der
Steine weggenommen worden war. Da jtieg der Strafe zornig heraus, um fie aufs neue
aufammenzufügen. Man hatte die teilmeije Zeritörung deshalb vornehmen lafjen, um zu
jehen, wie diefer weiche, Enochenloje Mollusfe jchwere Steine herbeijchleppe, und hatte
namentlich einige der großen Steine in die Mitte der anftogenvden Wajjerjtube gelegt. Das
Tier ging, jobald die Zerjtörer jich entfernt hatten, an die Arbeit. Es umflammerte jeden
Stein, al3 wollte e3 ihn verjchlingen, drüdte ihn feit an fich, jo daß er zwischen den Armen
beinahe verfchivand. Nachdem er eine hinreichend fejte Lage zu Haben jchien, lölten jich
ein paar Arme, ftemmten fich gegen ven Boden und drüdten den Körper jamt feiner Lat
zurüd. Tauftgroße Steine wurden fchnell und ohne viele Anftrengung fortgebracht. die
größeren wegzujchleppen, erforderte aber viel Mühe und Zeit.
Sm Sommer nähern jich die Jungen aua, ven mit Gerölle bedecdten Ufern, und mit-
unter begegnet man ihnen auch auf Schlammgrund. Mean fiicht fie gewöhnlich mit Der
Schnur, Die fangjam über den feichten Steingrund gezogen wird. Hat der Strafe den Stöder
bemerkt, jo ftürzt ex ich darauf und läßt ji) langfam an die Oberfläche ziehen. In Nizza
war D. Schmidt auch Zeuge einer anderen Yangart. An der mit Blei beichwerten Schnur
befindet fich ein mit mehreren Angelhafen bejpieter Kork, den man mit einem Std zer-
fajerten roten Tuches bevedt. Man wirkt die Schnur möglichht weit ins Meer und zieht
jie gemächlich ang Land. Der Pulp Fällt dariiber her und wird, jobald man ihn bemerkt,
ducch Schnelles Anziehen feitgemacht. Bettejungen und Reiche fiegen an jchönen Sommer-
abenden diefem Sport ob. Da die Tiere, wenn fie aus dem Wafjer genommen jind, längere
Zeit jehr behende bleiben ımd gejchidt zu entweichen fuchen, jo muß man jie auf der Stelle
töten. Den Hleineren beißt der Fijcher ven Stopf entziwei, den großen nimmt ex durch einen
Mejjeritich das Leben. Die Jungen geben eine ledere Speije; die älteren und größeren,
über 1 Pfund wiegenden Tiere haben aber ein zähes Fleijch, nem Das der Sepia und Des
Stalmar weit vorgezogen wird. Das größte Stiid, das bei Nizza von einem Filcher mit außer-
ordentlicher Anftrengung bewältigt wurde, war ungefähr 3 m lang und wog 50 Pfund.
Stüde von dem halben Gewicht find nicht jelten.
Über da3 Verhalten des Polypus vulgaris im großen Aquarium in Arcachon an der
ranzöjiichen Küfte Hat Fiicher ehr feilelnde Beobachtungen veröffentlicht. Sm Sommer
1887 befanden ich jieben Strafen in einem der geräumigen Fiichbehälter; für jeden Hatte
man eine Höhle in die Felswände gemeißelt. Sie nahmen fofort davon Belit. Wermn einer
jein Berjted verließ und das von einem anderen mit Bejchlag belegte Loch unterfuchen
wollte, nahm der lebtere e3 jehr übel, wechjelte die Sarbe und fuchte mit einem Arme des
zweiten Paares den Eintritt zu verhindern. Zu einem erniteren Stanıpfe fan es jedoch nie.
Da3 zweite Armpaar, bei Polypus meijt das längite, wird befonders zum Angriff oder zur
Verteidigung gebraucht; mit den Armen des eriten Paares unterjucht und tajtet der Pulp.
Über Tag bewegten fich die Tiere wenig; nachts hingegen wurden fie lebhafter.
Die gejräßigen Gefangenen fütterte man mit Mufcheln, namentlich mit der eßbaren
Herzmufschel (Cardium edule). Sie erfaßten fie mit ven Armen und führten fie zum Munde.
Den Freßaft jelbit fonnte Fifcher leider nicht beobachten, weil dabei die zwischen den Armen
ausgefpannte Haut die Beute verdecdt. Nach einiger Zeit, Yängjtens nach einer Stunde,
warfen fie die geöffneten und entleerten Mufcheljchalen völlig unbeschädigt wieder von fich.
Da die Herzmuschen nicht vollkommen fehliegen, war die Möglichkeit vorhanden, daß fie
Bweiftiemer: Achtarmige Tintenfijche. 895
nach und nach ausgejogen werden. Um fich hierüber Gewißheit zu verichaffen, reichte
Sicher den Dftopoden eine andere Mufchel, einen großen Pectunculus, der äußerit feit
und hermetifch jchließt. Sie benahmen fich damit wie mit den Herzmufcheln, und nach
drei Biertelftunven twaren auch die Bektunfeln entleert und die Schalen unbejchädigt. Da
hiermit alfo nicht zum Ziel zu fommen war, wurde num den Dftopoden ihre Lieblings-
nahrung, Krabben, vorgelegt. Sobald der Pulp die Strabbe jich feiner Höhle nähern Sieht,
jtürzt er jich über fie und bededt fie vollftändig mit den ausgebreiteten Armen und der Arm-
haut. Etwa eine Minute lang jucht der unglüdliche Streb3 feine umgarnten Beine zu be-
wegen, dann wird er ganz ruhig, und der Strafe Schleppt ihn in jein Beritef. Man Ffann
nur jehen, daß die Krabbe in verjchiedene Lagen gebracht wird; nach einer Stunde ift die
Mahlzeit beendet. Der Nüdenpanzer ift leer und von den an dem Bruftftüd Haftenden Ein-
gemweiden getrennt; die Beine jind falt alle am Grunde abgebrochen; die Beinmusfeln und
ein Teil des ynneren jind verzehrt, aber fein Teil des Sfeletts ift verlegt. Wie Polypus
jeine Beute tötet, wurde auch durch die Fütterung mit Krabben nicht Far. Sebt mwilfen
mir, daß er jo gut wie die übrigen Tintenfiiche feine Beute Durch die überaus giftige Ab-
jeidung der hinteren Speicheldritfen (j. ©. 581) Yähmt und tötet. Nach der Mahlzeit wirft
‚ er die Speijerejte vor jeine Behaufung und ordnet fie mit den Saugnäpfen zu einer Art
Schußtwall vor dem Eingange an. Nur jeine Yugen ragen über diefe Mauer hervor und
jpähen jcharf nach neuer Beute aus. Sit er aber jatt, jo läßt er die Srabben neben fich
herumgehen und fich von ihnen fogar berühren.
Die Heftigfeit und Gefchmwindigfeit, mit der die Strafen ihre Dpfer ergreifen und ar
Jich reißen, der Wechjel der Zarbe während des Angrifies, die Warzen, die auf der Haut er-
iheimen, verleihen diejen Tieren ein wahrhaft wildes Ausjehen. Kollmann beobachtete im
Keapler Aquarium den jpannenden Kampf eines Krafen mit einem riefigen Hummer.
Seine Höchlt lebendige Schilderung ijt leiver zu umfangreich, um fie hier vollftändig wieder-
zugeben. Bejagter Hummer hatte mit feinen gewaltigen Scheren einer Seejchilofröte in
der Notwehr ven Stopf zerdrüdt und wurde Deshalb in das Wufferbeden, das die Pulpen
beherbergte, gejest. Der Eindrinaling wurde jofort Scharf ins Auge gefaßt, und jchon nad)
furzer Zeit begann einer der Strafen den Anariff auf den folofjalen Kerufter. „Alles, Schreibt
Kollmann, „chien SKrafe, vom Hummer waren nur Feine Bartien jichtbar. Die Kämpfen-
den rollten am Grunde umher und wühlten den Sties auf; plößlich löfte jich der Sinäuel und
ver Krafe fuhr quer durch das Waller, ven Krebs mit fich jchleppend, aber nicht als ©ieger.
Der Krebs hatte einen Fuß des Krafen tief am Anfabe beim Kopfe gefaßt und jich fejtge-
Hemmt. Sch fürchtete, eg würde jofort zu einer Amputation fommen, denn der Hummer
pregte jeine Zange zujammen, daß der Arm jchon völfig abgejchnürt erichten. Aber zu
meiner Überrafhung hielt die derbe, an Claftizität dem Kautfchuf ähnliche Subftanz Des
Zubßes den furchtbaren Drud aus. Unterdejjen jhwamm der Strafe Hin und Her und juchte
den Gegner von fich zu jchleudern. Der Hummer flog bei den fchnellen Wendungen ein
paarmal gegen die Steine, aus denen die Wände gefügt find, und das bewog ihn jchlieglich,
jeine Beißzange zu öffnen. Darauf zogen fich beide nach verichiedenen Eden des Bajjins
zurüd. Der Krebs jaß ruhig beobachtend in einem dunfeln Winkel, der Srafe Hammerte fich
an einen der jteinigen Borjprünge und begann das nie ruhende Spiel mit feinen Füßen, die
ih bald zufammentollen oder, langjam ausgreifend, bald hier-, bald dorthin taften. Selbit
der tief eingejchnürte Fuß, der von dem Drude der Scheren gepadt war, bewegte fich zu
meiner Überrafchung. Die Art, wie übrigens der Kampf von dem Krafen aufgenommen, und
| 38*
5396 Weichtiere: Kopffüper.
die Behendigfeit, mit welcher er troß des Ausganges geführt worden war, hatte Doc meine
frühere geringjchägende Anficht ettvas geändert. ch Fonnte vor allem dem Mute der Tiere
meine Anerkennung nicht verfagen. Unterdeijen dauerte der Krieg gegen den Fremdling
bejtändig fort.” Mehrere Kämpfe verliefen ebenjo ergebnislos wie der erfte. Wahrjcheinlich
witrde e3 aber fchon eher zu einer Entfcheivung gefommen fein, wenn der Wärter nicht
jedesmal im legten Augenblide die Feinde getrennt hätte. Einmal gelang die Beilegung
de3 Streites exit, nachdem der Hummer die eine feiner Scheren eingebüßt hatte.
„Um der beftändigen Verfolgung ein Ende zu machen, wurde der Hummer in das
zunächit anftogende Baljin gebracht. &3 ift durch eine folide Zementmauer getrennt, welche
ungefähr 2 em über den Wafferfpiegel Hervorragt. Die Hoffnung, den Krebs hier vor den
vaufluftigen Srafen zu jchügen, war eitel. Noch im Laufe des Tages jegte einer von ihnen
über die Mauer, attacierte den arglos dafigenden Hummer und riß ihn nach firzem Kampfe
buchftäblich in der Mitte entzwei. Sn faum 40 Setunden hatte der Sieger den Kampf nicht
allein vollendet, jondern fich auch Schon daran gemacht, den Feind zu verzehren. Mir war
diefes Benehmen des Krafen im höchiten Grade interejjant. Diefer lebte Aft des Kampfes
zeigte eine weit über den Snftinkt hHinausreichende Tätigfeit des Gehirns. Der Krafe hatte
vielleicht gejehen, daß der Hummer von dem Wärter in das nächite Baflın gejebt toorden
war, oder er hatte durch das zirkulierende Waffer Witterung von der nahen Beute erhalten,
gleichviel, der Krafe fchließt von einem Sinneseindrude auf eine Beute, die er nicht fieht,
und führt endlich einen Sprung durch die ut nach jener Richtung hin aus.”
Krafen, die zur gleichen Zeit in ein bis dahin unbejegtes Aquarium gebracht werden,
vertragen fich meift gut miteinander, d. d. wenn es fi) um etwa gleichgroge Eremplare
handelt. Cie gewöhnen fich ziemlich fehnell an die Enge ihres Gefängnijjes. Haben fie die
Neuartigfeit ihrer Umgebung völlig in fich aufgenommen, fühlen fie fich al3 die Herren in
dem ihnen zugemwiejenen Raume und befehden jeden Neuankümmling jofort und aufs hej-
tigfte. Selbjt vor Angehörigen ihrer eigenen Art jchreden fie nicht zurüd. Jr Neapel Hat
man häufig verfucht, neu eingelieferte Krafen zu den fchon eingewöhnten zu fegen, ftets
mit negativem Erfolge. Der Fremdling wird fofort überfallen und aufgefrejjen; jogar
bedeutend größeren Stammesgenofjen gegenüber blieben die Alteingejejfenen Sieger.
Gelbitverftändlich befindet fich der Eindringling ftet3 im Nachteil, da ihm die neue Um-
gebung noc) völlig fremd ift.
Da auch das Farbenfpiel und das Benehmen gegen die Mitgefangenen von Kollmann
genauer beobachtet wırden, lafjen toir auch diefen Teil der anziehenden Schilderung noch
folgen. „Das Tier hat die Fähigkeit, von dem helliten Grau bis zu dem tiefiten Braun
zu wechjeln; die Farbe ändert fich dabei fchnell, oder jie bleibt in irgendeiner Nuance
jtehen; fie fanın ferner nur am Körper auftreten oder an ven Armen, Furz, der Krafe jcheint
jein Kolorit vollftändig beherrfchen zu fünnen. Bei jenen obenerwähnten Angriffen auf
ven Hummer var die ganze Haut dunkel, namentlich während des Kampfes. Wenn er den
Feind Fampfluftig bejchleicht oder dem Wärter einen Krebs zu entreigen jucht, dann wird
die ganze Herrjchaft über die Yarbe in rajchem Wechjel jichtbar. Diejer Yarbenmwechjel ift
für die Tiere jedenfall eine bortreffliche Waffe, um Feinde zu täufchen. Halten jich die
Ktafen in grauem Gejteine auf, dann nehmen fie jelbft die graue Zarbe an, und das Tier
gleicht mit den eingezogenen Armen und dem gefrümmten Rüden jelbjt einem veriit-
terten Steine." An Lebendigkeit übertreffen die Krafen fogar noch) die Kalmare, und zivei-
jellos gehören fie zu den fampfluftigften Tieren, die im Waffer Yeben. Sie find „kühn,
Zweifiemer: Achtarnige Tintenfifche. 997
Ihnell und verwegen im Angriff, von einer überrafchenden PVieljeitigfeit der Sue
und von einer Riejenkraft in ihren weichen, Enochenlofen Armen“.
Geit einiger Zeit gelingt e8 aud), Strafen in den Aquarien des Binnenlandes zu halten.
Haben jie die weite Reife gut überjtanden und jagt ihnen daS Geewajjer, in das fie gejebt
werden, zu, jo. leben fie jich auc) hier gut ein. Ein Pulp lebte in Leipzig annähernd 11% Zahre
in einem verhältnismäßig Heinen Beden und nahm regelmäßig die ihm gereichte Nahrung an.
Die Beobachtung Eifigs, daß längere Zeit gefangengehaltene Krafen von einer merfiwiidigen
Krankheit befallen werden, verdient noch erwähnt zu werden. Plöglich, ohne offenfichtfiche
Gründe, beginnt der Pulp feine eigenen Arme bi3 auf furze Stümpfe abzufrefjen. An ven
erlittenen jchweren Berlegungen und infolge gleichzeitiger, dauernder Nahrungsverimeige-
rung geht das unglüdliche Tier fchlieglich zugrunde. Shrer großen Zählebigfeit halber find
die Kralen neuerdings begehrte „Verjuchsfaninchen” der Phyfiologen geworden.
Polypus ift faft über die ganze Erde verbreitet. I Roscoff an der Küfte von Noro-
frankreich erjcheint-er Ende Mai und zieht ich bei Eintritt der Herbititürme wieder in größere
Tiefen zurüd, two die größeren Stüde zeitlebens bleiben. Von den bretonifchen Fifchern
wird er bei Ebbe auf dem Telgrunde mit jpigen Hafen gefangen; der Wirbel des von ihm
ausgeatmeten Waljers verrät feine Schlupfwinfel ebenjo untrüglich wie die vor feinem Bau
angejammelten Nahlzeitrefte. Der Neapolitaner Ioct die Strafen nachts mit der Tadel,
tags mit weißen Lähpchen aus den Berjteden umd fticht fie mit einer Art Harpune. Der
Tang mit Negen lohnt jich weniger, wohl aber der mit Reufen und engmundigen Tonfrügen,
die jelbjt unbefödert von den Pulpen als willfommene Schlupfwinfel bezogen werden.
Aus der Gattung Polypus ijt eine große Anzahl von Arten bejchrieben worden, von
denen wir nur einige tvenige hier noch betrachten fünnen. Zur Unterfcheidung eignet fich
bor allem die Geftalt des heftofotylifierten Armes, über den weiter unten ausführlich be-
richtet wird (©. 616). m Mittelmeer find neben der behandelten Spezies noch zwei Arten
häufia, P. macropus Risso und P. defilippu Ver. Sener zeichnet fich durch den Befit fehr
langer Arme und durd) eine prächtige Färbung aus; im Leben ift feine fchön vehbraune
Haut mit großen weißen Warzen bededt. Er fommt auch) in den japanischen Gemäffern
bot. on Polypus defilippü ift befonders die Fähigkeit der Gelbftveritümmelung zu er-
wähnen. Wird er feit bei einem Arme gepadt, jo Tann er ihn willkürlich abjtogen. Das
abgejchnürte Stüd bleibt noch lange beweglich, jaugt fich feit und Friecht weiter; am
Stumpfe treten jehr bald Neubildungsericheinungen auf. inige Arten find nach der
Tieffee abgewandert und dort feßhaft geworden. Wir führen hier nur P. groenlandicus
Dewh., P. lentus Vll. und P. piscatorum Vll. aus dem arktifchen Atlantik an, die infofern
ein größeres Snterejje verdienen, al3 bei ihnen der Tintenbeutel — al3 eine Folge des
Lebens in der völlig dunklen Tiefe — verlorengegangen ift.
Die Oattung Moschites Schn. (früher Eledone) unterjcheidet fich von Polypus haupt-
jächlic) dadurd), daß die Arme bloß eine Neihe von Saugnäpfen tragen, weshalb aud)
vielfach eine bejondere Samilie für fie aufgeftellt wird. Am häufigiten ift ver Mojcyu3-
Trafe, Moschites moschata Lam. (. Xbb., ©. 598). Sein Körper ift außerordentlich ver-
änderlic), jad- oder länglich-eiförmig, Hinten abgerundet oder |pig, glatt oder warzig, wie e3
dem Tiere gerade beliebt. Bezeichnend ift auch Die Größe der Mantelöffnung, die falt bis
auf den Rüden reicht. Die verhältnismäßig Heirien, vorjpringenden Augen können ganz von
ven Lidern bededt werden. Die graue Grundfärbung geht nie in rötliche Tinten über.
Symmetrie dunfelbraune Zlede am Rumpf joiwie. eine bläufihe Randeinfaffung des
H
598 Weichtiere: Kopffüßer
Armjchiumes, die jich zeitweilig wie ein blauer Faden jcharf abhebt, jind fernere Stenn-
zeichen der Art, die überdies einem Mojchusgeruche ihren Namen verdankt, den jie zwar
nicht allein, aber in einem bejonders bemerfbaren Grave bejißt.
Der Mofchusfrafe ift an allen Küften des Mittelmeer höchjt gemein. Für gewöhn-
lich lebt er auf Schlammgrund von 10 bis 100 m Tiefe. Man begegnet ihm aber auch auf
Sandboden zu allen Jahreszeiten, feltener auf Feljen. Da man ihn an jeinen natürlichen
Standorten nicht beobachten Fan, muß man jic) mit der Beobachtung gefangener Tiere
begnügen, die man jich, da jte mit dem Grundzugneß in großen Maffen erbeutet werden,
jehe leicht verjchaffen kann. Sm Zuftande der Ruhe Flammert er jich mit Hilfe der Saug-
näpfe am Boden an und nimmt mit Kopf und Rumpf ungefähr die Stellung ein, die auc)
der Krafe liebt. Dabei find die Enden der Arme frei und die Trichteröffnung jeitwärts
hervorgeitredt. Bei der geringiten Störung
gleitet eine dunkle Färbung mit der Schnel-
ligfeit des Blibes über den ganzen Störper,
um ohne Spur zu verfchwinden. Mit diefen
Zuftande glaubt Verand) eine Art Schlaf-
zujtand abmwechjeln gejehen zu haben. Die
Stellung tft die nämliche, aber die Armenden
ind an den Körper herangezogen, mur die
vierten Arme find ausgeftredt, wie um Wache
zu halten. Die Bupille tft zufammengezogen,
und die Wimung geht langjamer vor ji). Die
gewöhnliche Färbung ijt dabei ein Grau-
gelb oder Gelbbraun, und immer fehlen die
faftanienbraunen Flede. Gehör und Gejicht
See SEINEN ind unempfänglich; man fann fich dem Ge=
Te aan un Dede Säreikee — fäße nähern, fehreien ober irgendein Ge-
räusch machen, ohne daß das Tier erwacht.
Aber bei dem geringiten Stoße an das Gefäß, oder wenn man einen Arm auch nur ganz leije
berührt, wacht es augenblidlich auf, und e3 geht in feinem Wejen eine auffallende Berände-
rung vor ji). Der Mojchusfrafe Hebt jchnell den Körper fast jenfrecht Hoch, bläht ihn etwas
auf und fpigt ihn zu. Die ganze Hautfläche wird gelblich; es ericheinen die dunklen iym-
metriichen Slede, und überall erheben jich fegelfürmige Warzen. Die Sris zieht Jich zu-
Jammen und färbt fich jtark Ichwefelgelb; die Einatmung wird fchneller und unregelmäßig.
Mitunter, bejonders bei Nacht, verläßt der Mojchusfrafe feinen Behälter; Hierzu veranlaßt
ihn entweder der Wunjch nach Freiheit oder die mangelhafte Bejchaffenheit des Atem-
waljers. Cr fann dann ftundenlang im Trodnen ausdauern; auch verträgt er ein Falten
von mehreren Wochen. Seiner Zählebigfeit wegen eignet er fich noch beifer al3 Polypus
für das Aquarium. Troß des unangenehmen Mofchusgeruches wird er doc) mafjenhaft zu
Markte gebracht. Sein Fleifch ift zwar nicht fo zäh wie das vom Pulp, aber weniger jchmad-
haft; deshalb ericheint er auch nur auf dem Tifche ärmerer Volfsklaffent.
Dem Mofchuspulpen nahe verwandt ift Moschites cirrosa Zam. hr fehlt der Mo-
Ihusgeruch. Sie intereffiert uns hier deshalb, weil fie nicht nur im Mittelmeer — dort fälfch-
ic) fange Zeit als bejondere Art (M. aldrovandi Raf.) betrachtet — vorfommt, fondern auch
weit nach Norden und durch den Irmelfanal felbft bis in die füdtweftliche Nordfee vordringt.
Zmeitiemer: Achtarmige Tintenfiiche. 999
Die Gattung Velodona Chun, die ebenfalls zur Ber wandtjchaft des Mofchusfrafen gehört
und an der oftafrifanifchen Küfte in 750 m Meerestiefe von der deutschen Tieffee-Erpedition
erbeufet wurde, zeichnet fich durch den Bejig gewaltiger Hautfäume an den Armen aus.
Zu den Bolypodiden gehören noch einige jeltenere Gattungen. Erwähnt feien nur der
mediterrane, dem Öemeinen Strafen jehr ähnliche Scaeurgus Trosch., dem toir unten (©. 616)
‚noch begegnen werden, und der neufeeländifche Pinnoctopus cordiformis Qu. et Gd., deifen
Rumpf von einem fchmalen Floffenfaum umrahmt wird.
Der Familie der Polypodiden reiht jich eine Anzahl von Gattungen an, über deren
Gliederung in Zamilien die Anfichten geteilt find. Ar den Kreideablagerungen des Libanon
fand Somerbh den älteften fojjilen Dftopoden (Palaeoctopus Woodw.). Ex befißt feitlich
am Mantel ein Paar ettva dreiedige Floffen; offenbar ift er der Ahın der ganzen Eippe,
denn in ver Entwidelung werden bei Polypus Flojjen zwar angelegt, fhäter aber wieder
rüdgebildet. Ein Teil der Dftopoden hat übrigens auch Heute noch ähnliche Floffen, wie wir
weiter unten jehen werden. Amphitretus Hoyle ift.eine Fleinere, feltene Tiefjeeform von
halbgallertiger Bejchaffenheit, mit je einer Reihe von Saugnäpfen auf den faft bis zur
Spibe durd) eine Chwimmhaut verbundenen Armen. Die Augen find nach, der Oberfeite
gerichtet und telejfopartig vorgequollen. Die mwejentlichite Umbildung liegt in der Ber-
wachjung des Trichter init dem Mantel in der Mittellinie, jo daß jederjeits eine Spalte
in die Stiemenhöhle führt. Man hat für die einzige Urt, Amphitretus pelagicus Hoyle, die
bejondere Familie ver Amphitretidae aufgeftellt.
Gallertig verquollen, infolge pelagijcher Xebensweife, jind auch die Bolitäniden,
doch mit normalem Eingang in die Mantelhöhle. Die Familie umfaßt verjchiedene jeltenere
Gattungen; wir führen mu die Eleine, faft dDurchlichtige Bolitaena diaphana Hoyle an, die
in den Falten Tiefen (1500 bis 4000 m) aller tropifchen Meere weit verbreitet ift.
Eine weitere, Schon im Altertum jehr befannte und vielfach bejchriebene Yamilie der
Dftopoden it auf das Bapierboot (fälfchlich aucd, Papiernautilus genannt), Argonauta
argo L. (bb., ©. 600), gegründet. Hier ift das Weibchen mit einer zarten, äußeren Schale
berjehen. Auch nur ihm gilt unfere folgende Darftellung, da wir die Höchit merfwirdigen
Abweichungen des Männchen, welche auch noch den nadten Gattungen Ocythoe Raf. und
Tremoctopus Chidje zufommen, im Zufammenhange mit den Geichlechtsmerkmalen der
Männchen der anderen Kopffüßer. beiprechen wollen (f. ©. 614). Un dem rundlichen Störper
der Argonauta fällt der verhältnismäßig Heine Kopf und der Fräftig entwidelte Trichter auf,
bor allem aber die lappenartige Verbreiterung der oberiten Arme. Die Färbung tft außer-
ordentlich leuchtend und Schön. Der neapolitanifche Forfcher Sangiovanni hat jie etwa
folgendermaßen bejchrieben: Die unteren und feitlichen Teile des Numpfes find von einer
bräunlichen Silberfarbe, die je nach der Richtung und Stärke der Lichtitrah'en fich bald mit
einer leichten, blauen Tinte, bald mit einer gräulichen, bald einer rötlichen bededt. Auch)
finden fich auf diefer farbenwechjelnden Oberfläche eine Menge Kleiner glänzender PBuntte,
gelb, Faftanienbraun und rojeneot. Das Zufammenwirfen diefer Farbenfügelchen, die jic)
über einem jilberglänzenden Grunde ausbreiten, verleiht der Haut jener Körperteile einen
prächtigen Rofenjchimmer. Der Rüden des Papierboots ift mit einer [chön piltaziengrünen
Farbe gejehmüct, und das Silber der Geiten jeßt fi) in Streifen nad) oben fort. Da und
dort finden fich größere Farbfugeln in der Mitte Feiner Streife, welche von berichieden
gefärbten Zellen umgeben find und die Haut wie Feine Sofetten. Ichmüden.
600 Weichtiere: Kopffüßer.
Die Schale de3 Bapierboots, die fich durch ihre Eleganz und Papierdünnheit aus-
zeichnet, ift ziemlich efaftijch, weil fie reichlich organische Stoffe enthält. Zhr fehlt jeomwede
Kammerung; fie ift, wie man fagt, monothalam und in der Weije fpiralig gemunden,
da der Iekte Umgang die früheren Windungen verdedt. Das Verhältnis des Tieres zur
Schale ift ganz einzigartig, indem e3 nirgends mit ihr enger verbunden oder berwachlen ift,
aud) die Geftalt de3 herausgenommenen Tieres gar nicht dazu zu pafjen jcheint. 63 ift da-
her jehr zu entjchuldigen, wenn man früher annahm, das Papierboot bewohne die Schale
einer fremden, nicht näher befannten Tierart, etwa wie der Einfiedlerfvebs. Nachdem man
aber die Zufammengehörigfeit von Tier und Schale erfannt hatte, Hielt man zunädjjt den
Mantel an ihrer Bildung für mitbeteiligt. Man hat indes gefunden, daß Die Schale Tedig-
Yich) bon den beiden
Zappenarmen, Die
fie von außen be=
deden und in der
richtigen Stellung
halten, abgejondert
wird. Bei einem
Stüd, das den
linfen Zappenarm
Ihon längere Zeit
eingebüßt hatte,
ivar Dementjpre-
hend Die linfe
Seite der Schale
in der Entiwide-
lung zurücdgeblie-
ben. Ochalenver-
Er e NE - a u 2 er N N = Ken legungen fönnen
Tapterboot, a es u ne Band 23 ber ausgebejjert mwer-
den; nie aber wird
die verlorengegangene Schale ganz wieder erjegt. Sn erjter Linie dient das Argonauten-
haus al3 Brutbehälter, in vem die Eier von der Ablage bi zum ©chlüpfen der Jungen ver-
bleiben. &3 fann nicht oft genug betont werden, daß e3 eine völlig neuartige Bildung ift,
die zu der Nautilus-Schale nicht Die geringjte Beziehung hat.
Sehr häufig findet man das Papierboot in einer Stellung abgebiliet, die es unmöglich —
einnehmen fan. Man jtüßt fich dabei auf eine von Xrijtoteles bis in unjere Zeit geglaubte
Tsabel, daß Argonauta an der Oberfläche des Meeres jchwimmend ihre beiden lappenartig
berbreiterten Arme emporitrede und fie al3 Segel gebrauche. Bei Mefjina wurde das Papier-
boot Hingegen meift an Steinen und Schiffen friechend beobachtet. Eine Photographie, Die
in Neapel nach dem Leben angefertigt wurde, zeigt fie | hmwimmend, den Trichter [chräg nad)
unten geöffnet, alfo Das Tier durch Rüdftoß fchräg nach der Oberfläche zuftrebend. Die jechs
gewöhnlichen Arme find in der Schale verborgen, wie bei Polypus, der, in einen Winfel ge-
trieben und gereizt, ven Mund vorftredit und die Arme verärgert zurüdichlägt Naef). Unter
Vajjer, wenn fie nach Art der anderen Kopffüßer Durch das Sprigen aus dem Trichter [htwim-
men till, legt fie die großen Arme fo iiber die Seitenteile der Schale, daß dieje faft ganz
NN
RN
a Te
Zmweiliemer: Achtarmige Tintenfifche. 601
davon verhülft wird (j. Abb., ©. 600). Jm eigentlichen Mittelmeer ift Argonauta argo be-
jonder3 an der jiziliichen Küfte fowie im Golf von Tarent Häufig. Jm Adriatiichen Meer ift
die Snjel Lijja der nördlichhte Punkt, wo jie nicht jelten vorfommt; jedoch waren die Stüde,
die D. Schmidt von dort erhielt, ziemlich Hein. Die übrigen Argonauta-Arten unterfcheiden
jich alle nur wenig Durch geringfügige Abweichungen in der Schalenbildung.
Die nächitverwandte, ebenfalls weitverbreitete Gattung Ocythoe Raf. bildet auch im
weiblichen Gejchlecht feine Schale. Sie ift pelagijch, erreicht eine beträchtliche Größe und
it nach) Naef der einzige febendgebärende Lephalopod. E3 gibt von ihr nur eine Art, Ocythoe
tubereulata Raf. Das Männchen findet man regelmäßig in einer fremden Hilfe, meift in
der leeren Tonne einer Galpe.
Tremoctopus Chiaje, das dritte Genus der Argonautiden, verdankt feinen Namen
jogenannten Wafjerporen, Tajchen, die ji) am Kopfe öffnen’ und eine Strede weit unter
der Haut verftreichen. hnliche Bildungen fommen auch bei einigen anderen Tintenfifchen
por; ihre Bedeutung ift unbefannt. Übrigens find bei Tremoctopus nur die vier oberen,
jtark verlängerten Arme durch eine Schwimmhaut verbunden, die bei ausgewachjenen Weib-
chen jpiralig eingerollt wird, um einen Brutraum zu bilden. Die einzige Art diefer Gat-
tung, Tremoctopus violaceus Chiaje, Yebt im Mittelmeer, im öftlichen Utlantiichen Ozean
und unter gleicher Breite bei Japan. Shre Zugendformen find unter den verjchiedenften
Kamen bejchrieben worden. Durch ihre langgeftredte ARumpfform verrät fie jofort ihre
Zugehörigfeit zur Hochjee, der fie auch jonft vortrefflich angepaßt erjcheint.
Eine Gruppe der Dftopoden it Durch den Beliß eines jehr umfangreichen Urmjchirmeg,
ruderfürmiger Flojjen und furrzer Cirren befonders ausgezeichnet. Dieje Lirren over Fühler
ltehen in zwei Reihen auf den Armen neben den einreihig angeordneten Saugnäpfen, mit
denen fie alternieren. Da die Radula zwar bei ven meiften, aber nicht bei allen durch Nüd-
bildung verlorengegangen ift und damit diejes Merimal al fyitematijch veriwertbarer Cha-
tafter hinfällig wird, Hat Grimpe diefe ausichlieglich der Tiefjee angehörige Gruppe jener
Zühler wegen al Cirrata zujammengefaßt. Das vielfache Fehlen der Radula und aud)
der Giftvrüfen deutet auf eine mwejentlich veränderte Ernährungsweile diejer Tiere Hin.
Sn Unpaljung an das ewige Dunfel ihres Aufenthaltsortes Haben alle den Tintenbeutel
eingebüßt. Sn Cirrothauma murrayi Chun lernen wir den einzigen Gephalopoden Fennen,
der in den finfteren Abgründen fogar erblindet ift. Der Augapfel ift eingefunfen; Line,
Ziliarring und Neshaut find rüdgebildet. Unter ven gleichen Lebensbedingungen haben
Vampyroteuthis! infernalis Chun und Melanoteuthist lucens Joub. Leuchtorgane er-
worben, die oben an der Wurzel der Floffen liegen. Wir fommen auf derartige Gebilde
bei ven Defapoden zurüd (©. 612).
Bei den meilten Arten diejer Gruppe (Stenotreta) erfährt die Mantelhöhle eine jtarke
Einengung, die Hand in Hand geht mit einer Verkleinerung des Trichterd. Er Tann nicht
mehr die Bewegung durch NRüditoß bejorgen, fondern dient nur noch al3 Ausitoßrohr für
Atemmaljer und Fäfalien. Bei Chunioteuthis Gpe. ift die Rüikbildung foweit fortgejchritten,
daß der Trichter überhaupt nicht mehr auß der zu einem engen Loch gewordenen Mantel-
ipalte Hervorgeitredt werden fan. Geine Arbeit leitet vielmehr Die große Bindehaut
1 Die in Cephalopodennamen jo oft wiederfehrende Bezeichnung Teuthis geht auf das griechifche
Wort für Tintenfiih „Tevds“ zurüd.
602 " Reidtiere: 8
zwischen den Armen, die Umbrella, deren jchn |
Riücdjtoß beivirkt wie das gewaltame Ausitopen des Atem ichter. Die
meijt fräftigen, fehr beweglichen Stojjen jtüben fich auf eine fattel- oder hufeijenförmige
Schale, den fogenannten Rüdenfnorpel. Haut und Muskulatur zeigen auch hier jene für
Tieffeeiwejen charakteriftiiche, gallertige Verquellung.
Die befannteite Familie unter den Cirraten ift die der Cirroteuthiden mit den
Hauptgattungen Cirroteuthis Zschr. und Stauroteuthis V2. Cirroteuthis mülleri Bschr. ift
Opisthoteuthis depressa Zjima et Tkeda. Natiilihe Gvöß:.
an der weitgrönländichen Küfte und in großer Tiefe nordöftlich don Jsland gefunden
worden. Sn den antarktifchen Meeren wird jie Durch die riejige Cirroteuthis magna Hoyle
vertreten. Die Tiefen des Oftatlantit betvohnt Stauroteuthis umbellata P. Fisch., die noc)
Refte einer Nadula befigt. Wieder andere Formen find aus dem Stillen, Atlantijchen und
yudifchen Ozean bejchrieben worden. Troß der weiten Verbreitung, die fait alle ra
gehören fie zu den größten Celtenheiten unferer zoologischen Mufeen. Mit wenigen Ye-
nahmen 6: ®. Vampyroteuthis Chun) führen die Eirraten ein Leben unmittelbar über oder
auf dem Voden der Tiefjee. Am weiteften in der Anpafjung an das Orundleben ijt Opistho-
teuthis ZZ. gegangen. Während Cirroteuthis im ganzen die normalen Umnifje eines Poly-
pus behalten Hat, ijt jene Gattung merkwirdig umgeftaltet. Durch eine überaus ftarte
Zweikiemer: Achtarnuige und Zehnarmige Tintenfijche. 603
Abflahung des Mantelfads ijt ner Trichter feheinbar an das hintere Körperende gerückt.
Denkt man fich, um ein draftiiches Bild zu gebrauchen, einen gewöhnichen DOftopoden, etiva
Moschites, nachdem man ihn mit dem völlig ausgebreiteten Armfehiun feft an den Grund
gepreßt hat, von oben nach unten zufammengedrüct, jo daß der Eingemweidefad gleichfan
in den Kopffuß Hineingequetjcht erfchiene, fo exhielte man ungefähr eine Opisthoteuthis-
ähnliche Form (Heicheler). Am ftärtjten abgeflacht ift die japanifche Opisthoteuthis depressa
Ijima et Ikeda, die auf den exjten Blict cher einem häutigen Seejtern al einem Kopffüßer
gleicht (f. nebenftehende Abbildung). Die Färbung der Oberfeite it fchofoladebraun, die
der Unterfeite purpurrot bis violett.
Durch die deutfche Tieffee-Erpedition auf den Dampfer „Valdivia” ift die Gattung
auch im Mentaweibeden (Wejtfüfte von Sumatra) und an der ojtafrifanifchen Küfte ac).
gewiejen, hier fogar in ungewöhnlich großen Exemplaren. Ym Atlantifchen Ozean wird
fie dur) Opisthoteuthis agassizii VI. vertreten, die fotwohl von dev amerikanifchen als
auch bon der europäifchen Seite bekannt wurde. Die Cirraten find ausschließlich Tiefen-
bemohner; nur dort, tvo Falte Meeresftrömungen an der Küfte entlang laufen, dringen fie
bis ins untere Litoral vor.
2. Unterordnung: Zehnarnige Tintenfiihe (Decapoda).
Zu den zednarmigen Tintenfifchen gehören alle mit geftielten Saugnäpfen verfehenen
Kopjjüßer, die außer den acht eigentlichen Armen noch die beiven friiher (S. 580) er-
wähnten, oft in Tajchen zuvüdziehbaren Tentafel haben, die zum Exareifen dev Beute faffc-
artig vorgejchleudert werden können. Faft alle Zehnfüßer haben im Niücen eine Schale,
die, wenn fie Faltig, als Schulp, wenn hornig, als Gladius oder Nücenfeder bezeichnet
tird. Bei einigen Kormen findet jich nur noch ein Schalenreft. Die weitaus meijten Axtei
leben auf Hoher See und find fehnelle Schwinmer. Die Defapoden zerfallen in zwei rup-
pen; den Unterfchied der beiden in der Ausbildung dev Augen haben wir ung fihon Ear ge
macht (©. 581). Wir benugen die darauf beruhende Einteilung und betrachten zunächit die
Mpopfiven. Sie Haben vor der Linfe noch eine ducchjichtige Hornhaut, die nur durch ein
enges Loc) Seewajler in die vordere Nugenkanmer einläßt. Wir bemerken allerdings, daß
fich, eine fcharfe Gxenze zwifchen den beiden Gruppen dev Myopfiden und Ogopfiden nicht
ziehen läßt, weshalb manche Autoren, zulegt Naef, diefe Einteilung berwerfei.
a) Myopjidcı.
Wir beginnen mit der jehr zierlichen Sepiola, deren Abbildung jchon oben (©. 578)
gegeben wurde. Die im ganzen Mittelmeere Häufige Sepiola rondeletii Zeach zeigt als
Sattungsmerfmale einen Furzen, abgerundeten Körper mit einer falt Freistunven Flojfe
jederfeits. Die jtabförnige Nücdenfeder ift Hornig, biegfam und nur Halb jo lang wie der
Körper. Unjere Art gehört zu den Heineren Cephalopoden, da Stücke, deren Gejamtlänge
bom Hinterende bi3 zur Spike der ausgeftredten Greifanme 16 cm beträgt, chen jelten
find. Die Stüde des Triefter Fifchmarktes werden Höchftens 8 cm lang. Die Tiere ge-
währen im Leben durch ihre zarte, vofenrote Färbung bei großer Ducchjichtigkeit einen lieb-
lichen Anblic. Diefe Art lebt an den Küften nahe dem Boden; D. Schmidt hat fie fogar im
Hafen von Trieft mit vem Schleppneß gefangen. Eine wenig quößere Form (Heteroteuthis
dispar Rüpp.) fommt auf Schlammgrund in einer Tiefe von 90 bis 200 m in Gefellichait
der Mofchustrafen vor. Sepiola jeheint ein Standtier zu fein und nicht zu wandern, da
604 Weihhtiere: Kopffüßer.
man fie zu allen Jahreszeiten, aber nie in großen Mengen fängt. Sie |hwimmt jehr gra-
3168; dabei find die Greifarme gewöhnlich ganz eingezogen, und der Kopf ftedt jozujagen
spifchen den Schultern. Shr Sleifch ift jehr gefhäßt. Was D. Schmidt noch als Spielarten
der Sepiola betracytete, hat fich inzwifchen alS bejondere Arten Herausgeftellt. Naef konnte
zeigen, daß die Sepiola des Mittefmeere3 nebft ver nächjtvermandten Rossia Owen, die von
den Fiichern zufammengeworfen werden, in eine ganze Reihe von Gattungen und Arten
zerfällt (Sepietta Naef, Rondeletia Naef). Sie find aber nur durd) genaue Unterfuchung,
befonders der Männchen, zu unterjcheiden.
Eine der wichtigiten und in vielen populären und elementaren Werten am häufigiten
genannten Gattungen der zehnfüßigen Dibranchiaten iftder Gemeine Tintenfijch oder Die
Sepia (Sepia L.), mit deren Namen man auc) den Tintenfaft und Die Daraus gewonnene
Malerfarbe bezeichnet, und deren Falfiger Rücenfcyulp vem Apotheker als os sepiae (Sepien-
fnochen) befannt ift. Die Sepien haben einen eiförmigen, platten Körper, Der ringsum bon
einer Flojje umfjäumt ift. Am weite-
ften verbreitet und Häufigiten, na-
mentlicd im ganzen Mittelmeer, it
die Gemeine ©Gepia, Sepia offici-
nalis L. Ihre Arme find mäßig lang,
nur die Greifarme find länger als Der
Körper, ihr napftragendes Ende ift
Nüdenfhulp der ÖGemeinen Gepia, Sepia offieinalis Z. Kleines uns u, a Du no
a ; Mmochen (j. die Abbildung) zeigt mit
dem abgerundeten, gleichmäßig ge-
Ichärften Rande nad) dem Stopfe; das Hinterende ift durch einen furzen Dorn in der Mittellinie
gefennzeichnet. Die von einem Konchinrahmen eingefaßte Schale beiteht größtenteils aus
iehr zahlreichen, fehief nach oben gerichteten Kalfblättchen, die untereinander feit verbunden
find. Man zerreibt fie zu Zahnpulder. — Bon allen Kopffüßern bejist Sepia zweifellos
den größten Tintenbeutel; deshalb Lohnt fich auch nur bei ihr die Gewinnung des darin ent-
haltenen Farbftoffs. Der anı lebenden Tier unterbundene, dann herausgejchnittene und
getrocnete Tintenjad wird mit Agfali verfocht; der Darauf Durch Neutralifation gefällte
Kiederichlag wird mit Gummiarabifum verrieben. Der fo gewonnene, in der Malerei jehr
geichägte Tarbitoff gehört hemisch zu den Melaninen, die man 3. B. auc) in der Neger-
baut, im Haar und in ver Aderhaut des Auges findet. ä |
Sm Zuftand der Auhe Herrfcht auf der ganzen Nüdenfläche eine braungelblich iri-
jievende Färbung vor. Der Kopf ist noch etwas bunter, die Augenfugeln bläulich, die Arme
grünlich, mit weißen Fleden in beftimmter Anordnung und Menge, je nach ven verjchievdenen
Armpaaren. Die Flofjen, die al3 unmittelbare Fortfegungen der Rüdenhaut erjcheinen,
jind Durchlichtig violett gefärbt und bedect mit Kleinen, weißen Fleden. Die Männchen find
an einer hellen Linie am äußeren Nande der hinteren zwei Drittel der Flofjen Fenntlic).
Bern das Tier erregt ift, ftarıt der Rüden von unregelmäßigen Höcdern von jchöner, dunfel
tajtanienbrauner Farbe mit Fupfernem Metallglanz. Bom Kopfe und den Armen, deren
jonft weiße Tlede ich ebenfalls Fupferrötlich färben, geht dann ein grünlicher Schimmer aus,
während die Augäpfel in rofenroten, blauen und grimen Gilberlichtern erglänzen. Die _
Slofjenfärbung ändert ich nur wenig, während die Bauchfeite ftark irifiert, und wolfigeloden
Gemeiner Tintenfiich.
1/2 natürlicher Größe.
Oben: einen Taichenkrebs fangend. In der Mitte: ruhig fchwebend. Unten: halb in den Boden vergraben. Rechts: Eiertrauben.
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Bweiliemer: Zehnarmige Tintenfifche. 605
über jie hinfliegen. Beginnt die Erregung nachzulafjen, jo verichwinden zunächit die Höder;
allmählich tritt darauf die Ruhefärbung wieder ein (j. die Jarbentafel). Nimmt man die
Gepia aus dem Wajfer, jo erjcheint der Rüden gewöhnlich braun gejtreift. Nach) und nad)
ziehen jich die Chromatophoren zufammen. Die Haut nimmt einen gelbliden Ton an und
entfärbt fi) unmerklich. Auch die Unterfeite verliert den irifierenden und metallischen
Olanz, und wenn das Tarbenjpiel aufgehört hat, wird fie graumweiß. Die bei allen Cepha-
lopoden jehr veränderlichen Augen werden ganz bejonders bei ven Sepien von den ver-
ichiedenen Erregungszuftänden beeinflußt. Das Sepienauge fieht hHöchft fonderbar aus. Die
Pupilfe ift jehr [mal und wie ein griechiches ® gejhwungen. Der Augengrund ift tief-
Ihwarz. Von oben Her ift der Augapfel von einem mit Farbzellen verjehenen und bis auf
den Mittelteil der Bupille Herabhängenden Hautlappen bededt, ven man ein oberes Augenlid
nennen fan. Das untere Lid ijt fchmäler und weißlich. Wenn das Tier aufgeregt ift, nament-
lich während der Begattungszeit, erweitert jich die Pupille außerordentlich und wird rumd.
Die Sepia, in mittlerer Größe 35 cm lang, hält fi) immer in der Nähe des Ge-
jtades auf, am liebiten auf [hlammigem und jandigem Grunde, wo man fie jahraus jahrein
findet und in großen Schleppnegen fängt. Ein jehr beliebter und unterhaltender Fang
im Frühjahr ift der durch) ein Lodtier, ein Weibchen, oder durch eine Holzfigur von Geftalt
einer Sepia, woran einige Stüdchen Opiegelglas befeitigt jind. Das Weibchen, das man an
dem breiteren Körper und dem Mangel der weißen Linie auf dem Floffenrande erfennt, wird
am Hinterende mit einem Hafen durhbohrt; man läßt dann die Angelfchnur jo weit ab-
laufen, daß das Tier fich frei bewegen und [hwimmen fann, behält es jedoch immer im Auge.
Die Angel jcheint ihm feine Schmerzen zu verurjachen und wird mehrere Wochen hinterein-
ander ertragen. Die Sepia [hwimmt nun und bewegt fich mit Hilfe ihrer unteren Arme vor-
märts, die fie, bei horizontaler Körperitellung, vom Kopfe herabhängen läßt und wie zmet
mächtige Ruder benugt. Wenn das an der Angelichnur befindliche Sepienweibchen an einem
in feiner Höhlung fauernden oder frei Shwimmenden Männchen vorbeifommt, ftürzt fich
diejes wie ein Pfeil auf das Weibchen 103 und umflammert e3 mit den Armen. Der Fijcher
zieht nun das Paar vorfichtig zu fich Heran, bemächtigt jich feiner unter Waffer mit Hilfe
eines Kätjchers und fett das Weibchen erneuten jtürmifchen Anträgen aus. Am ergiebigiten
ilt diefe Sagd bei Mondjchein, denn die Gepien jind nachts lebendiger als bei Tage. Ganz
ähnlich ift ver Fang mit der Holzfigur und den Spiegelftücden; man zieht die Pırppe hinter
dem Boote her, und die Männchen ftürzen fich darauf 108 und hängen jich daran.
Außerhalb des Wafjers ftirbt die Sepie jehr jchnell. Wenn man jie anfagt, läßt jie
ein jehr vernehmliches Knirfchen hören; auch bläft fie außerhalb des Wafjers heftig Luft
durch den Trichter. Die Saugnäpfe haften noch nach dem Tode, wenn das Spiel der Farb-
zellen längit aufgehört Hat. Sm einem engen Gefäße halten die Tiere nicht lange aus; bei
Atemnot jondern fie mafjenhaft Tinte ab, offenbar infolge von Lähmungen, und fterben
ichnell, wenn man das Wajfer nicht wechlelt.
Tücher, dejjen Bericht über Polypus in den Bajjins von Arcachon bei Bordeaur wir
auf ©. 594 anführten, gibt auch einige feijelnde Mitteilungen über die dort gefangen gehal-
tenen Sepien. Die für das Aquarium gefiichten Tiere zeigten fich zunächlt jede furcht-
jam, Hüllten ji) in Tintenwolfen und verbargen jich unter Shwimmenden Gegenständen,
wo fie, in horizontaler Stellung und mit dem Baucdhe fait den Boden berührend, un-
beweglich verharrten. Nach einigen Tagen der Auhe fchienen fie jich einzuleben. Die
gewöhnliche Haltung der Gepia ijt die mwagerechte; die wellenförmigen- Bewegungen Der
606 Weichtiere: Kopffüßer.
Flofjen halten das Tier frei im Wafjer. Fiicher Jah jedoch auch oft, daß es nicht einmal
diefer Schwachen Aupderbewegungen zu der freien wagerechten Stellung bedarf. Die Ver-
einigung der Arme zu einer Art von Hinten nach vorn gejenfter Pyramide verleiht den Se-
pien ein eigentümliches Ausfehen. Man ijt erftaunt über Die Ölhnlichkeit ihres Kopfes mit dem
eines Glefanten. Die drei oberen Armpaare ftellen den Rüfjel vor, und das untere Ende
der vierten Arme ähnelt dem Unterkiefer. $.ı diejer Stellung treten die Greifarme gar nicht
hervor. Sie befinden jich in Tajchen zwijchen ven Bajen des dritten und vierten Arnıpaares
eingerollt. In der Ruhelage werden mitunter aber die oberjten Arme auseinander gejpreizt
und wie zwei Fühler jenfrecht erhoben.
„Der Gebrauch der Greifarme”, jagt Filcher, „war mir ganz unbefannt, bis ic) die
Genugtuung hatte, fie eines Morgens in Bewegung zu jehen. In einem Aquarium lebte
jeit einem Monat eine mittelgroße Sepia, die während Diejer Zeit nicht gefrejjen hatte.
Man tat einen lebenden Fijch, einen Caranx, von bedeutender Größe zu ihr hinein, der ohne
Urgwohn umderfhwamm und fi) vem Schlupfwinfel der Sepia näherte. Kaum hatte
lie ihn wahrgenommen, als fie mit einer erftaunlichen Schnelligkeit und Gejch!dfichkeit die
Greifarme entfaltete, ausftredte, ven Filch ergriff und an ihren Mund 30g. Die Greifarme
zogen jich jogleich wieder zurii und verichwanden, Die iibrigen Arme/aber legten jich jeit
um den Kopf und das VBorderende des unglüclichen Fiiches. Die Sepia fieß ihre Beute
nicht wieder los und jchleppte jie troß des verhältnismäßig großen Gewichtes nad) allen
Richtungen, leicht einherjchwintmend und ohne fi) auf dem Grunde oder auf den Felsblöden
auszuruhen Der Fijch wurde Horizontal gehalten, und nad) einer Stunde fieß fie ihn fallen.
Der Schädel war geöffnet, und das Gehirn fowie ein Teil der Rüdenmusfeln gefrejjen.”
Die Sepien, Die in die großen Ballınz des Aquarium in Neapel meijtens in Ge-
jellfchaft von Eeefternen gebracht werden, gewöhnen ich jehr fchnell an ihre neue Um-
gebung. Shren Unmut betätigen fie durch reichlichen Tintenwurf nur dann, wenn jie, um
dem Bublifum das interefjante Schaufpiel zu zeigen, unjanft mit einem Stabe berührt iwer-
den. Bewegung lieben fie nicht, da fie ebenjomwenig wie die Dftopoden nac) Beute umher-
jtreifen, jondern auf fie lauern. Wenn fie nicht frei und unbemweglich im Wafjer ftehen,
fegenfie auf dem Grunde, entweder jchlafend mit geichlofjenen Augen, blinzelnd over jpähenn.
Sit ihnen Sand oder feinerer Kies zur Unterlage gegeben, jo bededen fie fich ganz nach Art
der auf ven Yang fauernden Schollen und Nochen, indem fie mit den Flojjen Steinchen auf
ven Rüden jchaufeln (j. die Farbentafel, unten). Dabei paßt Sepia ihre Färbung jo aus-
gezeichnet der Umgebung an, daß Menjch und Tier getäufcht werden und jie exit dann wahr-
nehmen, mern jie plößlich auf die Beute losfährt. Nach Heinde erjcheint Sepia officinalis
ganz gelegentlich auch in der Nordjee; Bruchitüde ihrer Schale werden aber häufig am
Strande von Borkum und Norderney gefunden. Sehr viele Arten find von der Gattung
Sepia bejchrieben worden. Der Berfucd Nochebrumes, jie deshalb in mehrere Untergattungen
zu jpalten, Hat jedoch wenig Anklang gefunden.
Außer dem Gemeinen Tintenfische jind im Mittelmeere noc) zwei Fleinere Arten häufig.
Die Rumpflänge der zierlichen Sepia elegans Orb. beträgt meift 2—3 cm, jelten mehr; die
etwas größere Sepia orbignyana Fer. zeichnet fich durch eine beträchtliche Verlängerung des
Schulpdornes aus, der am Hinterende die Haut durchbohrt. Bejonders reich an Sepia-Arten
it die japanische Fauna. Bon den vielen, oft beträchtliche Größe erlangenden Formen er-
wähnen wir nur Sepia peterseni App., deren zweite Arme eine ungewöhnliche Länge
haben und darin jelbft die Tentafel übertreffen.
Bmweifiemer: Zehnarmige Tintenfifche. 607
Außer den Sepiofiden und Sepiiden werden troß ihrer im mejentlichen an Ogopfiden
erinnernven Öeftalt zu der behandelten Abteilung noch die Ehten Kalmare (Loliginidae)
U
Gemeiner Kalmar, Loligo vulgaris Zam., baneben der hornige Rüdenjhulp. Natürliche Größe.
mit den Gattungen Loligo Schn., Teuthis Schn. und Sepioteuthis Blv. gerechnet. Der
nadte, zylindriiche Körper ijt Hinten zugejpist (torpedoförmig), und die oben fast aneinander.
608 Weichtiere: Kopffüßer.
itogenden Floffen geben ihm die Geftalt eines Pfeiles. Die hornige Rüdenfeder hat eine
Yanzenähnliche Form. Die Häufigite Art ift ver Gemeine Slalmar, Loligo vulgaris Lam.
(j. Abb., ©. 607), der Calamaio (Tintenfaß) der Staltener. Seine Floffen bilden zufamment
etwa ein Ahomboid, das die hinteren zwei Drittel des Numpfes einnimmt. Bon den Armen
ift das erjte Baar beveutend fürzer als die übrigen; die Tentafel find ungefähr anverthalb-
mal jo fang alS der Leib und auf ihren Keulen mit vier Reihen jehr ungleich großer Saug-
näpje bewehrt. Die bejonvere Eigentümlichkeit der Färbung befteht im VBorherrfchen eines
prächtig leuchtenden Karmintot3. Ex erreicht nur felten eine beträchtliche Größe; die mittlere
Länge, ohne die Greifarme, beträgt 20 cm; die Weibchen werden etwas größer. Wegen
jeines zarten Fleifches und guten Gejchmad3 tft er außerordentlich begehrt; auf dem Neapler
Markte bezahlt man 5—6 Lire für das Kilogramm. Sm Mittelmeer und im öftlichen Atlantik
it der gemeine Kalmar jehr verbreitet; als Srrgaft ommt er zuweilen in die nördliche Nord-
fee. Man trifft ihn zu allen Sahreszeiten an, namentlich aber im Herbite, wo er in großen
Zügen ftreift. In Mafjen fängt man ihn dann nacdht3 in den für die Thunfische aufgeftellten
Kegen; gut fallen auch die Fänge mit dem Zugneß aus, wenn man es bei Vollmond über
jandigen und Schlammigen Grund fchleift. Meift richten fich die Wanderungen des gemeinen
Kalmars nad) den Zügen Kleiner Fifche, denen er nachftellt,
Der Gemeine Kalmar ift im Neapler Aquarium ein häufiger, wenn auch furzlebiger
Saft und zeigt al3 Bewohner des offenen Meeres ein von dem einjiedleriichen Xeben feiner
oben bejprochenen Vettern völlig abmweichendes Benehmen. Da er gejellig lebt, wird er in
den Fiichernegen gewöhnlich in größerer Zahl gefangen. Im Aquarium dauern die SKal-
mare leider nur wenige Tage aus; in ununterbrochener, einförmiger Bewegung [hipimmen
fie eng beieinander Hin und Her. Das anmutige, flugähnliche Nudern mit den Flofjen wird
durch leichte Wafjeritöße aus dem Trichter unterftügt. Die nach vorn ausgeitredten Arme
übernehmen die Steuerung; forgfältig wird eine Berührung der Wände des Behälters ber-
mieden. alt gleichzeitig mwechjelt die ganze Herde die Richtung. Während die Dftopoden
und Sepien fich im Aquarium für viele Monate Häuslich einrichten und jogar auf die Fort-
pflanzung bedacht find, fühlt jich ver Kalmar augenjcheinlich recht unbehaglid. Schon
nach einigen Tagen ruhelos verbrachter Gefangenfchaft werden die Bewegungen langjamer
und jchwanfender; die Tiere verlieren die Orientierung, jtoßen ich und jterben ab.
Wefentlich größer als der Gemeine wird ver Nordijche Kalmar, Loligo forbesi Stp.
Er ift in der Nordjee Häufig und gerät den Buttftichern oft in die Kırre. Seine Färbung
it noch chöner alß die des vorigen; das Not leuchtet weniger grell. An der Ditkülte Der Ber-
einigten Staaten jammeln fi) Ende April zum Ziwede des Laichens ungeheure Yiige Des
Amerifanifhen Kalmars, Loligo pealii Les. Sie bilden den Gegenjtand einer grof-
zügigen Fijcherei. Im Sahre 1902 wurden allein vor Ahode Ssland 42550 kg im Werte
bon falt 11000 Mark, vor Maffachujetts 2432530 kg im Werte von 106430 Mark gefangen.
Si gefrorenem Zuftande fickt man, nach Williams, große Maffen viejes Kopffügers ins
amerifanijche Irland.
Die Feineren, meist zur Gattung Teuthis gehörigen Loligineen find in allen euro-
päiichen Meeren heimisch; ihr Rumpf ift am Hinterende ftarf verjüngt und oft in eine lange
Spibe ausgezogen. Vom Genus Sepioteuthis, da3 — allerdings nur bei oberflächlicher Be-
rachtung — eine Mittelftellung zwiichen Sepia und Loligo einzunehmen jcheint, ijt Die
bon Neujeeland über das pazifische Snfelgebiet bi8 Japan verbreitete Sepioteuthis lessoniana
Fer. et Orb. am befannteften.
Zweitiemer: Zehmarmige Tintenfifche. 609
Troß ihrer Icheinbar jehr abweichenden Schalenbildung gehört auch die merfmwürdige
Gattung Spirula Zam. nad) Chuns trefflichen Unterfuchungen über ihre Anatomie zu den
bis jeßt beiprochenen Defapoden. Das BoftHörncdhen, Spirula australis Zam. (spirula L.),
befitt eine zierliche, in einer Ebene gewundene, vielfammerige Schale, die an der fonfaven
Snnenfeite von einem Sipho durchzogen wird, und deren Windungen jich nicht berühren.
Hußerlich mag diefes Gehäufe zwar an das des Nautilus (©. 589) erinnern; den mwejent-
lichften Unterfchied beider Gebilde erwähnten wir jedoch chen: die Spirula-Schale ift nän-
ich bauchwärts (endo-
gaftriich), alfo in ent
gegengefegter Nichtung |
al3 das Gehäufe des /
Perlbootes aufgerollt.
Außerdem ift fie im
Berhältnis zum zugehö-
rigen Tiere jehr Hein;
e3 fann jich nicht im jie
surüdziehen, bejonders
ihon deshalb nicht, weil
fie innerlich it. Das
weiße, perlmutterglän-
sende Gehäuje Ttegt im
Mantel am Hinteren
Körherende und jchin-
mert Durch die zarte Haut
hindurch). Dbmohl das
Spirula-Hörncdhen von
den Schulpen der übri-
gen Defapoden jehr ab-
mweichend gebaut zu fen
nt, [st Nic) dot) PRoftdörnden, Spirula australis Lam. (spirula 2.). Links Weibchen von ber Niden-
‚an Hand einiger fojliler feite, rehtS von der rechten Seite, Mantel und Schale halbiert dargeftellt. Nah Chun
AR ‚ E (Baldiviawert, Band XVII). Tr Tridter, A After, N Nierenöffnung, S Sipho, Fl Se
BSrifchenformen ein ges L 2euchtorgan, Kn SXHließfnorpel.
meinjamer Grundplan
für den Aufbau der Schalen von Sepia und Spirula nicht leugnen. Auch feiner ganzen
Geitalt und Anatomie nach meilt das Rofthörnchen enge Beziehungen zu Sepia und
namentlich zu den Sepioliden auf. Auffallend ift eine Grube am Hinterende des Tieres,
die jchon der alte Numph für einen Saugnapf erklärte, mit dem e3 fich an Teljen befefti-
gen jollte. SHre Lage zwilchen ven Eleinen, endftändigen Flojfen macht die Annahme
eines Haftapparates aber wenig wahrjcheinlich. Chun betrachtet das Gebilde auf Grund
mifroffopiicher Prüfung deshalb als Leuchtorgan.
Über die geographiiche Verbreitung der Spirula wiljen wir nur jehr wenig. Daß die
Schale, Die infolge ihres großen Luftgehaltes nach dem VBermwejen der Weichteile an die
Oberfläche fteigt und von den Meeresitrömungen weithin — jelbit bis an die franzöftiche
Küste — verfrachtet wird, Feinen Maßjtab für die Verbreitung diejes Tiere geben Fanır,
it Har. Obwohl die zierlichen Gehäufe mafjenhaft"an den Strand der wärmeren Meere
Brehn, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 39 ;
610 Weichtiere: Kopffüßer.
geworfen werden, jind ganze Tiere nur jelten und vereinzelt vom Tiefjeeneb heraufgebracht
worden. Chun hat nachgewiejen, daß fie nicht am Boden leben, jondern als vortreffliche
Schwimmer ein pelagiiches Leben in der Tiefjee führen. Ein wohlerhaltenes Stüd wurde
im Nias-Siüpdfanal bei Sumatra in 594 m Tiefe von Chun erbeutet. Eine wichtige Fund-
jtelle fcheint auch die falte Stanarienftrömung an der weftafrifanifchen Küfte zu fein.
b) Die Ögopfiden.
Die vielgeftaltige und formenreiche Gruppe der Ogopfiden ftellt den größten Teil der
Gephalopodenfauna des hohen Meeres und ver Tiefjee. Die bedeutenden Erpeditionen
der legten Jahrzehnte gaben durch ihre reiche Ausbeute zu bejonders eingehenden Unter-
juchungen über diefe Tiere Beranlaffung. Wir verdanken namentlich zwei veutjchen For-
jchern die genauejten Auffchlüffe, Chun und Pfeifer. Chun hat die Kopffüger ver Valdivia-
Expedition zu feinem bejonvderen Studium gemacht. Schon während der Reife fuchte er
durch Skizzen Tarbe und Form der lebenden Tiere feitzuhalten; in der Dunfelfammer
unterjuchte er jie auf ihre Phosphoreizenz. Später hat er in mühjamer Spezialarbeit ihren
anatomijchen Bau direchforjcht, jo daß ein grundlegendes Brachtwerf entjtanden ift. Etwa zu
gleicher Zeit gab Pfeffer an Hand des Materials der Planfton-Erpedition eine vorzügliche
inftematifche Durcharbeitung der Ogopfiden Heraus.
Die Gruppe zerfällt in zwölf meift artenreiche Familien. Naummangel zwingt ung
leider, num einige bemerfenswerte Vertreter zu näherer Betrachtung herauszugreifen. Da
ind zunäcdhit jene jchon (©. 587) erwähnten NRiejenformen der Gattung Architeuthis Stp.
Meift jind nur Bruchjtüde diefer Ungeheuer, die bi8 17m Länge erreichen, befanntgeworden.
Auch manche Arten der Familie ver Ommatoftrephiven Nadtaugenfalmare) erreichen
in einzelnen Stüden oft eine beträchtliche Größe. Uns interefjieren hier die bejonvers im
Mittelmeere häufigen Zormen diefer Sippe, zunächit der Pfeilfalmar, Ommatostrephes
sagittatus Lam. Er ift fchlanf, ettva von der Geftalt eines Zoligo, und ein trefflicher Schtoim-
mer. Bei Neapel fiicht man ihn im Hochjommer und Herbit nacht3 mit der Zaterne, da er
nur um dieje Jahreszeit aus dem Halbdunfel mittlerer Tiefen emporfteigt. Sein naher BVer-
wandter, ver Kurzfloffige Kalmar, Illex illecebrosus coindetii Ver., ift noch häufiger.
sn einer geographiichen Abart erjcheint er, nach Berrill, in großen Schwärmen auch an der
oftamerifantiichen Küfte von Kap Cod bis Neufundland. Zu den Ommatoftrephiven gehört
ferner der über alle wärmeren und gemäßigten Meere verbreitete Fliegende Kalmar,
Stenoteuthis bartrami Les., der „Flying squid“ der Amerikaner. Er ist der Häufigfte aller
Dgopfiden und bildet an der Neufundlandbanf den Gegenftand einer großartigen Fijcherei;
jein Fleisch wird allerdings meift als Köder für Den Doriehfang benugt. Der gewaltige Ritd-
itoß des aus dem Trichter gefpristen Wafjers läßt ihn nicht jelten wie einen Pfeil über den
Meeresipiegel jchnellen, jo daß er wohl ähnlich wie die Slugfiiche gelegentlich auf Dem Ber-
de eines Schiffes landet. Seine Scharen ftellen den jungen Mafrelenfchwärmen nach, die
das jeichte Wafjer der Küfte aufjuchen, um Schuß dor den Berfolgern zu finden. Dabei
geraten die Stcalmare leicht auf den Strand und find verloren, denn Durch ihre Frampfhaften
Atemjtöge geraten jte nır immer weiter aufs Land: ein finnfälliger Beweis fiir die rein
pelagiiche Anrpafjung diejer Tiere; fie haben die Fähigkeit, ji) am Boden zwecdienlich zu
benehmen, völlig eingebüßt. AS Zugendform der Ommatoftrephiven betrachtet man eine
merkwürdige, als Rhynchoteuthion Pffr. bejchriebene Larve. Shre beiden oberiten Arme
\ind miteinander verwwachjen md erfcheinen zufammen tie ein Rüffel.
DV
Weichtiere V.
1.
2. Chiroteuthis veranyi Fer., von der Rückenieite.
Histioteuthis bonelliana Fer., von der Bauchieite. S. 579 und 611. Etwa !/s nat. Gr.
Aus Georg Pfeffer, 3, Die Cephalopoden der Plankton - Expedition“. Kiel und Leipzig 1912.
S. 612.
Etwa 1/2 nat. Gr.
19 eu 8/2'719°S APUNUDURPNY Un, 9
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f
N
r
Bmweifiemer: Zehnarmige Tintenfijche. 611
Den Ommatoftrephiven ähnlich ift die im Mittelmeer entdedte, aber bedeutend meiter
verbreitete Gattung Thysanoteuthis Trosch. Wir wir jhon (©. 583) jahen, nehmen die
Sloflen bei ausgewachjenen Stüden der einzigen befannteren Art, Th. rhombus Trosch.,
die ganze Länge des Mantel3 ein. Interejje beanjprucht diefe Gattung befonders deshalb,
weit jie bezüglich Anatomie und Gladiusbildung an den Myopjiden Loligo erinnert.
Die Saugnäpfe der Defapoden find innen mit fräftigen, meift charafteriftiich gezähn-
ten Hormingen verfehen; bei vielen Dgopfiden nun bildet jich ein Teil von ihnen zu bemweg-
lichen, mit der Wurzel in Hautfcheiden jtedenden Hafen um. O©olche Apparate finden fich
bei ven Ongchoteuthiden nur auf der Tentafelhand. Zu diefer Familie gehört zunächit
der Hafenfalmar, Anecistroteuthis liehtensteinii Fer. et Orb.; ex ijt noch jchlanfer als
Ommatostrephes und dejjen Verwandte, denen er äußerlich jonjt ziemlich gleicht. Die auf
den Armen in zwei Reihen angeordneten Sauger find ganz normal geitaltet; an den Tentafel-
feulen Hingegen treten verfchiedene Bejonderheiten auf, die jich neben der jchon erwähnten
Umwandlung von Räpfen inHafen namentlich in der Bildung eines Politers Dichtgedrängter,
fleiner Sauger und Haftnöpfchen am unteren Seulenteile äußern. Häufig wird mit dem
Hafenfalmar die weitberbreitete Onychoteuthis banksii Leach (|. Tafel „Weichtiere V”, 4)
bermwechielt, die LTichtenjtein vor Hundert Jahren jchon als „Sepie mit Krallen“ bejchrieb.
Erwähnen müffen wir hier auch die tief dunfelviolett gefärbte Teleoteuthis caribaea Les.,
die in den oberflächlichen Waflerjchichten des Atlantik der Häufigite Cephalopod ift. Neben
vielen Formen, Die zu betrachten und aus Raummangel verjagt ift, rechnet man zu den
Inychoteuthiden noch zwei bemerkenswerte Arten, denen wir unten noch begegnen: die reiz-
bolfe Lycoteuthis diadema O’hun und die gallertig verquollene Chaunoteuthis mollis App.
Bei zwei Ogopfidenfamilien, ven Enoploteuthiden und den Gonatiden, findet
man auc) auf den drei oberen Armpaaren in Hafen umgewandelte Saugnäpfe. Gonatus
fabrieii Lichtenst. tritt in einer arktifchen und einer antarktifchen, faıım zu unterfcheidenden
Form auf. Die Sauger ftehen auf allen Armen, auch den Tentafeln, in Viererreihen; nur
die mittleren zeigen die Umwandlung in Hafen. Zu der ebenjo interejjanten wie artenreichen
Sippe der Enoploteuthiven gehören viele prächtige Formen, die jich meist ducch den Belik
von Leuchtorganen auszeichnen, teils durchjichtig, teils Herrlich gefärbt jind. Leider fünnen
wir hier aud) nur wenige Arten anführen: die zarte, mit faft rechtwinklig dreiecdigen Flojien
ausgeitattete Octopodoteuthis sicula Rüpp., die im Alter ihre Tentafeln abwirft (©. 580),
und den bei Meifina nicht feltenen Feuerfalmar, Pyroteuthis margaritifera Rüpp. Er
hat große, grelftote Chromatophoren auf vem Nüden und einen Kranz Yaternenartiger
Leuchtorgane um jedes Auge. Wir bilden hier die verwandte Enoploteuthis leptura
Leach ab, die bis zu ihrer Wiederentdedung durch die Deutihe Südpolar-Erpedition als
verichollen galt. Bet ihr Itehen ganze Reihen von Leuchtorganen auf Bauch, Trichter
und Kopf (j. Tafel „Weichtiere V", 3).
Am zahlreichiten find die Leuchtorgane, auf die wir noc) zu prechen fommen (©. 614),
bei ven Segelfalmtaren (Histioteuthidae). Wegen der einzig dajtehenden, paarigen Aus-
bildung der männlichen Gejchlechtswege erwähnten wir jchon (©. 584) die hierhergehörige
Calliteuthis meneghinu Ver. Bei einer ihrer Verwandten, der großen Histioteuthis bonel-
liana Fer. (j. Tafel „Weichtiere V", 1), die uns bei ver Beiprechung der Leuchtorgane
39*
612 Weichtiere: Kopffüßer.
und Gefchlechtsunterfchiede noch bejchäftigt, ift zwoijchen den Armen ein mächtiges, an die
Umbrella mancher Dftopoden erinnerndes Segel ausgejpannt; im Verhältnis zu ihm
ericheint der Rumpf auffallend Kein.
Mehrere bejonvere Eigentimlichfeiten zeigt ung Die Gattung Chiroteuthis Orb. (Loli-
gopsis) von ven Chiroteuthiden, mit der ganz ausgezeichneten Art Chiroteuthis veranyi
Fer. im Mittelmeer. Der jcharf vom Kopf abgejebte, Eonifche Numpf trägt an feiner
hinteren Hälfte eine Herzfürmige und fehr dünne Floffenjcheibe; der runde Kopf ijt etwas
breiter al3 der Rumpf; unverhältnismäßig groß find die Augen. Die Arme nehmen in der
Keihenfolge vom Rüden nad) unten an Länge und Dide zu. Am auffallendften find aber
die beiden Tentafel geitaftet; fie meifen nämlich fait 1m, während die Körperlänge bis zur
Spite der Arme nur gegen 30 cm beträgt, und find von der Stärke einer feinen Schnur,
die am Ende in eine lanzettförmige, napftragende Keule übergeht. Abb. 2 der Tafel
„Weichtiere V" bei ©. 610 bringt die Länge diejer Greifarme vortrefflich zur Anjchauung;
fie müjjen in der Tat ausgezeichnete Fangwerkzeuge jein. Die zart bläuliche Färbung und fait
vollitändige Ducchfichtigfeit der Ch. veranyi läßt einen Schluß auf ihre Lebensmweije zu.
Und in der Tat finden mir fie bei Winpftille im offenen Meere während ver fchönen Sahres-
zeit mitten unter den Medufen und Salpen. Als Jugendform der Chiroteuthiden betrachtet
man unter anderen die überaus Yanggeitredte Doratopsis vermicularis Rüpp. Bet dem
Mangel aller Farbzellen gleicht fie am eheiten einem im Wajfer treibenden Stüd Ci3. Man
würde fie ficher ütberjehen, wenn nicht die ziwet jchwarzen Auen jie verrieten. Die jüngiten
Erpeditionen Haben uns eine Neihe reizpoller Formen aus diejer Zamilie beichert. Aln-
geführt jei hier nur Die feuertote Mastigoteuthis hjorti Chun vom mittleren Nordatlantif,
deren Haut eine rhombijche Pflafterung zeigt.
Die gallertige Verquellung und die Durchlichtigfeit ift wohl am meiteiten bei den
Srancdhiiden gediehen. &3 jind Heine Kopffüßer mit pfeil- oder tönnchenförmigem ARumpf
und zierlichen, endftändigen Floflen. Eine merkwürdige Eigentümlichfeit beiteht darin, daß
ver Mantel außer der dorfalen Berwachlung mit dem Kopfe auch ventral zwei feite Ver-
bindungen mit dem Trichter zeigt. Offenbar erhöht dieje Einrichtung Die Bemegungsfähigfeit
dtejer ausichlieglich pelagisch lebenden Tiere. Bei der hierhergehörigen Leachia cyclura
Leach werden die Fangarme abgeworfen; furze Stiimpfe verraten ihr urjprüngliches Vor-
handenfein. Hafen finden jich auf den Tentafeln nur bei Galiteuthis Joub. Einige Tiej- _
jeevertreter diejer Samilie find durch abenteuerliche Augenbildungen ausgezeichnet. Die
Augen find entweder geitielt oder telejfopartig vorgetrieben, wobei e3 dDahingeitellt bleibt,
ob alle diefe Formen im erwachjenen Zustande ihre Umrijje bewahren oder, einzelne wenig-
tens, nur in der Jugend diefe Abjonderlichfeit bejigen. Das abgebildete Bathothauma
Iyromma Ohun (j. Tafel „Weichtiere V”, 5) zeigt deutlich, wie fich die unverhältnismäßig
großen Augen Hervordrängen, um von der magischen Phosphoreizenzbeleuchtung der Welt-
meertiefen möglichit viel Nußen zu ziehen.
Diejes Licht entiteht durch Die Leuchtorgane der Tiefjeetiere. Bei den Cephalopoden
it die Leuchtfähigfeit genz befonders vielfeitig ausgeftaltet. Man unterjcheinet hier zivei
Arten von Leuchtorganen; die einen find Drüfen umd jcheiden ein feuchtendes Gefret
ab, die anderen haben einen Leuchtförper, find augenartig geformt und wirfen mie eine
Zweiliemer: Zehnarmige Tintenfiiche, Leuchtorgane. 613
Blendlaterne. Leuchtvrüfen find auf die myopfiden Sepioliden bejchränft. Über die Bedeu-
tung und Tätigkeit diefer Organe bei Heteroteuthis dispar Rüpp. |chreibt W. TH. Meyer:
„Bir find iiber die Bedeutung diejes Leuchtorgans unterrichtet, da das Tier infolge von auf-
fteigenden Strömungen häufig noch) lebenzkräftig an die Oberfläche gelangt. Sm Dunkeln
jieht man das Leuchtorgan durch den Mantel der Bauchjeite Hinducchichimmern. Das Tier
reagiert auf mechanijche Reizung dutcch den Auswurf feines leuchtenden Seftetes, wie Tinten-
fiiche der Oberfläche durch Tintenausiwurf, und jchiegt durch den Nüdjtoß des gleichzeitig
aus dem Trichter ausgejtoßenen Wafjers rüdwärt3 davon. Das jchleimige Sekret Shwimmt
‚m grümlich leuchtenden Kugeln und Fäden Durchs Wafler. Die Erjcheinung it jo zu ver-
ftehen: der durch das Licht hexbeigelocte Feind roird duch die Leuchtfugeln des ihm ent-
gegengeblajenen Gefretes getäufcht und jchnappt nad) diejen, während der Tintenfisch jich
dank des Rüdjtoges in Sicherheit bringt. ©o übernimmt das Leuchtjefret die Wirkung der
Bunderlanpe, Lycoteuthis (Thaumatolampas) diadema Chun, jÖwimmend, von der Seite. - Nah Chun („Baldiviawerf”,
Band XVIM).
Tinte, deren Wolfe in dem Dunfel der Meerestiefen wirkungslos bleiben wide, und in
ver Tat it der Tintenbeutel vidgebildet.”
Bei den Ogopfiden weit verbreitet jind die fehon erwähnten Leuchtorgane vom fv-
genannten Laternenthyp. Hören toir zunächit Chung Schilderung von der Wirkung bei einem
der ausgezeichnetiten Vertreter:
„Die Wunderlampe, Lycotheutis (Thaumatolampas) diadema Chun, ift mit 22 Dr-
ganen ausgejtattet, welche eine eigentiimliche Gruppierung aufmweifen. ever der beiden
großen Sangarme bejist deren zivei, der Unterrand der Augen ift von je fünf Organen
umjäumt, und der Reit tritt in der aus der Figur erfichtlichen Anordnung auf der Bauch-
jeite des Mantel® auf. Unter allem, was uns die Tiefjeetiere an wundervoller Färbung
darbieten, läßt jich nichts auch nur annähernd vergleichen mit dem Kolorit diefer Organe.
Man glaubte, dak der Körper mit einem Diadem bunter Edelfteine bejegt fei: das mittelite
der Nugenorgane glänzte ultvamarinblau, und die jeitlichen wiejen Berimutterglanz auf, von
den Organen auf der Bauchjeite erjtrahlten die vorderen in rubintotem Glanze, während
die hinteren jchneemweiß oder perimutterfarben waren mit Ausnahme des mittelften, das
einen himmelblauen Ton aufwies. &3 war eine Pracht! Die Organe find napfförmig ge-
ftaltet; ihre Außenfläche mwölbt fich nach Art einer Linje vor und die Sunenfläche ift mit
Ihiwarzem oder braumem Pigment bekleidet. Bei dem Konfervieren in der Dunfelfammer
614 Weihtiere: Kopffüßer.
ergab es fich, daß fie tatjächlich noch eine jehwache Phosphorejzenz eriennen hießen.” Uno
iiber die Hiftioteuthiven jehreibt Chun: „Körper meift lebhaft pigmentiert und auf der
Ventralfeite mit Zeuchtorganen überjät; auf der Außenfläche ver Arme jtehen jie in Längs-
reihen, deren fich auf den Bentralarmen mehr al3 auf den iibrigen vorfinden; das rechte
Auge wird von zahlreichen, das linfe nur von wenigen umjäaumt.” Yedes Laternorgan be-
jteht zunächit aus einem fugeligen oder Iimjenfürmigen Leuchtkörper, der in einem Pigment-
becherchen jtedend jchräg in die Haut eingejenkt ilt. Hroifchen ihn und die dunkle Hülle
ichiebt fich noch ein perimutterglänzendes Gewebe, eine Art Nefleftor, der die Strahlen
aurdieroieft und Durcch Die vom Pigment freie Seite herausspiegelt. Der Bau diefer Laternen
fann duch Nebenapparate, die felbft an ven Organen ein und derjelben Dgopfidenart in
mannigfachiter Zujammenftellung auftreten, recht fompliziert werden. ©o jind die 22 Dr-
gane der Wunderlampe allein nach nicht weniger als zehn verjchiedenen Shitemen gebaut.
Über die Bedeutung der Leuchtorgane fan man nur Vermutungen äußern. 63 liegt
sunächit nahe, in dem von ihnen auzftrahlenden Licht ein Mittel zur Erhellung der nächiten
Umgebung des Tieres zu exrbliden, damit e3 von jeinen Augen Gebrauch machen fann.
Dffenbar kann der Kopffüßer willfürlich das Leuchten feiner Organe unterbrechen, gemwiljer-
maßen ein- und auzjchalten. Vielleicht ilt es ihm jogar möglich, jich Durch intermittierende
Lichtfignale optifch mit Artgenoffen zu verjtändigen. Sit das der Fall, jo wären die Leucht-
organe ein bortreffliches Mittel zum gegenfeitigen Erkennen und Zufammenfinden von
Tieren einer Art, jei e8 zum Zmede der Fortpflanzung, jei es zur Schwarmbildung, wenn
lie ich etwa nac) Art der Kalmare zu malchinenhaft geregelten Zügen ordnen. Nach an-
derer Meinung dienen die Laternen vor allem dazu, Beutetiere anzuloden. Denn in ven
eich der dunklen, fchwach- bevölferten Abgründe ift die erjte Triebfeder für alle Bewohner
ein unerjättlicher Hunger. Er zwingt jelbit die gleichzeitig im Neß gefangenen Tiere, während
de3 Heraufholens übereinander herzufallen. Aber alle diefe Annahmen genügen nicht, um
den Ziwed verjchtedenfarbiger Lichter zu erklären, die den Zauber einer italienischen Nacht
in die Tiefen des Weltmeeres verpflanzen.
%
Wir Haben im vorhergehenden einen höchit wichtigen und merkwürdigen Punkt der
Naturgefchichte der Kopffüger mit Stilljchweigen übergangen, ven Gejchlechtsunter-
Ihied. Bei den meilten Cephalopoden find äußerlich bei oberflächlicher Betrachtung wejent-
fihe Unterfchiede zwijhen Männchen und Weibchen nicht wahrzunehmen. Daß ji 3. ©.
die männliche Sepia Durch die weiße Linie auf den Flofjen erfennen läßt, daß die Loligo-
Weibchen einen längeren Rumpf haben, war jeit langem befannt. Daß aber bei ven Männchen
ein oder mehrere Arme abweichend von den iibrigen gebaut find und al3 Begattungsorgan
gebraucht werden, ift exit einte Entdedung jüngerer Zeit. Nur der geniale Beobachter Arijto-
teles hat jchon im 4. Sahrhundert vor unjerer Zeitrechnung davon Kunde gehabt; feine Firrzen
Angaben wurden aber nicht veritanden und gerieten in Vergejjenheit. Am meiteiten geht
die Umwandlung des betreffenden Armes bei ven Argonautiden; bei Ocythoe und Tre-
moctopus it e3 der dritte rechte, bei Argonauta (f. die Abb.) der dritte Tinfe Arm, der
abweichend geftaltet ift. Er ähnelt zwar den normalen Armen, indem er auch Saugnäpfe
trägt, aber durch feine Länge, durcch einen peitfchenfürmigen Anhang und in feinem inneren
Dat weicht er erheblich ab. Vor feiner Benusung fiegt ex eingerolft in einer birnenfür-
migen Blafe, die zu Zeit der Neife plabt. Bei der Begattung reißt der fich entrollende
Leuchtorgane. He!tofotylijation. 615
Arm ab und bleibt noch längere Zeit in voller Frijche und Beweglichkeit in der Mantel-
höhle des Weibchen, bi8 durch ihn die eigentliche Befruchtung vollzogen wird (©. 617).
Gelegentlich finden fich fogar mehrere abgelöfte Arme (verjchiedener Männchen) in Der
Mantelhöhle eines Weibchen. Die große Selbjtändigfeit diefes Begattungsarmes ift jo
täufchend, daß ihn einige der berühmteften Naturforfcher, darunter Cupier, für einen Schma-
togermurm hielten, der den Namen Hectocotylus befant. Die Ahnlichfeit mit einem Cephalo-
podenarım ließ fich aber auf die Dauer nicht überjehen. So it es zu verftehen, dag man um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts in dem merkwürdigen Gebilde das männliche Bapier-
boot zu erbfiden glaubte. Exit Joh. Miller gelang eg, in Meffina das wirkliche Männchen zu
beobachten und den Sachverhalt aufzu-
Hären. Kollmann wies jpäter darauf hin,
daß -fich die lange Lebensdauer des ab-
gelöften Armes aus der Belchaffenheit
Männdhen de3 Papierboot3, Argonauta argo L. A mit noch eingejchlofjenen, B mit freien Heetocotylus-Arın. Ctwa
5mal vergrößert.
der Blutgefäße und Nerven ganz befriedigend erkläre. Wie aber nichts in der organtichen
Welt unvermittelt dafteht, To Hat jich auch in unferem Falle durch die trefflichen Unter-
fuchungen des berühmten Dänen Steenftrup Herausgeitellt, daß der Hectocotylus-Arnt
der Argonautiden nur der äußerfte Grad einer Bildung ift, die weniger ausgejprochen den
Männchen der Cephalopoden im allgemeinen zufommt. Faft alle Haben einen „heftofotyli-
fierten” Arm; vereinzelt find auch zwei Arme zu Begattungswerkzeugen umgebildet. Die
Unterfchiede find in den meiften Fällen geringfügig; auch) findet eine Ablöjung nur beim
Papierboot und feinen Verwandten ftatt. Mehrere Arme des Nautilus verichmelzen zum
Spadir, der die Aufgaben eines Penis verjieht.
Bei den Defapoden ergreift die Heftofotylifation meit ven einen der beiven Bauch-
arme, bei den Dftopoden ftet3 den einen de3 dritten Armıpaares, das — beiläufig bemerft —
morphologijch dem Tentafelpaar der zehnfüßigen Cephalopoden entfpricht. Beide Bauch-
arme find bei vem Ommatoftrephiden Todaropsis eblanae Ball. und manchen Enoploteu-
tiven Heftofotylifiert, während den Sepioliden und Histioteuthis die umgewandelten Dor-
Talarme zur Begattung dienen. Bei Sepia ift der Yinfe Arm des vierten (Bauch-) Paares
616 Weichtiere: Kopffüßer.
modifiziert, während der entjprechende Arm der rechten Seite feine Veränderung zeigt. Die
Umbildung betrifit das untere Drittel des Arms, das jich merklich verdict hat. Die unterjten
Räpfe find normal geitaltet; die folgenden 6—7 Saugnapfreihen jind dagegen jehr Klein und
verfiimmert. Obwohl ihre Stiele bedeutend verlängert find, verichwinden jte in der nebartig
gefalteten, prüjenreichen Haut der Arminnenfeite. Bet den Gepioliven, mo beide Dorjal-
arme von der Heftofotylifation ergriffen werden, it an vem Grunde des linken noc ein
bejonderer Kopulationsapparat, eine Tajche zur Aufnahme der Gejchlechtsprodufte vor der
Begattung, ausgebildet. Ebenfo twie bei Sepia ift beim Gemeimen Kalmar, Loligo, der
vierte Iinfe Arm der Heftofotyhus (j. Abb.,©. 617, b). Doch beitehen hier die Beränderungen
darin, daß vom 22. oder 24. Saugnapf an die in zwei Reihen jtehenden Näpfe Heiner und
fleiner werden. Dafür verbreitern und ftreden jich ihre Stiele und werden zu PBapillen,
die allmählih an Größe abnehmen und bi3 zur ©pibe des Arm3 ziehen; jo fünnen bis
40 Bapillen gezählt werden. Am mangelhafteiten find wir über die Hektofotylijation der
Dgopfinen unterrichtet. . Bei jehr vielen, darunter den Hafentalmaren (Ongchoteuthiden),
fonnte bisher nicht die geringjte Spur einer jolchen nachgewiejen werden. Wo jie Hingegen
befannt wurde, ijt e& auch meift der Iinfe Bentraların, der Umbildungen zeigt. Der Hefto-
fotyfus mancher Dgopfivden ift infofern interefjant, al an feiner Bildung auc) die Schub-
Jäume de3 Arms teimnehmen und fich zu einem halbmondförmigen Lappen verbreitern.
Beachtung verdient endlich noch, daß fich bei Cranchia scabra Zeach der rechte Ventraların
nicht nur duch Stark verkleinerte Sauger, jondern auch) Durch eine rechtwinflige Krümmung
jeiner Spite nach oben auszeichnet.
Bei ven achtarnigen Tintenfischen beruht die Umwandlung zum Begattungsarm nicht
allein in einer Rücdbtldung ser Saugnäpfe. Beim Pulp ift der dritte Arm recht3 der Hekto-
totyfus (j. Abb., ©. 617, a). In der Trichterfeite Des etwas fürzeren Arm3 zieht eine jchmale,
durch eine Hautfalte gebildete Ainne (G) entlang, die an der AUrmjpiße in einer Heinen,
löffelfürmigen Platte (L) endet. Hier fehlen die Saugnäpfe, dafür find eine Anzahl von
Duerleijten vorhanden; von der Unterjeite greift ein Hautzipfel fingerfürmig herüber. Be-
merfenswert ijt, daß außerdem bei ven meijten Dftopodenmännchen Die Sauger der mitt-
(even Partie aller Arme etivas Fräftiger find. Die Cirraten weifen mr diefe Vergrößerung
ver Näpfe auf, während ihnen eine eigentliche Heftofotyfifation eines bejtimmten Arms
jehlt. Auch beim Mojchusfrafen ift der dritte rechte Arm umgebildet; dähingegen wird die
Öattung Scaeurgus Trosch. nur deshalb von Polypus Schn. abgetrennt, weil bei ihr Der
dritte Iinfe Arm heftofotyliiiert ift. Die Höchite Stufe erreicht die Ausbildung des Be-
gattungsarms, wie gejagt, bei den zwerghaften Männchen der Argonautiden.
Der Same wird nicht frei, fondern in einem Schlauchförmigen Behälter, einer Sperma-
tophore, übertragen. ©ie ift Drehrund und glatt; im Suneren enthält fie neben dem Sperma-
vaum noch einen projeftilen Apparat, der Furze Zeit nach Berührung mit dem Waffer oder
weiblichen Drüfenjefreten aufquillt und ven Samen erplofionsartig ausftößt. Manche Arten
bilden für eine Begattung nur eine, die übrigen mehrere oder viele Spermatophoren. Dieje
fünnen jehr verjchieden lang fein: bei Polypus mefjen fie 7, bei Sepia lcm. Die Samen-
\hläuche der Krafen werden durch den Trichter zwifchen die Arme vor den Mund gebracht,
dann Ducch periftaltifche Bewegungen der Ainne zur Greifplatte befördert und bei der Be-
gattung in der Nähe der weiblichen Gejchlechtsöffnung abgejeßt. Über die fonderbaren
Ziebesjpiefe und die Kopulation Hat Schon der alte Ariftoteles jehr zutreffende Beobachtungen
gemacht: „Die Bolypoden, Sepien und Lofiginen”, fagt er, „hängen Mund an Mund mit
Fortpflanzung. | 617
verjchlungenen Armen aneinander. Nachdem nämlich der Bolypus den ‚Kopf‘ (Hinterleib)
gegen die Erde gejtemmt und jeine Arme ausgebreitet hat, jchließt fich der andere mit eben-
falls ausgejpreizten Armen an ihn, jo daß die Saugnäpfe aneinanderhängen. Manche be-
haupten auch noch), daß das Männchen eine Art von Befruchtungswerfzeug in dem einen
Arme habe; diejes eritrede jich wie ein jehniger Körper bis mitten in den Arm und dringe
nachher ganz in den Trichter des Weibchens ein. Die Sepien und Loliginen hingegen [ehwint-
men mit jejt aneinandergefügtem Munde und
verjehlungenen Armen in entgegengejeßter
Richtung, jo daß jie auch) ihre Trichter an-
einanderjüigen und alfo beim Schwimmen ich
eines vorwärts, das andere riidwärts be-
megt." Die Angaben des großen Gelehrten
des Altertums find im mwejentlichen beitätigt
worden;bejondersFijcher, Racovigaund Drem
. verdanken wir genaue Schilderungen über die
Begattung der Cephalopoden. Zn Arcachon
fing man im Wege zwei Sepien bon nicht ganz
gleicher Größe, deren Arme eng miteinander
verjchlungen waren, fo daß fi die Kiefer un-
mittelbar zu berühren jchienen. Al3 man das
Baar trennte, gab e3 feinen „Unmut“ durch
reichlichen Zintenwurf zu erfennen. Kaum
maren jie aber wieder in ein Gefäß zufam-
mengejest, jo fielen jte jich von neuem in die
Urme; der Vorgang wiederholte fich einige
Male. Die fich begattenden Tiere verharren
tundenlang inder engen Umjhlingung. Meift
werden die Spermatophoren vom Männ-
hen an der Mundhaut des Weibchens be-
feitigt; wie Dies gejchieht, ift noch nicht ge-
nau befannt, Doch daß der heftofotylijierte
Arm dabei eine wichtige Aolle jpielt, fteht en
Ouper stage Die merliindige Einuihtung, Syn. arenan ray us acniimint ven (© bon, mie ect
DIE Samenjchläucdhe in Talten der ventralen poben Loligo forbesi Stp. (©. 608). L löffelartige Greifplatte,
> G Öleitrinne. Aus Zatta, „I Cefalopodi“, in „Fauna und
Mantelhaut abzujeben, it auf den DnHchoteu- Slora de3 Golf von Neapel”, 23. Monographie, Berlin 1896.
thiven Chaunoteuthis mollis App. bejchränft.
Wejentlich anders trägt fich, nach Nacovibas Schilderung, die Begattung der Dfto-
poden zu. Hier fiben Männchen und Weibchen, oft von ganz verjchiedener Größe, etiwa in
der Entfernung einer Armlänge nebeneinander am Boden. Der männliche Krafe laßt das
Ende jeines Heftofotylus einige Zeit. auf dem Körper des Weibchen jpielen und führt e3
dann in dejfen Mantelhöhle ein. Diejer Reiz, ver dem Weibchen ficher Atemnot bereitet,
wird mit einigen hejtigen und abmwehrenden Yudungen beantwortet; doch macht eS feine
Sluchtbewegungen, fondern atmet ruhig weiter und bleibt während der Dauer der Kopula
icheinbar teifnahmlos. Über den Heftofotylus Taufen von Zeit zu Zeit wellenfürmige Be-
mwegungen bon der Bajis bis zur Spite, wahrjcheinlich zur Beförderung der Spermato-
618 Weichtiere: Kopffüßer.
phoren. Der Löffel an jeinem Ende befeftigt jie neben der Offnung des einen Cileiters.
Die Begattung erfolgte indes in dem beobachteten alle doppeljeitig, indem der Hefto-
fotgfus dann auch an der anderen Ede der Mantelöffnung eingeführt wurde, unter einigem
Sträuben des Weibchens beim Wechjel. Ein eigentlicher Kampf als Liebezipiel findet wohl
nur in dem Falle jtatt, daß das Weibchen entweder nicht brünftig over bereits befruchtet
ift. Denn ein im Aquarium von demjelben Männchen mehrfach (in acht Tagen täglich
atvei- oder dreimal) begattetes Weibchen nahın dag Männchen nicht mehr an und wehrte
den Heftofotylus ab. Berjucht das Weibchen, jich während des Borganges zu entfernen
oder nähert jich ein Störenfrien, jo rollt das Männchen einen der Ritdenarme auf, wobei
e3 durch eine tiefjchwarze Färbung jeinen „Unmut” befindet. „Eiferfucht” führt beim
Bufammentreffen mehrerer Männchen mit einem Weibchen zu grimmen Kämpfen. Die
Begattung findet namentlich abends Itatt. Der bemerfenswerte Unterichied, der zwijchen
der Kopulation der Dftopoden und Defapoden beiteht, erklärt fich aufs einfachite aus Der
berjchiedenen Länge der Arme beider.
Über die Eiablage hat Drew interefjante Angaben gemacht. Bei der von ihm
beobachteten $orm, Loligo pealii Les., werden die Spermatophoren teil3 an der weiblichen
ffnung in der Mantelhöhle, teils an der Mundmembran, den Baucharmen gegenüber, an-
geheftet. Dort befindet jich eine Tajche, die zur Aufnahme der Samenjchläuche dient, von
denen das Männchen etwa 40 auf einmal abgibt. Das Ei, dejien Hilfen noch weich und
febrig jind, gelangt vom Eileiter zunächit zum Trichter, wird an dejjen Mündung von den
über den Mund nach unten greifenden Dorjalarmen gepadt und 2—3 Minuten lang gegen
die genannte Tajche gedrüct. Währenddeifen findet die Befruchtung ftatt; die Eihäute
werden darauf feit und verlieren ihre Nlebrigfeit.
Die Eier der Yweifiemer werden einzeln oder zu mehreren in Eifapjeln, Die bei ven
Defapoden von den Nidamentaldrüfen (S. 585) abgefchievden werden, eingejchloffen. Die
Sepia befejtigt ihre zitronenförmigen, von einer diden, jchwarzen Hille umgebenen Gier
gruppenmeije an Algen, Seegras und im Waller treibenden Zweigen (j. die Sarbentafel
bei ©. 604). Die viel Eleineren Eier des Krafen find in durchfichtige Kapfeln eingebettet
und bilden mit furzen Stielen zu Taujenden aneinanderhängend zierliche Eitrauben. Die
einzeln abgelegten Eier von Moschites hingegen find jehr groß und dotterreich.
Bei Loligo vulgaris legen jich 50 bi3 100 Eier eng aneinander und platten jic) gegen-
jeitig ab. Sie find von einer gemeinjfamen gallertigen Hülle umgeben und bilden zufammen
einen zylinprifchen Strang. 5 bis 10 folcher Stränge wiederum fünnen am einen Ende mit-
einander verbunden jein; ebenjo wie die Sepieneier werden jie an Tangen befeitigt. m
Keapler Golfe findet man fie während der Frühlingsmonate in ungeheuren Mengen. Bon
einigen Ogopfiden find auch pelagifch treibende Eier befchrieben und unterfucht worden; Doch
gelang e3 nie, einwandfrei die Art, von der fie jftammten, zu ermitteln. Berrill Hat ver-
ichtedentlich aus großen Tiefen des mwejtatlantifchen Ozeans Eier von abyjjalen Dftopoden,
vermutlich vom Genus Oiroteuthis, erhalten, die an Gorgoniden, baumartig veräftelten
Korallen, befeitigt waren.
Eine Brutpflege ift bei ven Cephalopoden auf wenige Arten bejchränft. Bejonders
ausgeprägt findet fie fich lediglich bei ven Argonautiven. &3 wurde jchon erwähnt, daß bei
Argonauta die Schale, bei Tremoctopus die eingerollten Dorjalarme al Brutraum dienen,
6i8 die Jungen aus den Eiern ausgejchlüpft find. Ocythoe ist jogax zur Viviparie iber-
gegangen. Auch einige andere Oftopoden forgen für ihren Nachwuchs. So legt das Weibchen
Fortpflanzung. 619
bon Polypus vulgaris jeine Eitrauben in einer Höhle ab, bededt fie mit feinem Leibe und
treibt aus dem Trichter beftändig einen Strom frifchen Wafjerz darüber. Während diefer
Zeit joll es feine Nahrung zu jich nehmen und chließlich eingehen. Ein Fleinerer Verwandter,
Polypus digueti Perr. et Rochebr., benubt leere Mufchelichalen al3 Brutbehälter.
Die Gier der Kopffüger unterjcheiden fich weientlich von denen aller übrigen Mollusten
ducch Ihren ungeheuren Dotterreichtum. Ste find meroblaftiich, d. h. die Furchung ergreift
nicht das ganze Ei, fondern bejchränkt fich auf dejjen oberen Bol, wo eine Keimjcheibe ent-
fteht, ähnlich wie beim Bogelei. Das in der Entwidelung begriffene, noch von der Eihiilfe
eingejchlofjene Tier bietet einen merkwürdigen Anblid. Sit es nämlich fchon jo weit fort-
gejchritten, daß man Kopf und Rumpf, Augen, Arme und jogar fchon die Farbzellen der
Haut deutlich jehen und das unge al® Cephalopoden erfennen fann, jo ragt vorn am
Kopfe, unter dem Munde, ein anjehnlicher Beutel, der Dotterfad, hervor. Die Embryonen
berlaljen das Ei meift erft dann, wenn fie völlig ausgebildet find und den Eltern gleichen.
Nur bei Dgopfiden fommt e3 zu einem eigentlichen Larvenftadium. Die Jungen weichen
dann oft erheblich von Den Alten ab und zeigen bisweilen merkwürdige Sonderbildungen
(©. 610). Die jungen Dftopoden (Polypus) gleichen zwar jchon pällig den Eltern; ihr ganzer
Körper ijt aber mit feinen Haarbüfcheln überfät. Sie leben zunäcdjlt einige so pelagijc),
Jinfen dann aber zu Boden und nehmen die Lebensweije der Alten auf.
Das Wachstum erfolgt außerordentlich raid. Naef jah junge Dftopoden während
einer Woche um das Doppelte Gewicht zunehmen. Die Lebensdauer ift im Durchfchnitt
bermutlich auf ein Sahr bejchränft; befonders große Exemplare, Die von den verjchiedenften
Gattungen befannt wurden, machen hiervon aber eine Ausnahme. Am genaueften find wir
über das Alter der Loliginiden unterrichtet, vor allem über das de3 amerikanischen Kafmarz,
L. peali. Williams teilt folgendes darüber mit: Die Gier werden Ende April, wenn die
- großen Schwärme fich der Küfte nähern, abgelegt. Schon nad) 2 bis 3 Wochen fchlüpfen
die Yungen, die jo rajch wachen, daß fie Mitte Juli Ihon 3em, Ende September 6 bi3 9 cm
mejjen. Sie ordnen jich dann zu Schwärmen, verjchwinden aber und tauchen eritim folgenden
April ausgewachjen und gejchlechtsreif wieder an der Küfte auf. Die größten, die Williams
jah, waren 40 cm lang und wurden von ihn als Drittjommerige (Zmweijährige) angejehen.
Sirebje (Crustacea).
Bearbeitet von Dr. Biktor Franz.
Zu den Krebjen oder Kruftentieren (Crustacea) gehören außer allbefannten For-
men, wie Hummer, Flußkrebs, Garnelen und Krabben, auch zahlreiche andere, die in ihrem
Körperbau von jenen ftark verfchieden und meift viel Eleiner find; immerhin wird jie ver
Tierfreumd, der unter ihnen vielleicht die Wafferflöhe oder die Hüpferlinge zuerft Fennenlernt,
ichon beim erften Anblie gern als Krebstiere anerkennen. Jedoch auch unjere Kellevafjel ijt
ein echtes Krebstier! So ift der Stamm reich an jehr verjchiedenen Erjheinungen.
Die Unterabteilung, die jene befannteften hartichaligen Vertreter mit der deutlichen
Ningelung des ganzen Körpers umfaßt, führt in der Wiljenihaft ven Namen Malacostraca,
was verdeutjcht Meichjchaler heißen würde; ihnen ftellt man al$ Entomostraca, verdeutjcht
Ningelichaler, eine Menge großenteils viel weichhäutigerer Krebje mit oft viel jehwerer zu er-
fennender Ningelung gegenüber. Dieje beiden jcheinbar verkehrten Namen find geichichtlich
zu erklären. Ariftoteles nannte die Sippichaft des Flußfrebjes „Malacostraca‘ im Gegenjaß
zu den hartjehaligen Mufchen und Schneden, jeinen ‚Ostracodermata‘, die noch heute der
Nordieefiicher mit den Krebstieren unter dem Namen Schaltiere ohne Nücliht auf den Körpers
bau zufammenfaßt. Anderjeits erhielten in viel jpäterer Zeit die Mufchelfvebschen und Wajjer-
flöhe, die eine mufchelähnlihe Schale haben, von D. 5. Müller den Sammelnamen Ento-
mostraca, geringelte Cchhaltiere, wiederum im Gegenjaß zu den Mujchelweichtieren.
innerhalb des großen Streifes der Gliedertiere (Arthropoda), der auch die in Band LI
diejes Werkes behandelten Taujendfühler, Injekten und Spinnentiere umpanıt, nehmen
die Krebie einen wohlbeftinnten Vlat ein. Mit den übrigen Olievertieren teilen fie die Olie-
derung des Körpers, jowohl des Numpfes als der Gliedmaßen, und ftunmen mit ihnen in
der Anlage und Lagerung der inneren Organe im wejentlichen überein, haben jedoch eine
° Eigentümlichkeit, die dem Leben im Wafjer entipricht. Wenn viele Injekten, Spinnen und
Milben over deren Larven fi dem Aufenthalt im Wafjer angepaßt haben, jo bleiben doc)
ihre Amungswerkeuge dem Schema der Luftatnungswerkzeuge, der Tracheen, getreu; die
Krebje aber find Wafferatmer und zu diefem Zwede entweder mit Kiemen verjehen, oder es
findet, wenn dieje fehlen, der Gasaustaufch durch die ganze Körperoberfläche ftatt. Dieje At-
mungsweife erfordert natürlich dünne Körperbededungen, wie wir fie vor allem bei den Hüpfer-
Lingen finden. Einige Krebje zwar, namentlich aus den Gruppen der Affen und Krabben, haben
fich im Laufe der Sahrtaufende dem Landleben angepaßt und atmen Luft, aber ihre Atmungs= -
wertzeuge haben jelbft dann noch wenigftens teilweife ein Eiemenartiges Ausjehen bewahrt.
Ein zweites Merkmal fast aller ausgebildeten und nicht duch Schmarogerleben verfün-
merten Krebje ift, daß fie mehr als vier Baar Beine bejißen. Es ift aljo geröhnlich
Allgemeines. 621
vecht leicht feitzuftellen, ob ein uns in die Hände fommendes Gliedertier ein Krebs it. Mit .
drei Baar Beinen ift e3 im allgemeinen ein Infekt, mit vieren eine Spinne. Eine Ausnahme
von diefer Negel machen einerfeitS die vielfüßigen Myriopoden, unter denen bejonders die
Glomeriden mit Afjeln verwechjelt werden Fünnen, und Ze einige nievere Krebje, die
weniger al3 fünf Beinpaare befigen.
Ein drittes, fajt Durchgängiges Merkmal aller Krebstiere ift der Befis von zwei Baa-
ven von Fühlern oder Antennen am Kopf vor der Mundöffnung, denn die übrigen Glieder-
tiere befigen jäntlich, wer überhaupt, nur ein Antennenpaar.
Die Hautbededung, die bei allen Gliedertieren aus einem mifrojfopiih und hemilch
jih eigentümlich verhaltenden Stoffe, dem Chitin, befteht, erhält bei vielen Krebjen durch
Zwilchenlagerung von Fohlenfaurem Kalk eine größere Stärfe und Wiberftandsfähigfeit;
. daher der Name Kruftentiere, Crustacea.
| Sin offenen Meere gleich heimijch wie an den Küften, halten fich Krebje zugleich in den
verjchiedenften Tiefenzonen auf. Eine Reihe von Ordnungen ift dem Tüßen Waffer angepaßt,
dem fließenden und ftehenden, dem reinen und dem mit faulenden Stoffen erfüllten. Viele
leben im Meere oder im Süßwaffer freiichwimmend, und namentlich die Fleineren Arten
bilden einen großen Beftandteil des fogenannten Gejchwebes oder Auftriebes, des Blanftons,
die größeren Arten aber find meift bodenftändig, haufen unter Steinen und im Süßwaifer
unter Gefträuchen, während andere weite Reifen über Land unternehmen und einzelne Krabben,
ja jelbjt langihwänzige Krebje auf Büjhhe und Bäume flettern. Meift frei ihrem Naube nach-
gehend und hierzu durch ihre Iharfen Sinneswerkeuge, ftarken Kiefer, Scheren und Fräftigen
Gliedmaßen befähigt, haben fie auch zahlreiche Genofjen unter fich, bei denen die anfänglich
viel verjprechende Oliederung beim weiteren Wachstum ins Stoden gerät, und die num einer
feftfigenden Zebensweife in oft gar nicht mehr frebsähnlicher Gejtalt oder gar einem Schma-
rogertum auf Fiihen, Krebjen, wohl auch auf Würmern, verfallen, in welchem jte jogar zu
icheinbar leblofen Säden verfümmern.
Der Hautpanzer überzieht den ganzen Körper mit allen feinen Anhängen, aber nicht in
gleihmäßiger Stärke, da er, wie bei allen Gliedertieren, zwiichen den Leibesringen und in
den Gelenken bejonders weich ift und bei der Bewegung nadgibt, oft auch ftellenweile,
namentlih an den Scheren, wenn foldhe vorhanden find, einen höheren Grad der Härte
erlangt. Sehr häufig bildet er befonders im Bereiche der vorderen Segmente rechts und infs
eine Duplifatur oder Falte, die den Körper umfaßt und in manchen Fällen, jo bei Waffer:
flöhen und Mufchelfrebjen, zu der jchon erwähnten zmweiklappigen, mujcelähnlihen Schale
auswächlt. Bei jehr vielen Rankenfüßern ift, in erfter Linie zufolge der im ausgebildeten
Zuftande feftfigenden Lebensweife diefer Tiere, die Schale nicht nur bejonders reich) an Kalk:
jagen, es wird vielmehr ihre Ähnlichkeit mit den Gehäufen der Weichtiere jo groß, daß
ältere Naturforjcher die Nanfenfüßer für abweichende, abenteuerlihe Mollusfen anjahen.
Die oft pradptvoll bunten Farben beruhen teil3 auf Farbftoffen, die die Unterhaut unter
dem ganzen Banzer durchlesen, Hauptfächlich aber auf befonderen, reich veräjtelten Bellen diejes
Gewebes, in denen fih der Farbitoff auf den Mittelpunkt der Zellen zufammenziehen und
wieder bis in die feinften Ausläufer verteilen Fann, jo daß er bald fait unfichtbar, bald in
voller Breite zu jehen ift. Solche Zellen, die neuerdings namentlich von Doflein und von
Degner unterjucht wurden, find oft vielfernig und haben weiße, gelbe, rote, braune, violette
und blaue Farben in bald flüffiger, bald feinförniger Befchaffenheit, und mandhmal mehrere
über und nebeneinander. Rot oder vötlichgelb ift bei Krebjen eine weitverbreitete Farbe,
692 Krebje.
und man Fan es in gewilfen Sinne die Urfarbe diejer Tierklaffe nennen, zu der die meiften
nach) ihrem Tode zurücfehren, da fi) der blaue Stoff dann teils auflöft, teils in voten ver
wandelt. . Die rote Farbe ift auch vielfach jolhen Krebjen eigentümlich, die in der Tiefjee
[eben und damit dem Lichte und feinen mittelbaren und unmittelbaren Einflüffen entzogen
find. Soldhe Kruftentiere hingegen, die in Höhlen und ähnlichen unterirdiichen Räumen
haufen oder fi) in Sand und Schlamm eingraben, erjcheinen bleichjüchtig hell. Die auf
hoher See in den oberen Wafjerjehichten lebenden Krebje und ebenjo die ftändig frei Jhmwim-
menden Formen unjerer Seen find meift vollkommen glasartig durchfichtig. Nahe verwandte
Arten find bisweilen verjehieden gefärbt, finden fih dann aber au) an verjchiedenen Ortlich:
feiten und gleichen der vorherrichenden Farbe des dortigen Untergrumdes. Auch die nän-
liche Art kann in flachen Wafjer der Färbung der Umgebung entiprechend abändern. So
ift nad) Beobachtungen von Carrington und Lovett der Tajchenfrebs auf hellem Sandboven
gelbgrau, rötlihbraun aber auf jolhem, der eifenihüfltg ift, und mattbraun, oft mit einem
Stich ins Grünliche, auf Schlammboden. In den Pfügen, die zur Zeit der Ebbe auf und
zwifchen den Diorit und Syenitfeljen der Kanalinjeln zurücbleiben und durch eine reiche
bunte Meeresflora ausgezeihnet find, finden fi auch die bunteften Stüde der Tajchenkrebie,
namentlich prächtig grüne mit weißen Abzeichen.
Selbit ein md dasjelbe Stüd paßt oftmals jeine Farbe der Färbung jeiner jeweiligen
Umgebung an, eben infolge der Beweglichkeit des Farbitoffes in den Farbenzellen, den jo-
genannten Chromatophoren. Mabdorff Hat an einer in ver Kieler Bucht und überhaupt an
den meiften Küften Europas und Nordamerifas häufigen Aljel, Idothea baltica Pall., um:
faffende Unterfuhungen darüber angeftellt. Smmer entjprachen die von ihm beobachteten
Tiere in ihrer Farbe der nächiten Umgebung und oft in jo hohem Grade, daß er nad)
monatelanger Beichäftigung mit ihnen Doch noch hin md wieder getäufcht wurde. sn dunfeln
und hellen Schüffeln veränderten die Affen durch Ausdehnung und Zujammenziehung der
Farbenzellen ihre Färbung immer in entjprehender Weife. Überzog der Beobachter ihre Augen
mit einer Schicht von Ihwarzem Lad, dann verloren fie jene Fähigkeit, die übrigens auch nicht
bei allen, ver Färbung nach) von Haufe aus untereinander jehr verihiedenen Stüden die näm:
liche war. Ohne Einfluß waren Nahrung, unmittelbare Lihtwirkung, Salzgehalt des Wafjers
und Temperatur, während bei anderen Krebjen, wie ver Mittelmeergarnele Nica edulis Risso,
der Farbftoff in ven Chromatophoren fich bei herabgeleßter Temperatur zujfammenzieht.
Da alle Barzerteile ftarr find, jo wachjen fie nicht in dem Maße mit, wie der Krebs
jelbit, fie müfjen daher von Zeit zu Zeit abgeworfen werden, was der Foricher als Häuten,
der Fiicher meift al3 „Schalen“, „Muten‘‘ oder „Mintern‘‘ bezeichnet. DViele fi) nicht häu-
tende Gliedertiere find ja nach ihrer Verwandlung und nachdem ihr Hautffelett eine gemwijje
Starrheit und Feftigfeit erlangte, an eine beftimmte Größe gebunden: fie wachjen nicht mehr. -
Die fich periodijch häutenvden Krebje haben dagegen die Fähigkeit erlangt, zeitlebens zu
wachen. Man betrachte einige hundert Maifäfer: ihre geringen Größenunterichiede haben
fie aus ihrem Buppenzuftande ererbt, und während ihrer furzen Schwärmzeit gleichen fie fic)
nicht aus. Ein Fleiner Krebs hat aber die Hoffnung, ein großer zu werden, wenn nicht eine
unkluge Nationalökonomie ihn jchon als Züngling der Küche überliefert. Die Häutung ift
ein anziehender Vorgang, der am Flußfrebs jchon von Neaumur in der erjten Hälfte des
18. Jahrhunderts, jpäter von M. Braun, Dröfcher und anderen, am Hummer namentlich von
Chrenbaum eingehend unterjucht worden ift.
Bedenft man, daß nicht mn die feinften äußeren Organe, Fühlhörner, Augen, Kiemen
ee A ee Zn
Allgemeines. 623
dabei ihrer Hüllen ledig werden, jondern jogar der Darmkanal, die hitinige Magenhaut und
die Zähne, die fie bildet, an der Häutung teilnehmen, fo begreift man, daß unjer Flußfrebs
einige Tage vor der Häutung feinen großen Appetit verrät: wer fünnte viel ans Eifen denken,
wenn ihm alle Zähne wadeln? Man merkt die bevorftehende Katajtrophe auch durd) das
Gefühl: drückt man mit dem Finger auf den Banzer, jo gibt er etwas nad. Er hat fi)
nämlich Schon im der vorhergehenden Zeit durch Auflöfung feines Kalkes teilweile gelodert,
namentlic$ am unteren Bruftpanzer und in den engften Teilen der Scheren. Bald darauf
wird der Krebs unwuhig. Cr reibt die Beine gegeneinander, dann wirft er fid) auf den
Niüden, arbeitet mit dem ganzen Körper, und jchließlich gelingt e3 ihm, die Haut zu zerreißen,
die am Nüden den Banzer des Kopfbruftftücdes mit dem Schwanz verbindet, während bet dei
Kurzieäwanzkrebjen im gleihen Falle ein Längsriß oben in der Dede des Kopfbruftitücdes
entjteht. Das Sprengen des Banzers erfordert offenbar große Kraftanjtrengungen und joll,
nad Vibou, auch dadurch wejentlich erleichtert werden, daß weit mehr Wafjer als jonjt dent
Blute beigemischt ift. Durch die Wafjeraufnahme wird der Blutorud erhöht, ev wird aber
außerdem noch weiter dadurd verftärft, daß aus den diden Scheren und jonjtigen Olied-
maßen das Blut nach) dem Körper hin abftrömt. Brit man nämlich zu diefer Zeit das
Ende einer Schere ab, jo erjcheint e3 leer: die Weichteile find bereits zulammengejhrumpft
und haben fich bis ins zweite Glied zurüdigezogen. Daß übrigens auch bei anderen Krebjen
die Erhöhung des Binnendrudes bei der Häutung eine Rolle jpielt, dafür pricht eine Beob-
achtung Giesbrechts: ein Hüpferling, Notopterophorus, füllte fih vor der Häutung das
ganze Darmrohr mit Wafjer und erreichte dadurch die Sprengung der alten und Glättung
der neuen Hülle Auf diefe erfte Anftrengung folgt beim Flußfrebs, eine Zeit der Aube.
Bald aber beginnt er feine Beine und alle anderen Körperteile wieder zu bewegen, und num
fieht man, wie fie) der Banzer des Kopfbruftftüces mehr und mehr hebt und feinen Abjtand
von den Beinen vergrößert. Im wenigen Minuten oder Stunden hat fi) der Krebs aus
feiner Haut gezogen, indem er exit, mit dem Kopfteil fih nach Hinten ftemmend, Augen umd
Fühler frei madt und dann jeine Beine aus ihren engen Hüllen herauszwängt. Das lebtere
macht ihın die größten Schwierigkeiten. Nachdem jedoch auch dieje vielleicht chmerzhafte Arbeit
vollendet ift, entledigt fich der Krebs jeiner Kleidung geihwind. Er zieht den Kopf unter dem
Kücdenjchilde hervor, und der Schwanz arbeitet fih nun leicht aus feinem Futteral heraus.
Die abgeftreifte Hülle ift manchmal bis auf jenen queren Riß am Anja des Schwanzes un-
verjehrt. Der eben aus feiner Hülle gekrochene Krebs hat eine weiche Hautbededung, ift darum
wehrlos umd, da ihm ein feftes äußeres Widerlager für feine Musteln fehlt, völlig hilflos.
Aber diefer bedenkliche Zuftand, worin der Flußfrebs als ‚„‚Butterfreb3‘ bezeichnet wird, geht
dank einer zwedmäßigen Einrihtung in wenigen Tagen vorüber. Jedermann find jene
Iinjenförmigen Kalkbildungen befannt, die jogenannten „SKrebsaugen“ oder „Krebsiteine‘‘, die
vor der Häutung von den Seitenteilen der Magenwand abgejchieden werden. Da aber aud)
der Magen von einem Chitinbelag ausgekleidet ift, jo liegen die Steine zunächft unter diejen,
je einer an jeder Seite. Erjt mit der Häutung gelangen fie in den Wagen felbjt und werden
bier vajch aufgelöft. Der Kalk geht in die Blutflüfftgfeit über und wird jchlieglich an die
Zellen abgegeben, die ven Panzer abjeheiven. Beim Hummer, defjen Sautbededung uns
mittelbar nach der Häutung eine wundervoll jamtihwarze Farbe bejigt, dauert die Erhärz
tung bedeutend länger, ebenfalls jehr lange bei den Finzichwänzigen Krebjen over Krabben;
dieje ziehen fich während diejer Zeit zurüd, indem fie fich in Felsrigen, unter Steinen over
auch in Erdlöchern verbergen. Nicht alle Kruftentiere werfen indefjen ihre Haut in ganzen
624 Strebie.
ab; die Ajfeln zum Beifpiel häuten fich zwar vielmals in ihrem Leben, aber die alte Haut
fällt in zwei Stüden ab, jo daß der Vorderteil des Tieres noch in der alten Schale jteden
fann, während das Hinterende jhon davon befreit ift.
Die Größenzunahme nad der Häutung ift nicht unbeträchtlich. Hyatt beobachtete, daß
ein Hummer nad) der Häutung um mehr als den fünften Teil feiner früheren Länge zuge:
nommen hatte.
Die Zahl der Häutungen, die ein Kruftentier in feinem Leben zu überjtehen hat, it nac)
den Arten jeher verfchieden; im allgemeinen jcheinen fich Fleinere viel öfter al3 größere zu
bäuten. Surine beobachtete, daß Wafjerflöhe innerhalb 17 Tagen fich achtinal diefem Gejchäft
unterzogen. Unfer Flußfrebs häutet fich im erften Jahre vielleicht jechg= bis zehnmal, im zwei-
ten fünfmal, im dritten viermal, vom vierten oder fünften ab, wo etwa er fortpflanzungsfähig
wird, im männlichen Gejchlecht wohl meijt zweimal, im weiblichen nur einmal jährlid. Nad)
Schiemenz aber würde fi auch der männliche reife Krebs nur einmal jährlich häuten.
Bei manchen, vielleicht bei allen Krabben jeheinen fich übrigens die beiden Gefchlechter
nicht zugleich zu häuten. Bald nad) der Häutung des Weibehens findet die Begattung jtatt.
Das hat einen beftimmten Grund: die Krabbenweibehen üben wie viele Krebje eine Brut-
pflege aus, fie heiten fih die abgelegten Gier an ihrem Körper an und tragen fie bis zum
Ausihlüpfen der Larven mit fih herum. Würde nun die Ciablage vor der Häutung ftatt-
finden, dann würden die Eier mit dem Banzer abgeworfen werden und verlorengehen; erfolgt
fie dagegen kurz nad) der Häutung, dann haben die Eier die zur Entwidelung nötige Zeit.
Nun wird ung auch das eigentümliche Verhalten der Strandfrabbe, Carcinus maenas L.,
verjtändlih. Das Männchen diejes Krebjes bemächtigt ich, nach) Cofte, des Weibhens zur Zeit,
wenn deifen Häutung bevoriteht und jchleppt e8 mehrere Tage mit fich herum, um die Yäu-
tung abzuwarten. Gleich läßt fih das friichgehäutete Weibchen indeffen nicht begatten, jon-
dern erjt nach) einigen Tagen, wenn der VBanzer jchon eine gewilje Härte erreicht hat.
Der Körper der Krebje zerfällt wie der aller Gliedertiere in eine Neihe hintereinander ges
legener Ninge, Segmente oder Metamere. Während nun aber bei den Ningelwürmern (vgl. ©.
273), im allgemeinen wenigjtens, ein Ning dem anderen jowohl äußerlich als innerlich gleicht,
zeigen die einzelnen Metamere der Krebfe untereinander häufig eine vecht verjchiedene Ausbil-
dung. Man bezeichnet diefe Art ver Segmentierung als heteronom im Gegenfaß zur Homonomen
der Gliederwürmer. Vielfach treten dazu in gewiffen Abjchnitten des Leibes VBerfehmelzungen
mehrerer Ninge ein. So hat der Kopf immer den Wert von mehreren Segmenten, mindejtens
fünf haben Anteil an feiner Bildung. Aber auch darüber hinaus laffen fih VBerwachlungen
feitjtellen. Nur in jehr jeltenen Fällen ift dev Kopf deutlich von dem darauffolgenden eriten
Bruftfegment getrennt, meilt vielmehr ift er mit ihm verwachlen, und diejes wieder mit einer
Eleineven oder größeren Anzahl der folgenden Bruftjegmente zu dem Kopfbrujtjtüd over ge
phalothorar, an vejjen Bildung fie) unter Umftänden jogar noch einige Ninge des Hinter:
leibes over des Abdomen, das im gewöhnlichen Sprachgebrauch beim Flußfrebs, Hummer
und anderen Arten „Schwanz genannt wird, beteiligen. Bei ausgebildeten Kruftern Fanır die
Segmentierung dur Schmarogertum in höherem oder geringerem Grade verwilcht werden.
Sind die Grenzen der Segmente nicht mehr zu erkennen, dann fan uns vielfach über
Ihre Zahl die der Gliedmaßen Auffchluß geben; denn urjprünglich tritt an jedem Ning ein
Paar folcher jeitlicher Anhänge auf. Sie fehlen an ven Segmenten der Bruft nur felten, öfter
Ihon an denen des Hinterleibes, find dagegen an denen des Kopfes faft ftetS vorhanden und.
zu Frohe und Taftwerkeugen umgewandelt.
Allgemeines. 625
Die Gliedmaßen der Krebstiere Laffen fih aus Gründen der vergleichenden Anatontie
und Entwidelungsgefhichte in ihrem Bau auf eine Grundform zurücdführen, die man Spalt:
fuß nennt und die bei zahlreichen Struftaceen, am beften bei ven Kopepoden (vgl. Abb. a),
wiederfehrt. Yom dritten Glied an — die beiden erften bilden den Stamm — find jolche Füße
gegabelt, die Glieder ftehen aljo nicht in einer Zeile, wie beim Spinnenbein, jondern in zwei
ten. Bon diefer Grundform laffen fi alle die mannigfaltigen Oliedmaßenformen ableiten,
die wir in den verschiedenen Familien, ja oft jogar am gleichen Tiere antreffen. So Fünnen
alle Glieder untereinander verfchmelzen und durch reihen Borftenbefat zu einem Blattfuß
werden (vgl. Abb. b), oder es Fünnen einzelne in Wegfall treten, wie 3. B. an dem Schreitfuß
eines Slohkrebjes (vgl. Abb. ce). Wenn, wie in diefem Falle, am ausgebildeten Tier nur
mehr der Snnenaft erhalten ift,
fo findet fi) Doch an der entjpre=
chenden Stelle der Jugenpftadien
oft noch der typische Spaltfuß.
Eine Ausnahme von diejer
Kegel macht nur das erite Glied-
maßenpaar, bieerften$ühleroder
ersten Antennen. Sie find Stets
einäftig, jelbft bei den Larven
zuftänden. Pan jtellt fie Daher
auch als Antennulae den zweiten
Antennen, die immer Spaltfuß:
Harakter Haben, gegenüber. Häus:
fig ift allerdings die erfte Antenne
icheinbarzweiäftig,abernurfchein- Bruftgliedomaßen von Krebätteren: a) Spaltfuß eines Auderfuß-
! R , E fvebies, b) Blattfuß von Diaphanosoma brachyurum Lievin, ce) Shrettfuß
bar, ven die aftartigen ‚eben: von Gammarus pulex ZL. p Die Ölteder des Stammes, e äußerer Aft, i tanerer
geißeln‘“, die neben dem Hauptaft Alt, ep Kiemenanhang. a a von Dr. ©. a b
vorfommen, find Neubildungen.
Beide Fühlerpaare find Sinneswerkeuge, die Träger der Geruchs> oder Gejchmads-
organe, mit denen der Krebs feine Beute wittert. Sie fönnen jedoh au andere Aufgaben
mit übernehmen. So dienen die Fühler der Kopepoden und Oftracoden gleichzeitig zur Fort
bewegung, während bei den Wafferflöhen das zweite Baar ausjchlieglich zum Nudern verwendet
wird. Mitunter find die Antennen zu Klammerorganen umgejtaltet, wie bei den Männchen
der Nuderfüßer und mancher Blattfüßer, und werden dann zum Feithalten der Weibihen
während der Begattung gebraudt. Zum gleichen Zwede, zum Anklammern und Anheften
an anderen Tieren oder an leblojen Gegenftänden, find [hlieglih auch die Fühler bei vielen
ihmarogenden und feitjigenden Formen umgebilbet.
Die drei nädhftfolgenden Paare von Körperanhängen find die Kiefer, ein Baar Ober:
fiefer oder Mandibeln und zwei Baar Unterkiefer oder Marxillen, die fi) wie bei den fauenden
Snjekten von außen nad) innen gegeneinander bewegen. Bei manchen Ihmarogenden Kruftern
haben fich diefe Kiefer der Geftalt nach wejentlich verändert und bilden einen Rüffel, mit dem
die Tiere ihre flüjfige Nahrung zu fi nehmen. Zu diejen drei Baaren von Mundgliedmaßen
treten in vielen Fällen bis zu fünf weitere Paare als Hilfskiefer, Kieferfüße oder Marilli-
peden hinzu. Sie find ihrer Entjtehung und Lage nach) Bruftbeine, die aber nicht im Dienjte
der Drtsbewegung ftehen, Jondern mit den beiden Unterkieferpaaren zum Fefthalten, Betajten
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 40
626 Srebie.
und Zurechtlegen der Nahrung verwendet werden, während die Oberfiefer die weitere Zer-
Eleinerung der Nahrung vornehmen. Bei den zehnfüßigen Krebjen, zu denen auch ver Flup-
frebs zählt, find drei jolher Hilfskieferpaare vorhanden, bei vielen anderen Krebjen finden fie
fih in geringerer Zahl. Das Zerfauen und Zerzupfen der Beute wird durch die „Kauladen’
vorgenommen, bejonders reich mit Zähnen und Borften verjehene Glieder des Stammes und
des Innenaftes der Mundglievmaßen, während das Befühlen vorwiegend mit ven Außenäften
gejchieht, die man deshalb au „Tafter” nennt. Beim Flußfrebs find dieje fat ftändig in
Bewegung zur Erneuerung de3 Atemwafjers.
Die Gliedmaßen der Bruftfegmente find außerordentlich verichteden gebildet, je
nach der Art der Bewegung, die fie ausführen. So find fie Laufbeine bei ven Zehnfüßern und
Afjeln, blattförmige Nuderfüße bei den Kiemenfüßern, zweiäftig geteilte Schwimmfüße bei den
Hüpferlingen oder Zyflopiven, Strudelorgane bei den feftfigenden Seepoden und Enten:
mufchen, und endlich Fönnen fie bei jehr rücgebildeten Shmarogenden Formen überhaupt fehlen.
„Sceren” entjtehen dadurd), daß fich das lette Glied gegen eine Elingenartige Verlängerung
des vorleßten bewegt. Bei „Naubfüßen” wird das lebte Glied nad) Ant eines Tajchenmeilers
in eine Furhe des vorleßten eingefhlagen. Die Hinterleibsbeine haben bei verjchievenen
Gruppen der Krebstiere verjchiedene Beltimmung und daher verfchiedene Geftalt, find aber
immer anders als die Bruftbeine bejhhaffen. Sie fünnen Bewegungsorgane jein, die Sum
vermitteln, dem Anheften der Eier oder noch anderen Zweden dienen.
Die Sinnesorgane find bisweilen jehr hoch entwidelt. Augen fommen in zweierlei
Art vor, aber jelten bei dem gleichen Tiere, wie es bei Sinjeften jo häufig ift. Entweder
find fie einfach, bisweilen nur in der Einzahl vorhanden, oder fie ericheinen als Facetten-
augen, ähnlich denen der Kerfe, und beftehen unter Umftänden aus einer großen Anzahl zu:
Jammengedrängter Feilfürmiger Einzelaugen oder Facetten; jo hat die Riejentiefjeeafjel, Bathy-
nomus giganteus M.-E., an jedem ihrer beiven Augen deren nicht weniger als 4000. Bei
vielen Krebjen fiten die Mugen auf beweglichen Stielen, den Augenträgern oder Ophthalmo-
phoren, die bei einigen Krabben jehr lang find.
Bei Krebjen verichiedenfter Art, die in unterirdiihen Höhlen leben, find die Augen rüd-
gebildet, und zwar in jehr verichiedenem Grade bis zum völligen Schwund, wie das ja aud)
in anderen Tierflaffen bei unterirdiich lebenden Arten die Negel ift. Auch im Dunkel der
Tiefjee leben jo mandje blinde Krebsarten, daneben aber auch joldhe mit viefig vergrößerten
Augen, mit lihtftarfem optiichen Apparat und glänzendem Augenhintergrund, der wohl die
Ausnußung des Ihwahen, von Leuchttieren ausgehenden Lichtes fteigert und das Auge gleich
dem der Kaben zu einem jcheinbar leuchtenden macht. Auch manche Krebje der höheren
Wafjerihichten haben einen jolchen leuchtenden Augenhintergrund, ein Tapetum lucidum.
Das Niehvermögen vieler Krebje ift ausgezeichnet entwidelt, wie uns die Tatjache
lehrt, daß dieje Tiere durch die Gegenwart von Nahrungsmitteln im Waffer in Furzer Zeit
angeloct werden. Man bringt deshalb Nas oder Stüde von Fiihen und Krabben als Köder
in den Fallen an, mit denen man Krebje, Hummern und Krabben fängt. AS hauptjächlichites
Kieche oder Schmedorgan — eine jcharfe Grenze zwischen beiden dürfte hier Faum zu ziehen
jein, jo daß man am beiten vom Drgan des hemijchen Sinnes jpriht — ift nad) Ver:
juchen von Nagel, Bethe und Doflein die Antennula anzufehen, wenn fie auch vielleicht nicht
das einzige Drgan diefes Sinnes ift. Snsbefondere find es jchlauchförmige, mifrofkopijch
teine Hächen auf diefen vorderen Antennen, von denen bei manchen Krebjen einige am Ende
einen feinen Saarpinfel bilden, die wenigftens zum Teil die Niechempfindung vermitteln. Sie
Allgemeines. 627
find im allgemeinen bei männlichen Tieren befjer entwidelt als bei weiblichen, umd bet jehen-
den weniger reich al3 bei blinden.
Hauptjiß ver Taftempfindung find beive Antennenpaare, insbejondere aber die langen,
fühlhornartigen Nebengeißeln, die, wie auf ©. 625 erwähnt, oft an den zweiten, jeltener an
den erjten Antennen ausgebildet find. Aber nicht num auf ihnen fißen gelenfig eingefügte,
Sinneellen tragende Borften, jondern auch an anderen erponierten Stellen des Krebsförpers,
an den Beinen, namentlih an deren Gelenken, an den Schwanzplatten und an vorjpringen=
den Kanten und Flächen. Blinden Formen von Tiefjeefrebjen wird mandmal durd) groß:
artig entwidelte Spür= und Taftorgane das mangelnde, weil unnüße Geficht gewiß reichlich
und jehr zwecfentiprechend erjeßt. Ein ähnlicher, wen auch bei weiten nicht jo vollfornmener
Erjag für das fehlende Sehvermögen ilt dem blinden Flußfrebs der Mammuthöhle in Ken:
tudy, Cambarus pellueidus Tellk., in höher entwidelten Empfindungsborften geboten, die
fi über den ganzen Körper ra, bejonders aber am Kopfende finden.
Der einwandfreie Beweis, daß Krebje hören fünnen, ift nicht erbracht. Was man Früher
als Gehörorgane oder „Dtozyiten” bejchrieben hat, betrachtet man jet als „Statozyften”,
dv. h. al Drgane des Gleihgewichtsfinnes. Bei den zehnfüßigen Krebjen fißt je ein
jolches Organ im Bajalglievd der Antermula; es beiteht aus einem Bläschen, dejjen Srnen=
‚wand mit Borjten bejet ift, die oft Hörfteindhen, ‚„Statolithen”, tragen. Dieje Statolithen
find manchmal nichts anderes als natürlicher Sand. Bei den langfhwänzigen Zehnfüßern
fteht nämlich das Hörbläshhen mit der Außenweli dur) einen Spalt in Verbindung, es ijt
bier aljo ein Sörfäddhen, und e8 ijt Elar, daß es im Falle der Häutung jo gut wie die Aus-
fleivung des Magens und Enddarms abgeworfen werden muß. Dabei gehen auch die in
diefen Chitinbeutel eingeflojjenen Gehörfteine mit verloren, und fie müfjfen erjeßt werden.
Henjen jah nun als eriter, wie ein Kleiner Seefrebs fi) jeine „Ohren“ voll feinen Kies ftopfte
und jomit die verlorengegangenen Gehörfteine ergänzte. Bon Erner aber ftammt ein Ichöner
Berjuch, der die Bedeutung der Statozyften als Oleihgewichtsorgane ficherjtellt. Diejer Foriher
jeßte eine Garnele nad) der Häutung auf Eifenftaub, jo daß fie ihre Statozyften mit diejem
der magnetischen Wirkung zugänglichen Material anfüllte Brachte man jet einen Magneten
in die Nähe, jo wirkte nicht mehr bloß die Schwerkraft auf die Statolithen, jondern auch die
magnetische Kraft, und für den Krebs waren das Oben und das Unten gleichlam verjfchoben,
weshalb er fich nicht mehr in gewöhnlicher Weife, Jondern jo gut wie möglich nach der Nefultante
aus der Schwerkraft und der magnetiihen Kraft orientierte, alfo bei jeitlicher Einwirkung des
Magneten den Körper nach der entgegengejeßten Seite jehräg ftelltee. Statozyften finden fich
auch bei ver Familie der Miyfiven; hier liegen fie im Schwanzfächer und find von der Außenwelt
abgeichlofjen wie bei ven Krabben. Auch bei Flohfrebjen hat man Statozyften bejchrieben.
‚Sm Anihluß hieran jei erwähnt, daß mande Krebje Töne von fi) geben. Gewilje
Krabben der Gattung Ocypoda haben am vorlesten Glied ihres rechten Scherenbeines eine
feilenartige Zeijte, mit der fie an einer anderen jcharffantigen Leifte des zweiten Gliedes, vom
Aumpfe aus gerechnet, desjelben Beines hinftreichend einen piependen Ton erzeugen, und
manche Garnelenarten machen ein für ihre Größe bemerfenswertes fnipjendes Geräufh. Von
der Langufte wird unten hnliches zu berichten fein.
Bei einigen in der Tiefe und jelbjt in Oberflächennähe im Meere lebenden Spaltfüßern
oder Schizopoden Fommen an den Seiten des Hinterleibes oder auch am Kopfe eigentümliche
Drgane vor, die früher alS Nebenaugen angejehen wurden, in der Tat aber Leuchtorgane find,
Das zentrale Nerventyftem ift ein Stridleiternerveniyitem mit über dem Vorderdarm
40*
628 Krebie.
im Kopf gelegenem Gehirn und einer dem Rumpf angehörigen Bauchganglienfette, die vorn mit
dem Gehirn durch die den Borderdarm umfaffenden jogenannten Schlundkommifjuren verbunden
ift. Die paarige Oanglienkette gibt mit den Längsfajern zwijchen den hintereinanderliegenven
Ganglien und mit den Duerfafern zwischen je zwei Ganglienpartnern das Stridleiterbild, das
jedoch beim ausgebildeten Tiere oft pur Konzentration der Ganglien hodhgradig beeinträchtigt
it. Das Gehirn entjendet unter anderem die Seh: und Antennennerven, die Öanglien des Baud):
marks die Nerven zu den Olieomaßen. Ein ympathilhes Nerveniyften verjorgt, wenigitens
beim Flußfvebs, bei Krabben umd ähnliden Formen, das Herz und ven Berdauumgsapparat.
Die Verdauungsorgane der Kruftaceen zeigen eine größere Öleichinäßigfeit des Baues
als die Segmentalanhänge Ein großer Teil diefer Wejen, nämlich fat alle Malakoftrafen
und viele Entomoftrafen, ernähren fih ausihhlieglih von tierifcher Kojt, demgemäß ift das
Verdauungsrohr meilt gerade und Furz.
Der Mund ift nicht endftändig, Jondern findet fih an ver Baucdhjjeite etwas von vor-
deren Kopfrande entfernt. Die Speijeröhre, in die bloß bei ven Strudelfüßern Speichelvrüjen
münden, führt van bei den Zehnfüßern, wohl überhaupt allgemein bei ven Malakoftrafen,
jowie auch bei den Mufchelfrebjen in einen geräumigen Magen, dejfen Innenfläche meift
mit einer Neihe von Hervorragungen, Xeiften und Zähnen bejegt ift, die durch bejondere
Muskeln bewegt werden. Diefer Kaumagen feßt das durch die Dberkiefer angefangene Kau-
geihäft fort. Verwidelte Neufen aus feinften Härchen verhindern dabei, daß nicht vollfommen
zerichrotete Nahrungsteile in den Darın gelangen, der vom Magen aus dur) den Hinterleib
als ein faft gerader, dünner Schlau verläuft und den man bei den Flußfrebjen mit dem
Enöftüc des Schwanzes leicht ausreißen Fan. Die fogenannte Leber auf beiden Seiten des
Magens ift beim Flußfrebs oder Hummer an ihrer gelben oder gelblihbraumen Farbe und
dem faferigelappigen Bau leicht zu erkennen. Neben der Abjonderung des Baudhipeichels
fonumt ihr hauptfächlich auch das Auffaugen der Nahrungsjäfte zu. Bei den meiften Ento-
moftrafen ift der Darın eine einfache, gleichweite Röhre, an der ein Magenabjcehnitt nicht nach-
weisbar ift, und die Leber ift in Zorn zweier, felten mehrerer einfacher oder auch veräftelter
Blindfchläuche am Anfange des Darınes vorhanden.
Der Blutumlaufsapparat ift wieder jehr verichtedenartig entwicelt, jowohl was den
Umfang und die Geftalt des Herzens anbetrifft alS auc die Anzahl feiner feitlichen Öffnungen,
duch die das Blut aufgenommen wird, jowie nad) dem Grade der Ausbildung der von ihm
ausgehenden Gefäße. ES herrjeht die größte Mannigfaltigfeit, vom pulfterenden Nücdengefäß
oder dem einfahhen Tönnchenherz der Wafjerflöhe bis zu jenen Fomplizierteren Fällen, 100
das arterielle Blut in röhrenförmigen Gefäßen bis zu den Organen, die e3 zu verjorgen hat,
geleitet wird, um bier erft in wandungsloje Räume, jogenannte Lakunen, einzutreten, von
ihnen aus den Kiemen zuzufteömen und fi) dan wieder in Benen zu jammeln, jo daß aljo
das Gefäßiyften fat ein geichloffenes ift. Zumeilen fehlen auch Kreislauforgane vollfommen, .
jo den Nankenfüßern, vielen Ruderfüßern und einigen Mufchelfrebjen. Eine eigentliche Leibes-
höhle gibt es bei ven Krebjen nicht.
Das Blut enthält in der Negel Blutkörperchen und ijt bei ven Krebstieren meift farb-
(03, bei unferem Flußfrebs höchitens mit einem violettlihen Scheine, bei manchen Oat-
tungen der Hüpferlinge ift es rot, aber alle diefe Tiere faugen das Blut von Fiichen, aljo
von votblütigen Wirbeltieren.
Bejondere Atmungsorgane können bei Heinen Krebsarten fehlen, und dann wird der
nötige Sauerftoff durch die dünne Haut aufgenommen; wenn fie aber vorkommen, dann find
BEN
Allgenteines. 629
es in der Regel Kiemen. Sie ftellen im einfachiten Falle Doppelwandige Platten over rich
tiger jehr ftark abgeflahhte Tajchen dar, die in wechjelnder Zahl am Grundglieve der Bruft-
oder auch der Hinterleibsbeine figen. Auch die fever- oder büjhelfürmigen Kiemen der zehn-
füßigen Krebje find Anhänge des Stammgliedes der Bruft- und Kieferfüße, wenn fie auch)
iheinbar in das Innere des Körpers dadurch verlagert worden find, daß die Seitenteile des
Kopfbruftichildes fi) über fie hinweg gewölbt und eine geräumige Kiemenhöhle gebildet haben.
Bei einigen landlebigen Formen find die Kiemen ftarf zurückgebildet oder auch ganz ge=
Ihwunden. Dann hat, wie 3.8. beim Balmenräuber (Birgus latro Ybst.), die Kiemenhöhle
die Funktion einer Zunge übernommen, oder e3 treten, wie bei manchen Landafjeln, an dei
Abdominalfüßen luftführende Räume auf, die der Amung dienen.
Als Aussheidungsorgane von der Tätigkeit der Nieren fommen befonders zwei Arten
von Drüfen vor, die Antennendrüfe und die Schalendrüfe. Gene mündet an der Bafis
der zweiten Antenne nad außen und ift im allgemeinen für die Malakoftrafen bezeichnen.
Die Schalendrüfe, jo genannt, weil man ihr früher die Bildung der Schale zufchrieb, mündet
jevderjeitS neben den hinteren Unterkiefer nad) außen und findet fich fait nur bei Entonw-
ftrafen. Beiderlei Drüfen find bei Nebalia und den Mufjchelkrebjen ausgebildet.
Weitaus die Mehrzahl der Krebje ift getrennt gejchlechtlich, nur bei feftfigenden oder
feftfigend-[dmarogenden Formen, wie es die Wurzelfüßer und die Fiihaffeln find, finden fi)
Bmwitter. Sm einigen Fällen, bei Floh- und Mufchelfrebjen, tritt neben der zweigejchlechtlichen
auch noch eine eingejchlechtliche Fortpflanzung duch Sungfernzeugung auf. Meijt wechjehr
dann, jo wie wir e3 an den Nädertieren Fennenlernten, beide Fortpflanzungsweilen vegel-
mäßig miteinander ab. Bei einzelnen Arten (3. B. Mufchelfrebjen) hat allerdings die lebtere
jo jehr überhandgenommen, daß man die Männchen nur äußerft felten gefunden hat oder
überhaupt nit fennt.
—— Gejhlehtliher Dimorphismus, äußere Ungleichheit der Gejhlehter, gilt bei den
Kruftern als Regel, und oft find beide Gejchlechter in ganz beveutendem Maße Eörperlich ver-
ihieden entwidelt. Bei den langihwänzigen Zehnfüßern find die Männchen meilt größer,
wehrhafter und ftärfer als die Weibchen. Dies Fommt bei Furzichwänzigen zwar auch vor,
gewöhnlich ift e3 hier aber umgekehrt, die Weibchen find oft beträchtlich, bei einem Mufchel-
. wächter, Pinnotheres pisum L., jogar dreimal größer als die Männchen, und bei manchen
Kanfenfüßern und parafitären Affeln, bei denen neben Zwittertum doc) au Trennung der
Gejhlehter auftritt, wird das Mißverhältnis noch viel größer, indem die Männchen zu Zmwer:
gen herabjinfen, die auf oder bei den Weibchen Jchmarogen.
Bei den Furzihmwänzigen Zehnfüßern ift der Hinterleib der Weibchen, der auf der Unter-
jeite die Eier trägt, eben weil er als eine Art Dedel für die Brut dient, wejentlich breiter
al3 bei ven Männchen. Sehr häufig find im männlichen Gejhleht Gliedmaßen zum Fafjen
und Fefthalten der Weibchen während der Baarung oder auch zum Übertragen des Samens
in bejonderer Weife umgeftaltet. Dft find die Männchen aud im Belit höher entwidelter
Sinne: und Bewegungsorgane zum Aufipüren, Verfolgen und Einholen der Weibchen.
Der Zahl nach überwiegen teilweile die Männchen bedeutend die Weibchen, in anderen Fällen
verhält fich dies, wie [don erwähnt, in noch höherem Grade gerade umgekehrt.
Die äußeren Gefchlehtsöffnungen liegen auf der Unterfeite meift in erheblicher Entfer-
nung vom After, ehr häufig im Grenzgebiet von Kopfbruftftüd und Schwanz. Von Hilfswerk-
zeugen der eigentlichen Gejchlechtsorgane finden ji) bei ven weiblichen Kruftazeen oft Bläschen
zur Aufnahme des Samens, bei den männlichen oft ftilett- oder papillenfürmige Hilfsorgane
630 Krebie.
für die Befruchtung, die meilt aus umgewandelten Gliedmaßen hervorgehen. Meift wird der
männliche Zeugungsitoff den Weibehen in Gejtalt von Schläuhen an die äußere Gejchlechts-
öffnung gebeftet, wobei der Flußfrebs das Weibchen mit den Scheren faßt, es-auf den Rüden
wirft und in einem ziemlich langwierigen Verfahren die Samenpatronen an ihm befeitigt.
Die Mehrzahl der weiblichen Krebe ift mit beionderen Hilfseinrichtungen zur Brutpflege
ausgerüftet. Sehr häufig jonvern Drüjen eıtiweder die Schalen der Eier oder einen bejonderen
Kitt ab, mit dem die Eier an dem Körper der Mutter befejtigt werden. Dieje Befeftigung findet
an verichtevenen Stellen des Hinterleibes, namentlich an feinen oft hierzu bejonders umgejtal-
teten Gliedmaßen, Ian und betrifft die einzelnen Eier oder Gruppen von jolchen, die unvegel-
mäßige Träubchen oder von einer gemeinfamen
Hülle umgebene, eigenartig gejtaltete Pakete dar-
jtellen. Bei manden Formen finden fi) bejondere
Bruträume, die entweder durch umgeftaltete Glied-
maßen oder Kiemenblätter gebildet oder durch Ab-
wandlungen der Rüdenjchale hervorgebracht werden.
Die Mujchelfrebfe machen übrigens von der ziem-
ih allgemein gültigen Kegel, daß die Weibchen
der Krufter ihre Gier mit fich herumjchleppen, mehr:
fach Ausnahmen. So läßt fie Candona einfach in
das Waffer fallen, Cypris legt fie an Wafjerpflan-
zen, und Notodromas monacha Müll. tlebt fie
in regelmäßigen Reihen an Steinen felt.
Die Eier namentlich der größeren Krebsarten
find jelbjt bei nahe verwandten oft jehr verjchieden,
jo daß man dieje danach bejtimmen fann. Die Ver-
Ichiedenheit betrifft faum die Geftalt, wohl aber die
Farbe und Größe Die Eiablage mag im allge
meinen an beftimmte Zeiten gebunden fein, die aber
durchaus nicht immer etwa in den Frühling und
Oben: Nauplius von Cyclops albidus Jurin. Sommer fallen. Sm Gegenteil haben viele Arten, .
Aus C. Claus, „Die frei Iebenden Eopepoden”. Leipzig n... or. ‚
1863. — Unten: Metanaupliu3 von nee bejonvers der Eurzihwänzigen Behnfüßer, gerade u
haus: on: ne Laborato den Wintermonaten reife Eier bei fi.
Bemerkenswert ift ferner die Tatjache, daß die
wejtindiichen Sanahrahhen, um ihre reifen Gier abzufegen, das Meer auffuchen müfjen. Das ift
eine Erjheinung, die man vergleihen kann mit dem Ablaichen der Male und mancher anderen
Slußfiihe im Meere; e3 ift ein Beifpiel für das jogenannte biogenetische Grundgefeß, nad)
welchem ein Gejchöpf in feinem Entwicelungsgang den feiner ganzen Sippe wiederholen muß.
Die Größe der Eier fteht faft immer im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Zahl, was
überhaupt in der Tierreihe eine faft allgemeine und leicht erflärliche Erfcheinung ift. Denn
je mehr Nahrungsftoff in vem Ei vorhanden ift, um jo jelbjtändiger werden die aus ihm
hervorgehenden Jungen fein, und ein um jo größerer Teil von ihnen wird der Wahrjchein-
lichkeit nach das fortpflanzungsfähige Alter erreichen. Süßwafferbewohner erzeugen oft viel
weniger und größere Eier als Meeresbewohner. So liegt die Sache bei vielen Kruftentieren
des jüßen Waffers: unfer Krebs verhält fich jo gegenüber dem Hummer, die Jüdeuropätiche
Süßwafjerfrabbe gegenüber ihren Werwandten des Meeres, und dasielbe Verhältnis befteht
Allgemeines. 631
im allgemeinen zwifchen Sißwaffer- und Ceefifhen. Von der unter. Umftänden hervor:
gebrachten Menge der Eier kann man fi) einen Begriff machen, wer man hört, daß Xandois
durch jorgjame Zählung feftitellte, daß eine einzige weibliche Langufte von 44 cm Länge und
197 & Gewicht deren nicht weniger als 148416 mit fich herumtrug.
Die meiften Krufter verlaffen das Ei nicht in ihrer endgültigen Gejtalt, fie müfjen viel-
‚mehr eine Metamorphofe oder Verwandlung verjchiedenen Umfanges durchlaufen. Viele
Krebje des Meeres, feltener des füßen Waffers, kriechen als mikrojfopijch Kleine Wejen von
eirumder Geftalt, mit einem vorn in der Mitte gelegenen, dreiteiligen Auge und drei VBein-
paaren aus dem Ei. Das vorderfte Baar ift einfach und ftellt die Antennula dar, die beiden
anderen find zweiäftig, jehr anjehnlic, did und mit
Borften bejeßt und verwandeln fi) Ipäter in die zweiten
Antennen und die Mandibeln; vorläufig dienen fie aber
noch alle gleihmäßig der Fortbewegung. Eine Joldhe
Zarve, die früher für ein jelbftändiges Tier gehalten.
wurde, heißt ein Nauplius. Nauplien find allgemein
verbreitet bei Kiemenfüßern, Mujchelfrebjen, Hüpfer:
lingen und Ranfenfüßern; jehr jelten find fie hingegen
bei Zehnfüßern, den Flohfrebjen und Afjeln fehlen
fie ganz. Durch Längenwadhstum, Hinzutritt weiterer
Gliedmaßenpaare und Umwandlung der vorderiten zu
Fühlern und Kaumwerkzeugen entjteht nad und nad)
aus dem Nauplius das fertige Tier.
Die meiften zehnfüßigen Krebje des Meeres, lang-
wie furziehwänzige, verlaffen das Ei gleich als joge-
nannte Zoda, al3 geftrecte, winzige Wefen mit 7—8
Gliedmaßenpaaren, nämlich den Antennen, Nandibeln,
Marillen und zwei bis drei Kieferfüßen. Der Hinter:
leib ift lang und jehon gegliedert, entbehrt jedoch der
Beinanhänge Bon Sinnesorganen ift außer den Ai \ N
großen, paarigen, zufammengejegten Augen no ein nen
Eleines unpaares Stirnauge vorhanden, das dem der a
Nauplien entjpricht (f. die Abb.). Während die meijten
Krabben und langihmwänzigen Krebje am Boden leben — nur die Garnelen machen hiervon
al3 Familie eine Ausnahme —, find die eben als Zoda bezeichneten Larven gleich ven Nauplien
Sreifehrwimmer. Sie tummeln fi, wenn auch meilt in dev Nähe der Küften, doch an der Ober-
fläche des Meeres oder einige Fuß darunter umher und teilen mit den meilten ihrer Verbrei-
tungsgenofjen vielfach die Eigenjchaft einer oft jo vollkommenen Durdhfichtigfeit, daß fie ihre
Inwejenheit entweder gar nicht oder nur durch die im Verhältnis zum Körper auffallend großen
Augen verraten. Die Staheln, welche die meilten Zoten als Berlängerungen an ihrem
Kücfenpanzer befigen und bei einigen Hochjeeformen joldhe Größe erreichen Fönnen, daß der
Körper faßt ftabfürmig erjcheint, find nad) Chun und anderen wohl. als Schweborgane auf-
zufaffen, die ein vajches Abfinfen verhindern jollen,
Bei einigen langihwänzigen Zehnfügern tritt die Zoda nad) einer Häutung in ein aber=
malige3 bejonderes Larvenjtadtum, das jogenannte Myjis-Stadium. Mysis heißt nämlid)
eine Gattung Eleiner Krebje aus der Ordnung der Spaltfüher oder Schizopoden, der jene
632 Krebfe.
Zarve ihrem äußeren Aufbau nach ungemein gleicht, weshalb fie au al3 Schizopoden-
Stadium bezeichnet wird. Eine derartige Zarve hat außer den urjprünglihen Mundertre-
mitäten und den Kieferfüßen noch weitere fünf Baar Bruftbeine, die aber nicht als Schreit-
füße, wie beim erwachjenen Krebs, entwidelt, fondern typijch zweiäftig find und als Ruder
benußt werden. Eine Annäherung an die endgültige Gejtalt zeigt jih Thon im Bau der .
Augen, denn dieje find nunmehr bereit3 gejtielt. Kaum weiter entwicelt ift dagegen der
Hinterleib, denn er ift zwar wohl gegliedert, aber ihm fehlen immer no) die Gliedmaßen-
anhänge. Nachdem diefe Jugendform bedeutend gewachjen ift, erjcheint nach einer legten
Häutung das ausgebildete, fortpflanzungsfähige Tier.
Ein Cypris-Stadium findet fich bei Ranfenfüßern und heißt deshalb jo, weil auf ihm
die Larve, in diefem Falle auch Buppe genannt, einer häufigen Mufchelfrebsgattung unferer
füßen Öewäffer, Cypris, einigermaßen gleicht. Sie befißt nämlich wie dieje eine doppelflappige
Schale nad) Art der Mujcheln, aus deren unterem Längsjpalt die beiden Fühler und jechs
Paar Schwinmbeine hervortreten. Weiteres von der Verwandlung wird bei den einzelnen
Ordnungen eingejhaltet werden.
Daß bei jehr vielen Krebjen des fügen
Mafjerd das Jugendleben abgekürzt ericheint
und eine Metamorphofe fih nicht findet, it
wohl auch) zu erklären. Das Larvenleben ijt
offenbar eine Einrichtung, gejehaffen für Be:
wohner der weiten Meeresräume. Denn die
25 Kleinheit, in der die Larven der meerbewoh-
en .nenden Krebfe da3 Ei verlafjen, jowie ihre
Gewohnbeit, in allen Schihten des MWajjers
zu leben, gibt ©elegenheit, vaß fie von den Strömungen auf weite Entfernungen fortgetrieben
werden und jo das Gebiet ihres Borfommens wejentlich erweitert wird. Ein ungeheurer Teil
freilich geht verloren, aber e3 gelangen immer no) genug Tiere zur Öejchlechtsreife, um den
Abgang der Art durch ihren Nahwuchs zu erjegen. Nicht ohne Bedeutung, jedenfalls nicht
ohne Ssutereffe, tjt Folgende Tatjadhe. Ein Kleiner Krebs, Palaemonetes varians Leach, lebt,
nach den Beobadtungen von Baul Mayer, bei Neapel in ganz füßem Waffer und verläßt das
Ei mit jämtlihen Beinanhängen des Kopfes und der Bruft, den meiften Kiemen und den
eriten fünf Hinterleibsbeinen in Geftalt von Kuojpen. Denjelben Krebs beobachtete Boas bei
Kopenhagen, aber in bradigem Waljer, und hier jchlüpft er in viel weniger entwideltem Zu-
ftande aus dem Ei. Die Kopfglieomaßen find zwar alle da, aber von Kiemen und Schwinm-
füßen findet fi) noch Feine Spur. E3 ift mithin die Entwicdelung diejes Tieres im fügen
Wafjer gegenüber der im bradigen abgefürzt. Sehr interejjant find au) Beobahtungen und
Erwägungen, die Fris Müller in Brafilien über zwei verwandte Süßmwafjer-Garnelen gemacht
hat. Die in dem Ihiffbaren Stajahy-Strom lebenden Garnelen verlajfen das Ei als Zoka.
Anders aber ein in felfigen Bächen lebender Palaemon. Während bei jeinem nächlten Vetter
im Stajahy ein gleihgroßes Weibehen etwa 1200 Eier hat, trägt das der Badhgarnele felten
mehr al$ 20, meift fogar nur 6—8 mit fi) herum, die aber um jo größer find. Hier rüftet
die Mutter durch den im Ei enthaltenen Nahrungsftoff die Kinder jo weit aus, daß fie als
faft ganz fertige junge Garnelen das Ei verlaffen können, doch müfjen fie fih noch innerhalb
4 Tagen dreimal häuten, bevor ihre Mundwerkzeuge zum Freffen gefchiekt find. „‚Unfere (d. h.
die brafilichen) Bäche“, fährt Müller fort, „haben fi meift tiefe Schluchten gegraben, in
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Allgemeines. 633
denen te mit zahlreichen Eleineren und größeren Fällen vajch zutage eilen; die ruhigen Tümpel
am Fuße der Wafjerfälle find der Lieblingsaufenthalt der Garnele. Schwämme ihre junge
Brut umber, wie die Zoda ihrer flußbewohnenden Gattungsgenoffin, jo hätte fie ficher zum
größeren Teil nach) jedem Gemitterregen
„der |trömende Giekbach hinweg in Strudel der Wellen gerifjen“.
Sollte die Art in diejen oft jo wilden Bächen gedeihen, jo mußte entweder die Zoka=geit eine
jo Eurze werden, daß Ausfiht war, fie oftmals ohne- Gewitter zu durchleben, oder e3 mußte
Ihon die Zoda fih in Schlupfwinfel verfriechen und da fich feftzubalten lernen. Beides ift
geihehen; in 3—4Amal 24 Stunden ift jest nicht nur die Zoda-, e3 ift die ganze Larven- -
zeit vorüber, und jchon die Zoda-Gliedmaßen, die jet bisweilen Faum noch minutenlang tätig
find, haben ihre inneren Afte zu Gangbeinen entwicelt, die auffällig Eräftige, Iharfe, ftarf
gekriimmte EndElauen tragen.”
Wie alt die Kruftentiere werden, wiffen wir im allgemeinen nicht, manche aber, wie die
japanijche Nielenfrabbe, Kaempfferia kaempfferi Haan, oder große Hummer mögen wohl
häufig ein bedeutendes Alter, von 30 Jahren und vielleicht noch mehr, erreichen. Wenn
unjer Zlußfrebs viel Glüc hat, Fannı er fein Leben vielleicht auf 20 Sahre bringen, aber jolche
Veteranen dürften jelten fein. Sacculina carcini Thomps., der merkwürdige, an Krabben
Ihmarogende Wurzelfreb3, lebt, nach den Beobachtungen von Yves Delage, 3. Jahre und
2—3 Monate, und den meiften Fleineren Formen dürfte wohl nur ein Furzes, bisweilen faum
tagelanges Dafein befchieven fein. |
Die Größe der Krebfe ijt jehr Schwankend und erreicht befonders nach oben viel höhere
Örenzwerte als bei den Snjekten; j9 wird die japanijche Niefenfrabbe jo groß, daß ihre Scheren-
füge über 3 m Elaftern und jo die wie ein Mannesarın werden, dabei ift ihr Rumpf 50 cm
lang. Ganz alte Hummern können auch gegen 70 cm lang werden. Solde gigantijche Er:
jheinungen find aber in der Gegenwart Ausnahmen; die meiften Krabben find zwifchen 2 und
7 em breit, die Affeln erreichen, allerdings nur in einer einzigen Form, die alle anderen
weit hinter fi läßt, ihr Höchjjtes bei 20 cm. Die meiften Entomoftrafen find Klein, jelbft
winzig, wenn fie auch nie im ausgebildeten Zuftande mifrojfopifch find.
Ebenjo Jhwanfend wie die Größe ijt natürlich au) da8 Gewicht der Krebje. Wie jchwer
die japanijche Niejenkrabbe wird, findet fich nicht angegeben, aber Tafchenfrebje der Art Cancer
pagurus ZL. von mehr al3 7 kg Gewicht hat man jhon gefangen.
Das Wachstum der größeren Formen geht im allgemeinen langjam vor fi und um Jo
langjamer, je älter fie find, Kleine Formen erreichen hingegen bald den Höchitbetrag ihrer Größe.
13 eine befondere Art des Wahstums erjcheint das Negenerationsvermögen, und
mit ihm geht Hand in Hand die Fähigkeit, Gliedmaßen, wie man fi ausdrüdt, „freiwillig“
abzumerfen, die Selbitverftümmelung oder Autotomie. Mit welcher Leichtigkeit zehn:
füßige Krebje oder Krabben, wenn man fie derb padt, ein Bein oder gar eine Schere fahren
laffen, ift befannt. Jeder Sammler von Krebjen weiß, daß namentlich die Oplatheen und
Borzellanen mit äußerfter Vorficht behandelt werden müffen, wenn fie nicht in der Hand des
Fängers fich mehrerer oder auch aller Beine entledigen jollen. Cine echte Krabbe, Xantho,
die Carrington auf einen mit Alkohol angefeuchteten Lappen legte, warf fofort alle ihre zehn
Beine ab. Db bei dem Borgang wirklich fogenannter freier Wille im Spiele ift, over ob er
bloß auf einem Krampf beruht, wie daS Ausfpeien der Eingeweide bei den Holothurien, ift
Ihwer zu jagen. Doc dürfte das le&tere der Fall fein, wie denn wohl auch ein Krampf das
Bein nahe am Leibe abbricht, werm das Außerfte Glied bejchädigt worden ift. Die Krabben-
634 Krebie.
und Hummerfischer behaupten allerdings, daß das Tier, an einem Beine gepacdt, diefes ab:
werfe, um zu entlommen. Namentlich jollen auch die Hummern bei Gewitter und Kanonen-
donner „aus Schrei ihre Beine verlieren. Das find eben Fiihergejhihten. Zuverläffige
Beobachtungen über diejes merfwürdige Gefchehen ftellten Frederieg und Dewis an. Quer um
das erjte freie Glied, das Bajalglied, aller zehn Beine der Krabben verläuft eine Naht, in der
zwei aufeinanderfolgende urjprünglich getrennte Teile diejes Gliedes fich vereinigen. Hier
und nur hier erfolgt der Bruch. St das Bein abgeworfen, jo tritt beim Krebs nur geringe,
bei Krabben überhaupt feine Blutung ein. Schneidet man einer Krabbe oder einem Krebs
das Bein an einer anderen Stelle vor der Naht durch, jo wirft er es doch an diefer ab und
Iichließt jo und unter Bildung eines Häutchens den Kanal, aus dem fein Lebensjaft abfliegen
fünnte. Die Fühler wirft fein Krebs freiwillig ab. Übrigens find die zehnfüßigen Krufter
durchaus nicht die einzigen, die fich ihrer Beine entäußern, gelegentlich farın man es auch bei
Ajfeln und Gejpenftkrebjen (Caprellidae) beobachten. Nach Beobachtungen Varigrys find
eben gehäutete und erihöpfte Tiere zur Selbftverftümmelung unfähig. Bei jenen ift der
Panzer zu nachgiebig, um zu brechen, bei Diefen die Musfelfraft zu gering. |
Daß nun der Kreb3 imftande ift, ein jolches verlorenes Glied wieder zu erjeßen, ijt be=
fannt. „ES wächlt wieder nach”, jagt das Volk ganz richtig. An der Stelle der Selbftver-
tümmelung wächlt eine Art fegelförmiger Knojpe hervor und nimmt allmählich die Geftalt
des abgeworfenen Teiles an. Bei der nächjten Häutung zeigt fi, daß unter der Narbenhaut
das verlorene Glied neu angelegt worden ift, jo daß e3 fich unmittelbar nad) der Häutung
wieder entfalten Fann, allerdings noch nicht gleich in der Größe, die es vorher hatte; jondern
bei jeder Häutung wählt es, und erft nad) langer Zeit erreiht die Oliedmaße annähernd
die Größe wie ihr unbejchädigtes älteres Gegenftüd. Daher fommt es, daß man nicht jelten
Krebje mit Scherenfüßen und anderen Gliedmaßen findet, die troß vollfommen gleicher Brauch:
barfeit und gleihem anatomiihen Bau jehr ungleih groß find. Sm gewiffen Gegenden
Spaniens beraubt man dort Barriteta genannte Krebje ihrer Scheren des Verjpeijens halber
und verjeßt fie darauf lebend ins Waffer zurüd, wo die Schere wieder nahmwädhlt, ein Vor-
gang, der einigermaßen an den Braten vom Schweine Saehrimnir an der Tafel der nor-
diihen Götter und Helden in Walhalla erinnert.
Weitaus die meiften Krebje haben ihren Aufenthalt im Wafjer, und zwar im Meere,
aber nur eine Drdnung, nämlich die der Nanfenfüßer, ift überhaupt auf diejes bejchräntt,
während die Kiemenfüßer fait ausjchlieglic) Bewohner des jüßen Walfers find. Zehnfüßer,
Affen, Hüpferlinge und Mufchelkrebfe finden fih in jüßem und jakigem Waffer, das Land
bewohnen nur einige Ajfeln und Zehnfüßer, langihwänzige jowohl als furzjchwänzige, jowie
ein paar Slohfrebie. Sn den nordijchen, bejonders den jchwedischen und finnifchen, aber aud)
einigen deutjchen Seen leben eine Anzahl von Formen, deren nächte Verwandte aus dem
Meere befannt find. Sm den Wafferanjammlungen zwijchen den Blättern ananasartiger, auf
hohen Urwalobäumen des tropiihen Brafiliens parafitiih lebender Pflanzen, Bromelia,
finden fi) eigenartige Kleine Hüpferlinge und Mujchelfrebje, die anderswo nicht vorzufommen
iheinen. Selbft in den geringen Wafjermengen, die von Moospolftern lange Zeit zurüd-
gehalten werden, tummeln fich fait jtet3 Hüpferlinge aus der Familie der Harpactieiven. Jr
ven Schwefelquellen von Baravija in Stalien fand Bavefi Mufchelfvebschen, und die interejjante
Artemia salina L., eine Kiemenfußform, war in den Salpfannen von Capo d’Sftria, in
denen in der Sonne das Seewafjer abgedampft wurde, äußerft munter in einer Lake, Die
mindeltens 27— 30 Prozent Salz enthält.
Krebie 1.
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Einliedlerkrebie.
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|
Allgemeines. 639
Die auf dem Lande lebenden Krebje bewohnen doch meift feuchte Stellen und find in
der Regel nähtlihe Gejchöpfe, die fich, bisweilen in die Erde eingegraben, den Tag über ver-
ftedt halten. Ein Flohfrebs der Gattung Orchestia, wahrjeheinlih O. bottae M.-E., ift bei
Trieft in der-Nähe der Küfte jehr häufig an feuchten Stellen. Zn Winter findet man ihn bei
Kälte unter tiefliegenden Steinen in Menge beifammen, was man jedod) wohl nicht gerade
als eiite Art Winterjchlaf deuten darf.
Nicht wenig Krebje leben, wie die Engländer e3 nennen, „between tidemarks“, 2).
an einem Küftenftrich, der bei der Flut vom Meere bevect, bei der Ebbe von ihm freigegeben
wird, und ähnliche Arten verlaffen in Meeren mit jehr wenig Wafferftandsihwankungen, wie
im Adriatiichen, das Waffer gern und oft, um fih in feiner unmittelbaren Nähe zwiichen
Steinen, an Felfen und Mauern herumzutreiben. Solcde Formen finden fi) unter den Krabben,
Afeln und Flohfrebien. Auch manche Seeeicheln (Balanidae) fiedeln fi jo hoch an der Strand:
linie an, daß fie bei hHöchlter Ebbe außerhalb des Waffers fommen. Dieje jchliegen dann einfach
ihren Dedelapparat und warten die Wiederkehr der Flut ab, um ihn wieder zu öffnen.
Die Nahrung der Krebje beiteht im allgemeinen aus tieriihen Stoffen, jeien es lebende
Tiere, jei es Nas, womit auch der Flußfrebs im Notfalle vorliebnimmt. Manche Formen find
gewaltige Räuber. Andere freien daneben auch Vflanzenkfoit, wie unjer Flußfrebs, für den
der Wafjerarmleuchter, Chara, wohl des Kalkgehaltes wegen eine beliebte Speife ift. Viele
leben von Teilchen verwejender Pflanzen: und Tierleihen, von Snfuforien, Diatomeen und
anderen, jelbjt größere Krabben des Meeres verichmähen diefe KRoft nicht. Nicht wenige Arten
fönnte man jhlieglich ihrer Ernährungsweije entiprehend als Nannoplanktonfreifer zufammen
faffen, nämlich alle die Formen, deren Beine zum Herbeiftrudeln und automatifchen Aus:
jteben der Kleinften, in ungeheueren Mengen im Waffer jcehwebenden Pflanzen und Tiere ein-
gerichtet find. Hierher gehören in eriter Linie die Rankenfüßer und weiterhin die überwiegende
Mehrzahl der Blattfüger und Wafjerflöhe.
Eine jehr beveutende Zahl ftellen die Krebje zu den Schmarogertieren, und in gemiljen
Punkten ift ver Barajitismus bei ihnen am mannigfaltigften und interejfanteiten entwidelt.
Bom harmlojen Heinen Zehnfüßer, der die Hohlräume eines Seefjhwammes nur al3 Unter:
ichlupf benußt, bis zum Wurzelfüßer, Sacculina, der, an feinem Wirte feftgefogen, zu einem
munplofen, ganz ungeftalten Sad entartet, find alle Stufen de3 Schmarogertums vertreten.
Aber auch die am meilten durh-ihr Schmarogertum entarteten Formen führen in der Jugend
ein freies Leben in ähnlichen ©ejtalten wie die dauernd freilebenden und weilen fich eben durch
diefe Fugendformen als zu den Krebjen gehörig aus.
- E3 gibt im Meere fat feine Klaffe von Tieren, bei denen fich nicht auch Thmarogende
Krebje einzuniften pflegten: jo beziehen Krebje die Schalen der Mufcheln und die Röhren der
Jingehvürmer, haufen in Schwämmen und auf Gorgoniven, veranlafjen Korallen zu feltiamen
Mißgbildungen, beläftigen Seeigel und Seefterne in verfchiedenfter Weife, entziehen den eigenen
Stammesgenofjen die beiten Lebensfjäfte, überfallen in Mafjen die Fiihe und verjchonen felbit
die Niefen der Meere, die Waltiere, nicht. Doch erzählt uns der Schwede Aurivillius, daß
fie nicht jede Art diefer Xeviathane mit ihrer Gegenwart beehren: Jhmarogende Alfeln, Qüpfer-
linge und Ranfenfüßer finden fi) wohl auf der Yaut des nordischen Finnwals, Balaenoptera
physalus, aber nicht auf der des Sibbaldjhen Finnwals, Balaenoptera sulfurea, dem fie
dafür im Maule zwiichen dem Fajerwerk feiner Barten fißen. Am weiteften geht indefjen eine
Affel im Schmarogertum, die eine Art Aftermieterin genannt werden fanıı, denn fie I hmarost
bei einem Wurzelfüßer, der jeinerjeits der aufgedrungene, unliebjame Gaft einer Krabbe ift.
636 Krebie.
LZeben viele Formen in der Jugend frei und Ihmarogen im Alter, jo fommt auch das
Umgefehrte vor: merhvürdige Affeln, die Onathiiden oder PBraniziven, leben in der Jugend
auf Fiichen, und jo auch dauernd die Weibchen, während die Männchen jpäter freifebund
werden. Hhnliches findet fich noch bei Kopepoden.
Ganz bejonder3 zeichnen fich aber die Krufter und namentlich die Krabben und Einfiedler-
frebje durch die freundfchaftlichen Berhältnifje aus, die fie mit anderen Tieren, bejonders See-
anempnen, eingehen. Sehr ausführlich find diefe hHodhinterefjanten Eriheinungen der Sym-
biofe, d. h. des Miteinanderlebens, bei der Betrachtung der Seeanemonen bejprodhen worden.
Die Feinde der Krebje find jo mannigfaltig wie diefe jelbjt. Strandvögel, Fiihe, Tinten:
fiiche, Nefjeltiere, Stabhelhäuter, Würmer verfhmähen Krebfe, Deren fie Habhaft werden, jo wenig
wie anderes Getier. Tintenfifche gelten als bejondere Feinde der Krabben und Garnelen, die fie
im freien Waffer fangen, wie aus Klüften und Spalten hervorholen; großen Hummern werden
wohl überhaupt nur fie gefährlih. Nur jelten find Krebje Krebzfrejjer, wie Palaemonetes
varians Leach. Do auch) der Flußfrebs frißt friieh gehäutete Butterfrebje der eigenen Art.
Die Beziehungen der Kruftentiere zu ven Menjchen laufen meijtens darauf hin-
aus, daß jene diejen zu Nahrung und Genuß verhelfen: Hunmern, Flußfrebje, Languften,
Krabben, Garnelen find bekanntlich Feine zu verachtenden Zierden unferer Tafel. In England,
Spanien, China und Oftindien werden die größeren Seepoden gegefjen, die Kleineren zu Tunfen
und Brühen verarbeitet, und eine Entenmufchel, Pollicipes cornucopia Leach, wird gejotten
in England und PVortugal öfters genoffen und joll recht gut Ihmeden. An den Meeresfüften
fönnen Krufter, die im Binnenlande doch mehr Lederbijjen für die oberen Zehntaufend find,
in der Tat mit zu den Vollsnahrungsmitteln gezählt werden, freilih nicht in dem Grade
wie ein Kiemenfuß aus den Salzjeen von Feljan, der jüolichjten Provinz von Tripolis, der
dort unter dem Namen Dut, mit Datteln zu einem Mus oder Teig angerichtet, für die Ein-
wohnerjchaft ein wichtiges Lebensmittel abgibt.
Auch der mittelbare Nugen, den die Krebje ver Menjhheit bieten, ift, abgejehen von
ihrer wichtigen Rolle, die fie als Vertreter der Neinlichkeitspolizei im Meere jpielen, fein un-
bedeutender. Unermeßlihe Scharen Feiner Hüpferlinge, Temora, find es, welche die Heringe
an unjere und den Zodd, Mallotus villosus, an die öftlichen Küften Nordameritas loden, und
die Dadurd) unendlich viel nüßliher als alle obengenannten Lederbiffen, ja für Taufende von
Menjhen zur Grumdbedingung des Dajeins werden. Auch Edelfiihe, wie der jfandinavijche
Labs und die Nenfen ver Seen unjerer Boralpen, nähren fi faft ausjhließli von Eleinen
Kruftern, jener von Süßmwafjerafjeln, diefe wiederum: von Hüpferlingen und Wafferflöhen.
Der gemeinen Krabben und der weichleibigen, fetten Einfiedlerfrebje bedient man fich vielfad)
als Kövder beim Filhfang, und die Garnelen, die oft in ungeheuren Mengen gefangen werden,
verarbeitet man im Dlvenburgifchen zu einem Dungmittel, dem Granat-Guano, auch zu
einem Futter für Nußgeflügel und iervögel.
Daß die älteren Arzneibücher die Kruftentiere nicht überjahen, läßt fich denken: pulve-
vijierte Krebsiteine waren als Lapides cancrorum ein Mittel gegen Magenjäure, obwohl
man ebenjogut Kreide anmenden konnte, und, da die alten Apotheker gern das Widerliche
zufammengofjen, durften Kelleraffeln, innerlich gegen Harnbeichwerden gegeben, nicht fehlen.
Unmittelbar jhädlich ift wohl fein Krebstier dem Menjchen, und wenn ja einmal ein
Hummer, Kreb3 oder eine Krabbe einen Menfchen in den Finger zwict, nun — man braudt
ihn ja nicht Hinzuhalten. Daß die Kleinen, gelegentlich in Auftern und bejonders Miesmufcheln
vorkommenden Krabben, die Mujchelwärter, ihren Wirten giftige Eigenjchaften mitteilen follen,
a nt ee Ze ne Di pe
|
Allgemeines. 637
it Unfinn, e8 find in diefer Beziehung die harmlojejten Gejchöpfe von der Welt. Mittelbar
werden allerdings manche Krufter Ichädlih. Die Aufternbänfe haben unter den Überwuche-
rungen von Kleinen Seepoden zu leiden, die ihnen die beiten Biffen over richtiger mifrojfo-
pilhe Bißchen vor dem Munde wegnehmen, und vermutlich wäre das Meer reicher an wert:
vollen Fiihen, wenn e3 nicht jo viele wertloje Krabben und fonftige Krebsarten erzeugte. Aber
diejer mittelbare Schaden will wenig jagen gegenüber dem, den gelegentlich eine Afjel, eine
Bohrafjel, Limnoria terebrans Leach, anrichtet. Diefer unfcheinbare Gefelle kann, wie man
zuerft 1809 in England erfahren mußte, troß feiner Aleinheit (ev ift 2—-5 mm lang) in Gefell-
Ihaft einer anderen Forın, Chelura terebrans Phil., die foftbarften Hafenbauten durch das
Zerbohren des Holzwerfes vernichten. Dabei ift befonders unangenehm, daß er in den jelbft-
verfertigten Gängen jeiner feuchten Wohnjtätten tagelang ohne neuen Zutritt des Waffers
leben kann, daher auch alles Holzwerk zwifchen Flut- und Ebbelinie zu zernagen vermag.
Sn allgemeinen ift ein Übergewicht tropifcher Formen unter den Krebfen nicht nachzu=
weijen. Der Artenreihtum ift, wenn die Arten teilweije auch Feiner jein mögen, in den ark-
tiihen und antarktiihen Meeren nicht geringer als in den tropijchen, der Sndioiouenreichtum
jogar größer, jo daß wahrjheinlich hier wie dort auf die gleiche Menge Wafjer eine entiprechend
gleiche Menge Krebs fommen dürfte. Doch gilt das nur für die Meeres- und allenfalls für die
Cüßwafferformen, die Landformen nehmen nach dem Aquator hin entihieden zu. Übrigens ge:
hören die größten befannten Meeresbewohner aus der Klaffe der Kruftentiere, die japanijche
Kiejenfrabbe und der Hummer, der gemäßigten, leßterer zum Teil jogar den falten Regionen aı.
Krebstiere der Vorzeit gehören mit zu den älteften Verfteinerungen, die man fennt.
Bereits in den unterfambrifchen Schichten, bejonders reich entwicelt aber im Silur findet fich
die merkwürdige, im Verm jehon wieder erlöfchende Gruppe der Trilobiten. E3 find fladj-
‚gedrücte, äußerlich etwas afjelähnliche Tiere, deren oft beftachelter Körper aus einem ftatt-
lichen Kopfiild, einem vielglieverigen Rumpf und einem Schwanzihild befteht und an der
Unterjeite Spaltfüße trägt, ein Beweis ihrer Zugehörigkeit zu den Krebfen. Die Kopfglied-
maßen ‚nebjt den Antennulae erinnern an die Hüpferlinge, bei denen jedoch der Beincharafter
der Mumnodteile jchon verloren ift, die veränderlihe Segmentzahl und der Bau der Augen
an die Branchiopodiven unter den Blattfüßern. Viele von diefen Meeresbewohnern fonnten
fich einrollen wie ein Kugelgürteltier.
Bon echten Entomoftrafen fernen wir meerbewohnende Mujchelfrebje gleichfalls jchon
aus dem Kambrium, Nankenfüßer feit dem Silur, Blattfüßer mit Sicherheit erft aus dem
Devon, die Auderfüßer aber wegen ihrer Zartheit, die fie zur Verfteinerung ungeeignet macht,
(edigli) aus der Gegenwart. Die Malafojtrafen finden fi) faft nur in jüngeren Schichten,
denn aus dem Kambrium und Silur fennen wir außer jolchen Formen, die zwijchen Blatt:
füßern und Malakoftrafen einigermaßen vermitteln, gar feine Nefte von ihnen und aus dem
jpäteren Grodaltertum nur vereinzelte, zum Teil übrigens unfichere. Exit vom Beginn des
Mittelalters, alfo von der Trias an, find wenigftens die bejjer erhaltungsfähigen Gruppen
der Affen und der Zehnfüßer reichlicher vertreten. Das verjteinerte Material gibt, wie jo oft,
nur vereinzelte Anhaltspunkte für den Verfud, einen Stammbaum zu entwerfen. So find
die Trilobiten zwar ganz gewiß altertümlich organifierte Krebsformen; dies lehrt Son die
Vielzahl gleichartiger Beinpaare. Doch müljen wir e3 dahingeftellt fein lafjen, ob fie nur die
legten Ausläufer eines alten Stammes find, oder ob auch) Vorfahren anderer Krebsgruppen bei
ihnen zu juchen wären. Dagegen jceint einiges dafür zu Tprechen, daß die Malafoftrafen
638 Krebie.
in den alten Erdperioden, aus denen wir fte nicht Fennen, tatlähhlicdh noch nicht da waren, fon-
dern fich erft fpäter aus Entomoftrafen heraus entwidelt haben. Denn jo lücenhaft die Über:
fieferung auch ift, es find vermittelnde Formen, wie wir das jchon andeuteten, in den älteren
Schichten vorhanden; auch treten gerade im Dberfarbon Formen von Malafoftrafen auf, die
noch Mijchmerkmale der heutigen Legionen und Ordnungen aufmweijen, jo daß etiva in diejer
Zeit auch der Ursprung der Malakoftrafen gejucht werden Fünnte So jeheinen aljo die
Entomoftrafen die älteren, die Malakoftrafen die jüngeren Krebje zu fein, wie man in der Tat
jeit langer Zeit jene die ‚niederen‘, dieje die „höheren’ Krebje nennt.
Sinnerhalb der Malafoftrafen ftanmen wohl die Zehnfüßer von Spaltfüßern (Schizo=
poden) ab, da fie im Larvenleben noch heute ein „‚Myfisjtadium” durchlaufen. Unter den Zehn:
füßern wiederum find allem Anschein nach die Langihwänze, die Mafruren, älter al3 die furz-
ihmwänzigen Krabben oder Bracyyuren, dem diefe fennen wir erjt jeit dem oberen Jura, und
es mag fein, daß die Krabben fich aus verfchiedenen Gruppen der Langjchwänze herausbildeten.
Soviel über die Herkunft der einzelnen Krebsabteilungen. Noch dunkler ift natürlich die
Herkunft der ganzen Klaffe. Nur joviel jeheint gewiß, daß die Krebje nicht etiwa von einer der.
anderen Glievertierklaffen abzuleiten find, jondern jelber mit an der Bafis des Stammes der
Arthropoden Stehen. Die leßteren ihrerjeit3 find zweifellos mit ven Ringelwürmern (Anne-
lida) näher als mit irgendwelchen anderen Tieren verwandt: fie teilen mit jenen die metamere
Gliederung, die Anordnung der wichtigiten Organe, den ‚‚stricleiterartigen‘ Bau des Nerven-
iyftems. Daraufhin Fönnte man num meinen, die Borgejhichte der Krebje müffe fich völlig im
Meere abgejpielt haben, wo ja überhaupt von vielen die Wiege des Lebens gejucht wird, wo
auch die Würmer nah manchen Anzeichen ihre Urheimat zu haben fcheinen, und wo noch heute
wohl der größte Artenreichtum und filher die größte Mannigfaltigfeit der Krebje zu finden
ift. Und ficher find Formen wie Landfrabben und Landafjeln oder Flußfrebs und Süß-
wafjergarnelen ehemals in jehon ähnlicher Geftalt Meeresbewohner gewejen und erjt jefundär
dem Binnenlande oder feinen Gemwällern angepaßt. Die Frage nad) dem Wohnbereich
der Krebje in urgrauer Vorzeit it aber damit noch wicht entichieden. Vielmehr jei auf die
intereffante Annahme von Simroth hingewiejen, daß eine weit zurücliegende Zeit des Land-
lebens ven Krebjen ven Stempel ihrer eigentümlichen Drganijation aufgedrüdt haben mag.
Denn jo weit fie auch jebt im Meere verbreitet find, als eigentliche Landtiereigenjchaften,.
die fe treu beibehalten haben, fünnten ihr allgemeiner Körper- und Gliedmaßenbau, ferner
der Chitinpanzer al3 ehemaliger Schuß gegen Trodenheit und endlich die bemerkenswerte
Tatjahhe gedeutet werden, daß die Krebje gleich den Snfekten quergeftreifte Musfulatur
haben, niemals aber auch beim zarteften Larvenftadium nur eine Spur von Wimperfleid,
wie es jonit bei Waffertieren jo verbreitet ift.
Gemäß dem vermutlichen Stammbaume der Krebje haben wir zuerft die „Entomoftrafen“
und dann die „Malakoftrafen” zu behandeln. Während aber die Malakoftrafen eine gut um-
Iihlofjene, einheitliche Gruppe bilden, ftellen die Entomoftrafen ein bunt zufammengewürfeltes
Häuflein dar, beftehend aus vier, oder mit den ausgeftorbenen Trilobiten fünf, nicht bejonvers
nahe miteinander verwandten Ordnungen. Daher behandeln wir bejjer ohne bejondere Zus
jammenfaffung zunächjft die vier Entomoftrafenordnungen der Phyllopoda, Ostracoda, Cope-
poda und Cirripedia und laffen dann als fünfte Drpnung die Malacostraea folgen, die wir
wegen ihrer regelmäßigen, bei allen ihren Angehörigen gleichen Segmentzahl au Anna
straca oder Negelfrebje nennen Eönnen,
su Bach
Blattfüßer: Euphylliopoda. 639
Erite Ordnung:
Blattfiiger (Phyllopoda).
Die mehr al3 300 Arten der Blattfüßer (Phyllopoda) find größtenteils vecht Kleine
Krebschen, denn nur wenige unter ihnen bringen e3 zu einer Länge von einigen Zentimetern.
Kennzeichnend für die Ordnung tft der gleichmäßige Bau der Bruftfüße: fie find blattförmig,
‚ gelappt md mit einem flachen Kiemenjäcdkhen ausgerüftet. Shrer Aufgabe nach find die
Gliedmaßen in erfter Linie Shwimmfüße, in zweiter dienen fie jedoch auch zum Herbei-
jtrıdeln der Nahrung. An Mumndglieomaßen find nur die Fräftigen Mandibeln und Ihwacdhe
Marillen vorhanden, von denen das zweite Baar zumeift faft ganz zurücfgebildet ift. Kiefer-
füße fehlen. Die Zahl der Körperfegmente wechjelt in hohem Grade; fie find ziemlich gleich-
mäßig ausgebildet, jo daß, von dem beinlofen Hinterleib abgejehen, eine Gliederung des
Körpers in größere Abjehnitie nur wenig hervortritt. Sehr verfchiedenartig wird das Ausjehen
diefer Tiere durch den Umftand, daß Schalenbildungen teils ganz fehlen und da, wo fie vor-
handen find, in ihrer Form jehr wechjeln. Die paarigen Seitenaugen find zuweilen, vor allem
bei den wenigen räuberiichen Formen, vecht anfehnlich entwidelt; daneben findet fich aber
faft ftets noch ein unpaares Stirnauge, das dem der Naupliuslarve entjpricht.
Bon den meijten Blattfüßern werden die Weibchen gewöhnlich mafjenhaft, die Männchen
hingegen äußerjt jelten gefunden. Ya, von einer der gemeinften Gattungen, dem Kiefenfuß, find
die Männchen überhaupt erft 1856 von Kozubomffi entdedt und bis zum heutigen Tage nur
hin umd wieder gefangen worden. Von anderen fommen fie nur eine furze Zeit des Sahres vor,
und e3 folgen ji) während der übrigen Monate mehrere parthenogenetijch erzeugte Oenerationen
von Weibchen. Auch darin unterjcheivet fich diefe Drdnung in ihrer ejamtheit von den an-
deren, daß ihre meijten Mitglieder im jügen Waifer oder wenigftens in Binnengewäflern leben.
Grjte Unterordnung: Euphyllopoda.
Die größten der jebt lebenden Phyllopovden gehören zur Unterordnung Euphyllopoda,
die in drei Familien mit zwar nur wenigen, aber ausgezeichneten Gattungen vertreten ift.
Der reich jegmentierte Körper hat zahlreiche, mindeftens zehn Baar Kiemenblattfüße und meilt:
eine Schalenhiülle, die jedoch den Zungen jtets fehlt. Fat durchweg gehören die Guphyllo-
poden den Binnengewäljern an und jegen durch ihr mafjenhaftes Erjeheinen an Orten, wo
jte jahrelang nicht bemerkt wurden, den in Erftaunen, der nicht weiß, daß ihre Eier die Ent-
wicelungsfähigfeit bewahren, auch wenn fie mehrere Jahre eingetrodnet liegen. Die Jungen
verlajjen als Nauplius gewöhnlich die Eier, zeigen in manchen Fällen jedoch bereits die An-
lagen weiterer Gliedmaßen und werden dann als Metanauplius bezeichnet (Abb., S. 630).
Gänzlich fehlt die Schale in der Familie der Kiemenfüße (Branchipodidae). Der
Körper ift langgeftredt; man fan an ihm den Kopf mit den beiden großen, geftielten Seiten-
augen und dem Kleinen Naupliusauge auf der Stirn, ferner die Bruft mit 11 Paar Shwinm-
fügen und da3 lange fußloje Abdomen unterfcheiven, das fich nach hinten allmählich verjüngt
umd im zwei ftarfe gefiederte Borften (die jogenannte Furca) ausläuft. Die erften Antennen
find Klein und fadenfürmig, die zweiten dagegen recht anfehnlich, befonders im männlichen
Geichlecht, 100 fie zu Fräftigen, großen Zangen umgebildet find und zum Fefthalten der Weibchen
während der Begattung dienen. Die eigentlihen Begattungsorgane der Männchen liegen am
640 Krebie.
Grunde des Hinterleibs und beftehen aus zwei ftarfen Hafen. An der gleichen Stelle findet
fich bei den Weibchen, je nach der Art, eine in ihrer Form jehr wechjelnve Tajche, in Der die
Gier vor der Ablage aufbewahrt werden und ihre legte Ausbildung erhalten.
Die Branchipodidae, vorzüglide Schwimmer, die fehnell und ficher mit dem Nüden
nad) unten durchs Waffer gleiten, find in zahlreichen Arten über die ganze Erde verteilt; bei
uns find die beiden häuftgften Branchipus schaefferi Fischer (stagnalis, pisciformis), der
„Stchförmige Kiemenfuß” Schaeffers, und Chirocephalus grubei Dybowski. Erxjterer it etwa
12 mm groß, le&terer erreicht 25 mm umd mehr. Beide find blaßgelblich gefärbt mit lebhaften
bunten Zeichnungen und treten im zeitigen Frühjahr in Pfügen und Lachen auf, die der
. Schneejhmele und reihlihen Niederfchlägen ihre Entjtehung
verdanken. Mit dem Austrocknen dev Tümpel im April und
Mai verfehwinden auch die Kiemenfüße. Ch. grubei j&eint die
lichten Wälder und Wäffer mit faulendem Laub zu bevorzugen,
B. schaefferi dagegen jonnigere Pfüsen mit Lehmboden. Die
zwei Arten find leicht zu unterfheiden an ihren Stirnanhängen,
die zwifchen den Antermen ftehen; fie find bei Br. schaefteri
lange Fäden (f. die Abb.), bei Ch. grubei, wie bei den ibrigen
3—4 deutfchen Arten der Gattungen Chirocephalus Prevost
und Streptocephalus Baird, gefaltet und gezähnt. Ganz
fehlen die Stirnfortfäge bei dem jonft ähnlichen, ftet3 etwas
£leiner bleibenden Salzfrebshen oder Salinenfiemen-
fuß, Artemisia salina L. (Artemia), das außerdem durch)
jehr Eurze Furkalanhänge am Hinterleib gekennzeichnet ift. In
Deutihland findet fi das Salzkvebschen nur in Seejahgjalnen
bei Greifswald, jonft aber in jalzigen Binnengewäflern ganz
Guropas, in Kleinafien und Hgypten.
Das Salzkrebschen ift eine von den Arten, bei denen die
a - Fortpflanzung durch Eier ohne männliches Zutun, die joge
oe chen Tora un nannte Parthenogenefis, ficher beobachtet wurde. Karl Vogt
größent, ee N und v. Siebold bemerften bereit mit Staunen, daß oftmals
in Sablafen nur weibliche Tiere diejer Art gefunden werden,
Yus den Salinen in der Nähe von Trieft verfchaffte fich fodann v. Siebold Salptrebschen und
ihre Eier, woraus er monatelang Brut ausjhlieglich weiblichen Gejchlechtes zug. Er konnte
daran auch Beobachtungen über die Lebensweije anftellen, die wir um I. lieber mitteilen,
al3 fie auch auf die iibrigen Blattfüßer viel Licht werfen. .
„Am die Herbeifhaffung von Futter für meine Artemienkolonien glaubte ich mich nicht
befümmern zu dürfen, da ich bemerkt hatte, daß der Verdauungsfanal der von mir erzogenen
Artemien ftetS mit Schlammbeftandteilen in ununterbrocdenem Zufammenhang von der Mund:
höhle bis zum After angefüllt war. Mean fieht diefe Salzkrebschen jehr häufig und andauernd
mit diefer Schlammaufnahme bejchäftigt, wobei fie dicht über dem Grunde des Wajjerz, mit
dem Nücken ihres Leibes den Ioderen Schlamm berührend, hin und her Schwimmen und leb=
teren durch die rafchen, regelmäßigen Bewegungen ihrer nie ruhenden Iuderfüschen aufwühlen.
Der aufgewühlte Schlamm gleitet alsdann dicht am Munde vorbei und wird auf der Wüttel-
linie des Bauches entlang von vorn nach hinten fortgetrieben. Sedenfalls werden auf dieje
Weije die Artemien, wie die übrigen Phyllopoden, gewiffe Beitandteile des aufgemwühlten
e
|
k
4
Blattfüßer: Euphyllopoda. in 641
Schlammes mit ihren Mundorganen nah Willkür fefthalten und verjchluden. Sehr häufig
bemerfte ich, daß diefe Tierchen bei diefem Gejchäft längere Zeit an einer und derielben Stelle
des Grundes verweilten, und daß fie alsdann ihren ganzen Körper fenkrecht in die Höhe vich-
teten. Auch in diefer Stellung, gleihfam auf dem Kopfe ftehend, fetten fie ununterbrochen
die Bewegungen ihrer Ruderfüße fort, durch weldhe fie den aufgewühlten Schlamm ebenfalls
an ihren Mundteilen vorbeitrieben und nach und nad) eine fürmliche Grube aushöhlten, in
welche fie ihr Kopfende immer tiefer einbohrten. BVerjhiedene Individuen drehten fich bei vem
Umberihiwimmen auf dem jchlammigen Grunde plöglich um ihre Läng3-
achje, jo daß fie den Boden mit der Bauchfläche berührten. Syn diejer
Lage verweilten die Artemien alsdann längere Zeit auf einer und der-
jelben Stelle, oder fie Frochen, Furhen dureh den Schlamm ziehend,
langjam weiter. Gewiß wurden bei diefem Benehmen, welches unter
fortwährenden Ruderbewegungen ftattfand, Futterftoffe von den Arte
mien aufgenommen und verihludt.
‚„lußerdem jhwammen dieje lebhaften Salzkrebshen, wahrjchein=
lich wenn fie fie) gejättigt fühlten, im freien Waller ihrer Behälter nad)
allen Ricdtungen ziemlich rafc) Hin und her, überjehlugen fi öfter, wie e3
i'hien, aus Übermut, ftießen zuweilen, als wollten fie fich neden, aneinz,
ander umd fuhren jodann blisjchnell wieder auseinander. Bei diefem
taftlofen Durhjfehwimmen ihrer Wafjerbehälter werben diejfe Tierchen
wahrscheinlich feine Gelegenheit vorübergehen lafjen, die im freien Wafjer
flottierenden Futterftoffe, welche ihnen vor das Maul fommen, feftzuhalten
und zu verihhluden; diefes fortwährende Verihluden von Schlammteilen
ift den Sabßfrebschen jedenfalls Bedürfnis, zumal da ihre Verdauung3-
organe gewiß nur einen jehr geringen Teil diejer als Futter aufgenom:
menen Stoffe werden allimilieren förmen. Schon die außerordentlichen
Fäzesmengen, melde die Artemien fortwährend auf den Grund ihrer
Wafjerbehälter fallen lajen, deuten auf die ungeheure Gefräßigfeit Diejer
Tieren hin. Mittels des hier mitgeteilten Verfahrens ijt mir die Auf-
zucjt der Artemien-Embryos, welche der aus Trieft überjendete Shlamm yannsemnom Sarz-
in jehr reichlicher Anzahl geliefert hat, auf das vortrefflichfte bis zur En
vollftändigen Gefchlechtsreife gelungen. Immer waren e8 nur einzelne fart vergr. Aus Bronn,
Individuen, welche in den verjchiedenen Behältern von meinem Beob- "yes kirrminer Su.
ahtungsmaterial mit Tode abgingen.’
Sm Sahre 1874 veröffentligte ein rujfiicher Foriher, Schmanfewitih, eine wichtige Ar=
beit iiber Artemisia salina aus den Sakquellen bei Odejja. Bei Zerreißung eines Dammes
wurde eine große Menge Salzkrebschen in einen mit abgejegtem Salze erfüllten Teil des
Rujalnifer Limans geihwenmt. Während nun nac Wiederheritellung des Dammes das Sal;-
wafjer duch Verdunftung fich Fonzentrierte, verwandelte fih die Artemisia salina von Ges
neration zu Generation in die aus Tonzentrierterem Waller befannte Artemisia milhauseni
Fischer mit jehr Turzen, unbewehrten Schwanzanhängen. Schmantewitjch erzielte diefe Um-
wandlung auc durch Fünftlihe Zucht bei langjamer Verdichtung des Salzwaljers in den Zucht
gefäßen, und es gelang ihm, durd) die entgegengejeßte Behandlung, dur) allmähliche Ver-
dinnung des Salzwafjers, die Artemisia milhauseni in Artemisia salina überzuführen.
Bei der Fünftlihen Zucht der legteren in allmählid) verdünnten Salzwafjer glaubte unfer
Brehm, Tierleben. 4. Aufl I. Band. 41
642 Serebje.
Forjcher eine mit den Kennzeichen von Branchipus schaefferi verjehene Form zu befommen,
fo daß eine Tierart in eine andere verwandelt worden wäre, was manche Bezweifler der Ab-
ftammungslehre immer von den Forjchern fordern zu müfjen meinten. Sn diefem Punkte
ging nun allerdings, wie Samter und Heymons nachmwiejen, Schmankewitich” Behauptung
ion zu weit: die Gattungen Artemisia Leach und Branchipus Schäffer bleiben vonein-
ander verjchieden. Tatjache aber ift, daß Artemisia salina mit Veränderung des CSalzgehalts
auch erhebliche Veränderungen der Geftalt erfährt. Zunehmendem Salzgehalt entjprechen die
Formen arietina Züscher, milhauseni Fischer und köppeniana Fischer, mit denen die
Artemisia dem Branchipus fchrittweife unähnlicher wird, und umgekehrt findet in jchwacd)-
jalzigem Wafjer wirklich mwenigjteng eine Annäherung an die im. Süßmwaljer lebenden Bran-
chipus= Formen jtatt. 3 liegen aljo hier Beziehungen vor, ähnlich wie beim Feuer- und
Alpenjalamander, wo man jede von beiden Arten durch Darbietung der Lebensbedingungen
der anderen gleichfalls zwar nicht gerade in die andere unmvandeln, aber doch ihr in bemer-
fensmwerter Weile anähneln konnte. Man müßte mit Blindheit gejchlagen fein, wenn man
folche Beilpiele nicht al vollgültige Beweife für die Veränderlichfeit der Arten, diejes Angel-
punkte der Abjtammungslehre, gelten lafjen wollte.
Daß das Salzfrebschen überhaupt jo verjhievdene Salzgehalte verträgt, tft bei ver Natur
jeiner Wohnorte, die oft ftarfer Wafferverdunftung jowie der Verdünnung des Wafjers aus-
gejeßt find, jehr begreiflih. Und aus ähnlichen Gründen verfteht fi), daß jeine Eier fid)
jowohl bei 0° wie bei 30° C entwideln können; im le&teren Falle brauchen fie nur 24 Stun-
den, aber Ihon bei mittlerer Temperatur mehrere Wochen.
Weitere, jehr merkwürdige Vhyllopoden find die Kiefenfüße (Triopsidae, Apodidae;
die nieverdeutfche „‚Kiefe‘ entjpricht der hochdeutfchen „‚Kieme). Der Körper der zwei in
Mitteleuropa lebenden Arten, Triops caneriformis Bosc. (Apus) und Lepidurus pro-
ductus Bosc. (Apus), ift von obenher durch eine breite, Jchildförmige, bi 3 cm lange
Schale bevedt, auf der vorn die drei fait miteinander verichmelenden Augen liegen. Triops
hat- nicht weniger als 60 Waare, Lepidurus 41 Paare von Schwimmfüßen, wovon jedoch
beim Weibehen das elfte in zwei Bruttajchen zur Aufnahme der Eier umgeformt ift. Der
auffälligfte Unterjchied der beiden Gattungen bejteht aber darin, daß bei Lepidurus das
Hinterleibfegment in einer zungenförmigen, gefielten Platte zwiichen den zwei Schwanzfäden
endigt, die bei Triops fehlt. Sie leben, oft mit Branchipus zujammen, in Fleineren Süß-
waljertümpeln, bei deren Eintrodinen die Tiere alle abjterben, während der Fortbeftand durch
die im fejtgewordenen Schlamme ich erhaltenden Eier gefichert ift. Man Fannte von ihnen
bis zum Sahre 1856 die Männchen nicht. Deren Entdeder hatte jeine bejondere Freude, daß
dies Greignis gerade mit der Hundertjährigen Sahresfeier der erjten über ven ‚‚Erebsartigen
Kiefenfuß” erjchienenen Monographie zufammentraf. Im Jahre 1756 hat nämlich ver jeiner
Zeit berühmte Naturforicher, der evangeliihe Prediger Schäffer in Regensburg, „anfangs in
ver lateinischen und io in der deutichen Mundart” die erite jorgfältige Abhandlung über
den Kiefenfuß gegeben. Troß vierjähriger genauer Studien des Tieres war e3 ihm nicht
gelungen, Männchen zu entdeden. Eine interejjante Anekdote erzählt Schleiden vom Triops
cancriformis, e3 ijt aber nicht befannt, wo er fie her hat. Als Goethe einmal in der Ume
gegend von Jena jpazieren ging, brachte man ihm einen lebenden, eben gefangenen Kiefen-
Tuß, der jeine Aufmerkfamkeit außerordentlich feffelte. Er wollte mehr davon haben und bot
für den nädhjten einen Speziestaler, für den dritten einen Gulden und jo weiter bis auf
Blattfüßer: Euphyllopoda. 643
6 Vfennig herab. Aber obwohl viele Leute auf die Suche gingen, wollte es doch nicht ge=
lingen, einen zweiten zu erhajchen.
‚„Aderfurchen, Chaufjeegräben, Vertiefungen von Land- und Dorfftragen, auf Adern,
Weiden, Bradhen, Wiefen, wie in Gärten, in der Ebene und auch) im Gebirge“, jagt M. Braun
treffend, „‚Eönnen, jofern fie nur eben zeitweife Wafjer führen, Wohnftätten für viele Bran-
Shiopoden, auch) für Triops und Lepidurus werden. Sie treten nicht jelten plößlih an Drten
auf, wo man fie überhaupt noch nicht oder jeit langer Zeit nicht gejehen hat; fein Wunder,
daB fie dann vom Volfe als vom Himmel gefallen angejehen werden, wie dies im Auguft
1821, nad) Fr. Brauer, in Wien gejchehen ift, wo in den Vorftädten die nach heftigem Regen
auf ven Straßen ftehengebliebenen Lachen große Mengen von Triops cancriformis aufwiejen,
die fajt über Nacht zur Entwidelung gefommen waren, an
Stellen, die Furz vorher jtaubtroden gewejen. Doch fennt
man aud) Drte genug, wo fich dieje Arten jo ziemlich jedes
Sahr oder wenigftens in einer Neihe von Jahren zur be=
fimmten geit einftellen. Dieje ift für unjere Arten ver-
Ihieven: Lepidurus productus ift eine Frühjahrs- oder
Kaltwajjerform, Triops cancriformis eine Sommerform;
eritere tritt in Lachen auf, die nad) der Schneejchmelge oder
nad Frühjahrsüberijhwenmungen entftanden. Es liegt in
ven Verhältnifjen, daß die Yebensdauer diejer Arten in der
Regel Feine lange ift, jondern fi) auf einige Wochen bis
Monate bejhränkt, da das meift eintretende Austrocdnen
ver Lachen und Pfügen den Tod diejer Apodiden bedingt.“
Die Eier dagegen vertragen eine Zeit des hochgradigen,
wenn auch nicht völligen Eintrodnens oder des Erfrierens,
bedürfen jedoch deren nicht al3 unerläßliche Vorbedingung
für ihre jpätere Entwidelung, die nach dem erften oder
raikässlc Mi
SOLLE,
ar
&
einem wiederholten Negengufje eintreten Fanı. Triops eaneriformis Bose, von ber
R R Ba Baudhjeite. Natürliche Größe. Aus Leunis-
on Gefangenjhaft gehalten, erfreuen die Kiefenfüße Zudwig, „Synopfis der Zoologie”.
nicht wenig dur) ihre munteren Bewegungen und die
wunderbare Beweglichkeit der zahlreichen Beine und jegen durch ihre Gefräßigkeit und rajches
Wahstum in Erftaunen. Sie find Kannibalen: größere Stüde freffen Kleinere auf; mit Vor-
liebe wird auch Branchipus als Futter angenommen.
Auch die Triopfiven pflanzen ich, jo heißt es gewöhnlich, in der Regel dur) jungfräu-
liche Zeugung fort. Männchen findet man nur ganz jelten. Tatfache ift aber, wie Bernard
und dv. Zograf nahmwielen, daß jowohl die Männchen als au die Weibchen in Wahrheit
Zwitter find, Eier und Samen in ihrer Keimdrüfe bilden, nur daß die Eier beim Männchen
nicht zur Reife gelangen, wohl aber die Spermien neben den Ciern beim Weibchen. Dem:
nach it bei den Triopfiven durchaus mit der Möglichkeit der Selbftbefruchtung zu rechnen,
wo jheinbare VBarthenogenefts vorliegt.
Eine andere Familie, bei der der Körper von einer zweiflappigen, beiderjeits am Rüden
befeitigten, aljo mujchelähnlihen Schale umjchlofjen ift, find die Limnadiidae (Estheri-
idae), die ji in den Schalen von Estheria Rüpp. und einigen ausgeftorbenen Verwandten
bi3 ins Devon hinab fiher nachweijen laffen. Die Schalen gleihen dur) den Befit eines
41*
644 Rrebje.
Mirbels und Fonzentrifher Zumwachsringe oft in hohem Grave denen von Eleinen Erbjen-
mufcheln, jo bei vem jeltenen, bi 12 mm langen, gelegentlich in Bojen und Schlefien ges
fundenen Oyzicus tetracerus Krynicki (Estheria eyeladoides). Der Wirbel fehlt bei der
etiwas weniger feltenen Limnadia lenticularis Z. (hermanni). Die 5 mm lange Limnetis
brachyura O0. F. Müll. hat eine ungeftreifte Schale, die den großen, mit einem jehr langen
Schnabel (Noftrum) verjehenen Kopf freiläßt. Allen Vertretern der Familie ift die Umbildung
der zweiten Antennen zu jehr wirkfamen Ruderarmen und die Ausbildung der Yugen gemeinjan.
Die leßteren find nämlich fo nahe zufammengerüct, daß fie Ihheinbar ein einziges, unpaares
Stirnauge bilden. Über dem Auge fißt außerdem bei Limnetis ein becherförmiges „Haftorgan”
Smeite Unterordnung: Wajjerflöhe (Cladocera).
Bon Formen, wie etwa den Limnadiiden, mag man die Wafjerflöhe (Cladocera)
ableiten, eine zweite artenreiche, hauptfächlicg wieder dem Süßwafjer angehörige Unterord-
nung der Vhyllopoden. Bei den Kladozeren Fehren die großen geäft- oder geweihförmigen
Kuderantennen wieder, ebenjo meilt die mujchelähnlich zweiklappige Schale, die jedoch hier
den Kopf nie mit umjchließt. Der Körper ift wenig und undeutlich gegliedert und hat nur
vier bis jechs Paar Füße. Wie die Limnadtiven, jo erjcheinen auch die Kladozeren einäugig,
weil die Seitenaugen zu einem verfhmolzen find. Meijt ift auch no) das unpaare Nauplius-
oder Nebenauge vorhanden, bei einigen Arten übertrifft es das paarige jogar an Größe. Die
Wafferflöhe find jämtli) jehr ducchfichtige Gejhöpfe, Jo daß man die innere Drganilation
bis in die feinften Einzelheiten überbliden fan. Bor allem die Bewohner größerer Wafjer:
anfammlungen find vollfommen farblos und glasartig, die der Tümpel und Teiche hingegen
meist gelblich bis rötlichgelb gefärbt. Vielfach finden fic) allerdings auch lebhafte rote, blaue
oder grüne Farbflede an den Beinen und am Körper, die als Schmucfarben bejchrieben
wurden, jedoch nur ein Zeichen guter Ernährung und an gemifje Fettjtoffe gebunden find.
Die Wafferflöhe Schwimmen hurtig und meift ftoßweije in Sprüngen und nähren fi) bis auf
die räuberiichen Polyphemiden und Zeptovoriden nur von Bflanzenkoft.
Bon bejonderem Interefje find die Fortpflanzungsverhältnifje ver Wajjerflöhe, da meift
ein regelmäßiger Wechjel zwiichen Jungfernzeugung und zweigejchlechtliher Fortpflanzung
ftattfindet. Die Weibchen bringen, wie jeit langem befannt ift, zweierlei Gier hervor: Sommer-
oder Subitaneier und Winter-, Dauer: oder Zatenzeier. Verfolgen wir den Entwidelungs-
gang eines Daphnivdenvolfes in einem Teiche etwas genauer. Jm Frühjahr, etwa Ende
April, tauchen zumeift die eriten Tiere auf. Sie find entjtanden aus Dauereiern, die auf
dem Boden der Gemwäffer oder im Uferfehlamm den Winter über gelegen haben. Alle dieje
Tiere find weiblichen Gejchlechtes, wachlen Jchnell heran und beginnen jchon acht Tage, nad)
dem fie das Licht der Welt erblickten, fi lebhaft zu vermehren. Da Männchen nicht vor:
handen find, jo müffen die Jungen aus unbefrudhteten Eiern, den Sommereiern, entjtehen.
Ein Eijaß nach dem andern wird in den Gierjtöden gebildet und tritt in einen bejonderen
Teil der Schalenduplifatur, den Brutraum, über. Da entwideln fi aus ihnen in zwei bis
drei Tagen die Jungen, die den Alten völlig gleichen, nach ungefähr einer Woche gejchlechtö=
reif werden und dann ebenfalls zur rafchen Vermehrung ihres Volkes beitragen. Biele
Generationen können jo aufeinanderfolgen. Man wird deshalb leicht einjehen, daß die Zahl
der Tiere in dem Teiche rafch zunimmt, zumal 50 und mehr Sommereier auf einmal in den
DBrutraum entleert werden Fönnen.
Gegen den Herbft zu bemerkt man ein. allmähliches Abnehmen der Cierzahl und der
Blattfüker: Wafferflöhe. 645
Smdividuenmenge, umd eines Tages eriheinen unter den Jungen auch Männchen, ebenfalls
parthenogenetifch hervorgebradft. Sie find jofort daran zu erkennen, daß ihre erften Antennen
bedeutend größer, beweglicher und mit Sinnesborften ausgeitattet find. -E3 findet danad)
die Begattung ftatt, während der die Männchen fi mit dem erften zum Greifen eingeric)-
teten Beinpaar am Weibchen fejttlammern.
Die nunmehr befruchteten Eier, die „Dauereier”, find nicht Jofort entwidelungsfähig,
jondern bedürfen einer längeren Ruhezeit und find zu diejem Zmede mit befonders jtarfen
Hüllen umgeben. Bei ihrer Ablage löft fich vielfach die ganze Schale mit los, oder e3 plabt ein
verdicdter und dunkler gefärbter Teil von ihr ab und umgibt al8 Schußhülle ein over zwei Eier
oder ein ganzes Vaketchen von ihnen. Die Schalenverdidung wurde von Surine, ihrem Ent-
decer, für eine Frankhafte Bildung gehalten und Ephippium, zu deutjch Sattel, genannt. Sie
it vielfah mit Schwimm= und Haftoorriehtungen verjehen, die die Verbreitung begünftigen.
Mit der Bildung der befruchteten Eier ift der Fortpflanzungskreislauf abgejchloffen. Die
Tiere jterben ab, und aus den Dauereiern entiteht erft im nächjiten Frühjahre das Volk von reuem.
Sn verhalten fich die meilten Bewohner großer Teiche und Seen, fie find, wie man jagt, mono
zyEliich. Anders die Völker Hleinerer Gemwäjjer, da wird der Zyklus zwei oder mehrmals wiederholt:
die Arten find polyzytliich. Die Wintereier tragen dann diefen Namen zu Unrecht, da fie aud)
in regelmäßigen Zwifchenräumen im Sommer abgelegt werden. Azykliich, ohne jede Dauereibil-
dung und in ftändiger parthenogenetiicher Fortpflanzung, leben einige Bewohner großer Seen.
Die Frage, welche Urfachen das Erjceheinen der Männchen und die Bildung der Dauer:
eier bedingen, hat wiederholt Bearbeiter gefunden. Nah den Unterfuhungen von Woltered,
v. Scharfenberg und PVapanicolau nimmt die Neigung zur Erzeugung von befrudhtungs=
bedürftigen Weibchen und von Männden von Generation zu Generation und von Wurf zu
Wurf zu. Im Kulturen äußert fi) das darin, daß wohl Weibchen der erjten Generationen
fich leicht parthenogenetifch weiter züchten lafjen, während in päteren jelbjt günftigite Be-
dingungen, wie gute Ernährung und erhöhte Temperatur, den Eintritt der Gejchlechtlic)-
teit faum verhindern fünnen.
Die Abbildung auf ©. 646 veranihaulidt uns den Unterjchied der Gejchlechter und führt
uns gleichzeitig in den Bau der befannteften Familie der Wafjerflöhe, der Daphniden (Daph-
nidae) ein. Am Kopf fällt uns zunädhft das große paarige Auge (0) auf, dicht darunter liegt das
Naupliusauge (no). Die Sinnesborften der erften Antennen (ED) werden von einer jchnabel-
artigen Verlängerung des Kopfes überdacht; weit größer und Fräftiger find Dagegen die zweiten,
die Ruderfühler (LT). Der ganze übrige Körper ift von den Schalenklappen umfchloffen, die
nad) hinten in einen Stadel auslaufen. Am lebenden Tier fann man jedoch leicht die einzelnen
Drgane durch die Schale hindurch erkennen. Noch zum Kopf gehören die feulenförmigen Manz
dibeln (md) und die jehr Kleinen Marillen, darauf folgen die fünf Baar Blattfüße (p). Diefe find
jehr ungleich gebaut, je mit einem Kiemenblättchen und einem dichten Borftenbejaß verjehen.
Bor den Mandibeln, überdedt von einer großen Oberlippe (I), liegt die Mundöffnung. Sie führt
auffteigend in den dünnen Anfangsdarm (oe); daran jchließt fich der Mitteldarm (d), der nach hin-
ten umbiegt und noch im Kopf zwei Kleine fichelförmige Blindfächen, die jogenannten Zeberhörn-
hen (h), trägt. Die Afteröffnung (a) befindet fi) auf der Nückenfeite des Hinterleives dicht vor den
Enödfrallen. Zu beiden Seiten des Darmes erkennt man die Ovarien (ov) und zwischen dem Hinter-
leib (pa) und den Schalenklappen einen Raum, der nad) Hinten durch mehrere Zipfel abgejchloffen
wird und mehrere Eier beherbergt. E3 ift der Brutraum (b). Vor ihm liegt das tonnen-
fürmige Herz (e), teilweile bededt von den ftarten Muskeln (m), die die Nuderfühler bewegen.
646 Krebje.
Die Daphnivden find eine außerordentlich vielgeitaltige Familie. Keilhad, der treffliche,
1914 in Kamerun gefallene Kenner der Phyllopoven, zählt für Deutiehland 20 Arten auf,
darunter vier aus der Gattung Daphne O. F. M. Die größte ift die im weiblichen Gejchlecht
bi5 6 mm lange Daphne magna Straus (Daphnia); etwas Eleiner ift D. pulex De Geer.
Beide leben vorzüglid in Kleinen und Kleinjten Wafjeranfammlungen, in größeren dagegen
nur in den flachen Uferbuchten, find gelblich bis gelblichrot gefärbt und al lebendes Fijch-
futter von den Zierfilhgüchtern begehrt. Sie erzeugen mehrmals im Jahre Männchen und
Dauereier, find aljo polyzyeliih. Der Rüdenrand des Hinterleibes zeigt bei D. magna eine
tiefe Einbuchtung und beide Arten tragen auf der Endfralle zwei Kleine Borftenfämme, die
Daphne longi-
spina O.F. Müll.
fehlen. Dieje lebt
bauptfählih in
den größeren Ge-
wäfjern, vom
Teich angefangen
bis’ zu den größ-
ten Seen, und tft
demgemäß fait
immer farblos,
durhfihtig und
mono= oder Dizyf-
ch. Die Art ift
bejonders Dur)
die große Verjchie-
denheit der Kopf:
form bemerfens-
Ba N al a h wert. DVeinabe je>
Daphne longispina O. F. Müll. Links Weibchen mit Sommereiern, von der Seite, in der Mitte der Teich) und
Ca: 2 tan u Silennennuaeet Dia Kanton, 1 bite Buhl Liebe an Se LE
h Zeberhörnden, d Mitteldarm, a After, s Schalendrüfe, c Herz, ov Eierftod, pa Hinterleib, br Brut- ihm eigentümliche
raum, darin 2 Sonmereier. Nah G. D. Sars gezeichnet von Dr. E. Wagler. N:
Barietät, und jo-
gar in ein und demjelben Gemwäljler wechjelt das Ausjehen der Tiere je nad) der Sahreszeit:
im Frühjahr rundföpfig, wie in der Abbildung, wählt die Kopfhöhe nach dem Sommer
mehr und mehr an, jo daß zumeilen ein vegelvechter Helm den Höhepunkt der Variation dar:
ftellen fann. Dieje jahreszeitlichen Abänderungen, die übrigens au) andere Teile des Kör-
per3 betreffen, find nah Wejenberg-Lund, Wolfgang Oftwald und Woltered hauptfählic)
von der Temperatur und der Ernährung abhängig.
Bei Scapholeberis mucronata O0. F. Müll., einer anderen Daphnide, find die Baud)-
tänder der Schalenflappen gerade und nach hinten je in einen Stachel ausgezogen. Das ift
eine Anpafjung an die Zebensweife. Das Tier ift wenig |hwimmekräftig, vermag aber, mit dem
Rüden nach unten, unter dem Wafjerjpiegel hinzulaufen und Fann daher aud) im freien Waffer
der Seen angetroffen werden. Ebenfalls mit dem Rüden abwärts, dabei ziemlich jehnell und
nicht hüpfend jhwimmt Simocephalus vetulus O. F. Müll. (Daphnia sima), kann fic) jedoc)
auch mit Hilfe der Auderantenne an Pflanzen anheften. Das Roftrum, der Schnabel des
ri
Blattfüßer: Wafferflöhe. 647
Kopfes, fehlt bei Ceriodaphnia Dana und Moina Baird, zwei Gattungen mit mehreren,
bei uns meift häufigen Arten.
Einige weitere Familien der Kladozeren feien nur kurz erwähnt. Gedrungen, oft ebenjo
hoch al3 lang, mit rüffelfürmig langen, unbeweglichen VBorderantennen ausgerüjtet, zudem
ohne die zwei Zeberhörndhen, ift die Familie der Nüffelfrebschen oder Bosminidae, deren
Öattung Bosmina Baird zwei formenreiche Arten umfaßt. Beweglich find die Borderantennen
bei ven Macrothrieidae. Ungemein reich an Oattungen und Arten find die gleichfalls
gedrungenen Ohydoridae, bei denen der Darm eine Schlinge bildet. Während die erite
Familie durchweg das freie Wafjer bevorzugt, find die beiden legten fat ohne Ausnahme Boden-
und Schlammbewohner. Ein Teil der Makrothriziven find außerdem ausgeprägte Moor
formen. Viele Arten von ihnen find jelten, andere häufiger, und zu der allein jechs deutfche
Arten umfaffenden Gattung Chydorus Leach gehört in Ch. sphaericus O. F. Müll. das
bäufigite und verbreitetite Kladozer. Sehr veränderlih ift feine Farbe und jein Umriß, der
bald oval, bald mehr Freisförmig erjcheint.
Sehs blattähnliche Fußpaare und das Fehlen einer Darmichlinge fennzeihnen die Si-
didae, wozu die in größeren Seen äußerjt durchlichtige, in Kleineren mehr gelblihe Sida
erystallina O0. F. Müll. gehört. Sie Ihwimmt in langen Stößen jehnell und gewandt und hat
offenbar in ihrer Eriltallenen Durchfichtigfeit eine Anpafjung an weite Wafferräume gewonnen.
Das Männchen hat bei ihr und bei einer zweiten Art der Familie, vem etwas Tleineren, gleich-
falls jehr zarten Diaphanosoma brachyurum Lievin, jehr lange Borderfühler. Die Zad-
dvahjiche Gattung und Art Holopedium gibberum Zaddach ijt jofort zu erfennen, da das
ganze Tierchen von einer gelatinierten Hülle ganz ummwallt if. Das: dürfte ebenfalls eine
Anpaflung an das Schweben fein. Die Art wurde in Dftpreußen entdecdt, danach) aber als
gar nicht jeltener Bewohner größerer, zum Teil jehr flaher Teiche und Seen erkannt.
Über die Bedeutung der Wafferflöhe im Haushalte der Natur jehreibt der verftorbene
Würzburger Zoologe Leydig, „va die Klavdozeren und Zyklopiven (unter den Kopepoden) die
fat ausjhlieglihe Nahrung der geihästeften Filche diefer (AUlpen=)Seen ausmachen. Die Saib-
linge und die Renten (Blaufeldhen am Bodenjee) leben von jolchen Eleinen Krebjen. Sch öffnete
eine große Anzahl von genannten Fiihen mit Rüdfiht auf diejen Punkt, und immer beftand
der Snhalt des Magens ohne andere Beimiihung aus dergleichen mifrojfopifchen Kruftentieren.
Legtere müfjen jomit, was die Zahl der Individuen betrifft, al3 die Hauptbevölferung der
bezeichneten Gewäller angejehen werden. Bedenkt man, welche Bedeutung 3. B. der Blaufelchen
(Coregonus wartmanni), von dem jährlich iiber 100000 im Bodenfee gefangen werden, für
die Anmohner diejes Sees hat, jo wird man zugejtehen müjjen, daß die faum gemwürdigten
Heinen Mufchelfrebje, infofern fie die Mafje von Filhen ernähren, dem Menfchen, wenngleich
indirekt, von großem Nußen find.”
Die beiden lebten Familien der Kladozeren, die Polyphemidae und die Lepto-
doridae, find in mander Hinficht die eigentümlichften. Beide führen eine räuberiihe Lebens=-
weile. Jhre Gliedmaßen find demgemäß zu Greiffüßen umgeftaltet und entbehren des Kiemen-
anhanges; vier bzw. jehs Paar find vorhanden. Die Schale ift jehr ftark zurüdigebildet und
dient lediglich al3 Brutraum. Biel befjer entwidelt als bei ven übrigen Kladozeren ift das
Auge. Aus zahlreihen Facetten zufammengejegt, nimmt e3 bei ven Polyphemiden falt den
ganzen Kopf ein. Polyphemus pediculus L., eine Art, die in hochgelegenen moorigen
Gewäffern am Fräftigiten gedeiht, jedoch auch in Seen und Teichen des Flachlandes in Ufernähe
648 Krebje.
oft in Mafjen vorfommt, ift au) ohne Vergrößerungsglas an dem großen [hwarzen Auge
und der hurtigen, zappelnden Bewegung unter den übrigen Planftontieren leicht erfenntlich.
Die Weibehen find, zumal während der Dauereierzeugung, lebhaft blau und rot gefärbt. Po-
Iyphemus ijt gewöhnlich dizykliih. Noch merfwürdiger fieht der ihm naheftehende, feltenere
Bythotrephes longimanus Leydig der großen, tiefen Seen aus, da er einen etwa 3 mm
langen Endftadhel hat. Die Familie der Volyphemiden ftellt unter ven Wafjerflöhen, wenn
wir von einigen Bradwaflerformen abjehen, die einzigen Bewohner des hohen Meeres. So
lebt im Atlantiihen Ozean, der Noröjee
und dem Mittelmeer Evadne nordmanni
Lov., ein anderer Vertreter, Podon in-
termedius Lillj., in der Nordfee. Ganz
abenteuerliche Verwandte find aus dem
Kajpifee und dem Schwarzen Meer be=
jehrieben worden.
Noch mehr verkleinert erjcheint die
Schale im Verhältnis zum Körper bei
Leptodora kindtii F'ocke (hyalina), der
Vertreterin der Leptodoridae und eins
ver hönften Kladozeren. Dberflächlich
Ichon feit langer Zeit befannt, wurde fie
duch Weismann gemiljermaßen zum
zweiten Male entdedt und, früher für
jelten gehalten, jpäter in fait allen unje=
ren größeren und jelbjt vielen Fleineren
Seen al3 häufiger Bewohner erkannt,
der fi nur duch äußerjte Durdhfichtig-
feit troß feiner Größe völlig unfichtbar
madt. Auch in Amerika, Zentralafien
und Sapan it fie nachgewiejfen worden.
EN: Das bis 10 mm lange Tieren ift
BERN Ä ihlanf und geftredt, deutlich in Kopf,
er Ten Nag ı Melamanm he ruft und Leib gegliedert; bie jeitlich ge-
jtrediten äußeren Fühlhörner kennzeichnen
ih duch ihre Muskulatur und den Bejab mit Fiederboriten al3 Nuder; die nad) vorn ge=
ftredten Beine bilden einen Fangapparat. Über die Lebensweife hören wir Weismann:
„bgleich erift von wenigen Forjhern gejehen, Icyeint Leptodora hyalina doch ein jehr
weites Verbreitungsgebiet zu befiben und da, wo fie vorkommt, au) in Menge zu leben.
Zwar kann fie, als vom Raube lebend, niemals in jolden Mafjen auftreten. wie die Tiere,
von welchen fie fih ernährt, hauptjächlih aljo Zyflopiven, do führt fie Jhon PB. E. Müller
als häufig an. Sch fiichte meiftens dicht unter der Oberfläche mit dem feinen Nee und halte
die Anficht von Müller, nach welcher fie überhaupt niemals in große Tiefen hinabjteigen fol,
für richtig, und zwar deshalb, weil ihre geringe Ruderkraft eine fo weite Reife als jcywer aus:
führbar erfcheinen läßt und jedenfalls nicht täglich zurückgelegt werden könnte. Dies müßte
aber der Fall jein, wenn die Tiere, jobald fie von der Oberfläche verfchwinden, in große
Tiefen hinabjtiegen; denn ich fand, daß fie während des Tages nur ausnahmsweile an der
Blattfüher: Wafferflöhe. Mufhelfrebfe, 649
Dberfläche bleiben, nachts hingegen immer dort anzutreffen find. Stärferes Licht meiden fie
offenbar, und bei hellem Sonnenfcein Tann man ficher jein, fein einziges Jndivivuum an
der Oberfläche zu finden. Auch bei Vollmond hatte ich regelmäßig nur eine fchlechte Beute, die
bejte bei trübem Wetter oder in dunfeln Nächten.
‚Übrigens Eönnte diefe Lihticheu auch nur fcheinbar fein, injofern die Zyflopiden, von Ben
die Leptodora lebt, ganz diejelben Eigentümlichkeiten im Auf= und Nieverfteigen zeigen, und e3
aljo denkbar wäre, daß dieje empfindlich gegen Licht wären und die Leptodora ihnen nur nad)-
zöge. Daß Zyklopiven jehr jtarf durch) Licht beeinflußt werben, läßt fi im Aquarium leicht feit-
jtellen, indem fi) die Tierchen ftetS da fammeln, wo das Licht einfällt oder an fich einen ftarten
Lichtrefler bildet. Direktes Sonnenliht und zu jcharfes diffujes Licht jcheinen fie zu meiden.
‚,$. ©. Müller hat bereits die Kladozeren nad) ihrem Aufenthalt in zwei Gruppen geteilt:
pelagijche und Uferformen; Leptodora gehört zu der erjten Gruppe, fie ift ihrem ganzen Körper:
bau nad) auf das Schwimmen in reinem, von Pflanzen freiem Waffer angewiefen, und demgemäß
findet fie jich nicht in ver Nähe des Ufers, Jondern, wenigjtens im Bodenjee, erft Dort, wo der See
tiefer wird. Sie rudert nur mit den Antennen, und zwar rucdweije, wie alle Daphniden, aud)
bringt fie fih nur langjam vom Flede, und ihre große Durchlichtigfeit und deshalb fait voll-
ftändige Unfichtbarfeit mag für fie wohl Eriftenzbedingung fein, da fte zur Jagd auf Beute viel
zu jchwerfällig ift. Sie lauert auf ihre Beute und hat in diefer Hinficht viel Ahnlichkeit mit
der duch ihre Durhfichtigkeit berühmten Larve von Corethra plumicornis (einer Müde),
welche jedoch im Bunkte ver Unfichtbarkeit von ihr noch bei weiten übertroffen wird.
„Gerade wie die Corethra-Larve, jo liegt auch die Leptodora horizontal ausgeitredt
ruhig im Waffer und harıt, bis ihr die Beute zwijchen die aufgejperrten Fangbeine gerät.
Während bei Corethra bejondere hydroftatiihe Apparate, die großen Tracheenblajen, dem
Körper die horizontale Lage fihern, ijt bei Leptodora der Magendarın jo weit nad) hinten
gerücdt, daß er dem Ichweren Thorar und Kopf das Gleichgewicht hält.
| „Die jehr das Tier nur auf das Schwimmen angemwiejen ift, fieht man am beiten an
gefangenen Spndividuen. Sobald Algen oder Schmugteile im Waffer find, hängen fie fih an
die Nuderarme der Leptodoren, die dann oft eine ganze Schleppe nach fich ziehen und dadurd)
am Schwimmen fehr gehindert werden. Troßdem aber verjuchen fie nie, ich der Füße zum
Laufen over Klettern zu bedienen, und nur im Ääußerjten Notfall, wenn fie irgendwo feit-
hängen, fuchen fie fi) mit dem Abdomen vorwärts zu helfen, indem fie die Spite desjelben
bi3 unter den Kopf jehieben, dort feithafen und dann gerade ftreden.”
Zu diefer Schilderung haben wir höchitens zu bemerken, daß nach) der Anfiht von Lang-
hans und von Franz nicht nur die Lichtjeheu der Leptodora, jondern überhaupt das nädht-
lihe Emporwandern vieler Wlanktontiere und ihr Hinabfteigen bei Tage, jomweit e3 nicht un=
mittelbar beobachtet ijt, ein lediglich Iheinbares fein fanı. Daß man jolde Tiere bei Tage
weniger fängt als bei Nacht, Fannn auf ihrem Sehvermögen beruhen, mit dem, fie bei Tage
das Fanggerät wahrnehmen und ihm daher in größerer Zahl ausweichen als bei Nacht.
Zmeite Ordnung:
Muichelfrebje (Ostracoda).
Bei den Mujchelfrebshen (Ostracoda) it wiederum die zweillappige Schale vor:
handen. Bielfad) verhältnismäßig derb, öfter jogar Falfhaltig, farbig, au) bevornt, elegant
gerippt oder gegittert, hat fie infolge ihrer überraf'henden hnlichfeit mit Mufchelfchalen zu
650 Srebie.
dem Namen Mufcheltrebshen Anlak gegeben. ine weitere Übereinftimmung mit diejen
Tieren befteht natürlich nicht, höchitens daß, wie bei ihnen, die Schale durch Fräftige, quer
verlaufende Musteln geihloffen werden fann, während das Dffnen durch ein elaftiiches Band
bejorgt wird. Sieht man die Tiere in Bewegung, jo wird aud dem Laien der Unterjichied
jofort ar, dann treten nämlich) zwijchen den Schalenklappen
die Gliedmaßen hervor, im ganzen find es fieben Paar. Da
eine Glieverung am Körper, der gänzlich von der Schale um:
Ichlofjen wird, nicht nachweisbar ift, jo fann man nur nad) der
Zahl der Beinpaare auf die ver Segmente jhließen. Die beiden
Fühlerpaare find zwar mit Sinnesborjten reich ausgejtattet,
dienen Daneben aber vornehmlich der Bewegung. Bejonders
das zweite fann mit Fräftigen Hafen ausgerüftet und als Schreit-
fuß entwidelt jein oder aud Schwimmboriten tragen und zum
| - .. Nupvern gebraucht werden. Die Bearbeitung der Nahrung wird
oben Cıhnle des Weihihens won dor HAUPLÄHLLH von den Mandibeln und den erften Maxillen vor-
Seite, unten die Schalen von oben. genommen, mitunter werden fie unterftüßt von ein over zwei
Stark vergrößert. Nah W. Bavra. 2 10 2 EURE 3
Kieferfüßen, umgewandelten Gliedmaßen der Bruft, die jonit bei
der Fortbewegung beteiligt find. Dem fiebenten Bein fällt meijt die bejondere Aufgabe zu, die
Sinnenjeiten der Schalen vom Schmuß zu Jäubern; es wird darum auch Busfuß genannt. Der
Hinterleib ift rechtwinklig nach vorn umgebogen und läuft in zwei Hatenklauen oder Borjten aus.
Nie der äußere Aufbau, jo ift auch der
innere je nach der Familie vecht verjchieden-
artig. ES wechjelt die Form des Darmes
und jeine Ausjtattung mit Zeberjehläudhen
und vor allem auch die Beichaffenheit des
Gejchledhtsapparates. Falt immer ift ein
preiteiliges, in der Mittellinie gelegenes
Stirn: oder Naupliusauge vorhanden, zu
dem bei den meerbewohnenden Zypridiniven
noch zwei jeitliche, beweglihe Augen von
fomplizierterem Bau fommen können. Kies
menblättchen find an den Beinen nie vor-
handen; den ©asaustaufch hat in der
Hauptjahe die innere Schalenoberfläche
übernommen.
Die Mujchelkrebfe find jtetS getrennt ge=
wei Nufgelfrebje der Tieffee: oben Cypridina castanea Ihlechtlich, obgleich noch nicht von allen
Kent anna, en Genese SENSE ta GIER. Yeten die Männcpen befannt fine. Die Ge
Iichlechter unterjcheiden fi) manchmal jchon
äußerlich nicht unbedeutend durch die Schalenform. Allgemein find die Männchen an bejon-
deren Klammerhafen an der zweiten Antenne oder der zweiten Marille und an den umfang-
reichen Begattungswerkzeugen zu .erfennen. Sehr merfwürdig find die Samenfäden durd)
ihre enorme Größe: vollfommen ausgeftredt, find fie zuweilen länger als das ganze Tier.
Vie die Blattfüßer, jo pflanzen fi) auch die Mufchelfvebje jowohl durch befruchtete als un-
befruchtete Eier fort, ja von einigen Arten find jogar nur die parthenogenetiihen Weibchen
Mufchelkrebfe: Ruderfüßer. 651
befannt. Das junge Tier verläßt das Ei bei den Zypridiniden und Zytheriven al3 Nauplius,
bei den übrigen ift die Entwidelung abgekürzt.
Die Mufchelkrebje leben jowohl im Süßwafjer als im Meere; die meiften find Gruno-
oder Uferformen, die im Schlamme wühlen oder auf den Pflanzen gejhidt umberklettern
und fih nur kurze Streden freiihwimmend fortbewegen. Da dies in gleihmäßigem Tempo
geichieht, jo find te jofort von den Ruderfüßern und Wafjerflöhen zu unterfcheiden. Sm Meere
finden fi) auch einige rein pelagiihe Formen. 600 meift 1—2 mm große Arten mögen bisher
befannt jein, allein gegen 70 find in Deutihland heimiih. Zu den häufigften zählen die
weiße, jhlammbemwohnende Candona candida O. F. Müll. mit nierenförmiger und Noto-
dromas monacha 0. F. Müll. mit gerundetsfünfediger Schale. Die Bewohner der Tieflee
uw zum Teil dur riefige Seitenaugen ausgezeichnet, wie die in Abb. ©. 650 dargeftellte
Cypridina castanea Brady, andere find ganz blind oder befiten Leuchtorüfen; jo wahr:
Iheinlih auch der von der deutichen Tiefjee-Erpedition mitgebrachte Riejenmufchelfrebs
der Tiefjee, die Firihgroße, hellvote Gigantocypris agassizii Müll., die in ihrer Größe an
flurifhe Dftrafoden erinnert und aud in Kompliziertheiten des Blutgefäßes und im Befit
von Blutkörperchen altertümliche Eigenjchaften bewahrt hat, die jonjt ven Mujchelfrebjen in-
folge Abnahme der Größe verlorengegangen find.
Dritte Ordnung:
Auderfüher (Copepoda).
Die vielgeitaltige und jehr artenreiche Sippichaft von mehr als 1000 Arten mifroffopifcher
oder Doc) Lleiner, nur jelten einige Zentimeter lang werdender Spaltfußfrebje, Spalt-
füßer oder Ruderfüßer (Copepoda) enthält teils frei lebende und dann wohlgegliederte, mit
Mundwerkzeugen verjehene Oattungen, teils joldhe, die bei parafitiicher Lebenzweile alle
äußere Olieverung verlieren, und deren Mundteile in einen Saugrüffel umgejtaltet werden. ©o
weit gehen die Veränderungen in den jpäteren Zebensabjchnitten diejer zahlreichen Schmaroger-
frebje, daß fie anfänglid, al3 man fie) gegen Ende des 18. und in den eriten Sahrzehnten
ve3 19. Jahrhunderts mit ihnen befanntmachte, überhaupt gar nicht für Oliedertiere gehalten
wurden, bi3 die Übereinftimmung ihrer Jugendformen mit denen anderer Entomoftrafen die
BZoologen eines bejjeren belehrt. Shre Zufammengehörigkeit mit den frei lebenden Formen
von Cyelops O. F. Müll. und anderen Öattungen twird durch eine ununterbrochene Reihe von
vermittelnden Arten bewiejen. Die befannteften Kopepoden, aljo vie Mehrzahl der frei leben-
den, haben eine eigentümliche Keulenform, da an dem eiförmigen Kopf und Bruftftüd wie
ein kurzer Stiel der jchlanfere Hinterleib fikt.
Spaltfüßer heißen unjere Tiere, weil fie in gleihjam jchematifcher Einfachheit die zwei-
äjtigen, gejpaltenen Beine (Abb., ©. 625) nebft Mundglievmaßen zeigen. Wegen ihrer rhyth-
milden Bewegungen heißen die Beine der Bruftfegmente Ruderfüße. Mächtiger als die zwei-
ten Antennen find die eriten entwidelt, die, mit Spürborften bejegt, oft fajt wie ein gewal-
tiger Schnurrbart ausfehen, nur daß diejer Schnurrbart rudweije bewegt wird und damit
gleichfalls der Fortbewegung dient. Der Körper endigt mit zwei gabelig auseinanderftehen:
den PVlatten, an deren Spite mehrere lange Schwanzborften auffigen. Atmungsorgane fehlen,
die vünnhäutigen, nie zu Schildern und Banzern fi) erweiternden Körperbededungen geftatten
überall den Gasaustauic.
659 Krebje.
Die Kopepoden find getrennten Gejchlechtes. Die Weibhen find meift leicht an ven großen,
oft blauen, grünen oder braunen Eierjäcden zu erkennen, von denen entweder zwei an den
Seiten oder nur eins auf der Bauchfläche des Hinterleibes getragen werden. Bei den Eleineren
Männchen find oft die vorderen Antennen — auf beiden oder nur auf einer Seite — zu Greif:
Elammern umgebildet und das lekte Beinpaar zu Überträgern des männlichen Stoffes. Die
Larven jehlüpfen als echte Nauplien aus mit ovalem Körper, mit dreiteiligem Stirnauge, das
auch beim erwachjenen Kopepoden meilt das einzige Sehorgan bleibt, und mit drei Baaren
von Gliedmaßen. Mit einer Reihe von Häutungen ift ein allmähliches, Enofpenartiges Hervor-
Iprießen der Leibes=- und Hinterleibsringe und ihrer Gliedmaßen verbunden. Manche Schma=
roßerfrebje jeßen fih aber unmittelbar nad) der eriten Häutung feit oder nachdem ihre Glie-
derung nad einigen Häutungen jehon weiter vorgejchritten ift, verlieren alsdann an ihrem
ganz unfürmig werdenden Körper alle Gliederung, und ihre Nuderfüße bleiben entweder als
feine Stummel erhalten over gehen auch wohl verloren. Bei diejen, für ihre ganze Lebens-
zeit an einer Stelle ihres geplagten Wohntieres feftgehefteten Schmarogern ift auch das Auge
gejhwunden, das ihnen während der Schwärmerischen Jugendzeit von Nugen war. Die jhönen
Anlagen der Jugend find eben nicht entfaltet; es hätte etwas Nechtes, nämlich ein wirklicher,
bis zu jeinem Tode fi munter tummelnder Nuderfüßer werden fünnen, e3 wurde aber
nur ein elender, jeine Jugend Lügen ftrafender, einem feiner Mittiere zur Laft fallender
Taugenichts und unbehilflicher Freßlad daraus.
Man teilt die Auderfüßer in die beiden Unterordnungen der Echten Kopepoden oder
Eucopepoda und der Karpfenläujfe oder Branchiura.
Erjte Unterordnung: Erhte Kiopepoden (Eucopepoda).
Die weitaus meilten Kopepoden bilden die Unterordnung Eucopepoda. Sie enthält
freilebende und parafitiiche Formen in großer Menge.
Die freilebenden find jene Tiere, die gewöhnlich Hüpferlinge genannt werden. Unter
ihnen ift die Familie ver Cyclopidae die befanntefte, bei denen die zweiten Antennen gleich
den erjten einäftig, die Beine des lebten Baares in beiden Gejchledhtern rudimentär find und
das Weibchen jederjeit3 des Hinterleibs ein Eierlädchen trägt. Es find meilt Süßmwaljer-
bewohner. Die einzige deutjche Gattung Cyclops O. F. Müll. hat in unjerem Lande 25
Arten, unter denen der bis 3 mm lange C. fuscus Jurine (coronatus; Abb., ©. 653), mit
dicht anliegenden Eierfäden, die jhönfte und buntejte ift, ©. albidus Jurine fait recht:
winklig abftehende Gierjäde hat, C. viridis Jurine jehr jpikwinklig, und C. strenuus
Fischer \pigwintlig abftehende. Diefe Art und der oft dunkel ftrohgelbe C. serrulatus
Fischer find die häufigiten.
Sehr lange Borderantennen, deren nur eine beim Männchen zum Greiforgan umgejtaltet
it, und ein unpaarer Gierfad zeichnen die rein pelagiihen Centropagidae aus, die mit
Gattungen wie Eurytemora Giesbrecht oder Diaptomus Westwood im Süßmwafjer vertreten
nd. Während die erfte nur in ganz großen Seen vorkommt, leben einige DiaptomusAltten
auch in den Kleinften Gewällern, jo 3. B. der im Frühjahr häufige Diaptomus castor Jurine.
Die dritte Süßwajjerfamilie ift die der walzenfürmigen Harpacticidae, mit einem
oder zwei Gierfäcdchen, echte Grundformen, die nie pelagijch leben, fondern vorzugsmweije im Lenz
nad) dev Schneejchmelze zwwiichen Wafferpflanzen, Moos und Algen Kleiner und Eeinfter Gewäffer
fh tummeln und, etwa wie Canthocamptus staphylinus Jur., jehr häufig angetroffen wer-
den. Im Zufammenhange mit diefer Lebensweije haben die Harpaktiziven und auch einige
a mar Yan m
nn
Auderfüßer: Echte opepoden. 653
Byklopiden eine Fähigkeit erworben, die bei den Nävertieren bereits befprochen wurde: bei
völligem Eintrodnen der von ihnen bevorzugten Kleinen Pfügen und Tümpel [hüten fie fich
durch Abjcheiden einer Hülle vor dem ficheren Tode. Die Haut it zu diefem Jede mit zahl-
reihen Drüfen ausgeftattet, deren Sekret rajch erftarıt und damit den jehüsenden Mantel
liefert. Bei einigen Formen find diefe „„Eyften’ fogar fugelrund, werden ebenfalls im Sommer
gebildet, haben jedoch eine andere Bedeutung. Die betreffenden Tiere, 3. B. Canthocamptus
microstaphylinus Wolf, lieben die Kälte und juchen eingebettet in die „Sommercyjte” am
Boden der Gemwäller
die heiße Jahreszeit I
zu überftehen. N N
Diefe drei Jr NT
> 2.
milien und andere N
find jedvoh auh im _— Me
Meere vertreten. | _
Hier bewohnen Har-
paktiziden die Algen-
welt der Gezeitenzone
oder die Buchten,
zahlreiche Arten anz
derer Familien ge-
hören zum Vlankton,
und in den arktifchen
Gemwäljern it ihre
Entwidelung nad
Arten und Stüdzahl
und Größe gefteigert.
. Die .langge=
jtredten, jchlanfen
PVontelliven und
Kalaniden, erftere |
dreiäugig, Ind fat os Me N
alle Meeresbemohe . en
H Weibchen von Cyclops fuscus Jurine. Stark vergrößert. Nah Schmeil in Leudart-
= und die Chun, „Bibliotheea zoologiea“, IV. Band, Stuttgart 1892.
Hwımmer; 0
durchjegen jte pfeilfchnell in behenden, durch gleichzeitigen Nücjchlag der Nuderäfte aus:
geführten Sprüngen das Wafjer, bald ruhen fie frei von ven Bewegungen aus, zwar an
einem Bunte fejtitehend, aber nur durch das Gleichgewicht ihres Körpers im Waller ge=
tragen, und lafjen ihre befieverten Dberkieferplatten zur Herbeijtrudelung fleinerer Gejchöpfe
in rafhen Schwingungen jpielen. Viele Arten find vollfommen durhfichtig, nur hebt fich
das Auge als leuchtend. rotes Fledihen ab, aber Anomalocera patersoni Templ., in der
Kordjee und im Mittelmeer, ift wundervoll blau mit roten und grünen Fleden. Sm Golf
von Neapel fieht man manchmal Fleine Schwärme blauer Rontelliven, vielleicht jener Ano-
malocera=Art, ji mit jolher Kraft gegen die Meeresoberflähhe jchnellen, daß fie jogar
herausipringen, worauf der Schwarm wie ein Negen wieder herabriejelt. Man darf
wohl annehmen, daß die Tiere vor einem Fild oder fonftigen Verfolger flohen. Calanus
654 Krebje.
finmarchieus Gunn. tritt in ungeheueren Waffen auf und jol einen wejentlihen Beltandteil
der Nahrung des grönländischen Walfiihes ausmachen.
Fit man joldhe Tiere mit dem Plankftonneg und bringt fie in einen Ölashafen, jo
tummeln fie fich jtetS größtenteils an den dem Licht zus und abgewandten Teilen des Olafes,
fie find phototrop oder phototaftiieh. Diefe Erfheinung jedoch, die auch bei anderen Kopepoden,
bei Dftrafoven, Kladozeren und vielen anderen Tieren des Meeres und Süßmwaflers wieder:
fehrt, fommt bei diefen Tieren nicht zuftande, wenn man ganz vorfichtig ein einzelnes un-
verjehrtes Krebschen in ein großes Aquarium bringt. Sn diefem Falle Ihwimmt das Kreb3-
hen, wie Franz feftitellte, unbefümmert um die Belihtung hin und her und eilt erjt von
dem Nugenblid ab zum Lichte hin, wo e3 einmal durch jeine zufälligen Bewegungen an der
Oberfläche oder an der Olaswand anftieß: ein Beweis, daß diejfe Tiere auch im Freileben fi)
nicht jo dauernd nad) dem Lichte einftellen, jondern exit bei eintretender Beunruhigung, wo
fie ins Helle und damit ins Weite fliehen.
Die Nahrung der Hüpferlinge befteht außer aus winzigen lebenden Wafjerorganismen
nac Zampert aud aus den Bollen von Nadelhölzern, den der Wind wie einen lihten Teppic)
über die himmernde Glut gebreitet hat. Knut Dahl ftellte bei Mageninhaltsunterfuhungen
an Forellen zu feinem und der Mitwelt Staunen feit, daß Zyflopiven und au mande n=
jeftenlarven, die von den Fiichen gefreifen waren, noch) mehr al3 12 Stunden innerhalb der
friichgetöteten Fijche lebendig und augenscheinlich ganz unbeeinträchtigt bleiben können. Soviel
von den frei lebenden Vertretern der Unterordnung Eucopepoda.
Bei den Shmarogerfrebjen, die man auch al3 Parasita zufammenfaßt, bilden Jich
ein Paar Fühlhörner und ein oder einige Paare der Kieferfüße zu Klammerorganen um,
während gewöhnlich die Kiefer als zum Stechen geeignete Stilette in einer Saugröhre liegen.
Alle ziehen ihre Nahrung aus anderen Tieren, namentlich Filhen. She Verhältnis zu diejen
ftuft fih in allen Graven ab, von der freiejten Bewegungsfähigkeit, die dem Schmaroger ge-
jtattet, jeinen Wirt beliebig zu verlafjen, bi zur unfreiwilligiten Seßhaftigfeit, wobei das
VBorderende des Gajtes jo in das Fleiic) des Wohntieres eingejenkt ift, daß man den ein-
gegrabenen Kopf nur durch Ausschneiden unverjehrt erhalten fann. Se nachdem wie weit die
freie Beweglichteit aufgegeben worden ijt, wird die urjprüngliche Gliederung des Körpers
wenigftens bei den weiblichen Tieren mehr und mehr verwilcht. Die Olienmaßen verfümmern
nad), und nach und verjchwinden jchließlich ganz. Der Körper wird weich und wurmförmig
und nimmt wohl auch die abenteuerlichiten Geftalten an, verziert und verunziert mit allerlei
Inotigen, äftigen oder lappigen Auswüchlen. Bei vielen diejer Arten werden die Männchen
zwar nicht auch zu jolcher ungeglieverten Unförmlichkeit verbildet, bleiben aber im Verhältnis
zu ihren unfhönen Gattinnen pygmäenhaft Fein und lafjen fih von ihnen, an fie an:
geklammert, duch3 Leben jchleppen.
Ein Tierden, das ganz bejonders aus diejer Menge herausgehoben zu werden verdient und
fich jelbjt bemerklih macht, ift das Saphirfrebschen, Sapphirina ovatolanceolata Dana
(fulgens; Abb., ©. 655), aus der Familie der Corycaeidae. Sein Körper ift ein flachgedrück-
tes Dval von etwa 31/; mm Länge. „Wenn man, jagt Gegenbaur, „bei ruhiger See von der
Barke aus in die Tiefe jpähet, jo wird das Auge nicht jelten ein Schauspiel gewahr, welches
var an Großartigkeit von gar vielen Erfcheinungen der Meereswelt übertroffen, an Lieblich-
teit aber und Neiz von vielleicht nur wenigen erreicht wird. Zahlloje Lihtfunken tauchen auf,
\heinbar leicht zu erreichen, aber in Wirklichkeit oft noch fadentief unter vem Spiegel. Bald
NRuderfüker: Echte Kopepoden (Schmarogerfrebje). . 655
hierher, bald dorthin, höher oder tiefer au), bewegt fich in furzen, aber rajhen Säten jeder
einzelne Zunfe, dejjen Farbe bald japhirblau, bald goldgrün, bald wieder purpurn leuchtet;
und diejes mwechjelvolle Spiel wird noch durch veränderte Sntenfität erhöht. Ein Meeres-
leuchten bei hellem Tage! Jede Bewegung bringt eine andere Erjeheinung hervor, umd
jeder Nuderihlag führt die Barfe über neue Scharen hin, bis irgendein Wind die Oberfläche
des Meeres Fräufelt und zu Wellen erhebt, und das ganze Sun finft in die Tiefe.“
Nur die männliche Sapphirine jchillert, und zwar ift,
wie wir von Gegenbaur erfahren, die den Hautpanzer abjon-
dernde Zellenfchiht der Si ver Farbenerjheinung. Das
unjheinbarere Weibchen wohnt außer zur Fortpflanzungs-
zeit in ESalper. Das ganze bezaubernde Farbenjpiel läßt
ih mit dem Mikroffop beobachten, wobei fi) ergibt, daß
- jede Zelle für fih, unabhängig von den Nachbarn, ihre Far:
ben ausftrahlt. „Sp erjeheinen gelbe mitten im Not, rote
mitten im Blau. Doc Fann auch die Erfeheinung auf be-
nahbarte Zellen überjchreiten; vom Nande einer blauen Zelle
geht Blau auf die Nahbarzelle über, die eben nod) rot war,
und jo dehnt fih zumeilen eine Farbe über eine große Strede
aus. Zumeilen tritt plößlih in einer und verjelben Zelle
ein farblojer Fled auf, in der Mitte oder am Nande, größer
over Fleiner, während der übrige Teil noch in voller Farbe
prangt. Verwandelt man jeßt das durchfallende Licht in auf:
Jallendes, jo leuchtet der Fled in vollem Ntetallglanze, wäh-
rend die übrigen vorher und nachher gefärbten Partien duntel
find. Die Zeiträume, innerhalb welcher die Vhänomene ver-
laufen, find verjchieden lang; oft wechjelt in einer. Sekunde
die Farbe dreimal, oft währt eine Farbe mehrere Sekunden _ ._
lang. Mit dem Tode des Tierchens, wo fi) der feinfürnige MinnHen bes Saphirfrebsgens,
Sapphirina ovatolanceolata Dana, in
Snhalt der Leuchtzellen jedesmal gegen die Mitte zufammen> ver Rüdenanfigt. Start vergrößert. Aus
drängt, ift die ganze Gricheinung erlofchen” Ca ht ns hm a.
ihr hervor, daß es fi um Jurücdwerfen der Lichtftrahlen von
jener Körncenfchicht der Zellen handelt, nicht um ein jogenanntes Selbftleuchten. Doch will
Gegenbaur nicht behaupten, daß das Saphirkrebschen nicht auch zu den nächtlichen Leucht-
tieren gehöre, zu denen e3 von Thompjon und Chrenberg gezählt wird. Auch in der
Nordjee gibt e8 Sapphirinen.
Am zyKlopsähnlichiten unter ven Varafiten find no) die um zahlreiche Gliedmaßen und
ven Darm gekommenen, obwohl frei im Meere lebenden Monstrillidae, die in der Jugend
al3 Blutparafiten in Würmern haufen. Die meiften Schmarogerfrebje leben jedoch in der Jugend
frei und Ihmarogen im Alter; jo die Ergasilidae, von denen Ergasilus gasterostei Kr.,
an Stihlingsfiemen, und E. sieboldi Nordm. (Abb. 1, ©. 656), an den Kiemen von Hechten
und Karpfenarten, den Tod der Filhe hervorrufen können. Die Familie der Caligidae umfaßt
diejenigen Schmarogerfrebje, die bei freier Beweglichkeit durch größte Entfaltung der Klauen,
Klammer und Saugwerkzeuge ihrem Namen die meifte Chre machen. Sie halten fich auf der
Haut, an den Floffen und bejonders gern an den Stiemen der verjchievenften Seefiiche auf;
656 Srebfe.
Caligus lacustris Stp. et Lik. |hmarogt auf den Kiemen von Barich, Hecht und Notauge.
Einer anderen Familie, Dichelestidae, gehören Lernanthropus gisleri Bened. und
L. krögeri Dened. an. Die vorderen Beine des Aboomens find fast verfümmert, die hin-
teren zu großen Platten umgeftaltet. Sm der ganzen, meilt an Seefifchen wohnenden Fa-
milie gibt e3 nur zwei Süßwafferarten, Dichelestium sturionis Herm. und Lamproglena
pulchella Nordm. (bb. 2). Sees Ihmaro&t beim Stör, diefe beim Mand an den Kiemen.
Auch die Pennella-Atten, 3. B. Pennella sagitta Z. (Abb. 4) am Seeteufel, und andere wurme
fürmige ungegliederte Oeftalten der Familie Lernaeidae wollen des Dichters Wort: „Ach
Shmarogerfrebfe: 1) Ergasilus sieboldi Nordm., von der Rückjeite, vergr.; 2) Lamproglena pulchella Nordm.,
von unten, vergr.; 3) Lernaeocera cyprinacea L., vom Rüden, vergr.; 4) Pennella sagitta L. WahA.v. Nord-
mann, „Mikvographiihe Beiträge zur Naturgejhichte der wirbellojen Tiere”. Berlin 1832.
wüßteft du, wie's Filchlein ijt jo wohlig auf dem Grund”, zufchanden machen, da das tief
eingejenfte, wie mit wucherndem Geäjt überwachjene VBorderteil gewiß Feine angenehmen
Empfindungen erregt. Eine gefühlvolle Seele fann einigermaßen durch die jchlanfe, jogar
etwas an die menschliche Geftalt erinnernde Zeibesform der VBennellen fih ausjöhnen lafjen.
Aber Lernaeocera esocina Burm. und cyprinacea L. (bb. 3) verurjachen bei mafjen-
haften Auftreten gelegentlich ein großes Sterben unter allerlei Süßwafjerfiihen. Sind bei
diejen Barafiten die Weibehen wenigftens noch bis zur Baarungszeit freiichwinmend md die
Männchen zyklopsähnlidh, jo fehlen Shwimmfüße ven Lernaeopodidae völlig, auch vom
Hinterleib fteht man faft nichts mehr, die plumpen Weibchen jeßen fich dauernd feit und auf
ihnen die Männchen. Mit viefigen Klauen, den umgeftalteten äußeren Kieferfüßen, haben fic)
die Weibehen in das Wirtstier eingejchlagen, ja die rechte und linke Klaue verwachlen dann jogar
am Ende zu einem nicht mehr lösbaren Haftapparat. Auch foldde Formen leben im Meere wie
im Süßwaffer. Nur wenige diefer Schmaroger befallen andere Tiere als Fifche. Aber an Krebien
und Würmern jchmarogen die Herpyllobiidae mit Hilfe wurzelähnlicher Saugfortfäge
ihres Körpers, ähnlich wie wir das noch) bei Saceulina genauer feınenlernen werden.
Se nn
Nuderfüßer: Karpfenläufe. Ranfenfüßper. 657
Zweite Unterordnung: Karpfenläufe (Branchiura).
Mehr Freude erlebt der Beobachter an den luftig beweglichen Karpfenläufen (Bran-
chiura), der zweiten Unterordnung der Kopepoden mit einer einzigen Familie, den Argu-
lidae. Der gemeine Argulus foliaceus Z. hat einen jeheibenförmigen Vorderkörper mit
verfümmerteın, zweilappigem Hinterleib. Zwei große
Facettenaugen liegen in den Kopffeiten diefes merfwür-r °
digen Spaltfußfrebfes. Hinter ven Mimodteilen und Kiefer:
füßen, deren erjte zu großen Saugnäpfen umgebildet find,
folgen vier Paar langgeftredter, gejpaltener Schwimme
füße. Wie der deutjche Name der Familie andeutet, hält
fich) Argulus foliaceus vorzugSweije auf unferen Karpfen-
arten auf, häufig aber au am Stihling, feltener am
Het, Bari und an der Lahsforelle. Sa, er wird
auh an Kröten= und Frofchlarven gefunden, und bejon=
ders jah man ihn den Arolotl gern heimjuchen. A. core-
goni Thor., mit zugefpister Schwanzfloffe, bevorzugt Fo:
rellen, Hchen und Felhen. „Die Arguliven leben”, teilt
Claus mit, „vornehmlich vom PBlasına des Blutes, aljo
der eigentlichen Blutflüffigkeit, zu dem fie fich fowohl mit
tels Stacdels als vornehmlich durch die Spisen Mandibeln
und Marillen Zugang verjhaffen. Schon die vortreffliche
Entwidelung der Sinnesorgane und Schwinmfüße weilt ü
darauf hin, daß wir eg nur mit jtationären Varafiten zu ln Az Aus
tun haben, die gelegentlich der Begattung und Eierablage Saugnapf am vorderen Kieferfuß, Ri“ Hinz
ihren Aufenthaltsort verlaffen und frei umherirren. Yuh Sein Don P oebm mu oltus,
die Einrichtung de3 Darmkanales mit feinen zahlreichen
veräftelten Blindfhläuhen macht es wahrjcheinlich, daß auf eine tüchtige Mahlzeit eine längere
Faftenzeit unbeichadet der Lebensenergie der Tiere folgen Fönne. In der Tat habe ich beobachtet,
daß der wohlgenährte Argulus viele Tage, ja wochenlang von feinem Wirte getrennt ohne
Nahrung zubringen fan und während diejer Zeit Häutungen befteht, dann aber wieder, an
den Filchförper angeheftet, die zahlreichen Anhänge feines Darımes mit Nahrungsfaft füllt.“
u Vierte Ordnung:
Janfenfiter (Cirripedia).
Einer Imbildung der eigentümlichiten Art infolge Übergangs zur feftfigenden Lebensweife
find die nach den rankenförmigen Endglievern ihrer Beine genannten Krebje unterworfen, die
wegen ihrer falfigen Schalenabjonderungen in allen älteren Sammlungen ihren Plaß bei den
Konchylien gefunden haben. Auch Cuvier erkannte fie noch nicht nach ihrer wahren Natur,
und fie wurden erft dann recht eigentlich entlarvt, als ihre Entwidelungszuftände einen nicht
zu verfennenven Fingerzeig gaben, da jolch ein winziges, birnfürmiges, mit einem Stirnauge
und drei Baar Gliedmaßen verjehenes, Tuftig das Wajfer durhruderndes Wejen (AbL., ©. 661),
ein echter Nauplius, die größte Ahnlichkeit mit anderen Nauplien der Entomoftrafen hat.
Sofort nach der Geburt Schwinmt er immer dem Lichte zu und gelangt damit von feiner
Brehm, Tierleten. 4. Aufl. I. Band. 42
658 Srebje.
Geburtsftätte aus, dem Meeresboven, in die weiten Wafjermaflen hinein, für die er nad)
feiner Organifation geeignet ift. Wir find aber, durch die Erfahrungen an jo vielen Schmaroger-
frebjen gewißigt, darauf gefaßt, den ftürmifchen Jüngling in einen grämlichen, alten Gefellen
fich verwandeln zu jehen. Nach einigen Häutungen macht er venn auch Anftalt, fih für das -
übrige Leben fejtzufeßen. Die Schale ift mit der dem Anfegen vorangehenden Häutung ähn:
lich derjenigen der Mufchelfrebje geworden (‚„„Zypris-:Stadium‘). Mit den daraus hervor:
tragenden Fühlhörnern gejchieht das erjte Anklammern, während die engere und weitere Be-
feftigung auf der Unterlage durch einen in bejfonderen Drütjen bereiteten Kitt bewirkt wird.
In dem fi nun mehr abhebenden Hautpanzer finden häufig Ablagerungen von Falkigen
Platten jtatt, die bald ein ven übrigen Krebjen ganz fremdartiges Gehäufe bilden. Darin liegt,
wie zujammengefauert, der unterdefjen auch verjchiedentlich umgeftaltete Körper. Sebt, wo
wir e3 willen, jcheint e3 fich freilih von jelbit zu verftehen, daß troß der fonchylienartigen
Außenjeite die Krebsnatur fi unter anderem ganz unzweiveutig in ven jehs Baar Spaltfüßen
mit ihren vielglieverigen Endranfen verrät. Ein fernerer wichtiger Charakter der Ordnung ift
ihr Smoittertum. Faft nur die Unterordnung der Abdominalia ift getrennt gej&plehtlih. Die
Männchen find da im Verhältnis zu ven Weibchen winzig Flein, faum größer als die Gier,
und in ihrem Körperbau jehr von ihnen verjchieven. Erft Schwimmen fie frei herum und heften
jich Tpäter im Meantelraum oder an die Befeftigungsicheibe der weiblichen Tiere, oft zu zweien
und dreien, an. Außerdem fommen noch bei einer ganzen Anzahl von regelrecht gebauten,
wirklich zwitterigen Arten von Pollicipedidae ausjchließlih männliche, fehr Fleine Gejchledhts-
tiere vor, die zum Teil ganz anders ausjehen al3 die Zwitter, zum Teil ihnen etwas ähn-
licher find und von ihrem Entdeder Darwin „Ergänzungsmännden” genannt wurden. Die
Bedeutung diefer Männchen ift noch unbekannt. Gerjtäder fteht in ihnen im Berichwinden
begriffene überflülfige Individuen, die er daher mit rudimentären Organen vergleicht.
Die Zirripedien find in mehr al3 220 Arten ausschlieglid Meeresbewohner und haben
eine jehr weite Verbreitung, einmal durch) ihre Gewohnheit, ji an flottierende und Ihwin-
mende lebloje und lebende Körper anzufegen, dann durch die Kleinheit ihrer Larven, die von
den Strömungen mit Leichtigkeit hin und her getrieben werden. Nechnet man hierzu noch ihre
Fruchtbarkeit, jo wird es begreiflih, daß die Strandlinien an den Feljen von Hunderte von
Meilen voneinander entfernt gelegenen Küften mit Millionen derjelben Seepodenart bejebt
jein fünnen. Die Tiere fönnen ihr Gehäufe willfürli öffnen und außerordentlich feit ver-
ihliegen, und diejer leßteren Fähigkeit verdanken fie es, daß fie längere Zeit ohne Zutritt des
Wafjers leben können. Bon manden möchte man vermuten, daß fie unter Umftänden in einen
Zuftand der Lethargie verfallen. Wie Fönnte man es fich jonft erklären, daß an den Klippen
von Elba im heißen Sonnenjhein Seepoden fißen, die nur bei Sturm vom Wafjer erreicht
werden, oder an Fellen von St. Malo in einer Höhe, wohin das MWaffer nur zweis over
vreimal jährlich auf einige Stunden bei höchiter Springflut gelangt? Ste müfjen, wochen:
und monatelang ohne Atemwafjer und ohne Nahrung, während diejer Zeit ein latentes Leben
führen. Aber wie wachjen fie, und wie find fie. gewachlen bei diefem Enappen Stoffwechjel?
Wenn die Tiere ungejtört in ihrem Element find, dann Klaffen ihre Schalen, und aus
dem Spalt heraus treten ihre Gliedmaßen, die nicht mehr der Drtsveränderung dienen, Jon:
dern durch ununterbrochenes Winkfen und Strudeln das Atemwafjer und die Nahrung herbei-
zwingen. Dieje ift animalifch: allerlei pelagische Tierchen, Infujorien, Nadiolarien, Larven
md „Junge der verjchiedenften Tiere, ja der eigenen Art. Bagenftecher fand einmal im Magen
einer einzigen Entenmujchel 50 junge Miesmufcheln!
P4
u ee | da
NRanfenfüßer: Thoracica. 659
Die vorftehenden Angaben gelten vor allem für die Unterordnung der Thoracica, für
die namentlich die Kalkbildungen in der Haut bezeichnend find. Die ganze Ordnung actual
in drei Unteroronungen: Thoracica, Abdominalia und Rhizocephala.
Erite Unterordnung: Thoraeica.
Sn der erften Unterordnung ijt die befanntefte Familie die der Entenmufcheln (Le-
padidae). hr Name weift mit feinem erjten Teil auf den alten Aberglauben bin, daß
aus diefen Tieren die Bernifelgänfe fi entwicelten; mit dem zweiten auf die Ähnlichkeit mit
Entenmufdeln, Lepas anatifera L., auf Bimzftein. Natürlihe Größe.
manchen Mujcheln. Sener Wahnglaube reicht nach einer Annahme bis in die Zeit der alten
- Römer zurüd, die die Brutpläge ver Rott oder Ningelgans no nicht Fannten, nach einer
anderen bis zum Ende des 12. Jahrhunderts, und foll feinen Urjprung dem Wunjche der
damaligen Geiftlichfeit verdanken, die Keine Zahl Ihmacdhafter Faftenipeifen duch Züchtung
von Gänfen aus Seetieren zu vermehren. Dieje Mönde wären fühne Abftammungsforicher
gewejen! Die Entenmufchehn fißen mit einem biegjamen, musfulöjen Stiele auf, und das
Gehäufe it platt und vreifeitig. Etwa die Hälfte aller Lepadidenarten heftet ich auf im
Wafjer fih bewegenden Gegenjtänden, Schiffsfielen und dergleichen, an, oder auf Tieren, die
ihren Aufenthaltsort viel verändern. Die gemeinfte Art ift die weitverbreitete Lepas ana-
tifera Z. An der Küfte von Kalabrien und im Golf von Neapel findet man oft Bimsfteine
mit Lepas anatifera bevedt, auf denen die Tiere, von Winden und Strömungen ab-
hängig, weite Reifen machen, wie fie denn auch jehr weit verbreitet find, beijpielsweife unferer
49*
660 Krebje.
Novdfee nicht fehlen. Das weichhäutige Anelasma squalicola Lov. lebt parafitiih auf nor=
difchen Haien, in deren Haut c3 mit feinem Stiele eingegraben ift. Auch die Tiefjee beherbergt
ausgezeichnete Formen aus diefer Familie,
Zu der Familie dev Pollieipedidae gehört Lithothrya Sow., die in Kalkfelfen,
Mufchelichalen und Korallenftücke fich einbohrt.
Diejen „Geftielten“ ftehen „Gededelte” gegenüber. Die Seepoden (Balanidae)
figen anderen Gegenjtänden unmittelbar mit der Endfläche ihres zylinver- over fegelfürmigen
Gehäufes auf, das durch eine mit zwei Wlattenpaaren verjehene Dedelhaut gefchloffen werden
fann. So gejchieht es bei vem u, in der Strandzone auf Geftein, Mufchelfchalen, lebenden
Krabben, Holz und allerlei jonftigen
Dingen auch in ver Nord: und Djtjee
fie) überaus häufig anfievelnden Bala-
nus balanoides L., jobald die Ebbe
eintritt. Sie jhüßen fich alfo damit vor
dem DVertrodnen. Sm gleichen Gebiete
lebt in etwas größerer Tiefe der ebenjo
häufige Balanus crenatus Z.; bei ihm
it das Gehäufe mehr glatt, während das
a 0, ven B. balanoides höher Fegelförmig
BEREITEN 0 getürmt und fteahlig gerippt ift. Einige
Seepoden, Balanus erenatus L., auf der Schale von Mya arenaria. R R 0
Natürl, Größe Aus D. Franz, ‚‚Rüftenwanberungen“, Zeipzig 1911. Arten gedeihen m bradigen Wafler, und
auf ven Falklandinjeln traf Darwin eine
Irt in einer Klußmindung an le die bei ver Ebbe von Süßwaffer, bei ver Flut von
Seewaffer umjpült wurden. Eine der gemeinften, durch ihre blaßrote bis dunfelpurpurrote
Färbung und außerordentlihe Wandlungen der Form ausgezeichnete Art ift Balanus tin-
tinnabulum Z. Shre eigentliche Heimat reicht von Madeira bis zum Kap, von Kalifornien
bis Beru. Das Tier fommt oft in großen Mengen an Schiffen vor, die von Weftafrika,
Weit: und Oftindien und China in die europäiihen Häfen zurüdtehren. Oanz bejonderer
Zuneigung gewiller Seepoden aus der Familie Coronulidae erfreuen fich manche Wale.
Zmeite Unteroronung: Abdominalia.
Aus der Schon erwähnten zweiten Unterordnung der Abdominalia, die eingebohrt in
der Schale von anderen Nanfenfüßern oder von Mollusfen leben, jei hier nur Aleippe
lampas Hanc. genannt, die in der Nordjee in Schalen der Spindel: und Wellhornjchnede -
lebt und jhon arg dur Rarafitismus vücdgebildet ift.
Dritte Unterordnung: Wurzelfrebje (Rhizocephala).
Aber dabei ift die phyfiologifche und die Geftaltanpaffung der urfprünglich lepadiden-
artigen Formen nicht ftehengeblieben. Die Verdauungsmwerkzeuge find vielmehr bei der dritten
Unterordnung, den Wurzelfrebjen (Rhizocephala), bis auf einzelne Spuren un erwachjenen
Huftande verfchwunden, und das durch feine Jugendform als Krebs fich ausweifende Tier
nimmt eine plumpe, facförmige Geftalt an, nachdem e3 fich auf feinem Wirte nievergelafjen
hat, Co weit geht die Verwandlung, eine rücjchreitende Metamorphofe, daß diefe Tiere
lange Zeit für Caugwürmer gehalten worden find.
EEE
NRanlenfüßer: Thoracica. Abdominalia. Wurzelfrebfe. 661
Die genaueren Vorgänge während diefer Metamorphofe jowie die ganze Ökonomie hat
uns Yves Delage von einem der gemeinften Wurzelfüßer, vem Sadfrebs, Sacculina car-
eini Thomps., Tennen gelehrt, der auf der Bauchjeite des Krabbenjchwanzes, da, wo dejjen
erfter und zweiter Ring zufammenftogen, fißt und dort fat wie ein Fleiner Hodenjad aus-
fieht. Das Tier findet fi) auf der großen Tajchenfrabbe, Carcinus maenas, aber aud)
auf anderen Krabben aus den Gattungen Stenorhynchus, Portunus, Xantho, Galathea,
Hyas und vielleicht Platycarcinus. Aır manden Stellen der Nordjeefüften find fie jo häufig,
daß zwei Drittel bis vier Fünftel der Krabben mit
ihnen behaftet find.
Sm Auguft eriheinen die jungen Larven, die
Nauplien, die innerhalb A—5 Tagen das Zypris-
Stadium der Metamorphoje erlangen und fih an
|
_,%
1) Nauplius von Sacculina carcini Thomps. nad der erften Säutung. Etark vergrößert. Nah Yve3 Delage —
2) Sadfreb3, Saceulina careini Thomps., am SHinterteil von Careinus maenas. Nutürlihe Größe. Die Krabbe ift fo dar-
geftellt, als jei fie duchfihtig und jhimmere das Saugröhrengefleht durch die Haut de3 Wirtätieres Hindurd. Aus Hejfe-
Doflein, „Tierbau und Tierleben”, Band II. LZeipzig 1914.
eine Kleine, 4—12 mm lange und 3—4 Monate alte Krabbe anheften. Darauf verändern fie
ihre Geftalt abermals, werden oval und fenden durch die weiche Haut zwilchen den Ringen in
den Leib der Krabbe einen Fortfag, durch den der Inhalt der Zarve in das Innere der Krabbe
übertritt. Er umjpinnt num mit hohlen, wurzelartigen Fortjägen wie ein Geflecht feiner Bilz-
fäven alle die inneren Organe der Krabbe, wobei indejjen, nach Sourdain, Herz, Kiemen und
Nerveniyften als die wichtigiten, für das Leben und Gedeihen von Mitt und Gaft notwenpigiten
Drgane nicht in Mitleivenjchaft gezogen werden. Dies Stadium ift im September und Dftober .
erreicht. Gegen April bis in den Juli des zweiten Jahres, nahdem der Endoparafit 20—22
Monate alt geworben tft, erreichen die Keimdbrüfen ihre Reife, und jeßt tritt der größte Teil des
Körpers der Saffuline wieder nad) außen, wobei indefjen die ernährenden hohlen Wurzeln
jelbftverftändlich im Leibe des Wirtes bleiben. Diefer ift jet etwas älter al3 3 Sahre und etıva
3—4,5 em breit. Im Auguft fängt der nunmehr 2 Sahre alte Sadfrebs an, Eier in das Wafjer
662 Krebje.
zu entjenden, und fährt damit fort, bi$ er in einem Alter von 3 Jahren und 2—3 Monaten beim
Beginn des Winter3 an Altersichwäche ftirbt und von der Krabbe abfällt. Meift findet fich nur
eine einzige Saffuline bei einer Krabbe, ziemlich oft 2, jelten 3 over 4. Was num die Wirkung
anbelangt, die die Sacculina auf die Krabbe ausübt, jo hat man früher gemeint, fie bereite
diefer durch das Aufjaugen der Nahrungsjäfte Schmerzen. Das ift jedod, nach Delage, nicht
der Fall. Anfänglich wird die Krabbe durch die Anmejenheit des PBarafiten faum gejchäpigt.
Erjt wenn diefer wieder nach außen hervorgetreten ift, macht fich fein Einfluß bemerkbar. Die
Krabbe befindet fih dann ftändig im Zuftande der Unterernährung, fie hört auf zu wachlen,
fi) zu häuten und vermag nicht, fi) fortzupflanzen. Da der größte Teil der Nahrungsjäfte
vom Cchhmaroger verbraucht wird, jo dient der Reft nur dazu, das Leben notoürftig zu friften.
3 bleibt nichts für die Bildung neuer Körperjubftanz over der Gejchlechtzzellen übrig.
Eine andere Gattung ift der namentlich an Einfiedlerfrebjen Ihmarogende Peltogaster
paguri Rathke, der verlängert Jadförmig ift, und deffen Wurzeln zu einer Ihwanmartigen,
in den Wirt hineinragenden und denfelben ausfaugenden Mafje fi verfilzen.
- Fünfte Ordnung:
Jregelfrebje (Malacostraca).
Bei den Negelfrebjen (Malacostraca, Nomostraca) hat fi) die DOrganijation zu
einer gewifjen Konftanz, 3. B. in der Segmentzahl, gleichjam durchgearbeitet: Kopf und Bruft
zulammen bejtehen nad) Ausweis der Ertremitätenpaare aus dreizehn Segmenten, der Hinter-
leib aus jehs, jo daß wir im ganzen 19 glievmaßentragende Segmente zählen. Hierzu
fommt als glieonaßenlojes Endftücd das mehr oder minder jehuppenfürmige, den After tra:
gende „Zeljon”. Die Leptostraca allerdings erreichen diefen Zuftand nur erft näherungg-
weile. Die Stelle der Schalendrüfe, die häufig noch bei der Larve erhalten ift, vertritt bei
den Malafoftrafen gewöhnlich die Antennenz, jeltener die Kieferdrüfe Die Gejchlehtsorgane
münden beim Weibchen ftet3 am elften, beim Männchen am vreizehnten Segment. Häufig
find Schalenbildungen. Die Dronung enthält harakteriftiihe Formen von jehr verjchiedener
Art, die man zu mehreren ‚„‚Legionen’ zufammenzufaffen pflegt. Bei weiten die wichtigjten
Legionen find die Ringelfrebje (Arthrostraca) und die Eigentlihen Krebje (Thora-
costraca); für jede ein Beifpiel: Kellerafjel und Flußfrebs. Als eine Eleine, aber ftammes-
geichichtlich bemerkenswerte Gruppe jei ihnen die Legion der Leptostraca vorausgejchidt,
die von manden Zoologen au) al3 befondere Drdnung aufgefaßt wird.
Erjte Legion:
Leptostraca.
Etwas fopepodenähnlich, objiehon größer und jeitlich zufammengedrückt, jehen die wenigen
meerbemwohnenden Krebschen aus, die zu den Zeptojtrafen zählen. Kopf und Bruft find aber
von einer zweiklappigen Schale umjchloffen, die übrigens vorn in eine bewegliche jogenannte
Koftralplatte, gleichfam einen auf und abklappbaren Müsenjchirm, übergeht. Die Facetten-
augen find geftielt.
Darin, daß die Leptoftrafen einjchließlich des zwei Gabeläfte tragenden Teljonz noch acht
Dinterleibsfegmente Haben, ftatt fieben, ftehen fie dicht an der Grenze, aber doch noch außerhalb
Regelfrebfe: Leptostraca. NRingelfrebje (Aijeln). 663
der jonft für Malafoftrafen geltenden Regel. Auch im Belit von Schalen: und Antennen:
drüfen vermitteln fie zwiichen Entomoftrafen und Malakoftrafen. DiesForm der Bruftfüße
ift etwa ein Mitteloing zwilhen Phyllopoden: und Schizopodenfuß. SJır gleichem Sinne ift
auch das langgeftredte, gewilfermaßen noc) indifferent geftaltete Herz und das och bejonders
typifche Stricleiternervenfyftem beachtenswert. Sn der Tat fennen wir aus jenen paläo-
zoiihen Zeiten, wo e8 zwar Entomoftrafen, aber offenbar noch feine Malafojtrafen gab, ee
ihon Ieptoftrafenähnlihe, übrigens verhältnismäßig A —n
große Krebstiere, die man Archaeostraca nennt. Sie
lebten im Meere oder Bradwafler. Man darf aljo
annehmen, daß aus irgendwelchen, vielleicht phyllo-
pobenähnlichen Entomojtrafen fi) Teptoftrafenähnlice
MWejen und aus diejen dann ih Malafoftrafen ent:
wicelten. Die wenigen heutigen Zeptojtrafen, wie 3. D.
die etwa 1 cm lange, auffallend zählebige Nebalia
seoftroyi M.-E., ein j&hlammbewohnendes, zartes
Krebschen aus dem Mittelmeer und Atlantiichen Dean,
find gleichfam lebende Foflilien.
| Zweite Legion:
Ningelfrebje (Arthrostraca).
Die Ringelfrebfe (Arthrostraca oder Edrioph-
thalmata), zu denen vor allem die Affen und Sloh-
frebje gehören, find jharf geringelt und befigen fait
immer, da nur das vorderite Bruftfegment mit dem
Kopfe verihmilzt, fieben freie Bruftiegmente, haben ;
feine oder, wie die Scherenaffeln, nur eine Kleine Scha= MN M
lenduplifatur. Die Augen find nicht gejtielt und in £
ihrer Größe und Xeiltungsfähigfeit recht verjchieden.
Alle möglichen Formen kennt man, vor hochentwidelten !eishen von Nebalia geoffroyi M-E.
Doppelauge einer Phronima bis herunter zum Eleinen 19 versehen As er Or
B „Sehrbu oologie”.
facettenarmen eines Badhflohfrebjes; ja blinde Formen
finden fi in unterivdiichen Gemäffern und in der Tiefjee. Die Entwidelung der Ringelfrebfe
it unmittelbar. Die Eier entwideln fih in einem Bruftraum, der durch Anhänge der Bruft-
beine unter dem Körper der Weibchen gebildet wird.
Erjte Unterordnung: Afjelı (Isopoda).
Biel Mannigfaltigfeit im Aufenthalt zeigt die Unterordnung der Ajfeln (Isopoda),
denn unter ihnen gibt e8 Meer, Süßmwafjer: und Landbewohner; doch mag der Urjprung
aller Affen im Meere zu Juchen jein. hr Körper ift von oben nad) unten abgefladht, das
Abdomen Furz geringelt und oft verfünmmert, und häufig dienen innere Afte der Abdominal
füße al3 Kiemen, jo auch bei vielen in feuchter Luft atmenden Landafjeln. Sn ihrer Gejfamt-
heit gehören auch die Afjeln zu den Fleineren Krebjen, ihre mittlere Länge beträgt 13—26 mm.
Ganz für fi fteht die bis 20 cm lange Riejen-Tiefjeeaffel Bathynomus M.-E. Es gibt
etwa 800 Arten, von denen ungefähr der dritte Teil Landbewohner find.-
664 Rrebje.
Zu den Schwimmafjeln (Sphaeromidae) gehört die Kugelajjel „ver mitteleuro-
päifchen Küften, Sphaeroma rugicauda Bate et Westwood. Sie findet fich überall am ftei-
nigen Ufern auf der Waffergrenze, auch im Bradwaljer und in der weitlichen Ditjee, lebt
gefellig unter den Steinen des Uferwafjers und rollt fich bei der Berührung ein. Die Bohr-
ajjel, Limnoria lignorum Sars (terebrans), in der Nord» und Djtjee, zernagt Holz um
wird, wie Schon ©. 637 erwähnt, Schiffen und Hafenbauten jehr Ihädlih. Ein länger ge-
jtrecfter Körper ift den Idotheidae eigen, zu denen die häufige, halbfingerlange Idothea
baltica Pall. (tricuspidata) der europäichen Meere gehört, deren Farbenanpafjungsvermögen
Ihon oben (S. 622) erwähnt wurde. Gleich manchem anderen Ditjeetier wird fie in der Norojee
größer als in der Ditjee, wo fie bis Ditpreußen
vorkommt. Flach gemwölbt ijt die Zamilie der
Ligiidae, wie Ligia oceanica L., die auf
Uferfteinen der Norvojee und des Atlantijchen
fprung ins Waffer ftürzt. Die jeltfamen, flac)-
‚ gevrücten Serolidae wühlen fi in den
Sand antarktiiher Küften in größeren Gejell-
Shaften ein und find durch den Befib zu
. Stadheln entwicelter und aufrihtbarer Bafal-
; glieder des legten Bauchfußpaares gegen die
Angriffe hungriger Feinde gejchüßt.
Die Fiihafjeln (Cymothoidae) find
teilweije Zwitter, befigen aber dann die männ-
lichen und weiblichen Gejchlechtsorgane nicht
etwa zugleich, fondern in zeitlicher Trennung.
Bei den Gnathiidae (Pranizidae, Ancei-
| 5 - _. dae) find die Männchen und Weibchen auf-
EEE ——. 0: sallend verichienen. Die Weibchen wie oe
en oa ee Larven leben parafitiid an Seefijchen, haben
große Augen am Eleinen Kopf und einen
Saugrüfjel; die Männchen haben einen Folofjalen vieredigen Kopf und mächtige Dberkiefer
und leben frei. Die Fiichaffeln haben zum Teil zu Saugapparaten umgejtaltete Sreßwerk:
zeuge und leben im legteren Falle immer parafitiih auf Fiihen. Ziemlich große Parafiten
von etwa halber Fingerlänge gehören zu diefen Beläftigern von Seefiihen namentlich der
wärmeren Meere. Bei den ftets parafitiihen Garnelafjjeln (Bopyridae) leben die Meib-
chen in der Kiemenhöhle namentlich von Garnelen, werden hier jcheibenförmig und unjymme-
triich, während der Darm ihnen teilweije verlorengeht. Dort, zwiichen ven Kiemen, treiben
fi) auch die Eleineren, beweglihen Männchen herum.
Wir wollen uns bei jolchen unerfreulihen Baraftten hier nicht länger aufhalten, jonvern
nur noch erwähnen, daß zu den Ajfeln außer derartigen Eftoparafiten auch Entoparafiten ges
hören, die in anderweitigen marinen Krebjen jhmarogen, jo die Weibchen der Entoniscidae
oder Krabbenafjeln und ver Cryptoniscidae; legtere leben eigentlich nicht unmittelbar
auf den Krabben, fie find vielmehr Parafiten von Parafiten diefer Tiere, und zwar der
teltfamen Wurzelfrebje (©. 660). Sie fchieben ihren Kopf entweder, indem fie fich neben dem
Wurzelfvebs nieverlafien, dur) die Haut des Schwanzes der Krabbe, bis fte die Wurzeln des
TERRA
| Meeres fih fonnt und bei Gefahr mit Kopf
Negelfrebje: Afjeln. ; 665
eriten Parafiten erreichen, wobei fie diejen jelbft oftmals verdrängiu, oder fte fiedeln fich auf
dem Wurzelfrebs unmittelbar an umd bohren ihren rüfjelartig verlängerten Kopf bis zu feinen
Ernährungsorganen. Denn diefe Juchen fie allemal auf, fte nehmen ihrem Wirte nicht die eigenen,
jchon verarbeiteten Nahrungsfäfte, fondern fchneiden ihm das der Krabbe entnommene Futter ab.
Mit ven Asellidae, ven Wajferaffeln, fonmen wir zu munteren Süßwafjertieren.
Bei der Gemeinen Wajjerajfel,
Asellus aguaticus Z., bejteht der
ganze Hinterleib aus einem ein-
zigen großen jchildfürnigen Seg=
ment. Das bis 13 mm lange Tier
findet fih überall in Teichen und
Gräben der verjchiedeniten Tiefen,
und da fanıı es häufig vorkommen,
daß diefe im Sommer austrodnen.
Deshalb gehen aber die Ajjeln no)
lange nicht zugrumde wie die meiften
ihrer Mitbewohner, jondern fie
graben fich rechtzeitig möglichft tief
in ven Schlamm ein und warten
bier in einer Art Sommerjchlaf,
‚bis neuer Negen ihnen die frühere
Lebensweile wieder ermöglicht.
Da die Wafjerafjeln alle nicht
zu jchnell fließenden Gewäfler be=
wohnen, jo finden fie fi) aud) in
unterirdiihen und in tiefen Seen,
in beiden büßen fie aber ihre Augen
ein und entwideln um jo mehr ihre
Gerudsantennen. So ungefähr
mag die Höhlen: over Örot-
tenafjel, Asellus cavaticus
Schiödte, die zweite deutiche Art,
entitanden fein.
Die Familie ver Zandafieln
(Oniscidae) ift unter anderem
daran Fenntlih, daß das lebte
Afterfußpaar in Form von Griffeln beiverjeits über den Hinterleib hervortritt. Weit itber
die Erde verbreitet, allgemein befannt und von empfindfamen Seelen als efelerregende Tiere
betrachtet find die Mauerajjel, Oniscus asellus Z. (murarius), mit dreigliederiger Fühler:
geißel, und die Kellerafjel, Porcellio scaber Latr., die, nach) Dahl, beide im wärmeren,
wejtlihen Deutjpland audh in Wähern gefunden werden, im öftlihen aber meift nur an
Häufern. Diefe und manche andere Porcellio-Art ift über die ganze Erde verjchleppt. Einen
gewillen Kalfgehalt verlangt die an ihrem ftärker gewölbten Körper und dem Abfugelungs-
vermögen leicht erkennbare Rollajjel, Armadillidium cinereum Zenker (vulgare), aus
der Familie der Armadillidiidae. Bei Porcellio und Armadillidium enthalten die
Gemeine Wafferaffel, Asellus aquatiecus Z. Bergrößerung 4:1.
666 Krebie.
Außenäfte der beiden vorderen Abdoninalfußpaare ein Syitem tracheenartiger, jeitlich ge
öffneter Luftröhren zur Zuftatunung.
Zweite Unterordnung: Flohfrebfe (Amphipodida).
Den Namen Flohfrebje (Amphipodida) erhielt eine über die ganze Erde, vornehmlich in
jaßzigem Waffer, verbreitete, aus etwa 600 Arten bejtehende und meift in unzähligen Individuen
beifammen vorkommende Interord-
nung von der Eigenschaft jehr vieler
ihrer Mitglieder, mit außerordent-
licher Behenpigfeit jowohl im Wafjer
jtoßwetje zu Schwimmen umd zu hüp-
fen, als auch außerhalb desjelben
die tolliten, ihre eigene Höhe oft
um das Yundertfache überfteigenven
Sprünge auszuführen. Die Floh:
frebje find --—- im Gegenjab zu den
Affeln — feitlich zufammengedrüdt,
der Hinterleib ijt geftredt, Kiemen
finden fi an den Bruftfüßen. Die
vorderen drei Hinterleibsringe tra=
gen Schwimmfüße, die drei hinteren
Die größten Ampbhipovden wer-
den über 10 cm lang, die meiften
erreihen faum 1 cm, und viele
bleiben darunter. Nur eine jehr
geringe Zahl lebt im füßen Waffer.
Die außerordentlich zahlreichen Be=
wohner de3 Meeres halten fich teils
an den Küften auf, befannt unter
dem Namen ‚„Sanphüpfer”, teils
ha ıs ; PP : begeben fie fi) auch auf das hohe
Gemeiner Flohfveb3, Gammarns pulex Z. Vergrößerung 4:1. - Meer hinaus. Die zahllojen Cha:
ven von Flohfrebjen werden in den
nordischen Meeren al3 Nasvertilger nüslih. Die Ajer großer Delphine und Wale, die, der all:
mählichen Fäulnis überlaffen, das Waffer im weiten Umfreife verpeften und damit einer Menge
Tierbrut den Untergang bereiten würden, werden in furzer Zeit von den Millionen fich ein:
ttellender Flohfrebfe rein ffelettiert. Im Meere erreichen die Amphipoden einen ungeheuren Reich:
tun nicht nur an Stüdzahl, jondern auch an Arten und gelegentlich auch beveutendere Größe.
Der Gemeine Flohfrebs, Gammarus pulex L., im Süßwaffer Europas, ift ein Ver:
treter der vorwiegend füßwafferbewohnenden Familie Flohfrebje im engeren Sinne (Gam-
maridae). Er hält fih am Grunde feichter, aber nicht faulig werdender, faft nur fließender
Gewähjer, auch in jchnell fließenden Bächen und in Quellen, am liebften unter größeren
Steinen und Holzjtüden auf und nährt fich vorzugsmeile von Pflanzenftoffen, jfelettiert 3. D.
um Serbt meifterhaft die in feine Gemäffer fallenden Blätter. Mangel an Pflanzenfutter
nac) hinten gerichtete Springfüße.
RER
a a eb Wo. I ul 2 42 SE an u zn inne
j
Regellzehfe, Flohfrebfe. 667
veranlagt, nad Hänpel, die Flobkrebje zu le aabuung und nelenetiet ünheriiee Lebens-
weile, weshalb man fie, wenn ınan fie zur Filchfütterung züichtet, mit friichem Fleijh ernähren
fann. Doc dürfte die Zucht überhaupt nie befonders ergiebig werden. Hebt man in einem
Flohfrebje enthaltenden Gewäller einen Stein jäh auf, jo findet man fie gewöhnlich dicht ge=
drängt, groß und Hein durcheinander fiKend und liegend. Aber faum wurden fie geftört, da
ftieben fie Ihon mit größter Yurtigfeit nad) allen Richtungen auseinander, um hinter dem
erjten beiten Oegenftand fich wieder zu verbergen. Diejenigen, wellje an dem aufgenommenen
- Steine haftenbleiben, juchen mit energijchen
Bewegungen des Hinterleibes fi loszumachen
und, feitlih fich fortichnellend, ohne eigentlich
zu hüpfen, das rettende Element zu gewinnen.
Gelingt ihnen das nicht bald, jo trodnen ihre
Kiemen ein, und fie verdorren, bejonvers an
der Sonne, Jehnell. Den Winter bringen die
Slohfrebfe eingegraben im Schlanme und Sande
zu, um an den erften warmen Tagen wieder zu Nu ee
ericheinen und die Fortpflanzung zu beginnen. SandfloH, Talitrus saltator Mont. 3fach vergrößert. Aus
Man findet fie alsdann oft paarweife, indem ein ne. ni
fleines Individuum, das Weibchen, von einem
größeren, dem Männchen, hartnäckig md tagelang mit Seh Klauen der beiden vorderen
Gliedmaßen feitgehalten wird. Die Jungen entwideln ih in Bruttafhen an den Beinen
der Mutter und werden von diejer in der erjten Zeit ihres Wachstums nach dem Aus:
friehen geführt. Sie juhen nämlich bei Gefahr zwiihen ven Beinen der Mutter Schuß,
eine Gewohnheit, die auch bei meerbewohnenden Ampbhipoden beobachtet wurde.
E3 finden fich blinde blafje Formen in alten Bergwerksihächten, in tiefen Brummen von
Helgoland bis Venedig und in den tieferen Schichten
großer Seen. ©o ift Gammarus pulex subterra-
neus Schneider jehr häufig in den Bergwerfen des
Clausthaler Grubenbezirks, und Arten der Höhlen=
flohfrebje, Niphargus Schiödte, leben in Brunz
nen und Quellen auch in Deutihland. Bon Gam-
marus: pulex trennt man wegen der Ausbildung
eines Nücenkfiels den häufigen Carinogammarus |
roeseli Gervais (Gammarus fluviatilis) ab, der we= nn en nn el en
niger Anfprüche an den Saueritoffgehalt des Wafjers 2. Sahrgang, 3. Heft, Berlin 1908). (Bu ©. 669)
macht und Daher in Teichen Die verbreitetere Art ift.
Biel gedrungener von Geitalt als die jchlanfen Gammaridae find die ausjchlieglich meer:
oder vielmehr ftrandbewohnenden Talitridae, die Sandhüpfer. Wo immer am Meeres:
itrande, jei e3 in Brighton, auf Helgoland, an der Dftfee oder dem Lido bei Venedig, Tang
angejpült wird, da finden fich Häufig der Sand- oder Strandfloh, Talitrus saltator Mont.
(loeusta), und der Küjtenhüpfer, Orchestia gammarellus Pall. (littorea), echte Strand:
tiere. Diejer hat unvollfommene Scheren. an den beiden erften Bruftbeinpaaren, jener nur am
zweiten. Der Strandfloh ift übrigens mehr bräunlich, der Küftenhüpfer mehr gräulichweiß
oder gelblich gefärbt. Die Strandflöhe gehen nie ins tiefe Waffer, fie folgen dem Nande der
Gezeiten und bleiben bei Ebbe in und auf dem in langer Linie ausgeworfenen Wall von
668 Srebfe.
Tang zurück, Hier pringen fte während der warmen Fahreszeit oft fußhoch und in jo un-
glaublichen Mengen, daß man die bewegte Schicht zuweilen Schon von fern jehen fan. Yın
Winter bergen fi die Sandhüpfer an den nordiichen Küften mit Vorliebe in verweienden
Tanghaufen md Fommen höchftens bei warmem Sonnenfchein hervor. Klopft man an einen
der oft zahlreich am Strande halb im Wafjer liegenden Steine, jo werden umter ihm ımd
allen benachbarten faft ftet3 eine Ummenge Strandflöhe hervorgeftöbert, die im flachen MWaffer
eilends herunmnjchwinmen amd jchnell wieder ein dunkles Vertect fuchen. Orchestia bottae
M.-E. unternimmt jogar weite Neifen landeinwärts und wurde beifpielsweile auf Eypern in
1255 m Höhe gefunden.
Eine gejchlofjene Schar bilden die röhren= und nefterbauenden Amphipoden. Die
verjchtedenen, ihr Häufermaterial fi) zufanmmentragenden Corophiidae (Podoceridae) find
Thaumatops magna Woltereck. Natürlihe Größe Nah, Photographie von
N. Wolteved. (Zu ©. 669.)
harmlofe Tiere, und eine
auf der Neede von Helgo-
land vorfommende Podoce-
ros:Art hat fogar das bejon:
dere Berdienft, die dortigen
Schollen, von denen jtereich-
ih gefreffen wird, äußerfi
fett und wohlihmedend zu
machen; nicht jo der durch
bejondere Familienmerkfmale
fih abtrennende Scheren-
|hwanz, Chelura tere-
brans Phil., aus der Fam:
lie ver Cheluridae. Su
Semeinjchaft mit der oben:
erwähnten Aljel, Limnoria
lignorum, durhhöhlt er in
Dods und Dämmen das Holzwerk, namentlich das weichere Nadelholz, vom Grunde bi an den
Spiegel. Nur das mit Kreojot getränfte Holzwerk jeheint er zu fcheuen. Man hat ihn bis jeßt
an den jüdlihen und wetlichen Küften Europas, in Weftindien und Nordamerika beobachtet.
Während die bisher bejprochenen Amphipoden vorwiegend Boden over Küftenformen
jurd, ja zum Teil fogar an fefte, jelbftgefertigte Wohnungen gebunden find, halten fich die
folgenden Familien, vie Hyperidae und Phronimidae, fajt ausnahmslos im freien
Wafer auf. Manche von ihnen führen freilich ein vecht bequemes Leben und halten fic) für
ihre Reifen im Meere eigene Fahızeuge. Der Quallenflohfrebs, Hyperia medusarum
Müll. (Lestrigonus), und Verwandte leben in den an der Unterfeite ver Medufen befindlichen
tafhenförmigen Höhlen. Selbft untätig, Lafer Ste fih von ihren Wirten umberfahren, wenig:
ftens während des Sommers, im Winter leben fie frei in der Tiefjee iiber dem Boden des
Meeres. Nicht alle diefe Naumparafiten gehen invefjen mit ihren Mietsherren jo rüdjihts:
voll um. Manche von ihnen leben nach Claus „von dem Quallenleib, freffen ihm die Ge:
Ihlehtsorgane, den Mimpftiel, die Arme weg und treiben unter dem Obdache der zerftörten
»reduje, bewegt von dürftigen Kontraftionen der erhaltenen Musfelteile ihres Wirtes, im
Meere herum”. Noch fehlimmer treibt e3 unter den Phronimiden der Tonnenflohfrebs,
z
Negelfrebie: Flohfrebfe. 669
Phronima sedentaria Forsk. Das Weibchen wählt Siphonophoren und bejonders Nianteltiere
der Gattungen Doliolum und Pyrosoma md frißt jie derartig aus, daß mur ein Feines gla3=
helles Tönnchen übrigbleibt. Mit diefem Tönnchen als Haus Shwimmen die Weibchen umher
(Adb., ©. 667). Die Männchen hingegen leben vorwiegend in der Tiefe des Meeres, frei
Schwimmend ohne Haus, fteigen nur zur Begattung empor und juchen die Weibchen in ihren
Tönnhen auf. Kriechen die Jungen aus den Eiern umd dem Brutramm der Mutter aus,
dann verweilen fie zunächft noch einige Zeit im Tönnchen, Ihwimmen aber jpäter aus und
jinfen in die tiefen Wafferfchichten ab, um erjt mit Eintritt der Neife wieder emporzufteigen.
Die pelagifche und räuberifche Lebensweife der Hyperiven findet natürlich au Ausdrud
meiheen Sau. Cie ji fa
durchweg glashell, oft ausgeftattt
mit großen Greifzangen am fünf:
ten Beinpaar umd mit riefigen |
Augen verfehen. Bei Phronima |.
find jogar an jedem der Augen
zwei bejondere Abjchnitte zu une
tericheiven. Der eine, das ‚„‚Seiten=
auge‘, beiteht aus Furzen Augen= |
feilen, der andere hingegen, dag
„Srontauge”, jebt fich aus drei=
bis viermal längeren Einzelaugen ,
zufanmen und ift nach oben ge :* &
rihtet. Die Trennung der Augen E
in zwei Abjchnitte treffen wir aud)
‚bei anderen Krebstieren, 3. B. Tief
jeefchizopoden, und jogar bei einem
einheimischen Wafferfloh (Bytho- |
trephes); fie findet ihr Öegenftüd |
unter den Snfekten in den Turban=
augender&intagsfliegenmänndenn. 4 Mr Q nn
Weit übertroffen wird jüod AM Mn AEAH.
Gefpenftireb3, Caprella aequilibra Bate, auf Eudendrium. Bergröße
Phronima no) dur) die Thau- en,
matopsidae. Ju diefer Familie
nehmen die Sehorgane faft den ganzen Kopf ein; fie ftoßen auf der Stirn umd dem Scheitel
aneinander. Die fingerlange Thaumatops magna Woltereck(Abb., ©. 668) lebt pelagijch in der
Tiefjee, ift vollfommen farblos und duchfichtig und nur mit einem dinmen Panzer ausgejtattet.
Eine bejfondere Abteilung der Flohfrebje bilden die auffallend geftalteten Kehlfüßer
(Laemadipoda), gefennzeichnet durch die Berwachjung des Kopfes mit dem erjten Bruftring,
wobei das zugehörige Beinpaar an die Kehle und weit vom zweiten abgerücdt ift. Da ge=
wöhnlih am dritten und vierten Bruftfegment die Beine bis auf die blattförmigen Kiemen
zurücgebildet find und der Hinterleib fat gänzlich verfümmert ift, jo find alfo im ganzen
nur fünf Beinpaare vorhanden. Es find zwei in Ausjehen und Lebensweile jehr verjchiedene
Familien zu unterfcheiden, die Gejpenftfrebje (Caprellidae) und die Walfifchläufe (Cya-
midae). Die erfteren haben einen dünnen, fadenfürmigen, geftredten Körper. Anden beiven
670 Krebfe,
erjten Beinpaaren ift das vorlegte Glied verdickt, an den
drei hinteren Paaren geftredt. Die zahlreichen, meilt nur
3—13 mm langen Arten halten jih an untiefen Stellen
der Meere auf Hydroiden= und Bryozoenftöcden auf und ge
währen, in ihrer Kleinheit von den meijten Bejuchern des
Meeres gänzlich überjehen, dem Beobachter des unjcheinbaren
Tierlebens in ihrem Treiben ein anziehendes Schaufpiel. Sie
find die wahren Turner unter ihren Klafjengenofjen, indem
fie gejchieft wie die Affen und mit vielen Burzelbäumen und
Windungen an umd zwijchen den zarten ften der unter-
jeeiihen Miniaturwaldungen fih bewegen, wo fte unter an-
derem Bolypenköpfchen freilen. Fortwährend munter und.
geihäftig, Itechen fie vorteilhaft von ihren Zunftgenofjen,
den Walfiichläufen, ab. Deren Körper ift eifürmig und flach gedrüct, mit Hleinem, Ichinalem
Kopfteil; auch find die drei hinteren Beinpaare furz und fräftig. Ihr Name bezieht fi auf
die Schmarogende Lebensweile auf Delphinen und größeren Walen, auf deren Haut fie feit-
geflammert umd- für den Beobachter langweilig ihren Wohnfit aufgefchlagen haben.
E. Spence Bate.
Dritte Zegion:
Gigentliche Krebje (Thhoracostraca).
Die Eigentlihen Krebje, Thoracostraca, Podophthalmata oder Schalenfrebie,
welc) leßterer Name jedoch auch für viele Entomoftrafen pafjen würde, jtehen durch den Belik
ihrer Schale, die von einer paarigen feitlihen Yalte der Haut gebildet wird. und als Bruft-
panzer den Kopf und die Bruft zum Kopfbruftitüc,. Cephalotorax, vereinigt, und durch ihre
Stieläugigfeit in einem gemwiljen Gegenjaß zu den Ningelfrebjen (Arthrostraca). Doc ilt
diefer Gegenjaß dureh die Synfariden und die Kumazeen einigermaßen überbrückt.
Erite Unterordnung: Synecarida.
Die Syncarida, nur drei Gattungen, denen man jogar den Rang einer bejonderen Xegion,
Anomostraca, zuerkannt hat, haben einen arthroftrafenähnlich geringelten Körper mit fieben
oder gar acht freien Bruftjegmenten ohne Schale; thorafoftrafenähnlich find dagegen die jpalt-
füßigen Bruftbeine, ver Schwanzfächer der einen Gattung und ihre gejtielten Augen, die jänt- .
(ih von Schizopoden entnommen jein Fönnten; ferner die im der Bafis der erjten Antenne
liegenden Statozyften, die erit bei Defapoden, vem Flußfrebs und ähnlichen, wiederfehren. Der
biS fajt 4 cm lange, flohfrebsähnlich ausjfehende Anaspides tasmaniae G. M. Thoms., der
die Miihcharaftere am veutlichiten zeigt, lebt in Teichen nahe dem Gipfel des Mount Wellington
in Tasmanien, 4000 Fuß über dem Meere, eine zweite Art, Koonunga cursor Sayce, in
CSiidauftralien. Eine dritte, Bathynella natans Vejd., wurde vor einigen dreißig Jahren
in einem Brunnen in Prag entdeckt und neuerdings auch bei Bafel in einem Brunnen ge
junden. Dieje Formen find wieder einmal „lebende Foffilien”, lebte Refte einer ehemals viel
größeren Gruppe; denn fühwafjerbewohnende Syncarida waren, wie ficher beftimmbare Fof-
filien beweifen, im Tarbonijch-permijchen Erdaltertum häufig, alfo ungefähr in der Zeit, wo
auch die Anfänge der Arthroftrafen und der Thorakoftrafen Viegen. Daß die Entomoftrafen
N eg elfrebje: Syncarida. Cumacea. Spaltfüßer. 671
und Malafoftrafen von den Syncarida abjtammten, joll damit durchaus nicht gejagt werden;
- die Synearida Fünnen auch jehr wohl eine Mittelgruppe zwijchen beiden fein, die fich jelb-
jtändig herausbildete und früher als die beiven anderen auf den Ausfterbeetat Fam.
Bmeite Unterordnung: Cumacea.
Hhnlich wie mit den Synfariden mag es mit den Kumazeen ftehen, nım daß von ihnen
feine fojfilen Nefte erhalten find. Die Cumacea ind Nialafoftrafen mit zwei Hilfskieferpaaren,
fünf freien Bruftfegmenten umd nur Kleiner Schale, die bloß die drei vorderen Druftjegmente
zu überdbahen vermag. Sie haben
nicht geftielte, jondern fißende Augen,
wie die Arthroftrafen. ES jind etwa
70 Kleine, unjcheinbare Arten mit ver:
didter Kopf» und Bruftgegend, aber
Ihlanfem Hinterleib, der im weiblichen
Gejchledht gliedmaßenlos ijt, im männ
lihen dagegen Feine Schwinmfüße
trägt. Früher hielt man dieje Krebje
irrtümlid) für Larven von Zehnfüßern.
Die Kumazeen find. Meeresbewohner,
doch find auch Vertreter im -Kajpilee :
Pe oouben Diastylisrakhkei ee
Kröy. (Cuma) lebt in den nordiichen
Meeren, 3. B. bei Helgoland, D. sculpta G@. O. Sars bei Nordamerifa. Die Leuconidae
jund jchlanfer als die Diastylidae ımd blind; zu ihnen gehört Eudorella trunculata Date
in der Nordjee und dem Mittelmeer.
Dritte Unterordnung: Spaltfüßer (Schizopoda).
Das zarte Bruftichild der Spaltfüßer over Schizopoda bededt meift die ganze Bruft-
region. Die Bruftfüße find typiihe, der Fortbewegung dienende Spaltfüße. Die meijten
Schizopoden find Bewohner des Meeres und haben wahrjheinlich Shon im Karbon gelebt,
ganz ficher beftimmbar find allerdings die wenigen fojlilen Nejte nicht.
An verbreitetiten ijt die Familie ver Mysidae. Schon in der 1780 erjhhienenen Be:
Ihreibung der grönländifhen Tiere von dem hochverdienten Prediger und Mijlionar Dtto
Fabricius wird gejagt, daß fie mit anderen Heinen Tierchen die Hauptnahrung des großen
Grönlandwales (Balaena mysticetus) ausmaden. E3 jei wunderbar, wie die fleinen Tiere,
noch nicht 1 Zoll lang, eine ausreichende Nahrung für die größten abgeben und das Material
für die ungeheuren Maffen Sped liefern Fünnten. Sie jeien jedoch im Grönländiihen Meere
jo häufig, daß der Wal bloß das Paul aufzujperren brauche, um viele taufend Fetttropfen
mit dem Wafjer einftrömen zu laljen. Belanntlid) fommt ihm die Vorrichtung der Filehbein-
platten zugute, hinter denen, wie hinter einer Reufe, die Beute zurücbleibt.
Wer das Aquarium von Helgoland bejucht, lernt dort ficher die verhältnismäßig großen,
etwa 3 cm langen Praunus flexuosus Müll. (Mysis, Macromysis) der Nord- und Ditjee
fennen, die, halb aufgerichtet im Waffer hängend und fast wie Männerchen im Trikot aus:
jehend, alle einander parallel jchweben, weil fie auf die Richtung der einfallenden Sounen-
Strahlen in gleicher Weile reagieren. Eine Fleinere Art derjelben Gebiete ift Neomysis vulgaris
672 Krebfe.
Thomps. (Mysis). Jim Mittelmeer lebt unter anderen Leptomysis mediterranea @. ©. Sars
und die merhvürdige Hemimysis lamornae Couch, die inNeapelanfangsmurausden Aquarium
der zoologifchen Station befannt war, wo fie in Unmengen und oft in jo großer Zahl auftritt,
daß fie mit Kleinen Negen abgefiicht werden muß. Die Tierchen halten fich hier jtetS an dunklen
Segenftänden auf, alfo befonders an den Felsbauten, und hwimmen ftändig horizontal in
der Richtung des Lichteinfalles etwa 1O—12 em weit hin und her. Dieje Krebsicharen erinnern
dadurch an Midenjchwärme, die über einzelnen Tiirmen in einer Stadt tanzend verbleiben,
voer die uns auf einer Wanderung begleiten und ftändig über unferem HYute hin und her tanzen.
Im den nordischen Meeren, auch in der Dftjee, lebt Mysis oculata Fabr., und in Binnen-
jeen Nordeuropas, in Deutichland im Mapdü=, Tollenjes, Drabig: und Miauerjee, die ihr
jehr ähnliche Mysis relicta Loven, ein zart ducchfichtiges, bis 18 mm langes Tierchen, das
den Tiergeographen lebhaft interejfiert. Der lateiniihe Artname geht darauf zurüd, daß man
in Schweden und Norwegen diefen Süßwaljerbewohner als cin aus Mysis oculata durch
Anpaffung au
fü Waifer
hervorgegange-
ne3 Tiberbleib-
jel, ein Nelikt
z aus den Zeiten
DE | | ı einer nacheis-
4 . ‚zeitlichen Mee-
vesbededung
diefer Länder
= anjah, was für
III manche dortigen
Sunpjtellen zu=
ES} RER Sen x treffenwird. Die
Mysis oculata Fabr. Vergrößerung 6:1. Nah G.D. Cars aus Claus=Grobben, „Lehrbud s
dev Zoologie”. deutihe Mysis
Ä relicta jedocd)
muß, da jte nur in Seen, die zur Djtjee abwäljern, vorkommt, in der Ancyluszeit, al3 das
Dftjeebeden ein Süßmwafferfee wurde, aus M. oculata durch Umbildung und erzwungene
Anpafjung an das jüßer werdende Waffer entitanden und damals durch die Dftjeeflüffe in
die heute noch von ihr bewohnten Seen gewanvert jein. Daß fie heute noch aus dem Salz
waljer ins Süßwaffer einwanderte, fih aljo gewiffermaßen freiwillig anpafjen fönnte, over
daß fie fi) durc) Vögel ausbreitete, ift ausgejchloffen, da fie in den Djtfeeflüjfen und im
ganzen zur Nordjee abwäfjernven Gebiet fehlt. Dieje Auffaffung begründeten Samter und
Veltner vortrefflich für Mysis relicta und zwei Flohfrebje, Pontoporeia affınis Druzelius
und Pallasea quadrispinosa G. O. Sars (Pallasiella), von denen ganz Ähnliches wenig-
jtens für Deutjchland gilt; in anderen Ländern — auch in Nordamerika finden fich dieje
Keliften — mag die Sache ja teilweife anders liegen.
sn ver Tieffee finden fi) wunderjchöne Spaltfüßer aus den Familien der Lopho-
Sastridae und Euphausiidae. Zu den erfteren gehört 3. B. die 14 cm lange Gnatho-
phausia gigas Will.-Suhm aus den Tiefen des Nordatlantiichen Ozeans und der Süpjfee.
Der von Willemoes-:Suhm gejchaffene Gattungsname Gnathophausia joll an eine am runde
des zweiten Unterkieferpaares gelegene, lebhaft gefärbte Auftreibung erinnern. Anfänglich
7
ES
m
Regelfrebfe: Spaltfüßer. Maulfüßer. 673
wurde fie als Nebenaugen gedeutet, doch Eonnten jpätere Beobachter im diefen Organen Feine
augenähnlichen Bildungen fehen; man erfannte vielmehr in ihnen Leuchtorüfen, die ein prächtig
und ftarf phosphorelzierendes Sekret in langen Fäden ausjcheiden. Die auch Ihon in mittleren
Tiefen zu fijhenden, weitverbreiteten Arten Euphausia splendens Dana und E. pellueida
Dana tragen perlenförmige Leuchtorgane an den Körperjeiten, die wunderichön bläulichweiß
feuchten und vermutlich Beutetiere anloden, vielleicht auch der gegenfeitigen Arterfennung
dienen, wie ja ähnliches auch bei Tiefjeefiihen wahrjcheinlich it.
Vierte Unterordnung: Maulfüßer (Stomatopoda).
Die aus über 50 Arten beftehende Unteroronung der Maulfüßer (Stomatopoda), die auch)
al3 eigene Legion herausgenommen werden, fteht in der Ausbildung des Kopfbruftiehiloes hinter
Gemeiner Heufhredenfreb3, Squilla mantis Zatr. Natürliche Größe.
den Schizopoden zurüc, denn diejes ift Furz und läßt mindeftens die drei legten Bruftfegmente
vollfommen frei. Nur diefe drei legten Bruftringel tragen Shwimmfüße, während alle fünf vor-
hergehenden mit Kieferfüßen ausgerüftet find, — ein Neichtum, dem die Gruppe ihren Namen
verdankt. Das zweite Kieferfußpaar ift ganz befonders mächtig entwidelt, alle aber find nach
Art der jogenannten „Raubfüße” — ähnlich denen der Geipenftheufchredden — gebaut, d. h. ihr
[eßtes, Jäbelartig gefrinmmtes und mit jcharfen Spigen bewehrtes Glied fann wie die Klinge eines
Talchenmefjers in eine Rinne des vorlegten Gliedes eingejhlagen werden. Mit diejen jcharfen
Waffen bringen die Maulfüßer Ihwere Schnittwunden hervor und zerfeßen damit ihre Beute,
jelbft Fiiche. Der große Hinterleib ift das eigentliche Bemegungs- und Nuderwerkzeug und endigt.
mit einer breiten Schwanzfloffe. Das Bruftfchild trägt vorn eine bewegliche NRoftralplatte.
Brehm, Tierleden. 4. Aufl. I Band. 43
674 Krebje.
Der Gemeine Heujhredenfreb3, Squilla mantis Zatr., des Mittelmeeres wird big
18 cm lang und fommt al3 ausgiebig und wohlichmedend auf ven Markt. Cr gehört nicht
zu den lebhafteren Mitglievern jeiner Klafje, wenigjtens nicht in ver Oefangenjchaft. Die jehr
gelenfigen Hilfskiefer benußt er oft zum Pußen und Reinigen der verjchiedenen Körperteile
und Fann damit jelbjt die Oberfläche des Schwanzes erreichen.
Eine fleinere, 10 em lange Art, Squilla desmaresti Risso, findet fi außer im Mittel:
meer auch im Atlantifchen Ozean und im Kanal. Die Tiere liegen gewöhnlich völlig zwijchen
Steinen und Tangen verftedt, jo daß man im Aquarium bequem beobachten fan, wie äußerft
geihickt und mannigfaltig fie die das Maul umgebenden Gliedmaßen gebrauchen. Fortwährend
pugen fie fich, ziehen die Fühlhörner durch die eingejchlagenen Fußglievder und langen mit
dem einen oder anderen Bein auf ven Rüden, um fi) an einer, wie man meinte, unerreich-
baren Stelle zu fragen.
Die Gierpafete werden von den Stomatopovden namentlich zwijchen den Maulfüßen ge-
tragen. Die aus den Giern ausjhhlüpfenden jungen Tiere durchlaufen in ihrer Entwidelung
zunäch]t zwei „‚vorpelagijche” Stadien, während welder fie am Meeresboden leben, dann erjt
werden Ste pelagiich over planktoniid. Demgemäß jammeln fi, laut Giesbrecht, eben aus:
geichlüpfte Larven des Gemeinen Heujchredenkfrebjes über dem Boden des Verfuhsgefäßes
an der Dunfeljeite an; erjt im Laufe des zweiten Stadiums, wo das Ausfhwärmen im Frei:
leben beginnen würde, gehen einige an die Lichtjeite, und im erften pelagischen Stadium wird
ver Höchitgrad der „‚Lichtliebe‘‘, die die Tiere vom Grunde weg ins freie Wafjer zu führen
vermag, erreicht.
Fünfte Unterordnung: Zehnfüßer (Decapoda).
Die Unterordnung der Zehnfüßer (Decapoda), die bei weiten die Mehrzahl der Arten,
nämlich über 2000, umfaßt, ift, wie ihr Name jagt, dadurd gekennzeichnet, daß von den
acht Glievdmaßenpaaren des Brujtabjchnittes fünf als Schreitbeine entwidelt find, während
die drei vorderen al3 Hilfskiefer an den Gejchäften der Nahrungsaufnahme teilnehmen. Die
Schale bevedt Kopf und Thorar und ijt mit leßterem am Nüden feit verwachjen. Shre
frei abjtehenden Seitenflügel aber bilden beiderjeits des Bruftabjchnittes hohle, Dis auf Inappe
Spalten gejchlojjene Räume, die als Atembhöhlen dienen. Bon jeder der Bruftgliedmaßen
ragt eine büjchelige oder blätterige Kieme in diefen Raum hinein. Bejonvere Platten am
zweiten Unterkieferpaar unterhalten durch Tehwingende Bewegung den nötigen Waflerftrom.
Das gegenfeitige Verhältnis der die Unterordnung zufammenjegenden Gruppen jpißt ich
zum Öegenjaße von jhwimmenden und laufenden Tieren zu. Die zehnfüßigen Strufter werden
un jo behender und zum Laufen und Klettern gejchieter, je fürzer umd leichter der Hinterleib,
der fogenannte „Schwanz“, wird. Er dient befanntlih dem Flußfrebs, ven Hummern und
Langujten als Fräftiges Nuder. Für die Laufbewegung it aber diefer Anhang ftörend, und
bejonders wäre er es dann, wenn das Tier ihn, als Landbewohner, über den Boden zu jchleppen
hätte. Es folgt daraus von jelbft, daß diejenigen Krebfe fih am gejchieftejten gehend bewegen
werden, die von jenem Anhängjel nicht behindert find. Mit der Berfümmerung oder geringen
Ausbildung des Nachleibes it daher die wichtigjte Bedingung zu einer joldhen veränderten
Xebensweije gegeben, und deshalb bilden die ‚„Zangichwänze” umd die „Rurzjchwänze over
Krabben’ zwei natürliche Unterabteilungen der zehnfüßigen Krufter, zwiichen die fi), wie
oftmals in dem Syftem der Tierwelt, eine vermittelnde, man möchte jagen charafterlofe
Gruppe einfchiebt.
/ Regelfrebfe: Maulfüker. Zehnfüker (Langihwängze). 675
Grite Gruppe: Langjehwänze (Macrura).
Bei den Langjhwänzen (Maecrura) unter den Zehnfüßern ift der Hinterleib ftark ent>
widelt, jo lang oder länger al3 das Kopfbruftitüd, und an den erften jechs Ringen mit paarigen
Gliedmaßen verjehen. Die des jechiten Segmentes bilden zufammen mit dem „‚Telfon‘, au) |
„Schwanzflappe” genannt, eine breite Schwanzfloffe oder den „Schwanzfächer“.
Er}
Seljengarnele, Palaemon serratus Penn. (oben), und Sandgarnele, Crangon vulgaris F. (unten). Natürliche Größe.
(Zu ©. 676 und 677.)
Die artenreichite Familie unter den langjehwänzigen Zehnfüßern ift die der Garnelen
- (Carididae), von der allein aus den europäischen Meeren gegen 90 Arten bejchrieben worden
find. Shre hornartigen, biegjamen Körperbevedungen, der jeitlich zufammengevrüdte Körper,
die große Schuppe, die den Stiel der äußeren Fühler überragt, dabei eine meilt außerordentlich
zarte und jehöne Färbung einzelner Teile, während andere fait jo durhlichtig wie Glas find, ihre
große Behendigkeit im Nücwärts- und Vorwärtsichiwinmen — jenes mit Hilfe der Schwanz:
Hoffe, diefes durch rudernde Bewegungen der Hinterleibsfüße — machen die meiften Glieder i
diefer Gruppe leicht fenntlih. Die beiden vorderen Bruftbeinpaare haben Scheren.
Die jandigen, flachen Küftenftrecdfen, befonders der Nordjee und des britischen Seegebietes,
43*
676 Srebfe.
werden von unzählbaren Scharen der Gemeinen Garnele, Sandgarnele, Garnat,
Granat, Borre, Shrimp der Engländer, Crevette der Franzojen, Crangon vulgaris F.
(j. die beigeheftete Tafel „‚Rrebstiere IT“, 3 und 4), bevölfert, Ausgezeichnet ift fie durch)
den fait ganz glatten Körper. Nur, auf dem Kopfbruftieptld finden fich drei Stachehn. . Eine
lebendige Schilderung des Fanges der Tierchen, die und auch mit feinen Gigentümlichkeiten
näher vertraut macht, hat Gofje gegeben: „Laßt uns jehen, womit jener Fiicher To eifrig
beichäftigt ift, und was das Pferd tut, das er bis bauchtief in die See hinein umd zurückgehen
(äßt, als jollte der Sand gepflügt werden... Das Pferd zieht ein Neß hinter fich her, dejfen
Mündung über einen länglichen, eifernen Rahmen gejpannt ift. Nach hinten läuft das Neb
jpiß zu, ift aber nicht zugeftrickt, jondern bloß mit einer Schnur zugebunden. Der Eifen-
rahmen hält die Nebmündung offen und fragt den Seeboden ab, während das Pferd, mit
dejfen Gejchirr es durch eine Leine verbunden ift, vorwärts geht. Das Pferd, das im leichten
Sande und 1 m tief im Waffer waten und den jehweren Apparat nach fi) ziehen muß, hat
ichwere Arbeit und fommt offenbar gern aufs Trodene, wo 3, fobald das Schleppnek am
Ufer, angehalten wird. Nachdem der Filcher ein Tuch auf dem Sande ausgebreitet, bindet er
die Schnur auf und jehüttell das Gewimmel auf das Tud. Für eine Eleine Münze dürfen wir
uns allen Wegwurf auflefen, nämlich alles, was nicht Garnele ift. Lebtere find jehr jchön. Bell
gibt ihre Länge auf 6 cm an, von diefen hier ift die Mehrzahl länger als.S cm. Die meijten
find Weibchen, die ihre Eier zwijchen den Aiterfüßen des Hinterleibes tragen. Das Tier ift
weniger zierlich als manche anderen Garnelen. Seine Farbe ift; ein blafj es, ins Grün jpielendes
Braun; unterfucht man e3 aber genau, jo findet man eine Arhänfung: von jehwarzen, graus
Bosınen und orangenen Fleden, von denen bei ftarfer Vergrößerung diele fternförmig erfcheinen.
„Sehr Luftig ift es, zu jehen, wie jchnell und gewandt die Garnele fih im Sande ein:
richtet. Wenn das Waller 1 oder 2 Zoll tief ift, Yäßt fih das Tier ruhig zu Boden fallen.
Dann fieht man auf einen Augenblid, wie eine Eleine Staubwolfe fich. auf beiden Seiten er-
hebt, und der Körper finkt jo tief ein, bis jein Rüden falt in einer Ebene mit dem ihn um:
gebenden Sande liegt. Nun wird der Nugen der eigentümlihen Färbung offenbar: die dicht
beieinander ftehenden Flecken in verjchtedenen Tinten von Braun, Grau und Not gleichen den
Farben des Sandes fo vollflommen, daß man die Garnele, die man noch eben fich hat ver-
graben jehen, im nächjten Augenblide nicht mehr unterjcheiden fann. Nur die an der Spiße
de3 Kopfes, wie die Dachftubenfenfter auf den holländiihen Häufern, angebracdten Augen
jtehen wie ein paar Wachtpoften leuchtend hervor, und jo liegt das Tier ruhig und vor den
meiften Feinden ficher, wenn nicht die eiferne Lippe des Schleppneges den Sand aufrührt
und die armen Garnelen aufftört und in die Mündung des Weges treibt.”
Hhnlich wie der Fang der. Garnelen an der engliichen und belgiichen Küfte ift er auch
anderwärts, nur daß in der Negel die-Fiicher ihn nicht mit Hilfe eines Rofjes betreiben Fönnen,
jondern ihre Eleineren, über eiferne oder hölzerne Rahmen geipannten Dreojchen Jelbit jehieben
oder ziehen oder vom Segelboot aus mit ihnen fiihen. Denn bei uns liegen die Fangpläbe
meilt jo weit vom Lande entfernt, daß man fie mit Kähnen aufjuchen muß. Auch fängt man
Garnelen in maufefallähnlichen Körben mit Zodipeifen. Der friefühe Wattfifcher jucht die auf-
geitellten Fallen mit Wattjehlitten auf, eine mühjame Tätigkeit, die und CEhrenbaum aus
eigener, an der Emsmündung gewonnener Anjchauung jhildert. Die Wattjchlitten find „in
der Regel bei einer Breite von 40 em etwa 2 m lang und heißen ‚Krater‘. Beim Fahren
ruht das eine Anie auf dem Hinterrande des Gefährtes, welches mit dem anderen Fuß Fräftig
im Schliek fortgeftoßen wird. Diefe ganz flachen Kleinen Fahrzeuge dienen zur Aufnahme des
Krebie II.
Hummer, Homarus vulgaris M.-E., in feiner Selfenhöhle lauernd
Prof. W. Köhler-Tegel phot. (S. 681.) !/2 nat. Gr.
=
3. Algenwand im Aquarium mit Garnelen, Crangon vulgaris F.
S. Müllegger- Hamburg phot. (S. 676.) !/3 nat. Gr.
2. Galathea strigosa Z. Prof. Dr. F. Doflein-Freiburg phot
(S. 691.) Nat. Gr.
Sandgarnele, Crangon vulgaris F., auf Sandbod
en fchwer jichtbar.
C. O. Bartels-Kiel phot. (S. 676.) ?/3 nat. Gr.
5. Einliedlerkrebs, Pagurus striatus Zafr., mit der Aktinie Adamsia parasitica. S. Müllegger- Hamburg phot. (S. 690.)
1/- >
/2. nat. Gr.
en ie et
6. Großer Taichenkrebs, Cancer pagurus ZL. Prof. W. Köhler-Tegel phot. (S. 698.) Nat. Gr.
7. Bernhardinerkrebie, Eupagurus bernardus Z. (S. 690), dazwiichen zwei €ibare Seeigel, Echinus esculentus Z.
(S. 367), links oben ein Sonnenitern, Solaster papposus Fabr. (S. 377). Prof. W. Köhler-Tegel phot. 1/2 nat. Gr.
Negelfrebje: Zehnfüher (Langichwänge). | 677
Fanges, welcher nicht Jelten das Gewicht von einigen Zentnern erreicht. Der Umftand, dab
fat immer diejelben Fahritraßen benußt werden, erleichtert das Auffinden des richtigen Weges.
Auch Buschbafen, die hier und da aufgepflanzt find, dienen zur Orientierung auf der unab-
jehbaren ebenen Fläche des Watts. Des Nachts leuchtet bei leidlichem Wetter das Feuer der
Knod von dem rechten EmSufer herüber. Bei der Rüdfahrt indeffen und bei jehr dunklem
und nebeligem Wetter ift der zeitweilig wehende Wind das einzige Mittel zur Orientierung
für die Fischer. Während der Zeit des Fanges, d. h. von der zweiten Hälfte des März bis
tief in den November hinein, darf fih der Wattfifcher nur wenig Ruhe gönnen. Zu jeder
Tages- und Nahtftunde muß er je nach der Lage der Tiden bereit fein, zu den Körben zu
fahren, gleichviel welches Wetter ihn bevroht, und zwar jedesmal mit Eintritt de niedrigen
Wafferftandes, alfo zweimal in je 24 Stunden. Nur bei ftarfen Nordweititürmen, welche das
Ehbewafjer aus dem Dollart nicht ablaufen laffen, müfjen die Leute im Haufe bleiben, da fie
dann überhaupt nicht zu ihren Körben gelangen fünnen. Erjt mit vem Winter fonımt eine
Zeit der Ruhe. Doch müfjen dann alle Geräte, nachdem fie von draußen hereingebracht find,
ausgebeijert und die jchlechten durch neue Geflechte erjeßt werden.“
Chrenbaum hat übrigens feitgeitellt, daß der Dollart und die ihm an Sabgehalt ähnlichen
bradigen Wattengebiete Doch nicht die Geburtsftätten der Garnelen find, Jondern die Entwices
lung der Gier bis zum Ausschlüpfen der Jungen erfolgt jtet3 näher der offenen See, in Salzwajjer
von 2—21/a Vrozent: ein Salzbevürfnis der Zugendftadien, ähnlich wie bei Scholle, Flunder
und Mal; nur die erwachjenen Tiere betätigen in verjchiedenem Grave Anpafjungsvermögen
an jüßeres Wafjer, die Sugendftadien verleugnen ihre Herkunft nicht, wie das aud) für Yand-
trabben jhon auf ©. 630 als ein Fall des biogenetiichen Grundgejebes erwähnt wurde.
Huch vie Felfengarnele oder Sägegarnele, Palaemon serratus Penn. (j.-die Ab-
bildung, ©. 675), kommt jo mafjenhaft bejonders an der franzöftiihen Nordfüjte als Crevette,
Celicogue, Bouquet und weiter öftlich‘ gegen das Deutjche Meer zu vor, daß fie dort wie
auch im Mittelmeer zu einem ergiebigen Nahrungsmittel wird. Sie und manche. anderen
Garnelen, von denen die Steingarnele, Leander squilla Z. (Palaemon), im Mittelmeer
die häufigfte ift, werden beim Kochen rot, während die meiften Garnelen wie auch der gemeine
Crangon duch die Zubereitung farblos werden. Leander adspersus Rtk. (Palaemon
fabrieii) ift die verhältnismäßig Kleine Ditjeegarnele, die unter dem Namen „Dftjee-
frabbe” auf den Markt fommt, do auch in den Nordjeewatten häufig ift.
Das Treiben der Öarnelen ift nur im Aquarium zu beobadten. Sm Meere bemerkt
man die meilten Arten Faum wegen ihrer Durchlichtigkeit, von anderen fieht man nur gelegent-
lich) einmal ein Stüd Ihwimmen und bei der geringiten Beunruhigung eiligft flüchten. Anders
in der Gefangenihaft, wo fie jahrelang aushalten und der Fütterung gegenüder: vertraut
werden. Sie find äußerft munter, indem fie fich entweder pußen oder mit der Schere oder
den Hilfskiefern Futter abfneipen. Gefellig miteinander umberziehend, machen fie. fich oft die
Bilfen ftreitig, jedoch ohne fi) in jo erbitterte Kämpfe einzulaffen wie die eigenfinnigen
Gremitenfrebje und andere.
Erjtaunlich it das Farbenänderungs- und zanpafjungsvermögen mancher Garnelen. Den
höchiten Grad erreicht darin der an Geftalt gleichlam budelige Virbius varians Leach (Hip-
polyte, Fusulus) der europätichen Küften. Die Tiere, die auch in der Nordfee vorfommen, in
der Dftjee aber Ihon fehlen, find Bewohner der Mgenrajen und fönnen grün, rot, braun, brauns
grün, rotweiß, braummweiß, Eurz jederzeit jo ausfehen wie die Algenftreifen, auf denen fie gerade
fisen. Nach Doflein Fan man infolgevefjen leicht joldhe Tiere mit Algen unbemerkt fammeln
678 Kerebfe.
und wird ihrer erit nach Durcdheinanderichütteln des Glasgefäßes gewahr, wenn jever Krebs
dabei auf eine neue Unterlage fommt und dann durch jeine Farben erheblich von ven Pflanzen
abjticht. Zur Nachtzeit aber Fleiden fich alle Stücde in eine gleichmäßig blaue Uniform, was mit
dem Stoffwechjel zufammenhängt und auf eine Wieverherftellung der tagsüber verbrauchten
Stoffe während der Nachtruhe hindeutet. Den Leander xiphias Risso (Palaemon) fand
Doflein bei Monaco gewöhnlich dunkelgrün, feltener braungelb, vot aber nach vierwöchigem
Aufenthalt im Dunkeln und blau nach dreitägigem Dumnkelaufenthalt in eisgefühltem Wajfer.
Don den meerbewohnenden Garnelen wäre, mit Übergehung zahlreicher anderer, wegen
jeiner eigentümlichen Xebensweile ver Mufchhelfreund, Pontonia tyrrhena Risso, hervor-
zuheben. Diejer im Adriatiihen und Mittelmeer vecht häufige Krebs lebt für gewöhnlich pa-
ralitiich in der großen Stedimujchel; er birgt fich jedoch auch nicht jelten in Schwänmen. Ein
fajt ausjchlieglich in diejen fich aufhaltendes Tier ift Typton spongicola Costa. Die Scheren
des zweiten Fußpaares find jehr entwidelt, und immer erreicht die eine, mehr al3 die andere
vergrößerte falt zwei Drittel der ganzen Körperlänge Die Farbe ift lichtbräunlich, und die
gejchlechtsreifen Weibchen zeichnen fi durch eine mennig= oder faft Forallenrote Farbe des
großen Hinterleibes aus. Wenn die Kleinen, faum 21/2 cm langen Mefen, denen die große,
feulenartige Schere jehr wurnderlich jteht, in Furcht gejebt oder beunruhigt werden, bringen
jie duch Aneinanderfchlagen der Scherengliever genau den jehnalgenden Ton hervor, der ent-
jteht, wenn man den Zeigefinger vom Daumen auf den Ballen ausgleiten läßt.
Pranche Oarnelen haben fih ans Süßwaljer angepaßt. Eine in diejer Hinficht bejonders
interejfante europäijche Art, Palaemonetes varians Leach, wurde Ihon ©. 632 bejprochen.
Dort wurden auch bereits brafiliiche Flußgarnelen erwähnt; joldhe gibt es ferner in Argentinien
und Uruguay; in Chile und Beru lebt eine bis 20 cm lange Art. Während bei Meeresarten unter
Umftänden die Weibchen viele Taujende von Eiern mit fich herumtragen, zählte Fris Müller bei
einer Süßwafjerart nur S—29 von entjprechend erheblicherer Größe. Einige jüdamerikaniche
Süßmafjerarten werden gegeljen, zahlveichere natürlich aus dem Meere, wo fie auch dort jo gut
wie anderswo vertreten find. Vereinzelte Arten Fönnen im Süß:, Brad- und Salgwajjer leben,
find aljo, wie man jagt, euryhalin. E3 ift bemerkenswert, daß mehrere fiidamerifanifche
Palaemon-Süßwafjerarten auch in Weftafrifa vorfommen, während Oftafrifa ganz andere
Arten beherbergt, eine von den Erjheinungen, die den Gedanken an eine ehemalige Yand-
verbindung der beiden jeßt getrennten Erdteile nahelegt. — Die in den Tropen der ganzen
Welt verbreitete Familie ver Atyidae enthält faft nur Süßwaljerarten von L—2 cm Länge.
Einer nahe verwandten Familie, ven Geißelgarnelen (Penaeidae), bei denen der
dritte Bruftfuß ftetS eine Schere trägt, ift der XZeuchtfrebs, Lucifer typus Thomps., des
Atlantiichen Dzeans und des Mittelmeeres einzureihen; er ift jtabfürmig geftreckt, trägt die
Augen auf langen, vorgeftredten Stielen und ift, wie der Name jagt, duch Leuchtvermögen
ausgezeichnet. Nach den Beobahtungen von Broofes leben die Tiere am Tage an untiefen
Stellen der Küfte in geringer Tiefe, begeben fi) aber mit Sonnenuntergang hinaus auf das
offene Meer, wo jpäter auch die Gier abgelegt werden. Die Berwandlung erfolgt langjam, und
manche noch nicht voll entwicelten Larven find als Arten bejchrieben worden. Zu den Geißel-
garnelen gehören auch allerlei hochinterejjante Tiefjeebewohner. Prächtig rot gefärbt over rot
und weiß gejtreift ift vie Schlanffüßige Haargarnele, Nematocarcinus Sracilipes M.-E.
‚shre Bruftbeine find ganz abenteuerlich verlängert und laufen in Büjchel von Tafthaaren aus.
Die Krebje müfjen aljo über ein jehr feines Taftvermögen verfügen. Daneben find auch die Fühler
jehr jtark entwickelt, fie erreichen das Drei- bis Fünffache der. Körperlänge. Die Vergrößerung der
NRegelkrebfe: Zehnfüßer (Langihwänze). Sn 679
Antennen -zeigen übrigens auch andere Tiefjeegarnelen. So fing Chun im Mittelmeere zwiichen
800 und 1200 m Tiefe einen Sergestes arcticus Kr., der eine Körperlänge von 38 mm
hatte, dejjen Fühler aber 115 mm maßen und nod) dazu mit Jeitlihen Fädchen bejegt waren,
die ihverfeitS wieder Gefühlsborften trugen. Sehr merkwürdig find teilmeile auch) die Larven
der Tiefleegarnelen. Einem der abentenerlichiten diefer Gejhöpfe hat man den Namen Elapho-
caris gegeben, was vielleicht „‚Hixjch- n
geweih‘‘ heißen joll. Alle diefe ju- | \|||\| | | | |
gendlichen Wefen find ausgeftattet N IKNUN)N)))
mit jeltfamen Dornen, die meift als N INN
Schmweborgane dienen, mit einem oft
großartig entwidelten Syitem von
Sinnesborjten und meift mit anjehn=
lihen Augen. Sie leben pelagiich. °
Macrura natantia, Schwime
mende Langihwänze, nennt man die
bisher erwähnten Familien gegen-
über -ven jchon jehwerfälligeren Krie=
enden Langjehwänzen, den Ma-
crura reptantia.
Eins der vielen jhönen Ergeb>
nifje der ‚Challenger-Erpedition auf |
den Gebiete der Krujter war die
Auffindung der mit langen, aber
diinnen Scherenbeinen und Eleinen
Scheren ausgeftatteten Willemoe- .
sia leptodactyla Will.- Suhm, die
eine Körperlänge von 120, aber
eine Scherenfußlänge von 155 mm
bat, aus der Familie der Eryo-
nidae. Die Augen find rudimen- |
tär, in noch höherem Grade bei an- |
deren Arten, wo gelegentlich nicht | 2}
bloß Augen, jondern jede Spur III 0%.
der zu ihrer Aufnahme bejtimmten ||| I) Il N)
Stellen fehlen. Sintereffant ift es
aber, daß die im Ei befindlichen
Embryonen noch wohlentwidelte Augen nach dem gewöhnlichen Kruftazeen- Typus haben.
Das fteht nicht vereinzelt da: auch eine blinde Garnele der Krainer Höhlen, Aruba:
schmidti Dorm., hat im fötalen Zuftande deutliche Augen.
I
Willemoesia leptodacetyla Will.-Suhm. Natürliche Größe.
ill!
Die Familie ver Banzer= oder Nitterfrebje (Loricata) zeichnet filh durch ehr harte
Körperbedeeungen und jehr großen Nachleib aus. Alle fünf Beinpaare endigen ohne Scheren,
nur mit einem flauenfürmigen Gliede Die Gemeine Langufte oder der Stadhelhummer,
Palinurus vulgaris Latr., mit äußeren Fühlern, die den Körper an Länge übertreffen umd
dice, ftachelige Stielgliever und eine lange Geißel haben, fommt am häufigjten im Mittelmeer
680 Strebje.
vor, jedoch auch an den Welt: und Südfüften von Jrland und England in jolchen Mengen, _
daß fie ein guter Artikel des Londoner Marktes ift.” Der Vorderrand des Kopfbruftftückes ift
mit zwei ftarten Stadjeln ausgerüftet, und auf der Oberfläche trägt diejer Körperteil einen
dichten Stachelbefaß, während der Nachleib glatt if. Die Langufte wird 40 cm lang und hat
lebhaft rötlich-violette Farbe, die jchnell in ein intenfives Blau übergeht, wern man den friich-
gefangenen Krebs dem Sonnenlicht unmittelbar ausjeßt, während, wenn man das Hautjfelett
im Schatten teodnen läßt, die natürliche Farbe fich ziemlich gut hält. Die in einzelnen Niejen-
eremplaren 6—8 kg jcehwer werdende Art ijt im Mittelmeer viel häufiger als der Hummer
und daher für die Tafelfveuden der Südländer der gewöhnliche Stellvertreter des mehr dem
atlantijchen und Nordjeegebiet angehörigen Hummers. Sie bewohnt felfigen, rauhen, mit See-
pflanzen bewachjenen Grund von jehr verjchtevener Tiefe, ähnelt aljo hierin vem Hummer, ift
aber gejelliger und lebhafter,
flettert gewandt an den Fels:
wänden umher und frißt bejon-
vers Mujcheln, die fie mit den
kräftigen Klauen der Vorderbeine
zerbricht. Man fängt fie auf
zweierlei Art. Ein weitmajchiges
Stellneg in Form einer über 1m
hohen, über 31 m langen Wand
wird auf den Mieeresboven ver-
jenft und muß über Nacht Stehen:
\ bleiben. Die in der Duntelheit
1% daran ftoßenden Fiche und gro-
| Ben Krebje juhhen fi) durch Die
Mafchen zu zwängen, die Lanz
guten verjucden mit ihren un:
Zangujtenlarve Natürlihe Größe. gejhickten Deinen Darüber all
jteigen und verwiceln fich bei die-
jem Beginnen. Zeitig am Morgen muß das Net gehoben werden, da jonjt die Gefangenen
von den Raubfiihen und Delphinen verfpeift werden. Ungleich anziehender ift das Filchen mit
dem Schleppneß und der dabei unterlaufende Fang der Langufte, zumal nachts bei Feuerjchein.
Man findet die Languften jegt oft in den größeren Aquarien, wo fie vortrefflich aus-
halten, in Gejellihaft von Yummern und Tajchenkrebfen. An den gefangenen Tieren be-
merkte man, daß fie Töne von fich geben, und zwar gejchah dies nur dann, wenn fie mit
ihren großen Fühlhörnern ftarfe Bewegungen machten, 3. B. wenn fte dieje gebrauchten, um
Angriffe ihrer Kameraden beim Freffen abzumweijen. Die Töne follen dem Anarren ähnlich)
jein, das entfteht, wen man das Dberleder eines Stiefel gegen ein Stuhl: oder Tijchbein
vrüct. Das Inftrument, mit dem die Töne erzeugt werden, ift eine runde Platte, die an dem
unterften der beweglichen Glieder ihrer äußeren Fühler fist, und zwar oben an deren innerer
Seite. Das Karren entjteht, indem ein behaartes Feld der Platte über die glatte Fläche
des feiten Ringes gleitet, mit dem das erfte bewegliche Fühlerglied verbunden ift.
Die blattförmigen, wundervoll duchfichtigen, pelagischen Larven der Yanguften wurden
früher als „‚Vlattfrebje” umter dem Namen Phyllosoma bejehrieben. Sie find auch der
folgenden Gattung eigen.
I
aaul2[ la [ounaıp “lowwmyg pun 2ynbuDT
Negelfrebfe: Zehnfüßer (Langjchwänze). 681
Den die atlantijche Küfte Europas und das Mittelmeer bewohnenden Bärenfrebs,
Scyllarus aretus F. (Arctus ursus; j. die Tafel „‚Krebstiere III”, 6, bei ©. 698), Tem:
zeichnen die Furzen, auf dem Nien entjpringenden Augenftiele, die blattartigen, der ©eißel ent-
behrenden äußeren Fühler und das breite, flache, vieredige Kopfbruftftüd. Der Bärenkrebs ift
ein ziemlich häufiges Tier und wird iiber 30 cm lang. Der überaus plumpe, platte Krebs lebt
in Felswinfeln umd ift gewöhnlich jo mit Schlamm und Algen bevect, daß er meift für einen
Stein gehalten wird. Er verteidigt fich mit feinen Iehaufelartig umgebildeten zweiten Antennen.
Die Familie, zu der unjer Flußfrebs und feine nächften Verwandten gehören, fann man
Scheren= oder Banzerfrebje (Astacidae) nennen. Wir erfennen fie an dem feitlich etwas
zujammengeprücten Kopfbruftitüd, das, jo wie Der Nachleib, fich mit einem gewöhnlich recht feiten
Sfelett umgibt. Das erjte Fußpaar trägt ftets große Scheren, Kleinere finden fich am zweiten
und dritten Fußpaar. Die großen Scheren des erften Beinpaares find bei vielen Formen,
ganz ausgeiprohen 3. B. bei dem Hummer, in Größe jowohl als in Geftalt auffällig ver-
johieden. Diefe Scherenungleichheit beruht nit etwa, wie man zunächjt vermuten könnte,
auf Regeneration (vgl. ©. 633), jondern wird durch dem verjchtedenartigen Gebrauch bedingt.
Die eine Schere, bald ift es die rechte, bald die linke, ijt jehlanfer gebaut und auf ihren
Schneiden mit regelmäßigen Zähnen und dit mit Sinneshaaren bejeßt. Sie wird als
„gähnchenichere” und ihrer Aufgabe entjprechend auch als „Spürjchere” bezeichnet. Die andere
jedoch it plumper, auf dem Snunenrand mit wenigen, ftarten Höcdern beftanden und dient als
„Kmoten’= oder „Brechihere”” zum Greifen der Beute und Auffnaden von Mufchelichalen.
Der Yummer, Homarus vulgaris M.-E. (Astacus marinus), unterjheidet fi vom
Alußkrebs nur durch jehr geringfügige Merkmale. So hat er einen jhmaleren Stirnfortja,
und die am Grunde der äußeren Fühler ftehende Schuppe, die bei ven Flußfrebjen blattförmig
it, ift bei den Hummern fchmal und zahnartig. Er wird bis etwa 50 cm lang. Der QYummer
der europäiihen Meere findet fi) von der norwegiihen Küfte an bis in das Mittelmeer, ift
jedoch nicht befonders häufig, während feine eigentliche Heimat die britanniidhen, vor allem
aber die norwegiichen Geftade find. Dort Eommt er mit vielen anderen Seetieren vorzugsweife
auf der ungeheuren Terralje oder Bank vor, die fich vor dem Feltlande hinzieht, und von der
aus ein jäher Abfturz in den Ozean erfolgt. Als Felfenbemohner (f. die Tafel „‚Rrebstiere IL“, 1,
bei ©. 676) ift er auf deutjchem Gebiete faft nur bei Helgoland zu haben; anderwärts in beut-
jeher Küftermähe gerät nur ganz ausnahmsweile einmal einer in das Net des Filder2.
Der Hummerfang gejchieht faft in der ganzen Welt ungefähr gleichartig, mit Hilfe von
Fangtörben, helgoländifch „Tiner3” genannt, die vogelbauerähnlich ausfehen, im Wejen etwa
Nattenfallen gleihen und namentlich mit zerkleinerten Krabben als Lodfutter gejpeift werden.
Außerdem verwendet man gelegentlich Nee zum Fang, jogenannte „Olippen“, dDienad) Art der
Krebsteller gebaut find. Ein eijerner Ning mit einem Köderfiih hält die Mündung des an
einer Leine hängenden Neges ausgejpannt, und durch den Nud beim Emporziehen des Neßes
fällt der frejjende Krebs in diejes hinein. Die fo zahlreich in der Neede von Helgoland liegen:
ven Hummerfäften dienen lediglich zur Aufbewahrung der Hummer, denen man die Scheren
zujammenbindet, weil fie jich Jonjt gegenjeitig bejehädigen over auch töten wilrden.
&3 ijt nicht richtig, dag man weiblihe Hummer daran erkennen Fönnte, daß fie an der
Unterjeite des Hinterleibes ftetS Eier mit fi) herumtrügen; Dies ijt natürlich nur bei gejchlechts=
reifen Weibchen der Fall (das find mindeitens vier bis fünfjährige von wenigftens 23 oder
in Norwegen 20,5 em Länge) und auch bei diefen nur während der fajt ein volles Sahr
682 Srebfe.
dauernden Snkubationszeit der Eier bis zu ihrem Ausihlüpfen im August; nur ausnahms-
weile wird dann jogleich zu einer neuen Eiablage gejhritten, viel öfter erft nach einem weiteren
Sahr der Ruhe, aljo alle zwei Jahre.
Die neugeborene Hummerlarve trägt Shon Scheren und ijt etwa 6—8 cm lang; fie ift
ein jchmudes Tierchen von leuchtend blaugrüner Grundfarbe, aus der jedoch auch rote und
blaue Farbentöne hervorleudten. Sie mag zu den Blanftontieren gerechnet werden, objehon
fie an jpezifiichem Gewicht Ichwerer als das Meerwahler und dadurch wohl einigermaßen an den
Meeresgrund gebunden ift. sn frühen Lebensitadien vollziehen fi oftmalige Häutungen, die
jpäter immer jeltener werden, wie denn ja das reife Weibchen fich der Eier wegen nicht öfter als
alle zwei Fahre einmal häuten kann. Aber fehon bei der vierten Häutung fieht das dann 15 bis
16 mm lange Tierchen infolge Verluftes der Shwimmanbänge an den Gehfüßen viel Hummer-
artiger aus al3 zuvor, ijt ganz und gar zum grumdbewohnenden Tier geworden, und mummehr
fommt, nach) Ehrenbaum, ein Stadium, von deijen natürlicher Xebensweije man noch gar nichts
weiß. Die jungen Hınnmer müljen ftch in diefem Zeitabjehnitt wohl außerordentlich verborgen
halten, denn man fennt fie aus diefem Lebensalter nur aus Zuchtverfuchen im Aquarium.
Der Helgolander Hummer erzeugt je nad) Größe und Gewicht, welch leßteres, bejonders
das der Scheren, in jpäterem Alter viel erheblicher zunimmt als die Körperlänge, etwa 8000
bis 40000 Eier auf einmal. Wie alt er wird, läßt fih genau gar nicht feititellen, wohl
30 Sahre und auch mehr. Der Helgolander Fiicher, der einen Fang von 30O—40 Stüd in
100 Körben als jehr gute Tagesausbeute betrachtet und eine jolche im Frühjahr bisweilen
zwei Wochen lang hintereinander täglich einheimfen fan, Ihont den Hummer von Mitte Juli
bis Mitte September, außerdem jorgt die Natur für die Erhaltung des Hummers durch die
Winterfälte, die ihn träge macht, jo daß er dem Köder nicht nachgeht, und dur) die Stürme
diejer Jahreszeit und des Herbites, die natürlich das jaure Gewerbe des Hummerfijchers jehr
erjchiweren und manchesmal jogar die Shon durch die Schiffahrt gefährdeten Hummerförbe zer-
teimmern oder zerichlagen. Übrigens halten fich die eiertragenden Weibchen ziemlich ver-
borgen, und die Jungen jhlüpfen nicht auf einmal, fondern nad und nad aus, jo daß fie
nie große Schwärme bilden, die Feinde anloden fünnten.
Sm Aquarium find außer den Schon erwähnten jungen Hummern auch die alten an=
ziehende Schauobjefte, Schon durch ihr Hußeres, denn faft jeder Hummer trägt auf feinem
Banzer eine beträchtliche Anzahl tieriiher und pflanzliher Gemwächle, die fich ihn im Laufe
der Zeit al3 harmloje Raumparafiten angejeßt haben und ihm das ehrwürdige Anjehen eines
„„bemoojten Hauptes’ geben. Mit erftaunlicher Schnelligkeit vermag der Hummer zu freijen,
3. BD. einen großen Fisch zu erfaffen, ihn durch raftlofe Arbeit der Kaumerkzeuge zu zerichaben
und jedes Stüdchen, ausgenommen ganz geringe Abfälle, in feinen Schlund zu befördern.
Beim Nordamerifaniihen Summer, Homarus americanus M.-E., findet die Ver-
mehrung je nach der Lage der Küften zwiichen April und September ftatt, und die Weibchen
Iheinen fi zu diefem Zwede auf feichteren Grund zu begeben. Die Jungen jchwimmen
nicht nur unmittelbar nach dem Nuskriechen frei umher, auf der Stufe, wo ihre Beine gejpalten
find und große Ahnlichkeit mit denjenigen der fpaltfühigen Krebje oder Schizopoden haben,
jondern auch dann noch, wenn fie Schon mehr das Ausjehen ver Alten und eine Länge von
2 cm erreicht haben. Da fie wehrlos find, werden ihre Neihen wohl von den ihnen folgenden
Süchen außerordentlich gelichtet. Der Verbrauch des Hummers in Nordamerika überfteigt weit
den europälichen: in Bofton allein werden jährlich etwa eine Million verkauft. Die Gefan-
genen wehren fich verzweifelt und haben namentlich die Gewohnheit, fih mit einer Schere
Kegelfrebje: Zehnfüßer (Langichwänge). 683
an dem Korbe feitzuhalten. Wollte man fie gewaltjam -abreißen, dann würden fie lieber die
Schere verloren geben, wodurd fie natürlich für den Verkauf minderwertig wiirden. Die Filcher
verfahren daher an:
ders. Sie prejjen mit
der einen Hand die freie
Schere des Gefangenen
zujammen und zwiden
ihn mit der anderen
in einen jeiner Fühler.
Hier ijt er jehr emp-
findfih und läßt jo-
fort ‚die angeflemmte
Schere [o3, um fic) da-
mit zur Wehr zu jeßen.
Kleiner als der
Hummer, nämlich jel-
ten über 30 em lang,
aber viel föftlicher für
unjeren Gaumen ift ee
der jhon im leben-
ven Zuftande lachsrote
Schlanfe Hummer,
Nephrops norvegi-
cus L., der, wie der a
lateiniihe Name be=
jagt, vor allem an
der norwegilchen Kite
lebt. Da er aber aud
Ihon in der nördlichen
Kordjee ftellenweije in
größerer Zahl gefan-
gen wird, wurde er
mit Emporfommen der
deutichen Hochjeefijche-
rei auch) zu einem ftän-
digen Artikel auf den
deutjchen Seefiihmärk:
ten, wo er Kaijer-
granat heißt. Selbit
auf Norderney oder yuift findet man gelegentlich eine angejpülte Schale am Strande, und
aud) im Mittelmeer Eommt diefe Krebsart überall, wenngleich nicht häufig, vor.
Schlanker Summer, Nephrops norvegicus L. 23 natürlicher Größe.
Der Gemeine Flußfrebs oder Edelfrebs, Potamobius astacus L. (Astacus fluvia-
tilis, nobilis; Abb., ©. 684), erreicht eine Größe von 14, in feltenen Sällen von 16 em. Die
684 Strebje.
Weibchen bleiben jtetS 1—2 cm Keiner als die Männchen verjelben Gewäljer und haben oft
jhwäcere Scheren. Er kommt in Deutfchland, Dänemark, Süojhweden, Frankreich, Italien
und in den Stromgebieten des Finmischen und Weißen Meeres vor. Nur diefe Art liefert
gute Tafelfvebje. Der Heinere Steinfrebs, Potamobius torrentium Schrank (Astacus
saxatilis, longicornis), mit bejonders jchmalem, fait wahenfürmigem Kopfbruftftücd, ift
mehr eine Gebirgsform, die von manden nur als eine Abart des Eoelfrebjes betrachtet wird.
Er findet fich vielfach an geeigneten Orten neben vem Edelfrebs, ift aber die häufigere Art in
Edelfreb3, Potamobius astacus L. Halbe natürlihe Größe.
der Schweiz, die einzige für England, die Zberijche Halbinjel, das Hochgebirgsland Deutjch-
lands und Ofterreih-Ungarns. Die Eier find hellgrau, die Sungen jchlüpfen fhon im Mat.
Beim Kochen wird er auf der Oberjeite nicht ganz rot. Cine dritte deutihe Art im Siüd-
. weiten diejes Landes ijt der Dohlenfreb3, Potamobius pallipes Lereb., mit jChwarzen
over dunfelbraunen Giern. Cine vierte Art endlih, der Öalizifche, NRuffiiiche oder
Sumpffreb3, Potamobius leptodactylus Zschz., mit langen, [hmalen Scheren, bewohnt
in Rußland und Südungarn alle Flußfyfteme, die in das Schwarze, Wowfhe Meer und in
den Kafpijee münden. Neuerdings ift er aud) in den Stromgebieten des Finnifhen und
NVeigen Meeres infolge von Kanalverbindungen erjehienen und fängt in Rußland an, den
Edelfveb3 zu verdrängen; daher ift feine Einführung in Deutichland, die man jeiner Wider:
Standsfähigfeit wegen zeitweilig erwoaen bat, gar nicht zu empfehlen, denn diejer Krebs ift
Negelfrebfe: Zehnfüßer (Langihwänge). 685
wenig Jhmadhaft und enthält in den Sehmalen, langen Scheren, an denen man die Art meilt
leicht erfennt, nur wenig Sleilch.
Im Kalpiihen Meere, in den Gebirgsbächen der Krim und des nördlihen Abhanges des
Kaufajus, in dem jüdlih vom Kaufajus fih in das Schwarze Meer ergiegenden Nion, in
Sibirien fennt man ebenfalls Flußfrebfe, auch in Japan findet man fie, aber fie fehlen, ab-
gejehen vom Flufje Rion, dem ganzen übrigen Alien und Afrika.
Den äußeren Aufbau des Edelfrebjes zeigt ung die nebenftehende Abbildung. An dem
oberen Tiere erkennt man, daß der Panzer des Kopfbruftftüces zwijchen den geftielten Mugen
in eine Spibe, das Roftrum, ausgezogen ift und durch eine flache Duerfurche in einen vorderen
und hinteren Abjchnitt zerlegt wird. Diejfe „Nadenfurde” gibt die hintere Begrenzungslinie
de3 Kopfes an. Auf dem Bruftabfehnitt verläuft weiterhin jeverjeits der Mittellinie eine
Längsfurde. Zmwilhen ihnen ift der Vanzer mit dem Nücen feft verwachlen, nach außen
jedoch überdacht er einen Hohlraum, die Kiemenhöhle Die langen Fühler find die zweiten
Antennen; die erjten find weit fürzer. Die Mundglievdmaßen, nämlih ein Baar Manpdibeln,
zwei Baar Marillen und drei Baar Kieferfüße, find zweiäftig; die äußeren te werden an
ihnen durch die „„Tafter” dargeftellt, an den zweiten Antennen durch die bereit3 beim Hummer
erwähnte Schuppe. Deutlich find an dem abgebildeten Krebje dagegen die fünf Baar einäftigen
Shhreitfüße, von denen die erften drei in Scheren, die legten zwei in einfachen Klauen endigen.
Hinter dem dritten Paare find zwei rundlie Öffnungen fichtbar, die Ausmiündungen der
Gileiter. Daß wir ein Weibhen vor uns haben, geht weiter daraus hervor, daß am erften
Hinterleibsringel die Gliedmaßen fehlen, nur die folgenden fünf Paare find vorhanden. Vier
davon find Kleine Schwimmfüße, die Afte des fünften — es ift das legte überhaupt — find
plattenförmig verbreitert und bilden die Seitenteile des Schwanzfächers. Die mittlere Platte
des Fächers (das Teljon) ilt als das ftebente Hinterleibsfegment anzufehen; auf feiner Unter:
jeite liegt der After als deutlicher Zängsihlit. Bei den Männchen ift der erfte Afterfuß vor-
handen, aber zu einem Begattungsorgan umgewandelt, indem er den Samen aus der männ-
lichen Gejlehtsöffnung — fie liegt am Grunde des Teßten. Bruftbeinpaares — entnimmt.
Der zweite Aiterfuß ift griffelförmig, paßt genau in die Rinne des erften und treibt, nach
vorn gejhoben, die zähe Samenmajje in Geftalt Heiner, /2—1 cm langer Würftchen aus.
Dieje werden dem Weibchen an die Gejchletsöffnung angeklebt.
2—45 Tage nad) der Begattung werden die Eier abgejchieven, zufammen mit flebrigen
Sefretfäven, die fi verwideln, rail im Waller erhärten und die Gier in unregelmäßigen
Klumpen an die Schwimmfüße des nach vorn umgefchlagenen Hinterleibes befeftigen. Die
Ablage der dunkelroten Eier erfolgt im Herbft, die Entwidelung ift aber, vielleicht wegen der
einfallenden ungünftigen Sahreszeit, jehr langfam, denn erft im nächften Juni over Juli
eriheinen die sungen. Sie find dann ungefähr 9 mm lang, wachfen aber rafch, jo daß fie
am Ende des erjten „Jahres oft jchon 4,5 em erreichen. Die Heinen Krebschen Kammern fich
mit ihren Scheren an den Stielen, durch welche die Eifhalen mit den mütterlihen Shwimme -
füßen verbunden find,, ungemein feft an, jo daß fie duch Schütteln nicht abzulöfen find, ja
jelbft noch, in Alkohol mit der Alten gejegt, diefe nicht immer verlafjen, wie fie dem auch)
zugrunde gehen müfjen, wenn fie gewaltfam abgelöft werden. Übrigens entwiceln fih auch)
die Gier nach ihrer Losreißung von der Mutter nicht mehr, jo daß die beim Hummer mög:
liche Fünftliche Erbrütung der Eier beim Flußfrebs unmöglich if. S—10 Tage nad über:
ftandener erfter Häutung begimmen die Jungen, die den Alten fchon recht ähnlich, nur am Körper
plumper umd mit erit jehr jchmächtigen Scheren ausgerüftet find, ein felbftändiges Leben,
686 | Krebfe.
jollen aber noch einige Tage gelegentlich und gewiljermaßen unter vem Schwanze ver Mutter
Schub juchhend zu ihr zurücfehren, bis fie fi) nach und nad) zerftreuen und völlig jelbjtändig
machen. Ein freifhwimmendes Zoeaftadium, wie beim Hummer, gibt es beim Flußfreb3 nicht.
Nachdem über das weitere Wachstum und die Häutung des Krebjes bereits in der Einleitung
Genügendes gejprodhen worden ift, fügen wir nur nod) hinzu, daß die Zahl der Eier beim
Gdelfrebsweibchen, nad) Dröfcher, je nach der Größe der Tiere, 36-—288 beträgt, in Schweden
aber, nah Trybom, von 150— 300 jhwanten foll.
Die Flußfrebje find Allesfrejfer und nebenher DVielfreifer, d. h. fie verjhmähen nichts,
was genießbar ift und was fie bewältigen können: kleinere Fröjche, Kaulquappen, Wafjer:
ichneden, deren Falfige Gehäufe ihnen gut tun, Snfekten und deren Larven, ihresgleichen,
wenn fie jehwächer find, und verjpeilen fie dann mit vielem Behagen. Cbenjo fangen fie
zuweilen Kleinere Fiiche, Eönnen aber feine Berwüjtungen unter ihnen anrichten. Gelegentliche
Nflanzenkoft jeheint ihnen ein Bedürfnis zu jein: der jogenannte Armleuchter, Chara, wird
wohl jeines Kalkgehaltes halber gern gefrefjen, allerlei Wurzelwerf von Waflerpflanzen muß
herhalten, und mit Brot, Mohrrüben, Kürbisjtüden und ähnlichen Stoffen Lafjen te ich gern
füttern. Dabei herriht eine entjchtevene Neigung, faulende und fich zerjegende Stoffe zu frej-
jen, mögen fie pflanzlichen oder tieriichen Urjprungs fein. Solche bilden die beiten Köder
nicht nur für Slußfrebje, jondern für Defapoden überhaupt.
Am wohljten fühlt fich der Flußfrebs in ruhig fließendem, nicht zu tiefem Wafjer mit
ihattigen, am beiten jteilen Ufern, in deren lehmigen und falfigen Wandungen der Fluß oder
Bach zwiichen dem Wurzelwerf der Bäume Löcher und allerlei Schlupfwinfel ausgejpült und
ausgewajchen hat, oder wo er fie fich jelbit leicht graben fann. Doch auch ftehendes Waller
meidet er nicht. Er fißt vor der Tür jeiner Wohnung und lauert hungrig, wie er immer ift,
auf Beute. Drobt eine Gefahr, ein paar Schläge mit dem Schwimmjhwanz, und rajch wie
ein Pfeil verjchwindet er rücdwärts in jeine Höhle, in der er fich mit jeinen Eräftigen Scheren
trefflich zu verteidigen und zu behaupten weiß. Sonft bewegt er fich gewöhnlich nicht rück:
wärts, wie das Sprichwort jagt, Jondern vorwärts, nur daß nach jeiner Gefangennahme
jener Schredrefler verhältnismäßig oft eintritt. Nachts, oder wenn ein Gewitter am Himmel
jteht, macht er weitere Ausflüge, teilweife jogar auf furze Streden über Land.
Sm allgemeinen find, nad) Dröjcher, die Krebje in Flüffen braun bis faft Schwarz, in
Seen heller, und die Farbe paßt fich einigermaßen der des Untergrundes an. Aber auch hell:
graue, jelbjt faft weiße Krebje hat man gefunden, ferner rote, grüne, blaue, le&tere in Wejt-
falen nicht gerade jehr jelten; ja, in gewifjen dortigen Bächen auf mergeligem Boden jollen
fte furz nad) der Häutung alle blau jein. Himmelblau jehen übrigens auch die jungen Krebje
aus. Man fängt die Krebje in beföderten Neufen, noch öfter in Krebstellern. Dieje find be=
föderte Freisförmige, wagerecht hängende Nege, die fi muldenförmig einjenfen und jomit die
auf ihnen angejammelten Krebie aufnehmen, jobald man abends nach Eintritt der Dunkelheit
das Fanggerät hebt. Gleich ven Filchen genießt der Krebs eine Schonzeit, die der Giablage
entiprechend in den Winter fällt, jedoch gilt er gerade in ven Monaten mit r in vielen Gegen:
den nicht für bejonders Ihmadhaft. Schwer geihädigt wurde in der zweiten Hälfte des 19.
„ahrhunderts, etwa jeit 1876, die Krebsfiicherei Durch die aus Frankreich gefommene Krebspeft,
die anfcheinend auf einem von Hofer entdeckten Bazillus beruht, Bacillus pestis astaei, oder
auf einen Schimmelpilz, Aphanomyces astaci, wie Schifora vermutet. Beide Schmaroker
umd nocd) andere mehr werden bei erkrankten Krebjen gewöhnlich gefunden. Die Erjcheinungen
Ind anfangs erhöhte Unruhe, dann Grmattung, zeitweilig hochbeiniger Gang, Verluft der
Negelfrebf e: Zehnfüher (Langjehwänze, Mittelkrebfe). 687
Gliedmaßen und jchlieglich das Verenden der Krebje au) am Land. Verbreitet wird die Seuche
wohl durch Filche, die, vom Bazillus befallen, an Geihmwüren und Schuppenfträubung zus
grunde gehen, ferner ebenjogut durch angefrejjene Nahrung; ob auch dur Fanggerät und
durch den Kot Frebsfreffender Vögel und des Fifchotters, ift fraglih. Für den Menjchen ift
der Krebsbazillus wohl unmittelbar nicht Ihädlih. est fcheint erfreulicherweife die Seuche
zurüdzugehen und die Krebsmenge wieder zuzunehmen.
Zu den Feinden des Krebjes gehören Filche, namentlich Aal und Duappe, die ihn aus
jeiner Höhle herausholen können, aber auch andere Naubfiihe, ferner der Krebsfiemenegel,
Branchiobdella varians, der jowohl die Kiemen wie die Außenfläche des Krebjes befällt,
und einige Eingeweidewürmer, die man jchon mehr zu den Krankheitserregern zählen wird,
wie den oben erwähnten Erreger der Krebspeit.
Zu den fonftigen Süßwafjeraftaziden gehört auch der blinde Cambarus pelluceidus Tellk.
aus der Mammuthöhle von Kentucky und anderen nordamerifaniihen Höhlen. Die Gattung
Cambarus ift in über 60 Arten in Nordamerika oftwärts der Nody Mountains verbreitet;
zahlreiche werden Dort gegefjen, und mit einer von ihnen, Cambarus affinis Say, hat man
auch vereinzelte Einbürgerungsverfuche in Deutjhland und Frankreich) gemacht, denen jedoch)
von anderer Seite feine Vorteile nahhgerühmt werden.
Die im Uferfande lebenden Thalassinidae, bei denen das dritte Bruftfußpaar feine
Scheren trägt, wie 3. DB. bei der Gebia litoralis Risso des Mittelmeeres, führen zu den
Mittelfrebjen hin.
Zweite Gruppe: Mittelfrebje (Anomura).
Bmifchen die Iangihwänzigen Zehnfüßer und die Krabben fchieben fi) al3 eine Über-
gangsgruppe die nit einem jchwer zu überfegenden Namen Anomura genannten Krebje ein.
Vöppig hat die nicht unpafjende Bzeihnung Mittelfrebje für fie vorgejchlagen. Ihre Mittel-
ftellung befundet fich namentlich in dem Verhältnis des Hinterleibes, der ftärker ift als bei den
Krabben, aber nicht den Umfang wie bei ven -Langjchwänzen erreicht oder, wenn dies ver
Fall ift, weich bleibende Hautbevedung hat.
Sowohl nah ihrem Bau als ganz befonders nach ihrer höchft eigentümlichen Zebens-
weile beanjprucht vor allen die Familie der Einfiedlerfrebje (Paguridae; j. die Tafel bei
©. 634) unfere Aufmerkjfamfeit. hr Kopfbruftftück ift geftredt, und die Augenftiele treten lang
und frei hervor, eine Eigenschaft, die ihnen zum Hervorlugen aus ihrer Behaufung jehr zu:
Itatten fommt. Auch die Scherenfüße jind lang, kräftig und gewöhnlich ungleich entwidelt,
eine Aiymmetrie, die fi) bei vielen Krebjen findet, bei ihnen aber fich weiter auf viele andere
Körperteile erftrect und ebenfalls im Zufammenhang mit ihrer Lebensweile fteht. Die zwei
legten Beinpaare ind ftummelförmig, kurze Klauen, "mit denen fie fih in ihren Schneden:
häufern anflammern, ebenjo wie mit den Beinftummeln des Hinterleibes. Dieje Beine der
Cremiten und der übrigen Anomuren find aber nicht etwa, wenn wir fie auch Stummel ge-
nannt haben, bloß als Berfümmerungen aufzufaffen. Sie find vielmehr ihrer Aufgabe an-
gepaßt und dienen zum Tragen oder Feltklammern. Der Nachleib der Paaren ijt länglic)
und jadjörmig, hat nur oberjeits einzelne harte Platten und ift jonft jo weicyhäutig, daß die
Tiere auf anderweitigen Schuß desjelben angemwiejen find. Diejen Schuß erhalten die an den
Küften aller Meere allbefannten Tiere davurd), daß fie ihre Wohnung in Schnedengehäufen
aufichlagen. Der Krebs jucht fi) ein Haus von der Größe, daß er nicht ‚bloß jeinen. Hinter:
leib bequem darin unterbringt, Jondern au Raum hat, bei Gefahr fi) vollftänwig hinter den
688 Strebje,
and der Öffnung zurkidzuziehen. Indem er fi) mit den vorher erwähnten Beinftummeln an
dem Gewinde des Schnecdenhaufes fethält, an das fich einige Arten auch noch mittel Saug-
näpfe anhaften können, fißt er jo feit, daß es falt nie gelingt, einen lebendig und ganz her-
auszuziehen: er läßt fih in Stücke reißen, indem entweder die Scheren, die man am leichteften
fajfen Fanır, abbrechen, oder das Kopfbruftjtüc vom Hinterleib losreißt. Wird ihm fein
Futteral zu eng, jo muß er fich allerdings herauswagen, um fich ein neues anzupaffen. Bei
ven an unjeren Küften und bejonders im Mittelmeer vorfommenden Arten fievelt fich jedoch
nicht jelten ein Korkiehwanm, Suberites domuncnula, auf vem Schnedenhaufe an, der dem
Krebs den Umzug erjpart. Se eifriger nämlich) der Krebs herumfutjchiert, defto befjer ge=
deiht ver Schwamm, der jehr bald in Form einer forkigen, gelbrötlihen Maffe das Gehäufe
überzieht und auch über dejfen Eingang hinauswädhft, jo daß fich das Gehäuje für den
Diogene3freb3, Diogenes varians Costa. Natürlihe Größe.
wachjenden Hinterleib des Krebjes jtändig vergrößert, wie in dem Abjchnitt über die Shwämme
(S. 89I— 91) näher bejchrieben ift.
Über das Benehmen der Baguren bei der Befigergreifung eines Schnedenhaufes liegen
wertvolle Beobachtungen von Eifig vor. Wenn man einen Einfiedlerfreb3 feines Gehäufes-
beraubt hat, dann jcheint er fich höchft beunruhigt zu fühlen. In einen Winkel verfrochen, be
mächtigt er fich jeder Schale, die man ihm zumwirft, um feinem Hinterleib wieder den gewohnten
Schuß zu verichaffen, allerdings nicht ohne vorher den Hohlraum mit den Scheren unterfucht
zu haben. „Bietet man anftatt eines leeren Gehäufes ein folhes dar, welches noch die Schnede
beherbergt, jo geht der Krebs jofort an deren Zerftörung. Sch habe eines Tages einem etwa.
5 cm langen Pagurus eine ungefähr ebenfo große, frii'he, Fräftige Murex brandaris (Burpur:
Ichnede) in das Baffin gejegt. Sofort begann er den Falfigen Dedel des Tieres zu bearbeiten, und
am dritten Tage war er damit zu Ende, jo daß er num leicht die Weichteile ver Schnede heraus:
ziehen fonnte. Dies tat er nun aber mit vielen Unterbrechungen, indem er den größten Teil
des Tages hindurch Schon feinen Hinterleib jo weit, als e8 der noch darin befindliche Halbtote
Schnecdentorjo zuließ, in das Anfangsftüd der Schale ftete. Die herausgearbeiteten Stüde
pflegte ev fäuberlich aufzufrefjen.” Findet der, Krebs ein leeres Haus, in dem eingefehwenmter
Sand ift, für feinen weichen Hinterleib jo unangenehm wie Steinchen in unferen Schuhen für
unfere Füße, dann Friegt er es mit feinen Scheren zu paden und Flopft e3 auf dem Boden aus.
Jegeltrebfe: Zehnfüger (Mittelfrebfe). 689
Die meiften Baguren leben in unjeren Meeren unmittelbar am Strande, der jtellenweile
von ihnen jo belebt ift, daß alles durcheinander winmelt. Bei niedrigem Wafjerftande weilen
ihrer oft jo viele auf dem Trodnen am Ufer des Mittelmeeres, daß man beim Herantreten
ftaunt über die Unmenge der jo eilends ins Meer laufenden fleinen Schneden, unter denen
eine jpißfegelige Art, Cerithium vulgatum, bewohnt von dem Diogenestrebs, Diogenes
varians Costa (Abb., ©. 688), zu den häufigiten gehört.
Andere Einfiedlerfrebje Halten fih in größeren Tiefen auf, wie die berühmtejte Art,
Brideaur Einjiedlerfrebs, Eupagurus prideauxi Leach (Pagurus), auf dejjen
Schnedenhaufe faft ausnahmslos ein der Familie der jhönen Seerofen oder Seeanemonen
angehöriger Heiner Bolyp fißt, die Mantel-Attinie, Adamsia palliata. Der Kreb3 mit jeiner
Aftermieterin, das flaffifche Beijpiel einer Symbioje, eines jtändigen Zufammenlebens zum
Vorteil beider Teile, lebt im At:
lantifchen Ozean md im Mittel-
meer. Außerordentlic gemein
it er bei Neapel. Das Berhal-
ten der beiven vergejellichafteten
Tiere zu einander ift bei dei
Seerojen auf S. 149—152 ein
gehend gejhildert worden, jo
daß wir uns hier mit dem Hi:
weis begnügen Fünnen.
Der Nuten, ven die Ein-
fieolerfrebfe von den Aftinien
haben, liegt auf der Hand: dieje
höchit wehrhaften, jtarf brennen=
ven Tiere halten ihnen die Feinde nn 2
vom Leibe. Beobachtungen haben PBrideaur’ GEinjiedlerfreb3, Eupagurus prideauxi Zeach, in feinen
2 : Schnedenhaufe. Unter den Beinen des Kuebjes ift der Tentafelfranz; der mit
gelehrt, daß die auffallend großen zgm in Symbioje lebenden Aktinie Adamsia palliata fihtbar. Natürliche Größe.
Keijelfapjeln ver Adamsia pal-
liata au) große Meerestiere Ichreden. Die Adamfien finden aber in Oejellihaft der Baguren
reichlichere Nahrung. Steht man nämlich die Krebje auf ihrem natürlichen Boden, vorzüglich
auf feinerem Kies, jo wird augenblidlich Har, warum die Aftinie das Schnedenhaus jo an:
faßt, daß ihr Mund nach) unten gekehrt ift. Denn Eupagurus prideauxi wirbelt mit feinen
Hilfskiefern den Sand jo auf, daß ein Strom an feiner Mundöffnung vorübergeht, wobei
er allerlei Nahrung gewinnt. Dieje fommt nun auch der Aktinie zuftatten, die durch den
vom Kreb3 verurjachten Wirbel fürmlich gefüttert wird und ihren Mund um fo weiter öffnet
und die Tentafeln um jo mehr entfaltet, je eiftiger der Gaftfreund den Sand umrührt.
Unjere Baguren unterlaffen übrigens das Wirbeln, wenn fie beffere, fompaktere Fleijchnah-
rung, tote Fijche und dergleichen, um fich haben. Daß fie davon der Aftinie mitteilten, wird
von neueren Beobachtern in Abrede gejtellt, ficher ift dagegen, daß fie untereinander äußerft
zänfifeh und brotmeidiich find. Sehr oft wird ein Eleinerer von einem größeren verfolgt,
indem diejer jenem einen Biljen abjagen will. Der Verfolgte wird von der Schere feines
Gegners gefaßt, weiß aber gewöhnlid, wenn ihm jelbft nur eine Schere frei geblieben, jehr
geihiet mit diefer jeine Beute jo zu halten und von fich zu En daß der Angreifer
ihlieglih unverrichteter Sache abziehen muß.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl. I. Band. 44
690 Srebie.
Eine im Mittelmeer häufige, gewöhnlich mit der großen Aftinie Sagartia parasitica
vergejellihaftete Art it Pagurus striatus Latr. (vgl. ©. 148—149 und die Tafel „Rrebs-
tiere II“, 5, bei ©. 676).
Unter den vielen nicht mit Aktinien fymbiotisceh lebenden Einfiedlerfrebjen ift einer der
ftattlichiten der Bernhardinerfrebs, Einjiedler over Gremit, Eupagurus bernardus Z.
(j. die Tafel ‚„„Krebstiere IL“, 7, bei ©. 676), der im Atlantiihen Meer und in der Nordjee,
auch im Mittelmeer lebt und im Schauaquarium auf Helgoland ftet3 in Menge gehalten wird.
Dieje Tiere beluftigen wicht wenig Durch ihre Bewegungen, ihr Klettern an Feljen und ihre
drolligen Kämpfe, Verfolgung, Flucht, Übereinanderpurzen, Raub und Abwehr, Ihlieglich
dur) ihr Frejjen, bei dem fortwährend die Munpteile und Hilfskiefer jpielen, während vie
Scheren jo handähnlich gebraucht werden, daß man leicht auf den Vergleich des Tieres wenn
auch nicht mit einem Menjchen, jo do mit einem Affen verfällt.
Auch in der Tiefjee find die Einfievlerkrebje, in einem Schnedenhaus eingemietet und
mit einer Aftinie vergejellichaftet, Feine Seltenheit, aber durch einen merfwürdigen Vorgang
löft bei ihnen die Aftinie das Haus nad und nad) auf, und die lebende Genoffin umgibt dann
allein den ganzen Hinterleib des Krebjes in Geftalt eines weichen Sades. Das ijt eine große
Grleichterung für den Krebs, denn auf dem Boven des Meeres werden, bei dem jtarfen ©e=
halte des Meerwaljers an Kohlenjäure in diefen Tiefen, Schnedenjchalen von geeigneter Größe
viel jeltener fein al3 im untiefen Wafjer; vielleicht ift weniger die Mftinie als eben der reiche
Kohlenjäuregehalt des umgebenden Wafjers die Urjache ver Auflöfung des Kalfgehäufes.
Bei einem Iandlebigen Paguriden einerjeits, bei einigen tieffeebewohnenden anderjeits
tritt an Stelle der Unfymmetrie und Weichhäutigfeit des Hinterleibes durch eine Art Rüd-
Ihlagsbildung wieder der offenbar urjprünglichere Zuftand ein. Auf den Snjeln des Snpvilchen
und des Stillen Ozeans lebt ein riefiger, bis fußlanger Mittelfrebs, der Kofosräuber over
Balmendieb, Birgus latro Zbst., nahtsüber in jelbftgegrabenen Erdhöhlen, die er mit dem
Bat der Schalen der Kofosnüfje ausfüttert. Am Tage geht er feiner Nahrung nad), den
Kofosnüffen, die er fi) unter den Bäumen zujammenjudht und von den Balmen jelbft herunter-
holt. Mit großem Gejchie weiß er die Nüffe aufzumachen. Über diefen jeltfamen Krebs liegen
faft gleichlautende Beobachtungen von Darwin und von Hemy D. Forbes vor. Darwin
erzählt über den Balmendieb: ‚„‚Sein vorderes Beinpaar endigt in jehr Starten, Ichweren Scheren,
das vierte ift mit Shmwächeren und viel jehmäleren ausgerüftet. Auf den erften Bid möchte man
es nicht für möglich halten, daß eine Krabbe eine ftarfe, mit der äußeren Haut noch bevedte
Kofosnuß öffen könne; Herr Liest verfichert mir aber, daß er e8 wiederholt gejehen habe. Der
Krebs beginnt damit, die äußere Haut Fafer für Fajer abzuziehen, wobei er allemal bei dem
Ende beginnt, unter welchem fich die drei Keimlöcher befinden; it dies vollendet, dann fängt
die Krabbe an, mit ihren jhweren Scheren auf die Dede von einem ver Keimlöcher loszu:
hämmern, bi3 fie eine Dffnung zuwege gebracht hat. Dann dreht fie ihren Körper herum und
zieht mit Hilfe ihrer hinteren, feymäleren Scheren die weiße, albuminöje Subjtanz heraus. Der
Birgus ift ein Tagtier in bezug auf feine Lebensweije, man jagt aber, daß er in jeder Nacht
dem Meere einen Befuch mache, ohne Zweifel zum Zwede, jeine Kiemen anzufeuchten; auch
die Jungen Friehen im Meere an den Küften aus und leben eine Zeitlang hier.‘
Forbes schreibt dem Tiere mehr nächtlihe Gewohnheiten zu, was wahrj&einlicher Klingt,
und jagt, jeine Höhlen feien jo groß wie die der Kanindhen. Die Valmendiebe wären nur
noch) auf Santa Cruz Major, wo fie „Tatos“ hießen, häufig, weil hier feine verwilderten oder
Kokosräuber im Mondichein.
1/5 der natürlichen Größe.
KRegelkrebfe: Zehnfüger (Mitteltrebfe, Krabben). 691
wilden Schweine vorfämen, welche fie fonft ausgrüben und fräßen. Der Schwan; ift jehr fett-
reich und liefert von einem großen Stüd 2 Binten (1,86 Liter) eines wohljchmedenden, flaren
Des. Das Tier wird überhaupt gern gegefjen und 53. B. auf Amboina in Gefangenjchaft
gehalten und mit Kofosnüfjen, von denen 'e3 innerhalb dreier Tage zwei vollwachjene bemwäl-
tigen Tann, gemäjtet. Sein Bau zeigt eine Neihe Eigentümlichkeiten, die teils auf jeine An-
pajjung an das Landleben, teils auf das Aufgeben der Gewohnheit, in Schnedenjchalen zu
haufen, zurüdzuführen find. Aus dem legteren Grunde ift fein Hihterleib jymmetrifch geworden
und hat wieder eine oben harte Schale erhalten. Über den Bau feiner Atmungswerkzeuge
jagt Semper, daß neben Kiemen der obere Teil der Kiemenhöhle zu einer wahren Lunge ums
gebildet jei, die immer nur Luft enthielte, und die Bejhaffenheit der in ihrer Wandung ver-
laufenden Gefäße beweije, daß nur jauerjtoffarmes Blut aus dem Körper einträte und daß die
austretenden Gefäße jauerftoffhaltiges Blut unmittelbar in den Vorhof des Herzens überführten.
Auch in der Tiefjee gibt e3 Vaguriden mit geradem, jymmetrijch entwidelten Hinter:
leib, die in Ermangelung von Schnedengehäujen teil-
weile frei leben und dann eine harte Bededung des
Hinterleibes erhalten haben, teils fih in Schlamm und
Sand eingraben oder fi) Sandröhren verfertigen.
Die Familie dee Galatheidae wird von den
Syitematifern bald an die Einfiedlerfrebje, bald an die
folgende Abteilung angereiht. Sie haben große Scheren-
füße, und das Hinterfte Fußpaar ift jehr jchmwach ent-
widelt. An die Mittelfrebje und Krabben erinnern fie,
indem ihr Jonjt wohlentwidelter Hinterleib unter das { | es
Kopfbruftftii geklappt wird. Der weiße Porzellan: D.
freb3, Porcellana platycheles Penn., bat ein kurz Pe, en,
ovales 2 flaches Kopfbruftitüd, und jeine Scheren find und Ordnungen bes Tierreichg”, Band V.
bedeutend länger als der Körper. Gerade an unjeren
Küften und bejonders im Mittelmeer ift die Eleine Borzellane mit breiten Scheren ein unanjehn=
liches, immer mit Shmuß bededtes Tier. Daran find die Den Körper dicht bevedenden Haare
Ihuld. Das Kopfbruititüd der Salatheen ijt länglich, eiförmig und bei den meiften Arten,
‘ jo bei den gemeineren, Galathea squamifera Leach und G. strigosa L. (}. Tafel „‚Krebs:
tiere II”, 2, bei ©. 676), mit Duerfurchen verjehen. Die Galatheen gehen im Meere in be-
deutende Tiefen. Bei den Tiefjeeformen find nad) den Beobadhtungen von G. R. Henderfon
die Augen fait ohne Ausnahme pigmentlos und offenbar leiftungsunfähig, bisweilen hat fid)
der Augenftiel zu einem Dorn umgeformt, auf dejjen freiem Ende no ein funftionzlofer
Reit der gewölbten Hornhaut fikt.
Dritte Gruppe: Krabben (Brachyura).
Die Kurzihwänze vver Krabben (Brachyura) haben einen gedrungenen Körper. Der
Hinterleib ift Furz, plattenförmig und unter das Kopfbruftftüc eingejchlagen und entbehrt der
Shmwanzflofje Die Weibchen unterjcheiden fih von den Männchen durch die größere Breite
der Schwanzplatte, die jich nicht jelten zu einer Art von Schüffel ausbildet. Sn ihr und unter
Zuhilfenahme der javdenförmigen Beinanhänge werden die Gier bis zum Ausjhlüpfen der
‚sungen getragen. Das Kopfbruftftüc it furz, oft breiter als lang und gibt den Tieren nicht
44*
692 Krebje.
jelten durch allerhand Auswüchje und Stacheln ein jehr jonderbares Ausjehen. Die kurzen
inneren Antennen und die gejtielten Augen Fönnen in fleine Gruben zurücdgezogen werden.
Die meilten Krabben gehen jeitwärts und gewähren dann, bejonders wenn fie jehnell und
behende laufen, einen urkomishen Anblid, zumal fie vielfach beim Laufen die Scheren in
drohender Stellung über den Körper gehoben halten, was manchen von ihnen in der englifchen
Sprade den Namen „Winker” eingetragen hat. Die deutfehen Soldaten, die D. Schmidt in
Dalmatien traf, nannten fie, em Kommandowort auf jte anmwendend, „Zieht euch rechts”.
„Bunderlicher und Fomiicher Ichrieb Goethe in Venedig am 9. Dftober 1786, „kann man
nichts jehen als die Gebärden diejer aus einem runden Körper und zwei langen Scheren be-
ftehenden Gejchöpfe; denn die Übrigen Spinnenfüße find nicht bemerflih. Wie auf ftelzen-
artigen Armen jchreiten fie einher, und jobald eine Batella fi) unter ihrem Schilde von Flede
bewegt, fahren fie zu, um die Schere in ven jchmalen raum zwifchen der Schale und dem
Boden zu fteden, das Dach umzufehren und die Aufter zu verjhmaufen. Die Batella zieht
jachte ihren Weg hin, jaugt fich aber gleich feit an den Stein, jobald fie vie Nähe des Feindes
merkt. Diejer gebärdet fich nun wunderlich um das Dächelchen herum, gar zierlih und affen-
baft; aber ihm fehlt die Kraft, den mächtigen Muskel des weichen Tieres zu bewältigen, er tut
auf diejfe Beute Verzicht, eilt auf eine andere wandernde lo3 und die erfte jeßt ihren Zug jachte
fort. Sch habe nicht gejehen, daß irgendein Tajchenkreb3 zu feinem Zwed gelangt wäre, ob ich.
gleich den Nüczug diefes Gewimmels ftundenlang beobachtet habe.” Sehr häufig find die
beiden Scheren einer Krabbe verjchiedenartig entwidelt, und es gilt faft als Regel, dab die
vechte die ftärfere ift. Bei den Ihwimmenden Formen find aber beide Scheren gleihmäßig
entwicelt, und diefe Tiere neigen auch viel weniger zu Selbftverjtümmelungen; beides hat jeinen
guten Grund: ein jehwimmendes Tier wird in feiner Lebenstätigfeit durch ungleich |chwere
Belaftung der beiden Körperhälften viel mehr gehemmt und gejtört als ein laufendes.
Wie zwiihen Paguriven und Aftinien findet eine Symbioje auch zwiihen Aktinien und
Krabben ftatt. So beobachtete Stuart Wortley auf Smjeln des Stillen Ozeans eine jehöne
Krabbe, die eine große Aktinie mit fich herumfchleppte. Sie jharrte fih halb in ven Sand ein,
ließ aber die Aftinie mit ihren fich lebhaft bewegenden Tentafeln augen und lauerte unter ihr
auf Kleine Krufter, Ringelwürmer und jonftige Nährtiere, die, durch das Spiel der Tentafeht
angeloct, herbeifhwammen. Auf den Seychellen beobachtete Möbius einen Tajchenfrebs, der
in allen Exemplaren, männlichen jo gut wie weiblichen, in jeder Schere eine Atinie trug.
Kahn man ihm die Freundin und zerjchnitt fie in Stüde, dann jammelte er fich dieje wieder.
Die Zobalarven der Krabben haben ftet3 einen langen, al3 Schweborgan geveuteten
Kirkenftahel. Sogleih nach) ihrer Geburt jchwärmen fie, gleich ven Nauplien von Balanus
oder Sacculina, unabläjfig dem Lichte entgegen, was fie vom Meeresboven in ihr Neich,
das freie Waffer, führt. An das Zokaftadium jehließt fich, wie übrigens auch bei Nittelfvebjen,
das Stadium der jehon ziemlich frabbenähnlihen Megalopa.
Erfte Untergruppe: Nüdenfüßer (Notopoda).
Die Nüdenfüßer (Notopoda) find Krabben mit höherer Einlenfung des fünften oder
des vierten und fünften Fußpaares nach dem Rüden zu. Unfere Tafeln ‚„‚Rrabben des Mittel-
meere3’, 2, bei ©. 694, und „‚Krebstiere TIL“, 2, bei ©. 698 zeigen die im Mittelmeer ver-
breitete Wollfrabbe, Dromia vulgaris M.-E., aus der Familie der Dromiidae, deren
Körper, mit Ausnahme der rötlichen Scherenfpigen, dicht behaart und deshalb gewöhnlich jo mit
Schmusß, allerlei Pflanzen und Tieren iberzogen ift, daß man das Tier vor der Einftellung in
Negelfrebje: Zehnfüher (Krabben). 693
die Sammlung in der Negel erft einer jehr gründlichen Wäfche unterwirft. Das Eigentümlichfte
ijt aber die Gewohnheit der Wollfrabbe, ein Chugdach mit fi) herumzutragen, woraus erjt der
Kugen umd die Bedeutung der Nücenfüße erfichtlich wird. Dazu werden faft ausschließlich
Schwänme verwendet, am häufigiten Sarcotragus spinosulus oder Suberites massa, ein
orangegelber Korkfihwamm. Der Schwamm jehmiegt fi) mit feiner Unterfläche eng an das
Rüdenihild an ıumd erreicht oft eine joldhe Größe, daß er den Krebs vollitändig bevdedt, ohne
dah diefer in feinen nicht lebhaften Bewegungen
gehindert wird. Übrigens wird der Schwamm nur
von ven Klauen der Nücenfüße gehalten, und die
Krabbe Fannn ihn, bei ver Flucht oder unfanft ges
ftört, fallen laffen. Wie ftark aber das Bedürfnis
nad) einer jolchen Dede ift, geht daraus hervor,
daß die im Aquarium gehaltenen Wollfrabben,
wenn fie ihres Schwammes beraubt find, fidd ein
Stüd Tang über den Rüden hängen. in jehr
orolliger Anblic! Wolltrabde, Dromia vulgaris M-E. Natürliche Größe.
Eine anziehende Schilderung von dem ©e-
baren einer anderen Dromiide des Mittelmeeres, Dorippe lanata L. (}. Tafel „Suebätiere 10064,
1, bei ©. 698), entwirft Schmidtlein: „Phallufien und Holothurien, Fiihköpfe, tote Genoffen
und lebende Dromien, ja jogar Stücde Fenfterglas praktiziert fie ohne viel Bedenken auf ihren
Rüden, hält fie mit den Rüdenbeinen frei jhwebend empor und ftelzt dann mit ihren langen
Beinen jpinnenhaft umher. Sie bedient fi) diefer Dinge dabei weniger als Dede denn als
Schild, den fie ihren Argreifern entgegenhält. Sie führt damit, ohne ven Körper zu drehen,
alle möglichen Manöver aus; mehrfach jah ich fie ihre Waffen in den Klauen des Angreifers
lajjen und gejchidt die Flucht ergreifen, während jener fi noch damit zu chaffen machte.”
Siweite Untergruppe: Rundfrabben (Oxystomata).
Die Nundfrabben (Oxystomata) find fenntlich an dem rundlihen Kopfbruftftüc,
meift ohne vorjpringende Stirn, und an der dreiedigen Mundöffnung. Ein jehr eigentümliches
Ausjehen hat die plumpe Schamfrabbe aus der Familie ver Calappidae, jo genannt, weil
jie mit ihren großen, fammartig erhabenen, zujammengedrüdten Scherenfüßen fich gleihjfam
das Gefiht verhüllt. Shre Arten gehören den wärmeren Meeren an, und der nördlichite Vor-
pojten it die im Mittelmeer nicht gar Jelten vorfommende Calappa granulata L. (j. Tafel
„Krabben des Mittelmeeres“, 1). Sie ift ein jehr träges Tier. Tagelang fibt fie auf einem
Flede, jo tief in den Sand eingegraben, daß nur der obere Teil des Niücfenjchildes, die Stirn-
wand mit den Furzen Fühlern, die Augen und der obere Rand der Schere hervorragen. Man
jtellt leicht fejt, weldhen Vorteil das Tier von der außerordentlihen Entwidelung der Scheren
und deren gewöhnlicher Haltung hat: einmal bringen die Scheren durch ein paar Träftige
Bewegungen die jchnelle Einpuddelung des Tieres zuftande, und wenn dies gejchehen, jchließen
fie vor ven Mundwerkeugen und den Eingängen zu den Kiemen eine Höhlung ab, von
wo aus die Berjorgung der Kiemen mit Waffer ohne Beimifhung von Verunreinigungen vor
fi) geht. Zugleich bildet die Färbung, ein gelblicher oder vötliher Grund mit dunfleren
Fleden, eine Maskierung, einen Schuß für die Krabbe, durch den fie auf Sand- und Kies:
grund oft |hmwer zu entveden ijt.
Durch meilt Fugelige Schale unterjcheiven fich von den Calappidae die Leucosiidae.
694 Krebfe.
Die nußähnliche Ilia nucleus Abst. (f. Tafel „Krabben des Mittelmeeres‘, 3), eine Mittel-
meerart, ähnelt in der Xebensweile der vorigen.
Dritte Untergruppe: Dreiedfrabben (Oxyrhyncha).
Krabben von ungefähr dreiediger Körperform mit vortretendem, Ipigem Stirnteil nennt
man Dreiedfrabben (Oxyrhyncha). Sie [hmwimmen nicht, fondern Friehen, und haben
durch ihre oft verlängerten Beine ein jpinnenartiges, bisweilen jehr wunderliches Ausjehen.
Da fie träge, fih langjam bewegende Tiere find, jo pflegen fi auf ihnen allerhand Tange,
Schwämme, Hydroidpolypen, Moostierhen, Mzidien und andere feitligende Organismen an-
zufiedeln, die oft jo üppig gedeihen, daß fie ihren Träger vollitändig verhüllen. Daß dies durch
- Zufall geihieht, ift immerhin
verhältnismäßig jelten, viel-
mehr haben dieje Krabbenarten
die Gewohnheit angenommen,
ihre Rüden mit Hilfe der Sche-
ren „„abfihhtlich” mit derartigen
Gewäcdhjen zu beiieveln. Es
mag ihnen das mancherlei Un-
bequemlichkeit bringen, ja Gar-
rington und Zovett vermuten,
daß fie in der Tat bisweilen
Daran zugrunde gehen; Doch
dient ihnen der Überwurf ficher
audh als Schuß, indem er fie
ven Augen ihrer zahlreichen
Feinde entzieht, denn mitunter
Große Meerfpinne, Maja squinado Rond. ?/s natürlicher Größe. wird das Krebätier ganz Don
Algen, die auf ihm gedeihen
und wachjen, bevedt und dadurch für ein menjchliches und ficher auch für manch) tierifches
Auge faum erkennbar oder faum von einem Stücdchen beveutungslojen Unrates unterjcheidbar.
Da3 zur Maskierung verwendete Material entnehmen die Krabben ihrem jeweiligen Aufent-
haltort, und bei einem Umzuge wird e3 ebenfalls gewechjelt. Die Befeftigung der Fremd-
teile wird durch angelhafenähnliche Chitinhäfchen des Nüdenpanzers und der Beine erleichtert.
Vielerlei Fiiche ftellen den Dreiedfrabben nach, unter anderen namentlid) der Stachelcoche.
Die meiften gehören zu ven Majidae.
Solche Wiastenfrabben find an unjeren nordischen Küften befonders die bis in die Kieler
Bucht eindringende, verhältnismäßig Furzbeinige Seejpinne, Hyas aranea Z., die ihren
Rüden oft mit ganzen Büfchen von Algen oder Rolypenkolonien bepflanzt, im Mittelmeer wie
auch im Atlantifehen Ozean die Meeripinnen, Maja squinado Rond. und M. verrucosa
M.-E. (f. Tafel ‚„‚Rrabben des Mittelmeeres”, 4, wo fie alle ihr zur Verfügung ftehenden
Toilettenfünfte entfaltet hat) jowie Inachus scorpio 7". (dorsettensis; j. Tafel „Krebstiere ILL“,
3, bei ©. 698) und Pisa armata Latr. (tetraodon), die al3 Nr. 5 auf der Farbentafel mit
Kalkalgen bekleidet erjcheint. Pisa befiedelt außer ihrem Rücken auch die Beine, Inachus na-
mentlich dieje, Maja squinado erfeßt die Bewaldung öfter durch Steinen und Mujchelichalen.
Die verhältnismäßig große Maja squinado wird jährlich zu vielen Taufenden auf die
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Negelfvebje: Behnfüßer (Strabben). 695
Fiihmärkte der Küftenftädte am Mittelmeer zum Verkauf gebracht, meift in großen, loder ge:
flochtenen Körben, in denen die rötlichen, etwa 11 cm langen Tiere einen jcheinbar unentwirr-
baren Knäuel der zottig behaarten Körper und Beine bilden. Ste find bejonders in den Gar-
füchen für das niedere Volk gejhäßt und bilden, in ihrer eigenen Schale geröftet und aufgetilcht,
eine Ihmadhafte Koft zum jhwarzen Wein. Bon diejer Krabbe wußte das Altertum allerlei
wunderbare Dinge zu erzählen. Sie Jollte außerordentlich Elug, eine Muftkliebhaberin jein; auc)
ilt fie auf zahlreihen Münzen verewigt und prangte am Halsihmucd der Diana von Epheju2.
Übrigens find weibliche Stüce von Pisa viel öfter bewachien al3 männliche; Carrington
führt das darauf zurüd, daß die erjteren viel langjamer in ihren Bewegungen jeien als dieje
und oft tagelang an einer Stelle figenblieben.
Zu den reinli'hiten Arten gehören die Öejpenftfrabbe, Stenorhynchus phalangium
Penn. (rostratus), die im Mittelmeer, in ver Nord: und weftlichen Dftjee lebt, und die
Sapantjde Rtejentrabbe, Kaempfferia kaempfferi de Haan. ıo natürliher Größe. Aus Hefje- Doflein, „Tierbau
und Tierleben”, Band II. Leipzig 1914.
Mastenfrabbe, Corystes cassivellaunus LZeach (}. Tafel „‚Rrebstiere III“, 7 und 8, bei
©. 698), der Nordfee, die durch eine ganz andere Eigentümlichkeit ausgezeichnet ift: fie gräbt
fi mit erftaunlicder Schnelligkeit in den Sand ein und läßt dann aus ihm nur die Spiten
ihrer beiden zufammengelegten äußeren Antennen herausihauen. Dieje Antennen find aber
durch ihre Befiederung rinnenförmig und bilden zufanımen eine Röhre, die der tief vergrabenen
Krabbe ftändig Atenmwaljer zuführt.
Die hierhergehörige japanifche Latreillopsis bispinosa Hend. hat, nach Doflein, die
merkwürdige Gewohnheit, beim Umiherftelgen ihre zwei hinterften Beine hoc) emporgehoben wie
Balancierftangen zu benußen. Cine ähnliche dortige Art hat an der Endflaue ihrer Balan-
cierbeine jogar einen Fiederbejas von Sinnesborften.
Die eigentümliche Spinmenform diejer und ähnlicher langbeiniger Arten betrachtet Doflein
als geichaffen für ftilles Waffe. Davon überzeugten ihn unter anderem feine Beobadhtungen
an der Japanijchen Niejentrabbe, Kaempfferia kaempfferi de Haan (Macrochira), der
größten Krabben und überhaupt Krebsart nächft den vorweltlichen Gigantoftrafen, die bis
5 m Spannweite erreicht. „Auf den erften Anblid”, jagt Doflein in feiner „Oftafienfahrt“,
„eriheinen fie mit ihren ungeheuren Scheren wie jchredliche Ungeheuer, und man denft, fie
696 Krebie.
jeien nahe imftande, einen badenden Menjchen zu überfallen und zu bewältigen. Aber fie find
echte ‚Stillwafjerformen‘, hilflos, Jobald fie in das bewegte Wafjer fommen, volllommen un:
beholfen und unfähig, ihren eigenen Körper zu tragen, jobald man fie aus dem Waller an
die Luft bringt. Meine Fiicher haben fie wiederholt mit ver Daboleine gefangen, und einmal
fonnten wir fie jogar lebendig bis zur Station bringen. Wir banden das Riejentier mit einer
langen Schnur an einem der Bootsringe feit und ließen es in der Nähe des Ufers auf dem
Meeresboven herumjpazieren. Da marjchierte e8 wie ein jeltfamer Spuk, wie ein gejpenftiger
Wächter im grünen Wafjer des Fjords umher, durch welches feine grellvot marmorierten
Beine heraufjhimmerten. Wenn aber der Wind die Wellen in leichte Bewegung jeßte, ver-
mochte eS fich Faum aufrechtzuerhalten und jchwankte haltlos hin und her.” Der Vorteil
ver Seejpinnenform aber liegt, wie wiederum Doflein hervorhob, in der öglipfei, im
Chlamm over auf Tierrajen zart und empfindfam aufzutreten.
Vierte Untergruppe: Bogenfrabben (Cyelometopa).
zu ven Bogenfrabben (Öyclometopa) zählt man die Familien mit breitem, vorn ab-
gerumdeten Kopfbruftitüd, wie e3 3. B. die auf ©. 697 abgebildete Thalamita zeigt. Die
meilten find gute Schwimmer. Die VBorverfüße, nämlich die Scheren, find jehr verlängert;
dasjenige ihrer Armgliever, das vie Schere oder Hand trägt, ift weit ütber die Seitenwand Des
Kopfbruftftiices hinaus verlängert und am Vorderrande mit jeharfen Stacheln bejeßt. Auch
das auf dem vorhergehenden fißende Handglied ift ziemlich lang und nad) außen mit Stacheln
bewehrt. Die folgenden Zußpaare find bedeutend fürzer, und das leßte Glied am zweiten,
vritten md vierten VBaare jtielfürmig und jpig. Beim legten Fußpaar ift dagegen das lebte
Glied in eine breite, ovale Blatte umgewanpelt.
Solde Schwimmfüße befigen auch die Shwinmfrabbe, Portunus holsatus Fabr., und
ihre Gattungsgenoffen in der Nordfee md im Mittelmeer. Einer diefer Krebje findet fich in
Venedig häufig auf den großen Lipovämmen, den Murazzi, wo er auf die Mauer herausiteigt,
auch am Fuße der Gebäude von Venedig und im Hafen von Trieft. „‚Er ift, jagt v. Martens
der llteve in feiner „‚Reife nach Venedig“, „außerordentlich flüchtig und fügt fi, wenn man
ji ihm nähert, gleich in3 Meer, jo daß ich ganze Stunden zubrachte, ohne von hundert einen
fangen zu können. Schnitt ich ihm den Weg zum Meere ab, jo verfroch er fih in den Fugen
der Duaderfteine, wozu ihn jein ganz flacher Körper vorzüglich geihidt macht; dann drohte
er mit jeiner Scharfen Schere und ließ fi) lieber folche abreißen, als fi) aus jeinem Schlupf
winfel herausziehen.” Auch die übrigen Arten diefer Sippe find jehr lebendige, pfiffige und,
wenn es jein muß, tapfere Tiere. Gejhidt wiffen fie halb vorwärts, halb jeitwärts zu jchwim-
men; die menjchlihe Hand Fönnen fie Scehmerzhaft Fneifen, Fampfluftig und zäntisch find fie
in noch höherem Grave al3 manche Tiere aus ihrer Berwandtichaft, jo daß jtete Bewegung
in einem mit ihnen bejegten Behälter berriht. Portunidae, Shwimmfrabben, nennt
man die Familie. Portunus puber ZL. ift die Samtfrabbe des Mittelmeeres, Callinectes
sapidus Rathb. die eßbare Blaue Krabbe der atlantiihen Küften.
Dei ven Tajhenfrebjen (Cancridae) ift das Hinterbein nicht zum Schwimmfuß um
gebildet, jondern hat ein jpißes Endglied. Bei der an allen europäifchen Küften, außer denen
der Oftfee, und an der Oftküfte Amerikas fehr gemeinen Strandfrabbe, Careinus maenas Z.
(1. Tafel „„Krebstiere III“, 4, bei ©. 698), deren dreilappige, über die Augenhöhle vorpringende
Stirn mit den dünnen, fünfzähnigen vorderen Seitenrändern eine Bogenlinie bildet, ift am
legten Fußpaar das Ießte Glied zwar ftarf zufammengedrückt, aber jehmal. Diefe Art dürfte die
En an
Regelfrebfe: Zehnfüßer (Krabben). 697
allergemeinfte Krabbe der europäischen Meere fein. Nach älteren Angaben wurden von ihr
von DVenezianiihen aus jährlich allein nach Sftrien, wo fie als Köder für die Sardellen
benußt wird, 139000 Fäßchen, jedes zu SO Pfund, ausgeführt; 38000 Fähchen Weibchen
mit Eiern, jedes zu 70 Pfund, und 86000 Pfund weichihalige — die in DI gebadenen
Molecche find ein Lieblingsgericht der Venezianer, und die masanetta, ‚das Weibchen, wird
höher geihäßt als der granzo, das Männchen — wurden jährlid in Venedig und auf dem
feiten Lande als Nahrungsmittel verkauft, und der Gejamterlös joll fi auf eine halbe Mil-
Lion venezianischer Lire belaufen haben. Der oben angeführte v. Martens jagt: „Bom An=
. fang des Frühlings bis jpät in den Herbft werden alle Valle und Zagunen, jelbjt die Stanäle
der Stadt von vielen Millionen diejer poffierlichen Krabben belebt. Nähert man fi) ihn, jo
läuft er mit großer Behendigteit feitwärts über den nächjten Schlamm weg und vergräbt fich
plößlich in denjelben. Wird
ihm die Flucht unmöglich
gemacht, jo richtet er fich
aufrecht in die Höhe, öff-
net die Schere und jchlägt
jolche mit Geräufch zufam=
men, bereit, jein Leben jo
teuer als möglich zu ver-
Zaufen. So gejellig er im
freien Zuftande ift, jo fnei-
pen jic) doch die Öefange-
nen in furzer Zeit fat alle
Füße ab. In einem fühlen
Zimmer habe ich ihn oft =
mehrere Tage als Stuben- Bogenfrabbe, Thalamita spec. Natürlihe Größe.
tier berumlaufen lafjen;
der Sonne ausgejegt, fticbt er aber jchnell ab, jo daß diejes das bejte Mittel ift, ein ynoi-
vivuum fir die Sammlungen ohne Verlegung zu töten.‘
Das Vorkommen und die Lebensweije der Strandfrabbe an der engliiden Küfte wird
von Bell in folgender Weije gejhildert: „Man findet fie überall zahlreich. Auf den jandigen
Küften bleibt fie regelmäßig bei der Ebbe zurüd, indem fie fich unter Steinen verbirgt und,
wenn fie geftört wird, entweder ihr natürliches Schußdad) in der zurüchweichenden See eiligit
zu gewinnen jucht oder fie) haftig in den nafjen Sand vergräbt. Sie ift jenoch feineswegs
auf die jandigen ©ejtade bejchränft; oft fängt man fie im Schleppneg auf ziemlich tiefem
Grunde, doc) zieht fie jene anderen Ortlichfeiten vor. Solche Lebensweife verlangt das Ver:
mögen, längere Zeit außer Wafjer zu bleiben; und wirklich ift das bei unferer Art der Fall,
wenn fie aud) nicht gleich den Landfrabben in großer Entfernung von der Küfte leben fann.
„Sie wird von den niedrigen Volfsklafjen der Küfte viel gegefjen und wegen ihres feinen
und angenehmen Gejchmades auch in großen Mengen auf den Londoner Markt gebracht. Sie
nährt fich vorzugsweije vom Nogen der Fijche, von Garnelen und anderen Krebjen, geht jedoch)
auc) an tote Fiide und überhaupt an tierijhe Stoffe. In der Tat pflegen die Fijcherfinder fie
zu fangen, indem fie ein Stüd von den Eingeweiden eines Vogel3 over Fiiches als Köder
an einer Leine auswerfen. Die Krabben gehen daran und werden in beträchtliher Menge
herausgezogen.“
698 Krebfe.
Ein dünnes, jpibes Klauenglied am letten Fußpaar hat der Große Tafchenfrebz,
Cancer pagurus L., der, weniger häufig im Moriatifchen und Mittelmeer, ein defto befannterer
Bewohner der Nordfeefüften ift. Die wenig über die Augen hervorragende Stirn trägt jederjeits
drei gleichgroße jtumpfe Zähne, worauf neun breite jtumpfe Lappen des Seitenrandes folgen.
Die Körperfarbe ift oben bräunlich, unten lichter. Die Scherenfinger find jchmarz.
Der über 30 cm breit und mehr al3 12 Pfund jchwer werdende Große Tajchenfrebs ift
eine der gemeinften und wegen Größe und Wohlgeihmad gejuchteiten Krabben der Nordjee
und der engliihen Küften. Er zieht felfigen Grund dem jandigen Strande vor (j. Tafel
„SKrebstiere II”, 6, bei ©. 676). Ergreift man einen, jo fann man zwar. leicht die mächtigen
Scheren vermeiden, hat aber auch allen Grund dazu. Sein Fang wird namentlich in England
jehr ftark betrieben. Man bedient fi) dazu eigentümlicher, aus Weiden geflochtener Körbe
mit oberer Eingangsöffnung, auf deren Boden die Lodjpeife, wertloje Fische und dergleichen,
befeftigt werden. Auf die herr-
Ihaftliche Tafel fommt dieje Krab-
benart wohl verhältnismäßig fel-
ten, wer aber mit einem Helgo-
lander Fiiher gut befannt ift,
etwa bei ihm wohnt, erhält leicht
einmal die namentlich bei alten
Tieren jehr großen und an gutem,
jtet3 etwas mürbem Fleifch reichen
Scheren gefoht und mit dem
Hammer zerflopft vorgejest, wäh-
rend der Helgolander jelber gern
die fettigen Subjtanzen, die unter
dem Niücdenjhilde des Strebjes
liegen, al3 bejonders wohlihmedend für jich behält. — Wir erwähnten jhon die Bedeutung
der ‚„‚Knieper”, wie auf Helgoland die Krabben heigen, für ven Hummerfang. Ein Schäd-
ling it der Taichenkrebs für Bodenfische, namentlih Schollen, an denen man bisweilen die
Narben von Scherenverwundungen erkennt.
Verwandte Formen, Telphusidae over Süßwafjerfrabben, haben ji einem Aufent-
halt in fügem Wafjer angepaßt, und eine Art, Potamon fluviatile Rond. (Telphusa; j. Tafel
„Krebstiere III“, 5), ift in Stalien, bejonders in ven Seen von Albani und Nemi, nicht jelten.
Sie lebt im Waffer zwifchen Baummurzeln und Steinen, geht auch gern auf das Land, flüchtet
aber bei der geringften Gefahr in ihr Urelement zurüd. Den Fischern ift fie verhaßt, demm jie
frißt die gefangenen Fiiche im Nee an. Die friich gehäuteten werden in Rom al3 granci
teneri gern gegeffen. Außer in Südeuropa fommt diefe Art auch im Nil vor.
Großer Tafhenfreb3, Cancer pagurus L. Yunges Stüd.,
Fünfte Untergruppe: Vieredfrabben (Catometopa).
Die Schar der Bieredfrabben (Catometopa oder Quadrilatera) hat ein mehr oder
weniger vierechiges, vorn quer abgeftugtes Kopfbruftftüd. Zu ihr gehören au) eine Reihe
Zandbewohner, und auch die übrigen leben zum Teil längere geit vom Wafjer entfernt.
DObjehon durch ihre mehr rundliche Geftalt abweichend, jtimmen die Pinnotheridae
in einigen wejentlihen Einrichtungen der Mundwerkzeuge und Kiemenhöhle mit den übrigen
Dierecivabben überein. Manche Arten leben frei, andere zwischen ven Schalen verfchiedener
Krebie III.
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2. Wollkrabbe, Dromia vulgaris M.-E.
S. Müllegger- Hamburg phot. (S. 692.) ?/3 nat. Gr.
1. Dorippe lanata Z.
S. Müllegger- Hamburg phot. (S. 693.)
Be Y» ” AR E 2 wi
3, Inachus scorpio F. S. Müllegger- Hamburg phot. (S. 694.) 2/3 nat. Gr.
4. Strandkrabbe, Carcinus maenas ZL. Prof. W. Köhler-Tegel phot. (S. 696.) 2/3 nat. Gr.
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Regelkrebje: Zehnfüßer (Krabben). 699
Seemufcheln. Zhre Hautbevedung bleibt ziemlich weich und gewährt ihnen nicht hinreichenden
Schuß, den fie daher im Schoße ihrer Freundinnen fuchen müffen. Sogar als ein auf Gegen:
jeitigfeit beruhendes Freundjhaftsbündnis faßten die Alten das Verhältnis von Krebs und
Mufhel auf. Die Mujchel follte dem weichhäutigen Krebfe Schuß gewähren, wogegen der
mit guten Augen begabte Krebs fie rechtzeitig auf nahende Gefahren aufmerkjam mache.
Die Art, die zur Sage Veranlaffung gab, ift der jomohl in der Nordfee al3 im Mittel-
meer lebende Mujchelwädter, Pinnotheres veterum Bose., der fi) vorzugsweie in der
grogen Stedmujcel aufhält, als deren Gaftfreund wir oben auch eine Garnele Fennengelernt
hatten. Eine andere, Pinnotheres pisum Z., im Atlantifchen Meer und in der Nordiee, liebt
die Miesmufchel und Aufter, Schlägt jedoch gelegentlich ihre Wohnung auch in der Herzmufchel
auf. Offenbar wechjeln die Krabben ihr Quartier, gleich den Einftedlerfrebfen, wenn der Raum
ihnen zu eng wird, doch fand der engliiche Naturforscher Hyndeman einmal in einer noch nicht
3 Linien langen Herzmujchel einen foldhen Gaft, der mit ausgeftredten Beinen 3 Linien maß.
Berwandte Formen wohnen im Cndab-
Ihnitte de Darmes von Geeigeln, und
ähnliche Verhältniffe gibt es in diejer Fa-
milie noch viele.
Die Ocypodidae haben ein rhont-
bilches oder vechtediges Kopfbruftftüc und
jehr langgeftielte Augen. Die zweiten An-
tennen find rudimentär. Biele gehen an
Land. Die Weibchen der Winferfrabben,
Uca Leach, haben ganz jehwarze Scheren,
bei den Männchen aber ift eine Schere ge-
maltig entwicelt, und der Krebs bedient ih en
ihrer, um den Cingang zu feinem Exblade Mintertsener, Da alıinmmn Wr Aat.or mas Gauies
zuzuhalten. Während die einen Arten der |
Gattung bloß das flache Ufer zu ihren Spaziergängen und Sagden benugen, befunden andere
ihre Gejhidlichfeit im Klettern. So erzählte Fr. Müller, der lange in Brafilien anläjlig ge:
wejene, hochverdiente Naturforicher, von einer allerliebiten, lebhaften Krabbe diejer Familie,
die auf die Manglebüjche jteigt und deren Blätter benagt. Mit ihren kurzen, ungemein jpigen
Klauen, die wie Stednadeln prideln, wenn fie einem Menjchen über die Hand läuft, Flettert
fie mit großer Behenpigfeit die Dünnften Zweiglein hinauf. Derjelbe Forjeher hat jehr genau
die eigentiimlichen Vorrichtungen jtudiert, Durch die e3 diejen, ihrem eigentlichen Element ent=
rüdten Tieren möglich wird, in der Luft auszuharren. Manche können etwas MWafjer in ihrer
Kiemenhöhle mit aufs Land nehmen. Statt daß das MWaffer, aus der Kiemenhöhle austretend,
‚abfließt, verbreitet fic) die austretende Wafjerwelle in einem feinen Haarneß des Barnzers und
wird duch angeftrengte Bewegungen des in der Eingangsipalte pielenden Anhanges der äuße-
ren Kieferfüße der Kiemenhöhle wieder zugeführt. ES hat fich, während e3 in dünner Schicht
über den Panzer hingleitet, wieder mit Sauerjtoff jättigen können, um dann aufs neue zur
Atmung zu dienen. „sn recht feuchter Luft“, jagt unjer Gewährsmann, „kann der in der
Kiemenhöhle enthaltene Waffervorrat ftundenlang vorhalten, und erft, wenn er zu Ende geht,
hebt das Tier feinen Banzer, um von hinten her Luft zu den Kiemen treten zu lafjen.” Dan
atmen diefe Krabben aljo wirklich Luft, gleich den jchnellfüßigen Sandfrabben (Ocypode
Fabr.) am Mittelmeer und Atlantiichen Ozean, ausihlieglichen Landtieren, die ftch im Wadler
700 Srebje.
faum einen Tag lebend erhalten, vielmehr weit früher Jchon in einen Zuftand gänzlicher Gr-
ihlaffung verfallen und alle willfürlichen Bewegungen einftellen. Auch fie laffen durch eine jehr
verborgen liegende, verjehliegbare Öffnung die Luft von hinten her in die Atemhöhle treten.
Hier wie in früheren Fällen übergehen wir mande Familie Das Leben der Land:
frabben (Gecarcinidae) wird von dem vielgereiiten Böppig jo gejchildert: „‚Worzugsmweife
bewohnen fte feuchte, Ihattige Wälder, verbergen fich unter Baunmurzeln oder graben au)
Löcher von anjehnlicher Tiefe. Manche verlaffen die halbfumpfigen Niederungen in der
Nähe des Meeres nicht, andere leben in ziemlicher Entfernung von demjelben und jogar auf
jteilen, felligen Bergen. Auf den ganz wajjerlojen, mit nievrigem Bujhmwalde bevdecten,
jonft aber von Pflanzenerde faft entblößten Kaltfeljen Kubas finden fih während acht Mio-
naten des Jahres große Landkrabben, die, im dürren Zaube rajchehrd, die einfamen Fuß:
gänger erichreden können und, entdeckt, fich mutig zur Wehr ftellen. Man beobachtet je nur
einzeln, wenn auch häu=
fig; denn Gejellihafts-
trieb empfinden fie nur
zur Zeit der Fortpflan:
zung. ©ar nicht jelten
nilten fie fihb ein an
jehr unveinlihen Dxten,
neben den Kloafen der
Zandgüter und bejon:
ders gern auf Fried-
höfen. Daß fie zu ober-
flächlich verjeharrten
Leichnamen fi einen
Sandfrabbe, Oeypoda Fabr. Natürliche Größe. Weg bahnen und Dies
jelben benagen, glaubt
man in Weltindien allgemein und wohl mit vollem Nechte. Daher hat auch der Abjcheu, den
ziemlich alle Bolfsklaffen gegen fie als Speije äußern, einen triftigen Grumd. Die Gemeine
Zandfrabbe, Gecarcinus ruricola Z., wird auf allen Injeln Weftindiens und an den Küften
des nahen Feitlandes angetroffen. Einmal im Sahre verläßt fie ihren, eine bis zwei Weg-
jtunden von der Küfte entfernten Aufenthalt und zieht nad) dem Meere. Jm Februar bemerkt
man die erjten diefer Wanderer, die zwar immer mehr an Zahl zunehmen, indejjen jene dicht-
gedrängten Scharen niemals bilden, von denen ältere Neijebejchreiber Iprechen. Der Zug dauert
bis in den April. Am Strande angekommen, überlaffen fi die Landkrabben zwar den Wogen,
vermeiven aber alle Orte, wo dieje heftig branden, und verweilen überhaupt niemals lange
im Wafjer. Sie ziehen fi aus demjelben zurüd, jobald die Eier, die, mit einem zähen Leim
angeklebt, die Unterjeite des Hinterleibes des Weibchens zahlreich beveden, abgewajchen find.
sm Mat und Juni treten fie die Nicdreife an und find dann durchaus nicht genießbar, denn
einerjeits ift das Wiuskelfleiich jehr gejehwunden, und außerdem hat die große Leber, die
bei allen Krabben und Krebjen den einzigen genießbaren Teil des Bruftjtüdes darftellt, ihre
jonftige Schmadhaftigfeit mit einer Icharfen Bitterfeit vertaufcht, dabei aber an Umfang
außerordentlich zugenommen. Einige Wochen reichen zur Erholung hin; gegen Mitte Auguft
verbirgt fich die Zandfrabbe in einer mit totem Laube wohlausgefütterten Höhle, verjtopft den
Hgugang mit vieler Vorfiht und befteht die Häutung, die etwa einen Monat zu erfordern
Negelfrebje: Zehnfüker (Krabben). 701
Iheint. Mit rot geaderter, jehr dünner und höchft empfindlicher Haut überzogen, wird die
Krabbe bis Anfang September in ihrem Verjtede aufgefunden und dann als feine Speife
von vielen betrachtet. Won neuem mit feftem Panzer befleivet, wagt fie fi) hervor, in-
deffen mehr bei Nacht als am Tage, und wird gradweile fetter bi3 Januar, wo die jchon
bejchriebenen Veränderungen wieder eintreten. Brown verjichert in jeiner ‚Naturgejhichte
von Jamaica‘, daß die Gutjcehmeder jener Snfel diefe zur rechten Zeit gefangene und zmwed-
mäßig bereitete Zandfrabbe als die lederite aller Verwandten betrachtet haben, und daß jte
dieje Anerkennung in Wahrheit verdiene.”
Die einzelnen Kiemenblättchen diejer Krabbe werden nach den Unterfuhungen von
Sohannes Müller durch bejonders harte Fortfäge auseinandergehalten, jo daß fie nicht zu:
jammenfleben, wodurch natürlich das Atmen in der Luft in Frage geftellt werden würde.
Die bemerkenswerte Tatfache, daß unter den Malafoftrafen eine nicht ganz geringe Zahl -
ans Land geht, jo jehr auch die in Frage fommenden Gruppen, die Ajjeln, Flohfrebje, Mittel
frebje und Krabben, eigentlih Waffertiere find, Fönnte im Sinne der oben (S. 638), wenn auch
natürlich nicht vorbehaltlos, vorgetragenen Simrothichen Hypotheje eines urzeitlihen Land-
lebens des ganzen Krebsitammes joviel bedeuten, dag die Krebje auch in ihren am wenigjten
urjprüngliden Formen heute noch wijjen, woher fie famen, oder, um nicht bildlich, Jondern
rein tatjächlich die daraus folgende Lehre auszudrüden, daß der Krebsorganismus zur Ah
pafjung ans Land nicht jo ganz ungeeignet ericheint. Die Krebe jtehen darin doch offenbar
ganz anders da als namentlich Zölenteraten oder Ehinodermen. Die einzige größere Cchwierig-
feit bei landlebigen Krebjen jcheint die Frage der Mimung zu fein, fir die in jedem Falle
irgendwie Nat gejchaffen werden mußte.
Abdomimalia 660.
Acantharia 36.
Acanthocephali 271.
Acanthochites 400.
— fascicularis 398.
Acanthocystis turfacea 32.
Acanthopleura 400.
Acephala 512.
Acera bullata 487.
Acatinellen 483.
Achatinen 474.
Achatichnecde 438.
Aecineta 71.
Aderichneden 480.
Acme 432.
Acoela 195.
eontien der Aftinien 141. 147.
Acotylea 207.
Acropora muricata 164.
— varia 165.
Actaeon 486.
Actinanthida 140.
Actinaria 140.
Actinia cari 146.
— equina 144.
— mesembryanthemum 144.
Actinoloba dianthus 153.
Actinophrys sol 33.
Actinopoda 352.
Actinosphaerium eichhorni 33.
Actinotrocha-Larve 314.
Actinulae 114.
Actodiscus saltans 32.
Adamsia palliata 149.
— rondeletii 148.
Addultoren der Mufcheln 511.
Adineta vaga 244.
Adinetidae 244.
Afterpolypen 70.
Aglossa 423. 462.
Altinien 140.
— Symbiofe mit Strebjen 147.
Aktinopoden 352.
Alata 449.
Albertia naidis 246.
— vermiculus 246.
Aleiopidae 279.
Aleippe lampas 660.
Ulcyonaceen 130.
Alcyonium adriaticum 131.
Sadıregiiter.
Alcyonium digitatum 131.
— palmatum 131.
Allantonema mirabile 252.
Allocreadium isoporum 218.
Allogromia ovoidea 26.
Allolobophora foetida 296."
— rosea 296.
Alldocölen 197. 201.
Alveolinenfalf 31.
Amalia 477.
— marginata 478.
Arnıbulafralfpalten der Haarjterne
340.
Ambulakraliyitenn der Stachel-
bäuter 334. 336.
Ambulafraltentafel 336.
Ammte der Digenea 212.
Ammoniten 588.
Amoeba 18.
— brachiata 21.
— cristalligera 21.
— dysenteriae 21.
— proteus 18.
— terricola 20.
— verrucosa 19.
— vespertilio 21.
Amöben 18. 23.
Amoebaea 23.
Amoebozoa 18.
Amphelia oculata 161.
Amphibola nux avellana 469.
Amphicora 288.
Amphidiscophora 83. 84.
Amphidisten 83.
Amphihelia oculata 161.
Amphileptus claparedei 70.
Amphilina foliacea 225.
Amphineura 390.
Amphipeplea 468.
Amphipodida 666.
Amphitretidae 599.
Amphitretus pelagicus 599.
Ampbhitrite figulus 287.
Amphiura chiajei 384.
— elegans 384.
— filiformis 384.
YAnıpullarien 439.
Ampulle der Stachelhäuter 334.
Anadenus 480.
Anaspides tasmaniae 670.
Anceidae 664.
Aneistroteuthis
611.
Ancula 494.
Ancylodoris 486.
Ancylostoma duodenale 263.
— trigonocephalum 262.
Ancylus 467.
Anelasma squalicola 660.
Anemonia sulcata 146.
Anguillula aceti 251.
— intestinalis 252.
— tritici 254.
Anguillulidae 250.
Ankerihwäninte 86.
Ankylojftomiafis 263.
Annelides 273.
Anodonta 544. 551.
— complanata 551.
— cygnea 55l.
Anomalocera patersoni 653.
Anomia ephippium 518.
Anomostraca 670.
Anomura 687.
Anoplodium 201.
Antedon adriatica 343.
— bifida 343. 344.
— eschrichtii 345.
— maroccana 343.
— mediterranea 341. 343.
Antedoniden 341.
Antennendrüfe der Entonpjtrafen
629.
Antennulae der Srebfe 625.
Anthea cereus 146.
Anthocormus 163.
Antholoba reticulata 148.
Anthomedusae 111.
Anthoplait 163.
Anthozoa 128.
Anthraconema 250. »
Antipatharia 176.
Antipathes 177.
Anuraea aculeata 246.
— cochlearis 246.
Anuraeidae 246.
YUolidier 494.
Aeolis papillosa 494.
olofomatiden 299.
Aphanostomidae 197.
lichtensteinii
Aphrodite aculeata 277.
Aphroditidae 276.
Aplacophora 391.
Aplysia depilans 491. 492.
— limacina 492.
Aplysina a&rophoba 97.
Apodidae 642.
Aporrhais pes pelecani 449.
Apostrophia 475.
Apus 642.
Arbacia lixula 365.
Arca noae 518.
Arcella 23.
— dentata 25.
— mitrata 25.
— vulgaris 23.
Arhäochten 76. 77.
Archaeostraca 663.
Achenmufidel 518.
Archigretes appendiculatus 224.
Architeuthis 610.
Arctus ursus 681.
Arenia 231.
Arenicola marina 280.
Arenieolidae 280.
Argiope 328.
— decollata 329.
Argonauta argo 599.
Argulidae 657.
Argulus coregoni 657.
— foliaceus 657.
Arion 477.
— empiricorum 473. 478. 485.
Artoniden 477.
Armadillidiidae 665.
Armadillidium cinereum 665.
— vulgare 665.
"Armfüßer 324.
Armmichler 318.
Artemia 640.
Artemisia arietina 642.
— köppeniana 642.
— milhauseni 641. 642.
— salina 640.
Arthropoda 620.
Arthrostraca 663.
Ascaridae 267.
Ascaris eanis 267.
— ]Jumbricoides 267.
— megalocephala 267.
— mystax 267.
Ascones 81.
Ascon-Typus der Shwänme 75.
Asellidae 665.
Asellus aquaticus 665.
— cavaticus 665.
Aspergillum vaginiferum 575.
Aspidobothriidae 219.
Aspidogaster conchicola 219.
Aspidosiphon müilleri 310.
Aspirigera 63.
Asplanchna briehtwelli 246.
— priodonta 245.
— sieboldi 246.
Asplanchnidae 245.
Aljeln 663.
Allimilationzlörper 2.
Sadregiiter.
Astacidae 681.
Astacus fluviatilis 683.
— longicornis 684.
— marinus 681.
— nobilis 683.
— saxatilis 684.
Asteracanthion rubens 378.
Asterias forreri 379.
— glacialis 377.
— rubens 378.
Asterina gibbosa 376.
Asteroidea 373.
Asterope candida 279.
Asthenosoma urens 363.
Astraeidae 161.
Astroides calycularis 164.
Astropecten aurantiacus 375.
— irregularis 376.
Astrorhiza limicola 26.
Astrosiga 43.
Atheriiden 558.
Atlanta peronü 442.
Atolla 123.
Atolle 171.
AUtopiden 467.
Atopos 466.
Atractonema gibbosum 253.
Atyidae 678.
Aufgußtierdhen 6.
Augentorallen 160.
Augenkügelchen 46.
Augentierhen, Grünes 44.
— Notes 45.
Aulacopoden 471.
Aulastomum gulo 303.
Aurelia aurita 125.
Auricula judae 469.
— midae 469.
Auricularia nudibranchiata 349.
Muriculiden 467. 469.
Aufter, Amerifanijche 533.
— Gemeine 524.
Autoflagellata 39.
Autolytus 291. 292.
Yutotomie bei Streben 633.
YAutozoide 133.
Aviculidae 536.
Apdikularien 321.
Artalorgan 337.
Arialjinus 337.
Babesia bigemina 55.
— canis 59.
— equi 53.
— ovis 55.
Babelien 54.
Bacillus pestis astaci 686.
Badeihwanm, echter 95.
Badeihmwänme 94.
Bahamafhmwänınte 96.
Balanidae 660.
Balanoglossidae 313.
Balanoglossus clavigerus 313.
Balantidium coli 66.
—- minutum 66.
Balanus balanoides 660.
— crenatus 660.
703
Balanus tintinnabulum 660.
balate 355.
Balfenzüngler 423. 424.
Bandjchnede 452.
Bandwurn, Bewaffneter 297.
— Breiter 226.
— Didhaljiger 229.
— Öeränderter 229.
— Gejägter 229.
— Slleiner 231.
— Stürbisfernartiger 231.
— Unbewaffneter 228.
Bandwürmer 219.
Bandiwurmfeuche der Schafe 232.
Bandzüngler 423. 433.
Barbenfeucde 55.
Bürenfrebs 681.
Barriereriffe 171.
Basommatophora 467.
Bathothauma Iyromma 612.
Bathycrinus 347.
Bathynella natans 670.
Bathynomus 663.
Bathysciadium 424.
Baudhfüker 409.
Bauhhärlinge 247.
Baudhmwimperer 68.
Bäumchenjchnede 494.
Bdelloidea 244.
Bdelloura candida 207.
Becherquallen 122.
Bedecttkienier 486.
Belenniten 591.
Bernhardinerfrebs 690.
Berniteinfchnecde 474. 481.
Bero& forskalii 185.
— ovata 185.
Beutelitrahler 339.
Bewegungsorganellen der Ein-
zeller 3.
Bicellariidae 322.
biche de mer 355.
Bilharzia 218.
Binnenatmer 312,
Diogenetiiches Grundgefeß 73.188.
Bipalium kewense 206.
Bipinnaria-2arve der Seeiterne
374.
Birgus latro 690.
Birnenjichnede 451.
Biihofsmiübe 457.
Bipiunm 348.
Blajengeikler 49.
Blafenqualle 119.
Blajenjchnede (Bulla) 487.
— (Physa) 467.
Blafenwürmer 221.
Blajenwurmzujtand der Band»
mwirnter 223.
Blastoidea 339.
Blaftojtyl 112.
Blaftula 74.
Blätterfiemer 509.
Blattfuß der Strebje 625.
Blattfüßer 639.
Dlattkiemer, Chte 514. 541.
— Unedte 514. 523.
704
Blattlvebje 680.
Blepharoplait 40.
Blumentierchen,
(Floscularia) 245.
Blumentiere (Anthozoa) 128.
Dlutegel 299.
— Deutjcher 302.
— Mediziniicher 300. 302.
— Dffizineller 302.
— Ungarijcher 302.
Blutlatunen 337.
Blutfeen 45.
Bodo lacertae 40.
— saltans 40.
— urinarius 40.
Bogenkrabben 696.
Bohrafjel 664.
Bohrmujcel 566.
Bohrihwännte 87.
Bolina hydatina 181.
Bolitaena diaphana 599.
Bolitaenidae 599.
Bonellia viridis 307.
Bonifazius- Pfennige 340.
Bopyridae 664.
Börfentierchen (Infufor) 63.
Boritentierchen 68.
Boritenwürmer 275.
Bosmina 647.
Bosminidae 647.
Bothromesostoma
198.
Bouquet(Palaemon serratus)677.
Bourguetifriniden 347.
Brachionidae 246.
Brachionus pala 246.
Brachiopoda 324.
Brachyura 691.
Branchiocerianthus
114.
Branchiomma vesiculosum 288.
Branchipodidae 639.
Branchipus pisciformis 640.
— schaefferi 640.
— stagnalis 640.
Branchiura 697.
Breitmäuler 201.
Brisinga endecacnemos 380.
Brifingiven 380.
Brutpflege bei den Bolychäten 290.
Bryozoa 315.
Buccalfegel 504.
Buccaltrichter 580.
Buceinum 452.
— undatum 432.
Bucephalus polymorphus 219.
Büchlentierchen 62.
Bugula avicularia 322.
— plumosa 322.
Buliminiden 474.
Bulinus 468.
Bulla 487.
DBulliden 487.
Bunodes gemmacea 146.
Bursae der Schlangeniterne 381.
Bursaria truncatella 63.
Buientierchen 60.
Bejchnnücktes
personatum
imperator
Sadregiiter.
Busycon 460.
Butterfrebs 623.
Byfjusdrüfe der Wiufchehn 513.
Bythinella 437.
Bythinia tentaculata 437.
Bythotrephes 669.
— lonsimanus 648.
Caecilioides acicula 474.
Caecum 441.
Cadulus 404.
Calanidae 653.
Calanus finmarchicus 654.
Calappa granulata 693.
Calappidae 693.
Calcarea 81.
Caleispongia S1.
Caligidae 655.
Caligus lacustris 656.
Callidina parasitica 244.
— symbiotica 244.
Callinectes sapidus 696.
Calliteuthis 584.
— meneghinii 611.
Calveria hystrix 364.
Calyceulina 544.
Calyptraea 440.
Cambarus affinis 637.
— pellucidus 687.
Campanulariae 114.
Campylaea ceingulata 484.
Bancellarien 457.
Cancer pagurus 698.
Cancridae 696.
Candona candida 651.
Canthocamptus microstaphyli-
nus 653.
— staphylinus 652.
Capa di Deo 565.
— lunga 565.
Capitella capitata 283.
Capitellidae 283.
Caprella aequilibra 669.
Caprellidae 669.
Baptacılun der Grabfüßer 405.
Capuliden 440.
Capulus 440.
Barceag des Schafes 55.
Carchesium lachmanni 70.
— polypinum 69.
Carcinus maenas 696.
Gardiiden 559.
Öardita concamerata 562.
Cardium 559.
— echinatum 560.
— edule 560.
— rusticum 560.
Carididae 675.
Carinaria 443.
Carinella superbus 235.
Öarinogammarus roeseli 667.
Carmarina hastata 116.
Carnosa 87.
Carpocanium diadema 39.
Carychium minimum 467. 469.
Caryophyllaeidae 224.
Caryophyllaeus mutabilis 224.
Caryophyllia elavus 159.
Cassidaria 450.
Baffiden 450.
Cassis cameo 460.
— cornuta 450.
— rufa 460.
Catenula lemnae 199.
Öatenulidae 199.
Uatometopa 698.
Cavolinia 502.
— gibbosa 503.
— tridentata 502.
Celicoque 677.
Cenocrinus asteria 346.
Cenosphaera inermis 36.
Centropagidae 652.
Öentrostephanus
369.
Cephaloconen 504.
Cephaloidiphora 244.
Öephalopoda 577.
Cephalopyge 500.
Üeratium cornutum 48.
— hirundinella 48.
— tripos 48.
Ceratocephale ossawai 279.
Öeratosa 94.
Cercaria ephemera 219.
— macrocerca 217.
Cercomonas 43.
Cerebratulus marginatus 236.
Ceriantharia 174,
Cerianthus membranaceus 175.
Cerinula=LTarven 175.
Ceriodaphnia 647.
&erithien 448.
Cerithium vulgatum 448.
Cestodaria 224.
Cestodes 219.
Cestoidea 181.
Cestus veneris 181.
Ohallengeron willemoesii 36.
Chamydoconcha 576.
Chaetoderma 391. 393. 394.
— nitidulum 396.
Ehätodernrativen 394.
Chaetogaster diaphanus 298.
— limnaei 298.
Chaetognatha 311.
Chaetonotidae 248.
Chaetonotus hystrix 248.
— larus 248.
Chaetopleura bullata 402.
Chaetopoda 275.
Öhaetoproteus 22.
Chaetopteridae 282.
Chaetopterus pergamentaceus
282. 283.
— variopedatus 283.
Chaunoteuthis mollis 611. 617.
Chelura terebrans 668.
Cheluridae 668.
Chilina 465. 469.
Chilodon cucullulus 60.
— cyprini 60.
Chilojtomen 321.
Chilotrema lapieida 474.
loneispinus
Chirocephalus grubei 640.
Ehiroteuthiden 612.
Chiroteuthis veranyi 612.
Chiton fulvus 402.
— rubicundus 401.
Chitonellus 399.
Chlamydodon 61.
Chlamydodontidae 61.
Chlamydomonas pulvisculus 45.
Chlamydophrys enchelys 25.
Chlorohydra viridissima 102.
Ehloroje, ägyptijche 263.
Choanoflagellata 43.
Chondrosia reniformis 87.
Ehrontatophoren 2.
Chromodoris 493.
Chromomonadina 45.
Chromulina rosanoffi 45.
Chrysamoeba radians 45.
Chrysaora hyoscella 124.
Ehryjomitren 120.
Chunioteuthis 601.
Chydoridae 647.
Chydorus sphaerieus 647.
Cidariven 362.
Cidaris cidaris 362.
Ciliata 57.
Ciliati 314.
Ciliophrys 32.
Cirrata 601.
Cirripedia 657.
Cireoteuthiden 602.
Cirroteuthis magna 602.
— mülleri 602.
Cirrothauma murrayi 601.
Cladocera 644.
Cladocora cespitosa 161.
Cladophiurae 387.
Clathrocyclas ionis 35.
Clathrulina elegans 32.
Claujilien 475.
Clavagella 575.
Clavulae 372.
Clepsine 304.
Clio 506.
Cliona 87.
— celata 88.
— patera 89.
Clione limacina 504.
Clonorchis endemieus 217.
Elymenien 281.
Cnidaria 100.
Enidocil 100.
Cnidosporidia 56.
Cochlicopa lubrica 474.
Cochlochaeta domergui 68.
Cochlostyla leucophthalma 483. '
Coceidia 54.
Coceidiaria 52.
Coceidium euniculi 54.
— oviforme 54.
— tenellum 54.
Coccolithophoridae 45.
Codonocladium umbellatum 43.
Codosiga botrytis 43.
Coelenterata 99.
Coleps hirtus 62.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl.
Sadregiiter.
Cölheminthen 192.
Coeloplana metschnikowii 183.
— willeyi 183.
Colpidium colpoda 60.
Colpoda cueullus 60.
Columbella 450.
Concholepas 454:
Eönenhyn der Dftanthiven 130.
Conochilus volvox 245.
Cönofark der Dftanthiden 130.
Coenurus 223. 229.
Conus 457.
— mediterraneus 458.
—— virgo 458.
Convoluta convoluta 196. 197.
— paradoxa 197.
— roscoffensis 196.
Copepoda 651.
Corallium album 161.
— rubrum 132.
Cordylophora lacustris 112.
Coronata 123.
Coronulidae 660.
Corophiidae 668.
Corycaeidae 654. ;
Corystes cassivellaunus 69.
Costia necatrix 43.
Cotylea 207. 208.
Cranchia scabra 616.
Crandiiden 612.
Crangon vulgaris 676.
Crania anomala 332.
Craniidae 332.
Craspedacusta sowerbii 116.
Crepidula 440.
Creseis 502.
Crevette 677.
Cribrina gemmacea 146.
Crinoidea 339.
Criodrilus lacuum 297.
Cristatella mucedo 319.
Cristatellidae 319.
Crucibulum 440.
Crustacea 620.
Cryptochiton stelleri 398. 402.
Cryptoniscidae 664.
Cryptoplax 399. 401.
— ocularis 398.
Ctenobrandien 422.
Ctenophora 177.
Ctenoplana kowalevskii 183.
Cucullanus elegans 265.
Cucumaria glacialis 358.
— laevigata 358.
— pentactes 357.
— planci 348. 357.
Cueumariiden 357.
Culeita coriacea 380.
Cuma 671.
Cumacea 671.
Cuspidaria 576.
&udierfche Organe 349.
Cyamidae 669.
Cyamus ceti 670.
Cyanea 124.
— capillata 125.
— lamarcki 125.
I. Band.
705
Cyeladidae 544.
Cyclas cornea 544.
— rivicola 544.
Cyclogramma 61.
Cyclometopa 696.
Cyclophorus 432.
Cyelopidae 652.
Cyeloposthium bipalmatum 67.
Cyclops albidus 652.
— coronatus 692.
—— fuscus 652.
— serrulatus 652.
— strenuus 652.
-— viridis 652.
Cyclostoma (Schnede) 432.
Cyclotus 432.
Cydippidea 181.
Eykloftonten (Moovstiere) 322.
Cylicolaimus magnus 250.
Cymbulia 503.
Cymothoidae 664.
Cyphonautes 322
Cypraea 448.
— annulus 459.
— moneta 459.
Cypridina castanea 651.
EHypris-Stadium der Krebslarven
632.
Eyiten der Harpaltiziden 653.
Cysticercus 221.
— cellulosae 228.
— tenuicollis 229
Cystici 221.
Enitid 315.
Cystoflagellata 49.
Cystoidea 339.
Cytherea 558.
Cyzicus tetracerus 644.
Dactylactis benedeni 175.
Dactylosphaerium mirabile 22.
— radiosum 22.
— vitreum 22.
Dallingeria drysdali 43.
Dalmatiner Schwamm 9.
Dalyellia viridis 201.
Dalyelliidae 201.
Danmtriffe 171.
Daphne longispina 646.
— magna 646.
— pulex 646.
Daphnia sima 646.
Daphniden 645.
Darmamöbe 21.
Darmkokzidiofen 54.
Darnıtrichine 259.
Dasybranchus caducus 283.
Dasydytes ornatus 248.
Dasydytidae 248.
Daudebardia 479.
Dauereier der Bauchhhärlinge 248.
— der Nüädertiere 242.
— der Wafjerflöhe 644.
Dauerzyiten 5.
Davainea madagascariensis 232.
Decapoda (Strebje) 674.
— (Tintenfiiche) 603.
45
706
Deckel der Schneden 415.
Deckjtüce der Pnneumatophoriden |
a7.
Delap 126.
Delphinula 427.
— laciniata 428.
Demospongia 85.
Dendrocölen 195.
Dendrocoelum lacteum 203.
Dendrocometes paradoxus 72.
Dendronotus arborescens 494.
Dendrophyllia ramea 163.
Dentalium 403. 406.
— vulgare 404.
Dernallager 76.
Desmaeidon 91.
Deforiche Yarve 234.
Detritus 75.
Deuterojtomier 334.
Diadema saxatile 364.
Diadematiden 364.
Diaphanosoma brachyurum 647.
Diaptomus castor 632.
Diastylidae 671.
Diastylis rathkei 671.
— sculpta 671.
Dibothriocephalidae 225.
Dibothriocephalus 225.
— latus 226.
Dibranchiata 591.
Dichelestidae 656.
Dichelestium sturionis 656.
Dikdarnıamöbe 21.
Dicerocoelium lanceolatum 217.
Dietyophimus tripus 36.
Diceyemida 177.
Didinium nasutum 61.
Difflugia pyriformis 25.
Digenea 212.
Digononta 244.
Dileptus anser 61.
— cygnus 61.
— gigas 61.
Dimastigamoeba 40.
Dimorpha mutans 40.
Dimyarier 511.
Dinamoeba 22.
Dinobryon sertularia 45.
Dinoflagellata 47.
Diogenes varians 689.
Divgenesfreb3 689.
Diopatra neapolitana 278.
Diploria cerebriformis 162.
Diplozoon paradoxum 210.
Diporpa 211.
Dipsas plicatus 556.
Dipylidium caninum 231.
Discina striata 331.
Diseiniden 331.
Discophora 123.
Diljepimente der Ningelwürmer
213:
Diljogonie 181.
Distomum 217.
— hepaticum 214.
— Janceolatum 217.
-— macrostomum 214,
Sadregiiter.
Distomum pulmonale 216.
Diwarra 459.
Dochntiofe 263.
Dochmius 262.
Docoglossa 423. 424.
Dohlenfrebs 684.
Dolabella 491.
Doliiden 450.
Dolium 450. 451.
Donatia Iyncurium 87.
Donax 558.
Doppeltier 210.
Doratopsis vermicularis 612.
Doridier 493.
Doridium 487.
Dorippe lanata 693.
Doris 494.
Doto coronata 494.
Drachenegel 302.
Dracunculus medinensis 258.
Drehfrankheit der Salmoniden 55.
— der Schafe 229.
Drehmwurn 229.
Dreiectrabben 694.
Dreiemufchel 518.
Dreifuß 48.
Dreissena 541.
Dreyssensia polymorpha 541.
Dreyssensiidae 541.
Drilophaga bucephalus 246.
Dromia vulgaris 692.
Dromiidae 692.
Dysenterienmöbe 21.
Ecardines 331.
Echinarachnius parma 370.
Echinaster sepositus 377.
Echinocardium cordatum 372.
Echinococeus 223.
Echinococeus-Bandmwurnt 230.
Echinocyamus pusillus 370.
Echinoderes dujardini 248.
— setigera 248.
Echinoderidae 248.
Echinodermata 333.
Echinoidea 359.
Echinomenia corallophila 396.
Echinorhynchidae 271.
Echinorhynchus gigas 272.
— hirudinaceus 272.
— moniliformis 272.
— polymorphus 272.
— proteus 272.
Echinospira 447.
Echinothuridae 363.
Echinus esculentus 367.
Echiuridae 308.
Echiurus pallasii 308.
Eemundfchnede 427.
Ectoprocta 318.
Edeltoralle, vote 132.
Edelforallen 134.
Edelfrebs 683.
Edeljteinroje 146.
Edrivafteroiden 339.
Edriophthalmata 663.
Egeljchneden 477.
Eimeria avium 54.
— stiedae 54.
Eingeweidewürnter 188.
Einftedler 690.
Einjiedlerfrebfe 687.
Einjtrahlihwänme 87.
Einzeller 1.
Eisenia 296.
Eftoplasma 2.
Elaphocaris 679.
Eledone 597.
„Elefantenohren“ (Badefhmänt-
me) 95.
Glefantenzahbn (Dentalium) 403.
Efephantiajis 258.
Eleutherozoa 347.
Elpidia glacialis 353.
Elpidiiden 353.
Elysia splendida 495.
— viridis 495.
Emarginula 427.
Enchelyidae 61.
Enchelys 62. j
Endoxocrinus wyville-thomsoni
346.
Enoploteuthiden 611.
Enoploteuthis leptura 611.
Entamoeba blattae 21.
— coli 21.
-— histolytiea 21.
— tetragena 21.
Entenmujcheln 659.
Enteropneusta 312.
Entoconcha mirabilis 463.
Entodinium caudatum 67.
Entomostraca 620.
Entoniscidae 664.
Entoplasma 2.
Entoprocta 322.
Entovalva mirabilis 576.
Ephelota gemmipara 72.
Ephippium der Wajjerflöhe 645.
Ephydatia fluviatilis 92.
— plumosa 91.
Ephyra 121.
Fpibdella hippoglossi 209.
Epigantie 290.
Epiphragma 476.
Epipodiallinie 417.
Epijton der Arnuvirbler 318.
Epistylis 70.
Epitofte 290.
Fpizoanthus inerustatus 174.
Grbjenmufcel 544.
Erdbeerroje 144.
Erdrotatorien 239.
Gremit 690.
Erganzungsmännchen der Polli-
eipedidae 698.
Ergasilidae 655.
Ergasilus gasterostei 655.
— sieboldi 655.
Ericia 432.
Errantia 275.
Eryonidae 679.
Escharidae 322.
Eifigälchen 251.
Estheria 643.
— cycladoides 644.
Estheriidae 643.
Fuantipathes glaberrimus 177
Eucharis multicornis 181.
Eucopepoda 692.
Eudorella truneulata 671.
Eudorma elegans 46.
Euslena sanguinea 45.
— viridis 44.
Euglenoidina 44.
Euglypha alveolata 25.
Eulamellibranchia 514. 541.
Eulima 462.
Eunice fucata 279.
— viridis 278.
Eunicella verrucosa 134.
Eunicidae 278.
Eupagurus bernardus 690.
— prideauxi 689.
Euphausia pellucida 673.
— splendens 673.
Euphausiidae 672.
Euphyllopoda 639.
Enplectella aspergillum 83.
Euplectelliden 83.
Euplexaura antipathes 135.
Eurytemora 652.
Euspongia officinalis 95.
— — adrlatica 95.
— — lamella 9.
— — mollissima 95.
— zimmocea 9.
Eustrongylus gigas 264.
Evadne nordmanni 648.
Fabricia sabella 288.
Facherforallen 160.
Vächerzüngler 423. 426.
Fadenfienter 514. 518.
Fadenrofe 146.
Sadenschnecde 494.
Fadenwirner 249.
— freilebende 250.
Saltenichneden 456.
Yangfäden der Grabfüher 405.
Sarbnıpnaden 45.
Farrea occa 84.
Fasciola hepatica 214.
Fasciolaria 452.
Tapichnecde 450.
- Sasztolen der Secigel 372.
Saszioliden 214.
Yaulbrand des Weizens 254.
Febris aestivo-autumnalis 53.
— intermittens 52.
— perniciosa 53.
- quartana 92.
— tertiana 52.
— tropica 53.
Fecampia erythrocephala 201.
Sechterhutlarve 233.
Sederbufchpolyp 319.
Sederzüingler 423. 460.
Teilenmufchel 533.
Seljengarnele 677.
Senerfalnar 611.
Sadregiiter.
‚euterjee 48.
Fieula 460.
Fiederchen der Haarjternarne 339.
Filaria bancrofti 257.
— immitis 258.
— loa 258.
Filariidae 257.
Filibranchia 514. 518.
Silzwürmer 276.
Singerjchnecden 449.
Singerichwanmt 91.
Sinnen der Bandiwirmer 221.
‚irelafe 48. -
Silchafjeln 664.
Silchegel 306.
Siucher-Sandiwurm 280.
Süchreufe, gegitterte 452.
Stichverderber 62.
Fissurella 427.
Flabellum pavoninum 160.
— rubrum 160.
— — var. stokesi 160.
Flagellata 37.
Slajchentierchen 61.
Sslecenfranfheit 56.
Sledermausjchnece 456.
Sleiihbeihau 259.
Sleifhihwänmıe 87.
linmerfugel 46.
limmerlarve des Teberegels 215.
Slinmertäfelden 45.
Slohfrebs, Gemeiner 666.
Slohfrebfe 666.
Flosceularia ornata 245.
Flosculariidae 245.
dlojjenfüher 500.
Slügeljchneden 449.
Ydlukaujtern 533. 558. a
Slußgarnelen 678.
Slupfrebs, Gemeiner 683.
Slupmujchel 544.
Flußperlmuicel 544. 548.
Flustra foliacea 321.
Flustridae 321.
Flying squid 610.
Foraminifera 10. 29,
vovea 583.
Tranıböfie 39.
Sranjenriffe 171.
Fredericella sultana 319.
Sreßpolypen 111.
"reßzellen 128.
Frojhtrypanofoma 41.
Sruftelbildung bei Microhydra
108.
Fruticicola hispida 474.
Fungaceae 162.
Fungia fungites 162.
Yunilulus der Moostiere 316.
Fuß der Schneden 415.
Sußloje 246.
Sußjtunmmel der Bielboriter 275.
Fusulus 677.
Fusus 452.
Gadinia 469.
Galathea squamifera 691.
707
Galathea strigosa 691.
Galatheidae 691.
: Saleere, Bortugiefifche 119.
Galeomma 576.
Galiteuthis 612.
Gallenfieber der Pferde 55.
Gallertichiwännne 98.
Sameten der Einzeller 4.
Gammaridae 666.
| Gammarus fluviatilis 667.
— pulex 666.
— — subterraneus 667.
Sanzbewimperte 59.
Sarnat 676.
Garnelafjeln 664.
Sarnele, Genieine 676.
Sarnelen 675.
Gasflafche der Bnneumatophoriden
117.
Gasteropteron 487. 489.
Gasterostomidae 218.
Gasterostomum fimbriatum 218.
Gaftrallager 76.
Sajtraltaichen der Anthozoen 128.
Gastrochaena 574.
— modiolina 575. {
Gastrodiseus hominis 219.
Gastropoda 409.
Gastrotricha. 247.
Galtrula 74.
Sattina 56.
Gebia litoralis 687.
Gecareinidae 700.
Gecarcinus ruricola 700.
Geflügelte 449.
Gehörngeißler 48.
Geikelanıöbe 23. 39. 40.
Geißelgarnelen 678.
Geipelinfuforien 37.
Geikeln der Geißeltiere 3.
Geißeltierchen, Zweigejtaltiges 40.
Geißelträger 37.
— Wadte 39.
Geipelzellenichicht bei den Schwänn-
men 76.
Gemeinjchwänmte 85.
Gemmtiparie 291.
Genmmulae der Schwäne 77.92.
Generatio aequivoca 8.
— spontanea 8.
Öenerationswechjel der Hydroid-
polypen 109.
Genitalplatten der Seeigel 361.
Geobia subterranea 205.
Geodia gigas 86.
— muelleri 86.
Geonemertes agricola 237.
— chalicophora 237.
— pelaensis 237.
Gepanzerte (Gruppe der Nüpder-
tiere) 240.
Gephyrea 306.
GeruchSleijte der tele 512.
Geryonia proboseidalis 116.
GSejpenitfrabbe 695.
Öejpenjtfrebje 669.
Gewebe 73.
45*
708
Sewebstiere 73.
Gichtigiverden des Weizens 254.
Gienmufcheln 553.
Siegfannenfhwannt 83.
Gigantocypris agassizii 651.
Bitterjchnecten 457.
GSittertiecchen 32.
Sladius der Defapoden 603.
Glandina 472. 479.
Slanzförper der Amöben 22.
Slanzjchnede 472.
Slasjchnede 472.
Slasihiwännıe 82.
Slattwürnter 274.
Glaucus 496.
Gleba 503.
Öliedertiere 620.
Globigerina 30.
Globigerinenichlid 30.
Slodidiun 545.
Slöcdhen (ISnfujorien) 69.
— $rünes 69.
— stleinmündiges 69.
Slodenbäunden (Snfufor) 69.
Slocenblünihen (Infulor) 69.
Ölocdentierchen 68.
— Nidendes 70.
Glossobalanus minutus 313.
Glossoscolecidae 297.
Glossosiphonia 304.
— bioculata 305.
— complanata 305.
Glugea anomala 56.
Glycera capitata 280.
Glyceridae 280.
Gnathiidae 664.
Gnathobdellidae 300.
Gnathophausia gigas 672.
Goldamdbe 45.
Goldilinmmerfugel 47.
Goldglanzalge 45.
Gonactinia prolifera 144.
Sonatiden 611.
Gonatus fabricii 611.
Gonionemus murbachi 115.
Gonium pectorale 45.
— tetras 45.
Gonocöltheorie 207.
Sonophore 110.
Gordiidae 269.
Gordius aquaticus 269.
— subbifurcus 270.
Gorgodera ceygnoides 217.
Gorgonaceen 132.
Gorgonenhaupt 387.
Gorgonia flabellum 134.
— verrucosa 134.
Gorgonocephalus euenemis 387.
— sagaminus 387.
Srabfüher 403.
Graffilla muricicola 201.
Sranat 676.
Sranat- ©uano 636.
Gregarina blattarum 51.
Sregarinarien 51.
Gromia oviformis 26.
Gromie, Eiförmige 26.
Sadregiiter.
Örottenajfjel 665.
Grubea limbata 279.
Grubentöpfe 225.
Grubenwurm 263.
Srünnonaden 45.
Guineawurnm 258.
Gunda segmentata 207.
Gürtelrofe 146.
Synmobrandien 486.
Gymnodinium hyalinum 48.
Gymnolaemata 320.
Gymnosomata 504.
Gynaecophorus 218.
Gyrodactylidae 212.
Gyrodactylus elegans 212.
Haargarnele, Schlankfühige 678.
Haarqualle, Gelbe 125.
Haariterne 339.
Hafenfalmar 611.
Halenjad 504.
Hafenwurn: (Ancylostoma) 263.
Hafenwürmer (Acanthocephali)
271.
Haliclystus octoradiatus 122.
Halieryptus spinulosus 311.
Haliotis 426.
Halisarca dujardinii 98.
Halla parthenopeia 278.
Halopsyche 506.
Halteria grandinella 67.
Halteriidae 67.
Haemadipsa ceylonica 304.
Haematococcus pluvialis 45.
Haementeria mexicana 305.
— officmalis 305.
Hanımermufchel 536.
Häntoglobinurie des Nindes 55.
Haemopis sanguisuga 303.
Haemosporidia 52.
Haplotaxidae 297.
Haplotaxis menkeanus 297.
Harfenjchnede 457.
Harpa 457.
Harpacticidae 652.
Harpalocarcinus
159.
Hajelnußichnede 469.
Häubhenmufchel 544.
Hautkiemen der Seeiterne 337.
Hautmuskelfchlaud) der Seegurfen
348.
marsupialis
— der Würmer 190.
Häutungen der Strebfe 622.
Hectocotylusvon Argonauta615.
Hedyle 486.
Heftofotylifierter Arnı der Sopf-
füßer 615.
Helcion 426.
Heliactis bellis 153.
Heliaster helianthus 377.
Heliciden 474.
Helicinen 431.
Heliometra glacialis 345.
Heliozoa 31.
Helix aspersa 472.
— hispida 474.
Helix lactea 473.
— pomatia 482,
Helninthen 188.
Helnifchnede 450.
Helobdella bioculata 305.
Hemiaster cavernosus 373.
Hemimysis lamornae 672.
Hemistomum alatum 219.
Hepatus chilensis 148.
Herbitpeit der Fiiche 62.
Hermaea 49.
Hermella 284.
Hermellidae 284.
Hermione hystrix 277.
Herpobdella atomaria 300. 303.
Herpyllobiidae 656.
Herzigel 371. 372.
Herzumuijcel, egbare 560.
— jtachlige 560.
Herzmujcheln 559.
Heterocentrotus
368.
Heterocotylea 209.
Heterocyathus 310.
Heterodera schachti 255.
Heterogonie 242. 250.
Heteromyarier 511.
Heteronereis 277.
Heteropoda 442.
Heteropsammia michelini 310.
Heteroteuthis dispar 603. 613.
Heterotricha 68.
Heuinfufor 60.
Heufchredenfrebs, Genteiner 674.
mammillatus
. Heutierchen 5. 60.
Hexacontium drymodes 35.
Hexactinellida 82.
Hexamitus inflatus 43.
Hexanthida 140.
Hexasterophora 82. 83.
Hilfskiefer 625.
Hinterfiemer 485.
Hippolyte 677.
Hipponyx 440.
Hippopus 553.
Hippospongia equina 95.
Hirnforalle 162.
Hirudinea 299.
Hirudo 300.
— ceylonica 303.
— medicinalis 302.
— offieinalis 302.
— troctina 302.
Histioteuthidae 611.
Histioteuthis bonelliana 611.
Höhlenafjel 665.
Höphlenflohfrebie 667.
Höhlenjeeroje 152.
Hobltiere 99.
Holopedium gibberum 647.
Holopoden 471.
Holopus rangi 347.
Holostomidae 219.
Holothuria 354.
— forskali 355.
— scabra 355.
— tubulosa 354.
Holothurioidea 348.
Holotricha 59.
Homarus vulgaris 681.
Homocoela 81.
Hormiphora plumosa 178. 181.
Hörnchen (Geikeltier) 48.
Hornkoralle des Meittelnteeres 134.
Hornforallen 134.
Hornihmänme 94.
Horlädchen 697.
Hühnerjpirochätoje 39.
Hülfenwurnt 230.
Hummelälchen 254.
Hummter 681.
— Nordamerikanijcher 682.
— Scählanfer 683.
Hüpferlinge 652.
Hyalea 502.
— balantium 507.
Hyalina 474.
Hyalinoecia tubicola 278.
Hyalodiscus guttula 21.
— limax 22.
Hyalonema 34.
— sieboldii 85.
Hyas aranea 694.
Hydatina senta 246.
Hydatinidae 246.
Hydra 102.
Hydra vulgaris 106.
Hydractinia echinata 112.
Hydrariae 102.
Hydrobien 437.
Hydrocaena 431.
Hydrocorallia 111.
Hydroidea 102.
‚Hhpdroivden 102.
Hydroforallen 111.
Hhdrontedufen 108.
Hydrozoa 102.
Hygrosoma hoplacantha 364.
Hymenolepis diminuta 231.
— nana 231.
Hyperia medusarum 668.
Hyperiidae 668.
Hhpobranchialdrüfe 417.
Hypoitrafunt 412.
Hypotricha 68.
Iberus 483.
Ichthydiidae 248.
Ichthydium podura 248.
Ichthyonema 258.
Ichthyophthirius multifiliis 62.
Idothea baltica 664.
— tricuspidata 664.
Idotheidae 664.
Skterohäntaturie 59.
Skterus(Gelbjucht) des Yundes 55.
Dia nucleus 694.
Tllex illecebrosus eoindetii 610.
Tlloricata 245.
Imperforata 159.
Inachus dorsettensis 694.
— scorpio 694.
Sufufionstierchen 7. 57.
Infuforien 6. 57.
Sadregiiter.
Sntegripalliaten 516.
Ischnochiton exiguus 402.
Isidella elongata 156. _
Sven 136.
Isometra 343.
Isopoda 663.
SSanelliden 477.
Janthina fragilis 461.
Santhiniden 461.
Jensenia truncata 201.
Sudasohr 469.
Käferfchneden 397.
Kahnichnece 456.
Staifergranat 683.
Ralaniden 653.
Kalkihivänme 81.
Staltjfelett dev Stadhelhäuter 333.
332.
Ralmar, Amerifaniicher 608.
— sliegender 610.
— Genteiner 608.
— Surzfloffiger 610.
— Nordiiher 608.
Kalmare, Echte 607.
Kanıeen 460.
SKanınıkienter 422.
Kann -Mufchel 535.
Kann -Mufcheln 533.
Kanımjeejtern 375.
Kaempfferia kaempfferi 695.
Kappenjchnede 440.
Rappenwurm 265.
Kapieltierhen 23.
Karinarien 443.
Karpfenläuje 657.
Kauriihnedte 459.
Kegelichnede 457.
Kehlfüßer 669.
Keimichlaud) der Digenea 212.
Rellerafjel 665.
Kerbenmaul 497.
KRerndualismus der Infuforien 58.
Kernfäule der Weberfarde 255.
Kettenbildung bei Dligochäten 299.
Kettenwürnmer 199.
Keulenpolyp 112.
Kiefenfüke 642.
Sieferegel 300.
Kieferfühe 625.
Stielfüßer 442.
Kienen der Mufcheln 514.
Kienienblätter der Mujcheln 509.
Kiemenfüße 639.
Kiemtenloje 515.
Kinkhorn 452.
Kinorhyncha 248.
Stladozeren 644.
Klaffmujchel 564.
Hlappınujchelr 536.
Kleinmäuler 199.
stleijterälchen 251.
Selettenholothurie 350.
Stletterjeeigel 368.
Klöppelglöcthen 67.
Senidozyiten 3.
709
| Senollenfalkjchivänmte 81.
Stnojpenitrahler 339.
Knojpung der Einzeller 4.
Sinötchentranfheiten der Stiche 55.
56.
Kofosräuber 690.
Stofzidiarien 52.
Stometenfornen Der Seejterne 374.
Kommpakqualle 124.
Königsholothurie 355.
Konjugation der Einzeller 4.
Koonunga cursor 670.
Kopepoden 651.
— Chhte 652.
Stopffüger 577.
Kopfringler 283.
Kopulation der Einzeller 4.
Koralle, Echte Schwarze 135.
— Unedte jhwarze 177.
— Weiße (Isidella) 136.
— — (Lophelia) 161.
Korallenfiicheret 133.
Storallengallen 159.
Korallenriffe 166.
Korkihwänmte 89.
Kotihinhhinadiarrhüe 252.
Krabben 691.
Srabbenajjeln 664.
Stragengeihler 43.
Strafe, Geneiner 592.
Strafen 592.
Straßer 271.
Krebsaugen (Srebsiteine) 623.
Ktrebie 620.
— Eigentliche 670.
Sreb3peit 686.
Krebsiteine 623.
Streifel, Bapuanijcher 428.
Kreifelforallen 159.
Kreijelichnede 497.
Kreiswirbler 320.
Kribrifornte Organe 374.
Serinoiden, Gejtielte 345.
— lIngejtielte 341.
Krijtällhenambe 21.
Kriltalffiichchen 246.
Krittallitiel der Mufcheln 513.
Seeonenjchnecichen (Doto) 494.
Kronenjchneden (Melanidae) 439.
Krullhorn 452.
Kryptoplaziden 401.
Kucdenmufchel 519.
Kugelajjel 664.
Kugelmufhelr 544.
Kugeljchneite, Gemeine (Acera bul-
lata) 487.
Kugeljchneden (Ampullaria) 439.
Kugeltierchen 245.
Kumazeen 671.
Kurzihwänze 691.
Küftenhüpfer 667.
Kültenriffe 171.
Kutikula der Würnter 189.
Labidoplax digitata 350. 352.
Zaceration der Aktinien 143. 154.
Lacinularia socialis 245.
710 Sadregiiter.
Lacrymaria olor 62. Leuchtfrebs 678. | Lobata 181.
Lacuna divaricata 436. Leuchtorgane der Kopffüßer 612. | Lochwürmer 209.
Laemadipeda 669. Leuchtqualle 123. Loffeltierchen 246.
Lamblia intestinalis 48. Leuchttierhen 49. ' Loliginidae 607.
Lamellaria 447. Leuchtiwaljer 45. Loligo forbesi 608.
Yamellariiden 447. Leueochloridium paradoxum213. — pealii 608. 618. 619.
Lamellibranchia 507. | Leuconia aspera 81. | — vulgaris 608.
Lamproglena pulchella 656. Leuconidae (Sinollenfalfiwänt- | Lophelia prolifera 161.
Landajjeln 665. | ne) 81. | Lophocalyx philippensis 84.
andblutegel 303. — ($trebsfamilie) 671. Lophogastridae 672.
Lanpddecelichnecden 431. Leueon-Typus der Schwänmte 76. | Lophohelia prolifera 161.
Landfrabben 700. Leucosiidae 693. ' Lophopoda 318.
Landnnemertinen 237. Levantiner Lappen (Schwannm) | Lophopus crystallinus 319.
Landplanarien 206. 95. Loricata (Gruppe der Nüäpdertiere)
Zandtricladen 205. Leydenia gemmipara 25. 240. 246.
Yangichwänge 675. Tiebespfeile der Schnecen 480. — (Banzerfrebje) 679.
Yangqujte, Gemeine 679. Tigamtent 510. Loxosoma neapolitanum 524.
Lanice conchilega 285. Ligia oceanica 664. — singulare 324.
Zanzenjeeigel 362. Lieiidae 664. _ Lucernaria 122.
Yanzettegel 217. Ligula simplieissima 225. Lucernariidae 122.
Yanzettichnecfe 496. Lima hians 535. Lucifer typus 678.
Lapides cancrorum 636. ı Linraciden 477. Nuciferate 568.
Lartetia 437. Limacina 502. Luciferin 568.
Latenzeier der Wafjerflühe 644. — helicina 503. Luesjpivochäte 39.
Laterne des Ariitoteles 361. | Limax 477. uftrögrenwurnt der Bögel 265.
Latreillopsis bispinosa 695. | — agrestis 480. Lumbricidae 293.
Laverania malariae 52. — arborum 473. Lumbricus herculeus 294. 296.
Lazarusklappe 536. — laevis 482. — rubellus 296.
Leachia cyclura 612. — maximus 472. 478. 480.481. | Zungenqualle 126.
Leander adspersus 677. 483. ı Lungenjchnecen 464.
— squilla 677. — tenellus 478. Lungenwürnter 269.
— xiphias 678. Limifossor 394. Lycoridae 277. |
Leberegel 214. Limivora 289. Lycoteuthis diadema 611. 613.
Leberfofzidiofen 54. Limnaea 467. Lympbhangitis 258.
Lederigel 368. — auricularia 470. Eymphharnen 258.
Lederihwanint 87. — palustris 470. Lymphvaricen 258.
Leibeshöhlenwiirnter 192. — stagnalis 471. Lysidice 278.
Lentospora cerebralis 55. — truncatula 470.
Lepadidae 659. Limnadia hermanni 644. Macgillivrayia 451.
Lepas anatifera 659. — lentieularis 644. Macrochira 695.
Lepidoderma squamatum 248. Limnadidae 643. Macromysis 671.
Lepidomenia 393. ı Limnatis sranulosa 303. Macrostomum appendiculatum
Lepidurus productus 642. — mysomelas 303. 201.
Lepralia pertusa 322. | Limnetis brachyura 644. Macrothricidae 647.
Zepralien 317. | Limnocnida 116. Macrura 675.
Leptodera appendiculata 253. Limnocodium sowerbii 116. — natantia 679.
Leptodiscus medusoides 49. Limnoria lignorum 664. — reptantia 679.
Leptodora hyalina 648. — terebrans 664. _ Mactra inflata 565.
— kindtii 648. Lineidae 235. Madenwurn 267.
Leptodoridae 647. 648. Lineus longissimus 235. Madrepora 164.
Leptomedusae 114. Lingula anatina 331. Madreporaria 155.
Leptometra phalangium 343. | — pyramidata 331. Weadreporenplatte 337.
Leptomysis mediterranea 672. | Xinguliden 331. Magilus antiquus 455.
Lepton longipes 577. Lionutus anser 61. i Deaiglöcchen (Infujor) 69.
Leptoplana pallida 207. Liothyrina vitrea 828. Maja squinado 694.
— tremellaris 207. Lippenzähnchen 60. | — verrucosa 694.
Leptostraca 662. Lithodomus lithophagus 523. _ Majidae 694.
Leptosynapta inhaerens 350. Lithomespilusflammabundus35. | Mafrofporen der Nadiolarien 35.
— minuta 350. Lithothrya 660. , Malacobdella 236.
Lernaeidae 656. Litiopa 436. | — grossa 237.
Lernanthropus eisleri 656. | Litorina coerulescens 435. Malacocotylea 212.
— krögeri 656. — littorea 434. Malacostraca 662.
Lernaeocera cyprinacea 656. — obtusata 435. - ı Malariaparalit 52.
— esocina 656. — petraea 438. Maldanidae 281.
Lernaeopodidae 656. — rudis 435. NMalermuichel 551.
Lestrigonus 668. Litoriniden 433. Malleus 536.
Leuchten dev Schlangeniterne 384. | Loawurm 258. | Meandibelr 625.
Mantel der Mufcdheln 508.
Nantelhöhle der Schneden al7.
Mantelperlen 556. Be
Margaritana 544.
— margaritifera 548.
— sinuata 548.
Marginellen 456.
Marsenia 447.
Marseniopsis 447.
Masfenfrabbe 695.
Mastenfrabben 694.
Mastigamoeba 23. 40.
— aspera 23. 39.
Mastigophora 37.
Mastigoteuthis hjorti 612.
Wauerafjeln 665.
Mauerplatteder Steintorallen156.
Maulbeerchen (Infufor) 45.
Maulfüßer 673.
Marxillen 625.
Marillipeden 625
Medina-Wurnt 258.
Medufen der Hydroidpolypen 108.
Medujenhaupt 346.
Medufeniterne 387.
Meerleuchten 48. 49.
Meerleuchttiecchen 49.
Meerorange 87.
Meeripinnen 694.
Meerzahn 403.
Megalopa 692.
Megalotrocha alboflavicans 245.
Megascolecidae 297.
Megascolex enormis 297.
Melania 439.
Welaniden 439.
Melanopsis 439.
‘ Melanoteuthis lucens 601.
Meleagrina 536.
— margaritifera 537.
Melibe 497.
Melicerta ringens 245.
Melicertidae 245.
Melvnenqualle 185.
Membranipora pilosa 322
Membraniporidae 322.
Menjchen- Grubenfopf 226.
Mermis albicans 257.
— nigrescens 297.
Mermitidae 256.
Merozoiten der Coccidiaria 52.
Mejenterialfilanente 128.
Mesostoma 197.
— ehrenbergii 194. 197.
— tetragonum 194. 197.
Mesozoa 177.
Metacrinus rotundus 345.
MetameriederNingelmürnter 274.
Metamorphoie der Srebie 631.
Wetazoen 73.
Metridium dianthus 153.
— mareinatum 154.
Mierohydra ryderi 107.
Micropharynx parasitica 206.
Microplana humicola 205.
Microscolex phosphoreus 297.
Microsporidia 56.
Sayregiiter.
Microstomidae 199.
Microstomum lineare 199.
Midasohr 469.
Mieiherihe Schläuche 56.
Miesmuifcel, ebare 519.
| Mikeofporen der Radiolarien 35.
| Mikrojporidien 56.
Miliolitenfalf 31.
Millepora nodosa 111.
Milleporiden 111.
Minyadidae 154.
Miracidium 212. 215.
Miratesta 469.
Mitra episcopalis 437.
— papalis 457.
Mitrafchnede 457.
Mittelfrebje 637.
Modiella 523.
' Modiola barbata 522
— ]Jutea 522
Modiolaria 523.
Moina 647.
Mollusca 388. -
; Molluscoidea 314.
Molpadia musculus 357.
; Molpadiidae 356.
| Dionaden 40.
Monas vivipara 40.
Monaxonida 87.
Moneren 2.
Moniezia expansa 232.
Monoeystidea 51.
Monoecystis lumbrici 51.
— tenax 5l.
Monogenea 209.
Monogononta 245.
Monomparier 511.
Monopylea 36.
Monoraphis chuni 85.
Monosiga 43.
Monostomidae 219.
Monostomum flavum 219.
— mutabile 219.
Monothalamia 28.
Monstrillidae 655.
Montacuta substriata 576.
-Moosihraube 474,
Moostiere 315.
Moschites 597.
— aldrovandi 598.
— ceirrosa 598.
— moschäta 597.
Moicyustrate 597.
Mitllerfche Yarve 188. 207.
Mundlappen von Mufcheln 511.
Murex 452. 453.
— brandaris 453.
— fortispina 454.
— tenuispina 454.
Mujchelfreund 678.
Mujchelgeld 459.
Mufchelfrebje 649.
Mufcellinge 314.
Mufcheln 507.
Mufceltierhen (Snfufor) 68.
Mujhelwächter 699.
ı Musfeltrichinen 260.
711
Meisenjchneden 440. 462.
Mya arenaria 564.
Myonenten der Eingeller 3.
Myopfiden 603.
Myrianida 292.
—— fasciata 279.
Mysidae 671.
Mysis 671.
— oculata 672.
— relicta 672.
Miyfis- Stadiunt der Krebslarven
631.
Mytilidae 519.
Mytilus edulis 519.
— margaritifer 537.
Myxidium lieberkühni 55
Myxobolus eyprini 55.
— pfeifferi 55.
Myxosporidia 55.
Myzomenia 393. 396.
Myzostoma gigas 293.
Myzostomidae 293.
Vabeljchnecle 445.
Nacella 427.
Nactaugenkalnıare 610.
Nacdtkienter 493.
Jactichneden 476.
— echte 465.
Nadeljchneden 448.
Nagana 42.
Nahrungsvafuolen 2.
Nährzone der Rneumatophoriden
117.
Jaide, Gezüngelte 298.
— Zungenlofe 298.
Naididae 298.
Nais elinguis 298.
— proboscidea 298.
Kajaden 54.
. Napfichnecen (Ancylus) 467.
— (Patella) 424.
Nafentierchen 61.
Nassa 452.
— camelus 459.
— reticulata 452.
Nassellaria 36.
Nassula 60.
— aurea 61.
— elegans 61.
— ornata 61.
— rubens 61.
Natica josephina 445.
— reticulata 447.
Nauplius 631.
Nautilusmacromphalus 590.591.
— pompilius 588. 591.
— umbilicatus 591.
Nebalia geoffroyi 663.
Nebelglöcdchen 69.
Necator americanus 264.
Nectochaeta 290.
Nelfeniwurn 224.
Nematocareinus gracilipes 678.
Nematodes 249.
Nematomorpha 269.
kematozyiten 3.
712
Nemertini 232.
Neomenia 391.
— corallophila 396.
Neomysis vulgaris 671.
Neotenie 247. 506.
Nephelis vulgaris 300. 303.
Kephridien der Ningelwürmer |
191. 274.
Nephrops norvegicus 683.
Neptunea 452.
Neptungehirn 162.
Veptunsbecher 89.
Nereis cultrifera 277.
— diversicolor 277. 290.
— dumerilii 278.
— fucata 289.
— succinea 289.
Nerita 427.
Neritina 497.
— fluviatilis 428.
teifelfapjeln bei Strudelwürmern
194.
— der Neffeltiere 100.
— der Siphonophoren 117.
Nejjelorganellen 3.
Nefjjelqualle, Blaue 125.
Nejjeltiere 100.
Kejjelvarzen der Leuchtquallen
123.
Nejjelzellen der Nefjeltiere 100.
Negkienter 431.
Vesforalle 317. 322.
Neumwelt-Hakenwurnt 264.
Nica edulis 622.
Nierentierchen 60.
Niphargus 667.
Noctiluca miliaris 49.
Nomostraca 662.
Nosema apis 56.
— bombyeis 56.
Noteus quadricornis 246.
Notodromas monacha 651.
Notommata aurita 246.
Notommatidae 246.
Notopoda 692.
Nucula 511. 517.
Nuda 185.
Nudibranchia 49.
Vunmmuliten 10.
Nunmmulitenfalf 31.
Nunmulitiden 29.
Nugihwänne 94.
Nyctotherus faba 66.
Oecistes pilula 245.
Octanthida 129.
Octopoda 59.
Octopodoteuthis sieula 611.
Octopus 592.
Deuliniden 160.
Ocypode 699.
Ocypodidae 699.
Ocythoe tuberculata 601.
Odostomia 462.
Dgopfiden 610.
Ohrenpantoffeltierchen 60.
- Obrenqualle 125.
Sadregtiter.
Dftopoden 592.
Oligochaeta 293.
Oligocladus sanguinolentus 208.
Oligotricha 67.
Oliva 457.
— maura 456.
— nana 459.
Ollulanus trieuspis 264.
Ommatocampe nereis 35.
ÖOmmatostrephes sagittatus 610.
Oncholaimus 250.
Oncidiella celticum 466.
Oneidiopsis 447.
Oneidium celticum 466.
ÖOncosphaera 221.
Oniscidae 665.
Oniscus asellus 665.
— murarius 665.
Onuphis 278.
ÖOnustus 442.
Önychoteuthis banksii 611.
Dücien 322.
Dnfinet 52.
Opalina ranarum 63.
Opercularia nutans 70.
Operkulun: der Schneden 415.
Ophiactis virens 385.
Ophiocoma nigra 385.
Ophioderma lacertosum 382.
Ophiomyxa pentagona 386.
Ophiopsila annulosa 383.
— aranea 383.
Ophiothrix fragilis 386.
Ophiura albida 383.
— ciliaris 382.
Ophiuroidea 380.
Ophryoscolecidae 67.
Ophryoscolex purkinjei 67.
Ophthalmophoren 626.
Opisthioglyphe endoloba 217.
Opisthobranchia 485.
ÖOpisthoporus 432.
Opisthostoma 432.
Opisthoteuthis 602.
— agassizii 603.
— depressa 603.
Orbulina 30.
Örchestia bottae 668.
— gammarellus 667.
— littorea 667.
Drganellen der Einzeller 3.
Orgelforallen 131.
Örthoceras 591.
Orthonectida 177.
Dsceulun 75.
Dsniofe 219.
Dsphradium der Mufcheln 512.
os sepiae 604.
Ostracoda 649.
Dftrafun 411.
Ostrea 555.
— edulis 524.
virginica 533.
Ostreidae 524.
Ditieegarnele 677.
Ditieefrabbe 677.
Otomesostoma auditivum 201.
Dpicellen 322.
Oxyrhyncha 694.
Oxystomata 693.
.Oxytricha. fallax 68.
Oxyuris vermicularis 267.
Pachydiscusseppenradensis588.
Paedoclione 506.
Bagode (Schnede) 428.
Paguridae 697.
Pagurus prideauxi 689.
— striatus 690.
Palaemon fabrieii 677.
— serratus 677.
— squilla 677.
Palaemonetes varians 678.
Palaena 432.
Palaeoctopus 599.
Palinurus vulgaris 679.
Balifadenwurm 264.
Pallasea quadrispinosa 672.
Pallasiella 672.
Balnıendieb 690.
Palmipes membranaceus 377.
Balolo, atlantijcher 279.
— japanifcher 279.
—- pazifiicher 279.
Balolowurn 278.
Paludestrina 437.
Paludicella 319.
— ehrenbergiü 321.
Paludicellidae 321.
Paludina 437.
— achatina 438.
Balıdismus 52.
Palythoa fatua 173.
Pandorina 47.
— morum 45.
PBanfporoblajten 55. 56.
Bantoffelichnere 440.
Bantoffeltierchen 4. 15. 59.
— Geihwänztes 59.
Panzergeißler 47.
Banzerfrebfe 679. 681.
PBanzernoo3 45.
Bapierboot 599.
PBapjtfrone 457.
Papulae 373.
Paracentrotus lividus 366.
Parachordodes tolosanus 270.
Paractinopoda 350.
Paragonimus westermani 216.
Parmacella 476.
Paramaecium 15. 59.
— aurelia 4. 60.
— bursaria 60.
— caudatum 59.
— colpoda 60.
— putrinum 60.
Paramphistomidae 219.
Paramphistomum subelavatum
219.
Parapagurus pilosimanus 174.
Barapodien der Bielboriter 275.
Paraseison asplanchnus 245.
Parasita (Schntarogerfvebje) 654.
| Parechinus miliaris 867.
Parthenogenefe, Künjtlihe, der
Seeigeleier 362.
Patella algira 424.
— pellucida 426.
— vulgaris 424.
Batuliden 480.
Barillen 374.
PBebrine 56.
Pecten opercularis 535.
Pectinidae 533.
Pectunculus pilosus 518.
Pedalidae 246.
Pedalion mirum 246.
Pedicellina echinata 322. 324.
Pedipes afer 469.
PBedizellarien der Seeigel 360.
. — der Geeiterne 335.
Beitjehenmwiurnt 262.
Pelagia noctiluca 123.
Pelagonemertes moseleyi 236,
Pelagonemertidae 236.
Pelagothuria ludwiei 353.
— natatrix 353.
Belefansfuj 449.
Pellicula der Einzeller 3.
Pelmatohydra braueri 103.
— oligactis 103.
Pelmatozoa 339.
Pelomyxa palustris 22.
Peltogaster paguri 662.
Penaeidae 678. ;
Pennatula phosphorea 138.
Pennatulacea 136.
Pennella sagitta 656.
Pentacrinus caput medusae 346.
— europaeus 340.
Peracle 503.
Perforata 163. %
Beridineen 48. {
Peridinium tabulatum 48.
Perigonimus repens 114.
Berioitrafum 411.
Periphragella elisae 84.
Periphylla regina 123.
Beriproft 359.
Peripylea 36.
Beriiton 359.
Peritricha 68.
Berlboot 588.
Berlen 555.
Berlentierchen 63.
Berhnujcel, echte 537. 548.
— Fluß: 544.
Berjpektivjchnerfe 460.
Betaloide 371.
Petricola pholadiformis 558.
Bfeffermufchel 558.
PBfeilfahnar 610.
Pfeilwürner 311.
Pfeilzüngler 423. 457.
Bferdeaftinie 144.
Pferdeegel 303.
Bferdehufmujchel 555.
Pferdefhiwanmt 95.
Pferdeiterben 55.
Bfriemenfhiwanz 267.
Phagochten 128.
Sadregiiter.
Phagocytoje 77.
Phaeodaria 36.
Phascolosoma vulgare 309.
Phasianella 427.
Philine aperta 487.
Philodina roseola 244.
Philodinidae 244.
Pholas dactylus 566.
Phormosoma 363.
Phoronidea 314.
Phoronis psammophila 314.
Phorus 442.
Photodrilus 297.
Phreoryctes 297.
Phronima sedentaria 669.
Phronimidae 668.
Phylactolaemata 318.
Phyllirhoe 500.
Phyllodoce laminosa 279.
— paretti 280.
Phyllodocidae 279.
Phyllophorus urna 358.
Phyllopoda 639,
Phyllosoma 680.
Phymosoma granulatum 309.
Physa 467.
Physalia arethusa 119,
Physophora hydrostatica 118.
Phytomonadina 45.
Bier (Sandiwurn) 280.
Pilema pulmo 126.
Bilgermufchel 535.
Pilidium 233.
Pillenorgan don Melicerta rin-
gens 245.
PBilzkorallen 162.
Pinna 540.
— squamosa 541!
Pinnoctopus cordiformis 599.
Pinnotheres pisum 699.
— veterum 699.
Pinnotheridae 698.
Pinnulae 339.
PBiroplasııen 54.
Pisa armata 694.
— tetraodon 694.
Piscicola geometra 306.
Pisidium 544.
Placophora 397.
Placuna 555.
— placenta 519.
Plagiostomidae 201.
Plagiostomum lemani 201.
Planaria 192.
— alpina 203. 204.
— gonocephala 193. 203. 204.
— lugubris 203.
— maculata 202.
— polychroa 203.
— torva 203.
Planktomya 558.
Planocera folium 207.
Planorbis 467.
— corneus 471.
— nitidus 469.
Planula-Zarven von Aurelia 125.
Planuloidea 177.
715
PBlasına 1.
Plasmodium malariae 52. 53.
— praecox 54.
— vivax 32.
Plathelminthes 192.
Platoum stercoreum 25.
Blattiwiirnter 192.
Platyetenida 183.
Blaßregenjchnece 468.
Plerozerkoiden 226.
Pleurobranchaea 491.
Pleurobranchus testudinarius
AN.
Pleurotoma 457.
Pleurotomaria 426.
Ploima 245.
Plumatella fungosa 319.
— repens 319.
Plumatellidae 319.
Pluteus-Zarven der Geeigel 362.
Pneumoderma 505.
Pneumodermatiden 505.
Tocdenkrankheit der Ktarpfen 55.
Podactinelius sessilis 36.
Podoceridae 668.
Podocyite von Chrysaora 124.
Podon intermedius 648.
Podophrya fixa 71.
— libera 71.
Podophthalmata 670.
Podozyite 482.
Bolfelvder der Ctenophoren 180.
Boliihe Blajen 336.
Pollicipedidae 660.
Pollicipes cornucopia 636.
Polyarthra platyptera 246.
Polybostrichus 291.
Polycelis cornuta 203. 204.
— nigra 203.
Polychaeta 275.
Polycladida 207.
Polycystidea 51.
Polymastigina 43.
Polymnia nebulosa 287.
Tolypen, Adhtitrahlige 129.
— Sedhjsitrahlige 140.
Polypenlaus 68.
Polyphemidae 647.
Polyphemus pediculus 647.
Polypid 815.
Polypodidae 59.
Polypus defilippü 597.
— digueti 618.
— groenlandicus 597.
— lentus 597.
— macropus 597.
— piscatorum 597.
— vulgaris 592.
Polystomellasstriatopunetata 29.
Polystomidae 210.
Polystomum integerrimum 211.
Polythalamia 28.
Pomatias 432.
Bontelliven 653.
Pontobdella muricata 305.
Pontolimax capitatus 496.
Pontonia tyrrhena 678.
714
Pontoporeia affinis 672.
Pontosphaera huxleyi 45.
Porcellana platycheles 691.
Porcellio scaber 665.
Borentterchen 29.
Poritera 73.
Porites 165.
Borocyten 77.
Poromya 576.
Porpita umbella 120.
Borre 676.
Portunidae 696.
Portunus holsatus 696.
— puber 696.
Borzellanfrebs 691.
Borzellanfchnecen 448.
Bojthörnchen 609.
Potamobius astacus 683.
— leptodactylus 684.
-—- pallipes 684.
-— torrentium 684.
Potamon fluviatile 698.
Pourtalesia laguncula 371.
Pranizidae 664.
Praunus flexuosus 671.
Praxilla collaris 281.
Priapulidae 310.
Priapulus caudatus 310.
Priapus equina 144.
Brideaur’ Einfiedlerfrebs 689
Proales parasita 246.
— petromyzon 246.
Procerodes lobata 207.
Proflagellata 37.
Proglottiden 220.
Prorodon teres 62.
Prosobranchia 422.
Prosorhochmidae 237.
Prostheceraeus vittatus 208.
Prostoma clepsinoides 237.
— eilhardi 238.
— graecense 238.
— lacustre 238.
Prostomatidae 237.
Protancylus 469.
Proteosoma 54.
Protobranchia 517.
Protobrandien 514.
Protomonadina 40.
Brotoplasnıa 1.
Brotoitonier 334.
Protozoa 1.
Psammechinus microtubereula-
tus 368.
Pfeudoconcha 501.
Pseudocorallium elatius 134.
— johnstoni 134.
Pseudolamellibranchia 514.523.
eudontetanerie 207.
Bieudonadizellenzyjten 51.
Bieudopodien 3.
Pseudotheeosomata 501.
Psolus antareticus 358.
- ephippifer 358.
- squamatus 358.
Bjorojpernien 55. 56.
Psychropotes longicauda 353.
Sadregiiter.
Piychropotiden 353.
Ptenoglossa 423. 460.
Pteroceras 449.
Pterocyclus 432.
Pteroides griseum 139.
Pteropoda 500.
Pterosoma 443.
— planum 236.
Pterotrachea 443.
Pulmobranchia 468.
Pulmonata 464.
Pulp 592.
Pupa muscorum 474.
Bupiden 474.
Bupinellen 432.
' Burpur 455.
Purpura 452. 453.
-— lapillus 454.
Burpurroje 144.
Burpurfchnece 452. 453. 454.
Burpurjtern 377.
Pyramidella 462.
Pyrodinium bahamense 48.
Pyroteuthis margaritifera 611.
Pyrula decussata 451.
Quadrilatera 698.
Quallen, eßbare 127.
Uuallenflohfrebs 668.
Duartanfieber 52.
Duefe, Quefenbandwurnt 229.
Quotidianfieber 52.
Rüderorgan der Rädertiere 240.
Nüdertiere 238.
Jadtaltuben der Schwänmte 76.
Hadiärkanäle der Hydromedufen
108.
Radiolaria 34.
Nadiolarien, Süßwaifer- 31.
Nadula der Aplafophoren 392.
— der Schnecden 419.
Nandanfer der Becherquallen
122.
Nanfenfüßer 657.
Rapaces 289.
Najenforalle 161.
Nafpel der Schnecken 419.
Rathonisia 466.
Naublungenjchneden 478.
Nedien 213.
Neduktien 80. 93.
Neduktionen bei Schwänmen 80.
Regadrella 83.
Jtegelfrebie 662.
Negenerationspermögen der Akti-
nien 143.
— der Strebfe 633.
— der Nhabdocölen 199.
— der Geeiterne 375.
— bon Hydra 107.
Jegenwürnter 293.
Jtektaldrije der Grabfüher 406.
Retepora cellulosa 317. 322.
Neufenjchnecde 452.
Neufentierchein 60.
Rhabdamminidae 26.
Rhabditis- Zorn der Anguilluli-
den 251.
Rhabditis schneideri 251.
Rhabdocoelida 197.
Nhabdoide der Strudelwiirner
194. }
Rhabdonema-gorn der Angquillu-
(iden 251.
Rhabdonema strongyloides 252.
Rhachiglossa 423. 451.
NHachiszahı 423.
Nhinophoren 485.
Rhipidoglossa 423. 426.
Rhizocephala 660.
Rhizochilus antipathum 454.
Rhizoerinus lofotensis 346.
— verrilli 346.
Rhizomastigidae 40.
Rhizopoda 17.
Rhizosphaera leptomita 35.
Rhizostoma octopus 126.
— pulmo 126.
Rhizostomata 126.
Rhizota 245.
Rhodope 496.
Rhopalodina heurteli 358.
Rhopalomenia aglaopheniae
395. 396.
— gorgonophila 395.
| Rhopilema esculenta 127.
Rhynchobdellidae 304.
Rhynchodemus bilineatus 204.
— terrestris 204.
Rhynchonella psittacea 330.
Rhynchonellidae 330.
Rhynchoteuthion 610.
Niemtenmwurnt 225.
Niefenfrabbe, Japanijche 695.
Niefentraßer 272.
Niefenmuichel 563.
Niejennujchelfrebs 651.
Jiejennufceln 555. 562.
Jiejentierchen (Infujor) 61.
iefentintenfische 586.
Niffforallen 155.
Ninderbandivurn 228,
Jiindermalaria 55.
Jüingelfvebje 663.
Jingelvoje 146.
Ningelwürmer 275.
Jingfanal der Hydromedufen 109.
Ningwinperer 68.
Jippenquallen 177.
Rissoa 437.
Nifjoiden 436.
Jitterfrebie 679.
Nochenegel 305.
Johrenholothurie 354.
Johrenmufchelhr 566.
Nöhrenwitrnihen 297.
Jollafiel 665.
Rossia 604.
Koitellumt 220.
Notalien 10.
Rotatoria 238.
Jotatorien, Egelartige 244.
. — reifchiwinmtende 245.
Notatorien, Gepanzerte 246.
—- Klopftragende 244.
— Sprungbeinige 246.
— Ungepanzerte 245.
— Wurzellappige 245.
Noter Schnee 45.
Rotifer vulgaris 239. 244.
Rotifera 238.
übennentatode 255.
Nücdenaugen 246.
Nücdenfüher 692.
Nüdenfchulp der Kopffüher 588.
Nückfallfieber 38.
Nuderfüher 651.
Jruderjchnecen 500.
— Beichalte 501.
— Nackte 504.
Nuhr der Bienen 56.
— Note, des Kindes 54.
Jundfrabben 693.
Jundmund 497.
Nundmwürner 249.
Jütjelegel 304.
Nüffelinfuforien 61.
Küffelfrebschen 647.
Nüffelqualle 116.
Jrütjelwädhen 239. 244.
Kufjtiher Krebs 684. -
Sabella unispira 288.
Sabellaria alveolata 284.
Sacconereis 291.
Saceulina carcini 661.
Sadfalfihwänmte 81.
Sadfvebs 661.
Sagartia parasitica 148.
— troglodytes 152.
— undata 152.
— viduata 152.
Sügegarnele 677.
Sagitta bipunctata 312.
— hexaptera 312.
Saitenwürmer 269.
Salinentientenfuß 640.
Salmacina 290.
Salzfrebschen 640.
Sanıtfrabbe 696.
Samtmujchel 518.
Sandalenjchhnede 440.
Sanddollar 370.
Sandfloh 667.
Sandforaminiferen 26.
Sandgarnele 676.
Sandhüpfer 667.
Sandfrabben 699.
Sandwurn, Öemeiner 280.
Sanft Beters Schifflein 120.
Saphirkrebschen 654.
Sapphirina fulgens 654.
— ovatolanceolata 694.
Sarcoeystis miescheriana 57.
— muris 57.
— tenella 57.
Sarcosporidia 56.
Sartode 1.
Sattelmufchel 518.
Sauginfuforien 71.
Sadregiiter.
Saugnäpfe der topffüßer 578.
Saugmwürnter 209.
Säulenglöcdchen 70.
Saunriffe 171.
| Saxicava rugosa 558.
Scalariiden 460.
Scaliden 460.
Scapholeberis mucronata 646.
Scaphopoda 403.
Scarabus imbrium 468.
Scaeurgus 599.
Schale der Mufcheln 515.
Schalenbildung bei den Slüfer-
Ichneden 398.
— bei den Schneden 411.
Schalendrüje der Malakojtrafen
629.
Schalenfrebje 670.
Schalenperlen 556.
Schaltiere 620.
Schantfvabbe 693.
Schaumjtrahltiere 36.
Sceibenquallen 121.
Scheidenntuichel 565.
Scheimfüchen 3.
Scheren der Strebje 625.
Scherenfrebie 681.
Scherenjchiwanz 668.
Sciffsboot (Nautilus) 588.
Sdiffswurnt (Teeredo) 568.
Scildrädertier 246.
Schinfermufcel 540.
Schirmglöcchen 70.
Schistocephalus nodosus 225.
Schistosomidae 218.
Schistosomum haematobium 218.
— japonicum 218.
Schizaster 372.
Schizobrachium 505.
Schizochiton 401.
— ineisus 400.
Schizogonie 52. 291.
Schizopoda 671.
Schizopoden-Stadiunt der Sirebs-
Larven 632.
Sclaffrankheit 41.
Schlafiudt der Karpfen 41.
Schlanmtamöbe 22.
Schlammtjchnece 467.
Schlangenjchnede 441.
| Schlangenitern, Brauner 382.
Schlangenjterne 380.
Schleierichnede 497.
Schliegmundjchneden 475.
Schliegmusfeln der Muicheln 509.
5ll.
Schhlingentierhen 37.
— Wurmförmiges 38.
ı Scligfchnede 426.
Schloß der Mufhelichale 516.
Schlundrinneder Dftanthiven 130.
Schmalzüngler 423. 451.
Schniarogerfrebje 654.
Schnrarogerrofe 148.
Schmeljtierhen 25.
Schmußpantoffeltierchen 60.
Schnecdchen (Aımöbe) 22,
715
Schnedchen (Snfufor) 63.
Schneden 409.
Schnecenegel 305.
| Schnirkelfchneden 474. 480.
Schuurwürnter 232.
Schraubfchnede 457.
Scheeitfuß der Strebfe 625.
Schulp der Defapoden 603.
Schmwachbewiniperte 67.
Schwälbcdhen (Infulor) 48.
Shmwänme 73.
Chwanmfijcherei 95. 96.
Schmwänden (Snfujor) 61.
Schwanengänschen Sufufor) 61.
Schwanenhälschen (Snfufor) 62.
Schwanzfäder der Weafruren 675.
Schwänzlinge der Digenea 213.
Schivanzmonade, Hüpfende 40.
Schwarzwaljerfieber 53.
Schiveinefinne 228.
Chiwinmaftinien 154.
Schwinmtafjeln 664.
Schwinmtfrabben 696.
Schwimmfäule der Bıreumatopho-
riden 117.
Schwinmmfchnede 428.
Seintilla 576.
Scirtopoda 246.
Seissurella 427.
Sclerostomum equinum 265.
Sclerothamnus clausii 84.
Scoleciden 192.
Scotoplanes globosa 353.
Scrobieularia 558.
Scyllaea pelaeica 496.
Scyllarus arctus 681.
Scyphomedusae 121.
Scyphopolyp 121.
Scyphojtoma 121.
Scytaliopsis djiboutiensis 137.
Sedhsitrahliehtvänme 82.
Sedentaria 275.
Seeblaje 119.
Seefeder 138.
Seefedern 136.
Seequrfen 348.
Seehaje 491.
Seeigel 359.
— Duntelvioletter 369.
— Epbarer 367.
— Schwarzer 365.
Seefuh 491.
Geelilien 339.
Seentandel 487.
Seentannsliebchen 153.
Seemäufe 276.
Seemoos 115.
Seenelfe 153.
Seeohr 426.
Seeperinufcheln 536.
Seepocken 660.
Seeraupen 276.
Seerofe, Dielhdrnige 147.
GSeerofen 140.
Geejfeife 456.
Seelpinne 694.
Seeitern, Öenteiner 379.
716
Seejterne 373.
Seetricladen 206.
Seewalzen 348.
— eigentliche 354.
Segeltalmare 611.
Segelqualle 119.
Seqmentalorgane der Ningelwür-
mer 274.
Seidenvaupenfranfheit 56.
Seison grubei 249.
Seisonidae 244.
Seitenlinie der Schneden 417.
Seitenorgan der Yadenwiürnter
250.
Seitenfchnabel 60.
Semaeostomata 123.
Semperella schultzei 85.
Sepia, Gemeine 604.
Sepia elegans 606.
— offieinalis 604.
— orbignyana 606.
— peterseni 606.
Sepietta 604.
Sepiola rondeletii 578. 603.
Sepioteuthis lessoniana 608.
Septen der Anthozoen 128.
— der Ningelwürner 273.
Septibranchia 515. 576.
Sergestes arcticus 679.
Serolidae 664.
Serpula vermicularis 287
Serpulidae 287.
Sertularia argentea 115.
Shrimp 676.
Sida erystallina 647.
Sididae 647.
Sidisia fatua 173.
— incrustata 174.
— paguriphila 174.
Siebmulchel 575.
Siebtierhen 29.
Sigaretus 447.
Siliquaria 441.
Simocephalus vetulus 646.
Sinnesorganellen der Einzeller 3.
Sinupalliaten 516.
Siphonalrohr der Mufcheln 515.
Siphonaria 469.
Siphonodentalium lofotense 404.
Siphonophoren 117.
Siphonojtonen 447.
Siphonozoide 133.
Sipunculidae 309.
Sipunculus nudus 309.
Sielettbildungen der Nadivlarien
35. 36.
©felettpolypen 113.
Sfoler 220.
Solarium 460.
Solaster papposus 377.
Solen mareinatus 566.
Solenogastres 191.
Soleolifera 465.
Sonmereier der Wafjerflöhe 644.
Sonmterherbitfieber 53.
Sonnenroje (Nktinie) 153.
Sonnenitern 377.
Sabhregiiter.
Sonnentierhen 31. 33.
Spadella cephaloptera 312.
Spaltfuß der Strebje 625.
Spaltfüßer 651. 671.
Spaltfußfrebfe 651.
Spatangiden 371.
Spermatophore der Kopffüßer616.
Sphaerechinus granularis 369.
Sphäridien 361.
Sphaerium 544.
Sphaeroma rugicauda 664.
Sphaeromidae 664.
Sphaerophrya 71.
— pusilla 72.
— stentoris 72.
Sphaerothuria bitentaculata 358.
Sphaerozoum ovodimare 35.
Sphaerularia bombi 254.
Spifula der Anthozoen 129.
— der Fadenwürnter 249.
Spindeljchnede 452.
Spio 283.
Spiraculum 432.
Spiralmund (Infufor) 63.
Spiralzoid 113.
Spirigera 63.
Spirochaeta dentium 38.
— duttoni 39.
— gigantea 38.
— obermeieri 38.
— pallida 39.
— pertenuis 39.
— plicatilis 38.
— — marina 38.
— stenostrepta 38.
Spirochäte der Frambödjie 39.
— de3 afrikanischen NRückallfte-
bers oder Zedenfiebers 38.
— de3 europäischen NRiücdfallfie-
bers 38.
Spirographis spallanzani 288.
Spirorbis 290.
Spirostomum ambiguum 63.
Spirula australis 609.
— spirula 609.
Spondylomorum quaternarium
47
Spondylus gaederopus 536.
Spongelia’pallescens 97.
Spongiae 73.
Spongilla fragilis 93.
— lacustris 93.
Spongillidae 91.
Spongin 79.
Spongiobranchiaea australis 505.
Sporen der Einzeller 4.
Sporentierchen 51.
Sporogonie der Coccidiaria 52.
Sporozoa dl.
Sporozyiten der Digenea 212.
— der Einzeller 5. 6.
Springtierchen 67.
ı Springwurnt 267.
Sprikwurm 309.
Spulwurnt 267.
Spulwiürmer 249.
Spumellaria 36.
Squilla desmaresti 674.
— mantis 674.
Staatsquallen 117.
Stacdhelhäuter 333.
Stahhelhunmter 679.
Stacelichnede 452. 453.
Statoblajten der Armmwirbler 319.
Statolith der Etenophoren 180.
Stauroteuthis umbellata 602.
Stectmufchel 540.
Steganobrandien 486.
Steimbohrer 558.
Steindattel 523.
Steingarnele 677.
Steintanal der Stachelhäuter 336.
348.
Steinforallen 155.
Steinfrebs 684.
Steinfeeigel 366.
Stelmatopoda 320.
Stenogyra 475.
— decollata 474.
Stenorhynchus phalangium 69.
— rostratus 6%.
Stenostomum 199.
Stenoteuthis bartrami 610.
Stenotreta 601.
Stentor baretti 64.
— coeruleus 64.
— igneus 64.
— niger 64.
— pediculatus 64.
— polymorphus 64.
— roeseli 14. 64.
Stephanoceros fimbriatus 245.
Stephanophyes superba 117.
Sternforallen 161.
Sternleijten der Steinforallen 156.
Sternwiürnter 306.
Stichopus regalis 355.
Stigmata 3.
Stoichactis haddoni 154.
— kenti 154.
Stolonen der MoosStiere 321.
— der Bolychäten 291.
Stomatopoda 673.
Strahlenamöbe 22.
Strahlenfuß 72.
Strahlenfugeltierchen 33.
Strahlenplatten der Steinkorallen
156.
Strahlentierdhen 34.
Strandfloh 667.
Strandigel 367.
Strandfrabbe 696.
Streptocephalus 640.
Streptophiurae 386.
Strombus 449.
— gigas 460.
Strongsylidae 262.
Strongylocentrotus lividus 366.
Strongyloides stercoralis 252.
Strongylus apri 265.
— commutatus 269.
— filaria 265.
— micrurus 269.
— pusillus 265.
StrontiumkrijtallederRadiolavien
34.
Strudeliwürmter 194.
Sturmhaube 450.
Stüglamelle der Hydren 100.
Stylaria lacustris 298.
Stylafteriden 111.
Stylocidaris affinis 363.
Stylocometes digitatus 72.
Stylommatophora 471.
Stylonychia mytilus 68.
Stylotella heliophila 91.
Subderntalräume 77.
Suberites domuncula 89. 91.
— massa 91.
Guberitiden 89.
Subitaneier der Rädertiere 242.
— der Wajjerflöhe 644.
Subradularorgan 392.
Succinea 482.
— oblonga 474.
Suctoria 71.
Sumpfdedelichnede 437.
Sumpffieber 52.
Sumpffrebs 684.
Sunpfmujcel 558.
Sumpfichnede 437.
Curra 42.
Süßmafferfrabben 698.
Süpmafjerlungenjchneden 467.
Süßmwaljermujcdeln 541.
Süßwafjerpolypen 102.
Süßwafjerradiolarien 31.
Süßmwafjerihwänme 91.
Süßwajjeripirochäte 38.
Sühkiwatjertricladen 202.
Sycon giganteum 81.
_ — raphanus 81.
Syconidae 81.
Syeontyp der Shwänmte 76.
Syllidae 279.
Syllis hyalina 291.
— ramosa 292.
— variegata 279.
— vivipara 290.
Symbioje zwiichen Aftinien und
Srebfen 147.
Synapta maculata 350.
— vivipara 352.
Synaptifel der Fungaceen 162.
Synaptula hydriformis 349. 352.
Syncarida 670.
Syncoryne mirabilis 110.
Syneytiun: 79. 196. 335.
Syngamus trachealis 265.
Synura uvella 45.
Syphilisipivochäte 39.
Syphonolaimus 250.
Talitidrae 667.
Talitrus locusta 667.
— saltator 667.
Taenia coenurus 229.
— crassicollis 229.
— cucumerina 231.
— echinococceus 230.
— flavopunctata 231.
Sadregiiter.
Taenia marginata 229.
— mediocanellata 228.
— nana 231.
— saginata 228.
— serrata 229.
— solium 227.
Taeniidae 227.
Taenioglossa 423. 433.
Tapes 557.
ZTäfhhen (Snfufor) 63.
Tafchenfrebs, Großer 698.
ZTafchenfrebie 696.
Zaichenpantoffeltiecchen 60.
Zajter der Wneumtatophoriden
1Lilzfs
Täaubchenihhnede 450.
Tectibranchia 486.
Tegmentun der SKäferfchneden
398.
Teichmufchel 544.
Teleoteuthis caribaea 611.
Telethusae 280.
Zellerjchnede 467.
Tellina 558.
Zellnujchel 558.
Telphusa 698.
Telphusidae 698.
Zelion 662.
Temora 636.
Tentaculata 181.
Tentafel der Kopffüßer 580.
Terebella 285.
Terebellidae 285.
Terebra 457.
Terebratula 328.
Terebratulidae 325. 328.
Terebratulina caputserpentis
328.
Teredo 568.
— fatalis 570.
— navalis 570.
Testacea 23.
Testacella 479.
Tejtacelliden 479.
Testicardines 328.
Tethya lyneurium 87.
Tethymelibidae 497.
Tethys fimbriata 497.
Tetrabranchiata 588.
Tetramitus nitzschei 43.
— pyriformis 43.
— rostratus 43.
Tetrastemma 237.
Tetraxonida 86.
Teufelsfrallen 449.
Teuthis 608.
Terasfieber 55.
Zertularien 10.
Thalamita natator 696.
Thalamophora 23.
Thalassinidae 687.
Thalassopterus 506.
Thaumatolampas diadema 613.
Thaumatops magna 669.
Thaumatopsidae 669.
Thealia crassicornis 147.
Thecidiidae 32).
717
Thecidium mediterraneum 326.
329.
Thecosomata 501.
Thoracica 659.
Thoracostraca 670.
Thriarthra longiseta 246.
Thriarthridae 246.
Thuiaria argentea 115.
Thyca eleeton 462.
Thyone briarens 357.
— rubra 358.
Thyrophorella 476.
Thysanoteuthis 583.
— rhombus 611.
Thysanozoon brochii 208.
Tiara pileata 113.
Tichogonia 541.
Tiedemannia 503.
Tiedenannihe Körperchen 336.
Tintenbeutel der Stopffüker 584.
Tintenfifch, Gemeiner 604.
Tintenfijche 577.
— Ahtarnıige 592.
— Sehnarmige 603.
ZTintenjchneden 584.
Tintinnidae 67.
Tiphobia 489.
Titiscania 422.
Tjalfiella tristoma 184.
Tocophrya 71.
— quadripartita 72.
Todaropsis eblanae 615.
Tonnenflohfrebs 668.
ZTonnenjchnede 450.
Toöpferin (Terebella) 237.
Tornaria-Xarve 313.
TIote- Mannshand 131.
Toxoglossa 423. 457.
Tracheliidae 61.
Trachelius ovum 61.
Tradeopulmmnaten 477.
Trahymiedufen 115.
Tränden (Snfufor) 62.
Trematodes 209.
Tremoctopus violaceus 601.
Trepang 355.
Treponema dentium 38.
— duttoni 38.
— pallidum 39.
— pertenue 39.
— recurrentis 38.
Triaenophorus nodulosus 225.
Trichina spiralis 259.
Trichinella spiralis 259.
Trihinoje der Schweine 262.
Trichocephalus affinis 262.
— erenatus 262.
— dispar 262.
— trichiurus 262.
Trichodina pediculus 68.
Trichomonas batrachorum 43.
— hominis 43.
— intestinalis 43.
— vaginalis 43.
Trichoplax adhaerens 177.
Trichotoxon 480.
Trichotrachelidae 259.
718
Trihozyiten 3.
Trichter dev Kopffüler 582.
Trichterpolypen 70.
Trieladida 201.
— maricola 206.
— paludicola 202.
— terricola 205.
Tridacna elongata 564.
— gigas 563.
TIridalniden 562.
Triforis 448.
Trigonia 518.
Trilobiten 637.
Triops eancriformis 642.
Triopsidae 642.
Tripylea 36.
Tristomidae 209.
Tristomum 209.
— coceineum 210.
— molae 210.
Tritontiden 450.
Tritonium nodiferum 453.
Tritonshorn 450.
Trivia 448.
Trivimm 348.
ITroditen 340.
Trochophora 188.
Trochophora- Streis 188.
Trochophora -Tarven 274. 290.
807.
Trochosphaera
247.
Trochus 427.
— magus 429.
Irocdenjchlaf der Schnecden 476.
Troglocaris schmidti 679.
Irogmufchel 569.
Zeompetentierchen (Snfujor) 14.
64
aequatorialis
Ireöpfehen (Amöbe) 21.
Trypanoplasma borreli 40.
— eyprini 41.
41.
Trypanosoma brucei 42.
— eyansi 42.
— gambiense 41.
— rotatorium 41.
— sanguinis 41.
Irypanojontenfieber 42.
Trypanosomidae 41.
Trypanosyllis 292.
Tietjetrantheit der Huftiere 42.
Tubicola (Borjtenwirnter) 275.
Tubieolae (Roöhrenmufcheln) 566.
Tubifex rivulorum 297.
— tubifex 297.
Tubifieidae 297.
Tubipora hemprichi 131.
Tubiporiden 131.
Tubulanidae 235.
Tubulanus superbus 235.
Tubularia larynx 114.
Tubulariae 111.
Tubulipora flabellaris 322.
— verrucosa 3.
Tubnliporidae 322.
Sadregiiter.
Tunnelfranfheit 263.
Turbellaria 194.
Turbinella 452.
Turbo 427.
— pagodus 428.
QITurmichneden 441.
Turris pileata 113.
QTurritelliven 441.
Tylenchus dipsaci 255.
— scandens 254.
Typton spongicola 678.
Uca 699.
' Udonella caligorum 210.
Udonellidae 210.
Uferjchneden 433.
Umbellula encrinus 137.
Umbonen 516.
Umbrella (Schneife) 489.
Umbrella der Kopffüßer 579.
Ungleichbewimperte 63.
Unio 544.
— batavus 551.
— — consentaneus 55l.
— — cerassus 551.
— —- hassiae 554.
— .— kobeltianus 554.
— — pseudoconsentaneus 554.
— consentaneus 554.
— crassus 549.
— cytherea ceytherea 554.
— pietorum 551.
— — platyrhynchus 551.
— platyrhynchus 548.
— tumidus 531.
Unionidae 544.
Urfiemer 514. 517.
Urnatella 323.
— gracilis 324.
Urogonimus macrostomus 213.
Urticina erassicornis 147.
| Urtiere 1.
Teypanofona der Schlaffrankheit |
Urzeugung 7. 8.
Vaginula 466.
Vahlkampfia 22.
Baluolen, puljierende 2.
Valyata antiqua 438.
Balvaten 488.
Vampyroteuthis 602.
— infernalis 601.
| Bafopulmonaten 477.
Verlchenfchnede 461.
Velella spirans 119.
Beliger der Käferjchnecen 403.
Velodona 599.
Belum der Hydromedufen 109.
Velutina 447.
Venus (Benusnijcel) 558.
Venusfächer 134.
Benusgürtel 181.
Venustörbchen 83.
Benusmufcheln 558.
Veretillum cynomorium 136.
Vermes 187.
Vermetiden 441.
| Vermetus gigas 441.
Vermetus lumbricalis 441.
Veronicella 466.
Berfuh und Jrrtum 13.
Berwachienkiemer 576.
VBibrafeln 322.
Vica 87. 2
Bielauge, Gehörntes 203.
— Schwarzes 203.
Bielboriter 275.
Bielgeißler 43.
Vielminder 210.
Vielzellige 73.
Vierectfrabben 698.
Bierfienter 588.
Bieritrahlihmwännne 86.
Virbius varians 677.
Vitrella 437.
Vitrina 474.
Vivipara fasciata 437.
— vera 438.
Bogelmalaria 54.
Bogelmufcheln 536.
Voluten 456.
Volvocidae 46.
Volvox aureus 47.
-— globator 46. 47.
Vorderkiener 422.
Vortex 201.
Vorticella campanula 69.
— chlorostigma 69.
— convallaria 69.
—- microstoma 69.
—- nebulifera 69.
Vorticellidae 68.
Vorticellinae 69.
Vulsella 577.
Wabenkaltichivänme 81.
Wachösrofe 146.
Waffentterchen 68.
Waldheimia cranium 329.
Walfiihaas 504.
Walfiichläufe 669.
Wallriffe 171.
Walzenjchnede 456.
Wampumgürtel 460.
Wanderniujchel 541.
Wanderzellen der Stachelhäuter
337.
Wappentierchen 246.
Wafjerafjel, Gemeine 665.
Wajjerajjelt 665.
Wafjerflöhe 644.
Waljergefäßiyiten bei Wirmern
191.
— der Saugmürnter 209.
— der Stadyelhäuter 334. 336.
Wajjerfalb 269.
Wafjerlunge der Grabfüher 406.
— der Seegurfen 337. 349.
Wafjerichlängler (Naididae) 298.
Wechjelfieber 52.
Wechleltierchen 18.
— $lafiges 22.
— Landbewohnendes 20.
— Naubes 19.
—- Berzweigtes 21.
a E
Wechieltierchen, Vielgejtaltiges 18.
Wegichneden 477.
Wehrpolypen 111. 113.
Weichrädertierchen 244.
Weichtiere 388.
Weinbergichnede 479. 482. 484.
Reizenälhen 254.
Wellhorn 452.
Wenigboriter 293.
Willemoesia leptodactyla 679.
Winperloje 71. a
Winperrofetten der Ctenophoren
179.
Winmpertierchen 57.
Winferfrabben 699.
Winterdedel der Schnecten 476.
Wintereier der Nädertiere 242.
— der Wafjerflöhe 644.
Rinternofpen der Arımwirbler
319.
Winterfchlaf der Schnecden 476.
Wirbelmoos 45.
Witiwenrofe 152.
Wollfrabbe 692.
Wunderlanpe 613.
Sadregiiter.
: Wırnt= Anemrisnien 265.
Wiirmer 187.
Wurnmtollusten 390.
Wurntregen 257.
Wurmijchnecen 441.
| Wurzelfüßer 17.
Wurzelgeikler 40.
Wurzelfrebje 660.
Xenophorus 442.
Xenophyophora 31.
Yoldia 517.
— Jimatula 512. 518.
BZahnjpirochäte 38.
BZahnwalze 62.
Zebramufcel 541.
Zecenfieber 38.
Zehnfüher 674.
Zeichentierchen 25.
Bellafter 3.
Zellmund 3.
Zentralfapfel der Radiolarien 34.
|
719
Zerfarien 213. 216.
Zimmoffafdwanm 95.
Zizyphinus 429.
Zoantharia 173.
Zota 631.
Zoide der Volychäten 291.
— der Siphonophoren 117.
Boodlorellen 3.
Zodcien der Moostiere 315. 321.
Zooide der Microitomen 200.
Zoothamnium 70.
Booranthellen 3.
‚Zottenplanarie 208.
Zudgänschen (Infulor) 61.
Zungenloje 423. 462.
weiflojjentierchen 67.
Zweigeißelanmdbe 40.
‚Simeiftenter 591.
Zweimaul 217.
Swergigel 370.
Zygophiurae 382.
Zyklonıorphofe 243.
Sylinderroje 175.
Zylimderrofen 174.
ZYiten der Einzeller 5.
4
Abbot 183. 184.
Ydanfon 571.
Agaljiz 170. 173.
Allenıand 97.
Allmanır 314.
Anderfjon 343.
Andres 154.
Ynnandale 103.
pitein 541.
Ariitoteles 586. 614. 616. 620.
. Asbjörnjen 380.
Baglioni 368.
Ball; 137.
Baer, E. vd. 188. 529. 531. 562.
Barett 328. 329.
Yartel3 147.
Bartich 462.
Bauer 180. 377. 446. 463.
Baur, ©. 172.
Bavay 252.
Heer 13.
Bell 697.
Hennet 591.
Bently 15.
Bergh 447. 493.
Bernard 643.
Bethe 13. 626.
Bilharz 218.
Blainvdille 402.
Ylochnrann 22.
Boas 632.
Bohn 136. 137. 145. 195. 434.
Bolau 379.
Donelli 308.
Bonney 172.
Bosntaer 89.
Boulenger 112.
Bourne 431.
Boudier 426.
Braenı 319. 320.
Brandt 146.
Brauer 106.
Braun, M. 21. 51. 223. 226. 233.
957. 261. 622. 643.
Breplau 194. 197. 200.
Bronn 508.
Broofes 678.
Brüel 495.
Brunelli 148. 149.
Buchner 552.
Buddendrod 350. 536.
Buffon 8.
Bujor 136.
Bürger 148. 234. 237.
Biltichli 250.
Namenregiiter.
Carlgren 144. 146. 147.
Carpenter 364.
"Carrington 622. 633. 694. 695.
Carter 320.
Cajtellani 41.
Cepede 379.
Chadwic 357. 367.
Child 176.
Chun 117. 120. 181. 182. 185.
549. 353. 500. 578. 609. 610.
613. 614. 631. 679.
Claparede 290.
Clark 341.-351. 352. 364.
Claus 668.
Glefjin 551.
Eve, R. W. 237.
Kohnheint 360.
Conflin 440.
Cojte 624.
Cotte 97.
Coutiere 365.
Buenot 337. 376.
&uvier 187. 306. 333. 505. 615.
697.
Czepa 48.
Dahl 591. 654. 665.
Dall 462. 576.
Dalyell 285.
Dana 172.
Darwin 172. 295. 658. 660. 690.
Davaine 232.
David 172.
Day 15.
Dean 590. 591.
Degner 621.
Delage, Vve3 361. 362. 633. 661.
662.
Dolap, Maud 124.
Dellinger 19.
Dendy 81.
de3 Arts 385.
Deshayes 566. 571.
Dewiß 634.
Dieffenbach 243.
Doderlein 163. 346. 364.
Doflein, 5. 21. 37. 38. 42. 56. 83.
154. 164. 169. 345. 363. 371.
3887. 621. 626. 678. 695. 696.
Dohrn 357. 369.
Dv’Orbiany 506.
Drew 512. 518. 617.
Dröjcher 622. 686.
Dubois, Raphael 557. 568.
Duerden 155. 159. 164. 165.
‚ Dujavdin 9.
Dunder 154.
Dutton Al.
Ehlers 266. 285. 290.
Ehrenbaunt 622. 676. 677. 682.
Ehrenberg, Ehrijtian Gottfried 9.
30.194. 243. 655.
Eichelbaum 368. 376. 377.
Eifig 283. 366. 688.
Engelmann, W. 3. 10. 11. 24.
Erdmann, Ahoda 57.
Eijig 597.
Evans 41.
Exner 697.
yabricius 306. 671.
Jaurot 149. 150.
Vedichento 258.
Viebiger 215.
Silippi 522. 556.
Fifcher 402. 488. 594. 605. 606.
617.
dlenung 73. _
lenming 545.
Aleure 147.
Yorbes, Henry D. 690.
Yoriter 568.
France 3.
öranz 16. 649. 654.
Sredericq 634.
Srehtag, Oujtav 524.
STriedländer 279. 455.
Fud3 362.
Gaimard 170.
Gamble 195.
Gandolfi-Hornhold 372.
Gardiner, Stanley) 156. 169. 170
Gegenbaur 191. 503. 654. 655.
Geidies, 9. 62.
Gerjtäcter 658.
Geyer 437.
Giesbrecht 623. 674.
Goodcdhild 169.
GSojje 559. 676.
Goethe 642. 692.
Soette, U. 107.
Staff, Ludiw. v. 195. 201. 293.
Srajit 54. 267. 312.
$ravier 137. 156. 157. 159. 169.
175.
Sray 433. 434.
Grieg 386. \
Srinpe 368. 377. 379. 522. 566.
601.
Srube 208. 495.
Sruber, U. 4. 66.
Guilding 403.
GuppY 173.
Guyon 303.
Haas 553. 554.
Haberlandt 196.
Haedtel 36. 74. 81. 166. 188...
Haeder, Balentin 36.
Haddon 154.
Hadzi 101. 103.
Hahnel, Elife 500.
Haller 473.
Hamann 127. 376. .
Hünmpel 667.
Hargitt 112.
Harting 572. 587.
Hartlaub 125. 153. 377.
Hartmıann 21. 37. 51.
Hatichef 177. 571. 574.
Heath 393.
Hedert 214.
Hedlet) 402. 462.
Heidenhain, M. 16.
Heider 153. 162. 175.
Hein 556.
Heinde 606.
Henderlon, 3. R. 691.
Henri 361.
Henfen 697.
Herbit 335.
Herdmann 557.
Hertwig, D. 362.
— R..4. 72.
Heromard 124. -
Heicheler 603.
Hefe 62. 294. 581.
Sekling, v. 536. 537. 538. 556.
Heynons 642.
Hidjon 133. 138. 154. 162.
Hirsch 492.
Hofer 41. 68. 686.
Hoffmeilter, W. 294. 296.
Hornell 557.
Hoyle 578.
Hyatt 624.
Hyndentan 699.
SShering, v. 391.
Snntermann 36.
Sihifawa 66. 107.
Sörael 546. 547. 548. 549. 551.
552. 558. 554.
Safe 93.
Samejon 356. 557.
Satta 578.
Sennings 12. 14. 18. 65. 67. 379.
Sohn 366. 367.
Sohnijton 568.
Sones 157. 170.
— NAymer 279. 287.
— W. 163.
Sordan, 9. 565.
Dofeph 243.
Sourdain 661.
Soyeur-Laffute 467.
Surine 624. 645.
Brehm, Tierleben. 4. Aufl.
Namenregiiter.
Kaffa 16. 142. 358.
Ralltanow 131.
Kayalof 370.
Keeble 195. =
Keferitein 443. 590.
Keiler, U. 22.
Keilhack 646.
Relaart 556.
‚ Kent, Saville 154. 164. 166. 172.
356. 365.
Kerr 125.
Kiaer 161.
Kimalowicz, M. vd. 416. 475. 476.
Kifhinouye 128.
Kodelt 438. 483. 553. 554.
Koch 133. 134. 160.
— Hobert'21. 42. 54.
Koelit 106.
Stoellifer 288.
SKollmann 593. 595. 596. 615.
Koningäberger 355.
Korotnev 183.
Korjchelt 202. 540. 555. 556.
Kowalemwify 324. 397. 328. 395.
Kozubomift 639.
Seränter 279.
Kraepelin 319. a
Krumbach 177.366.367.369.497.
Küchenmeilter 221. 222. 556.
Kühn 110. 255.
Kühne, W. 10.
Küfenthal 131.134.
Künfel 473. 478. 481.
Laacdmann 67.
Lacaze-Duthierd 133. 160. 161.
163. 164. 283. 308. 327. 329.
344. 406. 407. 455. 534.
Zamard 333.
Zandois 631.
Lang, U. 195. 207. 208.
Lange, Ü. 242. 243.
Langenbec 172.
Langhans 649.
Zaveran, V. 53.
Zautenborn 243. 247.
Leeumenhoek 7. 8. 525. 545.
Lehnert, Georg 206.
Leiper 259.
Lendenfeld 98.
Rejjon 119. 236.
Reuctart 188. 214. 230. 251. 252.
253. 259. 265. 267. 268. 272.
Zeyden 25. 1303. 533)
Leydig 297. 545. 647.
Lichtenitein 611.
Zinne 231. 537. 570.
Linitomw, vd. 257.
Lo Bianco 370. 378.
Xoeb 176.
Lohmann 10. 21.
ZooR 218. 252. 263.
Lopen 436.
Lodett 622. 694. [876.
Ludwig 349. 351. 352. 358. 375]
Lvowify) 174.
&hyell 172.
I. Band.
721
Maas 80.
Vic Bride 367.
Dae Ssntojh 386.
Mangold 365. 375.376.382.383.
Manjon 54. 257.
Marenzeller 165. 377.
Marihall 35. 225. 356. 507.
Martens, E. vd. 542.544, ı 697.
Martini 301.
Mabpdorf 622.
Maupas 4.
Mayer, U. ©. 125. 126. 279.
— Raul 632.
MBain 145.
Meifenheinter 479. 484. 501. 505.
Meiiner 270.
Merkle 67.
Mettenheimer 567.
Meyen 119. [488. 521.
Meyer 434. 435. 436. 452. 487.)
— ®. Th. 581. 613.
Midvendorf 402.
Milne- Edwards 440.
Mintert 342.
WeSsntofh 292.
Mitjufuri 355.
Mobius 101. 125. 368. 379. 434.
435. 436. 452. 487. 488. 521.
525. 527. 530. 692. _
Moliich 384.
Montfort 587.-
Moore 96. 440.
Morgan 362.
— Lloyd 13.
Morin 168.
Morie 324. 325. 327. 331.
Mortenfen 184. 369. 373.
Mojeleiy 400. 590.
Mosler 268. [699.
Müller, Fr. 205. 320. 632. 6781
— Sohannes 352. 463.615. 701.
— ft. 80. 9.
— I) Or, 8. 204. 620.
Murray, S. 172.
Naef 578. 600.601. 603. 604.619.
Vagel 626.
Negri 57.
Vteresheimer 62.
Keumayr 172. 516.
Ni, 2. 99. 366. 377. 379.
Niedernieyer 137. 139.
Noll 357. 368.
Kupbaunt 107.
ODppel 588.
Drbigny, |. V’Orbigny.
Ortnann 172.
Dfhina 349.
Dsler 566.
Ditergren 385.
Oftwald, Wolfgang 646.
Omen 259. 584.
VBagenitecher 259. 658.
Pallas 226. 306.
Banceri 138. 283. 445. 500. 568.
Bapanicolau 645.
46
722
Barker 79. 1.
Bajteur 56.
Bavelt 634.
Bar 145. 146. 154.
Bearje 358.
SBeiper 268.
Beljeneer 435. 462.500. 514. 541.
Bernard 20. 31.
Berkfins 116.
Berrier 337. 361. 488.
Peters, U. W. 186.
Petrunfewitich 366.
Bfeffer 578. 610.
PBieron 145.
Plate 49. 467. 477. 483.
PBlinius 541. 587.
Bolt 525.
Bopoif 58.
Röppig 687. 700.
Potts, E. 108.
Boivell 278.
Bratt, E. 131.
Preyer 376. 378. 382.
Prouho 144. 362. 363.
VBruvot 395. 396.
Pratbran 342.
Duatrefages 276. 282. 288. 306.
570. 571. 573. 574.
Duenjtedt 588.
Duoy 170.
NRacoviga 617.
Nauther, M. 189.
Aeaumur 424. 622.
Nedi, Srancesco 213.
Heichensperger 343. 334.
Neitmayer 176.
Keufauf 107.
Ahunibler 5. 20. 25.
Jichard 119.
Jtieper 481.
Noaf 367.
Ntobert 431.
Jrobertfon, 3. 567.
Nochebrume 606.
Nolanda 306.
Iomanes 367.
Noejel 70.
Nojenhof, Noefel von 17. 18.
Nop, R. 54.
Nopmäßler 508. 548.
Nom 81.
Nubbel 556.
Numph 428. 448. 563. 590. 609.
Sadje 243.
Salzwedel 301.
Geite
DDr
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>)
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Namenregiiter.
Sanıter 642. 672.
Sangiovanni 599.
Sarafin 363. 467. 483.
Sars, M. 346.
Schäffer 105. 642.
Scharfenberg, v. 645.
Schaudinn 21. 25.
Scheuring 127.
Schiemenz 378. 446. 624.
Schilora 686.
Schlagintweit 243.
Schleiden 642.
Schlefing 119.
Schmalz 379. 386.
Schmantewitic) 641.
Schmarda 208. 243. 303.
Schmidt, D. 11. 26. 96. 199. 208.
357. 366. 497. 527. 533.
543. 594. 601. 603. 604.
—D. %. 307.
Schmidtlein 693.
Schneider 134. 199. 314.
Schorn, ®. 108.
Schuberg 104.
Schulte, Mar 9. 26. 27. 29. 205.
Schulze, %. E. 23. 29. 87. 97.
— Louis 62.
— ®. 102.
Schuren 867.
Schwarz 554.
Scott 367.
Scourfield 104.
Seeliger 343.
Semon 127. 352. 591.
Senmper 160. 247. 309. 355. 463.
467. 691.
Servain 551.
Seurat 557.
Shearer 362.
Siebold, v. 211. 270. 640.
Sinoth 367. 385. 429. 435. 448,
480. 497. 638.
Slabber, Martin 311.
Smith 370.
Solla3 94. 172.
Sowerby 599.
Spallanzant 8.
Spengel, S. W. 308.
Stahl 478.
©tair 278.
Steche, DO. 104. 106.
Steenjtrup 324. 587. 615.
Stein 9. 70.
Strajjen, zur14.16.250.258. 259.
Strubell, VA. 255.
Studer 134.
Berichtigungen.
Sue 172. 331.
Siühbad) 386.
Teich 505.
Thompfon 655.
Thonfon 364.
Topjent 88.
Trembley 107.
Teojchel 419. 450.
Trybont 686.
Uerfült, v. 13.127.360. 365. 369.
870. 372. 382. 535.
Baillant 564.
Banhpeffen 36.
Barigny 634.
Bejdowffy 205.
Berany) 578. 593.
Berrill 618.
Berivorn 25. 65. 180.
Billeneuve 366.
Virhom 259. 260.
Vikou 623.
Bogt, Carl 188. 640.
Boigt 247.
Boelbfow 576.
Yagner 280.
Waite 119.
Wallace 356.
Walton 147.
Wafielewjfi, Th. dv. 22.
Weisniann 648.
Weltner 672.
Wefenberg Lund 646.
Wefterlund 551.
White 102.
Bietrzyfomity 122.
Will 101.
Willey 183. 590. 591.
Willtanız 608. 619.
Wilfon 80. 141.
Wiren, U. 289.
Wolff, MI. 100.
Wollebaef 161.
Woltered 120. 645. 646.
Woodland 335.
Woodiward, Martin 426.
Wortley, Stuart 692.
Wrisberg 8.
Yung 418. 472.
Zaddad) 647.
Belinfa 247.
Zeller 211.
‚Zenler 259.
| Bograf, v. 643.
23, Zeile 20 von unten lies: Amoebaea jtatt Amoeboea.
2, = 1 von unten lied: Laverania jtatt Laveriana.
- 15 von oben fehlt zwifchen „Küjten‘ und „in“ ein ommıa.
- 16 von unten lies: Spirula jtatt Spruila.
Drud von Bibliographifchen Inftitut in Leipzig.
40 West.Lge.20
Bis
Merid.0 v. Greenw.
nach Wallace
TIERGEOGRAPH. REGIONEN
‚ Kirchhoff, Jacobi,Ortmann u.a.
Die Namen der Landregionen sind rot,
die der Seeregionen schwarz eingetragen.
= y
Australische Reg: Neotropische Reg.: Äthiopische Reg.:
EEE Papuanische Subreg, EEE Patagonische Subreg. LI] Astafrikan.Subreg, Vorderindische. Subreg.
EZ Australische u E27] prasilische 7 E27] westwrikan. n De .
EEE Bolpnesische : u ZA Mittelamerikan. BT südafrikan. P g: ER = en
waüsche ZEN Westindishe „ EEE] Yadasass.Regi E Frikippir
= Hawalische n BEE ws: Madagass.Region | | Philippinische n
n ) Celebes-Subregion
Bibliographisches Institut in Leipzig.
3
SON
REN
HolarktischeReg.(Paläarktisches u Nearktisches
ET] Zuropäische Subreg, EI Arktische Subregion
27] Yittelländische
Sahara-Subregion
Sibirische 2
Innerasiat.
Ostasialische- n
7
E87] Zanadische
"
Gebt):
VERBREITUNG, WICHTIGER _NIEDERER TIERE.
40WestlL£e.20 _MeridOv:Greemw. 20ÖstLLge. WERE 10
m: = ——= —e—r — —ee —
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X —___—_ Horallenbauten
- | _ _._.- Nordische.Regenwürmer (kumbricidae), endemisch
—_— 2 == 7 || ____ Rliesenregenwürmer Megascolecidae)
—— (io autralis = = | _____ Flußperlmuschel (Margaritana margarüifera)
Te : = _— Flußmuschel (Urio) 2
RR Teichmuschel (Anodonta)
a : _—____ Zweizahnflußmuschel (Diplodon)
|Schneckengattung Nanina 777777 ö See chen ----- Melanien
Cochlostyla ee = ne perlmus . III Zmpullarien
Floh-u.Schmarotzerkrebse 5055, Irepang 0-0 llausilien.
Sg lebendig gebärenden Echinodermen mm Badeschwämme anne Nautilus
Binnengewässermit relikten Meertieren =
Bibliographisches Institut , Leipzig.
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3 9088 00935 5678