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Full text of "Briefwechsel zwischen Jacob Grimm und Friedrich David Graeter aus den Jahren 1810-1813"

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^2 £ zo ^ 




BRIEFWECHSEL 



ZWISCHEN 



JACOB GRIMM UND FR. D. GRAETER. 






BRIEFWECHSEL 



ZWISCHEN 



JACOB GRIMM 



UND 



FRIEDRICH DAVID GRAETER. 



AUS DEN 



JAHREN 181O — 181 3. 



HERAUSGEGEBEN 



VON 



HERMANN FISCHER. 




HEILBRONN. 

VERLAG VON GEBR. HENNINGER. 

1877. 



^QY Zö^ 




VORWORT. 



Die unten mitgetheilten Briefe, welche die Correspondenz 
Jacob Grimms mit Fr. D. Gräter fast ganz vollständig 
darstellen, sind mir von zwei Seiten her bekannt geworden. Die 
neun Briefe Grimms befinden sich unter dem handschriftlichen 
Nachlass Gräters in der Handschriftensammlung der k. öffent- 
lichen Bibliothek zu Stuttgart, wo sie mit anderen Briefen mehr 
oder minder bekannter Männer an Gräter unter der Bezeichnung 
Cod, misc. -^a, joc. vereinigt sind. Die elf Briefe Gräters ver- 
danke ich der Güte des Herrn Professor Herman Grimm, 
welcher mir erlaubte, Abschrift von denselben zu nehmen. Dass 
die vorliegenden Briefe nicht den ganzen Briefwechsel der beiden 
Gelehrten enthalten, wird sich unten zeigen; zugleich aber auch, 
dass nur sehr wenig verloren sein kann. 

Die Briefe schienen mir der Veröffentlichung aus mehr als 
einem Grunde werth zu sein. Briefe von und an einen der Alt- 
meister germanistischer Wissenschaft können nie ohne Belehrung 
sein über den Stand der Wissenschaft in ihren Zeiten, über die 



ß Vorwort. 

ganze Richtung und Strömung der wissenschaftlichen Bewegung; 
die ideale Auffassung, die warme, lebensvolle Theilnahme an 
allen neuen Entdeckungen und Fortschritten, die sich oft bis 
zum fieberhaften Eifer steigert, dürfen uns, die 'wir auf solider 
Basis bequem weiter arbeiten können , immer wider vor Augen 
geführt werden. Und dieser Briefwechsel hat noch specielleres 
Interesse. Er zeigt die eben erwachende rein wissenschaftliche 
Erforschung des germanischen Alterthums im Gegensatz und 
Kampf mit einer älteren, mehr romantisch gefärbten Richtung, 
die noch im engsten Zusammenhang mit Herder und mit dem 
Bardenwesen der Genieperiode steht ; und er zeigt diesen Gegen- 
satz an zweien der allerhervorragendsten Vertreter beider Rich- 
tungen. Ich unterlasse es, an diesem Orte mich über die morali- 
schen Factoren in dem Streite zu verbreiten, der sich zwischen denni 
jugendlich kecken Grimm und seinem Gegner entspann, indessen 
Briefen vielleicht Mancher eine Illustration und Bestätigung des 
Grimmischen Urtheils über Gräter als einen »unmässig eitlen 
Schriftsteller von viel Geschrei und wenig Wolle« (Deutsche 
Mythologie, erste Ausg., S. XXIX.) finden wird, dessen Empfind- 
lichkeit es wohl nicht vertragen möchte, dass der siebenzehn 
Jahre jüngere Grimm sich mit berechtigtem Stolze neben ihn 
stellte und mit seinem Tadel dann und wann nicht zurückhielt. 
Eine sichere Abwägung ist schon deshalb nicht möglich, weil 
der Zankapfel selbst, die Antikritik der Brüder Grimm gegen 
Gräters Anzeige ihrer Edda, verloren gegangen ist. 

Ich habe die Briefe mit Beibehaltung ihrer Orthographie 
widergegeben. Mit lateinischen Buchstaben geschriebenes ist in 
Cursivschrift widergegeben. Statt ' ß habe ich stets ss gesetzt. 
Gräter schreibt die S-laute so, wie wir es jetzt meist thun; Grimm 
setzt statt ss stets ß, ausser bei Zusammensetzung (»desselben« o.a.). 



Vorwort. 7 

Besonders störende Abkürzungen habe ich, wo sie ganz sicher 
waren, aufgelöst. 

In den beigegebenen Anmerkungen habe ich keine Mühe 
gescheut, um alles, was für die Sache selbst von Belang oder 
sonst ohne Durchstöberung allzu massenhaften Materials aufzu- 
finden war, beizubringen. Nach allen Mücken wollte ich aber 
gerade auch nicht schlagen. Ich hoffe, dass man nichts wesent- 
liches vermissen werde. 



Stuttgart, im Mai 1877. 



H« F« 




I. 

Cassel 8 August lO. 

Verehrter Herr Professor! 

Erlauben Sie einem Freunde des altdeutschen Studiums, dass 
er sich an einen der frühesten und glücklichsten Beförderer 
desselben wende; die geringen Versuche welche ich von meinen 
Studien vor das Publicum gebracht,' geben mir kein Recht dazu, 
aber die Güte Eurer Wohlgeb. wird das Beste dabei thun. Ohne 
Zweifel haben Sie selbst mehrmals gefühlt, wie unangenehm 
man in seinen Arbeiten durch die Entfernung mancher Quellen 
und Hilfsmittel zurückgehalten wird. Die Erlaubnis mit Ihnen zu 
correspondiren, wäre schon ein schätzbares Hilfsmittel. Herr Pro- 
fessor Nyerup in Copenhagen hat mir mit liebenswürdiger Bereit- 
willigkeit schon die grössten Dienste gethan und mir unter andern 
scahdinavischen Quellen neulich auch Olafsens Preisschrift om d. 
nordiske Digtekonst verschafft, die bis zur Erscheinung der Original- 
quellen sicherlich grossen Werth hat. Nun wünschte ich auch^ 
gar sehr, Ihre neueren Entdeckungen über die isländischen Metra 
benutzen zu können. Glauben Sie aber, dass keiner von drei 
Buchhändlern, woran ich mich längst gewendet, mir die einzeln 
erschienenen Programme verschafft? Hätten also Eure Wohlgeb. 
die Gefälligkeit solche nur an Zimmer in Heidelberg für mich zu 
übermachen, so würde dieser die Auslage sogleich übernehmen. 
Wahrscheinlich besitzen Sie auch die seltenen thorlacischen specimzna 
vollständig, ich habe nur sp. i. 2 und 3. und ein Fragment aus 
*dem septimum; (pag. 65 — 128) es fragt sich: ob Sie mir das 
übrige zur Durchsicht auf eine zu bestimmende Zeit, nach Ihrer 
Gelegenheit, mittheilen wollen? 

I S. J. Grimms kleinere Schriften V 485 f. 



10 Briefwechsel zwischen 

9 

Noch einige andere Fragen halten Sie meiner Wissbegierde 
zu gut: 

i) ist Aussicht, dass das angekündigte grosse Werk über die 
nordische Mythologie bald erscheine?^ 

2) haben wir auf die im Messcatalog angekündigte Fort- 
setzung der Bragur gewiss zu rechnen? und was wird sie ent- 
halten? Das berliner altdeutsche Museum wird dieser Zeitschrift 
sicher keinen Abbruch thun, davon abgesehen, dass es sich mit 
nordischer Poesie und Literatur nicht besonders befasst. Sehr 
gern vernähme ich Ihr Urtheil über meine Recension des ersten 
Bands des berliner Mus., die jetzt wohl in den heidelberger Jahr- 
büchern abgedruckt seyn muss.^ Jetzo arbeite ich eine Abhandlung 
über den altdeutschen Meistergesang fertig,^ können Sie mir etwas 
von unbekannten Materialien anzeigen oder zuweisen, so würde 
das den grössten Dank verdienen. Überhaupt besitzen Sie gewiss 
reichhaltige Sammlungen und mein Freund von Arnim hat mir 
die Liberalität häufig gerühmt, womit Sie andere daran Theil 
nehmen Hessen. Er hat mich längst ermuntert, mich gerade an 
Sie zu wenden, welches ich bisher aus Schüchternheit unterlassen. 
Erfreuen mich nun Eure Wohlgeb. mit einer gütigen Antwort, 
so lasse ich wohl noch andere meiner Wünsche laut werden. Bis 
dahin empfehle ich mich mit wahrer Hochachtung ganz ergebenst 

Grimm. 

StaatsRathsAuditor . 



II. 



Halle im Königreich Würtemberg. 
I. Oct. 1810. 



Hochzuverehrender Herr Staatsraths-Auditor, 

Ochon längst habe ich mit grossem Vergnügen in der Lite- 
ratur unter Ihrem Namen einen eifrigen Forscher des Nordischen 
und teutschen Alterthums bemerkt, und Sie kommen meinen < 

X S. Gräter, Nachrichten von dem zu erscheinenden Prachtwerk über die 
nordische Mythologie; Hall 1809. 

3 Diese Recension erschien erst 181 1. 
3 Erschienen 181 1. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 1 1 

Wünschen treflich entgegen, indem Sie mir selbst die Gelegenheit 
verschaffen, mit Ihnen in eine trautere Bekanntschaft zu kommen, 
als es aus dieser fernen Ansicht geschehen kann. 

Nur haben Sie noch ein klein wenig Geduld. Das Schicksal 
hat mich mit eisernen Ketten an Verhältnisse geschmiedet, die 
mich seit etlichen Jahren durch die Menge von Arbeiten oder viel- 
mehr Tagwerken meinen liebsten und theuersten und ältesten 
Freunden, und damit mir selbst entzogen haben. ^ At si male 
nunc, olim non sie erit. 

Meine Briefe können vor der Hand nur sparsam, flüchtig und 
gleichsam erstohlen seyn. Zusendungen und Communicationen 
finden vollends nicht statt, ausser wenn Sie, wie Herr von Arnim 
und Herr Arendt in Paris d. j. selbst hieher kommen, und meine 
Bibliothek, meine Papiere und mich selbst .durchstäuben wollen. 

Jetzt in Eile nur die Antworten: 

i) Ueber die Nordischen Metra — meine Entdeckung und 
Resultat finden Sie in meinen lyrischen Gedichten^ — die 
ich überhaupt bitten möchte, irgendwo anzuzeigen. Mir ist ausser 
der concisen von Hock in der Oberd. L. Z. gar keine Recension 
noch bekannt. Den Schlüssel hiezu aber, nebst meiner Rede und 
dem Programm, verbessert abgedruckt in Bragur VIII. — der 
gewiss erscheinen wird 3. 

2) Thorlac. Specim. besitze ich. Nur Nr. i nicht. 

3) Das Prachtwerk über d. Nord. Mythol. soll erscheinen 
— da aber meine Gesundheit sich wieder so sehr erhohlt hat, 
dass es nicht pressirt, so übereile ich es auch nicht. 

4) Ihre Recension über das Berliner Museum habe ich noch 
nicht gelesen, aber gestern im Vaterland. Museum 2. Ihre Ueber- 

1 Gräter war seit 1804 Rector und Oberinspector des Contubemiums zu 
Hall, von wo er 18 18 ^als Rector und Pädagogarch an das Gymnasium nach 
Ulm kam. 

2 * Lyrische Gedichte nebst einigen vermischten von F, D. Gräter; Heidel- 
berg 1809« ; a. u. d. T. : »F.D. Gräters gesammelte poetische und prosaische 
Schriften. Erster Theil.c — Die metrischen Ausführungen finden sich daselbst 
S. 325 if. 

3 Bragur, Band 8 (auch mit den Titeln: Braga und Hermode, Band 5, und: 
Odina und Teutona, Band i) erschien 1812. Derselbe enthält aber nichts über 
die zwischen Grimm und Gräter ventilierte metrische Frage, welche Gräter vielmehr 
im ersten Jahrgang von Idunna und Hermode (1812) , No. i ff., behandelt hat: 
»Vorlesung über die Königsweise der Barden und Skalden.« 



12 Briefwechsel zwischen 

Setzung von Oehlenschlägers Erscheinung Christi' — finden Sie 
übrigens in Oehlenschläger ein grösseres, reiferes und üppi- 
geres Genie als in Baggesen? Wer weiss, ob der Hass gegen 
Baggesen, den er sich freylich selbst zugezogen hat, nicht an einer 
nachtheiligen Vergleichung zwischen beyden Schuld ist. 

Vergeben Sie mir meine Eile. Sie ist Pflicht. 

Mit der herzlichsten Hochachtung und Ergebenheit 

4 

der Ihrige 

Graeter. 

N, S. 

Auf langes Zudringen dirigire ich gegenwärtig (sub rosa, denn 
ich mag noch nicht dafür bekannt seyn) seit i . Juli ein Allgemeines 
Teutsches Bürgerblatt, ^ das zu Heilbronn erscheint. Darin 
werden Sie vieles Teutsche und Nordische finden. 



III. 

Cassel 23 October 18 10. 



ii 



.hr Schreiben vom i'«" dieses, hochgeschätzter Herr Professor, 
so kurz und eilig es abgefasst war, ist mir dennoch sehr an- 
genehm gewesen, und lässt mich ja hoffen, dass ich in Zukunft 
längere erhalten soll. Möge Ihnen bald die volle Müsse wieder 
werden, wie sie Ihnen die Freunde altdeutscher und nordischer 
Poesie von Herzen wünschen müssen. Zu Ihren früheren Ver- 
diensten um dieses Studium kommt nun auch, dass Sie durch 
dessen Entbehrung, wie jeder fühlen wird, wahrhaft gelitten haben, 
und dafür gebührt Ihnen Ersatz. 

Die lyrischen Gedichte habe ich gelesen und werde davon, 
sobald es meine auch nicht wenigen Geschäfte gestatten, Ihrem 

1 Vaterländisches Museum, Band i (18 10), S. 211 f. Siehe jedoch Grimms 
zweiten Brief. 

2 Es ist mir nicht gelungen, über dieses Unternehmen irgend welche Notiz 
zu bekommen. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. I2 

gütigen Auftrag nach, eine critische Anzeige liefern.^ Ueber 
einiges werde ich eben so freimüthig meine abweichende Meinung 
sagen, als ich manches zu loben, und aufrichtig zu loben habe. 
Dahin gehört besonders Ihr eigenes, und alles was in demselben 
Geist unternommen worden ist, der in den nordischen Blumen" 
herrscht ; weniger schon die versuchte Behandlung nordischer 
Poesie in griechischer Form,^ sie ist meinem Gefühl zuwider, 
und gerade Sie , als bewährter Kenner der scaldischen Kunst, 
können damit am ersten schaden. — Die aus dem dän. u. schwed. 
übersetzten Lieder^ und vollends das englische Stück ^ halte ich 
Ihrer darauf gewandten Mühe nicht werth. Gegen die Einrichtung 
. der Minnelieder 6 lässt sich vieles sagen, obwohl einiges auch für 
diese bestimmte Art, im Gegensatz zu der tiekischen Modernisirung. 
Ich gestehe, dass ich auf die Entdeckung der Königsweise ^ 
gespannter war, ich wusste mir nichts rechtes dabei zu denken, 
indem die Form Drottmällt selbst aus mehrern nordischen Werken 
als bekannt vorausgesetzt werden musste. Allein, wie ich nun 
sah,, meinen Sie damit blos das Gelingen des Versuchs, dieselbe 
Form in unserm modernen Deutsch und wo möglich ohne Zwang, 
nachzuahmen und zu erneuern. Das ist Ihnen gewiss nicht übel 
gelungen, andern aber, die es etwa nicht so genau mit dem Sinn 
nehmen, wird es zuverlässig noch leichter von Statten gehen. 
Zum Beispiel dem Herrn von Fouque in Berlin, einem gar nicht 
unpoetischen, aber wie es mir daücht, über sich selbst und sein 
Vermögen getauschten Dichter. Ich steh dafür, dieser würde in 
einem Tag ganze Seiten, in den schwersten Scaldenformen, ja in 
Alhendt und Hrynhendt zuwege bringen und das keineswegs ohne 
blendenden Anschein, wie er das wirklich bereits in seinem Sigurd ^ 

1 Diese Anzeige erschien nicht. 

2 Nordische Blumen von Friedrich David Gräter; Leipzig 1789. 

3 S. Gräters Gedichte, S. 225 — 242 (»Skirnirs Fahrt oder die Brautwerbung c) 
und 271 — 288 (»Das Lied von Erich dem Wandrer, oder die drei Stände«), 

4 Gemeint sind wohl die > Wechselgesänge der schwedischen , dänischen und 
teutschen Schwestermusen«, Gräters Gedichte, S. 163 — 180; vielleicht auch die 
Uebersetzung von Baggesens »Erschaffung Ymers«, S. 251 — 256. 

5 »Die Niederfahrt der Göttin Freya«, Uebersetzung von Sayers Descent of 
Frea; Gedichte, S. 339 — 368 (auch Bragur 2, S. 3 ff.); s. auch Vorrede, S. 15 — 20. 

6 »Minnelieder der teutschen Ritter«, Gräters Ged., S. 51 — 80. 

7 S. Anm. 2 auf S. ii. 

8 »Sigurd, der Schlangentödter« , 1808; bildet den ersten Theil der Samm- 
lung »Der Held des Nordens«. 



lA Briefwechsel zwischen 

in der Form Fornyrda-lag und wo ich nicht irre, auch in 
Drottmällt gethan hat. Ich bedanke mich aber dafür das Zeug 
zu lesen, so wenig ich den gedachten Sigurd mag. An einer 
fruchtbaren und glückhaften Wiedereinführung des reinen Al- 
literationsprincips , so wie es in den alten eddischen Gesängen 
erscheint, zweifle ich nicht, da unsere Sprache volle Macht dazu 
hat, nach ihrem ganzen Character; auch Runhendt lasse ich mir 
gefallen; dagegen hege ich der bei weitem giösseren Schwierig- 
keit wegen Bedenken in Ansehung Drott und Togmällts. (Über- 
haupt scheint es mir, dass unsere Poesie auf einem Punct steht, 
wo ihr alle Form gleichgiltig und nur eine zu schwere, als wofür 
sie die nöthige Unschuld verloren, unangemessen ist.) Was würde 
Herder zu Fouques Versuchen sagen ? Und so fliessend sich auch 
Ihre Chöre lesen, so dass wenige die alliterirenden Buchstaben, 
und noch wenigere die inneren Reime (ich weiss kein besser Wort 
dafür) merken werden; -so scheue ich mich doch nicht zu ver- 
muthen, dass Ihr Gedicht als solches noch . besser geworden wäre, 
wenn Sie gar nicht an die nordische Form gedacht hätten. Diese 
Kunst ist ganz aus unserer Erfahrung gerückt, unser Ohr ganz 
entwöhnt. Darf ich Ihnen ferner gestehen , dass meinem Gefühl 
nach Ihnen die Alliterationen jedesmal besser gelungen sind, als 
die Innern Reime? welche mir einigemal auf zu unbedeutende 
Wörter gelegt scheinen. Verzeihen Sie mir diese Bemerkungen. 
Übrigens bin ich auf Ihre Programme selbst, also auf deren 
Abdruck in Bragur recht begierig und hoffe darin vieles Feine 
und gelehrte über die Kunst der Scalden. War nur einmal der 
dritte Theil der Edda gedruckt. Olafsen ist doch in manchen 
Puncten gar zu nüchtern, unvollständig und wieder willkürlich. Im 
Wort Drottmällt will er keine Königsweise bekanntlich erkennen, 
es hat mich gefreut, dass Sie anderes Glaubens sind. Was sagen 
Sie aber dazu, dass ich bei unsern Minnesingern manchmal, nicht 
das vollständige Schema der scaldischen Form, namentlich nie 
die Alliteration, wohl aber die Innern Reime (welche doch das 
Hauptprincip in Drott und Togmällt sind) wiedergefunden habe? 
Mehr davon in meiner kleinen Schrift über den altdeutschen 
Meistergesang, die nunmehr bald fertig gedruckt ist und die ich 
übrigens ihrer Nachsicht empfehle. Denn es ist ein abgedrungener 
Versuch, dessen Ausführung ich mir vorbehalte. 

Ich möchte wissen, was Bragur VIII. auserdem noch Gutes 
und Erfreuliches enthalten soll? und besonders für die altdeutsche 



J. Grimm und Fr. D. Gräter, I5 

Literatur in specie. Alle Mittheilungen und Zusendungen schlagen 
Sie mir zwar vorerst ab, ich würde aber schon dankbar genug 
seyn, wenn Sie mich auf wichtige Entdeckungen und' Neuigkeiten 
vorläufig und ganz kurz aufmerksam machen wollen. Nachrichten 
von etwa in dortiger Gegend verborgenen mss. (sollte denn gar 
nichts in Tübingen, Stuttgart, Memmingen etc. stecken?) wären 
mir sehr willkommen und ich würde sie weiter verfolgen, falls 
Sie, werthester Hdr Professor, durch andere Arbeiten daran ver- 
zögert sind. Alle diese Gefälligkeiten aber wären nichts, gegen 
die grosse, wenn Sie mir auf kurze Zeit zu der Kroka Refs Saga 
(welche in der 1756 von Biörn Markusson edirten Octavsammlung 
♦^befindlich) verhelfen könnten ? Ich vermuthe nämlich einen merk- 
würdigen Zusammenhang dieser Sage mit dem Reinhart Fuchs, 
den ich hoffentlich (im Vertrauen gesagt) aus einer vaticani- 
schen Hs. des 13 J. h. herausgeben werde, und wo sich unter 
andern interessante Aufschlüsse über den Zusammenhang dieses 
ebenso berühmten al3 herrlichen Gedichts mit dem späteren platt- 
deutschen, so wie mit dem französischen roman du renard ergeben 
werden. Wissen Sie mir nun zu dem isländischen Buch kein Mittel, 
so muss ich mich wohl an Nierup wenden, leider sind aber die 
Communicationen mit Copenhagen unsicher und weitläufig. 

Die Übersetzung der oehlenschläg. Lieder im vat. Mus. ist 
nicht von mir sondern von meinem Bruder., welcher mit mir zu- 
sammen in einem Plane und einem Felde arbeitet, und von dem 
jetzo eine (recht getreue) Übersetzung der besten Kämpeviser 
unter Presse ist.^ Ich weiss nicht zu sagen, ob ich mehr gegen 
Baggesen oder weniger flir Oehlenschläger eingenommen bin. 
Das aber weiss ich, dass mich keiner der beiden Dichter anzieht. 
Auch scheint es mir, dass beide zu viel oder zu eilig schreiben. 
Und wie wenig sind beide von der altnordischen Dichtkunst 
gründlich durchdrungen? — Die Nials und Egilssaga^ werden 
längst in Ihren Händen seyn, des Drucks sind beide würdig, aber 
nicht des Vorzugs vor dem zweiten Theil der Edda Saemundar 
und so vielem andern, was die Herausgeber für nicht so historisch 
wichtig halten mögen, während seine poetische Importanz jene 
Rücksicht weit überwiegt. Freilich war die schlözerische und 
adelungische feste aber leere Critik der nordischen Literatur von 

1 Die 181 1 erschienenen »Altdänischen Heldenlieder, Balladen und Märchen. «f 

2 Beide erschienen 1809 sumptibus legaii Arna-Magnaeani, 



jQ . Briefwiechsel zwischen 

Nutzen, allein durchaus nicht als endliches Resultat, sondern nur 
als mit dirigirend die von einem ganz andern Grund ausgehenden 
Untersuchun*gen. Wie viel treffliche Dinge zeigt uns Einari, die 
die beiden deutschen Gelehrten keines Blicks gewürdigt haben 
würden. Um so ärgerlicher also, dass die scandinavischen damit 
etwas saümig verfahren. Doch genug und schon zu viel. Eine 
Antwort von Ihnen wird mich stets erfreuen und belehren. Ich 
bin mit aufrichtigster Hochachtung der Ihrige 

Jacob Grimm. 



IV. 



Hall' im Königr. Würtemberg, 
den I. Jul. i8ii. 



Mi 



.it eben so grossem Vergnügen als Verwunderung hört' ich 
aus Breslau, und lese es nun so eben selbst in dem Aprilheft der 
Hallischen Allg. Lit. Zeit, dass Sie in Teutschland den zweyten 
Theil der Sämundinischen Edda und zugleich auch den 
Reineke Fuchs aus einer vaticanischen Handschrift heraus- 
geben werden. Sie können denken, wie mich jenes und dieses so 
hoch interessirt. Jenes, da ich nicht nur meines Wissens der erste 
war, der aus dem gedruckten Theile der Sämundinischen Edda 
Teutschland mit einigen der vorzüglichsten Stücke bekannt machte,^ 
sondern so eben in meinem neuesten Programme ^ es gewagt 
habe, auch aus dem ungedruckten zweyten Theile Proben des 
Originals zu geben, und um den teutschen Liebhabern und For- 
schern die Mühe des Verstehens wenigstens einigermaassen zu 
erleichtern, sie mit einer extemporanen lateinischen Uebersetzung 
begleitet habe ; denn zu mehr reichte meine Zeit und meine Müsse 
nicht hin; zum mindesten für diessmal. Ohne Zweifel wird dieses 
Programm, wenn Sie meinen Brief erhalten, schon in Ihren Händen 
seyn. Denn gewiss sind Sie es, mein verehrtester Freund, der 

1 Wo immer dies geschehen, anzugeben würde zu weit führen. Jeder Band 
von Bragur enthält einzelnes Hierhergehörige. 

2 Helga-Qtiida Haddingia scata Quod programmatis loco . . . erudi- 

torum examini subjicit Fr, D. Gräter. Hall 1811, 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ly 

ein Exemplar desselben durch die Herrn Moser und Zimmer in 
Heidelberg vor 8. Tagen von mir abverlangen Hess. Es ist ohne 
Verzug abgegangen. Wie freue ich mich, dass nun die Fortsetzung 
dieser Programme durch die überglückliche Acquisition, die Sie 
mit den Arbeiten des Magnäanischen Instituts für den 2ten Theil 
der Edda gemacht haben, entbehrlich geworden ist! 

Glauben Sie irgend, dass ich Ihnen bey Ihrer Bearbeitung und 
Herausgabe förderlich seyn kann, so soll alles geschehen, was in 
meiner Kenntniss und in meinen Kräften ist. Nur Bücher zu- 
zusenden, ist bey weitem zu weitläuftig und kostspielig. Wenn 
Sie mir aber denjenigen Theil des Manuscripts, von dem Sie 
glauben, dass Ihnen meine Bemerkungen dienlich seyn könnten, 
zuschicken wollen, so soll diess nicht vergeblich seyn. 

Indessen kann ich nicht umhin, folgende Fragen zu thun: 
i) Haben Sie nur die Abschrift aus einem einzigen Codex, 
oder auch die kritische Vergleichung der übrigen? 

2) Haben Sie von dem Magnäai;iischen Institut blos eine Ab- 
schrift des Originals, oder auch die lateinischen Uebersetzungen, 
und die kritischen und antiquarischen Commentare erhalten?* 

3) Hat das Magnäanische Institut auch bereits das Glossar 
zu dem 2ten Theile ausgearbeitet, und Ihnen mitgetheilt? Denn 
das erste Glossar ist zum Verständniss des 2ten Theiles bey weitem 
nicht ausreichend, wie Sie aus meiner Probe der Helga — Quipa 
Haddingia ' Skata hinlänglich ersehen werden. Denn ob ich 
gleich ausser dem gedachten Glossarium noch sehr viele andere, 
und sogar ein selbstgearbeitetes, das ich unter der Leetüre sam- 
melte, besitze, so sind mir doch mehr als eine Stelle vorgekommen, 
über die ich sehr ungenau bin. Hieher gehört selbst das apaldr 
dessen Etymologie ich nirgends finde, und daher glaubte, dass es 
in dem Cod. Vidalinian. ein Schreibfehler für apalldr sey, da es 
dem Sinne zusagt, wiewohl ich diese Vermuthung sehr gerne zu- 
rücknehme, zumal da ich indessen auch in einem anderen alten 
Fragmente das obige apaldr nochmals gefunden habe. 

^tens Falls Sie den ganzen Apparat des Magnäanischen Instituts 
besässen — warum wollen Sie diesen zweyten Theil mit einer 
teutschen Uebersetzung begleiten, und nicht vielmehr dem 
ersten Theile in jeder Hinsicht conform machen? 

jtens Wann wird der Druck seinen Anfang nehmen ? und wo ? 
Ich bin so ungeduldig darauf, dass ich mich der Bitte nicht er- 
wehren kann, Sie möchten mir das Abgedruckte Bogen für Bögen 



iS Briefwechsel zwischen 

durch die Post zugehen lassen. Oder wenn es mit der Heraus- 
gabe zu lange dauerte, dürfte ich nicht um die Abschrift derjenigen 
Originalien, die ich noch nicht besitze, auf meine Kosten bitten? 
Es ist mir hauptsächlich in antiquarischer Hinsicht daran gelegen, 
da ich gerade mit den Angaben des ächten alten Kostüms für 
den Künstler, der unter meinen Augen die ersten Entwürfe zu 
. dem Prachtwerk über die Nord. Myth. macht, beschäftigt bin, und 
eine vollständige Sammlung aller Züge aus den Eddischen Liedern 
mir hiezu vorzüglich schätzbar ist ; wiewohl die Fabeln des Nordens 
mit diesem zweiten Theile eine ganz andere Wendung nehmen, 
ohne jedoch das Land, in dem sie gebildet oder umgebildet sind, 
zu verleugnen. 

Doch nun genug hievon. Von Ihrem Vorhaben den R e i n e c k e 
Fuchs aus der Handschrift herauszugeben, schrieben Sie mir 
schon, wie ich eben sehe, am 23ten Oct. v. J. Wissen Sie denn, 
oder wissen Sie es nicht, dass ich die erste Handschrift des Rei- 
neke Fuchs auf Pergament in einem flammändischen Codex der 
Comburger Stiftsbibliothek ^ schon vor mehreren Jahren entdeckt, 
und in einem meiner Programme über die Merkwürdigkeiten der 
Comburger Bibliothek Proben davon gegeben habe.^ Auch be- 
sitze ich von einem Theil des Manuscripts eine eigenhändige Ab- 
schrift. Wenn Ihre Handschrift ganz sicher aus dem i 3 1 e n 
Jahrh. ist, so hat sie übrigens allerdings den Vorzug. Ich bin 
auf Proben daraus und Ihre Ansichten sehr begierig. 

Die versprochene kritische Anzeige meiner lyrischen 
Gedichte habe ich noch nirgends gefunden. Sollten Sie diese 
Ihre gütige Zusage schon erfüllt haben, so bitte ich Sie mir ehe- 
stens mit ein paar Worten zu melden, wann ? und wo ? Dass Ihnen 
mein Eigenes mehr gefällt, als das assimulirte, ist mir ungemein 
lieb. In Hinsicht des Nordischen bin ich allerdings, wie ehedem, 
für die antike Form — die griechische dient nur als factischer 
Beweis gegen die Ungläubigen ; daher auch meine ^-klqvt^qh ^Odoi- 
noQia — aber als solchen müssen Sie es gelten lassen. Ob bei 
Sayers Descent of Frea meine Mühe belohnt oder nicht belohnt 
ist, kam bey mir nicht in Erwägung ; aber wohl wünsche ich eine 

1 Jetzt im Besitz der k. öffentl. Bibliothek zu Stuttgart, mit der Be- 
zeichnung: Cod. poet. et philo l, fol. 22. 

2 Fünf Programme »Ueber die Merkwürdigkeiten der Comburger Bibliothek« ; 
Hall 1805— 1809. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. lO 

Vergleichung mit Herrn D. Neu^Dck, der das nämliche Stück ein 
paar Jahre später in Wielands Merkur gab, aber sich, wie mich 
dünkt, die Sache sehr leicht gemacht hat.^ 

Mit meinen Minneliedern vergleichen Sie doch ausser Herrn 
Tiek^ (dessen Moderriisirungen ich leider, wie so vieles, noch nicht 
kenne) auch Haugs Gedichte ^ — und nehmen Sie immer auch 
darauf Rücksicht, wer dem anderen vorgearbeitet hat. Denn dem 
letzteren ist immer zuzumuthen, dass er den ersteren übertrifft. 
Da^ letzte (die fünfte Nacht ist mein Eigenthum.) 

Sie scheinen mir .doch die Nachbildung der Königsweise 
in der jetzigen Sprache für leichter zu halten als sie ist. Auch 
hier frage ich nur, ob es einem andern vor mir gelungen ist, sie 
überzupflanzen ? selbst Herrn v. Fouque? Fornyrda-lag ist eine 
Kleinigkeit in der Kunst gegen Drottmäll. Ein paarmal höchstens, 
glaube ich, stehen die innern Reine, wie Sie die Vocalharmonie 
nennen, nicht auf dem höchsten Tone ; doch weiss ich dies jetzt, 
da ich meine Sammlung nicht bey der Hand habe, auch nicht mit 
voller Gewissheit zuzugeben ; aber a potiori sind gewiss Allitera- 
tionen und Assonanzen an ihrer rechten Stelle. — Vielleicht sind 
wir auch in der Stellung oder Verlegung derselben ver- 
schieden. Zb. 

Räumen soll heute der Römer 
Racheschnaubend das Schlachtfeld, etc. 



Brüder, zum heissen, zum blut'gen 
Bade seyd ihr geladen, etc. 

Das zweyte Heft meiner ästhetischen Bemerkungen hierüber er- 
schien am Geburtsfest des Königs, 6. Nov. 1810 und enthält eine 
Vergleichung mit Homer. Wenn ich nun das bey Homer ge- 
funden habe (sogar die Alliterationen) so wundert mich nicht, dass 

1 Wielands Neuer Teutscher Merkur, 4. Stück 1793, S. 337 — 360. »Ein 
paar Jahre spätere ist gemeint im Verhältnis zum August 1791 , in welchem 
Gräter das englische Gedicht erhielt, welches er kurz nachher übersetzt haben muss. 
S. Gräters Gedichte, S. 15 — 20. Die >draraatischen Skizzen aus der Nordischen 
Mythologie« , in welchen nach der eben angeführten Stelle Neubeck das Stück 
>in einer zweyten reimlosen Uebersetzung« veröffentlicht hat , waren mir nicht 
zugänglich. 

2 »Minnelieder aus dem Schwäbischen Zeitalter neu bearbeitet und heraus- 
gegeben von Ludwig Tieck. Berlin 1803.« 

3 Joh. Christoph Friedr. Haugs > Epigrammen und vermischte Gedichtec 
(Berlin 1805) enthalten im zweiten Bande 37 Uebersetzungen von Minnesinger- 
Liedern. 



20 Briefwechsel zwischen 

auch in den Minnesingern sich die Spuren dieser Kunst entdecken 
lassen. Ja, ich bin überzeugt, dass jede andere prosodische Kunst 
später unter der teutschen Nation i fremder [?] ist. 

Zu KrbkaRefsSaga kann ich Ihnen leider nicht verhelfen. 
Umgekehrt verhelfen Sie mir einmal zu Björners Kjempedattary 
ich will sie ja gern bezahlen. 

Dass weder B. noch Oehlenschl. von der altnordischen Kunst 
der Mythe gründlich durchdrungen sind, darin bin ich mit Ihnen 
vollkommen eins. 

Die Nials und EgilsSaga besitze ich allerdings. 

Bragur Vlll. ist noch nicht angefangen, da Gräffs Hand- 
lung (er hat bonis cedirt) noch geschlossen ist. 

Schlözer war es, gegen den ich zuerst die Nord. Blumen 
als Document vorlegte. Er hat aber gar keinen Sinn für das 
ausserhistorische, und so war nicht mit ihm zu disputiren. Ade- 
lung hätte zu seiner Ehre die beyden Aufsätze in Beckers Er- 
höh!.^ nicht sollen drucken lassen. Zu seiner Schonung wenig- 
stens habe ich meine Anmerkungen darüber noch jetzt im Pulte. 
Die Wirkung seiner Aufsätze ist schon längst vorüber. Wozu 
also noch? 

Nun bitte ich Sie schliesslich nur noch um ein Verzeichniss 
aller Ihrer gedruckten Schriften und Aufsätze und um eine 
recht schnelle Antwort. Strafen Sie mich nicht für die Verspätung 
der gegenwärtigen. Sollten Sie hie und da ein übriges Exemplar 
haben, so würden Sie mich durch unmittelbare Zusendung noch 
mehr erfreuen. Ihre Recension des isten Bandes des Berliner 
Museums^ muss mir nicht zu Gesicht gekommen seyn, uner- 
achtet ich die Jahrbücher lese. Haben Sie doch die Güte, mir 
das Heft, worin er abgedruckt steht, anzuzeigen. Ich bin mit 
ausgezeichneter Hochachtung und Ergebenheit 

Der Ihrige 

Gräter. 

1 Waren mir nicht zugänglich. 

2 Heidelberger Jahrbücher der Literatur, Jahrg. 4 (181 1) Nr. xo und 11, 
Erschienen waren diese beiden Nummern zur Zeit dieses Briefs jedenfalls. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 21 



V.' 

Cassel 23 Juli 1811. 



I, 



ch würde, verehrter Herr Professor, gleich schon vor vierzehn 
Tagen und Ihrem Begehren nach, auf Ihr angenehmes Schreiben 
vom i'^" d. geantwortet haben, wenn ich nicht auch ebenfalls 
seinem Inhalt gemäss täglich das Programm von der Helgaquipa 
erwartet hätte. Dieses aber hat mir Herr Zimmer erst gestern 
geschickt; ich habe es sogleich durch gelesen und darüber ist 
eine kleine Anzeige desselben für die heidelb. Jahrbücher ^^ ent- 
standen, die ich, um dasselbe nicht noch einmal schreiben zu 
müssen, so frei bin hierbei im Original zu übersenden. Ich 
wünsche, dass sie Ihnen nicht misfalle und Sie selbst in klein- 
lichen Bemerkungen die Aufmerksamkeit nicht verkennen mögen, 
welche die Sache und Ihre darauf so sichtbar verwendete Gelehr- 
samkeit verdient. Nach Durchlesung derselben bitte ich sie unter 
beikommendem Couvert an Hrn. Prof. Wilken nach Heidelberg, 
dem ich sie bereits angekündigt habe, abgehen zu lassen. 

Nun zur näheren Beantwortung Ihres Briefes. 

Die endliche Ausgabe der ungedruckten eddischen Lieder, 
welche wir d. h. mein Bruder und ich , , und wahrscheinlich noch 
in Verbindung mit dem Ihnen vermuthlich durch seine wichtige 
isländische Grammatik bereits bekannten Dänen Rask, in Deutsch- 
land veranstalten werden, ist noch nicht ganz so nahe, und kann 
dies bei der trüben Lage des Buchhandels kaum seyn, wird aber 
hoffentlich gewiss binnen Jahresfrist , wo nicht eher fertig werden 
und erscheinen. Durch die unermüdete Verwendung unseres Ge- 
sandten, des Grafen von Hammerstein haben wir eine correcte, 
saubere Copie der vorzüglichsten copenhagener Handschrift bereits 
seit mehrern Monaten in Händen, für genaue und vollständige 
Benutzung aller übrigen Lesarten und Hilfsmittel, hoffentlich auch 
der Apparate des magnäan. Instituts hat Herr Rask zu sorgen 
versprochen. Von dem äuserlichen Plan der Ausgabe des ersten 
Theils abzugehen, veranlassen uns mehrere Gründe ; hauptsächlich 

1 Einen kleinen Theil die^s Briefes hat schon Gräter abgedruckt in Idunna 
und Hermode, 1812, Nr. 17 (S. 65 f.). 

2 Jahrgang 181 1, Nr. 63 (S, 999—1006), 



22 Briefwechsel zwischen 

die, weil der deutsche Commentar und die deutsche Übersetzung 
vieles besser ausdrücken und erklären, und sodann auf mehr Leser 
rechnen kann ; ganz ist indessen noch nicht gegen die lateinische 
Version entschieden und ich bitte auch Sie um Gründe und Gegen- 
gründe über einen so wichtigen und vielseitigen Punct. Zweitens 
macht das nähere Eingreifen dieser noch nicht edirten Gesänge 
in unsere deutsche Poesie eigene historische Untersuchungen noth- 
wendig, um derentwillen ohne allen Zweifel der Plan des ersten 
Bandes erweitert werden musste. Alle diese Arbeiten haben ihre 
Schwierigkeiten; Ihre gütige Erlaubnis, Sie darüber im Einzelnen 
zu Rath zu ziehen, ist mir sehr erfreulich gewesen und es wird 
gewiss davon Gebrauch gemacht werden. Hoffentlich erhält sich 
nun unsere Correspondenz lebhafter als bisher; ich wünsche es 
aufrichtig. 

Sobald der Druck beginnt, den wir durchaus nur selbst corrigiren 
werden, hat es keinen Anstand Ihnen die einzelnen Bogen durch 
die Post zu zuschicken. Vorläufige Abschrift Ihnen von den einzelnen 
Gesängen zum Behuf des Prachtwerks über nord. Myth. machen 
zu lassen, gibt es fast gar keine Möglichkeit; ein gewöhnlicher 
Copist würde dazu nicht geschickt seyn, wir könnten die Originale, 
die wir täglich brauchen, nicht aus Händen lassen, und die Ab- 
schrift selbst zu machen, bleibt uns bei vielen andern Nebenarbeiten 
kein Augenblick übrig. -Viel überhaupt für das altnord. Costum 
dürfte sich aus diesem zweiten Theil nicht entnehmen lassen ; was 
mir auffallen wird, soll treulich excerpirt werden. 

Für das gütig mitgetheilte Programm, welches Alliterationen 
im Homer aufsucht und findet,^ statte ich bestens Dank ab. 
Glauben Sie mir, dass ich solche Untersuchungen schätze, und 
erwarten Sie also nicht, dass ich nun die Vossische Übersetzung 
zur Hand nehme, und aus diesem deutschen Buch ebenfalls solche 
Beispiele von Buchstabenreimen aufspüre, welches nicht ganz fehl- 
schlagen kann. • Allein ich weiss wohl, welcher ungeheure Unter- 
schied zwischen der Naturpoesie des Originals und der steifen, 
künstlichen Nachbildung Vossens liegt. In jenem ist nichts als 
zufällig zu vermuthen, sondern alles natürlich, wichtig und be- 
deutend; in dieser verhält es sich gerade zu umgekehrt. Was 
ich gegen Ihre homerischen Buchstabenreime etc. vorläufig ein- 

I Es ist mir nicht gelungen, dieses Programm aufzufinden. Dasselbe ist 
wohl identisch mit dem in Idunna und Hermode Bd. i, Nr. 45. 47 abgedruckten 
Aufsatz »Aesthetische Bemerkungen» über die Königsweise der Barden.« 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ~ 23 

zuwenden hätte, wären folgende Puncte: i) die Allit. ist mir 
wesentlich ein auf den Wurzeln der Wörter ruhendes Princip, 
so wie aber die Wurzeln die Seele des Worts sind, so regieren 
die Hauptworte (nomina und verba) wiederum die Neben- und 
Zwischenwörter, und sind deren Seele, folglich ruht die Allit. immer 
auf sinnschweren, bedeutenden Worten (es müsste denn ein be- 
sonders starker Sinn, Accent auf jene gelegt werden). Beispiele 
wo 06, of, arra^, avxiY.a^ xoiv etc. alliteriren, nehme ich daher 
nicht an. Und werfe überhaupt ein, dass die griechische Sprache 
das Wurzelprincip insofern allgemein verwirft, als ihre Prosodie 
nicht darauf gebaut ist, und nichteinmal ihre Accentuologie , als 
etwas wiederum verschiedenes. 2) Die Allit, wie das Reimprincip 
dulden eigentlich und in der Regel kein wiederholtes Niederlassen auf 
dasselbe Wort in einem und demselben Satz. Hiermit stehen 
ebenfalls viele Ihrer Beispiele im Widerspruch, zb. die von ytaQTcgoc, 
devovTO, rje, etc. etc. 3) Die Allit. erfordert nahes Beisammen- 
stehen. Sie werden mir kein Beispiel nord. Allit. zeigen können, 
wo die Bindwörter durch so viele Silben getrennt sind, als hier 
zb. zwischen fte/^Tte und Tiaaae liegen, vielmehr ist in einer solchen 
Silbenzahl, als ungefähr jeder Hexameter hat, das dreifache 
Band der gewöhnlichsten Art von Allit. immer schon absolvirt. 
u. s. w. 

Im Ganzen liegt etwas durchausWahres Ihrer Bemerkung 
zum Grund, und besonders die (von der eigentlichen Allit. ursprüng- 
lich unabhängigen) inneren Vocalassonanzen sind in Ihren Exempeln 
unverkennbar. Das Ganze weist auf das uralte, tiefgegründete 
Element der Alliteration etc. hin, und muss demnächst, wenn man 
auch in andern Sprachen' darauf sehen wird , auf die Geschichte 
der Bildung derselben ein neues Licht verbreiten. 

Zur Wiedereinführung der nordischen Versmasse gehört vor 
allem lange Sitte und Gewohnheit unserer Ohren daran, sonst 
wird alles kalt und steif bleiben und statt aus dem Herzen aus 
dem Kopf hervorgehen. Welcher unpoetische Misbrauch ist mit 
griechischen Metren und italienischen Reimen unter uns getrieben 
worden, jetzt ist eine Müdigkeit an allen Formen erzeugt worden 
und diese Zeit ist der Lust und Liebe an scandinavischer Form 
gewiss nicht günstig. Fouque weiss nur nicht manche Regeln 
genau, sonst würde er sie, bei einer sündlichen Gewandtheit, die 
er im Versmachen hat, schon alle herausbringen, ich wünsche 
aber, dass er bald den Appetit verliere. Ihre Versuche sind un- 



24 Briefwechsel zwischen 

Streitig gründlicher, nur scheint es mir, haben Sie Sich einiges 
ohne Noth schwer gemacht, z. B. 

Räumen soll heute der Römer 
Racheschnaubend das Schlachtfeld, 
Brüder zum heissen zum blutgen 
Bade seid ihr geladen i 

scheinen nicht nur die Consonanzen r r (r) und b b (b) zu regel- 
mässig und absichtlich in den Eingang der Zeilen gesetzt, 
sondern die Vocalassonanzen aü, öm — ach (ach) — üd, ut — 
ad (ad) ebenfalls absichtlich unmittelbar hinter jene Conso- 
nanzen gebracht; — beides befolgen die gewöhnlichen Gesänge 
in Drottmällt nicht; und was den zweiten Punct betrifft, so ist 
meiner Ansicht nach das Princip der Consonanz und Assonanz 
gänzlich von einander unabhängig, sie brauchen nicht dieselben 
Wörter zu halten, und die Consonanz kann vor oder hinter der 
Assonanz stehen. Dagegen haben Sie Sich vielleicht in der Silben- 
zahl jeder Zeile mehr Freiheit genommen, als viele der alten 
Scalden. Statt solcher einzelnen Bemerkungen, die sich in unserm 
Fall ohne Weitläufigkeit und viele Beispiele nicht einmal recht 
deutlich machen, lieber eine grosse, mir sehr anliegende Bitte. 

Sie betrifft die von Ihnen aufgefundene Combacher^ Hand- 
schrift des Reinhart Fuchses. Wie können Sie denken, dass ich 
schon davon gehört haben sollte? Ihre einzelnen Programme 
kommen gar nicht in den Buchhandel, das letzte von der Helga- 
quipa habe ich bei 4 Buchhändlern mehrmals und vergebens ver- 
schrieben, und selbst Zimmer, ohne die besondere Bekanntschaft 
mit Ihnen, würde es mir nicht verschafft haben. (Sie müssen uns 
auf allen Fall im nächsten Heft von Bragur solche zerstreute 
schätzbare Nachrichten sammeln und wieder abdrucken lassen, 
oder noch lieber, wenn Sie mir vorläufig eine compehdiarische 
Notitz von andern in dortiger Gegend aufbewahrten Schätzen 
geben wollten, falls das Programm nicht mehr zu haben wäre.) 
Nun eine Hauptfrage : ist Ihr, wie Sie sagen, flamändischer Reineke 
in Reimen oder Prosa und in beiden Fällen aus welcher ver- 

1 S. Gräter, Gedichte. S. 332 (Chöre der Barden vor der Hermannsschlacht, 
Strophe i); Grimm citiert hier, wie Gräter im letzten Briefe, nicht ganz genau; 
es heisst: »Brüder, zum heissen, zum blut'gen Bade nun seyd ihr geladen.« 
S. a. Idunna und Hermode, Jahrg. i, Nr. 3 (18. Jan. 1812), 5 (i. Febr.) und 
8 (22. Febr.). 

2 D. h. Comburger (bei Schwäbisch Hall); s. o. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 25 

muthlichen Zeit? Ein niederländischer in Reimen hat existirt, 
nach einer Stelle in van Wyns avondstonden I. 27 3/^ der ein Frag- 
ment dieses Reintje de vos auffand, welches so schliesst: 

dit boek es ghescreven in dien tiden 
doen men scref m.cccc.lxxv en twe jden 
op onser vrouwen auont in den oest 
god moet wesen ons alre troest 

amen 

welche Jahrzahl 1475 sich vermuthlich blos auf die Zeit der ge- 
nommenen Copie bezieht. Auch der berühmte, viel ältere, Maer- 
lant in der »Naturenbloeme« sagt vom Fuchs: »aldus blivet in 
dat hol Reinarde«, es kann folglich der erste Druck des pro- 
saisch hoU. Buchs Gouda 1479 u. s. w. auf keinen Fall diese 
Dichtung zuerst unter seine Landsleute eingeführt haben. Die 
zweite Frage wäre: in wiefern stimmt das flamländ. Gedicht mit 
dem plattdeutschen mehr oder weniger zusammen etc. etc.? 

Mein vaticanisches hochdeutsches weicht, wie ich schon 
gesagt zu haben glaube, davon gänzlich ab und ist ^m grossen 
Theil auf ganz andere Fabel gegründet. Es gehört fast so gut 
als gewiss ins 1 2'« Jahrh. schon seiner Einfachheit und fliessenden 
Darstellung wegen und fängt an: 

ditz buch heizet vuchs reinhart 

got gebezzer vnser vart 

vememet vremde mere 

di sint vil gewere 

von eime tiere wilde 

da man bi mag bilde 

nemen etc. etc. 

Das ganze sind etwa 2300 Zeilen und verdient vor vielen andern 
Denkmälern jener Zeit den ihm zugedachten Abdruck, zudem ich 
so überaus glücklich gewesen bin, die alten pariser Handschriften 
hierher geschickt zu bekommen, woraus ein bedeutender, zur Aut- 
klärung des ganzen Cyclus höchst behilflicher Apparat erwächst. 
An meinem Fleiss soll es wenigstens nicht mangeln. Erfreuen 
Sie mich nun baldig mit genauen Nachrichten von 
Ihrem Schatz, damit ich sehe, in wiefern er zu meiner Arbeit 
unentbehrlich oder blos nützlich seyn würde, doch letzteres ist 
er gewiss und ich rechne zum voraus auf freundschaftliche liberale 
Mittheilung ; ich habe Ihnen freilich keine Seltenheiten zu cediren, 
als Sie dem Herrn Arendt; werde mich aber zu allem bereit er- 
klären, was Sie verlangen. 



20 Briefwechsel zwischen 

Sie sehen, dass es mir an literarischem guten Willen nicht 
fehlt; ich denke überdas eine Ausgabe der trefflichen, altspani- 
schen Romanzen zu veranstalten, die fast schon zum Druck fertig 
liegt.^ Meine bisher ins Publicum gekommenen Aufsätze (auser 
meiner dieses Jahr zu Göttingen erschienenen Schrift über den 
altd. Meistergesang, worüber Sie mir ja Jhr Urtheil sagen 
müssen) stehen im Neuen lit. Anz. und den Heidelberger Jahr- 
büchern; zwer Abhandlungen auch im neusten Heft des berliner 
Museums.2 Ebenso verhält es sich mit meines Bruders Arbeiten ; 
seine Übersetzung der besten Kämpeviser aber ist kürzlich in 
einem dicken Buch zu Heidelberg bei Zimmer erschienen; auch 
darüber sind Sie, hochgeehrter Herr, mehr wie irgend jemand in 
Deutschland competent, und mein Bruder wünscht Ihre aufrichtige 
Meinung zu vernehmen. Da unsere einzelnen Aufsätze fast überall, 
auch in den heidelb. J. B. namentlich unterzeichnet sind, so 
stehen sie leicht zu finden, ohne dass ich Jahrgang und Numer 
zu citiren brauchte. 

Zur Fortsetzung d. Bragur sind wir so frei, Ihnen Beiträge 
altdeutscher und scandin. Art hiermit anzubieten, vorausgesetzt, 
dass Sie uns den bestimmten Anfang des Drucks einige 
Zeit vorher zu eröffnen die Güte haben wollen. — Wie geht es 
denn Heinze in Breslau.^ mit dem Sie gewiss noch in Verbindung 
stehen. Hat er keine Aussicht bei der neuen Universität angestellt 
zu werden, etwa als Bibliothecar ; wenn ihm nicht Büsching durch 
seine Reisen den Rang abgelaufen hat. 

Es ist Zeit zu schliessen. Also nebst vielen Empfehlungen 
und mit wahrer Hochachtung freundschaftlichst der Ihrige 

Jacob Grimm. 

Zu einem Ex. der Kämpadatr weiss ich Ihnen nicht zu helfen, 
ich habe mir schon vor einigen Jahren aus dem göttinger Ex. 
den completten alten Text, aber ohne die schwed. und lat. Version 
abgeschrieben. Die Wilkinasaga besitze ich, und könnte Ihnen 
eine mir früher zu anderm Behuf verschaffte Abschrift der b 1 o s e n 
latein. Version abtreten, falls Ihnen daran gelegen wäre. 

1 Die Silva de romances viejos erschien freilich erst 1815. 

2 Band 2, S. 226 ff. (über Karl und Elegast); S. 284 ff. (Homkind und 
Maid Rimenild). 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 27 

Aus Copenhagen haben wir neulich auch Abschriften der 
Blomsturvalla und Jarl Magussaga empfangen. Beide schienen 
uns wichtiger, als wir jetzt finden. — P. E. Müllers Abh. über 
die Achtheit der Asalehre, Kopenhagen 1811. 92 S. in 8. wird 
Ihnen auch zugeschickt worden seyn, mein Bruder hat eine um- 
ständliche Recension geschrieben, die in: den heidelb. Jahrb. er- 
scheinen wird. Ihre 2ytLQvr]Q0v odoinoQia^ haben wir noch nicht 
gesehen, Rask schreibt, dass er damit recht zufrieden sey und 
eine Rec. davon verfasst habe. Ich weiss aber nicht, wo die er- 
scheinen soll. 2 



VI. 

erst abgegangen den 20. ejusd. Cassel 10 October 181 1 



A, 



.uf meinen letzten Brief, ich glaube vom Monat Juli, 
habe ich unverdienterweise keine Antwort bekommen. Verzeihen 
Sie es daher, hochgeehrtester Herr Professor, wenn ich Ihnen 
schon wieder beschwerlich falle. Ich kann es indessen nicht unter- 
lassen, mir nähere Nachricht von dem Combacher Ms. des Rein- 
hart Fuchs auszubitten, da ich gegenwärtig stark an der Geschichte 
dieser Fabel arbeite und wohl fühle, dass ein solcher neuer Fund 
neue Aufschlüsse geben muss, mir kommen selbst Kleinigkeiten 
in Betracht. Meinem Fleiss würden Sie wenigstens Gerechtigkeit 
widerfahren lassen, ich habe das grosse Pariser Ms. du roman 
de renard bestehend aus mehr als 25,000 altfranzösischen oft 
schwerleserlichen Zeilen wörtlich, ja buchstäblich copirt und darin 
freilich gar viel Merkwürdiges angetroffen. 

Am liebsten wäre mir, wenn ich das Combacher altdeutsche 
Ms. zur eigenen Ansicht und Benutzung auf einen oder . zwei 
Monate erlangen könnte, ich würde Sie dann weniger zu bemühen 
haben und doch manches genauer sehen, da Ihnen natürlich die 

1 Gemeint ist wohl Gräters Programm zum i. Jan. 18 10: »lieber eine 
griechische Nachbildung in homerischer Sprache und Versen der Nordischen Götter- 
geschichte Skimers Fahrt, oder die Brautwerbung des Gottes Frey;« widerabge- 
druckt in Bragur 8, S. 23 f. 

2 Diese Recension habe ich nicht finden können. 



28 Briefwechsel zwischen 

andern Quellen nicht sämtlich gegenwärtig seyn können. Da der 
Ort ganz in Ihrer Nähe liegt, so darf ich mir von Ihrer Liberalität 
diese Gefälligkeit versprechen, um so mehr, da Sie von Ihrem 
Prioritätsrecht auf das Ms. schwerlich öffentlichen Nutzen zu ziehen 
vorhaben. 

Im Isländischen arbeite ich fleissig fort und da lernt man 
jeden Tag. Ob meine Rec. der Helgaq. II. gedruckt ist,' weiss 
ich nicht, weil ich die H. Jahrb. nicht immer gleich erhalte. 
Manches würde ich jetzt anders und besser gesagt haben, z. b. über 
jöreykr gar keinen Zweifel erhoben, fumus equorum cursu excitatus 
steht fest, auser der Hervarars. steht das Wort Wilkinasage p. 222 
und Heimskringla 2. 227 (der alten Ausg.) und wer weiss wo 
sonst noch. Bei he fr a armi in der vierten Str. hatten Sie mich 
durch die Verweisung d^i harbarzl. XXL i ganz irre geführt, hefr 
(von hefiay heben) kann ohnedem nicht gut für hefir, hafis (von 
hafa haben) stehen. In beiden Fällen ist der dativ hanom übel 
erklärt, das beste remedium gewährt Thorlacius obs. IV, 24.^, 
wo die Lesart sefr a armi (im Arm schläft) sich sogleich als 
die richtige, einzige ankündigt. Der Anfang dieser Strophe ist 
im ersten Theil der säm. Edda p. 192. not. 31. erklärt, mit der 
folgenden (tPic, /laufom esindi etc.) kann prymsq, X, XI verglichen 
werden. Doch warum halte ich Sie mit nochmaliger Revision 
einer Arbeit auf? Sie könnten mir ohne Zweifel selbst viel lehr- 
reichere Noten dazu machen. 

Für die schwierigsten (aber auch neuesten) Stücke des zweiten 
Theils halte ich ohne weiteres die beiden Atlamäl , unter die 

* 

leichteren gehört Gripissp4 etc. etc. Wie leicht und einfach sind 
aber selbst jene gegen die Gesänge späterer Zeit in Drottmällt 
und Runhendt, ich fühle wohl, dass ich noch einige Jahre studiren 
muss, bevor ich dergleichen zu interpretiren wagen dürfte, wenn 
am Ende ein solches Studium lohnt. Rechnen Sie R. Lodbroks 
Sterbelied, den herrlichen Nomengesang aus der Niäla und Egills 
Hofudlausm [?Höfudrausnf] ab, was haben wir aus späterer Zeit 
herrliches, wogegen mir nicht ein kleines Stück der alten Lieder 
zehnmal lieber wäre f Welcher Ertrag, dass man die zweimal, drei- 
mal gehäuften poetischen Reden (das rekit.) endlich versteht? es 
kann sie doch keine Seele nachverstehen, ohne denselben Domen- 

t Sie erschien iSil in Nr. 63 der Heidelberger Jahrbücher. Was Grimm 
in dieser Recension und im Briefe die xweite Helgaquida nennt, zählt jetzt als 
die erste, die litl^MviJa Hj^n^arelss^mar. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 20 

weg ZU thun. Wer kann grossen Gefallen finden an der Thorsdrapa 
etc. etc. die Thorlacius so umständlich coiHmentirt hat ? wer zieht 
nicht den einfachen Bericht der Dämrsaga vor, worin wahrlich 
mehr Poesie steckt? 

Ich habe endlich Thorlacius mir noch fehlende observatt. vor 
kurzem erhalten und bewundere die Gelehrsamkeit darin. Im 
Grund sind doch überhaupt die isländischen Linguisten ein bischen 
gelehrter als unsere Adelunge I 

Fast scheue ich mich, Sie mit Anfragen zu behelligen, bevor 
Sie mir nicht ausdr. Erlaubnis dazu geben. Daher nur einiges 
aus der ersten Helgaquifa.'. Wie lesen Sie die vier ersten Zeilen 
der siebenten Strophe (incip. Drott fotti sa dauglingr vera etc.)? 
Lesen Sie in der neunten ympis liomay oder mit Olafsen 112. 
ynpis? In der iß'«"* fianda a milli, oder mit Olafsen p. 56. 
fr an da a m.? — Wie erklären Sie in der 21"^" ognar lioma? 
liomiy Schein, Glanz. Aber ognar von ogn terror? anderwärts 
steht: or oduccum ognarlioma (Schreckenflamme). — Schwieriger 
ist Str. 24 seint quap at telia af traun o eyri^ wo die Wolsunga 
S. leider nur hat: nu er icke hägt at telja. Ich denke an eyri 
(femin.) Küste, und das altdeutsche Tran, später Stran, jetzo 
Strand.2. — Str. 29. varpat hraunnom haufn ping loga, ist mir 
nicht recht klar. — Str. 44. tauttryg hypia. Man sieht wohl, 
dass hypia die weibliche Endung eines Adj. oder Participiums ist, ^ 
wie rikia etc. etc. und die erste Silbe in tauttryg ist wiederum 
deutlich (conf. Ihre v. to Lumpen, Fetzen) aber nicht so die Zu- 
sammensetzung mit tryg. — Sed in his subsisto. 

Ich habe die Ehre mit vollkommenster Hochachtung zu seyn 

Ew. Wohlg. 

ganz ergebener 

Grimm. 
PS, 

Sollten Sie Sich mit Besorgung des Ms, von Reinecke F. zu 
befassen nicht die Güte haben wollen, so wünsche ich wenigstens 
die Adresse zu erhalten, wohin man sich nach Stuttgart etc. etc. 
zu wenden hat? 

I. Helgakvida Hundingsbana I. 

2 Im Originalbrief ist mit Bezug hierauf an die Seite geschrieben: 

in der Olaftryggvs. S. cap. "j"^, (IL Kr, i. 2gß) ein Schiff tranß, 

3 Im Original ist hier als Einschaltung übergeschrieben: 

conf. hervar, s. v, hiupa 



30 



Briefwechsel zwischen 



VII. 

Hall, den 22. Nov. 181 1. 






Oeit 10. Tagen, verehrtester Herr StaatRAuditor , dass ich 
Ihren letzten Brief vom 20ten in Händen habe, will ich Ihnen mit 
jedem Posttag eine ausführliche Antwort auf diesen und Ihren 
vorhergehenden, mir äusserst schätzbaren vom 23. jul. schreiben; 
allein mit jedem Tage trügt mich die Hoffnung, so viele Müsse 
zu erhalten, und selbst dieser Vormittag, den ich aufs ernstlichste 
dazu bestimmt hatte, ist mir durch unaufhörliches Red- und Ant- 
wortgeben zu Grunde gegangen. Schon ist es Mittag, und um 
die Post, die um 3. Uhr abgeht, nicht abermals zu versäumen, 
will ich Ihnen wenigstens Ihre Hauptanfrage kurz und bestimmt 
beantworten, und nur als Hauptentschuldigung meiner Ver- 
zögerung der Antwort auf Ihren ersteren Brief Ihnen die Neuigkeit 
melden, dass Se. Majestät, der König, unerachtet ich kurz zuvor 
die allergnädigsten Versicherungen für das hies. K. Gymn. und für 
meine Person insbesondere erhalten hatte, sich in der Mitte des Jul. 
auf der Reise bewogen gefunden haben, die sämtlichen Gymnasien 
in denjenigen Städten, die nicht das Prädicat »Unsere gute Stadt« 
haben, aufzuheben. Leider war unter diesen auch die hiesige 
Stadt, und somit auch das K. Gymnasium. — Dass mir dieser 
Umstand neue Beschäfftigungen ganzeigener Art zugezogen hat, die 
meine literarische Correspondenz unterbrachen, können Sie nun, 
ohne weitere Auseinandersetzung selbst ermessen. No.ch bin ich 
übrigens hier, und bis zu der, mir allergn. decretirten Versetzung — 
ist mir einstweilen mit Beybehaltung jedes honorifici & utilis das 
Rectorat des Neuen Instituts übertragen — auch bin ich noch 
Ephorus des bis jetzt nicht aufgehobenen Königl. Alumneums. 
(Von alle diesem bitte ich jedoch vor der Hand in öffentlichen 
Blättern keinen Gebrauch zu machen.) 

Also die Handschrift des Reynaerd de Vos betreffend, so ist 
meine, schon Vorjahren eigenhändig genommene und deutlich ge- 
schriebene Abschrift in den isten Band von Odina und Teutona 
(öder den 8ten von Bragur) aufgenommenen,^ und ich konnte sie 

I Bragur 8, S. 265—375. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 3I 

also, als ich Ihren Brief erhielt, Ihnen nicht mehr mittheilen — 
denn da ich mehrere einzelne Programme d. d. darin niedergelegt 
habe, so glaubt' ich vorzüglich auch, dass meine vier Programme 
über die Merkwürdigkeiten der Comburger Biblioth. wovon die 
entdeckte Handschrift des flammändischen Reineke den Beschluss 
macht , darin des Aufbewahrens werth seven. Diesen Abdruck 
des Textes sollen Sie nun sogleich erhalten, wie er aus der Presse 
kommt, und zwar unmittelbar nach Cassel, wozu ich die gemes- 
senste Weisung geben werde. Auf die Richtigkeit desselben dürfen 
Sie sich verlassen, und unter dieser Vorausseftzung wird Ihnen auch 
die Vergleichung mit dem Abdruck lieber seyn als mit meiner 
Abschrift. Die wenigen Abbreviaturen habe ich alle gewissenhaft 
beybehalten. 

Uebrigens ist dieser Reynaerd in Versen, und der Verf. heisst 
sich Willhe'lm. Doch die Kürze der Zeit gebietet mir zu 
schliessen, und indem ich alles andere auf meinen nächsten Haupt- 
brief aufbehalte, lege ich Ihnen blos die Blätter aus meinen Pro- 
grammen, welche davon handeln, zu vorläufiger Notiz bey. 

Hochachtungsvoll indessen 

Der Ihrige 

F. D. Gräter. 



VIII. 

Cassel am 12 Mai 1812. 



D, 



ie unterbrochene Correspondenz mit Ew. Wohlgeb. wieder 
zu erneuern würde ich mich ohne die Veranlassung des In- 
halts gescheut haben. Ich weiss nicht, ob Ihnen meine Frei- 
müthigkeit, welche neben der aufrichtigsten Hochachtung Ihrer 
Verdienste, (als die auf mein Lob nicht zu warten brauchten) be- 
stand, oder etwas anderes in unseren Unternehmungen misfallen 
hat; so viel ist gewiss, dass mehrere Gründe zusammentrafen, um 
mich auf eine gewisse Ungeneigtheit Ihrerseits schliessen zu lassen. 
Auf meine zum Theil angelegentliche Briefe empfing ich nur 
kurze, eilige und späte Antworten, welche die Hauptsache ab- 
sichtlich liegen zu lassen schienen; um einen anderen Beleg zu 



32 



Briefwechsel zwischen 



geben, Sie federten durch gedruckte Circulare zu Beiträgen für 
Id. u. H. auf, dessen eines selbst an einen Freund von mir ge- 
schickt wurde, der sich nie ex professo mit altd. oder nord. Lit. 
beschäftigt hat;^ ich bescheide mich gern, dass ich kein Recht 
auf diese Ehre habe und Ew. Wohlgeb. diese Zeitschrift reichlich 
mit lauter eigenen Aufsätzen auszustatten vermögen ; es wäre mir 
vielleicht nichteinmal aufgefallen, wenn ich mich nicht erinnerte, 
Ihnen früher Beiträge zu Bragur aus freien Stücken angeboten 
zu haben, ohne dass darauf irgend eine Antwort erfolgt wäre. 
Ich denke von dem Werth meiner Arbeiten übrigens sehr be- 
scheiden und habe des ganzen Umstandes hier nur zu meiner 
Entschuldigung erwähnt, dass ich auf Ihr geehrtes letztes Briefchen 
nicht geantwortet. 

Die Concurrenz in dem Reinhart Fuchs kann mir durchaus 
nicht zur Last fallen, ich hatte erst lange nach meiner Ankündi- 
gung und erst durch Sie selbst von der Existenz des flandrischen 
Gedichts gehört und wäre von selbst von der natürlichen Idee, 
es ebenfalls zur Herausgabe zu erlangen, abgewichen, wenn ich 
gehört hätte, dass Sie es bereits drucken lassen wollen, worüber 
ich mich herzlich freue. Beide Gedichte sind im Inhalt ganz 
verschieden, und es findet zwischen uns keine Collision statt, 
den Vortheil der früheren Erscheinung haben Sie ohnedem dabei. 

Sie haben, geehrtester Herr Professor, in Num. 17. 18. der 
I. u. H.2 (die mir vorgestern zugekommen sind) einen Aufsatz 
über oder mehr gegen unsere Edda einrücken lassen, wir fühlten 
uns zu der beifolgenden Erwiederung begreiflich gedrungen, wir 
haben das feste Vertrauen, dass Sie lieber in kleinen Dingen ein 
eigenes Unrecht eingestehen, als unserm Unternehmen schaden 
und uns in einer für uns so bedeutenden Angelegenheit kränken 
wollen, wir sind so frei, um baldigste Insertion zu bitten, wenn 
auch der Mannichfaltigkeit wegen das Ganze in mehrere Blätter 
vertheilt werden muss. Können Sie, ohne Ihre Kosten, ein 
besonderes Intelligenzblatt dafür bestimmen, so ist das voll- 
kommen einerlei. Sie werden sehen, dass in dem ganzen Aufsatz 

1 Nach Grimms nächstem Briefe ist Arnim gemeint. 

2 Jahrg. I, Nr. 17. 18 (S. 65 — 68. 71 — 72); die Recension, von Gräter 
selbst herrührend, führt den Titel: »lieber den Aufsatz: Die Lieder der alten 
Edda. Eine näheje Ankündigung der Herausgabe des 2ten Theils der sämun- 
dinischen Edda von den Herrn Gebrüdem Grimm zu Cassel. Im Morgenblatt, 
1812. Nr. 65. 66. 67 u. 68.« 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ^^ 

keine Leidenschaftlichkeit stattfindet, wiewohl sich eine gewisse 
Empfindlichkeit natürlich schwer verbergen Hess, erblicken Sie 
Selbst darin, dass wir Ihnen zu allererst unsere Erwiederung unter 
werfen, einen Beweis unserer Hochachtung, und Offenherzigkeit. 
Nichts würde uns besser zeigen, dass Sie mit einer ähnlichen 
Gesinnung unsere Antwort aufnehmen, als wenn Sie solche für 
würdig halten, mit Ihren eigenen widerlegenden oder berichtigenden 
Fortanmerkungen zu begleiten. 

In wiefern dieser Anlass unserm Briefwec^hsel wieder aufhilft, 
wird blos von Ihnen abhangen, im glücklichen Fall würde er für 
uns angenehme Folgen gehabt haben. Auf jeden Fall bitte ich 
ergebenst um ein Paar Zeilen mit einer der nächsten Posten, ob 
Sie den Aufsatz einrücken lassen wollen; ich habe keinen andern 
Ort für ihn, da die Redaction des Morgenblatts und wegen seines 
für ihr Publicum unpassenden Inhalts mit Recht Schwierigkeiten 
machen dürfte. 

Der ich die Ehre habe mit unausgesetzter Hochachtung zu 
beharren Ew. Wohlgeb. 

ganz ergebenster 

Jacob Grimm. 

N. S. 
Mit grosser Mühe und unverhältnismässigen Kosten habe ich 
neulich zwei Exemplare von Graberg saggio istorico su gli 
scaldi o antichi poeti scandinavi. Pisa 1811, erhalten, das Buch 
ist prächtig gedruckt (253. S. gross 8.) aber mehr deshalb und 
weil es von einem Schweden italienisch geschrieben worden^ eine 
Rarität, als innerlich bedeutend. Gern biete ich Ihnen ein Ex. 
davon an und verlange dafür nichts anderes, als dass Sie mir auf 
14 Tage oder höchstens 3 Wochen Ihr Exemplar von spe einten 
5. 6. 7^8. des Thorlacius leihen, damit ich mir einige Blätter zu 
meinem heft weise empfangenen Ex. ergänzen kann. 

I Im Original ist mit Bezug hierauf am Ende des Briefes hinzugesetzt : 

auch Ragn. Lodbr. 2. ist darin grösstens übersetzt, ferner 
Hävamal ' 



34 



Briefwechsel zwischen 



IX. 

praes. 28 Mai. 
[dies von J. Grimms Hand] Schw. Hall, am 20ten May, 18 12. 

Üw. Wohlgeborn Schreiben vom I2ten d. habe ich vorgestern 
den i8ten erhalten, und eile, Ihnen heute die Nachricht zu geben, 
dass ich Ihre Antikritik in die Beylagen von Idunna u. Herrn, 
wiewohl natürlich mit Beantwortung derjenigen Stellen, mit denen 
ich mich nicht vereinigen kann, baldmöglichst einrücken im lassen 
gar nicht abgeneigt bin. Nur muss ich erst das i/te u. i8te Stück 
zur Hand erhalten, worin meine Bemerkungen über Ihr Vornehmen, 
dessen Verdienstlichkeit ich ja gewiss nicht in Zweifel gezogen 
habe, sich abgedruckt enthalten sollen. Denn ich besitze bis 
diesen Augenblick (durch welchen bösen Zufall ist mir unbekannt) 
noch nicht mehr als die 10. ersten Stücke, und kann mich durch- 
aus nicht mehr jedes Ausdrucks erinnern, obgleich im Ganzen, 
dass ich diesen Aufsatz vor der Absendung mehrfach durchgelesen, 
und eben, um Ihnen keinen Anlass zu Voraussetzungen, von denen 
Sie sprechen, zu geben, mehrere Stellen weggestrichen habe. 
Ueberhaupt wird der Gesichtspunct anders, nachdem Sie erklären, 
dass Sie blos diejenigen Lieder, die zu dem Cyclus des Helden- 
buchs und der Niebelungen gehören, und nicht die Pars altera 
EddcB ScsmundincB im Namen des Magnäanischen Instituts oder 
doch als Stellvertreter desselben heraus geben wollen. 

Doch darauf muss ich nun schon öffentlich antworten, und 
breche daher von diesem Gegenstand ab. 

Sie beschweren sich über meine späten und kurzen Antworten. 
Allein die Hauptschuld davon war wohl die, dass meine Müsse 
durch die Herausgabe der beyden Zeitschriften gänzlich absor- 
birt war. 

Durch ein gedrucktes Circular bedurfte ich Sie nicht erst zu 
Beyträgen aufzufordern, ich hatte mir diese, so glaubte ich wenig- 
stens bestimmt, schon schriftlich ausgebeten, und Sie antworteten 
mir darauf: das würden Sie, sobald Sie wüssten, dass der Druck 
seinen Anfang nehme. 

Dass an einen Freund von Ihnen ein dergl. Circulare kam, 
der sich nicht ex professo mit den N. u. d. Alterthümmern be- 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. oc 

schäfftigt, kann ohne mein Wissen geschehen seyn, da ich einigen 
Freunden mehrere Exemplare dieser kurzen Aufforderung zu- 
schickte, um solche wieder an ihre Bekannten gelangen zu lassen. 
Uebrigens wäre es mir doch interessant zu wissen, wer derjenige 
Ihrer gelehrten Freunde ist, an den diese Einladung sich verirrt 
haben sollte. 

Wenn Ihr Reinhart Fuchs von meinem Reynaerd de Vos 
gänzlich verschieden ist, wie mir aus den Proben von Ihnen auch 
gleich Anfangs einleuchtend schien, desto besser! Vermuthlich 
haben Sie bereits den ganzen Abdruck des meinigen in Händen; 
denn fertig muss er seyn, obgleich ich noch keine Zeile davon 
gedruckt erhalten habe. So langsam gehen die Sendungen aus 
Breslau durch Böhmen hieher an die Schwäbische Grenze. 

Leidenschaftlichkeit finde ich in Ihrem Aufsatze zwar nicht, 
ich wünschte aber, dass Sie auch die Empfindlichkeit unterdrückt 
hätten ; so dürfte ich nichts darauf erwiedern, wiewohl es mir be- 
lehrend ist, hieraus zu ersehen, wie Sie mich und meine allenfallsige 
Einsicht in die Sache taxiren. 

Ich denke übrigens bey alle dem, der Streit soll sich nicht 
anders als zum Besten des Guten und der Wahrheit enden, und, 
nachdem wir uns beyderseits unsere Meynung freymüthig gesagt, 
und das wahrhaft oder Vermeintlich beleidigte Selbstgefühl gerächt 
haben, uns nur desto mehr Achtung für unsre beyderseitige Kraft 
einflössen, und uns vielleicht einer Freundschaft fähig machen, die 
sich eben darauf, und nicht auf blosse Gefälligkeiten gründet. 

Wenn Sie mir indessen miit dem allernächsten Postwagen 
Ihr übriges Exemplar von Gräbergs Saggio istorico su gli Scaldi etc. 
zusenden wollten, würden Sie mich deswegen sehr verbinden, 
weil eben in der Sammlung m. Sehr, über die Nord. Vorzeit der- 
jenige Bogen in der Presse ist, der die Zusätze zu dem Regner 
Lodbroksgesang anfangt. Vielleicht könnt' ich davon noch Ge- 
brauch machen. Eben so willkommen war' es mir, wenn Sie ein 
zweytes Exemplar von Rask Isländische Sprachlehre be- 
sässen, und dieses beyfügen wollten. Durch welches Geschick 
ich sie noch nicht erhalten habe, weiss ich nicht. Aber dass ich 
sie noch nicht besitze, ist gewiss. In der A. L. Z. hatte ich 
übrigens Ew. W. sogleich als den Verfasser der ausführlichen 
Kritik hierüber, die mir sehr interessant gewesen ist, erkannt. 

Leid ist es mir übrigens, Ihren Wunsch in Hinsicht der Spec. 
Thor ladt nicht auf die Art erfüllen zu können, wie es Ihnen 

3* 



'liß Briefwechsel zwischen 

am angenehmsten zu seyn scheint. Das 4te und 8te könnte ich 
Ihnen in keinem Falle zuschicken, weil das 4te mit den früheren 
zusammengebunden ist, die ich wegen einer mythologischen Aus- 
einandersetzung , die sich gerade auf diese Gegenstände bezieht, 
nicht entbehren kann. Und das 8te besitze ich noch nicht. Das 
6te und /te ist ebenfalls zusammengebunden; ersteres könnte ich 
gegenwärtig wohl entbehren, aber letzteres nicht. Ich erbiete 
mich daher, da Ihnen nur einige Blätter fehlen, Ihnen solche in 
den ersten zwey Tagen nach Empfang der nöthigen Anzeige dieser 
Blätter mit der grössten Genauigkeit abschreiben zu lassen, und 
nach sorgfältiger Revision Ihnen solche ohne Verzug zuzusenden. 
Dagegen wünsche ich ein Exemplar von Spec, Vlil. das die Fort- 
setzung des Commentars von Thörs-drapa enthalten wird. Können 
Sie mir dieses lehnsweise oder einstweilen abschriftlich verschaffen, 
so werden Sie mich verpflichten, und ich will gerne die Kosten 
dafür ersetzen, so wie für Grabergs Saggio, 

Hochachtungsvoll, indessen 

Ew. Wohlgeboren 

gehorsamster Diener 

Graeter. 

N. S. 
Dieses Schreiben sollte heute den 2isten mit der reitenden 
Post abgehen, kam aber um einige Minuten zu spät; es kann 
daher erst übermorgen, den 23sten d. abgeschickt werden. 



X. 

Cassel 29 Mai 1812. 



E 



rS macht mir viel Vergnügen, hochgeehrtester Herr Professor, 
Ihren Wunsch zu erfüllen und Ihnen gleich mit der heutigen Fahr- 
post den Gräberg zuzusenden; wäre es nur etwas besseres. In 
der That und nun gar fiir einen geborenen Schweden, gehört eigene 
Unverschämtheit dazu, mit einer so elenden Abhandlung der wich- 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 37 

tigsten, schwersten Gegenstände hervorzutreten ; für Ihre R. L. 2. 
wird sich aus den einzelnen hier paraphrasirten oder excerpirten 
Strophen kaum etwas Gutes nehmen lassen. Der Vf. (der sonst 
in der mittleren Geographie rühmliche Einsicht haben soll) scheint 
gar nichts von dem zu wissen, was seit den letzten 50 J. in Däne- 
mark geschehen und geschrieben ist; Sie müssen Sich doch die 
Mühe nehmen, die Schrift zu durchlaufen und ich bin überhoben, 
es jetzt noch einmal zu thun, um ein Paar lächerliche Beispiele 
zum Besten daraus zu geben. Französische Critiker haben das Buch 
nicht genug gewusst zu loben, ich denke nächstens eine ganz 
entgegengesetzte Rec. zu schreiben, und selbst den schönen Druck, 
als unnütze Verschwendung zu tadeln.' Sehen Sie also bei diesem 
kleinen Beitrag zu Ihrer Bibliothek, weniger auf den innern Werth, 
als auf den animum domantis, 

Dass Sie unsere Erwiederung in Ihre Zeitschrift aufnehmen 
wollen, erkenne ich mit schuldigem Dank und hatte es ganz so 
erwartet; durch Aufrichtigkeit werden unter rechtlichen Leuten 
Misverständnisse am besten und reinsten aufgehoben, die Gerechtig- 
keit mittelt sich so von selber aus und auch über den Ton unserer 
Polemik werden wir in Zukunft nicht weiter Ursache haben gegen 
einander zu klagen. Da mir jede Zögerung des Abdrucks unan- 
genehm ist, so werden Sie mich durch dessen Beförderung sehr 
verbinden , um so mehr , als ich doch glaube , dass es auf buch- 
stäbliche Einsicht Ihres Aufsatzes nicht ankommt, wir ihm auch 
nirgendwo einen andern Sinn untergelegt haben, als den er 
wirklich hat. 

Schmeichelhaft war mir die Voraussetzung, worunter Sie 
glaubten mich wirklich zu Beiträgen für Id. u. H. aufgefodert 
zu haben, indessen gehe ich so eben Ihre Briefe durch und finde 
keine Silbe davon, ja nicht einmal eine Erwähnung der Zeitschrift, 
deren Erscheinung ich erst durch die öffentlichen Blätter erfuhr. 
Wie ich also in dieser Beziehung geschrieben haben soll, dass ich 
nur den Anfang des Druckes abwarten wolle, begreife ich gänzlich 
nicht. Arnim war gerade hier bei uns zum Besuch, als er die, 
wo ich nicht irre eigenhändig von Ihnen unterschriebene gedruckte 
Einladung empfing und uns zeigte, ich durfte wohl von ihm sagen, 
dass er die altdeutsche Poesie nicht ex pro f es so treibe, wiewohl 
er sich dafiir lebhaft interessirt und es ihm ein leichtes seyn 

I Diese Recension erschifii in Nr. 317 der Leipziger Literatnr-Zeitung, 1812. 



^3 1 Briefwechsel zwischen 



müsste, sie mit geistreichen Ansichten zu beleben; auch Do- 
browsky aus Prag schrieb mir beiläufig ein Circular erhalten zu 
haben, dieser würdige Gelehrte würde freilich auch ein Fach, worin 
er nicht zu Hause ist, durch die Mannichfaltigkeit seiner ' Kennt- 
nisse erläutern können ; es ist Ihnen daher in der Sache durchaus 
nicht zu verdenken, dass Sie solche Namen für ein Unternehmen 
zu gewinnen suchten, welches, wenn es einmal in der Gunst des 
Publicums feststeht, hoffentlich auch einen um das doppelte ver- 
mehrten Spielraum fodern wird. 

Auch die früher versprochenen Druckbogen des Reynaert 
Vos habe ich niemals bekommen, bitte aber nun, da das Ganze 
schon fertig ist oder bald seyn wird, die deshalbige Bestellung 
nicht zu erneuern, weil mir dadurch unnöthige Portokosten ent- 
stehen würden. Inmittelst hat Wekherlin den Neugierigen 
einige Proben mehr gegeben,^ (in Ihrer Ausg. wird das ohne 
Zweifel correcter erscheinen, z. B. S. 132 grongaerde ist soviel 
als unser : Grün oder Gelbschnabel — cf. Tkoflac, sp. vi. 1 26 — 
Seite 139 sind die Namen falsch abgetheilt, ibid. vederslach st. 
wederslach u. s. w.) es erhellt, dass die comb. H. S. leider nur 
einen Theil des flandrischen Gedicht^ aufbewahrt hat, denn 
dass dem Inhalt nach ebensoviel gereimt vorhanden gewesen 
seyn muss, als unser plattd. Gedicht gibt, beweise ich sehr leicht 
mit dem alten delfter Druck der Prosa, worin am Ende nicht 
weniger als am Anfang die alten Reime häufig durchschimmern. 
Ich denke aus Ihrer Ausgabe für den Commentar des vatic. Ge- 
dichts viel Nutzen zu ziehen, dieser wird etwas umständlich werden, 
allein über die Thiernamen mehrere Bogen lang. 

Seitdem ist auch in neueren Blättern der Id. Ihre Übersetzung 
der Vol. Q. gedruckt erschienen ,2 leider ohne den Originaltext> 
ich war auf manche Variante gespannt, und nun werden wir immer 
noch einige Zeit warten müssen. In der Abtheilung der Strophen 
weichen wir ab, den Eingang in Prosa werden Sie hier absichtlich 
ausgelassen haben. Ihre Übersetzung lässt sich sehr gut lesen, 
eben aber wegen der Freiheit, die Sie sich, der Gewandtheit im 
Deutschen zu gefallen, genommen haben, ist es schwer zu be- 

I »Beyträge zur Geschichte altteutscher Sprache und Dichtkunst, von Ferdinand 
Weckherlin. Stuttgart i8ii<; S. 125 — 151: »Zur Geschichte und Litteratur des 
Reineke Fuchs.« 

a Idunna und Hermode, Jahrg. I, Nr. 19 und 20: »Das Lied von dem 
finnischen Königssohn Wölunder«. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ^g 

Stimmen, ob Sie einige Phrasen anders verstehen oder wirklich andere 
Lesarten haben. Str. 3. sagen sie: und am 9'«" da kostets Müh 
— der C. reg. enn inn niunda naupr um scilpi; zweideutig 
nachdem man nauj)r durch Noth oder Ver^vandschaft, Ehe (wie 
das lat. necessitudo) erklären will. Str. 4: die trefflichen Schützen; 
der cod. reg. hat den sing. u. vegreygr. Str. 6: blank war 
sein Harnisch. Cr. negldar voro brynior, genagelt, beschlagen 
waren die Brynien etc. etc. Weiter zu verfolgen, fehlt es heute 
an Zeit, damit das Paquet die Post nicht verfehlt. Melden Sie 
mir doch gefällig in Ihrem Nächsten, wie der c. vidal. die 4 ersten 
Zeilen (Fiordungr) Ihrer neunten, die 4 ersten Ihrer zwölften, die 
4 letzten Ihrer aöste»^ liest? und ob Sie Str. 22 und 32 undir fen 
f i ö t u r s haben, welches mir dann in Ihrer Uebersetzung zu allgemein 
ausgedrückt scheint; fen wüsste ich durchaus nur durch Sumpf, 
Moor, plattd. fenn, finne (s. Adelung h. v.) zu verstehen, wie 
wohl fiöturs nicht ganz dazu passen will. Str. 26. initio: mehr 
Schönheit wies sie, da bracht er Bier'' setzt um so eher eine 
verschiedene Lesart voraus, als Thorlac. sp. IV. p. 7/. mit einer 
leisen Änderung {;uissi statt kunni) gleich dem Cod. reg. liest: 
bar hann hana biori, I)uiat hann betr kunni, auch übersetzt: 
utpote qui doctior. Doch ich gerathe wieder hinein, wo ich ab- 
brechen wollte, interessant waren mir die orthographischen Varianten 
Chlodwer, Chladgudr, wofür wir hlaupver, hlapgupr — Bakrader 
Str. 37. wohl Druckfehler für Dakradr, da das Metrum prakrapr 
verlangt, was ich im Deutschen durch Dankrat geben würde, 
wie takke danken. Gegen die Anwendung der Reime hätte ich 
weniger, als dagegen, dass Sie dabei keine gleiche und feste Regel 
halten. Allein unleugbar würde Ihre Übersetzung durch diesen 
Zwang anderwärts wieder eingebüsst haben. Dies lobende und 
tadelnde Urtheil gilt auch von der übrigens nicht minder gelungenen 
Übersetzung des runhendischen Lieds- von Ormr Sturleson' (in 
dessen isländ. Abdruck die vierte Zeile der ersten Str. ausgefallen, 
aber wohl leicht zu restauriren ist.) Unter Ihren übrigen Auf- 
sätzen in I. u. H. ist mir Ihre Rec. der müllerschen Abh.^ lehr- 
reich gewesen, besonders wegen der nachgewiesenen allerdings 
merkwürdigen Stelle. 

1 Idunna und Hermode, Jahrg. I, Nr. 13: »Sniolfs Lied, von dem Kampf 
in dem Dorfe Grund auf Island. 1362.« 

2 Idunna und Hermode, Jahrg. I, Nr. 7; über P. E. MüUer's Schrift über 
die Echtheit der Asalehre. 



40 



Briefwechsel zwischen 



Was die von mir gewünschten Hefte des Thorlac. betrifft, so 
muss entweder ich mich verschrieben, oder Sie mich misverstanden 
haben. Denn sp, 4.. das Sie jetzt nicht entbehren wollen, brauche 
ich gar nicht, da ich es vollständig habe. Sp. 8. habe ich eben- 
falls noch nicht, nebst mehrern Sachen, die Hammerstein für uns 
angekauft, hält es zu Lübek Quarantaine und Gott weiss, wann 
es ankommen wird, sollte es sich doppelt finden, (denn dies ist 
leicht der Fall) so versteht sich, dass Ihnen ein Ex. zu Dienst 
steht. Sp. 7 besitze ich von pag. i — 128. Da Sie dieses durchaus 
nöthig haben, so bitte ich, falls des fehlenden nicht gar zu viel, 
mir eine Copie davon zu senden. Von sp. 6. habe ich nur i — 64 
(fin. verbis: est Iduna at) es mangelt also ziemlich, in gleichem 
Verhältnis mangelt mir in sp. 5. Da Sie sp. ß. jetzt gar nicht 
brauchen, so erwarte ich dies von Ihrer Güte mitgetheilt, sp. 6. 
könnten Sie wohl (wenn kein kostbarer Band zu verderben) von 
sp. 7. losschneiden, der demnächstige neue Einband geht auf meine 
Kosten. Sie legten wohl noch Sjöborgs Rigsmäl zur Einsicht 
bei. Ich sende Ihnen alles gewiss 14 Tage nach Empfang wieder, 
weil ich mir das fehlende nicht wörtlich abschreiben, sondern blos 
excerpiren will, denn ich bekomme das Ganze doch einmal 
in natura. So vermeiden wir die Kosten der Abschrift und Ihnen 
wird die Mühe der Correctur erspart. Haben Sie die Güte das 
Paquet mit nächstem Postwagen abzusenden. Mein Bruder em- 
pfiehlt sich mit mir Ihrer Freundschaft und Gewogenheit. Hoch- 
achtungsvoll der Ihrige 

J. Grimm. 

N. S. 
es fällt mir eben ein, um dem bösen Zufall, der Ihnen Ihre eigene 
Zeitung vorenthält, einen Streich zu spielen, dass ich dem Paquet 
mein Ex. von n. 17 u. 18 beilege. Dies verübeln Sie gewiss nicht, 
da mir aus aus. Gründen an der Förderung unseres Aufsatzes 
liegt. Ich bitte aber die beiden Blätter den spp. Thorlac. wieder 
beizulegen. 

Im Originalbriefe ist auf der ersten Seite an den Rand geschrieben: 

Zu einem Ex. von Rasks Gr. weiss ich leider keinen Rath zu 
schaffen. Der böse Schlagbaum I 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ai 



XI. 

Cassel 24 Juli 18 12 



Werthgeschätzter Herr Professor, 



s, 



Sollten Sie das nun schon 2. Monate an Sie abgesandte 
Paquet mit Gräbergs Saggio und einigen Num. von Id. und H. 
nicht mit dem Postwagen empfangen haben ? Ich gerathe darüber 
nach und nach in Unruhe, da ich erwarten durfte, dass Sie diesmal 
mich nicht so lang harren lassen würden, zudem ich um eine 
Gegenmittheilung dringend bat. 

Ebensowenig ist bis zu N. 29. der Idunna der bewusste Artikel 
abgedruckt, dafür findet sich ein boshafter Ausfall Hagens.^ Sollte 
dieser das andere bei Heinze hintertreiben? Gewiss gegen Ihren 
Willen. Leid thut es mir auch dass Heinze einen schon vor 4 Jahren 
oder länger geschriebenen Aufsatz meines Bruders anficht ,* in 
dieser Zeit ändern sich die Ansichten, wenn man in demselben 
Fach fortstudirt, hier und da und es wäre sehr leicht Hm Heinze 
noch ganz andere Waffen an Hand zu geben. Doch auf allen 
Fall ehren wir seinen Ernst und Eifer und wie es scheint Partei- 
losigkeit. Ueber andere Aufsätze der Zeitschrift hätte ich Ihnen 
mancherlei zu sagen, einstimmend und abweichend, weiss aber 
nicht, ob Sie es hören mögen. 

Eben ist von uns eine neue Edition und Erklärung des alten 
Fragments von Hildebrand u. Hadubrand, desgl. des berühmten 
wessobrunner , das Sie auch einmal commentirten,^ erschienen. 

1 »Wie es in den Wald hinein schallt, so schallt es wieder heraus«; datiert 
vom 14. März 18 12 und gerichtet gegen Jacob Grimms Recension von Hagens 
Buch der Liebe (in der Leipziger Litteratur-Zeitung 1812 , Nr. 62 — 64); Idunna 
und Hermode, Jahrg. I, Anzeiger Nr. 13. 

3 »Ueber die Anwendung der nordischen Mythologie auf Germanien«, Idunna 
und Hermode, Jahrg. i, Nr. 29; gerichtet gegen Wilhelm Grimms > Ueber die 
Entstehung der altdeutschen Poesie und ihr Verhältniss zu der nordischen < (in 
Daub und Creuzers Studien, 1808, S. 75 — 121. 216 — 288). 

3 Bragur 5, S. 118 — 155: »Das älteste teutsche Gedicht nach der, aus dem 
einzigen Originale desselben in dem Bayerischen Kloster Wessobrunn von Herrn 
Pater Anselm EUinger verfertigten, ersten diplomatischen Abzeichnung in Kupfer 
gestochen. Erläutert von F. D. Gräter.« 



A2 Bricfwcclisel zwischen 

Auch das letztere ist in seiner alliterirenden Gestalt dargestellt 
und somit Ihr damaliger Zweifel, ob es wirklich ein Gredicht ? gelost. 
Bei erstem weichen wir oft genug von Reinwald ab. Dies ist ein 
bioser Einschluss und soll Ihnen daher nicht als förmlicher Brief 
angerechnet werden, mit herzlicher Hochachtung 

der Ihrige 

Grimm. 



XII.' 

Stuttgard, den 23. Aug. 181 2. 

Hochzuehrender Herr Staatsraths-Auditor, 

JlLs ist mir unangenehm, dass ich Ihrem eigenen Vorgang zu 
Folge mit einer so fremden Anrede meine lange verzögerte Ant- 
wort beginnen soll. Zwar scheine ich eben deswegen es zu ver- 
dienen ; allein ich scheine es nur. Unter allen neueren Schriftstellern 
über Nordische und Altteutsche Literatur hat mir in der That 
keiner soviel Bewunderung und Achtung eingeflösst als Sie. Es 
ist vielleicht eine Folge Ihres grossen Strebens und des idealischen 
Bildes der Vorzeit, das noch jugendlich schön vor Ihrer Seele 
steht, wenn Sie mit mehr Geringschätzung, als es billig scheint, 
allein oder in Verbindung, auf andre herabsehen; denn ich em- 
pfinde das Unrecht, das andern geschieht, gewöhnlich tiefer, als 
das, was mir selbst angethan wird. Ohne bestimmt jetzt die Fälle 
angeben zu können, in denen ich diess gefühlt habe, muss ich es 
Ihnen im Allgemeinen bekennen; und es dünkt mich, wenn Sie 
mir erlauben, aufrichtig zu seyn, Männer, die mit solcher Thätig- 
keit und Umsicht, und mit so glücklichen Verbindungen, arbeiten, 
bedürften es gar nicht, ihren Ruhm mit auf den Schatten anderer 
zu gründen. 

Wie Sie es nehmen mögen, und ob meine Empfindung eine 
blosse verwerfliche Eigenliebe oder ein gerechter Stolz ist, ich 

1 Dieser Brief gieng erst mit dem vom 5. Sept. ab; s. u. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ' a^ 

kann nicht leugnen, auch auf mich selbst hat die Art Ihres Ur- 
theils und Ihres Benehtnens einen unangenehmen Eindruck gemacht. 
Sie geben ihm zwar in Ihrem vorletzten Briefe nur den Namen 
einer Empfindlichkeit, allein sie ist etwas mehr, und mein Wunsch, 
dass sie diese möchten unterdrückt haben, war gewiss gerecht. 
Wir, die wir beyderseits zur Ehre und Empfehlung des poetischen 
und mythischen Alterthums des Nordens arbeiten, hätten uns am 
wenigsten entzweyen sollen. So kommt es mir wenigstens vor; 
und von Ihnen allein hing es ab. 

Doch vor allem zur Beantwortung Ihres letzten Briefes vom 
24. Jul. den ich erst vor einigen Tagen, kurz vor meiner Abreise 
nach Stuttgard erhielt. 

Das Paket mit Gräbergs Saggio und den Nummern 17 u. 18, 
von Idunna u. Herm. ist allerdings an mich angekommen, aber 
bey weitem nicht so lange schon, als Sie glauben. Ich zögerte 
hierauf nicht, Ihre Antikritik, die ich in dieser Form und Aus- 
dehnung, so wie mit den darin enthaltenen Voraussetzungen und 
gegenseitigem Tadel in der That für unnöthig hielt, nachdem ich 
meinen eigenen Aufsatz, so wie den Ihrigen, nochmals durchlesen 
hatte, — Schritt für Schritt zu beantworten. Auch hab' ich 
Ihrer Aufforderung gemäss das vollständige Verzeichniss des Wi- 
dalinianischen Codex mitgetheilt. Uebrigens war es mir keines- 
wegs eine angenehme Arbeit, und ich hätte mich gern derselben 
überhoben gesehen. Dessenungeachtet, da Sie ihre Antikritik 
nicht zurücknehmen, auch die Empfindlichkeiten, durch die Sie 
mich gewissermaassen herausfordern, nicht unterdrücken wollten, 
musst' ich Sie abgehen lassen, und gerade so, wie sie ist. Ich 
konnte mich aber gleichwohl — da mich diese Spannung zwischen 
uns, so wie überhaupt jede, peinigt, — nicht enthalten, am 
Schlüsse zu bemerken, man möchte diesen ganzen Streit für nichts 
als eine Disputation halten, ein Act, bey dem man auch, nach 
einem beyderseits heftigen und empfindlichen Kampfe, am Ende 
doch bey einem fröhlichen Doctorschmause sich wieder vollkommen 
auszusöhnen pflege, und ich überzeugte mich, dass der gegen- 
wärtige Ihnen so wenig als mir vor den Augen des Publicums 
zum Nachtheil gereichen werde. Wie dem aber auch nun sey, 
ich wiederhohle es, die Beantwortung ging mir grösstentheils 
contre coeur , und ich habe sie als eine Art von abgenöthigter 
Selbstvertheidigung betrachten müssen. 



44 



Briefwechsel zwischen 



Wenn sie etwas später erscheint' (bis Nr. 30 hab* ich sie 
.noch nicht gefunden) so ist wohl der Umstand mit daran Schuld, 
dass sie für die reitende Post nicht geeignet war, und der Post- 
wagen Gang von hier nach ßreslau ein sehr trauriger Gang ist. 
Uebrigens könnte sie nun doch wohl eingetroffen und abgedruckt 
seyn. Doch sind mir schon , sogar Briefe , zwey Monate lang 
unterwegs gewesen. 

Was Hagens Ausfall, wie Sie es heissen, und Hein ze 's 
Aufsatz betrifft, so könnt' ich nichts darüber sagen, indem ich so 
eben erst hier in Stuttgard, die Nummern, worin sie sich befinden, 
erhalten habe. Ersterer ist gänzlich ohne mein Wissen von Heinze 
eingerückt, und mir grösstentheils unverständlich, da ich die Stücke 
der Leipz. Lit. Zeit., worauf er sich bezieht, noch nicht gelesen 
habe. Auch hätte ich kaum errathen, dass er Sie gelte; und 
überhaupt sind mir alle Streitigkeiten dieser Art unangenehm. 
Sind sie es denn nicht auch Ihnen? 

Heinze's Aufsatz enthält vieles, mit dem ich einverstanden 
bin, wiewohl er vollendeter seyn könnte. Auch ich konnte mich 
mit den Ansichten Ihres Herrn Bruders nicht vereinigen. Uebri- 
gens liegt in dieser Verschiedenheit der Meinungen durchaus keine 
Beleidigung. 

Eben so wenig halte ich es für Beleidigung, wenn Sie mir 
die Verschiedenheit Ihrer Ansichten über die Aufsätze in Idunna 
mittheilen, die ja ohnehin gar nicht die Prätention in sich halten, 
in letzter Instanz abgesprochen zu haben. Sie regen die Unter- 
suchung grösstentheils blos an, und geben Anlass zu weitern For- 
schungen. Aber jemand soll und muss anregen. Theilen Sie 
mir Ihre Bemerkungen mit, und erlauben Sie mir davon öffent- 
lichen Gebrauch zu machen, nur mit der einzigen Bedingung, 
dass die Auswahl derselben mir überlassen bleibe. Auch in 
Bragur habe ich ja sehr oft Dinge zur Sprache gebracht, die 
ohne diess vielleicht jetzt noch nicht, vielleicht nie gründlicher 
wären untersucht worden , wie ZB. über die teutschen Geschlechts- 



I Weder Grimms Antikritik noch Gräters Metakritik ist erschienen. Auch die 
Manuscripte beider sind weder in Gräters Nachlass, noch, wie Herr Professor Herman 
Grimm mir mitzutheilen die Güte hatte, in dem der Brüder Grimm. Es fehlt 
mir also auch jeder Anhaltspunkt, um über die Berechtigung von Gräters Vor- 
würfen mir irgend ein sicheres Urtheil bilden zu können. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. ac 

namen,' über die Volkslieder und ihre Musik,» über die Gothischen 
Quittungen 3 etc. Gleiche Bewandtniss hat es mit dem Wesso- 
brunner Denkmal/ das nun auch Sie, wie Sie mir schreiben, 
bearbeitet haben, und wovon der zweyte Theil meiner Bearbeitung 
ja bereits seit 15 Jahren die Leipz. Censur passirt hat, aber noch 
bis diese Stunde ungedruckt liegt.s Sie irren sich übrigens, wenn 
Sie glauben, ich hätte es nicht gleich Anfangs für ein Gedicht 
gehalten, und erinnern sich vermuthlich nicht, was ich darüber in 
meinem ersten Programm über die Entdeckung der Anwendbarkeit 
der Königsweise auf unsre jetzige Sprache gesagt habe. Ich bin 
indessen sehr begierig, wie Ihre Alliteration, und meine, vor 15 
Jahren versuchte in diesem Denkmal, miteinander einstimmen oder 
auch abweichen werden. 

Durch die Bearbeitung des Fragments von Hildebrand und 
Hadubrand erwerben Sie sich in jedem Falle ein grosses Ver- 
dienst. Von Ihnen war diess auch vorzüglich zu erwarten. 
Hätten Sie mir lieber diese Ihre beyden neuesten Werke nebst 
dem über den Meistergesang, als den gänzlich trostlosen Saggio 
istorico zugeschickt, wofür ich mir übrigens die Rechnung zu 
machen bitte. 

Hiebey fühle ich mich indessen einigermaassen beschämt, da 
Sie durch die Abänderung Ihrer Wünsche mich ausser Stand 
setzten, Ihnen sogleich meine Dankbarkeit zu beweisen. Und so- 
mit komm' ich auf die Beantwortung Ihres vorhergehenden Briefes, 
den ich ebenfalls mit hiehergenomnien habe, weil ich in den ein- 
samen Abenden oder Nächten im Gasthof eher als zu Hause zu 
einer ruhigen Beantwortung Müsse zu haben glaubte. 

Es ist Ihr Brief vom 29ten May mit Grabergs Versuche. Ihr 
Urtheil über den letztern ist ganz das meinige. Nur suche ich 
noch einen Grund der Entschuldigung darin auf, dass er in Italien 
von allen Hülfsmitteln entblösst ist (Eichhorn führt er doch 
an — sollte dieser in seiner Literargeschichte nicht unterrichteter 
und nicht gerechter seyn?) und einen andern zu seinem Lobe — 
dass er die Italiener wenigstens zuerst auf Nordens Schätze, wenn 

I Bragur 5, Abtheilung i, S. 61 ff.; Abthl. 2, S. 65 ff.; Bragur 6, Abth. 2, 
S. 100 ff. (Die letzte Abhandlung ist übrigens von A. C. Niz). 

3 Bragur 3, S. 207 ff. Auch sonst enthält die Zeitschrift viel von Volksliedern. 

3 Bragur 7, Abth. 2, S. 60 ff. 

4 S. Anm. 3, S. 41. 

5 Ist nicht erschienen. 



aQ Briefwechsel zwischen 

gleich mit unzählichen Misgriffen aufmerksam macht. Ich. habe 
daher meine, in der ersten Unzufriedenheit niedergeschriebene 
Kritik wieder zerrissen, und will sehen, pb sich das Werk nicht 
billiger beurtheilen lässt. ' 

Ich wünschte das auch in Hinsicht Ihrer Antikritik. Denn 
ich leugne Ihnen gar nicht, dass Sie in derselben die Mässigung 
und Schonung meiner Bemerkungen nicht beobachtet haben. 
Denn in jenen befinden sich meines Erachtens nur zwey Stellen, 
die falsch gedeutet werden konnten — das innfialgt betreffend — 
und der Schluss. Allein so wahr es scheint, dass das erstere ge- 
straft heisse, um am Ende zu sagen, dass Sie die Strafe nicht 
verdienen, — so auffallend war die Sache nicht sowohl, oder doch 
nicht allein mir, sondern vielmehr andern. Ich assumirte also 
das Widerspielende oder Seltsame, was sie darin fanden, um am 
Ende sie durch die Erklärung zu beschämen, dass es ein blosser 
Druckfehler sey, den sie mit einiger Aufmerksamkeit, eben so gut 
hätten sehen können, als ich. Was aber das zweyte betrifft, so 
ist es mein voller Ernst.^ Falls Sie sich alles dessen erinnerten, was 
ich in 20. Jahren über die Zögerung des Magnäanischen Institutes 
gemahnt habe, und das Interesse pflichtmässig finden, was ich an 
den Pflichten dieses Instituts für den Dänischen Ruhm schon aus 
meiner langjährigen Verbindung nehmen muss und nehme, könnt* 
es Ihnen kaum auffallend seyn. Gegen Sie war es indessen 
keineswegs gerichtet, und schwerlich wird unter den gegenwärtigen 
Constellationen auch diese stärke Anmuthung einige Wirksamkeit 
hervorbringen können. Aufrichtig gestanden aber müsste Ihnen 

I Es erschien nur eine ganz kurze »vorläufige« Anzeige in Idunna und 
Hermode, Band i, Nr. 50 (S. 199). 

2 Gräter warf am Schlüsse seines Artikels (Idunna und Hermode, Jahrg. i, 
S, 72) die vorwurfsvolle Frage auf: >ob denn Dänemark wirklich diesen nordischen 
Nationalschatz [d. h. den von den Brüdern Grimm herausgegebenen zweiten Theil 
der Edda] — ohne Schmer^ in fremde Hände geben, und dem ewigen Vorwurf 
gleichgültig zusehen könne, dass die Nachwelt einst sagen wird: das sonst so 

patriotische Dänemark sei nicht stolz , reich , thätig oder mächtig genug 

gewesen , um dem ersten Theile der Edda aus dem Fonds des magnäanischen 
Legats, und dem gelehrten Reichthum seiner Stipendiaten und Vor^eher, einen 
zweiten in seiner eigenen Hauptstadt nachfolgen zu lassen ? « — Das oben erwähnte 
innfialgt war durch Druckfehler in der Ankündigung der Grimmischen Edda an 
eine falsche Stelle gerathen, und Gräter hat dies in etwas umständlicher Weise in 
seiner Besprechung (a. a. O. Seite 66 f.) auseinandergesetzt, so allerdings, dass 
sich die Brüder Grimm kaum ernstlich verletzt fühlen konnten, wiewohl sich ein 
gewisser nergelnder Ton nicht verkennen lässt. 



J. Grimm und Fr. D. Qräter. 47 

die Vorarbeit des Magnäanischen Instituts gewiss selbst die will- 
kommenste Gabe seyn. 

Allein Sie haben in diese Antikritik so viel Neues gezogen, 
und durch Belehrungen theils, die Sie mir geben, theils durch 
wirkliche spottende Anspielungen mich gar zu sehr herausgefor- 
dert, dass ich zwischen meiner Hochachtung und Liebe für Sie und 
anderer Seits zwischen der Pflicht für mich selbst nur eine pei- 
nigende Wahl hatte. Wie wird es wohl Ihnen nach 20. Jahren 
gefallen, wenn ein späterer Schriftsteller, (wie es ebenfalls seyn 
kann) Ihre zwanzigjährigen, von dem Publicum anerkannten For- 
schungen mit gleicher Geringschätzung behandelte ? gesetzt auch, dass 
Sie alle Hochachtung für die seinige empfänden, und die grössten 
Hoffnungen daraus für die Fortbildung und Vervollkommnung der 
Wissenschaft schöpften? Schwerlich — doch genug hierüber. 

Ihr Versprechen, mir (nicht gerade zu der Alterthumszeitung, 
die erst später entworfen wurde, aber genau damit zusammenhängt, 
sondern) zu der Fortsetzung vonBragur überhaupt, jetzt Odina 
und Teutona betitelt, Bey träge zu senden, befindet sich in Ihrem 
Briefe vom 23. Juli 181 1., wobey Sie blos zur Bedingung machen, 
dass ich Sie von dem Anfang des Druckes unterrichte, welches 
ich nicht unterlassen zu haben glaube. Was die Alterthumszeitung 
betrifft, so erfuhr ich Herrn Bahrdts Entschluss selbst erst kaum 
vor dem Anfang des Drucks.^ 

Doch nun zur Hauptsache. Ich versprach Ihnen abzuschreiben 
oder unter meinen Augen und meiner Revision abschreiben zu 
lassen, was Ihnen an Thorlac, Specim, abgehe. Darüber hätt' ich 
auch gewiss mit einer der nächsten Posten Wort gehalten. Allein 
in Ihrem spätem Briefe verlangen Sie diese Specimina selbst mit- 
getheilt nebst Sjöborgs Rigsmäl. Das setzte mich in Verlegen- 
heit, denn da ich bey dem fortgehenden Druck meiner Gesam- 
melten Schriften über d. Nord. Vorzeit und ihrer Revision keinen 
Tag weiss, ob ich dieses oder jenes Hülfsmittels zur Vergleichung 
benöthigt bin, so könnt' ich ohne hie und da den Drucker auf- 
zuhalten, kein Buch dieser Art weggeben, wenigstens so lange 
nicht, als die kritischen Vergleichungen dauerten, und diese sind 
noch nicht am Ende. W^enn Ihnen aber meine Copie nicht ent- 
gegen ist, so will ich Ihnen das Fehlende eigenhändig, wie ich 



I Gemeint ist Idunna und Hermode, welche als »eine Alterthumszeitung c 
im Verlag von Grass und Barth in Breslau erschien. 



a8 Briefwechsel zwischen 

versprochen habe, abschreiben, und lege Ihnen die ersten 3. ge- 
druckten Seiten von der //. Sect, des Specim, VI, zur Probe bey, 
weil Sie ausdrücklich melden, dass Sie dieses Specimen hur bis 
/. 64 besitzen. Die Fortsetzung geht bis /. 82 und von da an 
5. Seiten Varianten. Hingegen besitze ich das Spec, vii, ebenfalls 
nur bis /. 64. Die letzten Worte sind exequi incipiunt; hinc 
phra — Das Spec, Vi IL aber kenne ich noch gar nicht, weiss 
auch seinen Inhalt nicht. 

Sie melden mir, dass Sie das Spec. Vll. bis 128. besitzen. 
Allein Rühs citirt in seiner Edda S. 150. eben dieses Spec, schon 
bis /. 184 und darin eine Stelle, die mich sehr interessirt, Thorlac. 
Erklärung von Ygdrasilly die ich im Ganzen wohl vor der mei- 
nigen kannte, aber auf deren glückliche Ausfuhrung im Detail ich 
begierig bin. Vermuthlich ist das Spec. Vlll. nichts als eine Fort- 
setzung des Spec. Vil. Was halten Sie von Rühs Behauptungen? 

Aber nun ist es hohe Zeit, dass ich für heute schliesse. Die 
Mitternachtstunde hat längst geschlagen. Von Petersen' hörte 
ich diesen Abend, der würdige Dobrowsky» sey noch hier, und 
werde morgen früh nach Tübingen gehen. Vielleicht trefT ich 
ihn noch, das würde mich sehr freuen. 



Den 25ten Aug. 

Der verehrungswürdige D ob rowsky geht heuteerst. Seine 
Forschungen sind von grosser Wichtigkeit für die Völkergeschichte, 
und vielleicht zünden sie auch den Sprachmischungen des Nordens 
ein neues Licht an. Auch den bewundernswürdigen Jüngling, 
Weckherlin, habe ich persönlich kennen lernen. Von beyden 
erfahre ich erst, dass Sie K. Bibliothekar sind, eine Stelle, 
um die Sie bey solchen Forschungen von mir wahrhaft könnten 
beneidet werden. 



Den 27teii. 

Die Ruhe, die ich mir hier versprach, ist nun auch bereits 
am Ende. Hätt' ich noch einen solchen Abend, wie vorigen 
Sonntag, so würde dieser Brief noch eins so lange werden. 
Schwerlich aber ist diess zu erwarten. Nur mit zwey Worten 

I Bibliothekar in Stuttgart; f 1815. 

a Der bekannte Begründer der slawischen Philologie, geb. 1753, f 1829 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. aq 

noch diesS. Im Museum^ fand ich Ihre Recension von Weck- 
herlins Beyträgen. Ich wunderte mich von Ihnen das Urtheil 
zu lesen, dass meine Entdeckung des Reynaerd de Voes unnöthig 
sey." W.enn auch Van Wyn (oder irre ich mich) in seinen Avond- 
stonden eines gereimten niederl. Reineke's gedenkt — ist es 
darum schon unnöthig, diesen zu entdecken ? oder unverdienstlich^ 
für seine Erhaltung zu sorgen? — Doch darüber, wenn ich das 
Blatt selbst erhalte, mehr. 



Ich würde nun schliessen, und den Brief von hier abgehen 
lassen, allein unglücklicher Weise vergass ich, auch die von Ihnen 
erhaltenen Blätter der Id. u. H. mit hieher zu nehmen. 

Also muss es schon bis künftige Woche anstehen. 

Indessen voll Hochachtung 

der Ihrige 

Gräter. 



XIII. 

Cassel 28 Aug. 181 2. 



N 



achdem Ew. Wohlgeb. den schon am 18 Mai richtig 
empfangenen Aufsatz über Ihre Bemerkungen zu unserer Edda- 
ausgabe während einem ganzen Vierteljahr nicht haben abdrucken 
lassen, so fordere ich solchen, nebst den geliehenen Blättern Ihrer 
Zeitung hiermit zurück und gestatte Ihnen von Empfang dieses 
Schreibens an, weiter kein Recht darüber. 

Hochachtend übrigens 

Ew. Wohlgeb. ergebener Diener 

Jacob Grimm. 

1 Vielmehr in der Leipziger Literatur-Zeitung 1812, Nr. 205, Sp. 1633 — 1638. 

2 Grimm hat den Vorwurf des unnützen Bemühens (a. a. O. Sp. 1637) 
nicht gegen Gräter, sondern gegen Weckherlin erhoben. 



50 



Briefwechsel zwischen 



XIV. 

Hall, den 5ten Sept. 1812, 

p. P. 



s. 



>o eben erhalte ich hier Ihre Zuschrift vom 2S. Aug. Der 
strenge Ton derselben macht mich verlegen, ob ich Ihnen den, 
in Stuttgard an Sie geschriebenen Brief beylegen soll, oder nicht. 
Doch ja hier ist er ; indessen, da Sie für immer brechen zu wollen 
scheinen, mit der Bedingung, dass kein öffentlicher Gebrauch da- 
von gemacht werde. 

Die Blätter 17. 18. von I. u. H. folgen hiemit ebenfalls. Aus 
dem Stuttgarder Briefe ersehen Sie, dass Ihr Aufsatz nebst meiner 
Beantwortung längst nach Breslau abgegangen ist. Wahrschein- 
lich also befindet er sich bereits in der Presse, oder ist er schon 
abgedruckt. 

Sollte es nicht seyn, und wollen Sie ihn überhaupt in dieser 
Form unterdrücken (doch diess steht bey Ihnen) so soll er nebst 
der Antwort zurückgerufen werden. 

Gegenwärtiges kann nach der hiesigen Einrichtung erst über- 
morgen mit dem Postwagen abgehen. 

Mit vollkommener Hochachtung 

Ew. Wohlgeboren 
7. Sept. 12. geh. Diener 

Graeter. 



Hall, den 19. Sept. 12. 



I 



hre Ansicht und die meinige sind allerdings noch sehr ver- 
schieden, und ich stehe ganz in der Meinung, dass nicht ich, 
sondern Sie zuerst öffentlich geurtheilt haben, was Sie, wofern 
Sie als Freund handeln wollten, unstreitig unterlassen, und mir 

I Mehrere Stellen dieses Briefes beweisen, dass ein von Grimm zwischen 
dem 5. und 19. September geschriebener Brief verioren gegangen ist. 



J. Grimm und Fr, D. Gräter. 51 

privatim Ihre Bemerkungen würden mitgetheilt haben. Ich weiss 
wohl, was Sie dagegen anführen können, allein — es war in keinem 
Falle der Weg zur Freundschaft, sondern zu einer öffentlichen 
Prüfung und Darlegung der Kräfte. Gewiss kenne ich ganz den 
Werth der Odinischen Lehre, die Sie mir aus Hävamäl^ citiren, 
und Niemand kann die Freundschaft höher schätzen als ich, allein 
dieser menschenkundige Lehrer gibt auch für andere Verhältnisse 
einen Rathschlag, den ich glaubte befolgen zu müssen. 

Indessen ist vielleicht der Rückschritt von beyden Seiten nicht 
zu spät, und dann fangen wir a conto nuovo an. Mit eben dieser 
Post geht ein zweyter Brief nach Breslau, um zu redressiren, was 
redressirbar ist, falls es überhaupt mit dem vorigen Briefe nicht 
bereits zu spät war. 

Bey Ihnen lag es doch in der That, auf meine Bemerkung, 
dass ich die Empfindlichkeit aus Ihrer Antikritik weggewünscht 
hätte, Rücksicht zu nehmen. Ich bat allerdings nicht darum, das 
konnten Sie auch im Ernst nicht erwarten, so wie ich überhaupt 
die Zurücknahme von beyden Seiten für kein Opfer aus Gefällig- 
keit, sondern für ein Opfer, das der guten Sache der Literatur 
und der Humanität gebracht wird, halten würde. 

Gesetzt nun aber auch, dass Ihr Aufsatz bereits abgedruckt 
gewesen wäre, und meine Antwort folgen müsste — so bin ich 
gleichwohl, immer noch zur Vereinigung bereit, und halte sie für 
möglich. Bis Nr. 35. finde ich nichts. Ihren Aufsatz im Morgen- 
blatt habe ich gelesen. Diesem nach erwarten Sie ja den Abdruck, 
und fordern ihn noch.» 

Kurz, es lässt sich nun durchaus nichts thun noch sagen, bis 
ich ge\^iss bin, was in Breslau geschehen ist oder nicht. 

Indessen zweifeln Sie in keinem Falle an meiner Vorneigung 
zu jedem ehrenmässigen Frieden, falls Sie mich nur hiezu selbst 
in den Stand setzen. Zweifeln Sie auch nicht, dass ich dasjenige, 

I S. Havamal 41 ff. 

3 In der Beilage zur Nummer des Morgenblatts vom 14. September 181 2, 
»Uebersicht der neuesten Literatur« enthaltend , steht eine gegen v. d. Hagen 
gerichtete Erklärung der Brüder Grimm hinsichtlich ihrer Eddaausgabe; in einer 
Anmerkung dazu heisst es: >In einem früheren Aufsatz, gerichtet gegen einige 
Bemerkungen des Hm, Professor Gräter, womit er unsere Abhandlung über die 
Edda im Morgenblatt begleitet hat, haben wir schon auf diese Weise uns über die 
Collision erklärt. Er ist schon am 18. May in den Händen des Hrn. Gräter 
gewesen, der versprochen, ihn in derselben Zeitschrift erscheinen zu lassen, bisher 
aber noch immer zurückgehalten worden.« 

4» 



c 2 Briefwechsel zwischen 

was ich wirklich als Unrecht erkenne, mit Vergnügen jederzeit 
zurücknehme, falls ich mich geirrt habe. Ihrer Herausgabe der 
Eddischen Lieder würde indessen selbst meine Beantwortung Ihrer 
Antikritik keinen Eintrag thun, so wie überhaupt nie eine solche 
Absicht in mir gelegen hat. 

Gräter. 



P. P. 



XVI.^ 

Hall, den 4. Nov. 181 2. 



G 



festern endlich — die Ursache der zweymonatlichen Zögerung 
hievon ist mir ein unangenehmes Räthsel bis jetzt — erhielt ich 
von Heinze die bestimmte Nachricht, dass Ihr Aufsatz und meine 
Beantwortung desselben wirklich zurückgenommen ist. 

Senden Sie mir also entweder einen andern, der von aller 
Empfindlichkeit frey ist, oder geben Sie mir bestimmt die Haupt- 
puncte an, iti denen Sie sich gekränkt glauben, und ich will thun, 
was der Wahrheit und Humanität gebührt. 

Nicht ein Wort schreibt mir Heinze von der Erscheinung der 
Odina, und doch hatte ich schon vor 14 Tagen oder noch länger 
von einigen Orten her Danksagungen für dte, in meinem Namen 
überschickten Frey-Exemplare erhalten. Ich, der Herausgeber, 
habe bis diese Stunde noch keins, und keine Nachricht. , 

Auch von I dun na hab' ich seit Anfang Septembers nichts 
mehr gesehen. 

Flüchtig indessen könnt' ich vor 8. Tagen in ein solches an- 
gekommenes Freyexemplar sehen; ich schlug nur auf, und fand: 

Das Lied vom schönen Midasü (Midel) und — pro etiam?! 
(soll heissen proeliuml),'^ Ich hatte genug daran, und schlug 
wieder zu. Darum meldet man mir nichts, darum schickte man 
keine Revisions- oder doch Aushänge-Bogen. 

1 Ob diesem Brief ein weiterer Jacob Grimms vorausgieiig, iHsst sich nicht 
sicher ersehen. Eine Andeutung eines solchen scheinen die Worte »wo steht Ihre 
Recension von Rühs?« zu enthalten. 

a Es lohnte nicht, die beiden Druckfehler zu suchen. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. 51 

Haben Sie ein Exemplar erhalten? Auch das wünsche ich 
zu wissen. 

Wo steht Ihre Recension von Rühs?' 

Ist das Spec. Vlli, von ThorL in Ihren Händen? und die her- 
ausgegebenen Sagen, von v. d. Hagen? Was enthalten Sie? 

Soviel für heute. Verzeihen Sie der Eile. 

Ich bin mit herzlicher Hochachtung 

der Ihrige 

Graeter. 

N. S. 

Das pviat kann betr kunni des Cod. Reg, wie ich jetzt sehe, 
in der V'öl. Q. hat freylich einen ganz andern Sinn. Ich las: 
pviat hon meirr om veitti, Thorlac. hat vissi. Vielleicht ist es 
aus diesem veitti entsprungen. 

Diess gelegentl. zur Antwort auf eine frühere Frage.« 



XVII. 

Hall, den 5. Dec. 1812. 

X' ür Ihren Hiltibrad und Hathubrand, den ich vorgestern erhielt, 
sag* ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank. Eine Bearbeitung des- 
selben war vorzüglich von Ihnen zu wünschen. Schade, dass das 
Fragment nicht zugleich in Kupfer gestochen ist. Bis jetzt hab* 
ich indessen nicht Ruhe genug gehabt, um Ihr schönes Werk zu 
studieren, wie sichs gebührt, jedoch schon im Durchlaufen mehreres 
gefunden, in dem ich mit Ihnen vollkommen einverstanden bin. 
Es ist in der That sehr merkwürdig, und ein neuer (für mich, 
sonst nicht) Beweis, dass es thöricht ist, die Möglichkeit sogar 

1 In der Leipziger Literatur-Zeitung 1812, Nr. 387 f. 

2 S. Grimms Brief vom 29, Mai 1812 (S. 36). Alle neueren Eddaau^aben 
haben die Lesart des Cod. Reg. (Völundarkvida 28; Grimm a. a. O, citirt #26c). 



54 



Briefwechsel zwischen 



abzuleugnen, es Hessen sich noch Bruchstücke aus Karls d. Gr. 
veranstalteter Sammlung auffinden.^ 

Was Ihre Commentirung des Wessobrunners Gedichts betrifft, 
so habe ich nicht sowohl gegen Ihr Verdienst die Alliteration zu 
entziffern und darin zu finden (es können ja zwey, ohne von ein- 
ander zu wissen, auf dieselbe Entdeckung gerathen, wie denn auch 
das Ihrige mit dem Meinigen sehr übereinstimmt) etwas einzu- 
wenden, als darüber, dass mir wohl etwas mehr bey diesem als ein 
blos brauchbarer Commentar'» zuzuschreiben war, zumal da 
man in München den Codex so lange besass, ohne das Zeichen 
>fc, welches nicht leicht zu erklären war, ja ohne selbst das 7, zu 
entziffern. Uebrigens sind wir ganz auf demselben Wege, und es 
freut mich. Auch dass Sie das >|< für ein Runenzeichen ansprechen,^ 
ist mir sehr lieb. Hoffentlich wird längere Forschung und Nach- 
suchung es immer mehr bewähren, was ich schon vor 20. Jahren 
behauptet habe, dass nur die frühere Austilgung des Heidenthums 
in Teutschland uns die meisten Beweise und Denkmale für die ge- 
naue Uebereinstimmung mit dem Norden (besonders in Poesie, 
Mythologie; Schrift und Sprache) zu Grunde gerichtet hat, dass 
aber dessenungeachtet in dem heidnischen Teutschland keine andere 
(im Ganzen) gewesen seyn kann noch wird. 

Was unsre unterdrückte Streitsache betrifft, so lassen Sie nun 
Ihren Aufsatz so wie den meinigen ruhen. Nächster Tage werde 
ich eine kurze Erklärung darüber absenden, und nur die Haupt- 
sache berühren, um die es sich drehte. Hätte ich Ihre Antwort 
früher erhalten, so wäre mirs beynahe lieb gewesen. Hagens Edda, 
Blomsturvalla - Volsunga- und Regnar - Lodbroks- 
Saga, nebst einem Theil der jüngeren Edda habe ich vorläufig 
angezeigt, und hier blos gesagt, dass es mich freut, diese Data 
in Händen zu haben, wenn auch immerhin starke Druckfehler sich 
finden etc. habe auch nicht unterlassen, die vorangesetzte fleissige 
Literatur nach meiner wenigen Einsicht zu loben — das immer 
zu prüfen hab' ich mir vorbehalten. Auch ist über Ihre letzte 
Erklärung von demselben eine Antikritik eingekommen, und wieder 
abgegangen, die mich übrigens ruhig dünkt. ^ Allein ich wünschte 
in Zukunft I dun na von allen dergleichen Streitigkeiten gereinigt 

X S. Grimm, die beiden ältesten deutschen Gedichte u. s. w, S. 43 f. 

a S. ebendaselbst S. 86. 

3 S. ebendaselbst S. 85. 

4 Dieselbe findet sich in Idunna und Hermode 1812, Nr. 51 (S. 201 ff,). 



J. Grimm und Fr. D. Gräter. et 

ZU sehen, und werde in der Erklärung in Hinsicht des künftigen 
Anzeigers diese Rubrik noch streichen, wenn es möglich ist. Hätte 
Hr. Heinze nicht angefangen, gegen mein Wissen und meinen 
Willen die erstere einzunehmen, ich würde es der dritten nicht 
gestattet haben. Doch bitte ich hievon keinen öffentlichen Ge- 
brauch zu machen. 

Was Ihren Hiltibrad u. H. betrifft, so ist der erste freye 
Abend einer Anzeige desselben gewidmet,' und ich wünsche, etwas 
umständlich seyn zu können, dona mente — nur das sag' ich 
Ihnen zum Voraus, dass ich die Uebergehung dessen, was von 
mir für das Wessobrunner Denkmal geschah, nicht übergehe ; doch 
dürfen Sie darauf rechnen, dass es so geschieht, wie teutsche 
Männer sich dasjenige sagen, was ihnen nicht gefällt. Die be- 
merkten Druckfehler sollen aufgenommen werden. 

Dass Sie Odina^ noch nicht erhalten haben, dass Sie die 
Aushängebogen nicht erhielten, ist nicht meine Schuld. Ich selbst 
— halten Sie es für glaublich? — habe noch kein Exemplar. 
Wenn Sie mich wegen eines correcten Drucks glücklich priesen, 
so mochten Sie wohl den Grund dazu aus den ersten Blättern 
der Idunna nicht geschöpft haben. Anzeiger Nr. 4. »die wir für 
die Welt und nicht blos ums Lebenl anstatt »uns leben U 
ist wohl so arg als das Lied vom schönen Midas. So auch 
in der Anzeige von Müllers Asalehre: prosaisch wiss. , die 
Or k r e yinga-Saga, Snorro, der jüngere Hattalykill 1 1 und Sämund 
Erodr — Nr. 9. Fänsol, Hölas P. Friga, und in der Anzeige 
von hl ensch lägers Digtninger — »wo Ewald die Wal- 
kyre Rota zu der furchtbaren Macht, statt: »zu der Furcht- 
baren macht« und s. w. u. s. w. deren Anzeige und Abdruck 
ich immer noch vergeblich erwarte. Dessenungeachtet kann der 
Druck des Reynaerd correcter seyn, worauf wenigstens Heinze 
alle Sorgfalt zu verwenden versprochen hat. 

Ihren vorigen Brief erhielt ich erst nach Abgang des Mei- 
nigen. Verloren ist er nicht. — Was das Prachtwerk betrifft, 
so sind Ihre Gründe vollkommen wahr, aber sie treffen nicht 
mich. Entweder kommt es gar nicht, oder Sie haben gewiss 

1 Ich finde eine solche weder im Bragur noch in Idunna und Hermode, 

2 D. h. den achten Band des Bragur (181 2, mit den Nebentiteln »Odina und 
Teutona, Band i< und >Braga und Hermode, Band 5<). Dieser Satz und 
mehreres andere beweisen übrigens den Verlust eines weiteren Grimmischen Briefes. 



cQ Briefwechsel zwischen 

weder Täuschung, noch Uebereilung, noch Misbrau- 
chung des MüUerschen Grabstichels zu befürchten.^ Wissen Sie 
es gewiss, dass Abrahamson=» todt ist? Mir geht (wenn es 
so ist) sein Verlust sehr nahe. Ich bitte um bestimmtere Nach- 
richt. Rigsmäl kann ich wahrlich nicht entbehren, aber eine A b - 
Schrift kann ich nehmen lassen, wenn Sie darauf bestehen. 

Der Ihrige 

Gräter. 



XVIII. 

Cassel 9 Januar; 1813. 



o. 



'dina und Teutona habe ich endlich dieser Tage in einem 
hiesigen Buchladen gefunden und mit Müsse durchgesehen; am 
wichtigsten war mir darin, wie sich versteht , der Reynaert Vos,^ 
nächstdem Ihre Abhandlung über den Königstitel ^ und Ihr Versuch 
Skirnisför ins Griechische zu übertragen.^ Jens Möllers Preisschrift ^ 
misgönne ich, offenherzig zu gestehen, die 80 S. die sie einnimmt, 
sonderlich, wenn ich bedenke, was zurückgelegt worden ist. Beim 
Reynaert geht es nicht ohne Druckfehler ab, wie Sie selbst ver- 
mutheten, (wer kann sich davor retten, bei bestem Willen, man 

1 Erschienen ist dieses Werk nie. Eine bedeutende Anzahl von Zeichnungen 
nordischer Götterfiguren , die für dasselbe gefertigt worden zu sein scheinen , be- 
findet sich in Gräters Nachlass, Cod. misc, fol. ji a. der k. öffentlichen Bibliothek 
zu Stuttgart. 

2 Werner Hans Fredrich Abrahamson, dänischer Officier und fruchtbarer 
Schriftsteller, geb. 1844, f Sept. 181 2; s. Nyerup und Kraft, Litteraturlexikon 
S. 7 f. 

3 Odina und Teutona S. 265 — 375. 

4 Ebendaselbst S. 151 — 170: »Ueber das Alter und den Ursprung des 
teutschen Königstitels. < 

5 S. Anm. I, S. 27. 

6 Odina und Teutona S. 46 — 120: »Wäre es der schönen Literatur des 
Nordens zuträglich, wenn die alte nordische Mythologie eingeführt und von unsern 
Dichtern statt der griechischen allgemein angenommen würde? Eine akademische 
Preisschrift von Jens Möller, aus dem Dänischen übersetzt von Blök Töxen.c 
(Die Aufgabe war [s. a. a. O. S. 47] schon 1800 gestellt worden, aber zwischen 
1802 und 18 12 erschien kein weiterer Band von Bragur.) 



J; Grimm und Fr. D. Gräter. 57 

wird einmal von der Correctur abgerufen und übersieht einen Satz 
beim Wiederanfangen; so ist im Hildebrandslied einmal stehen 
geblieben: lithos-tratos (I) statt litho-strotos , fan statt fem etc. 
doch sind mir beim Durchlesen überhaupt keine schwierige oder 
entstellte Lesarten aufgefallen, die ich mir nicht getraute zu er- 
klären und zu reinigen. Ich tadele, dass Sie i .) keine Interpunction 
beigefügt haben; ein bei diesem Gedicht, wo der Sinn selten mit 
der Zeile ruht und worin oft ein lebhafter Dialog stattfindet, em- 
pfindlicher Mangel. ^.) dass die Abbreviaturen geblieben, ja 
einige sogar in Holzstöcken repräsentirt sind. Sie waren hier, . 
ich wage zu sagen, sämmtlich, leicht aufzulösen und aus ihrer 
Figur ist nichts, das ich wüsste, zu lernen. 3.) über die Ortho- 
graphie und Varianten der Eigennamen hätte ich eine Noten- 
harmonie gewünscht, so wie durchgehende Vergleichung mit dem 
Plattdeutschen. 4.) Sie sagen in der Vorrede xxix „über dieses 
letztere Werk hätte ich mehreres zu erinnern; aber ich verspare 
es auf eine andere Gelegenheit undmitAbsicht". Ich wünschte, 
Sie hätten das deutlicher ausgedrückt; ich errathe Ihre Absicht 
nicht, selbst wenn sie sich auf meine vorhabende Ausgabe des R. 
bezöge. Sie können mir freilich öffentlich einwenden, dass niemand 
das Recht habe, Ihnen Ihre Absicht, die Sie für sich behalten 
wollen, abzufordern, und auch ich bin weit entfernt, es einmal 
privatim zu thun; jenes war ein bioser Wunsch. 

Beim Lied vom Morgener* ist der Abgang der Interpunction 
weniger anstössig ; für ungeübte Literatoren hätte immerhin, däucht 
mir, bemerkt werden mögen, dass das schon sonst mehrmals ge- 
druckte vom Möringer genau dasselbe, und letztere Lesart sogar 
die. richtigere sey (so auch Neyffen statt Eyffen). In meiner 
Abhandlung über den Meistergesang (gegens Ende in den Zusätzen 2) 
habe ich bemerkt, dass dieser Möringer mit dem Minnesänger 
Morungen vermuthlich zusammenfalle. 

Was sagen Sie, dass wir eine altdeutsche Zeitschrift auf eigene 
Hand wagen ?3 Die Zeit konnte nicht ungünstiger seyn, aber es 
war zu spät, das erste Heft ist schon ausgegeben und enthält einen 
Aufsatz über Parcifalls berühmtes Versinnen in die Blutstropfen ; * 

X Ebendaselbst S. 200 — 210: >Des edlen Ritters Morgeners Wallfahrt in 
St. Thomas Land.« 

3 Über den altdeutschen Meistergesang, S. 184. 

3 Die altdeutschen Wälder. 

4 S. 1—30. 



58 



Briefwechsel zwischen 



auserdem etwas über Agges und Elegast.^ Die folgenden Hefte 
sollen Ihnen besser gefallen , das Februarstück wird ein inter- 
essantes ungedrucktes Fabliau= enthalten. Sie sehen vor allen 
Dingen, dass wir mit Ihrer Alterthumszeitung nicht im geringsten 
collidiren; die Aufsätze werden meistens so gross seyn, dass sie 
3 oder 4 Stücke jener gekostet hätten, wenn sie Ihnen sonst zur 
Aufnahme auch geeignet geschienen hätten. Ich empfehle Ihnen 
beiliegende Anzeige zur Empfehlung und Unterstützung.^ Hoffent- 
lich greifen wir uns beiderseits unter die Hände, indem wir das 
. Publicum desto mehr aufregen und vielseitig stimmen. Wenigstens 
ist dies mein wirklicher Glaube und eine äuserliche Collision mein 
letzter Gedanke. 

Haben Sie wohl schon unsere Kinder und Haus Märchen zu 
Händen und angesehen, die vorigen Monat ausgegeben worden 
sind ? (Berlin Realschulb.) Nahe an hundert, aus mündlicher Tra- 
dition treu gesammelte Märchen ! Mit dem Sammeln und Beiträgen 
dazu gehts so gut von statten (wider Erwarten) dass wir binnen 
Jahresfrist einen ebenso inhaltsschweren (dies Wort verdient die 
Sache, nicht unsere Mühe darum) zweiten Band nachfolgen zu 
lassen denken.'* Ich hatte Sie längst bitten wollen, es aber stets 
vergessen, oder damals, als wir uns entzweiten, nicht gewagt, uns 
schon zum ersten Band einen Beitrag zu liefern, der ihn sehr ver- 
schönert haben' würde; ich weiss von Arnim, dass Sie das lieb- 
liche Märchen vom Zuckerhäuschen und dem Wolf, der darin sitzt, 
in schwäbischem Dialect besitzen ; erfreuen Sie mich durch dessen 
Mittheilung und Erlaubnis es abdrucken zu dürfen, (versteht sich, 
dass Ihnen alle Ehre zugewendet wird) oder wenn Sie das nicht 
thun wollen, so geben Sie ihm doch einen Platz in Ihrer Idunna. 
Überhaupt könnten Sie in diesem Fach uns viel reiches und 
lebendiges aus dem Schwabendialect mittheilen und andere Lands- 
leute aufregen. Sie können denken, wie erwünscht mir solche 
Beiträge wären. Wenn Sie wollen, trete ich Ihnen dafür andere 
altdeutsche inedita ab. Abrahamson ist leider gewiss todt. Die 
fehlenden Sachen aus Thorl. spec, habe ich nun glücklich bei- 
sammen. Mit vollk. Hochachtung der Ihrige 

Grimm, 
^ s. 31—34. 

2 Gemeint ist wohl die Erzählung Von zwein Kaufmann, S. 35 — 71. 

3 In Idunna und Hermode finde ich keine Anzeige der altdeutschen Wälder. 

4 Erschien 18 14, mit der Jahreszahl 1815. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter., cq 

[Auf den Rand der zweiten Seite geschrieben:] 

Hagens Antwort^ nennen Sie ruhig; ich mit vollkommener 
Ruhe nenne sie matt und unbedeutend. Rühs hat mit unsäglicher 
Grobheit meinen Bruder anticritisirt,^ wird aber schön abfahren. 
Meine Rec. ist nun auch gedruckt. Nov. der Leipz. Lit. Z.^ 
{a propos nehmen Sie doch Heinzen seinen vermutlichen Wahn, dass 
ich die Idunna daselbst recensirt habe,* sonst perhorrescire ich 
öffentlich.) Gegen Rühs erscheinen in Dänemark 2 Schriften von 
Müller und Rask, sagen Sie dies aber vorläufig noch nicht weiter.^ 



XIX. 

Hall, den ii. Febr. 1813. 



n 



'as ungeheuer lange Ausbleiben der Odina ist allein Schuld, 
dass ich Ihnen auf Ihre gütigen Mittheilungen erst heute antworte, 
und die Versicherung beyfuge, dass nun mit dem Postwagen, der 
künftigen Montag von hier abgeht, ein Exemplar derselben von 
meiner Hand an Sie erfolgen wird. 

Eben dieses 2 monatliche Ausbleiben aller Nachrichten von 
Breslau, so dass ich selbst bis Ende Januars nicht wusste, ob 
Idunna mit dem neuen Jahre fortgehe oder nicht, ^ hat auch alle 
meine Arbeiten und Sendungen dafür sistirt. Was gleichwohl 
von mir kommt, sind nur Ueberreste und Lückenbüsser des vorigen 
Jahres. 

X S. Anm. 4, S. 54. 

2 Wo, konnte ich nicht finden. Auf den Ton dieser Antikritik lässt sich 
vielleicht ein Schluss ziehen aus dem Aufsatz von Rühs »lieber Herrn C. W. Grimms 
Isländische Sprachkenn tnissc in Idunna und Hermode 1813 , Anzeiger Nr. 10 
(12. Juni 1813), welcher nicht grob, sondern pöbelhaft ist. 

3 Leipziger Literatur-Zeitung 1812, Nr. 287 und 288 (17, und 18. Nov.). 

4 1812, Nr. 231 (17. Sept.). 

5 Bei Nyerup und Kraft finde ich nichts angeführt, was sich mit Sicherheit 
mit den beiden Schriften identificieren Hesse. Mir steht von Rasks und Müllers 
Werken zu wenig zu Gebot, um selbst entscheiden zu können. 

6 Das Blatt ging bis 1816 fort. 



gO Briefwechsel zwischen 

Ueber Ihren mir sehr wichtigen Hildubrand und Hathubrand 
liegt daher auch meine versprochene Anzeige nur angefangen 
noch da. Sie haben mir ein ungemein werthes Geschenk damit 
gemacht. Die noch mitgetheilten Druckfehler werde ich ebenfalls 
bemerken. 

Eine durchgehende Vergleichung des Reynaerd de Vos mit 
dem Plattteutschen war wohl nicht möglich. Bedenken Sie selbst, 
diess würde sich so ausgedehnt haben, dass der ganze Band allein 
auf diesen Gegenstand gegangen wäre. 

Die reservatio mentalis in der Vorrede betrifft Sie keines- 
wegs. ' Glauben Sie ja nicht , dass ich auch nur entfernt gegen 
Ihre Bearbeitung und Ausgabe eines handschriftlichen Reineke 
das mindeste auf dem Herzen habe. Im Gegentheile freue ich 
mich sehr darauf. Non omnia possumus omnes. Dass ich meinen 
eigenen Fund auch nach langen Jahren endlich selbst abdrucken 
Hess, damit habe ich blos eine gerechte Pflichtfoderung an mich 
selbst erfüllt. Dass die Abbreviaturen nicht sehr schwer waren, 
weiss ich wohl, doch wenn der Typograph damit zufrieden ist, 
wenn das gleichwohl Genauere und Sichere dem möglich-unsichern 
vorgezogen wird, warum wollen Sie das ohne Noth tadeln? 

Der jetzige Abdruck des Liedes von Möringer ist ohne 
Zweifel älter (und daher der Bekanntmachung werth) als der schon 
ehmals in Bragur gegebene von Herrn Präl. Schmidt.« 

Rühs handfeste Antwort oder Antikritik habe ich gelesen. 
Wenn er RecTit behielte, so passte sich das Motto darauf: 

Hvem har Rätt? — jo den som hackar 
Ögat ut p2t Träto — Brorn, 

Ich habe indessen Ihre Rec. in der Leipz, (ni fallor) und Ihres 
Herrn Bruders in den Heidelb. J.^ selbst gelesen, und beyde mit 
grossem Vergnügen. Nur schienen Sie mir in der Leipz, ihm 
noch zu viel einzuräumen, oder wenigstens sich zu weit einzulassen. 
Doch diess nur aus schon geschwächter Erinnerung. 

Von Heinze habe ich nichts gegen Sie gelesen, wenigstens 
bis jetzt nicht. Wo soll denn diese Behauptung stehen? 

Was ich zu Ihrem Unternehmen einer eigenen Zeitschrift 
sage ? Dass es mir sehr wohl gefällt, und dass ich Ihren gemein- 

1 Siehe Grimms Brief vom 9. Jan. 1813 ^Seite 57), 

2 Bragur 3 (i794), S. 402-415. 

3 Heidelbergische Jahrbücher 18 12, Nr. 61 und (>?. 



J. Grimm und Fr. D. Gräter, 6l 

schaftHchen Eifer, Ihren Forschungsgeist, Ihre Unermüdsamkeit 
und den Reichthum Ihrer Arbeiten bewundere, so wie es mir be- 
neidenswerth erscheint, in brüderlicher Gemeinschaft auf einem so 
seltenen, (und zu den Brodstudien in keinem Falle gehörigen, 
nur von dem Enthusiasmus für das Schöne und Grosse und Biedere 
der Vorzeit ergriffenen Felde fortschreiten und solche Riesenschritte 
machen zu können. 

Noch ist mir indessen von Ihren Wäldern nichts zu Gesichte 
gekommen. Ich bin sehr begierig darauf. 

Von Collision kann nicht die Rede seyn. Wenn auch beyde 
Zeitschriften gleichen Zweck hätten, es würde doch kaum in einem 
Menschenalter alles, was noch dahinten liegt, können erarbeitet 
werden. 

Auch Ihre Kinder und Hausmährchen kenne ich, wie 
achl so vieles noch nicht. Wenn Ihnen mit dem Mährchen vom 
zuckerigen Häuschen, dessen sich vermuthlich Herr v. Arnim 
erinnerte, gedient ist, steht es Ihnen allerdings zu Befehl. Nur 
bedarf es dabey meines Namens keineswegs. Zwey andere wären 
indess interessanter, wenigstens poetischer, allein der Himmel 
weiss, ob ich einmal Ruhe und Gelegenheit gewinne, sie doch durch 
Vettern und Basen aus der Vergessenheit zu retten. 

Geben Sie mir doch nähere Kunde' von Abra[ham]*sons 
Tod. Der trefliche Mann verdiente w[enigstens] * ein sta viator. 

Um Thorlac, Spec, VIIL wag' ich Sie nicht zu bitten, da ich, 
wenn gleich hier die Nothwendigkeit eintrat, meine Hefte bey der 
Hand zu behalten, gegen Sie in demselben Falle unfreundschaftlich 
habe erscheinen müssen. 

Genug für heute. Vielleicht ist schon die Post versäumt. 

• 

Hochachtungsvoll^ 

der Ihrige 

Graeter. 

* am Rand abgerissen. 



02 Briefwechsel zwischen J. Grimm und Fr. D. Gräter. 



XX. ^ 

Hall, den 28. Febr. 1813. 

iVJ einem Versprechen gemäss habe ich endlich die Ehre, Ihnen 
ein Exemplar meiner Odina und Teutona selbst zu übersenden. 
Nehmen Sie diess einstweilen als eine abschlägliche Vergütung 
für Grabei'gs Saggio istorico an. Ihre altteutschen Wälder habe 
ich noch nicht gesehen. Das Kindermährchen ist noch nicht ab- 
geschrieben. Von Idunna 1813. kenne ich erst Nr. i — 3. 

Diess in Eile. Hochachtungsvoll 

Der Ihrige 

Graeter. 

N. S. 
Meine Handschrift des Reynaerd de Vos ist noch nicht zurück- 
gekommen. Ich konnte daher die etwaigen Druckfehler Ihnen 
nicht zugleich mittheilen. Diess ein anderes Mal. 

X Es scheint nicht, dass zwischen diesem und dem vorhergehenden Brief 
einer von Grimm verioren gegangen sei. 



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